THE
UNIVERSITY OF
CHICAGO
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Sammlung
Theologischer Lehrbucher.
Lehrbuch
der
Dogmengeschichte
von
Dr. Reinhold Seeberg.
Erster Band.
Zweite, durchweg neu ausgearbeitete Auflage.
Leipzig. .
A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung Nachf,
(Georg Bohme).
1908.
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der
Dogmengeschichte,
Von
Dr. Reinhold eeberg,
Professor in Berlin.
Erster Band:
Die Anfange ties Dogmas im nachapostolischen und altkatholischen
Zeitalter.
Zweite, durchweg neu ausgearbeitete Auflage.
LEIPZIG.
A. DEI CHERT 'SCHE VERLAGSBUCHHANDLTJNG NACHF.
(GEORG BOHME).
1908.
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A
Alle Reclite vorb ehalten.
Vorwort.
Zwolf Jahre sind in das Land gegangen, seit die erste starke
Auflage dieses Werkes erschien. Das Buch war seit geraumer Zieit ver-
griffen., Vor die Aufgabe gesteEt, es neu herauszugeben, habe ich keinen
Augenblick gezweifelt, es wenigstens in: seinera ersten Teil durchweg
yollstandig neu bearbeiten zu sollen. So lege ich denn dem theologischen
Publikum ein durchaus neues Werfc vor, das mit dem alten nur
den Titel, die Einteilung und die Grundanschauung gemein hat; kauni
mehr als. etwa zwei Bogen diirften aus der alten Arbeit in die neue
iibergegangen sein. Der ITnifang- des Werkes hat sich dabei sehr er-
heblich yergrofiert. Der ia dem yorliegenden Bande behandelte Zeit-
abschnitt fullte in dem. alten Werk 157 Seiten, jetzt sind es, trotz der
yergroBerten Seite, 570 Seiten geworden !
Die erste Auflage war ursprunglich als: Lernbuch gedacht, sie war
aber dafiir zu grofi,. und als ,,Lehrbuch" zu kurz. Die Beweise waren
in ihr nieist dem ISTachdenken des Lesers an der Hand zahlreich zitierter
Stellen iiberlassen, die geschichtliche und sachliche Beurteilung war nur
angedeutet, die Auseinandersetzung mit anderea Anschauungen auf ein
Minimum reduziert, uberall war auf. die TInterstutzung durch den muiid-
lichen Vortrag gerechnet. leh habe den Plan fur die zweite Auflage
geandert, wie er ja schon in dem zweiten Bande der 1. Auflage ein
anderer geworden war. Ein. Lehrbuch wie dieses, das. nicht nur Lemen-
den, sondern auch Gelehrten dienen will, muB nicht nur den ganzen
Stoff Mar und prazis: dem Leser vorfuhren, son.dern ihin auch durch
sorgfaltig ausgewahlte, in den Text yerwebte oder unter den Text ge-
setzte Quellenstellen. in den Stand setzen, sich eine eigene Anschauung
zu bilden ; es mufi nicht nur behaupten, sondern auch beweisen, nicht
nur das eigenei Urteil zum Ausdruck bringen, sondern auch die Keuntnis
und Kritik anderer Ilrteile yermitteln. Ein Lehrbuch grofieren TJm!-
fanges darf sich auch nicht darauf beschranken, die ,,sicheren Begultate"
der Porschung zusammenzustellen, es muB auch in der Mitteilung nuer
Beobachtungen und Hypothesen nicht allzu zuriickhaltend sein. Dazu
gehort aber auch die deutliche Dkrlegung der dem Autor' eigentumlichen
theologischen Beurteilung, sofern dieselbe sich in dem Rahrnen der ge-
schichtlichen Erkenntnis halt.
IV Vorwort.
Das sind im wesentlicben die Grundsatze, nacb denen icb das neue-
"Werk gescbaffen babe. Dafi dasselbe den Anregungen und Forscbungen
der Mitarbeiter vielfach zu Dank verpfliclitet ist, soil ausdriicklicb be-
kannt werden, ebenso aber auch, dafi der Yerfasser an die Durcb-
forscbung der Quellen und die Bildung eines begriindeten Urteils iiber
die gesebicbtlicben Erscbeinungen ernste und unvoreingenommene Arbeit
gewandt bat. Sowobl wo icb mit anderen iibereinstimme, als wo icb
meine eigenen "Wege gebe, babe icb selbstandig und nacb bestem Yer-
mogen gearbeitet. Mocbten sowobl die Bestatigungen mancber communis
opinio wie die Abweicbungen von ibr sicb zur Eorderung unserer Dis-
ziplin, an ibreni bescbeidenen Teil als niitzlich erweisen.
Bei der Arbeit babe icb rnicb immer bemiibt, mir gegenwartig zu
erbalten, dafi icb sowobl eine bistoriscbe als aucb eine tbeologiscbe Auf-
gabe zu losen babe. Da icb nicbt Historiker Yon Facb bin, so bin icb
doppelt bemiibt gewesen, micb von dogmatiscben Konstruktionen, die
iibrigens aucb bei Historikern nicbt selten mitunterlaufen, frei zu balten.
Andrerseits babe icb das Ziel, ein tbeologiscbes Bucb zu scbreiben,
das an den kircblicben und tbeologiscben Interessen der Gegenwart sicb
orientiert, irn Auge zu bebalten micb bemiibt. Icb bofe, dafi beide In-
teressen sicb die "Wage balten werden, und dafi jedenfalls der ,,Dog-
matik" kein zu intimer Anteil an dieser Dogmengescbicbte eingeraumt
sein durfte. Wir Dogmatiker baben es ja vielfacb scbwerer als die
Kircbenbistoriker bei der Herstellung einer urnfassenden bistoriscben
Arbeit, da uns das ganze kircbengescbicbtlicbe Detail nicbt in dem
Umfang und in der Sicherbeit gegenwartig ist wie jenen, aber wir baben
daflir den Yorteil, von einer zusammenbangenden und erprobten Ge-
samtanscbauung des Cbristentums berzukommen , die naturgemafi den
Blick fiir das Yerstandnis religioser Probleme und fiir die Erkenntnis
ibrer Zusammenbange in der Gescbichte scbarft. Es ist bekannt, dafi
aucb dies Moment sicb fiir das Yerstandnis der Dogmengescbicbte als 1
frucbtbar erwiesen bat. Icb scbreibe das nieder, weil es fiir das Yer-
standnis der tbeologiscben Absicbt dieses Bucbes nicbt belanglos ist.
Diesem ersten Bande soil bald ein zweiter kiirzerer folgen r
der die Dogmengescbicbte der alten Kircbe zu Ende ftibren wird, der
dritte Band, der an Umfang dem vorliegenden etwa gleich kommen
wird, tritt an Stelle des bisherigen zweiten und bebandelt das Mittel-
alter und die Eeformationszeit.
Berlin "W 50, den 29. Juni 1907.
R. Seeberg,
In halt.
Einfiihrung: Begriff, Aufgabe, Methode und Geschichte der
Dogmengeschichte.
Seite
1. Begriff und Aufgabe der Dogmengeschichte . . 1
1. Begriff und Wesen des Dogmas S. 14. 2. Geschichte und ge-
schichtliche Entwicklung S. 4 8. 3. Motive und Art der dogmengesehicht-
lichen Entwicklung S. 810. 4. Die Wahrheit des Dogmas S. 1012.
2. Die Methode und die Einteilung der Dogmengeschichte 12
1. Historische Methode S. 121 2. Loci und Zentraldogmen S. 13.
3. Die Einteilung S. 1315.
3. Die dogmengeschichtliche Literatur .... 16
1. Die Anfange S. 16 f. 2. Baur, Neander S. 17 f. 3. Eliefoth, Tho-
masius S. 18f. 4. F. Nitzsch, Eitschl, Harnack, Loofs, Seeberg S. 19 f.
5. Monographien, katholische Literatur S. 20 f.
Historische Einleitung.
4. Das griechisch-romische Heidentum 21
1. Synkretisinus und Christentum S. 21 f. 2. Die Frommigkeit der Zeit
S. 23 f. 3. Die Mysterien S. 24 f. 4. Die Philosophic: Plato, Aristoteles, die
Stoa S. 2529. 5. Epiktet und Seneca S. 2934. 6. Bedeutung der stoi-
schen Popularphilosophie S. 3436. 7. Die soziale Lage S. 36. 8. Vorbe-
reitung auf das Christentum S. 3638.
5. Das Judentum 38
1. Die alttestamentliche Eeligion S. 38 f. 2. Frommigkeit S. 39 f. 3. Der
Ursprung des Judentums S. 39 f. 4. Gesetz, Messias, Eschatologie S. 4145.
5. Kosmologie, Engel, Mittelwesen S. 45 f. 6. Metaphysik S. 46 f. 7. Das
Judentum in der Fiille der Zeiten S. 471 8. Die kirchliche Organisation-
S. 4851. 9. Das alexandrinische Judentum S. 51 f. 10. Die Theologie
Philos S. 52-54. 11. Eiickblick S. 541
VI Inhalt.
Seite
6. Das Urchristentum . . 55
1. Bom und Jerusalem S. 55. 2. Jesus und das A. T. S. 55 f. 3. Jesu
Person S. 56. 4. Die Gottesherrschaft S. 57 f. 5. Der Tod Christ! S. 58 f.
6. Der neue Bund S. 59. 7. Die Heilsgiiter S. 59 f. 8. Die Gemeinde S. 60.
9. Evangelium quadraginta dierum S. 6063. 10. Christus 6 HIJQIOS S. 63 f.
11. Der Geist in der apostolischen Zeit S. 64 f. 12. Die Ttagddoais S. 6568.
13. Die Theologie des Paulus S. 68 f. 14. Drei Gedankenkreise bei Paulus
S. 69 f. 15. Theologie und Christologie S. 7072. 16. Geist und Fleisch
S. 7274. 17. Glaube und Eechtfertigung S. 7476. 18. JJie Kirelie^S i Jg.|.,
19. Vor- iind nachpaulinisches Christentuni im N. T. S. 7780. 20. Cha-
rakteristik des Johannes S. 80 f. 21. Die johanneische Kontemplation,
Johannes und Kerinth S. 81 84. 22. Der johanneische Hierarchismus S. 84 f.
23. Das Neue im Christentum S. 85 f.
Erstes Buch.
Die Herausbildung des Dogmas in der alien Kirche : die Anfange
des Dogmas im nachapostolischen und altkatholischen Zeitalter.
Erstes Kapitel.
Die Auffassung des Christentums im nachapostolischen Zeitalter.
7. Die apostolischen Vater ....... 87
1. Der GottesbegriH S. 88. 2. Gott als Wille, Herr, Vater S. 8890.
3. Die Grundprobleme der Christologie S. 90. 4. Christus als Gott und
Gottessohn S. 90 f. 5. Christus in Gott und neben Gott, Christologie des
Hermas S. 9195. 5. J ) Christus als praexistenter Geist, 2. Clem., Hennas
S. 9599. 6. Die Mensehwerdung als Annahme des Menschen Jesiis S. 99 f.,
7. als Eleischwerdung des Logos S. 100102. 8. Die Hollenfahrt und die
Auferstehung S. 102104. 9. Zusammenfassung der urchristlichen Christo-
logie, die Geburt aus der Jungfrau S. 104108. 10. Der heil. Geist S. 108
110. 11. Trinitarische Ansatze S. 110-f. 12. Christi Werk als Siinden-
yergebung, Gesetzerteilung und Heiligung S. 112f. 13. Lehre, Gesetz, Un-
sterbUchkeit S. 113116. 14. Slindenvergebung S. 116119. 15. Verhaltnis
zum N. T. S. 119. 16. Das Wort Gottes S. 1191 17. Die.Taufe, Barnabas,
Hermas,S. 120124., 18. Das Problem der zweiten BuCe, JoL, Hebr., 1. Clem;,
Hermas S. 125 129. 197 Das Bu||^ti^^. Ipt^ ^
des Abendmahls S. 130135. 21. Das Abendrnahl bei Ignatius und in der
DWche If 135 137. 22. Das Opfer S. 137 f. 23. Entwicklung des Abend-
mahlsgedankens S. 138 f. 24. Die Siinde S. 139 f. 25. Die Heilsguter S. 141.
26. Die Gerechtigkeit S. 141 143. 27. D^J^p/jJismM.Oi 3 -!,,,.^. Die
Erfullung des neuen Gesetzes Christi, ubersehiissige Werke S. 145 f. 29; Glaube,
Liebe, Hoffnung S. 147 f. 30. Das nahe Ende, zwei Typen der Eschatologie
S. 148150. 31. Das Millenium S. 150 f. 32. Judische und heidnische Ele-
mente S. 151154.
1) Versehentlich ist die Zahl doppelt verwandt.
Inhalt. VII
Seite
8. Die alten Normen der Lehre; Geist, Kanon, Lehre und
. Bekenntnis, die Kirche und das kirchliche Amt . . . 154
1. Geist und Wort S. 154 f. 2. Die Pneumatiker S. 155 157. 3. Der
Ursprung des Schriftprinzips S. 157160. 4. Die Glaubensiiberlieferung und '
das Taufbekennftiis im N. T. S. 160166. 5. Der Bestand der Uberliefe-
rung in der nachapostolischen Zeit S. 166171. 6. Das Taufbekenntnis
S. 171 f. 7. Das triadische Bekenntnis S. 172174. 8. Das romische Be-
kenntnis S. 175 f. 9. Der Ursprung des triadischen Tanf symbols S. 177179.
10. Der Inhalt des Bekenntnisses S. 179183. 11. Die Idee der katholi-
schen Kirche S. 183186. 12. Die konkrete Einheit der Kirche S. 186188.
13. Das kirchliche Amt nnd die Pnenmatiker S. 188190. 14. Der Ursprung
des kirchlichen Amtes S. 190 192, 15. Geist iind Amt S. 192-194. 16. Das . .
Kecht des Amtes S. 194196. 17. Der monarchische Episkopat S. 196198
18. Bedeutung des Kirchenamts S. 198 f.
Zweites" Kapitel.
Die Mretische Umdeutting des Evangeliums sowie die gegen
das katholische Christentum geriehteten Reformversuche.
9. Das Judenchristentum 200
1. Der Begriff ,,Judencliristentum" S. 200203. 2. Geschichtliche Be-
deutnng- S. 203205. 3. Die Psendoclementinen S. 205 f. i.'Elkesai S. 207.
5. Judencnristliche Gruppen S. 208 f. 6. Die Nazaraer S. 210 f. 7. Die Eb-
joniten S. 211 f. 8. Die Theologie der Pseudoclementinen S. 212214.
9. jTidenchristentum nnd Synkretismns S. 214.
10. Die heidenchristliche Gnosis ...... 215
1. Die Tendenz der Gnostiker S. 216218. 2. Die gnostischen Pro-
bleme S. 218 f. 3. Der Ursprung des Gnostizismus S. 220 f. 4. Simon und
Menander S. 221223. 5. Die Haretiker des N. T. S. 223228. 6.. Die
gnostische Weltanschauung S. 228 f. 7. Satornil S. 229 f. 8. Basilides S. 230 f.
9. Valentin und seine Schule S. 231235. 10. Valentins geschichtliche Stel-
lung S. 235f. 11. Die gnostischen Lehren S, 236242. 12. Gemeinden und
Mysterien S. 242246. 13. Gnostische Offeubarungen S. 246249.
11. Der Eeformversuch des Marcion . . . . . 249-
1. Marcion und die Gnosis . S. 250. 2. Marcions Lehre S. 250253.
3. Verbreitung des Marcionitismus S. 253.
v 12. Die mon.tanistische Eeformation 253
1. Zuriicktreten des Geistes S. 2541 2. Montanus S. 255. 3. Der
spatere Montanismus S. 255257. 4. Die Kirche und der Montanismus
S. 257260.
VIII Inhalt.
Seite
Drittes Kapitel.
Die Anfange der kirehlichen Theologie.
13. Die Darstellung des Christ entums durch die altkirch-
lichen Apologeten 262
1. Der ChristenhaJJ, Celsus ,,wahres Wort" S. 263-265. 2. Aristides und
das Kerygma Petri, Justin S. 265 267. 8. Das Christentum als Philosophic,
Kritik des Heidentums S. 267270. 4. Die Methoden des Beweises S. 270
272. 5. Die christlichen Lehren, Gott, die Damonen S. 272 f. 6. Der
Logos S. 273276. 7. Die Menschwerduug S. 276279. 8. Die Erlosung
S. 279 f. 9. Die Freiheit S. 280282. 10. Esoterisches, das Abendmahl
S. 282 f. 11. Die Eschatologie S. 283 f. 12. Die Bedeutung der apologeti-
schen Theologie S. 284.
14. Dogmatisierung des Kanons, der Glaubensregel und
der Kirche. Die Theologie der antignostischen Vater . . 284
1. Das Vulgarchristentum S, 285 f. 2.. Die Anfange einer positiven
Theologie S. 286288. 3. Der Geist und die neue Theologie S. 288 f.
4. Irenaus, Tertullian, Hippolyt S. 289 293. 5. Der neutestarnentl. Kanon
5. 293295. 6. Die regula veritatis S. 295299. 7. Die regula bei Dionys
v. Korinth und Irenaus S. 299302, 8/ bei Tertullian und Novatian S. 302
305, 9. bei Clemens Alex. S. 305 f. 10. Die regula als apostolische Lehre
und die bischofliche Sukzession, Bom S. 306309. 11. Die regula und die
Kirche S. 309311. 12. Die Bedeutung der regula S. 311313. 13. Gott,
Sehopfung, Logos, Trinitat S. 313316. 14. Der Mensch, die Erbsiinde
S. 316318. 15. Die Heilsgeschichte S. 318320. 16. Die Christologie des
Irenaus -S. 320325. 17. Die Erlosungslehre des Irenaus S. 325332. "
18".' Tertulliaas Logoslehre S. 332343. 19. Die christologische Differenz
zwischen Tertullian und Irenaus S. 343 f. 20. Hippolyts Christologie und
Erlosungslehre S. 344347. 21. Der Heilsstand bei Irenaus, die Eecht-
fertigung S. 347351. 22. Das Christentum Tertullians S. 351354. 23. Das
Wort Gottes S. 355. 24. Die Taufe, Wasser und Geist, die Kindertaufe
S. 355364. 25. "Die BuEe, besonders bei Tertullian S. 364-367. 26. Das
Abendmahl bei Irenaus S. 367 371. 27. Tertullians Abendmahlslehre
S. 371374. 28. Die Entstehung des altkatholischen Kirchenwesens S. 374
376. 29. Die Eschatologie bei Irenaus, Tertullian und Hippolyt S. 376382.
15. Die Theologie der alexandrinischeh Vater ... 382
1. Die Zeit der Severe, Mithrazismus, Mystizismus, Apollonius v. Tyana
S. 383 f! 2. Der Neuplatonismus S. 384386. 3. Die Lehre Plotins von
Gott, der Welt, dein Bosen und der Erlosung S. 386392. 4. Clemens und
Origenes S. 393 f. 5. Clemens liber Griechentum und Christentum, Glaube
und Gnosis S. 394397. 6. Christologie und Soteriologie des Clemens S. 398
400. 7. Siinde, Freiheit und Heilsordnuug bei Clemens S. 400403.
'8. Kirche, Taufe, BuCe und Eiicharistie bei Clemens S. 403406. 9. Origenes
.als Theologe S. 406 f. 10. Die Glaubensregel des Origenes S. 407409.
11. Die Bibelauslegung des Origenes, zwei Klassen von Christen S. 409413.
Inhalt. IX;
Seite
12. Der ottesbegriffl S. 413 ; f. 13: Die Logoslehre, aeterna generatioj
dfiooiiaios, Subordinatianismus S. 414419: 14. Der heil. Geist und die Trias
S. 419>f. 15. Die- Praexistenz der Seelen S. 420422. 16; Die Christolbgie
des Origenes- S : . 422^428. 17'. Christi Werk als Leho-e, TJberwindung des-
TeufelSj Opfer und Intercession S. 428434. 18. Das Evangelium, die Taufe,
die Bufie' und die Encharistie bei Origenes S: 434441. 19. Die Freiheit,
die Sunde, Glaube, Werke und Kechtfertigung nach Origenes S. 441447:
20. Der Kirchenbegriff des Origenes S. 447 451. 21. Eschatologie, Feg-
feuer und Auferstehung bei Origenes S. 451 455. 22. Die geschicntliche
Bedeutung. der alexandriniscnen Theologie S. 455459:
Yierte,s Eapitel.
Die einzelnen LeHren sowi'e die Gesamtauffassung des
Christentums im dritten Jahrhundert.
Das Christentum des 3. Janrhunderts S. 460462.
16. Der Monarchianismus 462
1. Zwei Gruppen S. 462 f. 2. Die dynamistischen Monarchianer S. 463
465. 3. Paul v. Samosata S. 465469. v 4. Der friihere Modalismus,
Praxeas etc. S. 469472. 5. Sabellius S. 472475. 6. Der romische Mo-
dalismus S. 475 f.
17. Die vornicanische Christologie . ..... 477
1. Modalistische Wirkungen S. 477 f. 2. Commodian, Novatian S. 478
484. 3. Arnobius, Gyprian, Lactanz S. 484 486. 4. Theognost, Gregoriiis.
Thaumaturgus S. 486 f. 5. Der Streit zwischen Dionys v. Alexandrien- und-
Dionys v. Rom S ; 487 490. 6. Methodius S. 490 492.
18, Die Fortbildung des^Ei-Mhenbeg.rilifes .... 493
1. Heiligkeitj, BuBe und Kirchenamt S. 493495. 2. Die BuBpraxis
S. 495 f. 3.. Die BuBref orm KaUists und TertuUians Widerspruch- S. 496499.
4. Oypria-ns-Stellung zur BuBfrage in EartHago S. 499501. 5. Novatians-
Schisma S. 501- 505. 6. Die Eegelung. der BuBfrage in Karth'agp und die
Fortbildung des .Kirchenbegriffes durch Cyprian, die Autoritat des Episkopats,
Episkopafe, und Einheit. der-Eirche, Petrus,. der. Streit umi die'Ketzertaufe,
romischer und karthagischer Standpunkt, die Scnrift de rebaptismate, Stephan-
und Sixtus.II S; 505 514. 7. Die romische und; die afrikanische Anschauung
von der Kirche-S. 5151
19. Die Gesamtauffassu:ng d'es Christentums . . . 516
I. Die g r le c h 1 s c h e n T h e o 1 o g e n. 1; Der Origenismus; Theognost,
Pierius, Dionys, Dionys und Nepos, Petrus Y. Alex. S. 517 521. 2. Der
griechische Biblizismus, der Kanon des Athanasius S: 521523. 3; Die
Theologie des Methodius S. 523530. II. Die abendlaoidischen
Theologen. li Der Interessenkreis, Arnobius, Cyprians Testimonien,.
Inhalt.
Seite
Laetanz, Comniodian S. 530533. 2. Abendlandiscb.es und morgenlandisches
Christenturn. S. 534536. 3. Der Gottesbegriff, .die Siinde, das Erlosungswerk .
als Gesetzgebung, Opfer mid Intercession S. 536540. 4. Die Taul e S. 540
542. 5. Der Glaube, iustitia ex fide, das Verdienst,. die doppelte Moral
S. 542 545. 6. Die Bufitkeorie S. 546 548. 7. Das Abendmahl, seine
Gaben, die Opferidee S.. 548 554. 8. Die Eschatologie bei Cyprian, Laetanz,
Commodian S. 554558. :
20. Biickblick ..... ..... .559
. 1. Das Urchristentum : Geist und Tradition, Synkretismus, . die Motive
der Entwicklung der Lehre S. 559564. 2. Einwirkung des Kirchenge-
dankens auf die Dogmenentwicklung S. 565 f. 3. Die Entstehung der theo-
logischen Gruppen S. 566568. 4. Verhaltnis der hellenischen und jiidi-
schen Einfliisse zu dem Charakter des Cliristentums als Erlb'sungsreligion
S. 568-570.
Druckfekler.
S. 32 'Anm. 1 lies
S. 91 Anm. 4
S. 91' Anm. 5
S. 108 Z. 15 von oben
S. 147 Anm. 2 Z. 1
S. 160 Anm. 1 Z. 2
S. 172 Anm. 1 Z. 7
S. 216 Z. 15 von oben
S.. 286 Z. 4 von unten .
S. 344 Z. 10 von oben
S: 349 Anm. 2 Z. 3
S. 356 Anm. 1 Z. 3
S. 366 Anm. 1 Z. 1
S. 368 Z. 4 von unten .,
S. 416 Anm.-l Z. 3
S. 417 Z. 14 von oben
S. 418 Z. 24 von oben
S. 424 Z. 8 von oben
S. 439 Z. 11 von oben
S. 446 Anm. 1 Z. 4
S/448 Z. 4 von oben
S. 467 Z. 18 von unten
S.. 470 Z 17 von oben
S.484Z. 16 u. 12 v. unten
S. 496 Z. 13 von oben
S. 508 Z. 1 von oben '
S. 554 Anm. 1 Z. 8
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Hippolytes.
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v. d. Golz.
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Einfuhrung: Begriff, Aufgabe, Methode und Gesehiehte der
Dogmengesehiehte.
1. Begriff und Axifgabe der Dogmengeschichte.
Th. Kliefoth, Einleitung in die DG. 1839. G. Kriiger, Was heiBt und
.zu welchem Ende studiert man Dogmengeschichte ? 1895. G. L a s s o n , Zur
Theorie des Dogmas 1897. C. Stange. Das Dogma und seine Beurteilung in
der neueren Dogmengesch. 1898. P. Sabatier, Eeligionsphilosophie, deutsch
yon A. Baur 1898. P. Lob stein, Einleitnng in die ev. Dogmatik 1897, S. 25 ff.
G. Frommel, Introduction a 1'histoire des dogmes Dole 1895. E. Seeberg,
Die Grundwalirbeiten d. cliristl. Eeligion, 4. Ann. 1906, S. 61 ff. F. Loofs
,PEE. IV 3 , 752 ff., wo weitere Literatur.
1. Mit dem theologisclien Aitsdruck Dogma bezeichnet man einen
IdrcMichen Lehrsatz oder das ganze (refuge dieser .Lehrsatze d. i. den
kirchlichen Lehrbegriff. 3 ) Nicht alle Aufstellungen der Theologie, aber
auch nicht alle Elemente des Yolksglatibens sind Dogmen oder werden
1) Das Wort Dogma bezeicnnet urspriinglich eine Satzung oder bindende
Verfiigung. Das Wort kann dabei angewandt werden auf das politiscbe, mo,-
ralische und pbiiosophische Gebiet. In der Kircbe hat man zunacbst das Wort
in politischem (Lnk. 2, 1. Act. 17, 7) nnd moralischem Sinn (Epb. 2, 15. Kol. 2, 14.
Act. 16, 4. Did. 11, 3: to Soyfta iov svayysUov. Barnab. 1, 6; 10, 9) gebraucht.
Der spatere Sinn kniipft an die pliilosophische Sprache an, bier ist Dogma der
Lelirsatz, der Grundsatz z. B. Cicero Quaest. acad. II, 9. Marc. Aurel. Medit. II, 3;
SO dann Ignat. Magn. 13, 1 : a7tovd^sTs jSejSaico&rjvai. ev loTs Soypaai TOV XVQ'IOV
xal t&v anoamlcoii. Das Wort bezeicbnet dann weiter sowohl im Plural die Ge-
samtheit der christlichen Lebren (Tatian or. ad. Graec. 42. 12. 32. 35. Origen.
de princ. IV, 6 : tcov v.aiii, ygioiia.viapbi' acorrj^icav doypdrcov. c. Gels. Ill, 76. in
Mt. t. XII, 23) als aucb im Singular die Gesamtanscbauung einer Person (Ps.clem.
bom. 16, 3) oder die kircblicbe Gesanitlehre (z. B. Orig. c. Gels. 11,4 de princ. I,
7, 1: secundum dogma nostrum i.e. secundum ecclesiae .fidem. Vincent, corn-
monitor. 18: catholici dogmatis i. e. universalis ac vetustae fidei; 28: universale
dogma). Vgl. Miinscber, DG. S,. 1. Voigt, Fundamentaldogmatik S. 668 f.
Die spatere Zeit beziebt den Begriff S6y./.ia aiisscblieBlich auf die Lehre, sodafi
die cbristlicbe Lehre -ri&iy.bv fiegos y.al Soyfidrcav dxtjifielcu in sich fafit (Gregor.
Nyss. ep. 24. Cyrill. cat. 4, 2).
Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 1
2 1. Begriff und Aufgabe der Dogmengeschichte.
zu Dogmen. Zum Begriff des Dogmas gehort nach dem heutigen
Spracbgebraucb die formelle Anerkennung der betr. Satze durch die
organisierte Kirclie. Eine besondere. Versohnungslebre etwa, oder die Vor-
stellungen vom Teufel und den Engeln sind nicht Dogmen, wahrend die
Trinitat, die- Gottbeit Christi, die Anscbauung von den Sakramenten,
die Bestimmung des Wesens der Kircbe etc. den Oharakter des Dogmas
an sicb tragen. Dabei kann ein Gebiet in einer Konfession als Dogma
fixiert sein, das in einer anderen nicbt Dogma ist, wie z. B. die Verbal-
inspiration in der romischen Kircbe Dogma ist, wahrend das Lutbertum,
aucb in den JZeiten, da seine Theologen allgemein fur diese Hypotbese
eintraten, kein derartiges Dogma besafi. Die kircblicbe Eormulierung
eines Satzes als Dogma erfolgt in den verschiedenen Konfessionen, je
nacb den Anscbaiumgen von der Kirche und ibrein Verbaltnis zur Gre-
sellscbai't oder zum Staat, in verscbiedener Porm, 1 ) aber.diesen difEerenten
Formen ist das Merkmal gemeinsam, dafi die Kircbe die allgemeine An-
erkennung der betreffenden Satze fordert. Sie vergewissert sicb dieser
AnerkennTing seitens Hirer Lebrbeamten und sie setzt sie bei ibren iibrigen
Grliedern voraus.
Nun ist aber die kircbenrecbtlicbe Anerkennung eines Lehrsatzes
nur ein ilufieres Merkmal. Es gibt Satze, wie etwa die Yerwerfung des
Pelagianismus zu Epbesus 431, die obne praktiscbe Bedeutung fiir die
Kircbe, in dieseni Eall die griecbiscbe, gebUeben sind. TJm den Begriff
des Dogmas inbaltlicb zu erfassen, muB daber ein weiteres Merkmal
binzugefiigt werden. Die Dogmen sind Ausdruck des Gemeindegiaubens,
und eben desbalb sind sie kircbenrecbtlich fixiert worden, mag aucb bei
letzterem die Politik oft entscbeidend mitgesprocben baben (z. B. das
Cbalcedonense). Nun baben die Tbeologen die Pormulierung der Dogmen
ausgefiibrt, bzw. der Gegensatz der tbeologiscben Scbulen bat bei der
Entstebung des Dogmas mitgesprocben. Trotzclem ware es verkebrt,
das Dogma rein als Produkt der tbeologiscben Entwicklung zu definieren.
Yielmebr stebt binter dieser Entwicldung Avie aucb ibrer Eormulierung
als Dogma inimer der Glaube der Gemeinden und der Bedarf der
'Prommigkeit der Kircbe. Dies kommt dadurcb zum Ausdruck, dafi alle
Dogmen prinzipiell zuin Heil und der Erlosung in Beziebung steben.
1) Entweder hat diese Anerkennung die Art des volkstiimlichen Eechts (so
in- der vornicanischen Zeit, aber auch im Mittelalter und vielfach im popularen
BewuBtsein auch der reformatorischen Kirchen), oder die Anerkennung erfolgt-
auf Veranlassung der Kirche dnrch. die staatliche Autoritat (die griechische
Christenheit, die lutherische Kirche), oder es flndet eine kirchliche Fixierung
stattj die als solche rechtsgiiltig ist und von der weltlichen Obrigkeit nicht pro-
inulgiert, sondern nur formell anerkannt wird (die katholische Kirche, aber auch
die reformierten Kirchen).
Das Wesen ties Dogmas. 3
Sie tragen nie rein theoretischen Charakter, spndern sie stellen sich als
Ausdruck der Heilswahrheit dar.
. Dies fuhrt aber auf ein drittes Merkmal. Die Heilswahrheit ist
nach christlicher Anschauung gottliche Offenbarung, diese Offenbarung
hat aber ihren mafigebenden und grundlegenden Ausdruck in den Lehr-
gedanken der christliehen "Urzeit resp. in der Heiligen Scbrift gefunden.
Daher sind die Dogmen iminer prinzipiell Erkenntnis der Offenbarungs-
wahrheit, desbalb gehort auch zum Beweis der Wahrheit des Dogmas, der
Nachweis ibres schriftgemafien oder ihres apostobiscben Cbarakters. Diesen
Nachweis baben die Urbeber der Dogmen. zu alien Zeiten zu fubren
versucbt in dem BewuBtsein, dafi die Dogmen nur einen besonderen
Ausdruck fur die urcbristlicbe Offenbarung darstellen. Die Dogmenr.
gescbicbte mufi also diesen Nacbweis reproduzieren. Damit verbindet
sich in der dogmengeschichth'chen Darstellung die Priifung der Formu-
lierung des Dogmas daraufhin, ob sie dem vom Urcbristentum reprasen-
.tierten reinen Typus der Erlosungsreligion entspricbt oder nicht. Diese
Aufgabe ist eine geschichtHche, denn sie besteht in der kritischen An-
\vendung eines geschicbtUchen Mafistabes auf die Entwicklung der Dogmen.-
Es handelt sich also darum, dafi geschicbtlich nacbgewiesen wird, ob das
Dogma die Tendenzen der Erlosungsreligion zum Ausdruck bringt, oder
ob etwa fremdartige Elemente von anderen Religionsf orrnen, sei es der
HechtsreHgion , sei es der naturbaften Religion, in das Dogma auf-
genommen sind. Yon diesem Gesicbtspunkt aus wird etwa das Mysterien-
Avesen oder. der Legalismus der dogmengeschichtlichen Kritik unterliegen,
indem sich an diesen Fornien zeigt, dafi sie Elemente der niederen
Religionsstuf en in die Erlosungsreligion hereintragen. Mehr aufierlich
.ausgedriickt wii'd es darauf ankomxnen, ob fremdartige Momente der antiken
Religionen die Reinheit der christlichen Grundgedanken beeintrachtigt
haben. Nicht die ,.Hellenisierung", Eomanisierung oder Germanisierung
an sich korrumpieren das Christentuni, diese Eormen bezeugen. an sich
nur, dafi die christliche Religion in den betreffienden Epochen selbstandig
durchdacht und angeeignet worden und daB sie Bestandteil dei" Kultur
.der Yolker, geworden ist. Die Gefabr dieses Prozesses besteht nun aber .
idarin, dafi die betreffenden Volker - oder Zeitalter das Christentum, um
es sich verstandblcb zu machen, nicht nur f ormell ubersetzen, sondern es
materiell zu einer anderen Religionsstufe, depotenzieren. Jenes hat, die
Dogmengeschichte als ein Faktum zu konstatieren, das von einer kraftigen
geschichtblchen Entwicklung unabtrennbar ist, dies hat sie dagegen kritisch
zu beaustanden. EreiHch mufi diese Kritik aber andererseits im Aug'e
' be^a,lten, dafi die geschichtHche Entwicklung selbst mit inrierer:No-
wendigkeit in verschiedenen Zeitaltern das "Wesen des Christentums
1*
1. Begriff imd Aufgabe der Doginengeschichte.
' in verldirzter Form und in einseitiger Auspragung zu verwirklicben
vermoclit hat. Nicbts kann daber so verkebrt sein, als die Kritik der
Vergangenheit, die sich an den grofien "Wendepunkten der Geschichte
einstellt, unbesehens als historisches TJrteil auszugeben. Eine gerechte
Beurteilung des inittelalterlichen Christentums mu6 die geschichtliche
Notwendigkeit dieser Ersckeinung verstehen lehren und niclit blindlings
die polemischen Urteile der Httmanisten und der Heforinatoren nach-
sprechen.
. Das Dogma ist also eine besondere Ausdrucksform der Erkenntnis
der Gemeinde von der Heilswahrheit ; und zwar handelt es sich dabei
um solcbe Erkenntnisse, die die Gemeinde als schlechthin notwendig fiir
ihren geschichtlichen Bestand angeseben bat und darum durcb offentliche
Fixierung zu einem dauernden Faktor dieses Bestandes gemacbt bat.
So verstebt sicb sowobl der recbtlicbe als der kirchliche und der reli-
giose Cbarakter des Dogmas. 1 )
2. Das Dogma ist ein Produkt der Gescbicbte. 2 ) Der menscb-
licbe Geist stebt einer Welt von Objekten gegeniiber. Zwiscben ibm
und diesen Objekten bestebt ein an sicb seiendes Yerbiiltnis, dies Ver-
baltnis schlieBt eine grofie Anzahl von Moglicbkeiten in sicb. Das ge-
scbicbtlicbe Leben bestebt nun darin, clafi der Geist an der Welt der
Objekte sicb entwickelt oder aus diesen Moglicbkeiten eine Wirklicbkeit
bildet, er verwandelt das blofi Objektive denkend und wollend, Ideen
und Ideale bildend, in geistigen Inbalt. Die Betrachtung der Welt der
Objekte als gegebener Moglicbkeit ergibt die naturwissenschaftliche An-
scbauung, die TJntersucbung der vom Geist realisierten Wirklicbkeit ist
die Geisteswissenscbaft , die je nach der Metbode ibrer Betracbtung,
Pbilosopbie oder Gescbicbte ist. Nun kann die Gescbicbte als Wissen-
scbaft die verschiedenen Gebiete des geistigen Lebens in relativer Son-
derung voneinander betracbten. Ein besonderes Gebiet dieses Lebens
ist die Religion, und eine besondere Provinz der geschichtlichen Ent-
wicklung der Religion ist die Entwicklung der Dogmen in der oben ge-
kennzeicbneten Abgrenzung. So gut nun in der allgemeinen Gescbicbte
die politiscbe Gescbicbte mit der Kulturgescbicbte oder der Eecbts-
; gescbicbte zusammenbangt, so sebr stebt aucb die Dogniengescbicbte in
1) Zugleich ist Mer ersichtlich, daC die Bedeutung imd Geltimg des Dogmas
in der Geschichte sich abhebt von den Meinungen der Theologen, aber auch von
dem religiosen common sense.
2) Die Mer in Betracht kommende Literatur ist sehr groJB; hier seien nur
erwannt: 0. Lorenz, Die GescMchtsTvissenschaft 1886. Bernheim, Lehrbuch
der histor. Methode u. d. Geschichtsphilosophie, 3. Ann., 1903. Ed. Meyer,
Znr Theorie u. Methodik der Gesch. 1902. Grotenfelt, Die Wertscliatzung in
der Geschichte 1903.
Das Wesen der Geschichte. 5
einem inneren Zusammenbang mit den politiscben und den kulturlicben
Elementen der Kircbengeschichte. Die Trennung auf dieseni wie jenem
Gebiet hat also immer nur den Sinn ein Teilganzes aus dem Gesamt-
gebiet herauszunebmen. Dabei kann die Frage, weichem dieser Ge-
biete der Schliissel zum Yerstandnis des Ganzen zu entnehmen 1st ;
diese Frage kann fur-die BLirchengeschichte, in der das kulturgeschicht-
licne Moment in der Hegel zu kurz kommt, ebenso gestellt werden, wie
sie neuerdings fiir die Weltgeschichte aufgeworfen ist ,.. bier.auf sicb.
beruben bleiben. Jede Gescbicbtsdarstellung betracbtet die Yergangen-
beit von der Gegenwart aus, daher bat jede Gegenwart ibr eigenes Bild
von der Yergangenbeit. In den Tendenzen jeder Gegenwart resp. in
ibrer Deutung des "Weltzweckes ist der "Wertrnafistab gegeben, nach dem
sie die Yergangenbeit beurteilt. Hieraus begreift es sicb, dafi aucb die
Historiographie eine Gescbicbte bat, und dafi es soinit aucb eine Ge-
scbicbte der Dogmengescbicbte gibt. Nicbt auf der Yerbesserung der
Metbode und dem Wacbstum und der Sicherung der Materialkenntnis
berubt zuhocbst dieser "Wecbsel, sondern anf deni Wandel der religiosen
und der allgemeinen Weltanscbauung. Damit ist die ,,Yoraussetzung"
erkannt, die die Scbranken der gescbichtlicbeu Erkenntnis, aber zugleicb
ihren Sinn und "Wert bezeicbnet.
Alle Gescbicbte ervvacbst aus dein Kontakt des denkenden und
wollenden Geistes niit den ibm gegebenen Objekten der Anscbauting und
Betatigung. Hierdurcb kommt in die Gescbicbte das Element der Frei-
beit und des ,,Zufalls". Besondere Menscbengeister komrnen in Be-
ziebung zu besonderen Ereignissen, ,,fubrende Geister" ersteben und
,,epocbemacbende Tatsacben" treten ein, aber aucb diese wie jene bleiben
aus. Es bandelt sicb also in der Gescbicbte nicbt um eine ..gesetz-
mafiige", regelmafiig fortscbreitende Erfassung der Objekte, sondern es
bandelt sicb um die Arbeit freier Geister in einer Welt wecbselnder
Moglicbkeiten, die um so reicber sind als sie aucb das "Walten der freien
Geisterwelt in sicb fassen. Die religiose Betracbtungsweise erweitert
diesen Spielraum der Moglicbkeit durcb den Gedanken der gottlicben
Weltleitung, aber sie bescbrankt ibn zugleicb bierdufcb, indem sie ibm
als das absobit verwirkHcbende Prinzip den gottlicben Willen einfiigt.
Allein so ernst es dem Cbristen mit diesem Gesicbtspunkt ist, so wenig
darf er als Historiker den gottlicben "VVillen vor die Ereignisse stellen
oder diese nacb jenem ,,konstruieren" , sondern er kann ibn bei der
gescbicbtUcben Betracbtung erst nacb der Feststellung der Ereignisse
und aus dieser entnebmen. . .
1) Dieser Gegensatz veransehaulicbt zugleich den Gegensatz von Geschiclite
und Geschichtsphilosophie.
6 3. Begriff und Anfgabe cler Dogmengeschiclite.
Aber dieses Moment der Beweglicbkeit und der Ziifalligkeit wirkt
nicht selten erscbwerend auf die Betracbtung der Gescbicbte der Religion.
Man staunt etwa bei der "Wabrnebmung, wie stark rein politiscbe, und
aucb imlautere personlicbe Motive, die vis inertiae und stumpfes Partei-
wesen bei der Entstebung der Dogmen wirksam gewesen sind, 'und man
wircl durcb solcbe Beobachtungen umvillldirlicb liiit Mifitrauen gegen
die Dogmen selbst erftillt. Man kann dem entgegenbalten, da6 Gottes
Wirken sicb aucb der Bosen nnd der Stumpfen als "Werkzeuge bedient,
aber dadnrcb wird das Bedenken docb nicbt ausreicbend geboben. Dazu
bedarf es einer weiteren Erwagung. Die einzelnen Personen sowie die
Gruppen und offiziellen Instan/en, die die Dogmen berstellten, diirfen
nicbt isoliert angeseben werden. Sie sind vielmebr stets die ansfiibrenden
Organe umfassender geistiger Tendenzen, . sie scbaffen die Gestalt fiir die
dnnklen Triebe des Bedarfs der grofien Menge , sei es , dafi sie aus
Abnungen Gedanken bilden, sei es, daB sie die Konsequenz bestimnlter
Gedanken berausarbeiten oder aucb abstumpfen. Nicbt willkurlicbe' Er-
findungen stellen die Konzile und ihre Leiter auf. sondern sie pragen
das "Wort fiir die Enipfindungen und Tendenzen des Gesamtlebens ibrer
Zeit. Aber aucb dies Gesamtleben ist keine willkiuiicbe Erscbeinung,
sondern es ist bedingt durcb den gescbicbtHcben Inbalt oder die geistige
"Wirklicbkeit, die es uberkommen bat. TJnd wie jedes gescbicbtlicbe
Gesamtleben umpragend an dem gescbicbtlichen Erbe tatig ist, so wird
seine Tatigkeit selbst von der Zukunft umgebildet. Die Febler, die in
der Gescbichte gemacbt Averden, wurzeln tief in der Yergangenbeit, aber
sobald sie zum klaren Ausdruck gelangen, rufen sie die Macbte wacb,
die sie verurteilen und ersetzen. Nicbt egoistiscbe Launen und nicbt
politiscbe Velleitaten sind die Baumeister der Dogmen. sondern das
religiose Leben der Gemeinde. Wer das im Auge bebalt, wird jene
einzelnen tind zufalligen Motive, die auf die Entstebung der Dogmen
eiuwirken, nicbt iiberscbatzen gegenliber der Wucbt gescbicbtHcben Ge-
. samtlebens, das sicb dabei auswirkt. Nicbt daB ein Mann namens Ai'ius
so, und ein anderer namens Atbanasius anders dacbte, nicbt dafi.ein
Kaiser namens Konstantin ein politiscbes Interesse an der Einbeit der
Cbristenbeit besafi, bat das Nicanum bervorgebracbt, sondern all diese
Personen mit ibrer Kraft tind ibren ttberlegungen \varen in Wirldicb-
keit nur ^erkzeuge, durcb die sicb ein grofier ProzeS mit 'innerer
Notwendigkeit durcbsetzte. Gewifi ware das obne diese Etibrer nicbt
so gescbeben, wie es gescbeben ist. aber sie waren im letzten Grunde
nicbt die Herren, sondern die Diener der gescbicbtlicben Entwicklung,
sie baben die Tatsacben bervorgebracbt, aber als bervorragende Mittel,
nicbt als Erzeuger. Man kann die "Wabrbeit, die im Gedanken der
Geschichtliehe Entwicklua'g und Helelen. 7
,,Helden" liegt, niclit leichfc iiberschatzen, aber man kann . sie auch nicht
griindlicher mifiverstehen, als wenn man um ihretwillen die Gescbichte
in eine Sammlung von Heroengeschichten auflost , die alle , wie das
Marchen, beginnen mit ,,es war einmal ein Mann". Nicht die einzelnen
Manner nnd nicht die Parteien, ja nicht einmal die einzelnen Gene.-
rationen machen die Geschichte, sondern sie ist das geistige Leben der
Gesamtheit, das sich in der Wechselwirkung seiner Glieder und. in der
diese bedingenden Fortwirkung des Erwerbes der Yergangenheit in der
Gegenwart vollzieht. Das schlieBt scharfe Wendungen und eine ge-
steigerte Kraft der Entwicklung niclit aus, sondern bier greifen die
,,grofien Personlichkeiten", die guten wie die bosen, entscheidend ein,
aber iirimer so, dafi die Glieder, wenn aucb, membra praecipua an dem
sich entfalteijdeh Gesamtleben sind. Sie rufen die ,,Epochen" in der
Geschichte hervor, aber die Epoche selbst ist eine besondere Eorm in
clem geistigen EntwicklungsprozeB der Gesamtheit.
Wenu man diese Gedanken auf die Dogmengeschichte anwendet,
so lernt man sie aufzufassen als die sich entwickelnde Erkenntnis
der Christenheit von der Heilswahrheit. Nicht beblebige Spekulationen,
sondern die Healitat der Religion als Offenbarung ist das Objekt dieser
Erkenntnis und nicht der Klerus, die Theologen, die Politiker, die,Agi-
tatoren und die Yermittler. sondern die christliche Genieinde ist ihr
Subjekt. Und nicht die Tragheit der Geister, die ..reaktionaren Geliiste'/
der Politiker und die Einfliisse der Kirch enreginiente sind der Grund
des Portbestandes der Dogmen, sondern das Leben der Kirche. Man
kann sich das daran veranschaulichen. dafl die wirksame Esistenz der
Dogmen in der Kirche der Gegenwart nicht etwa zuoberst auf ihrer
kirchenrechtlichen Stellung, sondern auf den Gebeten, den Liedern. der
Liturgie und den unmittelbaren Aufierungen der Frommigkeit .beruht.
Darum konnen wir heute wohl etwa an eine ..moderne Theologie'-'. aber
nicht wohl an ein ,,neues Dogma" denken. Die Dogmen sind Grund-
erkenntnisse der Ohristenheit, darum hat sie sie. wie wir sahen, in den
Bestand ihrer konkreten Existenz eingefiigt. und eben darum wirken sie
for(? in ihrem enipirischen Leben, tiefer und starker als der oberflach-
liche Beschauer annehmen mochte. Steht. aber das Dogma als solches
in diesem inneren geschichtlichen Zusanimenhang zu dem religiosen Leben
der Gemeinde, dann mufi die Dogmengeschichte methodisch darauf acht
haben . das Dogma avis diesem Leben zu erldaren und seine Ein-
wirkungen auf dies Leben zu beobachten. Hierin ist es aber auch be-
griindet, dafi die dogmengeschichtliche Darstellung nicht ganz selten aus
ihrem eigentlichen Eahnien heraustreten wird, indem sie auch Gegen-
stancle aus der Geschichte der Theologie und der Erommigkeit in ihren
8 1. Begriff mid Aufgabe der Dogmengeschichte.
Bereicb ziebt. Eine allzustrenge Absonderung von diesen Gebieten
"wiirde das Yerstandnis der Dogmen niclit fordern, sondern nur hemmen.
3. Der EntAvicklungsprozefi der Dogmengescbicbte kann an dieseni
Ort uatiirlicb niclit genauer charakterisiert werden, da dazu das gesamte
Material ausgebreitet werden miifite. Man kann im allgemeinen sagen,
dafi die Anschauxmgen, aus clenen die Dogmen bervorgeben. in dem ,
stillen ProzeB der religiosen Ideenentwicklung, der sich im Kontakt der
spezifiscb religiosen Erfassung der Offenbarung mit der Bildung, der
"Wissenscbaft nnd den Kulturzustanden vollzieht, entsteben. . Als Parallele
kann man etwa an die Entstehung der volkstlimlichen Reclitsanschaiuing
.denken. So ist aus der alten apostoliscnen Lehrtradition in einem iiber-
aus komplizierten ProzeB jener kirchliche common sense entstanden, der
die Grundlage der Dogmenarbeit der alten Kirche bildet. Indem nun
aber Elemente dieses Gemeinglaubens eritweder zu Konsequenzen fort-
gefiihrt werden, die bestimmte Griippen der Christenneit argern. oder
aber aus solcben Gruppen Anschauungen nervorwacbsen, die wider den
Gemeinglauben verstoBen, ergibt sicli der Anlafi, fiir die betreffenden
Gedanken scliarfere, Idarere Formeln zu gewinnen, die nur mit Hilfe
der tneologischen Arbeit gepragt werden 'konnen. Man denke etwa an
den Gemeinglauben des ausgehenden Mittelalters und den reformatorischen
Gegensatz, oder an die Eorni, die der alte Subordinatianismus durcb.
Aldus erbielt, wider den danu der Gemeinglaube reagierte, tun Paradig-
men fur die angeftinrten Satze zu gewinnen. Bei cliesen* Bewegungen
kann der Ausgangspunkt sehr verscbieden sein, etwa eine liturgiscbe
Formel oder ein IdrcbHcbes Institut oder die praktiscbe Anwendung
dogrnatischer Siitze ; ebenso konkurrieren verscbiedene andere Motive,
wie .die allgemeine Kulturstufe, die etbiscnen Tendenzen, kircbenpolitiscbe
Ideen usw. So entstebt ein iiberaus bewegtes Bild und eine grofie Yiel-
gestaltigkeit der Abwicldung des gescbicbtlicben Prozesses.
Dazu kommt nun welter, daB das einmal entstandene Dogma fort-
bestebt, und dafi es geniaB der gemeingultigen Mxierung, die seine Ent-
stehung zum Abscbltifi bringt, auf das praktiscbe Leben breit einwirkt.
Daraus verstebt sicb.die iiberaus grofie Stabilitat und Tenazitat. die den
Dogmeu zu eignen pflegt. Aber dies bat nicbt eigentlicb den Sinn der
,,Starrb.eit" des Dogmas. . Yielmebr ist die Tenazitat des Dogmas viel
mebr in seiner Beweglicbkeit und Elastizitiit begriindet. Diese Ela'sti-
zitat ist aber sebr wobl verstiindlicb bei Satzen, die grofie weite Gebiete
des religiosen Lebeus umspannen und den Ertrag einer langen gescbicbt-
licben Entwicldung zum Ausdruck bringen. Bei alien Dogmen bandelt
es sicb eigentlicb um Grunclwabrbeiten der cbristlichen Erkenntnis, die
(das ganze Gebiet der Religion umfassen, an solche vermag aber auf
Motive mid Art der dogmengeschichtlichen Entwickmng. 9
lang'e hinaus das religiose Leben und Erkennen anzukniipfen. So konnen
die Dogmen jm Lauf dei* Entwicklung verflacht, veraufierlicht oder aucb.
zersetzt, aber ebenso auch vertieft und ihrer Tendenz entsprechend aus-
gebaut oder weiter erstreckt werden. Das eine kann dazu fiihren, dafi
die Dogmen zu einer aufierlichen rein reclitlichen Geltung herabgedriickt
werden, das aridere kann aus dem friiher geAvonnenen Dogma neue
selbstandige Dogmen hervonvachsen lassen, oder aber ihm doch praktisch
leitende Satze angliedern, resp. sie ans ihni herleiten. So tritt aber neben
das stabile Dogma die wechselnde Interpretation desselben. Pitr alle
diese Vorgiinge bietet die Gescbichte jedem Knndigen Beispiele. Die
Tenazitat des Dogmas spricht sicb in dieser seiner Gescbicbte aus.
Keine Kirche nat bisner ein von ibr einmal anfgestelltes Dogma auf-
gehoben. Wo dies aber gesclieljen ist ? da Avar der Anlafi zu einer
Sonderkirebe oder aber einer Sekte gegeben. Der Brucb mit dem
mittelalterlichen Dogma hat die pi'otestantisciie Kirche hervorgerufen,
oder noch. netierdings ist ans der Negation des Infallibilitatsdogmas eine
neue Kirchengemeinschaft entstanden.
Die Beobachtung der Geschichte Ia6t immer bestinimte Eegeln des
Geschehens erkennen, uncl man kann gerade in ibnen Avichtige ,,Lehren
der Gescbicbte" arierkennen. An dieser KegelmaBigkeit des Gescbebens
ist nicbts Auffalliges, Avenn man die Avesentliche Gleicbartigkeit der
Krafte und Stoffe, die die gescbicbtlicbe BeAvegung erzeugen, in acht
bebalt. Allein von ,,gescbicbtlicben Gesetzen" zu reden empfieblt sicb.
trotzdem nicbt, Aveil die RegelmaBigkeit des Gescbebens stets durcb
die Eigentiimlicbkeit der freien Geister modifiziert ist, und gerade bierin
der eigentlicbe Gegenstand der geschichtlicben Betracbtung bestebt. Man
miifite also bier das Wort ,,Gesetz" in einer TJnbestimmtbeit der Be-
cleutung verwenden, die nicht empfehlensAvert ist. Aber dem entspricat
es, dafi diese ,,Gesetze", so bald sie scbarfer gefafit AA r erden sollen, ent-
Aveder sich als Trivialitaten darstellen Avie dafi die Menscliennatui 1
immer dieselbe ist, dafi der Mensch Lust sucbt und TTnlust abAvebrt etc.
oder- aber aus spekulativen Voraussetzungen abgeleitet sind, die als
solche nicht gescbicbtUcbe Resultate darbieten. So anregend aucb fiir
den Geschichtsforscher die Geschichtspbilosophie ist man denke vor
allem an Hegels grofies Werk oder aucb den 3. Band von Lotzes Mikro-
kosmos , so Avenig darf die rein geschichtliche Aufgabe mit jener ver-
Avechselt werden. Das Gesagte gilt auch von der Dogmengeschichte.
Die Anregungen, die sie aus 'der Dogmatik empfangt, sind kaum zu
iiberschatzen, trotzdem diirfen die geschichtsphilosophischen Satze, die
etwa die Dogmatik findet, nicht einfach als Ertrag der Geschichte be-
handelt Averden. Dies unbewufite Dogmatisieren ist ja in der neueren
10 1. Begriff mid Aufgabe der Dogmengeschickte.
religions- iind dogmengeschichtlichen Literatur recht beliebt, aber irn
Interesse der wirklich geschichtlichen Erkenntnis \vird es geboten sein,
ihre Eigenart und ihre Schranken scharf im Auge zu behalten.
4. Dies fuhrt aber zu einer anderen Frage. Es handelt sich urn
die Wahrheit des Dogmas. Die katholische Kirche stellt ihre Dogmen
prinzipiell als "Wahrheit hin, sofern sie eben der Kirche entstammen.
Das TJrteil liber die Wahrheit des Dogmas ist also fur den Katholiken
ein analytisches TJrteil : sofern das Dogma ist, ist es wahr. Der Protestant
fafit dies Urteil iiber das Dogma aber als synthetisches, d. h. das Dogma
ist als wahr nur anzuerkennen, sofern es sich als wahr ausweist. Man
konnte auch sagen: wahr ist das Dogma, sofern es von dem religiosen
Glauben reproduziert werden kann. Indessen fiihrt dies schon auf das
clogmatische Urteil. Rein historisch angesehen, werden wir daher auf
den oben festgestellten Gedanken zuriickgehen miissen und sagen, die
"Wahrheit des Dogmas erweist sich daran, dafi es sich den Gedanken
der Erlosungsreligion einfiigt. Indessen mufi jetzt gefragt werden,
was denn eigentlich Yon dem Dogma in Betracht kommen soil fur diese
Beurteilung. Oder anders gesagt was ist damit gemeint, wenn
jemand sich zu einem Dogma bekennt reap, es ablehnt? Nun kann sich
ein derartiges TJrteil unmoglich atif die technisch theologische Form des
Dogmas beziehen, da diese zeitgeschichtlich bedingt ist und nur den zti-
falbigen Ausdruck, den man einem Gedanken eimnal gegeben hat, dar-
stellt. Mit Eecht sagt man daher, dafi die Zustinunu'ng zum Dogma
nicht die Zustimmung zu seiner theologischen Formulierung ausdrxicken
soil. Das, Avas das Dogma ist und soil, bezieht sich auf zweierlei, ein-
mal die Ablehnung einer bestinimten Lehre, sodann die Feststellung einer
religiosen Tendenz, die jene Lehre ausschliefit. In diesem Sinn bekennt
sich die Kirche noch heute zu deni Nicanum, sofern sie den Arianismus
ablehnt und die Gottheit Ohristi als des Erlosers behauptet. Ob jemand
die ganze komplizierte Logoslehre oder die besondere Auspragung des
Erlosungsgedankens bei- Athanasius akzeptieren kann, kommt dabei nicht
in Frage. Luther hat einmal gesagt, er hasse das 6f.wovotos, aber er
halte an der ..Sache" fest.
Verhalt es sich so. Avie wir gesehen haben, so hat die Dognien-
geschichte ihre Aufgabe noch nicht erfiillt, wenn sie die Entstehung des
Dogmas aus den theologischen und kirehenpolitischen Gegensatzen und
den logischen Zusainnienhang der betreffenden Formel klarstellt, sie muB
auch weiter den TJrsprung des Dogmas aus der Frommigkeit und seinen
religiosen Sinn oder die eigentiimliche Atispiiigung des Erlosungsgedankens
in dem Dogma nachweisen. Dies ist, wie gesagt, keine dogmatische, sondern
eine rein historische Leistung. Sie ist von grofitem praktischen Wert,
P|e Wa^irheit des Dogmas. 11
inclem sie die Elemente ^q^^u^stellt, auf deren Erkenntnis es vor allem
ankomint, wehn man d^s j)pgma beurteilen 'will. So wird das blofi
arcbiiologiscbe Interesse uberwunden durcb den umfassenden gescbicbt-
lichen Gesicbtspunkt, der dje Dogmengescbicbte als einen mafigebenden
Faden in der kirchlicben Gesamtentwicklung erfassen lebrt. In dieser Ent-
wicklung bandelt es sicb aber uni die Erfassung des Cbristentums als der
Religion der Erlosung und der Vollendung, somit mufi das namlicbe
Prinzip aucb fur die dogmengescbicbtlicbe Darstellung in Anwendung
kommen.
Nun stebt es aber nicbt so. dafi diese Entwicklung eine gradlinige ist,
sodafl Dogma an Dogma sicb konsequent anscbliefit und so allmabbicb
die ganze cbristlicbe Wabrbeit zum Ausdruck gelangt, bis sie in den
reformatoriscben Dogmen ibren ScbluBpunkt erreicbt (Tbomasius). An
dieser BetracbtungSAveise ist ricbtig, dafi wirklicb die Konsequenz der
Gedanken von einem Dogma zum ancleren und von einer "Wahrbeit zur
anderen fortdrangt. Dagegen ist aber - die freie geistige Art der Ent-
wicklung, die zufallige Gescbebnisse in sicb faBt. iin Auge zu bebalten,
sowie aucb, dafi jedes Dogma von einem bestimrnten Gesicbtspunkt ber
das ganze Cbristentum als Erlosungsreligion bescbreibt, und dafi daber
neue Dogmen nicbt nur eine blofie Erganzung der alten berstellen, sondern
zugleicb eine modifizierte, vertiefte oder ausgebreitete, verflacbte oder
konzentrierte Anscbatiung von dem ganzen Cbidstentum . Dadurcb ver-
bietet sicb jene vermeintlicb organiscbe. aber eigentlicb nur aggregierende
Anscliauung von der Dogmengeschicbte. Ebensowenig stimmt es zu der
gescbicbtlicben "Wirklichkeit, M r enn man die Dogmengescbicbte als den
Entwicklungsprozefi des antiken belleniscben Yerstandnisses der cbrist-
licben "Wabrbeit, das durcb die Reformation prinzipiell aufgeboben ist, dar-
stellt (Harnack). Einmal bat namlicb die Reformation nicbt im Prinzip das
Dogma sondern nur seine Infallibilitat aufgeboben, da das religiose
Glaubensprinzip der Reformation und die tbeoretiscbe Mxierung seines
Inbalts sicb keineswegs ausscbliefien, sodann aber bestebt das alte Dogma
aucb in den reformatoriscben Kircben fort, nicbt nur als ein rudimentarer
Annex, sondern als ein Avirksames bistoriscbes Prinzip. Es liegt also bei
Harnack eine Bescbrankung der Aufgabe der Dogmengescbicbte vor
die Gescbicbte der cbristlicben Erkenntnis auf dem Boden der antiken
Weltanschauung , die bemessen an dem Spracbgebraucb des Wortes
Dogma wie an der gescbicbtlicben Wirksamkeit des Dogmas nicbt als
berecbtigt anzusehen ist. 1 )
1) Ahnlich urteilt Loofs PBE. IV 3 , 760.
12 2. Die Methode imd die Einteilung der Dogmengeschichte.
Die Wahi'heit oder die TJnwahrheit eines Dogmas ist im Sinn der
evangelischen Anschauung also nicht a priori festzustellen, auch niclit
auf dein TJmweg, dafi man die "Wahrheit im Zusanmienhang des ge-
schichtlichen Entwicklungsganges sich verbiirgen lafit, wobei dann das
Mittelalter so wie so einen Strieh durch die Reclaming macht, oder dafi
man die Berechtigung des Dogmas in der Gegeriwart durch das Prinzip
des Protestantismus annulliert werden lafit. Yielniehr ist die "Wahrheit
resp. TJnwahrheit der steten Priifung der religiosen und geschichtlichen
Erkenntnis unterstellt. Nun kann dies aber nicht den Sinn habeu, als
wenn die wechselnde Erkenntnis an sich schon das Dogma aufhobe.
Das wiirde nur dann geschehen konnen, wenn die organisierte Kirchen-
gemeinschaft dui'ch irgend eine niaBgebende Erldarung das alte Dogma
aufhobe xincl es durch ein neties ersetzte, wie es die Reformation getan
.hat. Solange dagegen die Kirche als organisierte Kechtsgemeinschaft
an ihrem geworclenen geschichtlichen Bestand festhalt, besteht auch das
zu diesem Bestand gehorende Dogma in ihr zu Recht. Die evangelische
Kirche spricht sich das Eecht fortdatiernder Reformation auch in bezug
auf das Dogma zu, aber das heifit nicht, ^dafi die Ansichteu einzelner
Theologen, Schulen oder Parteien in ihr offentliche Geltung beanspruchen
konnen. .Es handelt sich urn geschichtliches Recht. das zwar gemafi
den geschichtlichen Verfassungsformen fortgebildet iind umgebildet werden
kann, das aber nicht durch Yelleitaten einzelner Personen und Gruppen
aufgehoben wird. Hierin ist es aber auch begrimdet, dafi die Dogmen-
geschichte die Entstehung und den Sinn der gewordenen Dognien dar-
legt, nicht aber die G-eschichte der Kritik oder der TJmdeutungen, die
die Theologie an ihnen weiter vorgenommen hat, verfolgt, es sei cleun,
dafi diese zu neuen Dogmen gefiihrt haben.
2. Die Methode und die Einteilung der Dogmengeschichte.
1. Das Allgemeine liber die dogmengeschichtliche Methode ist in
dem vorigen Paragraphen angedeutet worden. Spezielle methodologische
Erorterungen konnen erst bei der TJntersuchung der einzelnen Dognien
auschaulich und eindriickHch angestellt werden. Die Allgemeinheit der
Gresichtspunkte, auf die eine Einleitung angewiesen ist, lafit es nicht als
ratsam erscheinen, eine etwas ausfiihrlichere Methodologie zu entvverfen.
Man -wtirde dabei kaum dariiber hinauskommen, was dem in geschicht-
licher Arbeit gelibten Leser als selbstverstandlich erschiene, dem TJnge-
tibten aber doch nicht verstandlich wiirde. Es mag daher an einigen
kurzen Bemerkungen genug sein.
Als in einer historischen Disziplin soil in der DG. die historische
Methode und Einteilung. 13
Methode in ' strenge Anwendting kommen - 1 ) Wie es wirklicli gewesen
und geworden, ist auf -Grand der kritisch erforschten Quellen 2 ) zu er-
zahlen. Dieser Aufgabe geniigt man aber nicht durch Aneinanderreihung
von Tatsaclien das ist uberhaupt niclit Geschichte , sondern indena
man die treibenden Krafte in ihrem Entstehen und ihrer "Wirkung so-
wie das Ineinanderwirken der verschiedenen Krafte aufzeigt. Nur so
wird man dem. gerecht, wie es wirklich gewesen. Dabei ist vorauszu-
setzen die allgemeine 'Kenntnis der Religionsgeschichte , der Kirchen-
geschicbte, der GescMchte der Philo'sophie sowie die tlbxing und Ge-
wolinung in der Mstorischen Kritik und Objektivitat.
2. Hierdurch ist bereits ausgeschlossen die frixlier iiblicne Teilung
der DG. in eine allgemeine und spezielle DG., sowie die Einteilung der
letztereu nacb. den zurzeit iiblicben Loci der Dogmatik (so noch Baur,
Hagenbach), denn es ist deutlicb, daB diese Bebandlungsweise nicnt
Mstoriscb ist. Die einzelnen Zeitalter der Geschichte baben namlicb
nicbt alle einzelnen Loci nacbeinander durcbgearbeitet. sondern sie baben
ibr Interesse an einen besonderen treibenden Grundgedanken oder einen
besonderen Gesicbtspunkt gewandt und baben von bier aus und bierin
das Ganze des Cbristentunis verstanden, damit neue Erkenntnis scbaffend
und die alte vertiefend oder umbildend. Darnacb bat sicb die Dar-
stellung zu ricbten. Neben das ,,Zentraldogma" tritt nicbt eigentUcb
das ,,Peripberiscbe" (Tbomasius), sondern die von jeneni abbangige und
in ibm beschlossene Gesamtanscbauung vom Obristentum.
3. Die Dogmengescbicbte scbeint einsetzen zu sollen bei dem ersten
Dogma im strengen Sinn, d. i. dem Nicanum. Da nun aber die nica-
niscbe wie die spatere Dogmenbildung auf dem religio'sen Verstandnis
und der gemeinsamen Anscbauung (vgl. oben S. 6) der altkatboHschen
Zeit ruben,. so bat die DG. zu beginnen mit dem nacbapostoliscben
Zeitalter. Sie scbliefit mit den letzten Dogmen, die von den Kircben
prodnziert worden sind, d. b. mit dem 2. Konzil von Nicaa (787),
mit dem vatikaniscben Konzil (1870), mit der Konkordien-
formel (1580) und der Synode zu Dortrecbt (1619). 3 ) Dafi diese
1) Vor dem polemlschen, kirchenpolitisclien und dogmatischen Dilettieren
in der DG. kann nicht genttgend g-ewarnt werden.
2) Quellen der DG. sind aufier den Tbeziiglichen Beschliissen, Dekreten,
Bullen, Bekenntnissen, die Akten liber die Verhandlungen, welchen jene ent-
stammen, ferner die Schriften der positiv oder negativ, direkt oder indirekt bei
der Entstelmng des Dogmas beteiligten Theologen; aber auch die Zengnisse fur
.den Genieindeglauben in Predigten, Liedern, Liturgien etc., sowie die kirchen-
rechtliche Literatur kommen in Betracht.
. .3) So.Hauck (Schmid DG 4 ); Se.eberg (Thomas. IP), Loofs.
14 2. Die Methode und die Einteilung der Dogniengeschichte.
Feststellungen allesamt den Charakter von Dogmen haben, kann nicht
gelexignet werden. "Wie es aber darnach unberechtigt ist (s. oben) das
lutherische Bekenntnis zum. Zielpunkt zu machen (Thomasius), so ist es
ebenso unrichtig, die DG. vor der Reformation schliefien zu lassen,' den
Aveiteren StofE der Symbolik zuweisend, oder die DG. in eine Darstellung
des EiOmanismus. Sociriianisnius und eine allgemeine Gharakteristik des
Christentums Luthers auslaufen zu lassen, und zvvar letzteres auf Grund
der Erwagung, ,,daB die vollig konservative Stellung der Reformation
zum alten Dogma nicht dem Prinzipe angehort, sondern der
Geschichte" (Harnack DG. m, 584). Allein diese Distinktion *)
kommt fiir tins dem klaren Tatbestand gegeniiber nicht zur Geltung
(vgl. oben S. 11). Der Socinianisnms gehort aber iiberhaupt nicht in
die DGr., sondern in die Geschichte der Theologie (als Auslaufer des
Hominalisnius). Es wird deshalb bei der obigen Betrachtung sein
Bewenden haben. Es kann aber die DGr. auch [nicht noch weiter auf
alle kirchlichen und theologischen Stromungen his zur Gegenwart aus-
gedehnt Averden (z. B. Baur, Hagenbach), da diese Bewegungen eben
noch nicht zu ,,Dogmen" gefuhrt haben, wie A\dr sahen (S. 1 f.). 2 )
1) Vgl. S. 585: ,,Bis zur Konkordienformel und den Dortrechter Beschliissen
die Geschichtserzahlung ausfithrlich zu geben, dann aber abzubrechen, halte ich
fiir einen schAvereii Fehler, Aveil durch dieses Verfahren nur das Vornrteil be-
starkt Avird, als seien die dogmatischen Bildungen der Keformationskircheu im
16. Jahrh. ihre klassische Ausgestaltung, AA'ahrend sie doch nur als Durchgangs-
punkte betrachtet AA r erden diirfen." Diese Begriindung beruht auf einem dog-
matischen, nicht einem gescMchtlichen Urteil.
2) Diesern AbschluB der DG. liat nenerdiiigs besonders energisch G. Krttger
widersprochen in der oben angefiihrten Schrift, vgl. auch C. Stange a. a. 0.
Allein 1) dem praktisclien Bediirfnis nach Kenntnis der Geschichte der neueren
Theologie entsprechen die Vorlesungen iiber diese wie auch in der Eegel die iiber
Dogmatik. 2) Man konnte die Geschichte der neueren Theologie geAA'ifi entAveder
als Epilog zur DG. oder auch als Prolog zur kimftigen DG. darstellen, aber in
diesem Avie in jenem Palle Aviirde man eine ga'nz andersartige Betrachtungsweise
befolgen als die in der DG. angeAvandte es ist. In jenem Pall Avurde man nicht
berichten, Avie Dogmen Avurden, sondern Avas aus Dogmen wurde, in diesem Pall
hatte man eine lurvvirkliche ungeschichtliche GroBe, das Zukunftsdogma, zum
Ziel. Daher sclieint es doch geeignet zu sein, die DG. u. die Gesch. d. Theol.
als gesonderte Disziplinen zu behandeln, da das organisierende Prinzip in beiden
ein verschiedenes ist. 3) Sagt man aber, die bisherigen Behandlungen der DG.
seien ,,katholisierend", indem sie die Kirchenlehre .als .autoritative. von der son-
stigen theologischen Lehre schiede, so ist zu erwidern, dafi diese Autoritatsstel-
lung der Kirchenlehre ja doch ein historisches Paktum.bis. aufi diese Stunde.ist,
daB also der Historiker, ganz abgeseheu von seiner personlichen Stellung zum
Dogma, diese geschichtliche Eealitat zum Gegenstand einer besonderen Darstel-
lung niaehen darf . 4) Das gegenteilige. Yerfahren, daB alle etwa aufgetretenen
Die Disposition. 15
Innerhalb dieses Hahniens bewegt sicli die Dogmengeschichte.
Parallel zur Kirchenge'schichte lassen sich dabei drei Hauptperioden
iinterscheiden : 1) Die Herausbildung des Dogmas inderalten
Kirche, wobei a) die Grundlage zu gewinnen ist durch eine Dar-
stellung der theologischen und kirchlichen Lehrenfrwicklung ini nach-
apostolischen und altkatholischen Zeitalter: b) die Entstehung der ein-
zelnen Dogmen auf dem Boden der griechischen Christenheit (Trinitat,
Christus, Bilder) im Zusammenhang init der Keligiositat zu zeichnen
ist ; dabei sind die parallel laufenden abendlandisclien Lehren zu scbil-
dern ; c) ist die Herausbildting des Dogmas auf abendlandiscliem Boden
zu erzahlen (Augustin: Kirche, Siinde, Grnade). x ) 2) DieErbaltung,
TJmbildung und Fortbildung des Dogmas in der mittel-
alter lichen Kirche: a) ankniipfend an den verblafiten Augustinis^
mus Gregors des Gr. ist die aufierliche Konservierung des Dogmas bis
zum 11. Jahrb.. (nebst tlberwindung der mitunterlaufenden Mifiverstand-
nisse) sodann b) die Verarbeitung des Dogmas durch die Scholastik nebst
den Fortbildungen (Theologie, Yersohnungslehre, Sakramente, Kirche) und
Yerbildungen (die Zersetzung des Augustinismus, Hierarchisnius) am Dogma,
welche in diese JZeit fallen, zu schiklern. 3) Die Fortbildung des
Dogmas durch die Eef orniation und die entgegengesetzte
L ehrf ixierung des Katholizismus, wobei zu handeln ist a) von
den ref orinatorischen Gedanken bei Luther und Zwingli itnd ihrer sym-
bolischen Fixierung, b) von deni Ausbau der ref orinatorischen Gedanken
saint den Lehrkampfen usw., bis zur Konkordienforniel und der Dort-
rechter Synode, c) yon der Konservierung des mittelalterlichen Dogmas
durch die romische Kirche (Trient, jansenist. Streitigkeiten usw. Kuria-
lismus und Episkopalismus, Vaticanum).
Vgl. Eitschl, tiber Begriff imd Methods der alteren DG. in Jahrbb. f.
cleutsche Theol. 1871, S. 191 ff. Seeberg, Bin Gang durch die DG. iuN. kirchl.
Ztschr. 1890, S. 761 ff.
Lehrmeinungen auf eine Linie riickt, wtirde das geschichtliclie Bild des wirk-
lichen Geschehens verzerren, ahnlich wie wenn ein Kepublikaner die Eegierung
einer Eeihe absolutistischer Konige als GescMchte eines republikanischen Eegimes
schildern wollte. 5) Dazu kommt das praktische Interesse an einer einb.eitlicb.en
Darstellung und gescbichtlichen Beurteilung der Lehren, die das kirchliche Ge-
samtleben mit BewuCtsein seinem konkreten Bestand eingefiigt hat.
1) Manehes spricht fiir Harnacks Einteilung, die Augustin zu der mittel-
alterlichen Entwicklung zieht, denn die mittelalterliche DG. ist freilich GescMchte
des Augustinismus. Aber einmal miiCte man dann eigentlich bis auf Tertullian
nnd Cyprian zuriickgehen, und dann ist doch auch. Augustin als AbschluC der
altlateinischen Lehrentwicklung zu verwerten.
16 3. Die dogmengeschiclitliclie Literatur.
3. Die dogmengesch.ich.tlieh.e Literatur.
Baur, Lelirb. tl. DG. 2. Aiifl. S. 19ff. uiid Epochen der kirchl. Gesclrichts-
schreibraig 1852. Harnack DG. I, 23 ff. Hagenbacb. DG. S. 20 ft Loofs
PRE. IV 3 753ff.
1. Weder die polemischen "Werke der alten Kirche (Iren. Tertull. Epi-
phanius, Philaster. Theodoret USAV.), noch Abalards Sic et Non, oder
Chemnitz' Examen concilii Trident, oder Job. Gerhards Confessio catho-
lica (s. schon Luthers Schriften von den Conciliis und Kircnen scnvie die
Streitschriften gegen Eck "Weimar. Ausg. H, die Erorterungen iiber
das Abendmahl z. B. Eii. Ausg. 30, 108 ff, some Melanchthons Schrift
de eccl. et de atiet. verbi div., C. H. XX1U, aucb. die Kede iiber
LiTther und die Perioden der Kirchengescli. C. B,. .XI, 786) konnen
als dogmengescbiclitlicne Darstellungen im strengeren Sinn bezeichnet
Averden. Den ersten einschlagigen Versucb. machte der Jesuit Diony-
sius Petavitis: de tbeologicis . doginatibus 4 voll. Paris 1644 ft: ;
(s. scbon des ' Melchior Can us Werk de locis tbeologicis. Salamanca 1563).
Neben ihm ist ebrenA T oll zu nennen der Scbotte Forbesius a Corse,
Instructiones historico-tbeologicae. Amsterdam 1645. Aber diese Ar-
beiten Avie aucb. die z. T. reckb ausfiibiiicben dogrnengescbicbtlicken Er-
orterungen in den System'en der Ortbodoxie des 17. Jabrli. dienten
wesentlicb polemischen Absichten. Die Reformation hatte das dogmen-
geschichtliche Interesse unter diesem Gesichtspunkt entfesselt, indem sie
zu einer Differenzierung des Urteils iiber die dogmatische Tradition an-
leitete. Der Pietismus hat diese freiere Beurteilung dann Aveitergefuhrt,
indem er den menschlichen Charakter des orthodoxen Dogmas und seine
Irrtumsfahigkeit feststellte. s. bes. Grottfried Arnolds Kircben- und
Ketzerhistorie (1699f.) und vgl. J. W. Zierolds Einleitung zur
Kirchenhistorie 1700. Als dann die beginnende Aufklarung vollends
die orthodoxen Yoraussetzungen von der "Wahrheit des Dogmas ab-
streifte. Avurde erst eine unbefangene geschichtliche Betrachtung der
Dogmen, Avie sie schon Liither in seiner Weise an einzelnen Punkten
durchgefiihrt hatte, moglich. Die Anfange hierin machten L. v. Mos-
heim (Dissertat. ad hist. eccl. pertinent. 2 Bde. 1731 ff., de rebus
christ. ante Const. 1753). Ch. "W. E. "Walch (Historic der Ketzereien
USAV. 11 Bde., 1762 ff. Gedanken von der Gresch. der Glau.bens-
lehre 1756), sodann J. S. Semler (Einleitung z. Baumgartens Glaubens-
lehre I, 1759 und zu desselben TJnters. theol. Streitigkeiten 1762 ff.),
vgl. auch G. J. Planck ,,Gesch. des prot. Lehrbegriffes" 6 Tie, 1781 ff.
Aber es mangelte an Avirklichem historischen Yerstandnis, man kam
iiber Stoffsammlungen und auffallende Einzelheiten nicht hinaus. " Nach
Anfange, Aufklarung. 17
Semler sind die TJrsachen fur die stete Yeranderung der Meinungen
,, rein subj ektiv zufalliger Art, weil es dem einen .so, dem anderen anders
gefallt. . die Yerhaltnisse bald so, bald anders sind". ] ) Yon- diesem
Standpunkt aus sind die ersten Darstellungen unserer Disziplin unter-
nommeDi -\vorden: S. G. Lange, Ausfuhrliehe Geschichte der Dogmen
oder der. Glaubenslehren d. christl.' Kirchen I, 1796. "W. Miinscher,
Handb. d. christl. DG-. 4 Bde. 1797 ff. (die 6 ersten Jahrh.), Lohrbtich
der christl. DG. 1. Aufl. 1811;. '3. Aufl. 1832 ff. (treffliche Quellen-
ausziige), vgl. noch J. Ch. W. August! (Lehrbuch d. christl. DG. 1805),
L: Bei-tholdt (1822 f.). C. &. H. Lentz (1834 f.).
Die Dogmengeschichte der Aufklartingszeit hat zwar die gesonderte
Behandlung unserer Disziplin begriindet und ein sehr reichhaltiges Ma-
terial fiir sie ziisammengebracht, aber sie ist zu einer klaren und scharfen
Pormulierung der Aufgabe nicht gekommen. Hieran war einnial der
verschwommene Begriff des Dogmas, der Dogma und Lehrmeinungen
nicht gehorig unterschied, schuld, dann aber auch die einseitige, ver-
meintlich .,vernunftig" iiberlegene, Beurteilung des Dogmas und endlich die
Unfahigkeit grofie geschichtliche Bntwicklungsreihen wahrzunehmen- und
sie geschichtlich und nicht dogmatisch zu deuten. Eigentumlieh war der
nicht selten auftretende Yersuch, das Dogma aus jiidischen und grie-
chischen Spekulationen zu erklaren und dadm'ch der .einfachen mora-
lischen Religion Jesu gegeniiber zu diski'editieren. 2 )
2. Der grofie Fortschritt der Geschichtswissenschaft iiberhaupt im an-
gehenden 19. Jahrhundert ist auch der DGr. zugute gekommen. Spe-
ziell ist dabei an die geschichtliche Denkweise YOU Herders ..Ideen" zu
denken, sowie an Schleiermachers Gesichtspunkt. dafi das Christentum ein
geistiges Gesamtleben ist, das die Menschheit allmahlich durclidringt.
An den "Werken von L. F. 0. Baumgarten-'Crusius (Lehrbuch d.
chr. DG. 1832 u. Kompend. d. chr. DG. 184046). F. K. Meier (Lehrb.
d. DG. 1840, 2. Aufl. 1854), J. G. Y. Engelhardt (DG. 1839) ist
1) S. aber L. Zscliarnack, Lessing u. Semler 1905, S. ISOff.
2) Die Idee v.on der Hellenisierung des Christentuins geht bis auf Luther
uiid Melanchthon zuriick, sie wird humanistischeu TJrsprungs sein. Gr. Ar-
-nold uiid die Pietisten hafoen sie danii wider die Orthocloxie ausgenutzt. ... Schon
1700 YerSffentlicbte der Beformierte Souverain sein Werk Le Platonisme
devoile, eine iiberaus weitverzweigte erregte Polemik hat sich hieran geschlossen.
Souverains Hauptgedanke ist, dafi .die Trinitatslehre das Produkt eines ver-
groberten Platom'smus sei, den die Gnostiker und die Kirchenvater aitfnahmen, \im
dadurch das Christentum zu erhohen. 1782 hat LSffler das Werk deutscb. be-
arbeitet. Die Anschauung begegnet uns danii sehr oft in der Aufklanmgsepoehe,
.s. z. B. Griiner , Institut. tneol. dogm.,praef. p. Xlff. Herder, Ideen zur Philos.
d. Gesch. Buch XVII, 3. Schleier.macher, Glaubenslehre I, 22, 3.
Seeberg, DogmeiigescMclite I. 2. Anfl. . 2
18 3. Die dogmengeschichtliche Literatiir.
dies lebhaftere Yerstandnis der einbeitlicben Entfaltung des cbristlicben
Geistes wabrzunebmen. Aber der. entscbeidende TJmscbwung 1st durcb
F. Cbr. Baurs grofie Arbeiten veranlafit worden, -die ibrerseits wieder
auf die Anregungen der Hegelscben Gescbicbtsanscbauung zuruckgreiferi.
Das Eigentiiinliclie dieser Anscbauung bestebt in der Aufzeigung der
Selbstentfaltung der Ideen, die mit dnnerer tfialektiscber 'Notwendigkeit
erfolgt. Der .ungebeure Fortscbritt dieser Anscbauung lag darin, daB
sie das Augenmerk auf die treibenden geistigen Motiye der : Geschiclite,
auf die Entwicklung im :groJ3en richtete, ihre Gefahr bestand darin, daB
sie dieser Entwicklung zuliebe dem einzelnen gegeniiber leicht in em
konstruktives^ Verfahren verfiel. Ereilich wirkte dem in der Dogmen-
ffeschichte der Individualisnius Neanders tind Hases. sowie die Schleier-
O '
machersche Tendenz das kirchliche Leben als den Ausgangs- -and. Ziel-
punkt der Kircliengesciiiclite zti fassen, entgegen. Im iibrigen kam die
ganze historische vStimmung der Zeit der DG. ebenso zugute wie die
in der Aufklarungszeit angebahnte und seitber metbodiscn vervollkomni-
nete Akribie der , Detailf orscbung. So 1st es gekommen . da8 die
DG. im 19. Jabi'bundert allseitig einen macbtigen Aufscbwuug ge-
nornmen bat.
Meanders Dogmengescbicbte bat nacb seinem Tode Jacobi beraus-
gegeben (1859). Neben Neander ist Hagenbacb (DG. 1850, 6. Auti.
ed. Benratb 1886) zu erwabnen. In engena Anscblufi an Hegel ist
Mar be in ekes DG. gebalten (ed. Mattbies u. Vatke 1849). "Wie etwa
gleicbzeitig Meier bat Marbeineke die TJnterscbeidung der allgememen
tind speziellen DG. aufgegeben, vor allem aber war bei ihm. wicbtig die
scbarfe Erkenntnis des Cbarakters des Dogmas als ,,6ffentlicben Lebr-
begriffs". Unter Baurs Scbriften kommen aufier der ,,Lebre yon derVer-
sobnung" (1838) vor alleni seine groBte dogmengescbicbtHcbe Leistung ,,Die
Lebre von der , Dreieinigkeit und Menscbwerdung" (3 Teile 1841 ffi.) in
Betracbt, so\vie das .,Lebrbucb derDG." (1847, 3. Aufl. 1867) und die
,,Vorlesungen i\ber die cbristl. DG." (ed. E. Baur, 3 Bde. 1865 ff.). Dei-
Sinn fiir grofie gescbicbtlicbe JEleiben, eindringendes spekulatives Yer-
standnis und ein bervorragendes Talent der DarstelMng baben diesen
Werken eine lebbafte Einwirkung auf die Entwicklung unserer Disziplin
verscbaffit.
3. TJnabbangig von Baur, aber auf -das starkste von Hegel, daneben
von dem Scbleiermacberscben Barcbenbegriff, angeregt, scbrieb Th. Klie-
fot-b seine ,,Einleitung in die DG." (1839). * Die Kircbe ist das Sub-
jekt der Dogmenbildung, diese erfolgt in der Weise einer innerlicb not>-
wendigen allmablicben Auseinanderlegung der der Kircbe eingestifteten
Wabrbeit,. so daB zuerst die.TJrsacbe des neuen Lebens in der Kircbe
Die neueren Arbeiten. 19
(Trinitat, Christologie), dann dieses -Le'ben selbst (Siinde, Gnade), dann
die Art der Verariderung (Heilsordnung), endlich die Gemeinschaftsform
des neuen Lebens (Kirche, letzte Dinge) zur Erkenntnis gelangen resp.
gelangen werden. Von EKef oth, aber auch vielfach von Baur beeinflufit
ist die DG. von G. Thoma-sius. Der Titel ,,Die christl. DG. als Ent-
wicklungsgeseh. des -kirchl. Lehrbegriffs" (2 Bde. 1874, 1876) orientiert
iiter die Eigenart des Werkes. Eine selten versagende Sorgfalt in der
Durcharbeitang des Stoffes, eine grofie Kraft den iiberreichen Stbff tmter
die mafigebenden Gesichtspunkte zu -bringen und ein feines Yerstandnis
fiir religiose 'Probleme kennzeichnet im iibrigen das Werk. Thomasius
hat definitiv init der Unterscheidnng von allgemeiner und spezieller DG.
und mit der Anordnving letzterer nach den Loci der protestantischen
Dogmatik auch Baur hat sich von beidem nicht freimachen konnen -
gebrochen. Er hat welter den Gesichtspunkt des ,,kirchlichen Lehr-
begriffs" kraftig zum organisierenden Prinzip der Stoffrauslese und Dar-
stellung gemacht, allerdings den ,,kirchlichen Lehrbegriff" ausschliefilich
auf das Luthertuni beschrankend (s. J oben S. 11). Eine 2. Aufl. des
Werkes gaben N. B o n w e t s c h xmd H. S e e b e r g heraus, ersterer den 1 .Band
mit sachkundiger Hingabe erganzend und f ortf iihrend, letzterer den 2. Band
auf weiten Strecken neugestaltend, aber auch durch Hinzufiigung .der
reformierteh und neueren katholischen DG. den Plan des ganzen Werkes
modifizierend. Die Arbeit von Thomasius bezeichnet, wenn man von
der besonderen kirchlichen Tendenz absieht, den : entscheidenden Eort-
schritt in der Methode tind in der Darstellung der DG., alle neueren
Werke sind von Thomasius mitbestimmt worden. Das gilt vor allem
von dem kurzen .,Lehrbuch der DG.", das H. Schmid schon 1860
herausgegeben hat. Die 4. Aufl. hat A. H a u c k bearbeitet und in eine
vorziigliche Sammlung von Quellenstellen verwandelt. ffier ist auch
Kahnis (die luth. Dogmatik, Bd. II: der Kirchenglaube 1864) zu er-
wahnen.
4. I\ Nitzsch hat in seinem ,,Grundrifi der DG.", Bd. I (1870)
eine gelehrte und iftersichtliche Darstellung gelief ert, die auch den Stoff
neu zu disponieren versuchte. Die letzten dogmengeschichtlichen Arbeiten
sind vielfach angeregt dui'ch ; die historischen Eonzeptionen von A. Bits c hi.
In der ,,Entstehung der a'ltkatholisehen Eirche" (2. Aufl. 1857) wies
Bitschl im Gegensatz zu Baur den wesentlich heidenchristlichen Charakter
der altkatholischen Kirche nach. Hierin folgte ihm M. v. Engelhardt
in Das Ohristentum Justfii des Martyrers" (1878). Damit bog die Ent-
wicklung zuriick zu dem in der Aufklarungszeit angebauten Gedanken
einer ,,Hellenisierung" des alten Christentums. In seiner Geschichte der
,,Lehre von der Eechtfertigung und Yersohnung" (Bd. I, 2. Aiifl. 1882,
2*
20 3. Die dogmengescMchtliche Literattir.
vgl. die Gescbicbtl. Studien iiber die Lelire von Gott in den Jahrb. f.
deutsche Theol. 1865), sowie im 1. Band der .,Geschicbte des Pietismus"
(1880) bot Kitschl eine Eulle von Anregungen zuni Verstandnis der
scbolastiscben und reformatorischen Lelire, sowie der Eortwirkungen jener
in dieser dar. Im Anschlufi an die dogmengescbicbtlicben Ideen Bitschls
ist dann A. Harnacks groBes ,.Lebrbucb der . Dogmengescbicbte "
(3 Bde., 1886 ff. 3. Aufl. 1894 ff., s. aucb ,.Grundrifi der DG.", 1889,
4. Aufl. 1906) verfafit. Yielseitigkeit der gescbicbtlicben Gesicbtspunkte,
Einheit und Energie der Eragestellung, ein lebliaftes dogmatisches Interesse
und eine fesselnde und lebendige Darstellung haben diesem "Work eine
weitgebende Einwirkung auf die neuere dogniengescbicbtb'che Arbeit ver-
scbafft. TJber den Grundgedanken und die Disposition des "Werkes ist
oben (S. 11. 14) gebandelt worden. Durcb die Lebbaftigkeit der tbeologi-
scnen Absicht erinnert das Werk nicht selten an Thoniasius. Harnack
wie Tnomasius machen das Luthertum zum Zielpunkt der DG. Nach
Tb. ist es das letzte Glied der von Anfang an geschmiedeten Kette, nacb
H. ist es das erste Glied an einer neuen Kette, durcb die die alte
auBer '"Wirkung gesetzt werden soil. Jener war der bistoriscbe Apologet
der restaurierten lutberiscben Ortbodoxie, dieser des Lutbertmns der
Hitscblscben Tbeologie. Im ganzen wie im einzelnen ist E. Loofs
,,Leitfaden zuni Studium der DG." (1889, 4. Aufl. 1906 zu einem Bande
von 1002 Seiten angewacbsen) von Harnack stark beeinfluGt, aber wie
in vielen Einzelfragen, so stebt L. aucb in der Bestimmung der Auf-
gabe der DG. zu Harnack im Gegensatz.. Loofs Werk ist ausgezeicbet
durcb gleicbmafiige Soliditat und Sicberbeit der Stoffmitteilung.
Die erste Auflage dieses Lebrbucbs (R. Seeberg, Lebrbucb d. DG.
2 Bde.) erschien 1895.98. Mebrfacb erganzt und bereicbert ist die
engliscbe Ausgabe : Text-book of tbe bistory of doctrines (2 Bde., Pbila- '
delpbia 1904); das wesentlicbe Material in knappster Zusanimenstellung
bietet der ,,Grundrifi d. DG." (1901, 2. Aufl. 1905). Endlicb
A. Dorner, Grundrifi d. DG., 1899.
Von der aufierdeutscben Literatur seien- genannt: F. Bonifas,
Histoire des dogmes de 1'eglise cbretienne, 2 Bde. 1889. Schedd,
A bistory of cbrist. doctrine, 2 Bde., 3. ed. 1883. G. P. Eiscber,
History of cbrist. doctrine 1896. M. Betbuiie-Baker, An introduction
to tbe early bistory of cbrist. doctrine to tbe time of tbe council of
Obalcedon 1903.
5. Endlicb' mag bier eine Anzabl dogmengescbicbtlicher Monograpbien
erwabnt werden, die entweder die Lebre von Mannern, die langere Ent-
wicklungsreiben bestimnit baben oder die Gescbicbte einzelner Lebren
zum Gegenstand baben. AuBer den angefiibrten Scbriften Baurs sind
4. Das griechigch-romische Heidentum. 21
besonders hervorzuheben : J. A, Dorner, Entwicklungsgesch. der Lehre
v. der Person Christi 3'Teile, 2. Aufl. 1851 ff. A. Bitschl, Die Lehre
von der Hechtf. und Versohnung, Bd. I, 2. Aufl. 1882. H. Renter,
Augustin. Studien 1887; Gesch. der Aufklarung im MA. 2 Bde. 1875 ff.
E. Seeberg, Die Theologie d. Duns Scotus 1900. J. Kostlin, Lntliers
Theol. 2. Bde. 1863 ff., 2. Aufl. 1901. Th. Harnack, Lutn. Theol.
2 Bde. 1862. 1886. G. Pli'tt, Einleitung in die Augustana 2 Bde.
18671 P. Frank, Die Theol. der OF. 4 Teile 1858ff. A. Schweizer,
Centraldogmen 2 Teile 1854.56. Eingehende Belebrung bieten auch viele
Artikel der Herzogschen Healencyklopadie (3. Aufl. von Hauck) und des
Dictionary of Christian Biography 4 Bde. 1877 ff.
Aus der katholischen Literatur seien erwahnt : H. K 1 e e ; Lehrb. .
derDG. 2 Bde. 1837 f. J. Schwane, DG. 3 Bde. 1862 ff. J.Bach,
DG. des kath. MA. v. christolog. Standp., 2 Bde. 1873 ff. Hit besonderer-
Auszeichnung verdient genannt zu werden J. Tixeront, Histoire des
dogines (I: La theologie anteniceenne) Paris 1905. Dazu die Mono-
graphien v. K. "Werner, Thomas v. Aq. 3 Bde. 1859, und die Scho-
lastik des spateren MA. 4 Bde. 1881 ff.
Historisehe Einleitung*.
4. Das griechisch-romisclie Heidentum.
W. Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaft I, 1883. E. Zeller,
Die Philosophic der Griechen in ihrer geschichtl. Entwicklung, 5 Bde., 3. Aufl.
1869ff. W. Wind elband, Gesch. d. alten Philosophic, 2. Aufl. 1894. P. Earth,
Die Stoa, 1903. Schmekel, Die Philosophie der mittleren Stoa, 1892. Bon-
hofer, Die Ethik Epiktets, 1894. 0. Pfleiderer, Die Vorbereitung des
Christentums in der antiken Philosophie, 1904. E. H a t c h , Griechentum und Christen-
tum, deutsch von Preuschen, 1892. R. E u c k e n , Die Lehensanschauungen d. grofien
Denker, 3. Ann. 1899. E. Rohde, Psyche, 2 Bde., 2. Aufl. 1898. G. Anrich,
Das antike Mysterienwesen, 1894. G. W o b b e r m i n , Religionsgeschichtl. Studien zur
Frage der Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysteriemvesen,
1896. P. Decharme, La critique des traditions religieuses chez les Grecs,
1904. L. Friedlander, Darstellungen aus der Sittengesch. Eoms III, 6. Aufl.
1890. Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonins, 2 Bde. 1874.
E. Luthardt, Die antike Ethik, 1887. C. v. Orelli, Allgem. Religionsgesch.,
1899. Ch ante pie d'e la Saiissaye, Lehrbuch der Reh'gionsgesch. IP, 481 ff.
A. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den drei ersten
Jahrh., 2. Aufl. 1905.
1. Paxilus schreibt: ,,Da die Zeit erfullet war, sandte Gott seinen
Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan" (Gal. 4, 4f.).
Die groBen Eeligionen des Altertunis hatten ihren EntwicklnngsprozeB
durchlaufen, ihre geschichtliche Mission war erfullt, aber keine von ibnen
22 4. Das griechisch-romisclie Heidentiun
Avar gestorben. Seit Alexander dem Grofien batte die grofie Ver-
scbmelzung morgenlandiscber und abendlandiscber Knltur sieb durcb-
gesetzt. Dem entspracb der religiose Synkretismus , der in dem
romiscben "Weltreicb berrscbte. Griecbiscbe und romiscbe Frommigkeit
batten^ sicb vereinigt. die Gottbeiten und religiosen Tendenzen des Orients-
Avaren mit in den synkretistiscben Prozefi bineingezogen Avorden. Die
Beligionen der Antike bestanden nirgends unverkurzt, aber. ibre Teile
batten sicb zu neuen Miscbungen zusammengefunden, dazu kam, daB die
Philosopbie imnier mebr sicb der Beligion annaberte. Sie kritisierte
das Positive in den Religionen und sie bot sicb- als Surrogat fiir die
Heligion an. aber sie deutete die reKgiosen- Yorstellungen aucb urn und
diente dadiircb zu ibrer Eonservierung. Die Pbilosophie Avar aufgeldart,
aber religios. sie kritisierte die Religionen, aber sie stiitzte die Reli-
gion. Das Cbristentum stiefi nicbt nur auf den religiosen Niedergang
in mancben gebildeten und besitzenden Kreisen, sondern aucb auf eine
gcAvaltige religiose Erbebung in breiten Massen des Volkes.
Das romiscbe Weltreich bildete eine Einheit. Es gab trotz aller
Differenzen bei den A r erscbiedenen Volkern docb eine gemeinsame reK-
gib'se Tendenz. An den Mittelpunkten des bistoriscben Werdens vor
allem in Rom Avar diese Tendenz eine Avirksame Macbt. Es Avas ein
^jeitalter der Eestauration. Augustus bat die Tendenzen seiner Restau-
rationspolitik aucb auf das religiose Leben erstreckt. Zunacbst dacbte
man dabei an die nationalen Gottbeiten und ibre Yerebrung. Aber indem
dadurcb der religiose Sinn gekraftigt Avurde, ricbtete er sicb auf alle
die religiosen Formen. die man kannte und kennen lernte. Die Eestau-
ration des Weltreicbes bat den Sjnikretisnius gela*aftigt. In den Ge-
mittern bildete sicb eine katboliscbe Erommigkeit des Synkretismus beran.
Es gab ebensoAiel Elemente der' Einbeit Avie des Auseinanderstrebens
in ibr AA r ie in den kulturellen und politiscben Elementen des "Weltreicbs.
Die Differenzen Avaren sicbtbar und die Einbeit Avar unsicbtbar, aber
sie Avar darunx nicbt minder stark.
Das Cbristentum sab sich bald nacb seinem Eintritt in die "Welt
einer "Weltreligion gegentiber. Das cbristlicbe Gottesreicb erbielt die
Aufgabe, die Erommigkeit, des beidniscben "Weltreicbes zu iiberAvinden.
Die religiose Erneuerung des Cbristentums stieS auf die kompakte Masse
einer religiosen Bestauration . Es Avar kein bloBer Niedergang der Beli-
gion. Das erscbAverte die Aufgabe des Cbristentums. .aber es er-
leicbterte sie aucb, denn die Menscbbeit begebrte nacb Beligion. Und
Aveiter Avurde durcb die Katbolizitiit des restaurierten Heidentums der
Kampf mit ibm vereinfacbt und vertieft Man batte es im letzten
Grunde mit ein em Gegner zu tun und man traf ihn bei der Yer-
Der. Synkretismus- und das 'Ghristentum. 23-
teidiguug seiner Prinzipien. Man verstand ihn daher leichter und man
wurde von ihni- leicliter verstanden. Man hat sofort um die Sachen
streiten miissen, daher hat der Streit nicht alsbald versumpfen konnen.
Es war die grofite Gefahr fiir das Christentum bei seinem Eroberungszug
durch die Welt mit offenen Armen empfangen und dadurch sofort mit in den-
synkretistischen Prozefi hineingezogen zu werden. Die Energie der re-
stauvier-ten heidnischen Religion hat diese. Gefahr uberwinden helfen. Die
Einheitlichkeit des Heidenttims hat die Einheitlichkeit des- Christentums
gefordert. Die eine katholische Religion des Weltreiches hat niit geholfen
zur Heratisbildung. der einen katholischen Wahrheit des Gottesreiches.
2. Aber welches waren ' die Elemente, die das religiose Ihteresse
der Welt damals ..da' die Zeit erfiillet war", ausmachten?
Die Elemente, die wir im folgenden' aufzahlen, konunen vor allem
in Betracht. Zuerst der antike Volksglaube mit all seinen Grotter-
geschichten und kultischeii Satzungen, mit der Ehrfurcht vor ,.alten"
Greschichten und mit der krassen iiuBerKchen Wundersucht. VetustttS
adorqnda cst (Blacrob. Satumal.. HI, 14), ..Wundergeschichten und Le-
genden'* aus alter und neuer Zeit fesseln das Interesse (Strabo cf-. Act.
14, 11 if.), Offenbarungen, Wunderzeichen, Heilungen erwartetnian wieder,
sinnlich und sichtbar soil sich das Gfottliche manifestieren; Das wurde von
den alten Gottheiten erwartet, aber auch die fremden und neuen waren
willkommen, wenn. sie brachten was man woUte (Osiiis, Isis. Mithras usw.).
Die offizielle Religion der alten Welt- tragt in der Hegel einen
politischen Charakter an sich. Die Gottheiten sind Staatsgottheiten.
Dieser Gedanke wurde auf die Spitze getrieben durch den^Kaiserkultus.
Die Kaiser sind Gottheiten: maiestas, numen, aetwmtas kommt ihnen
zu , Caligula zuerst nannte sich dovni/nus- im gottlichen Sinn. Das
romische Keich ist von Gott, daher 1st sein Leiter gottlich und ein
Crott. Das war eine Idee, die von der Geschichte geniigend Liigen ge-
straft Avurdej aber diese Idee war zugleich ein ki-aftiger Ausdruek fiir die
Welthaftigkeit und Ilnwahrheit des Gottesgedankens der Antike, gerade
sie richtete daher eine unuberwindliche Schranke zwischen der Kirche
und dem heidnischen Staat auf. Diese Idee hat Scharen von MartjTern
das Leben gekostet, aber sie ist zugleich eine gewaltige Schutzwehr fiir
das Christentum geworden. a )
1) Der Kaiserkultus behielt freilicli fiir das romische BewuBtsem etwas Freind-
artiges. Erst orientalisclie Spekulationen haben ihn der romischen Welt plaiisibel
geinacht. Insbesondere begreift sich die aufsteigende Begiinstigung, die der Mi-
tiirazismus fand, aus der Apologie, die er der Gottheit des Kaisers darbot. Die
..Glorie" der persischen Fiirsten stammte von der Sonne oder Mithras her. Diese
Glorie wurde mit der Idee der -nyy oder Fortuna kombiniert. Von der Sonne er-
24 4. Das griecliisch-romische Heidentum.
Die Religionen cler alten Welt im objektiven Sinn bestanden fort,
aber der Charakter cler Religiositat batte sicb verandert. Religios war
in der guten alten Zeit der, welcber die Satzungen des Staatskultus
ehriurehtig erfiillte und clem ,,alten Gesetz" geborcbte. Aber auch in
cler spiiteren Zeit feblte es nicht an innerer Befriedigung und Freude
bei dem altiiberlieferten Kultus. Plutarcb z. B. sagt hiervtm : .,Er-
gotzender ist kein Aufentbalt als der in den Heiligturnern, keine Zeit
als die cler Gotterfeste .... Da wo die Seele die Gottheit besonders
nahe glaubt, da am ebesten lost sie sich von Trailer, Furcbt und Gram
und iibeiiafit sicb willig der Ureude bis zur Trunkenbeit, Scberz und
Gelacbter . . . Opfermable sincl wonniger als Konigsmable".
3. Zum ofnziellen Ktdtus war seit Jabrbnnderten etwas Neues ge-
kommen. Man kann es kurz unter dem Nanien der Mysterien zusammen-
fassen. Die Mysterien baben vielfacb dem fronmien Scbwindel gedient
und sie baben die Angst des Aberglaubens bis auf das bocbste ge-
steigert. Aber sie baben zugleich in den Zeitaltern der Aufklarung imd
cler Kritik der Keligion die subjektive Religiositiit aufrecbt erhalten
belfen. Sie baben die Religion indrviclualisiert, indem sie sicb an die
einzeluen Seelen wandten. Die Seele selbst sollte etwas scbauen und
erleben, an ibr sollte sich eine Tat der Gottbeit vollziehen. Das "Wtmder-
bare sollte inneiiicb empfunden und gescbmeckt werden. Man bat
mannigfaltige Mittel zu diesem Zweck verwandt, clunkle Gange mit
wunclerbarem Licbt, dramatiscbe Darstellungen des Elysiums und des
Hades, bimniliscbe Stimmen und sinnlicbe Erscbeinungen der Gotter,
beilige Wascbungen iind beilige Speisen, asketiscbe TJbungen .und eksta-
tiscbe Exaltationen. Der Effekt war immer ein abnlicber. Der Menscb
selbst wurde gereinigt und vollendet, er selbst erlebte die Gemeinscbaft
des gottlicben Lebens, er bob sicb empor zm 1 Scbauung des Gottlicben,
ja er selbst wurde gottlicb und ein Gott, er Avar in aciernum renaius
, avaTaats, zefoTij, enomeid). Ein lebhaftes Empfinden der Uber-
scliien der Kaiser zu seiner Wilrde bestimmt, die Sonnengottheit selbst inkarnierte
sich gleichsara in ilim, eine ,,Konsubstaiitialitat" von Kaiser und Mithras konnte
so angenommen, der Kaiser . wirklich als gottlich und Gott gedacht werden
(s. Oumont, Die Mysterien des Mithra, libersetzt von Gehrich, 1903, S. 62 ff.).
In welchem Grade man schon friih ,kurz vor Christi Geburt alles ,,Heil"
an den ,,Heiland" kntipfen und die Geburt des Kaisers als ,,Geburtstag des
Gottes" mit den ,,an ihn sich kniipfenden Freudenbotschaften" (t&v St' avmv ev-
ay/dicov) feiern konnte, zeigt eine jiingst entdeckte kleinasiatische Inschrift
(vgl. Harnack, Eeden u. Anfsatze I, 301 ff.), sowie das haufige Vorkomraen der
Bhrenbezeichnungen aonrjQ, sim^ysrtjs, deos, XVQIOS auf Inschriften und in der Lite-
ratur (s. J. Wei, PEE. X 3 , 540. P.Wendland, 2coi>}<) in Ztschr. f. d. neutest.
Wiss. 1904, 341 ff.).
Mysterienfrommigkeit iffld Philosophie. 25
welt, cine heilige Lust, ein Ringen tun Reinheit, eine Angst um die.
Errettung der Seele das waren die Ergebnisse des Mysteriemvesens.
TJnd diese Stimmung liefi die Menschen trotz aller Skepsis streben
tmd fragen nach Erlosung und Errettung. Dafi die Religion den Men-
schen frei macht von der Sirmlichkeit und der Welt, dafi sie der Weg
ist zu einem ewigen Leben, das empfand man immer wieder an den
heiligen Weihen und Riten der Mysterien.
4. Mit dieser Stimniung verband sich fur die hoher gebildeten
Kreise der EinfluB der Philosophie. Die antike Philosophic tragt in
ihren niaBgebenden Vertretern den Charakter religioser Metaphysik und
im Zusanimenhang darn.it religios fundierter Ethik an sich. So loste sie
einerseits die positive Religion auf und bot sich andererseits als Ersatz
fur sie an. Sok rates trug die Philosophie vom Himmel auf die Erde
herab. Die naturphilosophischen Spekulationen der alteren Philosophie
liefi er fallen ; darauf lenkte er die Aufnierksamkeit was unserem Denken
erreichbar und unserem Zustand niitzlich ist. Seine GroBtat ist die
Entdeckung einer rein geistigen "Welt. ,,Zwei Welten sind zu unter-
scheiden, eine Welt dessen, was ist und nie wird,. die andere dessen,
was wird und nie ist, die eine Objekt der Vernunfterkenntnis (vorjaig),
die andere Gegenstand der Sinneserkenntnis (ato^ijfftg)" (Windelband).
Tim Begriffe, zuinal ethische, handelte _es sich bei ihmi Plato sah
diese irdische Welt flir das Abbild einer jenseitigen Welt der Ideen an.
Gott, ,,der Schopfer und Yater des Alls" hat nach seiner TCQOVOICC diese
Welt gestaltet. Was in ungeordneter Bewegung durcheinander drangte,
hat er zu einem. geordneten Weltsystem gestaltet. Sich selbst wollte er
die Welt ahnlich machen, daher erhielt sie die Yernunft, so wurde sie zu
einem Gott, dem einziggeborenen ([Aovoyevijg) Abbild Gottes. Mannigfach
sind die Geschopfe, obenan stehen die Gestirne, die lebendige Wesen, un-
sterbliche Gotter sind. Sie dienten zu Mittlern, als Gott die Menschenseelen
bildete und sie den Sternen zuteilte, die ihnen korperliche Elemente gaben,
durch die sie zur Erde herabgezogen wurden. So kam die praexistente
Seele, ihre rein geistige Art vergessend, aus der oberen Welt in diese irdische
sinnliche Welt . hinab, aber eine dunkle Erinnerung an jene Lichtwelt
blieb ihr. Ihre Aufgabe ist sich von dem Irdischen zu befreien. Das
geschieht durch die Anschatiung der Welt der Ideen und durch die
Reinigung und Befreiung von der Macht der Sinnlichkeit. Durch diese
auf das Gottliche und TJnsterbliche gerichteten Gedanken wird die
philosophische Seele unsterblich, .,dem Gotte ahnlich", sie erhebt sich
bis zur Ekstase. ! ) Der Tod ist der Erloser, aber die Seele bedarf auch
1) o^oiovad'ai Q'sia (Rep. X p. 613) ; VM&" Saov S' at /.lEiaay^sl
y.-vais ud'avaaias evSe'/^tai,, toviov fufi u.v jiieoos dxohTceti/- UTS Si- del
26 4. Das griechisch-romische Heidentum.
nacb der Befreiung vom Leibe der Reinigung, der Bufie und der Strafe
in einem Zwischenreich , 1 )- urn reif zu. werden fiir das ewige selige;
Leben. Platos System ist das Hobelied des Geistes : zum erstenmal
Ayird die Wirklicbkeit der geistigen Welt allseitig festgestellt, alles gebt
auf das Walten des Geistes zuriick, aucb der Menscbengeist ist gottlicb,
sicb seiner Geistigkeit bewufit zu werden durcb Anschauen der ewigen
Welt der Ideen und durcb tJberwindung der sinnlicben Reize ist Selig-
keit. Dazu koinmt die Gewiflbeit der Unsterblicbkeit : ,,wenn aber das
Sicbselbstbewegende nicbts anderes ist als die Seele, .so muB die Seele
notAvendig sowobl ungeworden als aucb unsterblicb sein". Das ist die
Stimmung dieser Bbilosopbie, sie verblindet sicb mit der Tendenz der
Mysterien. Es ist EeUgion in der Form der Pbilosopbie. Ein wunder-
barer Zauber liegt iiber diesen Gedanken kein Zeitalter kann sicb
diesem frommen Idealismus entzieben , in der ,,Fiille der Zeiten" wirkte
er wieder kraftig.
Aris to teles bat der platoniscben Ideenlebre vorgeworfen, daB
sie nur die Welt verdopple. nicbt aber die Ursacben dieser Welt auf-
zeige. das Be^vegende feble ibr (Metapb; I. 9. Ill, 2. XHI). Aber
aucb nacb ibm ist das Allgemeine, das im Begriff erkannt AA r ird, das-
Wirklicbe. aber es bestebt nicbt fiir sicb, sondern in den einzelnen
Dingen (VII. 16). Fiir seine Anscbauung ist niafigebend die Unter-
scheidung von Stoff (^'^) und Form (eidog) oder von Moglicbkeit (dvvaf.itg)
und Wirklicbkeit (evegysid). Die Form oder die-Energie bildet aus
der Materie als dem Botenziellen das Avirklicbe Sein, Avle der Baumeister
aus Stein und Holz das Haus macbt, Avie die Seele den Leib belebt
und Avirksam Averden laBt (z. B. YI. 1. VII, 8. XII, 2). So Avird die
Welt in BeAvegung gesetzt: Avirksanie Krafte stellen aus gegebenen
Moglicbkeiten Wirklicbes ber. Avobei aber alles Wirklicbe wiederum zur
Moglicbkeit fiir bobere Avirksame Krafte AA'ird. DenigemaB Avird schlieB-
licb eine erste Form und eine erste Materie angenommen (rtQ&TOV eldog,
ftQwrrj vfai). Diese absolut reine Form ist der gottliche Geist oder der
erste BeAA^eger (JTQLOTOV xtvovv), der selbst unbeAvegt ist, aber zugleicb
absolute reine AktiAritat ist. Das ist der Gott des Aristoteles, die erste
TJrsacbe und daber aucb der letzte ZAA'eck der Welt, scblecbtbin geistig
und immateriell, absolut aktives Denken. Das ,,scbauende Denken",
.,das angenebmste und beste". macbt sein ,,eAviges Leben" aus. Er be-
ro Qtlov . . . Staff syovicos etSaifiova eivat (Tim. p. 90) ; e$iav&{ievos rmv
anovSaaiidTcov xal Ttftbs tm foiii) yr/vofievos, svftovatd&ov W.ifie rovs Tiol/.ovs
(Phaeclr. p. 249 D).
1) s. Bohde, Psyche IP, 274ft
Plato ,und, Aristoteles. 2.7
wegt aber den ersten ewigen Hinimel d. h. den Fixsternhimmel die
Gestirne selbst sind geistige Wesen , und zwar so: ,,das Begehrte
und Gewufite bewegt olme bewegt zu werden" . Mit anderen "Worten :
das hochste geistige Leben als oberstes Gut setzt den. Hinimel in Be-
wegnng, wie etwas Geliebtes uns in Bewegung setzt (Metaph. XII, 7).
Aber an sich bleibt Gott der Welt absolut fern, er bewegt. . ohne daB
die Bewegung eine Aktion an der "Welt bedeutete. Die Liebe zu Gott
als der absoluten Vollkommenheit setzt die Welt in Bewegung, nicht
aber die Liebe Gottes zur "Welt. Tiber kahle Abstraktionen fuhrt dieser
Monotheismus nicht hinaus. - Sieht man von der ersten Form und der
ersten Materie ab, so befinden sich Form und Materie in stetem. Flufi
und TJbergang. ineinander. So ist fur die aristotelische Naturbetrachtung
die Welt ein unendlicher EntwicklungsprozeJB, , in dem aus deni Urgrund
der Moglichkeit durch die wirksamen Forrnen immer neue und hohere
Gestalten hervorgehen. Das Formierte selbst wird zur Materie fiii 1 die
hoheren Formen. Das hochste Gut in der aristotelischen Ethik ist
die Gliickseligkeit (evdaiftovice). Durch die praktische Tatigkeit der
Vernunft wird sie erreicht. Die Wiederholung fiihrt zum Habitus
(|tg) der Tugend. Die Tugend liegt aber im Einhalten der richtigen
Mitte (TO J.ISGOV). Aber das hochste Ziel erreicht der Mensch in dem
gottlichen Leben der -9-iOQicc (Eth. Nicom. X, 8 fin.). Die Vernunft
allein entscheidet iiber das Handeln; sie ist frei zu wahlen und zu be-
schliefien, dem folgt der Wille. Das Handeln ist frei, sofern es iiber-
legt iind beschlossen ist von der Vernunft (z. B. ib. HI. 5 fin. 7 init.).
Auch hier tritt der hellenische Intellektualismus deutlich hervor. Das
. Erkennen. die Anschauung ist alles, ihm folgt der Wille von selbst.
Die Willensfreiheit ist mit der Vernunft gegeben.
Die tiefsten Tendenzen der antiken Philosophic treten uns bei Plato
und Aristoteles entgegen. Die Welt ist ein grofies Drama, in dem ewige
Gedanken zur Entfaltung kommen. Sie zu schauen und durch diese
STtOftreia selig zu werden oder doch den Anfang der Seligkeit zu er-
leben : das ist des Lebens hochstes Ziel. Mag dann im einzelnen eine
mehr religios-asthetische Stellung zum^taglichen Leben gefordert werden
(Plato), oder eine niichternere Betonung der Lebensaufgaben (Sokrates,
Aristoteles) Platz greifen : imnier ist dies wirkliche Leben nur etwas zu
tJberwindendes , das Verstandnis seiner positiven Bedeutung fur des
Menschen Ziel' fehlt.
Aber direkt waren fur die Zeit, von der wir reden, von grofierer
Bedeutung als diese grofiten Denker der alten Welt die beiden Schulen
der Skeptiker und der Stoiker. Beide hatten gerade auf romischem
Boclen Einflufi auf das praktische Empfinden gewonnen. Die Skepsis.
28 4. Das griechisch-roniisclie Heidentum.
die deii leicht verstandlichen und alien ,,Systemen ;! gegeniiber unsc.hwer
und pikant durchzufiihrenden Gesichtspunkt der TJngewifiheit und TF.n-
sicherheit vertrat, war nicht minder in das allgemeine Bewufitsein. ein-
gedrungen, als die herbe Resignation uud die tugendstolze Reklame der
Stoiker. Man kann sich das an Oiceros philosophischen Schriften au-
schaulich machen. Nicht urn sichere theoretische Erkenntnis. sonclem
um praktische "Wahrscheinlichkeit xmd Ntitzlichkeit handelt es sicli ihm.
Das gilt von der Moral wie von der Religion. Die alten Sitten wie die
iiberkoramene b'ffentliche Religion erscheineu als niitzlich fiir den Staat,
sie sind daker aufrecht zu erhalten, privatim fincle sich jeder mit ihuen ab,
so gut er kann (vgl. de div. H. 72). Die Philosophic selbst soil das Leben
bessern, die Siinden und Eehler iiberwinden, der Tugend nachstreben
lehren, sie dient dem Wohl des Staates. 1 ) Gerade die Skepsis eines
Carneades mit ihrem realistischen Empirismus war wii'ksam zur Er-
weichung des stoischen Systems, sofern es dogmatischen Charakter an
sich trug, aber andrerseits diente sie auch zur Konzentrierung der Stba
auf die praktische Lebensansicht und bereitete mit der Mystik und den
Offenbarungen der Neuplatoniker die Wege. Aber schon in unserer Zeit
wirkte Plato wieder ein. Die mittlere Stoa s. bes. Posidonius
operierte wieder mit einem ethischen Dualisrnus und einem Jeuseits-
glauben, die auf Plato zuriickgehen. . Ein Mann wie Cicero trug mit
seinem lebhaften Unsterblichkeitsglauben er war vielleicht das einzige
personlich religiose Element in ihm doch auch ein Stuck Platouismus
in sich.
Die S t o a als theoretischeWeltanschauung weist zwei Merkniale auf, deii
Materialismus und den Pantheismus. Alles Seiende ist irgendwie materiell.
Das gilt auch von der Seele und von der Grottheit. Die Grottheit ist
das TJrwesen, aus dem. alles Seiende hervorgeht. Dies Urweseu ist aber
TCVVfJ.a, d. h. eine feine, feui'ige, atherartige Mate'rie. Es ist ganz Leben,
Vernunft und Tatigkeit. Yermoge dieser Beweglichkeit verwandelt der
Urgeist sich teilweise, wodtirch die "Welt entsteht. In ihr sind Elemente
vorhanden, die dem TJrwesen gemafi Geist sind, wahrend andere Materie
sind. Jene sind wirksam, ,diese dagegen leidend. Indem die wirkenden
1) Z. B. Cic. de nat. deor. I, 3, 7 : omnia philosopliiac praecepta refenmtur
ad vitam. Tusc. V, 2, 5: vitionim peccatorumque nostrorum omnis a philo-
sophia petenda correctio est. Ibid. Ill, 3, 6 : animi medicina. De offic. I, 4, 7 :
hanc enim perfectam philosophiam semper iudicavi, qiiae de maximis quaesti-
onibus copiose posset ornateque dicere. De div. II, 2, 7 : pliilosopliiam nobis
pro rei publicae procurationc substitutam putabamus. Das ist die Auffassimg
der Philosophic, die auch die christlichen Apologeten leitet, weun sie die christ-
liche Lehre als die hb'chste ,,Philosopliie" anpreisen.
Cicero, Der Stoizismus. 29
Geistkrafte die Materie durcbdringen, entsteben die vier Elemente. 1st
nun alles Seiende nur eine Yerwandlung des TJrgeistes, so Avird der so oft
betonte Gedanke begreiflich, daft die gottlicbe Vernunft oder der Logos
die "Welt durcbdringe, dafi die Yorsebung sie durchwalte. 1 ) Ebenso aber
ist einleu.cb.tend, dafi auf diesem Standpunkt ein absoluter Determinismus
unvermeidlich ist. Der Kausalzusammennang der "Welt ist von der Gott-
lieit als ein ewiger gesetzt. Die sl^aQ(.isvr] oder die Notwendigkeit
herrscht daber in allem. 2 ) Die menscblicbe Seele ist nun auch atbe-
riscbes Pneuma wie die Gottbeit und' daber desselben "Wesens wie diese; 3 )
die Seele ist geistig, denkend, imaufloslicb und daber unverganglicb. Ebenso
kommt der Seele aber als einem Teil der Gottbeit die Ereibeit zu. Dies
bat den Sinn, dafi sie mit innerer JZustimmung der gottlicben Bewegung
in sicb nacbgibt. Die Seele lebt fort nacb dem Tode, und zwar in dem
reinen Luftraum unter dem Monde, als beiliger Damon. Die TJnterwelt
mit ibren Scbrecken wird ebenso verworfen, \vie die Gotterlebre der
Yolksreligionen kritiscb bebandelt wird.
Und in der Tat muB man sagen, dafi die Konsequenz- des Systems
alle diese Yorstellungen ausscblofi. Nicbt minder allerdings diirfte aucb
die Unsterblicbkeit der Einzelseele im System nicbt baltbar sein. In
ilirer Annabrae ebenso wie ini etbiscben Dualismtis, der seit Posidonius
immer deutlicber bervortritt, wird man platoniscbe Einwirkungen zu er-
blicken baben. 4 ) Das System als ganzes ist ein konsequenter Pantbeismus.
in dem, im Gegensatz zu Plato und aucb Aristoteles, das Geistige als der
Materie immenant betrachtet wird. Demgemafi ist aucb die etbiscbe
Aufgabe als ein naturgemafies Leben (oftohoyovfisvwg rfj cpvoei ~Ci]v) be-
stimmt. Indem aber in dies Gedankengefiige die scbarfere Trennung
des Geistigen und des Sinnlicben bineinkam, mufite das Gottlicbe immer
mebr verselbstandigt werden und demgemaB jenes naturgemafie Leben
mit den Ziigen der Entbaltung vom Sinnlicben ausgestattet werden. Die
Lehre wurde dadurcb immer mebr praktiscb und religios.
5. So tritt sie uns bei zwei einflufireicben Pbilosopben der alteren
Kaiserzeit entgegen, bei E p i k t e t und Seneca. Bei beiden ist das
BewuBtsein von dem Walten der Gottbeit ebenso stark als die TJber-
1) Tbv e y.oafiov or/.elod'cu Kara vovv nal Ttgovoiav (Chrysipp). Els chiav
afttov fisoos difaovTos tov vov y.ad'dns^ eyf fjficov ifjs -ijiv/ffS (Posidon.), g. Diogen.
Laei-t. de vitis phil. VII, 1, 138.
2) "Eati de Bif.ia()fiVi] al-rla i&v bvrtov eljiOfisvij fj ).6yos, naff 1 '6v 6 y.6ofios
i, Diog. Laert. VII, 1, 149.
3) Ui'evf.ia ev&e^ftov elvai ii]V ywfftv, TOVTCO yao elvat rj/.ias tfimoovs xal
TOVTOV MvsTa9~ai, Diog. L. VII, 1, 157.
4) Vgl. Schmekel, Die Philos. d. mittleren Stoa, S. 4001, 449.
30 4. Pas griechiscli-romische Heidentum.
zeugung von dem "Wert des inneren Lebens der Seele. Gott ist der
Yerwalter des Weltalls, der in allem wobnt und alles bewegt. Er ist
der Hauslierr in der grofien Stadt der "Welt, seine Vorsehung waltet
itber .der Entstehting wie iiber der Entwicklung der Welt, denn er ist
ein .,guter Konig und wabrer Vater", ,,kein Menscb 'ist verwaist", ',,'alle
haben immer und fortwabrend den Yater, der fur sie sorgt" (Epiktet,
Dissert. I, 6, 40 ; 9, 7. IH, 22, 4 ; 24, 15). *) Zeus ist dieser Gott,
oder aucb das Scbicksal. Was die Seele fur unseren Leib ist, ist Gott
fur die Materie (Seneca ep. 65, 24). Geistiges Denken der Weltordnug
ist Gottes Wesen. und Werk (Epiktet, Dissert. IE, 8 in. HI, 13, 7), aber
es wird auf den Gottesbegriffl als solcben nicbt sonderliches Gewicbt
gelegt. Die Hauptsacbe ist die TJberzeugung von der Vorsebung, die
die Welt inv ganzen und das Leben des einzelnen Wesens in ihr leitet,
man nenne die Gottbeit nun Scbicksal, Yorsebung, Natur, Welt darauf
kommt es nicht an. Ipse enim est tolum quod vides, totus suis partibus
inditus et se sustinens vi sua ; est enim ex quo nata sunt omnia, cuius spirilu
vivimus (Sen. natur. quaest. IE, 45). So sebr die Worte dieser Pbilo-
sophen gelegentlicb nacb der Annabme eines personHcben Gottes klingen,
so deutlicb ist andrerseits , da6 die Gottbeit in naturalistiscb pan-
theistiscber Weise an die Welt gebunden bleibt. Aber in bober Be-
geisterung erbebt sicb die Seele zu diesem Gott. Ibn in allem zu preisen
ist die scbonste Aufgabe des Menscben. ,,Ware icb eine Nacbtigall, so
tate icb das. was die Nacbtigall tut; wenn ein Scbwan, das was der
Scbwan. Ntin aber bin icb vernunftbegabt, so mufi icb Gott lobsingen-;
das ist inein Werk, und icb verricbte es und werde diese Stelle nicbt
verlassen, so lang sie mir gegeben ist. Und aucb euch werde icb zu
:demselben Gesang auffordern" (Epikt. Dissert. I, 16 fin).
Der Yorsebung stebt der freie Menscb gegeniiber. Alles Aufiere
ist notwendig, aber im Inneren des Menscben ist Freibeit. Zeus gab
sie, aber aucb er selbst bat iiber sie nicbt Gewalt. Nicbt die iiufieren
Giiter sind daber zu erstreben und nicbt die aufieren Hemmungen zu
furcbten, die Yernunft und der freie Wille des Menscben allein sind
wertvoll (Epikt. I, 1, 12; II, 23; I, 6, 40; H, 2, 3). ,,Nicbt die Dinge
erregen die Menscben, sondern die Yprstellungen von den Dingen" (Epikt.
Encbir. 10). Der freie Geist in uns ist gottlicb und ein Teil Gottes,
er macbt uns zu Sobnen und Yerwandten der Gotter, der Leib dagegen
ist etwas Tieriscbes, das den gottlicben Geist nur fesselt (Epikt. Diss.
I, 3, 9. 14; H, 8, 11 f. ; IY, 1, 56). Ein Gott, der gastweise irn Korper
1) art otiSeig eon livd'qcaTtos oytfavos d/3.a Ttdwccov del v.al Styrextos o TTT;/(>
EOTIV o
Epiktet und Seneka. . 31
weilt, 1st der Greist (Sen. ep. 31, 9). Sacer intra nos spirilus sedet.
Quemadmodum radii soils contingunt quidcm terram, sed ibi sunt unde
miiiuniur, sic animus magnm et sacer et in hoe demissus, ut propius divina
nossemus, conservattir quidem nobiscum, sed haeret origini suae (Sen. ep.
41, 1. 5). Wie ein ,,bepaektes Eselcben" 1st dieser Leib (Epikt. IY,
1, 79), eine blofie Last. 1st er, und der Tag, der tins von ibm befreit,
1st der Gfeburtstag der Ewigkeit (Sen. ep. 102, 22ft). So ist der Greist
das Grute, die Sinnlicbkeit der iFeind, und der Tod der letzte Erloser.
Aus der gekennzeicbneten Grrundanscbauung ergibt sicb die prak-
tiscbe Beurteilung des Lebens. Die Allgemeinbeit der Siinde wird an-
erkannt und die Siinde wird zugleicb in das Innere das Menschen ver-
legt. Alle Menscben sind von Anfang an bose, der bose Greist regt
sicb. friiber in ibnen als der gute. 1 ) In ibrem. Inneren, dem verniinftigen
Willen (nQOaiQSOis) sind die Menscben bose oder gut. In der Unwisseu-
beit und Unvernunft Hegt die "Wurzel des Bosen. Sie ist es, die den
Menscben dazu bringt der Sinnlicbkeit- nacbzugeben und aufiere Griiter
und Mste. zu sucben (Epikt. Diss. I, 28 init. ; 29, 47; II, 10, 25;
in, 8, '3 f. ; 9, 2 ; IV, 10, 8). Der Anfang des Guten ist die Erkenntuis
der Scbwacbe (ib. DZ, 11 in. Sen. ep. 50, 4). Wer das Grute erfcennen
lernt, der liebt es aucb (Epikt. Diss. II, 22, 3). Er wird gut, indem
er verniinftig wird, der Yernunft geborcbt iind vernunftgemafi begebrt
(III, 12, 13; 13, 21). Um nicbts Aufierlicbes bandelt es sicb bei dieser
Bekebrung, sondern tun eine "Wandlung der Gesinnung und der Lebens-
anscbauung. Die verniinftige Betracbtung aber f iibrt zur Bericbtigung
der Yorstellungen und damit zur Eeinigung des Willens und zur Yer-
werfung der unverniinftigen, weil unbestandigen Begierde (II, 8 fin. ;
11 fin. ; 23, 40). Indem dies aber gescbiebt, wird die Yernunft, sofern
sie die tauscbenden Yorstellungen der Sinnenwelt abstreift, f abig den
W'illen der Natur zu versteben (I, 17, 20), und naturgeinafi oder ver-
niinftig zu leben (HE, 1, 25). Dazu ist der Menscb aber befabigt durcb
die angeborenen Begriffe (^ijoi)TOg evvoicc) seiner Natur, die ibn ,,das
^Glesetz der Natur und Grottes" 2 ) versteben lebren (IE, 11, 3; I, 29, 19).
Eo maiore animo ad emendationem nostri debemiis accedere, quod semel
nobis traditi boni perpdua :possessio est .... Virtus secundum naturam
est, vitia inimica et infesta sunt (Sen. ep. 50, 8). .,Das Werk des Edlen
1) Senec. ep. 50, 4: Quid nos decipimus? Non est extrinsecus malum
nostrum, intra nos est, in visceribus ipsis sedet. Et ideo difficulter ad sani-
tatem pervenimus, quia nos aegrotare nescirms. Ib. 8: Ad neminem ante
bona mens venit quain mala: omnes praeoecupati sumus. Virtutes discere est
vitia dediscere.
2) voftos fijs (pvascos "/MI tov dsov.
32 4. Das griechiscli-romisclie Heidentum.
und Gruten ist der naturgemaBe Gebrauch der Vorstellungen" (Epikt.
Diss. TIT, 3 in.). So komnvt der Mensch dazu zu wollen was Gott will
(ib. II, 17. 22), *) hat er doch ..den Wahrsager inwendig, der mir das
Wesen des Guten und Boseu gesagt hat" (II, 7 in.). 2 ) "Wer die Hermes-
rute der Vernunft braucht, dera verwandelt sich alles auch Leid und
Schaden des Lebens in Gold (HE, 20. 12). Am Inneren hangt alles:
.,Yon innen her ist Verderben wie Errettung" (IV, 9, 16). s )
Die freie TJnterwerfung des "Willens unter den gqttlichen "Willen ist das
Ziel (HI, 5, 7 ft).
Das sind die praktischen Hauptgedanken. Diese Philosophie will
den Menschen erlosen. darin liegt ihre Kraft. Sie ist nicht blind
gegen die Siinde. und es ist ihr Ernst mit der Bekehrung des Sunders.
Aber die Siinde ist Unvernunft und IJbermacht der Sinnlichkeit, in diesera
Sinn Knechtschaft. Wer tiefer grabt, erlost sich. Er braucht nur die
Krafte seiner Vernunft anzuwenden, und die Tauschungen der Sinnlich-
keit fallen ab. Die Stirnnie Gottes in seinem Geist lafit sich horen, ist
doch der Geist gottlich und nur beengt durch die Sinnlichkeit. Und
diese Stimme es ist das natiirliche oder gottliche Gesetz der Ver-
nunft lehrt den Menschen natui'- oder gottgeniafi urteilen und leben.
So \vird der Geist frei und bewegt sich fortan nur in der Sphare seiner
Freiheit. Fiir die griechische Denkweise gab es kein Freiheitsproblem
in unserem Sinne. Ist die Vernunft erst vernunftig geworden, so folgt
ihr der Wille von selbst, und die Vernunft ist vernunftig, denn sie ist
gottlich und die Wahrheit ist ihr daher angeboren. Die Aufklarung
lafit diese Wahi'heit hervortreten und der .Wille gehorcht ihr dann.
C H d^T?) Eftia^ijfirj EOfLv. dieser sokratische Satz gilt auch hier.
Aus dieser Denkweise folgt die Geringschatzung des aufieren Daseins.
Man wiegt sich ein in einen nierkwiirdigen Pessimismus der Betrachtung
des auGeren Lebens und in eine triibe Resignation: ave%ov, &ne%ov.
Die Verkommenheit vieler unter den Machtigen .der Welt bestarkte in
dieser Stimmting. Aber man entzog sich doch nicht der Einsicht in
bestimmte Konsequenzen des pantheistischen Weltbildes. Eine.groBe
Stadt, in der Gottes Vorsehung waltet, ein zusammenhangender Organismus
ist diese Welt, jeder einzelne ist ein Teil dieses Leibes, das Ganze be-
dingt seine besondere Lage und Aufgabe (Epikt. Diss. 331, 24, 10; IE,
1) &7t),cas /.iqSsv cilia 9i-).e ij & 6 &EOS -de^ei- y.al ris as y.cofoffet ; tig as
dvayzdaei; oil f.in.l'l,ov TJ top ziia. '
2} oi/x %'/co TOP fidwnv %aio tbv .etyijxora fioi ti]v ovaiav rov dya&ov y.al lov
3) "EacoS'ev yap earn, y.ai dttcuksia y.ai
Innerlichkeit und Kosmopolitismus. 33
5. 25. 26). x ) ' Das war eine andere Einheit als sie das romische Im-
periuin darstellte, und an sie schlofi sich der wichtige Gfedanke von der
einheitlichen gottlichen Organisation der Menschheit. Jeder hat in ihr
seine Stellung und seine durch das Granze oder die Gfottheit bedingten
Pflichten, wer denkt Her nicht an die paulinische Idee von dem. Leibe
der Kirche, in dem Christus waltet? Dieser Gfedanke ist verschiedener
Auslegung fahig, er kann zur Quelle triiber Resignation werden und er
kann eine ungeheure Tatkraft erregen. In unserem Zeitalter ist melir
ersteres wahr geworden. aber freilich nicht ohne daB die Pflicht posi-
tiver Betatigung in dem vom Eatuin gegebenen Zusammenhang anerkannt
worden ware. ,,Erhebe einmal den Nacken", sagt Epiktet, ,,wie ein von
der Sklaverei Losgekommener, wage es im Aufblick zu Grott zu sageri:
brauche mich hinf ort wozu immer du willst, ich bin einverstanden nut
dir, dein bin ich ; ich bitte urn Abwendung von nichts, was dir gefallt ;
fiihre wohin du willst, lege mir das Gewand an, das du willst! Willst
du, daB ich zur Regierung gehore, Privatmann sei, daB ich bleibe, ver-
bannt fliehe. arm, reich sei, ich werde dich wegen dieses alles vor den
Menschen rechtfertigen". Wer nicht Herakles oder Theseus sein kann.
der blicke auf Grott bin, ,,ihni allein ergeben und durch seine Grebote ge-
heiligt" (II, 16, 41 ff. 46). ,,Der Zinimermann kommt. nicht iind sagt:
horet mich iiber die .Zimnaerinannskunst reden, sondern er iibernimmt
einen Hausbau und fiihrt ihn aus und zeigt dadurch, daB er die Kunst
hat. Etwas derartiges tue auch du: ifi als Mensch, trink als Mensch,
schmucke dich, heirate, erzeuge Kinder, nimmt dich des offentlichen
Lebens an. ertrage Schniahungen, ertrage einen unverniinftigen Bruder,
ertrage den Vater, den Nachbar, den Reisegenossen. Dieses zeige uns.
damit wir sehen, daB du in Wahrheit etwas von den Philosophen ge-
lernt hast" (HE, 21, 4f.). Solange das Spiel dauert, hat jeder die
Pflicht mitzuspielen (IV, 7, 19). Dafiir ist das Leben des Sokrates ein
Beispiel.
Aber aus dem angegebenen Gfedanken ergaben sich noch zwei wei-
tere Eolgerungen von gro'Bter Tragweite, die beide fur die Kirche be-
deutungsvoll wurden. Es war erstens der Gredanke des Kosinopolitismus :
ein ,,Weltburger" (KOGf-itog) ist der vernunftige Mensch (I, 9, 6). 2 ) Die
1) Vgl. Senec. ep. 95, 52 f.: omne hoc quod vides quo humana atque divina
conclusa sunt, unum est: membra sum us corporis magni. Natura nos
cognates edidit, quum ex iisdem et in eadem gigneret. Haec nobis amorem in-
didit mutuum et sotiabiles fecit, ilia aequum iustumque composuit . . . Societas
nostra lapidum fornicationi simillima est, quae casura nisi 'invicem obstarent
quo ipso sustinetur.
2) Dieser Kosinopolitismus ist durch Alexanders d. Gr. Lebenswerk angebahnt
worden, aber es ist von Interesse, daB der Gedanke bereits von Sokrates vor
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 3
34 4. Das griechisch-roinisclie Heidentum.
anclere Kousequenz war, dafi alle Menscben Gottes Kinder sind, also
aucb die Sklaven (I, 13). Der gottliche Geist, cler aucb in ibnen wobnt,
macbt sie dazu. Man sah ein Reicb der freien Geister, erbabener als
das romiscbe Reicb uncl nickt an seine Ordnungen und Abstufungen ge-
bunden, und man scuaute alle Yerniinftigen als Gottes Kinder in ibm
verbunden, mochte das Sckicksal sie zu Sldaven oder Freien gemaoht
liaben. *)
6. Die wissenscbaftlicbe Bedeutung dieser Popularpbilosopbie ist
gering, aber um so mebr bat sie zur Bildnng der religios-sittlicben
Gesinnung tind Stimmnng der Gebildeten jener Tage beigetragen. Sie
ist ancb ein Faktor geworden zur Steigerung des Erlosungsbediirfnisses
der Zeit. Zuniicbst freilicb schien sie nur negativ zn wirken. Die
positive Religion wurde beiseite gescboben oder wenigstens ganz gleicb-
giiltig bebanclelt: die iiberlieferten Formen des staatlicben nnd sozialen
Lebens wurclen als blofi relativ und eigentlicb irrelevant angeseben.
Was man an die Stelle der Positiven setzte, waren ganz allgemeine Be-
griffe, wie der fataHstiscbe Pantbeisnius des stoiscben Vorsebtingsglaubens,
die rationalistiscbe Selbstgeniigsamkeit der Yernunft und der abstrakte
bmnane Kosmopolitismus. Aber alle diese Gedanken werden mit dem
Patbos inneren Bedarfes nacb gottlicber Erlosung aus dem Elend des
Daseins vorgetragen. Sie ^Yollen die Antwort auf ganz positive Bediirf-
nisse der Seele geben und sie tragen dazu bei diese Bediirfnisse zu er-
wecken. Dafi die Pbilosophie diese praktische religiose Tendenz ange-
nommen bat, ist durcb den Hunger der Seele nacb Erlosung iind Offen-
barung des Gottlicben in der Zeit zu versteben. Da6 sie aber nur mit
ganz allgemeinen Begriffen jenen Hunger zu stillen unternebinen mufite,
das verstebt sicb daraus, dafi sie eben Pbilosopbie war, und zwar eine
Pbilosopbie, auf cler die Eormeln einer langen Gescbicbte lasteten. In
seinern Tode ausgesprochen wird. Auf die Frage des Kebes, woher sie nacli dem
Tode des Sokrates einen Beschwcirer der Todesfurcht erhalten werden. antwortete
dieser: ,,GroJ5 ist ja Hellas, in dem treffliche Manner wohnen, und grofi .sind
auch die Geschlecliter der IBarbaren, die man alle clurchsuchen muB nach einem
solchen Beschworer"" (Plato Phaed. c. 24).
1) S. bes. Seneca ep. 31, 9f. : quid aliud voces Jmnc (d. h. animum) quam
deutn humano cor pore liospilantem! Hie animus tarn in equitem Eomanum
quam in libertinum quam in seraum potent cadere. Quid est eques Romamts a-ut
libertinus aut servus? Nomina ex ambitione aut ex iniuria nata. Ep. 47, 1:
servi sunt? iinmo homines . .. . Servi sunt? immo conservi, si cogitaveris tan-
tundem in iitrosque licere fortunae. Ib. 9 : sic cum inferiore vivas quemadmodum
tecum superiorem velles vivere. Ib. 14: stultissimiis est qui hoininem aut ex
veste aut ex condicione quae. vestis modo nobis circumdata est, aestimat. Servus
est, sed fortasse liber animo.
Die Bedeutung der stoischen Popularphilosophie. 35
cler frommen Stinimung, in clem ernsten Sehnen nacli Gott uncl der
Wahrheit uncl in der Konzentration aller geistigen Interessen auf dein
Boden personlich erlebter Religion besteht die Bedeutung dieser Popular-
philosopliie. Sie hat den vorhandenen religiosen Bedarf der Seelen an-
erkannt und sie liat inn gesteigert, indem ihre Gedanken an sich jenen
Bedarf nicht zu stillen vermocliten. So niiinden ihre Wirkungen mit
ein in den Strom der grofien religiosen Sehnsucht, der uber das Zeit-
alter hinging. Auch die Hochstehenden und Hochgebildeten warden
durch die Philosophic in diesen Strom hineingezogen. Man horte die
Forderung eines Glaubens an die Gottheit uncl der Unterwerfung unter
sie, man empfing die TJberzeugung, dafi es sich im Leben 'nur um. die
freie Seele, nicht um die aufieren Zufalligkeiten handle, und man wurde
angeleitet zur furchtlosen, auch zum Martyrium der TJberzeugung bereiten
Stellung der "Welt gegeniiber. Einige Satze mogen noch zur Verdeut-
lichung Her stehen : ,,Der Dienst der Gotter besteht zuerst darin, dafi
man Gotter glaubt, dann darin, dafi man ihnen ihre Majestat gibt und
Giite gibt, ohne welche ja.keine Majestat besteht, darin dafi man "weifi,
dafi jene es sind, die der Welt vorstehen, die alles durch ihre Gewalt
lenken . . . Sie geben nichts Boses noch haben sie es. TTbrigens zltch-
tigen sie einige und halten sie im Zaum . . . "WHlst du die Gotter ver-
sohn'en (vis deos propitiare), so sei gut. Geniigend hat der sie geehi-t,
der ihnen nachahrnt" (Seneca ep. 95, 49 f.). ,,Ich gehorche, ich folge,
lobend den Mihrer, preisend seine Werke, kam ich doch auch. als es
ihm gefiel und \verde wieder gehen, wenn es ihra gefallt . . . Nicht
gibt er mir viel , nicht reichlich , dafi ich schwelge will er nicht,
clenn er gewahrte es auch dem BTerakles nicht, seinem Sohue" (Epiktet
Diss. HE, 26, 29 ff.). ,,Du kannst nicht zugleich auf das AuBere deine
Sorgfalt verwandt haben und auf deinen herrschenden Teil (die Ver-
nunft) ; wenn du aber jenes willst, so lafi dieses. Wo nicht, so wirst
du weder dieses haben, noch jenes, nach beiden Seiten bin abgezogen;
wenn du dieses willst, so mufit du jenes lassen" (ib. IV, 10, 25). ,,Wo
etwas TJnfreiwilliges ist, dort habe Mut, wo aber etwas jFreiwiHiges, Yor-
sicht" (ib. II, 1, 5). ,,Ich lernte alles Geschehende so ansehen, dafi,
wenn etwas unfreiwillig geschieht, es mich nichts angehe" (I, 29, 24).
,,"Wenn du zu einem der Machthaber hineingehest, so erinnere dich, dafi
auch ein anderer von oben auf das, was vorgeht, herabsieht, und dafi
du diesem mehr gefaUen mufit als jenern. Dieser nun fragt dich : Yer-
bannung uncl Gefangnis, Fesseln und .Tod und Schmach, als was be-
zeichnetest du diese Dinge in der Schule? Ich: als gleichgultige
((xdtdcpOQO) ! Als was bezeichnest du sie jetzt ? Haben sie sich wohl
geandert? Nein. Hast du dich geandert? Nein. Sag also: was
3*
36 4. Das griechisch-romisclie Heidentnm.
sind gleicbgiiltige Dinge ? Die unfreiwilligen Dinge. Sage nun weiter
Avas dazu gehort? Die unfreiwilligen Dinge geben niicb nicbts an. Sage
aucb : was schien euch gut ? Ein "Wille (rtgoaiQeais), wie er sein soil
und der Gebraucb der Yorstellungen (cpccVTCcalai). "Was aber das
Ziel? Dir folgen. Sagst du dies auch jetzt? Icli sage es auch
jetzt. So geli nur wohlgemut liinein und erinnere dick dessen und du
wirst selien was ein Jungling ist, der iibeiiegt hat Avas not tilt, unter
Mensclien, die das niclit getan baben. Icli wenigstens bei den Gottern
stelle mil' vor, du werdes ; t etwa dies empfinden : AVOZU bereiten wir uns
fur nicbts so groBartig und mannigfaltig vor? Das war also die Ge-
Avalt, das der Yorbof, die Kammerlinge, die Schwerttrager, deswegen
borte icb die vielen Reden! Das war ja nicbts, icb aber natte mich
Avie auf etwas GroBes geriistet" (ib. I, 30).
7. Yon der Eestauration der Yolksreligionen, dem Kaiserkultus,
A T on den Mysterien und von den religiosen Eleinenten der antiken Philo-
sophie Avar bisber die Eede. Wir baben Aveiter der Bedeutung der
sozialenLage zu gedenken. Die TTnruhe der Zeit bing nicbt zum.
letzten mit ibr zusanimen. Die politiscben und sozialen Gegensatze
batten sicb mebr und mebr vertieft und verscbarft. Eeicb' und arm,
A r ornehm und gering standen einander scbroff gegeniiber, man konnte
geradezu A r on zwei Yolkern reden. Der Hafi, die lebbafte Agitation,
die uferlosen Pliine und "Wunscbe auf der einen Seite fanden von der
anderen Seite zunacbst brutale Ablebnung, nur die Gebildeten und Be-
sitzenden Araren fiir Cicero etwa Staatsbiii'ger. Dann Avurde man be-
sorgt , die Fabel des Menenius Agrippa sollte dem Baucb sein Bjecbt,
von alien anderen Gliedern getragen und bedient zu werden, sicbern.
TJnd dann wurde es aucb bei den Gebildeten Braucb. die sozialen Note
zu beklagen, A r on der Seligkeit des Naturzustandes zu scbAvarrnen und tiber
sozialistiscbe Zukunftsstaaten zu diskutieren (z. B. Sen. ep. 95). *) Die
Ea-eise der Aruien und Unterdfiickten reprasentierten einen wicbtigen
Eaktor in der Entwicklung, und die sozialen Fragen und Note dienten
mit dazu, die .,JEHule der Zeiten" bemerkbar zu macben. Man kam
um diese Dinge nicbt niebr beruni; die blofie Yeracbtung des Aufieren,
Avie sie die Pbilosopben als Heilmittel empfahlen, geniigte wie immer
nur denen, die den Druck der auBeren Not selbst weniger empfan-
den. Die soziale Bolfe wurde mebr und mebr zu einem festen Postulat
'an die Religion und die Sittlicbkeit der Zukunft.
8. Es waren recbt mannigfacbe Tendenzen, die in der Zeit mit-
einander. zusammentrafen und der Kraftigung der Erlosungsidee dienten.
1) S. iiberhaupt Pohlmanu, Geschichte des antiken Kommunismus und
Sozialismus II, 575 fL, 609 ft.
Die Sehnsucht nach Erlosung 1 . 37
Alles Positive in cler Religion wurde aufgelost, aber eine ungeheure
Sehnsucht nach Positivem, nach Avirklichem konkreten Erleben den All-
gemeinheiten der Begriffe gegeniiber stand dera entgegen. Auf die ver-
nunftige Selbstbesinnung allein wurde die Erlosung gestellt, und Avieder
erwartete man sie von auBen her als Gabe und "Wirkung der Gotter
und ihrer Mysterien. Die TJnterwerfung unter die alten Traditiqnen
sollte das Heil verbiirgen, aber ein ununterdriickbarer Hang nach eigenem
Erleben stand dem entgegen. Doch diese scheinbar einander Avider-
sprechenden Tendenzen wirkten doch zusammen zur Konzentration der
geistigen Interessen auf die Erlosung und ein neues seliges Leben.
Aber die .Mittel, die hierftir zu Gebote standen, erwiesen sich als nicht
geniigend oder ungeeignet. Gerade hieraus begreift sicb die Angst und
TJnruhe der Zeit. Die Gottheit, von der man redete, blieb dem Men-
schen unendlich fern, denn sie Avar schlieBlich nur die jenseitige Idee
oder die Naturnotwendigkeit oder die "Weltordnung. TJnd fafite man
sie positiv als einzelnen Gott, der etwa in den Mysterien sich mani-
festiert, so war das doch nur zeitweilig der gesteigerten Phantasie mog-
lich. Die Gotter waren nicht die Gottheit, und die Gottheit leistete
nicht das, was man von Gott erwartete. Das ist das eine : der feme
Gott, der fern bleibt, so nah man ihn sich immer zu bringen trachtet.
Daraus folgt, daB statt des Erlebens der Gottheit, das man erstrebte,
schliefilich doch nur die mystische Kontemplation und die theoretische
Betrachtung der Gottheit den Menschen mogu'ch war. So kani man
aus dem Bann der Seelenstellung der griechischen Philosophen nicht
heraus. Damit hing aber Aveiter zusammen, daB die Selbstbetatigung
des Menschen sich nicht zu einern hohen und Aveiten Ziel erheben
konnte, dessen BeAVtiBtsein alles Einzelne und Kleine im Leben hebt
und adelt. Was die Stoiker predigten, uamlich mit alien Itrafteu. im
alltaglichen Leben Gott zu dienen, das Avar nicht moglich, denn man
erlebte Gott hier nicht. So trat an die Stelle dieses Ideals die kleine
Tatigkeit der Alltaglichkeit. Gott blieb zu fern fur die rezeptive Seite
des Menschen, und die Ziele des Daseins lagen zu nah fur seine Ak-
tivitat. So haftete Gott die Schranke des Jenseitigen und TJnerreich-
baren an, und das Menschenleben konnte nicht von Gott geleitet und
beAvegt werden. Das Bewufitsein der Erlosung durch den nahen und
wirksamen Gott Avar ftir das Denken unerreichbar, und die Auf gab e
als Erloster Gottes "Werk im Leben treiben zu diirfen erAA'ies sich. als
praktisch undurchfiihrbar. Die Erlosung, von der man traunrte, Avar
nur im Rausch gesteigerter Empfinclungen oder in der Abstraktion der
Gedanken zu erreichen. Sie Avirklich zu erleben und dauernd zu be-
haupten, dazu fehlte es an den geeigneten Mitteln, denn die Religion
38 5. Das JudentuiB.
zerbracb an der Aufldarung und die Aufklarung an der Religion; und
was an den Scberben beider Ideben geblieben war. war den hungrigen
Seelen zu wenig.
Und doch ware es falscb, wollte man nur die negative Beziehung
dieser Entwicldung zum Cbristentum. anerkennen. Auch positiv ist deni
Christentuni von diesen religionsgescbicbtlicben Yorgangen vorgearbeitet
worden. Die Einlieit und die Erbabenbeit Gfottes, der "Wert der Seele
und des inwendigen Lebens, die Anscbauung von der einen Menschheit,
die aus einander wesentlich gleichen Briidern bestebt. die Pflicbt der
Ergebnng in den Willen der Grottbeit das Avaren Gfedanken, die man
einem Strombett vergleichen kann. das bereit lag, um die Muten des
Evangeliums in sicn aufzunebmen. Obne diese Vorbereitung ware ge-
radezu der Eingang, den das Cbristentum in der Welt fand. undenkbar.
Es liegt wirklich ein Wabrbeitsmoment darin. wenn die alexandrinischen
Tbeologen spater nicbt nur die alttestainentlicben Propheten, sondern
aucli die liellenischen Philosophen als Yorlaufer des Cbristentunas feierten.
Die griechische PhilosopMe bat allerdings Postulate und Stimmungen
liervorgebraclit, die von der griecbiscb-romiscben Religion nicbt errullt
tiud durcbgefitbrt werden konnten.
5. Das Judentum.
E. Schurer, Gesch. d. jiid. Volkes irn Zeitalter Jesu Cliristi, 3 Bde., 3. Aufl.
1898 ff. W. Bousset, Die Eeligion des Judeutums im neutestamentl. Zeitalter,
1903. J. Wellhausen, Israelit. u. jiid. Geschiehte, 1894. A. Sclilatter, Is-
raels GescMchte von Alexander d. Gr. bis Hadrian, 1901. F. Weber, System
der altsynagogalen palastinensischen Theologie, 1880. A. Hilgenfeld, Die jiid.
Apokalyptik, 1857. H. Holtzmann, Lebrb. d. neutest. Theologie I (1897), 28 ff.
C. Siegfried, Philo v. Alex, als Ausleger d. AT.. 1875. 0. Pfleiderer, Ur-
cliristeutum II 2 (1902). Iff. P. Volz, Jiidisclie Eschatologie von Daniel bis
Akiba, 1903.
1. Wenn man seinen Standort auf der Hobe der Entwicldung der
israelitiscben Religion, im Propbetisnius, nimint, so erkennt man am
deutlichsten das Wesen. der israelitiscben Religion und ibren inrieren
Zusanimenbang mit deni Cbristentum. Eolgende Momente sind die
wicbtigsten : der eine lebendige Grott, der Herr der ganzen Welt ist, und
der alles aucb unsere Werke wirkt (Jes. 26, 12 : 29, 16. Am.
3. 6). Dieser Grott ist scblecbtbin erbaben tiber Welt und weltlicbes
Wesen, aber er ist der wabre Konig des Yolkes Israel und sein Yater.
Er liebt sein Yolk und er ricbtet es. denn er ist gerecbt. Barmberzig-
keit und Zorn sind beide zusammengefafit in der Grerecbtigkeit. Dieser
Grott nun leitet die Gescbicbte der Menscbbeit . damit er einst iiber
Die alttestamentliclie Religion. 39
Israel herrsche imd alle Volker seiner Herrschaft sich beugen (Mich. 4,
7. Iff. Ob. 20 f. etc.). Seinen Namen verkiinden jetzt die Propheten,
von ilim selbst durch den Geist dazu angetrieben. Einst wird der Geist
einen Mann aus Israels Konigsstanim bewegen, der dann in Gottes Kraft
herrschen wird. Dann kommt der Greist iiber alle Erommen, ein neues
AYesen in ihnen erschaffend, indem Gott ihnen die Siinde vergibt. Diese
grofie Zeit steht vor der Tiir. Es gilt daher sich zu bekehren. Nicht
durch Opfer und andere statutarische Kulthandlungen wird man Gott
gefallig, sondern durch Gehorsam gegen Gottes Gebot, durch Liebe und
Barmherzigkeit und durch den Glauben als das ausharrende Erwarten
des HeiLT(Mich. 7, 7. 9. Jes. 26, 14; 28, 10; 30, 15).
In diesen Gedanken tritt eine neue Gottesanschauung in die Ge-
schichte ein. Gott ist rein geistig und als Herr und Leiter der Geschichte
gefafit. Gnade und Gericht sind sein "Werk ; er wirkt durch seinen Geist
nicht nur den Sieg seines Volkes, sondern auch ein neues sittliches
Leben. Die. Herrschaft Gottes wirkt die Errettung, indem sie die
Menscheu zu einem Reich Gottes versammelt. Das ist der neue Bund
oder die neue Gottesordnung , durch die das Gesetz dem Menschen
innerlich in das Herz geschrieben und ihre Siinde ihnen vergeben wird
(Jer. 31. 31 f.). Damit ist das Neue Testament als Ziel des Alten
fixiert und sein Inhalt scharf umrissen. Eine ungeheure Tat des reli-
giosen Idealisnius und eine wunderbare "Wirkung des Offenbarungsgeistes
liegt vor in cliesem Gedankenkomplex, der empfangen und erhalten wird
in JZeiteii sch\veren inneren und auBeren Niedergangs. Eiir iminer ist
der Menschheit hier eingepragt der Gedanke des lebendigen Gottes, der
grofie Taten tut und in seiner Barrnherzigkeit und Treue auf dem "Wege
der Geschichte das Menschengeschlecht zu seinem Ziele fiihrt. Nicht eine
blofie Idee ist dieser Gott, und nicht erschopft sich das Yerhaltnis zu
ihm in der Kontemplation, nein wie er Herr und Konig ist, so ist
Gehorsam gegen ihn und fromnie Tatkraft des Lebens Aufgabe. Eine
andere Seelenstellung und eine andere sittliche Stiuimung als sie das
Griechentum produziert hatte, ist mit dieser Erkenntnis des lebendigen
Gottes, der "Wille und Tat ist und die Tat unseres Willens veiiangt,
dem Menschengeschlecht geschenkt.
2. Die Erommigkeit des Psalmbuchs bietet den subjektiven "Wider-
hall dieser Gottesoffenbarung dar. ,,Gott ist uns Zxiflticht und Starke,
als miichtige Hilfe.in Noten erfunden" (Ps. 46, 2). Er ist der Erloser
der Seele aus Not und Siinde (Ps. 130, 7f.; 31. 6; 51. 3ffi.; 71, 23), er
ist ihr wahres Gut (Ps. 16, 2). In einem dauefnden Verhaltnis zu ihm
steht die Seele, das Gebet wird zu einem regelinafiigen Bestandteil des
religiosen Lebens. Das Leben der Seele wird verinnerlicht und verfeinert.
40 5. Das Judentum.
.,Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen
Geist. Yerwirf mich nicht vor deinein Angesicht tind nimm deinen
heih'gen Geist riiclit von mir!" (Ps, 51, 121). ,.Sei stille vor Jahve
und harre auf ihn" (Ps. 37, 7). .,Wen babe ich denn im Himmel, und
mit dir babe ich nicht Gefallen an der Erde. Mag dahingeschwunden
sein mein Eleisch und mein Herz : Eels meines Herzens und mein Teil
bist du Gott in Ewigkeit" (Ps. 73, 25 f.). Nook imrner findet die /
Ghristenheit in diesen Gedanken den tiefsten Ausdruck der Gemeinschaft
mit Gott.
Aber in diese subjektive Erommigkeit schob sich leicht ein fremdes
Element hinein. Der Gesichtskreis der Propbeten ist bistoriscb und
theologiscb, man konnte sagen dramatiscb. Taten Gottes werden er-
wartet, gescbicbtlicbe Wandlungen bringen das Heil. Die Psalmen-
frommigkeit ist rnebr subjektiv-lyriscb, der einzelne Eromme stebt seinem
Gott gegeniiber, er barrt seiner Gnade, aber er macbt sicb ibrer aucb
wiirdig durcb treue Erfiillung des gottlicben Willens im. Gesetz. So
scbiebt sicb das Gesetz und das subjektive Yerdienst mit der Vergeltungs-
idee in die Erommigkeit binein. Der Weg zum Legalismus aucb die
Cbokinabliteratur wirkt in dieser Bicbtung wird sicbtbar.
3. Es kamen die Tage des Exils und der Restauration Esras und
Nebeniias, Sacbarjabs und Maleacbis. Auf die grofie nationale Zukunft
Israels batten die Propbeten verwiesen, daran klanimerte man sicb
(s. Ezecbiel). Aber wie anders konnte man sicb ibrer wtirdig macben, als
indem man an den nationalen, exklusiven, statutariscben Elementen der
Vergangenbeit festbielt, und wie anders konnte man sie sicb vorstellen,
als indem man die nationale Vergangenbeit sicb in der Zukunft restituiert
dacbte (s. Ezecbiel)? Man restaurierte das Gesetz und man scbuf es um
zu den Eormen, die seine Durcbfiibrung zu garantieren scbienen, man
interpretierte es in das einzelne binein und fur den einzelnen. und man
' umgab es mit dem Zaun der Vergeltungsidee (vgl. die Gescbicbts-
pbilosopbie der Cbronik). An die Stelle der Propbeten traten die
Scbriftgelebrten, an die Stelle des Geistes die Gesetzeserfullung, an die
Stelle der freien Gottesgnade die Vergerfrung fiir die fromiaen Werke.
Die Hoffnung auf die Zukunft trieb zuriick in die Yergangenbeit, der
Glaube an die Weissagungen der Propbeten fiibrte zum Gesetz. Der
grofie Prophet Mose wird jetzt ausscbliefilicb zum. Gesetzgeber, die Thora
erlangt die fiihrende Stellung im Leben und Glauben.
Der Hellenisierungsversuch des Antiocbus Epipbanes bat diese Denk-
weise nur gesteigert. Pur die Frommen stand alles auf dem Spiel, wenn
sie das Gesetz aufgaben, sie raachten sich dadurcb iinwiirdig der Herrlicbkeit
des messianiscben Eeicbes. Je machtiger die Eeinde, desto sinnlicber wurde
Der Ursprung- cles Jndentums. 41
die Zukunftsboffnung, tind je lebliafter diese, clesto mebr notigte der
Vergeltungsgedanke zur Treue gegen das Gesetz. Im Exil sind die
Keime des ,,Judentums" entstanden, in den. Kampfen des zweiten Jabr-
bunderts ist das ., Judentum" zu einer weltgescbicbtlicben Maclit geworden.
Die Pbarisaer und Scbriftgelehrten wurden seine Hiiter und Diener. In
den Kreisen des geistigen Eortscbrittes vereinigten sich hinfort zwei Ten-
denzen, die Interpretation und die Durchsetzung des Gesetzes und der
Glaube an Gottes wunderbare Offenbarung in der letzten Zeit. Die Yer-
geltungsidee war der Ring, der beide miteinander innerlich verband. Je
gesetzlicber man wurde, desto gluhender wurden die Zukunftsboffnungen,
desto fanatiscber der nationale Sinn mit seinen Prarogativen und Er-
wartungen. Ein ungebeures religioses SelbstbewuBtsein, das sicb nicbt
imr in der Yeracbtung der Heiden, sondern aiicb in dem Missionseifer
aufierte, erwucbs dieser Kombination der Tendenzen. Der Gedanke,
da6 Gott geistig'er Wille ist. lafit eiue doppelte Auslegung zu. Man
kann diesen "Willen als wirksamen, scbaffenden, erlosenden versteben
und man kann ibn als gesetzgebenden , fordernden und vergeltenden
deuten. In der ersten Eicbtung bewegte sicb der alte Propbetismus, in
der zweiten das ,.Judentuni ;i . Mocbte man bier nocb so wunderbar sich
Gottes Eingreifen in der Endzeit vorstellen, es war docb innerlicb davon
abbangig, dafi der gesetzgebende Wille erftillt wird. Nicbt Gott wirkt,
damit der Menscb wii'ke, sondern der Menscb wirkt, daniit Gott wirke.
Nicbt Gott erlost, sondern der Menscb erlost sicb durcb Gott. Indem
man von der Religion der Propbeten abwicb, stiirzte man die Erlosungs-
religion zuriick auf die Stufe der Moralitatsreligion, denn die Erlosungs-
reUgion berubt auf dem wirksamen, die Moralitatsreligion auf dem fordern-
den "Willen Gottes, jene ist ,,Evangelium", diese ,,Gesetz".
4. Diese Auffassung der Religion mufi nun etwas genauer cbarak-
terisiert werden. Sie bewegt sicb zwiscben zwei Polen, dem Gesetz und
der kiinftigen Yergeltung im messianiscben Reicb. Durcb diese beiden
Pole ist die Lebensanschauung bedingt, mit ihr bangt die Kosniologie
zusammen, die weit reicber als im Alten Testament, wobl unter baby-
loniscben Einfllissen, entfaltet ist, sowie endlich aucb die eigentiimlicbe
Jenseitsmetaphysik, die in diesem Zeitalter. in die Gedankenwelt ein-
dringt.
Gesetzeserfiillung ist der Inbalt des Lebens. In konkreter An-
scbaulicbkeit kommt dies etwa in dem Buch Tobit zur Darstellung.
Es zeigt, wie man sicb- die dr/,cuoovvr] TtQOOTCcyf.iccTWV (Ps. Salom. 14, 1)
dacbte. Als Haupttugenden treten dabei auf Gebet, Fasten, Almosen
(Tob. 12, 8). Das Gesetz wird erfullt urn des Lobnes willen: ov ds
ibv v6f.iov -/.al th rtqoGrdy/.ici'ca xcil yevov
42 . 5. Das Judentum.
, iva GOI xa/Upg 1} (Tob. 14, 9). Allein der Menseb erfiillt das
Gesetz oft nicbt, daraus erklart sicli sein Elend in diesem Leben und
die Eurcbt vor jenem Lebeu. Der Menscb bat ein cor malignwn
(4. Esr. 4, 4. 12). So ist es seit Adam (ib. 3, 26 ; 4, 30 ; 7, 11 8 f. ; 8, 35.
17). *) Durcb Adam kam der Tod liber alle seine Nacbkommen (Ap.
Bar. 17, 3; 23, 4: 54. 15. 19). Daber werden viele verdammt und
wenige errettet (4. Esr. 7, 47 f. 72; 8, '1.3). Aber die Majestat des
Gesetzes mufi gewabrt werden : %)&reant multi praesentes quam negligalur
ea q-uae anteposita esi dei lex (4. Esr. 7. 20; 9, 36 f.). Durcb opera et
fides wird das Gesetz erfiillt (4. Esr. 13, 23. Ap. Bar. 48, 22). Eurcbt-
los geben die Erommen aus der "Welt, denn sie baben im Himmel eineu
Scbatz guter "Werke (4. Esr. 8, 32 f. 36: substantia bonorum operum;
7,7: liabcs thcsaurum operum repositum apucl altissimuni). 2 ) Aber Gott
erbarmt sicb aucb solcber, die nicbt die opera, iustitiac, haben. Gerecbt
ist man aber als iustificatus (4. Esr. 12, 7). 3 ) Gott ist in diesem Zu-
sammenhang immer als Gesetzgeber und Ricbter gedacbt, aber seine iustitia
wird dabei der bonitas angenabert (4. Esr. 8, 36: cf. 11. 12). Die Kraft
aber zu der Gesetzeserfiillung gibt das Gesetz selbst, deun es ist eine
lebenscbaffende Macht: si emm doemritis eos, vivificabitis eos (Ap. Bar.
45, 2). 4 )
Diese Gedanken zeigen, welcbe Bedeutung man dem Gesetz bei-
legte. Es ist die lebenscbaffende Offenbarung Gottes nncl es ist der
1) Nach spaterer Lehre entstamrat die Siinde dem unreinen Leibe (t)) und
dem ihm einwohnenden, iibrigens nicht reiu sinnlichen, >nn ns, der vom 10. Jahr
an wirksam wird, wahrend der entgegenstehende alan T^ erst mit dem 13. Jahr
in Wirkung tritt. Indem der freie Menseh dem hosen Trieb nicht Widerstand
leistet, kornmt es zur Ubertretung (mav.) und Schuld. Die Freiheit des Menschen
bleibt uach jfidischer Vorstellung auch dem Sunder, denu sie gehort notwendig
zum menschlicheu Wesen. Vgl. Weber S. 204 ff. 217 f. Bousset S. 386.
2) Ein Schatz nberzahliger guter Werke kommt bei den Persern vor, vgl.
Siegfried, Ztschr. 1 wiss. Theol. 1884. 356.
3) Die spatere Theologie lafit Gott den Sunder wegen der Erfiillung der
Gebote fiir rein erklaren (reai, nisi; Gegensatz : an verdammen). Doch rechnet
Gott auch den guten Willen zur Tat dem Menschen als Gerechtigkeit an,
als hatte er die Tat schon getan. Dies Imputieren heifit i^j; ni^vn. Auch
kann die eigene Gerechtigkeit vermoge Imputation erganzt werden durch die
Gerechtigkeit der Yater (on-iO. S. Weber S. 267 ff. 281 ff.
4) Dali die Tliora ,.Leben fiir die Welt" ist wie das Wasser, daB ihre
Worte ,,die Kraft haben zn toten und lebeudig zu machen", ist rabbinische Lehre
(Weber S. 20 f.), Dagegen hat Paulus auf Gruud seiner Lebenserfahrung ange-
kampft. Was die Eabbinen dem Gesetz beilegten, fand er nur im Evangelium
(Born. 1, 16), nicht der fordernde, sondern der gnadige wirksame Wille Gottes
bewegt das Herz.
Das Gesetz und der Messias. 43
Mafistab, an dein sich des Menschen Geschick entscheidet. Man muB
sich dies gegenwartig erhalten, urn. die Tiefe des Gegensatzes zu be-
greifen, den Paulus dem Judentum gegeniiber einnahm.
Hangt aber alles am Gesetz, so verliert auch die messianische Offen-
barung den Gnadencharakter. Sie ist Belohnung der Gerechtigkeit
Israels, eine Erlosung aus dem aufieren Druck der .Zeit, die aber ein-
tritt, weil man sich vom Gesetz erlosen liefi. *) Aus der Prerogative
des Gesetzes versteht sich der aufierlich politische Zng in der Messio-
logie des spateren Judentums.
Dem Kommen des Messias gehen die Zeichen des Endes voran. Die
mensura tcmporis und die Zahl der Gerechten muG erfiillt sein (4. Esr.
4, 36. 37; 6, 19 f.). Dann ist die "Wahrheit verborgen (5, 1), der TJn-
gerechtigkeit ist viel (5, 2), das Land ist wtiste (5. 3). der Gang der
Himmelskorper gerat in Verwirrung (5. 4. 5), Steine schreien (5, 5),
von den Baumen traufelt Blut (5, 5. Sib. HI. 863), wunderbare Zeichen
erscheinen am Himmel (Sib. Ill, 795 ff.), -dieMenschen erschrecken (4. Esr.
5. 1), die Volker geraten in Aufruhr und Emporung (4. Esr. 5. 5 ; 9, 3),
grofie Kriege entstehen, ein Yolk erhebt sich wider das andere (13, 30 f.),
der Abgrimd tut sich mit Eeuer auf (5, 8), die TJngerechtigkeit nimmt
zu, Ereunde A r erfeinden sich untereinander (6, 24). Aber wer iiberbleibt,
der Avird gerettet (6, 25).
Dann aber erscheint der IConig Israels, der %QLGWg YMQLOV (Ps.
Salom. 17. 23 ff. 36; IS, 8). ein ayvbs aval; (Sib. HI, 49), der ,,Sohn
Davids" (Ps. Sal. 17, 5. 23), der ,,Gerechte" (Henoch 38, 2), der ,,Er-
wahlte" j'Gottes (Hen. 46, 3; 49, 2 usw.), der ..Menschensohn" (Hen.
46, 2; 62, 7. 9. 14; 63, 11 ; 69, 26; 70/1; 71, 17. cf. 4. Esr. 13,
32. 3), ; .Gottessohn"(Hen. 105, 2. 4. Esr. 7, 28 f.; 13, 32. 37. 52;
14, 9). An einer Stelle wircl Henoch selbst dem Menschensohn gleich-
gesetzt (Hen. 71, 14 cf. "Weber S. 173). Dem Namen des Messias kommt
Praexistenz zu (Hen. 46, If.; 48, 3 ; 62, 7. 4. Esr. 13, 26. 52; 12, 32).
In dem Messias wohnt der Geist und er offenbart .,alle Geheimnisse der
Weisheit" (Hen. 51, 3) und er herrscht (Hen. 51, 4; 48, 10; 55, 14;
61, 8; 62, 2; 69, 27; Sib. HI, 473. 7671). Tune parebit regnum illms
in omni creatura, et tune zabidus finem liabebit et tristitia cum eo abducetur
(Assumpt, Mos. 10, 1. Ap. Bar. 40, 3. Sib. HI, 47 f.). Die Scheol gibt
ihre Toteu heraus (Hen. 51, 5). Die ,,Gerechten und Heiligen" werden.
,.Engel im Himmel" (Hen. 51, 4), sie essen mit dem Menschensohn und
tragen das Ifleid der Herrlichkeit (Hen. 62, 14). Ein neuer Himmel
. 1) Die Bedihgimg fiir die Erscheimuig- des Messias ist, daC Israel BuBe tut,
er kommt na-it^n no; a (Weber S. 334).
44 5. Das Judentum.
und eiiie neue Erde sind da (Hen. .45, 4f. 10, 19), die Erretteten essen
vom Behemoth und Leviathan, jenen Ungeheuren der Tiefe (Bar. 29, 4).
Die Heiden und die Gottlosen trifft ein schreckliches Gericht im Feuer
zur Freude der Gerechten (Hen. 48, 9f.; 100, 9; 91. 9; 62, 12). Aber
avicli davon, daB alle Volker Gott preisen werden, ist die Rede (Hen.
10, 21. Bar. 72. 2iL). oSToch ist zu erwahnen, dafi der Messias den
letzten groBen Angriffi der Weltmacht iiberwindet unter einem An-
fiihrer, der spater Armilus genannt wird (Sib. Ill, 46 ff. 663 ff. 4. Esr.
13, 33 ff.).
Das Bild vom Messias, das in dieser Literatur vorliegt, ist nicht
streng einheitlich. In der alteren Schicht der TTberlieferung wiegt die
iiberirdische Art des Messias und demgemaB seine geistige Herrschaft
vor, er fiihrt direkt das Ende herbei, dann kerrscht Gott selbst (Sib. Ill,
766. Ps. Sal. 17, 4. Hen. 62, 14 of. Joh. 12, 34). Nack der jiingeren
Anschauung soil der Messias, naclidena die himmlische Stadt und das
verborgene Land erscbienen, vierbtindert Jahre regieren und claim, nacli-
dem seine .,Ankunft" vollendet ist (Bar. 30, 1), sterben (4. Esr. 7, 26;
29). Dann folgt erst nacb dem antiquum sileniium von sieben Tagen das
r&novare ercaturam und die Auferstenung mit deni Gericbt (4. Esr. 7,
31. 32ffi. 75; 12, 32 ff. Bar. 30, I). 1 )
Das ist also die Eiib'sung : ecce hie deliciae et oblectamenta et illic
ignis et tormenta (4. Esr. 7/37f.). "Was naben die Siinder .,alsdann
eingetauscht fur inre Seele?." (Bar. 51, 15'.). Eine Yergeltung voll-
zieht sicb, der Lonn ist fur alle ninterlegt (Bar. 52, 7). Auf diese Zeit
soil man sich aber jetzt in der Gegenwart bereiten, denn in der letzten
.Zeit ist ..nictt wieder eine Gelegenbeit zur BuBe" (Bar. 85, 12).
Das ist das Zukunftsbild, das in den religios interessierten Kreisen
Israels sich herausgebildet hatte. Das Gesetz mit seinen vielen Satzungeri
1) Von dem ,,leidenclen Messias" begegnet tins in den Apokalypsen keine
Spur. Die spatereu Eabbinen kennen ein Leiden de's Messias, aber er leidet fiir
sich, sofern das Ertragen von Leiden zuni Bilde des Gerechten gehort (cf. Justin.
Dial. 68. 89. 90). Spater wird ein geringerer Messias angenorainen (Sohn Josephs
oder Ephraims), der vor dem- reehten Messias kommt und dnrch sein Leiden Is-
raels Siinde siihnt, s. 'Weber S. 333 ff. Das Bild des Messias im Judentum ist,
soviel ich sehen kanu, gemiines Produkt des jiidischen Geistes. Der alttest. ,
Messias ist in den Ralimen der ubernommenen babyloniscli-persischen Kosmologie
gerilckt. Der Messias wird aber von den Babyloniern nicht gelehrt, und der per-
sische Saoshyant, den eiue Jungfrau aus Zarathtistras in einem See schwimmen-
der Samen gebirt, der einen Weltbrand und die endliche Apokatastasis herstellt,
entspricht nicht dem jiidischen Messias. Die jungfrauliche Geburt gehort nicht
zum jiidischen Messiasbild und Jes. 7, 14 ist nie von der Synagoge in cliesem
Sinne interpretiert worden.
Eschatologie uncl Kosmologie.- 45
stand auf der einen Seite, die ungemessene Erwartung auf eine kiinftige
Erlosung stand auf der anderen Seite.. Das Gfesetz hat eigentlich die
erlosende Kraft, denn es macht den Menschen gut. Die messianische
Erlosung schafft die dem Verdienst des Menschen entsprechende Be-
freiung von aller aufieren Not. AJlein es darf nicht ubersehen werden,
daft diese Yorstellungen doch nicht uberall in Israel herrschten. In der
dem Lukas eigentiimlichen Quelle der Gfeschichte Jesu wird uns ein
Bild israelitischer Erommigkeit geboten, das sich ganz wesentlich im alt-
testamentlichen Rahmen halt und die awtrjQia auf die Siindenvergebung
bezieht (Lc. 1, 77) und zwar mit universalistischer Tendenz (Lc. 2, 32). x )
Die Gredanken xmd das Wirken des Tiiufers Johannes bestatigen diesen
Bericht des Lukas als geschichtlich. So wenig man also die Anschauungen
des Henock, des 4. Esrabuches oder der Baruchapokalypse als schlechthin
allgemein wird bezeichnen konnen, so wenig darf ubersehen werden, daB
auch nach den Evangelien das Volk sich in der aufierlichen Messiashoffnung
bewegt, und dafi der ganze Apparat der kosmischen Yorzeichen des Endes
so sehr popularer Besitz war, da6 auch Jesus in den eschatologischen
Seden ihn reichlich anwendet.
5. Dies fuhrt uns zu der kosmologischen .Anschaxiung der Zeit.
Besonders das Henochbuch ist in dieser Hinsicht belehrend. In groBer
Umstandlichkeit werden die ,,Greheimnisse'< des Himmels offenbart, die
..Orter der Lichter", .,die Behalter der Winde", ,.der Eckstein der Erde",
,,die Vorratskammer der Blitze", ..die Wege der Engel", das Eeuer,
,,das alle Lichter des Himmels in Bewegung setzt", oder .,wie die Greister
verteilt sind/ und wie sie die Dinge bewegen das und anderes schaut
Henoch auf seiner Himmelsreise. Das Interesse des Lesers hieran aber
begreift sich daraus, dafi in den Tagen der Sunder ,,alle Dinge auf
Erden sich verandern" (80, 2) und die Sunder sie nicht verstehen. Nun
wird aber in der letzten Zeit die urspriingliche Ordnung restituiert.
Deshalb ist das Bild von der anfanglichen Natur zugleich ein Bild der
ewigen seligen Welt. Das kosmologische Element in diesem Bilde muBte
aber in dem Mafi sich steigern, als die Erlosung zur aufieren Befreiung
wurde. Ebenso ist die Engelwelt in dieser Zeit reichlich belebt
wordeu. "Uberall in der "Welt walten Greister, 2 ) in den Elementen und
1) 'Alle Ztige dieser Frommigkeit fassen sich zusammen in der Charakteristik
Simeons, Lc. 2, 25 32: er ist: dixaios %al e-dhaptfs, er wartet auf die xagdidijais
iov "Ja^ai]),, das Hvsvfia ayiov ist auf ihm Pneumatiker sind alle diese Per-
sonen , er soil und will sehen rbv %(>iatbv -/.v^lov, in diesem ist gegeben to
acoTijgiov, tpws els faw/.aLvyiv twv edvwv '/Mi Soav kaov aov la^arjL
2) Hen. slav. 18, 7 (ed. Bonwetsch p. 18): schneller als die Winde des
Himmels unA Greister uncl Elements und Engel fliegend, ist lehrreich fttr die
Naturstellmig der Engel.
46 5. Das Judentum.
in den Gestirnen, ..sie machen die Ordnungen und lehren den Gang der
Sterne und die Yeranderungen des Mondes oder die TJmkehr der Spnne"
(Hen. 60, 12. 16; Hen. slav. Eecens. 19, 2). Dem Engelfall und der
Wirksamkeit der gefallenen Engel wird ebenfalls ausgiebig Aufmerk-
samkeit gewidmet.
!Zu dem Heer von Geistern, das Gott. den .,Herrn der Geister i: ,
umgibt, konimt in der spateren Theologie eine Anzahl von Mitt el -
we sen. Sie bezeichnen zunachst nnr besondere Seiten und Wirkungs-
weisen des gb'ttlichen Wesens, werden aber dann wie Hypostasen ge-
dacht und behandelt. Da Gott selbst ini spateren Judentum iinmer mehr
abstrakt und weltfern gedacht wird, so werden diese Mittelweseii zu
Mittlern von Gfottes Einwirkungen auf die AYelt. Dabei laflt die spatere
Zeit die Personlichkeit dieser Wesen inimer mehr liervortreten. Es sind
der Metatron ("jIlDD'D) Henoch wird mit ihm gelegentlich identi-
fiziert, das Wort Gfottes (N1Q~ NID'D), die Herrlichkeit Gottes
(N^p? rtJ'DtJJ'), der heil. Gfeist, oft nX-133n r\T\ genannt, auch Synegpr
(Verteidiger), Pip H3. Die besondere Gegenwart Gfottes, sein besonderes
Wirken wird so von seiner Person abgetrennt. Seine ,. Herrlichkeit"
macht sein "Wesen den Menscnen sichtbar, sein .,"Wort" wirkt in der
Geschichte, - 1 ) sein ,,Geist" bewegt die Propheten, an dem Metatron hat
er einen Vertrauten, der zugleich ztirn Besten Israels versohnend auf inn
einwirkt. Yieles von diesen Begriffen ist jedenfalls schon in neutesta-
mentlicher Zeit vorhanden gewesen. Die eigentunilich schAvebende Stellung
zwischen besonderer Hypostase und besonderer Gestalt des gottlichen
Offenbarungswirkens, die wir erkannten, wird auf die christliche Trini-
tatslehre nicht ohne EinfluB gewesen sein.
6. Yon hochster Bedeutung ist nun aber Aveiter die Beobachtung
einer eigenartigen Metaphysik, die sich in unserer Zeit geltend
macht. Wenn Henoch etwa die Ereignisse der zukiinftigen Geschichte
weissagt, so tut er das, indem er diese Ereignisse von den ,,himmlischen
Tafeln" abliest, denn auf diesen stehen die Taten aller bis zum Ende
(Hen. 81, If.; 93, 2; 103, 2). "Wie aber die Taten der Menschen im
Himmel praexistieren, so auch ihre Namen und Seelen und ihr Lohn
(103, 3; 41. 1; Hen. slav. 23, 4f.). Die ,,Gemeinde der Gerechten"
praexistiert und wird erst in der Zeit ,,sichtbar (< (38. 1 cf. Gal. 4, 26.
1) Das ,,Wort" Avird nicht mit deni Messias in Verbindung gebracht. Nacli
Weber S. 178 ist Targ. Jon. zu Jes. 9, 5. 6 ,,sehr deutlich der Unterschied
ZAvischen dem Messias und dem Memra" ausgesprochen: ,,jener ist der gesetzes-
treue Knecht, der das Eeich Davids als Reich des .Gesetzes und des Friedens auf-
riehtet, das Memra Jehovahs aber ist es, durch dessen Wirken es schlieBlieh so
weit kommt."
Mittehvesen; jMische Metaphysik. 47
Hbr. 12, 22. Offenb. 21, 2), das neue Jerusalem 1st jetzt schon im
Himmel vorhanden und tritt einst an die Stelle des alten Jerusalem
(Hen. 90,' 28 f. cf. Hbr. 11, 10: 12, 22. Offenb. 21, 2. 10. Ezech.
40 ff. Jes. 54, Iff. 60 f. Hag. 2, 7). Alles Irdische das 1st also die
Meinung hat sein Vorbilcl im Himmel, die Taten und die Geschichte
cler Menschen, die Seelen und die Sachen praexistieren in der oberen
Welt. Das gilt z. B. auch vom Messias, dem Menschensohn, dessen
Name vor Gott genannt wird, bevor der Himmel erschaffen wurde und
zu dem Henoch in den Himmel erhoben wird (Hen. 39, 6f, ; 46, If.;
48, 3; 62, 7; 70, 1). Diese Auffassung von der Praexistenz alles Ir-
dischen ist sowohl im Neuen wie im Alten Testament (s. noch Ex.
25, 9. 40 ; 26, 30 ; 27, 8. Num. 8, 4) wirksam. Sie gent zuriick auf
die babylonische Anschauung, clafi cliese irdische "Welt ein Abbild der
himmlischen Welt sei. - 1 ) Fiir das jtidische Bewufitsein aber war die
Theorie vorbereitet dtirch den Prophetismus. Fafite man namlich die
Weissagungen als starre Yoraussagungen auf, und wurde den Propheten
von oben her gesagt, was hier unten geschehen solle, so war eine der-
artige Theorie geradezu unentbehrlich. 2 ) Alles irdische Geschehen
wurde durch diese Theorie zur Notwencligkeit, das von der Weissagung
gemeinte dtl yevsG&ai empfing eine neue Niiance, die Ausgange der
Geschichte wurden sicher in Gottes Hand gelegt. Andrerseits empfand
man bei dem starken jlidischen Freiheitsbewufitsein, wie es sich am Ge-
setz herausgebildet hatte, nicht die deterministischen Konsequenzen dieses
Gedankenkreises. Im librigen hot er mancherlei Beziehungspunkte zu
den Gedanken der griechischen Philosophic . Diese Anschauung von
der hnmnlischen Welt'stellte ja eiu merkwiu'diges Pendant zu Platos Ideen-
lehre dar. AUerdings sind die TJnterschiede nicht minder deutlich.
Mcht eine Konsequenz der theoretischen Weltbetrachtung, wie bei Plato,
fiihrte hier zu der Annahme der IJberwelt, sondern der Gedanke von
Gottes schopferischer Macht, die schlechthin alles in sich fafit.
7. Damit haben wir die Haxiptgedanken des Judentums in dieser
Zeii uberblickt. Es sind folgende : das Gesetz und die durch dieses
bedingte Heilsordnung, der Messias und die Erlosung im rnessianischen
Reich. Hier nun greifen als relativ neue Elemente die kosmologische
Spekulation und die Praexistenzmetaphysik ein samt der immer mehr
entfalteten Angelologie und Damonologie. Die alttestamentliche Religion
1) s. Schrader-Ziminern. Keilinschriften und AT. 2 630. 498. 402. '403.
Winckler, Himmels- u. Weltbild der Babylonier S. Ill Axich die Astrologie
hangt mit diesem Gedanken zusammen.
2) Die Chokmah schloB dieselbe Konsequenz in sich. Ln iibrigen ver-
gleiche man das prophetische Pertektum zu der ganzen Anscliauuug.
48 5. Das Indention.
war in alien Punkten konserviert und in alien Punkten ,,fortgebildet".
Tiber die lebendigen Eormeu des alien Yolksgesetzes tind des Glaubens
an den Sieg Jabves in der Gescbicbte waren die Netze der Theorie
tind der Theologie geworfen. Das Gesetz war ein tbeologisch-kircben-
politisches Gemachte geworden tind der Messiasglaube war in eine tbeo-
retiscb-metaphysiscbe Theorie verwandelt. "Wabrend aber die antilce Ent-
wicklnng yon der Religion zu der Eeligionspliilosopliie alle positiven
Elemente abgestofien batte und in kable Abstraktionen ausmiindete, scbloB
hier die Tbeorie eine unermeBlicbe Hypertropbie des Positiven in sicb.
Dort drobte der seiner Binde beraubte Stamm der Religion zu ver-
dorren, bier bestand die Gefabr. daB er in der tJberfiille des Jabr-
tausende alten Laubes verfaulte.
Aber bier wie dorfc ist die ..Fulle der Zeiten" begleitet von der Unzu-
friedenbeit erregter aber ungestillter Sebnsucbt. Eine Kritik, wie Paulns
sie auf Grund eigener Erfabrung an deni jiidiscben Moralgesetz iibte.
gibt in dieser Bicbtung niebt Aveniger zu denken, als die skeptiscbe
Stimniung. mit der der Yerfasser des Hebraerbriefs dem Zeremonzialgesetz
gegeniiber stebt. TJnd in diesem Zusanimenbang mufi aucb erinnert
werden an die unverkiinstelte alttestamentlicbe Eronmiigkeit, die in den
Kreisen Palastinas berrscbte. in denen das Obristentum zuniicbst "Wurzel
gescblagen bat. Diese Israeliten obne Falscb baben zuerst Yerstandnis
fur das Evangelism . fiir den Fortscbritt von der Enayyekia zum
evccyyefaov gebabt. Ereilicb sie mogen den ,.Kern" Israels gebildet
baben, das Yolk Israel als solcbes stellten sie nicbt dar.
8. Derjenige. der vom Standort des Cbristentums ans das Jnden-
tum betracbtet, wird aber vor allem auf die kircblicbe Organi-
sation aufinerksani, die sicb das Judentum gegeben batte. 1 ) Die ge-
waltige Ausdebnung des Judentums in aller "Welt und die energiscbe
Propaganda, die es betrieb, batten ein ungebeures Selbstbewufitsein er-
weekt trotz des Antiseinitisnius. der scbon bundert Jabre vor
Cbristus bier und da sicb regte , und sie batten, ungeacbtet des
nationalen Partikularismus, ein gewisses BewuBtsein der KatboKzitat in
dem Judentum bervorgebracbt. Man batte das Bewufisein, das Pro-
gramm der Weltgescbicbte zu verwirklicben und man fiiblte sicb als das
Centrum dieses Progranims ; man iiberscbaute von ibm aus man
denke an die Danieliscben Weltreicbe oder an Henoch, das 3. und
4. Bucb der Sibyllinen oder 4. Esra das Ganze der "Weltgescbicbte.
Aber diese Anscbauungen blieben nicbt leere Wtinscbe, man fafite wirk-
licb in aller "Welt Fufi, und iiberall war es derselbe Kanon. dieselbe
1) Diesen Gesicbtspunkt hat Bousset mit Eecht betont.
KircMiche Organisation und Kanon. 49
Lehre. derselbe Kultus, dieselbe Organisation, welche die Gemeinden
.zur Einheit zusammenschlossen.
Es lohnt sich dieser Tatsache nachzudenken, denn vieles hiervon hat
vorbildliche Bedeutung fiir die ckristliche Kirche gewonnen. Folgendes
sei hervorgehoben ; 1) die okumenische Ausdehnung und die internatio-
uale Tendenz der jiidischen Kirche ; 2) die aufierhalb Palastinas rege
Neigung. die Religion den Bildungstendenzen zu akkomodieren, indem
man sie philosophisch verbramt und national deutet im apologetischen
Interesse (s. unten). 3) Die Herausbildung und strenge Handhabung
eines Kanons, noch im neutestamentlichen JZeitalter sind ,,Gesetz und
Propheten" ') sein \vesentlicher Bestandteil, die ubrigen ,,Sehriften" sind
erst allmahlich dem Kanon einverleibt. Jedes einzelne "Wort des Kanons
ist als solches absolute Autoritat. Der heilige Buchstabe iibt eine Herr-
schaft wie in keiner anderen antiken [Religion. 4) Eine streng mecha-
nische Inspii-ationstheorie stiitzt den Buchstaben. 2 ) 5) Zum Kanon
kommt aber noch die Tradition ; sie entstamint der Notigung, den -Be-
darf der spateren .Zeiten aus den Prinzipien des Altertums zu decken.
Sie stellt sich daher einerseits dar als Auslegung der alten Schriften, 3 )
anclererseits wird sie auf dieselbe Quelle zuriickgefuhrt wie jene
Schriften. So entsteht die Mischnah oder die "Wiederholung des Gesetzes
(n^'D; devTSQcoaig) und die Kabbalah (~^2j? ; nlDD,
1) Aiich die neutestamentlichen Zitate stud zum grofiten Teil entnommen
dem Gesetz, den Propheten imd den Psalmen. So ttrnschreibt auch Lc. 24, 44
den TJmfang des Kauons.
2) Der inspirierte Autor hat ,,das eine aus dem Mxuide des Herrn", ,,das
andere aber haben meine Augen gesehen von Anfang bis zu Ende" (Hen. slav. 40, 1),
also Diktat und Vision. 4. Esr. 14, 25: et ego accendam in corde tuo lucernam
inMlecttis, quae non extinguetair quoadusque finiatttiir quae incipies scribere.
39 f. : et aperui os meum et ecce calix plenus porrigebatur mihi, hoc erat plenum
sicut aqua, color a^<,tem eius ut ignis similis, et accepi et libi et in eo cum bi-
-bissem, cor meum eructabatur intellei-tum et in pectus meum increscebat sapientia.
.Esra schreibt nun in 40 Tagen 94 Bticher, 24 davoii (d. h. die kanonischen) sollen
publiziert werden, 70 werden aufbewahrt als Geheimschriften fiir die Weisen
(14, 44ff.). Henoch hat gar 366 Bticher geschrieben (Hen. slav. 23, 61. Unter
mannigfachen Kampfen ist dann der hebraische Kanon die Septuaginta weichen
von ihm ab zur Herrschaft gekommen. Auf ihn wurde die Inspiration be-
-gchrankt, die Bucher sind geschrieben durch den Heil. Geist, der nwa: n-n genannt
wird, sie sind Dn p; im hochsten Grade gilt die Inspiration von der Thora,
s. Weber S. 78ff" T "
3) In gewissem Sinne sind so auch Propheten und Hagiographen nur
,,Tradition" der Thora gegemiber, s. Weber S. 79 f.
4) Zla^dSoais entspricht eigentlich der rvjee als die Tradition, sofern sie
uberliefert wird (noo), wahrend rmg die empfangene Tradition ist (Sap), vgl.
z. B. Pirqe aboth c. 1: stin^ HIDE-I JDB niin bzp no.
See berg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 4
50 5. Das Jttdentvmi.
Man beruft sicli zunachst auf die Lehrer der jiingeren Yergaugenheit
und greift clann Aveiter schliefilich bis auf Mose zuriick. *) Die
Sukzession der Lehrer biirgt also fur die Tradition. Aber auch liier
Avird schliefilich die Tradition oder Kirchenlehre als Interpretin des
Kanons iiber diesen gestellt. 6) Die Autoritat des Lehrauites hat
nach der ZerstSrung des Tenipels die der Priester verdrangt. Yersamm-
lungen der Lehrer (Synoden) entscheiden iiber Lehr- und Kultusfragen
xind geben in Synodalschreiben ihre Beschllisse bekannt. Das Haupt
einer hervorragenden Scbule gewinnt fiirstliches Ansehen. 2 ) 7) An
die Stelle des Tempels ist schon Avahrend seines Bestandes die Synagoge
getreten. Sie brachte mit sich lokale Gemeindebildtingen, eine Gottes-
dienstordnung, eine religiose Lebensordnung (Gebetsstvinden), religiose
JugendunterAveisung, organisierte Armenpflege, eine amtliche Organisation
(TTQsaflvreQOi,, dgxiavvaywyog, Almoseneinnehmer, Diener). 8) Mit der
lehrhaft gehaltenen Liturgie waren auch feste Lehren oder Dogmen ge-
geben, man kann das Sch'ma geAvisserniaJBen herziehen. 3 ) Aber dog-
niatische Ausbildung im Sinn unserer ^Dogmen'-' nahm doch auch die
jiidische Lehre nur dort an, AVO sie mit dem Griechentuni in Yerbindung
kani (die Sibyllinen, Philo usw.).
Fur die Beurteilung des historischen Yerhaltnisses von Kirche und
Synagoge sind diese Beobachtungen von grofier Bedeutung. Aber so
falsch es AA'are auf Grrund der Ahnk'chkeiten sofort geschichtliche Ab-
hangigkeit zu konstatieren, denn ahnliche geschichtliche Bildungen ent-
stehen in venvandten geschichtlichen Yerhaltnissen auch spontan, so sehr
bedarf es bei der geschichtlichen Betrachtung des Christentums der
ernsten Erwagung etwaiger Abhangigkeit von den Gedanken und In-
stitutionen des Judentums. Indessen die Tendenz auf Katholicitat in
dem Judentum hat nie erheblichere Erfolge erreicht. Zvf&v verstand
das Judentum es schon dainals meisterhaft im apologetischen Interesse
die eigene Lehre als die hochste Weisheit der Aufgeklarten und als
Ausdruck abgeklartester Humanitat der Welt zu empfehlen, 4 ) aber man
1) S. Pirqg aboth c. 1 u. 2, die Tradition fuhrt Mer von Mose bis auf
Jochanan ben Zakkai, den Schuler Hillels und Schammais, nnd seine Schuler.
2) Vgl. Schlatter, Israels Geschichte etc. S. 295 ff. Die y^d^ata
k/y.'vyj.i'/.a, Averden von den jiidischen Aposteln in aller Welt verbreitet, s.
Harnack, Die Mission und Ausbreitmig des Cliristentums, S. 41 Anm. 238.
3) Vgl. Bousset S. 169.
4) S. z. B. Philo de caritate 15: VOVTO Si- fidhoza ^oviemi Sia ndanjs
deaias o is^airaros TtooytTiirjs '/.cnaoxevd^eiv, 6/.i6voiav t '/.otvcoviav,
y.()a<m> rjd'iov, e &v oiy.lai ml Ttol.ets, efl'vq re y.al ftwyai y.al ib avfiTtav twv
ysvos elg TrjV avioidrm TtgoiJ.&oiev eiiSaiftovtav.
Hellenisiertes Judentum. 51
stiefi dabei auf bestimmte Schranken, das Judentum blieb trotz allem
national gebunden sowohl hinsichtlich der Wurzel als des Zieles
seiner Religion. Man konnte das eine Zeitlang verbergen, es muBte
doch immer hervorbrechen. Und das brachte eine Enge des geistigen
Horizontes und eine Yeraufierlichung der Religion mit sich, iiber die
stoische oder platonische Uindeutungen nur zeitweilig hinwegtauschen
konnten. Die Religion der Beschneidung und der Thora konnte nicht
Weltreligion werden.
9. Wir mlissen aber noch einer Gestaltung des Judentums gedenken,
namlich des hellenisierten Judentums, wie es besonders in Alexandria
zur Bliite gekommen ist. Die Sapientia Salomonis und Philos "Werke
gewahren einen tiefen Einblick in dies Judentum ; seine Tendenzen
treten Her deutlich zutage, mogen iinmernin die vielen, die ahnliche
Wege gingen, nicht so konsequent fortgeschritten sein. Hier wird der
Versuch geniacht die jiidiscne Religion auszudriicken in den Eormen der
stoischen und platoniscnen Pbilosopbie, ~ aber trotz aller Konnivenz der
PhilosopMe gegentiber bleibt es bei dem Judentum: das Gresetz ist die
oberste Autoritat, seine Forderungen mogen noch so sehi- spiritualisierfc
werden, schliefilicb. sollen sie doch bxichstablich erfiillt \verden 1 ) Die
Tendenz des Judentums auf die "Weltreligion ist hier in den Strom der
Geistesgeschichte seit Alexander dem Grr. hineingezogen worden, und
das Judentum ist bereitwillig hierauf eingegangen. Man nahm die grie-
chische Sprache an und fiigte sich den Eormeln der Weltphilosophie,
man kam fast unwillkiirlich dazu, das Band zum Tempelkultus immer
mehr zu lockern und die Religion aus den Observanzen loszulosen und
in das Innere zu verlegen. Was man tun konnte, urn der Kulturmensch-
heit die Offenbarung des Alten Testamentes annehmbar und imponierend
zu gestalten, geschah - auf uralte Offenbarung ging sie zuriick, von
der itQOVOLtt und dem. Logos, von der Praexistenz der Seele und von
ihrer Befreiung aus dem Leibeskerker, von Askese, Ekstase und heiligen
Mysterien wufite man zu reden , trotz allem blieb das Judentum, was
es war, die Religion des Gresetzes, in tausend Satzungen eingekapselt,
an den Boden des Nationalismus fest angewachsen. Behalt man dies im.
Auge, so wird'es begreiflich, da6 dies Judentum, das in vielen Punkten
sich ausnimnat wie eine Prolepse der christlichen Theologie seit der
Mitte des zweiten Jahrhunderts, doch nie in eine ernste Konkurrenz
zum Christentum hat treten konnen. Es konnte niemandem mehi 1 sein als
es selbst war. Es konnte aufklaren und belehren, es konnte entgegen-
kommen und moralisch bessern, aber die grofie Kraft des Ohristentums
1) Mit Eecht haben Schiirer Avie Boiisset diesen Punkt kraftig- betont/
4*
52 5. Das Judentum.
fehlte ihm, die Kraft Jesu Christi, die geistige Willensmackt, die von
ikm ausging, das Gfanze und die Einzelnen in ihm wandelnd. Nicht
die Differenz der Lehren, ein Plus Her und ein Minus da, ist es ge-
wesen, wodurch das Christentum leistete, was diesem hellenisierten Juden-
tum versagt blieb. sondern die gegenwartige und wirksaine Kraft Ohristi
des Herrn bedingte den Unterscliied. Dort katte man Ideen und
Regeln, Her \var personliche Macht, wirksame Kraft, religiose Offen-
barung. Dort geriet man in die Eeihe der Sckulen. Her \vmrde man
von der Schule los.
10. Trotz dieser Erkenntnis ist es von groBtem Interesse fur die
Dogniengeschickte. wenigstens in den Grundziigen die Methode dieses
philosopHerenden Judentums kennen zu lernen, stellt es dock vielfach
voraus dar die spateren Bildungen der christlichen Theologie. a) Dei-
Pentateuch ist inspiriert, *) jedes "Wort in inm ist Gfottes Wort. Aber
man versteht die "Worte auf dem Wege der allegorischen Exegese, sie
bieten so die "Weisheit des ,,heiligen Plato", b) Q-ott ist o wv (Sap. 13, 1),
10 ov, zb ovTcog ov, et$ v.a.1 rb nav (PHI. leg. allegor. I, 44), er ist
artoiog. Er wirkt imnier, auch am Sabbat (PHI. ib. I, 3). 2 ) Aus der
vernlvaftigen Ordnung und Leitung der "Welt ist sein Dasein zu er-
scnlieBen (de monarch. I, 4). Gfott ist das absolute pradikatlose Sein,
aber der Gedanke seiner lebendigen Tatigkeit ist dabei stark betont. 3 )
1) 'JEgfiijvslg yd<) slow ol Tt^oy-fjiai -d'eov Kavd'/gcofievov tols sy.sLvmv bgydvois
flrjicoaiv Stv av e&ekijai) (Philo, de monarch. I, 9). "Ovrcos yd.!> o Ti^ocp^rr/e,
r.al oTtote heyeiv Soy.sl, Ttgbs a}^&siav fjavftd^ef y.aTa'/^fjra.i Se eregos UVTOV rots
(fiovriiri^iois opydvois, orofMTi y.ai y).cai:Trj, Ttgos ui]vvatv &v av \)ekrj (Phil. C[llis
rev. div. her. 53).
2) UuiiEiu.i yap otiSsstoTE ftoicov 6 Ssos, d)J' &07te(> ffitov rb '/.aieiv nvgbs xat
'/J.OVOS ib yv%ei,v, ovrco y.al \)eov TO Ttoieiv y.a.1 Ttohv ye (.tahlov, oaca y.ai rots allots
ciTtaaiv dy/jj tov (>&v eanv. Dazu Henoch slav. 24, 8 (ed. Bonwetsch p. 25):
Aber auch die Sonne-hat Ruhe in sicJi selbst, ich aber fand keine Riihe, weil ich
war der alles Schaffende. Vgl. Joh. 5, 17.
3) Hierher gehoren auch die eigentiimliehen Stellen, in denen gewisse An-
satze zu einer Trinitatslehre bei Philo vorliegen, s. de Abr. 24: Tcarf? pev
iwv ol,(ov 6 fieaos, os iv Tats iepats ygayctls WOQ'UO ovofian '/.akelicu- o *Qv at Se
ytaff exdieya Ttfjeafimatat, v.a.1 eyyvratai TOV "Ovros Svvdfisis, &v i] fiev yioirjrts^, fj
Ss 2 flaoikisti} Ttgooayopefa'rai' y.al ^ {.lev Xovrfctv.'}] ,,-9eos" . . ., ?} Se ^aaihicr}
,,'/.VQIOS" . . 4opv<[0()0'u l uevos oiiv 6 fisaos iiy exaieoas tcov dwdpecov TtaQB^ei rrj
opaiiy.fj Stavoia VOTB (.lev evos, tors Se roi&v pavraai&v. Nur durch die ,,groJ3en
Weiheu" erhebt sich die Seele zur Erfassung des ov an sich, wahrend sie fiir ge-
\vohnlich Gott aus den Dingen wahrnimmt und dann die Dreiheit schaut: IQIWV
8s biav /.irjTtco ids peydlas rshadsiaa lelerds, BII sv vats fi<)a%vT;eoat,s opyidZfltiu
KM f.t,r\ SWIJTUI rb V 0v livev ereoov twos eg aiirov ftovov y.aiala^elv dllA Sid t&v
Die Theologie Philos. 53
c) Grott steht die gestaltlose vir] gegenuber. Auf sie wirkt er ein
durch Mittelwesen. Es sind die Engel oder, philosophisch ausgedriickt,
die platonischen "Loyoi., die aber im Sinn der Stoa als wirksame Kraffce
vorgestellt werden. -Zusammengefaflt sind sie in dem 'koyog oder der
oocpia, dein itvEv^ia "/.VQIOV, als clem y.6G(.iog vorjrog, der Idea idsuv (Sap.
9, 4; 7, 22 ff. ; 1, 7; 12, 1; 9, 1. Phil. leg. all. I, 19). Es ist dan
bei an keine Person gedacht, sondern an die alles durchdringende und
ordnende gottliche ytqovoia (Sap. 14, 3; 17, 2), an die Metropole
aller gottlichen Krafte (Phil, de mundi opif.. 6). Dieser Logos nun
ist ovze ayswrjcog wg 6 &eog, ome yevvytbg &g vf.ieig (Phil, quis rer.
div. her. 42), o Ao'/og rtQCoroyovos, 6 rtqwtoyovos, 6 TtgtOTO'ioxos vio$ im
Yerhaltnis zur "Welt (Phil, de confus. ling. 28), ttyyehog rtQeGfimavos,
6 wi sixova av&QCOTtos (ih.), er' ist der devregoc; tfeos (bei Euseb.
Praep. ev. ~VTI, 13, 1). Der Logos ist der drjf.uovQy6g } denn durch ihn
schuf Grott die Welt (Phil, de monarch. II, 5), er ist der gottliche Ab-
glanz, der melchisedekische ilohepriester, der nnser ixer^g bei Gott,
linger Tta^et/cta^og ist (Phil, q^uis rer. div. her. 42), er ist (SaGiXebs
cftxatog, Brot vom Hiimnel, Milch .der Seele, Wasserqtielle, Freund und
Fiihrer. - 1 ) Trotz all dieser personlich klingenden Aussagen, ist er doch
keine Person, wircl auch nie etwa dem Messias gleich gesetzt. Die Ge-
danken Philos greifen nicht hinatis iiber die stoischen Aussagen der Sap.
von der aocpia oder dem nvev(.ia VOSQOV ayiov, von dem es heifit, es sei
(.lovoysveg, nolvf-iBQSQ, hertxov, ftaviodvvaftov, %iOQel dice ftdvrwv, ajtoQQoia
do^fjS, &jtavyctG(.ia cpwros aidiov etc. (Sap. 7, 22 8, 1). d) Durch
einen vorzeitlichen Fall karn die priiexistente Seele in den Leib, der ihr
Sarg ist und Ursache der Siinde und der tJbel (Phil. Yit. Mos. ILT, .17. 2 )
Sap. 8, 20; 9, 15; 15, 8; 4, 14). Ln Gregensatz zum av^Qtojiog OVQCC-
vios ist der Mensch a.v&Qcono yrj'ivos oder {alG'S-rfcog. Die Aufgabe
des Menschen ist nun die Erfiillung des Gfesetzes als der Offenbarung
Gottes, TO acp&aQTOV v6f.iov cpwg (Phil, de rnigr. Abr. 16. Sap. 18, 4;
6, 18 ff.). Dies geschieht, inclem der Mensch (.levdvoca betatigt oder sich
von dem. Geschopf zu dem Schopfer, von der TJnwissenheit zur Weis-
v ij xri^ov /} &<)%ov. Vgl. de sacrif. Abel et Cain 15, wo der "-Q^
als iiye[.icbv zwischen d^ij mid dya&oTijs sich befindet, wodurch die menschliclte
Anschauung ebenfalls eine Dreiheit sieht.
1) S. noch die Unterscheidung des 1.6yog evSidd-eros und TtQoypQiy.os : in be-
zug auf den Menschen unterscheidet sie die Vernunft von der Kede und ihren
Organen, in bezug auf das All die unkorperlichen und vorbildlichen Ideen, die
im Logos ziisammengefafit sind, von der Nachahmung und Darstellung dieser
Ideen in der sinnliclien Welt, Phil, vita Mos. Ill, 13.
2) art, TiavTt, yevvriiw . . . Ttao' baov 'fjwev sis ysvsaiv ov.uy-vss to aurto-
idvov
54 5- Das Judentum.
heit. von der Zuchtlosigkeit zur Zucht. von der Ungerechtigkeit zur
Grerecktigkeit hinwendet (Pliilo de poenit. 2). Mit dieser Bufie ver-
binclet sich der bei Philo stark betonte Glaube. Mir die Menschen,
die in der Regel verganglichen Giitern nachgehen. ist der Glaube etwas
Wunderbares, denn er ist das Streben nacb Gott als dem. Seienden (TO
ITCI f.i6vo> vCt) fivxi fiefiaitog, xc aictai'aig oQ[.ielv, quis rer. div. her. 19).
Der Glaube ist das einzige bestandige und untrugliche Glut, denn er
fiihrt fort vom Bosen und bin zum Guten. er ist Erkenntnis der
Fromuiigkeit und Besitz der Gluckseligkeit. "Wer den sinnlichen Dingen
glaubt. ist unglaubig gegen Gott, und wer an Gott glaubt. glaubt jenen
niclit. Dies geistige Streben nacb Grott ist Erfullung der gottlicben Gre-
bote. aucb dann. wenn der Gflaubige, wie Abraham, ov yqd(i(.iaGiV ava-
dida%-9-Ets ist. cdl' aygdcpq} rfj cpvoei OTtovddoag vyiccivovGaig -/.al dvoaoig
oQiialg ftcr/.olov&fjacci, (de Abrah. 39). Das ist das angeborene sitt-
licbe jSTaturgesetz der Stoiker. Him oder der Vernunft folgen heifit
Grott folgen. Dieser auf die Gottheit und das Geistige gerichtete. zum
Geliorsam gegen Gott und die Vernunft bereite Sinn ist der Grlaube
nach. Philp (de migr. Abr. 23. 24). Auch bier ist die positive Re-
ligion inrnier daran, sich in das philosophische Streben des Weisen iiach
dem absoluten Sein, in den Gehorsam gegen die angeborenen Tiiebe zuin
Guten zu verfliichtigen. In der Seele wohnt die Sebnsucht frei zu
werden von den Schranken der Smnlichkeit. uni Erbe zu werden der
gottlichen Dinge. Indeni sie sicb selbst entlauft und in der Ekstase
aus sich selbst heratistritt, \\drd sie von der himmlischen Liebe erfiillt
und eniporgezogen zum Schauen des Gottlichen (quis rer. div. her.
13. 14). Auch hier konmrt dem enthusiastischen Streben die Ein-
fachheit des Lebens und seine asketische Gestaltung zu Hilfe. Der Tod,
der die Schranken der sinnlichen Welt bricht, bringt schliefilich die
Erlosung.
11. Das siud einige .Ziige aus diesem hellenisierten Judentum. Die
Treue gegen das vaterliche Gesetz. das BewuBtsein der nationalen Pra-
rogative. die scharfe Kritik der heidnischen Keliglonen - 1 ) verbindet sich
in merkwiirdiger "Weise . mit dem philosophischen Gottesgedanken und
den Logosbetrachtungeu, mit den ekstatischen und asketischen Tendenzen
der Mysterienfrommigkeit. Tiber das Positive hinaus ist man zu einer
Kraft und Innigkeit des religiosen Lebens gekommen, die starker war
als bei den griechischeu Philosophen, weil ihr immer zugleich der Boden
positiver Beligion gegeben war. Und deuuoch siud von dieser Erommig-
1) S. die jMischen Sibylliuen, Sap. 13, Iff. llff.; 12. 24; 15, 18; 14, 24 if.
Philo de mund. 1 n. a.
6. Das Urchristentum. 55
keit zunachst weniger Wirkungen ausgegangen, als man erwarten mochte.
Sie war docli den Juclen zu heidnisch und den Heiden zu jiidisch. Dazu
kam, daB der immer machtiger werdende Pharisaismus ihr den Weg
vertrat, tind daB dann bald das Christentum durch seine Propaganda ihr
den Wind aus den Segeln nahm.
6. Das Urchristentum.
B. WeiB, Lehrb. d. Mbl. Theol. des N. T., 7. Aufl. 1903. B. WeiB, Die
Eeligiou des N. T., 1903. W. Bey schlag, Neutest. Theol., 2 Bde.. 18911
H. Holtzmann, Lehrb. d. neutest. Theol.. 2 Bde., 1897. 0. Pfleiderer. Das
Urchristentum, seine Schriften und Lehren, 2 Bde., 2. Aufl., 1902. P. Wernle,
Die Anfange unserer Eeligiou, 2. Aufl. 1904. G. Heinrici, Das Urchristentum,
1902. E. S e eb er g , Aus Eeligiou u. Geschichte I (1906) S. 1144. H. H. Wendt ,
Die Lehre Jesu, 2. Aufl. 1901. G. Dalman. Die Worte Jesu I, 1898. C. Weiz-
s acker. Das apostol. Zeitalter, 1886. E. T. Dobschiitz. Die Probleme d.
apostol. Zeitalters, 1904. P. Feine, Das gesetzesfreie Evangelium d. Paulus.
1899. P. Feine, Jesus Christus und Paulus, 1902. A. Seeberg, Der Kate-
chismus des Urchristenheit, 1903. A. Seeberg, Das Evangelium Christi, 1905.
1. An zwei Orten der Welt war das BewuBtsein der Weltherrschaft
wirksam. in Rom xind in Jerusalem. Rom meinte sie zu haben, und jeder
Tag verwirklicMe sie inm, Jerusalem, erhoffte sie von der Zukunft tind
einer grofien Tat seines Gotte's. An beiden Orten erwartete man alles,
das Heil der ganzen Welt, von dieser Weltherrscbaft. Jerusalem hat
Eecht bekommen. Die Herrschaft Gottes ist in Jesus Christus erstandeu
nncl sie hat sich die Welt unterworfen. Aber Rom stand ihr entgegen.
zuerst auBerlich, und dann innerlich. Und als die Herrschaft Ohristi
eine Tatsache geworden war, gegen die es kein Widerstreben gab, da
hat sie Rom ergriffen und sie in seiner Weise gedeutet und geiibt. Die
beiden alten Konkurreuten uni die Weltherrschaft haben sich abgestofien
und sich angezogen. Man kann die ganze Geschichte unter diesem Ge-,
sichtspunkt betrachten. Das kann hier nicht ausgefiihrt werden. Aber
der Gedanke beleuchtet die weltgeschichtliche Mission Jesu Christi. Er
hat den alten Geclanken von der Gottesherrschaft zur geschichtlichen
Tatsache gemacht.
2. Das jiidische Verstiinclnis des Gesetzes hatte die messianische
Hoffnuug verweltlicht. und der spatere Messianismus hatte das Gesetz
entnervt. Tim des Lohnes willen erfiillte man das Gesetz , imd das
Gesetz wirkte dahin, daB die neue Ordnung der Dinge immer sinnlicher
und iiuBerlicher gedacht wurde. Jesus Christus hat die subjektive
Religiositat Israels reformiert, indem er die objektive Religion von der
Stufe der Yerheifiung ai\f die der. Erfullung erhob. Was Israel die
56 6. Das Urckristentum.
fur die Znkunft verhiefi, erhob er durch das evayyehov zu
der die Gegenwart bestimmenden Macht.
In alleni grng Jesiis von dem Alien Testament aus. Aber er war
kein Nonaist im Sinn des Pharisaismus. Die TtaQadoasig tCov itqsG^vceQ(av
wies er zuriick (Mt. 5, 12 ff. ; 13, 19 f . ; 16, 12. Me. 7, 9). Die Autoritat
des Gesetzes selbst hat er dem gegenliber neu stabiliert. Aber er tut
das nicht im Sinn des nachexilischen Mosaismus. Wie die Propheten
versteht er das Gesetz als einheitliche geistige GroBe, die die Gesinnung-
und die fromnie Tat des Mensclien fordert. Auf Liebe, auf xgioig,
efoog und ftlaus kommt es ibin an (Mt. 22, 37 f. 40; 7, 12; 23, 23: 12, 7).
SchlieBlich ist er es selbst, der dem Gesetz seine Autoritat gibt und
seinen Inhalt bestimmt. Was das Gesetz will, bringt er zum Ausdruck
vermoge der koniglichen Vollniacht, die ihni geworden.
Diese Volhnacht eignet Jesus, sofern er das Bewufitseiu liat,.
die verheifiene gottliche Konigsnerrschaft in der Welt auszuiiben. Er
hat demgemafi den Willen Gottes den Menschen verkiindigt und er hat
ihn in rastloser Arbeit verwirklicht. Gottliclie Macht und Liebe wird
wirksam in seinem Wirken. Der Gott, dessen Wirken sich. durch Christi
Lebenswerk realisiert, fordert nicht nur, sondern er selbst gibt und wirkt
das Gute in den Menscben. In Jesu Wirken wird die gottliche Herrschafb
verwirklicht (Mt. 12, 28; 11, 5f.).
3. Dadurch rtickt Jesu Werk und Person in den Gedankenkreis der
Prophetie. Jesus selbst hat sich als den vei'heiBenen Konig Israels
gefuhlt. Als ,,Sohn Gottes" wird er bezel chnet und ,.Sohu des
Menschen" nennt er sich regelmafiig. Beides sind messianische Titel,
aber der zweite ist umfassender als der erste. Sohn Gottes ist Christus
als der, der den Inhalt und die Antriebe seiner Seele aus Gott zieht
und der daher in Gottes Geist oder Kraft lebt und wirkt (Mt. 3, 161;
11, 27. Joh. 3, 34f. ; 8, 55 ; 5, 30 ; 15, 15 ; 8, 26. 28. 40 ; 11, 22. 41 etc. ;
17, 4; 19, 30; 4, 34; 6, 57. 38). Menschensohn ist er als der, der himm-
lischen TJrsprunges, Wesens und Zieles ist (Joh. 3, 13 f.). Aber die
Autoritat xtnd die JEVnktionen Christi werden nicht umschlossen von der
Messianitat, die er sich zusprach. Auch die hochstgesteigerten Formen
des Messiasbegriffes in der Apokalyptik werden durch das Selbstbewufit-
sein Jesu iibertroffen. So etwa, wenn er sich das Weltgericht (L.c. 18, 8.
Mt. 25, 31 ff.) und das Eecht, Siinde zu vergeben (Mt. 9,6. 8), beilegt,
oder frei mit den gesetzlichen Ordnungen schaltet (Me. 2, 28). Jesus
hat sich als Messias gefuhlt, aber er hat zugleich von seiner Einheit mit
Gott gewufit, die mehr in sich faGte als der Messiasbegriff. Das sincl
Tatsachen von grofiter Bedeutung man beurteile sie, wie man mag
fiir die Entstehung der Christologie.
Jesu Person und die G-ottesherrsckaft. 57
4. Aber aucb dies liber den apokalyptischen Messiasbegriff binaus-
gebende Plus im Selbstbewufitsein Jesu Meidet sicb in alttestamentlicbe
Formen. Das "Wirken Cbristi verstebt sich unter einem doppelten vom
Alten Testament dargebotenen Gesicbtspunkt. Es ist einnial die Idee
der gottlicben Herrscbaft iiber die "Welt, und es ist sodann -der
Gedanke des neuenBundes. Beide Gesichtspunkte bezeichneu das
Ganze des W-erkes Obristi, der erste bat Jesus von Anfang an geleitet, der
zweite scbeint deutlicb erst angesicbts seines Todes angewandt zu sein.
Wie mm Jesus den jiidiscben Mosaismus gereinigt bat, so bat er aucb
die jiidiscben Wucberungen am messianiscben Gedanken abgestreift. Zwar
bat er in der grofien escbatologiscben Rede und sonst fast alle popularen
Ausmalungen der messianiscben Zeit angewandt (vgl. ,S. 43), aber sie
geben sicb, bemessen an den Zentralgedanken, deutlicb als populare Dar-
stellungsformen zu erkennen. Dem jiidiscben Partikularismus stebt Jesus
ebenso fern als der national-pob'tiscben Auffassung des messiauiscben
Berufes. Er ist mit seinen Gedanken. wie von der Halacba zu deni
Gesetz, so von den Zukunfsbildern der Apokalypsen zu den Propbeteu
zurtickgekebrt .
Eaoiheicc ist die gottlicbe Herrscbaft. Nacb Gottes Zuerteilung
(Luc. 22, 29f.) verwirklicbt Jesus sie in der Gregenwart (Luc. 17, 21. 23.
Mt. 6, 10. 33. Job. 18, 36) und bringt sie in der Zukunft durcb sein
Kommen zur Yollendung (Luc. 23, 42; 1, 33). Jesu Wirken durcb
"Wort und Tat ist die Ausubung der gottlicben Herrscbaft (Mt. 13 ; 12, 28).
Das zeigt sicb in der Aiitoritat und Macbt seiner Person, die liber alle
irdiscben Beziebungen erbaben ist, und der aucb die Engel untertan
sind, die stets bei den Seinen bleiben wird, und die aller Dinge macbtig
ist, die sicb der Sunder und Bedriickten erbarmt und ibnen ibre Stinde
vergibt, die liber der Menscben letztes Gescbick entscbeidet. Das ist
Cbristi gottHcbe Herrscbaft. Er stellt sein Wort dem alttestamentlicben
Offenbarungswort gleicb, er bestinunt iiber des Menscben Los, er nimnit
vollige Hingabe fur seine Person in Ansprucb, er beilt die Kxanken und
vergibt den Siindern. Es ist eine geistige, die Weltgescbicbte ordnende
und leitende Gewalt, die er auslibt. Sein Wollen und Eeden ist der
Ausdruck des gottlicben Heilswillens iiber die Menscbbeit und iiber ibre Ge-
'scbichte in alle Zukunft. So bezeicbnet die Herrscbaft Cbristi. sofern sie
als ausgelibt vorgestellt wird, den beilsmafiigen Zustancl der Menscbbeit
(Mt. 25, 24; 21, 43) oder das bocbste Gut (Mt. 13, 44 f.), oder aber
ibr entspricbt das Reicb Gottes als die meriscblicbe Genieinscbaft, innerbalb
welcber sie gilt (Mt. 16, 19; 7, 21; 21, 31; 23, 13 etc. Lc. 13, 28 f.).
Der Zustand unter der {iaadsia ist aber das Leben (Mt. 16, 16 f. 23:
18, 8f.; 25, 46. Me. 9, 43. 45; 10, 17. 30. Luc. 18, 18. Mt. 25, 34 cf. 41).
58 6. Das TJrchristentvun.
Wer diese Gredanken iiberschlagt, der findet, daB auch die deui jokannei-
seheii Evangelium eigentiimlichen Selbstbezeicknungen Christ! als Weg,
Wahrheit, Liclit, Leben sachlick in keiner Weise kinausgreifen liber die
Idee der geistigen Herrsckaft, die Christus in der Welt ausiibt.
Es liegt ein groBer weltgeschichtlicher Zug in alien diesen Gre-
danken. Die Person Christi, so wie er sie selbst angesehen hat, wird
emporgehoben uber alle Schranken der Individualitat und der Zeit. In-
deni die treibende Macht der israelitischen Greschichte sich in. .der Person
Christi konzentriert tmd diese so als die die Weltgeschichte bestimmende
Kraft angesehen wird, gewiunt die Person Christi die Ziige des gott-
licben Gesehichts- uud Heilswillens. sie wird zu dem ewigen Prinzip, das
das geschichtliche "Werdeu bestimmt und regiert. Wer den synoptischen
Christus verstehen will, darf diesen grandiosen Zug nicht iibersehen, der
in der fictaihelcc liegt und Christus als das bewegende Centrum der Welt-
geschichte erkennen lehrt. Was bisher HofEnung war oder sporadisch
wirkende Kraft, das ist in Christus Mstoriscbe Wirklicbkeit und die die
Greschichte stetig leitende geistige Macht geworden. Die Gfedanken von
dem gottlichen Willen, der Macht des Gfeistes, der Gfnade und der Er-
losung, A r om Sieg des Gruten in der Welt, die bisher Ideen waren, sie
sincl in Cbristi Person ivnd Wirken anscbauUcb und konkret, gescbicbt-
lich wirksam geworden. Nicht ein Ideal, auf das man hofft, sondern
eine geschichtliche Macht ist durch Christus die Herrschaft Grottes ge-
Avorden.
5. Als Jesiis die Hobe seines Erfolges erreicht hatte, sagte er seinen
Jiingern seinen nahen Tod voraus. Ein hoheres ,5Mtissen" (deT) vollzieht
sich durch seinen Tod. Nicht ein zufalliges Ereignis ist er, sondern er
ist notwendig als Grottes Ordnung, als der Weg zur Erbohung Christi
itnd als ein Mittel zur Durchfuhrung seines Werkes. Des Menschen Sohn
ist nicht gekommen bedient zu werden, sondern zu dienen und zu geben
seine Seele als ein hwgov &VTI ftokkwv (Mt. 20, 28). Die Hingabe des Lebens
Christi ist also das Losemittel oder Losegeld, das hingegeben wird, an-
statt daB viele clem Tocle als Gfericht verfallen. Christus bietet also
clurch sein Sterben das dar, was nach Henoch 98, 10 den Siindern fehlt :
,,ihr Averclet hingehen und" sterben, weil ibr kein Losegeld kennet, ihr
seid bereitet auf den groBen Tag des Grerichtes". Eine Stellvertretung
liegt vor sie war dem Juden vertraut , aber nichts in der Stelle
weist auf den Opfergedanken bin. Der gute Hirte, so lesen wir bei
Johannes (10, 11. 15. 17. 18) gibt seine Seele freiwillig bin fur die
Schafe. Und nur dann, wenn das Weizenkorn stirbt, bringt es viel
Erucht (Job. 11, 24). Urn ganze Hingabe an den Zweck handelt es
sich bis zur Hingabe der Seele fur die Freunde (Job. 11, 25; 15, 13).
Christ! Tod und der neue Bund. 59
Diese Gredanken deuten die Mattbausstelle. Was tier unter den subjek-
tiven Gfesicbtspunkt der Hingabe bis zum Aufiersten tritt , wird bei
Mattbiius als objektives Mittel gewertet. Sofern Cbristus treu ist in
seinem Beruf bis zum letzten, sofern er sicb ganz bingibt in seinem
Dienst, ist er der, urn dessentwillen die Menscben vom Grericbt frei
werden d. b. Siindenvergebung erlangen.
Der Gredanke "der Herrscbaft Grottes, die Cbristus ausiibt, wird bier-
durcb vertieft. Indem. er sicb selbst bingibt oder durcb den tiefsten
Dienst tibt er seine Herrscbaft aus. Die Gfottesberrschaft ist Erlosung.
Erloser ist Cbristus indem er stirbt. Sein Tod ist daber eine Offen-
ba.rung seiner erlosenden Herrschaft. Sein Tod selbst ist so eine Er-
hobung (Job. 3, 14; 8, 28; 12, 23).
6. Nun riickt aber Cbristus anlafilicb der Einsetzung des Abend-
mabls seinen Tod unter den Gresichtspunkt des neuenBundes 1 ) (1. Kor. '
11, 25. Mt. 26, 28). Das Blut Cbristi ist vergossen zum Zweck vielen
Siindenvergebung zu bringen. Damit ist das eine Element, aus deni der
,,neue Bund" bestebt nacb Jerem. 31, 31, berangezogen. Der Gedanke
fiibrt iiber den vorber erorterten nicbt binaus, denn er besagt nur, dafi
die Hingabe Cbristi in den Tod das Mittel ist, durcb das Grott Siinde
vergibt. 2 )
Also bat Cbristus sein Wirken sowobl als Ausiibung der gottlicben
Herrscbaft wie als Herstellung der neuen Yerfassung aufgefaBt. Er bat
die geistige Herrscbaft iiber die Seelen der Menscben und iiber die ganze
Welt ausgeiibt und er bat eine Neuordnung des Verbaltnisses zwiscben
Gott und der Menscbbeit bergestellt, indem er durcb seine Selbstbingabe
die Siindenvergebung zum dauernden Bestandteil der Beziebung Grottes
zum Menscben gemacbt bat.
7. Die Grottesberrscbaft , welcbe Cbristus offenbart. bringt den
Menscben nun alle Heilsgiiter. Die Siinder ruft Cbristus zu sicb (Me.
1) Dabei ist daran zu erinnern, daC Siad-tja-i] sowenig wie n^n? zxmaclist
den ,.Bund" bezeichnet. Es ist die ; ,0rdnung- der Dinge", am besten yielleicht
die ,,Verfassung" gemeint.
2) Deu Opfergedanken an dieser Stelle anznnelimen, scneint mir unveranlalit
zu sein. denn: 1) war der Begriff des ,,neueu Bimdes" eiu festgepragter, 2) ist
das Passali nieht eigentlicb. Opfer, 3) kniipft Cliristi Handlung nicht daran an.
was mit dem Lamm im Tempel gesebehen ist. Aber aucb wenn man den Opfer-
sinn annimmt, kommt man iiber die oben flxierte allgemeine Formel nicht hinaus.
Ob iibrigens Cbristus darauf reflektiert hat, daB der ,,neue Bund" auch dem
Menschen den Willen Gottes innerlicb machen soil, und seinen Tod auch diesem
Zweck untergeordnet hat, lafit sich nicht mehr sicher ausmachen. Zur Ge-
schichte des Begriffes sie ist bisher nicht bearbeitet s. bes. Bar. 2, 35.
Sir. 18, 11 ff. lubil. 1, 23; 23, 26 ff. Test. XII patr. Jud. 24 (armen.).
60 6. Das.Urehristentum.
2, 17. Mt. 15, 19; 6, 23), sie eiiangen mit der Gottesberrscbaft die
viiterlicbe Fiirsorge Gottes in jeder Lebenslage, das rechte Gesetzesver-
standnis, Erbamien, Trost, Gerecbtsprecbung oder Siindenvergebung samt
dem scbliefilicben Lobn, der aber Gnadenlobn ist (Mt. 20, 14f.). Indem
aber Gott so auf die Sunder einwirkt, entstebt in ihnen em neuer Lebens-
stand. Dieser kann nacb verscbiedenen Gesicbtspunkten bezeicbnet werden.
Die wicbtigsten sind folgende : (.isvdvoia samt dem Glauben, die Nacb-
folge Cbristi als der Verkebr mit Cbristus, der zum Erleben der Offen-
barung in ibm fiibrt. die ecbte Gesetzeserfiilluug oder die wabre Ge-
recbtigkeit, endlicb das Gebetsleben. In diesen Scbeniata bauptsacblicb
stellt sicb das neue Leben der JtLnger Cbristi dar. Die frobe Sicberbeit
in der "Welt uud die tiefinnerliebe sittHcbe Gesinnung, die Bereitscbafb
zu freudigem Yerzicbt wie zn ernster Arbeit und die Innigkeit der per-
sonlicben Gemeinscbaffc mit Gott kommen in diesen Fprmen in Avunder-
barer Eeinbeit zum Ausdruck. Gott ist Yater und Herr und der Menscb.
erlebt seine Gnade und Giite an Siindenyergebung und Lebensleitung,
aber aucb seinen beiligen Herrscherwillen,, der zum Guten treibt und
das Gericbt vollziebt. Rube fiir die Seele (Mt. 11, 29) und erne neue
Existenz ("Wiedergeburt Job. 3, 3. 6ff. ; 1, 13) findet der Menscb bei
Gott, Friede iind Tat werden ibni zuteil.
8. Tiber die Gegenwart bat Jesus hinausgeblickt, einerseits iiideni
er das Reicb Gottes als eine gescbiebtliebe und wabrende Menscben-
gemeinscbaft und demgemaB als seine Gemeinde im Unterscbied von der
bisberigen Gottesgemeinde gedacbt bat (Mt. 16, 18), anclererseits indem
er von dem Ende, der Vollendung des Reicbes durcb sein Gericbt ge-
redet bat. Einerseits wird letzteres im AnscbluB an die iiberkommenen
Eormen als ein in vielen Gescbebnissen sicb vollziebender ProzeB ge-
dacbt (Mt. 24, 6 31), dann aber scbarfen die Gleichnisse vom Ende
ein, dafi der Herr bald und plotzlich kommt und dafi es gilt bereit zu
sein fiir seine Wiederkunft (Mt. 24, 34 ff. ; 25, Iff. 14 ff. 31 ff.).
9. Die Offenbarung Cbristi Avar mit seinem Tode nicbt abgescblosseu,
aber aucb das Eaktum seiner Auferstebung stellt nacb der neutesta-
mentlicben Auffassting nocb nicbt diesen AbscbluB dar. Die Auf-
erstebung bat die Jiinger der Messianitat Cbristi vergewissert, sie lernten
aus ibr, daB er recbt batte (cf. Act. 2, 32 ; 3, 15 ; 4, 10. 33 ; 10, 40.
1. Tim. 3, 16. Job. 16, 8ff.) und seine Gegner im TJnrecbt Avaren,
da6 Gott fur ibn und Avider sie ist. Indessen das ist nicbt der AbscbluB.
Die Axiferstebung fiibrt liber die Menscbbeit Cbristi nicbt binaus, denn
nur ein Menscb kann aufersteben, und aucb andere Menscben werden
aufersteben. Die Art, Avie Cbristus von seinem "Werk gesprocben batte,
g'mg iiber alles MenscbenmaB binaus, und die Jiinger, die seiuen Tod
Heilsguter. Die 'Auferstehung Christi. 61
erlebt batten, haben in dem Auferstandenen nicht blofi einen erhohten
Mensclien, sondern Gott, den Herrn Himmels und der Erde erblickt.
Und sie haben hieraus die praktische Konsequenz gezogen, indem sie
seine Gegenwart suchten, ihn als Gott verehrten und ini BewuBtsein
von seiner Kraft geleitet und beschiitzt zu sein in seinein Namen ihr
"Werk an der Welt anfingen.
Wodurch sind die Jiinger zu dieser tlberzeugung , wie sie vom
ganzen Neuen Testament vorausgesetzt wird, gekoramen? Die Gelehrten
gehen entweder an der Frage voriiber, als sei mit der Auferstehung oder
auch niir mit dem Auferstehungsglauben alles gelost oder andere reflektieren
dariiber: so grofi sei Jesu Person gewesen, daB man alle verfiigbaren
Ehrenpriidikate, die von der rnessianischen Spekulation erzeugt waren.
auf sein Haupt haufte. Aber weder auf diesem nocb auf jenem "Wege
laBt sich die Entstenung des Tatbestandes einleucntend rnachen. Der
Auferstandene war docb. an sich aucn nur ein Mensch, und die verfiigbaren
messianiscben Ehrentitel scblossen keinesfalls die Gottheit in sich. Das ISTeue
Testament gibt uns eine andere Auskunffc. Yierzig Tage tiber sei der Auf-
erstandene den Jiingern erschienen, nicht stumm, sondern sich offenbarend.
Gredanken erzeugend, Plane erregend. Nur in diirftigen Zusammen-
fassungen ist uns dies Evangelium quadraginta dierum erhalten (s. Mt.
28, 1620. Lc. 24, 4449. Act. 1, 68), aber der Q-laube der
apostolischen 2ieit ist der Kommentar zu diesem Evangelium, mehr noch,
er selbst ist der Ausdruck dieses Evangeliums. Man erzahlte den Heiden
Tind Juden die Geschichte Jesu, bestiminte f eststehende . Stoffgruppen er-
gaben sich daraus, (Jesu Anfange, der Lehrer, der "Wundertater, der
Yerkehr mit dem Volk, den "Widersachern, den Ereunden, der Tod, die
Auferstehung), sie liegen den synoptischen Evangelien zugrunde. - 1 ) Aber
dann horte die Geschichte auf, und der Glaube ging an, wie .man ihn
verkiindigte. Christus der Herr und Gott war sein Mittelpunkt. Ihn
lehrte man aus immer neuem Erleben heraus, in der geschichtlichen
Darstellung lieB man es genug sein an einer kurzen Zusammenfassung.
Nur darauf kam es hier an, daB klar wurde : der Glaube, den die
Christenheit bekennt auf Grund der apostolischen Verkiindigung, er ist
1) Diese Stoffgruppienmg stellt in mancherlei Differenzierungen die Dispo-
.sition aller dieser Evangelien dar, aber gerade sie ist im ganzen von den
Evangelisten frei gehandhabt, nicht genau einer schriftliclien Quelle entnominen.
Diese' G-ruppierung war eben Jbekannt und liblich, man wandte sie in solchen Vor-
.tragen an, wie in denen des Petrus, aus denen das Markusevangelium hervor-
, nach dem Zeugnis des Papias und des Clemens Alex. Ein Werk wie das
Lukas soil den Theophims dariiber genauer und klarer informieren, was er
im Unterricht gehort hat (Luk. 1, 4).
62 6. Das Urcliristentum.
von Christus selbst den Aposteln geworden. Daher blieb und wiichg
die Autoritat der Apostel auch dann noch, als man die Evangelien hatte,
der Glaube war apostolischer Glaube. Die letzte abschliefiende Offen-
barung das war die feste Meinung hat erst der auferstandene
Herr den Jiingern erteilt; aucli die Gnostiker beriefen sich fur ihre
Sonderlehren auf Offenbarungen, die nach der Auferstehung Obristi von
ihm gegeben seieu.
Das fiihrt tins auf eine geschichtliche Erkenntnis von hocbster Be-
deutung. Der Schliissel zu deni Glauben der apostolischen Zeit und
damit der Folgezeit ist nicht die Atiferstehung als solche oder dann
der Auferstehungsglaube, sondern das Zeugnis des auferstandenen Herrn,
das religiose Erlebnis, das man an ihni und durch ihn gewonnen, mit
anderen Worten: Das evangelium quadraginta dierum. Lukas hat uns
seinen Inhalt als Referat iiber zwei Belehrungen gegeben, Matthaus hat
ihn in die Eorm des Missions- und Taufbefehls gekleidet und formell
als ein direktes Herrnwort iiberHefert. - 1 ) In den Gedanken kommen
beide iiberein.
Was ist es mit diesen Gedanken? 1) Jesus hat sich den Jiingern
zu erkennen gegeben in gotth'cher Macht, Wiirde und Heniichkeit und
er hat sie die Notwendigkeit seines Leidens nach der Schrift verstehen
gelehrt; 2) Jesus hat seine fortdaiiernde Avirksame Gegemvai't den
Jiingern fiir alle Zeiten in Aussicht gestellt und er hat ihnen zugleich
die Aiisriisking durch den heiligen Geist versprochen. 3) Dai'aus ergab
sich, daii Gott als Yater, Sohn und Geist lebt und wirkt. 4) Jesus hat
den Jiingern einen weltumspannenden Beruf erschlossen und demselben
einen festen Inhalt gegeben (zu Jiingern machen, lehren, taufen), in
Jerusalem sollen sie beginnen, aber alle Volker zu belehren ist ihr Ziel.
Behalt man diese Punkte im Auge, so wird einem die Geschichte
und der Glaube der apostolischen Zeit verstandlich. Alles, was den
neutestamentlichen Schriffcen diirchaus gemeinsam ist, hat seine Quelle
am Alten Testament, oder an dem Yorstellungskreis des Juden-
tums, oder an der Offenbarung Christi. Auf letztere Quelle gehen nun
solche Elemente zuriick wie die triadische Formel, die tlberzeugung
von Christi Gottheit, der Gedanke der "Weltmission, das Bekenntnis zum
1) Teh halte es fiir verkehit, die Eehtheit des Matthausschlusses anzufechten
(vgl.E.Riggenbaoh, der trinit. Taufbefehl 1903) ; freilich ein Herrnwort im eigent-
lichen Sinn ist er auch nicht, soudern er ist ein zusarnmenfassendes Eef erat liber das,
was die Jiinger in jenen Tagen an dem auferstandenen Herrn erlebt und von
ihm gelernt haben, wie der Vergleich mit Lukas zeigt. Als Taufformel ist das
Wort zunachst wohl nicht gemeint gewesen, sowenig Mt. 3, 11 Christus zum
Taufer nach dem Taufer machen soil.
Evangelimn quadraginta dierum. 63
Namen Ghristi, die Taufe auf Christus resp. auf die Trias. Nicht alt-
testamentliche und nicht jiidische Ideen sind das, es sind vielmehr Ge-
danken und Anregungen, die von Christus ausgingen. *) Und von ihnen
her ergab sich dann ein neues Verstlindnis auch der Geschichte Christi.
Jene Eleniente in ihr, die hinausgriffen iiber das messianische Bild
(s. oben), bildeten das Band zwischen der neuen Erkenntnis und der
geschichtlichen Erscheinung Christi. TJnd dies Yerhaltnis zwischen bei-
den Elementen wurde imnier enger und - immer notwendiger, denn die
Gegenwart des erhohten Christus, die man lebhaft empfand, wurde dem
Geist konkret nur in den "Worten und Taten des geschichtlichen Christus.
Die das Herz iiberwindende und antreibende Willensenergie, die von
Christus deni Herrn ausging, in der seine Herrschaft sich den Herzen
offenbarte, fand ihren Ausclruck und ihr Mittel in den geschichtlichen
Eormen seiner Offenbarung. Diese selbst waren Worte und Taten
Gottes, und sie bewahrten sich fortgehend als solche, indeni gottliche
Kraft von ihnen ausging. So kam man zu der Erkenntnis, dafi die
gottliche Art Christi, deren man gewifi geworden war, von Anfang seines
irdischen Lebens und Wirkens an, ihm eigen gewesen sei. Er war Gott
in seiner Menschheit und trotz seiner Menschheit. 2 ) Man hat hieriiber
zunachst keinerlei theoretische Eeflexionen angestellt ; die schweren Pro-
blenie, die in diesen Erfahrungen wurzeln und die lange Jahrhunderte tiber
zu schaffen gemacht haben, empfand man gar nicht. Man driickte nur
aus, was man erlebt und erfahren hatte, und diese Erfahrung bestatigte
sich in ' dem Erleben aller derer, die den neuen Glauben annahmen.
10. So ist es dabei geblieben, dafi Christus . Gottes konigliche Herr-
schaft ausiibt. Wie er es anfangsweise in den Tagen seines Erden-
wandels getan, so tat er es welter als der lebendige und gegenwiirtige
Herr. Er hatte es als Messias getan, aber er hatte schon dabei seine
iiber die Messianitat hinausgehende Art und Kraft kundgetan. Er tat
es nun als der XVQIO$, dem die fiaaifoicc zusteht. 8 ) "Wie aber die "Worte
und Taten des Messias als von dem gottlichen Herrn gewirkt erschienen,
so blieben sie die Mittel,' durch die der gottliche Herr sein Wesen und
sein Wirken erschlofi. Den Menschen Jesus hatte Gott erwahlt zum
Messias oder Gottessohn. Aber dieser Mensch nahm fiu- sich eine Herr-
schaft in Anspruch, die iiber das Messianische hinausging. In ihm war
1) Vgl. E. Seeberg, Evangeliiun quadraginta dierum in ,,Aus Eeligiou
und Geschichte" I, 42 ft.
2) In diesen Gedanken und Erwagungen liegt der Schliissel zxim Verstandnis
des johanneischen Evangeliums.
3) In dem Pradikat xv^ios lebt die genuine Idee der fiaadeia bei den Syn-
optikern fort in der Briefliteratnr.
64 6, Das Urchristentum.
gottliclies Wesen. Dies Avurde den Jungern in der Genieinschaft cles
Auferstaudenen klar. Hinfort erkennen sie in ihm nicht nur den Messias
als den gotterwahlten theokratisckgeschichtlichen Gottessohn, sondern den
himmlischen Herrn. den Sohn Gottes im Sinn des &eo [.lovoyevijs, ~wi Q
Job. 1, 18 zu lesen ist, den Sohn, der mit dem Vater nnd deni Geist
koordiniert ist. x )
Die gottliche Herrschaft des ,, Herrn" Jesus war rmd blieb untrenn-
bar von der messianischen Tatigkeit, die er auf Erden ausgeiibt hatte.
Dadurch Avaren Gesehichte Tind Glauben eng miteinander verbunden.
l y nd diese Verbindung wurde noch inniger dadurcb, dafi die Gaben des
uenen Bimdes unaufloslich mit den geschicb.tlicb.en Tatsacben des Todes
und der Auferstebung Obristi verkniipft waren. Hierin ist es begrundet,
dafi von den Anfangen der Kircbe an ein gottlicbes und ein menscb-
liclaes Element in der Person Cbristi angenommen Avird, und dafi alle die
Avecbselnden Tbeorien. die man iiber die Vereinigung beider gebildet
bat. sicb stets daran. ob sie die KeaHtat jener beiden Elemente aufrecbt
erhalten. zu beAA r abren gebabt haben.
11. Die altesten cbristlicben Gemeinden fiiblten sicb geboben und
getragen von deni Geist Gottes. Der Geist trieb die Zeugen Obristi zu
"Worten und Werken an, er kam iiber die Glaubigen, er wirkte sicb aus
in mancberlei "Wundern. Gott als gegenwartige wirksame Macbt das
ist der Geist ergriff die einzelnen Menscben, er bildete sie innerlicb
urn und er gestaltete sie zu Organen gottlicber EinAvirkung auf die
Mtnienscben. Wie eine Naturgewalt scbeint zeitweiHg der Geist geAvirkt
zu baben, so dafi man meinen konnte, er reifie aucb zu uncbristlicber
Rede fort (1. Kor. 12, 3). Aber irnnier mebr bat sicb sein "Wirken
konzentriert auf die geistige sittlicbe Einwirkung. Er blieb gottlicbe
Gewalt, aber er Avirkte in uienscblicher Rede, durcb personUcbe An-
naberung. Im Evangelium AA r urde seine Kraft offenbar zum Glauben
und zur Errettung (Rom. 1, 16). Besonders Paulus bat dies geistige
sittlicbe Moment betont und den Geist in feste Beziebung zum "Wort
der Glaubigen gesetzt (1. Kor. 2, 4. 1. Thess. 1, 51; 2, 13. Epb. 6, 17).
Aber Cbristus ist der Geist (2. Kor. 3, 17 cf . 1 . Kor. 15, 45 ; 6, 17. 1. Pt. 4, 14)
und der Geist Gottes ist Geist Cbristi (Rom. 8, 91 Gal. 4, 6. Pbil. 1, 19).
Der Geist Gottes Avar einst die iiber dem einzelnen und fur das einzelne
1) Das Neue Testament verwendet den Begriff ,,Solm Gottes" sowohl im
geschichtlich-messianischen als im go'ttlich-metaphysischen Sinn, olme aber deut-
lich zu unterscheiden. In clem einen Eall handelt es sich urn ein Attribut des
Menschen Jesus, in clem andereii Fall um gb'ttliehes Wesen, vgl. z. Bi Mt. 3, 17
.(,,dies ist mein geliebter Sohn") mit Mt. 28, 19 (,,in den Namen des "Vaters und
cles Sohnes und des lieiligen Geistes").
Geist und Wort. 65
wirksame Kraft des allwirksamen Gottes, er 1st jetzt als Geist Christ!
die an den einzelnen wirksame personliche Macht des die ganze Gemeinde
durchdringenden und beherrschenden BTerrn-Christus. Christus ist das
Haupt der Gemeinde, aber dies Haupt wirkt auf die einzelnen Gemeinde-
glieder ein, indein sein Geist sie bewegt. Aber nicht anders geschieht
das, als indeni der einzelne Mensch auf den Bruder einwirkt. Die
mancherlei individuell bedingten iind abgepafiten Beziehungen des Menschen
ziim Menschen sind die Leiter des Geistes. So kann in der personlich
gearteten Belehrung und Anregung die umbildende Macht Christi sich
jedem einzelnen anpassen und ihm das bieten, .wessen er gerade bedarf.
Gott ist nicht nur der Schopfer der "Welt, nicht bloB der Herr der
Kirche, Gott ist als heiliger Geist Christi der Lehrer und Erzieher
jeder einzelnen Seele, indeni er ihr so komnit, wie sie ihn zu ergreifen
fahig ist. Gott bewegt die Seelen nicht nur durch Christus als era
weltgeschichtliches Prinzip, sondern durch alle diejenigen, die von Christus
bewegt sind und den Stofi, den sie von ihm empfangen, weiter zu geben
trachten. Aber das geschieht so, dafi eben hierin und hierdurch Gottes
oder Christi Geist selbst die Seele bewegt. Christus kommt, indem der
Geist komnit, denn aus Christus nimmt der Geist, was er verktmdet
(Job. 14, 18 f.; 16, 8 11. 12 ff.).
12. So erwies sich die Macht. Gottes in alien Beziehungen des
Lebens, Man lebte in einer Wundersphare und aus den "Worten, die
der eine zum anderen sprach von deni, was er erlebt, strointe wunder-
bares Leben in die Seele hinuber. TInd dennoch scheint, soweit die
Quellen es erkennen lassen, orgiastisches und ekstatisches "Wesen in der
altesten Christenheit sehr selten . vorgekommen zu sein. Dies begreift sich
vor allem daraus, dafi das Geistprinzip von vornherein geschichtlich ge-
bunden.auftritt. Der Geist produziert nicht neue Offenbarungen, sondern
er individualisiert die Oflenbarung Christi, diese war aber in bestimmten
Worten und Gedanken gegeben. Der Enthusiasmus ist an sich revo-
lutionar, aber dieser Enthusiasmus war gefesselt an ein Besonderes und
Gegebenes. Der Strom des Geistes ist schon fruh durch konservative
Elemente des Beharrens in ein festes Bett gedrangt worden. Damit ist
keineswegs ausgeschlossen, dafi die Geisttrager selbst diese Elemente fixiert
haben. Einmal fixiert, waren sie auch fur sie eine unubersteigliche
Schranke. Diese Elemente waren 1) die Autoritat der Worte Christi,
die er vor und nach seiner Auferstehung gesprochen, samt dem Bilde
Christi, wie es in 'der Missionspredigt entworfen wurde (das Schema ist
uns von den Synoptikern erhalten, s. oben S. 61), 2) das Alte Testament,
3) die urchristlichen jtaQadoau^, die mehr oder minder feste Formeha
und tiberlieferungen fur den Glauben und das sittliche Leben darboten.
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 5
66 6. Das ttretoisteritnm.
Dafi es solche Formeln gab, sagt Paulus 1-. Kor. 11, 23; 15, 31;
11,2. -2-. Thess. 3, 6 cf. 1. Thess. 2, 13: 4, 1, und es wird bestatigt
duirch eine Anzahl haufig wiederkehrender formelhafter "Wendungen im
Neuen Testament. Eu diesen gehoft auch 'die triadische IFormel, die
iinmer wieder, obne dafi der Gredankenzusammenhang sie erforderte, an-
gefiihrt oder vorausgesetzt wird (Mt. 28, 19. Lc. 24, 49. 2. Kor. 13, 13 ;
1, 21 ff. 1. Kor, 12, 4; 6, 11. Eoin. 15, 16. 30. Eph. 2. 1922;
4, 3 ft; 5, 19 f. 2. Thess. 2, 1315, 1. iPtr. 1, 2; 2, 5 ; 4, 13 f.
Jnd. 20. Hbr. 10, 2931. Joh. 14, 15 17, 26; 15,26; 16, 1316.
Apoc. 1, 4f., auch 3, 12). Dafi diese Zusaininenfassung bereits der
altesten Zeit gelaufig gewesen ist, kann nach diesen Stellen nicM wohl
bezweifelt werden. 1 ) Wir werden spater Gelegenheit liaben anf diese
Fi'agen zuruckztikommen. Die IJberlie ; feruiig, wie die Porme'ln des Neuen
Testaments sie voraussetzen, faBte in siob. bestimmte Lehrforineln, sodann
Tugend- nnd Lasterkataloge (Pnil. 4, 9. Gal. 5, 1923. 1. Kor. ^6, 9f.';
5, 1-0 f. Kol. 3, 5if. Eph. 4, 31; 5, 3ffi. 1, Tim. 1, 9f. 27; 3, 2ff.
13 cf. 2. Kor. 12, 20. Tit. 3, 3. Eom. 1, 29 f.), das sind ,,die
Wege", die Paulus uberall lehrte (1. Kor. 4, 17). Die Grlaubensiibef-
lieferung speziell wurde mit solchen Nam en bezeicnnet, wie bj-iohoyitt
(1. Tim. 6, 12. Hebr. 3, 10; 10, 23; 4, 14), naQa^rjK-t] (1. Tim. 6, 20.
2. Tim. 1, 12. 14), rcis-cis (Jud. 3. 20. Tit. 1, 13. Kol. 2, 7. Eom. 12, 6 (?).
Gal. 1, 23 ; 6, 10. Eph. 4, 5. 1. Tim. 1, -19 ; 4, 6; 6, 21. 2. Ptr. 1, 1),
atf-9-eia (l.Ptr. 1, 22 cf. Kol. 1, 5), dtda^ (Eom. 6, 17 ; 16, 17. 2. Joh. 9f.
Hbr. 6, 2 cf. Eph. 4, 20. Kol. 2, 7), auch evayyffaov (Eom. 2, 16 ; 16, 25.
Gal. 2, 2. 1. Kor. 15, 1); ebenso vyiccivovTeg Koyoi (2. Tim. 1. 13) oder
ffjs niozscos (1. Tim. 4, 6). Dagegen ist die xaAr/ oder vyiaivovGa
Bezeichnxmg der Sittenregeln (s. 1. Tim. 4, 6; 5, 17; 1, 10.
2. Tim. 4, 3. Tit. 2, I). 2 ) 2m. diesen beiden Stiicken sind spater 'noch
Anweisungen iiber die Amter 'und die Ordination resp. die 'Handauflegung
getreten (1. Tim. 3, 1. 13. 15. 16; 4, 8 b< 10 b - 2. Tim. 2, 11). Was
christliche Elementarlehre ist, ist Hebr. 6, 1. 2 znsainmengefaBt. 8 ) 4) Zu
1) Audi Simon Magus setzte die Trias voraus, wenn er sich als den Messias.
die Helena als seine Ennoia ausgab ; er verbaiid diese Anschauuug mit eineni:
naiven Modalismus (Justin. Apol. I, 26. Iren. 1, 23, 1. 2).
2) In dem Sinne wie die Pastoralbriefe den Titel SiSaaxalLa brauchen, ist
auch der Titel Si8a%i] in der : "0berschrift StSay^ imv ifi anoaid^oiv zu verstehen.
Dieser Sprachgebrauch ist ganz deutlich auch Bai-n. ^16, 9, wo neben dem 1.6yos
tfjs itiaTEcos etc. die svmlal -cfjs SiSayfjs stehen.
3) Hbr. 6, 1. 2 setzt das Anfangswort Christi (so ist tf\s dy/Ms TOV X(>. foyov
zu versteheri, cf. 5, 12. Mark. 1,1. Act. 1, 1) gleich dem Fundament und bestimmt
dies genauer als BuBe von toten Werken und Glauben an Gott. Das ist freilieh'
Jesu Anfangslehre nach Mark. 1, 15. Dazu ; tritt paTtiM^imv SiSayfiv : (so, uicht'
Die Uberlieferung. 67
den genannten festen Elementen gesellt sicb welter die Autoritat des
bistoriscben Apostolats. Der Begriff Apostolat war einerseits cliarismatiscli
bestimmt durch den Besitz der Missionsgabe (1. Kor. 12, 29. Epb. 4, 11)>
aber .er trug andrerseits eine geschiclitliche Pragung : die gescbicbtlichen
Zeugen Cliristi sind die Apostel (vgl. Act. 1, 21 f, Hebr. 2, 4). Ind&m
mm Paulus alles darangesetzt bat, als Apostel im letzteren Sinn zu gelten
(Gal. 1, 1. Ill 1. Kor. 9, 1; 15, 7. 2. Kor. 11, 5), bat er das meiste
zur Starkung der Autoritat des bistoriscben Apostolats beigetragen, dessen
iibertriebene Scbatzung er docb einscbranken wollte, ! ) Sie ist in Wirk-
licbkeit gewacbsen (z. B. Apok. 21, 14 cf. 18, 20 und die apostoliscben
Vater), obgleicb zunacbst aucb der cbarisrnatiscbe Apostolat eine Mackt
blieb (z. B. Didacbe 11, 4). 5) Eridlicb ist zu erinnern an die Gottes-
dienstordnung mit ibrer Predigt, an die festen Eormen fiir T-anfe und
Abendmabl, die sich bald berausbilden niufiten, sowie 6) an das Bewufit-
sein der Zusammengeborigkeit der Gremeinden, der Yerbindlicbkeit all-
gemeiner Ordnungen und Eormen (1. Kor. 11, 16). Die synagogale
SiSa%fjs ist zu lesen). Das kann entweder sein die Lehre der Taufen d. h. die
die Taufen begleitende Lenre, oder die Lehre YOU den Taufen. Da das folgende
sTtt&eaeibs re %i(>&v durch. das rs eng niit paTPiiofiwv yerbunden ist, so ist
letztere Deutung die richtige. Die ,,Lehre von den Taufen sowie der Handauf-
legung" ist aber die Lehre von der Wasser- und Geisttaufe sowie von der die letztere
vermittebiden Handauflegung, s. dazu Matth. 3, 11 und Act. 2, 38; 8, 17; 19, 6.
Indem nun der Akkusativ Sitia/jv Apposition zu dspshov sein muC, ist die TJnter-
Aveisung von BuBe und Glauben zugleich die Lehre von der BuEtaufe zur Siinden-
vergebung und von der Geisttaufe durch Handaufleguug, d. h. die Anfangslehre
von der Bufie ist Lehre von der Taufe der Vergebung und die Anfangslehre vom
Glauben ist Lehre von der Geistinitteilung. Dazu kommt die Auferstehung und
das Gericht (die Genitive hangen wieder von defiehov ab). Dauach besteht der
christliche Taufunterricht in einer Explikation der Anfangslehre Christi, die
dreierlei in sich faBt: 1) BuBe und Wassertaufe, 2) Glaube und Geisttaufe oder
Handauflegung, 3) Auferstehung und Gericht. Dieser Zusammenhaug beherrscht
auch V. 4. 5, indem dna^ ym-iiaDevTas die Taufe bezeichnet (so die syr. Ubers.,
auch 10, 32, cf. Justin. Ap. I, 65) und die ,,himmlische Gabe" auf die Siindenver-
gebung geht, /usio^ovs yeviflewms Ttv. ay. den Geistempfang bezeichnet, das
Kosten des Verheifiungswortes und der Krafte der zukiinftigen Welt aber die
innere Erfahrung in bezug auf Auferstehung tmd Gericht ausdriickt. Genaueres
laJJt sich der Stelle itber den Inhalt der Tauflehre nicht entnehmen. Negativ ist
aber klar, daB genauere Erorterungen uber Christi Werk, wie sie der Verf. an-
ste'llt, ^den Katechumenen nicht vorgetragen wurden. Da feruer die Korinther
wie. die Thessalonicher der .eschatologischen Belehrungen bediirfen, so ^vird das
letzte Lehrstiick nur in groBen Umrissen. vorgetragen worden sein.
1) Ist 1. Kor. 15, 7 (vergiichen mit 9 u. 5) auf die Apostel im allgemeineren
Sinn 'der Missionare zu ideuten, so wiirde noch in Eauli .Zeit an der Eorderung,
daB jeder Missionar wenigstens den auferstandenen Christus gesehen haben niusse,
festgehalten worden sein.
5*
68 6- Das TJrchristentiuu.
Kirchenordnung wirkte unbewuGt mit zur Herstellung katholischer
Fornien und Gormen. Schon in sehr friiher Zeit war die Mahnung notig,
den Greist nicht aiiszuloschen und die Prophetie nicht zu verachten,
freilich trat sofort die Mahnung liinzu, alles zu priifen und nur das Beste
zu behalten (1. Tliess. 5, 1931).
So stand also von friih an deni freiwirkenden Greistprinzip, deni Indi-
vidualismus der Begeisterung und des Entliusiasmus entgegen ein Gfefiige
fester Yorstellungen. Lekren. Ordnungen, Sitten, Brauche, geschichtlicher
Autoritaten. - 1 ) Indem dies beides zusaminen wirkte, ist eine geordnete
geschichtliche Entwicklung moglich geworden. Die Form, blieb nicht
leer, sondern das personliche Erleben gab inr Inhalt, und das Erleben
\vurde nicht zu formloser Gefuhlsschwarmerei, sondern es schlofi sicb. an
die Formen der urspriinglichen Erkenntnis Cnristi.' Das Leben und das'
Wirken des Paulus sowie die neutestamentlichen Briefe sind bierfiir ein
Zeugnis. Andrerseits ist aber nicbt zu verkennen, dafi die Kanipfe des
zweiten Janrhunderts uui den Gfeist und uni die Lebre scbon in den
Zustanden der apostoliscben Zeit wurzeln.
13. Man niufi dieses im Auge behalten, uni den recbten Standpunkt
zur Beurteilung der Tbeologie des Paulus zu gewinnen. Eine
Fulle von Stofien, Anscbauungen und Urteilen, die genieincbristUcb waren,
sind von Paulus rezipiert worden. Aber gemafi des eigentiinilichen reli-
giosen Grrunderlebnisses. das er gemacbt batte und angesicbts der prak-
tiscben Aufgaben bat er das TTberlieferte in ganz eigenartiger Weise
neu zu pragen vermocbt. Kicbt ein einheitliches dogmatiscbes System
bat er hergestellt, sondern eine Anzabl von in sicb zusammenbangenden
Gedankenkoniplexen gewonnen, von denen jeder fur sicb seine Gresamt-
anscbauung vom Christentum darstellte. Aber sie batten alle ibre Einbeit
an erlebter Religion. Darin lag ibre Kraft, aber darin war es aucb be-
griindet, daB das Granze der pauliniscben Tbeologie nicbt eine Scbul-
tbeologie erzeugt bat. Die verscbiedensten Tendenzen konnten sicb auf
die Fragniente seiner Tbeologie berufen und sie baben.es getan. Seine
Tbeologie ist durcb die Jabrbunderte bindurcb Quelle gewesen fiir ver-
scbiedene einander widersprecbende Ricbtungen, sie bat die Deutung in
das Yxilgare vertragen und aus ibr baben immer wieder reformatoriscbe
Greister ibr Bestes gescbopft. Ibre Recbtsformeln und ibre Anscbauungen
vom Greist baben der niittelalterlicben Tbeologie ibre Grrundlage gegeben,
und gerade sie baben wieder in der Reformation diese Grrundlage zer-
sprengt urn nur das Nachstliegende zu erwabnen.
1) Eph. 4, 5f. faflt diese wesentlichen Punkte gut zusammen: xa&dts xal
e sv /.uu. efaiSi Tfjs xlrfaews iifiwv els XVQIOS, fiia Ttiorte, sv f}q.TC-
, els 9'Eos y-cu TtaTi}^ rtdvrcov etc.
Pauli Grrundidoen. 69
Der Ph'arisaer Paulus war vom Evangelium ergriffen worden. Das Evan-
gelium war ihni Kraft Gottes" (Rom. 1, 16). Das Problem seines Lebens
war von fruh auf gewesen die Kraft zu finden , die die fleischliche
siindhafte Natur bandigte und dem "Willen Gott unterwarf. Dies sollte
nach pharisaischer Ansicht das Gesetz leisten. Es sollte die Kraft zum
Guten, Baum und Brot des Lebens, die Macht zur TJberwindung des
Bosen sein ; min S^N D'Tl rriX ]'$. Aber das Gesetz leistete dies
nicht, seine Gebote steigerten nur die Begierde des Meiscb.es ; das AuBere
des Gesetzes erfullte er (Phil. 3, 5f.), das Innere in ibm blieb unbe-
riihrt vom. Guten (Horn. 7). Die Kunde von Christus traf einen inner-
lich gebrochenen Menschen, der in gehauftern aufieren Tun diesen Bruch
vor sich zu verbergen versucbte. Da der Messias .Jesus seiner inessia-
niscben Dogmatik nicbt entspracb, so erblickte er in ikm nur eine
Karrikatur des Heiligsten. Da erlebte der Verfolger die lebendige Kraft
Christi. "Wir konnen nicbt mebr beurteilen, inwieweit dies psycbologiscb.
vorbereitet war. Von Christus geht eine Macbt aus, die innerblcb be-
herrscht iind umwandelt. Christus ist Geist, Geist aber ist Energie und
Kraft. Christus leistet was das Gesetz nicht leistet. denn er ist Kraft
und Geist, das Gesetz ist Buchstaben. Dieser totet. Christus macht
innerlich lebendig. Nicbt zuniicbst uni die Auferstehung Christi handelte
es sich dabei, so grofi von anderen Gesichtspunkten her ihre Bedeutung
fur Paulus ist, sondern urn seine gottliche Geistmacht. AVie die ersten
Jiinger diese erlebt haben an deni Auferstandenen, so Paulus an der
Erscheinung vor Damaskus. Das griff iiber die Auferstehung als solche
hinaus, es war ein Erfahren der Gotteskraft Christi. Christus ist der
Herr der Name des alttestamentlichen Offenbarergottes kommt ihm
zu und er ist der Geist.
14. Das war das entscheidende Erlebuis Pauli. Aus ihm ergibt
sich sein erster Gedankenkreis : Geist und Meisch. Gnadenkraft und
Siindenmacht, Chiistus und die neue Kreattir. Nun aber erhoben
sich weitere Eragen, die der Pharisaer in sich trug: was ist es um das
Gesetz in seinem Verhaltnis zum Evangelium. wozu starb Christus, was
ist es mit unserer Gerechtigkeit vor Gott. was mit den Wei-ken in ihrem
Verhaltnis zum Evangelium? Daraus ergab sich ein zweiter Gedanken-
kreis, imd die Polemik von Juden und Judenchristen wider das Evau-
geUtim des Geistes lockte aus Paulus Eorrneln heraus zur Losung der
Probleme, die in seiner eigenen Seele lebten.
Was Jesus gemeint hatte, wenn er von seiner gottlichen Herrschaft
und der neuen Bundesverf assung , die er stiftet, redete, darauf kam
Paulus mit innerer Notwendigkeit. Jesus ist freilich der ycvQios, der
die fiaothsia ausiibt iind allerdings bringt er die neue diafrif/.y mit
70 6, Das Urchristentum.
ihrer doppelten Gabe, der inneren Erneuerung durch Geist und der
Yergebung der Siinden. So bangen Pauli Grundgedanken mit der Yer-
kiindigung Jesu und welter mit der alten Idee einer neuen diafrrpti zu-
saminen.
Ein dritter Gedankenkreis kam hinzu. 1st Ckristus der uber die
Gescbichte berrschende Herr. so ist seine exx/bjfft'a der Mittelpunkt der
Gescbicbte. Ibre Ordnungen sind Trager seiner allgegenwartigen Macht
und Heilswirkung. Ist aber der Geist das Prinzip des "Wirkens Christi
tind kommt der Geist. obne des Gesetzes "Werke, liber alle, Heiden wie
Juden, dann faflt die Kir eke Christi Heiden wie Juden. in sicb., sie ist
die nene Menscbbeit, sie ist wirklich das Ferment der Weltgescb.icb.te.
wie einst das Volk des Gesetzes es sein sollte tind wollte. Hier in der
Kircbe Cbristi sind Juden und Heiden zurEinbeit vereinigt (Epb. 2, 14fE.),
bier sind alle nattirlicben Unterscbiede aufgeboben. es gilt nicbt inebr
die Differenz von Mann und "Weib. Juden und Hellenen. Preien und
Sldaven (Gal. 3, 28). Im Leibe Cbristi. der Cbristenbeit, sind sie alle
eins. Hier kommen die Aveltgescbicbtlicben Ausblicke Jesu ebenso wie
die universalistiscben Tendenzen der Propbeten zu ibrem Recbt.
In diesen drei Gedankenkreisen ist die ganze Verkiindigung des
Paulus entbalten. DaB sie miteinander zusammenhangen, ist ebenso klar.
als daB jeder ein relativ neues Element zum Mittelpunkt bat, und dafi
sie alle drei mit Jesu Lebre wie mit der alttestamentlicben Weissagung
zusamnienbangen .
15. Gemeinsame Yoraussetzungen dieser drei Gedankenkreise sind
die pauliniscben Geclanken iiber Gott und Cbristus. Die Gottesan-
scbauung ist bei Paulus sebr lebendig gebalten. Jede Spur YOU jiidiscbem
Deismus ist gescbwunden. Yor allem ist fiir seinen Gottesbegriff cba-
rakteristiscb die starke Betonung des gottlicben Willens. Alles Sein
und Werden in der Gescbicbte wie in dem Einzelleben - ist von Gottes
Willen gewirkt (z. B. Horn. 9. 16. 18f. 22; 15. 9. 1. Kor. 4, 19;
1. 1. Kol. 1, 1. 9. Epb. 1, 1. 11. 9. Pbil. 2. 13; 1. 6). Dieser
"VVille als geistiger ist aber bedingt von einem gottlicben Eatscblufi und
Plan (Rom. 9. 11. 23 [ 8. 28 f. Epb. 2. 9ff.). der in seiner Beziebung
auf die Menscbbeit eine vorzeitlicbe Erwablung ist. die sicb durcb die
wirksame scbopferiscbe Berufung an den einzelnen verwirkHcbt (Epb.
1, 4. 2. Tbess. 2,'13f. Rom. 8. 30; 9. 12. 23. 2. Tim. 1. 9). Der
geistige "Wille Gottes aber ist sittlicb bestimmt. Er ist Liebeswille
(Rom. 5. 5. 8) ocler Gnade (Rom. 3, 24; 5. 15. 2. Kor. 1, 3), und
Gott ist gerecbt. Diese Gerecbtigkeit bezeicbnet einerseits die gottlicbe
Treue, auf die alle Gaben des Cbristentunis zuriickgeben. sie ist aber
andrerseits aucb die Strafgerecbtigkeit, die den Zorn Gottes in Gegen-
Theologies und Christologie bet Paulus. 71
wart und Zukunft liber die Gottlosen ergehen lafit (Rom. 1, 18; 2, 5;
3, 5; 5. 9. Kol. 3, 6. Eph, 5, 6).
Mit diesem geistig und sittlich lebendigen Gottesbild verbindet sich
nun in eigentiimlicher Weise der Christusgedanke Pauli. Christus ist
b XVQIOS vrjs do^rjs (1. Kor. 2, 8), und b XVQIOS to itvsv^ia loviv (2.
Kor. 3, 17). Dem entspricht die Anschauung von seiner gottlichen
Herrschaft (1. Kor. 15, 24. Kol. 2, 11), die er ausiibt als der, duroh
dessen Verniittlung die "Welt wurde und der das Haupt der "Welt und
besonders der Kirche ist (Epli. 1, 22; 2, 14ff. Kol. 1, 9. 18; 3, 11).
Er bewegt alles und ist in allem, wie alles wieder in ihm ist, so be-
sonders die Christen: ,,er in uns" und ,,wir in ihni" (2. Kor. 13, 3. 5.
Bom. 8, 1. 1. Kor. 4, 15; 6, 17. Gal. 3, 27). Christus wird also
von Paulus mit dem unaussprechlichen Namen des Heilsgottes belegt
(Phil. 2. 9. 1. Kor. 2, 16. Eom. 10, 13) und er wird als die das
Weltall besonders die Kirche bewegende Geistenergie, als allgegensvartige
und allmachtige Willensmacht vorgestellt. Bei dieser Yorstellung ist
weder die Bezeichnung als Gott (Horn. 9 ; 5 cf . Tit. 1, 3 ; 2. 13) noch
auch die den Christen eigentiirnliche Anrtifung seines Namens (1. Kor.
1, 2) auffallig. Nicht in der Eruierung der Gottheit Christi liegt die
Schwierigkeit , sondern in ihrer Abgrenzung gegen die Gottheit des
Vaters. Die stoische Logoslehre bietet eine Analogic dar, aber nicht
niehr. Abgesehen von dem Unterschied, daB Paulus seinen Christus als
personliche Energie vorstellt, wahrend die Stoiker an eine feine Ather-
substanz dachten, waltet der stoische Logos vor alleni in der Natur,
wilhrend Paulus an die die geschichtliche Entwicklung bestimmende
Willensmacht denkt. Es war ein Ertrag der Geschichte Israels, daB
man den Gedanken des geschichtlichen Lebens gewonnen hatte. Wie
der kleinere konzentrische Kreis sich zuni grofieren verhalt, verhalt sich
der Christus des Paulus zu dem Vater. Der Vater ist der das ganze
Weltsein bestimmende Wille, Christus ist die gottliche Willensenergie,
sofern sie die Menschheit zur Kirche organisiert. Dies diirfte ungefahr
die Empfindung des Paulus von der Sache wiedergeben. TJnd gleich
hier kann dai'auf verwiesen werden, daB der Geist, sofern er von Christus
unterschieden wird, als ein dritter, kleinster konzentrischer Kreis anzu-
sehen sein Avird, als der an den einzelnen in der Kirche sich zu ihrem
Heil auswirkende Gotteswille. Aber Paulus hat keine Trinitatslehre
aufgestellt; Eormeln wie die ausgesprochene gehen iiber das, was er
sagt hinaus. aber sie halten sich in der Bichtung seiner Gedanken.
Aber die Christologie Pauli wird noch schwieriger, wenn man sich
dessen erinnert, daB der Christus, der die die Geschichte beherrscheiide
gottliche Energie ist, zugleich der geschichtliche Davidide Jesus sein soil,
!3
72 6. . Das Urclmstentvufl.
der geboren 1st, Gott gehorsam war, gestorben und auferweckt ist aus
dera Tode. Nun sieht es einerseits so aus . als wenn die pevsonale
Identitat des Christus und des Menschen Jesus einfach vorausgesetzt
wird. sodafi also Christus sich der gottlichen Gestalt entaufierte und
Mensch wurde, dann aber wieder das gottliche Wesen uberkara (z. B.
Phil. 2, 6ff. 2. Kor. 8. 9). Andrerseits scheint aber wieder eine
Doppelheit der Prinzipien in Christus unterschieden zu werdeu. das
gottliche Geistprinzip und die menschliche Natur (E.6m. 1. 3f. Kol.
2, 9). Man darf diese Gedankeneleniente nicht zu schnell auf eine Ein-
heit reduzieren. Jedenfalls meint aber Paulus. dafi das die Welt urn-
wandelnde Geistprinzip eben in dem gescMcbtlichen Jesus zur Offen-
barung koninit, freilicn so. dafi jenes Geistprinzip fortdauernd in der
"Welt direkt wirksam bleibt.- DaB er den Geist-Cbristus praexistent dacbte r
ist nur selbstverstandHcb ; ebenso aber wurde er durcb die jiidiscbe
Metaphysik genotigt den Menschen Jesus praexistent vorzustellen. Das
zeigt 1. Kor. 15, 45 fL. wo der ,,Mensch aus dern Himmel", wenn ich
recht sehe , nicbts anderes ist als ein anderer Aiisdruck fiir den
,,Menschensohn" (cf. Job. 3. 13). Es ist der ini Himniel priiexistente
Mensch oder der Messias. Von diesem beiBt es aber: kyevsto slg
fCVEU/.ta tioortoiovv. Dies war er nicht an sich in der Praexisteuz,
sondern er wurde" dazu. namHch sofern der Geistchristus mit ibm
verbunden war, was durcb die Auferstehung offenbar wurde. a )
Eins ist deutlich, eine fertige ,,Christologie" liegt bei Paulus nicht
vor , sondern Elemente religioser Anschatiung und Glaubensgedanken.
Dreierlei wirkt in diesem Gedankenkomplex zusanimen 1) die Erfahrung-
von deni X()iows-ftveu[.iC(-HV()ios , 2) das geschichtliche Leben. Ghristi,
3) die jtidische Praexistenzidee. Aber indeni Paulus diese Gedanken
bervorbrachte, schuf er Forrnen fiir den Glauben, den die Christen seiner
.Zeit von Christus batten. Der himmlische Herr der Geschicbte, der
die Welt zur Kirche Gottes macbt, ist in Jesus der Welt offenbar ge-
worden.
16. Es ist in unsereni Zusammenbang nicbt inoglicb. eine etwas
eingebendere Ausfiibrung der oben angedeuteten Gedankenkomplexe der
pauHnischen Theologie zu geben. Einige Benaerkungen, deren wir spater
bedui-fen, miissen geniigen.
1) Das scheint im Zusaminenliang der paxilinischen Christologie der Sinn
der vielgedeuteten Stelle zu sein. Man kcinnte sagen: statt einer Menschwerdung-
Gottes redet sie von einer Gottwerdung des Menschen, namlich des idealen zweiteu
Adam, des Messias, der als Mensch praexistierte, aber mehr wurde namlich leben-
schaffender gottlicher Geist. Jedenfalls eignet sich die Stelle wenig zum Aus-
: gangspunkt der Darstellung der paulinischen Christologie.
Geist mid Fleisch bei Paulus. 73
Die Maclit der af.ia^Tia hat den Menschen in ein Leben -/.ara
mit mancherlei liti^-v^daL gestiirzt. Der natlirliche Mensch ist seit
Adam in seinem Innenleben tinterworfen den niederen sinnlichen Trieben
seiner JSTatur, er ist, auch geistig angesehen, Fleiscb geworden und da-
init der Sterblicbkeit verfallen. Cbristus oder der Geist beleben den
seeliscben Menschen zu einem neuen Leben. Dies fafit alles sittlicb
Gute in sicb und aucb die Unsterblicbkeit saint der ktinftigen Aitf-
erweckung des Leibes. Aus oagxiKOi oder ipv%iKoi werden die Gbristen
?cvV[.iarr/.oi (Gal. 6, 1. 1. Kor. 2 , 15), ibr GW(.ia ipvy^mov wird
einst verwandelt werden in ein oG)f.ia Jtvsvf.ia'UKdv (1. Kor. 15, 44). Der
Geiststrom Cbristi ergreift die Seele, erfullt sie mit neuem Inbalt, mit
neuen Impulsen und Zielen und wandelt sie zu einer ,,neuen Kreatur"
nm. Diese Gedanken sind das Herz der pauliniscben Tbeologie. Die
"VVillensniacbt des Geistes wandelt den fleiscblichen Menscben um. I^icht
mecbaniscbe Begriffe wie das ,,neue Icb" bringen zum Ausdruck, was
Paulus will. DaB die Menscben in der Gemeinscbaft Cbristi von seinem
geistigen Leben durcbdrungen seine Organe werden, daB Cbristus in
ibnen lebt nicbt mebr sie selbst , das will er: 6 '/.olkdifievog tip
"/.vQiti) sv 7tvsi)(.id SGTIV (1. Kor. 6, 17).
Allein so wenig fiir Paulus die Macbt des Geistes erne sinnlicb or-
giastiscbe war der Geist wirkt in der Heilsverkiindigung , so wenig
sind die vom Geist bewirkten Zustande der Seele als entbusiastiscbe
Aufregung zu beurteilen. Man kann diese Zustande in die Porniel Glaube
und Liebe zusamnienfassen. - 1 ) Der Glaube ist bei Paulus das geistige
Organ, urn Gott und seine Gaben aivfzunebmen (z. B. Gal. 3, 14. 22.
E,6m. 8, 15). Sofern dies aber ein geistiger Yorgang ist, ist der Glaube
aucb Erkenntnis des gottlicben Willens (Kol. 1, 9), und sofern es ein
Vorgang von sittHcber personUcber Art ist, ist der Glaube geborsanie
TJnterwerfung unter Gott (Eoni. 16, 26; 6, 17; 1, 5; 10, 3. 16 f. 2. Tbess.
1, 8. 2. Kor. 9, 13). Sofern der Glaube aber das Innewerden und
die Hinnabme Gottes und seines "Wirkens ist, wird er personlicbe ttber-
zeugung sein, die im Hinblick auf die Zukunft sicb als Yertrauen
1) Glaube und Liebe sind fiir Paulus die umfassende Bezeichnung des
subjektiTen Christenstandes (z. B. 1. Thess. 3, 6; 5, 8. 2. Thess. 1, 3. Kol. 1, 4.
Philem. 5). Vollstandig heitit die Formel Glaube, Liebe, HoHnung, fiir welch
letztere aucli die vTtofiovij eintritt, s. 1. Kor. 13, 13. Kol. 1, 4f. 1. Thess. 1, 3; 5, 8.
2. Thess. 1, 3f. cf 3, 5. Tit. 2, 2. 1. Tim. 6, 11. Die Bezeichnung iu roia -ravia
1. Kor. 13, 13 stellt diese drei als etwas Zusammengehoriges hin. Sie miissen in
der urchristlichen Verlrandigung vor Paulus bereits formelhaft zusammengestellt
ge.wesen sein. Bei Sirach 2, 1316. 8 10 (hier Zusatz des lat. Textes) findet sich
schon die Zusammenstellung. Ein Agraphon bei Macar. h. 37, 1 laCt Jesus voii
den dreien reden.
74 6. Das tTrchristentiun.
auf Gott darstellt (Bom. 4, 20 f. 2. Kor. 1, 9.. 10. Bph.
3, 12). a ) Also gehorsame TJnterwerfung unter Gottes Willen und innere
Hinnahnie der Wirkungen Gottes das 1st das "Wesen des Glaubens ;
dazn kommt die JZuversicht, daB Gott aucli in Zukunft alles gut maehen
wird. Indem aber der Mensch den Gotteswillen in sich wirksam werden
lafit, enrpfangt er den Antrieb zu einem gottwohlgefalligen Leben im
.Dienst der Liebe (Kol. 1, 10). Der Geist wirkt die Liebe in der Seele
(Gal. 5, 22). 2 ) Daner erfiillt der Mensch frei das Gesetz Christi (Rom.
8, 2. 2. Kor. 3, 17).
In mannigfachen Wendungen bescbreibt Paulus dies Wirken des
Geistes. Ibm entspricbt ein fortgesetztes geistiges Streben des Menschen
(2. Kor. 9, 8: 7. 9f. Eph. 3, 16). So stark Paulus die Wirkung
Gottes betont, so \venig ist es seine Absicht, die sittliehe Entwicklung
des Christen als einen Naturprozefi darzustellen. Die starke Hervor-
nebung des Strebens und der Yerantwortlicbkeit des Menschen zeigt das. 3 )
Seine Meinung fafit sich zusammen in dem grofien Wort : ,,mit Furcht
und Zittern schaffet eure EiTettung, denn Gott ist es, der in euch sowohl
das "Wollen als das "Wirken bewirket" (Phil. 2, 12. 13). Dariiber
hiuaus liegt die kiinftige Yerherrlichung im himmlischen Eeich (Roin.
8. 18. 30. 2. Kor. 3, 18. 2. Tim. 4. 18).
17. In dem zweiten Gedankenkreis des Patilus handelt es sich um die
Hechtfertigung oder die Yergebung der Siinden. Sofern die Geistmit-
teilung die Yergebung voraussetzt nach der Idee des neuen Bundes ,
dient dieser Gedankenkreis der Begriindung des ersten. Das Gesetz
stellt alle "Welt unter Schuld und Strafe, es fordert Taten, aber es gibt
nicht Kraft zu ihnen. Indessen ist die ganze Gesetzesordnung nur ein
Einschub in die Heilsgeschichte, den Gott in der padagogischen Absicht
die Menschheit zur Siindenerkenntnis zu erziehen, eintreten Iie6 (Gal.
3, 19. 21. Eom. 5, 20). Dem vof-iog tritt hinfort die-^a^tg entgegen:
es sind zwei einander ausschliefiende Prinzipien (Gal. 5. 4).
1) In letzterem Sinn ist der Glaube gleich der Hoffmmg, wie der Vergleich
von 2. Kor. 1, 9 mit 1, 10 zeigt. Die Formel ,,Vertraueii" gibt also das Weseii
ties Glanbens nnzureichend wiecler, weil nur in der Projektion auf die Zukunft.
2) Dem Gesarntzusammenhang nach muC auch tier Glanbe bei Paulus als Produkt
des Geistes gefalft wertlen. Dafi Paulus dies nicht klar ausdriickt, hangt davon
ab, tlafi er 1) clen Glauben als Organ zuin Empfang der Geistgaben denkt, 2) ihn
psychologist aus der foot! herleitet (Eom. 10, 17). Allein 1) sofern im Wort
nach Paulus Geistmacht ist, ist der Glauhe wie aus dem Wort, so auch aus dem
Geist; 2) Phil. 1, 29 wird tier Glaube ausdrucklich ,,Gottes Gabe" genannt, was
wieder auf den Geist als seinen Gixind zuriickweist.
3) Indessen mufi man sich hiiten Paulus allzu ,,psychologisch" zu deuten;
die Tat der gottlichen Allmacht bei tier Bekehrung ist fur ihn unzweifelhaft.
G-laube.und Eechtfertigung bei Paulus. 75
: Gerechtgesprochen wird der Mensch nicht egycav v6(.iov, sondern
fix niffcews 3 lTf]GOV. Nicht die "Werke, sondern der Glaube ist der Grund
fiir Gpttes Gerechterklarung. Das soil nicht heifien, dafi der Grlaube als
Anfang des neuen Lebens Gott zur Vergebung veranlafit, denn der Grlaube
ist in diesem .Zusammenhang nur Organ der Hinnabme (Rom. 10. 10.
Gal. 5, 5), nicht eigene Gerechtigkeit liegt vor, sie ist Geschenk Gottes,
der den Gottlosen gerecht spricht (Bom. 10, 3 ; 4, 5. Phil. 3, 9). Nicht
die eigenen Werke tun es, sondern der Grlaube, d. h. nur auf Gottes
Wirkung resp. auf das Innewerden derselben konimt es an. Der Grlaube
richtet sich auf Ohristus den Suhner und empfangt so die Gerechtigkeit :
dmcuoovvrj &eov dia Ttiofewg 'fyoov XQIOTOV (Rom. 3, 22). Aus Glauben"
ist nur der subjektive Ausdruck fiir ,,aus Gnaden" : diet wvw /, ftiGTecog,
iva 7.ara K&QLV (Rom. 4, 16). Die Forrnel R,6m. 4, 3. 5 (nach Genes.
15, 6): ,,der Glaube wird zur Gerechtigkeit gerechnet" verdunkelt Pauli
Ansicht. sie ist nur gepragt, um einen knappen Gegensatz zur jiidischen
Werkgerechtigkeit zu gewinnen. Der Gedanke ist klar. Gottes Gnade
.oder seine Gerechtigkeit (timaioovvr] -d-eov) im Sinne der Treue schenkt
uns durch Christum die dwctioovvr) ex -9-wv.
Hiermit sind wir aber in ein neues Yerhaltnis zu Gott gekomnien,
das als Friede, Kindschaft, Freiheit, Zugang zu Gott, Gewifiheit usw.
bezeichnet werdenkann; es ist der.Zustand der Versb'hnung (xTaHay-?}),
den Gott durch Christus hergestellt hat.
Christus ist aber zu diesem Zweck gestorben. Der Tod Jesu ist
fiir Paulus die Spitze seines Gehorsams und die Auferstehung ist die
gottliche Anerkennung seiner Gerechtigkeit (z. B. 2. Kor. 5, 15. Rom.
.4, 25; 5, 19. Phil. 2, 8. 1. Tim. 3, 16. 1. Kor. 15, 17).
Der bis in den Tod hinein bewahrte Gehorsam Christi niacht ihn
zum Suhner (UaOTJ^iOg), ") durch den unsere Siinde vor Gott bedeckt
oder vergebbar gemacht wird, sofern wir namlich durch Glauben mit ihm
in Lebenszusamnienhang stehen (Rom. 3, 25). Christus, der Gestorbene
und Auferweckte tritt bei Gott fiir uns ein (Rom. 8. 34). Der Sinn
dieser Gedanken ist nun der : sofern Jesus in der durch die Siinde ge-
wirkten Lage des Menschengeschlechts den Gehorsam gegen Gott bis in
den Tod hinein behauptet hat, hat er siihnend vor Gott die Siinde der
Menschheit bedeckt. Dazu kommt. wie wir von friiher her wissen, dafi
Christus Herr und Erloser ist, der durch Geist die Seelen im Glauben
an sich fesselt. Mmmt man dies beides zusammen er siihnt und er
herrscht 2 ) , so versteht man, dafi er als Biirge des Menschengeschlechts
vor Gott steht, um dessentwillen Gott uns, deren Yollendung im Guten
1) Maskulinisch, nicht neutrisch wird llaanfiQiov zu nehmen sein.
2) Er siihnt als Menscli, er herrsclit oder erlost als xv^u
76 6. Das Urcliristentuin.
durch Cliristus garantiert 1st, gnadig ist. 1st nun far alle "Welt durch
Christus der neue Bund verwirklicht, so wird es fiir das Yolk Israel
noch dessen bedurft haben, daB das Gesetz und sein Much aufgehoben
wurcle. Auch dies ist durch Christi Tod geschehen, indein er dadurch,
dafi er das Los eines Gesetzesiibertreters liber sich ergehen liefi, die unter
dem Gesetz Stelienden freikaufte vom Much des Gesetzes und das Gesetz
selbst abtat (Gal. 3, 13 ft. Kol. 2, 13 f.). Erst nachdem dies geschehen,
war Jtaum geschaffen der Errullung der Yerheifiung des neuen Bundes
fiir Juden wie Heiden. Und weiter : nicht ntir fiir die Reehtf ei-tigung
imd Siindenvergebung ist der Tod Christi ein Mittel, sondern auch fur
die heiligende Herrschaft, die Christus ausiibt (z. B. Kol. 1. 22. Gal.
1, 4. 1. Thess. 5, 10. Tit. 2, 14. Rom. 8, 3; 6, 10; 14, 9).
Blickt man zuriick, so ist klar, daB die beiden grofien Gedanken-
kreise einander erganzen, genau entsprechend dem Yerhaltnis der beiden
Seiten in dem ..neuen Bunde" zueinander. Durch Christus stellt Gott
her Siihnung, Rechtfertigung, Versohnung. Das ist der neue Bund. In
ihm wirkt Christus als Geistherr. Dies setzt jenes yoraus, das gegen-
\v artige reh'giose Yerhaltnis hat einen geschichtlichen Anfang. Aber an-
drerseits verwirldicht sich die Hechtfertigung im einzehaen Menschen
nie ohne den Glauben, der Glaube aber wird vom Geist gewirkt. Darin
liegt eine Schwierigkeit : erst der Gerechtfertigte soil den Geist erhalten,
aber er wird nicht gerechtfertigt, ehe der Geist ihn beriihrt hat. Im
Glauben schneiden sich die beiden Gedankenkreise. Der Glaube ist das Pro-
dukt des einen und ist die Yoraussetzung der subjektiven Yerwirklichung
des anderen. a ) Christi Tod ist auch bei Paulus nicht direkt als Opfer
betrachtet; iibrigens wiii'de diese Betrachtung iiber den Gedanken der
Selbsthingabe zum Besten der Menschheit nicht hinausfiihren. 2 )
18. Jesus hat den Aposteln den Gedanken der Weltmission hinterlassen
und damit das Christentum als die oknmenische Religion an die Stelle des
Judentums gesetzt. Diesen Gedanken hat Paulus iibernommen und be-
griindet. Die Einheit der Christenheit und ihr okumenischer Charakter
ergibt sich ihm einmal von der Erfahrung des allwirksanien Geistchristus
her, der Juden und Heiden mit seiner EIraffc diirchdiingt und zu einem
1) Die beliebte ,,reinliche Scheiduiig" von Eechtfertigung und Heiligung
liegt niclit axtf der Balm der paulinischen Gedanken.
2) Hinsichtlich des Opfergedankens muJB man sich gegenwartig erhalten
1) dafi das israelitische Opfer im Gegensatz zu den heidnischen Opfern nie der
Umstimmung der Gottheit dient, 2) daC das Opfer ein abgeblafiter Gedanke im
Judentum jener Zeit ist. ,,0pfer" ist nichts anderes als ein besonderer Ausdruck
fiir die Selbsthingabe an Gott s. Rom. 12, 1. Phil. 2, 17; 4, 18; so in bezng auf
Christus Eph 5, 2 : wir sollen lieben, wie 'auch Christus sich selbst hingab als
Opfer, Gott zum wohlgefalligen Geruch.
Paul! Kirchengedaflke. 77
lebendigen Bau, (lessen Haupt er 1st, zusammenfafit (Kol. 1, 18. 24;
2, 19. Epb. 2, 20ff; 1, 221: 4. 3f. Eoui. 12, 4ff. 1. Kor. 12, 4fL).
Sodann aber stellt sicb die Einbeit der Cbristenbeit aucb empiriscb
dar, \vie bei deni Judentum, in der . Gremeinsamkeit bestimniter Eormen.
Paulus kennt -nur eine cbristlicbe Lebre (s. oben), zu dieser kommt die
cine Taufe (Epb. 4, 5). Und mit der Taufe stellt scbon Paulus als gleicb-
artige beilige Handbing das Abendmabl zusammen (1. Kor. 10, 2 4).
- Der Greist und die festen Eormen dienen beide zur Begriindung der
Einbeit imd der Katbolizitat der Kircbe. Der Gfedanke der una catho-
lica ecdesia ist zuerst von Paulus deutlicb ausgepragt worden. Er lief
formell vielfacb jtidiscben Gedanken parallel, aber er war sacblicb ein
direktes Produkt des Grlaubens an Cbristus.
19. Nacb diesem TJberblick liber die Haupttendenzen in der Gre-
dankemvelt des Paulus ist fur unseren Zweck nur nocb zu fragen, was
die iibrigen Schriftst'eller der neutestanientlicben Zeit mit Paulus ge-
meinsam baben, demgegeniiber wird sicb dann sein originaler Besitz
abbeben.
Als gemeinsam diirfen die folgenden Stlicke angeseben werden :
1) Die kraffcige Anscbauung von Grott als dem Lebendigen und "Wirk-
samen, wenn aucb vielleicbt die Momente des Gesetzgebers und Bicbters
etwas starker als bei Paulus bervortreten niogen. 2) Die Konzentration
des Interesses auf den erbobten binimliscben Cbristus, bierfiir sind be-
;sonders lebrreicb die Visionen (z. B. Apok. 1, 12 17) und die Hym-
nen der Apdkalj^pse (z. B. 11, 15), aber aucb die Arisfiibrungen des
Hebraerbriefs (z. B. 9, 14 ; 7, 3. 16). Cbristus ist allein der Herr
<Jud. 4), ,,unser Herr und Heiland" (2. Petr. 3, 18; 1, 14. 16). .Das
Jnteresse ricbtet sicb auf Cbristi dwaitug nal rtdQOvaia (2 Ptr. 1, 16).
Wie er in der Gregenwart macbtig Avaltet, so wird er sich einst als
Eicbter zeigen (Jak. 5, 8. 9). Seine eigentlicbe Offenbarung erscbeint
als etwas Zuktinftiges (1. Ptr. 1, 7 ; 4, 13, anders 1, 20). 3) Die
triadische Eorniel wurde frtiber erwabnt s. S. 66. 4) Aucb binsicbtbicb
des Erlosungswerkes Cbristi sind die Parallelen zu Paulus deutHcb.
Cbristus wirkt als Herr und Gfeist, aber aucb als der Grekreuzigte auf
die Seelen der Menscben ein (1. Ptr. 1, 18; 12, 24f. Apok. 12, 11)
und er bat durcb sein Leiden und Sterben den Menscben Siindenvergebung
erworben und lafit sie durcb seine Vertretung vor Grott dauernd uber
ibnen wirksam werden (I. Ptr. 3, 18. Apok. 5, 9. Hbr. 9, 12 ff. ; 7, 24. 27.
'9, 12. 24; 2, 17). ^ Dabei legt der Hebraerbrief, seiner Gesaintten-
1) 1 Kor. 15, 3 iiberlief ert die Formel : on XQWIOS dTte&avev bnsQ nov
v y.ata VOLS ygayds. Diese Formel war ahnlich auch sonst tiblich, s. 1. Ptr. 3, 18:
78 6- Das TJrchristeutum.
denz entsprecbend. letzteren Gedanken unter deni Opfergesichtspunkt dar.
5) Der neue Lebensstand der Christen entsteht tind besteht durcb Gottes
resp. des Geistes "Wit-ken in der Seele. Durcb den ,,binmuiseben Ruf"
oder das Wort, das bis in das Innerste der Seele hineindringt (Hbr. 4, 2.
12; 3, 1) Averden wir erzeugt zu einer neuen Kreatur (Jak. 1, 18.21.
I. Ptr. 1. 3. 23 ff.), Avir geAvinnen Teil an den Kraften des Geistes, und
Gott Avirkt in tins das Gute (Hbr. 6, 4; 13, 21). 6) Die psycbologisebe
Bestinimung des cbristlieben Seeleninbaltes ist abnlicb fein und vielseitig
Avie bei Paulus. Auch bier ist der Glaube Bezeicbnung des subjektiven
Christenstandes (Jak. 1. 3. 6. 8: 2, 1. 5. l.Ptr. 1, 7f. 9. 21; 5, 9.
Hbr. 12. 7). Das Wesen des Glaubens lafit sicb erkennen aus den ihn
erlauternden oder ibm gleicbgesetzten Begriffen. So stebt er der
avu-9-sv oocpia nabe (Jak. 3, 13. 17 cf. 2, 18) oder der eTtiyvuaig (2 Ptr.
1, 2. 3; 2, 20): oder er Avird als vrtavioy TTJS &krj&elag erklart (1. Ptr.
1, 22 Hbr. 11, 8; 5, 9). Sodann aber ist er der Hoffnung nahever-
Avandt (1. Ptr. 1, 21). Dies bringt besonders die an alttestaruentlicben
Beispielen gebildete Definition Hbr. 11, 1 zum Ausdruck, die geradezu.
den Glauben dena Hoffen gleicbsetzt (vgl. etAva Rom. 8, 24). 7) Es
steht zu letzterem in Zusammenbang, daB die Eiiosung oft als rein zu-
kimftig angeseben wird (z. B, Hbr. 9, 15. l.Ptr. 1, 4f. 9. 13; 5. 10;
3, 7. Jak. 2, 5. 2. Ptr. 1, 4. II). 1 ) 8) So energiscb zu guten
Werken ermabnt Avird, so Avenig AA r ird vergessen, da8 Gott es ist, der ia
den Menscben das ibm Gefallige erscbafft. Aber jede Beziebung zu
Pauli Recbtfertigungslebre feblt). ? ) Man sagt vielmebr: C TCOIIOV
dr/,aioGuvr)V ovvog dtxaidg iaxw (1 Job. 3. 7). noi^irjg sgyov OVTOQ.
V TTJ ftoii-jGeL CIVTOU eGTCU (Jak. 1, 25). Torn ^txatog gilt:.
TtovrjOma) (Apok. 22, 11). Gerade aus Genes. 15, 6, dem
Beispiel Abrabams, Avird gescblossen: e| eyycuv dixaioutai av&giortog
y.al ovx SK ftiGTSOig (j.6vov (Jak. 2, 24). 8 ) Forniell sind diese Satze mit
der pauliniscben Recbtfertigungslebre nicbt auszugleicben, sacblicb steben
sie Paulus gar nicbt so fern. Denn aucb bier ist die Meinung .die, daB
uns um Obristi Avillen die Siinden vergeben werden, und daB die ge-
recbten "Werke A^on Gpttes Geist in uns geAvirkt AA'erden. 9) Hin-
Xfiiaibs &7ta Tcsgi df.iu^Timv dzts-d'avev cf Gal. 1, 4: fov SOVTOS eavror TiEfn imv
1) Dieser Gesichtspunkt fehlt natiirbich aucli bei Paulus nicht, aber es 1st-
doch vielleicht eine Differenz der Stiminuiig Avahrzunehmen.
2) Hbr. 11, 6. 7 bietet rnir eineii ganz allgemeinen Anklang.
3) Ist der Jakobusbrief Torpaiiluiiscli, so muB angenommen werden, dafi es
schon vor Paulas Gedanken liber die Gerechtigkeit allein aus Glauben in der
Ghristenheit gab, Avider die sicb. Jakobus richtet. Diese Annahme ist aber um,
so denkbarer, als auch das Judentum eine nj'iDM-nwt kennt.
Vor- und nachpaulinisches Christentum im N. T. 79
sichtlich cler Kirche ist zu bemerken, dafi alle Ehrenpradikate der alt-
testamentlichen Gerneincle jetzt auf die Christenheit angewandt werden
(1. Ptr. 2, 5. 9. 17. Hbr. 12, 22). 10) Die Diknonologie und Angelo-
logie ist bei Paulus mindestens ebenso entfaltet, wie in den ubrigen
Schriften. 11) Ebenso hat Paulus eine eingehende Eschatologie vor-
getragen (s. 1. Kor. 15 uncl die Thessalonicherbriefe), die viele originelle
Ziige hat, aber sich im Prinzip von der iiblichen nicht sonderlich itnter-
schied. Der eschatologische Apparat ist dtirch die johanneische Apoka-
lypse erheblich erweitert worden. Aber diese Erweiterungen hielten
sich auf der Linie der judischen Tradition. Man erwartete von der Zn-
knnft die Verwirklichung der durch Christus noch nicht erfiillten Ztige
der Messiologie und Eschatologie des Jtidenttinis. ] ) Oder anders aus-
gedriickt : die TJnterweisung des Greistes iiber die Zukunft kleidete sich
in die gelaufigen Phantasiegebilde der Eschatologie, nicht ohne dafi
Blanches Inkommensurable an ihnen fortgeschmolzen ware. 12) Das
V'erhaltnis Pauli zum Alten Testament" ist ein zwiespaltiges. Einerseits
Avird das Alte Testament, wie selbstverstandlich, als Glottes rintriigliches
"Wort iind hochste Autoritat behandelt, 2 ) andrerseits ist das Gresetz der
Buchstabe, der dnrch den Geist abzutxin ist (2. Kor. 3, 6). Die aufier-
paulinische Literatur bezetTgt ebenfalls die grofite Hochschatzung des
Alten Testamentes. An diesen Btichern ' spinnen sich die eigenen Gre-
danken an; auf sie zu achten ist heilige Pflicht (2. Ptr. 1, 19 of. Horn.
15, 4), sind sie doch von Mannern verfafit, die vrtb nvsv^awc, ayiov
cpso6f.ievoi redeten (2. Ptr. 1, 20f. 2. Tim. 3, 16). Insbesondere wird im apo-
logetischen Interesse fiir die Tatsachen der neutestamentlichen Geschichte
nach alttestamentlichen Weissagungen gesucht, wobei mitunter recht Avunder-
liche, wenn auch geistreiche Kombinationen zwischen Tatsache und Vor-
hersagung vollzogen werden, bes. bei Matthaus (z. B. 1, 23; 2, 5. 15. 17;
3, 3; 4, 14ff. usw.) und im Hebraerbrief (4, 4ff.; 6, 13 ft ; 7, 4. 9 Hsw.). 3 )
Diese Behandlungsweise lehrte einmal alles Neutestanientliche im Alten
Testaments suchen und finden; das Buch, das man als heiliges aus der
1) Mmlich ist die Betrachtung Pauli Rom. 11, 25 f. entstanden : Nach der
VerheiCung soil Israel errettet werden, in Wirklichkeit werden die Heiden jetzt
errettet, also wird einst am Ende die VerheiBung so in Erfulhmg gehen, dafi
TTae Yogarjl acofhjasrai.
2) Die raWrinische exegetische Kunst, die Paulus mitunter zur Deutung
des Alten Testameates in seinem Sinn anwendet, ist kein Beweis wider, sondern
fur die hochste Schatzung des Alten Testamentes.
3) Man hat in dieser Zeit nicht Tatsachen urn der Weissagungen willen
produziert, sondern man hat mit einem nicht germgen Auf wand von Scharfsinn
ffir iiberlieferte Tatsachen nach alttestamentlichen Analogien gesucht. Das zeigte'
das Iva 7tkrx>co$i~t in den ersten Kapiteln des Mt. sehr anschaulich.
80 6. Das Urchristentum.
Synagoge uberkam. fand man voll A r on Christus und dem. lieiligen Geiste.
Dann aber setzte dieselbe BetracbtungSAveise ancb das Alte tief unter das
iseue Testament, jenes entbalt nur Scbatten und Yorbereitung, dieses
Realitat und Yollendung. Auf dieser Babn bewegt sicb der Hebraer-
brief. Gilt die positive Scbatzung des Alten Testaments inehr der Pro-
pbetie. so Avird das Scbattenbafte inehr an den Institutionen und Yor-
scbriften des Gresetzes nacbgewiesen. Aber tbeoretiscbe Gredanken bier-
iiber inacbte man sicb nocb nicbt. Mit religib'sem Takt bebandeln die
Autoren das Alte Testament bald als das beilige Bucb der Cbristenbeit,
bald als Urluinde einer vor- und untercbristb'cben Religion. Diese Doppel-
stellung ist j a bis beute in. der Kircbe berrscbend.
"Wir scbliefien damit diese Charakteristik des apostoliscben Zeit-
alters. Paulus bat als Tbeologe eigenartige Gedanken gebabt, und es
liegt fraglos das Zeugnis eines eigenttimlicben Erlebens des Obristentuins
als Eeligion in seinen Scbriften vor. Aber dies gilt rnebr von der Art
der Auffassung als von den aufgefafrten und aufzufassenden Ideen und
Idealen. Anscbaitungen und Tendenzen. Ini wesentlicben scbeinen die
gleicben Lebren, TJrteile, Institutionen und Stimmungen, die Paulus ver-
tritt. aucb gemeincbristlicb gewesen zu sein.
20. Nur ein neutestainentlicber Autor, Jobannes, 1 ) darf neben
Paulus als Yertreter einer relativ eigenartigen Anscbauung vom Obristen-
tuin bezeicbnet werden. 2 )
Jobannes batte die Anfange der neutestainentlicben Zeit erlebt und
er stand an ihrem Ausgang. Er batte Wacbt gebalten an der Schwelle,
als die neutestamentlicbe Zeit eintrat, und er stand nocb dabei, als sicb
die Tiiren der altkatboliscben Zeit 6'ffneten. Der Jiinger Jesu war nocb
ein Zeitgenosse von Mannern wie Barnabas. Hennas und dem Yerfasser
des ersten Clemensbriefes.
Durcb drei Ziige ist die jobanneiscbe GedankenAvelt gekennzeichnet :
den propbetiscben, den kontemplativen und den praktiscb-bierarcbiscben.
1) M. E. ist es iminer noch rein gescMchtlich angesehen am ein-
faclisten und sichersten die unter dem Namen des Johannes im Neuen
Testament vorliegendeir Schriften auf den Apostel Johannes zuriickzufiihren. Da-
bei ist es sehr wohl moglick, daB andere Hande dem Apostel bei Abfassung seines
Evangeliunis zu Gebot gestanden haben. Fiir die folgende Darstellung vgl.
meine Abhandlung ,,Zur Charakteristik des Apostels Joh." in ,,Aus Eeligion u.
Gesch." I, 104ft.
2) Man hiite sich davor, seine Abhangigkeit von Paulus zu iibertreiben.
Sehr viel davon, Avas in diesem Sinne gedeutet wird, ist gemeinchristlich. Man
wiirde erstere These nicht so einseitig auspragen, >venn man nicht unter
dem Eindruck des ,.Dogmas vom Neuen Testament" bei derartigen Pragen
das Zeugnis der apostolischen Vater zu ignorieren sich gewohnt hatte.
Das johanneische Christentum. 81
In der Apokalyse liegen wirklich geschaute Yisionen vor, die den Sieg
Christ! wider die grofien Anlaufe der Welt und des Teufels schildern.
Aber Analogien zu diesen Yisionen bietet die Literatur so reichlicb. dar,
daB es als nicht unverniinftig erscheint, Teile der johanneischen Apo-
kalypse auf judisch.e Quellen zuriickzufuhren. DaB Johannes die Ge-
danken der Apokalyptik kannte, ist selbstverstandlich ; daB sie in seinem
Greisenalter wieder auflebten, ist nicht unbegreiflich. Der Christus,
den er erwartet hatte in imfierer Herrlichkeit, war gekommen als der
Herr, aber der Herr der Seelen. Die Welt, die er hatte unterwerfen
wollen, sie war noch nicht unterworfen, im Gegenteil sie verfolgte Christi
Anhanger. Nun hat Christus aber von seiner Wiederkunft gesprochen.
Bei dieser Wiederkunft wird er sein Werk vollenden, da werden dann
die auBeren Hoffnungen und Erwartungen der Yater ganz in Erfiillung
gehen. Das ist der Punkt, an den die alten Hoffnungen .bei alien neu-
testamentlichen Autoren sich anschlossen. Angesichts des wachsenden
Gegensatzes der Weltrnacht und in der- "Uberzeugung von dem Siege
Christi hat Johannes seine Yisionen empfangen.
21. Der andere JZug ist die Kontemplation. Das johanneische
Evangeliiun wird schlecht charakterisiert durch das Wort ,,spekulativ".
Mcht spekulativ ist seine Christusanschauung, sondern kontemplativ. Das
johanneische Evangelium ist der grofie Yersuch, zwischen dem Christus
des religiosen Grlaubens und dem Jesus der Greschichte eine Synthese zu
gewinnen. Johannes hatte den geschichtlichen Menschen Jesu personlich
gekannt, und er hatte in andauerndem religiosen Yerkehr mit Christus,
dem hirmnlischen Geist gestanden. Beides war der Christenheit vertraut.
Der gegenwartige lebendige Geist-Christus im Hinimel, dem die Anbeturig
der Gemeinde gait, und der sterbliche und leidende Mensch standen neben-
einander. Der Ton schien immer niehr auf ersteren fallen zu iniissen.
Schon Paulus hatte gemeint : ,,wenn \\dr auch Christus nach dern Eleisch
gekannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr" (2. Kor. 5, 16).
Jetzt hatte der griechische Geist sich der juden-christlichen Deutung
der Christusperson (auf den Menschen Jesus kam der Geist in der Taufe)
bemachtigt und eine theoretische Kombination versucht : Der himmlische
Herr und der Mensch sind freilich zwei Prinzipien, die, weil ganz
different, nur zeitweise miteinander verbunden gewesen sein konnen. Das
war die Lehre des Kerinth, 1 ) zu deren Widerlegung nach dem
1) Die Lehre Kerinth s ist durch Irenaus ziemlich genau iiberliefert (adv.
haer. I, 26, 1. Ill, 11, 1; 16, 5f. cf. Hippolyt Refut. YII, 33. X, 21 Ps.-tertull.
adv. haer.. 3) Kerinth hatte agyptische Bildung genossen und wirkte in Klem-
asien. Seine Lehre ist folgende: der ob.erste Gott (Ttgwros &e6s, d(>wi) ist ver-
Seeberg, Dograengeschichte I. 2. Aufl. 6
82 6. Das Urchristentum.
unverdachtigen Zeugnis des Irenaus das johanneische Evangeliuni
verfafit 1st. In dieser Trennung hat Johannes Antichristentum erblickt
(1. Joh. 2, 22 : 6 ccQVOvf.ievos OTL Yrjaous om eariv 6 XQiOto^j 4, 2. 3
cf. 1, 4. 15; 5, 1. 5. 2. Joh. 7). Ihr gegeniiber hat er mit starkem
Pathos die These ausgesprochen : der Logos ward Fleisch. Diese These
1st paradox, und Johannes hat sich daher keineswegs streng an sie ,ge-
schieden yon dein Weltschopfer. Dieser kennt den obersten Gott nicht, er 1st
eine dyyshxij dvvafus. Jesus ist der Sohn Josephs mid der Maria, der durch
Weislieit mid Gerechtigkeit sich vor den iibrigen Menschen auszeichhete. Bei
der Taufe stieg von dem obersten Gott der Christus in Gestalt einer Taube auf
Jesus herab. Nun verkiindigte er den unbekannten obersten Gott und tat Wunder. Jesus
allein litt und erstand, der Christus war vorher in den Hiinmel zuriickgeflogen r
da er als pneunmtisch leidensunfahig war. Es ist klar, daB Mer zuin erstenmal
die Lehre von zwei Naturen oder Substanzen, aus denen Christus besteht,
scharf formuliert wird (Iren. Ill, 16, 5: ex altera et alterd substantial dicentes
eum factum). Diese Lebre ist ibrem Ursprung nacb juderichristlich (s. z. B. das
Hebr.-Ev.). Nun hat aber Irenaus (III, 11, 1) einige weitere Ziige mitgeteiltj
die er auf Kerintb und die Nikolaiten gemeinsam zuriickfuhrt und von Johannes
wideiiegt werden laBt. Ob diese Ziige gerade Kerinth oder einer alteren gnos-
tiscben Gruppe angeboren, ist relativ gleichgiiltig. Von ho'chster Bedeutung ist
es dagegen, daB das johanneische Evangeliuni, nach Irenaus, sie voraussetzt.
Nachdem die Trennung des hocbsten Gottes und des Christus yon Jesus an-
gefiihrt ist, heiCt es weiter: et initium quidem esse Monogenem, Lo-
gon autem venim f ilium Unigeniti. Demnach haben diese Leute die
0.0'tfi dem ftovoyev7js gleichgesetzt und haben den Logos als Sobn des Eingeborenen
gefaGt. Nach Iren. I, 8, 5 war es valentimanische Lehre, daB aus dem Vater die
dg%i], Gott oder der uovoyevrjs, aits diesem der loyog hervorging. Es scheint doch
Avabrscheinlich, daB auch diese alten Gnostiker noch einen ,,Vater" Mnter der
a.r>'/{] angenommen haben. Ist dies aber altgnostische Lehre, dann ist klar,
1) daB die Stichworter des Prologs des Evangeliunis dem Johannes von seinen
Gegnern suppeditiert sind. Daraus begreift sich auch, daB sie im Buch selbst
keine Rolle spielen. 2) Aber weiter: der Gegensatz zu Kerinth resp. den Niko-
laiten beschrankt sich nicbt auf die Worte ,,das Wort ward Pleisch", sondern
nmfaBt auch die folgenden Worte: ,,und wir sahen seine Herrlicbkeit, Herrlich-
keit als eines Eingeborenen vom Vater" (Joh. 1, 14), und der Ausdruck
V. 18 ,,der eingeborene Gott" (so ist sicher zu lesen) versteht sich aus diesem
Gegeusatz erst ganz. Johannes will also im Prolog seinen Gegern gegeniiber
von vornherein feststellen: der Logos war Jesus, denn er ist Fleich geworden,
und der Logos selbst war der eingeborene Gott und Sohn des Vaters, nicht erst
ein Sohn des Eingeborenen. Die Frage ttbrigens, ob Johannes selbst Logos im
Sinn von Wort oder Vernunft gebraucht habe, wird, trotz des erkannten Zu-
sammenhangs, nach V. 18, Apok. 19, 13 f.; Hebr. 1. 2; Ignat. Magn. 8, 2; 9, 2.
Rom. 8, 2 zugunsten von ,,Wort" in der Weise des synagogalen xno'-D zu ent-
scheiden sein. Die alte Praedic. Petri hat Christus sowohl 1.6yos als vopos ge-
nannt (bei Clem. Strom. I, 29, 182. II, 15, 68. Eel. proph. 58). Vgl. noch die;
judische Lehre, daB durch die Thora. die Welt geschaffen wird (Schlatter,.
Die Sprache und Heimat des 4. Ev. 1902, S. 141).
Johannes und Kerinth. 83
halten, 1 ) aber sie driickt die innere Stellung des tFohannes, die das Evan-
gelism bezeugt, klar aus. Der Ertrag seines religiosen Lebens "bestand
darin, dafi der Christus, dessen gottliche Kraft er erlebte, derselbe war;
mit dem Menschen, dessen Jiinger und Freund er gewesen. In dein
geschichtlichen Jesus war alles, was die Kirche an ihrem himmlischen
Herrn erlebte, vorhanden gewesen. Das ist seine TJberzeugung. "Was
Johannes in Wirklichkeit erst spater aufgegangen war, das findet die
Kontemplation schon in den friiheren Worten und Werken Jesu. "Was
Johannes erzahlt, ist wirldiche Greschichte, aber es ist Gfeschichte in
religioser Beleuchtung. So weit ist Johannes hierin gegangen. daB er
die Redeweise, die er in dem religiosen . Verkehr mit dem erhohten;
Christus erworben, dem Menschen Jesus in den.Mund legt. Die. ge-
schichtliche Schranke , die dem johanneischen Evangelium hierdurch
gezogen wird, ist jedermann erkennbar. 2 ) Dariiber darf aber nicht iiber-
sehen werden das gewaltige geschiehtliche Zeugnis fur die geistige GroBe
Christi, das , das Buch abgibt. So riesenhaft ist diese geschichtHche
Grestalt gewesen, daB ein Augenzeuge alles, was man in fast zwei Menschen-
altern unter dem Eindruck des G-eistes Christi an religiosen Gredanken
erlebt hatte, ruhig in Jesu geschichtlichen Worten unterbringen kann.
Indem Johannes diese Betrachtungsweise wahlte, hat er den geschicht-
lichen Christus der Kirche bewahrt, dadurch-'dafi er ihn in seiner ganzen
religiosen Wirkung und Bedeutting erfassen lehrte. Der Greist hat alle
seine Offenbarungen von dem geschichtliche'a Christus, oder das hat
schon Luther erkannt es gibt keine, Offenbarung, die itber den ge-
schichtlichen Christus hinausginge (Job. 16, 13ff.). Zugleich ist aber
hierdurch das christologische Problem fixiert worden. Die beiden einzig
mogUchen Christologien sind in Kerinth und Johannes einander gegen-
iibergetreten : die dialektisch-spekulative Trennung : des Gottlichen und
1) Joh. 3, 34 f. (Ghristns redet Gottes Worte, weil Gott ihiri den Geist ohne
Mafi gibt) entspricht der panlinischen odef auch der synoptischen Christologie. '
Die beiden Grundformen der urcMstlicheB. Christologie, (der himralisehe Herr
wurde Mensch, und der Mensch Jesus einte sich mit Gottes Geist) sind beide bei
Joh. vertreten (vgl. noch die Idee von der Sendung des Sohnes), aber die Mensch-
werdungsidee pravaliert.
2) Wie viel positives geschichtliches Material es andrerseits bietet, ist be-
kannfc Man darf sich dUrch die richtige Erkenntnis seiner Tendenz das Auge
hierfiir nicht triiben lassen. Von hieraus ergibt sich die einfachste Losung der:
johanneischen Frage". Man kann so in dem Rahmen der geschichtlichen IJber-
lieferung bleiben xind doch der ganzen Difierenz des Johannes zu den Synoptikern
gerecht werden, ohne den Kiinsteleien zu verfallen, deren es bedarf, wenn man
Johannes als blofien Lehrdichter deuten will. Dabei miiC man auch der Schranken '
eingedehk bleibeh, die ihrer Entstehung nach (S. 61) der synoptisehen StoS-
auslese anhaftet. >
.6*
84 6. Das Urchristentum.
des Menschh'chen und die religios-geschichtliche Anschauung des fleisch-
gewordenen Wortes. Erne .,Christologie" gibt es erst seit diesen beiden
Mannern.
22. Zum dritten ist der letzte Apostel ein Kirchenmann gewesen.
Er hat die uberkonunenen Vorstellungen knapp zusainmenzufassen ver-
standen und er bat gegenuber der bereinbrecbenden Haresie und Ver-
weltlichung das Christentuni als ,,Lebre" (2. Job. 9. 10) und ,,Gebot"
(1. Job. 2, 7; 3. 23 f. 2. Job. 4) fixiert. Der Geist stand am Anfang
als zweites Prinzip neben den festen Fornien der kirchlichen Tradition.
Paulus leitete an. den Greist vor allem in den Worten des EvangeHums
zu sucben. Jobannes lebrt- das "Work des Geistes erblicken in der
dauernden stetigen Gfemeinscbaft der Seele rait Gott. Die Gemein-
scbaft mit dem Yater und deni Sobn ist der Erfolg der Predigt (1. Job. 1, 3).
Andrerseits ist mit der Taufe sie ist der AbschluB der Heilsver-
kiindigung der Greist im Menscben wirksam. Ini Glauben an Cbristus
und in der aktiven Liebe bestebt die Lebensgemeinscbafb mit Gfott. Nun
ist aber der Inbalt von Grlaube und Liebe bestimmt dui'cb das kircblicbe
,,Gfebot". Dies Gebot lebrt Jesus als den Cbristus bekennen und werk-
tatige Liebe iiben (1. Job. 3, 23 ; 2, 3 ; 3, 7. 10). Ein festes G-efuge
von Glaubens- und Sittenlehren Hegt vor wir baben oben davon ge-
bort, S. 66 f . . , daran ist Glaube und Liebe zu bemessen. Jobannes lebrt
nocb nicbt, dafi die Unterwerfung unter das Gebot den Obristen macbt,
der Cbrist wird vielmebi* was er ist durcb die Salbung des Geistes ;
aber er ist der tlberzeugung, dafi jeder, der den Geist bat, innerlicb
mit dem Gebot ubereinkommen wird. Diese Gedanken unterscbeiden
sicb scbarf von der altkatboliscben Gesetzlicbkeit, aber sie bieten docb
geschichtlich angeseben einen Ankniipfungspunkt fiir sie dar.
Der Geist und die festen Formen der tJberlieferung sind einander
immer naber gekommen: der Geist kommt in diesen Formen und was
er wirkt, bewegt sicb in ibnen. Und der Geist bringt daber wesentHcb
nicbt irgend welcbe ,,Gaben", sondern die Gemeinscbaft mit Gott, die
im Glauben an seinen Sobn und in der Liebe gegen die Briider sicb
ervveist eben den iiberlieferten Formen genaafi. Dazu kommt ein
etztes. Einst scbied man die ,,heilige" Cbristenbeit oder das ,,Volk des
Eigentums" von der jjWelt". Jetzt gebt der Rifi durcb die Cbristenbeit
selbst. ,,Die "Welt vergebt mit ibrer Lust, wer. aber den Willen Gottes
tut, der bleibt in Ewigkeit". Aber aucb die cbristlicben Haretiker tun
diesen Willen nicbt, sie geborcben nicbt dem Gebot", sie sind der
Antichrist, vom Teufel und von der Welt. Von uns sind sie aus-
gegangen, aber sie waren nicbt von uns" (1. Job. 2, 19). ,,~Wer Gott
erkennt, bort auf uns, wer nicht aus Gott ist, bort nicbt auf. uns. Daran
Der johanneische Hierarchismus. 85
erkennen wir den Geist der Wabrbeit und den Geist des Irrtums" (ib. 4, 6).
Die Idee von den zwei Reicben beginnt hier greifbar und konkret zu
werden. Wer das ,,Gebot" bait gebort ztim Gottesreicb, wer von ibm
abweicbt ist "Welt und Anticbrist. So babnt sicb aucb bierin ein Gedanke
des Katbolizismus bei Jobannes an.
23. Diese TJbersicbt liber die Ansatze der ,,Lebre" im Neuen Testa-
ment mufi bier geniigen. So kurz sie ist, so deutlicb wird dein Leser
geworden sein, dafi das Cbristentum etwas Neues in die "Welt gebracbt
bat, dafi es einen weltgescbicbtlicben Umscbwung im Geist der Menscb-
beit bedeutet. Die Stellung der Seele wird bier eine andere als sie im
Heidentum oder Judentum Avar. Die Grundverbaltnisse des neuen Baus
sind iiberaus einfacb, dadurcb wird der Bau selbst jeder Seele zu-
ganglicb. Alles Streben und Sebnen, alles Knden und Nicbtfinden der
antiken Welt war wie eine Weissagung auf diese Religion, und sie selbst
war die Yerwirklicbung der religiosen Tendenzen des Propbetismus. Der
allmacbtige Gott, der heiliger Liebeswille'ist und der Herr der Gescbicbte,
stebt an der Spitze. Dem "Willen dieses Gottes bat die Menscbbeit
widerstrebt von Anfang an. Das ist ibr Yerderben in Scbuld und Elend.
Da ist der Herr der Weltgescbicbte in Cbristus in die Grescbicbte ein>-
getreten und bat ein neues Verbaltnis zwiscben sicb und der Welt ber-
gestellt. Seine Herrscbaft ist binfort erlosende Herrscbaft, indem er die
Siinde vergibt und ein neues ewiges Leben in der Menscbbeit erscbafft.
Der Liebeswille ist seinem Wesen nacb wirksamer scbaffender Wille. nicbt
nur fordernder Wille. Der Geist-Cbristus ist dieser ein neues Grottesvolk
scbaffende Wille, sein Greist wirkt durcb die einzelnen auf die einzelnen.
Das Ziel dieses Wirkens ist ein Reicb Gottes. Dies Keicb ist darum
aucb das Strebeziel aller, in denen der Cbristuswille wirksam wii'd. Wer
sicb von diesem "Willen ergreifen lafit, der glaubt und liebt, er lebt ein
Leben der Gemeinscbaft mit Gott. Aller Bedarf der Seele ist bier er-
fitilt. Sie wird frei von der Scbuld, sie empfindet in ibrem innersten
Wesen die Nabe des lebendigen Gottes und sie bandelt aus dieser Ge-
meinscbaft rnit Gott bervor in dem Bewufitsein aucb in allem Kleineu
und Geringen Gott zu clienen, seine Sacbe zu fordern. Welcbe unend-
licbe Fiille von Elementen ergab sicb bier zur Bereicberung und Yertiefung
der Seele, zur Eeinigung und Anspannung aller ibrer Elrafte ! Die per-
sonlicb religiosen und etbiscben Mahnungen des Neuen Testaments geben
eine Yorstellung von der Fruchtbarkeit dieser Gedanken.
Dies Neue war nicbt ein System von Begriffen, die man wie ein
Netz iiber die wirklicbe Welt spannen mufite. Das Neue war wirksame
bewegende geistige Kraft, die AUmacbt und die Liebe (les Herrn, der
Geist ist oder des gegenwartigen Cbristus. Das Neue war wunderbar.
86 6. Das Ufchristentum.
Nun ist aber die geistige Wirkung dem Menschen nur verstandlich, in-
dem sie in Begriffe gefaBt wird. Die Begriffe. die dern Christentum zu
Gebote standen. waren zuniichst die der israelitischen Religion, nur in
geringem Ma6e sind griechische Gedanken mit in Betracht gekornmen.
Und wo ein Geistiges in Begriffen an den Menschengeist herankommt,
da erwacht das Streben die Begriffe in Zusamnienhang zu bringen, ein
Gedankensystern aus ihnen zu bilden. Man kann an Paulus und Johannes
diesen Trieb studieren. Es ist eiu wunderbares Schauspiel: das Ewige
xmd Wunderbare in den geschichtlichen Begriffsformen der isi'aelitischen
Religion ausgedriickt und diese Begriffe wiederum zu einer neuen Ein-
heit zusammengesclilossen. die nieht die der israelitischen Religion war !
Das waren die ersten Reflexionen theologiscker Ai-t.
Aber es hat auch eine christliche Lehre gegeben vor nnd. neben
diesen theologischen Reflexionen. Derselbe Greist Christi, der die Menschen
mit wunderbaren Gredanken. Kraften und Tendenzen erfiillte, trieb sie
an zur Gewinnung und Erziehung der Menschen. Man konnte nicht
wirken und lehren ohne einfacbe Begriffe von fester autoritativer Geltung,
ohne eine Zusainmenstellung der in Betracht kommenden Tatsachen, ohne
Organisationen und Institutionen, ohne leitende und verantwortliche Per-
sonen. Sollte der Geist wirksam werden. so ergab sich dies alles mit
innerer Notwendigkeit. Die Geisttrager selbst haben es fur notwendig
befunclen. aber einmal aufgestellt, war es etwas Festes auch fur sie. So
sind schon friih in der neutestamentlichen Zeit feste Formen der Lehre
und regelmaUige Institutionen entstanden. so sind, wenn wit' uns nicht
geirrt haben. unsere EvangeHen geschaffen worden ; so encllieh begreift
sich das Aufkomnien bestimmter kirchlicher Amter schon in unserer Zeit;
Je gewaltiger die Kraft des Geistes Christi war, desto mehr inufite
er immer wieder Neues hervorsprudeln. aber desto schneller mufite er
auch feste geschichtliche Pormen schaffen und annehmen. In der Wechsel-
wirkung dieser beiden Elemente hat sich die Geschichte der apostolischen
Zeit bewegt. l ) Daher ist der Bau, den sie so iiberraschend schnell aus-
fiihrte. doch ein soKder Bau gewesen. Aber in dieser Wechselwirkung
von gottlichem Geist und irdischer Form ist zugleich die Mpgtichkeit
fiir mancherlei Auspiiigungen und Deutungen sowie auch zu einer Be-
'druckung und Verstiimmlung des Geistes gegeben. Das weist uns weiter
auf die Dogmengeschichte hin.
1) Die Formel ,,Eiit]itisiasmiis" charakterisiert nach der einen Seite hin
ganz zutreffeud die alteste Christenheit. Aber sie ist kerne ersckopfende Cha-
rakteristik. Mail muC sich dem gegeniiber gegenwartig halten, wieviel Ge-
gebenes, Formelhaftes, Konventionelles, Autoritatives fur Lehre und Leben in der
apostolischen Literatur neben den freien Geistaufierungen vorliegt.
Erstes Buch.
Die Herausbildung des Dogmas in der alten Kirche:
Die Anfange des Dogmas im naehapostolischen und altkatholisehen
Zeitalter.
Erstes Kapitel.
Die Auffassung des Christentums im naehapostolischen Zeitalter.
7. Die apostolischen Vater.
Ausgaben der Schriften der sog. apostolischen Vater: Patrum apostolicorum
opera 3 voll. ed. Gebhardt, Harnack, Zahn, 1876, kleine Ausgabe 1877.
Lightfoot. The apostolic Fathers (Ignatius 1885. Clemens 1890). Patres apo-
stolici ed. Punk, 2 voll., 2. Aufl. 1901 (kleine Ansg. 1901 in Kriigers Quellen-
schriften); diese Ausgabe enthalt auch die Didache, die auBerdem Harnack in
Texte u. Unters. II (kleine Ausg. Leipzig 1886) edierte. Die Pragmente der
Praedicatio Petri bei E. v. Dobschiitz (Texte u. Unters. XI, 1893). Hinsichtlich
der literargeschichtlichen Pragen ist zu verweisen auf Harnack, Geschichte der
altchristl. Literatur, 1893 und die Chronologie der altchristl. Lit., Bd. I, 1897,
sowie auf G. Eriiger, Geschichte der altchristl. Lit., 1895. 0. Bar den hewer,
Gesch. der altkirchl. Lit. 1, 1902 und die Kirchengesch. von Moller-v. Schubert.
auCerdem die Monograpbien. Fur die DG. kominen aufier den Dogmenge-
schichten von Haruack uud Loofs besonders in Betracht: 0. Pfleiderer,
Das Urchristentum, 2. Aufl. 1902, Bd. II. Behrn, Das christl. Gesetztuni der
ap. Vater in Ztschr. f. k. Wiss. u. Leben, 1886. E. Knopf, Das nachapost. Zeit-
alter, 1905. W. Wrede, Untersuchuugen zum 1. Clem.-Brief, 1891. J. P. Bang,
Studien zu Clem. Eoman. in Stud. u. Krit. 1898, 431 ff. Th. Zahn, Der Hirte
d. Hernias, 1868. A. Link, Christi Person und Werk im Hirten d. Herm., 1886.
E. Hiickstadt. Der Lehrbegriff d. Hirten, 1889. Th. Zahn, Ignatius v. Ant.,
1874. E. v. d. Goltz, Ignat. v. Ant. als Christ u. Theologe in Texte u. Unters.,
XII, 1894. A. Harnack, AposteUehre in PEE. I 3 , 711 ff., Th. Zahn, Das
iilteste Kirchengebet und die alteste Predigt in Ztschr. f. Prot. und Kirche, 1876.
88 7. Die apostolischen Vater.
1. Die gelaufig gewordenen Elernente zur Darstellung des Gottes-
gedankens, die das A. T. darbot, werden auch in unserein Scbriften-
kreise angewandt, oline daB Neubildungen versucbt wiirden. Es sind
im wesentlicben zwei Begriffspaare, in denen sick der Gottesgedanke
darstellt: Gott ist der Yater und er ist der Konig, und Gott ist all-
inachtig sowie barmberzig tmd gerecht. Diese Attribute der Gottbeit
werden dann anscbaulich gemacbt an deni Gedanken der Scbppfung und.
der Gescbicbtsleitung. sowie an der Erlosung und dem Gericbt. Es sind
die Gedanken der alttestanientlichen Propbeten, die Jesus und Paulus
aufgenommen baben. Sie konvergieren alle in dem einen Punkt, da&
Gott der lebendige Gott ist, dessen "Wesen im Wollen und Tun bestebt.
2. Der feierlicbe Ton des 1. Clein. erldart es, daB wir bei ib.ni
die reicbste Zusannnenstellung der gottlicben Attribute finden. : Stellen
wir die Hauptgedanken zusammen. Gott ist allmacbtig (o fcavwy-QanoQ
&sos 1. Clem, inscr. ; 2, 3; 32, 4. Hernias S. Y, 7, 4. PoL
inscr. ; Mart. Pol. 14, 1. Did. 10, 3). Sein allmacbtiger Wille (rtctv-
TOXQazOQixbv (3ovhr]f.ici 1. 01. 8, 5) waltet iiber der Welt und. in der
Welt, er wirkt alles und gestaltet alles, Scbopfung und Erlosung genen
auf ibn zuriiek. Dieser Wille ist das wirksame Prinzip alles Gescnenens,
aber er ist zugleicb. aucb. fordernder, gesetzgebender Wille. x ) Genauer
zeigt sicb dies darin, daB Gott der Scbopfer der Welt und inrer Ord-
nung ist, der biminlische Konig der Welt und der Herr aller. 2 ) Er
wirkt die Gesetze der JSTatur und scbreibt den Menscben Gesetze vor. 3 )
Als Scbopfer und Erloser gebiihrt ihm Liebe und Dank von seiten der
Menscben. 4 ) Dieser Herr der Welt ist nun aucb. der Yater. Einer-
1) povfyois 1. 01. 9, 1; 40, 3. d&ripa 1 01. 20, 4; 21, 4; 32, 3: -advree o~vv
edotzdaiirjaav . . oi> Si aiifcov rj TWV fgycov ainojv . . . dMa did, tov . defajjLtaros
aiitov cf Polyk. 1, 3. 34, 5 : tiuotaaomfiefla tw &B^fian aviov, deh]fia SChleclltllin
ist Gottes Wille Ign. Bom. 1, 1. Sin. 11, 1. Pol. 8, 1 ; /?oi%t- cf Pol. 2, 2. 1. 01. 23, 5 ;
33, 3; 49, 6; 56, 1, 2; 61. 1, defatv 36, 2; 27, 5: ore &slsi xeii &s 'deist, novt]ost,
ytdvra y.al ovSsv fii] Tta^eidrj raw SedoyfiaTiOfiEVCov ini avrov. Ign. B/ODl. inscr. :
TOV det^aavios iu Ttdvra & eanv.
2) 1. Clem. 20, 11 : o /neyas dtftiiovgyds '/.ru Seaaotris t&v fatavrcw , ebenso
33, 2. 8, 2: 6 SsaTtorrjs tmv fadviMv cf 24, 1 ; 40, 1; 59, 4; 52, 1. 61, 2: deoatomis.
faovfdmos paodebs rwv aitivcov. S. OlOCh 7, 3; 38, 3; 60, 1; 19, 2; 35, 3. Die
,,Scli6'pfung aus nichts" hat Hermas nach 2. Makk. 7, 28 gelehrt, sie ist
dutch seine Autoritat Kkchemehre geworden, s. M. 1, 1 : TC^COTOV Ttdvtcov rtiaTevaov,
on BIS eatlv 6 -9'ebs 6 id Ttdvca -/.riaas xal y.amprioas y.(Ci noi^aas ex TOV iiij ovtos
sis 16 slvai, cf Funk z. d. St. u. V. I, 1, 6. 2. 01. 1, 8.
3) 1. 01. 20, Iff.; 40, 1: Tcdvru id^si TtoisTv 6y>eiiofiev oaa o Seastonis irtiT
.ey.ehvaev. Herm. S. I, 6f.
4) Barn. 3, 6; 19, 2: dyaatijosis tbv Ttotijoawrd as, y:oj3i]i)>]aii iov ae xj.d
is tov as l.viycoaduevov KK -davdrov.
Der Gottesbegriff. 89
seits wird dies auf seine Giite gegen die Menscben in biblischer Weise
gedeutet, andrerseits nacn deni pbilosopbiscben Spracbgebraucb auf die
Scbopfung bezogen. *) Die Hauptsacbe ist aber, dafi der allmacbtige
KonigSAville Gottes als Liebeswille verstanden wird. Der Allunifassende,
der von nicbts umfaflt ist (Herm. M. I), der keines Dinges beclarf (1.
'01. 52, 1), AUinacbtige (1. 01. 20, Iff.), Allgegenwartige (28, 4. 2),
Allwissende (21, 3; 59, 2; 64, 1. Herm. M. IV, 3, 4. Pol. 7, 2) ist
aucb barinberzig (1. 01. 50, 2) und der Heifer in jeder Not (59, 3. 4).
sein Tun 1st Wobltun (21, 1; 19, 2), und seine Wobltaten fur uns
waren fertig, ebe Avir geboren wurden (38, 3). So ist aucb der Sunder
von Gottes Erbarmen umgeben (z. B. Herna. V. II, 2, 8; I, 3, 2.
S. VDI, 11, 1. M. IV, 3, 5; IX, 2), seine Liebe vergibt die Siinden
(1. 01. 50, 5). Das Einzelne kann sich uns erst spater ergeben. Abei-
der Liebe steht zur Seite die Treue Gottes in seinen VerbeiBungen und
die Gferecbtigkeit in seinen Gericbten (1. 01. 27, 1 ; 2 ) 60, 1). Scbon
jetzt ergeben diese iiber die Stinder (Herm. S. VI, 3, 6), bis das kiinftige
Grericbt eintritt (Herm. V. HI, 9, 5).
Es ist ein scblicbter kraftiger Gfottesglaube. , der aus diesen Er-
orterungen bervorleucbtet. Der allwaltende Herr und Vater, der die
Welt erscbaffen bat und die Menscben leitet in Liebe und Gfnade. und
der seinen Willen kundtut und die TTbertretung in Grerecbtigkeit straft
das sind die Hauptziige in diesera Grlauben. ISTocb bat man. das
Wirken Gottes nicbt Avieder auf den gesetzgebenden imperativiscben
"Willen bescbrankt, sondern man weifi, dafi im. ganzen Leben der Fi-omme
den allgegenwartigen wirksamen Gotteswillen empfindet. Oder : nicbt
bloB in der Vergangenbeit bat- Gott gewirkt rind wird in der Zukunft
wieder wirken, namlicb Lobn und Strafe geben, sondern in der Gegen-
wart wirkt er. Aus diesem. Glauben Avacbst der Optimismus bervor,
der trotz aller Siinden und TJbel docb in allem, Avas ist, ein Mittel zur
Verwirklicbung des Hocbsten erbHckt. Gott bat die Welt ,. erscbaffen
und ibr Mebrung und Wacbstum verHeben um der beiligen Kirche
Avillen" (Herm. V. I, 1, 6; H, 4, I). 3 )
1) 1. Cl. 23, 1 : e-degysTixos Ttaiij^. 29, 1 : sTtisixfjs "/MI sva7t~/.ay%vos rt
56, 16 : Ttatrjf) yoi^ dyafios u>v TtaiSsijsi, elg TO e&eij&jjvai, fj/.tas Sia fijs daias tta
uvrov. Dagegen 35, 3 : 6 Srjutovgybs y.al na-trj^. 19, 2 : 6 ^aTijfi y.al XTIOT>JS iffji'
uTtdvrcov.
2) itiaibs sv Tats STtayyeliais, Sif.aios EV tots zgifiaai.
3) Hermas sagt aber auch mu 1 , die Welt sei um des Menschen Avilleii er-
schaffen (M XII, 4, 2). Dies ist ein stoischer Gedanke, Avahrend die oben iin
Text angefiihrte Ansicht jiidischer Herkiuift ist, /. B. Assumpt. Mos. 1, 12 : crcavii
cnim orbem terrarum propter plebem suam. Apoc. Barucb. 15, 7. 4. Esr. 6, 55. 59 ;
7, 11. Vgl. Seeberg, Aristides (Zalms Forsch. IV) S. 221 f.
90 7- Di e apostolischen Vater.
Die Einbeit Grottes scbarft Hernias besonders ein (M. I), das war
ein Erbstiick der jiidiscben Missionspredigt. Gelegentlich versucbte man
aber aucb schon das Wesen Grottes in den Abstraktionen der griecbiscben
Philosopbie auszudriicken. Aucb. darin folgte man jiidiscben Yorlaufern.
Die Absicbt, die solcbe Versucbe leitete, war eirie sehr einleucbtende ;
es sollte gegeniiber den welthaften und weltlichen Gottern des Heiden-
tums der cbristlicbe Gott auf diesem Wege als nicbt Welt oder Teil
der Welt erwiesen werden. Man wollte, modern ausgedriickt. die
Absolutheit" Grottes zum Ausdruck bringen. *) Ebe wir nun welter
auf die trinitariscben Formeln eingeben, empfieblt es sicb die Cbristo-
logie unserer Zeit genauer zu betracbten.
3. Hinsicbtlicb der Cbristologie lafit sicb ini . allgemeinen TTber-
einstimmung feststellen. Es baridelt sicb dabei um funf Punkte : 1) der
Cbristus der Gegenwart 1st der biminliscbe ,,Herr" tmd ,,Grott" ; 2) er
ist in demselben Zustand der Macbt und Herrlicbkeit praexistent ge-
Avesen ; 3) er ist Menscb geworden, indem er wirklicb ,,Meiscb an-
uabm". litt und starb ; 4) er ist von Glott aus deui -Tode erweckt.
worden, und 5) er kommt sicbtbar wieder zum Grericbt. Aber inner-
barb dieses Gremeinsamen sind mancberlei Abweicbungen vorbanden. Wir
tun bei der genaueren Besprecbung gut, von der gegenwartigen Stellung
und Bedeutung Cbristi auszugeben.
4. Der Cbrist bat in der Gegenwart an Christus. ,,Gott" und
..unseren Gott". das sagt Ignatius immer wieder in klaren Worten
(Sm. 1. 1; 10. 1. Horn, inscr. ; 3, 3. Trail. 7, 1. Pol. 8, 3. Magn. 15).
es feblt nicbt an neutestamentlicben Parallelen bierzu (oben S. 71).
Und wie ,,Anrufer des Naniens unseres Herrn Jesu Cbristi" der alteste
Cbristenname ist (1. Kor. 1, 2), so bob der Heide Plinius diesen Zug.
als besonders cbarakteristiscb fur die Christen deni Kaiser gegenuber
bervor. 2 ) Ebenso beginnt die alteste Homilie damit einzuscbarfen, man
miisse von Cbristus wie von Gott denken. Und sie bebt das praktiscbe
Motiv zu dieser Stellung bervor niit den Worten : ,,Denn wenn wir nur
gering von ibm denken. boffen wir aucb nur Geringes zu empfangen." 3 )
1) S. Praedicatip Petri bei Clem. Al. Strom. VI, 5: yiva>a%eTe ctiv, on
ete fteos i-oriv, os a.Q'/i]V Ttavtcov Brtoitjaev -/ML Tslovs e^ovaiav fr/cov. '0 ao^aros,
O B - TO. Ttdvra oya, a'/juorfios, os iu, Ttdvra ftcopei, dvertiSBi'jg, oi> ra Ttavra eTtiSeerru
MU Si ov semi', axaTdkijTiTOS, aevvaos, acp&afftos, artoiijTOs, os va Ttdvia Kitoir\af.v
/.6yu) Swdfisws KVZOV. Vgl. Aristid. Apol. 1, If. 4ff. Ansatze schon bei 1. 01. 51. 1:
urtpoaSetfs, Herm. M. I, 1: Ttdvrn '^(OQWV (.lovos 8e &%a>or]TOS &v.
2) Plin. ep. X, 96 : carmenque Christo quasi deo diitere swum invicem. Vgi.
Commodian carm'. apol. 832: quasi deum eum (Nero) putabunt.
3) 2. 01. 1, 1. 2: &e),yoi, ovtcos Sel ijfi&s rpQovelv Tteol 'Jrjaov Xpiorov o>s
TTS^I $EOV, cbs Tceol -/.QITOV 'Cfbvcwv f.al VV/.QWV, y.ai oi> Set fj/uMe ^iixou y>QovBZi> Ttsoi,
Die Christologie. 91
Die Grofie der Wohltat Christi notigte dazu ihn als Gott zu denken.
Der, der unser ,,unauflosliches Leben" 1st, der aller Herzen nahe ist,
der tins einst richtet, ist Gott. Herztone des christlichen Empfindens,
die nie verstummen werden, klingen in diesen Urteilen uns entgegen.
In demselben Sinn wie die Bezeichnung ,,Gott" ist in der Regel auek
der ,,Sohn Gottes" gemeint, nur Ignatius braucht diesen Begriff noch
in der alten Mstorischen Pragung (Sm. 1, 1. Magn. 8, 2). Aber er,
wie Barnabas stellen den ,,Gottessohn" auch. in Gegensatz zum ,,Men-
schensohn". ") Der ,,Sohn Gottes" ist nicht Davids Sohn , wie .die
Juden meinen, sondern, nach Matth. 22, 42 f., der Herr Davids (Barn.
12, 10), der ,,Gott Davids" (Did. 10, 6) 2 ). Wie der Gottesname
wvqiOQ im N. T. auf Christus ubertragen worden ist, so dann auch. die
judische Gottesbezeichnung der Name", TO ovof-ia. 3 ) Geradeso wie der
,,Name" xar 3 s!~oyjjv fiir den Juden Gottes Wesen und Gegenwart be-
zeichnete, so redet der Christ von dem Qfj[.ia rou 7tavwx,QdTOQOg v,al
evdot-ov ovoparog und denkt dabei an Christi Wort (Herm. V. ZEE. 3, 5).
5. Aber in welchem Verhaltnis steht der Gott Christus zu Gott?
Sehe icb recht , so sind Her zwei Vorstellungen zu unterscheiden :
Christus ist in Gott, und Christus ist neb en Gott. Jetzt ist
Christus ,,im Vater" und wird gerade dadurch alien kund. 4 ) Er kam
voin Yater iind ging zu ihm, in dem er jetzt ist. 5 ) Diese Einheit
Tfjs O(OT>i()ias fjfiwv ev tdff yaf) rpgovelv ijfi&g ^.uy.fia Tts^i K-IITOV
//??/' '/ecu ol axovoviss d>s 7teQ\ (itxgio-v afiagtdvovaiv, y.al ijfieZs
ov"/. elSoTss, jfodev ex&ij&tjfiev KM into rivos not sis ov IOTCOV '/.at baa,
'Itjaovs XQtatbs Ttafislv evexa 'f/fiwr. Of 13, 4: Isysi o dsog, es folgt Luk. 6. 32.
Nicht gehort 12, 1 Merlier cf 12, 6; 17, 4.
1) Eph. 20, 2: TCO vlda avdfjwnov y.al vlco &EOV. Barn. 12, 10: ovy), vlbz
wv&Q(b'jtov iillA. vlos vov deov. Der Begriff ,,Menschensolin" hat seinen geschicht-
liehen Sinn in unserer Zeit verloren, ebenso in der Eegel ,,Gottesso.hn", s. aber
Ignat.
2) 'Qaavisa tea deca ^faviS, der Text ist aufreeht zu erhalten nach der Parallele
bei Barn.
3) Ignat. Eph. 3, 1. 7, 1. Phflad. 10, 1. Herm. V HI, 3, 5. IV, 2, 4. S IX,
12, 4; 14, 5; 28, 3. 2. 01. 13, 1. 4. So schon im Neuen Testament Act 5, 41.
3. Job. 7. Jak. 5, 17, wo rov xvgiov nach dvofian zu streichen xind letzteres mit
TtQoaev^&adcoaav zu verbinden ist. Vgl.. dazu z. B. Lev. 24, 11. Dent. 28, 58.
Jubil. 36, 7: der ,,gelobte, geehrte, grofie, g'lanzende, wimderbare und machtige
Name, der Himmel undErde und alles zusammen gemacht hat". Mischn. Joma 3, 7.
die samarit. Gottesbezeichmmg NDW fiir n;w; s. auch Botisset, Eelig. d. Judent.
S. 3431
4) Ignat. Rom. 3, 3: otSev yawdftevov vakov 6 yaQ deos i]fi&v lyaovs XQWIOZ
ev rtaTgl wv t uak\ov ytaivsrai.
5) Ignat. Magn. 7, 2: rbv ay? svbs narobs TttJoaeld-ovTH y.al gfo- eva bvra v.al
cf. 1, 2.
92 7. Die apostolischen Vater.
schlieiit aber den personlichen TTnterschied nicht aus ; wie die Genieinde
mit Christus zur Einlieit verniischt 1st , so Christus mit dem Vater
(Ignat. Eph. 5. 1). vereinigt mit dem. Vater tat er nichts ohne ihn, wie
die Gemeinde niclits ohne den Bischof tun soil (Magn. 7, 1). TJnd so
ist es auch in der Gegenwart : der Wille des Vaters yerwirklicht sich
in der Liebe Cbristi zu der Gemeinde. a ) Nicht anders als von diesem
Gesichtspunkt der Einheit Gottes und Christi sind auch solche Stellen
zu verstehen. in denen Gott und Christus gemeinsain als Spender geist-
licher Guter (Pol. inscr. u. 12, 2) 2 ) oder als gemeinsanier Gegenstand
der Liebe der Christen (ib. 3, 3) bezeichnet' werden. Vor allem aber
ist diese Vorstellung mafigebend in dem Gedanken, dafi Christus Geist
oder heih'ger Geist in seinern Wesen ist, denn der Geist ist Gott und
gottlich (s. unten). Christus als Geist ist in deni Vater und desselben
AVesens mit ihm. Es ist die Anschauung des Paulus und Johannes von
dem erhohten Christus (oben S. 71. 83), die mit alle dem ausgesprochen ist.
Und wenn Christus das Scepter der Majestat Gottes" genannt wird
(1. Cl. 16; 2), so wird auch dies ihn nur als gottlichen Geist. in dem
Gott seine Herrschait ausi\bt, bezeichnen.
Aber diese Gedanken dlirfen natiirlich nicht im Sinn des Atha-
nasius interpretiert werden. Theoretische Erwagungen sind dieser Zeit
noch fern. Mit der praktischen Erfahrung von der Gottheit Christi ist
naturgemafi gegeben seine Einheit mit Gott. Doch ist ebenso der
andere Gedanke vertreten, dafi derSohn mit dem Vater und neben ihm Gott
ist. Alle die uberkommenen Gedanken von der Sendung des Sohnes,
von seiner B/iickkehr zurn Vater sowie die Anschauung des geschicht-
lichen Lebens Jesu wiesen ja in diese Bichtung. Hier sind besonders
die Vorstellungen des Hermasbuches lehrreich, zumal sich in ihnen be-
reits ankilndigt, wie die scharfere Trentmng des erhohten Christus vom
Vater zu subordinatianischen Gedanken fiihrt. In mancherlei Bildern
sieht der Ekstatiker Hermas Christus. Er ist der uralte Eels, auf dem
der Turni der Kirche gebaut ist und das neue Tor, das in den Turm
fiihrt (S. IX, 12, Iff.), er ist .,der Sohn Gottes", der von den Aposteln
1) Ign. Rom. inscr. : rfj fi^etjf.ievi] sv fisya&eidz-rj'u Ttaxgos byiaiov "/.ai 'l
TOV (.idvov viov OLVTOV ^xl^ff/a ?;y7t?; l (tej/// y.al TtetpcoTiafievy ev &
tov -dsfajaavros TU Ttdvm & eaiiv, v.a.iu. dydTtyv 'Iqaov Xpiarov rov deov fjf.i.wv.
Dabei ist nach Magn. 13, 2 (faoTdyijte ... ws 'I^a. Xg. ta> Tiat^l Kara, od(>va\
cler Gehorsam Christi nur auf sein menschliches Wesen bezogen, indessen. ist
'/.ara. adoy.a. textkritiscb nicht sicher.
2) 12, 2: deus autem et pater domininostri Jesu Christi et ipse sempitermis
pontifex, dei filius aedificet vos in fide et veritate. Fiir dei filiiis las das Ori-
ginal nur frees s. Zahn z. d. St.
Christol&gie des Hermas. 93
verkiindigt wird (S. IX, 17, 1), und der Sobn Gfottes. ist selbst das
gottlicbe Gfesetz, das der ganzen Welt gepredigt wird (S. VIII, 3, 2)'. *)
Cbristus 1st Geist (S. V, 2 , 5. 6. IX, 1, 1 vg 1 - unten). Alles das
weist wie auf die Praexistenz, so aucb auf die gottlicbe Art Cbristi tin.
Nun ist aber ein weiterer Zug zu beobacbten. Ein bober und berr-
licher Mann, ,,der Herr des ganzen Turm.es", priift die einzelnen Steine,
die in den Turin der ]ircbe gebaut sind, die unbrauchbaren lafit er
herausnehmen und befieblt dem Hirten d. h. dem Bufiengel einen Teil
von ihnen zu reinigen, das Urteil iiber sie sich vorbebaltend (S. IX, 6 ;
7, 1. 2; 18, 4). Dieser hohe Mann ist der Sohn Gottes (ib. 12, 8).
Es ist nun merkwiirdig, dafi in dem 8. Grleichnis, in dem die Zweige
eines grofien Weidenbaums an die Menschen verteilt werden, ein ,,sehr
honer Engel" die Zweige abhaut und darreicbt und spater pruft, was
bei den einzelnen aus ibnen geworclen ist, und dem BuBengel seine Be-
fehle gibt, auch bier steht ibm das ITrteil zu (S. YUI, 1; 2, 5).
Dieser Engel iibt also ganz die gleichen Funktionen aus wie der Grottes-
sobn im 9. Gleiehnis. Er wird aber freilicb von inni unterscbieden, da
die ausgeteilten Weidenzweige der Grottessohn oder das Gesetz sein
sollen, der Engel aber ausdriicklich Micbael genannt wird (S. YUI, 3, 2).
Aber der Unterscbied ist nicbt durchschlagend, denn wie im 9. Grleich-
nis der Fels und die Tiir, aber aucb der priifende Mann Cbristum dar-
stellen, so konnte aucb bier der Baum wie der Engel Cbristus sein,
dann ware aber der Gfottessobn der Erzengel Micbael. Andrerseits stebt
(S. V, 6, 4) neben den ayyehoi evdogoi der Sobn. Dazu kommt noeb,'
dafi die Engel, aucb die obersten^erscbaffen sind (V. IH, 4, 2. S. Y,
5, 3), wabrend der Gfottessobn yor aller Kreatur vorbanden, ibr Scbopfer
und praexistent ist (S. IX, 12, 2; Y, 6, 5). Man bat darauf verwiesen,
dafi bei Hernias, entgegen der sonstigen Zablung von sieben Erzengeln
(z. B. Apok. 1, 4; 8, 2. Tob. 12, 15), nur secbs vorkormnen (Y.
Ill, 1, 6 ; 4, 2), der siebente sei eben Micbael. Dies Argument aber
verfangt nicbt, da aucb das Judentum neben der Siebenzabl die Secbs-
.zabl von Erzengeln annimmt (z. B. Hen. 20). Nun wird aber Hermas
dem Bufiengel von dem ae^ivoranos ayyshos zugewiesen (Y. Y, 2cf.
'S. Y, 5. X, 1, 1) und von diesem werden aucb die Sunder gerecbt-
.gesprocben (edixaidj&rjaav M. Y, 1, 7). Er ist es aucb, der die Men-
1) '0 Se vofios ottos vibe Qeov earl vqgv/flEis els Tci Tteonm TTJS yrjs. Der
Gedanke ist einf ach : Gnristus ist die Offenbarung Gottes an die Menschheit, wie er'
;sonst auch. ,,Logos" genannt wird (s. oben S. 82), vgl. Praed. Petr. (bei Clem.
Al. Eel. proph. 58, Strom I, 29. II, 15, 68): 6 Ulr^os ev tcp xijoijyfinTt vo^iov
xal "Loyov tbv XIJQIOV Ttqoaeirtev. Christus als y.ai.vbs (oder aiconos) vofios v.a.1
faij auch bei Justin. Dial. 43. 51. 118. s. noch. Hippol. WW. II, 267.
94 7. Die apostolischen Vater.
sehen innerlicli kraftigt (S. V, 4, 4), iiber ihr Geschick verfugt (S. VH, 1)>
oder auch durch ilir Tun erbittert wird (ib. 2. 3). x )
Soviel scheint nach dem dargelegteii Tatbestand klar zu sein, daB
zwischen dem ,,ehrwurdigen Engel" und Michael ein Unterschied nicht
zu maehen ist. 2 ) Aber ebenso scheint air die Sachlage in S. VHI
und IS so verwandt zu sein, dafi Michael und der Gottessohn dieselbe
Person bezeichnen miissen. Dann hat Hernias, von dein Bediirfnis geleitet
Christus als Person anschaulich zu niachen, ihn als ein hohes Geist-
wesen oder als Engel geschaut. Man darf hieriiber freilieh die anderen
Aussagen nicht vergessen, nach denen Christus praexistent und iiber die
Engel erhaben ist. Dieser ,,Engel" ist eben niehr als ein Engel oder
auch ein Erzengel, er ist der Gottessohn, der aber als Engelwesen vor-
gestellt wird. Zuin Verstandnis mufi an die immer grofier A^erdende
Bedeutung der Bngel, % besonders des Michael, ini Judentum erinnert
werden. ' "VVie ein hininilischer Senat umgeben sie Gott (cf. Herm. S. V,
2, 6), Michael schutzt und leitet das Volk Israel (Dan. 10, 13. 21;
12, 1), er ist der himmlische Hohepriester, ,,der barmherzige langmiitige
Michael" (Hen. 40, 9), der ,,Eiirst Zions". 3 ) Aus diesem Vorstellungs-.
kreise heraus wird man es bei dem durch und durch jiidisch denkenden
Hernias 4 ) zu erklaren haben , . daB , indent die Earche an die Stelle
Israels tritt, Christus als der Engel der Kirche Michael wurde, tmd
doch dabei die uberkornmene christliche Yorstellung von seineni gott-
lichen Wesen erhalten bHeb. 6 ) In iibrigen muB noch benierkt werden,
daB iiber die Christologie des Hermas zurzeit keineswegs Einheit vor-
handen ist. Die einen fassen sie in - der dargelegten Weise auf , die
anderen wollen hier wie iiberhaupt Hernias in niehr orthodoxem Sinn inter-
pretieren. 6 ) - Tauschen wir uns nicht, so war in unserer Zeit die prak-
1) Er heifit S. VII 6 %voos ftyyefos, S. V <5 &ytoe
2) Eunk (Patr. ap. I, GXLIIf.) bestreitet das, weil. S. VIII dem Hermas
erklart werden muB, daB der Engel Michael ist, wahreiid er den Engel S. X
sofort erkennt, allein er hat ihn ja inzwischen kennen gelernt.
3) Vgl. Bousset, Eel d. Judent. S. 321. Weber, Altsyn. pal. Theol.
S. 165. 171.
4) Z. B. die Vorstellung ,,dem Engel tibergeben werden" vgl. Weber
a. a. 0. S. 166. Eine weitere Parallele bietet die griech. Baruchapokal. 11.: ,,und
es kam Michael, tmd der Engel, der mir beigegeben, ging ihm entgegen und
kniete yor ihm nieder" etc.
5) Noch einfacher erklarte sich die Sache, wenn man eine literarische jiidische
Grundlage bei Hermas annehmen will.
6) Fiir ersteres besonders Lip si us Ztschr. f. wiss. Th. 1865, 277 ff., 1869, 273ff. t:
Harnackim Komm. zu den betr. Stellen, H ii c k s t a d t ; fur letzteres bes. Z a h n , der
Hirte d. Herm. S. 142 ff. Funk, Link, Bardenhewer(PatrologieS. 56 f.)lassen den
,,ehrwiirdigen Engel" Christum bezeichnen, nicht aber Michael. Weiteres s. unten.
Chris'tus als praexistenter Geist. 95
tische TJberzeugung von Christi gottlichem Wesen herrschend. Man
konnte dabei niehr an die Einheit mit dem Vater denken oder mehr
die Persondifferenz betonen, in letzterem Fall lagen Annaherungen an
den Engelfursten >oder auch den heil. Geist (s. unten) .nahe. 1 ) ,
5. Wif kommen zum zweiten zu der Praexistenz Christi. Sie
ist allgemein anerkannt. Christus hat im A. T. geredet (1. 01. 22, 1),
Gotfhat ihn in die Welt gesandt (ib. 42, 1 cf. 16, 2). Yor der Welt
war er bei deni Vater (Ign. Magn. 6, 1), der TJnsichtbare wurde um
unsertwillen sichtbar (Ign. Pol. 3, 2). Er ist von Anfang an Herr der
Welt und schon Gen. 1, 26 hat Gott zu ihnx gesprochen (Barn. 5, 5).
Vor der Schopfung ist er ; und durch_ ihn wurde die Welt geschaffen
(Herm. S. IX, 12, Iff.; 2 ) 14, 5; V, 6, 5). Das bedarf keiner wei-
teren Erorterung, denn es liegt in der Natur der Sache, dafi der, den
man als Herrn und Gfott benannte und anrief, der himmlischen Welt
angehorte, da6 er ewig vor dieser Welt, bei deren Schopfung er tatig
war, existierte.
Dieses gottliche praexistente Sein Ghristi kam auch zum Ausdruck
durch den Gedanken, da6 er Geist war, bevor er Meisch wurde. Diese
Vorstellung war in der alteren Zeit iiberaus haufig, s ) tind sie lag ja
nahe, wenn man das Sein aussprechen wollte, das Christus innehat im
Gegensatz zu seiner Existenz im Meisch (vgl. 1. 01. 32, 2). ^v (.tev to
TtgwTov fCvsv(.m syevsTO OOQ^ not ovxtog r t f,ias exdfoosv (2. 01. 9, 5).
Der sog. zweite Clemensbrief hat diesen Gedanken in einer sehr wunder- :
lichen Betrachtung ausgesponnen. Er meint, daB auch die Kirche pneu-
matisch und praexistent war ,,wie auch unser Jesus" vor seiner Erschei-
nung. Das wird aus Gen. 1. 27 (Gott schuf den Menschen als Mann
und Weib) erwiesen. ,,Das MannMche ist der Christus, das Weibliche
die Kirche." Nun ist aber diese pneumatische Kirche offenbar geworden
1) Als Engel wurden der ,,Sohn Gottes" wie der heilige Geist auch hi dem
HelkesaibucL. dargestellt: v.al tbv /.isv agoeva vlov eivat tov 3'eov, lijv 8s drf).8iav
wdeia&ai aytov Ttvsvfia. (Hippol. Eefut. IX, 13). Auch an den judenchristlichen
Adam-Christus kann Mer erinnert werden.
2) S. IX, 12, 2: o (.lev vlbs tov deov Ttdays tfjs xiiaecos aiiiov TtjioyeveaTegoi
Sars avfi^ov^ov aiiibv yeveod'ai 110 TtaTgl ifjs tciiaecos aiitov.
3) Vgl. Aristid. Ap. 2, 6: ofims Ss 6 vlbs tov &EOV TOV vyiamv dfioloyeZtai
heyerat.*} ev TtvsijfiaTt, &yiu> OLT^ OVQO.VOV "/.mafias. 'Ev ttv&6(iarti ay. ist wieder-
2mgeben dnrch ,,als heiliger Geist" cf. 1. Ptr. 3, 19. 1. Kor. 2, 7. 2. Makk. 4, 30.
- Tatian Orat. 7 init. Theophil. ad Autol. II, 10. Iren. adv. haer. V, 1, 10.
Kallist bei Hippol. Eefut. IX, 12, Hippolyt. c. Noet. 4. 16, Tertull. Apol. 21.'
adv. Prax. 8. 26, de orat. 1, Cyprian, quod idola non sint 11, Ps.-cypr. de mon-
tibus Sina et Sion 4. 13. Lactanz Institut. IV, 12, 1; 6, 1. Weitere Stellen in
meineifi Komm. zif Aristid. 2, 6 p. 300.
96 7. Die apostolisehen Vater.
in dem Pleisch Christi, uns kundtuend, dafi. wenn jemand yon tins sie
in dem Meische bewahrt und nicht verdirbt, er sie empfangen wird in
dem heil. Geiste, denn dies Fleisch ist das Abbild (&vvL r iV7to) des
Geistes .... "Wenn wir aber sagen, dafi das Meisch die Kirche, und
der Geist Christus ist, so frevelte der an der Kirehe, der an diesem
Meiscn frevelte. Ein solcher nun wird nicht Teil erlangen an dem Geist,
der Christus ist" (2. 01. 14, 2 -4). Nach dieser SteUe ist also 1) Christus
ebenso wie die Kirche ein praexistenter, aber von Gott geschaffener .himm-
lischer Geist ; *) 2) nicht nur Christus, sondern auch die pneumatische
Kirche im Meisch Christi erschienen; 3) der Geist uberhaupt Christus. 2 )
Christus war sonach ein praexistenter Geist oder auch der Geist. 3 ) ehe
er im Meisch erschien.
1) Die pneumatische Kirche ueben Christus (14, 2) und dem Vater (14, 1)
kann natiirlicli nur der heil. Geist sein. Die Vorstellung des Verf. ist unge-
fahr die gleiche, wie sie Helkesai hat (S. 95 Anin. 1).
2) Das wiirde init 2. Kor. 3, 17 stimmen, aber Kirche . und Christus als
pneumatische waren doch beide unterschieden.
3) Es ist mir in hohem Grade fraglich, ob man sieh bei dem iiberlieferten
Text der Stelle berukigen kann, er fiihrt auf den Widersinn, dafi derselbe Autor
in einem Atem erklart: Christiis und die Kirche resp. der Geist sind verschieden
Toneinander und der Geist ist Christus, man kann eines wie das andere be-
haupten, aber man kann das nicht zusammen tun. Sehe ich recht, so ist unsere
Stelle schon sehr friih, systematisch durchkorrigiert worden. Der Verf. wird ur-
spriinglich folgendes ausgefiihrt haben: die Kirche ist die av&yos oder ofyipios
Christi, Geist wie er, und wie er im Fleisch offeubart, wer sich also gegen dieses
Fleisch vergeht, yergeht sich wieder die Kirche und erlangt nicht den Geist,
der das Wesen der Kirche ausmacht. Hieran wird man AnstoJB genommen haben,
weil 1) die Syzygie Christus-Kirche gnostisch klang, 2) die Fleischwerdung des
heil. Geistes ungewohut war und unverstiindHch erschien. Man korrigierte,
indem man das Fleisch zurn ,,Fleisch Christi" rnachte, und dann demgemali den
Geist als Christus erklaren nmflte. So ist der gegenwartige, in sich widerspruchs-
volle Text entstanden. Den alten Text gewinnt man durch folgende Anderungen :
1) 2 fur e~/.'/.l. aw fid &OTW Xyimov hieC es: oijtyyos etc., nur dazu stimmt
das hegriindende Zitat Gen. 1, 27 und die Erlauterung Christi als des Mann-
lichen, der Kirche als des Weiblichen. 2) 3: die Kirche wurde offenbart ev rfj
aaqxi Xytaiov, Mer ist XQIOIOV zu streichen, dazu stimmen die folgenden Worte
auf das beste: wer sie im Fleisch bewahrt, wird sie im heil. Geist empfangen,
wahrend dieser Gedanke, wenn man Xgimov liest, nahezu sinnlos wird. 3) 4:
El oe heyofiev elvai, ttjv ady/.a lifts ^xxhrjoiav fy.al to 7tvev/.ia XQLQIOV], aoa o^y
6 bfitjiaas irjv adoy.rt V^QLO&V ifyv exxArjaicw 6 loiovtos oitv oil fiEra/^tpsiai iov Ttvev-
fiaros [o eonv 6 Xyioios]. Die von mir eiugeklammerten Worte sind Zusatz;
dieser war notwendig wegen der Anderung in 8, hatte man das Fleisch als
Fleisch Christi bestimmt, so war der Geist Christus, dies mufite dann auch ge-
sagt werden. Der folgende g 5 stimmt auf das beste zu dem emendierten Text:
Unsterblichkeit und Leben vermag dies Fleisch zu erlangen, wenn sich der heil.
Christus und der Geist. 97
Dieselbe Yorstellung begegnet uns aucb im Hermasbiicb. Es
delt sicb besonders um das Yerstandnis des 5. Gleicbnisses. Ein Herr
iibergibt seinem Knecht einen Weingarten, danrit er ibn wabrend der
Abwesenbeit des Herrn einzaune; der Knecbt aber tut nocb mebr, in-
dem er den Garten auch umgrabt und vom Unkraut reinigt. Der beim-
.gekehrte Herr freut sicb dariiber, er ruft seinen geliebten Sobn" und !
seine Ereunde und Ratgeber. Er bescbliefit unter Zustimmung des
,,Sobnes", dafi ,,der Knecbt Miterbe werde deni Sobn". Bei einem
Mabl sendet der Herr dem Knecbt Speisen biriaus, von denen dieser
seinen Mitknecbten austeilt. Daraufbin wird def Bescblufi ihn zum Mit-
erben des Sobnes zu macben bestatigt (S. Y, 2, 2-11). Das Grleicbnis
wird darauf gedeutet: der Herr ist Gott der Scbopfer, sein Sobn ist
,,der beil. Greist", der Knecbt ist ,,der Sobn Gottes", die Zaunpfable
sind die Engel, der Acker ist das Yolk Gottes, die Speisen sind die
Gebbte, ,,die Gott gegeben bat seinem Yolk diircb seinen Sobn", die
Ereunde sind ,,die erstgescbaffenen Engel" (ib. c. 5, 2. 3). Soweit ist
alles verstandlicb : der Knecbt ist ,,der Sobn Gottes", der die Engel
"Wacbe balten lafit iiber dem Gbttesvolk, dies von Stinden reinigt und'
ibm das Gesetz gibt, ,,das er von seinem Yater empfing". ,,Du siebst,
dafi er selbst Herr ist des Yolkes, indem^ J er alle Gewalt von seinem"
Yater empfangen bat" (ib. 6, 2 4). Der Knecbt wird also zunacbst
ganz als ,,Sobri Gottes" und ,,Herr" gefaBt. Nun muB Hernias aber die
Erage beantworten, warum der Sobn als Knecbt dargestellt wird und
was es mit der Erbscbaft dieses auf sicb bat. Darauf lautet die Ant-'
wort, Gott babe ,,den beil. Geist', der vorber war, der die ganze
Scbopfung gescbafferi bat" in eineni Eleiscb wohnen lassen. - 1 ) Dies
Fleiscb aber diente dem Geist, obne ibn zu beflecken, und wirkte mit
(jeist mit ihim verbiridet. Liest man den von uns wiederhergestellten Text im
Znsammerihangj so gibt er einen klaren deutlichen Sinn; wie'wir geseHen haben.
Andrerseits hangen alle aufgedeckten Korfekturen in sick ziisammen: die Eirctie
sollte nicht a&pyos. sondern a&fia Christi sein; also wurde sie ofienbar' in Ckristi
odrjt; dannwar aber das zu dieser ad^ gelioreade yivsvfia Christus. Derxirspriinglicne
Gedanke wird also sein: wie der pneumatische Christus, so ist auch der heil.
Geist Fleisch geworde'h, namlich in der sictitbaifeii Kifchie. DaB man mit : dieseni
Gedanken unzufrieden war, ist verstandlich ; aber auch der Interpolator, der
Christus einfach als den Geist fafite, ist frith anzusetzen.
1 ) Si V, 6, 5 f ', : to Tt-i/EVfla ^6 ayiov, id Ttqoov, TO xriaav Tt&aav t^v xriaiv,
6 9'sbe -els odjixa; rjv TJ/Hotikeio, avrij din> i] adij^, sv % xdTwxrjae TO
TO dyiov, sSotjlsvas TCO jtvetj^ati '/.alias iv asfivoTrjTt, y.al ayveid Ttogev&etact,
irjSev blcae [udv'aaa TO Ttvevfia. IIohTSvadfjisv-rjv oiiv aihtifii v.at*u>$ xal &yvu>g xai
Tcji jtv&tifiavt' ttal avveoyijaaoav sV itavii Ttodyfian . . ., fisrei Toft
Tffv dyiov e'lKmo '/.bwcovdv.
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. ' 7
98 7- Die apostolisckeu Vater.
ilim. Daher erwiihlte er es ,,zusamraen mit deni heil. Geist zum
Genossen". Dazu diente ihm der Rat des ,,Sohnes" und der Engel,
.,damit aucli dieses Fleisch .... einen Ort der Ruhe erhalte und nicht
sclieine den Lolin fiir seinen Dienst verloren zu haben" (6, 5 7).
Man hat ans diesem Gleichnis oft den SchluB gezogen, Hernias fasse.
den praexistenten Christus als identisch mit dem heil. Geist. - 1 ) Nun
ist zuzugestehen, dafi die letzte Wendung, die die Auslegung des Gleich-
nisses nimint. sowie die Bezeichnung des pneumatischen Christus als
..heil. Geist" auf diese Deutung fiihren konnen. Indessen stehen ihr
entscheidende Grande entgegen : 1) die Grundanlage des Gleichnisses
unterscheidet drei handelnde gottliche Personen; 2) ,,der Knecht" wird
von Anfang an als ,,Sohn" verstanden, und die Taten, die er ausfuhrt,
sind gottliche Taten, der ,,Knecht" oder der ,,Sohn Gottes" ist nicht
nur Fleisch. sondern er ist Gott und gottlich ; 3) der Geist (Christus) und
sein Fleisch haben z u s a ni m e n gearbeitet (GvyKOrtiaoaoctv, avvegyiJGCcffav),-
d. h. jene Bemiihimgen des ,,Knechtes" sind eben auch Bemiihungen
des ,,Sohnes Gottes" oder des ,,Geistes" ; 4) demgemaB mufi das Urteil
des Herrn und seines ,,Sohnes" nicht blofi dem ,,Meisch", sondern auch
deni ,. Geist" gelten, 'dieser aber kann doch unmoglich iiber sich selbst
tirteilen ; 5) die Differ enziierung Ton ,. Geist" und ,,Meisch" in Christus
kommt erst nachtraglich, nachdem die dogniatische Deutung klar ist, in
Sicht, xmd zwar mit der neuen Absicht, das Gleichnis ethisch fiir die
Verdienstlichkeit der guten Werke auszubeuten. Demnach werden wir
xins an den Grundzug der dogmatischen Deutung zu halten haben, d. h.
an die drei Personen. Der praexistente Christus wird aber hier ,,der
heil. Geist" genannt wie auch sonst (s. oben S. 95 Anm. 3) ; der
Zusatz, dafi er auch die Welt geschaffen habe, spezifiziert aber die Aus-
sage und lehrt sie im Sinne der allgemeinen christologischen Yorstellung
verstehen. Entscheidet man sich so in dem 5: Gleichnis, so ist auch
die Deutung fur S. IX, 12, 1 festgelegt. Und zwar ist hier die Sache
klarer und einfacher : ,,der heil. Geist, der gesprochen hat mit dir in
Gestalt der Kirche", ,,jener heil. Geist ist der Sohn Gottes". Hier
wird ., der heil; Geist" genauer bestimmt durch die Zusatze als ein
besonderer Geist, der also nicht identisch ist mit ,,dem heil. Geist" irn
spezifischen Sinn. 2 )
1) Z. B. Baur, v. Engelhardt, Hamack, Hiickstadt, Loofs, Funk. Die orthodoxe
Dreiheit der Personen nehmen dagegen an Dorner, Zahn, Briill, Schwane, die
1. Aufl. dieses Werkes etc.
2) Die Schwierigkeiten, die fiir S. V zurtickbleiben, iibersehe ich nicht, sie
haften vor allem an dem to Ttvevpa to ayiov. Allein es ist niclit zu iibersehen,
daB sowohl S. V als S. IX dieser Ausdruck bei seinem ersten Auftreten genauer.
Die Menschwerdung Christi. 99
Die Praexistenz Christi 1st dainit erwiesen. Er war, bevor er Mensch
wurde, in einem Zustand gottlicher Macbt und Herrlicbkeit, er war
beil. Geist und nabm Fleiscb an.
6. Dainit sind wir anf die Menscbwerdung Cbristi gefubrt.
Hier liegt das eigentlicbe Problem. Das eben erorterte 5. Gleichnis des
Hernias ist aucb in dieser Erage lehrreicb. Gott liefi, so sahen wir (S. 97
Anm.) den beiligen Cbristus-Geist Wobnung machen in einem ,,Eleisch"
d. n. in einem Menschen. Dieser Mensch fiibrte gottlicbe Taten axis,
aber er tat es so, dafi er mitarbeitete mit dem ihm einwobnenden Geist.
So wenig fest und dauernd ist diese Verbindung gedacbt, dafi es einer
besonderen Entscbeidung dariiber bedarf, was denn mit dem Menscben-
fleiscb gescbeben soil. Will man dies in die Spracbe des Begriffes iiber-
tragen, so bat Hernias sicb den geschicbtlicben Cbristus als einen per-
sonlicben Menscben gedacbt, der aber in seiuem Reden und Wirken von
bimmliscber Geistniacbt durcbdrungen war und ibr entsprecbend sicb
betatigte und daber von Gott mit jenem Geist zusammen in seine Ge-
meinscbaft erboben oder zum Erben eingesetzt wurde. Aber andrerseits
war das Wirken dieses Menscben oder Knecbtes aucb das Wirken des
,,Sobnes Gottes". Jene Einwobnung des Geistes konnte nun begonnen
baben bei der Taufe Cbristi, wie Kerintb, yiele Judencbristen und die
synoptiscben EvangeKen es sicb dacbten, Hennas konnte aber vielleicbt
aucb die Erzablungen von der Empfangnis Obristi oder aber eine Be-
kenntnisformel in seiner Weise gedeutet baben. Wir werden diese Erage
erst spater genauer bebandeba konnen. Barnabas sagt: 6 fiog TOV
9~sov fjk&ev ev GaQxi (5, 11). Der praexistente Gottessobn kam aber
im Eleiscb, um so den Menscben sicb offenbaren zu konnen, sonst batten
sie ibn so wenig anscbauen konnen, als sie die Strahlen der Sonne an-
zuseben vermogen. Niu' so konnte er leiden, den Tod entmacbtigen und
die Auferstebung den Menscben zeigen (5, 6.' 10fL). x ) Er ist Gottes-
bestimmt tmd dadurch von dem ,,heil. Geist" iiberhaupt imterschieden wird: der
heil. Geist, der .die Welt geschaffen hat, ,,]'ener", der mit Hennas geredet hat,
ist gemeint. Der Zusatz besonders in S. V war inmiitz, ja irrefiihrend, wenn
Hermas an den Geist, der als Ratgeber des Yaters charakterisiert war, gedacht
haben wollte. Eine dogmatisch durchgefiihrte Unterscheidung zwischen ,,Sohn"
und ,,Geist" besaC die Zeit natlirlich noch nicht. Paulus unterscheidet ,,Sohn"
und ,,Geist" (2. Kof . 13,13) und sagt doch in demselben Brief, daB Christus ,,der
Geist" ist (3, 17), vgl. auch bei -Johannes Christi Kommen und des Geistes
Kommen (14, 18. 16).
1) 5, 6: on &v aa^y.l eSst aiirbv cpavegco&ilvai. 5, 10: si yap fifj ijldsv i-v
aaqy.i, itcos &v eacb-dyaav al midqwjtot fik'snovrss aiimv, OTS TOV fis^qmct fit} elf at
fjfaov egyov tcav ftsigcov ai>rov vrtdoftovra efifikeTtovTSs oiix la%vaovaiv sis i&s dtnTvas
CC&TOV
100 7. Die apostolischen Vater.
sobn. cler nur in der Gestalt des Fleisches erschien (12, 10 1 )). iBs 1st
im Avesentlicben die gleiche Yorstellung, die wir bei Hennas fanden : der
Gottessohn hat sein Wirken vollzogen, indem er Fleisch annahm oder
durcli einen Menschen wirksam wurde. Hierher gehort auch der in den
Abendniahlsgebeten der D i d a c h e vorkomniende Gedanke, dafi Ohristus
der ,,Gott Davids" zugleich der ,,Knecht Gottes" war (9, 2. 3; 10, 2
cf. Act. 3, 13. 26 ; 4. 27. 30). Knecht Gottes ist aber Jesus gewesen,
.sofern er der Mittler der Aiisfiihrung des gottlichen Gnademverkes Avar
(1. Gl. 59, 2 4' 2 j).
7. Dies ist der erste Yorstellungskreis : der praexistente Gottes-
sohn verband sicli mit dem Menscheu Jesus, ihn zuin Knecht Gottes
machend, als jiveEpa das "Wirken der Ga^ bestiinmend. 'Hk&ev sv
aaQKi ist die Form el hierfur. Daneben stelit ein zweiter Yorstellungs-
kreis; man kann ihn durch die Formel: atv [.lev TO ftQ&TOV ffvevf.ia
syevsro OaQ% (2. Cl. 9, 5) cnarakterisieren. Besonders Ignatius
reprasentiert diese Anschauungsweise. Zunacnst ist daran zu erinnern-,
dafi Ignatius sowoH die praexistente Gottheit Ghristi vertritt (s. S. 90 f.),
als er es sich besonders angelegen sein lafit, die "Wirklichkeit der mensch-
lichen Erscbeinung und Betatigung Cbristi ini Gegensatz zu gnostischem.
Doketisnius zu betonen. 3 ) Ghristus ist 6 $eog (oben S. 91) und er
ist Tektiog av&QLorcos geAvorden. 4 ) "Wie ist das gescbenen;? Die kur-
zeste Antwort ist- die : Gott Avurde von Maria getragen und aus ihr ge-
boren. Das aber gescbab so, daft Cbristus nacb Gottes Yerfiigung sowohl
aus Davids Samen als aus hell. Geist Avar. 6 ) Die Frage ist nun
aber, ob Ignatius bei dem Sein aus beil. Geist an den Menscben Jesus
oder an den praexistenten Gott denkt ? Wortlaut und Gedanke sprecneh
fiir ersteres. Und das bestatigt sicb durcb eine andere Stelle, die von
Cbristus sagt, er sei aus Davids Sanaen und Gottes Sobn geworden nach.
1) 12, 10: oi>'/)- vtos av$()W7tov dkAa vibs tov -9'sov, tijTica e sv
<p a.v E ^co& s is Vg'l. Kom. 8, 3. Phil. 2, 7: ev 6fioia>fia / n ot.vd'^ciaTtcov
2) 1. Cl. 59, 2: 6 S'Tifiiov^ybs i&v aTtdvtmv diet. TOV rjyaTtqfievov TtcuSbs aiirov
It]aov Xqiatov, Si? oil exdheaef f;{u,as &7tb oxofovs els (f&s etc. IlaTi im Sinn VOIl
.,,Solm" Mart. Pol. 14, 1. 3.
3) Inhalt des ,,Evangeliuins" ist iraoovaln, rtd-dos, dvdaraais (Philad. 9; 2
8,. 2);. Geburt, Taufe, Leiden, Tod, Auferstehung werden hervorgehoben 1 (z; B.
Sm;. 14; 12, 2. Magn. 11,' 1, Eph. 7, 2, Kom. , 1 ; 7, 2. Pol. 3, 2. TraU. 9,1. 2
wird ein dfy&ws vor die einzelnen Aussagen gesetzt.
4) Sin. 4, 2 : tov rsleiov aw-dydiTtov ys'i'o/.iemv.
5) Eph. 18, 2: 6 ycto dsos ffficov '/rjoovs o X^IOTOS sxvoipogtf'dri v7tb> Manias
oi'/.ovofilav d'eov ex a-^e^fiaros fisv Z/avlS Ttveijfia'ros e dyiov, bs eysvvij&ri xal
Zwei -JTonnen tier Menschwerclimg. ' 101
Grottes Willen und Kraft aus der Jungfrau geboren. 1 ) Die Stelle ent-
spriclit dein Gedariken Luk. 1, 35, Jesus der Davidide riihrt vort Maria
und gottlicher Kraft her, dieser Mensch ist Gottessohn. Also ist der
Mensch Jesus geschaffen von Gott, geboren von Maria. Aber hierzu
tritt ein zweiter Gedanke : Christus ist seineni Wesen nach nicht nur
Meisch, sondern auch Geist, nicht nur geboren, sondern auch xingeboren,
nicnt nxir aus Maria, sondern auch. aus Gott und daher zuerst leidens-
unfahig, dann leidensfahig. 2 ) In diesem Zusanimenhang gewinnt der
Begriff ,,Gottes Sohn" einen anderen Sinn, nicht einPradikat des Menschen
Jesus, sondern die Bezeichnung des von Gott stammenden praexistenten
Gottessohnes ist er. Zu dem, deni Meische nach, von David herstanunen-
den Menschensohn tritt der metaphysische Gottessohn (Eph. 20, 2). "\Vii-
durchschauen jetzt die Ansicht des Ignatius : der eAvige Gottessohn
wurde Mensch, indem Gott durch Maria ihna ein menschliches Leben
das Leben des historischen Gottessohnes schuf . Aber dabei ist nicht
an eine blofie Annahnie des Meisches gedacht, sondern, wie bei Johannes,
an eine eigentliche Mensch wer dung. Der eine Arzt ist sowohl Gott
als Mensch, ungeworden .wie geworden. Man kann daher ebensowohl
Jesus Christus ,,den neuen Menschen" nennen (Eph. 20, 1), als vorn
,,Bltit Gottes" (Eph. 1, 1) oder von ,,dern Leiden meines Gottes" ge-
sprochen werden kann (Horn. 6, 3). Das E,esultat ist die menschliche
Erscheinung Gottes (d-BOv av&QionivwQ cpavEQo^vov Eph. 19, 3).
Auch Polykarp wird wesentlich so wie Ignatixis gedacht haben, denn er
bekennt sich (7, 1) zu der johanneischen Eormel : Jesus sei als Christus
im Meisch gekoramen.
Dieser Christus ist nun als der Menschgewordene der Offenbarer
Gottes, ,,sein "Wort aus dem Schweigen hervorgegangen" (Magn. 8, 2).
Hier erschliefit sich uns der Sinn, in deni die Christen der Zeit den
BegTiff ,,Logos i! verstanden. Christus ist Logos, sofem er deni. voran-
gegangenen Schweigen Gottes ein Ende inacht als ,,unser einziger Lehrer",
auf den schon die Propheten als seine Jitnger gewartet haben (ib. 9 ?
1. 2), ,,der untrtigliche Mund, durch den der Vater wahrhaftig gesprochen
hat" (Rom. 8, 2). 3 ) Es ist derselbe Gedanke, den Hbr. 1. 2 angibt
1) Sm. 1, .1: eig TOV y.v^tov fyi&v, dkyftcos avra ex ysvovs davlS y.ara. adpxet,
vibv -3-eov y.ara 9-cl-fj/ia y.al Svva { iuv &eov ysysvtjfievo^ dh]d~u)g &-/. stao&svov.
ievov, nicht ysyswrjpevov ist zn lesen, s. Zahn z.-d. St.
2) Eph. 7, 2: els largos ecmv, (tapy.iy.6s ie xai ' nvevfiany.os, J'-W-');TOS xnl
e, sv (rapid yevdfievos O'eos, ev -d'avd-rca ,co>] dhrjd~ivi';, y.al ex Maoiag y.nl }.x
&eov, TtpaiTOv TCafyrbs xal tore drtadrjs, Yijaovs Xpiarbg 6 xvpios i]fiS>v.
3) Magn. 8, 2 : on sis -9eds eonv 6 yaveodbaas Ectvrbu Sia 'Iqoov Xpiarov rov
vlov aiirov os KOTU' admit koyos aTtb atyfjs ttooskd'wv, 03 y.aio. Ttdfra, ei'i/psaTtjani'
102 7. Die apostoliscken Vater.
tv vty) oder den Hermas mit der Bezeichnung Cbristi als des
v6(.ios, die Praedicatio Petri durch die Benennung Christi als v6(.iog v.al
koyog, Justin als YMLVOQ vof-iog y.cd xcctvi] dia-dTJxr) (die Belege oben
S. 82 Anm. u. S. 93 Anm. 1) ausdriickten. Christus ist person-
lich Gottes Offenbarung an die Menscbbeit das will mit all diesen
Bezeicbnungen gesagt sein. - 1 )
Es ist, so viel icb sebe, trotz der TJbereinstiiniming in den Grund-
linien. zu der ersten AnscbauungSAveise eine Differenz unverkennbar.
"Wabrend nanilicb bei Hernias und Barnabas der Menscb Jesus nur als
Form und Trager des Geist-Christus in Betracbt koiiunt, ist bei
Ignatius der Gottessobn irgendwie Menscb geworden und daber der
Menscb Jesus selbst irgendwie gottlicb geworden. Bfistoriscb betracbtet,
scbeint letztere JJenkweise durcb Jobannes bestiiiimt zu sein, Avabrend
erstere niit der einen cbristologiscben Gedankenreibe. des Paulus, aber
aucb niit clem Judencbristentum und Kerintb verwandt ist.
8. Ebe wir dem weiter nacbgeben, sind nocb einige Bemerkungen
iiber die Auf erstebung und Erbobung Cbristi zu macben. Die
Hollenfabrt Cbristi wird nur gelegentlicb gestreift. Das ist be-
greiflicb, denn sie batte zunacbst keine andere Bedeutung als zu kon-
statieren, daB Cbristus tot gewesen, wie das scbon in der Aussage von
seinem Begrabnis zum Ausdruck kam. Aber es feblte andrerseits nicbt
an Anliniipfungspunkten fiir weitere Erwagungen. Mattb. 27, 52 f. er-
zablte von der mit dem Tode Cbristi eingetretenen Auferstebung vieler
Erommen, Pbil. 2, 11 Avar von dem Beugen der Kniee aucb der TJnter-
irdiscben im Namen Jesu die E,ede, Act. 4, 12 macbt die Errettung
absolut vom Namen Cbristi abbangig: "Wie man das A'erstand, zeigt
Hennas (S. IS, 16, 5 7) : die Apostel batten die in alter Zeit Yer-
storbenen den Namen Cbristi kennen gelebrt und sie getaufb. 2 ) Dazu
ai)tdv, Ib. 9, 2 : tva svqs&atfiev (.la&rifai ^Ir/aov X^iatov TOV fidvov
.Sidaaxdlov f/ficav. E,om. 8, 2: TO dtt'svSes omfiu, vv w 6 Ttatqf) K/Al.yaev dbqO'ws.
Dazu Eph. 3, 2; 17, 2; 19, 3. PMla'd. 9, 1.
1) Die Anwendting des Logosbegriffes diirfte danach friiher sein als bei
Johannes oder Kerinth. Gehb'rt schon Luk. 1, 2 Merher? Sehr merkwiirdig ist,
daB der Koran (Sure 4, 169) in einer Wiedergabe der christlicken Lehre sagt:
der Messias Jesus (ist) der Solin der Maria, der G-esandte Gottes und sein Wort
(kalimatuhu) , (das) er gelangen liefi zu Maria und G-eist von ihm (ruhu
minhu). Man mag liber die Herkunft dieser Bezeichnung denken wie man will,
jedenfalls zeigt sie, Avie ein Semit den Begriffi ,,Wort" verstand, es ist das Wort
(kalimat) als Ausdruck des Willens. Vgl. auek Nnbo bei Aphraates (Schwen,
Afrahat S. 94).
2) Ebenso Clem. Alex. Strom. VI, 6, 45 f. Nacli Hippol. de Antichr. 45 hat
Johannes der Taufer im Hades die Niederfahrt Christi vorausverkiindigt, ebenso
Ps.-Orig. Tractatus 14 p. 155 ed. Battifol.
Christi Hadesfalirt. 103
kamen Betrachtungen wie Eph. 4, 9 f. oder die Erwahnung einer Predigt
'Christi an die Geister, die man jedenfalls auf den Hades deuten konnte
(1. Ptr. 3, 19 f.). "Wie man zu einer Predigt der Apostel im Hades
konimen konnte, so erst recht auf den Gedanken, dafi auch Christus
sein "Wirken in der TJnterwelt fortgesetzt habe, sprach doch das imnier
kraftige Motiv, uber das Heil der Grofien der Geschichte oder aucli' der
eigenen Angehorigen, die nicht Christi Namen gehabt haben, sicher zu
werden, hierbei mit. Schliefilich fand sich auch ein verineintliches Pro-
phetemvort, das in diese Bichtung wies. Justin zitiert dafur einen an-
geblich jereinianischen Spruch: xal xaTsfirj ftgbg amovg evayyekioaadai
ctvwtg to OWYIQIOV awov (Dial. 72 fin. vgl. Iren. V, 31, 1 ; TV, 22, 1 ;
27, 2; 33, 1. 12; 1H, 20, 4). "Weiter wufite man wohl schon damals
im Judentum von einer Hadesfahrt des Messias. Auch Marcion sprach
von einer erlosenden Tatigkeit Christi in der TJnterwelt (Iren. I, 27, 2). 1 )
Es mag Zufall sein, dafi bei den apostolischen Yatern nur undeutliche
Hinweisungen hierauf vorkommen, aber jedenfalls eignete dieser Lehre
in tinserer Zeit noch keine irgendwie hervorragende Bedeutung. Ignatius
lafit auch die Erzvater durch Christus die Tur zum Yater eingehen
(Philad. 9, 1 vgl. auch Trail. 9, 1). Barnabas rneint, dafi Christus durch
sein Leiden sich nicht nur ,,das neue Yolk" bereitet, sondern auch den
Yatern die Yerheifiung erfiillt habe (5, 7). ^
tJber die Auferstehung Christi fehlen uns bei den meisten tinserer
Autoren lehrhafte Aussagen. ihre Tatsachlichkeit ist. natiirlich iiberall
vorausgesetzt. Die allgemeingiiltige Yorstellung driickt etwa Polykarp
axis : Gott ,,hat ihn von den Toten erweckt und ihm gegeben Herrlich-
keit und Thron zu seiner Rechten". ,,der kommen wird als ein Bichter
der Toten xind der Lebendigen" (2, 1 cf. Barnab. 15, 5. 2. Cl. 17, 41).
1) Indem Marcion nur Heiden gerettet werden lafit und die Juden von
Abraham an ausdriicklich davon ausscMieBt, wird anzunehmen sem ; dafi die ganze
Lehre entstanden ist zur Eettung der Gerechteu des alten Bundes, deiien nach
Hennas eben nur die Taufe gefehlt hat (S. IX, 16, 7 : sv Sixaioovvr/ yap sy.oi^d^aav
y.al KI> fieyd/.i] ayveiq, ftdvovi'T'>}vatf>(>ayzda'ruv'r't]voi>xei%O'i>). s. Didascal.
syr. 26 fin. : (Christus) cntschlief, damit er predige dem Abraham und, Isaak und
Jakob und alien semen Heiligen die Vollendung der Welt und die Auferstehung,
die sein wird den Toten. S. noch Hippol. de Antichr. 26. 45. Theophan. 45.
Ev. Petr. 41. 42. Den Zweck der Predigt gibt ein syr. Fragment Hippolyts
ganz allgemein an: denn es ziemte ihm, dafi er, ivenn er ginge, auch denen in
Scheol predigte, welche in der Zeitlichkeit sich nicht hatten iiberzeugen lassen
(ed. Bomvetsch-Achelis II, 268). Einen Ankniipfungspimkt bot die jiidische
Idee von dem Kommen des Messias nach Grehinnorn zur Befreiung der Toten,
s. Weber, System d. Eiltsyn. Theol. S. 351. 329. Dasselbe wird von Abraham
erzahlt.
104 7. Die apostolischeu Vater.
Mit Christus zu wohnen ist Seligkeit. die Christen erwarten sie, weil
sie von seinem Geist empfangen haben (Herm. S. IX, 24, 4). Eigen-
tumlich ist bei Ignatius ein Doppeltes : 1) der johanneische Gedanke r
dafi Christus sich selbst erweckt habe axis dem Tod (alrj&wg avsovrjfjtv
savrov Sin. 2 und Job. 2, 19; 10, 18) J ) und 2) dafi er aueh nacb der
Auferstehung Meisch hatte. 2 ) Beide Gedanken hangen unter sich und
init der johanneisch-ignatianischen Grundanschauung zusammen. 1st
nauilich der pneumatische Gottessobn J 1 1 e i s c b g e w o r d e n , so wird er
aucb sein getotetes Meiscb erwecken konnen, und wird das Meiscb aucb
dauernd zu seinem AVesen geboren. Es ist eine ganz andere Wendung,.
die diese Erage bei Hennas nabm, AA T O als ein besonderer Lobn dem
Meiscb Cbristi gewiibrt wird: tVa xca f] GCCQ^ CCVTTJ . . . Gyfi i6?tov xiycc
wvaaM]ycbaeio<; (S. V, 6, 7).
9. AVir sind jetzt in der Lage die ganze urcbristlicbe Cbristologie-
zu iiberschauen. Man hat in ibr z\vei"Typen unterscbeiden wollen, die
adoptianische und die pneumatische Christologie, aber diese TJnter-
scheidung lafit sicb nicbt durchfiibren *) und sie bringt das Hauptfaktum,
daB der pneumatische Christus als Gott angeseben wird, nicbt zuru Aus-
druck. Die Forscber werden in. E. in der Hegel dadurcb in die Irre
gefiibrt, dafi sie lediglicb den bistoriscben Jesus als Ausgangspunkt be-
nutzen und alle sonstigen Aussagen als Attribute in allmablicber A^er-
dicbtung ibm angeheftet werden lassen atxf Grund des Auferstebungs-
glaiibens. Der geschichtliche Ausgangspunkt ist aber in Ayirklichkeit
in den drei Tatsacben entbalten 1) daB Jesus wabrend seines Erden-
wandelns ein iiberinenscbliches Selbstbewufitsein kundgetan bat, 2) dafi-
die Jiinger iiberzeugt sind, von ibm, nacb seiner Auferstehung, nicbt
eigentlich durch sie, das .Zeugnis seines gottlicben AVesens direkt erlebt
1) Aber aiich: sysl^avros uvrbv tov Ttar^bs aiirov Trail. 9, 2. Sm. 7, 1.
2) Sm. 3, 1 : syw yap y.M fisra Tijv av&ataatv sv aaoxi avrbv olSa y.ai
tttarevca ovm. 3, 3 : avvecpayev avrois y.al aweTttev dag aay/.i'/'.os, xaiTtey Ttvevficmy.cos
ijvcoueisos T(j> Ttar^i. 3, 2 fulirt er ein an die Umgebung des Petrus geiichtetes
Wort Christi an: l.d{3ezs s -iprjlayrjaaTe fie y.al 'i&Bie, OIL oint elf.ii Saifioviov dacbfiarov
(cf Luk. 24, 33 it); nach Origenes de princip. praefat. 8 stammt dies Wort aus
der Praeclic. Petri.
3) Harhackhat diese Auffassung vorgetragen, aber er hat sie so limitiert
(GmndriB 4 S. 44 Anm.), daB nicht yiel von ihr iibrig bleibt. Mit Eeclit hat
daher Loofs sie ganz fallen lassen (PEE. IV 3 , 23 f.). Gewifl sind die christo-
logischen Gedanken noch nicht theoretisch durchgebildet. spndern ,,naiv" gewesen,
aber das schliefit doch keineswegs aus, daB sie auf einer festen Grundiiberzeugung
xind der Aunahme bestinimter Tatsaehen ruhten. Diese zu eruieren ist vor allem
die Aufgabe der Forschung, Avenn sie nicht der Gefahr verf alien Avill jene ,,naiven"
Gedanken ihrerseits naiv, d. h. in diesem Fall dogmatisch zn deuten.
Die Typen der urchristlichen Christologie. 105
.uad.empfaQg.en zu baben, und 3) dafi sie demgemafl ibn als den bimm-
liscben Greist - Herrn verehren und verkiindigen. Diese Tatsachen'
sind m. E. unanfechtbar. Von diesen Tatsachen aus : sie sincl einfach
,,gegeben" und nicht ableitbar laBt sich die Gredankenentwicklung
restlos erklaren. Christus ist immer beides : Greist, Herr und Grott,
und er ist ein wirklicher Mensch gewesen. Sofern man hieriiber zu
reflektieren das Bediirfnis empfand gerade die erbauliche Hede rief
dies hervor , konnte man, wenn wir absehen von den verschiedenen reli-
gionsgeschichtlichen oder philosophischen Analogien zur Erlauterung des
Greist-Herrn, vier Wege einscblagen. Man konnte in naiver "Weise
behaupten, . der an sicb in gottlicher Grestalt lebende Christus bat die
Knecbtsgestalt eines Menscben angenonimen. ist arm geworden, \vie\vohl
er reicb war, bis ibn Grott wieder erbobte (Pbil. 2, 6 9. 2 Kor. 8. 9);
das war die einfacbste populare Cbristologie, Avie sie aucb Paulus ge-
legentlicb anwendet. Man konnte weiter an zwei Prinzipien denken
und ibre Yereinigung dann niebr naturlicb oder mebr gescbicbtlicb fassen,
d. b. man konnte von der Greburt an das gottlicbe und menscblicbe
Prinzip miteinander verbunden werden lassen, oder man konnte. in
gewisser Analogic zu den Propbeten, diircb die Taufe dem Menscben
Jesus den Greist zu bleibender Greineinscbaft iibermittelt sein lassen.
Erstens wird die Anscbauung des Paulus sein, letzteres ist die Anscbau-
ung vieler Judencbristen ^ gewesen, und sie ist dann von Kerintb in
pbilosopbiscber Weise ausgefiibrt worclen (oben S. 82). Dem gegeniiber
ist eine vierte Mpglichkeit ausgefiibrt bei Jobannes : Der Logos
wurde Meiscb. Diese JFormel gab eigentlich nur die Anscbauung der
ersten naiven Lebrweise wieder, aber sie traf aucb mit der Tendeuz der
zweiten unter den gekennzeicbneten Anscbamingen zusammen, doch ging
sie iiber sie binaus, indem sie das GrottHcbe, und Menscblicbe in dem
bistoriscben Jesus in eines fafite, und gerade dadurcb kam sie clem
reb;giqsen Bedurfnis entgegen, sie ermogHcbte es in alter "Weise bald
1) Bei der BetracMung dieser Erscheinitageu nrafl man sich vor allein hiiten
vor dein Schreckgespenst des ydbs avfycoTtos, das die alten Hareseologen iiber
sie ausgebreitet haben. Man darf niclit vergesseu, daB unsere synoptisclieu
Evangelien, wenn nicht alles tanscht (s. unten), ebenso denken. xuul sich die
bewegliche Schilderimg , die das Hebr.-Ev. von dem Vorgang gibt, vergegen-
wartigen: Faclum esi autem, cum ascendisset dominus de aqua, descendit fans
omnis splritus sancti et reguievit super eum et dixit illi: fill mi, in omnibus
propbetis exspectabam te, ut venires et requiescerem in te, tu cs enim requies
mea, tu es filius meus primoc/enitus qui regnas in sempiternum (Hieroii. in Jes.
comm. IV, zu 11, 2). Im iibrigen wird die Siiudlosigkeifc Jesu auch tor der
Taufe ausdrucklich er-wahut, er sagt: quid peccavi, ut vadam et baptizer ab eo?
nisi forte hoc ipsum quod dixi. ignorantia est (Hieron. c. Pelag. Ill, 2).
106 7. Die apostolischen Va'ter.
Grottliches und bald Menschliches von Christus zu sagen und doch da-
bei das BewuBtsein seiner Einheit nicht zu verlieren. Deshalb mufite
diese Auffassung die Christologie der jZukunft Averden.
In deni nachapostolischen Zeitalter nun finden wir keine eigent-
lichen Neuerungen in der Christologie. Alle Aussagen lassen sick
auf eine der vier Eormen, von denen Avir sprachen, zuruckfuhren.
Die einen reden mehr harnilos (2. Cl.) oder etwas reflektierter (Ignat.)
von einer Meischwerdung des ,,Gfeistes", die anderen (wie Barnab.
und Hernias) lassen den himnilisehen Gfottessohn (resp. den ersten der
Engel) in der Grestalt des Meisches erscheinen xmd Avirksam warden.
Die Moglickkeit, dafi Hernias die Yereinigung in der judenchrist-
lichen Weise etwa erst mit der Taufe hat eintreten lassen, wurde
schon friiher zugestanden. Dagegen scheint nun zwar die Bekenntnis-
forniel zu sprechen. Aber diese Instanz ist keinesAvegs sicher. Es han-
delt sich um die Envahnung der Gfeburt ,,aus der Jungfrau Maria"'.
In der neutestamentlichen Zeii stand diese Eormel mit hochster Wahr-
scheinlichkeit nicht im Bekenntnis (s. unten), Ignatius, Aiistides
und Justin bezeugen sie dagegen (s. unten) , aber daraus folgt nichts
Grewisses fur die romische Formel zur Zeit des Hernias, zumal zu Ende
des 1. Jahrh. in der romischen Gremeinde die judenchristlichen Gre-
danken noch von grofiter Kraft waren. Wir niiissen also weiter Um-
schaii halten.
Die Bildung der Forniel tov yevv^evTa sx ycVv ( uaTOS ayiov y.ccl
MaQtac, TJ^g ftaQ&evov, um den altromischen Wortlaut zu brauchen,
hat in unserer Periode stattgefunden. Diese oder doch eine ahnMche
Eormel trat zunachst n e b e n die alte Forniel ex arteQ/nccws oder yevovg
4 avid, (Ignat.), sie verdrimgte dann letztere Formel; ebenso scheint sie
zuerst die alte Erwahnung der Ausriistung Jesu mit Kraft und Gfeist in der
Taufe (im NT. s. unten 8; vgl. Ignat. Sni. 1, ,1) neben sich geduldet,
dann auch sie verdrangt zu haben." Die Jungfrauengebiu't staninit aus
deni . 1. und 3. Evangelium bzw. alter er Tradition. Sie hat zu der
Gfottheit Ohristi keine direkte Beziehung, sondern ihr Sinn ist, da6 Gfott
den Menschen Jesuni geschaffen hat durch seine Gfeistmacht wie er Adam
schuf . a ) Wie nun in den Menschen Jesus die Gfottheit oder der pneu-
1) Luk. 1, 35 hat zur ,,Grottheit" Christi schlechterdings keine direkte Be-
ziehung. Der Geist oder die gottliche Kraft ist nicht anclers gemeint als z. B.
Genes. 1, 2. ,,Gottes Soka" und ,.heilig" ist aber das Geborene in dem Sinn,
daB es als von Gott geschaffen, weltrein (cf. Gen. 1, 26) und ihm augehorig ist.
Die Bezeichmuig empfangt ihre Erlautenmg aus 3, 38 AVO Adam, der Erst-
geschaffene, als Gottessohii bezeiclmet Avird. Als den ,,anderen Adam" soil die
Schaffung durch Geist Jesum charakterisiereu.
Geboren aus der Jungfrau. 107
matisclie Gottessobn kam, ist damit also gar nicbt beriihrt, sondern nur
dafi Jesus das siindenfreie heilige Organ Gottes wurde, ist gesagt. Es
konnte neben der jungfraulicben Geburt also sebr wobi der Gedanke be-
stehen. dafi erst in der Taufe der Geist in dies Organ einging. Ebenso
aber konnte man sofort nacb der Scbopfung des irdiscben Gottessobnes
den Geist oder den bimmliscben Gottessobn sicb mit ibni verbinden lassen,
sodafi also aucb dieser von Maria sfeboren wurde. So hat Paulus wobi
O
sicber die Sacbe gedacbt. 1 ) Yon dieser Auffassung ber wird es sicb
dann begreifen, dafi die Jungfrauengeburt zu einein Stuck christlicben
Glanbens wurde und in das Bekenntnis bineinkani. Nicbt erst im Lei-
den und Sterben, sondern scbon bei der Geburt war der Menscbensobn
vereinigt mit dem Gottessobn, und daber war die Geburt neben seinen
iibrigen irdiscben Scbicksalen anzufubren. Dieser Zusannnenbang scbeint
aber in dem urspriinglichen Bekenntnis der apostoliscben Zeit nicbt ent-
balten gewesen zu sein, indem man obne die Jungfrauengeburt zu er-
wabnen von einer Salbung mit Geist redete. Man bat dabei nacb deni
Zeugnis der Synoptiker an den Yorgang bei der Taufe gedacbt. 2 ) Es
ist nun von Bedeutung, dafi Jobannes diesem. Yorgang gescbicbtHcb eine
andere Wendung gab, macbte docb die Formel: 6 Ao'j/og aaQ sysveto
sie lebrbaft so wie so belanglos. 3 ) Damit erbielt die Deutxmg, der
Paulus folgte, definitiv das TJbergewicbt. Eiir sie spracb aucb die
Konsequenz : sab man Jesus uberbaupt fiir die Offenbarung des Geistes
an, so scbien es angemessen zu sein, den Geist von Anfang an in ibni
1) Dies geht daraus hervor, dafi Paulus aueh die Menschheit Jesu als pra-
existeat dachte (oben S. 72), erfolgte der Eintritt dieser Menschheit in die Welt,
urn in ihr als ,,lebeuschaffender Geist" zu wirken, so muCte sie sicb. sofort mit
dem Geistprinzip verbinden. Eom. 1, 3. 4. Phil. 2, 1 u. Gal. 4, 4 fiibren zu dem-
selben Eesultat Avie diese Erwagung.
2) Mk. 1, 10 : y.al TO weti/iia ws TtEQiaieijav '/Mtafidtvov sis ai>?6v cf. Mt.
3, 16: wevfict &80V, Luk. 3, 22: ib Ttvevfia TO ayiov. Beachtet man 1) dafi das,
worin Christi Gottheit besteht, eben das Ttvsvpa ist, 2) da wenn nicbt bier, so
nirgends die Synoptiker von dem Ursprung des Go'ttlicheii in dem gescbicbt-
lichen Ohristus die Geburtsgescbicbte gebb'rt eben nicbt ber sagen win-den.
3) die Art wie Luk. 2, 52 von dem Jesusknaben spricbt (s. dagegen etwa die
unbandigen beilig-en Ungezogenbeiten des antiken jongen Gottes in deii Paidica
d. Thomas), aucb das Fehleu aller Nacbricbten aus : der Zeit vor der Taufe : so
ist der ScbluB unvermeidlicb, der im Text oben gezogen worden ist.
3) Job. 1, 3234 gilt dem Herabkommen des Geistes, die Bedeutung, dafi
der Taiifer bieran Cbristus erkannt babe; er leugnet' nicbt, daB der Geist wirk-
lich auf Christus berabkam, aber da, nacb seiner Axiffassung, dies relativ be-
deutungslos ist, fallt der Toa der Eede darauf, daB der Taufer bieran ein
Zeicheii hatte. Nacb der Art des Job. ist diese Wendung sicher nicht unbeab-
sichtigt.
108 7. Die apostolischen Yater.
Avirksam. sein zu lassen. War aber dies die Meinung, so ist es ver-
standlich, daB man iu der Eorniel die auf den TaufVorgang bezogene
Geistsalbung fallen lieB und dafi man die neben der Jungfrauenge'burt
sclrwer erkliirliche Herkunffc aus Davids Samen aufgab. So ist die alt-
romische Form el entstanden, das Mittelglied von der apostolischen 'ZU
ihr bieten uns die Formeln des Ignatius dar. Erst spater Avurde dann
die Jungfraueugeburt zmn Exponenten der Gottheit .Cliristi, urspr.ung-
lich stelit ihr - ebensowenig wie der leiblichen Auferstehung - diese
Bedeutung niclit zu. Das Avird vor alleni dadtirch evident, daB weder
Johannes noch Paulus sie fur ihre Predigt von der Grottheit Ohristi
in AnAvendung gebracht haben. Der aufgedeckte Ziisammenhang spricht
andrerseits fur die historische Tradition der jungfraulichen Geburt, in-
dem er die dogmatischen Griinde abschneidet, aus denen man die Ent-
stehung dieses vermeintlichen ,,Theologumenons" erldaren Avill. - 1 )
Kehren AA r ir jetzt zu unsereni Ausgangspunkt Hermas (S. 107) zu-
riick, so darf es Avohl als sicher bezeichnet Averden, daB dieser Juden-
christ, Avenn er an .,ein Meisch" dachte, mit dem sich der Grottessohu
v^ereinigte, um dadurch auf die Menschen einzuwirken, diese Ver-
einigung auf den Yorgang bei der Taufe Christi bezogen haben Avird. 2 )
10. Das "Walten und der Besitz des heiligen Geistes ist das
entscheidende Merkmal des neuen Bundes. In der Phraseologie aller
christh'chen Zeiten ist daher, unter dem EinfluB des Neuen Testaments,
die ErAvahnung des Geistes haufig. Das gilt von der Friihzeit in der Avir
stehen, naturlich in besonders hphem MaBe, und dabei ist der Geist noch
1) Es kann uicht an die Gottersohne der Mythologie erinnert Averden, denn
der Geist ist fur den Semiten ein weiblicher Begriff (vgl. d. Hebr.-Ev. : agri
shafts f.ie i] f.u]Trjo fiov, to ayiov TtVBVfia sv fiiq TOJV iqi'^wv fiov y.ai dTfijveyxe fi.s els to
OQOS to fieyn &a^ca<i). Man kann auch niclit auf Jes. 7, 14 zuriickgehen, denn
Aveder haben die Juden etAvas von jungfraulicher Geburt des Messias gelehrt,
noch ist jene Stelle von den jiidischen Auslegern je so gedeutet Avorden, noch
hat sie geschichtlich irgendwelche Beziehnng zum Messias; erst Matth. hat sie
in seiner Art, da Him eben eine passende alttestamentliche Stelle fehlte, so ge-
deutet, also kann sie unmo'gh'ch so dreist das Gegenteil auch hehauptet Avird
jene Uberlieferung erzeugt haben. DaB die Frage nach der Gottheit Christi
mit der jungfi-aulichen Geburt direkt nichts gem ein hat, Avui'de schon gesagt,
fiir die Siindlosigkeit Jesu kommt letztere dagegen mit in Betracht. Die ge-
schichtlich-psychologische Erwagung des Christusbildes (SelbsthewuGtsein, Siind-
losigkeit) scheint iibrigens der paulinisch-johanneischeu Auffassung den Vorzng
zu geben. An sich schliefit die synoptische Anschauung ja jene nicht aus: der
Geist Avird in langsamer Entwieklung von Jesus ergriffen und dieser Prozefi ist
im Vorgang nach der Taufe zur Vollendung gekommen. Vgl. E. Gi'litzinacher,
Die .Jungfrauengeburt, 1906.
2) So auch J. Bornemann, die Taufe Christi durch Johannes, 1896. S. 33.
Der Ml. Christ- 109
nicmV erne blofie Moskel des kirchlichen Stils geworden. Das sv 7tvev(,ioiTi
ist noch nicht ein gewisses Fullsel der Hede, noch merkt man in 1 der
Hegel wenigstens den Autoren an, dafi sie bei der "Wendung etwas
Reales meinen und empfinden. Gute und bose Geister walten zwischen
Himmel und Erde und sie kampfen nm den Menschen. In .dies Ge-
drange dringt der heil. Geist ein , die bosen Greister uberwindend,
den Menschen im Kampf starkend. Er kommt in dier christlichen Lehre
und in den Wechselbeziehungen der Menschen untereinander, alles Gute
und alle Tugenden bringend und fordernd, aber er wirkt aucb. wie der
Wind', dessen Brausen man hort, ohne zu wissen, von wannen er kommt
und AvoMn er geht. Man muB das Herniasbuch lesen, um von diesen
mannigfachen Wirkungen des Geistes eine Yorstellung zu bekonimen.
"Wir werden bei der Darstellung des inneren Lebens noch darauf
zuriickkonimen. Hier handelt es sich um den ,,heil. Gfeist" als Einheit.
Aber gibt es solch eine greifbare Einheit? Zunachst ist eins klar:
der Gfeist ist die wirksaine Kraft Gfottes am Menschen tind in ihm.
So ist der Gfeist einerseits aufierhalb des Menschen, er ist andrerseits
im! Menschen, ihm gegeben. a ) Aber der Gfeist ist eben darum eine nieht
begriffUch scharf bestimmte Gfrofie, er ist Gfott selbst, er ist Christus, er
kann als eine Mehrzahl von Gfeistern oder auoh von Engeln bezei'chnet
Averden. 2 ) Aber gerade diese Pluralitat ist lehrreich, um zu verstehen
was man unter ,,heil. Gfeist" ini Unterschied zu Christus verstand.
JoHannes hat in der Apokalypse neben Gfott und Christus sieben Gfeister
genannt (1, 4), und Paulus hat, trotz seiner Betonung der Einheit des
Geistes, auch von ffvevf-iara geredet (1. Kor. 14, 12. 32; 12, 10 cf.
Apok. 22, 6). Gerade so erklart Hernias die zwolf Jungfrauen, die
bei dem Turmbati der Kirche tatig sind, als ,,heil. Geister" und
,,die Erafte des SohneS' Gottes". 8 ) Sagte man ,, Christus'-', so dachte
man an den geschichtlich 1 wirksamen Gottesgeist, der zum Objekt und
Pr'odukt die Genaeinde hat, sagte man ,,heil. Geist^, so dachte man
an die \virksame Kraft Gottes, die in vielen und mannigfachen BV
1);Z. B. Herm. S. IS, 32, 4: quid putas- dominum 1 tibi facturum, qui spiri-
t-umi'-integrum tibi dedit, et t^^ eum tolum inutilem redegisti? cf. 1. Thess. 5, 23:
v iif.i&v to TWevfia . . . Trj^rj&sir]. . - 1. 01; 46, 6: sv ytvsiifia irjs r /j&(iito$ to
ecp -fj/.i&s etc.
2) Z. B. Herm. M; III, 1. VI, 2, 1. SIi; 4, 3. : S; IX<, 13; 2 : at SI xa<>&!tv<,
aiirat . . . ciyia Ttvsvfiaid slat.
3) S. IX, 13, 2: y.al alhos av&Qcortos oi> Stivatcii e&ge&tfvai sis trjv fiaaileiav
lov'&eov, eav- fi-ty aUrai ai>tbv svSvocooi ib evdvfta aiii:wv e&v yap to ovoficc (i6v<fi>
h&'piisi tb Se 'e'fSvfia Ttaoti. Totircov fir/ )M^I]S, oiiSeV cbfpehrjorj- afitai yct<o at TC
elai'tovvi^ov tov 9'sov.
110 7. Die apostolischen Vater.
tatigungen in den einzelnen das wirkt, was Ohristus ini ganzen schafft. *)
Aber trotzdem Melt man an der iiberkonimenen Vorstellung von der
Einbeit des Geistes neben deni Vater und dem Sobn fest. Der beil.
Greist ist wirksam wie der Yater und der Sobn, er wird mit ibnen zu-
gleicb bekannt, Als Ratgeber ist er von Ewigkeit ber bei dem Yater
(Herm. S. Y s. oben), er ist praexistenter weiblicber Greist, wie Cbristus
mannlicber (2 Cl. 14 vgl. oben S. 96). 2 ) Das fubrt tins welter zu den
triadiscben Gredanken bei nnseren Autoren.
11. Eine ,,Lebre" von der Trinitat bat unser Zeitalter nocb
nicbt besessen. Das beifit Erwagungen uber Einbeit und Yielbeit des
gottlicben Wesens oder genauere Bestimmungen des Yerbaltnisses der
Hypostasen untereinander lagen dem naiven Gflauben fern. Man war
ebenso iinstande den einen Grott zu empfinden, als man Grottes Wesen
aucb in Cbristus oder deni Greist wabrnabm. Die iiberkonimene Eormel
Yater, Sobn und beil. Greist (s. S. 66) bestebt fort und man ver-
inag aucb in ganz sacbgernafier "Weise die Eunktionen der drei von-
einander zu scbeiden. Die wicbtigste Stelle ist Ignat. Epb. 9. 1 (ab-
gedruckt unten 8). Der ganze Bau ist Grottes des Yaters,
Cbristi Kreuz ist der Hebebanm, der die Steine zur Hobe eniportragt,
der beil. Greist aber ist das Seil, mit dem die einzelnen an den Hebe-
baum des Kreuzes festgebunden werden. Es sind abnlicbe Gredanken,
\venn Hernias in dem Sobn Grottes den aus Eels gebauenen Turin
der Kircbe oder aucb den Bauberrn siebt, in den bei dem Bau
belfenden Jungfrauen aber den beil. Greist, oder wenn, bei Ignatius,
Cbristus durcb den beil. Greist seinen Willen betatigt. s ) Merk-
1) Da.fi nach dieser Empfindung nicht ,,Lehre" Christus und der Geist
fur einander gebraucht werden konnen (Christus ist in uns oder der Geist ist in
uns) ist begreiflich. Aber diese Beobachtung sie wird durcb. das Neue Testa-
ment bestatigt ist die Grundlage, auf der allein eine fruchtbare Trinitatslehre
errichtet werden kann.
2) Einer kraffcigeren Gestaltung seines Wesens stand vor allem das Neu-
triscbe, Abstrakte seiner Bezeichnung imWege; man konnte ihn docb nicht kon-
kret als T.aube vorstellen. So dachte man an ein Engelwesen (z. B. Asc. Jes.
9, 37; 11, 33; 7, 23; 3, 16 u. o), die Judenchristen (s. das Hebr.-Ev., Helkesai
vgl. aucb. 2. 01.) baben den Geist resp. den Engel weiblich vorgestellt. Die
Trinitat Vater, Mutter, Sohn aucb Zinzendorf bat sie vertreten batte viel-
leiebt konkretere.Handbaben zur Ausgestaltung der Pneumatologie geboten, als
das Neutrum 7tvsv/.ia sie ermoglicbte.
3) Pbilad inscr. : ev yvw^r) 'Iqaov XQIOIOV ovs '/.ara TO "tSiov &sh]fia eorfytgev
EV pepaicomjpri TCO aylca avrov ?tvaij{ui.ti. Vgl. bierzu Eom. inser. (oben S. 92
Ann.), wo die Gemeinde erleucbtet ist lv ^slr^ait Gottes. und y.ara. &y&7trjv
Cbristi. Einen eigenen Willen b.at der Geist in den altertiimlicben pseudp-
Die Trinitat. Ill
wiirdig 1st die Betrachtung 2 01. 14. Die Kircbe erscbeint bier als
die zeitlicbe und sinnlicbe Verwirldidrang des praexistenten (weiblicben)
beil. Greistes. Vermutlicb ist dabei die obere Kircbe als Mutter
vorgestellt wie bei Paulus (Gral. 4, 26. 29). 2. 01. kennt also Gfott den
Yater Cbristi (12, 6; 19, 5), Ohristus, der Greist war tmd Fleiscb
wurde (9, 5), tun. uns die Wabrbeit zu lehren und die Unsterbliclikeit
zu bringen, und den beil. Gfeist als die praexistente Kirclie und die
Mutter der Gflaubigen, dessen man einst geistig teilbaft wird, wenn man inn
Mer im Meiscb bewahrte (14, 3), : ) Aber tiber gelegentlicbe Ansatze
des Nacbdenkens geht das alles nicbt binaus. Dagegen bracbte man
die triadiscbe Formel dort gern in Anwendung, wo man das Granze des
gottlichen Wesens und seiner Offenbarung und seines "Wirkens aus-
sprecben wollte. 2 ) Aber wie scbon im Neuen Testament dient auch die
Pormel ,,Vater und der Herr Obristxxs" ztir Bezeicbnung der ganzen
Offenbarung des gottlicben "Wesens. 3 )
clementinischeii Brief en de yirginitate (9, 1): voluntati spiritus del consent-it
quisqids, in quo est spiritus Sei.
1) Zu der iiberweltJichen Kirche s. noch. Hebr. 11, 10; 12, 22; Apok. 21, 2. 9;
Herm. V. I, 3, 4 : Kiioas irjV ayiav exy.lyoiav aiiiov. 1l, 4,- 1 : fj . . . sKuitjaia Ttawziav
Tc^oit-t] jsxiiadr]. Am merkwurdigsten ist Apok. 3, 12; Mer will Ohristus auf den
"Dberwinder hinschreiben den Namen seines Gottes und seinen neueu Namen, da-
zwiscben Steht: y.nl TO ovofia Tfjs Ttokeios tov -freov /.LOV, tjjs y.aivrjs 'Je(>ovaafa}u rj
xaraflaivovoa ey, TOV otigavov artb rov d'sov f.iov. Indem hier der Name der Kirclie
zwischeu dem des Vaters und Sohnes steht, kann es doch nieht fraglich. sein,
dafi die himmlische Kirche der beil. Geist ist, wie 2. 01. 1.4. Diese bimmlische
Stadt ist nun die ywij TOV dpvtov (Apok. 21, 9), wozu auch Eph. 5, 23 f. zu yer-
gleichen ist. Nocb Tertullian hat in seiner JTruhzeit die Trias Vater, Sohn imd
Mutter d. h. Kirche angewandt (s. de orat. 2, ygl. die himmlische Kirche de
hapt. 8. 15), nach Asc. Jes. 3, 15 f. ist ,,der Engel der Kirche, die in den Himmeln
ist" der heil. Geist oder der ,,Engel des heil. Geistes" (7, 23; 9, 36; 11, 33).
2) 1. 01. 46, 6 : rj oii%l eva &sbv e%of.iev y.al eva X^iaiov xai ei> Ttvevfia Tfjs
ftdgiios to sy.'/jud'ev e<p fjfias 58, 2 : // yup 6 &ebs xa.1 [j 6 y.vqios 'Iqaovs Xg
y.al 16 Ttvevfta TO ay LOV cf. 59, 2. 4: 6'rt aii si 6 9'eos fiovos val ^Irjaovs
o Ttais aov. Ignat. Eph. 9, 1 (s. den folg. Paragr.) Magn. 13, 1 : Iva, TCUVTU. 6aa
Ttot-BtTS, yMTSvoSw&fjrs aaoxl y.ai Ttverfftan, Ttiatst, y.al &yd7Cr] t sv vlto y.ai Ttatol y.ai
BV 7tvevf.ia.Tt,, ev d^fj y.al ev Tslsi. Ahnlich ib. 2, wo aber der Text unsicher
ist. Als liturgische Formel Mart. Pol. 14, 2: Si o* aot, aitv afacp y.al afs^ftan
ayict) % 6^0. etc. 22, 3 : c$ fj SoS-a. oi>v tc3 Tta-rol y.al ayico nvs^^UTi,. Vgl. aus der
alteren Literatur noch Helkesai bei Hippol. Eef. IX, 13. Asc. Jes. 7, 23; 8, 18.
25; 9, 32 ff. ; 11, 32 f. cf. Epiph. h. 67, 3; vgl. auch die Gnostiker, schon Simon
Magus Anschauung setzt die Trias yoraus (s. 10).
3) Diese Auffassung hat Loof s (PEE. IV 3 , 26 f.) als Binitarisnius bezeichnet
und auch mehrfach in der spateren Zeit nachgewiesen. Die Anschauung sei die,
dafi man Gott und seinen Geist zwar als eins denkt, dafi aber der Geist anch
yon Gott aus- und in das Fleisch Jesu eingeht. Diese Beobachtung ist richtig,
112 7. Die apostolischen Vater.
12. Die Betracktung des Ckristentttms der apostolisehen Vater
schreitet jetzt naturgemafi fort zu den Yorstellungen von dem Werk
und clem "Wirken Christi. Auch hier wirken die ttfchrist-
lichen Gedanken nacn. aber ihre Wiedergabe ist oft so blafi und formel-
liaft, clafi es scnwer ist, den inneren Besitz der Autoren festzustellen.
Zunackst ist zu konstatieren, dafi die beiden Gfedankengruppen des
Neuen Testaments tins attck liier begegnen. Christus wird einerseits als
der bezeichnet. der Grottes Sache bei tins fithrt und in tins durchsetzt, er
kommt andrerseits als der in Betracht, der ttnsere Sacne vor Gfott ver-
tritt. cltircn inn ^yerden wii 1 von der Sttnde fi'ei und er bleibt standig
ttnser Bttrge und Arnvalt vor Grott und fiihrt tins ztt ihm hin. Dabei
ist naturgemafi bei jener ersteri Seite mehr an sein gottliches, bei dieser
leteteren mehr an sein menschliches Sein zu denken, aber beides ist
nicht ausschliefilich zu verstehen. Indem' dies Doppelte aber geschieht,
werdeu wie friiher gezeigt worden ist die beiden Stticke des neuen
Bundes verwirklicht. So ist Christtts in der Tat der Mittler des neuen
Bundes, aber. da die alttestanientlichen Bundestafeln von Mose zer-
schlagen Avurden. ist ttnser Bund eigentlieh der einzige Bund, aber eben
wie das Nexie Testament zeigt etwa die paulinische GruBformel; auch. das
spatere Jtulentuni wirft den Christen immer nur Ditheismus vor (Weber, Alt-
synag. Theol. S. 148, der Koran kennt die Trias : Vater, Jesus und Maria, Sure 5,
116, cf. 4, 169), so auch die Monarchianer , aber sie erklart nicht etwa den
TJrsprimg der triadischen Vorstellung, sondern sie verscharft nur das Problem.
Die Forniel Vater, Sohn und Geist ist namlich als das Urspriingliche gegebeu
s. die Forniel iin N. T., Simon Magus, Helkesai, die Ascens, Jes. etc. oben S. llOf.)
und sie besteht neben der biuitarischeii Anschauung und zwar so, dafi auch von
einem Wirkeu des Geistes neben dem Christi geredet wird (auch bei Hermas).
Der Ausgang ist also von der triadischen ' Formel als dem Urspriinglichen sie
ist urchristlich und auch judenchristlich zu nehnienl Nun wurde aber Christus
als ,,der Geist" (2. Kor. 8, 17) gedacht, aber wie er als Geist von dem Vater
abgelb'st wurde, so wurde wieder von- ihm der ,,heU.' Geist" oder die ,,Geister"
abgelost, wie der Vater eins ist mit dem Geist und Christus als den Geist saridte,
so sendet wieder der Geist-Christus den Geist Fur das ursprlingliche JEmpfindeii
hatte das triadischen Sinn, ohne da.fi die Differenz modalistischer oder pluralisti-
scher Deutuug zum Be\ntCtsein gekommen ware. Soferri nun Christus das ge-
schichtlich wirksame Geistprinzip in seiner' Einheit und Totalitat ist, katiri mari
. sich, ohne das BewuBtsein einer Liicke zu'habeii, binitarisch aiisdriicken, bei der
Reflexion aber auf die empfangenen Wirkungen der Offenbarung ko'nneh wieder
der iii den eiiizelnen und durch sie wirkeride Geist und de'r die Kirche bauende'
Geist-Christus unterschieden werden, wie wir es oben verstanden haberi. Der
binitarischen Ausdrucksweise leistete dabei Vorschub die Scnwierigkeit' den Geist
hypostatisch ztt fassen lind die Beschlossenheit des Geistes in Christus; von dem
er koinnit und desseri' Geist er ist. Der Binitarismu's ist also nicht als' eih be-
sonderer Gedankentypus neben dem Trtnitarismus zii be'urteilen. Er ist nur' erne'
Abbreviatur.
' " Das Werk Christi. 113
deswegen kornmt es nicbt zu einer klaren Erkenntnis des 'Wesens des
neuen Bundes land seines Eortschrittes liber den alten hinaus-'(Barn. 4, ; 8 ;
6; 19; 14, 5). Will man in kurzer Eormel das Granze des- Werkes
Christi zusammenfassen, so bieten sicb zwei Ausspriiche, als zu diesem:.Zweck
geeignet dar. Die Knaben, die iin. Alien Testament f(Num. -19) das
^olk 'besprengen, -sind ein Yorbild der Prediger des Evangeliums ,zur
'S : iindenvergebung.und zur Heiligai.ng des Herzens (Barn. 8,. 3).
und der Knecbt ! Grottes .,reinigt die Siittde>n ,des Yolkes und
zeigt ibnen die iPfade des Lebens, indem ,-er ihnen das Gesetz
gibt, . das er von seinem l Vater empfangen hat" ,(iHerm. S. W, 6, 3). 1 )
Indessen sind innerhalb dieser beiden ^Gesicntspunkte verschiedene Spiel-
arten vorhanden, indem man auf der einen :Seite mehr ,an den ^Grott in
tins dtirch seine mystische Einwohnung offenbarenden'Ghristus oder.niebr
an den geschichtlichen Urheber des neuen Gesetzes denken kann, auf
der anderen Seite mehr die gegenwartige Biirgscnaft rCbristi .oder auch
sein geschichtlicbes :Leiden und Sterben betonen kann. Doch scbliefien diese
Spielarten der Gfedanken einander -nicbt aus, sondern geben aucb :bei den-
selben Autoren ineinander liber. Aucb bier kann die 'Mystik in .Hatio-
nalismus timscblagen tind die rein geschichtlicbe Betracbtungsweise in
die 'religiose tibergeben. Dies sind die .gescbichtUcben.:(resicbtspunkte,
von denen aus die 'Erlosungsgedanken unserer Autoren sacbgemaB ge-
ordnet werden konnen. Wir beginnen die Besprecbung mit der ersten
Seite, zumal diese bei den Autoren selbst im ^ordergrund stebt.
13. Diese erste Seite in dem Werk :Cbristi fafit zunacbst den ! Gre-
danken in sicb, dafi -Gbristus uns die Erkenntnis der Wabrbeit
aind das e \v i g e u n s t e rib 11 c b e L e b e n bringt und ist. IJberall begegnet
uns i dieser Gedanke, >ja er bezeicbnet die Hauptsacbe in .dern Werk
'Ghristi. 2 ) Er beriibrt sicb auf das nachste mit der jobanneischen
Erlosungslebre, aber er bangt kaum bistoriscb. von dieser ab. sondern
b'eweist an -seinem Teil. dafi Elemente der jobanneiscben Anscbauung
1) .B. 8, 3: ol Qami^awreg, TtalSss oi eiiayyehodpevoi .fjfiiv ii]v ayeaw
y.al ibv ayviofiov T^S -xngSias. Herm. 1. C. : avrbs oi>v na&a^iaas rag
tov .),aov sSsi.^ev atitoTs ras Tqifiovs r-ljs ?w7 s ^ovs nvrols ibv vofiov, ov
a rov TtaTgos cfdrov.
2) Wgl. z. B.-Barnab. 14, 5: : lva afaos (Christus) yavels TS -7/^/7 8ea7i;vt]f(vas
-f]f.tcov .xa^Stas. ftui .'S'avdfca teal aa^SsSofievas -rfj Tfjs . Tth&vrjs &vo t uia 'i
SK -fiov af.orovs, Sid&tjTai. . ev fjf.ilv <$ia&rpa\v foyco. 2. Cl. 20, ; 5: TCO .s
fjfttv tbv ffcorrjga y.al &(>%riybv rrjs Aip&aioaias , Si' oi> y.ctl etpave^coaev -f/fitr TI\V
y.ai irjv BTtovgdvtov fyorfp, Ignat. Eph. ''17, If.: Ivn Ttvei] TiJ exxhrjaiq
. . ., kaftovtEs 9'eov yvtaaw o eonv 'Ir t aovs XQIOTOS, ib. 19, 3: ayvoia
O, rtcdaia (Saoikeia Siey&EiQaio 9'eov avd'QtoTtivcos cpaveqoiisvov . . ., sv&ev
ra Ttdvra. avvExivelio Sia to fishr&a&ai tfuvwrov y.m&'t.vaiv.
See berg, DogmengescMchte I. 2. Aufl. . 8
114 ? . Die apostolischen Vater,
auch vor Johannes in der Kirche wirksain gewesen sind. Es sind zu-
uachst die Gedankenziige zusaimnenzustellen, die hier in Betracht kommen.
Durch Christus blicken wir zum Hiinmel empor und kosten die
(k&dvaTOc; yvwGig (1. 01. 36, 2), durcli ihn hat Gott ,,iins berufen yon der
Finsternis zum Licht, von der TJnwissenheit zu der Erkenntnis der
Herrlichkeit seines Namens" (ib. 59, 2). *) Christus eiiost uns aus der
Mnsternis des Irrtums (Barn. 14, 5). Durch ihn horen wir auf, den
toten Gotzen zu opfern, sondern dienen ,,dem Vater der Wahrheit"
(2. 01. 3, 1). So fiihrt Christus zur Erkenntnis Gottes, 2 ) die andrerseits
in ihm selbst uns offenbar wird (Barn. 5, 10). Der Ruf, der durch ihn
von Gott jher an uns ergeht, ist andrerseits auch sein Ruf an uns.
TJnd dieser Ruf hat schopferische Kraft, indeni er uns in ein neues
wahres Sein versetzt : exdkeosv yag ^tag OVK ovia$ nctl rj&ehrjasv ex pi]
ovwg sivai f](.t&s (2. 01. 1, 8; 2, 7; 9, 5). Das ist also zunachst der
Gedanke : Christus ist der von Gott gesandte Offen barer, der uns den.
wahren Gott kennen lehrt und uns dadurch von dem Irrtuni des Gotzen-
dienstes und dein falschen alten Bunde befreit. Aber er ist nicht bloii
Lehrer, sondern in ihm ist gottliches Wesen, daher ist er selbst als
Person Gottes Offenbarung und er selbst beruft uns schopferisch zu einer
neuen Existenz. Von jener Seite her konamt es.auf sein geschichtHches
menschliches "Wirken an, von dieser Seite aus koninit er als Gott in
Betracht.
Diese Gedanken werden erganzt durch den weiteren Gesichtspunkt r
daB Christi "Werk ein moralisches Absehen befolgt. Christus ist Gottes
Wort und Gesetz, so Avird er auch zum Gesetzgeber. Sein Lehreri hat
uns nicht nur Gott, sondern auch seinen Willen kennen gelehrt. Das
Gesetz seines Yaters gibt er uns zur Befolgung (Herm. S. V, 5, 3
cf. 2. 01. 3, 4). Aber er ist selbst andrerseits dies Gesetz : der Weiden-
bauin, der alle Lande iiberschattet, ,,ist das Gesetz Gottes, das gegeben
ist in die ganze Welt. Dieses Gesetz aber ist der Sohn Gottes, der
verkiindigt worden ist bis an die Enden der Erde. Das Yolk aber
unter dem Schatten (der "Weide) sind die , welche gehort haben das
Zeugnis und geglaubt haben an ihn. " TJnd wiederuna ist er auch der .
Engel, der das Yolk regiert und das ., Gesetz in die Herzen der Glaubigen
gibt" (Herm. S. YI1I, 3, 2f.). Auch hier haben wir wieder den doppelten
Gesichtspunkt : der historische Jesus war Yermittler des gottlichen Ge-
setzes, aber als der erhohte HeiT lebt er selbst als gottliches Gesetz in
den Glaubigen imd bringi dies Gesetz in ihre Herzen hinein. Es ist.
1) cf. 1. Cl. 59, 3: Si oi> S] t uus sTtdiSsvaas, f/yiaaas, s
2) Vgl. noch die Stellen bei Ignat. iiber den loyos und SiSaaxaUs oben S.'lOif.
Christus der Lehrer und Gesetzgeber. 115
wie wir gesehen haben, ein ahnlicher Gredanke, wie er durch den
johanneischen und ignatianischen Logos " zum Ausdruck gelangt. Frei-
lich soil der Mensch die Grebote erfiillen, aber nur der kann es, der den
Herrn und den Greist in seinem Herzen hat. 1 ) Diese Gfedanken beriihren
sich mit der Hervorhebung des Beispiels Christi und seiner Nach-
ahmung. Die Demut, wie sie Jes. 53 .schildert, soil uns, die wir
,,unter das Joch der Grnade" gekommen sind, zum Beispiel der Demut
dienen. 2 )
Mit der neuen Erkenntnis, die sich uns in Christus erschliefit, ver-
bindet sich aber auf das engste die TJnsterblichkeit, sei es dafi
diese Erkenntnis selbst als eine unsterbliche bezeichnet ist (1. Cl. 36, 2),
sei es dafi neben der Erkenntnis die TJnsterblichkeit als zweites Stiick
der Offenbarung Christi steht (2. Cl. 20, 5. Barn. 14, 5 s. die Stellen
S. 113, Anni. 2), sei es dafi die Unsterblichkeit als der Lohn. der Gfe-
setzeserfiillung verheifien wird (2. Cl. 11, 1). So ist jeder Gredankenzug,
den wir kennen lernten, der .Erganzung durch die TJnsterblichkeit fahig.
Die These Lessings, dafi Ohristus der erste praktische Lehrer der .TJn-
sterblichkeit gewesen sei, bestatigt sich an unseren Autoren durchaus.
Die Grewifiheit der TJnsterblichkeit, nach der die Zeit so dringend rang,
ist ihnen in Christus aufgegangen. Christus ist der GCOT^Q xl &QyJiyoQ
TTjg acp&C(QOia. Man empfindet in ihm die gegenwartige Macht des
ewigen Lebens imd man ist, wenn man ihn hat, innerlich mit der Ewig-
keit verbunden, mogen auch die "Wege, die zu ihr fiihren, oft recht
aufierlich yorgestellt sein. Auch dieser Stimmung hat das johanneische
Evangelium ihren klassischen Ausdruck verUehen. ,,Licht, Leben, Wahr-
heit" das war die Sehnsucht der Zeit (S. 31 if.), es war yerstandlich, dafi
man gerade diese Griiter hervorhob un,ter den Gfaben des Christus, .der
der Seele alles gibt was sie bedarf. . :
Bei Ignatius haben dieselben Gredanken eine besondere Form durch
die mystische Vorstellung von der Einwohnung Christi empfangen. Aber
es ist irrig, wenn man diese Form so betont, als handle es sich urn
einen besonderen Lehrtypus, denn auch in den Yorstellungen, die wir
bisher besprochen haben, ist eine unmittelbare Einwirkung Christi auf
die Seele vorausgesetzt. Nach Ignatius wohnt Christus in uns, sodafi
1) Herm. M XII, 4, 3 : Svvami, yijai, Ttdvrcov xal Ttaacov rcov sviokcbv
6 civS'^coTtos o e%cov tbv WLIQIOV sv rfj y.agSiq avrov, cf. S. X, 3, 1 :
non potest enim fieri, ut sine his mrgmibus haec mandata serventur.
2) 1. Cl. 16, 17 : si yap 6 WUQIOS ovnos kraneivoyfiovrjaBv, ti Ttoitfacopev fjftsts
oi into ibv 'Cpybv rtfs %d,Qtros aiimv Si airov elSoviss ; Ignat. Eph. 10, 3
SE lov xvgiov cmovSd&fiEV elvai, Eom. 6, 3. Pol. Philipp. 8, 2 ; 10, 1.
8*
' 7. Die a^ostolischen ' Vater .
wir der- Tempel, er dr Grott dieses Tempels 1st. l ) Er dst ..unser wa
Leben" v unser ,,unau?l(>slicbes Leben". 2 ) Andrerseits sind und bleiben
aber auch die 'Christen in Cbiistus, eine innere -geistige Wirkung von
ihm empfangend, sodafi sie Grottes Grebote erfiillen, siclvtinsterbEeb wissen
und gewifi werden der kiinftigen Auferweckung ilnd des ewigen Lebens. 3 )
Christus in uns und wir in Christus, oder 'Christus unser Lehrer
und Gfesetzgebeiy der 'uns "Wahrh'e'it und Relit offenbart hat und dauerod
in tins zu diesem Zweck wirksam ist; durcb dieses wie jenes sind 'wir
in neues Leben versetzt und der Unsterblichkeit versichert. Das ist der
erste Gredankenkreis hinsichtlich des Werkes Cnristi. Er entspricht den
Problem en der Zeii: ,, l unsterblicihe Erkenntnis" und Unverganglicfakeit.
14. Das bringt Ghristus. aber er bringt noch etwas anderes, denn
er steht auch auf der Seite der Menscben und bewirkt, dafi sie von
Siinden frei werden und f'iihrt sie zu Grott. Urn die gescMcht-
lichen Tatsachen des Leidens und Sterbens, der Auferstenung und der
Interzession bei dem Yater legt sicn dieser zweite Gredankenkreis. Aucn
er Avurzelt in neutestamentlicnen Gredanken und er teilt niit ibnen die
Bestimmtbeit der TJberzeugung und die Unbestimnitheit der Eonnu-
lierung. 'Ohristus ist gestorben und efstanden uni unsertwillen, wer
Heran glaiibt tat das ewige Leben. Man mocbte Mer erganzerid ninzu-
fiigen : weil dadurcb. -die Scbuld vergeben ist,' 4 ) aber es ist nierkwiirdig,
1) Ignat. iBph. 15, 3: Jtdvra ovv ytoi&fisv a>s a-iirov BV ijftlv y.atovxovvros,
Iva Sfiev aiiTov vaol y.al atitbs er f/ftlv -d'ebs fji-imv, Rom. 6, 3: ei ns ai>rbv si'
savTcfi sxsi, Magn. 14 : &sov ysfiEtE. Vgl. auch die Ausdriicke &SO<POQOI, y^iatoy 6/001,
cLyiotpogoi, vaoyogoi als Bezeichnungen der Christen (Eph. 9, 2).
2) Eph. 3, 2: /. JXjp. to HSiAxQirov f/ftcov tfiv. Magn^ 1, 2: L X^. TOV Sta
Tfavrbs ijftwv Zfjv, ib. 15; xey.Tqpevoi aSifacgitov Ttvevfia. 8s eanv 'Irjaovs Xptaros.
Sm. 4, 1: 3 /. .Xjp. TO d^&ivov Ijfi&v Qtjv.
3) Eph. 11, 1: -fiovov sv X^tatcS 'Iqaov siipedTfvai, els to alqd'ivbv tfiv, ib. 10, 3:
Affi sv Ttdarj qyveicL y.al ococp(>oovvi] fievijTe sv 'I-rjaov X(). ar^'/tiy.cos xal ttvevfiamecos,
ib. 8, 2: a Ss xal y.atat, aaQxa. Ttqaoaste, ravTO. ytvevfianxd. sanv sv U-t]0ov
X(). TtdvTfi TtgdaaetE. ib. 9, 2 : ears dftv v.ai otivoSot. Ttdvres, -deocpOQOi, . . .
'tpogot . . . yMTcc Ttdvta y.ey.oOfMjfievoi ev roils 'evto'haZs 'Iijoov Xg. ; MagH. 12: 'cii&a,
on oi> cpvoiova&e- 'Iqoovv yap XQ. 'tyeie sv eavrois. Trail. 9, 2: os %al itaret, to
ofioicofia fjfias toiis moTetiovms atitcj} OVTCOS sysQel 6 TtairjO'ttvTOv/ev XOIOTOJ >I>]a.
oil %co()ls TO dlri&ivbv tfiv ot% e%ofiev. ib. 2, 1: oil '/Mia civQ'Qio'jtov tfbvtes &lla.
nardt. 'lyaovv Xg. TOV Si fifias ditod'avovTa, tva Ttiaisvaavrss sis tbv d'dvaroi' aiitov
to
4) 1. 01. 21, 6: tbv xtiQiov . ., -oil to 'alfia, -fiTteo f/ftcov
Ignat. Trail. 2, 1: tbv t fifias dTtod'avovra , %i>a 7ttats-6aavtss -els tbv frdvartov
avrov to Aato&avETv EKynjyrjtB. 'Eom. 6, .1: exsTvov ^r\tS> tbv titts o irjftcov
EKStvov &e%co tbv Si ijf.ias dvaatdvta. 'Polyk. Philipp. 9, 2 : ov ydo tbv vvv TjydTt
alcova dM.d 'tbv iiTtso .fificav dTto&avovta xal '(" tafias vTtb &EOV dvaatdvta.
Unsterblichkeit- und SuiideavergeBuag. 1 17'
dafi das so selten ausdriicklich gesagt wird. x ) Ilntei? Anfiihrung' von
1. Ptr. 2, 22. 24 sagt Polykarp, dafi Christus das Angeld tinserer Gte-
rechtigkeit 1st und dafi er gelitten hat, ,,damit wir in ihm leben" (8, 1).
Die Konseqtienz dieser oder der vorigen Betrachtungen ist dann nicht
etwa- der Friede der Siindenvergebung, sondern die Aufforderung Christus
nachzuahmen oder ihn zu lieben (Pol. 8, 2; 9, 2. Ign. Rom. 6, 1), oder,
wie es bei 2. Cl. heifit, Christus durch Froioniigkeit und Bufie eine,
Gegengabe zu gewahren (1, 3. 5: 3, 1. 3; 9, 7. 8). 2 ) Im 1. 01. lesen
war, das Blut Christi sei um unserer Errettung willen vergossen worden
und sei dem Yater ,,wert" gewesen, weil es der "Welt ,,die Grnade der
Biifie" bracMe; aber gleich. darauf horen : wir, dafi oft BaB.e gepredigt
wiu'de und dafi sie es eben ist, durch die die Menscben Grott versobnen. 3 )
Danacb bat das Blut Cbristi die "Wirkung, dafi es den Menscben die
jVIoglicbkeit der. Bufie gewabrt. Aber der Verfasser weifi aucb, dafi das
Blut Cbristi den Grlaubigen Erlosung gibt und dafi Cbristus Leib und
Seele fiir uns.eren Leib und unsere Seele dabingegeben bat* 4 ) Man niufi
sicb Mten aus den einzelnen Stellen zu viel zu f olgern. Dafi Christus durcb
Tod und Auferstebung uns erlost bat vom ewigen Tode, das ist sicber
allgenieine IJberzeugung gewesen. Man batte aucb ge^yifi nicbts dawider
gebabt, wenn man dieser Eorniel die Siindenvergebung batte. substituieren
Avollen, nur lag sie, sozusagen, xinseren Autoren nicbt recbt. TJnd.das
ist beg'reiflich. Wenn man daran gewobnt war, auf den lebendigen
1) Bai'U. 5, 1 : Els iomo "/a<) vTCepEivev 6 y.v<)t.os itagaSovvai ti]v odgy.a els '/.t
<yO'O()dv i "uva T[J dcpeaei t&v auaQii&v ayviad'w l iiEV, o sotvv sv TC& '{tavtiaf.M'Vi' aiitov
lov uifictTOs nach Jes. 53, 5. 7. 6, 11: sTtel oi>v dcvawaviaas r;/t3 sv T/J dyeaei
icov aiia^Tiwv, e7toii]asv Julias ahkov itixov, eas TttuSicov fyeiv T^V -ww/rfv, w.s &v Si]
avanldaoovvos niirov i]/.ias. Demgemafi verkimdigeu die eTaiigelisclieii Bpten rfv
ayemv TCOV a/u.agTicdi' xal ibv ayfiafiou Tfjs y.aoSias (8, 3).
2) Z. B. 2. Cl. 1, 2. 3: oaa vTt^usivBv 'I^aovs Xyiaros Tta&siv e-t'sxa ijfiwv
viva oiiv '>]{.isig aiiTcjj Scboofcev d.viuj.iidd'iav -ij viva y.a.fJTtbv a^iop ov -fjfiiv a-drbs
; S. noch Hermas S. V, 6, 2f. : y.al ai/rbs Tas auaprias ctiviwv
r.oTtidaas nal TtoMobs xoTtovs rjvthri'/.cbs. Ainbs 1 oiw y.ad'aoiaas ms
?ov Aaov eei$ev ainols ?as iQifiovs Ttfs ^ays Sobs aisTOis ibv v6f.iov. ... Die Beinigung
geht also der Mitteiliing cles Gesetzes vorans mid ist von. ihr miterschieden, alter
ihr Zweck ist die Befolgimg des Gesetzes.
3) 1. Cl: 7, 4: drsviacofisv sis ib alfia tov XQIQTOV */.dl yvwfcev, as saviv
rca tfeq) y.al ztarpi aviov, on Sia ITJV '^(.istsQav oco.T)]j)iav ex%vd'v ztavii rep
fieravoias %dj)tv .barjveyy.ev. So ist zu alien Zeiten BuCe gepredigt worden,
Z. B. VOll Noah und Jonas: ol Ss fistavotfocwTEs BTI\ rpTs dfia^Tijfiamv avrcav
K^ildaa^To ibv &ebv iy.eTevaavtes y.cu eiafiov ouni]olf(.v .
4) 1. Cl. 12, 7 : on Sid tov cdiiaios iov y.voiov ktiTQCoais Ttuaiv rots
y.al ekt&flvatv siti ibv O'eov. 49, 6: Sid trjv dydTt^Vj rjv ea%ev rtgbs'fifi&s, ib
fcurov %8co'/.ev iiitet) ijfiwv 3 Ii;oovs X^taibs o ?.v(>ios ijficov ev~&efajfitt<n tysov, xal TTJV
vTtet) T?JS aatixbs ->]f.iwv y.a.1 t^v \[wy j yvvX()TcdV'ijn/%tt>vi]{.iti>v ) cf. Mtth. -20, 28.
Il8 7.- Die apostolischen Viiter.
Cbristus sein Augenmerk zu ricbten, Avenn man von ihm andauernde
Impulse zu frommer Tat ernpfing, so verblafite die TJberzeugung, dafi
dieser Cbristus einst durcb ein besonderes Tun.' prinzipiell Siinden-
vergebung erworben bat, leicht zumal ihr eine scbarfere begrifflicbe
oder popular fafilicbe Begriindung nocb abging , dafiir trat dann die
dankb'are Bewunderung seiner Liebe ein, das Streben ibr nacbzuabmen
oder ibrer Aviirdig zu werden. TJnd dazu kam nocb, dafi solcbe Gedanken
Avie die Gerecbtigkeit, die der Menscb Gott scbuldet, und die Gerecbtig-
keit, die Gott am Menscben bewahrt, dem Heidencbristen ferner lagen.
Wenn Cbristus in ein Leben eingriff, so war das Alte eben vergangen
und das Neue sollte als Leben betatigt werden. Das , Cbristus fiir
uns" trat ziiriick gegeniiber dem ,. Cbristus in uns" und dem j,wir fiir
Cbristus".
Nur bei einem dieser alten Yater finden wir eine deutUche Er*
kenntnis. Es ist Barnabas. jSach ibin ist Zweck imd Erfolg des
Leidens und der Auferstebung Cbristi einmal die Aufbebung des Todes und
der Erweis der Auferstebung (5. 6), dann aber und vor alleni die Yer-
gebung der Siinden und die Heiligung der Herzen, Erneuerung durch
Stindenvergebung und die sittlicbe TJmbildung. Hierdurcb ist die altere,
bibliscbe Anscbauung zutreffend Aviedergegeben, und, indeni Barnabas
Heiligung und Sundenvergebung zusammenstellt, aucb kaum das der
Gedanke, dafi die Sundenvergebung nur einmal dem Menscben fiir die
Siinden vor der Taufe zuteil werde. Aucb darin stebt Barnabas allein
da, dafi er gelegentHcb das Leiden Cbristi unter den Opfergesicbtspunkt
riickt: ,.Er sollte fur unsere Siinden das Gefafi des Gfeistes (d. b den
Leib) zurn Opfer darbringen, damit aucb das Yorbild des Isak, der auf
dem Altar dargebracbt Avurde, erfullt Averde" (7, 3 cf. 8, 2. 3). Aber
es Avird nicbt deutlicb, in Avelcbem Sinn der Yerf. den Opferbegriff
braucbt. Der Umstand, dafi derselbe nur bei ibm und aucb bier
unbetont - begegnet, bestatigt die AAacbtige Tatsacbe, dafi die Betracbtung
des Todes Cbristi als Opfer in dem Urcbristentum keinen nennensAverten
Einflufi ausgeiibt bat. 1 )
Bedeutungsvoller ist die verwandte. Yorstellung, nacb Avelcber Cbristus
gegenwartig im Himmel als Hoberpriester AA r altet und uns als solcber zu
Gott binfiibrt. Er ist der Hobepriester unserer Darbringungen, der
Patron und. Heifer unserer Scbwacbe, durcb ibn naben Avir Gott mit
unserem Lobe. 2 ) Es ist derselbe Gedanke, Avenn Hennas den Sobn
1) Vgl. A. Seeberg, Der Tod Christ! etc. 1895, S. 378.
2) 1. Cl. 36, 1: anm] r/ oSos, dyaTtrjToi, ev r t evgofiev to acoTijoiov
X^iar6 : f, tbv u^isQea T&V Ttqoafotf&v fjfiwv, tbv TCooomTip' v.cu
Der Christus ft\r uns. 119
(rottes als das Tor oder 'den ,,einzigen Eingang zum Herrn" bezeichnet
(S. IX. 12, 6 vgl. Joh. 10, 7; 14, 6). Somit ist das Verhaltnis des
Menschen zu Gott vermittelt durch Christus, der, uns schutzend und
vertretend, bei Gott im Himmel wirksam ist und uns dadurch den Zu-
gang zu Gott eroffnet. 3 ) Hier kommt der Gedanke des Christus fur
uns" zu klarerem Ausdruck als' in dem friiher besprochenen Gedankenkreise.
Dabei darf nicht iibersehen, werden, dafi diese Stellung Christi doch auf
seinem irdischen Biirgewerk beruht.
15. Diese Ubersicht wird die Gesichtspunkte, von denen wir aus-
gingen (S. 113) bestatigt haben: In Christus wird Gott unser und werden
wir Gottes. Als Lehrer und Herr, als Gresetzgeber und als ,,Gott in uns"
waltet er, uns ein neues Leben in Erkenntnis und Unverganglichkeit
schenkend. iins erneuernd und ewig machend. Und er litt und starb
uns zugute und er vertritt und schiitzt uns, den Weg zu Gott uns er-
offnend. Die Schranke der Erkenntnis dem Neuen Testament gegeniiber
bestand darin, daB der siihnende xind b.iirgende Charakter des geschicht-
lichen Christus zuriicktrat, und dafi dadurch die Bedeutung der Siinden-
vergebung ungebiihrlich zuriickgeschoben wurde. Das Empfinden ist fast
ausschliefilich orientiert an dem Lehrer und Konig. der die unsterbliche
Erkenntnis, die Unverganglichkeit und das Gesetz gibt und ist. Das
sind christliche Gedanken, aber, wenn sie isoliert werden. so hat das
nicht nur eine Verkiirzung der religiosen Erkenntnis, sondern aueh des
religiosen Lebens zur Folge. Aber die Erkenntnis dieser Einseitigkeit
in altester Zeii soil dazu anleiten, die entgegengesetzte Einseitigkeit bei
der Deutung des Neuen Testaments einzuschranken.
16. Yon Christus und der Erlosung schreitet unsere Erorterung
fort zunachst zu den Mitteln, durch die Christus wirkt und dann zu
dem Lebensstand, der daraus hervorgeht.
Dafi unter diesen Mitteln das Wort obenan steht, ist selbstver-
standlich. Zwar nimmt es noch nicht die fast hypostatische Stellung
ein, die es in der spateren Dogmatik inne hat, aber seine Bedeutung
in jeder geistigen Beligion ist eine hohe, und sie niufite das erst recht
im Christentum sein, das seine Erkenntnis auf geschichtliche Tradition
zuriickfiihrte, und das einen engen geistigen .Zusanunenschluss seiner Be-
kenner prinzipiell forderte. Die Bedeutung des Wortes wird aber erst
TTJfs da&eveins ijficov. 61, 3: aol ej;o l uo).oyovfied'a Sia rov AO^IEQSCOS xal Tt^
TCOV ijw%wv fjfifav *It]aov XJJIOTOV. 64. Martyr. Pol. 14, 3: ae Sot-d^co Sta
alcoviov y.cu Ittovqariov a^iEQEios 'Jqoov Xftiorov. Ander^ PolyC. Philipp. 12, 2;
ipse sempiternus pontifex . . . aedificet vos in fide et veritate.
1) Vgl. besonders deii Hebraerbrief, die johann. Gedanken vom ,,"Weg" und
tier ,,Tilr", gowie die Forinel ,,durch Christus".
7. Die apostplischen Vater.
an diem Gedanken des Paulus voll erkannt, dafi. namlicb der Geist und
s.eine Kraft in dem Wort wirksam werden (oben S. 64). Mag iinmer-
bin die inystiscbe Innenwirkung des Geistes in unserer Zeit nicht strong
an das Wort gebunden sein, sofern man aucn direkte Wtinderwirkungen
des Geistes annabm, so ist docb. in der Hauptsacbe das Wort als das
Mittel zu betracbten, durcb das man Cnristi Offenbarung empfangt. Die
Christen sind ja .,die durcb den Namen des Herrn Berufenen" (Hernu
S. YITI, 1, 1) und Cbristus ist ,,das Wort" (s. oben S. 101). Daber
nebnien sie das Wort, sei es, dafi es Gesetz bringt oder die neue Er-
kenntnis erscbliefit, in ,,!Furcbt und Wabrbeit" an, und sind bereit es
sicb stets von den Mitcbristen sagen zu lassen. Das Wort gibt ibnen
das neue Leben, es bekebrt die Herzen, denn Gott selbst koinmt durcb.
das Wort in die Herzen binein, sodafi er selbst binfort in uns wobnt und
weissagt, den Mund uns offnet imd uns zum ewigen Leben binleitet. 1 )
Es ist wirklicbes Menscbenwort, aber wer denkt daran, wenn Dinge sicb
in ibm erscbliefien, an die man weder gedacbt nocb an die zu denken
man aucb ,nur gewiinscbt bat, da redet eben Gott durcb den Menscben
zu uns. 2 ) . .
17j,.Mit dem Wort ist eng die Taufe verbunden. Sie ist von
Christus eingesetzt, indem- er durcb sein Leiden das Wasser gereinigt
bat (Ignat. Epb. 18, 2). Die Didacbe scnreibt vor: ,,taufet in den
Narnen .des Vaters und des Sobnes und des beiligen Geistes in lebendigem
Wasser. Wenn du aber lebendiges Wasser nicbt bast, so taufe in anderem
Wasser. Wenn du aber nicbt kannst in kalteni, in warmem. Wenn du
aber beides nicbt bast, so giefi aus auf das Haupt dreimal Wasser auf den
Jfamen des Vaters und Sobnes und beiligen Geistes" (7, 1 3). 3 ) Aber
1) 1. 01. 19, 1 : oi> fidvov -ijfius dMa y.al ras ngb jj : umv yeveas
K7toir t aev, TOV^ ie /MT(t.$ea l uevovs to, ).6yia avtov sv ifofiq) y.al dl.'rj-O'siu. Did. 4, 13:
<f>vkdeis 'Se u ziagelafies. 3j 8: y.al Tgsficov Toiis l.oyovg Sia Ttavtos, ovs ijy.ovaas.
4, 1: rov "l.a}.ovvi6s ooi tbv ).6yov tov d'sov /.ivtjad'rioii vvy.tbs y.al fj/.ieou?. ) Ttfiijaets
Se avrpv cos y.vqiov. 4, 2 : eu&jrtfoeis Ss y.ad ? f[{.ie(}av TO. TtqoacoTta roiv dylcov, Iva.
K7tava7tdr t s TO?,- ).o'/otg aincav. 16, 2. Ignat. Pol. 5, 1: die Predigt des Bischofs
cf. Did. 15, 1. .
2) Baruab. 6. 17 : tfj ttiaTei ftjs 7tayye?.las y.al rco }.6yo) fyaoTtoiovfievoi.
li, 8: Ttttv TO (>7}fia, o snv s^s},8vasrai e!~ i> ( nff)v Sia rov oio/iiaios vuaw iv Ttiaist
y.al dy.drti] eami els sTci,ar<]oyi]v y.al eArcida Tio/J.oZg. 16,. 8 f.: dkijd'cos o freos
y.aioiy.sl ev l]filv. fleas; 6 hoyog adwu njs XIOTECOS . . ., aiiibs ev ijfil
16, 10: 6 yaa TtoD'&v acofrrjvai fJkeTtei oiix sis TOV uvfycoTTov, d}J? els ibv ev
y.al ).a/.ov.via , KTC avrco sy.TT^aao/.ievos ETtl tio fii]8e7toT8 fiijie tov
s. ra- /njfia.ra dy.ijy.oevai i-y. TOV ordfiHros (irjte avros store erciTeD'v/iiqy.evai,
axoteiv. . ,
3). Herm. .M IV. 3, 2: els vSiao y.aii-^iEv, Barn. 11, 11; . xataftaivopev els
to vScao.
Wort .Gottes- und Taufe.. 121;
die Christen werden auch genannt ol fiartiodeweg elg ovO(.ia XVQIOV (9, 5-
vgl. oben S. 91). Der alte Name der Taufe als Siegel oder Siegel des
Splines Gottes (GCpQ&y\$ iov vlov rov &0u). begegnet uns niehrmals bei
Hernias und im 2. 01. (Henn. S. VIII, 6, 3. .IX, 16, 3. 4. 7; 17, 4. 2. 01.
8,5; 7,6). Das Siegel Abrahams oder des heiligen Bundes . war nach
jiidischem Sprachgebraiich die Beschneidung. - 1 ) Dem. stellt Paulus die
jtSQiwiir} "/.ccgdias sv nv^^aii entgegen (Rom. 2, 29) und braucht das
Verbum afpqayiteiy fur die Mitteilung des TTnterpfandes des Geistes bei
der Taufe (2. Kor. 1, 22. Eph. 1, 13; 4, lTcfr2rKorr5; 5). Darin
besteht fur Paulus das eigentliohe Wesen< der Taufe, dafi in ihr der Geist
dem Menschen zuteil wird. Geradeso \vie es Paulus darauf ankam im
Wort dem Geist eine feste und geordnete Statte seiner Wirksamkeit zu
bereiten, so hat er den Geist auch an die feste Institution der Taufe
gebunden. Dadurch, dafi bei der Taufe die Christen den Geist empfangea
haben, sind sie ,-,versiegelt" auf den Tag der Erlosung oder auch be-
schnitten mit der rtSQiTOf.^ a%eiQ_07toi?]i;0 (Kol. 2, 11). Soniit ist die
Taufe Siegel" als Mitteilung des TJnterpfandes des Geistes. So ist der
Begriff auch hier zu verstehen. 2 ) Ebenso lehrreich, wie die Bezeichnung
der Taufe als Siegel ist die andere als Annahnie und als T rag en
des Namens des Sohnes Gottes (Herrn.jS. IX, 1-2,4.8; 13, 2f. ;
14, 5; 16, 3; 17, 4. VIII, 10, 3). Dieses bindet und verpflichtet aufier-
lich, jenes innei-lich: ,,wenn du den Namen allein empfangst. nicht aber
das Gewand von diesen (den Jungfrauen oder dem heiligen Geist) empfangst,
so wirst du davon keinen Nutzen haben. Denn diese Jungfrauen sind
Krafte des Sohnes.. Gottes; Ayenn du den Nanien tragst, seine Ki'aft aber
1) So Eom. 4, 11. Die Beschneidmig lieifit c.-nax hw ianm oder b
a;ipn nnn; sie heiligt und ernexiert und gibt eineii' character indelebilis sanctitatis.
Belege aus der . jiidischen. Liter atur bei Web.er, Syst. d. altsyn. Theol. S. 75i
2551 A. Seeberg, Der urcHristl. Kat. S. 232f. Man muB diesen Charakter
der Beschneidung im Auge haben, um zu verstehen, wie der Geist ihr Ersatz
werden konnte, vgl. besonders Itibil-.- 1, 23 und Act. 15, 811.
2) Das geht ganz klar aus 2. Cl. 8, 6 hervor, wo- die oipgayii der ado^
gegenttbergestellt ist: T/j^i'iffars TIJV adpxa ayvyv y.al ri]v afQaytda aaxdov.
Ahnlich Herm. S-. IX, 16, 4: // ayqayls oZv to v$mo lativ els id vScoQ oln>
xaiaftawovai, vey.gol xal dvaflatvovai ^WVTSS, S. auch S. VIII, 6, 3, WO die, welche
das Siegel empfangen, aber .zerbrochen haben, dafiir danken sollen, dafi Gott sich.
ihrer erbarmt avay.ruviaai, ra. 7cvsv/.iaia avt&v, Vgl. noch die Olsalbung als >
Siegel Act. Thorn. 25. 26. 27. 120. 121. 132. ^ayis als Namen der Taufe'
sonst noch Act. -Pauli et Thecl. 25. Martyr. Pauli 7. Clem. Alex., Quis div.
sal v. -39. 42. Die Abercinsmschrift (1. 9: ha.uv d' eldov ey.si iaftTtgav atppayezdav
K'XpvTu). H-ippol. de antichr. 6. Orig. c. Gels. VI, 27. Didascal. 10: das Wor.t
Iwren. . . . bis sie das Siegel empfangen und vollkommen iverden. 16. Sehr oft
bei deu Gnostikern s. z. B. Exc. et Theodot. 86.
122 7.- Die apostolischen Viiter.
nicht tragst. so wirst du umsonst seinen Namen tragen" (Herm. S. IX,
13, 2) .')
Gfeinafi diesen b'eiden Benennungen gestalten sich die Vorstellungen
von der Taufe. Nicht an einen isolierten Yorgang hat man zu denken,
sondern deutlich hangt die Taufe mit der vorangegangenen Lehre saint
dem Bekenntnis zu ihr zusammen. Dieser Zusammenhang besteht ein-
mal darin. dafi durch die Taufe iin Subjekt sich verwirkliobt, was In-
halt der Lehre war und dafi daher inneres lebendiges JEjgjmtuitt_-wird,
wovon die Lehre handelte, und dann darin, dafi die Taufe verpflichtet
zum fortdauernden Bekenntnis Christi und zur Befolgung seiner Gfebote.
Sehr deutlich wird dieses Gfedankengefiige von Barnabas zum Ausdruck
gebracht : die Seele ist von Natur eine Behausung der DamoneTTj ,,ver-
ganglich und schwach", sie wird danu ,,erbaut auf dem Namen des'
Herrn" und dadurch ,,neu geschaffen", namlich dadurch, dafi sie Siinden-
vergebung und die ,,Hoffnung auf den Namen" empfangt und hierdurch
der objektive Grlaube und die Gfebote, die ihr gesagt Avurden, in ihr
lebendig werden und zwar so, dafi Gfott selbst gegenwartig ist und sie
durch Bufie zum ewigen Leben fiihrt. 2 ) Diese Gredanken halten sich
A'on alien magischen Einfliissen frei. Die Taufe ist "Wiedergeburt, aber
sie erneuert den Menschen durch die geistigen Einwirkungen des Wortes
und vrandelt dadurch, sein Leben urn in ein Leben des Grlaubens und
des Zeugnisses, der Bufie und Unsterblichkeit. Dabei ist dies alles
1) Auch cliese Vorstellung ist schon iin Neuen Testament vorhaiiden : die
Christen, die sich zu Christi Namen bekennen (1. Joh. 3, 23; 5, 13 cf. Phil. 2, 16),
sind mit dem Namen des Lammes und seines Vaters an der Stirn gezeichnet
(Apok. 14, 1 : 22 4) und der Name (Christi) ist iiber ihnen genannt worden
(Jak. 2, 7 u. Herm. S. VIII, 6, 4 vgl. dazu Jes. 4, 1 ; 14, 9). Um dieses Namens
willen habeu sie als xgianavoi mancherlei zu tragen (1. Ptr. 4, 13. 15. Apok. 2, 3).
Auf das Bekenntnis zu Christns und die Zugehorigkeit zu ihm weist die Be-
zeichnung.
2) Barn. 16, 7 9 : rtijo TOV fifias Ttiarevocu riy &ecy 7]V f/ficov TO y.a.ioux\]tr\<)iav
Tfjs y.apSias yfrapTO'i' vat dad'eves .... oil >'/>> Tthfaqg fts-v eiScoho&aTgeiae y.cti i}v
dl'/.os Saifiovicov, Sia to TtoiEiv oaa f/v evawtia TC>} d'eci). Oi'/.odofiqfhjaerai Se Irii
tqj ovofian v.vqiov .... JJa>$; fi.A&ere- 'i.a^ovrss if/v ay saw t&v u^iaQTioiv y.ai
eirtiaavres i-rcl iu ovofia eyevofie&a VMWO'I, ncd.iv e| uo%fjs y.n^ofisvof Sid s.v tea.
tiaToixr;r>]()iq} jjuwv Aty&ws 6 d'eos y.aroixet Iv fftilv* Hats; 6 loyos avrov rtfg
ytlarscas, ; y.'/.fjois avrov Tfjs eTtayyshias, i] aoyia iwv Sixaitoftdttov, at evro'/Ml
ifjs Siu.'/fjs, avtos tv '>]filv 7t()oy>i]T:eva>v, avros ev fjfilv 'Amomiav, toils tea d'avdrcp
SeSovhcofierovs , dvolymv i]/.iiv iffv tyvftav rov vaov , b iariv arofta (zur Ver-
kiindigung des Wortes S. 10), fterdvoiav 8idovs fifilv, eladyet 13 TOO ay&aotov
vaov 11, 11; rovro l.eyei, on f/uets fisv '/.araficuvofisv sis TO vScoo yefiovrss
afia^TiMV '/.(ti fivTtov, y.nl &va}aii'o ( iiev y.aoTtoyoQovt'TEs b-i> Ttj y.noSin, TOV (popov
y.ttl Ti]V Ef,7TiSu si s - iav 'Iqaovv EV TIO Trrei'^iHTi e/oi'TSi; cf 11, 8.
Barnabas und Hennas uber die Taufe. 123
offenbar als ein fortdauernder Zustand zu denken, also ist aucb die
j.ierdvoia kein einmaliger Akt, sondern ein Zustand.
Nur nocb Hennas bietet uns ausfiibrlicbere Bemerkungen i\ber die
Taufe. Aucb er fafit die Berufung und den Grlauben mit der Taufe
zusammen und laBt den Geist in ibr sicb in dem Grlauben und der
Liebe, die der Cbristenbeit gemeinsam sind, kundgeben. a ) Gfenauer an-
geseben, gebt das Horen und Grlauben oder die Annabnie des Namens
Ghristi dem Empfang des Siegels oder des Geistes voran, 2 ) aber so,
dafi letzteres ersteres belebt und innerlieb macbt (s. Anm. 1). Die
Graben der Taufe sind die Yergebung der Siinden, die der einen und
einzigen BuBe folgt, und der Greistempfang, durcb den man das ewige
Leben erbalt. 3 )
Hennas kommt im ganzen niit Barnabas iiberein; 1) die Taufe ist
der AbscbluB der Belebrung und sie macbt diese erst zum inneren
geistigen Besitz, 2) die Taufe unterstellt uns dem Nanien Cbristi, den
man als ,,Cbrist" empfangt und zu dem man sicb bekennt, 3) die Taufe
macbt uns der Siindenvergebung teilbaftig, 4) sie bringt tins den Greist
und damit ein neues Leben. Wabrend nun aber nacb Barnabas durcb
die Taufgaben ein andauernder BuBzustand in uns erweckt wird, dem
dann eine fortgebende Vergebung korrespondieren mufi . will Hermas
prinzipiell nur die eine Bufie vor der Taufe anerkennen, rtacb der Taufe
mufi das Leben beilig sein. Diese Forderung stebt in Zusartmienbang
mit einem letzten Punkt, 5) indem die Taufe uns mit Cbristi Namen
bezeicbnet und Cbristi Siegel uns gibt, legt sie die Yerpflicbtung auf.
jenes Namens sicb wurdig zu erzeigen durcb Befolgung der Gebote
Cbristi und j enen Greist unbefleckt in uns zu erbalten. *) Dies kann
1) Herm. S. IX, 17, 4: rc&viu, TO. efrvq, rd. it7tb ibv oigavov v.atoiv.ovvtu,
y.al TCiatsijaavTa, e-xl t(3 ovofian exkrj&qaav TOV vlov TOV &EOV' t.afSovres
ovv "ii]v apgayida fiiav tpgovrioiv : sa"/ l o^> y.cu sva vovv, nal fiia Ttiaws cuiiiuiv eysveTO
xal fiia Aydytt] y.al 101, Ttvevpaia, i&v Ttagd'evcov fierci TOV ovottaros scpOQEOai'.
2) Z. B. S. VIII, 6, 3 : dxovaavTes ol TtiOTeijoavTes xal si^ydTes rrjv ayoaytSn.
S. IX, 13, 7 : OVTOI TtdvTes id ovofia. 10% vlov TOV freov *eiaj3ov, si.a/}of E y.al TIJV
Svvcifiw tcav Ttao&evcov tovtiov.
3) M. IV, 3, 1.2: r\'/.ovaa., ytjfil wjoie, TIHOU iivcov SiSaoxdAcov, on Ktsoa
ftsidvoiK OVK sonv el fir/ s."/Mvr\, ore sis vScao y.atefimiev xal eldftofie'i.' licpeatv
dfiagncov i]ficov i&v TtQoregcov. Aeysi (.101 y.a&ws rjy.ovaas, ovt<a yao e%ei, eSsi yao
ibv elkrjcpora acpsaiv dfiafrncov fi^'/ceri dfiaordveiv dM,' ev ayvEiq '/Mtoixe'iv.
S. IX, 16, 3: Ttfjiv y&o yogeoai ibv civd'iJCOTCOv TO ovo^ta TOV vlov TOV &ov rsxoos
SOTIV STOW Si Adj3r] T-fjV oyaaylSa, oKtorid'eTcti TrjV veaotoait 1 f.al dva),afi{3dvBi TI)V
&oifjv. Vis. Ill, 3, 5: SiaTi ovv 7ti vSdTcov coxoSofirjitu 6 stvoyos, axovs- dri //
} iiuajv Sid vSaros' eaca&r] xal acad^jasrat.
4) Vgl. 2. Cl. 8, 6 oben S. 121 Anm.; 6, 9: edv //) Ti;otjmofiB>' TO fidxTia/ta.
uyvbvy.nl dfdavTOv, Ttoia Tteitoid'ijaei elaeievaofiefl'ci els TO fiaoft.eiov TOV footf; /)
124 7... Die apostolischeu Vater,
im Prinzip wenigstens rigoristisch verstanden werden : nach der
Taufe darf es keine Siinden mehr geben, oder es kann so gedeutet
werden, dafi unser Leben nacli der. Taufe eine fortgehende Bufie sein
soil. 1 )
In der Tauflehre, die wir kennen gelernt haben, liegen nocli keine
i'renidartigen Momente iin Sinn der spateren sakranientalen Magie. Es
handelt sieh um einen Yorgang. durch den der Ghrist Christ Avird, nach-
dem er sich zuvor innerlich dem Christentum genahert hat. Hat er
bisher seine Siinde und seine moralischen Pflichten kennen gelernt, sa
empfangt er bier die Yergebung der Siinden und wird dem Namen
Christi unterstellt, zu dem er sich bekannt hat, mit der Yerpflichtung
ihm im Grlauben uud "Wandel treu zu bleiben. TJnd hat er bisher von
der Kraft Gottes und dem neuen Leben, das sie wirkt, gehort, so emp-
findet er nun diese Kraft und die ewige Art dieses Lebens, und eben
dadurch wird jener Glaube und jene Pflicht fiir ihn zu einem inneren
geistlichen Besitz. Zwar kann man sich dabei gelegentlich so aus-
driicken, als ware der Geist etwas wie eine Naturkraft, als ware die-
Mitteilung ,des neuen Lebens etwas Avie eine magische Wandlung, die
religiose Empfindung wire! dadurch doch nicht getroffen, denn um eine
EinAvohnung Gottes, um die Entstehung und Betatigung eines geistigen
Verhaltnisses zu ihm handelt es sich immer. Das Wunder des neuen
Lebens zu leugnen, es ,,rein psychologisch" zu erklaren , liegt diesen
Mannern freilich fern, aber ihrem Empfinden haftet noch zuvieL urchrist-
liche Geistigkeit rind jiidische Moralitat" an , als dafi sie innere' Vor-
gange in physische Prozesse aufgehen lassen konnten. Begriffe wie-
Heuschopfung oder Mitteilung des ewigen Lebens sind noch nicht in
den Strom der antiken Mysterien hineingerissen worden. 2 )
ris f'lfi&v ^ru^dy.li]Toy SOTC/.I, eai' ,HJ) Bvoe9u>/.isv egya fyoviss Saia v.al Siy.aict. Wie
stark dies luteresse Avar, zeigt die Tatifrede Did. 1 6, die imr moralische Ver-
pflichtungen einscharft.
1) So Barnab., aber aueh 2. 01. 8, 2 : t-cos eaftsv ev 10-610) rep xoo^co, &v tfj
aatjxi cJ sn^dSaftev rzw//^ (isTavorjaoojiev ES pX?js Ttjs y.agSias, l iva. acod&f.isv VTCO
rov y.voiov, Zws s%ofin y.aiqbv fieravoias. Die BuBe ist geradezu der Lohn, den.
wir Christus schuldig sind (2. 01. 9, 7. 8). Ignat. Pol. 6, 2 nennt die Taufe
als oTtla des Christen neben Glaube, Liebe, Geduld, auch Mer scheint sie als ein.
dauerndes Mittel zur AbAA r ehr des Bosen gedacht zu werden.
2) Vgl. Tit. 3, 5f. Eph. 2, 91 . Job. 3, 5. Die antiken Mysterien verwendea
das Wasser aber auch andere Stoffe als kathartische Mittel der Initiation,
in symbolischern oder magischem Sinn, und sie garantieren durch ihre Weihen
dem Mysten ein gliickliches jenseitiges Leben, lassen dann wohl auch die ,,,Wieder-
geburt" (renatus) das Gliick flir dieses Leben gewahrleisten (vgl. . Anrich,.
Das antike MysterienAA r esen in s. EinfluB auf d. Christent. 1894, S. 47. 51. 531
Bufie 'Mr Todsimden. 125
18. Wir iaJben 'geselien, dafi die Taufe von den einen als Anfang
einer sich fortsetzenden Bufie resp. Vergebung gefafit 'wurde, wahrend
<die' anderen nur die Bufie >und ^ergebung vor der Taufe anerkannt
s&hen wollten. Der 'TJrsprung von 'disser letzteren Anschauung ist ! nicht
unbegreiflich. Man lebte in der messianischen Zeit. Nun war es
jiidische Xiehre, dafi in 'dieser Zeit ,jkein >Raum 'fur die Bufie vorhanden
ist", oder 'dafi Gott in der W'eltzeit barmher-zig ist, aber in der Voll-
endungszeit mir als gerecbter IR,icbter -walten wird. *) Durcb die Taufe
'trat der 'Christ in die "Vollendung ein, wandte man jene Regel bierauf
an, so ergab ; sich der ; Gedanke, dafi eine Bufie nacb der Taufe riicBt
moglicb sei. Dazu kam weiter, dafi die Sittenzucbt der Ausbildung
Jenes Grundsatzes -zu Hilfe kommen mocbte. So ^wird es sich verstehen,
dafi -zu Ausgang der apostolischen Zeit der'Grundsatz, dafi es fiir ,,Tod-
siinden" eine Bufie 'fiir die 'Christen 'riic'tt niehr gibt, ziemlicb verbreitet
gewesen zu sein scheirit. ODer 1. Job. uuterscheidet die af^aQfia -[ii]
rtgbs -d-dvavov von der a(.ictQTia rtgog &dvmov, ifiir gene gibt es eine
I^iirbitte, nicht aber fiir diese (5, 16 f.) 2 ) Ahrilich wife bier der Klein-
asiat urteilt, hat der Eonier, 'der den Hbr. schrieb, die Sacbe angesehen.
Die Siinde -des Abfalls vom Christentum, -die seinen Lesern drobt, er-
felart er fiir eine irreparable (Hbr. 6, 4 6; 10, 26 f . ; 12, 17). Tauschen
die Anzeichen nicht, -so ist eben diese Anschauung der Anlafi zu einer
schroffen Meinungsdifferenz in 'der romischen iKirche zu Ende des ersten
Bohde, Psyche II 2 , 405. 421 f.). Aber die dem Christentum eigentiimliche
Konibination von Wassertaufe und Wiedergeburt und die. geistig moralisclie
Passung der letzteren -ist ihnen gleich fremd. 'Die christliche Taufe erklart sieh
geschichtlieh aus der Kombination resp. dem Zusammentrefen der Wasseftaiife
des 'Johannes zur Sundenvergebiing (schon 'die Juden kennen sie, s. Sib. IV, 164ff.)
nnd 'der Geisttaufe Ohristi. Auch der christliche (Begriff der nalivysvsaia das
Wort-stammt von den Stoikern wird im Judentum wurzeln, es ist die -Ent-
stehung der v.tuvri xriais (Gal. 6, 15. 2. : Kor. ; 5, 17. Bph. -2, 10) -oder der nt!jn 'n*ns,
die ebenso wie Ttahvyeveaia (Matth. 19, 28. Tit. 3, 5) sowohl die eschatologische
Neuscho'pfnng als<die Umwandlung des 'einzebaen ihezeichnet (s. We be^r, System
etc.'S. 882. ,256).
1) Apoc. Baruch 85, 12: ecce eniin adducet altissimus haec omnia; i'bi
won e-rit iterwm locus poenitentiae. 4. 'Esr. 7, 112115.
2) Ygl. 4. Esr. 7 7 115: tune ergo nemo potent mlvare eum -qui periit.
Die bfiagila Ttgbs S'dvarov 1st nach Joh. die Siinde, die die ; Gemeinsehaft mit
Odtt 'aufhe'bt, denn der aus Gott 'Geborene siinfligt snicht so^ dalS das Bo'se an
ihm haftet ;(!. Joh. 5. 18 ; 3. 8. 6)< agegen gibt es Siindentaten auch 'bei dem
iChristen, die aber nicht zum Tode sind, sie soill '-keine'r ableugnen und -fiir sie
gibt es Vergebung (1. Joh. 1, 82, 1; 5, 16). Die Tlnterscheidung von dfia^ria
im Sinn der das ,, : Leben" ertb'tenden Zustandssiinde und ; der das Leben unter-
toechenden Tatsiinde' erklart tftie Mfferenz der Aussagen bei Joh. iiber das Nicht-
: siindigen und das Siindigen der Christen.
126 7. Die .apostolischen Vater.
Jahrhunderts gewesen. Hennas redet von ,,einigen Lehrern", die der
Ansicht sind, es gebe keine Bufie aufier der vor der Taufe (M. IV,
3, 1 s. oben S. 123 Anm. 3). Dagegen betont der 1. Cl. mit grofier
Energie, dafi Christus uns eben die ,,Gnade der Bufie" gebracht habe,
und dafi Gott alien Menschen, ,,die sich bekehren wollen zu ihm" ,,Rauin
zur Bufie" gegeben, ja dies eidlich zugesagt habe. *) Es ist klar, dafi
diese Anschauung der ,,einiger Lehrer" entgegentritt und dafi dies
kaum zufallig sein wird. 2 ) Es notigte eben die Situation , die das
Hermasbuch voraussetzt, zum Nachdenken iiber den rigoristischen Grund-
satz jener Lehrer. Das Hermasbuch ist wesentlich mit der Absicht ge-
schrieben, die einander entgegengesetzten Meinungen zu versohnen. Im
Prinzip haben jene ., Lehrer" Recht, aber trotzdem soil, ausnahmsweise,
dies eine Mai eine zweite Bufie gewahrt werden, selbst denen, die ab-
gefallen sind oder den Herrn verleugnet haben, aber auf das kraftigste
wird dabei hervorgehoben, dafi das eben nur fiir dieses Mai gelten soil. 3 )
Dieser erste Bufistreit, den die Kirche erlebt hat, ist von unabseh-
barer geschichtlicher Bedeutung. Tiber die rechtliche jiidische Be-
trachtungsweise hat der Gedanke gesiegt, dafi Grott barmherzig ist, nicht
nur gegen die zu Taufenden, sondern auch gegen die schon Gretauften.
Aber dieser Gedanke soil nur ausnahmsweise in Kraft treten. An sich
darf der Getaufte nicht siindigen, erst ein besonderes Eingreifen Gottes
gewahrt dafiir Yei-gebung. Und es wird nicht Zufall sein, dafi der
Prophet sich des Beistandes des kirchlichen Amtes zur Publikation seines
Bufibriefes .versichert ;(V. II, 4 , 3). Dasselbe Amt , das die Taufe
spendet, wirkt mit zur Eestituierung der Taufgnade. 4 ) Nun ist es
1) 1. Cl. 7, 3 8, 5; 18. 7, 5: y.ara,f.i&&co/.iev, 8n ev yevstt y.al yevei%
ias roTCov eScoxev 6 SeaTtoTrjs tolg j3ovko/.ievois KTtiorgacpfjvai erf avroy,
8, 2: xt ainbs Se 6 SeaTtor-rjs rwv aTt&vccov Ttegl {.leravoias eAdhtjaev [letci Sgxov.
EtAvas kleinlaut heifit es aber 2, 3: iKsrsvovrss ainbv 'ihecov yevsad'ai, s't n
u'/.ovtss fif.id^rsrs.
2} Tertull. de pud. 20 stellt die BuBanschauung des Hebr. und des Hermas
.einander entgegen. 1. Cl. und Herm. sind meines Erachtens etwa gleichzeitig in
Eoia entstanden.
3) V II, 2, 8 : &fioaev ycig XVQIOS xarct, rov vlov aiitov roiis dyvrjaafievovs iby
w&Qtov aiir&v dstsy-i'cogi.ad'ai dftb Tfjs 'Cfofjs aiixajv, roiis vvv fts^ovrae
rats e^'/ft/.ievais f^ie^ais ' rots Se TtQotegov a.qvi]aa^isvois Siu ir\v
'dews eyevero aiirois. Ebenso M. IV, 3, 2 ff. Sehr deutlich tritt an letzterer Stelle
das Motiv zur prinzipiellen Beibehaltung der alten Ansehauung hervor : M Si8oi>s
atpo^firff rots /iisttovffi Tttareijeiv rj tots vvv Ttiatevaaoiv sis ibv xij^iov, S. auch V. II,
2, 5 : ^ yu.Q fterdvoia. rols Stxaiots e%ei tehos, TtsTthijgcovT'ai at
Tt&aiv tols ayiois' y.a.1 rots Se s&veaiv fierdvoid sanv ecos ea^drris
4) Die BuGe ist geradezu als 2. Taufe bezeichnet, wenn sie als neues Siegel
an die Stelle des gebrochenen Taufsiegels: tritt, s. Herm. S. VIII, 6, 3. Urn die-
Verschiedene Ansichten von der BuBe. 127
aber begreiflich, dafi, trotz aller Beschrankungen, die zweite Bufie auch
spater in Anspruch genommen wurde, und dafi dies nur unter Kontrolle
des kirchlichen Amtes geschehen konnte. Hier treten uns zuerst die
L TJmrisse eines kirchlichen Bufisakramentes entgegen: Siinden,
die an sich unvergebbar sind, konnen durch. besondere gottliche resp.
kirchliche Erklarungen vergeben werden.
Die Voraiissetzung dafiir ist aber wahre herzliche {.isfdvotcc, Keue
um die bose Tat und die aufrichtige Absicht das Glute zu tun, bzw.
die Befolgung der Gebote Christi, kurz eine zweite Bekehrung. a ) Glott
hilft aber zu dieser Bufie mit, indein er den Bufiengel allerhand Straf-
iibel iiber den Sunder verhangen lafit, denn die Lust ist bald vergessen,
das TJbel erinnert den Sunder aber an die Siinde seiner Lust (S. VI,
3 5). Die leitende Vorstellung, bei Hernias ist dabei die, dafi der
Mensch, der dies tut, das absterbende Leben in sich auffrischt, wie etwa
verdorrende Weidenruten durch Wasser erfrischt werden. Wem es ernst
ist um die Bufie in Gedanken und Worten, der konunt zu einer ..starken
und reinen Bufie", und er wircl wieder ,, durch Grlauben stark" (S. YLI, 6.
V. HI, 3, 5. M. XII, 6, 1. S. VI, 3, 6; VIII, 11, 3). Hieraus
begreift es sich aber auch, dafi die schon Erstorbenen, trotz der ge-
wahrten Erlaubnis der Bufie, sie nicht erwahlen; 2 ) dafi unter diesen Er-
storbenen sich die schweren Sunder (Abfall, Lasterung, Verrat) befinden,
ist ebenfalls verstandlich. Natiirlich hat Hennas seine Grrundverkun-
digung nicht aufgegeben 3 ), aber man wird doch den Eindruck nicht los,
selbe Zeit etwa stellte Helkesai im Orient eine zweite Bufle in Aussicht, die
bei ihm auch formell mit Wiedertaufe verbunden wird s. Hippol. Eefut. IK, 15,
vgl. auch die Taufen der Gnostiker.
1) M. IV, 2, 2:- avvlsi ya<) 6 duagmjaas, on TteTtohjxsv 16 ^tovi^of efiTtgoad'sv
iov xvgiov, xal avafiaivsi, srcl ii]v xapSiav aiirov i] Tt^a^is ijv S7t^a^ei>, xal jueravoel
y.ai otxen B^yd^eiai, to TtovrjQOV, d?.ka TO dya&ov ^oKtne'tMs epyd&Tcu, y,al mTteivol
fi]V eavrov yv/fiv teal fictaam&i, on ijfiaoTev (cf. S. VI, 3, 6. VII, 4). M. XII,
6, 2: lav BrtiaTpafpfJTe Tt^bs tbv xtioiov e| olrjs rijs tcaoSias vpffiv '/.oil spydaqad'E
ir\v SixaioaiJi'Tjv T&S AoiTtas fjfteoag TYJS ,cofjs fyicov y.al SovlsijorjTB u,imt> o^&ws
/.art*. TO tfei-ij/Lta aiitov, Ttotijaei 'iaaiv TOIS ytooTsoois vficov afiaoT^fiaat.. S. nocll
S. VI, 1, 2ff. VIII, 6, 6; 10, 3. IX, 33, 3. M IV, 4,
2) S. VIII, 6, 4: fileTteis Se, on oiiSe sis afacov (namlich von den d-TtoardTai.
/MI ztooSoTai T'fjs Ky.'/.hrjalas '/MI fihaaytifitfaavces) fisTevoijae xafaeo ay.oijaa.VTSs TO,
urjfiaTa # ehdhrjaas aiiTOti . ., cirtb TWV TOIOVTCOV fj coi] di.7tsaTi], ebenso
S. IX, 19, 1: ToijTois Se fisTdvoea, odx 'sari, d-dvuros Ss son, -Am instrilktivsten
ist S. VI, 2, 3. 4 : bier wird die Siinde els &dva.Tov (Lasterung) von der sis
y.aTacp&oqdv (Weltlust) xinterschieden. Letztere lafit eine fieTdvoia ^caijs zu,
wahrend erstere hoffnungslos, weil tot, ist: f] y.aTacp&ooa. oi>v sfaiSa fyei dvavscaaecds
TIVOS, '6 Ss 3'dvaTOs &7tcakeiot,v %%ei aldaviov.
3) s. Zahn, d. Hirte d. Herm. S. 339 ff. u. z. B, S. IX, 26, 5 verglichen mit .6.
128 7. Die apostolischen Vater.
daB er selbst spater der alten Auffassung, dafi der Abfall -die Btifie
eigentlich ausscliliefit. unwillkurlich wieder -naber gekomnien ist ; das war
riber wdhl veranlafit 'durch die Erfahrung, dafi die 'Verleugner wohl
auch die -Irrlehrer im ganzen wenig Sinn fur -die 'Bufipredigt gehabt
'ha'ben. 1 ) Jetzt 'heifit es wohl: ,/Diesen -wird (Biifie, -werin sie erfunfle'n
werden als die nicht von Herzen verleugnet haben ; wenn aber jemarid
ierfunden wird, der von Herzen verleugnet hat. so weifi icn riicht, ob er
leben kann" (S. IX. 26, 5). 2 )
Aber neben der schweren unvergebbaren Siinde kennt Hermas
Siinden des taglichen (Lebens. die zwar schwer vergeben werden, denen
er aber die Moglicnkeit der Yergebung nicbt abzusprecnen -wagt. 3 )
Nimmt man nun Mnzu, daB Hennas ,auch nach seiner Bekehrung mannig-
fachem sittlicnem Tadel ausgesetzt bleibt, und dafi auch. die Grerecnten
ibei jedem Vergenen ihre Zuflucht zu dem Herrn nehnien nmssen 4 ,),
-weiter daB. nnter der Todsiinde -fast .ntir die Apostasie mit .den -Be-
gleiterscheinungen ;der Grotteslasterung und der Denunziation von
Mtcnristen gemeint ist, so .ergibt sich, 'dafi der praktische .TJnter-
schied, zwisclien den von Hernias, von dem Hbr. und vom il. .01. ver-
tretenen Anschauungen nicnt ;allzu erneblich. ^gewesen sein kann. .Zum
Problem wurde der Abfall doch nur unter besonderen Umstanden iund
zeitweilig. iEm iibrigen aber :wagten auch ;die Bigoristen nicht Sund-
-losigkeit zu fordern. und werden auch die Milderen nicht grobe Siinden
ohne ernste BuBe haben hingehen. lassen. 5 ) 'Die ^Gefahr bestand nicht
eigentlich in der zu groBen Milde, sondern in der laxen Konsequenz,
zu der der Eigorismus hintrieb, namlich die taglichen gewohnlichen
Siinden nicht in ihrem ganzen OBrnst als Siinden zu -beurteilen. Wie so
1) S. VIII, 6, 4 heiflt es von den Apostaten, Verratern und Lasterern, dafi
keiner von 'ihnen : Bufie tue, well das Leben von ihnen gewichen ist; dagegen
sind von denen, die ,,fremde" und ,,torichte Lehren" eingefuhrt haben, viele 'zur
BuBe gekommen, baoi Se oi> fieravoijaovaw, drtcahsam' tyv t,a>fy' ai>icov ( 6). Von
der ersten Gruppe sagt S. IX, 19, 1 fur sie gebe es keine BuBe (oben S. 127 Anta. 2).
von der letzteren : tovrots <ri>v /ueTdvoia "/.eirai, lav tw/jb fieTavorjacoaiv s&v tfe
flQaStivewTai, fierd iCov stpoTeptov sarai 6 &dvaros aitrcov.
2) Das Martyrium dagegen 'bringt Vergebung aller Siinden s. S. IX, 28, 8.
6. 7. Das ist spater allgemeiue TTberzeugung.
3) ; M. IV, 3, 6 : fierd ir\v y.^fjaiv exeivrjv Tr\v ftsyd^rjr ttcu aef.ivi]V edv ns
&.7tsi(>aa9'eis into lov Biafldlov dfiagrijarj, ftiav [isrdvoiav % ' -edv "tie into %eiQa
lafiaqrdvi] ' /M ' 1 ' /ustavo^arj, d.o-uf.i<po(>dv kail tcy dvdfjcomp TCO roioijTcp, Svaxo^cae yari
Ztfaemt,.
4) S. IX, 31, 2: licet quis eorum temptatus a neqiiissimo diabolo dliquid
deliquerit, cito recurret ad dominum siium, vgl. Zahn^-Hermas^S. 355.
5) s. schon Paulus 1. Kor. 5, dazu die Bufiforderung, die 1. 01. (51, 1. 3)
an die .,Aufriihrer" zu Korinth richtet. '
Anfange des BtiMkrsfcments. 129
oft war die Grefahr auch hier dies, dafi der Rigorismus in Laxismus
uflischlug.
19. Die Ftirderung der Bufie spitzte sich schon in linserem \Zeit-
alter und friiher zu zu der Anordnung von Siindenbekenntnissen und
offentliciier Erinahnung der Sunder. *) Das Sundenbekeiiritriis soil einer-
seits em Bestandteil des privaten Grebetes sein (Herm. Y. I, 1, 3.
HI, 1, 5. S. II, 5), andrefseits Korea Avir von eirieni Simdenbekeriritnis
in der Greineinde, insonderneit am Sonntag vor der eucharistischen
Feier. 2 ) Der Gredanke dabei 1st, dafi das Grebetsopf er Grott nur dann
angenehm sein kann, wenn der M'enseh zuvor seine Siinde bekennt.
Daraus ergibt sich aber auch, dafi dem .Befcenntnis eine fortgenen'de
Sundenvergebung seitens Grottes korrespondieren muB: Diese Betatigurig der
Bufie 1st nun aber als eine Versohnung und Umstimmung
Gf o 1 1 e s vorgestellt, vermoge welcher er wiedei 1 gnadig wird und uns
-,
vergibt. 3 ) Das ,,Bekenrien <( ist eine besondere Betatigungsforni der Bufie
-(2. Cl. 8, 4), es ist notweridig urn. Yer'gebung zu erlangen (1. Cl. 51, 1. 3),
und keines Dinges bedarf Gfott aufier nur dieses Befcenntnisses (ib. 52. 1). 4 )
So beginnt das Siindenbekenntnis ein statutariscner Ausdruck fur
die bufifertige Gfesinnung zu werden, aber mehr als das, es wird zum
Gfnadenniittel, das der Menscn selbst bandhabt und dtirch. das er Grott
wieder gnadig zu machen vermag. NicKt die "Wandlung der Gesinnung,
die' uns befahigt, der Grnade GrOttes wieder inne zu werden, 1st die
Bufie, sondern der Akt, uni dessentwillen uns Gfott wieder gnadig wird. 5 )
1) 1. Tim. 5, 20: t.oiis a^iaQtdvovras evtbitiov Ttdvrcov e&ey%e. Jak. 5, 16:
oliv dM.rjA,ois fas apafftias. 1. Job. 1, 9: Id* 1 - Sfiokoycofisv THS
etc.
2) Did. 4, 14: !>' e'/t%kr]oiq s^o^o^oy^ai] to. TtagaTtrcbfia/td aov. 14, !:
xfjv Se XVQIOV avva'/ftevtss xAdaaTS afftdv y.al ei>%a()xrrij.ffa're, Ttjj
td Tta^aTtrcbfiuTa iifiwv, oTtcos xa-daoa, fj -Svala fyiwv fj, cf. Act. Petr. 2.
3) Herm. VI, 2, 1: TC&S E&'hdoofiaL ibv d'sbv Ttegl rcov dfiapTi&v fiov ratv
tsksiiav ; Jy itolois ffifiaatv SQCOTIJOCO rbv KUQIOV, Iva ikarsvarirai /.ioi; S. IX, 23, 4:
6 frebs ... . oil ,[ivr\<swMv.l rois B&fiohoyovfievois THS dfiagrias afamv, dAft" thews
yivertu. 1. Cl. 48, 1 : Ttyocvteacofisv ry SsaTtotfi v.ai n^aijacof.isv fasTevovTss adrov,
.OTtcos ikecoe ysvoftevos sTtHtaTodhayij r\(.ilv VMI liti rrjv OBfivijv tfjs. yiiaSekytias ?ifia>p
a,yvT]v dycoyrjv dieoxaTaaTrjcir] fyias. 7, 7: ot.Ss (die Niiievlten) fisravotjaavres' sTtl
reals af.ia^iij l uuaiv ain&v s^iLAoavto rbv -d"8ov bsETS^aavres xai E)M/3ov acozrjgiav.
2; 3-: ixersvovtes avrcb'v tiscov ysvead'cu, e? ti ' &XOVTSS fi/tdgTere.
.4) Das aiveato Ps. 69, 31 andert Cl. h* egoftohoytjffoficu, Der Ernst des Be-
kenntnisses bewahrt sich in Taten, vor allem in Aim o sen. die als Mattel der
Sundenvergebung gelten (2. Cl. 16, 4. Did. 4, 6).
5) Spatere Eormen werden auch vorweggenommen durch den Gedanken des
Hermas, daB zwischen der Lust und' der Strafe der Siinde ein festes Quantitats-
verhaltnis besteht, S. VI, 4, 4: Tfjs tQvcptfs vai dTtdrqs 6 %(>6vos S^a sail ,/
Seeberg, Dogmengeschiclite I. a. Aufl. 9
130 .'.? Die apostolischen Vater.
Diese Auffassung der Bufie : begegnet : uns in den romiscben Urkunden.
(1. Cl. Hernias), sie tragt durchaus den Cbarakter der Frommigkeit .des-
spateren Judentums an'sich, denn sowobl der Gfedanke, dafi das Siinden-
bekenntnis Mittel ist, iini Grott zur Vergebung zu bestinimen, als auok
die Organisation der Bufie zur Beickte hat seine Parallelen in der Syn-
agoge. Audi die Anfange des christlicnen Bufiinstitutes , die wir
kennen lernten. naben an jiidischen Gredanken ihr Vorbild. x ) Aiicb. hier
werden wir bereehtigt sein, ein Stuck judischer Einwirkungen auf den.
Geist des Urchristentuins anzunennien. ,
An zwei Punkten liegen in den besprochenen Gedankenkreisen die
Ansatze zu jener Verselbstandigung der Bufie, die spater ndben der
Taufe ein BuBsakranient entsteben liefi. Es ist 1) der Gredankej dafi,
Grott nacb und neben der Taufe nocb ein anderes Institut zur Siinden-
yergebung der Kircbe gibt, und es ist 2) die Auffassung des Bufigebetes-.
als eines besonderen Mttels, um von Grott Vergebung zu erwerben.
Der erste Gredanke fuhrt auf die Idee, dafi Grott die Bufie als ein be-
sonderes Sakranaent neben die Taufe stellt, 2 ) der zweite leitet an durcli
Satisfaktion sicb jenes Saki-amentes wiirdig zu macben. Ersteres recbnet
mit Gpttes Barmlierzigkeit, letzteres macht diese Barmherzigkeit von
bestimniten Bedingungen abbangig. Doeb mit diesen Gredanken sind
A\dr aus dem Habmen unseres 2]eitalters bereits binausgetreten.
20. Mit der Taufe bat scbon Paulus das Abend mabl zusammen-
gestellt (l..Kor. 10, 2f.). Die "Wiederbolung des letzten Mables des.
T/)S e fiaadvov ij toga Tgidy.ovra i^ie^wv ljva{.iiv e%ei. 'Eav o&f filar
Tovytfat] TIS '/MI (uxmrftij, fdav St- rjftegav fiaaaviad'ij, oKov sviavtov la^vsi i] T^ISQU,
T;;S fiaadvov. JDer Sinn dieser Betraclitung- ist aber nicht der, als ware das Er-
tragen der Strafe eine Satisfaktion, sondern durch dies Ertragen soil, nachH.,
der Mensch aufgeweckt werden zur BuBe, s. ib. 5, 3f. : ^ yap t^vcprj xal dadrtj
fivtffias oitx e%si Sid, Tips dcptJOoiUvqv,' f/v. evSeSwtai- i] Se iifMogia nal'f] pdaavos,*
orav y.o)3,rj&ij rep dvdjjcbrtco fdav f]f.ie^av, [ie%i)ls smawtov iif.uoq&l'cai y.al ftdaavi&Tru,.
(ivfifjMs yd/) fisydlas %%ei i] tificogia xal i] fidaavos. Baaou>i'C,6fievos oiiv xai
riiuo(>oij/.iEVOs okov rbv SVIUVTOV iivri/iiofsijsi TOTS ifjs Tqvcpfjs %ai dTtdTijs y.al-
yivojoxei, on Si* aiitd Ttdoyei TO, Ttovtjad.
1) Z. B. Psalm. Sal. 3, 9; 9, 12: xa&agiaei ev a/taoTiais ipvy^v ev K^Of.io),oyijaei,,
oder die interessante Sehilderong in der Apocal. Mosis.4 11. Sclion zu BegmiL
des 2. Jahrh. begegnen uns Ansatze einer Beichtpraxis (Backer, Agada d..
Tanaiten I, 407). Der Gedanke der satisfaktorischen 'Kraft der BuBe ist ebenfalls
dem Judentum ganz gelaufig, s. Weber, Altsynag. Thepl. S. 300308, Bo us set,.
Eel. des Judentums S. 3691 . ; ,
2) Es lohnt sich dem.Gedanken nachzudenken, daB es zwei Spatpropheten.
sind, die fur die beiden Brennpvmkte des katholischen Christentums, die/ BuBe iind
den Episkopat, ihre Autoritat einsetzen: Hermas und jene ,,CTottei3stimme" des-
Ignatius (s. unten 8). -.''
Der urspriingliche Sinn ties Abendmahls. 131
Herrn 1st: ein fester Bestandteil des cbristlicben G-ottesdienstes gewor-
den, ;und aucb gewisse Formen der Passabmablzeit; die Jesus nacb
sicberen Anzeicbe bei jenem Mahl befolgt hat, scbeinen vorbildlicb ge-
blieben zu sein bei der G-estaltung des cb.ristlicb.en dslffVOV. . Dabei be-
stand freilicb der grofie Unterscbied, dafi bei dem cbristlicben Mabl sich
das .gauze Interesse auf Brot und "Wein konzentrierte, nicht auf das
Fleiscb eines Lamm.es, und dafi das cbristlicbe Mabl baufig begangen
wurde, nicbt nur einmal im Jabr. Dies letztere war in der Absicbt
der Institution Christi begriindet. Diese Absicbt lafit sicb aus der
tJberlieferung der Einsetzung bei den Synoptikern und Paulus nocb
deutlicb entnebmen, man mufi sicb nur davor in acbt nebmen, niit
Fragen und Problemen einer spateren Zeit an jene Worte beranzutreten.
Es bandelt sicb bier, urn ein rein gescbicbtlicbes Verstandnis, nicbt urn-
spate. Dogmen.
Die gescHcbtliche Sachlage aber ist folgende. Jesus bat dieser Mabl-
zeit zunacbst dadurcb einen eigentiunlicben Cbarakter verlieben, dafi er
sie als Gregenbild zu dem escbatologiscben Mabl, das er einst wieder mit
den Jimgern in dem Eeicb des Yaters begeben wird, auffafit. ?) Jesus
bat dann bei der Yerteilung des gebrocbenen Brotes vor der eigent-
licben Mablzeit dies Brot bezeicbnet als /.WV^TO GG)f.ta TO VTCSQ v[.ia)V.
Erst spater nacb der Mablzeit bei dem dritten Kelcb, TO Ttor^Qiov
T^g svhoyias (1. Kor. 10, 16; 11, 25) ist er nocbmals auf die Sacbe
zuriickgekommen, indem er den den Jiingern gereicbten Kelcb mit den
Worten begleitet : miJTO ib rtOTTJQiov i) Kaivi] ^ta^ijxjj koxlv ev ify ef-ify
a c lf.tarL (1. Kor. 11, 25). 2 ) Aus diesem Tatbestand ergibt sicb nun
folgendes : .1) wenn Jesus von der Mablzeit jetzt auf die Mablzeit einst
binblickt und fur die Zwiscbenzeit zwiscben diesen beiden dies Mabl
wiederbolt seben will 8 ) und dabei an einen Bestandteil desselben das
Batselwort kniipft: dies sei er oder sein Leib, so will er den Jiingern
sagen, dafi in dieser Zwiscbenzeit er selbst bei diesem Mabl so
real gegenwartig beribnen sein will, nur in anderer Eorni, wie jetzt
bei diesem Mabl und einst bei 'dem Herrlichkeitsmabl. /*). 2) Nicbt von
1) Mt. 26, 29. Me. 14, 25. Lc. 22, 18. Derselbe Gedanke ist bei Paulus
eigentiimlicb. verkiirzt: &%$* .<>$ 1^ (1. Kor.. 11, 26). .
2) Die Erwahmmg der Simdenyerg-ebung Mt. 26, 28 cf. Me. 14, 24 ist nur
eine Konsequenz atis dem Begriff des ,,neuen Bundes".
3) Die Einsetzung zum Zweck der Wiederholung be/eugt Paulus auf das
sckarfste, aber sie laBt sich. auch sicher aus der faktisehen Wiederholung des
Mahles erschliefien, wie hatten denn sonst -die Jiinger darauf verf alien sollen,
eine jiidische Mahlzeit mit ihren Eiten zu wiederholen \md doch das Hauptstiick
derselben ausf alien zu lassen? .
.4) Es gibt angesichts dieses Tatbestandes keine so perverse Frage als die,
9*
132 ? Die apostolisehen Vater.
den Korrelatbegriffen ,,Meiscb und Brut" hat Jesus geredet^ sondern
von seinem .,Leibe", und zwar zunacbst nur von dem Leibe. ,,Leib"
1st nun aber wie das hebr. P]W Bezeicbnung der ganzen Person. Seine
personliche, leibhaftige Gfegenwart bat er also in Aussicbt gestellt, niebt
aber vom Genufi des ,,Fleiscbes" gesprocben. 3) Damit war an sicb
die Einsetzung des Abendmabls vollzogen ; erst viel spater bat Jesus
auf die Sacbe zuruckgegriffen. indem er den Jungern Fragen ihrer-
seits mogen es mitveranlaBt baben erlauternd sagt. was diese seine
Gregenwart ibnen bringen und fur sie bedeuten wird. Verinoge seines
Blutes wird der Kelcb ibnen den neuen Bund bringen, oder sie werden
seine Gregenwart erleben als die Gregenwart seines den neuen Bund be-
dingenden Blutes, d. b. in dem Bewufitsein Sundenvergebung und neues
Leben das ist der ,,neue Bund" zu erlangen. Eine erlaUternde
Naberbestimmung ist die Erwahnung des Blutes, nicbt ein zweites
Element" oder ein neuer konstitutiver Faktor. Was sie aussagt, war
in dem to vntSQ Vf,i6Jv bei dem ,, Leibe" bereits entbalten, wie etwa in
der Hingabe seiner Seele fiir viele (Mt. 20, 28) aucb die Hingabe seines
Blutes entbalten Avar. Dafi diese Erklarung des ursprungUcben Sinnes
des Abendmabls die ricbtige ist, kann durcb zwei Tatsacben erwiesen wer-
den. Es ist einmal die vor dem. Empfang des Abendmabls gebraucb-
liche liturgiscbe Eorrnel ,.komm Herr". die ganz klar zeigt, worauf es
bei der Feier ankam und was man erwartete, narolicb die Gregenwart
des Herrn selbst. a ) Es ist dann der ursprtinglicbe Text der Abend-
ob das erste Abendmahl bereits ,,Abendmahl" gewesen sei, es war das Urbild
aller Abendmahle. Vgl. E. Seeberg, Das Abendmahl im N. T., 1905.
1) Did. 10. 6 beiJSt es nach dem Abendmahlsgebet : si&eico %&$is y.al xapsk&e'rr.o
6 y.oafios ovtos. 'Qaavva rcff d'eqj 4aviS. JEi ne &yios eoriv, e^ea&co e% ns oiix
%an, fieravositco fia^avh -frd, Afirfv. Um das Kommen der Gnadengabe (so #(s
z. B. 1. Kor. 16, 3, 2. Kor. 1, 15. Epb. 3, 2. Acta Joan. 110 in bezug auf die
eucharistiscbe Gabe) wird gebeten, darauf soil sicb die ganze Aufmerksamkeit
richten, sodaB die Welt ihnen ftir den Moment ,,entgeht", sie um sie sich also
nicht kiimmern (cf. ytoUd us Tta^e^srai, Passow Wb'rterb. II, 743). Dem kom-
menden Kb'nig gilt das Hosianna (Mt. 21, 9. '15). In dem nn tuiD steigert sicb
die Spannung der Vorbereitung- zum Hohepunkt. Dies Kommen ist also die eigent-
licne Abendmahlsgabe. Nun hat Paulus nach der Erwahnung des ,,heiligen Kusses"
(AUS Eel. 11. Gesch. I, 18 ff.) geschrieben : si TIS oi> y>dst ibv vtiqiov, ifrca dvd&e/ua.
Magava &d- 1} '/&(>is fov xvyiov 'Irjdov /isff vfiwv (1. Kor. 16, 22 f.). Der KuB
verbunden mit dem nach der Did. nun sicher zu identiflzierenden fm^avdt da
lafit es als sicher erscheinen, dafi auch hier ein Stuck der Abendmahlsliturgie
reproduziert wird. DaB dies vermutlich nicht nur von dem fin^ava -9-d gilt,
sowie das dies so, und nicht fiagav &&& abzuteilen ist, ergibt sich aus dem
SchluB der Apok, (22, 20f.): e(>%ov V.VQIS 'Irjaov- r t ftdgig tov y.vftiov 'Irjaov fiETot,
Tt&vtcov. Ebenso entspricht der Erwahnung des Niehtliebens des Herrn die BuB-
aufforderung der Did. Aber es mag sich hiermit im einzelnen verhalten, wie
Brot und Kelch. 133
mahlsworte bei Lukas, der den Abendmahlskelcb liberhaupt fortlafit, die
Stiftung somit nur an das Brot kniipft (Lc. 22, 19 D). 1 )
Diesel' urspningliche Sinn der Feier ist bei Paulus und seinen Gre-
meinden in Kraft gewesen. 2 ) Aber' Paulus hat in die Gescbickte des
immer es wolle, so viel ist unwiderleglich klar, dafi in dem Marana tha sieh der
eigentliche Zweck und Hohepunkt der Eeier zu erkennen gibt. Davon dafi die
eucharistische Feier schon Tor c. 10 der Did. liegt, kann ja im Ernst nicht die
Rede sein (s. unten). Noch an zwei Stiicke der alten Uberlieferung kann Mer
wenigstens gedacht werden: die Emmausjunger erkennen die Gegenwart Christi,
nachdem ,,er das Brot genommen und gedankt, es gebroehen und ihnen gegeben"
hatte; die nmstandliehe Peierlichkeit des Ausdrucks.legt es nahe, dafi auch Mer
an die Eucharistie gedacht ist, dann ist sie wieder dasMittel, dureh ,das Christus
zu den Jiingern kommt. Diese Erklarung flndet ilire Bestatigung an einer Notiz
des Hebr.-Ev., nach. der Jakobns von der Anferstehtmg Christi dadureh iiberzeugt
wird, dafi dieser ihm das Brot reieht: iulit pcmem et benedixit ac fregii et dedit
lacobo iusto et dixit ei: f rater mi,' comede panem tuum, quia resurrexit filius
hominis a dormientibus (Hier. . vir. ill. 2). Vgl. noch die Formel in einem
Abendmahlshymnus der gnostisehen Thomasakten (50) : eh&e wv seal xoivcbvijaov r/uiv.
1) Wie immer man die Relation D des Lxikasev. beurteilen mag, so viel scheint
niir nach der Textgeschichte klar zn sein, dafi sie uns beziiglich des Abend-
niahls das Urspritngliche aiifbewahrt hat, denn sowohl der vnlgare Text, der
zwei Kelche hat, als der altlateinische und altsyrische Text, die auf Le. 22, 19^
V. 17. 18 folgen lassen, sind nnr dann zu verstehen, wenn.'der zweite, der
Abendinahlskelch, in der Vorlage gefehlt hat; beicles sind Versuche, den Abend-
mahlskelch in den Text, hineinzubringen. Marcion (Tertull. adv. Marc. IV, 40,
Epiphan. h. 62) bezeugt hinsichtlich des Brotes die Textform D, hinsichtlich
des Kelches die vulgar gewordene, d. h. dem Paulus nachgebildete. Im Hinblick
auf ersteres darf die Behauptung gewagt werden, dafi er selbst es wohl ge-
wesen, ist, der den urspritnglichen Text D nach Paulus interpoliert hat, als
Zeuge des lateinisch-syrischen Textes kann er jedenfalls nicht in. Anspruch ge-
nommen werden (gegen Zahn, Einleitung II, 358). Die Anschauung, dafi das
Brot allein das Abendmahl konstituiert, scheint librigens indirekt auch von Me.
und Mt. bezeugt zu werden, wenn sie betonen, dafi alle aus dem Kelch
tranken bzw. trinken sollten; was soil diese Bemerkung, wenn nicht eine
andere Anschauung bekannt war? Auch der Terminus fur das Abendinahl 'Adois
aprov spricht hierfiir, s. auch die beiden Geschichten zu Ende der .vorigen
Anm. Von hier aus diirfte auch Eicht auf die im 2. Jahrh. Me und da bezeugte
Sitte, statt Wein Wasser bei dem Abendmahl zu brauchen, fallen. Es gab
eben von altersher eine Anschauung, nach der es sich zunachst urn das Brot
bei der Feier handelte. Dafi Christus Brot und Wein gebraucht hat, ist
gewifi sicher, aber nicht minder sicher ist, dafi die Grundidee der Institution be-
reits am Brot zum Ausdruck gekommen war. .
2) S. 1. Kor. 10, 4, wonach alle aus dem mitfolgenden geistliehen Felsen
tranken, ?/ asr^a Ss i^v 6 X^ioroi. 1. Kor. 10, 16 f., wo Kelch und Brot xoivcovia
TOV aifiaxos resp. rov awfiatos rov X(>IOTOV ist, d. h. eine Anteilgabe, die ausgeht
von Christi Blut und Leib. Auch Mer ist die personliche Gegenwart Christi vor-
ausgesetzt.
134 ? Die apostolischeii Vater.
Abendmahls dadurcli eingegriffen , dafi er der Feiier eine strenge
gottesdienstliche Eorm gab und dadurcli einen tiefernsten Charakter
fiii' sie gewann (s. 1. Kor. II). 1 ) Dadurch hat aber die Agape einen
Stofi empfangen, und sie ward vollends entwurzelt,. als wie es Justin
bezeugt das Abendniahl im Anschlufl an den Vormittagsgottesdienst
begangen wurde (Ap. I, 65). Das Abendmahl hat aUmablich aufgehort
Malil zii sein und am Abend begangen zu werden. Es wurde eine
Kultushandlung .unter den anderen.
: Aber tiefer als dies griff ein anderes in die Greschichte des Abend-
mahls ein. Es ist die Formulierung, die Johannes der Sache gab. Den
Gfeineinschaftscharakter der Eeier hat er kraftig betont (Joh. 13, 1).
Aber als die eigentliche Gfabe erscheint jetzt nicht naehr .,der Leib"
Christi, sondern ..Meisch und Blut" : ,.Eurwahr, ich sage euch, wenn
ihr nicht eBt das Meisch des Menschensohnes und trinkb sein Blut, so-
habt |ihr nicht das Leben in euch. Wer mein Meisch ifit und mein
Blut trinkt, hat ewiges Leben. und ich werde ihn an deni letzten Tage
auferwecken. Denn mein Meisch ist wahre Speise und mein Blut ist
wahrer Trank. Wer mein Meisch ifit und mein Blut trinkt, der bleibt in
mir und ich in ihm" (Joh. 6, 5356). 2 ) Der Gfedanke, d % afi Christus
das Lebensbrot ist, wird hier zugespitzt. zu der Yorstellung, dafi Christi
Meisch und Blut wirklich Speise und Trank sind. Dieser Gredanke ist
nun in seiner schroffen Paradoxie nur eine Konsequenz der johanneischen
Christologie. Ist der Logos wirklich Eleisch geworden, so wird seine
Gfegenwart immer auch Gregenwart von Eleisch und Blut sein und der
Empfang dieses Meisches iind Blutes, wird Empfang des ewigen Lebens
sein. Aber freilich, die Sache kann sich auch umkehren: ,,Der. Greist
ist das Lebendigrnachen'de. das Meisch niitzt nichts. Die "Worte, die ich
euch gesagt habe. sind Geist. und Leben" (Joh.. 6, 63). Das ist be-
greiflich : wurde der Greist Eleisch, so ist auch der Geist im Eleisch.
An den gen Hininiel Grefahrenen denkt Johannes (6,62). Weni dieser
sein Meisch gibt, dem gibt er Greist. Nichts hat Johannes nach diesen
Worten so fern gelegen. als eine "Leugnung der geistigen personlichen
Gegenwart Christi im Abendmahl (vgl. auch Apok. 3, 20), aber die neue
Eormel ,, Meisch und Blut" 3 ) eroffnete neue Perspektiven und neue
1) AVie Paiilus den Geist an das ,,Evangelium" gebunden hat, und wie er
die Geistmitteilung als das eigentliche Wesen der Taufe erfassen lehrte, so hat
er auch die Gaben des Abendmahls in den Zusammenhang' fester Pormen zu
riicken getrachtet. Man kann, wenn mail dies beobachtet. -inn sebr wob.1 als den
Vater der Gnadenmittellehre bezeichnen. '
2) DaC Job.. 6 sich auf das Abendmahl bezieht, ist unbestreitbar, es ist eine
echt johanneische Zuritckdatierung; vgl. die Taufe Joh. 3.
3) Die Formel aao:- y.ai alnu mag schon vor Johannes vorgekommen seiu
Johannes uncl Ignatius liber das Abendmahl. 135
JCdnsequenzen. Aus dieser Eormel sind ; die Probleme der kirchlichen
Abendmahlslehre erst hervorgegangen.
21. In unserem Zeitalter fliefien zwei Quellen ' abgesehen von
Johannes fur.' die Anschauung vom Abendmahl. Ignatius und die
Didache. Ignatius ' bewegt sich auf . der Lime der jbhanneischen An-
sehauungsweise: nur sind sein'e Gredanken grober und einseitig. .,Die
Eiicharistie ; ist <das Meisch unseres Seilandes Jesus Christus, das wegen
linserer Siinden litt, das durch seine GKite derVater erweckte'*. Meisch
und Blut des Davididen sind die Stiicke', die die Eucharistie oder Agape
ausmacheh. 1 ) Als Erf olg dieses Grenusses bezeichnet Ign. die TJnsterblich-
keit. Die Haretifcer, die leugnen, dafi die Eucharistie Christi Eleisch
set, bririgen sich dadurch um Leben und Auferstehung (Sm. 7, 1). Die
Eucharistie ist die Arznei der Unsterblichkeit, : ein Gegenmittel gegen
den Tod 4 2 ) Ich glaube nicht, dafi diese G-edanken wesentlich tiber
Johannes hinansgehen. Einerseits will im Auge behalten sein, dafi
Ghristus als der verklarte Herr, der ' ja, nach Ign.. ,,im Meisch" ist. in
Betracht kommt, andrerseits, dafi auch die rein geistige Einwirkung
Christi unsterbliches Leben hervorbringt. Ausdriicke wie (p&QfiUY.OV
TJjg &&avaoias diirfen nicht aus dem Eahmen dieser Gresamtanschauung
herausgenonimen werden. Dann reicht das. .was Ign. sagen will, nicht
hinaus iiber den johanneischen Gredanken, dafi wir das Eleisch des ver-
kliirten Christus und damit eben seinen Greist empfangen. der ewiges
Leben in [uns liervorruft und das Angeld der kiinftigen Auferweckung
ist. Aber freilich die Ausdriicke in ihrer Massivitat konnten diese
Empfindungen zum Ausgangspunkt fiir andersartige Gredanken niachen,
denen das Abendmahl jwirklich eine physische Arznei der TJnsterbHch-
k'eit wurde. 8 ) ZKL beachten ist noch die Strenge. mit der Ignatius
die Abendmahlsfeier, die fur ih'n noch die Eorni der Agape hat,*)
(vgl. Ignat.);'faBte man a&fia und <, als koordinierte Paktoren, so lag die Ver-
anderung sehr hahe. , - .
1) Sm. 7, 1: Tfjv ei)%aoi,aTiav adgy.a eivai tov afoTijoos -fjfi&i' 'Iijaov X^iaroU
Ti]V i)7tE() T(OV dfiafJTicoi' fj/.ifov Ttad'ovaav, rj-f rfj f /^i]aTOTt]Ti 6 TCaTijo jjyeige-i'.
Eoni. 7, 3 handelt zwar ! von der dydwj ay&a^ros des jenseitigen Lebens, stellt
sie sich aber als Eucharistie" Tor (wie Apok. 19, 9) : ftytov &eov 9-e/M, o eativ
*Ii]<rov XfJiaTov, rov 'e% aTtfyfidtos daviS, seal Ttdfia \)ekm TO ' al.fia, riv-rov, o
dyditi] &<jpd'a()Tos, cf. Philad. 4. 1
' ;2) Eph. 20, 2: eva, &(>tov xhcovres, on tanv yd^fiaxoi' Afravaalas, dv
TOV firj duioQavslv, d.'k'ka, tfiv EV 'Iijaov XpiOTcp SidTtavTos. ~
3) Ein eschatologischer Zug haftet deni Abendmalil TOIL Anfang an au,
weist doch das MaM hin auf die einstige WiederTerejnigung des Herrn mit den
Jiingern, auf das &%?i oS eW-t], ' ,
4) Eoni. 7, 3. Sm. 8, 2: &ydni] xotsiv, so ist wohl "auch 7, 1 Aya-cav g-e-
meint, Tgl. Zahn u. Punk z. d. St.
136 7. Dje appstolischen Vater,
dem offiziellen Gemeindeleben d. h. .der bisekoflicken Leitung unter-
stellt. 1 ) : -..-. .
Die Didache verordnet sonntagliche Abfindmahlsfeiern. Dein- eucha-
ristischen Grebet soil dabei ein Siindeijbekenntnis vorangeken, damit das
Opfer rein , sei. 2 ) Sehen wir von letzterem zunachst, :ab, so hat man
den Eindruck, dafi es sich um eine Gremeindefeier handelt, die in ahnliclien
Formen wie die von Justin geschilderte sich vollziehen konmte. Dem
widerspricht aber die Schilderung jm 9. und 10; Kap., die, von einer
.jSattigung" d. b. einer .wirkHcben Mahlzeit redet. Die Grebete tragen alter-
tumbicben Qbarakter, die Taufe eig ovo^i&'xvqiov (9, 5) beweist, dafi sie
alter sind als das Bucb selbst, das (7, 1) die Taufe auf die Dreifaltig-
keit vorscbreibt. Scbwierigkeit bereitet nun. aber, dafi ein doppeltes
Paar von Grebeten vorliegt, die beide zu Kelcb und Brot Beziehung
baben. Wie immer sicb diese Scbwierigkeit losen mag, so viel ist un-
leugbar klar, dafi die eigentHcbe Feier nicbt voi', sondern nach dem
10. Kapitel ei-folgt, das zeigt der Scblufi desselben evident. 3 ) Man eiv
1) Sm. 8, 1 : ' exsi-it] {Seflaia, eisftagicnia jffeia&co,' ij vnb tKlaxoTtov oiioa, i} : $
Hv UVTQS ertnjjeyfi. 8, 2 : oinr. etpv eaTiv %co(>ls TOV sTtiaxoTtov ovrs. fia.'jtTiCpi.v OVTE
Ttoielv, Vgi. 8.
2) Did. 19, 1: VMIU y.vQitt.'/Ji]V Si- xvgiov ovvaftdevTes y.^daars aQtov y.al
7t(}oei;o[io}i.oyr]adfi8t>oi(<\ielEL&. hat 7tf}ooe$o/.i?) TO, Tta^aTtTco/iaru ii^ifov^
?; dvaia vficov -jj, mit folgender Anspielung auf Mt. 5, .29 f. .
3) Znr Exegese dieser Gebete vgl. Wolileiiberg, die Djd. in ihrein Ver-
haltnis zum neutest. Schrifttum 1888, S. 61 ff. Die Frage, die uns angeht, ist
die, Avie sich die heiden Gehetsreihen zueinander verhalten. Dabei ist dreierlei
klar: 1) der SchluB von c. 10 (s. S. 132 Anm. 1) zeigt mit aller Deutlichkeit,.
daB-der Empfang der Eucharistie erst jetzt, nach der zweiten Gehetsreihe statt-
finden soil, 2) c. 9 hat ebenfalls Beziehung zur Eucharistie, doch fallt dabei au|,
daB zuerst iiber dem Kelch, dann liber dem Brot gedankt werden soil, wahrend
c. 10 r^oytjv IB xa.1 TIOIOV ordnet. 3) Das zwischen c. 9 u. 10 stehende fisra Ss
ib s.^n^aQrivu.L weist auf eine wirkliche Mahlzeit, die Agape, ... bin. Danach ist
der Gang der Feier so vorzustellen : zunachs"t wird das feierliche Tischgebet
gesprochen, das auf den Charakter des Mahles bereits Bezug .nimint, dabei stelit
der Kelch voran, wie in der Pesaehliturgie (vgl. Lc. 22, 17), oder auch.in den f
auch iuhaltlich verwandten, Sabbath- oder Vorsabhathgebeten der Juden (s.
Sabatier, La didache p. 99S.). Es folgt die eigentliche Mahlzeit. .Erst nack
ihr beginnt dann das eigentlich eucharistische Gebet, das auslauft in, den Abend-
mahlsempfang. Diese Praxis verlangt die Did. Eine andere Frage ist die, ob
sie ursprimglich ist. Dagegeu kann 9, 1 (as^l Se T//S ei>%a.(>ioiias etc.) und 9, 5
angefiihrt werden, wo naeh der ersten Gebetsreihe die Bemerkmig: nur die Ge-
tauften sollen von der Eucharistie essen, ste.ht. Aber diese Bemerkung wii-d nuf
als Einleitung zu den eigentliehen Abendmahlsgebeten c. 10 gemeint sein, und
eti%a(>ioTia und aydnrj sind synonym (Ign. Sm. -8, 1). Man konnte aber auch die-
Sache so auffassen, daft c. 9 ein alteres Abendmahlsgebet ist, das zu einer Zeit
gebraucht wurde, wo Mahl und Eucharistie noch ungeschieden beieinander wareii.
Eucharistie und Qpfer ,in der Didaclie.
wartet das Kommen des Her.rn, wie wir sa'hen, und zwar ist -das y,oa
Christus gewji'kte ewige Leben auch Her , die eigentliche Gabe des geist-
lichen Mahles. .?.) Nur der ist aber dieser Gabe fahig, der heilig ist, die
anderen : sollen Bufie tun (10, 6). 2 ) Also auch. hier .haben wir wiedr
den Gedanken, dafi Christus irn Abendmabl gegenwartig ist, und dafi
der Genufi des : Jieiligen Mahles uns des ewigen Lebens teilhaftig macht.
22.. $un begegnete uns aber der Begriff des Opfers (9-vaia) in
Anwendung auf das Abendmabl (14, If.). Es ist zunacbst unfraglich,
dafi dadurcb eine neue Bicbtung in den Abendmablsgedanken berein-
komint, von unten nacb oben geht sie, nicbt von oben nacb unten. Das
Opf er ist in dem altesten kircblicben Spracbgebraucb das Dankgebet oder
aucb die Hingabe an Grott (Hbr. 13, 15f., 1. Btr. 2, 5. Eom. 12, 1.
Pbil. ..2, 17; 4, 18. Barn. 2, 10. 1. 01. 52, 24). Opfer sind dann
ubprbaupt die Gebete (Herm. M. X, 3, 2L), sowie das Fasten (S. V,
3, 8), dann die gottesdienstlicben Grebete. und besonders, das eucbaristische
Gebet (1. .01. 40, 2; 44, 4; 36, 1). Man bat 1. 01. .44, 4 zugleicb
auf die Gaben bei dena Abendmabl bezieben wollen (Funk z. d. St.),
das wiirde dann auch von unserer Stelle in der Did. gelten, und die
Bezugnabme auf Mt. 5, 29 f. scbeint dem zu Hilfe zu kommen, ebenso
die Anwendung von Mt. 7, 6 (,,gebt nicbt das j Heilige den Hunden")
auf das Abendmabl (9, 5). Trotzdem wird diese Dentung nicbt ricbtig
sein. Das gebt besonders aus Justins Spracbgebraucb bervor, der zwar
Brot und Kelcb als die .wabren Opfer im Gegensatz zu den jiidiscben
bezeicbnet mit Berufung auf Mai. . .1, ; -10 12 (aucb Did. 14, 3 ; . Iren.
IT, 17, 5 u. p. angeflibrt), aber er erklart sich dann genauer dabin,
dafi ,,die Gebete und Danksagungen (ev%a()iaTiai) die einzigen voll-
kommenen und Gott woblgefalligen Opfer (\fooiai) sind" (Dial. 41. 117).
Erst bei Irenaus nimmt die Sadie eine neue Wendung. Der Sinn der
und dafl man spater, als es'iiir gut eraclitet wurde beide scharfer zu trennen,
das Gebet des, 10. Kap. anfilgte. 10, 6 wiirde dann urspriinglich zwischen 9, 4
und 5 gestanden haben, wo es sehr gut hinpaBt. Die Uuterscheidimg von Ei>%al
und ev%aQtoiiat, bei Justin (Ap. .1, 65. 67) ist nicht vergleichbar, weil hier die
Mahlzeit nicht mehr vorhanden 1st. Wohl aber mufi daran erinnert werden, dafi
in spaterer Zeit Did. 9 seinem Hauptinhalt nach als Tischgebet gedient hat
(Athanas. de virginit. 13 ed. .v. d. G oltz 'S. 47 f., dazu S. 83 ff., 136f .).
1) Did. 10, 3: f]/.ilv Se e%d(?ioco 7ti>&v t uaTiy,f^ Toopfys y.ai Ttotbv y.al ^cofjf
alarviov Slot, rov ttatSos aov.
2). Man kann fragen, ob- sie hierdurch fur diesmal von der Feier aus-
geschlossen -werden sollen, oder ob die Porderung nur besagt, dafi die, welche
siqh heilig wissen, .kommen sollen, wahrend die anderen die 14, 1 vorgeschriebene
Exomologese erst ' vollziehen sollen. Allem in letzterem Falle ware nicht
jueravoeiTco gesagt >worden, und das Wort ftyios erfordert: als Gegensatz den
notorisch Unheiligen, der in die Gemeinde nicht gehort.
138 ? Die, apQstolischen Vater.
Stelle Did. 14, 1 f. ist also , nur ;der , da6 man vor dem Opfer der
eucharistischen Gebete sich durch Sijndenbekenntnisse reinigen solle/ da-
mit dies Opfer rein sei, gerade so wie (4, 14) ermahnt Avird, seine
Siinden zu bekennen, um nicht mit schlechtemGeAvissen an das Gebet
zu .geheii.. 1 )
23. Blicken wir zuriick, so ist die Anschauung vom Abendmahl,
die wir gefunden haben, eine wesentlich einheitliche. Christus selbst
kommt 1m Abendmahl zu der Gemeinde, er ist leibhaftig gegenvvartig,
dadnrch das neue ewige Leben in den Christen starkend und ihnen zu-
gleich den Blick auf die Vollendung dieses Lebens eroftnend und diese
Yollenduug in der Auferstehung garantierend. Das Avaren einfaclie " Ge-
danken, aus d^nen die urspriinglicne Anschauung uns iiberall hervor-
leuchtet, und sie verban den sich leicht mit den Grundmotiven der
Prommigkeit, wie dem himmlischen allgegenwartigen Herrh, der Geist
ist und doch Meisch, und der Empfindung eAviges Leben zu haben samt
der Hoffnung in die ewige Welt bald einzugehen. Freilich die 'irdischen
Elemente der Kirche fangen an sich um dies Gebilde zu legen : 1) das
Mahl beginnt sich in einen kultischen Yorgang zu wandeln, Presbyter
und Bischofe allein das folgte aus dieser Wandlung gai'antieren
das echte Herrnmahl; 2) statt des alten owfi a und (.taQava && wird
eine himmlische OCCQ^ angenommen, Avelche Fragen miissen sich daraus
ergeben! 3) das eucharistische Gebet ist in ein statutarisches Schema
gezwangt. es ist ,,das Opfer" ; nur Priester sollen dies Opfer darbringen,
der Bischof Avaltet an diesem Altar, mag immerhin es noch den Pro-
pheten freistehen, ein freies Gebet zu sprechen: 2 ) Man begreift die
geschichtliche NotAvendigkeit dieser Wandlungen, aber man sieht auch
die Gefahren voraus, die sich so leicht einstellen, Avenn eine grofie ein-
fache Healitat in kultische Technik verArandelt AAlrd.
Drei grofie Wandlungen hat die Geschichte des Abendmahls aufzu-
weisen : aus dem Mahl wird ein kultischer Akt, damit fallt im. Prinzip
die alte Agape, aus der religiosen AA r ird kirchliche Gemeinschaft ; aus
dem oGif-ia niit der xaivrj dia$r>xr) Avird GCCQ^ y.al alpa, damit ist die
praesentia vivi Christi (Apol. Aug. X, 57) bedroht; das Abendmahl wird
Opfer, dadurch werden f remdartigeu MotiA T en die Tore geoffnet. Die Wurzeln
1) Ign. Philad. 4 erwahnt neben ,/ a^| und *V ^tor^iov : ev
ttnd sis sTtiaxoTtos. Dieser Altar Avird zAA'ar nicht der himmlische sehi (cf. Iren.
ady. li. IV, 18, 6), aber auch kein irdischer Altar, das eiicharistiscbe Gebet selbst
1st als Opferstatte vorgestellt. Nicht Merher gehort der Altar Hebr. 13, 10 ff.
Vgl. iiberhaupt Kattenbuscli, Art. Messe PEE. XII 3 , 6731
2) Did, 10, 6 : rofe Si- TttjoyrJTttis eTtnne-TtETE etyariunelv oaa
Die Simde und die Damouen. 139
dieser Wandlungen liegen schon in unserem Zeitalter, ihr Wacbstum
Averden wir iin weiteren beobacbten konnen.
24. Wir wenden uns nun Aveiter den Vorstellungen voridemneuen
Leben zu. Zunacbst ist ein Blick auf die Beurteilung der Siinde
zu werfen. Die Lebhaftigkeit des SiindenbewuBtseins entspricht der
Dankbarkeit gegen den Erloser. Ohne leh.rb.aft formuliert zu Averden,
liegt iiberall das Bewufitsein obne Cbristus verloren zu sein, vor. "Wir
saben, dafi die Erlosung wesentlicb in der Mitteilung sittlicber Erkenntnis
und eines unverganglicben Lebens bestand (S. 113f). Dem entspricbt es,
dafi das Wesen der Siinde in dem Irrtum beziiglich Gottes und seines
Gesetzes, in der bosen Lust und in Todbaftigkeit und Verganglicbkeit
erblickt wird. *) Die Siinde ist in erster Linie Depravation iind Ver-
derben, nicbt Scbuld. 2 ) In die Erwagung der Macht der Siinde
spielt nicbt selten der Gredanke binein, dafi der Teufel zur Siinde ver-
sucbt oder dafi bose Geister und Engel die Siinde in den Herzen be-
wirken, und dafi dadurcb der Menscb aus der Herrscbaft Cbristi zuriick-
yersetzt wird in die Gewalt des Teufels. 3 ) Allerdings vermag der Teufel
die Glaubigen nicbt zu iiberwinden. 4 ) Die Rolle, die der Damonen-
Avelt beigelegt wird, ist grofi, bes. bei Hernias. -Neutestamentlicbe. jii-
discbe und antik volkstiimlicbe Vorstellungen werden einfacb iibernommen.
Aber wie im N. T., so sind aucb bei unseren Vatern diese Yorstellungen
zwar nicbt durcb Kritik, wobl aber durcb den etbiscben Wirklicbkeits-
sinn modifiziert. Nicbt um Kampfe wider die Danionen und um Zauber-
niittel zu ibrer Entmacbtigung bandelt es sicb ini sittlicben Leben, sondern
um den Kampf wider die Liiste des Herzens und die Laster'des Lebens.
Die Damonologie bat innerlicb nur die Bedeutung. die Macbt und die
Furcbtbarkeit des Bosen eindriicklicb zu macben. Die Urkunde des
Bosen wird ini Herzen gescbrieben, das Siegel unter ibr ist gleicbsam
1) Barn. 14, 6: ChristuS erlost ms ij8-ij SeSaxqftevas //,c5r '/.agSias Tea
v.al rtapaSeSofievas Tfi .trjs akdvys Avofiin. 15, 7 s. S. 122 Anm. 2. 1. Cl. 3, 4:
/3a8i,eiv nara tag sTti&vfiias I'fjs tta^Sias niimv TIJS Ttovrjfjas. 2. Cl. 1, 6. 7 : 6 fiios
JJ/J.WI' ijlos cillo oiiSsv f/v, si f.iij &dvaros. Gott rettet freaadfievos Iv ijf.ii>' 7tolli]v
stlavr/v xal a?t col, siav y.al fiijSsftlav sfaiSa e%ovras acoTrjgias el f
2) Das ist keineswegs unpaulinisch, denn auch Paulus kennt das todhafte
"Verderben der Siinde neben der Schuld, aber es ist einseitig gedacbt.
3) Herm. M. IV, 3, 6. S. IX, 31, 2. M. V, 2, 7 : yivsmt 6 avd-Qtoxos
y.Erb-? &7tb tov Tcvetif.i.atos tov Si/xaiov, y.al to hovxbv TtsTt^^wftsvos rots rt
rots rtOvrx>oTs u.y.ata.cnel EV Ttdai] Tt^d^ei a-drov, 7teQiaTtibf.tevos &Se y.ay.sTae &7tb rcov
Ttvevftdrcov rcov Ttovijjjffiv. M. VI, 2,1.' 4; XI, 1, 3. Barn. 4, 13: 6 7tovrx>bs a<)>/mv
),a@cov i^v na9 ? fjficov e^ovoiav hrttoaiytai fj^ias &7tb VTJS fiaaileias tov nv^iov. 20, 1.
4) Herm. M. XII, 5, 2: Stivarat 6 Sidfiolos AvrKtaJMtoai , vMtaTCnl.aloni Se
oil Svvatcu.
140 ? Di e apostolischen Vater.
die Damonenwelt. Sie scliarft den Christen die Wahrheit ein, daB der
sittliche Kampf nicht wider Fleisch und Brut geht, sondern wider gei-
stige Machte, wie Paiilus sagt (Eph. 6, 12). So wird es begreiflich,
'dafi Hernias gelegentlick Geister als bildliche Bezeichnungen fur Siinden
oder Tugenden verwenden kann (z. B. M. IX, 9, 11 ; X, 1. 2. Y. HI, 8.
M. Y, 2, 8). ,,Der Weg des Schwarzen" ist der ,,"W"eg des Todes"
('Did. 5, 1) u. Barn. 20, 1), und Siinden und Laster sind sein Inhalt,
iind die sittliche Aufgabe besteht darin, sich ,,von alien cliesen" loszu-
reifien (Did. 5, 2 fin.). Kataloge von Lastern und von Tugenden wurden
durch die ,,beiden Wege" von Anfang an den Kateckumenen eingepragt,
schon das N. T. setzt sie iiberall als bekannt voraus und kleidet die
.ethischen Mahnungen in diese Schemata. *) Sie haben fiir das sittliche
Leben der altesten Christenheit eine tiefgehende Bedeutung gehabt. denn
sie haben in konkreten und praktischen Formen gezeigt, was bose und
was gut ist. Und sie .gewahren uns die Moglichkeit deutlich zu er-
kennen, worin die Urchristenheit das Yerderben der Slinde erblickte:
bose Lust, TJnreinheit, Hurerei , Gotzendienst, Zauberei , Hafi, Mord,
Diebstahl, Geiz, Liige, Yerleumdung, Streit, Schwelgerei usw. Hierin
sah man die Gewalt des Teufels, und der Kampf wider diese Siinden war
der Kampf gegen den Teufel. 2 ) Die Erfahrung .zeigte, dafi ,,die ganze
"Welt in dem Bosen liegt" (1. Joh. 5, 19) iind dafi die Stinde allgemein.
ist, ohne dafi man eines Dogmas von der Erbsiinde bedurft hatte, 3 ) und
1) HauptsteUen fiir dea ,,Weg" der Siinden sind Kol. 3, Bff. Bom. 1, 28ff.
1. Kor. 5, lOf. 2. Kor. 12, 20f. Gal. 5, 19fL Eph. 5, 3ft I.Tim. 1,91 2. Tim.
3, 2ff. Tit. 3, 3. -Did. 5. Barn. 21. 1. 01. 30. Herrn. M. VI, 1, 2; VIII, 3ff. S. IX,
15, 2ff. Plinius Ep. 96. Aristid. Apol. 15. Vgl. Genaueies bei v. Dobschiitz,
Die xirchristl. Gemeinden (1902) S. 282 ff. A. Seeberg, Der Kat. d. Urchristen-
heit S. 26 ff. und Das Ev. Christi S. HOff.
2) Vgl. Herm. M. VII, 2f. : .ibv SE Sidpolov ,/) fpoj3i]d'fis cpofHovfiEvoz -/a<)
ibi> ''V.v^iov '/Miuy.vQi&uoBis iov SiapoAov, on vva/.us EV aimp. oiiv. eanv . . . .,
oi>v ibv y.vQiov ifo^&rjarj TO, epya rov , Siaflo&ov y.al oiix sqydarj ai>id f
ei; i] drf ainwv. Obige Betrachtungsweise ist weit entfernt davon den
Befund der Quellen zu rationalisieren, nur darum handelt es sich, den neuerdings
mit Recht stark betonten Umfang der altchristlichen Damonologie (z. B. E vei-
ling, Die paulin. Angelologie und Damonologie 1888) in richtiger Weise fiir
das religiose Leben zu deuten. In dieser Hinsicht fiihren die neueren Dar-
stellungen aber in die Irre, die Bedeutung der Damonologie in den wirklichen
religiosen und sittlichen Vorgangen ist weit geringer, als man annimmt. Man
kann es doch schon vou. der Anschauungsweise der altesten Christenheit aus
verstehen, daJJ die Kirche zwar ein Dogma von der Siinde, aber kein Dogma
vom Teufel aufgestellt hat.
3) Barn. 6, 11 heiCt es, wir wurden erneuert fos acuSiwv e^siv tijv
die Kinderseele ist somit rein.
Simdenvergebimg und Heiligung. 141
diese Erfahrung fand ihre Erganzung an d'er TJberzeugung, dafi nur
Christus ein neues Leben> zu geben vermoge.
25. Sowohl die Erkenntnis des Wesens der Siinde (S. 139) als auch
was wir iiber Christi Werk horten (S. 113 ff.), lafit uns erwarten, dafi die
Heilsgiiter wesentlich in der Neubelebung und Heiligung bestehen
werden. So ist es in der Tat. ,,Wir danken dir . . . fur die Erkenntnis
und den Grlauben und die Unsterblichkeit, die du uns kund-
getan hast durch Jesuin deinen Knecht" heifit es in der Didache (10, 2)'.
"Wahrheit und TJnsterblichkeit, Licht, Erkenntnis, Leben hat Ghristus
gebracht (2. Cl. 1, 4. 8; 3, 1; 20, 5). Dafiir kann es aber auch heifien,
dafi Ohristus uns das neue Gresetz ist (Herm. S. YTTT, 3, 2), oder
es wird von einer wirklichen Umbildung, Erneuerung und Heiligung ge-
sprochen, wobei Grott in uns wohnt oder Christi Bund im Grlauben unser
wird. 1 ) Denkt man an den geschichtlichen Christus, so fiihrt man auf
ihn die Gfaben der neuen Erkenntnis und Moral zuriick, denkt man an
den erhohten Herrn, so weifi man . sich durch ihn zu dem ewigen Leben
der Gremeinschaft mit Gfott neu erschaffen. Hierzu konimt weiter die
Grabe der Siindenvergebung, die freilich etwas zuriicktritt (vgl.
S. 117). "AcpeGiv TWV &(.iaQriG)V xal tbv ayvLGfibv tfjs v.ag-
diag horen wir als Inhalt des Evangeliums anfiihren (Barn. 8, 3; 16, 8f.).
Die Yergebung wird dabei als nohvendige Yoraussetzung der Erneuerung
und geradezu als Yollzug der Heiligung betrachtet. 2 ) Diese Betrachtungs-
weise liegt auch 1. Cl. 7, 4fL vor, wenn von Christus gesagt wird, er
hatte die Grnade zur Bufie erworben. Sie liegt iiberhaupt der Anschauung
von der Bufie zugrunde (Herm. 2. CL), denn das Korrelat der Bufie ist
die Yergebung. Demnach wird man sagen miissen: die Heilsgaben
sind neues Gesetz, Erkenntnis, .ewiges Leben, ein neues Herz, aber dies
alles setzt die Simdenvergebung voraus. Gremafi der Idee des neuen
Bundes besteht das Heilsgut in Yergebung und Heiligung, wie Bar-
nabas sagt. .
26. Unter den Heilsgaben fiihrt das N. T. auch die Grerechtig-
keit an. Wie wird dieser Begrifi in unserer Zeit verstanden? In dem
religiosen Denkapparat hatte er eine feste Stelle. Aber die grofie reli-
giose Wahrheit, die Paulus durch ihn anschaulich machte, dafi namlich
der Sunder, der glaubt, sein Yertrauen nicht auf die allmahliche Heili-
1) Barn. 6, 14 dvaTteTthdafied'a. 15, 7 : tote Svvrjoofied'a avrrjv dyidaai aiirol
ayiaa&evres Ttytovov, 4, 8; 6, 15. 19; 14, 6; 16^ 8ff. (oben S. 122 Anm. 2).
2) Barn. 5, 1 : iiTte/usivEV 6 xtigios . . ., Iva. fT] dysasi TWV aLj.ia.Qnwv ciyvia-
&&(.iei:', o BOTW KV rco (JavridfiaTi aiirov tov a'ifiaros. 6, 11 : sTtel cfirv dvaxaiviaas
fyt&s ev tfl dy-east rcov Afiapncov ertoirjasv fjfias akhov ttiTtov cos TtaiSicov e%eiv rrjv
vjv^rjv, dig a>> Si] dvriTtldooovTOs aiiiov
142 7- Die apostoliscken Vater.
gungsarbeit des Geistes griindet, sondern auf die durch Christus ge-
gebene prinzipielle Gerechtsprechung diese "Wahrheit wird nicht niehr
sicher erfafit. Zwar fehlt es niclit an Ausspriichen, die ganz paulinisch
empfunden sind. So sagt 1. 01.: ,,Uiid wir nun durch seinen Willen,
in Christus Jesus berufen, werden gerecht (dixaiov^isd-a) nicht durch
tins, noch auch durch unsere "Weisheit und Yerstand oder Erommigkeit
oder Werke, die wir gewirkt haben in Heiligkeit des Herzens, sondern
durch den Glauben, durch den der alhnachtige Grott alle von Ewigkeit
her gerechtsprach" (edixaicoosv 1. 01. 32, 4). Oder Barn, bezeichnet den
Yollendungszustand durch ein <5ixcw#fiWg xat d/roAa/Joweg i;r]V
srtayyeUar, oder Hernias sagt, Gott habe auf die Christen Gferechtigkeit
herabtrikifeln lassen, iVce dtxatw^^re xca ayiaa&ffce &TCO yrdaTjg Ttovri^iag
xal &rtb yfdai]S axoAto'^TOg (V. HI, 9, 1), oder 2. 01. (15, 3) mahnt:
,,lasset uns nun dabei bleiben, was wir geglaubt haben, gerecht xmd heilig."
Aber an keiner dieser Stellen ist, trotz des paulinischen. Tones, der ganze
Gedanke des Paulus zum Ausdruck gekonimen. Nicht das ist namlich
die praktische Erkenntnis, dafi der Gflaube eine Aufnahnie der Gferechtig-
keit Christi ist, sondern dafi er die Beschaffenheit ist, diu-ch die
man gerecht wird. So ist aber der Gedanke nicht haltbar, denn es
ist nur willkiirlich den Grlauben allein zur Gerechtigkeit in Beziehung
zu setzen, alle ilbrigen Txigenden haben diese Beziehung. Es ist daher
ganz verstandlich, daB der Gflaube als Gfehorsani oder Tun der Wahr-
heit bestimmt, oder niit der Gastfreundschaft verbunden wird (1. 01. 9, 3;
10, 1. 7: 11, 1; 12, 1; 31, 2), dafi es heifit: s^yoLg diKaLOVf-ievoi Y.CU
[.ii] hoyois (ib. 30, 3 cf. 33, 7f.), dafi die Siindenvergebung von der
werktiitigen Liebe abhangig' gemacht wird (ib. 50, 5). Die Gerechtig-
keit ist ITrommigkeit, aktive Lebensgerechtigkeit, die den Glauben
unter andereni in sich schliefit. Die Gerechtigkeit ist nicht mehr Be-
zeickrmng der Heilsgabe, sondern ein Ausdruck fur das Heilsleben. So
wird die Sache fast immer gewandt hei den altesten Yatern. Nach den
Werken wird das Gericht vollzogen, unsere .Gerechtigkeit geht dahei vor
uns her (Barn. 4, 12). Daher sollen sich die Christen nicht von der
Gemeinde ztiriickziehen, als waren sie schon gerecht geworden (og jjdit)
dediY,ccLW/.iVOL, Barn. 4, 10), die aktive Gerechtigkeit ist natiirlich erst
in der Ewigkeit vollendet. In diesein Sinn ist auch das Christentum,
das .,"Wort von der Gerechtigkeit" (Pol. 9, 1 ; 3, 1). J ) Alles Bose soil
1) Pol. 9, 2 sagt von den Heiligen, sie hatten gewandelt ev
, beides gehort eben znsammen; 8, 1 mahnt ausztiharren ?[} efaiSi
ita dppaficovi ITJS if.uioatjvi]s rftieov 8s son Xgiozbs 'IqaoOs, 6S Mgt
Ptr. 2, 22, das scheint tiefer zu greifen, aber als Zweck des Leidens Ghristi
angefiihrt: Ivu. fyjocofiev ev
Die Gereclitigkeit. 143
der Mensch abturi, ,,die gauze Tugend .. de'r Gerechtigkeit'^ anziehen, Ge-
reclitigkeit wirken" (Herm. S. .YI, 1, ; ,4. M. I, 2; V, 1, 1 ; 2, 1; XH,
1, 1; 2, ,4. ; V. in, 1, 6). Der Christ: tut also Gerechtigkeit und eben
hierdurch wird er errettet (2. 01. .6, 7; 11, 1. 7; 17, 7; 19, 2. 3).
Es ist so, wie ! Hennas sagt: Aber esrettet dich das Nichtabf alien von
deal lebendigen Gott und deme Einfalt und die grofie Enthaltsamkeit.
Dies hat dich gerettet, wenn du darin bleibst, und es rettet alle, die
solches tun ; und wandeln / ohne Bosheit und in Einfalt. Diese werden
aller Bosneit Herr Averden und werden atisnarren ins ewige Leben"
(V,n,,3,:2). :-. . . .-.. .. / .-..,.;-, ... -. ;,.
Das Christentum bangt nicbt an der Pormel ,,Gereclitigkeit" oder
an einer theoretischen Deutung der, ,,Eeclitfertigung". Scnon . Johannes
hat gesagt: ,,wer Gerechtigkeit tut, der ist gerecht" (1. Joh. 3, 7). Das,
tim was es sich handelt, ist vielmehr, dafi der Mehsch die Erlosung und
das Gute auf Gottes Gnade, und nieht die eigenen Krafte Und Verdienste
begriindet. Dies wollte Paulus auf 'das sicherste feststellen durch seine
Rechtfertigungslehre. Aber ein eigentiimliches Verhangnis hat liber ihr
gewaltet: den Begriff der Gerechtigkeit pflanzte sie der Christenheit tief
ein, aber gerade dieser Begriff ist zunachst zum Spalier der Eigen-
gerechtigkeit in der Ghristenheit geworden. Man kann das an den
apostolischen Vatern sehen. Ihr Moralismus tritt am klarsten in der
Betrachtung der Gerechtigkeit" zutage. Zwar haben sie davon, dafi
Christus allein das Gute Avirkt, eine. kraftige tlberzeugung, wie auch
von der Notwendigkeit fortgehender Siindenvergebung.. Und dafi in den
Ermahnungen zur sittlichen Tat man auf das Konnen des Menschen,
und nicht 'Sein Nichtkonnen hinweist, ist dxirchaus begreifKch. Aber
liber : diese natiirliche Einseitigkeit geht der Standpunkt der Zeit hinaus,
die eigene Gerechtigkeit droht zum Orientierungspunkt des Innenlebens
zu werden, man denke an Hennas oder 2. : 01. Dabei.niufi wohliiberlegt
werden, dafi auch die Siindenvergebung von den eigenen Werken abhangig
gemacht wird, ,denn die -"Werke ,,vers6hnen" Gott, der dann vergibt
(oben S. 129).- :
27. Zusainmenfassend werden, wir also sagen: die .Heilsgaben ent-
sprechen genau dem Heilswerk, clessen Erfolg sie sind. Aber praktisch tritt
eine gewisse Einschrankung ein. "Wohl :soll alles.Gute von Gott und
Christus herriihren, aber der Orientierungspunkt fur den, geistigen Haus-
halt werden doch die eigenen Krafte, Muhen und Werke. Man hat viel
Gewicht darauf gelegt, dafi dieser Moralismus heidnischen Ursprungs sei
(B-itschl. v. Engelhardt), und die altere Auffassung, die jiidische Ten-
denzen darin erblickte (Baur), ist dadurch ziemlich verdrangt Avorden.
Soviel ich sehe, ist von einem Entweder oder hier nicht wohl zu~
J44 7- Die apostolischen Vater.
reden. Die moralistische Tendenz war sowokl dem Spsttjudentutii ate
dem damaligen Heidentum eigentumlich. Wie das Christenfcutn die Formen
tmd die Methoden seiner Existenz und AVirkung zunachst dem Judentum
entlehnte, so ist auch der ethische MpraHsmus aus jener Qjuele geitessett,
das zeigt die Zuspitzung auf ,,gerechte" Werke, wie die tibernahiae der
pharisaischen Kardinaltugenden, aber er stiefi unter den bekehrten Heideh
sofort auf innere Verwandtschaft. Der tiefste Grund dieser Yorgange ist
religionsgeschiehtlich zu : verstehen. Mit dem Christentum trat
die Erlosungsreligion in die Menschheit. die alte Mo'ralitats-
religion hat mit gescliichtlicher Notwendigkeit zunachst auf der'netten
Ifceligionsstufe sich zu erlialten versucht. Eine Tatsaclie von grofiter
Bedeutung Avird durch diese Formel hell beleuchtet. Man kann die
ganze Dogmengeschichte als den Kampf zwisehen den Elementen der
Erlosungs- und der Moralitatsreligiori auffassen. denn in ihrem ganzen
Verlauf ringen die beiden VorsteEiingen miteinander : ob Gott wirksamer
oder fordernder "WHle ist ; ob das' Wollen und Yollbringen des 'Gruten
bei uns Gfottes Gfabe oder nur Gfottes Aufgabe ist. Das ist der letzte
Gfrund der Diffierenzen von der neutestamentlichen Zeit, die wir gefuiiden
haben. In diesein Zusammenhang versteht es sich auch, daB das Wesen
der Religion immer mehr in Furcht und Hoffnung erblickt \Yird. 1 )
Aber diese scheinbare Verscharfung des moralischen Elementes in der
Erlosungsreligion hat immer zur Folge, dafi die eigentlichen Gaben der
Religion in die Zukunft projiziert werden. Erst im jenseitigen Leben
wird die Erlosung und die Seligkeit erreicht. Unter Gottes Herrsehaft
und Gerechtigkeit in diesem Leben zu kommen, hat Jesus angeleitet
(Mt. 6, 33), jetzt leistet der Mensch die Gerechtigkeit selbst und die
erlosende Herrsehaft wird erst yon der Zukunft erwartet, das Reich
Gottes ist eine rein eschatologische Grofie geworden (s. unten).
28. Die letzten Bemerkungen haben uns aber bereits in ein neues
Thema hineingefuhrt. Es handelt sich. nacMem wir : erkannt haben,
worin die Heilsgaben bestehen, um das neue Leben der Christen ,
das durch jen'e Gaben gewirkt wird. Die Antwort auf diese Frage ist
implicite in der Anschauung der Heilsgaben enthalten. Christus gibt
das neue Gesetz. also sollen gute "Werke des Lebens Inhalt sein; Christus
wohnt in uns und leitet das Leben und vergibt die Slinde, dem korre-
spondiert die alte Tormel, dafi das christliche Leben ini Glauben, der
1) Did. 4, 9f. : &7tb rrjs VBOTI]TOS SiSdt-sis (die Kinder) ibv y 6j3 or tov dsov'
oiir. ETtird^eis Sov),(o aov rj TtatSiay.r] roTs ETTI ibv aiiibv dsbv s^Tci^ovaiv Iv
mxgiq aov. Barn. 11, 11: ava(3aivo/.iei' (aus der Taufe) xaQTtocpoqovvTes ev trj
xaqSia rov yoftov xai rrjv e^Tt'iSn sis ibv ^Irjoovv ev rc5
Das neue Leben und das'neue Gesetz. 145
Liebe und der Hoffnung besteht. Das sind die leitenden Gesicbtspunkte,
sie geben naturlicb oft ineinander iiber.
Cbristus bat uns das neue Gesetz gebracbt. Das neue Gesetz ist
frei vorn. Zwang der Notwendigkeit, oder es ist dem Menscben in das
Herz eingegangen ; es f ordert nicbt Opfer oder Fasten, sondern die Hin-
gabe des Herzens. *) Das Gresetz zerfallt nun in eine Yielbeit von
Geboten, die nicbt von der Synagoge genommen sind. sondern die
den Cbristen durcb den ,,Weg des Lebens" von Anfang an bekannt
werden. Dies sind die svroiai, die die Obristen erfiillen sollen und im
Hinblick auf eben diese Gebote wird Cbristus als der neue Gfesetz-
geber 2 ) bezeicbnet. Die Gebote bat der Cbrist ini Glauben empfangen
(Herm. V. I. 3, 4). Er befolgt sie, wie 2. 01. betont. mit dem Motiv
Cbristus fur seine Gfnade einen ,,Lobn" zu bieten (1, 3. 5). Es ist das
Bekenntnis zu Cbristus, das aber in "VVerken besteben soil, und das im
siindigen Leben sicb als eine fortdauernde aktive [.levdvoia darstellt
(2. 01. 4, 3 ; 8. 13 ; 9, 7. 8 ; 13, 1 ; 19, 1). 3 ) Zu der Erfiillung der
Gebote Cbristi bat der Menscb allerdings von Natur die Tendenz, aber
zur Yerwirklicbung bedarf es docb, aucb nacb Hennas, der Einwobnung
G'ottes im Herzen.*) Die Befolgung dieser Gebote ist die Hauptpflicbt
und sie sicbert dem Menscben das ewige Leben (z/B. Barn. 4, 11 ff. ; 21,8.
1) Barn. 2, 6: TO.VTU (die Opfer) ovv xarrfgy-qaev , Iva 6 y.aivbs vopos TOV
y.vgtov fj/.twv 'I'tjaov Xoiatov, avsv tyyov avdyxys cov, fir) &vd'()cono7toit]TOv e%r] ii]v
TtQoocpOQdv. 2, 10; 3, 6: Ttgoeyavejicoaev ijfilv nsgi Ttdvrcov, liva fiij Tt^oa^aaiufisda
tag eTtijkvToi TCO s'/ielvcov (der Juden) voficp. 1. 01. 2, 8 : ia TtgoardyfiaTa y.ul TO, Stxaico-
fiata, iov '/.VQ'IOV eTtl to, Tthdrr] Tfjs ttagSias iifitSv syeyqaitTO, vg'l. Jak. 1, 25. Gal. 5, 1.
2) Der Sachverhalt ist besonders klar Barn. 21, 1: nachdem die beiden
Wege mitgeteilt sind, heifit es: y.albv c&v sanv fiad-ovra rd 8iy.aiib/.iaia. tov
, oan yey^aTtrai (namlich C. 19. 20), ev TOIJTOIS TteftntaTeZv 6 yap tavra
sv ifj ftaaileiq tov dsov doizaafrifeeTat. Hier ist es handg'reiflich klar,
1. das die Gebote, deren Erfulhmg die Seligkeit bringt, eben die der beiden
Wege sind, 2. dafi Ohristus als ihr Urheber g-edackt wurde, ebenso 1. Tim. 6, 3
vgl. Aristid. Apol. 15, 9, wie- er auck Urheber des Evangeliums ist, s. nnten
8. Wer diese Gebote 'tibertritt, soil seine Ubertretiuigen bekennen (Did. 4, 14
nach Auffiihrung der Gebote), die BuBe bestekt aber, wie die Mandate des
Herm. zeigen, wieder in der Erfullung der Gebote. Die Betonnng des christ-
lichen Charakters tier ,,Wege" beweist iibrigens nickts Durchscklagendes gegen
ihr etwaiges Vorhandensein in der Synagoge.
3) Hauptstellen 3, 3: otros oi>v sarlv 6 [iiofrbs ij/uov, lav oitv ouo/uoyijacojisv,
Si oft 8aw-di][j,ev. 4, 3 : COOTS oi>i> . . EV tots spyois aiiTov 6fio).oycofiEv. 9, 7 f . :
Avti'fiia-diav avrco SiSovces' Ttoiav ; ro fisravofjam g| eikixfjivovs xaoSias.
4) Herm. M. XII, 5, 1 : 6 /.isv civfycortos . . . TCQodvfids son ias K-vio'f.ae TOV
&EOV (pvl.doaeiv . ., dM? 6 Sidfiokos axiyoos eoTt y.nl y.aTaSvvuarEvij avTov.
'M. XII, 4, 3: Stivarai . . jt&vtiov xal 7taaon> riav evTolcov TOVTCOV y.aTay.voievoai
6 civd-gcoTtos 6 eywv tbv XTJQIOV EV Ttj y.aodin ai>rov, s. nodi S. V, 3, 4.
Seeberg, DogmengescMohte I. 2. Aufl. 10
7. Die apostolisclien Vater.
Did. 4, 13: 6, 2. 1. 01. 3, 4; 37, .1 ; 40, .1. 5 ; 49. 1 ; 5.0, .5; 58,2,
Pol. 2, 2. 2. 01. 17, 3. 6; 19, 3. Herm. M. IV, 2, 4; V, 2, 8; VII, 4;
VHI, 12; XII, 3, 2. 5f. S. Vin, 11,4; X, 2, 4 ; 4,1).
Schon jetzt. hat man iiber den Wert und die Verdienstlicbkeit der
verschiedenen guten Werke Reflexionen angestellt. Dabei ist von be-
sondereni Interesse, dafi die solennen guten Werke des Judentunis, wie
sie Tob. 12, 8 zusammengestellt sind, wieder auftreten, regelmafiige IJbung'
werden und besondere Wirkungen hervqrbringen. Al BIOS en sind die recbte
Bufie oder das Losegeld fivr die Siinden (2. 01. 16, 4. Did. 4, 6). Das
G.eb.et, verbunden mit dem Fasten als dem cbristlichen Opfer, erlangt
von Gott besondere Gaben (Herm. V. II, 2, If. Ill, 1. 2; 10, 6. S. V,.
3, 9). ] ) Dabei gilt die Skala: Gebet, Fasten, Almosen. 2 ) Dies ent-
spricbt alles Vorbildern, die wir im Judentum haben. Das gilt aucli
von dem Begriff der libers chiissig en Werke, den wir bei Hermas
antreffen. Die Gebote Gottes ist jeder zu nalten verpflichtet, aber grofier
wii-d seine Herrlichkeit sein, wenn er mebr tut als wozu er verpflicbtet.
ist. So bandelt aber der, Avelcber was er durch Fasten erlibrigt bat,
Witwen, Waisen oder sonst Bediii-ftigen gibt. 3 ) Auf dem Boden der
cbristlicben Religion, die . die ganze deni Menscben moglicbe Hingabe
an Gott zm- Pflicbt macbt. bat diese jlidiscbe TJnterscbeidung an sick
keinen B,aum. Man scbuf diesen Platz, indem man die individuellen
Auspragungen besondei'er Frommigkeit zum Ideal, aber zu einem nur
relativ verbindlicben Ideal erbob.
1) Das Gebet ist zur festen Sitte geAVorden, dreiinaliges Vaterunser tag-lick,.
Did. 8, 3 cf. Aristid. Ap. 15, 10; ebenso das Fasten, Mittwoeh und Preitag, Static,
s. Did. 8, 1. Herm. M. V, 1, If. 5.
2) 2. Cl. 16. 4 : uaAdv odv eheijfiofftjvri cus fisrdvota anaffiias '. x^sioocov-
iTjotBia, Tt^oaev/fjs, l^eiiaoavj'i] Se &/.i(pore(>coi>. 'Ay&Tti] SE vakvitTsi TtArjO'os df
(1. Ptr. 4, 8), Ttgoaev'/i] SE &/. y.ahrjs awsiStjasfos &"/ ftavdrov irueiai.
Tt&i 6 Bii^B&el-; KV TOVTOIS fthtfytji sf.si]ftoai)vi] ya.^ y.ovyKffiu ufiaoTias yivemi.
Interessant ist, daJS atich hier das BuBgebet als das eigentliche Heilmittel in.
BetracM koinmt, das Alinosen. tritt nur erleichternd Mnzu, vgi. oben S. 130.
3) Herm., S. Y, 2, 7; 3, 3: sav Se n Aya.d'ov rtoitfarjs ey.rog Tfjs evroiijs iov-
fl'eov, aeavrcS 7te<)i.7toiijai] So^ar Tte^iaoore^av y.al ear] evSo^ots^os Ttutta rep &sca ob
ef.ieU.es elvai. ib. 3, 7 zeigt, wie durch Almosen das Fasten zum vollkommenen
gottgefa'Uigen Opfer wird vgl. Aristid. Ap. 15, 9. Grenau so. wie Hermas imter-
scheidet das spatere Judentum die Gesetzeswerke (niisa) von den freien Liebes-
werken (o^cn n-i^oi), die vom Gesetz nicht gefordert, aber besonders verdienstlich
sind, s. Weber, Altsynag. Theol. S. 274 ff. 318 ff. Bousset, Rel. ,d. Judent,
S. 385 f. Indem nun aber die personliehe Barmherzigkeit und- Freundlichkeit im
Christentum zu den Geboten gehorte (s. Did. 1, 3ff. cf. 15, 4, freilich fehlte
dies Stuck der Did. zur Zeit des Herm. wohl sicher), so nahm die Abstufung
eine neue Form an, s. noch M. IV, 4, 2, wo. das Eingehen der 2. Ehe zwar niclit
Siinde ist, der Verzicht aber eine groUere Herrlichkeit erwirbt.
Gute Werke. Glatibe und Liebe. 147
29. Wir reden zweitens von cler Bestimnmng des Christenlebens
als Grlaube, Liebe, Hoffnung; oder aucb nur Gflaube und Liebe., 1 ) Einer
genaueren Erorterung bedarf nur der Grlaubensbegriff, Nocb immer ist
dieser Begriff der einfacbste Ausdruck des subjektiyen Cbristentums ;
der Grlaube vereinigt uns mit Grott, indem er uns zu Him emporfuhrt
(Ign. Epb. 9, 1). Oder der Grlaube ist die Gfeborsanisgesinnung, die von
Grott die Grebote empfangt, oder er ist die tlberzeugung des Gfott er-.
scblossenen Herzens, dafi er Heil gibt. Im Gregensatz zu den dlipv%0l
oder Zweiflern ist der Grlaube kraftig und kraftigt, er stammt von Gfott
und bat grofie Kraft, wabrend die diipv%ia voni Teufel berkonunt und
der Kraft entbebrt. Daber ist der Grlaube aber aucb die zuversicbtlicbe
Stimmung, deren der Beter bedarf, oder scbliefilicb aucb die vorztiglicbste
Tugend. Alles dies stebt bei Hennas. 2 ) Man kann daraus seben, wie
fast alle neutestamentlicben Nuancen im Grlaubensbegriff nocb, empfunden
werden. Grlaube ist eben der geistige Zustand, der durcb die Gfottes-
gemeinscbaft entstebt, daber sind Furcbt und Gfeduld, Langmut und
Selbstbeberrscbung , Weisbeit und Erkenntnis die Genossinnen des
Grlaubens, und die Haupttugenden werden als seine Tocbter angeseben. 3 )
Im Sinn der innerlicben Lebensgemeinscbaft verstebt aucb Ignatius den
Gflauben. Obristus selbst ist der vollkommene Grlaube (Sm. 10, 2), oder
der Grlaxibe ist Anfang des ewigen Lebens, und Grlaube und Liebe als
Einbeit sind Grott" (Epb. 14, 1). 4 ) Das ist also der Grlaube, das Erfullt-
sein von Grott (vgl. Magn. 1, 4).
Freilicb ist nicbt zu iiberseben, dafi aucb dieser Begriff enger und
einseitiger genominen ist als im Neuen Testamente. Dies liegt an zweierlei:
einmal daran, clafi der Gflaube, sofern er Hinnabnie ist, es docb baupt-
sacblicb mit den Greboten zu tun bat ; daber wird aucb bervorgeboben,
1) Barn. 1, 4. Pol. 3, 2. 3. Ign. ad. Pol. 6, 2. Eph. 1, lj 9, 1; 14, 1; 20, 1.
Magn. 1, 2; 13, 1. Philad. 11, 2. Sm. inscr.; 1, 1; 6, 1. Herm. S. IX, : 17, 4.
2) Herm. M. VI, 2, 10. V. I, 3, 4: sav trj^riaioaiv TCI. vovifia TOV -9sov, &
naQElaflov lv : ueyd%r] Ttiafst. V. IV, 2, 4: rfjv xaydiav ffov rfvoi^as TCQOS
rbv KVQIOV mcrrevaas , on Si oiiSevbs Stivfl acodfjvai el /.irj Sia lov fisydAov y.cti
svSo^ov bv6/.iatos. M. IX, 10: svSvadfisvos ti^v nianv iijv ia%v()av nai
V. Ill, 5, 5 : la^vQoii. eaowrai. sv TIJ TtioTet, ib. 12, 3 : evewafico{)r]rs EV rrj Tti
Gegensatz zur Siyw/ja z. B. M. IX, 5. 7. 11, diyv%os aucb. Jak. 1, 8; 4, 8; nacli
Did. 4, 4 (cf. Barn. 20. 1 dmloxagSia), ist der Ausdruek woh.1 nacb. den. beiden
Wegen gelaufig gewesen, s. noch 1. Cl. 11, 2; 23, 21 2. 01. 11, 2. 5; 19, 2.
M.-/IX 7: nlarsve rep deed, STI Ttd-ina rd ahrffiatd aov S. aheis hty!]. Glaubens-
tugend M. V, 2, 3. V. Ill, 8, 3.
3) Barn. 2, 21. Herm. V. Ill, 8, 3ff. Pol. 2, 1.
4) *Qv otiSev hav-frdvei V/.MS, edv reheicos els 'Irjaovv XQIOIOV %%>YC ii]v
aal ii}v aydTti]v, iJTts eovlv dy/ft ^corjs VM\ ieios' dq%ij fiev'jtioris, telos Ss
TO, Se Svo ev &v6rr)Ti ysvofieva deos sariv, cf. Magn. 1, 4: -deov yeiierco.
10*
148 ? Die apostolisehen Vater.
da6 er an und fur sicli nicbt geniige, sondern eines Beisatzes von Furcbt
bediirfe (Herm. M. X, 1, 4ff. ; VII. 4). Sodann aber beginnt der Glaube
imnier mehr auf die Zulcunft sich zu richten. Man stellt Grlaube und
Hoffnung zusainmen (1. 01. 12, 7), oder bestimmt den Glauben als Ver-
trauen oder Hoffnung (rtions V rtertoi&iJGSi, 1. 01. 35. 2; 26, 1; 58, 1 ;
2, 3. Barn. 1,6; 4, 8 : ekrtlg Tfjig Ttiorecos), oder man legt der Hoffnung
bei, was dem Grlauben zukomnit. J ) Diese Yerscbiebung des person-
licben Heilsstandes 1st durcbaus begreiflicb ini Yergleicb dazu, was wir
ilber die Heilsgaben borten. War das Gesetz sowie das ewige Leben
die Hauptgabe, so wird das Erleben dieser Gabe naturgemafi in der
geborsainen Aufnabme des Gesetzes und in der Hoffnung auf die jen-
seitige Belobnung des Geborsams besteben. Granz deutblcb wird dieser
Zusammenbang bei 2. 01.. wo der Grlaube einfacb als Fiirwabrbalten der
Lobnverbeifiung auftritt. 2 ) Aber so entleert ist der Grlaube docb nocb
nicbt, als es biernacb scbeinen konnte. Nocb. baftet ibm die Art des
Erlebens und der wirklicben Gemeinscbaft mit Grott an. Scbon steben
Furcbt und Hoffnung 3 ) auf dem Plan, inn. den Grlauben abzulosen, aber
nocb ist er nicbt verdrangt. Wir treiben wabrlicb keine Wortklauberei,
es bandelt sicb. aucb bier scbliefilicb um den Gregensatz zwiscben Er-
losungs- und Moralitatsreligion : der Grlaube an die gegenwartige erlosende
Herrscbaft Gottes oder die Furcbt vor Gottes Gebot und die Hoffnung
auf jenseitigen Lobn!
Das Ganze des cbristlicben Lebens ist Glaube und Liebe : TO yccQ
olov sorlv TCiGtic, xal aydrtr], cov ovdsv rtQOKeKQwai (Ign. Sm 6, 1).
30. Das Bewufitsein der Einbeit in den altesten Geineinden stiitzte
sich nicbt zuletzt auf die gemeinsame Hoffnung. Scbon gab es Cbristen,
die sicb von der Genieinde loslosten und in der Einsamkeit ein Privat-
cbristentum sucbten. Ibnen gilt die Mabnung, zusaminenzubleiben mit
den Brtindern, ist docb das Ende nab. 4 ) Wie die Obristenbeit' der
1) Z. B. Barn. 6, 3. 9; 11, 8. 11; 8, 5: ol Blni^ovrss In aiirbv ^aovcat sis
lov aicova. 12, 3 : ov Swavrai awflfjvcu , ectv f.ii] en aittco einlacoaiv. Herm.
M. XII, 5, 2: ov Swarai (der Teilfel) y.araSvvaaTsvsiv rcav . . . s^ o).i]s xagSias
f.).7ti,6vTcov 87i avtbv. 2. Cl. 11, 5.
2) 2. Cl. 11, 1 : sav Ss fii] Sovf.svacofisv Siot, to f.ii] TTIOTSVSIV fjiius trj Knayyehiq
lov \)EOV, lalMmcogot saofis-da. 11.5: fifj Siijjv^cofisv, aV,a. efaiaavres iino/.t,eivcof.iEv,
tva. y.al ibv fiia-Sbv xofuacafisda.
3) S. bes. Barn. 11, 11, wo ,,Furckt und Hoffnung" die Wirkungen der
Taufe sind.
4) Hbr. 10, 25. Did. 16, 2: nvxvcos Ss ovva%di']a8ads QrjTOvvres tat, avrjxowm
tats tfjv%a.rg itficov. Barn. 4, 10: ,} '/.a.& > eavroiig svSvvoviss fiovd^sre cos i]8tj
SsSiy.aicofisfot, a.W Km, to avtb auvs<)%6fievoi avvtytelts itsgl tov v.OLvT] avfiys^ovros.
10, 11 : y.ollaads fiera t&v <po[3ov(.ievcov tbv xtiqiov. Herm. S. IX. 26, 3 : ysvofievoi
Das Ernie 1st nah. ^ 149
Gregenwart sicli als eine Geineinschaft darstellte, so wird auch ihre Zu-
kunft als ein Gemeinleben gedacht. "Was hienieden die Kirche 1st, wird
in der Vollendung das Reich Gottes sein. 1 ) Aber nicht alle, die gegen-
wartig zur Kirche gehoren, werden einst Gflieder des Reiches sein. Daher
beginnt der Begriff der Kirche selbst gespalten zu werden. Hennas Aveifi,
.dafi im Turm der Kirche viele tinbrauchbare Steine sind, und dafi viele,
die Zweige von deni grofien Weidenbaum Christus (dem Gesetz) empfangen
haben, sie verdorren liefien. Ihra ist nun die Aufgabe geworden, durch
die Bufipredigt den Gegensatz zwischen Wesen und Erscheinung der
Kirche aufzuheben, das Ende ist nahe, daher sollen nur lYomrne hinfort
zur Kirche gehoren (S. IX, 18, 3f. ; 9, 4; 7, 2. X, 4, 4). Aber Hernias
weifi, dafi, wie ira "Winter die saftigen und die verdorrten Baume das
gleiche Aussehen haben, in dieser Welt die Gferechten nicht anders aus-
sehen als die TJngerechten. 2 ) Erst die kiinftige Welt macht den Unter-
schied offenbar (S. IV, 2). Daraus ergibt sich, dafi die wirkliche heilige
Kirche oder das Eeich Grottes erst der Zukunft angehort, und dafi in
der Gregenwart die wirkliche Heiligkeit aller Grlieder zwar zu erstreben,
aber doch nicht zu verwirklichen ist. Reich Grottes und Kirche, und
das "Wesen und die Erscheinung der Kirche treten in Gegensatz zu-
einander. Noch empfindet man nicht das Grewicht dieses Gfegensatzes,
denn es ist ja das Ende nahe, und es ist schon die letzte Arbeit, die
am Bau der Kirche ausgefuhrt wird.
Das Ende ist nahe ! Wie oft ist in jener Zeit dieser Gedanke aus-
gesprochen werden (z. B. Barn. 4, 3. 9; 21, 3). Das Merkwiirdigste
dabei ist, dafi er die sittliche Kraft nicht untergraben hat. In zwei
Typen tritt im N. T. die Eschatologie auf. Man konnte den einen den
lyrischen und den anderen den draniatischen nennen. Jener sagt kurz
von der Nahe des Endes, seiner Verborgenheit xind der Pflicht sich be-
reit zu halten, dieser gibt die Vorzeichen des Endes und die Vorgange
dabei an. Beide Typen sind so beschaffen, dafi sie die Tlngeduld nicht
aufkommen iind die Zeit nicht lang werden lassen. Der erste indem er
zur personlichen sittlichen Selbsterziehung , der andere indeni er zu
frommer Beobachtung der Geschichte anleitet. Die Wahrheiten, dafi
ts ,<} y.o)J.cdf.isvot, rots Sovhois tov $eov dhha (tor d,o vies drtottvovot.
tag EO.VTWV tpv%ds.
1) Did. 9, 4: avva.%3rjtco aov i] eaxfaiaia d?tb i<ov Tteqdrcov trjs yfjs els t-tyv
ai]v fiaoileiav. 10, 5. 2. Cl. 5, 5; 9, 6; 12, 6; 19, 4. 11, 7: sdv olv x
<ir\v Siy.aioavfrjt' Kvdvtiov tov deov elaij^ofisv els ii]V fiaaiheiav avrov xul
rcis
2) S. Ill, 2 : ovre ol Si'/.atoi yaivovTcu ovre ol dfiaorcoAoi ev TCO alwvi rovrcS,
dl,K S-inioi elaiv.
150 7- Die apostolischen Vater.
,,reif sein alles ist" . und] dafi die Geschichte Gottes ist, sind an
diesen eschatologischen Stinimungen der Menschheit aufgegangen. Sie
haben die Christenheit niclit triige und dreist gemacht, sondern sie wachsam
und demutig erhalten. ..1st denn das Ende schon da?", fragt Hernias;
die Kirche aber antwortet ihm : ,,Unverstandiger Mensch. siehst du nicht,
dafi der Turin noch im Ban ist ? Wenn der Ban vollendet ist, dann ist
das Ende da; es wird aber scbnell gebaut werden. Frage mich nichts
mehr. es geniigt dir und den Heiligen diese Erwahnung und die Er-
neuerung eurer Geister" (V. HI, 8. 9). ,,Heilet euch also, solange
noch der Turin im Bau ist" (S. IX. 32. 1). ,,So tuet denn gute Werke,
die ihr es vom Herrn empfangen habt, damit niclit, falls ilir zogert, der
Turmbau zu Ende komme . . . "Wenn ihr euch niclit beeilt gut zu
handeln. wird der Turin fertig und ihr werdet von ihm ausgeschlossen
werden (S. X, 4. 4). Das ist die praktische eschatologische Stimmung,
mit der sich natiiiiich die Furcht -vor den ewigen Strafen und die Sehn-
sucht nach den ewigen Freuden verbindet.
31. Aber auf diese Stimmung blieb die alte Eschatologie nicht be-
schrankt. Hbr. 6. 2 erwahnt als Stiick der christlichen Elementarunter-
weisung auch ,,die Auferstehung der Toten und das ewige Grericht".
Dem entspricht es, dafi Did. 16 ein kurzer eschatologischer Abschnitt
zu lesen ist. und dafi Kenntnisse auf diesem Gfebiet bei den Lesern nicht
selten vorausgesetzt werden. Did. 16 fafit die Hauptsachen zusanimen
(Pseudopropheten, der Antichrist, die Yorzeichen, die Auferstehung, das
Kommen des Herrn). Im einzelnen mufi verwiesen werden auf die chrono-
logischen Erwagungen, die Barnabas anstellt: daraus, dafi Dan. 7. 24
in Erfiillung gehe, wird die Nahe des Endes erschlossen (4, 3 ff.). J )
Entsprechend den sechs Schb'pfungstagen wird Grott in sechs Jahrtatisenden
diesen "W'eltlauf zuin AbschluB bringen, da vor ihm ein Tag wie tausend
Jahre ist. dann folgt dem Sabbat -entsprechend -em siebentes Jahr-
tausend. in dem Christus die Welt erneuert, und die vollendeten Ge-
rechten diesen Weltsabbat heiligen. Darauf bricht die Welt der Ewig-
keit an, der achte Tag, der sein Yorbild am Sonntag hat (15, 5 9).
Das ist nur die christliche Erweiterung chronologischer Spekulationen,
wie sie vom Spatjudentum gern betrieben wurden. 2 ) Indem man an dem
jiidischen Yorbild festhielt, war man auch zur TJbernahme der ganzen
sinnlichen Herrlichkeit des 7. Jahrtausends oder des Milleniums ge-
notigt. Im engsten Anschlufi an die jiidischen Yorbilder (Henoch 10, 19.
1) Die Abfassung unter Nerva, dem elften Kaiser, der drei zusammen al)-
getan hat, namlich clem flavischen Geschlecht den Thron nalim. scheiut mir
hiemach siclier zu sein. .
2) S. Bousset, Eel. d. Jud. S. 234 f.
Millenium uhd Weltende. 151
Apolt. Bar. 29 cf. Sib. Ill, 744 f.) hat Papias Jesum von der wunder-
baren Pruchtbarkeit der Erde reden lassen, und von einer leibhaftigen
tausendjahrigen Herrschaft Ohristi berichtet (bei Iren. V. 33, 3f. Eus. h. e.
Ill, 39, 12). l ) Dariiber hinaus lag dann der eigentliche Himmel der
'Christen mit der ewigen Seligkeit. So wurde der Weltabschlufi des
Judentums neben dem christlichen konserviert, indem man ihn als Vor-
stuf'e der Vollendung stehen liefi. tJber die Auferstehung handelt
1. Cl. 24 26 eingehend. Nacht und Tag, Saat und IVucht. aber auch
; den Phonix als Zeugen aufrufend. Auch diese Beweise, besonders auch
die Heranziehung des Phonix, sind jiidischen Ursprungs. 2 ) Nach der
Auferstehung findet das Gericht statt (2. Cl. 9, 5), als Mafistab dierien
Christi Gebote (ib. 6, 7), erne doppelte Vergeltung findet statt. 3 ) Diese
Gedanken werden gern als Motive zur Sittlichkeit bemitzt. Es gab ja
in der Tat kaum einen so kraftigen Antrieb zur Sittlichkeit als den
Gedanken. dafi die Werke iiber des Menschen ewiges Geschick entscheiden.
Diese Vorstellung stammt aiis einer anderen Zeit (sie gehort der Gesetzes-
religion an), aber sie ist stehen geblieben. 4 ) und ist dann eine starke
Stiitze der moralistischen Anschauung des Yerhaltnisses zwischen Gott
und dem Menschen geworden. 5 )
32. Die ausiiihrliche Erorterung. die wir angestellt haben. gait der
Grundlage, - auf der sich die Entwicklung der christlichen Gedanken voll-
aogen hat. "Wir haben dabei immer auf den Zusammenhang zu deni
Christentuin der Apostel geachtet. Erhebliche Differenzeh der An-
schauung und der Empfinduug stehen neben einer auffallenden Konti-
nuitat der Gedanken. Aber das Yerstandnis dieser Sachlage ergibt sich
nicht aus der Annahme, dafi der paulinische Lehrtypus zugrunde liegt.
r mifiverstanclen und vergrobert woi'den ist. Gegen diese Anschauung
1) Dieses Schema ist auch Apok. 20, 1 6 "benlitzt uud von dorther in -die
Kirchenlehre gekommen. Ubrigens mag die Tradition, der -Papias folgt. m'.eht
dm Unrecht gewesen sein, denn Jesiis hat sich freilich der Elemente der jiidischen
Eschatologie bedient, Avie besonders Mt. zeigt.
2) S. Meriiber Spira, Escbatol. d. Juden, Hall. Diss. 1889,. 8. 32 ff.
3) 2. Cl. 11, 6; 15, 5; 10, 4: dyvoovoi ij).ixt]v e%et fidanrov S] IvddSe drtot.avats
y.ai o'iav r^vffjv %%ei ?). ftekkovaa enayyel-ia.
4) Das ist erne haufige Erscb-einting, man redet z. B. vom ,,Verdienste."
imd der ,,Satisfaktion" Christi, obgleich diese Begriffe soiist prinzipiell aus dem
protestantischeu System ausgeschaltet siud.
5) Herm. V. Ill, 7, 5. 6 hat man den (jedanken des Piirgatoriuiiis n'ndeii
wollea, aber sicher mit Unrecht; es heifit, daC auch fin- die, die zeit\veilig dem
Ban der Kirche nicht eingegliedert werden kounen. spater, wenii sie ihre Silnden
abgebufit haben, die Mb'glichkeit bei einem geringeren Kirchbau Verwendung zu
finden, besteht. Der Ban ist also an der Stelle aitf die Kirche der G-egemvart
resp. der Zukunft xu beziehen.
152 7- Die apostolischeu Viiter.
Hitschls oder M. v. Engelhardts hat Haruack mit Recht Einspruch erhoben.
Der paulinische Lelirtypus als solcher bildet iiberhaupt nicht die geschicht-
liche Grundlage der religiosen Erkenntnis der nachapostolischen Literatur,.
so sehr die Schriften Pauli tind eiuzelne Formeln aus denselben bekannt
sind und verwandt werclen. Ganz ahnlich verhalt es sicb mit der sonstigen
apostolischen Literatur. Am meisten Yerwandtes liegt noch vor zu den
katboliscben Briefen. Aber auch hier handelt es sich nicht um eine-
schulmafiige literarische Abhiingigkeit, sondern um einen gemeinsamen
geistigen Besitz und verwandte religib's-sittliche Stimniungen. ' Es ist
Einheit in der Grundlage vorhanden. Diese Grundlage besteht aber ia der
gemeinchristlichen ,,Lehre", die wir alsbald genauer kennen lernen werden.
Der Grundstock der Begriffe, Anschauungen und Urteile ist fiir die aposto-
lischen Yater wie fiir die Apostel ehvas Gegebenes und TJberkoninienes.
Manche Anschauung des Paulus oder des Johannes lafit sich auf diesem
TJniweg iiber die apostolisclien Yater als christliches Gemeingut begreifen r
wie sich uns gezeigt. Begriffe wie die Trias, .der Herr im Himmel^
Christus als das Wort, die Trias Glaube, Liebe, HofEnung, die Gerechtig-
keit, die Taufe, das .,Fleisch" Christi im Abendmahl, das ,,neue Ge-
bot" etc. sind nicht paulinisch oder johanneisch, sondern gemeinchristlich,
Die gemeinchristliche Lehrtradition erklart die Gemeinsamkeit der Grund-
anschauung hier und dort, und sie allein erklart sie wirklich.
Aber niemals lafit sieh im kraftigen Strom des Lebens eiri Gedanken-
komplex unverandert fortpflanzen. Wohl konnen sich die Formeln wie
sie waren erhalten, aber je nach deni besonderen Bedarf der .Zeiten
wechselt ihr Yerstandnis und der Besitz, den man aus ihnen erwirbt.
Das hat schon Paulus erkannt, indem er ,,sein Evangelium" dem ,,Evan-
gelium der Beschneidung" an die Seite stellte. Gerade dieser Gegensatz
ist es aber, der den Fortschritt resp. die Diffei'enzen, bemessen am
,,alten Evangelium", erklart. Dafi die Kirche immer mehr heidenchrist-
liche Art annahm, das war der treibende Faktor in der Entwicklung.
Unter diesem Gesichtspunkt will letztere zunachst verstanden sein, nicht
als ,,Abfall" oder Depravation. Darum handelte es sich, was der Heide
jener Tage brauchte und suchte. Der Heide brauchte aber den nahen r
verstandlichen, lebendigen Gott, der ihm Licht und Leben im Wirrsal
der Superstitionen und der Todesfurcht gibt, der ihm den Weg des
Guten zeigt und die Kraft ihn zu beschreiten schenkt; es bedurfte
weiter der sittlichen Zucht, der Organisation der Lebensformen, sollte
das Christentum im Gedrange der Kultur und der Mysterien des ,,Yolker-
chaos" zu einer geschichtlichen Macht werden. Das war die Nachfrage
und sie regeitej Avie immer, das Angebot. Paulus hatte mit ungeheuerem
Idealismus die Liebesmacht des Geist-Herrn verkiindigt, er hatte dadurch
Judische und heidnische Elemente. 153
das Zentrum der Erlosungsreligion der ganzen Welt erschlossen, und
clabei hatte er die religiosen Beziehungen zum Judentum durchschnitten :
alle empfangen den Geist, der das Herz reinigt und Angeld des ewigen
Lebens 1st, der Gesetzeswerke bedarf es nicht zur Siindenvergebung.
Aber wie sehr war er andrerseits darauf bedacht, den Geist an feste
empirische Formen zu kniipfen, und wie genau achtete er darauf, dafi
die Gebote und Verbote der christlichen ,,Lehre" befolgt wurden, und
wie sehr spiiren wir endlich in seinen Brief en das Interesse an der Kon-
solidierung des Gemeindelebens. Weiter ist Johannes gegangen, seine
Formeln ,,Licht, Leben, Logos", ,,neues Gebot" entsprechen ganz und gar
dem Bedarf der Heidenchristenheit. Auf dieser Bahn bewegen sich auch
die apostolischen Vater. Aber hiermit ist an sich noch keineswegs gesagt,
dafi dies Verhaltnis von Angebot und Nachfrage eine Eulle .,heidnischer"
Elemente in das Christentum hineintragen rnufite; Man darf sich diirch
solche Aufierlichkeiten wie die gelegentlichen stoischen oder platonischen
Phrasen iiber Gott oder die Welt (z. B. 1. 01., aber auch Herm.) nicht
irrefiihren lassen. Das Eigentumliche der Lage war doch zunachst dies,
dafi man der Erlosungsreligion gern einen Zusatz von Elementen der
Moralitatsreligion gab, sie schien dadurch haltbarer und verstandlicher
zu werden. Nun war aber das Christentum von alien Seiten her von
den Kelchblattern des jiidischen Nomismus umschlossen. Auf cliesen warf
man sich, oder aus dem Judentum entlehnte man die festeren Elemente
und Institutionen, die man brauchte. Es ist, meine ich, klar, dafi dies
von den gesetzlichen und moralistischen Elementen gilt, ebenso von den
hierarchischen Tendenzen und den Traditionselementen. Aber auch in bezug
auf rein lehrhafte Neubildungen wird man zunachst innner fragen miissen,
ob. sie nicht aus jiidischen Gedanken zu erklaren sind. Wollte man
christliche Gedanken erlautern und christliche Institutionen fortbilden, so
drangten sich aus der jiidischen Tradition eine ganze Fiille von ver-
wandten Elementen herzu, wahrend das Heidentum in der aufierlichen
Gestalt wenigstens, in der es sich dem Mindergebildeten darstellte, nichts
Verwandtes darbot. Dies ist das eine Moment: der moralische und
gemeindliche Bedarf der Heidenchristenheit wird TJrsache des Eindringens
legalistischer Tendenzen und gemeindlicher Ordnungen des Judentums
in die Kirche. Zum anderen nun bedingt die religiose Fragstellung .nach
Licht und Leben, dafi diese und verwandte Momente in dem christlichen
Gedankenkreis in den Vorclergrund geschoben werden. Man denkt also
rnehr an das Todesverderben als an die Schuld der Siinde, betont mehr,
dafi Christus Licht und Leben, als dafi er Siindenvergebung bringt. Aber
diese Gedanken sind selbst der moralistischen Deutung fahig : das Gesetz
hat Christus uns geschenkt und den sicheren Lohn dafiir verheifien, das ist
154 8. Die alten Normeri der Lehre.
idas Licht und das Leben. Wird diese Deutung Wirklichkeit, dann Avirkt
der heidnische Seelenbedarf Aviederum zur Einfuhrung jiidischer Gedauken-
elemente in das Christ en turn.
So parodox dies Resultat klingt der heidenchristliche Seelenbedarf
hat jiidischen Gedanken und Tendenzen Eingang in das Christentum ver-
schafft . so genau scheint es niir dem Quellenbefund zu entsprechen.
!Die reine Erlosungsreligion hat durch Paulus prinzipiell mit der jiidiscben
Moralitatsreligion gebrochen, aber um konkret wirksam zu werden, hat
sie bald wieder Anleihen bei ihr geinacht. Aus diesem Resultat wird
es aber auch verstaudlich, dafi die einen Eorscher das Christentitm der
apostoliscben Yater mit ebensoviel Energie als heidniscb beeinflufit
ansehen, Avie die anderen von jiidischen Elementen reden. "Wir
Avissen jetzt, dafi beide Recht und Unrecbt haben. Und in der Tat
operieren die ersteren nur mit ,,Tendenzen" und Stimmungen." , die
anderen nur mit ,.Lehren" und Institutionen. diese finden nur ,.Judisches",
jene nur ,.Heidnisches". Aber zunachst hat das Heidentum so auf die
Kirche eingewirkt. dafi es das jiidische Element in ihr starkte. Aber
schon ging ein neues Stadiiim dadurch an. dafi die Christenheit einerseits
Gebildete und Bildung der ausgehenden alten Welt in sich aufnahm,
andrerseits A'olkstiimlich zu werden anfing. DaA r ou ist Aveiter zu reden.
8. Die alten Normen der Lehre; Geist, Kanon, Lehre und
Bekenntnis. Die Kirche und das kirchliche Ami.
Th. Zahn, Gesch. d. neutest. Kanons. 2 Bde., 1888ff. und Gruiidrifi der
Gesch. d. neutest. Kanons. 1901. A. Harnack, Das N. T. urn 200, 1889. Halm-,
Bibliothek d. Symbole u. Glaubensregeln d. alten Kirche, 3. Aufl. 1897. P. Cas-
par i, Ungedruekte . . . Quellen z. Gesch. d. TaTifsymbols. 1866. 69, 75, und Alte u.
neue Quellen z. Gesch. d. Taufsymbols, 1879. Th. Zahn. Glaubensregel xmtl
Taufbek. in Skizzen aus dem Leben d. alten Kirche 2 , S. 238 ff u. PEE. VI s , 682t.
Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893. A. Harnack, PEE. I 3 , 741ff.
F. Kattenbusch, Das ap. Symbol, 2 Bde., 1894, 1900. J. Kunze, Glaubens-
regel, h. Schrift u. Tauf bekenntnis, 1899. F. L o o f s , Sy mbolik 1, 1902. A. S e e -
berg, Der Katechismus der Urchristenheit, 1903, und Das Evangelium Christi,
1905. E. Seeberg, Der Begriff d. christl. Kirche I (1885). E. S o h m . Kirchen-
recht I, 1892. M. Winkler, Der Traditionsbegriff des Urchristentums, 1897. .
1. Wir haben erkannt (S. 65 f.), dafi schon in der neutestamentlichen
'Zeit das christliche Leben einerseits A r om ,,Geist" getrieben wurde,
andrerseits feste statutarische Foi-men und Normen seine EntAvicklung
bestimmten. Bei dem letzten neutestamentlichen Autor fiel uns bereits
die Vorliebe fur das feste ,,Gebot" auf. Dieser Zustand hat in del-
Kii'che des 2. Jahi-hunderts fortgedauert. aber er ist allmahlich immer
starker zugunsten der Autoritat der festen Formen modifiziert Avord'en.
Geist uncl Wort. 155
"Dies geschah einmal dadurch, dafi die gewaltigsten Geisttrager sowie
ihre Schriften selbst zu festen Autoritaten wurden (die ,, Apostel" u.
ihre Schriften, sowie die Schriften der alten ,,Propheten" u. ,,Lehrer"),
>dann aber dadurch , dafi man den ,,Geist" diesen Autoritaten unter-
ordnete, um ihn schliefilich nur noch bei ihnen anzuerkennen, nicht ohne
dafi ibr Kreis verengert wurde, indem man die ,,0ffenbarung" scharf in
die Grenzen der neutestamentlicben Zeit einschlofi. Nicht geistige
'Tragheit oder hierarcbiscbe Tendenzen baben diesen Prozefi veranlafit,
soudern die innere Notwendigkeit der gescbichtlicben Eutwicklung. Es
war wirklich so, dafi man immer mehr den Geist mit seiner inneren
religiosen Belebung und Erfabrung in den Pornien erbielt, die die
Apostel gepragt batten. An der Offenbarung, die ibnen geworden ;
empfand man die wirksame Macbt des Geistes und in den Forrnen, die
man auf sie zuruckfiibrte, bot sicb diese Macbt dar. Je mebr dies ge-
^scbab, desto fester wurde die Autoritat der TJberlieferung, desto mebr
bezog die religiose Erfabrung ihren Inbalt aus der Offenbarung des TJr-
cbristentums, und damit wurde diese zur einzigeri wirklicben ^Offen-
barung". Nicbt neue Offenbarungen meinte man jetzt vom Geist er-
warten zu sollen , sondern der Geist lebte in der alten Offenbarung.
Dazu kam , dafi sicb das Leben der Gemeinden gescbichtlicb in den
Formen der TJbeiiieferung konsolidierte. Wer sie antastete oder aufier
acht liefi, tastete dadurch das Christentuin selbst und die Kircbe an.
Und so niufite man um so mehr empfinden, als nicbt an alien Geist-
tragern ,,die Art des Herrn" zu spiiren war, tind als im Namen des
Geistes sicb Theorien und Lebensanscbauungen geltend macbten, die
pffenbar aus einer anderen "Wurzel emporsprofiten , als die war . die
Cbristus und die Apostel gepflanzt und gepflegt batten.
So ist es gekommen, dafi die Geistoffenbarungen in der Kircbe all-
mablicb ganz verscbwunden sind vor der Offenbarung Cbristi und der
Apostel und dafi das Yerstiindnis dieser nicht der Begeisterung der
Interpreten tiberlassen , sondern nach einer festen Tradition gestaltet
wurde. Nach diesen allgemeinen Benierkungen miissen wir im einzelnen
die gescbichtlichen Zustande darlegen, wie sie sicb wabrend des Zeit-
raums zwischen dem Homer Clemens und den montanistischen Kanipfen
entwickelt haben.
2. In den ersten Dezennien unseres Zeitraumes bat das Geistwesen
sicb nocb kraftig in der Kircbe geregt. x ) Yom Geist getriebene wandernde
Apostel und Propbeten waren . eine so hiiufige Erscheinung, dafi mancber
1) Eine kurze Zusammenstelhmg 1 der Geistwirkungen s. bei Harnack.
.Miss.-Gesch. S. 149 f.
156 8. Die alien Normen tier Lehre.
Sclnvindler sich dieser Maske bediente, uiid die Genieindeu der Beleh-
rung niter das Verhalten zu diesen Leuten bedurften (Did. 11 cf. 1. Joh. 4, 1).
Zu den Propheten und Aposteln traten die mit Geist ausgeriisteten
,,Lehrer" (Did. 13, 2). Der Apostel hatte den Drang und die Gabe
zur Missionsarbeit in sich, der Prophet sprach ,,im Greist" neue 'Wahr-
heiten und Offenbarungen aus, der Lehrer leitete zu tieferem Verstiind-
nis der iiberlieferten Wahrheit : ) an. AVandernde Missionare werden
z. B. im 3. Jobannesbrief (v. 5f.) empfohlen. 2 ) Das Hermasbuch lafit
tins mit unvergleichlicher Anschaulichkeit in die Inspirationen eines Pro-
pbeten blicken, und der Yerfasser des Barnabasbriefes gibt immer wieder
zu verstehen, dafi Gott ihm die Grabe der Lehre und Weisheit verliehen
habe. und er von ihr Gebrauch zu machen die Pflicht habe (1, 5. 8;.
4, 9; 6, 5. 10; 9, 9). 8 ) Aber der Geisttrager im spezifischen Sinn
ist doch der Prophet. Wenn er .,im Geist" redend Unerhortes lehrte-
oder forclerte, clann enipfand man deutlich das Walten einer iiberirdischen
Macht, es war etwas anderes als bei clem predigenden Missionar oder
deni allegorisierenden Lehrer.
Der Prophet nun spricht und handelt sv 7tvev[.iavi. In mancherlei
"Weise geschieht das. Der Greist ergreift Hennas und tragt ihn iiber-
unwegsame Strecken fort, und eine Frau, nach der er Begehr getragen,.
erscheint ihm, ihn der Siinde anklagend (Vis. I, 1, 3f.). Dann schaut
er auf eineni weifien Stuhl eine Greisin sitzend (ib. 2, 2), sie gibt ihm
ein Biichlein, das er, ohne es zu verstehen, absehreibt (Vis. II, 2, 3f.),
dann wird ihm das Verstandnis ,,offenbart". Hennas Melt die Fran fur-
die Sibylle, es ist aber die Kirche (ib. 4, 1). Sie lafit ihn Visionen
sehen und erlautert sie ihm. Spater erscheint sie als strahlende Jung-
frau. Endlich nimmt sich ein Engel in Hirtengestalt des Hennas any
ihm Gebote mitteilend und die A 7 isionen ihm erklarend. Durch Fasten
und Gebet bereitet sich Hennas auf diese Visionen vor ; unverdrossen
fragend bemiiht er sich um ihr Verstandnis. Die Rede des Pro-
pheten ist von Gott inspiriert. 4 ) Mitten in die natiirliche Rede hiuein
kann soldi eine Inspiration fallen. So rief einst Ignatius mitten in,
1) Scharf ist die Aufgabe des 8i8day.a).os bestimmt als die Erganzung des;
Glaubens durch Erkenntnis bei Barn. 1, 5: er scbreibt iva fiera vtfs TtiaTscos vfi&v
ie).f.iwv eyj/Te TIJV yvffiaiv.
2) Dafi die dxdaTo/.ot in dieseni weiteren Sinn Charismatiker sind, zeigt das.
N. T., wo sie ebenso wie Did. 11, 3 mit den Propheten zusammengestellt werden,
s. 1. Kor. 12, 28 f. Epb. 2, 20; 3, 5; 4, 11. Apok. 18, 20.
3) Barn. 9, 9 : oiSev 6 ii t v le/.Kpviov dcoqeaw Tfjs SiSa'/fls ainov Oe/nei'os ev fjulv-.
4) Hernias Mand. XI, 8 : oiiSevl oiiSev aTtoxqivsiai S7te^tat(.b/.ie>'os oiiSe /.ata
ftavas hal.eT, oiiSi- firav &),>] uvftQroTtos IM}.BTV, IM!,BI to wsvfta TO ciyiov, aMa TOTE
t.al.ei, OTUC &s/.r l oij aiiibv b fl'ebs /.^,?7ff.
Die altkirehliche Prophetic. 157
iner Rede, plotzlich mit der Stimme Gottes redend: ,,Haltet euch an
den Bischof und das Presbyterium und die Diakonen".. 1 ) Wie die alt en
Propheten kann der Prophet auch durch symbolische Handlungen wirken. 2 )
Aber wie immer er redet oder handelt, soil er, solange er ,.im Geist" 1st,
nicht durch Kritik gestort werden, denn das ist die Siinde wider den
Geist (Did. 11, 7). Der Prophet darf auch bei der eucharistischen
Feier eigene Gebete sprechen (Did. 10, 6). Aber freilich soil man dem
Propheten auch nicht kritiklos folgen. Es kommt darauf an, dafi er
die Art des Herrn an sich tragt und selbst befolgt was er lehrt. 3 )
Wer das nicht tut, sondern Gewinnsucht offenbart oder wie ein Magier
den Fragenden sagt was sie gern horen, der ist ein Pseudoprophet. in
'dem der Teufel wirkt, der ihn aber gelegentlich auch Wahres sagen lafit. 4 )
Das ist die Prophetie in unserenl Zeitalter. Mehr noch als in der
Kirche scheint sie in den gnostischen Kreisen gebliiht zu haben (s. unten).
'Tiefe ernste Worte haben diese Propheten gesprochen, aber in ihren
Kreis drangten sich auch vagabundierende Wahrsager schlinimster Sorte.
Das Prophetentum ist geradezu eines der Tore gewesen, durch das die
sensationsliisterne wundersiichtige Frommigkeit der Zeit in die Kirche
einzudringen trachtete.
3. Der direkte Kampf wider die Prophetie ist erst spater eroffnet
worden. Aber voni Anfang unseres Zeitraumes an stehen die Machte
auf dem Plan , die schliefilich den ,, Geist" iiberwunden haben. Die
Norinen der apostolischen Zeit wirkten fort. Der jiidische Einschlag,
der hierdurch fur immer in die Kirche eingedrungen war, 5 ) wurde aber
1) Philadelph. 7, 1 : el yap y.al XUTU adpxa fie rives ^d'eAijaav n&avfjoai, at.la
TO Ttvevfta ov Ttkavarai dab 9'sov bv . . . expavyaaa fiSTa^v &v ekdl.ovv fieydfyj
(fwvil, d'sov (jpcovfj- tcp STtianoTtq) TtQom'jexe y.ai tea Ttgeaftvcegicp v.ai dtazovois, cf.
Eph. 20, 2 und Martyr. Perpet. 7 iiiit.
2) S. Did. 11, 7. 11. Der Prophet lafit eine Tafel herrichten, dann darf er
aber nicht von ihr essen. Dunkel ist 11, 11 : noiwv els fivari'^iov y.oaf.uy.bv e'/uihrjaias.
Zami setzt das els vor smttyoias, dann ist er Sinn ein weltliches Mysterium in
der Gemeinde machen, Der Sinn durfte sein, entweder: der Prophet handelt
wider das kosmische lEysterium der Kirche, d. h. nach Epli. 5, 32 die Ehe,.olme
wie hinzugesetzt wird das Gleiclie von anderen zu verlangen (cf. Hosea,
Jakob, Mose), oder der Prophet tut etwas Weltliches, was aber fiir die Kirche
ein Mysterinm ist, cf. Iren. adv. haer. IV, 20, 12 : id quod a propheta typice per
operationem factum est ostendit apostolus vere factum in ecclesia a Christo.
3) Did. 11, 8f. : oi> itas Se b "ka^Cav sv Ttvsvfian 7t^oy>]Ti]s eariv, d)J? sdv .'/i\
robs rgoTtovg xvgiov. Hermas Mand. XI, 7 : &TCO r-fjs feoffs Soy.i^ia^s TOV
ibv e%ovra rb Ttvevfia ro tyslov.
4) Herni. Mand. XI, 3 : a-dros yao y.evbs wv y.sva y.cti d^fox^ivs-rat xevols
nva Se v.al ^i] { uara dkrjfrlf Aahel b ydj) oidpohos TthygoT a-vrbv rip n-drov TC
5) Taufe, Abendmahl, die Kirche, .das Amt, der ganze Begriffsschatz, die
poetischen Stimniungen und Forinen iin Christentum sintl israelitischer Herkunft.
158 8. Die alten Nonneu der Lehre.
verstarkt, indem das Alte Testament die lieil. Schrift der gauzea
Christenlieit wurde. Wer will ermessen, welche Fiille einfaclier Wahr-r
lieiten , grofiartiger Sentenzen , tiefster Empfindungen , grandipser ge-
schichtlicher Perspektiven hierdurch in den Geistesbesitz der Kultuiv
menschheit eingefiihrt wor.den ist! Das war wichtig, aber es war noch
wichtiger, dafi die Christenheit niit diesem Buch zugleich das Prinzip
heiliger Schriften und heiliger Buchstaben empfing. ,,Inspirierte" Biicher
liat die Menschheit auch sonst gehabt, ein heiliges Buch, in dem jedes
Wort und jeder Buchstabe ernst zu nehmen ist, bat erst Israel besessen,
Mit dem Bucb erbte die Cbristenbeit das Prinzip, und beide baben ihr
Forderung gebracbt, aber aucb scbwere Problenie. Mit deni geschicht-
licben Ernst, mit dem Judentum und Cbristentum die beilige Schrift
auffafiten, ist dies nie friiber gescbeben. Daraus ergaben sicb freilich
die Probleme der ,,Auslegung", die so ebenfalls den iibrigen Religionen
fremd blieben. Zu alle dem kam noch, dafi das Alte Testament bei-
tragen mufite zur Steigerung gewisser Ansatze , das Cbristentum als
,,Gebot", seine Ordnungen als gottliche Gesetze zu versteben.
Zum Alten Testament ist jetzt allmablicb die Sammlung der neu-
testamentlicben Biicber getreten. Die Worte Cbristi baben schon in der
neutestamentlicben Zeit bindende Autoritat beansprucht (Mt. 24. 35.
1. Tbess. 4. 15. Gal. 6, 2. 1. Kor. 7, 10. 12. 25;. 9, 14. Act. 20, 35).
Dasselbe gilt von den Worten der Apostel (Mattb. 10, 40; 16, 19..
2. Kor. 2, 9; 7, 15. 2. Tbess. 2, 15. Act. 15, 28). Man scbritt auf
clieser Babn fort. Zwar bafteten die Ausdriicke yiy^aittai und r\ yQacpt]
zunacbst, dem Spracbgebraucb nacb, am Alten Testament, aber schon
beginnt man sie auf Jesu Worte zu iibertragen (Barn. 4, 14. 2. 01.
2, 4f. cf. Polyc. 12, 1; Ignat. Smyrn. 7, 2. Pbilad. 5, 1. Did. 8, 2;
11, 3). Das geschriebene Evangeliurn beginnt als entscheidende Instanz
im Lebrstreit angeseberi zu werden. 1 ) Welch en Wert man den Worten
Jesu beilegte, zeigt auch der Eifer, mit dem ein Mann wie Papias sie
samrnelte. TJnd das gescbab im Bewufitsein der normativen Bedeutung
diese.r Worte. Freude hatte Papias nicht an den Worten derer, ,,die
fremde Gebote erwabnten", sondern derer, die ,,die von dem Herrn dem
Glauben iibergebenen und von der Wabrbeit selbst herruhrenden" Ge-
bote verkundigten. Desbalb ricbtete sich aber auch sein Interesse auf
alles, was die unmittelbaren Jiinger Jesu gesagt batten (Euseb. h. e.
DH, 39). ]S[eben die Autor-itat des Herrn tritt die seiner Zeugen. Die
Autoritat der Apostel ist durchaus gemeingiiltig geworden. Sie baben
1) Ignat. Philad. 8, 2: sTtsl jfaovadt, iivcov /.syovrcov, on t&v /.u} ev Tr b -
s SVQW, Kf i(o Evayyehim oil TtiaTevco VMI heyoi'tos (.iov aitTOis, on yey part rat,
/.IOL, on rtqoxeirai,, vgl. Zahn, Gesch. des neutest. Kan. II, 945 ff.
Die Ursprttnge des Schriftprinzips. 159
ihre Befehle. und Anordnungen der Kirche zur Nachachtung iiberwiesen,
als ein armer Diener fuhlt sich ein Geisttrager wie Ignatius ihnen gegen-
iiber (1. 01. 44. Ignat. Kom. 4, 3. Trail. 3, 3; 7, 1). Sie bilden das
I*resbyterium der Gesamtkirche (Ignat. Philad. 5, 1. Trail. 2, 2; 3, 1,
Magn. 6, 1. Smyrn. 8, If. Polyc. 3, 2). ,,Die Biicher der Propheten
und die Apostel" fiihrt man als Lehrautoritaten an (2. Cl. 14, 2). ] )
Ihnen zu widersprechen kommt niemand in den Sinn. Das Evangelium
ist Christi Meisch, die Apostel sind das Presbyterium der Gesamtkirche.
Hieran soil man sich halten, dem folgen. Es stimmt damit ttberein, daB
die Schriften der apostolischen Zeit durchzogen sind von Anspielungen
an fast alle neutestamentlichen Schriften. Ihre Kenntnis wird voraus-
gesetzt und das Recht hierzu erhellt aus der Tatsache, daB sie im Gottes-
dienst zur Verlesung kamen. 2 )
Die Geschichte der Entstehung des neutestamentlichen Kanons kann
hier nicht einmal in den Grunclziigen verfolgt werden. Es kann aber
als sichere Tatsache bezeichnet Averden, dafi in den ersten Dezennien
des 2. Jahrhunderts der ..Kanon" 3 ) in seinem Grundstock in den heiden-
christlichen Gemeinden wohl iiberall in Gebrauch kam. Das ,,vierfaltige
Evangelium" und die Sammlung von dreizehn Paulusbriefen bildeten den
Grundstock. Urn diesen Grundstock rankten sich die iibrigen Schriften
in lockerer Yereinigung. .Zeitliche und ranmliche Differenzen lagen vor.
Wie nicht alles, was spater zurn kirchlichen Kanon gehorte, iiberall aner-
kannt wurde, so hatten andrerseits solche Schriften in weiten Kreisen
kanonische Geltung, die spater nicht in den kirchlichen Kanon gekommen
sind, wie vor allem das Hermasbuch, der Barnabasbrief, die Didache,
aber auch der 1. und 2. Clemensbrief, die Apokalypse Petri und die
1) Ztim Text dieser Stelle s. Zahoi, Gesch. d. Kan. II, 942 ff.
2) So schon im N. T., vgl. 1. Thess. 5, 27. Kol. 4, 16, dazu 1. Cl. 47, 1:
Jiistin. Apol. I, 67. lien. adv. haer. II, 27, 2. Ill, 21, 4. Can. Muratori lin. 77 f.,
s. auch 2. Cl. 19, 1 (ot) fiir &EQV: loyov z\\ lesen ist?), die Horailie des Aristides,
deren Echtheit freilich bestritten wird. Vielleicht kommt hier noch folgende Er-
wagung in Betracht : Am SchhiB von fiinf neutest. Briefen steht die Aufforderung
zu ,,heiligem KuB" oder ,,LiebeskuB" (1. Kor. 16, 20. 2. Kor. 13, 12. Rom. 16, 16.
1. Thess. 5, 26. 1. Ptr. 5, 14). Zwei Biicher schliefien mit einer Eormel, die der
Abendmahlslitnrgie entstammt (1. Kor. 16, 22. Apok. 22, 20. cf. Did. 10, 6). Nun
ist der Kufi aber ein Bestandteil der Abendmahlsfeier (Justin. Apol. I, 65., Const,
ap. II, 57; VII, 11. Cyrill. Cat. myst. 5, 3. Tert. de orat. 18. Athenag! Suppl.
32 fin.). Also werden die Biicher zur Vorlesung im Abendgottesdienst bei der
Agape bestimmt gewesen sein, vgl m ein en Aufsatz ,,Ku und Kanon" in n Aus
Religion u. Gesch." I.
3) Der Begriff ,,Kanon ! ' wird erst seit Mitte des 4. Jahrhunderts regel-
mafiige Bezeichnung der Bibel; im 2. Jahrhxandert ist y.avcbv Bezeichmmg- der
iiberlieferten kirchlichen Glaubensregel, s. schon 1. Clem. 7, 2..
160 8. Die alten Normeiv tier Lehre.
Acta Pauli. Es dient zur Veranschaulichung dieses Schwankens, wenn
man erwagt, dafi Schriften wie der Hebraerbrief, der Jakobusbrief, wohl
auch der 2. Petrusbrief, bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts nicht in
den abendlandischen Bibeln standen, und daB dagegen Biicher wie der
Barnabasbrief oder die Didache im Morgenland als heilige Schriften
galten. Bis Ende des 2. Jahrhunderts hat das Hermasbuch sich ka-
nonischen Ansehens in der ganzen Kirche erfreut, dann ist man in Rom
und Afrika an ihm irre geworden. J )
Dreieiiei ergibt sich aus diesen Tatsachen fur unseren Zweck.
Erstens dem Alten Testament tritt eine Schriftensammlung an die Seite,
die ebenfalls autoritative Geltung verlangt und die kirchliche Gedanken-
welt mafigebend bestimmt. Zweitens diese Sammlung ist eine fliefiende
GroBe unsicheren TJmfanges, deshalb ist der ,,Kanon" auch noch kein
fester dogmatischer Begriff. Aber trotzdem ist drittens diese Samm-
lung unvergleichlich viel mehr als das Alte Testament zur Herstellung
einer kirchlichen Lehre mit festen Gedanken und Formeln wirksam ge-
wesen. Das werdende Neue Testament mit Einschlufi der spater aus-
geschiedenen Bestandteile ist der machtigste Eaktor geworden, der dem
Geistwesen entgegenstand. Diese Biicher stanimten aus dem Geist, wie
man lehrte, sie machten daher neue Geistoffenbarungen uberfliissig und
sie warden zura MaGstab, an dem sich alles, was aus dem Geist zu
kommen behaviptete, bemessen liefi.
4. "Wir haben von den festen Formeln geredet, die durch das Neue
Testament in die Kirche hineinkamen. Aber die Mannigfaltigkeit der
Begriffe und Wendungen in dieser im paranetischen Interesse entstandenen
Literatur ist von Anfang an interpretiert und reduziert worden durch
die kirchliche ,,Lehre". Erst diese hot die einfachen Gedanken und
die eindeutigen Formeln dar, deren man im praktischen Interesse be-
durfte. Und schon frtih hat man dieser Lehre die Aufgabe zugewiesen
die OfOenbarungen des ,,Geistes u zu kontrollieren (s. 1. Joh. 4, Iff.).
Schon in der neutestamentlichen Zeit sind wir auf eine solche lehrhafte
JZusammenfassung gestofien (oben S. 66 f .) , Johannes hat sie als die
doppelte KVToh] bezeichnet (oben S. 84 f). DaB die ,,tjberlieferungen".
von denen Paulus redet, nicht verschollen sind. zeigt, daB gegen Ende des
1. Jahrhunderts die johanneischen Schriften in Kleinasien sowie der
Hebraerbrief in Rom. avif sie Bezug nehmen.
Tins interessieren hier nur die Glaubensformeln. Es wird sich zu-
nachst darum handeln, was wir nach dem Neuen Testament mit einiger
1) Vgl. fiir die obigen Daten in der Ktirze Zahn, Grrundrifl d. Gesch. des
neutest. Kamions 1901, S. 17 ff.
Glaube und Evangeliuin. 161
Sicherhe.it von ihr sagen durfen. Folgendes kpmmt in Betracht 1) der
Inhalt des Grlaubens war etwas Sicheres und Bekanntes, ein Koniplex von
Tatsachen , Gedanken und TJrteilen , die man als TtctQ(xdo0ts , rtiOTig,
dida%ri, didamaUa, Jt&qadr^, evcoM}',. auch svayyehov bezeichnete
(s. pben S. 66). Die ganze Heilspredigt ist zusanunengefaBt in diesem
Wort ,,Evangelium", das aber auch zur Bezeichnung der ganzen Heils-
lehre dient. Das Evangelium fafit bestimmte Form ein und Urteile in
sich, wie etwa die Davidssohnschaft Christi und sein gottliches pneuma-
tisches "Wesen, sein Leiden und seine Auferstehung, die Schopfung und
die Herrschaft Gottes (s. die Anm.). Das ,,Evangelium Christi" d. h.
das von Ohristus offenbarte und gegebene Evangelium ist der Inbegriff
der Offenbarung Christi, die ihren Abschlufi und Hohepunkt in den Ein-
wirkungen des auferstandenen Christus erreichte. Das Evangelium fafit
somit sowohl einen Bericht iiber Jesu irdisch.es "Wirken und Reden in
sich, wie er nach Luc. 1, 4 Gegenstand des christlichen Unterrichtes
war, als eine Darstellung der Unterweisungen und Anregungen des Auf-
erstandenen , Avie sie Matth. 28 und Luk. 24 kurz zusamniengestellt
sind. x ) 2) Diese Lehrformeln standen nun in Beziehung ziir Taufe und
1) Mehrere dieser Ausdriieke konnen auch das ganze Gefuge lehrhaffcer Uber-
lieferungen uinspannen, also vor allein auch die Tugend- und Lasterkataloge.
Hi one im objektiven Sinn ist die deutlichste Bezeichnung des iiberlieferten
Glaubens (cf. Jlld. 3 : Tf] &7ta TtagaSo&eiai] rots ayiois Ttiaret, auch Kol. 2, 7 : xai
jSe/Saiovfievoi er rfj JtiaiEi xa\)ti>s ediSd'/ftijTe). Der Beg'riff etiayyehiov, eiiay-
yehi&o&ai ist der unifassendste. Er bezeichnet die von Gott oder Christus aus-
gehende Heilsverkiindigitng in ihrem ganzen Umfang (z. B. Mt. 24, 14. Me. 1. 15.
Act. 15, 7. K6rn. 1, 16; 10, 161; 15, 16. Kol. 1, 23. Eph. 3, 8). So ist Christus,
das Heil, der Friede etc. sein Inhalt. Aber der Begriff wird auch in einem
engeren Sinn gebraucht. Evnyyehov ist auch die besonders gestaltete Heils-
lehre, A?ie sie etwa Paulus ausgebildet hatte, natilrlich als Erfassimg der Offen-
baning des Mysteriums Gottes (Eom. 16, 25. Gal. 1, 12. Eph. 6, 19). In diesem
Sinn ist das Evangelium dann naher zu bestimmeu als ,,mein" oder ,,unser
Evangeliuin", als ,,Evangelium der Vorhaut" oder der ,,Beschneidung" (Gal. 2,
7. 2. Kom. 2. 16; 16, 25. 2. Kor. 4, 3; 11, 4. 1. Thess. 1, 5. 2. Thess. 2, 14,
cf. Eph. 3, 4: ii]v avveaiv /,iov sr rep fivdvijpico). Nach dem Znsammenhang scheint
mir Gal. 2, 7f. davou zu reden, dafi Avie Petrus durch Gottes EinAA r irkung die
Gabe empfangen hatte. dem Evangelium die flir den apostolischen Beruf bei
Juden notige Pragung zu' veiieihen, so Paulus hhisichtlich der Form des Evan-
geliums fur die Heiden. Dem Kerygma Petri (die Erinnerung daran hat sich
lange erhalten), trat ein Kerygma Pauli zur Seite, es sind zwei Lehrtypen. Dabei
ist aber die Identitat des Evangeliums, eben Aveil es Christi Offenbarung ist, nicht
eingeschraukt (Gal. 1, 6. 11 f. 2. Kor. 11, 4). Ist nun aber das Evangelium Heils-
lehre, so ist es zugleich der Inbegriff einer Surnme bestimmter Lehren und An-
schauungen. Es enthalt in sich Aitssagen iiber Christus (Eom. 1, 3. Gal. 1, 16.
2. Tim. 2, 8. 1. Kor. 15, 1. Phil. 1, 15f. Act. 11, 20), sein Inhalt ist die Herr-
schaft Gottes und der Name Christi (Act. 8, 12), Jesus und die Auferstehung
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Anfl. 11
162 8. Die alten Normen der Lehre.
zu einem Taufbekenntnis. Das gelit aus Stellen wie Bom. 6, 3f.,
1. Ptr. 3, 21 f., Hbr. 10, 22f., 1. Tim. 6, 12, Eph. 4, 61, 1. Joh.
2, 20, Act. 19, 2 unweigerlich hervor. *) 3) Die formelle Identifizierung
der rtaQCtdodelaa itiGtic, resp. des ,,Evangeliums" mit der df.ioKoyia ist
dagegen nicht durchfiihrbar. Der ,,Grlaube" oder das ,,Evangelium"
enthielt viel mehr als das ,,Bekenntnis," 2 ) wie der Katechismusstoff stets
umfanglicher ist als die Bekenntnisformel der Katechumenen. Die tria-
dische Eormel, die Matth. 28, 18 fL und Lulc. 24, 46 f. als Zusaramen-
fassung der abschlieflenden Offenbarung Christi hingestellt ist, ist, wie
ihr haufiges Yorkommen im Neuen Testament beweist, s. S. 66, sicher
ein Bestandteil des ,,Grlaubens" gewesen, ebenso wie gewisse Formeln
iiber Taufe und Eucharistie (1. Kor. 11, 23) in ihm enthalten waren,
das ,,Bekenntnis" wufite Mervon nichts. 4) So weit das Neue Testa-
ment erkennen lafit, hat das Taufbekenntnis einen rein christologischen
Zusammenhang gehabt 3 ), wobei aber auch ,,Gott" erwahnt wurde. Das
(Act. 17. 18), die Bekehrung zu dem lebendigeu Schopfergott (Act. 14, 15 cf.
1. Thess. 1, 9), das jiingste Gericht (Eom. 2, 16). Das Evangeliurn ist das ,,Wort
der Wahrlieit" (Eph. 1, 13. Kol. 1, 5), es wird gelehrt (Act. 5, 42; 15, 35. 2. Tim.
1, 11) und gelernt (cf. Eph. 4, 20f. Kol. 1, 7). Das Evangelium ist also im
N. T. die Heilsbotschaft, die Christus gebracht hat, es ist dana die besondere
Pragung dieser Botschaft als Heilslehre und es fafit als solche eiue Summe posi-
tiver Lehren in sich. Es beriihrt sich hierdurch mit dem ,,Bekenntnis", aber es
hat einen weiteren Umfang als dieses, denn es fafit alles, was Christus offenbart
hat, in sich, vor allem auch jene Erkenntnisse, die die Jiiiiger dutch den aufer-
standenen Christus empfangen haben (s. oben S. 62 f. u. vgl. Mt. 28, 18 ff. Luc. 24,
46 ff. mit Gal. 1, 11 ff.). Fur die DG. ist zweieiiei von Bedeutung an diesem Ee-
sultat: 1) dafi die Heilsbotschaft von Anfang an auch als ,,Lehre" verstanden
wurde und 2) dafi der Inhalt dieser Lehre uinfassencler war als der des Tauf-
bekenntnisses.
1) Besonders wichtig ist Hbr. 10, 22 f.: jtequvriapevoi, ras Ka^Sids . . ,'xal
Jekovafj.evoi to acofta tiSan y.ad'agcp tcare/coftev i^v Sfiokoyiav rfjs skrtiSos
dafi hier ein Taufbekenntnis gemeint ist, ist fraglos. 1. Tim. 6, 12: xal
koyrjoas tijv %afaft> 6 {.tokoyiav evcoTtiov itolkwv [Mqivfjcov. 1. Joh. 2, 20 f.: wer
das '/^iof.ia, hat, ist damit auch in die Wahrheit eingeweiht.
2) Dies iibersehen zu haben, ist der Hauptfehler in der grundlegenden
Arbeit von A. Seeberg, Der Katechismus der Urchristenheit, 1903.
3) Dies ist gewiB, weil itberall der bei der Taufe bekannte oder erforderte
Glaube der an Christus ist und demgemaE auch die Taufe auf den Namen Christi
erfolgt. Besonders 1. Kor. 6, 11 ist hierfur lehrreich: gewaschen, geheiligt und
gerecljtf ertigt Silld die Leser ev Tip dvo^ian iov vvgiov 'Iqaov XQIOTOV not ev tea
TtvsvfiaTi rov -frsov fyiwv. Die Taufe ist also mit Anwendung des Namens
Christi erfolgt, wahrend die Heiligung im Geist gesehieht, ohne daE sein Name
erwahnt wurde. Darnach ist sicher, dafi Paulus nur eine Taufe auf Christi
Namen kennt. Damit ist aber gegeben, daB auch das Taufbekenntnis es nur mit
Christus zn tun hatte. Dies geht auch aus dem 1. Johannesbrief hervor, z. B.
Die Lehre und das Taufbekenntnis. 163
einzige sicliere Fragment aus diesem Bekenntnis steht 1. Kor. 15, 3. 4.
Hier sagt Paulus, er liabe den Korinthern iiberliefert was auch er emp-
fangen hatte : ovi X^iorbg arte&avev VTCEQ rG)V af.ta^nG)V
fifi&v*') Kara rag ygacpds, -/.al OIL STaffy, xal on IJ/TJ-
ysQTaii;fi ^^SQCC tfi IQIIJI x&vavaS yQCt{p&s,"KCil OTiwcp&rj
Kycpq, BLTO, tolg deb 8 ex a.-) 5) 1st die Tatsache eines Bekennt-
nisses gesichert und geben uns die angefuhrten Worte Pauli erne Vor-
stellung von seinem Inlialt und zugleich den Beweis der Verwandtschaft
mit deni 2. Artikel des sog. Apostolikums. so darf man weitere forniel-
hafte Wendungen des Neuen Testaments, sofern sie jenen Bedingungen
entsprechen, mit einiger Sicherheit fur das Bekenntnis in Anspruch
nehinen. Indessen mufi immer damit gerechnet werden, dafi die Formeln
nicht dem Bekenntnis als solchem, sondern der ,,Lehre" oder dena
,,Evangelium" angehorten. Vor allem ware dabei zu denken an die
Entsendung des Sohnes seitens Gottes des "Weltschopfers, die Herkunffc
Jesu von David, die Auffahrt zum Hiinmel, das Sitzen zur Eechten
Gottes, die TInterordnung der Engel unter Christus und seine Wiederkunft
zum Gericht. 3 )
3, 23, wo die avTohtf nach ihrer religioseu Seite hin als ,,glauben dem Narnen
seines Sohnes Jesu Christi" bestimmt wird. Da ! das spatere Bekenntnis
"triadisch gegliedert ist, so erwartet man diese Grliederung zunachst aiich Mer,
al)er aufier dieser Analogic gibt es keine durchschlagenden Grtinde fiir diese An-
nahme. Act. 19, 2ff. wird nicht sagen, dafi der Gretaufte iiber den Geist belehrt
sein mtisse, sondern daB der, welcher die Christentaufe' nicht empfangen hat, vom
Geist keine Ahnung hat. Ebensowenig beweist die Bezeichnung Hbr. 10, 23
dpoloyia rrjs ehrtiSos, dafi von der Hoffnung im Bekenntnis die Rede war, da
Christus tinsere Hoffnung ist. Der Gegenstand des Bekenntnisses ist aber be-
zeichnet in der Form el Hbr. 3, 1 : vbv wjtoatokov nal &^is^sa Ttjs df.ioJ.oyias fjf.i&v
Urjaovv. Christus, der ilber die Engel erhabene Gesandte Gottes, wie inn Hbr. 1
schildert, und Christus, der dem Menschen gleich Gewordene, wie ihn Hbr. 2
sehildert das ist der Gegenstand des Bekenntnisses. Die Formel ist so all-
geinein, dafi sie z. B. auch auf den 2. Art. unseres Apostolilmnis passen wurde.
1) cf. 1. Ptr. 3, 18: Ttepl apaQtifav &XE&avsv.
2) Hier scblieEt das Zitat, da das rezitierende on aufhort. Der unpaulinische
Ausdruck ol StiSexa, und die Erwahnung des stdyrj, das durch Pauli Gedanken-
gang nicht erfordert war, sowie die Einfuhrung der Pormel, erweisen sie deut-
lich als Zitat, Xptoros wird ebenso wie eira, von Paulus des Zusammenhanges
wegen hinzugefiigt sein; vgl. A. See berg, Katechism. S. 45 fl.
3) Hierzu einiges Material: 1) Gott b rcc Ttdvta xriaas (Eph. 3, 19), t,&v teal
alri&uvos (1. Thess. 1. 9), 6 t,cooyov&v (1. Tim. 6, 13). 2) s^aTtearsds rbv vlbv
afoot oder tbv TtaiSa afaov (Gal. 4, 4. Rom. 8, 3. Act. 3. 26; 4, 27. 30), bei
Johannes scheint vorausgesetzt zu sein: rdv vlbv aiimv vbv {.lovoyevrj (Joh. 3, 16.
1. Joh. 4, 9). 3) rbv yBv6f.ievov ex OTtegparos ^favid (Rb'm. 1, 3. 2. Tim. 2, 8.
Act. 13, 23). 4) Die Salbung Jesu Tevetfftan ay lea xal Swdfiec, vielleicht ver-
bunden mit der Taufe durch Johannes (Act. 10, 38; 4, 27. Rom. 1. 4). 5) exl
il*
164 8. Die alten Norineii der Lehre.
6) j^enn du mit deinem Munde als Herrn Jesum be-
kennst und glaubst in deineni Herzen, daB Gott ihn von den Toten
erweclct hat, so wirst du errettet werden" (Rom. 10, 9). Hier wird
~ein niiindliches Bekenntnis Jesu als des Herrn angenoninien. Ebenso
wird Phil. 2, 11, 1. Kor. 12. 3 hierin die Quintessenz des christlichen
Bekenntnisses erblickt. DerngemaB ist der spezifisch christliche Glaube
der an den Herrn Christus (Act. 2, 36; 11, 17. 20f.; 9, 35; 16, 31 ;
20, 21. Kol. 2, 6 etc.). Es kann danach kauin bezweifelt werden,
dafi dies irgendwie direkt zuni Ausdruck kam bei der Ablegung des
Bekenntnisses (s. aucb. Act. 22. 16). Zu der Aufzahlung geschichtlicher
Tatsachen trat der Ausdruck der IJberzeugung von der gottlichen
Herrscherstellung Christi. 1 )
7) "Weiter begegnet uns ein Komplex von festen Vorstellungen, die
in engem Zmsammenkang zu der auf die Wassertaufe folgenden Hand-
auflegung mit der Geistniitteilung stehen. 2 ) Es sind die Salbung und
Ilovnov Hsddrov (1. Tim. 6, 13): 6) Uber Tod imd Auferstehung s. oben 1. Kor.
15, 3.1, cf. Act. 13, 28 ff.; 17, 3; 10, 40 f. jtofsvfals els oi>^av6v (1. Petr. 3, 22)
Oder avekrifup&ii sis fbv oii^avor (Hare. 16, 19). 7) ey.d&iaev ev Ss^ia ,(oder: sy.
Ss^uav) tov d'eov (oder trjs ftsyakcoavvris ev tols ovfjavols) (Kol. 3, 1. Eph. 1. 20.
Eom. 8, 34. Hbr. 1, 3; 10. 12; 12, 2; 8, 1. 1. Ptr. 3, 22. Act. 5, 31; 7/56.
Marc. 16, 19). 8) -bTtotayevrcav aiitca Ayyekcov y.al s^ovoiwv y.al Svvdftscov (1. Ptr.
3, 22. Eph. 1, 21: 4, 8. Kol. 2, 10 cf. 1. Kor. 15, 25). 9) tov fisUovros x$iva.i
Z,s>v<ta.s xal vs-^ovs (2. Tiin. 4, 1. 1. Ptr. 4, 5. Act. 10, 42, cf. Eom. 14, 9).
Der Zusaminenhang der betr. Stellen ist zu beachten ; das Einzelne laEt sich nicht
ausmachen, zumal lokale and zeitliche Differenzen in Anschlag kommen. Genaueres
sowie einen Eekonstruktionsversuch s. bei A. Seeberg, Der Kat. etc. S. 45 151.
letzteren S. 85.
1) A. Seeberg a. a. 0. S. 182 meint, das Bekenntnis sei vom Taufer ge-
sprochen worden dafnr spricht das Ttpoeixovres Didache 7, 1 , worauf der
Taufling mit dem Wort V.VQIOS "Irjaovs respondiert habe. Im Judentum sagte mau
vom Proselyten, dafi er die ,,Herrschaft . des Himmels (d. h. Gottes) annehme"
'(Simon ben Lakisch bei Bacher, Agada d. Amoraer I, 374). Das Sck'rna
lesen heifit c\a& rvoSa "jiv ^ap als die Anerkennung Gottes als des HeiTschers
(dazu im Sch'ma die Anerkennung der Gebote, die n'^e biv heifit, Dal man,
Worte Jesu I, 80). Ich vermute, daB die Formel xvgiog 'Iqaovg entstanden ist als
Umbildung jeuer Anerkennung der Herrschaft Gottes. . Vgl. nocb. 'C,vy6s als Be-
zeichnung der christl. Unterweisung Did. 6, 2.
2) Die Taufe im Namen Cbristi gescbieht zur Siindeuvergebung, auf sie folgt
daiin der Empfang der Gabe des heil. Geistes (s. Act. 2, 38), und zwar wird
dieser Empfang vermittelt durch Handauflegung (Act. 8, 17 f.; 19, 6), aber Gott
sendet den verkeifienen Geist (Gal. 4, 6. 1. Thess. 4, 8. Tit. 3, 6. Gal. 3, 14.
Eph. 1, 13). Damit sind nun dem Getauften die beiden Gaben. die der neue
Bund in sich begreift, mitgeteilt. Aus der iuneren Zusammengehorigkeit beider
Gaben versteht es sich, dafi seit Paulus die christliche Taufe einfach als Geist-
Die Uberlieferung der apostolischen Zeit. 165
die Ye r siege lung mit clem Geist als clem inneren TJnterpfand
der scbliefilichen vollen Erlosung. *)
8) Hierzu koramt ein escbatologisches Lehrstiick (Hebr. 6, 2. Did. 16),
und 9) die TJberlieferung der Abendmablsworte (1. Kor. 11, 23), sowie
10) das Vaterunser. 2 )
Welch ein Heichtuni an religiosem und ethischem Erkenntnisstoff
ergibt sicb aus dieser Zusammenstellung ! Von den IJmrissen der Ge-
schichte Jesu und den Moralregeln der beiden "Wege an bis zu der
lehrhaften Bebandlung des , "Werkes und der Bedeutung Christi des
.,Herrn" und den Mitteilungen iiber den Geist und die eucbaristische
Feier, sowie den TJnterweisungen liber die letzten Dinge reicnt ein festes
Gefiige von Pormeln mit einem reicben Inhalt fester Gedanken und
Urteile. Aber der Mittelpunkt von all clem war das Bekenntnis zu
Christus dem Herrn und seinem "Werk, das bei der Taufe in Siinden-
vergebung und Geistmitteilung den neuen Bund in der einzelnen Seele
verwirklichte. Erst diese Erkenntnis lafit uns die Ausfiibrungen der
neutestamentlichen Scnriften begreifen. Ihre Verfasser durften bei den
Lesern ein festes Mafi gemeinsamer religioser Erkenntnis und Kenntnis
voraussetzen und sie konnten claher aus der Faille des Geistes . hervor
das Tiefste und Hochste ihnen darlegen, ,,alle ScKatze der Weisheit und
der Erkenntnis in Christo" ausbreiten, ohne den toricbten Lebrern
gleicb. zu werden, die reclen, was nieniand unter ibren Horern begreifen
kann. Die Gabe des Geistes erbob jene Gemeinden iiber unsere Ge-
meinden, aber nicbt minder der feste Besitz religioser Erkenntnis. NUT
so lassen sicb. die Anforderungen , die fast alle neutestamentlicben
Scbriften an ibre Leser stellen die Gescbicbte der Exegese bezeugt
das , versteben. 3 ) Nicbt die Ansatze zu Lebrtypen im Neuen Testa-
taufe bestimmt wird (1. Kor. 12, 13. Tit. 3, 5. 1. Job. 2, 20 cf. Act. 1, 5.
Matth. 3, 11, auch Act. 10, 43 ft).
1) Eph. 1, 14: eaygaytad'riTe TCO Ttfevfiart ffjs eTtayyeJ.ias TOJ ayico, 6s sotiv
dggaficbv rfjs xhqgovoftias vf.iav els UTto^vr^coatf Tfjs TtegiTtotijaecos. 2. Kor. 1, 21 f . :
y.al %(>ioas fjf.ias &s6s, 6 y.al ay^aytadfisvos i](.MS xai dobs ibv u^^a^mva TOV 7tvev~
fiaros sv .rats y.agSiais fjftwv. Eph. 4, 30: TO TtvEvfia, TO aytov TOV &BOV, sv co
sayQayia&iYce els i]/.is^av aTtohmycbaecos. 2. Kor. 5, 5. Vgl. A. Seeberg a. a. 0.
S. 228 ff.
2) Nach Gal. 4, 6 und Bom. 8, 15 hat A. Seeberg (S. 2421) behauptet/
daB auch das Vaterunser erstmalig wahrencl des Taufaktes von den Katechumenen
gesprochen wurde, ebenso (S. 244 ff.), daB auf die Taufe das eucharistische Mahl
t'olgte. Letzteres scheint mir nach der altkirchlicheu Sitte (Jxistin. Apol. I, 65)
sicher zu sein, zuinal auch die Juden auf die Beschneidung eine gemeiusame
Mahlzeit folgen lieBen, wie A. Seeberg (Das Evangelram Christi S. 108 Anm.)
erwiesen hat.
3) Es ist richtig, dali die uentest. Biicher ,,religib's" \md ,,praktisch" siud,
166 8. Die alten Nonnen der Lehre.
ment, sondern die gemeinsame tiberlieferte ,, Lehre" 1st die eigentliche
GroBniacht in der altesten Dogniengeschichte gewesen.
6. "Wir liaben hierinit die Normen der Tradition und des Bekennt-
nisses uberblickt, wie sie sich in der Zeit von 30 95 n. Chr. heraus-
gebildet haben. Eine wesentliche Anderung scheint auf diesem Grebiet
in dem folgenden Menschenalter nicht eingetreten zu sein. Es gibt eine
feste christliche ,,Lehre", der eine ,,andere" oder ,,schlechte Lehre"
entgegensteht (Did. 11, 1. 2. Ignat. Epb. 9, If.). Es ist der ,,Grlaube
Christi" von Tfiang 6f.ii] redet Jesus in der Praedicat. Petri , oder
das ,,Evangelitim" Ohristi, das die Apostel verktindet haben (Barnab.
5, 9). Dies Evangelium ist gleichsam das Fleisch Christi, und neben
ibm stebt das ,.Presbyterium der Apostel" (Ignat. Philad. 5, 1). Zwar
gibt es ein gescbriebenes Evangelium, aber iiber dies herrscht Streit.
Ibm gegeniiber ziebt sicb Ignatius zuriick auf die ,,Christuslehre"
(XQiOTO(.t<x&ia). Dies ungescbriebene ,,Archiv" faBt in sicb Cbristus,
seine Ankunffc. sein Kreiiz, seinen Tod tind seine Auferstebung, sowie
den durcb ibn offenbarten Grlauben. Auf Cbristus gebt dieser Grlaube
zuriick, denn er allein ist ,,betraut mit dem Yerborgenen Grottes" (ib^
8, 2 ; 9, 1. 2). J ) Das Evangelium ist also die Obristuslebre als die
wakre Lehre oder der rechte Grlaube gegeniiber den Irrlehrern, deren
Streitlust vor dem geschriebenen Evangelium nicbt Halt macbt. Ign.
vertritt damit nur die Anschauung des Paulus voni ,,Evangelitim <( und
des Johannes von der ,, Lehre" (oben S. 84f.). Hiernacb aber besitzt die
Kirche die ..Anordnungen der Apostel" oder ..die Dogmen des Herrn
tind der Apostel" (Ignat. Trail 7, 1. Magn. 13. 1).
aber es ist nicht minder richtig, daG sie in eminentem TttaB ,,lehrhaft", nicht
n doginatisch" .- sind. Will man den Charakter jener Urzeit des Christentums
begreifen, so darf man das eine so wenig- als d.as andere ans dem Auge lassen;
das ist auch fiir die Dogmengeschichte von Bedenttuig.
1) Ignatius und eTbenso die Didache haben also noch den alten Sprach-
gebrauch fiir ,,Evangelium", wonach es der Inbegriff der Heilslehre ist (oben S. 161
Amn. 1; Sm. 5, 1 geht vielleicht auf das geschriebene Evangelium). Zumal
Philad. 8 ti. 9 scheiut mir dieser Sprachgebrauch vo'llig- sicher zu sein. Das
Archiv der Haretiker ist das geschriebene Evangelium, aber gegeniiber den exe-
getischen Bedenken, die jene dann erheben, zieht Ign. sich auf sein Archiv",
die y^ioi:of.ia&ia, das eiiayyeliov (9, 2) zuriiek, Christus, seine Geschiehte- und >;
Ttians i] Si afaov ist ihr Inhalt. Im Zusammenhang und in einer Reihe mit den ob-
jektiven Tatsachen aus Christi Leben kann die jtions exegetisch nur als objek-
tiver Glaube verstanden werden (vgl. Polyc. ad. Philipp. 3, 2 und ,? nians in Praed.
Petr.). Der Standpunkt des Ignatius in diesen Satzen ist ungefahr der namliche,
den spater Irenans und Tertullian vertreten: nicht die Schrift, sondern der tra-
dierte Glaube ist im Kampf zu brauchen.
Der Kanon der Uberlieferung in der nachapostol. Zeit. 167
Ganz wie in der apostolisclien Zeit umfafit diese iiberkommene
,,Lebre" sowobl die Wabrbeiten des Glaubens als bestiinmte
moraliscbe Regeln, Ao'^ot TJjfg Jtiareus un( i svrohal didayfis, wie
Barnab. sagt (16, 9). So kann Ignatius aus der inneren Befestigung
in diesen Geboten oder Dogmen ableiten den richtigen Lebensstand ,,an
Eleiscb und Geist, an Glauben und Liebe, im Sobn, ini Yater und im
Geist, in Anfang und in Ende" (Magn. 13, 1. Epbes. .9, 1. 2). 1 ) Und
die Didacbe weifi ibre Leser orientiert iiber alle moglicben inoraliscnen
Einzelheiten, da sie ja' das ,,Gebot" empfangen baben (Did. 1, 5; 4 7 13;
13, 5. 7). Nicbt an gelegentlicne Ausspriicbe der Evangelien kann
bierbei gedacbt werden, sondern nur an eine detaillierte moraliscbe
Unterweisung, die jedein Christen gelaufig ist. 2 ) Aber der Yerfasser
der Didacbe kann diese Quelle aucb als das ,,Evangelium des Herrn" be-
zeichnen(15,4; 11, 3). 3 ) Aasdas bedeutet, ist jetzt, aucb. obne Erlauterung,
klar. Auf die gleicbe Quelle weisen dann aucb die rtQOGtdyi.iaTa-oder
die odbg TTjg (xkrft-eias, von denen der 1. Clemensbrief redet (1, 3;
3, 4 ; 37, 1 ; 35, 5), zuriick. Wie der etwas alt ere Hebraerbrief zmn
Eestbalten am Bekenntnis irn praktiscben Interesse auffordert (4, 14;
10, 23), so sagt der erste Clemensbrief: eldiopev Inl tbv einihefj ' vat
oef.ivbv Tfjs rtctQadooews yi-i&v v.avova (7, 2cf. 41, 1), und dieser
Kanon enthalt in sicb. so.wobl die Erinnerung daran, was Gott wohl-
gefallig ist, als an die Bedeutung des Blutes Cbristi. Axicb bier zeigt
sicb wiecler der doppelte ethiscbe und dogniatiscbe Inbalt der
IJberlieferung.
1) Die Stellen sincl Avegen der Zusaininenordniuig der Trias mit Glaube und
Liebe interessant (s. dazu 1. Clem. 58, 2). Beide Zusammenstelluugen werden
von der ,,Lehre" dargeboten worden sein. Hinsiclitlicli von Grlaube, Liebe, HofEmmg
zeigt Polyc. ad Phil. 3, 2 deutlicli die Zngehorig'keit znr alten "Dberlieferung.
Dann ist es walirscheinlich, dafi die Trias des PaTthis 1. Kor. 13, 13 nicnt minder
formelhaft war (vgl. oben S. 66), als die Trias 2. Kor. 13, 13. Das Vorhanden-
sein beider Triaden setzt aucb. der Hbr. voraus (10, 2224. 29 31) und aucb.
bier stehen sie nab. beieinander.
2) Hierauf inacht auch Drews aufmerksam, s. Zeitscnr. f. nentest. Wiss.,
1904, S. 631
3) Fraglicb. kann nur sein, ob Did. 8, 2 das Evangelium des Herrn, in dem
das Vaterunser (nach Matth.) geboten war, das Evangelium des Mattliaus oder
die evangeliscne Lebre ist. Da an deii iibrigen Stellen das ,,Evangelium", wie
icb. meine, nicbt das Evangelienbucb, bezeicb.net, so woM aueb. nicnt an dieser
Stelle. Der Sprachgebrauch ib ebayyeliov = Evangelienbucb. ist, nach Ignatius,
in unserer Zeit schon vorhanden, aber noeh denkt man zunacbst bei dem Wort
an die ungescbriebene ,,evangeliscbe Lehre". DaC dann der Titel sich allmahlich
aiif die festere literarische Fixierung des Evangeliums oder eigentlicb. seines
.ersten Hauptteils beschrankte, ist begreiflich.
168 8. Die alten Normen der Lehi'e.
Besonders deutlich liegt die Saehe bei Polykarp. Ei' kennt
E agy^q f]f.ilv rtagado&evta koyov '(7, 2), der im Gegensatz zur
Lehre der Haretiker stelit. Schon Paulus hat TOV rtsgl aky&eictQ koyov
gelehrt. anders ausgedriickt vrpi do&elaav vf.dv Ttiaiiv (3, 2; 4, 3).
Dieser uberlieferte Glaube ist einmal identisch mit der evi/okij, zum
anderen aber der engere Begriff, da die kvtolx\ auch die Moral in. sich
fafit (2. 1; 3, 3).- 1 ) . .
Wir sehen also, daB in der Zeit von ca. 95 bis ca. 140 in der
Kircbe eine tlberlieferung herrschte, die man mit verscbiedenen Nanien
bezeichnete, etwa als Lehre, Gebot, Evangelium, tJberlieferung, Kanon
der TJbeiiieferung, Wort der Wabrbeit. 2 ) Diese Tradition zerifiel in
zwei grofie Abteilungen, den iiberlieferten Glauben nnd die moraliscben
Kegeln, eleven Resume uns die Tugend- und Lasterkataloge bzw. die
,,beiden Wege" gewabren. Diese TJberlieferung stellte den alten Inbalt
der Mssionslebre dar, der dann zur Regel fiir Leben und Lebre clerer^
die elurcb jene Verkiindigung gewonnen waren, geworden ist. Diese
Grofie bat zunacbst gewifi fiir uns etwas Vages und TJnbestimmtes an
sicb, weil sie uns eben nicbt im Detail literariscb iiberliefert ist. Aber
nicbts ware so verkebrt, als wenn man darum einen unbestimmten
schillernden Inbalt dieser TJberlieferung annebmen wollte , wie etwa :
Yergebung, Priede, Heil, Gerecbtigkeit, Erommigkeit. Nacb den Quellen
ist vielmebr sicber, 1) dafi es sicb um ziemlicb detaillierte nioraliscbe
Regeln banclelte, 2) dafi die Tatsacben des Lebens Cbristi und ibre Be-
1) Die (partielle) Identitat von f/ Sod'siaa Ttiam mit der vtolr\, wie auch
der weitere Urnfang der letzteren, zeigt sich deutlich 4, 1. 2: in bezug auf die
Manner wird gefordert zu wandeln sv Tfj svroly rov xvgiov, fiir die Prauen wird
die gleiche Fordemng formuliert als Wandeln in dem iiberlieferten Glauben und
der Liebe und Heiligkeit. Der Glaube ist also in der evroii) enthalten, aber diese
fafit zugleich die Liebe in sich. Den gleichen Glauben nennt 4, 3: ii}v tov
Ttianv, d. h. den vom Herrn herriihrenden (objektiveu) Glauben. Die
J.i] wird 3, 3 auch evro/.i] Si'/.aioavvtjs (cf. 9, 1 : l,6y>os tfjs Sixaioavvrjs) genannt.
Inter essant ist, dafi die Trias Glaube, Liebe, Hoffnung als Ausdruck der
Erfiillung der gesamten evroli) erschemt; die Stelle 3, 2f. zeigt dies und ver-
deutlicht das Ganze: as (Paulus) . . . ISiddgsv dx^cos vat ftefiaicos rbv 7t eg I
'l.oyov, os '/.at drt&v v/nJv eyfjon/jev j-Ttiatokds, us &m,
oixoSojiisiffO'ai els Tifv So-9'eiyav v fj.tv Ttiativ, IJTIS sariv
ffji' K7tuy.olov9~ovat]3 rtfi slttiSos; 7t(>oayovat]s Tfjs dydTtqs frjs els d'ebv
/.a\ Xfiiarbv xul sis tbv Ttkijaiov. ^Eav ydq ns tovtcav ivros [], 'jtKTii^QW/.Bv ev-
toh'i]i> d ly.aioavvtje.
2) Als bald nach 150 Hegesipp vorn Orient kommend Korinth und Eom
besuehte. fand er iiberall den dp&bs koyog, d. h. man lehrte: CDS d vd/.ios n^^voost
y.al ol 7t(io(f>i]T(u nal 6 XVQIOS (bei Euseb. h. e. IV, 22, 2. 3). Von der ,,Lehre
der zwolf Apostel" spricht die Asc. leg. (3, 21), vorangeht eine Darstellung des
Christentums, die jedenfalls die kirchliche Verkiindigung iiber Christus wiedergibt.
Der Inhalt der alten Uberliefernng. 169
deutung in Betracbt kamen, 3) daB diese Lebre sacblicb einen Gegen-
satz zu den Theorien der Gnostiker bildete, sie muB also lebrbaften
Charakter gehabt baben. Man konnte nun aber einwenden, daB eine
solcbe fixierte, und docb nicht literarisch festgelegte Lehre etwas ganz
TJngreifbares und daber ,,TJndenkbares" sei. Allein es gibt eine sebr
naheliegende Analogie hierzu. Jabrbundertelang bat die jiidiscbe
Mischnab die Religion beberrscbt, ohne aufgezeicbnet worden zu sein.
Sie trat als die miindlicbe Tborab neben die schriftliche, und aucb sie
fiihrte man auf Mose zuriick, indem man zugleicb darin einen besonderen
Vorzug sab, daB sie, weil ungescbrieben, ausscbliefilich Israel und nicbt
auch den Heiden gebore. J ) Nun zeigt sicb immer deutlicber, daB die
synagogalen Ordnungen der Diaspora die Yorbilder der kircblicben Ord-
nungen gewesen sind. Wie der jiidiscbe Missionar nicbt nur die Tborab,
sondern ein besonderes Yerstandnis derselben, wie die Halacboth der
Miscbnab es darboten, verkiindigte und damit einen fixierten Gedanken-
stoff, der nicbt gescbrieben war, wiederbolte, so tat es aucb der cbrist-
liche Missionar. TInd wie bei den Juden dieser Stoff ein fester und
docb sicb allmahlicb erweiternder war, so aucb bei den Cbristen, und
wiederum war beiden gemeinsam die IJberzeugung, nur ,,alte Tlber-
lieferung" zu vertreten. Und nicbt anders als wie dem jlidiscben Pro-
selyten zugenmtet wurde, eine besondere Lebre seinem Gedacbtnis ein-
zupragen, wurde etwas Ahnlicbes von dem cbristlichen Katecbumenen er-
wartet. Es bestand freilicb der grofie TJnterscbied, daB der Cbrist
wurde was er war durch die personlicb erlebte Erfabrung des Greistes,
wabrend nacb judischer Vorstellung das Gesetz selbst die umwandelnde
Kraft besitzt. Dieser Unterscbied kann nicbt groB genug gedacbt
werden (cf. Gal. 3, 2), aber er scbloB nicbt aus, daB man seit Paulus
aucb bei den Christen der Meinung war, daB der Geist nicbt anders
wirksain werde, als eben durcb die Gedanken xind Begriffe der cbrist-
licben Verkundigung (oben S. 64).
Damit bat sicb uns das gefundene Resultat bestatigt. Man besaB
in unserer Zeit eine ungescbriebene Tradition, eine kircblicbe Lebre,
die man auf die Apostel und auf Cbristus zuriickfubrte. Sie bot die
Grundlagen dar fiir den Unterricbt und die Predigt, sowie fur die seel-
8orgerlicbe Leitung der Gemeinden. Ware nicbt die konfessionelle Ab-
1) S. hieriiber Weber, Syst. tier altsynagog. Theol., S. 1001 Bousset,
Eeligion des Judentums S. 132 f. Hier der Satz: ,,die Halacliotlx schreiben, sind
so, als wenn sie die Thorah verbreunten" (R. Jochanan). Dies bezieht sick vor
allem auf die gesetzlichen Bestiminungen, dagegen herrscht gro'Bere Freiheit be-
ziiglicb. der Haggada, d. li. den historischen und dogmatiscnen Ausspinuungen
alttestamentl. Stoffe.
170 8. Die alteu Normen der Lehre.
neigung gegen den katholischen Traditionsgedanken dieser Erkenntnis
hindernd in den "Weg gekonunen, so hatte sie sich verniutlich schon
fruher den Forschern aufgedrangt. Der Tatbestand 1st ja an sich ein-
fach. Jedermann weifi. daB, Avenn von jiidischen ,,tJberlieferungen" die
Rede ist. diese einen Komplex fixierter Gedanken und Yorschriften be-
deuten. Nun begegnen uns dieselbe und ahnliche Bezeichnungen immer
Avieder in christlichen Schriften in Zusammenhangen, die klar hinweisen
auf feste tlberlieferungen von Lehren und Geboten: da ist der SchluB
unvernieidlich. daB nicht nur ein unbestimmter common sense in der
Kircne lebte, sondern daB sie einen festen geistigen Besitz innenatte. Die
Bezeichnungen, die dieser Besitz erhalt, ebenso aber die Beurteilung, die
er findet, sowie seine Gleichartigkeit in den verschiedenen Quellen, be-
lebren auch dariiber, dafi man ibn sich niclit denken darf, als eine zu-
fallige "Wiederholung bestimmter Lieblingswendungen und erbaulicher
Redensarten. - 1 ) Hinsichtlicn der moralisclien Regeln wird sicb kaum je-
mancl mehr die Sache so vorstellen, der Tatbestand erfordert die Be-
trachtungsweise, die der Moral billig ist, auch dem ,,Grlauben" recht
sein zu lassen. 2 ) Yielleicht schwindet bei dieser Betrachtungsweise etwas
von dem Hauch unmittelbarer Begeisterung, den wir in der alten
Christenheit wahrzunehmen uns gewohnt haben. Aber wir haben dafiir
den grofieren Gewinn. uns ihr Leben und "Werden anschaulicher, kon-
kreter, Avenn man will ..natiirlicher" vorstellen zu konnen.
Was man so lehrte im Vertrauen auf die iiberirdische Macht der
Sache und was man lernte, indem man diese Macht im Geist eiiebte, kann
man zusammenfassen in die doppelte Trias : der Vater, der Sohn und der
I Geist, und der Glaube, die Liebe und die Hoffnung. Christus der Erloser und
1 Herr war der Mittelpunkt des Ganzen, der lebendige Gott ist sein Vater,
V von Christus kommt die Geistesmacht iiber die .Menschen. Das ist der
1) Ha mack hat otters anclere siucl imn clarin gefolgt von ,,Ke-
rygmen" oder ,,kerygmatischen Satzen" gesprochen (z. B. PRE. I s , 750), die in
der apostolischen und nachapostolisclieu Zeit in den G-ememden kursierten. Dem
liegt eine ganz richtige Empflndung zugrunde. Aber man kann es nun niclit
sein Bewenden hatten lassen an solchen einzelnen Satzen, wenn man ilberlegt,
daC solche Bezeichnungen wie d/^&eia, svayyshov, SiSay/j, evrolrj, TtapdSoais etc.
doch offenbar auf eiue umfassende Darstellung des ganzen Christentums hin-
weisen. Eine solche besaB man, sie setzte man als allgernein bekannt voraus,
niit ihrer Autoritat argumentierte man. Harnack hat recht, wenn er es ablehnt,
alle Lehrformelu auf ein ,.Bekenntnis" zuriickzufiihren, aber es ist offenbar un-
richtig, Arenn er diese einzelnen ,,Satze" als isolierte ,,Kerygmen" fafit, sie haben
in Wirkliehkeit eine zusammenhangende Einheit gebildet, Avie Avir sahen.
2) Z. B. das EvayyeLov fiov des Paulus (oben S. 161) ist nicht minder eine
feste Grofle als das, Avas er TS 6Sovs fiov TS sv X^ior^ (1. Kor. 4, 17) nennt
und in der ganzen Kirche zu lehreu pflegt.
Das Taufbekenntnis der nachapostolisehen Zeit. 171
,,Grlaube", den man glaubig' erfafit, Her wurzelt die Liebe, die in
mancherlei ,,Greboten" das Leben umfafit und auf den rechten ,,Weg"
stellt und den falschen meiden lafit. Und biermit ist eine objektive
.jHoffnung" gegeben, in der hoffend der Menscb sich trostet im Leid der
Gregenwart. 1 )
6. Yon dem ,,Glauben" der apostolischen Zeit war .,das Bekenntnis",
wie wir gesehen baben, zu unterscbeiden, nicbt anders als wie das be-
kenntnisartige Scb'ma der Synagoge neben. den ,,tJberlieferungen" be-
stand. Wenn man die Literatur tmserer Zeit nach einer Bekenntnis-
formel durcbmustert, so begegnen uns rnehrfacb formelbafte Zusainrnen-
stellungen. "Wie das Bekenntnis im N. T., erstrecken aber aucb sie
sich nur auf christologiscbe Formeln, von einem Bekenntnis in triadi-
scher Fassung findet sicb keine Spur. Die bekenntnisartigen Zusammen-
stellungen, die man bei Ignatius und Polykarp findet, 2 ) sind dem ..Be-
1) Die Quellen verwehren es, diese beiden Triaden im spateren dogmatischen
Sinn zum Einteilungsprinzip der ,,Lehre" zu machen, dazu koinmen sie zu selteE
fiir sich und miteinander Tor. Aber ihr Alter wie das Vorhandensein der Kom-
bination zeigen doch, dafi man zurhistorischenZusammeiifassung' sick ihrer bedienen
kami. Vgl. bes. Ignat. Epb.es. 9, If. : "J&yvcov Se . . . fyovras y.uy.i]v StSu'/ijv,
ove ofa sldaars OTteiQai sis vfius flvaav-TEg T& 3)ta eis TO f.ii] Tta^aSs^aad'ai ra
OTteigofieva i>7(' aiifoiv, dig ovies hi&oi vaov Ttar^os, fjTocfiafffievot sis olxoSoftiiv
freov rtatQOS, dvacpE^6f.isvoi els tot. iitprf Sta rfjs {.trjftavrjs lijaov X^iarov os
eariv aravQOs, a r /,oiviq> ftycbftevoi TCO Jtvevf.i are, tip ayicp' -fj Se stiffTis -fiftoav
dvaycoyeiig iificov, fj Se dydTt'ij oSos fj dvayegovaa sis d'sov. "Eate. otiv y.a.1 ovvodoi
jtdwtss, 8'eo<p6()oi> y,od vaocpogoi, y^ioiocpogoi, ayiocpogoi, v.urca, Ttdwra ttExoafiTjfievoi ev
rais evtoKaTs 'lyaov Xyiarov. Hier tritt denen, die die ,,schlechte Lehre"
haben, entgegen die Lebenssphare und der Besitz derer, die den ,,Geboten" Christi
folgen. Es fehlt bei der zweiten Trias die Hoffmmg, wie auch oft im N. T., das
ist verstandlich, ist sie doch im Glauben enthalten. S. auch Magn. 13, 1. 1. Clem.
58, 2: fj yctg 6 9'sbs xal Qij 6 xvpios 'Iqaovs Xpiarbs xal TO rtveiifia TO
ayiov, ij TE Ttians ncu rj e),7tls TCOV sxlsKTwv. Wiclltig ist auch Hbr. 10,
22-24. 2931. Vgl. S. 167. 73. 147 und Iren. epideix 41.
2) Die Hauptstellen sind Ignat. Trail. 9, 1. 2: '/.oxpcbd-riTe ol>v, otav ii/niv
%cools 'Irioov Xoiarov Adhr] Tie, TOV ex ysvovs ^JaviS, TOV sz Manias, os d).t]d~w$
etpaysv TB y.al emev, dhrjd'&s sStco'/ftq sTtl JJowtiov HiiAiov,
l xcu d^tsd'avsv fikeTtovitov [TCOV sTtovqavicov xui ertiyeicov teat -vTCO'
8g xal dhr]&(5s ijys^rj drtb VKV.Q&V, syeioaVTOS afabv TOV TtaTobs aiiTOv. Dies ist
eine im antignostischen Interesse erweiterte und zug-espitzte (dlri&cas, etpaysv etc.)
Bekenntnisformel. Smyrn. 1, 1. 2: jtBTcl-rj^oyo^rji.isvovs sis TOV xvoiov
yevovs ^favlS y.a/ra. adoy.a, vlbv d'sov VMTCH. d'ehrif.ia 'y.nl Svvafiiv -&eov,
s% Ttuo&evov, ftsfia'jt'tiaf.ievov into ^Ito&vvov . . ., d^9"ws sTtl Hovriov
y.al 'HocbSov TST0do f /,ov xafrrjlcofievov vaeo fjficov ev oaoxi . . ., Sid TIJS
fivaar&ascos. S. noch Magii. 11, 1. Bom. 6, 1. Philad. inscr. Eph. 18. 2 : IK
fiaros fisv jJaviS, 7tvsvf.ia,TOS Se ayiov etc. Polycarp. ad Phil. 2, 1 :
rrjv KSVTjv fiaraioloyiav . . . TtiarsvaavTes sis TOV eysioavTH TOV xvoiov -ijucov 'Iijaovv
172 8. Die alten Normen der Lehre.
kenntnis", das wir im N. T. wahrnehmen, ganz ahnlich. Dann aber
wird man das Bekenntnis, das Paulus, Johannes und der Homer, der
den Hebraerbrief schrieb, kennen, auch in Antiochia als bekannt anzu-
nehmen haben. Es trug also okumenischen Charakter. wieAVohl
der Wortlaut sicher lokal differenziiert gewesen ist. l ) Das Bekenntnis
driickte den Glauben an Christus aus, der aus Davids Geschlecht stana-
mend, von der Jungfrau Maria geboren ist, und Gottes Sohn war, der von
Johannes getauft wurde, unter Pontius Pilatus und Herodes (?) litt und
starb, der von Gott erweckt ist von den Toten, der zur Rechten Gottes
sitzt, dem die Engel unterworfen sind, und der komuien wird, die
Lebendigen und die Toten zu richten. Das war also der Kern des
..Evangeliums" und der ,,Lehre", den der Katechumene zu bekennen hatte.
7. Aber in unser Zeitalter sclieint nun die Neuforinung des Be-
kenntnisses zu fallen, welche die alte triadische Paradose zum Ein-
teilungsgrund des .,Glaubens" macbte. Eine Tatsacbe, die fur die DG.
von unvergleichlicher Bedeutung ist, riickt damit in unseren Gesichtskreis.
Justin, der Martyrer, der um 150 seine Apologie verfafite, be-
.zeicb.net in ibr den cbristlicben Gottesglauben als die Verehrung des
Sckopfers und seines Sohnes, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde,
sowie des propbetischen Geistes .(Apol. I, 13). 2 ) In baufig wieder-
kebrenden Formeln wird aufierdem der Inbalt des sog. 2. Artikels
wiedergegeben. 3 ) Vor allem aber ist von Bedeutung die Mitteihing, dafi
BK v6'/.()(av xal Sovra. aiirca So^av y.at &QOVOV ex Se^icov a-dtov' a> vT
10. Ttdwm KTtovpdwa. '/.al KTtiysia . . ., '03 %(>%eTai y.Qiti]s ,cbvrcov y.al vsxtjwv.
1) Vergleicht man die neutest. Pormeln (S. 163 f. A. 3), so fallen besonders
auf die Erwahnungen der Jungfrau (s. aber Gal. 4, 4) mid des Herodes (s. aber
Act. 4, 27), ferner das Fehlen der Zettgen der Aufersteliung iind der Erwahnung
der Himmelfahrt, fiir die der Kleinasiat Aristion, falls 'der unechte Markusschlufi
auf ilm zuriickgeht, eintritt (Me. 16, 19). Indessen laftt sich hier im einzelnen
nichts ausmacJbten. DaB die ,,Jungfrau" spater in die Formel kam das ist nach
Ignat. sicher ist ebenso begreiflich (s. oben S. 1081), wie dafl man die nach
1. Kor. 15 doch nnvollstandigen testes der Anferstehung fallen lie.fi. Bemerkens-
wert ist noch, daB auch das johanneische fiovoyevtfs fehlt. Aber dem Antiochiener
Ignatius wird es nicht gelaufig gewesen sein und Polykarp referiert nur das Bnde
der Formel, zudem ist keineswegs sicher, dafl Job., das Wort in seinem
,,Bekenntnis" stehen hatte. Aber es steht freilich im altromischen Bekenntnis
(s. nnten).
2) Ap. I, 13: Tov 8 1] fi i o v (>. y 6 1' TovSs TOV TtavTos aeftofttvoi. Ibv
StSdaxa}.6v re. tovrtov yev6f.ievov f//.iTv nal els TOVTO yewq-9'evra 'I'ljoovv
Xqiatov, ibv atavoio&EVtu, S7tl JJovriov ITikdrov . . ., vibv aiitbv
TOV OPTCOS \)'eov (.iK&w'tes ev Sevcefiri, '/fbfjq. e%ovTes, Ttvevfid TB TtQoyrjif/.bv sv
iqlrr} Tget on fiera. l.oyoy riftcofifr 8ei$o/j.ev.. Vgl. 65: (uvov y.al So^av ttff
7tar()l TOJV o).cov Sia TOV ovdfiaros TOV vlov y.al TOV rcvevuaTOs TOV ayiov, ebenso 67.
3) Aus den in Betracht kommenden Stelleu heben wir folgende Formeln
Die Entstehung des triadischen Bekenntnisses. 173
die Taufe vollzogen wird im Nam en des Vaters und Herrn von allem.
und Jesu Christi des tinter Pontius Pilatus Gekreuzigten und des heil.
Geistes (I, 6 1 1 )). Hieraus ergibt sich einmal die Verwendung der triadi-
schen Taufformel (cf. Did. 7, 1), dann aber dafi die Formel auch in
erweiterter Gestalt in Betracht kam (,,Pontius Pilatus"). So luckenhaft
immer solche gelegentliche Erwahnungen und Anspielungen sind, wie
Justin sie bietet, so erscheint es doch als wahrscheinlich, dafi das Be-
kenntnis, an das er denkt, nut dem altromischen nicht schlechtweg
identisch ist. 2 ) Das hat nichts Auffalliges an sich, war doch Justin
nicht in Rom, sondern in Ephesus Christ geworden. 3 ) Hieraus lafit
sich aber schliefien, dafi um 140 in Ephesus das Taufbekenntnis bereits
hervor: 1) ibv 8ijf.uovpybv tovSe .tov navtos (Ap. I, 13), tov rcatobs ndvtojv xal
Ssanotov -dsov (ib. 46), TOV natods tcov oKoiv xal Seanotov dsov bvofta (ib. 61).
Letzteres wird demnach wohl die Formel sera, 2) tyoovs Xgiatos, 3) yewcbfievov
Sid nap-dsvov (ib. 31), Sid. nagfievov avdpconos dney.v^-drj (ib. 46), ia trjs Ttaq-devav
avQ^conos yevvri&rjvat, (Dial. 63), Sia Tia^devov yevvrjdevTOs (Dial. 85), 4) vlbv
avrbv tov dvtcos &eov (Ap. I, 13)* vlbv d'eov ovra veil "/.exkrjfievov (ib. 21) cf. tov
TiatQos avrov (Dial. 63. 85), tov vlov tov -deov (D. 85), vlbv 9'sov (D. 132), 5) tbv
atavftco&evta. erii Uovtiov ZTiidtov (Ap. I, 13), tov atavQcbQsvtos BTU Uovtiov
Uikdtov (ib. 61. Dial. 85), 6) atavtjco&evta y.cu catodavovta. y.ai avaatdvta avsh]-
hvfrevai sis tov ovqavov (Ap. I, 21). xal dTtofrftfay.ovtd y.al dveyeioofievov y.al si?
dvep)>6{.(,evov (ib. 31), atavQcodels y.ai oujioQ'avcov dveatrj y.ai efiaaikevaev
sis oiioavov (ib. 42), y.ai atav() cod's is y.al dnod'avcav dveatrj teal dvs}TJkudsv
sis oiioavov (ib. 46), atavpcodrjvai y.al dno&aveiv (Dial. 63), os y.al dvsatr] ey. vsy.owv
y.al avrl^d'EV sis tbv ovoavov, y.al otavoca&svtos snl ITovtiov Hikdtov . . y.al ano-
fravovtos y.al dvaatdvtos ey. vexgcov y.al avajidvtos els tbv ovgavov (D. 85), otavoco-
&svta xal avaatdvta y.al avB^rj^v&ota sis tovs ovoavovs (D. 132), 7) y.al nd),iv
nagayevrjaofievov y.oirijv Ttdvrcov aTthcos avd^caTtcov (D. 132), 8) avevfid ts 7tQO<pr r
tixov (Ap. I, 13), y.al en dvdfiatos nvsvfiatos ayiov (Ap. I, 61).
1) Ap. I, 61 : en ovofiatos yao tov natobs twv b'Lcov y.al Ssanotov &eov y.al
tov acotrj^os fyfiwv Utjoov Xgiotov y.al 7ivsv/.iatos ayiov to sv tea vSan tots ).ovtobi'
izoiovvtai. *Ev tcp vSati e^ovofid^stai, tco ekouEVCp dvayswi]&-?jvai y.al ftsta-
vorjoavti em tols f]fiaot^f.isvois to tov Ttatobs tcav ohcov y.al Ssanotov
dsov ovofia. Kal In ovopatos Ss 'Frjaov Xaiatov tov fftavoca-
O'svtos snl Uovtiov JTi),dtov y.al I.TI ovofiatos nvsv juntos dyiov, o
Sid t&v Ttooyrjtcov 7cooey.i']ov!;ev to y.atd tbv 'Iqaovv ndvta 6 cpcoti^ofisvos 'f.ovetat..
2) Besonders Avicbtig ist das Pehlen von navtoy.odtwo, ^ovoysvijs, taysvta,
tpitr] fjfiepq, ayia ey.xhrjaia, acpeais afiapti&v, aapxbs dvdotaois. GeiiauereS S. bei
Kattenbusch, Das ap. Symb. II, 286 f., 293 ff. Aueh das nvt-vua noocpt]tty.6>'
macht stutzig, wenn man sich erinnert, daB in den morgenlandischen Formeln
oft auf Ttv. ay. der Zusatz : to lalf}aav ev tois noocprjtais folg't.
3) Die Envalnnmg von Stiicken aus dein 2. Artikel als exorcistische Formel
(bes. Apol. H, 6. Dial. 30. 85 cf. Iren. II, 32, 4) lafit freilich auf em sehr hohes
Alter dieser Stiicke schliefien, aber sie gehoren dem alteren eing-liedigen Be-
kenntnis an und beweisen somit niclits fur das Alter der triadischen Formel.
174 8. Die alten Normen der Lehre.
dreigliedrig war, und dafi es im einzelnen kaum identisch war mit der
romischen Formel, die wir kennen.
DiesResultat wiirde bestatigt werden durch die um 140 entstandene
Apologie des Atheners Aristides, wenn sich sicher ausinachen liefie, dafi
die bekenntnisartigen Eormeln, die bei ihm vorliegen, einem drei-
gliedrigen Bekenntnis entstammen. 1 ) DaB der Brief, in dem Marcion
um 140 seine Rechtglaubigkeit vor der romischen Gemeinde dartat, ein
Bekenntnis enthielt, das mit dem Tertullian gelaufigen dreigliedrigen
Symbol sieh deckte, scheint dagegen sicher zu sein nach der Art, wie
Tertullian von der Sache redet. 2 ) Das Yorhandensein und die oku-
menische Geltung des dreigliedrigen Symbols wird dann von Irenaus und
Tertullian deutlich fur die ganze Kirche bezeugt, 3 ) oline dafi Rom als
der Ort seines TIrsprungs genannt wiirde. 4 )
Demnacb ist zu sagen, dafi das alte eingliedige Taufbekenntnis seit
ca. 130 140 allmahlich in der ganzen Kirche von dem dreigliedrigen
Bekenntnis verdrangt worden ist. Unter den Formulierungen, die dasselbe
gefunden hat, ist die romische spater im Abendland mafigebend geworden,
obne dafi irgend etwas darauf funrte, dafi Rom das neue, triadisclie
Schema aufgebracht hatte. Am wahrscbeinlichsten scbeint mir zu sein,
dafi es zuerst in Jerusalem oder auch in Kleinasien in Anwendung
gekommen ist und von dortaus sich liber die ganze Kirche verbreitet hat. 5 )
1) Vgl. Member R. Seeberg, Die Apol. d. Aristid. (Zahns Forsek.,V) S. 270 f.
und Katteiibusch II, 303 ff. In Betracht kommt: 1) yivcbaxovai tbv &sbv
xTiairjv y.al Sij/uiovgybv tcov cmdvtcov (15, 2 cf. 14, 2); 2) o-Sros Ss 6 vibe TOV d'eov
tov inpiatov ofioAoyettat (2, 6) ; 3) sv nvsvfia/rt. ayico an oiigavov y.afafids (2, 6,
znm Verstandnis nieinen Kommentar S. 272); 4) n und von einer hebraischen
Jungfrau nahm und, anzog Fleisch (nur syr. erhalten, 2, 6) ; 5) fieru IQSZS -fifte/tas
dv/3ico y.al sis ovgavoiis avT^sv (2, 8) ; 6) Gericht, welches durcli Jesus den Messias
bereit ist zu kommen uber das ganze menschliche Geschlecht (17, 8). Die an
erster Stelle angeflihrte Fonnel klingt wie bekenntnismaEig, aucli der Znsammen-
hang stimmt hierzu; sieht man aber von ihr ab, so konnte Aristides ev. nur das
alte eingliedige Bekenntnis gehabt haben. Indessen diinkt mich. dies nicht
Avahrscbeialicb. Eine Erwahming des Geistes fehlt.
2) s. Tertull. adv. Marcion I, 1; IV, 4, de carne Cbr. 2 cf. de praescr. 30.
Zahn hat benauptet, aus dem Text Marcions Gal. 4, 26 (in quam repromisimus
sanctam ecdesiam) folge, dafi die ,,Kirche" ini Bekenntnis Marcions gestanden
habe (das apostol. Syrnb. S. 33; vgl.. Gesch. d. Kan. II, 502).
3) s. auch das Bekenutnis der Presbyter von Smyrna Hippol. c. Noet. 1
(ca. 180), wo aber der Geist nicht erwahnt wird.
4) Das sagt auch Tert. de praescr. 36 nicht, nur dafi Rom als eine von
Aposteln begriindete Gemeinde fiir die Afrikaner den alten Glauben autoritativ
vertrete, wie Korinth oder Ephesus fiir andere Gegenden, will T. sagen.
5) Stellt man, wie iiblich, die Alternative Bom oder Kleinasien, so sprechen fiir
Kleinasien folgende Erwagungen : 1) Justin kennt das triadische Bekenntnis, das er
Das romische Taufsyinbol. 175
8. Das altromiscbe Symbol 1st uns als ganzes zuerst durch. Marcell
von Ancyna (348) und durch Rufin (ca. 400) uberliefert. Aber es fehlt
nicht an Anzeichen dafiir, daB diese Form sebr viel alter 1st und
mindestens bis in den Anfang des 3. Jahrhunderts zuriickreicnt. *) Da
nun bis zu dieser Zeit das Griecbische die Kircbenspracbe Roms war,
so pfl'egt man den von Epipbanius (b. 72, 3) iiberlieferten Text Marcells
als den altesten mitzuteilen. Aber dagegen spricht, daB dieser Text,
wie allgemein anerkannt wird, einige nicbt ganz unwesentliche Abande-
als Katechumene in Ephesus erlernt haben Avird. Aber auch Avenn man letzteres
als unsicher ansehen will, bezeugt dieser KLeinasiat jedenfalls, daB, wie in Bom,
so auch in r Asien das triadische Bekenntnis nm 140150 im Branch stand.
2) Wie die Presbyter von Smyrna um 180 das Bekenntnis anfiihren, so ist die
Theologie des -Kleinasiaten Irenaus ganz .von ihm durchtrankt, sie ist recht eigent-
lich Bekenntnistheologie. 3) Iren. folgt hierniit der Methode, die das grofie Licht
Kleinasiens Johannes in seinem 1. Brief aufgestellt hat: den Haretikern gegen-
iiber an der nalaia. iviolr\ festzuhalten; vgl. die Traditionstheologie des Papias.
4) Das in alter Zeit so iiberans seltene povoyevjjs weist nach Kleinasien, aber
freilich scheint Jnstin es nicht im Bekenntnis zu haben, nnd es konnte nberall
geschrieben werden, wo man das Johannesev. las. 5) Die innere Wahrscheinlich-
keit ist fiir jene Zeit groBer, daB Boin die Empfangerin, Kleinasien die Geberin
war. 6) Dazu kommt, daB das neue Symbol bald im ganzen Orient bekannt ist,
was sich auch mit romischer Entstehung nicht recht vertragt. In jener abge-
legenen Gemeinde Syriens, in der die Didascalia entstand, gait schon in den
ersten Dezennien des 3. Jahrh. fiir Tatsache, daB die Apostel auf dem Konzil zn
Jerusalem fiir die ganze Welt das dreigliedrige Bekenntnis verfaBt hatten
(Didascal. 24 init.). Man kann.die okumenische Geltung und die Autoritat der
Pormel nicht starker markieren, als es durch diese Geschichte geschieht. DaB
die ,,Geschichte" nicht historisch ist, bedarf keiner Bemerkung. Konnte ihr aber
nicht ein geschichtlicher Kern zugrunde liegen, die Erinnerung namlich, daB in
der Tat die Bekenntnisf ormel aus Jerusalem stammt ? Nach Euseb hat Jerusalem
im Jahre 135/6 den ersten heidenchristlichen Bischof erhalten (h. e. IV, 6, 4).
Das ware der geschichtliche Moment, in dem sowohl Matthaus griechisch be-
arbeitet werden, als ein neues der heidenchristlichen Missionsarbeit entsprechendes
Taufbekenntnis geschaffen werden konnte. DaB Jerusalem fremde Tradition iiber-
kam, ist nicht wahrscheinlich, an der jerusalemischen Lehre bewahrte sich aber
dem Hegesipp die Lehre der tibrigen Kirchen als orthodox. Noch ein Punkt ist
von Belang, die alteste triadische Taufformel, die wir kennen, ist judenckristlieh.
Im Helkesaibnch wird angewiesen, die Wiedertauf e zu vollziehen ,,in dem Namen
des groBen und hochsten Gottes und in dem Namen seines Sohnes", darauf sollen
zu Zeugen angerufen werden Himmel und Erde und ,,die heiligen Geister" etc.
(Hippol. Bef. IX ; 15). Mag auch bei den heil. Geistern an Engel zu denken seiii,
so scheint doch diese Forael in dem uralten Buch auf jiidische Provenieuz der
triadischen Taufe zu fiihren. Es mag sich mit dem Sjtnbol ahnlich verhalten
wie mit dem monarchischen Episkopat : beide sind aus Jerusalem nach Kleinasien
und von dort nach Bom gekommen und beide haben erst in Rom sich zu voller
Bliite entfaltet.
1) s. Novatian de trin., sowie Dionys. Bom. b. Athanas. de decret. Nic. syn. 26.
176 8.- Die alteii Normen der Lehre.
rungen erfahren hat, dann aber, dafi es sehr wabrscbeinlicb 1st, dafi der
lateiniscbe Text des Symbols der altere ist. Dieser ist nainlich rbyth-
miscb gestaltet. Da die TJbereinstimmung mit dem griecbiscben Text
erne ganz wortiiche ist, dieser aber des Rhytbnius entbebrt, so ist der
lat. Text der urspriinglicbe. oder es rnuBte ein wunderbares Spiel des
Zufalls den Rhytbmus hervorgebracht liaben. 1 ) Den lateinischen Text
teilen wir nacli Rufin und dem Codex Laudianus niit, nacb den zwolf
Artikeln geordnet.
1) Credo in deum patrem 2 ) omnipotentein. 2) Et in Christum lesum,
filium eius unieutn, 3 ) dominwn nostrum, 3) qui*) natus est de spiritu
sancto et Maria virgine, 5 ) 4) qui sub Pontio Pilato arucifixus est et se-
pultus, 5) tertia 6 ) die resurrearit a mortuis, 6) ascendit 7 ) in caelbs,
7) sedet 8 ) ad dexteram patris, 8) unde venturus est ^udicare vivos et
mortuos. 9) Et in spiritum sanctum, 9 ) 10) sanctamecdesiam, 10 ) 11) re-
missionem peccatorum, 12) carnis resurrectionem. 11 )
Der Ursprung dieser altromiscnen Formel ist fiir uns in tiefes Dunkel
geliullt. Wann die Formel in Rom gepragt worden ist, 12 ) das wissen
wir ebenso wenig, als welehe Entwicklnng sie in Rom durcbgemacht bat
bis zu ibrer jetzigen Glestaltung, 13 ) oder wie sicb die romiscbe Formel
zu. etwaigen alteren triadiscben Pormeln verbalten bat.
1) Dies hat H. Jordan (Rhythmiselte Prosa in der altckristl. lat. Literatur
1905, S. 33 ff.) wahrscheinlick gemacht.
2) naie^n fehlt bei Marcell (= M), das romische Symbol ist uns aber
griechisch auch im Psalteriiim Aethelstani sec. IX (= A) erhalten; dort [stekt
TiateQtt, und Eufin wie Laud, liaben patrein. Zum Text Marcells s. Katten-
busch, Das ap. Symb. I. 64 f., 71 ff.
3) Griechisch: ibv /uovoyevrj.
4) Griechisch : TOV yBwi]d-evTa ebenso in 4 fiir jjxii : tbv . . aravQcod'evru.
5) Dies ist unrhythmisch, daher proponiert Jordan: et virgine Maria.
6) Tertia: xal rf] iQitri M.
7) Ascendit: avafiAvra. MA.
8) Sedet: KOLI y.ad'ijf.ievov M.
9) Sp. s. : TO ayiov nvefi/w, M. ,
10) Jordan S. 35 proponiert aus inetrischen Griinden.: ecclesiam sanctam.
11) Eesurr: ^cojjv al&viov add. M, sicher nicht ursprimglich.
12) G. Kr tiger nieint. im AuschluB an McGiffert (The Apsostles Creed.
1902), das Bekenntnis sei als Gegenmittel gegen die marcionitische Bewegung er-
funden worden (Ztschr. f. neutest. Wiss. 1905, 72 ff.); ich halte diese Hypothese
fur undurchfuhrbar.
13) Nach Zahn (Das apostol. Sjonb. S. 23 ff., 45 f.) hatte unser romischer Text
sick vom urspriinglicken an zwei Punkten untersckieden : 1) Art. 1 kiefi sis eva S'.edv
Ttai'-co-^dto^a, 2) povoyevi/s habe rielleicht ursprunglich gefehlt. Unter Papst
Ze.ph.yrin (199217) sei in Koni die alte Eegel ,.umgepragt" worden, indem eva
fortfiel und Ttarfya, Avahrscheinlich auck /.lovoysvf} eingeschoben wurde. Dem
Der Ill-sprung des triadischen Tatifbekenntnisses. 177
9. Dagegen lafit sich mit einiger Sicherbeit erschliefien, durch welcbe
Motive die Kirche zu der neuen triadisch gegliederten Formel gefubrt
worden ist. Folgende Erwagungen kommen in Betracht : 1) Es' handelt
sich um eine Taufformel (s. Justin). Did. 7, 1 gibt an, dafi man tauft
.,,in den Nanien des Yaters nnd des Sohnes und des heil. Geistes", aber
in den, nach allgemeiner Annabme der Didacbe selbst an Alter erheblicb
ilberlegenen, Abendmablsgebeten in ibr ist die Kede von den
gelte die Klage der Monarchianer Eus. V, 28, 3. 13. Zahn beruft sich auf
Wiedergaben der Eegel bei Irenaus und Tertulli'an, die von unus deus omnipotens
reden (S. 23 Anm.), auf die Formel der Presbyter von Smyrna (Hippol. c. Noet. 1:
y.al fi/.ieis sva &ebv cft8a/u,ev\ sowie auf die unnatuiiiche Verbindung Ttar^ Ttarro-
y.Qdicof) statt des naturgemafien fobs TtavToxgdvcoy (S. 27 1). Aus dem Fehlen
des fiovoyenjs oder unieus in den Eeproduktionen bei Irenaus Tertullian, Justin
und in verschiedenen Relationen des Symbols wird ebenso wider die Ursprung-
lichkeit argumentiert. Allein diese Beweisflihrung unt'erliegt den schwersten
Bedenken, wie Harnack, Ztschr. f. Theol. u. Kirche IV, 130fl. gezeigt hat.
1) Es muB der freie Charakter der betr.- Referate, die nie den Wortlaut des
Synibols wiedergeben, im Auge behalten werden, auch von Christus heiJBt es sis
era Xqiorov (Ir. I, 10, 1 U. 6). 2) Iren. (I, 10, 1 : sis eva d'ebv Ttareqa, Ttavro-
y.ocnoioa^ wie Tertull. (nionog. 7: imicus pater etc,) verlangen die ilbliche rom.
Forniel; 3) das in orientalischen Symbolen haufige svu verbindet sich stets mit
Ihbv nareQa TtavToxydTOfta; 4) das Pehlen des Ttaietia ist bei dem Ursprung
der Forniel aus dem Taufbefehl unbegreiflich (cf. Justin). 5) Aus der geschicht-
lichen Situation ist eine derartige ,,Umpragung" der Formel nicht erweisbar.
6) Dagegen ist Zufugung des eva zu Gott in freien Wiedergaben der Kirchenlehre
aus der antignostischen und antiheidnischen Tendenz sehr einfach zu verstehen,
wie ja der Orient es tatsachlich in seine Formeln aufnahm. Ebensowenig ist
es als notwendig zu erweisen, daJ] povoyevfis spaterer Zusatz ist. Die Erinnerung
an den Wortlaut des Taufbefehls legte es nahe bei nicht wortlichen Referaten
davon abzusehen, so wie es spater in der Formel selbst fallen zu lassen (dagegen
Ignat. Rom. inscr. : tov fiovov vtov atrov}. Es ist also von der doppelten resp.
dreifachen Emendation, die Zahn zur Gewiunung der urspriinglichen Form des
romischeu Bekenntnisses vorschlagt, abzusehen. Wir haben kein Mittel eine
altere Form als die obeu angegebeue zu gewinnen. Merkwiirdig ist es aber,
daB die syrische Didascalia c. 24 init. sagt: Gott den Allmachtigen und Jesum
Christum und, den heil. G-eist (dies ist fraglos der richtige Text) M. c. 19 extr. :
wir glaiiben an imseren Herrn Jes^ls Christus und an seinen Vater den Herrn,
Gott den Allmachtigen und, an den heil. Geist. Darnach bildet Zahn die Formel:
ittarevw sis -Osbv navfoy.^dro^a (N. kirchl. Ztschr. 1896, 22 27). Aber auch dies
ist nicht stichhaltig, an der ersten Stelle fehlt nicht nur der Yater, sondern aueh
der Sohn, und an der zweiten Stelle lafit die Fassung des Referates sehr gut die
Zugeho'rigkeit des Vaters zu dem 1. Artikel zu. DaB Ttcneoa. nicht irn Symbol
gestanden habe, kanu auch hierdurch nicht bewiesen . werden. Der Gedauke, der
einem kommen kanu etwa angesichts des Bekenntuisses der Smyrnaer, der
Didascalia (s, noch c. 26. fin), des Aphraates (am SchluC seiner 1. Homilie) und
.der dem Irenaus nmndgerechten Ausdrucksweise, dafi im Orient das Bekenntnis
urspriinglich des ,,Vaters" entbehrt habe, wird sich nicht durchfiihren lassen.
See berg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 12
178 8. 'Die alten Normen der Lehre.
ig fivo[.ici '/.voiov (9, 5). Der Schlufi ist unvermeidlicli, dafi die jiingere
ttnd altere Taufform Her nebeneinander stelien. 2) Die alte eingliedige
Form ist entstanden als ein Bekenntnis fur Juden, die Christen wurden.
Hier geniigte das Bekenntnis zvi Christus. Anders mufite die Sache
werden, als Heiden das wesentliche Kontingent der Katechumenen atis-
machten. Der eine Schopfergott wurde jetzt ein wesentliches Stuck der
Lehre (s. z. B. Hernias Mand. I). 1 ) Bbenso aber mufite der heil. Geist
fester mit dem Sohn verbunden werden, wenn man durch die Taufe als
solche den Geistempfang vermittelt dachte. Soinit erforderte die ge-
schichtliche Entwicklung mit innerer Notwendigkeit , dafi im Tauf-
bekenntnis der Vater und der Greist neben den Sohn gestellt wurden.
Das Matth.-Ev. gab dies an die Hand, und in judenchristlichen Kreisen
begegnet uns zuerst die triadische Taufform (s. Helkesai oben S. 175).
3) Aber trotz dieses Bediirfnisses und trotz des Vorhandenseins der
triadischen Formel in der kirchlichen TJnterweisung blieb man lange bei
der alten Formel stehen; das ist keine einzigartige Erscheinung, tin-
zahlige Analogien der Kultusgeschichte sprechen fiir sie. Man wird an-
nehmen miissen, dafi etwas Neues auftrat, das die Taufe eng mit der
triadischen Formel verband. Dies Neue aber werden wir in dem all-
gemeinen Bekanntwerden des Matthausevangeliums in der griechischen
Bearbeitung zu erblicken haben. 2 ) Hier war die letzte Verkiindigung
Jesu in der Form einer triadischen Taufformel zusammengefafit (oben
S. 62). Auch wenn der Bearbeiter nur in geringfiigiger Weise die
Formel zuspitzte, konnte dies praktisch von grofiem Einflufi werden.
Aber selbst wenn man hiervon absehen wollte, war es ein grofier Unter-
schied, ob jene Worte nur aramaisch vorlagen und deshalb wenigen direkt
zuganglich waren, oder ob sie in gemeinverstandlicher Form jedermann
vor Augen lagen. Aus deni Zusammentreffen"" der vorhandenen Bediirf-
nisse und der Formel bei Matthaus wird sich die Entstehung der neuen
1) tibrigeiis beweist dies Mandat des Hermas auch, dafi als es entstand,
der Glaube an Gott noch nicht formulierter Bestandteil der kirchlichen svroLj
war. Dieser Zug, wie viele andere, erfordert eine friihere Abfassung bestimmter
Stiicke des Hermas als ca. 140.
2) Papias wird urn 140 geschrieben haben. Damals lag- nach dera bekannten
Fragment Eus. h. e. Ill, 39, 16 Matthaus in griechischer Sprache vor, aber der
Verfasser weifi von einer Zeit, da dies noch nicht der Pall war, sondern jeder
das Buch so gut er konnte, verdolmetschte. Wann die griechische Ausgahe
erfolgte, ist nicht gesagt. Aus den Matthauszitaten, die Barnabas, Ignatius,
die Didache, Polykarp haben (s. Zahn, Einleitg. in d. N. T. II 1 , 258), laBt sich
nicht sicher entnehmen, dafi sie das griechische Werk lasen. Mehr als dafi die
griechische Bearbeitung in der Zeit zwischen 90 und 130 stattfand, lafit sich
kaum sagen.
Das eingliedige und das dreigliedrige Bekenntnis. 179
Tariff orm und der neuen Bekenntnisformel erklaren. Mcht so liegt es
aber, als hatte man jetzt die Trias erfunden, denn sie war langst ge-
brauchlich, sondern die gelaufige Formel wurde jetzt Tauffofmel. TJnd
nicht so ist dies zu deuten, als hatte ein geschichtlicher Zufall es be-
Avirkt, sondern der Zufall kam nur der Dialektik der inneren Ent-
wicklung entgegen. Das aufiere Verfahren bei Herstellung der neuen
Formel ist einfach gewesen. Man liefi die alte christologische Formel
in der Hauptsache stehen, loste den ,,Yater", der ja in thr enthalten
war, von ihr ab und setzte ihn an die erste Stelle, wahrend der heiL
Geist an die dritte Stelle kam. So entstand das dreigliedrige Glaubens 1
bekenntnis, das der dreigliedrigen Taxifformel entsprach. Freilich flofi
hier einigermafien Verschiedenartiges zusammen, denn das erste und dritte
Glied sind offenbar in eineni anderen Stil gebaut als das zweite. Das
zweite Glied enthalt eine ausfiihrliche Zusanimenstellung der geschicht-
lichen Tatsachen, an denen der. Bekeiinende die Heilserkenntnis erworben
hatte; das erste und dritte Glied dagegen bieten nur eine Nennung der
Hypostase mit knapper Andeutung ihrer Wirkung. Diese Stildifferenz
bietet einen indirekten Beweis fiir die dargelegte Anschauung von der
Entstehung. des Symbols. 1 )
10. Damit hat sich aber ein Ereignis vollzogen, mit dem kein
anderes in der DG. an Bedeutung verglichen werden kann : die triadische
Fassung des christlichen Glaubens. Hinfort ist die Gotteserkenntnis, die
den Katechumenen vorgetragen, die von der Gemeinde bekannt, und die
von den Theologen vorausgesetzt wird, die Erkenntnis von Vater, Sohn
und heil. Geist. Diesem Schema ordnet sich fortan alle christliche Er-
kenntnis ein, von ihm her wird jedes Gotteswirken, das man erfahrt,
gedeutet. Vor allem aber stellt diese Eormel fur imnier Christus und
den Geist auf die Seite Gottes. Welche Probleme sind hierin verborgen :
1) Man kann sich dies veranschaulichen, indem man Glied 1 n. 3 nach der
Tonart von 2, oder 3 nach der von 1 und 3 transponiert. Im ersteren Pall miifite
von Gottes Schopfung und Offenbarung, von der geschichtlichen Wirksanikeit des
Geistes die Eede sein, irn letzteren miifite gesagt werden, daB Christus Erloser
ist, Haupt der Kirche etc. Es ist von Interesse, daB die orientalischen Bekennt-
nisse in der Tat unwillkiirlich das 1. u. 3. Glied einigermaCen nach dem 2. ge-
staltet hahen, indem sie der Schopfung gedenken oder vom Wirken des Geistes
im Gesetz, den Propheten, deni Evangelium und in den Glaubigen reden.
Noch eine Hypothese ware denkbar, namlich daB es zwei Bekenntnisse gegeben
habe: ein knapp gehaltenes triadisches heidenchristliches, in dem Christus nur
als ,,Herr" pradiziert war, und ein geschichtlich-christologisches judenchristliches.
Beide waxen dann spater ineinander geschoben worden. Allein alle Daten ver-
sagen zur Begrlindung dieser Hypothese und der cliff erente Charakter der Bestand-
teile der Pormel widerspricht ihr geradezu.
12*
180 .& Die alten Norraen der Lelire.
der Vater imd der Sohn und docli ein Gott, der Sobn Gottes und docli
der Solin der Maria! DaB unser Ausblick auf keiner Sinnestauscbung
beruht. wii'd sich spater erweisen.
Nur einige kurze Benaerkungen liber den Inhalt des Symbols miissen bier
nock geniackt werden. Vor allem fragt es sicli nacb dem Sinn der Forinel
,,Sohn" im sog. 2. Artikel. Dieser BegrifE kann bekanntlich im theo-
kratiscben Sinn gebraucbt .werden als Bezeicbnung des Menscben, zu
dein sicb Gott verbalt wie ein Vater zuin Sobn. Aber der Begriff wird
aucb im metapbysiscken Sinn gebraucbt vom Verbaltnis Gottes zu
Ckristus in seiner praexistenten und seiner gegenwartigen gottlichen
Stellung. Es ist m. E. uicbt fraglicb, dafi der Sobn, zwiscben den
Vater und den Geist gestellt, in letzterem Sinn verstanden werden inufi.
.Der Sobn ist fur das Bewufitsein der apostoliscben und nacbapostoliscben
.Zteit der biniinliscbe Herr, der wieder bei Gott ist, wie er einst bei ibm
war, bevor der Vater den Sobn sandte". In diesem Sinn ist das Wort
aticb bier gemeint, und das um so mebr, als bier der Sobn in keiner
anderen Existenzspbare vorgestellt werden kann als der Geist und der
Vater; der bimmliscbe Herr ist aber aucb der praexistente Sobn, die
bimmliscbe Existenz ist obne die Praexistenz undenkbar. . Da6 dies
wirklicb der Gedanke der JZeit war, kann man besonders deutlicb an
den Bezeicbnungen (.wvoyevijs unc '- -^fiog (.lovoyevijg seben, durdb die
Jobannes den Sobnesbegriff uniscbreibt. Dafi er der ,,Einziggeborene"
xind der ,,eingeborene Gott" ist: das war es, was man in dem Sobnes-
namen fand. Man kann scbon aus der Wortfolge des Bekenntnisses
diesen Sinn von vios entnebmen. Auf den Vater im Himmel folgt ,,sein
Sobn" ; zuerst der Name Cbristus Jesus, dann was es mit ibm und
seineni Wesen ist: er ist im Verbaltnis zu Gott der ,,eingeborene Sobn",
im Verbaltnis zu uns ,,unser Herr". Wie nun letzteres eine iiberwelt-
licbe Stellung in sicb fa6t, so aucb ersteres. Aber Gottes Sobn im
.iiberweltUcben Sinn ist nur der, der zugleicb als gottlicben Wesens, was
die Praexistenz natiirlicb einscbliefit, vorgestellt wird. Dann erst, nacb-
dem das dauernde Wesen Cbristi zum Ausdruck gebracbt ist, folgt die
Aussage von seinem Eintritt in die Geschicbte. Dieser, der von Ewig-
'keit ber Sobn Gottes ist, wurde Menscb aus dem Geist und aus Maria.
Dies ist fur die gescbicbtlicbe Interpretation der einzig moglicbe Sinn
der Bekenntnisformel. 1 ) Der Sobn Gottes ist Menscb geworden durcb
die Paktoren, von denen Mattb. 1, 20 und Luk. 1, 35 zu lesen ist.
1) Dati der ,,Sohn Gottes" in der G-egeirwart liiminlisclier Herr und Gott ist,
.ist im N. T. klar. Wenn es von mm heiCt: ,,Gott sandte seinen Sohn" (Gal. 4, 4.
Eom. 8, 3. Joh. 3, 17. 1. Job. 4, 10. 14), so ist kern Aiilafi da, den Begriff Sohn
hier anders zu fassen, als dort, wo der Sohn am Ende der Tage erwartet wird
Der Inhalt des Bekenntnisses. 181
Das eigentliche Novum in dem neuen Bekenntnis ist der Artikel
vom heil. Geist. Dafi die Zusammenordnung mit dem Solin und Vater
die personale Fassung des Geistes einschlieBt, ist m. E. selbstverstand-
lich. Schon die johanneischen Reden vom Parakleten setzen diese Auf-
fassung vom Geist voraus. 1 ) Auf den ,,heil. Geist" folgt die ,,heilige
Kirche". Diese Zusanimenstellung ist naturlich beabsichtigt, und zwar
soil die Kirche . als das bezeichnet werden, wozu sie der Geist macht
und wozu sie von Anbeginn her bestimmt ist. 2 ) Der Taufling be-
kennt also zunachst, dafi Gott als heilige Kraft wirksam ist und dafi
es daher eine heilige Kirche gibt. Wenn dann die ,,Yergebung der.
Siinden" hinzugefiigt wird, so ist dies sehr begreiflich. Die Taufe
(1. Thess. 1, 10), oder er im Himmel redet (Apok. 2, 18), oder er sich in der
Ewigkeit dem Vater imterordnet (1. Kor. 15, 28). Fur das Verstandnis der Sache
im Bekenntnis ist am wichtigsten Rom. 1, 3. 4. Der Mensch Jesus ist Gottes
Sohn vermoge des ihm einwohnenden Gottesgeistes von seiner Auferstehung her.
Dafi aber mit dieser ganzen Anschauung die Praexistenzidee unloslich verbunden
ist, sollte man nicht bezweifeln angesichts der vom N. T. wie besonders von, den
apostolischen Vatern (s. oben) bezeugten Anschauungsweise. Dies mu.B erinnert.
werden wider Kattenbusch II, 566. 575. Ebenso unrichtig ist es aucb, wenn
K. die Eelation zwischen Vater und Sohn letignet (II, 564) oder die ,,Doppehiatur"
Christi durch die Herkunft voin Geist und der Maria bezeugt findet (II, 565),
wahrend doch recht klar ist, daB eben nur der Mensch Jesus von diesen beiden
herstammt. Den Sinn der Formel kann man am besten aus der Christologie des
Ignatius (s. S. 99 f.) interpretieren. tiber povoyevrjs s. HoTt, Two dissertations.
1) Das Dilemma: Person oder Kraft, das die neueren Erklarungen in der
Eegel zugunsteu der ,,Kraft" entscheiden , ist modern und daher irrefiihrend.
Hvsvpa ist die wirksame Gegenwart Gottes, daher sowohl Gabe und Kraft, als
auch Gott uud Person.
2) Vgl. besohders 1. Kor. 12, 13 : &v svl Ttvevfian f]/.iels Tcduiss sis ev acofta
e(}a.nria$ri(.iev, oder Eb'm. 15, 16, wo die Heidenkirche die Tt^oayo^d ist fiyiaofisvt]
KV m>EtifiaTi aylco. Did. 10, 5: aAtr\v (die Kirche) . . TIJV ayMa&Eiauv auch die
Zusammenstellung von 6 ayiaCfov und ol &yiat,6/uevoi Hbr. 2, 11 ist zu ver-
gleichen, S. auch ayiaoftbs Ttvevfiaros 1. Ptr. 1, 2. 2. Thess. 2, 13. 'Ayia
Exxlriaia. bei Herm. Vis. 1. 1, 6 ; 3, 4. Zu beachten ist, wie selten in der Literatur
von der ayia' exttlyaia die Rede ist, sodann aber, daiS die sxxlyoia haafig als
praexistente himmlische Gro'Be bezeichnet wird (Hbr. 11, 10; 12, 22; 13, 14*
Apok. 21, 2. 9. Herm. Vis. II," 4, 1. 2. Cl. 14). Asc. Jes. 3, 15 heiEt der heiL
Geist ,,der Engel der Bjrche, die in den Himmeln ist" (vgl. iiberhaupt oben die
Darstellung d. apost. Vater S. 111). Hiernach wird bei der Erwahnung der
Kirche im Symbol aueh nicht blofi an die irdische Kirche gedacht sein (vgl.
Kattenbusch II, 694), sondern diese wird als mit dem heil. Geist gesetzte,
praexistente und in diesem Sinn vollendete Grofie vorgestellt sein. So ist fur
den Juden auch Israel, das messianische Reich und das Paradies praexistent
(Weber, System S. 191. 330). 'Die werdende Kirche erscheint dem Glauben'als
vollendete. Auch dieser Gedanke ist nur vom Boden jiidischer Vorstellungen aus
zrt verstehen, spater ist es daher anders gedeutet wordeu.
182 8. Die alten Norm en der Lehre.
bracbte eben nicbt nur den Geist. sondern aucli die Vergebung, man
wurde in ihr konkret niclit anders Glied der heiligen Kirche, als
durch Simdenvergebung. 1 ) Ein knappes eschatqlogisches Glied macbt
den SchkiB, die Auferstehung als die Vollendung der Erlosung ist ja
des Geistes "Werk. 2 )
Erinnern wir uns jetzt des Hauptzusanimenbanges dieses Abschnittes,
so handelte es sicli darum zu zeigen, dafi allmahlicb neben dem Geist
feste Grofien die geistige Leitung der Kirche iibernommen haben. Es
sind die Scbriften des A. T. und des N. T.. es ist ein iiberlieferter
Lehrstoff moralischen und dogmatischen Inhalts und es ist endlich das
triadisch formulierte Taufbekenntnis. Diese GroBen batten okmnenischen
Obarakter. sie beberrscbten das geistige Leben der Kircbe uberall. 3 )
1) Katteubusck II, 713 ff. kuiipft an dies Glied verschiedene Beflexionen
und will seinetwegen das Bek. auf die Zeit vor Hernias datieren. M. E. mufl man
im Auge behalten, daC es sich um ein Taufbekeimtiiis handelt, in dem die Ver-
gebung eine notwendige Stelle hatte, nachdem der Geist erwahnt worden war.
Vgl. z. B. Didascal. c. 21 fin : Es iverden die Siinden auch in der Taufe ver-
geben denen, die aus den Heiden herannahen imd die heilige Kirche Gottes be-
treten. Anders ist der Zusammenhang des 3. Gliedes in der afrikanischen
Formel gefafit , s. das Bek. des Fulgentins : remissionem peccatorum, carnis
resurrectionem et vitani aeternam per sane tarn ecelesiam; so sclion Cyprian
ep. 69. 70; in sancta eccl. cath. liat das von Morin gefundene Symbol des
Hieronynms (Anecd. Maredsol. III. 3, 199 ff.).
2) S. z. B. Eom. 8, 11. 23, freilich stelit hier a&fia, an ad^ nehmen die
orientalischen Formeln oft AnstoC und schreiben dafiir vf/.qffw, a&o% in diesem
Sinn 2. Clem. 9, 15. Iguat. Smyrn. 3. Justin. Dial. 80 fin.
3) Eine Auseinandersetzung mit den yerschiedenen heute yertretenen An-
schauuugen iiber die Entsteliung des Symbols kann Mer nicht vorgetrageu
werden, sie ergibt sich aus der positiven Darstellung yon selbst. P. Caspari
hat die neuere Synibolforschung in mafigebender Weise eroffnet, Kattenbnsch,
Zahn mid Harnack haben die Eesultate Casparis .yerarbeitet, gepriift und
weitergefiihrt, Lernrne, HaiiBleiter und Clemen uutersuchten die Wurzeln
des Symbols im N. T., HauBleiter kam dabei zur richtigen Erkenntnis, daB der
sog. 2. Art. den altesten Bestandteil des Symbols reprasentiere, aber seine Durch-
fiihrung dieses Gedankens Avar unsicher und der Gedanke, daC der sog. 3. Art.
im Gegensatz zu der Haresie erwachsen sei, offenbar unrichtig. Harnack
dachte an lockere ,,Kerygmen" und kultische Fornieln, die sich allmahlich zu
dem Symbol verdicktet haben. A. Seeberg eudlich schuf eine feste Grundlage
fur die neutest. Wurzeln des Symbols, aber er ging im einzelnen yielfach zu
weit und verkannte vor allern, daB der gesarnte lehrhafte Stoff der neutest. Ver-
kundigung nicht sehon in dem Bekenntnis als solchem imd den ,,beiden Wegen"
zusammeugefafit ist. Damit sind die Ankniipfungen fiir meine eigenen Unter-
suchungen gegeben, die im obigen kurz zusammengefaBt sind. Wenn iibrigens
der 6'kumeuische Charakter des Symbols you mir mehrfach betont wurde, so ist
damit kein Urteil iiber den Archetypus desS y m b o 1 s ausgesprochen. Katten-
busch besonders hat neuerdings den Archetypus fiir alle yorhandenen Tauf-
Die Frage nach der Urform des Symbols. 183
Aber eine neue Zeit brachte neue Bediirfnisse und Gefahren; Vie sie
mit diesen Mitteln befriedigt und tiberwunden warden, wird sicb in
anderem Zusammenhang ergeben.
11. Die alteste Qhristenbeit stellte den vielen Charismen den einen
Geist gegentiber (1. Kor. 12, 4), aber sie setzte nicbt minder den aus-
symbole, auch die des Orients, in der altrom. Formel findeu wollen, Harnack hat
dies geleugnet. Manches spricht fur die Ansicht von Kattenbusch, denn es ist
richtig, dafi die altrom. Formel den pragnantesten und einfachsten Typus des
Symbols darstellt, den wir besitzen, oder daB dieser Typus dem Urtypus am
nachsten steht; die meisten Differenzen der oriental. Symbole lassen sich aller-
dings als Zusatze. Abstriche, Ausspinnungeu an der altrom. Formel verstehen.
Trotzdem kann ich der These Kattenbuschs nicht beipfliehten, denn sie lost
nicht alle Schwierigkeiten. In den oriental. Symbolen sind dem rom. gegenuber
bestimmte ganz regelmaBige Differenzen Torhanden, die sich als Abwandlungen
an dem ro'm. Typus nicht begreifen lassen, denn es miifiten, ware die rom,
Formel der Archetypus, ihre Formen anch hie und da wieder im Orient zum
Vorschein kommen. Es kann nicht zufallig sein 1) dafi die griech. Formen
regelmafiig wa vor d-sov haben (dagegen ist els tbv VVQIOV und els to &y. itv.
aiTch bei den. Griechen die Urform gegeniiber dem sva WQ. nnd ev nv. der
meisten Symbole), 2) dafi sie stets von der Schopfertatigkeit Gottes reden, 3) daB
immer xvgios vor 'Irja. Xg. steht und 4) der Name in dieser Eeihenfolge gegeben
wird, 5) dafi stets nach vibs f-iovoy. ein die Gottheit Christi bezeichnender Zusatz
steht, 6) dafi ITU Hovt. Ud. und if] i^itu fjfie^a fast imnier nach ihren Verben
stehen, 7) daC irnmer bei dvaaravra fehlt EX iwv VSXQWV und 8) nach
KV 6$u steht, 9) daB zu dem Geist irgend ein Zusatz (TO ^coonoiov, ib
ev rots TCfjoyrjfacs, TO olnovv ev TOZS aylois, Schon Justin. : TigoytjTixov Tzvevfia etc.)
tritt, 10) daB die Earche stets als xa-dohx'/i bezeichnet, und 11) daB nach aagxbs
dvdaraaiv ein xal els ^coijv alcomov angehitngt wird. Uberlegt man dies, so ist
es klar, 1) dafi die oriental. Formeln auf eine gemeiiisame Urform zuriickfiihren,
die nicht iclentisch ist mit der rom. Formel; 2) daB die griechische Urform weder
aus der rom. Formel, noch diese ans jener hervorgegangen sein kann; 3) daB
bei der engen Verwandtschaft beider Typeu ein gemeinsamer Archetypus ihnen _
zugrunde liegt. 4) SoAvohl die oriental. Urform als die altrb'mische Formel sind
also'Bearbeituugen einer alteren Form. Diese mufi alsbald nach ihrer Entstehung-
nach Eom gekommen sein, in Eoni ist sie danu aber fur den praktischen Gebrauch
zurechtgemacht worden, dasselbe rnuB bald darauf ini Orient geschehen sein.
5) Der Archetypus steht der altrom. Formel sehr nah. Folgende Uuterschiede
mogen dagewesen sein a) els rbv KVQIOV Xg. '1>]0. b) nach Avaordvra fehlte sx
TWV vexgiov c) vielleicht: ex Manias lijs 7ta^&. diet, TtvevfiaTOs aylov, d) fiir odev;
xnl sqxeiai, e) vermutlich war aiich die Wiederholung des %ai im 2., sowie des
sis im 3. Glied urspriinglich (cf. 1. Kor. 15). 6) In Eom anderte man hieran nnr
wenig, mehr im Orient, wo die Anderungen immer grofier Avurden bei der freiereu
Auffassung der Formel. Dafi man in Eom die Formel etwas inodifizierte, ist
begreiflich. Woher es kommt, daB die Urform im Orient iiberhaupt nicht in das
Leben eingriff, sonderu alsbald modifiziert worden ist, lafit sich ziu-zeit nicht er-
mitteln. Uber die Merkmale der orient. Symbole s. C a s p a r i III, 46 ff. Katten-
busch I, 216 ff. 368 ff. Hahn, Bibl. S. 1271
184 8. Die alteu Normen der Lehre.
einandergehenden Tendenzen der Individuen den e i n e n Leib der Kirche
mit ihrer Lehre und Taufe entgegen (Eph. 4, 4f.). Das BewuBtsein
der Okumenizitat lebte von Anfang an in der Christenheit. ,,Am Ende
der Tage hat Gott zu uns gesprochen im Sohn." Die Offenbarung und
die Kraft Gottes ist erst jetzt erschienen, man fiihlt sicli als Glied eines
,,neuen Geschlechtes", dessen Geschichte ebenso weltumspannend und
weltbeherrschend sein nmfi wie Gott selbst es ist. Geeinigt init alien
denen, die das "Wunderbare ebenso erlebten durch den Geist, wie sie
eine ,,neue Kreatur", sieht man die aufieren weltlichen Beziehuhgen fur
nichtsbedeutend an. Und getrieben von Gott fiihlt man sich mit aller
Kreatur als Gottes Organ und als Mattel zur tTberwindung der ganzen
"Welt. Hierin ist das starke Gefuhl der Katholizitat in der Kirche be-
grtindet : Christtis vereinigt alle in sich zur Einheit iind er wird die
ganze Welt, wenn er will, dieser Einheit eingliedern. Der, in dem wir
der "Welt entnommen sind, ist der Herr der Welt: das ist zuletzt die
religiose Empfindung der Katholizitat. Es hat die Kirche nie ohne sie
bestanden. Aber das Erleben des Wunderbaren ist mit der Beruhrung
der konkreten Wirklichkeit eng verflochten ; das gereicht ihm einerseits
zur Anfechtung, andererseits zur Bestatigung, und aus beidem erwachst
dann der Glaube beziiglich der einen kathoHschen Kirche, und beidem
gegenuber hat sich dieser Glaube zu behaupten. . In siindhaften Menschen,
in sinnlichen Lauten und Handlungen, in menschlichen Begriffen und
Formen wirkt und herrscht Gott. Dafi Gott es ist und dafi diese
Menschen und Fornien es sind das fafit der Glaube zusammen, und
er hat sich stets zu verteidigen gegen den empirischen Tatbestand : nur
Gott, Geist und unsichtbare Welt, o d e r nur Begriffe, Kirchenverfassuug
und Kirchenpolitik.
Der Glaube, dafi es eine katholische Kirche gibt, ist in unserem
Zeitalter ebenso lebendig wie in der neutestamentlichen Zieit. Bis an
die Enden der Erde ist sie ausgebreitet und von den vier Winden her
fiihrt Gott sie zusammen, sie von allem Bosen errettend und heiligend,
in sein Heich (Did. 9, 4; 10, 5). Wo Christus ist, da ist auch die
/,a&oh~/.i] S7.-/J,rjOia (Ignat. Smyrn. 8, 2 cf. Mart. Polyc. inscr. ; 8, I). 1 )
1) Ignat. Smyrn. 8, 2: ftftov &v yavfj 6 KTIIOXOUOS e-s.ei TO Tt^&os earco,
bnov uv tj Xtjiarbs Y'tjaovs ey.el f] y.a&o^iy.ij emtkrfaia. Der Ausdriick x
ist hier uoch in sehr harmlosem Sinn gemeint; er bezeichnet das Allgemeine im
Gegensatz zum Besonderen, z. B. Polybius VIII, 4, 11 : y.a&ohxf; y.al -/.owl] lato^ia.
Justin. Dial. 102 : y.a&ohy.al y.al /uepixai y.piaeis,- ib. 81 : vafl'ohy.i] avaoraais.
Heracleon b. Orig. in Joh. XIII, 60, 416 : va&ofa'/.bs y.al fuxpos /Saodevs. Cyrill . :
V. Jerusalem erklart: xa&ohxr] fisv oiiu xaleiTai Sia TO y.ata xdar : s slvai, 7%
oly.ov/.iEV>]s Arcb TiEftdicav yfjs teas neoaiiov (cat. 18, 23).
Die Katholizitat der Kirche. 185
Wie Christus der Herr, so umspannt aiich sie den Erdkreis. Das ist
der Sinn der ,,katholischen Kirche" bei Ignatius, der 11. W. den
Ausdruck zuerst anwendet. Das "Werk Christi ist in ihr verwirklicht.
Es ist Ghristi neuer Bund, durch den die Menschen pneumatisch werden,
mit dem Herzen glauben imd die Gebote Christi erfullen, durch den
die Siinden vergeben werden. Hier ist alles innerlich und geistig, Be-
sehneidung und aufiere Opfer sind abgetan (Barnab. 4, 6ff. ; 7, 5 ; 14, 5 ;
2, 4. 10; 9, 4f.). Es ist der Bund, den Grott einst dem Abraham ver-
heifien hat (ib. 13, 1. 7). Nicht mehr Israel, sondern die Christenheit
ist jetzt das Volk Gottes. Sie enthalt die ,,Zahl der Erwahlten", die
,,berufenen Heiligen" (1. .Clem, inscr. ; 2, 4; 58, 2; 59, 2; 1, 1 ; ,6, 1).
Alles was einst Israel zu sein behauptete, das ist in Wirklichkeit die
Kirche (cf. 1. Ptr. 2, 9). In ihr ist das Yolk Gottes in die "Welt ge-
kommen. Eine weltgeschichtliche Wen dung ist init dem Aufkommen der
Kirche eingetreten, denn sie ist das ,,neue Yolk" (Barn. 5, 7), das
.,dritte" oder auch das ,,vierte Geschlecht", Barbaren, Hellenen und
Juden sind in die Irre gegangen, aber die Christen ,,haben die Wahr-
heit gefunden" (Praedicat. Petr. b. Clem. Strom. YI, 5 p. 760. Aristid.
Apol. 2, 2; 15, 1; 16, 4). 1 ) Zur .,Wahrheit" kommt die neue Sittlich-
keit, und. dies wie jenes ist umschlossen von dem ; machtigen Bewufitsein,
Gott nah zu sein, von ihm geleitet zu werden und ihm zu dienen. Es
gibt zwei Staaten oder zwei Stadte, die Stadt Gottes und die Stadt der
Welt. Die Christen gehoren zu jener, aber nur.so lange duldet sie der
Herr derselben. als sie die Gebote" seiner Stadt einhalten (Hennas
Sim. I). Das ist eine jiidische Form des Gedankens, aber man versteht
sie nicht richtig, wenn man sie auf die Werkgerechtigkeit deutet. Die
., Gebote" umfassen das ganze kirchliche Leben, sowohl die rechte Lehre
als die reine Moral, und sie schliefien zunachst so wenig als bei
Johannes, s. oben S. 84 die innere Bestimmung durch den Geist aus.
Ein ungeheures geschichtliches SelbstbewuBtsein driickt sich in diesen
Gedanken von der Kirche aus, aber es ist das SelbstbewuBtsein der Ge-
meinschaft mit Christus. Durch ihn ist die Kirche heilig und durch
ihn ist sie katholisch. Es ist der Geclanke der TJniversalitat des tJber-
weltlichen. "Wie die Welt ihre Eiirsten hat, so hat die Kirche den All-
herrn Christus zum Konig. Man kann diese Empfindung nicht scharfer
ausdriicken, als es ein spateres Martyrium tut, indem es das Datum
nach dem Kaiser und den Prokonsuln angibt und dann hinzufiigt : ,,bei
tins aber Avar Konig unser Herr Jesus Christus" (Acta Pionii 23).
1) Vgl. Herm. Sim. IX, 17, 4: yews r&v Sixaimv; liber das tertium genus
das ist die iibliche Bezeichnung- ira Munde der Geg-ner s. Harnack,
Mission und Ausbreitimg des Clmstentuins, 1902, S. 197 if., 180 f.
186 8. Die alten Normeii cler Lehre.
Trug nun cler Gfegensatz zum beidniscben Staat noch dazu bei, .dies
Selbstbewufitsein aufrecht zu erbalten. so bat man von fruit auf aucb
das BewuBtsein des Gregensatzes zur Religion des Judentums gehabt.
Das Judentum 1st eine gescbichtlicb iiberwundene Religionsstufe, es ist
widersinnig, vom Cbristentum aus zu ibm zuriickzukehren, sagen die
eiuen. Nacb anderer Auffassung sind die Tafeln des alten Bundes zer-
brochen worden, und dieser also iiberhaupt nicbt zustande gekommen,
clagegen ist der Bund Christi eingesiegelt in die Herzen der Christen.
Der Teufel will sie von der ,,Herrschaft des Herrn" losreifien, sie diirfen
aber nicht TJberlaufer zum Gfesetz der Juden werden, das ist die An-
sicht des Barnabas (Barnab. 4, 8. 13 ; 5, 6). Dagegen betont Ignatius
die Bjuckstandigkeit des Judentums. "Wer Christus zum Lehrer und die
Grnade empfangen bat. der kann nicbt jiidiscb leben, fur Uin ist es
Sonntag geworden und der Sabbat bat aufgebort. Fur den, der Cbristus
im Munde fubrt, ist es "Widersinn, zu ,,]udaisieren", ,,denn das Cbristen-
tum bat nicbt an das Judenturn geglaubt, sondern das Judentum an das
Cbristentum" (Ignat. Magn. 8, 1 ; 9, 1 ; 10, 3. 1 ) Pbilad. 6, 1).
12. Die ,.Heiligen" und. die ,,Grerecbten u sind die Kirche, und diese
Kircbe ist katboliscb oder allgeniein. Dies religiose Urteil liber das
"Wesen der Kircbe fiibrt nun aber zu der konkreten Forderung, eine
besondere Stellung im AvirkHcben Leben zur Kirche einzunebmen. Es
ist zunacbst die Pflicbt jedes Cbristen. treii festzubalten an der Gremein-
scbaft mit den Heiligen, die Eintracbt wird unter den obersten cbrist-
licben Tugenden genannt. In der Gremeinscbaft gilt es das Heil zu sucben
und nicbt der Isolierung zu verf alien. 2 ) Aber diese Forderung fafite
naturgemaB weitere Pflicbten in sicb. Die Gemeinscbaft, an die man
sicb balten sollte, besafi einen bestimmten Kultus, in dem dem Menscben
die Heilsmittel dargeboten wurden, sie batte eine gemeinsame Lebre,
wie wir friiber geseben baben, und sie stand unter der Leitung be-
stimmter Personen. AVer zu ibr geboren wollte, mufite ibre beiligen
Mittel braucben. die gemeinsamen Lebren und Anscbauungen teilen und
1) Diese Stelle heifit: atonov eartv "Irjoovv XtJiarbv ).((,)eT->> y.al iovSat&iv
6 -/af) %(>ioTiamofids oim sis iovSaia/udv sTtiarevasv, &) lovSa'ifffibs els '/^tanavia^ov,
els ov Ttuaa y),a>oaa Ttiareijoaaa els d'eov avvrj'^O'r].
2) Die Ausdriicke sind : xoDMad-ai rots ay lots oder rots Smalois (Herrn. Vis. Ill,
2, 6; 6, 2. Sim. VIII. 8, 1; 9, 1. IX, 20, 2; 26, 3. 1. Clem. 46, 2; 15, 1), 6p6voia
(1. Clem. 34, 7; 60, 4. Herm. Maud. VIII, 9. Sim. IX, 15, 2). Clemens beruft
sick aiif ein nicht naclvweisbares Schriffcwort : yeygaTtrai yap- y.o)2uads tois
on ol y.ollmnsvoi aitrols ayiaod"iqoovT:ui. (46, 2), g. nodi 1. Clem. 30, 3 :
oiiv E'/.eivois, ols ?/ %d<?is &Ttb TOV 3'eov SeSoraf svSvacbf.ied'a. TTJV bpovoiav ransivo-
. . eyyois Siy.aiovusvoi y.al fri] koyois.
Die konkrete Einheit der Kirche. 187
sich der Leitung jener Personen unterwerfen. Dadurch nalim aber die
sittliclie Pflicht der Eintracht ganz feste Eormen an. 1 )
Je starker, deni Intellektualisnius der Zeit entsprechend. bestiminte
,,Lehren" iui Gregensatz zu den kirclilichen Anschauungen sich geltend
machten, desto starker wurde in der Kirche die Notwendigkeit der Ein-
heit und Reinheit der Lehre betont. Das Wort cuQeffig bezeichnet
urspriinglich eine Sondermeinung, einen Lehrsatz, eine philosophische
Grrundlehre oder auch eine besondere philosophische Schule. Die Sonder-
meinung wird jetzt verpont, sie widerspricht der Wahrheit und 1st eine
fremde schadliche Gfiftpflanze. Wenn auch der Ausdruck .,Haresie"
noch selten ist, 2 ) so ist die Sache doch in aller Klarheit vorhanden, wie
ja schon in den johanneischen Briefen. Nicht selten begegnet man der
Ermahnung, sich zu bitten Tor den Yerkundigern ,,neuer Lehren" (Herm.
Sim. YIIE, 6, 8. Ignat. Eph. 9, 1; 16, 2). Sie werclen auf das scharfste
bekampft. Sie sind Atheisten (Ign. Trail. 10), ihre Lehre ist Teufels-
lehre (Ign. Eph. 17, 1), sie sind VOID. Teufel und ,,der Erstgeborene des
Satan" (Polyc. 7, 1), 8 ) Tiere in Menschengestalt (Ign. SmjTL'n. 4), tolle
Hunde, die ini Gfeheimen beifien (Ign. Eph. 7. 1). Man kann an diesen
Ausdriicken erkennen, wie furchtbar zugespitzt die Gregensatze vielfach
schon am Anfang des 2. Jahrhunderts gewesen sind. In diesem Gegen-
satz nun empfing die Mahnung zvir Eintracht einen neuen Sinn. Es ist
das 3?esthalten an der iiberlieferten Lehre und an den kirchlichen Be--
amten, die diese vertreten. Die Haretiker haben die ,,falsche Lehre",
von ihr soil man sich ab- und dem ,,von Anfang an iiberlieferten Wort"
zuwenden (Polyc. 7, 2) oder auch den Propheten und dem Evangelium
1) Herm. Sim. IX, 26, 3: ,v) %o)JMf.iEvoi TOIS doulois TOV &BOV, dV.a fiovd-
,ov>Tes aTtottvovat rets eavrcov i[jv%ds. Barnab. 4, 10: fiij y.ttd ? savrovs EvSvvovres
d>s ifii) SeSixauofievoi, d?J? em. TO UVTO avvs^^ousvoi avv^Yitelts Tre^l
avf.iye^ovtos, cf. Hbr. 10, 25.
2) 2. Ptr. 2, 1: yisvSoSiSdoxcdoi oltives na^eiad^ovai UIQ easts dTtca/.sias
cf. Tit. 3, 10 ai^arisios. Ignat. Eph. 6, 2: fat Ttdvres 'Mi? dlrj&eiav ^re v.al on
ev itfiZv oii8ef.ua at ye a is '/Mtov/.Bl, a'/J? oiiSe d'/.ovEis twos 7ti*eov ellTtep Urfaov
XQIOTOV l.aLovvtos sv dl^slq. Trail. 6, 1 : dlloTgias Se fioravffs d7ts%ea&E, ^ns
ecrtiv a'ioeais. Magn. 8, 1 : eteqoSo&av. Pol. 3, 1 : ETSQoSiSaay.a/.ovvres. cf. Sinyril.
6, 2: ersoodot-ovvTes. Polyc. ad Phil. 7, 2: yEvdoiSaaxa.Ua> Justin Dial. 80: toiii
yao heyofievovs fisv '^latiavovs, ovtas Ss a&eovs '/MI aaefieZs aigsaicoTas, on,
y.ata ztdvra ft).da<pfj(.ia teal cid'ea xal dvorjTU SiSday.ovoiv, eSrjkoad aoi, der Haretiker
ist auch a%i;coi> (Ign. Philad. 3, 2).
3) Vgl. die GescMchte von Johannes, der aus euiern Badehause, in dem sich
auch Kerinth befand, entfloh, damit nicht das Hans zusammenstiirzend mit dem
,,Feind der Wahrheit" auch ihn begrabe (E\xs. h. e. Ill, 28, 6) und Polykarps
eigene Anrecle an Mareion: sTtiyivwavco tbv TCOCOTOTOXOV TOV Saiuva. (Iren. adv.
haer. Ill, 3, 4).
188 8- Die alten Normen cler Lelire.
(Ign. Smyru. 7, 2). Es gilt ,,dem Bischof folgen", wo der Bischof ist,
da sei die Gemeinde (ib. 8, 1. 2). ,,Denn soviele Gottes und Ohristi
sind, die sind aticli mit dem Bischof. Und soviele (Haretiker) ihreu
Sinn andern, kommen zu der Einheit der Kirche und auch diese
werden Gottes sein . . . "Wenn jemand dem Zerspaltenden (o%lovri)
folgt, cler ererbt nicht das Reich Gottes" (Ignat. Philad. 3, 2. 3). AVer
dem Bischof folgt, der folgt Gott, denn wie Christus von Gott gewollt
ist. so die Bischofe von Ohristus (Ign. Eph. 3, 2 ; 6, 1).
Also die Eintracht auBert sich darin. dafi man sich an die kirch-
liche Lehre und an den sie vertretenden Bischof halt. Dies ist aber
die Lehre der allgemeinen Kirche. Von hier aus empfangt das Beiwort
..katholisch" eine neue Nuance, es wird aus einem Quantitatsbegriff ein
Qualitatsbegriff zur Bezeichnung der genieingiiltigen Wahrheit. x ) Die
Voraussetzung dieser Betonung der Einheit der Kirche ist, dafi man
von dem Vorhandensein einer katholischen Lehre iiberzeugt war. Es
hat sich tins fruher gezeigt, dafi man in der Tat dieser IJberzeugung
war. Als Hegesipp bald nach 150 vom Orient kominend iiber Korinth
nach Som reiste, da fand er liberall dieselbe Lehre, den OQ&bs Ao'yog,
..wie es das Gesetz verktindigt und die Propheten und der Herr". Das
ist ..die jungfrauliche Kirche", die noch nicht durch .,nichtige Ver-
kiindigungen" verderbt war. Die Haretiker aber hatten die urspriing-
liche ,,Einheit der Kirche" zerrissen.' 2 ) Die Reprasentanten und Garanten
dieser rechten oder katholischen Lehre waren die Bischofe. So war
es liberall. Die Einheit und Katholizitat der Kirche beruhte zuhochst
auf Christus und seinem Heil, konkret auf der einen Lehre, die Ohristus
und die Apostel gelehrt haben, und auf dem Kirqhenamt, das diese Lehre
vertritt.
13. Aber es war nicht nur der Gegensatz zur Haresie, der zur
Hervorhebung der Autoritat des Amtes fuhrte, -und es war nicht blofi
das Interesse an der reinen Lehre, das an den Episkopat fesselte. In
cler altesten Schrift unseres Zeitraunies, in dem Brief des romischen
Presbyters Clemens, findet sich ein anderer Gesichtspunkt, der auf etwas
Neues hinAveist. In Korinth war die Einheit der Gemeinde gespalten
wordeu durch bestimmte Personen (&QyJiyol ozdoews 14, 1 ; 51, 1;
54.1. 2; 57,1; 63,1), einige Presbyter waren ihres Amtes entsetzt
1) So zuerst Mart. Pol. 16, 2 : eTtiaxoTtos Tfjs ev
(iiulessen ist auch die Lesart uyias vorhanden). Can. Muratori 1. 61. 66. 69. In
cliesem Sinn ist das Wort dann hauflg seit Clemens Alex, nnd Tertullian.
2) Hegesipp in seinen Hypomneinata bei Ens. h. e. IV, 22, 2. 3. 4. 6:
o'irtves s ft e <) t a civ ri]v Kvmaiv rfjs K'/.'/.)ji]a ins y&o^ifiaiois ^oyois y.am TOV
freov y.al y.ata rov Xoiarov ai>rov.
Amt und Geist. 189
worden (44, 3ff.). Es handelte sich dabei um die ertiGKOitri und ihre
ksvtovQyitt, die die Darbringung der Opfer oder Gebete in sich fafite.
Das heifit, die Presbyter batten ein festes Amt, das auch Episkopat
biefi, und hielten vermoge desselben den Gottesdienst ab (41 44). Aus
diesem Amt sind sie verdrangt worden durch eine oder zwei Personen
(47,. 6), die Urbeber des ,,Aufrubrs". Was sind das fur Leute? Tauschen
die durcb den ganzen Brief zerstreuten Andeutungen nicht, so sind es
Pneumatiker oder Propbeten. Sie baben gegen die amtlicbe Einsetzung
ibre personlichen Vorziige geltend geniacbt. 1 ) Das Recht des Geistes
erbebt sicb wider das Kircbenrecbt. Man verstebt die Situation erst
ganz, wenn man weifi, dafi es anderwarts formulierter Grundsatz war,
dafi die Propbeten bei der Eucbaristie freie Gebete anwenden diirfen
(Did. 10, 6), und dafi die geistige Leitung der Gemeinden zunachst und
an sicb den Pneumatikern zustand (Did. 13, 1 3; 15,1).
Gegen diese Anspriicbe der Pneumatiker erbebt sicb Clemens mit
einer Argumentation, die die Gescbicbte von Jabrbunderten vorweg-
nimmt. Horen wir bei Ignatius und Polykarp, daB die Irrlebre die
eine Kircbe spaltet, so ist bier die bloBe AufLebnung gegen das Amt
ein Zerreifien der Gemeinde, ein Scbisma. 2 ) Und dies erscbeint nicbt
minder als Frevel wie jenes. Es ist ntin von bocbstem Interesse, zu
erkennen, womit Clemens diese Stellung des Amtes begriindet. Es sind
f olgende Gedanken : 1) Es soil der Gottesdienst in der Ordnung und zu
der Zeit und von den Personen vollzogen werden, die Gott eingesetzt
hat' 3 ), er ist also statutariscb geregelt, genau ebenso wie der alttestarnent-
1) Dafi es sich wahrscheinlich um Pneumatiker handelt, geht aus folgeudeu
Erwagungen hervor 1) ihre Starke besteht in Worten, uicht in Tateii (57, 2;
38, 21; 30, 3; 33, 7f.; 34, 2), 2) sie sind in Gefahr sich ihrer Weisheit zu liber-
heben (13, 1), 3) es ist geschichtlich iiberhaupt keuie auclere Qnalitat denkbar,
die die dgxqyol rfjs ardaews fur sich geltend machen konnten, und das Schweigen
des Clemens liber ihre eigentlicheu. Griinde ist sehr beachtensivert; er wirft ihnen
fortwahrend Hochmut vor (13, 2. 3; 21, 5; 16, 17; 48, 6; 57, 2), aber das ist
eine ethische Beurteilung, die den Sachbestand inx Dmikeln lafit; 4) sie scheineu
auch Asketen zu sein (38, 2f.). Vgl. Sohm, Kirchenrecht I, 157 f. Aber auch
wenn man den pneuinatischen Charakter der Gegner bestreitet, bleibt das Novum
in der Anschauung des Clemens bestehen.
2) Sxla/M 2, 6; 46, 5. 9; 49, 5; 54, 2. '
3) 1. Clem. 40, 1 : Ttdvm id^st xoieiv dysllofiev oaa 6 SeaitoTtjs sTUTskeir
KveLevoev Kara y.cugoiis rerayfievovs. Es folgt als BeAYeiS: (laB Gott im A. T.
bestimmte Ordnungen festgestellt hat und daB der Hohepriester, die Priester uiid
die Leviten ihren besonderen Dienst hatten, dagegen 6 la'txbs av-d-^coTtos (hier
Zltei'St .der ,,Laie") tols IcCfooTs Ti^oaidyftaat, SsSeiai, (40, 5). 41, 1 : sy.aaios ?),ft5v,
dSs^yoi, ev Tcp iSicp tdyfian evaosatsirco T<W &BCO . . . fii] TiagexSaivtov. ibv cbgia-
fie-vov i^s hsiiovias atirov y.avova.
190 8. Die alten Normen der Lehre.
liche Kultus es war. Die Kleriker baben ihre Aufgabeu, wie die ,,Laien"
die ihrigen. 2) Gott sandte Cbristus, Ghristus die Apostel, die Apostel
aber setzten die Erstlinge ibrer Missionsarbeit zu Biscbofen und Diakonen
ein. Das Eecbt dieser Amter beweist wieder ein alttestainentlicbes
"Wort. 1 ) 3) Die Apostel haben die Anordnung getroffen, dafi nacb .dem
Tod der ersten Presbyter oder Biscbofe deren Nacbfolger ibren Dienst iiber- .
nebmen sollen. Sorait sind die gegenwartigen Presbyter entweder direkt
von den Aposteln oder von den von diesen eingesetzten Mannern unter
.Zustimmung der ganzen Gemeinde ernannt worden. 2 )
14. Das Amt, von dem Clemens redet, ist nocb nicbt der monar-
cbiscbe Episkopat, den wir bei Ignatius fanden. Bei ibni geben viebnebr
die Bezeicbnungen ,,Presbyter" und ,,Episkopen" nocb auf die narnlicben
Personen, die durcb sie nacb seiten der EbrensteHung und der Eunktion
bezeicbnet werden, wie Clemens sie aucb fjyovf.isvoi nennt (1, 3; 21 6 ;
37, 2). 3 ) Die Sacblage ist einfacb die , dafi es zwei Amter gibt , die
1) 42, 1 : ol anoaio/.oi fj/uiv Evy/yeliadqaav dnb rov xvgiov 'Irjaov
'Irjffovs 6 XqiaTOS and TOV d'sov el-ene/u.yi&t]. 42, 4: vara. '/,ca^as ofv y.al
y.t^vaaovrss y.a&iaravov ius dna^as avrwv oxifidaafrss tcp Tivsijfian els STtiay.oTtovs
y.al Siaxovovs i6>v (.isM.dvTcov Ttiotsvetv. Dies sei oil y.tuvws geschehen, denn die
Schl'ift sage bereits : itaraar^aco roiis sTtiaxonovs avrmv sv Sixaioalivr) YMI
Siaxovovs avi&v sv rtiozet. (42, 5). Das Zitat ist Jes. 60, 17, wo aber rods
aov mid roi>s smaxoTtovs aov steht. Hier scheint der hebr. Text hereinzuspieleu :
rin^jSB imd -ii'^i. Ersteres ist Aufsicht, Amt, letzteres Treiber, Frohnvogt, Tribut-
einnehmer. Nun wircl i-'ps. Tips etc. dem Etymon gemafi von LXX mehrfach
durch ETtloxoTcos iibersetzt, b'.'ii aber mag als Tributeinnehmer (z. B. Deut. 11, 20)
im Sinn des Almosensammelns verstanden worden sein, wie es in der Synagoge
ein Amt der Almosensammler (npv*; 'N3i) gibt.
2) 44, 1 ff. : y.cu ol vatoatohot, fj[.icov eyvcoaav S.ia tov y.v^iov -fi/,icov Yrjaov
Srt eyig sarai enl lov ovofiaios irjs emaxonfjs. 4ia ravTrjv oitv rrjv
nqoyvcooiv Eikrjcpdres vzLeiav, ftaTEOTtjcrav roiis Ti^ostQrjfievovs y.ai ftsta^ii
SsSt'jyMOiv, O7t<as, sdv '/toi^irjdidaiv , SiaSe^covrai KIEQOI s8oy.ifj,aafiBVOi
leirov(i"/iav O.VTOJV. loiis oiiv y.araara-9'svTas iiTe 1 sxsivcov ij fiera^i) "by?
eJj.oyifiiav dvSgcov avvsvSoy.rjadai^s tfjs emthjolas adarjs . . . oil Stxaicos
tofidttsaS'ai trjs herrovpyias. Der Sinn ist der : die Apostel setzten
die ^(fOEiQrjfiEvoi (s. 42, 4) ein, haben aber sodann (das bedeutet /.ism^ij) eine
gegeben. Dies Wort wird hier das bedeuten was man sonst durch
ausdriiekt: Zusatz zu ein em Gesetz, und zwar des Inhalts, daB wenn
die von den Aposteln Eingesetzten sterben, andere ihnen folgen sollen. Die
gegenwartige Presbytergeneration ist nun von ,,jenen" d. h. wohl den Aposteln
eingesetzt oder aber von anderen namhaften Mannern d. h. den von jenen Ein-
gesetzten. Wichtig ist die Beteilignng der Gemeinde bei der Einsetzung.
3) i]yovf.ivoi (Hbr. 13, 7. 17. 24) oder nooijyovfisvoi. (1. Clem. 21, 6. Herm.
Vis. II. 2, 6; III, 9, 7) ist eine altrb'mische Bezeichnung der Presbyter.
wie TiQEapvteyoi dienen nach dem Zeugnis agyptischer Papyri auch
Ursprung des kirchlichen Amtes. 191
Episkopen und die Diakonen (42, 4. 5) und clafi erstere Presbyter sind:
den Presbytern ist die ertioxortij genommen , das ist der Aufruhr"
(44,1.4). Mit anderen Worten, in Rom herrschte gegen Ende des
1. Jahrhunderts noch die alte Presbyterverfassung, die Paiilus nach der
Apostelgeschichte auf seiner ersten Missionsreise iiberall einftihrt (Act. 14.
23 cf. 20, 17. 1. Ptr. 5, 1). Indem dieselbe Ordnung uns au.cn in
Jerusalem begegnet (Act. 11, 30; 15, 2fL; 16, 4; 21, 18 cf. Jak. 5, 14).
ist anzunehmen, dafi sie urchristlich ist und wahrscheinlich der jiiclischen
Gemeindeleitung nachgebildet ist. 1 ) Diese Ordnung scheint Paulus, wie
die Apostelgeschichte und- aiich die Korintherbriefe zeigen, auf helle-
nischem Boden zunachst nicht durchgefiihrt zu haben. Hier griff eine
freie Organisation ein, wie die Hausgemeinden (Rom. 16, 5. 1. Kor. 16, 19,
aber auch Kol. 4. 15. Philem. 2) sie ermoglichten, oder wie sie 1. Thess.
5, 12 .angedeutet wird. Am Abend seines Lebens in den Pastoralbriefen
hat Paulus dann wieder gefordert , was sich mittlerweilen , z. B. in
Philippi, von selbst eingebiirgert hatte (Phil. 1> 1), namlich die Ein-
setzung von Episkopen oder Presbytern und Diakonen (s. bes. ] . Tim.
3, 113. Tit. 1, 5 9). 2 ) DerVergleich von Tit. 1, 5 und 7 (cf. Act.
21, 28) zeigt dabei unwiderleglich , daB die Presbyter und Episkopen
miteinander identisch sind. Yon groBem Interesse ist nun aber, dafi die
Pastoralbriefe in den Kreis der Aufgaben der Presbyter oder Episkopen
bereits die Lehrtatigkeit zieLen. Unter den Presbytern stehen die sich
in "Wort und Lehre bewahren, obenan (1. Tim. 5, 17f.). Demgemafi ist
die Eahigkeit zu lehren ein Merkmal des Episkopos (1. Tim. 3, 2), und
es wird vom Episkopos verlangt, dafi er gemafi der ,,Lehre" und in
,,gesunder Lehre" ermahne und den Widersprechenden begegne (Tit. 1,
9f. cf. Act. 20, 28 ff.). Die Meinung ist noch nicht die, dafi ausschliefi-
lich die Presbyter lehren, sondern die, dafi die Presbyter womoglich auch
zur Bezeichnung heidnischer Priester, 'ohne daB die letztere Benennxmg ein
hoheres Alter voraussetzte (s. Hauschildt in Ztschr. f. d. nt. Wiss. 1903, S. 236. 239 ff.).
1) S. hieruber Schiirer, Gesch. d. jiid. Volkes etc. II 3 , 430 ff. Darnach hat
die jiidische Gemeinde Alteste, einen oL^tawaycoyos (mehrere z. B. Act. 13, 15),
die Almosensammler und einen Diener. Dem d^iawaycoyds steht die Leitimg
des Gottesdienstes zu, ohne daB er selbst liest oder predigt. Die Altesten haben
dagegen die gesamte Leitnng und Verwaltimg- der Gemeinde zu versehen, in der
Hegel wird der d^^iawaycoyds aus ihnen gewahlt worden sein. Nach allem, was
wir.iiber die Gescbichte der altesten christl. Gemeindeorganisation wissen, er-
scheint es als das einzig Natitrliche diese jiidische Ordnung als ihr Vorbild und
ihren Ausgangspunkt anzusehen. Wie man man zu einem Titel wie eTtioxonot
kam, zeigt die Erwagung der Aufgaben des Presbyteriums und die Anwendmig
von Jes. 60, 17 in 1. 01. 42, 5 (oben S. 190 Anm. 1).
2) Die Moglichkeit, daB gerade hier spatere Hande in den Test eingegriffen
haben, ist freilich vorzubehalten.
192 8- Die alteii Normen der Lelire.
lehren sollen. Dabei ist dieser Begriff Presbyter noch nicht scharf . ge-
pragt. An sicli sind es aucli die Alten der Gemeinde im TJnterschied
zu den Jungen (1. Tim. 5, 1), gerade so wie bei Clemens (3, 3; 21, 6
cf. 1. Ptr. 5, 1. 5). *) Allein unter den Presbytern im allgemeinen Sinn
befinden sich die ,,eingesetzten <! oder ,,vorstehenden" Presbyter. 2 ) Sie
sind das eigentliche Kollegium. dem das Weiden, Leiten und Regieren
der Gemeinden znsteht (1. Ptr. 5, Iff. Act. 20, 28 f . ; 15, 22. 1. Kor. 12,
28. Bom. 12, 8 usw.).
Wir werden also sagen : es gab in der apostolischen wie nach-
apostolischen Zeit in der Kirche ein Kollegium der Presbyter oder
Episkopen, das im Zusammenhang zu den Alteren in den Gemeinden
stand. Dies Kollegium hatte die Leitung der Gemeinde zu versehen.
"Frith scbon fafite diese Ausgabe aucn die Vertretung der kircklichen
Lelire , sowie die Leitung des Gottesdienstes in sich.- Was also der
1. Clemensbrief iiber die Einsetzung der Presbyter oder Bischofe durch
die Apostel berichtet (s. oben) , ist dnrchaus glaubwiirdig. Zu diesem
Amt kam der Diakonat , der es mit dem Almosenwesen zu tun ge-
habt hat.
15. Nun ist aber diese Leitung der Gemeinden niit einer anderen
kombiniert gewesen, niit der durch die Pneumatiker. Zunachst erschienen
die Pneumatiker als die Personen, die Gott selbst gesandt und gegeben
hatte zur geistigen Leitung und Erbauung der Gemeinden (Eph. 5, 11.
1. Kor. 12, 28; 14, 26 ft). Nur Propheten und Lehrer werden anfangs
in den Gottesdiensten das Wort gehabt haben. Die Ordnung der
Synagoge gewahrte ja auch jedem das Wort, und hier gab es Leute,
die Gott selbst hierzu antrieb. Wie in der Synagoge, so wird auch bei
den Christen das Amt zunachst nur die Sorge fiir einen ordentlichen und
schicklichen Hergang des Gottesdienstes gehabt haben im Sinn von
1. Kor. 14, 40. Wir haben erkannt, dafi .dem ,,Geist" von friih an
die kirchliche Lehre einschrankend an die Seite trat , niemancl hat dies
so kraftig wie Paulus gefordert. Es ist nun geradezu selbstverstandlich,
da6 die Personen, die fiir Zucht und Ordnung in der Gemeinde Sorge
1) 1. Tim. 5, 1: 7r()ff/?we(>4> fii] S7ii7i)^rjs &hka, 7ta<)a"/sdhei cog Ttaieqa, vswregovs
(as a$sj,(povg. 1. Ptr. 5, 5 : ofioicos vedneQoi v7ioidyr\iE ytosajSvTeoois. 1. 01. 21, 6 :
TOVS Tiootjyovfievovs i](.(,&v aiSeadwuev, TOVS TtpeafivTepovs evTiftijffcofiev, rovs veovs
2) S. 1. Ptr. 5, 1 ff. Tit. 1, 5 : xaraamjaris y.ata Ttohv Ttoea/ivre^ovs. 1. Tim. 5, 17 :
ol y.a/.ffjs TtQosarcbies TtoeafltjTeooi. Herm. Vis. II, 4, 3 : fisra iffjv noeapvte^cov
nooiffrafievcov Tfjs exxtyaias. 1, Cl. 54, 2: JLIBTO. tcav Ka-9'saraf.isvcov
e(icav, das sind dieselben Personen wie die. 7topt]yov/.isvoi, die 21, 6 von
deu TtpEOiSvTspol uuterschiedeu werden, s. die vorige Amn. Vgl. Sohm, Kirchen-
recht I, 96. Za'hn, Einleitung I 1 , 461.
Der Geist und das Arnt. 193
zu tragen batten, aucli die Pneumatiker nach einem festen MaBstab be-
urteilten. Das konnte aber nur die uberlieferte Lehre sein. Die TJber-
lieferung und das Amt riicken aneinander. Gait es den Geist" zu be-
urteilen (1. Thess. 5, 20 f.) oder einen ,,Lehrer" aufzunehmen oder ab-
zuweisen (Did. 11, 1. 2), oder sich iiber ,,Apostel" oder ,,Propheten' f
em tlrteil zu bilden (Did. 11, 3), so gab es dazu einen MaBstab, das
,,Evangelium" oder die Lehre" (Did. ll, 1 3), und diesen anzuwenden
waren die Presbyter berufen. Es ist demnacb verstandlich, daB der Be-
sitz der ,,gesunden Lehre" eine Bedingung ihres Amtes war (Tit. 1, 9).
Dazu kam , daB es auch ,,fremde Lehren" (Herm. Sim. IX, 6, 5), ein
,,anderes Evangelium" (Gal. 1, 6. 2. Kor. 11, 4), einen ,,anderen Geist"
<2. Kor. 11. 4), ein ,,Anderslehren" (1. Tim. 1, 3; 6, 3. Did. 6, 1),
selbstgemachteLehrer(Herm. Sim. IX, 22, 2 : s-9-s^odiddaxa^.oi, cf. Jak. 3, 1)
gab. Wer konnte hieruber urteilen auBer dem , welcher die rechte
Lehre kannte?
Waren nun aber die Presbyter Kenner der Lehre, so lag nichts so
uah, als daB sie , wenn es an Geisttragern in der Gemeinde fehlte , an
ihre Stelle traten, die Predigt und Mahnung iibernanmen und das Opfer
des Gebetes bei der Eucharistie darbrachten. Die Presbyter (oder
Biscnofe) fangen an, an die Stelle der Propheten und Lebrer zu treten,
,.aucb. sie fiihren den Dienst der Propheten und Lenrer aus". 1 ) Das
scbloB anfangs keineswegs aus, daB Presbyter und Propbeten zusammen-
Avirken. Hernias soil von seinen Yisionen zwei Abscbriften nebmen.
Die eine 1 erbalt der Presbyter Clemens , urn sie nacb auswarts zu ver-
senden, die andere eine gewisse Grapte , die die "Wltwen und Waisen
danacb ermabnen soil. Hernias selbst verliest aber das Bucb in Rom,
und zwar in Gegemvart ,,der Presbyter, die der Kircbe vorsteben" (Herm.
Vis. II, 4, 3). Und wiederum wird es derselbe Clemens sein, der die
amtlicbe Versendung der Propbetenscbrift besorgt, der aucb im Jfamen
der romisclien Gemeinde die Mabnscbrift an die Korintber verfaBt. Das
ist eine interessante Momentaufnabnie , die zeigt , wie der Prophet dem
Kirchenamt untergeordnet ist, und wie auch das Kirchenamt durch Wort
und Lehre wirkt. Wir diirfen hinzufligen , daB dainals in Rom sicher
1) 1. Tim. 5, 17 : ol tcahws TtooeoT&res TtQeofivreooi
ol '/.OTtimvTes ev hoyco y.cu SiSaay.a't.iq. Tit. 1, 9: Iva. Swards fj
Iv T/J iaaxakia TIJ byio'vovor t v.al rovs dvTiUyovras shey%ew. Did. 13, 4
;getzt die Moglichkeit : sav Sk fit] e%>]Te TtgocptfTiiv' 15, 1. 2 ordnet an: '/^orovi'^ams
ovv eamols KTtiaxortovs y.alSiay.ovovsd^iovsrovy.v^iov, avdyas npaels xal dcpi?.ai)yvoovs
y.ai dhqd'Eis y.ni 8eSoy.if.iao/.ievovs' iiftlv yv-Q f-BirovQyovai v.cCi niiTol ?>]>>
leirovgyiar rwv TtQ ocpv\i;u>v y.al SiSaand),cov , . ., avrol yap slaiv ol
TBTiftrjfievoi iiuiov fiera r&v TC^offr^iav y.cu Sioaaxdlcor.
Seeberg, Dogmengeschicbte I. 2. Aufl. 13
194 8- Die alien Normen der Lehre.
sclion die Darbringung der eucharistischen Opfergebete in den Handen
der Presbyter lag. 1 )
Aber in dem MaB, als die Presbyter die Pneumatiker einschranken,
wird es verstandlich, dafi bei letzteren sich ersteren gegeniiber das gleiche
Bediirfnis regte, dafi also die Pneumatiker die ganze ertioxortij fur sich
in Anspruch' nahnien sanit der Leitung des Gottesdienstes und den
eucliaristischen Gebeten. So lagen wohl die Verhaltnisse in Korinth.
Die beiden Propheten, die hier das Heft in die Hande bekonimen hatten,
waren niclit so zahin wie Hernias in Horn ; sie verlangten die ganze
Leitung der Gemeinde. Wie etwa zwanzig Jahre spater Ignatius seine
gliihende Empfehlung des Anites auf eine Inspiration, die ihm geworden,
griindete , so mogen auch die korinthischen Propheten ilire entgegen-
gesetzten Anspriiche auf die SrtiOXOTtij erwiesen haben. 2 )
16. Diesen Anspriichen gegeniiber .hat sich Clemens auf die be-
stehende alte Ordnung berufen. Er ist damit nicht im Unrecht gewesen.
TJnd doch hat er die alte Ordnung umgedeutet in eine Theorie, die sich
von ihr weit genug entfernte. Folgende Punkte bezeichnen diesen Fort-
schritt : 1) Clemens schweigt den Greist tot, er sieht in Korinth nur einen
.,schmutzigen und unheiligen Aufruhr" (1, 1), er verlangt ,,Unterwerfung"
unter das Amt sans phrase (57, 1). 2) Clemens sieht in dem Amt und
seinen Fimktionen ein Gresetz , das aus dem A. T. begriindet wird.
3) Clemens verwandelt die geschichtliche Entstehung des Amtes in gott-
liches B-echt. 4) Clemens schafft einen Zusammenhang zwischen den
Aposteln und dem Amt, wonach die Amtstrager und nur sie der
Welt das sind , was ihr die Apostel waren ; er macht sie zu N a c h -
folgern der Apostel. TJnd dies geschieht nicht etwa durch Re-
flexion auf die Identitat der Lehre der Apostel mit der der Presbyter,
sondern auf ganz aufierlich rechtlichem Wege. 3 )
Es ist der Gedanke der diadoyjtj oder der . successio, der hier.zuerst
auffcritt. Sieht man aber genauer zu , so denkt Clemens hierbei an
zweierlei. Zunachst ist Christus von Grott, die Apostel sind von Christus
gesandt, die Bischofe yon den Aposteln eingesetzt, alles geht auf Gfottes
AVillen zuriick (42). Dies wird nun dadurch erlautert, daB dem Mose
die iibrigen Propheten folgten (sjtrj'x.okovOrjGav), die das von ihm Ange-
ordnete bestatigten (43, 1). Das ist der echt jiidische Gedanke von der
1) Das ist die Voraussetzung von 1. Clem. 40. 41. Anders liegt es Did. 10, 6 :
TOIS Se 7tr)o<pTjTais eTriT^e^ters Ev%aoicnelv oaa d'eA.ovaiv.
2) Vgl. z. B. was Ignatius (Pol. 5, 2) von Asketen sagt, die sich liber den
Bischof erheben.
3) Hierin ist er weit mehr Hierarch als Ignatius, vgl. A. Berendts, das
Verhaltnis d. rom. Kirche zu d. kleinasiat, 1898, S. 25 f.
Das Recht des Amtes. 195
f ortlaufenden Tradition. 1 ) Aber die Sukzession hat noch eine andere
Seite. Wie Mose der Familie Arons das Priesterreclat verlieli, so haben
die Apostel angeordnet, dafi den von ihnen eingesetzten Episkopen andere
folgen soUten (43, 244, 2).
Der erste dieser Gredanken beruhrt sich. mit der Anschauung, die
wir bei Ignatius gefunden haben, ja man wird mehr sagen konnen : sie
ist mit der des Ignatius identisch, wenn man von dem monarchischen
Episkopat absieht. Die Bischofe sind danach Reprasentanten der reinen
Lehre , sofern sie dieselbe durch die Sukzession vom Herrn her iiber-
liefert bekommen haben. So meint es Clemens und so haben wir gewifi
auch Ignatius zu interpretieren. 2 ) Das heifit aber mit anderen Wbrten,
dafi der jiidische Traditionsgedanke die eine Stiitze des Amtes wurde ;
die andere stellte Clemens im Anschlufi an die alttestamentliche Idee der
aronitischen Priestersukzession her. Diese beiden Stiitzen des Hierarchis-
mus sind also jiidischer Provenienz. Die Autoritat der Rabbinen und
die Vorrechte der Priester iibertrug .man auf das christliche Amt und
begriindete sie, wie jene begriindet wurden, durch die Idee der geschicht-
lichen und der rechtlichen Tradition. Der Ursprung des ersten dieser
Gredanken ist sicher dort zu suchen, woher auch der monarchische Epi-
skopat stammt, namlich in Jerusalem (s. xinten), 3 ) der andere mag in
Rom, vielleicht erst durch Clemens, gebildet sein. Aber es ist' dabei zu
beachten, dafi die romische Gemeinde zur Zeit ihrer Entstehung iiber-
wiegend judenchristlichen Charakter trug. 4 ) Daraus ist es verstandlich,
1) Vgl. Jos. Ant. XIII, 10, 6: v6f.ua fia 7cott>& two, TtageSoaav TW STJ/.ICO oi
aaioi ex Ttaieymv Sia8o%i]s. Zu Beginn des Traktats Pirge aboth (1. 2)
Avird das Gesetz das gesdnlebene wie das mimdlich iiberlieferte durch
eine Kette von G-liedern anfMoseresp. den Sinai zimickgefiihrt, s. nockBacher,
Agada d. pal. Amor. I, 261 (vgl. Bousset, Eeligion des Judentums S. 133 f.).
2) Ignat. Eph. .3, 2: OTtcos awT^E'^TS Tfj yvcofifl iov dsov, xal ya^ 'Iqaovs
XQIOTOS .. . tov Ttat^bs >] yvdafirj, ws %ai oi STtioxoTtot . . . ev 'Iqaov Xgtarov yvcbfirj
eioiv. 6, 1 : Ttdvra, yd(>, ov TtE/HTisi olr.oSeoTtorris els iSiav olxovofdav, OTTCOS Set
f]f.ias atiTov e%ea&ai ws cmrbv TOV TtefcyavTa, vbv oi/t> ertiay.OTtov Sij/.ov on d>s
aiirbv ibv WJQLOV Set Ttgoaflherteiv.
3) Hegesipp, dessen kirchliches Denken durchweg an Jerusalem orientiert
ist, braucht iao%ij als festen Begrifl und setzt diesen zum Fortbestand der ur-
spriinglichen Lebre in Beziebung, Eus. b. e. IV, 22, 3: lv sy.doTu 8s iaSo%[i
y.al ev eadarrj Ttokei ovrcog e%ei us o vo t uos teqoijaaei. xai ol TtgocpJjini y.al 6 avows.
4) Dafl der Eomerbrief . des Paulus sicb an eine wesentlicb judencbristlicbe
Gemeinde wendet, ist abscbliefiend von Zabn (Einleit. I, 298 ff.) erwiesen. Das
Pravalieren judencbristlicber Interessen und Gedanken in Rom beweisen uns
gegen Ende des 1. Jabrb. der Hebr., das Hermasbucb und der 1. Clem., die
gro'fite Wahrscheinlicbkeit spricbt zudem dafiir, daB Clemens jiidischer Herkunft
war, jedenfalls erweist er sich mit jiidischer Tradition wobl vertraut. Aucb
13*
196 8. Die alten Normen der Lehre.
dafi judenchristliche Ideen hier noch zu Ende des 1. Jahrhunderts kraftig
wirksam war en. ' ...
Es ist eine koniplizierte historische Entwicklung, die wir kennen ge-
lernt haben. Die jiidische Presbyterordnung wird von der Kirche ange-
nommen. mit ihr koinbiniert sich zunachst eine zweite Ordnung, die der
Pneumatiker. Indem der. christliche Presbyterat einerseits das Erbe der
Pneuniatiker antreten mufi, andrerseits die Leitung im grofien Geistes-
kampf wider die Haresie iiberninimt , wachst er . alsbald weit uber sein
jiidisches Yorbild hinaus. Er. ergreift jetzt die Funktionen und Rechte
des Rabbinats und des Priestertums. Einst standen die Sittenzucht, die
aufiere Yerwaltung und der Vorsitz im Grottesdienst dem Presbyterium
zu. jetzt ist dazu gekomnien die Yertretung der reinen Lehre und die
priesterliche Darbringung der Gebete.
17. Nichts hat die Macht des Amtes mehr gestarkt, als die Kon-
zentrierung seiner Grewalt in e in e r Hand. Es handelt sich tun. die Ent-
stehung des monar chischen Episkopats. Da er in Rom seine
hochste Bedeutung erreicht hat, so ist es begreiflich, dafi man auch seine
Entstehung hier suchte. 1 ) Aber die Quellen widersprechen dem mit aller
DeutHchkeit. Was wir aus Hennas und 1. Clem, erfahren haben, be-
statigt sich daran , dafi noch Marcion um 140 in E,om nicht mit dem
Bischof, sondern mit dem Presbyterkollegium yerhandelt (Epiphan. haer.
42. 1). Dagegen ist fiir die .Zeit des' Clemens und Hennas der monaiv
chische Episkopat in der kleinasiatischen Kirche durch die Sendschreiben
der Apokalypse und 3. Joh. 9f. 2 ) bezeugt, ebenso wie spater durch
Ignatius, der zugleich sein Yorhandensein in Antiochia beweist. 3 ) i Hier-
zu kommt der Bericht des Hegesipp iiber die Gremeinde von Jerusalem,
nach welchem von Jakobus an hier Bischofe im monarchischen Sinn vor-
handen waren (Eus. h. e. II, 23, 4; 4 ) IV, 22, 4). An dieser Behaup-
Hermas hat einen judencliristlichen Horizont. Dafi Tomische Vorbilder die Ent-
wicklung beeinflufit haben, ist nicht zu erweisen (vgl. Harnack. Chronologle
I, 193 Anm.).
1) S. bes. Sobm, Kirckenreckt I, 165 ff., der behauptet, dafi bald nach 100
infolge des 1. Clem, sich der monarchische Episkopat geMldet habe.
2) Piotrephes der cpdoTtpcorevcov wird kaum bloE nach der Oberherrschaft
.streben, er ubt sie bereits aus, ohne dafi Johannes hierin etwas Anstofiiges :sieht,
vgl. Z ah n, Einleitung II, 581. ..
3) Kom. 2, 2: 6 eTtloxoTtos Zvyias, merkwiirdig ist die Weitschaffc dieser
Bezeichnuug.
4) diade%sTcu e trp> exxkijoiav /isra 'i(ov dTtoorohmv 6 ae),<pbs TOV KV^IOV
ydxcaflos. Nach der Apostelgeschichte sprechen in Jerusalem das entscheidende
Wort ot d7tooTo).oi '/.al TtQeapvTBaoi (15, 2. 4. 6. 22 f.), . aber der Beprasentant ider
letzteren ist Jakobus (15, 13). Paulus nennt neben Petrus imd Johannes nur
Jakobus (Gal. 1, 19; 2. 9). . . : -
Der monarehische Episkopat. 197
tung wird ricbtig sein, daB Jakobus als Bruder Jesu eine beberrscbeude
Stellung im Presbyterkollegium von Jerusalem einnabm (vgl. Act. 15),
und dafi, da sein Nacbfolger Simeon ebenfalls ein Herrnverwandter war,
diese herrschende Stellung eines Mannes im Presbyterkollegium in Jeru-
salem sich fortgesetzt .hat und feste Ordnung in Jerusalem geworden sein
wird. Bei der engen Beziehung von Jerusalem nach Antiocbia und
Kleinasien wird diese Ordnung dann gegen Ende des 1. Jabrbunclerts
bier akzeptiert worden sein. 1 ) Dies ist das allein Wahrscheinliche, nicht
aber daB aus Antiocbia oder Kleinasien der Episkopat sehliefilich aucb
nacb Jerusalem kam. '
Die Motive zur Annabme der neuen Einricbtung mogen mannigfaltig
gewesen, und ebenso war die Art der Durcbfiihrung nicht immer eben-
maBig. Ignatius zeigt uns, daB die Einheit der Lebre, des Gemeinde-
lebens und des Kultus besonders wirksam war. 2 ) Der jiidiscbe Gedanke,
dafi die Sukzession die Bichtigkeit der Lebre garantiert, wird scbon in
Jerusalem vertreten gewesen sein, stammt docb das Traditionsprinzip
iiberbatipt von dort. Noch eins ist zu. beacbten. Die Art, wie Ignatius
immer wieder die Pflicbt der TJnterordnung unter den Biscbof einscbarft,
macbt den Einclruck, daB diese Einricbtung, obgleicb die Biscbofe Witt
ia jtSQCna eingesetzt sein sollen (Epb. 3. 2), in Kleinasien nocb nicbt
ganz durcbgedrungen war, Und dazu stimnit , daB er die Inspiration,
die ibm geAvorden ist, sicb an den Biscbof und die anderen Amter zu
balten, gegen den Vorwurf ad boc erfunden zu sein , verteidigt (Philad.
7, If.).
Bunfort gibt es drei Amter. Der Biscbof, der an Grottes oder
Cbristi Statt stebt, die Presbyter, die die Apostel , und die Diakonen,
die Gottes Gebot vertreten. 3 ) Die Presbyter stimmen mit clem Biscbof
1) Vgl. Zahn, Forsch. VI, 299 f.
2) Vgl. Harnack, Clironologie 1, 195 ff. Denkt man daran, daB die Vor-
steherschaft sich in der Leitimg des Kultus darstellt (Justin Ap. I, 65. 67, dazu
.Ignat., auch 1. Clem.), so liegt die Verm\itung nahe, daB der Presbyter, der die
Pvmktionen des u^owaymyos verwaltete, es war, dem der Episkopat zufiel. Vgl.
auch Lucian. Peregr. 11: 7roop;r/;s xal &ioi<i^'/fly y.al Hwaycoyebs y.al Tt&vra.
fiovos nines rjv . . . y.al Tt^oai&Ti]v avtbv etteygdyovTo. So diirfte es sich auch
verstehen, daB die alten Bischofslisten bis auf die Apostel zuriickgefithrt
werden. Man AA'ird aus der Vielheit der Presbyter den Leiter der Gottesdienste
,erwahlt haben, war das docb. der Maun, der die charakteristische Funktion der
Bischofe verselien hatte.
3) Smyni. 8, 1 : Ttdvres iio sTCiayoMp dy.okovd'eiTS cog 'Iijaoiii X^WTOS TCO Tt
y.cii, Tc5 TtgeaftvTEgicp we tots dTtootdhois, TOVS us Siay.ovovs evTfjeTteod'e cos
svvokriv. M'ljSsls '/fcapls sTtioxdTtov TI rtgaoaeim i&v avi]"/.6vT:iov tli tijv e
Gf. Magn. 2; 6, 1. Trail. 3, 1;.2, 2. Pol. 4, 1. Die auch sonst bezeugte Zwblf-
zahl der Presbyter ist bei ihrer Vergleicluing mit den Aposteln vorausgesetzt.
198 8. Die alten Norm en der Lehre.
iiberein wie die Saiten niit der Zither (Epli. 4, '!). Gehorsam und An-
schluB an den Bischof ist aller Pflicht (Eph. 5, 3. Smyrn. 8, 2. Trail. 3, 1 ;
2, 2). Dies geschiekt aber, indem man ,,nichts ohne den Bischof tut".
Das bezieht sich auf das Gebet und die Lehre (Magn. 7, 1. Trail. 6, 1;
7, 1. Philad. 2, I), 1 ) auf die eucharistische Feier und die Taufe (Smyrn.
8, If. Trail. 4) und auf den Eheschlufi (Pol. 5, 2). Dazu kam noch die
BuBordnung. So wird das gesarnte religiose und sittliche Leben der Ge-
meinden straff um den Bischof konzentriert als den Reprasentanten
Gottes und Christi. Aber trotzdem ist der Episkopat erst Gemeindeamt,
noch nicht Kirchenamt. Ohristus ist der unsichtbare Bischof , um den
sich die allgeineine Kirche schaart wie die Einzelgenieinde um den sicht-
baren Bischof. TJnd wo eine Gemeinde ihres Bischof s beraubt ist, da
bleibt ihr dennoch der himmlische Bischof (Smyrn. 8. 2. Magn. 3, 1. 2.
Eoni. 9. 1. Pol. 8, 3). 2 )
18. Die Erb'rterungen , die wir in diesem Paragraphen angestellt
haben, haben eine Anzahl wichtiger Resultate ergeben. Es hat sich ge-
zeigt, dafi das Geistwesen in der Kirche zwar fortbestand, dafi aber starke
Machte des Beharrens ihm einschrankend zur Seite standen von Anfang
an, und daB diese inimer kraftiger geworden sind und die Leitung des
geistigen Lebens mit ' sich steigernder Wucht beansprucht haben. Es sind
folgende : die Autoritat der "Worte Christi und der Apostel, die Lehre
der Apostel oder der Urchristenheit , die man in dem Mafi fester und
pointierter fafite, als ihr die ,.Haresie" lehrhaft ausgepragt entgegentrat,
das Bekenntnis der Katechumenen, das gegen Ende unseres Zeitraumes
aus einem eingliedig christologischen in ein dreigliedrig triadisches ver-
wandelt wird. endlich das Kirchenamt , das sich der Lehre bemachtigt
hat und im Zusammenhang damit seine Autoritat stabiliert als Garant
der reinen Lehre und als durch gottliches B,ech;fc eingesetzte Sukzession
der Apostel. Die geschichtliche Entwicklung, die sich hiermit voll-
zogen hat, ist unverkennbar. Sie haftet am. Kirchenamt. DaB Christus.
die Apostel, die apostolische Lehre Autoritat sind, wufite man von
Anfang an. DaB aber Christi und der Apostel Lehre und Autoritat die
vom. kirchlichen Amt anerkannte und ausgeiibte Lehre und Autoritat
sind das ist das Neue. Aber nicht so liegt es , als wenn bewufite
hierarchische Tendenzen diese Entwicklung hervorgerufen haben, . es hat
sich Her nur ein ProzeB der Yergroberung vollzogen, der in der Geistes-
geschichte iiberaus haufig ist. Man hat die alten Autoritaten und Mafi-
stabe dadurch handlicher gestalten wollen, daB man ihnen das gegen-
1) Der Bischof als Prediger Pol. 5, 1 cf. Did. 15, 1.
2) Vgi. Zahn, Ignat. S. 306. E. Seeberg, Beg-riff d. Kirche I, llff.
Die Bedeutung des Amtes. 199
wartige Amt wie eine Handbabe anfiigte, Dann erscbeint wobl das
Gegenwartige und Sichtbare mehr und mehr als Hauptsacbe, neue Gre-
danken werden gesponnen, urn dem untergeordneten Mittel selbstandige
Bedeutung zu erwerben. Ein Anfang bierzu wurde gemacbt durcb den
Gedanken der apostoliscben Sukzession. Aber nocb 1st man weit entfernt
davon, das Amt zum Herrn der Kircbe zu macben, man bat nocb das
lebbafte Bewufitsein, daB es nur Handlangerdienste tut der Offenbarung
Cbristi, daB Cbristus der Herr der Kircbe 1st. ,,Hierarcben" sind weder
Clemens nocb Ignatius gewesen. 1 )
Wir baben zu Beginn dieses Paragrapben darauf verwi'esen, daB die
Autoritat des A. T. andauernd den Einwirkungen des Judentums auf
die Kircbe ein Tor offe'nbielt. Das bat sicb uns bestatigt. Der ganze
Apparat beil. Scbriften und Traditionen und kircblicber Amter, den wir
kennen gelernt baben, ist nacb judiscben Yorbildern, aber freilicb aucb
unter dem Druck praktiscber Bediirfnisse , entworfen. In dem Streit
iiber die Frage , ob die alteste Kircbe ,,beidencbristHcb" oder ,,juden-
cbristlicb" war , bat man die Entscbeidung zu sebr atis den einzelnen
,,Lebren" zu erbringen versucbt. Hier pravaliert in der Tat das beiden-
cbristlicbe Verstandnis. Anders liegt die Sacbe aber, wenn man an den
ganzen kircblicben Organismus denkt. Dieser ,, ist entstanden als Urn-
bildung der jtidiscben Kircben- und Gemeindeordnung. Der Gedanke
des kanoniscben Bucbstabens und der durcb Sukzession vermittelten
miindlicben Tradition, die Idee einer okumeniscben Lebre und" einer
katboHscben Kircbe ? sowie die Funktionen des geistlicben Amtes, sind
in Anlebnung an das Judentum erwacbsen. Aber es bat die grofiere
Intensitat des geistigen Lebeus der Cbristenbeit diese Fornien bald aus-
gedebnt und dabei nocb straffer gestaltet. Dabei baben andere Elemente
mitgewirkt. Aber es ist eine Tatsacbe, dafi der Grrundrifi zum Ban der
katboliscben Kircbe nacb dem Muster der Synagoge bergestellt ist.
l) : Solim hat in. seinem groBen Werk liber das Kirclienreclit diese Ge-
danken verschoben, mdem er sich von der These leiten lafit, daB das Wesen der
Kirche .mit dein Wesen des Kirchenrechts in Widerspruch stehe. Blofi der Geist
diirfe daher in der Kirche regieren, jede nienschliche Ordnung wird daher als
Abfall vom urspriinglichen Christentum ang-esehen. Dabei ist aber iibersehen,
dafi keine Gemeinschaft ohne eine solche Ordnung bestehen kann und daB die
Wurzeln derselben tief in die apostolische Zeit znrftckreichen, s. meine eiii-
gehende Besprechung yon Sohms Werk in dem Theol. Lit.-Bl. 1893, Nr. 2527.
Zweites Kapitel.
Die haretische Umdeutung des Evangeliums sowie die gegen das
katholische Chrisientum gerichteten Reformversuche.
9. Das Judenchristentum.
Hauptquellen : Justin. Dial. c. Tryphone 47. Irenaeus adv. haer I, 26, 2
Origen. c. Gels. II, 1. 3; V, 61. Hippolyt. Eefut. VII, 34. Epiphan. h. 29. 30.
Euset. h. e. Ill, 27. Hieronym. Ep. 112 (al. 89) u. sonst. Vgl. A. Eitschl, Die
Entstehimg der altkatholisclien Kirche 2 , S. 152 ff. A. Hilgenf eld, Ketzergesch.
d. Urchristentums 1884, S. 421 ff. und Judentum und Judenchristentum 1886.
Th. Zahn, Gesck. d. Kanons II, 642ff. A. Harnack, DG. P, 271 ft. 0. Pf lei-
d e r e r , Urclmstentum II 2 (1902), 596 ff.
1. Jtidentum und Christentum haben sicli sehon friili for immer
voneinander getrennt. Die neutestamentliclie wie die nachapostolisclie
Litei'atur setzen diese Trennung voraus. Sie ist dadurcli verscharft
worden, dafi die Christenheit bald in tiberwiegender Mehrheit sicb. aus
Heiden rekrutierte. Andererseits stieB die jiidiscbe Greineinde schon
friib die Obristen, aucb. die geborenen Juden unter ibnen, scbrofi zu-
riick. 1 ) Das Judenchristentum bat unter diesem Hafi naturgemafi am.
scbwersten zu leiden gebabt. Es bat sicb trotzdem durcb Jabrbunderte
in Palastina, Syiien und im Ostjordanland erbalten. Der EinfluB des
Judencbristentums auf die Gesamtentwicklung der Kircbe ist von Bam*
und seiner Scbule sebr iiberscbatzt worden. Einen dem Heidenchristen-
tum kobrdinierten [Faktor bat es wenn man von den altesten jZeiten
absiebt nie gebildet. Die Art, wie die Kirchenvater (Justin. Dial. 47.
Iren. adv. haer. I, 26, 2) von ihm reden, zeigt deutlich, wie geringe Be-
deutung sie der Erscbeinung beilegen. Allein die Anerkennung dieses
Urteils flibrt docb leicbt zu einer Yerkennung der Bedeutung, die das
jiidische Element fiir die Entwicklung der kircblicben Anschauungsweise
1) lust. Ap. I, 31. Dial. 16. 17. 96. 110. 122. 133. 136 f. Vgl. Schlatter,
Die Kirche Jerusalems, 1898, 8.8ft.
Das ,.Judenchristentunr'. 201
gehabt hat. Je deutlicher es neuerdings wird, \vie belangreich das
,.Jtidentuin" schon flu- die neutestamentliehe Lehrbildung gewesen ist,
desto scharfer muB dieser Bestandteil fiir die gesainte Entwicklung der
christlichen Lehre in das Auge gefafit werden.
Der Begriff Judenchristentum" ist nicht uninittelbar durchsichtig.
Man kann ihn als die religiose und sittliche Denkweise der national-
jiidischen Ohristenheit definieren. An die jiidische Christenheit, nicht
an die einzelnen judischen Christen, ist dabei zu denken, denn sonst
waren auch Paulus und verschiedene seiner Mitarbeiter Judenchristen.
Man kann aber auch unter Judenchristentum" eine Denkweise ver-
stehen, die das nrspriingliche Christentum mit spezifisch jlidischen An-
schauungen und Tendenzen so versetzt, dafi es dadurch in seinem wesent-
lichen Gehalt modifiziert \vird. So verstanden, konnte von Judenchristen-
tum auch in der Heidenchristenheit geredet werden. Allein so fruchtbar
dieser Gresichtspunkt ist, so fiihrt er doch zu keiner greifbaren Ab-
grenzung des Begriffes, er wiirde geschichtHche Mifiverstandnisse zur
unausbleiblichen Folge haben. 1 ) Es wird sich also enipfehlen, beide
Definitionen so miteinander zu verbinden, .da6 wir unter Judenchristen-
tum die Anschauungsweise der judischen Christenheit verstehen, sofern
sie prinzipiell das Christentum mit dem angestammten Judentum,
seinen Satzungen, Brauchen und Tendenzen verband. Mcht also das
personliche Festhalten an derartigen Satzungen und ITormen oder die
zufallige geschichtliche Anlehnung an sie bedingt das Judenchristentum,
sondern die prinzipielle Anerkennung ihrer Yerbindlichkeit als
alttestamentlicher Ordnungen. Dies kann in verschiedenem Grrade ge-
schehen (Beschneidung, Opfer, Christologie, Kanon), aber auch in ver-
schiedenem TJmfang, sofern es entweder nur auf geborene Juden oder
. auch auf alle Christen erstreckt Avird. Die entscheidende Differenz zu
der heidenchristlichen Anschauxing besteht also nicht in der materiellen
Aneignung judischer Ideen und Eormen, sondern in der fornialen An-
erkennung ihrer Heilsnotwendigkeit. Dort handelt es sich um zufallige
geschichtliche Eormeri, die man vom Christenttim her als notwendig
ineint erweisen zu konnen, hier sind diese iFormen notwendig, weil sie
jiidisch sind.
In dies em Sinn genommen, ist der geschichtliche Einflufi des
Judenchristentums ein verschwindend geringer gewesen. Die Pragen
nach der Beschneidung oder der Greltiing des Zeremonialgesetzes blieben
1) Zum Teil wenigstens versteht sich der Gegensatz zwischen Baur und
seinen Gegnern darans, dafi diese das Judenchristentum in dem zuerst, jener in
dem zuletzt bezeichneten Sinn yerstanden.
202 9- Das Judeiichristentitm.
den Judencbristen uberlassen. Dagegen iibte die judencbristlicbe Denk-
weise indirekt einen sebr erbeblicben EinfluB auf die Entwicklung der
kircblicben Anscbauung aus. Die Konibination jiidiscber und cbristlicber
Gredankenelemente, die hier vorlag, wurde grundlegend und vorbildlicb
fur die kircbliche Lelire. Nicbt die Begriindung, wobi aber die Sache
wurde ubernommen. Es. handelt sicb dabei wesentlich um folgende
Punkte : 1) den Begriff des Kanons in der eigentumlicben jiidiscb-cbrist-
licben Pragung , 2) die Auswabl des gescbicbtlicben StofOes in den
Evangelien. die Herstellung jener dogmatiscben und etbiseben ,,Tradi-
tionen". die scbon die Grrundlage der neu.testamentlicb.en Lebrbildung
sind, d. b. die Darstellung des Christentums als einer ,,Lebre", 3) die
kircbJiche Amtsordnung und die Idee der Sukzession ; 4) die besonderen
etbiscben Yorschriften etwa der beiden ,,"Wege" sowie die mit ihnen
verbundenen Lobn- und StrafverbeiBungen, oder die moralistiscbe und
legalistiscbe Tendenz, 1 ) 5) viele pbantastiscbe Details aus der Escbato-
logie, liber Engel und Danionen usw. Im einzelnen ist biervon friiber
die Rede gewesen (S. 152 f .) ; dort wurde aucb scbon darauf verwiesen,
dafi an alien diesen Punkten die zunacbst bei den Judencbristen aus-
gepragten Anscbauungen dem beidencbristlicben Bedarf entspracben.
Das gilt wie von der. gesetzlicben Begelung des Lebens und dem System
fester Autoritaten, so aneb von den aberglaubiscben Engel- und Damonen-
spekulationen. Man nabm an, geleitet von dem Bedlirfnis das Ohristen-
tum in das konkrete Leben einzufiibren und wirklicbe Menscben dadurcb
zu befriedigen. was die Tradition darbot. Das geistige Bewufitsein der
groBen Mebrheit der Katecbumenen war zunacbst gar nicbt fabig, die
Gedanken der Erlosungsreligion in ibrer Tiefe aufzunebinen. Daber
war man alsbald bereit, die gesetzlicben TJmdeutungen dieser Gredanken
anzunebmen. oder die Erlosungsreligion so viel als moglicb mit der Gre-
setzesrebgion zu versetzen. 2 ) Die gescbicbtlicbe Bedeutung des Juden-
cbristentums bestebt nun zubocbst darin, dafi es dieseni Triebe entgegen-
kam, oder der Heidenchristenbeit die Mittel dazu darbot, das Cbristen-
tum moralistiscb, dogmatistiscb, bierarcbiscb und superstitios zu deuten.
Die Heidencbristen baben zu alledem ibrerseits viel binzugefiigt. aber
1) Beispielsweise deiike man daran, daB die Tugendreihe Tob. 12, 8 die
soleunen guten Werke der Kirclie (Beten, Fasten, Almosen) bestimmt hat, oder
dafi Jesu Wort Matth. 7, 12 (was ihr wollt, dafi ench die Lente tun, tut ihnen
auch) nur in der abgeplatteten judischen Form Tob. 4. 15 (8 fuaets firjdevl ytorforis)
christliche Lebensregel geworden ist (z. B. Did. 1, 2).
2) In dieser Unfahigkeit wurzeln z. B. auch die kiiustlichen Versuche die
Erlo'sung durch Christus mit dem Gesetz zu kombinieren und rationell zu deuten.
Christi ,,neuer Bund" wird zum ,,neuen Gesetz", der Logos als das Gesetz der
Ghristenheit zum ,,nenen Gesetzgeber".
Die Bedeutung des Judenchristentiras. 203
die Grundlage zu den Abweichungen yon dem alteren Christentum be-
stand iinmer in judenchristlichen Gesichtspunkten. Die katholische
Kirche ist entstanden als die heidenchristliche Kirche der ausgehenden
Antike, aber der GrundriB des Gebaudes ist in mafigebender Weise be-
stimmt Von judenchristlichen Gedanken und Tend enzen. Im Katholizis-
mus lebt nicht nur ein Stuck griechisch-romischer Weltanschauung,
sondern auch judischer Frommigkeit fort. Die Bestandteile der Ge-
setzesreligion, die ihm anhaften, haben soztisagen das heiden-
chri'stliche Bediirfnis zur Mutter und die judiscb-christliche Satzung zum
Vater. Die reformatorischen .Bewegungen in der Kircne haben sich
immer nicnt blofi gegen das heidenchristliche, sondern auch gegen das
jiidisch-ckristliche Mifiverstandnis des Evangeliums richten miissen.
So betrachtet, ist die Bedeutung des Judenchristentums eine uner-
mefilich grofie, denn es hat in kraftigster Weise dazu beigetragen, das
Christentum in seinem ganzen Umfang auf die Stufe der Gesetzesreligion
hinabzuziehen. Nicht seine Propaganda, sondern seine Existenz hat diese
Bedeutung gehabt; und nicht durch das beherrschende spezifisch
,,judenchristliche" Prinzip hat es gewirkt, sondern durch die einzelnen
Bestandteile seiner Anschauung. Ein schwerer, raassiger Zug ist ! hier-
-durch in das katholische Christentum hereingekommen . aber andrer-
seits ist nicht zu verkennen, daB eben hierdurch ein Gegengewicht ge-
wonnen war zu der griechischen Neigung, die Religion in Spekulation
liber das Absolute aufzulosen. Der christliche Voluntarismus hat an
den jiidischen Gedanken von Gottes Wirken und des Menschen Aufgaben
; eine kraftige Stiitze gehabt.
2. Die geschichtlichen "Wirkungen des Judenchristentums gehoren
'der alteren Zeit an, etwa bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts. Wie der
orientaUsche Synkretismus des Gnostizismus sich in diesem Zeitalter dem
Christentum. anheften -konnte, so konnten auch die jtidischen Gedanken
und Pragestellungen naiv angenornmen werden, sie drangen daher in die
untersten Schichten der christlichen Gedankenbildung ein. Dafi man
dabei in den weiteren EJreisen der Kirche den spezifischen JForderungen
des Judenchristentums gegeniiber sich ablehnend verhielt, das ist vor
allem der "Wirkung des Paulus, spater auch der johanneischen Schriffcen
zu danken. Trotz aller Bereitschaft zu lernen war der gesunde Takt
vorhanden, die Beschneidung und das Zeremonialgesetz abzulehnen und
das iovda'i'Ceiv zu verwerfen. 1 ) Porderungen dieser Art sind von der
1) Eine dein JudenehristeEtum innerlich nicht zu fern stehende Schrift-wie
<lie syrische Didaskalia weist ,jdie Wiederholung des Gesetzes" prinzipiell ab,
z. B. c. 2 : ^^nser Erloser ist um keiner anderen Sadie willen gekommen als das
G-esetz zu erfiillen und uns von den- Banden der Wiederhohing des G-esetzes zu
204 9- Das Judenchristentuiu.
jerusalemischen Kirche auch nicht geltend gemacht worden. Als Hegesipp
tun 180 seine Hypomnemata schrieb, konnte er, dessen geistliche Metro-
pole Jerusalem war, von seiner grofien Reise aus den fiinfziger Jahren
des 2. Jahrhunderts den Eindruck bezeugen, daB uberall in der Kirche
es sich so verhalte wg o v6(.io$ MIQVOGSI xai ol rtgocpfjiai xat 6 XVQIQS
(Eus. h. e. IV, 22, 3). Er will damit sagen, dafi er libel-all die rechte
Lehre, d. h. die der Kirche von Jerusalem, angetroffen habe (ib. IV,.
22, 1. 2; III, 32, 7). So sehr erscheint ihm Jerusalem als Ausgangs-
punkt aller kirchlicnen Bewegungen, dafi er auch die Haresien dort ihre-
"Wurzel haben lafit, namlich in einem gewissen Tnebutnis, der . uber-
gangen worden war, als Simeon, der Sohn des Klopas, zum zweiten.
Biscnof von Jerusalem gewanlt wurde (IV, 22, 5). Danach ist es klar,.
dafi im wesentlichen in Jerusalem derselbe Grlaube Herrschte, wie in den
heiclencnristlichen Gemeinden. Da dieser Glaube aber kein anderer war-
als der der triadischen Glaubensregel , so hat diese B,egel auch in.
Jerusalem gegolten. Nun war Jerusalem freilich seit 135 eine heiden-
christliche Gemeinde, aber die Einheit der Tradition von Jerusalem bis.
auf seine Tage herab, steht Hegesipp fest. Daher wird man annehmen.
dlirfen, dafi die triadische Regel auch in Jerusalem vorhanden war..
"Wenn man nun erwagt, dafi die jerusalemische Tradition, die Lukas .in
seineni Auferstehungsbericht befolgt, der letzten VerheiBung Ohristi eine:
Eorm gibt, die den Sohn, den Geist und den Yater in sich schliefit.
(24, 49) und dafi Matth. 28, 19 schwerlich einer anderen Qvielle als der
palastinensischen Tradition entstammt, endHch dafi die wohl ebenfalls,
in Palastina entstandene Didache (7, 1) die Taufe auf den Namen der
Trias zu vollziehen anordnet, J ) so wird gegen obige Annahnie nicht
eben viel einzuwenden sein. Das Wahrscheinlichste hinsichtlich dei"
Entstehung des dreigliedrigen Taufbekenntnisses s.cheint mir dann aber
zu sein, dafi es in Jerusalem gepragt wurde, ebenso wie die triadische-
Eorrnel von hier aus in die Welt gegangen.ist (vgl. oben S. 175). 2 ) Das
wird aber zu einer Zeit geschehen sein, als die Gemeinde von Jerusalem,
direkte Beziehungen zum Heidenchristentum gewann ; das kann nach 135
gewesen sein, aber ebenso auch schon fruher.
lefreien. Das Buch lehrt .ims ein Gemeindelebea kennen, in. clem die juden-
chilstliche Grundlage noch. Iiberall durchschimmeTt, das sich aber innerlich von
diesen Elementen zu scheiden beginnt.
1) Von Wiehtigkeit ist auch, daB das um 100 entstandene Elkesaibuch
die Wiedertaufe im Namen Gottes und seines Sohnes vollziehen lafit (Hippol.
Eef, IX, 15), vgl. oben S. 175 Anm.
2) Das ware danu der .Wahrheitskern der Erzahlung der Didascal. 24 init.,
dali die Apostel zu Jerusalem den Heidenchristen den Glauben an den Vater,
Sohn und heil. Geist vorgeschrieben hatten.;
Judenchristliche Propaganda. 205
Indessen kauri dies nur als Vermutung ausgesprocben warden. 'Sicberer
scbeint mir dagegen zu sein, dafi die Didacbe von Jerusalem aus in die
"Welt gesandt wurde. Wo anders als dort, wober wirklicb die Lebre
der Apostel in. die Welt gegangen war, konnte man auf den Gredanken
konimen ein Biicblein fiir die Heidenchristenheit herzustellen mit der
TJberschrift : Jtdayj] xvgiov diet tfov dtidexct ccrtoarokcov vole, e&veoiv,
und wo anders batte man wobl eine Taufrede von so spezifisch jiidischer
Provenienz und Art (c. 1 6) dargeboten als auf palastinensiscbem J3oden? *)
Nicbt die religiose ,,Lebre" wollte das Bucblein bringen, sondern
eirie 'praktiscbe Anleitung fiir das Gremeindeleben. 2 ) Die Ordnungen, in
denen man lebte, galten aber vermoge der Sukzessionsidee fiir aposto-
lische. Das ist nirgends so verstandlicb. als in Jerusalem. 8 ) Dann aber
ist die Didache als ein Versuch der jerusalemischen Gremeinde das Leben
der Heidencbristenheit zu bestirnmen und zu regeln anzuseben.
3. Aber nicnt nur kirchliche Kreise haben dies versucht. Ahnlicb
sind aucb die judenchristlicben Haretiker vorgegangen. Hier kommt
vor allem die klementinische Literatur in Betracbt. So wie die Werke
(Homilien und E/ecognitionen) uns vorliegen, sind sie von tlberarbeitern
zu katboliscben Werken gestaltet worden. Aber die urspriinglicbe
Tendenz der Yorlage ist nocb deutlicb erkennbar. Es bat sicb. in ibr
um nicbts Greringeres gebandelt als um die Herstellung des JrjQuy i ua
des Petrus, 4 ) das yon diesem als Grundlage der cbristblcben Yerkiindigung
bergestellt und von Jakobus gebilligt sein sollte und das wegen seiner
Heiligkeit nur als Gfebeimscbrift verbreitet werden sollte (s. die ein-
leitenden Scbriftstiicke der Homil.). Indem einerseits dem von Petrus
bekampften Simon Magus die Vertretung von Hauptpunkten der marcioni-
tiscben Tbeologie zugescboben wird, andrerseits in Nacbabmung des
Marcion eine eigentiimlicbe Eo-itik am A. T. gelebrt wird und endlicb
der Homer Clemens als Junger des Petrus eine Hauptrolle im Roman
spielt, wird die .Zeit und die Adresse des Unternebinens erkennbar. Es
bat sicb clarum gebandelt in dem antimarcionitiscben Karnpf der romiscben
1) Die jiidische Herkunft der ,,beiden Wege" ist anerkannt; aber es ist
darauf hinzuweisen, dafi aucli bei der jiidischen Taiife der Taufer eine Anzahl
von Gesetzesvorschiiften verliest (s. A. Seeberg 1 , Das Evangel. Christi S. .99)
ans diesem Vorbild versteht sich die sonst so anffallende Tanfrede .der Did.
2) Wie etwa 1. Tim. 4, 6 die '/.aty 8i8a.ay.alia, zu den ).6yoi tfjs Ttiarscos
hinzntritt, vgl. obeu S. 66. 167.
3) Das ,,Aposteldekret" Act. 15 ist das Vorbild dieses Unternehmens, die
Didaskalia und die apostolischen Eonstitutionen sowie die spateren Sagen .iiber
die apostoiiscne Entstehung des Taufbekenntnisses schreiten aiif'idieser Bahn fort
4) Vermntlich sollte dies Kfavy/ta des Petrns in Gregensatz treten zn der
bekannten gleichnamigen Schrift. . . .....
206 9- Das Judenchristentum.
Kircbe zu Hilfe zu kommen. Mit der Autoritat des Petrus und eines
seiner bervorragendsten romischen. Nachfolger soil Marcion gescblagen
werden. aber dieselbe Autoritat soil dazu dienen das Judencbristentum
als die urspriinglicbe und apostolische Form des Ghristentums dem
Abendlande zu empfeblen. Das "Werk rechnete darauf, dafi wer die
Schneide der Waffe gebraucben wolle, auch den Stiel sicb werde aneignen
miissen. Daber ist es aber wohl von Anfang an vorsichtig gebalten
word en, von der Beschneidung .etwa sab. man ab, aber man koordinierte
Mose Cbristus und die frommen Juden den frommen Christen und pries
den, der das Alte und das Neue in seiner Einheit erfasse, als den wabr-
baft in Gott Reichen. 1 ) Tiber den Eindruck, den dies TJnternebmen
gemacht bat, wissen wir nicbts, nur das ist bekannt, dafi das Werk
nicbt verloren gegangen ist, sondern niebrfacb von katbolischen Handen
bearbeitet worden ist. 2 )
1) Adam, Mose und Christus sind die drei groflen Gesetzgeber (Horn. 8, 10).
lAito ftev 'Eftoaicov ibv Mcovaflv Si8daxaf,ov elktjyorcov xahtiziTSTai o 'Itjaovs, aatb 8e
ruv 'Iijaov TCKTUQISV/.OIWV 6 Mcovafjs dTtox^ijTCisiai, pi as 7^ 8 ^ d ft, yore ^ coy
StSaoxahias ovarjs tbv TOVTCOV ttvl TtsTtiaTevxoTa 6 3'eos 0.7108 e^stat.
(8, 6). OUTS oi>v l E^a,loi Tts^i dyvoias ^Ir/aov y.aiti&v/.a.'Cpvta.i Sia ibv '/.(tijijjav'ia,
Eiiv ye Ttpdvtovres f& Sid Mcotiaecos ov riyvoyaav f.ifj fitm'jacoaiv, oiV aii ol catb
e&'ucov dyvorfaavTss tbv Mcovaflv Sift, ibv xahvijjavTa yMTaSiy.dfcflwtai , s&vTtsf) y.al
vbtoi TtQdooovtes TO. Sia. iov Yrjaov ^rj&svra f.ii] fiimjacoaiv ov rjyvoqaav (8, 7).
Hki\v st TIS xaTaJztco&eir] TOVS diicpoTegovs entyvavat cas fti&s OiSacrxa^ias vTt 1 ai>Tcov
oi)ios dvr^f> sv d'ecp ?t)\.ovaios xonnj^i'dfi'iftai td TS &o%ala, vea tm
io xal ia xaiva itahcua OVTO. vevorjy.cas (8, 7).
2) tfber die literargeschichtliclxen Fragen handelten neuerdings H. Waitz
(Die Psendoklettientmen in T. u. U. XXV. 1904) und H a-rn a c k (Chronologie II, 518 ff .).
Es hat sicli allmahlich ein.e Anzahl gemeinsamer Urteile fiber die Entstehung"
der Pseudoklementinen ergeben. Ohne mich im einzelnen in die Fragen einlassen
zu konnen, moclite ich in ein paar Satzen meine Auffassung darlegen. 1) Es hat
einige oder mehrere judeuchristliche Schriften gegeben, die die erste ScMcht
dieser Literatur bilden, vor allem eine jiidisch-gnostische Schrift, die aber die
gewShuliche Gnosis bekampfte (Petrus und Simon Magus), dazu die 'Avapa&fiol
^lay.ojfiov (Epiphan. h. 30, 16, erhalten Eecogn. I. 27 74) und wohl noch anderes.
2) Diese Schriften wurden mit aufgenommen in ein grofies romanhaftes Werk,
das den Zweck verfolgte Marcion zu bekampfen und das Judenchristentum als
Lehre des Petrus dem Abendland zu empfehlen. Dies Werk mag um 170 ent-
standen sein, viel weiter herabzngehen in der Datierung scheint mir durch das
aktuelle antimarciouitische Interesse verboten zu sein. ' Das Buch war betitelt
KLr/[ie.vtos r&v Hettjov xij^vy/Lidrcof eTutofitf (Horn. ep. Clement, ad. lacoh. 20).
3) Dies Werk ist dann gegen Ende des 3. Jahrh. von einem katholischen Christen
bearbeitet und erweitert worden .(besonders der Lehrstp'fi' und die Verfassungs-
verhaltnisse; auf die Einmengung der lucianischen Christologie z. B. Horn. 16. 16:
rov 7taff)bs ib f.ir] yeytvvrjodai sanv, vlov e id yeyevvfjo&ai, yevvq-rbv e dysvr^na
ij xal avToyevvijTcp oi> owxoiveTM macht Harnack S. 534 f. aufmerksam). Diese
Pseudoklementinen und Elkesai. 207
4. Den letzten derartigen Yersuch die Kampfe des Abendlandes
im Interesse der judenchristlichen Propaganda auszuniitzen unternahm
ein gewisser A Iki blades aus Apamea in Syrien um. 220 in Rom. Es
war zur Zeit, als Kallist in Bom die Bufipraxis erleichtert hatte (s.
unten), dafi Alkibiades wie ein marktschreierischer AblaBprediger in Bom
auffcrat. Er fuhrte mit sich ein Buch, das zur Zeit Trajans (ca. 100)
dem Elkesai 1 ) im Lande der Serer von Christus und dem heil. Greist
selbst uberreicht sein sollte. Christus war ihm als mannlicher, der heil.
Greist als weiblicher Engel erschienen, beide waren von ungebeuerlichen
Dimensionen. Es handelte sich um ein haretisches Judencbristentum.
Christus ist als Menscb wie alle ubrigen entstanden und, nacb der pytha-
goraischen Seelenwanderungslehre, bereits vor seiner Gfeburt menrfacb
erscbienen. Man mtisse sicb bescbneiden lassen und nacb dem jiidischen
Gesetz leben. Dazu kamen astrologiscbe Spekulationen. Die praktiscbe
Spitze der Lebre bestand aber in der "Wiederholung der Taufe. Eiir
das 3. Jabr Trajans stellte Elkesai Sundenvergebung dureb "Wieder-
taufe in Aussicbt. Grrobe und grobste Sunder (Surer, Sodomiter, Blut-
scbander) finden Yergebung ibrer Sunden, wenn sie sicb wiedertaufen
lassen ev bvo^iati vov (.teydhov xal vifitawv -9-sov -/.al ev bv6f.iaTt viov
avrov rov /.isydlov fiaailstog und . sich reinigen und beiligen und als
Zeugen anrufen ,,den Hirnmel und das "Wasser und die beiligen Greister
(m Ttvev^iara ta ayia) und die Engel des Gebets und den Olbaum und
das Salz und die Erde". Aber aucb diejenigen, die von einem tollen
Hunde gebissen sind, sollen in ihren Kleidern in das Wasser und sich
taufen unter Anrufung Gottes und der sieben Zeugen und mit der Ab-
sage an alle groben Siinden (Biippolyt. Befut. IX, 13 16. 2 ) Aucb
Schrift mag den Titel HepioSoi Ueroov getragen haben (Epiph. h, 30. 15. 16).
4) Sie 1st dann, etwa in den ersten Dezennien des 4. Jahrh., von zwei katho-
lischen Schriftstellern bearbeitet worden, den Verfassern . der uns vorliegenden
,,Homilien" und der (nur in Rufins Ubersetzung erhaltenen) Eecognitionen.
Beide Autoren Melten sicb. an die Vorlage, der Verf. der Eecog. kannte aber
auch die Horn.; letztere gaben die Vorlage im ganzen treuer wieder. Fiir
unseren Zweck kommt nur die zweite Schicht in Betracht, aber die dritte und
vierte geben fiir das populate religiose BewuBtsein und die Verfassungs- und
Kultusverhaltnisse um die Wende des 3. u. 4. Jahrhunderts nicht unwichtige Aut
schliisse. Zur Lehre vgl. 0. Pfleiderer, Urchristentum II 2 , 605 ff.
1) Den Namen 'Hk/aoai erklart Epiphanius (h. 19, 2) als Svva/.us xeKa),vfi-
lisvri = ID? on, Wellhausen denkt an den Namen "AU&os (Skizzen III, 206 Anm.).
Sollte letzteres richtig sein (cf. 'Hl^atos Epiph. h. 30, 3), dann ware ^/,to-
wohl im Sinn von ,,Heiland" gemeint, das wiirde zu der praktischen Tendenz
dieser ,,0ffenbarung" stimmen; auch das Buch wurde so genannt (Epiph. h. 30, 17).
2) Pie Echtheit xind das hohe Alter der von Hippolyt (IX, 15. 16. 17) mit-
geteilten Frag-mente (s. auch Epiph. h. 19, 3. 4) diirfen als sicher angenommen
208 9. Das Judenckristentum.
dieser Yersuck judaistischer Propaganda hat naturgemafi keine tiefere
Wirkung ausgeubt.
5. Die bisherige Betrachtung hat zu einem doppelten Resultat ge-
fiihrt, 1) die spezifisch judenchristliche Anschauungsweise oder die prinzi-
pielle Anerkennung des jiidischen Gresetzes und der nationalen Praro-
gativen Israels kaben auf die dogmengeschicktlicke Entwicklung keinen
positiven Einflufi ausgeubt; 2) dagegen haben einzelne Ansckauungen
und Institutionen der Judenchristenheit in maBgebender 'Weise die Gre-
schiclite der Kircne bestimmt. Im prinzipiellen Sinn war die Entwicklung
antijudaistisck gerichtet, praktisch war sie in umfassender "Weise von
Elementen, die von dem Judenchristentuni vermoge seines Zusammen-
hangs mit deni Judentum produziert waren, beeinflufit.
Zum SckluB erhebt sich die Aufgabe in kurzen Ziigen die Lehr-
weise der jiidischen Ghristenheit darzustellen. "Wir verniogen die An-
gaben, die Hegesipp und Epipkanius liber die religiosen Parteiungen des
Judentums macben. leider nicbt zu kontr oilier en. Aber es stelit fest,
dafi wir in dem Judentum des 1. und 2. Jahrhunderts eine grofie geistige
Hegsamkeit anzunebmen baben, daB neben den schlichten Altglaubigen,
wie etwa die Psalmen zu Beginn des Lukasevangelmms sie uns kennen
lebren; nicbt blofi den pbarisaiscben Eanatismus mit seiner Yerberrlicbung
prazisester Gresetzeserfiillung, sondern aucb ein syn'kretistiscbes Judentum
anzunebmen baben. Kosmogoniscbe Spekulationen, Zauberwesen, Askese
und eine wunderlicbe Kritik des A. T. verbanden sicb bier zu Er-
scheinungen, die den spateren Gnostizismus antizipieren. 1 ) Es ist nun
werden, vgl. Hilgenfeld, Judentum und Judenchristentum 103 ff. Harnack,
Chronol. II, 167 f. Entscheidend fiir die Eclitheit ist, daB die Bezuguahme auf
die Zeit Trajans (das 3. Jahr imd eine andere Weissagung Hipp. IX, 16 fin.) in
keiner Weise Alkibiades' Tendenzen forderlich sein koimte, es handelte sich im
Elkesaibueh, ahnlieh wie bei Hermas, nur um den Terrain.' einer zweiten BuGe,
die mit einer zweiten Taufe (ex devrspov paotti&adai) verbunden ist. Nach
jiidischer Ansicht ist auch der tolle Hund von einem bosen Geist besessen,
s. Blau, Das altjlid. Zauberwesen 1898, S. 31 Anm.
1) Vgl. das freilich sehr kritisch zu benutzende Werk von M. Fried-
lander, Die vorcbristl. jlidische Gnosis 1898. Hier ist nun noch zu beachten,
daG auch Elkesai sicher den Bestand eines haretischen gnostisierenden Judentums
voraussetzt. Manches an dem Elkesaitismus erinnert frappant an den Mandais-
mus, es ist daher hochst wahrscheinlich, daB ersterer durch letzteren hervor-
gerufen ist. Zu deuken gibt Hipp. Eef. IX, 13, wo Elkesai das Buck iibergibt
iivl IsyouEvco SojSiat Brandt, der hierauf hinweist, will das durch' Text-
verwirrung entstanden sein lassen aus dem urspriinglichen Berickt: das Buck
sei durch Sobiai dem Elkesai iiberliefert worden, Sobiai aber sei ein Sabier oder
,,Taufer" (Hand. Eel. S. 229). Ersteres ist nicht begiiindbar, daB aber der Name
Sobiai absichtlich gewaklt ist, glaube ich auch.
Die judenchristlichen Grruppen. 209
ganz begreiflich, dafi sieh auch das Christentum auf judischem Boden
nach diesen Gesichtspunkten bestimmte. Wir finden einmal Judenchristen,
die das Christentum mit den alttestamentlichen Grundlagen, an die sie
gewohnt waren, verbanden, und begegnen dann Judenchristen, die
-wie die Gegner.des Paulus einen strengen und unduldsamen Phari-
saismus mit ibrem Cbristentum vereinigten, und uns begegnet endlicb
mit steigender Deutlichkeit eine Gruppe, die das Cbristentum in ibrem
gnostisierenden Synkretisnius bineinzog. Wahrend die erste Gruppe
nacb allein, was wir horen, das Heidencbristentum anerkannte und mit
ihm Paulus, haben die beiden anderen das Judentum selbst mitEinschlufi
d.er Beschneidung als prinzipiell notwendig fur jeden Gbristen bin-
gestellt. Dadurcb war es dann bedingt, dafi sie den lebbaften Antrieb
zur Mission in der Heidencbristenbeit empfanden. Und eben dieser
Trieb fubrte sie dann aucb zusammen, und zwar so, da6 die dem Bedarf
der Zeit entsprecbende synkretistiscbe. Ricbtung die Oberband gewann
und den pbarisaiscben ,,Ebjonitismus" in sicb aufsog. Scbon die Irrlehrer
des Kolosserbriefes und dann wieder der Pastoralbriefe sind zwar Yer-
treter des Gesetzes, ermangeln aber nicbt gewisser spekulativer und
asketiscber Tendenzen. Seit Elkesai ist dann ein gnostiscb-pbarisaiscbes
Judencbristentum deutlicb nacbweisbar. ^
Es wird nun freilicb bezweifelt, dafi die beiden Gruppen des Juden-
cbristentums sicb scbarf unterscbeiden lassen. Die eigentlicbe Differenz
zwiscben der besonders von Zabn begriindeten Ansicbt, dafi die Nazaraer
oder bis zu einem gewissen Grade ortbodoxe Judencbristen den pbarisaiscb-
gnostiscben Ebjoniten gegeniibersteben (Gescb. d. Kan. II, 668 ff.) und
der Auffassung Harnacks (DG. I 3 , 285), dafi man gnostiscbe Juden-
christen und ,.eine mannigfacb scbattierte. Gruppe von Judencbristen,
die sicb sowobl Nazaraer als Ebjoniten von Anfang an genannt bat" zu
unterscbeiden babe, bestebt in der Stellung der pbarisaiscben Cbristen.
"Wabrend Harnack diese mit den Nazaraern zusammenstellt, bat Zabn
sie mit den gnostisierenden Judencbristen kombiniert. Icb balte letzteres
li\r ricbtig, denn einerseits tritt uns diese Kombination von Anfang an
ivirklicb entgegen (die Irrlebrer von Kolossa und in den Pastor albrief en,
Elkesai und die Clementinen, die Ebjoniten des Epipbanius,) andrerseits
fehlt den ortbodoxen Judenchristen die Eorderung der Gemeingiiltigkeit
des mosaischen Gesetzes. Indessen mag in dem wirklichen Leben mancher
pbarisaisch gesinnte Christ die Gemeinschaft mit den sog. Nazaraern
den elkesaitischen Tendenzen vorgezogen baben. Die Namen ,,Nazaraer"
und ,,Ebjoniten" lassen sich freilich nur im allgemeinen als unter-
scbiedlicbe anwenden, da die Yater sie nicbt ganz selten promiscue
.gebraucben.
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. '14
210 9. > as Judenchristentum.
Wir werden also einerseits von dem Judenchristentum zu reden
haben, dafi die Denkweise der alten jerusalemischen Christenheit bei-
behielt und fortsetzte , andrerseits von haretischen oder gnostisierend
pharisaischen Judenchristen.
6. Justin berichtet von Judenchristen, welche von alien die Ein-
haltung des Gesetzes verlangen , sowie von anderen , welche selbst das
Gesetz streng befolgen, dies aber nicht alien Christen vorschreiben wollen.
Er selbst will letzteren die Seligkeit nicht absprechen, wei6 aber, daft
nicht alle Christen so denken (Dial. 47). Noch Hieronymus kennt die-
selben als eine per tolas orienlis synagogas inter ludaeos verbreitete
haeresis, Nazaraer genannt, qui credunt Christum filium dei natum de
virgine Maria et eum dicunt esse qui sub Pontio Pilato passus est et
resurrexit, in quern et nos credimus. Aber er urteilt von ihnen : sed dum
volunt et ludaei esse et Cliristiani, nee ludaei sunt nee Christiani (Ep. 112,.
13 [al. 89] vgl. Epiph. h. 29, 79). Tiber die Christologie dieser
Nazaraer belehren in etwas die Eragmente des bei ihnen brauchlichen
Hebraerevangeliums. Bei der Taufe ist ,,der ganze Quell des heil.
Geistes" liber Jesus gekonimen und hat zu ihni gesagt: fili mi, in
omnibus prophdis eocpectabam te, ui venires et requiescerem in te, iu es
enim requies mea, iu es filiu-s metis primogenitus qui regnas in sempiternum.
Sonst wird der heil. Geist von Jesus ,,naeine Mutter" genannt. Jesus
wircl in diesen Kreisen als der von der Jungfrau Maria geborene Mensch
gedacht , der in der Taufe den heil. Geist zu dauernder Einwohnung-
empfing und dadurch zur ewigen Herrschaft befahigt wurde. Der Satz,
den wir mitgeteilt haben, scheint ihn in eine gewisse Parallele mit den
Propheten zu riicken ; der Gedanke niag dann sein, da6 der Geist in die
Propheten nur zeitweilig einging, in Christus aber B,uhe niachen konnte.
Bei dieser Auff assung , die von der der synoptischen Evangelien kaum
verschieden ist, sind diese Kreise stehen gebh'eben. Die Probleme der
spateren Logoslehre haben sie nicht beruhrt. 1 ) Es hat also im Orient
1) Euseb. hat (h. e. Ill, 27, 3) diesen Christen, welche er von den eigent^
lichen ,,Ebjoniten" unterscheidet, nachgesagt, dafi sie zwar an der Geburt.aus
der Jungfrau festhielten, nicht aber die Praexistenz des Logos zugestandeu
hiitten : oi) /.i^v sff 1 oiioicos '/MI obtoi 7tQoiJ7td<)%eiv aiirov, &&bv Adyov dvra '/.al aotpiav
d^o/.oyovnss etc. cf. Orig. in Matth. torn. 16, 12 Lommatzscli IV, 38. Das gibt den
Tatbestand Avohl treffend wieder. Der Menscb. Jesus war ihnen nicht praexistent
und fiir die Logoslehre hatten sie das Geistprinzip. Zu beachten ist noch, dafi
der doch sicherlich judenchristenliche Aristo von Pella in s. Disput. lason. et
Papisci das ,,in initio" Gen. 1, 1 auf Christus bezogen hat (Otto, Corp. apol. IX r
357). Fiir den Logosbegriff, wie er sich bald entwickelte, hatten Judenchristen
keine Ankniipfung. Orig. bezeugt, dafi die Juden die Gleichsetzung des Logos
mit dem Sohn Gottes nicht kennen (c. Gels. II, 31). Auch das fO> der jiidi-
Nazaraer und Ebjoniten. 211
durch Jahrhunderte sicli ein altertiimliches Judenchristentum erhalten,
dessen Bekenner im Glauben. mit der katholischen Kirche im ganzen
ubereinstimmten, blofi ein hebraisches Evangelium braiichten, Paulus und
sein Werk anerkannten , ohne freilich von seinen Briefen Gebrauch zu
machen , a ) in ihreni Leben aber ihrem natiohalen Gesetz treu blieben,
dies aber nicht zu einer Forderung fur alle Christen erhoben. Sie sind
wirklich jiidische Christen gewesen, wahrend die beiden folgenden
Gruppen eigentlich nur christliche Juden sind.
7. Die zweite Gruppe entsprach zunachst den judenchristlichen
Gegnern des Paulus. Es sind christliche Pharisaer. Sie hielten fest an
der Beschneidung und dem Gresetz, dieses von alien Christen verlangend
(Just. Dial. 47) ; sie verwarfen Paulus- als einen apostata legis, brauchten
nur das Matth.-Ev. (Ir. adv. haer. I, 26, 2 ; HI, 15, 1). Aufierdem
wurde hier die Gfottheit Christi und seine Geburt aus der Jungfrau ge-
leugnet (Ir. Ill, 21, 1 ; V, 1,3). Nicht einen konservativen .Zug, son-
dern eine Konzession an den judischen Messiasbegriff , dem die jung-
frauliche Geburt fremd ist, hat man hierin zu erblicken. In dem bei
diesen Judaisten benufczten ,,Evangelium der Zwo'lf" (Zahn, Gesch. d.
Kan. H, 724 ff.) ist die Gottessohnschaft Christi auf die Taufe zuriick-
gefiihrt worden. Der Geist in Gestalt einer Taube kommt auf ihn herab
und geht in ihn ein, eine Stimnie ruft : du bist mein geliebter Sohn, an
dem ich Wohlgefallen habe, und wiederum: ich habe dich heute gezeugt.
Ein grofles Licht erleuchtet den Ort (Epiph. h. 30, 13). Sie haben
einerseits die itbernatiirliche Geburt Christi geleugnet, aber andererseits
das Wort Matth. 12, 47 so gedeutet, dafi Christus danach nicht Mensch
gewesen sei. Dabei werden sie an den Geist, der in ihn eingezogen war,
gedacht haben. Eine Leugnung der ,,Gottheit Christi" kann man auch
diesen Judenchristen kauna nachsagen. Sie haben freilich Christum als
den ,,Propheten der Wahrheit" bezeichnet und von einern Portschritt in
seinem Leben geredet, durch den er Gottes Sohn wurde, aber trotzdem
war das eigentliche und spezifisch Gottliche in ihm der in ihn einge-
gangene Geist, dieser bedingte sein Leben und rnachte ihn zum Gottes-
sohn (Epiph. h. 30, 18). Zieht man die Yision Elkesais (oben S. 207)
schen Theologie hat cliese Beziehung nicht (vgl. Weber, System d. altsynag.
palast. Theologie., 1880, S. 178. 339).
1) Euseb. h. e. III. 27, 4 berichtet auch von diesen Judenchristen, daB sie
die paulinischen Briefe verleugnen und 'da sie Paulus fiir einen dttoaTdTijs rov
i'6f.iov halten. Ersteres wird richtig sein, letzteres dagegen diirffce einfach aus
dem, was Irenans iiber die haretischen Ebjoniten sagt, abgeschrieben sein; es
kann . vmmoglich die Meinung von Leuten sein, die das Werk Pauli" oder die
heidenchristliche Kirche im Prinzip anerkannten.
14*
212 9. Das JudenchristentiiHi.
mit heran, so ist auch klar, dafi sie einen erhohten gottlichen Christus
annahmen, den sie irgendwie vom Geist unterschieden. Auf dem Gebiet
der Gottheit Christi stimmten sie irtit den orthodoxen Judenchristen
iiberein. Die Differenz liegt an einem anderen Punkt. Je nach der
Stelhing zur Geburt Christi unterscheidet Origenes dirioi 3 E@ia)valoi
(c. Cels. Y, 61). Der Sohh des Joseph und der Maria wurde nach den
einen durch die Taufe mit dem Geist Gottes ausgeriistet, nach den anderen
war der Empfanger des gottlichen Geistes der von der Jungfrau geborene
Mensch Jesus. Es war verstandlich , dafi man dabei stark betonte,
Christus habe in vorbildlicher Weise das Gesetz erfullt und seine Be-r
folgung eingescharft. Auf diesern Wege gelte es Christo nachstreben:
/cm* v6[iov cpdaxovrEg diKCUovo&cu (Hippol. Eef. VII, 34). Hierzu
kommt noch die grobsinnliche Yorstellung yom Millennium, die man den
Propheten glaubte entnehmen zu konnen (Ir. I, 26, 2. Hieron. in Jes. L
18, c. 66, 20).
8. Wie in der Wirklichkeit die 2. und 1. Gruppe sich nicht ininier
scharf werden haben scheiden lassen, so ist die zweite, soweit wir urteilen
konnen, in der Regel verbunden" gewesen mit einem Christentum theo-
sophischer Spekulationen und strenger Askese, \vie es bereits der Kolbsser-
brief voraussetzt (vgl. das alex. Judentum und die Essaer). Diese Bich-
tung scheint eine starke He bung erfahren zu haben z. Z. Trajans durch
den Elkesaitismus. Es ist also gar nicht falsch, was Epiphanius in seiner
"Weise ausdnickt, die Anhanger des Ebjon 1 ) hatten ihre Anerkennung
des jiidischen Gesetzes mit den Phantasien desElkesai verbunden (h. 30, 17).
Die Tendenzen dieses gnostischen Judenchristentums treten am deut-
lichsten in den Clementinen hervor (s. oben S. 205 f.). Die Grundziige
sind folgende : Die Welt ist aus Gott emaniert, welcher auch als xo rtav
bezeichnet wird. Sie bewegt sich dvfr/Mg "/.at IvaviLwg. Auch der Teufel
wie Christus entstaimnt einer TQOTtij in Gott (s. Homil. 2, 15 ff. 33;
17, 7. 8. 9; 20, 8). Gott hat, nach stoischer Anschauung, ein oai^ia
und G%fj[:ioc (Homil. 17, 7). Jenem Gesetz des Gegensatzes gemafi gibt
es eine doppelte Eeihe von Propheten , die mannliche und weibliche
Prophetie. Letztere hat Eva, erstere Adam zum Heprasentanten. Von
der weiblichen geht das Heidentum aber auch das falsche Judentum aus.
Von dieser falschen Prophetie riihren Krieg und blutiges Opferwesen (der
Menstruation entsprechend) , sowie die Vielgotterei her. Die weibliche
Prophetie ist an sich vollig irrig, aber wie das Weib nach dem Empfang
1) Die Frage, ob es einen Sektenstifter Ebjon g-egeben habe, wird heute
fast durchweg veraeint, ich glaube mit Eecht, denn es fehlt ims jeder konkrete
Zug fiir einen solehen Mann und die Entstehung des Irrtums ist ebenso klar, als
die Herkunft des Namens Ebjoniten.
Die Theologie der Pseudoclementinen. 213
des Mannessamens trachtet, so nimmt diese Prophetic auch Elemente der
wahfen Prophetie in sich auf. So ergibt sich eine Mischung. ,,Der
Mannliche ist ganz Wahrheit, die Weibliche ganz Irrtum, der aber aus
Mannlichem und Weiblichem Gewordene liigt in dem einen und spricht
die Wahrheit in dem anderen." Hierauf bezieht sich Christi Wort
Mark. 12, 24 sowie seine Mahnung, bewahrte Geldwechsler zu werden
(HomiL 3. 2027. 50, cf. die Doppelreihe Eec. 8, 52; 3, 61; 5, 9).
Demgemafi wird an dem A. T. eine durchgreifende Kritik geiibt, zu der
Christus selbst anfgefordert babe. Zwar bleibt, nach Christi "Wort , das
Gesetz ewig (Horn. ep. Petri ad Jac. 2) , aber das gilt nur von dem
wirklichen mannlichen Inhalt des A. T., dagegen ist so etwas nicbt
wahr, wie daB Adam ein Sunder, Abraham der Mann von drei, Jakob
von vier Weibern oder Mose ein Mprder gewesen sei (H. 2, 51. 52).
Die ganze Lebre von blutigen Opfern oder die Anscbauung, als ob Gott
irre usw., entstammt einer ay.gi'ios vrtokqilJis, ^ e cpiovag ddt'xoug ovaag
xat ijjevdslg als aAiy#eg annimmt (18,19). Der falschen Propbetie
stebt nun die wabre .gegeniiber, die ebenfalls in den. alttestamentlicben
Schriften enthalten ist. In Adam scbon wohnte 10 Syiov Xgtowv Ttvsvpcc,
er war die erste Erscbeinung Christi oder des ,,wahren Propheten".
Dann folgte besonders Mose , der dasselbe wie Christus und Adam ge-
lehrt hat. Adam , Mose und Jesus sind die drei Inkarnationen des
wahren Propbeten und die drei Gesetzgeber der Menschheit, die ihr das
,,ewige Gesetz" gebracht haben (H. 3, 20; 8, 5. 6. 10). ,,Der wahre
Prophet" ,,wechselt von Anfang der Welt an mit den Namen zugleich
die Gestalt und lauft durch die Welt, bis dafi' er seine Zeiten erreicht
haben und wegen seiner Mtihe durch Gottes Erbarmen gesalbt, fur immer
Rube haben wird" (Horn. 3, 20, cf. Recogn. 2, 22). Dieser rechte
Prophet hat nun die Wahrheit gelehrt: Es ist ein Gott, der die Welt
erschaffen hat, das Gesetz gab und der gerecbte Ilichter ist. Dadurch
ist ausgeschlossen , dafi Christus Gott ist (OVTS savzbv &sbv slvat
avr}j>6()6v0ev). Obgleich viog 9-eov ist er nicht &s6s, indem dieser ein
ayevvrjTOV , jener ein yevvr\T6v ist (H. 16, 15. 16). Der Mensch ist
wahlfrei : a del cpQovelv KCCI rcoielv evetelhaTo ehso&e ovv o srtl ir\
v^er^cc "/.swat tgovaiq (Horn. 11, 11; 10, 4ff. cf. Recogn. 2, 36 fin. 3,
22. 23 cf. 8, 48). Es gilt nun die Gebote Gottes erfullen. Die Be-
schneidung erwahnen die Horn, nicht (s. aber Diamart. Jac. 1), die Eec.
(5, 34) sehen ausdriicklich von ihr ab. Dazu kommen haufige Waschungen
(H, 9, 23; 10, 26. E. 4, 3; 5, 36), vegetarische Nahrung (Horn. 12, 6 ;
15, 7; 8, 15; 14, 1), die Ehe war geboten (H. 3, 68. Ep. ad. Jac. 7).
So steht der freie Mensch vor ,,zwei Wegen", fur die er sich frei
entscheiden kann. Den beiden Wegen entsprechen zwei Seiche. Dem
214 9- Das Judenchristentum.
Bosen 1st diese Welt, dem Guten die zukiinftige zugewiesen. Der Mensch
1st aber, da er aus dem. weiblichen Leibe . und dern mannlichen Geist be-
steht, fahig eine der beiden Welten zu erwahlen. '..Gott nun regiert die
beiden Reiche durch zwei Konige, Christus und den Teufel, jerier ist
gleichsam. seine recbte, dieser seine linke Hand. Aber beide sind aus
Gott hervorgegangen, nur ist das Bose am Teufel nicht aus Gott. . Der
.Teufel furchtet Gott , daber tut er nicbts Boses , .sondern waltet nur
ernes Strafamtes. Er freut sicb darauf, in die Einsternis des Hades zu
kommen : cpilov yag nvgl TO oxoiOS- Dort kann er, da er sicb der
Ordnung Gottes gefiigt bat, els (kyu-d-ov stQoaiQsa'iv. venvandelt werden.
Dann wird die Gescbicbte von Arons Stab , der Scblange und dahn
wieder Stab wurde , ibre Erfiillung finden : lOvro ei$ t^v lov
.VGXBQOV yevr]OO[.ievr)v Tfjg TQortrjg {.iSTaavyxQiaiy {.ivorrjQitod&g fj
loof.ievr]V TfQOfdtfiwffe. Indessen wird gesagt, dafi dies blofie Vermiitungen
und ayqacpa seien (H. 20, 3. 8. 9). '......!
9. Die gescbicbtlicbe Erscbeinung, die wir kennen gelernt baben,
bat fiir die Entstebung des Dogmas direkt so gut wie nicbts beigetragen.
Trotzdem ist sie von bohern Interesse fiir das Yerstandnis des alteren
Ohristentums. Einmal zeigt sie namlicb, wie rnacbtig der religiose Syn-
kretismus auf orientaliscbeni Boden gewesen ist, so dafi er auch das
pbarisaiscbe Judencbristentum in seinen Strudel bat bineinzieben konnen.
Indem aber dies Judencbristentum die synkretistiscben Ideen seiner
Propaganda dienstbar . macbt , wird. die "Werbekraft letzterer in der da-
maligen "Welt iiberhaupt offenbar. Vor allem aber ist zu beachten, wie
trotz aller Gescbmeidigkeit dem Synkretismus gegeniiber und der ecbt
jiidiscben Lust zur Propaganda, dies Judenchristentum keine grofiere
propagandistiscbe Kraft .besessen bat. Das .ist verstandlicb , denn alle
Wege, die es einscblug, f iibrten : auf ITmwegen docb schliefiHcb zu Mose.
In der Gleichung Adam = Mose = Cbristus spracb sich scbeinbar der
unifassendste Universalismus aus, aber in Wirklicbkeit diente die Gleicbung
nur zur Recbtfertigung des mosaiscben Gesetzes, Mose stand in der Mitte.
Die Kritik am A. T. scbaffte mancbe Hindernisse fiir Heidencbristen
fort, aber docb nur, um. den Rest des Gesetzes um so fester zu stabilieren.
Darin vor allem aber. ist. es begriindet, dafi dieseni beutelustigen Juden-
cbristentum der Erfolg versagt geblieben ist. .
Dieses Judencbristentum bat iiberbaupt eine grofiere bistoriscbe
Wirkung nur auf die Entstebung des Mohammedanism us ausgeiibt (vgl.AY e 1 1 -
hausen, Skizzen und Yorarbeiten H. IDI -197ff.), Aus. dem Bund, der
.beiden grofien monbtheistischen Religionen der Semiten, gescblossen ini
Zeichen des religiosen Synkretismus, ist die dritte erwacbsen. Hierin
bestebt die gescbicbtliche Bedeutung des baretischen Judencbristentums.
10. Die heidenchristliche Gnosis. 215
10. Die heidenehristliche G-nosis.
Quell en: Von der reichen gnost. Lit. sind vollstandig erhalten nur der
Brief des Ptoleinaus an die Flora bei Epiph. h. 33, 3ff. -vgl. Harnack,
Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1902, die Pistis-Sophia (kopt.) ed. Schwartze-
Petermann 1853, C. Schmidt 1905 (zusammen mit den'Jeubucherri), aus der zweiten
'Halftedes 3. Jahrh. vgl. Harnack Texte u. Unters. VII, 2, die beiden anderen
.gnost. Werke in koptischer Sprache edierte Schmidt schon Texte u. Unters. VIII,
1. 2. Sonst nur Fragmente a. Bonwetsch bei Thomasius DG. I, 153f.,
Grabe, Spicilegium II ; Hilgenfeld, Ketzergesch. d. Urchristent. 1884, s. auch
S tier en, Irenaus I, 909 ff. (Ptol. Valent. Herakleon, des letzteren Frgg. sainmelte
Brooke in Texts and Studies I, 4). Vgl. A. Harnack, Gesch. d. altchristl.
Lit. I (1893), 141fl. Hierher gehb'ren auch verschiedene der apokryphen Apostel-
geschichten, bes. die Acta loannis und die Acta Thomae (Acta. apostol. apocr. ed.
Lipsius-Bonnet .II, 1. 2). Vgl. Zahn, Gesch. des Kanons II, 856ff. Harnack,
Chronol. I, 545 ff. E. Hennecke, Handb. zu den neutest. Apokryphen 1904,
S. 492ff., 562ff. Die altesten Gegenschriften sind yeiioren, so Agrippa
Castor (Eus. h. e. IV, 7, 5ff.), Justing Syntagma wider alle Haresien (cf.
Apol. I, 26) und desselben Schrift'gegen'Marcion (Iren. adv. haer. IV, 6, 2) etc.
Erhalten in lat. Ubersetzung (yiel griech. Frg. bei Epiph. Ens. etc.) ist Irenaus
"'Eleyzos xal Avar^oTtr] ifjs ipevScaiijfiov yvwasios 11. 5 (edd. Massuet ; Stieren ; ;
JEarvey), geschrieben um 180. Tertullian de praescriptione haere.ticorum, adv.
Vale.ntinianos, de came Christi, de resnrrectione carnis, de anima. Von Hip -
polyt besitzen wir yMth Ttaotbv algeaemv Hsy/fts libri 10 ca. 230 (Refutatio bder
Philosophumena, ed. Dnncker-Schneidewin, vgl. S t ah elin in Texte it. Unters.
VI, 3), verloren ist sein friiheres Syntagma wider alle Haresien., Photius Bibl. Cod.
121, geschr. nach 200 (zu rekonstruieren aus Ps.-Tertull. adv. omn. haeres.,.Phi-
lastrius und Epiphan.). Im iibrigen Philastrius, de -haeresibus ca. 380.. Epi-
ph an. Panariou geschr. 374^376 (Jbeides beiOhler, Corp. haeresiologic.). Ada-
niantius, de recta in deum fide, ed. van de Sahde-Bakhuyzen 1801, Euflns lat.
tJbers. bei Caspari, Kirchenhist. Anekdota 1883 vgl. Zahn Ztschr. f. KG. IX,
193ff. ca. 310. Sonst die WW.. des Clemens Alex., Origenes. Euseb. h. e.,
Plotjii. Ennead. II, 9 (ed. Miiller T, 133 ff.), Porphyr. Vita Plotm. 16. Zur
Quellenkritik: Volkmar, Quell en der Ketzergesch. 1855. Lipsius, Zur
Quellenkrit. d. Epiph. 1865. Lipsius, Die Quellen der altest. Ketzergescb. 1875.
Harnack:. Zur Quellenkrit. der Gesch. d. Gnostiz. 1873. Harnack in Ztschr. 1
hist. Th. 1874, 143 ff. Hilgenf eld, Ketzergesch.- des Urchristent. 1884. J. Kunze,
Ae historiae gnosticismi fontibus, 1894. Darstellungen: Neander, Ent-
.wickl. der vornehnist. gnost. Systeme, 1818. Baur, Die christl. Gnosis, 1835.
Lipsius, Der Gnostic., sein Wesen, Ursprung und Entwicklungsgang, 1860.
W. Moller,' Kosmologie d. griech. Kirche, 'I860. G. Heinrici, Die valent.
Gnosis und-die Schrift, 1871. G. Kriiger, PEE. VI s , 728 ff. G. Koffmane,
Die Gnosis nach Tendenz u. Organis., 1881 . H i 1 g e n f e 1 d . a. a. 0. T h-o m a si u s ,
DG. I 2 , 62ff. Harnack, DG. I 3 , 211ff. Eenan, Origines du christianisnie VI,
140ff.; VII, 112ff. G. Anrich, Das-antike-Mysterienwesen in s. EinfliijB auf d.
Christent.,' 1894, S. 74 ff. W. A'nz, Znr Frage nach dem- Ursprung des Gnostic.
(Texte u. Unters. XV, 4), 1897. G. Wobber'min, Eeligionsgeschichtliche Studien,
1896. C. Schmidt, Plotins Stellung z. Gnostizisraiis etc. (Texte u. Unters. XX. 4),
216 10- Die heidenchristliche Gnosis.
1900. Lichtenhan, Die Offenbarung im Gnostizismus, 1901 . Mead, Die Frag-
mente eines verschollenen Glaubens, deutsch, 1902. 0. Pfleiderer, Urchristen-
tum II 2 (1892), 81 ft. '
Das sich herausbildende altkatholische Christentum, das wir an der
Hand der Sehriften der apostolischen Yater kennen gelernt haben, hat
im Lauf des 2. Jahrhunderts einen unendlich schwierigen Kampf durch-
zufechten gehabt, in dem es zugleich zur klareren Herausarbeitung seiner
Prinzipien gelangt ist. Yon diesem Gesichtspunkt aus hat die DG.
sich mit der Frage nach dem Wesen des Gnostizismus zu befassen.
1. Die Anschauungen iiber das Wesen des Gnostizismus sind schon
bei den Zeitgenossen weit auseinandergegangen. Wahrend Hegesipp die
Wurzeln der Gnosis in jiidischen Haresien erblickte, hat Hippolyt sie
in der griechischen Philosophic, den Mysterien und der Astrologie er-
kennen zu konnen geglaubt (Refut. I prooeni.). Auch Plotin lafit die
Gnostiker einiges von Plato entlehnen, anders ,,abseits von der Wahr-
heit" finden (Enn. TL, 9, 6). Ebenso urteilte Tertullian, wenn er die
Probleme der Gnosis aus der heidnischen Keligiositat heiieitete : unde
malum et qua in re ? unde homo et quomodo, et quod maxime Valentinus
proposuit: ^lnde deux? (de praescr. 7). Es entspricht dieser Anschauung,
dafi die alten Hareseologen die gnostischen Gedanken wesentHch unter
dem Gesichtspunkt von ,,Lehrsystemen" auffafiten. "Wie sich ihnen
selbst das Christentum darstellte als die Lehre von Gott und seinen
Taten, so befolgten sie bei der Darstellung der Haresie die Tendenz
sie als eine dem objektiven christlichen Glauben entgegengesetzte Lehre
zu schildern. 1 ) Ereilich zeigten sie durch manche Notiz, daB auch
praktische religiose Tendenzen und Institutionen, die sie als Zauberei
beurteilten, in dem Gnostizismus wirksam waren. Das Bekanntwerden
grofierer gnostischer Originalschriften, die Erkenntnis des gnostischen
Charakters einer Anzahl von apokryphen, Apostelgeschichten (s. die
Literatur) und die Anwendung einer strengeren religionsgeschichtlichen
Methode haben neuerdings dazu angeleitet, die praktisch religiosen Motive<
in der gnostischen Lehre stark zu betonen. 2 ) So richtig dies ist, so
sehr ist aber auf der anderen Seite daran festzuhalten, daB die ,,Systeme",
die uns die Kirchenvater mitteilen, trotz mancher Irrtiimer im einzelnen, 3 )
1) Es ist in der Hinsicht lehrreich, wie Origenes (zu Tit. 3, 10 f.) die
Haresien einteilt nach dem Bekenntnisschema Vater, Sohn und Geist.
2) Dies hat Koffmane zuerst hervorgehoben.
3) Die Markosianer haben sieb. dariiber beschwert, daB Irenaus ihre Brauche
falsch wiedergegeben habe (Hippol. Eefut. VI, 42 p. 300); C. Schmidt zeigt,
dafi ihm auch in der Wiedergabe der Lehre der Barbelognostiker Irrtiimer und
Ungenauigkeiten , aber keine absichtlichen Entstellungen, begegnet sind (eiu
voriren. gnost. Originalwerk in Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1896, 842 ff.).
Die Tendenz der Gmwtiker. 217
integrierende Bestandteile der gnostiscben Anecbauung gewesen sind. Es
entspricbt nicbt dem Tatbestand, wenn man den. ganzen Gnostizismus
meint aus dem Bediirfnis nacb pafiartigen Formeln fur die Seele bei
ibrer Reise zum Himmel durch die Gebiete der verscbiedenen Arcbonten
erklaren zu konnen (Anz). Siebt man die gnostiscben Originalwerke
auf ibre mafigebenden Gedankengruppen an, so ergeben sicb folgende
Gesicbtspunkte 1) tbeogoniscbe und kosmogoniscbe Spekulationen, wie
die Kircbenvater eie so ausgiebig mitteilen ; 2) das aus jenen Betrachtungen
erbellende Verstandnis der Lage des Menscben ; 3) eine Kritik der
jiidiscben Religion ; 4) die Erlosung durcb Cbristus ; 5) die Verwirklicbung
der Erlosung an den einzelnen Seelen durcb Erkenntnis, Moral, Mysterien
und Forineln fiir den sicberen Aufstieg in das Jenseits ; 6) die Be-
bauptung, dafi die gnostiscben Lebren auf ,,0ffenbarung" zuriickgeben ; x )
nicbt ein pbilosopbiscbes rationales Erkennen soil die ,,Gnosis" darstellen,
sondern die pneumatiscbe intuitive' Erkenntnis religioser Offenbarung.
7) Hiermit ist der letzte Gesicbtspunkt gegeben : die Gnostiker wollten
die wabre pneumatiscbe Kircbe bilden, in der die ganze Offenbarung
zur Geltung kommt.
Das sind die Punkte, urn die es sicb bei den Gnostikern gebandelt
bat, und die daber fiir die Erkenntnis des Gnostizismus mafigebend sind.
Nicbt pbilosopbiscbe Systeme wollten die Gnostiker begriinden und nicbt
tbeologische Scbulen einricbten. Sie wollten das Cbristentum auf die
Hobe einer ofEenbarten religiosen Weltanschauung fiibren und dadurcb
ein bewufites frommes Leben und eine absolute Sicberheit des Heils-
besitzes gewabren und die wirklicb ,,geistigen" Cbristen in Konventikeln
sammeln. Auf die freie innere tlberzeugung kam es ihnen an, die
religiose Erkenntnis" im Gegensatz zum blofien ,,Glauben" und auf die
vollige Sicberstellung des Menscben durcb diese IJberzeugung, auf das
Bewufitsein einer unifassenden Erlosung". Die Betonung der freien
eigenen Erkenntnis bedingte nun aber zweierlei, einmal den "Widersprucb
wider die jiidiscbe Gesetzgebung sowie den Nachweis ibres niederen
Ursprungs. Das ist ein Zug, der alien gnostiscben Systeinen eigentum-
licb ist. Nicbt nur bei Marcion, sondern iiberbaupt wird er sicb aucb
gegen das kircblicbe Prinzip dogmatiscber und etbiscber ..Gebote"
ricbten. Die Gnosis bat iiberbaupt gegen das Gesetztum reagieren
wollen. Zum anderen aber lag in jener Betonung der personlicben
TJberzeugung auch der Ansprucb, daran festbalten zu diirfen, wovon man
scbon alsNicbtcbrist iiberzeugt gewesen war, namlich an jenen synkretistiscben
1) Hierauf maekt zutrefend Lichtenhan aufmerksarn, im einzelnen aller-
dings zu weitgehend.
218 10. Die heidenchristliche Gnosis.
mytbologischen Ideen, die keinem gnostiscben System feblen. Sie gingen
iiber den Bucbstaben def cbristlicben TJberlieferung binaus, aber indem
man sie als ,,Gnosis" besaB, bielt man sicb fiir berechtigt aucb ihnen
Offenbarungscbarakter beiztilegen. Endlicb aber erforderte die Tendenz
auf die Sicberbeit des Heils, daB man Mittel schnf, die so bandfeste
Garantien der HeilsgewiBbeit darstellten, wie man an dem beidniscben
Mysterienwesen sie besessen batte. So entstand das gnostiscbe Mysterien-
und Zauberwesen.- Der cbristlicbe Erlosungsgedanke blieb so der Mittel-
'punkt der gnostiscben Religion. Es wurde ibm aber als Voraussetzung
'das ganze System synkretistiscber Gedanken vorangestellt. Dadurcb
wurde aber nicbt nur der Zustand des zu erlb'senden Menscben ganz
anders bestimmt als im Urcbristentum, sondern aucb die Anschauung
von Christus und seinem Eiiosungswerk wurde von bier aus durchgreifend
umgebildet. Dazu kam, dafi aucb die prak'tiscbe Abzweckung der
Religion auf Erkenntnis und Mysterien modifizierend auf die Gredanken
vom Erlb'ser und . der Eiiosung einwirkte. So entstand eine religiose
-'Denkweise, die mit dem Cbristentum zwar den Gedanken der Erlqsung
gemein batte, cliesen aber in ganz anderer AYeise als die Kircbe bestimmte.
2. Die Probleme des Grnostizisnius waren also diese: 1) woraus
kann der gegenwartige Zustand des Menscbeu und der Welt verstanden
werden, 2) wer ist der Erloser und worin bestebt die Erlb'sung, 3) wie
wird der Menscb von dieser gegenwartigen "Welt erlost und in die
jenseitige Welt versetzt, 4) me kann diese neue Erkenntnis als cbrist-
licbe Offenbarungswabrbeit erwiesen werden. Die Beantwortung dieser
Eragen sollte den Geist des Cbristentums als der absoluten Religion aus
falscben Fesseln und Hiillen befreien und durcb diese Religion dem
Menscbengeist alle Probleme des Daseins losen und ibm die GewiBbeit
der Erlosung verleiben. Die Religion \vird dadurcb einerseits zur Welt-
anschauung umgepragt, andrerseits in beilige Magie verwandelt. Die
gnostiscben Lebrer baben je nacb Hirer Bildung und je nacb den Glaubigen,
die sie fanden, die eine oder die andere Seite mebr betonen konnen,
sie baben sicb wie Pbilosophen oder wie beilige Hypnotiseure gebarden
konnen, aber inimer dienten sie beiden der bezeicbneten Tendenzen.
Es ist begreiflicb, wie die Probleme der Gnosis .und die Mittel zu
ibrer Losung in weiten Kreisen popular werden konnten, losten sie docb
in ibrer Weise die innersten Probleme und Note der beidniscben Welt.
Die Eragen, die die Popularpbilosopbie entfacbt batte und .fiir die man
im . religiosen Synkretismus Antworfc sucbte, die Angst um die Errettung
der Seele aus Not und Tod fanden bier ihre Erledigung. 1 ) TJnd das
1) Die Hauptmythen, die die Grnostiker aufgenommen haben, sind folgende
1) die babylonische Kosmologie (vgl. Berostis und Damascius), 2) den Istarmythus
Die Probleme des Gnostizismus. 219
geschah in Formen, die dem BewuBtsein der JZeit mit seinem massiven
.Offenbarungsglauben, mit seiner Sehnsucht nach positiver Wahrheit, mit
.seinem Streben nach Sicherheit der Erlosung durchaus entsprachen. Hier
trat eine Religion auf , . die den Synkretismus der zeitgenossischen
Frommigkeit auf das hochste steigerte und ihn doch mit eicherer Hand
auf die Erlosung und die Heilsgewifiheit konzentrierte, eine Religion,
die alles in sich f afite und es doch in jedem Zuge als praktisch wertvoll
erkennen liefi. Wenn das Christentum nur die Fragen der natiirlichen
Menschheit beantworten sollte. und nicht vielmehr sie neue Fragen zu
lehren hatte, so ware der Gnostizismus die beste Darstellung des Christen-
tums im 2. Jahrhundert gewesen.
Man kann sich an einigen Beispielen anschaulich machen, wie die
Gnostiker es verstanden haben das religiose Interesse fur ihre Probleme
wacbzurufen, Auf die Wut , Grausamkeit und Hoheit der Menschen
\vies etwa Yalentin bin und folgerte daraus, dafi solche Menscben un-
moglich ibre Siibstanz (vnoGiaaig) von dem guten Gott erhalten habeii
konnen. Neben ihm babe von Anfang an die Materie (uhj) bestanden,
und aus dieser stamme das Bose. 1 ) In dem geistreicben Brief an die
Flora scbliefit der Valentinianer Ptolemaus aus der Eigenart des judischeh
Gesetzes, die er durch Ausspriiche Jesu beleuchtet, dafi das Gesetz weder
von dem guten Gott noch dem Teufel berriihren konne, sondern von
deni mittleren gerecbten Gott oder dem Demiurgen. 2 ) So wurde das
Interesse fiir die Fragen der Gnosis erweckt. Hymnen, wie etwa die
der in der Materie gefangnen iind nacb dem Licht der oberen Welt sich
sehnenden Pistis-Sophia (s. das gleichnamige Bucb), wufiten das Elend
der Gefangenschaft des ,,edlen Glieds der Geisterwelt" tief in die Herzen
hineinzubringen, und die Jubellieder der Erlosten oder die umstandlichen
feierlichen Angaben wunderbarer Mysterien, die den Menschen ganz rein
jnachen und ihm die Tore 'der jenseitigen Welten eroffnen, erscblossen
den Ausblick auf ein sicheres Heil. Was alle suchten, wurde bier ge-
boten in Formen, die alien sympatbisch waren. Es waren .abnliche
geistige Motive, mit denen etwas spater der-Mithrazismus und dann die neu-
platoniscbe Philosopbie so gewaltig in das religiose Leben des romiscben
'{Istar 1st zur Unterwelt herabgekomnien, durch Beschworung- und Besprengung
mit Leberiswasser wird. sie befreit); dazu kornmen 3) Elemente des persischen
Dualismus und der Damonologie, 4) jiidische Spekulationeu, 5) agyptische Ideen
iiber die Sehicksale der Seele nach dem Tode, sie sind hi der koptischen gnostischen.
'Literatur stark wirksam. ' '
1) Irn Dialogus des Adamantius IV, 2.
2)." Erhalten bei Epiphan. h. 31, .3 7, neuheransgegeben und erklart von
Harnack in Sitzuiigsber. d. Berl. Akad. ,1902, S. 507ff.
220 10. Die heidenchristliche Gnosis.
Heiches eingriffen. Es 1st wohlyerstandlich, dafi in der Schule Plotins
auch Gnostiker safien iind dafi der Meister auch ihre Probleme diskutieren
liefi. 1 ). Die Erfolge der einen Erscheinung erklaren die der anderen,.
und die Wurzeln beider sind einander nalie verwandt.
3. Auch der Grnostizismus hat seine TJrspriinge in dem religib'sen.
Synkretismus, der sich auf dem Boden des alten babylonischen Seiches 1 ,
herausgebildet hatte. In ihn war der altpersische Dualismus init den.
babylonischen Theogonien tind Kosmogonien und dem Zauberwesen de'r-
Babylonier verschmolzen worden. Von den Urspriingen dieses orienta-
lischen Synkretismus haben wir zurzeit noch kein deutliches Bild, und
auch das System", das er herausgebildet hat, entzieht sich im einzelnen
unserer Kenntnis. Aber es ist fiir die Erkenntnis des Ursprunges des 1 .
Gnostizismus von hochster Bedeutung, dafi wir erne Religion kennen,.
die auf dem Boden des alten babylonischen Heiches erwachsen ist, und.
deren "\Yesen man nicht besser charakterisieren karm denn als vorchrist-
lichen Gnostizisnius. Es ist die niandaische Religion. Hier liegt.
eine Beligionsmengung vor, die in der "Weise der Grnostiker ein kosmo-
gonisches System aus babylonischen und persischen Elementen hergestellt.
und mit mancherlei Sakramenten (besonders Taufen) verbunden hat, und.
die im weiteren Yerlauf ihrer Entwicklung auch jiidische und christliche'
Eleniente in sich aufgenomnien hat. In ihrer ganzen Anlage bietet diese^
Anschauungsweise so viel frappante Ahnlichkeiten mit dem Gnostizismus,.
dafi man auch die Tiber einstimmung des Namens (Mancla heifit Erkennt-
nis) kaum als zufallig wird ansprechen diirfen. 2 ) Bei dieser Sachlage-
scheint es sicher zu sein, dafi wir die TJrspriinge der Gnosis im Orient
zu suchen haben. Es mag ein nach Syrien vorgeschobener Kreis mit
einer babylonisch-persischen Mischreligion den Ausgangspunkt der Be-
wegung gebildet haben. So weit man nach den alten Berichten urteilen
kann, hat die Bewegung dann auch im Judentum, besonders aber in Samaria,
"Wurzel geschlagen. Dadurch kamen judische Stoffe und Ideen in sie
herein. Dieser depart erweiterte Synkretismus zog dann noch das
Christentum in seinen Bereich. So hat Hegesipp die Sache dargestellt.
Die Wurzel aller Haresie erblickt er in ,,sieben Haresien" des Juden-
tums (zu den en er auch die Samariter rechnet), von diesen leitet er
dann eine Anzahl judisch-samaritischer Haresien ab, und die Nachfolger
letzterer sieht er in den grofien gnostischen Parteien seiner Zeit (Euseb.
1) S. Plotin. En. II, 9, 10; Porphyr. Vita Plotin. 16 u. vgl. C. Schmidts
Abhandlung a. a. 0.
2) Vgl. das bahnbrechende Buch von W. B r a n d t , Die mandaische Religion 1889.
= Nj)" ist yv&ais, davon NHJNB y
Der Ursprung des Gnostizismus. 221
h. e. TV,, 22, 5 -7). 1 ) Aber auch. Justin hat die Haresie bei den Sama-
ritern ihren Anfang nehmen lassen : Simon und Menander gaben sich
selbst fur Gott aus und bewahrten ihren Anspruch durch Magie, wahrend
die spateren Gnostiker den Schopfer lastern und Jesus nur deui Namen
nach bekennen. 2 )
4. An der Geschichtlichkeit dieser TJberlieferungen zu zweifeln liegt
kein Grund vor, 3 ) so wenig wir die Einzelheiten bei Hegesipp zu identi-
fizieren verniogen. Dann wird aber auch die einhellige Ansicht des
Altertums, dafi die gnostische Bewegurig niit Simon Magus ihren
eigentlichen Anfang genommen hat, nicht zubezweif ein sein, wie andrerseits
ein Ztisammenhang dieser Bewegung mit alteren samaritanischen und
jiidischen Haresien anzunehmen ist. Die Gestalt des Simon Magus
steht in verhaltmsmafiig hellem geschichtlichen Licht. Es ist nicht un-
moglich, dafi er schon zu Johannes dem Taufer Beziehungen gehabt
hat, wie die Clementinen erzahlen (Horn. 2, 23). Er trieb in seiner
Heimat Samaria Magie und gab sich fur ,,die grofie Kraft" Gottes aus,
dann wurde er von Philippus getauft. Die Wunder im Christentum
zogen ihn an, fiir die Geistgabe bietet er Petrus Geld, er wird schroff
zuriickgewiesen (Act. 8, 924). Er hat spater sein inagisches Treiben
wieder aufg6nommen und seine Theorie yon- der grofien Kraft weiter
ausgebildet. Er wirkte zusammen mit Dositheos. Nicht ein Apostel
Christi wollte er sein, sondern Christus selbst oder der laro/g nach
samaritanischem Sprachgebrauch. In ihm ist Gott erschienen. 4 ) Er ist
,,die hochste Kraft" und ,,der Yater ftber alles". Bei den Juden ist er
1) Die sieben jiidischen Haresien sind nach Hegesipp : "Eaaaioi,
cnorai, Maafico&eoi, , Sa.f.ia.QB'lmi , Sa Sdovxaioi , fpccfjiaaiot. Von
riihren her (ay? &v) : Si/.icov Sfrev ol Siiuoviavoi, y.al Kleofiios odsv
VM /loaidsos O&EV Zloai-dsavoi, v.n\ Fo^&alos oQev Po^n-d'ijvoij v.al Maafiwd'eos
o\)ev MaajSw&eoi,. Er fahrt dann fort: ditb TOTJTCOV MevavSgiaviaTai v.al Maq'/.iw-
t'latai y.ai KntjTtotcgaTiavoi y.ai Ovaisvnavol '/MI Baaif.eiSiavol y.nl Ea.io^vi).ta.vol
. . ., dnb toimov yBV6%oiaTOi, yevdoTttJocpTifm,, yevdaTtooToloi. Die zweite ScMcht
kann nicht als christlich verstanden werden. Geht man von Simon oder
Dositheos aus, so wird es sich. urn Haresien handeln, die den Christusgedanken
so aufnahmen, dafi die Urheber sich selbst fiir Inkarnationen der Gottheit ansahen.
2) Justin Ap. I, 26. 56. Dial. 35. Auch Justin kennt sieben jiidische Haresien:
Sadducaer, Genisten, Meristen, Galilaer, Hellenianer, Pharisaer und Baptisten
(Dial. 80), sie sind nur zum Teil mit denen des Hegesipp identisch, vgl. die vier
Haresien bei Josephus b. j. II, 8, 2: Galilaer, Pharisaer, Sadducaer, Essener,
3) Lehrreich fiir diese Entstehungsgeschichte des Gnostizismus ist der
Elkesaitismus : eine judisch-gnostische mit mandaischen Elementen durehsetzte
Anschauung ist mit christlichen Gedanken verbramt worden, vgl. S. 207.
4) Justin Ap. I, 26. Iren. J, 23, 14 sowie die anderen Berichte bei Hippolyt,
Tertulliaii (de anima 34), vgl. Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 163 ff.
222 10. Die heidenchristliche'Gnosis.
als Sohn erschienen und hat scheinbar gelitten, zu den . Samaritern. 1st.
er als Vater, zu den iibrigen Volkern als heil. Gfeist gekoinmen. Unter
vielen Grotternamen wird er angerufen. Aber erkam als Erloser. In
einem Bordell zu Tyrus hatte er eine gewisse Helena gefunden. Sie
erklarte er fur seine ursprungliche Ennoia, die erste Konzeption seines
Greistes, die Allmutter. Durch diese TJridee gedachte er Engel und.
Erzengel zu niachen. Sie springt aus ihni hervor und erzeugt die
Engel und Grewalten ; diese schaffien die "Welt, aber sie halten die Ennoia
fest und schliefien sie in nienschliche Korper ein, sodafi sie durch die
Jahrhunderte aus einem weibliehen Leib in den anderen wandern mufi,
durch die griechische Helena bis zur Dirne von Tyrus. Sie ist das
verlorene Schaf des Evangeliums. TJm sie zu befreien und den Menschen
Rettung zu bringen, 3 ) ist der hochste Gott in Simon erschienen. Di&
Engel hatten die Welt schlecht regiert, von ihnen waren die alttestament-
lichen Propheten inspiriert. Aber die alttestamentlichen Grebote sind
nur zur TJnterjochung der Menschen von den Engeln erfunden. "Wer
an Sinion glaubt, ist frei, seine Gfnade rettet die Menschen, nicht die
"Werke. 2 ) Der innere Zusammenhang dieser Lehren mit der Magie, den
Exorzismen und Zauberformeln, die weiter den Simonianern nachgesagt
werden, wird aus den Quellen nicht deutlich. Aber es kann kaum frag-
lich sein, dafi sie zur Erlosung in Beziehung gestanden haben. Seine
Lehre hat Sinion auszubreiten sich angelegen sein lassen, er ist auch
nach Rom gekommen und ist dort gestorben.
Dies alteste gnostische Lehrsystem geht also in die apostolische
Zeit zuriick. In roher Eorm stellt es wirklich den GrrundriB der
gnostischen Lehre dar. Wir finden hier 1) den Synkretismus, 2) die
Anfange der Aonenspekulation, 3) die Eingliederung der Erlosungsidee
in diesen Eahmen, 4) die antijiidische, paulinische Tendenz, 5) ein aus-
gebreitetes .Zaiibenvesen. Kein Zug in der ganzen Lehre ist historisch
unverstandlich, 3 ) derVersuch, Simon Jesus zu substituieren, verrat hochstes
Altertum, 4 ) die spatere Darstellung sieht in ihm wesentlich nur einen
1) Die Ennoia seufzt im Kerker der Sinnlichkeit. die Menschen unter dem
Druck des Gesetzes; es ist aber zu yermuten, dafi die Ennoia auch irgendwie
in den Menschen iiberhaupt gefangen ist, und dafl somit ihre Befreiung zugieich
die Befreiung des Geistes der Menschheit bedeuten -vvird.
2) Iren. I, 23, 3 : ut liberos at/ere quae velint, secundiim enim ipsius grqliam
salvari, sed non semndum operas iustas.
3) Audi nicht die triadische Formel, die Simon wie Elkesai voraussetzt,
oder die antijudaistische Tendenz. Spuren eines Zusamuienhangs mit Johannes
dem Tanfer sind in dem ,,System" nicht wahrzunehmen.
4) Der Doketismus Simons (et 'possum autem in ludaea putatum, cum non
esset passus) ist axis der Situation erklarlich.
Simon und Menander. 223
Pseudoapostel. Der AnschluB .an Paulus, den er vollzogen hat, macht,
es erklarlich, dafi er bei den judenchristlichen Hadikalen zum Doppek
ganger des Paulus werden konnte. Der Gnostizismus des Simon 1st
eine unendlich paradoxe Erscheinung. Wuster Aberglaube und die;
paulinische Erlosung durch den Glauben, eine schroffe Geringschatzung-.
des Judengottes und die Anerkennung aller Gotter, spekulative Tendenzen
und ein Goetentum schlimmster Sorte Simon und Helena als gott- ;
liche Inkarnationen fliefien in dieser synkretistischen Religion zu-
sammen. Trotz mancher christlichen Anregungen ist nichts Christliches;
in ihr erhalten. Man versteht den tiefen Abscheu der Kirche gegen
diese Religion und dafi sie in ihr das damonische Urbild aller Haresie
erblicken konnte. .
Wenn von Menander, dem Schuler Simons, berichtet wird, dafi
auch er sich fiir den Erloser erklart habe, so wird das bedeuten, dafi
nach Simons Tode in ihm die Gottheit sicb. inkarniert haben sollte.
Im einzelnen mag sicb. seine Lebre von der Simons unterschieden baben, 1 ).
im ganzen Melt er die gleiche Bicbtung ein. Die Bedeutung der Magie
tritt in dem Bericbt iiber ibn deutlicb bervor: ,,aucb gebe er durch die
von ihm gelebrte Magie dazu die Erkenntnis, darnit sie die Engel, die
die Welt gescbaffen baben, iiberwinde" 2 ) (Iren. I, 23, 5). Die Aui>.
erstehung sollte durcb seine Taufe mitgeteilt und die Getauften vom
Tode.befreit sein (ib.). 3 )
5. ' Das Wirken Simons und Menanders wird in die Zeit von ca,
40 90 fallen. Ein Blick in die neutestamentliche Literatur zeigt, da(5
auch in der Kirche die religiose Unrube der .Zeit haretische Bewegungen
bervorrief. Die paulinischen Briefe lebren uns ein judaistiscb.es Christen-
turn kennen, das sich arich den Charakter der ,,Pbilosophie" gab und
1) Iren. IV, 23, 5 heit es : qui primum quidem virtutem incognitam ait
omnibus, se autem eum esse qui missus sit ab invisibilibus salvatorem pro salute
homihum. NachEiiseb. h. e. Ill, 26,1 bedeuten letztereWorte, dafl er der Soter sei,
civm&Ev Ttod'ev s| aogdrcov alavwv dKtBai;ak(j.svos, die Aonen liaben. ihn also nicht
gesandt, sondern er kam aus ihrer Sphare. Der Soter scheint nicht identisch zu
sein mit der Urkraft wie bei Simon.
2) Naeh dem Eeferat bei Eus. h. e. Ill, 26, 2 wird vincant zn lesen sein,'
die Glaubigen itberwinden die xoatioTtoiol ayyelot. Das kann lieiEen, daB sie.
ihren Q-eboten und Orclnungen vermoge ihrer ,,Freiheit" (vgl. 2. Ptr. 2, 19) ;
widerstehen, es kann aber auch auf die Uberwindung .dieser Geister bei dem,
Anfstieg in die obere Welt sich beziehen; an beides wird wohl zn denken sein.
8) Der Text bei Iren. sagt: quod est in eum'baptisma, Eus. 1. c,: fieTa-
SiSofcei'ov 7t(jos aviov flaTtTiafiaios d. h. die von ihm mitgeteilte Taufe, der 1
Ubersetzer des Iren. yerwechselte ngos avmo mit nobs afaov. Zur Sache ist zu-
vergleichen die Lehre des .Hymenaus und Philetus : dvdaraaiv ijSt]
(2. Tim. 2, 18). " " ... ;. ; . , : . . ;
224 10. Die heiclenchristliche Gnosis.
auf streuge Askese AVert legte (Kol. 2, 8. 18f.). In den Pastoralbriefen
wird ebenfalls ein judaistisches Christentum bekampft, das iiber Genealogien
und ,,Mytken" endlose Betrachtungen und Disputationen anstellt (1. Tim. 1,
37; 6. 4. 2. Tim. 2, 14. 16; 3, 79. Tit. 1, 10. 14) und asketische Ten-
denzen verficht (1. Tim. 4, 3). Die tlberzeugung, dafi die Auferstehung
schon gewesen sei (2. Tim. 2, 18), wird nicht hierher gehoren. Da nur
zwei Personen als Vertreter dieser Ansicht angefiihrt -werden, kann sie
nicht allgemeine Lehre der Judaisten gewesen sein. Dieser Judaismus
ist also durch ,,heilsgeschichtliche" Spekulationen, philosophische Rasonne-
ments iiber das Gesetz und asketische Tendenzen charakterisiert. Er
ist auf dem Wege zu einem Christentum, wie wir es bei Elkesai und
in den Clementinen kennen gelernt haben.
Yon dieser judaistischen Irrlehre unterscheidet sich eine spezifisch
heidenchristliche Form der Haresie, wie wir sie in dem Judas- und
2. Petrusbrief und in der Apokalypse kennen lernen. Es sind Pneu-
matiker, die sich als Propheten oder Prophetinnen aufspielen. grofie
"Worte brauchen, die ..Freiheit" verherrlichen und auf Grund derselben
alle Lust freigeben, auch die Hurerei und die Beteiligung an Gotzen-
opfermahlen *) (Apok. 2, 6. 14 f. 20. Jud. 2. 4. 1016. 19. 2. Ptr.
2, 15. 18 f.). Aber ihr Gegensatz zuni kirchlichen Christentum hat axich
lehrhaften Charakter gehabt. Sie verleugnen den Herrn Christus, so-
dafi es not tut, sich ihnen gegenuber an den .,uberlieferten Glauben" zu
erinnern (Jud, 3. 4). den sie wieder verlassen haben (2. Ptr. 2, 21 f.).
Sie reden von einer Erkenntnis der .,Tiefen Satans" (Apok. 2, 24), und
sie verachten und lastern die Engel (Jud. 8. 2. Ptr. 2, 10). Der
Mittelpunkt dieser Lehrweise Avird in dem Bewufitsein, den Geist zu be-
sitzen und dadurch von alien Gesetzen und Ordnungen frei zu sein,
liegeu. Hierfiir beriefen sich diese Leute auf Pauli Briefe (2. Ptr. 3, 16 f.).
Yon diesem Ausgangspunkt aus versteht sich zunachst^ ihr iibermutiges
Wesen und ihre Sorglosigkeit auf sittlichem Gebiet, das pneumatische
Bewufitsein erhob sie iiber alle Ordnungen und Gesetze. Aber dasselbe
Bewufitsein erklart es auch, dafi sie Christus als Herrn verleugneten
als Pneumatiker werden sie sich ihrn gleich gedlinkt haben , und daB
sie sich iiber die Engel hoch erhaben diinkten. Dies wird wohl darin
zuni Ausdruck gekommen sein, daS sie sie schalten wegen des von ihnen
gegebenen 2 ) Gesetzes; Es ist auch sehr wahrscheinlich, dafi man in
diesen Kreisen die TJberzeugung verfocht, dafi wer den Geist empfangen
habe, dadurch das ewige Leben .erhalten habe, also schon auferstanden
1) Letzteres ist nacli Justin Dial. 35 gemeinsames Merkraal der Gnostiker.
2) Vgl. Hbr. 2, 2. Gal. 3, 19. Act. 7, 38. 53.
Die Haretiker des Neuen Testamentes. 225
sei. Dies Mifiverstandnis hat sich ja schon friib-an die pauliniscbe Ver-
kiindigung geschlossen (1. Kor. 15, 12); es entsprach der Deutung, die
diese Haretiker der pauliniscben Lebre gaben, dafi sie das MiBverstand-
nis wieder aufnabmen. Ausdriicklicb sagt Hippolyt von Nikolaus, dafi
er als erster bebauptet babe, die Auferstehung sei bereits geschehen, wo-
bei er unter Auferstehung dies verstand, dafi wir an Ghrislus glatiben und
die Waschung empfangen, eine Auferstehung des Fleisches aber bestritt. 1 )
Hiernacb werden aucb Hymenaus und Pbiletus 2. Tim. 2, 18 unter diese
Grruppe von Haretikern zu recbnen sein. Den JSTamen der Nikolaiten
fuliren die Kircbenvater auf den Diakon Nikolaus in der Apostelgescbicbte
zuruck. Nach Act. 6, 5 war er geborener Heide und stammte aus
Antiochia. AuBer der mitgeteilten Bemerkung Hippolyts iiber ibn.
koranien nocb die positiven Notizen bei Clemens Alex, in Betracht.
Danacb soil sein. Grrundsatz, man solle das Meiseb miBbandeln, ?) von
seinen Anhangern mifideutet worden sein (Strom. H, 20, 118. HE, 4, 25 f.).
Von den Nikolaiten \vird nacb der Apok. : ein indiscrete vivere
bericbtet (Ir. I, 26, 3), sie werden aber aucb als Vorlaufer des Kerinth
angeseben (ib. III. 11, I). 3 ) Man bekommt docb. von der Anschauung
des Nikolaus ein binreichend deutlicbes Bild, urn ibn als Begriinder
einer libertinistischen Grruppe anseben zu konnen. 4 ) Man wird aber
gewifi nocb weitere Einfltisse als in dieser Grruppe wirksam annebmeh
diirfen. 5 ) Es wird dieselbe baretiscbe Grruppe sein. von der Hermas ge-
legentHcb sagt, dafi sie ,,fremde Lebren" einfubren, ,,alles erkennen
wollend erkennen sie nicbts iiberbaupt" (Sim. 8 ? 6. 5; 9, 22, 1. cf.
Vis. 3, 7, !).)
Eafit man zusammen, was wir von dieser Ricbtung boren, so scbeint
das vor allem sicber zu sein, dafi sie sicb an das pauliniscbe Evangelium.
angescblossen baben, und dafi sie sicb als Pneumatiker fiiblten. Zu
Avelchen Konsequenzen diese Ideen unter Heidencbristen fiibren konnten,
1) Syr. Erg. aus d. Schrift liber d. Auferstehung in Hipp. WW. ed. Bonwetsch-
Aclielis II, 251.
2) Seiv Ttapaxpfjadcu TIJ aaov.i, naoa^rjod-ai, heifit miOhandeln, aber auch
miGbrauchen.
3) Tertull. de bapt. 1 sagt noch : laptismum destruens. Nach Eus. h. e. Ill,
29, 1 hat die nikol. Haresie nur ganz kurze Zeit bestanden.
4) Vgl. L. Seesemann,.Die Nikolaiten in Stud. u. Krit. 1893, S. 47ft'.
5) Beachtenswert ist es, dafi wie die Apok. 2, 14 die Nikolaiten als Ver-
treter der Lehre Bileams bezeiehnet, auch 2. Ptr. 2, 15 cf. Jiid. 11 die Beziehung
zu Bileam hervorhebt.
6) Die augefilhrten Stellen kb'nnen aber auch sehr wohl auf die spatere.
entfaltete Gnosis gehen, das hangt von der Datieruiig der betr. Stlicke bei
Hermas ab. , . ,
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 15
226 1Q- Die heidenchristliche Grnosis.
zeigen ihre Grundsatze. Sowohl die Geringachtung Christ! als die Leug-
nung der Auferstehung, und die Verwerfung aller ethischen Normen, nicht
nur die hochmiitige Kritik der Engel und das Erkennen der Tiefen
'Satans, sondem auch die Betommg der Freiheit und der Erkenntnis
lassen sick so sehr einfach begreifen. Gnostiker im eigentlichen Sinn
konnen wir in den Yertretern dieser Lehren noch nicht erblicken, da
widerspricht vor allein das Fehlen des kosmogonischen Synkretismus,
w-ohl aber wird man sagen konnen, daB der schrankenlose Subjektivismus
dieser Gruppen mit seinena ungeziigelten. Geisttum und der dreisten
Kritik aller TJberlieferung eine der Wurzeln bildet, aus denen der
Gnostizismus hervorgewachsen ist. Diese .Christen werden selbst auf
den heiligen Geist, der sie leite, auf die Pflicht zu einer personlichen
TJberzeugung und auf das E,echt der christlichen Ereiheit hingewiesen
haben. Als Pneumatiker und freie fromme Seelen mogen sie sich gefiihlt
haben. Sie werden sich mit Stolz auf Paulus berufen haben. 1 ) Und sie
sind wirklich von ihm angeregt worden , freilich so wie auch Simon
Magus. "Wo die Tiefen der Religion mit so intuitiver Kraft wie bei
Paulus ergriffen werden, finden sich nicht selten solche, die jene Tiefen
erreichen, aber auf ihren eigenen "Wegen bleiben wollen.
Noch eine Form der Havesie ist am Ende der apostolischen JZeit
aufgekommen. Es ist die von Johannes bekampfte Haresie des Kerinth,.
von der frtiher schon die Eede war (s. oben S. 82 Anm.). Ker'mth
hat seine Bildung in Agypten empfangen. Ausgehend von der juden-
christlichen Christologie, hat er den . oberen Logoschristus scharf ge-
schieden von dem Menschen Jesus ) nur dieser litt , jener war leidens-
unfahig. Aber er hat weiter bei der sich herausbildenden synkretistischen
Gnosis eine Anleihe gemacht und den obersten Gott von dem "Welt-
schopfer unterschieden. Die Urkunden sagen uns nicht, welche inneren
Motive ihn hierzu veranlafiten. Er wird aus Agypten den Logosbegriff
mitgebracht haben und diesen dann mit dem geschichtlichen Jesus ver-
bunden haben. Und er wird fur die Unvollkommenheit der gegen-
wartigen Welt die Erklarung in dem niederen engelartigen Schopfergott
gefunden haben. 2 ) Zum erstenmal, so viel wir wissen, ist ein Stuck des
1) Dies mag- den hare tisclien Judenchristen ein Anlafi oiehr zum HaB
Paulus gewesen sein.
2) Nach.-d'en Exzerpteu aus Cajus und Dionysius v. Alex, bei Eus. h. e. III,.
28,, 1 5 cf . Vli, 25, 1 ff. wird hauflg dem Kerinth auch ein sinnlicher Chiliasmus
zugeschrieben (z. B, Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 416 fL). Nur schweigen aber
die alteren Hareseologen Mervon. Zalin (G-esch. d. Ka,n. I. 222 ff.) hat gezeigt,
daB .Cajus, . indem er die Apokalypse des Johannes als ein Werk des Kerinth
betrachtet, axis der, johamieischen Apokalypse die Ziige entnommen hat, die er
zu einem ,,Dogma" Kerinths yerarbeitet hat. Dann hat aber Kerinth rait diesen.
Kerinth. Die Haretik.er des Ignatius. 227
synkretistischen Polytheismus durch Kerinth in das Christentuin einge:
drungen. Er ist in diesem Sinn der erste christliche Gnostiker gewesen.
Kerinth hat in Kleinasien gewirkt und hier ist ihm die johanneisciie
Theologie gegenizbergetreten. Nun begegnet Tins in den ignatianischen
Brief en eine Haresie, die sehr scharf bekampft wird. Da sie auf klein?
asiatischem Boden zu suchen ist, so liegt .es nahe, an Kerinthianismus
zu denken. Und in der Tat scheinen sich die Schwierigkeiten, die die
fliichtigen Skizzen bei Ignatius ergeben, so am besten zu losen. Zwei
Merkmale fallen an diesen Haretikern auf: 1) sie haben gelehrt, Christus
habe nur scheinbar gelitten (Ttefcov&evat ambv fo doxelv Tr. 10. Sm. 2 ;
4,. 2) ; nacb. Polykarp leugnen sie , dafi' Christus im Meisch gekommen
sei (Pol. 7, 1). 2) Sie haben Heterodoxien und alte jiidische [W&evf.ta7a
yorgetragen und jtidische Tendenzen im Leben befolgen gelehrt (Magn. 8, 1),
und zwar haben auch TJnbeschnittene das getan (Philad. 6, 1). Diese
Ziige 'geben das ungefahr wieder, was wir bei Kerinth fanden. Polykarp
wendet sich noch gegen Leute , die nach der eigenen Lust die Auf-
erstehung und das Gericht leugnen und dazu die Worte .Tesu. Yerkehren
(.7, 1). Das .pafit nicht auf Kerinth, der unmittelbar yorher bekampft
wird, aber um so mehr auch die gleichzeitigen Nikolaiten. 1 ) Es sind
die beiden Gruppen der ihm bekannten Haresie, an die Polykarp denkt.
Wir haben die drei Wurzeln der Gnosis kennen gelernt, die im
N. T. vorausgesetzt sind. Es gab 1) ein mit Philosophic und Mythen
sich abgebendes asketisches Judenchristentum, 2) ein pneurnatisch.es, auf
Paulus sich berufendes Heidenchristenturn , das die Erkenntnis iind die
Freiheit betonte, das Gesetz und die Engel bekampfte und die Auf-
erstehung leugnete , 3) eine aufgeklarte judaisierende Richtiing, die die
Logosspekulation niit der jiidischen Christologie verband und aus deni
Synkretisrnus die Geringschatzung des Schopfers iiberkani. Nur sie kann
im eigentlichen Sinn als ,,gnostisch" bezeichnet werden. Aber die
Stimmungen aller drei Kichtungen waren bereit, jenen synkretistischen,
zunachst widerchristlichen Gnostizismus im Sinn Simons und Menanders,
in sich aufzunehmen. Wie die erste Eiichtung auf diesem "W.ege zum
Elkesaitismtis kam , ist fruhe'r dargestellt worden. Die beiden anderen
judaistischen Lehren in "Wirklichkeit nichts zu schaffen gehabt. Im iibrigen
ware die Kombination des Chiliasmus mit der Lehre Kerinths an sich nicht un-
mogiich. Die von den Juden erwartete Herrlichkeit, die ihr Gott nicht herbei-
fiihren kann, ware in diesem Fall als eine Gabe des Logos-Messias angesehen
worden, oder Kerinth hatte mit der agyptisch-jiidischen Logoslehre angefangen.
und \nit der jiidischen Eschatologie geschlossen. Indessen bedaii es dieser Kom-
bination nicht nach der kritischen Quellenbetrachtung. ;
1) Das doppelte os Pol. 7, 1 wird sich also aiif zwei haretische Gruppen
beziehen. .
lo*
228 10- Die heidenchristliche Giiosis.
haben die gnostisclie Spekulation in sich aufgesogen. Teils gab sie ihren
Tendenzen die ,,wissenschaftliclie" Begriindung, teils diente sie zur Aus-
fiihrung vorhandener Anschauungen. Es konnten jene libertinistischen
Pneumatiker keine sicherere Grundlegung finden als die Aonenspekulationen,
und es konnte Kerinths Christologie nicbt besser begriindet werden, als
in dein Rahmen dieser Spekulationen.
6. Sowar um das Jahr 100 der Boden in der Christenheit bereitet,
den altorientalisclien Synkretismus in sich aufzusaugen und ihn mit dem
Christentum zu verschmelzen. Dieser Boden verlangte nicbt minder nach
jenem Sanien. als jener Samen dieses Bodens bedurfte. Der Erfolg
Christi hatte Simon auf den Gredanken gefuhrt, ibm Konkurrenz zu
macben. Das wurde je langer , desto mebr unmoglich. Das sieghafte
Vordringen Cbristi war nicbt aufzubalten ; ging es nicbt wider Cbristus,
so versucbte man es nun mit Cbristus. Cbristus war unwiderstehlicb ini
Abendlande wie ini Morgenlande, aber machtig stark war aucb der Glaube
an die alte Weisheit des Orients und der Trieb alle Daseinsratsel durch
beilige Offenbarung zu losen. So stellte dieser altorientaliscbe Synkretis-
mus sich in den Dienst Cbristi. Aucb pbilosopbiscben Geistern boben
Ranges im Abendlande wie einem Valentin bat diese Kombination
imponiert. Sie scbien die "Weltanschauung zu bieten, die man braucbte.
Und die Mascben dieses Netzes waren weit genug, um durcb sie alles
bineinzuscbieben an Eragen und Antworten. von denen man sicb nicbt
trennen mocbte , und das Netz schien docb fest genug zu sein , um. in
ibm die Heise zuni Himmel wagen zu konnen. Inmitten des Weltalls
leucbtete ein belles Licbt auf, Cbristus der Erlosergut mit all dem Zauber
beiliger Liebe. Und binter ibm und iiber ibm. sab man durcb leucbtende
"Welten selige Gotter auf- und niedersteigen. Und vor ibm und unter
ibm liegen andere Welten, durcb die Hirnmel und an den Sternen mit
ihren Herrscbern und Wacbtern voriiber fvibren Pfade durcb sie, dunkler
und roher wird alles, je tiefer binab es-geht. Ganz unten aber in dem
dunkeln "Wasser des Chaos, da spiegelt sicb wieder der ganze Glanz der
oberen Welt. Aber dies Licbt von oben ist bier gefangen in der dunkeln
Flut. Da dringt von den bochsten Hoben der Wille ewiger Liebe in
Christus binein , und er steigt binab auf der Sternenbabn, an all den
Schrecken der Piirsten und Wacbter voriiber, und taucbt hinab in die
dunkle Mut und bleibt eine Weile darin. Er lost das gefangene Licbt
aus seinen Banden und lebrt es die Sternenpfade emporzusteigen. Und
das gefangene Licht wird frei und durch "Wolken und "Welten steigt es
empor zu schimmernden Gipfeln bis bin zum Urquell des Lichts. So
sab die Welt des Gnostikers aus. Ein schmaler Streifen nur ist diese
Welt, aber unendlicb ist die obere Welt; obne ihren Willen kommen die
Die gnostisehe Weltanschatiung. Satornil. 229
Menscben von oben nacb unten, aber Cbristus kam willentlicb berab, die
Gebeimnisse jener Welt entbiillend und den Pfad zu ihr eroffnend. Was
lebrte dies Bild nicht alles die Zeii I Nacb der beiligen Welt des
Geistes fragten begierig die Weisen, um das Geistige in sich befreien zu
konnen ; auf die Zauberformeln, die Siinden und Damonen vertrieben und
vor denen einst die Wacbter und Herrscber an der Sternenbahn den
Durcbgang gewabren, acbteten die Toren. Erlosung eroffnete sicb tier,
eine Erlosung, die alle verstanden und alle braucbten. Der Weise und
der Tor, der Asket und der Genufimenscb fur alle scbien gesorgt zu
sein. Man mufi die Menscben jener .Zeit versteben , um zu begreifen,
eine wie scbwere Gefabr der Gnostizismus fiir die Kircbe bedeutete.
7. Einige JZlige aus der gescbicbtlicben Entwicklung der Gnosis
miissen nocja angefiibrt werden. Es bandelt sicb vor allem darum zu
versteben, wie jener widercbristlicbe Synkretismus sicb mit der Cbristus-
idee verband. Zwei Manner scbeinen es gewesen zu sein, die diese Kom-
bination vollzogen, Satornil (oder Saturninus) und Basilides, ersterer
wirkte in Syrien, letzterer in Alexandrien. Satornil mag zwiscben 100
bis 120 gebllibt baben: Der xinbekannte Yater bat Engel, Erzengel,
Krafte und Gewalten erscbaffen. Sieben von ibnen scbufen die Welt
und den Menscben. Der Menscb krocb iirsprunglicb auf dem Boden wie
ein Wurm. Die obere Kraft aber flofite ibm den ,,Funken des Lebens"
ein, der ibn lebensfabig macbte. Nacb dem Tode gebt dieser Lebens-
funke wieder in die obere Welt zuriick. Docb baben ibn nicbt alle
Menscben, oder sie baben ibn nicbt in demselben MaB. Es gibt namlicb
zwei Gescblecbter der Menscben, ein gutes und ein nicbtswiirdiges,
ersteres nur bat den ,,]?unken des Lebens". Die Danionen fordern
die scblecbten Menscben , Satan bekampft die Weltscbopfer , besonders
den Judengott. Die Propbetie ist teils von den weltscbopferiscben
Engeln, teils von Satan ausgegangen. Da nun diese Engel den obersten
Vater zerstoren wollten , erscbien sein Sobn , der ungeborene und un-
korperlicbe Cbristus, der nur dem Scbein nacb Menscb war. Er erscbien,
urn den Judengott, die Danionen und die bosen Menscben zu zerstoren,
und zurn Heil clerer, die an ihn glauben, das sind aber die Inbaber des
Lebensfunkens. Das Heil wird in der asketiscben Lebensfiibrung zu er-
blicken sein, die Ebe und die Zeugung sab Satornil fur Teufelswerk an (s.
Iren. I, 24, 1. 2). Drei Gedankengruppen begegnen sicb in dieseni
System, 1) eine relativ ausgebildete Aonenlebre (die Engelgewalten, der
Judengott, Cbristus und sein Vater), 2) der Dualisruus (die Trager des
Lebensfunkens und die obere Welt, Satan, die Materie und die Bosen),
3) der Erlosungsgedanke. Der Ausgang von Simon resp. von dem von
Simon ubernommenen orientalischen Synkretismus ist einleucbtend. Aber
230 10- Die heidenchristliche Gnosis.
Satornil- ist iiber Simon binausgegangen. Wohl ist das inythdlogiscbe
Element in semen Gedanken nocb wirksam. (Kampf, Zerstorung untei ;
Gottern und Kreaturen) , aber es hat docb scbon ein geistiger Subli-
mierungsprozefi begonnen. Durch zweierlei ist er bedingt, durcb deii
streng gefafiten Dualismus und dureb die durcb diesen erforderte Er-
losungsidee. Indem die dariioniscben Gewalten in diese Welt eingreifen,
wird es erst ganz begreiflich, dafi eine Erlosung von oben erfolgen riiu'B.
Vor Cbristus bat Satornil unbedingt kapituliert : er ist der Erloser, nicbt
Simon oder Menander. Die Erlosung kann in nichts anderem besteben'
als in der Befreiung des Lebensfunkens aus der Materie und der GreWalt
der niederen Aonen wie auch des Teufels. Dies aber geschieht durch!
Askese ; von den goetischen .Zaubermitteln seiner Vorganger scneint
Satornil abgesehen zn baben. Die Leugnung der Auferstenung.(Ps. tert. 3)
ist in dein Gedankenzusamnienbang Satornils verstandlich.
8. Mit Satornils Lebre ist die des Basilides verwandt. Basilides
und sein Sobn Isidor wirkten in Agypten. Sie haben sich. auf die pfo-
phetiscben Scbfiffcen des Barkabbas und Barkopb berufen (Agrippa Castor
b. Eus. h. e. IV, 7, 7). Der Gnostizismus nimmt bier einen niebr auf-
geklarten philosopbiscben Cbarakter an. Aus dein ungezeugten Urvater
gebt der Nus bervor, von dem der Logos stanimt, von diesem die
Pbronesis . von dieser Sopbia und Dynamis , von beiden letzteren die
ersten Krafte . Eiirsten und Engel. Diese macben den ersten Himmel.
Aus ibrer dcrivatio werden andere Engel, die den zweiten Himmel
scbaffen, und so gebt es fort, bis 365 Himmel erscbaffen sind. Der
letzte Himmel, der unsere, ist von Engeln erscbaffen , deren Fiirst der
Judengott ist. Von diesen stammt aucb Gesetz und Weissagung ber.
Cbristus ist der von dem Urvater gesandte primogenittts Ntis , er wird
doketiscb vorgestellt, in "Wirklicbkeit sei Simon von Kyrene gekreuzigt
worden, wabrend der Nus zum Vater emporfubr und der Kreuziger
lacbte; Das Heil ist nur fur die Seelen da, der Leib ist verganglicb.
Das Heil bestebt in der Befreiung von den "Weltscbopfern. Der Menscb,
der durcb Obristus die "Wabrbeit erkennt, ist dadurcb von allem Sinn-
licben und AuBerlicben frei, da dies nur von den "Weltscbopfern ber-
riibrt. Desbalb erstreckt sicb das cbristlicbe Bekenntnis aucb nur auf
den bimmliscben Nus, nicbt aber auf den Gekreuzigten. Hieraus zog B.
nun nicbt. wie Satornil, die Pblgerung des Asketismus, sonderh gab den
irdiscben Genufi frei. Dagegen wurden Magie und Zauberformeln wieder
eingefubrt. Die' Lebre wurde fur Gebeimlebre erklart (Ir. I, 25', 3 7). 1 )
1) Die ganz andersartige Lehre, die die Eefut. VII, 2027, X, 14 dem
Basilides beilegt, raufi spateren Ursprungs sein, oder sie wird dureh Verwechslurig
B. zugesclirieben.
Die Lebre des Basilides. 231
Cbarakteristiscb fur B. 1st vor allem der wissenschaftlicbe Anstrich,
den er dem christianisierten Grnostizismus gab. Zwischen den Urvater
und die weltschaffenden Engel stellte er eine Anzahl iiberhimmlischer
Greistemanationen, fur die 365 Himrnel wurde die Lehre der Mathematiker
herangezogen, 1 ) die pytbagoraiscbe Seelenwanderungslehre akzeptierte er
ebenfalls. 2 ) Von mytbologiscben Elementen suchte er die Lehre mog-
lichst zu saubern (es ist nicbt von einem berabgefallenen Lebensfunken
die Rede, der Satan fehlt). Seine sittlichen Anscnauungen hatten dieselbe
gemafiigte Art. TJberall ist das Streben merkbar, die Grnosis auf eine
hohere Stufe zu erbeben. 3 )
9. Basilides wird urn 125 gewirkt haben. Etwa 135 160 bat
Valentin in Bom gelebrt. Durcb ibn ist der Gnostizismus auf die
bocbste Hohe erboben worden. Seine Schule bat sicb im Abendlande
wie im Morgenlande ausgebreitet, dort besonders durcb Secundus,
Kalarbarsos,Herakle on, Marcus undPtolemaus (ca. 160 180),
Her durcb Axionikos, Tbeodotos, Bardesanes und seinen Sobn
Harmonios. 4 ) Die Lebre Yalentins kann bier nicbt in all die Atis-
pragungen und Modifikationen binein verfolgt werden, die sie bei seinen
Anbangern gefunden bat. Mancberlei ist zu seinen Gedanken binzu-
gekommen und die Yater sind dem eifrig nacbgegangen, seben sie docb
in Yalentins Lebre die klassiscbe Darstellung des gnostiscben Systems;
1) Yon der Hiinmelsgeographie wird gesagt : nituntur CCCLXV ementitorum
caelorum et nomina et principia et angelos et virtutes exponere (Ir. I, 24, 5);
vorangeht die Erwahnung der Beschwornngsformeln. Es ist anzunehmen. daC
die Kenntnis der Himmel im Hinblick auf die Himmelsreise iiberlieferfc wurde
imd daB die Formeln zum Teil wenigstens auch diesem Zweck dienten.
2) Orig. iu Eoin. V, 1 (Lomm.,VI, 336). Agrippa Castor erzahlt (Ens. h. e. IV,
7, 7), B. halie ebenfalls in pythagoraischer Weise seinen Anhangern ein fiinf-
jaliriges Schweigen auferlegt. Das stimmt aber wenig zu seiner weltfreundlichen
Art, ich vermute, dafi eine Verwechslung Torliegt mit dem Gebot die Lebre und
das Bekenntnis zu ibr zu verheimlicben s. Ir. IV, 24, 6.
3) Das bezeugen die Fragmente des Basilides wie seines Sohnes Isidor
(gesammelt bei Hilgenfeld, Ketzergescli. S. 207 ff. 213 ff.). Zu denken gibt
der Satz Ir. I, 24, 6 : et hidaeos quidem iam non esse dicunt, Christianas autem
nondum. Im Zusammenbang handelt es sicb urn die Gebeimbaltung ihrer Lebre.
Epipbanius sagt: 'JovSaiovs ftev fiavToiis fir/xETt. eii'tti (jpdanovai, ygicntavovs Ss
/Li'il'/.sti ysysvrja&a.i. Soil das beifien: sie nehmen eine Zwiscbenstellnng zwiscben
beiden Eeligionen ein, oder: sie sind geborene Juden, balten sicb aber nicbt
mebr an das Judentum, obne darum Cbristen geworden zu sein? In beiden
Fallen erwartet man an zweiter Stelle fiij^to, was Iren. voraussetzt. Die zweite
Erklarung scheint allein mo'glich zu sein, dann haben wir an eineu juden-
christlicben Kreis zu denken.
4) Zur Cbronologie s. Hilgenfeld a. a. 0. uud Harnack, Chronologie I,
299ff. ...
232, 10. Die heidenchristliclie ' Giiosis.
Es ist aber im gescbicbtlieben Interesse wicbtiger, sicb an der Hand
der uns erhaltenen Brucbstiicke Valentins uber die Grundricbtung seiner
Gedanken und iiber die ibn leitende Gesamtstimmung zu belebren. Eine
solcbe Betracbtung zeigt nun aber, dafi dieser bobe und belle Geist den
Sublimierungsprozefi des gnostiscben Synkretismus, den Basilides begonnen
batte, in ganz eigenartiger Weise fortgesetzt bat. Valentin bat den
gnostiscben Synkretismus in ein System der Religionspbilosopbie ver-
wandelt, das alle "Weisbeit der "Welt in sicb aufnebmen und die Hob&
der menscblicben Erkenntnis darstellen sollte. Mit seinen Bemiibungen
ist er ,der direkte Vorlaufer des Neuplatonisrnus geworden. Es sind
abnlicbe Ideen gewesen, die er zu einer Apologie des Cbristentums und
die Neuplatoniker zur scbarfsten Waffe wider das Cbristentum ver-
arbeiteten. Diese Erkenntnis erbebt Valentins System ans der Sekten-
gescbicbte in den Zusanmienbang der allgemeinen Geistesgescbicbte. 1 )
Yieles von den Wabrbeiten der Kircbe Gottes stebt aucb in den
weltlicben Biicbern, sei es in dem A. T. sei es bei den Pbilosopben.
Was aus dem Herzen kommt und in ibm geschrieben stebt ist die ge-
meinsame Wabrbeit. Die diese Wabrbeit baben sind das recbte Yolk
Gottes (H. 301). Wie alle Gnostiker scbeidet aucb Valentin scbarf die
obere von der unteren Welt, aber er versucbt dabei Plato zu folgen und
in seinem Sinn die uberkoinmenen mytbologiscben Bilder der oberen
Welt zu deuten. Zwei Gesichtspunkte kommen dabei in Betracbt. Der
Geist, der am Anfang war, ist lebendiger Geist, er ist in sicb bewegt r
die Aonen sind die sensus, affectus, motus des Urgeistes, wie scbon
Tertullian bemerkt bat (c. Val. 4 cf. Ir. II, 13, 10; 28, 4; Plot. Enn. H r
9, If.). Sodann ist die Geisteswelt das ITrbild der irdiscben Welt,
sodafi alles Irdiscbe zum Gleicbnis jenes Himmliscben wird. Das zeigt
die Aonenlebre Valentins. Aus der ,,unnennbaren Zweibeit", (dem Bv&6
oder dem Urvater) gingen bervor der TJri'sagbare und das Scbweigen,
aus diesen der Vater und die Wabrbeit, 'aus diesen die Vernunft und
das Leben, dann der Menscb und die Kircbe. Das ist die erste Acbtbeit
oder die transzendente SelbstexpHkation des ITrgeistes. Dann geben aus
Vernunft und Leben zebn. Krafte bervor, aus Menscb und Kircbe zwolf . -)
1) Die Fragmente Val. s. bei Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 293 ff.. darauf
bezielien sich die Seiteuzahlen oben im Text; einen kurzen Abrifi seines Systems
s. bei Ir. I, 11, 1.
2) Nach Ptolomaus sind es folgende, aus I6yo$ und &oij:
ayij^aioe, evcoaig, avrofv/je, iiSovij, ay.ivrjios, atiyttfjaais, fwvoyev^s,
Dann aus avfrgcaTtos und eaxtyaia; Ttagdy.AriTOS, TtidTis, Ttar^i'/tos, B^TC'IS,
dydTtij, aeivovs, ativeais, exxkriaiaoTutos, {taxapioTijs, -Oel^fos, aotfia. Vgi. eine
Talent. Schrift bei Epiph. h. 31, 5. 6.
Die Religionsphilosophie Valentins. 233
Das ergibt zusammen dreifiig Aon en. Die beiden letzten Reihen scheinen
die Entfaltung des Geistes zum konkreten geistigen Leben. sowie zum
religiosen Leben darstellen zu sollen. Die erste Reihe gibt die meta-
physische On,tologie des Geistes an, die zweite und dritte die meta-
physischen Urbilder des psychologischen und des religiosen Lebens. Dann
fallt der 30. Aon oder die Sophia hinab aus dem Pleroma des Geist-
reiches in das Leere oder die Sphare der Materie. Das ist der Anfang
der wirklichen Welt. Ein Grenzwachter trennt die Sophia vom Pleroma,
und ein anderer das Pleroma von dem Bythos. Die Sophia gebiert den
Christus, er aber geht in das Pleroma zuriick. Die Sophia aber, jetzt
von der geistigen Substanz entleert, gebiert den Demiurgen oder Schopfer
und mit ihm zugleich den ,,linken Fiirsten" d. h. den Teufel. Jetzt
entsteht die "Welt. 1 ) Jesus wird zu ihrer Erlosimg hervorgebracht, ent-
weder von dem Theletos d. h. dem Genossen der Sophia oder von dem
Christus oder von ,,Mensch" und ,,Kirche". Der heil. Geist wird von
der ,,Kirche" 2 ) hervorgebracht (Ir. I, 11, 1). So stammt alles in dieser
Welt von oben, von dort komnien auch Jesus und der heil. Geist zur
Erlosung herab. Diese Welt, so hat Yalentin selbst gesagt, verhalt sich
zu dem ,,lebendigen Aon" das wird hier der TJrvater sein - wie
das Bild zu dem abgebildeten Gesicht : Das Bild ist geringer, aber der
Name des Abgebildeten gibt ihm seine Ehre. So ist auch erlautert
Clemens Alex. der Denmirg, der Yater und Gott genannt wird, ein
Bild des wahren Gottes, das die Sophia gemalt hat (H. 299). Allein
die Erlauterung scheint zu eng zu sein. Valentin selbst hat die Welt
als Abbild Gottes bezeichnet und er scheint den der Seele eingeflofiten
Geist, von dem der Demiurg nichts wufite, als die Herrlichkeit , des
TJrbildes an diesem Bilde betrachtet zu haben. Die Welt war ihm das
Abbild Gottes, dessen tinsichtbares Wesen im Geist ihr erst ihre Ehre
und Bedeutung gibt, avvegyel de nccl TO wv &eov aogawv elg
Das ist das Weltbild Yalentins. Alles hangt in ihm niit einander
zusammen. JZwar ist der prihzipielle Dualismus nicht iiberwunden, aber
ihm wirkt entgegen ein starker Zug zur Einheit. Der Geist von oben
durchdringt und verklart alles. Alles sieht Yalentin in seinem Lied von
der Ernte schweben und von einander getragen werden (H. 304 f.): das
Eleisch oder die Hyle hangt an der Seele, die der Demiurg schuf, die
1) Ptolomaus fiihrt poetisch aus, dafi aus der Wendung der gefallenen
Sophia zu Gott entstanden sei die Seele, aus ihren Tranen das Wasser, aus
ihrer Trauer und Verwimuig die acoucmy.a aioi^sia, aus ihrem Lachen aber das
Licht (Ir. I, 4, 2).
2) Der lat. Text hat dafiir die ,,Wahrheit".
234 10- Die heidenchristliche Ghiosis.
Seele an der Luft o'der dem Reich der Sophia, die Luft an dem hellen
Himrnel oder dem Pleroma des Geistes. Aus dem TJrgrund des Yaters
gehen Friichte hervor, die Aonen, und aus dem Mutterschoft ein Kind.
Das soil vermutlich heifien: aus der Geistwelt geht die wirkliche Welt
hervor. 1 ) Yon unten nach oben wird zunachst der Zusammenhang ver-
folgt und dann sein Werden von oben nach unten erkannt. Zum
Pleronia strebt alles enrpor, wie es aus dem ewigen TJrgrund hervorging.
Nun herrscht aber unten in der Welt das Elend. Wie ein Wirts-
haus ist das Herz, in dem die Dainonen aus- und eingehen und es nait
ihrem Schmutz beflecken. Da schaut der allein gute Yater, der gegen-
wartig wird durch die Offenbarung des Sohnes, das Herz an, und riun
wird es geheiligt und gereinigt und ist selig in dem Anschauen Gottes. 2 )
In diesen Gedanken liegt die ganze praktische Erommigkeit der philo-
sophischen Gnosis. Zwar ist der Yater hoch iiber der Welt erhaben
und Christus ist ein verhaltnisrnaBig geringer Aon. Aber dem Grundzug
des Systems gemafi ist alles aus Gott und ist auch ein geringerer Aon
Gottes Offenbarung. also ergreift durch Christus das ganze gb'ttliche
Leben die Seele. Die Seele wird vom Geisteslicht durchdrungen und
sieht in diesem Licht das ewige Licht, und eben dies Schauen ist ihre
Seligkeit. Wie sehr tritt in diesem einfachen Gedankengefuge die kosmo-
logische Weisheit zuriick, und wie vollig wird doch hier die platonische
Stimmung zum Ausdruck gebracht. Das Orientalische ist verschlungen
von der. Macht des hellenischen Geistes. Aber nicht nur rein wird
die Seele auf diesem Wege, sie wird auch unsterblich, der Demiurg aber
ist, nach Ex. 23, 22, die Ursache des Todes (H. 299). Wer aber die
Welt auflost. wird ihr Herr und der Herr der Yerganglichkeit. 3 )
Aber nicht alien Menschen fallt dieses liebliche Los. Es wird nur
denen zu Teil, die im Herzen das Gottesgesetz eingeschrieben tragen
und zum wahren Gottesvolk gehoren (H.'SOl), d. h. aber denen, die
Geist in sich haben. Eine physische Predestination macht sich geltend,
die geistigen Menschen werden errettet. Es ist in diesem Zusammen-
hang klar, dafi das Interesse an Christus sich nur auf sein gottliches
1) Anders Hilgenfeld S. 305, der das ,,Kind" als vovs, den Mutterschofi
als oiy-fj erklart. allein dadurch gewhint das Lied nicht den umfassenden Ab-
sciihiB, der erfordert wird durch die Doppelbewegung, die es durchzieht.
2) H. 296: el* Se KOTIV dyafros, oil rtetoovaia /; Stcl vlov yavsQmais . - . Kni
fioi Soy.el Sfioioi' 11 7Cd<j%eiv rm ctavSo^sicp f/ "/.agdia . . . a.y.dd'aQtos oiiaa, 7t
o$aa SMUOWDV oly.rjirjiJiov. 'Erciiv Se E7tiay.sifii]Tai UVTI^ 6 ftovos ayaftos Tt
r/yiaaTai xai ipon\ Sial.dfiTtei xai OVTCO fiar.agit^eTHi. 6 'e'/cov rfjv TOiavTrjv '/MQiav,
on o^'ETcti rbv -9edv (cf. Mt. 5, 8).
3) H. 298 : ornv yap rbv fiev y.oouov '/.vrjie, aiiTol Se fij] '/caralvfjad'e, xvo
oy xc/.i Tfjs (pfloo&s oxtdays.
Die religiose Anschatiimg- Valentins. 235
"We'sen ricbten kann, und dafi sein Werfc sicb in der geistigen Erleucbtung
oder in der Aufldarung erscbopfb, daB dagegen sein menschliches Siihne-
wirken ausgescbaltet wird. Der johanneische Typus der Erlosung ist
fur YalentiA vorbildlich, aber in einseitiger Auffassung. Das Siihnewerk
Cbristi baftet an seinem realeii menschlicben Turi und Leiden ; wird es
aufgegeben so empfangt das Obristusbild doketische Ziige. So ist es
micb bei Valentin. Jesus ifit und trinkt nicbt wie andere Menscben, er
verdaut nicnt die Speisen, denn das triige die Art der Yerganglichkeit
an sicb. Er war das Yorbild absoluter Weltfreiheit. 1 )
10. Das System Yalentins stellt den Hohepunkt des Grnostizismiis
dar. Der urspriingliche religiose Synkretismus in seinem ganzen TJmfang
spekulativ unigedeutet worden. Die Triebe, die von Anfang an in der
Onosis lagen die vielen Eleniente der alten Eeligionen und die mannig-
facben Tendenzen der Erommigkeit der Zeit unter gemeingultigen Ge-
sichtspunkten als die Wabrheit zusammenzufassen, baben ibren Abscblufi
erreicbt. Das Resultat ist ein religionspbilosophiscbes System. Die
positiven geschicbtlicben Elemente der Religionen sind immer mebr zu
blofien Eormen fur speculative Gedanken und praktiscbe Mystik geworden.
In diesen Strom der Entwicklung ist aucb? das ganze positive Christen-
tum mit hineingezogen worden. Zwar redet man welter von ,.0ffen-
barung", und die Grnostiker baben scbliefilicb alle religiosen Gedanken
tind Tendenzen, die ibnen sympatbiscb. waren, in Offenbarung verwandelt.
Was sie dacbten und empfanden, war Offenbarung. Aber gerade dadurcb
ist die gescbicbtliche Offenbarung zerstort worden, denn wenn alle Ge-
dariken des Menscbengeistes Offenbarung sind, so gibt es keine Offen-
barung, und wenn alle Heligionen Offenbarung sind, ist es unmoglicb
von einer besonderen offenbarten Religion zu reden. - Die gescbicbt-
licbe Entwicklung des Gnostizismus lauft der allgemeinen E,eligions-
^gescbicbte des 1. und 2. Jabrbunderts parallel. Wie bier' aus der syn-
kretistischen Bewegung "der Neuplatonismus bervorwucbs , so miindet
dort der Synkretismus der alteren Gnostiker in Valentins Religions-
pbilosophie.
Aber diese Parallele reicht nocb weit'er. Wie der Neuplatonismus
a,lle positiven Beligionsformen des Heidentums konservierte , ja das
Mysterienwesen der Zeit zur bocbsten Bedeutung bracbte. so bat aucb
der Gnostizismus den Glauben und den Aberglauben der Zeit erbalten
'und das Mysterienwesen eigentlicb erst in das Cbristentum ein-
.gefiibrt. Beide wollten den Glaiiben reinigen und beide offneten die
1) H. 297: Toaa.v't!] i]V aiirco eyy.yaTsias Stivtitus, coate xdl tiij tpd'anfjvnt ri]i>
ti(fo(pi]v kv ntitco, ETfel' TO yfdeig'eodat' m'irbs om eiyev.
236 10- Die heidenchristliche Gnosis.
Tore dem Aberglauben, beide wollten die Religion verinnerlichen und
beide lehrten sie in der aufierlichsten Superstiton betatigen, beide ineinten
am geistigen Verstixndnis die Kraft zu besitzeri, uni auch die schwersten
Lasten der gesehichtlichen Religionen tragen zu konnen. Der Weg der
inneren Umbildung und Amalgamierung schien ihnen der' richtige zu 'sein
fur die religiose Erneuerung, wahrend die Kirche den Weg der aufieren
Ausscheidung und Trennung beschritt. Gnosis wie Neuplatonismus ver-
standen die ,,Wahrheit" als gemeinsamen Inhalt aller Religionen, die'
Kirche sah in diesen nur Irrtum und nur in der Offenbarung Wahrheit..
Daher aber und das ist das Entscbeidende kani die Gnosis, trotz.
ihrer Anerkennung der Erlosung durcb Cbristus, nicht beraus aus dem
Bannkreis der alien Probleme und Ideale, die Kircbe lebrte neue Fragen
stellen und ein neues Leben fubren.
Es bat sicb uns bestatigt, worauf schon friiber hingewiesen worden-
ist, dafi der Gnostizismus die religiose Weltanschauung rnit Mysterien,
Weiben und magiscben Prozeduren verlmiipft bat. Die Weltanscbauung-
lebrte den Geist sicb selbst zu erkennen und sicb vermoge dieser Er-
kenntnis in die Welt des Geistes zu ei'beben. Zum praktiscben Bebufe-
braucbte man beilige Eormeln und Symbole, um sicb vor der bosen Lust
zu bewabren und einst auf der Himmelsstrafie die Tore zu offnen.
Es wiirde uns bier zu weit fubren, wollten wir den sonstigen gnostiscben
System en nacbgeben. 1 ) Tiber das Wesen der Gnosis bringen sie keine
ueuen Aufschliisse, wicbtigere Einzelbeiten besonders iiber die gnostiscben
Sakrarnente werden wir im Eolgenden anzufubren Gelegenbeit baben^
11. Wir wollen nun weiter die gnostiscbe Lebre als ganze dar-
stelleu, indem wir die gemeinsamen Elemente der Weltanschauung und 1
des Mysterienwesens zusamnienstellen.
1) Die bimnaliscbe Welt des Geistes, das Pler.oma, und die irdiscbe-
Welt der Hyle sind von uran einander entgegengesetzt (Dualismus)..
Beide baben aber ihre Gestalt durcb einen Entwicklungsprozefi empfangen..
Dabei ist ein Teil der Geistwelt in die hylische berabgesunken. Di&
Erlosung und Emporfiibrung des Geistes aus der sinnlichen in die-
bimmHscbe Welt ist das eigentlicbe Problem des Gnostizismus. 2) Aus
dem ewigen Urgrund der Geisteswelt (fiv&og, avrofcdrojQ) ging in einem
tbeogoniscben Prozefi die Welt der bimrnHscben Geister (aiwveg) bervor. 2 )
1) Die wichtigsten ,,Systeme", die noch in Betracht kommen konnten, sind.
das der Opliiten (Iren. I, 30) und das der Barfoelognostiker (Ir. I, 29),-:
ferner die Lehre des Karpokrates und seines Sohues Epiphanes (Ir. I, 25) usw.
2) Hie itnd da begegnen hierbei triadische Anspielungen, z. B. bei den
Ophiten : primus homo, so wohl genannt weil sein Sohn der Menschensohn oder
secundus homo ist, dazu der spiritus sanctiis oder die prima femina; der Sohn.
Die gnostische Theologie und Anthropologie. 237
Der ganze Apparat bypostasierter Geistkrafte wie vovg, Ao'/og, vvoia>
oocpia wird so in den Himmel verlegt. 1 ) 3) In die untere "Welt ist
em Bestandteil der Aonenwelt berabgef alien. Das kann in mancberlei
Bildern dargestellt werden. Zu dem friiher Gesagten fiigen wir nocb
einige Beispiele. Nacb ophitischer Lebre geht aus . dem bimmliscben
Weib die Linke, Sophia oder Prunikos 2 ) genannt, hervor. Sie steigt in die
unbewegten Wasser binab, an ibren Licbttau drangt sicb alles beran, sie
empfangt einen Korper und ist nun zu scbwer zur Mutter emporzuateigen.
Aber sie empfangt Kraft, scbwingt sich empor und macbt aus ibrem
Korper den sicbtbaren Himmel. Von ibrem Sobn aber starnmen die
kosmiscben Engel ab, unter ibnen der Demiurg oder Weltscbopfer (Ir. I,
30, 3ff.). Aucb bei den Barbelognostikern springt die Prunikos aus
dem Geistreicb beraus und gebiert ein opus, in quo erat ignorantia et
audacia. Es ist der Demiurg, der die Engel und die Welt scbafft und
dazu Bosbeit, Racbe, Begierde und Eifersucbt, es ist der ,.eifersiicbtige
Gott. des A. T. (Ir. I, 29, 4). -
4) Der Scbopfergott oder Demiurg wird immer als ein niederes
engelartiges "Wesen vorgestellt, das ron Bosbeit nicbt frei ist, oder nur
eine aufierb'cbe lieblose Gerechtigkeit walten lafit. Man ineinte durcb
einen Eiickscblufi aus der Bescbaffenbeit der wirkHcben Welt auf ibren
Urbeber dies beweisen zu konnen (oben S. 219). Aber die Kreatur ist
besser als ibr Scbopfer. Das ist ein notwendiger Gedanke, denn nur
durcb ibn lafit sicb die Erlosung begriinden. Entweder sind in der
Welt irgendwie Licbtelemente jenes gefallenen Aons zurlickgebHeben oder
die Aonen teilen sie aus Mitleid, den Menscben mit (z. B. Exc. ex
Tbeod. 53). Bei den Ophiten etwa durcbkreuzt Prunikos fortwabrend
die Plane ibres Sobnes, des Weltscbopfers, mit dem Menscben. Sie be-
wirkt den Sundenfall als die Abwendung vom Scbopfer nnd belebrt die
Menscben dariiber, daB sie nur zeitweilig, bis zum Tode, den Korper
des Demiurgen tragen miissen (Ir. I, 30, 7. 9). 5) Die Menscben zer-
fallen in drei Gruppen, die Pneumatiker, Psycbiker und Somatiker
(Hyliker, Cboiker), je nachdein, welcber Bestandteil in ibnen vorwiegt.
Die Pneumatiker werden dxircb ibre Natur erlost, die Psycbiker konnen,
wenn sie wollen, erlost werden, die Somatiker geben verloren. 3 )
dieser Trias ist aber der terti^ls masculus, quern Christum vacant. Diese Tier
sind die wahre Kirche (Iren. I, 30, 1. 2). In den gnostischen Apostelakten ist
die Trias haufig z. B. Act. Thorn. 6. 39.
1) Scnon Plato und Philo imd dann der Kabbinismus sind hieriii voran-
gegangen.
2) TTipowt-xos oder ffyovveixos (von uqoevey/.eiv) wird bedeiiten zur Wollust,
zur Hervorbringung geneigt; jtyowt.mct. ist nacb. Hesych. = Tto^vsLa.
.3) S. z. B. Ir. I, 7, 5. Tert. c. V9-1. 29. Hippol. Eefut. V, 6 p. 134. Clem.
238 10- Die heidenchristlicke Gnosis.
6) Die Sinnlichkeit 1st demgemafi der eigentliche Grund des Bosen ira
Menschen. 1 ) Aber wie von Damonen, die in dem Herzen wohnen, die
Hede ist (Yal. oben S. 234), so ist es der Wille des Menschen, (lurch
desseu Zustimmung der Mensch aus einem zur Siinde Befahigten wirkr
licb bose wird. Schon der Wille zu Ehebruch oder Mord ist also Siinde,
Wegen jener sinnlichen Anlage zur .Siinde konnen alle Menschen als
Sunder bezeichnet werden (s. Basilid. bei Clem. Strom. IV, 12, 83).
7) Aus der Greistwelt stammt die Eiios.ung. Erloser ist Christus,.
Seinem Wesen nach ist er ein himmlischer Aon, der in einem Schein-
leibe erschien, lehrte und Wunder tat. Auf seine Lehre und seine-
Wirkungen in der Greisterwelt richtet sich das praktische Interesse. Das.
Leiden entbehrt der Erlosungsbedeutung ; nicht der hinunlische Aon,.
sondern seine Leiblichkeit oder auch ein anderer Mensch hat gelitten. 2 )
Exc. ex. Theodot. 56 : stoMal fiev ol vfaxoi, oi> Ttoklol Se ol ijjv/^y.oi, ottdvioi Se oi
to fisv ovi> jtvevpictfuibv cpvaei aw^6/.is'uov, to Ss -ifw^iy.bv ai>iet;oijaiov
e%ei, wads te Tciaiiv xa.1 dcp-9'a^ain'f r.ai 7i(ibs aniatiav y.ai cp&ogav
y.aia ii]v olzeiav aigeaw, id Ss vfa'/.bv ffvasi dTiollvrcu. Herakleon b. Orig. ia
Toll. XX, 24, 213 : ov ft^bs foils (ftjaei TOV diafiohov vlovs, foi>s '/flt'/.ovs, dhia 7t()bs
TOVS \!)v%i'/.obs, &EOSI lov SictfioKov yivo(.ievovs, dy>' &v rf] yvaei Svvavml rives y.al
9'eoei, viol d'eov ftprjfMiiani,.
1) S. das altgnost. Werk c. 13 (Schmidt, kopt. gnost. Schriften S. 353): Das
Niclitexistierende ist das Bose. das sicJi in der Materie manifestiert hat.
2) Die gnostisclie Christologie weist iM einzelnen mannigfache Spiel r
arteii auf. Dieselben sind geschichtlich vor allem deshalb von Interesse, weil sie
einen EiickschhiB auf die ihnen als Ausgangspunkt dienenden vulgarchristlichen
Christologieu gestatten. Darnach kann man sagen, dafi die gemeinchristliche
Anscliam;ng 1) in Christus eine gottliche und raenschliche Natur unterschiedeu
hat, und 2) in der Eegel sich die Vereinigung beider in der Taufe Jesu hat voll-
ziehen lassen. Die Neuerung der Guostiker bestand darin, dafi sie 1) die Gott-
heit Christi als Aon bestimmten und 2) sein menschliches Leben und Leiden do-
ketisch faCten. Die jimgfriiuliche Geburt haben die einen anerkaunt, audere aber
abgelebnt, z. B. Karpokrates (Ir. I, 25, 1). Eiiiige Belege mogen die ver-
schiedeaen Formen der gnostischen Christologie veranschaulichen. Simon Magus
scheiut einen naiven 'Modalisnras vertreten zu haben. Valentin scheint dagegen
cleni Mdnophysitisnius nahegekoinmen zu sein : ^fists yao TOV bomoU y.al aoodiov
f.da. s'u'ai, irjv yvoiv ya.uev, Valent. b. Clem. Al. Str. Ill, 7, 59 u. b. Photius
Bibl. cod. 230 s. Hilgenfeld 297. 302. Valentins Schule sah in Christus einen
Aon, der eiuen aus seelischer Substanz bereiteten Leib angenommen. Als aTta&f^
hat niclit er gelitten, sonderu uur sein seelischer Leib, Ir. I, 6, 1; 7, 2, anderes
bei Tert. adv. Val. 39. Clem. Exc. ex Theod. 59. 61: ATtedavw Si-
iov -/.arufSdiJios trf aviaj ETII rw 'loftSdvij Ttve.vf.iaios . . ., KTCBI Ttcos t'rjs
Traoovaijs ev uiiTca dTCsd'avev TO aa)/.ia; ovrco yao &v "/MI aiirov TOV acoT-fjpos o
0-dva.T:os Exo&rrjaev &v, oneo faoTiov. Der gottebenbildliche durch besondere
Okonomie durch Maria erzeugte Mensch Jesus wird erwahlt von Gott, in
der Taufe vereinigt sich init ihin der Aon Christus, auch Anthropos oder
Menschensolm genannt, so Marcus b. Ir .1, 15, 3 cf schon Kerinth bei Ir. I, 26, 1.
Die gnostische Christologie und Soteriologie. 239
Der Weg der Offenbarung wird umgekehrt : zuerst nun erkenne den
Logos, dann wirst du den Herrn erkennen, den Menschen aber drittens
und was er gelitten hat" (Acta Job.. 101). Das Kreuz Cbristi wird so
zum Symbol, das die obere mit der unteren Welt verbindet und das die
linke Macbt in die Mucht jagt und alles in Harmonie vereinigt. *)
8) Worm besteht die von Christus gebrachte Erlosung? Die Antwort
auf diese Frage ist im ganzen bei alien Grnostikern dieselbe. Der
himmlische Cbristus bat sicb mit Jesus verbunden, ,,um aufzulosen
die TJnwissenbeit und zu vernichten den Tod". 2 ) Urn die
Offenbarung des hochsten Grottes (Ir. I, 20, 3), der Weltentstehung und
des "Weltzusammenbangs bandelt es sicb, denn wenn der Menscb dies
erkennt, wird ibm sowohl die Aufgabe, sich von der Sinnlichkeit zu
losen, Mar, als er iiber den Weg zur oberen Welt und die TTnsterblicb-
keit zur Grewifiheit kommt. TJnter diesem doppelten Gresicbtspunkt be-
greift sicb das kosmologiscbe Interesse der Gnostiker, es klart auf iiber
die Entwicklung von oben nacb unten und zeigt den Weg von unten
nacb- oben. Wie scbon friiber gesagt wurde, hat man entweder den
Akzent mehr auf die Erkenntnis oder die innere TTmwandlung gelegt,
oder man konzentrierte das Werk Cbristi auf die Mitteihing der Mysterien.
Zu Job. 4, 34 sagt Herakleon: ,,der Wille des Yaters sei es, sagt er,
dafi die Menscben den Yater erkennen und dadurcb gei'ettet werden". 3 )
Karpobrat. Ir. I, 25, 1. 2. Ps.-Tert. 15. Satornil: Tbv Se
i)7tsdsio -/.al aacb/.m'TOV y.al aveiSeov, Soxtfaei, Se eTtiTtecprjvevai. i):i>Q QIWTIOV Ir. I, 24, 2.
Basilid. : Christum . . . venisse in phantasmate, sine substantia carnis f'uisse.
liunc passum apucl ludaeos non esse, sed vice ipsius 'Simonem crucifixum esse;
unde nee in eum credemhim esse qui sit crucifimis (Ps.-Tert. 4 vgl. Ir. I, 24, 4).
Nach den Ophiten bereitet die untere Weisheit den von Demiurgeu erschaffenen
Menschen Jesu zu eiiiem reinen Geschopf des oberen Christus, der durch die
sieben Himmel herabkommt, iudein er nach imd nach ihre Krafte anzieht uncl
sich dann in der Taufe mit Jesus vereinigt. Jesus \vurde gekreuzigt, aber voii
dem Christus erweckt. Jesus weilte 18 Moaiate nach der Auferstehung bei deu
Jiinger und empflug durch Eingebung die reine Wahrheit, die er den Jiiugern
verkiindigte. Dann ist er zuin Demiurgen aufgefahreu, clem er die Seelen fiir
sich und den Christus raubt (Ir. I, 30, 11 14). Nach der Pistis-Sophia ver-
band sich der hylische Leib aus Maria mit dem himml. Pneuma iii der Taufe,
aber schon frtther in der Kiudheit Avurde Jesus ,,eius" mit dem Geist (59. 60. 61.
62 f. 141), vgl. auch die Kindheitsgeschichten in dem Thomasev. Der Doketis-
mus wird anschaulich geschildert Acta Joh. 89. 90.
1) S. Acta Andr. 19. Act. Joh. 98. Act. Petr. 38 cf. Ev. Petr. 10. Exc,
ex Theod. 42.
2) Ir. I, 15, 2 : re&s/.ijxevcu yao -tbv naiEpa 'iwv o/.cot' /.vaca TI]I> ayvoiav y.at
ibv ddvctstov dyvoias y&f> Avais >] Kniyvwats ainov KyiveTo.
3) Bei Orig. in Joh. XIII, 38, 247 : d'ehjfia. 8e Karoos shysv el>>ai TO y
ibv
240 10- Di e lieidenchristliche Gnosis.
Andrerseits sagt Maria in der Pistis-Sophia zu Jesus : wir haben offen,
genau und deutlich erkannt, da/3 du die Schlussel der Mysterien des Licht-
reiches gebracht hast, welche die Sunden den Seelen vergeben tmd sie
reinigen und sie zum reinen Lichte machen und in das Licht fuhren
(c. 135). Die Mysterien reinigen also von der Siinde und fiikren auch
zum Himniel empor. In den Jeubuchern besitzen wir einen umfang-
lichen Apparat von solchen Zauberformeln, die den Weg durch die
Ttiren der Archonten bei dem Aufstieg der Seele eroffnen sollen. Ein-
fach wird diese Tendenz in einem von Hippolyt initgeteilten Hyninus
der Naassener (Refut. V, 10) ausgesprochen. Im Labyrinth, des Chaos
ist die Seele gefangen, sie klagt und weint und weifi nicht aus noch
ein. Da spricht Christus zum Yater:
Zu.entfliehen sucht sie dem bitteren Chaos
Und weiG nicht. me sie hindurchkomme.
Deswegen entsende inich, o Vater!
Mit den Siegeln werde hinab ich steigeii,
All die Aonen durchwandern,
Alle Mysterien eroffnen,
Gestalten der Gotter zeigen,
Und das Verborgene des heiligen Weges
Erkenntnis rufend iiberliefern.
Sakraniente, ,. Mysterien" und ,.Siegel" bringt Christus, er lehrt die
Gestalten der "Weltgotter kennen und erofEnet dadurch den "Weg nach.
oben. Das ist die Grnosis. die er als Eiiosung der gefangenen Seele
bringt. Noch ein Gresichtspunkt kommt fur die Eiiosung in Betracht.
In der Welt herrscht die Heimarmene. die sich im Lauf der Grestirne
kundgibt und niancherlei Wirkungen auf die Menschen ausiibt ; auch von
dieser Macht der Greister und Gfestirne hat uns Christus erlost, wie der
Stern der Weisen es angedeutet habe (Exc. ex Theod. 69 76). a )
j
9) Greinafi dieser Anschauung von der Erlosung steht in deni per-
sonlichen religiosen Leben die Erkenntnis und die Befreiung von der
Sinnlichkeit ini Mittelpunkt, ,,Dafi sie nicht durch die Tat, sondern
Aveil sie von Natur vo'llig und ganz geistig sind, errettet wiirden, lehren
sie" (Ir. I, 6, 2). In der Erkenntnis der unsagbaren Gfrofie" besteht
die Erlosung, nur auf den Greist, nicht auf den Leib bezieht sie sich
(Ir. I, 21, 4; 7, 5). Die Psychiker dagegen werden durch Grlaube und
Werke errettet (Ir. I, 6, 2). In der Praxis haben die Grnostiker die
Genossen ihrer Yerbindungen sicher durchweg fiir Pneumatiker ange-
1) Ib. 72 : UTto tavTi]s ifjs ardaecos y-ui fid.%tjs twv Swdfiecov 6 xvqios f]/n&s
y.al na^i'/Bi rijv eiorfvrjv 0.7(0 TIJS itav Svvdfiscav teal Tfjs tu>v dyyekmv TTCMH-
, r\v oi fiev vn:e<) iififfjv, ol Ss y.afF fjfi&v Ttaoaidaaovtai,
Die gnostische Frommigkeit. 241
sehen (vgl. Ir. I, 6, 1 fin.' in, 15, 2. Hipp. Eef. V, 9 p. 174). Durch
die Innerlichkeit personlicher TJberzeugung glaubten sie den kirchlichen
Christen iiberlegen zu sein, dazu kam die grofiere HeilsgewiBheit, die
sie durch ihre Mysterien meinten darbieten zu konnen. Und ihr seid
in groflen Leiden und grofien Bedrcingnissen bei den Umgiefitmgen in ver-
schiedenartige Korper der Welt gewesen. Und nach all diesen Leiden
durch euch selbst habi ihr gewetteifert und gekdmpft, indem ihr der ganxen
Welt und der in ihr befindlichen Materie entsagt habt, uivl habt nicht
nachgelassen %u suchen, bis da/3 ihr alle Mysterien des Lichtreiches fcindet,
welche euch gereinigt und euch zu reinem, sehr gereiniytem Licht gemachi
haben, und ihr seid gereinigtes Licht geworden (Pist.-Soph. 100 p. 160).
Dieser Religiositat entsprach entweder eine streng asketische Enthalt-
samkeit, oder auch eine freiheitliche sittliche Richtung, die den sinn-
lichen Trieben des Menschen ihren Lauf liefi. - 1 ) Die Gresamtstinamung
der Glnostiker konamt schon zuni Ausdruck in den Andreasakten (c. 1) :
,,selig ist tinser Greschlecht, von wem ist es docb. geliebt worden? Selig
ist tinser Sein, von wem wurde ihm doch Erbarmen? "Wir sind nicbt
zu Boden geworfen, wurden wir docb. erkannt von solcner Hone. "Wir
geboren nicbt der Zeit an, uni dann von ihr avifgelost zu werden ; wir
sind nicht ein "Werk der Bewegung, das wiederuui von ihr zerstort
wiirde . . . Wir gehoren an der Grofie, die wir erstreben, und wir sind
Eigentum wohl auch dessen, der sich unser erbarmt. Wir gehoren zuni
Besseren, daruni fliehen wir vor dem Schlechteren ; wir gehoren dem
1) Man sehe einerseits Ir. I, 24, 2; 28. 1. Hipp. Eef. V, 9, p. 170. Act.
Joh. 53 f. 63. 113. Act. Andr. 5. 7f. 9. 25. Act. Thorn. 12 f. 88. 96. 98. 100. 103.
117. 124. 129; an die Stelle der irdischen Ehe tritt in deii Thomasakten eine
,,andere Ehe", nainlich die mit Christus: ,,Jesus ist der wahrhaftige Brautigain,
da er in Ewigkeit unsterblich bleibt" (124 cf. 14, vgl. Clein. Homil. 13, 16). Andrer-
seits haben Basilides und Isidor die Ehe freigegeben (Ir. I, 24, 5. Clem. Al.
Strom. 1111,1 3), Epiphanes erklarte die Geschlechtslust fiir uni\berwmdlich, da
sie &sov Soyfia sei (bei Clem. Strom. Ill, 2, 9; 3, 9). Karpokrates meinte: Si a
Ttiatecos yao r.al dydattjs ocb^sad'ai- TO. 8s l.oi/rta. ddidcfopa ovta xarot. T>]>>
6::av i(ov avd'QWTtcov, TI-IJ fisv dyaO'd, 7trj Se xay.d rofii&adai., ovSsi'bs yijoei y.axov
<b7td,<)%ovTos (Ir. I, 25. 5). An der kirchlichen Strenge iibte man spb'ttische Kritik,
z. B. auch hinsichtlich des Martyriums (Ir. 1, 6, 2, 3; 24, 5; 25, 3; 28, 2; 31, 2;
III, 18, 5. Clem. Strom. IV, 9, 73. Agrippa Cast. b. Eus. h. e. IV, 7, 7), gegen
die &atQMol doxijTat sprach Isidor (bei Clem. Ill, 1, 1), gegeii das Fasten s.
Epiph. h. 26, 5. Auch Plotin (Eimead. I, 9, 15) tadelt an den Gnostikern, daB
,,sie von der Tugend garnicht sprechen", nicht lehreu ,,wie die Seele geheiligt
und gereinigt wird", sondern es hei dem pUne xybs Osoi' seiu Bewendeu haben
lassen. S. auch die Stelle Porphyr. de abstinent. I. 42, auf die C. Schmidt,
Plotins Stellung etc. S. 45 f. aufmerksarn geniacht hat, wo die Gnostiker den
Gl'Uudsatz verfechten : s&v e-Hafirjd'aifiev ftg&aw, edovfabfrtjitsv TW roV fOfiov Tt
, Set Se Ttavi^ fjfiJv iiTtot si d'/^ fra i.
Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Aufl. 16
242 10- Die heidenchristliche Gnosis.
Guten an, urn dessentwillen wir das Schimpfliche von uns stofieu, dem
Gerechten, duvcli den wir das TIngerechte fortwerfen, dem Barinherzigen,
durch den wir den TJnbarmherzigen forttreiben, dem Erretter, durcli
den wir den Verderber erkannt haben, dem Lichte, durch das wir die
Finsternis vertrieben haben, deni Einen, durch den wir das Viele fort-
wandten, dern Uberhimmlischen, durch den wir das Irdische erkannt
haben. dem Bleibenden, durch den wir das <jiicht)> Bleibende verstanden
haben. Wenn wir wurdig Dank oder Zuversicht oder Lied oder Preis
axiszusprechen uns vornehmen gegen den Gott, der sich unser erbarmt.
hat (so sei es urn nichts mehr?), als dafi wir von ihm erkannt sind."
10) Eine Eschatologie feblt den Gnostikern. An die Stelle des
grofien Dramas von Gericht und Vollendung tritt der Aufstieg der Seele
in das . Pleroma. Als ein Glied der oberen Welt und als ein Sohn des
obersten Gottes stellt sich die Seele den himmlischen Machten vor.
Dann werden diese machtlos, sie aufzuhalten, sodaB sie den Weg nach
oben zimicklegen kann. Die Seele sagt den Archonten das Mysterium.
derselben und diese fallen voll Eurcht auf ihr Antlitz, sie aber geht
weiter, diese unteren Gewalten auf ewig meidend. 1 ) Diese Reise zum.
Himinel ist fraglos ein Hauptgegenstand der gnostischen TJnterweisung
gewesen, 2 ) tmd viele Mysterien dienten dazu, die Seele der Errettung:
nach dem Tode sicher zu machen. Die Seelen, die die Mysterien nicht
empfangen haben, verf alien den Strafen der Archonten und .werden
wieder in Korper geworfen, die ihrer Siinden wurdig sind (Seelen-
wanderung, s. Pist.-Soph. Ill), die schlimmsten Sunder dagegen werden
in die aufierste Finsternis geworfen und dort ,,vernichtet und aufgelost"
(ib. 147). )
12. Die Gnostiker bildeten in der Ptegel wohl geheime Vereine in
der Kirche oder sie grtindeten auch eigene Gemeinden (z. B. Ir. Ill,
J
4, 3 ; 15, 2. I, 13, 7). Dabei suchten sie ihr gereinigtes Christentum
naturgemafi den kirchHchen Christen nahezubringen (Ir. Ill, 15, 2. Tert..
praescr. 42). Mit dem. Gemeindecharakter der Gnosis hing es nun zu-
1) S. die Eorinelu der Markosiauer bei Ir. I, 21,, 5; 13, 6; ferner im Phi-
lippusev. bei Epiph. h. 26. 13. Act. Joli. 114. Act. Thorn. 167. ffippol. Eef. V,
16 p. 190. Pist.-Soph. 112 p. 187. Jeii II, 49 p. 314; I, 33ff. f 40; vgl. liber den
Weg- ,,durch die Planeten" Gels. b. Orig. c. Gels. VI, 21 f. Plotin Enn. II, 9,13.,
2) Darin hat Anz in der oben erwahnten Abhandlung Eecht, er geht aber
zu weit, wenn er den ganzen Gnostizismus aus diesem Gesichtspunkt erklaren.
will. Die reiche Ausbildung dieses Elemeiites in der koptischen gnostischen
Literatur versteht sich aus der agyptischen Volksreligion.
3) Die SeeJen der Gerechten werden, auch wenn sie keine Mysterien haben,.
nur ,,ein wenig" von dem Eauch der Strafnammen ergriffen, das Feuer ,,belastigt.
sie teilweise", Pist.-Soph. 147. 103.
Gnostische Gemeinden und Mysterien. 243
sammen, da6 sie Symbols, beilige Formeln und Weiben in Anwendung
brachten, urn so ibre Gremeinschaften abzugrenzen und ibre Bedeutung
anscbaulicb zu machen. Das fiihrt uns auf ein weiteres Hauptelement
der' gnostischen Gedankenbildung, auf die Mysterien.
Es gab eine grofie Anzabl gnostischer Mysterien. Die meisten von
ihnen erweisen sich bei genauerer Betracbtung als "Weiterbildungen der
Taufe oder aucb des Abendmabls. Aus der christlicben Taufe macbte
man etwa mebrere taufartige Handlungen. Man kniipfte an Altertiim-
licbes an, wenn man die Wasser- und Geisttaufe voneinander unterscbied
und letztere als Mittel wider die bosen Greistmacbte ansab. 1 ) Das 1st'
aucb der Sinn der Anwendung von 01 und Wasser bei der Taufe. 2 )'
Die koptiscben Scbriften sprecben von einer dreifacben Taufe ; wit
"Wasser, Eeuer und Greist, wobei die Eeuertaufe dem Wort des Jobannes,
Jesus werde mit Eeuer taufen, entnommen wird (Pist.-Sopb. 122. 143.
Jeu II, 43. 45). Hierber gebort aucb das Sakrament der artohmgcoGig
bei den Markosianern. Auf die Wassertaufe folgt die geistlicbe Taufe
oder die Erlosung (Ir. I, 21, 2 5). Das ist zugleicb eine lu-CQtooig
ayyehlM], wie aucb die Engel sie baben, so dafi der Getaufte auf den-
selben Namen getaiift wird, auf den friiber. sein Engel getauft ist (Esc.
ex Tbeod. 22). 3 ) Mit- der Feuertaufe stebt der Eitus in Zusammen-
bang, binter dem recbten Obr die Glaubigen zu brandmarken (Ir. I,
25, 6. Clem. Eel. propb. 25. Gels. b. Orig. c. Gels. Y, 64). Im Zu-
sammenhang mit der Taufe stebt aucb das ,,Mysterium der S linden-"
v erg eb ung". Wir baben frtiber (oben S. 130) den Zusammenbang von
Taufe und Bufipraxis kennen gelernt. JSTicht ntu* reinigt Jesus durcb
die Taiife von den Siinden, sondern er gibt den Jungern aucb das
Mysterium der Stindenvergebung : ,,damit deni, welcbem ibr auf Erden
vergeben werdet, ira Himniel vergeben wird, iind der, welcben ibr auf
Erden binden werdet, im Himmel gebunden sein wird." 4 ) Hierber wird
1) So die Valentinianer s. Exc, ex Theodot. 77. 86. 81 : TO Se &VW&EV
Ttvsvfia dacbfiaiov ov ov aroi'/^Uov j.iovov, dtJ.a y.al Svvdfiecav y.^aiEl y.al doy.cov
v, cf. Orig. c. Cels. VI, 27.
2) Act. Thorn. 25, 26 f. 52. 157. 1211 182 (zuerst 01, dann Wasser), Ir. I.
21, 3. 4. 5.
3) Auch miter den Gesichtspunkt eines Ttvsv^aiixbs ydftos tritt dies, s. Ir. I,
21, 3 cf. Act. Thorn. 12-14. 98. 124 Exc. ex Theod. 64.
4) Pist.-Soph. 141 f. p. 243 f. Hier wird die Einsetzung dieses Sakramentes
ausfiihrlich geschildert, Jesus spricht sinulose Formeln aus mid sagt: Du Vater
aller Vaterschaft mogen die Siinden vergeben k'onnen, deren Namen diese sind:
aicfn,(>8yi'i%iev ^evsi- fiegifiov aozapQWK)' evd'agf va- -va'i-
viTtos' xtyie' ewaifi- f.iovd~(,ov^ f afiov(>- nev^jQ- oovo%oi>3'
Erhoret mich, indem icli euch anrufe, vergebet die Siinden dieser Seelen und
244 10. Die heidenchristliche Gnosis.
aucb die Olsalbung an Sterbenden zu zieben sein, von der Irenatis
(I, 21, 5 vgl. Epipk. h. 36, 2. Orig. c. Gels. VI, 27) erzab.lt. Sie stellt
nur eine besondere Anwendung des Erlb'sungssakraraentes resp. der Geist-
taufe dar, indem sie den Sterbenden befabigt, den Nacbstellungen der
Engel zu entgeben ; zugleicb werden zu demselben Zweck deni Sterbenden
Eornieln mitgeteilt.
Tim das Abendmabl baben sicb nicbt soviel Scblingpflanzen gelegt
wie" urn die Taufe. Irenaus erzahlt von der zauberbaften Magie, die
Markus clamit trieb. Durch die Epiklese gab er deni Wein rote Farbe
und erklarte ibn fiir das Blut der Cbaris, das die Empfanger enthalten. x )
Oder er gofi den Wein aus einem kleinen in einen grofien Kelcb, der
zum tJberiaufen voll wurde (Ir. I, 13, 2). Aber eine sebeuBliche Anwen-
dung des Abendmablsgedankens wird aucb in jenern ekelbaften Mysterium
zu erblicken sein, das bei einigen Grnostikern gebraucbt worden 1st. Mannes-
same und weiblicb.es Menstrualblut wurden in Linsen gekocnt und ge-
nossen, oder es wurde ein Embryo zerstofien und niit Pfeffer vermengt
genossen. Man sab bierin, wie Epipbanius beriebtet, das ,,vollkommene
Passab" oder den Leib Obristi. 2 ) Aufier diesen Mysterien sind nocb
verscbiedene andere vorgekonimen , besonders die koptiscben Scbriften
sind reicb daran. Zauberformeln , um auf die Aonen der jenseitigen
Welt zu wirken, oder um aus Kranken die Damonen zu vertreiben, baben,
wie es scbeint, iiberall in Geltung gestanden. 3 )
tilget ihre Missetaten OMS; mogen sie lourdig sein zu clem Reich meines Vaters,
des Vaters des Lichtscliatzes gerechnet zu iverden. Die Wirkung des Sakramentes
ist die Austilgnng aller Siinden und die Verwandlung des Menschen in ,,reiues
Licht", ,,unsterbliche Goiter" werden sie und bei dem Aufstieg durch die Himmel
fliehen aUe Aonen Tor ikneii (Jeii II, 44 p. 3061; 49 p. 314f. ; 52 p. 328 f.).
Pist.-Soph. 142 heifit es: Dies nun ist das wahre Mysterium der Taufe fiir
die, deren Siinden vergeben . . werden. Aber trotzdem ist dies Mysterium nicht
identisch xuit der Taufe, wie es darnach aussieht, denn Jen II. 51 bitten die
Jiinger, nachdeni sie die drei Taufen empfangen haben (c. 44 47), um das
Mysterium der Siindenvergebung.
1) Sollte dies mit dem alten Abendniahlsgebet: ItMtm %d(>is (Did. 10, 6)
zusammenhiingen? Act. Job.. 110 ist das Abendmahl i] iov '/.VQ'IOV %d<]is.
2) S. Epiph. h. 26, 4. 5. Pist.-Soph. 147. Jeu II, 43. Dazu Cyrill. Oat. 6, 33.
Augustin de haeresib. 46, de moribus Manich. 18, 66. Ahnlicb.es sagen die Man-
daer den Christen nach, s. Brandt, Die mand. Eelig. S. 143.
3) Z. B. ein Mysterium, das die Bosheit der Archonten in den Jungern fort-
schaSt und sie imsterblich macht (Jeu II, 48), ein Mysterium der Totenaufer-
weckungeu uud der Krankenheilung (Pist.-Soph. 110. Ill), HandaufleguBg in An-
fechtungen (Isidor bei Clem Strom. Ill, 1, 3). Dazu maneherlei magische Formeln
und Brauche (Ir. II, 32, 3. Plotin Ennead. II, 9, 14. Orig. c. Gels. VI, 31. 39. 40),
Bilder (Ir. I, 23, 4; 24, 5; 25. 6). In den Jeubiichern und der Pist.-Soph. sind
Der gnostische SakratnentsbegrifL 245
Die erste Erkenntnis, die wir gewonnen haben, 1st die, dafi die
Mehrzahl der gnostischen 'Mysterien sich als Fortbildungen der Taufe
(und des Abendmahls) verstehen lassen. Dazu kommt, zweitens, die
Abzweckung der meisten dieser Mysterien auf die Himmelsreise. Die Myste-
rien reinigen von den Siinden und eroffnen den Weg zum Lichtreich.
,,Nicht wiirden sie das Lichtreich ererben konnen, wenn ich nicht ihnen die
reinigenden Mysterien gebracht hatte," sagt Jesus in der Pistis-Sophia (100),
Maria aber sagt zu ihm : ,,wir haben offen, genau und deutlich erkannt,
dafi du die Schlussel der Mysterien des Lichtreichs gebracht hast, welche
die Siinden der Seelen vergeben und sie reinigen und sie zum reinen
Licht machen und in das Licht fiihren" (ib. 13, 5 extr. 103. 134. 91).
Diese Keinigung erscheint nun aber und das ist der dritte wichtigste
Punkt als eine physische. In die sinnlichen Elemente kommt durch
Anrufungen eine Kraft hinein, die wunderbare Wirkungen am Menschen
ausubt. Damit ist aber der spatere Sakramentsbegriff gefunden. In das
Wasser oder 01 der Taufe kommt der Greist. ,,Komm und wohne"
heifit es vor einer Taufe in den Thomasakten, ,,in diesem Wasser, daniit
die Gnadengabe des heil. Greistes yollkommen in ihm Yollendet werde" (52).
So dachte man auch bei dem Abendniahl an eine Yerwandlung des
Brotes in eine ,,geistliche Kraft" (Exe. ex Theod. 82). - 1 ) Den Geist
stellte man sich dabei in antiker Weise entweder als einen feineren >Stoff
wie Luft oder Feuer vor, oder wohl auch als eine beAvegende
Energie. 2 ) Eine der wichtigsten Bildungen der Gnosis ist in diesem
Sakramentsbegriff zu erblicken. . In die sinnlichen Synibole werden iiber-
imverstandliche und sinnlose Gebets- mid Zauberformeln sehr naufig. Ahnliches
ist in der Abraxaslitteratur oft vorbanden.
1) Act. Thom. 52 : eytv^e y.o.\ <jKt]v<oaov e-v TOIS vSaat TOTJTOIS,
ayiov 7tvev/.iaTOS lelsicos sv avrois TEAeico&f]. Ib. 157 : ^I-rjoov
Svvafus aa.1 eviSgija&w TCO slalca IOTJICI) cf 27. Demgema'B ist die Vorstellung 1
von der Wirkung des Sakramentes Pist.-Soph. 115: wpr die Mysterien der
Taufen empfangen ivird, so wircl das Mysterium jener zu einem gropen selir
yeiualtigen ^ue^sen Feuer, und es verbrennt die Siinden und geht in die Seele
im Verborgenen ein und verzehrt alle Siinden . . . Und wenn es alle Siinden
zu reinigen ~beendet hat . . ., so geht es in den -Korper im Verborgenen ein und
verfolgt alle Verfolger im Verborgenen und trennt sie nach der Seite des Teiles
des Korpers. Tiber die magische Wirkung der eTtly.l-tjois bei dem Abendmabl
S. Ir. I, 13, 2. Dazu Exc. ex Theod. 82: %al o li^ios nal ib ekaiof uyid^eTai Ttj
Swdfiet tov ovofiatos ov to. aiim ovia "/.aid, TO tpcuv6{.ievov oia eArfqp-fr/jf a)J.a Sv-
V&/.IEI sis SiJVttfiiv ?tv sv f.iarixi]V t uetaj3 e ^).i]tai- ovrcos xal to vScaf) v.a\
TO K^o()y.tfc t 6 l U8Vov VMI ib fidTtTiOfta yiiVOfievov oi) fi6vov yjcoqeZ 16 xstfjoi', a.}./.a xal
2) S. z. B. die aus Pist.-8oi>h. angefiihrte Stelle in der vorigen Anm., dazn
Exc. ex Theod. 17.
.246 10- i e heidenchristliche Ghosis.
weltliche Krafte vermoge bestimmter Fornieln herabgezogen. In dern
Ding wohnt gottliche Kraft und diese dringt als physischer Stoff oder
eine physische Kraft in die Seele hinein. Diese Anschauung von den
Mysterien haben die Gnostiker geschaffen oder ihn aus den Volksreligionen
ihrer Zeit in das Christentum emgefiihrt. Sie haben den kircblichen
Sakramentsbegriff in ihrer "Weise zuerst gepragt.
13, Die gnostische Lehre gab sich als Geheimlehre. Das war
durch die praktischen Verhaltnisse bedingt und diente als Nimbus fur
die Lehre. Hit beidem hing es welter zusaimnen, daB die Gnosis ihre
Weisheit auf Offenbarung zuriickfuhrte. Nur so konnte der geheininis-
volle Nimbus aufrecht erhalten werden, und nur so vermochte man diese
Lehre der Kirchenlehre gegeniiber zu behaupten. ),Von den unnenn-
baren und unsaglichen und uberhinimlischen Geheimnissen rede ich zu
euch, die weder von den Gewalten, noch den Machten, noch von (ihreri)
TJnterordnungen, noch von dera ganzen Chaos erkannt werden konnen,
sondern nur durch den .Sinn des TJnwandelbaren offenbart werden."
Diese Worte zu Beginn einer valentinianischen Schrift (Epiph. h. 31, 5)
bringen diese geheimnisvolle Offenbarungsstimmung trefflich zum Aus-
.druck. Wie die Lehre, so sollten auch die Mysterien geheiragehalten
Averden. Aber sehr viel mehr als der Ausdruck hochster Wertschatzung
diirfte hierniit nicht genieint gewesen sein.
Sollte nun aber diese Offenbarung unter Christen ihren Zweck er-
reichen, so niufite sie christlichen Charakter an sich tragen. "Wohl nahmen
die Gnostiker init dem Pneuma fur ihre Kreise auch die Gabe der Pro-
phetie in Anspruch und es fehlte ihnen derngemafi auch nicht an prophe-
tischen Biichei-n. - 1 ) Aber sollte mit der Kirche nicht ohne Erfolg kon-
kurriert werden, so mufite man sich auf dieselben Autoritaten wie sie
stiitzen. Da standen obenan die Worte Jesu. Ptolomaus sagt , daB
auch die Gnostiker sie durch die Apostel iiberliefert bekommen haben
und daB sie alle ihre Lehren an der Lehre Jesu beniessen. 2 ) Dabei aber
wandte man reichlich die allegorische Exegese an, um die eigenen Ge-
danken in den Worten Jesu wiederzufinden, besonders die Gleichnisse
boten hierzu Anlafl. 3 ) Der ,,Konigische" etwa mit seinen Knechten ist
1) Eine genaue Zusaiumenstellung gibt Lie lit en ban in der Ztschr. f. d.
neutest. Wiss. 1902, 223 H. .
2) Epiph. h. 33, 7: a^iov/.dvii TJ 7 S agtoarofavris nayadoaecos, fjv ex tado%f]s
'/, ul ijfisZs Ttageikijfjpaftev fisra y.nl TOV y.avovioai Ttdvras fovs 1.6yov Ty tov morfj^os
3) Exc. ex Theod. 66: 6 acarijfj iovs aTtoaio^ovs eSiSaay.Bv, tct fiev
Tti'/.&s y.a\ [ivati'/.ffjs, ta 3e vaTEfia naoafiohi'/.cos xui i/viyfievcos, TO. Ss tQita, aacpws
l yv/nvcas VMIUL
. Die gnostischen Offenbarungen. 247
der Demiurg mit semen Engeln (Herakleon bei Orig. in Job. XIII, 60).
Wenn Paulus von Aonen" redet, so bezieht sich das auf die gnostischen
Aonen. Die zwolf Apostel bedeuten zwolf Aonen, die achtzebn Monate,
die er nach der Auferstebung bei den Jiingern gewesen sein soil, be-
ziehen sich auf acbtzebn Aonen, oder der Name Jesu (/j) bedeutet acht-
zehn (irj = 18) Aonen usw. (s. Ir. I, 3. 8. 18 cf. Tert. de praescr.
.38. 17. de resurr. 63). So fand man leicbt fiir jede Behauptung eine
bibliscne Begriindung. Dazu trat nun aber welter die Berufung auf
j Geheimtraditionen der Apostel , die diese von Jesus, besonders in der
Zeit nacb der Auferstebung, die man moglichst ausdebnte (18 Monate
oder gar 12 Jabre) empfangen batten. Nicht auf den Bucbstaben meinte
man seine Sacbe stellen zu sollen, sondern auf die viva vox der Apostel.
Nicht anders war ja auch die kircblicbe Lehre entstanden, wie wir fruher
erkannt baben. Das koptiscbe Bucb der Sophia Jesu Christi" beginnt
mit denWorten: ,,Nach seiner Auferstebung von den Toten batten sicb
seine zwolf Jiinger und sieben Frauen, seine Jiingerinnen, nacb Galilaa
begeben auf den Berg . . . . , indem sie in Zweifel waren in betreff der
Hypostasis des Alls und der Oikononiia und der beiligen Pronoia und
der Arete der Gewalten, in betreff aller Dinge, welcbe der Erloser mit
ihnen gemacbt hatte, die Mysterien und die heilige Oikonomia. Da offen-
barte sich ihnen der Erloser, nicht in seiner friiheren Grestalt, sondern
in dem unsichtbaren Geiste". Die Jiinger legen ihm dann ibre Pragen
vor und er beantwortet sie sofort (0. Schmidt in den Sitzungsber. d.
Berl. Akad. 1896, 841). Grade ebenso 1st die Form der Belehrungen
Jesu liber die Aonenwelt und die Mysterien zu ihrer IJberwindung be-
rschaffen, die wir in der Pistis-Sopbia und den Jeubiichern kennen lernen.
Das war die Weisbeit, von der Paulus unter den Yollkonimenen redete
nach 1. Kor. 2, 6 (Ir. HI, 2, 1 cf. I, 20; 25, 5. Clem. Strom. VII, 17.
Hippol. Eefut. VH, 20; V, 7. Tert. de praescr. 25 f.). Aus dieser
^Geheimiiberlieferung ging dann wieder eine umfangliche Literatur hervor.
.Evangelien und Berichte iiber die Lehren des Auferstandenen, Apostel-
geschichten und Zauberbiicber entstanden in grofier Menge, sodaB Ire-
naus von einem ccf.iv-9^jTOV TrA^og arcoKQVCpcov Y.CU vo&cov ygacpCbv reden
kann (I, .20, 1). Hier zuerst bat man der ,,"Wahrheit" zu Ebren in
gro'Btem Unifang gefalscht und Tatsacben wie "Worte erdichtet. An Phan-
tasie und Geist hat es in dieser Literatur nicht gefehlt, aber freilich auch
nicht an wiistem Aberglauben und an den geistlosesten Anhaufungen von
.Zauberformein und Himmelsgestalten.
14. Das Avar die neue Weltreligion. Sie wollte die Offenbarungs-
religion im weitesten ITmfang sein. Sie wollte den Menscben bieten,
was die Kirche nicht zu bieten schien. eine freie innerliche tlberzeuguug,
248 10- Die lieidenekristlicke Gnosis.
eine timfasseude Weltanschauung, eine gesetzesfreie Moral und die Ge-
wifiheit der Erlosung im Diesseits und Jenseits. So sollte das Okristen-
tum die Religion der Aufgeklarten werden und dadureh alien alles sein.
Die eigentiimlich gereizte Stimmung, die zwischen der Kirche und den
.,fortschrittlichen" Christen zu herrschen pflegt, konnte auch hier nicht.
ausbleiben. Die Gnostiker liefien .die Kirche ihre vermeintliche TJber-
legenheit. immer wieder merken, bald im. Ton ubeiiegener Aufklarung,.
bald in der Weise des durch seine Mysterien des Heils sicheren Eana-
tisrnus. Und die Kirche quittierte darauf mit dem ganzen Selbstbewufit-
sein der besessenen Offienbarung und mit der ganzen Wucht der ver-
leugneten "Wahrheit. Aber wenn etwas sicher ist, so ist es dies, dafi.
es sich hier nicht urn einen leeren Streit um "Worte, um ein mehr oder
minder handelte, sondern dafi wirklich. zwei religiose Auschauungen mit
aller Wucht aneinanderprallten. Man hat das "Wesen der Gnosis als
..die akute Hellenisierung' des Christentuins" bezeichnet (Harnack). Diese-
f eine Beobachtung pafit aber blofi auf die philosophische Gnosis , und
auch auf sie nur teihveise. Die Einfuhrung des ganzen Heligionssyn-
kretismus in das Christentuni charakterisiert die Gnosis ; nicht nur grie-
chische, sondern vor allem orientalische Anschauungen waren es, die so^
in das Christentuni eingefiigt wurden. Aber allerdings und das ist
das Richtige an Harnacks Porniel der Hellenismus gehorte von
Anfang an in das Gefiige der neuen Religion und er ist, je langer desta
mehr, fur dieses rnafigebend geworden. Die griechische religiose Seelen-
stellung gab dem Gnostizismus seine entscheidende Eigenart dem TJr-
christentum gegentiber. Die Beriihrung der Gnosis mit dem. Geist
des Paulus scheint mir sicher zu sein, aber im tiefsten Yerstandnis
der Religion ging sie ganz andere Wege als der Apostel. "Urn die Herr-
schaft des ,,Herrn" und um die beseligende, freie geistige TJnterwerfung
unter diese Herrschaft handelte es sich bei Paulus zu oberst. Das Ver-
standnis der Welt, ihres Ursprunges und ihres Zusammenhangs, die kon-
templative Anschauung der Gottheit, und die physische Beruhrung und
Durchdringung mit den Kraften und .,Geheimnissen" der oberen Welt
das waren die eigentlichen Absichten der Gnosis. Sie wurden ge-
leitet von den Interessen der absterbenden griechischen Kultui- dem
Abscheu Yor dem Einfachen und Hellen, der Neigung zu kornplizierten
dunkeln Gedanken und dem Bestreben sie durch die massiven Mittel des
religiosen Materialismus zu stiitzen , das Christentum war, tro\z allem^
die Religion heiligen Geistes, einfach, stark, wirksam und wirklich. Der
Geist der antiken Welt und der Geist Jesu Christi traten letztlich in
den beiden Erscheinungen einander gegenliber. Die grofite Frage der
.Zeit ob Christentum oder ob die alte Religion? kam in diesem
11. Der Keformversiich cles Marcion. 249
Gegensatz zum Ausdruck. "Wie und wodurcb. die Kirclae die Gnosis
xiberwand, wird spater zu untersuchen sein. *)
11. Der Reformversuch. des Marcion.
Quell en: Iren. I, 27, 24; III, 12, 12 u. s. Celsus b. Orig. c. Gels. VI,
74. 53. Tert. adv. Marcionem 11. 5. Ps. Tert. 17. Philaster h. 44. 45. Epiph.
h. 41. 42. Hippol. Eefut.VII, 29-31. Adamantius Dial, de orth. fid. I. II, ed.
van de Sande-Bakhuyzen, 1901. Esnik (armen. Bisch. d. 5. Jahrh.), Wider die Sekten
(iibersetzt von J. M. Schmid, Wien 1900), IV, 1 8. 172 ff. Vgl. Ehodon liter M.'s
ScMiler Apelles bei Ens. h. e. V, 13, Frgg. des letzteren in Texte u. Unters. VI,
3, lllff. vgl. Harnack, De Ap. gnosi monarch. 1874. Darstellnngen : Har-
nack. DG. I 3 , 254ff. u. Ztschr. f. wiss. Th., 1876, S. 80ff. Bonwetsch b.
Thomas. DG., I, 81 ff. Zahn, Gesch. des nil. Kan. I, 585 ff.; II, 409 ff. Hilgen-
1) Aber schon hier muB bemerkt werden, daB die grofie geistige Bewegung,
die die Gnosis reprasentiert, nicht nnr negativ, sondern auch positiv auf die
Kirche eingewirkt hat. Das gilt von dem literarischen Betrieb, wie etwa den
Apostelromanen oder den biblisehen Kommentaren, es gilt auch von den Lehr-
schriften mit der Terminologie der griechischen Philosophic. Vor allem kommt
in Betracht die Einfiihrnng des sakramentalen Mysteriengedankens. Manche Ge-
danken der spateren Zeit sind von den Gnostikern antizipiert worden, ohne daU
an Abhangigkeit zu denken -ware. Einiges clerartige sei hier notiert. Voin Ur-
vater z. B. hieB es bei spateren Valentinianern : "ESo^sv afacp WZB 16 '/Mllimov
VMI rekeicbiaTov, 8 A'/EV ev aim!}, yevvrjaai y.al TCgoayayefv yile^rjuos "/a(> oil-/, fjv.
"AyaTitj yay, (prjalv, i]v ohos, >] e dydTttj oi>x safiv dydTCi], eav fit] f/v ib dyu7t(o t uevov.
Daher die Erzeugung von vovs und dfajd'eia (Hipp. Eef. VI, 29 p. 272). Die
prinzipielle Betonung der Allgemeinheit der Siinde und ihrer natiuiichen auge-
boreneu Art (Basil, b. Clem. Str. IV, 12, 83. Iren. IV, 27, 2). Basilides hat die
Fornrel gebrancht: wi Kitu'/cokovfrtiua S' ati tfjs e-^oy^s TT/S V7ts^xoa/.iiov i^v
y.oafiixrjv ciTtdmjs fvasmg avveTtsadai Tiiartv (Cl. Al. Str. II, 3 p. 434). AUein diese
Erwahlung bedentet doch ntir ein fiascos nlBovexTiiua. (ib. cf. Str. V, 1 p. 645).
Vgl. auch die iuteressanten Formeln gnost. Gegner, die Orig. bekampft: ot)/
efjyov eat<u to wi &osii]v /Siovf d)J,ot 7cd'tn>] freia. '//tyis, oder ot)x EX TOV
TO ffdi^eadai. dM? ex xmaay.eviis . . . i] sx ztoocuoeaecos iov ore ftov/.eTai
, cf. Ro'rn. 9, 16 (Orig. de princ. Ill, 1, 8ff. 15. 38 ed. Eedepenning
p. 28. 33). Der Znsammenhang mit Paulus ist klar, der Sinn doch andersartig
(vgl. c. Gels. V, 61), s. uoch PrisciU. tr. 1 p. 32 ed. Schepss cf. p. 11. 39. Den
Terminus ofiooiiaios haben Gnostiker vielleicht zuerst gebraiicht (z. B. Ep. Ptol.
ad PL b. Epiph. h. 33, 7: das Gute hat die Natur fd Suoia EO.VTOV y.al 6fioovaia
IE y.al Ttyocpefieiv, der Gegensatz dazu ist ere^as oiialai rey.al yvascos
xcbs. Clem. Exc. ex Theod. 42. 50. 53. IT. I, 5, 1. 5. 6; 11, 3 cf.'l. 30,
8. 14; II, 19. Hipp. Eef. VII, 22 cf. Clem, homil. 20, 7. Ireu. II, 17, 2 =
eiusdem substantiate, ebenso iibersetzt Angustin in Joh. tr. 97, 4 vgl. consul>-
stantialis Tert. adv. Hermog. 44. Herakleon sagt afaol T^- adrrjs yvascos (ivies
ica Ttariil 7tvev/.id eioiv, das gibt Origeil. "wieder dlirch : dfiootiotot r/J (iyevitijtq?
fpva'ei, in Joh. XIII, 25). Die gnost. ,,Zweinaturenlehre" folgt kirchlichen Vor-
bildern, hat aber auf die kirchliche Lehre kaum eingewirkt.
250 -11- Der Reformversucli des Marcion.
feld, Ketzergesch. S. 316f. Meybooin, Marcion en de Marcionieten, 1888.
G. Kriiger. PEE. XII. 266 ff. Zur Chronologic s. Harnack, Chronologie I, 306 f.
1. In Marcion erblickten die Kirchenvater den schlimmsten Gnostiker
neben Valentin. Die Untersuchungen Harnacks und Zahns haben eine
andere Betracbtungsweise veranlaBt. Man siebt beute Marcion fur einen
TJltrapauliner an, der die Kircbe durcb das Evangelium Pauli reformieren
.wollte. Blickt man auf den auBeren Bestand des rnarcionitiscnen Systems",
so treten einem die Ahnlichkeiten mit dern Gnostizismus deutlich ent-
gegen (der gute und der gerecbte Gott, die doketiscbe Christologie, die
Askese). Allein es fehlen so wicbtige Bestandteile der Gnosis, wie die
Aonenlehre und die Lehre von der Entstehung der Siinde. Dazu kommt,
dafi. Marcion nicbt erdiclitete Offenbarungen benutzte, sondern sicb. -strong
an die pauliniscbe Lebre bielt, und dafi, wie gescbicbtlicb feststebt, seine
Lekre von den zwei Gottern nur ein spaterer Einscblag zum Abschlufi
seiner "Weltanschauung ist. Angesicbts dieses Tatbestandes tun wir gut
daran, in der DG. Marcion gesondert von den Gnostikern zu bebandeln.
Bei den Gnostikern wirkte das pauliniscbe Evangelium nur nacb in der
Form dunkler Ahnungen und balb verstandener Bediirfnisse und es ver-
band sicb daber mit alien Tendenzen des religiosen Synkretismus, uber
den ,,Paulinisraus" des Simon Magus karnen sie nicbt binaus. Marcion
wurde durcb tiefste innere Edebnisse auf das Evangelium des Paulus
gefiibrt und er rnacbte vollen Ernst mit ibm, so wie er es verstand.
Er war wirklicb ein Pauliner und mit Paulus in der Hand wollte er die
Kirche vorn Gesetz befreien und ganz auf das Evangelium stellen. Er
Avollte mit Bewufitsein reformieren, aber nicbt dem Aberglauben der Ge-
bildeten zuliebe, sondern im Geborsam gegen das Evangelium. Und er
bat mit einer Energie obnegleicben sein Leben diesern Werk gewidmet.
So ist er der erste in der Kette von Reformern, deren l.etzter und grofiter
Lutber war. Sein Auftreten bezeugt uns sowohl, dafi das Gesetzes-
cbristentum inirner macbtiger in der Kircbe geworden war, als auch, dafi
die pauliniscbe Tradition in ibr fortwirkte. Man mufite Paulus wieder
entdecken, aber man konnte ibn nocb finden.
2. Urn 140 karn M. nacb Rom, wabrscbeinlicb aus der beimiscben
Kircbe (in Sin ope) wegen Hurerei ausgestofien. Er ist Glied der
roniiscben Gemeinde geworden (Tert. IY, 4). -Eine Erage brennt ibm
auf dem Herzen: wie man den neuen "Wein in die alten Scblaucbe
giefien konne, und Aviederum, dafi kein guter Baum bose und kein
scb.lecb.ter Baum gute Eriicbte bringen konne (Mattb. 9, 16 f.; 7, 18).
"Was beifit das? Es bringt einmal den Zweifel zum Ausdruck an der
kircblicben Verkniipfung von Gesetz und Evangelium, und es driickt
dann diesem Zweifel das Siegel auf: wie kann der Gute iiberhaupt nocb
Entstehung der Lehre 'Maroons. 251
Boses tun und wie kann man von dem Bo'sen das Gute verlangen? Ge-
rade dies aber tut die Kircbe" niit ihrem Gesetztum , sie verlangt Un-
moglicbes und sie niacht es selbst unmoglicb. Die Lebenserfabrung
eines nacbdenklicben und ernsten Geistes spricb-t aus diesen Eragen. Die
Antworten der Presbyter zu Horn geniigten nicbt. Am Galaterbrief
gingen ibm die Augen auf (Tert. IV, 3. I,' 20). Dort treten Paulus die
das Evangelium durcb, das Gesetz falscbenden Judaisten entgegen. Zu
diesen geborten aucb die iibrigen Apostel. Auf diese Weise ist die
Predigt des Evangeliurns verfalscbt , dieses mit dem Gresetz vermengt
worden (Ir. in, 2, 2) ; die Kirebe ist den Irrweg gegangen, den Paulus
dem Petrus so bart verwies. Separatio legis et evangelii pro-
prium et principale opus est Narcionis (Tert. I, 19. IV, 1. 6).
Scblecbtbin voneinander geschieden sind A. und N. T. , Gresetz und
Evangelium. Vielleicht. empfand er jetzt scbon die scbroffen Kontraste
zwiscben dem natiirucben Leben und dem Eeicb der Grnade.
Ibren Abschlufi fand M.'s Lebre,-als er durcb den syriscben Gnostiker
Kerdo in die gnostiscbe Lebre eingeftibrt wurde (Ir. IV, 27, 1. 2.
Tert. I, 2; IV, 17). Jene Gegensatze, zu denen er gekommen, lieBen
sicb am besten begreifen aus der Annabme eines doppelten Gottes. Der
: eine ist unvollkonimen , zornig , ein wilder Kriegsf first , dem Irrtum,
]Feblern und Reue ausgesetzt (Tert. I, 6 ; II, 2026. Adam. I, 11). Das
ist der Scbopfer der Welt. Von Gnade weifi er nicbts, nur Strenge und
.Gerecbtigkeit lafit er walten. . Das ganze Elend des Menscbendaseins mit
den Scbmerzen, die es von der Geburt bis zuin Grabe begleiten, erklart
sicb aus der Art dieses Gottes (z. B. Tert. HI, 11. 01. Al. Str. IV, 7
p. 58*). Von ibrn ruhrt das A. T. ber; der Messias, welcben dasselbe
weissagt, ist nocb nicbt gekommen , da auf Cbristum die Weissagungen
nicbt passen Dickmilcb und Honig bat er nicbt gegessen , Samai'ia
und Damaskus nicbt unterworfen (Tert. Ill, 12 23) und er ja dem
Gesetz des Judengottes widersprocben bat (Adam. I, 10 ff. II. 10. 15 ft).
.Dem Scbopfer stebt gegeniiber der . andere Gott, der gut und barmberzig
ist (Tert. I, 6. 26 usw.). Er war der ,,unbekannte Gott" bis zum 15.
Jahr des Tiberius, da er sicb in Cbristus offenbarte (Ir. I, 27, 2. Tert. in,
3; IV, 6; I, 19). Cbristus wird gern spiritus salutaris genannt (Tert. I,
19). Er ist die Erscbeinung Gottes selber. Tiber das Verbaltnis zu
Gott feblt es an deutlicben Aussagen. Gewobnlicb wird er einfacb als
der gute Gott selbst bezeicbnet (Tert. I, 11. 14; II, 27; in, 9; IV, 7).
Docb bat M. fraglos einen personlicben TJnterscbied zwiscben deni Vater
und Cbristus gemacbt. Cbristus bat sicb nicbt mit dem Leib des
Demiurgen besudelt, sondern nabm nur um sicb verstandlicb niacben
zu konnen einen Scbeinleib an (Tert. HI, 8 11). Da er den guten
252 11- 'Der Beformversuch des Marcion.
Gott offenbarte, und die Propheten tmd das Gesetz sowie alle "Werke des
Demiurgen aufloste (Ir. I, 27, 2. Tert. IV, 2527 ; I, 8. 19. Adam. II, 18.
Epipb. b. 42, 4), so liefi dieser ilin an das Kreuz schlagen. Cbristus
ging darauf in die TJnterwelt und befreite bier die Heiden, und zwar
selbst die Sodoiniter und Agypter, nicht aber die Frommen des A. T.
(Ir. I, 27, 3). Auf die Hollenfabrt Christi bat M. fraglos grofies Ge-
wicbt gelegt , aber er gab ibr die entgegengesetzte Tendenz , als sie in
der Kircbe sicb berausbildete (s. oben S. 103 Anna. I). 1 ) Paulus allein
bat die "Wabrbeit treu bewabrt. Sie gilt es im Glauben annebmen
(vgl. Apelles b. Eus. b. e. Y, 13, 5. 7). So kommt man zur Vergebung
der Siinden und wird ein Kind Gottes (Adam. II, 2. 19). Cbristus bat
das Gesetz aufgelost, nicbt erfullt, er bat nicbt ein en neuen Lappen auf
das alte Kleid gesetzt oder neuen Wein in alte Scblaucbe gegossen
(Adam. II, 16). Aber er bat nicbt nur nene Gebote, die mit der Welt
nicbts zu scbaffen baben , gegeben , sondern er bat die Menscben aucb,
unigewandelt und gut gemacbt; Kayiovc, TOVC, Av-3-Qconovg fivcag $vod(.ievos
Ix rou 7tovr]QOv 6 aya&bs f.iBT^a^sv y.al srtoir>oev aya-9-ovg
rovg TtiovevoaVTas avti^ (ib. II, 6). Dieser Gedanke kann bei
Marcion kaum gefeblt baben , denn einerseits entspricbt er dem Aus-
gangspunkt seiner Lebre der gute Bauni bringt gute Friicbte ,
andrerseits konnte Marcion diesen Zug in der Lebre des Paulus kaum
uberseben. Die pauliniscbe Anscbauung Yom Geistwirken wird er in
dieser Weise wiedergegeben baben. Der glaubige (vom Demiurgen los-
gekaufte) Menscb enapfangt Siindenvergebung und wird von Gott umge-
Avandelt. Erst so wird M.'s Paulinismus klar. DaB die Hareseologen
uns von dieseni Zuge nicbts bericbten, ist begreiflicb, da sie ibr Inter-
esse ausscbliefilicb auf die Metapbysik M.'s ricbteten. Ein ernster
etbiscber Sinn berrscbte unter den Anbangern Marcions , die strengst&
Askese Avurde verlangt, vor allem Ebelosigkeit (Tert. I, 29. Clem. Str.
1) Nach Esnik (IV, 1 p. 177 f.) inuB der Demiurg, da er sich an dem un-
schuldigen Christus vergriffen und so sein eigenes Gesetz iibertreten bat, Ohristus.
Genugtuung gewahren. Er sagt: Dafur, dafi icli gefelilt imd dich umvissentlich
getotet hale, weil ich nicht geioufH habe, daft du Gott Mst, sondern dich fur einen
Menschen gehalten hake, gvbe ich dir zur G-emigtmmg alle jene, wdclu cm d-ich
glanben ivollen, sie zu fiihren, icohin du willst. Christus entrlickt darauf deu
Paulus und sendet ihn zu predigen, da(3 wir um den Preis erltauft seien, imd
ein jeder, ivelcher glaiibte an Jesus, ivurde verkauft von dem Gerechten dem
Guten (Gott). Ira Pauliuismus des Marcion lage eine merkwiirdige Liicke vor,
weim er von dem Erlb'sungswerk nichts gesagt hatte; ich halte es daher fiir
Avahrscheinlich, daC M. nach 1. Kor. 6, 20; 7, 23 die von Esnik mitgeteilte An-
schanung wirklich vorgetragen hat. Erst so gewinnt auch seine Ansicht yon
der Rettung durch den Glauben Halt.
Der Panlinismus des Mareion. 253
III, 3 p. 515). Die Menschen sollten sich losen von dem Demiurgen
und seinen Werken. Die meisten gehen aber verloren (T. I, 24), d. h.
sie verf alien dem Eeuer des Demiurgen (Tert. I, 28). Der gute Gott
straft nicht ; erwill die Bosen nicht. Das ist sein Gericht (T.I, 27 cf. Adam.
II, 4f.). Die leibliche Auferstehung leugnete M. (Ir. I, 27, 3. Tert. I, 29).
3. Dieses M.'s Lehre. Die Gegensatze von Gesetz und Evangelium,
Judentum und Christentum, Natur un'd Gnade, dem gerechten und dem
.guten Gott, beherrschen dieselbe. In den ,,Antithesen" hat er dieses
dargestellt (Tert. I, 19, IV, 6. 9). Sein Verstandnis des Galaterbriefs
fuhrte ihn auf den Gedanken, daft die in der Kirche gebrauchlichen
apostolischen Schriften teils interpoliert teils unecht seien. Da er am.
wortlichen Yerstand der Schrift streng festhielt, konnte diesem Mangel
nur durch Kritik abgeholfen werden. So entstand M.'s N. T., welches
aufier einem bearbeiteten Lukasevangelium noch 10 ebenfalls emendierte
paulinische Briefe enthielt (Ir. I, 27, 2. Tert. IV, 2. 3. 5. V). Dieses
Unternehmen beweist, eine wie hoh'e Bedeutung die neutestarnentlichen
Schriften damals shon in dem BewuBtsein der Elirche gehabt haben.
M. war ein praktisches Genie. Nachdem er aus der Kirche getreten,
begann er zu wirken. Die Kirche wollte er reformieren , das reine
Evangelium \viederherstellen. Aiuni enim Marcionem non tarn innovasse
reg'ulam separations legis et evangelii quam retro adulteratam recurasse
{Tert. I, 20). Er hat Gemeinden gegrlindet (Tert. IY, 5 usw.), und
schon um, 150 war seine Lekre wth rtav yevog av&QcbTtwv verbreitet
(Just. Ap. I, 26). Bis in das 6. Jahrhundert haben sich marcionitische
Gemeinden ini Orient erhalten. 1 ) Die Elirche hat im Marcionitismus die
schlimmste aller Haresien erbh'ckt, fiir die innere Wahrheit in M.'s Unter-
nehmen konnte sie in den Tagen des Kampfes kein Verstandnis haben.
Daher hat Mareion nur negative Wirkungen ausgeiibt. DaB in Gott
Barnaherzigkeit und Gerechtigkeit eins sind, und daft der Schopfer der
Welt auch ihr Erloser ist, das im Gegensatz zu M. festzustellen, haben
die Kirchenvater sich bemiiht.
12. Die montanistische Reformation.
Quelleu. Die rnontanist. Orakel sammelten N. Bonwetsch, Gesch. des
Montan. S. 197 ff. u. Hilgenfeld, Ketzerg-esch. S. 591 ft, iiber sonstige Schriften
1) Die Lehre hat sich dabei teils gnostischen, teils kirchlichen Ansichteu
akkommodiert (iua A^ Apelles b. Ehoclon, Ens. h. e. V, 13. Zwischen ayad-ov
imd v.ay.ov als rom; d^l ' Slatov Prepon, Hipp. Eef . VII, 31. Adamant. I, 21
Christ! Leiden erkauft die Menschen aus der Gewalt des Deminrgen, s. Esnik
S. 252 AMD. 1 ; die Hyle als 3. Prinzip Clem. Str. Ill, 3, 12 p. 515.
254 12- Die montanistische Reformation.
Bon wets cli a. a. 0. S. 16 Aiim. Tertullian de corona, de fuga, de exhort,
castitatis, de virg. veland., de monagainia, de ieiunio adv. psych., de pndicitia.
Die 7 BB. de ecstasi (vgl. Hieron. de vir. ill. 24. 40. 53) sind verloren. Die
altesteu Gegenschriffcen sind verloren, von Apolinarius, Melito, Apollonius, Mil-
tiades, eineni Anonymus (aus dern Ens. gro'flere Ausziige gibt), Serapion s. Ens.
h. e. V, 16-19. IV, 26, 2. Iren. adv. haer. Ill, 11, 9. Hippol. Eefut VIIL
6. 19. X, 25. Ps. Tert. 21. Philaster h. 49. Epiphan. h. 48. 49 (nach alten
Quellen, vgl. Voigt, Eine verschollene Urknnde des antimont. Kampfes, 1891).
Orig. de princ. II, 7, 3f. Didymus, De trinitate III, 41 (Migne Gr. 39, 984 ff.).
Hieronym. Ep. 41. Theodoret haer. fab. Ill, 2.
Zu vergl.: Eitschl, Altkath. K. 402ff. Bonwetsch a. a. 0. 1881. Hil-
genfeld 560ff. Belck, Gesch. d. M. 1883. Harnack DG, P, 389ff.
Znr Chronologie s. Z a h n , Forsehtmgen V, S. 1 ff . Harnack, Chronol. 1, 363 ff.
1. In ganz andere Probleme als Marcions Reformversuch fuhrt uns
die niontanistisclie Reformation. Wie Marcion hat auch Montanus die
Kirche erneuern wollen durch Riickgang auf das alte Christentum. Beide
wollten die Kirche von der Welt befreien,- der eine durch Gredanken des
Paulus , der andere durch die strenge Durchfuhrung johanneischer Ge-
danken. Aber wahrend der eine ein ntichterner Realist war , der das
gegenwartige Leben erneuern wollte ini Grehorsam gegen die geschicht-
liche Offenbarung, fiihlte der andere sich als den letzten Propheten und
lehrte auf die Gregenwart zu verzichten, urn bereit zu sein zum Empfang
des hinamlischen Jerusalems. Seit einem Menschenalter las man in Klein-
asien die "Weissagungen vom Parakleten, der die Offenbarung Christi voll-
enden Avlirde. Aber in der Wirklichkeit des Lebens fing der.Geist all-
mahlich an zuriickzutreten , Lehren, Gebote und Ordnungen traten an
seine Stelle. Und zugleich dainit verblafite immer niehr der Grlaube an
das nahe Ende. Schon gab es glaubige Christen, die vom tausendjahrigen
Reich nichts wissen wollten (Justin Dial. 80), und in dern. MaB als die
Autoritat der heiligen Schriften in der Kirche stieg, mufite der heil.
G-eist die lauten Eornien ekstatischer Erregurigen und prophetischer Ent-
hilllungen ablegen. Es wurde irnmer mehr so, wie es Paulus gewiinscht
ha,tte. dafi der Geist sein Wkken durch die ruhige Predigt in den Herzen
ausiibte. Im ganzen fing man an, wie es uns die apokryphen Apostel-
geschichten zeigen, den Trieb nach dem "Wunderbaren nicht mehr an
dem Erleben gegenwartiger Wunder zu stillen, sondern an phantastischen
Erzahlungen von den Worten und Taten der grofien Griinder der Kirche.
Es ist immer so gewesen : solange man selbst im Wunderbaren lebt,
bedarf man weniger der Wundergeschichten ; wenn die wirklichen Wunder
verschwinden, schiefit die Produktion der Wundergeschichten ins Kraut. 1
So hatte urn die Mitte des 2. Jahrhunderts eine andere Anschauungs-
und Empfindungsweise das alte enthusiastische Christentum. der Wunder
und der Geisterregung langsam aber sicher in den Hintergrund geschoben.
Der Urspnmg des Montanismus. 255.
Den Geist und die Wunder haben die Apostel ,,ohne MaBen" gehabt,
die Gegenwart hat die Lehre und die Gesetze der Apostel. Die Gfnosis,
die mit eigenen Propheten und Offenbarungen operierte, trug das Hire
dazu bei, den Greist unpopular zu machen. Aber freilich war das Be-
wufitsein von der kraftvollen Nahe Gfottes noch so unmittelbar und leb-
haft, dafi man fiir das Auftreten eines Propheten und fur die Yerkiindi-
gung des nahen Endes noch Yerstandnis besafi. Das war die Situation,
die beides erklart, sowohl dafi ein Prophet sich zum Auftreten gedrangt
fuhlte und Anhanger fand, als auch dafi sein Werk schliefilich scheitern
mufite. Montanus ist ausgegangen von Johannes, er wollte die Weissagung
vom Zeitalter des Parakleten verwirklichen, und er ist an Gedanken zer-
schellt, die zum Teil auf denselben Johannes zuriickgehen, den Gredanken
von der die Kirche leitenden ,,Geboten".
2. Im Jahr 156/57 trat in Phrygien Montanus auf und fand dort
zuerst Anhang. Daher die Bezeichnung xaTOt @Qvya(; aiQeais- Er wie die
"Weiber Prise a und Maximilla fiihlten sich als Propheten. Die Art
dieser Prophetie kennzeichnet etwa der Spruch des in Montan redenden
Greistes: ,,siehe der Mensch ist wie eine Lyra und ich fliege iiber sie
wie das Plektron. Der Mensch schlaft und ich wache" oder Maximillas
Wort: ,,Gesandt hat mich der Herr .... gezwungen, wollend oder
nicht wollend die Erkenntnis des Herrn zu lernen". 1 ) Auf Grund der
johanneischen Schriften meinte man, die letzte hochste Stufe der Offien-
barung sei erreicht, das Zeitalter des Parakleten sei gekommen, in M.
rede er, und die Herabkunft des himmlischen Jerusalems stehe nahe
bevor. ^a Pepuza und Tymitis wird es seine Statte finden (Epiph. h.
49, 1 vgl. Apollon. b. Eus. Y, 18, 2). Angesichts dessen sollen die
Christen die Ehen losen, streng fasten, in Pepuza sich versammeln die
Herabkunft Jerusalems zu erwarten. Geld wird gesammelt, die Prediger
dieser Lehre z\\ besolden (Apollon. b. Eus. h. e. Y, 18, 2, cf. 16, 14).
Dies wird die urspriingliche Form des Montanismus sein.
3. Bald nun breitete sich der Montanismus weiter in Kleinasien
aus, er kam auch nach Thracien, Rom und Nordafrika, wo sich ihm der
machtigste Herold des Montanismus, Tertullian anschlofi. Aber was die
Kirche im grofien erfahren hatte, das erfuhr auch die montahistische
Bewegung : der Geist ergriff nicht mehr die Yolksmassen, und das Ende
kam nicht. Aber alle Gedanken des Montanismus ruhten auf diesem
1) tSoi) 6 civd'QcoTtos coael Iv^a, xdycb syiTtrafiai cbael HhfjxTgov 6
1 y.ayco yQ'rjyogcd loi> '/.VQIOS lativ 6 e^iaTctvwv '/Madias d.v9~^cf>7tcov y.al
aySiav d-vd^wTtois, bei Epiph. h. 48, 4. Maximilla : dTtsatBds fie xtigtos TOVTOV
tov Ttovov v.ai irjs eTtayyskias '/MI Tfjs ovvdrfjxrjs alpeTiatijv, fiijvvrfjv,
f]vayy.aoj.ivov Q'ekoviu, VM\ ,?} -Oe/.ovra fiaO'stv yvwaiv &eov, Epiph. h. 48, 13.
256 12. Die montanistisclie Reformation.
Doppelten, dem Geist uiid dem Ende. Und aucb Her wurde nun aus
dem entscbwundenen Leben eine Theorie vom Leben und ein Gesetz
fur das Leben. Die unniittelbare Ervrartung des Endes wurde zum
Dogma, dafi man in der letzten Zeit lebe, und der naturgernafie Ausdruck'
dieser Erwartung wurde zu einem Komplex statutarischer Moralregeln.
TJnd statt des Geistes, der alle ergreifen sollte, muBte man sicb niit dem
Glauben begnugen, daB er die montanistiscben Propheten ergriffen babe
und aucb andere ergreifen werde. An die Stelle des urspriinglicben
Entbusiasmus traten festere Eorinen und eine tbeoretiscbe Bestiminung
des Wesens und der Bedeutung dieser Erscbeinung. 1) Die letzte
Periode der Offenbarung ist angegangen. Es ist die Zeit der geistlicben
Gaben. Die agnitio spiritalium charismatufn ist das Kennzeicben der
Montanisten (Tert. monog. 1. adv. Prax. 1. Passio Perpetuae 1). Dies
besagt zunacbst die Anerkemiung des Parakleten und seiner Genossen.
Maximilla bat gesagt: [AST* e[te Ttgoyrfttg, ovnexi eavai, alia ovvvelsia
(Epipb. b. 48, 2). Aber visionare Propbetien gab es aucb spater, freilicb
nur selten. Das bat scbon Prisca geweissagt (Tert. de exb. cast. 10),
und demgemaB acbtete man eifrig auf derartige Erscbeinungen ini Leben.
Eine Fran etwa scbaut, wabrend Tiber die Seele gepredigt wird, diese in
korperlicber Gestalt und beweist dadurcb das stoiscbe Dogma von der
Korpeiiicbkeit der Seele. Oder eine Martyrerin siebt in der IsTacbt iin
Traumgesicbt Cbristus an der Spitze einer langen Leiter und an ibrem
Eufi einen Dracben. Das sind solcbe ,,"W r eissagungen" der ,,neuen
Propbeten" (Tert. de anim. 9. Pass. Perp. 1. 14. 21. 4. 7f. 10. 11 ff.).
Die Anerkennung der Cbarismen ist so das Merkmal des Montanismus.
Jsl fjf.ias, cprjot, -ml ra %aQia(.iaTa de%Ea&ai (Epipb, b. 48, 1). Aber
die "Weissagung starb aus (Anon, bei Eus. V, 17, 4). Man fing daher
an sie scbriftlicb zu fixieren. Was man damit gewann, waren neue
Biicber und neue Bucbstaben, aber nicbt die erwartete AusgieBung des
Geistes. Man konnte den Kreis der beiligen Schriften erweitern, das'
neueste Testament der dritten Epocbe der Heilsgescbicbte dem Neuen
Testament der zweiten Epocbe anbangen wenn man so sagen will ,
aber das alles bracbte nicbt den Geist und es fubrte nicbt binaus iiber
den bisberigen geistigen Besitzstand. So entstanden Sammlungen inont.
Scbriften (Hipp. Eef. VLTI, 19: $l$loi arteiQOi. Eus. b. e. Y, 16, 17;
18, 5 [der katb. Brief des Tbeniison], Pass. Perp. 1). Und wie man
in den Scbriften einen Ersatz fur den Geist sucbte, so learn man in Ab-
bangigkeit vom kircblicben Sukzessionsgedanken zur wunderlicben An-
nabnie einer propbetiscben Sukzession (Anon. b. Eus. Y, 17, 4). So
batte man scbliefilicb an Stelle der freiwaltenden Geistmacbt Bticber und
eine propbetische Hierarcbie ! 2) Anerkannt ist die Ortbodoxie der
Der spatere MontanisinuS. - 2157
Montanisten und ihre Annahme der Glaubensregel (Tert. cf. Epiph. h. 48,
1. Philast. h. 49). Der Monarchianismus in Ausspruchen Montana (Didym.
de tr. Ill, 41, 1. Epiph. h. 48, 11) erklart sich aus Mangel an theo-
logischem Interesse und wissenschaftlicher Bildung (vgl. Tert. adv. Prax. 3,
Orig. c. Gels. VIII, 14). Er 1st auch spater Her und da festgehalten
worden (Hipp. Vin, 19. Ps.-Tert. 21. Theodoret h, f. Ill, 2. Did. de
tr. Ill, 41, 1, Hieron. ep. 41,. 3). 3) Stark betont wird die Nahe
des Endes ; niit der Anerkennung der Gharismen zusammen- ist dies das
Haiiptdogma. 4) Strenge sittliche Eorderungen a) Eininaligkeit der
Ehe, b) strenge Eastenordnung : saepius ieiunare qiiam nubere (Tert. de
iei. 1), c) strenge Sittenzucht, der Paraklet sagte : potest ecclesia donare
delictum, sed non faciam, ne ei alia delinqiiant (Tert. de pud. 21). Nacn
der Taufe gibt es fur grobe Siinden (bes. Hurerei) keine weitere Yer-
gebung. Auch das ist keine ISTeuerung, sonderu nur die alte Praxis, wie
sie vor Hermas Pastor moechorum nennt daher Tertull. sein "Werk
(pud. 20) brauchlich war (s. oben'S. 125 f.). Einer anderen Beurteilung
unterliegen freiKch die delicta cotidianae ineursionis (Tert. de pud. 6. 7. 19).
Ini Abendland fuhrte diese Auffassung zu einem Konflikt durch die Be-
hauptung, dafi nur die ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non
'ecclesia numems episcoporum , Siinden vergeben konne (Tert. pud. 21
Afgl. unten). Nur das Martyrium.. kann Todstinden wieder gut macnen
{ib. 9. 22). d) Das Martyrium wird ungeniein hochgehalten (Anon. b.
Eus, Y, 16, 20). Die fuga in persecutions (Tert.) ist verboten. Ein
Propbetensprucb. makut : Nolite in lectulis- nee in aborsibus et febribus
mollibitsjoptare ex-ire, sed in martyriis, uii glorificetur qui -e'st passus pro
vobis (Tert. de fug. 9, de an. .55). 5) BQerzu kani spater die Organi-
sation eigener Gremeinden. Weifigekleidete Jungfrauen mit Packeln in
den Handen vollzogen etwa die propbetiscbe BuBpredigt. Pepuza wurde
der Mittelpunkt, wo alljabrlicbe Yersanimlungen stattfanden (Hier. ep.
41, 3. Epiph. h. 49, 2). Aus der reforinierten Kirche, die Montanus
yorschwebte, war eine Sekte geworden niit archaistischer Stimmung und
ekstatischen Yelleitaten.
4. Die Kirche befand sich . dieser Erscheiming gegenliber in einer
:schwierigen Lage (vgl. die Stellung des rom. Bischofs bei Tert. adv. Prax. 1).
Die Montanisten waren orthodox und Gregner der Gfnosis. Charismen
kannte iind anerkannte ini Prinzip wenigstens. die Kirche noch zur Zeit
des Irenaus. 3 ) Aber dieselben ' sind mehr und mehr zuriickgetreten.
Origenes z. B. weifi nur' von ,,Spuren" der Greistgaben, die zur Zeit
1) Justin Dial. 30. 39. 82. 87. 88. Ap. II, 6. Mimic. Pel.- Octav. 40. Gels,
bei Orig- c. Gels. VII, 9. Ir, adv. h. I, 13, 4;- II, 31, 2; 32, 4; V, 6, 1; II, 6, 2.
Eus. L e., V, .1, 49; 3, 2. 3. 4. Anon b. Eus. h. e.V, 17, 4.
Seeb erg, Dogmengescliichte I. 2. Aufl. 17
258 12. Die montanistische' Reformation.
Christ! und der Apostel so reiehlieh in der Kirche vorhanden waren,
.,bei wenigen" zu berichten. Wirkliche Wunder gehoren nach ihm also
wesentlich der Greschichte an. 1 ) Ebenso, ist jetzt schon hinsichtlich des
sittlichen Emstes und der Erwartung des nahen Endes eine gewisse Ab-
spannung eingetreten. 2 ) Hieraus begreift sich der Anlclang ., . den
die montanistische Prophetie fand. Die Nahe des Endes verkundet die
Schrift, Charisraen ,sind der Kirche notwendig, in der "Welt fuhrt sie
ein Pilgerdasein, daher sollen .sich ihre Grlieder von dem natiirlich welt-
lichen Leben frei halten. Man glaubte auf dem Boden der Schrift zu
stehen, wenn roan mit der Prophetie des Mpntanus die geweissagte Zeit
des Parakleten gekommen sein liefi, und man hatte das Bewufitsein, daft
durch diese Form des Christentunis die verweltlichte Kirche (psycliici
sind die Kirchlichen, spiritales die Mont., Tert. monog. 1) reformiert
werde. Hatte Marcion seinen Reforniversuch an die Lehre des grofiten
Apostels geschlossen, so der Montanismus an die des letzten Apostels. Aber
die Macht des wirkliehen Lebens war auch hier starker als der muhsam
behauptete Biblizismus, dem sich die Wirklichkeit nicht fiigte. Man
kann sich zur Verdeutlichung der Tendenzen und Krafte des Montanis-
mus etwa der irvingianischen Bewegung unserer Tage erinnern. So
biblisch die Absichten waren, stand doch die kirchliche Entwicklung auf
festerem Boden und stimmte schliefilich auch besser mit der Bibel uber-
ein. Das hat die Kirche alhnahlich deutlich erkannt.
Seit den siebziger Jahren des 2. Jahrh. Montan starb ca. 175,
dann Priska, 179 Maximilla entbrennt der Kampf wider die Montanisten,
durch den sie schliefilich aus der Kirche gedrangt werden. Soter von
Rorti (166 bis 175) sprach sich wider sie aus, 3 ) die Konfessoren von
1) 2-rjf.iBla e TOV ayiov Ttvefyiatos '/.ai? donees ftev tfjs 'Iqaov SiSaaxalias,
Ss ti]v avd},r]ij;i-v ainov rtksiova kdsif.vvro, ftoTegov Se s^Attova,' TC^V v.ai vw S.TI
sarlv uiirov Ttat? ohiyois i&s ifru%a-s ico koym r.al rals '/Mr atiibv yt^a^eai, y.e-
ie (Orig. c. Gels. VII, 8 cf. II, 8; I, 46; vgl. auch Ir. adv. h. Ill, 11, 9:
simul et evanydium et propheticutn repellunt spiritum: die sog. ,,Aloger".
2) Eiir letzteres vgl. Tert. Apol. 39: oramus . . ; pro mora finis. Hipp.
Comm. ZU Dan. IV, 22 : e fae fioi, el yivcbaxeis ii]v fj/.ie^av ifjs eS-odov aov, 'iva. xi]v
owre/.eiav rov Tiavtbs y.6<f[iov jtoAiwcgayfto-irfafle . 4i& n y.ai ab oil f.tay^o^'vfisZs,
Iva, '/.at, ETSfioi aco&waiv y.al 6 df)i&{.i6s iff>v yj^rcov dyicav 7tl,r](jco-9'rj ; vgl. schon
Justin Dial. 80: auch viele orth. Christen halten nichts vom 1000 j. Reich.
3) Ich halte mit Zahn (Forsch. V, 51 ff.) xmd Harnack (Chron. I, 369)
diese Notiz des Praedest. I, 26 fiir eine richtige, nach Tertull. verlorenem WeA
de ecstasi gemachte Angabe. 1st das aber zutreffend, so hat bereits Tertullian
(ib : asserens falsa esse de sanguine infantis, trinitatem in unitate deitatis, poeni-
tentiam lapsis, mysteriis iisdem unuin paseha noUscum) die Montanisten gegeii
den spater gelauflgen Vorwurf, bei dem Abendmahl ein Kiud'zu schlachten
Die Bekampfung des Montanisnms. 259
Lyon (177) schrieben wider sie an den: rom. Bischof (Eus. h. e. V,
3, 4 vgl. Voigt a. a. 0. S. 71 fL). Man fing an das Schwaringeistige
der via TtQOCprfisia, wie man sie nannte, zu erkennen. Durch Exorcismus
versuchte man Priska beizukommen (Eus. V, 19, 13). . Oder es wurde
der Versuch gemacht den Greist, der in Maximilla redete, zu widerlegen
(Eus. V, 16, 16 f. ; 18, 13). Die alte Scheu vor dem "Walten des Greistes
war geschwunden. Die Reden der Prophetinnen imponierten so wenig,
dafi ihre Anhanger sich ins Mittel legen miissen, um die exorcistische
Behandlung zu verhindern oder die Kritik nicht allzu tief dringen zu
lassen. Man fing an sich der neutestamentlichen "Worte iiber falsche
Propheten, die in der letzten Zleit kommen wiirden, zu erinnern und
meinte in den rnontanistischen Propheten gingen diese Weissagungen in
Erfiillung (Epiph. h. 48, 8). Sittliche Anschuldigungen bes. Habgier
wider sie fanden sich nun bald (Eus. V, 18, 2ff. 6f. 11). Das Wort,
man soil sie an ihren HYiichten. erkennen, wandte sich wider sie, limner
sicherer wurde man in dem TJrteil, dafi es sich hier nicht inn den Para-
kleten, sondern um die falschen Propheten der Endzeit handle. Maximilla
hat den Umschwung noch erlebt iind in ergreifenden Worten dem Schmerz
des verfolgten Gfeistes Ausdruck verliehen. 1 ) Es ging eine scharfe Luft
durch die kirchlichen Kreise. Es war das^Verhangnis des Montanismus,
da6 er in die Zeit fiel, da die Kirche durch die Gfnostiker mistrauisch
geworden war gegen alles ,,'Neue" und besonders gegen das ungeziigelte
Gfeisttum. Die antignostische Beaktion hat auch den Montanismus
mit fortgesptilt. Der Hauptpunkt, der gegen die Montanisten geltend
gemacht wurde, ,war der ekstatische Oharakter ihrer Prophetie. Miltiades
trat mit seinem Buch ^ftSQi TOV (.ITJ delv ytgocfnJTyv sv eytGrdosi
hervor (Eus. Y, 17, 1).. Die Propheten des A. u. N. T. sowie der
Kirche hatten nicht in diesem Zustand geweissagt. Die neue Prophetie
sei Pseudoprophetie, vom Teufel eingegeben. (Anon. b. Eus. V, 16, 4.
7. 8; 17, 2ff. Apollon. ib. 18, 1. Epiph. h. 48, 18 vgl. Orig. de
princ. IE, 7, 3.) Ebenso erkannte man die TJnmoglichkeit, dafi diese
enthusiastische Prophetie eiu neues Zeitalter hervorbringen solle (Eus. V,
16, 9. Epiph. h. 48, 8. 11. 12. Did. de tr. HI, 41, 2). Dafi man hierbei
auch zu weit ging und mit der falschen Prophetie zugleich iiberhaupt
die Prophetengabe verwarf, ist begreiflich. 2 ) Das muratorische Frg. sagt:
(Epiph. h. 48, 15) verteidigen miissen ; so lebhaift ist dann schon friih der HaB
wider die Montanisten gewesen.
1) Eus. h. 6. V, 16, 17 : TO Sict, Ma^ifiMrjs Ttvevfccc Subxofiai tag bvxos sx rwv
Ttgofiwicov oiix elf.il kvxos, ^fjf.id ej.fu xal tiva(.us.
2) Ir. Ill, 11, 9 : sed simul et evangelium et phwpheticum repellunt spiri-
tum. Inf dices giii pseudoprophetas (nicht : pseudoprophetae) quidem esse nolunt
17*
(260 12. Die montanistische Reformation.
prof etas conpletum nwncro (1. 79). TJnd Tert. scbreibt : ut proinde officia
cessaverint quemadmodum et beneficia eius, atque ita negetis usque adhuc
enm munia importer e, quia et.hic lex et prophetae usque ad loanne in.
Superest tit totum auferatis qiiantum in vobis tarn otiosum (de iei. 11 fin.).
Er, der Montanist, sielit in der. kircblicben Stellung zur neuen Prophetie
einen Abfall voin Cbristentum iiberbaupt, da docb. diese Propbetie nur
die Gebote Gottes bestatige. Die Kircbe wolle eigentlicb Gresetz und
Propbeten bei . Jobannes dem Taufer ikr Ende finden lassen nacb Mattb.
11, 13. Aber aller Widersprucb Melt die Entwicklung nicbt auf.
Synoden die ersten uns bekannten wurden in Kleinasien ab-
gebalten und die Anbanger der neuen Propbetie aus der Kircbe ver-
wiesen (Anon, bei Eus. V. 16, 10. So nocb spater in Iconium Cypr. ep.
75. 19). So ist der Montanisnius aus der Kircbe gedrangt worden. Seit
deni 4. Jabrb. bekani er den Druck der Staatsgewalt zu spiiren. Seit
dem 6. Jabrb. verscbwindet er (vgl. Bonwetscb a. a. 0. S. 171ff.).
Die Kircbe bat den M. verworfen, weil sie in den schweren Kampfen
jener Tage .sicb immer fester auf die alte TJberlieferung batte zuriick-
zieben lernen, und weil das alte Greistwesen in das sicb berausbildende
System eines geordneten Kircbenwesens nicbt bineinpafite. Der ab-
.sterbenden Cbarisnien bat sie sicb entledigt und deni Gteist ,,das Wort
des Evangeliunis des neuen Bundes" entgegengestellt, yon dem nicbts
f ortgenommen und deni nicbts zugefiigt werden darf (der Anon. b. Eus.
b. e. V, 16, 3), und den Fornien fester Organisation den Weg geebnet.
Fur die Entwicklung der Kircbe ist dieser Kanipf daber von grofiter
Bedeutung.
(nieht : vohint), propheticam ve.ro gratiam repdlunt. ab ecclesia. Es ist das ,,die
Haresie, welehe die Biiclier des Joh. verwirft" (nach Hippol. Epiph. h. 51, 3), von
Epiph. ,,Aloger" genaunt (ygl. Epiph. h. 51. Philaster h. 60. Ir. Ill, 11, 9).
Urn 170 haben dieselben in Kleinasien das 1 Joh. ev. und die Apok. als unecht
und als von Kermtk verfafit, yerworfen. Uber ihre krit. GrMde a. Epiph. h. 51, -2.
18 f. 21 f. 32. 34. Es smd kath. Christen, welche auf diese Art 'dem Montanisnius die
Quelle abschueiden woUten. Vgl. Zahn, Gesch. d. nt. Kan. I, 237 if.; II, 967 ff.
Ahnlich urn 210 aj us in. Rom, Avelcher nur die Apok. als kerinthisch verwarf. Aus
der Gegensclirift Hippol. wider inn s. die Fragmente in Hippolyts Werken
If. 241 fE.
Drittes Kapitel.
Die Anfange der kirchlichen Theologie.
Bis in die Mitte des 2-. Jahrhunderts hatten wir an der Hand der
apostolischen Vater die Geschichte der christlichen Lehre kennen ge-
lernt. Die Kirche war nach ihrem weit uberwiegenden Bestand zu einer
okumenischen heidenchristlichen Gremeinschaffc geworden. Die gewaltige
Missionsarbeit, die sie immerfort und fast durchweg auf heidnischem
Boden leistete, brachte allmahlich eine immer regere Yerbindung mit
der Gredankenwelt des Heidentums mit sich. Der wach'senden atifieren
Ausdehnung entsprach das Bestreben nach innerer Konsolidierung. Die
Organisation der Amter und die Anwendung der heiligen Schriften so-
wie der Tradition als der entscheidenden Autoritaten wurde naturgemafi
immer 'fester und umfassender.
Die mannigfachen Bertihrungen mit der Welt und die Jfotwendig-
keit, in der Welt eine alien verstandliche geschichtliche Stelhmg zu
markieren, riefen eine kirchlicne Literatur hervor, die nicht nur prak-
tischen Erbauungszwecken dienen, sondern wissenschaftlichen Charakter
tragen sollte. Nicnt aus literarischen Velleitaten, sondern aus der inneren
Notwendigkeit der .geschichtlichen' Situation wuchs diese Literatur her-
vor. Es handelte sich einmal darum, dem. Staat und der gebildeteri
Gesellschaft das Wesen und die "Wahrheit des Christentums klarzulegen,
nicht zunachst zur Bekehrung, sondern zur BeleLrung. So entstanden
die Schriften der Apologeten. Es war dann weiter eine unumgangliche
Notwendigkeit, das Eecht der Kii-chenlehre zu erweisen gegeniiber den
reformerischen Tendenzen der Grnostiker, Marcioniten iind Montanisten.
Das geschah in der antimontanistischen und antignostischen Literatur. 1 )
1) Auch dem Judentum gegeniiber bestand diese Aufgabe. Die Apologeten
haben sie mehr gelegentlich erledigt, nui 1 Justin verfafite den, groen Dialogus
cum Tryphone eigens fiir diesen Zweck, ygi. noci. den yerloren gegangenen
Dialog des Jason und Papiskus,. s. Orig. c. Gels. IV, 52.
262 Die Darstellung des Christentums durcli die altkirclil. Apologeten.
TJnd endlich mufite man mit irmerer Notwendigkeit zu einem positiven
Aufbau der kirchlichen Weltanschauung fortschreiten, der die geistige
Tiberlegenheit der Kirche iiber die Gnostiker und die Philosophen der
Welt dartat, Dieser Absicht sind die "Werke der grofien alexandrinischen
Theologen gewidmet. Mit dieser Literatur sind die wesentlichen Quellen
bezeichnet, die der DG. fur die drei Menschenalter seit ca. 140 fliefien.
Die Mannigfaltigkeit der Tendenzen, die diese Quellen beherrschen, lafit
die Yerschiedenen Stromungen in der inneren Entwicklung der Kirche
gut zum Ausdruck gelangen. Der beidnischen Welt gegenuber wurde
das Christentum als die aufgeklarte Religion und Sittlichkeit cbarakteri-
siert. Im Kampf gegen die Gnosis pragte es sicli als Kirchlichkeit und
kircklicher Traditionalisnius aus. Der Versucli, die philosophische Welt-
anschauung positiv zu ubertreffen, trieb alle spekulativen und synkretisti-
schen Zuge der neuen Religion an die Obe^ache. Als vernunftige Re-
ligion und Moral stellte sich. das Christentum deni Staat und der Gesell-
schaft vor, als kirchlicher Traditionalismus der Gnosis, als die Weislieit
iiber alle Weisheit der Pb.ilosopb.ie und Kultur der Zeit. Die Distanzen
zwischen diesen Tendenzen sind nicht gering sie scbeinen zu Wider-
spriichen zu werden , aber sie beweisen aucb, welcbe Yielseitigkeit
der Interessen und welche Beweglichkeit des Lebens deni Ghristentum
einwohnten, es war fahig, alles an Werten, was die Welt besafi, sich
anzueignen und doch die Welt auszuscheiden und von der eigenen tlber-
lieferung niclit zu weichen. Jede dieser Tendenzen entsprang einem
praktisehen Bediirfnis und jede ist daher von Nutzen gewesen fiir den
Sieg des Ohristentums iiber die antike Welt. Aber mit jedern dieser
Triebe war aucb die ernste Gefahr verbunden, .Scbaden zu nehmen an
dem Kern der Religion. Der Kern wachst nur in der Schale, aber man
darf darum nicht die Schale mit deni Kern verwecbseln.
)
Wir baben im folgenden die drei Themata, die wir bezeichnet haben,
zu untersuchen, und zwar so, daB die 'bezeicbneten Tendenzen dabei
moglichst hervortreten. Daraus ergibt sich, dafi wir auf einzelne Lehren
der Apologeten im Zusarnmenhang niit der eingehenderen Darstellung
der antignostischen Theologen zuriickgreifen werden. Es nandelt sich.
zunachst um. die apologetische Literatur.
13. Die Darstellung des Christentums durch. die altkirchliclien
Apologeten. l
Quellen: Die griech. WW. in Corpus apologetarum ed. Otto 9 Bde. 1842 ff.
Bd. 16 in 3. Ann. 1876 ff. Tatian, Athenagoras und Aristides auch in Texte
u. Unters. .IV. Vgl. Harnack, Die tiberlieferung der griech. Apol. (Texte u.
Unters. I) 1882. Im einzelnen: Quadratus ca. 125, s. Eus. -h. e. IV, 3, 2 vgl.
. . Die Entstehung der kirchlichen Theologie. ' - 263
Zahn in 'Neue Mrchl. Ztschr. 1891, 281ff. Marcianus Aris tides, seine Apol.
syr. erhalten, ca. 140 145 s, E. Seeberg, Die Ap; d-. Arist. untersucht und,
yviederhergestellt in Zahns Forschungen V, S. 159414, sowie E. Seeberg, der
Apol. Aristides, 1894, wp auch die Homilie des Arist. u. em Frg. Verloren
sind die Apologien des Melito 'Yon Sardes (Ens. h. e. IY, 26); 'die unter s.
Namen syr. erhaltene Apol. ist nicht echt), des Apolinarius vo'nHieropolis (ib. IV.
26, 1; 27), des Miltiades (ib.V, 17,5 vgl. Seeberg a. a. 0. S. 238ff.). Diese
Blicher waren alle an Marc Aurel gerichtet (161180). 'Justin derMartyrer
schrieb ca. 150 seine beiden Apologien, etwas spater den Dialogus c. Tryphone;
yon der Schrift rtepl dvagrdascoe zwei Frg.. bei Otto II, 208 ff. Vgl. Zahn, Ztschr.
f. KG. VIII, Iff. Veil, Just. Eechtfertigung des Christ, eingeleitet verdeutscht
und erlautert 1894, dazu Seeberg im Theol. Littbl. 1895 Febr. M. Y. Engel-.
hardt, D, Qhristent. Justin d. Mart. 1878.. Dazu A. Stahlin, Justin d. Mart,
u. s. neuester Beurteiler 1880. W. Fie naming, Zur Beurteilung d. . Chfistent..
Just. 1893. F. Bosse, Der praex. Christus d. Just. 189.1. Tatian, loyos Tt^bs
"'EUijva.s. Vgl. W. Steuer, die Gottes- imd Logoslehre des Tatian, 1893. Athe-
nagoras, ca. 170, ' ITpsafisia ite^l ^olandvcov. AllBei'dem nsgi Avaardaecos.
Theophilus von Antiochieh, ad Autolycum libriS. Buchlll ist 181 geschrieben
III, 27), vgl. A. Pommrich, Die Gottes- und Logoslehre d. Theophil., 1904,
Nicht in diese Zeit gehort. die E pis t. ad Diognetum, vgl. E. Seeberg in
Zahns Forsch. V, 240ff, Lat. geschriebene Apol. besitzen wir von Minucius
Felix: Octavius, vielleicht erst im 3. Jahrh. geschrieben, vgl. Harnack, Chronol.
H. 324 ft. Edid. Halm in Corp. scr. eccl. lat. JI. Vgl. Klihn, Der Oct. d.
Min. Fel. 1882. Dazu Martyrium Apollonii, vgl. Klette, Der Prozefi und die
Acta d. Apollon. (Texte u. Unters. XV, 2), 1897. Harnack in: Sitzungsber. d.
Berl. Akad. 1893, 721 ff. E. Seeberg in Neue kirchl. Ztschr. 1894, 58 ff.
1. Die wirkungsvollste Apologie des Christenturas war zu alien
Zeiten das Leben, seiner Bekenner. Das haben auch. die alten Apologeten-
genau g^RruBt und sie sind nicht niiide geworden, das Augenmerk Uorer-
"Widersacher auf das ernste, --strenge, demiitige, reine und wahriiaftige
Leben ,der Christen zu lenken. 1 ) Aber die konkrete Lage erforderte,
dafi zu dieser schweigenden eine redende Apologie binzutrat. Nicht nur
lief en ini Yolk grausige Greriicbte iiber die Christen umher, nicht nur
strafte der Staat den Trager des Christennamens als Verbrecher an der
offiziellen Sta'atsreligion und der Majestat des Kaisers, 2 ) sondern auch
1) VgL.hierzu Harnack, Missionsgesch. S. 153 ff.
. 2) d&eoTris, &ae/3eta, geheime Unsittlichkeit s. ep. eccl. Lugd. b. Eus. h. e.
V, 1, 14, 9: on fiySsv ti&eov firjSe dashes sariv ev ijftiv. Tert. Ap. 10: Sa-
crilegii et maiestatis rei convenimur. Summa haec causa imo tota est.
Athenag. 3 : rfjia e'jti<prif.u,ovaiv -qfiZv eyxirfftfcra a.&B6irfia., Qvearsta Selitva, OiSi-
TtovMovs firsts cf. Plinii ep. X, 79. Aristid. 17. Just. Ap. I, 6. 26f.; II, 12.
Dial. 10. Theoph. Ill, 4. 15. Eus. h. e. V, 1, 9. 14. 19. 26. 52. Minna F. 8ftV
28 ff. Tert Ap. 271 7ff. 39. Orig. c. Gels. VI, 27; VIII, 39. 41. 65. 67 etc. Die
Verleumdungen (Essen eines Kindes bei dem Abendmahl iind TJnzucht) sind von.
den Juden aiifgebracht worden (s. Orig. c. Gels. VI, 27, vgl. Justin. Dial. 17,
auch 10). ...
264 13. Die Darstelluug des Christentums durch die altkirchl. Apologeten.
die Macht der offentlichen Meinimg, wie die Gelehrten und die Holier-
stehenden sie reprasentierten, zeugte wider das Christenturn, weil man
in ihm allniahlich imnier deutlicher eine politisehe Gefahr fiif das romische
"Weltreich erblickte. *) Denigegeniiber war es fur eine Gemeinschaft,
die immer mehr in das helle Licht -der Geschichte trat, unmoglich zu
schweigen.
Aus der altesten Streitschrift wider das Christentum, dem ,,wahren
Wort" des Oelsus (ca. 160 180), das wir aus Origenes Gegenschrift
unifassend rekonstruieren konnen, lafit sich deutlich entnehmen, was die
gebildete lieidnische Gesellschaft am Christentum. fiirchtete und weshalb
sie es. hafite. Das Christentum erschien mit dem Judentum zusainmen
als ein Gemenge wiisten Aberglaubens und fanatischer Grlaubigkeit. Mrj
%TC(e aklce nioTeuaov heifie es bei den Christen (c. Gels. I, 9. 12),
und : (.10} xda[.iog ia-favQWTCti xdyco KOG[.ity (V, 65 cf . Gal. 6., 14). Die
TJberlieferung iiber Christus sei unsicher und widerspruchsvoll. Er ist'
ein gottverhafiter und rucliloser Zauberer gewesen, der aber nicht ein-
nial inistande war wie es doch jeder Rauber kann alle seine Ge-
nossen dauernd an sich zu fesseln (I, 71. II, 12). Sein Leiden sahen alle, den
Auferstandenen nur ein Jiiiiger und ein halbverriicktes Weib (II, 70. 55).
Die Anhanger liaben ihn dann ahnlicli wie den Antinous zu eineni Gott
geniacht (III, 36) und erweisen ihm im hochsten MaB gottliche Yer-
ehrung (v7tQ&QrjO%vovOi, YIII, 12). Die ganze 'christliche Lehre ist
ein Konglomerat von TJnsinn und von Entlehnungen aus den. alten
Philosophen, besonders Plato (VI, 1. 6ff. 16. 19. 47. 22. 71 ; VII, 28. 58),
Allzu lacheiiiche Myth en in ihren heiligen Schriften versuchen Judeii
wie Christen durch die allegorische Deutung zu beseitigen ,(IV, 48), frei-
lich ist diese noch abgeschmackter als die Mj'then selbst (IV, 51). Der
christliche. Gedanke von einer Herabkunft (xct^0(5og) Gottes ist wider-
sinnig, warnm kam denn Gott erst jetzt zur B.echtfertigung (Jt/aiwffat)
herab (IV, 7), und wird nicht so Gott veranderlich (IV, 14. 18)? Aber:
wenn dann wirklich Gott aus dem Schlaf erwachen und' seinen Sohn'
senden soil, warum sendet er ihn in einen Winkel der "Welt und lafit
ihn nicht in vielen Leibern erscheinen (VI, 78)? Das Lacherlichste aber
ist, dafi Juden und Christen wie um des Esels Schatten daruber hadern,.
ob Christus schon erschienen oder erst erscheinen werde (III, 1). Es
ist widerlicher, als wenn JYosche und Eegenwiirnier in einer Pfiitze
daruber haderten, wer von ihn en Gott naher stehe (IV, 23). Eiir ihre
Lehre fiihren die Christen aber keinen anderen Beweis, als den, dafi es
so geweissagt sei: OTL fr/j^v ovtug yevead-ai, Te^nJQLOV dh' ridlai
. .1) Vgi. hierzu den Vortrag iiber die Christenverfolgungen in meinemBuch
,,Aus Eeligioii und Gesch." I, S. 145 ff.
'Celsns' Angriff wider das .Christentum. . 265
iauT(X ytQOstQrffO (VII, 2). Aber in der Welt walten nun einmal die
Damonen, wer also in ihr leben will, mufi ihnen Verehrung erweisen
und ihren Ordnungen sich fiigen (YIII, 53. 55). Also soil man auch
den Herrschern gehorchen, auch wenn sie den Schwur bei ihren Namen
befehlen (VIII, 63. 67). Durch diesen Grlauben ist Rom grofi geworden,
es darf nicht von seinen Grottern ab- und einem Gfott zuf alien, der seinen
Anhangern nicht einmal eine Scholle oder einen Herd zu geben vermag.
sbdafi sie heimlich, in steter Furcht umherschleichen mlissen (VIH, 69).
Man ruft nicht die ganze uberirdische und ir.dische Welt zu Zeugen
an wider einen Gfegner, den man nur verachtet. Celsus hat das Christen-
tum gefiirchtet, und es ist ihm im hochsten Gfracle widerwartig gewesen.
Aber er hat trotz allem es fur notig gehalten, den Christen zu raten,
ihren Erieden mit dem Staat zu machen. Das religiose Interesse war
bei ihm dem politischen untergeordnet. Wie der Heide bei Minucius
Eelix (c. 6) die alte Religion verherrlicht, weil sie den Romern die
Weltherrschaft gegeben habe, so hat auch Celsus geurteilt. Die Religion
mit Einschlufi des Kaiserkultus war ein Stiick des romischen
Weltreichs, daher verteidigte man sie. Das war die Kraft des Heiden-
tums, aber es war auch seine Schwache.
2. Die christlichen Apologeten haben sich nicht mit der Wider-
legung solcher historischen und kritischen Betrachtungen, wie man sie
bei Celsus liest, abgegeben. Die waren nicht ausschlaggebend fiir die
Stellung der heidnischen Welt zum Christentum, sie Avaren nur ganz
wenigen verstandlich und interessant. Die Apologeten haben der land-
la/ufigen Beurteilung das wirkliche Wesen des Christentums und sein
Recht positiv entgegengestellt, inclem sie zugleich den Spiefi umkehrten
und die Grott- und Sinnlosigkeit des Heidentums erwiesen. Es war Ver-
teidigungs-, Angriffs- und Eroberungskrieg in einem. Aber so scharf
man das Heidentum angreift man konnte das nicht entbehren, denn
darauf beruhte das Recht auf eigene Existehz , so bereit war man
doch auch, im apologetischen Interesse, Analogien tind Wahrheitsmomente
im Heidentum. anzuerkennen. Man verwies auf die Sohne, die Zeus von
sterblichen Weibern gehabt habe (Just. I, 20 ff. 24. Dial. 69. Tert. 21;
dagegen Just. Ap. I, 53 f. Tat. 21), oder man meinte, den Vorwurf des
Atheismus daclurch am besten zu widerlegen, dafi man erklarte, nicht
nur an Grott, sondern auch an seinen Sohn und den heil. Geist zu
glauben, und dazu eine Menge Engel anzunehmen (Ath. 10. Just. I, 6).
Aber das sind apologetische Kunstgriffe, wie man sie inuner angewandt
hat. TJnd auch die Zuriickhaltung in der Darlegung der Lehi-en
manches wurde zuriickgestellt (Minuc. 40. Ath. 37) versteht sich aus
dem Zweck der Apologeten.
266 13. Die Darstellung des Christentums durch die altkirchl. Apologeteu.
Die Apologia des Aristides (ca. 140145) gewahrt uns einen
ziemlich deutlichen Einblick in die Entstetmng dieser Literatur. Seine
Hauptgedanken sind namlicri abhangig von der Missionspredigt. Die
Schilderung der christlichen Moral (15 17) kniipft er an eine Erwahnung
der Gebote, die die Christen von Gfott empfang.en naben (1.5, 3), und
die Beziehung zu den ,.beiden "Wegen" wird in der Tat . im folgenden
deutlicli. Die Darstellung des Grottesbegriffes aber (1, 4), sowie die ganze.
Einteilung seines "Werkes erweist sich abhangig von der alten Praedicatio
Petri. 1 ) Diese Schrift, .deren Abfassung noch in das erste Jahrhundert
fallen wird, kann nach ihren TJberbleibseln nichts anderes gewesen sein
als eine Anleitung zur Missionspredigt unter den Heiden.. Daher ist es
auch gerade Petrus, dem die Clementinen derartige Seden in den Mund
legen. Die Missionsreden des P.aulus in der Apostelgeschichte (14, 15 17;.
17, 22 31 vgi. Rom. In. 2 nnd die Zusarnmenfassung 1. Thess. 1, 9f.)
sind die altesten derartigen Versuche. . Auf dieser Bahn ist die Prae-
dicatio fortgeschritten. Sie hat in knapper Form zuin Gebrauch der
Heidennrissionare den Lehrstoff in Gestalt einer Mnsterrede zusanunen-
gestellt. 2 ) Der alteste Apologet hat dies Schema fiir seine Zwecke aus-
1) Doch hat Aristides aus den drei Geschlechtern der Menschen in der Praed.
nach dem nrspriinglichen, syr. Text vier geinacht, vgl. liberhaupt liber dies Ver-
haltnis E. Seeberg, die Apol. d. Arist. (Zalm, Forsch. V) S. 216.
2) Der Name x^vyfta und die zweite Person, in der die Ermahnungen der
Eede gehalten sind, beweisen den oben angenommenen Charakter der Schrift.
Nach den sicheren Fragnienten der Praed. ist folgender Stoff in ihr zni- Dar-
stellung gekomnien: 1) 12 Jahre sollen die Apostel Israel predigen, sich von da
ab aber an die Heiden wenden (Clem. Str. VI, 5, 43) ; 2) sie sollen den einen Gott
und durch den .,Glauben" Christi (d. h. den von Chr. iiberlieferten objektivenGlauben)
die Zukunft verkiindigen (ib. VI, 6, 48); 3) es ist ein Gott, unsichtbar, unfalSbar, be-
ditrfnislos, unbegreiflich, ewig, unsterblich, nngemacht, er ist der Schopfer (ib. VI,
7, 58 cf. Arist. 1, 4ff.); 4) er schuf alles durch das Wort seiner Kraft oder den
Sohn, ev fyxfj Gen. 1, 1 bezieht sich auf den Sohn (ih.); 5) Christus wird vopos
xal Idyog genannt (vgl. oben S. 93 Anm. 1); 6) von Christi Erscheinung, Tod
uud Kreuz durch die Juden,. war die Rede unter ausdrilcklicher Berufung auf
die Weissagungen der Propheten (Clem. Str. VI, 15, 128 cf. Arist. 2, 8); dabei wurde
ein Wort Jesu ovx elfu frawpatov Saifwmov iiberliefert (Orig. de princ., praef. 8) ;
7) man soil Gott verehren, nicht nach Art der Hellehen, die Stein, Holz und die
Metalle, oder der Agypter, die Tiere verehren (Clem. Str. VI, 5, 39 f. cf. Arist.
313), 8) aber auch nicht nach Art der Juden, die dienen dyyehois y.al (.ir\v\ xal
aelijvi], sofern ihr Kultus abhangig ist vom Mondwechsel (Orig. in Job. XIJI, 17, 104.
Clem. Str. VI, 5, 41, das hat Arist. 14, 4 nicht verstanden); 9) vielleicht standen
auch moralische Uuterweisungen in dem Buch, Origenes fand in qiiodam libello
ab apostolis dictum den Satz : beatiis est qui etiain ieiunat pro eo, ut alat pau-
perem (in Lev. h. 10, 2 fin.), da Arist. 15, 9 dasselbe hat, so ist es sehr wahrschein-
lich, dafi er aus der Praed. stammt; hatte diese aber .auch einen moralischen Teil, so
Die Apologeten und. die Missionspraxis. 267
gebeutet. Seine Nacbfolger baben selbstandiger gearbeitet, aber aucb
ibnen wird die Missionspraxis die Hauptgedanken geliefert haben, abnlicb
wie Justin seine Auseinandersetzung mit dein Judentum (Dial. c. Tryph.)
in Anlehnung an seine praktis.chen Erfahrungen hergestellt bat. Der
Fortscbritt der Apologeten seit Justin (ca. 150) uber Aristides Hegt darin,
dafi ein formlicber Beweis fiir die Wabrheit des Cbristentums von den
Spateren gefiibrt wird, wabrend Aristides mebr mit dem guten Willen
seiner Leser recbnet, und dafi die beidniscben Yorwurfe Avider das
Cbristentum ausdriicklich -zurtickgewiesen werden (s. bes. Atbenag.). Dazu
kommt das Bestreben, die cbristlicbe Hauptlebre von der Person Christi
durcb die Logostheorie verstandlicb zu macben und zu recbtfertigen.
3. Die Apologeten. , stellen den Gegnern das Cbristentum als eine
Pbilosopbie dar. Tavc^v \.wv^v tvgiGxov (pikooocpiav aacpahfj ve
v.al Gvf.i(poqov, sagt Justin, und die barbariscbe Pbilosopbie ist, nacb Tatian,
die altere und bessere im.Yerbaltnis zur.griechiscben (Just. Dial. 8. Tat.
31. 42. Melit. u. Milt, b, Eus. Y, 17, 5; 26, 7). Damit soU nun keines-
wegs der religiose Offenbarungscbarakter geleugnet wei'den. Die Be-
zeicbnung Pbilosopbie" soil nur den geistigen Cbarakter der cbristlicben
Religion inarkieren und sie von dem Zaubertum der sonstigen orientali-
scben Pteligionen unterscbeiden. Die Lehre Cbristi wird nun als die
alleinige Wabrbeit bebauptet. Diese Behauptung ftibrt zu einer. zwie-
spaltigen Stellung zum Heidentum. Das ist begreiflicb. Soil das Cbristen-
tum als absolute Religion vorgestellt werden, so, ist das Heidentum als
Irrtum zu b^ezeicbnen, aber andrerseits wird es aucb Wahrbeiten ent-
balten, die im Gbristentum ibre Yollendung erbalten. Das Cbristentuin
stebt also im ausscbliefienden Gegensatz zu alien Religionen, und es ist
docb aucb ibr Abseblufi. Das Bewufitsein des absoluten Gegensatzes
.aum Heidentum ist sebr stark gewesen. .Alle Religionen der Menscbbeit,
auch die jiidiscbe, baben scbon Aristides, und vor ibm die Praedic. Petr.,
diirfte auch Arist. 1517 von ihr beebxfiuflt sein ; 10) den sich Bekehrenden wird,
da sie ev uyvoia _ gehandelt haben, Vergebimg- zugesichert (Clem. Str. VI, 6, 48
cf. Arist. 17, 4); 11); die Christen sind das r^irov ytvos und sie haben. die v.aivi]
diadifon (Clem. Str. VI, 5, 41), hieraus wird sich also die Bezeichnung ,,drittes
Greschlecht" erklaren, denii' es heiUt: VEOLV i^iiv die&e-co, rA ydcg 'JEHijvtov y.al
'lovSaicov Ttakcud, vfisls 8e ol xaivws odtbv rpmo ysvei aej-Sofisvoi y^umavoi;
12) der Grund zum Glauben wird in der Weissagung auf Christus eiblickt:
fTttarBvaafiev Tip deep Sift, t&v ysypctfifisvcov sis aiiiov (Christus), weiter:
ydg, OTI 6 'd'sbg aiira (die Weissaglingen) Ttgoaera^ev ot'tcos xal oiiSsv ars^
Uyofisv (Clem. Str. VI, 15, 128; vgl. Arist. 2, 7; 15, 1; 16, 3. 5; 17, 1). Es ist
Mernach klar, daB die meisten wichtigeren Gedanken bei Arist. ihre Vorlage in
der Praed. hahen. Die .Zusammenstellung der. Frgg. .der.Praed. nach der Dis-
position des Arist. wird den wirklichen Zusammenhang ungefahr wiedergeben.
268 13. Die Darstellung des Christentums durch. die altkirchl. Apologeten.
auf die eine Seite gestellt und deni Christentunv allein auf der anderen
Seite Raum gegeben. Und hierin hat die ganze Welt geirrt. Denn von
den Geschichten iiber ihre Goiter sind einige Sagen, einige nat-urlich und
einige Hymnen und Lieder (Arist. 13, 9). Die Christen aber . . . liaben
die Wahrheit gef linden. Und wie wir am ihren Schriften entnomtnen .
hciben, sind sie der Wahrheit und der genauen Erlcenntnis nahe, mehr
denn die ubrigen Volker (ib. 15, 1). ' ;
Yon diesein Standpunkt aus wird die heidnische Religion als ab-
geschmackte Torheit und als widerwartige Unsittlichkeit gekennzeiehnet..
Die Gotter der Heiden sind Danionen iind die Damonen sind diese-
Gotter. Sehon Sokrates hat die Macht dieser Damonen erfahren, gegen
die er zeugte, tind ebenso Cbristus und die Christen. Atheisten- schilt
man die Christen, wenn sie diese ,,sogenannten Gotter" leugnen, die in
Wirklichkeit nor den Guten schadenj oder in die Menschen eingeben,
xim sie krank zu machen (Just. Ap. I, 5. 12. 14. 21. Dial. 79fin. 83..
Tat. 18. Ath. 23. 25 ff. Minuc. 21 ff. Tert. 23). Als Schriftbeweis gait
Ps. 95, 5 : ol &eol T&V s&vwv dai(.wvia. Dazu konnte man sich auf
die Heiden selbst berufen, die ihre" Gotter in der Tat Damonen nannten,
freilich in anderem Sinn. 1 ) Oder man sah die Gotter in euhemeristischer
"Weise fur Menschen der Yorzeit an (Theoph. I, 9 ; H, 2 ; HI, 23. Ath. 30.
Minuc. 20 f.). Oder man sa,gte, die Gottheiten der Heiden seien die
Elemente (Arist. 36), oder naturphilosophische Deutungen der Welt
und ihrer Teile (Arist. 13, 7: TCSQI iGiv -3-ewv cpvowkoyia, Ath. 22).
Dazu kommt endlieh der Kaiserkultus (Arist. 7, 1 vgl. Seeberg z. St.,
Just. Ap. I, 17. 21. Tat. 4. 10. Theoph. I, 11). Zwei Punkte werden
aber stets rnit breitem Behagen und nicht immer geistreich dargelegt, :
die Unsittlichkeit der Gotter nach der Mythdlogie und die Sinnlosigkeit
der Yerehi'ung der Gotterbilder. Aber nicht nur der Yolksglaube ist
verachtlich und verwerflich, auch die Philosophen und Dichter sind nur
Forderer des Gotzendienstes (Arist. 13) , von Damonen inspiriert
(Theoph. II, 8) : nur widerspruchsvolles und gottloses Gerede brachten sie
vor (Tat. 2. Ath. 17. 20. Theoph. II, 8; III, 2f. 5ff. Minuc. 38. Tert. 46).
Das unleugbar Gute bei ihnen ist aus den an Alter ihnen . sehr iiber-
legenen jiidischen Propheten entlehnt (Just. Ap. I, 44. 54. 59 f. Tat. 31..
40f. Theoph. I, 14; in, 23: H, 30. 37fin. Minuc: 34. Tert. 47). Das
war ein feststehender Gedanke, wie andrerseits Celsus die christlichen
Schriftsteller zu Plagiatoren der Philosophen machte.
1) Vgl. z. B. das Wort im Munde des Celsus und des Origenes, bei Orig.
c. Cels.V, 2; YIII, 24. 28. 33. 45. 58 etc., andrerseits Y, 5; 711, 67. 68 f.; VIII,
13. 25 etc. ' . . . : .- , . ...
. , . . Christeiitum und Heidentum. . 269
Aber nicbt nur so wird die tjbereinstinimung der Philosophen und
Propbeten. erklart. Der bimmliscbe Logos , der sicb liberal! in der
mengcbliscben Yernunft auswirkt, wurde von den Cbristen fur Cbristus
rklart. Daraus ergab sicb ein Cbristentum vor- Christus oder ein Cbristen-
tum der allgemeinen Vernunft. Nur der Unterscbied bestebt, dafi . in
Cbristus der ganze Logos erscbien, wabrend in den Pbilosopben nur
.Teile oder G7t^Qf.iara des Logos wobnten. MeyakeiOTSQCi f.dv ovv rtdorjt;
av-9-Qcortelov didaaxaliag cpaiverai ra fyierega dia TO koyixbv to ohov,
ibv (pctyevta di fyi&s XQIGTOV, yeyovtvai xai aCo^ia xal loyov xat tyvyjfv.
c '0oa yaQ xaAwg ael fcp&sygavTu xat SVQOV cpiloaoyTJoavTsg i] VOJ.IQ-
dez-ijoavces, xaza Xoyov {.is^og di 3 SVQ^GSCOS ^ccl 0-ecoQias SGTI jtovrj&evva
avwlg (Just. Ap. n, 10). "Weil freilicb nur Logosteile in den Pbilosopben
waren, haben sie aueb mancbes Irrige gelebrt. Platos dtddyj-iata ver-
balten sicb zu den Lebren Cbristi so : oi'X akkoTQia tov XQLGTOV, a)J?
brt, QVY. SGTLV TcdvTr] o/.ioicc (Just. Ap. II, 13). Hieraus ergibt sicb nun
die doppelte ttberzeugung , daB alle Wabrheit, wo immer sie auftritt.
cbristlicb ist, und dafi alle verniinftigen Menscben Cbristen sind. "Oocc
ovv TtaQa n&ai xaAo)g 1^011 r^iCbv rCbv XgiGnavwv eo-civ, und: ol
(.leta Xoyov ^iwGccvres %QiOTiavol eioi, so Sokrates, Heraklit, Abraham,
Elias etc. (Just. Ap. II, 13; I, 46 cf. Mimic. 20 init.).
Der Welt des Irrtunis und der Unsittlicbkeit stebt nun die Cbristen-
beit gegeniiber als das ecbte Yolk Grottes, das wabre Israel und ' das
aQiiEQUTi-Aov yevog TOV &ov (Just. Dial. 116. 119. 123. 135). Hier
berrscbt ,,die wabre und reine Lebre Cbristi" (ib. 35). Ibr Inbalt.ist
der Glaube an den einen tiberweltlicben Grptt, an das- neue Gfesetz, das
Cbristus gebracbt, und an Lobn und Strafe ini Jenseits (Arist. 15, 2. 3).
Vor allem aber bat Cbristus die Menscben die ecbte Sittlicbkeit gelebrt,
die sich kundgibt in deni Leben der Cbristenbeit. Mit scbonem Stolz
\-erweist man auf das Leben der Cbristen, in dem Eeinbeit und Keuscb-
beit, Lauterkeit und Wabrbaftigkeit, Ebrlicbkeit, werktatige Bruderliebe
und Eeindesliebe berrscben (Ar. 15. 16). Damit ist das Gregenteil der
Laster der damaligen beidnischen Welt bezeicbnet (Unkeuscbbeit, Hab-
sucbt, Liige, Egoismue). Die' Siinden sind wie Stiirme, die das Meer
.der Welt bewegen, die Kirchen mit ibren Lebrstiiblen gieicben dagegen
den Inseln , auf denen man Zuflucbt findet im Sturm der siindbaften
Welt (Tbeopb. II, 14). Gregeniiber dem Wirrwarr der beidniscben An-
sicbten (Tat. 28) ist bier die eine Wabrbeit. Daber stebt es nicbt so,
als wenn das Cbristentum der Welt Scbaden bracbte , Avie die Heiden
annebmen. Im Gregenteil, das Christentum erbalt die Welt. Das Meer
der Welt ware langst ausgetrocknet, wenn nicbt der ZufluB der Strome
des Gesetzes und der Propbeten es gespeist batte (Tbeopb. II, 14).
270 13. Die Darstellting des Christentnms durch die altkirclil. Apologeten.
Welter kann gesagt werden, dafi die Welt iiberhaupt nur urn der Christen
willen ivnd wegen ihres Gebetes fortbesteht (Arist. 16, 1. 6; Just.
Ap. II, 7). 1 ) Und endlich wird auch darauf aufmerksam gemacht, dafi
das Christentnm die beste Stiitze des Staates sei, weil der Gedanke der
ewigen Strafe weit besser zur Erfiillung der Gesetze anleitet als die
zeitlichen Strafen (Just. Ap. I, 12). Einen Schritt welter 1st Melito ge-
gegangen, indem er das Aufbliihen des romischen Staates unter Augustus
mit dem Aufkommen des Christentums in. Verbindung bringt und geradezu
hehauptet, nur die schlechten Kaiser batten das Cbristentuni bedriickt
(bei Eus. b. c. IV, 26, 7f.). GewiB 1st bei diesem Urteil ein Stuck
Diplomatie wirksam, aber ibm liegt docb das grofie Selbstbewufitsein
der Cbristenbeit zu grunde, eine -weltgeschicntlicbe konservierende Mission
auszutiben, sicb als Salz und Licbt in der Welt zu betatigen (vgl. oben
S. 269). Die Christen haben die Wahrheit und die Sittlichkeit, sie sind
ein Yolk von Philosophen (Tat. 32; Ath. 11), daher sind sie das Mark
der Weltgeschichte, . sie erhalten die Welt und urn ihretwillen lafit Gott
die Welt nocb. fortbesteben.
4. Wie kann nun die Bebauptnng, das Christentum ist die Wahr-
heit begriindet werden? Zunachst wirkt der alte Beweis des Geistes
und der Kraft nach. Wer das Evangeliuia liest, enipfindet die Kraft,
,.welche iiber ihna ist" (Arist. 2, 7); die Worte , denen die Christen
glauben, sind voll von heil. Geist, von Kraft und Gnade (Just. Dial. 9.
Tat. 29). Andrerseits sind sie Ausdruck der Yernunft und konnen
daher auf die Zustimniung aller Yerniinftigen rechnen. Es gebort zur
Natur jedes Menschen, dafi er Ehebruch, Hurerei und Mord fur bose
halt und dafi er von seiner Yernunft zur Gerechtigkeit angetrieben wird
(Just. Dial. 93. 141). Nichts anderes aber als ih cpvosi xa^a xt di-
xata (Dial. 45) baben Moses, die Propheten oder Christus gelehrt. Die
christliche Moral bedarf daher keines Beweises, sie ist dem verniinftigen
Menschen angeboren und ihre Yerkiindigung erweist ihre gottliche Kraft
in ihm. Anders steht es nun aber mit den christlichen ..Dogmen",
Avie clem einen Gott, Christus, dem Gericht , dem Weltende. Gerade
diesen Lebren wird Neuheit und Torheit vorgeworfen (Teoph. HI, 4 cf.
Gels, bei Orig. HI, 26 ; YUE 12). Aber von Neubeit kann nicbt die
Rede sein, da die Propheten, die alle diese Lehren schon haben, weit
alter sind als die heidnischen Philosophen (Tat. 29. 31. 40. Theoph. Ill, 29).
1) Vgl. Tert. Ap. 39: oramus etiam pro imperatoribus . . . pro rerum
quiete, pro mora finis. Dieser Vorstellungskreis, daB uin der Christen willen
xvnd dxirch sie die Welt bestehe, ist dem analogen Gedanken des Judenturns nach-
gebildet, vgl. Weber, Syst. der altsyn. Theol. S. 58. 202. 287 ff., s. ttberhaupt
Seeberg, Arist. S. 304 f.
Die Methoden des apologetischen Beweises. 271
Die Weissagungen des A. T. dienen nun zum entscheidenden Beweise
fur das Christentum. Sie enthalten alles, was immer ein Philosoph iiber
die ersten und letzten Dinge zu wissen braucht (Just. Dial. 7), und sie
entsprechen der Bedingung, die auch ein Plato der Wahrheit gestellt
hat, dafi sie von Grott stammen miisse, denn sie waren von Grott inspiriert.
Sein Greist bewegte die Propheten, sodaB sie die Wahrheit sagten, Grott war
der Motenblaser und sie die Mote. - 1 ) TJnd was immer sie sagten liber
Christus, iiber seine Lehre und sein Gfeschick, iiber die Erommigkeit,
iiber Lohn und Strafe, das ist bis in einzelne hinein in Erfiillung ge-
gangen und gent andauernd in Erfiillung. Das ist der "Weg der christ-
lichen IJberzeugung, dafi man an die Schriften der heiligen Propheten
herankommt ,,die durch Grottes Greist das Greschehene vorhersagten so,
wie es geschehen ist und das Gfegenwartige so, wie es geschieht und das
Zukiinftige in der Ordnung, in der es zustande kommen wird"
(Theoph. I, 14). Auf das eingehendste und sorgfaltigste fiihren die Apo-
logeten diesen Weissagungsbeweis (zi B. Just. Ap. I, 30 53. Dial. 28. 32.
Theophil. Ill, 17). Er findet auch auf Christi Ausspriiche Anwendung,
denn auch sie gingen in Erfiillung (Just. Ap. I, 12). Hierin gipfelt
der apologetische Beweis fiir das Christentum. Das H. T. wird durch
das A. T. begriindet. Es ist wahr, was im N. T. gelehrt, gefordert
und verheifien wird, denn in ferner Yergangenheit haben es inspirierte
Manner vorhergesagt. Diese Betrachtungsweise hat sich clann tief in
das kirchliche Bewufitsein eingegraben ; sie ist es gewesen , die dem
A. T. seine Getting als christliche Schrift erhalten und die Methode
seiner Interpretation bedingt hat.
Im A. T. ist sonait die neutestamentliche Wahrheit in der Eorm
der Yorhersagung enthalten. Das Kecht der bisherigen Besitzer des
A. T. wurde nun eigentiimlich beschrankt. Sie sind schuld daran, daB
zu dem eigentlichen geistigen Gfehalt des Gresetzes das Ceremonialgesetz
gefiigt wurde, um ihrer sinnlichen Harte willen (Just. Dial. 19 22. 42.
44. 46. 67). Doch enthalt auch das Ceremonialgesetz verhiillte Be-
ziehungen auf Ohristus (ib. 44). Dann aber haben die Juclen durch
1) Ath. 9: ot von 'exaraaiv rcav ev a&iois ^oyiaficov xivrjaavcos aiiToits ton
&siov Ttvetifiaios # evqoyovvio e^sycovrjaav avyxgrjaauevov TOV nvetifiaros coael y.al
aiihrj-tiis avKbv efinvsTjaai. Tat. 13 : rtvevf.ia. Ss TOV -dsov naoa naaiv /.IEV ovx
sari, Ttapa Se tiai rols Stxaicos ztoliTevo/uevots "/caraydfisvof y.al avfiTrksy.ofisvoi' rij
y v Xli ^"^ rt(>oayo<)Bvoecov tats hoiTtaZs ifiv%als to xexgvftfievov dvijyyeihe. Theoph..
II, 9: ot SE TOV dsov avdoeonoi rtfev ^aTocpoooi jtvevfiaros ayiov y.al TtoocpfJTca
yt.v6f.ie.vot,, vTt' OVTOV TOV deov sfiTtvevo&evTes f.a.1 aotpiad'evTes, eysvovTO -dsoSiSay.TOi.
. . ., doyava d'eov ysvofievot, y.al %coorfaat>Tes aoyiav T>]V jtuo aiiTOv, Si ?js aoipias
elTtov y,al ra Tteol ifjs y.Tiaecos TOV y.6a t uov y.al tajv loinmv UTtavicov. Auch die
Sibylle gehort hierher Theoph, II, 9. 36 f. . . . .
272 13. Die Darstellnng des Christentums durch die altkirchl. Apologeten.
ihre 8i8a.yf.iaia. die Gottes yerdrangt (Just. Dial. 78). Sie sind daiher
nicht mehr das Yolk Gottes; 1 ) geniafi den Weissagungen sind jetzt die
Christen aus. den Heiden das Volk Gottes und das rechte Israel (Just.
Dial. 25. 26. 123. 135 fin.). Das Christentum ist der neue Bund Gottes
init der Menschheit, der das alte Gesetz durch ein neues raid die sinn-
bildliche Beschneidung durch die Herzensbeschneidung ersetzt (Just.
Dial. 11 f. 51. 67. 24. 113).
5. Welches sind nun die christlichen ,,Lehren" ?
Gott ist einer, der Schopfer, Bildner und Erhalter der Welt,
sowie der Gesetzgeber. Seine" Yorsehung regiert die "Welt. Die Er-
kenntnis Gottes Ayird aus der Beobachtung der Welt und ihrer Ordnung
gewonnen, 2 ) wie es in der Philosophie iiblich war. Der unsichtbare Gott
ist ein unerzeugtes, nanienloses, ewiges, unfafiliches, unveranderliches, be-
ditrfnisloses, von alien Affiekten freies Wesen (Arist. 1, 4ffi. Just. I, 10.
13. 25. 49. 53; II, 6. Dial. 127. Tat. 4. Ath. 10. 13. 16. 44. 21.
Theoph. I, 4. 3; H, 10. 3. 22). Er hat alles um des Menschen willen
geniacht auch dies ist ein stoischer Gedanke , und ist daher zu
lieben. (Arist. 2. Just. I, 10; II, 4. Tat. 4. Theoph. I, 4 fin.; II, 16).
Er schuf die Welt aus deni Nichtseienden und gab dem Stoff dann die
Eorni (Theoph. II, 4. 13. 10: TQOrtci) xivl vh\v yevr]xriv, vnb wu -3-EOv
yeyovvlav , &cp* ?^g fCftoii]"/.v v.a.1 df.dt^aovqyrf/.Ev 6 S-ebg ibv v.6aj.iov).
Aber iiber clieser unserer Welt gibt es noch andere obere Welten
(Tat. 20). .Zu diesen gehoren die ,,Krafte" oder die Engel, die fur die
Einzeldinge in der Weltordnung Sorge zu tragen haben. Ein ^Ceil von
ihnen ist aber abgefallen aus IJbermut. Es ist der aQ%uv trjs vlyg oder
der Teufel saint anderen Geistwesen. Einige unter ihnen haben sich,
nach Gen. 6, mit irdischen Weibern eingelassen und die Giganten erzeugt.
Diese Engel sind voin Himmel hinabgestiirzt und bewirken nun die ihrem
1) Giinstiger urteilt Aristid. 14, vgl. Seeberg a. a. 0. S. 295 f.
2) Vgl. Ilist. I, 6. Ath. 7. 8. Arist. 1, 1 f . : e-/a> fiaailev Ttijovoiu -9'sov ifidov sis tbi>
v.6a(j.ov "Mi 9'soji)i]oas tbv oiiQnvbv y.al i-r\v yf/v VMI i^v Q'd/.aaoav jjhidv IB r.ai to. hotztd,
i&avfiaaa T>}V Siazoofiijaiv to^tcav. YScbv e ibv y.6a t uov xal TO, ev aiitco TidvictoTi
y.Hia djv&y/.TjV y.ivelrai, ovi'rj'/.a ibv '/.IVOVVTO. y.al 8ici.y.QO.'tovvia eivat &EOV. Theoph.
I, 5 f . ; III, 9 : fjfists Se y.al -d'ebv 6fio).o-/ovfiev, H'lti evrt, ibv KtiafrfV '/ecu
v.(Ci Sr//uiovoybt> rovSs rov Ttavrbs y.oauov, y.ai TtQOVoiu ia Tt&VTO, Sioiy.eZa&ai eTt
,6i9', d/J' vx ainov fiovov, y.al vofiov ayiov fisuadrjy.afiiv, d/J.a vofiod~eTi]v : &%o l uei>
ibv OVTCOS D*e6v, os '/MI SiSday.ei -f^tas Si^aiOTt^aysi/^ y.al EiiaefieTv y.nl '/.alortotelv, es
folgeu die zelin Gebote. In diesem Gedankengefiige ist alles aus der griechischen
Philosophie entlehnt : die Erkenntnis Gottes aus der Naturordnung, die Smy.oa-
fiijais, TtQovoia s. die Stelleu bei Seeberg, Ap. d. Arist. S. 281 f. Amn. 1. Das-
selbe gilt von den oben ^yeitel mitgeteilten Attribiiten des g.ottlichen Weseus s.
a. a. 0. u. S. 221.
Der Gottesbegriff der Apologeten. 273
Wesen entsprechenden Kegungen in den Menschen, sie. ziehen die Geister
der Menschen zum Irdischen herab und erzeugen Siinde, Krankheit und
Wahnsinn in den Menschen. Sie haben ihre Wohnung in der Luft und
auf der Erde. Sie sind hylisch geworden und die geistlichen Menschen
konnen auch ihre Leiber sehen. Das Bose ist ihr Element. C ds ^g
vfajg aQ%cov ... svaviia rep aya&fy rou 3-eov ^ftLTQOjrsvei KCCI diow.el
(s. bes. Ath. 24 f. Tat. 15 ff.). Diese Betrachtungen Averden ausfiihrlich
und mit schwerem Ernst vorgetragen. Die Damonologie, die ja auch in
den apokryphen Apostelgeschichten eine so grofie Holle spielt, wird mit
den Elementen des Yolksglaubens imnier kraftiger Versetzt und immer
tiefer in das religiose Bewufitsein hineingezogen.
Bk'ckt man auf diese Gredanken zuriick, so ist zweierlei von Wichtig-
keit. 1) Die hellenische Bestimniung des Gottesgedankens, die iiber den
abstrakten Begriff des absoluten Seins, der ovoia ertsxeiva ir$ ovaiag
nicht hinausreicht. Das Beste am christlichen Gottesgedanken vermag
man theoretisch nicht zu formulieren aus Eurcht, durch konkrete Eor-
meln die Gottheit in das Mythologische und Kreattirliche hinabzuziehen.
.2) So ist eine Kluft zwischen dem absoluten Gott und clem wirklichen
Leben eroffnet. Engel und Damonen fiillen sie aus. Aber das geniigt
nicht. ,,DaB der Schopfer des Alls und Vater alles TJberhimmlische ver-
lassen und auf einem kleinen Teil der Erde erschienen sei, wird niernand,
der auch nur etwas Yerstand hat, zu behaupten wagen" (Just. Dial. 60.
127). Der raurolose Gott 'kann nicht in der Welt erscheinen. (Theoph. II,
22). Also beda^ es , um jene Kluft zu schliefien, eines Mittehvesens.
Das ist der Logos.
6. Der Logos ist der Sohn Gottes und sein Mittler in der Welt.
Jede "Wii'kung oder Erscheinung Gottes in der Welt ist "Werk des Logos.
Alle Theophanien sind Christophanien (Just. Dial. 127), denn Ghristus
ist der gb'ttliche Logos. 1 ) .Zwei Interessen begegnen sich in diesem Ge-
danken, einnial mufi ein gottliches Mittelwesen angenommen -\verden, dann
aber muB das Wesen Christi in einer den Heiden verstandlichen und
imponierenden Form ausgedriickt werden. Wir iiberblicken zunachst das
Material.
Urspriinglich war Gott allein, aber verinoge der ihm eignenden
dvva(.ns trug er den Adyog in sich. Qeh^iari de vfjs aTfkoTrjTOg
TtgOrtydq o Ao'yog. Er ist egyov TCQIOTOTOXQV tov- nctTQog (Tat. 5
cf. Just. Ap. II, 6. Dial. 100. Ath. 10: rcgwrov yevvr^a . . . ov% wg
1) Justin. Dial. 61: &(>"/ilv Ttgb Tt&vrcov iwv xnofidTcov 6 &eos yeyevvtixei'
Tiva si- savrov loyixrji>, jjris v.cu. dot; a y.vQiov iiTtb TOV Ttpevtiaros tov dyiov
, Ttors Se vlos, Ttoie Se.aotpia, ifore E ciyyekos, TTOTS ds &eos, TTOTS
Se '/.tiptoe "/.al koyos, TCOTS Se d()%iOT(> aTtjyov eavrbv ).eyei (Jos. 5, 131), cf. 34.
Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 18
274 13- Die Darstelhmg des Christentums durch die altkirchl. Apologeten.
, ef <xQ%fjs yag 6 d-edg, vovg &idwg &v, sl%ev ambg sv savvy
TOV "koyov, aidlcog hoyixbg wv). Der Logos ging in geistiger Weise aim
clem Yater hervor, durch den Willen wie etwa ein Wort aus uns hervor-
gelit. Also ist an keine pliysisclie Abtrennung vom Yater zu denken : xyv
dvvaf.uv Tavzrjv ysysvvriaS'ai ano TOV TtarqoQ dwd(.iei v.a\ fiovhfj
avTOv, &M? ov Ken; 3 ajtoto/.ir]v &g a7tofiSQt^O(.tvrig wjfg tov rtctTgbg
ovaiag. Also wird der Yater durch diesen Yorgang nicht kleiner, wie,
auch ein Eeuer das andere, welchem es entstammt, nicht kleiner macht,
wohl aher dasselbe ist mit dem ersten Feuer (KOI TO e avwv avaq^BV
"/.al avrb ov (paiviTcci, ovx ekaTT&oav ixelvo ej; ov av^cpd-ri Just. Dial.
128. 61. 100. Tat. 5). Nicht ein Engel ist er, sondern Gott, deos nicht
Q &e6s (Dial. 60, dagg. Ap. I, 6). Aber er ist im Yerhaltnis zu dem
Yater srsgov XL und a'AAog Tig, und zwar der Zahl, nicht dem Begriff
nach, wie ja jedes yevvcbfievov ein anderes der .Zahl nach ist als der
ysw&v (&QI&PV &M ov yvdnrj, Just. Dial. 56. 50. 55. 62. 128. 129).
So ist der Logos Gott neben dem Yater und ihm allein kommt auch wie
jenem Anbetung zu (Just. Dial. 38. 63 f. Ap. H, 13).
Durch den Logos nun hat sich Gott offenbart. Er ist es, der im
A. T. den Menschen erscheint (Just. Dial. 56 ffi. 60. Ap. I, 36). Er
ist der Bote Gottes, o fjf.tTQOs diddaxakog Y.CU artooTohog, er ist -fredg
yvtOQt6iievos (Just. Dial. 60. 127. Ap. I, 12. Dial. 64. of. Teoph. II, 22).
Als Gott die "Welt erschaffen wollte, zeugte er die Yernunft, welche ei v
in sich trug (koyog ivdid&ETog) zum Ao'yog 7tqo(poqi7.6^ d. h. er liefi die
ihm immanente Yernunft sich als Wort nach aufien hin wahrnehmbar
machen. Diese Termini kommen schon bei den Stoikern und Philo vor. x )
Christus ist also die Gott immanente Yernunft, die er in eine be-
sondere Existenz versetzt. Als gottliche Yernunft ist er nicht nur bei
der Schb'pfung und in den atl. Propheten, sondern auch in 'den heid-
nischen Weisen wirksam gewesen.
Nichts an diesen Gedanken ist spezifisch christlich, alles ist Wieder-
gabe des beliebten landlaufigen Dogmas der Stoiker, von der die Welt
durchdringenden gottlichen Yernunft (s. oben, S. 29 f.). Auch das war
nicht neu , dafi man die alttestamentlichen Gotteserscheinungen und
-wirkungen dem Logos zuschrieb, das hatte schon Philo getan (oben S. 53).
1) s. Heinze, Die Lehre vom Logos S. 140 ff. 2311, vgl. Orig. c. Gels. VI,
65. Theoph. . II, 22: ... tbv loyov ibv owia. Sia Ttrtvrbs IvStaQstov ev xapSiq.
3sov. II()b yd(> n ylveffd'ai IOVTOV EI%BV aij^iftov'/MV eavrov vovv '/.al tp^ovrjaiv bvia.
'Onoi's Ss i/d'etyaev 6 -9'sos itoifjaai oaa eflovheijaaTo, IOVTOV ibv hoyov f-yvvi]aev
7toq(fO()i"/,6v, TtQiototo'/.ov tiddi^s "/.iiaew, oil xevcoflels avibs- ?ov ).6yov &/JM ).6yo : t>
ysvvriaas '/.al t(y l.oyip a-drov Sia Ttctvrds bf.iiku>v, cf. 10. Ath. 10. Tert. adv.
Prax. 5 : sermonalis und rationalis, ebensq Galen, proptrept. (Opp. ed. Kiihn I, 1) ;
a Tip' .ipwvry und '/.ata. trjv yv/jjv.
. ; - - Die- apologetische Logoslehre. - 275
Neu dagegen war die bewufit personlicbe Fassung des Logos. 1 ) Sie ergab
sicb .konsequent aus der Absicbt den Logos mit Cbristus zu identifizieren.
An dieser Absicbt 1st zunacbst ems von grofier Bedeutung, es 1st die
vorausgesetzte cnristliche Anschauung von Cbristus. Nicbt Sokrates,
Moses oder die Propbeten zog man- zur Yerdeutlicbung der Cbristblogie
beran, sondern den -,,anderen Gott" oder den Logos. Daraus ergibt sicb
mit-grofiter Gewifibeit, dafi die berrscbende Ansicbt von Christus ibn
als- gottlicb und Gott ansab. Wie sollte dies den Heiden verstandlicb
gemacbt werdn, obne in die ,jFabeln" der Grottersobne zu- verf alien
(of. Ath. 10)? Es war ein genialer Griff, dafi die Apolegeten zu dem
Zweck den Logos berangezogen. Das war ein jedermann verstandlicber
und bekannter Begriff, aucb in cbristUcben Kreisen war er, wenn aucb
in anderem Sinn, braucblicb. Aber weiter konnte man boffen, durcb.
diesen Begriff die Scbatzung Cbristi, die man batte, im wesentlicben
klarzustellen. Da6 er Gott ist und Gott doeb einer ist, dafi er gewirkt
bat vor seiner irdiscben Erscbeinung und dafi er nacb ibr -wirkt iind
berrscbt, dafi alles Gute, "Wahre und Yerniinftige von ibm berriibrt
das wurde jetzt deutlicb. Was Paulus intuitiv empfunden und behauptet
batte- von seinem Cbristus, das wurde bier plan und klar, eine "Wabrbeit,
die jedem Verntinftigen einleucbten mufite. Wenn j es die Aufgabe der
Theologie ist, die Offenbarung in die Denkweise ibrer Zeit zu iibersetzen,
so baben die Apolegeten nur = eine tbeologiscbe Pflicht erftillt. Aber
dieser tlbersetzerarbeit der Tbeologie baftet immer die scbwere Gefabr
an, dafi sie mit $er Eorm aiicb die Sacbe verandert, dafi sie nicbt nur
anders redet, sondern aucb anderes sagt. Dieser Gefabr sind aucb- die
Apolegeten erlegen. -Nicbt dafi sie Spekulationen ange'sponnen baben
iiber-das rnetapbysiscbe Verbaltnis des Sobnes zum Yater, war eine Gefabr,
denn derartige Spekulationen sind notwendig und feblen daber in keiner
Zeit mit kraftigem religiosen Empfinden, sondern darin lag die Gefabr/
dafi man durcb das neue Gfedankengeftige genotigt wurde das Heilswii'ken
Cbristi einzuscbranken und zu redxizieren. Eeligiose und etbiscbe Belehrung
ist -binfort Obristi "Werk, die bocbste Aufklarung bringt er der Menscb-
beit, ist er docb die gottlicbe Yernunft' und als solcbe alien Yerniinftigen
immanent. Nicbt die Spekulation war eine Gefabr, sondern die rationali-
stiscbe griecbische Tendenz, die die Bicbtung dieser Spekulation bestimmte.
j 1) Man kann im ganzen sagen, claB der alte Logosbegriff Christus als Wort,
Offenbarung, Gesetz, Bund'bezeichnete (s. oben 82. 93. 101 f.), der neue ^dagegen
als Vernunft; aber -bei Justin lauft die alte- Anschauung .nock nut unter, wenn
ef ;Ghristus vdpos und Sia&rjxrj nennt (Dial. 43. 51), oder "koyov rbv Ttaqa d-eov
j- I,--'22), oder Dial.. 128: loyov y.alovat, STteiSr] aal rds Ttaga rov
- ; r . . . . :
18*
276 13. Die Darstellung des Christentunis xltirch.die altkirchl. Apologeten.
Auch die Trinitat s lehre ist in der Folge durch die, neue Christo-
logie befruchtet worden. Zunachst aber kann man iiber die Wiederholung der.
gelaufigen Formel nicht sondeiiich hinaus. Neben dem Wort" wird.
erwahnt die Weisheit Gottes oder der heil. prophetische Geist, doch tritt
dieser gegen jenes zuriick (Just. -Ap. I, 6. 13. 60. 61. Ath. 10. 12. 24).
Der Diener Christi und der Bote Grottes ist der heil, Geist (Tat. 13. .15);
Jedenfalls aber ist die Trinitat ein Stuck- des Gemeindeglaubens. Der
Ausdruck TQKXQ zuerst Theoph. H, 15. Den Heiden gegeniiber war
es nicht veranlafit von. diesem Begriff eingehend zu reden, und das urn
so weniger als man auch praktisch zunachst das Interesse. nur ,auf das
Verhaltnis des Sohnes zuin Yater konzentrierte. Aber schon beginnt.
das religiose Streben sich der Erkenntnis der Trinitat zu bemachtigen. 1 )
7. Der Logos ist Mensch geworden. Das ist an sich nicht un-
nioglich, denn ist er oft in mancherlei Gestalten in dem Alten Testament
erschienen, warum konnte er nicht auch Mensch werden. ,(Just. Dial.
75 fin.) ? Aber wie ist die Menschwerdung zu denken ? Zunachst ist
klar, dafi die Yorstellung von der Yereinigung des gottlichen Greistes mit
dem Menschen Jesus bei der Taufe verschwunden ist. Eiir Justin ist
Christi Taufe zu einern Problem geworden und er ist dessen gewifi, dafi
Christus um seinetwillen der Herabkunft des Geistes nicht bedurft habe
(Dial. 88). "} Yielmehr ist durch die Geburt aus der Jungfrau der Logos
nach Gottes Willen ,,Mensch geworden". IIQOTSQOV kayos &v -.- . . vvv
de dice -3-^(.t(XTOs -9-eoij . . . av-S-Qtonos ysvo/.ievos (Just. Ap. I, 63. 23).
Osbg rtQOiJrtd()%iiiV wurde er, nach Gottes Willen, accgxoTtoirj&eiQ (Just.
Dial. 87. 48. Ap. I, 32). Die .Meischwerdung fafit nun sowohl den
Besitz von Fleisch und Blut (oaQXOTtoirjd-els . . . 7.ai adQYM xal alf.itt
O%SV Just. Ap. I, 66), oder eine Leibwerdung (asouf.HXftoifjO&ai Dial. 70)
in sich, als auch das Werden zu einer menschlichen Seele. Das sagt
Justin ausdriicklich, wenn er die Erhabenheit der christlichen Lehre
riihmt dice TO hoywov TO blov, tov cpavevta di 3 fjf.iag Xqiorov, yeyovsvoti
y.al a5)/.ia yial hoyov -/,al ijjwyjjv (Ap. II, 10). 3 ) Dabei ist aber die An-
sicht keineswegs die, dafi der Logos aufgehort habe zu existieren, spndern
Christus ist ,.Gott und Mensch" (Dial. 71), oder ,,Gottessohn" und
1) VTIO (.idvov e TtatjaTtefiTtofisvoi tov tov Q'ebv v.ni ibv 7M(f aviov l.oyov
slSevai TIS i] tov TtniSbs itQos TOV mnsQa voTt]s, fis ?/ TOV Tta/iqas Ttqos TOV vibv
s.otvcovia, TI TO Ttvsv/ua, Tig fj TWV TOOOVTCOV evcoais "/MI diaipeffts evovfievcov, TOV
Xvetifia'ros, ton itctidos, TOV Ttar^os; (Ath. 12).
2) Die Taufe ist durch den auch sonst bezeugteii sageuhafteu Zug, ausge-
schmiickt: y.al TIVO avrjcp&r] ev Tq> 'lopSdvi], s. Otto z. d. St.
3) So ist die Stelle zu interpungieren xiiid zu erklaren (gegen Qtto, vgl.
Engelhard t S. 120 ff. und Veil). Auch Ap.olinarius hat ausdrticklich , einer
menschlichen Seele Christi gedacht, s. das Frg. im Corp. apol. IX, 486
' ' Die Menschwerdung des Logos. 277
,,Mens'chensohn" (Dial. 100). Mit diesen Begriffen wird fortan ent-
gegen ihrem urspriinglichen Sinn einf ach die Grottheit und Menschheit
Christi bezeichnet (vgl. oben S. 90). Gredanken dieser Art fingen in
jener Zeit uberhaupt an haufig zu werden, wie man- besonders an den
Fragmenten Melitos sehen kann, der geradezu von der gottlichen und
menschlichen Substanz redet, die in Christi "VVirken offenbar geworden
sei. 1 ) -Zwei Naturen und eine doppelte Reihe von Betatigungen unter-
schied man also in dem Leben des fleischgewordenen Logos. Die vor-
ausgesetzte Einheit des Subjektes ermoglichte es aber auch von dem
Leiden des Logos zu reden. c (9 TteTCOv&wg &s6g nennt ihn Tatian (l'3)j
und Melito schrieb : 6 i^eog rteTCOV&ev, impassibilis patitur (Corp. apol.
IX, 416. 419. 420 cf. Just. Ap. IE, 13). Aber derselbe ist jetzt nicnt
ein gekreuzigter Mensch, sondern der Sonn GrotteSj den die Christen
neben dem Vater ,,an zweiter Stelle" und samt dem propbetiscnen Greist
verebren (Just. Ap. I, 13. 53), wie das nacb den Axisspriicben der
Propheten berecbtigt ist .(ib. 30 fL)~.
Somit ist deutlicb, dafi der Logos Mensdfe geworden ist, aber so,
dafi er Grott und Mensch war/ oder Grott blieb und Mensch wurde.
Aber eben in diesem Gedanken ist der Anlafi zu einer zweiten
Betrachtungsweise enthalten. Sobald man namlich an die TJnveranderlich-
keit und Fertigkeit des Logos denkt, tritt an die Stelle der Mensch-
werdung die Annahme einer zweiten Natur, der menschlichen ; oder
statt vom menschjewordenen Logos redet man von dem ^eog iv avd'QMTtov
[.lOQCpfj (Tat. 21). Demgemafi ist dann die Menschwerdung im Sinn des
Eingehens in die Menschennatur oder der Annahme dieser zu denken.
So sagt Aristides : Und dieser loird bekannt als der Solm Goltes des
Hochsten, und es heifit, dcifi er heralgekommen ist in heiligem Geist vom
Himmel und von einer hebrdischen Jungfmu nahm und cmzog Fleisoh,
1) Dabei hat Melito auch der Taufe Christi gedacht und zwar nicht auf
sie die Gottheit Christ hegriindet, wohl aber nach ihr das Leben Christi in zwei
Abschnitte geteilt: i& ya^ /.leva-ib fidTtnofia vTtb Xfjiarov Tttictydevia, y.al {idlicna
ta atjfieia, %i]v avrov y.ey.^vf.i/.isvt]-!' BV aa^y.i dsoT^ia e8ri).om> . . . Osos
s v.a.1 av&QCOTios ve&eios 6 (linos r&s Svo aiiTov oitaias
v, ii]v ftijv -d~e6rt]Ta. ui>rov Sia rwv oqfieicov iv TI] Tgieriu if, fisia. TO
Se avdycoTtoTiita ainov ev -cols i^iAr/.oviu ZQOVOIS 1013 TtQo tov
ois Sia TO aTsles TO xaiot, adgxa, djeex^yfis 10. <?r)fieTa. irjs avrov d'soTijros,
&sbs dkii&ijs TtQoatcavios vrtdo%a>v (Corp. apol. IX, 415f.). A Maria
portatus et.patre suo induhis . . ., corpus induens et simplicitatem naturae suae
divinae non coarctans . . . Stabat coram Pilato et sedebat cum patre, affixus
erat ligno et tenebat universum. (ib. p. 420). Im iibrigen" gehort Melito mehr zu
Irenaus und Tertullian als zu Aristides und Justin.
278 13. Die Darstellung des Christentums;durcli die altkirchl. Apologeten.
und es. wohnte 'in ernes Menschen Tochtef der Solin Gottes (2, 6).' 1 ) -Die
Stelle zeigt, daJ3 Cbristus als Geist voin Himmel herab kam uhd sicb
mit dem in der Maria erzeugten FJ.eis.ch verband. 2 ) Aber wie 1st dies
Fleiscb entstanden ? Das sagt Aristides nicht. Aber wir erbalten bei
Justin eine neue Antwort darauf. Der Greist und die Kraft, die
nacb.Luk. 1, 35, uber die Jungfrau konimen, sind nichts anderes als
der Logos, s.elbst. 8 ) Der Logos selbst bewirkt also, dafi er als '.Menscb
in der Jungfrau entstebt, wie er aucb Auf erstebung und Himmelf ahrt
seiner Meuschlieit bewirkt. 4 ) Demgemafi konnten aucb. die Magier das
Kind Jesus anbeten, denn gleicb nack seiner Geburt besafi er scbon :Seine
gottlicbe Logoskraffc. 5 ) Die Mitwirkung. Grottes bei der Entstebung Jesu
bat Justin in der Formel ..nack dem. Wiljen des Vaters" ausgeda'iiekt
(s. die Stellen S. 276), die Entstehung selbst 1 1st durcb den Logos bewirkt-.
Demnach. 1st Cbristus als Gott der Erzeuger seiner Menscbbeit und als
Menscb das Erzeugnis seiner Gottneit. Das ist ein anderer Gedanke als
der im altromiscben Bekenntnis ausgesprocbene.
Die beiden Typen dan.- Menschwerdung, die wir bei den apostoUscben
Vatern fanden (S. 100) sind aucb jetzt nocb vorbanden : der Logos ist
Menscb geworden, und der Logos bat sicb mit einer Menschennatur ver-
bunden. Aber die erste Eorm ist die beberrscbende geworden. Indem
nun Justin Jesus zum Gescbb'pf des Logos naacbt,. bat er die zwei
Naturen in Cbristus anerkannt, aber zugieich die denkbar engste Yer-
einigung ZAvisclien ibnen ausgesprocben. Die popular-] obanneiscbe Idee
beberrscbt diesen Gedanken, der Menscb Jesus ist in vollige Abbangig-
keit A'oni Logos gebracbt, die Menscbwerdung ist nicbt mebr die Her-
stellung einer besonderen Beziebung zu einem gescbaffenen Menscben,
1) Ziun Text und zur Erklarimg der Stelle s. Seeberg a. a. 0. S. 329 f.,
sv Ttvevpaxi &yi(p 1st zu eiklaren durch ,,als h'eil. - Geist", wie sv gebraucht wird
z. B. 1. Petr. 3, 19. 1. Kor. 2, 7. 2. Makk. 4, 30.
2) Vgl. das Fragm. des Aristid. : omnes dolores vere passus est in corpore
suo, quod beneplacito patris- de virgine Hebraea, assumpserat atgiie sibi ineffdbili
et indivisibili unione coniunxerat (Seeberg, Der Apologet Arist. S. 68), ' auch
Melito: pater misit filium suum e coelo sine, corpore, ut postqiiam incarnatus
esset in utero virginis etc. (Corp. ap. IX, 419).
3) Ap. I. 33 : TO TCvev/Lia. oi>v y.al ii]v Svvauiv irp> Ttapa lov 9'sov oiioev aL^o
vofjaui -Oefiis ?/ tbv ),6yov.
4) Ap. I, 46: Sia Svvdfiecos TOV }.6yov y.ara rrjv rov Ttarrjos Ttdvrcov y.al
SeoTtorov &EOV /3ovli}v Sia Ttagdsvov avd'Qionos aTts'/.vq&i] y.al 'Iqaovs BTCIOVO-
fidadri, y.ul aravtjco&eis '/M aTtod'aywv dvtotr] y.cu d.vstofivd'EV sis oiigavov.
5) Dial. 88: xal yaQ ysvv>]9'e\$ dvvafiw Tip', fdnov %a%e. Ini iibrigen sagt
diese Stelle von Jesus eine iiatiirliche Eutwieklung .aus: '/Ml uv^dvcov y.uid, TO
y.oivov . . ., xpcbfisvos Tols apfio'^ovai, ey-dorri ait^ijaei TO olxeTtov ditsvEiue, rt)S(p6-
JJ.EVOS ias ttdaas rooyidg. :.
Die ErlBsung bei Justin. '"' 279
sondern die Schopfung dieses Menschen. Der Logos wird Mensch, indem
er sich zum Menschen macht.
8. In der Anlage der Christologie ist es begriindet, dafi alles Ge-
wicht in der Erlosungslehre. auf die aufklarende Wirkung des Logos
fallt. Wie der Logos vor seiner Menschwerdung sich. in den verniinftigen
Menschen offenbarte, so gibt er als ,,der neue Gesetzgeber" (Just. Dial. 18)
den Menschen das neue Gresetz, das ein verniinftiges und tugendhaftes
Leben fordert, sowie die Yerheifiung von Lohn und Strafe. Dazu
kommt die Belehrung liber den einen G-ott (Just. Ap. I, 12 19). Das
ist der neue Bund, der den alten aufhebt. Christus selbst ist ,,das ewige
und endgiiltige Gesetz," ,.das ewige Gesetz und der neue Bund" (Dial".
11. 43. 51). Das Neue, was Christus der Menschheit bringt, ist also
nichts anderes, als das vernunftgeinaBe an das Herz des Menschen sich
richtende Gresetz, dazu wurde der Logos Mensch, una durch diese seine
Lehre das Menschengeschlecht umzuwandeln (Ap. I, 23). Er wird wohl
als Konig bezeichnet, aber auch dies hangt niit seiner Stellung als Ge-
setzgeber zusammen (Dial. 34). Das Gresamtwirken Christi fafit sich
also Justin, deni einzigen Apologeten, der genauer auf diese Prage ein-
geht, zusammen in der Aufklarung des Menschengeschlechtes durch die
Yerkiindigung des einen Gottes und der reinen vernunftgeniaBen Moral.
Damit wird nur die Entwicklung fortgesetzt, die wir bei den apostolischen
Yatern sich anbahnen sehen (oben S. 112 ff). Aber diese Bichtung empfangt
durch die Logosidae eine feste prinzipielle Grundlage. Die Aufklarung
wird zu einem notwendigen Bestandteil des Christentiims. Das ist die
eigentlich verhangnisvolle Wirkung der Einfiihrung des philosophisclien
Logosgedankens gewesen. Nicht nur die geschichtliche Offenbarung
Christi, sondern auch das Wirken des hiniinlischen Herrn wird hierdurch
rationalisiert und depotenziert.
Aber Justin weifi auch von der anderen Seite ini "Wirken Chiisti
zu reden. Auch das Kreuz Chzisti ist irn A. T. geweissagt, etwa wenn
Aron und Hur die Arnie ausbreiten (Dial. 90 f.), Plato redet davon
(Ap. I, 60), im gewohnlichen Leben findet es sich z. B. der Pflug, das
Beil, die Segel und die Eeldzeichen usw. (ib. 55). Was ist es nun uin
die Wirkungen des Leidens Chiisti? TJm leiclen zu konnen wui-de er
Mensch (Dial. 98 f). Das Blut Christi reinigt von der Siinde nach Jes. 53
(Dial. 13. 40 f., Ap. I. 32. 50). Vergebung der Siinden und Eiiosung
vom Tode bringt Christi Tod (Dial. 111). 1 ) Das sind die bekannten
Yorstellungen, auf die kein originelles Licht geworfen wird. Zweierlei
1) "Vgl. Melito (Corp. ap. IX, 418) : b xvpioi acpayeis 'sacooev fjuas xal Ssd'sts
ekvae %al iv&eis
280 13. Die Darstelltmg des Ohristentuins durch die altkirchl. Apologeten.
ist noch hervorzuheben. "Wie- Jakob urn. die Lammer, hat Christus ge^
dient um die Menschen, um sie zu erwerben durch Blut und Mysterium.
des Kreuzes" (Dial, 134). "Wie die Parallele mit Jakob zeigt, erwirbt
Christus die Menschen zu seinem Eigentum. Hierin wird es dann be-
griindet sein, daB Christi Leiden die Menschen von Leiden befreit (Ap.
II, 13),. sowie dafi durch Beschworungsformeln mit dem Namen des
Gekreuzigten die Damonen ausgetrieben werden (Ap. II, 6. Dial. 30:
wars "/ai. ta daifiovia vftordoaeff&ai iC^ ovof.iari avrov -/.al TJJ iov
ysvof-ievov nd&ovg avrov oixovoLiiy). Der Tod Christi befreit also auch
von Leiden, Krankheiten und Damonen, weil er durch den Tod die
Menschen zu seinem Eigentum envorben hat. Das andere ist ? daft
Christus den xim der Gresetzesiibertretung willen auf ,der Menschheit
liegenden Eluch, nach Gottes Willen auf -sich nahni (Dial. 95). Dagegen
hat die Opfervorstellung bei Justin keine irgend belangreiche Stelle.
Dies alles reicht iiber das iiblich ^gewordene Material nicht hinaus. 1 )
Es zeigt nur, daB in der Christenheit die alten Gedanken von der Er-
losung durch Christi Blut in bezug auf die Siinde, das tJbel, den Tod
und die Damonen fortbestanden haben, ohne dafi man ein Bediirfnis
nach Erklarung dieses Glaubens empfunden hatte.
9. Wenn die Erlosung wesentlich in der Mitteilung des neuen
Gesetzes besteht, so ist auf seiten des zu erlosenden Menschen die
Freiheit zur Befolgung des Gesetzes vorausgesetzt. Die Freiheit ist
aber mit der menschlichen Vernunft gegeben und ein unveiiierbares
Stuck der menschlichen Natur. Yermoge der anerschaffenen hoyMCii
dvvdf.ieic, kann der Mensch das Gottgefallige erwahlen, und dadurch wird
er dann der TJnverganglichkeit (acp&aQoia) und der Gemeinschaft mit
Gott gewiirdigt (Just. Ap. I, 10). Gegen die stoische Lehre von der ~Noi-
wendigkeit des Fatums (xa^ 5 el/.ia()[.ievY)s avdyKYjV), die man aus der
christlichen Anschauung, dafi alles Geweissagte geschehe, ableiten konnte,
wie Justin sagt, wird das empirische Eaktum der Wahlfreiheit und die
Verheifiung von Lohn und Strafe geltend gemacht (ib. 43 Ap. II, 7).
Ist nun der Mensch von Natur frei, so ist er auch verantwortlich, und
sein Schicksal liegt in seinen Handen. Nicht hat Gott von sich aus die
menschlichen Taten vorherbestimnit , sondern er hat nur cliese Taten
vorhererkannt und demgemafi der Menschen Geschick nach ihrei-
Wiirdigkeit bestimmt (Just. Ap. I. 44). 2 ) Hier wird zum erstenmal
1) Dial. 72 ist von einer Predigt Christi in der Unterwelt die Kede, s. oben.
8. 103 f. Ob Justin den Begriff der dvaney>a}.aicoais gebraucht hat, ist miv
dnrcliaus zweifelhaft, da das Citat bei Iren. IV, 6, 2 friiher scblieBen wird, als
die Herausgeber annehmen.
2) Dial. 141 : si ds 6 '/.oyos rov &eov TT^OILDJVVSI TCUVTCOS nvue, f.al ayyekovg
Freiheit und Erlosung. 281
die urchristliche Idee von der Allwirksamkeit Gottes ersetzt durch die
Yorstellung von Gott als dem allwissenden Zluschauer der freien mensch-
liclien Taten, durch die Gottes Taten bestirnmt werden. Die praktische
an der Vergeltung orientierte Anschauung von dem Verhaltnis Gottes
zum Menschen \vird im scharfen Gegensatz zum stoischen Fatalismus
theologisch f ornruliert. Nach dieser Grundanschaunng besteht nun die
Siinde in der Tpsvdodo^ia "ACU ayvoicc TMV "MthGiV und in deni Merdurcli
bedingten Ungehorsam gegen Gottes Gebot. 1 ) Dies hat aber den Tod
zur Folge. Da nun aber in dem Menschen die verniinftige Eahigkeit
Gut und Bose zu unterscheiden wohnt, kann er jederzeit die "Richtigkeit
des ihm vorgehaltenen Guten erkennen und es gehorsam befolgen. Dies
ist die Bekehrung und der Glaube, durch die der Mensch die TJnsterblich-
keit verdient oder ein Gott wird. 2 ) Die Freiheit ist des Menschen Ver-
derben, 8 ) sie ist aber auch das Mittel seiner Rettung. Durch sie glaubt
er und ernpfangt Siindenvergebung (Just. Dial. 95. 116. 141), durch. sie
,.vermag er aber auch das neue Leben fiir Gott zu beginnen und der
Welt zu sterben. 4 ) Auch hier ist alles in das Eationalistische ver-
.flacht, \venngleich es an Andeutungen kraffcigerer Gedanken nicht fehlte. 5 )
di'S'gcoTtovs , y.ohcto&rjaead'ai: uelJ.ovms, SIOTI, ityoeyivio tf'/.ev aiitoiis
Tovs yevtjao (.levovs stovr] g-oti's TtgoeiTte Tavra, d)./? ofy OTI
i's o O'Bos TOIOVIOVS eTtoirjOev.
1) Die j.Erbsitiide" ist durch Just. I, 61 ausgeschlossea : wir sind geboren
aus dem Samen der Eltern, daranf folgt dann als etwas neues y.al sv ed-eai yatilois
ML 7tovi]<3als dvaTooifais yeyovafiev,
2) Just. Ap. II, 14: y.al Svvcanai ir t s ifsvSoSo^ins xal dyvoias t&v xalcav
d.TtcJJ.ayrn'ni, oi Ttaqu. tr]V eavr&v aliiav yTtetjd'vvot tals Tiftwgiais yivowzai, Sia ?b
s.v tt] (ptiaei, Trj T&V d.vd'qwTuov sivai ib yvco.giQTixbv %a?.ov xal cday^ov. Dial. 141:
s TOVS dyyekovs '/.(u rovs dvd~()w7tovs sTtsad'ai TIJ fiovhi] aisTov o 9'eos
Ttoifjoai rovrovs aiire^ovalovs stabs Si/staiOTtQa^iav . . ., v.cu. Si? eawiovs
>l ( iiETs . . . elsyxd'yaofied'a Ttovqqevodfievot,, eav f.ii] (ffrdoavres (tetad'Afis-d'a, . .'.
"QaT SUM. fisiavorfffcaai, TCavrsi fiovhoaei/ot fw/lv tov 710.00. iov &sov sAsovs SvvavTai.
Tlieoph. II, 27 : 'iva si $e\pr] KTU .rd 'ifjs ddavaaias TIJ^IJOUS rijv svio^v tov fleoy,
fiiafrbv xo/Liiarjiai ^UQ ainov TIJV dd'avaaiav y.ai yevtjTat deos . . ., elevQeqov ydo
/ML ccdTE^ovaiov taoir/oev 6 &EOS ibv avd"<3co7tov. . C ovv kavrco TteoieTiioirjOato Si
dfiskeias v.ai Ttafjay.ofjg, totiro 6 &EOS crimp wvi ScoyeiTui . . . Ka\)d7ts^ ydq Ttaoa-
y.otioas <5 livd'jJcoTtOi &dvarot> eavrrji ETtsOTtdaaio, ovrcas vTtay.ovaas i(<j d's^ijiiart rov
9'sov 6 ftovhdfievos StivuTai, TteyiTtoirjaaad'ai eavrtp rijv alcbviov ^coi'fV "JSScoxev ydy
6 i9eos fifiTv vo { uov r.al svrolds dying, c^i Tt&s 6 Ttonqaas Syvatui aco&ijvui y.al r?7s
uvaaidoEcos iw/jby xhijoovo/uTjaai rijv dyd'aoaiav.
3) Tat. 11 : dTtcbleaev fj/.ias to cuiiie^ovaiov. :. ;
4) Tat. 11: UTtoQ'vrjoy.e no y.oaftqt ctapaiTOijfievos Ti]i> sv aiizcd fiaviav ^flO'i
i(p \)sco, Sid rfjg niirov xaTuhrjipecos riff 7ta.ha.idv yeveoiv ytagairovfie-i'os.
5) So in der . Tauflehre s. unten. Tatian hat eine eigentumliche Geistlehre
vorgetragen. G-eist ist in alien Leb.ewesen, wie den Sternen, den Engeln, den
Menschen und Tiereu, und zwar derselbe Geist, der aber in sich Unterschiede hat
282 13. Die Darstellung des Christeutums durch die altkirchl. Apologeteu.
DaB in diesem Gedankenzusammenhang die Rechtfertigungslehre des
Paulus keinen Platz findet, ist verstandlich. Alles Gewicht fallt auf die
intellektuelle Aufklarung und die mit ihr gegebene freie Tat der Be-
kelinmg zur verniinftigen Moral. Die liturgische tJberlieferung bot die
Formeln der "Wiedergeburt durch den Geist, und man verband sie mit
der TJberwindung der bosen Geister, aber im Grunde fiihrte ersteres
nicbt iiber den rationalistiscben Moralismus hinaus und letzteres eroffnete
dem schlinimsten Aberglauben der Zeit die Tiir. "Wie arm ist doch die
christliche Psychologic bei den Apologeten geworden im Vergleich zu
den apostolischen Yatern, und wie eintb'nig verlaiift die ScHlderung der
inneren Zustande der fronimen Seele ! Der Rationalismus der Logos-
christologie hat den moralistischen Zug, der uns schon bei den apostolischen
Yatern so kraftig entgegentrat, machtig verstarkt. Das Christentum der
Heidenchristen tritt uns bei den Apologeten zuni erstennial ohne Zusatze
aus der alteren Zeit entgegen. Es ist arm iin Yerhaltnis zu dem
Christentum der beiden vorangegangenen Generationen, aber dies Christen-
tum hat doch ein Leben hervorzubringen verinocht, wie es uns die letzten
Kapitel des Aristides schildern, es stak ininier noch ein wunderbarer
Reichtum in ihm.
10. Esoterische Elemente, die der Apologet nur um der Yollstandigkeit
^Yillen erwahnt (s. Just. Ap. I, 61 init.), sind die in dem Gemeinde-
gottesdienst gebrauchten Mittel, durch \relche man Christ -wird und bleibt.
Wir gedenken ihrer hier nur in Kiirze. Es sind die Lesung der
Propheten und Evangelien, die Predigt und Yermahnung, das gemein-
sanie Gebet (ib. 67), die Tauf e und das Abendmahl. Im Namen
des dreieinigen Gottes wird der Taufling gewaschen, nachdem er zuvor
uni Yergebung seiner Siinden gebetet. Die Taufe bringt (.lerdvoicc und
acpsoig fyiaQTicov, sie versetzt in eine neue Existenz, ohne sie kein Heil ;
aus Kindern der Notwendigkeit und Unwissenheit macht sie Tenva TCQO-
aiQSOecoQ y.al fCLOT^f.tt]g, wobei zu beachten ist, dafi auch hier nur an die
Taufe Erwachsener zu denken ist (Just. Ap.1, 61 : xaiWTTOM^fiVreg, 66 : TO
dcpsoews a^aqTiCbv xai. dg avayevvrjaiv lomqov cf. Dial. 19. 29. 44.
(12). Die Seele nun bedarf, um nicht zur %'),vi herabzusinken, der ovtyyia rov
&eiov TtvEvpaios (13). Diese hat sie aber verloren uud mufi sie wiedererlangen ;
das gescliieht, wenn Gott durch den Geist in ilii- wohnt, so wird der Mensch
zum Bilde Gottes und unsterblich (15). Dagegen versuchen die Damonen
TtvevfiaTixi] SB eativ ainois fj atipTtijgts d)s rtv<}6s, ws &EQOS (15) den MeilSClieu
hinabzuziehen und ihn zu peinigen (16). Tat. denkt hier an eine physische Mit-
teilung des Geistes, der die an sich sterbliche Seele unsterblich macht, Ygl.
ilbrigens oben Barnab. uud Valent. S. 122. 234. Aber Tatian hat auch wieder
die Freiheit znm Grimd der Erlosung gemacht.
Tatife, Abendtoahi. AuferStehnng. . 283
. Il, 16 ; (pUTiG^ios Just. 1, 61, t&stov yivea&al. Dial. 8). Von der
Euch'aristie sagt Justin (Ap: I, 66):- VY\V di v%ijs koyov TOv rtctQ* avwv
(sc. Christ!) sv%a()carr}'&sZaav TQOtytjv, l % aif.ia ~/.al Gag-teg -/.met
1 ) tQ&povTui tyuwv, SKSIVOV tou oaQKOrtoiri&VTO$ ^Irjaov y.at
Li ccifia i:di8(x%&v>iiv slvai. . .
11. Als letztes Stuck des Gremeinglaubens kommt die A u f e r s t e h u n g
in Betracht. Nur unter Voraussetzung derselben bleibe die menschliche
(pvQi ihrem "Wesen treu; wie Leib tmd Seele glaubig wurden und Grutes
iaten, so werden auch beide der TJnverganglichkeit teilnaft (Jiist. jPrg.
de resurr. 9. 10. Athenag. de resurr. 15. 25. 21 cf. Theoph. n, 13 f.
Tat. 13. Tert. Ap. 48). Indem Christus aueh dem Leibe die TJnver-
ganglichkeit verneifit, iibertrifft er die philosophischen Yorstellungen
(Just. ib. 10).-) Die Propheten haben von einer ftQihrrj und devreQCc
rtctQOvola Christi geweissagt (Just. Ap. I, 52. Dial. 40. 49. 110 f. u. s.).
Cnristus kehrt in Herrlicnkeit und als Richter wieder, die Welt vergeht
in Feuer, nach der Auferstehung" empfangen Grerechte wie TJngereclite
ihren Lobn (Just. Ap. I, 20. 52; IE, 7). Zur vollen Orthodoxie (xi
1) Diese Worte lehren nattirlich. nicat die ,,Transsubstantiation". Voran
;g-eht, claB durch den Logos Jesus Christus Fleisch und Blut erhielt, sonach konne
von seinem Meisoh und Blut die Eede sein. Eben jene Speise nun, welche ge-
ma Umvvandlung den Leib nakrt, soil far den Grlauben Meiscb. und Blut Christi
;sein, vgl. Dial. 41. 7(^117. Die Erklarung, als wenn y.aia. /.isfa@olf[i> auf die
Uniwandlung zur Unsterblichkeit, die durch das Abendmahl an unserem Leibe
^eschieht, abziele (Eug-elhardt S. 104 ff., Loofs, PEE. I 3 , 41), ist unmoglich,
weil 1) xatd logisch zu dem Gedanken nicht stimint, well 2j nicht feMen durfte,
in was denn die Christen verwandelt werden. Eine ,,Theorie" enthalten die
platten Worte in keiner Weise. Der etyfjs l.oyos ist keiae Konsekrationsformel,
sondern die eucharistischen Dankgebete (sii^ul ?.al s-uy/^iaricu c. 67 cf. Iren. IV.
18, 4: panem, in quo gratiae actae sint und Did. 9, 10). Man beachte noch die
vorsichtige Wendxing eSiSd%&-rifisv slvai. Justin redet wie Joh. von aa^^ y.al
alfia, in deu gleich darauf zitiei'ten Einsetzungsworten heifit es aber acopa. Der
.Zusanimeuhang zeigt, dafi Just, oa^ y.al alfta als Bezeichnung der menschlichen
Natiir braucht. Die Behauptung Harnacks, es seien ,,Brot und Wasser die
.eucharistischen Elemente bei Justin" (Texte und Unters. VII, 2, 117 if. Just
Ap. 65 fin. nennt agios, olvos KM tidco^, ebenso 67; dagegen.65 nied. agros y.a.1
ttoiiigiov -SSaios '/MI xyduaTos, die beiden letzten Wb'rter fehlen im Cod. Ottob.
.'H. erklart sie wie olvos fur spatere Zusatze, vgl bes. Cypr. ep. 63) scheitert an
textkrit. Erwagungen, sowie an der einhelligen geschichtl. Tradition, vgl. Zahn
in Neue kirchl. Ztschr. 1892, 261ff. Jiilicher in den Theol. Abhandlungen,
Weizsacker gewidmet 1892, S. 215 ff. Vgl. aber oben S. 133 Anm. 1.
2) Dariiber, ob die Seele an sich unsterblich sei, schwankeu die Meinuugen
(Theoph. II, 19 fin.). Justin. (Dial. 6) und Tat. (13) leugnen das, und Theophil.
(II, 24. 27) schreibt : ovre oliv dd'dvaiov avtbv eTtohjaev ovrs ,?)// &vi]Tdf, d)./,d . . .
aiitpoisoiav.
284 14. Die Theqlogie der antignostischen Vater.
l' itvsg SIGLV 6g&oyvd)f.ioves wia Tttivva. %Qiariavoi) rechnet Just. . auch
die Anerkennung des tausendjahrigen Reich^s in dem restaurierten, ge-
schniuckten und .erweiterten Jerusalem (Dial. 81 f. dazu Ap. I, 11).,
12. Die Apologeten sand in doppelter Hinsicht fur uns von Bedeutung.
Erstens zeigen ihre Schriften, daB das Verstandnis des Christentums in
ihrer Zeit die Mangel und Verengungen, die wir bei den apostdlischen
Vatern wahrnehmen (Cliristi Werk, Moralismus), nicht nur .forterhalten,
sondern vergrofiert hat. Die Logosidee und der. Moralismus haben ein-
ander, die Hand gereicht zur Depotenzierung des Christentums. Der
Moralismus empfing an der Logosidee seine .theoretische Gbundlage und
der Logosgedanke hatte an dem Moralismus seine praktische B.asis.
Beides aber entsprach den Tendenzen der zeitgenossischen Popular-
pliilosopnie. 1 ) Zweitens lernen wir die Anfange der kirchlichen Theologie
kennen. TJm das Christentum gebildeten Heiden begreiflicb. zu machen,
wurde es in ein fremdes Schema gedrangt .(als Yernunftreligion) und
nach fremdai'tigen Yprbildern gedeutet. Der abstr'akte (platonis.che)
Gottesgedanke, der Versuch durch den (stoischen) Logosbegriff die Grott-
heit Christ! A T erstandlich zu machen, die Anschauung, dafi des Menschen
Verderben Avesentlich in der Unwissenheit und im Tode, die Erlosung
in der Aufldarung durch den richtigen Grottesbegriff und die rechte
Moral, sowie in dem Lohn der Unsterblichkeit (acp&aQGid) bestehe, sind
die bier in Betracht kommenden Momente. Auf denselben beruht die
dogmengeschichtliche Bedeutung der Apologeten. DaJB ein reicherer religioser
Besitz, .den ihre Theologie nur ahnen laBt, in der Christenheit lebte,
wird der folgende Paragraph zeigen.
14. Dogmatisierung des Kanons, der G-laubensregel und der
Kirehe. Die Theologie der antignostisehen Vater.
.Quell en: Ireuaus adv. haeres. s. oben 10. Eh 87tisihv TO-O dTtoaroL'/.ov
m^v'/fimos ed. ter Mekerttschiau und ter Minassiaiitz (Texte u. Unters. XXXI, 1),
1907. Vgl. Za.hn PEE. IX s , 401 ff. J. Werner, Der Paulinism. d. Ir. (Texte n.
Unters. YI, 2),, 1889. J. Kunze, Die Gotteslehre des Iren., 1891. Tertullian.,
gest. ca. 230. Opp. ed. Oehler, 3 Bde., 1851 ff, Wissowa Bd. I, 1890, ygl.
Hauck, Tert. Leben u. Schriften, 1877. Bonwetsch, Die Schriften Tert, 1878.
N o 1 d e c h e u . Tertull., 1890. K, H o 11 , Tert. als Schriftsteller (Preufi. Jahrb. 1897,
262 ff.) . J. S t i e r , Die Gottes- und Logoslelire Tert ,1899. W. M a c h o 1 z , Spur en
binitarischer Denkweise . . . seit Tert., 1902. G-. Esser, Die Seelenlehre Tert., 1893.
1) Es ist das bleibende Verdienst der Monographie M. v. Engelhardts
liber Justin, diese Beurteilung der Apologeten an dem Beispiel Justins nachge-
wiesen zu haben, nnd dabei ist, wie Harnack mit Recht hervorhebt, J\istin der
christlicliste unter den Apologeten.
Vulgarchristentum. 285
K. H. Wirth, Der Verdienstbegriff bei Tert., 1892. A. d'Ales, La theologie de
Tert., 1905. Hippolyt. Werke ed.-Bpnwe.tsch n. Achelis, 2 Bde., 1897.
N.'Bonwetsch, Hipp. Komin. z. Hohenlie'd (Texte u. Unters. N. F. VIII, 2), 1902.
N. Bonwetsch, Drei.georgisch erhaltene Schriften von Hipp. (Texte u. Unters.
N. F. IX, 1), 1904. ' Vgl. Bellinger, Hipp. n. Kaffist, 1853. G.' Picker,
Studien z. Hippolytf rage, 1893. N. Bonwetseh, Studien z. d. Komin. d. Hipp.
(Texte u. Unters. N. F. I, 2), 1897. Vgi. zum Ganzen Harnacks Chrono-
logic II it. DG. I s , 507 ff. Loofs DG. 4 8. 129 ff. M. Winkle r, Der Traditions-
begriff d. Urchristentums bis Tertull. 1897, sowie die zti 8 angeftlhrte Literatur.
1. .Die grofie gnostische Bewegung und die Theologie der Apologeten
hatten etwas Gremeinsames. Beide trachteten danach das Christentum zu
einer popularen und gemeinverstandlichen GfroBe zu erheben. In dem
Ma6 als . das Christentum weitere Yolksschichten ergriff, wurden die
Elemente, die es mit dem heidnischen Volksgiauben gemeinsam hatte,
an die Oberflache gezogen. Die apokryphen Apostelgeschichten vor
allem, deren Grrundlage seit der Matte des zweiten Jahrhunderts in
gnostischen, aber auch in kirchlichen Kreisen geschafEen wurde, geben
hiervon anschaulich Zeugnis. Ein dicker Nebel von Aberglauben oder
von antikem Volksglauben lagert tiber dieser Literatur. Sie ist wirklich
popular, aber im schlechten Sinn dieses Wortes, denn sie erhebt nicht,
sondern sie sinkt auf das Niveau des Vulgaren hinab. Die Greister und
Damonen werden mehr in den Mittelpunkt des religiosen Grlaubens ge-
riickt, und ihre Gestalten werden immer grotesker und derber. Das
atifierlichste goetenhafte Wunder wird zum Exponenten des Heiligen.
Die Apostel sind wesentlich grofie Wundernianner, denen die Toten-
erweckungen leicht von der Hand gehen, die Hitnde und Esel reden
lassen, zerbrochene Statuen heil, geraucherte Pische lebendig machen ttnd
Damonen den Kopf abschlagen (z. B. Act. Petr. 9. 11. 13. 15. 25 ff. 22.
Act. Joh. 46 ff. Act. Thorn. 39. 73). Und solche "Wunder wirken daun
den Grlauben an Christus, per quern omnia impossibilia possibilia sunt
(Act. 1 Petr. 11). Diese Erscheinungen gehoren der Vergangenheit an;
je mehr die eigene Zeit des Wunderbaren zu entbehren begann, desto
reichlicher stattete man die Vergangenheit damit aus. Die Apostel treten
wie Halbgotter auf ; Ehren, wie sie Paulus in Lystra sich verbat, werden
ihnen reichlich zuteil. Die Urzeit des Christentums wird zur Heimat
der Wunder im Stil des Simon Magus. Yon der Gegenwart schaute
man aber auch auf die Zukunft. Mit Wonne nahmen die Apokalyptiker
alle wunderbaren Zeichen des Endes, alle Siege ; itber die Weltniacht,
von denen das Judentum wufite, in den Kreis ihrer Weissagungen auf
(s. das 6. 8. Buch der Sibyllinen). Man gewann hierdurch einen ge-
schichtlichen MaBstab zur Beurteilung des Ghristentums. In grauer Yor-
zeit hat die Sibylle alle Schicksale der "Welt zusammen erschaut, sie
286 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
miinden im Cbri&tentum und seinem Sieg: ,,Durcb Davids Haus> aber
kommt alles zxini Ende" (Sib. YH, 31). Aber liber dem alien scbwebt
Cbristus, der' Herr und der Gott, der Wander tut und tun laBt und
tun wird. Nicht nur komint ihm irgendwie Gottbeit zu, sondern er ist
einfacb Gott, rein und ohne Reflexion wird das behauptet und praktisch,
angewandt. 1 ) . , .
2. So fremdartig uns dies Popularcbristentuni beruhren mag, sollte:
man in ibm einen merkwiirdigen Zug nicht verkennen. Es ist ein Yer-
sucb des Christentums Volksreligion zii werden. Aber nock war* es zu
friib bierzu und nocla war das Bewufitsein von der Eigenart des- Ohristen-
tums zu stark, als dafi solcne Versuche hatten durcndringen konnen;
Der Hafi des Heidentums, wie er sich in Yerleumdungen und Yer-
folgungen kundgab, bildete ebenso einen Damm gegen die Yolkstumlicn-
keit des Christentums, als das belle BewuBtsein seiner fiibrenden Geister^
dafi die Kirche nicbt in die Welt aufgehen dtirfe. Man bat jene vulgaren
Elemente nicbt verworfen das konnte man nicbt / aber man bat
die Entwicklung in andere Gfeleise gelenkt. Es kommt bier zunacbst
das unerscbiitterlicbe BewuBtsein von dem positiven, besonderen Cbarakter
des Cbristentums in Betracbt. Das Cbristentum ist nicbt die Religion
der Welt, sondern die Religion der von der Welt verfolgten Heiligen
und Martyrer. Eine besondere Gemeinscbaft bild'en sie. Auf Cbristus
und seine Apostel gebt sie zuriick, ,,die Lebre der zwolf Apostel" :
berrscbt in ibr (Asc. Jesaj. 3); Cbristus konimt wieder die Seinen zu
erretten und die Welt zu ricbten. Ein macbtiges BewuBtsein der Ein-
beit der Welt gegeniiber beberrscbt die Cbristenbeit. Aus ibm geht
das Bestreben nacb Gleicbbeit der Lehre und der kircblicben Sitte bei-vor.
Und dies Bestreben wieder scbarft den Blick fiir die Haresie und macbt
immer mifitrauiscber gegen den H Geist" (s. oben). Aus dieser Tendenz
erwacbst eine inimer starkere Betonung der kircblicben Lebre und des
kircblicben Amtsorganismus sowie ein stronger Biblizismus , der' die
beiligen Scbriften als Beweismittel fiir die iiberb'eferten Lebren und als
Quelle der religiosen und sittlicben Wabrbeit genau interpretiert und
gern anwendet. ,.Exegesen der gottlicben Scbriften" gebb'ren zu dem
Bestand des Lebrbriefes (Dionysius von Korintb ca. 170, bei Ens. b. e.
IY, 23, 6). Ein Mann in Melito (ca. 160) verfaBt Auszlige aus Gesetz
'Und Propbeten .,iiber den Heiland und unseren ganzen Glauben" (Bus.
b. e. IY, 26, 13). Tbeopbilus von Antiocbien legt die Scbopfungs-
gescbicbte aus (ad Autol. II, 11 fL), scbreibt einen Kommentar zu den
1) Hierlier ist wohl auch die christliche Bearbeitung der ,,Testamente der
zwolf. Eatriarchen" zu nehmen mit ilirem Monarchianismus (s. unten 16 am Ende);
Anfange einer positiven Theologie. 287
Evangelien (Hieron. vir. ill. 25) und kront seinen Beweis des Christen-
tums durcb eine Erorterung liber Alter und Wert der alttestamentlicben
Biicher (ad Autol. ITI). Die exegetiscbe Arbeit, die von den Grnostikern
zuerst betrieben wurde, fafit festen Fufi in der Kircbe. Der Anfang zu
den Forschungen von Clemens, Origenes und Hippolyt ist gemacht. 1 )
Die Streitliteratur wider das Heidentum und Judentum, wider Marcion,
die Gfnostiker und Montanisten scnwillt immer inebr an. 2 ) Aber das
geistige Interesse erscbopfb sicn nicht im Streit oder auch in der erbau-
lichen Briefrede. Indem man das Cbristentum als eine positive lebendige
Gfrofie vor Augen bat, ergeben sich positive Probleme. Man fangt an
dogmatische und ethiscbe Traktate zu verfassen. Melito etwa schreibt
,,iiber das Passab", Tiber den "Wandel und die Propheten", ,. iiber die
Kirche", ,,iiber den Sonntag", ,,iiber den G-lauben des Menscben", ,,iiber
die Scbopfung", ,,iiber den Grehorsam der Sinne gegen den Grlauben",
,,iiber die Seele und den Leib", ,,uber die Taufe und iiber die "Wabrbeit
und den Grlauben und die Entstebung Cbristi und das Wort seiner
Weissagung und iiber Seele und Leib", 3 ) ,,iiber die Grastfreundscbafb",
,,den Scbliissel", iiber den Teufel und die Offenbarung des Jobannes",
,,iiber den korpeiiicben (evatof-idzov) Grott" (Eus. IV, 26, 2). 4 ) "Wie
1) Frauen und Jwigfrai<,en, Kleine und G-rofte, denkt sicli Hippolyt als
Leser seines grofien Danielkommentars, oder doch, wie Bonwetsch annimmt, des
betr. biblischen Buches (in Dan. T, 22, 3). Uber das Sechstagewerk schrieben
auch ein Candidus imd ein Apion, Herakleitos sis tbv dTtoaro/.ov, Sextus TISQI
dvaatdascos, Arabianus cz/U?/ ns bTtofreois (Eus. h. e. V, 27), indessen wissen wir
nicbts iiber diese Schriften, sie mogen dem 3. Jahrh. angeho'ren.
2) S. z. B. die Schriften des Apolinarios Eus. b.. e. IV, 27 ; Maximus Ttodev
1} xaxta- ib. V, 27.
3) Nach dem Wortlaut des Textes (s. die Ausg. von Schwartz I, 382) scheint
dies alles der Inhalt eiiier Scbrift zu sein. Dann handelte das Biich von der
Taxife und dem ihr vorangehenden Taufunterricht. Dieser umfaBte : 1) die dltjO-eia,
d. h. die christiiche Lehre sowobl nach der dogmatischcE wie ethischeu Seite hin ;
2) die Ttiatis d. i. vermutlich die Glaubensf ormel ; 3) besonders hervorgehoben wir d dann
die yweais Xyiaiov, vermutlich der Ursprung Christi im Sinne von Mt. 1, 1. Mark. 1, 1
cf . Act. 1, 1 , d. h. Bezeicbnung seines irdischen Lebens ; 4) seine prophetische Eede ; wenn
hierauf folgt: xal TCB^I ww/fis xal Ttfev/uaros, so mb'chte ich dies letzte Glied aiif das
jenseitige Scliicksal von Seele und Leib beziehen. So gibt auch Iren. (I, 20 1) das
eschatologische Lehrstiick wieder : eandem salutem totius hominis id est animae
et c or p or is. Die ganze Stelle bei Iren. ist 'nachzulesen, denn ihre Anordnimg
lauft dem Titel des Melito vielfach parallel. Dieser Zusammenhang wiirde also
ungefahr dem entsprechen, was wir friiher iiber die Taiiflehre geho'rt haben, vgl.
S. 161 f. Tivd. y.aTtj/^Tiy.d pifllla schrieb auch Theophilus (Eus. IV, 24). Auch die
Canones Hippolyts kommen hier in Betracht.
4) Vgl. die Zusammenstellung der Schriftstellerei des Melito bei Harnack,
Literaturgesch. I, 1, 246 ff. . , .
288 14. Die Tkeologie der autignostischeu Vater.
lehrreich ist doch diese tJbersicht Mr die Yielseitigkeit innerldrchlicher
Interessen in unserem Zeitalter ! Melito erweist sich schon durcli die
Auswahl seiner Theniata als Vorlaufer Tertullians, aber der Kleinasiat
ist vielseitiger gewesen als der Afrikaner. Zu diesen Problenien ist
schon fruh die Bufifrage gekomrnen. Das BewuBtsein die Gemeinde der
Heiligen zu reprasentieren verbunden mit den Stinden, die inuner deut-
licher im Leben hervortraten, liefien die Mittel sucken, durch die auch
Sunder Heilige sein konnen. Schon Dionys von Korinth hat geniahnt,
,',die, welche sich von einem wie inuner beschaffenen Fall, sei es einem
Yergehen, sei es selbst dem haretischen Irrtum bekehren, '.wieder auf-
zunehnien" (Eus. IV, 23, 6). 1 )
3. Lehren, Ordnnngen, Institutionen fangen an das geistige Interesse
der Christenheit zu erfiillen. Daraus wird auch positiv verstandlich die
scharfe Abwehr, die man gegen die Greistmenschen aller Grattungen
Grnostiker und Montanisten richtete. Was sich langst schon angebahnt
hatte, fing man an bewufit zu tiben. Fiir die Probleme, die man enipfand,
bedurfte man fester Traditionen nnd heiliger Schriften, der ,,Geist" wird
inuner starker als etwas Fremdes, das in die neue Lage nicht pafit,
empfunden. Ein grofier religionsgeschichtlicher ProzeB fangt an zum
AbschluB zu gelangen. Aus der Religion des heil. Geistes wird die
Religion des heiligen Buchstabens und der ,,alten TJberlieferung". Beide
Grofien standen von Anfang an im Christenturn auf dern Plan, immer
weiter hat die zweite die erste zuriickgedrangt, bis sie schliefilich den
Geist, der weht wo und wann er will, fest in die Tradition und den
Situs gebunden hat ; kein Geringerer als Paulus hatte den Anfang dazu
gemacht, aber wie anders wurde das Resultat, als er es sich gedacht
hatte! Aber in rnannigfachen Eorinen lebte trotz allem der ,. Geist"
auch aufierhalb des liberlief erten Wortes in der Kirche fort - in dern
Treiben der Exorcisten und den Spekulationen der Theologen, in den
Martyrern und den Monchen, in dem Mysterienwesen und in manchen
Fornien vulgarsten Aberglaubens, vielfach ein wunderliches Gemisch dar-
stellend von heiliger Kraft und Xarikatur des Heiligen, von Mystik und
Hypnose, von Autosuggestion und Betrug. 2 )
1) HO'I.'IM Tts^l ydfiov y.al ayveias role avrois Ttaqaivei, v.ai TOVS l ' ft S'
d.7T07ttojoecos, eire 7t'/;)]/.i/.ie},eias S'ITE ftfjv al^si:i-/.fjs Ttl.dvrjs ETtiOTQecpowms SeS-iovad'at
Nacli dem Zusammenhang scheint Dionys also auch Vergeheu
gegen die Keuscbheit zu meinen; ist es zufallig, dafi diese Mahnung an die Ge-
meinden von Pontus gerichtet ist, wo ein Menschenalter vorher Marcion durcli
den ethischen Rigorismus aus der Kirche gestoCen war?
2) Die Geschiclite des Monchtums, der Mystik, des Aberglaubens, der Ketzer
etc. bietet daflir viele Belege. Wie stark auch iin Zeitalter des Iren. nud Tertull.
Der Geist und die neue Theologie.
Indem die Kircbe den ,,'Greis't" ausstiefi, 1st sie in der Kraft der
Tradition Herr uber die 'Gfnostiker und Halbgnostiker, die Montanisten
und die Ekstatiker geworden. Aber es gab ein anderes, fremdes Element
in ibrer Mitte, und dies batte sicb. mit den tiefsten und starksten Tendenzen
der Cb.ristenb.eit auf das innigste vereinigt.' Die Kircbe wollte die
absolute Religion, die alien alles ist, -vertreten. Und sie tat das, indein
sie ibre Lebre als die Bliite der naturlicben Moral und als. die Hobe
der antiken Pbilosoptie bezeicbnete. Der Kanipf gegen die Grnostiker
nat die Kircbe zum positiven Biblizismus und Traditionalismus geleitet,
der Kanipf wider das Heidentum und Judentum notigte dazu den
positiven Standpunkt ins allgemeine zu deuten oder zu rationalisieren :
eben diese positive Lenre der Bibel und der Tradition ist der Seblufi-
'punkt der naturlicben Moral und "VVelterkenntnis. Den Greist, der sicb
den Formen und Formeln des alten Cbristentums nicbt ftigte, konnte
man dampfen, an seine 'Stelle trat ein anderes beweglicbes und die
Tradition in Bewegung setzendes "Element, die natitrlicbe Vernunft des
Menscben. Die Probleme, die die Formel ,,fides et ratio" in sicb birgt,
baben sicb -scbon im 2. Jabrhundert mit innerer Notwendigkeit in der
Tbeologie berausgebildet. Die ratio trat an. die Stelle des Ttvsuua und
.sie erbielt sicb, - obgleich der Positivismus aticb. ibr widerstrebte und ibr
nur eine A r erborgene Stelle im Komplex seiner Gedanken gewabrte, der
Positivismus bat die ratio immer gern verleugnet und bat ibrer docb
immer bedurft. 1 ) '
4. Es sind drei grofie Fiibrer gewesen, die im Abendland uw. die
Wende des 2. und 3. Jabrhunderts die -Gredanken imd die Eormen ge-
scnaffen baben, durch deren Annabme die Kircbe zur katboliscben Kircbe
wurde. Dei 1 erste uriter ibnen istlrenaus. Sein grofies antignostiscbes
Hauptwerk lehrt ibn UQS als einen boben und strengen, priesterlichen
Geist kennen. Er streitet nicbt aus Freude am Kampf, sondern uih
der Sacbe willen, er beniiibt sicb aucb. den Gregnern gerecbt zu werden,
^so bocb erbaben sein altes Cbristentum ibm aucb inneiiicb dastebt gegen-
iiber der modernen Erkenntnis der Gegner. Er lebt und webt in der
das (Msfrvvesen noch war, zeigen anschaulicli die psendoclem. Briefe de virgini-
tate, s. r l, 11, 10: wer das Charisma der Lehre hat, soil sich von den Propheten
priifen lassen, qui dignoscarit del esse verba quae loqueris, und die Geineinde er-
bauen, vgl. IT, 2, 1. 4; dazu das charisma sanandi oder die Gabe des Exorcismus
1, 12, 2. 4. 5. Bernerkenswert ist, wie die pneumatische Lehrgabe mit der natiir-
lichen Beredsamkeit (II, 11, 4. I, 1, 3; 2, 4) vertauscht werden kann.
1) Der Gegensatz und die Kombination von auctoritas und ratio (s. imteu.
Tertull.) ist alt, Cicero z. B. sagt von den Pythagoraern : tantim opinio prae-
'iudicata poterat, ut etiam sine rations valeret auctoritas (de uat. deor. I ?
.5, 10). ' ' . ,
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 19
290 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
heiligen Schrift. Aus ihr widerlegt er die Gegner und aus ihr entwickelt
er seine Theologie, manches Arcliaistisclie lauft dabei mit unter und
auf manches Problem der Z'eit versagt er die Antwort (z. B. II, 28, 6f.).
Irenaus ist Biblizist und er ist der erste grofie Yertreter des Biblizismus.
Er ist von den johanneisehen Traditionen Kleinasiens bestimmt, aber
zugleich tief in den Geist des Paulus eingetaucht, die pneumatische Ge-
dankenlinie bei Paulus ist fur ihn mafigebend gewesen wie fiir keinen
anderen Theologen der alten Zeit. Aber Iren. ist zugleich Traditionalist,
nur irn Sinne der kirchlichen TJberlieferung darf die Bibel ausgelegt
werden, denn nur so wird sie im Geist ihres Ursprungs verstanden. Der
Gfegensatz zur Gnosis notigt ihn zu dieser Kombination, aber sie ruht
auf dem festen Boden erlebter Erfahrung. Nur die Bibel, aber die
Bibel nur im Sinn der kirchlichen Tradition, und eben dadurch nur die
wirkliche Bibel das war der Ausgang des Irenaus. Nicht grubeln
soil man, sondern glauben und lieben und dadurch Gott nahekommen
(H, 26, 1). Zwar gibt uns die Schrift nicht iiber alles Auskunfb und
ihre Ausspriiche sind nicht immer verstandlich, aber die Hauptpunkte
sind verstandEch und eroffnen die "Wahrheit (II, 28, 3). Traditione
igitur quae est ab apostolis sic se habente in eeclesia et permamnte apud
nos, revertamur ad earn quae est ex scripturis ostensiomm eorum qui
evangelinm conscripserunt, apostolorum, ex quibus conseripserunt de deo
sententiam, ostendentes, quoniam dominus noster lesus Chrislus veritas est
et mendacium in eo non est . . . Et apostoli autem discipuli veritatis-
existentes extra omne mendacium sunt (III, 5, 1).
Ein ganz andersartiger Greist ist Tertullian: beweglich und leicht
erregt, zu bosern scharfen Witz geneigt und nicht immer Herr der
dunkeln Triebe seiner Natur, mit alien tlbertreibungen des Rhetors
arbeitend, und doch urwiichsiges christliches Empfinden nie verleugnend,
in Zornglut sich hineinredend und doch gerade dann zur Hohe scharfer
Logik sich emporschwingend, und bei alle dem ein durch und durch
praktischer Geist, mehr reich als tief, mit vielen Mitteha arbeitend und
doch in jedern Moment zielbewuBt. Er war ein Meister in dem Genre
der dogmatischen und ethischen Zeit- und Streitfragen, die er, Melito
folgend, gern veroffentlichte. Es sind immer praktisch gedachte einfache
Gedanken, die er durchfiihrt, und er besitzt im hochsten Grade die Gabe
den Leser fur sie zu interessieren. Wunderbar versteht er es kurze
knappe Eormeln fur seine Gedanken zu pragen, Schlagworter fiir die
Kanipfe des Tages, aber auch Stichworter zur Orientierung der Gedanken. 1 )
1) Vincenz von Lerinum (comm. 18) charakterisiert diese praktische Art gut
in den Worten: cuius quot pene verba tot sententiae sunt, quot sensus tot vic-
toriae.
Irenaus und Tertallian. 291
Die gauze Trinitatslebre und Cbristologie, die Sunden- und Gnadenlebre,,
die Tauf- und Bufilebre des Abendlandes ist von seinen Sticbwortern
beberrscbt. Man spurt an dieser Tendenz auf das Wirksame und
Pormale einen. juristiscben Zmg in Tertullians Gedanken. 1 ) JSFocb deutlicber
tritt dieser in seinem Gesamtverstandnis. des Cbristentums zutage. Er
bewegt sicb in Reebtskategorien, So aucb, wenn er das Cbristentum
gegen die Gnostiker verteidigt: sie haben kein Recbt an die beiligen
Scbriften, diese geboren der Kircbe und nicbt den Haretikern. ,,Daher
haben sie als Nicbtcbristen kein Becbt an den cbristlicben Scbriften.
Man darf ibnen mit B,ecbt sagen : wer seid ibr, wann und wober seid
ibr gekommen, was treibt ibr, die ibr docb zu den Meinigen nicbt gebort,
auf meinem Boden? Mit welcbem Recbt fallst du, o Marcion, meinen
Wald? Mit wessen Erlaubnis legst du, o Valentin, meine Quellen um?
Mit welcber Befugnis verriickst du, o Apelles, meine Grenzen? Mein
Besitztum ist es, was babt ibr anderen bier nacb eurem Willen zu saen
und zu weiden? Mein Besitztum ist es, von alters ber babe icb es itn
Besitz, icb babe es zuerst besessen, icb babe sicbere TJbertragungstitel
von den TJrbebern, denen die Sacbe gebort bat, icb bin Erbe der
Apostel" (praescr. 27). Dies stolze Bewufitsein des Besitzes bebt das
rast- und rubelose Sucben der Gnostiker auf. Sie sucben immer, weil
sie nie finden und sie finden nicbt, weil sie an eine Tiir klopfen, binter
der niemand wobnt (praescr. 11). Sie miiben sicb ab mit den Problemen
der beidniscben Religion. Vicl&rint qui Stoicum et Platonicum et dia-
lecticum christianismutn prptulerunt. Ndbis curiositate opus non est post
Christum lesum nee inquisitione post evangelium. Cum erediimis, nihil
desideramus ultra credere. Hoc enim prius credirmts, non esse . quod ultra
credere debeamus (ib. 7). Alles ist in Ordnung, si quod debui credere credidi
(11). Glauben aber soil man die Regel des uberlieferten Glaubens.
Fides in regula, posita est . . . Adversus regulam nihil scire omnia scire
est (14). Der kircblicbe Positivismus ist in diesen Satzen ygl. crede
qitod traditum est (de earn. Cbr. 2) auf die Spitze gefubrt. . Der
Cbrist bat keine Interessen und keine Bediirfnisse, die iiber die Kircben-
lebre binausgingen, und diese fafit die ganze Offenbarung in sicb.
Aber Tertullian feblt nicbt ein rationaler Zug. Die Vernunft ist
von Gott und Gott bat alles verniinftig geordnet, daber: 'nihil non ratione
tractari intelligique voluit (poenit. 1). Die "Worte der Scbrift miissen
verniinftig aufgefafit werden, denn z. B. crudelem deum qui non intelligit
1) Jurist ist aber Tertullian nicht gewesen, w'ie S. SchloBmann zeigt, s.
die Abn. ,,Tertull. iin Licnt der Jurisprudenz" in Ztschr. f. KG. XXVII, 252 ff.,
.407ff.; aber die Menge juristischer Wendungen bei Tert. zeigt, wie sehr die Ge-
bildeten des Abendlandes von juristischem Geist durcbtrankt waren, vgl. Cyprian.
19*
92 14 - Die Tlieologie der antignostischen Vater.
credit (scorp. j 7). -Es gibt erne dem Menschengeist als solcbein zuganglicbe
natiirlicbe Erkenntnis Gottes, die ibn twa aus der Schopfung erkennt
(c. Marc. I, 17. 18), wie auch die moraliscbe lex naturalis in alien
Menscben wobnt (cor. mil. 6). Daher stehen Vernunft und Glaube nicht
'im Gegensatz zueinander. 1st auch die TJberlieferung zunacbst nur im
Glauben anzunebmen, so findet sicb doch spater aueh ein vernunftiger
Grund fur ihre Eorderungen. 1 ) Der Gedanke n cre.do, ut. intelligent 1st
'Tertullian bereits gelaufig gewesen. Aber bedeutsainer noch als diese
allgemeineB Gedanken ist die Rationalisierung des ganzen i^eligiosen
Lebens durcb. die Eecbtskategorien. : Die Ansehauung der Apologeten
von dein Cbristentum als der verMnftigen Seligion \vird Merdurcb. fiir
das lateiniscbe Bewufitsein erlautert : das Cbristentum ist aucb die Religion
des gottlicben Kecbtes. Je einseitiger der kircbUcbe Positivismus gefafit
wird, desto mebr drangt sicb die rationale Begrundung auf. Dies Gesetz'
der Scbolastik bat sicb schon frub wirksam erwiesen.
Derselbe Mann, der so klar fiir die kircblicbe Tradition eingetreten
ist, bat sicb spater dein Montanismus zugewandt. Das ist ein Problem,
'das sicb nocb nicbt durcb die Reflexion auf sein Temperament lost.
Darin liegt die Losung, dafi die nova lex des traditionellen Christenturns
Tertullian fiir die Moral unzulanglicb erscbien und dafi der Paraklet eine
'Erganzung dazu bot. Die lex fidei oder die Grlaubensregel blieb als
immobilis et irreformcibilis erbalten. Der Paraklet sollte ibr, dein enipi-
riscben .Bedarf entsprecbend, eine neue Disziplin binzufiigen, die veritas
der consuetude entgegenstellen. Es war die spatere Deutung des Mon-
tanismus, die Tertullian erg-riff, sie stimmte zu seinen Grundgedanken :
wie Gfott einst das Gflaubensgesetz gab, so bat er jetzt die neue Disziplin
gewabrt. 2 ) Der Montanismus wird im Sinn des Katbolizismus verstanden
-und angewandt, nicbt der Gleist, sondern die Disziplin des Greistes bat
es Tert. angetan.
Wieder eine ganz andersartige Erscbeinung tritt uns in Hipp -ply t
vor das .A u g e - Er ist ein Gelebrter und er arbeitet zum guten Teil
init fertigen Gedanken. TJm was Irenaus und Tertullian ringen, erscbeint
1) Cor. mil. 4 : traditio tibi praetendetw auctrix, consuetiido confirmatrix et
fides observatrix. liationem traditioni et consuetudini et fidei yatrocinaiuram ant
ipse perspicies aut ab aliguo gui perspexent disces. Vgl. de resurr. 3, de pud. 22.
Vgl. G. Esser'/Seelenlehre Tert. S. 16-ff.
2) s. de virg. vel. (vielleicht T.'s erste niont. Schrift) 1 : liac lege fidei ma.'
nante cetera iam disciplinae et conversationis admittiint novitatem corrections,
operante sdl. et proficiente usque in finein gratia dei . . . Propterea paracletum
miserit dominus, ut, quoniam humana mediocritas omnia -semel capere non
'poterat, paulatim dirigeretur et ordinaretur et ad perfectum perduceretur dis-
ciplina ab illo vieario domini, spiritu sancto.
Hippolyt. Der Beweis cler kirchliehen Lehre. 293;
ihm als selbstverstandlich. Er hat in umfangliehen Kommentaren biblische
Biicher atisgelegt, .well er in der Bibel die Quelle der Wahrheit erblickte. 1 )
Er hat die Haresien widerlegt, aber in einem Ton, dem man anmerkt,
dafi sie schon widerlegt sind. Er hat sein Interesse besonders eschato-
logischen Eorschungen zugewandt und sie mit dogmatischer Akkuratesse;
durchgefuhrt, aber doch gewarnt, sich allzu eifrig um Zeit und Tag des,
Herat zu bemiihen (in Dan. IV, 22), Sein innerstes .Interesse wird
ofienbar, wenn er von dem Logos Christus redet und die Erlosung des
Christen beschreibt. Er kampfb nicht rtm die Fundamente, sondern er
baut das Haus ans. Jene setzt er als sicher vorans, in letzterer Hinsicht
sieht er schwere Probleme. Seine Kommentare haben auf weit hinaus
gewirkt, seine dogmatischen und polemischen Werke sind bald-iiberflugelt
warden: nicht der grofie Gelehrte, sondern der ;Man-n der 'praktisch
gedachten knappen Eormel - Tertullian ist der .geistige- Etihrer dec
abendlandisehen Entwicklung geworden; dazu kam, dafi er, lateinisch,
Hippolyt griechisch schrieb. Daher ist das dogmengeschichtliche Interesse
an der Theologie Hippolyts ein relativ geringes. 2 ) :. .
5. Das Hauptproblem Mr die DGr. ist die Erkenntnis, , wie iniinserer
Zeit die f ormalen Grrundlagen zum Beweis- der christlichen
Wahrheit hergestellt worden sind. Damit beginnen wir also. Im
Gegensatz zu dem groBen Ansturm des gnostischdn Greistes ist , der
Begriff der kirchlichen Wahrheit und ist die Methode ihres Beweises
prinzipiell festgestellt worden. Die Kirche ist Lehrkirche und die
Wahrheit ist die Kirchenlehre. Das war der Anfang einer Entwicklung,
er barg Keime des Fortschrittes in sich.
Die Kirche behauptete iiber Gott, Christus und das Heil die alleinige
Wahrheit zu besitzen. Das Beweismittel fiir diese Behaiiptung waren
zunachst die heiligen Schriften. Die Propheten, die Apostel und
alle Jiinger haben die "Wahrheit gelehrt (Iren. Ill, 2, 1 ;: 24, 1). Neben
den alten Weissagungsbeweis, der alle Lehren und Tatsachen des ,,6rlaubens st
in dem A. T. aufzeigte (Melito b. Eus. h. e. IV, 23, 6 ; 26, 13 ;. Iren.
epideix. 43 86) teat der Beweis aus den neutestamentlichen Biichern.
Die Vorstellung, als hatten Grnosis und Montanismus der Kirche den
neutestamentlichen Kanon abgedrungen, ist mifiverstandlich. Der Umfang
des NT. war am Ende des 2. Jahrhunderts nicht fester unischrieben
als am Anfang desselben. 3 ) Man konnte sich auf eine vorliegende Ubung
1) S. die Belege b'ei Bonwetsch, Studien zu den Komm. Hipp. S. 20 ff.
2) Ain feesten orientiert Meriiber Bonwetseh a. a. 0.
3) Mancher Landeskirche felilte z. B. Jak. xmd> Hebr.,. andere brauchen
Hermas (Ir. IV, 20, 2. Tert. de . or. 16 cf. de pud. 10. Can, Jim-. 1:73 ft. j, Barnabas
294 -14. Die Theologie der aiitignostischen Vater.
berufen, indem man die Autoritat dieser Schriften als entscheidende ein-
fuhrte. Die besondere Weise des gnostisclien Gegensatzes brachte es
nun aber mit sich, dafi man der Herkunft dieser Schriften eine grofie
Bedeutung beiinafi, und zwar nicht sowohl deslialb weil sie von Aposteln
herriihrten, als deslialb weil sie der Urzeit der Kirche entstainmten und
daher das wirkliche Evangelium enthalten (Ir. Ill, 1. Serap. bei Eus.
h. e. VI, 12, 3). Daher legt Ir. solches Grewicht auf die Aufierungen
der ,,Presbyter", von denen er einen personlich gekannt hat, die iibrigen
wohl nach Papias erwahnt (z. B. ad Morin. b. Eus. h. e. Y, 20, 4.
adv. haer. IV, 27, If.; 31, 1. 2; 32, 1 ; H, 22, 5. IV, 28, 1. V, 33, 3;
36, 2). Es war nur eine Folge jener Wertung der neutestamentlichen
Schriften, wenn man jetzt auch die Inspiration (rtvev[.tarocp6()0i ; a verbo
dei et spiritu eius dictae; spiriius per apostolum etc., -d-sofcvevaws) aus-
driicklich von ihnen aussagte (Theophil. ad. Autol. II, 22. 9; HE, 11. 12.
13. 14. Ir. H, 28, 2; III, 16, 2. 9. Tert. de pat. 7, de orat. 20. 22.
c. Marc. V, 7. Hippolyt de' Antichr. 2. Clem. Al. Protr. 87). Dafi
sich von hieraus alimahlich eine scharfere Abgrenzung des Kanons ergab,
ist begreiflich. Das relativ Neue lag zunachst nur darin, dafi man
prinzipiell und mit Bewufitsein den Kanon, als den Niederschlag des
Urchristentums, als Norm und Grundlage der Lehre der Kirche hinstellte
(vgl. cv^pwva vals ygacpals Iren. b. Eus. h. e. V, 20, 6).
Der Fortschritt, der hierdurch gemacht wurde, wird erst verstandlich,
wenn man ini Auge behalt, dafi mit der Inspiration zugleich die ganze
jiidische Anschauung von dem heiligen Buchstaben akzeptiert wurde.
Der Inspirationsbegi'iff war dem Hellenentum gelaufig, er wog dort nicht
sonderlich schwer (vgl. etwa Plato). Mit ihra verband sich nun aber
das jiidische Verstandnis vom. Kanon als einer festen Norm. Aus diesen
beiden "WurzeLa ist der dogmatische Begriff des inspirierten Bibelwortes
hervorgegangen : Worte, die als solche absolut verbindlich sind, weil sie
zu diesem Zweck von Grott eingegeben sind. Dazu kam eine dritte Er-
wagung : das Normative ist das Alte und das Urspriingliche, Mose und
die Propheten, Christus und seine Augen- und Ohrenzeugen. Und hierin
waren dann die Motive enthalten, um dem Kanon allmahKch feste Gfrenzen
zu geben. Ein historischer Zug verbindet sich mit der rein dogmatischen
Betrachtung, indem er sie begriindet. Zwischen der Kirche und dem
TJrchristentum wird ein dicker Strich gezogen. Ein Buch, das nuperrime,
nostris temporibus entstanden ist, wie das Muratorische Fragment von
Hernias sagt, ist dadurch als unkanonisch bezeichnet. Wie die popularen
(01. Strom. IT, 31, 35), Didache (01. ib. I, 100. Orig. de princ. Ill, 2, 7) vgl.
Clemens b. Ir. Ill, 3, 3 als kanoiiisch, vgl. Zahn I, 326 ff.
Die Dogmatisierung der heiligen Schriften und der Glaubensregel. 295"
Apostelgeschichten die apostolische JZeit zum Wunderzeitalter stempelten,
so fand die Theologie nur in den Schriften dieser Zeit die Wahrheit.
Die wunderbare Gabe des Geistes gehort eben dem Altertum der Kirche
an oder dann ihrer letzten Zukunft. Dazwischen liegt die Gegenwart,
arm und bediirftig, die Gaben der Vergangenheit suchend und fest-
haltend und fur die grofie Zukunft sich vorbereitend. Diese Betrachtungs-
weise , die den spateren Zeiten als selbsverstandlich gait, ist in den
Kampfen jener Tage dogmatisch herausgebildet worden. Und sie ent-
spraen der Wirklichkeit. Den Geist der grofien Zeit besafi man nicht
mehr im Leben Montanisten und Gnostiker zeigten das , man hatte
inn nur in den inspirierten TJrkunden der alten Zeit. Von dort kain
er und aus den Institutionen, die damals eingesetzt waren, quoll er immer
wieder empor jeder Getaufte empfing ihn , aber nichts anderes
sagte und brachte er als was ,,geschrieben" steht.
6.- Indem nun aber die Haretiker Herin der altk*ircHichen Praxis
scheinbar folgten, aber ihrerseits gefalscbte Schriften einfiihrten oder die
echten mifideuteten oder sich auf Geheimtraditionen des apostok'schen
Kreises beriefen, geniigte die Berufung auf das 1ST. T. nicht iin Kampf :
ergo non ad scripturas provocandum est nec r .in his instituendum certamen,
in quibus aut nulla aut incerta victoria est aut par incertae (Tert. de
praescr. 19). Von den Haretikern gilt: neq^le scripturis n&que
traditioni consentire eos. Gegen die Schrift wenden sie ein, sie sei
tinverstandlich und miisse nach der TJberheferung ausgelegt werden, hin-
sichtlich der ,,apostolischen TJberlieferung" aber haben sie ebenfalls ihre
'Bedenken (Ir. Ill, 2, 1. 2). Dann aber versagt uberhaupt, wie Tertullian
hervorhebt, in wichtigen Pragen die auctoritas scripta, man kann sie
solius traditionis titulo allein aufrecht erhalten (de cor. 3). Es gait
diese kirchliche TJberlieferung festzustellen iind mit hochster Autoritat
zu bekleiden und sie. zum Mafistab des Verstandnisses der Schrift zu
proklamieren. Ein solcher mu6 erweisen, dafi die Haretiker kein Becht
an die Schrift haben (Tert. de praescr. 15. 19. 37. Ir. I, 9, 5 ; 10, 1;
V, 20, 1). Diese Grofie oder .dieser Mafistab ist der xavcov 1^ akrjd-eiac;
oder die regula fidei (Tert. de pr. 13. 36). Was verstand man hierunter?
Es gibt vier Antworten auf unsere Erage. Nach Zahn ist die
Glaubensregel das Taufbekenntnis, nach Harnack, dem Kattenbusch,
Loofs u. a. folgen, ist die Glaubensregel zwar auch das Bekenntnis,- aber
das ,,bestimnit interpretierte Bekenntnis". Diese Auffassung hat J. Kunz e
dahin erweitert, daB er die regula fidei als ,,das antiharetisch gewendete,
aus der Heil. Schrift erganzte xind axisgelegte Taufbekenntnis , diese,
die Schrift . selbst mit eingeschlossen" definiert. ."Wahrend nun die
protestantischen Eorscher in irgend einem. Sinn die Eegel niit dem
14. Die Theologie der antignostischen Vater.
Symbol identifizieren, werden von den katholiscben Grelehrten beide scharf
auseinander gehalten, sodaB letzteres rein kultisehen, ersteres kirchlich
lehrhaften Charakter trug. 1 ) :
"Was zunacbst die sprachliche Form anlangt, so bedeutet xctvwv vys.
akyd-siag, regula, veritatis oder TMXVOJV vijg, Ttlovewg, regula fidei den.
MaBstab, wie er in der ,,."Wahrheit" oder dem ,,Grlauben" gegeben. ist. 2 }
Im allgemeinsten Sinn ist also die Grlaubensregel der iiberlieferte Korehen-
glaube. Dieser Grlaube ist, nun aber apostoliscber Gflaube. Dies ergibt
sich daraus, dafi er ein Bestandteil der traditio vetu& oder der traditio ab~
apostolis ist. Die Apostel predigten und iiberlieferten den wahren Grlauben.
Der Kern der TJberlieferung ist der Grlaube oder die- apostolische Lebre r
wie die Apostel sie von. Christus empfingen und wie die Kircne sie ver-
kiindigt. 3 ) Nun haben aber die Apostel ibre Verkiindigung aucb sebrift-
1) s. Zahns Aufsatz in den Skizzen aus dem Leben der alt. Kirche S. 238 f.
PEE. VI s , 682 ff. Harnack, DG-. I s , 320if. imd Chronologie I, 524ff.
F. Kattenbusch, Das apost. Symbol, 2 Bde., 1894 ff. F. Loofs, Symbolik I,
1902. J. K u n z e , OHaubensregel, h. Sehrif t u. Tauf bekenntnis, 1899, S. B a u m e r T
Das apostol. Glaubensbekenntnis, 1893. Cl. Blume, Das apost. Glaubensbek., 1893.
2) Die Bezeichimngen schwanken. Iren. redet, so viel ich sehe, in adv. haer.
HUT von 6 xavcov ifjs alri&sias, regula veritatis, s. I, 9, 4; 22, 1. II, 27, 1; 28, 1.
Ill, 2, 1; 12, 6. "0 y.avfov ifjs aiaiscos 1 steht epideix. 3. 6, und fides ist bei ihm
nicht selten synonym mit regula gebrauclit (z, B. epideix. 3 ; II, 25, 2. Ill, 4, 1. 2).
Ersterer Ausdruck auch bei Dionys v. Korintli ca. 160, bei Eus. h. e. IV, 28, 4 und
in den clement. Homil. ep. Petr. 1. 2; ep. Clem. 2. Tertullian braucht ge-
wohnlicb. regula fidei (praescr. 1, virg. vel. 1), seltener regula veritatis (Apol. 47,
c. Hermog. 1, de pud. 8). Novatian hat regelma'flig regula veritatis (de trin. 1. 9,'
11. 17. 21. 29; de. cibis-Iud. 7; daflir auch fidei auctoritas de trin. 29, fides vera
c. 30; von dem einzelnen Glaubenssatz credendi regula c. 16. 17; ebenso Hippolyt
(Eefut. X, 1). Polykrates v. Ephesus (ca. 195) redet wie Iren. in der Epideixis
von 6 '/.aviov ri]s Ttiateeos (Eus. h. e.V, 24, 6), ebenso das kleine Labyrinth (Eus.Y,
28, 13). Bei Clemens Al. kommt vereinzelt xavfov irjs Ttlorscos (Strom. IV, 15, 98)
und xavajv iris (U?;#ts (VI,. 15, 124. VII, 16, 94) vor; haufiger y.aviav T?S ex-
xkriaias oder i'^maar^os (I, 19, 96. VI, 15, 125',- 18 ; 165. VII, 7, 41 ; 15 S , 90,;
16, 105), s. Kattenbiisch II, 121. Demnach wird regula veritatis der ur-
sprungliche Ausdruck sein, der allmahlich der regula fidei weicht, und zwar weil
der ,,Glaube" der eigentliche Gegenstand des Kampfes war, und weil die Eegel
immer mehr dem Glaubensbekenntnis angenahert wird.
3) Iren. I, 10, 1. 2': tovio to Krjgvyiua. .. . . y.al %wt>ir[ ii]v Ttiativ . . . jj
sxxitfoia . . . (ftvldaasi. Ill, 3, 2: habet db apostolis- traditionem et annuntiatam
hominibus fidem. Ill, 4, 2: veterem traditionem diligenter custodientes : in unum
deum credenles etc. Ill, 3, 3 : TO x^vy/ua tcov tetoatohtov aal TTJV Ttagddoaiy . . .,
ii]v TiioTiv (t&i&v y.ai fji> veaxni dno iG>v vatoaiohcov TtnodSoaiv el%ri<p8t, : unum deutn
etc. II, 9, 1 : ecclesia autem omnis per universum orbem Jianc accepit ab apos-
tolis traditionem. IV, 26, 4: apostolorum doctrmam ciistodiunt. IV, 32, 1:
apostolica doctrina. V praef. : praeconio ecclesiae, quod '. . . apostoli tradi-
Die regula veritatis- und die Schrift. 297
licli zusammengefafit in den Evangelien, *) , wie andrerseits scbriftlicb
iiberliefert ist, was und wie die Apostel gepredigt baben. 2 ) An sicb
kann nun naturlicb das scbriftlicb fixierte Kerygma der Apostel keinen
anderen Inbalt haben als die mundlicbe tlberlieferung.. Daber wird der
Wabrbeitsbeweis mit dem einen wie . dem anderen MaBstab gefuhrt.
Irenaus sagt etwa, dafi alle Biicber der .Scbrift den Grlauben an den
einen Scbopfergott bezeugen (II, 27, 2), oder er lafit die Gescbicbts-
erzablung des Lukas den Grlaubigen. zu einer regula veritaiis inadulteratcn
gereieben (HI, 15, 1), oder die Cbristen Gottes sermones als regula
veritatis innebaben (IY, 35,, 4). 8 ) Aber die Folgerung, dafi also die
Heil. Scbrift ein notwendiger Bestandteil der ,,E,egel" sei (Kunze), ist
trotzdem nicbt aufrecbtzuerbalten. Die Apostel baben, meint Irenaus,
in der Kircbe wie in einer reicben Vorratskammer niedergelegt omnia
quae sint veritatis. Das ist die veritatis traditio. Diese ware da, aucb
wenn die Apostel keine Scbriften verfaBt batten, denn die veins traditio
oder der Grlaube ist aucb bei denen, die, des Lesens. und Scbreibens
unkundig, sine litteris geglaubt baben- 4 .) So viel ist klar, dafi bier die
miindlicbe Tauflebre als eigentlicber Gregenstand der Tradition auftritt.
Die Wabrbeitsregel, die der Cbrist ,,durcb^die Taufe empfangen
bat", ist nun aber der ibm von der Kircbe iiberlieferte- apostoliscbe
derunt . . ., apostolorum doctrina. Ill praef. : dominm omnium dedit apostolis
s^l^s potestatem evangelii, per qitas et veritatem, hoc est dei filii doctrinam
cognovimus. Sehr deutlich sprechen die romischen MonarcManer zu Anfang des
3. Jahrh. diese Anschauung aus: cpaal ycip whs UEV TtyoTsgovs aTtavras xnl
aiiTovs robs focoaiokovs Ttageikqcpevizt re '/ctu Sidaftevai lavia . . . y.ai TST^fjad'ai
fr]v &ktf&siav TOV> xr^^iiyfiaios pezpi t&v %q6vcov TCOV Bixroyos (Euseb. h. 6. Y,
28, 3). Die bindende Autoritat ist also die apostolische Lebre und das war ihre
Predigt, nicht eine Bekenntnisformel.
1) Ir. Ill, 1, 1: quod tune praeconaverunt, posted vero per dei vohmtatem
ill- scripturis nobis tradiderunt fundamentum et cohimnam fidei nostrae futurum.
Ill, 5, 1: revertamiir ad earn,, quae est ex scripturis ostensionem eorum, qui
evangelium conscripserunt, apostolorum.
2) Ir. Ill, 12, 7 ; s. aueh die Bemerkung liber den "Unterschied von Christi
an Juden geriehteter Predigt und der an die Heiden gerichteten apostolischen
Verkundigung, III, 6, 3. IV, 24, 1.
3) Ygl. Kunze a. a. 0. S. 95 ff.
4) III, 4, If.: non oportet adhuc quaerere apud alios veritatem, quam facile
est ab ecclesia sumere, quam apostoli quasi in depositoriim dives in earn con-
tulerint omnia quae sint veritatis . . . Propter quod oportet deviare quidem illos,
quae autem sunt eeelesiae cum summa diligentia diligere et apprehendere veritatis
tradition em , . . Quid autem si neque apostoli quidem scripturas reliquissent
.nobis,. nonne oportebat ordinem sequi traditionis, quam tradiderunt Us- quibus
committebant' ecclesias ? Cui ordinationi assentiunt m/ultae gentes barbarorum . . .
et veterem traditionem diligenter custodientes, in unum deum credentes . . . Hone
298 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
Gr la u be. J ) Dabei unterscheidet Irenaus deutlich zwischen den scripiurae
und der traditio apostolica, und zwar so, dafi letztere miindlich durch die
Vorsteher der Kirclie fortgepflanzt ist (IH, 2, 1. 2. epideix. 3). Dein-
nacli ist die These Kunzes nicht richtig. Die traditio ist ihrem "Wesen
nach der nmndlich uberlieferte apostolische Gflaube, und dieser ist die
regula vcritatis, Sofern auch die Schriften apostolischer TJberlieferung
entstammen, konnen sie in ungenauerer Rede wohl auch als regula veritatis
bezeichnet werden, aber sie sind nicht eigentlich Bestandteil der Hegel.
Die alte jiidische Unterscheidung von Schrift und miindlicher Tradition
(oben S. 49 f.) beherrscht den Sprachgebrauch des Irenaus.
Dann scheint die These Zahns die richtige Losung zu bieten. Eiir
sie spricht 1) dafi die Wahrheitsregel ,,durch die Taufe" empfangen
wird, 2) dafi der Begriff YMVcbv oder regula nur auf eine fixierte feste
JTorinel zu passen scheint, nicht aber auf ein lockeres Gefiige von Lehr-
gedanken. Indessen erheben sich auch hier uniiberwindliche Schwierig-
keiten. Vor allem komnien die Inhaltsangaben der Regel in Betracht. 2 )
"Wer sie iiberschaut, bekomnit den Eindruck, dafi sie zwar den triadischen
Grlauben darbieten und dafi dieser gern in den Formeln des Taufbekennt-
hisses ausgedruckt wird, aber nicht minder ist klar, dafi die Eegel mehr
enthalt als das Bekenntnis und dafi sie eine genauere lehrhafte TJber-
lieferung darstellt. Sie uinfafit den ganzen Grlauben oder die ganze
praedicatio cccleside (I, 10, If. V, 20, I), 3 ) sie enthalt demgeinafi Er-
kenntnisse in sich wie die, dafi durch den Logos die Welt geschaffen
wurde, dafi es eine Simdflut und eine Errettung aus Agypten gab (I, 22, 1.
Ill, 3, 4), ja auch ethische Gfebote oder die Ordnung der Kirche (V, 20, 1).
Dazu wechseln die Pornieln, sie werden bald kiirzer, bald expliziert an-
gefiihrt. Nicht urn eine kurze Formel kann es sich denmach bei der
Hegel handeln, sondern uni ein Lehrgefuge, das seinen ktirzesten Aus-
fidem qui sine litteris crediderunt . . . barbari sunt . . . Per illam veterem
apostolorum traditionem ne in conceptionem giiidem mentis admitttmt quod-
cunque eorum (der Haretiker) portentiloquium est.
1) I, 9, 4: OVTCO 8e y.al 6 tbv y.avova, ifjs dhj-d'etas Axkivri ev eavtiy y.afteyiov,
ov 10. fov fiaTtTiofiams ettyffE. V praef. : neophytomm quoque sensum confirmare,
ut staMlem custodiant fid em, quam bene custoditam db ecclesia accepenmt.
2) Die Hauptstellen sind -I, 10, 1; 22, 1. Ill, 3, 3; 4, 2. IV, 33, 7. V,
20, 1; epideix. 3 6. Dazu Ausfiihrimgea einzelner Punkte wie II, 1, 1. 5; 6, 1;
30, 9. Ill, 8, 3.
3) Die Kegel ist veritatis corpus integmm II, 27, 1 (zur Lesung s. n. 6
vgl. epideix. 1). Das ifjs dlr]&eias acdfianov (I, 9, 4) wird niclit hergehoren, der
Gedanke ist dort, daC die einzelnen Steine aus dein Mosaikbild des Fuchses fort-
genominen und angepafit sind deni wirklichen und urspriinglicken Korper (des
'Konigssohnes), s. Kattenbusch I, 301 .
Die regula veritaiis und das Taufbekenntnis. 299
druck in jenen Formeln finden konnte, aber an sich iiber sie hinaus-
reichte. DaG dieses Lehrgefiige iiberliefert wird durcli das Taufbekenntnis,
kann man sagen, sofern letzteres ersteres in der Hauptsache zusammen-
fafite. Aber unfraglich denkt sich Irenaus die "Wahrheitsregel sehr viel
umfassender als das Bekenntnis. Nur so war sie wirklich ein Mittel im
i3treit, nur so batte es einen Sinn die Lauterkeit der sie iiberliefernden
Personen so zu betonen, wie Irenaus es tut, nur so wird es begreiflich,
dafi er etwa den 1. Clemensbrief als Zeugen der Grlanbensregel verwendet
<HI, 3, 3).
So scbeint nur Harnacks Ansicht iibrig zu bleiben, wonach die
Hegel das antignostisch interpretierte Symbol ist. Aber auch dagegen
erheben sich Bedenken. Man versetze sich nur in die Lage. Es handelt
sich nicht urn eine naive Behauptung zur Begriindung der eigenen TJber-
;zeugung Grleichgesinnten gegeniiber, sondern es handelte sich um eine
grundlegende These iin Streit mit kundigen Gregnern. Diesen gegeniiber
Terschlug es nicht das Greringste eine moderne Auslegung des Symbols
als uralt zu proklamieren , sondern es mufite zur Gfewifiheit erhoben
werden : so ist die Lehre der kirchlichen Tradition von jeher beschaffen
: gewesen, oder es gibt eine alte Tauflehre, die seit der Apostel Zeiten
; gegolten hat und die daher das alte richtige Verstandnis des Symbols
wie der heiligen Schriften reprasentiert.
7. Diese Behauptung schwebte nicht in der Luft. Nichts anderes
.als das ,,Gebot", der Kanon der TJberlieferung", das alte "Wort, der
.,,gegebene Grlaube", die ,,Christuslehre", von denen Johannes, Clemens,
Polykarp, Ignatius reden (oben S. 166 ft), wird auch von Irenaus angefuhrt.
Keine Erfindung der Kampfesnot liegt vor, sondern eine alte langst vor-
handene Anschauung wird aufrecht erhalten und angewandt. Nicht
einmal die antiharetische Zuspitzung der Sache war neu, neu war nur
der geschichtliche Beweis, den man notgedrungen fur die alte TJber-
.zeugung suchen mufit.e. Irenaus ist, gerade ebenso wie Polykarp, Ignatius
und Clemens auf den er sich ausdrucklich beruft davon iiberzeugt,
dafi die Tauflehre apostolische tlberh'eferung ist, und diese tlberzeugung
war an sich kein Irrtuni, wie friiher gezeigt ist. Nun freilich und
.auch das wurde friiher gesagt lafit sich eine solche ,,Lehre" nie
verbo tenus festhalten, sie wuchs und sie erweiterte sich (vgl. die Praedicat.
Petr.), neiie Probleme und Gfesichtspunkte drangen ein, ungewollt und
unvermerkt, die vermeintlich ,,alte Lehre" wandelte sich, wie auch die
Mischnah der Juden. Aber gerade ihre nie veraltende Neuheit legte die
Reflexion auf ihr nie erneutes Altertum nahe. "Was imnier gesagt war:
die Tauflehre ist apostolische Tradition, das mufite jetzt, wo eine andere
,,Tradition" sich entgegenstellte, bewiesen werden. Das haben Irenaus
300 14.. Die Theologie der antigaostischen Yater.
und Tertullian getan. Ihr TJnternehmen hat, mutatis, mutandis, Ahnlich-
keit mit dem des Protestanten, der behauptet noch heute die liehre d'err
Augustana zu vertreten und auf dem Wege kirchenrechtlicher. Sukzession;
den Beweis dafur zu erbringen versucht.
So betrachtet, gewinnt man ein geschichtliches ' Verstandnis der
regula ftdei. Es ist die kirchliche Tauflehre, wie sie von jeher als*
apostolische Wahrheit betrachtet worden war, und zwar diese Tauflehre
in der spateren triadiscnen Ifassung. Sofern diese .Lehre im Symbol
zusaininengefafit ist , konnen Symbol und Hegel identiscb genommen
werden; sofern aber die' Hegel die ganze apostoliscne Lehre entnalt,
sind beide Begriffe nient identiscn. Nicht sowohl eine antignostische
Interpretation des Symbols soil die Hegel sein, sondern die apostolische
Tradition, die yon dem Symbol yorausgesetzt wird. Sie umfafit etwa
den Lehrstoff, den Melito in seinem "Werk liber die Taufe (s. S. 287).
behandelt zu haben scbeint, 3 ) und dieser gait eben allgemein als aposto-
liscne Lehre und daher als Wahrbeitsregel. 2 ) Scnon um 160 nat Dionys
von Korintb. den Marcion nacb diesem Mafistab bekampft: nrjv MaQxicovog
cflqeGiv itokm&v rfy rfjs ahi]$eiag TCaQloxa-cai Kavovu referiert
Eusebius (h. e. IY, 23, 4), dabei wobl sicner Ausdriicke seiner Quelle
anwendend. Aucb. die neuerdings in armenischer Spracbe wiederauf-
gefundene Scbrift des Irenaus 3 Ertidsifyc, tov 'ctrtOGzofaxou y^Qvy/.ia-cos
(Eus. h. e. V, 26) bestatigt die gewonnene Erkenntnis in erfreulicbster
Weise. Vor allem. ist es aucb hier unzweifelbaft, dafi der ,,Kanon des
Glaubens" den gesamten cbristlicben Grlauben, resp. das apostoliscne
1) Der Begriff der regula veritatis uinspannt an sicli die. ganze apostolische
Uberlieferung einscMiefflich der ethischen beiden Wege oder der Kirchenordnung,
s. Iren. Y, 20, 1 : firmam habens ab apostolis traditionem . . . unum et eandem
esse fid em . . ., eadem meditantibus praeeepla et eandem figuram eius quae
est erga ecclesiam ordinationis custodientibiis, et eundem exspectantibus
adventum domini et eandem salutem totius liominis i. e. animae et corporis
sustinentibus, s. auch epideix. 3 : Den Kanon des Glaubens unverriickt lialten
und die G-ebote Grottes erfullen. Ygl. dazu die Bemerkung liber Melito obea
S. 287 Anm. 3 ; ferner die Inhaltsangabe der ,,katholischen Lehre" in der Disdasc.
syr. 24 (triadischer Glaube, Schriftgebrauch, Auferstekung, Ehe, Herzensbeschnei-
dung). Indessen hat sich gemaC den Gegensatzen unserer Zeit der Titel immer
melir auf die fides besehrankt, vgl. S. 296 Anm. 2.
2) Diesem Gedanken verdanken Biicher wie die Praedic. Petri ihreEntstehungv
S. iioch die interessanten Ausfiihrungen in den clement. Homil., wonach wie einst
Moses den Altesten na^ado&svra. aiirots xavova hinterliefl, Petrus seine Eerygmen
den 70 Briidern iibergeben wissen will, damit die Christen eine Tradition haben :
Iva. OVTCOS tag Ttiateis (fv^d^coaiv KUI 7tavTa'/,fj ibv tfje d^ij&sias xavova Ttaga-
&wavv (jtaQufiidQiv'T) egfi-rjvevowiEs 10. Ttdwza Ttyos ir]v TtaydSoow r\f.iu>v (ep. Petr.
ad Jac. 1. 2 und ep. Clem, ad Jac. 2). .
Die regtila veritatis bei Irenaus. ; '.301
'Eerygma" bezeicb.net und nicht blofi eine Be'kenntnisformel (6). Dieser
Grlaube" enthielt in triadischer Anordnung (5. '6) >eine Lebre von-Gro'tt,
der Scbopfung, der alttestamen.tlich.eD. Heilsgeschichte (8 30), sodann
Ton Ohristus, seinem Ursprung und Wesen, seinen Taten, und seiner
Erlosung, der Auferstehung und Himmelfahrt .(3040). An - die Er-
wabnung der Apostel scblofi sicb dann die Belehrung viiber die Taufe
-und den beiligen Geist, Grlaube, Liebe, Hoffnung als Erfolg der Predigt,
'iiber den : Wandel im Greist, uber die Auferstebung, iiber die Eirche, in
der jetzt Heiden statt der Juden Gfottes Volk sind, iiber die Parusie
(41.42 cf. 8790. 93 97). 1 ) Zu dem ,,apostolischen Eerygma" mrd
aber nicht nur dieser ,,Eorper der Wanrheit", ,,Eanon des Grlaubens",
- Grlaube " oder ,,unser gesundes unbeflecktes Wort" (1. 3. -6), sondern
'auch ,,die Grebote Grottes" (3) genort naben. Die Scnrifl des Irenaus
-zeigt uns, wenn aucb. teilweise nur in kurzen Andeutungen, welcher
Lehrstoff als Gflaubensregel oder apostolische Predigt in den Gfemeinden
vorgetragen wurde ; sie veranschaulicnt aber aucb. andrerseits, mit welcher
Harmlosigkeit Jeder Lebrer seine Tbeologie in diese Scbemata bineinlegte.
Der Hauptertrag, den 'diese neae Scbrift liefert, bestent darin, dafi sie
1) Iren. hat unsere Schrift geschrieben, urn semen Adressaten in Kiirze an
,,die Verkiindigung der Wahrheit" zu erinnern und ihm ,,die Beweise der gott-
lichen Dinge" kurz yorzulegen (c. 1). DemgeinaB legt das Such zimaclist den
Inhalt der apostoliscnen Verkiindigung dar (842 med.), um dann einen ein-
gehenden alttestamentlichen Schriftbeweis -fiir sie :zu liefern (42 nied. 97). Der
entscheidende Einschnitt liegt in der Mitte von c. 42 (p. 24 Z. 5: Daft dies attes
-so .geschehm soltte, hat der G-eist . -. . vorausverkiindigt etc., Harnacks Kapitel-
einteilung ist hier irrefuhrend). Indem gegen Ende der Wiedergabe der ,,Ver-
Mindigung" Iren. sich itmner . kiirzer gefaBt hat, kommen die betr. Sachen ^spater
in den -,,Beweisen" etwas ausfiihrlicher zur Sprache; die Beweise setzen bei der
Christologie ein, da fur die historisbhen Berichte liber die Schopfung etc. kein
"Beweis erfordeiiich war. Wie der Titel zeigt, lag der Schwerpunkt der Schrift
in dem biblischen Beweise, ygl. Melitos exkoyca ex re TOV vo/uov uai T&V Tt^oip^rwv
7te<)l rov- oanypos xai Ttdaqs ifjs rtioTecos fjfiwv (Euseb. h. e. IV, 26, 1-3) und spater
Cyprians Testhnonia. Eiir das Alter der von Irenaus befolgten Schemata spricht.
daB die Behandlung des heil. G-eistes und seines Wirkens von der Ghristologie
aiicht scharf er gesondert ist. Der . ,,Grlaube' ; , den Iren. darlegt, ist der immer-
'loahrende Erhalter unserer Erlosung . ., vor alleni unterweist er uns, dap ivir
die laufe empfangen haben zwr Vergebung der Siinden . . ., und daft diese Taufe
das Siegel des ewigen Leberis sei und die Wiedergeburt in Gott (3). ,,Der
'Glauhe" ist also die Tauflehre oder die Lehre von dem, was durch die Taufe sich
in den Katechumenen verwrrklicht hat. Noch ist darauf zn verweisen, daB Iren.
die Haresien als Gegensatz: zu dem triadisehen G-lauben in drei G-ruppen teilt:
sie verschmahen entweder den 'Vater, oder nehmen den Sohn nicht an, indem sie
gegen die Okonomie der Fleischiverdung lehren, oder empfangen den Geist nicht
d. h. verschmahen die Prophetie (100), zu letzterem s. oben S. 259 f. Anm. 2.
302 14- Die Theologie der antignostischen Vater.
uns von dem Inhalt der Grlaubensregel ein sicheres Bild gewahrt und
dadurch die Deutung der . betr. Stellen in dem groflen Werk des Irenaus
bestatigt.
8. Tertullian stimmt in der uns beschaftigenden Erage zunaphst
mit Iren. uberein. Die regula fidei, wie er gern sagt, ruhrt von Christus
und Gfott her (praescr. 13. 37. Apol. 47). Es ist die miindliche traditio
apostolorum im Unterschied zu der auctoritas scripta. 1 ) Sie enthalt die
von den Aposteln verkiindigte doctrina fidei (praescr. 20. 26). Diese
nun wird einerseits offenbar mit dem Taufbekenntnis identifiziert : cum
aquam ingressi christianam fidem in legis suae verbum profitemur (de
spectac. 4), und in moglicnst engem Anschlufi an die Bekenntnisformel
pflegt Tert. die Grlaubensregel zu reproduzieren (praescr. 13. 36. virg.
vel. 1. c. Prax. 2), doch ist diese auch bei ibm nicht wortlich wieder-
gegeben und es felilt dabei so wenig als bei Irenaus an Einschuben und
Gedanken, die nicht vorn "Wortlaut des Bekenntnisses geboten waren. 2 )
Dazu kommen solche Stellen, in denen die ,,Eegel" offenkundig nichts
anderes bezeichnen will als die iiberlieferte normative Lehre. 3 ) Relativ
neu ist bei Teiiullian 1) die scliarfe Betonung der Regel als einer lex
fidei (virg. vel. 1; spect. 4), sie hangt mit seiner Gresamtanschauung
zusammen ; 2) der mystiscne Charakter, den die Eegel als christianum
1) c. Marc. I, 21; de cor. 3: etiam in traditionis obtentu escigenda est, in-
quis, ciiictoritas scripta. Ergo quaeramus, an et traditio nisi scripta non debeat
recipi. Plane negabimus recipiendam, si nulla exempla praeiudicent aliarwin ob-
servationum, quas sine ullius scripturae instrumento solius traditionis titulo et
exinde consiietudinis patrocinio vindicamus. Es folgt der Taufritus als Beispiel,
dabei: ter mergitamur, amplius aliqiiid respondentes quam domimis in evangelio
determinavit ; cf. bapt. 2. c. Prax. 26 fin. De praescr. 44: semel evangelium et.
eiusdem regulae, dootrinam apostolis meis delegaveram. 14: fides, inquit, tua te
salvum facit, non exercitatio scriptural-urn ; fides in regula posita est.
2) Es ist nicht richtig, wenn Harnack (DG. I, 330) den materiellen Fort-
schritt iiber Iren. liinaus als ,,selir bedeutend" bezeicb.net.
3) Z. B. c. Marc. IV, 5; de earn. Chr. 6: alterius regulae fides. Aucb. der
Satz: aiunt enim Marcionem non tarn innovasse regulam separatione legis et
evangelii quam retro adulteratam recurasse (c. Marc. I, 20) gibt mir dann einen
Sinn, wenn man regula nicht als Glaubenssymbol faBt (gegen Kattenbusch.
II, 86). Aucb. praescr. 36 ist wichtig: die Apostel baben der Kirche Mam doc-
trinam gebracbt; was bat sie nun von. den Aposteln gelernt? unum deum ...
et Christum Jesum . . . et carnis resurrectionem ; legem et proplietas cum evan-
gelicis et apostolicis litteris miscet, inde potat fidem, earn aqua signat etc., offen-
bar enthalt die apostoliscbe Lebre, die die Kircbe bei der Taufe weitergibt, bier-
uacb Elemente, die in dem Bekenntnis nicbt stehen, die Regel ist also an sicb
nicht identiscb mit dem Symbol. Aber es lafit sich aucb nicbt mitKunze (a. a. 0.
S. 175 ff.) aus der Stelle erweisen, daJ3 nach Tert. Anscbauung die Scbrift mit
zur Eegel gebb're. '
Die Glaubensregel bei TertHllian und Novatian. 303
sacr amentum empfangt (praescr. 20. idol. 6 c. Prax. 30. c. Marc. 1, 21). *)
Dazu kommt 3) die sich. anbahnende Konzentrierung der ,,Regel" auf
das Taufbekenntnis. Dies Verfahren wird sich daraus begreifen, dafl
der ,,apostolische Grlaube" im Lauf der Zeit immer mehr zu einer
schwankenden unsicheren GfroBe werden mufite, wahrend die TTmrisse
.des Bekenntnisses nur fester wurden. Es war eine historische Erinnerung,
dafi der Katechumenenunterricht den apostolischen Lehrstoff tradiere;
von den Wandlungen, die diese Tradition durchgemacht hatte, hatte
man keine Yorstellung, und man war von der Identitat der Lehre"
der Earche mit der alten apostolischen iiberzeugt die alten Schemata
bestanden ja wohl auch ini ganzen fort (Melito) , aber als konkrete
unantastbare Gfrofie empfahl sich die Zusammenfassung der Lehre im
Bekenntnis, wie sie jeder im Kopf trug. So fangt jetzt jenes wunder-
liche Yerfahren an, das dem Taufbekenntnis die Losung fur die ver-
wickeltsten theologischen Probleme entlockte, der sakramentale Charakter
der fides mag dazu mitgeholfen haben. Man kann sich den Wandel,
der sich allmahlich vollzieht, durch die Eormel verdeutlichen : einst war
die ,,apostolische Lehre" die Autoritat, die man irn Bekenntnis kurz
zusammengefafit sah, jetzt wird das Bekenntnis die Autoritat, die man als
apostolische Lehre interpretiert.
Granz ahnlich Tertullian hat auch noch Novatian die regula
veritatis angesehen. Bei diesem Ausdruck denkt er zunachst wohl sicher
an das Taufbekenntnis als praescripta regula (de trin. 16). So etwa wenn
er seine trinitarische Erklarung des christlichen Gflaubens mit den Worten
anfangt: regula exigit veritatis, ut primo omnium credamus in deum
pair em et 'dominum omnipotentem (de trin. 1), oder ziu- Christologie
iiberleitet : eadem regula veritatis docet nos credere post patrem etiam in filium
(9), und schliefilich vom Geist sagt : ordo rationis et fidei auctoritas digestis
vocibus et litteris domini admonet nos post haec credere etiam in spiritum
sanctum (29). Aber diese fides (vgl. c. 30), die offienbar die regula veritatis
ist, enthalt nun sehr viel mehr als der Wortlaut des Bekenntnisses. Alle
Grundwahrheiten der Schrift sind in ihr enthalten, aber sie ist an sich
1) tiber den Begriff sacramentum hat Kattenbusch (II, 64 ff., 93. 95 ff.)
sorgfaltig gehandelt. Sacramentum (= juvanj^iov) ist ein ,,Heiltum", das alles
im Christentum, ,,was dariu eine spezifische Gottesgabe oder Gottestat ist, nacb.
Seiten seiner geheimnisvollen Art bezeicb.net". So wircl die Glaubensregel als
Sakrament zu einer heiligen Sache, ,,dureh welche Gott den Menschen niit sich
ia Verbindung brachte, wodurch der Mensch einen Charakter als fideli's erhielt".
Hierzu kommt die besondere Anwendivng des Begriffes im Sinn des militariscken
Fahneneides, den der miles Christi im Taufbekenntnis ablegt (ad. mart. 3. de
cor. 11. scorp. 4) s. Harnack, Militia Christi (1905) S. 33 ff.; indessen hat auch
die durch diesen Fahneneid hergestellte Be/iehung mystischen Charakter.
304 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
.nicht --der Ausdruck der Lehre der scripturae coelestes, wie Novatian ge-
wohnlich sagt, sondern sie 1st eine besondere -Grrofie, fur die man das
Zeugnis der Sckrift anrufen kann. Sie ist das, was die sincera traditio
'et catholica fides in ,sich fafit, 1 ) oder auch die incontaminata doctrinae
dominicae iura (29). Als Inhalt der Wahrheitsregel denkt sich Novatian
also die vom Herrn ausgehende, 'durch die Tradition forterhaltene reine
christliche Lehre. Aber diese Lehre liegt vor und ist zusanunengefafit
in dem Taufbekenntnis. Die 'ganze lehrhafte Erorterung Novatians
erscheint ihm daher als ein ,,Aufschliefien" der Regel, bei der er immer
einse'tzt; was er will, ist: breviter circa personam Ghristi regulam
veritatis aperire (21). Daraus ergibt sich seine Anschauung deutlich:
die Regel ist formell das Taufbekenntnis, uber sie enthalt materiell
mehr, namlich die ganze alte TJberlieferung, die ]a gleichsam eingeschlossen
ist in die knappen Formeln des Befcenntnisses. 2 ) Dazu wirkt der heil.
Greist in der Kirche, damit diese sectas repettit, regulam veritatis eocpedit,
ha&reticos revincit (29), d. h. das rechte geistHche Verstandnis erlautert
oder entwickelt den kurzen Wortlaut der Regel. Fur Novat. ist also,
wie wir es bei Tertullian fanden, die Eegel oder ,,der Gflaube" oder
das ,,Sakrament des Grlaubens" 8 ), d. h. das Taufbekenntnis die Autoritat,
aber er setzt dabei voraus, dafi dies die ganze kirchliche Tradition in
sieh faBt, sodafi das tiefere Verstandnis sie aus ; ihm entnehmen niufi.
Daher wird in der ,,Regel" gesucht und gefunden, 'was dem Wortlaut
nach nicht in ihr steht, oder man empfindet sie immer noch als eine
Abbreviatur fiir die ganze, weitlaufigere Tradition. Wie deni einzelnen
Getauften sich alles, was er iiber den Grlauben gehort hatte, irn Be-
1) Novatian. de trin. 30: ad testimonium, quod ita se habeat fides vera,
ioium et vetus et novum testamentum possit ad&wi. Sed quia dbluctantes ad-
versus veritatem semper haeretici sincerae traditionis et catholicae fidei contro-
versiam sclent trahere etc. Die veritas, von der Nov. hier spricht, ist der wahre
trinitarisclie G-laube, wie er ihn im Buch en'tAvickelt hat. Diese Wahrheit ist
nun aber nicht Schriftlehre als solche, sondern katholischer G-laube und lautere
Tradition.
2) Kattenbusch II, 361ff. hat niit Eecht die Beziehung der regula auf
das Taufbekenntnis angenommen, aber auch H. Jordan (die Theol. der neuent-
deckten Predigten Novatians 1903, S. 182) ist von einer ganz richtigen Bmpfin-
dimg geleitet, wenn er die regula viel mehr in sich begreifen laCt als das Tauf-
bekenntnis. Wie beide Urteile sich initeinander vereinigen lassen, zeigt die Dar-
stellung bben.
3) Novatians Brief bei Cyprian. Ep. 30, 3: cum totum fidei sacr amen-
tum in confessione Christi nominis intelligatiir esse digestum, vgl. die gleich-
zeitige Schrift de rebaptism. 10: mysterium fidei tradunt bei dem Tauf vorgang ;
beides pafit auf das Bekenutnis.
Die Glaubensregel bei Clemens Alex. 305
kenntnis zusartunenfaBte, so schien aucli der allgemeine Christenglau.be
nur seine praziseste \Formulierung an dem Taufbekenntnis zu besitzen.
9. "Aber dies ist nur die eine "Wendung der geschichtlichen Ent-
wicklung. Die andere halt an der alteri Yorstellung von einer aposto-
lischen Lehre fest, interpretiert diese aber mit wachsender Harmlosigkeit
im Sinn der neueren Dogmatik resp. der ganzen Schriftlehre. So hat
Hippolyt sein grofies antiharetisches Werk mit einer Wahrheitsregel
beschlossen, die ein ganzes theologisches System mit EinschluB der Heils-
geschichte in sich fafit. 1 ) Ebenso verhalt es sich mit der Kegel, die
Origenes zu Beginn seines "Werkes rtegl &Q%a>v mitteilt (s. unten).
Auf dieser Linie bewegt sich auch Clemens Alex. 2 ) Die eigentliche
Quelle der Wahrheit und die entscheidende Autoritat erblickt er in den
heiligen Biichern als der Offenbarung Christi ini A. T. und den evan-
gelischen und apostolischen Schriften. Also kann man mit Recht sagen,
dafi er das ,,Schriftprinzip" in Voller Klarheit vertrete. Niin bleibt Clem,
aber nicht dabei stehen, sondern kehnt einen ,,kirchlichen Kanon", den
,,Kanon der Wahrheit", nach dem die Schrift ausgelegt wird und der
1) Befttt. X. 1. 32 34'vg-l. Kunze S. 129f. "
2) Einige Hauptstellen aus Clemens mo'gen Mer stelien. Strom. VII, 16, 94:
zoiavrcu S' f/fiiv at y.v^iay.cd ypacpcd ii]v ahrjfleiav dTtoTixrovaai . . . SyaD.sa&at,
yap dvdyxri fisyiara tots fisyiarois sy'^BiQOvvras Ttqayfiaaiv, i\v firj rbv y.avovu
-rifs dhrj-S-eias 7ta(? aiirtfs kafiovres e%coai rijs dhydeias. Weil die Haretiker
niclit foesitzen d't^&cov y.al yevSmv y.gitijgiov, genorcheii sie nicht deu lieiligen.
Schriften. Ib. 95: e^o^iev yap ifjv d^fjv Tfjs St8a.ay.aUas ibv "/.iiqiov Sid is t&v
rtQOfpii'T&v Sid TS TOV eiayyebiov xal Sid twv {.layMQitov aTtorol.cov . . e| dyxfjs sis
rekos fjyovf.i8vov ifjs yvcboecos. Ib. 97 : Die Haretiker wahlen was ihnen gut diinkt,
Statt TO Ttqbs y.vgiov Sid iwv Tt^oyrjTwv sigijfievov '/MI iiTtb TOV evayysiiov, Ttgoaen
Ss y.al rwv d-XOffToAcov avfifiatJTvgovftevoi. TS ticii pefiaiotfievov . . ., fiTteg/Srjvai s
ortovSdaavTes TO v.oivbv Tijs TtiaTsws s^s^aav TIJV dkijd'eiav. Indem sie TO, Tfjs
yvcbasws T^S K%xkt]ffiaaTiy.r]s fivaTrj^ia, und TO fieyaAeiov TIJS dirj&elas nicht erfasseiu
lassen sie die Schriften fahren. Str. VI, 15, 124 : dTtoo-TsoovvTss TOV avoiov tip
dktjdtf Siaay.a).iav ol {.ITJ '/.arf d^iav TOV d'eov y.al TOV r.voiov rds yoaipds l.eyovTes
TB y.al TtaoaSiSovrss. Anders als die Haretiker die Apostel y.aTd TOV T-fjs &l,rj-
&sias f.avova SiaaacpovvTsg Tag yoayids. Ib. 125: oaoi iirf avrov (Christlis)
<ja(frjvia&eioav s^ytjaiv y.ard, TOV exxhrjaiaoTixdv y.avova lxe%6[.ievoi Siaaco^ovai-
xavcbv Se ly.'x'kijaiaaTiy.bs f] ovvcoSia y.al i] avficpcov ia vopov ts y.al
TtpocprjTcdv TT] y.aTa TrjV TOV vvpiov napoyoiav %apa iSo fievr] ta-drjx-r].
Tiber die geheirne Tradition der- kirchlichen Gnosis s. Str. VI, 7, 61: 37 yvcoois
SB ai>Trj ?/ y.aTU 8io%ds ' sis okiyovs ex T&V dnoaTol.cov dypdycos TtaqaSodeloa
y.aTshtfkv&sv, dazu VI, 15, 131 und bei Eus. h. e. II, 1, 4: Christus habe- nach
der Auferstehung die Gnosis Jakobus, Johannes und Petrus liberliefert, diese sei
den iibrigen Aposteln, diese den Siebzig nu'tgeteilt. Vgl. Harnack DG I s , 334f.
Katteubusch II, 102ff. Kunze S. 132 ff., s. auch Kutter, Cl. v. Al. und
das N. T. 1897.
Seeberg, Dogmengesohichte I. 2. Aufl. 20
3.06 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
der kritische Mafistab, urn das IPalsche und Wahre zu unterscheiden, ist.
Einrnal hat er diesen Mafistab als die tlbereinstimmung von Gesetz und
Propheten mit dem neuen Bunde definiert. Das ware also etwa ein
Purchschnitt der ganzen Schriftlehre, nur nicht im Sinn eines Auszuges
aus der Schrift, sondern, wie es ein anderes Mai heifit, als das ,,Gremein-
sanie des Grlaubens". Die Grofie, die Clem, vorschwebt, wird demnach
der uberlieferte in der Kirche herrschende apostoliscbe Grlaube sein,
Dieser Grlaube ist materiell identiscb mit dem Schriftinhalt, aber er ist
formell von ibm verschieden. Cleni. bat den ,,kirchlichen Kanon" neben
das Taufbekenntnis gestellt, 1 ) .aber ibn doeb nicht mit diesem identifiziert.
Eine derartige Annaherung beider Gfrofien, wie sie bei Irenaus und
Tertullian vorkonimt, fehlt bei ihm. Aber eben darum ist sein ,,kirch-
licher Kanon" eine unklare und schwankende Grestalt, auch die Be-
ziehung zur Tauflehre fehlt. Er operiert mit einem iiberkommenen
Begriffi, dem es aber an konkreten Ziigen mangelt. Die Tauflehre hat
offenbar in Alexandrien friiher als anderwarts ihr festes Gfeprage veiioren.
Der Begriff blieb, aber man verband mit ihm einen neuen Inhalt, es ist
der Inbegriff der Bibellehre oder die kirchliche Gresamtanschauung.
10. Das Eesultat der Untersuchung ist, dafi man die TJberzeugung
von einer gemeinsamen Kirchenlehre, die man von alters her besafi, im
Gregensatz zxir Gfnosis festhielt. Aber indem man diese TJberzeugung
festhielt, miifite man sie in der neuen Lage verscharfen. Diese Lehre
ist der umfassencle und genugsame Ausdruck der ganzen Wahrheit, sie
legt die ganze Schrift richtig aus und die Schrift bestatigt sie. Sie ist
der alleinige Mai3stab zum Verstandnis der Schrift, ihr Besitz gibt erst
ein Recht auf die Schrift. Man hat durch diese Gredanken die MiB-
deutungen der heiligen Schriften durch die Gfnostiker abgeschnitten, aber
man hat dafiir aiif das geschichtliche Yerstandnis der heiligen Autoren
verzichten miissen. Die alte ,,TJberlieferung" war von alters her die
eigentliche Grrofiniacht der dogmengeschichtlichen Entwicklung, sie ist es
auch jetzt geblieben, denn sie entschied iiber das Verstandnis des Kanons.
Daher fehlt es der Zeit . am Verstandnis der Eigentumlichkeiten der
1) Fiir die Frage, ob Clem, ein formuliertes Taufbekenntuis gekannt
kommt besonders in Betracht Strom. VII, 15, 90 : fiij 11 oi>v, si r.al Ttaoafiahi its
avi>f)ri'/.as '/.a\ if/1- p/.io!oyiav 'Tta.QeWoi T^V Ttgbs ijfi&s, Sia vbv yevadfievov
6 polo y lav dcf>s^6f4s&a iJjs a).t]9'eius VMI> fjfiels, alfc ws dyevdelv %oii tbv
VML /uriSsv &v vTtea'/^rat, dy.vgovv, xav aJJ.oi tives nu.qa^a'ivcaavv avv&faas, ovrcos "/.ui.
ijfi&s '/.(no, (.iifSeva tqoTiov rw exy.^rjaiaarixdv napafiaiveiv Ttyooijxei xavova,,
y.al f.id),iaru rfjv rcegi iS>v fieyiarcov 6 ft o hoy lav fyiets fiev fpvidTiofiev, ol Se
nuQafiuivovaiv. Danacli hat .Clem, wohl sicher ein Bekenntnis gekannt, wie
C-aspari. (Ztschr. ,f. k. Wiss. 1886, 352ff.) und Kunze (a. a, 0. S. 60ff.) er-
wieseu haben, s. auch Kattenbusch II, 128 f.
Die G-laubensregel als- apostolisclie Lehre.. 307
bibliscben Autoren, je origineller sie sind, desto weniger weifi man mit
ihnen anzufangen. Aucb ein Pauliner wie Irenaus hat der ublicben
Anscbauung seinen Tribut nicbt versagen cliirfen. So wird die alte
Tauflebre zur Kircbenlebre. Man spitzt sie dann immer scbarfer zu dem
Taufbekenntnis zu, oder man fafit sie als Inbegriff der Scb.riftleb.re auf.
Jenes ist der Weg der abendlandiscben, dies der inorgenlandiscben Ent-
wicklung. Dort wird der Begriff immer mebr verengt, bier erweitert,
dort erbalt sicb das Taufbekenntnis als feste Grrofie, bier wird es nach
den Forderungen der Tbeologie erweitert.
Die Kircbenlebre ist ntm aber zugleicb apostoliscbe Lenre.
Der Beweis fiir diese grundlegende Bebauptiing lieB sicb auf doppeltem
Wege fiibren. Einmal indem man aus den apostoliscben Scbriften erwies,
dafi sie diese und keine andere Lebre entbalten. Nicbt nur Irenaus,
sondern aucb Tertullian und Novatian bemiibten sicb aus der Scbrift die
Kircbenlebre zu begriinden und die baretiscbe Lebre zu entgriinden.
Zum anderen aber wird die Kircbenlebre auf formal gescbicbtlicbem
Wege als apostoliscbe Lebre aufgezeigt. Es ist namlicb die Lebre der
Nacbfolger der Apostel und daber dieser selbst. Die Nacbfolger der
Apostel sind die Biscbofe der Kirchen. Zwiscben iinen und den Aposteln
ist durcb die principalis suecessio eirie sicbere Kontinuitat bergestellt.
Yermpge dieser baben sie das charisma veritatis cerium empfangen. Die
Biscbofe besitzen also die wabre Lebre xind daber die ricbtige Scbrift-
auslegung. Das ist ibr Cbarisma. Nicbt um eine personHcbe Inspiration,
sondern tun einen gescbicbtlicb iiberlieferten Besitz bandelt es sicb
bei dem Cbarisma. Mag immerbin auf die moraliscbe Integritat der
Biscbofe Grewicbt gelegt werden, nicbt der Geist, sondern die Lebre ist
die Grabe, die ibnen geworden ist. 1 ) Die kircblicbe Tradition ist binfort
1) Iren. IV, 26, 2 : quapropter eis qiti in ecclesia sunt presbyteris obaudire
oportet, Ms qiii successionem habent ab apostolis . . ., qui eum episcopatus s^^c~
cessione charisma veritatis certum secundum placilwn patris acceperunt; religuos
vero qui absistunt a principali successions, et quocunque loco colligunt suspectos
habere vel quasi haereticos et malae sententiae vel quasi scindentes .et elatos et
sibi placentes. Ib. 4: adhaercre vero Ms qui et apostolprum, sicut praediscirmis,
doctrinam custodiimt et cum presbyterii ordine sermonem sanum et conver-
sationem sine offensa praestant. Ib. 5: ubiigitur charismata dominiposita sunt
(cf. 1. Kor. 12, 28), ibi discere oportet veritatem, apud qiios est ea quae est ab
apostolis ecclesiae suecessio et id quod est sanum et irreprobabile conversations
et inadulteratam- et incorruptibile sermonis constat. Hi enim . . . fidem nostram
ciistodiimt, et . . . dilectionem adaugent . . . et scripturas sine periculo ex-
ponunt. V, 20, 1. IV, 33, 8. Ill, 3, 1. 3: Tfi avrfj I&^&L %al iij uvrij 8tSa%fj
ij re dTcb iwv anoatolcov sv T>/ sstxhqoiq rtaydSoais xal TO TIJS dirjdslas
els fjfiast
20*
BOS 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
das Charisma und die amtliche Sukzession von den Aposteln her ist das
Mittel, dureli das die Offenbarung Q-ottes die Menschheit erreicht. Es
gibt hinfort nur eine indirekte Offenbarung , die direkte Offenbarung
gehort der Urzeit der Kirche an. Die Offenbarung ist apostolisch und
sie fallt in die alte Zeit, neue Lehre ist Irrlehre. 1 ) .
Aber diese Betrachtung fiihrt weiter. Die Lehre der Apostel ist
niit geschichtlicher Sicherheit nur dort anzutreffen, wo sie selbst gewirkt
haben oder in den antiquissimae ecclesiae (Ir. HE, 4, 1. Tert. de praescr. 21).
In der ganzen Welt sind solche apostolische Gfemeinden vorhanden', be-
sonders werden angefiihrt Smyrna, Ephesus, Jerusalem, .'dazu Korinth,
Philippi, Thessalonich, vor allem aber Rom. 2 ) TJberall werden die
Bischofslisten die llickenlose Sukzession der Bischofe bis zu den Aposteln
hin erweisen. Sof ern nun aber auch die nicht von Aposteln gegrundeten
Gemeinden mit den apostolischen im Zusammenhang stehen und die gleiche
Lehre haben, sind auch sie als apostolische anzusehen. Die Einheit der
Lehre begrtindet die Einheit der Kirche. Auf diesem Wege nun'vermag
die Kirche . ihre Lehre als apostolische zu erweisen, wahrend man an die
Haretiker umsonst die Forderung richten wlirde, die Sukzession Hirer
Bischofe auf die Apostel zuriickzufiihren (Tert. praescr. 32).
An sich gilt die gekennzeichnete Bedeutung von alien Mutterkirchen.
VorziigHch aber kornmt sie zu der roraischen Kirche, maximae et anti-
quissimae et omnibus cognitae, a. gloriosissimis duobus apostolis Petro 'et
Paulo Romae fwidatae et constitutae ecclesiae. Dieses Urteil begriindet
Irenaus durch den beriihinten Satz : ad hanc enim ecelesiam propter
pot&ntiorem principalilatem necesse est omnem convenire ecclesiam hoc est
eos, qui sunt undique fideles, in qua semper ab his qui sunt undique
conservata est ea quae est ab apostolis traditio (III, 3, 2). Dieser Satz
besagt 1) dafi Rom ein hervorragenderes Aflsehen eignet im Hinblick
auf die beiden Hauptapostel, 2) da6 jede Gremeinde niit Rom iiberein-
stinimen niiisse (nicht: solle), 3) da ja in der Weltstadt Christen aus
alien Gregenden niitbeteib'gt gewesen sind an der Aufrechterhaltung der
alten Tradition. 3 ) Das ist ein rein geschichtliches, noch kein dogniatisches,
1) Tert. adv. Prax. 2 : quo peraeque adversus universas haereses iam hinc
praeiudicatum sit, id esse verum qiiodcunque primum, id est adulterum quod-
cunque posterius.
2) Ir. Ill, 3, 2. 3; 3, 4; 12, 5. Tert. de praescr. 32. 36.
3) tiber diese Stelle haben neuerdings gehandelt Sohm (Kirchenrecht I,
380f.), Harnack (Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1893, 939ff.), H. Bohmer (Ztschr.
f. die neutest. Wiss. 1906, 193 ff.). Icb. bemerke kurz folgendes: 1) fur princi-
palitas hat Harnaek richtig av&evtia als Original erkannt; 2) necesse est hat
nicht den Sinn einer sittlichen Forderung, sondern einer logischen oder natiir-
liclien Notwendigkeit, ,,miissen", nicht ,,sollen"); 3) convenire bedeutet nicht die
Die apostolische Sukzession, Eom. 309
Urteil. Die beiden Hauptapos.tel und Horns Stellung als Weltstadt b.er
griinden es. Dazu kommt dann die Reflexion auf. das ."W-Qft an. Petrus
Matth. 16, auf das Tertullian Bezug nimmt, freilich so, daft er .den: Jiinger>
der an der Brust ,Tesu gelegen, sofort neben den Fels der Kirche, der
die Schliissel des Himmelreichs erhalten hat, stellt (praescr.. 22). l ). An
sich .steht Roni nicht iiber Ephesus und den anderen TJrgemeinden. Das
zeigt Tertullian deutlich. ,,Ist dir Achaja nah, du hast Korinth. Bist
du nicht weit von Macedonien, du hast Philippi, du hast die'Thessalonicher.
Kannst du dich nach Asien wenden, so hast du Ephesus. Bist du aber
Italien benachbart, so hast du Rom, woher auch, uns die Autoritat zur
Hand ist. "Wie gliicklich ist doch die Kirche, der die ganze Lehre zu-
gleich niit ihreni Blut die Apostel hingeschuttet haben, wo Petrus der
Passion des Herrn gleichgemacht, wo Paulus mit des Johannes Ausgang
gekront wird, wo der Apostel Johannes, nachdem er in siedendes 01
getaucht war, ohne Schaden zu nehmen, auf eine Insel verbannt wird!"
(praescr. 36).
11. Damit ist der Nachweis zum Abschlufi gekommen. Die Kirche
hat die Wahrheit, denn sie hat die yon den Aposteln herstammenden
Schriften und sie hat die ebenfalls auf die Apostel zuriickgehende
miindliche Lehrlibeiiieferung, tind sie hat diese letztere. mit Sicherheit,
sofern die bischofliche Sukzession sie garantiert. 1st dies aber der Fall,
so ergibt sich zunachst die Folgerung, dafi nur in der Kirche die "Wahr-
heit und nur in ihr daher heil. Greist und Gnade ist. Die Apostel haben
in ihr niedergelegt omnia quae sint veritatis, sodafi jeder den Trank des
Lebens hier findet (Ir. Ill, 4, 1). Die offenbarte apostolische Lehre ist
das Mittel, durch das den Grliedern der Kirche Leben, Greist und Grnade
zuteil wird. Diese Lehre' ist das Wirken des Greistes, spirit us autem
veritas. 2 ) Der heil. Geist ist also den Aposteln zuteil geworden und
tJbereinstimmung, sondern den Verkehr (so Bohmer); 4) notwendig oder natiir-
gemafi ist aber der kirchliche Verkehr aller mit Eom, einmal wegen des be-
soncleren Anseheus Roms, dann aber von der Erwagnag her, daB ja Eom ge-'
wissermafien alle in sick fafit als ,,Mikrokosmos der Kirche" (Sohm). In qua be-
zieht sich also auf Eom, was im Zusammenhang das allein Mogliche ist (gegen
Harnack), demi omnis ecclesia heii3t nicht die ganze, sondern jede Kirche, da in
ersterem Fall die Erlauterung durch undigiie fideks zwecklos ware. Das necesse
est empf angt seine Hauptbegrijndung erst durch den nacbi olgenden Gedanken : es
ist innerlich notwendig, dafi alle mit Eom in Gemeinschaft stehen, sind sie doch
gewissermaCen alle in Eom enthalten. Die Stelle besagt an sich uicht mehr als
der gleich im Text anzuftthrende Satz Tertullians.
1) PetrilS als ars^ecc Ttsr^a, depehov s>fx'h]oias S. 01 em. Hom. 17, 19.
2) Ir. Ill, 24, 1 : hoc enim ecclesiae creditum est dei munus, quemadmod^lm
ad inspirationem plasmationi ad hoc, ^lt omnia membra percipientia vivificentur ;
14. Die -Theologie der antignostischen Vater
aus ihren Worten spricht er- nocli heute zu alien und wirkt auf sie ein.
Der deist gibt keine neuen Offenbarungen, sondern er wirkt durch die
alten. So sind alle neuen Offenbarungeri ausgeschlossen, die Schrift und
die Kirchenlehre allein sind Offenbarung. Wer sie nicht anniuunt, der
ist verloren. Aufierhalb der Kirche ist kein Heil. Die Haretiker und
die,' qui scindunt et separant unitatem ecclesiae, gehen zugrunde (Ir. TV,
26, 2).')
So hangt der ganze Bestand der Kirche an der apostolischen Lehre'.
Die Gremeinschaft an dieser Lehre ist es, die die vielen Gfemeinden zu
einer Kirche zusammenfafit. Ecclesia vero per universum mundum ab
apostolis fir-mum habens initium, in una et eadem de deo et de filio eius
pwsm&rat sententia (Ir. Ill, 12, 7). Communicamus cum ecclesiis apostolicis,
quod nulla dodrina diversa (Tert. praescr. 21). Die spateren Earchen
haben ja als Ableger der apostolischen Gremeinden die apostolische
Wahrheit inne ; dadurch sind sie auch apostolische Gremeinden. Diese
Einheit zeigt sich an der Friedensgemeinschaft, dem Brudernamen und
der Gastfreundschaft der Christen untereinander , diese Gremeinschaft
aber wird von keinein anderen Gfrund bestimint als von eiusdem sacra-
inenti una traditio d. h. der IJbeiiieferung des gemeinsamen Tauf bekennt-
nisses (Tert, ib. 20 cf. virg. vel. 2. Apol. 39 in.).
Derngernafi ist die Kirche die Christenheit, die den einen apostolischen
Glauben bekennt. Aber dieser Grlaube ist die von den Bischofen dar-
gebotene TJberlieferung. Daratis folgt aber: quapropter eis qui in
ecclesia sunt presbyteris obaudire oportet, his qui suceessionem habent ab
apostolis (Ir. IV, 26, 2). Die Frage ist mm, ob diese Anschammg als
hie r arc his ch zu bezeichnen ist. "Wenn man die Auffassung als
Hierarchismus ansieht, die das Heil des Menschen von der Priesterschaft
abhangig macht, so ist bei Irenaus, Tertuluan und Hippolyt noch nicht
et in eo disposita est communicatio Ghristi id est spiritus sanctus, arrlia in-
corruptdae et confirmatio fidei nostrae et scala ascensionis ad deum.' In ecclesia
enim, inquit, ,,posuit deus apostolos, prophetas, doctores" et universam reliquam
operational spiritus, cuius non sunt participes omnes qui non currunt ad ec-
desiam . . . Ubi enim ecclesia ibi spiritus dei, et libi spiritus del illic ecclesia
et omnis gratia, spiritus aiitem veritas.
1) Vgi. Theophil. ad Autol. II, 14 neunt die Kirchen rettende Inseln iin
sturnrischen Meer der Welt, wo die Wahrheit gelehrt wird, es gibt aber auch
wtiste, von . wilden Tieren bewolmte Inseln, das sind die Imretischen Gemein-
schaften. Hippolyt vergleickt die Kirche mit einem -ScMff, dessen Steuer-
mann Clnistus, dessen Steuerruder die beiden Testamente sind (de Antichr. 59
cf. Clement. Horn. ep. Clem. 14). Sie gebirt den Logos und lehrt so alle Volker
(Hippol. ib. 61). Komm. in Daniel 1, 17, 7: ivas ist nun die Kirche? Die heilige
Versammlung der in G-ereehtigkeit Lebenden.
Wahrheitsregel, Kirehe und Episkopat. oil
von Hierarchismus zu reden. Denn Mr diese Manner 1st 1 die Kirehe die
Gfemeinschaft der Grlaubigen und Heiligen, die Gott furchten und den
Greist empfangen (Ir. V, 32, 2. IV, 36, 2. HE, 3, 2. Hipp, in Dan. I,
17, 7). Alle Grlieder der Gfemeinden sind Priester: omnes cnim iusti
sacerdotalem habent ordinem (Ir. IV, 8, 3).- Nonne et laid sacerdotes
sumus . . ., libi ires ecclesia, licet laid (Tert. exh. cast. 7. de orat. 28).
Nicht das Priestertum, sondern der gemeinsarae Gflaube bewirkt die
Einheit der Kirehe. Es ist also klar, dafi die Kirehe noch nicht als
das dem Bischof unterstellte Volk angesehen wird. Indessen bahnt sich
doch der hierarchische Gredanke deutlich an. Indem nur die von den
Bischofen dargebotene Lehre die apostolische errettende "Wahrheit ist,
wird doch die Unterwerfung unter den Episkopat zur Heilsbedingung,
An sich ist der Gfedahke der bischoflichen Grarantie der Heilswahrheit
nur eine Hilfslinie im Beweis, aber diese Hilfslinie konnte nicht fort-
geloscht werden, denn sie bezeichnete einen machtigen Eaktor der
Wirklichkeit. Der Episkopat mufite selbst eine dogmatische Grrofie
werden, wenn man ohne ihn den geschichtlichen Begriffl der Tradition
nicht dogmatisieren konnte. Dann treten die sakramentalen Funktionen
des Episkopates hinzu, 1 ) aus ihnen erwuchs /der Priestergedanke und
dieser wurde eine der wichtigsten Voraussetzungen des Hierarchisnius.
Davon ist spater zu reden.
12. Blicken wir hier einen Aiigenblick zurtick, so \verden wir
zuriickversetzt in die Zeit des Clemens und des Ignatius. Man versteht
bei diesem B/iickblick die tlberzeugung des Irenaus und des Tertullian,
nur das Alte zu vertreten. Es war in dr Tat so. Ignatius hatte der
TJberzeugung gelebt, dafi der Bischof die alte "Wahrheit vertritt, und
Clemens hatte die Idee der Sukzession auf die Lehre und den Kirchendienst
der Presbyter angewandt (oben S. 187 f. 194 f.). Daran hielt man fest.
1) Die Verlbmdmig ,,W.ort und Sakrarnent" bahnt sich in imserer Zeit
an, s. z. B. Tert. de cult. fern. II, 11: ant sacrificium offertur aut dei sermo
administratur, cf. de orat. 19, ad uxor. II, 8, de pud. 1. Ps. cleni. de virg.
I, 5: Wort Q-ottes ^lnd gottliche Eiicharistie. Tert. praescr. 36: (die Kirehe) legem
et prophetas cum evangelitis et apostolicis litteris miscet, inde potat fidem, earn
aqua signat, sancto spiritu vestit, eucharistia pascit. Sehr anscliaulich wird diese
Verbindung durch die Abercius-Inschrift (ca.- 200) : bei semen Eeisen von Bom
bis Nisibis sah AbercillS : labv Se E~IOV w.sl },a/.nt^av ocppayetSav e%ow[a . . .
$ so%ov awoSimjv Havl.ov eycb sTtOfiqv, Titans Ttdvrt] Se 7tgof;-/e, '/ML
tj)oif>T]v TtdvTij tydiiv dstb Tniyrjs . . ., Sv eSgdiiaTO Ttagdevos ayvi']' v.a.1 TOVTOV STte-
<itoy.e yihois eod'eiv Sia Ttavtos, oivov yg^otov s'/ovaa, y.egadfia StSoiiffa fiet' ci^tov.
S. auch Ps. orig. Tractat. fed. Battifol) 6 p. 75: aut panem corporis Christi
ruminant aut escam vitalem verbum dei credentibus praedicant.. Method, de
cibis 11, 6. .
312 W. Die Theologie der antignostischen Vater.
Im Gregensatz zu einem rieuen Cbristentum bebauptet man, nur die alte
Kirclie besitze die "Wab.rb.eit, denn ibre Biscbofe baben mit der aposto-
lischen Sukzession die apostoliscbe Lebre empfangen. Aber man 'war
docb in einer, freib'cb kontinuierlicben, Entwicklung fortgescbritten. Ein-
mal war die ., Lebre" ein immer komplizierterer, mit Bewufitsein anti-
gnostiscb gestalteter Apparat geworden. Dann bezeicbnete der Gfedanke
der kircblicben Einbeit nicbt naebr blofi ein religioses TJrteil, sondern
eine konkrete Grrofie. Und diese GrroBe empfing ibre konkrete Art von
dem Episkopat. In Synoden taten sicb die Biscbofe zusammen, um
bindende Bescbliisse zu fassen. Die Synoden waren das Mattel, durcb
das die Biscbofe zum Episkopat wiirden. Und die Snkzessionsidee war
das Mattel, durcb das der Episkopat mit apostoliscber Autoritat bekleidet
wurde. Das ist der Eortscbritt, den die Kircbe gemacbt bat yon Ignatius
und Clemens bis zu Irenaus und Tertullian : I) die tbeologiscbe Aus-
debnung der Lebre, 2) die Ausgestaltung der Autoritat der einzelnen
Biscbofe zu der Autoritat des zusammenbangenden Episkopats, 3) die
apostoHscbe Art dieser Autoritat im Babmen des Sukzessionsgedankens.
Damit war aber 4) die Eliminierung des Greistwesens prinzipiell vollzogen.
Der beil. Greist waltet nicbt mebr wie und wo er will, sondern er ist
an die Lebre der Kircbe gebunden; nicht mebr die Obarismatiker sind
seine Trager, sondern die Inbaber und Graranten der apostoliscben Lebre.
In ihrer Hand Hegt nun aber aucb die Institution, die den Greist dera
einzelnen nabebringt, die Taufe, sowie die Bufie, die ibn ibm wieder-
bringt, und die eucbaristiscbe Eeier. Die Autoritat des Episkopates
bat sicb zimacbst an die Erbaltung der Lebre in der Kircbe gekniipft.
Das war durcb das Vorbild des jiidiscben Eabbinats aucb die Synode
ist judiscben TJrsprungs (oben S. 50) und durcb den gnostiscben Gregen-
satz bedingt. Dann bat diese Autoritat sicb, dem Bedarf des inner-
kircblicben Lebens entsprecbend, auf die Taufe, die Bufie und das
eucbaristiscbe Opfer gericbtet Ignatius und Clemens sind aucb bier
die Anfanger und erst bierin bat sie sicb vollendet, wie wir spater
seben werden. Auf zweierlei erbaut sicb der Hierarcbismus, auf der
Lebrgewalt und der sakranientalen Befugnis ; durcb ersteres wird er zum
Ersatz flir den Apostolat, durcb letzteres erlangt er Priestergewalt, und
durch dieses wie jenes nimmt er den Pneumatikern den Boden in der
Kircbe. . '
Das sind die Ziele der antignostiscben Entwicklung. Die TJber-
lieferung und das Amt iibernebmen die Leitung der Kircbe, sie werden
die Trager des Greistes und der Ersatz fur die Pneumatiker. Die
Elemente der judiscben Kircbenorganisation ersticken das freie, von
beidniscbem "Wesen durcbtrankte Greisttum. Aber beide Elemente baben
Der Gottesbegriff. 313
an Eaden gesponnen, die der grofie Grander der siciitbaren Kirche, die
Paulus angesponnen hatte. Was/man in unserer Zeit gewonnen hatte,
war zunachst dies, dafi. es eine apostolische Kirchenlehre gibt und dafi
die Kirche die Kirche der apostolischen Lehre ist, dafi aber die aposto-
lische Lehre feststeht dureh die apostolische Sukzession der Bischofe,
und dafi die apostolische Kirche die bischoflich organisierte Kirche ist.
Damit ist nun auch die sachgemafie Disposition fur die weitere
Darstellung gegeben. Es wird sich zunachst uni eine tjbersicht liber
den Inhalt der apostolischen Lehre handeln, und dann um die Dar-
stellung der Idrchlichen Institutionen, an. die sich der weitere Eortschritt
des - Kirchenbegriffs gekniipft hat.
13. Gott. Als Grundirrtum der Gfnostiker erscheint die Trennung
Gfottes und des Schopfers. Des Teufels Trug hat die blasphemia ereatoris
hervorgebracht (Ir. I praef. I; 22, 1; 31, 3; II, 10, 2; IH, 24, 2 ; V,
26, 2 J ) vgl. schon Just.. Ap. I, 26. 58. 35. Dial. 80). Mit dem einen
Gott, dem Schopfer, beginnt die Darstellung des GHaubens (Ir. II, 1, 1
vgl. Hipp. Eef. X, 34).
1) Grott ist einer, Schopfer, Erhalter xind Erloser zumal. Der
hochste Grott ist der Schopfer. Das bezeugt das ganze Alte und Neue
Testament, die Schopfung, ja selbst der Grlaiibe des Heiden. (Ir. HI,
915 ; IV, 9, 3. Tert. de praescr. 13. c. Jud. 2). Der Begriff Gottes
fordert seine Einheit. Deus si non unus est, non est (Tert. adv. Marc. I, 3
cf. adv. Hermog. 17. 7). Es ist derselbe Grott, der. das Gfesetz und das
Evangelium gegeben hat (Ir. IY, 9, 3; IH, 12, .11). 2) Gott ist ver-
niinf tiger Geist; vovg, spiriius, evyoicf sind demnach nicht besondere
Wesen, sondern verschiedene Seiten des einen gottlichen Wesens (Ir. DZ,
13, 36. 8; I, 12, 2. Tert. adv. Yal, 4). Atif Grand, des stoischen
Satzes, da6 alles Wirldiche korperlich sei (Tert. de carne Chr. 11, adv.
Hermog. 35 f . 41), lehrt Tert. : quis enim negabit deum corpus esse, etsi
deus spiritus est ? (adv. Prax. 7 ; dazu de bapt. 4). Gott ist aber nicht
caro, (adv. Prax.. 27). tJbrigens hat Tert.. mit dieser Lehre keineswegs
deni monistischen Pantheismus der Stoa das ."Wort reden wollen, er hat
Gott durchaus iiberweltlich gedacht. 2 ) 3) Nicht durch Spekulation
1) Eine gute Zusammenfassung des Gegensatzes s. IV praef. 4: omnes
haeretici in ultimum ad hoc deveniiint, ut blasphement fabricatorem et contra-
dicunt saluti plasmatis del, quod quidem est caro.
2) Vgl. Zeller, PMlos. d. Griechen III, 1 s , 124; liber die Differeuz von
dem stoischen Gedanken s. Stier, Die Gottes- und Logoslelire Tert. S. 32ff.
Nach Gemiadius, de eccl. dogmat. 4 hat auch Melito wie Tertull. ein corporeum
in trinitate gelehrt, er schrieb eine Schrift neyl svacofidiov &eov, nach Origenes
(Opp. VIII, 49 Lommatzsch) wird sie von der Korperlichkeit Gottes gehandelt
haben, s. Harnack, Litt.-Gesch. I, 1, 248.
314 14. Die Tkeologre der antignostischen Vater.
wird Gott erkannt sondern aus der Offenbarung. Daher soil man nicht
miissigen IVagen nachgehen, was Gott vor der . Schopfung getan, .wie der
Sohn gezeugt wurde usw. (Ir. II, 28, 3. 6f. cf. 25, 4; 26, 1; 28, 1).
"Avsv S-eov (.ri] ywdoKea&cti TOV &BOV (Ir. IV, 6, 4). Seiner Grofie
nach bleibt Grott unfafilich, aber nach seiner Liebe lernen wir ihn in
Christo kenrien : qui seeundum magnitudinem quidem ignotus est omnibus
his, qui ah eo facti sunt . . ., secundum autem dileciionem eognoseitur
semper per eum, per quern constituit omnia. Est autem hie Verbum eius
(Ir. IY, 20, 4). "QGJIGQ ol filenovTes TO cp&s evvog slat, TOO
veil Tifc Itt^iTt^oTrjTog afcov [tevtyovaiv owwg ol fihertovreg vbv
evwg slot, lov D-sou, {.t6re%ovzsg amov .vfjg kc([,i7t()dTi]vo (ib. 5). Auf
dem "Weg der Offenbarung und Erfahrung, nicht durch Spekulation
lernt man Gfott kennen. 4) Nicht atif zwei Gfotter sind Grottes Gre-
recntigkeit und Giite zu verteilen, sondern: a primordio creator tarn
bonus quam iustus (Tert. adv. Marc. II, 12). Die wanre Griite -\vird von
der Grerechtigkeit regiert. Der Gfute ist Feind des Bosen und sein
Bichter : non alias plene bonus sit nisi mali aemulus (ib. I, 26 cf. Ir. Ill,
25, 1 3; H, 30, 9; IV, 38, 3 die "Weisneit hinzufiigend), Der Siinde
gegenliber wird die Grerechtigkeit zur severitas und ira (Tert. adv.
Marc. II, 11 ; I, 26). So wird der sittliche Charakter der gottlicnen
Person gewanrt (Ir. Ill, 25, 2). 4) Das Ziel der "Wege Grottes ist
das Heil der Menschheit. Nihil tarn dignum deo quam solus hominis
(Tert. adv. M. H, 27 vgl. de poenit. 2, de orat. 4; Ir. Ill, 20, 2). Es
ist Gfottes Art TO tAffXff-5-at, TO eheelv, TO TCC oj/a aw&tv eavrou (Ir.
Frag. Stieren I, 830). ^ Um des Mensclien willen wurde die Welt er-
scbaffen (Ir. V, 29, 1 vgl. S. 272). Auf dafi der Menscb. reif werde
Gott zu scbauen, ist Gottes Gute, Gerechtigkeit und Weisheit Avirksam:
Pmeftniente deo omnia ad hominis perfectionem et- ad efficaciam et mani-
festationem dispositionum, uti et bonitas ostendatur et iustitia perfieiatur
et ecclesia ad figuram imagines filii eius coaptetur et tandem aliquando
maturus flat homo in tantis maturescens ad videndum et capiendum deum
(Ir. IV, 37, 7). 5) Gott ist Scbopfer und Bildner der Welt. Durch
sein Wort und seinen Willen erschuf er sie (Ir. II, 30, 9; 2, 4; 3, 2.
Hipp. c. Noet. 10), ex nihilo (Tert. c. Hermog. 8. 45. Hipp, in Dan. I,
8, 1). Gott ist liber et suae potestatis, nicht der necessitas des Irrtums
unterworfen wie bei den Gnostikern (Ir. II, 5, 4). In seineni Verhaltnis
zur Welt ist er der Herr, dern alles tinterworf en ist. Prineipari enim
debet in omnibus et dominari vo hint as dei, feliqua autem
1) S. auch Tert. de resuiT. 60: dives dominus et liberalis adfectui aut
gloriae suae praestans . . . voluerit operari.
'-V ; WelWe&opfung,- Logos, .Triiiftat. ->- ' 315
10-mnia hziic- cede&e ei' 'subdit : a esse- et in servitiurn dedita
'(II, 34. 4; 28, 7). @ekr)ot$ v.al eVsgyeta : &sov ecnlv fj atavTOS XQOVOU
y.al ri<x(fr]$ cpvtiecbg rtQixpi-jxi tied- rtQovorjTVMi ahia (Ir. Frg. bei Stiereri
I, 828). Daber 1st die Scbo'pfung durcb Gtatt selbst ein religioser Ge-
danke. Sein Wille 1st der Gfrund -Von allem, aucb wenn er Mittel zu
seiner Verwirklicbung anwendet, wie man aucb dem Menscben das zu-
scbreibt, was er etwa diircb die Axt oder: Sage tut (H, 2, 3. 5). Niebt
die naturales . leges, sondern die divinae vires bedingen die Weltentwicklung
'(Tert. de res. 42). Die Scbopfung ist aber nicbt scblecbt, die Gregen-
satze in ibr Idingen, wie die verscbiedenen Tone der Either zur Einbeit
:zusamnien (Ir. II, 25, 2). Derselbe Gfott veranstaltet die Erlosung (z. B<
Ir. IV, 7, 2). 6) Der eine Gfott ist der dreifaltige Grott (fQidg Hipp,
c. Noet. 14, cf. Opp. II, 109; trinitqs Tert. adv. Prax. 2. 3. 8f. 11.
12. 24f. Apol. 24). So lebrt es die Kircbe (Ir. I, 10, 1), so setzt es
die Taufbandlung voraus (Tert. adv. Prax. 26 extr.), so findet es der
Grlaubige in der Scbrift (Ir. IV, 33, 15). Gfott nainlicb war nie allein:
//oVog &>v \itokvc, r]Vi OVTS yccg ahoyos owe aoocp&g ovre
ovzs afiovlevTOs %v (Hipp. c. Noet. 10 cf. Tert. adv. Prax. 5).
Nee enim indigebat deus horum (d. b. der Engel) ad faciendum quae ipse
apud se praed&finiemt fieri, quasi ipse suas non haberet manus. Adest
enim ei semper verbum et sapientia, ftlius et spiritus, per quos et in quibus
omnia libere et sponte fecit (Ir. IV, 20, 1. 3 vgl. V, 6, 1). Diese drei
sind sis O'SOQ, weil ibnen jta'a dvvaf.ng eignet (Hipp. c. Noet.,8. 11).
'Tertull. bat den Gredanken dabin naber bestinimt, dafi an der einen
.gottlicben siibstantia an zweiter und dritter Stelle zwei personae teil-
baben, namlicb der Sobn und der Greist (consortes substantiae patris, adv.
Prax. 3). Ubique teneam unam substantiam in tribus cohaerentibus (ib. 12).
In der einen substantia leben also drei personae. Ib. 2: quasi., non sic
quoque unus sit omnia, dum ex uno omnia, per substantiae scilicet uni-
tatem, et nihilominus custodiatur otxovo(.tia(; sacramentum, quaennitatem
in trinitatem disponit tres . dirigens,. patrem et filium et . spiritum
sanctum, tres autem non static sed gradu, nee substantia sed forma, nee
potestate sed specie, whius autem ' substantiae et 'unius status et unius
potestatis, quia unus deus, ex quo et gradus isti et formae et species in
nomine patris et filii et spiritm sancti deputantur.
Passen wir zusammen, so ist im Gregensatz zu der abstrakten
gnostiscben Gfottesanscbauung das urcbristlicbe Streben kraftig, Grott als
den leben dig en Herrn der "Welt zu versteben. Sein Wille'scbafft
und wirkt in allem, der bo cbste Z week : dieses "Willens aber ist die satus
liominis. Der allwirksame Grott ist nicbt nur pbysiscb lebendig, sondern
aucb geistig und sittlicb. Greistig .sofern :er seine Vernunft und Weisbeit
316 14- Die Theglogie der antignostischen Vater.
in sicb tragt, sittlich sofern er gut und gerecbt ist. 1 ) . Der trinitariscbe-
Gfedanke sowie die energisclie Betonung der Identitat des scbopferiscben
und erlosenden Grotteswillens und. die bewufite Yereinigung von Allinacbt,
Liebe und sittlicber Gerechtigkeit .in Gfott haben konkrete , Lebenszuge
in den Gfottesbegriff bineingebracbt. Wie durcb diese. Erwagung der
Eigenschaften und der Taten Gfottes das BewuBtsein. seiner Lebendigkeit
gegeniiber den abstrakten Eormeln des griecbiscben Gfottesbegriffies auf-
recht erhalten wurde, so notigte. aucb der Gfedanke an den in Cbristus
sicb offenbarenden Gfqtt zu einer religiosen Erfabrungserkenntnis Gfottes^
Die Mittel, durcb die diese Yater den lebendigen Gfott, im Gfegensatz.
zur Gfnosis und zu Marcion, darzustellen versucht baben, sind grundlegend
geworden -fur die kirchliche Grottesanscbauung : der beberrscbende Gfottes-
wille, die Trinitat, Gfott als Scbopfer, Ricbter und. Erloser, als gut und
gerecbt, Gfott in Cbristus offenbar geworden. IJber die gescbicbtlicben
Nacbwirkungen der triadiscben Eormel Tertullians (Substanz und Personen).
wird spater genauer zu reden sein.
14. "Wir wenden uns der Anscbauung vom Menscben zu..-
1) Gfut und Bose im Menscben erklart sicb nicbt aus der ver-
scbiedenen natuiiicben Anlage des Menscben. Ware das Bose cpvaei ini
Menscben, so ware das sittlicbe TJrteil unmoglicb (Ir. 3Y, 37, 2). Die-
Siinde ist viebnebr eine freie Tat des Menscben, der ausgerlistet mit dem
ccvie^ovoiov und liber in arbitrio factus et suae potestatis war (Ir. IY, 37,.
1. 3; 4, 3; Ygl. die Apologeten oben S. 280). Hinsicbtlicb des Urstandes
gilt, dafi der Menscb als erscbaffener nicbt imstande war scbon am An-
fang die Yollkommenbeit von Gfott zu empfangen. In der TJnsterblicb-
keit bestiinde diese: ov yag rjdvvavvo ayevvrjTa sivcci fa VBIOGTL yeyevvr]-
Ka-d-0 de JWTJ SGTLV &yvvrpa, xa^a TOVZO xa vorBQOvvTai wv
(Ir. IY, 38, 1). 2) Der freie aber sterblicbe Menscb 2 ) sollte-
Gfott gehorsain sein, urn unsterblicb zu werden. Da frei, ' mufite er das.
1) s. die Zusammenfassung Ir.. II, 30. 9.
2) Irenaus bezeichnet die Seele als eine immortalis substantia, die imi-
schlossen wird von dem Gefafi des Korpers und dadurcli eine Form gewinnt, wie-
das GefaB dem Wasser seine Form gibt. Sed incorporaks animae quantum ad compa-
rationem mortalium corporum (V, 7, 1. II, 19, 6). Ir. scheint die stoische Psycho-
logie zu befolgen, nach der die Seele eitte feine Substanz ist. Tertullian beruft
sich ausdriicklich anf die stoische Psychologic " (de anima 5). Die Seele ist eine
reale Substanz und als solche korperlich, denn omne quod est, corpus est sui
generis; nihil est incorporate nisi quod non est (de earn. Chr. 11, de resurr. 53).
Die Seele ist auch nach Tert. an sich unsterblich (de res. 34), darin wuOte er
sich auch mit den Haretikern eins (ib. 2, de an. 51), er hat daher hierfiir keine
eingehenden Beweise wie fiir die Auferstehimg gefiihrt. Vgl. die genaue Dar-
stelhmg von Baser, Die Seelenlehre Tert., S. 66 ft, 83 ff. .
Der Mensch,' die Erbsiinde. 317
Bose kennen lernen. " Ghit sein ist Grott geborcben, bose sein ibin un-
geborsam sein. Der Menscb konnte nicht Grott (d. b. unsterblicb) werden
bevdr er ein recbter Mensch geworden (Ir. IY, 39, 1. 2; 38, 4). Die
"Siinde ist TJngeborsam. Ungeborsam aber bringt Tod (Ir. V, 23, 1),
wabrend Gfeborsain "Unsterblicbkeit ist (IY, 38, 2). Die Ghiten werden
also -' unsterblicb, die Bosen aber berauben- sicb selbst der TJnsterblichkeit
{IY, 34, 3). Das ist eine notwendige Konsequenz. Die Slinden sind
carnalia und spiritalia (delicta voluntatis), man darf aber letztei-e nicbt
-fiir geringfugig im Yerhaltnis zu ersteren ansehen (Tertull. de poenit. 3. 7).
3) In Adam, war die. ganze Menschbeit ungeborsam. In ibm ist sie
der Siinde und dem Tod verfaUen (Ir. in, 23, 3; Y, 12, 13, 3. Tert.
de anim. 40. de earn. Obr. 16). Uber den Zusammenbang Tinserer Siinde
mit Adams Siinde gibt Tertull. bedeutsame Andeutungen. Das Bose ist
:gleicbsam etwas Natiirlicbes im Menscben geworden. Die Scblange ver-
fiibrte den Menscben zum Bosen, und dieses setzte sicb dann in der
Seele fest: atqm ita inokverit et coadokverit in anima ad instar iam natu-
raUtatis, quia statim in naturae primordio accidit. Dies Bose, das so
gleicbsam ' ein Naturbestandteil des Adam geworden Avar, bat sicb auf
seine Hacbkommen ' f ortgepflanzt ; 3 ) dazu kommt nocb, daB von Anfang
an die Heiden das Kind zu den Damonen in Beziebung bringen: Malwn
igitur animae, praeter quod ex obventu spiritus nequam superstruitur, ex
originis mtio antecedit, naturale quodammodo, nam, ut diximus, naturae
corruptio alia natura est, dazu aber : ut tamen insit et bonum animae illud
principals, illud divinum atque germanum et proprie naturale, quod enim
a deo est, non tarn 'extinguitur quam obumbratur (Tert. de an. 41, 16 cf.
.de test. an. 2. de bapt. 18). Diese Yerfassung gebt also durcb die
JSeugung auf das ganze Menscbengescblecbt iiber, per quern (d. b. den
Teufel) homo a primordio circumventus, ut praeeeptum dei excederet, et
propterea in mortem datus exinde totum genus de suo semine infectum
suae etiam damnationis traduc&in fecit (Tert. de testini. anim. B).. 2 ) Yon
1) Loofs, DG. 4 , S. 163 erklart das vitium originis (de an. 41) als die
(lurch die unreine eheliche Vereinigung bewirkte Mangelhaftigkeit des Ursprungs.
Das ist m. E. unrichtig; zwar sieht Tert. die Ehe fiir- unrein an, aber der Zu-
sainmenliaiig niit der angefuhrten Stelle (de an. 16). scheint mir zu beweisen, dafi
Tert. bei vitium originis daran denkt, was in naturae primor&io bei Adam ge-
schehen ist. Vgl. noch cult. fern. II, 8: mtio naturae ingenita est placendi
voluntas.
2) Zuin Ausdruck vgl. de an. 27, de resurr. 7: Adam substantiate suae tra-
d^<,cem in femina iam carnem recognoverit, Genes. 2,23. Die Voraussetzung
dieser Gedanken ist die Vorstelhmg, daB bei- der Zeuguug ein dpppelter Same
semen corporate et animale gleichzeitig wirksam werde, so daB die Seele des
14 - Die Theologie der autignostischen Vater.
.einein 'naevus (Mutterma'l) peccati redet " Tert. (de carne Chr. 16). Diese
gelegentlichen Andeutungen sind die Anfange der Erbsimden'lehre. Aber
dieselben haben Tert. nicht yerhindert,- ein angeborenes Gfute oder das
innere Licht -der Yernunft im Menschen anzunehmen, 1 ) oder in starkster
Weise die Willensfreiheit zu betonen: nobis est voluntas et arbitrium
eligendi alterum (Sir. 15, 18) . . . solum sit in nobis vette (exh. cast. 2),
Tota ergo libertas arbitrii in utramque part&ni cpncessa est illi (c. Marc.
H ; 5. 6). . . ., '
.15. Die Heilsgescbiclite. Aus :Grnade -vertrieb Grott den ge-
fallenen Menschen aus dem Paradies und lafit ihn sterben, damit der
Schade nicht ewig bleibe (Ir. Ill, 23, 6). Grott hat sich nnn das Heil
der Menschheit von Anfang an angelegen sein lassen, ihr stufenweise
immer mehr Gfnaden spendend. Una eniin salus et unus dem, quae
autem formant hominem praecepta multd et non pauci gradus\ qui ducunt
hominem ad deum. Das ist die rechte Entwicklung, die zu einem immer
tieferen Erleben der Gfnade fiihrt, wahrend das proficere der Grnostiker
zn immer neueh Grottern treibt (Ir. IY, 9, 3). Gfott blieb derselbe.-
Die Menschheit anderte sich niit ihren Bediirfnissen (Ir. IY, 16, 3; 38;
36, 2). Dtirch drei Biinde (di,a&i]xai, foedera; Ir. HI, 11, 8 fin. nennt
im AnschhiB an die Yierzahl der Ew. vier) hat Grott die Menschheit zu
gewinnen versucht. ,
1) Der erste Bund enthielt die naturalia legis (Ir. IY, 13, 1 ; 15, 1).
Sein Inhalt Avar, nicht verschieden vom Dekalog und Christi Geboten,
die Liebe zu Gfott und dem Nachsten. Die Patriarchen, welche dieses
Gfesetz in -ihren Herzen trugen, waren dadurch vor Gfott gerecht (Ir. IY,
16, 3. Tert. c. lud. 2). Diese lex primordialis fafite den ganzen Dekalog
in sich, denn es war matrix omnium praeceptormn dei. Yon seinen
Gfeboten gilt: naturaliter intelligebantur (Tert. 1. c.). Es handelt sich
nicht nur tim das paradiesische Gfesetz, sondern urn "ein den Menschen
angeborenes .sittliches Natui'gesetz, wie es auch die Stoiker kannten, das
erst allmahlich infolge der Yerfinsterung der Yernunft positiy und konkret
ausgedriickt werden niufite. : 2) Als dieser Bund den Herzen ent-
schwand, erneuerte ihn Gfott durch den Dekalog oder den zweiten Bund,
die lex reformata (1, c.). Erst die begehrliche Art des Yolkes Israel,
\velche sich in der Siinde mit dem Kalb und dem Begehren nach der
Gezeugten eiii traclux der Seele des Zeugenden ist (de- an. 27). Vgl. Esser,
Seeleulehre Tert, S. -220 ff. . . '
1) Das ist ein grieehisclier Gedanke, (vgi.-die Apologeten), die Autoritat des
ratio wie des angeborenen naturlicnen Eechtes (-Tert. c. Marc. IV, 25, cor. mil. 6)
wurzelt in ihrn. Der Gfedanke hat eine lange GescMchte durchlanfen.
. , Die Heilsgescbichte. 319
agyptiscben Knecbtscbaft kundgab, wurde Veranlassung zur Erteilung
des Zeremonialgesetzes : aptam coneupiscentiae suae acceperunt reliquam
sermtutem, .a deo quidem non dbseindentem, in servitutis autem iugo domi-
nafttem eius (Ir. IV, 15, 1). Wie >der Dekalog auf die Nacbfolge Cbristi
un'd auf die Freundscbaft mit Gfott vorbereitet (Ir, IV, 12, 5; 16, 3),
so weissagen die Propbeten zu demselben Zweck, ja in ibnen ist Grottes
Gfeist wirksam um die Menscbbeit daran zu gewobnen den Gfeist Grottes
in sicb zu tragen (Ir. IV, 14, 2 ; 20, 5. 11 f.). Das Gresetz aber wurde
von den Pbarisaern durcb ibre Satzungen verwassert und um seinen
Hauptinbalt, die Liebe, gebracnt (Ir. IV, 12, 1. 4). 3) In dem dritten
Bunde bat Cbristus das ursprunglicbe Sittengesetz (Liebe) wiederbergestellt
(Ir, IV, 12, 2. 5) und ein ewiges Gesetz mit ewigen geistlicben Opfern
gebracbt (Tert. c. lud. 6). Die Symbole des alten Bundes sind durcb
das Cbristentum aufgeboben, nicbt aber der Dekalog, der alien gilt und
den Cbristus nur erweitert bat .(Ir. IV, 16, 1 4). 1 ) Zu dem zweiten
Bunde verbalt sicb dieser dritte wie dieFreibeit zur Knecbtscbaft (IV, 13. 2 ;
34, 4), wie die Forderung der Tat zu dem blofien Heden, recbter Ge-
sinnung gegeniiber atifierlicber Tat (IV, 28, 2; 13, 1. 3), wie die Er-
fiilliing zur "Weissagung, die Ernte zur Saat (TV, 34, 1; 11, 3. 4; 16, 11;
25, 3). Demgernafi gilt es nicbt nur an" den Vater, sondern aucb
an den . Sobn, der nun bereits erschienen , zu glauben (TV, 13, 1 ;
28, 2). Gralt der alte Bund einem Volk, so gilt der neue der ganzen
Menscbbeit , (IV, 9, 2). Die Cbristen baben ein scbarferes Gresetz
uberkoinmen als die Juden, sie baben mebr zu glauben als jene (IV,
28, 2 vgl. Tert. de orat. 22 : nostra lex ampliata atque suppkta), sie
baben aber aucb maiorem munerationem gratiae (IV, 11, 3) erbalten
durcb die Ankunft Cbristi, welcber ibnen Leben und Seligkeit gebracbt
(IV, 34, I). 2 ) Tertull. bat bierzu in seiner niontanistiscben Zeit
das Zeitalter des Parakleten gefttgt (de virg. vel. 1). Diese beils-
gescbicbtlicbe Betracbtungsweise, die Irenaus zuerst klar durcbgefubi't
bat, die aber sebr viel-alter sein mufi 3 ) ist uberaus interessant. Einnial
1) Der Dekalog ist der Inbegriff des Sittengesetzes, s. Ir. IV, 16, 3. 4. Tert.
c. lud. 2 cf. Theophil. ad Autol. II. 35. Darin macht sich eiue prinzipielle Ver-
einfachung der alteren Eegebi der ,,beiden Wege" geltend. '
2) Das heilsgeschichtliche okonomisclie Prinzip bestimmt auch die Wieder :
gabe der Glaubensregel bei Tertull. (de praescr. 13), Tgl.. unten.
3) Der Beweis for das Alter dieser Konstruktion besteht darin, dafi die
Jlabbinen eine ahnliche Eiitwicklung der Offenbarung lehren: Die ursprungliche
Thorali im Paradies, Noah, Abraham, dann das Gesetz uud endlich der ueue Bund
(s. Weber, Altsynag. Theol. S. 253 ff.). Also bezeichuet aucli diese Geschiehts-
betrachtung ein Erbstiick der Synagoge, das frith schon von den kleinasiatischen
Presbytern angeeignet seiu wird. .
320 14. Die Theologie dfer antignostisehen Vater.
well sie die ganze Offenbarung unter einem festen Schema behandelt.
Sie ist die Erziehung des Menschengeschlechtes durch Gott
und zwar eine Erziehung, die die am Anfang mitgeteilte Wahrheit je
nach dem Bedarf der Zoglinge weiter entfaltet. Igitur in hac generali
et primonliali dei lege, quam in arboris fructu observari deus sanxerat,
omnia praecepta legis posterior-is speciaMter indita esse cognoscimus, quae
suis temporibus edita germinaverunt. Eiusdem est enim postea superducere
legem, qui ante praemiserat praecepium, quoniam et ipsiits est erudire
postea, qui anteaiustos formare instiluerat. Quid enim mirum, si is
auget disciplinam qui insiitmt, si is proficit qui coepit? (Tert. c. lud. 2
cf. Ir. TV, 16, 3 f.). Diese Auffassung stellt zunacbst eine groBe ge-
scbicbtlicbe Konzeption dar, ein innerlicb notwendiges "Werden vollzieht
sicb in der Offenbarung, sie lehrt gescbicbtlicb empfinden, deutlicher als
das alte Schema von Weissagung und Erfullung. Dadurch aber wird
sie fruchtbar fiir das Verstandnis des A. T., man behalt es und hat
doch einen Grand sich von ihm zu befreien. Und weiter wird so die
gnostische Kritik des A. T. iiberwunden. Aber andrerseits lagen in
dieser heilsgeschichtlichen Konstruktion auch verhangnisvolle Moniente.
Einerseits indem sie die ganze Offenbarung unter dem Gresichtspunkt des
Gresetzes riickt, andrerseits indern sie das sittliche Naturgesetz zuin eigent-
lichen Mafistab der ganzen Entwicklung macht. Das Ohristentum stellt
nur das durch das jiidische Gresetz veraufierlichte sittliche Naturgesetz
in seiner urspriinglichen Einf achheit iind Innerlichkeit wieder her. Das
fiihrt auf den Rationalismus der Apologeten zuriick. Die positiv ge-
schichthche Betrachtungsweise (Grottes Erziehung und die Entwicklung
der Menschheit) schlagt um in die rationalistische Idee von der durch
mancherlei Irrwege zu sich selbst zuriickkehrenden Vernunft. Ereilich
so haben es unsere Yater nicht gemeint, aber es zeigt sich doch, wie
stark auch in der Gredankenwelt eines Irenaus der ,,naturliche" Einschlag
gewesen ist. Man vergewisserte sich innerlich der Wahrheit des christ-
lichen ,,Gesetzes" auf demselben .Wege, auf dem die Rechtsphilosophen
das Recht der positiven Satzungen des Rechtes erwiesen, namlich durch
Ulickgang auf das ,.nattirliche Eecht".
16. "Von besonderem Interesse ist die Christ ologie des Irenaus,
denn sie bringt die Yorstellungen des, Gremeindeglaubens deutlicher zum
Ausdruck als die Logostheorie der Apologeten.
Die Spekulationen der Grnostiker iiber den Hervorgang des Nus oder
Logos aus dem Yater lehnt er ab. Und zwar deshalb weil Grottes Yer-
nunf t oder Geist nicht als Teil Gottes verstanden werden darf , da Gott
als Geist eine absolute, unteilbare Einheit ist. Ein derartiger Hervor-
gang wiirde Gott zu einer zusanimengesetzten korpeiiichen Grofie machen.
Die Christologie *des Irenaus. 321
"Wollte man aber sagen, dieser Ausgang finde in Gott selbst statt, so
Avare der Logos nicht ausgegangen, da er ja in Gott ist. Wenn man
Yorgange des menscblicben Geistes kurzer Hand auf Gott iibertragt, so
komnit dabei nur ein leeres Gerede heraus. Soinit lafit sicli nacb
Irenaus keinerlei positive Aussage iiber den Hervorgang des Sobnes aus
dem Vater gewinnen. 1st die Geburt des Sobnes unaussprechlicb (Jes. 53, 8),
so.darf sicb nieinand geberden, als batte er dabei Hebammendienst ge-
leistet. Ir. leugnet mit alle dem nicbt die Gfeburt des Logos aus dem
Yater, er meint aber, dafi aufier dem Yater und dem Sobne niemand
bieriiber etwas sagen konne, tJber leere Worte und billige Yermutungen
komme man dabei nicbt binaus und, diese steben iiberdem zu unserer
Erkenntnis Gottes in Widersprucb. 3 ) Im Gegensatz zu den Gnostikern
betont Ir. auf das scbarfste die Einbeit und Einfacbbeit des gott-
licben Wesens und weist von dieser Erkenntnis ber die ganze Spekulation
iiber die Greburt des Logos zuriick.
Hieraus folgt nun aber, dafi Gott selbst in der Einbeit seines Wesens
Logos ist. 2 ) Also ist es der eine und einbeitlicbe Gott, dessen "Wille
alles wirkt, condens et fadem omnia . . . verbo virtutis suae et omnia
1) Vgl. Ir. II, 13, 3 : multum enim distat omnium pater ab his quae pro-
veniunt hominibus, affectionibus et passionibiis ; et simplex et non compositus et
similimembrius et totus ipse sibimet ipsi . similis et aequalis est, totus cum sit
sensus et totiis spiritus et totus sensuabilitas et totus ennoia et totus ratio et
totus auditio et totus oculus et totus lumen et totus fons omnitim bonorum.
Ib. 5 : qui emisit sensum . . compositus et corporalis intelligitur, ut sit separatim
quidem qui emisit deus, separatim autem qui emissus est sensus. Ib. 6 : quem-
admodvtm enim emissus est, si intra patrem erat? Emissio enim est eius q^^ocl
emittit^^r extra emittentem manifestatio. Ib. 10: omnes homimtm affectiones et
motiones mentis el generationes intentionum et emissiones verbomm coniidentes
mrisimiliter, non verisimiliter mentiti sunt adversus deum. Ea enim quae acci-
dunt hominibus et quaecunque patientes ipsi recognoscunt, ad divinam rationem
udducentes, apta videntur dicere apud eos qui ignorant deum . . ., mirabilia
mysteria et alia . . . dicunt se docere. II. 28, 6 : si quis itaque nobis dixerit :
quomodo ergo films a patre emissus est, dicimus ei, quia prolationem istam, sive
generationem, sive nuncupationem, sive adapertionem, aut quolibet quis nomine
vocaverit generationem eius inenarrdbilem, existentem, nemo novit .... Non
enim magnum quid invenerunt qui emissiones excogitaverunt neque absconditum
mysterium, si id, quod ab omnibus intelligitur, transtulerunt in unigenituwi dei
verbum ; et quern inenarrabilem et innominabilem vacant, hunc, quasi ipsi obstetri-
caverint, primae generationis eius prolationem et generationem ennutiant adsimi-
lantes eum homimim verbo emissionis. Epideix. 43 : fur Gott hatte Anfang der
.Sohn vor dem Bau der Welt, fur uns aber jetzt, als er erschien.
2) II, 28, 5: deus autem totus existens mens et totus existens Logos; quod
cogitat hoc et loquitur, et quod loquitur, hoc et cogitat. Cogitatio enim eius Logos
-et Lopos.mens, et omnia concludens mens ipse est pater.
Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 21
322 14. Die Theologie'der aritignostischen Vater.
aptavit et disposuit sapientia sua (II, 30, 9). "Wort und "Weisbeit d. b.
Solm und lieil. Geist (IV, 20, 3) sind also zunacbst nur Offenbarungs-
formen des scblecbtbin einbeitlicben gottlicben Wesens. 'Gott 1st seinem
"Wesen nacb tmerforscblicb und unerkennbar, aber es 1st sein "Wille off en-
bar zu werclen. Er wird nun aucb von Anbeginn an offenbar, sofern
er Logos 1st. Scbon in der Scbb'pfung und der alttestamentlicben Offen-
barung redet er und zeigt er sicb. Es 1st derselbe Gott, der einst den
Propbeten erscbien, dann im Sobn und der sicb als Vater iin ewigen
Reicb offenbart. Es ist Gott, sofern er Logos oder Offenbarer ist. In
diesem Zusanrmenbang ist es begreiflicb, dafi der Yater als ,,das Un-
sicbtbare des Sobnes" und der Sobn als ,,das Sicbtbare des Yaters" be-
zeicbnet wird. Diese Ausdrucksweise ist ganz modalistiscb. Aber es
darf bei diesen und abnlicben Wendungen 1 ) nicbt iiberseben werden,
dafi Ir. docb die Sonclerperson des Logos voraussetzt. Das Wort ist
der Sobn Gottes, der ewig mit dem Yater ist. ,,Wort" aber beiBt er,
sofern er Gott offenbar macbt. Die urspriinglicbe jobanneiscbe Fassung
dieses Begriffes wird von Ir. wieder aufgenommen. Der Logos ist der
Offenbarer Gottes, der den Engeln und den Menscben das Wesen des
tinerforscblicben Gottes aussagt und darstellt. Dies gescbiebt abschliefiend
dadurcb, daB er in der Eiille der Zeiten Menscb .geworden ist, sodafi
wer.ibn siebt oder bort. Gott siebt und bort. Er ist das Mafi des un-
mefibaren Gottes, unser Lebrer, die persb'nliche Offenbarung Gottes. 2 )
1) IV, 6, 5: ad hoc filium revelavit pater, ut per eum omnibus manifestetur
Ib. 6: per ipsam conditionem revelat verbum conditorem deum .... Sed per
legem et prophetas simttiter verbum et semetipsum et patrem praedicabat . . .
Et per ipsum verbum visibilem et palpabilem factum pater ostendebatur- . . . .,
omnes viderunt in filio patrem, invisibile enim filii pater, visibile autem patris
filius. Ib. 7: omnia autem filiiis administrans patri perficit ab initio usque ad
finem, et sine illo nemo potest cognoscere deum. Agnito enim pairis filius, agnitio
autem 'filii in patre ~ et per filium revelata . . . Ab initio enim filius assistens suo
plasniati revelat omnibus patrem. IV, 20, 5: homo autem a se non videt deum,
ille autem volens 'videtur hominibus . . ., potens est enim in omnibus deus^msus
enim tune per spiritiim prophetiae, visus autem et per filium adoptive, videbitur
autem et in regno caelorum paternaliter. : IV, '5, 2: ipse igitur Christus cum
patre vivorum est deus qui locutus est Moysi, qui et patribus manifestatus est.
2) II, 30, 9 : hie pater domini nostri lesu Christi per verbum suum, qui
est filius eius, per eum revelatvir et mhnifestatur omnibus quibus revelatur, cognos-
cunt enim eum hi, quibus revelaverit filius. Semper autem coexistens filius palrl
'olim et ab initio semper revelat patrem et angelis et archangelis et potestatibus
et virtutibus et omnibus, quibus vult revelare deus; cf. II, 25, '3. Ill, 18, 1. HI, 11, 6 :
patrem enim inmsibilem existentem qui in sinu eiiis est filius 'omhibiis enarrat,
cf. Ill, 10, 12. IV, 7, 2: omnes qui -ab initio cognitum habuerunt deum >. . .,
revelationem acceperunt ab ipso filio, qui et in novissimis temtwribus visibilis
Der Logos und der Vater bei Irenaus. 323
Die Meiirang des Ir. ist also diese. Der unerforscbliche Grott ist
aucb 'Logos und Avird als Logos offenbar. Indem mm aber der Logos
in Cbristus personlicb erscbienen ist, wird ibm aucb eine personlicbe
Praexistenz beigelegt, 1 ) von der aber nicbts "Weiteres gesagt werden
kann als das, was von ibr in Cbristus offenbar wurde, namlicb clafi der
Logos der Offenbarergott ist. Dadurcb kommt Irenaus auf die Linie
des triadiscben Gedankens, den er ancb einbalt, indem aucb dem Gfeist
besondere Funktionen beigelegt werden. 2 ) Das Hauptgewicbt der Dar-
stellung fallt aber auf den Gedanken, dafi der Logos oder Gottessobn
wirklicb Mensch geworden ist. Aucb bierin folgt Ir. Jobannes. Sofern
nun der Logos iiberbaupt Gfott und also auch Scbopfer ist, niufi er es
aucb sein, der den Menscben Jesus erscbaffit, wie scbon Justin lebrte
(oben S. 278). Wie Adam von dera Logos aus jtmgfraulicber Erde ge-
bildet wurde, so bat der Logos selbst sicb aus der Jungfrau Maria ber-
vorgeben lassen (III, 21, 10). Auf das scbarfste wird die gnostiscbe
Trennung des Logos und des Menscben Jesus zuriickgewiesen. 3 ) Cbristus
Qeist Gottes seiend wurde leidensfdhiger Mensch, wie der Schatten vom
Korper entstammt, so ist auch der Korper Ghristi von seinem Geist ent-
stammt (epideix. 71). Der Logos oder der praexistente Grottessobn ist,
indein er von einem Weibe geboren wurde, wirklicb Menscb geworden,
sodafi die Menscben ibn versteben und erfassen konnten. 4 ) An diesen
et passibilis factus est et cum liuvnano genere locutus est. IV, 6, 3: patrem
qitidem invisibilem et indeterminabilem, quantum ad nos est, cognoscit ipsius
verbum, et cum sit inenarrdbilis, ipse enarrat eitin nobis. . . . et propter hoc
films revelat agnitionem patris per suam manifestationem. V, 1. 1: non enim
aliter nos discere poteramus q^^ae sunt dei, nisi magister noster, verbum existens,
homo factus fuisset. Nemo enim alius poterat enarrare nobis quae sunt patris
nisi proprimn 'ipsius verbum. IV, 4, 2 : et. bene qui dixit ipsum immensum
patrem in filio mensuratum, mensura enim patris filiiis, quoniam et capit eum.
1) In diesem Gedanken diirfte die Verniittlung zwischen den modalistischen
Ziigen bei Ir. und der besonderen Logoshypostase liegen.
2) IV, 38, 3 : TOV ftev Ttwr^bs siiSoxovvros "/.<u xehevovros, rov 8s vlov TtpdaaovTOs
y.al SrjfiiovpyovvTos, rov e Ttvev/uaTos TQEcpovtos y.al av^ovros. IV, 20, 1. 3. 12. 5 :
spiritu quidem praeparante hominem in filio dei, filio autem adducente ad patrem,
patre autem incorruptelam donante in aeternam vitam, cf . II, 30, 9. V, 28, 4 ; 36, 2,
Epideix. 5. 7.
3) Z. B. Ill, 9, 3; 11, 3. 7; 12, 7; 16, 8; 17, 4.
4) III, 16, 2. 3. 5:' non ergo alterum filium hominis novit evangelium nisi
hunc qui ex Maria, qui et passiis-. est; sed neque -Christum avolantem ante
passionem ab lesu, sed liunc, qui natus est, lesum Christum novit dei filiiim, et
eundem Jmncpassum resurrexisse. Ib. 7: diviti enim et multae voluntati patris
deservit, cum sit ipse salvator eorum qui salvantur, et-dominus torum qui sunt
sub dominio, et deus eomm quae constituta sunt et unigenitiis patris et Christus,
qui praedicatus est et verbum dei -inearnatus, cum advenisset plenit\ido temporis,
21*
324 14. Die Theologie der autignostischen Vater.
Gredanken liegt Ir. viel, daher fiihrt er fur sie einen eingehenden Schrift-
beweis, nicht nur aus Johannes, sondern auch aus Paulus und den
Synoptikern. Christus ist sowohl vom Yater als; von Maria geboren, er
ist vere, deus und vere homo. Der Gfottessohn ist 'Menschensohn geworden.
Nicht nur auf den Leib, sondern auch auf die menschliche Seele er-
streckt sich die Menschwerdung. 1 ) Als der Menschgewordene hat Christus
das ganze menschliche Dasein mit seinen Altersstufen durchlaufen und
sich auch den Leiden unterzogen (II, 24, 4f. Y, 21 ; 16, 3; 31. IV, 33, 2.
Ill, 16, 5 cf. 18, 5). Es verhielt sich der Logos in Ohristus ruhig, wenn
der Mensch versucht wurde oder starb, dagegen trat er hervor, wenn es
sich um die Greduld, die Eronruiigkeit, den Sieg und die Auferstehung
des Menschen handelte. 2 )
Dieser letzte Satz fuhrt strenggenommen zu einer anderen
Betrachtungsweise als der fur Ir. naafigebenden. Der Mensch tritt als
ein zweites und relativ Selbstandiges dem Logos entgegen. Ebenso steht
es bei den Bezeichnungen der Menschwerdung als VO)0is rtgbg TO itk6.G\,iGL
avrov oder verbum unitum carni (TV, 33, 11; 34, 4). Hiernach scheint
der Logos sich mit dem Meisch verbunden oder es angenommen zu
haben, wahrend fiir gewohnlich betont wird, dafi er Eleisch wurde.
Aber irn ganzen halt sich Ir. genau in den Bahnen der johanneischen
Christologie : der Logos ist durch die Greburt Mensch geworden, sodafi
dasselbe Subjekt sowohl Logos als Mensch ist. ABei dieser Anschauung
war es notwendig fur die Taufe Christi eine neue Erklarung zu finden.
Der Gfeist, so meint Ir., kam auf den Menschensohn herab, indern er
ihn salben und zur Heilsverktindigung befahigen sollte und indem er
sich so daran gewohnte im Menschengeschlecht, das er erneuern soil, zu
wohnen \HL, 9, 3 ; 17, 1 cf. Y, 20, 2).
Die Bedeutung dieser Gedanken erhellt erst ganz bei der Erlosungs-
in quo filium hominis fieri oportebat filium dei. III, 19. 1, 3 : hie ergo filiiis
dei dominus noster existens verbum patris, quoniam ex Maria, quae ex hominibus
habebat genus, quae et ipsa erat homo, lidbuit secundum hominem generationem,
factus est filius hominis. IV, 33, 11; 38, 1. 2: avvevijTila&v vtbs tov &eov,
re^etos wv, rep dv^canco, oil Si eavrov, ahha Sid TO TOV dv&fjwTtov vrpuov ovrco
ftwfiovfievos, &>s av&ficoTtos cditbv ftcoQelv fjdvvato,
1) III, 19, 2 : quoniam praeclaram praeter omnes habuit in se earn quae est
ab ultissimo patre genituram, praeclara autem functus est et ea, quae est ex
virgine generation. IV, 6, 7. Ill, 22, 1, 2. V, 1, i. Epideix. 36. 37. 92. 53.
32 f. 40.
2) III r 19, 3 : &G7teQ pay fjv u.vQ'QmTtos, Iva neiQaad'ii, OVTCOS val hoyos, Iva.
So^aaO'/J, ?]ov%doi>TOs fiev TOV hoyov &v Tea yfeiod^sa&ai y.al OTavoovad'ai xal O-TCO-
&vfia'/.ew, ovyywofisvov Se T<y dvflocbxq) (Lat. : absorpto autem homine) EV T(
y.al vnofieveiv y.ul ftoyaTevsad'ai -/cat 'dviaraad'ai y.al dvala.fi/3dve0dat.
Die Menschwerdung bei Irenaus. 325
lehre des Ir. Dort wird sich welter zeigen, dafi Ir. auf der johanneischen
Linie sich bewegt. Grott selbst ist in Christus den Menschen offenbar
geworden, denn indem der Logos ITleisch annahm, ist die Menschheit
hinfort mit Grott geeint, per quam commixtio et commtinio dei et hominis
secundum placitum patris facia est (IV, 20[, 4). Die Christologie des
Irenaus teilt mit Justin (oben S. 278) die Bevorzugung der Mensch-
werdung vor der Annahme der Menschennatur, sie unterscheidet sich
aber deutlich von Justin; durch die Fassung des Lbgosbegriffes. Wahrend
Justin an die hypostasierte gottliehe Vernunft denkt, fafit Ir. den Logos
in der Weise der alteren johanneischen Tradition als den Offenbarergott.
Daraus folgt dann die /weitere Differenz, dafi Justin den Logos irgend-
wie als Teil der Grottheit, als ,,zweiten Grott" versteht, Ir. dagegen den
Logos als Gott schlechthin oder als Grott in. der Selbstbestimmung des
Offenbarers ansieht. Die Christologie des Ir. ist, so viel ich sehe, un-
abhangig von den apologetischen Theorien entstanden, sie ist altertiim-
licher als diese und sie ruht ganz wesentlich auf der Lehrweise des
Johannes (und des Ignatius). Man kann sie in diesem Sinn als ein
Stiick der ,.kleinasiatischen Theologie" bezeichnen. 1 ) Diese Beobachtung
ist von Wichtigkeit, denn sie zeigt, dafi die lehrhafte Eormulierung der
Grottheit Christus weder blofi ein Werk der Apologeten ist, noch auch
dem Kampf wider die Grnosis entstammt.
17. Es empfiehlt sich jetzt gleich einen Blick auf die Erlosxings-
lehre des Irenaus zu werfen. Yorweg mufi der leitende Begriff der
avaxecpalaicoGig erortert werden. Er stammt aus Eph. 1, 10 und be-
deutet die JZusamnienfassung, nicht die Wiederhplung. Sachlich ist hier-
mit nichts anderes gemeint, als wenn Kol. 1, 19 Christus die Absicht,-
dafi alles in -ihm wohnen solle, beigelegt ist, oder als wenn Johannes
Christus von eineni Sein der Grlaubigen in ihm und dem Yater, von
1) So Loofs DGr. 4 S. 140 ff. Als Merkmale dieser Theologie in ihrer vor-
irenaisclien Entwicklung fiihrt Loofs folgende Ziige an: Der heilsgeschicfitliche
Bahmen (olxovo/.da) und Christus als der zweite Adam resp. die Bekapitulations-
theorie, das ewige Leben als Heilsgut und die dadnrch bedingte Abendmahlslehre
als ydgfiay.ov irjs dd'avaaias, ein ,,6konomisck trinitarischer Monotheismus", die
Hadesfahrt. Ich glaube, dafi diese Hypothese in den Hauptpunkten zutrifft
die Hadesfahrt g-ehort m, E. nicht her ; es liegt in der Tat ein besonderer
johanneischer, durch paulinische Einschlage modifizierter Typus der Lehre. der von
Johannes bis Irenaus reicht, vor. Er wird sich aus einer von dem Johannesev.
stark beeinfhiBten Tauflehre begreifen. Ob die dvaxsycdalcoais bei Justin stand,
ist mir zweifelhaft (oben S. 280 A. 1), aber die Art, wie Iren. den Begriff braucht,
spricht fur seine Verhreitung vor ihm. Melitos Ausspruch: ut . . . vivificaret
hominem et colligeret membra eius (Corp. apol. IX, 419) bezieht sich nach dem
Zusammenhang auf die Glieder des Menschen, nicht der Menschheit.
326 14. Die -Theologie der antignostischen Vater.
einer Vollendung zur Einlieit (iva tiaiv T&ES^UOf.tVOi, Big ev) sprechen
lafit (3 oh. 17. 21 23). Es ist der Gredanke, dafi Christus als der all-
durchdringende Greist alles leitet und volleudet. Diesen urchristlichen
Gedanken nimmt Irenaus auf; Johanneisches und Paulinisches verbindet
sicli in ihm, was bei seiner kleinasiatischen Herkunft nichts Auffalliges
hat. Der Grundgedanke der Avaxecpakaiwois ist also, daB Christus als
der zweite Adam das ganze Menschengeschlecht mit Einschlufi des ersten
Adam so in sich zusammenfafit, dafi er es mit seinem Gfeist durchdringt
und heiligt, durch sein Leben lebendig niacht und dadurch in ihm den
alien Ungehorsam auflost und den Tod vernichtet (epideix. 37. 38). Positiv
wirkt die Anakephalaiosis, also die Mitteilung des neuen Lebens, negativ
die Auf 16 sung des alten Lebens. Aber diese Zusammenfassung resp.
diese Heiligung und Lebendigung konunt nur so zustande, dafi Christus
die adamitische Natur anninimt und ein organischer Bestandteil des
Menschengeschlechtes wird. Daher ist er entstanden wie Adam und hat
so das ursprungliche Wesen des Menschen sich angegliedert. und daher
hat er jedes Menschenalter durchlaufen nach Joh. 8, 56 f. und den
Presbytern soil er gegen fimfzig Jahre alt geworden sein (II, 22, 5f.)
und den Tod erlitten. Daher hat er aber auch in sich den gefallenen
Menschen anferweckt, und ist Meisch geworden, um die Aufcrsteliung des
Leibes zu erweisen (epideix. 38. 39). Indeni er, der Logos, als der neue
Adam in die alte Menschheit eintrat, wurde er als der neue Stanimvater
der Anfang eines Geschlechtes der Lebendigen, wie Adam der Anfang
der Sterbenden geworden ist. Und zwar gilt das nicht nur von denen,
die ihm gleichzeitig oder nach ihm lebten, sondern auch von den Yatern
vor ihm. Sein Gehorsani loste also unseren Ungehorsam und Tod auf,
er erfiillte das Gesetz und vereinigte durch sein "Wirken den gottlichen
Geist mit dem Menschengeschlecht : auf diese Weise nun dringt das Wort
Goltes in alien zur emirachtigen Gemeinschaft vor, da er ivahrer Mensch . . .
und ondchtiger Gott ist (epideix. 40). Man kann also sagen, durch die
avaxscpahaicoaig wurde Christus das Prinzip einer Mensehheit Grottes,
indeni er als gottliches Ferment das Menschengeschlecht durchdringt.
Dazu kommt nun eine weitere Anwendung des Gedankens. Indem
Christus als neuer Adam wirksani wird, befreit er die Menschheit aus
der Herrschaft des -Teufels und der Siinde und versetzt die Menschheit
2) Wie Rom. 13, 9 zeigt, liegt der BegrifE der Wiederlioluug au sich uicht
in dem Wort, es ist die Zusammeiifassung, die ja auch Wiederlioluug sein kaim,
vgl. Quinctilian : rerum repetitw et congrec/atio . . . et totam simul causam ponit
ante oculos (lust. VI, 1), oder auch Chrysostomus' Wiedergabe durch avvayai. Im
Hiublick auf Joh. 17, 23 kann man es mit der Bedeutung YOU avaxerpa'haiovv =
versuchen Avollen, iiidessen versagt die Gleichung bei Iren.
. . Die Anakephalaiosis bei Irenaus; , 327
in ein neues Yerhaltnis mit Grott. 1 ) Durch die Rekapitulation wird also
die Menscbbeit, Juden wie Heiclen, faktiscli sittlick erneuert und un-.
sterblich. gernacht, sie wird aber auck in das neue Verbaltnis der Ver-
solmung zu Gfott gebracht, da Christus als Grott Siinden vergibt. So
ergeben sich die beiden Seiten des "Werkes Cbristi aus der Eekapitulation :
Cbristus beiligt die Sunder und er vergibt ibnen die Siinden, jenes in-
dem er als Ferment des Lebens in ihnen wirkt, dieses indem er als
Grott die Schuld vergibt, die wir Gott scbulden, aber dies wie jenes
sofern er als der Logos und der andere Adam in der Menschheit wirkt.
So gliedern sicb die beiden alten Gesicbtspunkte der Erlb'sung clem
Grundscheina des Irenaus ein. 2 )
Es ist klar, dafi der eigentliek mafigebende Gredanke in. der Heiligung
1) Die Hauptstellen fiir die avaxecpa'Aaicaois* sind III, 18, 1 : quando incarnatus
est et homo factiis, longam hominum ex-positionem in seipso recapitulavit, in
compendia nobis salutem praestans, ^tt quod perdideramus in Adam, id est
seeundum imaginem et. similitudinem esse dei, hoc in Christo lesii reciperemus.
Ib. 7: quod autem parebat, hoc et erat: deus liominis antiquam plasmationem in
se recapitulans, ut occideret quidem peccatwn, evacuaret autem mortem et vivificaret
hominem. III, 16, 6; 5, 3. IV, 6, 2; 20. 8; 38, 1. V, 1, 2; 14, 1. 2; 21, 1.
IV, 34, 4: consequente corpore simm caput. V, 20, 20: haec iyitur in semet-
ipswn recapitulatus est adunans hominem spirfad et spiritum collocans in homine,
ipse caput spiritus factus est et spirititm dans esse liominis caput II, 22. 4:
per omnem venit aetatem, et wfantibus infans factus sanctificans infantes, in
parvulis parvulus sanctificans hanc ipsam habentes aetatem, simul et exemplum
illis 2Jictatis effectus et iustitiae et subiectionis, in iuvenibus iuvenis exemplum
iuvenibus fiens et sanctificans domino ; sic et senior in senioribus, ut sit perfectus
magister in omnibus . . ., deinde et usque ad mortem pervenit, ut sit primogenitus
ex mortuis. III, 22, 4: primogenitus enim mortuorum natus dominus et in
sinum suum recipiens pristinos patres regeneravit eos in vitam dei, ipse inilium
viventium factus', quoniam Adam initium morientium factus est. HE, 22, 2 : cum
autem salvetur homo, oportet salvari eum qui prior formatus est homo, quoniam
nimis irrationabile est ilium quidem, qui . . . prior captivitatem passus est, dicere
non eripi ab eo qui vicerit inimicum. ereptos vero filios eius, quos in eadem
captivitate generavit. V, 23, 2 : recapitidans autem universum hominem in se
ab initio usque ad finem recapitulatiis est et mortem eius. V, 16. 3: lv uh'
ya() TcjJ 7t<iu>rco 'AScif.1 7tc>oaey.6\]ia/.iev firj Ttotrjanvres avrov ii]v evrolrjv, ev Se tea
SBVTSQCO 'ASaii a.7CO}<aT>]V,dyrif.ievv7ti]y.ooi fie^i -OavAiov yevdftevoi, Vgl. epideix. 31. 37:
Das Wort Gottes ist Fleisch geivorden . . ., wm den Tod aufzulosen und den
Menschen lebendig zu machen. 34 : durch den G-ehorsam nun, den er bis an den
Tod festhielt an das Holz gehdngt, loste er den alten mit dem Hote verbundenen
Ungehorsam auf. 33 : es war die naehmalige Vollendung des Adam in Christus
notivendig, damit das Sterbliche von der Unsterblichkeit verschhmgen werde.
89 : das Gesetz wurde von Christiis erfiillt. Weiteres s. im folgenden.
2) Aber die dvatteycdcdwaig hat die direkte Beziehung nur zur Heiligung mid
Lebeudigrnacliuiig der Menschen, aber Suudeuyergebung und. Versohnuug folgen
aus.ihr.
328 14- Die Theologie der antignostischen Vater.
und Lebendigmachung der siindigen Menschheit besteht. Dieser Gedanke
kann nun, wie wir schon friiher erkannt haben, in moralisierender und
aufklarender oder in mystischer Weise verwandt werden. Ersteres ist
der Fall, wenn Irenaus Christus als den Offenbarer darstellt, der den
Menschen die Erkenntnis Gottes und das uralte Gesetz der Liebe bringt,
sodafi sie zum Glauben Abrahams kommen und die rechte Yerehrung
Gott darbringen,- Christus nachfolgen und gute "Werke tun. 1 ) Aher zum
anderen ist dies neue, von Christus ausgehende Leben eine mystische
"Wirkung, die den Menschen in die Gfemeinschaft mit Gott bringt.
Verbum . . . adunitus antiquae substantial plasmationis Adae viventem .et
perfectum effecit hominem } capientem parfedum pair em (V, 1, 3), durch
seine Menschwerdung ist die commixtio ei communio dei et hominis
vollzogen, denn er fiihrt den Menschen in communionem et unitatem dei
(IV, 20, 4; 13, 1. epideix. 97). Christi "Wirkung lafit den Menschen
mit ihni gleichformig oder Gottes Bild und Gottes Kind und dadurch
fur. Gfott wieder wertvoll -werden. 2 ) Die Adoption der Menschen, die
durch die Menschwerdung Christi stattfindet, versetzt sie also in die
Gemeinschaft mit Gott, sie fiihrt zur Liebe gegen Gott und zu der ver-
mehrten Furcht der Kinder (IV, 12, 5 ; 16, 5). Vor allem aber gibt
sie die Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit ist das eigentliche Heilsgut
des Irenaus, in dem alle Gedankenlinien konvergieren. Die Erlb'sung
ist ,,Entleerung des Todes" und die Gabe Christi ist das ewige Leben. 3 )
1) IV, 12, 5; 6, 3; 7, 2; 13, 1; 14, 1; 16, 5; 38, 1. Ill, 5, 2. 3. V, 1, 1:
non eniin aliter nos discere poteramus quae sunt dei, nisi magister noster, verbum
existens, homo factus fuisset. Neque enim alius poterat enarrare nobis quae sunt
patris, nisi proprium ipsius verbum . . ., neque rursus nos aliter discere poteramus,
nisi magistrum nostrum videntes et per auditum nostrum voeem eius percipientes,
iiti imitatores quidem operum, f adores autem sermonum eius facti, commimionem
habeamus cum ipso, a perfecto et eo, qui est ante omnem conditionem, augmentum
accipimtes.
2) V, 16, 2: homo verbum dei factum est semetipsiim homini et hominem
sibimetipsi assimilans, ut per earn quae est ad filium similitudinem pretiosus
homo fiat patri. III, 19, 1 : sis TOVTO yaq 6 I6yos av&QcoTtos . . ., Iva b avd'gcoTtos
ibv ).6yov xcoQrjaas xal irjv vlo&saiav iMfiiav vibs yev^iai -9eov. jtfon enim poteramus
aliter incorruptelam et immortalitatem percipere, nisi adunati fuissemus incorrup-
telae et immortalitati. III, 20, 2. Epideix. 31. 33. 37. 39. 40. 97.
3) III, 24, 1: in eo disposita est communicatio Christi, id est spiritus
sanctus, arrha incorruptelae et confirmatio fidei nostrae et seala ascensionis ad deum.
Ill, 18, 7; 23, 7: illius enim salus evacuatio est mortis; domino igitur
vivificante hominem, id est Adam, evacuata est et mors. III, 19, 1: ignorantes
autem eum, qui ex virgine est Emmanuel, privantur miinere eius, quod est
vita aeterna; non redpientes autem verbum incormptionis perseverant in
came mortali et sunt debitores mortis, antidotum mortis non accipientes.
Der Erlo'sungsgedanke des Irenaus. 329
Unter dem ewigen Leben versteht Irenaus die ewige Fortdauer
eloael ita.^a\.iovr\v) oder die Teilnahine an der Herrlichkeit des Un-
gewordenen. Aber dies Leben beginnt hienieden und durchlaufb einen
Prozefi bis zur Yollkommenbeit oder der Herrlichkeit des Ungewordenen
in der Ewigkeit. Dieser Prozefi wird nach dem Willen des Yaters durch
Christus und die nahrende und "Wachstum verleihende Tatigkeit des heil.
Griestes an dem Menschen ausgefiihrt, bis derMensch zur ewigen Grottgleichheit
gelangt. ,,DietTnterordniing unterGrott istUnverweslichkeit ,
das Bleiben aber der Tfnverweslichkeit ist die ungewordene Herrlichkeit. "
Das heifit also, wer sich dem gottlichen "Willen unterwirft, ist dadurch
unsterblich geworden ; indem aber Glott diesen Zustand f ortbestehen lafit,
wird er der ungewordenen Herrlichkeit teilhaftig. In diesem grofien
Heiligungsprozefi kommt aber zugleich die Schopfung des Menschen
zu ihrer Vollendung. Gfott hat namlich den Menschen nicht von
Anfang an voEkommen geschaffen, nicht weil er es nicht konnte, sondern
weil der entstandene Mensch die Yollkommenheit nicht erfassen konnte
(IV, 38, 1. 2). Diese ausstehende Yollkommenheit wird durch die
Menschwerdung des Logos und durch den heil. Gfeist der Menschheit
mitgeteilt. 1 )
Somit besteht das Erlosung'swerk zunachst in der Yergeistigung,
TJnsterblichmachung, Yergottung des Menschen, es umfafit den ProzeB
von der Bekehrung bis zur ewigen Herrlichkeit, es fuhrt den Menschen
auf die Hohe geistiger und sittlicher Yollendung. Das alles geschieht
durch die Menschwerdung des Logos, durch sein Leben, Lehren und
"Wirken innerhalb der Menschheit, 2 ) tind es handelt sich dabei keines-
IV, 38, 3: TOV &eov TtqoZy.a Scogovfievov atirols ti]V slausl Ttapafiovijv . . .,
$s d'sav dcp&agala, vg'l, IV, 36, 7 : ifo yv&oiv iov &BOV, jfas i~,v ap&apaia.
1) S. IV, 38, 3: bTtafa.yr] Ss d'eov d.cp-d'a.gaia,, tied TCaQcifiovi] atpdagaias So^a
dyevvriTos (cf. IV, 39, 1). dia. TUIJTIJS . . . irfs raj-seas "/.ai TCOV roiovreov yv&fi&v xal
TJ/S fOMiJT:i]s dycoyijs d yewi]i;bs y.nl TteTthaOftevos uvQ^caTtos '/.asi sly.ova. "/MI duoicooiv
iov dysvvij'cov yivsrai dsov, rov (.lev Ttatgbs eiiSoxovvios y.al XB^STUOVTOS, rov s viov
Ttffdaoovros y.al StjfiiovQyovwtos, iov 8s Ttveij/iiaTOS tQsyovtos KM aft^ovfos, iov Ss dv^co-
Ttov fj(>s{ia. TtQoy.oTtrowios y-al Ttgos teheiov d.vBfj'^o/.ievov, rovtecni, Ttf^aiov rov dyevv^rov
yivo l usvov. Ib. 4: nos enim imputamus ei, quoniam non ab initio dii facti
swims, sed primo quideni homines, tune demum dii . . . Oportuerat autem primo
naturam apparere, post deinde vinci et dbsorH mortale ab immortalitate et
corruptibile ab incorruptibilitate et fieri hominem secundum imaginem et simili-
tudinem dei agnitione accepta boni etmali. V, 12, 6: et in semel totum samim
et integrum redintegravit hominem, perfectum eum sibi praeparans ad resurrec-
tionem . . . Vita enim per curationem, incorruptela autem per vitam efficitiir,
qui igitur curationem affert hie et vitam, et qui vitam hie et incorruptela drciimdat
plasma suum.
2) Dies fafit auch in sich die Heilsverkimdung Christ! in der Unterwelt mit
330 14. Die Tlieolog'ie der antignostischen Vater.
\vegs blofi urn einen pbysiscben Prozefi, sondern die ganze Lebrtatigkeit
Christi, sowie die geistige Unte'rwerfung unter Grott ist in ibn ein-
gescblossen. Auffallend ist dabei aber, dafi von Simdenvergebung nur
selten die Rede ist, und dafi das Kreuz Christi niclit die Bedeutung
einnimnit, die seit Paulus viblicb ist. Der Tod Cbristi ist allerdings
durcb den Rekapitulationsgedanken als notwendig erwiesen, aber die
SiindenYergebung wird nicht eigentE.cn anf ihn begriindet, sondern sie
erscbeint als eine Funktion, die Cbristus kraffc seiner Gfottbeit ausubt
(IV, 33, 2. V, 17, 1. 3: ut quomodo homo compassus est nobis,
tanquam deus misereatur nostri ct dimittat nobis debita nostra, quae factori
nostro debemus, deo). Die Frage ist also die, Avelehe Bedeutung Ir. dem
Tode Cbristi beilegte. Man begegnet bei ihm nicht eben haufig Aus-
sagen hieriiber. die fiber die "Wiedergabe des TJbeiiieferten hinausreichen.
Chistus 1st ein leidensfahiger Menscli gewbrden und bat wirklich gelitten,
dui'cb sein Leiden resp. seinen Geborsam bat er unseren TJngeliorsam
aufgelost und bat er uns mit Grott A r ersobnt und errettet und erlost, ist
Gfott ein Opfer geworden, bat den Vater versobnt. 1 ) Aber diese
Wendungen sind nicbts anderes als Wiedergabe bibliscber Form ein.
Sacblicb fiihren sie nicbt dariiber binaus, dafi Cbristus als Haupt der
Menscbbeit, wie er sie wirkHcb erneuert und in die Gemeinscbaft Gottes
fubrt. so aucb als neue vor Gfott darstellt. ") Eine besondere Bedeutung
Bemfong auf den pseudojerem. Spmch (vgl. S. 108) s. HI, 20. 4. IV, 22, 1 ; 33, 1. 12.
V, 31, 1. IV, 27, 2. Epideix. 78.
1) IV. 2, 7: 5, 4: vlb-v &vaiav naQaaymv sie J.vTpcoatv fj^iere^av. III, 18,
1. 3ff. ; 16, 9: qui per passionem reconciliavit nos dco. V, 2, 1; 17, 1: in.
amicitiam restituit nos dominus per suam incarnationem, mediator dei et homimim
factiis, propitians quidem yyro nobis patrem, in quern fieccaveramus, et nostram
inobedientiam per suam obedientiam consolatus (d. h. vergessen machen), nobis
autem donans earn quae est ad factorem nostrum conversaiionem et subiectionem.
IV, 5, 4 : Abraliam opfert Isaak Gott, Iva y.al 6 &ebs evSoxtfafi v7te<) tov ottepfiuTos
ai/rov Ttdmcog ibv Vdiov fiovoyevfj %al dyaTtrjTov vlbv -dvoiav TtaqaaftBlv els "Miocoaiv
itfieTspav. V, 14, 3: per earn quae est ad se communicationem reconciliavit
dominus hominem deo patri, reconcilians nos sibi per corpus carnis suae et
sangiiine suo redimens nos. Ib. 4 : carne domini redemptus es et sanguine eius
redhibitus. V, 1, 1 : sanguine suo rationabiliter redimens nos, redemptionem
semetifisum dedit pro his qui in ca$>tivitatam ducti sunt. Epideix. 34 : an das
Holz angeschlagen, luodurch er die Erlcenntnis des Bb'sen vernichtete, die Erlcenntnis
des G-uten aber einfiihrte und aneignen lie ft.
2) IV, 20, 7 : Verbum dispensator paternae gratiae factus est ad utilitatem
homimim . . ., hominibus quidem ostendens deum, deo autem exhibens hominem.
V, 2, 1. 2; 1, 1: T<j7 idicp oiiv a'lfiaTi IvTOCoaafievov tying 'TOV y.vgiov y.al SOVTOS
ii]v ijjvyjjv iiTtif) i(ov i^ueiEocuv ipv/^cav v.ai iifv a&()'/.(i Ti]V EUVTOV acvt\ iwv tyiSTegco'i'
et effundente spiritum patris in adunitionem et communionem dei et
Der Tod Christ! bei Irenaus. 331
gewinnen das Leiden und der Tod Christ! erst unter dem Gesichts-
punkt, daB durch sie die Menschheit aus dem Herrschaftsbereich des
Teufels oder von derSiinde und demTode in vernunftgemafier "Weise befreit
ist. Der Teufel hatte namlich den Menschen betrogen und ihn dann
gefangen gesetzt durch die Siinden und den Tod. Aus diesem Zustand
befreite Christus den Menschen, indem er Siinde, Tod und Teufel be-
siegte. Aber das, wenn auch unrechtniafiig erworbene, Anrecht des
Teufels an den Menschen konnte nur dadurch aufgehoben werden. dafi
ein Mensch in der Lage der Sunder und unter dem Todesverhangnis
den Gehorsain und die Gerechtigkeit leistete, die Adam nicht geleistet
hatte. Dasselbe geschieht andererseits freilich auch schon dadurch, daB
Christus bei seiner Versuchung das Gesetz Gottes in ahnlicher Lage
einhielt, in der Adam es bei dem Siindenfall iibertreten hatte. 1 )
Also ist der Sinn jener Wendungen von der Erlosung durch Christi
Blut bei Ir. der, daB Christus die positive Erneuerung der Menschheit
ausfiihrt, indeni er zugleich sie aus der Gewalt des Bosen befreit. 2 )
hominis, acl homines quidem deponente deum per spiritum, ad deum autem versus
imponente hominem per suam incarnationem.
1) III, 18, 7 : si y&o fir/ avfrijcoTtos e-vlxijae ibv avrfaaJ.ov rov dvd'pojTtov, oiiy,
av dixaicog eviMJd'q o e%d'()6s' 7ta)\,n> f, el ,?) 6 -dsos sSco^aaTO tiff ocoTqaiav, oiiy.
&i> fiefiaicos ea/ofiev aimjv .... Oportebat enim eum, qiii incvperet occidere
peccatum et mortis reum redimere hominem, id ipsum fieri, quod erat ille, id est
hominem, qui a peccato quidem in servitium tractus fuerat, a morte vero tenebatur,
ut peccatum a~b homine interficeretur et homo exiret a morte. III, 23, 1 : per
secunditm hominem (deiis) alligavit fortem et diripuit eius vasa et evacuavit
mortem vivificans eum hominem, qiii fuerai mortificatiis. V, 21, 1 : neque enim
iuste victus fuisset inimicus, nisi ex muliere homo esset qui vicit eum. Ib. 2:
sed quoniam unus et idem est qui db initio plasmavit nos et in fine filiiwi suum
misit, praeceptum eius fecit domimis, factus ex muliere, et destruens adversarium
nostrum et perficiens hominem secundum imaginem et similitudinem dei. Et
propter hoc non aliunde eum destruxit, nisi ex dictionibus legis et patris praecepto
adiutore usus ad destmctionem et traductionem apostatae angeli; es folgt eiae
Analyse der Versuchungsgesehichte Matth. 4, die als Gegenbilcl znm Siindenfall
verstanden wird. Daraus folgt ib. 3: apostata autem dei.angelus . . . victus a
.filio hominis servants dei praeceptum. Qiioniam enim in initio homini suasit
transgredi praeceptum factoris, ideo eum habuit in sua potestate, potestas autem
eius est transgressio et apostasia et his collicjavit hominem; per hominem ipsum
iterum oportebat mctum mm contrario colligari iisdem vinculis, quibus alligavit
hominem, ut homo solutus revertatur ad suum dominum, illi mncula relinqiiens,
per quern ipse fuerat alligatus, id est transgressionem . . . . Et captimis quidem
diictus est iuste is, qui hominem iniuste (cf. Ill, 23, 1) captivum duxerat.
2) Die Frage, ob Ir. die Idee von emera dem Teufel von Gott gespielten
Betrag kenne, wird seit Baur auf Grand der Stelle V, 1, 1 (ea quae sunt sua
redimens ... non cum vi . . '. sed secundum suadelam, quemadmodum decebat
deum suadentem et non vim inferentem accipere quae vellet) erortert, zuletzt von
332 14- Die Theologie der autignostischen Vater.
Letzteres gescliieht aber, sofern er als Mensch Reprasentant des Menschen-
gesclilechtes ist, wahrend ersteres verinoge der Kraft seines gottlichen
Wesens erfolgt. Der Tod Christi hat in diesem Gedankengefiige schlechter-
dings keine inneiiich begriindete Stellung, denn was er wirken soil,
wirkt ja auch schon die Sieghaftigkeit Christi der Yersuchung gegen-
iiber. In Wirklichkeit erschopft sich das religiose Interesse des Ir.
ganz und gar in der aktiven gottlichen Wirksamkeit Christi, zu dieser
gehort aiich die Siindenvergebung der aber kein besonderes Interesse
gewidmet wird, sie wird dein Iren. als selbstverstandliche Yoraussetzung*
der Heiligung erschienen sein , ebenso die Genieinschaft mit Gott nnd
das nene Leben. Vollendung der Scho'pfung ist zuhochst das Werk
Christi, nicht Yergebung fiir das Yerlieren einer urspriinglichen Yoll-
konimenheit, die allmahliche reale Tilgung der Siinde, nicht die ideelle-
Aufhebung der Schuld. 1 )
18. Einen anderen Charakter als die irenaisehe Christologie weist
die Tertullians auf. Wahrend IreneUis von der alten johanneischen
Tradition atisging, knupft Tertullian an die Logoslehre der Apologeten
an, er hat sie aber in tiberaus beinerkenswerter und geschichtlich folgen-
reicher Weise fortgefiihrt. 1) Der Logos der Christen ist, ini ITnterschied
zu dem Logos der Stoiker, eine selbstandige geistige Substanz , der
selbst Rede, Yernunft und Kraft eignen. Es ist die gottliche Yernunft,
die inimer in Gott Avar, die aber als Sohn von Gott erzeugt wurde und
vor der Zeit der Welt aus ihni hervorging. 2 ) Der Logos ist so eine
selbstandige Person, welche aus Gott geboren ist. Er hat einen Anfang :
Fuit tempus, eum . . . filitis non fuit . . . qui patrem dominum fecit
(adv. Hermog. 3. 18). In seinem Yerhaltnis zuni Yater ist zu betonen
K. Grafi, Zur Lehre v. d. Gottheit Christi (1900) S. 13 f. Die Stelle besagt aber
nur, dafl Gott bei dem Loskauf der Menschen sich in einen Handel mit dem Teufel
einlieC oder ihn beredete. Dagegen finde ich einen gewissen Ansatz zur Be-
trugstheorie V, 21, 3: a\if des Teufels Anrede ,,bist du Gottes Solm" antwortet
Ohristus: der Mensch lebt nicht vorn Brot allein, ad ilhid quidem, quod ait:
n si filius dei es", usus est hac quae excaecavit eum hominis confessione.
1) Aber es trifft doch nicht zu, was Harnack (DG. I 3 , 565) hieriiber sagt:
,.Das Entscheidende ist ihm die Aufhebung der Folgen der Sunde, namlich des
Todesverhangnisses", denn in der Denkweise des Ir. ist die Siinde selbst uur
ein Bestandteil des Todes, nicht den Tod als ,,Verhangnis" hebt Christus auf,
sondern die Todhaftigkeit, die die Siinde in sich schlieUt.
2) Apol. 21 : Et nos autem sermoni atque rationi iteinque virtuti, per .
quae, omnia, molitum deum ediximus, propriam siibstantiam spiritum inscribimtis,
cui et sermo insit pronuntianti et ratio adsil disponenti et virtus praesit per-
fidenti. Hunc ex deo prolatum didicimus et prolatione generatum et idcirco
filium dei et deum dictum ex imitate substantiae, nam el dews spiritus. Dazu
adv. Prax. 5. 6.
Tertullians Logoslehre. 333
die Einheit und Identitat des gottlichen Seine und Wesens, der sub-
stantia, andererseits die Besonderheit und Unterschiedenheit des ihm
eigentiimlichen Daseins und Soseins, der persona. 1 ) Da Vater iind
Sohn dieselb.e gottliche Substanz sind (deus ex unitate substantiae Ap. 21.
adv. Prax. 25. 26), so sind sie nicht durch divisio oder separatio, sondern
durch distinctio und dispositio (oiY.ovof.da) zu unterscheiden (adv. Pr. 8.
11. 12. 19 fin. 21. 22: duos demonstrat tarn duos qiiam inseparatos; ad
testimonium indlviduorum duorum}. Also : Ita connexus patris in filio
el filii in paracleto tres efficit cohaerentes, atterum ex altero. Qui ires
unum sunt, non unus, quomodo dictum est: ,,Ego et pater unum surnus",
ad substantiae unit at em non ad nutneri singularitatem (adv. Pr. 25)
und: pater et -films duo et hoe non ex separatione substantiae sed ex
dispositione, quam individuum et inseparatum filium a patre pronuntiamus,
nee statu sed gradu alium (ib. 19). Der Sohn ist mit dem Vater
unius substantiae (ib. 2). Der Sohn und der Greist sind consortes sub-
stantiae patris (ib. 3). Der Greist stammt vom Yater durch den Sohn
(a patre per filium , ib. 4; spiritus a deo et filio, 8).
Der Gfedanke Tertullians ist hiernach der : die Einheit der Sub-
stanz und des gottlichen Wesens stellt fur Vater, Sohn und Greist die
Einheit und Identitat der Gfottheit fest, sie sind unum. Aber jeder
von ihnen ist auch ein alius vermoge der unterschiedlichen PersonaHtat,
Eunktion und Stellung. Sie sind nicht getrennt voneinander, sondern
iinterschieden, und sie stehen zueinander durch die Einheit der Substanz
in einem unloslichen Zusammenhang. Yerdeutlicht soil dieses Ver-
haltnis durch den Gedanken werden, dafi der Logos nur ein Teil der
vaterlichen Substanz ist (pater enim tota subsiantia est , filius vero
derivatio totius et-portio, adv. Pr. 9. 26. adv % Marc. HI, 6), oder auch
durch Anwendung der Grleichnisse von der Sonne und ihren Strahlen.
der Wurzel und dem- Stamin, der Quelle und dem Strom (Ap. 21. adv.
Pr. 8 cf. Hipp. c. Noet. 11). Ist der Vater sozusagen philosophorum
1) adv. Prax. 12: Immo quia iam adhaerebat illi fitius, secunda persona,
sermo ipsius et tertia, spiritus in sermone, ideo pluraliter pronuntiavit : faciamus
Gen. 1, 26 Alium autem quomodo accipere debeas, iam professus sum,
personae, non substantiae nomine, ad distinctionem, non ad divi-
sion em. Ceterum ubique ieneam unam substantiam in tribus cohaerentibus,
tamen alium dicam oportet ex necessitate sensiis eum qui iubet et eum qui facit.
Ib. 21: naeh Job. 1; Iff. indubitanter aliits ostenditur qui fuerit a principio,
alius apud quern fiiit .... Quo alium dicamus . . . non quasi separatum,
dispositione alium, non divisione. Ib. 23: non estseparatio ista, sed dispositio
divina. 24: manifestam fecit duarum personarum coniunctionem. 2: tres
autem non statu sed gradu, nee siibstantia sed forma, nee potestate sed swede,
unius autem substantiae et ^mi^t,s status et unius potestatis.
334 14- Die Theologie cler antiguostischen Vater.
ileus, so ist der Solin die faBbare Offenbarung des Vaters : arbiter patris
ct minister (c. Marc. II, 27). Der Sohn ist, wenn man seine Substanz.
in das Auge fafit, Gott wie der Vater, die Menscbwerdung emiedrigt
ihn aiieh nicht, denn sie dient dem Heil des Menscben und nicbts ist
Gottes so wiirclig als dies. Indem aber der Sohn einen zeitlichen An-
fang hat und eben nur ein Teil der gottlicben Substanz ist, kann man
von einem Subordinatianismtis Tert. reden.
2) Der praexistente Logos ist iim des Heils der Menscben willen
Mensch geworden , denn nur als Menscb konnte er "unter Menscben
wirken. Er ist geboren von der Jungfrau. Der Logos war Gottes
Sobn, eines menscblicben Yaters bedurfte er also nicbt. er braucbte nur
nocb nienscblicbes Fleiscb anzunebmen. Er war gottlicber Geist und
ging in die Jungfrau ein, sodafi er Ton ibr sein Eleisch empfing. Somit
Avurde Gott von Maria geboren. In Cbristus war also eine doppelte
Substanz , namlicb gottlicber Geist und nienscblicbes Fleiscb. 2 ) Da
aber die Seele oder das Empfinden zuni Wesen des Menscben gebort,
besafi Cbristus aucb eine menscbliche Seele, sodaB seine Menscbbeit,
genau genonimen. wieder aus zwei Substanzen sicb zusammensetzte. 3 )
1) c. Mare. II, 27: deiim non potuisse humanos congressus inire, nisi
humanos et sensiis et affectiis siiscepisset, per qiws vim maiestatis suae, intokra-
bilem ubique Jmmanae mediocritati, liumilitate temperaret, sibi quidem indigna,
hoinini autem necessaria, et ita iam deo digna, quia niJiil tain (Lignum cleo
quam sal us ho minis . . . . Totum denique dei mei penes nos dedecus sacra-
mentum est humanae salutis. Conservabatur deus, ut homo divine agere doce-
retur; ex aequo agebat deus cum homine, ut homo ex aequo cum deo posset;
deus pusillus inventus est, ut homo tnaximus fteret.
2) de earn. Chr. 18: ergo iam dei filius ex patris dei semine, id est spiritu,
ut esset et hominis filius caro ei sola competebat ex hominis came sumenda sine viri
semine, vacabat eniin semen viri apud habentem dei sejnen .... Sic denique
homo cum deo, duin caro hominis cum spiritu dei; caro sine semine ex homine,
spiritus cum semine ex deo . : . Ita cum ipse sit de S2nritu dei et spiritus deus
est, ex deo natus ipse est et ex came hominis, homo in carne generates. Ib. 17 :
haec est nativitas nova, dum homo nascitur in deo. In quo homine deiis natus
est carne antiqui seminis suscepta sine semine antiquo, ut illam novo semine id
est S2)iritaliter reformaret exclusis antiquitatis sordibus expiatam. 18 : utramque
substantiam Christi et carnis et spiritus. Adv. Prax. 18. 26 : spiritus substantia
est sermonis et sermo operatio spiritus . . . Et ideo spiritiis deus et sermo deus,
quia ex deo .... /Spwifoi dei et sermoiie et virtute conlatis in virginem, quod
de ea nascitur, filius dei est.
3) de cam. Chr. 11: qui homo voluerit incedere, animam quoque humanae
condicionis ostenderit. 12: cum totum quod sumus, anima sit, denique sine
anima nihil sumus . . . Sensualis est animae natura . . ., animae anima sensus
est. 13: quodsi una caro et una anima . . ., salvus erit mimems duarum
substantiarum in suo genere distantium.
Die Menschwerdung nach Tertullian. 335
Also ist Christus eine aus zwei (resp. drei) Substanzen zusammengesetzte
Person gewesen. Das eigentliche Prinzip in ihm ist der Logos oder
der gottliche Geist, und des menschlichen Wesens bedurfte er nur, um
sich den Menschen verstandlich zu machen, um leiden . zu konnen und
damit seine Grottheit vor den Menschen zunachst verhiillt mirde. 1 ) Aber
der logischen Scharfe Tert. entgeht in diesem Gredankenzusammenhang
nicht die Frage, in welcheni Sinn denn die Mensch w e r d u n g gemeint
sei. Von alters her sprach man von ihr, warf aber die Vorstellung von
der Ann ah me der Menschennatur mit ihr zusammen. Tert. ist der
erste, der die Frage scharf gestellt hat, oh die Mensch werdung im Sinne
einer Metamorphose oder als Annahme des Meisches zu verstehen sei.
Er entscheidet sich fiir letzteres. Die Verwandlung Gfottes in einen
Menschen ist ein unnioglicher Gredanke. Zunachst weil Grott und Grottes
Logos unveranderlich ist und seine Form nicht aufgeben kann. Sodann
weil dadurch die Grottheit Christi wie auch seine Menschheit aufgehoben
wiirde , denn wiirde der Logos Mensch , so waren nicht niehr zwei
Substanzen vorhanden, sondern ,,etwas Drittes", mixiura quaedam. 2 ) In
Wirklichkeit ist dagegen anzunehmen der Fortbestand beider Substanzen.
Und zwar so, dafi jede von beiden ihre Eigentiimlichkeiten beibehalt
(salva est Utrlusque proprietas substantiae) und jede somit getrennt von
der anderen handelt ( distincte agebant). Nicht vermischt, Avohl aber
vereinigt sind sie in der einen Person Christi. Daher ist also nur von
einem Beldeidetwerden der Grottheit mit der Menschheit, nicht aber von
einer Verwandlung jener in diese zu sprechen, 3 ) wie andererseits die
1) de earn. Chr. 6: homo vere futunis usque ad mortem earn carnem oportebat
indueret, cuius est mors; earn porro carnem, cuius est mors, nativitas antecedit.
9 : haec omnia terrenae originis signa et in Christo fuenmt et sunt, quae ilium
dei filium celaverunt, non alias tantummodo hominem existimatum quani exstantem
humana substantia corporis.
2) adv. Prax. 27: quomodo sermo caro sit factus, utrumne quasi trans-
figitratione in carne an inautus carnem? Immo induttis . . . Omne
cnim, quodcunque transfigiiratur in aliud, desinit esse quod fuerat -et incipit esse
quod non erat; deus autem neque desinit esse neque aliud potest esse. Sermo
autem deus et sermo domini manet in aevum perseverando soil, in sua forma.
Quern si non capit configurari, consequens est, ut sic caro factus intelligatur,
dum fit in carne et manifestatiir et videtitr et contrectatur per carnem. Si enim
sermo ex transfigurations et demutatione substantiae caro factus est, una iam
erit substantia lesus ex duabus, ex carne et spiritu, mixtura quaedam . . . et
tertium quid efficitur. Neque ergo deus erit lesus, sermo enim desiit esse qui
caro factus est, neque homo caro, caro enim non proprie est, quia sermo fuit.
Ita- ex ^(,troque neutrum est, aliud longe tertium est- quam iitrwnque.
3) adv. Prax. 27 : invenimus ilium -directo et deum et hominem expositicm . . .,
certe usquequaque filium dei et filium hominis, cum deum et liominem, sine dubio
336 14. Die Theologie der antigiiostischen Vater.
gauze Mensclienart der Menschennatur ebenso unverkiirzt fortbesteht wie
die Gottheit des Logos.
Es kann hiernach nicht wundernehmen , dafi Tert. eine doppelte
Betrachtung der Person Ckristi durchfuhrt. Man sieht in dieser Person
Gottliehes nnd Menschliches, Geistiges und Fleischliches, Unsterbliches
und Sterbliches, Kraft und Schwache. 1 ) Heifit es also, Ohristus ist ge-
storben, so bezieht sich das auf die inenschliche Substanz. Gott leidet
nicht, also kann auch die Gottheit in Christus nicht init deni Meisch
mitgelitten haben, wie etwa auch die Unbill, die jeinand einem Strom
antate, nicht die Quelle treffen wiirde. Wenn Gptt Christus am Kreuz
verlafit, so hat das nur den Sinn, dafi er seine Menschheit (hominem
ems) deni Tode iiberlafit, nicht aber dafi er seinen .Sohn verlafit, der
sich ja vielniehr, seinem gottlichen Geist nach, den Handen des Yaters
iibergibt, und jetzt erst vermochte er zu sterben. 2 ) Aber diese lehr-
hafte Erwagung schliefit nicht aus, dafi Tert. gelegentlich Wendungen
braucht, wie nasti se deus patiiur, passiones dei, vere crucifixus est dcus,
VKi'e mortmis. 3 ) Andrerseits ist Tert. der Ansicht, dafi der Mensch
Jesus die Substanz und Form menschlichen Pleisches auch im Himmel
bewahrt hat: ,,Dort sitzt Jesus zur Rechten des Yaters, Mensch wenn
auch Gott, der letzte Adani, wenn auch das uranfangliche "Wort, Meisch
und Blut, wenn auch reiner als bei uns, derselbe doch nach Substanz
und Form als welcher er enaporstieg und auch herabsteigen wird . . .
Dieser, der wegen des Depositurns beider Teile Mittler genannt wird, ist
es, der auch das Depositum des Meisches bei sich bewahrt als ein Unter-
secundum utramque substantiam in siia proprietate distant em . . .
Sic et apostolus de utraque substantia docet, Eom. 1, 3f. ... Videmus
duplicem statum (= substantia cf. de an. 37. c. Blare. I, 6), non cow/'tmtm,
sed coniunctum in una persona, deum et hominem lesum , . . Et adeo
salva est utriusyue proprietas substantiae, iit et spiritus res suas egerit in ilia,
id est virtiites et opera et signa, et caro functiones suas functa sit esiiriens sub
diabolo, sitiens sub Samaritide, flens Lazarum, anxia usque ad mortem, denique
et mortua est. Quodsi tertium quid esset . . ., non tarn distincta documenta
parerent utriusque substantiate, sed et spiritus carnalia et caro spiritalia egisset ex
translatione, aut neque carnalia neque spiritalia, sed tertiae alicimis formae ex
confusione, immo aut sermo mortuus esset aut caro mortua non esset .... Sed
quia substantiae ambae in statu suo quaeque distincte agebant,
ideo illis et operae et exitus sui occurrerunt . . . Neque caro spiritus fit, neque
spiritus caro, in uno plane esse possunt. Ex Ms lesus consistit, ex came
homo, ex spiritu deus.
1) de earn. Chr. 5 : ita utriusque substantiae census hominem et deum exhibuit,
hinc natum inde non natum, hinc carneum inde S2nritalem, hinc infirmum inde
praefortem, hinc morientem inde viventem.
2} de pat. 3. de cam. Chr. 5; c. Marc. II, 27, vgl. Melito oben S. 277.
Die Zweinaturenlehre Terttdlians. . 337
pfand der Gesamtsumme. Deim .wie er uns das TTnterpfand des G-eistes
hinterliefi, so nahm er von uns das Unterpfand des Fleisches und trug
.es in den Himmel als Pfand dessen, daB die Gesamtsumme einst dorthin
gebracht werden solle" (de resurr. 51). Also mit Meisch und Blut : ist
.Ghristus im Himmel gegenwartig. Tertull. hat diese These nicht minder
zuversichtlich als Ignatius (oben S. 104) ausgesprochen. Im ubrigen hat
Tert. fiir die Wirklichkeit des menschlichen. Lebens und Leidens Christi
;gerade die TJndenkbarkeit, TJ.nerfindbarkeit und Torheit dieser Tatsachen
angefuhrt. Das geschieht in dem beruhmten Paradoxon, das die vulgare
Tradition in das n eredo, quia absurdum u zusammengezogen hat: crucifixus
est dei filius, non pudet, quia pudendum est. Et mortmis est dei films,
prorsus credibile est, quia ineptum est. Et sepultus resuirexit, cerium est,
quia impossibile est (de earn. Chr. 5). -
3) Tertullians Trinitatslehre und Christologie stehen in eng'ern Zu-
sammenhang .zueinander *und beide sind fiir die Kirche des Abendlandes
mafigebend geworden, Tertull. hat die orthodoxe Lehre des Abendlandes
auf diesen Gebieten geschaffen. Wir miissen deshalb noch einen Augen-
blick bei seiner Lehre verweilen. Tertullian ist strenger Monotheist und
er ist bewufiter Trinitarier. Dieser Monotheismus ist ihm nicht erst
durch die monarchianische Lehre atifgenotigt worden (ady. Prax.), sondern
er wurzelt in seinen fundamentalen religiosen Gedanken. An sich ist
'Gott einer, es wohnt aber in ihm der Logos, den er zum Zweck der
Weltschopfung aus sich heraussetzt, sodaB er Vater und der Logos Sohn
wird. Dieser Logos ist Gottes Geist und ein Teil des vaterlichen G-eistes.
Der Korper des Logos ist gleichsam Greist. ') So wird es verstandlich,
dafi der heil. Greist in engstem Zusammenhang zum Sohn steht und dafi
in diesem der Yater den Geist sendet. Andrerseits ist aber auch der
heil. Geist wie der Logos priiexistent, schon bei der Schopfung tatig,
oder bei der Taufe Ohristi wirksam. 2 ) Das Yerhaltnis der Hypostasen
1) S. die Stelleii S. 334 A. 2, dazu c. Prax. 14. Nur zwei Hypostasen werden
erwalmt de orat. 1. Ap. 21 imd oft. Dabei wird der Sermo als spiritus charakterisiert,
;S. bes. c. Prax. 8 unten S. 3B9 Anm.
2) Z. B. adv. Prax. 9. 12. de bapt. 4. 6. Der Yater sendet deii Geist. aber
erst nach der Himmelfahrt des Sohnes, ib. 10: negiie jKccatum dimittit neque
spiritum indulget nisi deus solus; etiam ipse dominus, nisi ipse prius ascender et
adpatrem, aliter negavit spiritum descensurum. 11 : in quetn enim tinguerat? . . .
in semetipsum, qiiein humilitate celabat? in spiritum sanctum qui nondum ad
patrem ascenderat? Die letzten Worte shid so zu lesen (nicht: ft patre descen-
derat), aber, wie. die Erorterimg in c. 10 zeigt, ist der seit der Taufe in Christus
eingegangene Geist keineswegs identisch mit dem Logosgeist. der von Geburt an
seine Substanz ist. Tert. will nur sagen: zu Christi Lebzeiteu war der heil.
Geist iu ihm, nicht im Himmel, auf diesen Geist konnte also nicht getauft Averdeu
Seebevg, DogmengescMeMe I. 2. Anfl. 22
338 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
untereinander wird deutlicb durcli die tertullianische Anwendung des
Begriffes der or/ovojut'a. Yon alters her bediente man sicb dieses Aus-
drucks in mannigfacher Anwendung. Der Grundgedanke dabei ist der,.
daB Gott ein zusammenbangendes Wirken in der Welt durchfiibrt, sei
es daB man an die Ordnung und Leitung der Welt iiberkaupt, sei es,.
claB man an die Menschwerdung Christi oder an sein oder der Apostel
Heilswirken denkt. 1 ) Das Wort oixovopia ist von Paulus eingefuhrt
worden (Eph. 1, 10; 3, 2. 9. Kol. 1, 25. 1. Tim. 1, 14), der Auspraguug
des Begriffes wird der Gedanke des Heilsratscblusses und der dureh ibn
bedingten Sendnng des Sohnes und dann des heil. Geistes zugrunde
liegen (s. Job.). Eine Anwendung dieser Tendenz liegt in der Heils-
gescbichte des Irenaus vor (oben S. 318 ff), dann aber in der an die regula
fidei sich ansckliefienden Gestaltung des trinitariscben Gedankens bei
Tertullian: Gott ist unicus, aber er lafit den Logos aus sich hervor-
genen, er sendet ihn berab in die Jungfrau und auf die Erde, und der
Vater oder der Vater und Sobn oder der Vater in dem Sobn senden
dann den Geist. Es ist die gottliche Okonomie' oder seine Verwaltung
der Welt , die Gott dazu veranlaBt wirksam zu werden in dieser
Stufenfolge. Seine monarchische dominatio wird dadurcb nicbt beschrankt,
daB er sie durch die beiden Personen ausubt, die nut ihm einer Sub-
stanz teilbaftig sind und durcb deren Offenbarung sein Wesen den
Menscnen tiefer erschlossen wird. Die Offenbarung Gottes selbst ist es,
die dazu notigt diese drei Personen und sie sicb als Realitaten zu
denken. 2 ) Aber durcli dies Urteil ist nicnt etwa die Praexistenz einer
Die Stelle beAveist also keineswegs die Identitat von. Logosgeist und heil. Geist
(gegenMacholz, Spureu binitar. Denkweise im Abendl. seit Tert., 1902, S. 45).
1) OlxovHftia iin Sinne der Verwaltung der Welt Arist. 1, 2. ad Diognet. 4, 5.
lust. Dial. 107. 134. 141 cf. Jes. 22, 21 = n^ti'DO; von der Inkarnation Igu.
Eph. 18, 2 : 6 "/up &sbs f]f.icav 'Jrjaovs 6 y^iatos exvoyogrjS't} i>TCo Manias y.an oly.ovo-
fiiuv &sov ex a7tEQf.id.ios (isv Z/avlS, ztVEijfiatos SB aylov, lust. Dial. 45. 120. Iren.
epideix. 99. 100; von dem Heil, das der Vater will, Christus am Kreuz ver-
wirklicht. die Jiiuger in der Welt ausbreiteu lust. Dial. 103. 67. 87. Arist. 2, 8:.
er hatte aber zwolf Junger, clamit seine Okonomie in etioas vollendet wirde.
Clem. Strom. II, 5 p. 439: oly.ovof.da ocarfytos ; von der Trinitat Tertull. (s. die
folgende Anni.). Hippol. c. Noet. 8. 14. in cant. 11. 17.
2) S. schon Iren. epideix. 47: "somit ist nach seinem Sein und nacli der
Kraft seines Wesens Ein Gott zu erltennen, nach der Okonomie unserer Er-
losung aber recht eigentlich soivohl Sohn als Vater. Tert. c. Prax. 2: unicum
quidem deum credimus, sub hac tamen dispensatione, quam oly.ovof.dav dicimus,
id unid dei sit et filius sermo ipsius, qui ex ipso processerit . . . Hunc missum
a patre in viryinem . . ., hunc passum . . . et resuscitatum a patre et in caelO'
resumptum . . ., qui exinde miserit, secundum promissionem sit,um, a patre
spiritum sanctum paracletum, sanctificatorem fidei eorum, qui credunt in patrem
Die Entwicklung der Trinitatslehre Tertullians. 339
der drei Personen ausgeschlossen ; die Meinung ist nur die, clafi wie der
Yater erst, als er es wollte, Christum offenbar werden lieB, so erst hier-
auf aus sicli imd durch Christus den Gfeist. Die Trias ist praexistent,
indem gottliche Substanz, aber urn der Menschen willen wird ,sie allmah-
lich offenbar, sodafi die Menschen sie zahlenmaBig gegeneinander ab-
stufen konnen.
Lafit sich eine Entwickhmg in der Trinitatslehre und Ghristologie
Tert. wahrnehmen? Diese Frage ist neuerdings bejaht worden. Ur-
spriinglich habe Tertull., der romischen Lehre folgend, einen ,,binitarischen
Monotheismus" vertreten. Das heifit, er dachte sich Gfott als Yater und
Sohn, der Geist ist. Nach der Auferstehung ware dann d.erselbe Greist
als heil. Greist herabgekommen. Ztu der spateren Betonung der dritten
Person habe dann der Montanisrnus Tert. mitgewirkt. 1 ) Hieran ist
et filium ei spiritum sanctum. Unus sit omnia, dum ex uno omnia, per
substantiae soil. unitatem, et nihilominus custodiatur oly. ovofi las sacr amentum,
quae unitatem in trinitatem disponit, tres dirigens, patrem et
filium et spiritum sanctum. Ib. 3 : nullam dico dominationem ita unius sui
esse, ita singularem, ita monarchiam, ut non etiam per alias proximas personas
administretur, quas ipsa prospexerit officiates sibi. 4: filium non aliunde
deduce, sed de substantia patris, nihil facientem sine patris voluntate . . . Hoc mihi
et in tertium graduni dictum sit, quia spiritum non aliunde puto quam a pat re
per filium. Vide ergo, ne tu potius monarchiam destruas, qui dispositionem et
dispensalionem eius evertis in tot nominibus constitutam, in quot deus voluit.
8: sermo autem spiritu siructiis est, et, ut ita dixerim, sermonis corpus est
spirit us. . . . Tertius est spiritus a deo et filio. 9: sic alium a se para-
cletum, quomodo et nos a patre alium filiiim, ut tertium gradum ostenderet in
paracleto, sicut nos secundiim in filio, propter oixovofiiag observationem. 13:
ubi venit Glwistus et cognitus est a nobis, quod ipse sit qui numerum retro fecerat,
factus est secundiis a patre, et-cum spiriiu tert'ms, etiam pater per ipsum pleniiis
manifestatus, redactus est iam nomen dei et domini in unionem. Die gauze
okonomisclie Betrachtungsweise wurzelt in eler Grlaubensregel, wie de praescr. 13
zeigt: der Vater schuf durch den Logos die Welt, dieser offenbart sich im alten
Bunde, wird Pleisch, stirbt, ersteht, sitzt zur Eechten, inde misisse vicariam
vim spiritus sancti, qui credentes agat, vgl. de yirg. vel. 1, wo die menschliche
Schwache als Grund der allmahlichen GottesoSenbariuig erscheint, die durch den
Parakleten oder vicarius domini die Disziplin volleudet.
1) S. Loofs DG 4 S. 155 ff. PEE. IV 3 , 40 f. W. Macho Iz, Spuren bini-
tarischer Denkweise im Abendland seit Tertull. 1902. Nach Loofs geht Tert. aus
Ton dem ro'mischeu ,,binitarischen" Standpunkt, wie er bei Hernias etvva vorliegt,
dazu sei ,,sehr bald" der apologetische nud der kleiuasiatische EinflxiB gekomnien.
Allein 1) von einer Ghristologie Tert. vor dem Empfang der apologetischen Ein-
wirkungen wissen wir hichts; 2) der ,,Binitarisraus" ist m. E. Mr keine Stnfe
seiner Entwicklung wirklich nachweisbar, denn er hat zwar Christus als Geist
bezeichnet, aber er hat diesern die Substanz Ohristi seit seiner Geburt bildeuden
Geist, den Geist gegeniibergestellt, der auf Christus bei der Taufe kam nnd nach
seiner Himraelfahrt auf die Glaubigeh kommt.
22*
340 ' 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
richtig, daB Tert. in friilierer Zeit nicht selten nur von deni Vater und
dem Solin redet, wie das ja iiberhaupt haufig war (schon bei Paulus).
Indessen feblt auch in seinen Anfangen nicht die Praexistenz des heil.
Geistes. Die Entwicklung, die vorliegt, scneint mir uberaus einfach zu
sein. Von jeher hat Tert. den einen Gott als Vater, Sohn und Geist
gedacht, aber er besafi zunachst keine sichere Eorruel zur ITnterscheidung
von Sohn und Gfeist. Identisch waren sie ihm aber nicht, denn der
Greist war der vicarius Christi, und nicht Christus ist es zunachst, der
ihn sendet. sondern der Vater (s. die Stellen S. 337 A. 2). Nach der
Taufe Christi findet totius spiriius in dominum translatio stattj indem
zugleich der spiritus prophetiae, der in Johannes war, abnahm (de hapt. 10
c. Jud. 8). Da nun Christus von seiner Empfangnis an Gfeist ist, so
erweist diese neue Geistmitteilung unwiderleglich, daB Tert. den Logos-
geist und den heil. Gfeist unterscheidet. Aber freilich denkt er letzteren
zunachst noch nicht als Person, sondern als vicaria vis (de praescr. 13).
Indein aber bei der Taufe der ganze Gfeist in Christus eingeht, wird es
auch begreiflich, daB er erst dann den Menschen zuteil werden kann,
wenn Christus gen Himmel gefahren ist (debapt. 11 s. S. 337 A. 2). Die
apologetische Logoslehre hat Tert. zwar von Anfang an die begriffliche
Unterscheidung von dem Vater und dem Logos, der Gfeist ist, sofern er
substanziell eins init dem Vater ist, klar geinacht, aber sie hot keine
Erkenntnis uber den heil. Gfeist. Die Interpretation der Gflaubensregel
aber hielt das Bewufitsein von dem. heil. Geist, dem vicwius und der
vicaria vis Christi, aufrecht. Soviel ich sehe, hat der Montanisnms keine
direkte Einwirkung auf den trinitarischen Begriff Tertull. ausgeiibt, 1 )
wohl aber kam er durch die monarchianische Elontroverse zur Klarheit.
In ihr gewann er den Gedanken von der okonoraischen stufenweisen
Selbsterschliefiung Gottes. Er fand einen Begriffi, urn die doppelte
,. Sen dung" der Glaubensregel formal zu deuten. Dadurch erhielt der
heil. Geist , von dem er stets gelehrt hatte , eine festere, begriffliche
Stellung. Aber indem er Sicherheit hinsichth'ch der ,,drei" gewinnt,
vermag er die Erkenntnis von der Einheit Gottes klarer als die Apolo-
geten geltend zu machen. An sich ist Gott einer, aber der eine hat
sich sowohl als Vater, wie als Sohn und als Geist in geschichtlicher
Entwicklung offenbart. Hater sich aber so offenbart, sofolgt,
1) DaC der Montanismus auf die Auspraguug der Geistlehre bei Tert. direkt
eiugewirkt liabe, wie Macholz behauptet (S. 39. 41 s. schon Schwegler,
Montanismus S. 152ft'.), ist nicht zu erweiseu. wohl aber ist der Montanismus der
Geistlehre dadurcli forderlich geworden, dafi er das BewuBtseiii fiir die besondere
Punktiou des Geistes (der Disziplin) scharfte s. virg. vel. 1. adv. Prax. 2: sancti-
ficator. Vgl. auch Stier a. a. 0. S. 931.
Sitbstantia und persona bei Tertnllian. 341
dafi er aucb so beschaffen ist. 1 ) Diese Betrachtungsweise lauft
eigentlich auf die des Irenaus binaus. Der Untersehied bestebt riur
darin, dafi Tert. den ganzen stoisclien Logosapparat seiner Betracbtung
einverleibt. Tert. hat also von Anfang an ein streng monotheistisches
BewuBtsein mit dem Bekenntnis der Trias und den stoischen Spekulationen
vom Logosgeist verbunden, und er ist schliefilich im Gegensatz zu dem
Monarchianismus und in einer gewissen Abbangigkeit von ibm zu seiner
okonomiscben Trinitatslehre gekommen, die ihn die beiden Gesichtspunkte,
von denen er ausgegangen war, zu behaupten befabigte : die Dreineit
und die absolute Einbeit.
Der Begriffsapparat, mit dem er arbeitet, ist einfach. Es war vor
allem der Gregensatz von substantia und persona. Der Substanzbegrifl;
wurde ihm von der zeitgenossischen Pbilosopbie dargeboten : Gott ist
ovoia. Er wurde erstreckt in Nachfolge des Melito auf Geist
und Meiscb in Christus. War nun aber fiir Gottes und Christi Sein
als Geist und Pleiscb eine allgemeine Kategorie gewonnen, so bedurfte
es einer analogen formalen Kategorie fur das Sondersein des Vaters,
Sobnes und Geistes. Tert. wahlte dafior die Kategorie persona. Er
wird darin kaum Vorganger gebabt naben. Der in. der Recbtsspracbe
gepragte Gegensatz von res und persona *) geniigte, um einen so formel-
1) Die Difierenz zu dem MonarcManismus besteht darin, daC dieser die Dreiheit
lediglicb. als Erscheinungsform verstand, wahrend Tert. die Erscheinung als eine
der Wirklichkeit entsprechende Selbstoffenbarung Gottes betrachtet, er stiitzte sich
dabei auf das Schriftzeugnis (adv. Prax. 11).
2) Z. B. Gai. Instit. I, 8: omne ius, quo utimw, vel ad per son as pertinet
vel ad res vel ad actiones, s. S. Schlofimann, Persona und -XQoawxov im Eeeht
\ind im .christi. Dogma, 1906, S. 22 ff. und in Ztschr. f. KG. XXVII, 269 ft. 407 ff,
Bei dem Begriff der ,,Person" ist zu beachteu, daB er das, was Avir heute Per-
sonlichkeit und Personlebeu nennen, nicht wiedergibt, sondern nur das einzelne
Individuum als Sonderwesen bezeiclmet. Die tertullianisehe Gegemiberstellung
von substantia und persona hat Harnack (DG. IP, 286 Anm.) aus dem juristischen
Sprachgebrauch Tert. begreifen wollen, d. h. Tert. hatte unter siibstantia das
,.Vermb'gen", (z. B. Cant. 8, 7) verstanden, daber babe er freilicb ein Vermogen
drei Personen, wie auch. zwei Vermogen einer Person zuschreiben konnen. Aber
diese Beh.auptong.ist unbeweisbar, indem an keiner beziigl. Stelle jeiie Bedeutung
zu erweisen ist, wogegen andere Stellen die Meiuung Tert. ganz klar stelleu,
z. B. adv. Hermog. 3: deus siibstantia ipsius (Christi) namen id est divinitatis.
Apol. 21 : hunc ex deo prolatum didicimus et prolatione generatum et idcirco
filium clei et deum dictum ex unitate substantiae ; de resurr. 53: ex qua enim
substantia pariant inter se Christus et Adam? soil, ex carne. Ibid. 2: salutem
eius substantiae exchidant, cuius Christum consortem negant. adv. Marc. Ill, 6
nennt er Christus filius et spiritus et substantia creator-is; ib. V, 20: de Christi
substantia putant . . ., quod phantasma carnis fuerit in.Christo, de carne Chr. 9:
humana substantia corporis; adv. Prax. 2: tres autem non statu .sed gradu, nee
342 14. . Die Theologie der antignostischen Vater.
gewandten Mann \vie Tert. auf die Anwendung von persona iin Gegen-
satz zur Substanz zu bringen, ein Grieche hat damals sicher nicht von
rtgoacortov geredet. Ziu diesen Begriffen kamen die biblischen Wendungen
(Vater, Sohn, Geist, senden, hervorgehen usw.) und die stoische Logos-
terminologie, und endlich der Begriff der Okonornie, es spricht manches
dafur, dafi Tert. diesen aus kleinasiatischer Tradition empfing.
So ist eine Trinitatslehre gepragt worden, die in Hirer Einiachheit
und Abgeschlossenheit einen imponierenden Eindruck machen riiuBte und
inachte. Tert. spracb die Spracbe der Wissenscnaft und er sicberte die
loeiden religiosen tJberzeugungen von der Einheit Gottes und seiner
Dreiheit. Er steckte die Grenzen ab mit wunderbarer Sicherheit und
einem formalen Gescbick obne gleicben. Er gewann eine forniale Er-
kenntnis von der Sacbe, die seinem juristiscben Geist geniigte und die
dem geistigen Bedarf seiner Kirche entspracb. Er lebrte rascb und klar
sicb iiber die ,,Hauptsachen" zu orientieren ; darum sind seine Fornieln
fur die abendlandiscbe Kirche inafigebend geworden.
Und mit derselben Sicberbeit und Klarbeit wufite er Licbt in die
Christologie zu bringen, wieder mit dem einfacben und gelebrten Scbema
der Substanzen und der Person. Wie klar wurde nun alles. Er wollte
die kirchliche TJberzeugung wiedergeben, und er tat das iin Gegensatz
zu der Christologie der Gnostiker. Dafi Cbristus der Sobn des Scbopfers
ist, war der eine Gesicbtspunkt, dafi er wirklicber Menscb geworden und
dafi er beides zumal Gott und Menscb gewesen ist und bleibt seit der
Menscbwerdung, waren der zweite und dritte Gesicbtspunkt. Freilich
inachte sicb der formale aufierliche Zug seines theoretischen Denkens
bier nocb deutlicber merkbar als in seiner Trinitatslehre. Es gibt Stellen,
in denen Tert. redet wie ein Apollinarist : der Logos verband sicb als
substantia sed forma . . . unius autem substantiae et unius status etc.; de carne
Chr. 13 fin.: quodsi una caro et una anima . . . salvus est mmerus duarum
substantiarum; ib. 6: hiimana sitbstantia corporis; de an. 32. Welchen Sinn
Tert. mit substantia verbindet, ist liiernacli uiizweifelhaft, s. noch den Ersatz von
substantia durch materia, de praescr. 20 in. Dazu kommt der Sprachgebraucli
des Melito: -ras Svo afaov otialas s. die Stelle oben S. 277. An Gottheit und
Menschheit Christi dachte Tert. also. Wenn nun die Einneit . dieser Substaiizen
in e iii em Wesen der Gnosis gegeniiber festzuhalten war (vgl. Iren. Ill, 16, 5:
dividunt dominum . . . ex alterd et altera substantia dicentes eum factum cf. V,
14. 2), so ist die Entstehung jener Formeldoch nicht tinbegreiflich, s. jetzt Esser,
Die Seelenlehre Tert. S. 61 ff.; Stier, Die Gottes- und Logoslelire Tert. S. 72 ff.
tibrigens weist Scblofimann a. a. 0. 121 ft nach, dafi der von Harnack kon-
struierte Zusammenhang iiberhaupt keinen juristischen Charakter tragt, soferu
,,Verm6gen" kein juristischer Begriff, und ein Vermogen nach juristischem Begriff
nie mehreren Personen.und mehrere Yermogen nur in besonderen Fallen einer
Person gehoren konnen.
Christ! Werk nach Tertullian. 343
geistiges Prinzip mit dem Fleisch Jesu. Aber das ist seine Meinung
sicher nicht gewesen. Aber man wird nicht Mar iiber sie. Die Haupt-
frage nach der individuellen geistigen Selbstandigkeit des Menschen Jesu
1st ibm durch seine Formel verhullt worden. Nicht nur die Betonung
der menschlichen Seele Jesu, sondern vor.allem die Unterscheidung des
Tuns und Leidens der beiden in Christus vereinigten Substanzen (s. oben)
machen den Schlufi unvermeidlich, dafi Tert. sich die Menschheit Jesu
als personlich gedacht haben . mufi, 3 ) dafi also die Menschwerdung nur
den Sinn einer Vereinigung der Logosperson niit dem Menschen Jesus
homo &ius nennt T. diesen hat. Aber ist dies der Fall, welchen
Sinn hat dann die una persona der beiden Substanzen Christ! ? Hier
lagen Schwierigkeiten vor, die Tert. nicht empfunden hat, und an die
seine formalen Begriffe nicht heranreichten. Aber seine christologische
Formel schien doch das Problem der Christologie zu losen, darum hat
auch sie sich durchgesetzt. ""
19. Irenaus und Tertullian befolgen die beiden Typen der Christo-
logie, die wir fruher. kennen gelernt haben (S. 100 f.). Irenaus denkt an
eine wirkliche Menschwerdimg , Tert. dagegen lafit den Logos den.
Menschen Jesus annehmen. Demgemafi unterscheiden sich auch die
Yorstellungen vom Werk Christ bei beiden Mannern. Wahrend Irenaus
an einen umfassenden Vergeistigungsprozefi der Menschheit durch Christus
denkt , f aBt Tert. das Werk Christ! wesentlich als Belehrung , Auf-
klarung und Mitteilung des Gesetzes. Christ! ganzes Auftreten in der
Menschheit dient der Anleitung zu gottlichem Handeln. 2 ) Ihm ist die
Mystik fremd, er rationalisiert wie die Apologeten. Es ist begreiflich,
dafi Tert. bei seiner scharferen Fassung des personlichen Menschlichen
in Christus, haufiger als Irenaus an das Leiden Christi gedacht hat.
Indem ihm der Gredanke der fur die Schuld Grott zu leistenden Satis-
faktion gelaufig ist, erwartet man, dafi er auch Christi Tod unter diesen
Gresichtspunkt riickt. 3 ) Aber die Erwartung geht nicht in Erfiillung.
1) Man kann hier an Hermas erinnern (S. 97 f), den Tert. friih gekaimt uud
geschatzt hat.
2) S. Apol. 21. c. Prax. 8. 13. de praescr. 13. c. Jud. 6. c. Marc. II, 27. de
pat. 3. 6. de orat. 4.
3) Die spatere Opfer-Satisfaktionstheorie ist ebenso eine Kationalisieruug ur-
christlicher Gedanken, wie die Uimvandhmg der Geistwirkung Christi in der
novus legislator; um so mehr hatte sie bei. Tert. stehen konuen, scorp. 7 streift
an sie heran, biegt sie aber auf die Martyrer ab. Adv. Jiid. 6 spricht yon Christiis
als dem sacrificiorum aeternorum antistes als Ersatz fur die jiidischen Opfer,
bezieht sich aber nicht auf ein Opfer am Kreuz, also war dieser Gedanke Tert.
nicht gelaufig-. Adv. Jud. 10 wird zu Deut. 21, 23 die Bemerkung gemacht : non
pro meritis suis in id genus mortis expositus est, sed ut ea, qnae praedicta sunt
344 14. Die Tlieologie der. antignostischen Vater.
Was er liber den Tod Christ! sagt, reicht niclit hinaus iiber die fiber- 1
kommenen Yorstellungen. Der Tod Christi 1st swnmum fundammtum
evangelii et salutis nostrae et praedicationis suae, namlich des Apostels
nach 1. Kor. 15, 3 f. Der. Tod Cliristi ist der Zweck seines Kommens
in die Welt, er zerstort unseren Tod, denn um unserer Siinde wilien
ist Christus gestorben, \vie die m$ dominici sanguinis reinigt von Siinden. 1 )
Endlich hat Tert. dem Tod Christi auch die Wirkung zugeschrieben r
dafi er die TJnsterblichkeit bringt, und so das Eleisck des Menschen
als die Braut mit deni gb'ttlichen Geist als dem Brautigam. vereinigt. 2 )
20. Die Christologie Hippolytes hat auf die dogmengeschicht-
liche Entwicklung keine positiven Einwirkungen ausgeiibt. Daher
miissen einige Bemerkungen iiber sie geniigen, sie dienen zur Vervoll-
standigung des Bildes vom-'Grlauben jener Zeit. 3 ) Christus ist der
Logos, den der Vater aus seiner Substanz zeugte und der aus seinem
Munde hervorging. 4 ) Er ist der Mittler der Schopfung und der Schopfer
der Welt und schon irn A. T. als Offenbarer wirksam (c. Noet. 10.
Eef. X, 33. de Antichr. 26. 31 f. in Daniel. I, 9, 8. in theophan. 2).'
Im Unterschied zu alien Kreaturen teilt er die ovata -3-eov , er ist
f.iovoysvi]s v.ttTa i^v -3-si^rjv ovaiav (Eef. X, 33. in theoph. 7). Hippolyt
ist Subordinatianer : devzegos y.vtu TOV narsQa mbg 3-sou (in Dan. IV,
11, 5). Das Verhaltnis von Vater, Sohn und Greist charakterisiert er,
Tertull. folgend, durch die Kategorie rtgoatortov : rtcarjQ {.isv yaq elg,
a prophetis, per vos (die Juden) ei obventura implerentur. Aber ib. 13 heifit es :
liunc enim oportebat pro omnibus gentibus fieri sacr^fici^lm, nach Jes. 53, 7f. ;
ib. 14 : effectus liostia per omnia pro omnibus nobis.
1) c. Marc. Ill, 8. de pat. 3 de earn. Chr. 6. de bapt. 11. scorp. 7. de cult,
fern. I, 1. c. Jud. 10 ff. de pud. 19. 22.
2) de resurr. 63 : Christus als seqiiester zwischen Gott und Fleisch wird beide,
die er in sicli vereinigt hat, mitemander vereinigen, indem er sponscmi sponso
et sponsum sponsae comparavit. Dagegen kann gesagt werden, dafi die Seele die
sponsa ist, dann ware der Leib Avenigstens ihre Mitgift, aber auch die caro
selbst ist sponsa, quae et in Christo lesu spiritum sponsum per sangiiinem
pacta est.
3) Vgl. Bonwetsch, Studien zu den Kommentaren Hippolyts 1897, S. 34 ff.
4) In cant. 11 : Das Wort sprang voin Himmel in den Leib der Jungfrau,
es sprang aus dem Mutterleib an das Holz, es sprang vom Holz in den Hades,
es sprang hinauf auf die Enle ivieder der neuen Auferstehung , sprang
wieder von der Erde in den Himmel. So setzte er sich zw Rechten des Vaters.
Diese Darstellung des Lebens Christi in j^priingen" im Anschlufi an Cant. 2, 8
(siehe mein Bruder kam spring-end iiber die Berge) hat Hippolyt gepragt, sie
findet sich dann bei Ambrosius (de Isaac et anim. 4, 31), Gregor d. Gr. etc. und
in der angelsachs. nnd deutschen Literatur,. s. E. Seeberg, die german. Auffassung
d. Christent. etc. in Ztschr. f. kirchl. Wiss. 1888, 103.
Die Christologie Hippolyts. 345
de dvo , OTI -/.at b vios> vo de TQLTOV w ayiov ftveu(.ia
(c. Noet. 14). Der Ao'j>og aaaQKOg wurde Adyog evactQXog, oeoaQ-
MOf.iVOv 10V koyov "/at ivav&QtojtrjGaVTOg, indeni er Meisch und eine
i]Jv%r] 'koyui/i annahm (in Dan. II, 33, 5. c. Noet. 4. 17. 12. 15. de
Antichr. 4). So ist der Logos wirklich Mensch geworden (c. Noet. 18).
Er zog das heilige Meisch. aus der heiligen Jungfrau an wie ein
Bratitigam sein Gfewand (de Antichr. 4), und zwar Ivcc rbv Ix
rtciQ^svov iiv&QtOTtov 7tevdvG(x/.i6vo$ vlbg &EOV xal vib$ av
&v aTtodeift&fi (in Dan. IV, 39, 5). 1 ) Er, der an sich unfafibar ist
wie der Vater, hat durch seinen Willen sich. befassen lassen vom Leibe
(alia S-e'kwv S^MQ^&Y] iv Gto(.icm e^ipv^ii) "VYW. II, 269). Er verbarg
so in seiner menschlichen Leiblichkeit TO T^g ^eorjyTOg a^uof.tc( (intheoph. 4).
Erst als der Menschgewordene ist Christus der ,,vollkonunene Sohn",
sein Eleisch aber hat am Logos die Bedingung seines Bestandes. 2 ) Es
ist ihm av&gwftivov ogyavov (WAV. II, 267).
Die Christologie Hippolyts gibt die seit den Apologeten brauchlich,
gewordenen Gedanken wieder. An mehreren Stellen gewinnt man den
Eindruck von der personlichen Selbstandigkeit der Menschheit Jesu
(vgl. Tertull.), aber eine Stelle \vie die zuletzt angefiihrte notigt zxir
Einschrankung dieses TTrteils. Hipp, hat sicli Jesus als ,,einen Menschen"
gedacht, aber einen Menschen, der zur Wirklichkeit seines Bestandes
des Logos bedarf. In der Erlosungslehr e hat Hipp, sich Irenaus
angeschlossen , indem er haufig den Gredanken ausfiihrt , daB der
Logos sich mit Adam vereinigt und dadurch. das Menschengeschlecht
ernetiert habe. 3 ) Demgemafi ist die Mitteilung der Unsterblichkeit der
eigentliche Zweck Christi (c. Noet. 17). Eine Umwandhing dtirch den
1) Vgl. einFrg.WW.II, 121 : 'iv o TCQCOTOTOXOS loyos &sov nocoromxco av&gcbncp
avvartTo fievos Ssift&ij.
2) C. Noe't. 15: owe y&(> aaaoxos xul "/.ad* eawtbv o hoyos re'f.eios f t v vlos
re^eios hoyos wv fiovoyevtfg), ov9 ? fj aa^^ y.a\f SUVTI/V Si%a rov loyov
ai ijSvvaro 81,01, TO ev 1.6ycp ii]v ovotaot,v e%eiv. Hiernach ist also die Sohnschaft
Christi erst durcli die MenscliAverd\ing Yollendet, die Menschheit Christi >vird
aber ,,aoihypostatisch" gedacht. Spatere Gedanken bahnen sick Mer an. Uber
die Hadesfahrt Christi s. die Stellen oben S. 103 A.I. Die Taufe brachte Cnristus
den Geist der Trar^nx?) %d^is (de Antichr. 4 cf. in theoph. 7. 8). Noch sei be-
inerkt die altertiimliche bekenntnisinaflige Wendnng hinsichtlich der Entstehung
der Menschheit Jesu WW. II, 147: '/.am av&ocoTtov IOVTEOTIV I-/, T/JS Tia.od'evov xal
rov ayiov Tti'eij l uaros-
3) de Antichr. 4 : 6 loyos . . . sveSvaaTO ii)V ayiav adyxa . . ., oncos ovyy.sgdaas
TO d'yrjTov fj{.iK>v ff&fia TIJ euvrov Swdfiei v.ai fillets TO (f>d"ccoTbv T(5 dy&doTco . .
debar) ibv duioUxfievov av&qcoTtov. 26: avfrowTtos . . Eyevvijfrt] avaTtkdaatov f
eavTOii ibv ^ASdf.1. in Dan. IV, 11, 5: n^coroTOXov /, TtaoQ'evov, Iva. ibv TIOCOTO-
ov 'ASdiu sv eavTfS ava.7tha.aomv
346 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
heil. Greist findet bei der Taufe roit dem Menschen statt, die ihn zum
Gfott maclit und ilim in der Ewigkeit das Erbe Cliristi sichert. Das
sind irenaische Gredanken, aber Hipp, deutet sie gern ins Aufgeklarte,
so, daB die Grebote Christi die. Krafte des ewigen Lebens sind und daB
die Befolgung der Grebote die Unsterblichkeit mit sich bringt. 1 )
Im iibrigen sind die Gedanken von der Erlosung durch Christi Leiden
und Tod bei Hippolyt reichlicher als bei Irenaus vertreten, aber sie
ermangeln der lehrhaften Pragung. Christus bat die Sunder erkauft,
das Gresetz fur sie getragen, den Teufel gebunden, von inm und der
Siinde gerettet, durcb den Tod den Tod besiegt, durcb das Kreuz das
Leben geschenkt (Erg. WW. II, 91. 267. de Anticbr. 26. in Dan. IV,
33, 4. II, 36, 8) usw. 2 ) So versteht Hipp, in niannigfaltigen Wendungen
von der Bedeutung des Leidens Cliristi zu sprechen. Die Hauptsaclie
wird auch Her sein , daB durch Christi Tod wir vom Tode befreit
sind. Denmach darf man sagen, daB Hipp, in Abhangigkeit von
Irenaus die Eiiosung als Durchdringung der Menschheit mit geistiger
Lebenskraft, als Vergottlichung verstanden hat. Dieser Gfedanke wird
aber praktisch reduziert auf die Mitteilung von Grlauben und Gresetz.
Dazu konnut als zweiter Gresichtspunkt die durch den Tod Christi
bewirkte Befreiuug von dem Todesgericht. Das Leben Christi gibt das
Leben. der Tod Christi befreit vom Tode ; jenes iibt eine positive und
reale, dieser eine negative und ideelle Wirkung aus. So etwa kann
man die Empfindungen Hippolyts wiedergeben. Sie zeigen, wie stark zu
Beginn des 3. Jahrhunderts auch in Rom die johanneische Auffassung
des Christentunis \virksam gewesen ist, freilich nicht ohne nioderne
TJmpragungen und Abplattungen. In der Auschauung vom Werk Christi
steht Hipp, unter dem Einflufi der johanneisch-irenaischen Anschauung,
1) 111 theopll. 8 : 6 if/s d&avaaias Ttarrj^ ibv afrdvarov vim' y.al koyov
sis fbv xofffiov, og dcpiftdfievos sis ibv oivi) ficoTtov /,OTjoaad'at iiScm y.cCi 7ivsvfia.ii, y.ai
dvayswijoas Ttgbs a.tpQ'a.rtoiav yv%fjs IB y.cu awfiaios Eve<pvar/osv i^uTv nvs'Of.ta ,cofjs . . .
El oiiv ad'avaioe yeyovev 6 av&gcoTtos, effTai y.cu -d'eos' el Ss 3'ebs . . . ylvsrai,
svfiiay.sTai y.ai ovy?.).)]()ov6/.ios XQIOTOV fiera. i^v ex VEVQWV avdaraaiv. Eefllt. X, 34 :
yeyovas yd./) d'eos . . ., on ed'eoTtoijj&ris d&avards yevi'i^d'els . . Xgiarbs ydg . . .
og TIJV aftagriav e dvd"^w7ia>v dnoTt^vveiv ittioaeia^e, veov ibv Tiakaibv civ&Qconov
dTtore'/MV . . ., oil TtQooi&yfiaaiv iiTtaxovoas osfivols y.ai dyaO'ov dyad'bs yevdfieios
f.uf.t,r]ti]s ear] Sfioios im? a-iirov itf.irj&sis' ov ya.Q TIICO^SVSI, d'eos y.ai ae -d'ebv 7toti]aas
sis So^av avrov. Fl'g'. WW. II,' 162f. : (Christus) a>s aiiro^corj rovg vys yvwaecos
y.ai aQEifjs y.aoitovg ws SevSfiov eft^dafrjaev e ov ol eadiovies aeiKfoiav )tijif>ovTai.
Christus als Gesetzgeber in Cant. 11, de Antichr. 13. 59.
2) S. auch Christus als Konig und Priest&r nach dem Fteisch geboren in
,,Erklarung der Segmmgen Mosis" 3. 23 (Bonwetsch, drei georgisch. erhaltene
Schriften v. Hipp. S. 51. 89), in Dan. IV, 30, 9, nur gelegentliche Erwahnung;
Kouig de Antichr. 6, ,.hinimlischer Priester" in Dan. IV, 32, 6.
Heilsgiiter imd Heilsstand. 347
seine Auffassung der Person Christi entspricht mehr der Tertullians
und der Apologeten.
21. Die Ans chaining vom Werk Christi steht in einem festen
inneren Zusammenhang zu den Heilsgiitern des Christentums, tind diese
wiederum bedingen die Eigentiimlichkeit des Heilsstandes. Nun wird,
wie wir friiher gesehen haben und wie es sich uns jetzt wieder be-
statigt hat, das Heilswerk Christi gemafi der Idee des neuen Btindes
auf die Siindenvergebung und auf die Geistniitteilung bezogen. Aber
letztere kann entweder mystisch oder rationalistisch gedeutet werden.
DemgemaB werden als Heilsgiiter die Siindenvergebung einerseits, die
Heiligung oder die Mitteilung des reformierten Gesetzes andererseits
angesehen. Hieraus ergibt sich, dafi der Heilsstand entweder mehr als
neues unsterbliches Leben oder als Erfullung des Gresetzes betrachtet
wird. Noch eins fallt in dieseni Zusammenhang auf. AVird Gfott als
der wirksame Lebensspender vorgestellt, so ist das Heil eine gegen-
Avartige GroBe, der Glaube ein gegenvvartiger Besitz, und das Eeich
Gottes ist jetzt schon da; wird Grott als der fordernde Gresetzgeber gedacht,
so niufi das Heil und Leben als zukiinftiger Lohn , der Gflaube als
Furcht und Hoffnung, das Eeich Gottes als rein eschatologische Grrofie
betrachtet werden. Diese Gfesichtspunkte bringen EUarheit in die
mannigfachen Yorstellungsreihen, die uns bei-der Schilderung des per-
sonlichen Christentums bei unseren Vatern begegnen und -die vielfach
ineinander iibergehen und sich miteinander kreuzen. Es ist selbst-
verstandlich , dafi keiner der bezeichneten Gresichtspunkte bei einem
Autor ganz f ehlen kann, dabei kann aber die Betonung und Abstufung
der betr. Elernente iiberaus verschieden sein. Bei Irenaus richtet sich
das Interesse ganz auf die "Wledergeburt und Heiligung oder das neue
Leben, bei Tertullian dagegen wiegt fraglos vor die sittliche Leistung
clem Gresetz gegeniiber. Aber keinem von beiden fehlt darum der
'Gresichtspunkt des anderen. Iren. erblickt den Zweck dieses neuen
Lebens in der Erfiillung der Grebote des sittlichen Naturgesetzes und
'Tertullian lafit dem Menschen den Geist rnitgeteilt werden, um die
"Werke des Gesetzes tun zu konnen. Ahnlich wie Iren. iirteilt Hippolyt,
nur dafi bei ihm die Unsterblichkeit und die Erkenntnis konkreter und
aufierlicher als in der irenaischen Mystik gedacht sind.
Das neue von Christus geschenkte Leben wird aber in der Barche
erfahren. Je lebhafter das Bewufitsein von der Kirche wurde, desto
deutlicher wurde dies Leben von bestimmten kirchlichen Institutionen
abhangig gemacht, von dem Wort der Verkiindigung und von dem
Taiifakt. Gerade der Zusammenhang mit der Taufe liefi eine gewisse
Kontinuitat mit den alteren Anschauungen f ortbestehen, denn die iiber-
348 14- Die Theologie der antignostischen Vater.
komnienen Brauche xind Formeln erhielten das Bewufitsein der urspriing-
lichen Heilsguter aufrecht.
Blicken wir zunachst auf den Heilsstand bei Irenaus. Gliristus
giefit den Geist des Vaters auf die Mensclien aus, um eine Gemeinr
schaft zwischen ihnen und Gott herzustellen (effundente spiritum patris
in adunitionem et communionein dei et hominis, V, 1, 1). Nun 1st aber
der Geist in der Kirche als dem Gefali des Geistes. Also ist es die
Kirche, die ihre Glieder niit heiligem Geist durchdringt, belebt und
heiligt (in. 24, 1 s. den Text oben S. 309 f . A. 2). Es ist vor allem
die apostolische Wab.rb.eit als das Cbarisma der Kirche (oben S. 307),
das diese "Wirkung ausiibt, es ist aber dann auch die Taufe (s. unten).
Keineswegs meint Iren. das so, als wenn der heil. Geist in nichts
anderem bestande, als in der Bichtigkeit oder Vernunftgemafiheit der
Kircbenlehre , sondern er denkt sich den Geist als eine xiberirdische
Macht, die in das Leberi des Menschen eingreift, rnir dafi diese Macht
eben in keiner anderen Form wirksam wird als durch die Lehre und
die Gnadenmittel der Kirche. Nachdena der heil. Geist sich daran
gewohnt hatte in den Propheten und im Menschen Jesus, auf den er
bei der Taufe herabkam, zu wohnen, wohnt er auch weiter in der
Menschheit, und zwar volunlatem patris operans in ipsis et renovans
eos a vetustate in nowtatem Christi (HE, 17, 1. TV, 14, 2). Wie ein
Pfropfreis ist er in die Menschheit eingegangen und macht die Menschen
geistlich (V, 10, 1). Mit den Menschen findet eine transmutatio in melius
statt durch die insertio und infusio spiritus (V, 6, 2). Der Mensch
enipfangt die Gerueinschaft Gottes und damit alle Gaben der Erleuchtung
und des Lebens : Tovtoig tyv ISiav TCaQey^et, xoivcovlav ' xoivwvla de
&sov Ceo?) xui> y>G>S xai artohavoig T&V natf amov ayadcov (V, 27, 2).
Dadurch Avird die Substanz des Menschen nicht verandert, sondern,
inclem der Geist seiner Seele einwohnt, wird der Mensch vollendet zu
der Vollkomnienheit der Ahnlichkeit init Gott. Zu der urspriinglichen
Vollkommenheit des Menschen gehort, dafi der Geist Gottes in ihm ist r
1) V, 6, 1 : secundum partidpationem spiritus existentes spirituales, seel non
jjer defraudationem et inter ceptionem carnis . . . Si enim substantiam tollat
aliquis carnis, id est plasmatis, et wide ipsum solum spiritum intelligat, iam non
spiritualis homo est, quod est tale, sed spiritus hominis aut spiritus dei. Cum
autem spiritus hie commixtus uhitur plasmaii propter infusionem spiritus
spiritualis et pzrfedus homo factus est. Si autem defuerit animae spiritus, ani-
malis est vere, qui est talis et carnalis derelictus imperfectus erit, imaginem
quidem Jiabens in plasmate, similitudinem vero non assumens per spiritum.
V, 10, 2: homo per fidem insertus et assumens spiritum dei, substantiam
quidem carnis non amittit, qualitatem auiem fructus operum
immutat. .
Das neue Leben nach Irenans. 349
denn dieser leitet dann die Seele, die sonst voin Fleisch und seinen
Liisten unterworfen wird (V, 9, 1). So wird. der Mensch durch den
Geist vollendet zum Leben und zugleich wird wiederhergestellt pristina
hominis natura, seinen AbschluB erreicht dieser Prozefi durch die Auf-
erstehung und die Verklarung (V, 12, 2; 10, 1; 8, 1). Die ,,Substanz"
des Menschen bleibt, aber die ,,Qualitat seiner Friichte" wird ver-
wandelt (V, 10, 2). So ist also Gottes Geist im Menschen und dieser
wird dadurch was er sein soil und was er nicht war.
In diesein neuen Lebenszustand ist der Geist also das innerlich
bestimmende Prinzip im Menschen. Sowobl der Mensch ist hierbei
tatig als Gott. Aber Gottes ist das Wirken, des Menschen die Hin-
nahine dieses "Wirkens oder das durch dasselbe bedingte Werden. Der
Mensch soil sich umterwerfen in Glauben und Gehorsam, dann rnacht
Gott aus ihm den vollkommenen unsterblichen Menschen. 1 ) Nicht Gott
bedarf der Menschen, aber sie bediirfen sein. Und wer dem Heiland
nachfolgt, der empfangt eben dadurch Licht. und Leben. 2 ) In diesen-
grofiartigen Gedanken, die das ursprungliche Verstandnis des IVesens
des Christentuins wunderbar klar ausdriicken, hat Iren. seine Frommig-
keit auszusprechen vermocht. Der Glaube ist die Hinnahme der
Wirkungen des allwirksamen Gottes, die gehorsame TJnterwerfung unter
seinen Willen. Demgemafi kann der Glaube sowohl bestimmt werden
als die Erkenntnis und Anerkennung Gottes und Christi und der
lebensvolle Anschlufi an Gott (IV, 5. 4f. ; 7. 2; 2, 7), wie auch als
der tatkraftige Gehorsam gegen Gott und sein Gebot. 3 ) Der neue durch
1) IV, 39. 2 : si ergo opera del es, manum ariificis tui exspecta . . . Praesta
autem ei cor tuum molle et tractabile . . . Fabricavit substantiam in te manus
e^^ls l liniet te et ab intus et foris auro puro et argento . . . Facer e enim
proprium est benignitatis dei, fieri autem proprium est hominis
naturae. Si igitur tradideris ei quod est tuum, id est fid em in eum et
s^l,biectione'>n, regies eius artem et eris perfectum opus dei. IV, 38. 3:
vTco-cayi] Se &EOV acp&apaia y.dl 7ia^a/.iovi] ay&agaias So^a dyet>v>]TOs. IV, 11, 2 :
et hoc deus ab homine differt, quoniam deus quidem facit. homo autem fit . . .
Queamadmodum enim deus semper idem est, sic et homo in deo inventus semper
proficiet in deum . . . Exceptorium enim bonitatis et organum clarifications eius
homo gratus ei, qui se fecit.
2} IV, 14, 1 : nee nostro ministerio indigens iussit, ut eum sequereimw, sed
nobis ipse attribuens salutem. Sequi enim salvatorem participare est
salutem, et sequi lumen percipere est lumen . . . Sic et servitus ergo
deum, deo quidem nihil praestat . . ., ipse autem sequentibus et servientibus ei
vitam et incorruptelam et gloriam aeternam attribuit. Vgl. IV, 5, 3 : i}xo/.ov0^as
(Abraham) rcu ).6y(p, a&iov ^evnevcov, Iva avv TCO ).6yco no'/.nevO'il. Diese Siitze
geben den urspriinglichen Sinn der ,,Nachfolge Christi" iu klassischer Keinheit
wieder (ygl. E. S e e b e r g , Aus Eel. u. Gesch. I, 2 ff.). Den yulgiireu Sinn s. IV, 12. 5.
3) IV, 13, 1: primo quidem non tantum in patrem, sed et in filium eius
350 14. Die Theologie der antignostisehen Vater.
den Greist gewirkte Lebensstand bestelit also -im Grlauben und der Liebe,
und in nichts anderein. Mit dem Gresetz hat der Christ nichts zu
schaffen, denn er braucht es nicht: Daft die Menschen nicht nacli dem
Vielewortemachen des Gesetxes, sondern nach der Kurxe des Glaubens
und der Liebe leben sollten, sagl Jesaja (Jes. 10, 22 f.). Dureh den
Glauben an ihn (Christus) lern&n wir Gott von .ganxem Her Ken lieben
und den Ndchsten wie uns selbst . . . Darum haben wir auch kein
Gesetz %um Erzieher no tig, siehe, wir sprechen mit dem Voter
und stehen ihm von Angesicht %u Angesicht gegenilber. Es wird
nichi geboten einen Tag in Ruhe und Mufie %u%ubringen dem, der jeden
Tag den Sabbat halt d. h. im Tempel Goties , wekher der Leib des
Menschen ist, Gott den ivurdigen Dienst leistet und, jede Stunde die
Gerechtigkeit tut (epideix. 87. 95. 96). In bewunderungswiirdiger "Weise
komrat Her ein pauliniseher Hauptgedanke zum Ausdruck, wie ihn so
klar keiner der alteren Vater zu forinulieren gewufit hat. Es ist also
ein innerlicher freier Grehorsam, an den Irenaus denkt: Es ist base Gott
nicht %u gehorchen, wie Gott gehorchen gut ist (epid. 34). Bei dieser
Grundanschauung ist es selbstverstandlich, dafi auch der gute Wandel
und die "Werke, die aus dem. Greist hervorgehen, stark betont werden.
In alien Tugenden wandeln die Christen, da der heil. Geist bestandig in
ihnen verweilt (epideix. 42). Vivificamur oper antes ea, quae sunt spiritus
(V, 11. 2): Den reinen Tieren vergleicht Iren. die rechten Christen.
Zweihuf er sind sie, welche zuni Vater und Sohn im Glauben festen
Schrittes gehen (in patrem et folium per ftdem iter formiter faciunt),
und den Wiederkauern gleich, sinnen sie Tag und Nacht iiber Grottes
Wort nach, um sich mit' guten Werken zu schmucken (uti operibus
bonis adornentur, Y, 8, 3). ] )
Alle diese Gedanken, in denen die spezifische Eigenart der Er-
losungsreligion zuui Ausdruck kommt, hat Ir. im Anschlufi an Paulus
Gfeistlehre entwickelt und - sie niit einer Eulle pauliniseher Zitate belegt.
Er hat die pneuniatische Seite des Paulinismus in der Tat tief nach-
zuempfinden vermocht. 2 ) Dagegen versagt sein Yerstandnis deni Recht-
iam manifestatum credere, hie est enim qui in communionem et unitatem dei
homineni inducit. Post deinde non solum dicere, sed et facere. IV, 6, 5 : et
ad hoc filium revelavit pater, itfcper eum omnibus manifestetur et eos q^^idem,
qui credunt ei iusti, in incorruptelam . : . recipiat, credere autem ei hoe
est facere eius voluntatem.
1) Auch fur die weltliche Kulturarbeit hat Iren. Sinn gehabt; den aske-
tischen Einsiedler entscliuldigt er, quod ignoret necessitates nostrae conversationis
s. IV, 30, 3.
2) Es ist von groBein geschichtlichem Interesse, dafi ein Mann wie Ireu. in
den pneximatischen Elementen den 'Kern der paulinischeu Lehre erblickt hat.
Die Rechtfertigung bei Irenaus. 351
f ertigungsgedanken des Paulus gegenuber. Das ist verstandlich.
Seine Gesamtanschauung vollendete sich in dem Gedanken, dafi durch
das Wirken des Geistes die Menschen gut gemacht Averden, die Ge-
rechtigkeit, die das Gesetz verlangt, wird vom Geist in ihnen gewirkt,
dabei konnte er an den Glauben. oder an die Werke das Urteil ge-
recht" kniipfen, aber nie in dem Sinn der imputierten Gerechtigkeit,
sondern so dafi die Wiedergeborenen und Erneuerten, in denen der Geist
wirkt, eben darum als gerecht anzuseben sind. Wie in der TJrzeit der
Mensch durch das den Herzen eingeschriebene sittliche Naturgesetz ge-
recbtfertigt -wurde, so hat Christus sein erweitertes und vertieftes Gesetz
entgegen dem fordernden alttestamentlicben Bucbstaben durch den
Geist in dem Christen wirksam gemacht, und dadurch werden sie gerecht. 1 )
Damit ist die paulinische Rechtfertigungstheorie abgeschnitten , Iren.
interpretiert Paulus im Kahmen seiner johanneischen Grundanschauung.
22. Den geistlichen Entwicklungsprozefi des Menschen faBt Irenaus
als eine gottliche Okonomie auf (z. B. TTT, 24, 1), Tertullian redet von der
salutaris discipline/, (de pat. 12). Bin charakteristischer Unterschied
der Heilsanschauung pragt sich hierin aus. Iren. denkt an einen von
Gottes Ordnung gewirkten inneren Gesundungsprozefi des Menschen, der
in konsequenter Entwicklung im ewigen Leben miindet, Tert. empfindet
1) IV, 13, 1: qiiia dominus naturalia legis, per qiiae homo iustificatur, quae
etiam ante legisdationem custodiebant, qui fide iustificabantur et placebant deo,
non dissolvit, sed extendit etimplevit, ex sermonibus eius ostenditiir, Matth. 5, 27 f.
21. 22. 33 f. 20. . . Haec autem (Christus) non quasi contraria legis docebat, sed
adimplens legem etinfigens iustificationes legis in nobis. IV, 16, 3:
iusti patres virtutem decalogi conscriptam habentes in cordibus et animabus suis
diligentes soil, dcum . . et abst inentes erga proximum ab inmstitia; propter quod
non fuit necesse admoneri eos correptoriis litteris, quia habebant -in semetipsis
institiam legis. Ik 5 : quae autem naturalia et liberalia et communia omnium
auxit et dilatavit (Christus), sine invidia largiter donans hominibus per adoptionem
patrem scire deum et diligere eum ex toto corde et sine adversatione sequi eius
verbum, non tantum abstinentes a malis operationibus, sed etiam a concupiscentiis
earum. Uber Gesetz und Evangelium s. Ill, 18, 7. V, 10, 1 : sicut igitur qui
in melius profecerit et fructum operates fuerit spiritus, omni modo salvatur
propter spiritus commiinionem, sic et is, qui remanserit in praedictis
carnis operationibus, carnalis vere deputatus, eo quod non assumat spiritum dei,
regnum non potent possidere caeloriim. IV, 33, 4 : quam adoptionem accipient
a deo permanentes in hac genesi. quae est secundiim hominem in hoc tnundo?
IV, 5, 5: (Abraham) didicerat quidem a verbo dei et credidit ei, quapropter et
deputatum est ei in iustitiam a domino. Fides enim, quae est ad deum altissinmm,
iustificat hominem, vgl. IV, 21, 1. IV, 30, 3: benefacientes iustificamur. Die
Habe in dominicas irtilitates conversantes iustificamur. Vgl. ferner epideis. 24:
da G-ott die Unerschiitterlichkeit und Sicherheit seines Geistes sah, bezeugte er
Abraham glaubte und es wurde Him zur Gerechtigkeit gerechnet, vgl. 35. 72. 93.
348 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
kommenen Brauche und Eormeln erhielten das Bewufitsein der xirspriing-
lichen Heilsgiiter aufrecht.
Blicken wir zunachst auf den Heilsstandbeilren'aus. Gliristus
giefit den Geist des Vaters auf die Menschen aus, um eine Gemeinr
schaft zwischen ihnen und Grott herzustellen (effundente spiritum patris
in adunitionem et communionem dei et hominis, V, 1, 1). Nun 1st aber
der Geist in der Kirche als deni Gfefafi des Geistes. Also ist es die
Kirche, die ihre Glieder mit heiligem Geist durchdringt, belebt und
heiligt (in, 24, 1 s. den Text oben S. 309 f. A. 2). Es ist vor allem
die apostolische "Wahrheit als das Charisma der Kirche (oben S. 307),
das diese Wirkung ausiibt, es ist aber dann auch die Taufe (s. unten).
Keineswegs meint Iren. das so, als wenn der heil. Greist in nichts
anderem bestande, als in ,der Bichtigkeit oder Vernunftgemafiheit der
Kirchenlehre , sondern er denkt sich den Geist als eine tiberirdische
Macht, die in das Leberi des Menschen eingreift, nur da6 diese Macht
eben in keiner anderen Form wirksam wird als durch die Lehre und
die Gnadenmittel der Kirche. Nachdem der heil. Geist sich daran
gewohnt hatte in den Propheten und im Menschen Jesus, auf den er
bei der Taufe herabkani, zu wohnen, wohnt er auch weiter in der
Menschheit , und zwar voluntatem patris operans in ipsis et renovans
eos a vetustate in novitcdem Ghristi (HI, 17, 1. IV, 14, 2). Wie ein
Pfropfreia ist er in die Menschheit eingegangen und macht die Mensehen
geistlich (V, 10, 1). Mit den Menschen findet eine transmutatio in melius
statt durch die insertio und infiisio spiritus (V, 6, 2). Der Mensch
empfangt die Gemeinschaft Gottes und daniit alle Gaben der Erleuchtung
und des Lebens : VOVTOIS tip idiav rtaQe%si xoiviovLav KOiViovia, 6s
-d-eov coi] xat (pug %al artolavais vwv natf avzov ayad&v (V, 27, 2).
Dadurch wird die Substanz des Menschen nicht verandert, sondern,
indem der Geist seiner Seele einwohnt, wird der Mensch vollendet zu
der Yollkommenheit der Ahnlichkeit mit Gott. Zu der urspriinglichen
Yollkommenheit des Menschen gehort, daB der Geist Gottes in ihm ist,.
1) V, 6, 1 : secundum participationem spiritus existentes spiritiiales, sed non
per defraudationem et interceptionem carnis . . . Si enim mbstantiam tollat
aliquis carnis, id est plasmatis, et unde ipsum solum spiritum inteMigat, iam non
spiritualis homo est, quod est tale, sed spiritus hominis aut spiritus dei. Cum
autem spiritus hie commixtus unitur plasmati propter infusionem spiritus-
spiritualis et perfectus homo factus est Si autem defuerit animae spiritus, ani-
malis est vere, qui est talis et carnalis derelictus imperfectus erit, imaginem.
quidem habens in plasmate, similitudinem vero non assumens per spiritum.
V, 10, 2: homo per fidem insertus et assumens spiritum dei, substantiam
quidem carnis non amittit, qualitatem autem fructus operum
immutat. . .
Das neite Leben nach Irenaus. . 349
denn dieser leitet 'dann die Seele, die sonst voin Meisch und seinen
Liisteri unterworfen wird (V, 9, 1). So wird. der Mensch durcli den
Geist vollendet zuin Leben und zugleich wird wiederhergestellt pristina
hominis natura^ seinen Abschlufi erreicht dieser Prozefi durcli die Auf-
erstehung und die Yerklarung (V, 12, 2; 10, 1; 8, 1). Die ,,Substanz"
des Menschen bleibt, aber die ,,Qualitat seiner Fruehte" wird ver-
wandelt (V, 10, 2). So ist also Gottes Greist im Menschen und dieser
wird dadurch was er sein soil und was . er niclit war.
In diesem neuen Lebenszustand ist der Greist also das inneiiich
bestimmende Prinzip im Menschen. Sowohl der Mensch ist hierbei
tatig als Gott. Aber Gottes ist das Wirken, des Menschen die ffin-
nahnxe dieses "Wirkens oder das durch dasselbe bedingte Werden. Der
Mensch soil sich unterwerfen in Glauben und Gfehorsani, dann niacht
Gfott aus ihm den vollkomnienen unsterblichen Menschen. 1 ) Nicht Gott
bedarf der Menschen, aber sie bedurfen sein. Und wer deni Heiland
nachfolgt, der empfangt eben dadurch Licht. und Leben. 2 ) In diesen'
grofiartigen Gedanken, die das urspriingliche Yerstandnis des Wesens
des Christentunis wunderbar klar ausdriicken, hat Iren. seine Fromniig-
keit auszusprechen vermocht. Der Grlaub^ ist die Hinnahme der
Wirkungen des allwirksamen Gottes, die gehdrsame ITnterwerfung unter
seinen Willen. Demgemafi kann der Grlaube sowohl bestimmt werden
als die Erkenntnis und Anerkennung Gottes und Christi und der
lebensvolle Anschlufi an Gott (IY, 5, 4f. ; 7, 2; 2, 7), wie auch als
der tatkraftige Gehorsam gegen Gott und sein Gebot. 3 ) Der neue durch
1) IV, 39. 2 : si ergo opera del es } manum artificis tui exspecta . . . Praesta
autem ei cor tuum molle et tractabile ... Fabricavit substantiam in te manus
eius, liniei te et ab intus et foris auro puro et argento . . . Facere enim
propriiim est benignitatis dei, fieri autem propriiim est liominis
naturae. Si igitur traclideris ei quod est tuum, id est f idem in eum et
subiectionem, recipies dus artem et eris perfectum opus dei. IV, 38, 3:
bnorayi] e d'sov ay-d'aQoia, y.al jia.Qa.^ovr] dcp-9'aoaias So'^a dys'frijTOs. IV, 11, 2:
et hoc deus ab Jtomine differt, quoniam dens quidem facit, homo autem fit . . .
Queamadmodum enim deus semper idem est, sic et homo in deo inventus semper
proficiet in deiim . . . Exceptorium enim Itonitatis et organum darificationis eius
homo gratus ei, qui se fecit.
2) IV, 14, 1 : nee nostro ministerio indigens iussit, ut eum seqwr&mur, sed
nobis ipse attribuens sahitem. Sequi enim salvatorem participare est
salutem, et sequi lumen percipere est himen . . . Sic et servitus ergo
deum, deo quidem nihil praestat . . ., ipse autem sequentibits et servientibus ei
vitam et incorruptdam et gloriam aeternam attribuit. Vgl. IV, 5, 3 : -ijaolovO^ffe
(Abraham) tea ).6y(p, ainov ijevirevcov, 'ha ain> tea loyco TCohitevd'ij. Diese Satze
geben den ursprimglichen Sinn der ,,NachfoIge Christi" in klassischer Eeinheit
wieder (vgl. E. S e e b e r g , Aus Eel. u. Gesch. I, 2 ff .). Den Tulgareu Sinn s. IV, 12, 5.
3) IV, 13, 1 : primo quidem non tantum in patrem, sed et in filium eius
350 14- Die Theologie der antignostischen Vater.
den Geist gewirkte Lebensstand besteht also -im Glauben und der Liebe,
und in nichts anderem. Mat dem Gesetz hat der Christ nichts zu
schaffen, denn er braucht es nicht: Da/3 die Menschen nicht nach dem
Vielewortemachen des Gesefaes, sondern nach der Kiirxe des Glaubens
und der Liebe leben sollten, sagt Jesaja (Jes. 10, 22 f,). Durch den
Glauben cm ihn (Christus) lernen tvir Gott von ganxem Herxen lieben
und den Ndchsten wie uns selbst . . . Darum haben wir auoh kein
Gesetx, %um Erxieher no tig, siehe, wir sprechen mit dem Vater
und stehen ihm von Angesicht zu Angesicht gegeniiber. Es wird
nicht geboten einen Tag in Ruhe und Mufie %u%ubringen dem, der jeden
Tag den Sabbat halt d. h. im Tempel Gottes , welcher der Leib des
Menschen ist, Gott den ivurdigen Dienst leistet und jed& Stunde die
Gerechtigkeit tut (epideix. 87. 95. 96). In bewunderungswiirdiger Weise
konunt hier ein paulinischer Hauptgedanke zum Ausdruck, wie ihn so
klar keiner der alteren Vater zu f ornmlieren gewufit hat. Es ist also
ein innerlicher freier Gehprsam, an den Irenaus denkt: Es ist bb'se Gott
nicht %u gelwrchen, wie Gott gehorchen gut ist (epid. 34). Bei dieser
Grundanschauung ist es selbstverstandlich, dafi aiich der gute Wandel
und die "Werke, die aus dein Greist hervorgehen, stark betont werden.
In alien Tugenden wandeln die Christen, da der heil. Geist bestandig in
ihnen verweilt (epideix. 42). Vivificamur oper antes ea, quae sunt spiritus
(Y, 11, 2); Den reinen Tieren vergleicht Iren. die rechten Christen.
Zweihufer sind sie, welche zuni Vater und Sohn im Glauben festen
Schrittes gehen (in patrem et filium per fidem Her ftrmiter faciunt),
und den "Wiederkauern gleich, sinnen sie Tag und Nacht iiber Gottes
Wort nach, urn sich niit- guten Werken zu schnriicken (uti operibus
bonis adornentur, V, 8, S). 3 )
Alle diese Gedanken, in denen die spezifische Eigenart der Er-
losungsreligion zum Ausdruck kommt, hat Ir. im Anschlufi an Paulus
Geistlehre entwickelt und sie mit einer Flille paulinischer Zitate belegt.
Er hat die pneumatische Seite des Paulinismus in der Tat tief nach-
zuempfinden vermocht. 2 ) Dagegen versagt sein Verstandnis dem Recht-
iam manifestatum credere, Me est enim qui in communionem et imitatem del
hominem inducit. Post deinde non solum dicere, sed et facere. IV, 6, 5: et
ad hoc filium revelavit pater, ut per eum omnibus manifestetur et eos quidem,
qui credunt ei iusti, in incorruptelam : . . recipiat, credere ante in ei hoc
est facere eius vohintatem.
1) Auch flir die weltliche Kulturarbeit hat Iren. Sinn gehabt; den aske-
tischen Einsiedler entschuldigt er, quod ignoret necessitates nostrae conversationis
s. IV, 30, 3.
2) Es ist von groJJem geschiclitlichem Interesse, daB ein Mann wie Iren. in
den pueumatisclien Elementen den" Kern der paulinischen Lelire erblickt hat.
Die Rechtfertigung bei Irenans. 351
f ertigungsgedanken des Paulus gegeniiber. Das ist verstandlich.
Seine Gesamtanschauung vollendete sich in dem Gedanken, dafi durch
das Wirken des Geistes die Menschen gut gemacht werden, die Ge-
rechtigkeit, die das Gesetz verlangt, wird vom Geist in ihnen gewirkt,
dabei konnte er an den Glauben, oder an die Werke das Urteil ,,ge-
recht" kniipfen, aber nie in dem Sinn der imputierten Gerechtigkeit,
sondern so dafi die Wiedergeborenen und Erneuerten, in denen der Geist
wirkt, eben darum als gerecht anzuseben sind. ~\Vie in der TJrzeit der
Mensch durcb das den Herzen eingescbriebene sittlicbe Naturgesetz ge-
recbtf ertigt wurde, so bat Cbristus sein erweitertes und vertieftes Gesetz
entgegen dem fordernden alttestamentlichen Bucbstaben durcb den
Geist in dem Christen wirksarn gemacbt, und dadurcb werden sie gerecbt. *)
Damit ist die pauliniscbe Rechtfertigungstheorie abgescbnitten , Iren.
interpretiert Paulus im Rahmen seiner jobanneiscben Grundanscbauung.
22. Den geistlicben Entwicklungsprozefi des Menscben faBt Irenaus
als eine gottlicbe Okonomie auf (z. B. HE, 24, 1), Tertullian redet von der
salutaris disciplines, (de pat. 12). Ein cbarakteristiscber Unterscbied
der Heilsanscbauung pragt sicb bierin aus. Iren. denkt an einen von
Gottes Ordnung gewirkten inneren GesundungsprozeB des Menscben, der
in konsequenter Entwicklung im ewigen Leben mlindet, Tert. empfindet
1) IV, 13, 1: quia dominus naturalia legis, per quaehomo iustificatw; quae
etiam ante legisdationem custodiebant, qui fide itistificdbantur et placebant deo,
non dissolvit, sed extendit et implevit, ex sermonibus ems ostendititr, Matth. 5, 27 f .
21. 22. 33 f. 20. . . Haec autem (Christus) non quasi contraria legis docebat, sed
adimplenslegemetinfiffens iustificationes legis in nobis. IV, 16, 3:
iusti patres virtutem decalogi conscriptam habentes in cordibus et animabus suis
diligentes scil. deum . . et abstinentes erga proxirmim ab iniustitia ; propter quod
non f^lit .necesse admoneri eos correptoriis litteris, quia lidbebant in semetipsis
iiistitiam legis. II). 5 : quae autein naturalia et liberaUa et communia omnium
auxit et dilatavit (Christus), sine invidia largiter donans hominibus per adoptionem
patrem scire deum et diligere eum ex toto corde et sine adversatione sequi eius
verbum, non tantum abstinentes a malis operationibus, sed etiam a concupiscentiis
earum. Uber Gesetz mid Evangeliran s. Ill, 18, 7. V, 10, 1 : sicut igitur qui
in melius profecerit et fructum operatus fuerit spiritus, omni modo salvat'iir
propter spiritus comrminionem, sic et is, qui remanserit in praedictis
carnis operalionibus, carnalis vere deputatiis, eo quod non assumed spiritum del,
regnum non poterit possidere caelorum. IV, 33, 4 : quam adoptionem accipient
a deo permanentes in hac genesi. quae est secundum hominem in hoe mundo ?
IV, 5, 5: (Abraham) didicerdt quidem a verbo dei et credidit ei, quapropter et
deputatitm est ei in iustitiam a domino. Fides enim, quae est ad deum altissimum,
iustificat Jiominem, vgl. IV, 21, 1. IV, 30, 8: benefacientes iustificamur. Die
Habe in dominicas utilitates conversantes iustificamur. Vgl. ferner epideix. 24:
da G-ott die Unersehiitterlichkeit und Siclierheit seines Geistes sail, bezeugte er . . . :
Abraham glaubte und es wurde ihm zur G-erechtiglteit gerechnet, vgl. 35. 72, 93.
352 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
die Gnade Gottes als errettende Erziebung durch das Gesetz, vermoge
Avelcber der Menscb das Gute tun lernt, und sich dadurcli das ewige
Leben als Lohn erwirbt. Er empfindet romiscb und seine eigentiiinlicbe
Geistesart driickt dies in den Formen eines Recbtsverbaltnisses
zwiscben Gott und dem Menscben aus. Tertullian bat seine Grund-
anscbauung fraglos in Rom iiberkoinmen. Sie war scblieBlicb jiidiscben
TJrsprungs (vgl. S. 153), aber sie war von deni rorniscben Geist akzeptiert
und verarbeitet worden. Tertull. bat diesen Prozefi zur Yollendung g.e-
bracbt. Er bat den jiidiscben Legalisnius und Moralismus in klassiscber
Weise in das Lateiniscbe zu ubersetzen verstanden und er bat dadurcb
die Gesetzesreligion in das abendlandiscbe Cbristentum auf langer als
ein Jahrtausend eingefubrt. Seine Bedeutung fiir die Dogmengescbicbte
findet bierin ibren Abscblufi. Es war etwas anderes, ob man gelegent-
licb von den evrohai redete, die der Cbiist befolgen soil, oder aucb das
Cbristentum als nova lex bezeicbnete, oder ob man die ganze Religion
als Kecbtsverbaltnis bescbrieb. Dies hiefi die gesetzlicben Motive in ein
System zusammenfassen oder die Riickkebr von der Erlosungsreligion
zur Gesetzesreligion vollzieben. Das bat aber Tert. durcbgefiibrt. Das
von ibni scbon friib angeeignete Schema der beilsgeschicbtlicben Stufen-
folge der Offenbarung als Gesetzesoffenbarung (s. S. 320) bat seine
Grundanscbauung nur verfestigt, indem es neiies Licbt auf die nova lex
des Cbristentunis warf. Aucb sein AnscbluB an den Montanismus erklart
sicb von bier aus.
Aber andere Elemente standen der konsequenten Legalisierung des
Cbristentunis entgegen und sie wirkten aucb bei Tertullian. Es war
einmal der ganze Komplex der Vorstellungen von Gnade und Erlosung,
der irgendwie deni Yerstandnis der nova lex eingefiigt werden mufite.
Es war sodann der kircblicbe Apparat der Gnadenmittel, der ebenfalls
das reine Recbtsverbaltnis einschrankte. Die Sakr'amente baben den
Cbarakter des Cbristentums als Ei'losungsreligion gerettet, aber sie taten
es, indem sie den stoiscben Geistbegriff und den Mysteriengedanken und
scblieBlicb den Hierarcbismus in das Cbristentum einfiibrten. Auch bier-
fiir bietet Tert. die Anfange dar, wie wir sehen werden. Das Problem der
Religion des Mittelalters das Cbristentum Gesetzesreligion, aber durcb
Sakrarnente, ,,eingegossene Gnade" und Priester aucb Erlosungsreligion
liegt scbon bei Tert. vor. Aber nocb ein Moment ist in diesem Zu-
sammenbang zu erwagen. Gerade die Taufe als das Gnadenmittel par
excellence fiibrte in das Cbristentum die stoiscbe Vorstellung vom Geist
als einer Substanz ein und depotenzierte so den cbristlicben Gottesbegriff.
Denigegenliber wurde durcb das Gesetzttim der personlicbe Cbaraktei 1
Gottes uud das personlicbe Verbaltnis des Menscben zu Gott aufrecbt
Das Christentiun Tertullians. . 353
erhalten. Es 1st ein wunderbares Gedankengebilde, das sich liier anbahnt :
die Gesetzesreligion wird durch das Sakrament zur Erlosungsreligion,
aber die Ziige der Gresetzesreligion vergeistigen wiederum die Erlosungs-
religion. So entsteht ein gewisses Gleichgewicht der Motive, aus denen
die Religion des Katholizismus hervorging.
Das ganze Christentum unterfallt bei . Tert. dein Gesichtspunkt des
Gesetzes. Er gibt als einen Bestandteil der Glaubensregel die AVorte:
lesutn Christum praedicasse novam legem ei novam promissionem regni
caelorum (de praescr. 13). Das ist Ghristi Werk. Das Evangelium ist
das Gesetz der Christen: lex proprie nostra, id est evangelitim
(de monog. 8). Christus hat namlich das alte Gesetz dadurch erweitert,
dafi er nicht nur die Tatsiinden, sondern auch den bosen Willen verbot.
Dominus quemadmodum se adiectionem legi super sir uere, demon-
strat, nisi et wluntatis interdicendo delicta (de paen. 3)? Demgemafi ist
die Siinde TJbertretung des gottlichen Gesetzes, sei es aufierlich, sei es
nmerlich .(delictum omne aut agitur-aut cogitatur). Somit begriindet die
Siinde einen reatus oder eine eulpa Gott gegenixber nnd sie unterstellt
den Sunder der gottlichen poena (ib. 3). Gut ist -dagegen .was Gott ge-
bietet. Andaciam existimo de bono divini praecepti disputare. Neque enim
quia bonum est, idcirco ausoultare debemus, sed q ui a deus praecepit.
Ad exhibitionem obseqttn prior est maiestas divinae potestatis, prior est
auctorilas imperantis quam utilitas servientis (ib. 4). Die Furcht vor
Gott ist daner der Anfang des Heils: deum simul cognoveris, timeas,
simul inspexeris, reverearis (ib. 6). Timor autem hominis dei honor
est (ib. 7). Ans dieser Furclit erglbt sicb der Gehorsain als die Gleichheit
der Gesinnung mit Gott, wie sie auch der Sklave seineni Herrn gegen-
iiber haben soil. Obsequii enim, ratio in similitudine animorum eonstituta
est (ib. 4). "VVer den Gesetzeswillen Gottes erfiillt, der niacht sich Gott
zum Schuldner, wie er auch Eacher des Ungehorsams ist. Bonum factum
deum habet debitor em sicidi et mahim, quia iudex omnis remunerator est
causae (ib. 2).
Man niufi diese scharfgeschnittenen Satze auf sich wirken lassen,
uni zu enipfinden, wie mit durch die prazise Form der Eede hier
die ganze Religion in ein Rechtsverhaltnis zu Gott verwandelt ist. Die
Konsequenz davon erstreckt sich auf das gesanite sittliche Leben. Es
handelt sich im Christenleben daruni das Gesetz zu erftUlen oder sich
Verdienste bei Gott zii erwerben. Schon vor der Taufe geht dies
an. Die Vergebung der Siinden in der Taufe ist die Folge der voran-
gegangenen Bufie, der Lohn fur sie : non itieo abluimur, ut delinquere
desinamus, sed quia desiimus, quoniam ia/m corde loti siwmis (de
poen. 6 cf. de pud. 9). Dasselbe gilt von den Bufileistungen, wie sie das
S eeberg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 23
354 14- Die The'ologie der antignostischen Vater.
gauze Cbristenleben ausfiillen (s. unten). TJnd der gleiche Ring umfafit
das ganze Leben. Der Menscb soil das Gesetz erfullen ,. womb'glicb
nicbt nur die praeeepta, sondern auch die consllia' (c. Marc. II, 17.
ad ux. II, I). 1 ) So erwirbt sicb der Menscb einen Scbatz der Heiligkeit,
per continentiam enim negotiaberis magnam substantiam sanctitatis (de
exh. :cast. 10), und so vergilt er Cbristus was dieser fur ibn getan bat
(de resurr. 8. de pat. 16). Nemo indulgentia utendo promeretur , scd
voluntati obsequendo, wluntas dei est sanctificatio nostra (de exb. cast. 1.
de paen. 6. de iei. 3). Je nacb den Yerdiensten wird sich aucb der gott-
liche Lobn gestalten. Im Hinblick auf die varietas meritorum bat
Cbristus das Wort Ton den vielen Wohnungen gesprochen (scorp. 6 s. nocli
de orat. 2.4. adScapul. 4 extr.). 2 ) DerYerdienstbegriff war. in der Tat be-
sonders geeignet die eigentumliche Anscbauung von dem Yerbaltnis zu
Gott auszudriicken, denn er bezeicbnet in der Eecbtsspracbe einerseits
den freien Erwerb , andrerseits eine Handlung , welcbe billigermaBen,
von dem, dem sie gescbab, durcb eine Gregenleistung belobnt wird. 3 )
Die Bezeicbnung der sittlicben Tat als Yerdienst wird also sowobl den
jfreien Erwerb des .ewigen Lobnes als aucb die besondere Qualitat der
Handlung, die Grott billigermafien belobnt, zum Ausdruck bringen. So be-
greift es sicb aber, da6 nicbt seltenVerdienst und Gnade miteinander
verbunden werden, denn freilicb recbnet das verdienstlicbe Handeln mit
der billigen und giitigen Gresinnung dessen, dem es gescbab. So kornmt
durcb das meritum die durcbjjrnade gemafiigte recbtlicbe Anscbauung
des religios-sittlichen Lebens zum Ausdruck. Die ganze katholiscbe
Yerdienstlehre liegt bei Tert. im Grundrifi vor. Durcb Yerdienste wird
die Gnade erworben und durcb die Gnade wird die Fabigkeit verliebeh
das ewige Leben zu verdienen. Sittlicbkeit ist ein Leben der Yerdienste
und das ewige Leben ist eine aufiere, nicbt eine innere Folge des frommen
Lebens. TJnd so kann der Menscb seines Heils sicber werden. Fides
integra secura est de salute (de bapt. 18). Auf der Menscben "Werke
kommt es an, die Gnade aufiert sicb wobl aucb im sittlicben Leben als
Mitteilung besonderer Gaben wie etwa der Jungfraulicbkeit, die Hegel
ist aber: virtus coronatur.^
1) tJber diesen Begriff s. Hermas pben S. 146.
2) Vgl. zu Obigem Wirtn, Der Verdienstbegriff in der christl. Kirclie I (d.
Verdienstbegriff b. Tert.) 1892. . - .
3) Uber den jurist. Sprachgebrauch s. Heumann-Seckel, Handlexikon zu
.den Quellen des rom. Recites 1906, S. 340. Danach folgende Beispiele: 1) ex
opens suis meret servus d. h. sich verdienen, ebenso inerere stipendia _oder blofi
merere = als Soldat dienen. 2) Quae princeps alicid ob. merita indulsit, oder
merita, quibus honestum sit libertatem pr&estare.
4) ad. iix.. I, 8: poterit vlrgo felicior haberi, at viducf laboriosior, ilia-, quod
Verdienst. Wort Gottes. 355
23. Aber die Gnade greift docla auch in entscheidender "Weise in
das Leben ein. Das geschieht zunachst natiirlich durch das "Wort oder
die Predigt, die ja als apostolische Wahrheit das bleibende Charisma
in der Kirche darstellt, wie wir es bei Irenaus fanden (oben S. 348). Wer
also dies Wort .hort, empf angt darnit zugleich das erneuernde Pfropfreis
des Geistes (Ir. V, 10, 1). Von der %d()i, d'BOv diet Adyou da}Qov/.ievrj
spricht Hipp olyt (in Dan.- 1, 10, 4) und er stellt deni Wort, das aus Gott
hervorgegangen ist, an die Seite dm %weites Wort . . ., geboren aus den
Heiligen, bestandig die Heiligen gebarend, ivird es auch selbst wieder von
den Heiligen geboren (ib. I, 9. 8 cf. de antichr. 61). ^ Es ist die ,,gottliche
Lehre", die in der Seele die ,,geistliche Erkenntnis" hervorbringt
(WW. IE, 159). Christus selbst ist der Paradiesesstroin der Offenbaning,
der sicb in die vier Strome der Evangelien teilt und den Menschen das
Gesetz und dadurcb Siindenerkenntnis, und .,das Wort" und dadurch
,,Leben und Vergebung der Siinden" gibt (in Dan. I, 17, 11. 12). Das
sind irenaiscbe Gredanken, die sicb. aus der Grrundanschauung ergeben.
Christus .als die gottliche Offenbarung durchclringt mit der Lebenskraft
des Geistes, der die Glaubigen bewegt, das ganze 'Menschengeschlecht
und wirkt in ihnen das geistliche Leben, das das Gesetz nicbt wirken
konnte (vgl. Ir. Ill, 18, 7). Wie nun aber Hippolyt Christi Offenbarung
nur als Gesetzesoffenbarung bezeichnet (de antichr. 13. 59) oder von
Christus sagt: durch die beiden Testamente den Glauben zeigend, durch
das Gesete und Evanqelium (in cant. 11), so fallt vollends bei Tertullian
das ganze Gewicht auf die Mitteilung des neuen Gesetzes. Das Wort
ist sornit Gnadenmittel als Mittler des Geistes und Lebens, oder auch
als Ausdruck des gpttlichen Gesetzes. Je nach der Grundanschauung
wiegt dieser oder jener Gesichtspunkt yor, der Legalismus steht aber
der paulinischen Erkenntnis, clafi das Gesetz nur die Offenbarungsform
der niederen Stufe der Gesetzesreligion ist, im Wege.
24. Neben das Wort tritt die Taufe. Die Christenheit bildete
eine abgeschlossene Gemeinschaft. Der Akt, durch den jemand in diese
Gemeinschaft - aufgenonimen wurde , vermittelte ihin alle Gaben . dieser
Gemeinschaft. Es waren, nach der Idee des neuen Bundes, zwei: die
Siindenvergebung und die Geistmitteilung. So war es A r on alters her
bonum semper liabuit, ista, quod bonum sibi invenit; in ilia gratia, in ista virtus
coronatur. Quaedam enim Simt divinae liberalitatis, quaedam nostrae operationis.
Quae a domino indulgenttir, sua gratia gubernantur, quae ab homine captanhir,
studio perpetrantur.
1) Dieselbe Vorstellung in dem Schlufi der Ep. ad Diognet. 11, 4, dessen
Abfassung durch Hippolyt Bonwetscli Avahrscheinlich geinacht hat (Abh. der
Gott. Gesellsch. d. Wiss. Phil, hist, Kl. 1902 H. 5).
23*
356 14. Die Theologle der antiguostischeii Vater.
gewesen (vgi. S. 123). Alles, was die Christenheit an Heilsgaben besafi,
gab sie durch das Wort der Offenbarung und ebenso durch die Handlung
der Taufe. Mittlerweilen -war die Taufe in den gnostischen Kreisen
noit Bewufitsein den heidnischen Mysterien konform gestaltet und durch
verschiedene Akte erganzt worden (s. S. 243 f). Andrerseits war das
Bewufitsein der absoluten Differenz von Kirche und Welt in der Kirche,
die immer scharfer als eine Welt in der Welt 'sich darstellte, konkreter
geworden. Beides hat seine Wirkungen auf die Gestaltung der christ-
lichen Taufe ausgeiibt. Zu den alten Akten der Abwaschung und der
Handauflegung war .eine doppelte Olsalbung, und zu dein alten Glaubens-
bekenntnis war die Absage an den Teufel und seine Werke getreten. 1 )
Wenn nun die Taufe das Granze des Christentums dein Menschen
bringen sollte, so war es ganz verstandlich, dafi man friih angefangen
hat in ihr zusammen nut dein Abendmahl den Ertrag des Werkes
Cbristi zu erblicken. An dem Wasser und Blut, die aus Cbristi Seite
hervorgegangen, empfing dieser Gedanke seine anschauliche Form, wobei
das Blut auch atif die Bluttaufe des Martyriums gedeutet wird. 2 ) ,,Der
1) Utter deii Hergaug de? Taufe sind wir durch Tertull. de bapt. und die
Canones Hippolyti. deren Urgestalt in athiopischer Spraclie uns wieder zugauglich.
gewoi'deu 1st (s. E. y. d. G-olz, Die Taufgebete Hippolyts etc., in dei Ztschr. 1
KG. XXVII. 1 ff.). hinlanglich imterrichtet : Der Tanfling ineldet sich, gibt seinen
Namen an imd wird auf seine sittliclie Wiirdigkeit hin (cum confessione omnium
retro delictorum, Tert. bapt. 20) in Gegenwart der sponsores und ob er i,die Schriften"
gelesen, gepriift (Goltz S. 16). Am Morgen des Tauftages wird er mit 01 gesalbt, liber
das Fasten ini Hinblick auf die nach der Taufe stattfindende Eucharistie belehrt ; liber
Wasser und 01 werden Gebete gesprochen. Der eigentliche Taufakt schliefit in
sich die dTtorayrj, bei Tert. de cor. 3 init den Worten wiedergegeben : renuiitiare diabolo
et pomp'ae et angelis eius, Can. Hipp. 119: renuntio ttbi, o satana, cum omnipompa
tua (cf. Hipp, theoph. 10); sodann das Glaubensbekenntnis, das der Ta'uflmg spricht.
Es lautete nach Hippolyt (s. Goltz S. 38) : ,.ich glaube an einen Gott, den Vater iiber
alles, den Allmachtigen, an seinen einzigen Sobn uuseren Herrn Jesus Christus
und an den heiligen Geist, uiid an die Auferstehung des Leibes tincl die heilige
Versainmlung, die eiue katholische Kirche". Die gleiche Bekenntnisforniel scheint
Tertnll. vorauszusetzeu (s. de bapt. 6 : cum autem- sub tribus et testatio fidei et
sponsio salutis pignerentur, necessario adicitur ecclesiae mentio, quoniam iilii tres,
id est pater et films et spiritits sanctus, ibi ecelesia, qttae trium corpus est, cf.
de pud. 21). Die Taufe findet auf die Trias statt (Tert. adv. Prax. 26 fin. Iren.
epideix. 3). Die Salbnng init dem geweihteu 01 nncl die Handauflegung, beides
zitr Mitteilung des heil. Geistes . (Goltz S. 41. 42. Tert. de bapt. 7. 8). Dann
findet statt die Segmmg von Milch undHonig, sowie von Brot und Wein zum Zweck
der sich anschlieBenden ersten Koimntinion (Goltz S. 47. Can. Hipp. 144. Tert. : de
cor. 3 cf. c. Marc. I. 14. de resurr. 8. de pud. 9. Novatiaii adv. Jud. 10).
2) Vgl. Apollinar. bei Otto, Corp. apol. IX, 487. Melito ib. 418. Tert. de
bapt. 16. scorp. 6 cf. Ps. cypr. de mont. Sion et Sina 9. de rebapt. 14. Hippol.
WW. II, 96 -. Ebenso hat Christus seiner Gemeinde drei Dinge geschenlct* ndmlich
Die Taufe. 357
Yater der Unsterblichkeit sandte seinen unsterblichen Solan und Logos
in die Welt, der in den Menschen gekommen ist, urn zu waschen mit
Wasser und Greist" (Hipp, theoph. 8). Dabei .bleibt es, gernafi der
Doppelseitigkeit des Werkes Christi oder des neuen Bundes, bei der
doppelten Besthnmung der Wirkung der. Taufe. Einerseits wascht das
"Wasser die Stinden ab , andrerseits wird durch die Handauflegung
und Salbung der heil. Greist der "Wiedergeburt mitgeteilt. Der Glaube
untenveist uns %u gedenken, daft wir -die Taufe emp fane/en haben %ur
Vergebung der Siinden im Namen Gottes des Voters und im Nainen
Jesu Christi ... und im heiL Geist Gottes, und daft diese Taufe das
Si eg el des eivigen Lebens sei imd die Wiedergeburt in Gott
(Iren. epideix. 3). Beides zusanrmen ist die Grabe Cbristi oder dann
der Taiife. 1 ) .
Nun redete man aber seit Paulus von deni ,,Bad der Wiedergeburt",
Man war dadurcb genotigt die iirspriinglicn so einfache Ordnung ^-r
durch Wasser Vergebung, durch- Handauflegung und Gebet der heil.
Greist immer naehr zugunsten der Wassertaufe zu verschieben, oder
den Greist mit dem Wasser zu konibinieren, ihn in das Wasser hinein^
zubringen. TJnd das niufite xini so mehr geschehen , als die Taufe
eben der Akt niit dem Wasser war, und als die zeitgenossische Mysteries
praxis die Wirkung der hiramlischen Krafte gern an sinnliche. Dinge
band. .
Zunachst indessen besteht die alte Verbindung, . wie wir sie in der
alteren Zeit haben, fort. Die Verbindung der Taufe mit der Lehre
und dem Bekenntnis ermoglichte das. So betrachtet macht die Taufe
das in e i n e m Akt zu einer lebendigen seelischen Realitat , was der
semen Leib, sein Blut und die Taufe. Tertull. de bapt. 11 : efficacia lavacri per
passionem et resurrectionem domini.
1) Die Taufe ist TO v^te^ dcfeascos UJUU^TUOV y.al sis Avayevvrjoiv AOVTOOV
(Justin. Ap. I, 66). Sie ist Abwasclrang zur, Vergebung (Just. Dial. 44), und die
Getauften sind '/.aivo^oir^Emss Sia tov X^iamv (Ap. I, 61), die Taufe ist
tpcoTiafios &>& cpWTi&fiei'cov tr-jV Siavoiav rcov Ttdvta fiavd'avovicov (Ap. I, 65), der
Getaufte ist telstos yevdpevos (Dial. 8), &yi<p TtfEfyiart, pefiattiaftevos (Dial. 29).
Die Alenschen empfangen diirch die Taufe fieTdvoiav v.al licpeaiv afiaorimt' Sia
vSaros y.cd i.ovrgov itahvysvEaias (Theophil. ad Autol. II, 16). Iren.- epideix. -41:
Seelen und Leiber durch die Taufe des Messias und des heil. Geistes reinigen. ~
Tertull. de bapt. 10: ware Johannes Taufe hiinmlisch gewesen, so hatte sie ge-
.geben-et spiritum sanctum et remissionem delietorum, aber seine Taufe war
quasi canditatus remissionis et sancfificationis in Christo svhsecuturae. Hippol.
(bei v. d. Goltz a. a. 0. S. 22) : wasche sie mit Wasser und lehre sie durch den
heil. Geist. Ibid. S. 47 : durch Ghristus Jesus unseren Herrn, den du gegeben
hast mitzuteilen den heil. Geist und das Bad zur Vergebung der Silnden.
Vergebung und 'Wiedergeburt s. auch Clem. Horn. 7, 8 cf. 8, 23.
358 14. Die Tkeologie der antignostiscken Vater.
Menscli zuvor gelei-nt hat. Sie 1st Wiedergeburt und (jpcuTttfjUOg und
zwar a)g rpa)rio(.iev<j<)v TIJV didvoiav T&V tavra (.iccv&avovcwv
(Justin. Ap. I, 65). Die Christen erkennen Ohristus und empfangen
Siindenvergebung (Just. Dial. 44 fin.). "Was anfangsweise und als
Verlangen in ihnen vorhanden war, das wird jetzt vollendet und sie
werden dadurch rekeioi 1 ) (ib. 8). So hat auch noch Irenaus sich
die Sache vorgestellt. Der Regen von oben macht uns lebendig.
Corpora enitn nostra per lavaerum illam (!), quae est ad incorruptionem,
^lnitatem } accepenmt, aniinae autem per spiritum. Wie das samaritische
Weib so einpfangt man Christus , der in sich den Quell , der zuin
ewigen Leben sprudelt, hat (III, 17, 2). Der Name Christi und der
Geist Gottes, wie sie hier dem Menschen zuteil werden, retten (V, 11, 1). 2 )
Christus stellt also durch das ,,Bad der Wiedergeburt" dem Blinden
das Gesicht und deni sixndigen Menschen sein ursprungliches Wesen
wieder her (V, 15, 3), 3 ) und das geschieht durch den Geist, der arrha
incorruptelae et confirmatio fidei nostrae et scala ascensionis in deum ist
(III, 24, 1). Das Eigentumliche dieser Anschauungsweise besteht darin,
dafi die Taufe in engem Zusammenhang zu der ganzen Heilsokonornie
oder zu deni "Wirken Christi und des Geistes im Wort steht. Sie
bietet nichts Besonderes, keine ,,materia coelestis", wie die spatere Dog-
matik sagt, dar, sondern sie ist eine besondere Form des gottlichen
Heilswirkens, sie befestigt das, was die Herzen im Glauben empfangen
haben , und sie macht das , was man bisher gehort hat und was in
einzelnen Regungen das Herz bewegte, zum festen Besitz, zum dauernden
Licht der Seele. Die Yerheifiung wird durch sie zur Erfiillung, die
1) Der Sinn, der Bezeicknung des Getauften als tshios hat ursprimg-lick,
und so auch bei Justin, nichts zu schaffen rnit der Mysterienterminologie. leisiog
ist der Getaufte, sofern er nicht inehr den kindischen Sum hat, der der Milcli der
KatechumenenleLre bedarf, er ist eiu erwachsener reifer Mensch geworden. S.
hierzu 1. Kor. 14, 20: 2, 6. Eph. 4,. 13. Kol. 1, 28, fees, aber Hebr. 5, 13. 14 cf.
1. Ptr. 2, 2. So dann auck Did. 6, 2 : si ftsv yap Svvaaat paardaat iftov tbv Zpybv
tov y.vQiov, Tefaiosjear]. Ignat. Epll. 15, 2 : 6 ).6yos 'fyoov f.sy.rrjfiefos . . ., tva reAeios ij.
Didascal. 10: Das Wort lioren . . ., bis sie das Siegel empfangen und vollkommen
werden. Von diesem G-esichtspunkt aus Avird sick auck die Bezeicknung Ckristi
Hbr. 12, 2 als rfjs Tiiatscos doy^ybs xal Tslsiotijs erklaren, er ist jenes durck das Wort,
dieses durck die Taufe. Tiber die versckiedenen Bezeicknungen der Taufe s. bes.
Clem. Paedag. II. 6.
2) Vgl. dazu obeu S. 121 ; ebenso altertiimlick ist die Anwendung der arrha
auf die Taufe Ir. Ill, 24^ 1 ; s. auck epideix. 3 : daft diese Taufe das Siegel des
eivigen Lebens sei und die Wiedergeburt in Q-ott.
3) Vgl. das Frag. b. Stieren I. 846: ol heTtqol OVTSS lv rais afiapriais St&
TOV ayiov vSaros '/MI ifjs TOV xvgiov sTnyJj'joecos y.adaot^Of.ied'a TOW nal.a.iwv TTaouTtTm-
v, 6)s TtaiSin vsoyovu TtvsvfiaTix&s uvayevvcbfiEvoi Hack Jok. 3, 5.
Der Qeist und das Taufwasser. . 359
Anfange des Lebens werden zusammengefafit zur Einheit und zum
dauernden Anfang eines neuen nach oben gerichteten Daseins. Was
imnier der Geist welter in der Seele wirkt, ist nur eine Ausfuhrung
dessen, was der Seele durch den Eintritt in die Gemeinde wurde. Um
dies zu verstehen, mufi man sich gegenwartig erhalten, dafi die Taufe
den Abschlufi der c'hristlichen Lehre und den Beginn des Christen-
lebens darstellt, und dafi durch sie der Christ unter alle "Wlrkungen
jener Gemeinde, in der der heil. Geist waltet, konimt. Die Einmalig-
keit der Taufe und ihr Charakter als ein besonderer Akt ermb'glichten
es, ihr in dem grofien Zusammenhang der Okonomie Christi und seines
Geistes diese Bedeutung mit psych ologischer und religioser "Wahrheit
beizulegen. Hier war noch nichts von magischen Wundern, sondern
die "Wahrheit kaui zum. Ausdruck , dafi der Katechumene . die Ver-
gebung und die Gnadengegenwart Gottes, auf die man ihn hoffen
gelehrt hatte, hier wirklich zu schmecken bekam und dafi es fortan
die namliche Gnade war, die durch das Leben der Gemeinde auf ihn
einstronite. .
Aber die Vorstellungen von der Taufe haben in unserem Zeitalter
eine neue Wendung genommen, die die Lehre der Eolgezeit . bestimmt
hat. "Wir finden sie bei Tertullian wie bei Hip poly t. Es handelt
sich dabei urn die Frage, die in der jZusammenstellung ~\V a s s e r und
Geist liegt. "Wir horten schon, dafi Tertull. im Anschlufi an die
Stoiker sich den Geist als eine feine inaterielle Substanz vorstellte.
Diese Yorstellung wendet er atich auf die Damonen. an. Ihre subtilitas
et tenuitas befahigt sie. sowohl in die Seele als den Leib des Menschen
einzudringen , hier . wirken sie dann krankniachend oder erregend
(Apol. 22), voni Teufel geht eine oeculta, inspimtio aus (ib. 27). So ist
nun auch der gottliche Geist ein ten&rum et delicatum, das vorsichtig
behandelt werden mufi, da es durch Erschutterungen der Seele leicht
verloren geht (de spect. 15). Das Gute im Menschen entsteht durch
die gratia divinae inspirationis (de pat. I). 1 ) Gemafi dieser Grund-
anschauung findet auch bei der Taufe eine Heiligung des Wassers durch
den Geist so statt, dafi das Wasser, iiber dem schon bei der Schopfung
der Geist schwebte, die heiligende Geistkraft gleichsam einsaugt. 2 )
1) Vgl. Loofs DG. 4 S. 161
2) de bapt. 4: suliecta quaeque materia eius quae desiqw imminet qiiali-
tatem rapiat, necesse est, niaocime corporalis spiritakm, et penetrare et insidere
facilem per siibstantiae suae subtilitatem. Ita de sancto sanctificata natura
aquarum et ipsa sanctificare concepit. Igitur omnes aqiwe . . . sacramentum
sanctificationis consequuntur invocato deo. Supervenit enim station spiritus de
caelis et aquis .superest sanctificans eas de semetipso, etita sanctificatae vim
sanctificandi cotnbibunt.
360 14. Die Theologie der antignostisclien Vater.
Ahnlich .spricht Hippo lyt von der Erfiilhmg des Wassers mit "Gelst. 1 )
Eine Vorstellung, die der Gnosis gelaufig war (oben S. 245 A. 1), ist
damit in die Kirchenlehre iibergegangen.
Indessen ist die Sache, bei Te'rtullian wenigstens, noch keineswegs
konsequent durchgefuhrt. Yielmehr schlagt die uralte Anschauung von
der doppelten Taufe init Wasser uncl Geist wieder kraftig durch.
Nach Joh. 5, 4 bewegt ein Engel das Wasser, und nach der Taufe
Christ! durcli Johannes folgt erst auf die Wassertaufe die Herabkunft
der Taube des heil. Geistes. Geinafi cliesen Vorbildern denkt sich Tertull.
den Tauf vorgang so : der Taiif erigel bewegt und heiligt das Wasser, er
teilt ihm die Kraft mit die Siinden abzuwaschen xind er bereitet dadurch,
wie Johannes, den Menschen vor zum Enipfang des heil. Geistes. Der
,,heiligste Geist" selbst aber kommt erst durch die Handauflegung uncl
auf die Bitte des Taufers hin in den durch das- Wasser von den Siinden
innerlich Gereinigten. 2 ) Non quod in aquis spiritum sanctum conse-
quamur. sed in aqua emundati sub angelo, spiriiui sancto praeparamur
(de bapt. 6). AVie es die 'Form des Eitus an die Hand -gab (oben
S. 356 A. 1), sind somit zwei Akte in der einen Taufe zusammengefafit.
Fiir den einen Akfc bringt der Engel eine heiligende Kraft in das
Wasser und diese macht frei von der Siinde. Der andere Akt lafit
durch Gebet und Handauflegung den heil. Geist selbst in den Menschen
einziehen. Dem- doppelten Akt entspricht der doppelte negative
und positive ' Effekt (oben S. 357 A. 1). Der Mensch wird frei
von der Siinde und er empfangt den Geist. Aber die Befreiung von
der Siinde gewinnt in dieseni Zusanimenhang einen neuen Charakter.
Es handelt sich nicht mehr urn das geistige Erleben der Gnade Gottes,
sondern aim eine durch eine . materiell-geistige Kraft gewirkte reale
Ausstofiung der Suncle, es ist ein spiritalis effectus, quod delictis liberamur,
eine ablutio delictorum im realen Sinn (de bapt. 7. 5. 6). Indem aber
die Siinde vernichtet ist, ist zugleich -die' Befreiung von Schuld und
1) Hippolyt. Canon. (Goltz S. 22); jetzt nun beivege dieses Wasser und fiille
es mit deinem heil. Geist, daft es loerden moge Wasser und Geist zur Wieder-
geburt. Segeai Jacobs 18, 3 (Bomvetsch. Georgisehe Schriften Hipp. S. 30):
als er aufstieg aus detn Jordan, reinigte er das Wasser und schenkte ihm die
Gnade des heil. Geistes. In theoph. 8 : rovro 8s eam> to vSco<i TO . tig Ttvefyian
v.owiovovv . . ., Si oi> avayew)>cbfisvos: ^ajoyovelrai, &V&OCOTHOS.
2) Tertull. de bapt. 4': medicatis quadammodo dquis-per angeli interventiim
et -spiriius in aguis corporaliter dihiitur et caro in eisdem spiritalitermundatur;
5: angelnm dei sanctum aquis in salutem hominis temperandis adesse cf. Job. 5, 4;
6: in aqua emundati sub angelo spiritid sancto praeparamur . . . Sic enim
loannes ante praecursor domini fuit praeparans vias eius. Ita et angelus bapiismi
arbiter superventuro spiritui sancto vias dirigit ablutione delictorum, quam fides
Wasser- mid Geisttaufe. 361
Strafe eingetreten.^) Ein Stiick des stoiscben Materialismus 1st in die
cbristlicbe Lebre eingefiibrt. .
Aber Tertullian liat trotzdera die geistige Anscbauung , die die
iiberlieferung darbot, aufrecbt zu erbalten versuclit. Der bekannte
Grlau.be ist es, der die Vergebung der Siinden erbalt. Vater, Sobn und
Geist sind sowobl die Scbiedsricbter des Glaubens, als aucli die Biirgen
des Heils durcb die Geistmitteilung. 2 ) Die Taufe bringt somit die
Heilsvorbereitung zur Vollendung: denV Glaubenden wird die Siinde ab-
gewascben und wird 'der Geist niitgeteilt. Aber freilicb der Geist"
ist eine irgendwie materielle Kraft, die die Siinde zerstort und ein
neues Leben. inspiriert. Der Geist ist die s'ubstant'ia baptismatis
(de pud. 9). Der geistige Prozefi findet seinen Abscblufi in einer
pbysiscben Tlnrvvandhmg des Menscben. Die innere Heilsgewifibeit wird
dadurch zu einer durch aufiere Akte gewirkten Sicberbeit.
Aber iminerhin wurde gerade durcb. die Trennung der Geistmit-
teilung von der Wassertaufe der " religios-geistige Cbarakter der Taufe
nocb zur Geltung gebracbt. Aber dieser Zug konnte sicb auf die
Dauer nicbt erbalten. Es niufite allmablicb das Taufwasser zuna Trager
der ganzen , sowobl der positiven als der negativen, Geistwirkung
werden, und die Handauflegung zu eineni Anbangsel der Eeier werden.?)
Das ,,Bacl der "Wiedergeburt" wascbt mit "Wasser und Geist und dadurcb
wird der Menscb zur TJnsterblicbkeit der Seele und des Leibes wieder-
geboren. So wird der Menscb durcb Wasser und Geist ein Gott, d. b.
unsterblicb und der Sobnscbaft und des Erbes Cbristi teilbaftig (Hippolyt.
tbeopb. 8. 10). 4 ) Iin Anscblufi an die Praxis der Mysterien bat
impetrat obsignata in patre et filio et spiritu sancto. Ib. 7 : ipsius baptismi
carnalis actus, quod in aqua mergirmir, spiritalis effectus, quod delictis liber amur;
8 : Dehinc maiius imponitur, per benedictionem advocans et invitans spiritum
sanctum .... Tune ille sanctissimus spiritus super emundata et benedicta
corpora libens a patre descendit . . . Emergenti de lavacro post vetera delicta
columba sancti spiritus advolat. . .
1) de bapt. 5: deleta morte per ablutionem delictorum, exemto soil, reatit
eximitur et poena.
2) de bapt. 6: . . . ablutione delictorum, quam fides impetrat obsignata
in patre et filio et spiritu sancto. ... Habetmis per benedictionem eosdem
arbitros fidei, quos et sponsores salutis. De paen. 6: lavacrum illud obsignatio
est fidei, quas fides a poenitentiae fide incipitur et commendatur ... Haec enim
prima audientis intinctio est, metus integer. De pud. 9: fidei pactionem interro-
gatus obsignat.
3) Aus ihr ist spater ein besonderer sakramentaler Akt die Confirmatio
geworden. .
4) Dabei trittimmer noch die alte Doppelheit der Tanfe liervor, s. z. B. das
Gebet Hippolyts bei v. d. Goltz a. a. 0. S. 22. wonach das Wasser mit heiligein
362 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
dann Clemens von Alexandrien stark betont, dafi in dem Tauf-
moment dem Menschen sofort Vollendung, .Gnade und Eiieuchtung im
VollmaB zuteil werde, denn es sei Grottes Art vollkommene Gaben zu
spenden. 1 ) Die , zauberbaf te Vorstellung, die bier vorliegt, wird aucb
dadurcb nicbt gemildert, dafi Clemens den Taufunterricht mit dem
Glauben in Beziebung bringt, da erst zugieicb mit der Taufe der
Glauben inneiiicb gelebrt werden soil. 2 )
Die lebrbafte Auffassung der Taufe bat nni die "VVende des 2.
und 3. Jabrbunderts eine erbeblicbe !Fortbildung erfabren. Dieselbe
bestebt in folgenden Punkten: 1) der durcb die stoische Geistlebre
veranlafiten Materialisierung 'der Taufgnade, man denkt an eine sub-
stanzielle Gnade, die die Siincle austilgt und den Menscben mit neuen
Kraften erfullt. 2) Auf der Babn des Paulus und Jobannes fort-
gebend , wird die Taufe als e in Akt aufgefafit , der Simdentilgung
und "Wiedergeburt in einem durcb das gebeiligte "Wasser wirkt. 3) Im
Anscblufi an die neuplatoniscbe Anschauung beginnt man den Taufakt
als magiscb-geistige Eiieucbtung, als Scbaffung des Grlaubens im Menscben
zu deuten. Die beiden ersten Punkte weisen auf die abendlandiscbe
Tauflebre bin, der dritte babnt die morgenlandiscbe Entwicklung an.
Aber bier wie dort beginnt die Taufe ein Mysterium zu werden. Die
alte Auffassung, dafi die Taufe das abscbliefiend gibt, was man anfangs-
.\veise durcb die Tauflebre empfangen bat, fangt an zuriickzutreten
gegen die Deutung der Taufe als eines scblecbtbin neuen Wunderaktes,
der den Menscben umwandelt. Das psychologiscbe Wunder wird durcb
das pbysiscbe "Wunder verdrangt. Damit war aber eine neue Be-
tracbtungsweise angebabnt. Die Taufe wird zu einem. besonderen Sakra-
ment. Dogniatiscbe Reflexionen fassen sie isoliert als solcbes auf,
Geist gefiillt Avird, aber erbeten wird : ,,wasche sie mit Wasser und lehre sie durch
den heil. Geist". Nocli Cyrill von Jems, halt es fur no'tig stark .zu betonen,
daB die Taufe niclit nur die Siindenvergebung, sondeni auch die Gnade des Geistes
gewahrt (Oat. inyst. 2, 6). Er dritckt die spatere Anschauung klar aus, wenn er
bei der Untertauchung in das Wasser den Menschen in demselben Augenblick
sterben imd geboren werden lafit, sodafi das Wasser ihm Grab mid Mutter zugleich
wird (ib. 2, 4).
1) Paedag. II, 6: &va.yevvr]d'EVTss yovv siid'ecos TO releiov &7teiM]yauEv . . .,
ecpcoria^fisv ydf) . . . Telstovtcu Se rep l.ovtqcp fiovov xai rov TtpstifiaTOs vfj y.
ayid&zcu. -T- . fPcotiofie is dn:j]h),atrat fief rt a g a % q fj fi a 'rov
aTtBilrjcp s v Se avio&EV rb cpcos. 01 fiaTfri^ofievoi. ras sTtiaaorovaas
tcij d'slco TtvevfictTi . . . cKtOTQEydiiEvoi s/.evd'eQOV '/.al dvefinoSiaiov xai tponetvbv
dfifia tov 7iVBTjf.ia.TOs ea%ofiev, co s (.tovco TO ftslov EitoTtrsvofiev, oiiQavo&Ev ejtsiopEot'-
TOS fjfiiv TOV ayiov TtvevfiaTOS-
2) Paed. II, 6 : f] fiev yu^ xanjy^ais BIS nlanv TiEQidyEi,, Titans de &ua fiamio-
TiaiSsvETai tr
Fortbildungen in der Tauflehre. Die Kindertaufe. 363
kirchenrechtliche Bestinimungen regeln ihren Vollzug. Was einst ein
Glied in der religiosen Erziehung war, wird jetzt zu dem einen groflen
"Wunder des Christenlebens.
Die kirchenrechtliche Betrachtungsweise, die in unserer Zeit die
Kirche gegen die Grnosis sichern will, erstreckt sich auch auf die Taufe.
Die Taufe durch Haretiker wird fur ungiltig (Tert. debapt. 15), die
Johannestaiife als vorbereitende Zeremonie erklart (ib. 10). Schon
Ignatius hatte gemahnt sich von deni Bischof taufen zu lassen, Terfcullian
sieht ebenfalls den Bischof fur den berechtigten Taufer an, der aber
auch Presbyter und Diakonen dazu autorisieren kann. Doch wird auch
.den Laien das ,,Recht" dazu nicht abgesprochen. Indes ist die Ordnung
der Kirche in Acht zu behalten (ib. 17). Die Taufe fangt an zur
Stabilierung der Autoritat und Macht des Kirchenamtes verwandt zu
werden. 1 )
Noch eins ist hervorzuheben. Die Kindertaufe ist in unserer
Zeit in Anwendung gekomnien. Aber sie ist nicht Kegel gewesen. Ein
Mann wie Tertullian hat sie fur gefahrlich gehalten und vor ihr gewarat.
Die Idee, dafi die Taufe die Siinden wegnimmt und der Gretaufte ein
siindenreines Leben f iihren solle, macht das ,verstandlich, man erinnere
sich der Jugendgeschichte Augustins und der Hinausschiebung seiner
Taufe. 2 ) Irn ganzen kann man sagen, daB erst seit dem 4. Jalirhundert,
d. h. seit die Kirche Volkskirche wird, die Kindertaufe feste Sitte wird.
!Nur in der Volkskirche ist die Kindertaufe durchzuf iihren, die Missions-
1) Vgl. Didascal. 9 : ehret aber die, die euch von den Siinden befreit haben,
die euch von neueni durch das Wasser gezeugt, die euch mit dem Mil. G-eist er-
fiillt haben, die eucli mit dem Wort ivie mit Milch groftgezogen, die euch durch
die Lehre erbaut, die euch durch die Zucht gefestigt haben und an der heiligen
Eueharistie Gottes euch. haben teilnehmen lassen und euch zu Teilhabern und
Miterben der gottlichen Verheifiung gemacht haben.-
2) Von der Kindertaufe spricht Iren. IT, 22, 4: omnes, qui per eum renas-
cuntur in deum, infantes etparmdos etpueros et iuvenes et senior es. Origenes
iu Bom. comm. V, 9 (Loinm. VI, 397) : ecclesia ab apostolis traditionem suscepit
etiam parvulis baptisnmm dare. In Lev. horn. 8. 3 : secundum ecclesiae obser-
vantiam etiam parmilis baptisimim dari. In Lvic. honi. 14 : et quia per baptismi
sacramentum nativitatis sordes deponuntur, propterea baptizantur et parvull.
Tertull. debapt. 18: pro cuiusque persona sacramentum condicione ac dispositione.
etiam aetate, cunctatio baptismi iitilior est, praecipue tamen circa parvulos. Quid
festinat innocens aetas ad remissionem peccatorum? Cautius agetur in saecu-
laribiis, ut cui substantia terrena non creditur, divina credatur. Norint petere
sahitem, ut petenti dedisse videaris ... Si qui pondus intelligant baptismi
magis timebunt consecutionem quam dilationem. S. aucn Cyprian, ep. 64, 2. Zu
beachten ist, daB auch bei den keidnischen Mysteries Kinder eingeweiht Avurdeu,
s. An rich, Das antike Mysterienwesen etc. S. 55. Vgl. zu der ganzen Frage
Sachs se, Die Lehre von der kirchlichen Erziehung, 1897, S. 92 ft
364 14, Die Theologie der antignostischen Yater.
kircke ermangelt der sittlicken Vorbedingungen fur sie. Wie sick da's
Taufinstitut keratisgebildet katte, war es nur ein Zeicken religiosen
Taktes, daB man zauderte es auf die Kinder anzuwenden. -Aber es
ist spater, so wie es war, mit alien Gaben und Eorderungen, die es
umfaBte, auf die Kinder iibertragen worden. 1 ) Die Ziige des antiken
Mysteriums, die sick der Taufe allmaklick angekeftet batten, sind da-
durck versteinert worden. Ein grofier Teil der Prablenie, die die Taufe
nock beute der Kircbe aufgibt, ist daraus erwacksen, daB man die alte,
fur Erwacbsene zurecktgemackte, Taiifinstitution ungeandert als Kinder-
taxife fortbestehen liefi.
25. Von alters her- waren Bufie und Taufe miteinander verbunden.
Zwei Anscbauungen standen sick gegeniiber. Nack der einen beginnt
mit der Taufe das Leben der Bufie, nack der anderen sollte die Bufie
mit der Taufe abscbliefien, ein siindenfreies Leben soil folgen. Freilick
bleibt es bei den taglicken kleinen Stinden, fur sie soil das Gebet Yer-
gebung sckaffen. Aber auck die rigoristi'sche Praxis katte eine einmalige
zweite BuBe zugestanden. So war in Rom, dort wo starke jiidiscke
Traditionen und die romiscke Ansckauung YOU der recktlicken E,eligions-
disziplin sick miteinander vereinigt katten, das BuBsakrament entstanden
(vgl. oben S. 126 f .). Die Kircke kat es nickt fallen lassen und die gnostiscken
Kreise katten es in ikrer Weise ausgepragt (oben S. 243). Im sittlicken
"Wettstreit mit der keidniscken Welt konnte die Kircke sie in doppelter
Weise iiberbieten: sie konnte eine Gremeinde der ,,Heiligen" kerstellen,
deren Grlieder die Bufie nur irn Hinblick auf ikre keidniscke Vergangen-
keit brauckten, und sie konnte die ' Reinigungsniittel des Heidentums
ubertreffen durck eine BuBe, die sicker und prompt die Heiligkeit ikrer
Grlieder, auck wenn sie einrnal verletzt war, wiederkerstellte. Wie stark
das Bedurfnis kiernack war, zeigen TJnternekmungen wie der Elkesaitis-
mus und die BuBreklame des Alkibiades (oben S. 207). Es war in den
Yerkaltnissen der immer weiter sick ausbreitenden Kircke begriindet,
daB sie im Prinzip die BuBe beibekielt und immer mekr zu. einem
Institut ausgestaltete , daB aber andrerseits kinsicktlick der grobsten
Stinden sick auck Bedenken erkoben. Es ist spater davon zu reden.
Es katte sick Einkeit darin kerausgebildet, daB der Ckrist fiir die
geringen Siinden private BuBe tun sollte, und dafi fiir grobe Siinden ikm
eine besondere kircklicke Institution kelfen solle. Aber der Sinn und
der Zweck dieser konnte versckieden verstanden werden ]'e nack der
1) s. z. B. Cyprian, ep. 6i, 3: esse denique apud omnes, sive infantes sive
maiores natu, imam divini muneris aequalitatem declarat nobis scriptume di-
vinae fides.
. Versehiedene Anschauuugen von der BuBe. 365
Grundanschauung von der Religion. Dachte man das Christentum als
die go'ttliche Neugestaltung durch Ghristus, so empfing die Bufie einen
padagogischen Charakter, uni des Menschen willen, zur Brechung der
Macht der Siinde wird sie vollzogen. Dachte man dagegen die Religion
als Rechtsverhaltnis, so wurde die Bufie zu der Gott fur die Siinde
schuldigen Satisfaktion,- um der Ehre Gottes willen, als Aufhebung der
Schuld .der Siinde ist sie notig. Das sind die Ausgangspunkte der
griechischen und der lateinisclien Bufitheorie. Mit ihnen hangt auch. die
Wahl der Person, vor der man beichtet, zusammen, fiir den Abendlander
ist es naturgeinafi der Priester, fiir den Morgenlander jede in geistlichen
Dingen -besonders erfabrene Person. Schon bei Clemens und ebenso bei
Origenes tritt die morgenlandische Anschauung klar bervor. "Wie der,
welcher sicb den Magen verdorben bat, meint Origenes, dadurcb Er-
leichterung gewinnt, dafi er die schadlichen Stoffe von sicb gibt, so soil
der Siinder sicb durch Bekenntnis seiner Siinde Erleichterung verschaffen,
aber er soil nur vor einem sachkiindigen Mann sein Bekenntnis aus-
sprechen, der ibn eventuell zu einem offentlichen kirchlichen Bekenntnis
veranlassen wird. Das Ziel ist, dafi der Siinder gebessert werde. 1 )
In unserem Zusammenhang handelt es sich aber um die andere
abendlandische Anschauungsweise, die Tertullian in seiner Schrift
de paenitentia scharf und klar herausgearbeitet hat. Der Siinder, so
sahen \vir S. 353, verdient sich durch die Bufie vor der Taufe die Tilgung
und Yergebung der Siinden in der Taufe, diese Bufie und die Taufe
hangen eng zusammen, sodafi die Furcht vor der Taufe als die erste
Eintauchung bezeichnet wird. Die erste Halfte der Schrift Tert. handelt
nur von dieser ersten Bu6e (cf.de pud. 9). Durch sie gewohnt sich der
Mensch an die Furcht ,vor Gott. Diese oder die Bufigesinnung wird
ein dauerrider Besitz seiner Seele (de paen. 6 in.). N a c h der Taufe soli
sich der Mensch nun von Siinden rein bewahren. Er soil nicht auf die
zweite Bufie rechhen, wie auch der einmal in einem Schiffbruch Gerettete
nicht wieder. sich auf das Meer wagen wird. Nun sucht aber der Teufel
gerade die Getauften wieder in Siinde zu stiirzen (7). Die Siinde ist
aber eine Beleidigung Gottes, und Gott niufi als Gesetzgeber sein Gesetz
aufrecht erhalten. Daher ziirnt er dem Siinder und strait ihn : si offen-
ditur, debet irasci (c. Marc. I, 26 ; exh. cast. 2 ; ad ux. II, 7). Der Siinder
wird daher von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. 2 ) Aber in
1) s. Orig. in ps. 37 h. 2; in Lev. h. 5, 4; auch Theophil. in Autol. II, 26;
Tgl. Steitz, Die BuBdiszipliu der morgenland. Kirehe in Jahrb. f. deutsche Tbeol.,
1863, 91 ff. Ho 11, Enthusiasmus und BuCgewalt beim griech. Monchtum,. S. 225 ff.
2) Apol. 39: iudicatur magtio citm pondere . . ., si quis ita deliquerit, ut a
communieatione orationis et conventus et omnis sancti commercii relegetur.
366 14- Die Theologie der antiguostischeu Vater.
seiner viiterlicben Giite hat Gott clem Sunder noch eine zweite BuBe
bereitgestellt. Aber nur tun eine zweite Bufie handelt es sich dabei. 1 )
Dieselbe scheint sicb. auf alle Siinden erstrecken zu konnen. 2 )
"Worin bestebt nun diese BuBe ? Sie fafit in sicb ein paenitere ex animo,
eine confcssio delictorum und eine Gott dargebrachte satis factw, wie am
Beispiel des veiiorenen Sobnes nachgewiesen wird. Nicht nur ein innerer
Vorgang soil es sein, sonclern er soil sicb aucb in Taten zeigen. Ersteres
fafit man nun in dem. griecbiscben Wort Exomologesis zusammen. Das
Bekenntnis aber bereitet die Genugtuung vor, 3 ) darauf konimt es zu-
hochst an. dafi Gott fur die ibm angetane TJnebre Satisfactio wird.
Diese Bufie besanftigt Gott, sie ist ein ibm dargebracbtes Opfer. 4 ) Der
1) de paeii. 7: callocavit in vestibulo paenitentiam secumlam, quae pul-
santibus patefaciat; sed iam semel, quia iam secundo, sed amplius nunquam, quia
proxime frustra. Non enim et hoc semel satis est? Habes quod iam non mere-
baris ... Si tibi indulgentia domini accomodat, wide restituas quod amiseras,
iterate beneficio grains esto . . Mains est enim restituere quam dare, quoniam
miserius est perdere quam omnino non accepisse.
2) Unter den Simden, fiir die die Sendschreibeu der Apok. zur BuBe auf-
fordern, werden auch stupnwn, idolothytorum esus, docentes perversa etc. ange-
fiihrt, de paen. 8. .
3) de paen. 8: si paeniteat ex animo . . ., si patrem repetas vel offen-
sum. Tantum relevat confessio delict-orum, quantiim dissimulatio ex-
aygerat. Confessio enim satisfactionis consilium est, dissimulatio contu-
maciae. Ib. 9: ut non sola conscientia praeferatur, sed aliquo etiam actu ad-
ministretur. Is actus, qui magis Graeco vocabulo exprimitur et frequentatur, ex-
omoloyesis est, qua delictum domino nostrum confitemur, non quidem ut ignaro,
sed quatenus satisfactio confessione disponitur, confessioiie paenitentia nascitur
paenitentia deus mitigatur. de or. 1 : exomologesis est petitio veniae, qua qui
petit veniam delictum confitetur.
4) Folgende Wendungen Tertnllians veranschaulichen seine. Gedanken:
paenitentia deus mitigatur 9; lit deum reconciliem, quern delinquendo laesi 11;
offendisti, sed reconciliari adhuc potes 1 ; domino offenso satis facere 10. 11. 5. 8 ;
per delictorum paenitentiam domino satisfacere 5 ; paenitentia domino immolare
(cf. de resurr. 8, wo dies Opfer anf Taufe und 'Abendmahl. folgt). De pud. 9:
satisfacto (patri) redit. De or. 23 : deprecamur et satisfacimus deo. Der Hauptbegriff
ist satisfactio. Ps. Asconius zu Cicero (in Veir. act. 2, 1, 1, 79) deimiert : satisfacere . . .
tantum facere quantum sit irato ad vindictam. In der Eechtssprache be-
zeichnet die satisfactio die Erfiilhmg einer Verpflichtung z. B. durch Be-
zahhmg, die Abfindung des Gflaiibig'ers, endlich die reparatio iniuriae. wie z. B.
propter f acinus satisfacere poend, oder verberandum exhibere servum, ut ita satisflat
ei, qui iniuriam passus est (s. die Belege beiHeumann, Handlexikon d. Quellen
d. rom. Eechtes, 9. Aufl., S. 527). Satisfactio kann daher auch die Bitte urn
Vergebung (so im Frg. des Hebr.-Ev. bei Hieron. c. Pelag. Ill, 2), die Verteidi-
gung (2. Tim. 14, 16 = uTto^oyia) sein, . Tert. de pat. 3 gebraucht es ; auch Ton
der Heilung des Ohres des Malchus etc. Uber den juristischen Sprachgebrauch
s. noch Brissonins, De verborum significatione ed. Heineccius-Bohmer, Halle 1743,
Tertullians Bnfitheorie. 367
Mensch soil sich alles irdischen Genusses enthalten ; indem er so die
zeitliche Strafe seiner Siinde tragt, tilgt er die ewige Strafe aus. 1 ) Die
Vergebung wird ihm dann von der Kirche ausgesprochen Ein faetum
sakitare ist die Bufie (10), 2 ). die Planke zur Eettung des Schiffbriichigen
(12 cf. 7. 4). Ihr Motiv ist die Furcht vor den Hollenstrafen (12).
Das ist eine in sich zusammenhangende Anschauung, die sich auch
der Gesamtanschauung Tertull. einordnet. Gott ziirnt dem Sunder, aber
er gewahrt ihm noch einmal die Moglichkeit sein TTnrecht gutzumachen.
Das geschieht dadurch, dafi der Siinder Gottes angetastete Ehre durch
seine Furcht restituiert, indem er sich. selbst alle zeitlichen Strafen auf-
erlegt, urn sich so von der ewigen Strafe freizukaufen. Das ist seine
Satisfaktion. "Wie er sich die erste Yergebung verdiente , so soil er
auch die zweite verdienen. Das ist konsequent gedacht in dem Schema
der Rechtsreligion, trad es ist zu bewundern, wie auch auf diesem Ge-
biet Tert. die knappen Formeln zu finden gewufit hat, die die Kirche
des Abendlandes so lange beherrscht haben. Aber fast wunderbarer ist
es noch, dafi er noch nicht aus seiner Grundanschauung die Konsequenz
der Fortdauer der rechtlichen Bufie gezogen hat. Kann Gott einmal
Satisfaktion geleistet \verden, warum ' nicht immer? Indessen nur mit
"Widerstreben piget secundae, immo iam ultimae speisubtexerementionem,
de paen. 7 ist er an die Darlegung der zweiten BuBe gegangen, und
er hat sie als Montanist ganz aufgegeben zusammen mit ihrer Autoritat,
Heriiias, clem apocryphus Pastor moecliorum (de pud. 10. 20). Jetzt be-
rief er sich auf den 1. Johannesbrief und den Hebraerbrief, die fur
Todsiinden (Mord, Gotzendienst, Betrug, Lasterung, Hurerei) keine Bufie
gestatten, liefi aber fiir die delicta cotidianae incursionis (ziirnen, fluchen.
schworen, liigen) durch die Fiirbitte Christi Yergebung eintreten (ib. 19. 20).
Die sittliche Grundrichtting seiner Personlichkeit arbeitete sich hierin
hervor, gestiizt auf die Disziplin des Parakleten. Er fiel damit nicht
heraus aus seiner Grundanschauung: Gott hat sein Gesetz gegeben, es
mufi befolgt werden im grofien, mag auch im kleinen seine Milde walten.
Wir kommen spater auf die Bufitheorie Tert. zuriick.
26. "Weit weniger deutlich als in der Taufe sind die Fortschritte
p. 1225 b. In der BuBlehre ist der Sinn natiirlicli .der der rechtlichen reparatio
iniuriae.
1) de paen. 9 : Jiaec omnia exomologesis, ut . . . de periculi timore domi-
num honor et, ut.inpeccatorem ipsa pronuntians pro dei indignatione fungatur
et temporali afflictatione aeterna supplicia, non dicam frustretur,
sed expungat . . . In quantum non peperceris tibi, in.tantum tibideus, crede.
parcet. Ib. 11 : castigationem victus atque cultus offenso domino praestare.
2) Auch medicina wird sie genannt 7 cf. 10; sanare de pud. 2.
368 14. Die Tkeologie der antigiiostisckeii Vater.
in der Anschauung voin Abendmahl in unserer Zeit. AVir beginnen
mit Irenaus. Es diirfte fur das Yerstandnis praktiscli sein, .bei dem.
Opfergedanken einzusetzen. Dafi die eucharistisehen Gebete das rechte
gottgefallige Opfer sind, war ein uberkoimnener Gedanke (S. 137). Der-
selbe empfangt bei Iren. eine neue AVendung. Christus hat. die .Jiinger
angewiesen die- Erstlinge der Kreatur, Brot und Wein, Gott als Opfer
darzubringen. Indem er liber diesen Elementen die Einsetzungsworte
sprach, gab er ihnen den Charakter als Leib und Blut und daniit die
ideelle Opferqualitat. Somit kann man sowohl sagen, dafi Brot und
Wein Gott dargebracht werden, als aucli dafi die eucharistischen Gebete
bzw. die Einsetzungsworte der eigentliche Opfergegenstand sind. So
geht in dem eucharistischen Opfer die Weissagung Mai. 1, 10 f. vom
Preis des gottlichen oSTamens und von dem reinen Opfer in Erfiillung,
und deshalb konnen die Juden nicht opfern, da ihnen das Wort als
Opfermittel fehlt. 3 ) Was Iren. meint ist also dies: die Christen bringen
Brot und AYein als Opfer dar, aber sie tun dies vernioge des eucharistisehen
Dankgebets, das jene sinnlichen Elemente besonders qualifiziert. Dabei
denkt Iren. keineswegs daran, dafi Christus selbst geopfert wiirde. Er
nieint nur, dafi Brot und AYein vernioge der Einsetzungsworte als Leib
und Blut gelten.
Das ftihrt uns weiter zur Frage, was denn die Eucharistie eigentlich
ist. Zwei Gesichtspunkte leiten hierbei das Interesse des Irenaus. Ein-
nial soil durch das Abendmahl die Fahigkeit des Meisches Unsterblich-
keit zu empfangen erwiesen werden, sodann soil das Abendmahl beitragen
zur Erkenntnis der Identitat des AYeltschopfers und des Yaters Christi.
Die Gnostiker, so horen wir, diirfen nicht, wie sie es doch tun, das
Brot und den AYein, liber denen das Dankgebet gesprochen ist, als Leib
und Blut Christi bezeichnen, denn nach ihrer Anschauung sind Brot
und AVein ja voni Demiurgen geschaffen, wie kann Christus sie dann als
1) Ir. IV, 17, 5: suis discipulis dans consilium primitias deo offerre ex
suis creaturis . . ., eum qui ex creatura panis est accepit et gratias egit dicens:
hoc est corpus meum. et calicem similiter qui est ex ea creatiwa, quae est secun-
dum nos, suum sanguinem confessus est, et novi testamenti no vain docuit
oblationem, quam ecclesia ab apostolis accipiens in universo mundo offert deo,
es folgt Mai. 1, 10. 11. Ibid. 6: quoniam ergo nomen filii proprium patris est
et in deo omnvpotmte, per lesum Christum offert ecclesia, bene ait . . . (Mai. 1, 11) :
,,et in omni loco incensa offertur nomini meo et sacrificiiim purum", incensa
autem loannes in Apocalypsi ,,orationes" ait esse ,,sanctorum u . IV, 18, 4: et
hanc oblationem ecclesia sola put-am offert fabricatori offerens ei cum gratiamm
actione ex creatura eius. ludad autem non offerunt, manus enim eorum sanguine
plenae sunt, no n\ enim receperunt verbum quod offertur deo., Vgl.
Just. Dial. 41. , 117.
Irenaus tiber Opfer und Eucharistie. 369
seinen Leib bezeicbnen ? *) Man siebi, es bandelt sicb nur urn die
Besitzergreifung der ibin zugeborigen oder nicbt zugeborigen Substanzen
durcb Cbristus. Nun fragt Iren. aber welter, wie die Gnostiker sagen
diirfen, dafi das Meiscb des Menscben verganglich sei, wabrend es doch
von Cbristi Leib und Blut genahrt werde. Ausdriicklich wird dabei von
zwei Bestandteilen der Eucbaristie geredet c J2g yag ajtb j/?]g aQwg,
rtQoaha[.i@av6t:tvo$ vrjv wzkyotv wv -3-sou, OVY.STL y.oivbg agios sariv,
ev^agioria en dv nQccyfAaicov avvsoTy/vla, STtiyeLov TS v.a.1 ovgctviov,
xal TCC ad/uaia fyiwv (.le-vakaftfidvovTcc ii\q ev%aQiGuag (.ir^exi
elvca cpd-aQTK, ity skrtida vijv sig ai&vas avctOTaoecog e%ovra (IV, 18, 5).
Es fragt sicb, was unter der ,,bimnilisclien Sacbe", die in dem Abendmabl
ist, zu versteben sei. Man kann an Leib und Blut Cbristi denken, wie
es seit Lutber iiblicb ist, docb darauf fiihrt der Zusammennang nicbt.
Voran gebt der Gredanke , dafi die Cbristen , im Gregensatz zu den
Grnostikern, Grott das ibm Angeborende darbringen, und dafi sie ,,die
Gfemeinscbaft und Einbeit von Fleiscb und Greist" verkiinden. 2 ) Folgt
darauf, mit ,.denn" eingeleitet, der oben angefiibrte Satz, so scbeint der-
selbe nur sagen zu konnen, dafi aucb in der Eucbaristie eine derartige
Yerbindung voiiiege, wie ja aucb. in dem Menscben, der sie und niit ibr
die Unsterblicbkeitsboffnung empfangen bat. Nun ist aber das , was
Unsterblicbkeit wirkt, der Greist (s. V, 3, 3 ; 8, 1 ; 13, 4). Dann nieint
Iren. wobl, den Elementen ist nacb der ,,Ekklese" 3 ) der Geist gegen-
wartig. Da aber der Logos es ist, der die Elemente zu seineni Leibe
niacbt, so wird der Geist auf den Logosgeist zu bezieben sein. Und in
der Tat beifit es in anderem Zusammenbang, dafi Brot und Kelcb den
Logos Gottes aufnebmen und dafi sie dadurcb zur Eucbaristie oder dem
Leibe Cbristi werden. Der Logosgeist verbindet sicb also mit den Ele-
1) IV, 18, "4: quomodo autem constabit eis (den Gnostikern), eum panem,
in quo gratiae actae. sint, corpus esse domini sui et calicem sanguinem ems, si
non ipsum fabricatoris mimdi filium dicant, id est verbum eius, per quod lignum
fructificat . . '. et terra dat . . . plemtm triticum in spica? IV, 33, 2: quo-
modo autem iuste dominus, si alterius patris existit, huius condicionis, quae est
secuiidimi nos, accipiens panem, simm corpus esse confitebatur et temperamentum
calicis suum stirigiiinem confirmavit?
2) itQoacpB^p^isv Ss ai>T(S tot, %dia, efifiehais xoiveoviav '/.at, evcooiv dLTcayyekhovTEs
fy.al ofiohpyovvresj aagxbs xal TtvEiifiarog {'eyegoivj. Der griechische Text der Stelle
ist interpoliert,. wie .die Klainmern anzeigeu, der lateiuische hat das Urspriing-
liche erhalten, .
3) So sagt Iren. fur eni-Atiais, es ist die Eiuladuug an den Geist zu
kommen, wie Tert. (de bapt. 8) von eineni invitare des Geistes spricht. Ent-
standen ist diese Vorstellung aus jenein Marara tha zu SchluB des alten eucha-
ristischen Gebetes (vgl. S. 132 A. 1).
Seeberg, DogmengescMchte I. 2. Aivft. 24
370 '14- Die Theologie der antignostischen Vater.
menten und dadurch und insofern werden sie zurn Leibe Christi. Die-
selben Elernente also, die den Leib ernahren '- wie Justin (S. 283)> so
hebt auch Ii*en. dies besonders hervor < sind nunmehr Tragef des
Logos und in diesem Sinn Leib Christi .und wirken das ewige Leben
ini Menschen. 1 ) Sofern die Elemente ibre riaturliche Eunktion ausiiben,
sind sie nicht verwandelt. Ja mehr noch, von einer Gegenwart des
Leibes Christi als solcheni ist iiberhaupt nicht zu reden, 2 ) sondern der
Logos hat sich mit dem Brot verbunden und dies zu seinenl Organ und
so gewissermaflen zu seinem Leibe gemacht. DaB das Brot Brot bleibt,
hebt Iren. gefiissentlich durch die Erwahnung des Eortbestandes der
natiirlichen Eunktionen des Brotes hervor. Sofern aber andrerseits der
Logos mit dem Brot sich vereinigt hat, wird der Leib des Menschen
auch von der Logoskraft durchdrungen.
Die Gedanken des Irenaus vom Abendfflahl reichen iiber die un-
bestimmte Eormel Justins, dafi Brot und Wein, die unseren Leib er-
nahren, nach christlicher Lehre auch Leib und Blut Christi seien, nicht
hinaus. Ja erst bei Ir. wird es klar, wariim diese Eormel so unbestimmt
gehalten war. Die Ansicht des Iren. faBt sich kurz in folgende Ge-
danken zusammen : 1) Brot und Wein dienen zuni Opfer, vermoge der
besonderen ideellen Qualitat, die das eucharistische Gebet ihnen gibt,
d. h. sofern si6 als Christi Leib angesehen werden. 2) Durch die An-
rufung Grottes empfingen Brot und "Wein auch fur den Genufi einen
besonderen Charakter, indem' der Logosgeist sich mit ihnen verbindet;
das entspricht der Tatsache, dafi von Anfang an der Logos in der Natur
wirksam ist. 3) Brot und Wein bleiben was sie sind, indem sie ihre
1) V, 2, 2f. : to dad rrjs xriascos TtoiriQiov al/.ia VSiov cbfiohoyrjoei', fi| -ov t-b
pov Sevsi aifia, v,ai tbv &!Jtb iT]s xTiffscog lifirov 'iSiov owfia 8iej3e8aicf>aa,fo, ay?
ov ru rjiieTsoK- ail^st, acbfiara. f 07toTS ovv '/tal TO y.sy.oaf.if.ievov Ttorrjoiov xal 6
yeyovtos aoros sTitSe^srai rbv koyov lov 9'sov xal yiveiai i] e'd/^i.aTia a&fia
XOWTOV, "/. fovrwv 8s avgei r.al avviotaTut, fj rfjs ffaoxos ti/ncov vnoamois' Ttcos
tr] eivai. keyovai rrjv adoxa ri^s dcooeas TOV d'eov, ijns ean &oij aicbwos,
und lov acafiaros VML aiuaros tov xvoiov roeyofievrjv VM /.te^os aiirov vftdpftovaav,
Eph. 5, 30. Brot Ulld Wein n^oa^a/uftavofteva rbv hoyov TOV d'eov e$%aoiaTia
yiverat,, onso lonv acofia, y.ai alfia TOV XQIOTOV' OVTCOS y.al TO. fjfiETSpa ocbf.iaTa l|
ai)Trjs Tpecpofieva. y.ai TS&EVTU sis Tr/f yfjv Mat diahvd'EVTa st> avT/i dvaaTijasTai sv
TCO iSico %aipc(i TOV loyov TOV -&EOV TTJV syspoiv avTOis %apio/.ievov. ' Der koyos
TOV d-sov in diesen Satzen ist auf Christus zu beziehen, wie die Verbindung .mit
a&iLia TOV XOIOTOV zeigt, und wie es der Gedanke, daO der Sohn des, Schopfer.s
oder sein Logos allem. Irdischen das Wachstum gibt, bestatigt, IV, 18, 4, s. das
Zitat oben'S. 369 A. 1. . :
2) In einem Frag. (Stieren II, 832) weist Iren. es als MifiveTStandnis zuriick,
daC die Eucharistie TCO bvn Fleisch und Blut sei. Im iibrigen spricht er fast
immer YOU a&fia y.al alfia.
Tertullians Abendmahlslehre. 371
natiirlichen Wirkungen fortsetzen, aber sofern der Logos sicli mit ihnen
vereiriigt hat, sind sie seine Mattel oder sein Leib und Blut geworden.
4) Indem sie das Meisch physisch durchdringen, fiihren sie auch den
Logos in dasselbe hinein, und er macht es unsterblich. 5) Sofern Brot
und Wein der Kreatur angehoren nnd doch der Logos sie zu seinem Leibe
macnt, ist'es Mar, dafi er .der Sohn des Schopfers ist. Sofern Brot
und Wein physisch ini Fleisch wirken und docli Trager des Logosgeistes
werden, ist erwiesen, dafi auch das Eleisch des Menschen der Unsterb-
lichkeit fahig ist. Das 1st die antignostische Spitze, die Iren. seinen Ge-
danke'n gegeben bat. ' . -
TJberscnaTit man diese Gedanken, so tritt die arspriingliche Grund-
lage der Abendmablsvorstellung Christus selbst ist' gegenwartig und
wirksam nocb deutlicb hervor. Auf die Greistwirkung Christi kommt
es dem Irenaus an, Brot und Wein werden zu sinnlichen Medien dieser
"Wirkung und in diesem Sinn Leib und Blut Cbristi. Aucb das ist eine
alte Vorstellung, dafi Christi Gfegenwart ewiges Leben verleiht. E-elativ
neu dagegen ist die physische Bindung des gegenwartigen Christus an
die sinnlichen Elemente durch :die Ekklese. Dadurck wird das Abend-
mahl in ahnlicher Weise als . Mysterium gefafit,-wie Tertullian es fiir die
Taufe gelehrt hatte. Ebenso ist nicht zu verkennen, dafi der Opfer-
gedanke einen Schritt yorwarts getan hat; JZwar sind an sich die Eler
mente die Opfergaben, aber sie sind es in der besonderen Qualitat, die
ihnen die Ekklese verleiht, d. h. schliefilich doch sofern sie Leib und
Blut Christi darstellen. Sobald nun die Wandlung der Elemente in den
wirklichen Leib Christi konsequent durchgefiihrt werden wird, mufi sich
der Opfergedanke auf Leib und Blut Christi selbst richten. So sind die
Keime einer weiteren Eortbildung der Abendmahlslehre bei Irenaus schon
deutlich erkennbar.
27. Tertullian hat nur gelegentlich vom Abendmahl geredet.
Tiber seine Ansicht herrscht Streit. , Tert. will die 4. Bitte, spirituality
auffassen. Christus enim panis nosier est, quia vita Christus el vita pdnis.
Ego sum, inquit, panis vitae (Joh. 6, 35). Et paulo supra: panis est
sermo dei vivi, qui descendit de caelis (Joh. 6, 33). ^ Turn quod et corpus
eius in pane censetur: hoc est corpus meum. Itaque petendo panem
quotidianwn perpetuitatem posttdamus in Christo et individtiitatem a corpore
eius (de orat. 6). Die Ansicht, die aus diesen Satzen sich ergibt, ist
nun die. "Wir bitten in der 4. Bitte urn Christus den Logos, der das
fiir die Seelen ist, was das Brot fiir die Leiber, wir bitten somit iini
das unsterbliche Leben. Dies lauft auf die Gedanken des Irenaus hin-
aus, die geistige Gegenwart Christi ist die eigentliche Gabe des Abend-
mahls. Aber dieser Gedanke wird durch einen an deren erganzt. Auch
24*
372 14- Die Theologle der antignostischen Vater.
der Leib Christ! fallt in irgend eiiiem Sinn unter den Begriff 1 ) des
Brotes. Den Sinn gibt nun aber das Eolgende an, es handelt sich um
die Unzertreunlichkeit voni Leibe Christi. Das bedeutet nun nichts
anderes als was 1. Kor. 10, 17 geineint ist. Das eine Brot macht aus
den vielen Einpfangern einen Leib. Von der Einheit des Leibes Christi
oder der Gemeinde nicht getreunt zu werden, ist also das zweite, was
erbeten wird. Nicht wie Irenaus denkt Tert. bei dein Leibe hier an
die Abendmahlselemente , sondern an die Gemeinde, die Christus zu
seineni Leibe macht. Es liegfc auf der Hand, daB dies die realistische
Deutung der Abendmahlsworte ausschliefit. Also : im Abendmahl ist
der Logos geistig gegenwartig und die Elemente sind die sinnlichen
Synibole seiner Gegenwart ; aber auch der Leib Christi ist gegenwartig,
narnlich die durch Christus zu seinem Leib geeinte Gemeinde. Indem
der Christ der geistigen Gegenwart Christi teilhaftig wird, wird ihm die
Gemeinschaft niit der Gemeinde Christi aufs neue zuteil.
Indessen tritt an anderen Stellen auch die irenaische Anschauung,
daB Brot und "Wein Christus als sein Leib dienen , hervor. "Wie
Christus "Wasser und 01 bei der Taufe zu seinen Zwecken braucht, so
,.vergegenwartigt" er auch durch das Brot seinen Leib. Dabei ist nun
aber sicher nicht an eine Realprasenz des Leibes .zu denken, sondern
das Brot soil nur figura corporis sein d. h. eine uneigentliche, meta-
phorische oder symbolische , Darstellung des Leibes. Diese erweist
freilich die "Wirldichkeit des^ Leibes Christi, aber nur -in dem Sinn wie
jedes Abbild die Wirklichkeit des Abgebildeten dartut. Gerade die
Art, wie Tert. in antimarcionitischem Interesse aus deni Vor-
handensein der ,,Figur" des Leibes auf die Wirldichkeit des letzteren
schliefit, zeigt, wie fern ihm noch der Gedanke der Gegenwart des
Leibes Christi im Abendniahl liegt. 2 ) Wie anders hatte sich bei Luther
1) Das bedeutet censeri. s. Leiinfoach, Beitrage zur Abendmalilslehre Tert.,
1874, S. 40ff.
2) c. Marc. 1, 14: panem, quo ipsum corpus simm repraesentat. Leim-
bach (S. 20 f., vgl. d'Ales, La theol. de Tert. p. 3561) hat bewiesen, daC re-
praesentare bei Tert. oft == praesentare 1st, aber daraus folgt noch nichts iiber
die Art der gerneinteu Vergegemvartigung. c. Marc. IV, 40: acceptum panem
. . . corpus 'suum ilium fecit, hoc est corpus meum dicendo, id est figura
corporis mei. Figura autem non fuisset, nisi veritatis esset corpus. Ceterum
vacua res. quod est pliantasma, figuram capere non potest. Lavabit, inquit
(Gen. 49, 11) in vino stolam suam et in sanguine uvae amictum simm . . . Ita
et nunc sanguinem suum in vino consecravit qui tune vinum in sanguine
figuravit. Zuw Sprachgebrauch von figura s. Leimbach S. 67 ff. S. noeh
c. Marc. I, 19: panem corpus suum appdlans, ui et liinc iam. intettigas corporis
sui figuram pani dedisse, cuius- retro corpus .in panem prophetes figuravit, Jer.
Tertullians Abendmahlslehre. 373
ein solcher Beweis gestaltet ! Zwar 1st Tert. cler TJberzeugung , dafi
auch der Leib Christi sich im Himmel befinde (oben S. 337), trotzdem
clenkt er bei dem Ausspruch, dafi Christus sein Pleisch zur Speise gibt,
lediglich daran, dafi 'das Wort durch die Vermittlung der leibhaftigen
Offenbarung gehort und angenommen werde. 1 ) So ganz aufierhalb
seines Gresichtskreises liegt der Genufi des wirklichen Leibes Christi.
Gegen dies Resultat sprechen nun auch nicht solche Stellen, in denen
von einem Grenufi des Leibes Christi die Rede 1st, da sie nur dem
Sprachge branch entsprechen und keinerlei Bestimmung iiber den ,,Leib"
geben. 2 ) Tertull. kommt sonach im ganzen auf dieselben Abendmahls-
gedanken hinaus wie Irenaus. Er glaubt an die lebenspendende Gfegen-
wart Christi im Abenclmahl und er sieht in den Elementen den ,,Leib"
Christi. Der TJnterschied besteht aber darin, dafi er die Elemente nicht
in der "Weise des Irenaus zu Tragern des Logos zu machen, also die
Wirkung des Logos nicht an die sinnlichen "Wirkungen der Elemente
zu kniipfen scheint. 3 ) Aber man kann letzteres allerclings nicht sicher
behaupten , die Ernahrung durch den Leib Christi konnte auch im
Sinn des Irenaus verstanden werden. Dafiir konnte auch die Tauflehre
Tert. herangezogen werden mit ihrer Einwohnung des Greistes im "Wasser.
Aber nichts kann dafur angefiihrt werden, dafi Tert. diese Analogic
befolgt hat. Sehen wir recht, so tragt seine Abendmahlslehre einen
altertiimlicheren Charakter als seine Tauftheorie.
Es war von alters her iiblich, die eucharistische Eeier als Opfer
zu bezeichnen. 4 ) So sagt auch Tertullian von dem christlichen Gfottes-
11, 19. c. Iiul. 10. de anim. 17: 'vini saporem, quod in sanyuinis sui me-
moriam consecravit. Consecrare bedeutet zu etwas weihen, eineii heiligen
Cb.arakterverleih.en, aucb dieser Begriff flibrt nicht auf die ,,Impanationslehre"
(gegen Leimbach S. 96), da er rein formaler Nator 1st.
1) de resurr. 37: itaque sermonem constituens vivificatorem, qitia spiritus
et vita sermo, eundem etiam carnem suam dixit, qiiia et sermo caro erat factus,
proinde in causam vitae adpetendus et devoramhis auditu et ruminandus in-
tellectu et fide digerendus.
2) de pud. 9: opimitate dominici colons vescitur, eucharistia scilicet.
de resurr. 8: caro abhiitur, ut anima emaculetur . . . Caro corpore et sanguine
Christi 'vescitur, ut et anima de deo saginet'ur. De orat. 19 : accepto corpore etc:
Der smnliche Vorgang ist nach dem Zusammeubang das Mittel der geistigeii Ein-
\virkimg, auf sie kam es Tert. an.
3) Die ausfiibrliche Erorterung von Leimbach, der Earn a ck zugestimmt
hat (DG. I, 398), kommt zum Eesultat, . dafi Tert. wesentlich die lutherische
Theorie vertreten habe. Ich stimme Loofs in der Bestreituug dieser Ansicht
(PRE. I 3 , 59 f.) zu. Leimbachs Febler ist, daB er das zu Beweisende voraussetzt
und die \inbestimmten rein formalen Ausdrucke Tert. in dieseni Sinn detitet.
4) s. oben S. 137. Auch spater mit Beziehung- auf die Gebete, z. B. Didascal.
374 14- Die Theologle der antignostischeii Vater.
dienst : autsaerificium offertur aut sermo administratur (de cult. f era. II, 11).
Aber der Qpfercbarakter der Feier scbeint nacb ibm in alter Weise
noch an den Gebeten.zu liaften. Tart, weifi von Christen, die um das
libernommene Fasten nicbt zu unterbrecben , an den sacrificiorwn
ofationibus nicbt teilnebmen wollen, er rat ibnen dies docb zu tun, den
Leib des Herrn zu enipf angen , aber aufzubewahren , und auf diese
"Weise sowohl der partwipatio sacrificii als der Fastenpflicht zu ge-
niigen. 1 ) Hiernacb ist Idar, dafi man das Opfer fur vollzogen ansab
durcb .Teilnabnie an den sacrifieionim orationes. . Die jabrlichen Gebete
und Opfer Almosen fur die Verstorbenen, von denen Tert. redet
(de nionog. 10. de exb. cast. 11. de cor. 3), geboren schwerlich hierber. 2 )
Aucb bier ist Tert. altertumlicber als Irenaus.
Die Fortscbritte in der Abendniablslehre sind in unserem Zeitalter
weniger signifikant als die Fortbildung der Taufe und BuBtbeorie.
Man war in der Hauptsacbe bei der alten Auffassung steben geblieben,
nacb der .das Abendniabl die Gegemvart des lebendigen Cbristus ver-
mittelt , durcb die Unsterblicbkeit deni Menscben zuteil wird. Aber
scbon zeigten sicb bei Irenaus neue Elemente. Zwar soil das Brot
Brot bleiben, aber mit dem Brot ist irgendwie die Kraft des Logos
verbunden. Dann : die Elemente werden Gott dargebracbt, aber sof ern
sie zu Tragern Cbristi qualifiziert sind. Hier setzen die spateren Fort-
bildungen der Lebre ein. .
28. Mit diesein letzten Hauptstiick der antignostiscben Lebre sind
wir auf unseren Anfaug zuriickgewiesen. Ini Gegensatz zu den gnostiscben
Kircben bat die katboliscbe Kirche 1) den Kanon die seripta
auctoritas (Tert. de cor. 3) zu einer dogniatiscben GroBe erboben, sie
bat die uberkomniene katboliscbe Tradition als seine Interpretin an-
erkannt, sie bat statt des ,,Geistes" das ,,rationelle" Verstandnis dieser
gegebenen Grofien gefordert und sie bat endlicb das kircblicbe Amt
als den legitimen Inbaber der kircbb'cben Wabrbeit p'roklaniiert. Es
gibt eine "Wabrbeit Gottes in der Kircbe, es ist die "Wabrbeit der in-
spirierten Scbrift, der kircblicben Tradition oder dann die Wabrbeit,
die der Episkopat durcb die Sukzession besitzt. 2) Sodann ist fest-
gestellt, welcbes die Grundwabrbeiten der Kircbenlebre sind, und sie
sind genauer formuliert worden ini Gegensatz zu den gnostiscben Tbeorien.
Tiber Gott, Cbristus, die Dreieinigkeit, iiber die Welt und den Menscben,
syr. 9 : wenn du die JEucharistie des Opfers empf angen hast. Ib. 11 : das Opfer
fur Gott ist aber wiser Gebet und unsere Eucharistie; ib. 26.
1) de orat. 19 : accepto corpore domini et reservato utrumgiie salvum erit
et parlidpatio sacrificii et executio officii.
.: . 2) Vgl. die vorsichtige Untersiichung von Kattenbusch, PRE. XII 3 , 675 f.
Ruckblick uud Znsawnienfassung. . 375
liber die Siinde und die Erlosung besafi man nun Gedanken scharf anti-
gnostischen Geprages ; sie gaben den kirchlichen common sense wieder,
aber sie taten das in verscharfter und geklarter "Weise. Man hielt an
den alien Eormeln feat, aber man deutete sie im Sinn umfanglieher
Theorien. Die von alters her betriebene Explikation der Glaubens-
regel hat sich immer mehr zu einer selbstandigen Grofie neben und
.Tiber der Glaubensregel ausgewachsen. Theologische Ideen fangen da-
.durch an in das Gemeindeleben einzugreifen. Statt der erbaulichen
Betrachtungen der Vater oder der Inspirationen der Bneumatiker macht
man Gedanken und zusammenhangende Theorien geltend. Entsprechend
der Stellung der Kirche in der Welt hat sie ihren Besitz entfaltet und
theoretisch flxiert. Den ,,Systenien" der Gnostiker stellt sie ein eben-
btirtiges theoretisches Gedankengefiige entgegen. Aber diese Gedanken
sind gebunden an die kirchliche ,,Wahrheit" ; so sehr sie sich kom-
plizieren, so stark sie jnodernisiert sind, so sehr sollen und diirfen sie
nichts anderes seiu als eine Auslegung der Glaubensregel resp. der
Heil. Sohrift. Man gestattete nieniandem mehr neue Inspirationen, aber
man verlangte vop alien neuen Gedanken, dafi sie alt seien oder sich
durgh den B.iirgschein der alten inspirierten Wahrheit legitimieren. Die
Christenheit hat alle Wahrheit, aber es ist die apostolische Wahrheit.
Unter diese Fahne Averden alle Erkenutnisse der Zeit gestellt. Dabei
ist es in der Kirphe geblieben. -^ 3) Aber weiter, die Kirch e hat die
alten Heilsmittel, die sie besaB, prganisiert zu kirchlichen Institutionen,
und sie : hat damit einen weiteren Grundstein ihires Baues fest in den
Boden der Welt eingesenkt. Sie hat die apostolische Wahrheit, die- sie
durch IJnterricht und Predigt der Welt bringt. Und sie hat die
Gnadeninittel, die dern Sunder den Geist und die Vergebung schenken
und sie ihm \viederbringen, falls er sie verlor, und die ihin das ewige
Leben in der verganglichen Welt zueignen, In diesen Institutionen
liegt das Heil der Welfy diese Mysterien allein erretten und machen
der Errettung gewifi, t .
So ist die altkatholische Kirche entstanden, indem .sie prinzipiell
die apostolische Kirqhe blieb und \mrde. Sie war die , Tragerin der
apostolischen Lehre und sie deutete sie mit apostolischer Autoritat,
und sie war die Spenderin der urchristlichen Gnadenmittel und sie
waltete ihrer mit der Autoritat der Apostel, Sie hat sich erhalten und
durchgesetzt, indem sie den Kern der apostolischen tjberlieferung f est-
hielt, gerade dadurch dafi sie sie den Bedurfnissen der Zeit anpafite.
Sie blieb prinzipiell die alte Kirche und beherrschte doch die neue
Zeii. Der Kanon, die Glaubensregel resp. ihre Erklarung und die
kirchlichen Gnadeninstitutionen sind die Mittel, durch die sie die Gnosis
376 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
iiberwand und ihre Existenz geschichtlich stabilierte gegeniiber alien
unruhigen Elementen in der "Welt und in ihrem eigenen Kreise. Alles
in ihr war konkret xind massiv geworden, aber die alte Aiitoritat ver-
Heh ihm einen idealen ScMmmer. Und jenes war notwendig im ProzeB
der Entwicklung wie dieses.
Damit ist der altkatholische Kirchengedank e auch in
seinem ganzen TJmfang erkannt. Die apostoliscbe "Wahrheit und die
Autoritat des Episkopates sind ibr Gfrund. Hierin setzt sicb das Vor-
bild der Synagoge durcb (oben S. 312). Aber die Kircbe ist nicht'nnr
antoritative Lehr- und Erziehungsanstalt, sie ist auch Heilsanstalt, denn
sie hat die Sakramente. Damit gewinnt sie eine Grrundlage, die die
Synagoge nicbt besessen bat. Die Symbole der Bescbneidung und der
"Wassertaufe reicben in keiner Weise beran an die Realitaten der Geist-
taufe tind der Lebensmitteilung in der Eucbaristie. Durcb sie wird die
Autoritat des Arutes auf das bocbste gesteigert. Nicbt nur, dafi der
Opfergedanke den cbristlicben Priester scbuf (oben S. 371), der Amtstrager
wurde aucb Inbaber und Verwalter der Grnadengaben und- dadurch der
Heilsmittler. Er batte mebr zu bedeuten als der alttestamentlicbe
Priester. Docb erst die Anfange biervon waren in unserem Zeitalter
gewonnen.
29. Von zwei Motivpaaren ist die Grestaltung der escbalogiscben
Ideen bedingt. Grrofie Epocben innerer Befreinng von der "Welt starken
ebenso die eschatologiscbe Betracbtung, wie barter aufierer Druck seitens
der Weltmacbt oder der Weltlage. Dazu komnit das zweite. Je reiner
der Oharakter der Erlosungsreligion in einer Zeit sicb darstellt, desto
einfacber und scblichter wird die cbristlicbe Hoffnung ausfallen ; es
bandelt sicb bei ibr nur uin das BewuBtwerden von zwei innerlicb not-
Avendigen Konsequenzen : wie Grott die Seele errettet bat, so wird er
aucb den Leib erretten, und wie er uns errettet, so wird er seine ganze
Kircbe erretten. Unrubiger und vielgestaltiger fallt dagegen die Es-
cbatologie auf dem Boden des gesetzlicb. infizierten Cbristentums aus,
denn bier riickt sie unter den Gresicbtspunkt der Entscbeidung und der
Lobnerteilung, bier mufi sie moglicbst genau und vielseitig den mancberlei
Eormen menscblicben Yerdienens angepafit werden. Erst sie bringt ja
wirklicbes Leben, alles andere war nur Yorbereitung. Hierzu kommt
weiter, dafi die Escbatologie -von alters her ein reicbes Erbe jiidiscber
Ideen mit sicb fuhrt, die mancberlei Deutungen Spielranm gewabren.
Wie in dem Zeitalter der antignostischen Yater iiberbaupt fest-
gestellt worden ist, was in der -Folgezeit als cbristlicb zu gelten babe,
so aucb in der Escbatologie. Die oben ausgesprocbenen Beobachtungen
bestatigen sicb uns an Irenaus. einer-, Tertullian und Hipp olyt anderer-
Die Eschatologie des Irenaus. 377
seits. Aus dem Mittelpunkt seiner Religion quillt der eschatologische
Hauptgedanke des Irenaus hervor, wie er'in den letzten "VVorten seines
grofien "Werkes es zum-Ausdruck bringt: -ut . . primogenitus verbum des-
cendat in facturam, hoc est in plasma et capiaiur ab eo ; et factura iterum
ccvpiat verbum et ascendat ad eum, supergrediens angelos, et fiat secundum
imaginem et similitudinem dei (Y, 36, 3). Der Geist Gottes, der die
Seele lebendig gemacht hat, fiihrt sein "Werk an dem Menschen zur
Yollendung, indem er in der Auferweckung auch den Leib lebendig
macht (Y, 7, 1 ; 13, 4). Und dieser ist fahig Grottes "Wirkung auf-
zunehmen, wie einst am Anfang der Tage, so auch an ihrem Ende, wie
hinsichtlich des zeitlichen, so auch des ewigen Lebens (Y, 3, 2f.). So
ist die Auferstehung fur Irenaus wie ahnlich fiir Paulus eine einfache
Konsequenz seines Erlosxingsgedankens. Das jiingste Gericht hat, unter
diesem Gesichtspunkt angesehen, keinen anderen Sinn als den eines
konsequenten Abschlusses der durch Christus eingeleiteten Entwicklung.
,,So viele die Liebe zu Gott bewahren, denen schenkt er Gemeinschaft
mit sich selbst. Gemeinschaft aber niit G-ott ist Leben und Licht und
Genufi der von ihm (geschenkten) Gliter. So "viele aber nach ihreni
EntschluJB Gott verlassen, iiber die lafit er die Trennung von sich selbst
kommen. Trennung aber von Gott ist Tod . . . Die nun durch ihren
Abfall die vorhergenannten Grtiter verloren haben, die befinden sich, da
sie ja von alien Giitern entblofit sind, inmitten der Strafe, indem namlich
Gott nicht von sich aiis x ) strait, sondern jene Strafe ergibt sich daraus,
dafi sie eben aller Griiter beraubt sind. Ewig aber xmd endlos sind die
G-liter von Gott. Daher ist auch ihr Yerlust ewig und endlos" (Ir. Y,
27, 2). Diese Satze lesen sich' wie eine Paraphrase der johanneischen
Gedanken, daB Gott niemand richtet, und da6 wer nicht an den Sohn
glaubt, schon gerichtet ist.
Im Gegensatz zu den Gnostikern wird dabei auf die leibliche
Auferstehung besonders Grewicht gelegt. TJnter den mancheiiei Griinden
fur sie, die man von alters her anfiihrte, hat Irenaus auch den hervor-
gehoben, dafi das Abendmahl die Unsterblichkeit Christi auch dem Leibe
zufiihre (s. oben S. 369). Aber die ganze eschatologische Tradition gewann
fiir ihn durch die antignostische Position hoheres Interesse als man
erwarten mochte. Er verfocht sie, wie Johannes sie vertreten hatte
neben den Anschauungen seines Evangeliums.. Der Antichrist fafit den
ganzen Abfall und teuflischen Irrtum in sich zusanimen (Y, 25, 1. 5;
28, 2 ; 29, 2). Alles in der "Weltentwicklung dient dazu die freien
Menschen vorzubereiten auf die Unsterblichkeit und die aeterna siibiectio
1) Das bedeutet hier T
378 14. Die Theologie der aiitiguostischen Vater.
deo. Das gilt auck von dem letzten Kampf : novissimus enim agon hie
iustorum, in quo vincentes coronantur incotruptela (V, 29, 1). Ckristus
ersckeint, den 6000 Jahren der Welt folgt die erste Auferstekung und
die requietio des 7. Jakrtausends saint der Herrsckaft der Gereckten
(Y, 28, 3; 32, 1; 33, 2; 34, 1; 35, 1). In Palastina erquicken sich
die Glaubigen an den wunderbar reicken Frtickten des Landes, die nack
Papias gesckildert werden (V, 33, 3f. 1). Hat Paulus, uni den Weissagungen
der Propheten liber Israel die Erfiillung zu sickern, eine Bekehrung
Israels in der letzten Zeit in Aussicht genommen, so lafit Irenaus diese
Weissagungen in Erfiillung gelien in der Erjrettung der Kircke, quonia/m
ecclesia est semen Abrahae (Y, 34, 1 : 32, 2). Auf das tausendjanrige
Eeich folgt das Ende: ,,^61! nun in dieser "Welt einige sich dem Licht
zuwenden tind sick durck den Glauben mat Grott yereinigen, die anderen
aber sick fernkalten vom Lickt und sick von Grott abtrennen, kommt der
Logos Glottes alien die iknen angemessene Woknung zuweisend, den
einen, die im Lickt sind, dainit sie die Gfiiter, die in ikm sind, geniefien,
den anderen, die in der Finsternis sind, damit sie teilkaben an der Pein
in ikr. Und deskalb keifit es, daB er die zur Reckten in das Reick des
Himmels rufe, die zur Linken aber in das ewige Feuer sende, denn sie
selbst kaben sick aller Gfuter beraubt" (V, -28, 1). Der neue Himmel
und die neue Erde werden gesckaffen (Y, 36, 1). Nack den Presbytern
sind aber in dieseni Vollendungszustand manckerlei Stufen anzunekmen.
,,Die einen werden in den Himinel aufgenonamen werden, die anderen
werden im Paradiese verweilen, wieder andere. in der Stadt woknen",
aber sie alle werden Gfott sckauen nack dem MaB ikrer Wiirdigkeit.
,,Und durck diese Stufen werden sie fortsckreiten durck den Greist zum
Sokn, durck den Sokn aber emporsteigen zum Yater. " Dann iibergibt
der Sokn dem Yater die Herrsckaft nack 1. Kor. 15, 25 fL (Y, 36, 1. 2).
In diesem Aveltgesckicktlicken Entwicklungsgang komrot alles zum
Ziel. Ckristi umbildendes und neugestaltendes Wirken und die mensck-
licke Freikeit sind die Faktoren, die den "Werdeprozefi innerlick bedingen.
Seine Fornien werden nack Mafigabe der alten tjbeiiieferung gedackt,
aber die treibenden Krafte treten immer wieder deutlick kervor. Iren.
kat die ganze libeiiieferte Esckatologie vorgetragen, aber er kat es init
der B/uke und inneren Sickerkeit getan, die ikm sein religioser Stand-
pnnkt gewaki'te.
Es gab in jenen Tagen majickerlei esckatologiscke Stimmungen.
Extreme Geister zogen niit ikren Ankangern in die "Wiiste, urn . dort
Ckristus zu sucken, andere lieBen sick . von ikren Traumen verleiten, das
Ende fur das nackste Jakr zu weissagen (Hippol. in Dan. IY, 18. 19).
Wieder andere, wie jener Cajus, den Hippolyt bekampft kat, wollten
Die Eschatologie Tertullians. 379
yon der ganzen Apokalypse nichts wissen, denn wie ein Dieb in der
Nacht , plotzlich und unerwartet , wiirde der Herr komnien (Hippol.
WW. II, 241). Demgegenuber 1st der Takt der Kirche zu bewundern.
Sie ubernahm die altchristliche Eschatologie sie war naittlerweilen
noch weiter ausgebildet worden , aber sie konzentrierte die Vielheit
der Vorstellungen auf gewisse mafigebende Grundgedanken. So haben
Irenaus und Tertullian gedacht. Oder man breitete die iiberkommenen
Gedanken aus und interpretierte sie zu Nutz tind Frommen des religiosen
Lebens, weitlaufig' und eingehend, aber doch so, daB. die gefahrlichen
praktischen Konsequenzen abgestofien warden. So steht es bei Hippolyt.
Was liegt doch. in der Tatsache beschlossen, daB die Christenheit regel-
mafiig pro mora. finis betete (Tert. Apol. 39)!
Tertullian hat die Tradition nicht in deni Unifang wiedergegeben,
wie Irenaus, aber er hat sie sicher anerkannt. 1 ) Er hat aber vor allem,
wie Irenans, ihre praktische Seite hervorgehoben. Ihm, dem. Eealisten,
kam es vor allem auf die Auferstehung des Meisches an. Psychologic
und Physiologic hat er zu ihrem Erweis in seiner Schrift de resurr.
carnis mobil gemacht und alle Griinde, die irgend fur die leibliche Auf-
erstehung angefiihrt werden konne, zusammengebracht. 2 ) Es liegt nun
aber in der Eigenart seiner religiosen Grrundanschauung, daB bei ihnx
der Auferstehungsgedanke eine andere Stellung gewinnt als bei Irenaus.
Eiir letzteren war die Auferstehung die naturgemafie !Folge des Erlosungs-
werkes, fur Tertullian war sie das 'Fundament seiner Eronunigkeit oder
die eigentliche Erlosung selbst. An ihr liegt es namlich, ob das Eechts-
yerhaltnis zwischen Gott und Mensch zur Erlosung fiihrt, denn durch
sie wird Lohn oder Strafe dem Menschen zuteil. Die Hoffnung hat in
der strong durchgefuhrten Erlosungsreligion einen anderen Charakter als
auf deni Boden der .Gesetzesreligion, dort wird sie durch die Erlosung
gebracht, hier bringt sie erst die Erlosung. Daher hat die Bitte uin
das Kommen des B/eiches im Munde Tertull. einen fast leidenschaftlichen
Klang: ,,wie verlangen einige einen gewissen Aufschub fiir die Welt,
wahrend doch das Reich Gottes, um dessen Kommen wir bitten, zuin
AbschluB der Welt hindrangt? Wir wollen friiher herrschen und nicht
1) s. z. B. iiber das Enddraina de res. 42, liber deii Antichrist de fug. 12;
de an. 50. Uber seiue Eschatologie handelt eingehend L. Atzberger, Gesch.
d. christl. Eschatologie innerhalb d. vornican. Zeit, 1896, S. 291 ffi.
2) Etwa Analogien aus dem Naturleben (res. 12. 52), das Leben des Meuscheu
im Pleisch (7. 8),. der Lohu, ; der dem Fleisch daher zustehf(15. 48), der Schopfer
kann auch wiederherstellen (.11), Christus erlost den ganzen Menschen (34. 47),
Christus ist leiblich erstauden und kehrt auch so wieder (48. 51), die Uberliefe-
mug der Lehre (18. 21) etc., vgl. Apol. 48.
380 14. Die Theologie der antignostischen Vater.
langer dienen" (cle or. 5). Desbalb 1st ibrn aber auch die Auferstebung
der Punkt im Cbristentum, auf dem die gauze Religion und Sittlichkeit
beruht, der also fest und sicber ausgedrlickt sein muB, da, Lobn und
Strafe klar sein mtissen. 1 ) TJnd von Her aus versteM sich auch die
strenge Drohung niit der ewigen Strafe, deren IPeuer seine Schlote an
den feuerspeienden Bergen hat, und deren Ewigkeit diese Berge bezeugen,
die brennen \\nd docb nicbt verbrennen (de paen. 42. Apol. 48 fin. de
res. 35).
Am ausfunrlicnsten bat Hippolyt 2 ) die eschatologischen Fragen
bearbeitet auf Grand der alttestamentlichen "Weissagungen, bes. Daniels,
und der Apokalypse. Man kann bei ihin sehen, wie mufanglicb der
apokalyptiscbe Bestand zu jener Zeit gewesen ist, wieviel Judisches er
in sich aufgenommen, und wie antrjiidisch seine Gnindrichtung gewesen
ist. An die danielischen Weltreiche haben diese Betrachtungen angekniipft.
Zusaminen niit der Idee der ,,0konomie" und der vier Btinde bilden sie
die Grundlagen der christlichen Geschicbtspbilosopbie. Nicbt eigentlicb
fiir die breite Masse der Gemeinde ist diese Erkenntnis bestimnxb, sie
ist ein Mysteritini der "Wissenden, liber das der, der es kennt, scbweigt
(de anticbr. 1 ; in Dan. IV, 5, 6 ; 15, 1). Das vierte Weltreicb ist
das romische, das liber alle Volker sicb erstreckt (Dan. IV, 8, 3. 7;
de anticbr. 25). Flinfbundert Jabre dauert sein Bestand (Dan. IV, 24, 7). 3 )
Dann ninamt die Ungerecbtigkeit immer xnebr zu ; das Reicb zerfallt in
zebn Teile. Jetzt kornmt der Anticbrist in die Hobe, er besiegt die
Teile des romiscben Eeicbes (Dan. IV, 12, 2). Dies batte ibm bisber
entgegengestanden als der -/.axs^cov (Dan. IV, 21, 3). Nun wiitet er
scbrankenlos gegen die Cbristen. Ein ,,fremder und boser Geist in ibm",
sowie die Juden treiben ibn zur Verfolgung an (Dan. IV, 12, 5 ; de
anticbr. 56. 58). Der Anticbrist ist ein Jude, aus Dan stammt er ber
(de anticbr. 14 f.), er wird zuerst von vielen veracbtet (WW. U, 234).
In Jerusalem bant er wieder den Tempel auf und stellt die Herrscbaffc
1) de resurr. 21: verisimile non est, ut ea species sacmmenti, in quam
fides tota committitur, in quam disciplina tota connittitur,
ambigue anmwtiata et obscure proposita videatur, quando spes resurrectionis,
nisi manifesto, de periculo et praemio, neminem ad eiusmodi praesertim reli-
gionem, publico odio et hostili elogio obnoxiam persuaderet. Nullum opus cerium
est mercedis incertae, nullus timor iustus est periculi dubii. Et inerces autem
et periculutn in resurrectionis pendet eventu.
2) Vgl. L. Atzberger, Gesch. d. Eschatol. S. 271 ff.
3) Nach de antichr. 49 besteht das romische' Reich seit Augustus, nach
Dan. IV, 24, 1 ist Christus im Jahre 5500 geboren; demnach hat das Ohristen-
tum eine Geschichte von 500 Jahren zu durchlaufen bis zum tausendjahrigen Eeich.
Die Zahlen zeigen, dafi man sich auf eine langere Geschichte ernzurichten beginnt.
Die Eschatologie Hippolyts. 381
der Juden wieder her (de antichr. 6.25). Er gibt sich als Grott aus und ver-
heifit alien die Erlosung (ib. 53. 55), in allem ist er das Gegenbild zu
Ohristus (ib. 6), aber auch ,,ein Sohn des Teufels" (Dan. .IT, 49, 3). *)
In nichts ist der unneilbare Bruch zum Judentum so schroff zum Aus-
druck gekomnien als in diesen Gredanken. Denn sie sprachen es deutlich
aus, dafi der Messias, auf den die Juden noch hoffen, der Teufel und
der letzte Feind der Kirche ist. Zweitens aber zeigen sie, dafi die
Christenheit nicht mehr wie einst in E,ona ihren ersten und letzten
Peind erblickt, sondern im Judentuni. Ja Horn selbst wird zum Heifer
Israel und seinem Messias gegeniiber. Damit wendet sich langsam das Blatt,
die Christenheit und die rornische Staatsgewalt sind Bundesgenossen dem
letzten Feind gegentiber. So dient die Eschatologie selbst einer rahigeren
Betrachtung der Weltordnung.
Im iibrigen lafit sich bei Hippolyt wahrnehnien, dafi, wie ja auch
bei Irenaus, die Eschatologie zu verblassen beginnt. Uin der Voll-
standigkeit der Bibellehre willen und um TJbertreibungen oder aber
unbibHsche Abschwachungen zu widerlegen, \vird sie eingehend dargelegt,
aber die Grlut der inneren Anteilnahnie fehlt. Die Hauptsache ist
schliefilich auch bei Hippolyt, dafi die Wiirdigen und die Glaubigen, die
den Greist empfangen haben, mit dem Brautigani, wenn er kommt, ein-
gehen in das ewige Heich (in Dan. IV, 59, 3). 2 ) Zunial der Gredanke
des tausendjahrigen Keiches, den auch Hippolyt nicht aufgeben konnte
wegen des Zusammenhangs mit den sieben Jahrtausenden der Weltwoche,
ist nicht viel mehr als eine Heliquie, und alle allzu sinnlichen Ziige
werden sorgsani vermieden (IY, 23, 4ff. und WAY. II, 247). 3 ) Das ist
Yerstandlich ; in dem Mafi als man sich innerlich in das christliche Heil
einlebte, nmfite die jtidische Doublette zu dem christlichen Endgedanken
1) Der Gedanke des Antichrists wurzelt im spatereii Judentuin. Nach eiuer
Form ist er em machtiger Eurst, iiach : der anderen tritt Beliar als samaritauisclier
Pseudoprophet anf, tat grofie Wunder und verfiihrt, aber auch in ersterer Eorni
scheint er eiue lukaruatiou des Teufels zu sein (Assumpt. Mos. 8 cf . 10 in. ; Sib. Ill,
63 ff.). Beides Avirkt im Christentum nach. In der Asc. Jes. 4, 2f. erscheint
Beliar ,,der groBe Fiirst, der Konig dieser Welt" in der Gestalt des Nero redi-
vivus cf. Sib. YIII, 70f. Hier vgl. Apok. 13 ist also Bom der Feiiid. Dann
gewinnt der Gedanke die Uberhand, dafi der Antichrist der erwartete Messias
ludaeorum ist, nud daB Eom mit clazu beitragt, die Macht des Antichrists hint-
anzuhalten (s. auch TertulL Ap. 32), die Judeu sind fuao&eoi itnd allezeit Feinde
Christi (Hippol. de antichr. 58; WW. II, 55. 68). Ygl. Bo us set, Der Anti-
christ, 1895, und Eeligion des Judeutums, S. 242 ff.
2) Das Abendinahl ist das Pfand des eivigen Lebens (Hippol. WW. II, 96).
3) Die, Welche an der ersten Auferstehung teilhaben uud die Heiligen
richten, sind jetzt nur die Martyrer (Hippol. in Dan. II, 37, 4 cf. TertulL de
resurr. 43j.
382 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater.
und das ist das Millennium den Herzen ferner riicken. Das'
eschatologische Drama ist in unserem' Zeitalter, das die Grundlage der
spateren Kirchenlehre abgesteckt hat, nicht dogrnatisiert worden. Der
christliche Glaube hat sich explicite iiber die Stiicke der Glaubensregel
Auferstehung und ewiges Leben nicht hinaxiserstreckt, implicite
freilich fafite er alle Momente in sich, die die biblischen Biicher bzw.
ihre jeweiligen Interpreten darboten. Die Anschauungen und Empfindungen
haben sich auch auf diesern Gebiet gewandelt. Sie standen der Gnosis
schroff gegeniiber, aber sie waren doch nicht einfach identisch niit den
Tendenzen, aus deren Bekampfung die Gnosis hervorgewaehsen ist. So
zeigt sich axich an diesena letzten Abschnitt, was sich uns ofters schon
ergeben hat.
15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Literatur: Clemens Al. (f ca. 215) Scliriften loyos
s, UaiSaycayos 11. 3, St^wf-ianeis 11. 8, daztt f."/. iCbv n()o<f>?]ri'/.a>v snioyai und
ex i(bv OeoSotov y.al ifjs dvarokty.fjs xahov/tevrjs Sidaaxalias y.ara toiis Oimhsvtivov
ZQOVOVS siuto/AM. Ferner die Homilie 27s o aco&fisvos Ttlovatos; eEdlich ein
groJJes Frg. aus den 'YTtorvnaiaeis, lat. erhalten (Adumbrationes). Ausgaben
v. Potter 1715 (hn Folgenden sind die Kapitel- und Seitenangaben dies. Ausg.
zitiert), Dindorf 1868, b. Migne t. 8. 9 ; in der Berliner Ausg. hat 0. Stahlin den
Protr., Paedag., ti. 6 Biicher d. Strom., 1905/6 ediert. Von Origenes(f 254) kommen
bes. in Betracht ITeyi &QK&V 11. 4, erhalten in der lat. Ubers. Ruflns, grofiere griech.
Frag, sind erhalten ; sodann yMtit KS/MOV 11, 8, sowie die Kommentare. Ausgaben T.
de la Eue 1733 ff., abgedruckt v. Lommatzsch 1831 ff., b. Migne t. 1117;
Ton der Berliner Ausgabe sind bisher 4 Bande erschienen (c. Gels., de orat., de
mart. ed. P. Kotschau, in Job., ed. E. Pretischen, Homil. in Jerem. ed. E. Kloster-
mann). Vgl. 0. Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. II (1903), 15fL, 68ff.
Guerike, De sehola quae Alex, floruit cat. 1824. 1825. Ch. Bigg, The christ.
Platonists of Alex. 1886. Luthardt, Geseli. d. chr. Ethik I, 113 ff. Zahn,
Porschungen III (Supplementuin Clenieutinum), 1884. J. Co gnat, Clemens
d'Alexandrie, 1859. E. de Paye, Clem. d'Alex., 1898. N. Bouwetsch, PEE. IV,
155 ff. P. J. Winter, Die Ethik d. Cl. v. AL, 1882. C. Merk, Cl. Al. in s. Abh.
T. d. griech. Phil. Lpz. Diss. 1879. J. H. M tiller, Id6es dogrnatiques de Clem.
d'Alex.,1861. K.Ernesti,DieEthik d. Tit. Flav. Clem. v. Alex., 1900. W.Scherer,
Klem. Y. Al. u. seine Erkenntnisprinzipien, 1907. Bratke, Die Stellung d: Cl. zum
antiken Mj'sterieiiAvesen in Stud. u. Krit., 1887, 647 ff. Huetius , Origeniana, 1668.
Thorn as ius,0rig., 1837.- Eedepenning,Orig.,2Bde.,1841 6. E.Preuschen,
PEE. XIV, 467 ff. H. Schulfz, Die Christol. d. Or. im Zsh. s. Weltanschauung iii
Jahrb. f. prot. Theol., 1875, 193 ff., 369 ff. H. J. Bestmann, Orig. u. Plotinos in
Ztschr. f . kirchl. Wiss., 1883, 169 ff. P. M e h 1 h o r n , Die Lehre v. d. menschl. Preiheit
nach Orig. in Ztsch. f. KG. II, 234 ff. J. Denis. De la philosophic d'Origene,
1884. G. Anrich, Clemens \i. Origen. als Begriinder der Lehre v. Eegfeuer in
Abh. f. Holtzmann (1902), S. 97 ff. W. Schiller, die Vorstellungen y. d. Seele
bei Plotin und Orig. in Ztschr. 'f. Theol. u. Kirche, 1900, 167 ff.
Das Zeitalter der Severe. 383
1. Wir stehen in dem Zeitalter der Severe. Das Christentum hatte
sich innerlich konsolidiert und breitete sich auBerlich fortwahrend aus.
Die Zeitstimmung kam ihm gewisserinafien entgegen. Die Zersetzung
der positiven Eleniente in cler Religion und im Staatsleberi war. immer
welter fortgeschritten. Man wirkte dem Verfall durch Zentralisierung
entgegen. Der Orientalismus wirkt auf die abendlandischen Anschauungen
kraftiger als friilier ein. Die Gottheit der Kaiser wird ernsthaft ge-
nommen. Der allmachtige Herrscher waltet durch ein ungeheures Be-
amtenheer. Das alte Volksrecht wircl durch das abstrakte Juristenrecht
ersetzt. Der Synkretisnius in der Religion geht fort und er wird so-
zusagen verinnerlicht. In alien Gottern wird die eine Gottheit offenbar,
und alle Kulte dienen ihrer Verherrlichung. Die Furcht und die HofEnung
gewinnen der Religion neue Anhanger. Auch die Gebildeten fangen an
der Erommigkeit nachzustreben. Ein eigentumlich sinnlicher Zug ver-
bindet sich mit der synkretistischen Aufklarung. Alles wird zum Symbol
des Ewigen, daher sucht man das Ewige in dem Einzelnen, Zeitlichen und
Sinnlichen. Das Buch vona Leben des Apollonius *) kennzeichnet diese
Fronunigkeit nicht minder deutlich als der Mithrazismus, der jetzt erst,
nachdem das Griechentum ihn zuriickgestofien hatte, auf dem abend-
landischen Boden weite Ausdehnung findet. 2 ) Der w gottiiche Mann",
der wirklich ein Gott 1st, wie er sich in Apollonius darstellt, 3 ) wird das
Ideal. Er ist kein Magier und kein "VVahrsager, sondern ein Weiser,
der sich aus Pythagoras und von den Indern seine "Weisheit geholt hat. 4 )
Er weifi alles und ohne TJnterlafi tut er Wunder. 5 ) Er fiihrt das Leben
eines Asketen und wird immer rnehr Gott, er hat die Stellung eines
Kaisers in der Welt. 6 ) Er ist durch und durch aufgeklart, ein Weiser,
1) Philostratus, Vita Apollonii, ed. Kayser.
2) F. C.umont, Textes et monuments figures relatif aux mysteres de Mthra,
2 Bde., Briissel 1896, 99; den 2. Teil des 1. Bandes gab Gehrich deutsch heraus:
die Mysterien des Mithra, 1903. S. bes. die Karte, die die Ausbreitung des
Mithrazismus veranschaulicht iind vgl. dazuHarnack, Die Mission etc., S. 534 fL
3) Vit. Apoll. II, 40 dviif 3 s *s; in, 28: yswazos xal &sos cf. Ill, 18. 29.
50. VII, 38: Apollon. zieht den FoJJ aus der IPessel, tore Tt^&rov . . . yrjalv
^vvetvai ifjs 'Anoklcoviov (pijaecos, Sit, 9sia re et?; xal uqeittcov
Q c67tov, cf. VIII, 13. Auf die Prage. des Kaisers, \varum die Menschen
Apollon. fur einen Gott halten, antwortet dieser: on. Tt&s av&Qconos aya&bg vofu-.
t,6(ievos 9'sov 87tcovv(.iiq Ti/uarai.
4) IV, 44: nicht /.tdvns, sondern von Gott gegebene ooyia; I, 2: er hatte
das Tttpoyiyvcbaxeiv, aber nicht (t&yq) t^WH'
5) Z. B. Ill, 38. 39; IV, 10. 45; VI, 43; IV, 11 ft; VIII, 5. 26. 31.
6) VIII, 31 fin. 4; IIIj 29. Die iiberfitrstliche Wiirde des Wersen einzu-
scharfen ist die eine Tendenz des Buches (VIII, 4 wendet sich Apoll. gegen die
Gottheit des Kaisers), die andere liegt darin, dafi der Weise kein Magier ist:
384 15. Die Theologie der alexandriuischeii Viiter.
der alle Erkenutnis hat, uiid doch gaben seine Taten Anlafi ihn als
Zauberer anzuldagen. 1 ) Er kanu sich unsichtbar raachen und er er-
scheint nacli seineni Tode einem Jungling, der in die Worte ausbricht :
fCSl-frOf-icd GOL (VIII, 31). Es fehlen in dieser Idealgestalt nicht Ziige,
die Christus und den Aposteln nachgebildet sind. Aber Apollonius ist
weiser als sie, Weisheit nicht Magie erklaren sein Wesen. Das ist- der
ideale Repraseutant der Frommigkeit : durch "Weisheit ein Gott, aber
kein Magier wie die Christen ; ein TJbermensch, der Philosoph ist, aber
i)TCsg(pL^ooo(pG)V (VII, 36).
Neben dem Ideal des rationalistischen Mystikers steht das heifie
Streben nach Vereinigung mit der Gottheit und nach Sicherheit der Er-
losung. Von der unteren Welt und ihren Danionen befreien die Askese
und die Kathartik, die Weihen und die Sakrainente, welche der Mithra-
zismus lehrt, und sie fiihren die Seele sicher empor zu der oberen Welt,
der sie entstammt. Eine . heilige Schar bilden die Anhanger des Licht-
gottes, die den Kampf wider die Machte der Finsternis fiihren und dabei
der Erlosung teilhaft werden. Derbe Mythen iind sinnliche Sakrainente
machten diese Religion gerade den nichtgebildeten Kreisen verstandlich,
und sie entsprach ihrem Bedarf, indeni sie alles hoffen und alles fiirchten
lehrte. Sie schien in den unteren Volksklassen die geborene Kon-
kurrentin des Christentmns zu sein. . Aber dieses hat, so viel wir w'issen,
keinen Augenblick sich vor dieser Konkurrenz gefiirchtet, damonische
Nachaffung der Wahrheit haben die Kirchenlehrer in den Sakramenten
des Mithraskultus erblickt und zugleich das Bewufitsein gehabt, dafi es
eine barbarische Keligion sei.
2. Es kann hier nicht weiter verfolgt werden , wie die neue
Stimnmng sich im roinischen Reich entfaltete und wie sie teils dem
Christentuni entgegenkam, teils AnlaB zu den neuen Verfolgungen des
3. Jahrhunderts wurde. Aber auf eine Erscheinung mufi hier notwendig
hingewiesen werden, denn sie lehrt uns erst die geistige Bewegung, die
unser Paragraph schildern soil, richtig zu schatzen. Es ist der Neu-
platonisnius. 2 ) Mehr als eine Entwicklungslinie mlindet in dieser
grofien historischen Erscheinung. Zunachst bildet der Neuplatonisinus
den Ausgang der antiken Philosophie. Die Philosophie kehrt zu dem
Idealismus Platos zuriiek, nicht ohne den Ertrag der bisherigen Greistes-
1) z. B. VII, 34. 11.
2) Uber Plotin und den Neuplatonisnius s. die Geschichten der Philosophie
von tiberweg-Heinze, wo die.ganze Literatur verzeichnet ist, von Win del-
ta and etc.; vor alleni Zeller, Philosophie der Griechen; ferner E. v. Hart-
maun, Geschichte der Metaphysik I, 106 186. Harnack, DG. I 3 ,. 766ft
Eucken, Die Lebensanschauungen der groCen Deuker, 1890.
Charakteristik des Neuplatonismus. 385
arbeit in sich aufzunehmen. Aber sie bleibt andrerseits dem praktischen
Charakter, den die philosophische Bildung allmahlich angenommen hatte,
treu. Gemafi dein Bedarf der Zeit wird die Philosophic zur religiosen
Weltanschauung. Metaphysik und Physik, Psychologic und Ethik fiigen
sich diesem Rahmen ein. Movr\ oartrjQia i] TtQog ibv &eov smargocprj
(Prophyr. ad. Marcell. 24). Die Bekehrung zu Gott ist das oberste
Anliegen der Philosophie. TJnd doch soil sie reine Wissenschaft sein.
Alle Tiefen der Welterkenntnis will sie erschliefien und gerade dadurch
den Weg zu Gott bahnen. Sie ist erhaben iiber die Religionen, aber
sie will die Religion in alien Religionen sein. Das kann nur erreicht
werden, indem die religiose TJberlieferung und ihre Mysterien zersetzt
werden, wenn auch nur in der Form der allegorischen Deutung, und
indem welter die objektive Erkenntnis der Philosophie nach den religiosen
Bediirfnissen gestaltet wird. Beides ist im Lauf der Entwicklung immer
deutlicher hervorgetreten. Aber indem das geschah, hat die Religion
der Philosophie ihre Kraft zerstort, und die Philosophie der Religion
ihre Eigenart geraubt. Das letzte grofie Gebilde, das der hellenische
Geist hervorgebracht hat, war wie ein Sonnenuntergang. Es war ,.unter-
gehend noch immer dieselbe Sonne", aber es war die Sonne einer unter-
gehenden Welt. Mystik und Intellektualismus, subjektiver Seelenbedarf
und objektive Weltbetrachtung kreuzten sich . in dieser letzten Geistes-
schopfung der Antike, aber so, dafi sie einander verdarben. Der Neu-
platonismus hat den Zersetzungsprozefi der positiven Religion zu Ende
gefuhrt, und an der Religion hat die Philosophie ihren wissenschaftlichen
Sinn eingebiifit. Dafi ,,Eins not ist", hat diese Philosophie mit Engel-
zungen zu verkiindigen gewufit. Die Tone hochsten Idealismus, die sie
dabei angeschlagen hat, klingen durch die Jahrhunderte fort, und noch
heute bezaubern sie unser Gemut. Wenige Erscheinungen der Gescbichte
haben s6 tiefgehend fortgewirkt wie die neuplatonische Mystik. Aber
der Weg zu dem ,,Einen" war ein Sprung in den Abgrund. Eine un-
geheure Sehnsucht konnte diese Philosophie erregen, aber ihre Stillung
wuBte sie nicht zu beschaffen, sondern nur in dunkeln grofien Worten
zu preisen, denn sie kannte keine positive Religion und keine geschicht-
liche Offenbarung. So konnte man von Gott reden und iiber die Seele
Grofies denken, aber iiber den Abgrund zwischen Gott und der Seele
kam man nicht hinweg, denn das gianzende Geflecht von Gedanken, die
heriiber und -hiniiber gingen, trug niemanden. Wundervoll hat Augustin
dies Erlebnis, wie er es an dem Neuplatonismus geniacht hatte, geschildert.
Er las wohl bei den Neuplatonikern Satze, wie die aus dem johanneischen
Prolog, dafi das Wort am Anfang war, und dafi es das Licht war und
dafi es nicht aus dem Willen des Pleisches ist. aber er .fand .nicht die
Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Anfl. 25
.386 ' 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater.
anderen Satze des Prologs, daB Gott in sein Eigentum kam, und daft
das Wort Fleisch ward, tmd daB der Herr fur die Gottlosen gestorben
ist (Confess. VII, 9).
Das ist die geschichtliche Stellung des Neuplatonismus. Er hat die
Philosophic zu einem Surrogat der Religion gemacht, und er hat dadurch
die antike Religion aufgelost und die Philosophic um ihr Wesen .gehracht.
Aher er hat auch andrerseits alle Sehnsucht nach der Erlosungsreligion
in sich vereinigt und sie den Herzen einzupflanzen verstanden, er hat
die Welt vom Standpunkt des religiosen Empfindens und Bediirfens her
anschauen gelehrt. So stellt er die Grenze der antiken Geistesentwicklung-
dar. Auch darin, daB er deni Christentum schroff und allseitig wider-
strehte, zeigt sich dieser Grenzcharakter, den aktiven Gott, seine be-
sonderen Taten und Offenbarungen die Schopfung, Christi Wirken,
die Auferstehung verstand der Neuplatoniker nicht und er konnte
ihn nach alien seinen Voraussetzungen nicht verstehen. 1 ) Aber seine
Grenze war nicht das Ende des Neuplatonismus. Das Ohristentuni, das
ihn iiberwand, ist auch sein Erbe geworden. Mcht nur philosophische
Erkenntnis, sondern auch religiose Ideen und Stimmungen hat es von
ihm iibernommen und hat niit dadurch ihn verdrangen konnen. Mit und
neben deni Christentum hat der griechische Geist fortgewirkt. ,,Nicht
inimer in gleicher Starke, nicht stets an derselben Stelle tritt im
Menschheitsleben der Quell griechischer Gedanken zutage. Aber niemals.
versiegt er ; er verschwindet um wiederzukehren, er verbirgt sich, um
wieder aufzutauchen. Desinunt ista, nonpereunt" (Rohde, Psyche II, 404).
3. Die neuplatonische Philosophic hat ihren TJrsprung in Alexandrien
genommen. Ammonius Sakkas (ca. 175 242), ein friiherer Christ^
ist ihr Begrunder. Der Heide PI o tin (204269) und der Christ
Origenes sind seine grofiten Schiller gewesen. Wir wollen an der
Hand Plotins die Hauptgedanken dieser Philosophic kennen lernen.
Aiis Gott ist alles und zu Gott strebt alles. Aber zwischen Gott
und der Welt klafft ein tiefer Abgrund. Wie dennoch auf dem Wege
der Emanation die Welt aus ihm geworden, und wie die Seelen zu ihm
zuruckkehren, das zeigt die Philosophie. Gott ist das Eine (TO ev) und
das Erste, ohne alle Bediirfnisse. unwandelbar wie der Mittelpunkt des
Kreises oder die Sonne (Ennead. I, 7, 1), nicht ein Etwas, auch nicht
die Vernunft, denn in dieser ist der Gegensatz des Denkenden und des
Gedachten vorhanden, sondern das schlechthin Eine und absolut Tran-
szendente (VI, 9, 6). Dies Eine ist nun das Prinzip von allem, es ist
1) Prophyrius schrieb 15 Biicher ,,Gegen die Christen", wichtige Fragmente
in deni Apocriticus des Macarius Magnes; vgl. iiber ihn Harnack, Geschi d.
Mission S. 352 ff.
Gott und die Welt naeh Plotin. . 38?.
uberall und alles ist in ihm, ,,nichts war in ihm, daher ist alles aus ihm,
und damit es das Seiende sei, deshalb ist es selbst nicht seiend, aber sein
Erzeuger" (V, 5, 9. 10 ; 2, 1). Aber wie geht aus diesem Einen und Un-
beweglichen die vielheitliche Welt hervor ? Das Eine regt sich nicht und es
will nicht, aber ein Gflanz geht von ihm aus und wird ewig von ihmgezeugti.
Das ist die Vernunft (VOVQ), die ewig ist wie das erzeugende Eine, "und das
zweite nach ihm. 1 ) Das Eine in seiner Vollkommenheit .,,flo6 gleichsam
iiber und seine TJberfulle brachte ein anderes hervor" (V, 2, 1). Dies
andere Gfewordene ist gewissermafien das Eine selbst als sein Abbild und
sein Ahnliches. Es entsteht, indem das Eine sich anschaut, diese An-
schauung ist aber Gredanke oder Vernunft. 2 ) Sofern nun aber das Eine
die Potenz von allem ist) 3 ) so schaut die Vernunft, indem sie sich von
jener Potenz gleichsam loslost, dies alles in sich und empfindet ihre
Kraft eine Substanz zu erzeugen von dem Einen her. Das Eine hat
keine Form und sch'afft nicht, wiewohl alles aus ihm ist, die Vernunft
aber sobald sie ist, erzeugt alles Seiende, alle Schonheit der Ideen und
alle intelligibeln Gfotter, und zwar so, dafi jede Substanz Bestand durch
Begrenzung und Grestalt und dadurch Hypostase empfangt. Das Sein
hat somit alles aus dem Einen, das Sondersein aber .aus der Vernunft. 4 )
Anders als bei Plato, der nur die Gattungsbegriffe in der gottlichen
Vernunft praexistieren lafit, denkt sich Plotin die Urbilder aller Einzel-
dinge, weil diese ja durchweg voneinander individuell verschieden sindy
in dem gottlichen Nus (V, 7). Der Nus nun erzeugt welter die Welt-
seele, denn seine grofie Kraft konnte nicht untatig bleiben. Diese Welt-
seele ist geringer als der Nus selbst, sein Licht und sein Bild. Sie hat
Teil an ihm, aber auch an den geringeren Dingen, die sie zeugt. Diese
Seele ist der Begriff ties Nus und seine Energie, wie der Ntis gleichsam
1) V, 1, 6: Set oi>v d.Mvr\iov owios, ei TI Sevtegov /uei? atiio, ov TCp
oiiSs j3ovkri\)evios oitSe ohms y.ivri&svtos iiitoaifjvai aiiro. JZcos oiiv ; xal ii Set vorjoai,
TtEQl sxeTvo /.IEVOV ; IJs^i^a^tv el- aiitov /.lev, l| aisrov Se fiBVovros, olov fjkiov to
Ttegl wbibv hafiTttjov cpws xegid'Eov, e| atitov del yevvcojuevov /.levovros. To 8e
del TS^SIOV del %al diSiov yewa ... ., fitjSev an aiitov ij tct, fieyiOTa f.is't' avid,
Ss fier* ainb vovs xal SSIJTS^OV.
2) V, 1, 7.: ely.ova, Ss exeivov keyo[.iV ibv vovv . . ., STI Set Ttcos eivai Iv.elvo to
v.al a7toocbt,8tv Tiok'ka. aiitov y.al sivai bfioiotrjTO. ngbs avid, coaTteg y.al
to cpws tov fj&iov. AlX ov vovs ey.stvo, Ttcos oiiv vovv ysvva; i) on rij
TTOOS airo ecbga, i] e Sgaais avir] vovs.
3) Ib. : to ei> Svvafiis Ttavrcov.
4) Ib. : taiirri yag Ttdvra J| ey.eivov, ozi fit] Tim ^ioq(pT\ xateifteio exetvo,
yuo ev sxeZvo, zlid TOVTO exstfo ovSsv fiev twv ev rcfi vco, st; avtov OB Ttdvta, sv
rots of>aiv, 16 y.al ovaiai ravra ... Tb Se ov Set ovy. ev dooiOT(o olov &sco^slad~ai,
uD? ogco TtETtfj'/ftat y.al aidasi' ardais Se TOIS voi^rols froiofibs y.al fioopi], ois xal
ka/.i{3dvEi.
25*
388 !*> Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Begriff und Energie des Einen ist (V, 1, 6. 7). Die Weltseele 1st nun
die eigentliche Weltschopferin, oder sie ist es, die den Zusammenhang
zwischen der intelligibeln und der erscheinenden Welt herstellt. Sie
gestaltet die Materie, indem sie sie ,,schmuckt, ordnet und beherrscht".
Die Materie wird wie bei Aristoteles als das schlechthin Bestimmbare
angesehen. In sie dringt nun die Seele ein, wie die Strahlen der Sonne
eine dunkle Wolke erglanzen lassen. Aber sie bleibt dabei an den Nus
gebunden, me aucb die Sonnenstrahlen an die Sonne, und sie \virkt
doch auf die Materie ein, wie die Sonnenstrahlen auf die Erde. Sie
stellt sieh dar in vielen Einzelseelen, die die Dinge beleben, aber diese
sind' in ihr zusaminengefafit, wie etwa die einzelnen Stadte im Staat
(IV, 8, 2-4; 9, 1. 2. 5. V, 1, 2. 7. II, 9, 7. 8. Ill, 9, 3).
Das ist die Theologie und Kosniologie Plotins. Ein gewaltiger
Entwicklungsprozefi reieht von dem Absoluten bis zur Materie herab,
alles in ilim nat seine Stelle und zwar so, dafi das Hohere dem Niederen
sein Wesen in abgestufter Eolge initteilt. ,,Es ist notwendig, dafi jedes
das Seine aucb. einem anderen gebe, oder das Grute wird nicht gut, die
Vernunft nicht Yernunft, oder die Seele nicht eben dies sein, wenn
nicht nach dem Erstlebendigen auch ein Zweitlebendiges ist, solange
jenes Erste ist. Es ist also notwendig, dafi alles aufeinander folgt und
ewig ist, und dafi das andere geworden ist dadurch dafi es von anderen
herriihrt. Daher ist nicht (auf einmal) geworden was Grewordenes heifit,
sondern es wurde und wird werden" (II, 9, 3). So ist alles in der
Welt notwendig und vernunftig. ,.Prinzip ist die Vernunft und alles
ist Vernunft, und was ihr gemafi entsteht und bei dem Entstehen Ordnung
ernpfangt, nmB durchaus so sein" (III, 2, 15). Daher sieht Plotin die
Welt optimistisch an, denn diese unsere Welt ist ein Abbild der wahren
ewigen Welt. Ewige Ordnung und Schonheit wird in ihr offenbar
(V, 1, 4. Ill, 2, 2). Alles in ihr ist von der Vorsehung geordnet und
harmonisch miteinander 'Verbunden und wird imnier neu geschaffen
(III, 2, 2. 13 ; 3, 2). Mb'gen auch schroffe Gregensatze in ihr vorliegen,
so lafit die Vorsehung auch sie in harmonischer Einheit ausklingen.
Das Ganze ist vollkommen und harrnonisch, nur wer das einzelne isoliert
betrachtet oder wer das Spiel init aufierena Gliick und Ungluek fiir
Ernst nimnit, kann das bezweifeln (III, 3, 1; 2, 11. 15. H, 9, 9. 16).
Darum wendet sich Plotin mit grofier Scharfe gegen die Weltbetrachtung
der Gnostiker. Hier ist er ganz Grieche. Daher erscheiut ihm die
Eurcht der Gnostiker vor den himmlischen Sphiiren lacherlich, da ja
alles in der Welt von der Gottheit geordnet ist. ,,Denn nicht soil man,
weil jene Korper feurig sind, sie fiirchten, da sie doch in deru richtigen
Verhaltnis zum All und zu der Erde stehen" (H, 9, 16). Und ebenso
Plotins Weltbeurteilung im Gegensatz zum Gnostizismus. 389
widerspricht er der Herabsetzung des Demiurgen und seiner Schopfung.
Yoll von Gottern, Geistern und Seelen ist ihm diese Welt. Die Welt
und die Gotter in ihr und das andere Schone zu- verachten, das heifit
nicht gut werden, denn jeder Bosewicht verachtet ja " ohnedies 1 die
Gotter. ... Auch ihre angebliche Yerehrung der intelligibeln Gotter
vertragt sich nicht hiermit. Denn wer jemand liebt, kommt aucb freundlich
der ganzen Yerwaridtschaft des Geliebten entgegen und liebt die Bonder,
deren Yater er liebt. Jede Seele aber ist (Kind) jenes Yaters. Seelen
sind aber aucb in diesen Dingen, und zwar verniinftige und gute, die
mit der jenseitigen Welt in weit engerer Yerbindung stehen als die
unseren" (II, 9, 16). ,,Die ganze Erde ist voll von mannigfacben Wesen,
auch von iinsterblichen, und bis zu.m Himniel bin ist alles voll von:ihnen.
Die Gestirne aber, sowobl die in den unteren Spbaren wie aucb die
bocbsten, warum sollten sie nicbt Gotter sein, da sie in Ordnung sicb
bewegen und die Welt umkreisen? Warum sollten sie nicbt aucb
Tugend baben, oder was sollte sie hindern zum Besitz der Tugend zu
kommen? . . . Warum sollten sie nicht stets in ibrer Mvifie begreifen
und in ihrem Geist Gott erfassen und die anderen intelligibeln Gotter?"
(II, 9, 8). Hier ist alles griechisch. Die stoiscbe jtQovoia. wird mit
clem ProzeB der Weltentwicklung kombiniert, und das Resultat ist eine-
groJ3e Theodizee. Und in dieser von Geistern, Damonen und Seelen
erfiillten Welt finden aucb alle Gotter der Mythologie mit der ganzen
antiken Damonologie ihren Platz.
Aber der Optimismus der Theodizee hat seine Scbranke. Im
Menschen liegt sie. Die Seelen der Menscben sind ,,Ampbibien", sie
geboren dem Diesseits und dem Jenseits an (IY, 8, 4). Ihr oberer
Teil lebt in der intelligibeln Welt, aber es ist zugleich ihre Natur am
Sinnlichen teilzuhaben, sie empfangen aus dem Jenseits und spenden
dem Diesseits (IY, 8, 4f. 7. 8). Aber in dieser Lage der Seelen ist
ihr Abfall von Gott dem Yater, der zugleich ein Abfall von sich selbst
ist, begriindet. Sie sind wie Kinder, die in der Feme auferzogen,
schliefilich weder den Yater noch sich selbst kennen. Hochmut, das
Anderssein, die Begierde durch sich selbst zu sein ist der TJrsprung des
Palls. Indem aber so die Seele sich von Gott abwendet und in eine
andere Richtung strebt, vergifit sie den Yater und verachtet ihren eigenen
TJrsprting dadtirch dafi sie weltlichen Dingen nachjagt und so diese
hoher schatzt als sich selbst. 1 ) So werden die Seelen bose. Aber
1) V, 1, 1 : ' itors ago, earl to TWTCouixbs rag tpv%as nar^bs deov eTt
v.al fioigas sy.et&ev otioas teal Skog s'/.eivov dyvofjaai y.al eavTs *<' etcslvov ;
fief ofit- aiiials TOV xaxov fj rohfia v.o.1 i] ysveats xa.1 i] TT^WT?; 8T8^oT?;s xal ib
Si eavifov elvat. Om oin> ert ey.eJvov ofyte savras dywocu, cm-
390 15. Die Tlieologle der alexandrinischeu Vater.
was ist das Bose? Gott 1st das Sein und das Gute, also kann das Bose
nur zu den f.irj ovra geboren. Das Bose ,,ist eine gewisse Form des
Nicbtseienden und es ist bei deni mit dem Nicbtseieriden Vermischten
o'der irgendwie mit dena Nicbtseienden in Gerneinscbaft Stebenden. Das
Nicbtseiende 1st aber keineswegs das iiberbaupt Nicbtseiende, sondern
nur etwas anderes als das Seiende, 'aucb nicbt so ein Nicbtseiendes wie
Bewegung oder Rube am Sein, sondern wie ein Bild des Seienden und
nocb weit mebr nicbtseiend. Dies ist aber alles Sinnenfallige (TO aia^-rjzov)
oder alle AfEektionen (rtd&rf) am Sinnenfalligen oder etwas nocb binter
diesen Stebendes, oder wie ein Akzidens an ibni oder ein Prinzip von
ibm oder etwas, was dies dazu macbt, was es ist. Und so kann man
wobl zu einer Vorstellung von ibm gelangen, es ist gleicbsam Mafilosig-
keit im Verbaltnis zum MaB, und TJnbegrenztes im Verbaltnis zur Grenze,
und Formloses gegeniiber dem Formgebenden, und imnier Bediirftiges
gegeniiber dem Selbstgenugsamen, immer unbestimmt, nie feststebend,
alleidend (ttaf.irtad'Eg), ungesattigt, absolute Armut" (I, 8, 3). Dies
absolut Unbestimmte und Formlose ist die Materie. Das .Bose ist somit
die Materie. Die Seele an sicb ist nicbt bose, nainlicb sofern sie sicb
Gott zuwendet. TJrsacbe des Bosen fur die Seele ist das Zusammensein
; mit dem materiellen ELorper. Zwar durcbdringt die geistige Kraft der
\ Form aucb die Korper, aber trotzdem ' bleiben diese als solcbe .ibrer
\ ,,alten Natur nacb" bose. 1 ) Das QuaHtat- und Formlose ist somit das
\ Bose. Nun ist aber das, was die Pormen aufbebt, eine Negation, und
; baftet als solche an einem anderen. Das Bose ist also ein Defekt in
der Seele oder ,,die Abwesenbeit des Gfuten". 2 ) Die Materie als das
Form- und Gfeistlose ist daber an sicb bose. Sofern sie nun dem
Menscben anbaftet und das Geistige in ibm negiert, ' wird der Menscb
/.idaaaai savras Ayvolq rov yevovs, iifii']aaaai laHa. y.al Ttdvm f.ia/J.ov fj saving
tyav/ridaaaai . . . "Qate ovfiflaivei i^g TtawteLovs dyvolas exsivov j; rcavSe iifii] y.a.1
fj eavrcov drifiia slvcu atria.
1) I, 8, 14: v'kr] Tolvvv y.al dadsveias ipvzij altia v.a.1 v.av.las altia- yiQoreoov
ago. y.ay.f] avii] y.al TIQCOTOV xxoz- xal yap el mitr] f) tywffi t'n vkr] syevvrjas Tta&ovaa.
y.al si iy.oiv(avt]OEV aiirfj y.al sysvero '/.ami, % vkf] altia Tiagovaa. I, 8, 4. 5. 7 :
{isfiiyfiev?] ovv Sf; 27 tovSs TOV v.oafiov cpiiaie '/ is tov vov y.rtl dfdyn-ijs, xou dou
Ttafia -d'eov sis cntibv rjy.ei, dyaftd, rd Se '/MV.O. e% TTJS dj)%aias cpvoscos, ii]v vkt]v ),eycov
Tt]v {>7io%eijU.evr]v oiiTCco y.oaf.i'ri\)slaav eideaiv. Ib. 8: el Srj acafta cfvriov iGtv y.aycov,
vlr] av e'ir] %al rnvrij a%Tiov TOJV y.axcov. 10: 6(>f)<0s aga heyerac (TJ vkr;) y.ai
dnoios eivat, y.a't */.ay.r\.
2) I ; 8, 11: &),)? fy Bvawtia. tea slSei Tcavil pvais are^tjais, areprjais Se del ev
&),)M VMI erf avtTJs oi>% vTtooraats, mate to y.ay.bv, si sv aTsprjasi, iv i<3 e
e'iSovs TO y.axbv sarat, mare xaff 1 savrb oiix 'earai. El c&v BV tij yv'/fi 'sarat
i] are^rjois EV OIITIJ to xa-s.bv y.ai // v.ay.ia 'sarai y.al oiiSev s^ca .... OiiBev ovv Ssi
aklad'ev 'Qrjretv to xaxov, dtta &gfiEVov &v yv%!] OVTCO dead'ai djtovolav dya&ov elvni.
Das Bose und die Freiheit bei Plotin. 391
schlecht. Nicht etwas Substanzielles ist also das Bose im Menschen;
sonder-n die Aufhebung des Geistigen, ein Nichtsein oder ein Defekt in
seinem geistigen Wesen. Das ist eine Idee, die in die kirchliche Lehre
ubergegangen ist.
Zweierlei mufi hier noch erganzend hinzugefiigt werden. Alles,
was durch aufiere Einfliisse geschieht oder vom Menschen vollfiihrt wird,
ist notwendig und durch feste Ursachen bestimmt. ,,Wenn die Seele
dagegen der Vernunft als dem reinen und leidenschaffcslosen und ihr
eigentumlichen Fiihrer folgt, so ist dies Streben allein als frei (ecp 1 fyilv')
und selbstandig zu bezeiehnen, und dies ist unser eigenes Werk, das
nicht von anderwarts kam, sondern von innen, von der reinen Seele."
(Ill, 1,9). Freiheit ist also Innerlichkeit und Yerniinftigkeit. Da nun
aber unser Wesen und Leben keine Episode in dem Granzen ist, so ist
auch die freie Wahl in dem Ganzen mitgesetzt und niitverrechnet (HI, 3, 3),
d. h. eine metaphysische Ereiheit des einzelnen gibt es nicht. Nicht in
den Taten des Menschen liegt also " seine Freiheit, sondern in der Ver-
nunft. Redet man nun von freien Handlungen, so ist dabei an die
innere Energie, an die verniinftige Betrachtung und Schauung der Tugend
zu denken. 1 ) Das Zweite ist der Gedanke, daB die Bosen durch ihre
Bosheit an einen schlechteren Platz" gestellt werden, ,,denn nicht ver-
mag etwas dem zu entgehen, was in dem Gesetz des Ganzen angeordnet
ist" (III, 2, 4). Das fiihrt auf den Gedanken der Seelenwanderung.
Je nach dem, wie sich die Seele verhalten hat, gestaltet sich ihr weiteres
Schicksal. Die einen werden Sterne oder wieder Menschen, die anderen
Tiere oder auch Pflanzen (III, 4, 2. 6). Es ist .nicht Zufall, daB der
eine Sklave wird und der andere in Gefangenschaft gerat, ,,sondern er
hat einst das getan, was er nun erleidet", ,,ein Weib wird werden, der
einem Weibe Gewalt angetan hat, damit ihm Gewalt geschehe" (III, 2, 13).
Von oben nach unten ging bisher die Linie der Entwicklung. Von
unten nach oben soil aber des Menschen Weg fiihren. Die Seele konimt
von oben und lebt in der materiellen Welt. Sie soil nun sich von dieser
losreifien und eniporstreben zu dem Ersten. Sie strebt entgegen dem
Schauen des Einen (IV, 9, 3. 4. 7). ,,Es sehnt sich die Seele in ihreni
natiirlichen Zustand und will mit Gott vereinigt Averden, gleichsam eine
Jungfrau, die eine edle Liebe hat zum edlen Vater. Wenn sie aber
zum Werden gekommen ist, wird sie gleichsam durch die (irdische) Ver-
mahhing verblendet und geberdet sich frech, indem sie den Vater verlaBt
und eine andere sterbliche Liebe eintauscht. Und wieder fangt sie an
1) VI, 8, 5. 6 : &a<ie %ai TO ev rats Tt^d^eatv aine^ovaiov "/.cu ib &<p ijfiiv ovx
sis TO Tigdiieiv avdyeod'ai oi>S" sis ii]v 'e^ca, &),!? sis T>]V svrbs svsfiysia.v y.al vorjffiv
y.nl \)sco()im> ciiiTijs Tfjs
392 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
das frecbe Wesen hier unten zn bassen. TJnd sicb entsiibnend von diesen
Dingen strebt sie wieder dem Vater zu, und nun 1st ibr wobi . . . Dort
aber ist das wabrbaft Liebenswerte, mit dem yereint bleiben kann der
es ergriffen bat und wirklicb besitzt, ist es docb nicbt aufierlicb mit
Fleiscb bekleidet. Wer es aber gescbaut bat, der weifi, was icb meine,
wie narnk'cb die Seele dann ein anderes Leben empfangt, die binzutritt
und scbon binzugekommen ist und teil an ibm gewonnen bat". Dann
ist die Seele Gott geworden und ist Gott (9-sbv yev6f.(evov (.tShhov ds
ovta, VI, 9, 9). Der Scbauende ist eins geworden mit Gott. Das ist
das Mysterium, das jenseits alles Scbonen und aller Tugenden liegt.
i ,,Und so ist das Leben der Goiter und der gottlicben . und gliickseligen
Menscben ein Leben der Trennung von den iibrigen Dingen bier, ein
Leben obne Lust an diesen Dingen, eine Flucbt des Einen zu dem
Einen" (VI, 9, 11), "Wie eine Glut von oben ergreiffc etwas die Seele
und dadurcb wird sie wie bescbwingt und strebt jaucbzend in beifier
Liebessebnsucbt empor (VI, 7, 22). Und wie die Liebenden eins werden
wollen, so wird sie eins mit ibm, trunken gleicbsam in der Liebe (VI, 7,
34. 35). Das ist also das Ziel, das Plotin vorscbwebt, das ekstatiscbe
Scbauen der Gottheit, die rnystiscbe Union mit ibr oder das Aufgeben
in sie. Die Seele wird Gott oder gottlicb (II, 9, 9. Ill, 2,' 5. VI, 9,
9. 11). Hier ist die Frommigkeit der Mysterien in die Pbilosopbie ein-
gefiibrt. Der Weg aber zu diesem Ziel ist einmal in den gewobnlicben
giiecbiscben Kardinaltugenden gegeben, dann in der A(x\)'(X()ai$ oder der
asketiscben Losung des Menscben von seiner Korperlicbkeit. Aber das
letzte Ziel, die Vereinigung mit Gott, kann der Menscb bienieden nur
zeitweilig erlangen, ,,weil er nocb nicbt vollig ausgewandert ist. Es
kommt aber fiir ibn die Zeit des dauernden Scbauens, wenn.ef garnicbt
mebr von dem Leibe bescbwert sein wird" (VI, 9, 10). Plotins eigenes
Leben illustriert diese Lebre. Er scbien sicb zu scbamen, dafi er im
Korper war ; viermal bat er das Ziel der ekstatiscben Vereinigung mit
Gott erreicbt, das sein Biograpb Porpbyrius nur einmal eiiebte (Porpbyr.
vit. Plot- 1. 23). J )
1) Die weitere Geschiclite des Neuplatonismus gehort nicht ner. Sie ist in
zwei Linien verlanfen. Die erste kniipft sich an den Nam en des Jamblichos
(f ca. 330). Er war selbst ein groBer Wundertater, er systematisierte die ganze
Mythologie und legte Gewieht auf Magie und Theurgie. Aus seiner Schule
stammt die Schrift de mysteriis. Dureh seinen Schiiler Aidesios (aus der syrischen
Schule) ge'wann diese Form des Neuplatonismus EinnuJQ anf den Kaiser Julian.
Die zweite Entwicklungslinie ist durch die athenische Schule bezeichnet. Hier
wandte man sich mehr der Systematisierung und Kommentierung der alten Philo-
sophen zu, ohne die polytheistischen und mystischen Tendenzen aufzugeben. Der
wichtigste Name ist Proklos .(t 485). 529 schlofl Justinian die athenische
Clemens und Origenes. . 393
4. Noch einmal hatte die antike Welt ihre ganze Kraft zusammen-
gerafft. Der Bund von Religion und Philosophic, den wir kennen ge-
lernt haben, brachte eine neue Situation hervor. Der geistigen Macht
des Christentums trat eine ebenburtige geistige Macht entgegen. Sollte
das Christentum sich in dieser neuen Lage behaupten, so mufite es die
Waffen der Wissenschaft und den Schild der Philosophie ergreifen. Auf
Justin mufite Origenes folgen. Aber nicht nur die aufiere Lage notigte
der Kirche diese neue Stellung auf . Wichtiger war, dafi auch die innere
Entwicklung auf sie hintrieb. Indem auch die hoheren Schichten der
Bevolkerung sich dem Christentum zuwandten, mufite es die Bildung
der Zeit in sich aufnehmen und dieser Bildung gegenuber seinen Charakter
als die hochste Eeligionsphilosophie dartun und sich die literarischen
Formen der hochsten Bildung zu eigen machen. An die Stelle der
popularphilosophischen Apologien und der exegetischen, dogmatischen
und ethischen Traktate mufiten wissenschaftliche Systeme, gelehrte Unter-
suchungen iiber das Wesen der Religion und eingehende exegetische und
histprische Forschungen J ) treten. "Was einst in ihrer grofien Zeit die
Grnosis erstrebt hatte, das nahm man. jetzt, durch das Schwergewicht der
inneren Entwicklung genotigt, wieder auf. TFnd es fehlte nicht am
begeisterten Beifall der Besten. 2 ) Clemens und Origenes waren in der
weltlichen Literatur nicht weniger zuhause als die grofien Philosophen
der Zeit. Aus derselben Schule, der der Neuplatoniker Plotin entstammte,
ging Origenes der Christ hervor, beide empfanden dieselben Probleme
und sie verwandten zum guten Teil die gleichen Mittel zu ihrer Losung.
Niemand konnte die geistige Ebenburtigkeit dieser neuen Verfechter des
Christentums beanstanden (vgl. Euseb. h. e. VI, 19, 1). Aber um so
argerlicher erschien den Gegnern ihr Beginnen. Porphyrius hat dem in
seinern Urteil liber Origenes Ausdruck gegeben: er, der Schuler des
Ammonius, der regelmafiig alle "Werke der griechischen Philosophie
studierte, ,,ein Grieche unter Griechen gebildet, fiel er ab zu der bar-
barischen Hartnackigkeit und schandete dadurch sich selbst und die von
. ihm erlangte Bildung, indem er seinem Wandel nach christlich und
widergesetzlich lebte, in seinen Ansichten aber liber die Dinge und das
Schule. Durch das Medium dieser Philosophen ist die Kenntnis der antiken
Philosophie dem Mittelalter zugekommen.
1) Hier kommen auJJer Origenes Werken besonders die historischen Arbeiten
des Julius Africanus in Betracht s. Euseb. h. e. VI, 31. I, 7 u. vgl. Harnack,
Gesch. d. altchr. Lit i, 2, 507 ff.
2) s. das Urteil des Alexander v. Jerusalem iiber Pautanus und Clemens bei
Euseb. h. e. VI, 14, 9 uud die Aufnahme, die Origenes in Palastma fand, ib.VT, 27,
oder die Lobrede des Gregorius Thaumaturg. auf ihn.
394 15. Die Tlieologie der alexandrinischeE Vater.
Gottliche hellenisierte (eAA^w'tctw) und die Anschauungen der Hellenen
den fremden My then unterschob". Von den Philosophen ,,lernte er die
ubertragende Deutung der griechischen Mysterien und wandte sie auf
die jiidischen Schriften an" (bei Euseb. h. e. YI, 19, 7. 8).
Es war kein aufierlich, aus taktischen Griinden, angeeignetes Element,
das Clemens und Origenes am Griechentum besafien , sie waren mit
innerer TJberzeugung und wahrer, Begeisterung Hellenen. Aber wie die
Schule, an der sie wirkten, der kirchliclien Unterweisung diente, so haben
sie mit ebrlicber tlberzeugung an der kirchlicben tlberlieferung fest-
genalten als an der ,,"Wahrheit", die die Scbrift enthalt und die in der
Kirche von jeher gelehrt worden ist (oben S. 305 f.). Aber sie wollten
das Yulgare und Aberglaubische aus der Religion ausscheiden, sie sollte
ganz geistig werden, aiich darin folgten sie dem Yorgang der Philosophic. 1 )
Indessen so hocb immer diese Theologen die ,,Gnosis" gegeniiber dem
,.blofien Glauben" erboben, so tmerbittlich streng ist ihr TJrteil iiber die
haretischen Gnostiker, zu ihnen fiihrt keine Briicke hiniiber.
AYie in Alexandrien der judische Geist und die belleniscbe Philosophic
einen Bund geschlossen batten, welchem die Denkweise des Philo ent-
sprungen, so ist ein ahnlicher Bund gegen Ende des 2. Jahrhunderts
dort zustande gekommen. Die helleniscbe Weisheit und das liberlieferte
Evangeliuni werden in wunderbarer Weise initeinander gepaart. Die
Katecbetenschule zu Alex, gab den Boden dazu her, Pantanus, Clemens,
Origenes fuhrten das Werk aus. Man wollte erreichen was der tiefste
Trieb im Denken der Gnostiker erheischt hatte, aber man war gewiB,
es mit "Wahrung der kirchlichen Glaubensregel erlangen zu konnen. Fur
die Geschichte der griechischen Theologie ist dieser Yersuch von unennefi-
licher Bedeutung. An den Namen des Origenes kniipft sich dieselbe.
Nur vorbereitend gedenken wir der Lebre des Clemens.
5. In eigentumlich frischer und naiver Weise ist bei Clemens
der griechische Geist mit dem kirchlichen Glauben verbunden. Die
Schwierigkeiten driicken ihn nicht. Er war kein systematischer Denker
im strengen Sinn des Wortes, sondern ein geistreicher Dilettant. Er
hatte sehr viel gelesen und sehr viel behalten. Sein Geist arbeitete
leicht und schnell in Ideenassoziationen. Den Eklektizismus hielt er
prinzipiell fur den richtig'en . Standpunkt (Strom. I, 8 p. 338). Er pries
Plato am lautesten, aber er stand, zumal in seiner Ethik, der Stoa am
nachsten. Aber er war ein wirklich gebildeter Mensch, er hatte die hohe
Stimmung der griechischen Philosophie sich innerlich angeeignet und er
1) Vgl. z. B. Cicero de nat. deor. II, 28, 71: non enim philosophi sohim,
verum etiam maiores nostri superstitionem a religione separaverunt.
Charakteristik des Clemens. 395
lebte in ihr. Das verlieh jhm den sicheren Takt, der ihn bei dem grofien
Amalgamierungsprozefi, den er vornahm, geleitet hat. Wie er mit dem
Gefiihl Christ war, so auch Hellene. Und wie sich beides in seiner
Seele zu erlebter Einheit verbunden hatte, so wufite er es auszusprechen,
warm und beredt, Mhn und naiv. Die beiden Gebiete, in denen er
lebte, theoretisch gegeneinander abzugrenzen, war unendlich schwierig,
aber sein .Empfinden und sein feiner Takt fand die Abgrenzung mit
instinktiver Sicherheit. Vor dem Unmoglichen hiiben wie driiben inachte
er unwillkurlich Halt. Er strioh nichts mit Bewufitsein ab, aber er lieft
fallen was ihn innerlich abstiefi. In immer neuen Ansatzen legt er seine
Empfindungen und Anschauungen dar, nicbt immer klar, aber fast immer
fesselnd. An Worten eigenen und fremden fehlte es ihm dabei
nie. Seinen Charakter als Schriftsteller hat er selbst unubertrefflich mit
den Worten am Ende des Protrepticus gekennzeichnet : ,,von dem Leben,
das nie und nimmer ein Ende' hat, wollen auch die deutenden "Worte
kein Ende finden". Es ist kaum fichtig, wenn man Clemens als den
ersten system atischen Theologen der Kirche charakterisiert, aber niemand
hat so viel. wie er fur die Erzeugung der Seelenstellung getan, die die
Voraussetzung der systematischen Theologie der Griechen geworden ist.
Die Grabe Tertullians fiir weitschichtige Probleme knappe Eormeln zu
pragen, fehlte ihm ganz, aber er teilte mit Tertullian die Gabe eine
erlebte religiose Grundstimmung zu packendem Ausdruck zu bringen.
Hierin liegt seine geschichtliche Bedeutung, und in dieser Richtung hat
er lange langer als Origenes auf die griechische Christenheit
eingewirkt.
Wir mussen jetzt seine Hauptgedanken zusanimenstellen. Es gibt
nur eine Wahrheit, .in welche alle Strome zusammenfliefien. Gott gab
den Juden das Gesetz, den Griechen die Philosophic. 3 ETt(xid(xyd)'yei
nol avrr) (sc. die Philosophie) TO 'Ekkrjvmbv wg 6 v6f.iog rovg
sig XQUJTOV (Strom. I, 5 p. 331; VI, 17, 823; YI, 6, 762).
Hellenen und Juden haben einen alten und nun veralteten Bund empf angen,
die Christen als das ,,dritte Geschlecht" haben den neuen Bund (Str. YI,
6, 761). Die Geschichtsbetrachtung des Clemens sagt also von der
.griecbischen Philosophie keine blofi negative Stellung zuni Christentuni
aus, sondern wie durch das A. T., so hat auch durch die Philosophie
Gott die Menschheit auf Christus bin erzogen. Aber diese Wertung
wird dadurch gemindert, dafi die Philosophen ihr Bestes aus dem A. T.
entlehnt haben die 'Ell^m] *lom'i (V, 14, 699 ; YI, 5, 759 ; I, 25, 419).
Propadeutische Bedeutung hat die Philosophie aber auch noch heute fur
jeden Christen, welcher von der tfjikrj rtiOTig zur yvwotg emporsteigt.
Dies geschieht aber v.ara ytdvova 6xxlrj(JiaaT;r/.6v (Str. YIT, 7, 855 ; YI,
396 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
15, 803). Mit dem Buchstaben des A. und N. T. findet sick schon
Cl. im AnschluB an Philo durch allegorische Exegese ab (vgl. Str. VI,
15, 806 f.). Es bedarf des Glaubens an die Offenbarung zuni Heil, und
der Glaube geniigt. Clemens wendet sich aber gegen die Christen, die
auf die Bildung meinen verzichten zu konnen und es bei der ipiXi] ftiotLg
genug sein lassen, d. h. die das tJberlieferte einfach annehmen, ohne
sich uni den Beweis dafiir zu kmnmern (I, 9, 341 ; VII, 16, 888). Der
Glaube weist iiber sich hinaus zur Gnosis (Str. II, 2, 432; V, 1, 643).
Der Glaube ist ein der Seele .geschenktes Gut, ohne.zu suchen bekennt
und anerkennt sie Gott. Der Glaube ist die Grundlage der Erkenntnis,
die Gott selbst durch seine Gnade in den Glaubigen entstehen lafit. 1 )
Daher ttkeov de EOTIV TOV niGxevouL TO yv&vai (Str. VI, 14, 794). Der
Glaube ist die aufierliche Annahme Gottes und der Lehre Christi in.
buchstablichem Verstandnis, aus Eurcht und Gehorsam gegen die Autoritat.
(z. B. Str. II, 12; V, 1, 643; TO, 12, 873 f.). Der j/vwaxr/og da-
gegen lebt in der fiTTOTmxi) -S-ecoQia, er ergreift innerlich das Heil und.
begreift es (Str. VI, 10 ; I, 2, 327). Er hat Gott erkannt und ihm zu.
dienen ist ihm stetiges Anliegen. 0Qafteia TOV 3-eov f] avve%i]s
rfjs ipv^S ffy yvioGTmtt) xal f] jte^l TO Selov avroo xazot
aydmqv ao%oMa (Str. VII, 1, 830). Nicht nur die d-sioQi
sondern auch die itq'a^iq, soil JZiel des Gnostikers sein (Str. VII, 16, 895).
Nicht die Aussicht auf Lohn bewirkt, da6 er gut handelt, sondern er
tut das Gute um sein selbst willen, in Liebe zu Gott (Str. IV, 18, 614 ;.
IV, 22, 625), nicht nur die Tatsiinde sondern auch jede Regung siind-
hafter Lust meidet er (Str. n, 11, 455; VI, 12, 789 f.), nicht als Knecht.
sondern als Kind Gottes weifi er sich (Str. VII, 2, 831), er betet allzeit,.
denn Gebet ist Urngang mit Gott (Str. VII, 7, 851 ff. 854; VII, 12, 875).
Bedarf der anhG) TtSTiioievxwg der xoc&aQGia oder (.iixga ^vor^Qia der-
Kirche, so braucht der yvwOTixos die /.isyctha (.ivar^Qia oder die e-rcortTsia
(Protr. 1. p. 9; 12. Str. V, 11, 689). 2 ) Dies ist der konigliche "Weg.
( '0aov yaq &yct7tq Tig TOV d'sbv TOOOVTII) itKt-ov evdoTSQu TOV -3-sov-
TiaQadv&iaL (Quis div. salv. 27 fin.). Der Gnostiker lebt nicht nur
fiir sich, sondern durch sein Leben und seine Philosophic wirkt er
1) Str. VII, 10 p.' 864: Ttians (iev di)V EvSidd'e'tov 11 BOTIV d.ya&bv xai avev
tov tftiElv ibv O'ebv o/j.o'/.oyovoa slvai tovrov y.al o!-daovaa ws OVTCI. "Odev %()})
dTcd TUIJT^S ooJayoiiBvov irjs niarecas r.al aii^rjd'EVia EV ami] xdpm TOV O'sov i^v
7te<u uiirov s.of.iioaod'at, tog otov TE EOTW yvwaw . . . JJiarsvaai, SB ds/.iekios yvcaaecos,
iif.i<fco e 6 '/^latbe, o re d'efislios rj re eTtotnoSofiij, St' oft y.ai f] aq'/fi y.al TO re^os,
Tiioris l.Eyco y.ui rj dydnr].
2) Diese Unterscheidung s. auch bei Philo de sacrif. Abel et Cain. 15. 16;
de Abrah. 24.
Glaube und Gnosis bei Clemens. . 397
bessernd und . helfend auf seine Mitmenschen ein (Str. VI, 14, 793 ;
VII, 1, 830). Durch seinen Rat und seine Fiirbitte kommt er den
Siindern zu Hilfe und ist ihr Mittler bei Gott (Quis div. salv. 34 ff. 41.
Str. VII, 7, 855). So sind die Gnostiker die eigentlichen Erbauer und
Erhalter der Kirche (s. unten). Alles das, was man einst von den
Pneumatikern ,erwartete, fallt jetzt ihnen zu. An die Stelle del' Pneu-
matiker. hatten die antignostischen,Lehrer die Kleriker gesetzt, bei Clem.
empfangen die Gnostiker oder die reifen Christen diesen Platz. Sie sind
die geistigen Leiter und die lebendigen Autoritaten der Kirche. So
ergeben sich zwei Formen des Christentums : dem blofi glaubigen un-
gebildeten, anfierlich am Buchstaben mit Fnrcht und Hoffnung haftenden
Anfanger steht gegeniiber der Christ, der die Geheimnisse Gottes erschaut,
der mit Vernunft und innerer tlberzeugung Gott aufnimmt zu dauernder
Gemeinschaft und ihm von Herzen dient. Die stoische Unterscheidung
des Weisen von den Tt^oxoTtTOWfig wird hier auf das Christentum iiber-
tragen. Der Begriff von Christen erster und zweiter Klasse ist gewonnen.
Dadurch ist die Entleerung des Glaubensbegriffes durch die 0(>&odoctaTai,
denen es am aufieren Glauben genug ist (Str. I, 9, 342 f.), erkannt, aber
auch anerkannt, andrerseits ist freilich das Bewufitsein, dafi es an dem
gesetzlichen ,,blofien Glauben" nicht genug sei, kraftig festgehalten.
Der Gnostiker" des Cl. steht wirklich hoher als sein ,,Glaubiger".
Man darf dabei nicht vergessen, dafi Cl. auf das starkste betont, dafi
die Getauften und die Glaubigen als solche vollkommen sind, sofern sie
alle in die Sphare des Lichtes versetzt und des Geistes teilhaft geworden
sind : OVY. &Q<X oi fisv yvcoanxolj ol 6e ipvwAol iv amC\) rip hoyy, akh 1
ol rtdvves &no&ei.i6voi rag oaQ'/.mag ejtL-d-vf.dag 3 laoi xa* fCvsvf.iaTiy.oi
tfj) . yMQity (Paed. I, 6 p. 116). Streng genommen steht diese
Anschauung im "Widerspruch zu der scharfen Unterscheidung von
Gnostikern und Glaubigen. Der hellenische Aristokratismus stofit hier
mit der rnehr demokratischen christlichen Auffassung zusammen, wie
iibrigens auch die Stoiker einerseits die Gleichheit aller Menschen pro-
Idamierten, andrerseits den Weisen hoch iiber das genieine Menschen-
wesen erhoben. Aber noch eins mufi hier gesagt werden. Die zwei
Stufen, die Clem, im Christentum annimmt, bringen zum Ausdruck, dafi
er ein starkes Empfinden fiir die Eigenart des Christentums als Erlosungs-
religion hat. Die blofi Glaubigen sind die Christen, die auf der Stufe
der Gesetzesreligion stehen bleiben, die Gnostiker mit ihrem inneren Er-
leben der wirksamen Lebensgemeinschaft mit Gott, erheben sich in die
Sphare der Erlosungsreligion. Aber indem Cl. diese nur in den Eormen
des Hellenentums zu schildern vermocht hat, hat er das Grofie in seiner
Betrachtungsweise selbst verdunkelt.
398 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
6. Die Einzellehren bei Cl. wie sie Gegenstand von Glauben
uncl Erkennen sind lassen sicb bald iiberscbauen. Der eine Grott,
der in gewobnter Weise als das- Sein Sftsxelva TTjjg -ovaiag, das pradikat-
lose Sein und das scblecbtbin Eine *) bezeichnet wird (z. B. Str. Vj
12, 695 f.; V, 11, 689), ist der Schopfer der "Welt. Formel und Ge-
danke der Tqtdg sind Cl. gelaufig (Str. V, 14, 710 cf. Exc. ex Tbeod. 80.
Protr. 12 init. Paed. I, 6, 123. Ill, 12, 311; quis div. s. 42 fin. Adumbr.
p. 88 Zabn). Wie Clem, den griecbiscben Gottesbegriff beriibernimint,
so siebt er es aucb fur selbstverstandlicb an, daB der Logos der Pbilo-
sopben niit Cbristus identiscb ist. Einerseits ist der Logos im Vater
und eins mit dem Vater, 2 ) andrerseits wird er als die Verminft, die
Kraft und der Wille, der vom Vater ausgeht, 3 ) bezeicbnet. Dabei bat
Clemens, wie es scbeint, die Tendenz verfolgt, den Abstand zwiscben
dem Logos xind dem Vater als dem absolut Einen zu vergrofiern. Darauf
Avird die Unterscbeiduug abzielen, die Cl. macbt zwiscben dem Logos, wie er
an sicb dem Vater eignet, und dem Logos, wie er aus jenem hervorging
als eine birnmliscbe Kraft ; letzterer nicbt ersterer ist Menscb geworden. 4 )
Der Logos ist von Anbeginn ber in der Welt gegenwartig und wirksarn,
ibr die Existenz verleibend, in Propbeten und Philosopben die Wabrheit
darbietend, das Prinzip nicbt nur der Existenz der Welt, sondern aucb
alles Verniinftigen in ibr. Wie der Logos die Welt erscbaffen, bat er
aucb seine eigene menscblicbe Natur erscbaffen : srtuxa KCU eavrbv yevvq,
orav 6 Adyog aagi* yevrpcu, c lva d-ecc&fi (Str. V, 3 p. 654). Das sind
Geclanken, die seit den Apologeten uns mebrfacb begegnet sind (S. 278. 323).
Das Resultat der Menscbwerdung ist das gottlicbe und rnenscblicbe Sein
in Cbristus : amog youv b Ao'/og 6 %Qi0rbs xal tov eivai itakai
fjf.iag . . . xal TOV ev tivai, vvv ds Ertecpdvrj av&Qcojtois a fobs
OVTOQ 6 Ao'yog, o (.IOVOQ a { ucpco, &sos ve xal av&Qtortog, ajtavruv fifilv
cihios aya-d-wv, nag* ov rb eti lyjv xdidaax6[.ivoi ei$ a'idiov a)i]V
1) Paed. I, 8 p. 140 : EV Se 6 -debs xai enexewa TOV evbs y.a.1 tiney ai
fiovdSa.
2) Paed. I, 8 p. 140: vibs u>v 6 Aoyos aiirov sv TCO naryi sott. Ill, 12 p. 311:
vis nut ttartjp, ev ufiycb.
3) Protr. 12 p. 93: TOVTO o loyos rov &sov figayjcov xvqiov, Svvafits iStv
o'tjtov, to delij : ua TOV 7car^6s._ . Str. V, 1 p. 646 f . : Der Logos des Vaters ist nicht
bloBes Wort, sondem aoyia '/MI '^riatoT^s tpaveycoTdTr] rov d'eov, Stivafiis te a%
Tiay/.oaiijs xal rco ovn deia . . ., d's^Tj/u.a TiavTO'/.^aTo^iy.ov.
4) Photius Bibl. cod. 109 teilt folgenden Satz aus Clem, mit: heyeiai fisv
y.al 6 vlos ),6yos dficovvfiws TCO TCUTOiy.ca hoyq), dW ov% o-Hros sativ 6 aa^ yev6[.ievos,
ovSe ftfjv 6 Ttargqjos l.oyos, dV.a Svvafiis ris tov d'eov, olov djioggoia rov Koyov
avtov vovs yevofievos ibs r&v d.vd~oct)7tcov y.aoSias SiaTteyoiiqy.e. Zur Erklarung
der Stelle s. Zahn, Forsch. Ill,' 144 ff.
Christ! Person und Werk bei. .Clemens. 399
(Protr. 1 p. 6). Der Logos kam vom Himmel herab
und ,,zog einen Menschen an" (i&v&QtoTCOV ive&v) und litt was die
Menschen zu leiden haben, er hatte Leib und Seele, und war doch \tebs
sv avd-Qibnov ay^fia^i ay^avrog (quis div. . s. 37. Paed. I, 2 init. Protr.
10 p. 86). Olem. hat sonach die Menschwerdung so gedacht, dafi der
Logos den von ihm geschaffenen Menschen Jesus wie ein Gewand anzog
und dafi er in ihm wohnte. Dabei ist .aber die Einheit des Subjektes
immer vorausgesetzt, und zwar so, dafi der Logos das Subjekt 1st, das
sich in der Erscheinung eines Menschen darstellt, er ist avv xal T^>
oy^f.idTi -9-eos d- h. wahrnehinbarer Gott (Paed. 1. c.). Den Doketismus
will 01. meiden, ohne dafi es ihm gelingt. Ohne Kritik fiihrt er Yalentins
Satz, dafi die Speisen von Christus nicht verdaut worden seien, an
(Str. Ill, 7, p. 538). Und es erscheint ihm lacherlich anzunehmen, dafi
er der Speise bedurft habe ; nur damit man nicht doketisch iiber ihn
denke, habe er gegessen ! Sein Leib aber sei von einer heiligen Kraft
zusammengehalten worden. 1 ) Christus hat nun fur uns sein Leben in
den Tod gegeben, er ist 'kmqov wad Opfer fur uns geworden, hat , den
Teufel uberwunden und bittet fur uns bei Grott (quis div. s. 37. Paed. Ill,
12 p. 310; I, 5, 111 ; I, 11 fin. Protr. 11 init. 12 p. 93). Das sind iiber-
lieferte christliche Gedanken. Aber die Deuturig derselben in der Bichtung
einer stellvertretenden Siihne ist Clem, nicht gelaufig (z. B. Paed. Ill,- 12
p. 310). Eiir ihn ist Christus die gottliche Kraft, die in das Dunkel der
Welt hineinleuchte.t und in diesem antiken Sinn dann auch
reinigende Heilsgewalt. 2 ) Vor allem aber ist Christus der eine grofie
Lehrer des Menschengeschlechtes, der Fiihrer und Gesetzgeber sowie der
Spender der Erkenntnis und darnit der Unsterblichkeit. Nachdem er
erschienen ist, braucht niemand mehr Hellas oder Athen aufzusuchen,
sondern er hat die ganze Welt zur Statte der Weisheit oder zu einem
Hellas gemacht. El yctQ fyilv 6 didda'/.aKoQ 6 nhrjQwoas xct navra
1) lAhft 1 eTtl fiev TOV acoTfjQOS to a&fia aTtanelv ws owfia tag avayxaias
i)7te())]aias els Stafiovijv, yefaos av ?/; sy>aye yu(> oil Sia TO a&f.ia Swdfiei mtpt-
'^dfievov uyict, d&% > cos fifj TO'bs avvovias akkcos Ttegl ainov yoovelv vTtsiffek&oi,
&Gne() dfiekei SaTsoov Soxijaei lives atitbv TteipavEocdad'ai iiTtekaftov ' Aiitbg Ss djfat-
ctTTAcos aTta&rjs r\v, els ov oiiSev TtapsioSvETat xivijfia Tta&i'j'ny.ov, ovte i]Sovi] ovrs
ltxi] (Str. VI, 9, 775. Adumbr. p. 87 Zahn).
2) Protr. 10 p. 86: rd%ei . . . ?) vvaiu,is &E'iy.i] sTtddfiyaoa T^V ytfv ocoTtjpiov
eveTthrjffs. id Tfav . . . "O^Bt, .xaracpgovov/.iEvos, 'soyco 7CQoay.vvov/.ievos, 6
xt acorijoios xal /.ieit,l%ios, 6 &sios . l.oyos, 6 cpaveoanmos ovicos
&eo$, 6 ico SeoTtoTi] ta>v ohiov s^tacodsis ... f O aTtovSotpopos f.al SiaM.axTtjs y.cu
acoirj^ fjficov 'koyos, 7t>]yi] ^cooTtoios, eioijvtxij . . ., Si ov . . rd rtdwra, ifiri nekayos
yeyovev a.yad'wv. - Paed. I, 2 p. 100: Ttaubvios xal sTtcoSbs tiyios voaotjaqs \vv/rjs,
6 Ttavay.^s ifjs d^dpcoTtozijTOS largos.
400 15. Die Theologie der alexandrmischen Yater.
ayiaiSj diftiiovgyiq, Georgia, euegyeatq, vofio&eaiq,
didaaxaUq, aavTa vvv b diddoxahog y.azri%el xcrt TO rt&v
ml f EKla$ yeyove T$ ' Uyy (Protr. 11 p. 86: 88 f. 12 p. 91.
Paed. I, 3 p. .102 f. ; I, 6, 113). Der Lehrer ist Christus, der alien
alles bringt, den Gnostikern nicht minder als den Glaubigen. 1 ) Aber
der Lehrer ist zugleich Arzt. Mit der Erkenntnis zugleich -\vird der
Menschheit die TJnsterblichkeit. ,,Von alien Sterblichen", lafit Clem.
Christus sagen, schenke ich euch es allein die TJnsterblichkeit zu ge-
winnen, denn ich will, ich will auch an dieser Gnade euch Teil geben,
indem ich euch gewahre die vollkomnine Wohltat, die TTnsterblichkeit,
und den Logos schenke ich euch, die Erkenntnis Gottes, ganz mich
selber schenke ich" (Protr. 12 p. 93). Gshjiia de tov &EOV sniyvcoaig
tov 3-eov, f]Tig earl xowcovia acpdctQaLug (Sir. IV, 6, 575). So wird
der Mensch ein Grott. 2 ) Dazu tritt die Siindenvergebung. Als Grott vergibt
Christus Siinden, seine Menschheit dient der sittlichen Belehrung: Tot.
I.IEV af.iaQrijf.iata fog $sbg acpieig, slg de TO (.n] e^af-iaQraveiv rtaidayioyfov
cog av&Qwrtog (Paed. I, 3 init.).
7. Der Mensch nun soil Christi Lehre Gehorsam leisten, zum Lohn
gleichsam Gegenliebe betatigen, indem er die Gebote erfullt (Protr. 11
p. 89 f. Paed. I, 3, 102). Nun weiB 01. ebenso wie die zeitgenossischen
Philosophen (oben S. 389 f . 31) daB der Mensch in den Eesseln der Siinde
liegt (Protr. 11 init. Paed. Ill, 12, 307: TO (.lev yog e^af.iaQ'vdveir
Tt&OiV ef-icpvcov Y.a.1 7.oiv6v) f aber das hindert ihn nicht an der
starksten Betonung des avre^ovaiov oder des ecp 3 fyilv. c Hf.iag de e'
fyitiv avrwv ^ovlerat ocb&o&at (Str. VI, 12, 788 ; U, 14, 460 ; Paed.
I, 6, 118). So ist der Mensch auch frei zum Guten und zum Glauben
(Str. IV, 24, 633; II, 15, 462; III, 9, 540). Gott reicht das Heil
dar, und der Mensch vermag es zu ergreifen : c g de 6 laTQOg vysiav
olg owegyovoi Ttgoc vyeiav, ovrug /.al 6 -9-eb$ TI]V a'i'diov
roig avvsgyouoi rtgbg yvwoiv re xai evrtgayiav (Str. VII, 7,
860). Die erste Regung ist der Glaube. Er verbindet sich mit Eurcht,
1) Str. VII, 2 p. 831 : o StSday.a).og oinos 6 TtaiSevarv fivaTtjglois fisv "ibv
yvmati'/.dv, sATfiai Se dyadais tov Jtiaibv y.nl naiSsia rfj sTTcci'oij&caTMiJ Si ulad~>]ti'/S]^
svegyeias ibv ay.):i]^oy.a.i)Siov.
2) Protr. 1 p. 8: o ).6yos . . Hvd'QcoTtos yevofievos, ivn Srj "/.al av TCUQa dv-
d"<)oj7tov fidd'fis, Ttij Ttote a.Qa avdycoTios yevijTcu -deoe. Paed. I, 12 p. 156: tv.-
. Uber die Gottvverdung s. noch Str. IV, 23 p. 632: tbv yvcoam"/.bv ijSi]
&s6v nach Ps. 102, 6. Str. VII, 10. 865. Str. VI, 4, 797: ofowg
'iMftovaa. WQiny.i]v fj yw/yi fie/.eru elvcu -9'eos, VMV.OV f.iev oi>8ev 0JJ.O Tttyr
dyvoias slvai vofil,ovaa "/.al T^S ft'fj "/Mia. tbv oqd'bv l.oyov svepyeias- Protr. 12
p. 94: Siaato}' y.ca daiov . . yevofievos fab XQWTOV 'Irjaov -/.at, els roaoviov ofioiov
Die Heilsordnung des Clemens 401
Hoffnung, Sinnesanderung, Entbaltsamkeit und Geduld ; das 1st das erste
Entwicklungsstadium, das iiber sicb binausstrebt zu der Gnosis und der
Liebe. 1 ) Der Glaube 1st eine owyxa'cdd i eGig und eine -rtQokrjipig diavoia$
jcegl m hydfieva (Str. II, 12, 458; II, 2, 437. 432). Sofern der
Glaube notwendige Yoraussetzung des Heils, kann ihm die Rettung zti-
gescbrieben werden. 2 ) Aber dieser Glaube Aveist iiber sicb selbst binaus
zur Erkenntnis und Liebe (s. oben, vgl. TCLGILQ, do^ccOTr/.!] und KTCiGxr^-
f.iovimj Str. II, 11, 454). Und dieser Gedanke war notwendig, wenn
man unter dem Glauben nur eine avy/M'cdd-e.Gis oder ein rtSi&ea&cii
TGig ivTokal$ (ib.) verstand. Hierbei ist die paulinisehe Recbtfertigungs-
lehre nicht haltbar. Die Gedanken des Clem, uber den Glauben reicben
scbliefilich nicht iiber die Bekebrung binaus, die man aucb in der Stoa
kannte (oben S. 31). Der Sinn fiir die iiberirdiscbe Welt und die Be-
reitscbaft die Gebote Gottes anzuerkennen und zu befolgen ist der
Glaube. Es ist nun ebenso verstandlich, daG diese Bereitscbaft und
dieser Sinn durch den wirklicb betatigten Geborsam oder die innere. er-
fabrene Gemeinscbaft mit Gott gesteigert wird, 3 ) als dafi dann die eigent-
liebe Gerecbtigkeit des Menscben nicbt nur an den Glauben, sondern
mebr nocb an die Liebe gekniipft wird, der Glaube fiibrt zur Erkennt-
nis und die Erkenntnis zur Liebe. 4 ) Und bier erst ist die innere Ent-
wiclclung zum Abscblufi gekommen. Die wabre Gerecbtigkeit bat daber
erst der yvoJGTiY.og. Das gilt auch von Abrabain, aucb ibm wurde sein
Glaube zur Gerecbtigkeit gerecbnet, sofern er sicb auf dem Wege zu
dem boberen Standpunkt des Gnostikers befand. Gerecbtfertigt ist also
1) Str. II, 6 p. 445: &eia roirvv /} looavii] fisTajSo?.?] e| aTttaiiag
yevd/iievov y.al rfj e.^TtlSi r.al t(^ yopco TtiarEvaai. Kai S>i i\ TtocoTi] TIQOS aoni]()inr
}] TTiang fffilv dvayalveTtti, /.leff 1 rjv <f6/3os re y.al E/.TIIS "/.cu fietdvoia avv re
iq xal vitojuofij TtQoy.oTttovoat ciyovaiv f] t u&s srti TE Aydmiv BTC'I TS yvwovv,
2) Str. II, 12 p. 457: 6 cpofios rijs dydrtqs dy/i] y.am Ttaoaij^aiv mans yevo-
fisvos, SITU dydni] . . . May.dgios oitv 8s Ttiorbs yivsrat aydTtt] y.at cfoficy y.Ey.oaf.ievos,
rtiaris Se la%i>s els aeon] Q iav y.al dvvafiis sis ?)*' aicovior. Paed.
I, 6 p. 116: ?; fiev y&Q xamfyyats eig niariv TTEtJidysi, Tticms SE aua fiaTtTifffian
&yiq> TtaiSsveTat a-peti/iait . . ., fiiet xad'oktxi] tijs dfd'pcoTtdTijTog OCOTIJOIH ij Ttiatis.
3) Str. VII, 12 p. 879: I'^et yoc^ axparov Ttianv ri]v Tie^i TWV TtyayfidTcov TO
evayyslio'i' t)Y epycav r.al -dscoglas emxtvcov . . . c? eSlSa^sv 6 xvpios ravra sTtnehaJi;.
Ta Se svravd'n ndvra aJJ.orQia -^yovftsvos, oi> ( u6vov d"av t udcov fas TOV
y.vgiov evTot.di, &)3? ... 8f ainijs t'ijs yvcbaecos fisro'/os &v T//S 9'slas fiovkijaecos
oly.slos ofTcog TOV y.voiov y.ou iwv IVIO'IMV s^sUeyusvos cbs dixaios, fjyejtovmbg Si
y.al fiaaikiy.bs ws b yvcooTiy.os. - /livtriv olnos oiSe y.nl TIJV fiev TOV TnaTevovrog
e-vepyetav, ir^v Se TOV TCIOIBVO/HEVOV iiyv y.a,T d^iav v7reoo%>ji', eirel y.nl i] S i y. at o -
<svvr\ SiTtlrj, 'fj fiev Si dyaTfr/v, i] Se Sid ipofloi'.
4) Str. VII, 10 p. 865: tcp e%ovn noooredijoeTai (LllC. 19, 26)' rij
i] yvtaais, Til Ss yvcoasi f] dydTttj, Tfi Hya.ni- Se >] d.qoo'i'Ofiia.
Seeberg, Dogmengescliiclite I. 2. Aufl. 26
402 15- Die Theologie der alexandriuischen Vater.
der, der gut gemacht wurde und den Geist empfing. Nicht nur der
Glaube rettet, wie Christus , Mark. 5, 34, in Anbequeinung an die
jiidiscbe Anscbauung sagt, sondern dem Glauben mussen Werke folgen. 1 )
So entscheidet sich also der Christ mit freiem Willen fur Gott und sein
Gebot, vorn. blofien Glauben in der Eurcht mit ibrer Gerechtigkeit fort-
schreitend zur Gnosis xind Liebe, zur andauernden Herzensgemeinscbaft
mit Gott, zu einem Leben des Gebetes und unausgesetzt beiligen Wirkens.
zu der ecbten Gerecbtigkeit. Evyr] yag amCi) b /S/og aitag xal 6f.nXia
fCQOg -d-eov (Str. VII, 12 p. 876). Hier ist das sittlicbe Ideal erreicbt,
die "Weltlust bat aufgehort: ovx syxQCtTTjg ofiros dyU 3 Iv el-i yeyov*
dftad'Eias (Str. IV, 22, 625), aber andrerseits wird aucb voller Ernst
gemacbt mit dem Satz : /.wvt] d 3 fj di? dydrtrjv svrtoi'i'a, f] 6t avxo TO
y.cdbv al^BTi] ftp yvwatmfy. Er lebt und wirkt in der Welt obne Lust
an der Welt (z. B. Str. Ill, 7, 537; VI, 12, 790; VII, 12, 874 2 ). 878).
Er bringt es zuni '/.aTOQ&ioi-icc, der arclCog 7tiGTO$ nur zur (.itavj TtQa^iQ
(nacb stoiscber Terminologie, Str. VI, 14, 796).
Man iiberblickt diese Heilsordnung des 01. mit Interesse, denn erst
an ibr wird einem klar, in welcbem Grade 01. belleniscb empfunden
bat. Die Mysterienspracbe, die er gern anwendet, ist in der Tat das
passende Gewand fur seine Gedanken. Wie der Menscb von dem Logos-
Padagogen belebrt tind mystiscb angeregt, vom blofien Glauben sicb zur
inneren Sittlicbkeit und zur ecbten Gerecbtigkeit erbebt, bat 01. gezeigt,
und zwar in Wendungen, -die den Popularpbilosopben der Stoa durcb-
aus vertraut waren. Das gilt vom Ganzen wie von unzahligen Einzel-
beiten zumal in der sebr detaillierten Lebensordnung ini ,,Padagogen"
, es gilt von dem etbiscben Ideal der ,,Apatbie" wie von der inneren
1) Str. VI, 12 p. 791 : ainixci 110 'A/3^aa.f.i rtiorqj yevof.iivq> gAoyio-dy sis
8ixat,ooiji'i]v els TO fiet^ov y.al teheioreyov i-i^s Ttioiecas n^ojSe^-rjy.ori, oil yap 6 &TCE-
%6fievos /.idvov T^S y.a.xrjs ^d^scos Sixaioe, e&v fir] Tt^oae^s^ydarjrai %al id % Ttoielv
y.at, TO yivdaoxetv, Sf r t v aliiav t(ov (.lev dcpey.Teov, rot, Se svepyrjTeov. VII, 15
p. 885 : SioTtsQ eSixaica^re, ynjal, ica ovofinti tov y.vgiov (1. Kor. 6, 11)
ws siTtsTv vrf atirov Siy.aioi slvat, d>s aiifds, "/.al TC{> TivevfAcm, Tip dyup ws evi
y.aTO. S-iJvafuv dvexyddyre. Str. VI, 14 p. 794.
2) Einige Satze darailS: ^lib xal sff&lsi y.nl Ttivet y.al yafieZ oi> Tt^
d)J,ct dvayxaicog. To yafisiv Se sav b koyos soi], "kiyco, y.al ws y.a\h]xsi. rev6/.ievos
ydj) relsios elxdvas e%ei jobs fotoaiohovs y.<u ico ovci avrjg aim ev red fiovrjoij
7iavs^sa3ai, Seiy.vwcai fiiov, dM? ey.eZvos civSpas viy.a b ydfico y.al TtcuSonouq y.al rfj
TOV Oty.ov Ttoovoiq, dvrjSovcas te y.al dkvTtrjrws eyyvftvaadpevos fieia if]s rov oliy.ov
y.>]Ss[iovias, dStdaraios tfjs TOV \)eov yefOfisvos dydTtrjs y.al Ttdarjs y.ars^amaTdfisvos
zieioas, ifjs Sid tey.vcov y.al yvvaixos, oly.ei&v is y.al x-rrifiaTcov Tcpoay>spofiefr]s. Tco Se
&voly.co id 7to)J.d slvui avf.i^e/3>jy.sv uTtsloaarov. Movov yovv savrov xrj6fj.evos
f]Tiatai. nods TOV dsto}.si7io[.ivov /.Ctv y.aict. ii)v eavrov aanrjQiav, Tieoms-fiovios Se
fv tfj y.UTu TOV j3iov olxovof.ua.
Der Kirclienbegriff des Clemens. 403
religiosen Entwicklung. Aber dieser starke philosophische Einschlag in
seinem Christentum ist es gewesen, der ihn iiber den aufierlichen Glauben
hinausfuhrte zur Forderung einer innerlichen Frommigkeit.
8. Der Einzelne erlangt das Heil aber nicht anders als ini Ttu-
sammenhang mit der Kirche und ihrem "Wirken. Die Kirche bat Cl.
definiert als a&QOia[.ia TCOV sxltxruv (Str. VII, 5, 846). Die irdische
Kirche ist das Abbild der himmlischen Kirche gemafi der 3. Bitte des
Yaterunsers, oder wie diese die Verwirklichung des gottlichen "Willens
im Himmel darstellt, so jene auf Erden. Eine Stadt oder ein Staats-
wesen ist die Kirche, in der der Logos waltet 1 ). Sie ist die jung-
frauliche Mutter, die mit ihrer Milch die Glaubigen ernahrt (Paed. I, 6,
123). Zu der Kirche im eigentlichen Sinn gehoren die Gerechten und
die wahren Philosophen. Sie bilden den Leib Christi als ,,ein geist-
licher und heiliger Reigen", wahrend die librigen, die nur den Nameu
Christi tragen, nur Fleisch sind, d. h. an dem Wesen der Kirche nicht
teilhaben. 2 ) Das ist die alte Anschauung von der Kirche, nach der
sie die Gemeinschaft der wahrhaft Erommen darstellt, der sich aber
aufierlich auch unfromme Elemente beigesellen. Hierarchische Interessen
sind Clem, fremd. Die fronimen und gerechten Gnostiker, die Gottes
"Willen lehren und tun, sind die Nachfolger der Apostel und die Pres-
byter, auch wenn sie der TtQCOTOxa&sdQia nicht gewiirdigt -vvorden sind.
Sie sind wie einst die Pneumatiker die geistigen Leiter der Kirche, wie
freilich auch die Bischofe, Presbyter und Diakonen als Abbilder der
Engel ihres Amtes walten. Auch letzterer Gedanken er spielt spater
eine grofie B,olle ist nicht hierarchisch, er soil nur die bei den Amts-
tragern vorauszusetzende geistliche Qualitat zum Ausdruck bringen. 3 )
1) Stv. IV, 8, 593: ely.&>v Se Tfjs ovgaviov ey.xhrjolas % IniyBios,
a y.a.1 ervl yrjs yevead'ai ib ds^-ij/.ia lav d'sov we ev ovgavco. IV, 26, 642:
Aeyovai ya^ y.al ol Stcowol rbv (.lev oiigavov V.VQUOS itohw ... EftovSalov yap ?;
Tiolis not d Sfjfios davetov 11, avary/na y.al TthfjiJos Av^coTtmv tinb vofiov Siomoij-
(.isvov, xad'aTts^ rj ey.xhrjoia iinb Aoyov dTtohiogi'.qms dtvfid'iwrjTOS Ttofos ETTI yfje,
&ekr][ia. d'eTov snl yJjs &>S ev ofyavcj). Paed. I, 6, 114: OTJTCOS y.al TO fiovisvfta
ai>Tov dvdgcoTccov sail acoTijgia. teal tovio exxhtjoia xexkritai.
2) Str. VI, 14, 793 : f] dvcoTdrr] Exxkqaia, y.a.^ fa ol yiAoaoyoi xaTdyovrai tov
&EOV, ol iio 'ovti 'laoatfktrcu, ol y.a&agol lijv xaodlav. VII, 14, 885: xal firf n
olov adoxas el-vat, TOV ayiov amfiaTOs ZOVTOVS cpqai, acdfia Se dVttjyooeTrai i]
6 7tvevf.ia,iv/.bs xal aytos %ooos, sj; 5>v ol to bvofict sTtixsK^fievo
es Se oil y.a/tct, koyov odoy.eg slot. .
3) Str. VI, 13, 793 : o^rog Koea/ivregos van t<$ ovtt tijs sx-Arjoias . . . KO.V
ztoiij y.al oiSdoy.fi to, tov xvoiov, oi)'^ i>rf Avd'^WTtiov %ei()otovov/iievos, oiio oti Ttos-
afivregos Siy.aios vofii6f.ievos, dffi, on Siy.aios, EV Ttoeafivregiq) '/.ataley6 t uevoe,
svtavd'a, E?tl yfjs TtgcoToxad'eSgiq fifj te.fi!}d'ij. Ai evtav&a' y.atoc, ti]v
Ttooxoital sitiO'/.OTtmv, TtQsaftvteQwv, Siay.ovcov fiiftrjfiata, olftai, dyy.ehtxfjs Sol-r]s.
26*
404 15. Die Theologie der alexandriuischen Vater.
Nun wird aber diese Ttvevf-iaTm] iKxhjota (Str. VII, 11 fin.) auch ge-
scMchtlich als ,,die alte und katholische Kirche" gedacht, die ini Gegen-
satz zu den sie zerreifienden Haresien steht. Das ist die Kirche, in
der die apostolische Paradosis herrscht oder die Kirche des einen reinen
Glaubens. 2m. ihr gehoren alle diejenigen, die Gott zur Gerechtigkeit
vorherbestimmt hat, aber eben nicht die Haretiker. x ) Das Voile Gottes,
in deni der Logos wirkt, ist also zugleich die Geineinschaft, in der die
apostolische Lehre herrscht. Die Haretiker, die diese Lehre nicht haben,
haben auch nicht den Logos und das Heil. Das war fur Clem, eine
selbstverstandliche, uberkommene Voraussetzung. 2 )
Die Taufe ist es, welche den Menschen zuin Glied der Kirche
und des Heils teilhaftig inacht. In der Tauflehre macht Cl. einen
Schritt welter zur niysterienhaften rnagischen Anschauung. Sof ort wird
durch die Taufe das ganze Heil dem Menschen mitgeteilt (oben S. 362).
Die alte Doppelteilung der Taufgaben (Vergebung und Geist) blickt
auch bei ihm noch hervor, aber er liebt es mehr die den Griechen ver-
standlicheren Bezeichnungen, wie ,,Erleuchtung", ,,Vollendung" usw.
auch sie sind alt auf sie anzuwenden. Die Taufe bringt Keinigung
von den Siinden und dadurch die Eahigkeit, im Glauben das Heil zu er-
greifen , welches die Lehre dargeboten hat. So wird durch sie der
Mensch ein neuer; Kindschaft, Vollendung, Unsterblichkeit sind ihm im
Glauben durch die Taufe zuteil geworden. 8 )
1) Str. VII, 17, 898: on' yao fisTaysveorepus irjs ttad'ohy.ijs sy.'/f^aiug ray
7tit>as awrfi.vOEis TteTtoiijy.aaiv, oil TtoM.cov Set f.dycoi'. Miav elvai Tt]-i>
tv.v3;r[Qiav rrfv icp bvti, aQyaiav, sis TJV ol y.aTa nooQeaiv Sixaioi
yovrai. MOVIJV sirai cpa/u,ev ii]v d^alav y.al y.ad'oh'/'.ijv faxhrjoiav els
TtiffTscag ftiae iije y.ara. rag oly.eias Siadifaas, f.ia.'l,\ov Se '/Mia. ii]v dia&ijxrjv ii]v
avv&yovoav tovs . ovs 7t(>od)(>iasv 6 -9'sos dixaiovs effOfievovs, Ttoo
y.6of.iov syvcoxcos-
2) Ich mochte daher nicht mit Harnack (DG. I 3 , 376) und Bonwetsch
(PEE. IV 3 , 162) sagen, daE Cl. ,,plotzlich" die katholische Kirche mit der geist-
lichen Kirche identifiziere.
3) Paed. I, 6, 113: Ba7ti,6(.ievoi rpcon^df.ied'a, cpcoTi6/u.ei>oi vlottotovfied'a,
vloTCoiovfievoi telet.ovfj.E-9a, Teleiovfievoi, diTto-d'ava/ri^ofie-d'a. p. 114: ovrco ro
Ttiarevaai fid'fov xal dvaysw^ijvai. reheicaais EOTIV BV Kfi^. ib. : id Ss
diSios acoTrjoia d'iSiov acoi^os. 01 /SartTi^ofievot, Tag eTtiaxorovaas
rep &eiqj Ttvevfiari &'/},vos iy.r]v a.TCorQiy&f.ievoi,, ehevdeoov xai &ve(.t,7idtorov xai
ycoTEivbv dfija.a rov Ttvevfiaros a%ojiev ca Sr/ fiovcp rb 3'eTov srtOTirevofisv, OVOUVO&EV
Eizeiaoeovros i]fuv .rov ayiov 7Tvevf.iaros. p. 116 : Ildvra fiev oi)i> dTtohovofieO'n
ra a/Liaprrjuaru, otixsri Se eofiev Ttaoa. TtoSas y.av.oi. Mia %d(>is aiir-ij rov ycorio-
fiaros rb (.irj rov avrbv elvat rm Ttoiv i] bovffaff'iai rov rooTtov. "On SB fj
ovvavare)J.ei rep cpcariafian . . . fia&qrai ol duad'els' Ttooreoov Ttore rrjs
s n/joayevofiei'ijs ' ov yap av 'E%OIS sl7ieti> rov %povo>>, f] fiev yap %rirTJ%qo~is sis
nepidyei, Ttians Se &fia jSaTtriajiari ayico TtntSeijerai. rc
Taufe. Bufie, Eucharistie bei Clemens. . 405
Nun hat aber:CL ein lebhaftes Bewufitsein davon, daB auch nach
tier Taufe der Mensch siindigt. Die feinere griechische Psychologic lehrt*
ihn, die mancherlei Triebe und Affekte des Bosen, die im Menschen
bleiben, erkennen. Daher bat er der inneren, psycbologiscben Disziplinier
rung des Menschen mehr Aufmerksamkeit als irgend jemand seit den
Tagen des Paulus gewidmet. Weiter aber greif t bier die zweite B u fi e
ein, d. b. die auf die Taufe folgende Bufle. In ibr hilft der Rat und
die Eiirbitte der Gnostiker, Darin bestebt aber die Bufie, daB man
seiner Stinde bewufit wird, daB man uin ibretwillen Scbmerz empfindet,
sie aus der Seele austilgt und von Gott, der allein Siinde vergibt, Yer-
gessen erbittet. Das Ziel ist inuner das Heinwerden von der Stinde,
wiewobl CL weiG, daB dies nicbt sofort erreicbt werden kann. Zur
Reinigung belfen aucb die Strafen, die Gott iiber die Sunder verhangt. 1 )
Die Eucbaristie ist nacb Cl. eine Miscbung des sinnlicben Ele-
mentes mit dem Logos und infolgedessen eine effuaotg Aoyr/rj. ^Nur
darum bandelt es sicb, daB der Logos auf den Menschen einwirkt, ibn
beiligend und zur TJnsterblichkeit fiihrend. DaB der Logos efrwa in
dem Element sei, liegt Cl. fern. 2 )
1) Sir, II, 13, p. 459. IV, 24 p. 634. Quis div. salv. 39: Ttavrl y&? i<s
| 8h>is ifjs xagSias sTttaiQeipuvri 7t<]bs fbv d'ebv dvecoyaaiv al dv^ai xai
T^iadaftsvos rmri}i) vibv dhrjd'ws ^sravoovvra. 'H Se dhqdivi) fistdvoia ib
rols ainols ^vo'fpv slvai, aU.a. a^dif-P sy.oi^coacu iris ifvjffis sff' ols ectvrov
r.areyvco ddvaiov dfiag trffiaai ratjicov yao dvaipsd'evtcov aiid'is sis as &sds elaoi-
xifffofosTai. Oecti y&j) f.t6vcp Svvaibv ciif-saiv d/iiaQiiwv 7tn<}a.a%ea9at xai fit]
hoyiaaa&ai Tta^uniiofiata. Ib. 40: lorn SOTI. uerayvcovai id /.amyvajvai t&v
7taycp'ftij,ivcov y.al ahijaaaO'cu tovicov dfivijariav Tta^a na.T{j6g, 8s judfos i<av &7cdv-
iiov oios IB sffTiv aTCQay.ia, rtoi-ijaai ia Ttsttqayfieva &~Litp tiff Ttaff ainov y.al S^oaca
Ttisevfiaros dTtahetyas ice rtgo-qfittpTijfttva. Tiber die Hilfe der Gnostiker s. oben
S. 403. VgL Ho 11, Enthusiasm, u. Bu'%ewalt S. 226 ff.
2) Paed. II, 2 p. 177 f. : avcdoycos loivvv v.i^vaiai b fiev oivos t(S vScm, rcS
Se dvO'QcbMt} TO 7CVBV(.ia, '/.al ib f.iev sis rtiaviv s-dco^ei, TO xgafia, ?b e sis &cp-9a$oiav
i, to Ttvevfia, >] Se &/.i(f,olv atidis x^&ats Ttoiov ie xal t.oyov eti%at)ia?irt. y.6y.ht]Tai
fjg ol y.ata, n.Loiiv /.iBvcd.a/.ipd-i'OV'ces uyid,ovTru ;:al acofia '/.al ifrv/jv, ib &eloi>
, ibv avd'ycoTiov, tov Ttaiqi'/.ov fiovhjfiaros TtvevfiaTi "/.al koyco ovyxiovavios
s. Ib. II, 1, 166. Bigg, the Christian Platonists p. 103 u. hat ge-
meint, die Agape sei noch mit der Eucharistie verbunden bei Clem. Doch ist
dies nicht zu halten. Str. VII, 7, 861 handelt nur Ton Tisehgebeten, Paed. II, 2,
179 von abendlichem WeingenuB, Paed. II, 1, 165 f. wendet sich gegen denMB-
bratich, beliebige Ssiytrd^ta Agapen zu nennen. Aus alle dem folgt uichts zu-
gimsten von Biggs Behauptung. Die Agape scheint seit dem Anfang des 2. Jahr-'
lumderts in der Edrche ini allgemeinen verschwunden zu seiu. Gewisse tfber-
reste scheint Epiphan. h. 30, 16 fur eine judenchristliche Grxippe zu bezeugen.
Sonst ist die Agape zunachst zu einem mit erbaulicher Zutat gewiirzten Ge-
meindemahl (Tertull. Ap. 39), dann zn einer Armenspeisiiug geworden (Didascal. 9
Ag. Kordng. 47 ff.). Vgl. Zahn, PEE. P, 234 ff.
406 15. -Di e Theologie der alexandrinischen Vater.
Dies sind die christlichen Mysterien (s. Protr. 12 p. 9 Iff.). Doch
dies alles weist iiber sich hinaus zu der unverhiillten Erkenntnis der
,.grofien Mysterien" (vgl. oben S. 396). Das ist das christl. Leben:
ti]v vor}aiv xal xi]V KttT&TCQci^iv r&v BVTol&v (Str. I, 1, 3L8 cf. VI, 12,
788 : tfi re (.tafrijosi vy re aaxijaei). Die Auferstehung des Meiscb.es
hat Cl. gelebrt. Er bat die Moglichkeit einer Bekebrung nacb dem
Tode angenommen, indem er durcli die Strafen des Jenseits eine fort-
scbreitende Reinigung der Seelen sich vollzieben liefi (Hypotyp. p. 89.
83 ed. Zahn. Str. VII, 2 fin. VII, 16, 895, VI, 14, 795 : vgl. siib 20),
obne diesen Gredanken zu betonen. 1 )
9. Origenes teilt niit Clemens nicbt nur die pbilosopbiscbe Grund-
stromung in dem Verstandnis der Religion, sondern bis zu einem
gewissen Grade aucb die Voraussetzung, daB Cbristentum und Griecben-
tum miteinander in den Hauptpunkten ubereinstimnien. Origenes war
aber ini Unterscbied von Clemens nicbt nur ein geistreicher Dilettant,
sondern ein metbodiscb forscbender Gelebrter. Daraus folgte ein-
mal, dafi er die pbilosopbiscbe Grundlage als ganze tiefer erfafite, weiter
daB er, der der erste wirklicbe und ernstbafte Exeget war, die bibliscben
Gedanken in ibrer Vielbeit und in ibrer Einbeit besser verstand als sein
Vorganger. Hieraus ergab sicb, daB er die Scbwierigkeiten, die die Ver-
einigung der belleniscben und der cbristlicben Weltanschauung bereitete,
genauer erkennen mufite als" Clemens. Aber er bat sie zu iiberwinden
gestrebt, und die innere Einbeit antiken Idealismus und cbristlicber Re-
ligion, die er im Herzen trug und die aucb seine Umgebung darbot,
kam ibm dabei zu Hilfe. Er bat, nicbt anders als Clemens, die Losung
: darin gefunden, dafi man das Cbristentum des Buchstabens und der aufieren
j Observanz von dem ecbten Christentuni des Geistes und der Erkenntnis
' unterscbied. Ersteres bat er nicbt geringgescbatzt, sondern als Notwendig-
keit empfunden, sollte docb gerade die fur alle passende universale Art
des Cbristentums seinen Vorzug vor alien iibrigen "Weltanscbauungen be-
griinden (c. Gels. VII, 60), aber letzteres war aucb fiir ibn die bobere
Stufe als die siegbafte Religion der Erlosung wie der Rultur, die tiefste
und bocbste "Weisbeit. Es entspricbt der Art des Gelebrten, dafi er
dabei die neue allumfassende Erkenntnis besonders betonte. Auf der
;
anderen Seite bat aber Origenes auf die kircblicbe Korrektbeit der Lebre
i mebr Gewicbt gelegt als Clemens. Und gerade bierdurcb ist er der
Scbopfer der Dogmatik der griechiscben Kircbe geworden.
1) Cl. spricht sich gegen die Praexistenz der Seele aus Eclog. 17. ' Str. V,
16, 808. Quis div. s. -33 fin. ist dieselbe nicht gelehrt.
Charakteristik des Origenes. 407
In dem Buch ITsQi ctQX&v, das uns in B/ufins IJbersetzung ganz er-
halten ist, von dem aber auch umfangliche Eragmente in der Ursprache
auf uns gekommen sind, hat Origenes zum erstenmal den Yersuch ge-
macht, die christliche Lehre als ein zusammenhangendes System darzu-
stellen. Er hat den Stoff in vier Biichern behandelt. Das 1. Buch
handelt von Grott, das 2. von der Welt, das 3. von dem freien AVillen
und das 4. von der allegorischen Auslegung der Schiift. In jedem der
drei ersten Biicher wird von verschiedenen Ausgangspunkten aus fast die
ganze Lehre entwickelt. Wichtige Beitrage zur Lehre des Origenes
bieten auch die 8 Biicher gegen Celsus, sowie die Kommentare, besonders
die zu Johannes und dem Romerbrief, welch letzterer freilich auch ntir
in Rufins Bearbeitung existiert.
10. Origenes hat seine Darstellung mit einer Erorterung iiber die
Quellen der christlichen Lehre begonnen (s. de princ. I praefat.). Die
Quelle der Lehre ist in Christi Worten und Lehre gegeben. Christ!
Worte liegen aber nicht nur in den Evangelien und Episteln, sondern
auch im Gesetz und in den Propheten vor (praef. 1). Da nun aber auch.
iiber die wichtigsten Eragen der Lehre unter den Christen Differenzen
vorliegen, mufi man de /iis singulis certam lineam manifestamque reyulam
ponere. Origenes denkt dabei an die ecclesiastica et apostolica traditio
{ib. 2), den xavcov lijg 3 Ir]Oov XQIOTOV xara diadoyrjv T&V artOGTofaov
OVQCCVIOV ixxfajolctg (IV, 9). Es ist die fides Christi d. h. der von
Christus gelehrte Glaube (cf in cant. Lommatzsch XIV, 416), den die
Apostel und die Kirche verktindigen (praef. 3), die pmedicatio apostolica
oder ecclesiastica praedicatio (4. 5. 6. 7. 10). Nun ist aber in der aposto-
lischen Verkiindigung einiges klar und begilindet voi'getragen, wahrend von
anderem nur gesagt ist, daB es ist, ohne Grrund und Wesen genauer an-
.zugeben. Origenes stellt nun diese Grundwahrheiten zusammen , die
deutlich iiberlieferten von den blofi angefiihrten, nicht erklarten unter-
scheidend. 1 ) So gewinnt er den Inhalt der ecclesiastica praedicatio oder
1) Folgende Stiicke kommen in Betracht: der eine Gott, der Schopfer, der
Gott der Gereehten von Anfang an. Er hat Christus in den letzten Zeiten ge-
sandt, zuerst Israel, dann die Volker zu herufen. Er ist gerecht und gut
und hat Gesetz, Propheten, Evangelien gegeben und ist der Gott der Apostel.
Sodann Jesus Christus, ante omnem creaturam natm ex patre, . . . in omnium
conditione patri ministrasset . . ., novissimis temporibus seipsum exinaniens homo
factus incarnates est, cum de^ls esset, et homo factus mansit quod erat deus
Corpus assumsit nostro corpori simile, eo solo differens, quod natum ex virgine
et spiritu sanvto est. Sodann : passus est in veritate . . ., vere mortuus, vere . . .
resurrexit . . ., assumptus est. Turn deinde honore ac dignitate patri ac filio
sociatum tradiderunt spiritum sanctum. In hoc non iam manifeste discernitur.
utrum natus an innatus (Hieron. iibersetzt : factus an infectus), vel filius etiam
408 15. Die Theologie der alexandrinisehen Vater.
die elemenla ac fundamenta. Aus diesen ist nun ein Corpus der Lenre
herzustellen, indem die Elemente in ihrem Zusaminenbang zu tibermitteln
sind, sei es dafi dieser in der Heil. Schrift angegeben ist oder sich durch
die logiscke Konsequenz herausstellt (ib. 10). Die christliche Lenre soil
danach die apostolische oder bibliscne Gesamtanschauung in ihreni inneren
Zusammenhang entwickeln , wobei dieser autoiitativ iiberliefert oder
wissensebaftlich ersclilossen sein kann.
Die Frage ist nun aber weiter, was Origenes unter der kirchlicben
oder apostolischen Predigt oder Regel versteht. *) Dafi er dabei nicht an
ein formuliertes Taufbekenntnis denkt wiewonl er ein solches sicher
del ipse habeinlus sit necne, sed inquirenda iam ista pro viribus sunt de sacra
scriptura et sagaci perquisitione investiganda. Dagegen wird manifestissime ver-
ktindigt, da.fi clerselbe Geist alle Heiligen, die Proplieten und die Apostel inspirirt
hat. Post liaee iam, quod anima substantiam vitamque habens propriam, cum
ex hoc mundo discesserit, pro suis mentis dispensabiiur . . . Est et illud defini-
tion in ecdesiastica praedicatione, omnem animam rationabilem esse liberi arbi-
trii et voluntatis, esse quoque ei certamen adversus diabolum et angelos eius . . .,
nonnos necessitati esse subieetos; nicht sind die Gestirne Ursacken nnserer Hand-
lungen. Unklar ist dann wieder, ob die Seele von den Eltern erzeugt wird oder
einen anderen Ursprung hat. Ebenso wird vom Teufel und den Damonen nur
gelehrt, dafi sie sind, nieht aber: quae sint aut quomodo sint. Auch das wird
verkiindigt, daB die Welt in der Zeit erschaffen wurde, dagegen fehlt eine sichere
Aussage dariiber, quid ante hunc mundum fuerit. Die heil. Schriften per spiri-
tum dei conscriptae, sensum habeant non eiim solwn, qui in manifesto est, sed
et alium quendam latentem quam plurimos. fformae enim sunt haec, quae de-
scripia sunt sacramentorum quorundam et divinarum rerum imagines. De quo
totius ecclesiae una sententia est, esse quidem omnem legem spiritalem, non
tamen ea, qiiae spirat lex, esse omnibus nota, nisi his solis, quibus gratia spiritus
sancti in verbo sapientiae ac scientiae condonatur. Dann geht Orig. iiber ziir
appellatio dowfidrov, die in der Doctrina Petri vorkommt (Christi Wort : non sit,m
daemonium incorporeuni), aber diese Schrift ist nicht von Petrus und der Begriff
nicht biblisch. Es ist zu untersuchen, ob er in anderer Eorm in den Schriften
vorkommt, auch ist zu fragen, ob Gott, Christus, der heil. Geist, die Seelen und
jedes sonstige verniinftige Wesen kb'rperlich sind, an alterius naturae quam corpora
sunt. Dafi Engel sind, lehrt die Kirche, aber wann sie gesehaffen und wie be-
schaffen sie sind, non satis in manifesto designatur. Dasselbe gilt hinsichtlich
der Beseelung von Sonne, Mond und Sternen (de princ. I praef. 4 10). Eine
ahnliche Zusammenstellung in Job. XXXII, 16, 187 f. : Gott tier Schb'pfer (nach
Hennas Hand. 1), Christus "als vtiaios, der heil. Geist und die Freiheit samt Lohn
uud Strafe; s. noch in Mt. ser. 33; in Tit. frg. Loniraatzsch V, 285 ff.
1) Andere ISfameu fiir dieselbe Saehe sind v.avfov rfs exxhrjoias (de princ.
IV. 9), '/.avcbv 6 %ara robs rto)J,ovs ifjs sy.yj^aias (in Joh. XIII, 16, 98) regula
ecclesiae oder ecdesiastica (in Matth. ser. 28; in Bom. II, 7 Lomin. VI, 95),
regula fidei (ser. cornm. in Mt. 46), regula christianae veritatis (de princ. Ill, 3, 4),
scriptiwarum requla (ib. und in Mt. ser. 33).
Origeues und die Glaubensregel. 409
kennt J ) gelit aus cler Wiedergabe dieser Predigt in dc, princvpiis
deutlich hervor. Liest man die ganze Erorterung zu Anfang seines
systematischen Hauptwerkes, so erscheint einem sofort klar zu sein, daB
Origenes auf dem Standpunkt des Clemens (oben S. 305 f.) steht. Die
Schriftlehre als ganzes ist auch fiir ihn die ,,B,egel", wobei vorausgesetzt
wird, daB die ,,kirchliche Predigt" mit dem von Christus und den Aposteln
gelehrten Glauben identisch ist. Daher werden als ,,kirchliche Regel"
Bibelspriiche angefiihrt (z. B. in Horn. II, 7) oder als Quelle der Lenre
die Heil. Schriften bezeichnet, deren Inhalt dann unter dem Titel der
,,kirchlichen Predigt" zusammengestellt wird. Die beiden GroBen gehen
fortwahrend ineinander iiber. Origenes scheint noch mehr als Clemens
das Bewufitsein von der Existenz einer miindlichen apostolischen tlber-
lieferung verloren zu haben. Unzweifelhaft entsprach das nur den wirk-
lichen Zustanden. Der Komplex von Gedanken und Fornieln, der einst
die apostolische Tauflehre bildete, war nicht mehr eine konkrete Grb'fie,
aus ihm war die gesamte KirchenleHre geworden. Wollte man nun die
Apostolizitat dieser Lebre erweisen, so gab es- nur zwei "Wege dazu:
entweder erklarte man das Taufbekenntnis als solcbes fiir die apostoliscne
IJberlieferung oder man setzte diese den apostoliscben Scliriften gleich.
Auf jener Babn fanden wir Tertullian (oben S. 303), auf dieser geben
Clemens und Origenes. So verschwindet der alte ,,Kanon", den nocb Irenaus
gehandhabt bat, die miindlicbe apostoliscbe IJberlieferung, und an seine
Stelle tritt das Taufbekenntnis oder der Kanon der biblisclien Biicber.
Aus einer fliefienden, alien Wandlungen der Entwicklung unterworf enen
GroBe sind feste konkrete MaBstabe geworden. Aber indem dies geschab,
ist auch eine Fiille wirklicber Gedanken der cbristlichen Urzeit in die
kircbliche Lebre hineingezogen worden, wie man bei Origenes seben
kann. Preilicb wirkte aucb die alte Regel d. b. die miindlicbe Tradition
bestimmend fort, denn sie batte ja die Grundrisse, Ordnungen, Eragen
und Probleme, in denen die ,,kircblicbe Lebre" sicb bewegte, erzeugt.
Man denke nur an die triadiscbe Gliederung der Lebre, an die Moral
cler beiden Wege, an die Taufpraxis und die Abendrnahlsformel. Alles,
was man der Scbrift an Spriicben entnahm, wurde auf den Flacben auf-
getragen, die durcb jene alte Lehre und Praxis abgesteckt waren.
11. Origenes bat also die Kircbenlebre an der Hand cler bibliscben
Biicber systematiscb darstellen wollen. Aber als Leitfaden diente ibni
dabei der Komplex iiberkommener Lebren und Vorstellungen. Dadurcb
kam Einbeit in seine Gedankenwelt und diese Einbeit wurde gefordert
1) S. bes. in Joh. XXXII, 16, 191. in Lev. h. 5, 3. in Ex. li. 8, 4. Ein-
gehende Untersuchungen bei Kattenbusch, das ap. Symbol. II, 134 ff. und
Knnze, Glaubensregel etc. S, 158 ff.
410 15- Die Theologie der alexaudrinischen Vater.
durcli den starken Trieb nach einer geschlossenen christlichen "Weltan-
schauung, der ihn beseelte. Diese Absiclit verband sich nun mit dem
inneren Bediirfnis, die Weisneit des Griechentmns mit der biblischen
Lehre zu verschmelzen. l ) Zur Befriedigung dieses inneren Dranges
diente dem Origenes einmal die Beobachtung, dafi viele Lehren in der
Scbrift nur behauptet, nicbt dargelegt sind, 2 ) dann aber die IJberzeugung,
dafi der Schriftbuchstabe haufig nur die Hiille fiir ,,tiefere" Wahrheiten
sei. Diese ~\ahrheiten zu enthullen, vermag aber nur der, welcher vom
heil. Geist das Cbarisma dazu empfangen hat (de princ. I praef. 8). 3 )
Die Heil. Scbriften sind inspiriert, wie oft gesagt wird (IV, 9). Er-
wiesen wird die Inspiration einerseits aus der Erfullung der "Weissagung,
andrerseits aber aucb daraus, dafi der, welcber sicb genauer mit ihr
befafit, aliquo diviniore spiramine inentem sensumque pulsatus agnoscei, non
Immanitus esse prolatos eos, quos legit, sed dei esse .sermoncs (IV, 6). So-
mit bezeugt sicb. der Greist, der die Scbriften hervorbrackte, aucb an den
Herzen der Leser zu ihrem Verstandnis. Aber nur der, der eine be-
sondere Gfabe des Verstandnisses erbalten bat, vermag ibren tieferen Sinn zu
erfassen. Somit sind eigentlicb nicbt .nur die Verfasser inspiriert gewesen,
sondern aucb die recbten Ausleger sind es. Das Cbarisma, das Irenaus
in der Tradition erblickte, besitzt bei Origenes der geisterfiillte Ausleger.
Aber der gottlicbe Geist fliefit leicbt zusammen mit der spekulativen
Anlage ; mit anderen Worten, wie bei den Gnostikern bat aucb bier
die spekulative Begabung etwas Charisrnatisches an sicb. In dieser Form
lebt das Cbarisma fort, die gebildeten denkenden Christen sind seine In-
baber. So ist die Schwierigkeit iiberwunden, die aus dem Zusaminen-
stofi des biblischen Traditionalismus mit dem bellenischen Geist sich ergab.
Die Triebe dieses Geistes sind Gnadengaben , die es ermoglichen, die
biblischen Schriften in ihrer Tiefe zu begreifen. Die ecbten Christen
verstehen den biblischen Geist in der Kraft des hellenischen Geistes.
Origenes ist ein hervorragender Exeget, er bemuht sich ernstbaft um
das Verstandnis des "Wortsinns, aber die Hauptsache ist doch fiir ihn
.das ,,geistlicbe" Verstandnis oder die einheitliche religiose Auffassung.
1) Lehrreicli fiir die Eichtung der Lehre des Orig 1 . sind die Mitteilungen in dem
Panegyrictis des Gregor. Thaumaturges (c. 11 ff.); auch hier ist in der Religion als
einzige Quelle die Heil. . Sclirif t empfohlen s. c. 15.
2) Gerade diese Lehren (Ursprung des heil. Geistes, der menschlichen Seele,
der Engel, des Teufels, Anfang der Welt) sind dem Orig. Ansatzpunkte fiir die
Spekulation geworden.
3) Vgl. toes. Gregor. Thaumat. 1. c. 15, wo ansgefiihrt wird, dafi Orig. die
schwierigsten Bibelstellen zu erklaren wuCte, Aveil er von dem heil. Geist das
Yerstandnis der prophetischen Worte empfiug, der diese Worte ja auch hervor-
gebracht hatte.
Origenes als Bibelausleg-er. 411
Alles in der Schrift mu6 Religion und Weisheit sein, 1 ) den "Weg dazu
bahnt er sich auf mannigfache Weise, wie durch den Naehweis der Tri-
vialitat, der Unvernunft und Nutzlosigkeit des Wortsinns ; der Buchstabe
tote, auch der des Evangeliums. 2 ) Durch Ankniipfung an die Etymo-
logie der Namen, 3 ) durch Parallelstellen etc. strebt Origenes dem wahren
geistigen Sinn entgegen. Aber imnier bewahrt er einen merkwiirdigen
Takt, den er durch den Anschlufi an die gegebene Kirchenlehre gewinnt
und der ihn vom Bodenlosen zuruckhalt.
Die Schrift ist also ,,geistlich" oder allegorisch zu deiiten. So
f and Or. seine religionsphilosophischen Ideen in der Schrift. Die alle-
gorische Deutung hat er systematisch bearbeitet (de princ. IV). Stellen,
die widersinnig oder nur roh aufierlichen Sinnes sind, verbergen einen
^a-9vreQOs vovg. Der heil. Geist verhiillte den Gfedanken durch ein
vdvf.ice TWV 7tVS.vuaiiV.OiV. TJnm6glieb.es wurde erzahlt, um aufmerksani
.zu machen, dafi es oco/.iaTMC)$ nicht geschehen sein konne (das sinnl.
Paradies, Grottes Wandeln daselbst; das Yerbot einen Beutel zu tragen
.Luc. 10, 4; das Ausreifien des rechten Auges oder der Schlag zuerst
auf die rechte, statt auf die linke Backe Mtth. 5, 39. 29 f.; das Yerbot
des Maulkorbs for den dreschenden Ochsen 1.- Kor. 9, 9; manche ge-
setzliche Bestimmung ; auch Ziige der Gesch. Jesu, und in den Evan-
: gelien erSQCt f.ii] ovf.i^s^rjytOTa, vgl. IY 9 18). In den meisten Fallen
aber ist die erzahlte Greschichte wirklich Geschichte, jedes Schriftwort
aber hat einen geistlichen Sinn : rtaaa (.lev (sc. ygacprf) e%ei TO rtvtv-
(.ictTixdv, ov naoa, de to ow/.taTixov ( 19). Nach Prov. 22, 20 f. lehrt
Or. einen dreifacheri Schriftsinn : den somatischen "Wortsinn, den psy-
chischen moralischen Sinn und den pneumatischen . spekulativen Sinn.
'Gesehichtliches und Lehrhaffces wird danach ausgelegt. TJberall findet
'Or. seine Lehre, die Sprache ist christlich, die Gredanken sind hellenisch.
Andrerseits ermb'glicht ihm diese Methode die Torheit des Evangeliums
:zu verdecken und dasselbe als Weisheit zu verherrlichen (z. B. c. Gels.
1) Vgl. in Rom V, 1 (Lomm. VI, 332): in litteris Pauli ne imam quidem'
syllabam vacuum sentiri debere mysteriis.
2) S. z. B. in Lev. h. 7, 5 : agnoscite, quia figurae simt quae in divinis
voluminibus scripta sunt . . . Si enim quasi carnales ista suscipitis, laedunt vos
et non ahmt, est enim et in evangelio littera, quae occAdit. Bei "wortlichem
Verstandnis : enibesco dicere et confiteri, quia tales leges dederit dens, videbuntur
enim magis elegantes et rationabiles hominum leges.
3) Wie die ganze allegorische Erklarung religioser Geschichte, so habeii anch
diese etmyologischen Deutungen ihr VorMld in. der Methode der griechisehen
Philosophic, s. De char me, La critique des traditions religieuses chez les Grecs
1904, p. 315 ft.
412 IB. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
VI, 7: V, 60: III, 19 vgl. dazu das Urteil des Porphyrius b. Eus. h.
e. VI, 19, 4. 7f. und Gels. IV, 38).
Dieser Theorie entsprechen nun die beiden Gruppen von Christen,
die Or. annimmt und scharf unterscheidet. Die artkdvGTSQOi und die
ftok^oi verlassen sich auf das amb$ <pa und bleiben bei deni Wortsinn
mit ihrer ijjdi] 7u'<ms xai aloyoc, (c. Gels. IV, 9; I, 42. 13; III, 5.3:
IV, 71). Sie reden von Gott als deni Schopfer, aber denken ihn sich
wie einen rohen und ungerechten Menschen (de pr. IV,. 8), sie verstehen
was die Schrift vom Gericht sagt wortiich und nicht im Sinne der
Lauterung (c. Gels. VI, 26 ; V, 16), und gerade die Furcht vor dem Ge-
richt lafit sie Christen werden. Das ist ein niederer Standpunkt, iiber
Avelchen sich der Gebildete erhebt, er sucht nach Christi Befehl in der
Schrift und lernt ihren geistigen Gehalt kennen (c. Gels. II, 5 f . ; III,.
79; IV, 71; V,'31f. 18). Nicht nur Brot ist Christus, sondern auch
der Weinstock, dessen Gewachs erfreut xcu iv&ovaiav noiouVTU arcogqijia
%al (.tvoTixa 9'ecoQijj.taTa (in Joh. I, 30, 208). So denkt der Gebildete
bei Betrachtung des Todes Christi daran, dafi er mit Christo gekreuzigt,
denn der einfache Wortlaut der Geschichte gewahrt keineswegs die Ein-
sicht in das Wesen der Sache, die Tatsachen sind nur ,,Symbole" fur
den aufmerksainen Leser (c. Gels. II, 69). Dieser versteht auch, warum
Christus in der Ebene Kranke heilt, aber nait den Jiingern auf den
Berg geht (ib. Ill, 21), fur ihn ist Christus Lehrer, nicht mehr Arzt.
(ib. Ill, 62 : ert/.Kp$Yj ovv i^eot,- Ao/og xa^o J.IGV largoc; volg &(.
de diddaxahog deicov jUtxrajpiaiv TOtg ijdr] Ka&ctQO
cf. in Joh. I, 20, 124). Der Christ beginnt mit dem,
Autoritatsglauben (vgl. c. Gels. I, 11) und, der Reinigung von Slinden
in der Furcht vor der Strafe, es folgt der hohere Standpunkt des Ver-
standnisses und der Einsicht. Zuerst stinamt man aufierlich im ,,blofien
Glauben" den Dogmen zu, aber der Gebildete soil es durch Nachdenken
und Forschen zu veraiinftiger Einsicht in die christliche Lehre bringen.
Je nach dem Verdienst des Glaubens schenkt Gott diese tiefere Ein-
sicht. Der ,,blofie Glaube" ist nur eine niedere Stufe; den Gebildeten
wird nicht zugemutet, einfach die Historie zu glauben, sondern sie sollen
eindringen in den Sinn, wie die Schriftsteller ihn gemeint haben. 1 )
1) S. Z. B. C. Gels. I, 42: Si bkrjv ii]v ipEpouevqv &v tots evayyshiots
TOV Uyaov iaiogiav eljtijxafiev , aim eitl yMjv Ttiativ xal S&oyov ioi>s
sv.y.tii.otif.iEvoi, d}J.a flovkofisvoi Ttaftaaifjoai, 611, ei>yvco[.ioarti>iis %(>eia tots
y.al jtohkfjs s^sidascas "/.at . eiaoSov sis ib fiovhrjfia icov ygaydvrwv ; I, 13. ill
Rom. IX, 3: quod fides quidem, quae speret et credat et absgiie ulla diibitatione
conftdat, in nobis est, ratio vero fidei ipsius et scientia et perfectus eorum, quae
credimus, intellectiis donatur a deo . . ., dabit unicuique gratiam pro menswa
merilorum.
Origenes liber zwei Klassen der Christen. 413
Diesen hoheren Standpunkt denkt sich Or. wesentlich als Intel lektuelle
Einsicht, als philosophische Erkenntnis. Das ist ein Kiickschritt gegen
Gl. Aber Or. hat die Einsicht, dafi es ein Yorzug des Christentums
gegeniiber der Philosophic ist, dafi es grade dein nhrflot; Ttov Idiwc&v
das Heil und die Erommigkeit zu bieten vermag (c. Cels. YII, 60; III.
53f.). ,,Wir sagen von ihm (Christus) das Wahre und das, was auch
den vielen klar zu sein' scheint, jenen freilich nicht so klar, \yie den
.wenigen, die geiibt sind zu philosopMeren iiber das auf den Logos Be-
zugliche" (c. Cels. Ill, 79). So ist fur Origenes immer die Erkenntnis
des Wesens des Christentums ein Fortschritt iiber den aufierlichen
Glauben Hnaus, der einerseits . als gottliches Charisma gedacht wird.
andrerseits aber auch. als Produkt der Bildung und der Spekulation er-
scheint. Das Charisma der Erkenntnis wird eins mit der antiken 3-eajQia,
das heilsbegierige Porschen in der Schrift verschmilzt mit dem cpilooocpelv.
Der gebildete Hellene, der in Christus den Logos gefunden hat, ist der
vollkommene Christ. In allem vernaag er die ewige Wahrheit zu schauen,
und jede Tatsache wird ihm zum Symbol abstrakter Lehren. Was einst
den grofien Grnostikern als Ziel vorgeschwebt hatte, 1st hier durchgesetzt,
und zwar unter Wahrung der gesamten kirchlichen tlberlieferung und
unter ausdriicklicher Anerkennung des Rechtes derer, die iiber den
Grlauben nicht hinauswachsen. Es wird sich uns spater zeigen, daB bei
der Anschauung vom Grlauben, die Or. hatte, diese Steigerung eine Not-
wendigkeit war.
12. ,,Grott ist ein Greist" und ,,Grott ist Licht", so beginnt Or. seine
Grotteslehre. Dieselbe verharrt in dem Bannkreise des hellenischen Gfe-
dankens. Glott ist das Sein, ja S7i^7.eiva ovaiag (vgl. c. Cels. YI, 64:
in Joh. XIX, 6, 37: ifj vrteQexeiva i^g ovoias dvvdj.isi xal cpvosi TOV
&eov). Er ist sv */M\ aitkovv (in Joh. I, 20, 119), intellectualis natura
(de pr. I, 1, 1 6), er ist frei von allem Materiellen, nicht gebunden
durch Eauni und Zeit. Demgemafi wcomprehensibilis, inaestimabilis, im-
passibilis, anQoadsrjs e *c. (de pr.-I, 1, 5; II, 4, 4; HE, 5, 2. in Joh. X,
4, 15 ft; XIII, 20, 123. c. Cels. YHI, 8. 21). Gott allein ist ayev
(in Joh. n, 10, 75). Er ist ex :omni parte (.lovdg et, lit ita dicam,
et mens ac fons, ex quo initiwn totius intellectualis naturae vel mentis est
(de pr. I, 1, 6). Dies Prinzip der Welt wird aber andrerseits als Per-
sonlichkeit gedacht. Gfott ist der Schopfer, Erhalter und Regent der
Welt (drjfiiovQyrioas, Gwtywv,. wpegv&v c. Cels. Ill, 40 cf. YI, 79).
Er ist bei diesem Walten gerecht und gut : unum eundemque esse instum
et bonum, legis et evangeliorum deum et benefacere cum iustitia et cum
bonitate punire (de pr. II, 5, 3). Diese traditionellen Begriffe sowie die
Taten Gottes bringen in die Abstraktionen einen lebendigeren Zug, man
414 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
begegnet abnlicbem iibrigens aucb bei den Neuplatonikern. Dabei 1st
Orig. immer bemubt alle antb.ropomorpb.en Ziige von der Gottbeit fern-
zubalten. So ist das Herz Gottes seine geistige Kraft (in Job. I, 38,
282 f.), sein Ziorn. kein Affekt, sondern die Offenbarung seiner Macbt an
den Gottlosen (in Bom. VII, 17. c. Gels. IV, 72). Eine relative Eiv
kenntnis Gottes erreicht der Geist des Menscben, und zwar in dem MaB
als er sicb von der Materie freimacbt (de pr. I, 1, 7).
13. Gott der Vater ist das absolute Sein, das an sicb unfafibar ist.
"Wie nun bei den Neuplatonikern . aus diesem Sein der Novg bervorgebt,
so wird aucb bei Orig. Gott erst erkennbar und begreifbar in dem Logos.
In Gott ist von Ewigkeit ber seine vorpwx\ Kdl ftQO&eziMi fteQi T&V
oKwv duva^ug; dieselbe Kraft kann aucb als eine Vielbeit lebendiger
logiscber Krafte vorgestellt werden, oder man kann von den Ideen und
Bildern der "Welt in dem gottlicben Geist reden. Cbristus oder der
Logos ist nun die oberste und vorziiglicbste der gottlicben Krafte, er
ist die &QyjTVTCO slxajv unter jenen Bildern oder aucb TO &fiayy^Tr/.6v
dessen, was in Gottes Kraft entbalten ist (in Job. II, 2, 18. I, 19,
113; 39, -291. I, 38, 282. 277). Mit anderen Worten : Cbristus ist die
oberste alles umfassende Idee und die bocbste Kraft in Gott, aber beides
so, dafi durcb ibn Gottes Ideen und Krafte konkret, oflenbar und wirk-
sam. werden. Demgemafi ist Cbristus sowobl Gottes "Wort, "Weisbeit,
Gerecbtigkeit und "Wabrheit (in Rom. I, 1), vapor virtutis dei et manatio
gloriae omnipotentis et .splendor lucis aeternae et imago bonitatis dei (ib.
I, 5), sodafi man nur in ibm als der figura substantiae et subsistentiae
dei Gott zu erkennen vermag (de princ. I, 2, 8), als er aucb der Scbopfer
ist oder docb durcb ibn die Welt gescbaffen wurde. 1 ) Der Offenbarer
Gottes als Licbt und scbopferiscbe Kraft ist also der Sobn (de princ.
I, 2, 7 13). "Wie bei den Neuplatonikem sind die Ideen und die
Krafte 2 ) in dem Logos zusammengefaBt. In . dieser Erkenntnis Cbristi
als der ewigen gottlicben Kraft und "Wabrbeit erblickt Orig. die ecbte
religiose Erkenntnis, die erbaben ist iiber die Erkenntnis des nur im
Meiscb offenbar gewordenen Cbristus. 3 )
Aber wie die Apologeten, so mufite aucb Or. die personlicbe Existenz
des Logos betonen. Das ergab neue Probleme, die die Griecben nicbt
1) in Joh. II, 10, 72:-<Jt rov loyov syevsro, ai>% iinb rov koyov eyevsto, dM?
iiTtb y.fjeiTvovos xcu /Lieit,ovos' Ttapa ibv "koyov.
2) Letzteres ist stoisch, ersteres platoniscn.
3) in Job. II, 3, 29: eisgoi Se ol fiqSev elSorss ,,el fit} ^Irjaovv Xgxnbv nal
toviov eomvpcof.isvov" ibv ysvofiEvov Q&QVM koyov TO Ttav vo(iiaavts.s slvai rov
'f-oyov, Xpiavbv xarci odfjy.a. fiovov yivcboy.ovai, roiovrov Se eon ib Ttkijd'os TCOV
Die Gottes- und Logoslehre des Origenes. 415
bedriickt batten. Der Sohn gelit aus dem Vater hervor, nicht etwa
durch Teilung, sondern in geistiger Weise, wie etwa der Wille aus der
Vernunft herYorgeht. 1 ) Die Betrachtung des Logos als Sohn fiihrt auf
den Begriff der Zeugung. Da nun alles in Grott ewig ist, so ist auch
die Zeugung ein ewiger Akt: Ovyji eyevvrjoev 6 7tccTi]Q xbv vlbv xal
ajtekvaw ambv 6 rtazrjQ ajtb T^Q yeveaeus avrov, aktf asl yevvix amov
(in Jer. 9, 4. de pr. I, 2, 4: aeterna ac sampiterna generatio.^ Dem-
gemafi hat der Sohn keinen zeitlichen Anfang : om sOTtv ore OVY. r]v (Or.
b. Athanas. de deoret. 27. de pr. I, 2, 9f. 2; IV, 28. in Eom. I, 5).
Der Sohn ist nicht per adoptionem spiritus filius extrinsecus, sed natura
filius est (de pr. I, 2, 4). Das Verhaltnis zum Vater ist auf Grrund
hiervon das der Einheit der Substanz : vapor virtntis dei ? aporrhoea
gloriae . . .: manifestissime ostendunt communionem substantiate esse filio
cum patre. Aporrlioea enim 6f.ioovoios videtur id est unius substantiae
cum illo corpore, ex quo vel aporrhoea vel vapor (in Hebr. frg. Lonimatzsch
XXIV, 359). Die Bedeutung des of.ioovGios, das schon die Gnostiker
gebraucht haben, ist also Identitat der ovoia oder der cpvaig, wie sie
vorhanden ist zwischen deni Dampf und dem Wasser, oder dem AbfluB
und dem Korper, den Strahlen und dem Licht, den Kindern und den
Eltern. Auch an diesem Punkt hat Plotin ahnlich wie Orig. gedacht,
wenn er A r on dem erzeugten gottlichen Nus sagt, er sei gewissermafien
die Gottheit und eine ojuotOTijg bestehe zwischen ihm und ihr. 3 ) Ist so
1) de princ. I, 2, 6: qui natiis ex eo est velut quaedam voluntas eius ex
mente procedens. Et ideo ego arbitror, qiiod sufficere debeat voluntas patris ad
subsistendiim hoc, quod vult pater. Voluntas enim non alia via iititur, nisi quae
consilio voluntatis profertiir. -- Sicut voluntas procedit e mente et neque partem
aliquam mentis secat neque ab ea separatur aut dividitur, tali quodam specie
putandiis est pater filium genuisse, imaginem soil. suam. Cf. IV, 28.
2) Den Begriff der ewigen Zeugung bildet Or. in Anlehnung an Prov. 8, 25
(xpo Ttdvrcov fiovvwv yewy /.IB sagt die Weisheit), s. in Jer. 9, 4. Aber es ist zu
beachten, daJ3 auch Plotin den gleichen Gedanken hat, Ennead. V, 1, 6: rl Ser
t'ofjaai Tte'pl sxetvo fiivov (yorher AxivrjTov) ; Jtigftafiyiv l| ainov fiev, l| nvrov Ss
/.(.evowtos, olov fjkiov to Ttepi avibv ka[i7t(>bv tpfas Ttepi&eov, s aiiiov del 'yevvcb-
HEVOV fievovTog. -- To e del tehetov del nal d'iSiov yevva. Dazu Vgl. de princ.
I, 2, 5: apprehendere, quomodo ingenitus deus pater efficitur unigeniti filii. Est
namque ita aeterna ac sempiterna generatio sicut splendor generatur ex luce.
Das ist genau dieselbe Vorstellung. tfbrigens behauptet Or. (in Jer. 1. c.) das
del yevvaa&ai auch yon den Christen, da sie von Gott ewig gezeugt werden,
sofern sie in Christus sind.
3) tJber fyoovmos s. in Joh. XIII, 25, 149. XX, 20, 170; 24, 2041 uudvgL
oben S. 249 Anna, und iiberhaupt Zahn, Marcell Y. Ancyra S, 11 ff. Hatch,
Griechentum u. Christent. S. 202. 204. Vielleicht stand das Wort auch bei 01.
Aduinbr. im Urtext (Zahn, Forsch. Ill, 87. 139) : secundum aequalitatem substantiae
unum cum patre consistit (vgl. z. Bedeutung b. 01. Str. II, 16 p. 467). S. Plotin
416 15- l^ e Theologie der alexandrinischen Vater.
der Sohn mit deni Yater eins durcli die gleiche ovola, so 1st er doch
andrei'seits ein Wesen fur sick, eine besondere vrtoavaais oder in propria
fiubsistentia effechis (de pr. I, 2, 2. 9). 3 ) Man darf nicht mit den
Monarchianern annehmen, dafi Vater rmd Sohn agility nicht verschieden
seien, sondern V ov (jovov ovoicc ctkKa y.al vjtQKS.iiivty (in Joh. X, 37.
246). Es sind zwei vrtOGrdcoeis da, aber elg $0 (Or. vergleiclit Act.
4, 32). dgrjOxeuofAGv ovv xbv ytaxegce. Ti]g akrj'd'eiag nctl xbv vlbv tip*
alrftetav mna, 6vo ifi VTZOGT&GU Tt^dy^aTcc, sv de ir\ 6i.wvoi(x nai xf t
ovftcpiuvla YML zfj ravTOTyii vov j^of^jitaTOg (c. Gels. VIII, 12). Dieser
Satz fiihrt einen neuen Gresichtspunkt ein. Die Einheit des Sohnes mit
dem Vater stand fest vermoge des Verhaltnisses des Logos zur Gott-
heit, des Grezeugten zum Erzeuger oder durch die Homousie von Vater
nnd Schn. Jetzt tritt ein neues Moment Hnzu. Zwei nqdy^iata sind
da, aber sie sind miteinander verbunden durch die Identitat des Willens.
"Walirend namlicb. alles, was dui'ch Gottes AVillen geschieht, von diesem
Willen auch abweicht, verwirklicbt sich in deni Sonn rein und ganz der
gottliclie "Wille, sofern der Sohn allein den vaterlicnen Willen ganz er-
fafit und ausfiihrt. Daher kann von e i n e m Willen des Vaters und
Sohnes gesprochen werden, und so verstent es sich, dafi wer den Sohn
sieht. den Vater sieht. 2 ) Es ist also der Sohn nicht nur das Abbild
Enn. V, 1. 7: elxova e exeivov heyofiev ibv vovv, Ttoanov (.iev oil Set Ttcog elvnt,
exeivo to yewcbfisvov xai d.noaw'Cfiv itol'/.a atiiov y.al eivat 6/uoi6rr)ta ntjbs aiiro.
1) Die Ausdriicke oiioia und Anoamois sind an sich identisch, beide bezeichnen
zunachst die ,,Substanz". Ersterer ist platonisch, letzterer stoisch. Auch Or.
braucht tiTtdaraais als synonym mit ovyta, wenn er etwa die gottesbildliche bnooraais
des Menscheu als seine y.$dfiwv otioia bezeichnet (in loh. XX, 22, 182 f.) oder
die Menschheit und Gottheit in Christus bnoaraats neunt (ib. XXXII, 16, 192 f.).
Andrerseits hat sein Schiiler Pierius Vater und Sohn als ovoins Svo y.al ipvaeis
fao bezeichnet (Photius cod. 119). Aber bei Or. bahnt sich bereits eine Unter-
scheidung an, wonach iiTtoaraais die otiaia I8ia die besondere individuelle Existenz
ist (z. B. in Joh. II, 10, 75: Vater, Sohn u. Geist sind taeis iiTtoardasis cf. X,
37. 246 : man meillt, /} diaufegeiv T(<J dpidfiai ibv vibv rov natqbs dtt? 8V oi>
fiovov otioia &2J.O. VMI itTtoy.Eififvcp rvy/^Avovias dfiyiorepovs, y.atd vivas ejtivoias
SiacpOQOvs oil tiara. iiTtoaraaiv keyeadai nareon xal viov. c. Gels. VIII, 12; in
cant. 3. in Tit. Lomm. V, 287: unam vTtoataow . . . id est imam personam},
otaia, die Substanz bezeichnet, vgl. Bigg a. a. 0. 8. 163 f., s. auch Hatch,
Griecheut. it. Christent. S. 203 ff. und substantia und persona bei Tertull. Der
Sprachgebrauch des Or. stimmt mit dem Plotins iiberein: vxoaiaois ist die Sub-
stanz oder Existenz z. B. Enn. I, 8, 11. 15. VI, 7, 40, dann aber auch die
Sonderexistenz, z. B. V, 1, 7: jedes Ding hat /wpyij, ardais, dgiafios, ols VM\ ii]v
vTtoataaiv J.afi/Sdvei, V, 1, 6: aus der o-daia gehen iiTtoardasts hervor, Vgl. VI, 8,
10. 13. 20. Seine Trinitatslehre uberschreibt Plotin: Tisol TWV VQI&V do%i%a>r
irtoavdaecov (V, 1).
2) in Joh. XIII, 36. 228 f.: xatTtovaa. PQOXHS (Joh. 4, 34) n? VIM rov fteov,
Der Vater und der Sohn bei Origenes. 417
der gottlichen Weisheit, sondern auch der gottlichen Energie, sodafi er
nicht nur Gottes Ideen der Welt offenbart, sondern auch Gottes Werk
in ihr treibt. 1 ) Diese Wendung, die den Logos an ihn ist zu
denken und nur in abgeleiteter Weise an den Menschen Jesus durch
den "Willen mit dem Yater vereinigt, gehort zu der vorher erwahnten
Betrachtung des Logos als des Ausdruckes der gottlichen Kraft (oben
S. 414). Sie'lafit ein doppeltes Verstandnis zu: die TJrkraft wirkt sich
zuerst im Logos und durch ihn in allem tJbrigen aus (s. die Stelle A. 1),
o der man kann, mehr personlich und moralisch, an selbstgewollte tjber-
einstimrnung des Logos mit dem Vater denken (s. oben c. Gels. VIII, 12).
Erstere Betrachtungsweise liegt in der Konsequenz des Systems, letztere
drangt sich dem Orig. durch den Ausdruck ,,Willen" und das antimonar-
chianische Interesse auf. Das Resultat ist somit: una voluntas
est et una substantia, sed duae sunt postiones, id est duae per-
sonarum proprietaiBs (in Lev. h. 13, 4).
Die Homousie scheint die vollige'Gleichheit der Gottheit des Sohnes
und des Vaters zu fordern. Nichtsdestoweniger begegnen uns bei Or.
sub ordinatianische Ziige. Der Sohn ist rtQeofimctTOV Ttdvnov x(av
drn.uovQyr\(.idTiov (c. Gels. V, 37) und ein Geschopf des Vaters (in ,Joh.
I, 19, 115). Diese Gedanken wollen aber mit der ewigen Zeugung
zusammengehalten werden. Sie besagen nichts anderes, als dafi der
Sohn nicht identisch mit dem TJrgrund ist, sondern auch aus diesem hervor-
gegangen, er ist o devregog -S-eog (c. Gels. V, 39 vgl, in Joh. VI, 39,
202). Der Sohn ist Gott, aber als des Vaters Abbild. Aber auch :
ovoiav xal vjiOY.eLj.iev6v saitv b vtbs foD ftccugos (de orat.
ote Troi'ijTtjs yiverai tov jtmqiv.ov dshtffiaTOs, ToVi:o TO &ef,eiv ev savrca Tt
amp ?]* '/ML sv to) TtaiQi, ware si-vat TO d'ekqju.a TOV d'sov sv TC<> 9'eA.rjfiaTt TOV viov
VMI y8vead~ai TO de^t](.ia TOV viov djtaodMaarov TOV d'ehijfia.Tog TOV TtaToos, els TO
ftrfxeii, eivcu Svo d'efajfiata, &)*ka sv -dshrjficf drteo l sv d's^fta dUnov i]-v TOV ),eyeiv
TOV viov ,,syw y.al 6 jrr>)^> ev eafte-f xal Sia TOVTO TO Delijfia 6 icbv avTov
TOV viov, scboaxe Se xcel TOV ztefiyavTa CCVTOV . . . 'Exsivo . . . eto TOV
ysvofisvov . . . oi>% bl,ov fiev TO d'e} t r]fM TOV TtaToos' ztav Se SOTIV TO
tov TtriToo's fired TOV viov yivofisvov, OTS TO &slsiv TOV deov yevofievov ev
TcS vicp noiBl TavTa aTCBQ fiov/.STtu TO &&>] fia TOV &eov' fiovos Se 6 vide Ttav TO
9 l ehr]f.ia TtoieT ^cootjaas TOV TtaToos- To ev aiiTco $eki]fia slv.cov TOV TIOCOTOV
ftehr/fiKTOs nat >] ev avT(5 freto-iys elxtbv Tfjs dhtj&iVTJs 9"eoTi]TOs.
1) de princ. I, 2, 12: seel et specuhim immaculatum sveoysias, id est in-
operationis del esse sapientia nominatur .... Est vigor quidam, per quern
inoperatur pater, vel cum creat, vel cum providet, vel cum iudicat, vel cum singula
quaeque in tempore suo disposuit atque dispensat. Quoniam ergo in nullo
prorsus filius a patre virtule operum immutatur ac differt nee aliud est opus
filii quam patris, sed unus atque idem, ut ita dicam, etiam motus in omnibus est:
idcirco speculum eiim immaculatum nominavit.
Seeberg, DogmengescWchte I. 2. Anfl. 27
418 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
15, 1), der "Wille des Vaters ist weiser als der "Wille des Sobnes (ad
mart. 29). Er ist nicbt das absolut Gute und "Wabre sondern er isfe
gut und wahr als Ausstrablung und Abbild des Vaters (de pr. I, 2, 1&
p. 5 griech. Erg.; IV, 35. in Job. Sin, 25, 151; XXXII, 28. in
Matth. XV, 10 etc). Dasselbe gilt von der "Wirksamkeit. Christus ist
der vnr)Qxrj des Vaters, die Befeble desselben ausfiibrend, so bei der
Scbopfung (c. Gels. VI, 60 ; II, 9). Dies zeigt sick aucb darin, daft
. Or. das Gebet zu Jesus nicbt unbedingt zugesteben will. Das Gebet
ist an den Vater zu ricbten, durcb Cbristum werde es diesem darge-
bracbt (de orat. 15. a ) 16 init. 14 fin. c. Gels. VIII, 13). Aber solcben
Gedanken steben bei Or. immer andere entgegen. Christus ist ,,von
Anfang an Grott und Gottes Sobn", amohoyoc, avwaocpia, amoalr^sia
(c. Gels, in, 41. VI, 47, in Mattb. XIV, 7). Oder es wird gelebrt,
daB die Christen nur den Vater und den Logos anzurufen baben, wobei
freilicb letzterer als Mittler angeseben wird. 2 ) Oder es wird Cbristus
ausdriicklich dieselbe ovaia mit dem Vater zugesprocben, was docb ge-
legentlicb geleugnet werden kann. Das Scbwanken zwiscben lebhaftester
Pleropborie und vorsicbtiger Zuriickbaltung ist jedem, der sicb in den
Zusammenhang der Gedanken des Or. versetzt, ' woblverstandlicb. Vom
Standort des Menscben aus ist der Logos bocberbaben und Gott, vom
Standort des unerforscblicben Gottes dagegen erscbeint er nur als das
erste Glied in der Kette der Emanationen. Ganz so wie Or. bat aucb
Plotin den Nov als ,,das zweite" unter die Gottbeit gestellt, 3 ) und die
betende Seele angewiesen allein den Einem (/.to'voDg TtQog l-iovov) zu nahen,
was aber wegen der Transzendenz des Einen nur gescbeben kann durcb
die Anscbauung des ersten Gb'tterbildes oder des A r o0g (Enn. V, 1, 6).
Es ist buben wie driiben dieselbe Anscbauung: weil die Gottbeit absolut
transzendent ist, stebt einerseits der in der Welt wirksarne Logos tief
ivnter ihr, und ist andrerseits docb er als die bocbste dem Menscben.
zuganglicbe Effulguration des Gottlicben zu verebren. Das praktiscbe
1) 15, 1 : ovdevi roav yvv>]iu>v TtQoasvxieov eariv, oiiSs aiirco Tea X^iarcg, dkka
TfS -9"eca icov 8).cov y.ai .TtatQi, eg y.ai aiirbs b ooiir]q rjfiwv n^oarjv'^eto.
2) c. Gels. VIII, 26 : f-iovta yag TC^oaev/.teov ico eTtl nam -dew nai TtpoaevHTeov
ye tiff [.lovoyevel y.al TLQunoiov.io . . . loyeo -9'sov xal a^uoteov afabv cas &(>%ie<)ea
tijV en? aiiibv tp-9'daaaav fj/.iwv e-fi'/jt^v avacpeqeiv iTti tbv Seov aiiiov wu debv %if.i&v.
VIII, 12. 67, in Rorn. VIII, 4: sicut invocatur deus invocanrhis est Christus, et
sicut oratur deus ita et orandus est Christus etc.
3) Plotin Ennead. V, 1, 6 : y.al navca, de baa jj-q reieia yevva y.al elairov
us eavrov yevvff. TO Se dei teheiov del xal aiSiov yevva. Ti oitv ^^>j) Tttgl TOV Tekeio-
rdTov heyeiv ; /.i-rjSev d.7i fitiTOv -rj to. /.isytara fj.sr' ufao, fieyiatov Se /.IBT* uiiTO vovs
y.al SeijTeoov. Diese Satze hatte auch Or. schreiben konnen.
Origenes Subordinatianisimis. Der heil. Geist. 419
Empfinden wird sich mehr an dies, die theoretische Reflexion mehr an
jenes halten.
14. Wahrend hinsichtlich der Lehre vom Sohn die Zustimmung
einiger Philosophen vorliegt, ist die Lehre von dem heil. Geist nur
der Offienbarung zu entnehmen (de pr. I, 3, 1 4). Die Aussagen der
Schrift sind es auch, um derentwillen Or. den Geist anders auffafit als
die Neuplatoniker ihre "Weltseele. "Wahrend diese namlich die Weltseele
als schopferisch.es Prinzip, in dem der Logos wirkt, denken. weist Orig.
dem Geist nur eine Beziehung zti den Heiligen zu. Wie aber in
der "Weltseele viele Seelen sind (Plotin oben S. 388), so verbindet Or.
mit dem Geist die heiligen Geister oder Engel und die Geistgaben, die
Paulus auch als Geister auffaBt (in Rom. VII, 1. 5). Seine "Wirksamkeit
hat er also nicht wie der Logos in alien vernunftigen "Wesen, sondern
nur in den Seelen der Heiligen. Dieser Beschrankung entspricht, daB
er unter dem. Logos steht: eAcfxTcav rtctQa tov naisga. 6 vib$ (f&dvwv
7ti juo'i> TO, koymcc, dsvrsQos yag <m lov JIUTQOS' STL de tyvov w
7CveO[.ia TO ayiov srtl {.tovovt; fovg ayiovg duKvovf.isvov (de pr. I, 3,
5. 8). Auch er ist nicht erschaffen (de pr. I, 3, 3). "Wie alles ist er
durch den Sohn heryorgebracht : Ttavxiav diet rov loyov yevo[.iV(jDV to
ayiov itv^ia rtdvrtov sivat Tif.ud)feQOV KCU idsi (rtQ&zov) ndvTwv
rwv VTIO TOD rtctTQOS dice XQIGTOV ysyevi]f.ivcov. Der Geist ist also die
erste unter den Hervorbringungen des Sohnes, durch die Anteilnahme
am Sohn einpfangt er seinen Bestand und seine Art (in Joh. II, 10, 75).
In diesem Sinn behauptet Or. sowohl die Hypostase des Geistes als seine
Gottheit, wenngleich er unter dem Sohn steht und nicht wie dieser den
ganzen gottlichen Willen, sondei-n nui- einen Teil desselben in sich fafit
(in Job. XIII, 36, 231 f.). Sein Wirken besteht darin, ut ea, qua& sub-
stantialiter sancta non stint, participatione ipsius sancta effidantur (de
princ. I, 3, 8). Er gibt den Menschen gleichsam den Stoff der Gnaden-
gaben, die vom Vater gewirkt, von Christus erworben werden und ditrch
den Geist zum Bestand gelangen. 1 ) Ist der Sohn Gottes Weisheit, so
ist der. Geist seine Heiligkeit (in Rom. VIII, 12); gibt der Vater allem
das Sein iind der Sohn das Verniinftigsein, so kornrnt vom Geist das
Heiligsein, aber so, da6 er nicht etwa das TJnheilige heilig macht, sondern
daB er in denen wirkt, die sich schon zu Christus bekehrt haben. 2 )
1) In. Joh. II, 10, 77: olficu Ss rb ayiov Ttvevfta Ttjv, "iv oVitcos s'irtco,
Alto &sov ftagiofid'icov 7ta.qifjuv tots Si aiiro xal ir(v ^IBIO'^V a&iov %or]fia-
ri^ovaiv dyiois, ?fjs elj)i]p,i>r]s vkrjg icov ftccgia fid-rap s'fs^yovfievrjs ftev 0.710 toy d'sov,
Staxovovfie'isrjs Se vno TOV Xgiorov, {xpeaTcbaqs Ss xaTot. rb ayiov rtveiifia.
2) de princ. I, 3, 8 : cum ergo prime, ut sint, liabeant ex deo patre, secundo
ut rationabilia sint, liabeant ex verbo, tertio ut sint sancta, liabeant ex spiritu
27*
420 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Man wird hiernacb sagen konnen, dafi sicb die Trinitat dem
Or. in der Weise dreier konzentriscber Kreise darstellt, von denen der
Yater der grofite, der Geist der kleinste ist. Oder der Vater wirkt
alles und in allem, der Sohn das Verniinftige in der der Vernunft fabigen
"Welt mit Einscblufi alles natiirlicben Gescbebens, der Geist schenkt die
Geistesgaben denen, die durch den Sohn gewonnen sind. Aber nur der.
Vater ist ungeworden. c H/,ielg (.ISVTOL ye T Q el g VTtoavdaeig
rtsi&opsvoi Tvy%dviv, wv naxsqa VML TOV vtbv -/.ai TO ayiov
v.al aysvrivcovf.trjdevBTSQOV vov rta'TQos elvaiftia
(in Job.. II, 10, 75). Der Ausdruck TQidg ist Or. natiirlicb bekannt
(in Job. X, 39, 270. VI, 33, 166. in Jes. horn. 1,. 4; 4, 1 u. s. J )
In der lat. "fibers., aucb in de pr., ist der Ausdruck oft zweifelbaft). Der
Modalisnius oder die Leugnung der personlichen Differenz der trinitariscben
Hypostasen bat- Orig. oft abgelebnt. Diese Denkweise mufite ibm
bocbst unsynipatbiscb sein, denn der Subordinatianismus, den er vertrat,
verlangte die bypostatiscben Unterscbeidungen ; dieser Subordinatianismus
war aber eine notwendige Konsequenz seiner Gottes- und Weltanscbauung,
wie wir geseben baben. Der unbewegte und ungewordene Urgrund
ist etwas anderes als die wirksanie Weltvernunft, wie diese sicb wieder
von der die Gbarismen bervorrufenden Geistmacbt unterscbeidet, und
unter diesen Grofien ist die eine imnier umfassender und ,.grofier" als
die andere. Der Subordinatianismus ist durcb die neuplatoniscbe Denk-
weise notwendig.
15. Gott bat Jakob geliebt und Esau gebafit, und die scbroffsten
Gegensatze im Menscbengescbick liegen uns allezeit vor Augen. Nicbt
aus Gottes Willklir ist dieses zu erklaren sondern aus der Ereibeit der
Kreaturen (de pr. H, 9, 2. 5). In der Freibeit ist dauernd die Mog-
licbkeit einer verscbiedenartigen Selbstbestimniung entbalten , die Krea-
tiirlicbkeit des Menscben aber begriindet die Wandelbarkeit seines Zu-
standes, denn wem etwas gegeben wurde von eineni anderen, dem kann
es aucb wieder genommen werden (ib. II, 9, 2). Freibeit und Krea-
tiirlichkeit sind also die beiden Gesicbtspunkte , aus denen sicb alle
Gegensatze in der Welt begreifen. Da alles in Gott ewig ist, ist es
sancto. I, 3, 5: in illis sol-is arbitror esse opus spiritus sancti, qui iam se ad
meliora convertimt et per vias lesu Christi incedunt, id est qui sunt in bonis
actibus et in deo permanent.
1) S. noch in Eom. VII, 13 fin. : naturam trinitatis et substantiate unam
ease. Ib. VIII, 4 die Haresien: aut male separant filium a patre, ut alterius
naturae patrem, alterius filium dicant, aut male confundunt, ut vel ex tribua
compositum deum vel trinae tantummodo appellationis in eo vocabulum putent,
cf. in Lev. h. 13, 4.
Die Trias imd die Weltentstehung bei Origenes. 421
auch ; die schopferische Tatigkeit (ib. I, 2, 10). Als Mittler derselben
dient inm der Sohn. Geschaffen wurde eine, bestimmte Anzahl einander
nrspriinglich gleicher korperloser Geistwesen (ib. II, 9, 6). Diesen
eignete aber das ccvTe^ovaiov und dasselbe ist von ihrer Existenz un-
trennbar. Die sittliche Entscheidung derselben ist nun verschieden aus-
gefallen. Das Wesen des Bosen besteht in der Abwendung vom Guten,
das Bpse ist somit nichts Positives, sondern es ist der Defekt des
Guten. Recedere autem a- bono non aliud est quam effici in malo ; certum
namqiie est, m.aluvn esse bono car ere. Ex quo accidit, ut in quanta
mensura quis devolveretur a bono, in tantam mensuram malitiae deveniret
(II, 9, 2). Der Mensch, welcher vovg war, erkaltete infolge des Abfalls
von Gott zur ty'vyr^, indem er den Anteil am gottlichen Eeuer verlor
(de pr. II, 8, 3; ifJv%ij nach Or. von ijJvy^Qog). Auf das eigene meritum
der Geschopfe gelit nun ihr weiterer Zustand zuriick (ib. I, 8, 2; II,
9, 7). Es verlieh namlich jetzt Gott den Kreaturen eine materielle
Leiblicnkeit. Je nach Verdienst waren die Leiber beschaffen : leicbt
und atherisch bei den Gottern, Tronen und Gewalten, straHend bei den
Sternen, die ebenfalls Lebewesen sind (vgl. Plato , Philo), grob und
dunkel fiir Satan und die Damonen, als welche zuerst und besonders
tief gefallen ; dazwiscben liegt nun die Leiblicbkeit der Menschen, qui
ob nimios defectus mentis crassioribus istis et solidioribus indiguere
corporibus (de pr. Ill, 5, 4; II, 1, 1 4). Das ist es um die Ent-
stehung dieser Welt, die so freilicn einen Anfang in der .Zeit bat (ib. Ill,
5, 3). Diese Welt selbst ist ein Gericbt vor dem Gericht. Ganz
eigentlicb wird bier die Weltgescbichte zum Weltgericbt. Je nach dem
wie jemand in der Praexistenz war, sind ihm Ort und Gegend, Be-
dingungen der Geburt etc. zugewiesen (ib. II, 9, 8). Aus dem Gesagten
versteht sich die unendliche Mannigfaltigkeit in der Welt; von der Be-
tatigung der Ereiheit hangt sie ab. Gott aber bewahrt dadurch seine
Gerechtigkeit ebenso sehr als seine Giite. Jedem wurde das Seine, aber
die unendHchen Gegensatze zog er zusammen in unius immdi consonan-
tiam (ib. II, 9, 61). So macht diese Welt einen harmonischen Ein-
clruck und auch die Siinden der Bosen sie gehen nicht auf Gott
zuriick weifi Gott dem Ganzen dienstbar zu machen (c. Gels. IV,
54. 70. in Num. h. 14, 2).
Wie ein ,,Yorspiel im Himmel" zur Weltgeschichte lesen sich diese
Gedanken des Origenes. In der praexistenten Welt liegen die Samen-
korner zu der gegenwartigen Welt, semina et causae varietatis et diver-
sitatis (de pr. II, 9, 2). Die Stimmung und manche Einzelheiten er-
innern an Plotin (oben S. 390 f.). Von dem ewigen Unerzeugten fiihrt
durch den Logos die Entwicklung herab zu den verniinftigen Seelen.
422 15. .Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Hire Ereiheit und Wandelbarkeit Avird zum Material, aus dem Gott die
Avirkliche Welt bildet, ihre praexistente Entscheidung ist der Mafistab ihrer
Stellung in dem Weltzusamnienhang. Die Vorstellung von der Abhangig-
keit des Menschengeschickes von den Taten der Menschen sowie die
Freude an der Harmonie der so entstehenden Welt teilt Or. mit Plotin.
Aber er betont starker als der Philosoph die sittliche Freiheit und er
gent dem Gedanken einer Seelenwanderung aus deni Wege. ] ) Trotzdem
ist der innere Zusainnienhang zu der neuplatonischen Denkweise un-
verkennbar.
16. Die Christologie des Origenes stellt einen iiberaus interes-
santen- und geschichtlich Avirkungsvollen Entwurf dar. Gegeben waren
dem Origenes seine Logostheorie sowie das Jesusbild der Evangelien. Die
Schwierigkeit der Aufgabe den alles durchdringenden und in allem walten-
den Logos, der schon die Sch Sprung gewirkt hat (c. Gels. IV, 81. VI,.
47. 60. VII, 70. in Jon. VI, 39, 202), eingehen zu lassen in circum-
scriptionem cms hominis, qui apparuil in ludaea (de princ. II, 6, 2), hat
Origenes lebhaft empfunden. Die Losung, die er fur sie fand,' ist uber-
raschend einfach. Origenes fiihrt den Begriff der Seele Jesu in die
Diskussion ein und laBt durch diese Seele den Zusammenhang zwischen
deni unendlichen Logos und dem endlichen Leibe Christi hergestellt
Averden. Die Seele Jesu war ex genere et substantial, humanarum anima-
rum (in Lev. 12, 6), und sie Avar praexistent Avie alle diese Seelen. Auch
ihr Greschick hat sich in der Praexistenz entschieden. Sie hat sich mit
dem Logos von Anf ang an anf das engste verbunden, tota totum reci-
piens atque in eius lucem splendoremque ipsa cedens. So Avurde sie ein
Geist mit dem Logos nach 1. Kor. 6, 17. 2 ) TJnd die Innigkeit ihrer
Hingabe an ihn machte diese Verbindung zu einer inseparabilis cum deo
unitas (de pr. IE, 6, 4). Hierdurch aber Avar diese Seele auch peccati
incapax, (ib. IV, 31). Diese vom Logos erfiillte praexistente Seele stellt
nun das Bindeglied dar zwischen dem Logos und dem Leibe Jesu. Die
caro, in die diese Seele einging, Avar rein und heilig und von Gott geschaffen,
ex incontaminata' virgine assumta et casta sancii spiriius operatione for-
mata est (in Rom. HI, 8. I, 5. V, 9. c. Gels. I, 69 1). Die Seele
konnte den Logos fassen und der Leib konnte die Seele fassen. So
wurde es moglich, da6 der freavd-QCorcos geboren Avurde. 3 ) Es bringt
1) S. die Bemerkungen iu Rom. V, 1 (Lomm. VI, 336). VI, 8 (L. VII, 47).
2) s. de princ. II, 6, 3. in Job. XX, 19, 162. I, 32, 236. iu Rom. Ill, 8
(Lomm. VI. 210). VIII, 7 (. VII, 124).
3) de princ. II, 6, 3: hac ergo substantia animae inter deiim carnemque
mediante non enim possibile erat dei natiiram corpori sine mediatore misceri
Die Christologie des Origenes. 423
also die Seele, die in den in Maria geschaffenen Leib eingeht, den Logos
mit sich. 1st aber der Sohn Gottes der Inhalt dieser Seele, so ist es
begreiflich, da6 sie zusammen mit deta Meisch, mit deni sie ja nun in
festem Zusammenhang steht, ebenfalls Gottes Sohn, Kraft und "Weisheit
genannt wird, oder da6 Gottes Sohn Menschensohn genaiint und von
seinem Tod geredet wird. 1 )
Bis jetzt ist alles verstandlich. Jesus war ein wirklicher Mensch,
mit einer Seele, die praexistent war wie alle Seelen. Aber alle Tugend,
Kraft, "Weisheit und Gerechtigkeit des Logos erfiillte und bewegte. diese
siindlose Seele, die allein unter alien den Logos ganz zu erfassen ver-
mochte, da sie es sich verdient hat seine ganze Offenbarung zu emp-
fangen. Oder der Mensch Jesus war von dem Logos erflillt und ge-
tragen und das ihm absolut entsprechende Organ. 2 ) Gott redet in dem
Menschen Jesus und ist in ihm (c. Cels. II, 9. I, 66), der Mensch ist
substantialiter deo repletus (de princ. IY, 31). Nun aber ergaben sich
aus diesem Gedanken zwei Konsequenzen, einmal miissen Gottheit und
Menschheit als zwei difOerente und ungemischte Grofien vorgestellt werden,
dann aber muB doch irgendwie eine konkrete Einheit beider gedacht
werden. Beide Gesichtspunkte sind Origenes gelaufig. In Ghristus ist
Gott und Mensch (in Joh. X, 6, 24), eine gottliche und menschliche
Natur (ib. XIX, 2, 6. 10 imd c. Gels. Ill, 28), utraque, natura (de princ.
II, 6, 2), die menschliche und die gottliche VTfoorciGig (in Joh. XXXH,
16, 192 f.), die fCQorjyovf.ievrj rov TtgioTOxoxov yvois und 6 av&gcortos,
ov avsikrjcpsv, der von jener Natur gebildet wird (in Joh. I, 28, 195).
Dabei behalt jede der beiden Naturen oder Substanzen ihre Eigentum.-
lichkeit. Der Mensch Jesus hat wirklich gelitten, er Avar sterblich und
ist wirklich .gestorben (c. Cels. II, 16. YII, 16. in Joh. XXVIII, 18,
157: av&Qi07to$ ydg eortv aTto&aviov^lYjGOvc;). Auf das scharfste verwahrt
nascittir, lit diximus, deus-homo, ilia substantia media existente, cuitttique
contra naturam non erat corpus assiimere.
1) de princ. II, 6, 3 : Unde et merito pro eo vel quod tota esset in filio del,
vel totiim in se caperet filmm dei, etiam ipsa cum ea, quam assumpserat, came
dei filiiis et dei virtus, Christus et dei sapientia appellatiir, et rursum dei filius,
per quern omnia creata sunt Jesiis Christus et filius hominis nominatur. Nam
et filius dei mortuus esse dicitur, pro ea scil. natura, quae mortem utiqiie
ncipere poterat.
2) Vg'l. C. Cels. V, 39 : VoTcoaar, OTI tbv SsijreQov $ebv oi)x aJJiO ti ieyofisv r t
lijv 7tEQiey.TiM]v 'Jia.omv a^Brtov a^Eirjv xcu rbv TteoisxTiy.bv Ttavrbs oimvoaow hoyov
reap y.ara <pvaiv y.al Ttgoijyovfievcos yeye'f^fis'fajv y.al els y^aifiov tov Tfavrbs hoyor:
f 'Ovnva TIJ 'Irjaov fids&iara Ttuodt, Ttaaav yv%i]v -tfv'/.ij cay.Ei&affcu y.a.1 ip'dia&ai cpa/uev,
fidvov Ti/.eicog %cooi]aa.i SsSvvr/fterov Tr\v uy.Qar fisto^ip- rov ainot.oyov y.al t?js
aocpias y.al Tfjs ai>To8iy.aioovi'i]s.
424 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
sich Origenes gegen die Einrede des Celsus, der sterbende Jesus sei
Qott (c. Gels. VIII, 42 u. o.). Von einer Veranderung und einena
Leiden der Gottheit kann nicht die Rede sein, der Logos erleidet nichts
davon , was Jesu menschliche Seele und Leib erleiden , nur um der
Schwache der Menschen willen ist er ,,gleichsam", ,,leiblich geredet"
Fleisch geworden. 1 )
Nun ist aber Jesus Christus ein "Wesen und zwar etwas Zusanimen-
gesetztes: GUV&STOV it y.^id fpaftsv avrbv yeyovevcu (c. Gels. I, 66). 2 )
Er wollte nicht, dafi die Glaubigen nur seine Gottheit und deren Wunder
glaubten ,,als ob er nicht auch an der inenschlichen Natur teilgenominen
und jenes Meisch, das unter den Menschen wider den Geist geliistet,
angenomnien hatte" (c. Gels. Ill, 28). Aber nicht nur eine xoivwvia
findet zwischen den beiden Naturen statt, sondern eine SVIOGIS und
<xvdxQ<xais , sodafi die Menschheit Jesu geradezu vergottlicht wurde. 3 )
Diese Vereinigung wird bei Origenes zunachst als geistige oder mystische
gedacht. In dem Menschen Jesus waltet der Logos, dieser fiihrt jenen
etwa ZUHI Opfer an das Kreuz (in Joh. VI, 53, 275). Origenes zieht
gern das Wort I. Kor, 6, 17: ,,wer dem Herrn anhangt ist ein Geist
mit ihm" zur Erklarung dieser Einheit heran; Da die Seele Jesu stets
an cleni Logos gehangen hat, so ist es, nach Meinung des Origenes,
,,nicht wunderbar", dafi sie mit ihm eins geworden ist. 4 ) Tiber den
1) C. Gels. IV, 15: el e y.al awfiu &vi]ibv y.al -y>v%r]v dvd'ijcoTtivriv dtmlaficbv
6 afrdvaros &sos bdyos Soy.ei rco Kelaca dllditsadai %al fieTaTt^drrsa&at, f.iavd'avi%m
ott, 6 hoycs Ttj oiiaiq fiivwv ).6yos oiiSev fis-v 7tdo r / v ei &v 7tdo%ei ib awuu y.ai fj tyvyj],
avyyMTa^aivcov $* sad' 'oie tw firj Swaftevco aiiiov rds /naQpagvyds xat ir[V IM/.I-
7tf)6Tt]ta ifje -d'eioTijios fik&TtEiv olovel ffagl; yivetai, ocopastiy.ws '/M}.OV/.ISVOS, ecos 6
TOIOVTOV aiitbv Tca.qaSe^a.a&a.t, v.aia fi!)a%v iiTtb lov %6yov fieTecapi^d/uevog Swiforj
aiitov y.al TTJV, vi? ovtcos ovofidoco, TCQOrjyovf.isvi-jV fiogfrfv &edoaad'at, in Job..
xxvm, is, 159.
2) Ib. : TCeyi tov awdsiov xal el; cav avuey.siro o evav^coTfrjaus 'Jqaovs. ill
Joh. I, 28, 196 : oiiy.eti d>s TtEfj'i Svo nvcov dnayye^saO'ai,, dfJS fas Ttepl evos.
C. Gels. II, 64: 6 'ft^aovs els u>v Ttheiova rfj eawoiq, fjv.
3) C. Gels. Ill, 41 : to Se &vrjibv ai>rov a&fia y.ai Tt]V a.vd'Qca7iivt]v ev uiii<3
yv'/fiv TIJ Tt^os ey.et'fop (d. h. den Logos) oil fiovov y.owioviq ah f /M y.a.1 evcoaei nal
dva-/.()dasi to. fteyiffrd yaf.iei> Ttgoaeikijcpevai xai irjs sxeivov SsiOTrjios '/.E'/.o
4) C. Gels. II, 9 : Tavru Ss (jpctfisv oil ^(a^L^ovies ibv vlbv iov \)eov arto tov
'I/jaov ' ev yuj) ftdhtaTa fieta, t-fjv. oly.ovofiiav ysyevqTai Ttpbs tov kdyov tov d'eov fj
y.cd ib G&/.IU ^I^oov. El y&o '/.ana, ii]V Jlavhov SiSaay.aliuv ksyovios' ,,b
TW y.vfjioj ev 7tvevf.id i-an" Ttas 6 voijaas ii TO -/.oJ^Mod'ai ito y.vQuo, y.cu y.
aiirq. ev ean 7tvev/.ia 7t<)bs TOV xvpiov, TI&S oi> aottcj) fialioi* -deioreocos VM fieit,6vcos
ev eati 16 Ttots avvd'eiov ttoos tbv J.6yov tov Q'eov ; VI, 47: ovy. sial Svo >] "i
lov 'Iqaov TtQos ibv . . . -d'ebv t.oyov. VI, 48: /) %copi,eiv -fjfius' trjv Ur t aov
TOV
Die Vereinigimg der Naturen Christ! bei Origenes. 425
Sinn dieses Gedankens kann kein .Zweifel sein. Mit dem allwaltenden
Yernunftsgeist verwachst die Seele Jesu zu einer innerlichen mystischen
Einheit, wie sie ahnlich auch sonst zwischen Christus und den Erommen
besteht. 1 ) Sowohl die Parallele mit den Erommen, als aucli die genaue
Bestimmung, dafi das Menschliche in Christus \vegen jener Yerbindung
gottlich genannt werde (de princ. II, 6, 3), erlautern den Gedanken.
An eine ,,Yergottung" im Sinn einer physischen Metamorphose denkt
Origenes tier nicht.
Anders steht es aber welter an einer Reihe von Stellen, in denen
Origenes auch von einer ubernatiirlichen physischen Art des Leibes Jesu
redet. Wenn Judas den Juden bei dem Yerrat Jesus besonders erkennt-
lich macht, oder Jesus darauf hinweist, dafi er taglich im Tempel ge-
lehrt habe (Mt. 26, 55), so beweist das, dafi Jesus seinen Leib babe
vei'andern konnen, wie und wann er wollte. Wenn Jesus so geboren ist,
wie die Schrift berichtet, so wird sein Leib auch etwas mehr Grottliches
als die iibrigen Leiber an sich gehabt" haben. 2 ) Wie Origenes zu dieser
an Doketisinus streifenden Anschauung kam, ist nicht unverstandlich, wenn
man an die Scbwierigkeiten denkt, die ihm die Auferstehung und die
leibliche Fortexistenz des Auferstandenen bereiten mufiten. ' Nahm er
fiir den Auferstandenen zunachst eine verklarte Leiblichkeit an, so lag
der Raickschlufi auf die friihere Existenz Jesu "nahe. Nachdein Jesus
gelitten und gestorben ist, predigte seine Seele im Hades (c. Gels. H,
43). Er ist dann leibhaftig auferstanden. Sein Leib befand sich nach
der Auferstehung in einer Beschaffenheit, die in der Mitte liegt zwischen
der sinnlichen Konsistenz (rcaxmrjg), die ihm 'friiher eignete, und dem
Zustand der vom Leibe befreiten Seele (c. Gels. II, 62), daher war er
auch unsichtbar (ib. 64 f.). Jetzt beginnt der Prozefi der Yergottung
der Menschheit Jesu : resurreocit a mortuis et deificavit quam susceperat
humanam naturam (in Mtth. ser. 33). Dieser ProzeB verherrlicht und
erhebt die menschliche JSTatur, die dadurch eins wird mit dem Logos, so
dafi nach 2. Kor. 5, 16 hinfort nicht mehr ein Mensch, sondern
nurGrott da ist: xay (.laQrvQij u OLoxrjg, on bv icpOQeoev avtigturtos i]V
si Y.OL Tji> av&QWTtoc;, a/Ucc vuv ouda^dig IGTIV av-5-^iu7iog (in Jer. b.
15, 6 vgl. in Luc. h. 29). Allein- diese rhetorisch gesteigerte Wendixng
1) s. auch de princ. II, 6, 4 : Ps. 44, 8 wird auf Christi Seele gedeutet, dalS
es dort heiCt: gesalbt hat dich Gott vor deineu Genosseu, bedeutet: non
gratia spiritus sicut proplietis ei data est, sed ipsius verbi (hi in ca substantialis
inerat plenitude.
2) C. Gels. II, 64: XUTCL ib /.isTafio^fov^tsvov ocof.ia 01? K^OV/.STO y.al ols
KflovXaxo. C. Gels. I, 69 : et cos yey^a%T(u ytyivviyio, cJvwrat TCCOS elvui ib awitu
UVTOV y.al &SIOTB^OV Tta^u rots no).).oi3 xru y.aia. n at]^iai,v6(.iE.vov O'eov acofia.
426 15. Die Theqlogie der alexandriuischen Vater.
soil die Fortexistenz der Menscbbeit Jesu keineswegs ausscbliefien. Sie
bestebt fort, aber erboht und verberrlicbt, namlicb eins geworden mit
dem Logos ; f H de vrtEQuipiuoig TOV vlov TOU av&Q&Ttov . . . awrj fjv-
TO fiyxezt ersQOV avzbv sivai TOO hoyov dA/a wv avrbv airtfy (in Job.
XXXII, 25, 325). Zuin Erweis dessen dient wieder 1. Kor, 6, 17.
Der Menscb Jesus bat also nacb der Auferstebung Gewalt uber Himmel
und Erde enipfangen, sofern er vereint ist init der Gottbeit des Logos. 1 )
Br ist eius geworden mit dein Sobn Gottes . obne daG freilicb das
menscblicbe Yerstandnis die Art dieser Yereinigung erfassen konnte.-)
Jede Scbranke bat fiir Cbristi Wesen aufgebort. War einst der Logos
gebunden an die Scbranken des Leibes, so durcbdringt er nun scbranken-
los alles, 3 ) wobei inimer vorausgesetzt ist, dafi irgendwie die Menscbbeit
Jesu mit ibni verbunden ist. Mit Recbt siebt Loofs in diesem Prozefi
der Yerberrlicbung eine ,,fortscbreitende Absorption des Leibes Jesu"
(DGr. S. 200), er batte aber binzufiigen sollen, dafi dasselbe sicb, nacb
Origenes Ansicbt. an alien Menscben vollzieben wird. 4 ) Der Leib Jesu
wird also allniablicb von der Grottbeit aufgezebrt, dagegen bleibt seine
Seele irgendwie in der ,,Einbeit" mit dem Logos fiir immer erbalten,
ist sie docb das Subnmittel, das ewig zwiscben uns und Goti stebt.
Die Cbristologie des Origenes ist im ganzen durcbsicbtig. Der
Hauptgedanke ist der, dafi der personlicbe Logos sicb mit der persb'n-
licben Seele Jesu oder mit dem Menscben Jesus verbindet, sie durcb-
dringt und leitet, sodafi aucb sie sanit dem. von ibr geleiteten Leibe
sicb als gottlicb darstellt. Letzteres gilt aber nur in uneigentlicbein oder
ubertrageneni Sinn, an sicb bleiben die beiden Naturen resp. Personen
was sie sind, die Differenz ibrer Existenzweise bestebt . fort. Das ist
der erste und beberrscbende Gedankenkreis. Wabrend die Einbeit
1) de orat. 26, 4: )M^OVTOS TOV xaia tbv acotrj(>a avd'^coTtov Ti]V t-^ovoiav
KV oiigavcp, olov iwv t-vvnagzovfcov rep /tovoyevsl, Iva uiirco xowcovfi, &va'/.i<)v<i[iEvos
ey.etvov ifi &e6rt]Ti: y.al evov/.t,evos niiTco.
2) iu Eoin. I, 6: quia ,,etsi agnovimus Christum secundum carnem, sed
nunc iam non novimus" {2. Kor. 5, 16), ideo omne quod est in CJiristo, iam
nunc filius del est. Quomodo autem hoc et ad eum, qui filius del in virtute
destinatus est, referatiir, coarctet intelligentiam nostrum, nisi quod per indisso-
hibilem wiitatem verbi et carnis otnnia quae carnis sunt, adscribuntiir et verbo,
quomodo, et quae verbi sunt praedicantiw m came.
3) de princ. II, 11, 6: vpse tamen iibique est et imiversa 2>ercurrit, nee ultra
intelligamus eum in ea exiguitate, in qua nobis propter nos effectus est, id est,
non ilia circumscriptione. quam in nostra corpore in terris positus inter homines
habuit, quo velut in two' aliquo circums'eptus loco putatur.
4) s. de princ. II, 3, 3: materialem naturam exterminandam declarat.
Paulatim cessante imtura materiali.
Bedeutung 1 der Christologie des Origenes. 427
zwischen Gottheit und Menschheit hier eine geistige und mystische 1st.
ahnlich der Vereinigung aller frommen Seelen mit Gott, finden wir aber
auch eine Form rein physischer Yerbindung. Zwar gehorte das Eins-
werden der Seele Jesu mit dem Logos in dem Zustand der Erhohung
nicht eigentlich hierher, wohl aber ist an die physischen "VVandlungen
des Leibes Jesu durch den Logos zu denken. Aber dieser zweiten
Betracbrtungsweise kommt der ersten gegeniiber keine selbstandige Be-
deutung zu. Diese physische Vergottung des Leibes ist zugleich' seine
allmahliche Zerstorung ; von diesem Zweck aus begreift sich jener Ge-
danke. Wenn man noch daran denkt, dafi alle Leiblichkeit aufgehoben
wird und dafi Jesu Leib nur ein vorubergehendes Mittel war, um die
Logoslehre den Rohen und Ungebildeten verstandlich zu machen, so wird
man keinen Augenblick iiber die wahre Absicht des Origenes zweifel-
haft sein. Wir haben friiher gezeigt, dafi von Anfang an zwei Typen
der Christologie bestanden haben (S. 100). Es ist unfraglich, dafi Ori-
genes nicht an eine Menschwerdung wie etwa Irenaus denkt, sondern
dafi er ganz den Menschen Jesus von dem Logos angenommen werden
lafit, wie etwa Tertullian u. a. 1 ) Dabei kommt ihm das Verdienst zu.
den personlich-geistigen Charakter der Menschennatur Jesu den seine
Vorganger stillschweigend voraussetzten klar geltend gemacht zu
liaben. Er hat damit das christologische Problem auf eine Hohe gefiihrt.
die man vor ihm nicht kannte der personliche Logosgott und der
personliche Mensch Jesus vereint 2 ) , und auf der man sich nicht zu
halten vermocht hat. Zwar hat Origenes der griechischen Theologie
den wissenschaftlichen Apparat der Christologie geliefert (cpvGig, vrto-
GraoiG, ouoia, 6/.iOOvoios, ewige Zeugung), aber man hat nicht den Ein-
druck, dafi er diese Termini zuerst in Anwendung bringt ; 8 ) auch hat
1) Lehrreich ist hierfiir in Joh. I. 28, 195: Ps. 71, If. spricht von Konig und
Xonigssohn, das Lezieht Or. auf Christi Gottheit imd Menschheit: fiaaiUa fiev
j.eyead'ai, TJJV Ttpoyyovpevrjv lov TtQWioio'/.ov . . . <puoiv . . ., ibv Si- av&Qconov ,
vv aveiKrj <pev, int" ey.eivqs f.io^yov(.isvov vata $t"/.cuoavvr\v '/.cti sy.ivTtovfievor
,,vlbv tov fiaodecos". Ib. 192 heifit Christi Menschheit 6 tivdomTtos avrov, ebenso
I, 32, 236. VI, 53, 275: 6 iv iQ Mtqdnttf &sog.
2) Auch in den urchristlichen Ansatzen ist dies Problem begrundet.
3) Zur Terminologie vgl. schon Hippolyt oben S. 345. Der Ausgangspunkt
itir die ganze Terminologie scheint mir in der Bezeichnung Gottes als ovata oder
siibstantia enthalten zu sein. Aus der Eeflexion auf die lebendige Qualitat der
odaia ergab sich die Parallelbezeichnung yvois; die Notigung als logischen
Gegensatz zu oiiaia ein Wort fur die Sonderexistenz des Vaters, Solmes und Geistes
resp. Ohristi im Verhaltnis zu seinen Naturen zu finden, flihrte bei den Lateinern
zu dem Begriff persona, bei den Griechen allmahlich zu iiaoataais (vgl. oben
S. 416 A. 1). Diese Phraseologie scheint sich bei beiden imabhaugig vonein-
ander von dem gleichen Ansatz . aus entwickelt zu liaben. Sie ist bei Or. noch
428 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
er durcli seine Eragstellungen und Forineln tief auf die Eolgezeit ein-
gewirkt, aber seine Christologie als ganze ist von niemand reproduziert
worden. Das lag besonders daran. dafi sie dem popularen Bewufitsein von
deni mensclige worden en Gott nicht entgegenkam. 1 ) Dies hat man
instinktiv empfnnden, und deshalb ist die origenistische Christologie auch
so oft umgedeutet worden, so einfach sie an sich ist. 2 )
17. Von der Person Christi schreiten wir fort zu dem Yerstandnis
seines Werkes. Auch bei Origenes sind die beiden Gesichtspunkte
dabei inaBgebend, da6 er sowohl an Christi Wirken auf die Menschen,
als an sein"Wirken auf Gott denkt. Bei der Anlage seines ganzen Systems ist
es keinen Moment zweifelhaft, dafi ersterer Gesichtspunkt fur inn mafi-
gebend ist. Christus ist ja der Logos, der Vernunft, Ordnung und
Sittlichkeit dem Menschengeschlecht einflofit, indeni er sich. dabei der
menschlichen Organe Jesu bedient. Daneben steht der andere Gesichts-
punkt, dafi er die Menschen objektiv befreit vom Teufel, von den go'tt-
lichen Strafen und den TJbeln. Origenes hat, indem er die alttestament-
liche Opferordnung in diesem Sinn deutete und den Anregungen des
Paulus sorgsam nachging, gerade auf diesem Gebiet bleibende Formeln
geschaffen (s. unten), aber es ist nicht zu vergessen, dafi fur sein reli-
gioses Empfinden dieser Gedankenkomplex ganz hinter den ersten zuriick-
tiitt. Er behandelt doch nur die Yoraussetzung der eigentlichen Er-
losung durch den Logosgeist, und die vollkommenen Christen bediirfen
nicht inehr des heilenden Arztes, sondern des anregenden Lehrers. ,,,In
der Gb'ttlichkeit des Logos sind einerseits enthalten die Heilmittel fur
die Kranken, von denen der Logos sagte : ,nicht bediirfen die Gesunden
des Arztes, sondern die Kranken', andrerseits aber fur die an Seele und
Leib Heinen die Amveisung der ,0ffenbarung des Geheimnisses, das ver-
schwiegen war in ewigen Zeiten, nun aber offenbart ist' ". Gesandt
wurde der Gott Logos als Arzt fiir die Sunder, als Lehrer aber der
himmlischen Geheimnisse fiir die schon Reinen und nicht mehr Siin-
digenden" (c. Cels. LTI, 6.1. 62). ,,Selig die, die dahin gekommen sind,
des Sohnes Gottes nicht mehr zu bediirfen als eines Arztes, der die
niclit fertig. Zwar nennt er die triadischen Personen v7tooT,dois, aber fiir die
eiue Cliristusperson verwendet er nur so vage Ausdriicke wie Ttg&yfia oder
X(W/"*, vgl. R. Seeberg-, Th. Litt.-Bl. 1906, 295 f.
1) Blickt man in die Folgezeit, so hat die aiitiochemsclie Christologie ana
meisten Ahnlichkeit mit der des Origenes.
2) Harnack (DG. I 3 , 637. 641) hat sie fiir sehr kiinstiich erklart und ihr
Eesultat als ,,Monstrum" bezeichnet. Ich halte dies Urteil fiir falsch ; die Grund-
iinien bei Or. sind uberans einfach, und die ,,Einheit" des Logos mit der perso'n-
lichen Seele hat Or. in seiner Weise und jedenfalls Aveniger monstros als viele
Christologen der Folgezeit denkbar zu machen versucht.
Christ! Werk als Lehre und Gesetzgebung bei Origenes. 429
Kranken heilt, noch auch als eines Hirten, noch auch der Erlosung,
sondern als der Weisheit, der Yernunft und der Gerechtigkeit" (in
Joh I, 20, 124).
Somit ist an die Spitze der Gedanke zu stellen, dafi Christus Arzt.
Lehrer, Gesetzgeber und Beispiel gewesen ist. Wie er einst in den
Philosophen und Propheten die Wahrheit offenbarte, so brachte er nun
der Welt alle Wahrheit und Weisheit und nimrnt die Unvernunft fort,
er macht die Menschen dadurch geistig und gottlich (in Job. I, 37, 267 f. :
sv&ecas koymol ytvof.ts-9-a). Besonders aber iibertraf Christus alle
Propheten und Fiihrer der alten Welt durch sein neues Gesetz, das
alien gelten soil und bei alien Gehorsam gefunden hat (z. B. c. Gels. IY,
4. 22. 32). Nicht in den sinnlichen Satzungen des jiidischen Gfesetzs
oder in dem Damonendienst der antiken Yolksreligionen bleibt das neue
Gesetz stecken, sondern es tragt den geistigen und universalen Charakter,
dessen die Weltreligion bedarf (c. Gels. YII, '26). Indem Christus die
OtOTrjQia doy^aia (de pr. IY, 2), die praecepta evangelii (ib. 24) brachte,
ist er 6 vo(.iod-Tris ^LGTiavwv (c. Gels. HE, 7). Er ist der Christenheit
das, was Mose Israel war (c. Gels. II, 52. 75; IY, 4; Y, 51; YIII.
5. 53). Allen verstandlich wurde dieses Gfesetz, indem, den Bedilrfnissen
entsprechend, Lohn und Strafe ihm beigefiigt warden (c. Gels. IH, 79).
In diesen Zusanimenhang gehoren auch die Wunder Jesu: ,,wie es dazu,
dafi Moses Grlauben fand nicht nur bei der Grerusie, sondern auch bei
dem Yolk, der Zeichen bedurfte, die er, wie geschrieben steht, getan
hat, warum sollte nicht auch Jesus, damit er bei denen, die von dem
Yolk gelernt batten nach Zeichen und Wundern zu begehren, Grlauben
finde, solcher Wunder bediirfen, die, weil sie groBer und gottlicher waren
im Yergleich zu denen des Mose, geeignet waren abwendig zu rnachen
von der jiidischen Mythologie und den menschlichen TJberlieferungen bei
ihnen und zu bewirken, dafi man den, der solches lehrte und tat, annahm,
weil er groBer als die Propheten war" (c. Gels. II, 52) ? Deni zeit-
genossischen Bedarf angepafite Mittel der Belehrung waren also Jesu
Wunder.
Das Gesetz nun, das Christus gibt, ist o vp(.ios T^g cpvaewg TOvrean
lov -9-eov im Gegensatz zum vdjiiog ta.Z$ rtokeoi yqaitio^ (ib. Y, 37).
Nach antiker Anschauung ist dies natiirliche oder gottliche Eecht der
MaBstab zur Kritik des positiven Eechtes. Indem nun das christliche
Recht mit dem Naturrecht, d. h. der Yernunft (in Rom. Y, 1 p. 335),
identisch ist, niufi seine Kritik an den biirgerlichen Gesetzen als be-
rechtigt anerkannt werden (ib.). Das ist eine neue Wendung fur den
alten Gedanken, daB das Christentum die natiirliche und daher gemein-
gultige Religion ist. Der wesentliche Inhalt des christlichen Gesetzes
430 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater. .
1st: die Erkenntnis und die Verehrung des einen Gottes des Schopfers,
der Glaube an Jesurn als den Sohn Gottes, die Befolgung seiner Gebote
in einem tugendhaften Leben, die Yerheiftung von Lohn und Strafe
(c. Gels. V, 51. 53; YII, 17. 481; VIII, 57. 51. 1 ) Zu dem Gesetz
tritt Christi Wandel als nci()(xdiy[.ia aQiorov jiiov (c. Gels. I, 68; YHI,
17. 56. in Rom. IX, 39. de pr. HE, 5,- 6), speziell als Muster in der
Ertragung von Leiden (c. Gels. II, 16. 42). Die Kraft des Kreuzes
Christi, wenn man es von Herzen anschaut, zeigt sich wirksam zur Yer-
treibung aller siindhaften Gedanken und Liiste (in Horn. YI, 1 p. 3).
So wirkt der Logos auf mancherlei Weise auf die Seelen ein. Der
Mensch Jesus wirkt als sein Organ und daher auch als mafigebendes
Beispiel des Gehorsams und als Fiihrer auf dem steilen Weg der Tugend.
AVer diesen Menschen nachahmt, wird der gottlichen Natur teilhaft
werden, die jener in sich tragt. 2 ) Dieser Gedanke halt sich ganz auf
der Linie des bisherigen : indem der Mensch Jesus Gott uns nahebringt,
wird der aktive Anschlufi an ihn zugleich zum Erleben der Gottheit.
Aber wie die Seele Jesu durch ihre Tugend zur . Vereinigung init dem
Logos kam, so ist auch bei den Christen die eigene fromme Bemiihung
der Weg zu der Yereinigung mit der gottlichen Natur oder dem Logos. 3 )
So sehr nun diese Gedanken fur Or. im Yordergrund stehen, so
weifi er doch, da6 des Christen Heil und Rettung von Christi Leiden
und Sterben abhangen (z. B. c. Cels. I, 54 cf. 61 fin.; II, 23. 44):
/.al TOV 9'dvaTOv avTov ov f.wvov ftccQddei.y/.icc txxeiff&ai xov vj
suoefielag cmofhijoxeiv, aKKa yaQ "/.at slgydod-at agyjiv v.a.1
rfjg. -/.ara^vastos TOV TCovr^qov xal dcafidlov (ib. YII, 17). BLiernach
tritt Ghristi Tod unter die Gesichtspunkte der Erlosung aus der Gewalt
des Teufels und der Damonen, des Gott dargebrachten Siihnopfers und
1) Die letzte Stelle lautet: ols (den Christen) ^ no. a a
ti]S rt iarsco s 6 &eb^ y.al al Sia rov XQIOTOV Tteqi icov Sixaicov eTtayyekiai
itjov dSixcov al ?te<)l xoldoews SiSaaxakiai. Dagegen wird in Eom. Ill, 7 (Lomm.
VI. 201 f.) (las sittliche Naturgesetz von der Gerechtigkeit CKristi scharf unter-
schiden und die Erkenntnis der Gottessohnschaft Ghristi ihm abgesprochen.
2) de princ. IV, 31 : umisqiiisque post lapsum vel post errorem expurget se
maculis, exemplo proposito, et liabens itineris ducem arduam mam virtutis incedat,
ut sic forte per hoc in q_uantum fieri potest, per imitation em eius parti-
cipes efficiamur divinae naturae, vgl. in Joh. XIX, 14, 86.'
3) Die altkatholische .Anffassung der n lmitatio Christi" kommt hierdurcli
zu klarern Ausdruck, s. clariiber E. Seeberg, Aus Rel. u. Gesch. I, 11 f. Den
Grmidgedanken der mittelalterlichen Mystik spricht schon Or. aus : xal acofiarixais
ye ).a).oij/j.EVog y.ui cos oa^ ojtayyehofisvos, eyS eavtbv xakel robs SVTOLS. ad^'/ta, Iv
(titrovs 7tOLi\ari rtqiatov fiogrfcofrfjvai y.dTa. ibv loyov tbv ysv6f.isvov a&qvM- v.ai ftsra.
IOVTO a-d-uaiis dvKj3t.fi dot] KTU rb iSeZv avrbv OTte^ fjv nqlv yevyrai ad^ (c. Gels'.
VI, 68).
Der Tauschung des Teufels bei Origenes. 431
der Reinigung der Menscben von den Siinden, der Vertretung derselben
bei dem Vater (vgl. Tboinasius, Orig. S. 22 Iff.). 1) Durcb die
Siinde baben sich die Seelen der Menscben dem Teufel ergeben. Jesus
gab nun seine Seele (sein Leben) in den Tod als ein ^VTcAJkay^iu oder
IWQOV jene vom Teufel zu erkaufen (in Ex; h. 6, 9 cf. c. Gels. I 7 31. ad
mart. 12 fin. in Mtth. XII, 28; XVI, 8 Lomm. IV, 27 f. in Job.. VI,
53, 274. in Rom. II, 13 p. 140; HE, 7; IV, 11; V, 9). Der Teufel
ging auf den Tausch ein ; er war aber betrogen, da er die reine Seele
Ghristi nicht zu balten vermochte und docb um des Losegeldes willen
die Menscben freigeben inufite: o&rog yap expcrret fjfi&v ewg do&fi ib
vftSQ fyicbv amfy hvcqov fj rou 'Irjaov ifjutf] <XTCarr]$evTi cog duvapevci)
avrfjg uvQisvaai 7.01 ov% oQcovti, C OTL ou cpegtt TTJV inl TO xaTe%etv
ami]V fidaavov (in Mt. XVI, 8). So wurden die menscblicben Seelen ~^-
auch die im Hades befindlicben frei von der Grewalt des Teufels und
seiner Damonen (s. c. Gels. II, 47. VIII, 54. 27. 64). Und dieser
Sieg liber den Teufel bewabrt sich -bis zur Stiinde in den Austreibungen
der Damonen durcn cbristliche Bescbworer, die das ,,im JSTanien Jesu"
tun (c. Gels. VII, 4. 64. 69. VIII, 58. I, 67). An der tJberwindung
der Damonen lag jener Zeit viel, -well ja die heidnisclien Grottneiten
Damonen sein sollten. Dafi diese Grotter bose sind und daB der gute
Cbristus sie iiberAvindet, das erkannte man an den Damonenaustreibungen.
Die Idee von der TJberlistung des Teufels, die Her zum erstenmal klar
ausgesprochen wird, bat Or. sicberlich aus dem Volksglauben uberkommen,
aber er bat sie in die Literatur eingefiibrt. - 1 ) .Sie machte den ; ,Sieg"
Cbristi iiber den Teufel anscbaulicb und verlegte ibn docb in der Spbare
des geistigen Lebens ; das mag Or. angezogen baben, aber es bleibt auf-
fallend, dafi er ziemlicb baufig diesen Gredanken verwendet. 2) Die
Siinde bedarf einer propitiatio Grott gegentiber, diese gescbiebt durcb
Darbringung eines Opfers. Christus ist der Hobepriester, welcber sein
eigenes Blut oder seinen Leib fur uns Grott als fleckenloses Opfer dar-
bracbte, damit dieser dadurcb uns gnadig werde und die Siinde vergebe. 2 )
1) Der dem Teufel gespielte Betrug kommt in einigen Variatiouen zur Dar-
stellung. Mt. 12, 29 wird von Or. herangezogen : der Teufel sei von Christus
an das Kreuz gebimden und darauf habe Christus sein Hans betreteu und seine
Gefafie gerauLt (in Rom. V, 7. Lomm. VI, 407). Die wunderliche Vorstellung
liest sich. \vie eine judenchristliche Erlanterung des Triumphes Christi am Kreuz
(Kol. 2, 14 f.). Mtgewirkt haben mag der Gedanke, daB der vou dem Teufel bei
dem Siindenfall gespielte Betrug ihrn so vergolten wurde.
2) in Born. Ill, 8 (Lomm. VI, 205): per hostiam sui corporis propitium
hominibus facer et deum. VI, 12 (VII, 69): quod hostia pro peccato factus sit
Christus et oblatus sit pro purgatione peccatorum. in Lev. h. 1. 3: nonsolum
pro terrestribus, sed.etiam pro coelestibus oUatus est hostia lesus, et Me quidem
432 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Die Pai'allele zu den alttestamentlichen Opfern bringt es mit sicli, dafi
als Gegenstand des Opfers der Leib oder das Blut Christi bezeichnet
wird, doch soil fur die himmlischen Wesen Christus seine korperliche
Lebenskraft dargebracht haben. SchloB die Parallele zu den alien Opfern
die geistige Selbstbingabe aus, so wurde es welter verhangnisvoll, dafi
Or. das Opfer . in der iiblichen popularen antiken Beziehung als Um-
stimmung Gottes auffafite oder in ihm auch eine geheimnisvolle Wirkung
zur Entmachtigung der Dainonen erblickte. 1 ). Or. ist u. "W. der erste
Theologe, der das "Werk Christi konsequent und ausfiibrlicb als Opfer,
und zwar nacb der Weise der heidnischen Opfer, auffafite. Die bibli-
zistische Neigung alle Bibelgedanken praktisch auszudeuten, hat ihri auf
diese Babn getrieben und die schelrfe Trennung des Menschen Jesus von
dem Logos bat ibni die Durehfuhrung dieser Opferidee ermoglicht. Sein
Gedankenkreis fand darin seinen Abschlufi, dafi er Jes. 53 auf Christi
Leiden deutete, und so das Opfer stellvertretenden Charakter empfing
(in Job. XXVIII, 19, 165). Damit ist der Opfergedanke zum Ausdruck
der Wirkung Jesu auf Gfott zum. Zweck der Stindenvergebung geworden.
Da nun die popular Auffassung diese Opferidee nur im Sinn der
vulgaren Yorstellungen begreifen konnte, so hat die Autoritat des Or.
sicher viel dazu beigetragen, Cbristi Tod irmner mebr als eine aufierliche
Leistung anzusehen, durch die Gott versobnt und umgestimmt wurde.
Damit wurde aber wieder die urcbristliche Anschauung an einem wichtigen
Punkt verschoben. Nicht mehr der Hohepunkt der geborsamen Hingabe
in G-ottes "Willen, sondern eine dinglicbe Einwirkung auf Gott ist der
Tod Christi, er bringt Gott seinen Leib dar, wahrend die Seele dem
Teufel gegeben wird. Indem Cbristus als das Haupt der Gemeinde (in
Lev. h. 1, 3) so fur uns eintritt, .wird Gott mit uns und werden andrer-
seits auch wir mit ihm versohnt (in E,om. IV, 8). Dies Werk der Ver-
sohnung erstreckt sich iiber die Menschenwelt binaus in die Engelwelt
(in Job. I. 35, 255. in Mtth. XHI, 8. c. Gels. TO, 17). Ja es scheint,
als ob Or, auf eine Fortsetzung der Leiden Christi im Himmel hin-
pro hominibus ipsam corporalem materiam sanguinis sui fudit, in coelestibus
vero . . . vitalem corporis sui virtutem velut spirituale quoddam sacrifichim
immolavit. in Num. h. 10, 2; 24, 1: ad occisionem ductus et in sacrificium
altaris oUatus peccatorum remissionem universo praestitit mundo. Dicitw
tamen agnus, quia voluntas et bonitas eiiis, qua deum repropitiavit hominibus,
et peccatorum indidgentiam dedit. Quoniam . . . propitiatio non fit nisi per
liostiam, necessarium fuit provideri hostiam.
1) C. Gels. I, 31 eixbs ya<) elvni m> ifj yvaei, iwv Ttoayft&icov y.ard nrae
anoq (Jtjrovg y.al SvahfriTovs tols TtoV.ois ).6yovs y-vaiv loiavtrp, me eva Sixcuov i>neo
tov y.oivov aTtodavovTci exovaicos curotgoTtiaafioiis sfiTtoiefv ymjl.an 1 Saipovimv evefi-
).otfiovs etc. ; c. in Job. XXVIII, 19. 162.
Die Erlosung durch. Christ! Leiden uud Intercession. 433
gedeutet hat. 1 ) So ist denn Christi .Leib das Opfer, das Gott zur
Yersohnung fur die Sunde dargeboten wird, indeni zugleich seine Seele
als kvTQOV Satan anheiingegeben wird. 3) Das Erlosungswerk wird von
Christus dtirch alle Zeit:hin fortgesetzt und erhalten. Ihm dem Haupt
der Gemeinde ist die Bekehrung und Heiligung seiner Glieder ein
dauerndes Anliegen (in Lev. h. 7, 2). Dies verwirklicht Christus aber,
indeni er als Logos seine Her rschaft iiber die Welt ausiibt und sich
und dadurch dem Yater alle Menschen unterwirft (in Job.. I, 28, 191 ff.
de princ. Ill, 3, 3). Christus herrscht aber durch .das geistige Gesetz
Gottes, nicht zwingend und vergewaltigend, sondern lehrend, einladend,
uberzeugend, durch sein Beispiel wirkend und durch seine gottliche
Macht die Herzen zur Annahme der Wahrheit bewegend (in Rom. IX, 39 fin.
de or. 25, 1. c. Gels. YII, 17. Yin, 43). Vult enim in isto cm-pore
ecclesiae suae et in istis membris populi sui ipse velut anima habitare, ut
omnes moius atque omnia opera secundum ipsius habeal voluntatem (in
Lev. h. 7, 2 Lomm. IX, 296). So" lebt und wirkt er in den Menschen
(c. Gels. YI, 9). Dadurch aber wird die Einigung zwischen gottlicher
und menschlicher Natur, wie sie in ihm ihren Anfang nahm, allmahbich
auf das ganze Menschengeschlecht ausgedehnt. 2 ) Wie Irenaus vergegen-
.vvartigt sich Or. also das "Wirken Christi in deni geschichtlichen Prozefi
der Durchdringung der Menschheit durch den Greist und die Krafte
Christi. Christus ist ihm die geistige Macht, die die Greschichte der
Menschheit gestaltet und sie durch einen Entwicklungsprozefi auf die
Hohe geistiger Religion und Kultur fiihrt. An dieser Herrschaft Christi
empfand man die absolute Bedeutung der Erlosung und des Erlosers, er
unterwirft alle und er wird dadurch alien alles. Diese urchristlichen
Gedanken sind .von Or. kraftvoll nachempfunden worden mag auch
sein Intellektualismus das lehrhafte und gesetzliche Moment einseitig
bevorzugen , das ist von hochster Bedeutung geworden fur die Ge-
schichte der griechischen Theologie (s. Athanasius). 4) Aber auch
die andere Seite in Christi Werk wirkt in dem Stand der Erhohung
1) de prillC. IV, 25: el &OTte^ evfidSe oi>y, aidotifis&a aiav^o/nsvov ouokoyeiv
7tl y.a&aiQSQst, &v "/.a-d'elke : ia rov TCeJtovQi-vo.1 avrco TO ~s.ay.eT Tta^aTC^rjatov SiSovres
yiveod'ai ifn */.al s^fjs sfti irjs ovfreheias TOV Ttavxbs aiaJvos oil <po@/]i)'r l ffdfied'a, Vgl.
die Ubersetzung des Hieronymus. . In Rom. V, 9 (Lomin. VI, 407) wird aber
ausdriicklich in Abrede gestellt, quod in futuris seculis ml eadem vel similia pati
necesse sit Christum. .
2) dn? Ky.etvov tj^^ato &eia, -pat, av&Qto'jiii'ri ovwfpaivead'ai cpvats, "w fj Avd'gco-
Tiivr) ifj Tigbs TO tysioiefjov. y.oivcovia yevt]ta.i d'sia. o.i>% sv /.i6vct) 110 'J/jaov dM,a tsai
jiaai Tots fisrd rov TtiaTetisiv Avphafiftdvovai fiiov, 8v 'Jqoovs sdiSai-ev, dvayayovrn
eTCl TTJV Ttgbs tbv d'sbv yiiliav y.al TrjV ttgbs exeliw y.oivcovittv Ttdvra rbv y.ara TS
imod-rfy.as ^covrn (c. Gels. Ill, 28).
See berg, Dogmengeschi elite I. 2. Aufl. 28
434 lo.' Die Theologie der alexandrinischen Vater.
welter fort. Christus ist fortdauernd der Anwalt fiir die menschlichen
Siinden bei Gott, er ist der Mittler und Hohepriester, der auch unsere
Gebete und "Werke als \\nser Opfer vor Gott tragt, der uns bei/ ibm
durcli sein Opfer . vertritt und uns zu ihm hinfiihrt. Das alles abei-
geschieht, daniit die Menschen sich bekehren, damit sie Jesu Beispiel
nachahmen und dadurch zu der Vereinigung mit dem Logos gelangen,
die in der Person Jesu vorgebildet ist. 1 ) Dies ist der durchschlagende
Gresichtspunkt, in den alle Betrachtungen des Or. ausmiinden. Darum
handelt es sich, dafi der mrksame Logos, wie er den 'Menschen Jesus zu
seinem Organ gemacht hat, er durch ihn die ganze Menschheit der Herr-
schaft Gottes unterwerfe. Indem Jesus aber das Haupt der Mensch-
heit ist, wird diese durch ihn imd schliefilich .mit ihrn der unmittelbaren
Herrschaft des Vaters unterstellt (de princ, HI, 5, 6).
18. Die Einwirkungen Christi auf die einzelnen Menschen erfolgen
vor allem durch die Verkiindigung des Evangeliums. Darunter ver-
steht Or. die neue Gesetzesordnung und Yerfassung, die Ohristus ge-
bracht hat. und durch die die jiidische Lebensordnung aufgehoben ist
(z. B. c. Gels. VII, 26). Dies neue Gesetz kann einerseits als eine
Restitution des sittlichen Naturgesetzes angesehen werden (oben S. 429),
andrerseits reicht es iiber dies hinaus, sofern es Christus oder die Grerech-
tigkeit Gottes zum Inhalt hat. 2 ) Freilich stellt sich die Vei-kiindigung
des Ohristentums dem Or. haufig als neue Gesetzespredigt dar. Auf-
Idarung der Yernunft d.urch die heilsamen Lehren und Gebote scheint
dann der Inhalt des Wortes Gottes zu sein. "Was der Logos der Kirche
gibt, ist die eminentia dogmatum et seientiae, dostrinae spiritualis pleni-
tudo, ,,das allein wahre "Wort" (in cant. Lommatzsch XIV, 334. 357 f.
370. 417). Aber die Verkiindigung des Evangeliums ist nicht blofi die
Darlegung einer Lehre, sondern in ihr wird die gottliche Gnade wirksam.
Die schonste Hede kann wirkungslos verhallen oder nur ein allgemeines
Ergotzen erzeugen ; dazu, daB das Wort auch das einfaltige und
1) s. c. Gels. Ill, 34. V, 4. VII, 46. VIII, 4. 26. 34. 36 f. in Lev. h. 7, 2
Lomm. IX, 291. 292): pro Ms ergo omnibus adsistit nunc vultui del, interpettans
pro nobis, adsistit altari, ut repropitiationem pro nobis offerat deo . . . Exspectat
ergo, ut convertamur, ut ipsius imitemur exemplum, ut sequamur vestigia eius.
Dies ist also der Hauptgesichtspunkt. h. 9, 8f. Auch die Leiden und Verclienste
der Apostel und Martyrer haben siihnende Wirkimg zur Silndenvergebung s. exh.
ad mart. 50. in Num. h. 10, 2.
2) iu Eom. Ill, 7 (Lomin. VI, 199 f. 201 f.): Lex naturalis potest occasiones
praebere et intellecttim dare . . . vel ad ea, quae inter homines agi aequitas
poscit, vel ad hoc ipsum, ut esse sentiat deum. Deo Ghristo autem, quod sit
filius del, sentire naturaliter quis potest? Ideo ergo sine hac lege iustitia del
quae est Christus manifestata est.
Das Evangelium und die Taufe bei Origenes. 435
scblicbte wirkt, gebort,' daft die Grnade in dem Redenden wirksam
ist, oder aucb die ScMcksale des Lebens wirken in dieser Weise. Aber
nicht nur in dem Redenden ist diese Kraft wirksarn, sondern sie mufi
aucb den Horern zuteil werden. Km- unter diesen Yoraussetzungen
wird das Herz bewegt und getrostet, .erneuert und gebeiligt, wie es auch
der Lesung der Schrift zum geistlicben Yerstandnis und zur Erneuerung
bedarf. 1 ) So ist fur Or. die Heilsverkiindigung einerseits Gesetzespredigt,
aber diese ist nur dann beilskraftig, wenn sie von der Kraft des Logos
gewirkt und begleitet ist. Der Intellektualismus, den man bei Or. findet,
entstammt dem apologetischen Interesse, den geistigen iind moralischen
Cbarakter der cbristlicben Yerkiindigung zu wabren und sie itber die
philosophischen ,,Lehren" stellen zu konnen, aber die cbristlicben
Gredanken, die wir angefiibrt baben, diirfen biertiber nicht tibersehen
werden.
Sowobl in der Kircbe des Abendlandes als auck des Morgenlandes
haben sicb die spezifiscben Momente der Erlosungsreligion , iminer mehr
in die Mysterien gerettet, freilich nicbt obne in dieser Spbare allmablicb
auf die Stufe der Naturmagie binabzusinken. 2 ) Wir saben, daB Clemens
den magiscben Charakter von den cbristlicben Mysterien nicbt ganz fern-
.zubalten vermocbte (oben S. 362). "Wie stebt es mit den Mysterien
bei Origenes? Die Ta.ufe ist ber Or. ein kirchHcber Akt, iiber den
es feste Lebren gibt, und der bereits von den Teilnebinern nicbt selten
' mifibraucht wird. 3 ) Yon den alten Problemen (Wasser- und Geisttaufe),
die bei Tertullian und Hippolyt nocb so deutlich wabrnebmbar waren,
bat Or. nicbt mebr ein BewuBtsein. Er bait es fiir selbstverstandlicb,
1) in Bom IX, 2 (Loinni. VII, 292 1): non solum in verbo del ecclesiam
docentibus adesse gratiam, . . . sed et in omnibus fer.e quae aguntur in vita.
Sic ergo alia virtus est sermonis, qui per gratiam dicitiir, et alia vis docirinae
potestas. Alius autem sermo est ex eruditione communi, qui quamvis lautus sit
et arte composes, tamen si non per gratiam vel dicitiir vel scribitur , delectare
fortassis potest legentem, addueere autem ad profectum non potest auditorem.
Paiilus . . . et auditoribus suis precatur gratiam dari. Ib. IX, 3 p. 309: si
vero sermo habens virtu tern gratiae dei fiierit adhibitus, tune cor ews
penetrat et consolation-em praebet ac spem revocat desperatione submota. Ib. IX,
1 p. 288: quanta quis ex script^l,rar^<,mproficit lectione, . . . tanto semper
noviis et quotidie novus efficitur.-
2) Taufe und Abendmahl habeu sich dein Celsus als isfatai (-z&eiov) dar-
g-estellt, c. Gels. Ill, 59. 55.
3) in Born V, 8: apostolorum temporibus non, ut nun'c fieri videmus, typus
. tantummodo mysteriorum his, qui bapti?abantur, sed virtus eorum ac ratio trade-
batur. iu Luc. h. 21 (Lomm. V, 165). Die trinitarische Taufe halt Or. fin; selbst-
verstandlich (ib.); die Johannestaufe war wax. in lege, nicht in Christo (ib. und
.in Joh. VI,. 33, 168).
28*
436 - 15- Die Theologie der alexaudrinisclien Vater.
dafi alle auch die kleihen Kinder, sind sie docli in Siinden enipfangen
und geboren - 1 ) nur durch die Taufe.Yergebung der Siinden, die neue
Greburt und den heil. Gfeist erlangen konnen. 2 ) Siindenvergebung und
Gfeistmitteilung werden nicht niehr voneinander gesondert. Der Geist
wird als bei der Taufe dena Wasser irgenwie gegenwartig gedacht, aber
eine physisclie Vereinigung beider scheint Or. nicht anzunehnien , da
keineswegs alle, die getauft werden, auch die Gfeistgabe erhalten.^) Das
"Wasserbad der Taiife ist uberhaupt ein Symbol der gereinigten Seele,
d. h. die besondere Darstellung der durch Ghristus bewirkten Reinigung.
gerade so wie Christi Heilungen nur eine besondere Form oder ein
Symbol der fortlaufenden Befreiung von alien IJbeln durch den Logos
sind. Wie nun der Einzelne von diesen Wundern Nutzen empfangt,
so wird auch die Taufe dem, der sich dem dreieinigen Gott hingibt,
durch die Kraft der Anrufungen zum Anfang und zur Quelle der gott-
lichen Gnadengaben. 4 ) Or. nieint also, dafi die Taufe ein Symbol der
Eeinigung ist, sof ern sie in besonderer Form 5 ) die Reinigung darstellt,
1) Bes. in Lev. 8, 3, Sonstiges s. oben S. 363 A. 2.
2) fia.Tt'ciaa.ad'a.i vSan xal 7t-i'eijfia.n els ayeaiv afiagTicov (ad mart. 30) ; in
spirit, sancto et aqua de superioribus baptizatur (in Eom V, 8). per aquam et
spiritum ablui (ib. V, 9) ; in spiritu sancto baptizari, und dadurch nova nativitas,
renatus de superioribus (ib. V, 8. in Mt. XV, 23) etc.
3) in Joh. VI, 32, 162: oil aeof.iany.bv ycc.^ lov sxsivov (Christi) fidTtnafia, rbv
[leravoovvra. Ttkqoovvros aylov TtvevpaTos y.al d'eioreqov nvgbs TI&V vhtxbv d<pam,ovTOs.
Ib- 169: Ttahvysveolas bvo^iatpfiBvov ^OVTQOV fiera &va.y.ruvcbaecos yivofievov Ttveti-
uatos, TOV xal vvv em<pe(>o/.ievov, STtsiSi] Tta^a. d'eov eativ, sitdvw TOV tiSatos, d)J'
oil Ttaaiv fiera TO vda>(> eyyivofievov. .
4) in Joh, VI, 33, 166: &OTISQ at y.ata TUS yeyevrjfitvas iiitb TOV ocoffjoos
tyepaTteias TeodaTiot Swd/ueif, aljf.ifioka Tvy%dvovacu loiv del l.oytp TOV d'eov drtalhctTTO-
ftevcov Ttdarjs voaov '/Mi ficchaxias, ovev TITTOV y.al acofiaTixws ysvofievai oavrfaav els
Ttioriv TtooaxaAeodfievai TOVS sveoyeTijd'ev'ras OVTCOS ** TO Sta TOV vSaTOS
OTj(.tfSoKov Tvy%dvov na&aoaiov ifru'/fis TtdvTO. jmTtov ibv aTtb xav.ias
ovdev fjTTOV xal -/.ftd* nvib TCO e/u,7iaoe%ovTi eavrbv t7\ d'eioTrjn Tfjs Swdfiecos i(av
Tfjs 7tt)oay.vvr[Tfjs ToidSos E7uvh)}a&wv BOTIV f] %aoia[idTcov -d'eicov doyjj y.al yrqyij.
Dieser Text (ed. Preuschen S. 142) ist von Tf,s Swd^ecos an unverstaudlieh, Basilius
de spir. s. 29, 73 citiert die Stelle in f olgender Gestalt : T/J deo^n Tfjs Ttooaxw'^^
Toiddos Sid Tijs Swdfiews rcov emxlijaewv etc., m. E. hat so oder ahnlich der ur-
sprungliche Text gelautet. '
5) Sfypofav ist das Zeichen oder Merkmal (in' Joh. XXXII, 6, 65. 87. VI,
49, 257), dann das Vorbild (ib. XIII, 59, 407; 62, 437) oder das SinnMld (ib. X,
12, 63: 15, 85. XIII, 54, 369. XXXII, 21, 268), dann aber auch die einzelne,
besondere Erscheinung als Darstellung von etwas Allgemeinem (ib. X, 24, 142.
XX, 39, 377: die Blinden im Evangelium sind Symbole der menschlichen Blind-
heit. X, 12, 63 : mit Christi Opfer sind alle Opfer verwandt, as aTjpflokov slaw
ai vofiwai). Das Symbol ist bei Or. ein sinnliches Ding oder ein besonderes
Geschehnis, das Ausdruck, Abbild, Erscheinung von etwas Allgemeinem ist, daher
. ;Taiife und Bnfie bei Origenes. 437,
die Christus wirkt, und die in der Taufe denen, die nach Gott streben,
zuteil wird , indem die Gebete bei der Taufe sie zum Ausgangspunkt
der Geistmitteilung durch Gott machen. Diese Anschauung von der
Taufe ist weder ,,symbolisch" in modernem Sinn, noch aucb magisch. Or.
ist der Ansicht, dafi deni, der das Heil sucbt und sich innerlich auf
die Tatife vorbereitet, durch sie die Heilsgaben zuteil werden , die im
iibrigen auch auf anderen Wegen von Christus gegeben werden.
Also Siindenvergebung und heil. Geist werden den Heilsbegierigen durch
die Taufe zuteil, und zwar denen, die sich um diese Giiter bemiihen.
Das sind einfacbe altchristliche Gesichtspunkte. Die Betonung der inneren
Stellung des Menscben zu der Sache, sowie der Gedanke, dafi die Taufe
nur eine besondere Form der Gnadenwirkung Gottes ist, halten den ma-
giscben Mysteriencharakter von der Taufe ab.
An die Taufe scbliefit sicb aucb bei Or. das Bufiinstitut an. An
sich kennt das Christentum, nach Or., nur die eine, durch die Taufe
gewahrte Siindenvergebung. Indessen .gibt es eine Anzahl. von Mittehi,.
durch die der Sunder auch fiir Siinden nach der Taufe Vergebung er-
langt. Es sind folgende : aufier der Taufe, das Martyrium, das Al-
mosen, die Vergebung unseren Schuldigern gegeniiber, die Bekehrung
eines Siinders (nach Jak. 5, 20), die Liebe (nach Luk. 7, 47), endlich :
dura et Idboriosa per poenitentiam remissio peccatorum', cum
lavat peccator in laerimis stratum simm et fiunt ei lacrimae suae panes
die et- node, et cum non erubescit sacerdoii domini indicare peccatum suum
et quaerere medicinam (in Lev. h. 2, 4 Lomm. IX, 192f.). Der Priester,
aber ebenso auch jeder erfahrene Christ soil nun geistlich auf den reuigen
Sunder einwirken, und ist, sof ern und weil er selbst Gottes Geist in
sich tragt, berechtigt deni Siinder an Gottes Statt die Siinden zu ver-
geben oder aufzubehalten. 1 ) Nicht auf die priesterh'che QuaKtat als
solche, sondern auf die Ausriistung niit Geist und auf das Geschick
dann auch das Besondere als Erscheimingsform des Allgemeinen, dies ist an unserer
Stelle der Sinn des Wortes. ' '
1) in Lev. h. 5, 4 : discant sacerdotes domini , qui ecdesiis praesunt . . .
Quid, autem est repropitiare delictum? Si assumseris peccatorem et monendo,
hortando, docendo, instruendo adduxeris eum ad poenitentiam, ab errore correxeris,
a vitiis emendaveris et effeceris eum talem, ut ei converso propitius fiat deus
pro delicto, repropitiasse diceris; s. noch h. 5, 12 (Lomm. IX, 269), de orat.. 28, 8 :
6 de e(.i7ti>eva\)eis vjtb tov 'Jqoov cas oi a7tooTo),oi, . . . d>s %cof)i]aa.s to Tt-vsvua, 16
uyiov y.ai yev6fi&i>os TtvevfiaTixos f(3 VTCO TOV TtfEVfiaios ayeod'at. ifiOTtov vlov &eov
ey sy.aaiov iwv y.aia. \6yov Tt^ay.tEcov, dyiiyatv S sav &cpi] o frees xcu n^arel TO.
a, tcov afia^Tr/fidTcov, iin^QBTcov wans^ oi Tt^ocf^iru sv rta teyew oil ra 'idia,
id tov &siov fiovhrffiaTOs i(5 &ec3 ovico r.ai avibs tiy ftavco e^pvaiav e%oi>Ti
fiJ. In Mt. t. XII, 14. . . . : -
438 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
und die Erfalirung x ) komnit es also bei deni Leiter der Bufie an, einmal
well er den Siindern geistlich erzieheii soil, sodann well er ein Urteil
dariiber haben mufi, ob die Siinde vergeben werden kann oder nicht, 2 )
und endlich well er nur so die gottliche Funktion der Yergebung aus-
zuiiben vermag. Die Yergebung erstreckt sich aucb auf schwere Siinden,
wobei aber Or. am Anfang die eigentlichen ,,Todsiinden" (Grotzendienst,
Ekebruch, Hurerei) von der Yergebung ausgeschlossen hat, und auch
spater iin Prinzip nur eine einmalige Yergebung fur sie kennt, freilich
redet er aber konkret dock so, als wenn es auch fur diese Siinden Bufie
gibt, darin der kirchlichen Praxis folgend. 3 ) Die Sacblage ist deninack.
die, dafi es fur Todsiinde prinzipiell iiberhaupt keine regelinafiige Yer-
gebung gibt, dafi bei den geringeren Siinden der Sunder si en selbst
vermoge der oben aufgezahlten Mittel Yergebung erwirbt, und dafi end-
lich fiir die zwiscken beiden Gebieten liegenden sckwereren Siinden
1) S. bes. in ps. 37 h. 1, 1; 2, 6: circumspice diligentius, cui debeas confiteri
peccatum tunm; proba prius medicum, . . . qui sciat infirmari cum infirmante,
flere cum fiente, qui condolendi et compatiendi noverit disciplinam, ut ita
demum ... si quid consilii dederit, fades et sequaris, si intellexerit et praevi-
derit, talem esse languorem tuum, qui in conventu totius eccksiae exponi debeat
et curari. Der BeicMiger, von dem Mier die Eecle ist, ist nicht als Priester
qualifiziert, die Eigenschaften, die verlangt werden, ko'nnen ebenso bei einem Laien
angetroffeu worden sein. Aber der Priester ist bei Or. der Eegel nacli mit der
Bufizucht beauftragt, s. c. Gels. Ill, 51; freilicb. kann nur der fromme Bischof
das faeiv und Sssiv mit Erfolg ausliben (in Mt. t. XII, 14) und jeder fromme
Christ ist an sieh in gleicher Weise dazu qualifiziert (in Mt. t. XII, 10. 11. 14.
XIII, 31).
2) De or. 28, 9 : iaaaiv i)7tb tov Tive^ftaros SiSaoxouevoi, 7te<)i &v %f)r] dvacpepsii'
tyvoias dfiagrrifidTaw . . . y.at yivcbay.ovai Ttspl &v oi> %$}] TOVTO Ttoisiv. Of. ill
Mt. t. XIII, 30. Nocli Theognost ist der Ansicht, dafi fiir die, die den Geist
empfaugen haben, oiiSejiia Tte^deiTtsrcu avyyvcofirjs fatokoyia y.al Tta^airrjais (bei
Athanas. ad Serap. ep. 4, 11).
3) Nach c. Gels. Ill, 51 ist es allgememe Praxis, den fao'/Maiaivovfes und
der aoslyEia Vergebung zu gewahren nach vorangegangeneni AusschluC. In der
friihen Schrift de or. 28, 10 werden eiScololar^eia, /.loi^sia, Ttoyvsia, von der Ver-
gebung ausgeschlossen mit Berufung auf 1 Joh. '5, 16. In Lev. h. 15, 2 fin.:
in gravioribus enim criminibus semel tantum poenitentiae conceditur locus, ista
vero communia, quae frequenter incurrimus, semper poenitentiam recipiunt et
sine intermissione redimuntur. Dagegen in Lev. h. 12, 3 fin.: si quis sibi
conscius est, quod liabtai intra se mortale peccatum neque id a se per poeniten-
tiam plenissimae satisfactions aliecit, . non speret, quod intret Christus in ani-
mam suam. Ibid. h. 11. 2: Nunc (im NT. im Gegensatz zum AT. bei Ehebruch)
vero non infertur poena corpori, nee purgatio peccati per corporate supplicium
constat, sed per poenitentiam, quam utrum quis digne gerat, ita ut mereri pro
ea veniam iwssit, videto. S. auch die Schilderung der Reue des BuGenden in
Jer. h. 20. 9 (ed. Klostermann p. 191 1).
BuBe urid Abendmahl bei Origenes. . 439
und die konnten dann wokl auch sckwerste Siinden sein , die Bufi-
zuckt in Wirkung tritt. Es wurde sckon friiker .(S. 365) auf den
bessernden .und erziekenden Oharakter der griechiscken Bufidisziplin ver- :
wiesen. 1 ) Aber , ein Punkt muB *noch beleucktet werden. Indena Or. die
BuBbetatigung in ikren versckiedenen Fornien .zu. dem alttestamentlicken
Opferdienst in Parallele setzt und sie -als verdienstliche Slikneleistungen
auffafit (in Lev. k. 5, 4; ,2, 4; 11, 2, de or. 28, 9), wird der Bufie
neben dem erziekeriscken Ckarakter nun dock die Art einer Gott ver-
soknenden Leistung oder eines Opfers keigelegt. Sofern der Sunder
sick selbst in seinem Gewissen straffc und Pein in seinem Herzen erleidet,
kommt er in ein Feuer, das in bewakrt vor dem Gericktsfeuer (in Jes.
k. 20, 9). Das Selbstgerickt entnimmt ikn also dem Gottesgerickt, ein
Gedanke, der spater eine grofie Rolle gespielt kat. Die Bufie ist zu-
nackst also eine Leistung, die den Menscken wieder gut mackt, aber sie
ist dadurck auck eine versoknende Einwirkung auf Gott. Die kircklicke
Entwicklung des Bufiinstituts trifft . in diesen Gedanken zusammen
mit der niorak'stiscken Tendenz und den biblizistiscken Neigungen des
Origenes. 2 )
Or. Ansckauung von der Euckaristie ist einfack. Die reifen
Ckristen sollen die aiSQeal "koyr/.al Tqotpai enipfangen (c. Gels, in, 60).
Die Speise, die ikn en zuteil wird, ist der Logos und sein "Wort als die
wakre' Speise fur alle Seelen.
Panis iste, quern deus verbum corpus suum essc fatetur, verbum est
riutritorium animarum, verbuni de deo verbo procedens . . . . El potus
iste , . verbtim est . potans et inebrians praed&rc corda bibenlium . . . .
Non enim panem ilium visibilem, quern tenebat in manibus, corpus suum
dicebat deus verbum sed verbum, in cuiiis' mysterio fuerat panis'ille
frangendus. Nee potwn. ilium visibilem sanguinem suum dicebat, sed
verbum, in cuius mysterio potus ille fuerat effundendtis. Nam^ corpus dei
verbi aut sanguis quid aliud esse'potest nisi verbum, quod nutrit, et
verbum, quod laetificat cor? (in Mttk. comm. ser. 85.) Das Wort Ckristi,
dessen Symbol die Eleniente sind, ist also das Wirksanie im Abend-
makl. Dies Wort oder dann die ganze geistige Person ist Seelenspeise,
wie ja auck. die Apostel und iiberkaupt die Ckristen, ein jeder nack
dem Mafi seiner Verdienste reine Speise wird fur die iibrigen Menscken. 3 )
. . 1) Vgl. kierzu z. B. Didascal 6. 7 p. 19 f. 25. 28 ed. Achelis-Flemming.
Uber Or. BuBlehre s. die gute Untersuchung von Holl, BuCgewalt etc. S. 230ff.
2) Die Bluttaufe des Martyriums bringt Silndenvergebung, aber hat auck
stellvertretende Bedeutung, abnlich dem Opfer Christi (ad mart. 30. 50).
. 3) in Lev. n. 7, 5 : lesus ergo . . . tota ems caro cibus est et totus sanguis
eius potus est, qida omne opus eius sanctiim est et omnis sermo eius verus est . . .
440. 15. Die Theologie der alexandrinisehen Yater.
DenigemaB konimt den Elementen lediglich symbolische Bedeutung zu.
Das Wort allein, welches bei der Feier, gesprochen wird, .bringt Nutzen
dem, welcher reinen Sinnes und Grewissens der Eucharistie naht. Das sinn-
liche Zeichen andert seine Natnr nicht, es wird verdaut und ausgeworfen
wie jede andere Speise, nacbdem es seinen Dienst als Symbol erfullt
hat. 1 ) Demnacb ist also Or. Lebre von der Eucharistie ganz symbolisch
gehalten, und er. bat ein BewuBtsein davon, daB er mit seinen Gre-
danken von der Anschauung der aTthovaTSQOi abweicht. 2 ) Or* meint
also, dafi Christus selbst oder seine "Worte Seelenspeise sind, und daB
die euchai'istischen Elemente dies symbolisch darstellen und dem Menschen
naherbringen. Die alte Idee von der Gfegenwart des personlichen
Christus bei der Abendrnahlsfeier hatte in der vulgaren Anschauung die
materialistische Deutung empfangen, die die Eormel ,,Meisch und Blut"
nahelegte, bei Or. tritt die spiritualistische Deutung zum ersten Mai mit
BewuBtsein und ganz klar hez'vor. Der ursprungliche religiose Ge-
danke, wie er in deni Marana tha sich ausspricht, ist also in doppelter
Richtung rationalisiert worden, einmal indem man eine sinnliche Glegen-
wart Christi in den Elementen annahin, sodann aber indem man die
Avirkliche und besondere Gegenwart Christi bei der Handlung iiberhaupt
in Abrede stellte. Die beiden Auffassungen haben ihre Existenz durch
die Jahrhunderte gefiistet , weil jede der anderen das Recht zu be-
griindetem Widerspruch lieferte und weil jede eberi dadurch das Existenz-
recht ihrer Gfegnerin erwies. Beide batten zur Wahrheit Beziehung,
aber freilich, die "Wahrheit lag nicht zwischen ihnen, sondern liber ihnen.
Carnibus enim et sanguine verbi sui tanquam mundo cibo ac potu potat
et reficit omne hominum genus . . . Post illius carneni mundus cibus est Petrus
et Pcmlus et omnes apostoli. Tertio loco discipuli eorum et sic unusquisque pro
quantitate meritomm vel sensuum puritate proximo suo mundus efficitur cibus.
1) in Mt. XI, 14: auf Mt. 15, 17 folgt: to ayia&fievov ^co/.ia Sia Ipyov
0"EOv '/.al s'l/tBij^ecas, '/.use avro ftev to iikixbv sis ir]V r.oihiav %co(>et y.al els dipeSpcova
Ey.jSdttetni '/.a/to. Se tr\v emyevo/j,eyr]V cmrcij evfflv, "/.aia. ITJV dva?,oylaf Tijs nidiscos
w(fs),iiiov ylvetai xal ifjs fov vov a'mov dta/3heyEcos dg&vcos ?tl TO dxpehovv r.al
ovy f f] v/.rj tov ligtov d&},' 6 STX* aiiTcp el^rj^evos 'hoyos eatlv b cocp
ibv firj dva^lcos rov y.vgiov ea&lovTa, u&iov. Kul lav-ia f.isv Ttefn lov
y.al avfifiohixov acafiaros-
2) Wie Or. selfost sich gelegentlich einer anders klingenden Ausdrucksweise
bedient (z. B. C. Gels. VIII, 33 : a^iovs saS'lojuev a&fia yevof.ievovs Sia trff ei>%r]v
iiyiov n y.ai, ayia^ov roi>s /usd* iiyiovs TtQO&eaecos aiiTco %()co[.ivovs Vgl. in Ex. h.
13, 3, wo die Vernachla'ssignng des verbum dei mit der des corpus eius zu-
sammengestellt wird und von der Vorsicht hei dem Empfang des corpus doming
damit kein Stiiek davon zur Erde falle, die .Eede ist), so ist ihm auch fcekannt,
daC die riTdovoreyot, eine noivore^a negl -djs efyatjioTias exdo%tf haben (in Joh,
XXXII, 24, 310. in Mt. ser. 86).
Siinde und Freiheit bei Origenes. . 441
Wie Origenes die. Bufie iind das Martyriiim als Opfer behandelt
hat, so ist ihm dieser Gesicbtspunkt, aucb bei dem Abendmahle gelaufig.
Seiner Grrundanscbauung nacli .deutet er aber dies Opfer auf das geist-
liebe Verstandnis Cbristi iin Grlauben und Gebet. 1 )
19. Die Einwirkungen des Logos aiifzunebmen ist der Menscb be-
fahigt durcb die vom menscblicben "Wesen untrennbare Freibeit.
Zwar ist die inenscblicbe Seele in dem vorzeitlichen Ealle gegen Grott
.ungeborsam geworden. Die Allgeineihbeit der Siinde stebt dauiit fest
(vgl. sub 14). .ZTioog xb &i.iaQTdvEiv jiscpvyicc^ev (c. Gels. Ill, 66. 62).
Td%a de %ai KCCTCC j.iev ri]v yeveoiv oudels earl xa#a0g ajtb gvnov
ovd' d {da r,fiQa ely ?/ fru?) avrou, Hiob 14, 4f. (in Mtth. XV, 23).
Wozu sonst bedurfte .es der Kindertaufe (in Lev. b. 8, 3. in Rom.
V, 9)? Zu jener vorzeitlicben Siinde kommt nocb, dafi die Seele durcb
die Vereinigung mit dem Leibe weiter verunreinigt wird (in Luc. b. 14
Lomm, Y, 134. in Lev. b. 8, 3; b. 2, 4. c. Gels. VII, 50), ferner be-
acbte man die Herrscbaft des Teufels' und der Damonen iiber die Seele,
die Yerfestigung der Siinde in der Seele durcb die Gewalt der bosen
Triebe und unter dem Einflufi des bosen Beispiels (de pr. HE, 2, 2. c.
Gels. HI, 69). Somit kann gesagt werden, dafi von Adam an die Siinde
in alien Menscben ist, und dafi der Tod wie ein'Tyrann von Adam an
alle Menscben raubt (in Rom. V, 9. 1 Lomm. VI, 397. 331. 339).
Aber der (aedanke ist nicht der einer Erbsiinde, sondern eines Verbang-
nisses, das von einem bestimmten Zeitpunkt an wirksanl ist. Die Siinde
ist die Yereinigung mit der fCOQV)] vkrj und eine sxTQOTtrj artb &eov (in
1) Die Hauptstelle in Lev. h. 13, 3: Die Schaubrote sincl Vorbilcl auf
Christus, ilium panem pi-opositionis, quern proposuit deus propitiationem per
fidem in sanguine eius; et si respicias ad illam comryeinorationem, de qua'dicit
dominus : ,,hoc facite in meam commemorationem", invenies, quod ista est comme-
moratio sola, quae propitium facit hominibiis deum. Dies ist die
damals schon vorhandene kirchliche Anschairang, die Eucharistie, nicht nur die
Einsetzuiigsworte, ist eiri Gott versohnendes Opfer. Origeues selbst dagegen
deutet den Schaubrottisch auf das Herz, die Brote auf den Glauben an den Vater
iind Christus, also: in ipsiiis mente domino panis offertur (ib. c. 4). panibus fidei
orationum vigilantiani . . . coniungere(o), vgl. H of ling, Die Lehre der altesten
Kirche vom Opfer 1851, S. 172 ff. Der Streit iiber Orig. Ansicht vom eucharistischeii
Opfer nach den einen ein wirkliches Opfer, z. B. F. Eenz, Gesch. d. ]\lefi-
opfer-Begriffs I, 1901, S. 205, nach den anderen die glaubige Hingabe an Gott,
Ho" fling S. 176 scheint sich mir sehr einfach zu lo'seii. Ersteres ist richtigv
als Ausdruck der kirchlichen Anschaiiung, letzteres ist des Orig. spirituales Ver-
standnis der Sache; beides verhalt sich zueinander wie die vulgaren Gedanken
vom Abendmahl (s. die vorige Anm.) zu der origenistischen Theorie. Der Opfer-
gedanke ist auch c. Cels. VIII, 33. 34 vorausgesetzt, er geht aber iiber die Dar-
bringung der Elemente und Gebete nicht hinaus. '
442 15- Die Theologie der alexandrinischen Yater.
Jot. XX, 16, 134; 22, 184). DaB nun aber der Menscb sick so von
Gott ab- und der Materie zuwendet, bat seinen Grund in der Wandel-
barkeit des menschlicben Willens (in Job. XXXII, 19, 255). Die freie
Seele begibt sicb selbst in diese Knecbtscbaft (in Horn. V, 3. Lomin.
YI, 358); nicbt in der Materie wurzelt die Siinde, denn sie ist nicbt
gegen Valentin und Marcion Substanz des Menscben, sondern sie
bat ibren Grrund in dem . freien "Willen des Menscben, der sicb eben dem
Hyliscben ergibt (in Rorn. V, 12 in.). Or. ist also bemubt, die geistige
Art der Siinde zu wakren. Wobl ist einmal vor . der Zeit die
Seele abgefallen, aber indeni sie geistig ist, verwirklicht sicb der Abfall
in vielen einzelnen Entscbeidungen, wobei freilicb die ruaterielle Art des
Menscben, aber ebenso die geistigen Einwirktmgen, die in. der bosen
Welt ibn umgeben, auf diese Entscbeidungen einwirken. Von Adam .
beifit es : qui eum vel genuit vel doctcit in mortem. Non solum nativi-
iaiis, sed et doctrincte, est,' in .quo mors regnavit . ab Adam (in Roin. V, 2
Lomm. VI, 353). Daber wird der Menscb erst allinablich zuni Sunder.
Das pewatorem esse ist etwas anderes als das peccare, dies entstebt durcb
freien Entscblufi, jenes ist das Produkt der consuetudo und des usus (in
Rom. V, 5 Lomm. A 7 I, 365 f.). Demnacb ist die Ereiheit vom menscb-
licben Wesen unabtrennbar, sie und nur sie vollziebt die sittlicben Ent-
scbeidungen, .durcb die. der Menscb zunacbst bose Taten tut, und dann
durcb Wiederbolung jener Entscbeidungen zu der Habitifalitat des
Siinderseins gelangt; Grott aber ist es, der der Menscben Grescbick diesen
ibren freien Taten entsprecbend gestaltet. 1 ) Grriecbiscbe und speziell
neiiplatoniscbe Anscbauungen (ygl. oben S. 391) sprecben sicb in diesen.
Gfedanken aus. So ernst also die Siindbaftigkeit des Menscben fest-
gebalten wird, so kann docb dadurcb nicbt ausgescblossen werden das
avvE^OvOWV, die fortdauernde und unverlierbare Fabigkeit sicb frei zu
entscbeiden. Ist aber eine ' solcbe Pabigkeit angenommen, so gilt sie
selbstverstandlicb aucb in der Bicbtung auf das Gute. Es ware . Un-
sinn, anzunebmen, da6 Gott dem Menscben die Fabigkeit auf dem. Seil
zu tanzen gab, aber ibm nicbt die Fabigkeit verlieb, sein Heil zu wirken
und die Seligkeit zu erwerben (c. Oels. Ill, 69). Nur bei der Annabnie
der Freibeit erklaren sicb die etbiscben Mabnurigen der Scbrift, und
nur so ist der sittliche Cbarakter des Menscben gewabrt (de pr. Ill,
1, 20). Nun gibt es freilicb Stellen in .der Scbrift, welcbe die Pra-
destinationslebre der Gnostiker zu bestatigen scbeinen (z. B. Ex. 4, 21.
Hos. 11, 19. Marc. 4, 12. Rom. 9, 16. 18ff.), allein dieselben sind
1) in Koin. VII, 16 fin. : ut boni enim aut mail sirmis, nostrae vohmtatis
est, mains autem ad cuiusmodi verbera, et bonus ad cuiusmodi gloriam destinatur,
vohmtatis dei est; de orat. 6, 3. . :
Das Wesen der Siiiide nach Origenes. 443
anders auszulegen (de pr. Ill, 1, 7ff.). Ausdrticklicli stellt Or. fest,
dafi die gottliche Prascienz abhangig 1st von den Taten der Menschen,
und nicht etwa diese Taten hervorruft. 1 ) Das ist die griechische Seelen-
stellung, die schliefilich die Gottheit nur als Zuschauer der Taten der
Menschheit auffafit. Es bleibt dabei, dafi der freie "Wille auch in der
Erlosung gewahrt ist (ib. Ill, 5, 8; 3, 4). Die Schrift .wechselt : TO
ftctv cp } ri(.i& &vacpsQi und to Ttav STtl rbv febr avacpegeiv <5oxti (de
pr. Ill, 1, 22). Die Wahrheit ist, dafi Gott dem Menschen nicht das
vineere, sondern die vincendi virtus gab (ib. Ill, 2, 3) namlich durch
die verniinftige Art des Menschen und Christi Lehre. "Wie ein Lehrer
verspricht: flsknwoeiv TOV ^ov"k6}.itvov' OVTCOQ 6 $tios -Ao'/og srtayyek-
hezai T&V rtQOGiovTWV trp Kaxiav s^aigslv . ., ovyi sxeivtov [.ty fiovko-
{isvcov alK* savrovg xfy laxqCj iG)V -/.a^ivovriav TtaQeoyjiKOTiov (de pr.
Ill, 1, 15). Grott bietet das Heil dar, aber der freie Mensch ergreift
es, er ist immer selbst tatig bei der Aneigung desselben (ib. Ill, 1,
18), das adiutorium divinum steht ihin aber zur Seite (ib. Ill, 2, 5. 2). 2 )
In dem Sahmen dieser Gedanken ist nun die Ansicht des Or. von
d.er G-nade, vom Glauben , den Werken und der Rechtfertigung
zu verstehen. Wie Siinde und Tod seit Adam uber alle herrschen, so
ist Christus der, qui docet et gignit ad mtain. Das geschieht aber durch
die Gnade (in Bom. V, 2. 1 Lomm. YI, 353. 351 f.). Die Gnade ist
die gottliche Kraft, die den Menschen bewegt, oder der heil. Geist. 3 )
Der Geist wirkt die Gabe des Glaubens in den Herzen (in Rom. IV, 5),
und aus seiner Fiille ergiefit sich die Liebe in die Herzen, ad participa-
tionem eapiendam divinae naturae (in Rom. IV, 9). Der von Orig. per-
sonlich gedachte Gottesgeist ist also in der Art einer Kraft in der Seele
wirksam. 4 ) Horten wir friiher (S. 419), dafi der Geist nur in den Seelen
der Heiligen wirke, so fordern die angefiihrten Stellen doch auch eine
heiligende "Wirksamkeit in den Unheiligen anzunehmen. 5 ) Indessen
1) in Eom. VIII, 7 (Lomm. VII, 129) : neqiie in praescientia clei vel salutis
vel perditionis nostra causa consist-it neyiie iustificatio ex sola vocatione pendebit . . .
Non propterea erit aliquid, quia id scit deus fifairum, sed qiiia futiirum est,
scitur a deo, antequam fiat.
2) Vgl. Mehlhorn, Die Lehre v. d. mensehl. Freih. nach Or. Jte^t d.o'/&v
Ztschr. f. KG. H, 234 ff.
8) in Eom. VI, 13 fin. IV, 5; VII, 7: omnia . . . collaborant his, qui dili-
.gunt deum, ui et ipse spiritiis adiuvet nee dedignetur divina natura diix esse
itineris ad bonum. c. Gels. VIII, 53: &eiq Swd/.iei.
4) Zur Geistvorstellung vgl. Clem. Exc. ex. Theodot. 17: TCVBVLM yovv K
fian ftlyi-'VTai, sfiol Se Soy.si y.nra. Ttaq&d'eaiv lovro yevtafrcu, d."l.l? oil
y.Qaoiv, . . . f] y&o Stivafus oi> */.ari oiiaiav Sirjxet, dkka y.ara Stivafitv xal iay/w.
5) Es 1st dasselbe Problem, das schon bei Paulns vorliegt! Der Glaubige
empfangt den Geist, aber der Geist wirkt den Glauben.
444 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
mag immerhin der Glaube von der Grnade gewirkt sein, konkret be-
trachtet 1st er eine Tat der menschlichen Freibeit, und zwar die Zu-
stiminung zu der iiberlieferten Lehre, die zunachst oft von auBerlichen
Motiveu, wie Furcht, Autoritatsgefuhl, abbangig ist. Der Grlaube soil aber
zur Erkenntnis und zum Verstandnis gesteigert werden.
doy(.iaoi /.ISTCC Xoyov v.al oocpiag ' ist besser .als fierce
(c. Gels. I, 13 und vgl. sub 11). Die tyiki] ovyKcad&tais d. h.
die aufiere Annabme der Lehre auf Autoritat bin, ist Sache der Knechte,
aber nicbt der Kinder (in Joh. XX, 33, 289. 295).
Entsprecbend dem rein intellektiven Charakter des Grlaubens wird-
als sein Objekt die Kircbenlebre in ibrer antiharetiscben triadischen
Fassung bezeicbnet. Dabei unterscbeidet Or. in aufierlicbster Weise
Stufen im Grlauben je nacb. der Quantitat der von ibm geglaubten
Grlaubensstiicke. 1 ) Es ist ganz begreiflicb, dafi dieser Grlaube- dann.
nur als Notbebelf fiir den genieinen Mann angeseben \vird (c. Gels. I, 13),
oder dafi Or. den Grescbicbtsglauben tief unter den Vernunftglauben
stellt. 2 ) Und doch ist, nacb Or. Meinung, jener Anfangsglaube eine
notwendige Durcbgangsstufe. Nur \venn der Menscb die "Wahrheit an-
nimmt, kann er sie verniinftig durcbdenken und ibren Geboten folgen
(c. Gels. Ill, 69). Er bedarf einer festen Grrundlage fiir sein Denken^
und die Androbtingen von Strafen, sowie die Yerheifiungen von Lohn.
sind ibm ein notwendiger Sporn auf dem "Wege zur Tugend. Aber das,
urn was es sicb eigentlicb bandelt, ist, dafi der Menscb fromm und
tugendbaft wird. Wo damit ein Anfang gemacbt ist, da nimmt Grott
den Menscben an. 3 ) Es ist klar, dafi Orig. nacb seiner griecbiscben
Ereiheitslebre gar nicbt anders denken kann. Die allwaltende Yernunft
wird zwar der Menscben Herr, aber dieser Gedanke bricbt sicb an dem
anderen : nur durch verniinftige Einsicbt und tugendbafte Taten der
1) S. z. B. die Glaubensregel zu Anfang von de princ., ferner in Eom. III,.
11; IV, 11: sana autem fides dicitur, quae perfecta est et GUI nihil deest . . .,
Unde evidenier apparet esse augmenta quaedam et profectus in fide, et aliquos
habere partem fidei exiguam, alias magnam, alias vere habere omnem fidem. Ebenso-.
in Mtth. XII, 15 (Lomm. Ill, 168 i), in Joh. XXXII, 16, 187 ff. ; XX, 30, 269 ft.
2) in Joh. XX, 30, 275: rovro d' av v.al vvv ETU Ttohkwv iSois, davfia,6mcov
fisf ibv 'Iijaow sTtav IvoQcaaiv rij 7tet)l ainov laro^ia, /.IIJXETI de Ttiorevovicov eitav
fia&vTeoos y.ttl fiel^cov ifjs e^scos ainwv aiirots dvaTtivaaqtai A.6yos, akha, vrtoTCTevo'V-
tcov UVTOV elf at yevdrj, vgl. in cant. I (Lomm. XIV, 351) : qui videntur credere et
scripturarum auctoritatem recipere. Wie sehaii hat doch schon Or. den Gegen-
satz der ,,Bichtimgen" empfunden !
3) c. Gels. Ill, 71: ?,a& > fifias.ya^ en, ovSsva fiq Tt^orsT^aftfievov erf
y.ovpi&i 6 &eos y.al ovSsva ijSrj dya&bv dujto^QiTCrsi. Kal u.'&ol.oyov. s^
6 3'eos.
Glaube und Rechtfertigung bei Origeues. 445
*freien Menscben wird dies wirklicb. Beide Gedanken steben unvermittelt
nebeneinander : die Gnade wirkt alles und der Menscb wirkt alles zu
seinem Heil, der Logos 1st der Reiter, der die Seele wie ein Reittier
durcb den Ziigel seiner Gebote leitet, wie und wobin er will (in Cant.
II. Lomm. XIV, 412). . Aber es ist Sache der verniinftigen Seele, ob
sie diesen Geboten folgt oder nicbt.
Es ist nun von Interesse zu b.eobacbten, wie Origenes seine Heils-
lebre mit den pauliniscben Begriffen auseinandergesetzt bat. Mit Paulus
lebrt er, dafi das Gesetz den Menscben nicbt recbtfertigen kann, denn
als Naturrecbt kennt es uberbaupt nur .eine irdische Gerecbtigkeit (in
Rom. HI, 7 Lomm. "VI, 199. 201 f.), und dann ist der . Menscb Fleiscb
und widerstrebt daber dem Gesetz (ib. Ill, 6, p. 194). Gott rech'tfertigt
um Christi willen den Glaubigen (III, 8 p. 205). Aber dieser Glaube
ist nie obne Werke, . wie unter Berufung auf Jak. 2, 21 f. gelebrt wird.
Man darf sicb durcb den pauliniscben Apparat nicbt blenden lassen.
Scbliefilicb lauft alles auf den reinen belleniscben IntellektuaUsmus bin-
aus, nacb dem der Menscb dadurcb, dafi er etwas als ricbtig anerkennt,
es aucb befolgen und tun wird. 1 ) In diesem Sinn kann dann freilicb
jemand, der der Weisbeit und dem Gfesetz Obristi zugestimmt bat, als
im Prinzip gerecbt angeseben werden. Nicbt darauf, dafi Gott nun
weiter in diesem Menscben wirken wird, stutzt sicb das Hecbtfertigungs-
urteil, sondern darauf, dafi der Menscb selbst wirken wird nacb An-
leitung seines Glaubens, Scbliefilicb bangt docb, trotz .aller pauliniscben
Form ein, die Gerecbtigkeit des Menscben von seiner Bekebrung und
Bufie, von der Befolgung des Gesetzes und des Yorbildes Cbristi ab
(s. z. B. in Lev. b. 7, 2; 11, 1; 12, 4. c. Gels. HI, 71. 57; VIII, 10).
Neqtte enim possibile, est, id habenti in se aliquid iniustitiae possit iustiiia
reputari, etiam si credat in eum, qui susdtavit dominum lesum a mor-
tuis. lustificat ergo eos Christus tantummodo, qui novain vitam exemplo
resurrectionis ipsiits susceperunt el vetiista, iniustitia eatque iniquitatis indu-
menta velut causam mortis abiciant (in Rom. IY, 7. Lomm. YI, 280.
282). Es ist also ganz verstandlicb, dafi die Gerecbtigkeit des Menscben
von seiner Liebe abbangig gemacbt wird (in Rom. IY, 6 p. 273).
1) IE Eom. IV, 1 p. 234 f. 241: homini iustitia reputatur, licet 'nondum
opera iustitiae egerit, sed pro eo tantum quod credidit in eum, qui iustificat
impium . . . Et haec fides, cum iustificata fuerit tanquam radix imbre suscepto
haeret in animae solo, ut, cum per legem dei excoli coeperit, surgant in ea rami,
qui fructus operum ferant. Ib. Ill, 9 p. 219: indidgentia non futurorum, sed
praeteritorum criminum datur. in Joh. XIX, 23, 155: 6 maTsvcov ii sanv f]
St'/.aioavvr] o-dx &v dSacrjaai, xal 6 Sia TO tKQ'&wQrp'.s.va.i fjris eo'tiv r\ aocpta, rtSTtidTevxcbs
els TTJV aoyiav oiix &v n [uogbv keyoi rj rc^aitoi. in Lev. h. 6, 5 : non OAlditores
legis iustificabwntur apud deum, sed factores.
446 15- Die Theologie der alexaudrinischen Vater.
Ebenso aber aucb, dafi Origenes die Gerecbtigkeit, nacb Aristoteles, als
einen sittlicben Habitus erklart. 1 )
Vom Standort der griecbiscben Denkweise ist die Auffassung- des
Qrigenes sebr einfacb zu versteben. Die Ereibeit bestebt in dem veiv
niinftigen Denken. Den Konflikt zwiscben dem Willen mit seinen Trieben
und der Vernunffc kennt Origenes nicbt, anders, als Paulus. Daber
ist mit der Entscbeidung der Vernunft oder dem Glauben freilicb im
Prinzip iiber die Gerecbtigkeit des Menscben entscbieden. Es bandelt
sicb welter nur noch darum, dafi die Vermmft eine begriindete. tiefere
Erkenntnis gewinnt, und dafi der Menscb durcb TTbung und "Wlederbolung
guter "Werke den Habitus der Gerecbtigkeit erlangt. Den cbristlicben
Gedanken nabert sicb .Origenes freilicb weniger durcb die Eormeln
Glauben und Gerecbtigkeit, als durcb die Einsicbt, dafi Gott den Glauben
wie die Tat im Menscben wirke (z. B. in Rom. IV, 5 p. 259. in Job.
XX, 23, 195f.), aber dieser Gesicbtspunkt stebt naiv neben dem andereri,
dafi der Menscb selbst seine TJnterwerfung unter Gptt ausfiibrt. 2 )
Das Ziel der sittlicben Entwicklung stellt sicb Origenes dar in . der
Heiligkeit, die in Abtrennung von der Welt und in der einsanien braut-
licben Gemeinschaft der Seele mit Gott bestebt. Daber die starke Be-
tonung der Yirginitat, sowie die Zuriicksetzung ' der Ebe ibr gegenuber,
die Zuriickbaltung von offentlicben Amtern, dem Kriegsdienst etc. 3 ) und
1) in Eom. V, 5 (Lomrn. VI, 365) : iustus non dicitur is, qui semel aut Us
aliquid iustitiae fecerit, sed ille, qui semper iuste agenda in usii, et con-
suetudine iustitiam hdbet. in Joh. XXVIII, 13, 102: S'utatov f.iev n Ttenotij-
y.aai oil /.tiyv &Ttb s^scas. S ixaioaiJi't;s heiBt 6S VOU deneil, die aus xevpSj-ia
G-ntes tun. Vgl. -Aristotel. Eth. Nicom. II, 3.
2) Gelegentlich fafit Or. den ganzen HeilsprozeB in die Fonael der subiectio
zusammen, aber auch dann ist Christus zwar der Unteiwerfende, aber damit
koordiniert ist die eigene TJnterwerfung des Menschen, s. in Lev. h. 7, 2 (Lomm.
IX, 294) : siibiectus quidem sum deo, verum non ex integro, sed ex parte. Si
.autem potuero et carnem meam et omnia membra mea in consonantiam spiritus
trailers, tune perfects videbor esse subiectus . . . Cum vero (dominus] consumma-
verit opus suum et ^ln^ve>rsam creaturam ad summam perfectionis adduxerit, tune
ipse dicetw subiectus in his, quos subdidit patri. Vgl. in cant. IE (Lomm. XIV, 416),
de or. 25, 1.
3) in Ley. h. 11, 1 (Lomm. IX, 374 f.): donee enim permixtus est turbis et
in multitudine fluctuantium volutatur, nee vaeat soli deo, neque segregatus a
milgo est, non potest esse sanctus. Die brautliche G-emeinschaft der Seele mit
Christus ib. 12, 5 p. 393 f. Die Braut des Hohenliedes bedeutet sowohl die
Kirehe als die Seele (in cant. I. Lomm. XIV, 327. 354).... Uber Yirginitat s. c.
Cels. I, . 26 fin. VII, 48. ; VIII, 55 : ayeodai yvvalv.a KUttqsysv f]f.ilv 6 fteos, d>s 6i>
Tidvrcov yrnqovwciov to Siacpeqov Tovteati TO TtdvTrj y.a&a^ov. Dafi die Christen
Aveltliche Amter ausschlagen, geschieht TTJ^OVVTES savrobs &siors^ a'y.al dvaytcaio-
Kirche mid Welt bei Origenes.. 44(7
aucb der Gedanke von Verdiensten, die iiber das Gesetz binausgeben. 1 )
Die -Stellung zu dem natiirlicben und offentliqben Leben 1st bei Origenes
negativer, als bei Clemens (oben S. 402). Das ist, einerseits aus der
doktrinaren Art des Origenes zu versteben, . der die griecbiscben Empi-
findungen oft aufierlicber wiedergab als Clemens, es begreift sicb aber
auch andrerseits aus der instinktiven Eeaktion der . Cbristenbeit gegen die
AVelt, die in dem MaB starker wurde, je mebr sie selbst in : das Weit-
getriebe bineingezogen wurde.
20. Die Kircbe bat Origenes in der iiblicb gewordenen Weise
als credenliurn 'plebs (in Ex. b. 9, 3) oder coetus omnium sanctorum (in
Cant. I. Lomm. XIV, 328. 412) definiert. Dabei hat er den Gedanken
betont, dafi alle frommen Cbristen, nacb . Jes. 61, 6 und 1. Ptr. 2, 9,
Priester sind (in Lev. h. 4, 6; 6, 5 ; 9, 1). Der Logos wohnt in der
Kircbe als seinem Leibe wie die Seele und bewegt und macbt lebendig
das Granze wie seine Teile. 2 ) Ist nun aber so der Logos in der Kirche
wirksani, so ist die Kircbe das Salz der Welt. Sie tragt okunieniscben
Cbarakter, in ibr sind ,,die neuen Gesetze, die, zu dem tiberall vorbanclenen
Staat passen" (c. Cels. IV, 22. de orat. 25, 1). Sie ist der Universal-
staat, der allmablicb das ganze romiscbe Heicb tdurcbdringt und der einst
den Erdkreis umspannen wird, wenn in alien der. Logos zur Herrscbaft
gekommen sein wird (c. Cels. VIII, 68. , 69. 72). Durcb die Cbristen-
beit wird die Welt erbalten und ibr Gebet scbafft dem Staat Sieg und
Heil (ib. 70. 73 f.). 8 ) tjberall bestebt neben den Stadtgemeinden. die
cbristlicbe Gemeinde, und ibre Vorsteber sind weit gescbickter zum
Hegiment als die weltlicben Obrigkeiten : (ib. Ill, 30), , wie ja aucb ibr
-Amt ein ,,gottlicberer und notwendigerer Dienst" ist .als die weltlicben
Amter (ib. VIII, 75). So siebt Origenes in der Kircbe den verniinf-
tigen Gottesstaat, der neben dem irdiscben Staat bestebt und.ibn all-
mablicb in ,,der Kraft des Logos und seiner universalen Gesetze iiber-
windet. Indem der Logos die Kircbe erleucbtet, wird sie zum xoo/wg
KOO(.iov (in Job. VI, 59, 301. 304). So tritt an die Stelle der
1EQ(L ksnovgyiq s'/.-A^aias &EOV sTtl awiriQia. O.V&QW'KWV (e. Cels. VIII. 75), KriegS-
dienst c. Cels. VIII, 73 etc.
1) in Bom X, 14 (Lomm. VII, 423): virginitas non ex debito solvitur, neque
enim per praeceptum expetitur, .sed s.upra debitwni off.ertur.
2) c. Cels. VI, 48 : i>7tb TOV vlov rbv -9eov yv%ov{.ievov TIJV. 7taoav tov &EOV
ey.y.hijaiai',- juehri Ss TOVIOV tov OCO/.MTOS elvai.. . . tabs Ttiaieljov.xas' eTteiTtep money
yw/fy ^coonoiei y.ai y.ivei ib aw/.ia, oil neyw/.bs dtp' savrov. y.ivetod'at fyonxaJs, OVTCOS
6 hoyos v.w&v sTil iu Seowta y.al svs^ywv TO ol.ov awjun -.rrjV ey.y.l.ijaiav xiveT y.ul
sy.aarov fiekos rcov dnb ifjs ey.xhjaias, oiidev '/(ogl's koyov Tt^dirovfo,.
3) Vgl. atich ep. ad. Diogiiet. ,6, 7: xgiarinvol, '/MTe%ovTai t uE-v cos ev
tcp y.oafim, aiiTol.Ss awe%ovai ibv xodfiov. , .
448 i5. Die Theolbgie der alexandrinischen Vater.
grofien eschatologischen Katastrophe die Vorstellung von dem sich iiiimer
weiter ausbreitenden Vernunftstaat der Kirche. Origenes empfiehlt die
Kirche als einen Staat im Staat, der aber eininal den irdischen Staat
iiberwunden und unterwerfen wird. Das sind uralte Gedankeri (vgl.
'S. 77. 185), die aber eine neue Fassung und konkretere Form erhalten
haben. Die antiken Traume von einer "Weltrepublik 3 ) sind bier ver-
bunden mit deni christlichen Gedanken von Christus als dem Herrn der
Welt und das ist das Neue mit der ernpirisch wirksamen Kirche.
Origenes ist der erste, der die Idee vom Gottesstaat nicht nur am
Horizont, sondern auf deni geschichtlichen Boden der Kirche erblickt hat.
Extra hanc domum, id est ecclesiam nemo salvatur (in Jos. h. ,3, 5).
Dies IJrteil gilt zunachst deshalb, well nur in der Kirche die von dem
Logos gebrachten reinen Lehren und, Gesetze vorhanden sind. Wirk-
liche Frominigkeit ist unmoglich ohne die richtige Erkenntnis, die Hare-
tiker verlieren notwendig mit der richtigen Erkenntnis auch den Gegen-
stand dieser Erkenntnis. 2 ) Dieser Glaube ist aber der trinitarische
Glaube , wie ihn jeder, der in die Kirche eintritt, bekennt. 8 ) Der
Glaube der Haretiker ist aber keine fides, sondern eine willkurliehe
credulitas, daher ist ihre Lehre unreine Speise und gleicht falschen
Leuchttiirmen (in E,oni. X, 5. 1 Loimn. VII, 385. 372). AVeit schliinmer
als in den Sitten zufehlen ist. das in dogmatibus aberrare, denn auch fromme
Haretiker und Heiden gehen ja verloren, nur weil die falsitas dogmatis
ihren Wandel ,,gleichsam verdunkelt und beschmutzt" (in Mt. XII, 12 ;
in Mt. ser. coinm. 33). Die Intoleranz der Schule verbindet sich in
diesen Urteilen iiber die sreQodo^oi mit dem Hochgefiihl des kirchlichen
Wahrheitsbesitzes. Origenes macht mit dem Gedanken der Heilsnot-
1) Der Idealstaat Platos inag Or. Gedanken iiber die Kirche bestimmt haben.
Auch bei Plato kommt die eigehtliche Leitung des Staates den Einsichtigeu und
Tugendhaften zu, wahrend die Begiertmgsgeschafte von diesen gemieden werden
(s. Zeller, Phil. d. Griechen II, I 4 , 900. 920 f. 894 f. 966), wie auch bei .Him der,
Staat wesentlich eine Erziehungsanstalt. zur Erkenntnis und Sittlichkeit ist (ib
S. 896 ff.). Aber maCgebend. war fiir Or. das stoische Vorbild von der durc.h den
vdfios xoivoe oder den loyos bg&os zur Einheit zusammengefafiten Oikumene
(s. oben S. 33), die ja auch auf den Universalismus des romisehen Staates ein-
gewirkt hat (vgl. Ka erst, Die antike Idee der Oikumene 1903, S. 19 ff., s. auch
Kampers, Alex. d. Gr. u. die Idee des Weltimperiums 1901).
2) De or. 29, 10: 6 yat) fifj to. 'd/^&fj ygovcov Ttegl dsov fj rov Xgiatov aiiiov
lov ftev dkqdivov aTtoTttTncoy.e -deov-xal iov fiovoyevovs aiirov- ov Ss cLvenhaaev i]
avoia. aiirdv, vofii^ovaa elvai TtareQa v.ai vlov, om. Svicos TtgoaxweT, vgl. de prlllC. I, 2.
3) in Lev. h. 5, 3 : propter fidem patris et filii et spiritus sancti, in quam
credit omnis, qui sociatur ecclesiae dei; ebenso in Exod. h. 8, 4. Vgl. das Ver-
zeichnis von Haresien in Tit. frg. (Lomm. V, 284 ff.), sie richten sich .gegen die
drei triadischen Personen und die kreatiirliche Freiheit, cf. Iren. epideix. 99. 100.
Zwei Abstufungen in der Kirche des Origenes. 449
wendigkeit des Glaubens, so \vie er ihn versteht, vollen Ernst: ohne
Zustimnlung zur kirehlichen L.ehre gibt es keine Erkenntnis Gottes,
liat man keinen Gott und geht daher verloren. Dabei 1st es beachtens-
wert, dafi keinerlei hierarchische Interessen in diese TJrteile hineinspielen.
Hierarchische Tendenzen sind Origenes ebenso frenad wie Clemens.
Er kennt eine doppelte Abstufung in der Kirche. Die Presbyter 1 )
stehen den ,,Laien" gegenuber, sie sollen sie bekehren und belehren, sie
bessern und ihnen mit ihrem guten Beispiel voranleuchten. Die Ver-
pflichtung zu religiosem sittlichein Ernst wird dabei stark hervorgehoben
(z. B. in Lev. b. 5, 3. c. Gels. VIII, 75). Die Amter sind um der
Ordnung willen in der Kirche vorhanden, wie mancherlei Glieder mit
verschiedenen Funktionen am Leibe sind' (in Rom. IX, 2. Lomm. VH,
298), aber formale rechtlicbe Prarogativen des Anites sind schon dadurcb.
ausgeschlossen, dafi Origenes das allgemeihe Priestertum so stark betdnt.
Daher kann auch der fromme Laie, w.ie wir sahen, die Siindenvergebung
aussprechen (oben S. 437). Mit der amtli.chen Abstufung verbindet
sich bei Origenes eine zweite Grliederung der Kirche. In der Kirche
sind die perfectiores und die schlichtglaubigen Grli.ed.er zu unterscheiden ;
jene haben nun . die Aufgabe diese zu leiten, und diese sollen, \venn sie
Gremeinschaft an den geistlichen Gaben jener erlangt haben, die Liiste in
sich durch die geistlichen Gebote tiberwinden. 2 ) Die spiritiidles oder
diejenigen, die die spiritualis intelligentia der Schrift empfangen und
Teil erlangt haben an dem Strom der "Weisheit, der die civitas dei er-
quickt, stehen gegeniiber den gewohnlichen (carnales) Christen, die am
Aufierlichen und Sinnfalligen haften und nichts anderes kennen als
den gekreuzigten Christus (in Num. h. 26, 7). Aber da alle der Er-
kenntnis der geistlichen Mysterien nachstreben sollen, so fallt den Yoll-
kommeneren geistlichen Christen die Aufgabe zu, die niederen buch-
stabenglaubigen Briider mit ihrer geistlichen Einsicht zu durchdringen
Und ihnen Gemeinschaft an ihren geistlichen Gaben zu gewahren. So
vollzieht sich in der Kirche ein grofier Erziehungsprozefi, in dem die
niederen Glieder Teil erlangen an dem geistlichen Besitz der hoheren
1) quipraeest ecclesiae (in Rom. IX, 3), ecdesiamm rectores (ib. X, 13) etc.
2) in Rom. X, 15 (Lomm. VII, 422): videtur ergo mihi Ms, giios nominal
gentes (Rom. 15, 27) imperfectiores quasdam animas indicare, quae per fee-
tor um magisterio mdigeant; et si forte dignae habitae f^ler^nt, lit participes
Us fiant in intellectu et scientia spirituali, ipsae debeant in carnalihis ministrare
Us, hoe est, cum spiritus eorum imbui coeperit ad scientiam celsiorem, Aebet etiam
caro continentiae et castitatis frena suscipere spiritualibus ministrae praeceptis . . .
In spirittialibus enim communionem . vel participationem posuit, in carnalibus.
vero ministerium, et hoc debitum esse, illud vero communicari dicit.
Seeberg, Dogiriengeschiclite I. 2. Aufl. 29
450 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
Glieder. Nicht eine objektive Qualitat, wie das Amt oder die aufierlich
iiberlief erte Tradition, zeichnet die hohere Ordnung aus , sondern der
Besitz des heil. Geistes, d. li. des tieferen, innerlich erworbenen Schrift-
verstandnisses. So setzt sich in diesen Gedanken des Origenes die ur-
christliche Idee von der Leitung der Gemeinde durch die Geisttrager
fort. Sehliefilich hat Origenes selbst dasselbe Selbstbewufitsein des in-
spirierten geistlichen ,.Lehrers" gehabt, wie etwa der alte Barnabas.
Aber das Charisma des ,,Propheten" ist erloschen und das des ,,Lehrers"
beschrankt sich auf die ,,geistliche" Schriftauslegung. TJnd dazu kommt
noch ein anderes, das deutlich den Unterschied zu der alten Zeit mar-
kiert. Zwar sind die Presbyter nicht an sich ,,geistlich", aber die
Eorderungen, die an ihre Erkenntnis und ihre Sittlichkeit gestellt werden,.
weisen doch darauf hin, dafi beide Ordnungen in der Kirche miteinander
verschmolzen werden. Einnial wird der Amtstrager als solcher ,,geist-
lich" werden, er wird die geistlichen Krafte erlangen, die er den Ge-
meindegliedern weitergibt. Das ist die spatere griechische Auffassung
der kirchlichen Amter. Sie erwachst aus der Kombination der beiden
alten Ordnungen (Amt und Geist) in der Kirche. Bei Origenes erkennen
wir die Anfange zu dieser spateren Auffassung.
Nur ein Punkt ist noch hervorzxiheben. Auch Origenes ist die
Unterscheidung der ernpirischen und der eigentlichen Kirche gelaufig.
Den Ausgangspunkt dazu bildet die Erkenntnis, dafi in der Kirche viele
. Scheinschriften vorhanden seien und dafi in ihr es Jebusiter gebe, wie auch
auf Zion Jebusiter neben den Israeliten lebten. 1 ) Unter diesen schein-
baren Gliedern der Ki-rche sind nicht die Haretiker, aber auch nicht
die blofi ,,Glaubigen" zu verstehen, sondern die unfrommen Christen,,
die eigentlich iiberhaupt nicht zur Kirche gehoren. Die eigentliche
Kirche (?) -/.vQicog exxkyoici) ist so, wie Paulus sie schildert, beschaffen:
,,ohne Flecken und E,unzeln, heilig und untadelig" (de or. 20, 1), Christen,
die so sind, inachen die v&ra ecclesia aus (in Gen. h. 1, 6). Diese
wahre Kirche ist jetzt auf der Erde, wird aber einmal im Himmel sein
(in Luc. h. 7 fin. in Cant. II Lomrn. XIV, 369), wie denn die irdische
Kirche auch in stetem Zusammenhang mit der himnilischen Kirche ist.
In den Gottesdiensten der einzelnen Gemeinden sind sowohl Christus.
und die Engel gegenwartig, als auch die entschlafenen Heiligen, wie
aiTch die noch auf Erden lebenden, was freilich schwer zu erklaren sei.
Jedenfalls vereinigt sich aber im Kultus die irdische ' Gemeinde mit der:
1) in Mti XII, 12 : to. nhijdr] TCOV Tiiarsvsiv vofii^ofievcov esmk
Toi/s av%ovvTas fisv elvai. 0.710 irjs ettxkrjaias, dadevws Ss xal na^h ibv J-oyov J3iovi>~
ms. in Jos. h. 21, 1. in Num. h. 26, 7. in Gen. h. 2, 3.
Die empirische. und die ideale Kirche bei Origenes. 451
himmlisehen. 1 ) Das ist sonach die wahre Kirche, deren Glieder heilig
sind und in der Gemeinschaft mit Christus, den Engeln und den Heiligen
im Hinunel wie auf Erden leben. . In ihr herrscht Entwicklung, indem
die : hoheren Grlieder die niederen zu sich emporziehen,. und indem aus
der irdischen Kirche immer wieder die himmlische ,,Kirche der Erst-
geborenen" hervorgeht. Aber auf Erden ist es unmoglich diese eigent-
liche heilige Kirche einpirisch darzustellen, da das Unkraut neben dem
Weizen bis zur Vollendung wachsen mufi (in Jos. h. 21, 1). ..Origenes
hat darnit nur die alte Erkenntnis von der Differenzierung der Kirche
nach "Wesen und Erscheinung zum Ausdruck gebracht (oben S. 149). 2 )
Er hat noch eine starke Empfindung von dem Zusammenhang der Kirche
mit. der ober'en Welt besessen, aber er ist auch durch den Zusammen-
hang seiner Weltanschauung befahigt gewesen die Kirche als etwas
Werdendes zu .begreifen. Der Prozefi der Durchdringung der Mensch-
heit durch den. Geist stellt sich in, ihr dar, dadurch empfangt das alte
Pradikat der Heiligkeit der Kirche- einen beweglicheren Charakter, sie
ist heilig, indem sie andauernd heilig . wird. Auf dieser Bahn werden
die Prage'n. nach der Heiligkeit der Kirche eine andere Losung finden
als bei dem abendlandischen Katholizismus. Auch hier offnet sich ein
Au.sblick in die Zukunft des griechischen Christentums.
21. Die- ersten und die letzten Dinge pflegen in den Heligionen
einander konform zu sein. Dieser Grrundsatz ist auch fur die Escha-
tologie des Origenes mafigebend. 3 ) Man konnte nach den Andeutungen
zu Ende des Werkes wider Celsus (oben S. 447) erwarten, dafi Origenes
in der Weise des Irenaus- die alten eschatologischen Bilder zum Aus-
druck des Ziels der Herrschaft des Logos verwenden -wiirde. Aber.
Origenes ist hierauf nicht eingegangen, die ersten Dinge haben auch bei
ihm iiber die letzten entschieden. Waren am Anfang die Seelen in rein
geistiger Existenzform bei Gott, so wird das Ziel der Heils- und Welt-
entwicklung in der Restituierung dieses Zustandes zu erblicken sein.
Man konnte das ganze System des Origenes unter dem Gesichtspunkt
1) in Luc. h. 28 (Lomm. V, 177): et in coetu nostro adesse angelos, non
solum generaliter omni eccksiae, sed etiam singillatim . . . Duplex hie adest
ecclesia, une hominum, altera angelomm, daher auch Paul! Gebot liber die Ver-
schleierung der Weiber l.-Kor. 11, 5ff. de or. 31, 5: al &yysh'/.&v Swdftecov
erpiotafievcov TOIS d&^oiafiaai twv TUOTEVOVICOV y.al aitrov tov xvgiov . . . Swdfiecos
Jjot] de y.cu 7ivev{.iaTixw'i> dyicav , ' olftat Ss STI y.a.1 Tr^oxey.ot/tirjfisvcov, aacpes Se Sit
y.u.1 BV TcS /3ica nsfiiovicov, el acu xb TICOS ovx s^s^es elTtelv. "Qa-t 1 elvai enl TWV
ayicov ovva&^oi^Ofievcov 8i,7i1fjV er.xhrjaiav, ii]v fiev &V\)QCOTCCOV, trjv Ss uyyeicov.
2) Vgl. R. Seeberg, Begriff d. Kirche I, 28 ff.
3) de princ. Ill, 6, 3: sic ergo finis ad principium reparatus et rerum
exitus collatiis initiis restituet ilhwi statum, quern, tune habiiit natura rationalis.
29*
452 15." Die Theologie der alexandrinischen Vater.
des Herabsinkens der Seele von Gott und des Aufstieges zu ihm empor
darstellen und man wiirde seinein religiosen Empfinden dabei sehr nahe
kommen. 1 ) Wie das Wirken des Logos und der Heiligen die Seele
von dieser sinnlischen Welt loslosen, so findet die Seele ihre Yollendung
dadurch, dafi sie, von den Schranken der sinnlischen Existenz befreit,
wieder zu Gott emporsteigt. Das ist init innerer Notwendigkeit der
AbschluB der origenistischen Lehre. Um diesen AbschluB zu erreichen,
hat er die ganze altkirchliche Eschatologie preisgeben resp. sie als
Produkt des schlechten Buchstabenglaubens brandmarken nnissen. Voll
Entriistung wendet er sich von den solius litterae discipuli ab, die aller-
hand sinnliche Ergotzungen, eine kostliche irdische Stadt mit Edelsteinen
an den Mauern samt den Kanielen von Midian und Kedar in der seligen
Zukunft erwarten. ludaico sensu betrachten sie die prophetischen Weis-
sagungen, sie wollen von der Zukunft, ut iterum sit hoc, quod est, ver-
fehlen daher das richtige geistliche Yerstandnis (de princ. II, 11, 2). So
wandelt sich ihrn das ganze eschatologische Drama wie bei den
Gnostikern in den Prozefi der fortgehenden Eeinigung der Seele,
bis sie bei Gott als dem Ziel- und Ausgangspunkt ihrer Eeise durch
die Welt wieder .angelangt ist. 2 )
Dieser Prozefi der Eeinigung und Belehrung, welcher angehoben
hat hier auf Erden, dauert auch nach dem Tode fort. Die Guten
kommen , bekleidet mit einer feinen seelischen Leiblichkeit , in das
,,Paradies", d. h. an einen^.Ort, der .irgendwo auf der Erde liegt, in
quodam eruditionis loco, auditorio vel schola animarum. Ein Feuerstrom
umgibt das Paradies, aber die Gerechten, die mit Wasser und Geist
getauft -\vurden, durchschreiten ihn, indem Christus ihnen in diesern
Strom, die Eeuertaufe erteilt (in Luc. h. 24 Bd. V, 179 Lornm.). Nun
losen sich der Seele alle E,atsel, welche die irdische "Welt ihr aufgegeben
hat. Yon dort steigt die Seele empor zu einem Ort in der Luft, die
zwischen Himmel und Erde ist, durch die Spharen hindurch geht der
Weg, und alles, was in dieser Welt der Sterne ist und geschieht, wird
von der Seele erkannt. Schliefilich kornint sie dann in die unsichtbare
Welt und dringt, von den Sinnen nicht mehr 'behindert, in ihre Geheim-
nisse ein ; das sind dann die Speisen, von denen die Propheten reden :
theoria et intellectus dei (de princ. II, 11, 4 7). Ein edoceri et infor-
mari ist dieser Aufstieg der Seele, sapientiae escis wird sie wieder-
hergestellt zur urspriinglichen Gottesbildlichkeit. TJnd auch hier scheinen
1) So dargestellt wiirde sich Or. Lehre ziemlieh nah mit der Valentins be-
rtiliren, aber diese Darstellung ware einseitig und paradox, der wirkliche Or.
hat dies Empfinden eben mit der ,,Walirheitsregel" ausgeglichen.
2) Vgl. Denis, La philos. d'Orig. p. 343 ff.
Das Paradies und das Fegfeuer bei Origenes. 453
die vollkommeneren Seelen die minder vollkommenen zu unterweisen und
zum Gottlichen emporzuziehen. 1 ) Und was. hat die Seele nicht alles .zu
lernen iiber den Geist und die Seele, iiber Israel und die Volker, iiber
die jiidiscben Feste und die Opferordnung, iiber die Tiere und die Ent-
stehung ihrer Arten, iiber die Krafte der Wurzeln und Pflanzen, iiber
den Fall der Engel, iiber den Sinn des ,,Zufalls", iiber die ratio aslrorum
(II, 11, 5. 7)! Der Trieb ,,die Ursachen der Dinge" zu erforscnen, ist
ihr vom Schopfer eingestiftet, daher rnuB dieser Trieb auch einst voile
Befriedigung erlangen (ib. 4). Welterkenntnis ist Seligkeit, wie tief
lafit dieser Gedanke in die bellenische Seele. des Or. blicken!
Und a 1 1 e Menschenseelen werden einmal diesen Weg gefiihrt. Die
Gottlosen fallen zunachst dem Feuer des Gerichtes anbeim. Es ist eine
flamma proprii . ignis und der Stoff derselben ist des Menschen . eigene
Siindnaftigkeit, welche das Gewissen peinigt (de pr. IE, 10, 4). Nicbt
ein bleibendes Gericht und ein sinnliches Feuer, wie die arthovffreQOi
wannen, sondern einen Lauterungsprozefi baben wir hierin zu erblicken :
Furor vindictde dei ad purgationem proficit animarum (ib. 6). Ilgsitei
yaq $$ aya&fy avctltioai xty ftvgi rtiv xoldoecov ity xaxiav (c. Gels.
VI, 72 vgl. V, 15; VI, 26). Es ist ein jtvq xa^fftov (c. Gels. V, 17).
Hier tritt uns die Vorstellung 'von dem Pegfeuer deutlicb. entgegen,
aber das Eegfeuer ist der Ersatz fiir das ewige Gericbtsfeuer der Kircbe. 2 )
Werden so die Bosen gelautert, so steigen die Guten von Spbare zvi
Spbare empor der Gottbeit entgegen, indem auch sie durcb. die gesteigerte
Erkenntnis eine gewisse Lauterung empfangen (de pr. II, 11, 5). Aber
1) de pr. II, 11, 3: quibus sapientiae escis mitrita mens ad integrum et
perfecium, sicut ex initio factus est homo ad imaginem et similittidinem dei,
reparetur. Seel et principes et rectores intelligendi aunt hi, qui inferiores
et regimt et erudiunt et edocent atque instituunt ad divina.
2) de or. 31, 15 : sv e ito Ttvql y.a.1 TIJ (pv)My.?l aiix dvii/.ttodLav Tfjs Ti^dvtjs
K eiiegyeaiav ETU xaddoaei i&v ev TIJ rckdvr] '/M-/.WV (.teia acoTr]<)icov lafi/Sdvovres
cl. Gels. IV, 12. 13. V, 15. In Ez. h. 1, 3 wird diese Deutung.cles Feuers
zu den celanda gezahlt, well die parouli iuxta animae .aetatem der Frucht be-
diirfen, aber die Haretiker notigeii dazu off en davon zu spreehen. Aucb. Clemens
kennt die Vorstellung vom reinigenden Feuer, s. Eclog. propb. 26. Str. VII, 6 fin. ;
12 p. 879 f.; V, 14 p. 700; s. nacb Pist. Sopb. 146. 147. Man bat sicb bei diesem
Gedanken, der aueb dem Abendland nicbt fremd war (Cypr. ep. 55, 20, s.
aucb Tertull. de monog. 10, de an. 58 Minuc. Fel. Oct. 35), der antiken Vor-
stellung von der lauternden Kraft des Hadesfeuers zu eriiinern, z. B. Plato
Pbaed. 62 ; Vergil Aen. VI, 742 : Infestum eluitur scelus aut exuritur igni. vgl.
Dietericb, Nekyia 1893, S. 199 ff. Eobde, Psyebe IP, 128 f. 275, Anricb
in den Abb. fiir Holtzmann. Ebenso bat das Judentum angenommen, daB das
Gebinnom fiir die Israeliten nur ein Pxirgatorium sei, da keiu Bescbnittener ver-
loren gehe (Weber, System d. altsynag. Tbeologie S. 327).
454 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater.
wie diese so erreicben aucb jene wenn auch nacb unendlicben >'Zeit*
raunien das Ziel (de pr. Ill, 6, 6). Die Macbt des Logos bricht
scbliefilicb alien "Widerstand und verniclitet alles Bose in den Seelen. 1 )
Dann bricbt das Ende ein mit dera Tage der "Wiederkunft Christi.
Jetzt findet die Auferstebung der Leiber statt, es wird von einer ver-
klarten pneumatiscben Leiblicbkeit geredet (de pr. Ill, 6, 4 9). Die
leibliche Auferstebung wird von Or. Haretikern und Heiden . gegeniiber
energiscb verfocliten, besonders iin ETinblick auf die Verneifiungen der
Scbrift und die Notwendigkeit, daB aucb der Leib Lohn und Strafe
erbalte (s. Pamphilus Apol. 7). Indessen lebnt Or. die korperlicne
sinnlicbe Identitat des Auferstebungsleibes niit dem irdiscben Leibe ab,
bebauptet. aber andrerseits, daB jener kein anderer als dieser sein wird
(de pr. Ill, 6, 6). Nach seiner Ansicbt bestebt , fort das ei<5og des
Leibes oder seine , dauernde cbarakteristiscbe Form. Dies gescbiebt aber
dadurcb, dafi in dem irdiscben Leibe ein Xoyog oder eine ratio substantialis
entbalten ist ; diese verborgene Kraft, die den Leib zusammenbalt, kann
aus ibm aucb neue Formen bervorgeben lassen, wie etwa die ratio im
Samenkorn aus ibm Halm und Abre entsteben lafit. Sie verwandelt
aucb den irdiscben Leib in ein corpus spiritale.-) Yon einer wirklicben
Identitat des irdiscben und geistlicben Leibes kann biernacb nicbt wobl
geredet werden. Es ist ein neues geistartiges Grebilde, das ge-
scbaffen wird durcb eine dem irdiscben Leib eimvobnende Kraft, das
aber vermoge dieser Herkunft und der bleibenden Individualitat (eidog}
dieseni aucb gleicbgesetzt werden kann. Or. bat gelegentlicb aucb bei
den Auferstandenen belle und dunkle BLorper je nach ihrer sittlicben
Bescbaffenheit, unterscbieden (de pr. II, 10, 8). DaB er der Kircben-
lebre folgend sicb bemiibt bat, an der leiblicben Auferstebung festzubalten,
1) C. Gels. VIII, 72: K&viwv ya^ t&v kv Wv%ij y.a'/.wv SwaTwrepos a>vo hoyos
y.al i] KV aiino -d'sftaTteia Ttqoadyei y.arot. fiovlyoiv &sov exdcnca aiirrjv, xal ib rekos
rwv Ttjjayfidtcov dvaitie&fjvai SGTI liyv v.a'/.iav.
2) Uber die Auferstehung bei Or. s. Pamphil. Apol. pro Orig. 7, Hieronym.
ep. 38 ad Pammaehium ; iiber den loyog c. Gels. V, 23 u. de pr. II, 10,: 3: nostra
corpora velut granum caderc in terrain . . ., quibus insita ratio ea, qiiae sub-
stantiam continet corporalem, quamvis emortua fuerint corpora et corrupta atqwe
dispersa, verbo tamen dei ratio ilia ipsa qiiae semper in substantia corporis salva
est, erigat ea de terra et restituat ac reparet, sicut ea virtus, quae est in -grano
frumenti, post corruptionem eius et mortem reparai ac restittiit granum in culmi
corpus et spicae. . . . Ratio ilia reparandi corporis . . ., dei iussii, ex terreno et
animali corpore reparat spiritale, quod habitare possit in coelis. Auf die z. T.
unlosbaren Schwierigkeiten, die diese Lelire bei Or. bereitet, kann hier nieht
weiter eingegang-en werden, s. die sorgfa'ltigen Darstellungen von Atzberger,
Gesch. d. Eschatol. in d. vornic. -Zeit 1898, 8. 431 f. u. Bonwetsch, Die Theol.
d. Methodius 1903, S. 105 ff.
Die Auferstehung bei Origenes. 455
1st hiernach klar, aber die erkiinstelte Weise, in der das geschieht, zeigt
auch, wie innerlich fern ihm dieser Gedanke gestanden hat. Achtet
man auf den Grundgedanken des Or., so ist' unfraglich, daG er, wie
Plato oder Plotin, nur eine rein geistige Fortexistenz der Seelen annehinen
kann (de pr. II, 3, 7; 11, 7), denn nur so ist das Ende dem Anfang
gleich. 1 ) Gott ist nun alles in allem und die Kreatur lebt ini 'Schauen
der Gottheit (III, 6, 3), hier ergreifen wir das ;,ewige Evangelium",
das sich zu dem zeitlichen Ev. verhalt wie dieses zum Gresetz (ib. Ill, 6, 8 ;
IV, 25). Aber fur das tiefere Verstandnis scheint aucn dies Ende nicht
das Ende sein zu konnen. Der freie Wille, der das Prinzip aller Yer-
anderung im Weltprozefi ist, ist der Kreatur geblieben. So kann er auch
wieder der Urneber neuer materieller Welten werden. 2 ) So spricht auch
hier die Freiheit das letzte Wort und sie eroffnet den Ausblick in einen
neuen Werdeprozefi mit neuen tragischen Konflikten und neuen Erlosungen
durch den allgewaltigen Logos. Wie die Welt von Ewigkeit her ist, so
wird sie auch in Ewigkeit bleiben.
22. Zwei Probleme beherrschen die Entwicklung der DGf. ini
.2. Jahrhundert. Es ist die tlberwindung des Grnostizismus mit seinem
Synkretismus xind seinem wildwachsenden Greisttum , und es ist die
Regelung des Yerhaltnisses der uberkommenen Tradition zu dem fort-
dauernden Wirken des heil. Greistes. Irenaus und Tertullian losten beide
Probleme durch die Apostolizitat der Gflaubensregel und des kirchlichen
Amtes, hier ist der wahre Greist vorhanden, der alle sonstigen Berufungen
auf den Geist als irrig oder zum mindesten uberfliissig erweist. Einen
anderen Weg hat man in Alexandria zur Losung dieser Fragen ein-
geschlagen. Man behielt in der Kirche den Geist bei, aber man naturali-
sierte ihn, indem man ihm hellenischen spekulativen Oharakter verlieh,
und man ordnete ihn der Schrift unter, die er auslegen soil, freimiitig,
aber im'Einklang mit dem kirchlichen common sense. So uberwand
man 1) die Gnosis, nicht indem man ihren Geist durch den Buchstaben
der Tradition richtete, sondern indem man ihn durch den hellenisch
durchsetzten heil. Geist uberwand und iibertraf. So schied man aber
auch 2) den unruhig flackernden Geist aus, s ) indem man ihn durch
1) Das hat Or. auch in de pr. Ill, 6 nach der tibersetzung des Hieroiiyrnus
gesagt : futiira sit vita incorporaliwn incorporates. Eadem qiia vivit deus, nobis
condicione vivendum est (in Eedepennings Ausg. S. 318 f.).
2) de pr. Ill, 6, 3 nach Hieronym. : nee dubium est, quid post qiiaedam in-
tervalla temporum rursus materia subsistat et corpora fiant et miindi diversitas
constmatiir propter varias voluntates rationabilium creaturarum, s. aueh c. Gels.
IV, 69. Anders z. B. de pr. Ill, 6, 6: in quo statu etiam permanere semper et
immutabiliter.
3) S. das Urteil des Orig. iiber die Montanisten de princ. II, 7, 3: erroribiis
456 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater.
ruhige religionsphilosophische Erkenntnis und erbauliche Mystik ersetzte,
an den heiligen Buchstaben ankniipfend, ohne dem Geist sein freies
Walten zu verschranken. Die Grundprbbleme der Zeit waren hier-
durch gelost, im Sinn des Hellenismus und nach seinem geistigen Bedarf.
Das ist die grofie Tat dieser alexandrinischen Theologie gewesen. Sie
hat in eigenartiger Weise die Gnosis aufgehoben, und sie hat den Geist
nicht ausgeschieden , sondern ihn in modifizierter Gestalt der Kirche
dienstbar gemacht.
Aber aus der neuen Bestiminung des Geistes in der Kirche ergab
sich eine Fiille wichtiger Konsequenzen fiir die weitere Entwicklung des
griechischen Christentums. Zunachst wurde die grobe Form des Orientalis-
inus ausgeschieden, nicht nur den gnostischen orientalischen Mytholo-
gumenen gait das , sondern auch der kirchlichen Eschatologie und
schliefilich jedena geschichtlichen Element der TJberlieferung, das dem
Griechen nicht assimilierbar war. Zum anderen wurde der griechische
Hang zur Kontemplation und Spekulation als tiefste Frommigkeit und
als ."Werk des heil. Geistes legitimiert. Der ,,nackte Glauben" auf
Autoritat bin wurde nur als Notbehelf fiir den gemeinen Mann anerkannt,
das Christenturn als solches strebt die hohere Erkenntnis an. Nicht das
"Wort, sondern der Geist des Dogmas tut es, und nicht der Glaube an
die Lehre, sondern das pneumatisch-spekulative Yerstandnis derselben
fuhrt. den Menschen auf die Hohe der Eeligion; Dieser Gesichtspunkt
bietet den Schltissel dar zum VCTstaftclnis der grofien Kampfe um Trinitat
und Christologie auf griechischeni Boden in der Eolgezeit. Dazu kommt
drittens, daB die pneumatischen Christen die eigentlichen Leiter der
Gemeinde sind; daraus ergibt sich aber spater die Konsequenz, da6 alle
auch die amtlichen Leiter der Gemeinde irgendwie pneumatischen
Charakters teilhaftig sein miissen. Aber viertens, waltet der Geist fort-
dauernd in den Gemeinden, so wird man leicht neben den pneumatischen
"Wirkungen der vollkommenen Christen auch nach direkten pneumatischen
Wirkungen verlangen, ihr Organ werden die Mysterien sein. Je starker
der neuplatonische Geist in der Kirche wird, desto .dunkler wird die
Mengung von sinnlichen Symbolen und wirksamen Gotteskraften werden,
desto starker wird die ' Theurgie . zur Mystik magische Elemente hih-
zufugen.
Das ist die Grundrichtung des Christentums, wie Clemens 'und
Origenes es zuerst in grofiem MaBstab clargestellt haben. Wir haben
dabei unserem Ausgangspunkt entsprechend, den Geist" in den Mittel-
se ac deceptionibus tradiderunt, erratico magis spiritu depravati quam sancti
spiritus institiitionibus eruditi.
Das alexandrinische Christeutum. 457
punkt geriickt. Statt Geist muB. man aber auch Logos sagen, denn der
Logos ist zunachst die geistige Macht, die erzieherisch durch menschliche
Medien auf die Menschheit einwirkt, wie auf ihn auch vor allem die
Spekulation sich richtet. FaBt man aber die Christologie genauer in
das Auge, so begegnen einem auch hier sofort die Konsequenzen der
hellenischen Anlage des ganzen Gedankenbaues. Zwischen der absoluten
Gottheit und der Welt liegt eine tief e Kluft. Der Logos iiberbriickt
sie von Gott zum Menschen. Darin ist eine doppelte Betrachtungsweise
begriindet: der Logos ist Gott, denn nur in ihm erreicht das Gottliche
die Menschheit, und der Logos muB doch wieder subordinatianisch als
,,zweiter Gott" gedacht werden. Nichts war daher dieser Gedanken-
richtung so unertraglich als der Modalismus in jeder Form, der "Wider-
spruch gegen Athanasius hat hierin semen eigentlichen Grrund. Aber
welter, auch die scharfe Trennung des Menschen Jesus von dem Logos,
wie sie besonders Origenes eigentumlich ist, wurzelt in dem Hellenismus,
der alles Irdische . und Kreatiirliche" nur in weiter Distanz von dem
Grottlichen zu denken vermag. Daher die schliefiliche Annihilierung der
Leiblichkeit Christi, das Aufgehen seiner Seele in der Gottheit.
Aber der letzte Gredanke weist , auch wieder auf einen anderen Pfad
in dem verschlungenen Gedankenbau. Die starre Fassung der Absolutheit
der Gottheit errichtet einerseits eine unendliche Distanz zwischen Gott
und der Kreatur, aber sie macht auch andrerseits alles Kreatiirliche zu
einem AusfluB der Gottheit und alles Sein gottlich. TJnd so wird dann
die sittliche Entwicklung zu einem ProzeB der Yergottung. Die Kreatur
erlangt Teil an der Gottheit; indem sie wird was sie sein soil, wirkt
die seingebende oder vergottende Kraft des Alleinen in ihr. Und wiederum
muB man sich hiiten, mit diesen Konsequenzen zu weit zu gehen.
.,Vergottung" ist keineswegs zunachst ein physischer Prozefi, sondern
es ist die ganze den Menschen vernttnftig und geistig niachende Ein-
wirkimg. des Logos durch die Mitteilung der Wahrheit und des Gesetzes.
Vergottung ist . dann die Mitteilung .der Unsterblichkeit. Aber auch
hierbei ist nicht sowohl an eine materielle TJnibildung zu denken, als
daran, dafi der Mensch sich lost von den Fesseln der Materie und ihrer
Luste. Ein mystisches Element spielt freilich immer irgendwie in den
'Begriff der Yergottung herein, es ist die durchdringende reinigende Kraft
des Logos als des gestaltenden Prinzips. Aber dieser Tendenz steht als
Gegengewicht .zur Seite die Freiheit. Die Freiheit gehort zu den
Grundbegriffen dieser Theologen, ihre Leugnung zahlt zu den schlimmsten
Haresien. Sie bezeichnet die Yernunftigkeit und Geistigkeit des Menschen,
vermoge welcher er alles, .was ihm angeboten wird, selbst ergreift und
nach eigener Wahl sich aneignet. An ihr hangt der geistige und sittliche
458 15- Die Theologie der alexandriuischen Vater.
Charakter des Christentums. So wenig konsequent durchgefiihrt der
Freiheitsbegriff 1st, so sehr halt er der physischen Form der Yergottung
das Gleichgewieht. Die Psychologic Augustins hat das Freiheits problem
geschaffen, unsere Theologen haben dies Problem noch nicht empfunden.
Fur sie 1st der Mensch frei, sofern er ein vernunftiges denkendes Wesen
ist. Sie waren naive Pelagianer.
Yon hier aus begreift man die ganze Heilslehre des Clem, und Orig.
in ihrem inneren Zusammenhang. Durch Aufklarung, Gesetz und Beispiel
\virkt der Logos auf die Menschen ein. Sie nehmen diese Einwirkung
an, entweder aufierlieh aus Autoritatsglauben und Furcht, oder aber mlt
Yerstandnis und freiwilligem Gehorsam; Dadurch befreien sie sicb. von
der Welt und der Materie und werden reine Geister. Das ist der Heils-
prozeB. Die in die Materie gebannte Seele befreit der Logos aus ihrer
Knechtschaft und fiibrt sie zuruck in die obere Welt, der sie ehtstammt.
In diesen einfachen GrundriB kam nun aber eine unendliche Komplikation
durch die Elemente der kirchlichen IJberlieferung und durch den Biblizis-
mus, der jeder biblischen Yorstellung Platz in dein Grundrifi verschaffen
\vollte. So muBte man von dem Opfer Ohristi reden, so ergab sich die
Notigung die Mysterien und alle Kultusordnungen irgendwie als ,.not-
wendig" zu erweisen. So endlich mufiten auch Pauli Gedanken von der
Rechtfertigung gedeutet und verwandt werden. Es hat der Grundtrieb
in diesem Gedankengeflige starke Wirkungen ausgeubt in dem griechischen
Christentum, aber er hat imnier nur wirken konnen in dem Zusammen-
hang niit den iiberkonimenen Formen, in dem er Gestalt empfangen
hatte. Und gerade dieser Zusammenhang war es, der dem Ganzen den
christlichen Charakter erhielt und es iiber das Yulgarchristentum hinaus-
hob, 1 ) jenes indem die christliche Tradition eine Macht blieb, dieses
1) Vom Glauben des gemeineu Marines, der &7tlotJaieooi gebeu
Celsus und gelegentliclie Bemerkungen des Orig. Kunde : z. B. der schroffe Gegeu-
satz der (.leydl-rj EwAyoia zu den gnost. Parteien (Gels. b. Or. c. Gels. V, 63), der
Glaube an einen Gott, die 1 rohe Auffassung seiner Person (de pr. IV, 8 fin. Gels,
c. Gels. IV, 71 j VI. 6 Iff.); die eiuzigartige Stellnng der anzubetenden Person
Christi (obs -9s6 s , ivre^^sma^ovat Gels. b. Or. c. C. VIII, 41. 39. 12. 14 cf. Ill,
41; VI, 10; VII, 36. Or. de orat. 16 init.); die Hymnen, die Christi Gottheit
gelten (Ens h. e. V, 28, 5; VII, 30, 10; der Hymnus zu SchluC des Paedag. d.
Clem., (s. uocli Mart. Polyc. 17, 2. Tertull. e. lud. 7. Lucian de roorte Peregrin.
11. 13, das Spottkruzifix) ; die Betonung des blofien Glaubens (Gels. 1. e. I, 9. 12),
die Zusammenfassung des Ckristentums in das Wort: die Welt ist mir gekreuzigt
etc, (Gal. 6, 4. Gels. 1. c. V, 64), die Gnade (Gels. 1. c. Ill, 71. 78); die lebhafte
siimlich gefarbte Hoffnung aiif das Jenseits (z. B. Or. de pr. II, 11, 2 cf. b. Method,
de resurr. 20. Gels. I. c. VIII. 49; IV, 11; V, 14; VII, 28), der rege Glaube an
die Gewalt des Teufels und der Danionen, welche der christl.. Glaube durch
Die geschichtliche Bedeutung der alexandrinischen Theologie. 459
indem das geistige Yerstandnis der Yerflachung und Yersumpfung ent-
gegenwirkte. Wie Philo trotz Plato Jude blieb, so Origenes Christ trotz
Plotin.
Das ist die Lehre der Alexandriiier, Religionsphilosophie und doch
Kirchenlehre, Hellenismus und doch Christeritum, ein Zweig von einem
absterbenden Baum, dem Zweig aber war Lebenskraft eingepfropft.
Bemessen an den nachsten Aufgaben und an der praktischen Wirkungs-
Icraft ist diese Lehre ein Gebilde von einer Grofiartigkeit und Kraft,
wie nur wenige in der Geschichte, sie hat den Bruch mit dem Heiden-
tum wie mit den judaistischen und gnostischen Eormen des Christentums
sieghaft zu Ende gefiihrt, und sie hat wieder alles Kraftige und Zeit-
;gemafie der iiberwundenen GroBen in sich aufgesogen und dadurch ge-
rettet, sie hat das Christentum zu einem Faktor in der hoheren und
hochsten Kultur der Zeit gemacht. Niemand darf diese ungeheure Leistung
rgeringschatzen oder sie als Hellenismus preisgeben. Sie war fur ihre
Zeit edne notwendige Form und war eine herrliche Gabe an ihr Zeit-
'.alter. Legt man freilich den absoluten Wertmafistab an diese Theologie
an, so wird das TJrteil weniger glinstig a'usf alien. Dabei handelt es sich
van die Reinheit und Energie 1 der Durchfiihrung des Charakters des
Christentums als Erlosungsreligion. Nun hat dieser Gesichtspunkt aller-
dings Clem, wie Orig. bei der Polemik wider die Religion der artkovOTSQOi
geleitet und ihre Charakteristik der vollkonimenen Christen' bestimmt.
Aber sie haben ihre Absicht nicht streng einzuhalten vermocht. Der
-die Menschheit gestaltende Logos ist eine abstrakte Idee, in der kon-
kreten Durchfiihrung der Erlosung schiebt sich der gesetzliche Zug
immerfort ein. Die eigene Freiheit entscheidet, Yernunftwahrheiten . und
Gesetzesvorschriften werden angenommen und' befolgt. Der Mensch
wirkt selbst aktiv gestaltend seine Erlosung, ohne daB die Abhangigkeit
dieses Tuns von deni Erloser-Logos klar ergriffien wird. Dieser Eindruck
ist um so starker, als die Mehrzahl der Christen die Hohe der Yoll-
kommenheit nicht zu erreichen vermag, sondern ganz in der gesetzlichen
Anschauung stecken bleibt. Aber das schlimmste ist, .daB gerade an
den Punkten, wo die Gotteswirkungen besonders hervortreten sollen
in den Mysterien ^ wieder ein frenidartiger Zug, die sinnliche natur-
'hafte Gotteswirkung, sich in die Gedanken hereinschiebt. Oder, die
;geistig gefafite Religion bleibt im Bann der Gesetzesreligion, und die als
Erlosungsreligion bestirnrnte Religion beginnt Ziige der naturhaften
Religionen in sich aufzunehmen.
Spriiclie etc. iiberwindet etc. (Orig. c. Gels. I, 24. 25. 46. 67; II, 8; III, 24;
V, 45; VII, 69; VIII, 37. 58. 59. 61). .
Viertes Kapitel.
Die einzelnen Lehren sowie die Gesamtauffassung ties Christentums
im dritten Jahrhundert.
Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln die geistige Entwick-
lung der Kirche von der Mitte des 2. bis gegen Mitte des 3. Jahr-
hunderts verfolgt. An fast alien Punkten der christlichen Anschauung
sind feste Eundamente fur die weitere Entwicklung gelegt worden. Das
ist von versckiedenen Grundanschauungen aus geschehen, aber das Ke-
sultat der Arbeit stellt, auf das GroBe gesehen, eine Einheit dar. Drei
Grundtypen baben sicb tins ergeben : 1) die alterttimliche Theologie des
Kleinasiaten Irenaus, die prinzipiell die alte apostoliscbe ,,Lebre" ver-
ficbt und sie vermoge einer Kombination johanneischer und pauliniscber
Gedanken deutet. Man lernt aus ihr ani besten das geistige Kapitel
kennen, das die Kirche aus ihrer Urzeit uberkommen hat. 2) Die ra-
tionalisierende Recbtstbeologie des Tertullian mit ihren knappen recht-
artigen JFormeln, die fur das Denken und die Interessen der lateinischen
Christen typisch ist. . 3) Die prinzipiell hellenisierte Theologie der
Alexandriner , in der alle Grundlinien der spateren dogmengeschicht-
lichen Entwicklung bei den Griechen schon hervortreten. BQer sind die
ersten Ansatze der theologischen Gedankenbildung bei den Apologeten
und den Gnostikern prinzipiell durcbgefiihrt worden (s. auch Hippolyt).
Aber in dieser kiihnsten Annaherung an das "weltliche Denken sind doch
auch altertumlichere christliche Elemente als in den beiden anderen
Gruppen beibehalten worden. Man kann dabei sagea, daB auch fiir
diese Gedankenbildung die Tendenzen der johanneischen Theologie maB-
gebend geworden sind ; man kann ini Wort vom Weinstock und den
Heben die letzte Absicht der Alexandriner wie des Irenaus zusanrmenfassen.
Neben der alten ,,TJberlieferung der Apostel" ist die johanneische Theologie
nicht nur die Christologie, sondern auch das ,,Gebot" des Glaubens
und die antiharetische Stimmung der treibende Paktor in der Theo-
Das Christentum des 3. Jahrhunderts. 461
logie. des ausgehenden 2. Jahrhunderts gewesen. Dazu kam die Not-
wendigkeit, die Darstellung des Christentums den Gemeinden verstand-
lich zu erhalten, indem man sie nach -den Bediirfnissen und den Er-
tragen des wirklichen Lebens gestaltete. Aber dies schlofi allmahlich
die Aufgabe in sich, das Christentum als die Denkweise der hochsten
Kultur aufzufassen, nicht nur aus apologetischer Ilberlegung, sondern
unter dem Drang des eigenen Empfindens und Denkens. Und hierfiir
ist die Methode der Apologeten vorbildlich geworden, weil das Leben
immer wieder den Anlafi zu ihr bot. In diese grofie geistige Arbeit
drangen mit den heiligen Schriften, deren Bedeutung in dem Mafie stieg
als ihre Apostolizitat prinzipiell betont und die miindliche Apostellehre
eine immer unsicherere Grrofie wurde, eine Menge von Problemen und
Gresichtspunkten, die die Aufgaben komplizierten, aber auch erleichterten.
Der ,,Schriftbeweis" wurde zur Notwendigkeit. Er war um so schwie-
riger, als die zu beweisenden Lehren nicht aus der Schrift genomnien
waren, sondern faktisch das Produkt einer alten Verkiindigung- resp. des
Verstandnisses von ihr waren. Irenaus und die Alexandriner haben diese
tiberlieferung im Sinn des Johannes aufgefafit, das Abendland hat eine
solche wirksame Autoritat an keinem einzelnen Schriftenkomplex des
N. T. besessen. 1 ) Das Einheitsband fiir die Elemente der UberHeferung
hat es daher aus dem kirchlichen Interesse mit seinen Tendenzen ent-
nehmen mtissen. Aber schlieBlich mufi noch gesagt werden, wie um-
fassende Fragen aus der mit der Ausbreitung der Kirche erwachsenden
Yerweltlichung der Christenheit 2 ) auch der Theologie erwuchsen. Man
kann das an den grofien Kampfen iiber die Bufie und die Kirche, aber
auch sonst, bei Tertullian wie Origenes, lernen.
Die Kirche ist mit grofien Aufgaben und Problemen aus deni 2.
in das 3. Jahrhundert hiniibergegangen. Aber sie nahm auch erne Eulle
konzentrierter Kraft zu ihrer Losung mit hiniiber. Man hatte die
Kealitat und den Begriff einer katholischen Kirche, alle idealen "Werte
und Hoffnungen, die man einst an die Idee der Kirche gekniipft hatte.
waren konserviert und auf die empirische "Wirklichkeit iibertragen worden.
Diese sichtbare sich immer weiter ausbreitende Gemeinschaft hat das
1) Zwar hat man sich mit Vorliebe auf Paulus berufen, aber was man ihin
entnahm, war nicht paulinisch, weder die Theorien vom Opfer Christi noch die
,,Gerechtigkeit", die im G-egenteil verhangnisvoll zur Starkung des Moralismus
hat beitragen konnen.
2) Vgl. die Bemerkungen des Iren. iiber Christen, die im eigenen Interesse
und wegen heuchlerischer Briider aus der Kirche ausscheiden (IV, 33, 7; 30. 3.
Ill, 11, 9. IV, .26, 2 cf. Eus. h. e. V, 15 dazu 20, 1). Die &7clova<ie$oi des Clem,
und Orig. stellen auch eiue besondere Form der Verweltlichung- dar.
462 16. Der Monarchiamsirms.
BewuBtsein , das Salz del' Erde zu sein und die Oikumene einst zu
erobern. Alles, was sie betraf und in ihr geschah, kam dadurch unter
den Gesichtsprmkt weltgeschicktlicken Kampfes und Sieges. Diese Kir eke
verf iigte iiber die alte von Gott offenbarte Wakrheit ; siclier .handhabte
man diese Wahrkeit, sie war fest ausgepragt in groBen Gedankenkom-
plexen, und diese batten das Siegel der Geschickte erlangt in schweren
Kampfen wider Heiden und Haretiker. Die alten Grand wahrheiten, die
die Apostel verkiindigt batten, waren zu einem Lehrsystem verarbeitet
worden, die gesckichtlicke Tradition sowie das keilige Buch der Ckristen-
heit garantierten die Wahrkeit dieses Besitzes. Man hatte die ."Wahrkeit
und eine gesicherte Methode ihres Beweises. Durch diese Gedanken
war aber auch der Begriff der Haresie festgestellt, und waren die Mafi-
stabe zu ihrer Eruierung immer feiner und unbeugsamer geworden. Die
Art der Kampfe um das reine Christentum hatte es mit sich gebracht,
daB man die Lenre als den alleinigen MaBstab der Entscheidung brauchte,
jeder Gegensatz riickt alsbald unter den Gesichtspunkt der Haresie.
v
x^ucb. wo der Kampf der Heiligkeit des Lebens gait, wurde er als Streit
um die Lehre gefiihrt, Schismatiker werden als Haretiker verurteilt. 1 ) Von
diesen Gesiclitspunkten aus werden wir die weitere Geschichte der christ-
lichen Lehrentwicklung darzustellen naben. "Wir beginnen. mit einer An-
zab.1 von Streitigkeiten um die christliche Zentrallebre, die Christologie.
16. Der Monarchianismus.
Die clynainistischen Monarchianer : Hippol. Eefut. VII, 35. Ps.-Tert.
ady. omn. haer. 23 (8). Das kleine Labyrinth Eus. h. e. V, 28. Epiphan. h. 54.
Paul, von Samos: Eus. h. e. VII, 2730. Epiph. h. 65. Fragmente bei Eouth,
Eeliq. sacr. IIP, SOOff. Mai, Vet. scr. nova coll. VII, 68 1 Die Patri-
passianer: Tertull. adv. Praxeam. Hippol. c. Noet. Eefut. IX, 6 12. Epipk
h. 62. Ens. h. e. VI, 33. Vgl. Harnack, PEE. XIII 3 , 303ff. Hilgenfeld,
Ketzergesch. S. 609 ff. Thorn asius DG. I, 168 ff.
1. TJnter dem Namen MonarcManismus befaBt die dogmengescnicnt-
liche Tradition zwei Erscbeinungen, die innerlich nur wenig miteinander
geniein baben. Die eine, der dynamistische Monarchianismus,
bezeicbnet namlich eine christologische Sonderineinung, die andere, der
modalistische Monarchianismus, gehort dagegen in das Gebiet
des Trinitatsgedankens ; nur diese zweite Erscheinung hat das Altertum
1) Das ist ein bleibendes Erbe der Kirehe aus den Kampfen um ihre Existenz
in dem antignostischen Zeitalter, und nach Lage der Dinge konnte man nicht
anders vorgehen. .
Die dynamistischen Moriarchianer. 463
mit dein Namen belegt. Da aber aucb, der Modalismus sich auf das
christologiscbe Gebiet konzentriert, und da beide Erscbeinungen cbarak-
teristisch sind fur eine TJbergangszeit der Christologie und endlicb beide
gewisse archaistische Ankniipf ungspunkte haben, die < binter die Logos-
cbristologie zuriickreichen , so mogen sie aucb . bier der Tradition
folgend nebeneinander bebandelt werden. 1 ) .:
Noeb ist ZM~ bemerken, dafi die sog. ,,Aloger" nicbt bierber ge-
bb'ren. Epiphanius bat das freilicb bebauptet (h. 54, 1), aber docb nacb
seiner Quelle ibre Ortbodoxie anerkennen mussen (ib. 4 vgl. Irenaus und
oben S. 259 A.).
2. Wir baben es zunacbst mit den dynamistiscben Monar-
cbi'anern zn tun.- Es ist die Lebre des TJrbebers darzustellen.
Tbeodotus 6 O"/.vrsvs aus Byzanz bracbte ca. 190 diese Lebre
nacb Rom. Nacb Epipbanius batte er in Byzanz Cbristus verleugnet,
isei dann nacb Rom gefloben und babe bier zu seiner Recbtfertigung
eine Lebre erdacbt, die die Ableugnung der Gottheit Cbristi als erlaubt
erscbeinen liefi. An der Grescbicbte mag efrvvas Wabres sein, aber jeden-
falls ist seine Lebre nicbt .ein ad hoc erfundenes Figment. Tbeodotus
lebrte : cpdoxtov ret TCSQI (.isv trig rov Ttavrbs agxfjs ov^icpiova ex (.isQOvg
tolg vys afaj&oug exxhrjoiac;, vnb lov -d-eov ndvrcc o^oKoyCov y&yovevat,
TOV ds Xqtotbv . . . cpdoxsi foiomti) xivl TQOrtty ytecprjvsvai,' ~/.ai TQV
l.t sv 3 IriGovv sivai av&Qwitov ex riagd-svov y&yvrj/.ievov xava fiovkyv TOV
rtargog, fii&aavTcc de xoiv&g rtaaw av&Qtbftoig xal svaefifGTarov ytyo-
vora, VOTSQOV STTI TOU @c(TCTio[.iarog srcl rfy *IoQddvr) /. l / i toQr)"/.i>at ibv
Xgioibv avco-9-sv xars^rj^v^-ora sv etdei rteQiaxBQ&g, o$ev ou
tag duvd/iieig sv amfy sv^Qyi^xevcii r) ore xarsltf-bv avsdsi%&rj sv
TO nvsv(.ia, o slvai TOV XQLGTOV rtQoaayoQSvei. 0sbv de ovdsnoie
TOUTOV ysyovsvai omoi dslovaiv iril Tfj xa&odij) TOV ffvtvf.iaTOs, STSQOI
ds f.iTa TIJV -/ VSXQIOV avdoTaoiv (Hipp. Ref. YII, 35 cf. Ps.-Tert. 8).
Papst Viktor (189 198) scbloB ibn aus' der Kircbengemeinschaft aus
(Das kl. Lab.' bei Bus. V, 28, 6): Zur Zeit Zepbyrins (198217)
b,at sicb diese Ricbtung wieder geltend gemacbt unter Leitung des As-
klepiodotus und des T gartstiTyg Tbeodotus (Eus. V, 28, 7 s.
aucb. 17) Aucb bier war roan der Ansicbt : et ipsum hominem Christum
tantummodo elicit ex spiritu sancto et vifgine Maria (Ps.-T. 8), er war
geringer denn Melcbisedek (vgi. Epipb. b; 55, 8); dieser ifjihbg avd-QU-
Ttog aber wurde in der Taufe mit dem Greist Gottes ausgeriistet (Hipp.
YII, 36). Diese Lebre versucbte man auf exegetiscbem Wege durch
1) Schon Origenes hat beide Anschatiungsweiseu zuaammengestellt. s. Frg.
in Tit. Lommatzsch V, 287 ; bes. Novatian de trjn. 30.
464 : 16. Der Monarchianismtis.
gelehrte Arbeit zu erweisen. Die Textkritik .und spinose logische
Distinktionen nahm man dabei zu Hilfe. 1 ) Sodann aber behauptete
man die alte bekenntnismafiige Lehre zu fiihren : cpaol yaq rovg {.isv
rtqoTqov$ artavTCtc, xat avTOVQ iovg, anoaroKovg jtaQSi^cpevaL TS xed
dedida%evai rauTcc, a vuv obroi leyovbi, xa< trm^jjo^at tyv &krj&eiav
vou TMiQvy(.ia.TOs [.ie%Qi xCov %qoviov TWV BiyaoQOg . . ., &7tb de TOV dta-
do%ov avtov Ztcpvyivov rt<x()aKe%a()(x%&ai ity al^siav (kl. Lab. b. Eus.
V, 28, 3 vgl. dazu den Vorwurf des kirchl. Gregners wider sie : ygacpag
f,iev O-eiag ctcpoficos $SQqdiovQpp.aai -niortcbs TS aQ^alas xdvova rj&evij-
xafft, Xqiaxbv de fyvorixaoiv ib. 13). Der Versuch eine Gemeinde
zu griinden, hat obwohl man ihn sich. etwas kosten liefi, zu dem er-
wiinschten Erfolg nicnt gefiihrt (kl. Lab. b. Eus. V, 28. 812).
Nocli um 270 vertrat Art em as (od. Ai-tenion) wonl zu Rom diese
oder eine ahnliche Auffassung und scheint eine besondere Gremeinde um
sich gesammelt zu haben (Eus. h. e. V, 28, 13; VII, 30, 17).
Die Lehre dieser sog. Monarehianer ist hiernach ziemlich klar. Sie
beriefen sich auf die Heil. Schrift, resp. auf die richtigen Lesarten .und
das vernunftgemafie Verstandnis derselben, sowie auf das alte apostolische
xi f j()V'y(.ia. Letzteres war freilich eine schwankende Grofie, denn an das
romische Taufsymbol dabei zu denken , liegt keine Yeranlassung vor.
Aber man sieht hieraus, dafi sie sich prinzipiell den kirchlichen Mafi-
staben der AYahrheit unterstellten, mogen auch einige unter ihnen schliefi-
lich bei der Gfnade oder deni Gfeist Zuflucht gesucht haben (s. die vorige
Anm.). Ihre Gfotteslehre war orthodox. Die Christologie trug dagegen
altertiimlichen Charakter, d. h. es fehlte ihnen die. Logoschristologie.
Es war eine Christologie, wie sie sich auf die Synoptiker oder auf Hennas
berufen konnte (oben S. 104f.). Der von der Jungfrau geborene 2 ) Mensch
Jesus hat bei der Taufe den heil. Geist, den sie mit dem Christus iden-
tifizierten auch das hat alte Ankniipfungspunkte empfangen. Allein
aus alle dem wird noch nicht klar, weshalb die Kirche sie so scharf
bekampfte. Dafi Jesus ein von dem Geist durchdrungener Mensch war,
das war der Zeit nach keineswegs so fremdartig, als dafi es den schroffen
1) Das kl. Labyrinth (Eus; h. e. V. 28, 18 f.) erzahlt, sie hatten selbst ihre
Haudschriften verfertigt,- die aber untereinander wieder nicht iibereinstiminten.
Daselbst wird von evioi berichtet, sie hatten n^otpdaei %d(>n;os, unter Absehung
von der Schrift, ihre Lehren vorgebracht, das scbeint auf Pneumatiker zu weisen.
Beispiele der exegetiscken Methods des Schusters Theodotus gibt Epiphan.
h. 54, 3 ff . : nach Dent. 18, 15 ist Christus ein Prophet wie Moses, ebenso nach
Jer. 17. 9. Jes. 53, 3. 1. Tim. 2, 5, wo aber bei Epiph. das entscheiclende av-
os vor 'Ii]aovs fehlt. -
2) Erst Epiphanius (h. 54, 1) hat dies geleugnet, aber sicher mit Unrecht.
Das ,,Haretiscke" in dem Monarchianisnras. 465
"Widerspruch verstandlich inachen konnte. Sehe ich recht, so war es bei
diesen Haretikern, wie fast immer,. die Negation, .aus der sich die
Scharfe des Gegensatzes begreift. Sie haben aber zweierlei negiert
1) dafi Jesus vo'r der Taufe Wunderkrafte besessen habe, und 2) da6
der Mensch Jesu irgendwie Gott geworden sei, d. h. sie sahen Jesus
wie einen Propheten an, der zeitweilig gottliche Krafte in sich trug,
aber selbst dadurch nicht gottlich wurde,. oder es hochstens einmal nach
-der Auferstehung seiri wird. Daraus versteht sich sowohl das Suchen
nach Bibelstellen, die Jesus als Menschen bezeichneten, wie auch die
JFormel des ifjikbg av-9-QCOrtog. Nicht die Betonung des Menschen Jesus
oder die Identifizierung von Christus und dem Geist waren an sich uner-
traglich fur beides fehlt es nicht an Analogien bei Hippolyt selbst ,
imkirchlich wurde die Lehre erst dadurch, dafi man den Menschen Jesus
aum bloBen menschlichen Propheten machte, der von eineni bestiinznten
.Zeitpunkt an iiber .gottliche Krafte verftigte, ohne doch selbst gottlich
und Gott zu werden. So ang'esehen" .und geschichtlich kann m. E. die
Sache nicht anders angesehen werden , war der Verf . des kl. Labyrinths im
JRecht, wenn er den Monarchianern die .Zeugnisse der Altert .vorhielt, ev
.olg naGi -d-sohoysiTai d XQIGVOS, und die Christum als d-ebv VML av&Qtortov
verkiindigen (Eus. V, 28, 4. 5). Eiir sie war freilich Ohristus nur av-
<d-QCOTtos, aber man versteht auch sehr wohl, wie sie dabei das mJQvy(.ia
der Apostel .wie etwa die Synoptiker fur sich in Anspruch nehmen
konnten, allerdings, geschichtlich angesehen, mit Unrecht. 1 ) Tiber den
.Ursprung der ganzen Lehrweise war sie von dem Judenchristentuni
abhangig? konnen wir nichts Sicheres sagen. 2 )
3. Eine neue Eorm empfing der Monarchianismus durch Paulus von
Samosota. 3 ) Dieser hochfahrende und in seinem Wandel weltforniige
1) Ha mack (PEE. XIII 3 , 316) lafit diese Monarchianer im ganzen die
'Christologie des Hermas vertreten, will aber auf Grund der MelcMsedek-Betrach-
tung-en einen spekulativen Zug bei ihuen wahmelirneji, gestebt aber zu, daB sie
sich gegen die Apotheose Christi ablelmeud verHelteu. Dies ist richtig, von
jenem kann ich nichts wahrnehmen, auch nicht Epiph. h. 55, 8. Loofs (DGr. 4
S. 183) leugnet (gegen Harnack) eine ,,wirklich hypostatische Stellung des Geistes
neben Gott", aber dem widerspriclit die Gleichung nvsvpa XQIOIOS.
2) Yon clem orthodoxen Judeiichristentum scheineu die Monarchianer abge-
wichen zu sein, sof ern sie eine clauemde Vereinigung des Geistes mit Jesus kaum
angenommen haben. Aber das ist kein Grand urn den Zusamnieuhang abzulehiieu.
Hippolyt (Eef. VII, 7) stellt Theodotus mit den Ebjoniten zusanimen, aber das
ist ein dogmatisches Urteil. Audi aus der Melchisedekspekulation, die an sich
;jiidisch ist (s. Winer, Kealworterb. II, 79),. lafit sick keiu Urteil gewiunen, da
der Hbr.-br. sie. in die Christenheit eingefiihrt hatte.
3) tfber Paul. s. das . Syno dalschreiben bei Eus. h. e. YIL 30, der Brief der
.sechs Bischofe an Paul (bei Eouth, Eeliquiae sacr. Ill, 289) Eprpkau. b. 65, die Frag-
Seeberg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 30
466 16. Der Monarchianismus.
Bischof Y.on Antiochien (seit ca. 260; vgl. das Schreiben der Synode-
von Antiochien b. Eus. h. e. "VII, 30, 715) lehrte 'IrjGOvv Xoiawv
Y,dicod-V (ib. VIIj 30, 11). In dem von der Jungfrau geboreneri
Menschen Jesus habe die gottliche Weisheit gewohnt. Diese.ist nichifc-
eine besondere. Hypostase, sondern sie ist in Gott wie die menschliche
Vernunft im Menschen: sv defy ds asl ovva TOV &VTOV koyov xal vb
rtveS[.ia avwu, &GrtSQ sv av&Qcbrtov xctQdla 6 tdiog koyog' iii] sivat dk
ibv vlbv TOV -0-sov evvrcoarctTOV alha sv avzC<) Tip &efy
6s ibv hoydv v.al ivowijoavva ev *IY\OOV 'av$Q(hnti) OVTL' y.o.1
els toriv 6: &ebs . . . sig $ebg 6 ftarrjQ xal 6 vlbg avwv ev umC$ to$
Ao'yog ev dv&()d)TCCt} (Bpiph. b.. 65, 1). Dies bat seinesgleichen an der
Einwobnung der "Weisbeit in den Propbeten, nur dafi in Gbristo, als-
dem Tempel Gottes, diese Eirrwobnnng in einzigartiger Weise stattbatte :.
iva (.nfftB o ex Jafild XQio&sls ahlovQiog f] v?\s oocpi&s- ^re fj GO(fL&
ev. a^ht) OVTCOS olmj: Kal yaq sv rolg fC^ocpiJTatg yv, [.lakhov- - de sP
Mcoasl: -/ML sv no)Jkolg XVQIOIS, [.la'k'kov ds v.ai sv XqiGify cos
Aber aucb : C cpaiv6f.tsvos oux f t v oocpia, ov yctQ i]y dvvoeibs sv
tvQS&fjvai . . . [.isi&ov yaQ. T&V OQcof.ievt.ov soxi (Houth, Rel. sacr. HI,,
301). Demnacb bat also Paul streng an, der Einbeit Gottes f estgebalten ;.
den Logos, den er immer der gottlicben oocfia gleicbsetzt, bat er mit
Bewufitsein als gottlicbe Kraft und nicbt als Person verstanden. HQO^
ocoTtov sv wv 9'sov aiia rfy hoycp (Epipb. h. 65, 3). Gemafi einer
ewigen Yorberbestimmung Gottes ist der Menscb Jesus aus Maria ber-
vorgegangen und bat damals den Anfang seiner Existenz genommen..
Sof ern nun aber in ibm die gottlicbe Weisbeit wirksain war, hat ; Paul,
den Menschen Jesus ausdrucklich als Gott bekannt. 1 ) Er hat also seinen.
mente der Disputation zwischen Malchion u. Paul auf der antiochenischen
von 268 (Eiis. VII, 29), gesammelt von South, Eelig. sacr. Ill, 300 ff. (s. auch,
Pitra, Anal. sacr. Ill, 600L), gesichtet von Harnack, Lit, Gesch. I, ; 2, 520,'ff.
Dazu haufige Notizen bei Kirchenvatern wie bes. Athanasius ,(s. HarnackPEU-
XIII^, 319). In einer wider Monotheleten gerichteten Doctrina patrum aus deni
7. Jahrh. (bei Mai Vet. seriptor. nova coll, VII, 68f. xind Eouth IIP, 3291) linden
sich fiinf Paul beigelegte Fragmente e t&v aiitov Ttgbs SafiTvov hoycov, fiir deren
Echtheit Harnack eintritt (Chronol. II, 137). Fiir die Echtheit sprieht vor allem,.
daC die Willeuseinlieit, die Mer zwischen dem Menschen Jesus und Gott ,- ange-
nommen wird. bei den durch Lucian mit Paul zusammenhangenden Arianern
eine grofie Eolle spielt, freilich als Einheitsband zwischen dem Logos und dem
Vater, s. bes. Athauas. c. Arian. . or. Ill, .10.
1) Athanas. c. Apollinar. I, 20: 9'sbv opoloyeTv rbv ex Manias Ttgb aitbvcov
fiev Tt^oo^iad'evca, &'/. Ss Manias lijv o-(>%i]v ifjs vndjj^scos sa^rjxoTa, hoyov e evepyfj
s^ OVQWVOV y.ai aocfiav ev aiittio df.iol.oyeZ. II, 3: dsbv ex TJ/S Ttao&evov ofiohoysi,
Osbv s-/. Na'C,a()T brp&evia, . . ., loyov Ss evepyov l| ofigavov nal aoyiav ev aiircS-
Baulus von Samosata:. 467
Ausgang von dem Menschen Jesus genbmmen, dieser allein hat als per-
sonliches Subjekt- existiert, Gottes Weisheit aber wohnte,in ihm als der
Inhalt und die Kraft seines Lebens und Wirkens. Tiber die AH
dieser Vereinigung lehrt Paul, dafi der Mensch Jesus niit dem heii. Geist
gesalbt wurde. Das fcann sich nur auf die Taufe Jesu beziehen. In-
dem Jesus unwandelbar an dem Geist festhielt und sich rein erhielt,
-ward ihm die Kraft zu den Wundertaten und er iiberwand,
die Siinden Adams. Es ist eine sittliche
l (.iBtovGiav Routh III, 312) Einigung im "Willen und in
der Liebe, die hier vorliegt, nicht eine bloBe naturliche. Ein blofi natiir-
licher Besitz verdient kein Lob, wobl aber das, was durch Ereundschaft;
also durcli ein sittliclies Verhaltnis erworben wird. Durch solch ein
Verhaltnis ist aber Jesus mit Gfott verbunden, und zwar fur immer. Sein
Wille wird namlich andauernd bewegt von der Offienbarung des Gfuten
oder dem Greist, und so kommt es, da6 er^ e i n en Willen init dem Yater
hat. Dies Zusammentreffen der beiden Willen - des vaterlichen Gottes-
willens und des menschlichen Willens Jesu bildet die Einheit zwischen
dem menschlichen und gottlichen Element in Jesus. Das sind die in-
teressanten Gedanken der Fragmente bei Mai. To.
e%ei,ertccivov, tec ds o%eoei cpiUag KQCcvovf.isva VT
- 3 jv <iC$ defy Guvacp&elg 6 GwzrjQ ovdercoTS de%etai
sis vov$ aiCovas, /.uav ambq nal xrjv a^v e%iov d-e^Giv ytal
ad MVOV/.ISVYJV rfj cpavegtioei vwv aya&ajv. - Mi] &av{.idG ! )]<;,
on {.dav [.leva TOV 0-eov TTJV -O-ehrjGw sfysv 6 GCOTIJQ' >CSQ yctQ ^
[.uav T&V noM.6)v v.al ity ami]v vrtd()%ovGav cpavsQOl TTJV ovffiav,
)] oy v sGiQ TT\V a/ct7r^g; (.ilctv xCov rtolk&v real irjv avryv egydCeTcct
v dia |Ui8g xat T^t, 1 awr$ cpavSQOV[,isvrjs BvaQtGTijoEcos. Al
dtdcpoQOi cpvoeig . xal i& didcpOQ<x jt^ootona eva xai (.idvov
%OVOL VQOTCOV Tr\v Kceca 3-sfaiGiv GV^UGLV, l ^g. f] nava ivsgyeiav
fG)v ovTwg ov(,iftifiaG&eVTwv aA^^Aotg dvacpccivercei f.iovd. Jesus hat
also in sittlicher Entwicklung sich innerlich von dem Gfeist Gottes durch-
dringen lassen und gelangte so zur Einheit des "Willens mit dem Vater,
so die Kraft zu seinen Wundern und die Fahigkeit Er loser zu sein,- . aber
auch eine fortdauernde Einheit mit Gott erwerbend : aj/tog xat
o GWV^Q ay&vi-xal rtovttj Tag TOV rtQOrtdwgoc, fu.i
olg KafOQ&diGas tr\ d^T^ owijcp-d-r} ify -d-sty f.itav x
v avtrjv ?t^og avrbv ^OV^YIGLV y.al svegyeiav ralg iG)V aya-O-Cbv TCQOXO-
eGyjjKcbs' i^v adicdgerov cpvhda ib ovof-ia x/tojjjatfoai TO
ovo[.ia, OTopyijg enad'kov
tdo f.Csv 7t<ioo<)ia(.i(5 ttgb aldovmv BVTO., Ttj 8e
ftewta., Iva, els sit], yrjaiv, o sTtl Ttdvia &ebs 6 Tiai-ftf).
30*
468 16. Der Monarcluamsnras.
Diese Lehre Avird ihren Ausgang von Origenes Christologie ge-
nommen haben. "Wie Origenes betont aucb Paul stark die personliche
sittliclie Art des Mens'chen Jesus, und wie Origenes lafit auch er dies
freie Meuschem\ r esen von dem Logos durchdrungen werden. Aber hier
liegt auch die Differenz. Paul verlegt das personliche Element aus-
schlieBlich in den Menschen Jesus und lafit den Logos lediglich eine
diesen bewegende gottliche Kraft sein, wahrend Origenes ihn personlich be-
stimmt. Die Sclrwierigkeiten, in die die origenistische Theorie leicht ftihrt
(Doppelperson) einerseits, der starke Hang zuui reinen Monarchianismus
andrerseits Averden Paul zu den Abweichungen von Origenes gefiihrt
haben. Dazu komint die Differenz, die in der Avissenschaftlichen Grrund-
richtung beider Manner liegt. Paul hat unterschieden und gesondert, er
hat aus dem Einzelnen Konsequenzen gezogen,') ohne sich durch den
Blick auf das Gfanze bleuden zu lassen, Origenes sah immer das Granze
vor dem Einzelnen und Avandelte dies nach jeneni, er Avar ein spekula-
tiver Neuplatoniker, Paul mehr ein dialektischer Aristoteliker. Die
Gfeistesrichtung, der er folgte, niufi iiberhaupt bei den syrischen Helle-
nisten in grofiereni Unifang vorhanden ge.wesen sein, wie die Geschichte
der Christologie zeigt. So stellt die Christologie Pauls eine interes-
sante Parallele zu der des Origenes dar, sie ist ein ebenso kiihner und
konsequenter Yersuch das christologische Problem scharf zu fixieren und
klar zu Ib'sen. Paul ist der erste Unitarier gewesen, und er ist der
einzige unter den sog.. dynamistischen Monarchianern, auf den dieser
Nanien wirklich pafit, denn er hat sowohl mit der Monarchic als mit der
dynamistischen Fassung des Gottlichen in Christus konsequent Ernst ge-
macht. Er ist clamit liber die alter e Christologie (z. B. Hernias) weit
hinausgegangen. Doch scheint er Yorganger gehabt zu haben (Arternas?
s. auch S. 469 Anni. 2 zu Anfang). Dafi er trotzdem von der Grottheit Jesu
reden Avollte, war eine Inkonsequenz, die ihm die Gegner mit Eecht
vorgehalten haben, aber die Yertreter des christologischen Typus, den
Paul zuerst klar durchgefiihrt hat, entziehen sich bis heute ungern dieser
Inkonsequenz. Sie ist eine Konzession an den Gremeindeglauben und
schlieBlich 'auch an den historischen Ohristus.
Drei Synoden Avurden zu Antiochien in dieser Sache abgehalten
(264269; Eus. h. e. YII. 30, .4. 5). 2 ) Paulus machte zunachst Aus-
fliichte. man kam zu keinem Urteil, schlieBlich (auf der 3. Synode) iiber-
Avand ihn der Presbyter Malchion : ov ita\a.i iomo ekeyov, on ov
1) Die Hervorhebuiig der menschlich kreatiirlichen Ziige im Bilde Jesu,
die die Arianer spater auf ihren Logos amvenden, mag von Paul gepriigt seiu.
2) Vgl. P. Pape, Die Synoden von Antiochien, Berlin 1903.
Verurteilung Pauls. Der Modalisnras. 409
ev ify ofy) GWTfjQi fbv vlbv ibv {.wvoyevf} ibv
dQ^oVTO. (B,outh III, 302 dazu Pitra, Analecta sacra III,
600 f. ; IV, 424. Eus. h. e. VDI, 28. 29). Das Urteil der Synode lautete
auf die Haresie des Artemas und Ausstofiung aus der Kirchengemein-
scbaft (Eus. h. e. VII, 30, 16. 17). 1 ) Aber Paul bebielt zunachst Anr
hang und Aint, bis im Jahr 272 das Urteil Aurelians das Kirchen-
haus dem zuwies, der mit den Biscbofen Italiens und Horns in brief-
licnem Yerkehr stiinde (Bus.. YII, 30, 19). Es war das erste Mai,
dafi die kaiserliche Politik einen kirchlichen Gegensatz zum Austrag
brachte.^)
4. Yon grofierem dogmenhistorischen Interesse als 'die besprochenen
christologiscben Yersucbe ist die ^ neue Gestaltung der Trinitatslehre
durch den modalistischen Monarcbianismus gewesen, der nach Tertullian
(adv. Prax. 2. 29) aucb als Patripassianismus bezeichnet zu werden
pflegt. Die.se Erscheinung ist eine Eolge der Logoscbristologie, die man
in den ,,zweiten Gott" hatte ausmiinden lassen. Dem stand das Be-
wufitsein von der Einbeit Gottes um so mebr entgegen, als aucn die hober
1) Die Synode verwarf auch die origenistische Form el dpoovaios, nach dem
Urteil des Athanasius, weil Paul dieselbe als Gleichheit mit der gottlichen ovaid
tind nicht mit dem Vater, so daB drei ovaiou anzunehmen seien, fafite (de synodis
45 ff.), oder weil Paul selbst das Verhaltnis des unpersonlichen Logos zum Vater
durch die Formel ausdriickte (so Hilar. de synod. 81. 86).
2) Origenes (in Tit. frg. Lomm. V, 287) kennt Leute, die Christus fiir einen
pradestiuierten Menschen halten, qui ante adventum carnalem substantialiter et
proprie noli exstiterit, sed quod homo natus patris solam in se habuerit deitatem.
Er urteilt von ihnen : ne illos quidem sine periculo est in ecclesiae numero sociari.
Diese Lehrweise wlirde ungefahr mit der Pauls ubereinkommen. In der pseudo-
cypr. Schrift de montibus Sina et Sion ist c. 4 (Opp. Cypr. ed. Hartel III,
JOS) keineswegs monarch. Christologie anzunehmen (gegen Harnack, DG. I, 676).
Denn wenn dort gesagt ist : caro dominica a deopatre lesu vocita est, spiritus sanctus
qui de caelo descendit Christus vocitus est, so ist das keine audere Ausdrucksweise als
z. B. Hermas Sim. IX, 1, 1. Arist. Apol. 2, 6. Gyprian quod idola dii non sint 11 (carnem
spiritus sanctus induitur, deus cum homine miscetur)., Lactant. Instit. IV. 6, 1;
12, 1. Tertull. adv. Prax. 8. 26. Hippol. c. Noet. 4. 16. Celsus b. Orig. c. Gels.
VI, 69. 72. 73. 78. 79. Ps.-Cyprian ad Vigil. 7. Apollinar. b. Greg. Nyss. Autirrh.
12; s. m. Bemerkungen z. Arist. 2, 6; s. auch Macholz, Spuren binitar. Denk-
weise seit Tert. 1902, S. 3fL Anders steht es mit der Christologie der A eta
disputationis Archelai et Manetis (ca. 320 entstanten, bei Routh Reliq.
sacr. V 2 , 38205 vgl. Harnack, Chronologic II, 163 f.). Hier tritt c. 50
freilich die monarchianische Christologie zutage: Est enim qui, de Maria natits
est filius, qui totum hoc, quo magnum est, voluit perficere certamen lesus. Hie
est Christus dei, qui descendit super eum, qui de Maria est. Allein diesen Ge-
danken hat der Verf. bereits mit der kirchlichen Christologie verbunden: solus
enim deus pater eius natiira est, qui omnia per Verbum suum velociter
nobis manifestare diynat-us est (c. 33).
'470 16. Ber Monarchianisinus.
'Gebildeten unter den Heiden diese Idee stark betonten. Die Reflexion
dariiber, wie man das Bekenntnis zur wirklichen Gottheit Christi mit
der absoluten Einheit Gottes, die die Lehre so scharf aussprach, ver-
einbaren konne, war daher unvermeidlich. Man hatte auf diese Frage
drei Antvvorten. Bntweder liefi man die Gottheit im eigentlichen Sinn
nur YOiii Vater gelten und maclite Christus zum Gott im abgeleiteten
Sinn, wie Origenes es gelegentlicli tut (oben S. 417), oder man half sich
durch die kleinasiatische Idee von der Offenbarungsokonomie, wie Tertullian
(S\ 337 f.), oder endlich man sab. Christus nur fiir eine besondere Offen-
barungsform des einen Gottes an. So hatte Irenaus empfunden, aber
er hatte die Sonderperson des Logos doch festgehalten (S. 322). Hier
setzt der Modalismus ein, er verfahrt aber konsequent und interpretiert
die johanneischen Worte ,,ich und der Vater sind eins" oder ,,wer micb
sieht, sieht den Vater" im Sinn nicht nur der Substanzeinheit, sondern
der Personeinheit. So schien sowohl die gottliche Monarchie als das
Bekenntnis zur Gottheit Ohristi sans phrase gewahrt zu sein. Cum
animadverter&nt . . ., quod units sit dens, non aliter putaverunt stam
tenere se posse senientiam , nisi aut hominem tantuin Christum (die
djmamist. Monarchianer), aut certe deum patrem puiarent esse credendum
(Novatian de trin. 30). Itaque duos et tres iam iactitant a nobis
praedicari, se vero -unius dei cultores praesumunt . . '. Monarcliw,m>
inquiunt, tenemus (Tertull. adv. Prax. 3 vgl. Hippol. B,ef. IX, 11.
Epiph. h. 62, 2). Diese Gedanken sind nach den Quellen auf klein-
asiatischem Boden entstanden. Sie miissen auf diesem Boden.friih auf-
getreten sein, denn schon Montanus hat so gedacht (S. 257), und
auch bei Irenaus fehlen nicht Spuren dieses Ausgangspunktes. Dieser
alte Modalisinus wird also als ein besonderes Verstandnis der johanneischen
Christologie zu beurteilen sein : Christus ist der eine Gott, aber in der
besonderen Form als OfEenbarer oder als ,,Wort" (s.. auch Ignatius oben
S. 101). Im Gegensatz zu der vulgaren Logoslehre hat der Modalisnaus
dann seine theoretische, gegensatzliche Ausgestaltung erhalten. Es ist
dabei Avohlverstandlich, dafi seine Vertreter Sukkurs in der Philosophie
suchten, wie die Gegner ihnen vorhalten. Es ist wirklich stoische Lehre,
dafi der eine Gott, der die Welt durchdringt, je nach den Beziehungen,
in denen er sich kundtut, mit verschiedenen Namen bezeichnet wird.
"Ev re tlvai d-tbv, -/.al- vovv, :/.al slf.taQf.iei'rjV -/.al J.ia, nokhalg TS wegais
ovonaaiaig TTQoaovo[.ida&aL (Diog. Laert., de vit. phil. VII, 68, 135 ;
72, 147).
Eine alte Deutung der johanneischen Christologie, die .Enipfindung
von der MiBlichkeit des ,,zweiten Gottes" und das Vorbild der stoischen
Xiehre haben sich in dem Modalisinus , der spateren ausgebildeteren Ge-
Ursprunge des Modalismus. .Praxeas. 471
stalt verbunden. Der Eindruck, den diese Lehre machte, war erheblich.-
In Rom wie in deni lateinischen Afrika und in. der Pentapolis fand sie
Anhanger, und der Gredanke 1st kaum von der Hand zu weisen, daB
:ihre Nachwirkungen mit dazu beigetragen haben dern Arianismus die
Homousie entgegenzusetzen. Doch dayon ist spater zu reden. Die
Greschichte der einzelnen Vertreter des Modalismus liegt vielfach im
Dunkeln, auch ihre Lehrweise im einzelnen ist schwer auseinanderzukalten.
"Wir stellen an die Spitze unserer Darstellung den Grundgedanken des
^Modalismus in der Formulierung -Hippolyts : OVTCOQ yag doxsl f.iovccQ%iccv
ev xal TO amb (pdaniov vnaqy^iv rtarsQa v.al mbv "
ov% STSQOV e| eTSQOv dA^,' avrbv e eavrou, ovofiarL f.tev itareqa "/.at
vlbv xcthov[.ievov Y.O.TO, %QOVCOV iqoTcr\v^ eva de sivai TOVTOV tbv (pavevca.
uat yevsoiv ex Ttaqdzvov vrto^BivavTa . . . vlbv /.lev savrbv TOIQ OQOJOIV
ofiohoyovvra . . ., narsQcc de eivat v.al rols ^COQOUOLV (.trj artoxovifjavza
(Ref. IX, 10).
Praxeas, ein kleinasiatischer Martyrer, kam unter Viktor nach
Rom 1 ) und gewann auf diesen Feind des dynam. MonarcHianismus sowohl
mit seiner Ohristologie als seiner antimontanistischen Richtung Einflufi.
'Seine Lelire : f and auch in Afrika Anklang, aber er hat sie dann zuriick-
gezogen, erst mehrere Jahr.e spater, als die Bewegung wieder yiel von
sich reden machte, hat Tertullian seine S.chrift wider Praxeas verfafit.
Die Lehre, die Her widerlegt wird, ist aber schon die spatere Anschauung
einer Partei (Tert. c. Prax. 1). Praxeas lehrte : post tempus pater natus
et pater passus, ipse deus, dominus omnipotens, lesus Ghrisius praedicatur
{Tert. adv. Prax. 2 in.). Vater .und Sohn sind also dieselbe Person
(ib. 5 in.). Daftir .berief man sich auf die Schrift, besonders Jes. 44,, 6. 24;
46, 5. Joh. 10, 30; 14, 9. 10 usw. (ib. 18. 20). Der Streitpunkt be-
:stand darin, daB die kirchliche Logoslehre zu einer diinnio 'oder separatio
substantiae fiihre, wahrend der Modalismus an der Einheit Gottes fest-
halten wollte. Demgegeniiber entwickelte dann Tertullian , dafi der
'Sohn individmis und inseparatus mit dem Vater sei, dafi aber durch die
dispositio eine distinctio uiriusque, personae zustande komnie (ib. 19. 21
vgl. oben S. 338 f.). Und das sei eine bessere Lehre als der unus deus
versipellis der Praxeaner (23). Eine Wendung zur kirchlichen An-
schauwng zugleich aber zuni dynamistischen Monarchianismus war
es, wenn nun doch der Vater und der Sohn unterschieden werden sollten
.gemafi dem biblischen Sprachgebrauch, der den von Maria geborenen
Menschen Jesus .,Sohn Grottes" nennt (Luc. 1, 35) : ui deque in una
persona utrumque distinguant: palrem et filium, dicentes filium carnem
IV Ps.-Tertull. adv. haer, 8 schreibt Victormus, meint aber wohl sicher Viktor.
472 16. Der DilonarcManismiis.
esse id est hominem, .id est lesum, patrem autem spiritum id est deum)
id est Christum (ib. 27). Auf diese Weise ging man dem Satz, dafi der
Vater gelitten babe, aus dein Wege (films sic quidem patihir, pater v&ro-
compatitur ib. 29 cf. Hipp. Eef. IX, 12).
N o e t u s von Smyrna und die Anbanger seiner Lebre E p i g o n u s
und Kleomenes erlangten in Rom zu Anfang des 3. Jabrhunderts;
mit ibrer Lebre an maBgebender Stelle wieder EinfluB (Hipp. Ref. 15, 7).:
Diese Lebre war dieselbe, wie die des Praxeas : ore f.iev ovv /iii] yeysvvrtto-
6 Ttcmj^, (Jtxatcog rtaxi]() nQOGrfloQEvio OTS ds rfidd'Ayasv yevsoiv vno-
(.islvai, yevvrf&slg 6 vlbs fyevsro auwg iavxou, ov% eveQOv (Hipp. Ref;.
IX, 10). *Eyr] TOV XQIOTOV avibv elvai ibv rtaxeqa. Y.OL amov rbv
rtaxEQa yeyevvfjo&cti nctl JtSTCov&evcti xat aftore&v^svai (Hipp. c. Noe't. 1)..
So bat der Yater sicb aucb selbst erweckt (ib. 3). Dieses verlange die-
Scbrift, so werde der Sobn verherrlicht (ib. 1), so die Erlosung errnb'glicbt ?
XQIOWS yciQ fjv 9-ebg /ecu ertao%ev di? f)[.i(xs, ccvrbg wv nai^, tva xal
G&oai f]/.i5$ dvvrj-d-fi (ib. 2). Es war neben der strengen Eassung der
gottlicben Einbeit das religios motivierte Interesse an der vollen Grottheit
Cbristi , das diese Manner leitete. Daraus begreift sicb ibr EmfluB..
Cbristus sollte Grott sein, nnd docb wollte man an der von der Glaubens-
regel bezeugten Einheit Gottes nicbt riitteln : Simplices enim quique, n&
dixerim imprudentes et idiotae, quae maior semper credentium pars est r
quoniam et ipsa regula fidei a pluribus diis saeculi ad unicum et verum
deum transferl) non intelligentes unicum quidem sed cum sua olytovo[.iicc
esse credendum, expavescunt ad ohovofiiav. Numerum et disposiiionem
trinitatis divisionem praesumunt unitatis (Tert. adv. Prax. 3 init.).
5. Der Modalismus- ist als religiose Anscbauung verstandlicb, aber
ibrer tbeoretiscben Durcbfiibrung stellten sicb Scbwierigkeiten entgegen.
Einerseits scbien von dem Yater so Leiden ausgesagt werden zu naussen r
andrerseits scbien, wabrend der Yater als Cbristus erscbien, sein Platz-
im Himniel sozusagen leer zu bleiben. Ersteres versucbte man spater
die Praxeaner sowie Kallist - dadurch zu umgehen, dafi die Person
des Sobnes der Menscb Jesus ist, aber dann scbien er nicht Grott zu sein,
sondern Grottlicbes ist in ibm, man bog somit in die Babn der dyna-
mistiscben Monarcbianer ein. Im Gregensatz bierzu scbeint Sabellius
seine Tbeorie gebildet zu.baben, indem er zugleicb aucb der an zVeiter
Stelle genannten Scbwierigkeit Herr zu werden versucbte. Die Kiirze
der alteren Berichte erscbwert es ein Bild von der Lehre dieses be-
deutendsten Monarcbianers zu gewinnen. 1 ) Erst die spateren Berichte
1) Uber SabeUius s. Hippolyt Refut. IX, 11. 12. Epiph. h. 62 (nach ^alter
Quelle). Athanas. c. Arian. or. Ill, 4. 36. IV, 2. 3. 9:' 13. 17. 25 und sonst.
Die Lehre des Sabellius.
lassen Sabellius aus Libyen herstammen. Im Licht der Greschichte steht
er fiir uns mir in Rom, und auch ob er spater nach Libyen gegangen
ist es gab dort viel Anhanger seiner Lehre ist nicht auszurnachen.
Hippolyt erzahlt, dafi Sabellius ursprunglich zu ibm Beziehungen hatte
und seinen Einwanden gegeniiber nicht unzuganglich blieb. Kallist in
Rom beeinnufite den Papst Zephyrin wie Sabellius iin Sinn der moda-
listischen Theorie. Sabellius hat sie ausgebaut, ist aber von Kallist selbst
spater fallen gelassen worden.
Folgende Punkte seiner Lehre lassen sich feststellen. 1) Br hat in
strengster Form die Einheit Grottes behauptet, daher die Bezeichnung
vloTtaTWQ, d. h. der eine Grott ist sowohl Yater als Sohn. NUT ver-
schiedene Namen derselben Person sind die Bezeichnnngen Yater, Sohn
und Greist: kv {tig vrtoardoEi vqelg dvo(.iaoLag (Epiph. h. 62, 1). JZur
Erlauterung fiihrt Epiphanius das Bild der Sonne an, sie ist eine
vrtoGTUGiQ, aber sie warmt, erleuchtet und hat eine Gestalt. Der Sinn
des Bildes kann nur der sein, dafi der eine Grott von verschiedenen
Gfesichtspunkten aus betrachtet und benannt werden kann. Athanasius
bestatigt diese Auffassung, fiihrt aber als Ausspruch des Sab. an: &GJtSQ
diaiQeaeis %(XQt>O[.idTa)V sioi, to ds avrb yrvvf.ia, ovrco -/.at 6 jtaxriQ o
avw$ {.lev BOIL, it'LaTvvetai de eig vlbv v.a.1 fcvsv(.ia (c. AT. IY, 25).
Arius (a. a. 0.) sagt ahnRch von Sab. : o tr)V (.lovdda diaLQ&v, viortdvOQa
sifter. Das kann nur heifien, dafi wie der Greist sich offenbart in einer
Piille von Kraften, so Grott sich gleichsam ausbreitet oder sich verteilt
als Sohn und Greist, nicht indem er dadurch etwas anderes wird, spndern
sich in einer neuen Offenbarungsform darstellt. Dernnach waren die
verschiedenen Bezeichnungen Grottes nicht zufallig, sondern sie entsprechen
den von Grott gewirkten . Offenbarungsformen. 3) Diese verschiedenen
Offenbarungsformen sind zugleich Offenbarungsstufen, da Grott zuerst als
Sohn und dann als Geist offenbar wird (Epiph. h. 62, 1). Somit ist
der eine Grott zunachst nur im allgemeinen, etwa in der Natiuy offienbar
gewesen, er zeigte sich aber dann als Sohn und dann als Greist. 4) Wie
ein Sonnenstrahl wurde Christus herabgesandt, er wirkte -das Heil der
Menschen und kehrte dann in den Hinimel zuriick wie der Strahl in
die Sonne. Darauf wird der Greist in die Welt gesandt die einzelnen
lebendig zu machen und mit seiner Kraft zu erwarmen (ib.). Dabei ist
die Yoraussetzung immer. die personale Identitat von Yater, Sohn und
Greist. 5) Das Neue in dieser Theorie besteht, so viel ich sehe, nxu-
Arius ep. ad Alex bei Epiph. h. 69, 7. Novatian de trin. 12 ff., sodann Basilius,
Gregor v. Nyssa etc. Hilarius (de trin. VII, 39). DurchVermengnngmit denAnsichten
Marcells u. a. ist Verwirrung in die Darstellungen gekommen, s. fees. Zalin,
Marcell u. Aucyra 1867, S. 198 ff.
474 16- Der Monarchianisinus.
darin, dafi Sabellius die kirchliche Idee der Okonomie in seiner Weise
rezipiert resp. konsequent durchgefuhrt hat. 1 ) , Der eine Gott ist fur
Sab. nicht gleichzeitig Yater, Sohn und Geist, sondern er wird stufen-
weise in diesen Offenbainmgsformen der "Welt kund.. Aber es sind
wirklicke, von Gott so gewollte Offenbarungsforinen. Das war auch die
Absicht der kirchlicben Okonomientkeorie, uur dafi hier die Offenbarungs-
formen zugleich selbstandige Hypostasen sein sollten. 2 ) Zwei Griinde
scheinen Sab. zu dieser Modifikation der alteren Anschauung veranlafit
zu haben : dafi die trinitarischen Namen auf diese Weise einen objektiven
Gebalt bekainen, und dafi so die Eortwirkung des Yaters auch wahrend
der weiteren Offenbarungsformen denkbar zu sein schien. Sind nanilieh
Sohh und Geist nur sukzessive, und zwar geschiehtliche Erscheinungen
der Gottheit, so liegt es nahe, die alles umspannende, in der Natur
wirksame Tatigkeit der Gottheit (als Yater) neben jenen Erscheinungen
irgendwie fortbestehen zu lassen. TJnd in der Tat scheint Sab. so ge-
dacht zu haben. 3 ) Mit anderen Worten, der Yater ist die Gottheit,
Sohn und Geist sind zeitweilige Selbstdarstellungen des Yaters. So
bleibt Gott im Himmel, auch wenn er als Christus auf Erden erscheint. 4 )
Die zweite der oben (S. 472) gedachten Schwierigkeiten schien hierm.it
erledigt werden zu konnen. 6) Sab. hat durch diese Gedanken den
Modalismus nicht nur einleuchtender gemacht, sondern ihn auch der
trinitarischen Denkweise gewissermafien angenahert. Aber in einem ist
er intransigent gewesen, jede personale Yerselbstandigung des Sohnes
und Geistes hat er abgelehnt und an der personalen Einheit der Gottheit
strikt festgehalten.
1) DaE der Ausdruck ,.0konomie" bei Sab. nicht nachzuweisen ist, tut gar-
mckts zur Sache. der Ausdruck war eben schon kirchlich beschlagnahmt und
gepragt mid claaer fiir Sab. unbrauchbar. War aber dies der Ausgangspunkt
seiner Lehre, so versteht man, daO Hippolyt anfangs boffea konnte ihn zu bekehreu.
2) Man yergleiche etwa Tertull adv. Prax. 19: pater et filius duo, et Hoc
non ex separatione substantiae, sed.ex dispositione, cum individuum etinsepara-
tum filium a patre pronuntiamus, nee statu sed gradu alium.
3) S. Hilar. de trm. VII, 38; Vigilius v. Thaps. Dial. adv. Arian. etc. I, 3
veraiischauliclit gut den Gedanken: deus ineffabili virtutis potentia, qua omnia
implet, Mariae virginis utemm implens . . ., et in eo ipso ho mine, q^^em
assumpsit, filiusmincupat^ir, cum non alius atque alim, sed idem pater
intelliyatur ; Zahn, S. 213.
4) Man darf das Gleichnis von der Sonne und ihren Strahlen niclit pressen,
aber die Wahl des Bildes ist doch charakteristisch, Christus und der Geist sind
,,Energien" oder Strablen, die Sonnensubstanz ist der Vater (Epiph. h. 62, 1),
Dafi Sabellius wirklich so gelehrt hat, gent auch aus der Anschaunng des. von ihm
theologisch beeinflufiten Kallist hervor, der in dem alles erfiillenden Gottesgeist,
der in der J\ingfran Sohn -wird, den Yater erblickt (Hipp. Eef. IX, .1-2 p. 4'58). ..
. Der Modalismus in Earn. 475
Die Idee der Okonomie hat durch Sab. eine Anwenduhg erfahren,
die der Idrchlichen an Konsequenz fraglos iiberlegen war. Man darf
ih.m auch nicht vorhalten, dafi die letzte GedankenAvendung (sub 5) ihn
selbst in Inkonsequenzen stiirzt, denn ist der Yater die Gottheit, so ist
nicht viel dawider zu sagen, dafi neben den besonderen heilsgeschicht-
lichen :Eormen ihrer Offenbarung auch ibr "Wirken in der 'Natur fortgeht,
und dafi docb die Christen ihren Gott in den besonderen Offenbarungs-
formen erkennen. Wie Avir Paul von Samosata den einzigen wirldichen
Dynainisten unter den Monarchianern nannten, so ist Sabellius der einzige
wirkliche Modalist unter ihnen. Er hat eine Deutung der -triadischen
Eormel vorgelegt, die an Avissenschaftlicher Klarheit der origenistischen
und tertullianischen Iiberlegen Avar. Aber trotzdem ist diese Deutung
nirgends in der Kirche auf langere Zeii :akzeptiert Avorden. Das lag
daran, dafi sie .ZAA r ar die Gottheit des geschichtlichen Ghristus ver^
anschaulichen konnte, dafi sie aber die personliche Portexistenz des
rottes Ohristus prinzipiell ausschlofi. Sie kollidierte :dadurch nicht nnr
mit der kirchlichen Logoslehre, sondern mit dem praktischen religiosen
Leben. Sie Avar der Logostheorie theoretisch tiberlegen, aber sie verletzte.
das religiose Einpfinden, daher ist sie jener unterlegen. ......
6. Die modalistische Theorie hat soAvohl im Abendlande als auch
im Morgenlande Anhanger gehabt. In B,om vor allem haben die Bischof e;
Viktor (Ps.-Tert. adA r . haer. 8), Zephyrinus (Hipp. Refut. IX,
7. II) 1 ) und Kallistus (ib. IX, 11. 12) zu ihr gestanden, unter Zu-
stinimung eines grofien Teils der Gemeinde. Erbitterte Kampfe haben
sich hieran geschlossen. Hippolyt und sein Anhang, Avelche dem AA r ider-
igprachen, mufiten den "VorAVurf des Ditheisnius itber sich ergehen lassen..
Als Bischof sagte sich Kallist freilich aus kirchenpolitischen Eiicksichten
ion Sabellius 1'os, der ihn Aviederum des Yerrates an seinena urspriing-
lichen Glauben bezichtigte. Kallist fiihlte sich aber durch seine Kom-
proniifipolitik genotigt , eine etwas modifizierte monai'chianische Lehre
vorzulegen. Yater, Sohn und Geist sind allerdings 'sv xal r,b amo, und
der in der Jungfrau fleischgeAVordene Gottesgeist ist identisch mit dem
Yater, dagegen sei das Fleisch Jesu als ,,der Sohn" zu bezeichnen : 10
j.ih yag (3fart6[.ivor, ortsg tGilv av^wyrog 2 ), 'IOUTO siv'ai ibv viov, TO
tie sv tC<) vify %cttQY]&ev 7tveu(.ta, TOUTO sivai TOV Tcccvsga. Dieser Gottes-
geist hat sich aber mit dem Menschen .Jesus eng A r erbiinden, und ,hat
ihn vergottet und ist eins mit ihm geAvorden : b yctQ iv avzy yev6 t uevo$
1) Zephyrins Formeln (eyco olSa eva tyevr .X^ta^bv.^Iqoovv r.al 7tki]v cd'iov
oi)8eva yevqrov . nal Ttadijtof, SOAVie: oi>%' 6 Ttarij^ cujted'cWBV alia, 6 ylos)
tragen schon KompromiCcliarakter AA r ie die der Praxeaner.
2) Vgl. Iren. IV, 6 r 6: mvisihile filii pater, visibile autem .jaatris filius. .
476 16. Der Monarckianisimis.
act^na e&eonoiiqosv svcooas eavrfy -/MI e
ev, wg xakelo$ai jtaxe^a xai vlbv eva $s6v. Es sei allerdings nicht von
einem Leiden des Vaters zu reden, sondern : TOV TtaifQa avf.iTttxtov&svat
r(x) vify (Hipp. Eef. IX, 12). Diese Eormeln bringen dieselbeAnscb.au-
ung zum Ausdnick, die auch die Praxeaner vertreten haben. Hippolyt
hat von ihr geurteilt (1. c.), dafi sie eine Kombination der Lehren des.
Sabellius und des Theodotus darstelle. Er hat Recht, derm einerseits
bleibt Kallist bei der Behauptung Yater, Sohn und Greist seien dieselb
Person, andrerseits soil der Mensch Jesus der ,,Sohn" sein; dabei sucht
er diesem eine gewisse Grottlichkeit zu sichern, um auch von dem gott-
lichen Sohn reden zu konnen und so der empfindlichsten Konsequenz
des Sabellianismus aus dem Wege zu gehen und aiich den i//*/log ccv-
-9-QtOTtog der Dynamisten abzuwehren. Es ist aber interessant zu be-
obachten, daB sein Denken sich nur in den beiden Formen des Monar-.
chianismus bewegt, er versucht eine durch die andei*e zu korrigieren.
Die Logoslehre hat er nicht angenommen, ^ wohl aber hat er durch die'
Vergottung des Menschen Jesus eine gottartige Hypostase fur den Sohn:
geschaffen und ist dadurch der kirchlichen Anschauung nahergekommen. 2 )
1) Gegen Harnack, PEE. XIII 3 , 330, deiui Kallists Satz, daB alles vom
Gottesgeist erftillt sei, geht nicht auf den Logos als besondere Hypostase, sondern
auf die einheitliche Gottheit oder den Vater.
2) Ein Vertreter dieser Christologie iin Morgenland sei hier noch genannt.
Es ist Beryll von Bostra. Da iiur ein Satz des Eusebius seine Lehre be-
schreibt, so ist es schwer liber sie zur Klarheit zu kommen. Eusebius sagt:
. . . Revest, nva ifjs Ttiarecos TtageiacpEyeiv s^tsi^&TO, tbv acoifj^a y.al y.tiQiov
ksyeiv tol^iwv {.lij Ttgovrpeatdvai v.afi iSiav oiioias TtE^iy^ayfjv Ttgb rfjs BIS
sTfiSrjfilas fiijde ^i]v -deoT^Ta. ISiav fyeiv &M? s/uTtohTSvofisvijv afirco
fiovov ti]-v 7ia.rpiy.7jv (h. e. VI, 33, 1). Origenes iiberwand ihn auf einer Synode
zu Bostra (um 244). Die Synode uab.ni Anlafl, ihni gegenliber die menschliche
Seele Jesu liervorzuheben (Socrat. h. e. Ill, 7). Danach hat Beryll 1) von einer
personlichen eigenen Gottheit Christi niehts gewufit, seine Gottheit war die des
Vaters, 2) hat er gelehrt, daB Ohristus ein personliches Einzelweseri erst durch
seine Meuschwerdung wurde, 3) scheint er zu diesem Urteil nicht durch Berufung.
auf die menschlich seelische Existenz Jesu gekommen. zu sein (?), 4) wird ihm
nicht nachgesagt, daB er, wie die dynamistischen Monarchianer, Jesum flir einen
iiii).bs avdycoTtos ansah. Er hat sich also wahrscheinlich den Sahellianern genahert:
Gott gab sich erst- in der Menschwerdung die besondere Existenzweise als Sohn
(vgl. auch Marcell v. Ancyra unten). tJber die libyschen Sabellianer ist weiter
tinten zu haudeln. Endlich glaube ich, daO auch die,,Testameute der zwolf
Patriarch en" in dieser Zeit oder schon friiher von einem ,,Patripassianer"
interpoliert worden sind, s. Sim. 6. Levi 4 (itd-fros tov vyiorov) vgl. Zabul. 9.
Aser. 7 (&ebs els civdya vTtoxptr-dfievos). Benj. 9. Napht. 8. Manches spricht
daflir, die Interpolationen schon dem 2. Jahrh. zuzuweisen (vgl. Bousset, Ztschr.
f. die neut. Wiss , 1900, S. 175). Dann konnte das Werk zu den ,,Apokryphen"
17. Die vornicanische Christologie. . 477
17. Die vornicanische Christologie.
1. Die dynainistiscben und inodalistisclien Gedanken sind weit alter
als die im vorigen Abscknitt gescbilderten Tbeorien. 1 ) Neben der- sicb
berausbildenden Logoslebre batten diese Gedanken zumal die nioda-
listischen eine andauernde stille "Wirksamkeit geiibt. Sie sind ge-
scheitert an dem Versucb als Tbeorie die Logoslebre zu verdrangen,
denn diese batte im Bewufltsein der Zeit vier scbwerwiegende Yorziige
vor jener voraus : sie liefi Cbristus als besondere gottbeitlicbe Person
erklaren, sie stinimte dadurcb bequem mit dem Taufsymbol iiberein, sie
arbeitete mit der \vissenschaftlicben" Kategorie des Logos und sie er-
moglicMe es, binter clem beweglicben Offenbarergott die ruhende absolute
Gottheit zu denken. Das waren, wissenscbaftlicb wie praktiscb ange-
sehen, erbeblicbe Yorteile. Aber trotzdem hatte ein modalistischer Ein-
scblag bei einem Mann wie Irenaus kraftig wirken konnen, .und selbst
in Tertullians ,,6konomiscber" Idee ist er zu spiiren. Das hat sicb seit
den grofien Kampfen des angebenden 3. Jabrbunderts allmablicb ge-
andert. Machtige Fiibrer wie Tertullian und ( 0rigenes baben den Mo-
dalismus als gottlos verurteilt, und ein Gelebrter von dem E,ang Hippo-
lyts bat ibn andauernd bekanipft. 2 ) Man erblickte in den Monarcbianern
beider Ricbtungen Feincle der Gottbeit Cbristi, 3 ) wabrend diese mit deni
Vorwurf des Ditbeismus, der ja wirklicb dem vulgaren ,,zweiten Grott"
gegentiber nicbt unberecbtigt war , antworteten. Es batte ja einen
Augenblick iiber in Eom scbeinen konnen, als wiirde ein modifizierter
Modalisnius sicb in der offiziellen Kircbe dtu^cbsetzen, der Yertreter der
,,Wissenscbaft" Hippolyt war von seinen Gegnern zuriickgedrangt
worclen. 4 ) Und docb bat, soweit unsere gescbicbtlicbe Kenntnis zu ur-
gehoren, auf die sich nebeii deni Ag-ypterevangelium die Sabellianer beriefen
(Epiph. h. 62, 2).
1) Vgl. Loofs, Die Trinitatslehre Marcells uud ihr Yerhaltnis zur alteren
Tradition in Sitzung-sber. d. Berl. Akad., 1902, 764 ff.
2) Uber Hippolyts Christologie s. oben S. 344 ff. Ihre clog-mengeschichtliche
Bedeutung bestelit vor allern darin, daC sie den Modalismns in Eom nicbt bat
zur Herrschaft kommen lasseu.
3) Wie wenig freUich. die Laien an den Finessen der Logoslebre batten,
zeigt Oligenes : ol ff;ij8ev slSorss ,,sl /) ''Ir l aovv Xgtarbv y.al toviov Earavgcofisvov",
TOV yEvof-isvov adfjy.a ).6yov TO TtSnv vofuoaviss elvat rov l.oyov, ^K^iarbv '/.aia, adgy.a
fiovov yivwaxovai- toioviov Ss eon TO rd-fjd'os rcov TTeTtiatevxevai voftiZpfievcov (ill
Job. II, 3, 29).
4) Yielleicht gehoreu Merker die alten Prologe zu den Evangelien, auf
deren monarcluanischen Charakter P. C'orssen bingewiesen hat (die monarch.
Prologe zu den vier Evangelien 1896), z. B. ostendens imum se cum paire esse,
478 ' 11-' Die vormcanische Christologie.
teilen erlaubt, ein Menschenalter spater der Modalisinus seine Rolle in
der Kirche ausgespielt, und erst die krasse Eorm des Difheismus, die
Arius verfoclit, hat gewisse Grundtendenzen der modalistischen Denk-
weise bei Marcell, aber auch Athanasius an die Oberflache ge-
bracht, wie wir spater sehen werden.
2. Die vornicanische Ciiristologie und Trinitatslehre zeigt neben
dem Zuriicktreten der modalistischen Gedanken den Fortschritt der
Logoslehre, im Morgenland in der Form des Origenes, im Abendland
in der. Form des Tertullian. "Wir kb'nnen uns dariiber, da neue Gre-
danken nicht aufkommen, kurz fassen. Nur vereinzelt begegnet uns
der Modalismus bei kirchliehen . Autoren des 3. Janrnunderts. So bei
Commodian Carmen apol. 278 : nee pater est dictus, nisi factus filius esset ;
618. 94. 110 ff. 198. 358. 772. 257. 363 f. 634 s. aber 340. J ) Cy-
prian hat die Patripassiani neben Yalentinianer und Marcioniten ge-
stellt und sie als pestes et gladii ac venena subvertendae veritatis be-
zeicnnet (Ep. 73, 4). 2 ) Dafi aber auch in Rom um 250 die tertulliar
nische Auffassung zum Sieg gekommen war, zeigt Novatians Schrift
de trimlate?)
Novatians Darstellung ist an einem doppelten Gregensatz orientiert.
Er will die voile Grottheit Cnristi feststellen gegeniiber der Annahme^
er sei nur Menscb gewesen, und er will den TJnterscbied des Vaters und
quia unus est (S. 51); nan emissum solum verbum caro factum, sed corpus
domini in omnia per verbum divinae vocis animatum (S. 9). Aber die Sache
bleibt unsicher, well die Hauptstellen uicht sicher zu deuten sind.
1) Auf Commodian scheint nach Waitz (das pseudotert. Gedicht adr.
Marc. 1901, vgl. Harnack. Chronol. II, 442 ff.) auck das pseudotertull. Carmen
adv. Marcionem zuriickzugehen. Aber die Christologie des Gedichtes spriclit nicht
hierfiir (s. auch Macholz, Spureu binit. Denkweise, S. 21). Der deus Christus
(III, 255), der caro factus est (III, 238), ist namlich vorn Yater genau unteiv
schieden als seine virtus, gloria, verbum, spiritus (IV, 28 f. V. 200 f.: spiritus et
verbum . . . cum patre semper erat, unitus gloria et aevo). Dagegen wird das
Gottliche in Christus nicht selten als ,,Geist" bezeichnet (V, 200. IV, 160 f.:
corpus Ohristi . . . sacro . . . spiritu iunctum); aber V, 251 scheint der Sohn
vorn Geist iiuterschieden zu werden, er sitzt neben dem Vater und ist spirit
coniunctus. V, 199. IV, 29 (immenso genitum de lumine lumen) lassen es
Haruack (S. 447) Avahrscheinlich erscheinen, dafi das Gedicht nachnicanisch sei;
indessen Aviderspricht dein die ganze Christologie des Gedichtes deutlich, und das
wiegt weit schwerer als ein derartiger zufalliger Gleichklang, besonders wenn
man liberlegt, daJB die Formeln, ehe sie solennen Charakter gewinnen, in der
Eegel schon vorher bestanden haben.
2) Vgl. Novatian. de trin. 11: Sabelliana haeresis sacrilega. Ps.-Orig. Trac-
tatus ed. Battifol, tr. 3 p. 33: Praxeas et Sabellius, patripassiani kaeretici.
3) Vgl. Tixeront, Hist, des dogmes I, 352 ff.
Commodian, Cyprian, Novatian. 479
Sohnes fixieren im Gegensatz zu der sabellianischen Identification beider.
Die Erkenntnisse, die er vortragt> stellen sich ihm clar als Auslegung
des. TDaufbekenntnisses und als Yerwendung der saerae audoritates divi-
namm lilterarum } beides widerspricht den Haretikern. Nach diesen Iii~
stanzen ist Christus sowohl wahrer Mensch als wahrer Gott gewesen.
Mit grofier. Gewandtheit und in weitem TTmfang werden hierfur Schrift-
zeugnisse beigebracht ; die "Worte wie die Funktionen Christi erweisen
danach sein gottliches. Wesen (deus ex virtutibus appr-obttri 11). Aus
dem ewigen Gott ist, als es dieser wollte, der Logos oder sein Sohn.
hervorgegangen. Tiber die Art seiner Geburt aus Gott kann niemand
aufier ihm selbst etwas aussagen. Sie ist vor der-Zeit geschehen, daher
steht er als der irgendwie aus dem Yater Geborene, dem Vater naher
als alles, indem er zuerst aus ihm dem TJrsprungslosen seinen Ursprung
nahm. Ais. gottliche Kraft ist er von jeher in Gott; als zu einer
Sonderexistenz erzeugt hat er einen vorzeitlichen Anfang. 1 ) Durch ihn
ist alles geschaffen (Joh. 1, 3), er ist vor allem, aber er ist nach deni
Yater, er ist eine. zweite aus jenein hervorgegangene persona, und er ist
divina substantial] Aber er ist dies als natus: so wird die absolute
Einheit Gottes nicht ge'stprt, wie es der Pall ware, wenn der Logos als
innatus ein zweites Prinzip und ein zweiter Gott neben dem Yater ware.
Deus pater ist der eine Gott, der aber den Sohn als den Herrn und
Gott iiber alles erzeugt hat. 3 ) Dem entspricht es nun, dafi der Sohn
dem Yater als sein Diener gehorsam ist 4 ), sowie dafi schliefilich der
1) de trin. 31 : ex quo, quando ipse voluit, sermo filius natus est, qui non
in sono percussi aeris . . . sed in substantia prolatae a deo virtutis agnoscitur,
cuius saerae et divinae nativitatis arcana . . . filio soli nota sunt, qui patris
seer eta cognovit. Hie ergo,, cum sit genitus apatre,semperestinpatre. Semper
autem sic dico, ut non innatum sed natum probem. Sed qui ante omne tempus
semper in patre fuisse dieendus est, nee enim tempus illi assignari potest, qui
ante tempus .est, semper enim in patre, ne pater non semper sit pater . . . Simul
ut hie minor sit, dum in illo esse se scit habens originem: quia nascitur et per
patrem quodammodo, quamvis originem habet qua nascitur. vicinus in nativitate,
dum ex eo patre, qui originem solus non habet, nascitur. Sic ergo, quando pater
voluit, proeessit ex patre, et qui in patre fuit, processit ex patre . . ., sub-
stantia scil. ilia divina, cuius nomen est verbum. Die Interpunktion im
vorletzten Satz habe ich verandert.
2) .a. den. letzten Satz der vorstenenden Anm. ; dazu 31 : deus ittique proce-
dens ex deo secundam personam effieiens post patrein qua filius, sed non
eripiens illud patri, quod unus est deus.
3) Ib. : si enim natus non fuisset . . . duos faceret innatos et idea duos
faceret deos. Ut merito deus pater omnium deus sit et principium ipsius
quoque filii sui, quern dominum genuit; filius autem ceterorum omnium deus sit,
quoniam omnibus ilium deus pater proposuit quern genuit.
4) Ib.: qiiamvis probet ilium nativitas filiit/m, tamen morigera obedientia
480 W' Die vornicanisclie Ghristologie.
.Sohn dem Vater alle ihm iibergebene Gewalt wieder zuriickgibt. ,,Zwar
wird als Gott der Sohn, deni offenbar die Gottheit iiberliefert und dar-
.gereicht 1st, erwiesen. Aber nichtsdestoweniger wird als der Eine Gott
.der Yater dargetan, sofern jene Majestat und Gottlieit stufenweise zu-
riickgekenden Schrittes von jenem namlicheh Sohn aufgegeben, zuruck-
.kehrt und zuriickbiegt zu dem Yater, der sie gegeben hatte" (de trin. 31).
Man sieht atis diesen Gedanken, wie stark bei Novatian die Eurcht
vor dem Yorwurf des Ditheismus ist. Er meint ihm dadurch am sichersten
zu entgehen, da6 er den Yater allein als den ungeborenen ewigen Gott
auffafit, den Logos dagegen sich als zeitweilige personliche Ausstrahlung
aus dem Yater denkt. Hierbei kann er sich ganz subordinatianisch aus-
driicken, aber auch die Substanzeinheit zwischen Yater und Sohn be-
tonen, 1 ) beides diente ja dem Zweck, die Einheit Gottes festzustellen.
Es ist wichtig zu beobachten, wie kraftig letzterer Gesichtspunkt bei
Novatian gewirkt hat. Er hat den Sabellianisnius auf das scharfste be-
kampft, aber er hat sich auch alle Muhe gegeben, den AnlaB zu dem
Haupteinwand der Sabellianer aus dem "Wege zu raumen.
Der Logos ist Mensch geworden, d. h, er hat sich die Substanz
des menschlichen Meisches wie ein Gewand umgetan. Der leitende Ge-
danke ist clabei. wie bei Tertullian oder Hippolyt, der, dafi der Logos
sich mit dem Menschen Jesus verbunden hat, den er annimmt und mit
dem er connexions et permixlione, oder auch wie der Brautigam mit der
Braut sich \ 7 ereint. Darin besteht seine Erniedrigung, dafi er die ge-
brechliche menschliche Natur annimmt. 2 ) Carnis assumptio oder induiio,
adserat ilium paternae voluntatis, . ex quo est, ministrum, ita dum se patri in
omnibus obtemperantem reddit, quamvis sit et deus, unum tamen deum patrem
.de obedientia sua ostemlit.
1) de trin. 31 : a quo solo (i. e. patre) haec vis divinitatis emissa, etiam in
filium tradita et direc ta, rursum p e r s u & s t a n t i a e comtminionem ad patrem
revolvitur. Die gesperrten Wo'rter liat Jackson in seiner AusgaTbe (Lond. 1728,
S. 248) als verdachtig eingeklammert. Es folgen die soebeii iin Text ubersetzten
Worte; in den Ztisammenhang 1 will die communio substantiae freilich nicnt reclit
hereinpassen. Trotzdem mochte ich die Worte nicht streichen, sondern blofi rur-
sum liinter sie setzen und dann verbinden: die Kraffc, die in den Somi vermo'ge
der Gemeinschaft der Substanz hineingeleitet wurde. DaC der Text YOU de trin.
nielit tendenzios korrigiert, wohl aber recht mangelhaft iiberliefert ist, zeigen die
Citate aus dieser Schrift in den psetidoorig. Traktaten Battifols.
2) z. B. 21 : Yerbum illud, quod est ante omnem creaturam . . ., adsumit
hunc hominem, qui est post omnem creaturam et sic cum illo et in illo habitat
in nobis. Sermonem dei sciimis indutum carnis substantiam, eundemque rursus
exutum eadem corporis materia, quam rursus in resurrectione suscepit et qiiasi
indumentum resumpsit. 13: de eaelo deseendit verbum hoc tanquam sytonsus
ad carnem, ut per carnis assumption em filius ho minis illuc jpossit ascender e,
Noyatians .Ohristplogie. 481
eomunctio, connexio mutua, peryniztio ,das sind ,die Wendungen,.in denen
Novatian ,die Menscbwerdung ,pder die y.erbin,dung des G.ottes- und
Menschensohnes ausdrii,ckt. Aber zu. einer scharfer .umrissenen An-
scbauung ist .es ,dabei : aucb b,ei ibm nicbt gekommen. Er r r edet yon
utr.aque substantia in iCbristus (13), er verwirft .die Ans.icht als beruhte
..die. Herrlicbkeit .Cbristi bloB in .einer PrMestination seiner Menscbbeit,
war.en .dann ,docb die alttestamentlichen Gr.ereclxten y ; pr ilim prade^tiaierst,
wahrend er doch als Gott vor der "Welt seine Herrlichkeit .inn.ehat (16),
er legt andrerseits Gewicht auf die "Wirklichkeit des Fleisches Christi,
das kein Phantasma, nicht atjaerisch .oder sideriscb. geAyesen 1st, nostri
.consors .corporis (10). i^ragt ,man aber, wori,n die yereinigung ,der gott-
lichen und der naenschlicben Substanz eigentlich bestebt, so lassen sicb.
nur ganz imbestimmte Formeln als Antwort auffinden. ,,Es ,^yird an-
- - r .': -;'-v -.'.
gezogen und ausgezogen der Menscb, gleicbsani ein aus einem'zusammen-
bangenden Korper bestebender B,pck" (quaedani contexti cprpmjs tunica, 21).
Ani ineisten wirft nocb die jErorterung uber Luk. 1, 35 ,ab : das IJeilige,
das von Maria geboren Avird, soil .nicbt, wie die Haretiker meinen,. an
sicb als carnis corporisqiie substantia Gottes Sobn sein , sondern der
eigentlicbe Gottessobn ist der Logos, der inkarniert -\vird in jener Geist-
\virkung, von der Luk. 1, 35 spricbt. Dieser .Geist oder , Gottessobn
nun ziebt den Menscbensobn an sicb und verniengt sicb init ihm, uni
ibn umzuwandeln in einen Sobn .Gottes. Aber nur in uneigentlichem
und sekundarem Sinn ist diese Verwandlung des Menscben Jesus zu
versteben. 1 ) Sie besagt nicbt rnebr, als daB die Yereinigung des Gott-
unde del filius verbum descenderat, .inerito dum per c.onnexionem m.utuam
et. caro verbum del gerit et filius dei fragilitatem carnis adsumit, cum sponsa
carne conscendens ilhtc, unde sine carne descenderat. 15: homo est enim cum
deo iimctus et deiis cum Iwmine copulatus. 21: iitrumque ergo in Ghristo
confoederatum est et utrumque coniunctum est .et utrumque connexum est . . .,
qui mediator dei et liominum effectus cxprimitur, in se deum ethominem sod-
as se reperitiir. 25: tarn, ex eo quod deus est, quam ex eo quod, homo est,
Christus intelligatur esse permixtus et esse sociatus. 22: se exmanivit,
dim homanae conditionis fragilitatem mscipere non recusavit. . ;
1) 24: non principaliter .hoc, ,,sanctum" ,,quod ex ilia nascitur", id est
istam carnis .corporisqiie substantiam filium dei esse, .sed consequenter etin secundo
loco, 2^'incipalit'er autem filium dei esse verbum dei incarnatum per ilium spiri-
tum, de quo angelus refert: ;) spiritus veniet in te" etc. Hie est enim legitimus
dei filiiis qui .ex ipso deo est, qui .dum n sanctum u istud assumit et sibi filium
:hominis annectit et ilium ad se rapit atque transducit, connexione sua et per-
mixtione .sqciata, praestat, ui filium ilium dei faciat, quod ille nOturaliter non
fuit, ut principalitas nominis istius filius dei in .spiritu sit, domini, qui descendit
et venit, ut .sequela nominis istius in filio [dei et] hominis sit. et merito conse-
quenter hie filius dei factus .sit, dum non principaliter filius dei est. Die einge-
SeeToerg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 31
482 !? Die vornicanische Christologie.
lichen und Menschlichen, in der das Heil der Menschen besteht, schon
in Christus stattgefunden hat, und daft durch diese Gemeinschaft ge-
wissermafien der Menschensohn ein Gottessohn wird. 1 ). Dieser Art der
Yereinigung entspricht es auch, dafi nur die Fleischsubstanz Christi dem
Tode unterliegt. 'wie ahnlich ja auch bei den Menschen' nur das Meisch,
nicht aber auch die Seele dem Todesverderben verfallt. 2 ) Bei der Auf~
erstehung nimmt iibrigens der Logos die menschliche Natur wieder an
(21 s. oben S. 480 A.). 3 )
klammerten Wovte sind fraglos unecht. Ubrigens ist der spiritus del Lk. 1, 35
hier auch dem Logos gleichgesetzt. Neben letzterer Vorstellung lafit Novatian
auch in der Taufe Christus mit Geist ausgeriistet werden, c. 29: super eum
venit et mansit habitans in solo Christo plenus et totus . . ., ut ex illo delibationem-
quandam gratiarum ceteri consequi possint, totius sancti spiritus in Christo fonte
remanente. In den jedenfalls mit Novatian im Zusammenhang stehenden
pseudoorig. Traktaten ist ausdriicklich die Prage aufgeworfen, warum der Geist
iiher die Jungfrau, und dann wieder bei der Taufe uber Jesus gekommen sei
(tr. 20 p. 209 f. ed. Battifol). Darauf wird zunachst geantwortet: filius dei
ideo primum venit ad virginem, ut hominem sibi exinde in virginis utero plas-
maret, der Gottessohu wird also naiv dem Geist gleichgesetzt. Weiter heifit esi
necesse fuit, ut prius ad ilium hominem, quern dei sermo induerat, spiritus
scmctus adveniret et sic per ipsum quasi de fonte virtutum ad nos quoque
distributa eiusdem spiritus sancti gratia redundaret etc. Man empfand das
Problem nicht mehr, weil der Taufgeist und der Geburtsgeist hj'postatisch unter-
schieden waren. .
1) 23: si ad hominem veniebat, ut mediator dei et hominum esse deberet r
oportuit ilium cum eo esse et verbum carnem fieri, ut in semetipso concordiam
confibularet terrenorum pariter atque coelestium, dum iitriusque partis in se
connectens pignora et deum homini et hominem deo copularet, ut merito filius
dei per assumptionetn carnis filius hominis et filius hominis per receptionem dei
verbi filius dei effici possit. Hoc altissimum atque reconditum sacramentum
ad salutem generis Immani ante secula destinatum, in domino lesu Christo, deo
et homine invenilur impleri, quo conditio generis humani ad fructum aeternae
salutis posset adduci.
2) 25 : non illud in Christo mortuum esse quod dens est, sed illud in illo
mortuum esse quod homo est. Quid enim si divinitas in Christo non moritur,
sed carnis solius substantia extinguitur?
3) Die vielfach Noyatian beigelegten ,,Tractatus Origenis" (ed Battifol
Paris 1900) hat H. Jordan hinsichtlich ihrer Lehre sorgfaltig untersucht und
dabei zum Vergleich die ganze Theologie Novatians herangezogen (Die Theologie
der neuentcleckten Predigten Novatians 1902). Ich halte fur sicher, daC diese
Predigten eine lateinische Originalarbeit, und um die Wende des 3. uud 4. Jahrh.
entstanden sind ; gegen die Abf assung durch Novatian liegen aber erhebliche Be-
denken vor, bes. die Weise wie die^Schrift de trin. ausgeschrieben wird, kommt
in Betracht. Die christologischen Formeln (hominem indiiere 13 .p. 149; 19 p. 201;
14 p. 154; carnem hominis induere 6 p. 73; 17 p. 187; substantia corpus hominis
induere 17 p. 185. 189; carnem sicut vestimentum adsumpsit 19 p. 203 etc.)
Novatians Lehre vom heil. Geist. 483
Wir fiigen sofort hinzu, daft Novatian durch den AnschlulJ an die
"Wahrheitsregel auch im 29. Kap. seines Buches eingehend von dem
heil. Geist gehandelt hat. Christus hat das Kommen des Geistes als
desparadetus oder spiritus veritatis verheifien. Aber der Geist war schon in
den Propheten wirksam, je nach dem Bedarf der Menschen wirkt er zu
verschiedenen Zeiten in verschiedener "Weise, unus atque ipse est dimdens
officia sua per tempora et rerum occasioned atque momenta. Naeh Christi
Auferstehung ist er in seiner Ganzheit und zu dauernder Wirksarnkeit
offenbar geworden, sollten doch die Jiinger durch Christi Eortgang nicht
"Waisen werden. Dieser Geist hat in den Aposteln gewirkt und rtistet
die Gemeinden mit Charisnien aus, er ist nach seiner Taufe in Christus
eingegangen (s. oben), er wirkt bei unserer Taufe, er vertritt uns bei
Gott, er macht uns heilig und bereitet uns vor zur TJnsterblichkeit, er
halt die Begierden in Zauni, er erlautert die "Wahrheitsregel xind iiber-
windet die Haretiker. Nieniand, der diesen Geist hat, widerstrebt der
Schrift oder fithrt neue gottlose Satzungen ein. Der Geist zeigt sich. in
der Bestandigkeit der Martyrer, in der Enthaltsanikeit der Jungfrauen,
in der Heinheit der Lehre. 1 ) Das sind Svertvolle Gedanken, denn sie
stimmen mit NoTatian. Die Formel unigenitus ab ingenito (3 p. 33; 20 p. 211)
ebenso deus de deo et. lumen ex lumine (6 p. 67), dieHarnack (Chronol. II, 409)
als nachnicanisch anspricht und Jordan als interpoliert aufgibt (S. 52 ff.), halte
ich fur unbetlenklich, s. iiber letztere S. 478 A. 1, hmsicktlich der ersteren yer-
weise ich auf die S. 415 A. 2 mitgeteilte Stelle und Noyat. cle trin. 31, wo ja
auch dem nngeborenen Vater der allein geborene Sohn gegeniibertritt. Aber
freilich hat Novatian selbst die-Foimel kaurn gebraucht. Das zeigt die Wieder-
gabe von de trin. 29 : nemo negavit Christum del filium, im tr. 20 p. 211 : nemo
negat Christum verum deum et verum dei filium unigenitum de ingenito natiim:
die gauze Umgebung clieser Worte im Traktat ist aus de trin. abgeschrieben.
Aiich die Erwahnung der trinitas (7 p. 80; 12 p. 138; 14 p. 157) oder die Be-
zeichnung Christri als deus noster (20 p. 212) oder die Formeln: in quibus non
natura dividitur, sed personae disiinctae monstrant-itr (6 p.. 67), naturae individua
unitas (ib. p. 68) ftihren nicht in die nachiaicanische Zeit.
1) Da grofie Stiicke dieses Kap. in den 20. pseudoorig. Traktat tibergegangeu
sind, so lafit sich der Text von de trin. hie und da verbessern nach clem Traktat
und umgekehrt. Einige Hauptstellen: qui nos dei faciat templum et nos ei-us
efficiat domum, qui interpetlat dimnas mires pro nobis gemitibus ineloquadbiis . . .
inhabitator corporibus nostris datus et sanctitatis effector . . . Erudiuntur enim
in illo et per ipsuin corpora nostra ad immortalitatem proficere, diim ad decreta
ipsiiis discunt se moderanter temperare . . . Hie est qui inexplebiles cupiditates
coercet, immoderatas libidines frangit . . ., regulam veritatis expedit, haereticos
revinc.it, improbos foras expuit (expellit?) evangelia (evangelica?) custodit . . .
In hoc spiritu positus ... nemo negavit Christum dei filium aut repudiavit
creatorem deum, nemo contra scriptiiras ulla sua verba depromit, nemo alia et
sacrilega decreta constituit, nemo diversa iura conscribit . . . Hie . . . in mar-
31*
484 17. Die Yornicanische Christologie.
zeigen uns, Arelcher Stoff fill- das Lehrstiick vom heil. Geist traditionell
geAvorden Avar. Auf die Personlichkeit des Geistes fallt kein Akzent,
der Geist wird als die in der Gemeinde wirksame gottliche Macht vor' 1 -
gestellt, die den einzelnen die Wahrheit bringt, sie gut macht, heiligt
und fiir die ewige Seligkeit vorbereitet. Es sind die Gaben Christi, die
der Geist dem gegliederten Gemeindeleben einflofit und dies dadurch
leitet und heiligt.
Die Darstellung Novatians hat fraglos stark auf die Entwicklung
der Lehre im Abendland eingewirkt. Folgende Punkte an ihr sind
cliarakteristisch : 1) die form ell durchgefuhrte Kombination des Geistes
mit den beiden anderen H^ostasen, ,,Probleme" stellt freilich nur die
Ohristologie clem Novatian ; 2) der starke negative, aber auch positive,
Einflufi der beiden Eornien des Monarcnianismus. Diese beiden Gegen-
satze, zAvisclien denen sich Novat. Darstellung bewegt, haben ihre an-
ziehende me abstofiende Kraft gegenseitig beschrankt, so ist er zu einer
gewissen ,,Mitte" der Anschauungsweise gelangt. Eine modalistische
Neigung findet ihre Schranke an der Eurcht die gottliche Personalitat
Christi zu veiiieren, und dieselbe Schranke steht auch der Tendenz
Christus als den geistgesalbten Menschen zu fassen entgegen. Andrer-
seits begrenzt.- der starke Trieb zur Eihheit Gottes die gottliche Sonder-
existenz Christi. 3 ) Hippolyts lebhaftes Interesse an der personlichen
Gottheit des Logos ist der eine mafigebende Paktor in der Christologie
Novatians. Dazu komnit die nionotheistische Tendenz, die er von Ter-
tullian und Irenaus iiberkommen hat, sowie die Anregung durch die
Eormeln Tertullians. 4 ) So stellt Nov. Lehre einen gewissen Abschlufi
.der christologischen Entwicklung dar. Sie zeigt, wie die Abendlander
: gewohnt Avaren, ein formales Schema rnit Hilfe einer grofien Anzahl
von paraten Bibelstellen an den Formeln des Taufbekenntnisses durch-
:zufiihren und es an den jeAveiligen Gegensatzen zu orientieren und da-
idurcli konkret und lebendig zu gestalten. Da6 Gott einer ist, und
(dafi Christus Mensch und auch personlich Gott ist das Avaren die
beiden Hauptgesiehtspunkte in diesem Schema.
3. Die gelegentlichen ErAvahnungen der Person und des Werkes Christi
bei den iibrigen Lateinern bis 325 beAveisen kein dogmatisches Interesse
an der Lehre und bringen keinerlei Portbildungen derselben hervor.
Peststeht, dafi Christus Gott ist (Arnobius adv. nationes I, 53. 39.
tyribus constantem fidem religionis ostendit, in virginibus admirabilem continen-
iiam signatae castitatis (carnis ?) includit, in ceteris incomtpta et inconiaminata
doctrinae dominicae iura custodit, Haereticos destruit, perversos corrigit, infideles
arguit . . ., ecclesiam incorruptam et inviolatam perpeiuae, virginitatis et veritatis
sanctiiale custodit. ...
Die Christologie des Laetanz. 485
42. II, 11. 60: Christus, licet vobis invitis deiis, deus inquain Christus
. hoc enim saepe dicendum est, ui infidelium dissiliat et dirwwpatw
auditus, Cyprian de pat. 6. ep. 63, 14: domimis et deus noster, ep. 51, 1:
deus noster sahitaris), wenngleich dies in sehr subordinatianischer "Weise
gelehrt wird, z. B. von Lactantius, nacn welchem Gott eine Menge
von Geistern hervorbrachte, von denen einer als sein Sohn in die Ge-
nieinschaft seiner Herrschaft aufgenommen wurde. Das ist der Logos
oder virtus, mamis, ratio, sermo des Vaters, durch den er die "Welt er-
schuf. 1 ) Der Sohn ist eins mit dem Vater, wie der Strahl mit der Sonne,
die Hand mit dem Korper, beide haben eine mens, voluntas und substantia
und sind daher unus deus. Neben dem Sohn steht nicht etwa der heil.
Geist, sondern aus den Engeln ragt ein anderer machtiger Geist empor,
der aus Neid gegen den Logos abfiel ; es ist der Teuf el, dem eine An-
zahl anderer Geister im Eall folgte. Yon clem heil. Geist als besonderer
Hypostase redet Laetanz nicht, vielmehr ist der Geist, der einst in
David von seinen kiinftigen Leiden redete, der spiritus dei, qui fuerat
ilia passurus post annos inille et quinquaginta (inst. II, 8, 4). Der
Logos ist also ein Geschopf Gottes >vie die Engel, Gott ist der weator
Christi (Cypr. ep. 73, 18), und Christus ist zugleich der heil. Geist.
Dieser Geist Christi ist es dann auch, der welter in den Jiingera wirkte
(Lact. epit. 42). Hier liegt also freilich ein naiver j^initarismus"
vor. 2 ). Dieser Logosgeist nun ist vom Vater auf die Erde herabgesandt,
er schuf sich in Maria seinen Leib. Gott war Vater seines Geistes ohne
Mutter, und Maria war Mutter seines Leibes ohne Vater (inst. IV, 25, 4).
Die Menschwerdung ist also die Annahme des menschlichen Meisches.
Derselben bedurfte es aber, um Mittler.zu sein zwischen Gott xmd Mensch
(Cypr. quod idola etc. 11), um als Lehrer iinter den Menschen durch Wort
und Beispiel wirksarn zu werden. 3 ) Vermoge der doppelten Herkunft, deni
1) (Unique ex omnibus angelis, quos idem deus de suis spiritibus figuravit,
sohis in consortium summae potestatis adscitus cst, sohis deus nuncupatus
(epitome 36, 3. Instit. IV, 6, 2 ; 8, 7 ; 14, 20 : propterea quia tarn fidelis exiitit . . .
ut mandata miitentis impleret . . , et dei nomen accepit, vgl. Cyprian, quod 'idola
etc. 11. Gum igitur et pater filium faciat et filius patrem, tma iitrique mens,
unus spiritus, una substantia est (Lact. inst. IV, 29, 4). Pater ac 'films, umim
sunt . . ., non potest utique necessitudo tanta divelli. ut duo esse. dicantur, in
quibus et substantia et voluntas et fides una est (Epit. 44, 4; der sanctus spiritus
wircl erwahnt inst. IV, 11, 1; 12, 1, aber Hieronymus weifi, dafi Laetanz in
den verlorenen Briefen an Demetrian spiritus sancti omnino negat siibstantiam
(ep. 84, 7). ..-
2) s. Macholz, Spuren etc. S. 25 ff. 30.
3) Arnob. I, 62. Lactant. epit. 38, 8 : iussit igitur eum summits pater des-
cendere in terrain et humanum corpus induere , irf subiectus passionibus
486 17 - Vie vornicanische Christologie.
Geist nach aus Gott. dem Fleisch nach aus der Jung-frail Maria, ist .er
d&i et hominis filius (Lact. epit. 38, 2. instit. IV, 13, 6 : ei deum fuisse
el hominem ex utroque, gen ere permixtnm). In diesen Ge-
danken besteht eigentlicli diese Christologie. Es ist eine "Wiederholung
des Glaubens des Taufbekenntnisses, den man sich, ohne viel Muhe,
einigermaBen zurecht zu legen versuchte. Dafi die Gedanken Tertullians
den Lateinern nicht verlbren gegangen sind, zeigt aber Novatian.
4. "Was Tertullian fur die Christologie des Abendlandes war, das
war Origenes fur das Morgenland. Seine Christologie bildet die Grund-
lage ftir die Anschauungen der griechischen Lehrer. Aber diese Christo-
logie war einmal vieldeiitig Honiousie und Subordinatianismus standen
nebeneinander , sie hing sodann an einem Hauptpunkt - die Seele
Christi niit clem Praexistentianismus zusammen, den man spater ver-
worfen hat. Als ganze hat daher niemand diese Lehre reproduziert,
aber ihre Elemente wirkten fort, vor allem der Gedanke, daB der Logos
gottliche Person nnd der Usie*nach eins rn.it dem Yater ist. So hat
Theognostus im 2. Buch seiner Hypotyposen gelehrt, dafi der Sohn
ans der TJsie des Vaters hervorgegangen sei nnd sich zu dem Yater
verhalte wie der Glanz zur Sonne. der Danipf zum Wasser (ex -r^g fou
Ttatgbs ovoiag ecpv). Somit sei der Sohn weder identisch mit^dem
Vater, noch auch ein alkoTQiov im Verhaltnis zu ihm, al'La artOQQOia
Tfjg rou ncizQOQ ovaiag, ov f.iSQiG/.ibv VTfOfLsivccarjg ifj^ TOU Jtaxob^ ovaiag, 1 )
er ist %cov Vf\v 6f.toiOTr]TCi mo naiQog xcmx trjv ovaiav . . . ft^Qr]. 2 )
Grregorius Thau in aturgus 3 ) : tig xvgiog, f.iovog ex (.wvov, -O-ebg
I/ -9-tou, xaQaMriQ v.al BLY.WV irjg -fteoTrpog, koyog svtQyog . . . ome
ovv miaiov ti oms 1} dov'Aov Iv r-fj Tgiddi oms STttiGamov, tog Ttgo-
TSQOV t uh ov% V3T,(XQ%ov, vGTeQov de enf.i.oeLd'OV (Grlaubensbek. bei Cas-
pari, Alte und neue Quellen etc. S. 10). Andrerseits hat er den Logos
auch als "/.TiO(.ict und jtoirj/.i(X bezeichnet ; freilicli heifit es aber auch, dafi
er .den Yater und Sohn nur fTtivom dvo, VJIOGTCCGBI ds sv angesehen habe.
Zu beidem hot die origenistische Lehre x^nkniipfungspunkte, die Einheit
der Substanz (das ist vrtoomoig) reicht schliefilich liber das o(.ioouGiog des
Origenes nicht hinaus (Basil, ep. 210. 5). Wie ernst Grregor es mit
der Gottheit Christi nahrn, zeigen die Erorterungen ..iiber die Leidens-
carnis .virtutcm ac fmtientiam non solum verbis sed etiam factis doceret. in'st. IV,
12, 15. - '
1) s. das Oitat bei Athanas. de decretis 25. Uber die Zeit des Theognost
s. Harnaek, Chrouolog. II, 66 ff. tJber den etwas spateren Pierius s. Photras
Cod. 119.
2) s. P. Diekamp, in TheoL Quartalschr. 1902, 481 f.
3) tiber ihn s. Bonwetsch, PEE. VIP, 156 ff.
Theognost, Gregor Thaumaturg. Dionys v. Alex. 487
fahigkeit Gottes" (s. Ryssel, Greg. Thaum. S. 73 &.'.) mit dem Resultat,
dafi die ,,Gottheit" zwar gelitten hat, aber ohne das Leiden zu empfinden
,,auf unsterbliche und leidensunfahige Weise" (c. 13 ff. 8fL).
5. Lehrreich fur die christologischen Anschauungen der Zeit sind
die Auseinandersetzungen zwischen Dionysius von Alexandrien
und Dio nysius von R,om (c. 260). 1 ) Die Lehre des Sabellius
liatte in der libyschen Pentapolis viel Anhanger, auch uuter den Bischofen,
gefunden (Ath. sent. Dion. 5). Das ist nicht unverstandlich, da auch
ein so treuer Origenist wie Gregor. Thauma'turg. auf eine Formel geraten
war (vTtOGfdaSi sv), die die Sabellianer fur sich in Anspruch nehmen
konnten. Freilich lag diese Konsequenz durchaus nicht inr Sinn des
Origenes. Aber \ver von ihm gelernt hatte, dafi die Usie des Vaters
und Sohnes identiseh sei, dem konnte es beikommen, diese Identitat auch
personlich zu fassen, war doch die Unterscheidung von Substanz und
Person nock keineswegs klare Erkenntnis oder Gemeingut. Dionysius
sah sich nun veranlafit wider den Sabellianismus litterarisch aufzutreten.
Er ist dabei von Gedanken seines Meisters Origenes ausgegangen, und
.zwar betonte er, um des Gegensatzes willen, die subordinatianischen Ge-
danken desselben. Er hat demgeniafi den personlichen Unterschied
.zwischen dem Yater und Sohn in den Vordergrund geriickt, ahnlich
scheint auch von anderen Lehrern zu Alexandrieu damals gelehrt worden
zu sein (Ath. de deer. syn. Nic. 26). Der Sohn ist ein Geschopf des
Yaters, das eine audere ovoia als der Yater hat, wie etwa der Wein-
^stock vom Landmann, das Schiff vom Zhnmerinann, oder die Kinder
von den Eltern sich unterscheiden. 2 ) Es waren orthodoxe alexandri-
nische Christen, welche diese Lehre fiir bedenklich hielten und ihren
Bischof bei Dionysius von Rom verldagten (sent. Dion. 13). Somit
tritt eine dritte Anschauung auf den Plan. Den Sabellianern standen
Subordinatianer gegeniiber, ihrer Anschauung hatte Dionysius nur eine
polemisch zugespitzte Formulierung gegeben. Beide Gruppen werden
sich an origenistischen Gedanken genahrt haben. Aber dieselben Gedanken
legten Zeugnis wider sie ab. Das inachte diese dritte Gruppe geltend^
1) Vgi. Athanasius, de sententia Diouysii und de decretis synodi Nicaen.
'Zb. 26. de synodis 44 (Fragmente aiis Dionys. v. Alex. Ep. ad Euphranorem et
Ammonium sowie aus dem Elenchus et apol. in 4 Bb. und dem Sehreiben des
Dionys. v. Rom) und vgl. Dittrich, Dionys. d. Gr. 1867, S. 91ff., Hagemann,.
Die ran. Kirche 1864, S. 411 fl."
2) Ttoitjfia xai yevrjrbv eivcu tbv vlbv tov -9'sov, f.fijre Ss cpvaei 'iSiov dkia.
ievov Kofi oiiaiav ai>rbv slvai rov Ttar^os, &ane^ eorlv 6 yemgybs nobs Tt\v a,(Ktel,ov
xal 6 vavTiyyos npbs TO avArpos, xai ya.(> &s rtoiyfia a>v ovv. i}v Ttfnv ysvrjrat, de
sent. Dion. 4. 12. 13. 17. 18. 21.
488 !? Die vormcanigche Christologie.
sie zeigt, dafl die origenistiscbe Tbeologie auch bei deri gebildeteri Ge-
meindegliedern Eirigang gef linden ha'tte. Ihre Anklage ist ein Protest
der origenistischen Honiousie wider den origenistischen Slibdrdinatianisinus..
Dabei scheint bier zum erstenmal das ofioovoiog sis Ausdruck der Ortho-
doxie' geltend gemacht auch von dem Papst zu sein, denn Dionys
halt er spater ftir notig sich gegen die Leugnung des o{.iOOV0iog zu.
verteidigen. Diese Anklager warfen nun dem alex. Bischof yo'r, er
le'hre: avxbg Ss 6 vibs ovx fy itolv ysvsd-fi, ahK fjv TTOTS ore QVY. fjV,.
ov jag aid 16$ SGTLV (sent. Dion. 14), und welter: riaiSQti heycov zliovv-
a.iog ov'/. ovof.idtet fov viov, xal n&kiv vlov keyiov om ovo;.id^L vov
aAAa diaigel %al (.iccxyvvei, xal (.leqitei %bv vlov aito TOV ita-
(ib. 16), und: a/g sva heyovrcc iwv yePrjT&v (.ivai TOV vlov xal [.irj
df.ioovaiov T(JJ TtcagL (ib. 18. de deer. 25). Diese Vorwtirfe sind ohne
Zweifel berechtigt gewe'sen. 1 )
Interessant ist es im Verhaltnis hierzu die Lehrvveise des romiscben.
Dionys zu betracbten. Der roiniscbe Biscbof bait sicb mit seinen posi-
tiven Gredanken ganz auf dem Boden Novatians und Tertullians, aber
er verstebt es mit Gescbick von diesein Boden aus die obsebwebende-
Erage zu beleucbten. Entsprecbend der neuen romiscben Theologie
findet er den ganzen Grlauben in dem Taufbekenntnis zusammengefafit
und riickt daber die garize Kontroverse auf den Boden der Trinitat..
Dabei bat er wieder echt romiscb eine starke Abneigung gegen.
den Tritbeismus, den er dadurcb recbt kraftig zuriickweist, dafi er ibn
als marcionitiscb zu entlarven versucbt. Dionys verwirft also jene Lebre
einiger alexandriniscber Lebre'r, welcbe die (.tovccgy^ia zerstort und fur
sie TQSIS dvvd/.ieLS, ja scblieMcb TQelg -3-eovg einfubrt, er wendet sicb
wider die Bezeicbnung des Sobnes als eines 7toir][.ia, sowie gegen die
Annabme eines zeitlicben Anfanges desselben. Vielmebr imisse man,
nacb der Scbrift Sobn und Geist eng mit dem Vater verbinden : ijdrj
"tal TYJV -S-siav TQidda elg eva, wGrteQ sig /.oQvcpijv rtva, vbv O'sbv i&v
ofaov rbv rtavTOKQdTQQo. ksyw, Guyxecpahatouffycd TS -/.al
naaa dvdy/.r].. Somit. diirfte die 3eta j.iovdg nicbt elg TQSLQ
zerspalten werden, sondern man miisse glauben : etg S-sbv naieQO. itavio-
/.QaTOQCc -/.al eig Xoiavbv tyaovv rbv vlov avzov /.al sig TO ayiov
nvBv(.ict, fjvwa&ai ds i $tfy vtiv ofaov TOV loyov. Ovrto yag av nal
f] &da TQiag xai TO ciyiov %tJQvyf.ia rfjg (.ibvct()%ictg diao~(i)oiro (de
deer; 26). Tiber die Art der Eiiibeit zwiscben Yater und Sobn gibt
1) DaB der alex. Bischof nicht etwa an die xara adfjy.a. olxovo/iia.
wie Athanas. zu seiner Eritschuldiguhg behauptet (z. B. de deer; 25 ; sent..
Dion. 21), daclite, ist aus der Situation olme weiteres deutlich. Vgl. auch BasiL
ep. 9,2.
Der Streit der beiden Dionyse. 489
das Scb'reiben, soweit wir es kennert, Andeutungen, die der iiblicben
Logoslebre entsprechen. c Hvfoo&ai yaq &vdyxr) iGj defy fOJV ohcov TOV
9-slov koyov, 6Li(pilo%a)Qelv ds T$ &$ v.al svdiaivao&at del ib ayiov
rtvefyicc. Das 1st der alte Gedanke, dafi Gott obne seinen Logos und
seinen Geist nie habe sein konnen, da diese Krafte sind, die zu seinem
Wesen geboren. Als lo'j/oc, oocpia und dvvaf.ii mufi der Sobn nacb
Job. 14, 11 immer in dem Vater gewesen sein. Das fjV ore OVY. rjv
darf daber riicbt von ibm gesagt werden, sondern asl fjV. DemgemaB
darf aucb von einem rtoieiv und einer Tidaatg in bezug auf ibn nicbt
gesprocben werden, sondern von einem -/.ti^siv und einer f /6VV)jOig. Vor
alien Dingen ist er von dem Yater erzeugt nacb Prov. 8, 25, es ist
erne 3-sia. "/.at aQq^WQ ysvvYjOis, keine Tto/^fffg. Das sind gewifi keine
orJginellen tbeologiscben Gedanken man merkt ibnen zu sebr das
Streben nacb dem juste milieu an und das Benaiiben zu ,,retten" - , aber
es ware docb zu viel, wenn man die Aufstellungen des Papstes als nicbts-
sagend bezeicbnen wollte. Er bat die Monas und die Trias festgebalten,
indem er den Sobn und den Geist als aus dem Vater bervorgebende
Krafte deutete, und er bat sicb durcb die j/m'jjo/g des Sobnes der per-
sonlicben Existenz desselben versicbert gebalten; bierdurcb ist er den
Konsequenzen des dynamistiscben Monarcbianismus, den er nahe streift,
entgangen, freilicb obne selbst die Gefabr zu empfinden. Seine Aus-
fubrungen zeigen, dafi er gewobnt war, das Taufbekenntnis in der Weise
Novatians auszulegen und dafi er demgegentiber neue Problenie nicbt
empfand. Er batte nicbt das Bedllrfnis zu diskutieren , sondern er
wollte ricbten. Sacblicb fublte er sicb dabei den Anklagern seines
alexandriniscben Kdllegen verwandt, 1 ) er trat mit innerem Reebt fiir sie
ein. -- - Es ist merkwiirdig, wie scbnell Dionys v. Alex, den Weg zu der
Lebre des Origenes zitriickfand. Die Anscbuldigungen seiner Gegner
sind ibm wirklicb wie ein ungebeures Mifiverstandnis erscbienen. Eine
gewisse Einseitigkeit seiner friiberen Ausfiibrung leugnet er ebensowenig
ab als das TJngescbick seiner Bilder, aucb an Versucben sicb durcb Um-
deutungen zu belfen feblt es nicbt. Aber irn iibrigen konimt er seinen
Gegnern in allem entgegeix und wendet mit YorHebe die Termini des
romiscben Biscbofs an: Ov y&g rjv ore 6 -frsbs 6v% i]v ncar^. ^Asl
IQV XqiGfov elvat hoyov ovra -/.al aocpiav y.a.1 dvva/.uv. ^-l/iavyaof-ia
ds lov (pcowg ttidiov ndvccog xal . avwg ai'diog sar.iv. C vib<; asl
GVVOJV ftp rtctTQi (sent. Dion. 15). Es sei Luge, dafi er das of-toovaiog
1) Auch auf das dfiootaios scheint er, nach .sent. Diou. 18. cle decret. 25,
Gewicht gelegt zu haben; die Formel wircl jetzt aiich im Abeiidlande einen
giiten Klang erhalten haben, das ist fiir ihre weitere Geschichte bedexituugsvoll
geworden.
490 17 - Die vornicanische Christologie.
leugne, \viewolil freilich der Ausdruck nicht biblisch sei (ib. 18. 26 ;
de deer. 25). J ) c g j'c^ ov ftoh]j.i(x cpQOVfi) TOV hoyov, Y.al ov
&UM TtaiCQa TOV d-sbv avrov /Uyco (21). E'lg f vi]v tQidda
(.wrdda 7r).ccrvvof.isv ddtaiQEtov xca ity iqidda itakiv fyisicozov sig T.TJV
/.tovdda avyKScpa'/Miov/.iS'd-a (ib. 17).
Fast lehrreicher als der Streit selbst ist die Leichtigkeit. mit welcher
sich die Parteien verstandigen : der romische Biscbof wird eins mit dea
alex. Klagern. und der Biscbof von Alex, findet alsbald den Riickweg
zum Standpunkt seiner G-egner. Eine gewisse Einheitlichkeit der G-e-
danken iiber Christi Person in ihrem Yerhaltnis zum Yater fangt an
sich herauszubilden. Der Sbreit ninimt sich aus wie eine Weissagung
auf die Zukunft: der origenistische Subordinatianismus ruft den Wider-
spruch des origenistischen Homousianismus hervor. beide konnen sich
nicht miteinander verstaudigen. da greift Bom ein. mit seiner formalen
Interpretation des Sj r nibols entscheidet es im Sinn der Homousianer, es
stellt nur TJmrisse fest. aber eben darum spricht es das letzte Wort.
Petrus von Alexandria (-j- 311) hat sich nach den wenigen Fragmenten
aus seineni Buch megi -d-somnoQ gut orthodox, iiber ohne krai'tigere Spuren
von Origenismus ausges^'rochen. Der Logos ist Meisch ge\vorden &>
[rfjTQCi ii\g TtctQ&tvov. Die dvm^tg Gottes kam an Stelle der mannlicheu
Kraft iiber Maria om> xCit Ijtei^v^oii &yi(i> rtvevf.io.Ti. Der deutlicher
gewordene trinitarische Gedanke verlangte diese Unterscheidung, bei der
Kraft" denkt Petrus nicht wie die friiheren an den Logos selbst,
sonderi; an die Kraft des Yaters. Ohristus kam ^eoTTjg v.al cn'O-QWTtotrjc;
zu. 2 ) er war -9-ebg evar-9-Qco7ti]aag, und -3'f.bg ?})' (pvoet '/.al yeyovsv av-
d-QOijfog (pvoei (B,outh III, 345. 346). Das scheint die Mensch-
AV er dungs theorie in unreflektierter Form zu sein.
6. Schlielilich ist noch ein Bliek auf die Christologie des Metho-
dius v. Olympus (]- 311) zu werfen. 8 ) Methodius ist ein Reprasen-
1) Ich sehe nicat, da-B Loofs (DGr. S. 222) reclit liat. weim er meint,
Dioiiys babe den Terminus Sfioovaios nicht akzeptiert. Sein Bestreben ist darauf
gerichtet zu erweisen, daC er sclion friiher mit den Bildern von Keim und Pflanzej
Yater und Kind das 6/iioyvss und Sfioyeves habe ausdriickeu wollen, also gegen
das ofiootaws niclits haben konnen, soniit erkennt er es in dem durch jene Aus-
driicke gegebeuen Sinn an, das war aber auch die Meinung des Origenes.
2) s. das Frg. bei Holl, Fragm. vornic. Kirchenv. (Texte mid TJnters. N. F.
V, 2) S. 208, Vgl. ep. ad Dioguet. 1, 4: a>s 9'ebv faefiysv, As iiv&QcoTtov
3) Opp. ed. Jahn 1865. N. Bonwetsch, Methodius v. 01. I (Schriften)
1891. Abgeselien voni Conviv. dec. virg.. das bei Bouw. fehlt, beziehen sich die
Citate anf letztere Ansg. N. Bonwetsch, Die Theologie des Meth. (Abh. der
Gcittinger Gesellsch. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. N. F. VII, 1) 1903. Allgemeines
iiber die Bedeutung des M. s. nnten.
Petrus v. Alex. u, Methodius. 491
taut der sich herausbildenden vomicanischen Orthodoxie. Yon Origenes
angeregt, geht er doch init BewuBtsein alien bedenklichen Elementen bei
ihm aus dem. "Wege. Die Ablehnung der Haresien des Sabellius und
Artemas, der Doketen und Ebjoniten steckt den Spielraum seiner Ge-
danken ab. Er glaubt an die Trias, demgemafi auch an die voile Gott-
heit Christi, aber in subordinatianischer Eassung. Christus ist der Sohn
Gottes, dwell den alles geivorden ist (Voni Igel 7, 3), indem er die aus-
fuhrende Hand des Yaters ist (de creatis 9), der neben dem Yater und
deni Geist, welcher die Erkenntnis des Yaters . und Sohnes in sich fafit,
den die Christen ergreifen, steht (conviv. YIII, 11. 9. 10; Y, 2; III, 8
cf. de resurr. Ill, 23, 8. 12. v. Aussatz 11, 4. ITnterscheidung der
Speise etc. 12, 3f.). Er ist das vorxeitliche Wort (v. Aussatz 11, 4.
de res. II, 24, 5 vgl. conv. YH, 4; YIII, 9: TtQOOvrcc ijdrj TCQO i&v
ai('oviov), rtQ&TOv fi~Lamr\[ia (conviv. Ill, 4), der ewgeborene Sohn (de
res. Ill, 23, 6), der aber aQ%i] /.tsra ii]v tdlav avagyjov dgyjjv ist (de
creatis 11), der erste der Erzengel (ibv iiQEafimcnov twv aiwvcov '/.al
TtqUfiov iG.)V aQ^ayysXwv cony. Ill, 4 cf. v. Igel 1 , 3), der Hirte und
Fiihrer der Engel (conv. Ill, 6), der ini alten Bunde zu den Proplieten
geredet bat (ib. YII, 6), grofier denn alles nach deni Yater (conviv.
YII, 1). An ilin werden Gebete gericbtet (de resurr. III. 23, 11.
conviv. 11, 2). Yon Anbeginn an ist dieser Logos \virksani und zwar als
der, welcher die von Gott ins Sein gerufene Welt ordnet und lenkt, er
ist gleicbsam. die starke Hand, diircli die Gott die Welt regiert. 1 )
Nacb dem "Willen des Yaters nabni der Logos, der Leidenslose den viel
leidenden Leib (vgl. die Armen ahmte er nach, v. Leben u.. d. vern.
Hancll, 6, 2) wahrkaftifl an, und ist wabrhaftig gestorben (de resurr.
II, 18, 8; III. 23, 4): Touio yaq .dvai, xov XQIOIUV av&Qionov a'/.Qmtp
frsoTrpi /at veheia fCS7t"^riQco/.ivov v.o.1 &ebv h dv-d-Qwnq) /.e%cuQi]/.iVov
(conviv. Ill, 4). Ein Menscb war also Jesus, in deni Gott wobnte.
Diese allgenieine Eormel gewahrt kein genaueres Yerstandnis. Die Art,
wie Methodius Adam und Jesus zueinander in Beziehung setzt, sowie
die Erlosungslehre (s. unten) Aveist aut Abhangigkeit von Irenaus bin.
Methodius nieint, der Logos babe den Menschen angenommen, dieser
1) de creatis 9 : dtio Ss Svvdfisis . . ecpaiiiev sivai TioiqTixds, Tf/v ef oiix bwtcov
yvfivca Tea ftov'hrjf.iari %ct>(>ls fiehfajofiov &fia TCO -del.rjaai ainovgyovaav 8 {Sovl.etKi
iv, rvy%dvei 3e 6 TtmriQ' d'atsijav. Ss v.a'tay.oaf.iovaav y.al 7iocxiD.ovaav vara
T?7s nQorettas to. rjd-q yeyovora. "Eovi de 6 vtos TtavcoSvvafios '/.al y.(>a.Ta.ia.
TOV TtaTjjos, BV -ij /Lieta TO Tiotfjaai Tt]V v'ki]v c| ova oviiov y.aray.oafiet. Bichtig
Bonwet'Sch, Die Theol. d. Meth. S. 57: ,,Hierdurch wird also das Seiu.der
Welt auf den Vater, ihr Sosein auf deii Sohn zuruckgefiihrt". Die gottl. Weis-
heit als schaffende Hand auch Ps.-clem. Horn. 16, 12.
492 I?- Die vornicanische Cmistologie.
Mensch sei aber Adam, sodafi durch. diesen wie der Tod so das Leben
der . Menschheit zuteil werde. Dabei erklart er, dafi Ghristns dasselbe
wie Adam geworden sei, indem auch auf diesen der Logos gekommen
sei. Hierbei inag an die Ekstase Gen. 2, 21 gedacht sein. Das kann
nun nicht der ,,mythische Gedanke" sein, dafi Jesus und Adam dieselbe
Person seien, sondern, sofern Adam wie Jesus Reprasentanten der Mensch-
heit sind, sind sie der Mensch" und somit identisch. 1 ) Lehrreich ist dabei
aber, dafi die Menschwerdung analog gedacbt wird der Beziehung des
Logos zu Adam im TJrstande. Es gehort zum urspriinglichen Wesen
des Menschen, dafi der Logos ibm einwohnt ; dies Wesen, das durch' die
Siinde gestort war , ist durch Christus restituiert. Die Theorie des
Origenes von der Seele Christi.hat Methodius nicht angewandt. Er lehrt,.
dafi das Meisch Cbristi sich unbefleckt und rein erhalten babe und dafi
es deshalb gewlirdigt worden sei in den Hirnrnel zu kommen' und Teil.
zu erhalten an der Herrschafb des Eingeborenen (conviv. VII, 8. 9)..
Das sind altertiimliche Gedanken (vgl. Hennas), die zeigen ebenso
wie die Adamparallele , wie selbstandig Meth* .die Menschbeit Jesu ge-
dacht hat und wie locker ihm die Einheit rait dem Logos war.
Den aus der gleichen Substanz bestehenden ,,wirklichen" Leib hatte der
Herr auch in der Verklarung (resurr. Ill, 7, 12; 12, 3fL).
Diese Christologie zeigt, wie unbestinimt noch kurz vor dem grofien
Kanipf die lehrhafte Auspragung der Gedanken war. Sicher waren nur die
beiden Eleniente : der Vorzeitliche Gottessohn, der subordinatianisch gedacht
wird, ist ein wirldicher Mensch geworden. Das' sind wenig bestimmte
Gedanken, die an das spatere Dogma nicht heranreichen. Methodius
scheint in der Christologie Origenes naher zu stehen als etwa Petrus
von Alexandrien. Es waren noch mancherlei Standpunkte nebeneinander
vorhanden. 2 ) Aber es bedarf nur des konkreten Anlasses das zeigt
in seiner Weise der Streit der Dionyse um sich zu einigen. .
1) ConviVi III, 6: xad'cbs BV rep lASa.fi TtQoisqov Tt&vres ditod'i'tfay.ovai.v, ollrco
Sij 7tal.iv '/.at Iv tea aveihriyton X^iotty ibv ASap Ttdwtes ^cooTtoiq&cooiv. Ill, 4 : y.ai
aiiib IOVTO Xgiotbv '/ML ainbv (d. i. Adam) yeyoveveu Sia, to tbv Tt^o aicovwv els
afabv eyxaraaitfjipai loyov. Zur Erklarung s. Bonwetsch, Theol. d. Metli.^
S. 94, die ,,mythische" Deutung bei Loofs, DG. 4 S. 226. Die Identitat von
Cluistns und Adam auch Ps.-clem. Horn. 3, 20, s. noch Henoch 90, 37 cf. 85, 3.
2) Hier sei auch des zeitlich nachnicanischen, alier sachlich vornicanischen
Sja-ers Aphraates (er schrieb 337 345) gedacht (s. Wright, The homilies of
Aphraates, Loud. 1869; ins Deutsche iibersetzt von Bert in Text. u. Unters. Ill,
3. 4, wonach die folgenden Citate). Von Christus. heiBt es, dafi er Sohn G-ottes
ist und da/j er Gott ist, der von Gott gekommen ist (17, 2 S. 280), 'und dafi wir
durch ihn seinen Vater erlcennen ( 6, S. 285) ; atich das Wort (xn^D) wird Christus
genannt, aber im alten Sinn als gottliche Oflenbarung (s. 1 S. 8). Den Juden
18. Die Eortbildung des Kirchenbegriffes. 493
18. Die Tortbildung des Kirchenbegriffes.
Quell en: Hippolyt Ref. IX, 12. Tertull. de pudieit. Cyprians Briefe sowie.
die Schriften de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate. Novatians Schriften.
Die Briefe des Cornelius v. Rom und. des Dionys. v. Alex, bei Eus. h. e. VI, 43. 45.
Ambros. de poenitent. 11. 2. Die -pseudoaug. Schrift c. Novatian. (vgl. Harnack
in den Abbandl. f. Oettingen, 1898. '8. 34 ff.). Die Schriften .ad Novatianum (dazu
A. Harnack inTexte u. Unters. XIII, 1) und de rebaptismate (im Anhang yon Cypr.
Werken). Vgl. E. X. Funk, KirchengescMchtl. Abhandl. I (1897), 165 ff.
<G. E^Steitz, Das roin. Buflsakr., 1854. M611.er-v. Schubert, KG. P, 278ff.
Harnack, Die Lehre v. d. Seligkeit allein durch den Glauben, in Ztschr. f. Theol.
u. Kirche, 1891, S. 108ff. E. Preuschen, Tert. Schriften de poenit. und de pud.,
1890. G-. Esser, Tert. de.pud. und .der Brimat d. rom. Biscbofs in .der Katholik,
1902, II, S.'193f. E. Eolffg, Das IiHtalgenzedikt des rom. Bisch. Eallist (Texte
u. Unters. XI, 3), 1893. A. d'Ales, La tbeologie de Tertnllian, 1905, p. 478 ff.
A. Harnack, Art. Lapsi u. Novatianus in PEE. XI 3 , 283 ff, XIV 3 , 223 ff.
'0. Ritsclil, Cyprian v. Karth. u. die Verfassung der Kircbe, 1885. C. Goetz,
die Bu.Blehre Cypr., 1895. K. Mil Her. Die BuJBinstitution in Karth. unter Cyprian:
Ztscbr. f. KG. 1896, Iff., <187ff.
1. Es war eine der bedeutungsvollsten Wendungen der K'irchen-
gescliiclite, als das Problem der Heiligkeit der Kirclae resp. der 'Biifi-
praxis mit der Autoritat des Kirchenamtes prinzipiell in Beziehung
.gesetzt wurde; die Frage, wie ist die durch die Taufe ge'wirkte Heiligkeit
trotz der Siinden zn erhalten, bewegte von alters her die Kirche. Sie
L.atte zur Schafftmg eines Instituts, das immer melir der Taufe koordiniert
wurde, gefulirt. Ein wiclitiger Faktor raehr war damit gewonnen, die
Kirche zum. Staat im Staat, zn einem Bunde der Heiligen imter den
Unreinen zti gestalten. Nun ging aber die Leitung der Kirche imnier
mehr in die Hande der Bischofe liber, und weiter, es wurde der Bedarf
nach Bufie immer grofier. In diesen beiden Tatsachen ist die Verbindung
gegeniiber wircl nachgewiesen, daB sie nicht Anlali baben, die Bezeicbnung als
Sohn Gottes als etwas Absonderliches ( 5) anzusehen, da ja das A. T. auch
Menscben Gotter und Gottessobne nenut ( 3). Die Meinung ist .nun aber nicbt
die, daB Jesus etwa nur ein Prophet etc. war. Er ist von G-ott gekommen, d. :h.
der Vater hat ihn von seinem Wesen (oi>aia] abgetrennt und zu den Menschen
gesaudt (23, S. 402). 'Es ist eine sonderliche Tat, da er einen nieuschlicheii Leib
annahni (ib. S. 378f.) und von der Jungfrau Maria und von dem heil. Geist ge-
boren wurde (S. '388). Gabriel nalim das Wort-aus der Hohe und ham, und das
Wort ward Fleisch und wohnte imter uns (S. 103). Christus ist also seinem Wesen
nach Gott, 'der 'Erstcjeborene aller Kreaturen (17, 8 fin. S. 289), Liclit vom Lielit
'(ib. 2, die einzige nican. 'Wenduug bei Apbr.). Trinitarische Pormeln z.-B. 23,
S. 411. 412 vgl.'-l, 15. Es siud Gedauken, die .in den oben gezeichneten.Eahmen
Mneinpassen. Vgl. P. Scbwen, Afrahat 1907, 8. 92 ff. Uber die etwas. iiltereu
Acta Archelai s. S. 469 Anm.
494 '18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes.
der Probleme der Bufie mit dem Aints- lind Kircbenbegrilf begriindet.
Einerseits fragte es sicb, in dem Mafi als der Zudvang zur Bufie groiier
mirde, ob wirklicb dieser Weg die Heiligkeit der Kirche sichern kdnne.
Man verstelit, dafi in Friedenszeiten es vor allem die Siinden gescblecbt-
licber Uureinbeit \varen, die diese Frage nabelegten, in Yerf'olgungs-
zeiten aber die Apostasie, und daft in diesen Zeiten das Problem be-
sonders lebbaft empfunden wurde. Andrerseits ist es begreiflicb, dafi
die Biscbofe, als die anerkannten Inbaber und Hiiter der apostolischen
"Wabrneit und als Leiter des Gemeindelebens, aucb dies wicbtige Institut
ganz in ibre Hande zu bekommen tracbteten. Dies Streben bat im
Abendland vorgeberrscbt, wabrend im Morgenland eine niebr private
Anscbauung vom Bufiinstitut vorlag (s. S. 365). Aber die Berecbtigung
der Biscbofe zur Siindenvergebung ist scbwerem Zweifel ausgesetzt ge-
wesen. Man meinte, dafi Gott allein Siinden vergeben konne, bzw. solcbe
Personen, denen er seinen Greist verlieben bat und die Cbristi, des
Urbebers des Lebens, Nacbfolger sind, oder die sicb eine gewisse sittlicbe
Berecbtigung dazu erworben baben. Beides verband sicb in den Martyrern
oder Konfessoren, in ibnen sab man -vielfach nacb dem Scbwinden der
Propbetie daber die berecbtigten Yerwalter der SiindenTergebung, 1 ) obne
natiirlicb zumal in Friedenszeiten die Amtstrager auszuscbliefien.
Zwei Anschauungen stiefien aneinander; nacb der einen ist der Inbaber
der apostoliscben Wabrbeit aucb Inbaber des Greistes, denn nur in der
Tradition wirkt der Geist (vgl. oben S. 296 f.), nacb der anderen baben
nur die wirklicb Fromnien den Geist. So enipfand Origenes, wenn er
den yvmGTi'/.oc, den -alien Pneumatikern gleicbsetzte und sie zu Leitern
der Bufie macbte , so baben aber aucb die abendlandiscben Kreise
empfunden, die sicb straubten dem Episkopat als solcbem das E,ecbt der
Simdenvergebung zuzugesteben. 2 ) Wie die Ideen des Irenaus ilber die
1) Ep. eccl. Lug-cl. b. Eus. V, 1, 45 f.; 2. 6f, 5: slvov /.IEV aTtavtas, sSea/.isvov
Se ovSsim. Tertull. (le paenit. 9: presbyteris aclvolvi el caris dei adgeniculari;
ad martyr. 1; de pud. 22. Diouys v. Alex. b. Eus. li. e. V, 42, 5f. Die
Martyrer liben diese Funktion aus als die cari dei (cf. nos deo sacri von den
pneumatischen Asketeu Ps.-clem. cle virginit. II, 3, 2), die den Geist haben:
nolite contristare spiritum sanctum, qui vobiscum introiit carcerem. Quam
pacem quidam in ecclesia non habentes a martyribus exorare consueverunt, et
ideo earn propterca.in voUs habere et custodire debetis, ut si forte et aliis praestare
possitis (Tert. ad mart. 1); sodann als die Nachfolger Cbristi des tttijd'ivds fidg-
TVS, der do/r;ybs ??js fays rov &sov ist (Eus. V, 2, 3) und als die klinftigen Richter
der Welt (Eus. VI, 42, 5), endlich v'ermoge ihres Verdienstes und ibrer Ftirbitte :
ev ois Bni.eovutflv atitoi, romo rots evSeeaTsgotg emjpxovi' , . ., TCO}JM Tie^t aitriov
e-/.%eovTEs ddxqva Ttfbs ibv xaTeya (Eus. V, 2, 6); gegen diesen Gedanken sagt
Tertull. : quis alienam mortem sua solvit nisi solus dei filius ? (de pud, 22.)
2) Kuapp spriclit Tert. diese Grundanschauung aus: ecclesia quidem delicta
Die Bufle imd das kirchliche Amt. 495
"Wahrheit und das Amt an dem Gegensatz wider das Geisttum in der
Kirche sich herausgebildet haben, so wirkt derselbe Gegensatz in den
Gedankenbildungen fort, die uns bei den Namen Kallist, Novatian und
Cyprian einfallen. Das sind die Gesichtspunkte, aus denen sich die
Portbildungen auf den Gebieten der BuBe und cles Kircbenbegriffes
erklaren : einmal das Bedenken, ob iiberhaupt der Weg der Bufipraxis
die Heiligkeit feststellt, sodann der Trieb der Bischofe die Siinden-
vergebung auszuiiben, und das "VViderstreben dawider resp. der Glaube,
daB nur Gott bzw. ein ffvsvf.iarr/.6g Siinde vergeben konne.
2. Die praktische Handhabung der BuBe wie die theoretischea
Gedanken iiber sie waren um das Jabr 200 keineswegs abgescblossen.
Zwar gab es wobl iiberall ein kircblicbes BuBinstitut, 1 ) aber die Grund-
satze binsicbtlich der Bufie differierten. Indeni wir auf frtiher Dar-
gelegtes verweisen(S. 364ff. 437ff.), sollbiernureinekurzeTJbersicbtgegeben
werden. 1) -Es bandelt sich um erne zweite BuBe als eine "Wieder-
aufnabme in die Kircbe. 2) Die Praxis scbeint zeitweise diese BuBe
fur alle Todsiinden gewabrt zu haben, und die Theorie folgte ibr darm;
das ist aucb fiir Apostasie und gescblechtlicbe Siinden bezeugt.' 2 ) Bei
den Todsiinden handelt es sich wesentlich um Gotzendienst, Mord und
Hurerei. 3 ) Es scheint nun keine Einheit in der Praxis auf diesem
Gebiet geherrscht zu haben, Tertullian behauptet de pud. 12 : neqiw
idololatriae neque sanguini (Mord nach Act. 15, 29) pax ab ecdesiis redditur,
donabit, sed ecclesia spirit-its per spiritalem hominem, non ecclesia numerns epis-
corum (de pud. 21), ygl. den Antimontanisten Apollonins bei Ens. h. e. V. 18, 7.
1) s. auch die syr. Didascalia: dem Getanften sind alle Siinden vergeben,
aber er siindigt wiecler, auch wenn er keine Todsiinde begeht (c. 20 fin. p. 103
ed. Achelis-Plemming) ; die Biscliofe bestimmen je nach dem Vergehen die Zahl
der Tage des Fastens (6 p. 25), ilmen steht das Binden und Lcseu zu (7 p. 28) :
denn zu cuch, ihr BiscMfe, ist gesagt worden: alles was ihr auf Erden Mnden
werdet etc. Mtth. 18, 18. Der Bischof herrscht iiber Seek und Le'ib. soda/s er
bindet und lost auf Erden mit himmlischer Macht (9 p. 50), iind zwar gibt er
durch Handauflegung den Geist wie in der Tatife (10 p. 55). Wer nieht bereuen
.will, soil aus der Kirche gestoBen werden (10 p. 56).
2) s. Iren. I, 13, 5. 7 (geschlechtl. Siinden), Dionys y. Kor. b. Ens. IV,
23, Q (Abfall, Uusauberkeit, Haresie), Tertnll. de paen. 8, Orig. c. Gels. Ill, 51
vgl. oben S. 438 A. 3. Das spricht wider die heute vielfach iibliche Ansehaumig, die
Harnack so formuliert: ,,dafi in der katholischen Kirche bis c. 220 der definitive
AusschlnC aus der Kirche gnmdsatzlich die Strafe fiir Gotzendienst, Hurerei und
Mord gewesen ist, wobei man fiir den Gefallenen, sofern er bis an sein Ende als
BfiJJer verharrte, die Verzeihung Gottes im Jeuseits vorbehielt" (PEE. XIV, 229).
3) Die Todsiinden (nach 1. Job. 5, 16) s. bei Tertnll. de pud. 19 (oben S. 367)
n. c. Marc. IV, 9. Auf Gotzendieust, Mord, Hurerei wurde Act. 15, 29 bezogen
(Tert. de pud. 12).
496 18 - Die Fortbildung des Kirclienbegriffes.
und das war aucb in Bom die Anscbauung zur Zeit Kallists (Ref . IS, 12).
3) Hinsicbtlicb dieser Stinden hatten die fuhrenden Tbeologen Bedenken,
sowobl Tertullian wie Origenes erscbien ibre Vergebung .als unstattbaft.*)
4) Aber es bat aucb spater Christen gegeben, die iiber die Strenge -Aes
ganzen Verfabrens muiTten, es kommt ja sogar die Ansicbt vor, dafi
wie in der Arcbe aucb unreine Tiere waren, aucb in ibrern Abbild, : der
Kircbe, scbAvere Siinder geduldet werden miiJBten. 2 ) 5) Andrerseits wird
es aucb in Idrcblicben Kreisen nicbt wenige gegeben baben, die wie
Tertullian als Montanist fiir die Todstinden die zweite Bufie mebr .oder
minder entscbieden verneinten (vgl. Oxigenes). Tertullian bat diese
Position sehr klar formuliert. Es gibt zwei Arten von Sunden: alia
erit, quae ven-iam .consequi potest, in delicto scil. remissibili, alia, quae
nutta moclo potest, in delicto scil. irremissibili (de pud. 2). Ita nihil
iam superest, quam aut neges moechiam et fornicationem inorialia esse
ddicta, aut irremissibilia fatearis, pro quibus nee exorafe pevmittitur
(ib. 19). Aber ini ganzen gait die Regel, die Hippolyt folgender-
mafien formuliert: Gleicherweise hat Gott dieses Gebot alien Hensclien
gegeben, da/3 sie, wenri sie sundigen, ihre Schulden bekennen und sich
von dem Tod der Silnde durch Fasten, Gebet, Almosen, Weinen und Reue
loskaufen sollen, dafi sie zum Ersatz gute "Werke tun sollen (WW. II,
101. 104), sie sind i? ayadoegyiag TO rcgoocortov amov e^ilaoxousvoi
(in Dan. IV, 31, 5). ' .
3. So etwa lagen die Dinge, als Kalli'st von Rom (217 222)
eine Bufiordnung feierlicb erliefi, die in den "Wirren jener Zeit sell-were
Kampfe entfesselte.
Kallist 3 ) ist der erste gewesen, der damals in Rom aucb fiir Hurerei
die zweite BuBe gestattete : Kal fCQWfOQ ret rtQOS Tag, fjdovag wig
ovy%ct)oslv sftsvorjos, heytov rtoiaiv vn O.VTOV dcpteG&ai
(Hipp.), 4 ) d. b. er erklarte: ego et moechiae et fornicaiionis
1) s. Orig. de orat. 28 vgl. Theognost. bei Atlianas. ad Scrap, ep. 4, 11,
Tert. de paen. 7 vgl. oben S. 367. Cyprian ep. 55, 21.
2) de paenit. 10 cf. 5; de .idolol. 24: viderimus enim, si secundum arcae
typum et corvus et milvus et hipus et canis et serpens in ecclesia erit, das mufi
also ausgesprochen Avorden sein ; vielleicM wirkte die alte AnsicM, dafi alien die
BuBe jederzeit freistehe, noch nach.
3) Die folgen.de Darstellung ruht auf der Voraussetzung, daB der Bischof,
gegen den Tertullian in de pud. sich wendet. Kallist ist, und dafi somit der Be-
richt Hippol. Eefut. ; IX, 12 aus Tertull. zu erganzeii ist. - So zuerst de Rossi,
Bulletino archeol. christ. 1866, p. 26. Stiicke aus dem Edikt des Kallist lafit
Tertull. erkeunen. Einen Eekonstruktionsversuch machte Rolffs a. a. 0.
4) So wie Hippolyt seine Anschuldigung ausspricht, ist sie fraglos iibertrieben,
denn die Vergebung fiir Meischessiinden entspracli nur der ,,bereits herrschenden
Kallists Bufiedikt. 497
4elida paenitentia functis dimitto (Tert.de pud. 1). Dies bezog sich
.aber nur auf die Meischessiinden, Mord und Gotzendienst sind aus^
-driichlich ausgeschlossen gewesen (Tert. 5. 6) , es gewahrte auch nur
eine zweite Bufie, wie Tertull. Polemik beweist.. Kir diese Neuerung
hat Kallist (oder doch seine Anhanger) eine Reihe bes. biblischer Gfriinde : )
vorgebracht : Grott ist barmherzig und will nicht den Tod des Sunders usw.
>(Hes. 33, 11, Tert. 2 in.), es stehe uns nicht zu die Briider zu richten
(Eoin. 14, 4, ib.), die Parabeln vom verlorenen Sohn, dem verirrten
.Schaf (7 f.), Jesu Yerhalten zu den Ehebrecherinnen (11), Pauli Handlungs-
weise (2. Kor. 2, 5ffi. c. 13) usw. ; das Thema Jesus nimmt die Sunder
an" ist reichlich variiert \vorden. Die Bufie hat die Yergebung zum
JZiel (3), man mag dem Sunder " J die communicatio entziehen, sed.ad
jyraesens ; tut er Bufie, so gewanre man sie ihm wieder nacb. Grottes
Barmlierzigkeit (18). Macbt uns Ckristi Blut von aller Stlnde rein
(1. Jon. 1, 7. c. 19), so sei .es also durchaus scnriftgemafi, wenn Kallist
.auch den Hurern Yergebung gewahrt. Das Eecht dazu hat die Kirche, 2 )
speziell die Bischb'fe oder die ecclesia numerius episcoporum (21).
.Kallist hat sich dabei auf Matth. 16, 18 f. berufen (ib.) 3 ) und scheint
sich als Nachfolger des Petrus besondere Autoritat beigelegt zu haben.*)
Die gleiche Befugnis hat Kallist iibrigens auch den Martyrern zu-
Ansicht" (Loofs DG. S. 208, vgl. oben), sie mag aber damals in Born nicht iib-
lich und die Ausdehnung, die Kallist der Sache gab, neu gewesen sein; Cypr.
ep. 55, 21 erzahlt, dafi auch in Afrika in frttherer Zeit einige Bischofe die BufJe
iiir TJnzncht yerweigert hatten.
1) Ahnlicli wie Tertull. de paen. 8.
2} 21: sed habet, inquis, ecclesia potestatem delicta donandi. Unde hoc
ins ecclesiae usurpes?
3) Der Sinn des Sssiv %al l-teiv Mtth. 16, 19 glbt noch Ps.-clemens richtig
wieder : TISQI Tta-i'tbs oZ &v ^si^otovriai] BTU yfjs, SOTUI SsSoy/j.aT:iaf.iBVOv ev oiigavoTs
(ep. Clem, ad lacob. 2), aber die Deutung auf Vergeben oder Belialten der Siinden ist
fast allgemein, sie ist jedenfalls alter als nnsere Zeit, s. ep. eccl. Lugd. b. Eus.
h. e. V, 2, 5. Didascal. 7 p. 28; 9 p. 50. Tertull. de pud. 21. Origen. in Mt. t.
511, 14. XIII, 31, s. noch Pistis-Sophia 141 fin. cf . 37 : aufnehmen und verstoBen.
4) Darauf weist die hohnische Anrede Tertullians : apostolice, sowie die Be-
zeichnung pontifex maximus, episcopus e.-piscoponm (de pud. 21. 1). Es lag in
der Konsequenz des Traditionsgedankens. dafi Kallist die Nachfolge Petri in Aii-
spruch nahm, vgl. hierzu die Stellung des Petrus in den Clernentiuen, er ist
d'spsfaov ex-Ayaias (Horn. 17, 9); nach der Matth.-stelle ergab sich daraus dann
das Eecht der Siindenvergebung. Origenes vhat dagegen polernisiert, dafi diese
Verheifiung sich auf die Person des Petrus bezieht, die Tterga sei nag 6 X^WTOV
(10.9^11)5; wenn der Inhaber tils eTttaxoTttfs sie flir sich reklamiert, so hat er nur
-dann Eecht, wenn er Petri %gyov hat, sonst fidt^v teal 8eafist xal Avst, (in Mt. t.
XII, 10. 11. 14. XIII, 31). Das mag sieh mit gegen Kallist richten.
Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 32
498 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes.
gesprochen (22). ') . Der Eindruck dieser Grundsatze des Kallist 1st sehr
grofi geweseri. Alle "Welt lief ihm zu, nicht nur Personen, die von
Hippolyt aus der Kirchengemeinschaft gestofien waren, sondern auoh
solche, die in den haretischen Gemeinschaften nicht geduldet wurden..
Kleriker heirateten, . vornehme Damen liefien sich in Verhaltnisse mit
Sklaven und Ereigelassenen ein, die von Kallist gegen die Rechtsordnung-
legitimiert wurden. 2 ) Dann tauchte der Ablafrkrarner Alkibiades mit.
seiner ,,"Wiedertaufe" in Rom auf (s. S. 207).
Aber Kallist hat seine Grrundsatze iiber die Bufie nicht nur zur
Vergrofierung seiner Gemeinde gebraucht, sondern er hat sie auch zur
Steigerung der Macht des Episkopats verwandt. Die Berufuhg aiif
Petrus sollte ihm sowohl das Recht auf Siindenvergebung verschaffen,.
als auch die Autoritat als Fundament der Kirche, nicht nur ein be-
sonderes Recht, sondern eine neue objektiv sichere Rechtsstellung in der-
Kirche.
Die Vergebung der Siinden ist also wesentlich in die Hand des
Bischofs gegeben. Dieser iibt sie aus als gottliches Recht. Seine sitt-
liche Beschaffenheit kommt dabei nicht in Frage. Er ist als Nachfolger
des Petrus unabsetzbar : el ertiGKOrtOS a^dQTOi TL, d 'mi nQog &dvuTOV s .
f.ii] dslv '/Mia.Ti&BO&at. Duldet nun der Bischof Sunder in der Kirche,.
so ist dawider nichts einzuwenden. Es soil das TJnkraut neben dem
Weizen stehen bleiben, und die Arche enthielt niancherlei Tiere : nctl
wv Na> sis 6uoia){.ia exxkrjalas ecpr) ysyovsvai, sv fj
-/.at hvzoi '/MI KOQCMSS xai Ttdvxa ra -/.a-d-ago. '/.al andd-ayta-
OVTW cpdaxcov deiv sivai kv xxA^a/a b^oko^ (Hipp. IS, 12 cf. Tert..
de idol. 24).
AVer die Gedanken des Kallist liberschaut, ist frappiert iiber die-
Kombination, die sich in ihnen vollzieht. Es sind Ausfiihrungen von
evangelischem Klang, wenn er die Barmherzigkeit Gfottes, der alien
vergibt durch Christus, preist. Daneben aber sehen wir den nackten
Hierarchismus mit dem Bischof als deni Herrn der Kirche auf Grund.
seines formalen gottlichen ..Rechtes". Beide Gedanken stehen in Wechsel-
wirkung zueinander. Kallist hat mit richtigem. Instinkt die ungeheure
1) Nach der Art, wie Tertull. (de pud. 22) von Martyrem redet, die ad
metalla confugiunt und dort zu communicatores werden d. li. die communio init-
teilen, ubi mm aliucl martyrium necessarium est delict-is post inartyrmm novis,
liegt die Vennutung nahe, dafi Kallist sich auch als Martyref hat aufspielen wollen,.
uin communicator zu sein.
2) Kallist hat also fur Christen die uralte kirchliche Trauung (Ignat..
ad Pol. 5, 2. Clem. Pad. II, 11 p. 291. Tert. de pud. 4, ad ux. II, 8) fiir geniigend.
angesehen.
Tertullian wider Kallist. 499
Bedeutung der Bufiinstitution fur die Sicherung der/Macht des Bischofs
erkannt, und er hat andrerseits gesehen, wie prompt und dem praktischen
Bedarf entsprechend diese Institution arbeitet, wenn .die Hand des
Bischofs sie leitet. Diese Kombination hat zum guten Teil die Eigen r
.tiimlichkeit des abendlandischen Ohristentums bestimmt, sie hat der Bufie
eine Bedeutung verliehen, die sie in der griechischen Kirche nie gehabt
hat, sie hat dem Priester eine seelsorgerliche Stellung gegeben, die iiber
die bloBe Technik der Mysterienverwaltung hinausging, sie hat die innersten
Erlebnisse der Seelen vor den Augen der Priester bloBgelegt, aber sie
hat auch den Grund gelegt zu der Veraufierlichung der BuBe, die
schlieBlich nach mehr als einem Jahrtausend zum Sturz des BuBsakramentes
gefiihrt hat. .
Hippolyt, der Gegenbischof des Kallist, hat ihn bekampft, aber ohne
sieghafte Griinde. Dann ist Tertullian wider ihn vorgegangen (s. de pud.).
Jetzt hatte er den Bigorismus konsequent ausgestaltet, zu dem es ihn
schon friiher hingezogen hatte (oben S. 367), er verwirft die zweite BuBe
fiir Todsiinden prinzipiell. Er hat die mollissima et humanissima disciplines
verhohnt (5) und -er hat die Inkonsequenz richtig erkannt, die in der
differenten Behandlung der geschlechtlichen Siinde und des Hordes sowie
der Apostasie liegt (12. 19). Weiter hat Tertullian die biblisehen Gximde
seines Gregners zu entgriinden versucht, meist dadurch, dafi er nach^
zuweisen sich bemiihte, die BiiBmahnungen bezogen sich auf die Zeit
vor der Taufe (18). 1. Joh. 5, 16 und Hbr. 6, 4ff. verwandte er mit
Recht zu seinen gunsten (2. 20). Endlich machte er geltend, daB nur
Gott oder dann die Kirche des gottlichen Geistes Siinde vergeben konnen
und wies den Anspruch des Gegners, als Nachfolger des Petrus das Recht
der Yergebung zu besitzen, zuriick, da dies Recht nur dem Petrus
personaliter zugesprochen sei, bzw. denen, die ihm innerlich ahnHch sind
d. h. den spiritales: seGundum Petn personam spiritalibus potestas ista
conveniet aut apostolo aul prophetae (21). Somit hatTertull. nicht nur die
hierarchischen Tendenzen Kallists zuriickgewiesen, sondern er hat auch der
rigoristischen Auffassung von der BuBe kraftig Ausdruck verliehen.
4. Die ungeheure Ausbreitung, die der Abfall in vielen Genieinden
wahrend der Yerfolgung unter Decius erfuhr, bedingien eine weitere
Eortbildiing. Auch solchen, die den Christenglauben verleugnet hatten,
muBte die Moglichkeit der Riickkehr in die Kirche gewahrt werden, Avie
es auch in Afrika iiblich gewesen war fiir Hurerei die BuBe zu gestatten
(Cypr. ep. 55, 20 f . ; 4, 4). Es ist vor allem Cyprian (f 258), der
diese Konsequenzen gezogen hat und, im Zusammenhang damit, den
katholischen Kirchenbegrit fortgebildet hat.
Wahrend der decianischen Verfolgung stellte sich die TJnmoglich-
32*
; 500 18. Die Fortbildimg des Kirckenbegriffes.
: keit heraus, hinsichtlich der lapsi, insbesondere der sog. libellatici, bei
der zur Herrschaft gelangten Praxis zu bleiben, d. la. dieselben von der
communicatio der Kirche (der Eucharistie , Cypr. ep. 57, 2) auszu-
schlieBen und ihnen die pax niit der Gemeinde zu verweigern. Die Ge-
'fallenen wandten sich an die confessores mit der Bitte um Enipfehlungs-
schreiben (libelli), und diese wurde reicblicb erfullt, Tag urn Tag sollen
die Konfessoren Tausende von Einpfehlungsbriefen onne "Untersucbung
und TJnterscbeidung ausgestellt baben (Cypr. ep. 20, 2 cf. 22, 2 ; 27, 1).
Sollten diese zunachst nur als Enipfehlungsschreiben verstanden wei-den
'(ep. 15, 1; 16, 3; 18, 1; 19, 2; 22, 2 fin. cf. 36, 2), so trug diese
Empfeblung doch bald den Charakter des Befehls an sicb (s. das
Scbreiben des Martyrers Lucian an Cypr. ep. 23 vgi. 27, 1; 21, 3).
Dem Recbt der Martyrer widerspracb Cyprian nicbt, aber er meinte,
da6 eine Yersamnilung der Biscbofe genieinsam mit dem Klerus und
der standbaft gebliebenen Gemeinde in der Sacbe zunacbst einen prin-
zipiellen BescbluB fassen mtisse, ebe man zumal in den Wirren der
Verfolgung bandle ; dabei wird aber gestattet Personen, die sicb auf
dem Sterbelager befinden , sofort durcb Handauflegung wieder aufzu-
nebrnen und ihnen das Abendmabl zu reicben (ep.. 18 ; 19, 2; 20, 3;
26 cf. 31, 6). Das war aucb, iind scbon vorber, der Standpunkt der
rornischen Kircbe (ep. 8, 2; 30, 3. 5. 6; 36, 3). Nun aber baben et-
licbe . Presbyter in Kartbago wabrend der Abwesenbeit des Biscbofs
Cyprian obne vorangegangene offentlicbe Exomologese und obne
Handauflegung, auf Grund jener libelli, Gefallene zur Abendmablsgemein-
scbaft zugelassen (ep. 15, 1 ; 16, 2. 3 ; 17, 2 ; 20, 2), ja in einigen
Stadten erzwang die multitude , gesttltzt auf die Zeugnisse und das
Recbt der Martyrer und Konfessoren, von den Biscbofen den Erieden
(ep. 27, 3). Diesen aber, die mit den Zeugnissen der Martyrer in der
Hand, den Erieden glaubten fordern zu diirfen, standen solcbe gegeri-
itber, welcbe erklarten BuBe tun und auf den Sprucb des Biscbofs
warten zu Avollen (e'p. 33, 1. 2 ; 35 cf. 36, 1). Die Presbyter, welcbe
sicb der biscboflicben Entscbeidung nicbt fiigen, ordnete Cypr. an, von
der communicatio auszuscbliefien (ep. 34, 3 cf. 42).
Im Prinzip hat also Cyprian nicht anclers geurteilt als jene Pres-
byter, die Martyrer und- . die Gefallenen selbst. Der TJnterschied liegt
nur darin, daB ibm , nicht anders als den Homern (ep. 30, 6), das
sturmische selbstherrliche Gebahren der Konfessoren wie des niederen
Klerus , der die ordentlichen Eormen der Wiederaufnahme bei Seite
setzte, gefabiiich erschien. Sodann aber darin, daB er der Ansicbt ist,
daB ecclesia super episcopos eonstituatur et omnis actus ecclesiae per eosdem
praepositos gubernetur. Das 1st nach dem "Wort an Petrus Mt. 16, 18 f.
Die Buflfrage urKarthago in der decian. Verfolgung. 5Q1;
divina lege fundatum, daher 1st es eine 'audax temeritas, wenn andere .
Personen im Namen der Kirche schreiben und handeln wollen (ep. 33, 1,
cf. 36, 3). Darin liegt der Fehler, dafi nee per episcopos et sacerdotes
domini domino satis fiat, sed relictis domini sacerdotibus contra evangelicani,
disciplinam nova traditio sacrilegae institutions exsurgat (43, 3). Es 1st
niclit richtig, den Gegensatz, der sich bier kundtut, aus den mehr
seelsorgerlichen Tendenzen der Presbyter oder als ein en Yersuch der-
selben dem Bischof gegeniiber die Selbstandigkeit zu bewahren, zu er-
klaren. In Zeiten so grofier Erregung, wie die Yerf plgung sie nut sick
fiihrte, werden alte fast erstorbene Triebe der Religion nicht selten neu-
belebt. So scbien auch jetzt in den Martyrern. der Geist \yieder offenbar
zu werden (81; 68, 5). Nur dieser,, Geist vergibt die Siinde durcb .die,
in denen er seine EIraft offenbart bat, und nnr die konnen den Geist
geben, .die inn haben. Wozu braucbte man da Handauflegung oder Ge-
nugtuung, wenn der Geist entschieden hatte : paenitentiam agere et deo
satis facer e detractant . . ., pac&m non dandam sibi posttdantes, sed quasi
iain d.atam vindicantes, quod dicant Paulum (ein Martyrer) omnibus,
pacem dedisse (ep. 35). Cyprian selbst hat diesen Geist empfunden,
(s. unten), ebenso ist es diesen Presbytern und den erregten Genieinden
ergangen. Ein Stiick TJrcbristentum erliebt sicb in den Martyrern,
der Geist tracbtet die Eunktionen wieder an sicb zu bringen, die der
Buchstabe ihm. langsam entwunden batte. Das ist schliefilicb. der Gegen-
satz zwiscben Cyprian und seinen Gegnern ; .fur ibn sind die divina lex
und die ecclesiastica disciplina die obersten Instanzen, denen der Geist,
den er anerkennt, sicb fiigen mu6, fur diese ist der in den Martyrern
offenbare Geist die hocbste Autoritat, denen lex und disciplina tmter-
zuordnen sind; Aber das war ein Aufschwung, den niemand mebr durch-
fiibren konnte : mochte man vom empfangenen Frieden reden, man ver-
langte ihn docb von den Priestern (cf. 36, 2) ! Daner war der Kampf
entscbieden, ebe er erst anging. Esbildete sich nun eine Gegenpartei unter
fiinf Presbytern und einem gewissen Pelicissimus (ep. 41, 2). "War
dieser der signifer seditionis (59, 9), so war der Presbyter Novatus
die Seele der Emporung, fax et ignis ad conflanda seditionis incendia
(52, 2). Eortunatus wurde der Biscbof dieser Partei (ep. 59, 9).
Ibr Prinzip war: lapsos -redticere et revocare (ep. 43, 5), sie saben dabei
von der biscbof lichen Entscheidung sowie einer langeren Bufifrist ab (ep.
43, 2). Sie stiitzten sich auf die Bekenner (ep. 43, 2 ; 52, 2), deren
Autoritat war ihre Rechtfertigung, denn sie meinten, man miisse dem
Geist mebr geborchen als dem Bischof.
5. Urn dieselbe Zeit kam es auch in Roin ziini Schisma. Eine
zwiespaltige Bischofswahl (Cornelius und Novatian, 251) gab An-
502 ' 18. Die Fortbildung des KifchenbegTiffes.
lafi dazu (Cypr. ep. 44. Euseb; h. e. VI; 43). Novatian war wahrend
der langen Sedisvakanz in Horn (nach Fabians Tod) der Fuhrer der
Presbyter gewesen. In zwei Briefen an Cyprian (ep. 30 und' 36) hatte
er die Grundsatze dargelegt, denen auch dieser fo]gte. Er war ein
Grelehrter von Ruf und ein ernster Asket. Als Theologe wandelte er in
den Bahnen Tertullians, nicht anders als Cyprian. Von Tertullian hatte
er seine Ideen iiber die Glaubensr'egel und die Trinitat (oben S. 303 f ., 478 ff.),
die strenge Anschauung von der BuBe und die Forderung der Wiedertauf e
der Haretiker uberkommen. Auf seiner Seite standen nicht nur einige
Presbyter, sondern auch viele Konfessoren. Ein lehrhafter Gegensatz
lag zunachst zwischen ihm und Cornelius nicht vor. Episcopatus aemu-
latio schismatum mater est, sagt Tertullian (debapt. 17), das Wort ging jetzt
Erfiillung. Eine grofie Synode in Rom entsehied fiir Cornelius (Eus. VI,
43, 2), Cyprian trat auf seine Seite (ep. 45), und ebenso die meisten
auswartigen Bischofe. Der Flihrer der Presbyter von Karthago Novatus
kam nach Horn und schlofi sich hier naturgemafi dem Gegner des. mit
Cyprian verbiindeten Cornelius an (Cypr. ep. 47. 50). Da nun
Cornelius beschuldigt wurde selbst libellatieus zu sein, und da er moglichste
Milde walten liefi (Cypr. ep. 55, 10. 11), so war dadurch Novatian der
Weg vorgezeichnet. Er sah sich genotigt, um eine Grundlage- fiir sein
Schisma zu gewinnen, die strenge Praxis gegen die Lapsi einzuschlagen ;
er hatte dabei den Vorteil, dafi dies die ,,alte" Praxis war. Aber das
barg zwei Schwierigkeiten in sich. Erstens gait die Strenge nur den
Ijapsi, nicht auch sonstigen groben Siindern, wie Ehebrechern und Be-
triigern (ep. 55, 26 f. cf. c. Novat. 4. 6. 7.) ; J ) zweitens waren seine
Hauptstiitzen, die Konfessoren, ja selbst friiher die Verfechter der niilden
Praxis gewesen. Man versteht, dafi die Bekenner ihn bald verliefien
und sich iiber Betrug beschwerten (ep. 49 cf. 53. 54. Eus. h. e. VI, 43, 6);
Ersterem gegeniiber fand Novatian den Ausweg, daB er den Grotzendienst,
d. h. also den Abfall, ftir die Hauptsiinde erklarte, dies sei die Ver-
leugnung Christi, die Verleugnung durch ihn zur Folge hat (Mt. 10, 32 f.)
und die unvergebbare Slinde wider den Greist (ep. 55, 27. c. Nov. 2. 3).
Indem er die Grotzendiener ausscheide, deren Verkehr auch die iibrigen
1) Cypr. spricht von fraiidatores et moechi in Novatians Umgebung ; in dem
Traktat c. Nov. Die Kapiteleinteilung oben in den Citaten ist die Harnacks
in s. Abh. heiBt es: niaiora crimina, inquit, ignosci non debent, fornicatio et
idololatria; dazu: si fornicationi ignosci non debet, sicut Nova,tiqno videtur, quanta
tnagis homicidio ant adulterio. Danacb. haben die romiscben Novatianer zu
Ende des 4. Jabrh. Mord und Ehebrucb. vergeben, niebt aber Hurerei und
Gotzendienst; sie baben in den beiden letzteren direkte Auflehnung' wider
Oott erblickt. :
No vatian wider Cornelius von Bom.. 503
<Gemeindeglieder beflecke (ep. 55, 27), stelle er die Kirche der
und Heiligen her (Eus. h. e. VI, 43, 1. c. Nov. 12). .Dabei scheint
schon Novatian selbst die Vergebbarkeit auch der Apostasie an sich nicbt
.geleugnet zu haben, nur stebe das Recht dazu lediglieh Grott, nieht der
Kircbe zu, was man iibrigens aucb sonst von alters ber annabm. 1 ) War
aber nun die grofie Kircbe unrein, so ist es konsequent, dafi. Novatian
ihre Glieder so bebandelte wie Haretiker, d. .h. bei ihrem TJbertritt
zu ibm die Wiedertaufe in Anwendung bracbte ; 2 ) dadurcn, war die
'Trennung auf das scharfste markiert und wur.de. das Bewufitsein zu
Hoberem zu gelangen gesteigert. Die Abendmablsfeier soil er dazu beniitzt
'haben, die Enipfanger eidlic'h zum Ausbarren in seiner Kirche zu ver^
pflichten (Eus. YI, 43., 18). Die Eucharistie sollte kein notorischer
iSiinder erbalten. 3 ) So stand die Gremeinde der Heiligen scbarf geschieden
der unreinen Kircbe der Yerleugner gegeniiber. Der Novatianismus bat
:sich bald wetter verbreitet und .aucb ' im Orient Wurzel gescblagen
(Eus. YI, 46, 3. VII, 5). Seine " weitere Geschichfce gehort nicht mehr
her. 4 ) Nur ein Punkt mvifi nocb erwabnt werden, die spateren Novatianer '
baben ihren Standpunkt dadurch erganzt und befestigt, dafi sie den
'Todsiindern iiberhaupt die kirchlicbe Vergebung versagten., 5 ) Die
.novatianiscbe Gregenkirche hat sich stellenweise init den Resten des
1) c. Nov. 10: nee ego renuo agendam poenitentiam admissae idolola,tna~e r .
sed ego remittere non audeo, quia crimen hoc ab eo remittendum est, in quern
admissum est, ef. Socrat. h. e. I, 10. Die Anschaxuuig ergibt sich konsequent
aus der abendlandischen Auffassung der Siinde als einer Grott zugefiigten Be-
leidigung (s. Tertull. Cypr^ de laps. 17), neu ist aber die Beschrankuhg der Be-
.leidigung auf die Idololatrie und die Leugmmg des gottlichen Charakters der
von der Kirche resp. den Heiligen gespendeten Vergebung, s. dagegen Tertull.
-de pud. 21, . ' .
2) Cypr. ep. 73, 2. Dionys v. Al. b. Eus. VII, 8. Ambros. de poenit. I, 7, 30.
^Novatian folgt Tertull. de bapt. 15, der die Taufe der Haretiker ftir ungiltig er-
klart. Hippolyt Ref . IX, 12 sagt von Kallist : snl totirov ngcbrcos TeT6^fi>]rat. SSVTEOOV
ai>iozg fidTmafta, dies bezieht sich sicher auf die Wiedertaufe des Alkibiades im
iolgenden, fur die Hipp, seinem Gegner die Schuld zuschieben mochte.
3) e. Nov. 11 : cur, inquit, corpus domini tradunt eis, quos noverunt pecca-
tores? Dies ist in dem spaten Bericht c. Nov. erzahlt (cf. Socrat. I, 10), man
.kann zweifeln, ob es auf Novatian selbst zurttckgeht, da es zu dem ihm nachst-
liegenden Problem keine direkte Beziehung hat.
4)s. Harnack PEE. XIV, 240 ff. Die Ausbreitung im Orient wird ver-
:standlich, wenn man iiberlegt, daC dort die origenistische Tradition fiir Strenge,
die Praxis fiir Milde sprach. .
5) s. z. B. Athanas. c. Serap. ep. 4, 13. Socrat. h. e. I, 10. Doch kann
diese Praxis nicht iiberall geherrscht haben, denn der Eo'mer, der den Traktat
c. Nov. urn 380 verfaflte, kennt nur idololatria iind fornicatio als unvergehbar,
s. S. 502 Anm. 1.
504 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes.
Montanismus verschmolzen ; einen tieferen EinfluB auf das Ganze der
kirchlichen Entwicklung hat sie niclit gewonnen.
In den Gedanken Novatians scheint die Heiligkeit der Kirche in.
anderei* Weise begrvindet zu sein als es in der Kirche liblich wurde..
Harnack hat diese Differenz dahin bestimint, dafl Novatian liber Kirche,.
Absolution und Priestergewalt andere Anschauungen gehabt habe als.
die Kirche, . denn Novatian lasse Gott allein die Siinde vergeben, auf
seine Barinherzigkeit durfe ,,in alien Fallen mit Zuversicht gehofft"
werden, die Zugehorigkeit zur Kirche sei ,,nicht die condicio sine qua.
non der Seligkeit, sondern sie versichert dieselbe in irgend welchem.
Mafie" (PEE. XIY, 237). Aber diese Auffassung ist aus den Quellen
nicht zu begriinden. Der feste Ausgangspunkt des Yerstandnisses liegt.
in der Weigerung Novatians bestimnate Sunden zu vergeben, sofern die-
Yergebung derselben durch gewisse Bibelstellen ausgeschlossen sei. Indenv
aber diese Bibelstellen sicher nur als auf die ewige Yersagung der Yer-
gebting abzielend verstanden werden konnten, kann Novatian auch nur-
hieran gedacht haben. Wenn nun er selbst oder seine Anhanger diesen.
Gedanken die Beschrankung gaben, dafi etwa Gott in der Ewigkeit diese^
Sunden vergeben konne, so darf darin nur eine Yerlegenheitsauskunft
erblickt werden, denn 1) war es gefahiiich die Sunder geradezu in ein.
siindhaftes Leben zu stofien, 2) konnte man so der kirchlichen Kritik
die Spitze abbrechen, sofern eben bei Gott alle Dinge moglich sind.
Dafi sich dadtirch die Theorie in einen unloslichen Widerspruch ver-
wickelte, ist klar, aber derartige "Widerspriiche sind bekanntlich nicht.
selten und naussen daher von dem Historiker respektiert werden. - : Man.
konnte nun erwarten, dafi Novatian die Heiligkeit der Kirche auf den.
heil. Geist in ihr begriindet hatte, wie das den Martyrer und Presbytem
von Karthago vorschwebte, Zwar hat Novatian das "Wirken des Geistes-
in der Kirche stark betont (oben S. 483 f.), aber clafi er dies fur seinen.
Be griff von del' Kirche verwertet hatte, lafit sich nicht erweisen.
Novatian hat die Heiligkeit der Kirche einerseits auf die Sakraniente-
gestiitzt, ganz wie die Grofikirche, hat aber die Anwendung der Bufie-
avis kirchenpolitischen und archaistischen Interessen eingeschrankt. Andrer-
seits hat er und das ist relativ neu die aktive Heiligkeit der
Glieder der Kirche resp. den Mangel an notorischer Unheiligkeit stai-k.
betont und zum zweiten Pfeiler der Heiligkeit der Kirche gemacht. Yon
einem neuen ,,religipsen" Kirchenbegriff bei ihm zu reden, ist demnach
keine Yeranlassung, seine ,,heilige Kirche" trug dies Pradikat im saki'a-
mentalen^ aber auch im moralistischen Sinn. Das ist eine gewisserniafiea
eigenartige Losung eines Zeitproblems, aber sie ist in sich widerspruchs-
voll Avie auch die Bufilehre Novatians. Sie hat seine Orthodoxie nicht
Cyprians Entscheidung in der BuBfrage. ' 505.
beeintrachtigt, ') aber sie hat sich auch nicht als wirksames Prinzip in
der Geschichte bewahren konnen, wie die Geschichte der novatianisclieii
Kirche zeigt.
6. In Karthago fand, nach Cyprians Ruckkehr, die vorher ange-
kiindigte Versammlung der Bisehofe statt (252). Ihre Beschliisse stellen
das Resultat der Situation, wie sie sich wirklich herausgebildet hatte, dar.
TJnter den Bischofen herrschte zunachst Zwiespaltigkeit, man stellte Bibel-
stelle wider Bibelstelle, zuletzt kam ein temperamentum salubri moderations
zustande, das weder uberhaupt die Hoffnung der Gefallenen zerstoren,
noeh auch zu eilfertig sie erfullen sollte (ep. 55, 6). Trotzdem wurde
de facto das gewakrt, was die Gregenpartei des Felicissimiis aucb gewabrte.
Im Hinblick auf eine drobende neue Yerfolgung wurde bescblossen: eis,
qui de ecclesia doinini non recesserunt et paenitentiam agere et lamentari
ac domimim deprecari a primo- lapsus sui die non destiterunt, pacem
dandcmi csse. Hatte man dies bisber nur den in Todesgefabr Befind-
licben gewabrt, so wird es nun, sdneto spiritu suggerente et domino per
visiones multas et manifestos admonente, . auf alle Grefallenen ausgedebnt
(s. das Synodalscbreiben ep. 57 cf. 55, 6). Dern stimnate aucb Rom zu
(ep. 55j 6), oder sofern Cyprian die Praxis des Cornelius aucb seiner-
seits einscblug, wurden beide Bundesgenossen und Gregner ISTovatians.
Die scharfe Hervorhebung der Inspiration der Synodalbescblttsse ist aus
dem Gregensatz gegen die Geistautoritat der Martyrer bervorgegangen
(s. unten). In der Praxis bat sich dieser Grrundsatz freilicb nicbt sofort
iiberall durcbgesetzt (s. ep. 55, 22; 59, 15), aber im Prinzip batte er
gesiegt. Aber nicbt hierin liegt die Bedeutung dieser Entscbeidung.
In der Anscbauung von der Bufie ist Cypr. ganz auf den Standpunkt
seiner Gegner getreten, aber Bischofe baben den entscbeidenden Bescblufi
gefafit, die Bischofe entscheiden im einzelnen iiber die Sacbe der lapsi,
und die Autoritat der Biscbofe diirfen sie und ihre Patrone, die Martyrer
nicht umgehen. In diesen Kampfen hat sich der Kirchenbegriff
Cyprians herausgebildet.
Polgende Grundgedanken seien hervorgehoben : 1) die Bischofe sind
die Nachfolger der Apostel, wie diese vom Herrn selbst erwahlt und in
1) DioBys V. Al. sagt von Novatiau. : trjv is TCQO aiitov jtiariv y.al dftoloyiav
(Eus. VII, 8), daraus wollte Harn'ack eine Symbolanderung- clurch
N. erscklieGeu (Texte u. Unters. XIII, 1 S. 42), aber &vai$e7tsiv heiBt: iimreiBen,
zertriunmern, widerlegen (z. B. Dionys b. Eus. VII, 7, 5), niclit aber: verandern.
Was Dionys will, driickt Cyprian deutlicher aus : non esse unam nobis 'et schis-
maticis symboli legem neque eandem interrogationem, nam cum dicunt: credis in
remissionem peccatorum . . . per nanctam ecclesiam, mentiuntiir intcrrogatione . . .
Voce sua ipsi confitentur remissionem peccatorum non dari nisi per sanctam
ecclesiam posse (ep. 69,7). Vgl. auch Kattenbusch, das ap. Symb. II, 369.
506 18 - Die Fortbildung des Kirchenbegriffes.
Ibr Amt als praepositi oder pastores (ep. 8, 1; 19, 2; 20, 3; 27, 3;
33, 1; 13, 1; 59, 14") eingesetzt (ep. 3, 3; 48, 4; vgl. Eirrnilian ib. 75,
16). Dies gilt nicht nur im Sinn einer ordinatio succedanea (69, 5),
sondern jeder einzelne Bischof \vird durch ein divinwn indicium, de eius
sententia eingesetzt (59, 5). Er ist aber Bischof und sein Opfer und
Gebet sincl -wirkungskraftig, solange er bebarrt und ein heiliges Leben
fuhrt. 1 ) AVer die Bischof e kritisiert, raafit sich soniit ein Urteil liber
das Urteil Gottes und Christi an, die Kritik der Bischtffe wird also mit
denselben Griinden verboten, mit denen man eiust die Kritik der Pneu-.
matiker venvarf. Hoe est in dcum non credere, hoc est rebellern adversus
Christum et adversus evangelium eius cxistere, ut cum itte dicat: nonne
duo passives etc. (Matth. 10. 29) ... tu existimes, sacerdotes dei sine
conscientia eius in ecdesia ordinari. Nam credere quod indigni et incesti
sint, qui ordinantur^ quid aliud est quam contendere, quod non a deo nee
per deum sacerdotes eius in ecdesia constituantur (66, I)? 2 ) Dement-
sprechend werden die Biscbofe bei ibren Bescbliissen und Scbriften
durcb Eingebungen und Gesicbte geleitet (z. B. ep. 11, 3. 4; 57, 5;
68, 5; 66, 10; 63, 1; 73, 26 cf. 40; 81 s. aucb de aleat. 3, 2). 3 )
Cyp r i ari siebt also die Biscbofe als die Nachfolger der Apostel an. Das
fafit zunachst in sicb., dafi sie das apostolische Recbt und die apostoliscbe
"Wabrbeit iiberkominen baben, sie sind die B;eprasentanten der lex evan-
gelica et traditio dominica, deren Aufgabe es ist aus Irrtum und Scbwanken
1) ep. 65, 4: fratres ab eorum fallacia separare . . . db eorum contagione
secernere, quando nee oblatio sanctificari illic possit, ubi sanctus spiritus non
sit, nee cuiquam dominus per eius orationes et preees prosit, qui dominum ipse
molamt. Und ep. 67, 3 (Synodalschreiben YOU 37 Bischofen) wird als Grundsatz
ausgesprochen : omnes omnino ad peccatum constringi quique fuerint profani et
iniusti sacerdoiis sacrificio contaminate (nach Hos. 9, 3) und : plebs obsequens
praeceptis dominicis et deum metuens a peccatore praeposito separare se debet
nee ad sacrilegi sacerdotis sacrificiiim miscere (nach Num. Ifi, 26). Das siucl .
Gedanken, auf die sich spater die Donatisten berufen konnten. Vgl. E enter,
Augustin. Studien S. 254 ff.
2) Das divinum indicium schliefit bei der Wahl nicht aus : populi suffragium,
coepiscoporum consensum (ep. 44, 3; 59, 5; 55, 8; 67, 4. 5; 49, 2), ja es heifit
YOU der plebs : quando ipsa maxime Jiabeat potestatem vel eligendi dignos sacer-
dotes vel indignos recusandi (ep. 67, 3). '
3) Gesichte -\verden auch sonst bei Cyprian erwahnt (ep. 16, 4; 39, 1. de
mortal. 19. ad Doiiat. 5, vgl.. Alexander v. Jerusalem bei Bus. VI, 11, If., Dionys.
Alex. b. Ens. VII. 7, 2. 3, Firmilians Brief ep. 75, 10, sowie die Kritik, welche
einige iiben ep. 66, 10: somnia ridicula.et visiones ineptas quibusdam videri;
s. auch den Brief d. Petrus v. Alex. eel. Schmidt, Texte u. Unter's. N. P. V, 4 b S. 9. 11).
Ubrigens denkt Cypr. nicht an einen ein fur allemal mitgeteilten Amtsgeist.
sondern an Erleuchtnngen, die ad hoc gewahrt \yerden. Dieser Hierarch hat der
Schwarmgeisterei nicht fern gestanden. '
Die Begrundung der bischof lichen Autoritat bei Cyprian. 507
zuruckzufiihren zum TJrsprung, ad originem dominicam et ad evangelwam
dtque apostolie-am trdditionem (63, 1. 17; 74, 10). Nachfolger der
Apostel sind aber die Bischofe nicht nur in diesem geschichtlichen Sinn,
sondern auch personlich und zwar durch die Ausriistung mit heil. Geist.
Nicht nur in der Tradition steckt der Geist,' wie Irenaus wollte, sondern
jeder Bischof wird von ihm erwahlt und geleitet und soil dementsprechend
ein heiliges Leben fuhren. Cyprian folgt damit dem Montanisten Ter-
tullian , der als eigentliche Nachfolger der Apostel nur die spiritales
gelten liefi, aber Cyprian wandte den Gedanken anders: alle Bischb'fe
sind spiritales, aber auch: sind, sie. letzteres nicht mehr, so haben sie zu
erstereni kein Eecht. Er hat das hierarchische Traditionsprinzip Ter-
fcullians mit dessen niontanistischer Geistlehre verkniipft, ja er ist hierin
noch iiber Tertullian hinausgegangen. Er folgte damit den Gedanken
des verehrten Lehrers, sicherlich auch personEcher Erfahrung und end-
lich dem Zug der Zeit, wie er sich ja auch in seiner Gemeinde geltend
.gemacht hatte. Der grofie Bischof," der die Sicherheit des vornehmen
Homers so unubertrefflich mit der Autoritat des kirchlichen Amtes zu
verschmelzen verstand, verband in sich auch die juristische Logik mit einem
heifien Herzen, er schwarmte fur die Hierarchic und liebte Christus, er
war ein praktischer Diplomat hohen Hanges und hinnnlisehe Stimrnen
und Gesichte waren . ihm nicht fremd. So ging aus der Zeitlage wie
aus dem personlichen Erleben Cyprians die paradoxe Kombihation her-
vor, von der. wir reden. Der Geist scheint wieder aufzuleben : wie einst
Hennas die zweite BuBe unter seiner Einwirkung . erstmalig verkiindete,.
so hat der Geist den Bischofen zu Karthago. die richtige Anwendung dieser
Bufie mitgeteilt. Haben aber die Bischofe den Geist, dann sind sie
die hochste Autoritat der Kirche, die in nichts den Martyr'ern nachstehen,
dann ist das kirchliche Amt nicht nur historisch auf .die, Apostel ge-
: grundet, sondern die Bischofe haben wirklich das, was die Apostel aus-
zeichnete, den Geist. Der alte Kampf zwischen den beiden Fornien der
Leitung der Kirche . scheint . sich friedlich dadurch zu losen, da6 die
amtliche Form die pneumatische in sich aufnimmt und die Pneuinatiker
sich unterordnet. Aber noch einen dritten Eaktor hat Cyprian zum
Pfeiler fiir die Autoritat des Amtes zu machen verstanden, es ist das
kirchliche Opfer. Vom Opfer ist spater zu reden. Hier ist nur zu
sagen, dafi Cyprian das Abendmahlsopfer als wirkliches Opfer auffafit,
und dafi der Bischof dies an Christi Stelle darbringt. Hat .nun Christus
dies Opfer eingesetzt und haben die Bischofe seine Einsetzungen aufrecht
zu erhalten, so ist das Opfer ihre Auf gab e (ep. 63, 14. 17), wie sie zu
seiner Darbringung durch den Geist befahigt sind, sodafi gefallene
Bischofe auch -das- Opfer nicht vollziehen konneu : nee oblatio sanctificari
508 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes.
illis possit, tibi sanctus spiritus non sit (64, 4 cf. 72, 2). Damit wird
die biscboflicbe Autoritat liber die Apostel auf die Hobe Christi selber
geboben. Und dazu kommt, dafi der Biscbof aucb Bichter an Ghristi.
Statt ist vermoge der Autoritat, die Christus Him gegeben.
2) Daraus ergibt sicb die Stellung des Biscbofs in der Kircbe, sowie>
seine Eunktionen in ibr. Nacb Mattb. 16, 18 f. ist die Kircbe auf den.
Biscbof gegriindet, und ibm stebt die Leitung derselben zu : inde per
temporum et successionum vices episeoporum ordinatio et ecclesiae ratio'
decurrit, ut ecclesia super episcopos constituatnr et omnis adus ecclesia&-
per eosdem praepositos gubernetur (33, 1). Unus in ecclesia ad tempus
sacerdos et ad tempus index vice Ghristi (59, 5). Wie ernst
diese Gedanken geineint sind, zeigt der Streit, den wir kennen gelernt
baben. Der Biscbof entscbeidet iiber die Zugeborigkeit zur Kircbe,.
iiber die "Wiederaufnabrne in ibre communicatio (16, 1 ; 41, 2. de laps.
18. 22. 29), er leitet den Grottesdienst als der Priester Grottes, der das.
Opfer am Altar vollziebt (67, 1), er sorgt ftir die Bedlirftigen. Er
tritt fur die reine Tradition, gegen den Irrtum, ein (ep. 63, 17. 19;.
74, 10). - 1 ) Er ist der praepositus, der die laid oder die plebs zu regieren
bat, vennoge gottlicber Autoritat. 3) Die Biscbofe bilden nun aber
ein collegium, den &piscopatus> Aucb das batte sicb in der "Wirklicbkeit
langst vollzogen ; die Synoden batten es vorbereitet, Brief e der Biscbofe
tmtereinander leiteten zu genieinsamer Aktion an und starkten das Be-
wufitsein der Einbeit. Auf-dieser Einbeit berubt die Einbeit der Kircbe.
Die ganze Kircbe bildet ein zusammenbangendes Gefiige (ecclesiastici
corporis compago, ep. 55, 24). Der Episkopat ist das Einbeitsband.
Episcopatus unus est, cuius a singulis in solidum pars tenetur ; ecclesia
una est, qtiae in multitudinem latins incremento fecunditatis extenditur
(de unit. eccl. 5). Ecclesia^ quae catholica una est . . . sit utique connexa
et cohaerentium sibi invicem sacerdotum glutino copulata (ep. 66, 8). In
diesem Zusammenbang beifit es: illi sunt ecclesia sacerdoti adunata et
pastori suo grex adhaerens. Unde scire debes } episcopum in ecclesia esse
et ecdesiam in cpiscopo, ut qui cum episcopo non sit, in ecclesia non esse r
et frustra sibi blandiri eos qui pacem cum sacerdotibus dei non habentes.
obrepunt et latenter apud quosdam communicare se credunt (ib.). Diese
Einheit des Episkopates runt auf der gemeinsamen gottlicben Erwablung
und Ausriistung als Nacbfolger der Apostel, und kommt in dem gleicben
Sinn (z. B. 75, 3), in gemeinsamen Beratungen und in der gegenseitigen
Anerkennung zuui Ausdruck (vgl. ep. 19, 2 ; 20, 3- 55, 1. 6. 7. 24. 30
cf. 75, 4. 45 usw.). Hierdurcb gewinnt aucb die Synode einen neuen.
1) Vgl. 0. Eitschl a. a. 0. S. 216.ff. S.ohm, Kirchearecht I, 205 ff. 258 ff.
Die Einheit der Kirche und'der Episkopat nach Cyprian. 509
Urspriinglicli waren die Synoden iiberhaupt Yersamrnlungen von
Christen, in denen die Bischofe naturgemaB das entscheidende Wort
sprachen (Eus. h. e. V, 16, 10; 23, 2). Jetzt fallt prinzipiell die Ent-
scheidung den vom heil. Geist inspirierten Bischofen zu (Cypr. ep. 57, 5),
inogen immerhin auch Laien und niedere Kleriker an der Synode teil-
nehmen (ep. 19, 2). 1 ) 1
4) Die Einheit wird daran sichtbar, dafi der Herr zunachst Petrus
die apostolisehe Yollmacht gab : hoc erant utique et ceteri apostoli quod
fait Petrus. pari consortio praediti et honoris et potestatis, sed exordium
ab imitate profieiscitur, ut ecdesia Christi una monstretur (de un. eccl. 4
cf. ep. 75, 16 ; 33, 1 ; 43, 5). Petrus und die ihm zugeteilte Yollmacht
1st also ein Symbol fiir die Einheit der Kirche wie ihrer Macht. Die-
selbe Macht hat ja der Herr auch den ubrigen Aposteln ausdriicklich
gegeben, indem er ihnen den heil. Greist und die Vollmacht der Siinden-
vergebung verlieh, Joh. 20, 21 ff. (75, 16). Zwar wird auch jetzt noch
die roniische Kirche cathoKcae eccleside radix et mater genannt, wie Irenaus
und Tertullian es getan hatten (ep. 43, 3), aber dem gesteigerten Episko-
palismus entsprechend, spielt Mt. 16 mit der Personlichkeit und dem
Thron Petri die Hauptrolle : ad Petri cathedram atque ad ecclesiam princi-
palem, unde unitas sacerdotalis exorta est (59, 14). Aber hierin liegt
doch wieder mehr als die Betrachtung Petri als eines Apostels unter
den anderen, in der Theorie fafit man es so auf, die Praxis greift un-
willkiirlich 'daruber hinaus, Horn wird das Zentrum der Kirche, Petrus
dux ac princ&ps apostolorum (de rebapt. 9), seinen Nachfolgern kommt
der primatus unter den Bischofen zu. An 'den rb'mischen Bischof wenden
sich spanische und gallische Bischofe mit 4 er Bitte uni Wiedereinsetzung
und Anerkennung, und an seinem Spruch hangt in der Tat die Ent-
scheidung, das bezeugen auch die, die, wie Cyprian, mit seiner Ent-
scheidung unzufrieden sind (ep. 67, 5 ; 68, 1 3). Diese Stellung hat
S t e p h a n von Rom (254 57), der gegen die Wiedertaufe von ISTovatianern
wie Haretikern war (s. unten) prinzipiell in Anspruch genommen, er
redete von seinem primatiis, er verlangte Grehorsam von den iibrigen
Bischofen (71, 3), er liefi sich nicht auf Yerhandlungen mit ihnen ein,
sondern behandelte sie, falls sie sich nicht fiigten, als Exkoninxunizierte
1) Von jahrlicli stattfindeiiden bisclioflichen Synoden bericlitet Pirmilian
(Cypr. ep. 75,4 vgl. schon Tertull. de iei. 23). S. iiberhaupt A. Hauck, Synodea
PEE. XIX. 263 ff. 8 ohm (Kirchenreclit I, 277 ff.) legt viel Gewielit daraaif, daB
auch der niedere Klerus an den Beschliissen teilnimnit, aber er gesteht selbst zu:
,,die Mitwirkimg und Zustimmung von Volk und Klerus war schon uni die Mitte
des 3. Jahrh. in der Mehrzahl der Falle zu einer b lo JB en Form ge word eu"
(S. 306), und clafi nur die Stimmen der Bischofe gezahlt wurdeu (S. 301 f).
, 510 18. Die EortbilduBg; des Kirchenbegriffes.
(Firmilian b. Cypr. ep. 75, 25). Der Grund dafiir war das Bewufltsein
Nachfolger des Apostelflirsten .zu sein : qui per. successionem cathedram
. Petri habere se praedieat (ep. 75, 17). Dieseni Verhalten hat es an.
scharfer Kritik nicht gefehlt. Cyprian war keineswegs gewillt den
romischen Primat anzuerkennen, er wufite Mtth. 16 den Vorgang Gal. 2
entgegenzustellen (71, 3) und hat die Anmafiung und Hartnackigkeit des
Homers schonungslos getadelt (ep. 74, s. auch 59, 2. 14; 67, 5), der
Kappadocier Firmilian hat ihm dabei tapfer sekundiert (ep. 75). Aber
in diesem Kampf hat Stephan gesiegt.
5) Die Bischof e sind die von Christus eingesetzten Hegenten der
Kirche, und der Episkopat ist die von Gott ge,gebene Form, die den
Stoff der Gremeinde gestaltet und zur Einheit zusammenfafit. Aus dieser
Anschauung ergibt sichnaturgemafi.dieKonsequenz, dafi nur der zur Kirche
gehb'rt oder Christ ist, der deni Bischof sich tinterordnet. Nach Irenaus
gehorte der zur Kirche, der den von dem Bischof als apostolisch garan-
tierten Glauben teilte, nach Cyprian ist der Bischof selbst Gegenstand
des Glaubens und der religiosen Unterwerfung. Nee eniin ignoramus
unwn deum esse, et unum Christum esse domimim . . ., unum sanctum
spiritum, unum episcopum in catholica esse debere (ep. 49, 2). JJ&us unus
est et Christus unus et una ecclesia et cathedra una super Petrum domini voce
fundata (43, 5). Gehort aber der Episkopat zum christlichen Glauben, so ist
Auflehnung wider ihn Unglaube und Auflehrmng wider Gott. Somit ist
der Schismatiker, und ware er auch ein orthodoxer Mann wie Novatian,
dem auch Cyprian keine Haresie nachweisen kann oder will, als solcher
zugleich Haretiker (59, 5; -66, 5; 52, 1; 69, 1. 5. de unit. 10 cf. ad
Novat. 1. 8. de rebapt. 10). Wer sieh dem rechtmaBigen Bischof nicht
unterwirft, kommt dadurch um die Gemeinschaft rait der Kirche und um
das Heil: quisquis ille est et qualiscunque est, christianus non est qui in
Christi ecclesia non est (55, 24 von Novatian gesagt! cf. 43, 5. de unit.
17. 19). Der gleiche Glaube, auf welchen jene sich berufen, niitzt
ihnen so wenig als er der Rotte Korah geniitzt hat (ep. 69, 8). Es ist
iinmer Spreu, was von der Tenne fortgeweht wird (de un. eccl. 9. ep.
66, 8), wtirde der Betr. auch Martyrer um des.Glaubens willen (ep. 73, 21) :
quia salus extra ecclesiam non est. Die rechten Glieder der Kirche
werden also vor allem den Bischof anerkennen und ihni gehorchen. So
bleiben sie in der einen Kirche, auBerhalb welcher kein Heil ist'.-^hctbere
non potest deum pair em qui ecclesiam non habet matrem (de un..6).. Wie
die Kinder zum Yater verhalten sich die Gemeindeglieder zum Bischof
(ep. 41, 1), wie Briider die Genossen der fraternitas untereinander,
.indem sie Priede und Liebe walten lassen und alle Zwietracht und
Spaltungen meiden, briiderlich zusammen betend und auch die irdischen
Der Streit urn die Ketzertaufe. . 511
GHiter einander mitteilend (de unit. 8. 9. 12. 13. 15. 24 f. de orat. dom.
8. 30. de op. et eleem. 25 fin. de pat. 15. de zel. et liv. 6).
6) In dem Streit uber die Griiltigkeit der Ketzertaufe 1 ) zog
Cyprian eine weitere Konsequenz aus seinem Kirchenbegriff,. die aber
zugleich zeigt, dafi seine Anschauung nicht in ihrem ganzen "Umfang
der allgemeinen tjberzeugung entsprach. Die Frage iiber die Taufe der
Ketzer war durch Novatians Wiedertaufe der kirchlichen Christen brennend
geworden (oben S. 503). Es lag sehr nahe der novatianischen Gremeinde
Grleiches mit Gleichem zu vergelten und die TJberlaufer von dort eben-
falls neu zu taufen. Diesen Weg hat Cyprian eingeschlagen, es ist sicher,
dafi er dabei ebenso wie Novatian auf Tertullians Theorie. (de
bapt. 15) zuruckgeht, oder vielmehr, dafi diese Theorie damals in Afrika
in allgemeiner Greltung stand, denri die unter Cyprian in Karthago auf
drei Synoden versammelten Bischofe (im J. 255 und 256) berufen sich
bei ihrem Widerspruch gegen die Giiltigkeit der ketzerischen Taufe auf
ihre Vorganger und einen bestimmten Beschlufi derselben (ep. 70, 1 ;
71, 4; 73, 3). Doch hat man sich in Afrika noch erinnert, dafi friiher
dort die entgegengesetzte Praxis herrschte, wahrend der Kappadocier
Eirmilian bezeugt, dafi bei ihm stets die Wiedertaufe der Haretiker
iiblich gewesen sei (ep. 75, 19). Aus den Brief en des Dionys von
Alexandrien geht hervor, dafi in seiner Heimat die "Wiedertaufe nicht
brauchlich gewesen zu sein scheint (Eus. h. e. YH, 7, 4. 5 ; 9, 2).
Dagegen schrieb S t e p h a n von Rom : si qui a quacunque haeresi venient
ad nos, nihil innovetur nisi quod traditum est, ^lt manus illis imponatur
in paenitentiam, cum ipsi haeretiei proprie nlterutrum ad se venientes non
baptizent, sed communicent tantum (Cypr. ep. 74, 1 cf. 72, 1 ; 75, 14).
Sofern eine irgendwie christliche Taufe vorlag, wurde diese in Korn fiir
geniigend erachtet, man fiigte blofi eine Belehrung iiber den rechten
Gflaiiben hinzu, sowie die bischofliche Handauflegung oder die ,.geistliche
Taufe" als Mitteilung des Greistes. 2 ) Dafi dies die alte Praxis ist, geht
daraus deutlich hervor, dafi sie die alte TJnterscheidung von zwei Be-
standteilen der Taufe (oben S. 357 f.) deutlich voraussetzt, .die ja gelegent-
1) Vgl. J. Ernst, Die Ketzertaufangelegenheit 1901. L. Nelke, Die
Chronologie der Korresppndenz Cj r pr. etc. 1902, S. 84 ff. J. Ernst, Papst Steplian I.
XT. der Ketzertaufstreit 1905. N. Bonwetsch PEE. X 3 , 270 f. J. Tixeront,
Hist, des dogines I, 392 ff.
2) s. die Schrift de rebaptismate, die sicher in tinsere Zeit fallt (J. Ernst
in Hist. Jahrb. 1898, 499 ff. W. S chiller in Ztschr. f. wiss. Theol. 1897, 555 ff.
Harnack Chronol. II, 395), c. 1. 10: si vero (baptisma) ab alienis traditum
fuerit, . . . poenitentiam agentibus correctisque per doctrinam veritatis . . .
tantummodo baptismate spiritali, id est manus impositione episcopi et spiritus
sancti subministratione subveniri debeat.
512 18. Die Fortbildung des Kircheubegriffes.
lich auch bei Cyprian noch hervortritt. l ) Pann war der Gedanke der:
eine Beziehung zu Christus ist bei alien denen anzunehmen, an denen
die Taufe im Namen Christi vollzogen wurde, aber um den Geist zu
empfangen, bedarf es der exhibitiven Einwirkung der Kirche, die den
Geist hat. Indeni man in Horn diesen Gedanken noch verstand, wahrend
fur Cyprian die Taufe wesentlich der eine Akt der Wiedergeburt ist,
ebenso Firmilian, ep. 75, 17 begreifb sich der Gegensatz. Dazu
komrut eine Differenz in der Anschauung von der Kirche. Cyprian
denkt an die voni Geist erfullten Bischofe, die allein imstande sind das
"Wasser zu heiligen : mundari et sanctificari aqua/m per sacerdotem Christi
{ep. 70, 1), die haretische Taufe ist ihm nur eine sordida et profana
tinctio (70, 1; 72, 1 ; 73, 6. 21 etc.). Der Bonier dagegen lafit die
Institution als solche wirksara werden : bringt das Wasser, resp. der Name
Christi, nach Christi Yerfiigung eine Beziehung zu Christus, so geschieht
das eben uberall und unter alien TJinstanden. 2 ) Diese Differenz wird
1) s. bes. ep. 72, 1 : parum sit eis manum imponere ad aedpiendum spiritum
sanctum, nisi accipiant et ecclesiae baptismum, tune enim demum plene sancti-
ficari et essefilii dei possimt, sisacramento utroqu'e nascantur, . . . ex aqua
et spiritu (Job. 3, 5).
2) TJnsere Darstellnng griindet sich anf die merkwiirdige und bedeutende
Sclirift de rebaptisniate. Man kann den nnbekaimten Verfasser den ersten
Scliolastiker nennen. denn die Methode der Scholastik, Gegensatze aufzudecken
und danii miteinancler auszugleichen, befolgt auch er (c. 1 fin.). Das Problem, der
Sclirift ist, ob die, welche von Haretikern, aber in nomine Jesit Christi die Taufe
empfangen haben, bei ihreni Eintritt in die Earche nur der bischdflichen Hancl-
auflegung bediirfen znni Empfang des Geistes, oder ob sie, wie Cyprian will,
wiederzutaufen siucl. Der Verfasser entscheidet sich unbedingt fiir die romisehe
Praxis. In scharfsinniger Erorterung zeigt er, daB im N. T. die Wasser- und
die Geisttaufe keineswegs notwendig zusammenfallen. Schon Johannes unter-
scheidet seine Wassertaufe von Christi Geisttaufe (c. 2), Act. 8, 15 sind beide
Taufen deutlich unterschieden (2), Act. 1, 44 48 geht die Geisttaufe der Wasser-
taufe voran (5). Nun sind zwar gewohnlich die beiden Taufen miteiuander ver-
bunclen als baptisma spiritus et aquae (2. 10), aber es kann auch jetzt noch die
Geisttaufe viel spater vollzogen werden als die Wassertaufe. Sie erfolgt in
der Eegel durch die bischofliche Handanflegung {baptisma spirituale id est manus
impositio episcopi, 10), aber auch dnrch Gott selbst occulta largiente et operante
(4. 2. 11). Sonach braucht der von Haretikern Getaufte nur seiuen Glauben zu
andern, BuJBe zu tun (10. 14) und die bischofliche Handauflegung- nachzusuchen,
einer Wiedertaufe bedarf es nicht. falls er im Namen Jesu Christi getauft wordeu
ist. Der Verf. spricht immer wieder von der Taufe in nomine Christi oder der
invocatio nominis Christi (z. B. 1. 4. 12. 13. 14 f. 6. 10). Er kennt und aner-
kennt die allgemein brauchliche triadische Taufe, er ist aber der Ansicht, daB
auch die Taufe auf den Narnen Jesu geniige, und zwar weil diesern Namen eine
besondere Kraft inuewohnt, die Wunder wirkt, selbst wenn homines extranei ihn
anwendeu (7). Der Name Christi ist der wesentliche Bestandteil der Wassertaufe :
Griinde fiir und wider die Wiedertaufe von Haretikern. 513
aocli deutlicher, wenn man die Griinde iiberblickt, die beide Gtegner an-
gefiibrt haben. Nacb Cyprian baben nur die Bischofe das Recbt zu
taufen (73, 7), nur wer selbst den Geist bat, kann ibn anderen geben.
aind die Stinden vergeben (69, 10. 11 ; 70, 1. 3 ; 73, 7 ; 74, 5 cf. 75, 9),
nur der zuerst in der Kircbe Greborene kann- den Greist erbalten (74, 7),
der Grlaube der Haretiker ist ein anderer als der der Kirche (73, 21).
.Endlicb. bat sicb. Cyprian der Tradition gegeniiber immer wieder auf das
consilium sanae mentis berufen (68, 2 ; 71, 3 ; 73, 13 ; 74, 2. 3. 9 cf.
75, 19) und die "Wanrbeit der Grewobnheit gegeniiber gepriesen. Non
est autem de comuetudine praescribendum, sed rations vincendum (71, 3);
consuetudo sine veritate vetustas erroris est (74, 9). Das heifit, er hat
sicb auf die logische Konsequenz aus seinem Kircbenbegriffi und auf
seine personlicbe TJberzeugung berufen. Dagegen bat Stepban sicb auf
die alte Tradition gestiitzt und die Berufung auf seinen apostoliscb.en
Primat binzugenominen (75, 17); 1 ) aucb seine sana mens wird dabei
WR der Kraft willen, die nacli Act. 4, 12. Phil. 2, 9 ff. diesem Namen einwokat,
haben die Apostel auch solchen, die den Geist hatteii, die Wassertaufe befohlen
(5 fin. 6). Die Ansicht des Verf. ist also, dafi wegen der zauberhaften Kraft, die
4em Namen Christi einwohnt, und sich wirksam erweist, auch wenn Haretiker
den Narnen beniitzen, eine Taufe auf diesen Namen als geniigend anzusehen ist,
freilich nur ini Sinn eines initium quoddam mysterii dominici commune nobis
et ceteris omnibus . . ., quod-possit postmodum residuis rebus impleri (7); diese
Erganzung (invocatio nominis lesu . . ,, si rite suppleta postea fuerit, 12) wiirde
im Sinn des Autors in dem Glauben an die triadische Bekenntnisformel und in
.dern Empfang- der Handauflegung bestehen. Das personliehe Interesse des Autors
richtet sich durchaus auf die Geisttaufe. AuISer der Kraft des Jesusnamens und
der non inodica praerogativa, .die er veiieiht (6), weiC er nichts von der Wasser-
taufe zu sagen, auch nicht die Wirkung der Vergebung, die perso'nliehen reli-
giosen Wirkungen haften an dem Geist, der freilich in der Eegel mit derWasser-
taufe zugleich empfangen. wird. Cyprian hat (ep. 73, 16 18) die Jesustaufe des
.Autors scharf zuriickgewiesen. Der Autor ist ein Bischof (10), der zu Stephan
lialt. Hat Cyprian, wie der Autor ihm vorwirft (3 init.), den Geist mo'glichst eng
.mit der Wassertaufe verbunden, so hat sein Gegner die Wassertaufe und den
Geist mo'glichst voneinander getrennt. Er hat Cyprian einen streitsiichtigen
Neuerer genannt (3. 8) und fiir seine eigene Ansicht die alte Tradition in An-
spruch genommen (15 fin. 19). Mag er auch selbst im polemischen Interesse die
Tradition einseitig gedeutet haben, so ist dock das Vorhandensein solcher Tradi-
tionen im Gesichtskreis eines italischen, Eom nahestehenden Bischofs des dritten
Jahrhunderts iiberaus merkwiirdig. Im iibrigen erkennt man in der Schrift auch
eines der Motive, die spater zur grundsatzlichen Abtrennung der Hschoflicheo,
Xonfirmation von der Taufe fiihrten. Vgl. Ernst in Ztschr. f. kath. TheoL,
.1900, 425 ff. Beck in Katholik, 1900, .1, 40 ff. H, Koch, Die Tauflehre des
.lib. de rebapt., 1907. .
1) Vgl. Cyprian in der Praefat.. der, Sentent. episcop.: quid sentiamus,
proferam^ls neminem iudicantes aut a iure commimicationis aliqiiem, si diversum
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 33
514 18. Die iFbrtbildung des Kirchenbegriffes.
mitgesprochen haben in Grestalt der kircberipolitischen Erwagung, den
Novatianern den B/iicktritt zn erleichtern. 1 )
Stephan ist bei seiner IJberzeugung gebliebeh tind es -ist ihm bitterer
Ernst mit ihr gewesen, sodafi er Cyprian ansah fur einen pseudochristum
et pseudoapostolwn et dolosum operarium (ep. 75, -25), die Gremeinschaft
mit den afrikanischen Kirchen (ib. 6. 24. 25), sowie init den kleiii-
asiatischen aufhob (JDionys b. Eus. YH, 5, 4). 2 ) Demgegenuber hat
Cyprian nur gewagt, die afrikanische Praxis als auch berechtigt zu be-
zeichnen , die entgegengesetzte Anscnauiing aber -ebenfalls ane'rkannt
(z. B. sent, episcop. praefat. ; ep. 72, 3 : 73, 26). Aber Cyprian scheint
die Genugtuung zuteil geworden zu sein, daB Sixtus II. von Som.
(257 ^258) nicht nur seinen Kirchenbegr'iff akzeptierte, sondern aucn
endlich an alien Grefallenen die Vergebung vollzog, auch darin de'n
Afrikanern folgend. 3 ) Die romische Beurteilung der iKetzertaufe ist
beibebalten worden, doch natte ja auch Cyprian dieselbe freigestellt. 4 }
Diese Praxis hat sich ini Abendland bald durchgesetzt, wahrend im Orient
wahrend des ganzen vierten Jahrhunderts die Wiedertaufe der Haretiker
die Eegel blieb. 5 )
: senserit, amoverites, neque enim -qmsquam nostrum episcopum se 'epi'scopdnim
constitute aut tyrannico terrore ad obsequendi necessitatem collegas suos adigiL
Diese Worte auf der Herbstsynode 256 sind veranlafit durch ein Schreibei.
Stepbans (das aus ep. 74 zu erscbliefien ist), s. Nelke a. a. 0. n. Har-nack,
Cbronol. II, 3581
1) Vgl. Harnack, Texte tind Unters. XIII, 1, S. 22. 67.
2) s. Nelke a. a. 0. S. 109. 126. 129fL, dagegen-J. Ernst, IPapst Stephan I.
etc. S. 80ff.
3) s. die Schrift ad Novatianum, voii der Harnack a. a. 0. es im bochsteii
Grade wahrscbeinlich gemacht hat, daC sie Sixtus II. angehort.
4) tj'be'r die schweren Kampfe urn die Wiederatifnahme der 'lapsi in Rom
von 306309 wisseii wir nur wenig, damals scheiiien die rSmisohen BischSfe
Marcell. I und Eusebius wieder eine strerigere Praxis vertre'ten zu haben, s..
Harnack PEE. XII 3 , 259.
5) Basilius der Gr. weifi, 'daJS in Kappadocien 'die : r6mische Verwerfung der
Wiedertaufe anerkannt ist, ist aber der Meiimng, daB sie an Haretikern forzu-
nehmen ist (ep. 188, 1; 199, 47, vgl, K. Ho 11, Amphilochius V. Ikcinium 1904,
S. 23). Zu NiCaa (325) wird die Wiedertaufe der Anhanger Pauls v. Sainosa'ta.
beschlossen (can. 19), ebenso hat Athanasiiis 'die Ta'ufe -der Aria'ner fiir -nlchtig
erklart (c. Arian. or. II, 42. 43). Cyrill v. Jerus. verlangt die Wiedertaufe 'der
Haretiker, weil ihre erste Taiife ke'ine wahre Taufe gewesen (proca't. 7), s. ; noch
Const, ap. VI, 15. Auf der Synode zu Aries im J. 314 wird im Hinblick a'uf
die afrikanische Wiedertaiife festgestellt, daB eine so'lche nicht stattfinden soil,
falls die Taufe des Haretikers auf die Trias Yollzdgen ist; dann : genuge die Hand-
auflegung, kennt der Taufling die Trias nicht, so ist er wiederzutaufen (can. ! 8).
Bei Augustin steht die Gultigkeit der Ketzertaufe fes't (z, B. ; de bapt. I, 5, 7;.
12, 18. VI, 1, 1).
Die romische und die afrikanische Anscliauung von der Kirche. 5l5
7. Blicken wir auf die dargestellte Entwicklung zuriick, so 1st zu-
nachst erkennbar, wie eng die Geschichte des Bufiinstituts mit der Ent-
wicklung des Kirchenbegriffs verbunden 1st (s. oben : S. 494). Sodann
aber, dafi diese Entwicklung im ganzen eine Einheit darstellt, die
durch Cyprian ihren klassischen Ausdruck erhielt. Diese Einheit besteht
in einer Fortbildung des Gedankens des Irenaus und des Tertullian : der
. Bischof als Inhaber der apostolischen Wahrheit 1st nach gottlichem Kecht
der Regent der Kirche und des kirchlichen Lebens, sodafi der Abfall
von ihm zugleich Abfall von Kirche und Christentum ist. Nun aber
haben die Homer Kallist, !Movatian, Stephan die Autoritat des
Bischofs axtsschliefilich auf seine amtliche Stellung begriin'det und deni-
gemafi in den gegebenen apostolischen Institutionen das 'iFeld seiner Be-
tatigung erblickt. Dagegen haben die Afrikaner Cyprian wie auch
seine Gregner zu der geschichtlichen Autoritat des Bischofs seine
pneumatische Ausrustung hinzugefugt und -daher ihm Grewalt auch liber
die Institutionen beigelegt. Fur beide - war also der Episkopat der Nach-
folger des Apostolats, aber fiir erstere nur im geschichtlichen kirchen-
rechtlichen Sinn, fiir letztere zugleich im Sinn personlicher pneumatischer
Nachfolge. Erstere haben den Ansatz des Irenaus konsequent fort-
gebildet, letztere haben ihn erganzt durch eine besonde're Inspiration der
Bischofe, nach diesen hat der Bischof den Gfeist in sich, nach jenen
verfiigt er iiber den in der apostolischen Lehre und den kirchlichen
Institutionen besch'lossenen Geist. Es ist merkwiirdig, wie tief diese
Differenz wurzelt. Novatian hat , soviel wir sehen , sich nicht durch
seine Lage zum Greisttum fortdrangen lassen, er hat die Martyrer nur
zu Qrganen seiner kirchenregimentlichen Gewalt gebraucht und dahef
,,betrogen". Cyprian dagegen hat seinen afrikanischen Gegnem nicht nur
in der pneumatisch begriindeten Bufipraxis nachgegeben, sondern
er ist mit ihnen schliefilich auch 'einig gewesen in der Anerkennung des
Primats des 'Greistes in der Kirche, nur 'dafi er den Geist in dem Episkopat
'konzentrierte und die historische Autoritat mit ihm kombinierte. Aiif
ihn hat nicht nur der friihere, sondern auch der mdntanistische Tertullian
eingewirkt. Die ,,heilige Kirche" -hatte man in Rom, sofern heilige
'apostolische 'Ordnungen herrschten, in Afrika kam liinzu, dafi ;heilige
Manner diese handhabten. Dort war -die personliche Heiligkeit des
Bischofs -eine Prage untergeordneten Kanges, Her war sie eine Saupt-
frage, 'dort hing alles an den G'esetzen und korrekten Formen, iier kain
'die personliche Qualitat mit in Betfacht. Dazu tritt endlich di&
Differenz in der Auffassung des Primates Petri. Man hat in E,om hierbei
an eine feste Institution gedacht und daraus die Konsequenzen gezogen^
33*
516 19. Die Gesamtauffassung des Christentums.
wahrend fiir Cyprian der geisterfullte Apostel nur die syrnbolische Einheit
aller pneumatischen Kirchenleiter darstellt.
Man darf uber dieser Differenz der Anschauungen die Einheit in
ihnen nicht iibersehen. Aber gerade dies Beieinander differenter und
einheitlicher Momente schlofi den Antrieb zur weiter.en Entwicldung in
sich. Davon \vird spater zu reden sein. Hier sei nur noch daran
erinnert, dafi die angestellte TJntersuchung uns die Grundlagen kennen
gelehrt bat, die die Mitarbeit des Abendlandes am dogmatischen Streit in
der voraugustinischen Zeit bestimrnen. Es ist einmal die IJberzeugung,
dafi die ganze apostoliscbe Wahrheit im Taufbekenntnis zusainmengefafit
ist, es ist sodann der Gedanke, dafi der Episkopat nacb gottlicbeni Hecht
die Kircbe regiert, so dafi die Cbristen ibm in alien Fragen der Lebre
wie des Lebens zu geborcben baben und es ist endlicb die praktiscbe
Anscbauung von der unitas ecdesiae, die als ein unter seinen Regenten
geeinter Staat lebt, wirkt und siegt.
19. Die Gesamtauffassung des Christentums.
Je welter die DGr. forts cbreitet, desto mebr wird das Dogma eine
selbstandige Grb'JSe gegeniiber den kircblichen Institutionen. Zwar wirken
beide Grofien aucb weiter aufeinander ein, aber docb hat jede von ihnen
,eine relativ selbstandige Gescbichte. Im 3. Jahrhundert wirkt die Bufi-
praxis und die damit zusammenbangende amtliche Organisation der Earche
noch energiscb niit zur Hervorbringung lebrhafter Anscbauungen. Aber
diese wie jene kniipfen an kraftig entwickelte Anfange an, und aueb
das Yerbaltnis beider zueinander ist ' in der Vergangenheit festgestellt
^vorden. Daraus begreift es sich, dafi die dogmengeschicbtliche Darstellung
nicbt aucb weiter in dem Mafi wie im 2. Jahrhundert auf die Einzel-
entwicklung der kircblicben Institutionen einzugehen braucbt, was sicb
ja auch aus der Eiicksicht auf den Umfang der Darstellung verbietet.
"Wir baben es im folgenden mit der Gesamtanscbauung vom Cbristen-
tum im 3.' Jahrhundert zu tun. Als Yoraussetzung ist uns dabei der
^ustand der Lehre und der kirchlicben Praxis gegeben, wie er sicb in
den grofien Kampfen um die Wende des 2. und 3. Jabrhunderts heraus-
gebildet hatte. Der Gegensatz zu Gnosis und Montanismus hatte dem
alten Kircbentum und der alten Lebre neue gefestigte Formen verliehen.
Irenaus, Tertullian und Hippolyt, Clemens und Origenes haben diese
Eormen gepragt. Auf diese scbopferische Zeit ist eine Periode der
Aneignung und der Anwendung gefolgt. Es ist daraus verstandlich, dafi
die Kirchengescbichte an den Bildungen des 3. Jabrbunderts einen. liber-
Die nachorigenistische Theologie. 517
aus reichen Stoff hat, wahrend die DG. von prinzipiell neuen Gesichts-
punkten verhaltnismafiig wenig zu berichten hat. Wir handeln zu-
nachst von der Gesamtanschauung der griechisehen, dann der lateinischen
Vater.
I. Die griechischen Theologen.
*
Unter diesen sind zu nennen Dionysius v. Alex, (f ca. 265; Fragmente
bei Eonth, Eeliq. sacr. III. IV), Ho 11, Fragmente vornican. Birchen vater
(Texte n. Unters., N. F., V, 2), 1899, S. 146 ff. Pamphilus, Apologia pro
Origene: Eouth III IV. Theognost (ca. 280, s. Phot. cod. 105 u. vgl. F. Die-
kamp in Theol. Quartalsclir., 1902, 481ff. Harnack in Texte u. Unters., N. F.,
IX, 3 S. 73ff. Pierius (z. Z. Dioldetians, s. Phot. cod. 119). G-regorius
Thanmaturgos (s.Caspari, Qnellenetc. 1886, S. Iff. Migne. gr. 10. Lagarde,
Analecta syr., 1858. Eyssel, Greg. Thamn. Leben nnd Schriften. Pitra,
Analecta sacr. III. IV). Hierakas (Epiph. h. 67). Vor allem aber Methodius
von Olympos (Schriften eel. Bonwetsch, s. oben S. 490 A. 3, vgl. Pankan, Meth.
Bisch. v. Olympus in ,,der Katholik" 1887, II S. 118 ff., 225 ff. nnd N. Bon-
wetsch, Die Theologie d. Method., 1903),- ueben ihm sein alexandrinischer Zeit-
genosse Petrns (f 311; Fragmente bei Eonth, Eelici. sacr. IV. Pitra, Ana-
lecta sacra IV, 187 ff. resp. 425 ff. vgl. C. Schmidt, Fragm. einer Schrift d.
Martyrerbischofs Petr. v. Alex. Texte n. Unters., N. F., V, 4 b , 1901). Zu den
literaturgeschichtl. Fragen s. Harnack, Gesch. d. altchr. Lit. I, 409 ff., 428 ff.,
437 ff., 443 ff.) nnd Chronolog. II, 5779. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl.
Lit. II, 195 ff.
1. Die G-edanken der griechischen Theologen stehen unter dem
EinfluB des Origenes, aucb. an energischen Gegnern 1st das zu spiiren.
Seine dogmatischen Pornieln und Probleme wirken fort (Schopfung,
Homousie des Sohnes, Geist und Leib, Preiheit, Aiiferstehung, Schrift-
verstiindnis usw.). ' ,
Die Geschichte der Lehre des Origenes gleicht der aller Theologen
ersten Ranges. Die Theologie des Origenes hat die weit- und tief-
gehendsten Einwirkungen ausgeiibt, aber das Grofite in ihr, den Trieb
zu einer einheitlichen religiosen Anschauung, vermochte man nicht zu
assimilieren. Man hielt sich an das Einzelne, man machte die Ideen des
Meisters zu festen Lehren und man liefi die grofien lebensvollen Tendenzen
zu Schulnormen verknochern. 1 ) Das gilt in mehrfacher Hinsicht.
Origenes hatte mit feinem Takt fur das Mogliche und Notwendige drei
1) Vgl. Kattenbusch, Das apostol. Symbol II, 220 f.: ,,Was 0. letztlicb.
noch in wirklicher geistiger Freiheit sich vergegenwartigt hat, die forniulierte
Tradition der Kirche, das steht ihnen ganz anders autoritativ, innerlich bindend
gegeniiber." ,,Auch sie wollen ja wie er alles aus den Schriften beweisen, aber
sie sind Advokaten, wo er immer wieder erworben hatte." ,,Die Ensebianer
haben nicht den Geist' des Meisters, sondern nur das Phlegma desselben konser^
viert". Das gilt schon von den Theologen des 3. Jahrhunderts.
518 19. Die Gtesamtauffassung des Christentuins.
Grofien miteinander zur Einheit verwoben, die kirchliche tJberlieferung,,
die Autoritat der biblischen Biicher und die hellenische Philosophie.,
Aber sein Biblizisinus hatte ihn angeleitet die Kj.rcb.enleb.re groB und.
allgeinein zu fassen, sein Hellenismus hatte ilini ermoglicht durch das
Mittel der Allegorie nur das praktiscb Bedeutsame der Scbrift zu ent-
nehmen, und sein Traditionalisnaus hatte den Hellenismus in seineri
Scbranken gebalten. Das waren klibne und komplizierte Kombinationen,
die nur das Genie niit innerer Lebendigkeit aufrecbt zu erbalten vermag.
Man ist ihm bierin zunachst gefolgt, aber was in seinem. beweglichen
Geist zu lebendiger Einbeit sicb zusammenschlofi, das isolierte man und,
betracbtete es als rubende GroBe fiir sicb. So gewann man einen strengen
Biblizismus, der init einzelnen ,,Stellen" bewies und widerlegte. Da die
alte Grlaubensregel keine lebendige GfroBe mebr war, und man nicht wie
das Abendland an dem Taufbekenntnis einen Ersatz -fiir sie besafi, fand
man an der Bibel die einzige Lebrautoritat, deren einzelne Stellen mit
kircbenrecbtlicber Verbindlicbkeit in den Streitigkeiten geltend gemacbt
wurden. 1 ) Aber die Lebren, die man verfocbt, waren. nicbt ausschliefilicb
auf dem Boden der Bibel erwacbsen, so blieb die ,,Lebre der Alten"
oder die Tradition als ein zweites verborgenes Prinzip in Kraft. Man
sagte Bibel und meinte Tradition, man bewies aus der Bibel und setzte
das zu Beweisende stillscbweigend voraus. Ein unfreier Biblizismus und
ein versteckter Traditionalisms standen nebeneinander, und fiir diesen wie
jenen berief man sicb auf Origenes und durffce es tun. Dazu karn die
Fortentwicklung seiner bellenisch beeinfluBten Einzellehren. Von Origenes.
bat die griecbiscbe Christenheit nicbt blofi eine Ftille von Anregungen
empfangen, sondern sie bat aucb unter seinem Einflufi den traditiona-
listiseben Mifibraucb der Bibel und eine ,,bibliscb begriindete" aufierlicbe
Ortbodoxie sicb angewobnt. 2 ) Und dazu kam, daB der pneumatiscbe
Cbarakter, den Origenes dem forscbenden Tbeologen zuerkannt hatte,
von seinen Nacbfolgern fiir sicb in Ansprucb genommen wurde. Die
Tbeologie bat durch Origenes im Morgenland eine kirchlicke Autoritat
erworben, die sie im Abendland in dem Grade nie besessen bat.
Prinzipien, die nicht innerlich erworben sind, versteinern, aber bei
1) Hierfiir sind die Schrirten des Methodius lehrreich, die Glaubensregel und
das Taufbekenntnis macht er nicM geltend (vgl. Kattenbuscb. II, 191 Anm.),
iin Prinzip ist er.strenger Biblicist (Bonwetsch, Theol. d. lleth. S. 153), aber
er entnimmt der Bibel das, was seine Tradition ihn lehrte.
2) Man vergleiche damit die Geschichte des AugustMsmus und des Luther-
turns, vor allem aber die Einwirkungen Schleiermachers im 19. Jahr-/
htindert, der Traditionalismus von Philip pi oder Sch mid geht schlieClich auf
ihn zui'iick.
Umbildung des Origenismns. Dionys v. Alexandrien. 519
diesem Prozefi zerstort leicht eins das andere. Per Traditiqnalismus
ischwachte den Ernst des Biblizismus, und Biblizismus wie Traditionalis-
inus drangten gemeinsam zu der Einschrankung der allegpriscben Bibel-
erklarung und zu der Eliminierung der ,,philosophischen" Lehren.
PreUich haben. noch zu Ende des 3. Jahrhunderts Manner wie Theognost
und Pierius in allem.,. soviel wir sehen, sich dem Origenes angeschlossen ;
sie haben seine Lehren von Christus und dem heil. Greist reproduziert
und haben auch die rtQOvrtaQ^ig ijjv^wv gelehrt. 1 ) Noch spater lehrte
ein begeisterter Origenist und. Schrifttheolqge Hierakas, den Origenes
Tibertreibend, eine. blofie fevev(.icii;i%r} ctvccGTCtois, er eiferte wider das
sinnliche Paradies, allegorisierte bei der Erklarung des Sechstagewerks
und stellte Betrachtungen uber den heil. Geist an; Christi Koniinen fand
nach ihm zum Zweck der Yerkiindigung der Keuschheit statt: sv ds
{.wvov TOVTO Kavoo&ajGai 7)A$ TO fi]V syviQdTSiav wrjQv^ai sv rfy '/.ooticp
<Epiph, h. 67, 14).
Yor diesen Theologen wirkte Dionysius, von dem oben schon
die Eede war (S. 487 ff.). Seine Stellung im christologischen Kampf verrat
in alien Punkten die Abhangigkeit von Origenes, aber zugleich auch,
wie wenig Dionys sich den Origenisnius innerlich angeeignet hatte. Yoni
Meister hatte er die Abneigung wider den Sabellianismus iiberkommen,
durch den Gregensatz lafit er sich immer bibh'sch begriindend zu
einem unertraglichen Subordinatianismus forttreiben. Dann tritt der
Traditionalismus des Homers ihm in den Weg und sofort kapituaert er
"vor ihm und besinnt sich auf andere Gfedanken des Origenes und
spendet wieder biblische Belege. Die ganze TJnklarheit und der Mangel
iner innerlich erworbenen Position tritt dabei deutlich zutage. Aber
derselbe Mann hat mit starkem SelbstbewuBtsein gegen die Atomistik
Epikurs und Demokrits pbleniisiert, er meinte sie widerlegen zu kb'nnen
durch den Gredanken, dafi Gott und nicht die unverniinftigen Atonie
diese Welt mit ihrer Ordnung hervorgebracht haben (jte^l cpvoscag 1. 7).
1) s. die Berichte bei Photius, dazu Athanas. ad Serap. ep. 4, 11, de decret 25.
Theognost hat in sieben Bitcliern iinotvncbaeis eine lehrhafte Zusammenstellung
4er christlichen Gedanken geliefert, yon der rms durch Photius wenigstens die
Einteilung- noch bekannt 1st. Er handelte 1) von Gott dem Vater, dem Demiurgen
imd wandte sich gegen die, welche die $kri fur awa'iSios halten, 2) Ssiv y^ai tbv
fccne^a. e%eiv vlov, diesen als '/sciaf.10, bezeichnend, xal t&v hoyiy.cov (.icrvov eTtiaratsiv,
gemaB Orig. Lehre, 3) vom heil. Geist, wob.ei fees, dessen Existenz bewiesen
werdeu sollte, sonst nach Orig., 4) ebenfalls wie Orig. von Engem und Damonen,
welche acbfia.ro. 'Lvrtta. haben, 5 und 6) itegl lys svavd'Qconriaecos tov ocoTfjgos:
e7ti%8i()sZ ftsv, MS s-S'os atiico, ifjv evav&gcbnriaiy tov vlov Svvarr]v elvtu Seiy.vijvat,,
auch hier folgt er Orig., 7) 8 ml TCB^I &EOV 8rjf.uov^yias eMy^dysi, hat einen me.hr
orthodoxen Eindruck gemacht, besonders gegen Ende, hmsichtlich des Sohn.es.
520 19- Die Gesamtouffassung des Christentums.
"NVieder trat er auf den Plan, urn die Schrift des agyptischen Bischofs
N e p o s 'jEksyftog alfayyoQiOT&v z\\ wideiiegen. Dieser fromine und
eifrige Schriftforscher war fiir das buchstabliche Verstandnis der Schrift
eingetreten imd hatte an der Hand der Apokalypse das sinnliche'
Millenium verteidigt. Er hatte in weiteren Kreisen Anhang gefunden,
niclit nur Lehrer, sondern auch arckovct^oi schlossen sick ihm an, ganze
Geraeinden nahmen eine scliismatische Stellung ein (Dionys b. Ens. li. e.
VII, 24). Demgegeniiber enipfand Dionys echt origenistisch, ibm kam
es an anf ,,hobe nnd grofiartige Gredanken" iiber die gottliche "Wieder-
luinft Christi, iiber nnsere Auferstehuug und Vereinigung und Ver-
ahnlichung [mit Christus, (.UXQCC xcd d-vrfid erblickte er in des Nepos.
buclistablicher Auffassung. Das legte er in seiner Schrift rtSQi ETtayyeliGw
dar. Er half sich damit, dafi er die wortliche Erklarung fiir umnoglich
erklarte und auf den fia&vreQog vovg hinwies. Die Apokalypse wagte
er niclit zu yerwerfen, weil viele Briider sie anerkennen, auch dies Ab-
wagen der Anerkennung der Biicher hat Origenes zum Yorbild ; aber
aus Griinden der inneren EJritik Vergleich mit Sprache und Greist
des 4. Ev. iind des 1. Johannesbriefes komnit er zum Resultat, da6
der Verfasser der Apokalypse nicht der Apostel Johannes sein konne,
sondern ein anderer Prophet (Eus. h. e. YII, 25). So hat die Riicksicht
auf das kirchliche Herkommen die Kritik des Dionysius gebunden, um
so hoher ist es ihna anzurechnen, daB er fest bei seiner tlberzeugung
von dem geistlichen Charakter der Herrschaft Christi und der ewigen
Seligkeit beharrt hat. Er ist ein Typus der kirchlichen Origenisten,
wie etwa spater Eusebius, die gewisse Grrundpositionen des Meisters fest-
hielten, aber stets zu Konzessionen und Abstrichen bereit waren im Sinn
der kirchlichen Tradition.
Die praktischen Kirchenmanner sind in dieser Richtung welter fort-
geschiitten. Petrus von Alexandrien hat nicht nur die traditionelle
Christologie vorgetragen (s. oben S. 490), sondern auch die Praexistenz
der Seelen heftig bekampft, da die Schopfungsgeschichte nichts von ihr
wisse; sie sei ein (.idd-rftia xfJQ 'Elkyvr/.'fjs cpiloao(pias, Seele und Leib
Adams seien gleichzeitig erschaffen (Bouth IY, 49 f. Pitra IV, 193. 429.
Holl, Erg. d. vomic. Vater S. 208). Ebenso hat er die Auferstehung
der Leiber mit alien Grliedern, so wie ,,unsere Leiber in die Grraber gelegt
wurden" und wie Christus erstanden ist, behauptet. Introdwitur duratio
aeterna cum gloriosa essentiae dei communications (Pitra IV, 189 fL 427 ff.).
Diese Vereinigung des Menschen in seiner leiblichen Substanz mit der
gqttlichen Substanz wird aber erreicht durch die Erkenntnis der Wahr-
heit, wie sie das Christentum uberliefert. Opus proprium christianismi
est erroris experlem tradere scientiam atque illos, qui ca p&rficiunhir, ad
Nepos, Petrus v. Alexandrien. 521
beatam vitam adducere (Pitra IV, 429). In diesem Satz spricht sich das
griechische Ghristentum sehr deutlich aus, aucli Clemens oder Origenes
hatten ihn schreiben konnen. 1 ) Aber die Anregungen des Origenes
sind sehliefilich nur in dem TJmfang rezipiert worden, den die artkova-
tSQOi und die Ttokkoi gestatteten. "Was sie nicht mochten, wurde ge-
strichen. Aber schlimmer war es, daft damit der Protest des Origenes gegen
das Vulgarchristentum hinfallig wurde. Ein Christentum inneren Erlebens
und eigener Erkenntnis hatte er verlangt, man hat infolge dessen auf
die Erkenntnis viel Grewicht gelegt ; aber man verstand darunter nur die
Annahme iiberlieferter Erkenntnis, nicht die selbsterworbene Einsicht.
Man kann sagen, daB unter den Einwirkungen dieses Origenismus die
artkovGTSQOi blieben wie sie waren, sie empfingen nur einen erweiterten
Erkeuntnisstoff, keine vertiefte Erkenntnis, und sie wurden dadurch an-
geleitet, sich zu gebarden, als waren sie solche yvcoGTixoi, wie sie Origenes.
sich dachte.
2. Das ist die Theologie der Naclafolger des Origenes. Die einen
repetierten die Eormeln des grofien Theologen, die anderen modifizierten
sie nach den Anforderungen der Menge und der TJberlieferung zuliebe,
und stiefien aus, was allzu ,,hellenisch" klang. Beiden war die starke-
Tendenz auf Forderung der innerlichen christlichen Erkenntnis gemeinsam r
aber das Mittel dazu war die dogmatiscne Formel. Manner wie Dionys,
Grregor Thaumat. und Petrus sind die wahren Vorlaufer der Theologie
der Zukunft gewesen. Was man von Origenes empfing war einmal
ein ungeheurer Bespekt vor der religiosen Erkenntnis und damit im
Zusammenhang das Bestreben sie auszubreiten und zu steigern. Bei
Origenes selbst war zwischen den Theologen und den Yollkomnienen
Christen kein Unterschied, man hat jetzt alle Christen dadurch zur
Vollkommenheit zu fuhren versucht, dafi man sie zu Theologen zu machen
trachtete. Die philosophische Erkenntnis denaturalisiez-te man, so dafi sie
als bloBe Technik des dogmatischen Denkens gait tind so ruhig fortr
bestehen durfte. Man rrrafi das alles im Auge behalten, um die grofien
Kampfe der folgenden Jahrhunderte zu verstehen. Eine andere
bleibende "Wirkung des Origenes war die strengere Fassung der Autoritat
1) Fiir die geistige Art des Petrus ist uberaus charakteristisch der Brief,
den C. Schmidt (s. oben) mitgeteilt hat, den ieh iiiit ihm fiir wesentlich echt halte.
Einerseits hort Petrus des Nachts eine himmlische Stiinme, audrerseits befiehlt er den
Kirchenbesuch und die Enthaltung von jeder Arbeit am Sonntag; man soil acht
geben ,,auf die Vorlesung der heil. Schriften und Brot geben den Bediirftigen",
Siinden am Sonntag werden rnit AusstoBung aus der Gemeiuschaft der Christen
bedroht etc. Das ist eine so aufierlich-gesetzliche Auschauuug vom Souutag, wie
sie in voniicanischer Zeit sonst kaum vorkommt.
522 19. Die GesamtauffassuMg des Christentums.
der Heil. Scbrift, speziell des N. T. Sie war binfort die eigentlicbe
Wabrbeitsregel Lei den Griecben, libri ecclesiastici nennt Orlg. in cbarakte-
ristiscker "Weise ibre Bestandteile (de prine. praef. 8). Hierdurch ist
einerseits das exegetiscbe Studium machtig angeregt worden, andrerseits
niachte sicb, sollte die Scbrift wirklicb als Kanon gelten, das Bedurfnis
lebbaft geltend sie als feste sicher umrissene GroBe zu besitzen. Die
Grenzen des N. T. des Oiigenes waren nocb nicht festgezogen -^- eben-
sowenig bei Lucian oder Eusebius - 1 ) T, erst nacb. den grofien dograatischen
Kainpf en des 4. Jahrbunderts bat der grofite Fiibrer in. diesen Kampfen
das Bediirfnis nacb eineni fest abgescblossenen neutestanientlicben Kanon
empfunden. In dem Osterbrief von 367 ist Atbanasius diesern Bedtirfnis
nacbgekommen. 2 ) Der Gegensatz gegen die Haresie leitete ibn dabei
sowie die TJberzeugung, dafi diese Biicber auf Obristus selbst zuriick-
geben und daB sie alle "Wabrbeit entbalten. 3 ) Hier ist. zum ersteninal
der nocb betite gtiltige Kanon von 27 Biicbern autoritativ fixiert worden.
Neben den Kavovid/.iei>cc laBt Atbanasius nock gelten die qi>ayiva)axd[.ieva
(Sap., Sir., Estb., Judith, Tobit; Didacbe, der Hirte), aber in scbarfer
Sonderung von jenen. In dieser Tat des Atbanasius ist eine der
wicbtigsten .Konsequenzen aus der Lage zu erblicken, die Origenes ge-
scbaffen bat. Der alte Kanon der griecbiscben Obristenbeit ist gescbwunden,
1) tfber Orig. s. Zahn, GrimdriB der Gesch. d. neutest. Kaiions 1901. S. 41 ff.,
liber Lucian und Euseb. ebenda S. 53 ff.
2) s. Zahn, Gescli. d. neutest. Kan. II, 203 ff.; C. Schmidt, Der Osterfest-
brief des Ath. (Nachr. d. Gottinger GeseUsch. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. 1898 H. 2'
sowie 1901 H. 3), wo der Text nach einer -kopt. Handschr. vollstandiger als bigher
mitgeteilt ist. Zahn, Ath. u. d. Bibelkanon 1901. J. .Leipoldt, Gesch. d.
E.eutest. Kanous I, 78 ff.
3) Einige Stellen aus dem Brief zum Beleg : Die Worte, welche die Jilnger
verkiindigten, waren nicTit die ihrigen, sondern die, welche sie vom Erloser gehort
batten. Desioegen, selbst wenn Paulus lehrt, ist es melmehr Ghristus, der in ilim
redet. -. Jesus Christus gleichsam der Logos des Vaters . . . ist mit Recht
<illein der -Lehrer (Schmidt S. 177). Als ich hb'rte, dafs die Haretiker, vielmehr
die elenden Heletianer, sich der sog. Apokryphen ruhmen (Schmidt Abh. v. 1901,
S. 5). Dies ist nun kein Wunder, dafs sie tot in ihrem Unglauben geUieben
sind . . ., ivir aber . . . feiern . . ., indem wir die heiligen Schriften besitzen,
die fur uns genugen, um uns vollkommen zu belehren (Schmidt S. 179). 'B/.I.&V
(us K'/ftvrmv Tigbs acon^iav ras &sias y^ayds. ;,-r- Nach dem Verzeichnis: Tavra
tov acaifj^iov, wais vov SiijJ&vta, efupogeZod'at iwv sv VOIJTOIS koyicov ' &v
/uovois to i7]s eiiasfistas SiSa.ay.alsiov Eiia.y.ys^i^erai ... M-tjSeis ZOVTOIS sTti-
f.irjSe TOVTCOV dycugelad'co 11. Kal Sficag . . . yA'/.eiyu>v
y.al tOToiiov avayivcoay.of.ievcov, oiiSafiov T&V ajtoy.Qvtpcoy /.ivrffirj^ dJk'ka atQetmiav
eTtivoia yoayovTcov fiev ois Sel.ovaiv avid, %a()ifl(j,ev(Dv 8s vat
atiiols %oovovs, 'iva, d>s Ttalaiu TtpoacpepovTss Ttgocpaaiv Is'^oiaiv catatav ex
TOVS dxeoaious.
Der -Biblizisnras. Methodius. . 523
die Schrift ist an seine Stelle getreten ; dem entspricht der Wandel im
Sprachgebrauch, seit Mitte des 4. Jahrhunderts erst wird es iiblich die
:Schrift als ,,Kanon" zu benennen. 1 ) Alles, was einst yon der Glaubens-
regel gait, wird jetzt auf die Schrift ubertragen: sie riihrt von Christus
her, sie umfafit die Heilslehre, sie ist die "Waffe im Kampf wider die
.Haretiker. Das Erbe des Origenes an die griechische Kirche umfafit
nicht nur die Spekulation und das Dogma, sondern auch einen prin-
.zipiellen Biblizismus, den man iiber jenen ersten Mpmenten nicht iiber-
:sehen darf. 2 )
3. Mit den Einwirkungen des Origenes verbanden sich aber noch
.andere Eleinente der Yergangenheit. Ein interessantes Beispiel einer
'Theologie, die stark von Origenes bestimmt ist, aber doch in schroffem
Gegensatz zu seinem Spiritualismus steht, stellt die Theologie des
Methodius dar. Aber dieser Kleinasiat hat eingehender und origineller
.als sein alexandrinischer Zeitgenosse Petrus, mit dessen Negationen er
;sich beriihrt, die positive Anschauung der alteren Tradition darzustellen
verstanden. Er hat nicht nur Korrekturen an Origenes vorgenommen,
sondern er hat innerlich eine Verschmelzung der Theologie des Irenaus 3 ).
mit der des Origenes zu vollziehen sich bemtiht. Zwar sieht er von
dem Traditionsprinzip der Grlaubensregel bei Irenaus ganz ab, diese E/egel
war auch in Kleinasien nicht mehr eine konkrete und lebendige GroBe.
.Seine Autoritat ist die Schrift, darin steht er auf dem Boden des Origenes.
Aber seine Anschauung von der Schrift wird modifiziert durch den irena-i
ischen Realismus. Einen ,,Centauren" nennt er bezeichnenderweise den Orig.
(de creat. 2. 6). Seine Methode ist ihm zuwider, scharf greift er die
:allegorisehe Exegese an (conviv. Ill, 2. resurr. I, 39, 2; 54, 6 ; HE,
'9, 4ff.), aber er selbst verwendet sie, wo sie ihm pafit, mit Yirtuositat
(s. die Eegel res. Ill, 8, 3. 7 cf. v. Aussatz 4, 5). Eine ,,Theologie
der Tatsachen" gedenkt er wider die Theologie der E/hetorik" zu ver-
f echten : V.OL yctQ ovd.ev sv avrols vyieg oAwg ovds it&yiov, ak"kh cpavrccoia
{.tovov evTtQeicrjg grfiidrcov rtQO$ /.ardrtkyfyv /.tovov i&v &KOVOVTWV ytal
ycsi-d'O} xai;GK6vcia[.ivr] (res. I, 27, 2). Yon der Praexistenz der Seelen
und dem vorzeitlichen Fall, von der geistigen Deutung der Auferstehung
will er daher nichts wissen (z. B. res. I, 55, 4; III, 1, 1; 2, 2f. ;
3, 3 ; 5 ; 7, 12 ; 12), eine ,,Zerstorung der Auferstehung" ist ihm letztere
<ib. I, 27, 1).
In kurzer Skizze sei nun ein Bild seiner Gesamtanschauung gegeben :
1) Der allmachtige Gott hat aus Liebe, um der Menschen willen, diese
1) s. Zaha, Grmidrifi S. 7ff. und vgl. Kunze, Glaubensregel etc. S. 244ff.
2) Mt Eecht hat Kunze a. a. 0. dies kraftig betont.
3.) Vgl. iiber seinYerhaltnis zu Irenaus Bonwetsch, Theol. d.Meth. S.164fE.
524 19. Die Gesamtatiffassung des Christentums.
"Welt aus niclits erschaffen, sowohl die ovGiai wie die fCOLOT^nsg (de lib-
arb. 7, 49, 1 ; 22, 7. 8). Die Welt ist nicht ewig (de creat. 11. 2.
de lib. arb. 22, 10. 11), aber da Gott nie untatig war, bestand die "Welt
von Ewigkeit her dvvd/.iL in ihm (de lib. arb. 22, 9). Er schuf si&
durcli den Logos. Tiber ihn wie den beil. Geist s. oben S. 491 f.
2) Die "Wesensmerkmale des von Gott in der JZeit erschaffenen Menschen
sind die Freiheit tmd die Unsterbliclikeit : avvs^ovoiog yaq &v
avTOXQaTcoQ 6 av&QWrtog xal amodeonoxov (SovhrjGiv "/.al
rtgbg vyv ctiqeoiv (res. I, 38, 3). Tsvof-ievov CCV-ES^OVGIOV ftQog
ULQSGLV ToD xaAotf etc. . . ., o yccQ -9-sbg fixwas lov avtycortov srtl
cxp-d-aQoia xal shova fijs idias aidLorrjTOS eTrohjosv avrov (res. I, 36 2 ;.
34, 3 ; 51,5 conviv. VI, 1. 2). Hierin bestelit sein d-eoeidsg Y.a\
9-eoeiy.slov (res. I, 35, 2). Diese Wahlfreiheit ist nun voni ersten
Menschen auf seine Uachkommen iibergegangen : wp 3 ov xal ol 5id(5o/jOfr
TOW yevovg T^V 6f.ioiav skevd-EQiav exkrjQcbaavTO (lib. arb. 16, 2). Diese-
sittliche Ansriistung des Menscben bedingt, dafi er Grottes Gebot zu er-
fnllen in der Lage war nnd ist: TO (.lev jaQ dvva.O'd'Ul rtdQK
y.av rrjv svcohyv )M[.i(3dvr] (lib. arb. 16, 7), ^(p 3 r^ilv yag vb
/.eirat -/.ca TO /.ir] fCiOTSVGai, . . ., ecp 3 fyilv TO xamQ&dxjaG&ai xal
a[.i(x()Tfjaai, scp 3 r^ilv TO a.ya$QTtoir\<5ai v.al xaxojTOttjfo'at (res. I, 57, 6
cf. conv. VIII, 17). Da der Menscb fur die Ewigkeit erschaffen, sorgt
Qott, daB dieselbe clem Menschen ancb wirklicb werde (res. I, 35, 2 4),
Das ist die gennin griecbiscbe Antnropologie, wie sie die Apologeten r
Irenans nnd Origenes gelenrt batten. 3) Der Neid des Tenfels auf
den Menschen flihrte zum Siindenfall (lib. arb. 17, 5; '18, 4fi.), d. lu
der Mensch brauchte seine Preiheit znm Ungehorsam gegen Grottes Gfebot.
ISTicht eine Substanz ist das Bose im Menschen, sondern es ist eine Tat
seiner Freiheit (ib. 13, 5). ,,Das Bose ist aber der Ungehorsam" (ib.
18, 8; 17, 2. res. I, 38, 4), wie schon Irenaus sagt. Der Gleist der
Welt gewann nun in dem Menschen die Herrschaft : OVTCOQ yocQ n
e, ocpadqa[.i6)v re "/.al "koyiG(.iG)V avoweicov e
f,isv tov sf.tcpvGtjf.iaTog tov 5-eov, 7t^ow5-ewg ds
vfaxfjg, rjv 6 TColvitkoMQ, svsTtvsvosv eig fH-iftg ficpig (res. 1C, 6, 2). So
hat der Mensch avTodeGnoTip ^ovlfj Kaxictv BLkaxo (res. I, 45, 2). Nichfe
das Meisch hat somit Schuld an der Siinde, sondern die Seele (res. I r
29, 8; 59, 3), aber: rtSv yaq a(.idQTrj/.ta y.al fCizr'jdsv/.ia TO Gvf.ifteQaG/.i(x
xcG'cai diet T^g ffa^xo'g (res. II, 4, 3). Hinfort dringen bose Begierden.
auf nns ein, deren wir freilich Herr werden sollen: -ov yag scp* ^ilv
TO tvd^vf.islo&at rj f.irj Iv9v(.ieio&ai "Aelrai ia crcona, c&ka, TO
TJ juij y^fjO^ai TOtg iv&vf.irjf.iaatv (res. DZ, 3, 1). Damit aber
das Bose im Menschen nicht unsterblich werde, hat Gott aus Gnade
Methodius iiber Gott, die Freiheit, den Tod, den Logos. 525
den Tod eingesetzt (res. I, 39, 5 ; 38, 1 ; 45, 5 ; II, 6, 3). Er 1st eine
.Strafe, die, wie jede Strafe, zur Besserung dienen soil (res. I, 31, 4;
II, 18, 4). "Wie der Kiinstler die von einem Neidischen verdorbene
-Statue zerbricht, um sie umzuschmelzen, so handelt .Gott, indem er den
.Menschen sterben lafit (res. I, 43, 2f.). So. ist der leibliche Tod ,,der
Heilsb'kononiie eingegliedert als das Mittel zur "Wiederherstellung des
Menschen in seinen Zustand vollkommener Grottesgemeinschaft" , wie
.Meth. ini Anschlufi an Irenaus und Theophilus lehrt. 1 ) Man spurt aber
auch bier wieder, bei aller Polemik wider Orig., etwas von seiner
Stimmung.
4) Worin besteht nun das Heil, Avelches Christus der Menschheit
gebracbt hat? Die Antwort fallt mannigfaltig aus. Durch Christi Blut
werden die Seelen gereinigt, im Kampf ist er unser ,,Helfer". (Unter-
scheidung der Speisen 15; 11, 4; 2, 1.) Er ist ,,Helfer, Fursprecher
und Arzt", der ,.grofie Greber und grofie Heifer" (res. Ill, 23, 11).
.Christus hat durch die Propheten des alten Bundes verkiindigt, dafi er
Vergebung der Siinden und Auferstehung des Meisches bringen werde
(conv. YII, 6). So hat uns ,,das Wort" ,,zur Wahrheit unterwiesen",
und ,,zur Unsterblichkeit gefiihrt", ,,das Sterbliche in die Unsterblich-
keit . . . verwandelt" (res. Ill, 23, 4. 6). Die Erlosung des Leibes
bringt er den Menschen (res. II, 18, 8; -24, 4. conv. in, 5). Der
beherrschende Grundgedanke des Methodius ist demnach der des Irenaus.
Der Logos hat den Menschen angenommen und ihn zu seinem Organ
und Kleid gestaltet. So iiberwindet in ihm der Mensch den Bosen und
wird frei von der Verdanmmis, aber andrerseits durchdringt der Logos
-auch mit seiner Weisheit, Gferechtigkeit und Unsterblichkeit wie seine
eigene menschliche Natur, so das ganze Menschengeschlecht, er vollendet
das Schopfungswerk, das durch die Slinde unterbrochen wurde, in der
Menschheit (conv. Ill, 6 8). . Dadurch zuhochst verwirklicht sich die
Erlosung, daB Christus in jedem einzelnen geboren wird und ihn zu der
Vollendung bringt, die er an seinem eigenen Meisch verwirklicht hat.
In denen, die durch die Taufe in die Kirche aufgenoninien werden, wird
Christus geboren: 3 Ertidr} rovs ^a^axr^ag v.a.1 Ti]V exrvrtcoaiv xai, TT)V
(vgl. Apoc. 12, 5) TOV XQLGTOV rtQOGl,a[.ip<xvovGiv ot
Tijg xa# 3 bf-toicoGLV (.WQCpfjs ev ccvrolg exTvrtov[.i6vrjg iov
hoyov nal sv avzoiQ yEvvio(.isvri Kara xr t v a/.^t/?^ yv&GLV xat rtiGnv
>S ev exdary yevv&o&ai xbv XQLGVQV voyvug' Indem sie
durch den heil. Greist niit Christo in Lebensgemeinschaft treten,- werden
sie selbst gleichsam Christi : oiovei y^iotCov yeyovoTtov viov Kara
1) s. Theophil. ad Autol. II, 26. Iren. Ill, 23, 6 und vgl. Bonwetsch S. 76.
526 19. Die G-esamtauffassung des Christentums.
TOV rtvsv t uai;o els XQIGTOV ^s^aymof-isviov (conviv. YIH, 8 vgl. Ephes-
3, 14 17). Denn %u verkundigen die Fleischwerdting des Sohnes Gottes-
von der heil. Jungfrau, nicht aber ebenso %u bekennen, da(3 er auch in
die Kirche als in sein Fleisch komme, ist nicht vollkommen. Denn es-
iniifS ein jeder von uns nieht nur seine Parusie in jenes heilige Fleisch
behennen, ivekhcs von der reinen Jungfrau kam, sondern auch eine g lei che
in den Geist eines jeden von uns (v. Igel 8, 2. 3). 1 ) Werde
gestaltet durch Christus, der in dir ist (ib. 1, 6 cf. Untersch. d..
Speisen 4, 1). Christus wird uns bekannt, indeni er in uns wohnt (vgl..
conv. VIII, 9). Diese Genieiuschaft aber in dem heil. Geist bringt ein
neues Leben und Streben, das zur Unsterblichkeit fuhrt, in uns hervor
(v. Igel 1, 4. 6 ; 8, 35). ^dvvarov ds tov rtvev/.icci;os TOV ayiov
f.iSTao^elv two. xat jWeAog KataJ^y^vai XQIGTOV, sav p] TCQOTSQOV y.ccl
7tl TOVTOV ovyxavsh-d-cov 6 Ao'j/Qg I'tOTr} xoipyd'sls, Vvcc m]v avavetooiv
v.al TOV ava"/.aiVLG(.i6v, ovvE^avaGTccs TOV VTCVOV tfy VTCSQ avrov xe/ot^-
(i&Hj),*) y.al avTog (.iSTCihafisZv dw^fj ytvevf-iatog, avarthaa&els (conv..
IH, 8 ; "VU1, 10). Also Christus ist gekommen und kommt in den Menschen,
Wohnung zu machen, wie einst in Adam, wie dann in deni Menschen
Jesus, so nun in alien denen, die an Jesus glauben. Darum handelt es-
sich, dafi der Logos oder die Geistinacht das Lmenleben durchdringt.
Indeni dies durch den heil. Geist geschieht, werden die Menschen erneuert,.
angeregt das Ghite zu erwahlen und so die Unsterblichkeit zu erlangen.
Dabei handelt es sich dem Meth. keineswegs urn magisch-physische Vor-
gange, sondern die Einwirkung des Logos ist eine geistig mystische, die'
das menschliche Geistesleben anregt zu freier Entscheidung, zu Glaube,.
Erkenntnis und gutem Werk, die es so erhebt und reinigt und dadurch.
fur die Unsterblichkeit herrichtet. 3 ) Ubrigens sei daran erinnert, daB
diese Gedanken, die in allem. auf Irenaus aber auch Origenes teilt.
sie zuriickgehen, nach Seiten ihrer besonderen Pragung in deutlichem
Zusamnienhang zu der Christologie des Meth. (oben S. 491) stehen.
5) In dies neue Leben wird der Mensch durch die Kirche versetzt..
Dieselbe ist zunachst avvb TO a&()oiG(.ia naT TO GTicpog T&V TCSTCIGTSV-
7.0TOIV (conv. IIE, 8; YII, 3), aber die Yollkommeneren und slttlich
Gereiften machen eigentlich die Kirche Christi aus, die sein Werk zu.
treiben vermag (ib.). Mit diesen Gedanken kniip'ft Meth. an Origenes.
1) Die Geburt Christi in uns schon bei Sippqlyt oben S. 355. In der Mystik.
spielt dieser Gedanke hinfort eine grofie Rolle.
2) Bei deni Scblaf und der Ekstase kniipft Meth. an Gen. 2, 21 an: Adams
Schlaf bezeichnet ,,die Ekstase des Leidens" Christi, diese wiederholt sich aber
in jedem, der glaubig wird, vgl. Bonwetsch, Theol. d. Meth. S. 971
3) Vgl. auch Bonwetsch S. 95.
Methodius liber die Eflosttng "iifid die Kirche. 52Y
an (oben S. 449). Ferner werden im j,Kleid des Herm" d. h. der Kirche,
unterschieden die Gfeistlichen und Laien: denn -Aufzug nennt &r die
kraftigere Ordnung der Kirehe, d. h. die Bischofe und Lehrer, Einschlag
cib&r die, Untergebenen und Leute der Weide (v. Aussatz 15, 4). Das 1st die
zweite Abstufung in der Kirche. Hierarchisch ist dieser Gredanke nicht
(s. die Klage iiber die Bischofe ib. 17, 2). Die Kirche ist Christi
"Weib, durch das ihm Kinder geboren werden. Sie ist daher die Mutter
der Grlaubigen und in diesem Sinn etwas anderes als die Gremeinde :
dvvaf-tis Ti ovaa v.a& eotvifyv STCQCC fwv vexvcov (conv. VHE, 5), di&
uralte Yorstellung, dafi die Kirche eigen'tlich der heil. Gfeist ist (oben
S. Ill A. 1) schimmert hier durch. Die Kirche bringt aber 'die
Kinder des Logos hervor durch die d idatixcckloc (conv. HI, 8) und
durch die Taufe (ib. YHI, 6 cf. TJntersch. d. Speisen 11, 6: denn
wie %ur Erleuchtung und Belebung des Gelernten sind gesetzt warden die
Gfeheimnisse). Diese lafit Ghristus in der Seele geboren werden (oben
sub 4), versetzt in die Gfemeinschaift des Greistes und verleiht die- TJn-
sterblichkeit, ei$ acp&aQtiiav avaysvv&vuai rigoGyxovtcos 61 ftsywrifffievot
d. h. die Gretauften (conv. HI, 8). Die Haup'twirfcung der Taufe 1st
also die Geburt Christi in r der Seele oder die Mitteilung des Greis'tes.
Mit dieser Erleuchtung geht die Meinung Hand in Hand : der Mensck
bedurfte der 'Hilfe %um 'Erwcihlen -des fromm'en Lebens, indem er (Lurch,
diese Z'&iehen, welche sie %ur Erneuerung haben, plo'tzlich in der Seele
erlette hte t wird, wodurch durcUaus die -Siinde gereinigt wird (TJntersch.
d. Speise 12, 5). Das sind die Gfaben der Taufe; es ist klar, dafi die
Gfeis'tmitteilung die Sundenvergebung ganz zuriickgedrangt hat, ebenso
a'ber atich, dafi die 'Greistmitteilu'ng in der Weise der alten Mysterien
,,plotzlich" er'folgt (vgl. Clemens oben S. 36-2). Freilich wird hierauf
noch kein besonderes Grewicht gelegt und Meth. hat sicherlich eine
innere Entwicklung dadurch nicht ausschliefien wollen, ,,nur im Prinzip"
ist 'die Wandlung zu verstehen. 1 ) ^ ; So mehrt sich und wachst die
Kirche , indem sie in Lebensgemeinschaft mit dem Logos steht : eig
^o?* Kcxllog tied tthrj&og y.a-9- 3 fiftegav avt-avo(.ievrjs dta -Trjv
xai xotvtifviav 'wv hoyov (ib.). So gebiert sie Christo Kinder,
,ja sie gebiert den Logos selbst in den Herzen ,(ib. Vill, 11 in.). 2 )
6) So 'deutlich es ist, 'da6 der Mensch das dargebotene Heil mit seinem
Willen zu ergreifen vermag, so -gewifi ist es 'auch, dafi die Siinde ihre
lockende und reizeiade Macht noch weiter in ihm ausiibt. ffifiv 6s y.al
TO rticrceuaai xai, srtl to vdcoQ ek&eZv TOV ayviouov, rtokkdxig sv
1) So -richtig B o-n"W'e ; t ; s c li S. '-99.
2) Uber das Abendmahl mir eine beilaufige Notiz v. Igel 4, 2.
',528 19- Die Gesamtauffassung des Christentuins.
oWg eugtaxdjUE^a. Der Gllaube dampft nur die Siinde, aber
er rottet sie nicbt aus, er scbneidet die Luftwurzeln, aber nicbt die
Wurzel selbt ab (res. I, 41, 2 4). ,Mebr vermag der Menscb nicbt
.zu tun (ib. I, 44, 4) der Tod leistet es erst. Aber dies soil er an-
treben. Er tut es in der Kraft des in . ibm wirksamen Greistes (z. B.
conv. YIII, 10) ; so dampft er die ibn bedrangenden Liiste (res. II, 3 5),
jiicbt der Welt .sondern Grott geborcbt er (d vof-ioc, &60U ococpQOGvv^,
.res. I, 60, 3). In diesein Kampf ist Christus der Heifer und Fiir-
-sprecber (res. Ill, 23, 11). Grott wird angerufen unv Besserung des
SinneSj tun Nichtxurechnung und Vergebung der Siinden (ib..III, 23, 7 9).
Kanipfend u.nd Bufie tuend (ib. Ill, 21, 9), 1 ) strebt der Menscb. so
empor. Sein Ziel ist: damit ivir stark werden und gesund durcli
den Glauben %u tun deine Gebote (ib. Ill, 23, 11). Auf den
Glaniben und die, Tat kommt es an, auf Rechtglaubigkeit 2 ) und gute Werke,
auf em tdtiges und verniinftiges Leben (v. Aussatz 15, 2. v. Igel 8, 4.
Unterscb. d. Speise 8, 2). Dabei geht ein starker Zug auf das jenseitige
Xieben und auf Askese durcb die Gfedanken des Metbodius. Das Leiden
lautert den Menscben (Unterscb. usw. 1 5), das Gegenwartige acbtet er
.gering (ein Brauchen aber kein Besitxen), er liebt aber das Zukunftige,
das unverganglicb ist (d. Leben u. d. vern. Handlung 5, 1 ; 6, 3). Von
,,Lusten" weiB die Kircbe nicbts : OTI eKxkiqaia ytaQce TO >cxe>cAwceVai
Tag fidovag keya$ai (pyoiv (de creat. 8). Yor alleni aber wird Metb.
,nicbt miide die Jungfraulicbkeit zu verberrlicben : 3 ) ZTa^v^e'ta yag fj
fta^'3'svia (conv. YIII, 1), Cbristus ist die aQ%inaQ&VO$ (ib. I, 5). Die
Jungfrauen sind der beste Teil der Kircbe : jtohh&v yaq OVGUIV
T?jg exxlyoias TCOV -S-vyaTSQcov, (.da SGTI (.wvrj extaxTT) xat
V bcpd-a^tolq avTfjs vrteg ftdoag, TO Tay^ia xwv
(conv. YH, 3).
1) tJber die BuBdisziplin s. v. Aussatz 6. 7: die bose Lust darf sick in
der Seele nicht einnisten, man Mtte Christus urn Hilfe und enthalte sich der
.KQooyoQd. (6, 3. 7). Hilft dies nicht, sondern breitet die Lust sich weiter aus und
-schlagt Wurzel im Menscheu (6, 2), so nehme maai seine Zuflucht zuni Bischof
(6, 9). Dieser ist als beratender uud furbittender Seelsorger gedacht (7, 5); er
soil d<popiodTco afabv els fty '^o(iok6yr\ot,v (ib.), nach ein oder zwei Wochen soil
zugesehen werden, ob er Eeue und Leid liber seine Sunde empfindet ; ist das aber
.nicht der Fall: evfiattead'a) ^fje ex-Aijaias (1, 6. 7). "Vgl. Bonwetsch in den
Abhandl. f. Oettingen 1898, S. 39 ff. und Theol. d. Meth. S. 103 ff.
2) Vgl. hierzu die Wertschatzung des orthodoxen Glaubens de resurr. I,
50, 2: 'Ogqs YCLQ us oil aspl fuv.^fov fjfiiv siaiv ol koyot, aMJ bvtiva, xgi] IQO-
Ttov TieTttOTevxsvaf VMI yap oiiSev ol-fiat toaovmv y.w/.bv dvd'gcbTtcp yeveo&ai,
boov &rtb twv divayxaicov bnorav yevSfj negi aiirwv So^d^oi.
3) Das Eecht der Ehe wird dabei nicht verkiirzt, z. B. conv. II, 1. 2;
III, 11 ff. lib. arb. 15, If.
Methodius iiber Frommigkeit und Auferstehung. 52.9
7) Das Ziel 1st gegeben in der acp&aQOia durch die
Nicht der Seele; sondern dem Leibe gilt sie. Die Substanz desselben
besteht fort, denn nicht wollte Gott die Menschen zu Engeln machen
(res. Ij 50, 1 ; III, 1 .). Es ist erne Lasterung zu sagen : m]V adg'/.a
l^trj eivai TCtvTrjV a&avaGiaQ dsKTiKTJv (res. I, 40, 1). "Wie aber der
Mensch in seiner Leiblichkeit fortbesteht, so auch die Welt. Dies ge-
schieht durch die EKTCVQWGIS, die ein avaxTiGdfjvai der XTt'dfcg zur Folge
bat (ib. I, 48, 3). Dies alles wird in. bewuBtein scbarfen Gegensatz zu
Origenes und in steter Auseinandersetzung mit ihm, an der Hand genauer
biblischer und philosophischer Untersuchungen vorgetragen. Das escbato-
logiscbe Interesse des M. ricntet sicb besonders auf die leibliche Auf-
-erstebung und den Zustand der Yerklarung. Die Yorstellung vom tausend-
jabrigen Beicb ist ibm bekannt (conv. IX, 1), docb scbeint sie keine
grofiere Bedeutung in seinem Gredankenkreis beansprucbt zu haben. 1 )
Das sind die Gredanken, die das ,,0hristentum" eines kleinasiatiscben
Cbristen uni 300 ausmacbten. Es ist ein eigentftmlicbes Genienge von
Gredanken der griecbiscben Popularpbilosopbie, von den Ideen der alteren
kleinasiatiscben Tbeologie, von gliibender Lust am asketiscben Ideal und
von Interesse fur die Problems, die Origenes gestellt bat. Yon einer
Grerecbtigkeit durch Glauben weifi Metb. nicbts mebr. Der Glaube ist
die Annahme dessen, was man glauben soil, \voinit die sittliche Be-
tatigung, vermoge der acocpQOOVVY], im Grehorsam, durcb gute "Werke und
Askese zusanimengebt, saint der Hoffnung auf die acp&ctQOia. Aber
; durcb alle diese Gedanken scblingt sicb eine grofie iircbristliche Erfahrung :
,,der Cbristus in uns", der unsere Kraft ist, der tins in unserem Herzen
erneuert und der die Herzen von dieser Erde zu sich emporzieht: avco
vipog a.QTtaCof.isva)v T&V avccyevvtofisvcov TCQOS TOV 3-Qovov TOV
.... aigB^ai TO cpQOVi]f.ic( tCov ava"/.ccivto3-evTcov TCC e'/.sl (Shsjtsiv
xal ih suel (pandeG$ai 7taidayoyov(.isvtov, f iva p) ajtcari^fi rtgbg TOV
dgdnovvos fiQi&ovTOg KCCTCO (conv. YIII, 10). Aber dieses Surstim
cor da! rubt auf dem Gedanken: er der "Weinstock und wir die B,eben.
er in uns und wir in ibm ! Es ist das Erbe des Johannes, des Ignatius
und des Irenaus, von dem die Frommigkeit dieses kleinasiatischen Theo-
logen lebt. Es ist vielleicbt mifiverstandlicb, seine Theologie als ,,die
Theologie der Zukunft" zu cbarakterisieren (Harnack), das pafit mehr
auf die Lehre der vermittelnden Origenisten, die wir kennen lernten,
aber einen der Faktoren, ' die die heifien Kampfe der Zukunft iiber die
Person Cbristi erklaren, lebrt sie uns genauer kennen, es ist das Fort-
1) tJber die Eschatologie liandeln ausfiihrlich Bonwetsch, Theol. d. Meth,
S. 114f. Atzberger, Gesch. d. Eschatol. S. 469ff.
Seeberg, DogmengescMchte I. 2. Aufl. 34
530 19. Die Gesamtauffassung des Christentums.
wirken der johanneischen oder kleinasiatischen Ideen und Stimmungen
mit und neben dem Origenismus. "Wir kennen nun das religiose Kapital,
aus dern die Kosten fiir diese Kampfe bestritten worden sind.
II. Die ab en dlandis chen Theologen.
Es koinmeu in Betracht die Schriften Cyprians, vgl. K. G. G-oetz, Das
Christentum Cypr., 1896. K. H. Wirth, Der Verdienstbegriff in der ehristU
Kirche, II (der Yerdienstbegriff bei .Cyprian), 1901. Morgenstern, Cyprian
als Philosoph, 1889. J. Tixeront, Hist, des dogmes I, 381 ff.; die pseudocypri-
anischen Werke de montibus Sina et Sion, die Predigt de aleatoribus (wohl in der
2. Halfte des 2. Jabrh. in Eom gehalten), die Traktate ad Novatianum und de
rebaptismate ; dies alles im 3. Band von Hartels Cyprianansgabe. Novatians
Schriften: de trinitate (ed. Jackson, London 1728 und Migne lat. 3); de cibis
Indaicis (ed. Landgraf et Weyman, 1898) ; die ep. 30 u. 36 in Cyprians Briefbuch *.
nrit grower Walirscheinlichkeit die pseudocyprianischen Schriften: de spectaculis,.
de bono pndicitiae, adversns Indaeos, Tgl. Harnack, PEE. XIV, 223 ff. Barden-
hewer, Gesch. d. altk. Lit. II, 559 ff., Schwerlich novatianisch sind die pseudo-
cyprianischen Traktate, die Battifol entdeckt hat, aber sie gehoren in
unsere Zeit, s. oben S. 482 A. 3, liber ihre Theologie s. H. Jordan, Die Theol. der
neuentdeckten Predigten Novatians, 1902. Das pseudotertullianische
Gedicht adversus Marcioneni (Opp. Tertull. ed. Oehler II) ygl. H. Waitz,.
Das pseudotert. Gedicht etc., 1901. Wetter Commodianus, Instructionum 11.2
u. Carmen apologeticum (ed. Dombart 1887). Arnobius,' adv. nationes 11. 7
(ed. Eeifferscheid 1875). Lactantius, divinarum institutionum 11. 7, Epitome/
de ira dei (ed. Brandt u. Laubmann 1890/93), vgl. E. Preuschen, PEE. XI,.
203 ff. E. Overlach, Die Theql. Lact., 1858. Vgl. liberhaupt die vortrefflich.
orientierende Darstellung von 0. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. II,.
394496. 559574. 584610.
1. Ghristus . . . cum mortalium sciret caecam esse naturam neque
uliam posse comprehendere veritatem positarwn nee ante oculos rerum, . . .
omnia -ista nos Unquere et posthabere praecepit neque in res eas, quae sint
a nostra procul cognitione dimotfie, infructuosas inmittere cogitationes, sed>
quantum fieri potest, ad dominum rerum iota mente atque anima pro-
ficisci Quid est, inquit, vobis investigare, conquirere, quisnam
hominem fecerit, animamm origo quae sit, ^quis malorum excogitaverit
causas, orbe sit sol amplior . . ., alieno ex hi/mine an yro'priis luceat
fulyoribus luna ? Quae neque scire compendium neque ignorare detrimen-
tum est ullum. Remittite haec deo atque ipsum scire concedite } quid, quare.
aui undo, sit, debuerii esse dut non esse, supernatum sit aliquid an orius
primigenios liabeat . . . vestris non est rationibus liberum inplicare vos
talibus et tain remota inutiliter curare. Res vestra in. ancipite sita est,
salus dico animarum vestrarum, et nisi vos adplicatis dei principis
notioni, a corporalibus vinculis exsolutos expectat mors saeva (Arnob. IE,.
60. 61).
Der Interessenkreis der abendlandischen Theologen. 531
Diese merkwiirdigen Worte eines Abendlanders ricbten das cbrist-
liclie Interesse auf die salus animarum und weigern ibm die Beziebung
auf pbysiscbe und metaphysiscbe Problem e. Eine sicb berausbildende
Eigentiiinlicbkeit des abendlandischen Ghristentums man vergleicbe
Tertullian mit Origenes, Cyprian mit Methodius gibt sicb dabei kund. 1 )
Die salus animarum und die perpetuitas (Arnob. II, 65) stecken dem
. Interessenkreis ab. Er reicbt im wesentlicben nicbt binaus liber das,
was die romiscbe, von der Stoa so stark beeinflufite, Popularpbilosopbie
eines Cicero oder Seneca geboten hatte. Wie Plato und dann die neu-
platoniscben Ideen die pbilosopbiscbe Parallele und Quelle zu dergriecbiscben
Tbeologie darbieten, so die romische Popularpbilosopbie .zu den Anfangen
der lateiniscben Tbeologie. Den Sprucb : quae supra nos, nihil ad nos baben
aucb .die Lateiner energiscb bekampft (z. B. Tertull. ad nat. II, 4. Lact.
epit. 37), aber er war docb von ihrer Denkweise nicbt allzu weit ent-
fernt. Damit aber verband sicb ein Weiteres. Fur das griechische Be-
wufitsein bot die Pbilosopbie das bocbste Gkit dar, und der beste Staat.
war der, in dem sie resp. die Pbilosopben und Tugendbaften die Moral
des Vernunftrecbts bandbabten ; fur den Ronier bestand das bocbste
Gut in dem Leben des Staates, das von positiven Gesetzen regiert wird.
Diese Differenz erstreckt sicb auf das ganze geistige Leben. Die
griecbiscbe Pbilosopbie ist zubocbst Metapbysik und Naturpbilosopbie,.
das ,,Scbauen" und ,,Staunen" ist der Menscbbeit bestes Teil, aucb die
religiosen Mysterien sind ibm untergeordnet. Das Interesse des Homers
ricbtet sicb mebr auf die Etbik und die Gescbicbte, seine Religion
bestebt in der korrekten Erfllllung liberlieferter Hiten und in dem von
dem Gesetz geforderten Handeln. 2 ) Wenn man von diesem Stanclpunkt
aus die Grundtendenzen eines Origenes und Tertullian miteinander ver-
gleicbt, so ist es frappierend, -wie stark bei dem einen die naturpbilo-
sopbiscben und metapbysiscben Interessen, die Idee der Herrscbaft der
,,Gnostiker" und der Prommen vorwiegt, und wie kraftig bei dem
anderen die romiscb-stoiscben Interessen an deni moraHscben Gesetz und
dem guten Werk, an der Recbtsordnung der Kircbe und ibrer ,,Disziplin"
durcbscblagen. Diese Gegensatze, die eine so verscbiedene Gescbicbte
1) Aucli jene Betonung der salus animarum als des Inhaltes des Clmsten-
tums klingt an Tertull. an: homm bonorum unus est titulus: sahis hominis
(paen. 2, vgl. z. B. ib. 10. 12. pud. 9. iei. 3. bapt. 5. praescr. 14. resurr. 8. c. Marc.
II, 27 u. o.).
2) s. oben S. 28ff. und vgl. Seneca, ep. 20, 2: facere docet philosophm, non
dicere, et hoc exigit, lit ad legem suam quisque vivat, ne orationi vita dissen-
iiat. Anders die Grieclien, inre PhilosopMe ist ein cpvawbs loyos, s. Decharme,
La critique des trad, relig. etc. p. 476.
84*
532 ' 19. Die Gesamtauffassung des Christentums.
im Orient und im Occident hervorgebracht haben, sind schon friih
wirksam gewesen und haben auf der gemeinsarnen Grundlage scharf
differenziierte Lebensformen erzeugt.
Die Eigenart des Naturbodens wirkt stets ein auf die Auswahl und
die Betonung der Elemente der christlichen TJberlieferung. Man hat
ini Abendland bis zu Augustin prinzipiell ein elementareres Verstandnis
des Christentums eingehalten als bei den Griechen. Man blieb bei dem
,,Glauben" stehen und verinied grundsatzlich die ,,gnostischen" Gedanken,
wie sie Clemens und Origenes gepflegt hatten. An den ,,Tatsachen"
und dem ..Kompendium" des Bekenntnisses hatte man genug. 3 ) Daher
\vurde das Taxifbekenntnis zum Inbegriff der apostolischen Lehre, dabei
wirkte niit die Hochstellung der Taufe als Institution und die Anschauung
des Bekenntnisses als sacramentum (s. oben S. 303). Der Gedanke an
eine den ganzen Bibelinhalt reproduzierende Glaubensregel , wie ihn
Clemens und Origenes hegten, ist den Abendlandern nicht gelaufig ge-
worden. Man macht sich die Differenz in der Wertung der Schrift
anschaulich, Avenn man sieht, wie Origenes alle Tiefen und Hohen reli-
gioser Spekulation in den Bibelworten findet, oder Avie Athanasius seinen
!^anon zur "Wahrung der reinen Lehre fixiert (oben S. 522), und wenn
man sich dann der Sanamlung von Bibelstellen in den Testimonien
Cyprians zuwendet. Das erste Buch der Testimonien verf olgt einen
apologetischen Zweck ; er erschopft sich in dem. Gredanken, dafi die
Juden die indulgentia domini verloren haben und dafi in eorum locum
die Christen, fide dominum premier -antes, getreten sind. Das alte iugum
hat aufgehort, ein neues ist dafttr gegeben. Die alten pastores, die alte
Kirche. die alte Taufe, das alte Opfer sind durch neue ersetzt. An die
Stelle der friiheren Gresetzesreligion ist die neue getreten. Der zweite,
dogmatische, Teil hat Christ! sacramentum zum Gregenstand. Yom A. T.
geweissagt, ist er gekommen als s&rmo dci, mantis et bracliium dei, als
deus; id de virgine nasceretur homo et deiis, liominis et dei filius, er hat
gelitten und ist gestorben, die Kirche ist seine Braut, de qua filii
spiritualiter nascerentur, er ist auferstanden, rex in aetermtm regnaiurus,
et index et rex. Das geniigt ad prima fidei liniamenta, formanda. Der
dritte ausfiihrlichste, ethische, Teil lehrt die religiosa disciplina kennen
als ein breviarium praeceptorum coelestium : voluntati non nostrae, sed dei
obtcmperandivin ; fundamentum et firmamentum spei et fidei esse timorem;
1} s. Cypr. ad Donat. 2: cum de domino et de deo vox est, vocis pura
sinccritas non eloquentiae viribus nititur ad fidei argumenta sed rebus. Deniqiie
avcipe non diserta, sed fortia . . ., 'accipe quod sentitur, antequam discitur, nee
per moras temporum longa agnitione colUgitur, sed compendia gratiae maturantis
hauritur (d. I., das Taufbekenntnis).
Abendlandische Lehrdarstellungen. 533
datum esse ndbis exemplum vivendi in Christo; disciplinam dei in
e cchsiasticis praeceptis observandam ; surgendum, cum episcopus aut presbyter
venial; subito venire finem mundi', gratiam dei graluitam csse debere;
grave fuisse iugum legis, quod a nobis abieetum est, fit leve esse . iugum
domini, quod a nobis susceptum est. Das sind einige Hauptsatze aus
den salutaria sacramenta des Christentums. Es sind kurze Thesen, fur
.die ein diirftiger ,,Schriftbeweis" gefiihrt wird, ein Grewebe alt- und
neutestamentlicher Stellen. Auch. Cyprian hat an der Hand der heil.
Schriften die ,,Prinzipien" des Christentums darstellen wollen, gerade wie
Origenes in dem Buch de principiifs, beide in bewufitem engen Anschlufi
an die Schrift. Und wie unahnlich sind doch beide Werke geworden,
der eine schuf eine armliche Sammlung von Katechismusstellen , der
andere ein theologisches System. Dort galten die Spriiche als solche
mit gesetzlicher Autoritat, hier wurde ein geistiges Verstandnis erstrebt.
Die Differenz des geistigen Bedarfes in der Kirche des Orients und des
Occidents tritt eineni bei dieser Gregeniiberstellung sehr anschaulich
entgegen. Tiber diesen elementaren Gresichtskreis reichen auch, trotz
alles gelehrten Aufputzes, die ,,Institutionen" des L act an z nicht hinaxis. 1 )
In oberflachlichster Weise ganz, anfier in dem Abschnitt IV, 6 30,
von der Anwendung der Bibel absehend wird hier, nach der Art der
Kasonnements Ciceros, .eine tlbersicht liber die christlichen x Gredanken
gegeben, deren Breite fiir die mangelnde Tiefe ebensowenig wie bei
seineni Vorbilde Cicero entschadigt. Nicht besser verhalt es sich mit
den ,,Instruktionen" Coroinodians mit ihrer niichternen vulgar en Yer-
standigkeit. Tiber einen popularen Eationalismus und Moralismus reichen
diese "Werke nicht hinaus, aufier an einem Punkt, der mit gliihenden
Farben ausgemalten chiliastischen Eschatologie. Wo einem bei diesen
Lateinern kraftvolle praktische Gedanken begegnen, wie bei Cyprian oder
Novatian, da weisen sie immer zuriick auf den einzigen grofien Geist,
den die Kirche des Abendlands vor Augustin hervorgebracht hat, auf
Tertullian. 2 )
1) Die beiden ersten Biicher (de falsa religione und de origine erroris) be-
kampfen den Polytheismus und verteidigen den Monotneismus, das dritte Buch
(de falsa sapientia) wend'et sich wider die Ph.ilosopb.ie; das yierte Buch (de vera
sapientia et religione) zeigt sodann, daB der Sohn Gottes auf die Erde herabkam,
urn die Menschen die Weisheit und die Gerechtigkeit zu lehren ; das fiinfte Buch
handelt de iustitia, das sechste de vero cultu, das siebente de vita beata, den
Lohn der Gerechtigkeit schildernd. Lactanz Werk ist die erste lateinische
,,Dogmatik" (geschrieben ca. 305310), in ihrem Mittelptinkt steht der Begritf
der Gerechtigkeit, aber er denkt in der Weise der Philosophen dabei nur an
die moralische Werkgerechtigkeit.
2) Es ist rnerkwiirdig, wie wenig der grofle Gelehrte, den die abendlandische
534 19. Die Gesamtauffassung des Christentuins.
2. Wir haben den eigentiimlich elementaren Charakter des abend-
landischen Christentuins kennen gelernt. Er verbindet sich mit dem
praktischen Interessenkreis der Lateiner und riickt so bestimmte Ge-
danken in den Mittelpunkt des Christentuins. Es ist einnlal die rational-
gesetzliche Anschauung von der Religion : Gott und Christus geben das
Gesetz, die TJbertretung ist Schuld, die Schuld nmfi vergeben werden
durch die Taufe und die BuBe, dann ist das Gesetz zu befolgen, das
ist die Gerechtigkeit. Hiermit verkniipffc sich, zweitens, die anstaltliche
staatliche Auffassung von der Kirche mit ihren Amtern, Rechten,
Kompetenzen und Disziplinen ; konsequent schreitet man hier fort, von
praktischen Gesichtspunkten her (Bufie) steigt allmahlich eine Art r e c h t s -
philosophischer Theorie von der Kirche einpor, die Kirche ' bietet
den Ersatz dar fiir die staatlichen Interessen der Vorfahren. Ein gewisser
historischer Sinn schafft sich darin seinen Ausdruck. Die rb'mische
Freude liber die Zugehb'rigkeit zu einem Staat mit heiligen Gesetzen und
Ordnungen ist vereinigt mit der christlichen Gewifiheit der solus und mit
dem stoischen Empfinden in diesem Staat frei zu sein : religio sola est,
in qua libertas domicilium conlocatiit, res est enim praeter ceteras voluntaria,
nee imponi cuiquam mcessitas potest, ut colat quod non vult (Lact. epit.
49, 2). Mit diesen beiden Gesichtspunkten verbindet sich, drittens,
ein lebhaftes eschatologisches Interesse. Einerseits korrespondiert es 'der
gesetzlichen Anschauung, die die Lohnerteilung sichergestellt sehen will,
andrerseits entspricht es der historisch-staatlichen Auffassung der Kirche,
die eine geschichtliche Vollendung erfordert. ') Das sind die inneren Triebe
der Gedankenbildung, sie treten auch bei Augustin noch deutlich hervor.
Aber sie haben sich nie fiir sich entfalten konnen. Einmal gab es ein
grofies Erbe iiberlieferter Vorstellungen, wie den triadischen Gedanken,
die Gnade, die Sakramente, die man nicht aufgeben konnte und die doch,
jede in ihrer "W'eise, die E/echtsauffassung in der Religion modifizierten.
Sodann erwuchs aus der Idee der kirchlichen Einheit diesen katholischen
Gedanken eine machtige Stiitze, wie auch weiter die grofien dogmatischen
Kampfe des Morgenlandes auch- die Kirche des Occidents in Mitleiden-
schaft .zogen. Sie sind die Briicke geworden, auf der dann seit der zweiten
Halfte des vierten Jahrhunderts die "Wissenschaft der Griechen mit ihren
Kirche besessen hat, Hippolj't auf ihre Gedanken eingewirkt hat. Auch Manner,
denen das Griecbische so gelanfig war, wie Viktorin von Pettau oder Hieronyrnus,
hielteu sich statt an Hippolyts Kommentare, an die des Origenes.
1) Vgl. z. B. Novatian de spect. 10, wo als Ersatz fiir die Schauspiele die
Betraclituug der gottlichen Weltregieruug, des Sieges des Christentums und des
Trinmplies Christi liber den Teufel anempfoblen wird.
Abendlandisches und morgenlandisches Christentmn. 535
dogmatischen Problemen in die abendlandische Theologie eingedrungen
sind, wovon spater zu reden sein wird.
Man kann die ganze Theologie des Morgenlandes als die Geschichte
der johanneischen Lehre beschreiben. Wie Christus in einem grofien
geschichtlichen mystischen ProzelJ die Menschheit durchdringt. heiligt,
vollendet der "Weinstock und die Eeben , das ist die leitende Yor-
stellung. Fur den Abendlander besteht die Erlosung durch Christus
wesentlich in der Herstellung eines raoralischen Verhaltnisses zwischen
{jott und dem Menschen, auf die Gerechtigkeit des Menschen koinmt es
an. Es lage nahe bei dieser Lehrbildung an Paulus als TJrheber zu
denken. Und in der Tat haben in der spateren Zeit die juristischen Be-
griffe des Paulus diese Auffassung stiitzen miissen, aber das gilt nicht von
tier alteren Zeit. Die Wurzeln dieser Denkweise liegen nicht in der
neutestainentlichen Literatur, sondern in der Kombination des stoischen
Moralismus mit der jiidischen Gresetzlichkeit, die das lateinische Christen-
tum von Anfang an charakterisiert hat.- 1 ) In der Erscheinung der abend-
liindischen Kirche umfafit der aufierchristliche Einschlag in clem Grewebe
<ler Ideen und Institution en natiirlich auch die philosophischen BegrifEe
der allgemeinen Bildung (abstrakte Pradikate der Grottheit, Logos, Sub-
stanz usw.), aber sie sind nicht so becleutsam wie die iibrigen Elemente
dieses Einschlages, namHch die rechtliche Auffassung des Lebens uad
der ethische Moralismus. Diese Elemente sincl aber einerseits ein Erbe
der romisch-stoischen Weltanschauung , andrerseits haben sie an dem
jiidischen Legalismus, der sich in der Gemeindeorganisation und -disziplin
darstellte, eine starke Stittze empfangen. Die "Wahlverwandtschaft zwischen
romischem und jiidischem AVesen hat diese Vereinigung erzeugt. Das
Oesetz, die Priester, die Opfer, die guten "Werke, die sinnlich gefarbte
Eschatologie sind die Zeugen dieses Zusammenhangs, der nicht durch
iDewufite Anlehnung, sondern durch die Grleichheit der Stimmungen und
Interessen zustande gekommen ist. Indem etwa in den ,,Testimonien i:
Cyprians (oben S. 532) das Christentum moglichst allseitig als die Konse-
quenz des echten Judentums und als Ersatz des unglaubigen Judentums
1) K. G. Goetz hat in seinein anregenden und.zu yrenig beachteten Buch
iiber ,,das Christentum Cyprians" die Elemente der cyprianisehen Keligion auf-
zudecken versucht, indem er ihrer fiinf unterscheidet : rational - moralisches,
dynamistisches, dualistisches, nationales und politisches Christentum, dabei aber
dem ersten Element durchaus den Vorrang zuspricht (S. 139 f.). Da nun aber
der Verf. seinen Stoff in sacblich unveranlaCter Weise zersplittert und ini einzelnen
nacb. dem weiiig entsprechenden triadischen Schema ordnet, ist es ihm nicht ge-
lungen ein einheitliches Bild von Cyprians Denkweise zu gebeu, so zutreffend
mancbe seiner Beobachtungen sind.
536 19. Die Gesamtauffassuug des Christentums.
dargestellt wird, wird diese Stimmung sebr deutlicb. 1 ) JSFicbt ein bewuBtes r
sondern ein unbewufites ,,Judaisieren" liegt bier vor, man kann seine Ge-
schicbte von Clemens dem Komer nnd Hernias durch Tertullian nnd Cyprian
bis in die Theokratie des Mittelalters hinein verfolgen. Aber das Reizvolle
an dieser Form des Christentums besteht in der Beobachtung der ver-
scblungenen Yersncbe mit den Gedanken der Rechtsreligion die Tendenzen
der Erlosungsreligion zu vereinigen, wie andrerseits in dem griechischen
Christentum allmahlicb immer starker in die Erlosungsanscbauung Elemente
der Naturreligion sie feblen ancb im Abendland nicht, so wenig wie ini
Morgenland die Motive der Hecbtsreligion eindringen und ebenfalls
zu merkwiirdigen Miscbbildungen Anlafi geben.
3. Wir iiberblicken nunmenr die einzeLaen Anschauungen in dem
abendlandiscben Cbristentum des 3. Jahrhunderts. An der Spitze steht
der Gedanke des einen allmacbtigen Gottes, der der Schopfer Hiininels
und der Erde ist (z. B. Comniod. carm. ap. 90 ff.). Er ist der Urgrund,
der Quell des Lebens und der TJrsprung des tiefen Lichtes, an keinen
Ort gebunden, unus ubique, fur alle Sterblicben (carmen adv. Marc. IV, 16 ff.).
Man kann Grott wobl empfinden, aber nicbt sage'n, wie er ist (Novat. de
trin. 2). Er ist nnergriindliob und unendlicb (ib. 4), simplex et sine
uila corporea concrelione (5). Sein "Wirken ist vor allem in der Gescbichte
offenbar geworden, bei den Patriarcnen und Propbeten und in Cbristus
(ib. 8), Diesem Grott ist der Menscb zum Gieborsam verpflicbtet. Dies
Verhaltnis wird als ein recbtlicbes angeseben (s. unten : lex, satisfadio
merituni). Es ist ganz verstandlicb, dafi in diesem Zusammenbang ein
stark.es Grewicbt auf die moraliscben Eigenschaften Grottes gelegt wird,
denn nur als der Gerechte verrnag er Lobn und Strafe ricbtig zu ver-
teilen. Daber bat Lactanz, ini Gegensatz zu der Apathie Gottes bei
den griecbiscben Pbilosopben, stark betont, dafi in Grott Affekte
Liebe -und Zorn anzunebmen seien (de ira dei 4f. 16). Wie der
Herr den scblecbten Sklaven strafen mufi zum Beispiel fiir die iibrigen
(5. 17 f.), so mufi aucb Gott die Gottlosen strafen. Sonst wiirde B,eligion
1) Der Zusammenkang init der jiidiselien Denkweise zeigt sich auch. in der
eigentumliGhen Benutzung alttestamentlicher Stellen, urn die neutest. Lehren dar-
.zustellen (s. die Christologie in Cypr. test. II n. in Oommod. carm. apol.),
andrerseits auch in der fortlaufenden Auseinandersetzung mit dem Judentum
(Tertullian und Novatian sclirieben wider die Juden, Cyprian richtet das 1. Buch.
der testim. wider sie, Gommodian tritt ihnen sehr oft entgegen, instr. I, 3734.
carm. ap. 434 ff. 674 ff. etc.), man verspiirte eben immer wieder das Bediirfnis sicli
selbst seiner Erhabenheit ttber das Judeutum zu versichern. " Die reinen Juden,
die Exilierten, die sich in Persien erhalten haben sollen, sincl gerecht und heilig :
obtemperant quoniam universa candide legis, quae nos et ipsi sequemur pure viventes
(Commod. carm. apol. 956 f.).
Der Gottesbegriff und die Siinde im Abendlande. 537
und Sittlichkeit aufhoren, ja ohne Furcht wiirden die Mensclien wie
Bestien leben (8. 12. 16). Nunc vero, quoniain et mali poenatn et boni
gratiain et adflicti opem sperant, et virtutibus locus est et scelera rariora
. sunt (16, 8). Gott ist stets in Tatigkeit, seine actio ist mundi adminis-
tratio; diese vollzieht sich aber, indem er denen gnadig ist, die sein
Gesetz befolgen, die aber in seinein Zorn straft, die es iibertreten (17, 4f.)*
Der Zorn Gottes ist ewig gegen die dauernd Gottlosen, aber er hat inn
auch in der Gewalt und zeigt das den Bufifertigen gegeniiber : morum
emendatione placatur, et quipeccare dcsinit, irarn dei mortalem facit (21, 10).
In diesen Gedanken gibt sich die Neigung kund, Gott als den lebendigen
Herrn der Welt zu begreifen, er regiert die Welt und bedarf daher
zum Heil und zu der Erziehung der Mensclien der Affekte, in denen
seine Gerechtigkeit sich betatigt. Sein Zorn gereicht daher der Mensch-
heit, wie Novatian sagt, ad medicinam, er ist ex consilio^ und nicht ex
vitio (de trin. 5).
Nun hat aber der Sunder Gott den Gehorsarn verweigert, von Adam
ging Siinde und Tod auf seine Nachkommen iiber (Comm. carm. ap. 324:
cuius de peccato morimur, cf . instr. I, 35, 3). x ) Dies bedeutet aber
zweierlei, einnial dafi der Mensch als Adamssohn mit clem Todesverhangnis
behaftet geboren wird, dann aber dafi er von Adam die sinnliche Bichtung
iiberkommt. Nicht eigene, sondern frernde Siinde liegt auf dem Neu-
geborenen, d. h. die eigentliche Erbsiinde besteht- in der TJbei'nahnie der
Adamsschuld: recens natus nihil peccavit, nisi quod secundum Adam
cornaliter natus contagium mortis antiquae primct nativitate contraxit . . .,
illi remiltuntur non propria, sed alie-na peccata (Cypr. ep. 64, 5). "Wie
der erste Mensch vitam, quam perpetuam deus tribueret, amisit (Lact.
epit. 22, 3), so werden alle Spateren geboren sub crimine mortis (carm.
adv. Marc. V, 65). Dies Verhangnis ist das Erbe Adams. Dazu tritt
noch die fleischliche Art, denn im Meisch haben die Siinden ihren Spiel-
rauni, wie die Tugenden im Geist (Lact. de ira dei 19, 1), und mit der
Zeit wurzeln sie inimer tiefer im Menschen (Cypr. ad Donat. 3). . Bei
clieser Vorstellung, . die sich nicht ganz mit der Tertullians cleckt (oben
'S. 317), ist es vollig begreiflich, daB, trotz starker Betonung der Siind-
haftigkeit des Menschen, das liberum arbilrium auch im Siinder als
selbstverstandlich vorausgesetzt wird : homo libertati suae relictus et in
arbitrio proprio eonstitutus, sibimet ip&e, vet mortem appeiit vd salutem
(Cypr. ep. 59, 7. test. HI, 52).
1) Contitlisset nobis seu boni sei<, mali quod egit Dux iiativitatis ; m.orimur
itemque per ilium, cf. Instr. II, 5, 8: genitalia. Cypr. ad Donat. 3 genuimim
op. et. eleern. 1 : sanasset ilia, qiiae Adam portaveret vtilnem, et venena serpentis
antiqua curasset etc. Ps.-cypr. ad Vigil. 1: nequitiae genitalis obnoxii.
538 19- Die Gesaintauffassvmg des Christentums.
Der Siinde wie dem Tode will Grott den Menscben entnebrnen. Dies
geschiebt durcb das Glesetz. Endlich aber dadurcb, daB Cliristus als
Lehrer der "Wahrheit ein .,neues Gresetz" gibt und dasselbe durch sein
Beispiel eindrucksvoll zu macben weiB : gratia dei provocamw credere
legi (Comm. carm. ap. 766 vgl. instr. I, 35, 18; II, 1, 6: 7, 5. Cypr.
op. et eleem. 1. 7. 24, de laps. 21. or. dom. 15. 28. unit. eccl. 2 etc.).
Die Knechte aber sollen dem Grebot ibres Herrn geborcben, und das urn
so niehr, als er niclit nur Lohn und Strafe in Aussicht gestellt bat, sondern
es auch Pflicht ist, ihm fiir seine Passion eine Yergeltung darzubieten :
didboli servis minores sumus, tit Christo pro pretio passionis et sanguinis
vicem nee in inodicis rependamus ; praecepta ille nobis dcdit, quid facere
servos cius oporteret. instruxit, operant'ibus praemium pollieitus et sitpplicium
sterilibus comminatus sententiam suam protulit (Crpr. op. et el. 23).
Tiber diese Gfedanken hinaus bat Lactanz kaum etwas zu sagen. Die
Menscbwerdung Avie der Kreuzestod erscbopfen ibren Zweck in der Be-
lebrung und deru Beispiel, L ) es sei denn, dafi die Kraft des Kreuzes bei
Bescbworungen besonders bervorgeboben v/ird (epit. 46, 6 8. inst. IV, 27
s. nocb IV. 20, 3). Reicbere Vorstellungen bieten die iibrigen Autoren.
Nicbt nur das neue Gesetz bat Cbristus uns gelebrt, sondern er bat fur
unsere Siinden gelitten (Cypr. laps. 17) und uns dadurcb zu Grottes
Kindern gemacht (ep. 58, 6). Zum vivificare und reparare sandte ibn
Grott (Cypr. ad Deni. 10), er bat unsere Wunden gebeilt und durcb
seine Knecbtscbaft uns frei gemacbt (Cypr. op. et el. 1). Er, das Haupt
der Kircbe, scbenkt Heil und Leben seinen Gliedern (carm. adv. Marc.
Ill, 236 f.), er bringt Vergebung und lost die Gfefesselten (ib. I, 42).
Er trug die Strafe und zerstorte den Tod und wurde so die causa salutis
(ib. V, 236 f.; II, 165), aucb aus der Unterwelt erloste er die Toten
(ib. V, 240 ft); sein Blut vernicbtet den Tod (Cypr. ep. 55, 22. op. et
el. 1). Dabei wird jetzt baufiger als frtiber der Opfergedanke auf
Cbristi Werk angewandt. Cbristus ist der sacerdos, sein Leib die hostia
saneta oder viva, die er fiir alle darbracbte (carni. adv. Marc. IV, 80 ;
II, 75. 113 ff. 98; IV, 136). Hie ergo sacerdos semper litat deo patri,
eximiam illi offerens victimam obedientiam suam (Ps.-orig. tract. 19 p. 204 ;
tr. 2 p. 18 ed. Battifol). Das Opfer Cbristi dauert also fort und es
befreit aus der Gewalt des Teufels (ib. tr. 9 p. 102), aucb dort wo es
1) s. instit. IV, 10, 1 ; 11, 14 : cum statuisset deus doctorem virtiitis mittere
ad homines, renasci eum denuo in came praecepit et ipsi Jiomini similem fieri,
cui dux et comes et magister esset f'ulurus. IV, 13, 1; 14, 15; 16, 4; 26. 30;
24, 1. 5. 10. 7 : ipse eerie deus virtutem docere non potent, quia expers corporis
'non faciet quae docebit ac per hoc doctrina eius perfecta non erit. Dazu epit.
38, 8f.; 39, 7: 45; 46, 2f.; 60, 2.
Das Werk Christ! bei den Abendlandern. 539
von der Kirclie dargebracht wird: hostia oblatio sacrificii est, cum deo
munus offertur, ut propitiate/, divinitate hostis diabohis ax&rtatur (ib. tr. 10
p. 106). So wird also Gott dauernd versobnt durch Obristi Opfer und
der Teufel besiegt (cf. ib. tr. 6 p. 67. tr. 14 p. 157). Ebenso wirkt
.aber Cbristus ilia Himmel als unser Anwalt und Fursprecber (Cypr. ep.
11, 5; 55, 18. or. dom. 3. quod idola etc. 11). Endlicb waltet er im
Himmel als iudex et rex (Cypr. test. I, 30. ep. 58, 3), er ist index et
dominus, rex, rex deusque (carm. adv. Marc. I, 41. 239; V, 252). Daber
sagt Commodian: Ghristo sicut Caesari pares (instr. II, 11, 4). Aucb
das letzte Gericht vollziebt er. Blicken wir zuriick, so stellt sicb
Cbristi ErlosungsAverk unter folgenden Gesicbtspunkten dar: 1) die dem
Tode verfallene Menscbheit erlost er, indem er an ihrer Stelle die Strafe
tragt und andauernd durcb das Opfer seines am Kreuz dargetanen Ge-
borsams resp. seines Leibes, sowie durcb seine fortgehende Fttrbitte Gott
versobnt; so kommt es zur Siindenvergebung. 2) Aber wie auf Grott,
so wirkt Christus auch auf die Menscben fortdauernd ein, indeni er ibnen
das neue Gesetz gibt und sie zu seiner Erftillung durcb sein Beispiel
und die Verpflicbtung zur Dankbarkeit anregt, und indem er als Konig
und Bicbter sie leitet zum Geborsani xind zur BuBe. Jenes erste wird
fiir die Gemeinde konkret in der Taufe, dieses letzte in dem ,,neuen
Gesetz", dem eucbaristiscben Opfer und der Bufiordnung, sowie in der
Austreibung der Damonen und in der Erwartung des letzten Gerichtes.
So bangt das Werk Obristi auf das engste zusammen mit den kircblicben
Institutionen und Sakramenten, in ibnen realisiert es sicb fortdauernd,
oder die Sakramente verwirklicben Cbristi Wirken in seinem Leibe, der
Kircbe. Mit diesen Gedanken ist aber die dem abendlandiscben Katboli-
zismus eigentiimlicbe Erlosungslebre erreicbt. Die spatere Entwicklung
nat in dieser Hinsicbt so gut wie nicbts an neuen Gesicbtspunkten bin-
zuzuftigen gebabt. Die charakteristiscben Punkte dieser Lebre bestehen
aber darin, dafi klar zwei Seiten des Erlosungswerkes unterscbieden
werden, die auf Gott und die auf die Menscbbeitgericbtete, daB beide Seiten
juristiscb gedacbt werden (Versobnung Gottes und Gesetzgeber, Kicbter),
dafi Cbristi Werk sicb in den kircblicben Sakramenten realisiert. 1 ) Die
recbtliche sakramentale Anscbauung bat diese Gedanken bervorgebracbt
und hat an ibnen ibre starkste .Stiitze erbalten. Jetzt erst war die Zu-
sprechung der Vergebung in der Taufe ein gesicberter Gedanke, jetzt
erst war die Bufiordnung solicle fimdamentiert, aber aucb erst jetzt,
1) Vgl. z. B. Cypr. ep. 55, 22: liberat . . . ab ilia morte, quam semel Christi
sanguis extinxit et a qua aqua nos salutaris baptismi et redemptoris nostri gratia
liberavit. Ps.-cypr. ad Novatian. 3: trinitas ilia . . . haec nunc in ecclesia
per nos (die Bischofe) spiritaliter operetur.
540 19- Die Gesaintauffassung des Christeutums.
nachdem man das Opfer Christi je und je in der Eucharistie erlebte r
wurde die Opfertheorie hinsichtlich des Todes Christi ein greifbarer und
praktischer Gedanke, das Opfer Christi hat das eucharistische Opfer
hervorgebracht, aber erst dies hat jenem die feste Form verliehen.
4. Das Heil erhalt der Mensch durch die Taufe. 1 ) Der Taufe
geht naturlich die BuBe voran. Die Erneuerung kommt also zustande
per poenitentiam praeteritoruin delictorum et lavacri vitalis sanctificationem
(Ps.-orig. tract. 7 p. 85 Battifol). Die Anschauung yon der Taufe
hewegt sich auf der Linie, die Tertullian gezogen hatte (oben S. 360 ft),
einerseits soli die Gnade irgendwie in das "Wasser verlegt werden, andrer-
seits die "Wassertaufe und die Geistmitteilung als Einheit gefafit werden..
Christus hat sich im "Wasser taufen lassen, um diesern, da ja in Christus
Geist war, die Fahigkeit tiberall Leben zu erzeugen, mitzuteilen (ib. tr. 15
p. 163f.). Das Wasser wird aber aucb von dem Priester gereinigt und
geheiligt, damit es die Siinden abwascben kann (Cypr. ep. 70, 1). Das
heifit aber, dafi der Priester als Geisttrager Geist in das Wasser bringt :
peccata enim purgare et hominem sanctiftcare aqua sola non potest, nisi
habeat et splritwn sanctum (ep. 74, 5). DemgemaB sind die Getauften
ex aqua et superna virtute renati (Ps.-orig. tr. 7 p. 85 ; 15 p. 164).
Die Taufe ist nun der Anfang des gottlichen Heilswerks am Menschen :
cum inde incipiat omnis fidei origo et ad spem vitae aeternae salutaris
inyressio et purificandis ac vivificandis dei servis divina dignatio (Cypr. ep.
73, 12), sie bringt die ganze indulgentia Gottes, divina compendia (ep.
69, 12); wie Christi Blut, so befreit auch die Taufe VOHI ewigen Tode
(ep. 55, 22). Sie verleiht eben das ganze Heil in knapper Zusammen-
fassung. Die beiden Gaben, die dies nach alter Anschauung in sick
fafit, sind die Siindenvergebung und die Heiligung durch den Geist. So
redet man auch jetzt nicht selten von der Yergebung als dem Ertrag
der Taufe : in baptismo tibi genitalia donanlur (Conimod. instr. II, 5, 8.
Cypr. op. et el. 2. testim. HI, 65. Ps.-orig. tr. 6 p. 64. 71; 15 p. 167).
Mit ihr verbindet sich aber eng die Heiligung: si peccatorum remissam
1) Tiber den auJBeren Hergang der Taufe seien folgende Stellen notiert: die
Taufe wircl vollzogen im Namen der Trinitat, nicht blofl Christi (Cypr. ep. 73
1618 cf. 69, 7); neben dem iiblichen lavacrum wird getauft durch aspergi oder
perfundi (ep. 62, 12), Kinder sind sobald als moglicli iind nicht erst nach acht
Tagen zu taufen (ep. 64, 2 cf.de laps. 10), auch sie erhalten den heil. Geist
(ep. 64, 3). tJber das Taufbekenntnis s. ep. 70, 2; 69. 7; 73, 5 cf. 75, 10 f.
Die Olsalbung s. ep. 58, 9; 70, 2. Ps.-orig. tr. 17 p. 187, die Abrenunciation No-
vatian de spectac. 4. das Vaterunser Cypr. orat. dom. 9, die Handauflegung
Cypr. ep. 73, 9. Ps.-orig. tr. 17 p. 187. Ps.-cypr. de rebapt. 1. 4. 5. 10; die sich
au die Taufe anschlieBende Abendmahlsf eier Cypr. ep. 63, 8 ; 70, 20. Ps.-orig. tr.
17 p. 187 f.
Die Taufe bei den L'ateinern. 541
consecutus est, sanctifiahis est (Cypr. ep. 73, 12), denn per lapiisma auiem
spiritus sanctus accipitur (ep. 63, 8). Die Taufe wascht alle Mecken
ab und bringt das Licht des heiligen Geistes (Cypr. ad Donat. 4). Beide
Vorstellungen gehen nun aber ineinander iiber in dem Gedanken der
secunda nativitas (ib. 4. or. dom. 23). Durch. diese ist der Menscb ge-
reinigt und geheiligt und ein Gotteskiud geworden (Cypr. de zel. 13.
.tab. virg. 2. ep. 74, 5. Ps.-orig. tr. 12 p. 131; 15 p. 163. Lact. instit.
VII, 5, 22. Carm. adv. Marc. II, 247. 253), liber das die Damonen
keine Gewalt menr Kaben (Cypr. ep. 69, 15), und von dem alle Siinden
vertrieben werden (Lact inst. V, 19, 34). Diese neue Geburt begrimdet,
alien Zweifeln, die der Mensch vorher gebabt bat, zum Trotz, wirklich
eine neue Existenz (Cypr. ad Donat. 3. 4); der Mensch. empfindet jetzt
membra nostra ab omni faece contagi6his antiquae lavaeri vitalis sancti-
ficatione purgata, er bat die sanitas erlangt iind kann und will nun
Christus dienen (Cypr. de bab. virg. 2). Es baknt sicb also eine Koni-
bination der beiden alten Graben der Taufe an in den Ideen der "Wieder-
geburt und der Reinigung. Indem Geist im Taufwasser wirksam ist,
reinigt er den Menscb en und scbafft ibn um zu einer neuen ICreatur. 1 )
Dem stebt nun aber die alte Vorstellung nocb immer entgegen, dafi
der Geist erst nacb der Taufe durcb den besonderen Akt der Hand-
auflegung nebst den begleitenden Gebeten verlieben wird (Cypr. ep. 73, 9). 2 )
Wie Adam zuerst gescbaffen und ibm dann erst der Geist eingeblasen
wurde, so mufi der Mensch zuerst neugeboren werden in der Taufe, um
dann den Geist zu empfangen, zuerst also die generatio, dann erst die
sanctificatio (ep. 73, 9). "Wenn jemand durch die Taufe sanctificatus est
et in novum hominem spiritaliter reformatus, so ist er dadurch erst ad
accipiehdwn spiritum sanctum idoneus factus (ep. 74, 5). Es ist, wenn
man diese beiden Stellen miteinander vergleicht, klar, dafi Cyprian die
sanctificatio verschieden auffafit, oder da6 er bald an die mit der Taufe
gegebene, bald an eine andere von der Handauflegung abhangige Sankti-
fikation denkt. Dies spricht er auch deutlich aus : tune enim demum
plane sanctificari et esse filii dei possunt, si sacramento ^ltroq^le
nascantur (ep. 72, 1). Wurde aber die "Wassertaufe an sich als Mittel
der Neugeburt und der Heiligung betrachtet, so hatte die Handauflegung
entweder aufgegeben werden miissen, oder aber sie mufite zu einein
1) Novat. de kin. 29 (cf. Ps.-orig. tr. 20 p. 210): hie (der heil. Geist) est
qiti operatur ex aquis secundam nativitatem semine quodam divini generis et
consecratione coelestis nativitatis, pignus promissae haereditatis et quasi chiro-
graphum quoddam aeternae salutis.
2) s. aucli Cornelius T. Eom bei Euseb. VI, 48, 15: oy^ayiad-r^ai. fab iov
= TOV ayiov Ttvevfiaros
542 19- Die Gesamtauffassimg des Christenturns.
besonderen Akt werden, der etwas Selbstandiges neben der Taufe zu
bedeuten hat. Indeni der Ketzertaufstreit Cyprian genotig hat, in die
Taufe so viel Geist als irgend nioglich hineinzuverlegen (s. oben S. 513),
hat dieser Streit viel dazu beigetragen die Taufe selbst als Mittel der
Geistverleihung zu betrachten und somit den alten Akt der Handauflegung
yon ihr als ein anderes Sakrament abzulosen. Dem kain die Tendenz
von Cyprians Gegner, dem Verfasser der Abhandlung de rebaptismate,
clarin entgegen, dafi er seinerseits alle Gfeistwirkungen in die bischofliche
Handauflegung zu verlegen versuchte (s. oben S. 512 f. A. 2). Die Ab-
handlung zeigt zugleich, wie mannigfache Ansichteu von der Taufe in
unserer Zeit noch nebeneinander hergingen wie die altertiimliche,
freilich haretische Taufe auf Jesu Namen , aber trotzdem hat man
auch hier, auf Tertullian fufiend, einen gewissen Abschlufi der Gedanken-
bildung erreicht.
5. Deni in der Taufe wiedergeborenen, von den Siinden gereinigten
Menschen gilt nun das neue Gesetz, durch Befolgung desselben soil er
sich die uberkornmene Eeinheit erhalten : dot innocentiae legem, postquam
eontuKt sanitatem . . . Nulla sit venia ultra clelinquere, postquam deum
nosse coepisti (Cypr. hab. virg. 2 vgl. Commod. instr. II, 5, 11: summa
tibi: gravia peccata devita tu semper). Dies gesehieht im Gflauben und
in der Furcht Gottes : Fundamentum omne reiigionis et ficlei de obser-
vatione ac timore proficiscitur (Cypr. hab. virg. 2 cf. op. et el. 8), im
Gebet (or. dom. 12) und in der Aufnahme der neuherzustromenden
Gnadengaben durch den Glauben : manat iugiter , -exuberat affluenter,
nostrum tantum sitiat pectus et pateat. Quantum illuc fidei cap ads
adferimus, tantum gratiae inundantis haurimus (ad Donat. 5). Spricht
sich in den letzten "Wdrten Cyprians (bald nach seiner Bekehrung ge-
schrieben) ein Gefiihl von der beherrschenden Bedeutung des Glaubens
aus, so erfordert doch der Zusammenhang der Gedanken eine andere
Beniitzung des Glaubensbegriffes. 1 ) Der Glaube ist wesentlich die An-
erkennung der christlichen Lehre, des gottlichen Gesetzes und das Fiir-
wahrhalten der YerheiBungen. Das "Wesen des Glaubens besteht darin:
credit esse fern quae promittit deus, qui verax est, cuius sermo credentibus
aeternus et firmus esi (Cypr. de mortal. 6). Der Glaube ist also die
Anerkennung und die Annahme der christlicheu Lehre und des kirch-
lichen Eechtes (Novat. d trin. 29 cf. Ps.-orig. tr. 12 p. 136). Das fafit
in sich- die tJberzeugung von Gottes Wahrhaftigkeit sowie der "Wahrheit
der heil. Schrift, besonders hinsichtlich der Gebote. und Verheifiungen :
1) Vgl. zum folgeiiden die sorgfaltige Darstellnng von Wirth, Der Vor-
dienstbegriff b. Cypr. S. 121 ff. 128 ff.
Glaube und Gerechtigkeit bei den Lateinern. 543
scire vera esse, quae praedicta sunt verbis dei, nee scripturam posse, mentiri
(Cypr. op. et el. 8. cle mortal. 22. 24. ad Demetr. 20. Commodian carm.
apol. 311ff. 615. Lact. epit. 61, 3ff. instit. VI, 17, 23fL). Der
Glaube ist die Erleuchtung des Yerstandes durch die Eingiefiung des
himmlischen Lichtes (Ps.-orig. tr. 12 p. 136), die geistliche Erkenntnis
der himmlischen Dinge (JSTovat. adv. Jud. 1), vor allem aber doch das
obsequium timoris ac devotionis (Cypr. bon. pat. 1, op. et el. 8. mortal. 12),.
sowie die fidticia futurorum (de zel. 16). Bei dieser Auffassung des
Glaubens fehlt jedes Verstandnis fiir die iustitia ex fide. 21 war
kennt Cyprian diesen Ausdruck, aber er denkt dabei immer nur an den
Glauben im Sinn der rnoralischen Erkenntnis und des Gehorsams, der
die Grundlage der Werkgerechtigkeit bildet. Fidei ac iustitiae mentis
hat Abraham sich seine Anerkennung bei Gott verdient (de mortal. 17. 12.
bon. pat. 10), und merito fidei erwerben sich die Christen die Stellung
als Gottes Volk (ep. 63, 12). Gerecht ist somit der, welcher die
mstitiae opera hat, oder derjenige, der aktiv seine Frommigkeit betatigt
(de mortal. 16. 26). An einen ethischen Habitus, der inancherlei
fromnie "Werke in sich fafit, de'nkt also Cyprian bei der Gerechtigkeit.
Mit dem Glauben hat die Gerechtigkeit nur insofern etwas zu tun, als
die Erkenntnis der Gerechtigkeit und ihres Lohnes die notwendige
Yoraussetzung ihrer Ausiibung ist: nam si Abraham- credidit deo et
reputatum est ei ad iustit-iam, titique qui secundum pracceptum dei
eleemosynas facit deo credit, et qui habet fidei veritatem servat dei timorem,
qui autem dei timorem servat in miserationibus pauperum deum cogitat,
operatur enim, in deo quia credit, quia scit vera esse quae praedicia sunt
verbis dei nee scripturam posse mentiri, arbores infructuosas id est steriles
homines excidi et in ignem mitti, misericordes ad regnum vocari (op. et el. 8).
Aus diesen Satzen wircl die leitende Anschauung sehr Mar ; es ist nichts
anderes, als was Lactanz etwas naiv mit den "Worten ausdriickt : fides
quoque magna iustitiae pars est (epit. 61, 1). Die Anschauung von der
Gerechtigkeit, die damit ausgesprochen ist, ist ebenfalls in der Kirche
des Abendlandes auf lange hinaus maBgebend gewesen. SSie entspricht der
antiken Auffassung von dem Habitus der Gerechtigkeit in der Yerbindung
mit der "Weisheit einerseits und der Unsterblichkeit andrerseits. Diese
Gerechtigkeit war ein wesentlicher Bestandteil der Frommigkeit. Die
antiken Grundlagen treten bei Lactanz besonders deutlich zutage. 3 )
1) Lact. epit. 29, 1 f . : Ad iustitiam nasci homines non modo litterae sacrae
decent, verum etiam ipsi philoso2)hi . Nee enim ad scelus nasdmur, cum simus
animal socials, atque commune. 30, 1 : qiiid erit fructus iustitiae atque mrtutis,
si nihil habebit in vita nisi malum? . . . Sine praemio esse non potest . . .,
merces eius immortalitas sola. 52, 2. 4: necesse est et iustum esse sapientem
.544 19- Die Gresaintauffassung des Ghristentums.
Auf dem Wege zur Gereclitigkeit bedarf der Mensch aber der
gottlichen Hilfe. . Dieselbe wird ihm dargeboten von dem christlichen
Gesetz, von dem Beispiel Christi (Cypr. test. Ill, 39), der Erwagung
von Lohn uud Strafe, aber aucb von der cottidiana sanctificatio, die der
'Geist in seinem Herzen ausfiihrt (Cypr. or. dom. 12). Aber die starksten
Motive zuni sittlichen Handeln sind die Hoffnung auf Loan und die
Furcht vor der Strafe, liierauf koniint Cyprian immer wieder zu sprechen. 2 )
So soil also der Mensch den Forderungen der divina lex und der eccle-
siastica disciplina nachkommen, durch die guten "Werke erwirbt er sich
Yerdienste bei Gott, und Gott belohnt diese, mentis atque operibus
nostris praemia promissa contribuens (op. et el. 26). Der Christ vergilt
Merdurch zugleich Christus die Wohltaten, die er ihm erwiesen (ib. 17/23
cf. hab. virg. 2). Das Rechtsverhaltnis, das zwischen Gott und dem
Menschen besteht, tritt hier auf das deutlichste hervor : iustitia opus est,
ut promereri quis possit deum iudicem, praeceptis eius et monitis obtempe-
randum est, tit accipiani merita nostra mercedem (unit. eccl. 15). Der
juristische Charakter dieses Verhaltmsses wird besonders darin ersichtlich,
dafi der Mensch durch seine Verdienste einen Rechtsanspruch auf Lohn
erwirbt, da der wahrhaftige Gott ihm die retributio durch seine promissa
zugesichert hat (zel. et liv. 16. ep. 58, 4; 76, 7. op. et el. 15). Dadurch
verliert der Begriff meritum seine naiv-moralische Bedeutung, er wird
zum Ausdruck eines kontraktlich festgestellten Rechtsanspruches, dem
notwendig der Lohn kprrespondieren mufi. Der Fromme erwirbt sich
Anspriiche an Gott, zu deren Realisierung sich Gott verpfiichtet hat.
Auf das ganze sittliche Leben mit all seinen ordentlichen und aufier-
ordentlichen Leistungen erstreckt sich diese Betrachtungsweise. Gewifi
kommt in ihr die romische Denkweise zuni Ausdruck, 1 ) aber die gauze
et eiim, qui sit stultiis, iniiistiiin. Non potest igitur neque siulto iustitia neque
iniusto sapientia coiwenire. 51, 1. 2: nescierunt ergo iustitiam philosophi,
quia nee ipsum deum agnoverunt nee cultum eius legemque temierunt. Et ideo
refelli poiiwunt a Carneade, cuius haec fuit disimtatio , nulhm esse ius
naturale. itaque omnes animantes ipsa ducente natura commoda sua defendere
et idea iustitiam. si alienis utilitatibus consulit, suas ncgligit, stultitiam esse
dicendam. lust. VI, 25, 7: nulla igitur alia religio vera est, nisi quae virtute
et iustitia constat.
1) s. deu eingelienden Nachweis bei Wirth, S. 92100.
2) Auch das bei Cyprian beliebte Bild des christlichen Lebens als eines
Krieg'sdi'enstes, der imperio regis d. h. Christi (Coiamod. instr. II, 12,4), pro
nominis sui honore (Cypr. ep. 58, 4) geschieht und sich wider den Teufel richtet
(ad Fortunat. praefat. 2. de zel. 16). wird gern auf den ewigen Lohn der Kampfenden
hiuausgefiuirt (z. B. Cypr. ep. 68, 4: 80, 2; 76, 4). Hiermit hangt auch die Be-
toming der gloria der Christen zusamnien (ep. 37, 3; 10, 1; 51, 12; 28, 2).
Der mbendlandische Verdienstbegriff. 545.
von dem Terdienst und Yergeltung genau gegeneinander
]bwagenden Gott, die scharfe Kalkulation des Menschen beziiglich dieses-.
Yeffoaltnisses ist nicht ;r6misch, sondern judisch empfunden. Auch bleu;
ist <fder starke judische Einschlag in dem Christentum der alten Latemer-
_ er ist so bei den" Grriechen nie wirksam geworden wahrneb.rn.bar. 1 )
Die rechtliche Betrachtung des religiosen Lebens fuhrt aber zvt der
(d'Gjppelten Moral. Da namlich die hochsten sittlichen Leistiangen
nkfei alien zugemutet werden konnen, so werden sie von dem, neuen
JGfesetz nicbt gefordert, sondern nur geraten. So etwa die Virglnitat:.
prima sententia crescere et multiplicari praecepit, secunda et contimntiam
su-asit . . . Nee hoc iubet dominus, sed hortatur, nee iugum necessitatis
imponit, quando moneat voluntatis arbitrium liberum (Cypr. hab. virg:. 23).
AiiiSer der Yirginitat ^ kommen als" solche blofi angeratene "Werke nocn.
in.Betracht das Martyrium es ist an sich keineswegs Pflicht, de laps. 3 r
sowie besondere gute "Werke, vor allem die eleemosynae. Da nun aber
weiter alle sittlichen Leietungen einen entsprecnenden Lonn erbalten, so
wird jauch diesen Tatern besonderer "Werke ein besonders hoher Lohn zuteil
T,ver.den. Unter den vielen "Wohnungen im Himmel bekommen sie die
Jiabitacula meliora (bab. virg. 23), der hochste Lobn kom'mt den Martyrern
zu (ib. 21), ibre merita koiaamen aber aucb anderen als Satisfaktion zu-
gute, "bei dem letzten Gericbjfc wie scnon in der Gegenwart (laps. 17. ep.
18, 1 19, 2). So .ergeben acb zwei Klassen von Cbristen ; denen, die
bloJ3 ,<lie Gebote tun, stebt ate illustrior portio gregis Ghristi mit der
sublimior gloria (bab. virg. 3) gegeniiber die Scbar derer, die in Kontinenz
leben -wad reicblicb Almosen geben. Das ist eine Scbeidung, die an die.
bei Clemens und Origenes vorgenommene erinnert. Aber wahrend dort
die eine jGrruppe wirklich, qualitativ und an innerer Reife, der anderen
ijberlegen war, liegt bier nur eine quantitative Abstufung vor, der Ver-
zicbt auf .sinnlichen Genufi und die Auswabl bestimmter guter Werke.
Auch darin gibt sich wieder die aufierliche, judisch-romische Auffassung
von Heligion und Moral zu erkennen.
Die Vergleiehung des sittlichen Lebens mit dem Kriegsdienst ist vorchristlichea
Urgpunges s. Senec. de provid. IV, 8. 11. V, 1; vgl. Wirth a. a. 0. S. 150f.
1) Mit Recht hat auch Wirth S. 167 ff. diesen Gesichtspunkt betont. Den
formalen juris'tischen Charakter der Verdienstlehre Cyprians findet er in dem
Innominatrealkontrakt des rSmischen Eechtes nach der Formel facio, ut des
(S. 166). Aber dabei ist nicht zu vergessen, daB . in dem Gedankengefiige des
weiteren immer die Giite und Freiheit Gottes mitgedacht wird, s. Tertull. oben
S. 354 und vgl. den Ausdruck mereri misericordiam.
2) Die Jungfrauen sind Christi Braute und Frauen (hab. virg. 20. 22). Aber
auch die Kirche ist Christi Braut, sie steigt vom FufikufizumMundkuB ernpor,
indem er zu ihr redet, so Ps.-orig. tr. 12 p. 132.
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 35
546 19. Die Gesamtauffassung- des Christentums.
6. Aber nocb eine weitere Konsequenz ergibt sick aus der gesetz-
liclien Denkweise, sie bezieht sicb auf die Bufie. Wir durfen uns iiber
sie kurz fassen, denn es werden nur die Gedanken Tertullians wieder-
.gegeben und angewandt (vgl. oben S. 365 ff.). Der Christ sollte nacb der
Taufe siindlos leben. Legem dedit sano et prqecepit, ne ultra iam peccaret
(Cypr. op. et el. 1). Nacbdem nun die Gnade inn von der Siinde ge-
xeinigt und mit deni Gesetz versehen bat, tritt die gottlicbe Gerechtigkeit
wieder in Kraft. Die taglicben Gesetzesiibertretungen (Cypr. de orat. 22.
Comniod. instr. II, 22) bedeuten ein offendere deum (bab. virg. 2. orat. 31).
Nun verbindet sicb in eigentiimlicber Weise die Gnade niit der Ge-
recbtigkeit, der neue Bund gewabrt alien die Moglicbkeit der Bufie
(Novat. adv. Jud. 6 8), aber unter einer Bedingung, die von der Ge-
recbtigkeit gefordert wird. Der Sunder soil indignationis offensam iusta
deprecatione placare (Cypr. le laps. 36. 17. 22). Das gescbieht durcb
den Scbmerz, die Trauer und den Jammer iiber die Siinde, durcb die
angeordnete exomologesis (de laps. 32. 35. ep. 59, 13 ; 65, 1), vor allem
aber durcb gute Werke. Die Bitten geniigen nicbt, sie miissen, nacb
Tob. 12, 8, durcb Werke verstarkt werden (de or. 32. op. et el. 5).
Es gilt precibus et operibus suis satis facer e (ep. 16, 2), dominus nosier
satisfactione placandus est (laps. 17), und zwar eine entsprecbende Zeit
iiber (aestimato iusio tempore, ep. 4, 4). Dies ist der leitende Begriff
der Satisfaktion ^ oder der Genugtuung, die der Sunder dem beleidigten
Gott darbringt als ein-ibn versobnendes Opfer. 2 ) Yor allem aber bandelt
s sich dabei, zumal im taglicben Leben, urn. die Werke, besonders die
Almosen. Die Almosen baben geradezu die Bedeutung einer zweiten
Taufe : sieut lavacro aquae salutaris gehennae ignis extinguitur, ita elee-
mosynis atque operationibus iustis delictorum flamma sopitur. Et quia
semel in baptismo remissa peccatorum daiur, assidua et iugis operatic
baptismi instar imitata deirursus indulgentiam largiatur (op. et el. 2.
orat. 32). Durcb solche Werke nun vermag der Menscb mereri dei
misericordiam (op. et el. 5). 3 ) Diese "Wendung vervollstandigt die
wunderlicbe Kombination von Erlosungs- und Recbtsreligion, die diese
1) An sich kann satisfactio aucli die dem Gesetz entsprechende Betatigung
:sein, s. ad Demetr. 25.
2) Vgl. Lact. epit. 62, 1. 2. 4 : ut confugiamus ad paenitentiam, quae non
minimum locum inter virtutes habet. Magnum est paenitentiae auxilium,
magnum solatium, ilia est vulnerum peccatorumque sanatio, ilia spes, illaportus
salutis. Eae sunt victimae, hoc saerificium placabile. 49, 3: data rursus
facultate ac reddita libertate referunt se ad deum eumque precibus et lacrimis..
placant ... ., et venia satisfacientibus non negatur. S. noch Commod. instr. II, 8.
3) Vgl. ep. 37, 4: quid enim petitis de indulgentia doming quod non impe-
trare mereamini?
Die lateinische-Bulftheorie.' 547 ;
BuBtbeorie darstellt : der barmherzige Gott vergab die.Siinde, der gerecbte
Gott verlangt , gute "Werke ; der barmherzige . Gott : -:gewabrfr neue Yer-
gebung, der gerecbte Gott kniipft sie an die Satisfaktion, ' die Satisfaction
gegen die Gerecbtigkeit verdient die Barmberzigkeit. Das ganze
widerspruchsvolle Gebilde ! gipf elt - in - dem mereri misericordidm ! *) Es' F
gebt etwas wie Marcions zwei Gotter in 'diesen 'Gedankengangen' um.
Aber zu alledem kommt, dafi' die Bufie und>vdie;Sunde in eineni "genauen
quantitativen Verbaltnis zueinander steben miissen: 1 paenit&ntia crimine
minor non sit (laps; 35).
Diese ganze Bufitbeorie ist eingerabmt von dem Gedanken der Kirche
mit ibren Priesterny durcb ibre Vermittlung kommt die Satisfaktion vor-
Gott und wird der Siinder ibrer Anerkeniiung gewifi (s. bben S. 500 f.).
Nocb eine Konsequenz- ergibt sicb in dem streng recbtlicben^Scbenia-
dieser Gedanken. Korrespondieren Verdienst tmd ; Gnade einander in '
genauem Quantitatsverbaltnis, -was -wird dann aus jenen iiberscMssigen
Werken, von deneh wir borten?i Nunj ! sie kommen anderen zugute, die ' '
einen Defekt an Werken baben. Die alte Idee, da6' die Martyrer-als
Geisttrager an Gottes .Statt Siinde- vergeben konnen, empfangt dadurcb !
eine neue Deutung: posse apud iudicem plurimum martyrum merita et :
opera iustorum (laps. 17). Diese Werke belfen bei dem jiingsten Gericbt, '.'
aber die Fiirbitte der Martyrer und' das Opfer .der Priester koimen aucb ;
jetzt scbon dazu wirken, dafi Gott dem Sunder die innerlicbe Erneuerung
wieder scbenkt : potest in acceptum referre quidquid pro talibus et petierint
martyres et fecerint sacerdotes (ib. 36). - So' scbliefit. sicb mit innerer
Notwendigkeit ein Gedanke des werdenden KatboUzismus an den anderen ;
aber zwei Gedanken beherrscben die ganze Entwicklung, das Heir des
einzelnen ist sicber gestellt durch die -Earcbe, und es wird. erworben und ; '
erbalten durcb gute Werke. Die Earcbe spendet die Gnade durcb
Pristertumy Gesetz, Taufe und Bufie, ' aber die Gnade will verdient sein
durcb den Geborsarn gegen das neue Gesetz und die kircbliehe Disziplin.
Parum esse baptizari et eucharistiam accipere, nisi qui factis ! et opere pro-
fieiat (test. DIE., 26). So scblingen sicb die Gaben der Erlosungsreligion
ineinander mit den Aufgaben der' Gesetzesreligion. Man macbt es dem
Menscben leicbt in der Religion, indern man es ibm scbwer niacbt, aber
da's Grofite iii der Religion, den freien Herzensglauben verliert man
dariiber. Aber der. Menscb wird so sicber seines Heils : securitatis nostrae
1) Wie wir fruker gesehen halben (S. 354), macht gerade der Doppelcliarakter
des mereri, der sowoM mit der eigenen freien Tat als der wcfa%en&a des'-Empf angers
rechnet, diesen Begriff so geeignet die merkwiirdige Kombination von Rechts-
religion und Erlosungsreligion ZUIQ -Ausdruck 'zu bringen; Man nat bisher iiber-
sehen, daB der Begriff gewissermaflen die strenge Eechtsanschauung erweicht,'
35*
548 19- Die Gesamtanffassnng des Christentums.
sahibre praesidium , res posita in potestate facientis, res et grandis
et facilis (op. et el. 26), das ist das mereri miserieordiam. 1st aber
in dieser Weise alles an das menschliche Werk und eine Rechtsordnung
geschlossen, so rniissen sich konsequentermafien bald auch die Mittel und
Gfedanken finden, die alien Siindern fiir. alle Siinden und unter alien
Umstanden die Vergebung sicher und bereit stellen.
7. Ein weiteres Mittel zum Heil ist das Abendmahl. Es hat
eine doppelte Bedeutung, als eine Grabe fiir den Empfanger und als
Opfer, das fiir inn Grott dargebraclit wird. 1) Cyprian halt sich auch
in seiner Anschauung vom Abendmahl an das tertullianische Vorbild,
doch hat er haufiger von ihm geredet und bietet daher wenigstens fur-
die Opfervorstellung deutlichere Gfedanken. Aber eine feste dogmatische-
Grundlage sucht man auch bei ihm vergebens. Im 63. Brief bekampft.
er die Ansicht, dafi der Abendmahlswein durch Wasser zu ersetzen sei,
und kommt dabei auf genauere Angaben iiber den Sinn und .Zweck der
Eeier. Christus der wahre Weinstock hat nicht Wasser, sondern Wein
als sein Blut bezeichnet, daher kann auch das Wasser nicht als sein
Blut angesehen werden ; es mufi Wein im Kelch sein. Wie Melchisedek
hat Christus als Opfer ,,Brot und Wein dargebracht, namlich seinen
Leib und Blut". 1 ) Wie Christus verheifit, im Reich des Yaters Wein
mit den Jiingern zu trinken, so hat er Wein dargebracht, et vinum fuisse,
quod sanguinem dixit (ep. 63, 9). Der Gfedanke ist also deutHch: Brot
und Wein werden nicht etwa in Leib und Blut verwandelt, sondern sie
bleiben was sie sind, aber Christus stellt Brot und Wein als seinen Leib
und sein Blut dar, Leib und Blut erscheinen in Brot und Wein, letztere
sind also die Darstellungsmittel oder Symbole von ersteren. 2 ) Dies wird
aber nur dann der Fall sein, wenn das Opfer legitima sanctificatione
1) ep. 63, 2: cum dicat Christus: n ego sum vitis vera", sanguis Christi non-
aqua est utique, sed vinum, nee potest videri sanguis eius, guo redempti et vivi-
ficati sumus, esse in calice, quando vinum desit calici, quod Christi sanguis
ostenditur. Ib. 4: Christus, qui sacrifieium deo patri obtulit et obtulit hoc
idem, quod Melchisedec obtulerat, id est panem et vinum, suum sdl. corpus et
sanguinem. Ib. 13: in vino ostendi sanguinem Christi. P. Eenz (Gesch. d.
Meflopfer-Begr. I, 230) deutet die erste Stelle so: da Christus der Weinstock ist r
so mufi sein reales Blut Wein, nicht Wasser genannt werden ; aber im Zusammen-
hang handelt es sich darum, daB Christus Wein nicht Wasser dargebracht hat,,
die Kirche also dasselbe zu tun hat, zudem konne angesichts der Selbstbezeichnung
Christi als Weinstoek nur Wein, nicht Wasser zur Veranschaulichung seines
Blutes dienen. DaC Cypr. nicht an eine reale Gegenwart des Blutes und Leibes
Christi im Abendmahl gedacht hat, geht aus obigen Stellen deutlich hervor; eine
zutreffende Darstellung bei Loofs PRE. I, 58.
2) Demgemafl werden die Abendmahlselemente selbstin alter Weise sacrifieium
genannt, s. op. et el. 15.
Cyprians Abendmahlslehre. . , 549
d. b. mil Wein, nicbt Wasser, also einsetzungsgemafi begangen wird (ib.),
sodann aber aucb nur dann, wenn die sanctificatio dort stattfindet, wo
sanctus spiritus ist, d. b. in der Kircbe (ep. 65, 4). Das recbte Opfer
Jsann also nur in der Kircbe dargebracbt werden, weil nur in ibr sancti-
ficatio jnoglicb ist (unit. eccl. 17). Es wird demnacb durcb die Konsekration
den Elementen docb eine besondere Qualitat mitgeteilt, die aber ideellen
Cbarakter bat (vgl. Irenaus und Tertullian oben S. 368 ff). Es reicbt
dariiber nicbt binaus, wenn Cyprian von einem kleinen Madcben erzahlt,
das Brot vom Gb'tzenopfer genossen batte und daber sicb wider den
.Empfang des Abendmablweins straubte, und ibn, als er ibr dennocb ein-
^eflofit wurde, ausbracb, denn nur ein Zeicben der gottlicben Macbt
erblickt er in dem Vorgang. 1 ) In diesem Sinn werden also die Elemente
durcb die Konsekration Christi Leib und Blut: sandificatus in domini
.sanguine potus.*)
Durcb den Abendmablsgenufi werden die Cbristen in der Gremein-
scbaft mit Cbristus gestarkt, sie werden als sein Leib von ibm gespeist
und werden mit ibm vereinigt, wie das Wasser mit dem Wein eins wird
in dem Abendinablskelcb. 3 ) Diese Lebensgemeinscbaft mit Cbristus
sattigt sie innerlicb und wird ibnen so zum Scbutze wider alle An-
fecbtungen. Wie der Wein den Menscben frei und froblicb macbt, so
lafit der GrenuB des Blutes Cbristi den alten Wandel vergessen und
erfvillt das traurige, von Siinden geangstete Herz mit der Freude tiber
Gfottes Vergebung. 4 ) Die Gremeinscbaft mit dem Erloser, der, wie Brot
und Wein, starkend und erfreuend auf die Seele einwirkt, ist also die
1) de laps. 25 : sandificatus in domini sanguine potus de pollutis visceribus
erupit, tanta est potestas domini, tanta. maiestas..
2) s. d. vor. Anm. vgl. Ps.-origv tr. 5 p. 55: nemo panem facit corporis
domini, id est eucliaristiam benedieit, quia sacrificium tune (im alten Bunde)
offerri non licet.
3) de or. 18: Christiis eomm, qiii corpus eius contingimus, panis est . . .
Non .communicantes a caelesti pane prohibemur, a Christi corpore separemur.
ep. 63, 13 : quando autem in calice vino aqua miscetiir, Christo populus adu-
natur. Quemadmodum grana multa in unum collecta, . . . sic in Christo, qui
est panis caelestis, unum sciamus esse corpus, cui . coniunctus sit noster
numerus et adunatus. ep. 11, 5 : nihil potest avellere corpori eius et sanguini
-cohaerentes.
4) ep. 57, 2: protedione sanguinis et corporis Christi muniamus, et cum
ad hoc fiat eucharistia, utpossit accipientibus esse tutela . . . munimento dominicae
saturitatis armemus. ep. 63, 11: quemadmodum vino isto communi mens
solvitur et anima relaxatur et tristitia omnis exponitur, ita et puto sanguine
domini . . . exponatur memoria veteris hominis et fiat oblivio conversations
jpristinae saecularis, et maestum pectus ac triste, quod prius peccatis angentibiis
premebatur, divinae indulgentiae laetitia resolvatur.
550 19. Die .Gresamtauffass'ung- des Cbristentums.
Gabe; des Abendmahlsgenusses. ;Das -sind alte christliche Gedanken ; es
; mag Zufall sein, s .,dafi .die .eschatologisGhen.' Motive dabei wenig hervor-
treten.
2) Nun ist aber von alters her das Abendmahl mit ' dem Opfer-
gedanken verbunden gewesen. 'Die Opfer des Christentums waren
urspriinglich die Selbsthingabe an Gott und speziell die Gebete, vor
allem die Dankgebete. 1 ) In Ankniipfung an letzteres riickte die Handlung r
, die mit der svy^aQbGila begann, tinter -den Gesichtspunkt des Opfers.
Dies Grebet war zunachst das Opfer im Abendmahl, es sprechen hieS
den Opferdienst vollziehen, jede materielle Opfergabe war ausgeschlossen. 2 )
.Aber andere --'Motive verbanden sich bald mit diesem. Die' Darbringung
der Gaben, in ; denen das Abendmahl als Agape begangen wurde und die
.spater zu wohltatigen Zwecken verwandt wurden, gait ebenf alls als Opfer r
und man legte dann dieser Darbringung besondere Bedeutung und Kraft
.bei. 3 ) Weiter kam.: in' Betracht die Analogic der 'Mahlzeit mit den
antiken Opf ermahlen, schon Paulus hatte davon geredet, 'aber der Gedanke
einer ' Opf erdarbringung wuxde. nicht mit hereingezogen in die Parallele
; (1. Kor. -10, 19 f.) ; sodann die allmahlich immer bedeutsamer werdende
Erklarung .des Todes Christi als eines Opfers (s. oben S. 538 f.).' So wurde
: es , ein , fester- iSprachgebrauch von - dem Abendmahl als dem Opf er der
1) ygl. Rom. ,12, l,(cf. Eph,,5, ; 2). Ehil.,2, 17; 4, 48.^ Hbr.i:13,: IG.ci
Jak. 1, 27. Apoc, 5,. 8. Hbr. 13. 15.. 1. Pete 2, 5. 1. ,C1.:36, 1. Athenag.
Supplic. 13. Minuc. Fel. Octav. 32. Tertull. de res. 8. c. Marc. IV, 1. 9. seorp. 9.
ad Scapul. 2. cult. fern. II; 9. orat. 28. virg. vel. 13. apol. 80. Hippolyt. Segea
Mos. 17, 6. Segen Jak. 4, 3 (georgiscli). Ps.-orig. tr. 10 p. 107 f. 109. Lactant.
.,ep. 53, 4; inst. YI, 24, 27 ; ; 26,, 5 (Gereehtigkeit). : Ps. s Tertull. carm. adv. Marc.
IV, 183 ff. Clemens Strom. VIIv 3 p.- 8361; 6 p- 848; 7 p. 860. "Origen. de
.or, 12, in Jer. h; 18, 10... in Lev. 9, !; 2, 2. 4;43, 3. inRom. IX, 1-etc. Cypr.
ep,;66, 9;,. 37, 1; 76, 3. orat. 33; 24. -r tfber .das =altkirchliche Opfervgl. Hof ling,
Die Lehre d. altesten Kirche v. Opfer 1851 und bes. F. Wieland,"Meusa und
Confessiq 1906. -
, : 2) s. 1. Glem;,40, 2ff. 44,- 4. Did. 14, 1 f . vgl; 8.136. Justin Dial; 41. 70. 117 :
.eiiftal ^a.l,si>'/ l a^iat;t.ai, i)nb,',icov. aicov yivdfievai, rehsiat (idvca y.al :ei)dj)eaToi -sioi.
tio &ecp dvoicu. : Tertull. orat: 19.
3) 1. Kor.: 11, ; 20 22. . Justin. Ap. I, 67. Dial. ; '41 : Tigoocpegofievcov ctitcS
: &VOICOV, TO.vTefffi .xov, ci^TOv .rrjs si/'^a^tarias xal -tov. Ttotrjqiov Sfioicos ifjS ei>%a<)iOTiaS'
Iren. IV, 17, 5f/; 18, Iff. vgl. oben S. 368. Orig. c. Cels. VIII, 34. Cypr. op. et
el.-. 15. Im.iubrigen' habeii" die. Opfergaben, die- bei ! ^dieser Gelegenheit' darge-
- bracht werden- imd die fur Lebende. wie.-aucb. Tote von Bedeutung 'sind, .mit' dem
,euc}iaristischen Qpferr^als- solchem noch-ber Tertull. niehts -zu tun, s. adux.'lIyS.
y.monpg.; 10. .exh. cast. 11. cor. .-mil. 2; "Man - beging aii den ; Grrabern der Ver-
..storbenen die Eucharistie (Acta^ Job.. :72) und brackte- dabei zu ikrem refrigeriutn
: Opfergaben; dar,, -wie, : auch somst .bei der. Eucharistie. Vgl; 'F; W i e 1 a n d ,' 'Mensa
u. Conf. S. 161ff. '
Das eucharistische Opfer. 551
'Christenheit zu reden, 1 ) und dan'n 'als Gegenstand dieses Opf ers Christus
als die Erfuilung aller Op ; fer zu bezeichnen. iFeste . dogmatisc'he Vor-
ste'llungdn ; haben slc'h u'rsprunglich kaum liiermit verbunden. So hat
schon Trenails von dem Opfer Christi gesprochen (oben S. 368 f.). Nun
sab. riian aber 'Christi 'Opfer als Siihnopfe'r -an, es war also 'konsequent,
dafi auch das Abendrnabl als 'Suhnopfer gefa'fit wurde, das ist 'der Gre-
darike, den Origenes als kircblicb. voraiissetzt, aber in seiner Weise um-
deutet (oben 'S. 441 A. 1). A'ber erst auf dem Boden der lateinischen
''Recntsreligion enipfing ' diese ; r Gredanke seine scnarfe und klare CPragung.
'Das Abendmalilsopfer wurde hineingezogen in den weiten Kreis der
'Opfersatisfaktionen, deren ; der Sunder zur Yersobnung Grottes bedurfte.^)
Damit verband sicb. die Tehdenz dem Priester als sacerdos eine feste
Funktion zu erwerbeh. Zwar batte'er das iganze Satisfaktionswesen zu
leiteh, wie wir gesenen 'haben, aber 'die satisfaktoriscbe Tat als solcbe
war das Opfer jedes einzelnen Christen, bei dem ' eucbaristiscben Opfer
trat die priesterlicbe Funktion in den Vordergrund. Der Priester hat
ni6ht das eucbaristiscbe Opfer geschaffen, aber ; er hat ^die :vorhan'dene
'Idee akzeptiert ' ilnd seiner Tendenz entsprecherid f ormuliert. Daf iir .;gab
vor allein das alttestamentlicbe Opferritual reichlicb seine entleerten
Schemata her, es gait sie ' ausfiillen. Man kann an' Origenes studieren,
wie verwirrend diese 'Vorbilder auch auf einen hellen Greist eingewirkt
ha'ben. TJrid auch das ' Opf erritual des romischen 'Staatskultus mag- zur
Ausgestaltung der Opferidee 'in "der ^Kirche :mitgewirkt haben. 3 ) "So
haben mancherlei .Paktoren mitgewirkt, um 'den schlichten urchristHchen
Opfergedanken fortziubilden. Er ; hat sich schliefilich <auf das Abendmahl
: kbrizeintriert, und hat die Grundidee ; desselben vollig und :allseitig um-
gebildet. Aus einer' Grabe' Grottes an den Menschen wurde eine ,:gatis-
f aktorische Grabe 'des 'Menschen an ; Gott, aus der -Mitteilung der Siinden-
vergebung" wurde ihr-Erwerb, aus r; der Gegenwart des lebendigen 5 .Christus
' wurde ' ( das ; Opfer seines' Meisches und Blutes, statt nach der' ^personlichen
'Gegenwart des Herrn zu fragen forschte man hinfort seinenv/gottlichen
'Meisch s ! Und'Blut 'inach, 'der -grofie Gedanke der Erlosungsreligion von
der erlosenden Macht personlicher Gegenwart wandelte sich in einen
Siihneritus der Rechtsreligion. Wie sich diese Wandlungen allmahlich
1) s.'z. -B. Just! Dial. '41. '117. Clem. Strom.'I, 19 p. : 375. :Tertiill. cult,
fern, II, 11. orat.'-19."ad ux. II, -8. Hippolyt. canon/ (Ztschr. f. KG.^XXVn,:19) :
dew man allein darbringt, nacii'aiiderer tfbersetziing : who* alone hast made oblation.
Bidascal. syr. 9.-11 (Eu'charistie de's Opf ers}. Ps.-clem de virg. I, >5. Ps.-cypr.
de aleat-5. 8. -Method, lepr. 6,>'7.:8.
2) z. B. Tertull.-pud.^2.' pat/ 13 cf. resurr. 8. :Lact. epit. 62, -4.
3) Ygl. Gotz, Christent.' Cypr. 8.: 135. .
552 19- Die Gresamtauffassung des Christentums.
.herausgebildet liaben, .sie sind bei Cyprian keineswegs ,,fertig% so hat
sich neben ihnen immer auch der alte Gedanke von der beseligenden
Gegenwart Cbristi behauptet, wir baben ihn auch bei Cyprian konstatieren
konnen (oben S. 549). Aber man kann sicb den Wandel im Verstandnis
der Religion von Paulus bis Cyprian kaum an einem Beispiel so viel-
seitig vergegenwartigen als an der Idee des eucharistischen Opfers.
Die sanctificatio, so saben wir (S. 548 f.), teilt, nacb Cyprian, dem.
Brot und "Wein die ideelle Geltung als Leib und Blut Cbristi mit. Nicbt
die sanctificatio ist die Opferbandlung, sondern sie qualifiziert Brot und
Wein fur sie. 1 ) Die oblatio ist an sicb die Darbringung der Abendmahls-
elemente, die sanctificatio macbt sie zu Leib und Blut Cbristi. 2 ) Die
sanctificatio kann nur in der Kirche des Geistes vollzogen werden (ep.
65, 2. 4; 43, 5). Dem Priester steht das sacrificia offerre zu (ep. 68, 2;
72, 2 ; 1, I), und zwar bringt er sie dar in Vertretung Cbristi des Hohen-
priesters : sacerdos vice Christi fimgitur, qui id quod Christus fecit imitatur
et sacrificium verum et plenum iunc- offert in ecclesia deo patri, si sic
incipiat offerre secundum quod ipswn Christum videat obtulisse (ep. 63, 14).
Das wirkliche Opfer Christi aber bestebt in der Darstellung seiner Selbst-
bingabe in der Passion. Die Passion Cbristi ist somit aucb das Objekt
des priesterlichen Opfers : quia passionis eius mentionem in sacrificiis
omnibus faeimus passio est enim domini, quod offerimus , nihil
aliud quam quod ille fecit facere debemus (ib. 17). Der Zusanimenhang
ist also dieser : Christus. brachte im Wein und Brot dem Vater seine
kiinftige Passion als ein Opfer dar, dies Opfer ahmt der Prieser nach,
indem auch er die Passion Cbristi oder sein Blut Grott darbringt. Mcbt
ist also eigentlicb der Leib Christi Gegenstand des Opfers, sondern die
erlosende Wirkung dieses Leibes resp. das vergossene Blut. Der Priester
opfert somit nicbt den Leib Christi, sondern er macht die erlosende
Kraft der Passion vor Gott geltend, in Nachahrnung dessen, was Christus
bei der Einsetzung des Abendmahls im Hinblick auf die Passion getan
hat. Demgemafi wird das Blut (sanguinem offerri, ep. 63, 9) als die
eigentliche Opfergabe bezeichnet. 3 ) Wenn man diesen Zusammenhang
1) Vgl. Eenz, Mefiopfer I, 220.
2) z. B. ep. 65, 4 : oblatio sanctificari . . . possit. 63, 9 : sanguinem Christi
non otferri, si desit vinum calici, nee sacrificium dominicum legitima sanctificatione
celebmri, nisi oblatio et sacrificium nostrum respondent passioni. ep. 12, 2; 1, 2.
3) Es kommt aueh darauf hinaus, wenn Eenz (I, 221) ,,die dargestellte
Passion Christi" als das Opfer bezeichnet. Ubrigens mag daran erinnert werden,
dalS der ursprungliche Sinn der Hinzufiigung des Kelches zu dem Brot in der
Erinnerung an das Heilswirken Christi in , der Passion besteht s. E. Seeberg,
Das Abendmahl im Neuen Test. 2.. Aufl. 1907, .8. 19 ft.
Der Sinn des eucharistischea Opfers. 553
/ '
im Auge bebalt, 1st es unfraglich, daB das eucbaristische Opfer, genau
betracbtet, niclits anderes entbalt als die commemoratio (ep. 63, 17),
oder die Greltendmachung des Yerdienstes Christi vor Gfott. Es fubrt
aber freilicb die Sanktifikation der Elemente, sowie die Annabme, dafi sie
durcb dieselbe den Charakter als Cbristi Blut. und Leib erbalten, biniiber
in einen anderen Vorstellungskreis. Daraus ergibt sicb dann, daB man
praktiscb docb an die Herstellung des Leibes Cbristi und an seine
Opferung denken konnte. Daraus aber folgte dann allmablicb, wie so
oft, die Yorscbiebung der leitenden Idee durcb die praktiscbe An-
.scbauung. 1 )
Eragt man nun nacb dem Erfolg dieses Opfers, so inufi dies Opfer
in dem Rabnien des ganzen propitiatoriscben Opferapparates der .Zeit
begriffen werden. Was Gbristi Opfer am Kreuz, was die BuBe und die
guten Werke als Opfer leisten, das bewirkt aucb dies Opfer, narnlicb
die Umstimmung Grottes, den Erwerb seiner Gnade. 2 ) Offerre pro illis
et eucharistiam dare ist also der Inbalt der Abendmahlsbandlung (ep.
17, 2; 15, 1). Das ist der doppelte "Weg, auf dem die Eucharistie den
Sunder trostet und mit Sundenvergebung und Grottes Scbutz versiebt.
Wie sebr aber das Opfer dabei eine selbstandige Stelle einnimmt, ergibt
sicb vor allem daraus, dafi aucb Yerstorbene an dem Segen des Opfers
teilbaben : sacrificia pro vis semper . . . offerimus, quoti&ns iimrtyrum
passiones et dies anniversaries commemoratione celebramus (ep. 39, 3 ; 12, 2).
Es ist ein sacrificium pro dormitione (ep. 1, 2). Der Gredanke, daB die
iebenden zur Milderung des Zustandes der Yerstorbenen etwas beitragen
tonnen, ist alt. Wie die Furbitte der Perpetua fur ibren ver-
storbenen Bruder bewirkt translatum eum esse de poena (passio Perpet. 8),
so gibt Tertullian an,. daB die uberlebende Frau fiir ibren verstorbenen
Oatten pro anima eius or at et r&frigerium interim adpostulat ei et in prima
reswrectione consortium et offert annuis diebus dormitionis eius (monog. 10
cf. exb. cast. 11, s. oben S. 550 A. 3). 1st bier die Eiirbitte und ibre
verstarkte Grestalt, das Almosen zum Segen fiir die Yerstorbenen wirksam,
so bat dieser Gredanke bei Cyprian die Steigerung erfabren, dafi zu ibren
gunsten das eucbaristiscbe Opfer dargebracbt wird, natiirlicb mit dem
1) Diese Darstellung kommt im Resultat mit Kattenbusck tiberein
tPEE. XII, 677). Die katholischen Theologen (z. B. Kenz I, 229) reden YOU der
Darbringung yon ,,Blut selbst in realer Gregenwart".
2) Es ist richtig-, dafi von dieser ,,propitiatoriscnen Wirkung" ,,nirgends
direkt die Eede" ist (Kattenbusch a. a. 0.), aber diese Wirkung ist imBegriff
des Opfers als selbstyerstandlich mitgesetzt, vgl. Wirtk, Der Verdienstbegr. b.
Cypr. S. 142 ff. Vgl. nocb. Ps.-orig. tr. 10 p. 106: liostia oblatio esi sacrifidi,
cum deonmnus offer tur, ut propitiata dimnitate hostis diabohis avertat^(,r.
554 19- Die Gesamtaiiffassung des' Christe'ntums.
"gleichen Effekt, der ibm iiberhaupt zukommt. Im Zusammenhang mit
diese'm Gedanken des Opfers fiir die Yefstorbenen steht : die sowohl im
Judentum als dein griechischen und romisc'hen Heidentum nachweisbare
'idee ernes Zwischenzustandes mit einem. lauterriden 'Eegf euer , wie sie
uns schon bei Origenes und' Clemens begegnete. 1 )
8. Der dritte Gredankenkreis hat es mit der Eschatologie za
tun. Die eschatologische Erwartung ist am 3. Jahrhundert iiberaus rege
gewesen, zumal in dem christlichen Yolk. Schon Hippolyts gelehrte
Erorterung der Escliatologie wies auf dies Interesse tin (oben S. 380 f).
Die Yerfolgungen haben die ruhigere Betrachtungsweise eines Irenaus
und Hippolyt vefdrangt. Dazu kain, dafi je mehr die Kirche sicb. in
der Welt konsolidierte, und je scharfer der "Widerspruch der Welt gegen
sie wurde, sie ihr eige'ntiimlicnes Gescbicbtsbild mit dem endlicn'en Sieg
iiber die Yolkerwelt konkreter zu empfinden trachten 'mufite. Im 'Morgen-
land dachte man freilicb. seit Origenes nienr an einen grofien ethischen
'KulturprozeB, der die Welt irinerlicb. umwandelt, es ist interessant, dafi
Her wob.1 erst iin 6. JaHrhundert wieder ein'Kommentar zur Apokalypse
geschrieben wurde. 2 ) Im Abendlande waltete dagegen die dramatische
Betrachtung des Endes als einer Eolge gescb.ichtlicb.er Ereignisse und
gottlicher Akte vor. Nicht nur fand man' an den Zukunftsbildern der
Apokalypse grofies Interesse, 3 ) 'sondern man nahm. auch den- ganzen iiber-
kbmmenen Apparat der jiidischen eschatologischen Yorstelltngen mit auf,
wie inan-'es bei Commodian und'Lactanz beobachten kann. 4 ) Moglichst
alles aiis diese'n TJberlieferungen eignete man sich an, man trostete sich
1) s. die NacHweise oben S. 453 A. 2. Dazu Tertull. : de anim. '58: "et
: supplicia iam'illic et refrigeria . . .Cur 'enim non putes animam et puniri et
foveri in inferis' interim sub expectations utriusque iudicii in quodam usurpatione
et Candida eius? Animam aliquid pensare, penes infer os salva resurrectionis
plenitudine . per carnem quoque. Cypr. ep. 55, 20: aliud pro peccatis longo
dolore cruciatum emundari et purgari diu igne, aliud peccata omnia passions
purgasse. 'Novatian. de trin. 1: locus 'enim est, quo piorum animae impiorumque
ducuntur futwris ntdicii praeiudicia sehtientes. Commod. iristr. 11,^32,- 10.
2) Andreas v. Casarea, vgl. Bousset, Offenb. Joh. S. 68 J. Leipoldt,
Geseli. des neutest. Kanons I (1907), 96. GrieeMsclie Chiliasten sind auCer
Nepos s. oben S. 520 Methodius (oben S. 529) und Apollinaris v. Laodicaa
'(Basil, ep. 263, 4). Die Apokalypse' fehlt im Kanon vieler orientalischer Theologen
s. Leipoldt a. a. 0. S. 88ff.
3) s. Viktorins Kommentar zur Apokalypse, den echten cMliastischen Schlufi
hat Hau.Bleiter wieder aiifgefunden s. Theol. Literatnrbl. 1895, : 193 ff. und
' vgl. HauBleiters Abhandlung : die Komm . ' d: Victorinus, Tichonius und Eierony-
' mus zur Apbk. in 'Zts'chr. f. k. Wiss. 1886, 239ff.
4) Vgl. die genaue Darstellung von A t z b e r g e r , Gesch; ; d. christl. Eschatologie
innerh. der vornican. Zeit 1896, S. 555 ff. 583 ff.
Die Eschatologie der Latemer. '555
dadurcb im Kampf, man starkte' das gescbicbtlicbe SelbstbewuBtsein der
Eorcbe und man scbuf fur die religiose ''Pba'ntasie eine Spbare des
absolut "Wunderbaren, in der sie von keiner liarten'Wirklicliieit beerigt
wurde. -Anfang und' Ende des Cbristentums' boten ' bierfiir den Spiel-
raiim, zu den ;,;"Wundern" jener alten' balbgnostiscben Apostelromane
kamen die "Wunder der letzten' Zeit. So veranscbaulicbte sicb das Abend-
land das siegh'afte' "Walten der 'HerrscKaft" Grottes in ; der "Welt. ' Es
gewann damit ein geistiges Betriebskapital; 1 dessen Wirkungen man nicht
unterscnatzen darf, auch ! Augiistins groves' Geschichtsprogramin in "de
oivitate dei ist von dieser Geschichtsbetrachtung mitbestimnit worden.
' -Man kann als Subjekt der 'Eschatologie' die fromme Seele anSehen r
dann handelt es sicb. um'ibre Hbffnung auf Seligkeit und ewiges Leben.
Und man kann wieder ; die'Kircbe' als' Sub] ekt nebmen, dann ist die
Erage die nacb. dem AbscbluB der''"Welt -und' dem Eintreten des Eeicbes
Gottes. Beide Eormen der Betracntung pflegen in dem kircblicben
Leben nebeneinander berzulaiifen, in der Dogniatik werden sie kombiniert.
'Aber auch wenn : die Dogmatik feststellt, dafi der Einzelne innerKalb
des grofien Gesamtprozesses seine 1 Yollendung findet, pfle'gt die fromme
Seele sicb des Gedankens Luk. 2 3, '42. 43 zu trosten, gleicb. nacb. dem.
;! Tode bofft sie ini Paradieg zu sein. TJnd diese' 'Betra'chtungsweise gerlide
ist der genuine' AusdrUck personHcher Erommigkeit. ' "Wir beginnen daber
die' Darstellung mit ibr. ,,'Diese Gnade erteilt Cbristus, dies Ge-
scbenk seiner Barmberzigkeit verleibt er, indem er ; den Tod dufcb'das
Siegeszeicben des Kreuzes bezwingt, den Glaubigen um den Preis seines
. Blutes -erlost, ; den \ Menscben Gott dem> Yater--versobnt, den' ^Sterblicben
' durcb die bimmHscbe -Wiedergeburt lebendig macbt. ' Ibm wollen wir
alle na'cbfolgen, wenn es sein kann, zu seinein Dierist und seinem Zeicben
uns werben. lassen. Er eroffnet.uns den Weg des Lebens, er fiibrt- uns
..zuruckizum.' Paradies, ( er leitet uns. zum> Himmelreicb. Mit ibm werden
wir ewig:> leben, durcb ibn zu Gottes Kindern gemacbt, .mit ; ibm werden
wir ewig jubeln,- durcb sein Blut wiederbergestellt. ' l Wir werden "Cbristen
sein, mit Cbristus zugleicb verbefrlicbt, beseHgt' durcb Gbtt den Vater,
in ewiger Wonne. immer im Angesicbte Gottes uns : 'freuend und Gott
.immer- Dank sagend. ., Penn nicbt -wird der . anders als dmmer froblicb.
und -.dankbar ^sein konnen, :der, ; da- 'er- dem Tode verf alien '< war, seiner.
' TJnsterbli'cbkeit sicher gemacbt ~ worden ist" (Oypr. ad. Demetr. : 26).
1 Diese' 'Satze zeigen, wie ' eng das 'Bewiifitsein der' Erlosung zusammen-
.bangt mit -der ..Gewifibeit ewiger Seligkeit. ,,'Es bluht bei uns der
. Hoffnung Kraft und Eestigkeit des : , iGlaubens, und -selbst ; > unter > den
iTrummernitder. zusammenbrecbenden^Welt bleibt aufrecbt der Geist^und
unerscbiittert der Mufrurid stets'-fr'ob' die Geduld und' die' Seele immerddr
."556 19- Die Gesamtauffassung des Christentums.
: sicher ihres Gottes" (ib. 20). Yoll Sehnsucht wartet die Seele des Ab-
scheidens, das sie rait Ghristus vereinigt und den ewigen Lohn ihr
bringt, iin Yergleich zu dem alle irdische Millie gering erscheint (de
mortalit. 24. tab. yirg. 21). Wer geglaubt hat und gerecht gelebt bat,
der kann sicber sein, dafi der Richter sein Yerdienst mit ,,unverganglichen
Schatzen" und dem ,,Lobn der TJnsterblicbkeit" vergilt. 1 ) Scbon jetzt
tragen die seligen Martyrer Kronen und weifie Gewander und sind ein-
.gegangen in das Paradies (Cypr. ep. 39, 3. pat. 10. mortalit. 20. 26),
aber aucb die Gottlosen, die sterben, sind jetzt scbon der ewigen Mamme
verfallen (ad Demetr. 9. mortal. 14). Andrerseits freilicb soil erst das
..jungste Gericht die Prufung der Yerdienste und Lobn und Strafe bringen
(ep. 58, 10). Scbon Tertullian bat dies Dilemma eingebend erortert, aber
er weist den doppelten Einwand, daB dem Lobn und der Strafe das Gericbt
sowie die Auferstehung vorangeben miissen, zuriick. Da die Seele selb-
standig f ortbestebt und da gerade sie Boses wie Gutes tat, so bat sie
es aucb verdient Ereude oder Trauer zu empfinden, und sie ist dessen
aucb vor der Auferstehung des Leibes f abig. Er nimrnt daber aucb fur
den Zwiscbenzustand supplieia et refrigeria an als die expectatio utrius-
que iudicii (de anim. 58). Es ist also der Gedanke der TJnsterblicbkeit
der Seele, 2 ) der aucb tbeoretiscb die Annabme einer sofort eintretenden
..gewissen Seligkeit oder UnseHgkeit ermoglicbt bat. Die altere urcbrist-
.licbe und israelitiscbe Yorstellung konnte die Seligkeit wie Yerdammnis
-erst nacb der Auferstebung eintreten lassen, da sie nur ein Leben im
1) Gominod. carm. apol. 803 f.: quisque tribus credit et sentit unum adesse,
hie erit perpetuus in aeterna saecla renatus. Lact. epit. 68, 5: sed verum et
solum deym rectws agnoscet, abiciat voluptates . . ., prosit quam plurimis, in-
corruptybiles sibi thesauros bonis operibus adquirat, tit possit deo iudice pro vir-
tutis suae mentis vel coronam fidei vel praemium immortalitatis adipisci.
2) Lactanz hat die Unsterblichkeit der Seele ausftifoiich, im AnschhiB an
Plato und Cicero, erwiesen (die Seele bewegt sich selbst, nur sie ist der Tugend
fahig, sie verachtet die zeitlichen Giiter, sie erkennt den ewigen Gott, der Mensch
scliaut zum Himmel empor und braucht das himmlische Element, das Feuer etc.,
s. inst. VII, 8 13. epit. 65), aber er sieht sie andrerseits auch als eine dem
Menschen mitgeteilte Moglichkeit an, die er durch Frommigkeit verwirklichen
: soll, s. inst. VII, 5, 9. 15. 17. 20: immortalitas non sequella naturae, sed merces
.praemiumqye virtutis est. 22: mortalem. nasci hominem, postea vero immor-
'talem fieri. Wunderliche Gedanken hat Arnobius vorgetragen: der genitor
fler Seele ist nicht Gott, aber auch nicht die Eltern, sondern ein anderes erhabenes
Wesen, das unter Gott steht, aber zu seiner aula gehort (adv. nat. II, 36). Die
Seele hat anceps ambiguaque natura (II, 31), sie ist an sich sterblich, aber der
TJnsterhlichkeit fahig.- Diese aeternitas vitae wird ihr durch das Christentum ge-
geben (II, 34), da Christus die salus und die perpetuitas den Mensehen sehenkt
(II, 65). Vgl. A. Eohricht, Die Seelenlehre d. Arnobius 1893.
Unsterblichkeit und letztes Grericht. 557
Leibe kannte; indessen hat man immer von der Seligkeit der Yerstorbenen
geredet, inag diese auch nur relativ gedacht werden, denn allerdings ist
es ein Prrvileg der Martyrer, sofort in das Paradies einzugehen (Tert.
res. 43. Oypr. pat. 10). Lebhaftigkeit der Hoffnung und frohe Sieges-
gewifiheit vereinigen sich in diesen Gedankeri, der Lohnvorstellung be-
gegnet man seltener als man annehmen mochte. Nicht selten trifft man
in diesem Zusammenhang auf militarische Wendungen : Gottes Heerlager
liegt dem Satans gegeniiber, da gilt es wachsam sein fur den letzten,
Kampf und Straufi (Cypr. ep. 58, 8. ad Fortunat. praef. 2).
Wir reden weiter yon den Gfedanken iiber die Endzeit. Das Ende,.
meinte man, ist nahe, die "Welt altert (Cypr. ad Demetr. 3. 4. de mortal.
2. 25), die Spaltungen in der Kircne weisen auf das Ende bin (unit.,
eccl. 16). Allgemein ist die Anschauung, dafi der Weltlauf sechstausend .
Jabre dauern soil, die fast vollendet sind, dann folgt der Antichrist, die
erste Auferstebung und das tausendjahrige Reich, 1 ) dann. erst spater, nach
neuen Kampfen, die zweite Auferstehung, das jungste Gericht und die
Ewigkeit. Aber diese allgemeinen Umrisse werden durch mancherlei
Details belebt und mit allerhand aufierbiblischem Material ausgefiihrt. .
So ergeht man sich gern in genauer Schilderung der furchtbaren Natur-
erscheinungen und "Wirren, die die letzte Zeit einleiten. Dann erscheint
der Antichrist, er ist ein gottloser Herrscher, der ITeind Grottes, der
"Wunder tut und Anbetung beansprucht. Der Antichrist ist der Nero
redivivus: quasi deum eum putabunt (Commod. carm. apol. 832), Juden
und Romer beten ihn an (ib. 836). Dann aber tritt auch der Antichrist
der Juden im Orient auf: nobi<> Nero factus Antichristus, itte ludaeis
(ib. 933), er richtet auch in Rom ein furchtbares Blutbad an. Aber
schliefilich werden auch die Juden an ihm irre (ib. 937 ff.). Nun treten
die neun Stamme auf, die in Persien ein frommes Leben im Exil ge-
fiihrt haben. Grott fuhrt sie mit vielen Wundern nach Judaa (ib. 942 ff.).
Jetzt erscheint Christus, die Erde wird gereinigt, die Gferechten erstehen,
die Gfottlosen werden verbrannt, der Teufel gefesselt. Das tausendjahrige
Reich geht an, die Gerechten regieren mit Christus die Yolker, Sonne
und Sterne leuchten heller, die Erde ist wunderbar fruchtbar, die wilden
Tiere werden zahm (Lact inst. YII, 24, 2ff. epit. 67, 3ff.). Nach Ab-
lauf des Millenniums wird der Teufel wiedef frei, er will mit den Heiden
das Reich der Heiligen erobern. Aber Gott besiegt ihn. Dann findet
die zweite, allgemeine Auferstehung und das letzte Gericht statt (Lact.
1) s. Cypr. ad Fortunat. praef. 2 cf. 11. ep. 58, 7. Commodian. instr. I,
35, 6. II, 3, 9; 39, 8. 15. cam. apol. 45. 791. Lactant. inst. VII, 14, 611.
epit. 65, 8. Victoria, s. HauBleiter Theol. Lit.-Bl. 1895, 195 ff. Ps.-orig. tr.
5 p. 56. tr. 18 p. 197. tr. 8 p. 94.
558 19. Die Gesamtauffassung des Christeiitums.
inst. VII, 20). Post haec .renovabit deus mundum et transformabit iusios
in figuras angdorum, ut .immortalitatis veste donati : serviant deo in sempi-
ternum. Et hoc erit regnum dei, quod finem non kabebit (Lact. epit. 67, 8).
Das Reich Gottes ist in diesem Zusammenhang .endgiiltig .als erne
rein . escliatologisclie Grofie fixiert. Es ist die . Statte der ewigen. Selig-
keit, die sich denen . eroffnet, die Menieden in der.Kirche. Gutes getan
liaben: ad percipiendam regnum dicit admitti qui fuerint in ecclesia
eius operati (Cj'pr. op. et el. 9 cf. zel. et liv. 18). Hier erst ist die.
"Wiedergeburt .vollzogen (Commod. carm. ap. , 804), ein quietwn, tran--
quillum, pacificum, aureum, ^d poetae vacant, seculwn ist angegangen
{Lact. inst. VII, 2, 1). , Das hockste Gut der Christenheit ist in die
Zukunft projiziert, es ist der. Lohn fur die Arbeit auf Erden. Die
Kirche ist irdisch, das Reich ist hhnmlisch und jenseitig.
20. Rucktolick.
1. "Wir haben bisher von der Entstehung keines einzigen ,,Doginas"
im strengen Sinn des Wortes berichtet, aber wir haben die Grundlage
kennen gelernt, auf der sich die Dogmen entwickeln werden. Die Saat-
zeit habsn wir besprochen, die Ernte wird ihr folgen, und zwar bald.
TJnter diesem Gesichtspunkt soil noch ein kurzer Ruckblick auf die ge-
scbichtliche Entwicklung, die wir hn einzelnen durchforscht haben, in
diesem Paragraphen erfolgen.
Wir sind-, ausgegangen vom Urchristentum. Es lehrte uns die
Religion der Eiiosung und der Yollendiing kennen. Die, Herrschaft.
G-ottes ist die Erlosung und die Vollendung, die durch Jesus Christus
und den heil. Geist im Menschengeschlecht geschichtlich wirksam wird.
Das Erleben dieser, erlosenden Herrschaft fafit. in sich, die. Erkenntnis
der Siinde, als der. Macht, die die Mensphheit bose macht und. der
Schuld gegen Gott unterstellt, sie ist der Tod und das Verderben. Aber
Gottes erlosende Herrschaft lafit zugleich inne werden seiner Liebesenergie,
die in Christus Siinde vergibt und ein neues Denken und Wollen und.
damit das ewige Leben in dem Menschen schafft. Das ist der netie
Lebensinhalt des Christen in dem Glauben und der Liebe, in der TJnter-
werfung unter Gott und in der Hingabe an.ihn. Nicht natiirliche Giiter
oder neue Gesetze gibt Gott, sondern er ,,wirkt in : uns das Wollen und
das Vollbringen", und er wirkt dies als personlicher allmaehtiger Liebes-
vville. 1 ) Nicht dies und jenes; gibt Gott, was der Mensch zu erganzen
1) Das Weseu jeder Eeligioii ist unter drei. unter sicli zusammenhangendeii
'Gresichtspunkten zu bestimmen: 1) nach dem Gottesbegriff, 2) nach den ihin ent-
'SprechendeiL Gaben Gottes an die Menschheit und 3) nach den in diesen be-
:schlosseneu Aufgaben fur 'die Menscben. "Outer diesen drei Gesichtspunkten ist
auch die Bigenart der drei Eeligionsstizfen, der naturlichen, der Eeclits- und der
Erlosungsreligion, zu erkennen und die Uberlegenheit. der letzteren liber, die
ersteren anschaulicli. zu niachen. Vgl. C. Girgensohn, Die Religion, ihre
psychischen Fornien iind.ihre Zentralidee. 1903.
560 20. Eiickblick.
oder zu ,,erfiillen" hatte, sondern er wirkt alles Gute und befreit von allem
Bosen. Er erlost von der Macht der "Welt und des Bosen und er vollendet
dadurch die Menschheit, indem er sie auf die Hohe des geistigen und sitt-
lichen Daseins, zu Versohnung und Unsterblichkeit fiihrt. "Wie sie alles
von Gott empfangt, so gibt sie ihm alles in freiem Dienst. Daher nun
wandelt die erlosende Herrschaft die Menschheit urn in ein Reich Gottes,
das durch seine Liebesenergie ist und wird ; dies empfindet der Glaube,
und die Yerwirklichung dieses Eeiches ist daher das hochste Ideal aller
menschlichen Liebe und Arbeit. Dies ist in Jesus Christus Wirklich-
keit geworden, einmal sofern es in die Geschichte eingetreten ist, dann
sofern es durch ihn als fortwirkende ewige Wirklichkeit erlebt wird.
Er hat nicht blofi gelebt, gelehrt und erlost, sondern er lebt, lehrt und
erlost, er hat nicht nur Gottes Herrschaft und sein Reich verkiindigt r
sondern er iibt sie aus und baut es dauernd und fur immer. Das ist
das Wesen der christlichen Religion als der Erlosungsreligion. Als solche-
steht sie zu den sonstigen Religionen und Weltanschauungen in einem
doppelten Yerhaltnis, sie ist ihre Kritik und sie ist ihre Vollendung,,
indem letzteres auch ersteres. Die christliche Religion verwirft die An-
schauungen tmd Urteile der iibrigen Religionen, weil sie in ihnen einen
irrigen Ausdruck des religiosen Bedarfes und Gutes erblickt, aber si&
vollendet ihre Tendenz auf ein ewiges Leben der Gemeinschaft mit Gott
und unter Gott. Daher hat sie zu alien .Zeiten mit der scharfsten
Kritik von Religion und Philosophic der nichtchristlichen Menschheit die
positive Ankniipfung an beide verbinden konnen, wie wir es bei den
alten Apologeten gesehen haben (S. 265 f.). Diese Beobachtung ist fur das
Verstandnis der DG. von hochster Bedeutung, denn sie schliefit den
Purismus der positivistischen Geschichtsbeurteilung aus, als ware das
Hellenisieren oder Germanisieren schon an sich vom TJbel.
Als neues Leben in der Gemeinschaft mit Gott und Christus, als
xaivrj wcioiQ unter dem EinfluB des ftvevpa, als ein neues Geschlecht
der Menschen haben die Christen von Anfang an sich und ihre Genossen-
schafb empfunden. Eine unendliche Fulle von Empfindungen und An-
schauungen quoll aus dem Walten des Geistes empor. Aber von Anfang
an stand dem gegenuber ein relativ fester Komplex religioser und
moralischer Begriffe und TTrteile, eine Anzahl von Institutionen, die heil.
Schriften des A. T. und die Autoritat Jesu und der Apostel. Jener
Komplex der ,,TJberlieferung" oder der ,,Gebote", des ,,Evangeliums"
oder der ,,Yerkiindigung" ist nun der eigentliehe Qnellpunkt des Dogmas,
nicht die Schriften der neutestamentlichen Autoren. Die Tradition"
ist alter als die ,,Schrift" und sje ist in dn ersten Jahrhunderten das
Fundament aller christlichen Erkenntnis und somit auch der Dogmen
Das urchristliclie Kerygma und seine Wandlungen.
geworden. 3 ), Man kann die DG. d.er drei ersten Jahrhunderte in sehr
-\veitem TJinfang als die Geschicbte der Tradition oder des Gedanken-
komplexes. der. urchristlichen Missionspredigt charakterisieren. Indesseri,
so zah imnier diese Grofie sich konserviert hat (vgl. Irenaus und Tertullian),
so sehr mufite doch die geschichtliche Entwicklung auch auf sie um'-
bildend, vertiefend und verflachend, erweiternd und verweltlichend ein-
wirken. Das war vor allem dadurch bedingt, dafi das Christentum als
die grofite Mission sreligion aller Zeiten Ankniipfungen in der Religion
und Bildung der Zeit suchen mufite, dafi es sodann die TIrkunden einer
inehr als tausendjahrigen Religion als sein Eigentum benutzte, und dafi
der Reiclatum seines Inhaltes, der gedeutet wurde von dem beweglichen
Geistprinzip, tiefste Empfindungen in den Seelen seiner Bekenner aus-
loste und zu mannigfaltiger Kombination niit der Bildung der Zeit
einlud. . -
Genauer betracbtet sind es folgende Elemente, welcHe die Entwicklung
und Interpretation des alten y^Qvyj.ia . bedingt baben. 1) Die jiidische
^ynagoge mit ibrer Yerfassung und. Ordnung, mit der Hocbschatzung
des Buchstabens, der Tradition, des Lebramtes. In diesem Boden liegen
die Wurzeln des Hierarcbismus man nabm nocb die alttestamentlicben
Priestergesetze binzu zu der Autoritat der Lebrer und Yorsteber , des
Traditionalismus und des juristiscben Bibbzismus. 2) Die Anscbauungen
des A. T. sowie der spateren jiidiscben Literatur. Eine Eiille von
Einzelbeiten stromte auf diesem Wege in die Kircbe ein, aber aucb .um-
f assende Anscbauungen wie der Legalismus, Ziige des jiidiscb-babyloniscben
Weltbildes .und die mit ibm eng zusaminenbangenden eschatplogiscnen
Pbantasiegemalde, Nicbt nur die Institutionen, sondern aucb die Ideen
der Synagoge baben einen starken Einscblag in dem jungen Cbristentum.
gebildet. DaB das gemafiigte Judencbristentum keinen EinfluB auf die
groBe .Kircbe ausgeiibt bat, ist nicbt daraus zu erklaren, dafi diese zu
viel Helleniscbes .in sicb trug, sondern daraus, dafi sie so viel Jtidiscbes.
akzeptiert batte, dafi jene . Gernafiigten ibr nicbts Wertyolles und Neues
zu sagen batten. 3), Man eignete sicb allmablicb die Ideen der griecbiscb-
xpmiscben Kulturwelt an, den stoiscben Moralismus, den abstrakten
Gottesbegrifl:, die Logosidee, dann spater die platoniscbe Psychologie und
die Metapbysik des Neuplatonismus, sowie die Ideen der griecbiscben
Moralpbilosopbie (Clemens) und den Gedanken des okumeniscben pbilo-
1) Hierin ist die katholische Geschichtsbetrachtung .dem 'Protestantismus
gegeniiber im Recht, aber sie miCbraucht diese richtige Erkenntnis, indem. sie
auf diesem Wege. das gauze katholische ; System in das Urchristentum zuriick-
datiert, wie fi-eilich umgekehrt.auch Protestanten die Augen vor wirklich ,,katholi-.
schen" Elementen der alteren Dogmengeschichte bisweilen : verschlieBen. : ';,
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 36
562' 20. Eiiekblick.
sophisehen Vermmftstaates (Origenes). Dazu trat dann die Anwendung-
des Mysterienbegriffes zur Ausgestaltung von Taufe und Abendmahl, da.
die jiidischen Vorbilder auf diesem Gebiete versagten. 4) Waiter
kominen in Betracht die Ausspriiche Jesu und die Brief e der Apostel,.
die zur Interpretation, Ausfiihrung und Begriindung des ubliehen Lehr-
stoffes herangezogen wurden und sich allmahlich immer mehr mit inm
zur Einheit verbanden. Als ganzes hat keine Form der< neutestament-
lichen Lehrbildung so stark gewirkt wi& die johanneische Theologie. Sie
bot sowohl Ankniipfungspunkte fur gewisse Ideen der antiken Bildung
als fiir den Paulinismus und das straffe Kircnentum, dessen man bedurfte.
In der Theologie des Kleinasiaten Irenaus erreicht diese Kombination!
von jonanneiscner Erlosungstheologie und den pneumatiscnen Tendenzen
des Paulinismus mit der Eschatologie des Johannes und seinem praktischen..
Kirchentum ihren Hohepunkt.
7m. diesen positiven Antrieben der geschichtHchen Entwicklung^
traten andere, die mehr negativ wirkten, wie 5) der religiose und.
moralische Yerfall des Heidentunis ; er hat das Selbstbewufitsein 'der
Kirche auf das hb'chste gesteigert, er hat aber auch die Kluffc zwischen.
ihr und der Welt als uniiberbruckbar anzusehen gelehrt. Freilich dies
Zusammenleben der Kirche mit einer hinsiechenden Welt hat ihr auch
einen gewissen Pessimisnius der Welt- und Menschenbetrachtung auf
lange hinaus eingefiigt, es starkte den Sinn fiir harte aufierliche Ord-
nung und Disziplin sowie^ fiir die Weltflucht. Die Weltverklarung des
christlichen Greistes verband sich eigentiinilich mit der Anschauung der
Kirche als eines Krankenhauses fiir die sieche Welt. Das waren Emp-
findungen, die in jener Zeit unvermeidlich waren, aber sie haben doch
auch an ihrem Teil bedriickend und einschrankend auf die Entfaltung
des christlichen Prinzips eingewirkt. 6) Grofite Bedeutung kommt
weiter der Yerbindung des religiosen Synkretismus "der Zeit mit dem
Christentum selbst zu. Es handelt sich um die mannigfaltigen Eormen
des gnostischen Synkretismus. Jede geschichtliche Religion ist in ge-
wissem Sinn synkretistisch, denn sie verwendet fiir die neuerlebte reli-
giose Stellung und Anschauung Symbole und Ausdrucksmittel der Re-
ligion, aus der sie hervorwachst oder auf deren Grebiet sie sich an-
siedelt. : ) Das gilt in besonderem MaB von dem Christentum im Ver-'
1) H. Gunk el (Zum religionsgeschichtl. Verstandnis des N. T., 1903, S. 95)
stellt die These auf: ,,Das Christentum ist eine synkretiatische Religion", in ihm
seien ,,starke religiose Motive, die aus der Fremde gekommen waren", enthalten;
,,unmittelbar nach Jesu Tode nrassen diese fremden religiosen Motive in die Ge-
meinde Jesu eingestromt sein", deshalb] sei es auch unrichtig, das Christentum
,,an dem vorwiegend aus den Synoptikern erschlossenen Evangeliuia als dem-
Synkretismus und Christentum. 563
haltnis zu der alttestamentlichen Religion sowie- zu ihrer Eortbildung im
Judentum. Dazu kommt, dafi das Christentum als Missionsreligion iffi
eminenten Sinn cine starke Tendenz zur Rezeption und Einschmelzung'
der religiosen Ideen und Formen der griechisch-romischen Kulturwelt
in sich entwickelt hat. Aber dieser Synkretismus ist nUr dann eine Ge-
fahr fiir die betr. Religion, wenn er zur materialen Umbildung 'der
Grrundtendenz oder der Seelenstellung in ihr fuhrt. Hiervon hat sich
aber das altere ChristentUm im ganzen und in der Hauptsache freizu-
halten gewufit. "Wenn man etwa die alttestainentlichen messianischen
Bpitheta anf Ohristus anwandte oder inn durch die' Logosformel 'cha-
rakterisierte, wenn man das griechische Weltbild akzeptierte oder ge-
wisse antike Moralsatze sich aneignete, so wurde doch bei alledem
die Grundstellung zu Ohristus als dem Herrn, die Yerwerfung der
Mythologie oder die Grrundlage der christlichen Moral hicht preisgegeben.
Auch dann, als in spaterer Zeit die umbildende Kraft der liidisehen
nnd hellenischen Elemente sich sehr viel starker geltend machte, wie ; wir ge-
s'ehen- haben, sind die urchristlichen Elemente inuner noch so- stark ge-
wesen, dafi sie ein G-egengewicht gegen deii fremdartigen Einschlag dar-
boten und dadurch' dem SynkretismTis priuzipiell entgegenwirkten. Ein
gesehichtliches Zeugnis Merfiir ist vor allem in dem sicheren religiosen
Takt zu erblieken, der die Kirche auf der ganzen Linie zum scharfsten
Widerspruch gegen den prinzipiellen Synkretismus d'er gnostischen
Eirchen veranlafite. Man kann sich an diesem Gegenfeatz klar machen,
was der sachliche Synkretismus ist im TJnterschied von ; j'enem formalen
geschichtlich selten vermeidbaren Synkretismus der Ebrmen und
allein 1 giUtigeu Mafistabe zu : messen". So richtig -letzteres ist, so wenig' klar
seheint mir der Sinn jener These bei Gunkel herausgearbeitet zu sein. Wenn-
man sich. die Religion als. eine Summe YOU ,,Voistellungen" denken will, so wiirden
freilich ,,fremde" Ausdrucksformen ein Beweis fiir Synkretismus sein; ist die Re-
ligion aber das E'rleben der geistigen Kraft Gottes, so verahschaulicht der Aus-
dTuck des neuen Erlebens in gegebenen Formen irar ein bekanntes Gesetz der
menschliehen Gedankenbildung. Durch die Yerwendmrg ,,fremder" Ausdriick'e und :
Bilder wird die Religion 1 zunachst eben'sowenig synkretistiseh als etwa durch die
tJberse.tzung- ihrer Brkenntnis in eine neue Sprache oder die Akkommodation an
den Begriffsapparat eines philosophischen Systems. Die Unterscheidung zwischen
Inhalt nnd Ausdruck, Tendenz und Mttel, seheint mir in der religibnsgeschicht-
lichen Fbrschung der Gegenwart mehr geiibt und deutlicher erfafit werden zu
miissen, als es- vielfach geschieht. : Wie i verschiedenartigen religiosen Absiehten
konnen etwa die Ausdrucksformen des alten Drachenmythus als. Mttel dienen;
der Erweis blofi formaler Analogien dient mehr zur Klarung: . der Begriffsge-
schichte als der Religions geschichte. Hier liegt noch ein schAveres methodi-
scnes Problem vor. Vgl'.'K. Beth, Das Wesen des Christentums u. die mod',
hist. Denkweise, 1904, S. iOO-ff.
36*
564 . . 20. Kiickblick.
Brauche,. von dem wir ; ausgegangen. sind. TJm niclits Geringeres hat es
sicli den Gnostikern gehandelt, . als um die prinzipielle Gleichstellung.
des Christentums mit den heidnischen Religionen der Zeit tmd um eine
grundsatzliche Urnpragung jenes im Sinne von diesen. :. Mit bewunde-
rungsAviirdiger. Klarheit hat die Kirche diesem Versuch gegeniiber 'den
Eekurs auf die urchristliche. , Verkundigung ergriffen, denn das war in
der Tat. das. einzige durchschlagende Mittel, das ihr der schweren Ge-
fahr des Grnostizismus gegeniiber zu Grebote stand. Sie erhob die
Grlaubensregel tind . rnit ..ihr die neiitestanientlichen Schriften prinzipiell
zu der einzigen Autpritat in der Prage nach der cbristlichen Lehre.
AYii 1 wissen heute, dafi dieser Schritt auch verhangnisvolle Polgen gehabt,
hat/ aber trotzdein konnen wir keine anderen Mittel als die ergriffenen
angeben, die die Kirche in jenen Kampfen hatte. wahlen konnen. . .
. In engem Zusammenhang hiermit steht nun aber .7) die Ausschei-
dung des ,.Greistes" seitens' der Earche. Die Yersuche, die Wirkungen
des . Geistes zu reguh'eren, gehen auf Paulus selbst zuriick. In dem
Mafi .als die Kirche historische Porraen annahm, mufite;der Gfeist zuriick-
gedrangt werden. Als seine Anhanger dann zu dem sich herausbildenden
kirchlichen; common sense : in "Widerspruch gerieten,; und dann auch die
CJ-egner des christlichen ,,Grlaubens"; mit .dem Greist pperierten, wurde
das Geisttum als etwas Premdes ,und Wildes empfunden und allmahlich/
seiner besonderen Formen entkleidet und in den kirchlichen Organismus
hineingefugt. Man hatte den Greist jetzt -im Wort "der kirchlichen Lehre
und der neutestamentlichen Biicher. ' Das war allgenieine tlberzeugung.-
Aber der Gfeist . erhalt 'sich auch_ in dem konkreten kirchlichen Leben,
die Taufe gibt alien den Greist. Aber das war zu allgemein, es war
kem Ersatz fur den charismatischen, in.den einzelnen von Gott Erwahlten
wirksainen Geist. Ihn fand man, indem man die geistigen innerlichen
Christen ^^ zuerst alle, dann die Monche : als Pneumatiker faBte, oder
ihde.m man den Bibelausleger als geisterfullten ,,Lehrer" bezeichnete,.
qder indem man in den Martyrern Pneumatiker sah, oder endlich indem
man den Bischb'fen durch die Ordination den . Geist zuerteilt werden
liefi und sich dafiir auf ihre Gesichte und Traume berief. So fiigte
sich der Prieumatismus allmahlich und nicht ohne Schwierigkeiten dem
geoi'dneten kirchlichen Leben ein ; freilich er wurde dadurch ein anderer.
Er ist dem Buchstaben, : der . Gfeschichte, der Ordnung und dem Amt
erlegen, aber seine -Fanatiker Gnostiker und Montanisten - . sind
seine schlimmsten Gegner geAvesen. '.-'" - :
' 2. Dies sind -die hauptsachlichen Entwicklungsmotive in der Ent-
stehung'der Griindlagen dei 1 dogmatischen Arbeit der Kirche gewesen.
Aber hierzu kommt noch ein wesentliches Moment. Nicht nur Religion
Das Kirchenideal mid die Lehrbildung. 565
war das Christentum, sondern es war Kirche, eine lebendige Gemein-
schaft von hohem Selbstbewufitsein und weiten Zielen. Diese Gemein-
schaft behauptete: 1) die Wahrheit zu besitzen, 2) das heilige
Gottesvolk, und als solches 3) die katholische Gemeinschaft fur die
ganze Oikuniene zu sein. Die Wahrheit besaB sie in dem iiberlieferten
Glauben ; daraus ergab sich die Aufgabe, diesen Glauben festzuhalten
und zu entfalten, zu verteidigeri und zu verbreiten. Diese Aufgabe
wurde aber genauer bestimmt durch die Idee der Katholizitat, d. h. die
Wahrheit mufite als Wahrheit fur alle ausgelegt und erwiesen ' werden.
Daraus ergibt sich die eine Entwicldungsreihe. Sie fafit die Arbeit in
der Yerkiindigung und praktischen Anwendung der Wahrheit sowie ihre
apologetische und systematische Darstellung in sich. Sie hat es aber
auch mit der Eeststellung der Normen der Wahrheit in der kirchHchen
TJberlieferung, in den heiligen Schriften und in dem kirchlichen Amt
zu tun. Beides geht naturgemafi zusammen, aber doch war zuerst
raehr die materiale Erkenntnis und die Yerteidigung der Wahrheit, dann
mehr die formale Konstatierung der Wahrheitsnormen irn Yordergrund
des Interesses. Diese Gfedankenentwicklung berahte auf dem kirehlichen
Wahrheitsbesitz Und der Katholizitat der Kirche. Eine zweite Ent-
wicklungslinie geht aus dem Bewufitsein der Heiligkeit der Kirche hervor.
Hier kam es auf die Taufe als das Mittel der Heiligung und auf die
Yermittlung zwischen prinzipieller Heiligkeit und faktischer Unheiligkeit
der Glieder der Kirche an. Diese Yermittlung erfolgt durch die An-
wendung der Bufiidee. Sofern nun aber die Kirche selbst ihre Heilig-
keit zu wahren hat, werden es schliefilich dieselben kirchlichen Amt-s-
trager sein, die die Wahrheit zu verkundigen haben, sowie die Taufe
'zu vollziehen und die Bufie zu leiten haben. Durch beides .werden sie
immer mehr zu Kegenten der Kirche. Beide fieihen laufen neben-
einander her und greifen immerfort ineinander ein. Trotzdem lassen sie
sich yoneinander unterscheiden. Die erste Entwicklungslinie verleiht
der Kirche mehr den Charakter einer Schule der Wahrheit, die zweite
mehr die Art einer Rechtsgememschaft. Daraus ergibt sich schon, da6
die griechische Ohristenheit mehr an der Erkenntnis und Ordnung der
Lehre, die lateinische Kirche mehr an der Konstatierung der Lehr-
normen und der kirchlichen Ordnung der Bufidisziplin beteiligt sein
wird. So zeigt sich bereits in dem. Grundrifi der Entwicklung der Be-
ginn einer gewissen Gabelung der Interessen und Tendenzen in der ein-
heitlichen Kirche, entsprechend den Differenzen des griechischen und
lateinischen Geistes. Auf der ein en Seite fangt die reine Lehre an das
hochste Gut der Kirche zu sein, ai\f der anderen die Heiligkeit ihrer
Glieder, dort ist das kirchliche Amt mehr Lehramt, bier mehr Begier-
566 20. RiiekbJick.
.arnt, dort kommt es naehr auf die religiose Erkenntnis, Her mebr. auf
den moralischen Geborsam an.
3. Nachdeni wir die Motive und Ziele der Entwicklung erkannt haben,
lafit sich der innere Zusamineuliang derselben leicbt an ihren verschiedenen
Gliedern veranscbavilieben. Zunacbst liat es sich darum. gebandelt,
in praktiscb erbaulicher. "Weise die uberlieferte "Wakrheit auszulegen und
anzuwenden, wie wir es bei den apostoliscben Yatern gesehen
baben. Dafi sicb gerade bei dieser praktiscben Tendenz sclion mancber-
lei freindartige Elemente in die Erkenntnis eindrangten, ist leicbt be-
greiflicb. Diese naive praktiscbe Tbeologie bat Irenaus dann in mebr
tbeoretiscben Pormen fortgesetzt, indeni er einerseits aus Jobannes einen
einbeitlicben Zusammennang fiir das Verstandnis der TJberlieferung ent-
nahm, andrerseits sie durcb Anlehnung an Paulus vertiefte und be-
reicberte. Er bat dadurcb sein-Auge wurde .durcb den bewufiten
Gegensatz zur Gnosis gescbarft die reifste und reicbste Auslegung
des alten ..Glaubens" der tlberlieferung geboten, die wir besitzen. Der
alten Tbeologie der Glaubensregel stellte sicb. nun aber von frtib an die
synkretistiscbe Tbeologie der gnostiscben Scbulen entgegen. Die
.Tendenz des Christentums "Weltreligion ZM werden, fiibrte bier zur piin-
zipiellen Yerweltlicbung der cbristlicben Religion. Die gleicbe Tendenz
leitete die Apologeten, aber sie lieBen grundsatzlicb die cbi'istlicbe
Keligion unangetastet, versucbten aber sie der Welt verstandlicb und
imponierend zu gestalten durcb eine IJbersetzung in die Begriffe und
Denkformen der damaligen Bildung und Elultur. Sie baben dadurcb
die Grundlagen der cbristlicben Tbeologie als Wissenschaft gescbaffen.
Der Scbritt, den sie gemacbt baben, war eine innere Notwendigkeit
die Missionspraxis bat ibnen dabei vorgearbeitet (s. die Praedicat. Petr.
und Aristides) , aber er bedeutete wie einen geAyaltigen Scbritt in die
."Welt binein, so aucb eine Yerweltlicbung des Cbristentums.
Die alte Tbeologie des Irenaus und die moderne Tbeologie der
Apologeten bezeicbnen den ersten Yersucb, die iiberlieferte Lehre syste-
matiscb und zusamnienbangend darzustellen. Hand in Hand mit diesem
Portscbritt des Gedankens ist eine Portbildung der kircblicben Lebens-
f ormen gegangen, Nun griffen die praktiscben Bedlirfnisse imnier kraf-
tiger in die Gedankenbildung ein. Die Tbeologie wurde iinmer mebr
kircblicb und imnier mebr wissenscbaftlicb. sie umfafite immer mebr
\'
konkrete Probleme und legte inimer mebr Gewicht auf den Beweis. Fur
den Beweis bot sicb ibr der wissenscbaftlicbe Apparat der Zeit sowie
die feststabilierten Grofien der Glaubensregel und der beiligen Scbriften
.clar. So entstebt eine Kombination der Interessen des Irenaus und der
Apologeten, die so oder anders in alien tbeologischen Gebilden des
Die Tendenzen der alten Theologie. 567
.3. Jahrhunderts ' sich wahrnehmen laJBt. 'In dieser Kombination koxmte
naturgemafi mehr das Traditionsiiioment oder mehr die wissenschaftliche
Absicht vorwiegen. Welches Moment vorwog, hing ab von der Geistes-
: :richtung des kirchlichen Gebietes, auf dem die betr. Theologen arbeiteten.
Zweierlei ist noch zu beacbten, um diesen TJmschwung zu versteben.
Auf der ganzen Linie war das freie Geistwesen aufgegeben oder docb
. iirchlich organisiert worden. Man batte sicb dieses Stiickes Altertum
entledigt auf Grund der alten Glaubensregel. Aber wie das ausge-
schlossene altertumliche Element des Geistes obsolet geworden war, so
war aucb das andere. altertiimlicbe Element, . niit dem man jenes erste
scblug, alt und unkonkret geworden, namHcb das alte apostoliscbe
Kerygma. Desbalb ist es allmablicb durcb greifbarere konkretere Fornien
ersetzt worden. Der Ersatz bestand einerseits in der Sclu-ift, andrer-
seits in der kurzen Eorniel des alten Taufbekenntnisses. Wo man die
Wabrbeit der liircbe lebbafter und friscber empfand. griff man zur
spekulativen Bibeltbeologie, .wo man mehr auf die Probleme der Kircbe
. als der beiligen Gemeinscbaft bedacbt war, wablte man die .kurze Symbol-
"fcbeologie, die genilgend erscbien als Grundlage der beiligen Disziplin.
Das sind die Triebkrafte, die die Religionspbilosophie der grofien
Alexandriner und die ELircbenpbilosopbie der Abendlander bervorgebracbt
baben. Beide bingen an der tlbeiiieferung und beide arbeiteten niit
den ibnen zugangUcben Mitteln der ."Wlssenscbaft, beide batten von dem
Geist des Irenaus und von den Tendenzen der Apologeten gelernt. Aber
die eine Entwicklungslinie lag auf dern Boden, aus dem der Neu-
. platonismus bervorwucbs, die andere batte zur Grundlage die praktiscbe
romiscbe Popularpbilosopbie der Stoa. Die eine zielte ab auf eine die
Welt umspannende Weltanschauung und auf eine sie innerlicb umge-
staltende religiose Kultur, die andere tendierte zu einer heiligen Ord-
nung und Disziplin, die ein heiliges Yolk scbafft und erbalt, dem einst
Gott in grofien Gerichten die Welt unterwerfen wird. Dort war die
Kirche ein Staat von Philosophen, bier ein wohldiszipliniertes Kriegs-
lager inmitten feindbcber Scbaren ; dort dachte man an stille innere
Entwicklung und an den allniahlichen Sieg der Wahrheit, bier redete
. man von dem Geborsam der Heiligen und hoffte auf den Lobn und
. Sieg, den Cbristus, der grofie Kriegsherr, einst im letzten Kampf e
, bringen wird. Dort komplizierte sich die Gedankenwelt immer mebr
und man fing an auf die Macbt der feinen dogmatiscben Formeln : zu
bauen, bier wurde das Netz der kircblicben Institutionen, Eecbte und
Disziplinen immer f einer gesponnen, und von ihm erwartete man das
Heil. Dort waltete mehr die Expansion der Krafte, hier mebr die
Konzentration. Dort war das Yerbaltnis zur Welt und zum Fremden
568 20. Kiickblick.
melir nach griechischem, liier nach judischem Vorbild geordnet. Die
griechische Christenlieit hat das Christenturu nach dem Ideal der in-
tellektuellen Kultur euipfunden, das es aus dem Hellenismus ubernahm,
die Lateiner haben in ihin. die vollendete Rechtsordnung erblickt, die
ein sittliches Leben und die ewige Seligkeit garantiert, sie konnten
dabei an den abendlandischen common sense ankniipfen und ihn niit dein
judischen Yerstandnis der Religion verbinden. So entstand die Ge-
dankenwelt, wie sie Clemens und Origeries einerseits, Tertullian und
Cyprian andrerseits verti*eten. ~WIe die praktische Tendenz huben und
driiben verschieden ist, so heben sich auch verschiedene Problerae auf
beiden Seiten heraus und werden verschiedene Mittel und Methoden zu
ibrer Losung in Anwendung gebracht. Die Probleme eines Athanasius
und Cyrill oder eines Ambrosius und Augustinus beginnt man bereits
jetzt zu ahnen, freilicb. sind die Griechen an geistiger Reife und Tiefe
den Lateinern noch weit iiberlegen. Tinier den gb'ttlichen Erweistingen.
in der Religion treten jetzt die Sakramente in den Vordergrund. Sie
sind zu Mysterien ini Sinne der popularen Anschauung geworden ; da-
durch baben sie AnlaB zu einem neuen Problem gegeben, wie namlich
das sinnlicbe Element nut der gottlicben Kraft zusarnmenhange. Damit
kommeu Fragen in MuG, die hinfort die Dogmengescb.icb.te andauernd
begieiten werden.
4. Man konnte die Entwicklung, deren GrundriB uns vorscbwebt r
an yielen einzelnen Punkten verfolgen und dabei ibren einbeitlicnen
Cnarakter aufzeigen. Indessen wiirde das bier zu weit fiibren. Nur
eine Prage liegt uns nocb nabe, namlicn wie sich die Stadien der dar-
gelegten Entwicklung zu der Idee der Erlosungsreligion verbalten. Diese
Idee batte einen klassischen Ausdruck in den Gredanken des Paulus und
des Jobannes empfangen. Ibre Grundmotive waren aber aucb. in der
Tradition zusaminengefafit. An diesem Leitfaden sind sie entwickelt
worden mit iminer starkerer Zubilfenabme der biblischen Spriicbe und
Gedanken bis bin zu dem Biblizismus von Irenaus und Origenes. Nun
fiihrte aber die praktische Lage auch in immer starkerem MaBe zu
einer Yerquickung mit den popularen pbilosophischen und religiosen
Ideen der Antike,. sowie zu einer Hineinmengung der jiidischen Religions-
auffassung. So " kam man im Christentum zu dem abstrakten Gottes-
begriffi der Antike, zu der Idee des ,,zweiten Gottes" oder des Logos,
zu einem ausgepragten Moralismus, verbunden mit der griechischen
Ereiheitsidee und der intellektualistischen und asketischen Auffassung
des Lebensideals, zu der griecbischen Auffassung der Sakramente als
Mysterien, andrerseits zu der gesetzlichen Autoritat des Buchstabens, zu
dem Legalismus der Rechtsreligion in Taufe und .Bufidisziplin, sowie zu
Erhaltung- imd Umbildung der Erlosnngsreligion. 569
clem bierarcbiscben Autoritatsgeclanken. Die beiden Hauptformen der
cliristliclaen Lebre, die sicb so ergaben, wicben ab Ton der urcbrist-
licben Seelenstellung, einerseits durcli den einseitigen Intellektualismus,
andrerseits durcb die gesetzlicbe Auffassung der Religion und des reli-
giosen Lebens. Wir ' baben beides einge'bend nachgewiesen. Beide
Eormen entnalten also, bemessen an dem cbristlicben Prinzip, Modi-
fikationen bellenischer oder jiidischer Herkurift. : Diese Modifikationen
sind nun aber nicht bewufite oder beabsicbtigte Entstellungen des cbrist-
licben Prinzips, sondern sie sind Produkte der gescbicbtlicben Lage und
der erzieberiscben Anwendung der cbristlicben Grundgedanken seitens
der Kircbe. Das Prinzip als solcbes sollte durcb sie nicbt angetastet
werden. Dies aber war moglicb, da das Obristentum nicbt tbeoretiscbe
Deutung des "Weltzusammenbanges sein wollte, sondern das praktiscbe
Erleben der Erlosungsberrscbaft Grottes und die von ibr gewirkte sitt-
licbe Betatigung, es batte also seinen Spielraum an Willenstaten Grottes
und der "Willensbetatigung des Menscben. So lange cliese Grrundver-
baltnisse konkret empf linden wurden oder die yoluntaristiscbe Grund-
auffassung lebendig blieb, konnten die tbeoretiscben MLBgriffe in der
Deutung des cbristlicben Grlaubens und Lebens den eigentumlicben Cba-
rakter der Erlosungsreligion nicht aufbeben. Vermoge der Grundan-
scbauung wurden die tbeoretiscben Eebler im einzelnen in gliicklicber
Inkonsequenz unwirksani geniacbt durch die praktiscbe Tendenz des
Ganzen. Dem abstrakten Gottesgedanken stand gegenuber die praktiscbe
Empfindung des Scbopfers und Eegenten, der Logos-Cbristus blieb der
allwaltende baruiberzige Herr, der Moralismus bracb sicb an dem Ge-
danken der gottgegebenen siltlicben Kraft, die Mysterien 'bbeben Mittel
fur das Erleben der geistigen Gegenwart Gottes, der Legalismus verband
sieb mit der Gnade, die Yerdienstlebre miinclete im Gnadenlobn, der
Hierarcbismus wurde erweicbt durcb das padagogiscbe Moment, das ibm
einwobnte. So begreift es sicb, daB der Leser dieser L/iteratur immer
wieder, trotz der mifideutenden Eormeln, auf die Alleinwirksamkeit des
gottlicben Liebeswillens, auf die innere glaubige Unte.rwerfung unter
Gott und die Willensbetatigung in seiner Kraft und fur seinen Dienst
stb'fit. Er empfindet die Macbt der Erlosungsreligion so, wie sie ja
wirklicb in der Gescbicbte gewirkt bat. ;
Man kann diese Gedanken auf die Eormel vereinigen, dafi das re-
ligiose Erkennen der -Grundverbaltnisse des Cbristentmns in der alt-
katboliscben Zeit nocb so stark gewesen ist, dafi es die tbeoretiscben,
d. b. tbeologiscben Eormeln bis zu einem gewissen Grade rektifizierte.
Es darf binzugefilgt werden, dafi dies gewissermafien von der Tbeologie
aller Zeiten in ibrem Yerbaltnis zu der religiosen Erkenntnis gegolten
570 20. Riiekblick.
hat. x ) Nun ist aber auf der anderen Seite nicht zu iibersehen, dafi die
unrichtige theologische Erkenntnis ihrerseits auch das religiose Ver-
standnis der Gemeinden beeinflufit, denn sie gibt AnlaB zu einseitigen
. und schiefen praktischen Urteilen, die die religiose Stellung allmahlich
modifizieren, zuinal wenn jene tbeologisclien Anschauungen als Dogmen
.mit in die Grundlagen des Gerueindelebens aufgenommen sind (oben S. 4),
denn dies bezeugt ja, dafi die betr. Anscbauungen niclit mehr blofi
theoretische Ideen der Theologen, sondern dafi sie Ausdruck praktisch-
religioser Erkenntnis sein sollen und sicb als solcbe durcbzusetzen die
Tendenz baben. So angesehen baben die fremdartigen Elemente, die.wir
in der Anscbauung der altkatboliscben Zeit wahrgenommen baben, nun
dock weit naebr zu bedeuten als zufallige tbeoretiscbe ITebler. Die Kor-
i-uption der EeUgion nacb den Schemata des Doktrinarismus, Moralismus,
.der Gesetzesreligion, des Hierarchismus und des Sakranientarisnms, die wir
in der weiteren Entwicklung sich zu Dognien d. h. praktisch wirksamen
Orofien verdichten sehen, hat bereits friih ihren Anfang genommen. Alle
. fremdartigen Motive, die wir, beniessen an dem eigentumUchen Wesen
des Ohristenturns, in der Religion der griechischen und der romischen
.Kirche beobachten, sind keimartig schon in dem 2. und 3. Jahrhundert
.in der Kirche wahrzunehmen. Dadurch ist aber der Charakter des
Christentunis als Erlosungsreligion gefahrdet, freilich niemals jetzt
noch weniger als spater aufgehoben worden. Was die denkenden
und leitenden Geister im Interesse der Einheit der Weltanschauung, der
Mission, der Apologetik und der Disziplin gelehrt und gefordert haben
. im Grunde genommen ist eg immer Eationalisierung der Religion ,
ist in die Religion selbst hineingeraten und hat in wachsendem Mafi
die Grundverhaltnisse in ihr verschoben. Aber an nichts vielleicht er-
weist sicb der eigentiimliche Offenbarungscharakter des Christentunis so
klar als darin, dafi es, trotz aller Rationalisierung seitens des Klein-
glaubens oder Glaubens der . Theologen, seine Eigenart immer wieder
findet und zu seinen Grundverhaltnissen immer wieder zuriickstrebt.
,,Die christKche ReHgion ist ein machtiges Wesen fiir sich,
Avoran die gestinkene und leidende Menschheit von jZeit zu Zteii sich
immer wieder emporgearbeitet hat, und indem man- ihr diese "Wirkung
zugesteht, ist sie liber alle Philosophic erhaben uud bedarf von ihr keiner
.Stiitze" (Goethe).
1) Vgl. die.zutreffenclen Ausfiiliruugen yon K. Beth, Die Moderne und die
Prinzipieu der Theologie, 1907, S. 248 ff.
. A. D e i c h e rt ' sche VerlagsbucMdlg. (G. Bo lime), Leipzig.
Die Kirehe Deutsehlands
im
Neiihzehnten Jahrhuhdert.
Eine Einfiihrung in die religiosen, theologisclien
und kirchlichen Fragen der G-egenwart
von
Reinhold Seefoerg.
== Zweite durchgesebene Auflage. ...
6 Mk. 75 Pf., eleg. geb. 8 ITk.
Der Yerfasser beabsichtigt eine geschichtliche Einfiihrung in das Lebeu
.und die Arbeit der Kirche und der Theologie der Gegenwart, die, wie er
selbst sagt, nicht nur den Bedurfnissen der Theologen, sondern anch der
Historiker, Philosophen, Juristen, Politiker, sowie aller gebildeten Christen
entgegenkommt. Daher muBte auch der Zusammenhang der Kirckengeschichte
mit clem breiten Strom der allgemeinen wissenschaftlichen, asthetischen, natioualen
Hind kultnrellen Entwicklung in umfassender Weise beriicksichtigt werden. In
der Tat sind auch gerade die Partien, in Avelchen das kirchliche Leben in
diesem breiteren Eahmen uns vorgefuhrt Avird, die glanzendsten des trefflicheu
-Werkes. Der Inhalt desselben zerfallt in die beiden Teile: Rlickblick auf
die erste Halfte des 19. Jahrhunderts, wobei die Aufklarung, der alte
Glaube und die Fragen der neueu Zeit in sehr feiner, anregender Weise mit
besonnenem Urteil uns vorgefuhrt werden. Die Klassiker und Romantiker.
das Zeitalter der Erweckurig, die Restaviration und Rbniaiitik in der katho-
lisclien Kirche, der Kampf wider den Rationalismus, die Union, ferner die
Bedeutung Schleiermachers als Theologe und Kirchenmann, die Stellung von
Kant, Hegel und Schelling zum Christentum, . das Leben Jesu von Straufi, die
theologische Repristinatiou durch Manner wie Hengstenberg u. a., die Stellung
Baurs in der Geschichte der Theologie werden uns der Eeihe nach vorgeflihrt.
Noch interessanter diirfte fiir manche Leser der zweite Teil sein, der die B lick e
.atif die neueste Zeit, die Gaben und Aufgaben, die Fragen -und Antworten
in der Kirche und Theologie enthalt. Aus dem reichen Inhalt, der auch .auf
Pplitik, Nationalokonomie, Natiirwissenschaften und Geschichtsforschung, auf
Bildung, Kunst und Literatur, Kirchenverf assung und Kirchenpolitik, innere
-und aufiere Mission Riicksicht nimmt, die Einheitstendenzen in der evangelischen
'Kirche bis in die neueste Zeit bespricht und auch einen Blick in die rb'misch-
katholische Kirche noch wirft, ko'nnen wir nur einzelnes hervorheben. Sehr
"gut werden die verschiedenen Stromungen und Standpunkte der neuesten Theo-
logie, die positive und liberale, die Vermittlungstheologie, die Erlanger Theo-
logie imter Hofmann mid Prank, vor allem die Theologie Ritschls behandelt.
'Lichtvoll und klar, mit sicherer Beherrschung des reichen Stoffes wird-uns in
vorziiglicher Weise das Gauze geschildert. Wir empfehlen das schone Bucli
den Aveiten Kreisen unserer Gebildeteu.
Wissenschafil. Beilage d. Milnchn. Allgem. Zeitung.
A. D ei-ch erf sch e Verlagsbuchhdlg. (G. Bo lime), Leipzig.
Die Grundwahrheiten
der
c h r is 1 1 i c h e n R e 1 i g i o n.
Von
Re in hold Seeberg,
Professor der Theologie in Berlin.
.. 4. inehrfach yerbesserte Auflage. ==
3 Mk., geb. 3 Mk. 80 Pf.
Das Buch 1st eutstancleu aus Vorlesungen vor einem groflen Kreis von
Studierenden a Her Fakultaten und vveudet sioh an gebildete Christen
a 1 1 e r K r e i s e. Es 1st die Absicht des Verf assers zxi zeigen, wie das Christen-
ttim als Religion den Gebildeten unserer Tage zitganglick ge-
macht werden kann und soil, uud Anh auger der verschiedensten Ricli-
tungen, denen es wirklich auf die Sache ankommt, werden mit grofiem Interesse
seinen Gedaukengangen folgen.
Die Vorlesungen sind in den der Wissenschaft gewidmeten Hallen der
Universitat gehalten worden ; die nachste Sorge war naturgemafi, der Wissen-
schaft nichts zu vergeben, aber doch zugleieli auch dem Christentum seiu Eecht
zu gewahren vor Leuten, . die dem Christentum nicht insgesamt freundlich
gegeniiberstehen, die dem Christentum erst geneigt gemacht werden sollen
durch Aufzeigung seiner Vorziige. Es gait, nicht abzuschrecken durch Harte
und Schroffheit. Luthers grofie Gestalt und hohe Auffassung steht dabei dem
Eedner yor Augen; aber auch die neuere Anschauungsweise und selbst die
neueste Stromuug der religionsphilosophischen Gedanken flndet an ihm einen
Vertreter. Glaubensinhalt und Wissenschaft sind nach ihm keine Feinde.
,,Man kann das Widersinnige und den Widerspruch nicht glauben. Der
Glaube selbst verlangt eine begriffliche Erklarung. Wir sprechen Gedanken
des Glaubens aus, indem wir zu verstehen suchen." In religiosen Dingeu von
der Scharfe und Behutsamkeit des Denkens sich zu dispensieren, die man ; auf
die kleinsten Diuge der Welt anzuwenden fiir angemessen halt, ist verkehrt
und zeigt einen Mangel an Bildung etc. etc.
Unschatzbar die Wohltat, daG von so ausgezeichneter Seite die Gedanken,
die an dieser Stelle immer vertreten worden sind, so kraftige Unterstiitzung
gefunden haben. Der Raum gebietet uns abzubrechen ; wir konnen auf das
einzelne der dogmatischen Deutungen nicht mehr eingehen. Aber das Mitge-
teilte wird ausreichen, urn den "Wert der in Seebergs Grundwahrheiten" ge-
gebenen Anregungen zum Verstandnis, zunial fiir Werdende, empflnden zu
lassen. Das Buch wird sich fruchtbar erweisen an vielen, und nicht bloG an
den Suchenden, zur Vertiefung der Erkenntnis und zur Bereicherung des
christlichen Lebens im Glauben und in der Hoffnung.
Prof. Dr. Lasson in einer ausf iihrl. Besprechung im Ev. k. A.
AiiD'e'ic&ert'sche Vferlagsbuohhaig. (G. B6hme), Leipzig.
Aus Eeligion und Geschichte.
Gesammelte Au'fsatze und Vortrage
;"'". Von .''-
Reiuhold Seeberg,
Professor der Theologie in:Berlin.
I. Ban.d:
Biblisches und Kirchengeschichtlich.es.
6 M. 50 PL, geb. 7 Mk. 10 Pf.
Grundriss der Dogmengeschichte
von
DP. ReE n hold See b erg s
Professor in Berlin.
2. rerbesserte Auflage. -r-r-
2 Mk. 80 Pf., eleg. geo. 3 Mk. 50 Pf.
Das Bucu wird weit tiber den Kreis der akademisehen Jugend Mnaus einen groCen
Leserkreis flnden, da es alien denen, die sibh sclion eingehender mit der Dogmengeschicnte
beschaftigt liaben, den trefflichen Dienst einer schnellen Vergegenwartigung des schon
GewuCten leistet und durcli die wirklichen Literaturangaben den Weg zu eingehenderem
Studium einer besonderen Frage balint. : Ev. Kirckenztg.
Seeberg, Prof. D. R., Der Begriff der christl. Kirehe, I. Studien
zur Geschichte des Begriffs der Kirche. 3 Ilk.
, Der Apologet Aristide?^ ;I)er. Text seiner , uns erhaltenen
Schriften nebst einleit. Untersuchungen iiber dieselben. 2 Mk.
, Brauchen wir ein neues Dogma? 60 Pf.
, Die Kirche und diie soztale Frage. 75 Pf.
, Luther und Luthertum in der neuesten katholischen Be-
leuchtung. 2. Aufl. 60 Pf. ;
A. Deichert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. BShme), Leipzig.
Der Tod Christ!
in seiner
Bedeutnng fur die Erlosung,
Eine Mblisch-theologische Untersuchiuig
von
D, Alfred Seeberg,
Professor der Theologie in Dorpat.
Preis: M. 5.50.
Der
Katechismus der Urchristenheit
: . Von -''.'/''
D. Alfred Seeberg,
Professor der Theologie in Dorpat.
Preis: M. 6..
Das Evangelium Christi.
Von
D. Alfred Seeberg,
Professor der Theologie in Dorpat.
Preis: M. 3. .
Die beiden Wege
und das Aposteldekrel
Von- .
D. Alfred Seeberg,
Professor der Theologie in Dorpat.
Preis: M. 2.50.
A. Belcher t'sche Verlagsbuchltdlg-. (G.BShme), Leipzig.
Gottes Sohn und Gottes Geist*
. ... Vortrage
zur
Christologie und zur Lehre vom Geiste Gottes.
Von
D. W. Lutgert,
o. Professor der Theologie in Halle a. S.
Preis: M. 2.80, eleg. geb. M. 3.60.
Die L i e b e
im
Neuen Testament
Ein Beitrag
zur Geschichte des Urchristentums
.yon
.D.'W. Ltttgert,
o, Professor der Theologie in Halle a. S.
Preis: M. 5.40, eleg. geb. M. 6.40.
A. D e i c.li e r t ' sclie Verlagsbuclilidlg. (G. B o li me), L e i p z i g.
Studien
zur
systematisehen Theologie.
Von
Lie. Richard H. Griitzmacher,
Professor der Theologie in Eostock.
I. Die Quelle und das Prinzip der tlieologischen Etliik im christliclien
Charakter. 6'/ 4 Bogeii. M. 1.60. '
II. HauptproMeiue der gegenwartigen Dogiuatik. Die Forderung
einer modernen positireii Theologie. M. 1.80.
Wort und Geist.
Eine historisclie und dogmatisclie Untersucliiing
zum
Gnadenmittel des Wortes.
. - > '
1 " ' ' Von ' ' :
Lie. Richard H. Griitzmacher,
Professor der Theologie in Rostock.
Preis: M. 5.50.
Modern -Positive Vortrage
von
Lie. Richard H. Griitzmacher,
Professor 'der Theologie in Kostock.
14 Bog-en. 3 Mark 50 .Pf.,. geo. 4 Mark 50 Pf.
JL Deichert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Bohme), Leipzig.
Kahler, Prof. D. M., Die Wissenschaft der christlichen Lehre vom
evangel. Grundartikel aus im Abrisse dargestellt. 3. Auflage, sorg-
faltig durchgearbeitet und durch Anfiibrungen aus der beiligen Schriffc
vermebrt. 12 Mk. 75 Pf., in eleg. Halbfrzbd. 14 Mk. 25 Pf.
, Die Sacramente als Gnademnittel. Bestebt ibre reformator.
Schatzung noch zu Recht? 1 Mk. 80 Pf.
, Dogmatische Zeitfragen. 2. ganzlich umgearb. Aufl. I. Zur
Bibelfrage. 8 Mk. 50 Pf. IT. Methodologiscbe und
prinzip. Erorterungen. ca. 15 Bog. ca. 5 Mk. III. Aus-
fiibrungen fiber einzelne Dogmen. ca. 15 Bog. ca. 5 Mk.
, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche,
biblische Christus. 3. Aufl. in Vorbereitung.
, Der lebendige Gott. Pragen und Antworten von Herz zu
Herz. 3. revid. Auflage. 1 Mk. 20 Pf.
, Wie studiert man Theologie im ersten Semester? Briefe
an einen Anfanger. 3. erw. Aufl. 1 Mk. 20 Pf.
, Jesus und das Alte Testament. 2. Auflage. 1 Mk. 20 Pf.
, Unser Streit urn die Bibel. 2. Auflage. 1 Mk. 25 Pf.
' , Die Herrlichkeit Jesu. 75 Pf.
, Gehort Jesus in das Evangelium? 2. Aufl. 75 Pf.
, Der Verkehr mit Christo in seiner Bedeutung fur das eigene
Leben und den Gremeindedienst der Geistlichen nacb dem N. T. 75 Pf .
, Die Versohnung durch Christum in ihrer Bedeutung fur
das christliche Glauben und Leben. Erlauterungen zu Thesen vor
cbristlichen Mannern und Prauen. 2. durcbgesebene Aufl. 1 Mk. 20 Pf.
Frank, GeMmrat Prof. D. Fr. H. R. v., System der christlichen
Gewissheit. 2. Aufl. 2 Bde. 16 Mk., geb. 18 Mk. 25 Pf.
, System der christlichen Wahrheit. 3. verb. Aufl. 2 Bde.
16 Mk., eleg. geb. 18 Mk. 25 Pf.
, System der christlichen Sittlichkeit. 2 Bde. 15 Mk.,
" J. geb. 17 Mk. 25 Pf.
, Geschichte und Kritik der neueren Theologie, insbesondere
der systematischen, seit Schleiermacher. 3. verm. Aufl. Mit
Portrat. 6 Mk. 25. Pf., eleg. geb. 7 Mk. 75 Pf.
, Zur Theologie A. RitschFs. 3. wesentl. erweit. Aufl. 2 Mk.
, Dogmatische Studien. 2 Mk.
, Vademecum fur angehende Theologen. 4 Mk. 60 Pf.,
eleg. geb. 5 Mk. 50 Pf.
A. Deichert'sche Veiiagsbuchlidlg. (GL Bbhme), Leipzig.
Theologiselie
Martin Kiihler zmn 6. Januar 1905 dargeforacht.
Inhalt:
Prof. D. Fr. Crieseforeclit: Die Degradationshypothese und die alttestament-
liche Gescliichte. Lie. Dr. J. ogel: Der Begriff rekeiovv im Hebraerbrief .
Prof. Lie. K. Bornhauser : Die Versucliungen Jesu nach dem Hebraerbrief .
Prof. D. J. Mtiller : Beobachtjingen zur paulinischen Eechtfertigungslelire.
Prof. D. 'C. Stange : Religion und Sittlichkeit bei den Reformatoren. Prof.
-Mart. Schul/e : Religion und Sittlichkeit. Prof. D. W. Lutgert : Die Furcht
Gottes. Prof. D. W. Tsphackert: Lorenz v. Moslieims Gutachten iiber den
theologischen Ddktorat.
13 Bogen. gr. 8. Mk. 3.60.
Jeder Beitrag wird auch einzeln a Mk. .60, nur der des Herrn
Prof. D. Tschackert a Mk. .40 abgegeben.
Das
Schriftprinzip der lutherischen Kirche.
Geschiclitliche und dogmatische Studie.
Von
Dr. F. Kropatscheek,
Professor der Theolpgie in Breslau.
I. Band.
Die Yorgeschichte. Das Erbe des Mittelalters.
Preis: M. 9..
Die Bedeutung
des
Suhnetodes Christi
fur das christliche Gewissen.
Von
D. Ph. Bachmann,
Professor der Theplogie i?i Erlangen.
ca. M. 1.40.
A. D e i G h e r t ' sclie Verlagsbuchhdlg. (Gr. B 6 h m e) , Leipzig.
Won Herm Professor D. LudWlQ IhlUelS, Leipzig erschienen:
Die christliche Wahrheitsgewissheit
ihr
letzter Grund und ihre Entstehung.
Preis: M. 5.60.
Wie werden wir
der christlichen Wahrheit gewiss?
Preis: M. .60.
Die Selbstandigkeit der Dogmatik
gegeniiber der Religionsphilospphie.
Preis: M. 1..
Die Bedeutung des Autoritatsglaubens
im Zusammenhang mit der andern Prage er(5rtert:
Welche Bedeutung hat die Autoritat fiir den (xlauben?
Preis: M.I..
Theonomie und Autonomie
im Licht der christlichen Ethik.
Preis: M. .60.
Jesus Ghristus,
die Wahrheit und das Ueben.
Zwei Predlgten.
Preis: M. .75.
Wer war Jesus? Was wollte Jesus?
1. 3, -Auflage. Preis: M. .60. ,
Die Auferstehung Jesu Chri^ti.
1. u. 2. Auflage. Preis: M. .50.
A. Deiehert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Bb'hme), Leipzig.
Bachmann, Prof. D. Ph., Die perso'nliche Heilserfahrung des Christen
und ihre Bedeutung fur den Glauben nach d. Zeugnisse d. Apostel.
3 Mk. 60 Pf.
, Die Sittenlehre Jesu und ihre Bedeutung fiir die Gegenwart.
1 Mk. 20 Pf.
Bensow, Dr. 0,, Die Lehre von der Kenose. 6 Mk.
Beth, Prof. Lie. Dr. K., Das Wesen des Christentums und die
moderne historische Denkweise. 2 Mk. 50 Pf.
Blafs, Prof. D. Dr. Fr., Tiber die Textkritik im Neuen Testament.
80 Pf.
, Die Entstelrang und der Charakter unserer Evangelien.
75 Pf.
Cafpari, Prof. D. W., Die evang. Konfirmation, vomamlich in
der luther. Kirche. 3 Mk.
, Die geschichtliche Grundlage dfts gegenwartigen evangel.
Gemeindelefoens. 2. ganzl. umgearb. Auflage. ca. 4 Mk. 50 Pf.
Ewald, Prof. D; P., Eeligion und Christentum. 75 Pf.
, Wer war Jesus? 60 Pf.
1 Der Christ und die Wissenschaft. 80 Pf.
Fischer, Lie. E. Fr., Die christliche Religion als Religion des
Dualismus. 1 Mk.
, Autoritat und Erfahrung in der Begriindung der Heils-
gewifsheit nach den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen
Kirche. 3 Mk. 60 Pf.
Frey, Dr. JL, Die zweimalige rOmische Gefangenschaft und das
Todesjahr des Apostels Paulus. Ein Beitrag z. neutest. Chronologic.
80 Pf.
, Die Probleme der Leidensgescb.icb.te. Studien zur Kritik
der Evangelien und der evangelischen Geschichte. I. 3 Mk. 50 Pf.
Gennrich, Lie. P., Die Lehre von der Wiedergeburt, die chfistliche
Zentrallehre in dogmengeschichtlicher und religionsgeschicht-
licher Beleuchtung. 6 Mk.
Girgensohn, Mag.th. K., Die moderne historische Denkweise und
die christliche Theologie. 1 Mk.
, Die Religion, ihre psychischen Formen und ihre Zentralidee.
Ein Beitrag zur Losung der Frage nach dem. Wesen der Religion. 4Mk.
A. Deichert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Boh me), Leipzig.
Haufsleiter, Prof. D. Johs., Der Glaube Jesu Christ! und der christl.
Glaube. Bin Beitrag z. Erklarung des Romerbriefes. 60 Pf.
, Die Universitat Wittenberg vor dem Eintritt Luthers.
Nache. SchilderungdesMag.A.MeinhardivoniJahrel507. IMk. 60Pf.
Honnicke, Privatdoz. Lie. Dr. , Die Chronologic des Lebens Hes
Apostels Paulas. 5 Bogen. 1 Mk. 50 Pf.
Horn, Lie. tlieol. K., Abfassungszeit, Geschichtlichkeit u. Zweck
VOnEvang. Job. Kap. 21. Ein Beitrag^z. johanneischen Frage. 4Mk.
Kirn, Prof. D. 0., Grundriss der evangelischen Dogmatik. 2. Aufl.
2 Mk. 20 Pf., geb. 2 Mk. 80 Pf.
} Grundriss der Theologischen Ethik. 1 Mk. 40 Pf., geb. 2 Mk.
Kohler, Prof. P. A., Lehrbuch der biblischen Geschichte des Alten
Testamentes. I., II. 1. a 8 Mk. II. 2. 1. 3 Mk. II. 2. 2.
2 Mk. 80 Pf. II. 2. 3. (Schluss) 7 Mk. 50 Pf.
Kolde, Prof. D. Th., Die Loci Communes Philipp Melanchthons
in ihrer Urgestalt naeh G-. L. Plitt in 3. Aufl. von neuem heraus-
gegeben und erlautert. 3 Mk. 50 Pf.
Lotz, Prof. D. W., Das Alte Testament und die Wissenschaft.
4Mk. 20 Pf., eleg. geb. 5 Mk.
, Die biblische Urgeschichte in ihrem Verhaltnis zu den
Urzeitfragen anderer Vo'lker , zu den israelitischen Volkserzahlungen
und zum Granzen der heiligen Schriffc. 1 Mk. 50 Pf.
Matthes, Sup. Dr. A., Absolute Offenbarung oder religionsgeschicht-
liehe Entwicklung. 60 Pf.
Quellenschriften zur Geschichte des Protesianiismus. Herausg.
von Prof. D.' Johs. Kunze und Prof. D. C. Stange.
I. Die altesten ethischen Disputationen Luthers. Herausg. von
Prof. P. C. Stange. 1 Mk. 60 Pf.
II. Die Wittenberger Artikel von 1536 lateiniscku. deutsch
z. ersten Male hrsg. von Prof. Dr. Gr. Mentz. lMk.60Pf.
Ht. Der Heidelberger Katechismus. Herausgegeben von Lie.
A. Lang, Halle a. S. 6 Mk.
IV. Luthers sermo de poenitentia. Hrsg. v. Lie. E. F. Fischer. 80 Pf.
Y. Die Appellation und Protestation der evangelischen Stande
auf d. Reichstage z. Speyer 1529. Hrsg. von P. J. Ney. 1.80 Mk.
"VI. Urbauus .Rhegius. Wie man fiirsichtiglich reden soil von, den
furnehmsten Artikeln christlicher Lehre. Kach der deutschen
Ausgabe von 1536 herausgegeben von Lie. A. Uckeley. 2 Mk.
A. Beicliert^sGlie Verlagsfcuchhdlg. (G, Bohme),
Muller, Prof. D. K., Symbolik. Vergleiehende Darstelliing der christ-.
lichen Hauptkirchen nach: ihrem Grundzuge und ihren wesentlichen
Lebensausserungen. 8 Mk. 50 Pf., geb. 10 Mk.
-, Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. In Original-
texten m. histor. Einleitungen u. ausf iihrl. Eegister. 22 Mk., geb. 24 Mk.
Scharling, Prof. D. 0,, Offenlbarung und heilige Schrift., Dogma-
tische Erlauterungen. Berechtigte TJbersetzung von G. Johanna. 4Mk.
Schnedermann, Prof. Dr. 6., Der christliche Glaube imSinneder
gegenwartigen ev.-lutherischen Kirche. I. 1. Elnleitung in
die ohristliche Glaubenslehre. 3 Mk. 60 Pf. I. 2. Dec
christliche G-ottesbegr-iff. 3 Mk. 60 Pf. I. 3. Die christ-
liche Anschauung von der "Welt und den Menschen.
2 M. (Mit der 3. Abteilung ist die 1. Halfte abgeschlossen.)
Thieme, Prof. D. K., Luthers Testament wider Rom in seinen
Schmalkaldischen Artikeln. 1 Mk. 50 Pf.
Thoma, Pastor Joh., Die Absolutheit des Christentums zur Aus-
einandersetzung mit Troeltsch untersucht. 1 Mk. 8.0 Pf.
ThomasJUS, Prof. D. 6;, Christi Person und Werk. Darstellung der
evang.-luther. Dogmatik vom Mittelpunkte der Christologie aus.
3. Aufl. bearb. von Lie. "Winter. 2 Bde. 18 Mk., eleg. geb. 21 Mk.
, Die christliche Dogmengeschichte als Entwicklungsge^chichte
des kirchl. Lehrbegriffs dargestellt. 2. Auflage. Herg. von Prof.
B.Bonwetsc h,und Prof. D. S e e b e r g. 2 Bde. 22 Mk., geb. 26 Mk.
v. Walter, Lie. J., Das Wesen d. Religion nach Erasmus XL. Luther.
60 Pf.
, Die ersten Wanderprediger Frankreichs, Studien zur Ge-
schichte des Monchtums. Neue Polge. Bernhard von Thiron;
Vitalis von Salles; Bemerkungen zu Norbert von Xanten und
Heinrich v. Lausanne. 4 Mk. 80 Pf,
Zahn, Prof. D. Th., Einleitung in das Neue Testament,, 3., yielfach
berichtigte und vervollstandigte Aufl. I. Bd. 9 Mk. 50 Pf ., eleg. geb.
11 Mk. 50 Pf. II. Bd, 13 Mk. 50 Pf., eleg. geb. 15 Mk. 50 Pf.
,GescMchte desneutestamentlichenKanons. I. Bd, : Das neue
Testament vor Origenes. 1. Halfte. 2.9 Bog. 12 Mk. 2. Halfte.
32 J / 2 Bog. 12 Mk. IT. Bd. : Urkunden und Belege zum ersten
und dritten Band.. 1. Halfte. 26 Bog. 10 Mk. 50 Pf. 2. Halfte.
39 Bog. 16 Mk. 20 Pf.
, Grundiss der Geschichte des neutestamentlichn Eanons.
Bine Erganzung zu der Einleitung in das Neue Testament. 2. verm,
u. vielfach verb. Aufl. 2 Mk. 10 Pf., eleg. geb. 2 Mk. SO Pf.
Zimmermann, Lie. Dr. H., Der historische Wert der aitesten tjber-
lieferung von der Geschichte Jesu ini Markusevangelium. 3.60 Mk.
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