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Full text of "Lehrbuch der dogmengeschichte [microform]"

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UNIVERSITY OF 

CHICAGO 




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Sammlung 
Theologischer Lehrbucher. 



Lehrbuch 

der 



Dogmengeschichte 



von 



Dr. Reinhold Seeberg. 



Erster Band. 



Zweite, durchweg neu ausgearbeitete Auflage. 



Leipzig. . 

A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung Nachf, 

(Georg Bohme). 
1908. 



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der 



Dogmengeschichte, 



Von 



Dr. Reinhold eeberg, 

Professor in Berlin. 



Erster Band: 

Die Anfange ties Dogmas im nachapostolischen und altkatholischen 

Zeitalter. 

Zweite, durchweg neu ausgearbeitete Auflage. 



LEIPZIG. 

A. DEI CHERT 'SCHE VERLAGSBUCHHANDLTJNG NACHF. 

(GEORG BOHME). 

1908. 



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Alle Reclite vorb ehalten. 



Vorwort. 

Zwolf Jahre sind in das Land gegangen, seit die erste starke 
Auflage dieses Werkes erschien. Das Buch war seit geraumer Zieit ver- 
griffen., Vor die Aufgabe gesteEt, es neu herauszugeben, habe ich keinen 
Augenblick gezweifelt, es wenigstens in: seinera ersten Teil durchweg 
yollstandig neu bearbeiten zu sollen. So lege ich denn dem theologischen 
Publikum ein durchaus neues Werfc vor, das mit dem alten nur 
den Titel, die Einteilung und die Grundanschauung gemein hat; kauni 
mehr als. etwa zwei Bogen diirften aus der alten Arbeit in die neue 
iibergegangen sein. Der ITnifang- des Werkes hat sich dabei sehr er- 
heblich yergrofiert. Der ia dem yorliegenden Bande behandelte Zeit- 
abschnitt fullte in dem. alten Werk 157 Seiten, jetzt sind es, trotz der 
yergroBerten Seite, 570 Seiten geworden ! 

Die erste Auflage war ursprunglich als: Lernbuch gedacht, sie war 
aber dafiir zu grofi,. und als ,,Lehrbuch" zu kurz. Die Beweise waren 
in ihr nieist dem ISTachdenken des Lesers an der Hand zahlreich zitierter 
Stellen iiberlassen, die geschichtliche und sachliche Beurteilung war nur 
angedeutet, die Auseinandersetzung mit anderea Anschauungen auf ein 
Minimum reduziert, uberall war auf. die TInterstutzung durch den muiid- 
lichen Vortrag gerechnet. leh habe den Plan fur die zweite Auflage 
geandert, wie er ja schon in dem zweiten Bande der 1. Auflage ein 
anderer geworden war. Ein. Lehrbuch wie dieses, das. nicht nur Lemen- 
den, sondern auch Gelehrten dienen will, muB nicht nur den ganzen 
Stoff Mar und prazis: dem Leser vorfuhren, son.dern ihin auch durch 
sorgfaltig ausgewahlte, in den Text yerwebte oder unter den Text ge- 
setzte Quellenstellen. in den Stand setzen, sich eine eigene Anschauung 
zu bilden ; es mufi nicht nur behaupten, sondern auch beweisen, nicht 
nur das eigenei Urteil zum Ausdruck bringen, sondern auch die Keuntnis 
und Kritik anderer Ilrteile yermitteln. Ein Lehrbuch grofieren TJm!- 
fanges darf sich auch nicht darauf beschranken, die ,,sicheren Begultate" 
der Porschung zusammenzustellen, es muB auch in der Mitteilung nuer 
Beobachtungen und Hypothesen nicht allzu zuriickhaltend sein. Dazu 
gehort aber auch die deutliche Dkrlegung der dem Autor' eigentumlichen 
theologischen Beurteilung, sofern dieselbe sich in dem Rahrnen der ge- 
schichtlichen Erkenntnis halt. 



IV Vorwort. 

Das sind im wesentlicben die Grundsatze, nacb denen icb das neue- 
"Werk gescbaffen babe. Dafi dasselbe den Anregungen und Forscbungen 
der Mitarbeiter vielfach zu Dank verpfliclitet ist, soil ausdriicklicb be- 
kannt werden, ebenso aber auch, dafi der Yerfasser an die Durcb- 
forscbung der Quellen und die Bildung eines begriindeten Urteils iiber 
die gesebicbtlicben Erscbeinungen ernste und unvoreingenommene Arbeit 
gewandt bat. Sowobl wo icb mit anderen iibereinstimme, als wo icb 
meine eigenen "Wege gebe, babe icb selbstandig und nacb bestem Yer- 
mogen gearbeitet. Mocbten sowobl die Bestatigungen mancber communis 
opinio wie die Abweicbungen von ibr sicb zur Eorderung unserer Dis- 
ziplin, an ibreni bescbeidenen Teil als niitzlich erweisen. 

Bei der Arbeit babe icb rnicb immer bemiibt, mir gegenwartig zu 
erbalten, dafi icb sowobl eine bistoriscbe als aucb eine tbeologiscbe Auf- 
gabe zu losen babe. Da icb nicbt Historiker Yon Facb bin, so bin icb 
doppelt bemiibt gewesen, micb von dogmatiscben Konstruktionen, die 
iibrigens aucb bei Historikern nicbt selten mitunterlaufen, frei zu balten. 
Andrerseits babe icb das Ziel, ein tbeologiscbes Bucb zu scbreiben, 
das an den kircblicben und tbeologiscben Interessen der Gegenwart sicb 
orientiert, irn Auge zu bebalten micb bemiibt. Icb bofe, dafi beide In- 
teressen sicb die "Wage balten werden, und dafi jedenfalls der ,,Dog- 
matik" kein zu intimer Anteil an dieser Dogmengescbicbte eingeraumt 
sein durfte. Wir Dogmatiker baben es ja vielfacb scbwerer als die 
Kircbenbistoriker bei der Herstellung einer urnfassenden bistoriscben 
Arbeit, da uns das ganze kircbengescbicbtlicbe Detail nicbt in dem 
Umfang und in der Sicherbeit gegenwartig ist wie jenen, aber wir baben 
daflir den Yorteil, von einer zusammenbangenden und erprobten Ge- 
samtanscbauung des Cbristentums berzukommen , die naturgemafi den 
Blick fiir das Yerstandnis religioser Probleme und fiir die Erkenntnis 
ibrer Zusammenbange in der Gescbichte scbarft. Es ist bekannt, dafi 
aucb dies Moment sicb fiir das Yerstandnis der Dogmengescbicbte als 1 
frucbtbar erwiesen bat. Icb scbreibe das nieder, weil es fiir das Yer- 
standnis der tbeologiscben Absicbt dieses Bucbes nicbt belanglos ist. 

Diesem ersten Bande soil bald ein zweiter kiirzerer folgen r 
der die Dogmengescbicbte der alten Kircbe zu Ende ftibren wird, der 
dritte Band, der an Umfang dem vorliegenden etwa gleich kommen 
wird, tritt an Stelle des bisherigen zweiten und bebandelt das Mittel- 
alter und die Eeformationszeit. 

Berlin "W 50, den 29. Juni 1907. 

R. Seeberg, 



In halt. 



Einfiihrung: Begriff, Aufgabe, Methode und Geschichte der 

Dogmengeschichte. 

Seite 
1. Begriff und Aufgabe der Dogmengeschichte . . 1 

1. Begriff und Wesen des Dogmas S. 14. 2. Geschichte und ge- 
schichtliche Entwicklung S. 4 8. 3. Motive und Art der dogmengesehicht- 
lichen Entwicklung S. 810. 4. Die Wahrheit des Dogmas S. 1012. 

2. Die Methode und die Einteilung der Dogmengeschichte 12 

1. Historische Methode S. 121 2. Loci und Zentraldogmen S. 13. 
3. Die Einteilung S. 1315. 

3. Die dogmengeschichtliche Literatur .... 16 

1. Die Anfange S. 16 f. 2. Baur, Neander S. 17 f. 3. Eliefoth, Tho- 
masius S. 18f. 4. F. Nitzsch, Eitschl, Harnack, Loofs, Seeberg S. 19 f. 
5. Monographien, katholische Literatur S. 20 f. 

Historische Einleitung. 

4. Das griechisch-romische Heidentum 21 

1. Synkretisinus und Christentum S. 21 f. 2. Die Frommigkeit der Zeit 
S. 23 f. 3. Die Mysterien S. 24 f. 4. Die Philosophic: Plato, Aristoteles, die 
Stoa S. 2529. 5. Epiktet und Seneca S. 2934. 6. Bedeutung der stoi- 
schen Popularphilosophie S. 3436. 7. Die soziale Lage S. 36. 8. Vorbe- 
reitung auf das Christentum S. 3638. 

5. Das Judentum 38 

1. Die alttestamentliche Eeligion S. 38 f. 2. Frommigkeit S. 39 f. 3. Der 
Ursprung des Judentums S. 39 f. 4. Gesetz, Messias, Eschatologie S. 4145. 
5. Kosmologie, Engel, Mittelwesen S. 45 f. 6. Metaphysik S. 46 f. 7. Das 
Judentum in der Fiille der Zeiten S. 471 8. Die kirchliche Organisation- 
S. 4851. 9. Das alexandrinische Judentum S. 51 f. 10. Die Theologie 
Philos S. 52-54. 11. Eiickblick S. 541 



VI Inhalt. 

Seite 
6. Das Urchristentum . . 55 

1. Bom und Jerusalem S. 55. 2. Jesus und das A. T. S. 55 f. 3. Jesu 
Person S. 56. 4. Die Gottesherrschaft S. 57 f. 5. Der Tod Christ! S. 58 f. 
6. Der neue Bund S. 59. 7. Die Heilsgiiter S. 59 f. 8. Die Gemeinde S. 60. 
9. Evangelium quadraginta dierum S. 6063. 10. Christus 6 HIJQIOS S. 63 f. 
11. Der Geist in der apostolischen Zeit S. 64 f. 12. Die Ttagddoais S. 6568. 
13. Die Theologie des Paulus S. 68 f. 14. Drei Gedankenkreise bei Paulus 
S. 69 f. 15. Theologie und Christologie S. 7072. 16. Geist und Fleisch 
S. 7274. 17. Glaube und Eechtfertigung S. 7476. 18. JJie Kirelie^S i Jg.|., 
19. Vor- iind nachpaulinisches Christentuni im N. T. S. 7780. 20. Cha- 
rakteristik des Johannes S. 80 f. 21. Die johanneische Kontemplation, 
Johannes und Kerinth S. 81 84. 22. Der johanneische Hierarchismus S. 84 f. 
23. Das Neue im Christentum S. 85 f. 



Erstes Buch. 

Die Herausbildung des Dogmas in der alien Kirche : die Anfange 
des Dogmas im nachapostolischen und altkatholischen Zeitalter. 

Erstes Kapitel. 
Die Auffassung des Christentums im nachapostolischen Zeitalter. 

7. Die apostolischen Vater ....... 87 

1. Der GottesbegriH S. 88. 2. Gott als Wille, Herr, Vater S. 8890. 
3. Die Grundprobleme der Christologie S. 90. 4. Christus als Gott und 
Gottessohn S. 90 f. 5. Christus in Gott und neben Gott, Christologie des 
Hermas S. 9195. 5. J ) Christus als praexistenter Geist, 2. Clem., Hennas 
S. 9599. 6. Die Mensehwerdung als Annahme des Menschen Jesiis S. 99 f., 
7. als Eleischwerdung des Logos S. 100102. 8. Die Hollenfahrt und die 
Auferstehung S. 102104. 9. Zusammenfassung der urchristlichen Christo- 
logie, die Geburt aus der Jungfrau S. 104108. 10. Der heil. Geist S. 108 
110. 11. Trinitarische Ansatze S. 110-f. 12. Christi Werk als Siinden- 
yergebung, Gesetzerteilung und Heiligung S. 112f. 13. Lehre, Gesetz, Un- 
sterbUchkeit S. 113116. 14. Slindenvergebung S. 116119. 15. Verhaltnis 
zum N. T. S. 119. 16. Das Wort Gottes S. 1191 17. Die.Taufe, Barnabas, 
Hermas,S. 120124., 18. Das Problem der zweiten BuCe, JoL, Hebr., 1. Clem;, 
Hermas S. 125 129. 197 Das Bu||^ti^^. Ipt^ ^ 
des Abendmahls S. 130135. 21. Das Abendrnahl bei Ignatius und in der 
DWche If 135 137. 22. Das Opfer S. 137 f. 23. Entwicklung des Abend- 
mahlsgedankens S. 138 f. 24. Die Siinde S. 139 f. 25. Die Heilsguter S. 141. 
26. Die Gerechtigkeit S. 141 143. 27. D^J^p/jJismM.Oi 3 -!,,,.^. Die 
Erfullung des neuen Gesetzes Christi, ubersehiissige Werke S. 145 f. 29; Glaube, 
Liebe, Hoffnung S. 147 f. 30. Das nahe Ende, zwei Typen der Eschatologie 
S. 148150. 31. Das Millenium S. 150 f. 32. Judische und heidnische Ele- 
mente S. 151154. 



1) Versehentlich ist die Zahl doppelt verwandt. 



Inhalt. VII 

Seite 
8. Die alten Normen der Lehre; Geist, Kanon, Lehre und 

. Bekenntnis, die Kirche und das kirchliche Amt . . . 154 

1. Geist und Wort S. 154 f. 2. Die Pneumatiker S. 155 157. 3. Der 
Ursprung des Schriftprinzips S. 157160. 4. Die Glaubensiiberlieferung und ' 
das Taufbekennftiis im N. T. S. 160166. 5. Der Bestand der Uberliefe- 
rung in der nachapostolischen Zeit S. 166171. 6. Das Taufbekenntnis 
S. 171 f. 7. Das triadische Bekenntnis S. 172174. 8. Das romische Be- 
kenntnis S. 175 f. 9. Der Ursprung des triadischen Tanf symbols S. 177179. 
10. Der Inhalt des Bekenntnisses S. 179183. 11. Die Idee der katholi- 
schen Kirche S. 183186. 12. Die konkrete Einheit der Kirche S. 186188. 
13. Das kirchliche Amt nnd die Pnenmatiker S. 188190. 14. Der Ursprung 
des kirchlichen Amtes S. 190 192, 15. Geist iind Amt S. 192-194. 16. Das . . 
Kecht des Amtes S. 194196. 17. Der monarchische Episkopat S. 196198 
18. Bedeutung des Kirchenamts S. 198 f. 



Zweites" Kapitel. 

Die Mretische Umdeutting des Evangeliums sowie die gegen 
das katholische Christentum geriehteten Reformversuche. 

9. Das Judenchristentum 200 

1. Der Begriff ,,Judencliristentum" S. 200203. 2. Geschichtliche Be- 
deutnng- S. 203205. 3. Die Psendoclementinen S. 205 f. i.'Elkesai S. 207. 
5. Judencnristliche Gruppen S. 208 f. 6. Die Nazaraer S. 210 f. 7. Die Eb- 
joniten S. 211 f. 8. Die Theologie der Pseudoclementinen S. 212214. 
9. jTidenchristentum nnd Synkretismns S. 214. 

10. Die heidenchristliche Gnosis ...... 215 

1. Die Tendenz der Gnostiker S. 216218. 2. Die gnostischen Pro- 
bleme S. 218 f. 3. Der Ursprung des Gnostizismus S. 220 f. 4. Simon und 
Menander S. 221223. 5. Die Haretiker des N. T. S. 223228. 6.. Die 
gnostische Weltanschauung S. 228 f. 7. Satornil S. 229 f. 8. Basilides S. 230 f. 
9. Valentin und seine Schule S. 231235. 10. Valentins geschichtliche Stel- 
lung S. 235f. 11. Die gnostischen Lehren S, 236242. 12. Gemeinden und 
Mysterien S. 242246. 13. Gnostische Offeubarungen S. 246249. 

11. Der Eeformversuch des Marcion . . . . . 249- 

1. Marcion und die Gnosis . S. 250. 2. Marcions Lehre S. 250253. 
3. Verbreitung des Marcionitismus S. 253. 

v 12. Die mon.tanistische Eeformation 253 

1. Zuriicktreten des Geistes S. 2541 2. Montanus S. 255. 3. Der 
spatere Montanismus S. 255257. 4. Die Kirche und der Montanismus 
S. 257260. 



VIII Inhalt. 

Seite 
Drittes Kapitel. 

Die Anfange der kirehlichen Theologie. 

13. Die Darstellung des Christ entums durch die altkirch- 

lichen Apologeten 262 

1. Der ChristenhaJJ, Celsus ,,wahres Wort" S. 263-265. 2. Aristides und 
das Kerygma Petri, Justin S. 265 267. 8. Das Christentum als Philosophic, 
Kritik des Heidentums S. 267270. 4. Die Methoden des Beweises S. 270 
272. 5. Die christlichen Lehren, Gott, die Damonen S. 272 f. 6. Der 
Logos S. 273276. 7. Die Menschwerduug S. 276279. 8. Die Erlosung 
S. 279 f. 9. Die Freiheit S. 280282. 10. Esoterisches, das Abendmahl 
S. 282 f. 11. Die Eschatologie S. 283 f. 12. Die Bedeutung der apologeti- 
schen Theologie S. 284. 

14. Dogmatisierung des Kanons, der Glaubensregel und 

der Kirche. Die Theologie der antignostischen Vater . . 284 

1. Das Vulgarchristentum S, 285 f. 2.. Die Anfange einer positiven 
Theologie S. 286288. 3. Der Geist und die neue Theologie S. 288 f. 

4. Irenaus, Tertullian, Hippolyt S. 289 293. 5. Der neutestarnentl. Kanon 

5. 293295. 6. Die regula veritatis S. 295299. 7. Die regula bei Dionys 
v. Korinth und Irenaus S. 299302, 8/ bei Tertullian und Novatian S. 302 
305, 9. bei Clemens Alex. S. 305 f. 10. Die regula als apostolische Lehre 
und die bischofliche Sukzession, Bom S. 306309. 11. Die regula und die 
Kirche S. 309311. 12. Die Bedeutung der regula S. 311313. 13. Gott, 
Sehopfung, Logos, Trinitat S. 313316. 14. Der Mensch, die Erbsiinde 
S. 316318. 15. Die Heilsgeschichte S. 318320. 16. Die Christologie des 
Irenaus -S. 320325. 17. Die Erlosungslehre des Irenaus S. 325332. " 
18".' Tertulliaas Logoslehre S. 332343. 19. Die christologische Differenz 
zwischen Tertullian und Irenaus S. 343 f. 20. Hippolyts Christologie und 
Erlosungslehre S. 344347. 21. Der Heilsstand bei Irenaus, die Eecht- 
fertigung S. 347351. 22. Das Christentum Tertullians S. 351354. 23. Das 
Wort Gottes S. 355. 24. Die Taufe, Wasser und Geist, die Kindertaufe 
S. 355364. 25. "Die BuEe, besonders bei Tertullian S. 364-367. 26. Das 
Abendmahl bei Irenaus S. 367 371. 27. Tertullians Abendmahlslehre 
S. 371374. 28. Die Entstehung des altkatholischen Kirchenwesens S. 374 
376. 29. Die Eschatologie bei Irenaus, Tertullian und Hippolyt S. 376382. 

15. Die Theologie der alexandrinischeh Vater ... 382 

1. Die Zeit der Severe, Mithrazismus, Mystizismus, Apollonius v. Tyana 
S. 383 f! 2. Der Neuplatonismus S. 384386. 3. Die Lehre Plotins von 
Gott, der Welt, dein Bosen und der Erlosung S. 386392. 4. Clemens und 
Origenes S. 393 f. 5. Clemens liber Griechentum und Christentum, Glaube 
und Gnosis S. 394397. 6. Christologie und Soteriologie des Clemens S. 398 
400. 7. Siinde, Freiheit und Heilsordnuug bei Clemens S. 400403. 
'8. Kirche, Taufe, BuCe und Eiicharistie bei Clemens S. 403406. 9. Origenes 
.als Theologe S. 406 f. 10. Die Glaubensregel des Origenes S. 407409. 
11. Die Bibelauslegung des Origenes, zwei Klassen von Christen S. 409413. 



Inhalt. IX; 

Seite 

12. Der ottesbegriffl S. 413 ; f. 13: Die Logoslehre, aeterna generatioj 
dfiooiiaios, Subordinatianismus S. 414419: 14. Der heil. Geist und die Trias 
S. 419>f. 15. Die- Praexistenz der Seelen S. 420422. 16; Die Christolbgie 
des Origenes- S : . 422^428. 17'. Christi Werk als Leho-e, TJberwindung des- 
TeufelSj Opfer und Intercession S. 428434. 18. Das Evangelium, die Taufe, 
die Bufie' und die Encharistie bei Origenes S: 434441. 19. Die Freiheit, 
die Sunde, Glaube, Werke und Kechtfertigung nach Origenes S. 441447: 
20. Der Kirchenbegriff des Origenes S. 447 451. 21. Eschatologie, Feg- 
feuer und Auferstehung bei Origenes S. 451 455. 22. Die geschicntliche 
Bedeutung. der alexandriniscnen Theologie S. 455459: 

Yierte,s Eapitel. 

Die einzelnen LeHren sowi'e die Gesamtauffassung des 
Christentums im dritten Jahrhundert. 

Das Christentum des 3. Janrhunderts S. 460462. 

16. Der Monarchianismus 462 

1. Zwei Gruppen S. 462 f. 2. Die dynamistischen Monarchianer S. 463 
465. 3. Paul v. Samosata S. 465469. v 4. Der friihere Modalismus, 
Praxeas etc. S. 469472. 5. Sabellius S. 472475. 6. Der romische Mo- 
dalismus S. 475 f. 

17. Die vornicanische Christologie . ..... 477 

1. Modalistische Wirkungen S. 477 f. 2. Commodian, Novatian S. 478 
484. 3. Arnobius, Gyprian, Lactanz S. 484 486. 4. Theognost, Gregoriiis. 
Thaumaturgus S. 486 f. 5. Der Streit zwischen Dionys v. Alexandrien- und- 
Dionys v. Rom S ; 487 490. 6. Methodius S. 490 492. 

18, Die Fortbildung des^Ei-Mhenbeg.rilifes .... 493 

1. Heiligkeitj, BuBe und Kirchenamt S. 493495. 2. Die BuBpraxis 
S. 495 f. 3.. Die BuBref orm KaUists und TertuUians Widerspruch- S. 496499. 
4. Oypria-ns-Stellung zur BuBfrage in EartHago S. 499501. 5. Novatians- 
Schisma S. 501- 505. 6. Die Eegelung. der BuBfrage in Karth'agp und die 
Fortbildung des .Kirchenbegriffes durch Cyprian, die Autoritat des Episkopats, 
Episkopafe, und Einheit. der-Eirche, Petrus,. der. Streit umi die'Ketzertaufe, 
romischer und karthagischer Standpunkt, die Scnrift de rebaptismate, Stephan- 
und Sixtus.II S; 505 514. 7. Die romische und; die afrikanische Anschauung 
von der Kirche-S. 5151 

19. Die Gesamtauffassu:ng d'es Christentums . . . 516 

I. Die g r le c h 1 s c h e n T h e o 1 o g e n. 1; Der Origenismus; Theognost, 
Pierius, Dionys, Dionys und Nepos, Petrus Y. Alex. S. 517 521. 2. Der 
griechische Biblizismus, der Kanon des Athanasius S: 521523. 3; Die 
Theologie des Methodius S. 523530. II. Die abendlaoidischen 
Theologen. li Der Interessenkreis, Arnobius, Cyprians Testimonien,. 



Inhalt. 



Seite 



Laetanz, Comniodian S. 530533. 2. Abendlandiscb.es und morgenlandisches 
Christenturn. S. 534536. 3. Der Gottesbegriff, .die Siinde, das Erlosungswerk . 
als Gesetzgebung, Opfer mid Intercession S. 536540. 4. Die Taul e S. 540 
542. 5. Der Glaube, iustitia ex fide, das Verdienst,. die doppelte Moral 
S. 542 545. 6. Die Bufitkeorie S. 546 548. 7. Das Abendmahl, seine 
Gaben, die Opferidee S.. 548 554. 8. Die Eschatologie bei Cyprian, Laetanz, 
Commodian S. 554558. : 

20. Biickblick ..... ..... .559 

. 1. Das Urchristentum : Geist und Tradition, Synkretismus, . die Motive 
der Entwicklung der Lehre S. 559564. 2. Einwirkung des Kirchenge- 
dankens auf die Dogmenentwicklung S. 565 f. 3. Die Entstehung der theo- 
logischen Gruppen S. 566568. 4. Verhaltnis der hellenischen und jiidi- 
schen Einfliisse zu dem Charakter des Cliristentums als Erlb'sungsreligion 
S. 568-570. 



Druckfekler. 



S. 32 'Anm. 1 lies 

S. 91 Anm. 4 

S. 91' Anm. 5 

S. 108 Z. 15 von oben 

S. 147 Anm. 2 Z. 1 
S. 160 Anm. 1 Z. 2 

S. 172 Anm. 1 Z. 7 

S. 216 Z. 15 von oben 

S.. 286 Z. 4 von unten . 

S. 344 Z. 10 von oben 

S: 349 Anm. 2 Z. 3 

S. 356 Anm. 1 Z. 3 
S. 366 Anm. 1 Z. 1 

S. 368 Z. 4 von unten ., 

S. 416 Anm.-l Z. 3 

S. 417 Z. 14 von oben 
S. 418 Z. 24 von oben 

S. 424 Z. 8 von oben 

S. 439 Z. 11 von oben 

S. 446 Anm. 1 Z. 4 
S/448 Z. 4 von oben 

S. 467 Z. 18 von unten 

S.. 470 Z 17 von oben 
S.484Z. 16 u. 12 v. unten 

S. 496 Z. 13 von oben 

S. 508 Z. 1 von oben ' 
S. 554 Anm. 1 Z. 8 



iillo 


statt 


cilia. 


'Iriaovg ^ 





lyaovs. 


TtfJOStoVOytCt, 


3, 


TtpOGEfu'iJOWCt,. 


106 


,, 


107. 


vo/iifia 


, ; 


vovifia. 


Kanons 


Jj 


Kannons. 


107 f. 




108 f. 


anderes 


JJ 


anders. 


wie Melito 


jj 


in Melito. 


Hippolyts 


' ,! 


Hippolytes. 


erga 


JJ 


ergo. 


v. d. Goltz 


JJ 


v. d. Golz. 


collocavit 


JJ 


callocavit. 


in Gemeinschaft 


stehen 


ubereinstimmen. 


vnooraais 


n 


vTtooraaie. 


positiones 


j> 


postiones. 


dem Einen 


j> 


den Einen. ' - 


OVV&BIOV 


' 


avv&erov. 


in Jer. 





in Jes. 


iiberwinden 


H 


iibenvenden. 


{LtlCW 


,j 


[llCt'P, 


istam 


jj 


stam. 


4) 3 





4 ) 3 ) 


nullo 


,j 


nella. 


illic 


jj 


ilKs. 


fnturi 


J5 


futuris. 



Einfuhrung: Begriff, Aufgabe, Methode und Gesehiehte der 

Dogmengesehiehte. 

1. Begriff und Axifgabe der Dogmengeschichte. 

Th. Kliefoth, Einleitung in die DG. 1839. G. Kriiger, Was heiBt und 
.zu welchem Ende studiert man Dogmengeschichte ? 1895. G. L a s s o n , Zur 
Theorie des Dogmas 1897. C. Stange. Das Dogma und seine Beurteilung in 
der neueren Dogmengesch. 1898. P. Sabatier, Eeligionsphilosophie, deutsch 
yon A. Baur 1898. P. Lob stein, Einleitnng in die ev. Dogmatik 1897, S. 25 ff. 
G. Frommel, Introduction a 1'histoire des dogmes Dole 1895. E. Seeberg, 
Die Grundwalirbeiten d. cliristl. Eeligion, 4. Ann. 1906, S. 61 ff. F. Loofs 
,PEE. IV 3 , 752 ff., wo weitere Literatur. 

1. Mit dem theologisclien Aitsdruck Dogma bezeichnet man einen 
IdrcMichen Lehrsatz oder das ganze (refuge dieser .Lehrsatze d. i. den 
kirchlichen Lehrbegriff. 3 ) Nicht alle Aufstellungen der Theologie, aber 
auch nicht alle Elemente des Yolksglatibens sind Dogmen oder werden 



1) Das Wort Dogma bezeicnnet urspriinglich eine Satzung oder bindende 
Verfiigung. Das Wort kann dabei angewandt werden auf das politiscbe, mo,- 
ralische und pbiiosophische Gebiet. In der Kircbe hat man zunacbst das Wort 
in politischem (Lnk. 2, 1. Act. 17, 7) nnd moralischem Sinn (Epb. 2, 15. Kol. 2, 14. 
Act. 16, 4. Did. 11, 3: to Soyfta iov svayysUov. Barnab. 1, 6; 10, 9) gebraucht. 
Der spatere Sinn kniipft an die pliilosophische Sprache an, bier ist Dogma der 
Lelirsatz, der Grundsatz z. B. Cicero Quaest. acad. II, 9. Marc. Aurel. Medit. II, 3; 
SO dann Ignat. Magn. 13, 1 : a7tovd^sTs jSejSaico&rjvai. ev loTs Soypaai TOV XVQ'IOV 
xal t&v anoamlcoii. Das Wort bezeicbnet dann weiter sowohl im Plural die Ge- 
samtheit der christlichen Lebren (Tatian or. ad. Graec. 42. 12. 32. 35. Origen. 
de princ. IV, 6 : tcov v.aiii, ygioiia.viapbi' acorrj^icav doypdrcov. c. Gels. Ill, 76. in 
Mt. t. XII, 23) als aucb im Singular die Gesamtanscbauung einer Person (Ps.clem. 
bom. 16, 3) oder die kircblicbe Gesanitlehre (z. B. Orig. c. Gels. 11,4 de princ. I, 
7, 1: secundum dogma nostrum i.e. secundum ecclesiae .fidem. Vincent, corn- 
monitor. 18: catholici dogmatis i. e. universalis ac vetustae fidei; 28: universale 
dogma). Vgl. Miinscber, DG. S,. 1. Voigt, Fundamentaldogmatik S. 668 f. 
Die spatere Zeit beziebt den Begriff S6y./.ia aiisscblieBlich auf die Lehre, sodafi 
die cbristlicbe Lehre -ri&iy.bv fiegos y.al Soyfidrcav dxtjifielcu in sich fafit (Gregor. 
Nyss. ep. 24. Cyrill. cat. 4, 2). 

Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 1 



2 1. Begriff und Aufgabe der Dogmengeschichte. 

zu Dogmen. Zum Begriff des Dogmas gehort nach dem heutigen 
Spracbgebraucb die formelle Anerkennung der betr. Satze durch die 
organisierte Kirclie. Eine besondere. Versohnungslebre etwa, oder die Vor- 
stellungen vom Teufel und den Engeln sind nicht Dogmen, wahrend die 
Trinitat, die- Gottbeit Christi, die Anscbauung von den Sakramenten, 
die Bestimmung des Wesens der Kircbe etc. den Oharakter des Dogmas 
an sicb tragen. Dabei kann ein Gebiet in einer Konfession als Dogma 
fixiert sein, das in einer anderen nicbt Dogma ist, wie z. B. die Verbal- 
inspiration in der romischen Kircbe Dogma ist, wahrend das Lutbertum, 
aucb in den JZeiten, da seine Theologen allgemein fur diese Hypotbese 
eintraten, kein derartiges Dogma besafi. Die kircblicbe Eormulierung 
eines Satzes als Dogma erfolgt in den verschiedenen Konfessionen, je 
nacb den Anscbaiumgen von der Kirche und ibrein Verbaltnis zur Gre- 
sellscbai't oder zum Staat, in verscbiedener Porm, 1 ) aber.diesen difEerenten 
Formen ist das Merkmal gemeinsam, dafi die Kircbe die allgemeine An- 
erkennung der betreffenden Satze fordert. Sie vergewissert sicb dieser 
AnerkennTing seitens Hirer Lebrbeamten und sie setzt sie bei ibren iibrigen 
Grliedern voraus. 

Nun ist aber die kircbenrecbtlicbe Anerkennung eines Lehrsatzes 
nur ein ilufieres Merkmal. Es gibt Satze, wie etwa die Yerwerfung des 
Pelagianismus zu Epbesus 431, die obne praktiscbe Bedeutung fiir die 
Kircbe, in dieseni Eall die griecbiscbe, gebUeben sind. TJm den Begriff 
des Dogmas inbaltlicb zu erfassen, muB daber ein weiteres Merkmal 
binzugefiigt werden. Die Dogmen sind Ausdruck des Gemeindegiaubens, 
und eben desbalb sind sie kircbenrecbtlich fixiert worden, mag aucb bei 
letzterem die Politik oft entscbeidend mitgesprocben baben (z. B. das 
Cbalcedonense). Nun baben die Tbeologen die Pormulierung der Dogmen 
ausgefiibrt, bzw. der Gegensatz der tbeologiscben Scbulen bat bei der 
Entstebung des Dogmas mitgesprocben. Trotzclem ware es verkebrt, 
das Dogma rein als Produkt der tbeologiscben Entwicklung zu definieren. 
Yielmebr stebt binter dieser Entwicldung Avie aucb ibrer Eormulierung 
als Dogma inimer der Glaube der Gemeinden und der Bedarf der 
'Prommigkeit der Kircbe. Dies kommt dadurcb zum Ausdruck, dafi alle 
Dogmen prinzipiell zuin Heil und der Erlosung in Beziebung steben. 

1) Entweder hat diese Anerkennung die Art des volkstiimlichen Eechts (so 
in- der vornicanischen Zeit, aber auch im Mittelalter und vielfach im popularen 
BewuBtsein auch der reformatorischen Kirchen), oder die Anerkennung erfolgt- 
auf Veranlassung der Kirche dnrch. die staatliche Autoritat (die griechische 
Christenheit, die lutherische Kirche), oder es flndet eine kirchliche Fixierung 
stattj die als solche rechtsgiiltig ist und von der weltlichen Obrigkeit nicht pro- 
inulgiert, sondern nur formell anerkannt wird (die katholische Kirche, aber auch 
die reformierten Kirchen). 



Das Wesen ties Dogmas. 3 

Sie tragen nie rein theoretischen Charakter, spndern sie stellen sich als 
Ausdruck der Heilswahrheit dar. 

. Dies fuhrt aber auf ein drittes Merkmal. Die Heilswahrheit ist 

nach christlicher Anschauung gottliche Offenbarung, diese Offenbarung 

hat aber ihren mafigebenden und grundlegenden Ausdruck in den Lehr- 

gedanken der christliehen "Urzeit resp. in der Heiligen Scbrift gefunden. 

Daher sind die Dogmen iminer prinzipiell Erkenntnis der Offenbarungs- 

wahrheit, desbalb gehort auch zum Beweis der Wahrheit des Dogmas, der 

Nachweis ibres schriftgemafien oder ihres apostobiscben Cbarakters. Diesen 

Nachweis baben die Urbeber der Dogmen. zu alien Zeiten zu fubren 

versucbt in dem BewuBtsein, dafi die Dogmen nur einen besonderen 

Ausdruck fur die urcbristlicbe Offenbarung darstellen. Die Dogmenr. 

gescbicbte mufi also diesen Nacbweis reproduzieren. Damit verbindet 

sich in der dogmengeschichth'chen Darstellung die Priifung der Formu- 

lierung des Dogmas daraufhin, ob sie dem vom Urcbristentum reprasen- 

.tierten reinen Typus der Erlosungsreligion entspricbt oder nicht. Diese 

Aufgabe ist eine geschichtHche, denn sie besteht in der kritischen An- 

\vendung eines geschicbtUchen Mafistabes auf die Entwicklung der Dogmen.- 

Es handelt sich also darum, dafi geschicbtlich nacbgewiesen wird, ob das 

Dogma die Tendenzen der Erlosungsreligion zum Ausdruck bringt, oder 

ob etwa fremdartige Elemente von anderen Religionsf orrnen, sei es der 

HechtsreHgion , sei es der naturbaften Religion, in das Dogma auf- 

genommen sind. Yon diesem Gesicbtspunkt aus wird etwa das Mysterien- 

Avesen oder. der Legalismus der dogmengeschichtlichen Kritik unterliegen, 

indem sich an diesen Fornien zeigt, dafi sie Elemente der niederen 

Religionsstuf en in die Erlosungsreligion hereintragen. Mehr aufierlich 

.ausgedriickt wii'd es darauf ankomxnen, ob fremdartige Momente der antiken 

Religionen die Reinheit der christlichen Grundgedanken beeintrachtigt 

haben. Nicht die ,.Hellenisierung", Eomanisierung oder Germanisierung 

an sich korrumpieren das Christentuni, diese Eormen bezeugen. an sich 

nur, dafi die christliche Religion in den betreffienden Epochen selbstandig 

durchdacht und angeeignet worden und daB sie Bestandteil dei" Kultur 

.der Yolker, geworden ist. Die Gefabr dieses Prozesses besteht nun aber . 

idarin, dafi die betreffenden Volker - oder Zeitalter das Christentum, um 

es sich verstandblcb zu machen, nicht nur f ormell ubersetzen, sondern es 

materiell zu einer anderen Religionsstufe, depotenzieren. Jenes hat, die 

Dogmengeschichte als ein Faktum zu konstatieren, das von einer kraftigen 

geschichtblchen Entwicklung unabtrennbar ist, dies hat sie dagegen kritisch 

zu beaustanden. EreiHch mufi diese Kritik aber andererseits im Aug'e 

' be^a,lten, dafi die geschichtHche Entwicklung selbst mit inrierer:No- 

wendigkeit in verschiedenen Zeitaltern das "Wesen des Christentums 

1* 



1. Begriff imd Aufgabe der Doginengeschichte. 

' in verldirzter Form und in einseitiger Auspragung zu verwirklicben 
vermoclit hat. Nicbts kann daber so verkebrt sein, als die Kritik der 
Vergangenheit, die sich an den grofien "Wendepunkten der Geschichte 
einstellt, unbesehens als historisches TJrteil auszugeben. Eine gerechte 
Beurteilung des inittelalterlichen Christentums mu6 die geschichtliche 
Notwendigkeit dieser Ersckeinung verstehen lehren und niclit blindlings 
die polemischen Urteile der Httmanisten und der Heforinatoren nach- 
sprechen. 

. Das Dogma ist also eine besondere Ausdrucksform der Erkenntnis 
der Gemeinde von der Heilswahrheit ; und zwar handelt es sich dabei 
um solcbe Erkenntnisse, die die Gemeinde als schlechthin notwendig fiir 
ihren geschichtlichen Bestand angeseben bat und darum durcb offentliche 
Fixierung zu einem dauernden Faktor dieses Bestandes gemacbt bat. 
So verstebt sicb sowobl der recbtlicbe als der kirchliche und der reli- 
giose Cbarakter des Dogmas. 1 ) 

2. Das Dogma ist ein Produkt der Gescbicbte. 2 ) Der menscb- 
licbe Geist stebt einer Welt von Objekten gegeniiber. Zwiscben ibm 
und diesen Objekten bestebt ein an sicb seiendes Yerbiiltnis, dies Ver- 
baltnis schlieBt eine grofie Anzahl von Moglicbkeiten in sicb. Das ge- 
scbicbtlicbe Leben bestebt nun darin, clafi der Geist an der Welt der 
Objekte sicb entwickelt oder aus diesen Moglicbkeiten eine Wirklicbkeit 
bildet, er verwandelt das blofi Objektive denkend und wollend, Ideen 
und Ideale bildend, in geistigen Inbalt. Die Betrachtung der Welt der 
Objekte als gegebener Moglicbkeit ergibt die naturwissenschaftliche An- 
scbauung, die TJntersucbung der vom Geist realisierten Wirklicbkeit ist 
die Geisteswissenscbaft , die je nach der Metbode ibrer Betracbtung, 
Pbilosopbie oder Gescbicbte ist. Nun kann die Gescbicbte als Wissen- 
scbaft die verschiedenen Gebiete des geistigen Lebens in relativer Son- 
derung voneinander betracbten. Ein besonderes Gebiet dieses Lebens 
ist die Religion, und eine besondere Provinz der geschichtlichen Ent- 
wicklung der Religion ist die Entwicklung der Dogmen in der oben ge- 
kennzeicbneten Abgrenzung. So gut nun in der allgemeinen Gescbicbte 
die politiscbe Gescbicbte mit der Kulturgescbicbte oder der Eecbts- 
; gescbicbte zusammenbangt, so sebr stebt aucb die Dogniengescbicbte in 

1) Zugleich ist Mer ersichtlich, daC die Bedeutung imd Geltimg des Dogmas 
in der Geschichte sich abhebt von den Meinungen der Theologen, aber auch von 
dem religiosen common sense. 

2) Die Mer in Betracht kommende Literatur ist sehr groJB; hier seien nur 
erwannt: 0. Lorenz, Die GescMchtsTvissenschaft 1886. Bernheim, Lehrbuch 
der histor. Methode u. d. Geschichtsphilosophie, 3. Ann., 1903. Ed. Meyer, 
Znr Theorie u. Methodik der Gesch. 1902. Grotenfelt, Die Wertscliatzung in 
der Geschichte 1903. 



Das Wesen der Geschichte. 5 

einem inneren Zusammenbang mit den politiscben und den kulturlicben 
Elementen der Kircbengeschichte. Die Trennung auf dieseni wie jenem 
Gebiet hat also immer nur den Sinn ein Teilganzes aus dem Gesamt- 
gebiet herauszunebmen. Dabei kann die Frage, weichem dieser Ge- 
biete der Schliissel zum Yerstandnis des Ganzen zu entnehmen 1st ; 
diese Frage kann fur-die BLirchengeschichte, in der das kulturgeschicht- 
licne Moment in der Hegel zu kurz kommt, ebenso gestellt werden, wie 
sie neuerdings fiir die Weltgeschichte aufgeworfen ist ,.. bier.auf sicb. 
beruben bleiben. Jede Gescbicbtsdarstellung betracbtet die Yergangen- 
beit von der Gegenwart aus, daher bat jede Gegenwart ibr eigenes Bild 
von der Yergangenbeit. In den Tendenzen jeder Gegenwart resp. in 
ibrer Deutung des "Weltzweckes ist der "Wertrnafistab gegeben, nach dem 
sie die Yergangenbeit beurteilt. Hieraus begreift es sicb, dafi aucb die 
Historiographie eine Gescbicbte bat, und dafi es soinit aucb eine Ge- 
scbicbte der Dogmengescbicbte gibt. Nicbt auf der Yerbesserung der 
Metbode und dem Wacbstum und der Sicherung der Materialkenntnis 
berubt zuhocbst dieser "Wecbsel, sondern anf deni Wandel der religiosen 
und der allgemeinen Weltanscbauung. Damit ist die ,,Yoraussetzung" 
erkannt, die die Scbranken der gescbichtlicbeu Erkenntnis, aber zugleicb 
ihren Sinn und "Wert bezeicbnet. 

Alle Gescbicbte ervvacbst aus dein Kontakt des denkenden und 
wollenden Geistes niit den ibm gegebenen Objekten der Anscbauting und 
Betatigung. Hierdurcb kommt in die Gescbicbte das Element der Frei- 
beit und des ,,Zufalls". Besondere Menscbengeister komrnen in Be- 
ziebung zu besonderen Ereignissen, ,,fubrende Geister" ersteben und 
,,epocbemacbende Tatsacben" treten ein, aber aucb diese wie jene bleiben 
aus. Es bandelt sicb also in der Gescbicbte nicbt um eine ..gesetz- 
mafiige", regelmafiig fortscbreitende Erfassung der Objekte, sondern es 
bandelt sicb um die Arbeit freier Geister in einer Welt wecbselnder 
Moglicbkeiten, die um so reicber sind als sie aucb das "Walten der freien 
Geisterwelt in sicb fassen. Die religiose Betracbtungsweise erweitert 
diesen Spielraum der Moglicbkeit durcb den Gedanken der gottlicben 
Weltleitung, aber sie bescbrankt ibn zugleicb bierdufcb, indem sie ibm 
als das absobit verwirkHcbende Prinzip den gottlicben Willen einfiigt. 
Allein so ernst es dem Cbristen mit diesem Gesicbtspunkt ist, so wenig 
darf er als Historiker den gottlicben "VVillen vor die Ereignisse stellen 
oder diese nacb jenem ,,konstruieren" , sondern er kann ibn bei der 
gescbicbtUcben Betracbtung erst nacb der Feststellung der Ereignisse 
und aus dieser entnebmen. . . 



1) Dieser Gegensatz veransehaulicbt zugleich den Gegensatz von Geschiclite 
und Geschichtsphilosophie. 



6 3. Begriff und Anfgabe cler Dogmengeschiclite. 

Aber dieses Moment der Beweglicbkeit und der Ziifalligkeit wirkt 
nicht selten erscbwerend auf die Betracbtung der Gescbicbte der Religion. 
Man staunt etwa bei der "Wabrnebmung, wie stark rein politiscbe, und 
aucb imlautere personlicbe Motive, die vis inertiae und stumpfes Partei- 
wesen bei der Entstebung der Dogmen wirksam gewesen sind, 'und man 
wircl durcb solcbe Beobachtungen umvillldirlicb liiit Mifitrauen gegen 
die Dogmen selbst erftillt. Man kann dem entgegenbalten, da6 Gottes 
Wirken sicb aucb der Bosen nnd der Stumpfen als "Werkzeuge bedient, 
aber dadnrcb wird das Bedenken docb nicbt ausreicbend geboben. Dazu 
bedarf es einer weiteren Erwagung. Die einzelnen Personen sowie die 
Gruppen und offiziellen Instan/en, die die Dogmen berstellten, diirfen 
nicbt isoliert angeseben werden. Sie sind vielmebr stets die ansfiibrenden 
Organe umfassender geistiger Tendenzen, . sie scbaffen die Gestalt fiir die 
dnnklen Triebe des Bedarfs der grofien Menge , sei es , dafi sie aus 
Abnungen Gedanken bilden, sei es, daB sie die Konsequenz bestimnlter 
Gedanken berausarbeiten oder aucb abstumpfen. Nicbt willkurlicbe' Er- 
findungen stellen die Konzile und ihre Leiter auf. sondern sie pragen 
das "Wort fiir die Enipfindungen und Tendenzen des Gesamtlebens ibrer 
Zeit. Aber aucb dies Gesamtleben ist keine willkiuiicbe Erscbeinung, 
sondern es ist bedingt durcb den gescbicbtHcben Inbalt oder die geistige 
"Wirklicbkeit, die es uberkommen bat. TJnd wie jedes gescbicbtlicbe 
Gesamtleben umpragend an dem gescbicbtlichen Erbe tatig ist, so wird 
seine Tatigkeit selbst von der Zukunft umgebildet. Die Febler, die in 
der Gescbichte gemacbt Averden, wurzeln tief in der Yergangenbeit, aber 
sobald sie zum klaren Ausdruck gelangen, rufen sie die Macbte wacb, 
die sie verurteilen und ersetzen. Nicbt egoistiscbe Launen und nicbt 
politiscbe Velleitaten sind die Baumeister der Dogmen. sondern das 
religiose Leben der Gemeinde. Wer das im Auge bebalt, wird jene 
einzelnen tind zufalligen Motive, die auf die Entstebung der Dogmen 
eiuwirken, nicbt iiberscbatzen gegenliber der Wucbt gescbicbtHcben Ge- 
. samtlebens, das sicb dabei auswirkt. Nicbt daB ein Mann namens Ai'ius 
so, und ein anderer namens Atbanasius anders dacbte, nicbt dafi.ein 
Kaiser namens Konstantin ein politiscbes Interesse an der Einbeit der 
Cbristenbeit besafi, bat das Nicanum bervorgebracbt, sondern all diese 
Personen mit ibrer Kraft tind ibren ttberlegungen \varen in Wirldicb- 
keit nur ^erkzeuge, durcb die sicb ein grofier ProzeS mit 'innerer 
Notwendigkeit durcbsetzte. Gewifi ware das obne diese Etibrer nicbt 
so gescbeben, wie es gescbeben ist. aber sie waren im letzten Grunde 
nicbt die Herren, sondern die Diener der gescbicbtlicben Entwicklung, 
sie baben die Tatsacben bervorgebracbt, aber als bervorragende Mittel, 
nicbt als Erzeuger. Man kann die "Wabrbeit, die im Gedanken der 



Geschichtliehe Entwicklua'g und Helelen. 7 

,,Helden" liegt, niclit leichfc iiberschatzen, aber man kann . sie auch nicht 
griindlicher mifiverstehen, als wenn man um ihretwillen die Gescbichte 
in eine Sammlung von Heroengeschichten auflost , die alle , wie das 
Marchen, beginnen mit ,,es war einmal ein Mann". Nicht die einzelnen 
Manner nnd nicht die Parteien, ja nicht einmal die einzelnen Gene.- 
rationen machen die Geschichte, sondern sie ist das geistige Leben der 
Gesamtheit, das sich in der Wechselwirkung seiner Glieder und. in der 
diese bedingenden Fortwirkung des Erwerbes der Yergangenheit in der 
Gegenwart vollzieht. Das schlieBt scharfe Wendungen und eine ge- 
steigerte Kraft der Entwicklung niclit aus, sondern bier greifen die 
,,grofien Personlichkeiten", die guten wie die bosen, entscheidend ein, 
aber iirimer so, dafi die Glieder, wenn aucb, membra praecipua an dem 
sich entfalteijdeh Gesamtleben sind. Sie rufen die ,,Epochen" in der 
Geschichte hervor, aber die Epoche selbst ist eine besondere Eorm in 
clem geistigen EntwicklungsprozeB der Gesamtheit. 

Wenu man diese Gedanken auf die Dogmengeschichte anwendet, 
so lernt man sie aufzufassen als die sich entwickelnde Erkenntnis 
der Christenheit von der Heilswahrheit. Nicht beblebige Spekulationen, 
sondern die Healitat der Religion als Offenbarung ist das Objekt dieser 
Erkenntnis und nicht der Klerus, die Theologen, die Politiker, die,Agi- 
tatoren und die Yermittler. sondern die christliche Genieinde ist ihr 
Subjekt. Und nicht die Tragheit der Geister, die ..reaktionaren Geliiste'/ 
der Politiker und die Einfliisse der Kirch enreginiente sind der Grund 
des Portbestandes der Dogmen, sondern das Leben der Kirche. Man 
kann sich das daran veranschaulichen. dafl die wirksame Esistenz der 
Dogmen in der Kirche der Gegenwart nicht etwa zuoberst auf ihrer 
kirchenrechtlichen Stellung, sondern auf den Gebeten, den Liedern. der 
Liturgie und den unmittelbaren Aufierungen der Frommigkeit .beruht. 
Darum konnen wir heute wohl etwa an eine ..moderne Theologie'-'. aber 
nicht wohl an ein ,,neues Dogma" denken. Die Dogmen sind Grund- 
erkenntnisse der Ohristenheit, darum hat sie sie. wie wir sahen, in den 
Bestand ihrer konkreten Existenz eingefiigt. und eben darum wirken sie 
for(? in ihrem enipirischen Leben, tiefer und starker als der oberflach- 
liche Beschauer annehmen mochte. Steht. aber das Dogma als solches 
in diesem inneren geschichtlichen Zusanimenhang zu dem religiosen Leben 
der Gemeinde, dann mufi die Dogmengeschichte methodisch darauf acht 
haben . das Dogma avis diesem Leben zu erldaren und seine Ein- 
wirkungen auf dies Leben zu beobachten. Hierin ist es aber auch be- 
griindet, dafi die dogmengeschichtliche Darstellung nicht ganz selten aus 
ihrem eigentlichen Eahnien heraustreten wird, indem sie auch Gegen- 
stancle aus der Geschichte der Theologie und der Erommigkeit in ihren 



8 1. Begriff mid Aufgabe der Dogmengeschichte. 

Bereicb ziebt. Eine allzustrenge Absonderung von diesen Gebieten 
"wiirde das Yerstandnis der Dogmen niclit fordern, sondern nur hemmen. 
3. Der EntAvicklungsprozefi der Dogmengescbicbte kann an dieseni 
Ort uatiirlicb niclit genauer charakterisiert werden, da dazu das gesamte 
Material ausgebreitet werden miifite. Man kann im allgemeinen sagen, 
dafi die Anschauxmgen, aus clenen die Dogmen bervorgeben. in dem , 
stillen ProzeB der religiosen Ideenentwicklung, der sich im Kontakt der 
spezifiscb religiosen Erfassung der Offenbarung mit der Bildung, der 
"Wissenscbaft nnd den Kulturzustanden vollzieht, entsteben. . Als Parallele 
kann man etwa an die Entstehung der volkstlimlichen Reclitsanschaiuing 
.denken. So ist aus der alten apostoliscnen Lehrtradition in einem iiber- 
aus komplizierten ProzeB jener kirchliche common sense entstanden, der 
die Grundlage der Dogmenarbeit der alten Kirche bildet. Indem nun 
aber Elemente dieses Gemeinglaubens eritweder zu Konsequenzen fort- 
gefiihrt werden, die bestimmte Griippen der Christenneit argern. oder 
aber aus solcben Gruppen Anschauungen nervorwacbsen, die wider den 
Gemeinglauben verstoBen, ergibt sicli der Anlafi, fiir die betreffenden 
Gedanken scliarfere, Idarere Formeln zu gewinnen, die nur mit Hilfe 
der tneologischen Arbeit gepragt werden 'konnen. Man denke etwa an 
den Gemeinglauben des ausgehenden Mittelalters und den reformatorischen 
Gegensatz, oder an die Eorni, die der alte Subordinatianismus durcb. 
Aldus erbielt, wider den danu der Gemeinglaube reagierte, tun Paradig- 
men fur die angeftinrten Satze zu gewinnen. Bei cliesen* Bewegungen 
kann der Ausgangspunkt sehr verscbieden sein, etwa eine liturgiscbe 
Formel oder ein IdrcbHcbes Institut oder die praktiscbe Anwendung 
dogrnatischer Siitze ; ebenso konkurrieren verscbiedene andere Motive, 
wie .die allgemeine Kulturstufe, die etbiscnen Tendenzen, kircbenpolitiscbe 
Ideen usw. So entstebt ein iiberaus bewegtes Bild und eine grofie Yiel- 
gestaltigkeit der Abwicldung des gescbicbtlicben Prozesses. 

Dazu kommt nun welter, daB das einmal entstandene Dogma fort- 
bestebt, und dafi es geniaB der gemeingultigen Mxierung, die seine Ent- 
stehung zum Abscbltifi bringt, auf das praktiscbe Leben breit einwirkt. 
Daraus verstebt sicb.die iiberaus grofie Stabilitat und Tenazitat. die den 
Dogmeu zu eignen pflegt. Aber dies bat nicbt eigentlicb den Sinn der 
,,Starrb.eit" des Dogmas. . Yielmebr ist die Tenazitat des Dogmas viel 
mebr in seiner Beweglicbkeit und Elastizitiit begriindet. Diese Ela'sti- 
zitat ist aber sebr wobl verstiindlicb bei Satzen, die grofie weite Gebiete 
des religiosen Lebeus umspannen und den Ertrag einer langen gescbicbt- 
licben Entwicldung zum Ausdruck bringen. Bei alien Dogmen bandelt 
es sicb eigentlicb um Grunclwabrbeiten der cbristlichen Erkenntnis, die 
(das ganze Gebiet der Religion umfassen, an solche vermag aber auf 



Motive mid Art der dogmengeschichtlichen Entwickmng. 9 

lang'e hinaus das religiose Leben und Erkennen anzukniipfen. So konnen 
die Dogmen jm Lauf dei* Entwicklung verflacht, veraufierlicht oder aucb. 
zersetzt, aber ebenso auch vertieft und ihrer Tendenz entsprechend aus- 
gebaut oder weiter erstreckt werden. Das eine kann dazu fiihren, dafi 
die Dogmen zu einer aufierlichen rein reclitlichen Geltung herabgedriickt 
werden, das aridere kann aus dem friiher geAvonnenen Dogma neue 
selbstandige Dogmen hervonvachsen lassen, oder aber ihm doch praktisch 
leitende Satze angliedern, resp. sie ans ihni herleiten. So tritt aber neben 
das stabile Dogma die wechselnde Interpretation desselben. Pitr alle 
diese Vorgiinge bietet die Gescbichte jedem Knndigen Beispiele. Die 
Tenazitat des Dogmas spricht sicb in dieser seiner Gescbicbte aus. 
Keine Kirche nat bisner ein von ibr einmal anfgestelltes Dogma auf- 
gehoben. Wo dies aber gesclieljen ist ? da Avar der Anlafi zu einer 
Sonderkirebe oder aber einer Sekte gegeben. Der Brucb mit dem 
mittelalterlichen Dogma hat die pi'otestantisciie Kirche hervorgerufen, 
oder noch. netierdings ist ans der Negation des Infallibilitatsdogmas eine 
neue Kirchengemeinschaft entstanden. 

Die Beobachtung der Geschichte Ia6t immer bestinimte Eegeln des 
Geschehens erkennen, uncl man kann gerade in ibnen Avichtige ,,Lehren 
der Gescbicbte" arierkennen. An dieser KegelmaBigkeit des Gescbebens 
ist nicbts Auffalliges, Avenn man die Avesentliche Gleicbartigkeit der 
Krafte und Stoffe, die die gescbicbtlicbe BeAvegung erzeugen, in acht 
bebalt. Allein von ,,gescbicbtlicben Gesetzen" zu reden empfieblt sicb. 
trotzdem nicbt, Aveil die RegelmaBigkeit des Gescbebens stets durcb 
die Eigentiimlicbkeit der freien Geister modifiziert ist, und gerade bierin 
der eigentlicbe Gegenstand der geschichtlicben Betracbtung bestebt. Man 
miifite also bier das Wort ,,Gesetz" in einer TJnbestimmtbeit der Be- 
cleutung verwenden, die nicht empfehlensAvert ist. Aber dem entspricat 
es, dafi diese ,,Gesetze", so bald sie scbarfer gefafit AA r erden sollen, ent- 
Aveder sich als Trivialitaten darstellen Avie dafi die Menscliennatui 1 
immer dieselbe ist, dafi der Mensch Lust sucbt und TTnlust abAvebrt etc. 
oder- aber aus spekulativen Voraussetzungen abgeleitet sind, die als 
solche nicht gescbicbtUcbe Resultate darbieten. So anregend aucb fiir 
den Geschichtsforscher die Geschichtspbilosophie ist man denke vor 
allem an Hegels grofies Werk oder aucb den 3. Band von Lotzes Mikro- 
kosmos , so Avenig darf die rein geschichtliche Aufgabe mit jener ver- 
Avechselt werden. Das Gesagte gilt auch von der Dogmengeschichte. 
Die Anregungen, die sie aus 'der Dogmatik empfangt, sind kaum zu 
iiberschatzen, trotzdem diirfen die geschichtsphilosophischen Satze, die 
etwa die Dogmatik findet, nicht einfach als Ertrag der Geschichte be- 
handelt Averden. Dies unbewufite Dogmatisieren ist ja in der neueren 



10 1. Begriff mid Aufgabe der Dogmengeschickte. 

religions- iind dogmengeschichtlichen Literatur recht beliebt, aber irn 
Interesse der wirklich geschichtlichen Erkenntnis \vird es geboten sein, 
ihre Eigenart und ihre Schranken scharf im Auge zu behalten. 

4. Dies fuhrt aber zu einer anderen Frage. Es handelt sich urn 
die Wahrheit des Dogmas. Die katholische Kirche stellt ihre Dogmen 
prinzipiell als "Wahrheit hin, sofern sie eben der Kirche entstammen. 
Das TJrteil liber die Wahrheit des Dogmas ist also fur den Katholiken 
ein analytisches TJrteil : sofern das Dogma ist, ist es wahr. Der Protestant 
fafit dies Urteil iiber das Dogma aber als synthetisches, d. h. das Dogma 
ist als wahr nur anzuerkennen, sofern es sich als wahr ausweist. Man 
konnte auch sagen: wahr ist das Dogma, sofern es von dem religiosen 
Glauben reproduziert werden kann. Indessen fiihrt dies schon auf das 
clogmatische Urteil. Rein historisch angesehen, werden wir daher auf 
den oben festgestellten Gedanken zuriickgehen miissen und sagen, die 
"Wahrheit des Dogmas erweist sich daran, dafi es sich den Gedanken 
der Erlosungsreligion einfiigt. Indessen mufi jetzt gefragt werden, 
was denn eigentlich Yon dem Dogma in Betracht kommen soil fur diese 
Beurteilung. Oder anders gesagt was ist damit gemeint, wenn 
jemand sich zu einem Dogma bekennt reap, es ablehnt? Nun kann sich 
ein derartiges TJrteil unmoglich atif die technisch theologische Form des 
Dogmas beziehen, da diese zeitgeschichtlich bedingt ist und nur den zti- 
falbigen Ausdruck, den man einem Gedanken eimnal gegeben hat, dar- 
stellt. Mit Eecht sagt man daher, dafi die Zustinunu'ng zum Dogma 
nicht die Zustimmung zu seiner theologischen Formulierung ausdrxicken 
soil. Das, Avas das Dogma ist und soil, bezieht sich auf zweierlei, ein- 
mal die Ablehnung einer bestinimten Lehre, sodann die Feststellung einer 
religiosen Tendenz, die jene Lehre ausschliefit. In diesem Sinn bekennt 
sich die Kirche noch heute zu deni Nicanum, sofern sie den Arianismus 
ablehnt und die Gottheit Ohristi als des Erlosers behauptet. Ob jemand 
die ganze komplizierte Logoslehre oder die besondere Auspragung des 
Erlosungsgedankens bei- Athanasius akzeptieren kann, kommt dabei nicht 
in Frage. Luther hat einmal gesagt, er hasse das 6f.wovotos, aber er 
halte an der ..Sache" fest. 

Verhalt es sich so. Avie wir gesehen haben, so hat die Dognien- 
geschichte ihre Aufgabe noch nicht erfiillt, wenn sie die Entstehung des 
Dogmas aus den theologischen und kirehenpolitischen Gegensatzen und 
den logischen Zusainnienhang der betreffenden Formel klarstellt, sie muB 
auch weiter den TJrsprung des Dogmas aus der Frommigkeit und seinen 
religiosen Sinn oder die eigentiimliche Atispiiigung des Erlosungsgedankens 
in dem Dogma nachweisen. Dies ist, wie gesagt, keine dogmatische, sondern 
eine rein historische Leistung. Sie ist von grofitem praktischen Wert, 



P|e Wa^irheit des Dogmas. 11 

inclem sie die Elemente ^q^^u^stellt, auf deren Erkenntnis es vor allem 
ankomint, wehn man d^s j)pgma beurteilen 'will. So wird das blofi 
arcbiiologiscbe Interesse uberwunden durcb den umfassenden gescbicbt- 
lichen Gesicbtspunkt, der dje Dogmengescbicbte als einen mafigebenden 
Faden in der kirchlicben Gesamtentwicklung erfassen lebrt. In dieser Ent- 
wicklung bandelt es sicb aber uni die Erfassung des Cbristentums als der 
Religion der Erlosung und der Vollendung, somit mufi das namlicbe 
Prinzip aucb fur die dogmengescbicbtlicbe Darstellung in Anwendung 
kommen. 

Nun stebt es aber nicbt so. dafi diese Entwicklung eine gradlinige ist, 
sodafl Dogma an Dogma sicb konsequent anscbliefit und so allmabbicb 
die ganze cbristlicbe Wabrbeit zum Ausdruck gelangt, bis sie in den 
reformatoriscben Dogmen ibren ScbluBpunkt erreicbt (Tbomasius). An 
dieser BetracbtungSAveise ist ricbtig, dafi wirklicb die Konsequenz der 
Gedanken von einem Dogma zum ancleren und von einer "Wahrbeit zur 
anderen fortdrangt. Dagegen ist aber - die freie geistige Art der Ent- 
wicklung, die zufallige Gescbebnisse in sicb faBt. iin Auge zu bebalten, 
sowie aucb, dafi jedes Dogma von einem bestimrnten Gesicbtspunkt ber 
das ganze Cbristentum als Erlosungsreligion bescbreibt, und dafi daber 
neue Dogmen nicbt nur eine blofie Erganzung der alten berstellen, sondern 
zugleicb eine modifizierte, vertiefte oder ausgebreitete, verflacbte oder 
konzentrierte Anscbatiung von dem ganzen Cbidstentum . Dadurcb ver- 
bietet sicb jene vermeintlicb organiscbe. aber eigentlicb nur aggregierende 
Anscliauung von der Dogmengeschicbte. Ebensowenig stimmt es zu der 
gescbicbtlicben "Wirklichkeit, M r enn man die Dogmengescbicbte als den 
Entwicklungsprozefi des antiken belleniscben Yerstandnisses der cbrist- 
licben "Wabrbeit, das durcb die Reformation prinzipiell aufgeboben ist, dar- 
stellt (Harnack). Einmal bat namlicb die Reformation nicbt im Prinzip das 
Dogma sondern nur seine Infallibilitat aufgeboben, da das religiose 
Glaubensprinzip der Reformation und die tbeoretiscbe Mxierung seines 
Inbalts sicb keineswegs ausscbliefien, sodann aber bestebt das alte Dogma 
aucb in den reformatoriscben Kircben fort, nicbt nur als ein rudimentarer 
Annex, sondern als ein Avirksames bistoriscbes Prinzip. Es liegt also bei 
Harnack eine Bescbrankung der Aufgabe der Dogmengescbicbte vor 
die Gescbicbte der cbristlicben Erkenntnis auf dem Boden der antiken 
Weltanschauung , die bemessen an dem Spracbgebraucb des Wortes 
Dogma wie an der gescbicbtlicben Wirksamkeit des Dogmas nicbt als 
berecbtigt anzusehen ist. 1 ) 



1) Ahnlich urteilt Loofs PBE. IV 3 , 760. 



12 2. Die Methode imd die Einteilung der Dogmengeschichte. 

Die Wahi'heit oder die TJnwahrheit eines Dogmas ist im Sinn der 
evangelischen Anschauung also nicht a priori festzustellen, auch niclit 
auf dein TJmweg, dafi man die "Wahrheit im Zusanmienhang des ge- 
schichtlichen Entwicklungsganges sich verbiirgen lafit, wobei dann das 
Mittelalter so wie so einen Strieh durch die Reclaming macht, oder dafi 
man die Berechtigung des Dogmas in der Gegeriwart durch das Prinzip 
des Protestantismus annulliert werden lafit. Yielniehr ist die "Wahrheit 
resp. TJnwahrheit der steten Priifung der religiosen und geschichtlichen 
Erkenntnis unterstellt. Nun kann dies aber nicht den Sinn habeu, als 
wenn die wechselnde Erkenntnis an sich schon das Dogma aufhobe. 
Das wiirde nur dann geschehen konnen, wenn die organisierte Kirchen- 
gemeinschaft dui'ch irgend eine niaBgebende Erldarung das alte Dogma 
aufhobe xincl es durch ein neties ersetzte, wie es die Reformation getan 
.hat. Solange dagegen die Kirche als organisierte Kechtsgemeinschaft 
an ihrem geworclenen geschichtlichen Bestand festhalt, besteht auch das 
zu diesem Bestand gehorende Dogma in ihr zu Recht. Die evangelische 
Kirche spricht sich das Eecht fortdatiernder Reformation auch in bezug 
auf das Dogma zu, aber das heifit nicht, ^dafi die Ansichteu einzelner 
Theologen, Schulen oder Parteien in ihr offentliche Geltung beanspruchen 
konnen. .Es handelt sich urn geschichtliches Recht. das zwar gemafi 
den geschichtlichen Verfassungsformen fortgebildet iind umgebildet werden 
kann, das aber nicht durch Yelleitaten einzelner Personen und Gruppen 
aufgehoben wird. Hierin ist es aber auch begrimdet, dafi die Dogmen- 
geschichte die Entstehung und den Sinn der gewordenen Dognien dar- 
legt, nicht aber die G-eschichte der Kritik oder der TJmdeutungen, die 
die Theologie an ihnen weiter vorgenommen hat, verfolgt, es sei cleun, 
dafi diese zu neuen Dogmen gefiihrt haben. 



2. Die Methode und die Einteilung der Dogmengeschichte. 

1. Das Allgemeine liber die dogmengeschichtliche Methode ist in 
dem vorigen Paragraphen angedeutet worden. Spezielle methodologische 
Erorterungen konnen erst bei der TJntersuchung der einzelnen Dognien 
auschaulich und eindriickHch angestellt werden. Die Allgemeinheit der 
Gresichtspunkte, auf die eine Einleitung angewiesen ist, lafit es nicht als 
ratsam erscheinen, eine etwas ausfiihrlichere Methodologie zu entvverfen. 
Man -wtirde dabei kaum dariiber hinauskommen, was dem in geschicht- 
licher Arbeit gelibten Leser als selbstverstandlich erschiene, dem TJnge- 
tibten aber doch nicht verstandlich wiirde. Es mag daher an einigen 
kurzen Bemerkungen genug sein. 

Als in einer historischen Disziplin soil in der DG. die historische 



Methode und Einteilung. 13 

Methode in ' strenge Anwendting kommen - 1 ) Wie es wirklicli gewesen 
und geworden, ist auf -Grand der kritisch erforschten Quellen 2 ) zu er- 
zahlen. Dieser Aufgabe geniigt man aber nicht durch Aneinanderreihung 
von Tatsaclien das ist uberhaupt niclit Geschichte , sondern indena 
man die treibenden Krafte in ihrem Entstehen und ihrer "Wirkung so- 
wie das Ineinanderwirken der verschiedenen Krafte aufzeigt. Nur so 
wird man dem. gerecht, wie es wirklich gewesen. Dabei ist vorauszu- 
setzen die allgemeine 'Kenntnis der Religionsgeschichte , der Kirchen- 
geschicbte, der GescMchte der Philo'sophie sowie die tlbxing und Ge- 
wolinung in der Mstorischen Kritik und Objektivitat. 

2. Hierdurch ist bereits ausgeschlossen die frixlier iiblicne Teilung 
der DG. in eine allgemeine und spezielle DG., sowie die Einteilung der 
letztereu nacb. den zurzeit iiblicben Loci der Dogmatik (so noch Baur, 
Hagenbach), denn es ist deutlicb, daB diese Bebandlungsweise nicnt 
Mstoriscb ist. Die einzelnen Zeitalter der Geschichte baben namlicb 
nicbt alle einzelnen Loci nacbeinander durcbgearbeitet. sondern sie baben 
ibr Interesse an einen besonderen treibenden Grundgedanken oder einen 
besonderen Gesicbtspunkt gewandt und baben von bier aus und bierin 
das Ganze des Cbristentunis verstanden, damit neue Erkenntnis scbaffend 
und die alte vertiefend oder umbildend. Darnacb bat sicb die Dar- 
stellung zu ricbten. Neben das ,,Zentraldogma" tritt nicbt eigentUcb 
das ,,Peripberiscbe" (Tbomasius), sondern die von jeneni abbangige und 
in ibm beschlossene Gesamtanscbauung vom Obristentum. 

3. Die Dogmengescbicbte scbeint einsetzen zu sollen bei dem ersten 
Dogma im strengen Sinn, d. i. dem Nicanum. Da nun aber die nica- 
niscbe wie die spatere Dogmenbildung auf dem religio'sen Verstandnis 
und der gemeinsamen Anscbauung (vgl. oben S. 6) der altkatboHschen 
Zeit ruben,. so bat die DG. zu beginnen mit dem nacbapostoliscben 
Zeitalter. Sie scbliefit mit den letzten Dogmen, die von den Kircben 
prodnziert worden sind, d. b. mit dem 2. Konzil von Nicaa (787), 
mit dem vatikaniscben Konzil (1870), mit der Konkordien- 
formel (1580) und der Synode zu Dortrecbt (1619). 3 ) Dafi diese 



1) Vor dem polemlschen, kirchenpolitisclien und dogmatischen Dilettieren 
in der DG. kann nicht genttgend g-ewarnt werden. 

2) Quellen der DG. sind aufier den Tbeziiglichen Beschliissen, Dekreten, 
Bullen, Bekenntnissen, die Akten liber die Verhandlungen, welchen jene ent- 
stammen, ferner die Schriften der positiv oder negativ, direkt oder indirekt bei 
der Entstelmng des Dogmas beteiligten Theologen; aber auch die Zengnisse fur 

.den Genieindeglauben in Predigten, Liedern, Liturgien etc., sowie die kirchen- 
rechtliche Literatur kommen in Betracht. 

. .3) So.Hauck (Schmid DG 4 ); Se.eberg (Thomas. IP), Loofs. 



14 2. Die Methode und die Einteilung der Dogniengeschichte. 

Feststellungen allesamt den Charakter von Dogmen haben, kann nicht 
gelexignet werden. "Wie es aber darnach unberechtigt ist (s. oben) das 
lutherische Bekenntnis zum. Zielpunkt zu machen (Thomasius), so ist es 
ebenso unrichtig, die DG. vor der Reformation schliefien zu lassen,' den 
Aveiteren StofE der Symbolik zuweisend, oder die DG. in eine Darstellung 
des EiOmanismus. Sociriianisnius und eine allgemeine Gharakteristik des 
Christentums Luthers auslaufen zu lassen, und zvvar letzteres auf Grund 
der Erwagung, ,,daB die vollig konservative Stellung der Reformation 
zum alten Dogma nicht dem Prinzipe angehort, sondern der 
Geschichte" (Harnack DG. m, 584). Allein diese Distinktion *) 
kommt fiir tins dem klaren Tatbestand gegeniiber nicht zur Geltung 
(vgl. oben S. 11). Der Socinianisnms gehort aber iiberhaupt nicht in 
die DGr., sondern in die Geschichte der Theologie (als Auslaufer des 
Hominalisnius). Es wird deshalb bei der obigen Betrachtung sein 
Bewenden haben. Es kann aber die DGr. auch [nicht noch weiter auf 
alle kirchlichen und theologischen Stromungen his zur Gegenwart aus- 
gedehnt Averden (z. B. Baur, Hagenbach), da diese Bewegungen eben 
noch nicht zu ,,Dogmen" gefuhrt haben, wie A\dr sahen (S. 1 f.). 2 ) 



1) Vgl. S. 585: ,,Bis zur Konkordienformel und den Dortrechter Beschliissen 
die Geschichtserzahlung ausfithrlich zu geben, dann aber abzubrechen, halte ich 
fiir einen schAvereii Fehler, Aveil durch dieses Verfahren nur das Vornrteil be- 
starkt Avird, als seien die dogmatischen Bildungen der Keformationskircheu im 
16. Jahrh. ihre klassische Ausgestaltung, AA'ahrend sie doch nur als Durchgangs- 
punkte betrachtet AA r erden diirfen." Diese Begriindung beruht auf einem dog- 
matischen, nicht einem gescMchtlichen Urteil. 

2) Diesern AbschluB der DG. liat nenerdiiigs besonders energisch G. Krttger 
widersprochen in der oben angefiihrten Schrift, vgl. auch C. Stange a. a. 0. 
Allein 1) dem praktisclien Bediirfnis nach Kenntnis der Geschichte der neueren 
Theologie entsprechen die Vorlesungen iiber diese wie auch in der Eegel die iiber 
Dogmatik. 2) Man konnte die Geschichte der neueren Theologie geAA'ifi entAveder 
als Epilog zur DG. oder auch als Prolog zur kimftigen DG. darstellen, aber in 
diesem Avie in jenem Palle Aviirde man eine ga'nz andersartige Betrachtungsweise 
befolgen als die in der DG. angeAvandte es ist. In jenem Pall Avurde man nicht 
berichten, Avie Dogmen Avurden, sondern Avas aus Dogmen wurde, in diesem Pall 
hatte man eine lurvvirkliche ungeschichtliche GroBe, das Zukunftsdogma, zum 
Ziel. Daher sclieint es doch geeignet zu sein, die DG. u. die Gesch. d. Theol. 
als gesonderte Disziplinen zu behandeln, da das organisierende Prinzip in beiden 
ein verschiedenes ist. 3) Sagt man aber, die bisherigen Behandlungen der DG. 
seien ,,katholisierend", indem sie die Kirchenlehre .als .autoritative. von der son- 
stigen theologischen Lehre schiede, so ist zu erwidern, dafi diese Autoritatsstel- 
lung der Kirchenlehre ja doch ein historisches Paktum.bis. aufi diese Stunde.ist, 
daB also der Historiker, ganz abgeseheu von seiner personlichen Stellung zum 
Dogma, diese geschichtliche Eealitat zum Gegenstand einer besonderen Darstel- 
lung niaehen darf . 4) Das gegenteilige. Yerfahren, daB alle etwa aufgetretenen 



Die Disposition. 15 

Innerhalb dieses Hahniens bewegt sicli die Dogmengeschichte. 
Parallel zur Kirchenge'schichte lassen sich dabei drei Hauptperioden 
iinterscheiden : 1) Die Herausbildung des Dogmas inderalten 
Kirche, wobei a) die Grundlage zu gewinnen ist durch eine Dar- 
stellung der theologischen und kirchlichen Lehrenfrwicklung ini nach- 
apostolischen und altkatholischen Zeitalter: b) die Entstehung der ein- 
zelnen Dogmen auf dem Boden der griechischen Christenheit (Trinitat, 
Christus, Bilder) im Zusammenhang init der Keligiositat zu zeichnen 
ist ; dabei sind die parallel laufenden abendlandisclien Lehren zu scbil- 
dern ; c) ist die Herausbildting des Dogmas auf abendlandiscliem Boden 
zu erzahlen (Augustin: Kirche, Siinde, Grnade). x ) 2) DieErbaltung, 
TJmbildung und Fortbildung des Dogmas in der mittel- 
alter lichen Kirche: a) ankniipfend an den verblafiten Augustinis^ 
mus Gregors des Gr. ist die aufierliche Konservierung des Dogmas bis 
zum 11. Jahrb.. (nebst tlberwindung der mitunterlaufenden Mifiverstand- 
nisse) sodann b) die Verarbeitung des Dogmas durch die Scholastik nebst 
den Fortbildungen (Theologie, Yersohnungslehre, Sakramente, Kirche) und 
Yerbildungen (die Zersetzung des Augustinismus, Hierarchisnius) am Dogma, 
welche in diese JZeit fallen, zu schiklern. 3) Die Fortbildung des 
Dogmas durch die Eef orniation und die entgegengesetzte 
L ehrf ixierung des Katholizismus, wobei zu handeln ist a) von 
den ref orinatorischen Gedanken bei Luther und Zwingli itnd ihrer sym- 
bolischen Fixierung, b) von deni Ausbau der ref orinatorischen Gedanken 
saint den Lehrkampfen usw., bis zur Konkordienforniel und der Dort- 
rechter Synode, c) yon der Konservierung des mittelalterlichen Dogmas 
durch die romische Kirche (Trient, jansenist. Streitigkeiten usw. Kuria- 
lismus und Episkopalismus, Vaticanum). 

Vgl. Eitschl, tiber Begriff imd Methods der alteren DG. in Jahrbb. f. 
cleutsche Theol. 1871, S. 191 ff. Seeberg, Bin Gang durch die DG. iuN. kirchl. 
Ztschr. 1890, S. 761 ff. 



Lehrmeinungen auf eine Linie riickt, wtirde das geschichtliclie Bild des wirk- 
lichen Geschehens verzerren, ahnlich wie wenn ein Kepublikaner die Eegierung 
einer Eeihe absolutistischer Konige als GescMchte eines republikanischen Eegimes 
schildern wollte. 5) Dazu kommt das praktische Interesse an einer einb.eitlicb.en 
Darstellung und gescbichtlichen Beurteilung der Lehren, die das kirchliche Ge- 
samtleben mit BewuCtsein seinem konkreten Bestand eingefiigt hat. 

1) Manehes spricht fiir Harnacks Einteilung, die Augustin zu der mittel- 
alterlichen Entwicklung zieht, denn die mittelalterliche DG. ist freilich GescMchte 
des Augustinismus. Aber einmal miiCte man dann eigentlich bis auf Tertullian 
nnd Cyprian zuriickgehen, und dann ist doch auch. Augustin als AbschluC der 
altlateinischen Lehrentwicklung zu verwerten. 



16 3. Die dogmengeschiclitliclie Literatur. 

3. Die dogmengesch.ich.tlieh.e Literatur. 

Baur, Lelirb. tl. DG. 2. Aiifl. S. 19ff. uiid Epochen der kirchl. Gesclrichts- 
schreibraig 1852. Harnack DG. I, 23 ff. Hagenbacb. DG. S. 20 ft Loofs 
PRE. IV 3 753ff. 

1. Weder die polemischen "Werke der alten Kirche (Iren. Tertull. Epi- 
phanius, Philaster. Theodoret USAV.), noch Abalards Sic et Non, oder 
Chemnitz' Examen concilii Trident, oder Job. Gerhards Confessio catho- 
lica (s. schon Luthers Schriften von den Conciliis und Kircnen scnvie die 
Streitschriften gegen Eck "Weimar. Ausg. H, die Erorterungen iiber 
das Abendmahl z. B. Eii. Ausg. 30, 108 ff, some Melanchthons Schrift 
de eccl. et de atiet. verbi div., C. H. XX1U, aucb. die Kede iiber 
LiTther und die Perioden der Kirchengescli. C. B,. .XI, 786) konnen 
als dogmengescbiclitlicne Darstellungen im strengeren Sinn bezeichnet 
Averden. Den ersten einschlagigen Versucb. machte der Jesuit Diony- 
sius Petavitis: de tbeologicis . doginatibus 4 voll. Paris 1644 ft: ; 
(s. scbon des ' Melchior Can us Werk de locis tbeologicis. Salamanca 1563). 
Neben ihm ist ebrenA T oll zu nennen der Scbotte Forbesius a Corse, 
Instructiones historico-tbeologicae. Amsterdam 1645. Aber diese Ar- 
beiten Avie aucb. die z. T. reckb ausfiibiiicben dogrnengescbicbtlicken Er- 
orterungen in den System'en der Ortbodoxie des 17. Jabrli. dienten 
wesentlicb polemischen Absichten. Die Reformation hatte das dogmen- 
geschichtliche Interesse unter diesem Gesichtspunkt entfesselt, indem sie 
zu einer Differenzierung des Urteils iiber die dogmatische Tradition an- 
leitete. Der Pietismus hat diese freiere Beurteilung dann Aveitergefuhrt, 
indem er den menschlichen Charakter des orthodoxen Dogmas und seine 
Irrtumsfahigkeit feststellte. s. bes. Grottfried Arnolds Kircben- und 
Ketzerhistorie (1699f.) und vgl. J. W. Zierolds Einleitung zur 
Kirchenhistorie 1700. Als dann die beginnende Aufklarung vollends 
die orthodoxen Yoraussetzungen von der "Wahrheit des Dogmas ab- 
streifte. Avurde erst eine unbefangene geschichtliche Betrachtung der 
Dogmen, Avie sie schon Liither in seiner Weise an einzelnen Punkten 
durchgefiihrt hatte, moglich. Die Anfange hierin machten L. v. Mos- 
heim (Dissertat. ad hist. eccl. pertinent. 2 Bde. 1731 ff., de rebus 
christ. ante Const. 1753). Ch. "W. E. "Walch (Historic der Ketzereien 
USAV. 11 Bde., 1762 ff. Gedanken von der Gresch. der Glau.bens- 
lehre 1756), sodann J. S. Semler (Einleitung z. Baumgartens Glaubens- 
lehre I, 1759 und zu desselben TJnters. theol. Streitigkeiten 1762 ff.), 
vgl. auch G. J. Planck ,,Gesch. des prot. Lehrbegriffes" 6 Tie, 1781 ff. 
Aber es mangelte an Avirklichem historischen Yerstandnis, man kam 
iiber Stoffsammlungen und auffallende Einzelheiten nicht hinaus. " Nach 



Anfange, Aufklarung. 17 

Semler sind die TJrsachen fur die stete Yeranderung der Meinungen 
,, rein subj ektiv zufalliger Art, weil es dem einen .so, dem anderen anders 
gefallt. . die Yerhaltnisse bald so, bald anders sind". ] ) Yon- diesem 
Standpunkt aus sind die ersten Darstellungen unserer Disziplin unter- 
nommeDi -\vorden: S. G. Lange, Ausfuhrliehe Geschichte der Dogmen 
oder der. Glaubenslehren d. christl.' Kirchen I, 1796. "W. Miinscher, 
Handb. d. christl. DG-. 4 Bde. 1797 ff. (die 6 ersten Jahrh.), Lohrbtich 
der christl. DG. 1. Aufl. 1811;. '3. Aufl. 1832 ff. (treffliche Quellen- 
ausziige), vgl. noch J. Ch. W. August! (Lehrbuch d. christl. DG. 1805), 
L: Bei-tholdt (1822 f.). C. &. H. Lentz (1834 f.). 

Die Dogmengeschichte der Aufklartingszeit hat zwar die gesonderte 
Behandlung unserer Disziplin begriindet und ein sehr reichhaltiges Ma- 
terial fiir sie ziisammengebracht, aber sie ist zu einer klaren und scharfen 
Pormulierung der Aufgabe nicht gekommen. Hieran war einnial der 
verschwommene Begriff des Dogmas, der Dogma und Lehrmeinungen 
nicht gehorig unterschied, schuld, dann aber auch die einseitige, ver- 
meintlich .,vernunftig" iiberlegene, Beurteilung des Dogmas und endlich die 
Unfahigkeit grofie geschichtliche Bntwicklungsreihen wahrzunehmen- und 
sie geschichtlich und nicht dogmatisch zu deuten. Eigentumlieh war der 
nicht selten auftretende Yersuch, das Dogma aus jiidischen und grie- 
chischen Spekulationen zu erklaren und dadm'ch der .einfachen mora- 
lischen Religion Jesu gegeniiber zu diski'editieren. 2 ) 

2. Der grofie Fortschritt der Geschichtswissenschaft iiberhaupt im an- 
gehenden 19. Jahrhundert ist auch der DGr. zugute gekommen. Spe- 
ziell ist dabei an die geschichtliche Denkweise YOU Herders ..Ideen" zu 
denken, sowie an Schleiermachers Gesichtspunkt. dafi das Christentum ein 
geistiges Gesamtleben ist, das die Menschheit allmahlich durclidringt. 
An den "Werken von L. F. 0. Baumgarten-'Crusius (Lehrbuch d. 
chr. DG. 1832 u. Kompend. d. chr. DG. 184046). F. K. Meier (Lehrb. 
d. DG. 1840, 2. Aufl. 1854), J. G. Y. Engelhardt (DG. 1839) ist 



1) S. aber L. Zscliarnack, Lessing u. Semler 1905, S. ISOff. 

2) Die Idee v.on der Hellenisierung des Christentuins geht bis auf Luther 
uiid Melanchthon zuriick, sie wird humanistischeu TJrsprungs sein. Gr. Ar- 
-nold uiid die Pietisten hafoen sie danii wider die Orthocloxie ausgenutzt. ... Schon 

1700 YerSffentlicbte der Beformierte Souverain sein Werk Le Platonisme 
devoile, eine iiberaus weitverzweigte erregte Polemik hat sich hieran geschlossen. 
Souverains Hauptgedanke ist, dafi .die Trinitatslehre das Produkt eines ver- 
groberten Platom'smus sei, den die Gnostiker und die Kirchenvater aitfnahmen, \im 
dadurch das Christentum zu erhohen. 1782 hat LSffler das Werk deutscb. be- 
arbeitet. Die Anschauung begegnet uns danii sehr oft in der Aufklanmgsepoehe, 
.s. z. B. Griiner , Institut. tneol. dogm.,praef. p. Xlff. Herder, Ideen zur Philos. 
d. Gesch. Buch XVII, 3. Schleier.macher, Glaubenslehre I, 22, 3. 
Seeberg, DogmeiigescMclite I. 2. Anfl. . 2 



18 3. Die dogmengeschichtliche Literatiir. 

dies lebhaftere Yerstandnis der einbeitlicben Entfaltung des cbristlicben 
Geistes wabrzunebmen. Aber der. entscbeidende TJmscbwung 1st durcb 
F. Cbr. Baurs grofie Arbeiten veranlafit worden, -die ibrerseits wieder 
auf die Anregungen der Hegelscben Gescbicbtsanscbauung zuruckgreiferi. 
Das Eigentiiinliclie dieser Anscbauung bestebt in der Aufzeigung der 
Selbstentfaltung der Ideen, die mit dnnerer tfialektiscber 'Notwendigkeit 
erfolgt. Der .ungebeure Fortscbritt dieser Anscbauung lag darin, daB 
sie das Augenmerk auf die treibenden geistigen Motiye der : Geschiclite, 
auf die Entwicklung im :groJ3en richtete, ihre Gefahr bestand darin, daB 
sie dieser Entwicklung zuliebe dem einzelnen gegeniiber leicht in em 
konstruktives^ Verfahren verfiel. Ereilich wirkte dem in der Dogmen- 
ffeschichte der Individualisnius Neanders tind Hases. sowie die Schleier- 

O ' 

machersche Tendenz das kirchliche Leben als den Ausgangs- -and. Ziel- 
punkt der Kircliengesciiiclite zti fassen, entgegen. Im iibrigen kam die 
ganze historische vStimmung der Zeit der DG. ebenso zugute wie die 
in der Aufklarungszeit angebahnte und seitber metbodiscn vervollkomni- 
nete Akribie der , Detailf orscbung. So 1st es gekommen . da8 die 
DG. im 19. Jabi'bundert allseitig einen macbtigen Aufscbwuug ge- 
nornmen bat. 

Meanders Dogmengescbicbte bat nacb seinem Tode Jacobi beraus- 
gegeben (1859). Neben Neander ist Hagenbacb (DG. 1850, 6. Auti. 
ed. Benratb 1886) zu erwabnen. In engena Anscblufi an Hegel ist 
Mar be in ekes DG. gebalten (ed. Mattbies u. Vatke 1849). "Wie etwa 
gleicbzeitig Meier bat Marbeineke die TJnterscbeidung der allgememen 
tind speziellen DG. aufgegeben, vor allem aber war bei ihm. wicbtig die 
scbarfe Erkenntnis des Cbarakters des Dogmas als ,,6ffentlicben Lebr- 
begriffs". Unter Baurs Scbriften kommen aufier der ,,Lebre yon derVer- 
sobnung" (1838) vor alleni seine groBte dogmengescbicbtHcbe Leistung ,,Die 
Lebre von der , Dreieinigkeit und Menscbwerdung" (3 Teile 1841 ffi.) in 
Betracbt, so\vie das .,Lebrbucb derDG." (1847, 3. Aufl. 1867) und die 
,,Vorlesungen i\ber die cbristl. DG." (ed. E. Baur, 3 Bde. 1865 ff.). Dei- 
Sinn fiir grofie gescbicbtlicbe JEleiben, eindringendes spekulatives Yer- 
standnis und ein bervorragendes Talent der DarstelMng baben diesen 
Werken eine lebbafte Einwirkung auf die Entwicklung unserer Disziplin 
verscbaffit. 

3. TJnabbangig von Baur, aber auf -das starkste von Hegel, daneben 
von dem Scbleiermacberscben Barcbenbegriff, angeregt, scbrieb Th. Klie- 
fot-b seine ,,Einleitung in die DG." (1839). * Die Kircbe ist das Sub- 
jekt der Dogmenbildung, diese erfolgt in der Weise einer innerlicb not>- 
wendigen allmablicben Auseinanderlegung der der Kircbe eingestifteten 
Wabrbeit,. so daB zuerst die.TJrsacbe des neuen Lebens in der Kircbe 



Die neueren Arbeiten. 19 

(Trinitat, Christologie), dann dieses -Le'ben selbst (Siinde, Gnade), dann 
die Art der Verariderung (Heilsordnung), endlich die Gemeinschaftsform 
des neuen Lebens (Kirche, letzte Dinge) zur Erkenntnis gelangen resp. 
gelangen werden. Von EKef oth, aber auch vielfach von Baur beeinflufit 
ist die DG. von G. Thoma-sius. Der Titel ,,Die christl. DG. als Ent- 
wicklungsgeseh. des -kirchl. Lehrbegriffs" (2 Bde. 1874, 1876) orientiert 
iiter die Eigenart des Werkes. Eine selten versagende Sorgfalt in der 
Durcharbeitang des Stoffes, eine grofie Kraft den iiberreichen Stbff tmter 
die mafigebenden Gesichtspunkte zu -bringen und ein feines Yerstandnis 
fiir religiose 'Probleme kennzeichnet im iibrigen das Werk. Thomasius 
hat definitiv init der Unterscheidnng von allgemeiner und spezieller DG. 
und mit der Anordnving letzterer nach den Loci der protestantischen 
Dogmatik auch Baur hat sich von beidem nicht freimachen konnen - 
gebrochen. Er hat welter den Gesichtspunkt des ,,kirchlichen Lehr- 
begriffs" kraftig zum organisierenden Prinzip der Stoffrauslese und Dar- 
stellung gemacht, allerdings den ,,kirchlichen Lehrbegriff" ausschliefilich 
auf das Luthertuni beschrankend (s. J oben S. 11). Eine 2. Aufl. des 
Werkes gaben N. B o n w e t s c h xmd H. S e e b e r g heraus, ersterer den 1 .Band 
mit sachkundiger Hingabe erganzend und f ortf iihrend, letzterer den 2. Band 
auf weiten Strecken neugestaltend, aber auch durch Hinzufiigung .der 
reformierteh und neueren katholischen DG. den Plan des ganzen Werkes 
modifizierend. Die Arbeit von Thomasius bezeichnet, wenn man von 
der besonderen kirchlichen Tendenz absieht, den : entscheidenden Eort- 
schritt in der Methode tind in der Darstellung der DG., alle neueren 
Werke sind von Thomasius mitbestimmt worden. Das gilt vor allem 
von dem kurzen .,Lehrbuch der DG.", das H. Schmid schon 1860 
herausgegeben hat. Die 4. Aufl. hat A. H a u c k bearbeitet und in eine 
vorziigliche Sammlung von Quellenstellen verwandelt. ffier ist auch 
Kahnis (die luth. Dogmatik, Bd. II: der Kirchenglaube 1864) zu er- 
wahnen. 

4. I\ Nitzsch hat in seinem ,,Grundrifi der DG.", Bd. I (1870) 
eine gelehrte und iftersichtliche Darstellung gelief ert, die auch den Stoff 
neu zu disponieren versuchte. Die letzten dogmengeschichtlichen Arbeiten 
sind vielfach angeregt dui'ch ; die historischen Eonzeptionen von A. Bits c hi. 
In der ,,Entstehung der a'ltkatholisehen Eirche" (2. Aufl. 1857) wies 
Bitschl im Gegensatz zu Baur den wesentlich heidenchristlichen Charakter 
der altkatholischen Kirche nach. Hierin folgte ihm M. v. Engelhardt 
in Das Ohristentum Justfii des Martyrers" (1878). Damit bog die Ent- 
wicklung zuriick zu dem in der Aufklarungszeit angebauten Gedanken 
einer ,,Hellenisierung" des alten Christentums. In seiner Geschichte der 
,,Lehre von der Eechtfertigung und Yersohnung" (Bd. I, 2. Aiifl. 1882, 

2* 



20 3. Die dogmengescMchtliche Literattir. 

vgl. die Gescbicbtl. Studien iiber die Lelire von Gott in den Jahrb. f. 
deutsche Theol. 1865), sowie im 1. Band der .,Geschicbte des Pietismus" 
(1880) bot Kitschl eine Eulle von Anregungen zuni Verstandnis der 
scbolastiscben und reformatorischen Lelire, sowie der Eortwirkungen jener 
in dieser dar. Im Anschlufi an die dogmengescbicbtlicben Ideen Bitschls 
ist dann A. Harnacks groBes ,.Lebrbucb der . Dogmengescbicbte " 
(3 Bde., 1886 ff. 3. Aufl. 1894 ff., s. aucb ,.Grundrifi der DG.", 1889, 
4. Aufl. 1906) verfafit. Yielseitigkeit der gescbicbtlicben Gesicbtspunkte, 
Einheit und Energie der Eragestellung, ein lebliaftes dogmatisches Interesse 
und eine fesselnde und lebendige Darstellung haben diesem "Work eine 
weitgebende Einwirkung auf die neuere dogniengescbicbtb'che Arbeit ver- 
scbafft. TJber den Grundgedanken und die Disposition des "Werkes ist 
oben (S. 11. 14) gebandelt worden. Durcb die Lebbaftigkeit der tbeologi- 
scnen Absicht erinnert das Werk nicht selten an Thoniasius. Harnack 
wie Tnomasius machen das Luthertum zum Zielpunkt der DG. Nach 
Tb. ist es das letzte Glied der von Anfang an geschmiedeten Kette, nacb 
H. ist es das erste Glied an einer neuen Kette, durcb die die alte 
auBer '"Wirkung gesetzt werden soil. Jener war der bistoriscbe Apologet 
der restaurierten lutberiscben Ortbodoxie, dieser des Lutbertmns der 
Hitscblscben Tbeologie. Im ganzen wie im einzelnen ist E. Loofs 
,,Leitfaden zuni Studium der DG." (1889, 4. Aufl. 1906 zu einem Bande 
von 1002 Seiten angewacbsen) von Harnack stark beeinfluGt, aber wie 
in vielen Einzelfragen, so stebt L. aucb in der Bestimmung der Auf- 
gabe der DG. zu Harnack im Gegensatz.. Loofs Werk ist ausgezeicbet 
durcb gleicbmafiige Soliditat und Sicberbeit der Stoffmitteilung. 

Die erste Auflage dieses Lebrbucbs (R. Seeberg, Lebrbucb d. DG. 
2 Bde.) erschien 1895.98. Mebrfacb erganzt und bereicbert ist die 
engliscbe Ausgabe : Text-book of tbe bistory of doctrines (2 Bde., Pbila- ' 
delpbia 1904); das wesentlicbe Material in knappster Zusanimenstellung 
bietet der ,,Grundrifi d. DG." (1901, 2. Aufl. 1905). Endlicb 
A. Dorner, Grundrifi d. DG., 1899. 

Von der aufierdeutscben Literatur seien- genannt: F. Bonifas, 
Histoire des dogmes de 1'eglise cbretienne, 2 Bde. 1889. Schedd, 
A bistory of cbrist. doctrine, 2 Bde., 3. ed. 1883. G. P. Eiscber, 
History of cbrist. doctrine 1896. M. Betbuiie-Baker, An introduction 
to tbe early bistory of cbrist. doctrine to tbe time of tbe council of 
Obalcedon 1903. 

5. Endlicb' mag bier eine Anzabl dogmengescbicbtlicher Monograpbien 
erwabnt werden, die entweder die Lebre von Mannern, die langere Ent- 
wicklungsreiben bestimnit baben oder die Gescbicbte einzelner Lebren 
zum Gegenstand baben. AuBer den angefiibrten Scbriften Baurs sind 



4. Das griechigch-romische Heidentum. 21 

besonders hervorzuheben : J. A, Dorner, Entwicklungsgesch. der Lehre 
v. der Person Christi 3'Teile, 2. Aufl. 1851 ff. A. Bitschl, Die Lehre 
von der Hechtf. und Versohnung, Bd. I, 2. Aufl. 1882. H. Renter, 
Augustin. Studien 1887; Gesch. der Aufklarung im MA. 2 Bde. 1875 ff. 
E. Seeberg, Die Theologie d. Duns Scotus 1900. J. Kostlin, Lntliers 
Theol. 2. Bde. 1863 ff., 2. Aufl. 1901. Th. Harnack, Lutn. Theol. 
2 Bde. 1862. 1886. G. Pli'tt, Einleitung in die Augustana 2 Bde. 
18671 P. Frank, Die Theol. der OF. 4 Teile 1858ff. A. Schweizer, 
Centraldogmen 2 Teile 1854.56. Eingehende Belebrung bieten auch viele 
Artikel der Herzogschen Healencyklopadie (3. Aufl. von Hauck) und des 
Dictionary of Christian Biography 4 Bde. 1877 ff. 

Aus der katholischen Literatur seien erwahnt : H. K 1 e e ; Lehrb. . 
derDG. 2 Bde. 1837 f. J. Schwane, DG. 3 Bde. 1862 ff. J.Bach, 
DG. des kath. MA. v. christolog. Standp., 2 Bde. 1873 ff. Hit besonderer- 
Auszeichnung verdient genannt zu werden J. Tixeront, Histoire des 
dogines (I: La theologie anteniceenne) Paris 1905. Dazu die Mono- 
graphien v. K. "Werner, Thomas v. Aq. 3 Bde. 1859, und die Scho- 
lastik des spateren MA. 4 Bde. 1881 ff. 



Historisehe Einleitung*. 

4. Das griechisch-romisclie Heidentum. 

W. Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaft I, 1883. E. Zeller, 
Die Philosophic der Griechen in ihrer geschichtl. Entwicklung, 5 Bde., 3. Aufl. 
1869ff. W. Wind elband, Gesch. d. alten Philosophic, 2. Aufl. 1894. P. Earth, 
Die Stoa, 1903. Schmekel, Die Philosophie der mittleren Stoa, 1892. Bon- 
hofer, Die Ethik Epiktets, 1894. 0. Pfleiderer, Die Vorbereitung des 
Christentums in der antiken Philosophie, 1904. E. H a t c h , Griechentum und Christen- 
tum, deutsch von Preuschen, 1892. R. E u c k e n , Die Lehensanschauungen d. grofien 
Denker, 3. Ann. 1899. E. Rohde, Psyche, 2 Bde., 2. Aufl. 1898. G. Anrich, 
Das antike Mysterienwesen, 1894. G. W o b b e r m i n , Religionsgeschichtl. Studien zur 
Frage der Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysteriemvesen, 
1896. P. Decharme, La critique des traditions religieuses chez les Grecs, 
1904. L. Friedlander, Darstellungen aus der Sittengesch. Eoms III, 6. Aufl. 
1890. Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonins, 2 Bde. 1874. 
E. Luthardt, Die antike Ethik, 1887. C. v. Orelli, Allgem. Religionsgesch., 
1899. Ch ante pie d'e la Saiissaye, Lehrbuch der Reh'gionsgesch. IP, 481 ff. 
A. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den drei ersten 
Jahrh., 2. Aufl. 1905. 

1. Paxilus schreibt: ,,Da die Zeit erfullet war, sandte Gott seinen 
Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan" (Gal. 4, 4f.). 
Die groBen Eeligionen des Altertunis hatten ihren EntwicklnngsprozeB 
durchlaufen, ihre geschichtliche Mission war erfullt, aber keine von ibnen 



22 4. Das griechisch-romisclie Heidentiun 

Avar gestorben. Seit Alexander dem Grofien batte die grofie Ver- 
scbmelzung morgenlandiscber und abendlandiscber Knltur sieb durcb- 
gesetzt. Dem entspracb der religiose Synkretismus , der in dem 
romiscben "Weltreicb berrscbte. Griecbiscbe und romiscbe Frommigkeit 
batten^ sicb vereinigt. die Gottbeiten und religiosen Tendenzen des Orients- 
Avaren mit in den synkretistiscben Prozefi bineingezogen Avorden. Die 
Beligionen der Antike bestanden nirgends unverkurzt, aber. ibre Teile 
batten sicb zu neuen Miscbungen zusammengefunden, dazu kam, daB die 
Philosopbie imnier mebr sicb der Beligion annaberte. Sie kritisierte 
das Positive in den Religionen und sie bot sicb- als Surrogat fiir die 
Heligion an. aber sie deutete die reKgiosen- Yorstellungen aucb urn und 
diente dadiircb zu ibrer Eonservierung. Die Pbilosophie Avar aufgeldart, 
aber religios. sie kritisierte die Religionen, aber sie stiitzte die Reli- 
gion. Das Cbristentum stiefi nicbt nur auf den religiosen Niedergang 
in mancben gebildeten und besitzenden Kreisen, sondern aucb auf eine 
gcAvaltige religiose Erbebung in breiten Massen des Volkes. 

Das romiscbe Weltreich bildete eine Einheit. Es gab trotz aller 
Differenzen bei den A r erscbiedenen Volkern docb eine gemeinsame reK- 
gib'se Tendenz. An den Mittelpunkten des bistoriscben Werdens vor 
allem in Rom Avar diese Tendenz eine Avirksame Macbt. Es Avas ein 
^jeitalter der Eestauration. Augustus bat die Tendenzen seiner Restau- 
rationspolitik aucb auf das religiose Leben erstreckt. Zunacbst dacbte 
man dabei an die nationalen Gottbeiten und ibre Yerebrung. Aber indem 
dadurcb der religiose Sinn gekraftigt Avurde, ricbtete er sicb auf alle 
die religiosen Formen. die man kannte und kennen lernte. Die Eestau- 
ration des Weltreicbes bat den Sjnikretisnius gela*aftigt. In den Ge- 
mittern bildete sicb eine katboliscbe Erommigkeit des Synkretismus beran. 
Es gab ebensoAiel Elemente der' Einbeit Avie des Auseinanderstrebens 
in ibr AA r ie in den kulturellen und politiscben Elementen des "Weltreicbs. 
Die Differenzen Avaren sicbtbar und die Einbeit Avar unsicbtbar, aber 
sie Avar darunx nicbt minder stark. 

Das Cbristentum sab sich bald nacb seinem Eintritt in die "Welt 
einer "Weltreligion gegentiber. Das cbristlicbe Gottesreicb erbielt die 
Aufgabe, die Erommigkeit, des beidniscben "Weltreicbes zu iiberAvinden. 
Die religiose Erneuerung des Cbristentums stieS auf die kompakte Masse 
einer religiosen Bestauration . Es Avar kein bloBer Niedergang der Beli- 
gion. Das erscbAverte die Aufgabe des Cbristentums. .aber es er- 
leicbterte sie aucb, denn die Menscbbeit begebrte nacb Beligion. Und 
Aveiter Avurde durcb die Katbolizitiit des restaurierten Heidentums der 
Kampf mit ibm vereinfacbt und vertieft Man batte es im letzten 
Grunde mit ein em Gegner zu tun und man traf ihn bei der Yer- 



Der. Synkretismus- und das 'Ghristentum. 23- 

teidiguug seiner Prinzipien. Man verstand ihn daher leichter und man 
wurde von ihni- leicliter verstanden. Man hat sofort um die Sachen 
streiten miissen, daher hat der Streit nicht alsbald versumpfen konnen. 
Es war die grofite Gefahr fiir das Christentum bei seinem Eroberungszug 
durch die Welt mit offenen Armen empfangen und dadurch sofort mit in den- 
synkretistischen Prozefi hineingezogen zu werden. Die Energie der re- 
stauvier-ten heidnischen Religion hat diese. Gefahr uberwinden helfen. Die 
Einheitlichkeit des Heidenttims hat die Einheitlichkeit des- Christentums 
gefordert. Die eine katholische Religion des Weltreiches hat niit geholfen 
zur Heratisbildung. der einen katholischen Wahrheit des Gottesreiches. 

2. Aber welches waren ' die Elemente, die das religiose Ihteresse 
der Welt damals ..da' die Zeit erfiillet war", ausmachten? 

Die Elemente, die wir im folgenden' aufzahlen, konunen vor allem 
in Betracht. Zuerst der antike Volksglaube mit all seinen Grotter- 
geschichten und kultischeii Satzungen, mit der Ehrfurcht vor ,.alten" 
Greschichten und mit der krassen iiuBerKchen Wundersucht. VetustttS 
adorqnda cst (Blacrob. Satumal.. HI, 14), ..Wundergeschichten und Le- 
genden'* aus alter und neuer Zeit fesseln das Interesse (Strabo cf-. Act. 
14, 11 if.), Offenbarungen, Wunderzeichen, Heilungen erwartetnian wieder, 
sinnlich und sichtbar soil sich das Gfottliche manifestieren; Das wurde von 
den alten Gottheiten erwartet, aber auch die fremden und neuen waren 
willkommen, wenn. sie brachten was man woUte (Osiiis, Isis. Mithras usw.). 

Die offizielle Religion der alten Welt- tragt in der Hegel einen 
politischen Charakter an sich. Die Gottheiten sind Staatsgottheiten. 
Dieser Gedanke wurde auf die Spitze getrieben durch den^Kaiserkultus. 
Die Kaiser sind Gottheiten: maiestas, numen, aetwmtas kommt ihnen 
zu , Caligula zuerst nannte sich dovni/nus- im gottlichen Sinn. Das 
romische Keich ist von Gott, daher 1st sein Leiter gottlich und ein 
Crott. Das war eine Idee, die von der Geschichte geniigend Liigen ge- 
straft Avurdej aber diese Idee war zugleich ein ki-aftiger Ausdruek fiir die 
Welthaftigkeit und Ilnwahrheit des Gottesgedankens der Antike, gerade 
sie richtete daher eine unuberwindliche Schranke zwischen der Kirche 
und dem heidnischen Staat auf. Diese Idee hat Scharen von MartjTern 
das Leben gekostet, aber sie ist zugleich eine gewaltige Schutzwehr fiir 
das Christentum geworden. a ) 



1) Der Kaiserkultus behielt freilicli fiir das romische BewuBtsem etwas Freind- 
artiges. Erst orientalisclie Spekulationen haben ihn der romischen Welt plaiisibel 
geinacht. Insbesondere begreift sich die aufsteigende Begiinstigung, die der Mi- 
tiirazismus fand, aus der Apologie, die er der Gottheit des Kaisers darbot. Die 
..Glorie" der persischen Fiirsten stammte von der Sonne oder Mithras her. Diese 
Glorie wurde mit der Idee der -nyy oder Fortuna kombiniert. Von der Sonne er- 



24 4. Das griecliisch-romische Heidentum. 

Die Religionen cler alten Welt im objektiven Sinn bestanden fort, 

aber der Charakter cler Religiositat batte sicb verandert. Religios war 

in der guten alten Zeit der, welcber die Satzungen des Staatskultus 

ehriurehtig erfiillte und clem ,,alten Gesetz" geborcbte. Aber auch in 

cler spiiteren Zeit feblte es nicht an innerer Befriedigung und Freude 

bei dem altiiberlieferten Kultus. Plutarcb z. B. sagt hiervtm : .,Er- 

gotzender ist kein Aufentbalt als der in den Heiligturnern, keine Zeit 

als die cler Gotterfeste .... Da wo die Seele die Gottheit besonders 

nahe glaubt, da am ebesten lost sie sich von Trailer, Furcbt und Gram 

und iibeiiafit sicb willig der Ureude bis zur Trunkenbeit, Scberz und 

Gelacbter . . . Opfermable sincl wonniger als Konigsmable". 

3. Zum ofnziellen Ktdtus war seit Jabrbnnderten etwas Neues ge- 
kommen. Man kann es kurz unter dem Nanien der Mysterien zusammen- 
fassen. Die Mysterien baben vielfacb dem fronmien Scbwindel gedient 
und sie baben die Angst des Aberglaubens bis auf das bocbste ge- 
steigert. Aber sie baben zugleich in den Zeitaltern der Aufklarung imd 
cler Kritik der Keligion die subjektive Religiositiit aufrecbt erhalten 
belfen. Sie baben die Religion indrviclualisiert, indem sie sicb an die 
einzeluen Seelen wandten. Die Seele selbst sollte etwas scbauen und 
erleben, an ibr sollte sich eine Tat der Gottbeit vollziehen. Das "Wtmder- 
bare sollte inneiiicb empfunden und gescbmeckt werden. Man bat 
mannigfaltige Mittel zu diesem Zweck verwandt, clunkle Gange mit 
wunclerbarem Licbt, dramatiscbe Darstellungen des Elysiums und des 
Hades, bimniliscbe Stimmen und sinnlicbe Erscbeinungen der Gotter, 
beilige Wascbungen iind beilige Speisen, asketiscbe TJbungen .und eksta- 
tiscbe Exaltationen. Der Effekt war immer ein abnlicber. Der Menscb 
selbst wurde gereinigt und vollendet, er selbst erlebte die Gemeinscbaft 
des gottlicben Lebens, er bob sicb empor zm 1 Scbauung des Gottlicben, 
ja er selbst wurde gottlicb und ein Gott, er Avar in aciernum renaius 
, avaTaats, zefoTij, enomeid). Ein lebhaftes Empfinden der Uber- 



scliien der Kaiser zu seiner Wilrde bestimmt, die Sonnengottheit selbst inkarnierte 
sich gleichsara in ilim, eine ,,Konsubstaiitialitat" von Kaiser und Mithras konnte 
so angenommen, der Kaiser . wirklich als gottlich und Gott gedacht werden 
(s. Oumont, Die Mysterien des Mithra, libersetzt von Gehrich, 1903, S. 62 ff.). 
In welchem Grade man schon friih ,kurz vor Christi Geburt alles ,,Heil" 
an den ,,Heiland" kntipfen und die Geburt des Kaisers als ,,Geburtstag des 
Gottes" mit den ,,an ihn sich kniipfenden Freudenbotschaften" (t&v St' avmv ev- 
ay/dicov) feiern konnte, zeigt eine jiingst entdeckte kleinasiatische Inschrift 
(vgl. Harnack, Eeden u. Anfsatze I, 301 ff.), sowie das haufige Vorkomraen der 
Bhrenbezeichnungen aonrjQ, sim^ysrtjs, deos, XVQIOS auf Inschriften und in der Lite- 
ratur (s. J. Wei, PEE. X 3 , 540. P.Wendland, 2coi>}<) in Ztschr. f. d. neutest. 
Wiss. 1904, 341 ff.). 



Mysterienfrommigkeit iffld Philosophie. 25 

welt, cine heilige Lust, ein Ringen tun Reinheit, eine Angst um die. 
Errettung der Seele das waren die Ergebnisse des Mysteriemvesens. 
TJnd diese Stimmung liefi die Menschen trotz aller Skepsis streben 
tmd fragen nach Erlosung und Errettung. Dafi die Religion den Men- 
schen frei macht von der Sirmlichkeit und der Welt, dafi sie der Weg 
ist zu einem ewigen Leben, das empfand man immer wieder an den 
heiligen Weihen und Riten der Mysterien. 

4. Mit dieser Stimniung verband sich fur die hoher gebildeten 
Kreise der EinfluB der Philosophie. Die antike Philosophic tragt in 
ihren niaBgebenden Vertretern den Charakter religioser Metaphysik und 
im Zusanimenhang darn.it religios fundierter Ethik an sich. So loste sie 
einerseits die positive Religion auf und bot sich andererseits als Ersatz 
fur sie an. Sok rates trug die Philosophie vom Himmel auf die Erde 
herab. Die naturphilosophischen Spekulationen der alteren Philosophie 
liefi er fallen ; darauf lenkte er die Aufnierksamkeit was unserem Denken 
erreichbar und unserem Zustand niitzlich ist. Seine GroBtat ist die 
Entdeckung einer rein geistigen "Welt. ,,Zwei Welten sind zu unter- 
scheiden, eine Welt dessen, was ist und nie wird,. die andere dessen, 
was wird und nie ist, die eine Objekt der Vernunfterkenntnis (vorjaig), 
die andere Gegenstand der Sinneserkenntnis (ato^ijfftg)" (Windelband). 
Tim Begriffe, zuinal ethische, handelte _es sich bei ihmi Plato sah 
diese irdische Welt flir das Abbild einer jenseitigen Welt der Ideen an. 
Gott, ,,der Schopfer und Yater des Alls" hat nach seiner TCQOVOICC diese 
Welt gestaltet. Was in ungeordneter Bewegung durcheinander drangte, 
hat er zu einem. geordneten Weltsystem gestaltet. Sich selbst wollte er 
die Welt ahnlich machen, daher erhielt sie die Yernunft, so wurde sie zu 
einem Gott, dem einziggeborenen ([Aovoyevijg) Abbild Gottes. Mannigfach 
sind die Geschopfe, obenan stehen die Gestirne, die lebendige Wesen, un- 
sterbliche Gotter sind. Sie dienten zu Mittlern, als Gott die Menschenseelen 
bildete und sie den Sternen zuteilte, die ihnen korperliche Elemente gaben, 
durch die sie zur Erde herabgezogen wurden. So kam die praexistente 
Seele, ihre rein geistige Art vergessend, aus der oberen Welt in diese irdische 
sinnliche Welt . hinab, aber eine dunkle Erinnerung an jene Lichtwelt 
blieb ihr. Ihre Aufgabe ist sich von dem Irdischen zu befreien. Das 
geschieht durch die Anschatiung der Welt der Ideen und durch die 
Reinigung und Befreiung von der Macht der Sinnlichkeit. Durch diese 
auf das Gottliche und TJnsterbliche gerichteten Gedanken wird die 
philosophische Seele unsterblich, .,dem Gotte ahnlich", sie erhebt sich 
bis zur Ekstase. ! ) Der Tod ist der Erloser, aber die Seele bedarf auch 

1) o^oiovad'ai Q'sia (Rep. X p. 613) ; VM&" Saov S' at /.lEiaay^sl 
y.-vais ud'avaaias evSe'/^tai,, toviov fufi u.v jiieoos dxohTceti/- UTS Si- del 



26 4. Das griechisch-romische Heidentum. 

nacb der Befreiung vom Leibe der Reinigung, der Bufie und der Strafe 
in einem Zwischenreich , 1 )- urn reif zu. werden fiir das ewige selige; 
Leben. Platos System ist das Hobelied des Geistes : zum erstenmal 
Ayird die Wirklicbkeit der geistigen Welt allseitig festgestellt, alles gebt 
auf das Walten des Geistes zuriick, aucb der Menscbengeist ist gottlicb, 
sicb seiner Geistigkeit bewufit zu werden durcb Anschauen der ewigen 
Welt der Ideen und durcb tJberwindung der sinnlicben Reize ist Selig- 
keit. Dazu koinmt die Gewiflbeit der Unsterblicbkeit : ,,wenn aber das 
Sicbselbstbewegende nicbts anderes ist als die Seele, .so muB die Seele 
notAvendig sowobl ungeworden als aucb unsterblicb sein". Das ist die 
Stimmung dieser Bbilosopbie, sie verblindet sicb mit der Tendenz der 
Mysterien. Es ist EeUgion in der Form der Pbilosopbie. Ein wunder- 
barer Zauber liegt iiber diesen Gedanken kein Zeitalter kann sicb 
diesem frommen Idealismus entzieben , in der ,,Fiille der Zeiten" wirkte 
er wieder kraftig. 

Aris to teles bat der platoniscben Ideenlebre vorgeworfen, daB 
sie nur die Welt verdopple. nicbt aber die Ursacben dieser Welt auf- 
zeige. das Be^vegende feble ibr (Metapb; I. 9. Ill, 2. XHI). Aber 
aucb nacb ibm ist das Allgemeine, das im Begriff erkannt AA r ird, das- 
Wirklicbe. aber es bestebt nicbt fiir sicb, sondern in den einzelnen 
Dingen (VII. 16). Fiir seine Anscbauung ist niafigebend die Unter- 
scheidung von Stoff (^'^) und Form (eidog) oder von Moglicbkeit (dvvaf.itg) 
und Wirklicbkeit (evegysid). Die Form oder die-Energie bildet aus 
der Materie als dem Botenziellen das Avirklicbe Sein, Avle der Baumeister 
aus Stein und Holz das Haus macbt, Avie die Seele den Leib belebt 
und Avirksam Averden laBt (z. B. YI. 1. VII, 8. XII, 2). So Avird die 
Welt in BeAvegung gesetzt: Avirksanie Krafte stellen aus gegebenen 
Moglicbkeiten Wirklicbes ber. Avobei aber alles Wirklicbe wiederum zur 
Moglicbkeit fiir bobere Avirksame Krafte AA'ird. DenigemaB Avird schlieB- 
licb eine erste Form und eine erste Materie angenommen (rtQ&TOV eldog, 
ftQwrrj vfai). Diese absolut reine Form ist der gottliche Geist oder der 
erste BeAA^eger (JTQLOTOV xtvovv), der selbst unbeAvegt ist, aber zugleicb 
absolute reine AktiAritat ist. Das ist der Gott des Aristoteles, die erste 
TJrsacbe und daber aucb der letzte ZAA'eck der Welt, scblecbtbin geistig 
und immateriell, absolut aktives Denken. Das ,,scbauende Denken", 
.,das angenebmste und beste". macbt sein ,,eAviges Leben" aus. Er be- 



ro Qtlov . . . Staff syovicos etSaifiova eivat (Tim. p. 90) ; e$iav&{ievos rmv 
anovSaaiidTcov xal Ttftbs tm foiii) yr/vofievos, svftovatd&ov W.ifie rovs Tiol/.ovs 
(Phaeclr. p. 249 D). 

1) s. Bohde, Psyche IP, 274ft 



Plato ,und, Aristoteles. 2.7 

wegt aber den ersten ewigen Hinimel d. h. den Fixsternhimmel die 
Gestirne selbst sind geistige Wesen , und zwar so: ,,das Begehrte 
und Gewufite bewegt olme bewegt zu werden" . Mit anderen "Worten : 
das hochste geistige Leben als oberstes Gut setzt den. Hinimel in Be- 
wegnng, wie etwas Geliebtes uns in Bewegung setzt (Metaph. XII, 7). 
Aber an sich bleibt Gott der Welt absolut fern, er bewegt. . ohne daB 
die Bewegung eine Aktion an der "Welt bedeutete. Die Liebe zu Gott 
als der absoluten Vollkommenheit setzt die Welt in Bewegung, nicht 
aber die Liebe Gottes zur "Welt. Tiber kahle Abstraktionen fuhrt dieser 
Monotheismus nicht hinaus. - Sieht man von der ersten Form und der 
ersten Materie ab, so befinden sich Form und Materie in stetem. Flufi 
und TJbergang. ineinander. So ist fur die aristotelische Naturbetrachtung 
die Welt ein unendlicher EntwicklungsprozeJB, , in dem aus deni Urgrund 
der Moglichkeit durch die wirksamen Forrnen immer neue und hohere 
Gestalten hervorgehen. Das Formierte selbst wird zur Materie fiii 1 die 
hoheren Formen. Das hochste Gut in der aristotelischen Ethik ist 
die Gliickseligkeit (evdaiftovice). Durch die praktische Tatigkeit der 
Vernunft wird sie erreicht. Die Wiederholung fiihrt zum Habitus 
(|tg) der Tugend. Die Tugend liegt aber im Einhalten der richtigen 
Mitte (TO J.ISGOV). Aber das hochste Ziel erreicht der Mensch in dem 
gottlichen Leben der -9-iOQicc (Eth. Nicom. X, 8 fin.). Die Vernunft 
allein entscheidet iiber das Handeln; sie ist frei zu wahlen und zu be- 
schliefien, dem folgt der Wille. Das Handeln ist frei, sofern es iiber- 
legt iind beschlossen ist von der Vernunft (z. B. ib. HI. 5 fin. 7 init.). 
Auch hier tritt der hellenische Intellektualismus deutlich hervor. Das 
. Erkennen. die Anschauung ist alles, ihm folgt der Wille von selbst. 
Die Willensfreiheit ist mit der Vernunft gegeben. 

Die tiefsten Tendenzen der antiken Philosophic treten uns bei Plato 
und Aristoteles entgegen. Die Welt ist ein grofies Drama, in dem ewige 
Gedanken zur Entfaltung kommen. Sie zu schauen und durch diese 
STtOftreia selig zu werden oder doch den Anfang der Seligkeit zu er- 
leben : das ist des Lebens hochstes Ziel. Mag dann im einzelnen eine 
mehr religios-asthetische Stellung zum^taglichen Leben gefordert werden 
(Plato), oder eine niichternere Betonung der Lebensaufgaben (Sokrates, 
Aristoteles) Platz greifen : imnier ist dies wirkliche Leben nur etwas zu 
tJberwindendes , das Verstandnis seiner positiven Bedeutung fur des 
Menschen Ziel' fehlt. 

Aber direkt waren fur die Zeit, von der wir reden, von grofierer 
Bedeutung als diese grofiten Denker der alten Welt die beiden Schulen 
der Skeptiker und der Stoiker. Beide hatten gerade auf romischem 
Boclen Einflufi auf das praktische Empfinden gewonnen. Die Skepsis. 



28 4. Das griechisch-roniisclie Heidentum. 

die deii leicht verstandlichen und alien ,,Systemen ;! gegeniiber unsc.hwer 
und pikant durchzufiihrenden Gesichtspunkt der TJngewifiheit und TF.n- 
sicherheit vertrat, war nicht minder in das allgemeine Bewufitsein. ein- 
gedrungen, als die herbe Resignation uud die tugendstolze Reklame der 
Stoiker. Man kann sich das an Oiceros philosophischen Schriften au- 
schaulich machen. Nicht urn sichere theoretische Erkenntnis. sonclem 
um praktische "Wahrscheinlichkeit xmd Ntitzlichkeit handelt es sicli ihm. 
Das gilt von der Moral wie von der Religion. Die alten Sitten wie die 
iiberkoramene b'ffentliche Religion erscheineu als niitzlich fiir den Staat, 
sie sind daker aufrecht zu erhalten, privatim fincle sich jeder mit ihuen ab, 
so gut er kann (vgl. de div. H. 72). Die Philosophic selbst soil das Leben 
bessern, die Siinden und Eehler iiberwinden, der Tugend nachstreben 
lehren, sie dient dem Wohl des Staates. 1 ) Gerade die Skepsis eines 
Carneades mit ihrem realistischen Empirismus war wii'ksam zur Er- 
weichung des stoischen Systems, sofern es dogmatischen Charakter an 
sich trug, aber andrerseits diente sie auch zur Konzentrierung der Stba 
auf die praktische Lebensansicht und bereitete mit der Mystik und den 
Offenbarungen der Neuplatoniker die Wege. Aber schon in unserer Zeit 
wirkte Plato wieder ein. Die mittlere Stoa s. bes. Posidonius 
operierte wieder mit einem ethischen Dualisrnus und einem Jeuseits- 
glauben, die auf Plato zuriickgehen. . Ein Mann wie Cicero trug mit 
seinem lebhaften Unsterblichkeitsglauben er war vielleicht das einzige 
personlich religiose Element in ihm doch auch ein Stuck Platouismus 
in sich. 

Die S t o a als theoretischeWeltanschauung weist zwei Merkniale auf, deii 
Materialismus und den Pantheismus. Alles Seiende ist irgendwie materiell. 
Das gilt auch von der Seele und von der Grottheit. Die Grottheit ist 
das TJrwesen, aus dem. alles Seiende hervorgeht. Dies Urweseu ist aber 
TCVVfJ.a, d. h. eine feine, feui'ige, atherartige Mate'rie. Es ist ganz Leben, 
Vernunft und Tatigkeit. Yermoge dieser Beweglichkeit verwandelt der 
Urgeist sich teilweise, wodtirch die "Welt entsteht. In ihr sind Elemente 
vorhanden, die dem TJrwesen gemafi Geist sind, wahrend andere Materie 
sind. Jene sind wirksam, ,diese dagegen leidend. Indem die wirkenden 



1) Z. B. Cic. de nat. deor. I, 3, 7 : omnia philosopliiac praecepta refenmtur 
ad vitam. Tusc. V, 2, 5: vitionim peccatorumque nostrorum omnis a philo- 
sophia petenda correctio est. Ibid. Ill, 3, 6 : animi medicina. De offic. I, 4, 7 : 
hanc enim perfectam philosophiam semper iudicavi, qiiae de maximis quaesti- 
onibus copiose posset ornateque dicere. De div. II, 2, 7 : pliilosopliiam nobis 
pro rei publicae procurationc substitutam putabamus. Das ist die Auffassimg 
der Philosophic, die auch die christlichen Apologeten leitet, weun sie die christ- 
liche Lehre als die hb'chste ,,Philosopliie" anpreisen. 



Cicero, Der Stoizismus. 29 

Geistkrafte die Materie durcbdringen, entsteben die vier Elemente. 1st 
nun alles Seiende nur eine Yerwandlung des TJrgeistes, so Avird der so oft 
betonte Gedanke begreiflich, daft die gottlicbe Vernunft oder der Logos 
die "Welt durcbdringe, dafi die Yorsebung sie durchwalte. 1 ) Ebenso aber 
ist einleu.cb.tend, dafi auf diesem Standpunkt ein absoluter Determinismus 
unvermeidlich ist. Der Kausalzusammennang der "Welt ist von der Gott- 
lieit als ein ewiger gesetzt. Die sl^aQ(.isvr] oder die Notwendigkeit 
herrscht daber in allem. 2 ) Die menscblicbe Seele ist nun auch atbe- 
riscbes Pneuma wie die Gottbeit und' daber desselben "Wesens wie diese; 3 ) 
die Seele ist geistig, denkend, imaufloslicb und daber unverganglicb. Ebenso 
kommt der Seele aber als einem Teil der Gottbeit die Ereibeit zu. Dies 
bat den Sinn, dafi sie mit innerer JZustimmung der gottlicben Bewegung 
in sicb nacbgibt. Die Seele lebt fort nacb dem Tode, und zwar in dem 
reinen Luftraum unter dem Monde, als beiliger Damon. Die TJnterwelt 
mit ibren Scbrecken wird ebenso verworfen, \vie die Gotterlebre der 
Yolksreligionen kritiscb bebandelt wird. 

Und in der Tat muB man sagen, dafi die Konsequenz- des Systems 
alle diese Yorstellungen ausscblofi. Nicbt minder allerdings diirfte aucb 
die Unsterblicbkeit der Einzelseele im System nicbt baltbar sein. In 
ilirer Annabrae ebenso wie ini etbiscben Dualismtis, der seit Posidonius 
immer deutlicber bervortritt, wird man platoniscbe Einwirkungen zu er- 
blicken baben. 4 ) Das System als ganzes ist ein konsequenter Pantbeismus. 
in dem, im Gegensatz zu Plato und aucb Aristoteles, das Geistige als der 
Materie immenant betrachtet wird. Demgemafi ist aucb die etbiscbe 
Aufgabe als ein naturgemafies Leben (oftohoyovfisvwg rfj cpvoei ~Ci]v) be- 
stimmt. Indem aber in dies Gedankengefiige die scbarfere Trennung 
des Geistigen und des Sinnlicben bineinkam, mufite das Gottlicbe immer 
mebr verselbstandigt werden und demgemaB jenes naturgemafie Leben 
mit den Ziigen der Entbaltung vom Sinnlicben ausgestattet werden. Die 
Lehre wurde dadurcb immer mebr praktiscb und religios. 

5. So tritt sie uns bei zwei einflufireicben Pbilosopben der alteren 
Kaiserzeit entgegen, bei E p i k t e t und Seneca. Bei beiden ist das 
BewuBtsein von dem Walten der Gottbeit ebenso stark als die TJber- 



1) Tbv e y.oafiov or/.elod'cu Kara vovv nal Ttgovoiav (Chrysipp). Els chiav 
afttov fisoos difaovTos tov vov y.ad'dns^ eyf fjficov ifjs -ijiv/ffS (Posidon.), g. Diogen. 
Laei-t. de vitis phil. VII, 1, 138. 

2) "Eati de Bif.ia()fiVi] al-rla i&v bvrtov eljiOfisvij fj ).6yos, naff 1 '6v 6 y.6ofios 

i, Diog. Laert. VII, 1, 149. 

3) Ui'evf.ia ev&e^ftov elvai ii]V ywfftv, TOVTCO yao elvat rj/.ias tfimoovs xal 
TOVTOV MvsTa9~ai, Diog. L. VII, 1, 157. 

4) Vgl. Schmekel, Die Philos. d. mittleren Stoa, S. 4001, 449. 



30 4. Pas griechiscli-romische Heidentum. 

zeugung von dem "Wert des inneren Lebens der Seele. Gott ist der 
Yerwalter des Weltalls, der in allem wobnt und alles bewegt. Er ist 
der Hauslierr in der grofien Stadt der "Welt, seine Vorsehung waltet 
itber .der Entstehting wie iiber der Entwicklung der Welt, denn er ist 
ein .,guter Konig und wabrer Vater", ,,kein Menscb 'ist verwaist", ',,'alle 
haben immer und fortwabrend den Yater, der fur sie sorgt" (Epiktet, 
Dissert. I, 6, 40 ; 9, 7. IH, 22, 4 ; 24, 15). *) Zeus ist dieser Gott, 
oder aucb das Scbicksal. Was die Seele fur unseren Leib ist, ist Gott 
fur die Materie (Seneca ep. 65, 24). Geistiges Denken der Weltordnug 
ist Gottes Wesen. und Werk (Epiktet, Dissert. IE, 8 in. HI, 13, 7), aber 
es wird auf den Gottesbegriffl als solcben nicbt sonderliches Gewicbt 
gelegt. Die Hauptsacbe ist die TJberzeugung von der Vorsebung, die 
die Welt inv ganzen und das Leben des einzelnen Wesens in ihr leitet, 
man nenne die Gottbeit nun Scbicksal, Yorsebung, Natur, Welt darauf 
kommt es nicht an. Ipse enim est tolum quod vides, totus suis partibus 
inditus et se sustinens vi sua ; est enim ex quo nata sunt omnia, cuius spirilu 
vivimus (Sen. natur. quaest. IE, 45). So sebr die Worte dieser Pbilo- 
sophen gelegentlicb nacb der Annabme eines personHcben Gottes klingen, 
so deutlicb ist andrerseits , da6 die Gottbeit in naturalistiscb pan- 
theistiscber Weise an die Welt gebunden bleibt. Aber in bober Be- 
geisterung erbebt sicb die Seele zu diesem Gott. Ibn in allem zu preisen 
ist die scbonste Aufgabe des Menscben. ,,Ware icb eine Nacbtigall, so 
tate icb das. was die Nacbtigall tut; wenn ein Scbwan, das was der 
Scbwan. Ntin aber bin icb vernunftbegabt, so mufi icb Gott lobsingen-; 
das ist inein Werk, und icb verricbte es und werde diese Stelle nicbt 
verlassen, so lang sie mir gegeben ist. Und aucb euch werde icb zu 
:demselben Gesang auffordern" (Epikt. Dissert. I, 16 fin). 

Der Yorsebung stebt der freie Menscb gegeniiber. Alles Aufiere 
ist notwendig, aber im Inneren des Menscben ist Freibeit. Zeus gab 
sie, aber aucb er selbst bat iiber sie nicbt Gewalt. Nicbt die iiufieren 
Giiter sind daber zu erstreben und nicbt die aufieren Hemmungen zu 
furcbten, die Yernunft und der freie Wille des Menscben allein sind 
wertvoll (Epikt. I, 1, 12; II, 23; I, 6, 40; H, 2, 3). ,,Nicbt die Dinge 
erregen die Menscben, sondern die Yprstellungen von den Dingen" (Epikt. 
Encbir. 10). Der freie Geist in uns ist gottlicb und ein Teil Gottes, 
er macbt uns zu Sobnen und Yerwandten der Gotter, der Leib dagegen 
ist etwas Tieriscbes, das den gottlicben Geist nur fesselt (Epikt. Diss. 
I, 3, 9. 14; H, 8, 11 f. ; IY, 1, 56). Ein Gott, der gastweise irn Korper 



1) art otiSeig eon livd'qcaTtos oytfavos d/3.a Ttdwccov del v.al Styrextos o TTT;/(> 
EOTIV o 



Epiktet und Seneka. . 31 

weilt, 1st der Greist (Sen. ep. 31, 9). Sacer intra nos spirilus sedet. 
Quemadmodum radii soils contingunt quidcm terram, sed ibi sunt unde 
miiiuniur, sic animus magnm et sacer et in hoe demissus, ut propius divina 
nossemus, conservattir quidem nobiscum, sed haeret origini suae (Sen. ep. 
41, 1. 5). Wie ein ,,bepaektes Eselcben" 1st dieser Leib (Epikt. IY, 
1, 79), eine blofie Last. 1st er, und der Tag, der tins von ibm befreit, 
1st der Gfeburtstag der Ewigkeit (Sen. ep. 102, 22ft). So ist der Greist 
das Grute, die Sinnlicbkeit der iFeind, und der Tod der letzte Erloser. 
Aus der gekennzeicbneten Grrundanscbauung ergibt sicb die prak- 
tiscbe Beurteilung des Lebens. Die Allgemeinbeit der Siinde wird an- 
erkannt und die Siinde wird zugleicb in das Innere das Menschen ver- 
legt. Alle Menscben sind von Anfang an bose, der bose Greist regt 
sicb. friiber in ibnen als der gute. 1 ) In ibrem. Inneren, dem verniinftigen 
Willen (nQOaiQSOis) sind die Menscben bose oder gut. In der Unwisseu- 
beit und Unvernunft Hegt die "Wurzel des Bosen. Sie ist es, die den 
Menscben dazu bringt der Sinnlicbkeit- nacbzugeben und aufiere Griiter 
und Mste. zu sucben (Epikt. Diss. I, 28 init. ; 29, 47; II, 10, 25; 
in, 8, '3 f. ; 9, 2 ; IV, 10, 8). Der Anfang des Guten ist die Erkenntuis 
der Scbwacbe (ib. DZ, 11 in. Sen. ep. 50, 4). Wer das Grute erfcennen 
lernt, der liebt es aucb (Epikt. Diss. II, 22, 3). Er wird gut, indem 
er verniinftig wird, der Yernunft geborcbt iind vernunftgemafi begebrt 
(III, 12, 13; 13, 21). Um nicbts Aufierlicbes bandelt es sicb bei dieser 
Bekebrung, sondern tun eine "Wandlung der Gesinnung und der Lebens- 
anscbauung. Die verniinftige Betracbtung aber f iibrt zur Bericbtigung 
der Yorstellungen und damit zur Eeinigung des Willens und zur Yer- 
werfung der unverniinftigen, weil unbestandigen Begierde (II, 8 fin. ; 
11 fin. ; 23, 40). Indem dies aber gescbiebt, wird die Yernunft, sofern 
sie die tauscbenden Yorstellungen der Sinnenwelt abstreift, f abig den 
W'illen der Natur zu versteben (I, 17, 20), und naturgeinafi oder ver- 
niinftig zu leben (HE, 1, 25). Dazu ist der Menscb aber befabigt durcb 
die angeborenen Begriffe (^ijoi)TOg evvoicc) seiner Natur, die ibn ,,das 
^Glesetz der Natur und Grottes" 2 ) versteben lebren (IE, 11, 3; I, 29, 19). 
Eo maiore animo ad emendationem nostri debemiis accedere, quod semel 
nobis traditi boni perpdua :possessio est .... Virtus secundum naturam 
est, vitia inimica et infesta sunt (Sen. ep. 50, 8). .,Das Werk des Edlen 



1) Senec. ep. 50, 4: Quid nos decipimus? Non est extrinsecus malum 
nostrum, intra nos est, in visceribus ipsis sedet. Et ideo difficulter ad sani- 
tatem pervenimus, quia nos aegrotare nescirms. Ib. 8: Ad neminem ante 
bona mens venit quain mala: omnes praeoecupati sumus. Virtutes discere est 
vitia dediscere. 

2) voftos fijs (pvascos "/MI tov dsov. 



32 4. Das griechiscli-romisclie Heidentum. 

und Gruten ist der naturgemaBe Gebrauch der Vorstellungen" (Epikt. 
Diss. TIT, 3 in.). So komnvt der Mensch dazu zu wollen was Gott will 
(ib. II, 17. 22), *) hat er doch ..den Wahrsager inwendig, der mir das 
Wesen des Guten und Boseu gesagt hat" (II, 7 in.). 2 ) "Wer die Hermes- 
rute der Vernunft braucht, dera verwandelt sich alles auch Leid und 
Schaden des Lebens in Gold (HE, 20. 12). Am Inneren hangt alles: 
.,Yon innen her ist Verderben wie Errettung" (IV, 9, 16). s ) 
Die freie TJnterwerfung des "Willens unter den gqttlichen "Willen ist das 
Ziel (HI, 5, 7 ft). 

Das sind die praktischen Hauptgedanken. Diese Philosophie will 
den Menschen erlosen. darin liegt ihre Kraft. Sie ist nicht blind 
gegen die Siinde. und es ist ihr Ernst mit der Bekehrung des Sunders. 
Aber die Siinde ist Unvernunft und IJbermacht der Sinnlichkeit, in diesera 
Sinn Knechtschaft. Wer tiefer grabt, erlost sich. Er braucht nur die 
Krafte seiner Vernunft anzuwenden, und die Tauschungen der Sinnlich- 
keit fallen ab. Die Stirnnie Gottes in seinem Geist lafit sich horen, ist 
doch der Geist gottlich und nur beengt durch die Sinnlichkeit. Und 
diese Stimme es ist das natiirliche oder gottliche Gesetz der Ver- 
nunft lehrt den Menschen natui'- oder gottgeniafi urteilen und leben. 
So \vird der Geist frei und bewegt sich fortan nur in der Sphare seiner 
Freiheit. Fiir die griechische Denkweise gab es kein Freiheitsproblem 
in unserem Sinne. Ist die Vernunft erst vernunftig geworden, so folgt 
ihr der Wille von selbst, und die Vernunft ist vernunftig, denn sie ist 
gottlich und die Wahrheit ist ihr daher angeboren. Die Aufklarung 
lafit diese Wahi'heit hervortreten und der .Wille gehorcht ihr dann. 
C H d^T?) Eftia^ijfirj EOfLv. dieser sokratische Satz gilt auch hier. 

Aus dieser Denkweise folgt die Geringschatzung des aufieren Daseins. 
Man wiegt sich ein in einen nierkwiirdigen Pessimismus der Betrachtung 
des auGeren Lebens und in eine triibe Resignation: ave%ov, &ne%ov. 
Die Verkommenheit vieler unter den Machtigen .der Welt bestarkte in 
dieser Stimmting. Aber man entzog sich doch nicht der Einsicht in 
bestimmte Konsequenzen des pantheistischen Weltbildes. Eine.groBe 
Stadt, in der Gottes Vorsehung waltet, ein zusammenhangender Organismus 
ist diese Welt, jeder einzelne ist ein Teil dieses Leibes, das Ganze be- 
dingt seine besondere Lage und Aufgabe (Epikt. Diss. 331, 24, 10; IE, 



1) &7t),cas /.iqSsv cilia 9i-).e ij & 6 &EOS -de^ei- y.al ris as y.cofoffet ; tig as 
dvayzdaei; oil f.in.l'l,ov TJ top ziia. ' 

2} oi/x %'/co TOP fidwnv %aio tbv .etyijxora fioi ti]v ovaiav rov dya&ov y.al lov 



3) "EacoS'ev yap earn, y.ai dttcuksia y.ai 



Innerlichkeit und Kosmopolitismus. 33 

5. 25. 26). x ) ' Das war eine andere Einheit als sie das romische Im- 
periuin darstellte, und an sie schlofi sich der wichtige Gfedanke von der 
einheitlichen gottlichen Organisation der Menschheit. Jeder hat in ihr 
seine Stellung und seine durch das Granze oder die Gfottheit bedingten 
Pflichten, wer denkt Her nicht an die paulinische Idee von dem. Leibe 
der Kirche, in dem Christus waltet? Dieser Gfedanke ist verschiedener 
Auslegung fahig, er kann zur Quelle triiber Resignation werden und er 
kann eine ungeheure Tatkraft erregen. In unserem Zeitalter ist melir 
ersteres wahr geworden. aber freilich nicht ohne daB die Pflicht posi- 
tiver Betatigung in dem vom Eatuin gegebenen Zusammenhang anerkannt 
worden ware. ,,Erhebe einmal den Nacken", sagt Epiktet, ,,wie ein von 
der Sklaverei Losgekommener, wage es im Aufblick zu Grott zu sageri: 
brauche mich hinf ort wozu immer du willst, ich bin einverstanden nut 
dir, dein bin ich ; ich bitte urn Abwendung von nichts, was dir gefallt ; 
fiihre wohin du willst, lege mir das Gewand an, das du willst! Willst 
du, daB ich zur Regierung gehore, Privatmann sei, daB ich bleibe, ver- 
bannt fliehe. arm, reich sei, ich werde dich wegen dieses alles vor den 
Menschen rechtfertigen". Wer nicht Herakles oder Theseus sein kann. 
der blicke auf Grott bin, ,,ihni allein ergeben und durch seine Grebote ge- 
heiligt" (II, 16, 41 ff. 46). ,,Der Zinimermann kommt. nicht iind sagt: 
horet mich iiber die .Zimnaerinannskunst reden, sondern er iibernimmt 
einen Hausbau und fiihrt ihn aus und zeigt dadurch, daB er die Kunst 
hat. Etwas derartiges tue auch du: ifi als Mensch, trink als Mensch, 
schmucke dich, heirate, erzeuge Kinder, nimmt dich des offentlichen 
Lebens an. ertrage Schniahungen, ertrage einen unverniinftigen Bruder, 
ertrage den Vater, den Nachbar, den Reisegenossen. Dieses zeige uns. 
damit wir sehen, daB du in Wahrheit etwas von den Philosophen ge- 
lernt hast" (HE, 21, 4f.). Solange das Spiel dauert, hat jeder die 
Pflicht mitzuspielen (IV, 7, 19). Dafiir ist das Leben des Sokrates ein 
Beispiel. 

Aber aus dem angegebenen Gfedanken ergaben sich noch zwei wei- 
tere Eolgerungen von gro'Bter Tragweite, die beide fur die Kirche be- 
deutungsvoll wurden. Es war erstens der Gredanke des Kosinopolitismus : 
ein ,,Weltburger" (KOGf-itog) ist der vernunftige Mensch (I, 9, 6). 2 ) Die 

1) Vgl. Senec. ep. 95, 52 f.: omne hoc quod vides quo humana atque divina 
conclusa sunt, unum est: membra sum us corporis magni. Natura nos 
cognates edidit, quum ex iisdem et in eadem gigneret. Haec nobis amorem in- 
didit mutuum et sotiabiles fecit, ilia aequum iustumque composuit . . . Societas 
nostra lapidum fornicationi simillima est, quae casura nisi 'invicem obstarent 
quo ipso sustinetur. 

2) Dieser Kosinopolitismus ist durch Alexanders d. Gr. Lebenswerk angebahnt 
worden, aber es ist von Interesse, daB der Gedanke bereits von Sokrates vor 

Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 3 



34 4. Das griechisch-roinisclie Heidentum. 

anclere Kousequenz war, dafi alle Menscben Gottes Kinder sind, also 
aucb die Sklaven (I, 13). Der gottliche Geist, cler aucb in ibnen wobnt, 
macbt sie dazu. Man sah ein Reicb der freien Geister, erbabener als 
das romiscbe Reicb uncl nickt an seine Ordnungen und Abstufungen ge- 
bunden, und man scuaute alle Yerniinftigen als Gottes Kinder in ibm 
verbunden, mochte das Sckicksal sie zu Sldaven oder Freien gemaoht 
liaben. *) 

6. Die wissenscbaftlicbe Bedeutung dieser Popularpbilosopbie ist 
gering, aber um so mebr bat sie zur Bildnng der religios-sittlicben 
Gesinnung tind Stimmnng der Gebildeten jener Tage beigetragen. Sie 
ist ancb ein Faktor geworden zur Steigerung des Erlosungsbediirfnisses 
der Zeit. Zuniicbst freilicb schien sie nur negativ zn wirken. Die 
positive Religion wurde beiseite gescboben oder wenigstens ganz gleicb- 
giiltig bebanclelt: die iiberlieferten Formen des staatlicben nnd sozialen 
Lebens wurclen als blofi relativ und eigentlicb irrelevant angeseben. 
Was man an die Stelle der Positiven setzte, waren ganz allgemeine Be- 
griffe, wie der fataHstiscbe Pantbeisnius des stoiscben Vorsebtingsglaubens, 
die rationalistiscbe Selbstgeniigsamkeit der Yernunft und der abstrakte 
bmnane Kosmopolitismus. Aber alle diese Gedanken werden mit dem 
Patbos inneren Bedarfes nacb gottlicber Erlosung aus dem Elend des 
Daseins vorgetragen. Sie ^Yollen die Antwort auf ganz positive Bediirf- 
nisse der Seele geben und sie tragen dazu bei diese Bediirfnisse zu er- 
wecken. Dafi die Pbilosophie diese praktische religiose Tendenz ange- 
nommen bat, ist durcb den Hunger der Seele nacb Erlosung iind Offen- 
barung des Gottlicben in der Zeit zu versteben. Da6 sie aber nur mit 
ganz allgemeinen Begriffen jenen Hunger zu stillen unternebinen mufite, 
das verstebt sicb daraus, dafi sie eben Pbilosopbie war, und zwar eine 
Pbilosopbie, auf cler die Eormeln einer langen Gescbicbte lasteten. In 



seinern Tode ausgesprochen wird. Auf die Frage des Kebes, woher sie nacli dem 
Tode des Sokrates einen Beschwcirer der Todesfurcht erhalten werden. antwortete 
dieser: ,,GroJ5 ist ja Hellas, in dem treffliche Manner wohnen, und grofi .sind 
auch die Geschlecliter der IBarbaren, die man alle clurchsuchen muB nach einem 
solchen Beschworer"" (Plato Phaed. c. 24). 

1) S. bes. Seneca ep. 31, 9f. : quid aliud voces Jmnc (d. h. animum) quam 
deutn humano cor pore liospilantem! Hie animus tarn in equitem Eomanum 
quam in libertinum quam in seraum potent cadere. Quid est eques Romamts a-ut 
libertinus aut servus? Nomina ex ambitione aut ex iniuria nata. Ep. 47, 1: 
servi sunt? iinmo homines . .. . Servi sunt? immo conservi, si cogitaveris tan- 
tundem in iitrosque licere fortunae. Ib. 9 : sic cum inferiore vivas quemadmodum 
tecum superiorem velles vivere. Ib. 14: stultissimiis est qui hoininem aut ex 
veste aut ex condicione quae. vestis modo nobis circumdata est, aestimat. Servus 
est, sed fortasse liber animo. 



Die Bedeutung der stoischen Popularphilosophie. 35 

cler frommen Stinimung, in clem ernsten Sehnen nacli Gott uncl der 
Wahrheit uncl in der Konzentration aller geistigen Interessen auf dein 
Boden personlich erlebter Religion besteht die Bedeutung dieser Popular- 
philosopliie. Sie hat den vorhandenen religiosen Bedarf der Seelen an- 
erkannt und sie liat inn gesteigert, indem ihre Gedanken an sich jenen 
Bedarf nicht zu stillen vermocliten. So niiinden ihre Wirkungen mit 
ein in den Strom der grofien religiosen Sehnsucht, der uber das Zeit- 
alter hinging. Auch die Hochstehenden und Hochgebildeten warden 
durch die Philosophic in diesen Strom hineingezogen. Man horte die 
Forderung eines Glaubens an die Gottheit uncl der Unterwerfung unter 
sie, man empfing die TJberzeugung, dafi es sich im Leben 'nur um. die 
freie Seele, nicht um die aufieren Zufalligkeiten handle, und man wurde 
angeleitet zur furchtlosen, auch zum Martyrium der TJberzeugung bereiten 
Stellung der "Welt gegeniiber. Einige Satze mogen noch zur Verdeut- 
lichung Her stehen : ,,Der Dienst der Gotter besteht zuerst darin, dafi 
man Gotter glaubt, dann darin, dafi man ihnen ihre Majestat gibt und 
Giite gibt, ohne welche ja.keine Majestat besteht, darin dafi man "weifi, 
dafi jene es sind, die der Welt vorstehen, die alles durch ihre Gewalt 
lenken . . . Sie geben nichts Boses noch haben sie es. TTbrigens zltch- 
tigen sie einige und halten sie im Zaum . . . "WHlst du die Gotter ver- 
sohn'en (vis deos propitiare), so sei gut. Geniigend hat der sie geehi-t, 
der ihnen nachahrnt" (Seneca ep. 95, 49 f.). ,,Ich gehorche, ich folge, 
lobend den Mihrer, preisend seine Werke, kam ich doch auch. als es 
ihm gefiel und \verde wieder gehen, wenn es ihra gefallt . . . Nicht 
gibt er mir viel , nicht reichlich , dafi ich schwelge will er nicht, 
clenn er gewahrte es auch dem BTerakles nicht, seinem Sohue" (Epiktet 
Diss. HE, 26, 29 ff.). ,,Du kannst nicht zugleich auf das AuBere deine 
Sorgfalt verwandt haben und auf deinen herrschenden Teil (die Ver- 
nunft) ; wenn du aber jenes willst, so lafi dieses. Wo nicht, so wirst 
du weder dieses haben, noch jenes, nach beiden Seiten bin abgezogen; 
wenn du dieses willst, so mufit du jenes lassen" (ib. IV, 10, 25). ,,Wo 
etwas TJnfreiwilliges ist, dort habe Mut, wo aber etwas jFreiwiHiges, Yor- 
sicht" (ib. II, 1, 5). ,,Ich lernte alles Geschehende so ansehen, dafi, 
wenn etwas unfreiwillig geschieht, es mich nichts angehe" (I, 29, 24). 
,,"Wenn du zu einem der Machthaber hineingehest, so erinnere dich, dafi 
auch ein anderer von oben auf das, was vorgeht, herabsieht, und dafi 
du diesem mehr gefaUen mufit als jenern. Dieser nun fragt dich : Yer- 
bannung uncl Gefangnis, Fesseln und .Tod und Schmach, als was be- 
zeichnetest du diese Dinge in der Schule? Ich: als gleichgultige 
((xdtdcpOQO) ! Als was bezeichnest du sie jetzt ? Haben sie sich wohl 
geandert? Nein. Hast du dich geandert? Nein. Sag also: was 

3* 



36 4. Das griechisch-romisclie Heidentnm. 

sind gleicbgiiltige Dinge ? Die unfreiwilligen Dinge. Sage nun weiter 
Avas dazu gehort? Die unfreiwilligen Dinge geben niicb nicbts an. Sage 
aucb : was schien euch gut ? Ein "Wille (rtgoaiQeais), wie er sein soil 
und der Gebraucb der Yorstellungen (cpccVTCcalai). "Was aber das 
Ziel? Dir folgen. Sagst du dies auch jetzt? Icli sage es auch 
jetzt. So geli nur wohlgemut liinein und erinnere dick dessen und du 
wirst selien was ein Jungling ist, der iibeiiegt hat Avas not tilt, unter 
Mensclien, die das niclit getan baben. Icli wenigstens bei den Gottern 
stelle mil' vor, du werdes ; t etwa dies empfinden : AVOZU bereiten wir uns 
fur nicbts so groBartig und mannigfaltig vor? Das war also die Ge- 
Avalt, das der Yorbof, die Kammerlinge, die Schwerttrager, deswegen 
borte icb die vielen Reden! Das war ja nicbts, icb aber natte mich 
Avie auf etwas GroBes geriistet" (ib. I, 30). 

7. Yon der Eestauration der Yolksreligionen, dem Kaiserkultus, 
A T on den Mysterien und von den religiosen Eleinenten der antiken Philo- 
sophie Avar bisber die Eede. Wir baben Aveiter der Bedeutung der 
sozialenLage zu gedenken. Die TTnruhe der Zeit bing nicbt zum. 
letzten mit ibr zusanimen. Die politiscben und sozialen Gegensatze 
batten sicb mebr und mebr vertieft und verscbarft. Eeicb' und arm, 
A r ornehm und gering standen einander scbroff gegeniiber, man konnte 
geradezu A r on zwei Yolkern reden. Der Hafi, die lebbafte Agitation, 
die uferlosen Pliine und "Wunscbe auf der einen Seite fanden von der 
anderen Seite zunacbst brutale Ablebnung, nur die Gebildeten und Be- 
sitzenden Araren fiir Cicero etwa Staatsbiii'ger. Dann Avurde man be- 
sorgt , die Fabel des Menenius Agrippa sollte dem Baucb sein Bjecbt, 
von alien anderen Gliedern getragen und bedient zu werden, sicbern. 
TJnd dann wurde es aucb bei den Gebildeten Braucb. die sozialen Note 
zu beklagen, A r on der Seligkeit des Naturzustandes zu scbAvarrnen und tiber 
sozialistiscbe Zukunftsstaaten zu diskutieren (z. B. Sen. ep. 95). *) Die 
Ea-eise der Aruien und Unterdfiickten reprasentierten einen wicbtigen 
Eaktor in der Entwicklung, und die sozialen Fragen und Note dienten 
mit dazu, die .,JEHule der Zeiten" bemerkbar zu macben. Man kam 
um diese Dinge nicbt niebr beruni; die blofie Yeracbtung des Aufieren, 
Avie sie die Pbilosopben als Heilmittel empfahlen, geniigte wie immer 
nur denen, die den Druck der auBeren Not selbst weniger empfan- 
den. Die soziale Bolfe wurde mebr und mebr zu einem festen Postulat 
'an die Religion und die Sittlicbkeit der Zukunft. 

8. Es waren recbt mannigfacbe Tendenzen, die in der Zeit mit- 
einander. zusammentrafen und der Kraftigung der Erlosungsidee dienten. 

1) S. iiberhaupt Pohlmanu, Geschichte des antiken Kommunismus und 
Sozialismus II, 575 fL, 609 ft. 



Die Sehnsucht nach Erlosung 1 . 37 

Alles Positive in cler Religion wurde aufgelost, aber eine ungeheure 
Sehnsucht nach Positivem, nach Avirklichem konkreten Erleben den All- 
gemeinheiten der Begriffe gegeniiber stand dera entgegen. Auf die ver- 
nunftige Selbstbesinnung allein wurde die Erlosung gestellt, und Avieder 
erwartete man sie von auBen her als Gabe und "Wirkung der Gotter 
und ihrer Mysterien. Die TJnterwerfung unter die alten Traditiqnen 
sollte das Heil verbiirgen, aber ein ununterdriickbarer Hang nach eigenem 
Erleben stand dem entgegen. Doch diese scheinbar einander Avider- 
sprechenden Tendenzen wirkten doch zusammen zur Konzentration der 
geistigen Interessen auf die Erlosung und ein neues seliges Leben. 
Aber die .Mittel, die hierftir zu Gebote standen, erwiesen sich als nicht 
geniigend oder ungeeignet. Gerade hieraus begreift sicb die Angst und 
TJnruhe der Zeit. Die Gottheit, von der man redete, blieb dem Men- 
schen unendlich fern, denn sie Avar schlieBlich nur die jenseitige Idee 
oder die Naturnotwendigkeit oder die "Weltordnung. TJnd fafite man 
sie positiv als einzelnen Gott, der etwa in den Mysterien sich mani- 
festiert, so war das doch nur zeitweilig der gesteigerten Phantasie mog- 
lich. Die Gotter waren nicht die Gottheit, und die Gottheit leistete 
nicht das, was man von Gott erwartete. Das ist das eine : der feme 
Gott, der fern bleibt, so nah man ihn sich immer zu bringen trachtet. 
Daraus folgt, daB statt des Erlebens der Gottheit, das man erstrebte, 
schliefilich doch nur die mystische Kontemplation und die theoretische 
Betrachtung der Gottheit den Menschen mogu'ch war. So kani man 
aus dem Bann der Seelenstellung der griechischen Philosophen nicht 
heraus. Damit hing aber Aveiter zusammen, daB die Selbstbetatigung 
des Menschen sich nicht zu einern hohen und Aveiten Ziel erheben 
konnte, dessen BeAVtiBtsein alles Einzelne und Kleine im Leben hebt 
und adelt. Was die Stoiker predigten, uamlich mit alien Itrafteu. im 
alltaglichen Leben Gott zu dienen, das Avar nicht moglich, denn man 
erlebte Gott hier nicht. So trat an die Stelle dieses Ideals die kleine 
Tatigkeit der Alltaglichkeit. Gott blieb zu fern fur die rezeptive Seite 
des Menschen, und die Ziele des Daseins lagen zu nah fur seine Ak- 
tivitat. So haftete Gott die Schranke des Jenseitigen und TJnerreich- 
baren an, und das Menschenleben konnte nicht von Gott geleitet und 
beAvegt werden. Das Bewufitsein der Erlosung durch den nahen und 
wirksamen Gott Avar ftir das Denken unerreichbar, und die Auf gab e 
als Erloster Gottes "Werk im Leben treiben zu diirfen erAA'ies sich. als 
praktisch undurchfiihrbar. Die Erlosung, von der man traunrte, Avar 
nur im Rausch gesteigerter Empfinclungen oder in der Abstraktion der 
Gedanken zu erreichen. Sie Avirklich zu erleben und dauernd zu be- 
haupten, dazu fehlte es an den geeigneten Mitteln, denn die Religion 



38 5. Das JudentuiB. 

zerbracb an der Aufldarung und die Aufklarung an der Religion; und 
was an den Scberben beider Ideben geblieben war. war den hungrigen 
Seelen zu wenig. 

Und doch ware es falscb, wollte man nur die negative Beziehung 
dieser Entwicldung zum Cbristentum. anerkennen. Auch positiv ist deni 
Christentuni von diesen religionsgescbicbtlicben Yorgangen vorgearbeitet 
worden. Die Einlieit und die Erbabenbeit Gfottes, der "Wert der Seele 
und des inwendigen Lebens, die Anscbauung von der einen Menschheit, 
die aus einander wesentlich gleichen Briidern bestebt. die Pflicbt der 
Ergebnng in den Willen der Grottbeit das Avaren Gfedanken, die man 
einem Strombett vergleichen kann. das bereit lag, um die Muten des 
Evangeliums in sicn aufzunebmen. Obne diese Vorbereitung ware ge- 
radezu der Eingang, den das Cbristentum in der Welt fand. undenkbar. 
Es liegt wirklich ein Wabrbeitsmoment darin. wenn die alexandrinischen 
Tbeologen spater nicbt nur die alttestainentlicben Propheten, sondern 
aucli die liellenischen Philosophen als Yorlaufer des Cbristentunas feierten. 
Die griechische PhilosopMe bat allerdings Postulate und Stimmungen 
liervorgebraclit, die von der griecbiscb-romiscben Religion nicbt errullt 
tiud durcbgefitbrt werden konnten. 



5. Das Judentum. 

E. Schurer, Gesch. d. jiid. Volkes irn Zeitalter Jesu Cliristi, 3 Bde., 3. Aufl. 
1898 ff. W. Bousset, Die Eeligion des Judeutums im neutestamentl. Zeitalter, 
1903. J. Wellhausen, Israelit. u. jiid. Geschiehte, 1894. A. Sclilatter, Is- 
raels GescMchte von Alexander d. Gr. bis Hadrian, 1901. F. Weber, System 
der altsynagogalen palastinensischen Theologie, 1880. A. Hilgenfeld, Die jiid. 
Apokalyptik, 1857. H. Holtzmann, Lebrb. d. neutest. Theologie I (1897), 28 ff. 
C. Siegfried, Philo v. Alex, als Ausleger d. AT.. 1875. 0. Pfleiderer, Ur- 
cliristeutum II 2 (1902). Iff. P. Volz, Jiidisclie Eschatologie von Daniel bis 
Akiba, 1903. 

1. Wenn man seinen Standort auf der Hobe der Entwicldung der 
israelitiscben Religion, im Propbetisnius, nimint, so erkennt man am 
deutlichsten das Wesen. der israelitiscben Religion und ibren inrieren 
Zusanimenbang mit deni Cbristentum. Eolgende Momente sind die 
wicbtigsten : der eine lebendige Grott, der Herr der ganzen Welt ist, und 
der alles aucb unsere Werke wirkt (Jes. 26, 12 : 29, 16. Am. 
3. 6). Dieser Grott ist scblecbtbin erbaben tiber Welt und weltlicbes 
Wesen, aber er ist der wabre Konig des Yolkes Israel und sein Yater. 
Er liebt sein Yolk und er ricbtet es. denn er ist gerecbt. Barmberzig- 
keit und Zorn sind beide zusammengefafit in der Grerecbtigkeit. Dieser 
Grott nun leitet die Gescbicbte der Menscbbeit . damit er einst iiber 



Die alttestamentliclie Religion. 39 

Israel herrsche imd alle Volker seiner Herrschaft sich beugen (Mich. 4, 
7. Iff. Ob. 20 f. etc.). Seinen Namen verkiinden jetzt die Propheten, 
von ilim selbst durch den Geist dazu angetrieben. Einst wird der Geist 
einen Mann aus Israels Konigsstanim bewegen, der dann in Gottes Kraft 
herrschen wird. Dann kommt der Greist iiber alle Erommen, ein neues 
AYesen in ihnen erschaffend, indem Gott ihnen die Siinde vergibt. Diese 
grofie Zeit steht vor der Tiir. Es gilt daher sich zu bekehren. Nicht 
durch Opfer und andere statutarische Kulthandlungen wird man Gott 
gefallig, sondern durch Gehorsam gegen Gottes Gebot, durch Liebe und 
Barmherzigkeit und durch den Glauben als das ausharrende Erwarten 
des HeiLT(Mich. 7, 7. 9. Jes. 26, 14; 28, 10; 30, 15). 

In diesen Gedanken tritt eine neue Gottesanschauung in die Ge- 
schichte ein. Gott ist rein geistig und als Herr und Leiter der Geschichte 
gefafit. Gnade und Gericht sind sein "Werk ; er wirkt durch seinen Geist 
nicht nur den Sieg seines Volkes, sondern auch ein neues sittliches 
Leben. Die. Herrschaft Gottes wirkt die Errettung, indem sie die 
Menscheu zu einem Reich Gottes versammelt. Das ist der neue Bund 
oder die neue Gottesordnung , durch die das Gesetz dem Menschen 
innerlich in das Herz geschrieben und ihre Siinde ihnen vergeben wird 
(Jer. 31. 31 f.). Damit ist das Neue Testament als Ziel des Alten 
fixiert und sein Inhalt scharf umrissen. Eine ungeheure Tat des reli- 
giosen Idealisnius und eine wunderbare "Wirkung des Offenbarungsgeistes 
liegt vor in cliesem Gedankenkomplex, der empfangen und erhalten wird 
in JZeiteii sch\veren inneren und auBeren Niedergangs. Eiir iminer ist 
der Menschheit hier eingepragt der Gedanke des lebendigen Gottes, der 
grofie Taten tut und in seiner Barrnherzigkeit und Treue auf dem "Wege 
der Geschichte das Menschengeschlecht zu seinem Ziele fiihrt. Nicht eine 
blofie Idee ist dieser Gott, und nicht erschopft sich das Yerhaltnis zu 
ihm in der Kontemplation, nein wie er Herr und Konig ist, so ist 
Gehorsam gegen ihn und fromnie Tatkraft des Lebens Aufgabe. Eine 
andere Seelenstellung und eine andere sittliche Stiuimung als sie das 
Griechentum produziert hatte, ist mit dieser Erkenntnis des lebendigen 
Gottes, der "Wille und Tat ist und die Tat unseres Willens veiiangt, 
dem Menschengeschlecht geschenkt. 

2. Die Erommigkeit des Psalmbuchs bietet den subjektiven "Wider- 
hall dieser Gottesoffenbarung dar. ,,Gott ist uns Zxiflticht und Starke, 
als miichtige Hilfe.in Noten erfunden" (Ps. 46, 2). Er ist der Erloser 
der Seele aus Not und Siinde (Ps. 130, 7f.; 31. 6; 51. 3ffi.; 71, 23), er 
ist ihr wahres Gut (Ps. 16, 2). In einem dauefnden Verhaltnis zu ihm 
steht die Seele, das Gebet wird zu einem regelinafiigen Bestandteil des 
religiosen Lebens. Das Leben der Seele wird verinnerlicht und verfeinert. 



40 5. Das Judentum. 

.,Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen 
Geist. Yerwirf mich nicht vor deinein Angesicht tind nimm deinen 
heih'gen Geist riiclit von mir!" (Ps, 51, 121). ,.Sei stille vor Jahve 
und harre auf ihn" (Ps. 37, 7). .,Wen babe ich denn im Himmel, und 
mit dir babe ich nicht Gefallen an der Erde. Mag dahingeschwunden 
sein mein Eleisch und mein Herz : Eels meines Herzens und mein Teil 
bist du Gott in Ewigkeit" (Ps. 73, 25 f.). Nook imrner findet die / 
Ghristenheit in diesen Gedanken den tiefsten Ausdruck der Gemeinschaft 
mit Gott. 

Aber in diese subjektive Erommigkeit schob sich leicht ein fremdes 
Element hinein. Der Gesichtskreis der Propbeten ist bistoriscb und 
theologiscb, man konnte sagen dramatiscb. Taten Gottes werden er- 
wartet, gescbicbtlicbe Wandlungen bringen das Heil. Die Psalmen- 
frommigkeit ist rnebr subjektiv-lyriscb, der einzelne Eromme stebt seinem 
Gott gegeniiber, er barrt seiner Gnade, aber er macbt sicb ibrer aucb 
wiirdig durcb treue Erfiillung des gottlicben Willens im. Gesetz. So 
scbiebt sicb das Gesetz und das subjektive Yerdienst mit der Vergeltungs- 
idee in die Erommigkeit binein. Der Weg zum Legalismus aucb die 
Cbokinabliteratur wirkt in dieser Bicbtung wird sicbtbar. 

3. Es kamen die Tage des Exils und der Restauration Esras und 
Nebeniias, Sacbarjabs und Maleacbis. Auf die grofie nationale Zukunft 
Israels batten die Propbeten verwiesen, daran klanimerte man sicb 
(s. Ezecbiel). Aber wie anders konnte man sicb ibrer wtirdig macben, als 
indem man an den nationalen, exklusiven, statutariscben Elementen der 
Vergangenbeit festbielt, und wie anders konnte man sie sicb vorstellen, 
als indem man die nationale Vergangenbeit sicb in der Zukunft restituiert 
dacbte (s. Ezecbiel)? Man restaurierte das Gesetz und man scbuf es um 
zu den Eormen, die seine Durcbfiibrung zu garantieren scbienen, man 
interpretierte es in das einzelne binein und fur den einzelnen. und man 
' umgab es mit dem Zaun der Vergeltungsidee (vgl. die Gescbicbts- 
pbilosopbie der Cbronik). An die Stelle der Propbeten traten die 
Scbriftgelebrten, an die Stelle des Geistes die Gesetzeserfullung, an die 
Stelle der freien Gottesgnade die Vergerfrung fiir die fromiaen Werke. 
Die Hoffnung auf die Zukunft trieb zuriick in die Yergangenbeit, der 
Glaube an die Weissagungen der Propbeten fiibrte zum Gesetz. Der 
grofie Prophet Mose wird jetzt ausscbliefilicb zum. Gesetzgeber, die Thora 
erlangt die fiihrende Stellung im Leben und Glauben. 

Der Hellenisierungsversuch des Antiocbus Epipbanes bat diese Denk- 
weise nur gesteigert. Pur die Frommen stand alles auf dem Spiel, wenn 
sie das Gesetz aufgaben, sie raachten sich dadurcb iinwiirdig der Herrlicbkeit 
des messianiscben Eeicbes. Je machtiger die Eeinde, desto sinnlicber wurde 



Der Ursprung- cles Jndentums. 41 

die Zukunftsboffnung, tind je lebliafter diese, clesto mebr notigte der 
Vergeltungsgedanke zur Treue gegen das Gesetz. Im Exil sind die 
Keime des ,,Judentums" entstanden, in den. Kampfen des zweiten Jabr- 
bunderts ist das ., Judentum" zu einer weltgescbicbtlicben Maclit geworden. 
Die Pbarisaer und Scbriftgelehrten wurden seine Hiiter und Diener. In 
den Kreisen des geistigen Eortscbrittes vereinigten sich hinfort zwei Ten- 
denzen, die Interpretation und die Durchsetzung des Gesetzes und der 
Glaube an Gottes wunderbare Offenbarung in der letzten Zeit. Die Yer- 
geltungsidee war der Ring, der beide miteinander innerlich verband. Je 
gesetzlicber man wurde, desto gluhender wurden die Zukunftsboffnungen, 
desto fanatiscber der nationale Sinn mit seinen Prarogativen und Er- 
wartungen. Ein ungebeures religioses SelbstbewuBtsein, das sicb nicbt 
imr in der Yeracbtung der Heiden, sondern aiicb in dem Missionseifer 
aufierte, erwucbs dieser Kombination der Tendenzen. Der Gedanke, 
da6 Gott geistig'er Wille ist. lafit eiue doppelte Auslegung zu. Man 
kann diesen "Willen als wirksamen, scbaffenden, erlosenden versteben 
und man kann ibn als gesetzgebenden , fordernden und vergeltenden 
deuten. In der ersten Eicbtung bewegte sicb der alte Propbetismus, in 
der zweiten das ,.Judentuni ;i . Mocbte man bier nocb so wunderbar sich 
Gottes Eingreifen in der Endzeit vorstellen, es war docb innerlicb davon 
abbangig, dafi der gesetzgebende Wille erftillt wird. Nicbt Gott wirkt, 
damit der Menscb wii'ke, sondern der Menscb wirkt, daniit Gott wirke. 
Nicbt Gott erlost, sondern der Menscb erlost sicb durcb Gott. Indem 
man von der Religion der Propbeten abwicb, stiirzte man die Erlosungs- 
religion zuriick auf die Stufe der Moralitatsreligion, denn die Erlosungs- 
reUgion berubt auf dem wirksamen, die Moralitatsreligion auf dem fordern- 
den "Willen Gottes, jene ist ,,Evangelium", diese ,,Gesetz". 

4. Diese Auffassung der Religion mufi nun etwas genauer cbarak- 
terisiert werden. Sie bewegt sicb zwiscben zwei Polen, dem Gesetz und 
der kiinftigen Yergeltung im messianiscben Reicb. Durcb diese beiden 
Pole ist die Lebensanschauung bedingt, mit ihr bangt die Kosniologie 
zusammen, die weit reicber als im Alten Testament, wobl unter baby- 
loniscben Einfllissen, entfaltet ist, sowie endlich aucb die eigentiimlicbe 
Jenseitsmetaphysik, die in diesem Zeitalter. in die Gedankenwelt ein- 
dringt. 

Gesetzeserfiillung ist der Inbalt des Lebens. In konkreter An- 
scbaulicbkeit kommt dies etwa in dem Buch Tobit zur Darstellung. 
Es zeigt, wie man sicb- die dr/,cuoovvr] TtQOOTCcyf.iccTWV (Ps. Salom. 14, 1) 
dacbte. Als Haupttugenden treten dabei auf Gebet, Fasten, Almosen 
(Tob. 12, 8). Das Gesetz wird erfullt urn des Lobnes willen: ov ds 
ibv v6f.iov -/.al th rtqoGrdy/.ici'ca xcil yevov 



42 . 5. Das Judentum. 



, iva GOI xa/Upg 1} (Tob. 14, 9). Allein der Menseb erfiillt das 
Gesetz oft nicbt, daraus erklart sicli sein Elend in diesem Leben und 
die Eurcbt vor jenem Lebeu. Der Menscb bat ein cor malignwn 
(4. Esr. 4, 4. 12). So ist es seit Adam (ib. 3, 26 ; 4, 30 ; 7, 11 8 f. ; 8, 35. 
17). *) Durcb Adam kam der Tod liber alle seine Nacbkommen (Ap. 
Bar. 17, 3; 23, 4: 54. 15. 19). Daber werden viele verdammt und 
wenige errettet (4. Esr. 7, 47 f. 72; 8, '1.3). Aber die Majestat des 
Gesetzes mufi gewabrt werden : %)&reant multi praesentes quam negligalur 
ea q-uae anteposita esi dei lex (4. Esr. 7. 20; 9, 36 f.). Durcb opera et 
fides wird das Gesetz erfiillt (4. Esr. 13, 23. Ap. Bar. 48, 22). Eurcbt- 
los geben die Erommen aus der "Welt, denn sie baben im Himmel eineu 
Scbatz guter "Werke (4. Esr. 8, 32 f. 36: substantia bonorum operum; 
7,7: liabcs thcsaurum operum repositum apucl altissimuni). 2 ) Aber Gott 
erbarmt sicb aucb solcber, die nicbt die opera, iustitiac, haben. Gerecbt 
ist man aber als iustificatus (4. Esr. 12, 7). 3 ) Gott ist in diesem Zu- 
sammenhang immer als Gesetzgeber und Ricbter gedacbt, aber seine iustitia 
wird dabei der bonitas angenabert (4. Esr. 8, 36: cf. 11. 12). Die Kraft 
aber zu der Gesetzeserfiillung gibt das Gesetz selbst, deun es ist eine 
lebenscbaffende Macht: si emm doemritis eos, vivificabitis eos (Ap. Bar. 
45, 2). 4 ) 

Diese Gedanken zeigen, welcbe Bedeutung man dem Gesetz bei- 
legte. Es ist die lebenscbaffende Offenbarung Gottes nncl es ist der 



1) Nach spaterer Lehre entstamrat die Siinde dem unreinen Leibe (t)) und 
dem ihm einwohnenden, iibrigens nicht reiu sinnlichen, >nn ns, der vom 10. Jahr 
an wirksam wird, wahrend der entgegenstehende alan T^ erst mit dem 13. Jahr 
in Wirkung tritt. Indem der freie Menseh dem hosen Trieb nicht Widerstand 
leistet, kornmt es zur Ubertretung (mav.) und Schuld. Die Freiheit des Menschen 
bleibt uach jfidischer Vorstellung auch dem Sunder, denu sie gehort notwendig 
zum menschlicheu Wesen. Vgl. Weber S. 204 ff. 217 f. Bousset S. 386. 

2) Ein Schatz nberzahliger guter Werke kommt bei den Persern vor, vgl. 
Siegfried, Ztschr. 1 wiss. Theol. 1884. 356. 

3) Die spatere Theologie lafit Gott den Sunder wegen der Erfiillung der 
Gebote fiir rein erklaren (reai, nisi; Gegensatz : an verdammen). Doch rechnet 
Gott auch den guten Willen zur Tat dem Menschen als Gerechtigkeit an, 
als hatte er die Tat schon getan. Dies Imputieren heifit i^j; ni^vn. Auch 
kann die eigene Gerechtigkeit vermoge Imputation erganzt werden durch die 
Gerechtigkeit der Yater (on-iO. S. Weber S. 267 ff. 281 ff. 

4) Dali die Tliora ,.Leben fiir die Welt" ist wie das Wasser, daB ihre 
Worte ,,die Kraft haben zn toten und lebeudig zu machen", ist rabbinische Lehre 
(Weber S. 20 f.), Dagegen hat Paulus auf Gruud seiner Lebenserfahrung ange- 
kampft. Was die Eabbinen dem Gesetz beilegten, fand er nur im Evangelium 
(Born. 1, 16), nicht der fordernde, sondern der gnadige wirksame Wille Gottes 
bewegt das Herz. 



Das Gesetz und der Messias. 43 

Mafistab, an dein sich des Menschen Geschick entscheidet. Man muB 
sich dies gegenwartig erhalten, urn. die Tiefe des Gegensatzes zu be- 
greifen, den Paulus dem Judentum gegeniiber einnahm. 

Hangt aber alles am Gesetz, so verliert auch die messianische Offen- 
barung den Gnadencharakter. Sie ist Belohnung der Gerechtigkeit 
Israels, eine Erlosung aus dem aufieren Druck der .Zeit, die aber ein- 
tritt, weil man sich vom Gesetz erlosen liefi. *) Aus der Prerogative 
des Gesetzes versteht sich der aufierlich politische Zng in der Messio- 
logie des spateren Judentums. 

Dem Kommen des Messias gehen die Zeichen des Endes voran. Die 
mensura tcmporis und die Zahl der Gerechten muG erfiillt sein (4. Esr. 

4, 36. 37; 6, 19 f.). Dann ist die "Wahrheit verborgen (5, 1), der TJn- 
gerechtigkeit ist viel (5, 2), das Land ist wtiste (5. 3). der Gang der 
Himmelskorper gerat in Verwirrung (5. 4. 5), Steine schreien (5, 5), 
von den Baumen traufelt Blut (5, 5. Sib. HI. 863), wunderbare Zeichen 
erscheinen am Himmel (Sib. Ill, 795 ff.), -dieMenschen erschrecken (4. Esr. 

5. 1), die Volker geraten in Aufruhr und Emporung (4. Esr. 5. 5 ; 9, 3), 
grofie Kriege entstehen, ein Yolk erhebt sich wider das andere (13, 30 f.), 
der Abgrimd tut sich mit Eeuer auf (5, 8), die TJngerechtigkeit nimmt 
zu, Ereunde A r erfeinden sich untereinander (6, 24). Aber wer iiberbleibt, 
der Avird gerettet (6, 25). 

Dann aber erscheint der IConig Israels, der %QLGWg YMQLOV (Ps. 
Salom. 17. 23 ff. 36; IS, 8). ein ayvbs aval; (Sib. HI, 49), der ,,Sohn 
Davids" (Ps. Sal. 17, 5. 23), der ,,Gerechte" (Henoch 38, 2), der ,,Er- 
wahlte" j'Gottes (Hen. 46, 3; 49, 2 usw.), der ..Menschensohn" (Hen. 
46, 2; 62, 7. 9. 14; 63, 11 ; 69, 26; 70/1; 71, 17. cf. 4. Esr. 13, 
32. 3), ; .Gottessohn"(Hen. 105, 2. 4. Esr. 7, 28 f.; 13, 32. 37. 52; 
14, 9). An einer Stelle wircl Henoch selbst dem Menschensohn gleich- 
gesetzt (Hen. 71, 14 cf. "Weber S. 173). Dem Namen des Messias kommt 
Praexistenz zu (Hen. 46, If.; 48, 3 ; 62, 7. 4. Esr. 13, 26. 52; 12, 32). 
In dem Messias wohnt der Geist und er offenbart .,alle Geheimnisse der 
Weisheit" (Hen. 51, 3) und er herrscht (Hen. 51, 4; 48, 10; 55, 14; 
61, 8; 62, 2; 69, 27; Sib. HI, 473. 7671). Tune parebit regnum illms 
in omni creatura, et tune zabidus finem liabebit et tristitia cum eo abducetur 
(Assumpt, Mos. 10, 1. Ap. Bar. 40, 3. Sib. HI, 47 f.). Die Scheol gibt 
ihre Toteu heraus (Hen. 51, 5). Die ,,Gerechten und Heiligen" werden. 
,.Engel im Himmel" (Hen. 51, 4), sie essen mit dem Menschensohn und 
tragen das Ifleid der Herrlichkeit (Hen. 62, 14). Ein neuer Himmel 



. 1) Die Bedihgimg fiir die Erscheimuig- des Messias ist, daC Israel BuBe tut, 
er kommt na-it^n no; a (Weber S. 334). 



44 5. Das Judentum. 

und eiiie neue Erde sind da (Hen. .45, 4f. 10, 19), die Erretteten essen 
vom Behemoth und Leviathan, jenen Ungeheuren der Tiefe (Bar. 29, 4). 
Die Heiden und die Gottlosen trifft ein schreckliches Gericht im Feuer 
zur Freude der Gerechten (Hen. 48, 9f.; 100, 9; 91. 9; 62, 12). Aber 
avicli davon, daB alle Volker Gott preisen werden, ist die Rede (Hen. 
10, 21. Bar. 72. 2iL). oSToch ist zu erwahnen, dafi der Messias den 
letzten groBen Angriffi der Weltmacht iiberwindet unter einem An- 
fiihrer, der spater Armilus genannt wird (Sib. Ill, 46 ff. 663 ff. 4. Esr. 
13, 33 ff.). 

Das Bild vom Messias, das in dieser Literatur vorliegt, ist nicht 
streng einheitlich. In der alteren Schicht der TTberlieferung wiegt die 
iiberirdische Art des Messias und demgemaB seine geistige Herrschaft 
vor, er fiihrt direkt das Ende herbei, dann kerrscht Gott selbst (Sib. Ill, 
766. Ps. Sal. 17, 4. Hen. 62, 14 of. Joh. 12, 34). Nack der jiingeren 
Anschauung soil der Messias, naclidena die himmlische Stadt und das 
verborgene Land erscbienen, vierbtindert Jahre regieren und claim, nacli- 
dem seine .,Ankunft" vollendet ist (Bar. 30, 1), sterben (4. Esr. 7, 26; 
29). Dann folgt erst nacb dem antiquum sileniium von sieben Tagen das 
r&novare ercaturam und die Auferstenung mit deni Gericbt (4. Esr. 7, 
31. 32ffi. 75; 12, 32 ff. Bar. 30, I). 1 ) 

Das ist also die Eiib'sung : ecce hie deliciae et oblectamenta et illic 
ignis et tormenta (4. Esr. 7/37f.). "Was naben die Siinder .,alsdann 
eingetauscht fur inre Seele?." (Bar. 51, 15'.). Eine Yergeltung voll- 
zieht sicb, der Lonn ist fur alle ninterlegt (Bar. 52, 7). Auf diese Zeit 
soil man sich aber jetzt in der Gegenwart bereiten, denn in der letzten 
.Zeit ist ..nictt wieder eine Gelegenbeit zur BuBe" (Bar. 85, 12). 

Das ist das Zukunftsbild, das in den religios interessierten Kreisen 
Israels sich herausgebildet hatte. Das Gesetz mit seinen vielen Satzungeri 



1) Von dem ,,leidenclen Messias" begegnet tins in den Apokalypsen keine 
Spur. Die spatereu Eabbinen kennen ein Leiden de's Messias, aber er leidet fiir 
sich, sofern das Ertragen von Leiden zuni Bilde des Gerechten gehort (cf. Justin. 
Dial. 68. 89. 90). Spater wird ein geringerer Messias angenorainen (Sohn Josephs 
oder Ephraims), der vor dem- reehten Messias kommt und dnrch sein Leiden Is- 
raels Siinde siihnt, s. 'Weber S. 333 ff. Das Bild des Messias im Judentum ist, 
soviel ich sehen kanu, gemiines Produkt des jiidischen Geistes. Der alttest. , 
Messias ist in den Ralimen der ubernommenen babyloniscli-persischen Kosmologie 
gerilckt. Der Messias wird aber von den Babyloniern nicht gelehrt, und der per- 
sische Saoshyant, den eiue Jungfrau aus Zarathtistras in einem See schwimmen- 
der Samen gebirt, der einen Weltbrand und die endliche Apokatastasis herstellt, 
entspricht nicht dem jiidischen Messias. Die jungfrauliche Geburt gehort nicht 
zum jiidischen Messiasbild und Jes. 7, 14 ist nie von der Synagoge in cliesem 
Sinne interpretiert worden. 



Eschatologie uncl Kosmologie.- 45 

stand auf der einen Seite, die ungemessene Erwartung auf eine kiinftige 
Erlosung stand auf der anderen Seite.. Das Gfesetz hat eigentlich die 
erlosende Kraft, denn es macht den Menschen gut. Die messianische 
Erlosung schafft die dem Verdienst des Menschen entsprechende Be- 
freiung von aller aufieren Not. AJlein es darf nicht ubersehen werden, 
daft diese Yorstellungen doch nicht uberall in Israel herrschten. In der 
dem Lukas eigentiimlichen Quelle der Gfeschichte Jesu wird uns ein 
Bild israelitischer Erommigkeit geboten, das sich ganz wesentlich im alt- 
testamentlichen Rahmen halt und die awtrjQia auf die Siindenvergebung 
bezieht (Lc. 1, 77) und zwar mit universalistischer Tendenz (Lc. 2, 32). x ) 
Die Gredanken xmd das Wirken des Tiiufers Johannes bestatigen diesen 
Bericht des Lukas als geschichtlich. So wenig man also die Anschauungen 
des Henock, des 4. Esrabuches oder der Baruchapokalypse als schlechthin 
allgemein wird bezeichnen konnen, so wenig darf ubersehen werden, daB 
auch nach den Evangelien das Volk sich in der aufierlichen Messiashoffnung 
bewegt, und dafi der ganze Apparat der kosmischen Yorzeichen des Endes 
so sehr popularer Besitz war, da6 auch Jesus in den eschatologischen 
Seden ihn reichlich anwendet. 

5. Dies fuhrt uns zu der kosmologischen .Anschaxiung der Zeit. 
Besonders das Henochbuch ist in dieser Hinsicht belehrend. In groBer 
Umstandlichkeit werden die ,,Greheimnisse'< des Himmels offenbart, die 
..Orter der Lichter", .,die Behalter der Winde", ,.der Eckstein der Erde", 
,,die Vorratskammer der Blitze", ..die Wege der Engel", das Eeuer, 
,,das alle Lichter des Himmels in Bewegung setzt", oder .,wie die Greister 
verteilt sind/ und wie sie die Dinge bewegen das und anderes schaut 
Henoch auf seiner Himmelsreise. Das Interesse des Lesers hieran aber 
begreift sich daraus, dafi in den Tagen der Sunder ,,alle Dinge auf 
Erden sich verandern" (80, 2) und die Sunder sie nicht verstehen. Nun 
wird aber in der letzten Zeit die urspriingliche Ordnung restituiert. 
Deshalb ist das Bild von der anfanglichen Natur zugleich ein Bild der 
ewigen seligen Welt. Das kosmologische Element in diesem Bilde muBte 
aber in dem Mafi sich steigern, als die Erlosung zur aufieren Befreiung 
wurde. Ebenso ist die Engelwelt in dieser Zeit reichlich belebt 
wordeu. "Uberall in der "Welt walten Greister, 2 ) in den Elementen und 

1) 'Alle Ztige dieser Frommigkeit fassen sich zusammen in der Charakteristik 
Simeons, Lc. 2, 25 32: er ist: dixaios %al e-dhaptfs, er wartet auf die xagdidijais 
iov "Ja^ai]),, das Hvsvfia ayiov ist auf ihm Pneumatiker sind alle diese Per- 
sonen , er soil und will sehen rbv %(>iatbv -/.v^lov, in diesem ist gegeben to 
acoTijgiov, tpws els faw/.aLvyiv twv edvwv '/Mi Soav kaov aov la^arjL 

2) Hen. slav. 18, 7 (ed. Bonwetsch p. 18): schneller als die Winde des 
Himmels unA Greister uncl Elements und Engel fliegend, ist lehrreich fttr die 
Naturstellmig der Engel. 



46 5. Das Judentum. 

in den Gestirnen, ..sie machen die Ordnungen und lehren den Gang der 
Sterne und die Yeranderungen des Mondes oder die TJmkehr der Spnne" 
(Hen. 60, 12. 16; Hen. slav. Eecens. 19, 2). Dem Engelfall und der 
Wirksamkeit der gefallenen Engel wird ebenfalls ausgiebig Aufmerk- 
samkeit gewidmet. 

!Zu dem Heer von Geistern, das Gott. den .,Herrn der Geister i: , 
umgibt, konimt in der spateren Theologie eine Anzahl von Mitt el - 
we sen. Sie bezeichnen zunachst nnr besondere Seiten und Wirkungs- 
weisen des gb'ttlichen Wesens, werden aber dann wie Hypostasen ge- 
dacht und behandelt. Da Gott selbst ini spateren Judentum iinmer mehr 
abstrakt und weltfern gedacht wird, so werden diese Mittelweseii zu 
Mittlern von Gfottes Einwirkungen auf die AYelt. Dabei laflt die spatere 
Zeit die Personlichkeit dieser Wesen inimer mehr liervortreten. Es sind 
der Metatron ("jIlDD'D) Henoch wird mit ihm gelegentlich identi- 
fiziert, das Wort Gfottes (N1Q~ NID'D), die Herrlichkeit Gottes 
(N^p? rtJ'DtJJ'), der heil. Gfeist, oft nX-133n r\T\ genannt, auch Synegpr 
(Verteidiger), Pip H3. Die besondere Gegenwart Gfottes, sein besonderes 
Wirken wird so von seiner Person abgetrennt. Seine ,. Herrlichkeit" 
macht sein "Wesen den Menscnen sichtbar, sein .,"Wort" wirkt in der 
Geschichte, - 1 ) sein ,,Geist" bewegt die Propheten, an dem Metatron hat 
er einen Vertrauten, der zugleich ztirn Besten Israels versohnend auf inn 
einwirkt. Yieles von diesen Begriffen ist jedenfalls schon in neutesta- 
mentlicher Zeit vorhanden gewesen. Die eigentunilich schAvebende Stellung 
zwischen besonderer Hypostase und besonderer Gestalt des gottlichen 
Offenbarungswirkens, die wir erkannten, wird auf die christliche Trini- 
tatslehre nicht ohne EinfluB gewesen sein. 

6. Yon hochster Bedeutung ist nun aber Aveiter die Beobachtung 
einer eigenartigen Metaphysik, die sich in unserer Zeit geltend 
macht. Wenn Henoch etwa die Ereignisse der zukiinftigen Geschichte 
weissagt, so tut er das, indem er diese Ereignisse von den ,,himmlischen 
Tafeln" abliest, denn auf diesen stehen die Taten aller bis zum Ende 
(Hen. 81, If.; 93, 2; 103, 2). "Wie aber die Taten der Menschen im 
Himmel praexistieren, so auch ihre Namen und Seelen und ihr Lohn 
(103, 3; 41. 1; Hen. slav. 23, 4f.). Die ,,Gemeinde der Gerechten" 
praexistiert und wird erst in der Zeit ,,sichtbar (< (38. 1 cf. Gal. 4, 26. 



1) Das ,,Wort" Avird nicht mit deni Messias in Verbindung gebracht. Nacli 
Weber S. 178 ist Targ. Jon. zu Jes. 9, 5. 6 ,,sehr deutlich der Unterschied 
ZAvischen dem Messias und dem Memra" ausgesprochen: ,,jener ist der gesetzes- 
treue Knecht, der das Eeich Davids als Reich des .Gesetzes und des Friedens auf- 
riehtet, das Memra Jehovahs aber ist es, durch dessen Wirken es schlieBlieh so 
weit kommt." 



Mittehvesen; jMische Metaphysik. 47 

Hbr. 12, 22. Offenb. 21, 2), das neue Jerusalem 1st jetzt schon im 
Himmel vorhanden und tritt einst an die Stelle des alten Jerusalem 
(Hen. 90,' 28 f. cf. Hbr. 11, 10: 12, 22. Offenb. 21, 2. 10. Ezech. 
40 ff. Jes. 54, Iff. 60 f. Hag. 2, 7). Alles Irdische das 1st also die 
Meinung hat sein Vorbilcl im Himmel, die Taten und die Geschichte 
cler Menschen, die Seelen und die Sachen praexistieren in der oberen 
Welt. Das gilt z. B. auch vom Messias, dem Menschensohn, dessen 
Name vor Gott genannt wird, bevor der Himmel erschaffen wurde und 
zu dem Henoch in den Himmel erhoben wird (Hen. 39, 6f, ; 46, If.; 
48, 3; 62, 7; 70, 1). Diese Auffassung von der Praexistenz alles Ir- 
dischen ist sowohl im Neuen wie im Alten Testament (s. noch Ex. 
25, 9. 40 ; 26, 30 ; 27, 8. Num. 8, 4) wirksam. Sie gent zuriick auf 
die babylonische Anschauung, clafi cliese irdische "Welt ein Abbild der 
himmlischen Welt sei. - 1 ) Fiir das jtidische Bewufitsein aber war die 
Theorie vorbereitet dtirch den Prophetismus. Fafite man namlich die 
Weissagungen als starre Yoraussagungen auf, und wurde den Propheten 
von oben her gesagt, was hier unten geschehen solle, so war eine der- 
artige Theorie geradezu unentbehrlich. 2 ) Alles irdische Geschehen 
wurde durch diese Theorie zur Notwencligkeit, das von der Weissagung 
gemeinte dtl yevsG&ai empfing eine neue Niiance, die Ausgange der 
Geschichte wurden sicher in Gottes Hand gelegt. Andrerseits empfand 
man bei dem starken jlidischen Freiheitsbewufitsein, wie es sich am Ge- 
setz herausgebildet hatte, nicht die deterministischen Konsequenzen dieses 
Gedankenkreises. Im librigen hot er mancherlei Beziehungspunkte zu 
den Gedanken der griechischen Philosophic . Diese Anschauung von 
der hnmnlischen Welt'stellte ja eiu merkwiu'diges Pendant zu Platos Ideen- 
lehre dar. AUerdings sind die TJnterschiede nicht minder deutlich. 
Mcht eine Konsequenz der theoretischen Weltbetrachtung, wie bei Plato, 
fiihrte hier zu der Annahme der IJberwelt, sondern der Gedanke von 
Gottes schopferischer Macht, die schlechthin alles in sich fafit. 

7. Damit haben wir die Haxiptgedanken des Judentums in dieser 
Zeii uberblickt. Es sind folgende : das Gesetz und die durch dieses 
bedingte Heilsordnung, der Messias und die Erlosung im rnessianischen 
Reich. Hier nun greifen als relativ neue Elemente die kosmologische 
Spekulation und die Praexistenzmetaphysik ein samt der immer mehr 
entfalteten Angelologie und Damonologie. Die alttestamentliche Religion 



1) s. Schrader-Ziminern. Keilinschriften und AT. 2 630. 498. 402. '403. 
Winckler, Himmels- u. Weltbild der Babylonier S. Ill Axich die Astrologie 
hangt mit diesem Gedanken zusammen. 

2) Die Chokmah schloB dieselbe Konsequenz in sich. Ln iibrigen ver- 
gleiche man das prophetische Pertektum zu der ganzen Anscliauuug. 



48 5. Das Indention. 

war in alien Punkten konserviert und in alien Punkten ,,fortgebildet". 
Tiber die lebendigen Eormeu des alien Yolksgesetzes tind des Glaubens 
an den Sieg Jabves in der Gescbicbte waren die Netze der Theorie 
tind der Theologie geworfen. Das Gesetz war ein tbeologisch-kircben- 
politisches Gemachte geworden tind der Messiasglaube war in eine tbeo- 
retiscb-metaphysiscbe Theorie verwandelt. "Wabrend aber die antilce Ent- 
wicklnng yon der Religion zu der Eeligionspliilosopliie alle positiven 
Elemente abgestofien batte und in kable Abstraktionen ausmiindete, scbloB 
hier die Tbeorie eine unermeBlicbe Hypertropbie des Positiven in sicb. 
Dort drobte der seiner Binde beraubte Stamm der Religion zu ver- 
dorren, bier bestand die Gefabr. daB er in der tJberfiille des Jabr- 
tausende alten Laubes verfaulte. 

Aber bier wie dorfc ist die ..Fulle der Zeiten" begleitet von der Unzu- 
friedenbeit erregter aber ungestillter Sebnsucbt. Eine Kritik, wie Paulns 
sie auf Grund eigener Erfabrung an deni jiidiscben Moralgesetz iibte. 
gibt in dieser Bicbtung niebt Aveniger zu denken, als die skeptiscbe 
Stimniung. mit der der Yerfasser des Hebraerbriefs dem Zeremonzialgesetz 
gegeniiber stebt. TJnd in diesem Zusanimenbang mufi aucb erinnert 
werden an die unverkiinstelte alttestamentlicbe Eronmiigkeit, die in den 
Kreisen Palastinas berrscbte. in denen das Obristentum zuniicbst "Wurzel 
gescblagen bat. Diese Israeliten obne Falscb baben zuerst Yerstandnis 
fur das Evangelism . fiir den Fortscbritt von der Enayyekia zum 
evccyyefaov gebabt. Ereilicb sie mogen den ,.Kern" Israels gebildet 
baben, das Yolk Israel als solcbes stellten sie nicbt dar. 

8. Derjenige. der vom Standort des Cbristentums ans das Jnden- 
tum betracbtet, wird aber vor allem auf die kircblicbe Organi- 
sation aufinerksani, die sicb das Judentum gegeben batte. 1 ) Die ge- 
waltige Ausdebnung des Judentums in aller "Welt und die energiscbe 
Propaganda, die es betrieb, batten ein ungebeures Selbstbewufitsein er- 
weekt trotz des Antiseinitisnius. der scbon bundert Jabre vor 
Cbristus bier und da sicb regte , und sie batten, ungeacbtet des 
nationalen Partikularismus, ein gewisses BewuBtsein der KatboKzitat in 
dem Judentum bervorgebracbt. Man batte das Bewufisein, das Pro- 
gramm der Weltgescbicbte zu verwirklicben und man fiiblte sicb als das 
Centrum dieses Progranims ; man iiberscbaute von ibm aus man 
denke an die Danieliscben Weltreicbe oder an Henoch, das 3. und 
4. Bucb der Sibyllinen oder 4. Esra das Ganze der "Weltgescbicbte. 
Aber diese Anscbauungen blieben nicbt leere Wtinscbe, man fafite wirk- 
licb in aller "Welt Fufi, und iiberall war es derselbe Kanon. dieselbe 



1) Diesen Gesicbtspunkt hat Bousset mit Eecht betont. 



KircMiche Organisation und Kanon. 49 

Lehre. derselbe Kultus, dieselbe Organisation, welche die Gemeinden 
.zur Einheit zusammenschlossen. 

Es lohnt sich dieser Tatsache nachzudenken, denn vieles hiervon hat 
vorbildliche Bedeutung fiir die ckristliche Kirche gewonnen. Folgendes 
sei hervorgehoben ; 1) die okumenische Ausdehnung und die internatio- 
uale Tendenz der jiidischen Kirche ; 2) die aufierhalb Palastinas rege 
Neigung. die Religion den Bildungstendenzen zu akkomodieren, indem 
man sie philosophisch verbramt und national deutet im apologetischen 
Interesse (s. unten). 3) Die Herausbildung und strenge Handhabung 
eines Kanons, noch im neutestamentlichen JZeitalter sind ,,Gesetz und 
Propheten" ') sein \vesentlicher Bestandteil, die ubrigen ,,Sehriften" sind 
erst allmahlich dem Kanon einverleibt. Jedes einzelne "Wort des Kanons 
ist als solches absolute Autoritat. Der heilige Buchstabe iibt eine Herr- 
schaft wie in keiner anderen antiken [Religion. 4) Eine streng mecha- 
nische Inspii-ationstheorie stiitzt den Buchstaben. 2 ) 5) Zum Kanon 
kommt aber noch die Tradition ; sie entstamint der Notigung, den -Be- 
darf der spateren .Zeiten aus den Prinzipien des Altertums zu decken. 
Sie stellt sich daher einerseits dar als Auslegung der alten Schriften, 3 ) 
anclererseits wird sie auf dieselbe Quelle zuriickgefuhrt wie jene 
Schriften. So entsteht die Mischnah oder die "Wiederholung des Gesetzes 
(n^'D; devTSQcoaig) und die Kabbalah (~^2j? ; nlDD, 



1) Aiich die neutestamentlichen Zitate stud zum grofiten Teil entnommen 
dem Gesetz, den Propheten imd den Psalmen. So ttrnschreibt auch Lc. 24, 44 
den TJmfang des Kauons. 

2) Der inspirierte Autor hat ,,das eine aus dem Mxuide des Herrn", ,,das 
andere aber haben meine Augen gesehen von Anfang bis zu Ende" (Hen. slav. 40, 1), 
also Diktat und Vision. 4. Esr. 14, 25: et ego accendam in corde tuo lucernam 
inMlecttis, quae non extinguetair quoadusque finiatttiir quae incipies scribere. 
39 f. : et aperui os meum et ecce calix plenus porrigebatur mihi, hoc erat plenum 
sicut aqua, color a^<,tem eius ut ignis similis, et accepi et libi et in eo cum bi- 
-bissem, cor meum eructabatur intellei-tum et in pectus meum increscebat sapientia. 
.Esra schreibt nun in 40 Tagen 94 Bticher, 24 davoii (d. h. die kanonischen) sollen 
publiziert werden, 70 werden aufbewahrt als Geheimschriften fiir die Weisen 
(14, 44ff.). Henoch hat gar 366 Bticher geschrieben (Hen. slav. 23, 61. Unter 
mannigfachen Kampfen ist dann der hebraische Kanon die Septuaginta weichen 
von ihm ab zur Herrschaft gekommen. Auf ihn wurde die Inspiration be- 
-gchrankt, die Bucher sind geschrieben durch den Heil. Geist, der nwa: n-n genannt 
wird, sie sind Dn p; im hochsten Grade gilt die Inspiration von der Thora, 
s. Weber S. 78ff" T " 

3) In gewissem Sinne sind so auch Propheten und Hagiographen nur 
,,Tradition" der Thora gegemiber, s. Weber S. 79 f. 

4) Zla^dSoais entspricht eigentlich der rvjee als die Tradition, sofern sie 
uberliefert wird (noo), wahrend rmg die empfangene Tradition ist (Sap), vgl. 
z. B. Pirqe aboth c. 1: stin^ HIDE-I JDB niin bzp no. 

See berg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 4 



50 5. Das Jttdentvmi. 

Man beruft sicli zunachst auf die Lehrer der jiingeren Yergaugenheit 
und greift clann Aveiter schliefilich bis auf Mose zuriick. *) Die 
Sukzession der Lehrer biirgt also fur die Tradition. Aber auch liier 
Avird schliefilich die Tradition oder Kirchenlehre als Interpretin des 
Kanons iiber diesen gestellt. 6) Die Autoritat des Lehrauites hat 
nach der ZerstSrung des Tenipels die der Priester verdrangt. Yersamm- 
lungen der Lehrer (Synoden) entscheiden iiber Lehr- und Kultusfragen 
xind geben in Synodalschreiben ihre Beschllisse bekannt. Das Haupt 
einer hervorragenden Scbule gewinnt fiirstliches Ansehen. 2 ) 7) An 
die Stelle des Tempels ist schon Avahrend seines Bestandes die Synagoge 
getreten. Sie brachte mit sich lokale Gemeindebildtingen, eine Gottes- 
dienstordnung, eine religiose Lebensordnung (Gebetsstvinden), religiose 
JugendunterAveisung, organisierte Armenpflege, eine amtliche Organisation 
(TTQsaflvreQOi,, dgxiavvaywyog, Almoseneinnehmer, Diener). 8) Mit der 
lehrhaft gehaltenen Liturgie waren auch feste Lehren oder Dogmen ge- 
geben, man kann das Sch'ma geAvisserniaJBen herziehen. 3 ) Aber dog- 
niatische Ausbildung im Sinn unserer ^Dogmen'-' nahm doch auch die 
jiidische Lehre nur dort an, AVO sie mit dem Griechentuni in Yerbindung 
kani (die Sibyllinen, Philo usw.). 

Fur die Beurteilung des historischen Yerhaltnisses von Kirche und 
Synagoge sind diese Beobachtungen von grofier Bedeutung. Aber so 
falsch es AA'are auf Grrund der Ahnk'chkeiten sofort geschichtliche Ab- 
hangigkeit zu konstatieren, denn ahnliche geschichtliche Bildungen ent- 
stehen in venvandten geschichtlichen Yerhaltnissen auch spontan, so sehr 
bedarf es bei der geschichtlichen Betrachtung des Christentums der 
ernsten Erwagung etwaiger Abhangigkeit von den Gedanken und In- 
stitutionen des Judentums. Indessen die Tendenz auf Katholicitat in 
dem Judentum hat nie erheblichere Erfolge erreicht. Zvf&v verstand 
das Judentum es schon dainals meisterhaft im apologetischen Interesse 
die eigene Lehre als die hochste Weisheit der Aufgeklarten und als 
Ausdruck abgeklartester Humanitat der Welt zu empfehlen, 4 ) aber man 



1) S. Pirqg aboth c. 1 u. 2, die Tradition fuhrt Mer von Mose bis auf 
Jochanan ben Zakkai, den Schuler Hillels und Schammais, nnd seine Schuler. 

2) Vgl. Schlatter, Israels Geschichte etc. S. 295 ff. Die y^d^ata 
k/y.'vyj.i'/.a, Averden von den jiidischen Aposteln in aller Welt verbreitet, s. 
Harnack, Die Mission und Ausbreitmig des Cliristentums, S. 41 Anm. 238. 

3) Vgl. Bousset S. 169. 

4) S. z. B. Philo de caritate 15: VOVTO Si- fidhoza ^oviemi Sia ndanjs 
deaias o is^airaros TtooytTiirjs '/.cnaoxevd^eiv, 6/.i6voiav t '/.otvcoviav, 

y.()a<m> rjd'iov, e &v oiy.lai ml Ttol.ets, efl'vq re y.al ftwyai y.al ib avfiTtav twv 
ysvos elg TrjV avioidrm TtgoiJ.&oiev eiiSaiftovtav. 



Hellenisiertes Judentum. 51 

stiefi dabei auf bestimmte Schranken, das Judentum blieb trotz allem 
national gebunden sowohl hinsichtlich der Wurzel als des Zieles 
seiner Religion. Man konnte das eine Zeitlang verbergen, es muBte 
doch immer hervorbrechen. Und das brachte eine Enge des geistigen 
Horizontes und eine Yeraufierlichung der Religion mit sich, iiber die 
stoische oder platonische Uindeutungen nur zeitweilig hinwegtauschen 
konnten. Die Religion der Beschneidung und der Thora konnte nicht 
Weltreligion werden. 

9. Wir mlissen aber noch einer Gestaltung des Judentums gedenken, 
namlich des hellenisierten Judentums, wie es besonders in Alexandria 
zur Bliite gekommen ist. Die Sapientia Salomonis und Philos "Werke 
gewahren einen tiefen Einblick in dies Judentum ; seine Tendenzen 
treten Her deutlich zutage, mogen iinmernin die vielen, die ahnliche 
Wege gingen, nicht so konsequent fortgeschritten sein. Hier wird der 
Versuch geniacht die jiidiscne Religion auszudriicken in den Eormen der 
stoischen und platoniscnen Pbilosopbie, ~ aber trotz aller Konnivenz der 
PhilosopMe gegentiber bleibt es bei dem Judentum: das Gresetz ist die 
oberste Autoritat, seine Forderungen mogen noch so sehi- spiritualisierfc 
werden, schliefilicb. sollen sie doch bxichstablich erfiillt \verden 1 ) Die 
Tendenz des Judentums auf die "Weltreligion ist hier in den Strom der 
Geistesgeschichte seit Alexander dem Grr. hineingezogen worden, und 
das Judentum ist bereitwillig hierauf eingegangen. Man nahm die grie- 
chische Sprache an und fiigte sich den Eormeln der Weltphilosophie, 
man kam fast unwillkiirlich dazu, das Band zum Tempelkultus immer 
mehr zu lockern und die Religion aus den Observanzen loszulosen und 
in das Innere zu verlegen. Was man tun konnte, urn der Kulturmensch- 
heit die Offenbarung des Alten Testamentes annehmbar und imponierend 
zu gestalten, geschah - auf uralte Offenbarung ging sie zuriick, von 
der itQOVOLtt und dem. Logos, von der Praexistenz der Seele und von 
ihrer Befreiung aus dem Leibeskerker, von Askese, Ekstase und heiligen 
Mysterien wufite man zu reden , trotz allem blieb das Judentum, was 
es war, die Religion des Gresetzes, in tausend Satzungen eingekapselt, 
an den Boden des Nationalismus fest angewachsen. Behalt man dies im. 
Auge, so wird'es begreiflich, da6 dies Judentum, das in vielen Punkten 
sich ausnimnat wie eine Prolepse der christlichen Theologie seit der 
Mitte des zweiten Jahrhunderts, doch nie in eine ernste Konkurrenz 
zum Christentum hat treten konnen. Es konnte niemandem mehi 1 sein als 
es selbst war. Es konnte aufklaren und belehren, es konnte entgegen- 
kommen und moralisch bessern, aber die grofie Kraft des Ohristentums 



1) Mit Eecht haben Schiirer Avie Boiisset diesen Punkt kraftig- betont/ 

4* 



52 5. Das Judentum. 

fehlte ihm, die Kraft Jesu Christi, die geistige Willensmackt, die von 
ikm ausging, das Gfanze und die Einzelnen in ihm wandelnd. Nicht 
die Differenz der Lehren, ein Plus Her und ein Minus da, ist es ge- 
wesen, wodurch das Christentum leistete, was diesem hellenisierten Juden- 
tum versagt blieb. sondern die gegenwartige und wirksaine Kraft Ohristi 
des Herrn bedingte den Unterscliied. Dort katte man Ideen und 
Regeln, Her \var personliche Macht, wirksame Kraft, religiose Offen- 
barung. Dort geriet man in die Eeihe der Sckulen. Her \vmrde man 
von der Schule los. 

10. Trotz dieser Erkenntnis ist es von groBtem Interesse fur die 
Dogniengeschickte. wenigstens in den Grundziigen die Methode dieses 
philosopHerenden Judentums kennen zu lernen, stellt es dock vielfach 
voraus dar die spateren Bildungen der christlichen Theologie. a) Dei- 
Pentateuch ist inspiriert, *) jedes "Wort in inm ist Gfottes Wort. Aber 
man versteht die "Worte auf dem Wege der allegorischen Exegese, sie 
bieten so die "Weisheit des ,,heiligen Plato", b) Q-ott ist o wv (Sap. 13, 1), 
10 ov, zb ovTcog ov, et$ v.a.1 rb nav (PHI. leg. allegor. I, 44), er ist 
artoiog. Er wirkt imnier, auch am Sabbat (PHI. ib. I, 3). 2 ) Aus der 
vernlvaftigen Ordnung und Leitung der "Welt ist sein Dasein zu er- 
scnlieBen (de monarch. I, 4). Gfott ist das absolute pradikatlose Sein, 
aber der Gedanke seiner lebendigen Tatigkeit ist dabei stark betont. 3 ) 



1) 'JEgfiijvslg yd<) slow ol Tt^oy-fjiai -d'eov Kavd'/gcofievov tols sy.sLvmv bgydvois 
flrjicoaiv Stv av e&ekijai) (Philo, de monarch. I, 9). "Ovrcos yd.!> o Ti^ocp^rr/e, 

r.al oTtote heyeiv Soy.sl, Ttgbs a}^&siav fjavftd^ef y.aTa'/^fjra.i Se eregos UVTOV rots 
(fiovriiri^iois opydvois, orofMTi y.ai y).cai:Trj, Ttgos ui]vvatv &v av \)ekrj (Phil. C[llis 
rev. div. her. 53). 

2) UuiiEiu.i yap otiSsstoTE ftoicov 6 Ssos, d)J' &07te(> ffitov rb '/.aieiv nvgbs xat 
'/J.OVOS ib yv%ei,v, ovrco y.al \)eov TO Ttoieiv y.a.1 Ttohv ye (.tahlov, oaca y.ai rots allots 
ciTtaaiv dy/jj tov (>&v eanv. Dazu Henoch slav. 24, 8 (ed. Bonwetsch p. 25): 
Aber auch die Sonne-hat Ruhe in sicJi selbst, ich aber fand keine Riihe, weil ich 
war der alles Schaffende. Vgl. Joh. 5, 17. 

3) Hierher gehoren auch die eigentiimliehen Stellen, in denen gewisse An- 
satze zu einer Trinitatslehre bei Philo vorliegen, s. de Abr. 24: Tcarf? pev 

iwv ol,(ov 6 fieaos, os iv Tats iepats ygayctls WOQ'UO ovofian '/.akelicu- o *Qv at Se 
ytaff exdieya Ttfjeafimatat, v.a.1 eyyvratai TOV "Ovros Svvdfisis, &v i] fiev yioirjrts^, fj 
Ss 2 flaoikisti} Ttgooayopefa'rai' y.al ^ {.lev Xovrfctv.'}] ,,-9eos" . . ., ?} Se ^aaihicr} 
,,'/.VQIOS" . . 4opv<[0()0'u l uevos oiiv 6 fisaos iiy exaieoas tcov dwdpecov TtaQB^ei rrj 
opaiiy.fj Stavoia VOTB (.lev evos, tors Se roi&v pavraai&v. Nur durch die ,,groJ3en 
Weiheu" erhebt sich die Seele zur Erfassung des ov an sich, wahrend sie fiir ge- 
\vohnlich Gott aus den Dingen wahrnimmt und dann die Dreiheit schaut: IQIWV 
8s biav /.irjTtco ids peydlas rshadsiaa lelerds, BII sv vats fi<)a%vT;eoat,s opyidZfltiu 
KM f.t,r\ SWIJTUI rb V 0v livev ereoov twos eg aiirov ftovov y.aiala^elv dllA Sid t&v 



Die Theologie Philos. 53 

c) Grott steht die gestaltlose vir] gegenuber. Auf sie wirkt er ein 
durch Mittelwesen. Es sind die Engel oder, philosophisch ausgedriickt, 
die platonischen "Loyoi., die aber im Sinn der Stoa als wirksame Kraffce 
vorgestellt werden. -Zusammengefaflt sind sie in dem 'koyog oder der 
oocpia, dein itvEv^ia "/.VQIOV, als clem y.6G(.iog vorjrog, der Idea idsuv (Sap. 
9, 4; 7, 22 ff. ; 1, 7; 12, 1; 9, 1. Phil. leg. all. I, 19). Es ist dan 
bei an keine Person gedacht, sondern an die alles durchdringende und 
ordnende gottliche ytqovoia (Sap. 14, 3; 17, 2), an die Metropole 
aller gottlichen Krafte (Phil, de mundi opif.. 6). Dieser Logos nun 
ist ovze ayswrjcog wg 6 &eog, ome yevvytbg &g vf.ieig (Phil, quis rer. 
div. her. 42), o Ao'/og rtQCoroyovos, 6 rtqwtoyovos, 6 TtgtOTO'ioxos vio$ im 
Yerhaltnis zur "Welt (Phil, de confus. ling. 28), ttyyehog rtQeGfimavos, 
6 wi sixova av&QCOTtos (ih.), er' ist der devregoc; tfeos (bei Euseb. 
Praep. ev. ~VTI, 13, 1). Der Logos ist der drjf.uovQy6g } denn durch ihn 
schuf Grott die Welt (Phil, de monarch. II, 5), er ist der gottliche Ab- 
glanz, der melchisedekische ilohepriester, der nnser ixer^g bei Gott, 
linger Tta^et/cta^og ist (Phil, q^uis rer. div. her. 42), er ist (SaGiXebs 
cftxatog, Brot vom Hiimnel, Milch .der Seele, Wasserqtielle, Freund und 
Fiihrer. - 1 ) Trotz all dieser personlich klingenden Aussagen, ist er doch 
keine Person, wircl auch nie etwa dem Messias gleich gesetzt. Die Ge- 
danken Philos greifen nicht hinatis iiber die stoischen Aussagen der Sap. 
von der aocpia oder dem nvev(.ia VOSQOV ayiov, von dem es heifit, es sei 
(.lovoysveg, nolvf-iBQSQ, hertxov, ftaviodvvaftov, %iOQel dice ftdvrwv, ajtoQQoia 
do^fjS, &jtavyctG(.ia cpwros aidiov etc. (Sap. 7, 22 8, 1). d) Durch 
einen vorzeitlichen Fall karn die priiexistente Seele in den Leib, der ihr 
Sarg ist und Ursache der Siinde und der tJbel (Phil. Yit. Mos. ILT, .17. 2 ) 
Sap. 8, 20; 9, 15; 15, 8; 4, 14). Ln Gregensatz zum av^Qtojiog OVQCC- 
vios ist der Mensch a.v&Qcono yrj'ivos oder {alG'S-rfcog. Die Aufgabe 
des Menschen ist nun die Erfiillung des Gfesetzes als der Offenbarung 
Gottes, TO acp&aQTOV v6f.iov cpwg (Phil, de rnigr. Abr. 16. Sap. 18, 4; 
6, 18 ff.). Dies geschieht, inclem der Mensch (.levdvoca betatigt oder sich 
von dem. Geschopf zu dem Schopfer, von der TJnwissenheit zur Weis- 



v ij xri^ov /} &<)%ov. Vgl. de sacrif. Abel et Cain 15, wo der "-Q^ 
als iiye[.icbv zwischen d^ij mid dya&oTijs sich befindet, wodurch die menschliclte 
Anschauung ebenfalls eine Dreiheit sieht. 

1) S. noch die Unterscheidung des 1.6yog evSidd-eros und TtQoypQiy.os : in be- 
zug auf den Menschen unterscheidet sie die Vernunft von der Kede und ihren 
Organen, in bezug auf das All die unkorperlichen und vorbildlichen Ideen, die 
im Logos ziisammengefafit sind, von der Nachahmung und Darstellung dieser 
Ideen in der sinnliclien Welt, Phil, vita Mos. Ill, 13. 

2) art, TiavTt, yevvriiw . . . Ttao' baov 'fjwev sis ysvsaiv ov.uy-vss to aurto- 
idvov 



54 5- Das Judentum. 

heit. von der Zuchtlosigkeit zur Zucht. von der Ungerechtigkeit zur 
Grerecktigkeit hinwendet (Pliilo de poenit. 2). Mit dieser Bufie ver- 
binclet sich der bei Philo stark betonte Glaube. Mir die Menschen, 
die in der Regel verganglichen Giitern nachgehen. ist der Glaube etwas 
Wunderbares, denn er ist das Streben nacb Gott als dem. Seienden (TO 
ITCI f.i6vo> vCt) fivxi fiefiaitog, xc aictai'aig oQ[.ielv, quis rer. div. her. 19). 
Der Glaube ist das einzige bestandige und untrugliche Glut, denn er 
fiihrt fort vom Bosen und bin zum Guten. er ist Erkenntnis der 
Fromuiigkeit und Besitz der Gluckseligkeit. "Wer den sinnlichen Dingen 
glaubt. ist unglaubig gegen Gott, und wer an Gott glaubt. glaubt jenen 
niclit. Dies geistige Streben nacb Grott ist Erfullung der gottlicben Gre- 
bote. aucb dann. wenn der Gflaubige, wie Abraham, ov yqd(i(.iaGiV ava- 
dida%-9-Ets ist. cdl' aygdcpq} rfj cpvoei OTtovddoag vyiccivovGaig -/.al dvoaoig 
oQiialg ftcr/.olov&fjacci, (de Abrah. 39). Das ist das angeborene sitt- 
licbe jSTaturgesetz der Stoiker. Him oder der Vernunft folgen heifit 
Grott folgen. Dieser auf die Gottheit und das Geistige gerichtete. zum 
Geliorsam gegen Gott und die Vernunft bereite Sinn ist der Grlaube 
nach. Philp (de migr. Abr. 23. 24). Auch bier ist die positive Re- 
ligion inrnier daran, sich in das philosophische Streben des Weisen iiach 
dem absoluten Sein, in den Gehorsam gegen die angeborenen Tiiebe zuin 
Guten zu verfliichtigen. In der Seele wohnt die Sebnsucht frei zu 
werden von den Schranken der Smnlichkeit. uni Erbe zu werden der 
gottlichen Dinge. Indeni sie sicb selbst entlauft und in der Ekstase 
aus sich selbst heratistritt, \\drd sie von der himmlischen Liebe erfiillt 
und eniporgezogen zum Schauen des Gottlichen (quis rer. div. her. 
13. 14). Auch hier konmrt dem enthusiastischen Streben die Ein- 
fachheit des Lebens und seine asketische Gestaltung zu Hilfe. Der Tod, 
der die Schranken der sinnlichen Welt bricht, bringt schliefilich die 
Erlosung. 

11. Das siud einige .Ziige aus diesem hellenisierten Judentum. Die 
Treue gegen das vaterliche Gesetz. das BewuBtsein der nationalen Pra- 
rogative. die scharfe Kritik der heidnischen Keliglonen - 1 ) verbindet sich 
in merkwiirdiger "Weise . mit dem philosophischen Gottesgedanken und 
den Logosbetrachtungeu, mit den ekstatischen und asketischen Tendenzen 
der Mysterienfrommigkeit. Tiber das Positive hinaus ist man zu einer 
Kraft und Innigkeit des religiosen Lebens gekommen, die starker war 
als bei den griechischeu Philosophen, weil ihr immer zugleich der Boden 
positiver Beligion gegeben war. Und deuuoch siud von dieser Erommig- 



1) S. die jMischen Sibylliuen, Sap. 13, Iff. llff.; 12. 24; 15, 18; 14, 24 if. 
Philo de mund. 1 n. a. 



6. Das Urchristentum. 55 

keit zunachst weniger Wirkungen ausgegangen, als man erwarten mochte. 
Sie war docli den Juclen zu heidnisch und den Heiden zu jiidisch. Dazu 
kam, daB der immer machtiger werdende Pharisaismus ihr den Weg 
vertrat, tind daB dann bald das Christentum durch seine Propaganda ihr 
den Wind aus den Segeln nahm. 



6. Das Urchristentum. 

B. WeiB, Lehrb. d. Mbl. Theol. des N. T., 7. Aufl. 1903. B. WeiB, Die 
Eeligiou des N. T., 1903. W. Bey schlag, Neutest. Theol., 2 Bde.. 18911 
H. Holtzmann, Lehrb. d. neutest. Theol.. 2 Bde., 1897. 0. Pfleiderer. Das 
Urchristentum, seine Schriften und Lehren, 2 Bde., 2. Aufl., 1902. P. Wernle, 
Die Anfange unserer Eeligiou, 2. Aufl. 1904. G. Heinrici, Das Urchristentum, 
1902. E. S e eb er g , Aus Eeligiou u. Geschichte I (1906) S. 1144. H. H. Wendt , 
Die Lehre Jesu, 2. Aufl. 1901. G. Dalman. Die Worte Jesu I, 1898. C. Weiz- 
s acker. Das apostol. Zeitalter, 1886. E. T. Dobschiitz. Die Probleme d. 
apostol. Zeitalters, 1904. P. Feine, Das gesetzesfreie Evangelium d. Paulus. 
1899. P. Feine, Jesus Christus und Paulus, 1902. A. Seeberg, Der Kate- 
chismus des Urchristenheit, 1903. A. Seeberg, Das Evangelium Christi, 1905. 

1. An zwei Orten der Welt war das BewuBtsein der Weltherrschaft 
wirksam. in Rom xind in Jerusalem. Rom meinte sie zu haben, und jeder 
Tag verwirklicMe sie inm, Jerusalem, erhoffte sie von der Zukunft tind 
einer grofien Tat seines Gotte's. An beiden Orten erwartete man alles, 
das Heil der ganzen Welt, von dieser Weltherrscbaft. Jerusalem hat 
Eecht bekommen. Die Herrschaft Gottes ist in Jesus Christus erstandeu 
nncl sie hat sich die Welt unterworfen. Aber Rom stand ihr entgegen. 
zuerst auBerlich, und dann innerlich. Und als die Herrschaft Ohristi 
eine Tatsache geworden war, gegen die es kein Widerstreben gab, da 
hat sie Rom ergriffen und sie in seiner Weise gedeutet und geiibt. Die 
beiden alten Konkurreuten uni die Weltherrschaft haben sich abgestofien 
und sich angezogen. Man kann die ganze Geschichte unter diesem Ge-, 
sichtspunkt betrachten. Das kann hier nicht ausgefiihrt werden. Aber 
der Gedanke beleuchtet die weltgeschichtliche Mission Jesu Christi. Er 
hat den alten Geclanken von der Gottesherrschaft zur geschichtlichen 
Tatsache gemacht. 

2. Das jiidische Verstiinclnis des Gesetzes hatte die messianische 
Hoffnuug verweltlicht. und der spatere Messianismus hatte das Gesetz 
entnervt. Tim des Lohnes willen erfiillte man das Gesetz , imd das 
Gesetz wirkte dahin, daB die neue Ordnung der Dinge immer sinnlicher 
und iiuBerlicher gedacht wurde. Jesus Christus hat die subjektive 
Religiositat Israels reformiert, indem er die objektive Religion von der 
Stufe der Yerheifiung ai\f die der. Erfullung erhob. Was Israel die 



56 6. Das Urckristentum. 



fur die Znkunft verhiefi, erhob er durch das evayyehov zu 
der die Gegenwart bestimmenden Macht. 

In alleni grng Jesiis von dem Alien Testament aus. Aber er war 
kein Nonaist im Sinn des Pharisaismus. Die TtaQadoasig tCov itqsG^vceQ(av 
wies er zuriick (Mt. 5, 12 ff. ; 13, 19 f . ; 16, 12. Me. 7, 9). Die Autoritat 
des Gesetzes selbst hat er dem gegenliber neu stabiliert. Aber er tut 
das nicht im Sinn des nachexilischen Mosaismus. Wie die Propheten 
versteht er das Gesetz als einheitliche geistige GroBe, die die Gesinnung- 
und die fromnie Tat des Mensclien fordert. Auf Liebe, auf xgioig, 
efoog und ftlaus kommt es ibin an (Mt. 22, 37 f. 40; 7, 12; 23, 23: 12, 7). 
SchlieBlich ist er es selbst, der dem Gesetz seine Autoritat gibt und 
seinen Inhalt bestimmt. Was das Gesetz will, bringt er zum Ausdruck 
vermoge der koniglichen Vollniacht, die ihni geworden. 

Diese Volhnacht eignet Jesus, sofern er das Bewufitseiu liat,. 
die verheifiene gottliche Konigsnerrschaft in der Welt auszuiiben. Er 
hat demgemafi den Willen Gottes den Menschen verkiindigt und er hat 
ihn in rastloser Arbeit verwirklicht. Gottliclie Macht und Liebe wird 
wirksam in seinem Wirken. Der Gott, dessen Wirken sich. durch Christi 
Lebenswerk realisiert, fordert nicht nur, sondern er selbst gibt und wirkt 
das Gute in den Menscben. In Jesu Wirken wird die gottliche Herrschafb 
verwirklicht (Mt. 12, 28; 11, 5f.). 

3. Dadurch rtickt Jesu Werk und Person in den Gedankenkreis der 
Prophetie. Jesus selbst hat sich als den vei'heiBenen Konig Israels 
gefuhlt. Als ,,Sohn Gottes" wird er bezel chnet und ,.Sohu des 
Menschen" nennt er sich regelmafiig. Beides sind messianische Titel, 
aber der zweite ist umfassender als der erste. Sohn Gottes ist Christus 
als der, der den Inhalt und die Antriebe seiner Seele aus Gott zieht 
und der daher in Gottes Geist oder Kraft lebt und wirkt (Mt. 3, 161; 
11, 27. Joh. 3, 34f. ; 8, 55 ; 5, 30 ; 15, 15 ; 8, 26. 28. 40 ; 11, 22. 41 etc. ; 
17, 4; 19, 30; 4, 34; 6, 57. 38). Menschensohn ist er als der, der himm- 
lischen TJrsprunges, Wesens und Zieles ist (Joh. 3, 13 f.). Aber die 
Autoritat xtnd die JEVnktionen Christi werden nicht umschlossen von der 
Messianitat, die er sich zusprach. Auch die hochstgesteigerten Formen 
des Messiasbegriffes in der Apokalyptik werden durch das Selbstbewufit- 
sein Jesu iibertroffen. So etwa, wenn er sich das Weltgericht (L.c. 18, 8. 
Mt. 25, 31 ff.) und das Eecht, Siinde zu vergeben (Mt. 9,6. 8), beilegt, 
oder frei mit den gesetzlichen Ordnungen schaltet (Me. 2, 28). Jesus 
hat sich als Messias gefuhlt, aber er hat zugleich von seiner Einheit mit 
Gott gewufit, die mehr in sich faGte als der Messiasbegriff. Das sincl 
Tatsachen von grofiter Bedeutung man beurteile sie, wie man mag 
fiir die Entstehung der Christologie. 



Jesu Person und die G-ottesherrsckaft. 57 

4. Aber aucb dies liber den apokalyptischen Messiasbegriff binaus- 
gebende Plus im Selbstbewufitsein Jesu Meidet sicb in alttestamentlicbe 
Formen. Das "Wirken Cbristi verstebt sich unter einem doppelten vom 
Alten Testament dargebotenen Gesicbtspunkt. Es ist einnial die Idee 
der gottlicben Herrscbaft iiber die "Welt, und es ist sodann -der 
Gedanke des neuenBundes. Beide Gesichtspunkte bezeichneu das 
Ganze des W-erkes Obristi, der erste bat Jesus von Anfang an geleitet, der 
zweite scbeint deutlicb erst angesicbts seines Todes angewandt zu sein. 
Wie mm Jesus den jiidiscben Mosaismus gereinigt bat, so bat er aucb 
die jiidiscben Wucberungen am messianiscben Gedanken abgestreift. Zwar 
bat er in der grofien escbatologiscben Rede und sonst fast alle popularen 
Ausmalungen der messianiscben Zeit angewandt (vgl. ,S. 43), aber sie 
geben sicb, bemessen an den Zentralgedanken, deutlicb als populare Dar- 
stellungsformen zu erkennen. Dem jiidiscben Partikularismus stebt Jesus 
ebenso fern als der national-pob'tiscben Auffassung des messiauiscben 
Berufes. Er ist mit seinen Gedanken. wie von der Halacba zu deni 
Gesetz, so von den Zukunfsbildern der Apokalypsen zu den Propbeteu 
zurtickgekebrt . 

Eaoiheicc ist die gottlicbe Herrscbaft. Nacb Gottes Zuerteilung 
(Luc. 22, 29f.) verwirklicbt Jesus sie in der Gregenwart (Luc. 17, 21. 23. 
Mt. 6, 10. 33. Job. 18, 36) und bringt sie in der Zukunft durcb sein 
Kommen zur Yollendung (Luc. 23, 42; 1, 33). Jesu Wirken durcb 
"Wort und Tat ist die Ausubung der gottlicben Herrscbaft (Mt. 13 ; 12, 28). 
Das zeigt sicb in der Aiitoritat und Macbt seiner Person, die liber alle 
irdiscben Beziebungen erbaben ist, und der aucb die Engel untertan 
sind, die stets bei den Seinen bleiben wird, und die aller Dinge macbtig 
ist, die sicb der Sunder und Bedriickten erbarmt und ibnen ibre Stinde 
vergibt, die liber der Menscben letztes Gescbick entscbeidet. Das ist 
Cbristi gottHcbe Herrscbaft. Er stellt sein Wort dem alttestamentlicben 
Offenbarungswort gleicb, er bestinunt iiber des Menscben Los, er nimnit 
vollige Hingabe fur seine Person in Ansprucb, er beilt die Kxanken und 
vergibt den Siindern. Es ist eine geistige, die Weltgescbicbte ordnende 
und leitende Gewalt, die er auslibt. Sein Wollen und Eeden ist der 
Ausdruck des gottlicben Heilswillens iiber die Menscbbeit und iiber ibre Ge- 
'scbichte in alle Zukunft. So bezeicbnet die Herrscbaft Cbristi. sofern sie 
als ausgelibt vorgestellt wird, den beilsmafiigen Zustancl der Menscbbeit 
(Mt. 25, 24; 21, 43) oder das bocbste Gut (Mt. 13, 44 f.), oder aber 
ibr entspricbt das Reicb Gottes als die meriscblicbe Genieinscbaft, innerbalb 
welcber sie gilt (Mt. 16, 19; 7, 21; 21, 31; 23, 13 etc. Lc. 13, 28 f.). 
Der Zustand unter der {iaadsia ist aber das Leben (Mt. 16, 16 f. 23: 
18, 8f.; 25, 46. Me. 9, 43. 45; 10, 17. 30. Luc. 18, 18. Mt. 25, 34 cf. 41). 



58 6. Das TJrchristentvun. 

Wer diese Gredanken iiberschlagt, der findet, daB auch die deui jokannei- 
seheii Evangelium eigentiimlichen Selbstbezeicknungen Christ! als Weg, 
Wahrheit, Liclit, Leben sachlick in keiner Weise kinausgreifen liber die 
Idee der geistigen Herrsckaft, die Christus in der Welt ausiibt. 

Es liegt ein groBer weltgeschichtlicher Zug in alien diesen Gre- 
danken. Die Person Christi, so wie er sie selbst angesehen hat, wird 
emporgehoben uber alle Schranken der Individualitat und der Zeit. In- 
deni die treibende Macht der israelitischen Greschichte sich in. .der Person 
Christi konzentriert tmd diese so als die die Weltgeschichte bestimmende 
Kraft angesehen wird, gewiunt die Person Christi die Ziige des gott- 
licben Gesehichts- uud Heilswillens. sie wird zu dem ewigen Prinzip, das 
das geschichtliche "Werdeu bestimmt und regiert. Wer den synoptischen 
Christus verstehen will, darf diesen grandiosen Zug nicht iibersehen, der 
in der fictaihelcc liegt und Christus als das bewegende Centrum der Welt- 
geschichte erkennen lehrt. Was bisher HofEnung war oder sporadisch 
wirkende Kraft, das ist in Christus Mstoriscbe Wirklicbkeit und die die 
Greschichte stetig leitende geistige Macht geworden. Die Gfedanken von 
dem gottlichen Willen, der Macht des Gfeistes, der Gfnade und der Er- 
losung, A r om Sieg des Gruten in der Welt, die bisher Ideen waren, sie 
sincl in Cbristi Person ivnd Wirken anscbauUcb und konkret, gescbicbt- 
lich wirksam geworden. Nicht ein Ideal, auf das man hofft, sondern 
eine geschichtliche Macht ist durch Christus die Herrschaft Grottes ge- 
Avorden. 

5. Als Jesiis die Hobe seines Erfolges erreicht hatte, sagte er seinen 
Jiingern seinen nahen Tod voraus. Ein hoheres ,5Mtissen" (deT) vollzieht 
sich durch seinen Tod. Nicht ein zufalliges Ereignis ist er, sondern er 
ist notwendig als Grottes Ordnung, als der Weg zur Erbohung Christi 
itnd als ein Mittel zur Durchfuhrung seines Werkes. Des Menschen Sohn 
ist nicht gekommen bedient zu werden, sondern zu dienen und zu geben 
seine Seele als ein hwgov &VTI ftokkwv (Mt. 20, 28). Die Hingabe des Lebens 
Christi ist also das Losemittel oder Losegeld, das hingegeben wird, an- 
statt daB viele clem Tocle als Gfericht verfallen. Christus bietet also 
clurch sein Sterben das dar, was nach Henoch 98, 10 den Siindern fehlt : 
,,ihr Averclet hingehen und" sterben, weil ibr kein Losegeld kennet, ihr 
seid bereitet auf den groBen Tag des Grerichtes". Eine Stellvertretung 
liegt vor sie war dem Juden vertraut , aber nichts in der Stelle 
weist auf den Opfergedanken bin. Der gute Hirte, so lesen wir bei 
Johannes (10, 11. 15. 17. 18) gibt seine Seele freiwillig bin fur die 
Schafe. Und nur dann, wenn das Weizenkorn stirbt, bringt es viel 
Erucht (Job. 11, 24). Urn ganze Hingabe an den Zweck handelt es 
sich bis zur Hingabe der Seele fur die Freunde (Job. 11, 25; 15, 13). 



Christ! Tod und der neue Bund. 59 

Diese Gredanken deuten die Mattbausstelle. Was tier unter den subjek- 
tiven Gfesicbtspunkt der Hingabe bis zum Aufiersten tritt , wird bei 
Mattbiius als objektives Mittel gewertet. Sofern Cbristus treu ist in 
seinem Beruf bis zum letzten, sofern er sicb ganz bingibt in seinem 
Dienst, ist er der, urn dessentwillen die Menscben vom Grericbt frei 
werden d. b. Siindenvergebung erlangen. 

Der Gredanke "der Herrscbaft Grottes, die Cbristus ausiibt, wird bier- 
durcb vertieft. Indem. er sicb selbst bingibt oder durcb den tiefsten 
Dienst tibt er seine Herrscbaft aus. Die Gfottesberrschaft ist Erlosung. 
Erloser ist Cbristus indem er stirbt. Sein Tod ist daber eine Offen- 
ba.rung seiner erlosenden Herrschaft. Sein Tod selbst ist so eine Er- 
hobung (Job. 3, 14; 8, 28; 12, 23). 

6. Nun riickt aber Cbristus anlafilicb der Einsetzung des Abend- 
mabls seinen Tod unter den Gresichtspunkt des neuenBundes 1 ) (1. Kor. ' 
11, 25. Mt. 26, 28). Das Blut Cbristi ist vergossen zum Zweck vielen 
Siindenvergebung zu bringen. Damit ist das eine Element, aus deni der 
,,neue Bund" bestebt nacb Jerem. 31, 31, berangezogen. Der Gedanke 
fiibrt iiber den vorber erorterten nicbt binaus, denn er besagt nur, dafi 
die Hingabe Cbristi in den Tod das Mittel ist, durcb das Grott Siinde 
vergibt. 2 ) 

Also bat Cbristus sein Wirken sowobl als Ausiibung der gottlicben 
Herrscbaft wie als Herstellung der neuen Yerfassung aufgefaBt. Er bat 
die geistige Herrscbaft iiber die Seelen der Menscben und iiber die ganze 
Welt ausgeiibt und er bat eine Neuordnung des Verbaltnisses zwiscben 
Gott und der Menscbbeit bergestellt, indem er durcb seine Selbstbingabe 
die Siindenvergebung zum dauernden Bestandteil der Beziebung Grottes 
zum Menscben gemacbt bat. 

7. Die Grottesberrscbaft , welcbe Cbristus offenbart. bringt den 
Menscben nun alle Heilsgiiter. Die Siinder ruft Cbristus zu sicb (Me. 



1) Dabei ist daran zu erinnern, daC Siad-tja-i] sowenig wie n^n? zxmaclist 
den ,.Bund" bezeichnet. Es ist die ; ,0rdnung- der Dinge", am besten yielleicht 
die ,,Verfassung" gemeint. 

2) Deu Opfergedanken an dieser Stelle anznnelimen, scneint mir unveranlalit 
zu sein. denn: 1) war der Begriff des ,,neueu Bimdes" eiu festgepragter, 2) ist 
das Passali nieht eigentlicb. Opfer, 3) kniipft Cliristi Handlung nicht daran an. 
was mit dem Lamm im Tempel gesebehen ist. Aber aucb wenn man den Opfer- 
sinn annimmt, kommt man iiber die oben flxierte allgemeine Formel nicht hinaus. 
Ob iibrigens Cbristus darauf reflektiert hat, daB der ,,neue Bund" auch dem 
Menschen den Willen Gottes innerlicb machen soil, und seinen Tod auch diesem 
Zweck untergeordnet hat, lafit sich nicht mehr sicher ausmachen. Zur Ge- 
schichte des Begriffes sie ist bisher nicht bearbeitet s. bes. Bar. 2, 35. 
Sir. 18, 11 ff. lubil. 1, 23; 23, 26 ff. Test. XII patr. Jud. 24 (armen.). 



60 6. Das.Urehristentum. 

2, 17. Mt. 15, 19; 6, 23), sie eiiangen mit der Gottesberrscbaft die 
viiterlicbe Fiirsorge Gottes in jeder Lebenslage, das rechte Gesetzesver- 
standnis, Erbamien, Trost, Gerecbtsprecbung oder Siindenvergebung samt 
dem scbliefilicben Lobn, der aber Gnadenlobn ist (Mt. 20, 14f.). Indem 
aber Gott so auf die Sunder einwirkt, entstebt in ihnen em neuer Lebens- 
stand. Dieser kann nacb verscbiedenen Gesicbtspunkten bezeicbnet werden. 
Die wicbtigsten sind folgende : (.isvdvoia samt dem Glauben, die Nacb- 
folge Cbristi als der Verkebr mit Cbristus, der zum Erleben der Offen- 
barung in ibm fiibrt. die ecbte Gesetzeserfiilluug oder die wabre Ge- 
recbtigkeit, endlicb das Gebetsleben. In diesen Scbeniata bauptsacblicb 
stellt sicb das neue Leben der JtLnger Cbristi dar. Die frobe Sicberbeit 
in der "Welt uud die tiefinnerliebe sittHcbe Gesinnung, die Bereitscbafb 
zu freudigem Yerzicbt wie zn ernster Arbeit und die Innigkeit der per- 
sonlicben Gemeinscbaffc mit Gott kommen in diesen Fprmen in Avunder- 
barer Eeinbeit zum Ausdruck. Gott ist Yater und Herr und der Menscb. 
erlebt seine Gnade und Giite an Siindenyergebung und Lebensleitung, 
aber aucb seinen beiligen Herrscherwillen,, der zum Guten treibt und 
das Gericbt vollziebt. Rube fiir die Seele (Mt. 11, 29) und erne neue 
Existenz ("Wiedergeburt Job. 3, 3. 6ff. ; 1, 13) findet der Menscb bei 
Gott, Friede iind Tat werden ibni zuteil. 

8. Tiber die Gegenwart bat Jesus hinausgeblickt, einerseits iiideni 
er das Reicb Gottes als eine gescbiebtliebe und wabrende Menscben- 
gemeinscbaft und demgemaB als seine Gemeinde im Unterscbied von der 
bisberigen Gottesgemeinde gedacbt bat (Mt. 16, 18), anclererseits indem 
er von dem Ende, der Vollendung des Reicbes durcb sein Gericbt ge- 
redet bat. Einerseits wird letzteres im AnscbluB an die iiberkommenen 
Eormen als ein in vielen Gescbebnissen sicb vollziebender ProzeB ge- 
dacbt (Mt. 24, 6 31), dann aber scbarfen die Gleichnisse vom Ende 
ein, dafi der Herr bald und plotzlich kommt und dafi es gilt bereit zu 
sein fiir seine Wiederkunft (Mt. 24, 34 ff. ; 25, Iff. 14 ff. 31 ff.). 

9. Die Offenbarung Cbristi Avar mit seinem Tode nicbt abgescblosseu, 
aber aucb das Eaktum seiner Auferstebung stellt nacb der neutesta- 
mentlicben Auffassting nocb nicbt diesen AbscbluB dar. Die Auf- 
erstebung bat die Jiinger der Messianitat Cbristi vergewissert, sie lernten 
aus ibr, daB er recbt batte (cf. Act. 2, 32 ; 3, 15 ; 4, 10. 33 ; 10, 40. 
1. Tim. 3, 16. Job. 16, 8ff.) und seine Gegner im TJnrecbt Avaren, 
da6 Gott fur ibn und Avider sie ist. Indessen das ist nicbt der AbscbluB. 
Die Axiferstebung fiibrt liber die Menscbbeit Cbristi nicbt binaus, denn 
nur ein Menscb kann aufersteben, und aucb andere Menscben werden 
aufersteben. Die Art, Avie Cbristus von seinem "Werk gesprocben batte, 
g'mg iiber alles MenscbenmaB binaus, und die Jiinger, die seiuen Tod 



Heilsguter. Die 'Auferstehung Christi. 61 

erlebt batten, haben in dem Auferstandenen nicht blofi einen erhohten 
Mensclien, sondern Gott, den Herrn Himmels und der Erde erblickt. 
Und sie haben hieraus die praktische Konsequenz gezogen, indem sie 
seine Gegenwart suchten, ihn als Gott verehrten und ini BewuBtsein 
von seiner Kraft geleitet und beschiitzt zu sein in seinein Namen ihr 
"Werk an der Welt anfingen. 

Wodurch sind die Jiinger zu dieser tlberzeugung , wie sie vom 
ganzen Neuen Testament vorausgesetzt wird, gekoramen? Die Gelehrten 
gehen entweder an der Frage voriiber, als sei mit der Auferstehung oder 
auch niir mit dem Auferstehungsglauben alles gelost oder andere reflektieren 
dariiber: so grofi sei Jesu Person gewesen, daB man alle verfiigbaren 
Ehrenpriidikate, die von der rnessianischen Spekulation erzeugt waren. 
auf sein Haupt haufte. Aber weder auf diesem nocb auf jenem "Wege 
laBt sich die Entstenung des Tatbestandes einleucntend rnachen. Der 
Auferstandene war docb. an sich aucn nur ein Mensch, und die verfiigbaren 
messianiscben Ehrentitel scblossen keinesfalls die Gottheit in sich. Das ISTeue 
Testament gibt uns eine andere Auskunffc. Yierzig Tage tiber sei der Auf- 
erstandene den Jiingern erschienen, nicht stumm, sondern sich offenbarend. 
Gredanken erzeugend, Plane erregend. Nur in diirftigen Zusammen- 
fassungen ist uns dies Evangelium quadraginta dierum erhalten (s. Mt. 
28, 1620. Lc. 24, 4449. Act. 1, 68), aber der Q-laube der 
apostolischen 2ieit ist der Kommentar zu diesem Evangelium, mehr noch, 
er selbst ist der Ausdruck dieses Evangeliums. Man erzahlte den Heiden 
Tind Juden die Geschichte Jesu, bestiminte f eststehende . Stoffgruppen er- 
gaben sich daraus, (Jesu Anfange, der Lehrer, der "Wundertater, der 
Yerkehr mit dem Volk, den "Widersachern, den Ereunden, der Tod, die 
Auferstehung), sie liegen den synoptischen Evangelien zugrunde. - 1 ) Aber 
dann horte die Geschichte auf, und der Glaube ging an, wie .man ihn 
verkiindigte. Christus der Herr und Gott war sein Mittelpunkt. Ihn 
lehrte man aus immer neuem Erleben heraus, in der geschichtlichen 
Darstellung lieB man es genug sein an einer kurzen Zusammenfassung. 
Nur darauf kam es hier an, daB klar wurde : der Glaube, den die 
Christenheit bekennt auf Grund der apostolischen Verkiindigung, er ist 



1) Diese Stoffgruppienmg stellt in mancherlei Differenzierungen die Dispo- 
.sition aller dieser Evangelien dar, aber gerade sie ist im ganzen von den 
Evangelisten frei gehandhabt, nicht genau einer schriftliclien Quelle entnominen. 
Diese' G-ruppierung war eben Jbekannt und liblich, man wandte sie in solchen Vor- 
.tragen an, wie in denen des Petrus, aus denen das Markusevangelium hervor- 
, nach dem Zeugnis des Papias und des Clemens Alex. Ein Werk wie das 
Lukas soil den Theophims dariiber genauer und klarer informieren, was er 
im Unterricht gehort hat (Luk. 1, 4). 



62 6. Das Urcliristentum. 

von Christus selbst den Aposteln geworden. Daher blieb und wiichg 
die Autoritat der Apostel auch dann noch, als man die Evangelien hatte, 
der Glaube war apostolischer Glaube. Die letzte abschliefiende Offen- 
barung das war die feste Meinung hat erst der auferstandene 
Herr den Jiingern erteilt; aucli die Gnostiker beriefen sich fur ihre 
Sonderlehren auf Offenbarungen, die nach der Auferstehung Obristi von 
ihm gegeben seieu. 

Das fiihrt tins auf eine geschichtliche Erkenntnis von hocbster Be- 
deutung. Der Schliissel zu deni Glauben der apostolischen Zeit und 
damit der Folgezeit ist nicht die Atiferstehung als solche oder dann 
der Auferstehungsglaube, sondern das Zeugnis des auferstandenen Herrn, 
das religiose Erlebnis, das man an ihni und durch ihn gewonnen, mit 
anderen Worten: Das evangelium quadraginta dierum. Lukas hat uns 
seinen Inhalt als Referat iiber zwei Belehrungen gegeben, Matthaus hat 
ihn in die Eorm des Missions- und Taufbefehls gekleidet und formell 
als ein direktes Herrnwort iiberHefert. - 1 ) In den Gedanken kommen 
beide iiberein. 

Was ist es mit diesen Gedanken? 1) Jesus hat sich den Jiingern 
zu erkennen gegeben in gotth'cher Macht, Wiirde und Heniichkeit und 
er hat sie die Notwendigkeit seines Leidens nach der Schrift verstehen 
gelehrt; 2) Jesus hat seine fortdaiiernde Avirksame Gegemvai't den 
Jiingern fiir alle Zeiten in Aussicht gestellt und er hat ihnen zugleich 
die Aiisriisking durch den heiligen Geist versprochen. 3) Dai'aus ergab 
sich, daii Gott als Yater, Sohn und Geist lebt und wirkt. 4) Jesus hat 
den Jiingern einen weltumspannenden Beruf erschlossen und demselben 
einen festen Inhalt gegeben (zu Jiingern machen, lehren, taufen), in 
Jerusalem sollen sie beginnen, aber alle Volker zu belehren ist ihr Ziel. 
Behalt man diese Punkte im Auge, so wird einem die Geschichte 
und der Glaube der apostolischen Zeit verstandlich. Alles, was den 
neutestamentlichen Schriffcen diirchaus gemeinsam ist, hat seine Quelle 
am Alten Testament, oder an dem Yorstellungskreis des Juden- 
tums, oder an der Offenbarung Christi. Auf letztere Quelle gehen nun 
solche Elemente zuriick wie die triadische Formel, die tlberzeugung 
von Christi Gottheit, der Gedanke der "Weltmission, das Bekenntnis zum 



1) Teh halte es fiir verkehit, die Eehtheit des Matthausschlusses anzufechten 
(vgl.E.Riggenbaoh, der trinit. Taufbefehl 1903) ; freilich ein Herrnwort im eigent- 
lichen Sinn ist er auch nicht, soudern er ist ein zusarnmenfassendes Eef erat liber das, 
was die Jiinger in jenen Tagen an dem auferstandenen Herrn erlebt und von 
ihm gelernt haben, wie der Vergleich mit Lukas zeigt. Als Taufformel ist das 
Wort zunachst wohl nicht gemeint gewesen, sowenig Mt. 3, 11 Christus zum 
Taufer nach dem Taufer machen soil. 



Evangelimn quadraginta dierum. 63 

Namen Ghristi, die Taufe auf Christus resp. auf die Trias. Nicht alt- 
testamentliche und nicht jiidische Ideen sind das, es sind vielmehr Ge- 
danken und Anregungen, die von Christus ausgingen. *) Und von ihnen 
her ergab sich dann ein neues Verstlindnis auch der Geschichte Christi. 
Jene Eleniente in ihr, die hinausgriffen iiber das messianische Bild 
(s. oben), bildeten das Band zwischen der neuen Erkenntnis und der 
geschichtlichen Erscheinung Christi. TJnd dies Yerhaltnis zwischen bei- 
den Elementen wurde imnier enger und - immer notwendiger, denn die 
Gegenwart des erhohten Christus, die man lebhaft empfand, wurde dem 
Geist konkret nur in den "Worten und Taten des geschichtlichen Christus. 
Die das Herz iiberwindende und antreibende Willensenergie, die von 
Christus deni Herrn ausging, in der seine Herrschaft sich den Herzen 
offenbarte, fand ihren Ausclruck und ihr Mittel in den geschichtlichen 
Eormen seiner Offenbarung. Diese selbst waren Worte und Taten 
Gottes, und sie bewahrten sich fortgehend als solche, indeni gottliche 
Kraft von ihnen ausging. So kam man zu der Erkenntnis, dafi die 
gottliche Art Christi, deren man gewifi geworden war, von Anfang seines 
irdischen Lebens und Wirkens an, ihm eigen gewesen sei. Er war Gott 
in seiner Menschheit und trotz seiner Menschheit. 2 ) Man hat hieriiber 
zunachst keinerlei theoretische Eeflexionen angestellt ; die schweren Pro- 
blenie, die in diesen Erfahrungen wurzeln und die lange Jahrhunderte tiber 
zu schaffen gemacht haben, empfand man gar nicht. Man driickte nur 
aus, was man erlebt und erfahren hatte, und diese Erfahrung bestatigte 
sich in ' dem Erleben aller derer, die den neuen Glauben annahmen. 

10. So ist es dabei geblieben, dafi Christus . Gottes konigliche Herr- 
schaft ausiibt. Wie er es anfangsweise in den Tagen seines Erden- 
wandels getan, so tat er es welter als der lebendige und gegenwiirtige 
Herr. Er hatte es als Messias getan, aber er hatte schon dabei seine 
iiber die Messianitat hinausgehende Art und Kraft kundgetan. Er tat 
es nun als der XVQIO$, dem die fiaaifoicc zusteht. 8 ) "Wie aber die "Worte 
und Taten des Messias als von dem gottlichen Herrn gewirkt erschienen, 
so blieben sie die Mittel,' durch die der gottliche Herr sein Wesen und 
sein Wirken erschlofi. Den Menschen Jesus hatte Gott erwahlt zum 
Messias oder Gottessohn. Aber dieser Mensch nahm fiu- sich eine Herr- 
schaft in Anspruch, die iiber das Messianische hinausging. In ihm war 



1) Vgl. E. Seeberg, Evangeliiun quadraginta dierum in ,,Aus Eeligiou 
und Geschichte" I, 42 ft. 

2) In diesen Gedanken und Erwagungen liegt der Schliissel zxim Verstandnis 
des johanneischen Evangeliums. 

3) In dem Pradikat xv^ios lebt die genuine Idee der fiaadeia bei den Syn- 
optikern fort in der Briefliteratnr. 



64 6, Das Urchristentum. 

gottliclies Wesen. Dies Avurde den Jungern in der Genieinschaft cles 
Auferstaudenen klar. Hinfort erkennen sie in ihm nicht nur den Messias 
als den gotterwahlten theokratisckgeschichtlichen Gottessohn, sondern den 
himmlischen Herrn. den Sohn Gottes im Sinn des &eo [.lovoyevijs, ~wi Q 
Job. 1, 18 zu lesen ist, den Sohn, der mit dem Vater nnd deni Geist 
koordiniert ist. x ) 

Die gottliche Herrschaft des ,, Herrn" Jesus war rmd blieb untrenn- 
bar von der messianischen Tatigkeit, die er auf Erden ausgeiibt hatte. 
Dadurch Avaren Gesehichte Tind Glauben eng miteinander verbunden. 
l y nd diese Verbindung wurde noch inniger dadurcb, dafi die Gaben des 
uenen Bimdes unaufloslich mit den geschicb.tlicb.en Tatsacben des Todes 
und der Auferstebung Obristi verkniipft waren. Hierin ist es begrundet, 
dafi von den Anfangen der Kircbe an ein gottlicbes und ein menscb- 
liclaes Element in der Person Cbristi angenommen Avird, und dafi alle die 
Avecbselnden Tbeorien. die man iiber die Vereinigung beider gebildet 
bat. sicb stets daran. ob sie die KeaHtat jener beiden Elemente aufrecbt 
erhalten. zu beAA r abren gebabt haben. 

11. Die altesten cbristlicben Gemeinden fiiblten sicb geboben und 
getragen von deni Geist Gottes. Der Geist trieb die Zeugen Obristi zu 
"Worten und Werken an, er kam iiber die Glaubigen, er wirkte sicb aus 
in mancberlei "Wundern. Gott als gegenwartige wirksame Macbt das 
ist der Geist ergriff die einzelnen Menscben, er bildete sie innerlicb 
urn und er gestaltete sie zu Organen gottlicber EinAvirkung auf die 
Mtnienscben. Wie eine Naturgewalt scbeint zeitweiHg der Geist geAvirkt 
zu baben, so dafi man meinen konnte, er reifie aucb zu uncbristlicber 
Rede fort (1. Kor. 12, 3). Aber irnnier mebr bat sicb sein "Wirken 
konzentriert auf die geistige sittlicbe Einwirkung. Er blieb gottlicbe 
Gewalt, aber er Avirkte in uienscblicher Rede, durcb personUcbe An- 
naberung. Im Evangelium AA r urde seine Kraft offenbar zum Glauben 
und zur Errettung (Rom. 1, 16). Besonders Paulus bat dies geistige 
sittlicbe Moment betont und den Geist in feste Beziebung zum "Wort 
der Glaubigen gesetzt (1. Kor. 2, 4. 1. Thess. 1, 51; 2, 13. Epb. 6, 17). 
Aber Cbristus ist der Geist (2. Kor. 3, 17 cf . 1 . Kor. 15, 45 ; 6, 17. 1. Pt. 4, 14) 
und der Geist Gottes ist Geist Cbristi (Rom. 8, 91 Gal. 4, 6. Pbil. 1, 19). 
Der Geist Gottes Avar einst die iiber dem einzelnen und fur das einzelne 



1) Das Neue Testament verwendet den Begriff ,,Solm Gottes" sowohl im 
geschichtlich-messianischen als im go'ttlich-metaphysischen Sinn, olme aber deut- 
lich zu unterscheiden. In clem einen Eall handelt es sich urn ein Attribut des 
Menschen Jesus, in clem andereii Fall um gb'ttliehes Wesen, vgl. z. Bi Mt. 3, 17 
.(,,dies ist mein geliebter Sohn") mit Mt. 28, 19 (,,in den Namen des "Vaters und 
cles Sohnes und des lieiligen Geistes"). 



Geist und Wort. 65 

wirksame Kraft des allwirksamen Gottes, er 1st jetzt als Geist Christ! 
die an den einzelnen wirksame personliche Macht des die ganze Gemeinde 
durchdringenden und beherrschenden BTerrn-Christus. Christus ist das 
Haupt der Gemeinde, aber dies Haupt wirkt auf die einzelnen Gemeinde- 
glieder ein, indein sein Geist sie bewegt. Aber nicht anders geschieht 
das, als indeni der einzelne Mensch auf den Bruder einwirkt. Die 
mancherlei individuell bedingten iind abgepafiten Beziehungen des Menschen 
ziim Menschen sind die Leiter des Geistes. So kann in der personlich 
gearteten Belehrung und Anregung die umbildende Macht Christi sich 
jedem einzelnen anpassen und ihm das bieten, .wessen er gerade bedarf. 
Gott ist nicht nur der Schopfer der "Welt, nicht bloB der Herr der 
Kirche, Gott ist als heiliger Geist Christi der Lehrer und Erzieher 
jeder einzelnen Seele, indeni er ihr so komnit, wie sie ihn zu ergreifen 
fahig ist. Gott bewegt die Seelen nicht nur durch Christus als era 
weltgeschichtliches Prinzip, sondern durch alle diejenigen, die von Christus 
bewegt sind und den Stofi, den sie von ihm empfangen, weiter zu geben 
trachten. Aber das geschieht so, dafi eben hierin und hierdurch Gottes 
oder Christi Geist selbst die Seele bewegt. Christus kommt, indem der 
Geist komnit, denn aus Christus nimmt der Geist, was er verktmdet 
(Job. 14, 18 f.; 16, 8 11. 12 ff.). 

12. So erwies sich die Macht. Gottes in alien Beziehungen des 
Lebens, Man lebte in einer Wundersphare und aus den "Worten, die 
der eine zum anderen sprach von deni, was er erlebt, strointe wunder- 
bares Leben in die Seele hinuber. TInd dennoch scheint, soweit die 
Quellen es erkennen lassen, orgiastisches und ekstatisches "Wesen in der 
altesten Christenheit sehr selten . vorgekommen zu sein. Dies begreift sich 
vor allem daraus, dafi das Geistprinzip von vornherein geschichtlich ge- 
bunden.auftritt. Der Geist produziert nicht neue Offenbarungen, sondern 
er individualisiert die Oflenbarung Christi, diese war aber in bestimmten 
Worten und Gedanken gegeben. Der Enthusiasmus ist an sich revo- 
lutionar, aber dieser Enthusiasmus war gefesselt an ein Besonderes und 
Gegebenes. Der Strom des Geistes ist schon fruh durch konservative 
Elemente des Beharrens in ein festes Bett gedrangt worden. Damit ist 
keineswegs ausgeschlossen, dafi die Geisttrager selbst diese Elemente fixiert 
haben. Einmal fixiert, waren sie auch fur sie eine unubersteigliche 
Schranke. Diese Elemente waren 1) die Autoritat der Worte Christi, 
die er vor und nach seiner Auferstehung gesprochen, samt dem Bilde 
Christi, wie es in 'der Missionspredigt entworfen wurde (das Schema ist 
uns von den Synoptikern erhalten, s. oben S. 61), 2) das Alte Testament, 
3) die urchristlichen jtaQadoau^, die mehr oder minder feste Formeha 
und tiberlieferungen fur den Glauben und das sittliche Leben darboten. 
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 5 



66 6. Das ttretoisteritnm. 

Dafi es solche Formeln gab, sagt Paulus 1-. Kor. 11, 23; 15, 31; 
11,2. -2-. Thess. 3, 6 cf. 1. Thess. 2, 13: 4, 1, und es wird bestatigt 
duirch eine Anzahl haufig wiederkehrender formelhafter "Wendungen im 
Neuen Testament. Eu diesen gehoft auch 'die triadische IFormel, die 
iinmer wieder, obne dafi der Gredankenzusammenhang sie erforderte, an- 
gefiihrt oder vorausgesetzt wird (Mt. 28, 19. Lc. 24, 49. 2. Kor. 13, 13 ; 

1, 21 ff. 1. Kor, 12, 4; 6, 11. Eoin. 15, 16. 30. Eph. 2. 1922; 

4, 3 ft; 5, 19 f. 2. Thess. 2, 1315, 1. iPtr. 1, 2; 2, 5 ; 4, 13 f. 
Jnd. 20. Hbr. 10, 2931. Joh. 14, 15 17, 26; 15,26; 16, 1316. 
Apoc. 1, 4f., auch 3, 12). Dafi diese Zusaininenfassung bereits der 
altesten Zeit gelaufig gewesen ist, kann nach diesen Stellen nicM wohl 
bezweifelt werden. 1 ) Wir werden spater Gelegenheit liaben anf diese 
Fi'agen zuruckztikommen. Die IJberlie ; feruiig, wie die Porme'ln des Neuen 
Testaments sie voraussetzen, faBte in siob. bestimmte Lehrforineln, sodann 
Tugend- nnd Lasterkataloge (Pnil. 4, 9. Gal. 5, 1923. 1. Kor. ^6, 9f.'; 

5, 1-0 f. Kol. 3, 5if. Eph. 4, 31; 5, 3ffi. 1, Tim. 1, 9f. 27; 3, 2ff. 
13 cf. 2. Kor. 12, 20. Tit. 3, 3. Eom. 1, 29 f.), das sind ,,die 
Wege", die Paulus uberall lehrte (1. Kor. 4, 17). Die Grlaubensiibef- 
lieferung speziell wurde mit solchen Nam en bezeicnnet, wie bj-iohoyitt 
(1. Tim. 6, 12. Hebr. 3, 10; 10, 23; 4, 14), naQa^rjK-t] (1. Tim. 6, 20. 

2. Tim. 1, 12. 14), rcis-cis (Jud. 3. 20. Tit. 1, 13. Kol. 2, 7. Eom. 12, 6 (?). 
Gal. 1, 23 ; 6, 10. Eph. 4, 5. 1. Tim. 1, -19 ; 4, 6; 6, 21. 2. Ptr. 1, 1), 
atf-9-eia (l.Ptr. 1, 22 cf. Kol. 1, 5), dtda^ (Eom. 6, 17 ; 16, 17. 2. Joh. 9f. 
Hbr. 6, 2 cf. Eph. 4, 20. Kol. 2, 7), auch evayyffaov (Eom. 2, 16 ; 16, 25. 
Gal. 2, 2. 1. Kor. 15, 1); ebenso vyiccivovTeg Koyoi (2. Tim. 1. 13) oder 

ffjs niozscos (1. Tim. 4, 6). Dagegen ist die xaAr/ oder vyiaivovGa 
Bezeichnxmg der Sittenregeln (s. 1. Tim. 4, 6; 5, 17; 1, 10. 
2. Tim. 4, 3. Tit. 2, I). 2 ) 2m. diesen beiden Stiicken sind spater 'noch 
Anweisungen iiber die Amter 'und die Ordination resp. die 'Handauflegung 
getreten (1. Tim. 3, 1. 13. 15. 16; 4, 8 b< 10 b - 2. Tim. 2, 11). Was 
christliche Elementarlehre ist, ist Hebr. 6, 1. 2 znsainmengefaBt. 8 ) 4) Zu 



1) Audi Simon Magus setzte die Trias voraus, wenn er sich als den Messias. 
die Helena als seine Ennoia ausgab ; er verbaiid diese Anschauuug mit eineni: 

naiven Modalismus (Justin. Apol. I, 26. Iren. 1, 23, 1. 2). 

2) In dem Sinne wie die Pastoralbriefe den Titel SiSaaxalLa brauchen, ist 
auch der Titel Si8a%i] in der : "0berschrift StSay^ imv ifi anoaid^oiv zu verstehen. 
Dieser Sprachgebrauch ist ganz deutlich auch Bai-n. ^16, 9, wo neben dem 1.6yos 
tfjs itiaTEcos etc. die svmlal -cfjs SiSayfjs stehen. 

3) Hbr. 6, 1. 2 setzt das Anfangswort Christi (so ist tf\s dy/Ms TOV X(>. foyov 
zu versteheri, cf. 5, 12. Mark. 1,1. Act. 1, 1) gleich dem Fundament und bestimmt 
dies genauer als BuBe von toten Werken und Glauben an Gott. Das ist freilieh' 
Jesu Anfangslehre nach Mark. 1, 15. Dazu ; tritt paTtiM^imv SiSayfiv : (so, uicht' 



Die Uberlieferung. 67 

den genannten festen Elementen gesellt sicb welter die Autoritat des 
bistoriscben Apostolats. Der Begriff Apostolat war einerseits cliarismatiscli 
bestimmt durch den Besitz der Missionsgabe (1. Kor. 12, 29. Epb. 4, 11)> 
aber .er trug andrerseits eine geschiclitliche Pragung : die gescbicbtlichen 
Zeugen Cliristi sind die Apostel (vgl. Act. 1, 21 f, Hebr. 2, 4). Ind&m 
mm Paulus alles darangesetzt bat, als Apostel im letzteren Sinn zu gelten 
(Gal. 1, 1. Ill 1. Kor. 9, 1; 15, 7. 2. Kor. 11, 5), bat er das meiste 
zur Starkung der Autoritat des bistoriscben Apostolats beigetragen, dessen 
iibertriebene Scbatzung er docb einscbranken wollte, ! ) Sie ist in Wirk- 
licbkeit gewacbsen (z. B. Apok. 21, 14 cf. 18, 20 und die apostoliscben 
Vater), obgleicb zunacbst aucb der cbarisrnatiscbe Apostolat eine Mackt 
blieb (z. B. Didacbe 11, 4). 5) Eridlicb ist zu erinnern an die Gottes- 
dienstordnung mit ibrer Predigt, an die festen Eormen fiir T-anfe und 
Abendmabl, die sich bald berausbilden niufiten, sowie 6) an das Bewufit- 
sein der Zusammengeborigkeit der Gremeinden, der Yerbindlicbkeit all- 
gemeiner Ordnungen und Eormen (1. Kor. 11, 16). Die synagogale 



SiSa%fjs ist zu lesen). Das kann entweder sein die Lehre der Taufen d. h. die 
die Taufen begleitende Lenre, oder die Lehre YOU den Taufen. Da das folgende 
sTtt&eaeibs re %i(>&v durch. das rs eng niit paTPiiofiwv yerbunden ist, so ist 
letztere Deutung die richtige. Die ,,Lehre von den Taufen sowie der Handauf- 
legung" ist aber die Lehre von der Wasser- und Geisttaufe sowie von der die letztere 
vermittebiden Handauflegung, s. dazu Matth. 3, 11 und Act. 2, 38; 8, 17; 19, 6. 
Indem nun der Akkusativ Sitia/jv Apposition zu dspshov sein muC, ist die TJnter- 
Aveisung von BuBe und Glauben zugleich die Lehre von der BuEtaufe zur Siinden- 
vergebung und von der Geisttaufe durch Handaufleguug, d. h. die Anfangslehre 
von der Bufie ist Lehre von der Taufe der Vergebung und die Anfangslehre vom 
Glauben ist Lehre von der Geistinitteilung. Dazu kommt die Auferstehung und 
das Gericht (die Genitive hangen wieder von defiehov ab). Dauach besteht der 
christliche Taufunterricht in einer Explikation der Anfangslehre Christi, die 
dreierlei in sich faBt: 1) BuBe und Wassertaufe, 2) Glaube und Geisttaufe oder 
Handauflegung, 3) Auferstehung und Gericht. Dieser Zusammenhaug beherrscht 
auch V. 4. 5, indem dna^ ym-iiaDevTas die Taufe bezeichnet (so die syr. Ubers., 
auch 10, 32, cf. Justin. Ap. I, 65) und die ,,himmlische Gabe" auf die Siindenver- 
gebung geht, /usio^ovs yeviflewms Ttv. ay. den Geistempfang bezeichnet, das 
Kosten des Verheifiungswortes und der Krafte der zukiinftigen Welt aber die 
innere Erfahrung in bezug auf Auferstehung tmd Gericht ausdriickt. Genaueres 
laJJt sich der Stelle itber den Inhalt der Tauflehre nicht entnehmen. Negativ ist 
aber klar, daB genauere Erorterungen uber Christi Werk, wie sie der Verf. an- 
ste'llt, ^den Katechumenen nicht vorgetragen wurden. Da feruer die Korinther 
wie. die Thessalonicher der .eschatologischen Belehrungen bediirfen, so ^vird das 
letzte Lehrstiick nur in groBen Umrissen. vorgetragen worden sein. 

1) Ist 1. Kor. 15, 7 (vergiichen mit 9 u. 5) auf die Apostel im allgemeineren 
Sinn 'der Missionare zu ideuten, so wiirde noch in Eauli .Zeit an der Eorderung, 
daB jeder Missionar wenigstens den auferstandenen Christus gesehen haben niusse, 
festgehalten worden sein. 

5* 



68 6- Das TJrchristentiuu. 

Kirchenordnung wirkte unbewuGt mit zur Herstellung katholischer 
Fornien und Gormen. Schon in sehr friiher Zeit war die Mahnung notig, 
den Greist nicht aiiszuloschen und die Prophetie nicht zu verachten, 
freilich trat sofort die Mahnung liinzu, alles zu priifen und nur das Beste 
zu behalten (1. Tliess. 5, 1931). 

So stand also von friih an deni freiwirkenden Greistprinzip, deni Indi- 
vidualismus der Begeisterung und des Entliusiasmus entgegen ein Gfefiige 
fester Yorstellungen. Lekren. Ordnungen, Sitten, Brauche, geschichtlicher 
Autoritaten. - 1 ) Indem dies beides zusaminen wirkte, ist eine geordnete 
geschichtliche Entwicklung moglich geworden. Die Form, blieb nicht 
leer, sondern das personliche Erleben gab inr Inhalt, und das Erleben 
\vurde nicht zu formloser Gefuhlsschwarmerei, sondern es schlofi sicb. an 
die Formen der urspriinglichen Erkenntnis Cnristi.' Das Leben und das' 
Wirken des Paulus sowie die neutestamentlichen Briefe sind bierfiir ein 
Zeugnis. Andrerseits ist aber nicbt zu verkennen, dafi die Kanipfe des 
zweiten Janrhunderts uui den Gfeist und uni die Lebre scbon in den 
Zustanden der apostoliscben Zeit wurzeln. 

13. Man niufi dieses im Auge behalten, uni den recbten Standpunkt 
zur Beurteilung der Tbeologie des Paulus zu gewinnen. Eine 
Fulle von Stofien, Anscbauungen und Urteilen, die genieincbristUcb waren, 
sind von Paulus rezipiert worden. Aber gemafi des eigentiinilichen reli- 
giosen Grrunderlebnisses. das er gemacbt batte und angesicbts der prak- 
tiscben Aufgaben bat er das TTberlieferte in ganz eigenartiger Weise 
neu zu pragen vermocbt. Kicbt ein einheitliches dogmatiscbes System 
bat er hergestellt, sondern eine Anzabl von in sicb zusammenbangenden 
Gedankenkoniplexen gewonnen, von denen jeder fur sicb seine Gresamt- 
anscbauung vom Christentum darstellte. Aber sie batten alle ibre Einbeit 
an erlebter Religion. Darin lag ibre Kraft, aber darin war es aucb be- 
griindet, daB das Granze der pauliniscben Tbeologie nicbt eine Scbul- 
tbeologie erzeugt bat. Die verscbiedensten Tendenzen konnten sicb auf 
die Fragniente seiner Tbeologie berufen und sie baben.es getan. Seine 
Tbeologie ist durcb die Jabrbunderte bindurcb Quelle gewesen fiir ver- 
scbiedene einander widersprecbende Ricbtungen, sie bat die Deutung in 
das Yxilgare vertragen und aus ibr baben immer wieder reformatoriscbe 
Greister ibr Bestes gescbopft. Ibre Recbtsformeln und ibre Anscbauungen 
vom Greist baben der niittelalterlicben Tbeologie ibre Grrundlage gegeben, 
und gerade sie baben wieder in der Reformation diese Grrundlage zer- 
sprengt urn nur das Nachstliegende zu erwabnen. 

1) Eph. 4, 5f. faflt diese wesentlichen Punkte gut zusammen: xa&dts xal 

e sv /.uu. efaiSi Tfjs xlrfaews iifiwv els XVQIOS, fiia Ttiorte, sv f}q.TC- 
, els 9'Eos y-cu TtaTi}^ rtdvrcov etc. 



Pauli Grrundidoen. 69 

Der Ph'arisaer Paulus war vom Evangelium ergriffen worden. Das Evan- 
gelium war ihni Kraft Gottes" (Rom. 1, 16). Das Problem seines Lebens 
war von fruh auf gewesen die Kraft zu finden , die die fleischliche 
siindhafte Natur bandigte und dem "Willen Gott unterwarf. Dies sollte 
nach pharisaischer Ansicht das Gesetz leisten. Es sollte die Kraft zum 
Guten, Baum und Brot des Lebens, die Macht zur TJberwindung des 
Bosen sein ; min S^N D'Tl rriX ]'$. Aber das Gesetz leistete dies 
nicht, seine Gebote steigerten nur die Begierde des Meiscb.es ; das AuBere 
des Gesetzes erfullte er (Phil. 3, 5f.), das Innere in ibm blieb unbe- 
riihrt vom. Guten (Horn. 7). Die Kunde von Christus traf einen inner- 
lich gebrochenen Menschen, der in gehauftern aufieren Tun diesen Bruch 
vor sich zu verbergen versucbte. Da der Messias .Jesus seiner inessia- 
niscben Dogmatik nicbt entspracb, so erblickte er in ikm nur eine 
Karrikatur des Heiligsten. Da erlebte der Verfolger die lebendige Kraft 
Christi. "Wir konnen nicbt mebr beurteilen, inwieweit dies psycbologiscb. 
vorbereitet war. Von Christus geht eine Macbt aus, die innerblcb be- 
herrscht iind umwandelt. Christus ist Geist, Geist aber ist Energie und 
Kraft. Christus leistet was das Gesetz nicht leistet. denn er ist Kraft 
und Geist, das Gesetz ist Buchstaben. Dieser totet. Christus macht 
innerlich lebendig. Nicbt zuniicbst uni die Auferstehung Christi handelte 
es sich dabei, so grofi von anderen Gesichtspunkten her ihre Bedeutung 
fur Paulus ist, sondern urn seine gottliche Geistmacht. AVie die ersten 
Jiinger diese erlebt haben an deni Auferstandenen, so Paulus an der 
Erscheinung vor Damaskus. Das griff iiber die Auferstehung als solche 
hinaus, es war ein Erfahren der Gotteskraft Christi. Christus ist der 
Herr der Name des alttestamentlichen Offenbarergottes kommt ihm 
zu und er ist der Geist. 

14. Das war das entscheidende Erlebuis Pauli. Aus ihm ergibt 
sich sein erster Gedankenkreis : Geist und Meisch. Gnadenkraft und 
Siindenmacht, Chiistus und die neue Kreattir. Nun aber erhoben 
sich weitere Eragen, die der Pharisaer in sich trug: was ist es um das 
Gesetz in seinem Verhaltnis zum Evangelium. wozu starb Christus, was 
ist es mit unserer Gerechtigkeit vor Gott. was mit den Wei-ken in ihrem 
Verhaltnis zum Evangelium? Daraus ergab sich ein zweiter Gedanken- 
kreis, imd die Polemik von Juden und Judenchristen wider das Evau- 
geUtim des Geistes lockte aus Paulus Eorrneln heraus zur Losung der 
Probleme, die in seiner eigenen Seele lebten. 

Was Jesus gemeint hatte, wenn er von seiner gottlichen Herrschaft 
und der neuen Bundesverf assung , die er stiftet, redete, darauf kam 
Paulus mit innerer Notwendigkeit. Jesus ist freilich der ycvQios, der 
die fiaothsia ausiibt iind allerdings bringt er die neue diafrif/.y mit 



70 6, Das Urchristentum. 

ihrer doppelten Gabe, der inneren Erneuerung durch Geist und der 
Yergebung der Siinden. So bangen Pauli Grundgedanken mit der Yer- 
kiindigung Jesu und welter mit der alten Idee einer neuen diafrrpti zu- 
saminen. 

Ein dritter Gedankenkreis kam hinzu. 1st Ckristus der uber die 
Gescbichte berrschende Herr. so ist seine exx/bjfft'a der Mittelpunkt der 
Gescbicbte. Ibre Ordnungen sind Trager seiner allgegenwartigen Macht 
und Heilswirkung. Ist aber der Geist das Prinzip des "Wirkens Christi 
tind kommt der Geist. obne des Gesetzes "Werke, liber alle, Heiden wie 
Juden, dann faflt die Kir eke Christi Heiden wie Juden. in sicb., sie ist 
die nene Menscbbeit, sie ist wirklich das Ferment der Weltgescb.icb.te. 
wie einst das Volk des Gesetzes es sein sollte tind wollte. Hier in der 
Kircbe Cbristi sind Juden und Heiden zurEinbeit vereinigt (Epb. 2, 14fE.), 
bier sind alle nattirlicben Unterscbiede aufgeboben. es gilt nicbt inebr 
die Differenz von Mann und "Weib. Juden und Hellenen. Preien und 
Sldaven (Gal. 3, 28). Im Leibe Cbristi. der Cbristenbeit, sind sie alle 
eins. Hier kommen die Aveltgescbicbtlicben Ausblicke Jesu ebenso wie 
die universalistiscben Tendenzen der Propbeten zu ibrem Recbt. 

In diesen drei Gedankenkreisen ist die ganze Verkiindigung des 
Paulus entbalten. DaB sie miteinander zusammenhangen, ist ebenso klar. 
als daB jeder ein relativ neues Element zum Mittelpunkt bat, und dafi 
sie alle drei mit Jesu Lebre wie mit der alttestamentlicben Weissagung 
zusamnienbangen . 

15. Gemeinsame Yoraussetzungen dieser drei Gedankenkreise sind 
die pauliniscben Geclanken iiber Gott und Cbristus. Die Gottesan- 
scbauung ist bei Paulus sebr lebendig gebalten. Jede Spur YOU jiidiscbem 
Deismus ist gescbwunden. Yor allem ist fiir seinen Gottesbegriff cba- 
rakteristiscb die starke Betonung des gottlicben Willens. Alles Sein 
und Werden in der Gescbicbte wie in dem Einzelleben - ist von Gottes 
Willen gewirkt (z. B. Horn. 9. 16. 18f. 22; 15. 9. 1. Kor. 4, 19; 
1. 1. Kol. 1, 1. 9. Epb. 1, 1. 11. 9. Pbil. 2. 13; 1. 6). Dieser 
"VVille als geistiger ist aber bedingt von einem gottlicben Eatscblufi und 
Plan (Rom. 9. 11. 23 [ 8. 28 f. Epb. 2. 9ff.). der in seiner Beziebung 
auf die Menscbbeit eine vorzeitlicbe Erwablung ist. die sicb durcb die 
wirksame scbopferiscbe Berufung an den einzelnen verwirkHcbt (Epb. 
1, 4. 2. Tbess. 2,'13f. Rom. 8. 30; 9. 12. 23. 2. Tim. 1. 9). Der 
geistige "Wille Gottes aber ist sittlicb bestimmt. Er ist Liebeswille 
(Rom. 5. 5. 8) ocler Gnade (Rom. 3, 24; 5. 15. 2. Kor. 1, 3), und 
Gott ist gerecbt. Diese Gerecbtigkeit bezeicbnet einerseits die gottlicbe 
Treue, auf die alle Gaben des Cbristentunis zuriickgeben. sie ist aber 
andrerseits aucb die Strafgerecbtigkeit, die den Zorn Gottes in Gegen- 



Theologies und Christologie bet Paulus. 71 

wart und Zukunft liber die Gottlosen ergehen lafit (Rom. 1, 18; 2, 5; 
3, 5; 5. 9. Kol. 3, 6. Eph, 5, 6). 

Mit diesem geistig und sittlich lebendigen Gottesbild verbindet sich 
nun in eigentiimlicher Weise der Christusgedanke Pauli. Christus ist 
b XVQIOS vrjs do^rjs (1. Kor. 2, 8), und b XVQIOS to itvsv^ia loviv (2. 
Kor. 3, 17). Dem entspricht die Anschauung von seiner gottlichen 
Herrschaft (1. Kor. 15, 24. Kol. 2, 11), die er ausiibt als der, duroh 
dessen Verniittlung die "Welt wurde und der das Haupt der "Welt und 
besonders der Kirche ist (Epli. 1, 22; 2, 14ff. Kol. 1, 9. 18; 3, 11). 
Er bewegt alles und ist in allem, wie alles wieder in ihm ist, so be- 
sonders die Christen: ,,er in uns" und ,,wir in ihni" (2. Kor. 13, 3. 5. 
Bom. 8, 1. 1. Kor. 4, 15; 6, 17. Gal. 3, 27). Christus wird also 
von Paulus mit dem unaussprechlichen Namen des Heilsgottes belegt 
(Phil. 2. 9. 1. Kor. 2, 16. Eom. 10, 13) und er wird als die das 
Weltall besonders die Kirche bewegende Geistenergie, als allgegensvartige 
und allmachtige Willensmacht vorgestellt. Bei dieser Yorstellung ist 
weder die Bezeichnung als Gott (Horn. 9 ; 5 cf . Tit. 1, 3 ; 2. 13) noch 
auch die den Christen eigentiirnliche Anrtifung seines Namens (1. Kor. 
1, 2) auffallig. Nicht in der Eruierung der Gottheit Christi liegt die 
Schwierigkeit , sondern in ihrer Abgrenzung gegen die Gottheit des 
Vaters. Die stoische Logoslehre bietet eine Analogic dar, aber nicht 
niehr. Abgesehen von dem Unterschied, daB Paulus seinen Christus als 
personliche Energie vorstellt, wahrend die Stoiker an eine feine Ather- 
substanz dachten, waltet der stoische Logos vor alleni in der Natur, 
wilhrend Paulus an die die geschichtliche Entwicklung bestimmende 
Willensmacht denkt. Es war ein Ertrag der Geschichte Israels, daB 
man den Gedanken des geschichtlichen Lebens gewonnen hatte. Wie 
der kleinere konzentrische Kreis sich zuni grofieren verhalt, verhalt sich 
der Christus des Paulus zu dem Vater. Der Vater ist der das ganze 
Weltsein bestimmende Wille, Christus ist die gottliche Willensenergie, 
sofern sie die Menschheit zur Kirche organisiert. Dies diirfte ungefahr 
die Empfindung des Paulus von der Sache wiedergeben. TJnd gleich 
hier kann dai'auf verwiesen werden, daB der Geist, sofern er von Christus 
unterschieden wird, als ein dritter, kleinster konzentrischer Kreis anzu- 
sehen sein Avird, als der an den einzelnen in der Kirche sich zu ihrem 
Heil auswirkende Gotteswille. Aber Paulus hat keine Trinitatslehre 
aufgestellt; Eormeln wie die ausgesprochene gehen iiber das, was er 
sagt hinaus. aber sie halten sich in der Bichtung seiner Gedanken. 

Aber die Christologie Pauli wird noch schwieriger, wenn man sich 
dessen erinnert, daB der Christus, der die die Geschichte beherrscheiide 
gottliche Energie ist, zugleich der geschichtliche Davidide Jesus sein soil, 



!3 



72 6. . Das Urclmstentvufl. 

der geboren 1st, Gott gehorsam war, gestorben und auferweckt ist aus 
dera Tode. Nun sieht es einerseits so aus . als wenn die pevsonale 
Identitat des Christus und des Menschen Jesus einfach vorausgesetzt 
wird. sodafi also Christus sich der gottlichen Gestalt entaufierte und 
Mensch wurde, dann aber wieder das gottliche Wesen uberkara (z. B. 
Phil. 2, 6ff. 2. Kor. 8. 9). Andrerseits scheint aber wieder eine 
Doppelheit der Prinzipien in Christus unterschieden zu werdeu. das 
gottliche Geistprinzip und die menschliche Natur (E.6m. 1. 3f. Kol. 
2, 9). Man darf diese Gedankeneleniente nicht zu schnell auf eine Ein- 
heit reduzieren. Jedenfalls meint aber Paulus. dafi das die Welt urn- 
wandelnde Geistprinzip eben in dem gescMcbtlichen Jesus zur Offen- 
barung koninit, freilicn so. dafi jenes Geistprinzip fortdauernd in der 
"Welt direkt wirksam bleibt.- DaB er den Geist-Cbristus praexistent dacbte r 
ist nur selbstverstandHcb ; ebenso aber wurde er durcb die jiidiscbe 
Metaphysik genotigt den Menschen Jesus praexistent vorzustellen. Das 
zeigt 1. Kor. 15, 45 fL. wo der ,,Mensch aus dern Himmel", wenn ich 
recht sehe , nicbts anderes ist als ein anderer Aiisdruck fiir den 
,,Menschensohn" (cf. Job. 3. 13). Es ist der ini Himniel priiexistente 
Mensch oder der Messias. Von diesem beiBt es aber: kyevsto slg 
fCVEU/.ta tioortoiovv. Dies war er nicht an sich in der Praexisteuz, 
sondern er wurde" dazu. namHch sofern der Geistchristus mit ibm 
verbunden war, was durcb die Auferstehung offenbar wurde. a ) 

Eins ist deutlich, eine fertige ,,Christologie" liegt bei Paulus nicht 
vor , sondern Elemente religioser Anschatiung und Glaubensgedanken. 
Dreierlei wirkt in diesem Gedankenkomplex zusanimen 1) die Erfahrung- 
von deni X()iows-ftveu[.iC(-HV()ios , 2) das geschichtliche Leben. Ghristi, 
3) die jtidische Praexistenzidee. Aber indeni Paulus diese Gedanken 
bervorbrachte, schuf er Forrnen fiir den Glauben, den die Christen seiner 
.Zeit von Christus batten. Der himmlische Herr der Geschicbte, der 
die Welt zur Kirche Gottes macbt, ist in Jesus der Welt offenbar ge- 
worden. 

16. Es ist in unsereni Zusammenbang nicbt inoglicb. eine etwas 
eingebendere Ausfiibrung der oben angedeuteten Gedankenkomplexe der 
pauHnischen Theologie zu geben. Einige Benaerkungen, deren wir spater 
bedui-fen, miissen geniigen. 



1) Das scheint im Zusaminenliang der paxilinischen Christologie der Sinn 
der vielgedeuteten Stelle zu sein. Man kcinnte sagen: statt einer Menschwerdung- 
Gottes redet sie von einer Gottwerdung des Menschen, namlich des idealen zweiteu 
Adam, des Messias, der als Mensch praexistierte, aber mehr wurde namlich leben- 
schaffender gottlicher Geist. Jedenfalls eignet sich die Stelle wenig zum Aus- 
: gangspunkt der Darstellung der paulinischen Christologie. 



Geist mid Fleisch bei Paulus. 73 



Die Maclit der af.ia^Tia hat den Menschen in ein Leben -/.ara 
mit mancherlei liti^-v^daL gestiirzt. Der natlirliche Mensch ist seit 
Adam in seinem Innenleben tinterworfen den niederen sinnlichen Trieben 
seiner JSTatur, er ist, auch geistig angesehen, Fleiscb geworden und da- 
init der Sterblicbkeit verfallen. Cbristus oder der Geist beleben den 
seeliscben Menschen zu einem neuen Leben. Dies fafit alles sittlicb 
Gute in sicb und aucb die Unsterblicbkeit saint der ktinftigen Aitf- 
erweckung des Leibes. Aus oagxiKOi oder ipv%iKoi werden die Gbristen 
?cvV[.iarr/.oi (Gal. 6, 1. 1. Kor. 2 , 15), ibr GW(.ia ipvy^mov wird 
einst verwandelt werden in ein oG)f.ia Jtvsvf.ia'UKdv (1. Kor. 15, 44). Der 
Geiststrom Cbristi ergreift die Seele, erfullt sie mit neuem Inbalt, mit 
neuen Impulsen und Zielen und wandelt sie zu einer ,,neuen Kreatur" 
nm. Diese Gedanken sind das Herz der pauliniscben Tbeologie. Die 
"VVillensniacbt des Geistes wandelt den fleiscblichen Menscben um. I^icht 
mecbaniscbe Begriffe wie das ,,neue Icb" bringen zum Ausdruck, was 
Paulus will. DaB die Menscben in der Gemeinscbaft Cbristi von seinem 
geistigen Leben durcbdrungen seine Organe werden, daB Cbristus in 
ibnen lebt nicbt mebr sie selbst , das will er: 6 '/.olkdifievog tip 
"/.vQiti) sv 7tvsi)(.id SGTIV (1. Kor. 6, 17). 

Allein so wenig fiir Paulus die Macbt des Geistes erne sinnlicb or- 
giastiscbe war der Geist wirkt in der Heilsverkiindigung , so wenig 
sind die vom Geist bewirkten Zustande der Seele als entbusiastiscbe 
Aufregung zu beurteilen. Man kann diese Zustande in die Porniel Glaube 
und Liebe zusamnienfassen. - 1 ) Der Glaube ist bei Paulus das geistige 
Organ, urn Gott und seine Gaben aivfzunebmen (z. B. Gal. 3, 14. 22. 
E,6m. 8, 15). Sofern dies aber ein geistiger Yorgang ist, ist der Glaube 
aucb Erkenntnis des gottlicben Willens (Kol. 1, 9), und sofern es ein 
Vorgang von sittHcber personUcber Art ist, ist der Glaube geborsanie 
TJnterwerfung unter Gott (Eoni. 16, 26; 6, 17; 1, 5; 10, 3. 16 f. 2. Tbess. 
1, 8. 2. Kor. 9, 13). Sofern der Glaube aber das Innewerden und 
die Hinnabme Gottes und seines "Wirkens ist, wird er personlicbe ttber- 
zeugung sein, die im Hinblick auf die Zukunft sicb als Yertrauen 



1) Glaube und Liebe sind fiir Paulus die umfassende Bezeichnung des 
subjektiTen Christenstandes (z. B. 1. Thess. 3, 6; 5, 8. 2. Thess. 1, 3. Kol. 1, 4. 
Philem. 5). Vollstandig heitit die Formel Glaube, Liebe, HoHnung, fiir welch 
letztere aucli die vTtofiovij eintritt, s. 1. Kor. 13, 13. Kol. 1, 4f. 1. Thess. 1, 3; 5, 8. 
2. Thess. 1, 3f. cf 3, 5. Tit. 2, 2. 1. Tim. 6, 11. Die Bezeichnung iu roia -ravia 
1. Kor. 13, 13 stellt diese drei als etwas Zusammengehoriges hin. Sie miissen in 
der urchristlichen Verlrandigung vor Paulus bereits formelhaft zusammengestellt 
ge.wesen sein. Bei Sirach 2, 1316. 8 10 (hier Zusatz des lat. Textes) findet sich 
schon die Zusammenstellung. Ein Agraphon bei Macar. h. 37, 1 laCt Jesus voii 
den dreien reden. 



74 6. Das tTrchristentiun. 



auf Gott darstellt (Bom. 4, 20 f. 2. Kor. 1, 9.. 10. Bph. 
3, 12). a ) Also gehorsame TJnterwerfung unter Gottes Willen und innere 
Hinnahnie der Wirkungen Gottes das 1st das "Wesen des Glaubens ; 
dazn kommt die JZuversicht, daB Gott aucli in Zukunft alles gut maehen 
wird. Indem aber der Mensch den Gotteswillen in sich wirksam werden 
lafit, enrpfangt er den Antrieb zu einem gottwohlgefalligen Leben im 
.Dienst der Liebe (Kol. 1, 10). Der Geist wirkt die Liebe in der Seele 
(Gal. 5, 22). 2 ) Daner erfiillt der Mensch frei das Gesetz Christi (Rom. 
8, 2. 2. Kor. 3, 17). 

In mannigfachen Wendungen bescbreibt Paulus dies Wirken des 
Geistes. Ibm entspricbt ein fortgesetztes geistiges Streben des Menschen 
(2. Kor. 9, 8: 7. 9f. Eph. 3, 16). So stark Paulus die Wirkung 
Gottes betont, so \venig ist es seine Absicht, die sittliehe Entwicklung 
des Christen als einen Naturprozefi darzustellen. Die starke Hervor- 
nebung des Strebens und der Yerantwortlicbkeit des Menschen zeigt das. 3 ) 
Seine Meinung fafit sich zusammen in dem grofien Wort : ,,mit Furcht 
und Zittern schaffet eure EiTettung, denn Gott ist es, der in euch sowohl 
das "Wollen als das "Wirken bewirket" (Phil. 2, 12. 13). Dariiber 
hiuaus liegt die kiinftige Yerherrlichung im himmlischen Eeich (Roin. 
8. 18. 30. 2. Kor. 3, 18. 2. Tim. 4. 18). 

17. In dem zweiten Gedankenkreis des Patilus handelt es sich um die 
Hechtfertigung oder die Yergebung der Siinden. Sofern die Geistmit- 
teilung die Yergebung voraussetzt nach der Idee des neuen Bundes , 
dient dieser Gedankenkreis der Begriindung des ersten. Das Gesetz 
stellt alle "Welt unter Schuld und Strafe, es fordert Taten, aber es gibt 
nicht Kraft zu ihnen. Indessen ist die ganze Gesetzesordnung nur ein 
Einschub in die Heilsgeschichte, den Gott in der padagogischen Absicht 
die Menschheit zur Siindenerkenntnis zu erziehen, eintreten Iie6 (Gal. 
3, 19. 21. Eom. 5, 20). Dem vof-iog tritt hinfort die-^a^tg entgegen: 
es sind zwei einander ausschliefiende Prinzipien (Gal. 5. 4). 



1) In letzterem Sinn ist der Glaube gleich der Hoffmmg, wie der Vergleich 
von 2. Kor. 1, 9 mit 1, 10 zeigt. Die Formel ,,Vertraueii" gibt also das Weseii 
ties Glanbens nnzureichend wiecler, weil nur in der Projektion auf die Zukunft. 

2) Dem Gesarntzusammenhang nach muC auch tier Glanbe bei Paulus als Produkt 
des Geistes gefalft wertlen. Dafi Paulus dies nicht klar ausdriickt, hangt davon 
ab, tlafi er 1) clen Glauben als Organ zuin Empfang der Geistgaben denkt, 2) ihn 
psychologist aus der foot! herleitet (Eom. 10, 17). Allein 1) sofern im Wort 
nach Paulus Geistmacht ist, ist der Glauhe wie aus dem Wort, so auch aus dem 
Geist; 2) Phil. 1, 29 wird tier Glaube ausdrucklich ,,Gottes Gabe" genannt, was 
wieder auf den Geist als seinen Gixind zuriickweist. 

3) Indessen mufi man sich hiiten Paulus allzu ,,psychologisch" zu deuten; 
die Tat der gottlichen Allmacht bei tier Bekehrung ist fur ihn unzweifelhaft. 



G-laube.und Eechtfertigung bei Paulus. 75 

: Gerechtgesprochen wird der Mensch nicht egycav v6(.iov, sondern 
fix niffcews 3 lTf]GOV. Nicht die "Werke, sondern der Glaube ist der Grund 
fiir Gpttes Gerechterklarung. Das soil nicht heifien, dafi der Grlaube als 
Anfang des neuen Lebens Gott zur Vergebung veranlafit, denn der Grlaube 
ist in diesem .Zusammenhang nur Organ der Hinnabme (Rom. 10. 10. 
Gal. 5, 5), nicht eigene Gerechtigkeit liegt vor, sie ist Geschenk Gottes, 
der den Gottlosen gerecht spricht (Bom. 10, 3 ; 4, 5. Phil. 3, 9). Nicht 
die eigenen Werke tun es, sondern der Grlaube, d. h. nur auf Gottes 
Wirkung resp. auf das Innewerden derselben konimt es an. Der Grlaube 
richtet sich auf Ohristus den Suhner und empfangt so die Gerechtigkeit : 
dmcuoovvrj &eov dia Ttiofewg 'fyoov XQIOTOV (Rom. 3, 22). Aus Glauben" 
ist nur der subjektive Ausdruck fiir ,,aus Gnaden" : diet wvw /, ftiGTecog, 
iva 7.ara K&QLV (Rom. 4, 16). Die Forrnel R,6m. 4, 3. 5 (nach Genes. 
15, 6): ,,der Glaube wird zur Gerechtigkeit gerechnet" verdunkelt Pauli 
Ansicht. sie ist nur gepragt, um einen knappen Gegensatz zur jiidischen 
Werkgerechtigkeit zu gewinnen. Der Gedanke ist klar. Gottes Gnade 
.oder seine Gerechtigkeit (timaioovvr] -d-eov) im Sinne der Treue schenkt 
uns durch Christum die dwctioovvr) ex -9-wv. 

Hiermit sind wir aber in ein neues Yerhaltnis zu Gott gekomnien, 
das als Friede, Kindschaft, Freiheit, Zugang zu Gott, Gewifiheit usw. 
bezeichnet werdenkann; es ist der.Zustand der Versb'hnung (xTaHay-?}), 
den Gott durch Christus hergestellt hat. 

Christus ist aber zu diesem Zweck gestorben. Der Tod Jesu ist 
fiir Paulus die Spitze seines Gehorsams und die Auferstehung ist die 
gottliche Anerkennung seiner Gerechtigkeit (z. B. 2. Kor. 5, 15. Rom. 
.4, 25; 5, 19. Phil. 2, 8. 1. Tim. 3, 16. 1. Kor. 15, 17). 

Der bis in den Tod hinein bewahrte Gehorsam Christi niacht ihn 
zum Suhner (UaOTJ^iOg), ") durch den unsere Siinde vor Gott bedeckt 
oder vergebbar gemacht wird, sofern wir namlich durch Glauben mit ihm 
in Lebenszusamnienhang stehen (Rom. 3, 25). Christus, der Gestorbene 
und Auferweckte tritt bei Gott fiir uns ein (Rom. 8. 34). Der Sinn 
dieser Gedanken ist nun der : sofern Jesus in der durch die Siinde ge- 
wirkten Lage des Menschengeschlechts den Gehorsam gegen Gott bis in 
den Tod hinein behauptet hat, hat er siihnend vor Gott die Siinde der 
Menschheit bedeckt. Dazu kommt. wie wir von friiher her wissen, dafi 
Christus Herr und Erloser ist, der durch Geist die Seelen im Glauben 
an sich fesselt. Mmmt man dies beides zusammen er siihnt und er 
herrscht 2 ) , so versteht man, dafi er als Biirge des Menschengeschlechts 
vor Gott steht, um dessentwillen Gott uns, deren Yollendung im Guten 



1) Maskulinisch, nicht neutrisch wird llaanfiQiov zu nehmen sein. 

2) Er siihnt als Menscli, er herrsclit oder erlost als xv^u 



76 6. Das Urcliristentuin. 

durch Cliristus garantiert 1st, gnadig ist. 1st nun far alle "Welt durch 
Christus der neue Bund verwirklicht, so wird es fiir das Yolk Israel 
noch dessen bedurft haben, daB das Gesetz und sein Much aufgehoben 
wurcle. Auch dies ist durch Christi Tod geschehen, indein er dadurch, 
dafi er das Los eines Gesetzesiibertreters liber sich ergehen liefi, die unter 
dem Gesetz Stelienden freikaufte vom Much des Gesetzes und das Gesetz 
selbst abtat (Gal. 3, 13 ft. Kol. 2, 13 f.). Erst nachdem dies geschehen, 
war Jtaum geschaffen der Errullung der Yerheifiung des neuen Bundes 
fiir Juden wie Heiden. Und weiter : nicht ntir fiir die Reehtf ei-tigung 
imd Siindenvergebung ist der Tod Christi ein Mittel, sondern auch fur 
die heiligende Herrschaft, die Christus ausiibt (z. B. Kol. 1. 22. Gal. 
1, 4. 1. Thess. 5, 10. Tit. 2, 14. Rom. 8, 3; 6, 10; 14, 9). 

Blickt man zuriick, so ist klar, daB die beiden grofien Gedanken- 
kreise einander erganzen, genau entsprechend dem Yerhaltnis der beiden 
Seiten in dem ..neuen Bunde" zueinander. Durch Christus stellt Gott 
her Siihnung, Rechtfertigung, Versohnung. Das ist der neue Bund. In 
ihm wirkt Christus als Geistherr. Dies setzt jenes yoraus, das gegen- 
\v artige reh'giose Yerhaltnis hat einen geschichtlichen Anfang. Aber an- 
drerseits verwirldicht sich die Hechtfertigung im einzehaen Menschen 
nie ohne den Glauben, der Glaube aber wird vom Geist gewirkt. Darin 
liegt eine Schwierigkeit : erst der Gerechtfertigte soil den Geist erhalten, 
aber er wird nicht gerechtfertigt, ehe der Geist ihn beriihrt hat. Im 
Glauben schneiden sich die beiden Gedankenkreise. Der Glaube ist das Pro- 
dukt des einen und ist die Yoraussetzung der subjektiven Yerwirklichung 
des anderen. a ) Christi Tod ist auch bei Paulus nicht direkt als Opfer 
betrachtet; iibrigens wiii'de diese Betrachtung iiber den Gedanken der 
Selbsthingabe zum Besten der Menschheit nicht hinausfiihren. 2 ) 

18. Jesus hat den Aposteln den Gedanken der Weltmission hinterlassen 
und damit das Christentum als die oknmenische Religion an die Stelle des 
Judentums gesetzt. Diesen Gedanken hat Paulus iibernommen und be- 
griindet. Die Einheit der Christenheit und ihr okumenischer Charakter 
ergibt sich ihm einmal von der Erfahrung des allwirksanien Geistchristus 
her, der Juden und Heiden mit seiner EIraffc diirchdiingt und zu einem 

1) Die beliebte ,,reinliche Scheiduiig" von Eechtfertigung und Heiligung 
liegt niclit axtf der Balm der paulinischen Gedanken. 

2) Hinsichtlich des Opfergedankens muJB man sich gegenwartig erhalten 
1) dafi das israelitische Opfer im Gegensatz zu den heidnischen Opfern nie der 
Umstimmung der Gottheit dient, 2) daC das Opfer ein abgeblafiter Gedanke im 
Judentum jener Zeit ist. ,,0pfer" ist nichts anderes als ein besonderer Ausdruck 
fiir die Selbsthingabe an Gott s. Rom. 12, 1. Phil. 2, 17; 4, 18; so in bezng auf 
Christus Eph 5, 2 : wir sollen lieben, wie 'auch Christus sich selbst hingab als 
Opfer, Gott zum wohlgefalligen Geruch. 



Paul! Kirchengedaflke. 77 

lebendigen Bau, (lessen Haupt er 1st, zusammenfafit (Kol. 1, 18. 24; 
2, 19. Epb. 2, 20ff; 1, 221: 4. 3f. Eoui. 12, 4ff. 1. Kor. 12, 4fL). 
Sodann aber stellt sicb die Einbeit der Cbristenbeit aucb empiriscb 
dar, \vie bei deni Judentum, in der . Gremeinsamkeit bestimniter Eormen. 
Paulus kennt -nur eine cbristlicbe Lebre (s. oben), zu dieser kommt die 
cine Taufe (Epb. 4, 5). Und mit der Taufe stellt scbon Paulus als gleicb- 
artige beilige Handbing das Abendmabl zusammen (1. Kor. 10, 2 4). 
- Der Greist und die festen Eormen dienen beide zur Begriindung der 
Einbeit imd der Katbolizitat der Kircbe. Der Gfedanke der una catho- 
lica ecdesia ist zuerst von Paulus deutlicb ausgepragt worden. Er lief 
formell vielfacb jtidiscben Gedanken parallel, aber er war sacblicb ein 
direktes Produkt des Grlaubens an Cbristus. 

19. Nacb diesem TJberblick liber die Haupttendenzen in der Gre- 
dankemvelt des Paulus ist fur unseren Zweck nur nocb zu fragen, was 
die iibrigen Schriftst'eller der neutestanientlicben Zeit mit Paulus ge- 
meinsam baben, demgegeniiber wird sicb dann sein originaler Besitz 
abbeben. 

Als gemeinsam diirfen die folgenden Stlicke angeseben werden : 
1) Die kraffcige Anscbauung von Grott als dem Lebendigen und "Wirk- 
samen, wenn aucb vielleicbt die Momente des Gesetzgebers und Bicbters 
etwas starker als bei Paulus bervortreten niogen. 2) Die Konzentration 
des Interesses auf den erbobten binimliscben Cbristus, bierfiir sind be- 
;sonders lebrreicb die Visionen (z. B. Apok. 1, 12 17) und die Hym- 
nen der Apdkalj^pse (z. B. 11, 15), aber aucb die Arisfiibrungen des 
Hebraerbriefs (z. B. 9, 14 ; 7, 3. 16). Cbristus ist allein der Herr 
<Jud. 4), ,,unser Herr und Heiland" (2. Petr. 3, 18; 1, 14. 16). .Das 
Jnteresse ricbtet sicb auf Cbristi dwaitug nal rtdQOvaia (2 Ptr. 1, 16). 
Wie er in der Gregenwart macbtig Avaltet, so wird er sich einst als 
Eicbter zeigen (Jak. 5, 8. 9). Seine eigentlicbe Offenbarung erscbeint 
als etwas Zuktinftiges (1. Ptr. 1, 7 ; 4, 13, anders 1, 20). 3) Die 
triadische Eorniel wurde frtiber erwabnt s. S. 66. 4) Aucb binsicbtbicb 
des Erlosungswerkes Cbristi sind die Parallelen zu Paulus deutHcb. 
Cbristus wirkt als Herr und Gfeist, aber aucb als der Grekreuzigte auf 
die Seelen der Menscben ein (1. Ptr. 1, 18; 12, 24f. Apok. 12, 11) 
und er bat durcb sein Leiden und Sterben den Menscben Siindenvergebung 
erworben und lafit sie durcb seine Vertretung vor Grott dauernd uber 
ibnen wirksam werden (I. Ptr. 3, 18. Apok. 5, 9. Hbr. 9, 12 ff. ; 7, 24. 27. 
'9, 12. 24; 2, 17). ^ Dabei legt der Hebraerbrief, seiner Gesaintten- 



1) 1 Kor. 15, 3 iiberlief ert die Formel : on XQWIOS dTte&avev bnsQ nov 
v y.ata VOLS ygayds. Diese Formel war ahnlich auch sonst tiblich, s. 1. Ptr. 3, 18: 



78 6- Das TJrchristeutum. 

denz entsprecbend. letzteren Gedanken unter deni Opfergesichtspunkt dar. 
5) Der neue Lebensstand der Christen entsteht tind besteht durcb Gottes 
resp. des Geistes "Wit-ken in der Seele. Durcb den ,,binmuiseben Ruf" 
oder das Wort, das bis in das Innerste der Seele hineindringt (Hbr. 4, 2. 
12; 3, 1) Averden wir erzeugt zu einer neuen Kreatur (Jak. 1, 18.21. 
I. Ptr. 1. 3. 23 ff.), Avir geAvinnen Teil an den Kraften des Geistes, und 
Gott Avirkt in tins das Gute (Hbr. 6, 4; 13, 21). 6) Die psycbologisebe 
Bestinimung des cbristlieben Seeleninbaltes ist abnlicb fein und vielseitig 
Avie bei Paulus. Auch bier ist der Glaube Bezeicbnung des subjektiven 
Christenstandes (Jak. 1. 3. 6. 8: 2, 1. 5. l.Ptr. 1, 7f. 9. 21; 5, 9. 
Hbr. 12. 7). Das Wesen des Glaubens lafit sicb erkennen aus den ihn 
erlauternden oder ibm gleicbgesetzten Begriffen. So stebt er der 
avu-9-sv oocpia nabe (Jak. 3, 13. 17 cf. 2, 18) oder der eTtiyvuaig (2 Ptr. 
1, 2. 3; 2, 20): oder er Avird als vrtavioy TTJS &krj&elag erklart (1. Ptr. 
1, 22 Hbr. 11, 8; 5, 9). Sodann aber ist er der Hoffnung nahever- 
Avandt (1. Ptr. 1, 21). Dies bringt besonders die an alttestaruentlicben 
Beispielen gebildete Definition Hbr. 11, 1 zum Ausdruck, die geradezu. 
den Glauben dena Hoffen gleicbsetzt (vgl. etAva Rom. 8, 24). 7) Es 
steht zu letzterem in Zusammenbang, daB die Eiiosung oft als rein zu- 
kimftig angeseben wird (z. B, Hbr. 9, 15. l.Ptr. 1, 4f. 9. 13; 5. 10; 
3, 7. Jak. 2, 5. 2. Ptr. 1, 4. II). 1 ) 8) So energiscb zu guten 
Werken ermabnt Avird, so Avenig AA r ird vergessen, da8 Gott es ist, der ia 
den Menscben das ibm Gefallige erscbafft. Aber jede Beziebung zu 
Pauli Recbtfertigungslebre feblt). ? ) Man sagt vielmebr: C TCOIIOV 
dr/,aioGuvr)V ovvog dtxaidg iaxw (1 Job. 3. 7). noi^irjg sgyov OVTOQ. 
V TTJ ftoii-jGeL CIVTOU eGTCU (Jak. 1, 25). Torn ^txatog gilt:. 
TtovrjOma) (Apok. 22, 11). Gerade aus Genes. 15, 6, dem 
Beispiel Abrabams, Avird gescblossen: e| eyycuv dixaioutai av&giortog 
y.al ovx SK ftiGTSOig (j.6vov (Jak. 2, 24). 8 ) Forniell sind diese Satze mit 
der pauliniscben Recbtfertigungslebre nicbt auszugleicben, sacblicb steben 
sie Paulus gar nicbt so fern. Denn aucb bier ist die Meinung .die, daB 
uns um Obristi Avillen die Siinden vergeben werden, und daB die ge- 
recbten "Werke A^on Gpttes Geist in uns geAvirkt AA'erden. 9) Hin- 



Xfiiaibs &7ta Tcsgi df.iu^Timv dzts-d'avev cf Gal. 1, 4: fov SOVTOS eavror TiEfn imv 



1) Dieser Gesichtspunkt fehlt natiirbich aucli bei Paulus nicht, aber es 1st- 
doch vielleicht eine Differenz der Stiminuiig Avahrzunehmen. 

2) Hbr. 11, 6. 7 bietet rnir eineii ganz allgemeinen Anklang. 

3) Ist der Jakobusbrief Torpaiiluiiscli, so muB angenommen werden, dafi es 
schon vor Paulas Gedanken liber die Gerechtigkeit allein aus Glauben in der 
Ghristenheit gab, Avider die sicb. Jakobus richtet. Diese Annahme ist aber um, 
so denkbarer, als auch das Judentum eine nj'iDM-nwt kennt. 



Vor- und nachpaulinisches Christentum im N. T. 79 

sichtlich cler Kirche ist zu bemerken, dafi alle Ehrenpradikate der alt- 
testamentlichen Gerneincle jetzt auf die Christenheit angewandt werden 
(1. Ptr. 2, 5. 9. 17. Hbr. 12, 22). 10) Die Diknonologie und Angelo- 
logie ist bei Paulus mindestens ebenso entfaltet, wie in den ubrigen 
Schriften. 11) Ebenso hat Paulus eine eingehende Eschatologie vor- 
getragen (s. 1. Kor. 15 uncl die Thessalonicherbriefe), die viele originelle 
Ziige hat, aber sich im Prinzip von der iiblichen nicht sonderlich itnter- 
schied. Der eschatologische Apparat ist dtirch die johanneische Apoka- 
lypse erheblich erweitert worden. Aber diese Erweiterungen hielten 
sich auf der Linie der judischen Tradition. Man erwartete von der Zn- 
knnft die Verwirklichung der durch Christus noch nicht erfiillten Ztige 
der Messiologie und Eschatologie des Jtidenttinis. ] ) Oder anders aus- 
gedriickt : die TJnterweisung des Greistes iiber die Zukunft kleidete sich 
in die gelaufigen Phantasiegebilde der Eschatologie, nicht ohne dafi 
Blanches Inkommensurable an ihnen fortgeschmolzen ware. 12) Das 
V'erhaltnis Pauli zum Alten Testament" ist ein zwiespaltiges. Einerseits 
Avird das Alte Testament, wie selbstverstandlich, als Glottes rintriigliches 
"Wort iind hochste Autoritat behandelt, 2 ) andrerseits ist das Gresetz der 
Buchstabe, der dnrch den Geist abzutxin ist (2. Kor. 3, 6). Die aufier- 
paulinische Literatur bezetTgt ebenfalls die grofite Hochschatzung des 
Alten Testamentes. An diesen Btichern ' spinnen sich die eigenen Gre- 
danken an; auf sie zu achten ist heilige Pflicht (2. Ptr. 1, 19 of. Horn. 
15, 4), sind sie doch von Mannern verfafit, die vrtb nvsv^awc, ayiov 
cpso6f.ievoi redeten (2. Ptr. 1, 20f. 2. Tim. 3, 16). Insbesondere wird im apo- 
logetischen Interesse fiir die Tatsachen der neutestamentlichen Geschichte 
nach alttestamentlichen Weissagungen gesucht, wobei mitunter recht Avunder- 
liche, wenn auch geistreiche Kombinationen zwischen Tatsache und Vor- 
hersagung vollzogen werden, bes. bei Matthaus (z. B. 1, 23; 2, 5. 15. 17; 
3, 3; 4, 14ff. usw.) und im Hebraerbrief (4, 4ff.; 6, 13 ft ; 7, 4. 9 Hsw.). 3 ) 
Diese Behandlungsweise lehrte einmal alles Neutestanientliche im Alten 
Testaments suchen und finden; das Buch, das man als heiliges aus der 



1) Mmlich ist die Betrachtung Pauli Rom. 11, 25 f. entstanden : Nach der 
VerheiCung soil Israel errettet werden, in Wirklichkeit werden die Heiden jetzt 
errettet, also wird einst am Ende die VerheiBung so in Erfulhmg gehen, dafi 
TTae Yogarjl acofhjasrai. 

2) Die raWrinische exegetische Kunst, die Paulus mitunter zur Deutung 
des Alten Testameates in seinem Sinn anwendet, ist kein Beweis wider, sondern 
fur die hochste Schatzung des Alten Testamentes. 

3) Man hat in dieser Zeit nicht Tatsachen urn der Weissagungen willen 
produziert, sondern man hat mit einem nicht germgen Auf wand von Scharfsinn 
ffir iiberlieferte Tatsachen nach alttestamentlichen Analogien gesucht. Das zeigte' 
das Iva 7tkrx>co$i~t in den ersten Kapiteln des Mt. sehr anschaulich. 



80 6. Das Urchristentum. 

Synagoge uberkam. fand man voll A r on Christus und dem. lieiligen Geiste. 
Dann aber setzte dieselbe BetracbtungSAveise ancb das Alte tief unter das 
iseue Testament, jenes entbalt nur Scbatten und Yorbereitung, dieses 
Realitat und Yollendung. Auf dieser Babn bewegt sicb der Hebraer- 
brief. Gilt die positive Scbatzung des Alten Testaments inehr der Pro- 
pbetie. so Avird das Scbattenbafte inehr an den Institutionen und Yor- 
scbriften des Gresetzes nacbgewiesen. Aber tbeoretiscbe Gredanken bier- 
iiber inacbte man sicb nocb nicbt. Mit religib'sem Takt bebandeln die 
Autoren das Alte Testament bald als das beilige Bucb der Cbristenbeit, 
bald als Urluinde einer vor- und untercbristb'cben Religion. Diese Doppel- 
stellung ist j a bis beute in. der Kircbe berrscbend. 

"Wir scbliefien damit diese Charakteristik des apostoliscben Zeit- 
alters. Paulus bat als Tbeologe eigenartige Gedanken gebabt, und es 
liegt fraglos das Zeugnis eines eigenttimlicben Erlebens des Obristentuins 
als Eeligion in seinen Scbriften vor. Aber dies gilt rnebr von der Art 
der Auffassung als von den aufgefafrten und aufzufassenden Ideen und 
Idealen. Anscbaitungen und Tendenzen. Ini wesentlicben scbeinen die 
gleicben Lebren, TJrteile, Institutionen und Stimmungen, die Paulus ver- 
tritt. aucb gemeincbristlicb gewesen zu sein. 

20. Nur ein neutestainentlicber Autor, Jobannes, 1 ) darf neben 
Paulus als Yertreter einer relativ eigenartigen Anscbauung vom Obristen- 
tuin bezeicbnet werden. 2 ) 

Jobannes batte die Anfange der neutestainentlicben Zeit erlebt und 
er stand an ihrem Ausgang. Er batte Wacbt gebalten an der Schwelle, 
als die neutestamentlicbe Zeit eintrat, und er stand nocb dabei, als sicb 
die Tiiren der altkatboliscben Zeit 6'ffneten. Der Jiinger Jesu war nocb 
ein Zeitgenosse von Mannern wie Barnabas. Hennas und dem Yerfasser 
des ersten Clemensbriefes. 

Durcb drei Ziige ist die jobanneiscbe GedankenAvelt gekennzeichnet : 
den propbetiscben, den kontemplativen und den praktiscb-bierarcbiscben. 

1) M. E. ist es iminer noch rein gescMchtlich angesehen am ein- 
faclisten und sichersten die unter dem Namen des Johannes im Neuen 
Testament vorliegendeir Schriften auf den Apostel Johannes zuriickzufiihren. Da- 
bei ist es sehr wohl moglick, daB andere Hande dem Apostel bei Abfassung seines 
Evangeliunis zu Gebot gestanden haben. Fiir die folgende Darstellung vgl. 
meine Abhandlung ,,Zur Charakteristik des Apostels Joh." in ,,Aus Eeligion u. 
Gesch." I, 104ft. 

2) Man hiite sich davor, seine Abhangigkeit von Paulus zu iibertreiben. 
Sehr viel davon, Avas in diesem Sinne gedeutet wird, ist gemeinchristlich. Man 
wiirde erstere These nicht so einseitig auspragen, >venn man nicht unter 
dem Eindruck des ,.Dogmas vom Neuen Testament" bei derartigen Pragen 
das Zeugnis der apostolischen Vater zu ignorieren sich gewohnt hatte. 



Das johanneische Christentum. 81 

In der Apokalyse liegen wirklich geschaute Yisionen vor, die den Sieg 
Christ! wider die grofien Anlaufe der Welt und des Teufels schildern. 
Aber Analogien zu diesen Yisionen bietet die Literatur so reichlicb. dar, 
daB es als nicht unverniinftig erscheint, Teile der johanneischen Apo- 
kalypse auf judisch.e Quellen zuriickzufuhren. DaB Johannes die Ge- 
danken der Apokalyptik kannte, ist selbstverstandlich ; daB sie in seinem 
Greisenalter wieder auflebten, ist nicht unbegreiflich. Der Christus, 
den er erwartet hatte in imfierer Herrlichkeit, war gekommen als der 
Herr, aber der Herr der Seelen. Die Welt, die er hatte unterwerfen 
wollen, sie war noch nicht unterworfen, im Gegenteil sie verfolgte Christi 
Anhanger. Nun hat Christus aber von seiner Wiederkunft gesprochen. 
Bei dieser Wiederkunft wird er sein Werk vollenden, da werden dann 
die auBeren Hoffnungen und Erwartungen der Yater ganz in Erfiillung 
gehen. Das ist der Punkt, an den die alten Hoffnungen .bei alien neu- 
testamentlichen Autoren sich anschlossen. Angesichts des wachsenden 
Gegensatzes der Weltrnacht und in der- "Uberzeugung von dem Siege 
Christi hat Johannes seine Yisionen empfangen. 

21. Der andere JZug ist die Kontemplation. Das johanneische 
Evangeliiun wird schlecht charakterisiert durch das Wort ,,spekulativ". 
Mcht spekulativ ist seine Christusanschauung, sondern kontemplativ. Das 
johanneische Evangelium ist der grofie Yersuch, zwischen dem Christus 
des religiosen Grlaubens und dem Jesus der Greschichte eine Synthese zu 
gewinnen. Johannes hatte den geschichtlichen Menschen Jesu personlich 
gekannt, und er hatte in andauerndem religiosen Yerkehr mit Christus, 
dem hirmnlischen Geist gestanden. Beides war der Christenheit vertraut. 
Der gegenwartige lebendige Geist-Christus im Hinimel, dem die Anbeturig 
der Gemeinde gait, und der sterbliche und leidende Mensch standen neben- 
einander. Der Ton schien immer niehr auf ersteren fallen zu iniissen. 
Schon Paulus hatte gemeint : ,,wenn \\dr auch Christus nach dern Eleisch 
gekannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr" (2. Kor. 5, 16). 
Jetzt hatte der griechische Geist sich der juden-christlichen Deutung 
der Christusperson (auf den Menschen Jesus kam der Geist in der Taufe) 
bemachtigt und eine theoretische Kombination versucht : Der himmlische 
Herr und der Mensch sind freilich zwei Prinzipien, die, weil ganz 
different, nur zeitweise miteinander verbunden gewesen sein konnen. Das 
war die Lehre des Kerinth, 1 ) zu deren Widerlegung nach dem 

1) Die Lehre Kerinth s ist durch Irenaus ziemlich genau iiberliefert (adv. 

haer. I, 26, 1. Ill, 11, 1; 16, 5f. cf. Hippolyt Refut. YII, 33. X, 21 Ps.-tertull. 

adv. haer.. 3) Kerinth hatte agyptische Bildung genossen und wirkte in Klem- 

asien. Seine Lehre ist folgende: der ob.erste Gott (Ttgwros &e6s, d(>wi) ist ver- 

Seeberg, Dograengeschichte I. 2. Aufl. 6 



82 6. Das Urchristentum. 

unverdachtigen Zeugnis des Irenaus das johanneische Evangeliuni 
verfafit 1st. In dieser Trennung hat Johannes Antichristentum erblickt 
(1. Joh. 2, 22 : 6 ccQVOvf.ievos OTL Yrjaous om eariv 6 XQiOto^j 4, 2. 3 
cf. 1, 4. 15; 5, 1. 5. 2. Joh. 7). Ihr gegeniiber hat er mit starkem 
Pathos die These ausgesprochen : der Logos ward Fleisch. Diese These 
1st paradox, und Johannes hat sich daher keineswegs streng an sie ,ge- 



schieden yon dein Weltschopfer. Dieser kennt den obersten Gott nicht, er 1st 
eine dyyshxij dvvafus. Jesus ist der Sohn Josephs mid der Maria, der durch 
Weislieit mid Gerechtigkeit sich vor den iibrigen Menschen auszeichhete. Bei 
der Taufe stieg von dem obersten Gott der Christus in Gestalt einer Taube auf 
Jesus herab. Nun verkiindigte er den unbekannten obersten Gott und tat Wunder. Jesus 
allein litt und erstand, der Christus war vorher in den Hiinmel zuriickgeflogen r 
da er als pneunmtisch leidensunfahig war. Es ist klar, daB Mer zuin erstenmal 
die Lehre von zwei Naturen oder Substanzen, aus denen Christus besteht, 
scharf formuliert wird (Iren. Ill, 16, 5: ex altera et alterd substantial dicentes 
eum factum). Diese Lebre ist ibrem Ursprung nacb juderichristlich (s. z. B. das 
Hebr.-Ev.). Nun hat aber Irenaus (III, 11, 1) einige weitere Ziige mitgeteiltj 
die er auf Kerintb und die Nikolaiten gemeinsam zuriickfuhrt und von Johannes 
wideiiegt werden laBt. Ob diese Ziige gerade Kerinth oder einer alteren gnos- 
tiscben Gruppe angeboren, ist relativ gleichgiiltig. Von ho'chster Bedeutung ist 
es dagegen, daB das johanneische Evangeliuni, nach Irenaus, sie voraussetzt. 
Nachdem die Trennung des hocbsten Gottes und des Christus yon Jesus an- 
gefiihrt ist, heiCt es weiter: et initium quidem esse Monogenem, Lo- 
gon autem venim f ilium Unigeniti. Demnach haben diese Leute die 
0.0'tfi dem ftovoyev7js gleichgesetzt und haben den Logos als Sobn des Eingeborenen 
gefaGt. Nach Iren. I, 8, 5 war es valentimanische Lehre, daB aus dem Vater die 
dg%i], Gott oder der uovoyevrjs, aits diesem der loyog hervorging. Es scheint doch 
Avabrscheinlich, daB auch diese alten Gnostiker noch einen ,,Vater" Mnter der 
a.r>'/{] angenommen haben. Ist dies aber altgnostische Lehre, dann ist klar, 
1) daB die Stichworter des Prologs des Evangeliunis dem Johannes von seinen 
Gegnern suppeditiert sind. Daraus begreift sich auch, daB sie im Buch selbst 
keine Rolle spielen. 2) Aber weiter: der Gegensatz zu Kerinth resp. den Niko- 
laiten beschrankt sich nicbt auf die Worte ,,das Wort ward Pleisch", sondern 
nmfaBt auch die folgenden Worte: ,,und wir sahen seine Herrlicbkeit, Herrlich- 
keit als eines Eingeborenen vom Vater" (Joh. 1, 14), und der Ausdruck 
V. 18 ,,der eingeborene Gott" (so ist sicher zu lesen) versteht sich aus diesem 
Gegeusatz erst ganz. Johannes will also im Prolog seinen Gegern gegeniiber 
von vornherein feststellen: der Logos war Jesus, denn er ist Fleich geworden, 
und der Logos selbst war der eingeborene Gott und Sohn des Vaters, nicht erst 
ein Sohn des Eingeborenen. Die Frage ttbrigens, ob Johannes selbst Logos im 
Sinn von Wort oder Vernunft gebraucht habe, wird, trotz des erkannten Zu- 
sammenhangs, nach V. 18, Apok. 19, 13 f.; Hebr. 1. 2; Ignat. Magn. 8, 2; 9, 2. 
Rom. 8, 2 zugunsten von ,,Wort" in der Weise des synagogalen xno'-D zu ent- 
scheiden sein. Die alte Praedic. Petri hat Christus sowohl 1.6yos als vopos ge- 
nannt (bei Clem. Strom. I, 29, 182. II, 15, 68. Eel. proph. 58). Vgl. noch die; 
judische Lehre, daB durch die Thora. die Welt geschaffen wird (Schlatter,. 
Die Sprache und Heimat des 4. Ev. 1902, S. 141). 



Johannes und Kerinth. 83 

halten, 1 ) aber sie driickt die innere Stellung des tFohannes, die das Evan- 
gelism bezeugt, klar aus. Der Ertrag seines religiosen Lebens "bestand 
darin, dafi der Christus, dessen gottliche Kraft er erlebte, derselbe war; 
mit dem Menschen, dessen Jiinger und Freund er gewesen. In dein 
geschichtlichen Jesus war alles, was die Kirche an ihrem himmlischen 
Herrn erlebte, vorhanden gewesen. Das ist seine TJberzeugung. "Was 
Johannes in Wirklichkeit erst spater aufgegangen war, das findet die 
Kontemplation schon in den friiheren Worten und Werken Jesu. "Was 
Johannes erzahlt, ist wirldiche Greschichte, aber es ist Gfeschichte in 
religioser Beleuchtung. So weit ist Johannes hierin gegangen. daB er 
die Redeweise, die er in dem religiosen . Verkehr mit dem erhohten; 
Christus erworben, dem Menschen Jesus in den.Mund legt. Die. ge- 
schichtliche Schranke , die dem johanneischen Evangelium hierdurch 
gezogen wird, ist jedermann erkennbar. 2 ) Dariiber darf aber nicht iiber- 
sehen werden das gewaltige geschiehtliche Zeugnis fur die geistige GroBe 
Christi, das , das Buch abgibt. So riesenhaft ist diese geschichtHche 
Grestalt gewesen, daB ein Augenzeuge alles, was man in fast zwei Menschen- 
altern unter dem Eindruck des G-eistes Christi an religiosen Gredanken 
erlebt hatte, ruhig in Jesu geschichtlichen Worten unterbringen kann. 
Indem Johannes diese Betrachtungsweise wahlte, hat er den geschicht- 
lichen Christus der Kirche bewahrt, dadurch-'dafi er ihn in seiner ganzen 
religiosen Wirkung und Bedeutting erfassen lehrte. Der Greist hat alle 
seine Offenbarungen von dem geschichtliche'a Christus, oder das hat 
schon Luther erkannt es gibt keine, Offenbarung, die itber den ge- 
schichtlichen Christus hinausginge (Job. 16, 13ff.). Zugleich ist aber 
hierdurch das christologische Problem fixiert worden. Die beiden einzig 
mogUchen Christologien sind in Kerinth und Johannes einander gegen- 
iibergetreten : die dialektisch-spekulative Trennung : des Gottlichen und 

1) Joh. 3, 34 f. (Ghristns redet Gottes Worte, weil Gott ihiri den Geist ohne 
Mafi gibt) entspricht der panlinischen odef auch der synoptischen Christologie. ' 
Die beiden Grundformen der urcMstlicheB. Christologie, (der himralisehe Herr 
wurde Mensch, und der Mensch Jesus einte sich mit Gottes Geist) sind beide bei 
Joh. vertreten (vgl. noch die Idee von der Sendung des Sohnes), aber die Mensch- 
werdungsidee pravaliert. 

2) Wie viel positives geschichtliches Material es andrerseits bietet, ist be- 
kannfc Man darf sich dUrch die richtige Erkenntnis seiner Tendenz das Auge 
hierfiir nicht triiben lassen. Von hieraus ergibt sich die einfachste Losung der: 
johanneischen Frage". Man kann so in dem Rahmen der geschichtlichen IJber- 
lieferung bleiben xind doch der ganzen Difierenz des Johannes zu den Synoptikern 
gerecht werden, ohne den Kiinsteleien zu verfallen, deren es bedarf, wenn man 
Johannes als blofien Lehrdichter deuten will. Dabei miiC man auch der Schranken ' 
eingedehk bleibeh, die ihrer Entstehung nach (S. 61) der synoptisehen StoS- 
auslese anhaftet. > 

.6* 



84 6. Das Urchristentum. 

des Menschh'chen und die religios-geschichtliche Anschauung des fleisch- 
gewordenen Wortes. Erne .,Christologie" gibt es erst seit diesen beiden 
Mannern. 

22. Zum dritten ist der letzte Apostel ein Kirchenmann gewesen. 
Er hat die uberkonunenen Vorstellungen knapp zusainmenzufassen ver- 
standen und er bat gegenuber der bereinbrecbenden Haresie und Ver- 
weltlichung das Christentuni als ,,Lebre" (2. Job. 9. 10) und ,,Gebot" 
(1. Job. 2, 7; 3. 23 f. 2. Job. 4) fixiert. Der Geist stand am Anfang 
als zweites Prinzip neben den festen Fornien der kirchlichen Tradition. 
Paulus leitete an. den Greist vor allem in den Worten des EvangeHums 
zu sucben. Jobannes lebrt- das "Work des Geistes erblicken in der 
dauernden stetigen Gfemeinscbaft der Seele rait Gott. Die Gemein- 
scbaft mit dem Yater und deni Sobn ist der Erfolg der Predigt (1. Job. 1, 3). 
Andrerseits ist mit der Taufe sie ist der AbschluB der Heilsver- 
kiindigung der Greist im Menscben wirksam. Ini Glauben an Cbristus 
und in der aktiven Liebe bestebt die Lebensgemeinscbafb mit Gfott. Nun 
ist aber der Inbalt von Grlaube und Liebe bestimmt dui'cb das kircblicbe 
,,Gfebot". Dies Gebot lebrt Jesus als den Cbristus bekennen und werk- 
tatige Liebe iiben (1. Job. 3, 23 ; 2, 3 ; 3, 7. 10). Ein festes G-efuge 
von Glaubens- und Sittenlehren Hegt vor wir baben oben davon ge- 
bort, S. 66 f . . , daran ist Glaube und Liebe zu bemessen. Jobannes lebrt 
nocb nicbt, dafi die Unterwerfung unter das Gebot den Obristen macbt, 
der Cbrist wird vielmebi* was er ist durcb die Salbung des Geistes ; 
aber er ist der tlberzeugung, dafi jeder, der den Geist bat, innerlicb 
mit dem Gebot ubereinkommen wird. Diese Gedanken unterscbeiden 
sicb scbarf von der altkatboliscben Gesetzlicbkeit, aber sie bieten docb 
geschichtlich angeseben einen Ankniipfungspunkt fiir sie dar. 

Der Geist und die festen Formen der tJberlieferung sind einander 
immer naber gekommen: der Geist kommt in diesen Formen und was 
er wirkt, bewegt sicb in ibnen. Und der Geist bringt daber wesentHcb 
nicbt irgend welcbe ,,Gaben", sondern die Gemeinscbaft mit Gott, die 
im Glauben an seinen Sobn und in der Liebe gegen die Briider sicb 
ervveist eben den iiberlieferten Formen genaafi. Dazu kommt ein 
etztes. Einst scbied man die ,,heilige" Cbristenbeit oder das ,,Volk des 
Eigentums" von der jjWelt". Jetzt gebt der Rifi durcb die Cbristenbeit 
selbst. ,,Die "Welt vergebt mit ibrer Lust, wer. aber den Willen Gottes 
tut, der bleibt in Ewigkeit". Aber aucb die cbristlicben Haretiker tun 
diesen Willen nicbt, sie geborcben nicbt dem Gebot", sie sind der 
Antichrist, vom Teufel und von der Welt. Von uns sind sie aus- 
gegangen, aber sie waren nicbt von uns" (1. Job. 2, 19). ,,~Wer Gott 
erkennt, bort auf uns, wer nicht aus Gott ist, bort nicbt auf. uns. Daran 



Der johanneische Hierarchismus. 85 

erkennen wir den Geist der Wabrbeit und den Geist des Irrtums" (ib. 4, 6). 
Die Idee von den zwei Reicben beginnt hier greifbar und konkret zu 
werden. Wer das ,,Gebot" bait gebort ztim Gottesreicb, wer von ibm 
abweicbt ist "Welt und Anticbrist. So babnt sicb aucb bierin ein Gedanke 
des Katbolizismus bei Jobannes an. 

23. Diese TJbersicbt liber die Ansatze der ,,Lebre" im Neuen Testa- 
ment mufi bier geniigen. So kurz sie ist, so deutlicb wird dein Leser 
geworden sein, dafi das Cbristentum etwas Neues in die "Welt gebracbt 
bat, dafi es einen weltgescbicbtlicben Umscbwung im Geist der Menscb- 
beit bedeutet. Die Stellung der Seele wird bier eine andere als sie im 
Heidentum oder Judentum Avar. Die Grundverbaltnisse des neuen Baus 
sind iiberaus einfacb, dadurcb wird der Bau selbst jeder Seele zu- 
ganglicb. Alles Streben und Sebnen, alles Knden und Nicbtfinden der 
antiken Welt war wie eine Weissagung auf diese Religion, und sie selbst 
war die Yerwirklicbung der religiosen Tendenzen des Propbetismus. Der 
allmacbtige Gott, der heiliger Liebeswille'ist und der Herr der Gescbicbte, 
stebt an der Spitze. Dem "Willen dieses Gottes bat die Menscbbeit 
widerstrebt von Anfang an. Das ist ibr Yerderben in Scbuld und Elend. 
Da ist der Herr der Weltgescbicbte in Cbristus in die Grescbicbte ein>- 
getreten und bat ein neues Verbaltnis zwiscben sicb und der Welt ber- 
gestellt. Seine Herrscbaft ist binfort erlosende Herrscbaft, indem er die 
Siinde vergibt und ein neues ewiges Leben in der Menscbbeit erscbafft. 
Der Liebeswille ist seinem Wesen nacb wirksamer scbaffender Wille. nicbt 
nur fordernder Wille. Der Geist-Cbristus ist dieser ein neues Grottesvolk 
scbaffende Wille, sein Greist wirkt durcb die einzelnen auf die einzelnen. 
Das Ziel dieses Wirkens ist ein Reicb Gottes. Dies Keicb ist darum 
aucb das Strebeziel aller, in denen der Cbristuswille wirksam wii'd. Wer 
sicb von diesem "Willen ergreifen lafit, der glaubt und liebt, er lebt ein 
Leben der Gemeinscbaft mit Gott. Aller Bedarf der Seele ist bier er- 
fitilt. Sie wird frei von der Scbuld, sie empfindet in ibrem innersten 
Wesen die Nabe des lebendigen Gottes und sie bandelt aus dieser Ge- 
meinscbaft rnit Gott bervor in dem Bewufitsein aucb in allem Kleineu 
und Geringen Gott zu clienen, seine Sacbe zu fordern. Welcbe unend- 
licbe Fiille von Elementen ergab sicb bier zur Bereicberung und Yertiefung 
der Seele, zur Eeinigung und Anspannung aller ibrer Elrafte ! Die per- 
sonlicb religiosen und etbiscben Mahnungen des Neuen Testaments geben 
eine Yorstellung von der Fruchtbarkeit dieser Gedanken. 

Dies Neue war nicbt ein System von Begriffen, die man wie ein 
Netz iiber die wirklicbe Welt spannen mufite. Das Neue war wirksame 
bewegende geistige Kraft, die AUmacbt und die Liebe (les Herrn, der 
Geist ist oder des gegenwartigen Cbristus. Das Neue war wunderbar. 



86 6. Das Ufchristentum. 

Nun ist aber die geistige Wirkung dem Menschen nur verstandlich, in- 
dem sie in Begriffe gefaBt wird. Die Begriffe. die dern Christentum zu 
Gebote standen. waren zuniichst die der israelitischen Religion, nur in 
geringem Ma6e sind griechische Gedanken mit in Betracht gekornmen. 
Und wo ein Geistiges in Begriffen an den Menschengeist herankommt, 
da erwacht das Streben die Begriffe in Zusamnienhang zu bringen, ein 
Gedankensystern aus ihnen zu bilden. Man kann an Paulus und Johannes 
diesen Trieb studieren. Es ist eiu wunderbares Schauspiel: das Ewige 
xmd Wunderbare in den geschichtlichen Begriffsformen der isi'aelitischen 
Religion ausgedriickt und diese Begriffe wiederum zu einer neuen Ein- 
heit zusammengesclilossen. die nieht die der israelitischen Religion war ! 
Das waren die ersten Reflexionen theologiscker Ai-t. 

Aber es hat auch eine christliche Lehre gegeben vor nnd. neben 
diesen theologischen Reflexionen. Derselbe Greist Christi, der die Menschen 
mit wunderbaren Gredanken. Kraften und Tendenzen erfiillte, trieb sie 
an zur Gewinnung und Erziehung der Menschen. Man konnte nicht 
wirken und lehren ohne einfacbe Begriffe von fester autoritativer Geltung, 
ohne eine Zusainmenstellung der in Betracht kommenden Tatsachen, ohne 
Organisationen und Institutionen, ohne leitende und verantwortliche Per- 
sonen. Sollte der Geist wirksam werden. so ergab sich dies alles mit 
innerer Notwendigkeit. Die Geisttrager selbst haben es fur notwendig 
befunclen. aber einmal aufgestellt, war es etwas Festes auch fur sie. So 
sind schon friih in der neutestamentlichen Zeit feste Formen der Lehre 
und regelmaUige Institutionen entstanden. so sind, wenn wit' uns nicht 
geirrt haben. unsere EvangeHen geschaffen worden ; so encllieh begreift 
sich das Aufkomnien bestimmter kirchlicher Amter schon in unserer Zeit; 

Je gewaltiger die Kraft des Geistes Christi war, desto mehr inufite 
er immer wieder Neues hervorsprudeln. aber desto schneller mufite er 
auch feste geschichtliche Pormen schaffen und annehmen. In der Wechsel- 
wirkung dieser beiden Elemente hat sich die Geschichte der apostolischen 
Zeit bewegt. l ) Daher ist der Bau, den sie so iiberraschend schnell aus- 
fiihrte. doch ein soKder Bau gewesen. Aber in dieser Wechselwirkung 
von gottlichem Geist und irdischer Form ist zugleich die Mpgtichkeit 
fiir mancherlei Auspiiigungen und Deutungen sowie auch zu einer Be- 
'druckung und Verstiimmlung des Geistes gegeben. Das weist uns weiter 
auf die Dogmengeschichte hin. 



1) Die Formel ,,Eiit]itisiasmiis" charakterisiert nach der einen Seite hin 
ganz zutreffeud die alteste Christenheit. Aber sie ist kerne ersckopfende Cha- 
rakteristik. Mail muC sich dem gegeniiber gegenwartig halten, wieviel Ge- 
gebenes, Formelhaftes, Konventionelles, Autoritatives fur Lehre und Leben in der 
apostolischen Literatur neben den freien Geistaufierungen vorliegt. 



Erstes Buch. 

Die Herausbildung des Dogmas in der alten Kirche: 
Die Anfange des Dogmas im naehapostolischen und altkatholisehen 

Zeitalter. 

Erstes Kapitel. 

Die Auffassung des Christentums im naehapostolischen Zeitalter. 

7. Die apostolischen Vater. 

Ausgaben der Schriften der sog. apostolischen Vater: Patrum apostolicorum 
opera 3 voll. ed. Gebhardt, Harnack, Zahn, 1876, kleine Ausgabe 1877. 
Lightfoot. The apostolic Fathers (Ignatius 1885. Clemens 1890). Patres apo- 
stolici ed. Punk, 2 voll., 2. Aufl. 1901 (kleine Ansg. 1901 in Kriigers Quellen- 
schriften); diese Ausgabe enthalt auch die Didache, die auBerdem Harnack in 
Texte u. Unters. II (kleine Ausg. Leipzig 1886) edierte. Die Pragmente der 
Praedicatio Petri bei E. v. Dobschiitz (Texte u. Unters. XI, 1893). Hinsichtlich 
der literargeschichtlichen Pragen ist zu verweisen auf Harnack, Geschichte der 
altchristl. Literatur, 1893 und die Chronologie der altchristl. Lit., Bd. I, 1897, 
sowie auf G. Eriiger, Geschichte der altchristl. Lit., 1895. 0. Bar den hewer, 
Gesch. der altkirchl. Lit. 1, 1902 und die Kirchengesch. von Moller-v. Schubert. 
auCerdem die Monograpbien. Fur die DG. kominen aufier den Dogmenge- 
schichten von Haruack uud Loofs besonders in Betracht: 0. Pfleiderer, 
Das Urchristentum, 2. Aufl. 1902, Bd. II. Behrn, Das christl. Gesetztuni der 
ap. Vater in Ztschr. f. k. Wiss. u. Leben, 1886. E. Knopf, Das nachapost. Zeit- 
alter, 1905. W. Wrede, Untersuchuugen zum 1. Clem.-Brief, 1891. J. P. Bang, 
Studien zu Clem. Eoman. in Stud. u. Krit. 1898, 431 ff. Th. Zahn, Der Hirte 
d. Hernias, 1868. A. Link, Christi Person und Werk im Hirten d. Herm., 1886. 
E. Hiickstadt. Der Lehrbegriff d. Hirten, 1889. Th. Zahn, Ignatius v. Ant., 
1874. E. v. d. Goltz, Ignat. v. Ant. als Christ u. Theologe in Texte u. Unters., 
XII, 1894. A. Harnack, AposteUehre in PEE. I 3 , 711 ff., Th. Zahn, Das 
iilteste Kirchengebet und die alteste Predigt in Ztschr. f. Prot. und Kirche, 1876. 



88 7. Die apostolischen Vater. 

1. Die gelaufig gewordenen Elernente zur Darstellung des Gottes- 
gedankens, die das A. T. darbot, werden auch in unserein Scbriften- 
kreise angewandt, oline daB Neubildungen versucbt wiirden. Es sind 
im wesentlicben zwei Begriffspaare, in denen sick der Gottesgedanke 
darstellt: Gott ist der Yater und er ist der Konig, und Gott ist all- 
inachtig sowie barmberzig tmd gerecht. Diese Attribute der Gottbeit 
werden dann anscbaulich gemacbt an deni Gedanken der Scbppfung und. 
der Gescbicbtsleitung. sowie an der Erlosung und dem Gericbt. Es sind 
die Gedanken der alttestanientlichen Propbeten, die Jesus und Paulus 
aufgenommen baben. Sie konvergieren alle in dem einen Punkt, da& 
Gott der lebendige Gott ist, dessen "Wesen im Wollen und Tun bestebt. 

2. Der feierlicbe Ton des 1. Clein. erldart es, daB wir bei ib.ni 
die reicbste Zusannnenstellung der gottlicben Attribute finden. : Stellen 
wir die Hauptgedanken zusammen. Gott ist allmacbtig (o fcavwy-QanoQ 
&sos 1. Clem, inscr. ; 2, 3; 32, 4. Hernias S. Y, 7, 4. PoL 
inscr. ; Mart. Pol. 14, 1. Did. 10, 3). Sein allmacbtiger Wille (rtctv- 
TOXQazOQixbv (3ovhr]f.ici 1. 01. 8, 5) waltet iiber der Welt und. in der 
Welt, er wirkt alles und gestaltet alles, Scbopfung und Erlosung genen 
auf ibn zuriiek. Dieser Wille ist das wirksame Prinzip alles Gescnenens, 
aber er ist zugleicb. aucb. fordernder, gesetzgebender Wille. x ) Genauer 
zeigt sicb dies darin, daB Gott der Scbopfer der Welt und inrer Ord- 
nung ist, der biminlische Konig der Welt und der Herr aller. 2 ) Er 
wirkt die Gesetze der JSTatur und scbreibt den Menscben Gesetze vor. 3 ) 
Als Scbopfer und Erloser gebiihrt ihm Liebe und Dank von seiten der 
Menscben. 4 ) Dieser Herr der Welt ist nun aucb. der Yater. Einer- 



1) povfyois 1. 01. 9, 1; 40, 3. d&ripa 1 01. 20, 4; 21, 4; 32, 3: -advree o~vv 
edotzdaiirjaav . . oi> Si aiifcov rj TWV fgycov ainojv . . . dMa did, tov . defajjLtaros 
aiitov cf Polyk. 1, 3. 34, 5 : tiuotaaomfiefla tw &B^fian aviov, deh]fia SChleclltllin 
ist Gottes Wille Ign. Bom. 1, 1. Sin. 11, 1. Pol. 8, 1 ; /?oi%t- cf Pol. 2, 2. 1. 01. 23, 5 ; 
33, 3; 49, 6; 56, 1, 2; 61. 1, defatv 36, 2; 27, 5: ore &slsi xeii &s 'deist, novt]ost, 
ytdvra y.al ovSsv fii] Tta^eidrj raw SedoyfiaTiOfiEVCov ini avrov. Ign. B/ODl. inscr. : 
TOV det^aavios iu Ttdvra & eanv. 

2) 1. Clem. 20, 11 : o /neyas dtftiiovgyds '/.ru Seaaotris t&v fatavrcw , ebenso 
33, 2. 8, 2: 6 SsaTtorrjs tmv fadviMv cf 24, 1 ; 40, 1; 59, 4; 52, 1. 61, 2: deoatomis. 
faovfdmos paodebs rwv aitivcov. S. OlOCh 7, 3; 38, 3; 60, 1; 19, 2; 35, 3. Die 
,,Scli6'pfung aus nichts" hat Hermas nach 2. Makk. 7, 28 gelehrt, sie ist 
dutch seine Autoritat Kkchemehre geworden, s. M. 1, 1 : TC^COTOV Ttdvtcov rtiaTevaov, 
on BIS eatlv 6 -9'ebs 6 id Ttdvca -/.riaas xal y.amprioas y.(Ci noi^aas ex TOV iiij ovtos 
sis 16 slvai, cf Funk z. d. St. u. V. I, 1, 6. 2. 01. 1, 8. 

3) 1. 01. 20, Iff.; 40, 1: Tcdvru id^si TtoisTv 6y>eiiofiev oaa o Seastonis irtiT 
.ey.ehvaev. Herm. S. I, 6f. 

4) Barn. 3, 6; 19, 2: dyaatijosis tbv Ttotijoawrd as, y:oj3i]i)>]aii iov ae xj.d 
is tov as l.viycoaduevov KK -davdrov. 



Der Gottesbegriff. 89 

seits wird dies auf seine Giite gegen die Menscben in biblischer Weise 
gedeutet, andrerseits nacn deni pbilosopbiscben Spracbgebraucb auf die 
Scbopfung bezogen. *) Die Hauptsacbe ist aber, dafi der allmacbtige 
KonigSAville Gottes als Liebeswille verstanden wird. Der Allunifassende, 
der von nicbts umfaflt ist (Herm. M. I), der keines Dinges beclarf (1. 
'01. 52, 1), AUinacbtige (1. 01. 20, Iff.), Allgegenwartige (28, 4. 2), 
Allwissende (21, 3; 59, 2; 64, 1. Herm. M. IV, 3, 4. Pol. 7, 2) ist 
aucb barinberzig (1. 01. 50, 2) und der Heifer in jeder Not (59, 3. 4). 
sein Tun 1st Wobltun (21, 1; 19, 2), und seine Wobltaten fur uns 
waren fertig, ebe Avir geboren wurden (38, 3). So ist aucb der Sunder 
von Gottes Erbarmen umgeben (z. B. Herna. V. II, 2, 8; I, 3, 2. 
S. VDI, 11, 1. M. IV, 3, 5; IX, 2), seine Liebe vergibt die Siinden 
(1. 01. 50, 5). Das Einzelne kann sich uns erst spater ergeben. Abei- 
der Liebe steht zur Seite die Treue Gottes in seinen VerbeiBungen und 
die Gferecbtigkeit in seinen Gericbten (1. 01. 27, 1 ; 2 ) 60, 1). Scbon 
jetzt ergeben diese iiber die Stinder (Herm. S. VI, 3, 6), bis das kiinftige 
Grericbt eintritt (Herm. V. HI, 9, 5). 

Es ist ein scblicbter kraftiger Gfottesglaube. , der aus diesen Er- 
orterungen bervorleucbtet. Der allwaltende Herr und Vater, der die 
Welt erscbaffen bat und die Menscben leitet in Liebe und Gfnade. und 
der seinen Willen kundtut und die TTbertretung in Grerecbtigkeit straft 
das sind die Hauptziige in diesera Grlauben. ISTocb bat man. das 
Wirken Gottes nicbt Avieder auf den gesetzgebenden imperativiscben 
"Willen bescbrankt, sondern man weifi, dafi im. ganzen Leben der Fi-omme 
den allgegenwartigen wirksamen Gotteswillen empfindet. Oder : nicbt 
bloB in der Vergangenbeit bat- Gott gewirkt rind wird in der Zukunft 
wieder wirken, namlicb Lobn und Strafe geben, sondern in der Gegen- 
wart wirkt er. Aus diesem. Glauben Avacbst der Optimismus bervor, 
der trotz aller Siinden und TJbel docb in allem, Avas ist, ein Mittel zur 
Verwirklicbung des Hocbsten erbHckt. Gott bat die Welt ,. erscbaffen 
und ibr Mebrung und Wacbstum verHeben um der beiligen Kirche 
Avillen" (Herm. V. I, 1, 6; H, 4, I). 3 ) 



1) 1. Cl. 23, 1 : e-degysTixos Ttaiij^. 29, 1 : sTtisixfjs "/MI sva7t~/.ay%vos rt 
56, 16 : Ttatrjf) yoi^ dyafios u>v TtaiSsijsi, elg TO e&eij&jjvai, fj/.tas Sia fijs daias tta 
uvrov. Dagegen 35, 3 : 6 Srjutovgybs y.al na-trj^. 19, 2 : 6 ^aTijfi y.al XTIOT>JS iffji' 
uTtdvrcov. 

2) itiaibs sv Tats STtayyeliais, Sif.aios EV tots zgifiaai. 

3) Hermas sagt aber auch mu 1 , die Welt sei um des Menschen Avilleii er- 
schaffen (M XII, 4, 2). Dies ist ein stoischer Gedanke, Avahrend die oben iin 
Text angefiihrte Ansicht jiidischer Herkiuift ist, /. B. Assumpt. Mos. 1, 12 : crcavii 
cnim orbem terrarum propter plebem suam. Apoc. Barucb. 15, 7. 4. Esr. 6, 55. 59 ; 
7, 11. Vgl. Seeberg, Aristides (Zalms Forsch. IV) S. 221 f. 



90 7- Di e apostolischen Vater. 

Die Einbeit Grottes scbarft Hernias besonders ein (M. I), das war 
ein Erbstiick der jiidiscben Missionspredigt. Gelegentlich versucbte man 
aber aucb schon das Wesen Grottes in den Abstraktionen der griecbiscben 
Philosopbie auszudriicken. Aucb. darin folgte man jiidiscben Yorlaufern. 
Die Absicbt, die solcbe Versucbe leitete, war eirie sehr einleucbtende ; 
es sollte gegeniiber den welthaften und weltlichen Gottern des Heiden- 
tums der cbristlicbe Gott auf diesem Wege als nicbt Welt oder Teil 
der Welt erwiesen werden. Man wollte, modern ausgedriickt. die 
Absolutheit" Grottes zum Ausdruck bringen. *) Ebe wir nun welter 
auf die trinitariscben Formeln eingeben, empfieblt es sicb die Cbristo- 
logie unserer Zeit genauer zu betracbten. 

3. Hinsicbtlicb der Cbristologie lafit sicb ini . allgemeinen TTber- 
einstimmung feststellen. Es baridelt sicb dabei um funf Punkte : 1) der 
Cbristus der Gegenwart 1st der biminliscbe ,,Herr" tmd ,,Grott" ; 2) er 
ist in demselben Zustand der Macbt und Herrlicbkeit praexistent ge- 
Avesen ; 3) er ist Menscb geworden, indem er wirklicb ,,Meiscb an- 
uabm". litt und starb ; 4) er ist von Glott aus deui -Tode erweckt. 
worden, und 5) er kommt sicbtbar wieder zum Grericbt. Aber inner- 
barb dieses Gremeinsamen sind mancberlei Abweicbungen vorbanden. Wir 
tun bei der genaueren Besprecbung gut, von der gegenwartigen Stellung 
und Bedeutung Cbristi auszugeben. 

4. Der Cbrist bat in der Gegenwart an Christus. ,,Gott" und 
..unseren Gott". das sagt Ignatius immer wieder in klaren Worten 
(Sm. 1. 1; 10. 1. Horn, inscr. ; 3, 3. Trail. 7, 1. Pol. 8, 3. Magn. 15). 
es feblt nicbt an neutestamentlicben Parallelen bierzu (oben S. 71). 
Und wie ,,Anrufer des Naniens unseres Herrn Jesu Cbristi" der alteste 
Cbristenname ist (1. Kor. 1, 2), so bob der Heide Plinius diesen Zug. 
als besonders cbarakteristiscb fur die Christen deni Kaiser gegenuber 
bervor. 2 ) Ebenso beginnt die alteste Homilie damit einzuscbarfen, man 
miisse von Cbristus wie von Gott denken. Und sie bebt das praktiscbe 
Motiv zu dieser Stellung bervor niit den Worten : ,,Denn wenn wir nur 
gering von ibm denken. boffen wir aucb nur Geringes zu empfangen." 3 ) 



1) S. Praedicatip Petri bei Clem. Al. Strom. VI, 5: yiva>a%eTe ctiv, on 
ete fteos i-oriv, os a.Q'/i]V Ttavtcov Brtoitjaev -/ML Tslovs e^ovaiav fr/cov. '0 ao^aros, 
O B - TO. Ttdvra oya, a'/juorfios, os iu, Ttdvra ftcopei, dvertiSBi'jg, oi> ra Ttavra eTtiSeerru 
MU Si ov semi', axaTdkijTiTOS, aevvaos, acp&afftos, artoiijTOs, os va Ttdvia Kitoir\af.v 

/.6yu) Swdfisws KVZOV. Vgl. Aristid. Apol. 1, If. 4ff. Ansatze schon bei 1. 01. 51. 1: 

urtpoaSetfs, Herm. M. I, 1: Ttdvrn '^(OQWV (.lovos 8e &%a>or]TOS &v. 

2) Plin. ep. X, 96 : carmenque Christo quasi deo diitere swum invicem. Vgi. 
Commodian carm'. apol. 832: quasi deum eum (Nero) putabunt. 

3) 2. 01. 1, 1. 2: &e),yoi, ovtcos Sel ijfi&s rpQovelv Tteol 'Jrjaov Xpiorov o>s 
TTS^I $EOV, cbs Tceol -/.QITOV 'Cfbvcwv f.al VV/.QWV, y.ai oi> Set fj/uMe ^iixou y>QovBZi> Ttsoi, 



Die Christologie. 91 

Die Grofie der Wohltat Christi notigte dazu ihn als Gott zu denken. 
Der, der unser ,,unauflosliches Leben" 1st, der aller Herzen nahe ist, 
der tins einst richtet, ist Gott. Herztone des christlichen Empfindens, 
die nie verstummen werden, klingen in diesen Urteilen uns entgegen. 
In demselben Sinn wie die Bezeichnung ,,Gott" ist in der Regel auek 
der ,,Sohn Gottes" gemeint, nur Ignatius braucht diesen Begriff noch 
in der alten Mstorischen Pragung (Sm. 1, 1. Magn. 8, 2). Aber er, 
wie Barnabas stellen den ,,Gottessohn" auch. in Gegensatz zum ,,Men- 
schensohn". ") Der ,,Sohn Gottes" ist nicht Davids Sohn , wie .die 
Juden meinen, sondern, nach Matth. 22, 42 f., der Herr Davids (Barn. 
12, 10), der ,,Gott Davids" (Did. 10, 6) 2 ). Wie der Gottesname 
wvqiOQ im N. T. auf Christus ubertragen worden ist, so dann auch. die 
judische Gottesbezeichnung der Name", TO ovof-ia. 3 ) Geradeso wie der 
,,Name" xar 3 s!~oyjjv fiir den Juden Gottes Wesen und Gegenwart be- 
zeichnete, so redet der Christ von dem Qfj[.ia rou 7tavwx,QdTOQOg v,al 
evdot-ov ovoparog und denkt dabei an Christi Wort (Herm. V. ZEE. 3, 5). 
5. Aber in welchem Verhaltnis steht der Gott Christus zu Gott? 
Sehe icb recht , so sind Her zwei Vorstellungen zu unterscheiden : 
Christus ist in Gott, und Christus ist neb en Gott. Jetzt ist 
Christus ,,im Vater" und wird gerade dadurch alien kund. 4 ) Er kam 
voin Yater iind ging zu ihm, in dem er jetzt ist. 5 ) Diese Einheit 



Tfjs O(OT>i()ias fjfiwv ev tdff yaf) rpgovelv ijfi&g ^.uy.fia Tts^i K-IITOV 

//??/' '/ecu ol axovoviss d>s 7teQ\ (itxgio-v afiagtdvovaiv, y.al ijfieZs 

ov"/. elSoTss, jfodev ex&ij&tjfiev KM into rivos not sis ov IOTCOV '/.at baa, 

'Itjaovs XQtatbs Ttafislv evexa 'f/fiwr. Of 13, 4: Isysi o dsog, es folgt Luk. 6. 32. 

Nicht gehort 12, 1 Merlier cf 12, 6; 17, 4. 

1) Eph. 20, 2: TCO vlda avdfjwnov y.al vlco &EOV. Barn. 12, 10: ovy), vlbz 
wv&Q(b'jtov iillA. vlos vov deov. Der Begriff ,,Menschensolin" hat seinen geschicht- 
liehen Sinn in unserer Zeit verloren, ebenso in der Eegel ,,Gottesso.hn", s. aber 
Ignat. 

2) 'Qaavisa tea deca ^faviS, der Text ist aufreeht zu erhalten nach der Parallele 
bei Barn. 

3) Ignat. Eph. 3, 1. 7, 1. Phflad. 10, 1. Herm. V HI, 3, 5. IV, 2, 4. S IX, 
12, 4; 14, 5; 28, 3. 2. 01. 13, 1. 4. So schon im Neuen Testament Act 5, 41. 
3. Job. 7. Jak. 5, 17, wo rov xvgiov nach dvofian zu streichen xind letzteres mit 
TtQoaev^&adcoaav zu verbinden ist. Vgl.. dazu z. B. Lev. 24, 11. Dent. 28, 58. 
Jubil. 36, 7: der ,,gelobte, geehrte, grofie, g'lanzende, wimderbare und machtige 
Name, der Himmel undErde und alles zusammen gemacht hat". Mischn. Joma 3, 7. 
die samarit. Gottesbezeichmmg NDW fiir n;w; s. auch Botisset, Eelig. d. Judent. 
S. 3431 

4) Ignat. Rom. 3, 3: otSev yawdftevov vakov 6 yaQ deos i]fi&v lyaovs XQWIOZ 
ev rtaTgl wv t uak\ov ytaivsrai. 

5) Ignat. Magn. 7, 2: rbv ay? svbs narobs TttJoaeld-ovTH y.al gfo- eva bvra v.al 

cf. 1, 2. 



92 7. Die apostolischen Vater. 

schlieiit aber den personlichen TTnterschied nicht aus ; wie die Genieinde 
mit Christus zur Einlieit verniischt 1st , so Christus mit dem Vater 
(Ignat. Eph. 5. 1). vereinigt mit dem. Vater tat er nichts ohne ihn, wie 
die Gemeinde niclits ohne den Bischof tun soil (Magn. 7, 1). TJnd so 
ist es auch in der Gegenwart : der Wille des Vaters yerwirklicht sich 
in der Liebe Cbristi zu der Gemeinde. a ) Nicht anders als von diesem 
Gesichtspunkt der Einheit Gottes und Christi sind auch solche Stellen 
zu verstehen. in denen Gott und Christus gemeinsain als Spender geist- 
licher Guter (Pol. inscr. u. 12, 2) 2 ) oder als gemeinsanier Gegenstand 
der Liebe der Christen (ib. 3, 3) bezeichnet' werden. Vor allem aber 
ist diese Vorstellung mafigebend in dem Gedanken, dafi Christus Geist 
oder heih'ger Geist in seinern Wesen ist, denn der Geist ist Gott und 
gottlich (s. unten). Christus als Geist ist in deni Vater und desselben 
AVesens mit ihm. Es ist die Anschauung des Paulus und Johannes von 
dem erhohten Christus (oben S. 71. 83), die mit alle dem ausgesprochen ist. 
Und wenn Christus das Scepter der Majestat Gottes" genannt wird 
(1. Cl. 16; 2), so wird auch dies ihn nur als gottlichen Geist. in dem 
Gott seine Herrschait ausi\bt, bezeichnen. 

Aber diese Gedanken dlirfen natiirlich nicht im Sinn des Atha- 
nasius interpretiert werden. Theoretische Erwagungen sind dieser Zeit 
noch fern. Mit der praktischen Erfahrung von der Gottheit Christi ist 
naturgemafi gegeben seine Einheit mit Gott. Doch ist ebenso der 
andere Gedanke vertreten, dafi derSohn mit dem Vater und neben ihm Gott 
ist. Alle die uberkommenen Gedanken von der Sendung des Sohnes, 
von seiner B/iickkehr zurn Vater sowie die Anschauung des geschicht- 
lichen Lebens Jesu wiesen ja in diese Bichtung. Hier sind besonders 
die Vorstellungen des Hermasbuches lehrreich, zumal sich in ihnen be- 
reits ankilndigt, wie die scharfere Trentmng des erhohten Christus vom 
Vater zu subordinatianischen Gedanken fiihrt. In mancherlei Bildern 
sieht der Ekstatiker Hermas Christus. Er ist der uralte Eels, auf dem 
der Turni der Kirche gebaut ist und das neue Tor, das in den Turm 
fiihrt (S. IX, 12, Iff.), er ist .,der Sohn Gottes", der von den Aposteln 



1) Ign. Rom. inscr. : rfj fi^etjf.ievi] sv fisya&eidz-rj'u Ttaxgos byiaiov "/.ai 'l 

TOV (.idvov viov OLVTOV ^xl^ff/a ?;y7t?; l (tej/// y.al TtetpcoTiafievy ev & 
tov -dsfajaavros TU Ttdvm & eaiiv, v.a.iu. dydTtyv 'Iqaov Xpiarov rov deov fjf.i.wv. 
Dabei ist nach Magn. 13, 2 (faoTdyijte ... ws 'I^a. Xg. ta> Tiat^l Kara, od(>va\ 
cler Gehorsam Christi nur auf sein menschliches Wesen bezogen, indessen. ist 
'/.ara. adoy.a. textkritiscb nicht sicher. 

2) 12, 2: deus autem et pater domininostri Jesu Christi et ipse sempitermis 
pontifex, dei filius aedificet vos in fide et veritate. Fiir dei filiiis las das Ori- 
ginal nur frees s. Zahn z. d. St. 



Christol&gie des Hermas. 93 

verkiindigt wird (S. IX, 17, 1), und der Sobn Gfottes. ist selbst das 
gottlicbe Gfesetz, das der ganzen Welt gepredigt wird (S. VIII, 3, 2)'. *) 
Cbristus 1st Geist (S. V, 2 , 5. 6. IX, 1, 1 vg 1 - unten). Alles das 
weist wie auf die Praexistenz, so aucb auf die gottlicbe Art Cbristi tin. 
Nun ist aber ein weiterer Zug zu beobacbten. Ein bober und berr- 
licher Mann, ,,der Herr des ganzen Turm.es", priift die einzelnen Steine, 
die in den Turin der ]ircbe gebaut sind, die unbrauchbaren lafit er 
herausnehmen und befieblt dem Hirten d. h. dem Bufiengel einen Teil 
von ihnen zu reinigen, das Urteil iiber sie sich vorbebaltend (S. IX, 6 ; 
7, 1. 2; 18, 4). Dieser hohe Mann ist der Sohn Gottes (ib. 12, 8). 
Es ist nun merkwiirdig, dafi in dem 8. Grleichnis, in dem die Zweige 
eines grofien Weidenbaums an die Menschen verteilt werden, ein ,,sehr 
honer Engel" die Zweige abhaut und darreicbt und spater pruft, was 
bei den einzelnen aus ibnen geworclen ist, und dem BuBengel seine Be- 
fehle gibt, auch bier steht ibm das ITrteil zu (S. YUI, 1; 2, 5). 
Dieser Engel iibt also ganz die gleichen Funktionen aus wie der Grottes- 
sobn im 9. Gleiehnis. Er wird aber freilicb von inni unterscbieden, da 
die ausgeteilten Weidenzweige der Grottessohn oder das Gesetz sein 
sollen, der Engel aber ausdriicklich Micbael genannt wird (S. YUI, 3, 2). 
Aber der Unterscbied ist nicbt durchschlagend, denn wie im 9. Grleich- 
nis der Fels und die Tiir, aber aucb der priifende Mann Cbristum dar- 
stellen, so konnte aucb bier der Baum wie der Engel Cbristus sein, 
dann ware aber der Gfottessobn der Erzengel Micbael. Andrerseits stebt 
(S. V, 6, 4) neben den ayyehoi evdogoi der Sobn. Dazu kommt noeb,' 
dafi die Engel, aucb die obersten^erscbaffen sind (V. IH, 4, 2. S. Y, 
5, 3), wabrend der Gfottessobn yor aller Kreatur vorbanden, ibr Scbopfer 
und praexistent ist (S. IX, 12, 2; Y, 6, 5). Man bat darauf verwiesen, 
dafi bei Hernias, entgegen der sonstigen Zablung von sieben Erzengeln 
(z. B. Apok. 1, 4; 8, 2. Tob. 12, 15), nur secbs vorkormnen (Y. 
Ill, 1, 6 ; 4, 2), der siebente sei eben Micbael. Dies Argument aber 
verfangt nicbt, da aucb das Judentum neben der Siebenzabl die Secbs- 
.zabl von Erzengeln annimmt (z. B. Hen. 20). Nun wird aber Hermas 
dem Bufiengel von dem ae^ivoranos ayyshos zugewiesen (Y. Y, 2cf. 
'S. Y, 5. X, 1, 1) und von diesem werden aucb die Sunder gerecbt- 
.gesprocben (edixaidj&rjaav M. Y, 1, 7). Er ist es aucb, der die Men- 



1) '0 Se vofios ottos vibe Qeov earl vqgv/flEis els Tci Tteonm TTJS yrjs. Der 
Gedanke ist einf ach : Gnristus ist die Offenbarung Gottes an die Menschheit, wie er' 
;sonst auch. ,,Logos" genannt wird (s. oben S. 82), vgl. Praed. Petr. (bei Clem. 
Al. Eel. proph. 58, Strom I, 29. II, 15, 68): 6 Ulr^os ev tcp xijoijyfinTt vo^iov 
xal "Loyov tbv XIJQIOV Ttqoaeirtev. Christus als y.ai.vbs (oder aiconos) vofios v.a.1 
faij auch bei Justin. Dial. 43. 51. 118. s. noch. Hippol. WW. II, 267. 



94 7. Die apostolischen Vater. 

sehen innerlicli kraftigt (S. V, 4, 4), iiber ihr Geschick verfugt (S. VH, 1)> 
oder auch durch ilir Tun erbittert wird (ib. 2. 3). x ) 

Soviel scheint nach dem dargelegteii Tatbestand klar zu sein, daB 
zwischen dem ,,ehrwurdigen Engel" und Michael ein Unterschied nicht 
zu maehen ist. 2 ) Aber ebenso scheint air die Sachlage in S. VHI 
und IS so verwandt zu sein, dafi Michael und der Gottessohn dieselbe 
Person bezeichnen miissen. Dann hat Hernias, von dein Bediirfnis geleitet 
Christus als Person anschaulich zu niachen, ihn als ein hohes Geist- 
wesen oder als Engel geschaut. Man darf hieriiber freilieh die anderen 
Aussagen nicht vergessen, nach denen Christus praexistent und iiber die 
Engel erhaben ist. Dieser ,,Engel" ist eben niehr als ein Engel oder 
auch ein Erzengel, er ist der Gottessohn, der aber als Engelwesen vor- 
gestellt wird. Zuin Verstandnis mufi an die immer grofier A^erdende 
Bedeutung der Bngel, % besonders des Michael, ini Judentum erinnert 
werden. ' "VVie ein hininilischer Senat umgeben sie Gott (cf. Herm. S. V, 
2, 6), Michael schutzt und leitet das Volk Israel (Dan. 10, 13. 21; 
12, 1), er ist der himmlische Hohepriester, ,,der barmherzige langmiitige 
Michael" (Hen. 40, 9), der ,,Eiirst Zions". 3 ) Aus diesem Vorstellungs-. 
kreise heraus wird man es bei dem durch und durch jiidisch denkenden 
Hernias 4 ) zu erklaren haben , . daB , indent die Earche an die Stelle 
Israels tritt, Christus als der Engel der Kirche Michael wurde, tmd 
doch dabei die uberkornmene christliche Yorstellung von seineni gott- 
lichen Wesen erhalten bHeb. 6 ) In iibrigen muB noch benierkt werden, 
daB iiber die Christologie des Hermas zurzeit keineswegs Einheit vor- 
handen ist. Die einen fassen sie in - der dargelegten Weise auf , die 
anderen wollen hier wie iiberhaupt Hernias in niehr orthodoxem Sinn inter- 
pretieren. 6 ) - Tauschen wir uns nicht, so war in unserer Zeit die prak- 



1) Er heifit S. VII 6 %voos ftyyefos, S. V <5 &ytoe 

2) Eunk (Patr. ap. I, GXLIIf.) bestreitet das, weil. S. VIII dem Hermas 
erklart werden muB, daB der Engel Michael ist, wahreiid er den Engel S. X 
sofort erkennt, allein er hat ihn ja inzwischen kennen gelernt. 

3) Vgl. Bousset, Eel d. Judent. S. 321. Weber, Altsyn. pal. Theol. 
S. 165. 171. 

4) Z. B. die Vorstellung ,,dem Engel tibergeben werden" vgl. Weber 
a. a. 0. S. 166. Eine weitere Parallele bietet die griech. Baruchapokal. 11.: ,,und 
es kam Michael, tmd der Engel, der mir beigegeben, ging ihm entgegen und 
kniete yor ihm nieder" etc. 

5) Noch einfacher erklarte sich die Sache, wenn man eine literarische jiidische 
Grundlage bei Hermas annehmen will. 

6) Fiir ersteres besonders Lip si us Ztschr. f. wiss. Th. 1865, 277 ff., 1869, 273ff. t: 
Harnackim Komm. zu den betr. Stellen, H ii c k s t a d t ; fur letzteres bes. Z a h n , der 
Hirte d. Herm. S. 142 ff. Funk, Link, Bardenhewer(PatrologieS. 56 f.)lassen den 
,,ehrwiirdigen Engel" Christum bezeichnen, nicht aber Michael. Weiteres s. unten. 



Chris'tus als praexistenter Geist. 95 

tische TJberzeugung von Christi gottlichem Wesen herrschend. Man 
konnte dabei niehr an die Einheit mit dem Vater denken oder mehr 
die Persondifferenz betonen, in letzterem Fall lagen Annaherungen an 
den Engelfursten >oder auch den heil. Geist (s. unten) .nahe. 1 ) , 

5. Wif kommen zum zweiten zu der Praexistenz Christi. Sie 
ist allgemein anerkannt. Christus hat im A. T. geredet (1. 01. 22, 1), 
Gotfhat ihn in die Welt gesandt (ib. 42, 1 cf. 16, 2). Yor der Welt 
war er bei deni Vater (Ign. Magn. 6, 1), der TJnsichtbare wurde um 
unsertwillen sichtbar (Ign. Pol. 3, 2). Er ist von Anfang an Herr der 
Welt und schon Gen. 1, 26 hat Gott zu ihnx gesprochen (Barn. 5, 5). 
Vor der Schopfung ist er ; und durch_ ihn wurde die Welt geschaffen 
(Herm. S. IX, 12, Iff.; 2 ) 14, 5; V, 6, 5). Das bedarf keiner wei- 
teren Erorterung, denn es liegt in der Natur der Sache, dafi der, den 
man als Herrn und Gfott benannte und anrief, der himmlischen Welt 
angehorte, da6 er ewig vor dieser Welt, bei deren Schopfung er tatig 
war, existierte. 

Dieses gottliche praexistente Sein Ghristi kam auch zum Ausdruck 
durch den Gedanken, da6 er Geist war, bevor er Meisch wurde. Diese 
Vorstellung war in der alteren Zeit iiberaus haufig, s ) tind sie lag ja 
nahe, wenn man das Sein aussprechen wollte, das Christus innehat im 
Gegensatz zu seiner Existenz im Meisch (vgl. 1. 01. 32, 2). ^v (.tev to 
TtgwTov fCvsv(.m syevsTO OOQ^ not ovxtog r t f,ias exdfoosv (2. 01. 9, 5). 
Der sog. zweite Clemensbrief hat diesen Gedanken in einer sehr wunder- : 
lichen Betrachtung ausgesponnen. Er meint, daB auch die Kirche pneu- 
matisch und praexistent war ,,wie auch unser Jesus" vor seiner Erschei- 
nung. Das wird aus Gen. 1. 27 (Gott schuf den Menschen als Mann 
und Weib) erwiesen. ,,Das MannMche ist der Christus, das Weibliche 
die Kirche." Nun ist aber diese pneumatische Kirche offenbar geworden 



1) Als Engel wurden der ,,Sohn Gottes" wie der heilige Geist auch hi dem 
HelkesaibucL. dargestellt: v.al tbv /.isv agoeva vlov eivat tov 3'eov, lijv 8s drf).8iav 
wdeia&ai aytov Ttvsvfia. (Hippol. Eefut. IX, 13). Auch an den judenchristlichen 
Adam-Christus kann Mer erinnert werden. 

2) S. IX, 12, 2: o (.lev vlbs tov deov Ttdays tfjs xiiaecos aiiiov TtjioyeveaTegoi 
Sars avfi^ov^ov aiiibv yeveod'ai 110 TtaTgl ifjs tciiaecos aiitov. 

3) Vgl. Aristid. Ap. 2, 6: ofims Ss 6 vlbs tov &EOV TOV vyiamv dfioloyeZtai 
heyerat.*} ev TtvsijfiaTt, &yiu> OLT^ OVQO.VOV "/.mafias. 'Ev ttv&6(iarti ay. ist wieder- 

2mgeben dnrch ,,als heiliger Geist" cf. 1. Ptr. 3, 19. 1. Kor. 2, 7. 2. Makk. 4, 30. 
- Tatian Orat. 7 init. Theophil. ad Autol. II, 10. Iren. adv. haer. V, 1, 10. 
Kallist bei Hippol. Eefut. IX, 12, Hippolyt. c. Noet. 4. 16, Tertull. Apol. 21.' 
adv. Prax. 8. 26, de orat. 1, Cyprian, quod idola non sint 11, Ps.-cypr. de mon- 
tibus Sina et Sion 4. 13. Lactanz Institut. IV, 12, 1; 6, 1. Weitere Stellen in 
meineifi Komm. zif Aristid. 2, 6 p. 300. 



96 7. Die apostolisehen Vater. 

in dem Pleisch Christi, uns kundtuend, dafi. wenn jemand yon tins sie 
in dem Meische bewahrt und nicht verdirbt, er sie empfangen wird in 
dem heil. Geiste, denn dies Fleisch ist das Abbild (&vvL r iV7to) des 
Geistes .... "Wenn wir aber sagen, dafi das Meisch die Kirche, und 
der Geist Christus ist, so frevelte der an der Kirehe, der an diesem 
Meiscn frevelte. Ein solcher nun wird nicht Teil erlangen an dem Geist, 
der Christus ist" (2. 01. 14, 2 -4). Nach dieser SteUe ist also 1) Christus 
ebenso wie die Kirche ein praexistenter, aber von Gott geschaffener .himm- 
lischer Geist ; *) 2) nicht nur Christus, sondern auch die pneumatische 
Kirche im Meisch Christi erschienen; 3) der Geist uberhaupt Christus. 2 ) 
Christus war sonach ein praexistenter Geist oder auch der Geist. 3 ) ehe 
er im Meisch erschien. 



1) Die pneumatische Kirche ueben Christus (14, 2) und dem Vater (14, 1) 
kann natiirlicli nur der heil. Geist sein. Die Vorstellung des Verf. ist unge- 
fahr die gleiche, wie sie Helkesai hat (S. 95 Anin. 1). 

2) Das wiirde init 2. Kor. 3, 17 stimmen, aber Kirche . und Christus als 
pneumatische waren doch beide unterschieden. 

3) Es ist mir in hohem Grade fraglich, ob man sieh bei dem iiberlieferten 
Text der Stelle berukigen kann, er fiihrt auf den Widersinn, dafi derselbe Autor 
in einem Atem erklart: Christiis und die Kirche resp. der Geist sind verschieden 
Toneinander und der Geist ist Christus, man kann eines wie das andere be- 
haupten, aber man kann das nicht zusammen tun. Sehe ich recht, so ist unsere 
Stelle schon sehr friih, systematisch durchkorrigiert worden. Der Verf. wird ur- 
spriinglich folgendes ausgefiihrt haben: die Kirche ist die av&yos oder ofyipios 
Christi, Geist wie er, und wie er im Fleisch offeubart, wer sich also gegen dieses 
Fleisch vergeht, yergeht sich wieder die Kirche und erlangt nicht den Geist, 
der das Wesen der Kirche ausmacht. Hieran wird man AnstoJB genommen haben, 
weil 1) die Syzygie Christus-Kirche gnostisch klang, 2) die Fleischwerdung des 
heil. Geistes ungewohut war und unverstiindHch erschien. Man korrigierte, 
indem man das Fleisch zurn ,,Fleisch Christi" rnachte, und dann demgemali den 
Geist als Christus erklaren nmflte. So ist der gegenwartige, in sich widerspruchs- 
volle Text entstanden. Den alten Text gewinnt man durch folgende Anderungen : 
1) 2 fur e~/.'/.l. aw fid &OTW Xyimov hieC es: oijtyyos etc., nur dazu stimmt 
das hegriindende Zitat Gen. 1, 27 und die Erlauterung Christi als des Mann- 
lichen, der Kirche als des Weiblichen. 2) 3: die Kirche wurde offenbart ev rfj 
aaqxi Xytaiov, Mer ist XQIOIOV zu streichen, dazu stimmen die folgenden Worte 
auf das beste: wer sie im Fleisch bewahrt, wird sie im heil. Geist empfangen, 
wahrend dieser Gedanke, wenn man Xgimov liest, nahezu sinnlos wird. 3) 4: 

El oe heyofiev elvai, ttjv ady/.a lifts ^xxhrjoiav fy.al to 7tvev/.ia XQLQIOV], aoa o^y 
6 bfitjiaas irjv adoy.rt V^QLO&V ifyv exxArjaicw 6 loiovtos oitv oil fiEra/^tpsiai iov Ttvev- 
fiaros [o eonv 6 Xyioios]. Die von mir eiugeklammerten Worte sind Zusatz; 
dieser war notwendig wegen der Anderung in 8, hatte man das Fleisch als 
Fleisch Christi bestimmt, so war der Geist Christus, dies mufite dann auch ge- 
sagt werden. Der folgende g 5 stimmt auf das beste zu dem emendierten Text: 
Unsterblichkeit und Leben vermag dies Fleisch zu erlangen, wenn sich der heil. 



Christus und der Geist. 97 



Dieselbe Yorstellung begegnet uns aucb im Hermasbiicb. Es 
delt sicb besonders um das Yerstandnis des 5. Gleicbnisses. Ein Herr 
iibergibt seinem Knecht einen Weingarten, danrit er ibn wabrend der 
Abwesenbeit des Herrn einzaune; der Knecbt aber tut nocb mebr, in- 
dem er den Garten auch umgrabt und vom Unkraut reinigt. Der beim- 
.gekehrte Herr freut sicb dariiber, er ruft seinen geliebten Sobn" und ! 
seine Ereunde und Ratgeber. Er bescbliefit unter Zustimmung des 
,,Sobnes", dafi ,,der Knecbt Miterbe werde deni Sobn". Bei einem 
Mabl sendet der Herr dem Knecbt Speisen biriaus, von denen dieser 
seinen Mitknecbten austeilt. Daraufbin wird def Bescblufi ihn zum Mit- 
erben des Sobnes zu macben bestatigt (S. Y, 2, 2-11). Das Grleicbnis 
wird darauf gedeutet: der Herr ist Gott der Scbopfer, sein Sobn ist 
,,der beil. Greist", der Knecbt ist ,,der Sobn Gottes", die Zaunpfable 
sind die Engel, der Acker ist das Yolk Gottes, die Speisen sind die 
Gebbte, ,,die Gott gegeben bat seinem Yolk diircb seinen Sobn", die 
Ereunde sind ,,die erstgescbaffenen Engel" (ib. c. 5, 2. 3). Soweit ist 
alles verstandlicb : der Knecbt ist ,,der Sobn Gottes", der die Engel 
"Wacbe balten lafit iiber dem Gbttesvolk, dies von Stinden reinigt und' 
ibm das Gesetz gibt, ,,das er von seinem Yater empfing". ,,Du siebst, 
dafi er selbst Herr ist des Yolkes, indem^ J er alle Gewalt von seinem" 
Yater empfangen bat" (ib. 6, 2 4). Der Knecbt wird also zunacbst 
ganz als ,,Sobri Gottes" und ,,Herr" gefaBt. Nun muB Hernias aber die 
Erage beantworten, warum der Sobn als Knecbt dargestellt wird und 
was es mit der Erbscbaft dieses auf sicb bat. Darauf lautet die Ant-' 
wort, Gott babe ,,den beil. Geist', der vorber war, der die ganze 
Scbopfung gescbafferi bat" in eineni Eleiscb wohnen lassen. - 1 ) Dies 
Fleiscb aber diente dem Geist, obne ibn zu beflecken, und wirkte mit 



(jeist mit ihim verbiridet. Liest man den von uns wiederhergestellten Text im 
Znsammerihangj so gibt er einen klaren deutlichen Sinn; wie'wir geseHen haben. 
Andrerseits hangen alle aufgedeckten Korfekturen in sick ziisammen: die Eirctie 
sollte nicht a&pyos. sondern a&fia Christi sein; also wurde sie ofienbar' in Ckristi 
odrjt; dannwar aber das zu dieser ad^ gelioreade yivsvfia Christus. Derxirspriinglicne 
Gedanke wird also sein: wie der pneumatische Christus, so ist auch der heil. 
Geist Fleisch geworde'h, namlich in der sictitbaifeii Kifchie. DaB man mit : dieseni 
Gedanken unzufrieden war, ist verstandlich ; aber auch der Interpolator, der 
Christus einfach als den Geist fafite, ist frith anzusetzen. 

1 ) Si V, 6, 5 f ', : to Tt-i/EVfla ^6 ayiov, id Ttqoov, TO xriaav Tt&aav t^v xriaiv, 
6 9'sbe -els odjixa; rjv TJ/Hotikeio, avrij din> i] adij^, sv % xdTwxrjae TO 
TO dyiov, sSotjlsvas TCO jtvetj^ati '/.alias iv asfivoTrjTt, y.al ayveid Ttogev&etact, 
irjSev blcae [udv'aaa TO Ttvevfia. IIohTSvadfjisv-rjv oiiv aihtifii v.at*u>$ xal &yvu>g xai 
Tcji jtv&tifiavt' ttal avveoyijaaoav sV itavii Ttodyfian . . ., fisrei Toft 
Tffv dyiov e'lKmo '/.bwcovdv. 
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. ' 7 



98 7- Die apostolisckeu Vater. 

ilim. Daher erwiihlte er es ,,zusamraen mit deni heil. Geist zum 
Genossen". Dazu diente ihm der Rat des ,,Sohnes" und der Engel, 
.,damit aucli dieses Fleisch .... einen Ort der Ruhe erhalte und nicht 
sclieine den Lolin fiir seinen Dienst verloren zu haben" (6, 5 7). 

Man hat ans diesem Gleichnis oft den SchluB gezogen, Hernias fasse. 
den praexistenten Christus als identisch mit dem heil. Geist. - 1 ) Nun 
ist zuzugestehen, dafi die letzte Wendung, die die Auslegung des Gleich- 
nisses nimint. sowie die Bezeichnung des pneumatischen Christus als 
..heil. Geist" auf diese Deutung fiihren konnen. Indessen stehen ihr 
entscheidende Grande entgegen : 1) die Grundanlage des Gleichnisses 
unterscheidet drei handelnde gottliche Personen; 2) ,,der Knecht" wird 
von Anfang an als ,,Sohn" verstanden, und die Taten, die er ausfuhrt, 
sind gottliche Taten, der ,,Knecht" oder der ,,Sohn Gottes" ist nicht 
nur Fleisch. sondern er ist Gott und gottlich ; 3) der Geist (Christus) und 
sein Fleisch haben z u s a ni m e n gearbeitet (GvyKOrtiaoaoctv, avvegyiJGCcffav),- 
d. h. jene Bemiihimgen des ,,Knechtes" sind eben auch Bemiihungen 
des ,,Sohnes Gottes" oder des ,,Geistes" ; 4) demgemaB mufi das Urteil 
des Herrn und seines ,,Sohnes" nicht blofi dem ,,Meisch", sondern auch 
deni ,. Geist" gelten, 'dieser aber kann doch unmoglich iiber sich selbst 
tirteilen ; 5) die Differ enziierung Ton ,. Geist" und ,,Meisch" in Christus 
kommt erst nachtraglich, nachdem die dogniatische Deutung klar ist, in 
Sicht, xmd zwar mit der neuen Absicht, das Gleichnis ethisch fiir die 
Verdienstlichkeit der guten Werke auszubeuten. Demnach werden wir 
xins an den Grundzug der dogmatischen Deutung zu halten haben, d. h. 
an die drei Personen. Der praexistente Christus wird aber hier ,,der 
heil. Geist" genannt wie auch sonst (s. oben S. 95 Anm. 3) ; der 
Zusatz, dafi er auch die Welt geschaffen habe, spezifiziert aber die Aus- 
sage und lehrt sie im Sinne der allgemeinen christologischen Yorstellung 
verstehen. Entscheidet man sich so in dem 5: Gleichnis, so ist auch 
die Deutung fur S. IX, 12, 1 festgelegt. Und zwar ist hier die Sache 
klarer und einfacher : ,,der heil. Geist, der gesprochen hat mit dir in 
Gestalt der Kirche", ,,jener heil. Geist ist der Sohn Gottes". Hier 
wird ., der heil; Geist" genauer bestimmt durch die Zusatze als ein 
besonderer Geist, der also nicht identisch ist mit ,,dem heil. Geist" irn 
spezifischen Sinn. 2 ) 



1) Z. B. Baur, v. Engelhardt, Hamack, Hiickstadt, Loofs, Funk. Die orthodoxe 
Dreiheit der Personen nehmen dagegen an Dorner, Zahn, Briill, Schwane, die 
1. Aufl. dieses Werkes etc. 

2) Die Schwierigkeiten, die fiir S. V zurtickbleiben, iibersehe ich nicht, sie 
haften vor allem an dem to Ttvevpa to ayiov. Allein es ist niclit zu iibersehen, 
daB sowohl S. V als S. IX dieser Ausdruck bei seinem ersten Auftreten genauer. 



Die Menschwerdung Christi. 99 

Die Praexistenz Christi 1st dainit erwiesen. Er war, bevor er Mensch 
wurde, in einem Zustand gottlicher Macbt und Herrlicbkeit, er war 
beil. Geist und nabm Fleiscb an. 

6. Dainit sind wir anf die Menscbwerdung Cbristi gefubrt. 
Hier liegt das eigentlicbe Problem. Das eben erorterte 5. Gleichnis des 
Hernias ist aucb in dieser Erage lehrreicb. Gott liefi, so sahen wir (S. 97 
Anm.) den beiligen Cbristus-Geist Wobnung machen in einem ,,Eleisch" 
d. n. in einem Menschen. Dieser Mensch fiibrte gottlicbe Taten axis, 
aber er tat es so, dafi er mitarbeitete mit dem ihm einwobnenden Geist. 
So wenig fest und dauernd ist diese Verbindung gedacbt, dafi es einer 
besonderen Entscbeidung dariiber bedarf, was denn mit dem Menscben- 
fleiscb gescbeben soil. Will man dies in die Spracbe des Begriffes iiber- 
tragen, so bat Hernias sicb den geschicbtlicben Cbristus als einen per- 
sonlicben Menscben gedacbt, der aber in seiuem Reden und Wirken von 
bimmliscber Geistniacbt durcbdrungen war und ibr entsprecbend sicb 
betatigte und daber von Gott mit jenem Geist zusammen in seine Ge- 
meinscbaft erboben oder zum Erben eingesetzt wurde. Aber andrerseits 
war das Wirken dieses Menscben oder Knecbtes aucb das Wirken des 
,,Sobnes Gottes". Jene Einwobnung des Geistes konnte nun begonnen 
baben bei der Taufe Cbristi, wie Kerintb, yiele Judencbristen und die 
synoptiscben EvangeKen es sicb dacbten, Hennas konnte aber vielleicbt 
aucb die Erzablungen von der Empfangnis Obristi oder aber eine Be- 
kenntnisformel in seiner Weise gedeutet baben. Wir werden diese Erage 
erst spater genauer bebandeba konnen. Barnabas sagt: 6 fiog TOV 
9~sov fjk&ev ev GaQxi (5, 11). Der praexistente Gottessobn kam aber 
im Eleiscb, um so den Menscben sicb offenbaren zu konnen, sonst batten 
sie ibn so wenig anscbauen konnen, als sie die Strahlen der Sonne an- 
zuseben vermogen. Niu' so konnte er leiden, den Tod entmacbtigen und 
die Auferstebung den Menscben zeigen (5, 6.' 10fL). x ) Er ist Gottes- 



bestimmt tmd dadurch von dem ,,heil. Geist" iiberhaupt imterschieden wird: der 
heil. Geist, der .die Welt geschaffen hat, ,,]'ener", der mit Hennas geredet hat, 
ist gemeint. Der Zusatz besonders in S. V war inmiitz, ja irrefiihrend, wenn 
Hermas an den Geist, der als Ratgeber des Yaters charakterisiert war, gedacht 
haben wollte. Eine dogmatisch durchgefiihrte Unterscheidung zwischen ,,Sohn" 
und ,,Geist" besaC die Zeit natlirlich noch nicht. Paulus unterscheidet ,,Sohn" 
und ,,Geist" (2. Kof . 13,13) und sagt doch in demselben Brief, daB Christus ,,der 
Geist" ist (3, 17), vgl. auch bei -Johannes Christi Kommen und des Geistes 
Kommen (14, 18. 16). 

1) 5, 6: on &v aa^y.l eSst aiirbv cpavegco&ilvai. 5, 10: si yap fifj ijldsv i-v 
aaqy.i, itcos &v eacb-dyaav al midqwjtot fik'snovrss aiimv, OTS TOV fis^qmct fit} elf at 
fjfaov egyov tcav ftsigcov ai>rov vrtdoftovra efifikeTtovTSs oiix la%vaovaiv sis i&s dtnTvas 
CC&TOV 



100 7. Die apostolischen Vater. 

sobn. cler nur in der Gestalt des Fleisches erschien (12, 10 1 )). iBs 1st 
im Avesentlicben die gleiche Yorstellung, die wir bei Hennas fanden : der 
Gottessohn hat sein Wirken vollzogen, indem er Fleisch annahm oder 
durcli einen Menschen wirksam wurde. Hierher gehort auch der in den 
Abendniahlsgebeten der D i d a c h e vorkomniende Gedanke, dafi Ohristus 
der ,,Gott Davids" zugleich der ,,Knecht Gottes" war (9, 2. 3; 10, 2 
cf. Act. 3, 13. 26 ; 4. 27. 30). Knecht Gottes ist aber Jesus gewesen, 
.sofern er der Mittler der Aiisfiihrung des gottlichen Gnademverkes Avar 
(1. Gl. 59, 2 4' 2 j). 

7. Dies ist der erste Yorstellungskreis : der praexistente Gottes- 
sohn verband sicli mit dem Menscheu Jesus, ihn zuin Knecht Gottes 
machend, als jiveEpa das "Wirken der Ga^ bestiinmend. 'Hk&ev sv 
aaQKi ist die Form el hierfur. Daneben stelit ein zweiter Yorstellungs- 
kreis; man kann ihn durch die Formel: atv [.lev TO ftQ&TOV ffvevf.ia 
syevsro OaQ% (2. Cl. 9, 5) cnarakterisieren. Besonders Ignatius 
reprasentiert diese Anschauungsweise. Zunacnst ist daran zu erinnern-, 
dafi Ignatius sowoH die praexistente Gottheit Ghristi vertritt (s. S. 90 f.), 
als er es sich besonders angelegen sein lafit, die "Wirklichkeit der mensch- 
lichen Erscbeinung und Betatigung Cbristi ini Gegensatz zu gnostischem. 
Doketisnius zu betonen. 3 ) Ghristus ist 6 $eog (oben S. 91) und er 
ist Tektiog av&QLorcos geAvorden. 4 ) "Wie ist das gescbenen;? Die kur- 
zeste Antwort ist- die : Gott Avurde von Maria getragen und aus ihr ge- 
boren. Das aber gescbab so, daft Cbristus nacb Gottes Yerfiigung sowohl 
aus Davids Samen als aus hell. Geist Avar. 6 ) Die Frage ist nun 
aber, ob Ignatius bei dem Sein aus beil. Geist an den Menscben Jesus 
oder an den praexistenten Gott denkt ? Wortlaut und Gedanke sprecneh 
fiir ersteres. Und das bestatigt sicb durcb eine andere Stelle, die von 
Cbristus sagt, er sei aus Davids Sanaen und Gottes Sobn geworden nach. 



1) 12, 10: oi>'/)- vtos av$()W7tov dkAa vibs tov -9'sov, tijTica e sv 
<p a.v E ^co& s is Vg'l. Kom. 8, 3. Phil. 2, 7: ev 6fioia>fia / n ot.vd'^ciaTtcov 

2) 1. Cl. 59, 2: 6 S'Tifiiov^ybs i&v aTtdvtmv diet. TOV rjyaTtqfievov TtcuSbs aiirov 
It]aov Xqiatov, Si? oil exdheaef f;{u,as &7tb oxofovs els (f&s etc. IlaTi im Sinn VOIl 
.,,Solm" Mart. Pol. 14, 1. 3. 

3) Inhalt des ,,Evangeliuins" ist iraoovaln, rtd-dos, dvdaraais (Philad. 9; 2 
8,. 2);. Geburt, Taufe, Leiden, Tod, Auferstehung werden hervorgehoben 1 (z; B. 
Sm;. 14; 12, 2. Magn. 11,' 1, Eph. 7, 2, Kom. , 1 ; 7, 2. Pol. 3, 2. TraU. 9,1. 2 
wird ein dfy&ws vor die einzelnen Aussagen gesetzt. 

4) Sin. 4, 2 : tov rsleiov aw-dydiTtov ys'i'o/.iemv. 

5) Eph. 18, 2: 6 ycto dsos ffficov '/rjoovs o X^IOTOS sxvoipogtf'dri v7tb> Manias 
oi'/.ovofilav d'eov ex a-^e^fiaros fisv Z/avlS Ttveijfia'ros e dyiov, bs eysvvij&ri xal 



Zwei -JTonnen tier Menschwerclimg. ' 101 

Grottes Willen und Kraft aus der Jungfrau geboren. 1 ) Die Stelle ent- 
spriclit dein Gedariken Luk. 1, 35, Jesus der Davidide riihrt vort Maria 
und gottlicher Kraft her, dieser Mensch ist Gottessohn. Also ist der 
Mensch Jesus geschaffen von Gott, geboren von Maria. Aber hierzu 
tritt ein zweiter Gedanke : Christus ist seineni Wesen nach nicht nur 
Meisch, sondern auch Geist, nicht nur geboren, sondern auch xingeboren, 
nicnt nxir aus Maria, sondern auch. aus Gott und daher zuerst leidens- 
unfahig, dann leidensfahig. 2 ) In diesem Zusanimenhang gewinnt der 
Begriff ,,Gottes Sohn" einen anderen Sinn, nicht einPradikat des Menschen 
Jesus, sondern die Bezeichnung des von Gott stammenden praexistenten 
Gottessohnes ist er. Zu dem, deni Meische nach, von David herstanunen- 
den Menschensohn tritt der metaphysische Gottessohn (Eph. 20, 2). "\Vii- 
durchschauen jetzt die Ansicht des Ignatius : der eAvige Gottessohn 
wurde Mensch, indem Gott durch Maria ihna ein menschliches Leben 
das Leben des historischen Gottessohnes schuf . Aber dabei ist nicht 
an eine blofie Annahnie des Meisches gedacht, sondern, wie bei Johannes, 
an eine eigentliche Mensch wer dung. Der eine Arzt ist sowohl Gott 
als Mensch, ungeworden .wie geworden. Man kann daher ebensowohl 
Jesus Christus ,,den neuen Menschen" nennen (Eph. 20, 1), als vorn 
,,Bltit Gottes" (Eph. 1, 1) oder von ,,dern Leiden meines Gottes" ge- 
sprochen werden kann (Horn. 6, 3). Das E,esultat ist die menschliche 
Erscheinung Gottes (d-BOv av&QionivwQ cpavEQo^vov Eph. 19, 3). 
Auch Polykarp wird wesentlich so wie Ignatixis gedacht haben, denn er 
bekennt sich (7, 1) zu der johanneischen Eormel : Jesus sei als Christus 
im Meisch gekoramen. 

Dieser Christus ist nun als der Menschgewordene der Offenbarer 
Gottes, ,,sein "Wort aus dem Schweigen hervorgegangen" (Magn. 8, 2). 
Hier erschliefit sich uns der Sinn, in deni die Christen der Zeit den 
BegTiff ,,Logos i! verstanden. Christus ist Logos, sofem er deni. voran- 
gegangenen Schweigen Gottes ein Ende inacht als ,,unser einziger Lehrer", 
auf den schon die Propheten als seine Jitnger gewartet haben (ib. 9 ? 
1. 2), ,,der untrtigliche Mund, durch den der Vater wahrhaftig gesprochen 
hat" (Rom. 8, 2). 3 ) Es ist derselbe Gedanke, den Hbr. 1. 2 angibt 



1) Sm. 1, .1: eig TOV y.v^tov fyi&v, dkyftcos avra ex ysvovs davlS y.ara. adpxet, 
vibv -3-eov y.ara 9-cl-fj/ia y.al Svva { iuv &eov ysysvtjfievo^ dh]d~u)g &-/. stao&svov. 

ievov, nicht ysyswrjpevov ist zn lesen, s. Zahn z.-d. St. 

2) Eph. 7, 2: els largos ecmv, (tapy.iy.6s ie xai ' nvevfiany.os, J'-W-');TOS xnl 
e, sv (rapid yevdfievos O'eos, ev -d'avd-rca ,co>] dhrjd~ivi';, y.al ex Maoiag y.nl }.x 

&eov, TtpaiTOv TCafyrbs xal tore drtadrjs, Yijaovs Xpiarbg 6 xvpios i]fiS>v. 

3) Magn. 8, 2 : on sis -9eds eonv 6 yaveodbaas Ectvrbu Sia 'Iqoov Xpiarov rov 
vlov aiirov os KOTU' admit koyos aTtb atyfjs ttooskd'wv, 03 y.aio. Ttdfra, ei'i/psaTtjani' 



102 7. Die apostoliscken Vater. 



tv vty) oder den Hermas mit der Bezeichnung Cbristi als des 
v6(.ios, die Praedicatio Petri durch die Benennung Christi als v6(.iog v.al 
koyog, Justin als YMLVOQ vof-iog y.cd xcctvi] dia-dTJxr) (die Belege oben 
S. 82 Anm. u. S. 93 Anm. 1) ausdriickten. Christus ist person- 
lich Gottes Offenbarung an die Menscbbeit das will mit all diesen 
Bezeicbnungen gesagt sein. - 1 ) 

Es ist, so viel icb sebe, trotz der TJbereinstiiniming in den Grund- 
linien. zu der ersten AnscbauungSAveise eine Differenz unverkennbar. 
"Wabrend nanilicb bei Hernias und Barnabas der Menscb Jesus nur als 
Form und Trager des Geist-Christus in Betracbt koiiunt, ist bei 
Ignatius der Gottessobn irgendwie Menscb geworden und daber der 
Menscb Jesus selbst irgendwie gottlicb geworden. Bfistoriscb betracbtet, 
scbeint letztere JJenkweise durcb Jobannes bestiiiimt zu sein, Avabrend 
erstere niit der einen cbristologiscben Gedankenreibe. des Paulus, aber 
aucb niit clem Judencbristentum und Kerintb verwandt ist. 

8. Ebe wir dem weiter nacbgeben, sind nocb einige Bemerkungen 
iiber die Auf erstebung und Erbobung Cbristi zu macben. Die 
Hollenfabrt Cbristi wird nur gelegentlicb gestreift. Das ist be- 
greiflicb, denn sie batte zunacbst keine andere Bedeutung als zu kon- 
statieren, daB Cbristus tot gewesen, wie das scbon in der Aussage von 
seinem Begrabnis zum Ausdruck kam. Aber es feblte andrerseits nicbt 
an Anliniipfungspunkten fiir weitere Erwagungen. Mattb. 27, 52 f. er- 
zablte von der mit dem Tode Cbristi eingetretenen Auferstebung vieler 
Erommen, Pbil. 2, 11 Avar von dem Beugen der Kniee aucb der TJnter- 
irdiscben im Namen Jesu die E,ede, Act. 4, 12 macbt die Errettung 
absolut vom Namen Cbristi abbangig: "Wie man das A'erstand, zeigt 
Hennas (S. IS, 16, 5 7) : die Apostel batten die in alter Zeit Yer- 
storbenen den Namen Cbristi kennen gelebrt und sie getaufb. 2 ) Dazu 



ai)tdv, Ib. 9, 2 : tva svqs&atfiev (.la&rifai ^Ir/aov X^iatov TOV fidvov 
.Sidaaxdlov f/ficav. E,om. 8, 2: TO dtt'svSes omfiu, vv w 6 Ttatqf) K/Al.yaev dbqO'ws. 
Dazu Eph. 3, 2; 17, 2; 19, 3. PMla'd. 9, 1. 

1) Die Anwendting des Logosbegriffes diirfte danach friiher sein als bei 
Johannes oder Kerinth. Gehb'rt schon Luk. 1, 2 Merher? Sehr merkwiirdig ist, 
daB der Koran (Sure 4, 169) in einer Wiedergabe der christlicken Lehre sagt: 
der Messias Jesus (ist) der Solin der Maria, der G-esandte Gottes und sein Wort 
(kalimatuhu) , (das) er gelangen liefi zu Maria und G-eist von ihm (ruhu 
minhu). Man mag liber die Herkunft dieser Bezeichnung denken wie man will, 
jedenfalls zeigt sie, Avie ein Semit den Begriffi ,,Wort" verstand, es ist das Wort 
(kalimat) als Ausdruck des Willens. Vgl. auek Nnbo bei Aphraates (Schwen, 
Afrahat S. 94). 

2) Ebenso Clem. Alex. Strom. VI, 6, 45 f. Nacli Hippol. de Antichr. 45 hat 
Johannes der Taufer im Hades die Niederfahrt Christi vorausverkiindigt, ebenso 
Ps.-Orig. Tractatus 14 p. 155 ed. Battifol. 



Christi Hadesfalirt. 103 

kamen Betrachtungen wie Eph. 4, 9 f. oder die Erwahnung einer Predigt 
'Christi an die Geister, die man jedenfalls auf den Hades deuten konnte 
(1. Ptr. 3, 19 f.). "Wie man zu einer Predigt der Apostel im Hades 
konimen konnte, so erst recht auf den Gedanken, dafi auch Christus 
sein "Wirken in der TJnterwelt fortgesetzt habe, sprach doch das imnier 
kraftige Motiv, uber das Heil der Grofien der Geschichte oder aucli' der 
eigenen Angehorigen, die nicht Christi Namen gehabt haben, sicher zu 
werden, hierbei mit. Schliefilich fand sich auch ein verineintliches Pro- 
phetemvort, das in diese Bichtung wies. Justin zitiert dafur einen an- 
geblich jereinianischen Spruch: xal xaTsfirj ftgbg amovg evayyekioaadai 
ctvwtg to OWYIQIOV awov (Dial. 72 fin. vgl. Iren. V, 31, 1 ; TV, 22, 1 ; 
27, 2; 33, 1. 12; 1H, 20, 4). "Weiter wufite man wohl schon damals 
im Judentum von einer Hadesfahrt des Messias. Auch Marcion sprach 
von einer erlosenden Tatigkeit Christi in der TJnterwelt (Iren. I, 27, 2). 1 ) 
Es mag Zufall sein, dafi bei den apostolischen Yatern nur undeutliche 
Hinweisungen hierauf vorkommen, aber jedenfalls eignete dieser Lehre 
in tinserer Zeit noch keine irgendwie hervorragende Bedeutung. Ignatius 
lafit auch die Erzvater durch Christus die Tur zum Yater eingehen 
(Philad. 9, 1 vgl. auch Trail. 9, 1). Barnabas rneint, dafi Christus durch 
sein Leiden sich nicht nur ,,das neue Yolk" bereitet, sondern auch den 
Yatern die Yerheifiung erfiillt habe (5, 7). ^ 

tJber die Auferstehung Christi fehlen uns bei den meisten tinserer 
Autoren lehrhafte Aussagen. ihre Tatsachlichkeit ist. natiirlich iiberall 
vorausgesetzt. Die allgemeingiiltige Yorstellung driickt etwa Polykarp 
axis : Gott ,,hat ihn von den Toten erweckt und ihm gegeben Herrlich- 
keit und Thron zu seiner Rechten". ,,der kommen wird als ein Bichter 
der Toten xind der Lebendigen" (2, 1 cf. Barnab. 15, 5. 2. Cl. 17, 41). 



1) Indem Marcion nur Heiden gerettet werden lafit und die Juden von 
Abraham an ausdriicklich davon ausscMieBt, wird anzunehmen sem ; dafi die ganze 
Lehre entstanden ist zur Eettung der Gerechteu des alten Bundes, deiien nach 
Hennas eben nur die Taufe gefehlt hat (S. IX, 16, 7 : sv Sixaioovvr/ yap sy.oi^d^aav 
y.al KI> fieyd/.i] ayveiq, ftdvovi'T'>}vatf>(>ayzda'ruv'r't]voi>xei%O'i>). s. Didascal. 
syr. 26 fin. : (Christus) cntschlief, damit er predige dem Abraham und, Isaak und 
Jakob und alien semen Heiligen die Vollendung der Welt und die Auferstehung, 
die sein wird den Toten. S. noch Hippol. de Antichr. 26. 45. Theophan. 45. 
Ev. Petr. 41. 42. Den Zweck der Predigt gibt ein syr. Fragment Hippolyts 
ganz allgemein an: denn es ziemte ihm, dafi er, ivenn er ginge, auch denen in 
Scheol predigte, welche in der Zeitlichkeit sich nicht hatten iiberzeugen lassen 
(ed. Bomvetsch-Achelis II, 268). Einen Ankniipfungspimkt bot die jiidische 
Idee von dem Kommen des Messias nach Grehinnorn zur Befreiung der Toten, 
s. Weber, System d. Eiltsyn. Theol. S. 351. 329. Dasselbe wird von Abraham 
erzahlt. 



104 7. Die apostolischeu Vater. 

Mit Christus zu wohnen ist Seligkeit. die Christen erwarten sie, weil 
sie von seinem Geist empfangen haben (Herm. S. IX, 24, 4). Eigen- 
tumlich ist bei Ignatius ein Doppeltes : 1) der johanneische Gedanke r 
dafi Christus sich selbst erweckt habe axis dem Tod (alrj&wg avsovrjfjtv 
savrov Sin. 2 und Job. 2, 19; 10, 18) J ) und 2) dafi er aueh nacb der 
Auferstehung Meisch hatte. 2 ) Beide Gedanken hangen unter sich und 
init der johanneisch-ignatianischen Grundanschauung zusammen. 1st 
nauilich der pneumatische Gottessobn J 1 1 e i s c b g e w o r d e n , so wird er 
aucb sein getotetes Meiscb erwecken konnen, und wird das Meiscb aucb 
dauernd zu seinem AVesen geboren. Es ist eine ganz andere Wendung,. 
die diese Erage bei Hennas nabm, AA T O als ein besonderer Lobn dem 
Meiscb Cbristi gewiibrt wird: tVa xca f] GCCQ^ CCVTTJ . . . Gyfi i6?tov xiycc 
wvaaM]ycbaeio<; (S. V, 6, 7). 

9. AVir sind jetzt in der Lage die ganze urcbristlicbe Cbristologie- 
zu iiberschauen. Man hat in ibr z\vei"Typen unterscbeiden wollen, die 
adoptianische und die pneumatische Christologie, aber diese TJnter- 
scheidung lafit sicb nicbt durchfiibren *) und sie bringt das Hauptfaktum, 
daB der pneumatische Christus als Gott angeseben wird, nicbt zuru Aus- 
druck. Die Forscber werden in. E. in der Hegel dadurcb in die Irre 
gefiibrt, dafi sie lediglicb den bistoriscben Jesus als Ausgangspunkt be- 
nutzen und alle sonstigen Aussagen als Attribute in allmablicber A^er- 
dicbtung ibm angeheftet werden lassen atxf Grund des Auferstebungs- 
glaiibens. Der geschichtliche Ausgangspunkt ist aber in Ayirklichkeit 
in den drei Tatsacben entbalten 1) daB Jesus wabrend seines Erden- 
wandelns ein iiberinenscbliches Selbstbewufitsein kundgetan bat, 2) dafi- 
die Jiinger iiberzeugt sind, von ibm, nacb seiner Auferstehung, nicbt 
eigentlich durch sie, das .Zeugnis seines gottlicben AVesens direkt erlebt 



1) Aber aiich: sysl^avros uvrbv tov Ttar^bs aiirov Trail. 9, 2. Sm. 7, 1. 

2) Sm. 3, 1 : syw yap y.M fisra Tijv av&ataatv sv aaoxi avrbv olSa y.ai 
tttarevca ovm. 3, 3 : avvecpayev avrois y.al aweTttev dag aay/.i'/'.os, xaiTtey Ttvevficmy.cos 

ijvcoueisos T(j> Ttar^i. 3, 2 fulirt er ein an die Umgebung des Petrus geiichtetes 

Wort Christi an: l.d{3ezs s -iprjlayrjaaTe fie y.al 'i&Bie, OIL oint elf.ii Saifioviov dacbfiarov 

(cf Luk. 24, 33 it); nach Origenes de princip. praefat. 8 stammt dies Wort aus 
der Praeclic. Petri. 

3) Harhackhat diese Auffassung vorgetragen, aber er hat sie so limitiert 
(GmndriB 4 S. 44 Anm.), daB nicht yiel von ihr iibrig bleibt. Mit Eeclit hat 
daher Loofs sie ganz fallen lassen (PEE. IV 3 , 23 f.). Gewifl sind die christo- 
logischen Gedanken noch nicht theoretisch durchgebildet. spndern ,,naiv" gewesen, 
aber das schliefit doch keineswegs aus, daB sie auf einer festen Grundiiberzeugung 
xind der Aunahme bestinimter Tatsaehen ruhten. Diese zu eruieren ist vor allem 
die Aufgabe der Forschung, Avenn sie nicht der Gefahr verf alien Avill jene ,,naiven" 
Gedanken ihrerseits naiv, d. h. in diesem Fall dogmatisch zn deuten. 



Die Typen der urchristlichen Christologie. 105 

.uad.empfaQg.en zu baben, und 3) dafi sie demgemafl ibn als den bimm- 

liscben Greist - Herrn verehren und verkiindigen. Diese Tatsachen' 

sind m. E. unanfechtbar. Von diesen Tatsachen aus : sie sincl einfach 

,,gegeben" und nicht ableitbar laBt sich die Gredankenentwicklung 

restlos erklaren. Christus ist immer beides : Greist, Herr und Grott, 

und er ist ein wirklicher Mensch gewesen. Sofern man hieriiber zu 

reflektieren das Bediirfnis empfand gerade die erbauliche Hede rief 

dies hervor , konnte man, wenn wir absehen von den verschiedenen reli- 

gionsgeschichtlichen oder philosophischen Analogien zur Erlauterung des 

Greist-Herrn, vier Wege einscblagen. Man konnte in naiver "Weise 

behaupten, . der an sicb in gottlicher Grestalt lebende Christus bat die 

Knecbtsgestalt eines Menscben angenonimen. ist arm geworden, \vie\vohl 

er reicb war, bis ibn Grott wieder erbobte (Pbil. 2, 6 9. 2 Kor. 8. 9); 

das war die einfacbste populare Cbristologie, Avie sie aucb Paulus ge- 

legentlicb anwendet. Man konnte weiter an zwei Prinzipien denken 

und ibre Yereinigung dann niebr naturlicb oder mebr gescbicbtlicb fassen, 

d. b. man konnte von der Greburt an das gottlicbe und menscblicbe 

Prinzip miteinander verbunden werden lassen, oder man konnte. in 

gewisser Analogic zu den Propbeten, diircb die Taufe dem Menscben 

Jesus den Greist zu bleibender Greineinscbaft iibermittelt sein lassen. 

Erstens wird die Anscbauung des Paulus sein, letzteres ist die Anscbau- 

ung vieler Judencbristen ^ gewesen, und sie ist dann von Kerintb in 

pbilosopbiscber Weise ausgefiibrt worclen (oben S. 82). Dem gegeniiber 

ist eine vierte Mpglichkeit ausgefiibrt bei Jobannes : Der Logos 

wurde Meiscb. Diese JFormel gab eigentlich nur die Anscbauung der 

ersten naiven Lebrweise wieder, aber sie traf aucb mit der Tendeuz der 

zweiten unter den gekennzeicbneten Anscbamingen zusammen, doch ging 

sie iiber sie binaus, indem sie das GrottHcbe, und Menscblicbe in dem 

bistoriscben Jesus in eines fafite, und gerade dadurcb kam sie clem 

reb;giqsen Bedurfnis entgegen, sie ermogHcbte es in alter "Weise bald 



1) Bei der BetracMung dieser Erscheinitageu nrafl man sich vor allein hiiten 
vor dein Schreckgespenst des ydbs avfycoTtos, das die alten Hareseologen iiber 
sie ausgebreitet haben. Man darf niclit vergesseu, daB unsere synoptisclieu 
Evangelien, wenn nicht alles tanscht (s. unten), ebenso denken. xuul sich die 
bewegliche Schilderimg , die das Hebr.-Ev. von dem Vorgang gibt, vergegen- 
wartigen: Faclum esi autem, cum ascendisset dominus de aqua, descendit fans 
omnis splritus sancti et reguievit super eum et dixit illi: fill mi, in omnibus 
propbetis exspectabam te, ut venires et requiescerem in te, tu cs enim requies 
mea, tu es filius meus primoc/enitus qui regnas in sempiternum (Hieroii. in Jes. 
comm. IV, zu 11, 2). Im iibrigen wird die Siiudlosigkeifc Jesu auch tor der 
Taufe ausdrucklich er-wahut, er sagt: quid peccavi, ut vadam et baptizer ab eo? 
nisi forte hoc ipsum quod dixi. ignorantia est (Hieron. c. Pelag. Ill, 2). 



106 7. Die apostolischen Va'ter. 

Grottliches und bald Menschliches von Christus zu sagen und doch da- 
bei das BewuBtsein seiner Einheit nicht zu verlieren. Deshalb mufite 
diese Auffassung die Christologie der jZukunft Averden. 

In deni nachapostolischen Zeitalter nun finden wir keine eigent- 
lichen Neuerungen in der Christologie. Alle Aussagen lassen sick 
auf eine der vier Eormen, von denen Avir sprachen, zuruckfuhren. 
Die einen reden mehr harnilos (2. Cl.) oder etwas reflektierter (Ignat.) 
von einer Meischwerdung des ,,Gfeistes", die anderen (wie Barnab. 
und Hernias) lassen den himnilisehen Gfottessohn (resp. den ersten der 
Engel) in der Grestalt des Meisches erscheinen xmd Avirksam warden. 
Die Moglickkeit, dafi Hernias die Yereinigung in der judenchrist- 
lichen Weise etwa erst mit der Taufe hat eintreten lassen, wurde 
schon friiher zugestanden. Dagegen scheint nun zwar die Bekenntnis- 
forniel zu sprechen. Aber diese Instanz ist keinesAvegs sicher. Es han- 
delt sich um die Envahnung der Gfeburt ,,aus der Jungfrau Maria"'. 
In der neutestamentlichen Zeii stand diese Eormel mit hochster Wahr- 
scheinlichkeit nicht im Bekenntnis (s. unten), Ignatius, Aiistides 
und Justin bezeugen sie dagegen (s. unten) , aber daraus folgt nichts 
Grewisses fur die romische Formel zur Zeit des Hernias, zumal zu Ende 
des 1. Jahrh. in der romischen Gremeinde die judenchristlichen Gre- 
danken noch von grofiter Kraft waren. Wir niiissen also weiter Um- 
schaii halten. 

Die Bildung der Forniel tov yevv^evTa sx ycVv ( uaTOS ayiov y.ccl 
MaQtac, TJ^g ftaQ&evov, um den altromischen Wortlaut zu brauchen, 
hat in unserer Periode stattgefunden. Diese oder doch eine ahnMche 
Eormel trat zunachst n e b e n die alte Forniel ex arteQ/nccws oder yevovg 
4 avid, (Ignat.), sie verdrimgte dann letztere Formel; ebenso scheint sie 
zuerst die alte Erwahnung der Ausriistung Jesu mit Kraft und Gfeist in der 
Taufe (im NT. s. unten 8; vgl. Ignat. Sni. 1, ,1) neben sich geduldet, 
dann auch sie verdrangt zu haben." Die Jungfrauengebiu't staninit aus 
deni . 1. und 3. Evangelium bzw. alter er Tradition. Sie hat zu der 
Gfottheit Ohristi keine direkte Beziehung, sondern ihr Sinn ist, da6 Gfott 
den Menschen Jesuni geschaffen hat durch seine Gfeistmacht wie er Adam 
schuf . a ) Wie nun in den Menschen Jesus die Gfottheit oder der pneu- 



1) Luk. 1, 35 hat zur ,,Grottheit" Christi schlechterdings keine direkte Be- 
ziehung. Der Geist oder die gottliche Kraft ist nicht anclers gemeint als z. B. 
Genes. 1, 2. ,,Gottes Soka" und ,.heilig" ist aber das Geborene in dem Sinn, 
daB es als von Gott geschaffen, weltrein (cf. Gen. 1, 26) und ihm augehorig ist. 
Die Bezeichmuig empfangt ihre Erlautenmg aus 3, 38 AVO Adam, der Erst- 
geschaffene, als Gottessohii bezeiclmet Avird. Als den ,,anderen Adam" soil die 
Schaffung durch Geist Jesum charakterisiereu. 



Geboren aus der Jungfrau. 107 

matisclie Gottessobn kam, ist damit also gar nicbt beriihrt, sondern nur 
dafi Jesus das siindenfreie heilige Organ Gottes wurde, ist gesagt. Es 
konnte neben der jungfraulicben Geburt also sebr wobi der Gedanke be- 
stehen. dafi erst in der Taufe der Geist in dies Organ einging. Ebenso 
aber konnte man sofort nacb der Scbopfung des irdiscben Gottessobnes 
den Geist oder den bimmliscben Gottessobn sicb mit ibni verbinden lassen, 
sodafi also aucb dieser von Maria sfeboren wurde. So hat Paulus wobi 

O 

sicber die Sacbe gedacbt. 1 ) Yon dieser Auffassung ber wird es sicb 
dann begreifen, dafi die Jungfrauengeburt zu einein Stuck christlicben 
Glanbens wurde und in das Bekenntnis bineinkani. Nicbt erst im Lei- 
den und Sterben, sondern scbon bei der Geburt war der Menscbensobn 
vereinigt mit dem Gottessobn, und daber war die Geburt neben seinen 
iibrigen irdiscben Scbicksalen anzufubren. Dieser Zusannnenbang scbeint 
aber in dem urspriinglichen Bekenntnis der apostoliscben Zeit nicbt ent- 
balten gewesen zu sein, indem man obne die Jungfrauengeburt zu er- 
wabnen von einer Salbung mit Geist redete. Man bat dabei nacb deni 
Zeugnis der Synoptiker an den Yorgang bei der Taufe gedacbt. 2 ) Es 
ist nun von Bedeutung, dafi Jobannes diesem. Yorgang gescbicbtHcb eine 
andere Wendung gab, macbte docb die Formel: 6 Ao'j/og aaQ sysveto 
sie lebrbaft so wie so belanglos. 3 ) Damit erbielt die Deutxmg, der 
Paulus folgte, definitiv das TJbergewicbt. Eiir sie spracb aucb die 
Konsequenz : sab man Jesus uberbaupt fiir die Offenbarung des Geistes 
an, so scbien es angemessen zu sein, den Geist von Anfang an in ibni 



1) Dies geht daraus hervor, dafi Paulus aueh die Menschheit Jesu als pra- 
existeat dachte (oben S. 72), erfolgte der Eintritt dieser Menschheit in die Welt, 
urn in ihr als ,,lebeuschaffender Geist" zu wirken, so muCte sie sicb. sofort mit 
dem Geistprinzip verbinden. Eom. 1, 3. 4. Phil. 2, 1 u. Gal. 4, 4 fiibren zu dem- 
selben Eesultat Avie diese Erwagung. 

2) Mk. 1, 10 : y.al TO weti/iia ws TtEQiaieijav '/Mtafidtvov sis ai>?6v cf. Mt. 
3, 16: wevfict &80V, Luk. 3, 22: ib Ttvevfia TO ayiov. Beachtet man 1) dafi das, 
worin Christi Gottheit besteht, eben das Ttvsvpa ist, 2) da wenn nicbt bier, so 
nirgends die Synoptiker von dem Ursprung des Go'ttlicheii in dem gescbicbt- 
lichen Ohristus die Geburtsgescbicbte gebb'rt eben nicbt ber sagen win-den. 
3) die Art wie Luk. 2, 52 von dem Jesusknaben spricbt (s. dagegen etwa die 
unbandigen beilig-en Ungezogenbeiten des antiken jongen Gottes in deii Paidica 
d. Thomas), aucb das Fehleu aller Nacbricbten aus : der Zeit vor der Taufe : so 
ist der ScbluB unvermeidlicb, der im Text oben gezogen worden ist. 

3) Job. 1, 3234 gilt dem Herabkommen des Geistes, die Bedeutung, dafi 
der Taiifer bieran Cbristus erkannt babe; er leugnet' nicbt, daB der Geist wirk- 
lich auf Christus berabkam, aber da, nacb seiner Axiffassung, dies relativ be- 
deutungslos ist, fallt der Toa der Eede darauf, daB der Taufer bieran ein 
Zeicheii hatte. Nacb der Art des Job. ist diese Wendung sicher nicht unbeab- 
sichtigt. 



108 7. Die apostolischen Yater. 

Avirksam. sein zu lassen. War aber dies die Meinung, so ist es ver- 
standlich, daB man iu der Eorniel die auf den TaufVorgang bezogene 
Geistsalbung fallen lieB und dafi man die neben der Jungfrauenge'burt 
sclrwer erkliirliche Herkunffc aus Davids Samen aufgab. So ist die alt- 
romische Form el entstanden, das Mittelglied von der apostolischen 'ZU 
ihr bieten uns die Formeln des Ignatius dar. Erst spater Avurde dann 
die Jungfraueugeburt zmn Exponenten der Gottheit .Cliristi, urspr.ung- 
lich stelit ihr - ebensowenig wie der leiblichen Auferstehung - diese 
Bedeutung niclit zu. Das Avird vor alleni dadtirch evident, daB weder 
Johannes noch Paulus sie fur ihre Predigt von der Grottheit Ohristi 
in AnAvendung gebracht haben. Der aufgedeckte Ziisammenhang spricht 
andrerseits fur die historische Tradition der jungfraulichen Geburt, in- 
dem er die dogmatischen Griinde abschneidet, aus denen man die Ent- 
stehung dieses vermeintlichen ,,Theologumenons" erldaren Avill. - 1 ) 

Kehren AA r ir jetzt zu unsereni Ausgangspunkt Hermas (S. 107) zu- 
riick, so darf es Avohl als sicher bezeichnet Averden, daB dieser Juden- 
christ, Avenn er an .,ein Meisch" dachte, mit dem sich der Grottessohu 
v^ereinigte, um dadurch auf die Menschen einzuwirken, diese Ver- 
einigung auf den Yorgang bei der Taufe Christi bezogen haben Avird. 2 ) 

10. Das "Walten und der Besitz des heiligen Geistes ist das 
entscheidende Merkmal des neuen Bundes. In der Phraseologie aller 
christh'chen Zeiten ist daher, unter dem EinfluB des Neuen Testaments, 
die ErAvahnung des Geistes haufig. Das gilt von der Friihzeit in der Avir 
stehen, naturlich in besonders hphem MaBe, und dabei ist der Geist noch 



1) Es kann uicht an die Gottersohne der Mythologie erinnert Averden, denn 
der Geist ist fur den Semiten ein weiblicher Begriff (vgl. d. Hebr.-Ev. : agri 

shafts f.ie i] f.u]Trjo fiov, to ayiov TtVBVfia sv fiiq TOJV iqi'^wv fiov y.ai dTfijveyxe fi.s els to 

OQOS to fieyn &a^ca<i). Man kann auch niclit auf Jes. 7, 14 zuriickgehen, denn 
Aveder haben die Juden etAvas von jungfraulicher Geburt des Messias gelehrt, 
noch ist jene Stelle von den jiidischen Auslegern je so gedeutet Avorden, noch 
hat sie geschichtlich irgendwelche Beziehnng zum Messias; erst Matth. hat sie 
in seiner Art, da Him eben eine passende alttestamentliche Stelle fehlte, so ge- 
deutet, also kann sie unmo'gh'ch so dreist das Gegenteil auch hehauptet Avird 
jene Uberlieferung erzeugt haben. DaB die Frage nach der Gottheit Christi 
mit der jungfi-aulichen Geburt direkt nichts gem ein hat, Avui'de schon gesagt, 
fiir die Siindlosigkeit Jesu kommt letztere dagegen mit in Betracht. Die ge- 
schichtlich-psychologische Erwagung des Christusbildes (SelbsthewuGtsein, Siind- 
losigkeit) scheint iibrigens der paulinisch-johanneischeu Auffassung den Vorzng 
zu geben. An sich schliefit die synoptische Anschauung ja jene nicht aus: der 
Geist Avird in langsamer Entwieklung von Jesus ergriffen und dieser Prozefi ist 
im Vorgang nach der Taufe zur Vollendung gekommen. Vgl. E. Gi'litzinacher, 
Die .Jungfrauengeburt, 1906. 

2) So auch J. Bornemann, die Taufe Christi durch Johannes, 1896. S. 33. 



Der Ml. Christ- 109 

nicmV erne blofie Moskel des kirchlichen Stils geworden. Das sv 7tvev(,ioiTi 
ist noch nicht ein gewisses Fullsel der Hede, noch merkt man in 1 der 
Hegel wenigstens den Autoren an, dafi sie bei der "Wendung etwas 
Reales meinen und empfinden. Gute und bose Geister walten zwischen 
Himmel und Erde und sie kampfen nm den Menschen. In .dies Ge- 
drange dringt der heil. Geist ein , die bosen Greister uberwindend, 
den Menschen im Kampf starkend. Er kommt in dier christlichen Lehre 
und in den Wechselbeziehungen der Menschen untereinander, alles Gute 
und alle Tugenden bringend und fordernd, aber er wirkt aucb. wie der 
Wind', dessen Brausen man hort, ohne zu wissen, von wannen er kommt 
und AvoMn er geht. Man muB das Herniasbuch lesen, um von diesen 
mannigfachen Wirkungen des Geistes eine Yorstellung zu bekonimen. 
"Wir werden bei der Darstellung des inneren Lebens noch darauf 
zuriickkonimen. Hier handelt es sich um den ,,heil. Gfeist" als Einheit. 

Aber gibt es solch eine greifbare Einheit? Zunachst ist eins klar: 
der Gfeist ist die wirksaine Kraft Gfottes am Menschen tind in ihm. 
So ist der Gfeist einerseits aufierhalb des Menschen, er ist andrerseits 
im! Menschen, ihm gegeben. a ) Aber der Gfeist ist eben darum eine nieht 
begriffUch scharf bestimmte Gfrofie, er ist Gfott selbst, er ist Christus, er 
kann als eine Mehrzahl von Gfeistern oder auoh von Engeln bezei'chnet 
Averden. 2 ) Aber gerade diese Pluralitat ist lehrreich, um zu verstehen 
was man unter ,,heil. Gfeist" ini Unterschied zu Christus verstand. 
JoHannes hat in der Apokalypse neben Gfott und Christus sieben Gfeister 
genannt (1, 4), und Paulus hat, trotz seiner Betonung der Einheit des 
Geistes, auch von ffvevf-iara geredet (1. Kor. 14, 12. 32; 12, 10 cf. 
Apok. 22, 6). Gerade so erklart Hernias die zwolf Jungfrauen, die 
bei dem Turmbati der Kirche tatig sind, als ,,heil. Geister" und 
,,die Erafte des SohneS' Gottes". 8 ) Sagte man ,, Christus'-', so dachte 
man an den geschichtlich 1 wirksamen Gottesgeist, der zum Objekt und 
Pr'odukt die Genaeinde hat, sagte man ,,heil. Geist^, so dachte man 
an die \virksame Kraft Gottes, die in vielen und mannigfachen BV 



1);Z. B. Herm. S. IS, 32, 4: quid putas- dominum 1 tibi facturum, qui spiri- 
t-umi'-integrum tibi dedit, et t^^ eum tolum inutilem redegisti? cf. 1. Thess. 5, 23: 
v iif.i&v to TWevfia . . . Trj^rj&sir]. . - 1. 01; 46, 6: sv ytvsiifia irjs r /j&(iito$ to 
ecp -fj/.i&s etc. 

2) Z. B. Herm. M; III, 1. VI, 2, 1. SIi; 4, 3. : S; IX<, 13; 2 : at SI xa<>&!tv<, 
aiirat . . . ciyia Ttvsvfiaid slat. 

3) S. IX, 13, 2: y.al alhos av&Qcortos oi> Stivatcii e&ge&tfvai sis trjv fiaaileiav 
lov'&eov, eav- fi-ty aUrai ai>tbv svSvocooi ib evdvfta aiii:wv e&v yap to ovoficc (i6v<fi> 
h&'piisi tb Se 'e'fSvfia Ttaoti. Totircov fir/ )M^I]S, oiiSeV cbfpehrjorj- afitai yct<o at TC 

elai'tovvi^ov tov 9'sov. 



110 7. Die apostolischen Vater. 

tatigungen in den einzelnen das wirkt, was Ohristus ini ganzen schafft. *) 
Aber trotzdem Melt man an der iiberkonimenen Vorstellung von der 
Einbeit des Geistes neben deni Vater und dem Sobn fest. Der beil. 
Greist ist wirksam wie der Yater und der Sobn, er wird mit ibnen zu- 
gleicb bekannt, Als Ratgeber ist er von Ewigkeit ber bei dem Yater 
(Herm. S. Y s. oben), er ist praexistenter weiblicber Greist, wie Cbristus 
mannlicber (2 Cl. 14 vgl. oben S. 96). 2 ) Das fubrt tins welter zu den 
triadiscben Gredanken bei nnseren Autoren. 

11. Eine ,,Lebre" von der Trinitat bat unser Zeitalter nocb 
nicbt besessen. Das beifit Erwagungen uber Einbeit und Yielbeit des 
gottlicben Wesens oder genauere Bestimmungen des Yerbaltnisses der 
Hypostasen untereinander lagen dem naiven Gflauben fern. Man war 
ebenso iinstande den einen Grott zu empfinden, als man Grottes Wesen 
aucb in Cbristus oder deni Greist wabrnabm. Die iiberkonimene Eormel 
Yater, Sobn und beil. Greist (s. S. 66) bestebt fort und man ver- 
inag aucb in ganz sacbgernafier "Weise die Eunktionen der drei von- 
einander zu scbeiden. Die wicbtigste Stelle ist Ignat. Epb. 9. 1 (ab- 
gedruckt unten 8). Der ganze Bau ist Grottes des Yaters, 
Cbristi Kreuz ist der Hebebanm, der die Steine zur Hobe eniportragt, 
der beil. Greist aber ist das Seil, mit dem die einzelnen an den Hebe- 
baum des Kreuzes festgebunden werden. Es sind abnlicbe Gredanken, 
\venn Hernias in dem Sobn Grottes den aus Eels gebauenen Turin 
der Kircbe oder aucb den Bauberrn siebt, in den bei dem Bau 
belfenden Jungfrauen aber den beil. Greist, oder wenn, bei Ignatius, 
Cbristus durcb den beil. Greist seinen Willen betatigt. s ) Merk- 



1) Da.fi nach dieser Empfindung nicht ,,Lehre" Christus und der Geist 
fur einander gebraucht werden konnen (Christus ist in uns oder der Geist ist in 
uns) ist begreiflich. Aber diese Beobachtung sie wird durcb. das Neue Testa- 
ment bestatigt ist die Grundlage, auf der allein eine fruchtbare Trinitatslehre 
errichtet werden kann. 

2) Einer kraffcigeren Gestaltung seines Wesens stand vor allem das Neu- 
triscbe, Abstrakte seiner Bezeichnung imWege; man konnte ihn docb nicht kon- 
kret als T.aube vorstellen. So dachte man an ein Engelwesen (z. B. Asc. Jes. 
9, 37; 11, 33; 7, 23; 3, 16 u. o), die Judenchristen (s. das Hebr.-Ev., Helkesai 
vgl. aucb. 2. 01.) baben den Geist resp. den Engel weiblich vorgestellt. Die 
Trinitat Vater, Mutter, Sohn aucb Zinzendorf bat sie vertreten batte viel- 
leiebt konkretere.Handbaben zur Ausgestaltung der Pneumatologie geboten, als 
das Neutrum 7tvsv/.ia sie ermoglicbte. 

3) Pbilad inscr. : ev yvw^r) 'Iqaov XQIOIOV ovs '/.ara TO "tSiov &sh]fia eorfytgev 

EV pepaicomjpri TCO aylca avrov ?tvaij{ui.ti. Vgl. bierzu Eom. inser. (oben S. 92 
Ann.), wo die Gemeinde erleucbtet ist lv ^slr^ait Gottes. und y.ara. &y&7trjv 
Cbristi. Einen eigenen Willen b.at der Geist in den altertiimlicben pseudp- 



Die Trinitat. Ill 

wiirdig 1st die Betrachtung 2 01. 14. Die Kircbe erscbeint bier als 
die zeitlicbe und sinnlicbe Verwirldidrang des praexistenten (weiblicben) 
beil. Greistes. Vermutlicb ist dabei die obere Kircbe als Mutter 
vorgestellt wie bei Paulus (Gral. 4, 26. 29). 2. 01. kennt also Gfott den 
Yater Cbristi (12, 6; 19, 5), Ohristus, der Greist war tmd Fleiscb 
wurde (9, 5), tun. uns die Wabrbeit zu lehren und die Unsterbliclikeit 
zu bringen, und den beil. Gfeist als die praexistente Kirclie und die 
Mutter der Gflaubigen, dessen man einst geistig teilbaft wird, wenn man inn 
Mer im Meiscb bewahrte (14, 3), : ) Aber tiber gelegentlicbe Ansatze 
des Nacbdenkens geht das alles nicbt binaus. Dagegen bracbte man 
die triadiscbe Formel dort gern in Anwendung, wo man das Granze des 
gottlichen Wesens und seiner Offenbarung und seines "Wirkens aus- 
sprecben wollte. 2 ) Aber wie scbon im Neuen Testament dient auch die 
Pormel ,,Vater und der Herr Obristxxs" ztir Bezeicbnung der ganzen 
Offenbarung des gottlicben "Wesens. 3 ) 



clementinischeii Brief en de yirginitate (9, 1): voluntati spiritus del consent-it 
quisqids, in quo est spiritus Sei. 

1) Zu der iiberweltJichen Kirche s. noch. Hebr. 11, 10; 12, 22; Apok. 21, 2. 9; 

Herm. V. I, 3, 4 : Kiioas irjV ayiav exy.lyoiav aiiiov. 1l, 4,- 1 : fj . . . sKuitjaia Ttawziav 
Tc^oit-t] jsxiiadr]. Am merkwurdigsten ist Apok. 3, 12; Mer will Ohristus auf den 
"Dberwinder hinschreiben den Namen seines Gottes und seinen neueu Namen, da- 
zwiscben Steht: y.nl TO ovofia Tfjs Ttokeios tov -freov /.LOV, tjjs y.aivrjs 'Je(>ovaafa}u rj 
xaraflaivovoa ey, TOV otigavov artb rov d'sov f.iov. Indem hier der Name der Kirclie 
zwischeu dem des Vaters und Sohnes steht, kann es doch nieht fraglich. sein, 
dafi die himmlische Kirche der beil. Geist ist, wie 2. 01. 1.4. Diese bimmlische 
Stadt ist nun die ywij TOV dpvtov (Apok. 21, 9), wozu auch Eph. 5, 23 f. zu yer- 
gleichen ist. Nocb Tertullian hat in seiner JTruhzeit die Trias Vater, Sohn imd 
Mutter d. h. Kirche angewandt (s. de orat. 2, ygl. die himmlische Kirche de 
hapt. 8. 15), nach Asc. Jes. 3, 15 f. ist ,,der Engel der Kirche, die in den Himmeln 
ist" der heil. Geist oder der ,,Engel des heil. Geistes" (7, 23; 9, 36; 11, 33). 

2) 1. 01. 46, 6 : rj oii%l eva &sbv e%of.iev y.al eva X^iaiov xai ei> Ttvevfia Tfjs 
ftdgiios to sy.'/jud'ev e<p fjfias 58, 2 : // yup 6 &ebs xa.1 [j 6 y.vqios 'Iqaovs Xg 

y.al 16 Ttvevfta TO ay LOV cf. 59, 2. 4: 6'rt aii si 6 9'eos fiovos val ^Irjaovs 
o Ttais aov. Ignat. Eph. 9, 1 (s. den folg. Paragr.) Magn. 13, 1 : Iva, TCUVTU. 6aa 
Ttot-BtTS, yMTSvoSw&fjrs aaoxl y.ai Ttverfftan, Ttiatst, y.al &yd7Cr] t sv vlto y.ai Ttatol y.ai 
BV 7tvevf.ia.Tt,, ev d^fj y.al ev Tslsi. Ahnlich ib. 2, wo aber der Text unsicher 
ist. Als liturgische Formel Mart. Pol. 14, 2: Si o* aot, aitv afacp y.al afs^ftan 
ayict) % 6^0. etc. 22, 3 : c$ fj SoS-a. oi>v tc3 Tta-rol y.al ayico nvs^^UTi,. Vgl. aus der 

alteren Literatur noch Helkesai bei Hippol. Eef. IX, 13. Asc. Jes. 7, 23; 8, 18. 
25; 9, 32 ff. ; 11, 32 f. cf. Epiph. h. 67, 3; vgl. auch die Gnostiker, schon Simon 
Magus Anschauung setzt die Trias yoraus (s. 10). 

3) Diese Auffassung hat Loof s (PEE. IV 3 , 26 f.) als Binitarisnius bezeichnet 
und auch mehrfach in der spateren Zeit nachgewiesen. Die Anschauung sei die, 
dafi man Gott und seinen Geist zwar als eins denkt, dafi aber der Geist anch 
yon Gott aus- und in das Fleisch Jesu eingeht. Diese Beobachtung ist richtig, 



112 7. Die apostolischen Vater. 

12. Die Betracktung des Ckristentttms der apostolisehen Vater 
schreitet jetzt naturgemafi fort zu den Yorstellungen von dem Werk 
und clem "Wirken Christi. Auch hier wirken die ttfchrist- 
lichen Gedanken nacn. aber ihre Wiedergabe ist oft so blafi und formel- 
liaft, clafi es scnwer ist, den inneren Besitz der Autoren festzustellen. 
Zunackst ist zu konstatieren, dafi die beiden Gfedankengruppen des 
Neuen Testaments tins attck liier begegnen. Christus wird einerseits als 
der bezeichnet. der Grottes Sache bei tins fithrt und in tins durchsetzt, er 
kommt andrerseits als der in Betracht, der ttnsere Sacne vor Gfott ver- 
tritt. cltircn inn ^yerden wii 1 von der Sttnde fi'ei und er bleibt standig 
ttnser Bttrge und Arnvalt vor Grott und fiihrt tins ztt ihm hin. Dabei 
ist naturgemafi bei jener ersteri Seite mehr an sein gottliches, bei dieser 
leteteren mehr an sein menschliches Sein zu denken, aber beides ist 
nicht ausschliefilich zu verstehen. Indem' dies Doppelte aber geschieht, 
werdeu wie friiher gezeigt worden ist die beiden Stticke des neuen 
Bundes verwirklicht. So ist Christtts in der Tat der Mittler des neuen 
Bundes, aber. da die alttestanientlichen Bundestafeln von Mose zer- 
schlagen Avurden. ist ttnser Bund eigentlieh der einzige Bund, aber eben 



wie das Nexie Testament zeigt etwa die paulinische GruBformel; auch. das 
spatere Jtulentuni wirft den Christen immer nur Ditheismus vor (Weber, Alt- 
synag. Theol. S. 148, der Koran kennt die Trias : Vater, Jesus und Maria, Sure 5, 
116, cf. 4, 169), so auch die Monarchianer , aber sie erklart nicht etwa den 
TJrsprimg der triadischen Vorstellung, sondern sie verscharft nur das Problem. 
Die Forniel Vater, Sohn und Geist ist namlich als das Urspriingliche gegebeu 
s. die Forniel iin N. T., Simon Magus, Helkesai, die Ascens, Jes. etc. oben S. llOf.) 
und sie besteht neben der biuitarischeii Anschauung und zwar so, dafi auch von 
einem Wirkeu des Geistes neben dem Christi geredet wird (auch bei Hermas). 
Der Ausgang ist also von der triadischen ' Formel als dem Urspriinglichen sie 
ist urchristlich und auch judenchristlich zu nehnienl Nun wurde aber Christus 
als ,,der Geist" (2. Kor. 8, 17) gedacht, aber wie er als Geist von dem Vater 
abgelb'st wurde, so wurde wieder von- ihm der ,,heU.' Geist" oder die ,,Geister" 
abgelost, wie der Vater eins ist mit dem Geist und Christus als den Geist saridte, 
so sendet wieder der Geist-Christus den Geist Fur das ursprlingliche JEmpfindeii 
hatte das triadischen Sinn, ohne da.fi die Differenz modalistischer oder pluralisti- 
scher Deutuug zum Be\ntCtsein gekommen ware. Soferri nun Christus das ge- 
schichtlich wirksame Geistprinzip in seiner' Einheit und Totalitat ist, katiri mari 
. sich, ohne das BewuBtsein einer Liicke zu'habeii, binitarisch aiisdriicken, bei der 
Reflexion aber auf die empfangenen Wirkungen der Offenbarung ko'nneh wieder 
der iii den eiiizelnen und durch sie wirkeride Geist und de'r die Kirche bauende' 
Geist-Christus unterschieden werden, wie wir es oben verstanden haberi. Der 
binitarischen Ausdrucksweise leistete dabei Vorschub die Scnwierigkeit' den Geist 
hypostatisch ztt fassen lind die Beschlossenheit des Geistes in Christus; von dem 
er koinnit und desseri' Geist er ist. Der Binitarismu's ist also nicht als' eih be- 
sonderer Gedankentypus neben dem Trtnitarismus zii be'urteilen. Er ist nur' erne' 
Abbreviatur. 



' " Das Werk Christi. 113 

deswegen kornmt es nicbt zu einer klaren Erkenntnis des 'Wesens des 
neuen Bundes land seines Eortschrittes liber den alten hinaus-'(Barn. 4, ; 8 ; 
6; 19; 14, 5). Will man in kurzer Eormel das Granze des- Werkes 
Christi zusammenfassen, so bieten sicb zwei Ausspriiche, als zu diesem:.Zweck 
geeignet dar. Die Knaben, die iin. Alien Testament f(Num. -19) das 
^olk 'besprengen, -sind ein Yorbild der Prediger des Evangeliums ,zur 
'S : iindenvergebung.und zur Heiligai.ng des Herzens (Barn. 8,. 3). 
und der Knecbt ! Grottes .,reinigt die Siittde>n ,des Yolkes und 
zeigt ibnen die iPfade des Lebens, indem ,-er ihnen das Gesetz 
gibt, . das er von seinem l Vater empfangen hat" ,(iHerm. S. W, 6, 3). 1 ) 
Indessen sind innerhalb dieser beiden ^Gesicntspunkte verschiedene Spiel- 
arten vorhanden, indem man auf der einen :Seite mehr ,an den ^Grott in 
tins dtirch seine mystische Einwohnung offenbarenden'Ghristus oder.niebr 
an den geschichtlichen Urheber des neuen Gesetzes denken kann, auf 
der anderen Seite mehr die gegenwartige Biirgscnaft rCbristi .oder auch 
sein geschichtlicbes :Leiden und Sterben betonen kann. Doch scbliefien diese 
Spielarten der Gfedanken einander -nicbt aus, sondern geben aucb :bei den- 
selben Autoren ineinander liber. Aucb bier kann die 'Mystik in .Hatio- 
nalismus timscblagen tind die rein geschichtlicbe Betracbtungsweise in 
die 'religiose tibergeben. Dies sind die .gescbichtUcben.:(resicbtspunkte, 
von denen aus die 'Erlosungsgedanken unserer Autoren sacbgemaB ge- 
ordnet werden konnen. Wir beginnen die Besprecbung mit der ersten 
Seite, zumal diese bei den Autoren selbst im ^ordergrund stebt. 

13. Diese erste Seite in dem Werk :Cbristi fafit zunacbst den ! Gre- 
danken in sicb, dafi -Gbristus uns die Erkenntnis der Wabrbeit 
aind das e \v i g e u n s t e rib 11 c b e L e b e n bringt und ist. IJberall begegnet 
uns i dieser Gedanke, >ja er bezeicbnet die Hauptsacbe in .dern Werk 
'Ghristi. 2 ) Er beriibrt sicb auf das nachste mit der jobanneischen 
Erlosungslebre, aber er bangt kaum bistoriscb. von dieser ab. sondern 
b'eweist an -seinem Teil. dafi Elemente der jobanneiscben Anscbauung 



1) .B. 8, 3: ol Qami^awreg, TtalSss oi eiiayyehodpevoi .fjfiiv ii]v ayeaw 

y.al ibv ayviofiov T^S -xngSias. Herm. 1. C. : avrbs oi>v na&a^iaas rag 
tov .),aov sSsi.^ev atitoTs ras Tqifiovs r-ljs ?w7 s ^ovs nvrols ibv vofiov, ov 
a rov TtaTgos cfdrov. 

2) Wgl. z. B.-Barnab. 14, 5: : lva afaos (Christus) yavels TS -7/^/7 8ea7i;vt]f(vas 
-f]f.tcov .xa^Stas. ftui .'S'avdfca teal aa^SsSofievas -rfj Tfjs . Tth&vrjs &vo t uia 'i 

SK -fiov af.orovs, Sid&tjTai. . ev fjf.ilv <$ia&rpa\v foyco. 2. Cl. 20, ; 5: TCO .s 
fjfttv tbv ffcorrjga y.al &(>%riybv rrjs Aip&aioaias , Si' oi> y.ctl etpave^coaev -f/fitr TI\V 
y.ai irjv BTtovgdvtov fyorfp, Ignat. Eph. ''17, If.: Ivn Ttvei] TiJ exxhrjaiq 
. . ., kaftovtEs 9'eov yvtaaw o eonv 'Ir t aovs XQIOTOS, ib. 19, 3: ayvoia 
O, rtcdaia (Saoikeia Siey&EiQaio 9'eov avd'QtoTtivcos cpaveqoiisvov . . ., sv&ev 
ra Ttdvra. avvExivelio Sia to fishr&a&ai tfuvwrov y.m&'t.vaiv. 

See berg, DogmengescMchte I. 2. Aufl. . 8 



114 ? . Die apostolischen Vater, 

auch vor Johannes in der Kirche wirksain gewesen sind. Es sind zu- 
uachst die Gedankenziige zusaimnenzustellen, die hier in Betracht kommen. 

Durch Christus blicken wir zum Hiinmel empor und kosten die 
(k&dvaTOc; yvwGig (1. 01. 36, 2), durcli ihn hat Gott ,,iins berufen yon der 
Finsternis zum Licht, von der TJnwissenheit zu der Erkenntnis der 
Herrlichkeit seines Namens" (ib. 59, 2). *) Christus eiiost uns aus der 
Mnsternis des Irrtums (Barn. 14, 5). Durch ihn horen wir auf, den 
toten Gotzen zu opfern, sondern dienen ,,dem Vater der Wahrheit" 
(2. 01. 3, 1). So fiihrt Christus zur Erkenntnis Gottes, 2 ) die andrerseits 
in ihm selbst uns offenbar wird (Barn. 5, 10). Der Ruf, der durch ihn 
von Gott jher an uns ergeht, ist andrerseits auch sein Ruf an uns. 
TJnd dieser Ruf hat schopferische Kraft, indeni er uns in ein neues 
wahres Sein versetzt : exdkeosv yag ^tag OVK ovia$ nctl rj&ehrjasv ex pi] 
ovwg sivai f](.t&s (2. 01. 1, 8; 2, 7; 9, 5). Das ist also zunachst der 
Gedanke : Christus ist der von Gott gesandte Offen barer, der uns den. 
wahren Gott kennen lehrt und uns dadurch von dem Irrtuni des Gotzen- 
dienstes und dein falschen alten Bunde befreit. Aber er ist nicht bloii 
Lehrer, sondern in ihm ist gottliches Wesen, daher ist er selbst als 
Person Gottes Offenbarung und er selbst beruft uns schopferisch zu einer 
neuen Existenz. Von jener Seite her konamt es.auf sein geschichtHches 
menschliches "Wirken an, von dieser Seite aus koninit er als Gott in 
Betracht. 

Diese Gedanken werden erganzt durch den weiteren Gesichtspunkt r 
daB Christi "Werk ein moralisches Absehen befolgt. Christus ist Gottes 
Wort und Gesetz, so Avird er auch zum Gesetzgeber. Sein Lehreri hat 
uns nicht nur Gott, sondern auch seinen Willen kennen gelehrt. Das 
Gesetz seines Yaters gibt er uns zur Befolgung (Herm. S. V, 5, 3 
cf. 2. 01. 3, 4). Aber er ist selbst andrerseits dies Gesetz : der Weiden- 
bauin, der alle Lande iiberschattet, ,,ist das Gesetz Gottes, das gegeben 
ist in die ganze Welt. Dieses Gesetz aber ist der Sohn Gottes, der 
verkiindigt worden ist bis an die Enden der Erde. Das Yolk aber 
unter dem Schatten (der "Weide) sind die , welche gehort haben das 
Zeugnis und geglaubt haben an ihn. " TJnd wiederuna ist er auch der . 
Engel, der das Yolk regiert und das ., Gesetz in die Herzen der Glaubigen 
gibt" (Herm. S. YI1I, 3, 2f.). Auch hier haben wir wieder den doppelten 
Gesichtspunkt : der historische Jesus war Yermittler des gottlichen Ge- 
setzes, aber als der erhohte HeiT lebt er selbst als gottliches Gesetz in 
den Glaubigen imd bringi dies Gesetz in ihre Herzen hinein. Es ist. 



1) cf. 1. Cl. 59, 3: Si oi> S] t uus sTtdiSsvaas, f/yiaaas, s 

2) Vgl. noch die Stellen bei Ignat. iiber den loyos und SiSaaxaUs oben S.'lOif. 



Christus der Lehrer und Gesetzgeber. 115 

wie wir gesehen haben, ein ahnlicher Gredanke, wie er durch den 
johanneischen und ignatianischen Logos " zum Ausdruck gelangt. Frei- 
lich soil der Mensch die Grebote erfiillen, aber nur der kann es, der den 
Herrn und den Greist in seinem Herzen hat. 1 ) Diese Gfedanken beriihren 
sich mit der Hervorhebung des Beispiels Christi und seiner Nach- 
ahmung. Die Demut, wie sie Jes. 53 .schildert, soil uns, die wir 
,,unter das Joch der Grnade" gekommen sind, zum Beispiel der Demut 
dienen. 2 ) 

Mit der neuen Erkenntnis, die sich uns in Christus erschliefit, ver- 
bindet sich aber auf das engste die TJnsterblichkeit, sei es dafi 
diese Erkenntnis selbst als eine unsterbliche bezeichnet ist (1. Cl. 36, 2), 
sei es dafi neben der Erkenntnis die TJnsterblichkeit als zweites Stiick 
der Offenbarung Christi steht (2. Cl. 20, 5. Barn. 14, 5 s. die Stellen 
S. 113, Anni. 2), sei es dafi die Unsterblichkeit als der Lohn. der Gfe- 
setzeserfiillung verheifien wird (2. Cl. 11, 1). So ist jeder Gredankenzug, 
den wir kennen lernten, der .Erganzung durch die TJnsterblichkeit fahig. 
Die These Lessings, dafi Ohristus der erste praktische Lehrer der .TJn- 
sterblichkeit gewesen sei, bestatigt sich an unseren Autoren durchaus. 
Die Grewifiheit der TJnsterblichkeit, nach der die Zeit so dringend rang, 
ist ihnen in Christus aufgegangen. Christus ist der GCOT^Q xl &QyJiyoQ 
TTjg acp&C(QOia. Man empfindet in ihm die gegenwartige Macht des 
ewigen Lebens imd man ist, wenn man ihn hat, innerlich mit der Ewig- 
keit verbunden, mogen auch die "Wege, die zu ihr fiihren, oft recht 
aufierlich yorgestellt sein. Auch dieser Stimmung hat das johanneische 
Evangelium ihren klassischen Ausdruck verUehen. ,,Licht, Leben, Wahr- 
heit" das war die Sehnsucht der Zeit (S. 31 if.), es war yerstandlich, dafi 
man gerade diese Griiter hervorhob un,ter den Gfaben des Christus, .der 
der Seele alles gibt was sie bedarf. . : 

Bei Ignatius haben dieselben Gredanken eine besondere Form durch 
die mystische Vorstellung von der Einwohnung Christi empfangen. Aber 
es ist irrig, wenn man diese Form so betont, als handle es sich urn 
einen besonderen Lehrtypus, denn auch in den Yorstellungen, die wir 
bisher besprochen haben, ist eine unmittelbare Einwirkung Christi auf 
die Seele vorausgesetzt. Nach Ignatius wohnt Christus in uns, sodafi 



1) Herm. M XII, 4, 3 : Svvami, yijai, Ttdvrcov xal Ttaacov rcov sviokcbv 

6 civS'^coTtos o e%cov tbv WLIQIOV sv rfj y.agSiq avrov, cf. S. X, 3, 1 : 
non potest enim fieri, ut sine his mrgmibus haec mandata serventur. 

2) 1. Cl. 16, 17 : si yap 6 WUQIOS ovnos kraneivoyfiovrjaBv, ti Ttoitfacopev fjftsts 
oi into ibv 'Cpybv rtfs %d,Qtros aiimv Si airov elSoviss ; Ignat. Eph. 10, 3 

SE lov xvgiov cmovSd&fiEV elvai, Eom. 6, 3. Pol. Philipp. 8, 2 ; 10, 1. 

8* 



' 7. Die a^ostolischen ' Vater . 

wir der- Tempel, er dr Grott dieses Tempels 1st. l ) Er dst ..unser wa 
Leben" v unser ,,unau?l(>slicbes Leben". 2 ) Andrerseits sind und bleiben 
aber auch die 'Christen in Cbiistus, eine innere -geistige Wirkung von 
ihm empfangend, sodafi sie Grottes Grebote erfiillen, siclvtinsterbEeb wissen 
und gewifi werden der kiinftigen Auferweckung ilnd des ewigen Lebens. 3 ) 

Christus in uns und wir in Christus, oder 'Christus unser Lehrer 
und Gfesetzgebeiy der 'uns "Wahrh'e'it und Relit offenbart hat und dauerod 
in tins zu diesem Zweck wirksam ist; durcb dieses wie jenes sind 'wir 
in neues Leben versetzt und der Unsterblichkeit versichert. Das ist der 
erste Gredankenkreis hinsichtlich des Werkes Cnristi. Er entspricht den 
Problem en der Zeii: ,, l unsterblicihe Erkenntnis" und Unverganglicfakeit. 

14. Das bringt Ghristus. aber er bringt noch etwas anderes, denn 
er steht auch auf der Seite der Menscben und bewirkt, dafi sie von 
Siinden frei werden und f'iihrt sie zu Grott. Urn die gescMcht- 
lichen Tatsachen des Leidens und Sterbens, der Auferstenung und der 
Interzession bei dem Yater legt sicn dieser zweite Gredankenkreis. Aucn 
er Avurzelt in neutestamentlicnen Gredanken und er teilt niit ibnen die 
Bestimmtbeit der TJberzeugung und die Unbestimnitheit der Eonnu- 
lierung. 'Ohristus ist gestorben und efstanden uni unsertwillen, wer 
Heran glaiibt tat das ewige Leben. Man mocbte Mer erganzerid ninzu- 
fiigen : weil dadurcb. -die Scbuld vergeben ist,' 4 ) aber es ist nierkwiirdig, 

1) Ignat. iBph. 15, 3: Jtdvra ovv ytoi&fisv a>s a-iirov BV ijftlv y.atovxovvros, 
Iva Sfiev aiiTov vaol y.al atitbs er f/ftlv -d'ebs fji-imv, Rom. 6, 3: ei ns ai>rbv si' 
savTcfi sxsi, Magn. 14 : &sov ysfiEtE. Vgl. auch die Ausdriicke &SO<POQOI, y^iatoy 6/001, 
cLyiotpogoi, vaoyogoi als Bezeichnungen der Christen (Eph. 9, 2). 

2) Eph. 3, 2: /. JXjp. to HSiAxQirov f/ftcov tfiv. Magn^ 1, 2: L X^. TOV Sta 
Tfavrbs ijftwv Zfjv, ib. 15; xey.Tqpevoi aSifacgitov Ttvevfia. 8s eanv 'Irjaovs Xptaros. 
Sm. 4, 1: 3 /. .Xjp. TO d^&ivov Ijfi&v Qtjv. 

3) Eph. 11, 1: -fiovov sv X^tatcS 'Iqaov siipedTfvai, els to alqd'ivbv tfiv, ib. 10, 3: 
Affi sv Ttdarj qyveicL y.al ococp(>oovvi] fievijTe sv 'I-rjaov X(). ar^'/tiy.cos xal ttvevfiamecos, 
ib. 8, 2: a Ss xal y.atat, aaQxa. Ttqaoaste, ravTO. ytvevfianxd. sanv sv U-t]0ov 
X(). TtdvTfi TtgdaaetE. ib. 9, 2 : ears dftv v.ai otivoSot. Ttdvres, -deocpOQOi, . . . 
'tpogot . . . yMTcc Ttdvta y.ey.oOfMjfievoi ev roils 'evto'haZs 'Iijoov Xg. ; MagH. 12: 'cii&a, 

on oi> cpvoiova&e- 'Iqoovv yap XQ. 'tyeie sv eavrois. Trail. 9, 2: os %al itaret, to 
ofioicofia fjfias toiis moTetiovms atitcj} OVTCOS sysQel 6 TtairjO'ttvTOv/ev XOIOTOJ >I>]a. 
oil %co()ls TO dlri&ivbv tfiv ot% e%ofiev. ib. 2, 1: oil '/Mia civQ'Qio'jtov tfbvtes &lla. 
nardt. 'lyaovv Xg. TOV Si fifias ditod'avovTa, tva Ttiaisvaavrss sis tbv d'dvaroi' aiitov 
to 



4) 1. 01. 21, 6: tbv xtiQiov . ., -oil to 'alfia, -fiTteo f/ftcov 
Ignat. Trail. 2, 1: tbv t fifias dTtod'avovra , %i>a 7ttats-6aavtss -els tbv frdvartov 
avrov to Aato&avETv EKynjyrjtB. 'Eom. 6, .1: exsTvov ^r\tS> tbv titts o irjftcov 
EKStvov &e%co tbv Si ijf.ias dvaatdvta. 'Polyk. Philipp. 9, 2 : ov ydo tbv vvv TjydTt 
alcova dM.d 'tbv iiTtso .fificav dTto&avovta xal '(" tafias vTtb &EOV dvaatdvta. 



Unsterblichkeit- und SuiideavergeBuag. 1 17' 

dafi das so selten ausdriicklich gesagt wird. x ) Ilntei? Anfiihrung' von 
1. Ptr. 2, 22. 24 sagt Polykarp, dafi Christus das Angeld tinserer Gte- 
rechtigkeit 1st und dafi er gelitten hat, ,,damit wir in ihm leben" (8, 1). 
Die Konseqtienz dieser oder der vorigen Betrachtungen ist dann nicht 
etwa- der Friede der Siindenvergebung, sondern die Aufforderung Christus 
nachzuahmen oder ihn zu lieben (Pol. 8, 2; 9, 2. Ign. Rom. 6, 1), oder, 
wie es bei 2. Cl. heifit, Christus durch Froioniigkeit und Bufie eine, 
Gegengabe zu gewahren (1, 3. 5: 3, 1. 3; 9, 7. 8). 2 ) Im 1. 01. lesen 
war, das Blut Christi sei um unserer Errettung willen vergossen worden 
und sei dem Yater ,,wert" gewesen, weil es der "Welt ,,die Grnade der 
Biifie" bracMe; aber gleich. darauf horen : wir, dafi oft BaB.e gepredigt 
wiu'de und dafi sie es eben ist, durch die die Menscben Grott versobnen. 3 ) 
Danacb bat das Blut Cbristi die "Wirkung, dafi es den Menscben die 
jVIoglicbkeit der. Bufie gewabrt. Aber der Verfasser weifi aucb, dafi das 
Blut Cbristi den Grlaubigen Erlosung gibt und dafi Cbristus Leib und 
Seele fiir uns.eren Leib und unsere Seele dabingegeben bat* 4 ) Man niufi 
sicb Mten aus den einzelnen Stellen zu viel zu f olgern. Dafi Christus durcb 
Tod und Auferstebung uns erlost bat vom ewigen Tode, das ist sicber 
allgenieine IJberzeugung gewesen. Man batte aucb ge^yifi nicbts dawider 
gebabt, wenn man dieser Eorniel die Siindenvergebung batte. substituieren 
Avollen, nur lag sie, sozusagen, xinseren Autoren nicbt recbt. TJnd.das 
ist beg'reiflich. Wenn man daran gewobnt war, auf den lebendigen 



1) Bai'U. 5, 1 : Els iomo "/a<) vTCepEivev 6 y.v<)t.os itagaSovvai ti]v odgy.a els '/.t 
<yO'O()dv i "uva T[J dcpeaei t&v auaQii&v ayviad'w l iiEV, o sotvv sv TC& '{tavtiaf.M'Vi' aiitov 
lov uifictTOs nach Jes. 53, 5. 7. 6, 11: sTtel oi>v dcvawaviaas r;/t3 sv T/J dyeaei 
icov aiia^Tiwv, e7toii]asv Julias ahkov itixov, eas TttuSicov fyeiv T^V -ww/rfv, w.s &v Si] 

avanldaoovvos niirov i]/.ias. Demgemafi verkimdigeu die eTaiigelisclieii Bpten rfv 

ayemv TCOV a/u.agTicdi' xal ibv ayfiafiou Tfjs y.aoSias (8, 3). 

2) Z. B. 2. Cl. 1, 2. 3: oaa vTt^usivBv 'I^aovs Xyiaros Tta&siv e-t'sxa ijfiwv 
viva oiiv '>]{.isig aiiTcjj Scboofcev d.viuj.iidd'iav -ij viva y.a.fJTtbv a^iop ov -fjfiiv a-drbs 

; S. noch Hermas S. V, 6, 2f. : y.al ai/rbs Tas auaprias ctiviwv 
r.oTtidaas nal TtoMobs xoTtovs rjvthri'/.cbs. Ainbs 1 oiw y.ad'aoiaas ms 
?ov Aaov eei$ev ainols ?as iQifiovs Ttfs ^ays Sobs aisTOis ibv v6f.iov. ... Die Beinigung 
geht also der Mitteiliing cles Gesetzes vorans mid ist von. ihr miterschieden, alter 
ihr Zweck ist die Befolgimg des Gesetzes. 

3) 1. Cl: 7, 4: drsviacofisv sis ib alfia tov XQIQTOV */.dl yvwfcev, as saviv 
rca tfeq) y.al ztarpi aviov, on Sia ITJV '^(.istsQav oco.T)]j)iav ex%vd'v ztavii rep 
fieravoias %dj)tv .barjveyy.ev. So ist zu alien Zeiten BuCe gepredigt worden, 

Z. B. VOll Noah und Jonas: ol Ss fistavotfocwTEs BTI\ rpTs dfia^Tijfiamv avrcav 
K^ildaa^To ibv &ebv iy.eTevaavtes y.cu eiafiov ouni]olf(.v . 

4) 1. Cl. 12, 7 : on Sid tov cdiiaios iov y.voiov ktiTQCoais Ttuaiv rots 

y.al ekt&flvatv siti ibv O'eov. 49, 6: Sid trjv dydTt^Vj rjv ea%ev rtgbs'fifi&s, ib 
fcurov %8co'/.ev iiitet) ijfiwv 3 Ii;oovs X^taibs o ?.v(>ios ijficov ev~&efajfitt<n tysov, xal TTJV 
vTtet) T?JS aatixbs ->]f.iwv y.a.1 t^v \[wy j yvvX()TcdV'ijn/%tt>vi]{.iti>v ) cf. Mtth. -20, 28. 



Il8 7.- Die apostolischen Viiter. 

Cbristus sein Augenmerk zu ricbten, Avenn man von ihm andauernde 
Impulse zu frommer Tat ernpfing, so verblafite die TJberzeugung, dafi 
dieser Cbristus einst durcb ein besonderes Tun.' prinzipiell Siinden- 
vergebung erworben bat, leicht zumal ihr eine scbarfere begrifflicbe 
oder popular fafilicbe Begriindung nocb abging , dafiir trat dann die 
dankb'are Bewunderung seiner Liebe ein, das Streben ibr nacbzuabmen 
oder ibrer Aviirdig zu werden. TJnd dazu kam nocb, dafi solcbe Gedanken 
Avie die Gerecbtigkeit, die der Menscb Gott scbuldet, und die Gerecbtig- 
keit, die Gott am Menscben bewahrt, dem Heidencbristen ferner lagen. 
Wenn Cbristus in ein Leben eingriff, so war das Alte eben vergangen 
und das Neue sollte als Leben betatigt werden. Das , Cbristus fiir 
uns" trat ziiriick gegeniiber dem ,. Cbristus in uns" und dem j,wir fiir 
Cbristus". 

Nur bei einem dieser alten Yater finden wir eine deutUche Er* 
kenntnis. Es ist Barnabas. jSach ibin ist Zweck imd Erfolg des 
Leidens und der Auferstebung Cbristi einmal die Aufbebung des Todes und 
der Erweis der Auferstebung (5. 6), dann aber und vor alleni die Yer- 
gebung der Siinden und die Heiligung der Herzen, Erneuerung durch 
Stindenvergebung und die sittlicbe TJmbildung. Hierdurcb ist die altere, 
bibliscbe Anscbauung zutreffend Aviedergegeben, und, indeni Barnabas 
Heiligung und Sundenvergebung zusammenstellt, aucb kaum das der 
Gedanke, dafi die Sundenvergebung nur einmal dem Menscben fiir die 
Siinden vor der Taufe zuteil werde. Aucb darin stebt Barnabas allein 
da, dafi er gelegentHcb das Leiden Cbristi unter den Opfergesicbtspunkt 
riickt: ,.Er sollte fur unsere Siinden das Gefafi des Gfeistes (d. b den 
Leib) zurn Opfer darbringen, damit aucb das Yorbild des Isak, der auf 
dem Altar dargebracbt Avurde, erfullt Averde" (7, 3 cf. 8, 2. 3). Aber 
es Avird nicbt deutlicb, in Avelcbem Sinn der Yerf. den Opferbegriff 
braucbt. Der Umstand, dafi derselbe nur bei ibm und aucb bier 
unbetont - begegnet, bestatigt die AAacbtige Tatsacbe, dafi die Betracbtung 
des Todes Cbristi als Opfer in dem Urcbristentum keinen nennensAverten 
Einflufi ausgeiibt bat. 1 ) 

Bedeutungsvoller ist die verwandte. Yorstellung, nacb Avelcber Cbristus 
gegenwartig im Himmel als Hoberpriester AA r altet und uns als solcber zu 
Gott binfiibrt. Er ist der Hobepriester unserer Darbringungen, der 
Patron und. Heifer unserer Scbwacbe, durcb ibn naben Avir Gott mit 
unserem Lobe. 2 ) Es ist derselbe Gedanke, Avenn Hennas den Sobn 



1) Vgl. A. Seeberg, Der Tod Christ! etc. 1895, S. 378. 

2) 1. Cl. 36, 1: anm] r/ oSos, dyaTtrjToi, ev r t evgofiev to acoTijoiov 
X^iar6 : f, tbv u^isQea T&V Ttqoafotf&v fjfiwv, tbv TCooomTip' v.cu 



Der Christus ft\r uns. 119 

(rottes als das Tor oder 'den ,,einzigen Eingang zum Herrn" bezeichnet 
(S. IX. 12, 6 vgl. Joh. 10, 7; 14, 6). Somit ist das Verhaltnis des 
Menschen zu Gott vermittelt durch Christus, der, uns schutzend und 
vertretend, bei Gott im Himmel wirksam ist und uns dadurch den Zu- 
gang zu Gott eroffnet. 3 ) Hier kommt der Gedanke des Christus fur 
uns" zu klarerem Ausdruck als' in dem friiher besprochenen Gedankenkreise. 
Dabei darf nicht iibersehen, werden, dafi diese Stellung Christi doch auf 
seinem irdischen Biirgewerk beruht. 

15. Diese Ubersicht wird die Gesichtspunkte, von denen wir aus- 
gingen (S. 113) bestatigt haben: In Christus wird Gott unser und werden 
wir Gottes. Als Lehrer und Herr, als Gresetzgeber und als ,,Gott in uns" 
waltet er, uns ein neues Leben in Erkenntnis und Unverganglichkeit 
schenkend. iins erneuernd und ewig machend. Und er litt und starb 
uns zugute und er vertritt und schiitzt uns, den Weg zu Gott uns er- 
offnend. Die Schranke der Erkenntnis dem Neuen Testament gegeniiber 
bestand darin, daB der siihnende xind b.iirgende Charakter des geschicht- 
lichen Christus zuriicktrat, und dafi dadurch die Bedeutung der Siinden- 
vergebung ungebiihrlich zuriickgeschoben wurde. Das Empfinden ist fast 
ausschliefilich orientiert an dem Lehrer und Konig. der die unsterbliche 
Erkenntnis, die Unverganglichkeit und das Gesetz gibt und ist. Das 
sind christliche Gedanken, aber, wenn sie isoliert werden. so hat das 
nicht nur eine Verkiirzung der religiosen Erkenntnis, sondern aueh des 
religiosen Lebens zur Folge. Aber die Erkenntnis dieser Einseitigkeit 
in altester Zeii soil dazu anleiten, die entgegengesetzte Einseitigkeit bei 
der Deutung des Neuen Testaments einzuschranken. 

16. Yon Christus und der Erlosung schreitet unsere Erorterung 
fort zunachst zu den Mitteln, durch die Christus wirkt und dann zu 
dem Lebensstand, der daraus hervorgeht. 

Dafi unter diesen Mitteln das Wort obenan steht, ist selbstver- 
standlich. Zwar nimmt es noch nicht die fast hypostatische Stellung 
ein, die es in der spateren Dogmatik inne hat, aber seine Bedeutung 
in jeder geistigen Beligion ist eine hohe, und sie niufite das erst recht 
im Christentum sein, das seine Erkenntnis auf geschichtliche Tradition 
zuriickfiihrte, und das einen engen geistigen .Zusanunenschluss seiner Be- 
kenner prinzipiell forderte. Die Bedeutung des Wortes wird aber erst 



TTJfs da&eveins ijficov. 61, 3: aol ej;o l uo).oyovfied'a Sia rov AO^IEQSCOS xal Tt^ 
TCOV ijw%wv fjfifav *It]aov XJJIOTOV. 64. Martyr. Pol. 14, 3: ae Sot-d^co Sta 
alcoviov y.cu Ittovqariov a^iEQEios 'Jqoov Xftiorov. Ander^ PolyC. Philipp. 12, 2; 
ipse sempiternus pontifex . . . aedificet vos in fide et veritate. 

1) Vgl. besonders deii Hebraerbrief, die johann. Gedanken vom ,,"Weg" und 
tier ,,Tilr", gowie die Forinel ,,durch Christus". 



7. Die apostplischen Vater. 

an diem Gedanken des Paulus voll erkannt, dafi. namlicb der Geist und 
s.eine Kraft in dem Wort wirksam werden (oben S. 64). Mag iinmer- 
bin die inystiscbe Innenwirkung des Geistes in unserer Zeit nicht strong 
an das Wort gebunden sein, sofern man aucn direkte Wtinderwirkungen 
des Geistes annabm, so ist docb. in der Hauptsacbe das Wort als das 
Mittel zu betracbten, durcb das man Cnristi Offenbarung empfangt. Die 
Christen sind ja .,die durcb den Namen des Herrn Berufenen" (Hernu 
S. YITI, 1, 1) und Cbristus ist ,,das Wort" (s. oben S. 101). Daber 
nebnien sie das Wort, sei es, dafi es Gesetz bringt oder die neue Er- 
kenntnis erscbliefit, in ,,!Furcbt und Wabrbeit" an, und sind bereit es 
sicb stets von den Mitcbristen sagen zu lassen. Das Wort gibt ibnen 
das neue Leben, es bekebrt die Herzen, denn Gott selbst koinmt durcb. 
das Wort in die Herzen binein, sodafi er selbst binfort in uns wobnt und 
weissagt, den Mund uns offnet imd uns zum ewigen Leben binleitet. 1 ) 
Es ist wirklicbes Menscbenwort, aber wer denkt daran, wenn Dinge sicb 
in ibm erscbliefien, an die man weder gedacbt nocb an die zu denken 
man aucb ,nur gewiinscbt bat, da redet eben Gott durcb den Menscben 
zu uns. 2 ) . . 

17j,.Mit dem Wort ist eng die Taufe verbunden. Sie ist von 
Christus eingesetzt, indem- er durcb sein Leiden das Wasser gereinigt 
bat (Ignat. Epb. 18, 2). Die Didacbe scnreibt vor: ,,taufet in den 
Narnen .des Vaters und des Sobnes und des beiligen Geistes in lebendigem 
Wasser. Wenn du aber lebendiges Wasser nicbt bast, so taufe in anderem 
Wasser. Wenn du aber nicbt kannst in kalteni, in warmem. Wenn du 
aber beides nicbt bast, so giefi aus auf das Haupt dreimal Wasser auf den 
Jfamen des Vaters und Sobnes und beiligen Geistes" (7, 1 3). 3 ) Aber 



1) 1. 01. 19, 1 : oi> fidvov -ijfius dMa y.al ras ngb jj : umv yeveas 
K7toir t aev, TOV^ ie /MT(t.$ea l uevovs to, ).6yia avtov sv ifofiq) y.al dl.'rj-O'siu. Did. 4, 13: 
<f>vkdeis 'Se u ziagelafies. 3j 8: y.al Tgsficov Toiis l.oyovg Sia Ttavtos, ovs ijy.ovaas. 
4, 1: rov "l.a}.ovvi6s ooi tbv ).6yov tov d'sov /.ivtjad'rioii vvy.tbs y.al fj/.ieou?. ) Ttfiijaets 
Se avrpv cos y.vqiov. 4, 2 : eu&jrtfoeis Ss y.ad ? f[{.ie(}av TO. TtqoacoTta roiv dylcov, Iva. 
K7tava7tdr t s TO?,- ).o'/otg aincav. 16, 2. Ignat. Pol. 5, 1: die Predigt des Bischofs 
cf. Did. 15, 1. . 

2) Baruab. 6. 17 : tfj ttiaTei ftjs 7tayye?.las y.al rco }.6yo) fyaoTtoiovfievoi. 
li, 8: Ttttv TO (>7}fia, o snv s^s},8vasrai e!~ i> ( nff)v Sia rov oio/iiaios vuaw iv Ttiaist 
y.al dy.drti] eami els sTci,ar<]oyi]v y.al eArcida Tio/J.oZg. 16,. 8 f.: dkijd'cos o freos 
y.aioiy.sl ev l]filv. fleas; 6 hoyog adwu njs XIOTECOS . . ., aiiibs ev ijfil 

16, 10: 6 yaa TtoD'&v acofrrjvai fJkeTtei oiix sis TOV uvfycoTTov, d}J? els ibv ev 

y.al ).a/.ov.via , KTC avrco sy.TT^aao/.ievos ETtl tio fii]8e7toT8 fiijie tov 
s. ra- /njfia.ra dy.ijy.oevai i-y. TOV ordfiHros (irjte avros store erciTeD'v/iiqy.evai, 
axoteiv. . , 

3). Herm. .M IV. 3, 2: els vSiao y.aii-^iEv, Barn. 11, 11; . xataftaivopev els 
to vScao. 



Wort .Gottes- und Taufe.. 121; 



die Christen werden auch genannt ol fiartiodeweg elg ovO(.ia XVQIOV (9, 5- 
vgl. oben S. 91). Der alte Name der Taufe als Siegel oder Siegel des 
Splines Gottes (GCpQ&y\$ iov vlov rov &0u). begegnet uns niehrmals bei 
Hernias und im 2. 01. (Henn. S. VIII, 6, 3. .IX, 16, 3. 4. 7; 17, 4. 2. 01. 
8,5; 7,6). Das Siegel Abrahams oder des heiligen Bundes . war nach 
jiidischem Sprachgebraiich die Beschneidung. - 1 ) Dem. stellt Paulus die 
jtSQiwiir} "/.ccgdias sv nv^^aii entgegen (Rom. 2, 29) und braucht das 
Verbum afpqayiteiy fur die Mitteilung des TTnterpfandes des Geistes bei 
der Taufe (2. Kor. 1, 22. Eph. 1, 13; 4, lTcfr2rKorr5; 5). Darin 
besteht fur Paulus das eigentliohe Wesen< der Taufe, dafi in ihr der Geist 
dem Menschen zuteil wird. Geradeso \vie es Paulus darauf ankam im 
Wort dem Geist eine feste und geordnete Statte seiner Wirksamkeit zu 
bereiten, so hat er den Geist auch an die feste Institution der Taufe 
gebunden. Dadurch, dafi bei der Taufe die Christen den Geist empfangea 
haben, sind sie ,-,versiegelt" auf den Tag der Erlosung oder auch be- 
schnitten mit der rtSQiTOf.^ a%eiQ_07toi?]i;0 (Kol. 2, 11). Soniit ist die 
Taufe Siegel" als Mitteilung des TJnterpfandes des Geistes. So ist der 
Begriff auch hier zu verstehen. 2 ) Ebenso lehrreich, wie die Bezeichnung 
der Taufe als Siegel ist die andere als Annahnie und als T rag en 
des Namens des Sohnes Gottes (Herrn.jS. IX, 1-2,4.8; 13, 2f. ; 
14, 5; 16, 3; 17, 4. VIII, 10, 3). Dieses bindet und verpflichtet aufier- 
lich, jenes innei-lich: ,,wenn du den Namen allein empfangst. nicht aber 
das Gewand von diesen (den Jungfrauen oder dem heiligen Geist) empfangst, 
so wirst du davon keinen Nutzen haben. Denn diese Jungfrauen sind 
Krafte des Sohnes.. Gottes; Ayenn du den Nanien tragst, seine Ki'aft aber 



1) So Eom. 4, 11. Die Beschneidmig lieifit c.-nax hw ianm oder b 

a;ipn nnn; sie heiligt und ernexiert und gibt eineii' character indelebilis sanctitatis. 
Belege aus der . jiidischen. Liter atur bei Web.er, Syst. d. altsyn. Theol. S. 75i 
2551 A. Seeberg, Der urcHristl. Kat. S. 232f. Man muB diesen Charakter 
der Beschneidung im Auge haben, um zu verstehen, wie der Geist ihr Ersatz 
werden konnte, vgl. besonders Itibil-.- 1, 23 und Act. 15, 811. 

2) Das geht ganz klar aus 2. Cl. 8, 6 hervor, wo- die oipgayii der ado^ 
gegenttbergestellt ist: T/j^i'iffars TIJV adpxa ayvyv y.al ri]v afQaytda aaxdov. 
Ahnlich Herm. S-. IX, 16, 4: // ayqayls oZv to v$mo lativ els id vScoQ oln> 
xaiaftawovai, vey.gol xal dvaflatvovai ^WVTSS, S. auch S. VIII, 6, 3, WO die, welche 

das Siegel empfangen, aber .zerbrochen haben, dafiir danken sollen, dafi Gott sich. 
ihrer erbarmt avay.ruviaai, ra. 7cvsv/.iaia avt&v, Vgl. noch die Olsalbung als > 
Siegel Act. Thorn. 25. 26. 27. 120. 121. 132. ^ayis als Namen der Taufe' 
sonst noch Act. -Pauli et Thecl. 25. Martyr. Pauli 7. Clem. Alex., Quis div. 
sal v. -39. 42. Die Abercinsmschrift (1. 9: ha.uv d' eldov ey.si iaftTtgav atppayezdav 
K'XpvTu). H-ippol. de antichr. 6. Orig. c. Gels. VI, 27. Didascal. 10: das Wor.t 
Iwren. . . . bis sie das Siegel empfangen und vollkommen iverden. 16. Sehr oft 
bei deu Gnostikern s. z. B. Exc. et Theodot. 86. 



122 7.- Die apostolischen Viiter. 

nicht tragst. so wirst du umsonst seinen Namen tragen" (Herm. S. IX, 
13, 2) .') 

Gfeinafi diesen b'eiden Benennungen gestalten sich die Vorstellungen 
von der Taufe. Nicht an einen isolierten Yorgang hat man zu denken, 
sondern deutlich hangt die Taufe mit der vorangegangenen Lehre saint 
dem Bekenntnis zu ihr zusammen. Dieser Zusammenhang besteht ein- 
mal darin. dafi durch die Taufe iin Subjekt sich verwirkliobt, was In- 
halt der Lehre war und dafi daher inneres lebendiges JEjgjmtuitt_-wird, 
wovon die Lehre handelte, und dann darin, dafi die Taufe verpflichtet 
zum fortdauernden Bekenntnis Christi und zur Befolgung seiner Gfebote. 
Sehr deutlich wird dieses Gfedankengefiige von Barnabas zum Ausdruck 
gebracht : die Seele ist von Natur eine Behausung der DamoneTTj ,,ver- 
ganglich und schwach", sie wird danu ,,erbaut auf dem Namen des' 
Herrn" und dadurch ,,neu geschaffen", namlich dadurch, dafi sie Siinden- 
vergebung und die ,,Hoffnung auf den Namen" empfangt und hierdurch 
der objektive Grlaube und die Gfebote, die ihr gesagt Avurden, in ihr 
lebendig werden und zwar so, dafi Gfott selbst gegenwartig ist und sie 
durch Bufie zum ewigen Leben fiihrt. 2 ) Diese Gredanken halten sich 
A'on alien magischen Einfliissen frei. Die Taufe ist "Wiedergeburt, aber 
sie erneuert den Menschen durch die geistigen Einwirkungen des Wortes 
und vrandelt dadurch, sein Leben urn in ein Leben des Grlaubens und 
des Zeugnisses, der Bufie und Unsterblichkeit. Dabei ist dies alles 



1) Auch cliese Vorstellung ist schon iin Neuen Testament vorhaiiden : die 
Christen, die sich zu Christi Namen bekennen (1. Joh. 3, 23; 5, 13 cf. Phil. 2, 16), 
sind mit dem Namen des Lammes und seines Vaters an der Stirn gezeichnet 
(Apok. 14, 1 : 22 4) und der Name (Christi) ist iiber ihnen genannt worden 
(Jak. 2, 7 u. Herm. S. VIII, 6, 4 vgl. dazu Jes. 4, 1 ; 14, 9). Um dieses Namens 
willen habeu sie als xgianavoi mancherlei zu tragen (1. Ptr. 4, 13. 15. Apok. 2, 3). 
Auf das Bekenntnis zu Christns und die Zugehorigkeit zu ihm weist die Be- 
zeichnung. 

2) Barn. 16, 7 9 : rtijo TOV fifias Ttiarevocu riy &ecy 7]V f/ficov TO y.a.ioux\]tr\<)iav 
Tfjs y.apSias yfrapTO'i' vat dad'eves .... oil >'/>> Tthfaqg fts-v eiScoho&aTgeiae y.cti i}v 
dl'/.os Saifiovicov, Sia to TtoiEiv oaa f/v evawtia TC>} d'eci). Oi'/.odofiqfhjaerai Se Irii 
tqj ovofian v.vqiov .... JJa>$; fi.A&ere- 'i.a^ovrss if/v ay saw t&v u^iaQTioiv y.ai 
eirtiaavres i-rcl iu ovofia eyevofie&a VMWO'I, ncd.iv e| uo%fjs y.n^ofisvof Sid s.v tea. 
tiaToixr;r>]()iq} jjuwv Aty&ws 6 d'eos y.aroixet Iv fftilv* Hats; 6 loyos avrov rtfg 
ytlarscas, ; y.'/.fjois avrov Tfjs eTtayyshias, i] aoyia iwv Sixaitoftdttov, at evro'/Ml 
ifjs Siu.'/fjs, avtos tv '>]filv 7t()oy>i]T:eva>v, avros ev fjfilv 'Amomiav, toils tea d'avdrcp 
SeSovhcofierovs , dvolymv i]/.iiv iffv tyvftav rov vaov , b iariv arofta (zur Ver- 
kiindigung des Wortes S. 10), fterdvoiav 8idovs fifilv, eladyet 13 TOO ay&aotov 
vaov 11, 11; rovro l.eyei, on f/uets fisv '/.araficuvofisv sis TO vScoo yefiovrss 
afia^TiMV '/.(ti fivTtov, y.nl &va}aii'o ( iiev y.aoTtoyoQovt'TEs b-i> Ttj y.noSin, TOV (popov 
y.ttl Ti]V Ef,7TiSu si s - iav 'Iqaovv EV TIO Trrei'^iHTi e/oi'TSi; cf 11, 8. 



Barnabas und Hennas uber die Taufe. 123 

offenbar als ein fortdauernder Zustand zu denken, also ist aucb die 
j.ierdvoia kein einmaliger Akt, sondern ein Zustand. 

Nur nocb Hennas bietet uns ausfiibrlicbere Bemerkungen i\ber die 
Taufe. Aucb er fafit die Berufung und den Grlauben mit der Taufe 
zusammen und laBt den Geist in ibr sicb in dem Grlauben und der 
Liebe, die der Cbristenbeit gemeinsam sind, kundgeben. a ) Gfenauer an- 
geseben, gebt das Horen und Grlauben oder die Annabnie des Namens 
Ghristi dem Empfang des Siegels oder des Geistes voran, 2 ) aber so, 
dafi letzteres ersteres belebt und innerlieb macbt (s. Anm. 1). Die 
Graben der Taufe sind die Yergebung der Siinden, die der einen und 
einzigen BuBe folgt, und der Greistempfang, durcb den man das ewige 
Leben erbalt. 3 ) 

Hennas kommt im ganzen niit Barnabas iiberein; 1) die Taufe ist 
der AbscbluB der Belebrung und sie macbt diese erst zum inneren 
geistigen Besitz, 2) die Taufe unterstellt uns dem Nanien Cbristi, den 
man als ,,Cbrist" empfangt und zu dem man sicb bekennt, 3) die Taufe 
macbt uns der Siindenvergebung teilbaftig, 4) sie bringt tins den Greist 
und damit ein neues Leben. Wabrend nun aber nacb Barnabas durcb 
die Taufgaben ein andauernder BuBzustand in uns erweckt wird, dem 
dann eine fortgebende Vergebung korrespondieren mufi . will Hermas 
prinzipiell nur die eine Bufie vor der Taufe anerkennen, rtacb der Taufe 
mufi das Leben beilig sein. Diese Forderung stebt in Zusartmienbang 
mit einem letzten Punkt, 5) indem die Taufe uns mit Cbristi Namen 
bezeicbnet und Cbristi Siegel uns gibt, legt sie die Yerpflicbtung auf. 
jenes Namens sicb wurdig zu erzeigen durcb Befolgung der Gebote 
Cbristi und j enen Greist unbefleckt in uns zu erbalten. *) Dies kann 



1) Herm. S. IX, 17, 4: rc&viu, TO. efrvq, rd. it7tb ibv oigavov v.atoiv.ovvtu, 

y.al TCiatsijaavTa, e-xl t(3 ovofian exkrj&qaav TOV vlov TOV &EOV' t.afSovres 
ovv "ii]v apgayida fiiav tpgovrioiv : sa"/ l o^> y.cu sva vovv, nal fiia Ttiaws cuiiiuiv eysveTO 
xal fiia Aydytt] y.al 101, Ttvevpaia, i&v Ttagd'evcov fierci TOV ovottaros scpOQEOai'. 

2) Z. B. S. VIII, 6, 3 : dxovaavTes ol TtiOTeijoavTes xal si^ydTes rrjv ayoaytSn. 
S. IX, 13, 7 : OVTOI TtdvTes id ovofia. 10% vlov TOV freov *eiaj3ov, si.a/}of E y.al TIJV 
Svvcifiw tcav Ttao&evcov tovtiov. 

3) M. IV, 3, 1.2: r\'/.ovaa., ytjfil wjoie, TIHOU iivcov SiSaoxdAcov, on Ktsoa 
ftsidvoiK OVK sonv el fir/ s."/Mvr\, ore sis vScao y.atefimiev xal eldftofie'i.' licpeatv 
dfiagncov i]ficov i&v TtQoregcov. Aeysi (.101 y.a&ws rjy.ovaas, ovt<a yao e%ei, eSsi yao 
ibv elkrjcpora acpsaiv dfiafrncov fi^'/ceri dfiaordveiv dM,' ev ayvEiq '/Mtoixe'iv. 
S. IX, 16, 3: Ttfjiv y&o yogeoai ibv civd'iJCOTCOv TO ovo^ta TOV vlov TOV &ov rsxoos 
SOTIV STOW Si Adj3r] T-fjV oyaaylSa, oKtorid'eTcti TrjV veaotoait 1 f.al dva),afi{3dvBi TI)V 
&oifjv. Vis. Ill, 3, 5: SiaTi ovv 7ti vSdTcov coxoSofirjitu 6 stvoyos, axovs- dri // 
} iiuajv Sid vSaros' eaca&r] xal acad^jasrat. 

4) Vgl. 2. Cl. 8, 6 oben S. 121 Anm.; 6, 9: edv //) Ti;otjmofiB>' TO fidxTia/ta. 
uyvbvy.nl dfdavTOv, Ttoia Tteitoid'ijaei elaeievaofiefl'ci els TO fiaoft.eiov TOV footf; /) 



124 7... Die apostolischeu Vater, 

im Prinzip wenigstens rigoristisch verstanden werden : nach der 
Taufe darf es keine Siinden mehr geben, oder es kann so gedeutet 
werden, dafi unser Leben nacli der. Taufe eine fortgehende Bufie sein 
soil. 1 ) 

In der Tauflehre, die wir kennen gelernt haben, liegen nocli keine 
i'renidartigen Momente iin Sinn der spateren sakranientalen Magie. Es 
handelt sieh um einen Yorgang. durch den der Ghrist Christ Avird, nach- 
dem er sich zuvor innerlich dem Christentum genahert hat. Hat er 
bisher seine Siinde und seine moralischen Pflichten kennen gelernt, sa 
empfangt er bier die Yergebung der Siinden und wird dem Namen 
Christi unterstellt, zu dem er sich bekannt hat, mit der Yerpflichtung 
ihm im Grlauben uud "Wandel treu zu bleiben. TJnd hat er bisher von 
der Kraft Gottes und dem neuen Leben, das sie wirkt, gehort, so emp- 
findet er nun diese Kraft und die ewige Art dieses Lebens, und eben 
dadurch wird jener Glaube und jene Pflicht fiir ihn zu einem inneren 
geistlichen Besitz. Zwar kann man sich dabei gelegentlich so aus- 
driicken, als ware der Geist etwas wie eine Naturkraft, als ware die- 
Mitteilung ,des neuen Lebens etwas Avie eine magische Wandlung, die 
religiose Empfindung wire! dadurch doch nicht getroffen, denn um eine 
EinAvohnung Gottes, um die Entstehung und Betatigung eines geistigen 
Verhaltnisses zu ihm handelt es sich immer. Das Wunder des neuen 
Lebens zu leugnen, es ,,rein psychologisch" zu erklaren , liegt diesen 
Mannern freilich fern, aber ihrem Empfinden haftet noch zuvieL urchrist- 
liche Geistigkeit rind jiidische Moralitat" an , als dafi sie innere' Vor- 
gange in physische Prozesse aufgehen lassen konnten. Begriffe wie- 
Heuschopfung oder Mitteilung des ewigen Lebens sind noch nicht in 
den Strom der antiken Mysterien hineingerissen worden. 2 ) 



ris f'lfi&v ^ru^dy.li]Toy SOTC/.I, eai' ,HJ) Bvoe9u>/.isv egya fyoviss Saia v.al Siy.aict. Wie 
stark dies luteresse Avar, zeigt die Tatifrede Did. 1 6, die imr moralische Ver- 
pflichtungen einscharft. 

1) So Barnab., aber aueh 2. 01. 8, 2 : t-cos eaftsv ev 10-610) rep xoo^co, &v tfj 
aatjxi cJ sn^dSaftev rzw//^ (isTavorjaoojiev ES pX?js Ttjs y.agSias, l iva. acod&f.isv VTCO 

rov y.voiov, Zws s%ofin y.aiqbv fieravoias. Die BuBe ist geradezu der Lohn, den. 
wir Christus schuldig sind (2. 01. 9, 7. 8). Ignat. Pol. 6, 2 nennt die Taufe 
als oTtla des Christen neben Glaube, Liebe, Geduld, auch Mer scheint sie als ein. 
dauerndes Mittel zur AbAA r ehr des Bosen gedacht zu werden. 

2) Vgl. Tit. 3, 5f. Eph. 2, 91 . Job. 3, 5. Die antiken Mysterien verwendea 
das Wasser aber auch andere Stoffe als kathartische Mittel der Initiation, 
in symbolischern oder magischem Sinn, und sie garantieren durch ihre Weihen 
dem Mysten ein gliickliches jenseitiges Leben, lassen dann wohl auch die ,,,Wieder- 
geburt" (renatus) das Gliick flir dieses Leben gewahrleisten (vgl. . Anrich,. 
Das antike MysterienAA r esen in s. EinfluB auf d. Christent. 1894, S. 47. 51. 531 



Bufie 'Mr Todsimden. 125 

18. Wir iaJben 'geselien, dafi die Taufe von den einen als Anfang 
einer sich fortsetzenden Bufie resp. Vergebung gefafit 'wurde, wahrend 
<die' anderen nur die Bufie >und ^ergebung vor der Taufe anerkannt 
s&hen wollten. Der 'TJrsprung von 'disser letzteren Anschauung ist ! nicht 
unbegreiflich. Man lebte in der messianischen Zeit. Nun war es 
jiidische Xiehre, dafi in 'dieser Zeit ,jkein >Raum 'fur die Bufie vorhanden 
ist", oder 'dafi Gott in der W'eltzeit barmher-zig ist, aber in der Voll- 
endungszeit mir als gerecbter IR,icbter -walten wird. *) Durcb die Taufe 
'trat der 'Christ in die "Vollendung ein, wandte man jene Regel bierauf 
an, so ergab ; sich der ; Gedanke, dafi eine Bufie nacb der Taufe riicBt 
moglicb sei. Dazu kam weiter, dafi die Sittenzucbt der Ausbildung 
Jenes Grundsatzes -zu Hilfe kommen mocbte. So ^wird es sich verstehen, 
dafi -zu Ausgang der apostolischen Zeit der'Grundsatz, dafi es fiir ,,Tod- 
siinden" eine Bufie 'fiir die 'Christen 'riic'tt niehr gibt, ziemlicb verbreitet 
gewesen zu sein scheirit. ODer 1. Job. uuterscheidet die af^aQfia -[ii] 
rtgbs -d-dvavov von der a(.ictQTia rtgog &dvmov, ifiir gene gibt es eine 
I^iirbitte, nicht aber fiir diese (5, 16 f.) 2 ) Ahrilich wife bier der Klein- 
asiat urteilt, hat der Eonier, 'der den Hbr. schrieb, die Sacbe angesehen. 
Die Siinde -des Abfalls vom Christentum, -die seinen Lesern drobt, er- 
felart er fiir eine irreparable (Hbr. 6, 4 6; 10, 26 f . ; 12, 17). Tauschen 
die Anzeichen nicht, -so ist eben diese Anschauung der Anlafi zu einer 
schroffen Meinungsdifferenz in 'der romischen iKirche zu Ende des ersten 



Bohde, Psyche II 2 , 405. 421 f.). Aber die dem Christentum eigentiimliche 
Konibination von Wassertaufe und Wiedergeburt und die. geistig moralisclie 
Passung der letzteren -ist ihnen gleich fremd. 'Die christliche Taufe erklart sieh 
geschichtlieh aus der Kombination resp. dem Zusammentrefen der Wasseftaiife 
des 'Johannes zur Sundenvergebiing (schon 'die Juden kennen sie, s. Sib. IV, 164ff.) 
nnd 'der Geisttaufe Ohristi. Auch der christliche (Begriff der nalivysvsaia das 
Wort-stammt von den Stoikern wird im Judentum wurzeln, es ist die -Ent- 
stehung der v.tuvri xriais (Gal. 6, 15. 2. : Kor. ; 5, 17. Bph. -2, 10) -oder der nt!jn 'n*ns, 
die ebenso wie Ttahvyeveaia (Matth. 19, 28. Tit. 3, 5) sowohl die eschatologische 
Neuscho'pfnng als<die Umwandlung des 'einzebaen ihezeichnet (s. We be^r, System 
etc.'S. 882. ,256). 

1) Apoc. Baruch 85, 12: ecce eniin adducet altissimus haec omnia; i'bi 
won e-rit iterwm locus poenitentiae. 4. 'Esr. 7, 112115. 

2) Ygl. 4. Esr. 7 7 115: tune ergo nemo potent mlvare eum -qui periit. 
Die bfiagila Ttgbs S'dvarov 1st nach Joh. die Siinde, die die ; Gemeinsehaft mit 
Odtt 'aufhe'bt, denn der aus Gott 'Geborene siinfligt snicht so^ dalS das Bo'se an 
ihm haftet ;(!. Joh. 5. 18 ; 3. 8. 6)< agegen gibt es Siindentaten auch 'bei dem 
iChristen, die aber nicht zum Tode sind, sie soill '-keine'r ableugnen und -fiir sie 
gibt es Vergebung (1. Joh. 1, 82, 1; 5, 16). Die Tlnterscheidung von dfia^ria 
im Sinn der das ,, : Leben" ertb'tenden Zustandssiinde und ; der das Leben unter- 
toechenden Tatsiinde' erklart tftie Mfferenz der Aussagen bei Joh. iiber das Nicht- 
: siindigen und das Siindigen der Christen. 



126 7. Die .apostolischen Vater. 

Jahrhunderts gewesen. Hennas redet von ,,einigen Lehrern", die der 
Ansicht sind, es gebe keine Bufie aufier der vor der Taufe (M. IV, 
3, 1 s. oben S. 123 Anm. 3). Dagegen betont der 1. Cl. mit grofier 
Energie, dafi Christus uns eben die ,,Gnade der Bufie" gebracht habe, 
und dafi Gott alien Menschen, ,,die sich bekehren wollen zu ihm" ,,Rauin 
zur Bufie" gegeben, ja dies eidlich zugesagt habe. *) Es ist klar, dafi 
diese Anschauung der ,,einiger Lehrer" entgegentritt und dafi dies 
kaum zufallig sein wird. 2 ) Es notigte eben die Situation , die das 
Hermasbuch voraussetzt, zum Nachdenken iiber den rigoristischen Grund- 
satz jener Lehrer. Das Hermasbuch ist wesentlich mit der Absicht ge- 
schrieben, die einander entgegengesetzten Meinungen zu versohnen. Im 
Prinzip haben jene ., Lehrer" Recht, aber trotzdem soil, ausnahmsweise, 
dies eine Mai eine zweite Bufie gewahrt werden, selbst denen, die ab- 
gefallen sind oder den Herrn verleugnet haben, aber auf das kraftigste 
wird dabei hervorgehoben, dafi das eben nur fiir dieses Mai gelten soil. 3 ) 

Dieser erste Bufistreit, den die Kirche erlebt hat, ist von unabseh- 
barer geschichtlicher Bedeutung. Tiber die rechtliche jiidische Be- 
trachtungsweise hat der Gedanke gesiegt, dafi Grott barmherzig ist, nicht 
nur gegen die zu Taufenden, sondern auch gegen die schon Gretauften. 
Aber dieser Gedanke soil nur ausnahmsweise in Kraft treten. An sich 
darf der Getaufte nicht siindigen, erst ein besonderes Eingreifen Gottes 
gewahrt dafiir Yei-gebung. Und es wird nicht Zufall sein, dafi der 
Prophet sich des Beistandes des kirchlichen Amtes zur Publikation seines 
Bufibriefes .versichert ;(V. II, 4 , 3). Dasselbe Amt , das die Taufe 
spendet, wirkt mit zur Eestituierung der Taufgnade. 4 ) Nun ist es 



1) 1. Cl. 7, 3 8, 5; 18. 7, 5: y.ara,f.i&&co/.iev, 8n ev yevstt y.al yevei% 
ias roTCov eScoxev 6 SeaTtoTrjs tolg j3ovko/.ievois KTtiorgacpfjvai erf avroy, 
8, 2: xt ainbs Se 6 SeaTtor-rjs rwv aTt&vccov Ttegl {.leravoias eAdhtjaev [letci Sgxov. 
EtAvas kleinlaut heifit es aber 2, 3: iKsrsvovrss ainbv 'ihecov yevsad'ai, s't n 
u'/.ovtss fif.id^rsrs. 

2} Tertull. de pud. 20 stellt die BuBanschauung des Hebr. und des Hermas 
.einander entgegen. 1. Cl. und Herm. sind meines Erachtens etwa gleichzeitig in 
Eoia entstanden. 

3) V II, 2, 8 : &fioaev ycig XVQIOS xarct, rov vlov aiitov roiis dyvrjaafievovs iby 
w&Qtov aiir&v dstsy-i'cogi.ad'ai dftb Tfjs 'Cfofjs aiixajv, roiis vvv fts^ovrae 

rats e^'/ft/.ievais f^ie^ais ' rots Se TtQotegov a.qvi]aa^isvois Siu ir\v 

'dews eyevero aiirois. Ebenso M. IV, 3, 2 ff. Sehr deutlich tritt an letzterer Stelle 

das Motiv zur prinzipiellen Beibehaltung der alten Ansehauung hervor : M Si8oi>s 

atpo^firff rots /iisttovffi Tttareijeiv rj tots vvv Ttiatevaaoiv sis ibv xij^iov, S. auch V. II, 

2, 5 : ^ yu.Q fterdvoia. rols Stxaiots e%ei tehos, TtsTthijgcovT'ai at 

Tt&aiv tols ayiois' y.a.1 rots Se s&veaiv fierdvoid sanv ecos ea^drris 

4) Die BuGe ist geradezu als 2. Taufe bezeichnet, wenn sie als neues Siegel 
an die Stelle des gebrochenen Taufsiegels: tritt, s. Herm. S. VIII, 6, 3. Urn die- 



Verschiedene Ansichten von der BuBe. 127 

aber begreiflich, dafi, trotz aller Beschrankungen, die zweite Bufie auch 
spater in Anspruch genommen wurde, und dafi dies nur unter Kontrolle 
des kirchlichen Amtes geschehen konnte. Hier treten uns zuerst die 
L TJmrisse eines kirchlichen Bufisakramentes entgegen: Siinden, 
die an sich unvergebbar sind, konnen durch. besondere gottliche resp. 
kirchliche Erklarungen vergeben werden. 

Die Voraiissetzung dafiir ist aber wahre herzliche {.isfdvotcc, Keue 
um die bose Tat und die aufrichtige Absicht das Glute zu tun, bzw. 
die Befolgung der Gebote Christi, kurz eine zweite Bekehrung. a ) Glott 
hilft aber zu dieser Bufie mit, indein er den Bufiengel allerhand Straf- 
iibel iiber den Sunder verhangen lafit, denn die Lust ist bald vergessen, 
das TJbel erinnert den Sunder aber an die Siinde seiner Lust (S. VI, 
3 5). Die leitende Vorstellung, bei Hernias ist dabei die, dafi der 
Mensch, der dies tut, das absterbende Leben in sich auffrischt, wie etwa 
verdorrende Weidenruten durch Wasser erfrischt werden. Wem es ernst 
ist um die Bufie in Gedanken und Worten, der konunt zu einer ..starken 
und reinen Bufie", und er wircl wieder ,, durch Grlauben stark" (S. YLI, 6. 
V. HI, 3, 5. M. XII, 6, 1. S. VI, 3, 6; VIII, 11, 3). Hieraus 
begreift es sich aber auch, dafi die schon Erstorbenen, trotz der ge- 
wahrten Erlaubnis der Bufie, sie nicht erwahlen; 2 ) dafi unter diesen Er- 
storbenen sich die schweren Sunder (Abfall, Lasterung, Verrat) befinden, 
ist ebenfalls verstandlich. Natiirlich hat Hennas seine Grrundverkun- 
digung nicht aufgegeben 3 ), aber man wird doch den Eindruck nicht los, 



selbe Zeit etwa stellte Helkesai im Orient eine zweite Bufle in Aussicht, die 
bei ihm auch formell mit Wiedertaufe verbunden wird s. Hippol. Eefut. IK, 15, 
vgl. auch die Taufen der Gnostiker. 

1) M. IV, 2, 2:- avvlsi ya<) 6 duagmjaas, on TteTtohjxsv 16 ^tovi^of efiTtgoad'sv 
iov xvgiov, xal avafiaivsi, srcl ii]v xapSiav aiirov i] Tt^a^is ijv S7t^a^ei>, xal jueravoel 
y.ai otxen B^yd^eiai, to TtovrjQOV, d?.ka TO dya&ov ^oKtne'tMs epyd&Tcu, y,al mTteivol 
fi]V eavrov yv/fiv teal fictaam&i, on ijfiaoTev (cf. S. VI, 3, 6. VII, 4). M. XII, 
6, 2: lav BrtiaTpafpfJTe Tt^bs tbv xtioiov e| olrjs rijs tcaoSias vpffiv '/.oil spydaqad'E 
ir\v SixaioaiJi'Tjv T&S AoiTtas fjfteoag TYJS ,cofjs fyicov y.al SovlsijorjTB u,imt> o^&ws 
/.art*. TO tfei-ij/Lta aiitov, Ttotijaei 'iaaiv TOIS ytooTsoois vficov afiaoT^fiaat.. S. nocll 
S. VI, 1, 2ff. VIII, 6, 6; 10, 3. IX, 33, 3. M IV, 4, 

2) S. VIII, 6, 4: fileTteis Se, on oiiSe sis afacov (namlich von den d-TtoardTai. 
/MI ztooSoTai T'fjs Ky.'/.hrjalas '/MI fihaaytifitfaavces) fisTevoijae xafaeo ay.oijaa.VTSs TO, 
urjfiaTa # ehdhrjaas aiiTOti . ., cirtb TWV TOIOVTCOV fj coi] di.7tsaTi], ebenso 
S. IX, 19, 1: ToijTois Se fisTdvoea, odx 'sari, d-dvuros Ss son, -Am instrilktivsten 
ist S. VI, 2, 3. 4 : bier wird die Siinde els &dva.Tov (Lasterung) von der sis 
y.aTacp&oqdv (Weltlust) xinterschieden. Letztere lafit eine fieTdvoia ^caijs zu, 
wahrend erstere hoffnungslos, weil tot, ist: f] y.aTacp&ooa. oi>v sfaiSa fyei dvavscaaecds 

TIVOS, '6 Ss 3'dvaTOs &7tcakeiot,v %%ei aldaviov. 

3) s. Zahn, d. Hirte d. Herm. S. 339 ff. u. z. B, S. IX, 26, 5 verglichen mit .6. 



128 7. Die apostolischen Vater. 

daB er selbst spater der alten Auffassung, dafi der Abfall -die Btifie 
eigentlich ausscliliefit. unwillkurlich wieder -naber gekomnien ist ; das war 

riber wdhl veranlafit 'durch die Erfahrung, dafi die 'Verleugner wohl 

auch die -Irrlehrer im ganzen wenig Sinn fur -die 'Bufipredigt gehabt 
'ha'ben. 1 ) Jetzt 'heifit es wohl: ,/Diesen -wird (Biifie, -werin sie erfunfle'n 
werden als die nicht von Herzen verleugnet haben ; wenn aber jemarid 
ierfunden wird, der von Herzen verleugnet hat. so weifi icn riicht, ob er 
leben kann" (S. IX. 26, 5). 2 ) 

Aber neben der schweren unvergebbaren Siinde kennt Hermas 

Siinden des taglichen (Lebens. die zwar schwer vergeben werden, denen 

er aber die Moglicnkeit der Yergebung nicbt abzusprecnen -wagt. 3 ) 

Nimmt man nun Mnzu, daB Hennas ,auch nach seiner Bekehrung mannig- 

fachem sittlicnem Tadel ausgesetzt bleibt, und dafi auch. die Grerecnten 

ibei jedem Vergenen ihre Zuflucht zu dem Herrn nehnien nmssen 4 ,), 

-weiter daB. nnter der Todsiinde -fast .ntir die Apostasie mit .den -Be- 

gleiterscheinungen ;der Grotteslasterung und der Denunziation von 

Mtcnristen gemeint ist, so .ergibt sich, 'dafi der praktische .TJnter- 

schied, zwisclien den von Hernias, von dem Hbr. und vom il. .01. ver- 

tretenen Anschauungen nicnt ;allzu erneblich. ^gewesen sein kann. .Zum 

Problem wurde der Abfall doch nur unter besonderen Umstanden iund 

zeitweilig. iEm iibrigen aber :wagten auch ;die Bigoristen nicht Sund- 

-losigkeit zu fordern. und werden auch die Milderen nicht grobe Siinden 

ohne ernste BuBe haben hingehen. lassen. 5 ) 'Die ^Gefahr bestand nicht 

eigentlich in der zu groBen Milde, sondern in der laxen Konsequenz, 

zu der der Eigorismus hintrieb, namlich die taglichen gewohnlichen 

Siinden nicht in ihrem ganzen OBrnst als Siinden zu -beurteilen. Wie so 



1) S. VIII, 6, 4 heiflt es von den Apostaten, Verratern und Lasterern, dafi 
keiner von 'ihnen : Bufie tue, well das Leben von ihnen gewichen ist; dagegen 
sind von denen, die ,,fremde" und ,,torichte Lehren" eingefuhrt haben, viele 'zur 
BuBe gekommen, baoi Se oi> fieravoijaovaw, drtcahsam' tyv t,a>fy' ai>icov ( 6). Von 
der ersten Gruppe sagt S. IX, 19, 1 fur sie gebe es keine BuBe (oben S. 127 Anta. 2). 
von der letzteren : tovrots <ri>v /ueTdvoia "/.eirai, lav tw/jb fieTavorjacoaiv s&v tfe 
flQaStivewTai, fierd iCov stpoTeptov sarai 6 &dvaros aitrcov. 

2) Das Martyrium dagegen 'bringt Vergebung aller Siinden s. S. IX, 28, 8. 
6. 7. Das ist spater allgemeiue TTberzeugung. 

3) ; M. IV, 3, 6 : fierd ir\v y.^fjaiv exeivrjv Tr\v ftsyd^rjr ttcu aef.ivi]V edv ns 
&.7tsi(>aa9'eis into lov Biafldlov dfiagrijarj, ftiav [isrdvoiav % ' -edv "tie into %eiQa 
lafiaqrdvi] ' /M ' 1 ' /ustavo^arj, d.o-uf.i<po(>dv kail tcy dvdfjcomp TCO roioijTcp, Svaxo^cae yari 
Ztfaemt,. 

4) S. IX, 31, 2: licet quis eorum temptatus a neqiiissimo diabolo dliquid 
deliquerit, cito recurret ad dominum siium, vgl. Zahn^-Hermas^S. 355. 

5) s. schon Paulus 1. Kor. 5, dazu die Bufiforderung, die 1. 01. (51, 1. 3) 
an die .,Aufriihrer" zu Korinth richtet. ' 



Anfange des BtiMkrsfcments. 129 

oft war die Grefahr auch hier dies, dafi der Rigorismus in Laxismus 
uflischlug. 

19. Die Ftirderung der Bufie spitzte sich schon in linserem \Zeit- 
alter und friiher zu zu der Anordnung von Siindenbekenntnissen und 
offentliciier Erinahnung der Sunder. *) Das Sundenbekeiiritriis soil einer- 
seits em Bestandteil des privaten Grebetes sein (Herm. Y. I, 1, 3. 
HI, 1, 5. S. II, 5), andrefseits Korea Avir von eirieni Simdenbekeriritnis 
in der Greineinde, insonderneit am Sonntag vor der eucharistischen 
Feier. 2 ) Der Gredanke dabei 1st, dafi das Grebetsopf er Grott nur dann 
angenehm sein kann, wenn der M'enseh zuvor seine Siinde bekennt. 
Daraus ergibt sich aber auch, dafi dem .Befcenntnis eine fortgenen'de 
Sundenvergebung seitens Grottes korrespondieren muB: Diese Betatigurig der 
Bufie 1st nun aber als eine Versohnung und Umstimmung 
Gf o 1 1 e s vorgestellt, vermoge welcher er wiedei 1 gnadig wird und uns 

-, 

vergibt. 3 ) Das ,,Bekenrien <( ist eine besondere Betatigungsforni der Bufie 
-(2. Cl. 8, 4), es ist notweridig urn. Yer'gebung zu erlangen (1. Cl. 51, 1. 3), 
und keines Dinges bedarf Gfott aufier nur dieses Befcenntnisses (ib. 52. 1). 4 ) 
So beginnt das Siindenbekenntnis ein statutariscner Ausdruck fur 
die bufifertige Gfesinnung zu werden, aber mehr als das, es wird zum 
Gfnadenniittel, das der Menscn selbst bandhabt und dtirch. das er Grott 
wieder gnadig zu machen vermag. NicKt die "Wandlung der Gesinnung, 
die' uns befahigt, der Grnade GrOttes wieder inne zu werden, 1st die 
Bufie, sondern der Akt, uni dessentwillen uns Gfott wieder gnadig wird. 5 ) 



1) 1. Tim. 5, 20: t.oiis a^iaQtdvovras evtbitiov Ttdvrcov e&ey%e. Jak. 5, 16: 

oliv dM.rjA,ois fas apafftias. 1. Job. 1, 9: Id* 1 - Sfiokoycofisv THS 
etc. 

2) Did. 4, 14: !>' e'/t%kr]oiq s^o^o^oy^ai] to. TtagaTtrcbfia/td aov. 14, !: 
xfjv Se XVQIOV avva'/ftevtss xAdaaTS afftdv y.al ei>%a()xrrij.ffa're, Ttjj 

td Tta^aTtrcbfiuTa iifiwv, oTtcos xa-daoa, fj -Svala fyiwv fj, cf. Act. Petr. 2. 

3) Herm. VI, 2, 1: TC&S E&'hdoofiaL ibv d'sbv Ttegl rcov dfiapTi&v fiov ratv 
tsksiiav ; Jy itolois ffifiaatv SQCOTIJOCO rbv KUQIOV, Iva ikarsvarirai /.ioi; S. IX, 23, 4: 

6 frebs ... . oil ,[ivr\<swMv.l rois B&fiohoyovfievois THS dfiagrias afamv, dAft" thews 
yivertu. 1. Cl. 48, 1 : Ttyocvteacofisv ry SsaTtotfi v.ai n^aijacof.isv fasTevovTss adrov, 
.OTtcos ikecoe ysvoftevos sTtHtaTodhayij r\(.ilv VMI liti rrjv OBfivijv tfjs. yiiaSekytias ?ifia>p 
a,yvT]v dycoyrjv dieoxaTaaTrjcir] fyias. 7, 7: ot.Ss (die Niiievlten) fisravotjaavres' sTtl 
reals af.ia^iij l uuaiv ain&v s^iLAoavto rbv -d"8ov bsETS^aavres xai E)M/3ov acozrjgiav. 
2; 3-: ixersvovtes avrcb'v tiscov ysvead'cu, e? ti ' &XOVTSS fi/tdgTere. 

.4) Das aiveato Ps. 69, 31 andert Cl. h* egoftohoytjffoficu, Der Ernst des Be- 
kenntnisses bewahrt sich in Taten, vor allem in Aim o sen. die als Mattel der 
Sundenvergebung gelten (2. Cl. 16, 4. Did. 4, 6). 

5) Spatere Eormen werden auch vorweggenommen durch den Gedanken des 
Hermas, daB zwischen der Lust und' der Strafe der Siinde ein festes Quantitats- 
verhaltnis besteht, S. VI, 4, 4: Tfjs tQvcptfs vai dTtdrqs 6 %(>6vos S^a sail ,/ 

Seeberg, Dogmengeschiclite I. a. Aufl. 9 



130 .'.? Die apostolischen Vater. 

Diese Auffassung der Bufie : begegnet : uns in den romiscben Urkunden. 
(1. Cl. Hernias), sie tragt durchaus den Cbarakter der Frommigkeit .des- 
spateren Judentums an'sich, denn sowobl der Gfedanke, dafi das Siinden- 
bekenntnis Mittel ist, iini Grott zur Vergebung zu bestinimen, als auok 
die Organisation der Bufie zur Beickte hat seine Parallelen in der Syn- 
agoge. Audi die Anfange des christlicnen Bufiinstitutes , die wir 
kennen lernten. naben an jiidischen Gredanken ihr Vorbild. x ) Aiicb. hier 
werden wir bereehtigt sein, ein Stuck judischer Einwirkungen auf den. 
Geist des Urchristentuins anzunennien. , 

An zwei Punkten liegen in den besprochenen Gedankenkreisen die 
Ansatze zu jener Verselbstandigung der Bufie, die spater ndben der 
Taufe ein BuBsakranient entsteben liefi. Es ist 1) der Gredankej dafi, 
Grott nacb und neben der Taufe nocb ein anderes Institut zur Siinden- 
yergebung der Kircbe gibt, und es ist 2) die Auffassung des Bufigebetes-. 
als eines besonderen Mttels, um von Grott Vergebung zu erwerben. 
Der erste Gredanke fuhrt auf die Idee, dafi Grott die Bufie als ein be- 
sonderes Sakranaent neben die Taufe stellt, 2 ) der zweite leitet an durcli 
Satisfaktion sicb jenes Saki-amentes wiirdig zu macben. Ersteres recbnet 
mit Gpttes Barmlierzigkeit, letzteres macht diese Barmherzigkeit von 
bestimniten Bedingungen abbangig. Doeb mit diesen Gredanken sind 
A\dr aus dem Habmen unseres 2]eitalters bereits binausgetreten. 

20. Mit der Taufe bat scbon Paulus das Abend mabl zusammen- 
gestellt (l..Kor. 10, 2f.). Die "Wiederbolung des letzten Mables des. 



T/)S e fiaadvov ij toga Tgidy.ovra i^ie^wv ljva{.iiv e%ei. 'Eav o&f filar 
Tovytfat] TIS '/MI (uxmrftij, fdav St- rjftegav fiaaaviad'ij, oKov sviavtov la^vsi i] T^ISQU, 
T;;S fiaadvov. JDer Sinn dieser Betraclitung- ist aber nicht der, als ware das Er- 
tragen der Strafe eine Satisfaktion, sondern durch dies Ertragen soil, nachH., 
der Mensch aufgeweckt werden zur BuBe, s. ib. 5, 3f. : ^ yap t^vcprj xal dadrtj 
fivtffias oitx e%si Sid, Tips dcptJOoiUvqv,' f/v. evSeSwtai- i] Se iifMogia nal'f] pdaavos,* 
orav y.o)3,rj&ij rep dvdjjcbrtco fdav f]f.ie^av, [ie%i)ls smawtov iif.uoq&l'cai y.al ftdaavi&Tru,. 
(ivfifjMs yd/) fisydlas %%ei i] tificogia xal i] fidaavos. Baaou>i'C,6fievos oiiv xai 
riiuo(>oij/.iEVOs okov rbv SVIUVTOV iivri/iiofsijsi TOTS ifjs Tqvcpfjs %ai dTtdTijs y.al- 
yivojoxei, on Si* aiitd Ttdoyei TO, Ttovtjad. 

1) Z. B. Psalm. Sal. 3, 9; 9, 12: xa&agiaei ev a/taoTiais ipvy^v ev K^Of.io),oyijaei,, 
oder die interessante Sehilderong in der Apocal. Mosis.4 11. Sclion zu BegmiL 
des 2. Jahrh. begegnen uns Ansatze einer Beichtpraxis (Backer, Agada d.. 
Tanaiten I, 407). Der Gedanke der satisfaktorischen 'Kraft der BuBe ist ebenfalls 
dem Judentum ganz gelaufig, s. Weber, Altsynag. Thepl. S. 300308, Bo us set,. 
Eel. des Judentums S. 3691 . ; , 

2) Es lohnt sich dem.Gedanken nachzudenken, daB es zwei Spatpropheten. 
sind, die fur die beiden Brennpvmkte des katholischen Christentums, die/ BuBe iind 
den Episkopat, ihre Autoritat einsetzen: Hermas und jene ,,CTottei3stimme" des- 
Ignatius (s. unten 8). -.'' 



Der urspriingliche Sinn ties Abendmahls. 131 

Herrn 1st: ein fester Bestandteil des cbristlicben G-ottesdienstes gewor- 
den, ;und aucb gewisse Formen der Passabmablzeit; die Jesus nacb 
sicberen Anzeicbe bei jenem Mahl befolgt hat, scbeinen vorbildlicb ge- 
blieben zu sein bei der G-estaltung des cb.ristlicb.en dslffVOV. . Dabei be- 
stand freilicb der grofie Unterscbied, dafi bei dem cbristlicben Mabl sich 
das .gauze Interesse auf Brot und "Wein konzentrierte, nicht auf das 
Fleiscb eines Lamm.es, und dafi das cbristlicbe Mabl baufig begangen 
wurde, nicbt nur einmal im Jabr. Dies letztere war in der Absicbt 
der Institution Christi begriindet. Diese Absicbt lafit sicb aus der 
tJberlieferung der Einsetzung bei den Synoptikern und Paulus nocb 
deutlicb entnebmen, man mufi sicb nur davor in acbt nebmen, niit 
Fragen und Problemen einer spateren Zeit an jene Worte beranzutreten. 
Es bandelt sicb bier, urn ein rein gescbicbtlicbes Verstandnis, nicbt urn- 
spate. Dogmen. 

Die gescHcbtliche Sachlage aber ist folgende. Jesus bat dieser Mabl- 
zeit zunacbst dadurcb einen eigentiunlicben Cbarakter verlieben, dafi er 
sie als Gregenbild zu dem escbatologiscben Mabl, das er einst wieder mit 
den Jimgern in dem Eeicb des Yaters begeben wird, auffafit. ?) Jesus 
bat dann bei der Yerteilung des gebrocbenen Brotes vor der eigent- 
licben Mablzeit dies Brot bezeicbnet als /.WV^TO GG)f.ta TO VTCSQ v[.ia)V. 
Erst spater nacb der Mablzeit bei dem dritten Kelcb, TO Ttor^Qiov 
T^g svhoyias (1. Kor. 10, 16; 11, 25) ist er nocbmals auf die Sacbe 
zuriickgekommen, indem er den den Jiingern gereicbten Kelcb mit den 
Worten begleitet : miJTO ib rtOTTJQiov i) Kaivi] ^ta^ijxjj koxlv ev ify ef-ify 
a c lf.tarL (1. Kor. 11, 25). 2 ) Aus diesem Tatbestand ergibt sicb nun 
folgendes : .1) wenn Jesus von der Mablzeit jetzt auf die Mablzeit einst 
binblickt und fur die Zwiscbenzeit zwiscben diesen beiden dies Mabl 
wiederbolt seben will 8 ) und dabei an einen Bestandteil desselben das 
Batselwort kniipft: dies sei er oder sein Leib, so will er den Jiingern 
sagen, dafi in dieser Zwiscbenzeit er selbst bei diesem Mabl so 
real gegenwartig beribnen sein will, nur in anderer Eorni, wie jetzt 
bei diesem Mabl und einst bei 'dem Herrlichkeitsmabl. /*). 2) Nicbt von 



1) Mt. 26, 29. Me. 14, 25. Lc. 22, 18. Derselbe Gedanke ist bei Paulus 
eigentiimlicb. verkiirzt: &%$* .<>$ 1^ (1. Kor.. 11, 26). . 

2) Die Erwahmmg der Simdenyerg-ebung Mt. 26, 28 cf. Me. 14, 24 ist nur 
eine Konsequenz atis dem Begriff des ,,neuen Bundes". 

3) Die Einsetzung zum Zweck der Wiederholung be/eugt Paulus auf das 
sckarfste, aber sie laBt sich. auch sicher aus der faktisehen Wiederholung des 
Mahles erschliefien, wie hatten denn sonst -die Jiinger darauf verf alien sollen, 
eine jiidische Mahlzeit mit ihren Eiten zu wiederholen \md doch das Hauptstiick 
derselben ausf alien zu lassen? . 

.4) Es gibt angesichts dieses Tatbestandes keine so perverse Frage als die, 

9* 



132 ? Die apostolisehen Vater. 

den Korrelatbegriffen ,,Meiscb und Brut" hat Jesus geredet^ sondern 
von seinem .,Leibe", und zwar zunacbst nur von dem Leibe. ,,Leib" 
1st nun aber wie das hebr. P]W Bezeicbnung der ganzen Person. Seine 
personliche, leibhaftige Gfegenwart bat er also in Aussicbt gestellt, niebt 
aber vom Genufi des ,,Fleiscbes" gesprocben. 3) Damit war an sicb 
die Einsetzung des Abendmabls vollzogen ; erst viel spater bat Jesus 
auf die Sacbe zuruckgegriffen. indem er den Jungern Fragen ihrer- 
seits mogen es mitveranlaBt baben erlauternd sagt. was diese seine 
Gregenwart ibnen bringen und fur sie bedeuten wird. Verinoge seines 
Blutes wird der Kelcb ibnen den neuen Bund bringen, oder sie werden 
seine Gregenwart erleben als die Gregenwart seines den neuen Bund be- 
dingenden Blutes, d. b. in dem Bewufitsein Sundenvergebung und neues 
Leben das ist der ,,neue Bund" zu erlangen. Eine erlaUternde 
Naberbestimmung ist die Erwahnung des Blutes, nicbt ein zweites 
Element" oder ein neuer konstitutiver Faktor. Was sie aussagt, war 
in dem to vntSQ Vf,i6Jv bei dem ,, Leibe" bereits entbalten, wie etwa in 
der Hingabe seiner Seele fiir viele (Mt. 20, 28) aucb die Hingabe seines 
Blutes entbalten Avar. Dafi diese Erklarung des ursprungUcben Sinnes 
des Abendmabls die ricbtige ist, kann durcb zwei Tatsacben erwiesen wer- 
den. Es ist einmal die vor dem. Empfang des Abendmabls gebraucb- 
liche liturgiscbe Eorrnel ,.komm Herr". die ganz klar zeigt, worauf es 
bei der Feier ankam und was man erwartete, narolicb die Gregenwart 
des Herrn selbst. a ) Es ist dann der ursprtinglicbe Text der Abend- 

ob das erste Abendmahl bereits ,,Abendmahl" gewesen sei, es war das Urbild 
aller Abendmahle. Vgl. E. Seeberg, Das Abendmahl im N. T., 1905. 

1) Did. 10. 6 beiJSt es nach dem Abendmahlsgebet : si&eico %&$is y.al xapsk&e'rr.o 
6 y.oafios ovtos. 'Qaavva rcff d'eqj 4aviS. JEi ne &yios eoriv, e^ea&co e% ns oiix 
%an, fieravositco fia^avh -frd, Afirfv. Um das Kommen der Gnadengabe (so #(s 
z. B. 1. Kor. 16, 3, 2. Kor. 1, 15. Epb. 3, 2. Acta Joan. 110 in bezug auf die 
eucharistiscbe Gabe) wird gebeten, darauf soil sicb die ganze Aufmerksamkeit 
richten, sodaB die Welt ihnen ftir den Moment ,,entgeht", sie um sie sich also 
nicht kiimmern (cf. ytoUd us Tta^e^srai, Passow Wb'rterb. II, 743). Dem kom- 
menden Kb'nig gilt das Hosianna (Mt. 21, 9. '15). In dem nn tuiD steigert sicb 
die Spannung der Vorbereitung- zum Hohepunkt. Dies Kommen ist also die eigent- 
licne Abendmahlsgabe. Nun hat Paulus nach der Erwahnung des ,,heiligen Kusses" 

(AUS Eel. 11. Gesch. I, 18 ff.) geschrieben : si TIS oi> y>dst ibv vtiqiov, ifrca dvd&e/ua. 
Magava &d- 1} '/&(>is fov xvyiov 'Irjdov /isff vfiwv (1. Kor. 16, 22 f.). Der KuB 

verbunden mit dem nach der Did. nun sicher zu identiflzierenden fm^avdt da 
lafit es als sicher erscheinen, dafi auch hier ein Stuck der Abendmahlsliturgie 
reproduziert wird. DaB dies vermutlich nicht nur von dem fin^ava -9-d gilt, 
sowie das dies so, und nicht fiagav &&& abzuteilen ist, ergibt sich aus dem 

SchluB der Apok, (22, 20f.): e(>%ov V.VQIS 'Irjaov- r t ftdgig tov y.vftiov 'Irjaov fiETot, 
Tt&vtcov. Ebenso entspricht der Erwahnung des Niehtliebens des Herrn die BuB- 
aufforderung der Did. Aber es mag sich hiermit im einzelnen verhalten, wie 



Brot und Kelch. 133 

mahlsworte bei Lukas, der den Abendmahlskelcb liberhaupt fortlafit, die 
Stiftung somit nur an das Brot kniipft (Lc. 22, 19 D). 1 ) 

Diesel' urspningliche Sinn der Feier ist bei Paulus und seinen Gre- 
meinden in Kraft gewesen. 2 ) Aber' Paulus hat in die Gescbickte des 



immer es wolle, so viel ist unwiderleglich klar, dafi in dem Marana tha sieh der 
eigentliche Zweck und Hohepunkt der Eeier zu erkennen gibt. Davon dafi die 
eucharistische Feier schon Tor c. 10 der Did. liegt, kann ja im Ernst nicht die 
Rede sein (s. unten). Noch an zwei Stiicke der alten Uberlieferung kann Mer 
wenigstens gedacht werden: die Emmausjunger erkennen die Gegenwart Christi, 
nachdem ,,er das Brot genommen und gedankt, es gebroehen und ihnen gegeben" 
hatte; die nmstandliehe Peierlichkeit des Ausdrucks.legt es nahe, dafi auch Mer 
an die Eucharistie gedacht ist, dann ist sie wieder dasMittel, dureh ,das Christus 
zu den Jiingern kommt. Diese Erklarung flndet ilire Bestatigung an einer Notiz 
des Hebr.-Ev., nach. der Jakobns von der Anferstehtmg Christi dadureh iiberzeugt 
wird, dafi dieser ihm das Brot reieht: iulit pcmem et benedixit ac fregii et dedit 
lacobo iusto et dixit ei: f rater mi,' comede panem tuum, quia resurrexit filius 
hominis a dormientibus (Hier. . vir. ill. 2). Vgl. noch die Formel in einem 
Abendmahlshymnus der gnostisehen Thomasakten (50) : eh&e wv seal xoivcbvijaov r/uiv. 

1) Wie immer man die Relation D des Lxikasev. beurteilen mag, so viel scheint 
niir nach der Textgeschichte klar zn sein, dafi sie uns beziiglich des Abend- 
niahls das Urspritngliche aiifbewahrt hat, denn sowohl der vnlgare Text, der 
zwei Kelche hat, als der altlateinische und altsyrische Text, die auf Le. 22, 19^ 
V. 17. 18 folgen lassen, sind nnr dann zu verstehen, wenn.'der zweite, der 
Abendinahlskelch, in der Vorlage gefehlt hat; beicles sind Versuche, den Abend- 
mahlskelch in den Text, hineinzubringen. Marcion (Tertull. adv. Marc. IV, 40, 
Epiphan. h. 62) bezeugt hinsichtlich des Brotes die Textform D, hinsichtlich 
des Kelches die vulgar gewordene, d. h. dem Paulus nachgebildete. Im Hinblick 
auf ersteres darf die Behauptung gewagt werden, dafi er selbst es wohl ge- 
wesen, ist, der den urspritnglichen Text D nach Paulus interpoliert hat, als 
Zeuge des lateinisch-syrischen Textes kann er jedenfalls nicht in. Anspruch ge- 
nommen werden (gegen Zahn, Einleitung II, 358). Die Anschauung, dafi das 
Brot allein das Abendmahl konstituiert, scheint librigens indirekt auch von Me. 
und Mt. bezeugt zu werden, wenn sie betonen, dafi alle aus dem Kelch 
tranken bzw. trinken sollten; was soil diese Bemerkung, wenn nicht eine 
andere Anschauung bekannt war? Auch der Terminus fur das Abendinahl 'Adois 
aprov spricht hierfiir, s. auch die beiden Geschichten zu Ende der .vorigen 
Anm. Von hier aus diirfte auch Eicht auf die im 2. Jahrh. Me und da bezeugte 
Sitte, statt Wein Wasser bei dem Abendmahl zu brauchen, fallen. Es gab 
eben von altersher eine Anschauung, nach der es sich zunachst urn das Brot 
bei der Feier handelte. Dafi Christus Brot und Wein gebraucht hat, ist 
gewifi sicher, aber nicht minder sicher ist, dafi die Grundidee der Institution be- 
reits am Brot zum Ausdruck gekommen war. . 

2) S. 1. Kor. 10, 4, wonach alle aus dem mitfolgenden geistliehen Felsen 
tranken, ?/ asr^a Ss i^v 6 X^ioroi. 1. Kor. 10, 16 f., wo Kelch und Brot xoivcovia 
TOV aifiaxos resp. rov awfiatos rov X(>IOTOV ist, d. h. eine Anteilgabe, die ausgeht 
von Christi Blut und Leib. Auch Mer ist die personliche Gegenwart Christi vor- 
ausgesetzt. 



134 ? Die apostolischeii Vater. 

Abendmahls dadurcli eingegriffen , dafi er der Feiier eine strenge 
gottesdienstliche Eorm gab und dadurcli einen tiefernsten Charakter 
fiii' sie gewann (s. 1. Kor. II). 1 ) Dadurch hat aber die Agape einen 
Stofi empfangen, und sie ward vollends entwurzelt,. als wie es Justin 
bezeugt das Abendniahl im Anschlufl an den Vormittagsgottesdienst 
begangen wurde (Ap. I, 65). Das Abendmahl hat aUmablich aufgehort 
Malil zii sein und am Abend begangen zu werden. Es wurde eine 
Kultushandlung .unter den anderen. 

: Aber tiefer als dies griff ein anderes in die Greschichte des Abend- 
mahls ein. Es ist die Formulierung, die Johannes der Sache gab. Den 
Gfeineinschaftscharakter der Eeier hat er kraftig betont (Joh. 13, 1). 
Aber als die eigentliche Gfabe erscheint jetzt nicht naehr .,der Leib" 
Christi, sondern ..Meisch und Blut" : ,.Eurwahr, ich sage euch, wenn 
ihr nicht eBt das Meisch des Menschensohnes und trinkb sein Blut, so- 
habt |ihr nicht das Leben in euch. Wer mein Meisch ifit und mein 
Blut trinkt, hat ewiges Leben. und ich werde ihn an deni letzten Tage 
auferwecken. Denn mein Meisch ist wahre Speise und mein Blut ist 
wahrer Trank. Wer mein Meisch ifit und mein Blut trinkt, der bleibt in 
mir und ich in ihm" (Joh. 6, 5356). 2 ) Der Gfedanke, d % afi Christus 
das Lebensbrot ist, wird hier zugespitzt. zu der Yorstellung, dafi Christi 
Meisch und Blut wirklich Speise und Trank sind. Dieser Gredanke ist 
nun in seiner schroffen Paradoxie nur eine Konsequenz der johanneischen 
Christologie. Ist der Logos wirklich Eleisch geworden, so wird seine 
Gfegenwart immer auch Gregenwart von Eleisch und Blut sein und der 
Empfang dieses Meisches iind Blutes, wird Empfang des ewigen Lebens 
sein. Aber freilich, die Sache kann sich auch umkehren: ,,Der. Greist 
ist das Lebendigrnachen'de. das Meisch niitzt nichts. Die "Worte, die ich 
euch gesagt habe. sind Geist. und Leben" (Joh.. 6, 63). Das ist be- 
greiflich : wurde der Greist Eleisch, so ist auch der Geist im Eleisch. 
An den gen Hininiel Grefahrenen denkt Johannes (6,62). Weni dieser 
sein Meisch gibt, dem gibt er Greist. Nichts hat Johannes nach diesen 
Worten so fern gelegen. als eine "Leugnung der geistigen personlichen 
Gegenwart Christi im Abendmahl (vgl. auch Apok. 3, 20), aber die neue 
Eormel ,, Meisch und Blut" 3 ) eroffnete neue Perspektiven und neue 

1) AVie Paiilus den Geist an das ,,Evangelium" gebunden hat, und wie er 
die Geistmitteilung als das eigentliche Wesen der Taufe erfassen lehrte, so hat 
er auch die Gaben des Abendmahls in den Zusammenhang' fester Pormen zu 
riicken getrachtet. Man kann, wenn mail dies beobachtet. -inn sebr wob.1 als den 
Vater der Gnadenmittellehre bezeichnen. ' 

2) DaC Job.. 6 sich auf das Abendmahl bezieht, ist unbestreitbar, es ist eine 
echt johanneische Zuritckdatierung; vgl. die Taufe Joh. 3. 

3) Die Formel aao:- y.ai alnu mag schon vor Johannes vorgekommen seiu 



Johannes uncl Ignatius liber das Abendmahl. 135 

JCdnsequenzen. Aus dieser Eormel sind ; die Probleme der kirchlichen 
Abendmahlslehre erst hervorgegangen. 

21. In unserem Zeitalter fliefien zwei Quellen ' abgesehen von 
Johannes fur.' die Anschauung vom Abendmahl. Ignatius und die 
Didache. Ignatius ' bewegt sich auf . der Lime der jbhanneischen An- 
sehauungsweise: nur sind sein'e Gredanken grober und einseitig. .,Die 
Eiicharistie ; ist <das Meisch unseres Seilandes Jesus Christus, das wegen 
linserer Siinden litt, das durch seine GKite derVater erweckte'*. Meisch 
und Blut des Davididen sind die Stiicke', die die Eucharistie oder Agape 
ausmacheh. 1 ) Als Erf olg dieses Grenusses bezeichnet Ign. die TJnsterblich- 
keit. Die Haretifcer, die leugnen, dafi die Eucharistie Christi Eleisch 
set, bririgen sich dadurch um Leben und Auferstehung (Sm. 7, 1). Die 
Eucharistie ist die Arznei der Unsterblichkeit, : ein Gegenmittel gegen 
den Tod 4 2 ) Ich glaube nicht, dafi diese G-edanken wesentlich tiber 
Johannes hinansgehen. Einerseits will im Auge behalten sein, dafi 
Ghristus als der verklarte Herr, der ' ja, nach Ign.. ,,im Meisch" ist. in 
Betracht kommt, andrerseits, dafi auch die rein geistige Einwirkung 
Christi unsterbliches Leben hervorbringt. Ausdriicke wie (p&QfiUY.OV 
TJjg &&avaoias diirfen nicht aus dem Eahmen dieser Gresamtanschauung 
herausgenonimen werden. Dann reicht das. .was Ign. sagen will, nicht 
hinaus iiber den johanneischen Gredanken, dafi wir das Eleisch des ver- 
kliirten Christus und damit eben seinen Greist empfangen. der ewiges 
Leben in [uns liervorruft und das Angeld der kiinftigen Auferweckung 
ist. Aber freilich die Ausdriicke in ihrer Massivitat konnten diese 
Empfindungen zum Ausgangspunkt fiir andersartige Gredanken niachen, 
denen das Abendmahl jwirklich eine physische Arznei der TJnsterbHch- 
k'eit wurde. 8 ) ZKL beachten ist noch die Strenge. mit der Ignatius 
die Abendmahlsfeier, die fur ih'n noch die Eorni der Agape hat,*) 

(vgl. Ignat.);'faBte man a&fia und <, als koordinierte Paktoren, so lag die Ver- 
anderung sehr hahe. , - . 

1) Sm. 7, 1: Tfjv ei)%aoi,aTiav adgy.a eivai tov afoTijoos -fjfi&i' 'Iijaov X^iaroU 
Ti]V i)7tE() T(OV dfiafJTicoi' fj/.ifov Ttad'ovaav, rj-f rfj f /^i]aTOTt]Ti 6 TCaTijo jjyeige-i'. 

Eoni. 7, 3 handelt zwar ! von der dydwj ay&a^ros des jenseitigen Lebens, stellt 
sie sich aber als Eucharistie" Tor (wie Apok. 19, 9) : ftytov &eov 9-e/M, o eativ 
*Ii]<rov XfJiaTov, rov 'e% aTtfyfidtos daviS, seal Ttdfia \)ekm TO ' al.fia, riv-rov, o 
dyditi] &<jpd'a()Tos, cf. Philad. 4. 1 

' ;2) Eph. 20, 2: eva, &(>tov xhcovres, on tanv yd^fiaxoi' Afravaalas, dv 
TOV firj duioQavslv, d.'k'ka, tfiv EV 'Iijaov XpiOTcp SidTtavTos. ~ 

3) Ein eschatologischer Zug haftet deni Abendmalil TOIL Anfang an au, 
weist doch das MaM hin auf die einstige WiederTerejnigung des Herrn mit den 
Jiingern, auf das &%?i oS eW-t], ' , 

4) Eoni. 7, 3. Sm. 8, 2: &ydni] xotsiv, so ist wohl "auch 7, 1 Aya-cav g-e- 
meint, Tgl. Zahn u. Punk z. d. St. 



136 7. Dje appstolischen Vater, 

dem offiziellen Gemeindeleben d. h. .der bisekoflicken Leitung unter- 
stellt. 1 ) : -..-. . 

Die Didache verordnet sonntagliche Abfindmahlsfeiern. Dein- eucha- 
ristischen Grebet soil dabei ein Siindeijbekenntnis vorangeken, damit das 
Opfer rein , sei. 2 ) Sehen wir von letzterem zunachst, :ab, so hat man 
den Eindruck, dafi es sich um eine Gremeindefeier handelt, die in ahnliclien 
Formen wie die von Justin geschilderte sich vollziehen konmte. Dem 
widerspricht aber die Schilderung jm 9. und 10; Kap., die, von einer 
.jSattigung" d. b. einer .wirkHcben Mahlzeit redet. Die Grebete tragen alter- 
tumbicben Qbarakter, die Taufe eig ovo^i&'xvqiov (9, 5) beweist, dafi sie 
alter sind als das Bucb selbst, das (7, 1) die Taufe auf die Dreifaltig- 
keit vorscbreibt. Scbwierigkeit bereitet nun. aber, dafi ein doppeltes 
Paar von Grebeten vorliegt, die beide zu Kelcb und Brot Beziehung 
baben. Wie immer sicb diese Scbwierigkeit losen mag, so viel ist un- 
leugbar klar, dafi die eigentHcbe Feier nicbt voi', sondern nach dem 
10. Kapitel ei-folgt, das zeigt der Scblufi desselben evident. 3 ) Man eiv 



1) Sm. 8, 1 : ' exsi-it] {Seflaia, eisftagicnia jffeia&co,' ij vnb tKlaxoTtov oiioa, i} : $ 
Hv UVTQS ertnjjeyfi. 8, 2 : oinr. etpv eaTiv %co(>ls TOV sTtiaxoTtov ovrs. fia.'jtTiCpi.v OVTE 

Ttoielv, Vgi. 8. 

2) Did. 19, 1: VMIU y.vQitt.'/Ji]V Si- xvgiov ovvaftdevTes y.^daars aQtov y.al 

7t(}oei;o[io}i.oyr]adfi8t>oi(<\ielEL&. hat 7tf}ooe$o/.i?) TO, Tta^aTtTco/iaru ii^ifov^ 

?; dvaia vficov -jj, mit folgender Anspielung auf Mt. 5, .29 f. . 

3) Znr Exegese dieser Gebete vgl. Wolileiiberg, die Djd. in ihrein Ver- 
haltnis zum neutest. Schrifttum 1888, S. 61 ff. Die Frage, die uns angeht, ist 
die, Avie sich die heiden Gehetsreihen zueinander verhalten. Dabei ist dreierlei 
klar: 1) der SchluB von c. 10 (s. S. 132 Anm. 1) zeigt mit aller Deutlichkeit,. 
daB-der Empfang der Eucharistie erst jetzt, nach der zweiten Gehetsreihe statt- 
finden soil, 2) c. 9 hat ebenfalls Beziehung zur Eucharistie, doch fallt dabei au|, 
daB zuerst iiber dem Kelch, dann liber dem Brot gedankt werden soil, wahrend 
c. 10 r^oytjv IB xa.1 TIOIOV ordnet. 3) Das zwischen c. 9 u. 10 stehende fisra Ss 
ib s.^n^aQrivu.L weist auf eine wirkliche Mahlzeit, die Agape, ... bin. Danach ist 
der Gang der Feier so vorzustellen : zunachs"t wird das feierliche Tischgebet 
gesprochen, das auf den Charakter des Mahles bereits Bezug .nimint, dabei stelit 
der Kelch voran, wie in der Pesaehliturgie (vgl. Lc. 22, 17), oder auch.in den f 
auch iuhaltlich verwandten, Sabbath- oder Vorsabhathgebeten der Juden (s. 
Sabatier, La didache p. 99S.). Es folgt die eigentliche Mahlzeit. .Erst nack 
ihr beginnt dann das eigentlich eucharistische Gebet, das auslauft in, den Abend- 
mahlsempfang. Diese Praxis verlangt die Did. Eine andere Frage ist die, ob 
sie ursprimglich ist. Dagegeu kann 9, 1 (as^l Se T//S ei>%a.(>ioiias etc.) und 9, 5 
angefiihrt werden, wo naeh der ersten Gebetsreihe die Bemerkmig: nur die Ge- 
tauften sollen von der Eucharistie essen, ste.ht. Aber diese Bemerkung wii-d nuf 
als Einleitung zu den eigentliehen Abendmahlsgebeten c. 10 gemeint sein, und 
eti%a(>ioTia und aydnrj sind synonym (Ign. Sm. -8, 1). Man konnte aber auch die- 
Sache so auffassen, daft c. 9 ein alteres Abendmahlsgebet ist, das zu einer Zeit 
gebraucht wurde, wo Mahl und Eucharistie noch ungeschieden beieinander wareii. 



Eucharistie und Qpfer ,in der Didaclie. 

wartet das Kommen des Her.rn, wie wir sa'hen, und zwar ist -das y,oa 
Christus gewji'kte ewige Leben auch Her , die eigentliche Gabe des geist- 
lichen Mahles. .?.) Nur der ist aber dieser Gabe fahig, der heilig ist, die 
anderen : sollen Bufie tun (10, 6). 2 ) Also auch. hier .haben wir wiedr 
den Gedanken, dafi Christus irn Abendmabl gegenwartig ist, und dafi 
der Genufi des : Jieiligen Mahles uns des ewigen Lebens teilhaftig macht. 
22.. $un begegnete uns aber der Begriff des Opfers (9-vaia) in 
Anwendung auf das Abendmabl (14, If.). Es ist zunacbst unfraglich, 
dafi dadurcb eine neue Bicbtung in den Abendmablsgedanken berein- 
komint, von unten nacb oben geht sie, nicbt von oben nacb unten. Das 
Opf er ist in dem altesten kircblicben Spracbgebraucb das Dankgebet oder 
aucb die Hingabe an Grott (Hbr. 13, 15f., 1. Btr. 2, 5. Eom. 12, 1. 
Pbil. ..2, 17; 4, 18. Barn. 2, 10. 1. 01. 52, 24). Opfer sind dann 
ubprbaupt die Gebete (Herm. M. X, 3, 2L), sowie das Fasten (S. V, 
3, 8), dann die gottesdienstlicben Grebete. und besonders, das eucbaristische 
Gebet (1. .01. 40, 2; 44, 4; 36, 1). Man bat 1. 01. .44, 4 zugleicb 
auf die Gaben bei dena Abendmabl bezieben wollen (Funk z. d. St.), 
das wiirde dann auch von unserer Stelle in der Did. gelten, und die 
Bezugnabme auf Mt. 5, 29 f. scbeint dem zu Hilfe zu kommen, ebenso 
die Anwendung von Mt. 7, 6 (,,gebt nicbt das j Heilige den Hunden") 
auf das Abendmabl (9, 5). Trotzdem wird diese Dentung nicbt ricbtig 
sein. Das gebt besonders aus Justins Spracbgebraucb bervor, der zwar 
Brot und Kelcb als die .wabren Opfer im Gegensatz zu den jiidiscben 
bezeicbnet mit Berufung auf Mai. . .1, ; -10 12 (aucb Did. 14, 3 ; . Iren. 
IT, 17, 5 u. p. angeflibrt), aber er erklart sich dann genauer dabin, 
dafi ,,die Gebete und Danksagungen (ev%a()iaTiai) die einzigen voll- 
kommenen und Gott woblgefalligen Opfer (\fooiai) sind" (Dial. 41. 117). 
Erst bei Irenaus nimmt die Sadie eine neue Wendung. Der Sinn der 

und dafl man spater, als es'iiir gut eraclitet wurde beide scharfer zu trennen, 
das Gebet des, 10. Kap. anfilgte. 10, 6 wiirde dann urspriinglich zwischen 9, 4 
und 5 gestanden haben, wo es sehr gut hinpaBt. Die Uuterscheidimg von Ei>%al 
und ev%aQtoiiat, bei Justin (Ap. .1, 65. 67) ist nicht vergleichbar, weil hier die 
Mahlzeit nicht mehr vorhanden 1st. Wohl aber mufi daran erinnert werden, dafi 
in spaterer Zeit Did. 9 seinem Hauptinhalt nach als Tischgebet gedient hat 
(Athanas. de virginit. 13 ed. .v. d. G oltz 'S. 47 f., dazu S. 83 ff., 136f .). 

1) Did. 10, 3: f]/.ilv Se e%d(?ioco 7ti>&v t uaTiy,f^ Toopfys y.ai Ttotbv y.al ^cofjf 
alarviov Slot, rov ttatSos aov. 

2). Man kann fragen, ob- sie hierdurch fur diesmal von der Feier aus- 
geschlossen -werden sollen, oder ob die Porderung nur besagt, dafi die, welche 
siqh heilig wissen, .kommen sollen, wahrend die anderen die 14, 1 vorgeschriebene 
Exomologese erst ' vollziehen sollen. Allem in letzterem Falle ware nicht 
jueravoeiTco gesagt >worden, und das Wort ftyios erfordert: als Gegensatz den 
notorisch Unheiligen, der in die Gemeinde nicht gehort. 



138 ? Die, apQstolischen Vater. 

Stelle Did. 14, 1 f. ist also , nur ;der , da6 man vor dem Opfer der 
eucharistischen Gebete sich durch Sijndenbekenntnisse reinigen solle/ da- 
mit dies Opfer rein sei, gerade so wie (4, 14) ermahnt Avird, seine 
Siinden zu bekennen, um nicht mit schlechtemGeAvissen an das Gebet 
zu .geheii.. 1 ) 

23. Blicken wir zuriick, so ist die Anschauung vom Abendmahl, 
die wir gefunden haben, eine wesentlich einheitliche. Christus selbst 
kommt 1m Abendmahl zu der Gemeinde, er ist leibhaftig gegenvvartig, 
dadnrch das neue ewige Leben in den Christen starkend und ihnen zu- 
gleich den Blick auf die Vollendung dieses Lebens eroftnend und diese 
Yollenduug in der Auferstehung garantierend. Das Avaren einfaclie " Ge- 
danken, aus d^nen die urspriinglicne Anschauung uns iiberall hervor- 
leuchtet, und sie verban den sich leicht mit den Grundmotiven der 
Prommigkeit, wie dem himmlischen allgegenwartigen Herrh, der Geist 
ist und doch Meisch, und der Empfindung eAviges Leben zu haben samt 
der Hoffnung in die ewige Welt bald einzugehen. Freilich die 'irdischen 
Elemente der Kirche fangen an sich um dies Gebilde zu legen : 1) das 
Mahl beginnt sich in einen kultischen Yorgang zu wandeln, Presbyter 
und Bischofe allein das folgte aus dieser Wandlung gai'antieren 
das echte Herrnmahl; 2) statt des alten owfi a und (.taQava && wird 
eine himmlische OCCQ^ angenommen, Avelche Fragen miissen sich daraus 
ergeben! 3) das eucharistische Gebet ist in ein statutarisches Schema 
gezwangt. es ist ,,das Opfer" ; nur Priester sollen dies Opfer darbringen, 
der Bischof Avaltet an diesem Altar, mag immerhin es noch den Pro- 
pheten freistehen, ein freies Gebet zu sprechen: 2 ) Man begreift die 
geschichtliche NotAvendigkeit dieser Wandlungen, aber man sieht auch 
die Gefahren voraus, die sich so leicht einstellen, Avenn eine grofie ein- 
fache Healitat in kultische Technik verArandelt AAlrd. 

Drei grofie Wandlungen hat die Geschichte des Abendmahls aufzu- 
weisen : aus dem Mahl wird ein kultischer Akt, damit fallt im. Prinzip 
die alte Agape, aus der religiosen AA r ird kirchliche Gemeinschaft ; aus 
dem oGif-ia niit der xaivrj dia$r>xr) Avird GCCQ^ y.al alpa, damit ist die 
praesentia vivi Christi (Apol. Aug. X, 57) bedroht; das Abendmahl wird 
Opfer, dadurch werden f remdartigeu MotiA T en die Tore geoffnet. Die Wurzeln 



1) Ign. Philad. 4 erwahnt neben ,/ a^| und *V ^tor^iov : ev 

ttnd sis sTtiaxoTtos. Dieser Altar Avird zAA'ar nicht der himmlische sehi (cf. Iren. 
ady. li. IV, 18, 6), aber auch kein irdischer Altar, das eiicharistiscbe Gebet selbst 
1st als Opferstatte vorgestellt. Nicht Merher gehort der Altar Hebr. 13, 10 ff. 
Vgl. iiberhaupt Kattenbuscli, Art. Messe PEE. XII 3 , 6731 

2) Did, 10, 6 : rofe Si- TttjoyrJTttis eTtnne-TtETE etyariunelv oaa 



Die Simde und die Damouen. 139 

dieser Wandlungen liegen schon in unserem Zeitalter, ihr Wacbstum 
Averden wir iin weiteren beobacbten konnen. 

24. Wir wenden uns nun Aveiter den Vorstellungen voridemneuen 
Leben zu. Zunacbst ist ein Blick auf die Beurteilung der Siinde 
zu werfen. Die Lebhaftigkeit des SiindenbewuBtseins entspricht der 
Dankbarkeit gegen den Erloser. Ohne leh.rb.aft formuliert zu Averden, 
liegt iiberall das Bewufitsein obne Cbristus verloren zu sein, vor. "Wir 
saben, dafi die Erlosung wesentlicb in der Mitteilung sittlicber Erkenntnis 
und eines unverganglicben Lebens bestand (S. 113f). Dem entspricbt es, 
dafi das Wesen der Siinde in dem Irrtum beziiglich Gottes und seines 
Gesetzes, in der bosen Lust und in Todbaftigkeit und Verganglicbkeit 
erblickt wird. *) Die Siinde ist in erster Linie Depravation iind Ver- 
derben, nicbt Scbuld. 2 ) In die Erwagung der Macht der Siinde 
spielt nicbt selten der Gredanke binein, dafi der Teufel zur Siinde ver- 
sucbt oder dafi bose Geister und Engel die Siinde in den Herzen be- 
wirken, und dafi dadurcb der Menscb aus der Herrscbaft Cbristi zuriick- 
yersetzt wird in die Gewalt des Teufels. 3 ) Allerdings vermag der Teufel 
die Glaubigen nicbt zu iiberwinden. 4 ) Die Rolle, die der Damonen- 
Avelt beigelegt wird, ist grofi, bes. bei Hernias. -Neutestamentlicbe. jii- 
discbe und antik volkstiimlicbe Vorstellungen werden einfacb iibernommen. 
Aber wie im N. T., so sind aucb bei unseren Vatern diese Yorstellungen 
zwar nicbt durcb Kritik, wobl aber durcb den etbiscben Wirklicbkeits- 
sinn modifiziert. Nicbt um Kampfe wider die Danionen und um Zauber- 
niittel zu ibrer Entmacbtigung bandelt es sicb ini sittlicben Leben, sondern 
um den Kampf wider die Liiste des Herzens und die Laster'des Lebens. 
Die Damonologie bat innerlicb nur die Bedeutung. die Macbt und die 
Furcbtbarkeit des Bosen eindriicklicb zu macben. Die Urkunde des 
Bosen wird ini Herzen gescbrieben, das Siegel unter ibr ist gleicbsam 



1) Barn. 14, 6: ChristuS erlost ms ij8-ij SeSaxqftevas //,c5r '/.agSias Tea 
v.al rtapaSeSofievas Tfi .trjs akdvys Avofiin. 15, 7 s. S. 122 Anm. 2. 1. Cl. 3, 4: 
/3a8i,eiv nara tag sTti&vfiias I'fjs tta^Sias niimv TIJS Ttovrjfjas. 2. Cl. 1, 6. 7 : 6 fiios 
JJ/J.WI' ijlos cillo oiiSsv f/v, si f.iij &dvaros. Gott rettet freaadfievos Iv ijf.ii>' 7tolli]v 
stlavr/v xal a?t col, siav y.al fiijSsftlav sfaiSa e%ovras acoTrjgias el f 



2) Das ist keineswegs unpaulinisch, denn auch Paulus kennt das todhafte 
"Verderben der Siinde neben der Schuld, aber es ist einseitig gedacbt. 

3) Herm. M. IV, 3, 6. S. IX, 31, 2. M. V, 2, 7 : yivsmt 6 avd-Qtoxos 
y.Erb-? &7tb tov Tcvetif.i.atos tov Si/xaiov, y.al to hovxbv TtsTt^^wftsvos rots rt 

rots rtOvrx>oTs u.y.ata.cnel EV Ttdai] Tt^d^ei a-drov, 7teQiaTtibf.tevos &Se y.ay.sTae &7tb rcov 
Ttvevftdrcov rcov Ttovijjjffiv. M. VI, 2,1.' 4; XI, 1, 3. Barn. 4, 13: 6 7tovrx>bs a<)>/mv 
),a@cov i^v na9 ? fjficov e^ovoiav hrttoaiytai fj^ias &7tb VTJS fiaaileias tov nv^iov. 20, 1. 

4) Herm. M. XII, 5, 2: Stivarat 6 Sidfiolos AvrKtaJMtoai , vMtaTCnl.aloni Se 
oil Svvatcu. 



140 ? Di e apostolischen Vater. 

die Damonenwelt. Sie scliarft den Christen die Wahrheit ein, daB der 
sittliche Kampf nicht wider Fleisch und Brut geht, sondern wider gei- 
stige Machte, wie Paiilus sagt (Eph. 6, 12). So wird es begreiflich, 
'dafi Hernias gelegentlick Geister als bildliche Bezeichnungen fur Siinden 
oder Tugenden verwenden kann (z. B. M. IX, 9, 11 ; X, 1. 2. Y. HI, 8. 
M. Y, 2, 8). ,,Der Weg des Schwarzen" ist der ,,"W"eg des Todes" 
('Did. 5, 1) u. Barn. 20, 1), und Siinden und Laster sind sein Inhalt, 
iind die sittliche Aufgabe besteht darin, sich ,,von alien cliesen" loszu- 
reifien (Did. 5, 2 fin.). Kataloge von Lastern und von Tugenden wurden 
durch die ,,beiden Wege" von Anfang an den Kateckumenen eingepragt, 
schon das N. T. setzt sie iiberall als bekannt voraus und kleidet die 
.ethischen Mahnungen in diese Schemata. *) Sie haben fiir das sittliche 
Leben der altesten Christenheit eine tiefgehende Bedeutung gehabt. denn 
sie haben in konkreten und praktischen Formen gezeigt, was bose und 
was gut ist. Und sie .gewahren uns die Moglichkeit deutlich zu er- 
kennen, worin die Urchristenheit das Yerderben der Slinde erblickte: 
bose Lust, TJnreinheit, Hurerei , Gotzendienst, Zauberei , Hafi, Mord, 
Diebstahl, Geiz, Liige, Yerleumdung, Streit, Schwelgerei usw. Hierin 
sah man die Gewalt des Teufels, und der Kampf wider diese Siinden war 
der Kampf gegen den Teufel. 2 ) Die Erfahrung .zeigte, dafi ,,die ganze 
"Welt in dem Bosen liegt" (1. Joh. 5, 19) iind dafi die Stinde allgemein. 
ist, ohne dafi man eines Dogmas von der Erbsiinde bedurft hatte, 3 ) und 



1) HauptsteUen fiir dea ,,Weg" der Siinden sind Kol. 3, Bff. Bom. 1, 28ff. 
1. Kor. 5, lOf. 2. Kor. 12, 20f. Gal. 5, 19fL Eph. 5, 3ft I.Tim. 1,91 2. Tim. 
3, 2ff. Tit. 3, 3. -Did. 5. Barn. 21. 1. 01. 30. Herrn. M. VI, 1, 2; VIII, 3ff. S. IX, 
15, 2ff. Plinius Ep. 96. Aristid. Apol. 15. Vgl. Genaueies bei v. Dobschiitz, 
Die xirchristl. Gemeinden (1902) S. 282 ff. A. Seeberg, Der Kat. d. Urchristen- 
heit S. 26 ff. und Das Ev. Christi S. HOff. 

2) Vgl. Herm. M. VII, 2f. : .ibv SE Sidpolov ,/) fpoj3i]d'fis cpofHovfiEvoz -/a<) 
ibi> ''V.v^iov '/Miuy.vQi&uoBis iov SiapoAov, on vva/.us EV aimp. oiiv. eanv . . . ., 

oi>v ibv y.vQiov ifo^&rjarj TO, epya rov , Siaflo&ov y.al oiix sqydarj ai>id f 
ei; i] drf ainwv. Obige Betrachtungsweise ist weit entfernt davon den 
Befund der Quellen zu rationalisieren, nur darum handelt es sich, den neuerdings 
mit Recht stark betonten Umfang der altchristlichen Damonologie (z. B. E vei- 
ling, Die paulin. Angelologie und Damonologie 1888) in richtiger Weise fiir 
das religiose Leben zu deuten. In dieser Hinsicht fiihren die neueren Dar- 
stellungen aber in die Irre, die Bedeutung der Damonologie in den wirklichen 
religiosen und sittlichen Vorgangen ist weit geringer, als man annimmt. Man 
kann es doch schon vou. der Anschauungsweise der altesten Christenheit aus 
verstehen, daJJ die Kirche zwar ein Dogma von der Siinde, aber kein Dogma 
vom Teufel aufgestellt hat. 

3) Barn. 6, 11 heiCt es, wir wurden erneuert fos acuSiwv e^siv tijv 
die Kinderseele ist somit rein. 



Simdenvergebimg und Heiligung. 141 

diese Erfahrung fand ihre Erganzung an d'er TJberzeugung, dafi nur 
Christus ein neues Leben> zu geben vermoge. 

25. Sowohl die Erkenntnis des Wesens der Siinde (S. 139) als auch 
was wir iiber Christi Werk horten (S. 113 ff.), lafit uns erwarten, dafi die 
Heilsgiiter wesentlich in der Neubelebung und Heiligung bestehen 
werden. So ist es in der Tat. ,,Wir danken dir . . . fur die Erkenntnis 
und den Grlauben und die Unsterblichkeit, die du uns kund- 
getan hast durch Jesuin deinen Knecht" heifit es in der Didache (10, 2)'. 
"Wahrheit und TJnsterblichkeit, Licht, Erkenntnis, Leben hat Ghristus 
gebracht (2. Cl. 1, 4. 8; 3, 1; 20, 5). Dafiir kann es aber auch heifien, 
dafi Ohristus uns das neue Gresetz ist (Herm. S. YTTT, 3, 2), oder 
es wird von einer wirklichen Umbildung, Erneuerung und Heiligung ge- 
sprochen, wobei Grott in uns wohnt oder Christi Bund im Grlauben unser 
wird. 1 ) Denkt man an den geschichtlichen Christus, so fiihrt man auf 
ihn die Gfaben der neuen Erkenntnis und Moral zuriick, denkt man an 
den erhohten Herrn, so weifi man . sich durch ihn zu dem ewigen Leben 
der Gremeinschaft mit Gfott neu erschaffen. Hierzu konimt weiter die 
Grabe der Siindenvergebung, die freilich etwas zuriicktritt (vgl. 
S. 117). "AcpeGiv TWV &(.iaQriG)V xal tbv ayvLGfibv tfjs v.ag- 
diag horen wir als Inhalt des Evangeliums anfiihren (Barn. 8, 3; 16, 8f.). 
Die Yergebung wird dabei als nohvendige Yoraussetzung der Erneuerung 
und geradezu als Yollzug der Heiligung betrachtet. 2 ) Diese Betrachtungs- 
weise liegt auch 1. Cl. 7, 4fL vor, wenn von Christus gesagt wird, er 
hatte die Grnade zur Bufie erworben. Sie liegt iiberhaupt der Anschauung 
von der Bufie zugrunde (Herm. 2. CL), denn das Korrelat der Bufie ist 
die Yergebung. Demnach wird man sagen miissen: die Heilsgaben 
sind neues Gesetz, Erkenntnis, .ewiges Leben, ein neues Herz, aber dies 
alles setzt die Simdenvergebung voraus. Gremafi der Idee des neuen 
Bundes besteht das Heilsgut in Yergebung und Heiligung, wie Bar- 
nabas sagt. . 

26. Unter den Heilsgaben fiihrt das N. T. auch die Grerechtig- 
keit an. Wie wird dieser Begrifi in unserer Zeit verstanden? In dem 
religiosen Denkapparat hatte er eine feste Stelle. Aber die grofie reli- 
giose Wahrheit, die Paulus durch ihn anschaulich machte, dafi namlich 
der Sunder, der glaubt, sein Yertrauen nicht auf die allmahliche Heili- 



1) Barn. 6, 14 dvaTteTthdafied'a. 15, 7 : tote Svvrjoofied'a avrrjv dyidaai aiirol 
ayiaa&evres Ttytovov, 4, 8; 6, 15. 19; 14, 6; 16^ 8ff. (oben S. 122 Anm. 2). 

2) Barn. 5, 1 : iiTte/usivEV 6 xtigios . . ., Iva. fT] dysasi TWV aLj.ia.Qnwv ciyvia- 
&&(.iei:', o BOTW KV rco (JavridfiaTi aiirov tov a'ifiaros. 6, 11 : sTtel cfirv dvaxaiviaas 
fyt&s ev tfl dy-east rcov Afiapncov ertoirjasv fjfias akhov ttiTtov cos TtaiSicov e%eiv rrjv 
vjv^rjv, dig a>> Si] dvriTtldooovTOs aiiiov 



142 7- Die apostoliscken Vater. 

gungsarbeit des Geistes griindet, sondern auf die durch Christus ge- 
gebene prinzipielle Gerechtsprechung diese "Wahrheit wird nicht niehr 
sicher erfafit. Zwar fehlt es niclit an Ausspriichen, die ganz paulinisch 
empfunden sind. So sagt 1. 01.: ,,Uiid wir nun durch seinen Willen, 
in Christus Jesus berufen, werden gerecht (dixaiov^isd-a) nicht durch 
tins, noch auch durch unsere "Weisheit und Yerstand oder Erommigkeit 
oder Werke, die wir gewirkt haben in Heiligkeit des Herzens, sondern 
durch den Glauben, durch den der alhnachtige Grott alle von Ewigkeit 
her gerechtsprach" (edixaicoosv 1. 01. 32, 4). Oder Barn, bezeichnet den 
Yollendungszustand durch ein <5ixcw#fiWg xat d/roAa/Joweg i;r]V 
srtayyeUar, oder Hernias sagt, Gott habe auf die Christen Gferechtigkeit 
herabtrikifeln lassen, iVce dtxatw^^re xca ayiaa&ffce &TCO yrdaTjg Ttovri^iag 
xal &rtb yfdai]S axoAto'^TOg (V. HI, 9, 1), oder 2. 01. (15, 3) mahnt: 
,,lasset uns nun dabei bleiben, was wir geglaubt haben, gerecht xmd heilig." 
Aber an keiner dieser Stellen ist, trotz des paulinischen. Tones, der ganze 
Gedanke des Paulus zum Ausdruck gekonimen. Nicht das ist namlich 
die praktische Erkenntnis, dafi der Gflaube eine Aufnahnie der Gferechtig- 
keit Christi ist, sondern dafi er die Beschaffenheit ist, diu-ch die 
man gerecht wird. So ist aber der Gedanke nicht haltbar, denn es 
ist nur willkiirlich den Grlauben allein zur Gerechtigkeit in Beziehung 
zu setzen, alle ilbrigen Txigenden haben diese Beziehung. Es ist daher 
ganz verstandlich, daB der Gflaube als Gfehorsani oder Tun der Wahr- 
heit bestimmt, oder niit der Gastfreundschaft verbunden wird (1. 01. 9, 3; 
10, 1. 7: 11, 1; 12, 1; 31, 2), dafi es heifit: s^yoLg diKaLOVf-ievoi Y.CU 
[.ii] hoyois (ib. 30, 3 cf. 33, 7f.), dafi die Siindenvergebung von der 
werktiitigen Liebe abhangig' gemacht wird (ib. 50, 5). Die Gerechtig- 
keit ist ITrommigkeit, aktive Lebensgerechtigkeit, die den Glauben 
unter andereni in sich schliefit. Die Gerechtigkeit ist nicht mehr Be- 
zeickrmng der Heilsgabe, sondern ein Ausdruck fur das Heilsleben. So 
wird die Sache fast immer gewandt hei den altesten Yatern. Nach den 
Werken wird das Gericht vollzogen, unsere .Gerechtigkeit geht dahei vor 
uns her (Barn. 4, 12). Daher sollen sich die Christen nicht von der 
Gemeinde ztiriickziehen, als waren sie schon gerecht geworden (og jjdit) 
dediY,ccLW/.iVOL, Barn. 4, 10), die aktive Gerechtigkeit ist natiirlich erst 
in der Ewigkeit vollendet. In diesein Sinn ist auch das Christentum, 
das .,"Wort von der Gerechtigkeit" (Pol. 9, 1 ; 3, 1). J ) Alles Bose soil 



1) Pol. 9, 2 sagt von den Heiligen, sie hatten gewandelt ev 

, beides gehort eben znsammen; 8, 1 mahnt ausztiharren ?[} efaiSi 
ita dppaficovi ITJS if.uioatjvi]s rftieov 8s son Xgiozbs 'IqaoOs, 6S Mgt 
Ptr. 2, 22, das scheint tiefer zu greifen, aber als Zweck des Leidens Ghristi 

angefiihrt: Ivu. fyjocofiev ev 



Die Gereclitigkeit. 143 

der Mensch abturi, ,,die gauze Tugend .. de'r Gerechtigkeit'^ anziehen, Ge- 
reclitigkeit wirken" (Herm. S. .YI, 1, ; ,4. M. I, 2; V, 1, 1 ; 2, 1; XH, 
1, 1; 2, ,4. ; V. in, 1, 6). Der Christ: tut also Gerechtigkeit und eben 
hierdurch wird er errettet (2. 01. .6, 7; 11, 1. 7; 17, 7; 19, 2. 3). 
Es ist so, wie ! Hennas sagt: Aber esrettet dich das Nichtabf alien von 
deal lebendigen Gott und deme Einfalt und die grofie Enthaltsamkeit. 
Dies hat dich gerettet, wenn du darin bleibst, und es rettet alle, die 
solches tun ; und wandeln / ohne Bosheit und in Einfalt. Diese werden 
aller Bosneit Herr Averden und werden atisnarren ins ewige Leben" 
(V,n,,3,:2). :-. . . .-.. .. / .-..,.;-, ... -. ;,. 

Das Christentum bangt nicbt an der Pormel ,,Gereclitigkeit" oder 
an einer theoretischen Deutung der, ,,Eeclitfertigung". Scnon . Johannes 
hat gesagt: ,,wer Gerechtigkeit tut, der ist gerecht" (1. Joh. 3, 7). Das, 
tim was es sich handelt, ist vielmehr, dafi der Mehsch die Erlosung und 
das Gute auf Gottes Gnade, und nieht die eigenen Krafte Und Verdienste 
begriindet. Dies wollte Paulus auf 'das sicherste feststellen durch seine 
Rechtfertigungslehre. Aber ein eigentiimliches Verhangnis hat liber ihr 
gewaltet: den Begriff der Gerechtigkeit pflanzte sie der Christenheit tief 
ein, aber gerade dieser Begriff ist zunachst zum Spalier der Eigen- 
gerechtigkeit in der Ghristenheit geworden. Man kann das an den 
apostolischen Vatern sehen. Ihr Moralismus tritt am klarsten in der 
Betrachtung der Gerechtigkeit" zutage. Zwar haben sie davon, dafi 
Christus allein das Gute Avirkt, eine. kraftige tlberzeugung, wie auch 
von der Notwendigkeit fortgehender Siindenvergebung.. Und dafi in den 
Ermahnungen zur sittlichen Tat man auf das Konnen des Menschen, 
und nicht 'Sein Nichtkonnen hinweist, ist dxirchaus begreifKch. Aber 
liber : diese natiirliche Einseitigkeit geht der Standpunkt der Zeit hinaus, 
die eigene Gerechtigkeit droht zum Orientierungspunkt des Innenlebens 
zu werden, man denke an Hennas oder 2. : 01. Dabei.niufi wohliiberlegt 
werden, dafi auch die Siindenvergebung von den eigenen Werken abhangig 
gemacht wird, ,denn die -"Werke ,,vers6hnen" Gott, der dann vergibt 
(oben S. 129).- : 

27. Zusainmenfassend werden, wir also sagen: die .Heilsgaben ent- 
sprechen genau dem Heilswerk, clessen Erfolg sie sind. Aber praktisch tritt 
eine gewisse Einschrankung ein. "Wohl :soll alles.Gute von Gott und 
Christus herriihren, aber der Orientierungspunkt fur den, geistigen Haus- 
halt werden doch die eigenen Krafte, Muhen und Werke. Man hat viel 
Gewicht darauf gelegt, dafi dieser Moralismus heidnischen Ursprungs sei 
(B-itschl. v. Engelhardt), und die altere Auffassung, die jiidische Ten- 
denzen darin erblickte (Baur), ist dadurch ziemlich verdrangt Avorden. 
Soviel ich sehe, ist von einem Entweder oder hier nicht wohl zu~ 



J44 7- Die apostolischen Vater. 

reden. Die moralistische Tendenz war sowokl dem Spsttjudentutii ate 
dem damaligen Heidentum eigentumlich. Wie das Christenfcutn die Formen 
tmd die Methoden seiner Existenz und AVirkung zunachst dem Judentum 
entlehnte, so ist auch der ethische MpraHsmus aus jener Qjuele geitessett, 
das zeigt die Zuspitzung auf ,,gerechte" Werke, wie die tibernahiae der 
pharisaischen Kardinaltugenden, aber er stiefi unter den bekehrten Heideh 
sofort auf innere Verwandtschaft. Der tiefste Grund dieser Yorgange ist 
religionsgeschiehtlich zu : verstehen. Mit dem Christentum trat 
die Erlosungsreligion in die Menschheit. die alte Mo'ralitats- 
religion hat mit gescliichtlicher Notwendigkeit zunachst auf der'netten 
Ifceligionsstufe sich zu erlialten versucht. Eine Tatsaclie von grofiter 
Bedeutung Avird durch diese Formel hell beleuchtet. Man kann die 
ganze Dogmengeschichte als den Kampf zwisehen den Elementen der 
Erlosungs- und der Moralitatsreligiori auffassen. denn in ihrem ganzen 
Verlauf ringen die beiden VorsteEiingen miteinander : ob Gott wirksamer 
oder fordernder "WHle ist ; ob das' Wollen und Yollbringen des 'Gruten 
bei uns Gfottes Gfabe oder nur Gfottes Aufgabe ist. Das ist der letzte 
Gfrund der Diffierenzen von der neutestamentlichen Zeit, die wir gefuiiden 
haben. In diesein Zusammenhang versteht es sich auch, daB das Wesen 
der Religion immer mehr in Furcht und Hoffnung erblickt \Yird. 1 ) 
Aber diese scheinbare Verscharfung des moralischen Elementes in der 
Erlosungsreligion hat immer zur Folge, dafi die eigentlichen Gaben der 
Religion in die Zukunft projiziert werden. Erst im jenseitigen Leben 
wird die Erlosung und die Seligkeit erreicht. Unter Gottes Herrsehaft 
und Gerechtigkeit in diesem Leben zu kommen, hat Jesus angeleitet 
(Mt. 6, 33), jetzt leistet der Mensch die Gerechtigkeit selbst und die 
erlosende Herrsehaft wird erst yon der Zukunft erwartet, das Reich 
Gottes ist eine rein eschatologische Grofie geworden (s. unten). 

28. Die letzten Bemerkungen haben uns aber bereits in ein neues 
Thema hineingefuhrt. Es handelt sich. nacMem wir : erkannt haben, 
worin die Heilsgaben bestehen, um das neue Leben der Christen , 
das durch jen'e Gaben gewirkt wird. Die Antwort auf diese Frage ist 
implicite in der Anschauung der Heilsgaben enthalten. Christus gibt 
das neue Gesetz. also sollen gute "Werke des Lebens Inhalt sein; Christus 
wohnt in uns und leitet das Leben und vergibt die Slinde, dem korre- 
spondiert die alte Tormel, dafi das christliche Leben ini Glauben, der 



1) Did. 4, 9f. : &7tb rrjs VBOTI]TOS SiSdt-sis (die Kinder) ibv y 6j3 or tov dsov' 
oiir. ETtird^eis Sov),(o aov rj TtatSiay.r] roTs ETTI ibv aiiibv dsbv s^Tci^ovaiv Iv 
mxgiq aov. Barn. 11, 11: ava(3aivo/.iei' (aus der Taufe) xaQTtocpoqovvTes ev trj 
xaqSia rov yoftov xai rrjv e^Tt'iSn sis ibv ^Irjoovv ev rc5 



Das neue Leben und das'neue Gesetz. 145 

Liebe und der Hoffnung besteht. Das sind die leitenden Gesicbtspunkte, 
sie geben naturlicb oft ineinander iiber. 

Cbristus bat uns das neue Gesetz gebracbt. Das neue Gesetz ist 
frei vorn. Zwang der Notwendigkeit, oder es ist dem Menscben in das 
Herz eingegangen ; es f ordert nicbt Opfer oder Fasten, sondern die Hin- 
gabe des Herzens. *) Das Gresetz zerfallt nun in eine Yielbeit von 
Geboten, die nicbt von der Synagoge genommen sind. sondern die 
den Cbristen durcb den ,,Weg des Lebens" von Anfang an bekannt 
werden. Dies sind die svroiai, die die Obristen erfiillen sollen und im 
Hinblick auf eben diese Gebote wird Cbristus als der neue Gfesetz- 
geber 2 ) bezeicbnet. Die Gebote bat der Cbrist ini Glauben empfangen 
(Herm. V. I. 3, 4). Er befolgt sie, wie 2. 01. betont. mit dem Motiv 
Cbristus fur seine Gfnade einen ,,Lobn" zu bieten (1, 3. 5). Es ist das 
Bekenntnis zu Cbristus, das aber in "VVerken besteben soil, und das im 
siindigen Leben sicb als eine fortdauernde aktive [.levdvoia darstellt 
(2. 01. 4, 3 ; 8. 13 ; 9, 7. 8 ; 13, 1 ; 19, 1). 3 ) Zu der Erfiillung der 
Gebote Cbristi bat der Menscb allerdings von Natur die Tendenz, aber 
zur Yerwirklicbung bedarf es docb, aucb nacb Hennas, der Einwobnung 
G'ottes im Herzen.*) Die Befolgung dieser Gebote ist die Hauptpflicbt 
und sie sicbert dem Menscben das ewige Leben (z/B. Barn. 4, 11 ff. ; 21,8. 



1) Barn. 2, 6: TO.VTU (die Opfer) ovv xarrfgy-qaev , Iva 6 y.aivbs vopos TOV 
y.vgtov fj/.twv 'I'tjaov Xoiatov, avsv tyyov avdyxys cov, fir) &vd'()cono7toit]TOv e%r] ii]v 
TtQoocpOQdv. 2, 10; 3, 6: Ttgoeyavejicoaev ijfilv nsgi Ttdvrcov, liva fiij Tt^oa^aaiufisda 
tag eTtijkvToi TCO s'/ielvcov (der Juden) voficp. 1. 01. 2, 8 : ia TtgoardyfiaTa y.ul TO, Stxaico- 
fiata, iov '/.VQ'IOV eTtl to, Tthdrr] Tfjs ttagSias iifitSv syeyqaitTO, vg'l. Jak. 1, 25. Gal. 5, 1. 

2) Der Sachverhalt ist besonders klar Barn. 21, 1: nachdem die beiden 
Wege mitgeteilt sind, heifit es: y.albv c&v sanv fiad-ovra rd 8iy.aiib/.iaia. tov 

, oan yey^aTtrai (namlich C. 19. 20), ev TOIJTOIS TteftntaTeZv 6 yap tavra 
sv ifj ftaaileiq tov dsov doizaafrifeeTat. Hier ist es handg'reiflich klar, 
1. das die Gebote, deren Erfulhmg die Seligkeit bringt, eben die der beiden 
Wege sind, 2. dafi Ohristus als ihr Urheber g-edackt wurde, ebenso 1. Tim. 6, 3 
vgl. Aristid. Apol. 15, 9, wie- er auck Urheber des Evangeliums ist, s. nnten 
8. Wer diese Gebote 'tibertritt, soil seine Ubertretiuigen bekennen (Did. 4, 14 
nach Auffiihrung der Gebote), die BuBe bestekt aber, wie die Mandate des 
Herm. zeigen, wieder in der Erfullung der Gebote. Die Betonnng des christ- 
lichen Charakters tier ,,Wege" beweist iibrigens nickts Durchscklagendes gegen 
ihr etwaiges Vorhandensein in der Synagoge. 

3) Hauptstellen 3, 3: otros oi>v sarlv 6 [iiofrbs ij/uov, lav oitv ouo/uoyijacojisv, 
Si oft 8aw-di][j,ev. 4, 3 : COOTS oi>i> . . EV tots spyois aiiTov 6fio).oycofiEv. 9, 7 f . : 
Avti'fiia-diav avrco SiSovces' Ttoiav ; ro fisravofjam g| eikixfjivovs xaoSias. 

4) Herm. M. XII, 5, 1 : 6 /.isv civfycortos . . . TCQodvfids son ias K-vio'f.ae TOV 
&EOV (pvl.doaeiv . ., dM? 6 Sidfiokos axiyoos eoTt y.nl y.aTaSvvuarEvij avTov. 
'M. XII, 4, 3: Stivarai . . jt&vtiov xal 7taaon> riav evTolcov TOVTCOV y.aTay.voievoai 
6 civd-gcoTtos 6 eywv tbv XTJQIOV EV Ttj y.aodin ai>rov, s. nodi S. V, 3, 4. 

Seeberg, DogmengescMohte I. 2. Aufl. 10 



7. Die apostolisclien Vater. 

Did. 4, 13: 6, 2. 1. 01. 3, 4; 37, .1 ; 40, .1. 5 ; 49. 1 ; 5.0, .5; 58,2, 
Pol. 2, 2. 2. 01. 17, 3. 6; 19, 3. Herm. M. IV, 2, 4; V, 2, 8; VII, 4; 
VHI, 12; XII, 3, 2. 5f. S. Vin, 11,4; X, 2, 4 ; 4,1). 

Schon jetzt. hat man iiber den Wert und die Verdienstlicbkeit der 
verschiedenen guten Werke Reflexionen angestellt. Dabei ist von be- 
sondereni Interesse, dafi die solennen guten Werke des Judentunis, wie 
sie Tob. 12, 8 zusammengestellt sind, wieder auftreten, regelmafiige IJbung' 
werden und besondere Wirkungen hervqrbringen. Al BIOS en sind die recbte 
Bufie oder das Losegeld fivr die Siinden (2. 01. 16, 4. Did. 4, 6). Das 
G.eb.et, verbunden mit dem Fasten als dem cbristlichen Opfer, erlangt 
von Gott besondere Gaben (Herm. V. II, 2, If. Ill, 1. 2; 10, 6. S. V,. 
3, 9). ] ) Dabei gilt die Skala: Gebet, Fasten, Almosen. 2 ) Dies ent- 
spricbt alles Vorbildern, die wir im Judentum haben. Das gilt aucli 
von dem Begriff der libers chiissig en Werke, den wir bei Hermas 
antreffen. Die Gebote Gottes ist jeder zu nalten verpflichtet, aber grofier 
wii-d seine Herrlichkeit sein, wenn er mebr tut als wozu er verpflicbtet. 
ist. So bandelt aber der, Avelcber was er durch Fasten erlibrigt bat, 
Witwen, Waisen oder sonst Bediii-ftigen gibt. 3 ) Auf dem Boden der 
cbristlicben Religion, die . die ganze deni Menscben moglicbe Hingabe 
an Gott zm- Pflicbt macbt. bat diese jlidiscbe TJnterscbeidung an sick 
keinen B,aum. Man scbuf diesen Platz, indem man die individuellen 
Auspragungen besondei'er Frommigkeit zum Ideal, aber zu einem nur 
relativ verbindlicben Ideal erbob. 



1) Das Gebet ist zur festen Sitte geAVorden, dreiinaliges Vaterunser tag-lick,. 
Did. 8, 3 cf. Aristid. Ap. 15, 10; ebenso das Fasten, Mittwoeh und Preitag, Static, 
s. Did. 8, 1. Herm. M. V, 1, If. 5. 

2) 2. Cl. 16. 4 : uaAdv odv eheijfiofftjvri cus fisrdvota anaffiias '. x^sioocov- 
iTjotBia, Tt^oaev/fjs, l^eiiaoavj'i] Se &/.i(pore(>coi>. 'Ay&Tti] SE vakvitTsi TtArjO'os df 

(1. Ptr. 4, 8), Ttgoaev'/i] SE &/. y.ahrjs awsiStjasfos &"/ ftavdrov irueiai. 
Tt&i 6 Bii^B&el-; KV TOVTOIS fthtfytji sf.si]ftoai)vi] ya.^ y.ovyKffiu ufiaoTias yivemi. 
Interessant ist, daJS atich hier das BuBgebet als das eigentliche Heilmittel in. 
BetracM koinmt, das Alinosen. tritt nur erleichternd Mnzu, vgi. oben S. 130. 

3) Herm., S. Y, 2, 7; 3, 3: sav Se n Aya.d'ov rtoitfarjs ey.rog Tfjs evroiijs iov- 
fl'eov, aeavrcS 7te<)i.7toiijai] So^ar Tte^iaoore^av y.al ear] evSo^ots^os Ttutta rep &sca ob 
ef.ieU.es elvai. ib. 3, 7 zeigt, wie durch Almosen das Fasten zum vollkommenen 
gottgefa'Uigen Opfer wird vgl. Aristid. Ap. 15, 9. Grenau so. wie Hermas imter- 
scheidet das spatere Judentum die Gesetzeswerke (niisa) von den freien Liebes- 
werken (o^cn n-i^oi), die vom Gesetz nicht gefordert, aber besonders verdienstlich 
sind, s. Weber, Altsynag. Theol. S. 274 ff. 318 ff. Bousset, Rel. ,d. Judent, 
S. 385 f. Indem nun aber die personliehe Barmherzigkeit und- Freundlichkeit im 
Christentum zu den Geboten gehorte (s. Did. 1, 3ff. cf. 15, 4, freilich fehlte 
dies Stuck der Did. zur Zeit des Herm. wohl sicher), so nahm die Abstufung 
eine neue Form an, s. noch M. IV, 4, 2, wo. das Eingehen der 2. Ehe zwar niclit 
Siinde ist, der Verzicht aber eine groUere Herrlichkeit erwirbt. 



Gute Werke. Glatibe und Liebe. 147 

29. Wir reden zweitens von cler Bestimnmng des Christenlebens 
als Grlaube, Liebe, Hoffnung; oder aucb nur Gflaube und Liebe., 1 ) Einer 
genaueren Erorterung bedarf nur der Grlaubensbegriff, Nocb immer ist 
dieser Begriff der einfacbste Ausdruck des subjektiyen Cbristentums ; 
der Grlaube vereinigt uns mit Grott, indem er uns zu Him emporfuhrt 
(Ign. Epb. 9, 1). Oder der Grlaube ist die Gfeborsanisgesinnung, die von 
Grott die Grebote empfangt, oder er ist die tlberzeugung des Gfott er-. 
scblossenen Herzens, dafi er Heil gibt. Im Gregensatz zu den dlipv%0l 
oder Zweiflern ist der Grlaube kraftig und kraftigt, er stammt von Gfott 
und bat grofie Kraft, wabrend die diipv%ia voni Teufel berkonunt und 
der Kraft entbebrt. Daber ist der Grlaube aber aucb die zuversicbtlicbe 
Stimmung, deren der Beter bedarf, oder scbliefilicb aucb die vorztiglicbste 
Tugend. Alles dies stebt bei Hennas. 2 ) Man kann daraus seben, wie 
fast alle neutestamentlicben Nuancen im Grlaubensbegriff nocb, empfunden 
werden. Grlaube ist eben der geistige Zustand, der durcb die Gfottes- 
gemeinscbaft entstebt, daber sind Furcbt und Gfeduld, Langmut und 
Selbstbeberrscbung , Weisbeit und Erkenntnis die Genossinnen des 
Grlaubens, und die Haupttugenden werden als seine Tocbter angeseben. 3 ) 
Im Sinn der innerlicben Lebensgemeinscbaft verstebt aucb Ignatius den 
Gflauben. Obristus selbst ist der vollkommene Grlaube (Sm. 10, 2), oder 
der Grlaxibe ist Anfang des ewigen Lebens, und Grlaube und Liebe als 
Einbeit sind Grott" (Epb. 14, 1). 4 ) Das ist also der Grlaube, das Erfullt- 
sein von Grott (vgl. Magn. 1, 4). 

Freilicb ist nicbt zu iiberseben, dafi aucb dieser Begriff enger und 
einseitiger genominen ist als im Neuen Testamente. Dies liegt an zweierlei: 
einmal daran, clafi der Gflaube, sofern er Hinnabnie ist, es docb baupt- 
sacblicb mit den Greboten zu tun bat ; daber wird aucb bervorgeboben, 



1) Barn. 1, 4. Pol. 3, 2. 3. Ign. ad. Pol. 6, 2. Eph. 1, lj 9, 1; 14, 1; 20, 1. 
Magn. 1, 2; 13, 1. Philad. 11, 2. Sm. inscr.; 1, 1; 6, 1. Herm. S. IX, : 17, 4. 

2) Herm. M. VI, 2, 10. V. I, 3, 4: sav trj^riaioaiv TCI. vovifia TOV -9sov, & 
naQElaflov lv : ueyd%r] Ttiafst. V. IV, 2, 4: rfjv xaydiav ffov rfvoi^as TCQOS 
rbv KVQIOV mcrrevaas , on Si oiiSevbs Stivfl acodfjvai el /.irj Sia lov fisydAov y.cti 
svSo^ov bv6/.iatos. M. IX, 10: svSvadfisvos ti^v nianv iijv ia%v()av nai 

V. Ill, 5, 5 : la^vQoii. eaowrai. sv TIJ TtioTet, ib. 12, 3 : evewafico{)r]rs EV rrj Tti 

Gegensatz zur Siyw/ja z. B. M. IX, 5. 7. 11, diyv%os aucb. Jak. 1, 8; 4, 8; nacli 
Did. 4, 4 (cf. Barn. 20. 1 dmloxagSia), ist der Ausdruek woh.1 nacb. den. beiden 
Wegen gelaufig gewesen, s. noch 1. Cl. 11, 2; 23, 21 2. 01. 11, 2. 5; 19, 2. 

M.-/IX 7: nlarsve rep deed, STI Ttd-ina rd ahrffiatd aov S. aheis hty!]. Glaubens- 

tugend M. V, 2, 3. V. Ill, 8, 3. 

3) Barn. 2, 21. Herm. V. Ill, 8, 3ff. Pol. 2, 1. 

4) *Qv otiSev hav-frdvei V/.MS, edv reheicos els 'Irjaovv XQIOIOV %%>YC ii]v 
aal ii}v aydTti]v, iJTts eovlv dy/ft ^corjs VM\ ieios' dq%ij fiev'jtioris, telos Ss 
TO, Se Svo ev &v6rr)Ti ysvofieva deos sariv, cf. Magn. 1, 4: -deov yeiierco. 

10* 



148 ? Die apostolisehen Vater. 

da6 er an und fur sicli nicbt geniige, sondern eines Beisatzes von Furcbt 
bediirfe (Herm. M. X, 1, 4ff. ; VII. 4). Sodann aber beginnt der Glaube 
imnier mehr auf die Zulcunft sich zu richten. Man stellt Grlaube und 
Hoffnung zusainmen (1. 01. 12, 7), oder bestimmt den Glauben als Ver- 
trauen oder Hoffnung (rtions V rtertoi&iJGSi, 1. 01. 35. 2; 26, 1; 58, 1 ; 
2, 3. Barn. 1,6; 4, 8 : ekrtlg Tfjig Ttiorecos), oder man legt der Hoffnung 
bei, was dem Grlauben zukomnit. J ) Diese Yerscbiebung des person- 
licben Heilsstandes 1st durcbaus begreiflicb ini Yergleicb dazu, was wir 
ilber die Heilsgaben borten. War das Gesetz sowie das ewige Leben 
die Hauptgabe, so wird das Erleben dieser Gabe naturgemafi in der 
geborsainen Aufnabme des Gesetzes und in der Hoffnung auf die jen- 
seitige Belobnung des Geborsams besteben. Granz deutblcb wird dieser 
Zusammenbang bei 2. 01.. wo der Grlaube einfacb als Fiirwabrbalten der 
Lobnverbeifiung auftritt. 2 ) Aber so entleert ist der Grlaube docb nocb 
nicbt, als es biernacb scbeinen konnte. Nocb. baftet ibm die Art des 
Erlebens und der wirklicben Gemeinscbaft mit Grott an. Scbon steben 
Furcbt und Hoffnung 3 ) auf dem Plan, inn. den Grlauben abzulosen, aber 
nocb ist er nicbt verdrangt. Wir treiben wabrlicb keine Wortklauberei, 
es bandelt sicb. aucb bier scbliefilicb um den Gregensatz zwiscben Er- 
losungs- und Moralitatsreligion : der Grlaube an die gegenwartige erlosende 
Herrscbaft Gottes oder die Furcbt vor Gottes Gebot und die Hoffnung 
auf jenseitigen Lobn! 

Das Ganze des cbristlicben Lebens ist Glaube und Liebe : TO yccQ 
olov sorlv TCiGtic, xal aydrtr], cov ovdsv rtQOKeKQwai (Ign. Sm 6, 1). 

30. Das Bewufitsein der Einbeit in den altesten Geineinden stiitzte 
sich nicbt zuletzt auf die gemeinsame Hoffnung. Scbon gab es Cbristen, 
die sicb von der Genieinde loslosten und in der Einsamkeit ein Privat- 
cbristentum sucbten. Ibnen gilt die Mabnung, zusaminenzubleiben mit 
den Brtindern, ist docb das Ende nab. 4 ) Wie die Obristenbeit' der 



1) Z. B. Barn. 6, 3. 9; 11, 8. 11; 8, 5: ol Blni^ovrss In aiirbv ^aovcat sis 
lov aicova. 12, 3 : ov Swavrai awflfjvcu , ectv f.ii] en aittco einlacoaiv. Herm. 
M. XII, 5, 2: ov Swarai (der Teilfel) y.araSvvaaTsvsiv rcav . . . s^ o).i]s xagSias 
f.).7ti,6vTcov 87i avtbv. 2. Cl. 11, 5. 

2) 2. Cl. 11, 1 : sav Ss fii] Sovf.svacofisv Siot, to f.ii] TTIOTSVSIV fjiius trj Knayyehiq 
lov \)EOV, lalMmcogot saofis-da. 11.5: fifj Siijjv^cofisv, aV,a. efaiaavres iino/.t,eivcof.iEv, 
tva. y.al ibv fiia-Sbv xofuacafisda. 

3) S. bes. Barn. 11, 11, wo ,,Furckt und Hoffnung" die Wirkungen der 
Taufe sind. 

4) Hbr. 10, 25. Did. 16, 2: nvxvcos Ss ovva%di']a8ads QrjTOvvres tat, avrjxowm 
tats tfjv%a.rg itficov. Barn. 4, 10: ,} '/.a.& > eavroiig svSvvoviss fiovd^sre cos i]8tj 
SsSiy.aicofisfot, a.W Km, to avtb auvs<)%6fievoi avvtytelts itsgl tov v.OLvT] avfiys^ovros. 
10, 11 : y.ollaads fiera t&v <po[3ov(.ievcov tbv xtiqiov. Herm. S. IX. 26, 3 : ysvofievoi 



Das Ernie 1st nah. ^ 149 

Gregenwart sicli als eine Geineinschaft darstellte, so wird auch ihre Zu- 
kunft als ein Gemeinleben gedacht. "Was hienieden die Kirche 1st, wird 
in der Vollendung das Reich Gottes sein. 1 ) Aber nicht alle, die gegen- 
wartig zur Kirche gehoren, werden einst Gflieder des Reiches sein. Daher 
beginnt der Begriff der Kirche selbst gespalten zu werden. Hennas Aveifi, 
.dafi im Turm der Kirche viele tinbrauchbare Steine sind, und dafi viele, 
die Zweige von deni grofien Weidenbaum Christus (dem Gesetz) empfangen 
haben, sie verdorren liefien. Ihra ist nun die Aufgabe geworden, durch 
die Bufipredigt den Gegensatz zwischen Wesen und Erscheinung der 
Kirche aufzuheben, das Ende ist nahe, daher sollen nur lYomrne hinfort 
zur Kirche gehoren (S. IX, 18, 3f. ; 9, 4; 7, 2. X, 4, 4). Aber Hernias 
weifi, dafi, wie ira "Winter die saftigen und die verdorrten Baume das 
gleiche Aussehen haben, in dieser Welt die Gferechten nicht anders aus- 
sehen als die TJngerechten. 2 ) Erst die kiinftige Welt macht den Unter- 
schied offenbar (S. IV, 2). Daraus ergibt sich, dafi die wirkliche heilige 
Kirche oder das Eeich Grottes erst der Zukunft angehort, und dafi in 
der Gregenwart die wirkliche Heiligkeit aller Grlieder zwar zu erstreben, 
aber doch nicht zu verwirklichen ist. Reich Grottes und Kirche, und 
das "Wesen und die Erscheinung der Kirche treten in Gegensatz zu- 
einander. Noch empfindet man nicht das Grewicht dieses Gfegensatzes, 
denn es ist ja das Ende nahe, und es ist schon die letzte Arbeit, die 
am Bau der Kirche ausgefuhrt wird. 

Das Ende ist nahe ! Wie oft ist in jener Zeit dieser Gedanke aus- 
gesprochen werden (z. B. Barn. 4, 3. 9; 21, 3). Das Merkwiirdigste 
dabei ist, dafi er die sittliche Kraft nicht untergraben hat. In zwei 
Typen tritt im N. T. die Eschatologie auf. Man konnte den einen den 
lyrischen und den anderen den draniatischen nennen. Jener sagt kurz 
von der Nahe des Endes, seiner Verborgenheit xind der Pflicht sich be- 
reit zu halten, dieser gibt die Vorzeichen des Endes und die Vorgange 
dabei an. Beide Typen sind so beschaffen, dafi sie die Tlngeduld nicht 
aufkommen iind die Zeit nicht lang werden lassen. Der erste indem er 
zur personlichen sittlichen Selbsterziehung , der andere indeni er zu 
frommer Beobachtung der Geschichte anleitet. Die Wahrheiten, dafi 



ts ,<} y.o)J.cdf.isvot, rots Sovhois tov $eov dhha (tor d,o vies drtottvovot. 
tag EO.VTWV tpv%ds. 

1) Did. 9, 4: avva.%3rjtco aov i] eaxfaiaia d?tb i<ov Tteqdrcov trjs yfjs els t-tyv 

ai]v fiaoileiav. 10, 5. 2. Cl. 5, 5; 9, 6; 12, 6; 19, 4. 11, 7: sdv olv x 

<ir\v Siy.aioavfrjt' Kvdvtiov tov deov elaij^ofisv els ii]V fiaaiheiav avrov xul 
rcis 



2) S. Ill, 2 : ovre ol Si'/.atoi yaivovTcu ovre ol dfiaorcoAoi ev TCO alwvi rovrcS, 
dl,K S-inioi elaiv. 



150 7- Die apostolischen Vater. 

,,reif sein alles ist" . und] dafi die Geschichte Gottes ist, sind an 
diesen eschatologischen Stinimungen der Menschheit aufgegangen. Sie 
haben die Christenheit niclit triige und dreist gemacht, sondern sie wachsam 
und demutig erhalten. ..1st denn das Ende schon da?", fragt Hernias; 
die Kirche aber antwortet ihm : ,,Unverstandiger Mensch. siehst du nicht, 
dafi der Turin noch im Ban ist ? Wenn der Ban vollendet ist, dann ist 
das Ende da; es wird aber scbnell gebaut werden. Frage mich nichts 
mehr. es geniigt dir und den Heiligen diese Erwahnung und die Er- 
neuerung eurer Geister" (V. HI, 8. 9). ,,Heilet euch also, solange 
noch der Turin im Bau ist" (S. IX. 32. 1). ,,So tuet denn gute Werke, 
die ihr es vom Herrn empfangen habt, damit niclit, falls ilir zogert, der 
Turmbau zu Ende komme . . . "Wenn ihr euch niclit beeilt gut zu 
handeln. wird der Turin fertig und ihr werdet von ihm ausgeschlossen 
werden (S. X, 4. 4). Das ist die praktische eschatologische Stimmung, 
mit der sich natiiiiich die Furcht -vor den ewigen Strafen und die Sehn- 
sucht nach den ewigen Freuden verbindet. 

31. Aber auf diese Stimmung blieb die alte Eschatologie nicht be- 
schrankt. Hbr. 6. 2 erwahnt als Stiick der christlichen Elementarunter- 
weisung auch ,,die Auferstehung der Toten und das ewige Grericht". 
Dem entspricht es, dafi Did. 16 ein kurzer eschatologischer Abschnitt 
zu lesen ist. und dafi Kenntnisse auf diesem Gfebiet bei den Lesern nicht 
selten vorausgesetzt werden. Did. 16 fafit die Hauptsachen zusanimen 
(Pseudopropheten, der Antichrist, die Yorzeichen, die Auferstehung, das 
Kommen des Herrn). Im einzelnen mufi verwiesen werden auf die chrono- 
logischen Erwagungen, die Barnabas anstellt: daraus, dafi Dan. 7. 24 
in Erfiillung gehe, wird die Nahe des Endes erschlossen (4, 3 ff.). J ) 
Entsprechend den sechs Schb'pfungstagen wird Grott in sechs Jahrtatisenden 
diesen "W'eltlauf zuin AbschluB bringen, da vor ihm ein Tag wie tausend 
Jahre ist. dann folgt dem Sabbat -entsprechend -em siebentes Jahr- 
tausend. in dem Christus die Welt erneuert, und die vollendeten Ge- 
rechten diesen Weltsabbat heiligen. Darauf bricht die Welt der Ewig- 
keit an, der achte Tag, der sein Yorbild am Sonntag hat (15, 5 9). 
Das ist nur die christliche Erweiterung chronologischer Spekulationen, 
wie sie vom Spatjudentum gern betrieben wurden. 2 ) Indem man an dem 
jiidischen Yorbild festhielt, war man auch zur TJbernahme der ganzen 
sinnlichen Herrlichkeit des 7. Jahrtausends oder des Milleniums ge- 
notigt. Im engsten Anschlufi an die jiidischen Yorbilder (Henoch 10, 19. 



1) Die Abfassung unter Nerva, dem elften Kaiser, der drei zusammen al)- 
getan hat, namlich clem flavischen Geschlecht den Thron nalim. scheiut mir 
hiemach siclier zu sein. . 

2) S. Bousset, Eel. d. Jud. S. 234 f. 



Millenium uhd Weltende. 151 

Apolt. Bar. 29 cf. Sib. Ill, 744 f.) hat Papias Jesum von der wunder- 
baren Pruchtbarkeit der Erde reden lassen, und von einer leibhaftigen 
tausendjahrigen Herrschaft Ohristi berichtet (bei Iren. V. 33, 3f. Eus. h. e. 
Ill, 39, 12). l ) Dariiber hinaus lag dann der eigentliche Himmel der 
'Christen mit der ewigen Seligkeit. So wurde der Weltabschlufi des 
Judentums neben dem christlichen konserviert, indem man ihn als Vor- 
stuf'e der Vollendung stehen liefi. tJber die Auferstehung handelt 
1. Cl. 24 26 eingehend. Nacht und Tag, Saat und IVucht. aber auch 
; den Phonix als Zeugen aufrufend. Auch diese Beweise, besonders auch 
die Heranziehung des Phonix, sind jiidischen Ursprungs. 2 ) Nach der 
Auferstehung findet das Gericht statt (2. Cl. 9, 5), als Mafistab dierien 
Christi Gebote (ib. 6, 7), erne doppelte Vergeltung findet statt. 3 ) Diese 
Gedanken werden gern als Motive zur Sittlichkeit bemitzt. Es gab ja 
in der Tat kaum einen so kraftigen Antrieb zur Sittlichkeit als den 
Gedanken. dafi die Werke iiber des Menschen ewiges Geschick entscheiden. 
Diese Vorstellung stammt aiis einer anderen Zeit (sie gehort der Gesetzes- 
religion an), aber sie ist stehen geblieben. 4 ) und ist dann eine starke 
Stiitze der moralistischen Anschauung des Yerhaltnisses zwischen Gott 
und dem Menschen geworden. 5 ) 

32. Die ausiiihrliche Erorterung. die wir angestellt haben. gait der 
Grundlage, - auf der sich die Entwicklung der christlichen Gedanken voll- 
aogen hat. "Wir haben dabei immer auf den Zusammenhang zu deni 
Christentuin der Apostel geachtet. Erhebliche Differenzeh der An- 
schauung und der Empfinduug stehen neben einer auffallenden Konti- 
nuitat der Gedanken. Aber das Yerstandnis dieser Sachlage ergibt sich 
nicht aus der Annahme, dafi der paulinische Lehrtypus zugrunde liegt. 
r mifiverstanclen und vergrobert woi'den ist. Gegen diese Anschauung 



1) Dieses Schema ist auch Apok. 20, 1 6 "benlitzt uud von dorther in -die 
Kirchenlehre gekommen. Ubrigens mag die Tradition, der -Papias folgt. m'.eht 
dm Unrecht gewesen sein, denn Jesiis hat sich freilich der Elemente der jiidischen 
Eschatologie bedient, Avie besonders Mt. zeigt. 

2) S. Meriiber Spira, Escbatol. d. Juden, Hall. Diss. 1889,. 8. 32 ff. 

3) 2. Cl. 11, 6; 15, 5; 10, 4: dyvoovoi ij).ixt]v e%et fidanrov S] IvddSe drtot.avats 
y.ai o'iav r^vffjv %%ei ?). ftekkovaa enayyel-ia. 

4) Das ist erne haufige Erscb-einting, man redet z. B. vom ,,Verdienste." 
imd der ,,Satisfaktion" Christi, obgleich diese Begriffe soiist prinzipiell aus dem 
protestantischeu System ausgeschaltet siud. 

5) Herm. V. Ill, 7, 5. 6 hat man den (jedanken des Piirgatoriuiiis n'ndeii 
wollea, aber sicher mit Unrecht; es heifit, daC auch fin- die, die zeit\veilig dem 
Ban der Kirche nicht eingegliedert werden kounen. spater, wenii sie ihre Silnden 
abgebufit haben, die Mb'glichkeit bei einem geringeren Kirchbau Verwendung zu 
finden, besteht. Der Ban ist also an der Stelle aitf die Kirche der G-egemvart 
resp. der Zukunft xu beziehen. 



152 7- Die apostolischeu Viiter. 

Hitschls oder M. v. Engelhardts hat Haruack mit Recht Einspruch erhoben. 
Der paulinische Lelirtypus als solcher bildet iiberhaupt nicht die geschicht- 
liche Grundlage der religiosen Erkenntnis der nachapostolischen Literatur,. 
so sehr die Schriften Pauli tind eiuzelne Formeln aus denselben bekannt 
sind und verwandt werclen. Ganz ahnlich verhalt es sicb mit der sonstigen 
apostolischen Literatur. Am meisten Yerwandtes liegt noch vor zu den 
katboliscben Briefen. Aber auch hier handelt es sich nicht um eine- 
schulmafiige literarische Abhiingigkeit, sondern um einen gemeinsamen 
geistigen Besitz und verwandte religib's-sittliche Stimniungen. ' Es ist 
Einheit in der Grundlage vorhanden. Diese Grundlage besteht aber ia der 
gemeinchristlichen ,,Lehre", die wir alsbald genauer kennen lernen werden. 
Der Grundstock der Begriffe, Anschauungen und Urteile ist fiir die aposto- 
lischen Yater wie fiir die Apostel ehvas Gegebenes und TJberkoninienes. 
Manche Anschauung des Paulus oder des Johannes lafit sich auf diesem 
TJniweg iiber die apostolisclien Yater als christliches Gemeingut begreifen r 
wie sich uns gezeigt. Begriffe wie die Trias, .der Herr im Himmel^ 
Christus als das Wort, die Trias Glaube, Liebe, HofEnung, die Gerechtig- 
keit, die Taufe, das .,Fleisch" Christi im Abendmahl, das ,,neue Ge- 
bot" etc. sind nicht paulinisch oder johanneisch, sondern gemeinchristlich, 
Die gemeinchristliche Lehrtradition erklart die Gemeinsamkeit der Grund- 
anschauung hier und dort, und sie allein erklart sie wirklich. 

Aber niemals lafit sieh im kraftigen Strom des Lebens eiri Gedanken- 
komplex unverandert fortpflanzen. Wohl konnen sich die Formeln wie 
sie waren erhalten, aber je nach deni besonderen Bedarf der .Zeiten 
wechselt ihr Yerstandnis und der Besitz, den man aus ihnen erwirbt. 
Das hat schon Paulus erkannt, indem er ,,sein Evangelium" dem ,,Evan- 
gelium der Beschneidung" an die Seite stellte. Gerade dieser Gegensatz 
ist es aber, der den Fortschritt resp. die Diffei'enzen, bemessen am 
,,alten Evangelium", erklart. Dafi die Kirche immer mehr heidenchrist- 
liche Art annahm, das war der treibende Faktor in der Entwicklung. 
Unter diesem Gesichtspunkt will letztere zunachst verstanden sein, nicht 
als ,,Abfall" oder Depravation. Darum handelte es sich, was der Heide 
jener Tage brauchte und suchte. Der Heide brauchte aber den nahen r 
verstandlichen, lebendigen Gott, der ihm Licht und Leben im Wirrsal 
der Superstitionen und der Todesfurcht gibt, der ihm den Weg des 
Guten zeigt und die Kraft ihn zu beschreiten schenkt; es bedurfte 
weiter der sittlichen Zucht, der Organisation der Lebensformen, sollte 
das Christentum im Gedrange der Kultur und der Mysterien des ,,Yolker- 
chaos" zu einer geschichtlichen Macht werden. Das war die Nachfrage 
und sie regeitej Avie immer, das Angebot. Paulus hatte mit ungeheuerem 
Idealismus die Liebesmacht des Geist-Herrn verkiindigt, er hatte dadurch 



Judische und heidnische Elemente. 153 

das Zentrum der Erlosungsreligion der ganzen Welt erschlossen, und 
clabei hatte er die religiosen Beziehungen zum Judentum durchschnitten : 
alle empfangen den Geist, der das Herz reinigt und Angeld des ewigen 
Lebens 1st, der Gesetzeswerke bedarf es nicht zur Siindenvergebung. 
Aber wie sehr war er andrerseits darauf bedacht, den Geist an feste 
empirische Formen zu kniipfen, und wie genau achtete er darauf, dafi 
die Gebote und Verbote der christlichen ,,Lehre" befolgt wurden, und 
wie sehr spiiren wir endlich in seinen Brief en das Interesse an der Kon- 
solidierung des Gemeindelebens. Weiter ist Johannes gegangen, seine 
Formeln ,,Licht, Leben, Logos", ,,neues Gebot" entsprechen ganz und gar 
dem Bedarf der Heidenchristenheit. Auf dieser Bahn bewegen sich auch 
die apostolischen Vater. Aber hiermit ist an sich noch keineswegs gesagt, 
dafi dies Verhaltnis von Angebot und Nachfrage eine Eulle .,heidnischer" 
Elemente in das Christentum hineintragen rnufite; Man darf sich diirch 
solche Aufierlichkeiten wie die gelegentlichen stoischen oder platonischen 
Phrasen iiber Gott oder die Welt (z. B. 1. 01., aber auch Herm.) nicht 
irrefiihren lassen. Das Eigentumliche der Lage war doch zunachst dies, 
dafi man der Erlosungsreligion gern einen Zusatz von Elementen der 
Moralitatsreligion gab, sie schien dadurch haltbarer und verstandlicher 
zu werden. Nun war aber das Christentum von alien Seiten her von 
den Kelchblattern des jiidischen Nomismus umschlossen. Auf cliesen warf 
man sich, oder aus dem Judentum entlehnte man die festeren Elemente 
und Institutionen, die man brauchte. Es ist, meine ich, klar, dafi dies 
von den gesetzlichen und moralistischen Elementen gilt, ebenso von den 
hierarchischen Tendenzen und den Traditionselementen. Aber auch in bezug 
auf rein lehrhafte Neubildungen wird man zunachst innner fragen miissen, 
ob. sie nicht aus jiidischen Gedanken zu erklaren sind. Wollte man 
christliche Gedanken erlautern und christliche Institutionen fortbilden, so 
drangten sich aus der jiidischen Tradition eine ganze Fiille von ver- 
wandten Elementen herzu, wahrend das Heidentum in der aufierlichen 
Gestalt wenigstens, in der es sich dem Mindergebildeten darstellte, nichts 
Verwandtes darbot. Dies ist das eine Moment: der moralische und 
gemeindliche Bedarf der Heidenchristenheit wird TJrsache des Eindringens 
legalistischer Tendenzen und gemeindlicher Ordnungen des Judentums 
in die Kirche. Zum anderen nun bedingt die religiose Fragstellung .nach 
Licht und Leben, dafi diese und verwandte Momente in dem christlichen 
Gedankenkreis in den Vorclergrund geschoben werden. Man denkt also 
rnehr an das Todesverderben als an die Schuld der Siinde, betont mehr, 
dafi Christus Licht und Leben, als dafi er Siindenvergebung bringt. Aber 
diese Gedanken sind selbst der moralistischen Deutung fahig : das Gesetz 
hat Christus uns geschenkt und den sicheren Lohn dafiir verheifien, das ist 



154 8. Die alten Normeri der Lehre. 

idas Licht und das Leben. Wird diese Deutung Wirklichkeit, dann Avirkt 
der heidnische Seelenbedarf Aviederum zur Einfuhrung jiidischer Gedauken- 
elemente in das Christ en turn. 

So parodox dies Resultat klingt der heidenchristliche Seelenbedarf 
hat jiidischen Gedanken und Tendenzen Eingang in das Christentum ver- 
schafft . so genau scheint es niir dem Quellenbefund zu entsprechen. 
!Die reine Erlosungsreligion hat durch Paulus prinzipiell mit der jiidiscben 
Moralitatsreligion gebrochen, aber um konkret wirksam zu werden, hat 
sie bald wieder Anleihen bei ihr geinacht. Aus diesem Resultat wird 
es aber auch verstaudlich, dafi die einen Eorscher das Christentitm der 
apostoliscben Yater mit ebensoviel Energie als heidniscb beeinflufit 
ansehen, Avie die anderen von jiidischen Elementen reden. "Wir 
Avissen jetzt, dafi beide Recht und Unrecbt haben. Und in der Tat 
operieren die ersteren nur mit ,,Tendenzen" und Stimmungen." , die 
anderen nur mit ,.Lehren" und Institutionen. diese finden nur ,.Judisches", 
jene nur ,.Heidnisches". Aber zunachst hat das Heidentum so auf die 
Kirche eingewirkt. dafi es das jiidische Element in ihr starkte. Aber 
schon ging ein neues Stadiiim dadurch an. dafi die Christenheit einerseits 
Gebildete und Bildung der ausgehenden alten Welt in sich aufnahm, 
andrerseits A'olkstiimlich zu werden anfing. DaA r ou ist Aveiter zu reden. 



8. Die alten Normen der Lehre; Geist, Kanon, Lehre und 
Bekenntnis. Die Kirche und das kirchliche Ami. 

Th. Zahn, Gesch. d. neutest. Kanons. 2 Bde., 1888ff. und Gruiidrifi der 
Gesch. d. neutest. Kanons. 1901. A. Harnack, Das N. T. urn 200, 1889. Halm-, 
Bibliothek d. Symbole u. Glaubensregeln d. alten Kirche, 3. Aufl. 1897. P. Cas- 
par i, Ungedruekte . . . Quellen z. Gesch. d. TaTifsymbols. 1866. 69, 75, und Alte u. 
neue Quellen z. Gesch. d. Taufsymbols, 1879. Th. Zahn. Glaubensregel xmtl 
Taufbek. in Skizzen aus dem Leben d. alten Kirche 2 , S. 238 ff u. PEE. VI s , 682t. 
Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893. A. Harnack, PEE. I 3 , 741ff. 
F. Kattenbusch, Das ap. Symbol, 2 Bde., 1894, 1900. J. Kunze, Glaubens- 
regel, h. Schrift u. Tauf bekenntnis, 1899. F. L o o f s , Sy mbolik 1, 1902. A. S e e - 
berg, Der Katechismus der Urchristenheit, 1903, und Das Evangelium Christi, 
1905. E. Seeberg, Der Begriff d. christl. Kirche I (1885). E. S o h m . Kirchen- 
recht I, 1892. M. Winkler, Der Traditionsbegriff des Urchristentums, 1897. . 

1. Wir haben erkannt (S. 65 f.), dafi schon in der neutestamentlichen 
'Zeit das christliche Leben einerseits A r om ,,Geist" getrieben wurde, 
andrerseits feste statutarische Foi-men und Normen seine EntAvicklung 
bestimmten. Bei dem letzten neutestamentlichen Autor fiel uns bereits 
die Vorliebe fur das feste ,,Gebot" auf. Dieser Zustand hat in del- 
Kii'che des 2. Jahi-hunderts fortgedauert. aber er ist allmahlich immer 
starker zugunsten der Autoritat der festen Formen modifiziert Avord'en. 



Geist uncl Wort. 155 

"Dies geschah einmal dadurch, dafi die gewaltigsten Geisttrager sowie 
ihre Schriften selbst zu festen Autoritaten wurden (die ,, Apostel" u. 
ihre Schriften, sowie die Schriften der alten ,,Propheten" u. ,,Lehrer"), 
>dann aber dadurch , dafi man den ,,Geist" diesen Autoritaten unter- 
ordnete, um ihn schliefilich nur noch bei ihnen anzuerkennen, nicht ohne 
dafi ibr Kreis verengert wurde, indem man die ,,0ffenbarung" scharf in 
die Grenzen der neutestamentlicben Zeit einschlofi. Nicht geistige 
'Tragheit oder hierarcbiscbe Tendenzen baben diesen Prozefi veranlafit, 
soudern die innere Notwendigkeit der gescbichtlicben Eutwicklung. Es 
war wirklich so, dafi man immer mehr den Geist mit seiner inneren 
religiosen Belebung und Erfabrung in den Pornien erbielt, die die 
Apostel gepragt batten. An der Offenbarung, die ibnen geworden ; 
empfand man die wirksame Macbt des Geistes und in den Forrnen, die 
man auf sie zuruckfiibrte, bot sicb diese Macbt dar. Je mebr dies ge- 
^scbab, desto fester wurde die Autoritat der TJberlieferung, desto mebr 
bezog die religiose Erfabrung ihren Inbalt aus der Offenbarung des TJr- 
cbristentums, und damit wurde diese zur einzigeri wirklicben ^Offen- 
barung". Nicbt neue Offenbarungen meinte man jetzt vom Geist er- 
warten zu sollen , sondern der Geist lebte in der alten Offenbarung. 
Dazu kam , dafi sicb das Leben der Gemeinden gescbichtlicb in den 
Formen der TJbeiiieferung konsolidierte. Wer sie antastete oder aufier 
acht liefi, tastete dadurch das Christentuin selbst und die Kircbe an. 
Und so niufite man um so mehr empfinden, als nicbt an alien Geist- 
tragern ,,die Art des Herrn" zu spiiren war, tind als im Namen des 
Geistes sicb Theorien und Lebensanscbauungen geltend macbten, die 
pffenbar aus einer anderen "Wurzel emporsprofiten , als die war . die 
Cbristus und die Apostel gepflanzt und gepflegt batten. 

So ist es gekommen, dafi die Geistoffenbarungen in der Kircbe all- 
mablicb ganz verscbwunden sind vor der Offenbarung Cbristi und der 
Apostel und dafi das Yerstiindnis dieser nicht der Begeisterung der 
Interpreten tiberlassen , sondern nach einer festen Tradition gestaltet 
wurde. Nach diesen allgemeinen Benierkungen miissen wir im einzelnen 
die gescbichtlichen Zustande darlegen, wie sie sicb wabrend des Zeit- 
raums zwischen dem Homer Clemens und den montanistischen Kanipfen 
entwickelt haben. 

2. In den ersten Dezennien unseres Zeitraumes bat das Geistwesen 
sicb nocb kraftig in der Kircbe geregt. x ) Yom Geist getriebene wandernde 
Apostel und Propbeten waren . eine so hiiufige Erscheinung, dafi mancber 



1) Eine kurze Zusammenstelhmg 1 der Geistwirkungen s. bei Harnack. 
.Miss.-Gesch. S. 149 f. 



156 8. Die alien Normen tier Lehre. 

Sclnvindler sich dieser Maske bediente, uiid die Genieindeu der Beleh- 
rung niter das Verhalten zu diesen Leuten bedurften (Did. 11 cf. 1. Joh. 4, 1). 
Zu den Propheten und Aposteln traten die mit Geist ausgeriisteten 
,,Lehrer" (Did. 13, 2). Der Apostel hatte den Drang und die Gabe 
zur Missionsarbeit in sich, der Prophet sprach ,,im Greist" neue 'Wahr- 
heiten und Offenbarungen aus, der Lehrer leitete zu tieferem Verstiind- 
nis der iiberlieferten Wahrheit : ) an. AVandernde Missionare werden 
z. B. im 3. Jobannesbrief (v. 5f.) empfohlen. 2 ) Das Hermasbuch lafit 
tins mit unvergleichlicher Anschaulichkeit in die Inspirationen eines Pro- 
pbeten blicken, und der Yerfasser des Barnabasbriefes gibt immer wieder 
zu verstehen, dafi Gott ihm die Grabe der Lehre und Weisheit verliehen 
habe. und er von ihr Gebrauch zu machen die Pflicht habe (1, 5. 8;. 
4, 9; 6, 5. 10; 9, 9). 8 ) Aber der Geisttrager im spezifischen Sinn 
ist doch der Prophet. Wenn er .,im Geist" redend Unerhortes lehrte- 
oder forclerte, clann enipfand man deutlich das Walten einer iiberirdischen 
Macht, es war etwas anderes als bei clem predigenden Missionar oder 
deni allegorisierenden Lehrer. 

Der Prophet nun spricht und handelt sv 7tvev[.iavi. In mancherlei 
"Weise geschieht das. Der Greist ergreift Hennas und tragt ihn iiber- 
unwegsame Strecken fort, und eine Frau, nach der er Begehr getragen,. 
erscheint ihm, ihn der Siinde anklagend (Vis. I, 1, 3f.). Dann schaut 
er auf eineni weifien Stuhl eine Greisin sitzend (ib. 2, 2), sie gibt ihm 
ein Biichlein, das er, ohne es zu verstehen, absehreibt (Vis. II, 2, 3f.), 
dann wird ihm das Verstandnis ,,offenbart". Hennas Melt die Fran fur- 
die Sibylle, es ist aber die Kirche (ib. 4, 1). Sie lafit ihn Visionen 
sehen und erlautert sie ihm. Spater erscheint sie als strahlende Jung- 
frau. Endlich nimmt sich ein Engel in Hirtengestalt des Hennas any 
ihm Gebote mitteilend und die A 7 isionen ihm erklarend. Durch Fasten 
und Gebet bereitet sich Hennas auf diese Visionen vor ; unverdrossen 
fragend bemiiht er sich um ihr Verstandnis. Die Rede des Pro- 
pheten ist von Gott inspiriert. 4 ) Mitten in die natiirliche Rede hiuein 
kann soldi eine Inspiration fallen. So rief einst Ignatius mitten in, 



1) Scharf ist die Aufgabe des 8i8day.a).os bestimmt als die Erganzung des; 
Glaubens durch Erkenntnis bei Barn. 1, 5: er scbreibt iva fiera vtfs TtiaTscos vfi&v 
ie).f.iwv eyj/Te TIJV yvffiaiv. 

2) Dafi die dxdaTo/.ot in dieseni weiteren Sinn Charismatiker sind, zeigt das. 
N. T., wo sie ebenso wie Did. 11, 3 mit den Propheten zusammengestellt werden, 
s. 1. Kor. 12, 28 f. Epb. 2, 20; 3, 5; 4, 11. Apok. 18, 20. 

3) Barn. 9, 9 : oiSev 6 ii t v le/.Kpviov dcoqeaw Tfjs SiSa'/fls ainov Oe/nei'os ev fjulv-. 

4) Hernias Mand. XI, 8 : oiiSevl oiiSev aTtoxqivsiai S7te^tat(.b/.ie>'os oiiSe /.ata 
ftavas hal.eT, oiiSi- firav &),>] uvftQroTtos IM}.BTV, IM!,BI to wsvfta TO ciyiov, aMa TOTE 
t.al.ei, OTUC &s/.r l oij aiiibv b fl'ebs /.^,?7ff. 



Die altkirehliche Prophetic. 157 

iner Rede, plotzlich mit der Stimme Gottes redend: ,,Haltet euch an 
den Bischof und das Presbyterium und die Diakonen".. 1 ) Wie die alt en 
Propheten kann der Prophet auch durch symbolische Handlungen wirken. 2 ) 
Aber wie immer er redet oder handelt, soil er, solange er ,.im Geist" 1st, 
nicht durch Kritik gestort werden, denn das ist die Siinde wider den 
Geist (Did. 11, 7). Der Prophet darf auch bei der eucharistischen 
Feier eigene Gebete sprechen (Did. 10, 6). Aber freilich soil man dem 
Propheten auch nicht kritiklos folgen. Es kommt darauf an, dafi er 
die Art des Herrn an sich tragt und selbst befolgt was er lehrt. 3 ) 
Wer das nicht tut, sondern Gewinnsucht offenbart oder wie ein Magier 
den Fragenden sagt was sie gern horen, der ist ein Pseudoprophet. in 
'dem der Teufel wirkt, der ihn aber gelegentlich auch Wahres sagen lafit. 4 ) 

Das ist die Prophetie in unserenl Zeitalter. Mehr noch als in der 
Kirche scheint sie in den gnostischen Kreisen gebliiht zu haben (s. unten). 
'Tiefe ernste Worte haben diese Propheten gesprochen, aber in ihren 
Kreis drangten sich auch vagabundierende Wahrsager schlinimster Sorte. 
Das Prophetentum ist geradezu eines der Tore gewesen, durch das die 
sensationsliisterne wundersiichtige Frommigkeit der Zeit in die Kirche 
einzudringen trachtete. 

3. Der direkte Kampf wider die Prophetie ist erst spater eroffnet 
worden. Aber voni Anfang unseres Zeitraumes an stehen die Machte 
auf dem Plan , die schliefilich den ,, Geist" iiberwunden haben. Die 
Norinen der apostolischen Zeit wirkten fort. Der jiidische Einschlag, 
der hierdurch fur immer in die Kirche eingedrungen war, 5 ) wurde aber 



1) Philadelph. 7, 1 : el yap y.al XUTU adpxa fie rives ^d'eAijaav n&avfjoai, at.la 
TO Ttvevfta ov Ttkavarai dab 9'sov bv . . . expavyaaa fiSTa^v &v ekdl.ovv fieydfyj 
(fwvil, d'sov (jpcovfj- tcp STtianoTtq) TtQom'jexe y.ai tea Ttgeaftvcegicp v.ai dtazovois, cf. 

Eph. 20, 2 und Martyr. Perpet. 7 iiiit. 

2) S. Did. 11, 7. 11. Der Prophet lafit eine Tafel herrichten, dann darf er 
aber nicht von ihr essen. Dunkel ist 11, 11 : noiwv els fivari'^iov y.oaf.uy.bv e'/uihrjaias. 
Zami setzt das els vor smttyoias, dann ist er Sinn ein weltliches Mysterium in 
der Gemeinde machen, Der Sinn durfte sein, entweder: der Prophet handelt 
wider das kosmische lEysterium der Kirche, d. h. nach Epli. 5, 32 die Ehe,.olme 
wie hinzugesetzt wird das Gleiclie von anderen zu verlangen (cf. Hosea, 
Jakob, Mose), oder der Prophet tut etwas Weltliches, was aber fiir die Kirche 
ein Mysterinm ist, cf. Iren. adv. haer. IV, 20, 12 : id quod a propheta typice per 
operationem factum est ostendit apostolus vere factum in ecclesia a Christo. 

3) Did. 11, 8f. : oi> itas Se b "ka^Cav sv Ttvsvfian 7t^oy>]Ti]s eariv, d)J? sdv .'/i\ 
robs rgoTtovg xvgiov. Hermas Mand. XI, 7 : &TCO r-fjs feoffs Soy.i^ia^s TOV 

ibv e%ovra rb Ttvevfia ro tyslov. 

4) Herni. Mand. XI, 3 : a-dros yao y.evbs wv y.sva y.cti d^fox^ivs-rat xevols 
nva Se v.al ^i] { uara dkrjfrlf Aahel b ydj) oidpohos TthygoT a-vrbv rip n-drov TC 

5) Taufe, Abendmahl, die Kirche, .das Amt, der ganze Begriffsschatz, die 
poetischen Stimniungen und Forinen iin Christentum sintl israelitischer Herkunft. 



158 8. Die alten Nonneu der Lehre. 

verstarkt, indem das Alte Testament die lieil. Schrift der gauzea 
Christenlieit wurde. Wer will ermessen, welche Fiille einfaclier Wahr-r 
lieiten , grofiartiger Sentenzen , tiefster Empfindungen , grandipser ge- 
schichtlicher Perspektiven hierdurch in den Geistesbesitz der Kultuiv 
menschheit eingefiihrt wor.den ist! Das war wichtig, aber es war noch 
wichtiger, dafi die Christenheit niit diesem Buch zugleich das Prinzip 
heiliger Schriften und heiliger Buchstaben empfing. ,,Inspirierte" Biicher 
liat die Menschheit auch sonst gehabt, ein heiliges Buch, in dem jedes 
Wort und jeder Buchstabe ernst zu nehmen ist, bat erst Israel besessen, 
Mit dem Bucb erbte die Cbristenbeit das Prinzip, und beide baben ihr 
Forderung gebracbt, aber aucb scbwere Problenie. Mit deni geschicht- 
licben Ernst, mit dem Judentum und Cbristentum die beilige Schrift 
auffafiten, ist dies nie friiber gescbeben. Daraus ergaben sicb freilich 
die Probleme der ,,Auslegung", die so ebenfalls den iibrigen Religionen 
fremd blieben. Zu alle dem kam noch, dafi das Alte Testament bei- 
tragen mufite zur Steigerung gewisser Ansatze , das Cbristentum als 
,,Gebot", seine Ordnungen als gottliche Gesetze zu versteben. 

Zum Alten Testament ist jetzt allmablicb die Sammlung der neu- 
testamentlicben Biicber getreten. Die Worte Cbristi baben schon in der 
neutestamentlicben Zeit bindende Autoritat beansprucht (Mt. 24. 35. 

1. Tbess. 4. 15. Gal. 6, 2. 1. Kor. 7, 10. 12. 25;. 9, 14. Act. 20, 35). 
Dasselbe gilt von den Worten der Apostel (Mattb. 10, 40; 16, 19.. 

2. Kor. 2, 9; 7, 15. 2. Tbess. 2, 15. Act. 15, 28). Man scbritt auf 
clieser Babn fort. Zwar bafteten die Ausdriicke yiy^aittai und r\ yQacpt] 
zunacbst, dem Spracbgebraucb nacb, am Alten Testament, aber schon 
beginnt man sie auf Jesu Worte zu iibertragen (Barn. 4, 14. 2. 01. 
2, 4f. cf. Polyc. 12, 1; Ignat. Smyrn. 7, 2. Pbilad. 5, 1. Did. 8, 2; 
11, 3). Das geschriebene Evangeliurn beginnt als entscheidende Instanz 
im Lebrstreit angeseberi zu werden. 1 ) Welch en Wert man den Worten 
Jesu beilegte, zeigt auch der Eifer, mit dem ein Mann wie Papias sie 
samrnelte. TJnd das gescbab im Bewufitsein der normativen Bedeutung 
diese.r Worte. Freude hatte Papias nicht an den Worten derer, ,,die 
fremde Gebote erwabnten", sondern derer, die ,,die von dem Herrn dem 
Glauben iibergebenen und von der Wabrbeit selbst herruhrenden" Ge- 



bote verkundigten. Desbalb ricbtete sich aber auch sein Interesse auf 
alles, was die unmittelbaren Jiinger Jesu gesagt batten (Euseb. h. e. 
DH, 39). ]S[eben die Autor-itat des Herrn tritt die seiner Zeugen. Die 
Autoritat der Apostel ist durchaus gemeingiiltig geworden. Sie baben 

1) Ignat. Philad. 8, 2: sTtsl jfaovadt, iivcov /.syovrcov, on t&v /.u} ev Tr b - 
s SVQW, Kf i(o Evayyehim oil TtiaTevco VMI heyoi'tos (.iov aitTOis, on yey part rat, 

/.IOL, on rtqoxeirai,, vgl. Zahn, Gesch. des neutest. Kan. II, 945 ff. 



Die Ursprttnge des Schriftprinzips. 159 

ihre Befehle. und Anordnungen der Kirche zur Nachachtung iiberwiesen, 
als ein armer Diener fuhlt sich ein Geisttrager wie Ignatius ihnen gegen- 
iiber (1. 01. 44. Ignat. Kom. 4, 3. Trail. 3, 3; 7, 1). Sie bilden das 
I*resbyterium der Gesamtkirche (Ignat. Philad. 5, 1. Trail. 2, 2; 3, 1, 
Magn. 6, 1. Smyrn. 8, If. Polyc. 3, 2). ,,Die Biicher der Propheten 
und die Apostel" fiihrt man als Lehrautoritaten an (2. Cl. 14, 2). ] ) 
Ihnen zu widersprechen kommt niemand in den Sinn. Das Evangelium 
ist Christi Meisch, die Apostel sind das Presbyterium der Gesamtkirche. 
Hieran soil man sich halten, dem folgen. Es stimmt damit ttberein, daB 
die Schriften der apostolischen Zeit durchzogen sind von Anspielungen 
an fast alle neutestamentlichen Schriften. Ihre Kenntnis wird voraus- 
gesetzt und das Recht hierzu erhellt aus der Tatsache, daB sie im Gottes- 
dienst zur Verlesung kamen. 2 ) 

Die Geschichte der Entstehung des neutestamentlichen Kanons kann 
hier nicht einmal in den Grunclziigen verfolgt werden. Es kann aber 
als sichere Tatsache bezeichnet Averden, dafi in den ersten Dezennien 
des 2. Jahrhunderts der ..Kanon" 3 ) in seinem Grundstock in den heiden- 
christlichen Gemeinden wohl iiberall in Gebrauch kam. Das ,,vierfaltige 
Evangelium" und die Sammlung von dreizehn Paulusbriefen bildeten den 
Grundstock. Urn diesen Grundstock rankten sich die iibrigen Schriften 
in lockerer Yereinigung. .Zeitliche und ranmliche Differenzen lagen vor. 
Wie nicht alles, was spater zurn kirchlichen Kanon gehorte, iiberall aner- 
kannt wurde, so hatten andrerseits solche Schriften in weiten Kreisen 
kanonische Geltung, die spater nicht in den kirchlichen Kanon gekommen 
sind, wie vor allem das Hermasbuch, der Barnabasbrief, die Didache, 
aber auch der 1. und 2. Clemensbrief, die Apokalypse Petri und die 



1) Ztim Text dieser Stelle s. Zahoi, Gesch. d. Kan. II, 942 ff. 

2) So schon im N. T., vgl. 1. Thess. 5, 27. Kol. 4, 16, dazu 1. Cl. 47, 1: 
Jiistin. Apol. I, 67. lien. adv. haer. II, 27, 2. Ill, 21, 4. Can. Muratori lin. 77 f., 
s. auch 2. Cl. 19, 1 (ot) fiir &EQV: loyov z\\ lesen ist?), die Horailie des Aristides, 
deren Echtheit freilich bestritten wird. Vielleicht kommt hier noch folgende Er- 
wagung in Betracht : Am SchhiB von fiinf neutest. Briefen steht die Aufforderung 
zu ,,heiligem KuB" oder ,,LiebeskuB" (1. Kor. 16, 20. 2. Kor. 13, 12. Rom. 16, 16. 
1. Thess. 5, 26. 1. Ptr. 5, 14). Zwei Biicher schliefien mit einer Eormel, die der 
Abendmahlslitnrgie entstammt (1. Kor. 16, 22. Apok. 22, 20. cf. Did. 10, 6). Nun 
ist der Kufi aber ein Bestandteil der Abendmahlsfeier (Justin. Apol. I, 65., Const, 
ap. II, 57; VII, 11. Cyrill. Cat. myst. 5, 3. Tert. de orat. 18. Athenag! Suppl. 
32 fin.). Also werden die Biicher zur Vorlesung im Abendgottesdienst bei der 
Agape bestimmt gewesen sein, vgl m ein en Aufsatz ,,Ku und Kanon" in n Aus 
Religion u. Gesch." I. 

3) Der Begriff ,,Kanon ! ' wird erst seit Mitte des 4. Jahrhunderts regel- 
mafiige Bezeichnung der Bibel; im 2. Jahrhxandert ist y.avcbv Bezeichmmg- der 
iiberlieferten kirchlichen Glaubensregel, s. schon 1. Clem. 7, 2.. 



160 8. Die alten Normeiv tier Lehre. 

Acta Pauli. Es dient zur Veranschaulichung dieses Schwankens, wenn 
man erwagt, dafi Schriften wie der Hebraerbrief, der Jakobusbrief, wohl 
auch der 2. Petrusbrief, bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts nicht in 
den abendlandischen Bibeln standen, und daB dagegen Biicher wie der 
Barnabasbrief oder die Didache im Morgenland als heilige Schriften 
galten. Bis Ende des 2. Jahrhunderts hat das Hermasbuch sich ka- 
nonischen Ansehens in der ganzen Kirche erfreut, dann ist man in Rom 
und Afrika an ihm irre geworden. J ) 

Dreieiiei ergibt sich aus diesen Tatsachen fur unseren Zweck. 
Erstens dem Alten Testament tritt eine Schriftensammlung an die Seite, 
die ebenfalls autoritative Geltung verlangt und die kirchliche Gedanken- 
welt mafigebend bestimmt. Zweitens diese Sammlung ist eine fliefiende 
GroBe unsicheren TJmfanges, deshalb ist der ,,Kanon" auch noch kein 
fester dogmatischer Begriff. Aber trotzdem ist drittens diese Samm- 
lung unvergleichlich viel mehr als das Alte Testament zur Herstellung 
einer kirchlichen Lehre mit festen Gedanken und Formeln wirksam ge- 
wesen. Das werdende Neue Testament mit Einschlufi der spater aus- 
geschiedenen Bestandteile ist der machtigste Eaktor geworden, der dem 
Geistwesen entgegenstand. Diese Biicher stanimten aus dem Geist, wie 
man lehrte, sie machten daher neue Geistoffenbarungen uberfliissig und 
sie warden zura MaGstab, an dem sich alles, was aus dem Geist zu 
kommen behaviptete, bemessen liefi. 

4. "Wir haben von den festen Formeln geredet, die durch das Neue 
Testament in die Kirche hineinkamen. Aber die Mannigfaltigkeit der 
Begriffe und Wendungen in dieser im paranetischen Interesse entstandenen 
Literatur ist von Anfang an interpretiert und reduziert worden durch 
die kirchliche ,,Lehre". Erst diese hot die einfachen Gedanken und 
die eindeutigen Formeln dar, deren man im praktischen Interesse be- 
durfte. Und schon frtih hat man dieser Lehre die Aufgabe zugewiesen 
die OfOenbarungen des ,,Geistes u zu kontrollieren (s. 1. Joh. 4, Iff.). 
Schon in der neutestamentlichen Zeit sind wir auf eine solche lehrhafte 
JZusammenfassung gestofien (oben S. 66 f .) , Johannes hat sie als die 
doppelte KVToh] bezeichnet (oben S. 84 f). DaB die ,,tjberlieferungen". 
von denen Paulus redet, nicht verschollen sind. zeigt, daB gegen Ende des 
1. Jahrhunderts die johanneischen Schriften in Kleinasien sowie der 
Hebraerbrief in Rom. avif sie Bezug nehmen. 

Tins interessieren hier nur die Glaubensformeln. Es wird sich zu- 
nachst darum handeln, was wir nach dem Neuen Testament mit einiger 



1) Vgl. fiir die obigen Daten in der Ktirze Zahn, Grrundrifl d. Gesch. des 
neutest. Kamions 1901, S. 17 ff. 



Glaube und Evangeliuin. 161 

Sicherhe.it von ihr sagen durfen. Folgendes kpmmt in Betracht 1) der 
Inhalt des Grlaubens war etwas Sicheres und Bekanntes, ein Koniplex von 
Tatsachen , Gedanken und TJrteilen , die man als TtctQ(xdo0ts , rtiOTig, 
dida%ri, didamaUa, Jt&qadr^, evcoM}',. auch svayyehov bezeichnete 
(s. pben S. 66). Die ganze Heilspredigt ist zusanunengefaBt in diesem 
Wort ,,Evangelium", das aber auch zur Bezeichnung der ganzen Heils- 
lehre dient. Das Evangelium fafit bestimmte Form ein und Urteile in 
sich, wie etwa die Davidssohnschaft Christi und sein gottliches pneuma- 
tisches "Wesen, sein Leiden und seine Auferstehung, die Schopfung und 
die Herrschaft Gottes (s. die Anm.). Das ,,Evangelium Christi" d. h. 
das von Ohristus offenbarte und gegebene Evangelium ist der Inbegriff 
der Offenbarung Christi, die ihren Abschlufi und Hohepunkt in den Ein- 
wirkungen des auferstandenen Christus erreichte. Das Evangelium fafit 
somit sowohl einen Bericht iiber Jesu irdisch.es "Wirken und Reden in 
sich, wie er nach Luc. 1, 4 Gegenstand des christlichen Unterrichtes 
war, als eine Darstellung der Unterweisungen und Anregungen des Auf- 
erstandenen , Avie sie Matth. 28 und Luk. 24 kurz zusamniengestellt 
sind. x ) 2) Diese Lehrformeln standen nun in Beziehung ziir Taufe und 

1) Mehrere dieser Ausdriieke konnen auch das ganze Gefuge lehrhaffcer Uber- 
lieferungen uinspannen, also vor allein auch die Tugend- und Lasterkataloge. 
Hi one im objektiven Sinn ist die deutlichste Bezeichnung des iiberlieferten 

Glaubens (cf. Jlld. 3 : Tf] &7ta TtagaSo&eiai] rots ayiois Ttiaret, auch Kol. 2, 7 : xai 
jSe/Saiovfievoi er rfj JtiaiEi xa\)ti>s ediSd'/ftijTe). Der Beg'riff etiayyehiov, eiiay- 
yehi&o&ai ist der unifassendste. Er bezeichnet die von Gott oder Christus aus- 
gehende Heilsverkiindigitng in ihrem ganzen Umfang (z. B. Mt. 24, 14. Me. 1. 15. 
Act. 15, 7. K6rn. 1, 16; 10, 161; 15, 16. Kol. 1, 23. Eph. 3, 8). So ist Christus, 
das Heil, der Friede etc. sein Inhalt. Aber der Begriff wird auch in einem 
engeren Sinn gebraucht. Evnyyehov ist auch die besonders gestaltete Heils- 
lehre, A?ie sie etwa Paulus ausgebildet hatte, natilrlich als Erfassimg der Offen- 
baning des Mysteriums Gottes (Eom. 16, 25. Gal. 1, 12. Eph. 6, 19). In diesem 
Sinn ist das Evangelium dann naher zu bestimmeu als ,,mein" oder ,,unser 
Evangeliuin", als ,,Evangelium der Vorhaut" oder der ,,Beschneidung" (Gal. 2, 
7. 2. Kom. 2. 16; 16, 25. 2. Kor. 4, 3; 11, 4. 1. Thess. 1, 5. 2. Thess. 2, 14, 
cf. Eph. 3, 4: ii]v avveaiv /,iov sr rep fivdvijpico). Nach dem Znsammenhang scheint 
mir Gal. 2, 7f. davou zu reden, dafi Avie Petrus durch Gottes EinAA r irkung die 
Gabe empfangen hatte. dem Evangelium die flir den apostolischen Beruf bei 
Juden notige Pragung zu' veiieihen, so Paulus hhisichtlich der Form des Evan- 
geliums fur die Heiden. Dem Kerygma Petri (die Erinnerung daran hat sich 
lange erhalten), trat ein Kerygma Pauli zur Seite, es sind zwei Lehrtypen. Dabei 
ist aber die Identitat des Evangeliums, eben Aveil es Christi Offenbarung ist, nicht 
eingeschraukt (Gal. 1, 6. 11 f. 2. Kor. 11, 4). Ist nun aber das Evangelium Heils- 
lehre, so ist es zugleich der Inbegriff einer Surnme bestimmter Lehren und An- 
schauungen. Es enthalt in sich Aitssagen iiber Christus (Eom. 1, 3. Gal. 1, 16. 
2. Tim. 2, 8. 1. Kor. 15, 1. Phil. 1, 15f. Act. 11, 20), sein Inhalt ist die Herr- 
schaft Gottes und der Name Christi (Act. 8, 12), Jesus und die Auferstehung 
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Anfl. 11 



162 8. Die alten Normen der Lehre. 

zu einem Taufbekenntnis. Das gelit aus Stellen wie Bom. 6, 3f., 

1. Ptr. 3, 21 f., Hbr. 10, 22f., 1. Tim. 6, 12, Eph. 4, 61, 1. Joh. 

2, 20, Act. 19, 2 unweigerlich hervor. *) 3) Die formelle Identifizierung 
der rtaQCtdodelaa itiGtic, resp. des ,,Evangeliums" mit der df.ioKoyia ist 
dagegen nicht durchfiihrbar. Der ,,Grlaube" oder das ,,Evangelium" 
enthielt viel mehr als das ,,Bekenntnis," 2 ) wie der Katechismusstoff stets 
umfanglicher ist als die Bekenntnisformel der Katechumenen. Die tria- 
dische Eormel, die Matth. 28, 18 fL und Lulc. 24, 46 f. als Zusaramen- 
fassung der abschlieflenden Offenbarung Christi hingestellt ist, ist, wie 
ihr haufiges Yorkommen im Neuen Testament beweist, s. S. 66, sicher 
ein Bestandteil des ,,Grlaubens" gewesen, ebenso wie gewisse Formeln 
iiber Taufe und Eucharistie (1. Kor. 11, 23) in ihm enthalten waren, 
das ,,Bekenntnis" wufite Mervon nichts. 4) So weit das Neue Testa- 
ment erkennen lafit, hat das Taufbekenntnis einen rein christologischen 
Zusammenhang gehabt 3 ), wobei aber auch ,,Gott" erwahnt wurde. Das 



(Act. 17. 18), die Bekehrung zu dem lebendigeu Schopfergott (Act. 14, 15 cf. 
1. Thess. 1, 9), das jiingste Gericht (Eom. 2, 16). Das Evangeliurn ist das ,,Wort 
der Wahrlieit" (Eph. 1, 13. Kol. 1, 5), es wird gelehrt (Act. 5, 42; 15, 35. 2. Tim. 
1, 11) und gelernt (cf. Eph. 4, 20f. Kol. 1, 7). Das Evangelium ist also im 
N. T. die Heilsbotschaft, die Christus gebracht hat, es ist dana die besondere 
Pragung dieser Botschaft als Heilslehre und es fafit als solche eiue Summe posi- 
tiver Lehren in sich. Es beriihrt sich hierdurch mit dem ,,Bekenntnis", aber es 
hat einen weiteren Umfang als dieses, denn es fafit alles, was Christus offenbart 
hat, in sich, vor allem auch jene Erkenntnisse, die die Jiiiiger dutch den aufer- 
standenen Christus empfangen haben (s. oben S. 62 f. u. vgl. Mt. 28, 18 ff. Luc. 24, 
46 ff. mit Gal. 1, 11 ff.). Fur die DG. ist zweieiiei von Bedeutung an diesem Ee- 
sultat: 1) dafi die Heilsbotschaft von Anfang an auch als ,,Lehre" verstanden 
wurde und 2) dafi der Inhalt dieser Lehre uinfassencler war als der des Tauf- 
bekenntnisses. 

1) Besonders wichtig ist Hbr. 10, 22 f.: jtequvriapevoi, ras Ka^Sids . . ,'xal 
Jekovafj.evoi to acofta tiSan y.ad'agcp tcare/coftev i^v Sfiokoyiav rfjs skrtiSos 

dafi hier ein Taufbekenntnis gemeint ist, ist fraglos. 1. Tim. 6, 12: xal 
koyrjoas tijv %afaft> 6 {.tokoyiav evcoTtiov itolkwv [Mqivfjcov. 1. Joh. 2, 20 f.: wer 
das '/^iof.ia, hat, ist damit auch in die Wahrheit eingeweiht. 

2) Dies iibersehen zu haben, ist der Hauptfehler in der grundlegenden 
Arbeit von A. Seeberg, Der Katechismus der Urchristenheit, 1903. 

3) Dies ist gewiB, weil itberall der bei der Taufe bekannte oder erforderte 
Glaube der an Christus ist und demgemaE auch die Taufe auf den Namen Christi 
erfolgt. Besonders 1. Kor. 6, 11 ist hierfur lehrreich: gewaschen, geheiligt und 

gerecljtf ertigt Silld die Leser ev Tip dvo^ian iov vvgiov 'Iqaov XQIOTOV not ev tea 

TtvsvfiaTi rov -frsov fyiwv. Die Taufe ist also mit Anwendung des Namens 
Christi erfolgt, wahrend die Heiligung im Geist gesehieht, ohne daE sein Name 
erwahnt wurde. Darnach ist sicher, dafi Paulus nur eine Taufe auf Christi 
Namen kennt. Damit ist aber gegeben, daB auch das Taufbekenntnis es nur mit 
Christus zn tun hatte. Dies geht auch aus dem 1. Johannesbrief hervor, z. B. 



Die Lehre und das Taufbekenntnis. 163 

einzige sicliere Fragment aus diesem Bekenntnis steht 1. Kor. 15, 3. 4. 
Hier sagt Paulus, er liabe den Korinthern iiberliefert was auch er emp- 
fangen hatte : ovi X^iorbg arte&avev VTCEQ rG)V af.ta^nG)V 
fifi&v*') Kara rag ygacpds, -/.al OIL STaffy, xal on IJ/TJ- 
ysQTaii;fi ^^SQCC tfi IQIIJI x&vavaS yQCt{p&s,"KCil OTiwcp&rj 
Kycpq, BLTO, tolg deb 8 ex a.-) 5) 1st die Tatsache eines Bekennt- 
nisses gesichert und geben uns die angefuhrten Worte Pauli erne Vor- 
stellung von seinem Inlialt und zugleich den Beweis der Verwandtschaft 
mit deni 2. Artikel des sog. Apostolikums. so darf man weitere forniel- 
hafte Wendungen des Neuen Testaments, sofern sie jenen Bedingungen 
entsprechen, mit einiger Sicherheit fur das Bekenntnis in Anspruch 
nehinen. Indessen mufi immer damit gerechnet werden, dafi die Formeln 
nicht dem Bekenntnis als solchem, sondern der ,,Lehre" oder dena 
,,Evangelium" angehorten. Vor allem ware dabei zu denken an die 
Entsendung des Sohnes seitens Gottes des "Weltschopfers, die Herkunffc 
Jesu von David, die Auffahrt zum Hiinmel, das Sitzen zur Eechten 
Gottes, die TInterordnung der Engel unter Christus und seine Wiederkunft 
zum Gericht. 3 ) 



3, 23, wo die avTohtf nach ihrer religioseu Seite hin als ,,glauben dem Narnen 
seines Sohnes Jesu Christi" bestimmt wird. Da ! das spatere Bekenntnis 
"triadisch gegliedert ist, so erwartet man diese Grliederung zunachst aiich Mer, 
al)er aufier dieser Analogic gibt es keine durchschlagenden Grtinde fiir diese An- 
nahme. Act. 19, 2ff. wird nicht sagen, dafi der Gretaufte iiber den Geist belehrt 
sein mtisse, sondern daB der, welcher die Christentaufe' nicht empfangen hat, vom 
Geist keine Ahnung hat. Ebensowenig beweist die Bezeichnung Hbr. 10, 23 
dpoloyia rrjs ehrtiSos, dafi von der Hoffnung im Bekenntnis die Rede war, da 
Christus tinsere Hoffnung ist. Der Gegenstand des Bekenntnisses ist aber be- 
zeichnet in der Form el Hbr. 3, 1 : vbv wjtoatokov nal &^is^sa Ttjs df.ioJ.oyias fjf.i&v 
Urjaovv. Christus, der ilber die Engel erhabene Gesandte Gottes, wie inn Hbr. 1 
schildert, und Christus, der dem Menschen gleich Gewordene, wie ihn Hbr. 2 
sehildert das ist der Gegenstand des Bekenntnisses. Die Formel ist so all- 
geinein, dafi sie z. B. auch auf den 2. Art. unseres Apostolilmnis passen wurde. 

1) cf. 1. Ptr. 3, 18: Ttepl apaQtifav &XE&avsv. 

2) Hier scblieEt das Zitat, da das rezitierende on aufhort. Der unpaulinische 
Ausdruck ol StiSexa, und die Erwahnung des stdyrj, das durch Pauli Gedanken- 
gang nicht erfordert war, sowie die Einfuhrung der Pormel, erweisen sie deut- 
lich als Zitat, Xptoros wird ebenso wie eira, von Paulus des Zusammenhanges 
wegen hinzugefiigt sein; vgl. A. See berg, Katechism. S. 45 fl. 

3) Hierzu einiges Material: 1) Gott b rcc Ttdvta xriaas (Eph. 3, 19), t,&v teal 
alri&uvos (1. Thess. 1. 9), 6 t,cooyov&v (1. Tim. 6, 13). 2) s^aTtearsds rbv vlbv 
afoot oder tbv TtaiSa afaov (Gal. 4, 4. Rom. 8, 3. Act. 3. 26; 4, 27. 30), bei 
Johannes scheint vorausgesetzt zu sein: rdv vlbv aiimv vbv {.lovoyevrj (Joh. 3, 16. 
1. Joh. 4, 9). 3) rbv yBv6f.ievov ex OTtegparos ^favid (Rb'm. 1, 3. 2. Tim. 2, 8. 
Act. 13, 23). 4) Die Salbung Jesu Tevetfftan ay lea xal Swdfiec, vielleicht ver- 
bunden mit der Taufe durch Johannes (Act. 10, 38; 4, 27. Rom. 1. 4). 5) exl 

il* 



164 8. Die alten Norineii der Lehre. 



6) j^enn du mit deinem Munde als Herrn Jesum be- 
kennst und glaubst in deineni Herzen, daB Gott ihn von den Toten 
erweclct hat, so wirst du errettet werden" (Rom. 10, 9). Hier wird 

~ein niiindliches Bekenntnis Jesu als des Herrn angenoninien. Ebenso 
wird Phil. 2, 11, 1. Kor. 12. 3 hierin die Quintessenz des christlichen 
Bekenntnisses erblickt. DerngemaB ist der spezifisch christliche Glaube 
der an den Herrn Christus (Act. 2, 36; 11, 17. 20f.; 9, 35; 16, 31 ; 
20, 21. Kol. 2, 6 etc.). Es kann danach kauin bezweifelt werden, 
dafi dies irgendwie direkt zuni Ausdruck kam bei der Ablegung des 
Bekenntnisses (s. aucb. Act. 22. 16). Zu der Aufzahlung geschichtlicher 
Tatsachen trat der Ausdruck der IJberzeugung von der gottlichen 
Herrscherstellung Christi. 1 ) 

7) "Weiter begegnet uns ein Komplex von festen Vorstellungen, die 
in engem Zmsammenkang zu der auf die Wassertaufe folgenden Hand- 
auflegung mit der Geistniitteilung stehen. 2 ) Es sind die Salbung und 



Ilovnov Hsddrov (1. Tim. 6, 13): 6) Uber Tod imd Auferstehung s. oben 1. Kor. 
15, 3.1, cf. Act. 13, 28 ff.; 17, 3; 10, 40 f. jtofsvfals els oi>^av6v (1. Petr. 3, 22) 
Oder avekrifup&ii sis fbv oii^avor (Hare. 16, 19). 7) ey.d&iaev ev Ss^ia ,(oder: sy. 
Ss^uav) tov d'eov (oder trjs ftsyakcoavvris ev tols ovfjavols) (Kol. 3, 1. Eph. 1. 20. 
Eom. 8, 34. Hbr. 1, 3; 10. 12; 12, 2; 8, 1. 1. Ptr. 3, 22. Act. 5, 31; 7/56. 

Marc. 16, 19). 8) -bTtotayevrcav aiitca Ayyekcov y.al s^ovoiwv y.al Svvdftscov (1. Ptr. 
3, 22. Eph. 1, 21: 4, 8. Kol. 2, 10 cf. 1. Kor. 15, 25). 9) tov fisUovros x$iva.i 
Z,s>v<ta.s xal vs-^ovs (2. Tiin. 4, 1. 1. Ptr. 4, 5. Act. 10, 42, cf. Eom. 14, 9). 
Der Zusaminenhang der betr. Stellen ist zu beachten ; das Einzelne laEt sich nicht 
ausmachen, zumal lokale and zeitliche Differenzen in Anschlag kommen. Genaueres 
sowie einen Eekonstruktionsversuch s. bei A. Seeberg, Der Kat. etc. S. 45 151. 
letzteren S. 85. 

1) A. Seeberg a. a. 0. S. 182 meint, das Bekenntnis sei vom Taufer ge- 
sprochen worden dafnr spricht das Ttpoeixovres Didache 7, 1 , worauf der 
Taufling mit dem Wort V.VQIOS "Irjaovs respondiert habe. Im Judentum sagte mau 
vom Proselyten, dafi er die ,,Herrschaft . des Himmels (d. h. Gottes) annehme" 
'(Simon ben Lakisch bei Bacher, Agada d. Amoraer I, 374). Das Sck'rna 

lesen heifit c\a& rvoSa "jiv ^ap als die Anerkennung Gottes als des HeiTschers 
(dazu im Sch'ma die Anerkennung der Gebote, die n'^e biv heifit, Dal man, 
Worte Jesu I, 80). Ich vermute, daB die Formel xvgiog 'Iqaovg entstanden ist als 
Umbildung jeuer Anerkennung der Herrschaft Gottes. . Vgl. nocb. 'C,vy6s als Be- 
zeichnung der christl. Unterweisung Did. 6, 2. 

2) Die Taufe im Namen Cbristi gescbieht zur Siindeuvergebung, auf sie folgt 
daiin der Empfang der Gabe des heil. Geistes (s. Act. 2, 38), und zwar wird 
dieser Empfang vermittelt durch Handauflegung (Act. 8, 17 f.; 19, 6), aber Gott 
sendet den verkeifienen Geist (Gal. 4, 6. 1. Thess. 4, 8. Tit. 3, 6. Gal. 3, 14. 
Eph. 1, 13). Damit sind nun dem Getauften die beiden Gaben. die der neue 
Bund in sich begreift, mitgeteilt. Aus der iuneren Zusammengehorigkeit beider 
Gaben versteht es sich, dafi seit Paulus die christliche Taufe einfach als Geist- 



Die Uberlieferung der apostolischen Zeit. 165 

die Ye r siege lung mit clem Geist als clem inneren TJnterpfand 
der scbliefilichen vollen Erlosung. *) 

8) Hierzu koramt ein escbatologisches Lehrstiick (Hebr. 6, 2. Did. 16), 
und 9) die TJberlieferung der Abendmablsworte (1. Kor. 11, 23), sowie 
10) das Vaterunser. 2 ) 

Welch ein Heichtuni an religiosem und ethischem Erkenntnisstoff 
ergibt sicb aus dieser Zusammenstellung ! Von den IJmrissen der Ge- 
schichte Jesu und den Moralregeln der beiden "Wege an bis zu der 
lehrhaften Bebandlung des , "Werkes und der Bedeutung Christi des 
.,Herrn" und den Mitteilungen iiber den Geist und die eucbaristische 
Feier, sowie den TJnterweisungen liber die letzten Dinge reicnt ein festes 
Gefiige von Pormeln mit einem reicben Inhalt fester Gedanken und 
Urteile. Aber der Mittelpunkt von all clem war das Bekenntnis zu 
Christus dem Herrn und seinem "Werk, das bei der Taufe in Siinden- 
vergebung und Geistmitteilung den neuen Bund in der einzelnen Seele 
verwirklichte. Erst diese Erkenntnis lafit uns die Ausfiibrungen der 
neutestamentlichen Scnriften begreifen. Ihre Verfasser durften bei den 
Lesern ein festes Mafi gemeinsamer religioser Erkenntnis und Kenntnis 
voraussetzen und sie konnten claher aus der Faille des Geistes . hervor 
das Tiefste und Hochste ihnen darlegen, ,,alle ScKatze der Weisheit und 
der Erkenntnis in Christo" ausbreiten, ohne den toricbten Lebrern 
gleicb. zu werden, die reclen, was nieniand unter ibren Horern begreifen 
kann. Die Gabe des Geistes erbob jene Gemeinden iiber unsere Ge- 
meinden, aber nicbt minder der feste Besitz religioser Erkenntnis. NUT 
so lassen sicb. die Anforderungen , die fast alle neutestamentlicben 
Scbriften an ibre Leser stellen die Gescbicbte der Exegese bezeugt 
das , versteben. 3 ) Nicbt die Ansatze zu Lebrtypen im Neuen Testa- 



taufe bestimmt wird (1. Kor. 12, 13. Tit. 3, 5. 1. Job. 2, 20 cf. Act. 1, 5. 
Matth. 3, 11, auch Act. 10, 43 ft). 

1) Eph. 1, 14: eaygaytad'riTe TCO Ttfevfiart ffjs eTtayyeJ.ias TOJ ayico, 6s sotiv 
dggaficbv rfjs xhqgovoftias vf.iav els UTto^vr^coatf Tfjs TtegiTtotijaecos. 2. Kor. 1, 21 f . : 
y.al %(>ioas fjf.ias &s6s, 6 y.al ay^aytadfisvos i](.MS xai dobs ibv u^^a^mva TOV 7tvev~ 
fiaros sv .rats y.agSiais fjftwv. Eph. 4, 30: TO TtvEvfia, TO aytov TOV &BOV, sv co 
sayQayia&iYce els i]/.is^av aTtohmycbaecos. 2. Kor. 5, 5. Vgl. A. Seeberg a. a. 0. 
S. 228 ff. 

2) Nach Gal. 4, 6 und Bom. 8, 15 hat A. Seeberg (S. 2421) behauptet/ 
daB auch das Vaterunser erstmalig wahrencl des Taufaktes von den Katechumenen 
gesprochen wurde, ebenso (S. 244 ff.), daB auf die Taufe das eucharistische Mahl 
t'olgte. Letzteres scheint mir nach der altkirchlicheu Sitte (Jxistin. Apol. I, 65) 
sicher zu sein, zuinal auch die Juden auf die Beschneidung eine gemeiusame 
Mahlzeit folgen lieBen, wie A. Seeberg (Das Evangelram Christi S. 108 Anm.) 
erwiesen hat. 

3) Es ist richtig, dali die uentest. Biicher ,,religib's" \md ,,praktisch" siud, 



166 8. Die alten Nonnen der Lehre. 

ment, sondern die gemeinsame tiberlieferte ,, Lehre" 1st die eigentliche 
GroBniacht in der altesten Dogniengeschichte gewesen. 

6. "Wir liaben hierinit die Normen der Tradition und des Bekennt- 
nisses uberblickt, wie sie sich in der Zeit von 30 95 n. Chr. heraus- 
gebildet haben. Eine wesentliche Anderung scheint auf diesem Grebiet 
in dem folgenden Menschenalter nicht eingetreten zu sein. Es gibt eine 
feste christliche ,,Lehre", der eine ,,andere" oder ,,schlechte Lehre" 
entgegensteht (Did. 11, 1. 2. Ignat. Epb. 9, If.). Es ist der ,,Grlaube 
Christi" von Tfiang 6f.ii] redet Jesus in der Praedicat. Petri , oder 
das ,,Evangelitim" Ohristi, das die Apostel verktindet haben (Barnab. 
5, 9). Dies Evangelium ist gleichsam das Fleisch Christi, und neben 
ibm stebt das ,.Presbyterium der Apostel" (Ignat. Philad. 5, 1). Zwar 
gibt es ein gescbriebenes Evangelium, aber iiber dies herrscht Streit. 
Ibm gegeniiber ziebt sicb Ignatius zuriick auf die ,,Christuslehre" 
(XQiOTO(.t<x&ia). Dies ungescbriebene ,,Archiv" faBt in sicb Cbristus, 
seine Ankunffc. sein Kreiiz, seinen Tod tind seine Auferstebung, sowie 
den durcb ibn offenbarten Grlauben. Auf Cbristus gebt dieser Grlaube 
zuriick, denn er allein ist ,,betraut mit dem Yerborgenen Grottes" (ib^ 
8, 2 ; 9, 1. 2). J ) Das Evangelium ist also die Obristuslebre als die 
wakre Lehre oder der rechte Grlaube gegeniiber den Irrlehrern, deren 
Streitlust vor dem geschriebenen Evangelium nicbt Halt macbt. Ign. 
vertritt damit nur die Anschauung des Paulus voni ,,Evangelitim <( und 
des Johannes von der ,, Lehre" (oben S. 84f.). Hiernacb aber besitzt die 
Kirche die ..Anordnungen der Apostel" oder ..die Dogmen des Herrn 
tind der Apostel" (Ignat. Trail 7, 1. Magn. 13. 1). 



aber es ist nicht minder richtig, daG sie in eminentem TttaB ,,lehrhaft", nicht 
n doginatisch" .- sind. Will man den Charakter jener Urzeit des Christentums 
begreifen, so darf man das eine so wenig- als d.as andere ans dem Auge lassen; 
das ist auch fiir die Dogmengeschichte von Bedenttuig. 

1) Ignatius und eTbenso die Didache haben also noch den alten Sprach- 
gebrauch fiir ,,Evangelium", wonach es der Inbegriff der Heilslehre ist (oben S. 161 
Amn. 1; Sm. 5, 1 geht vielleicht auf das geschriebene Evangelium). Zumal 
Philad. 8 ti. 9 scheiut mir dieser Sprachgebrauch vo'llig- sicher zu sein. Das 
Archiv der Haretiker ist das geschriebene Evangelium, aber gegeniiber den exe- 
getischen Bedenken, die jene dann erheben, zieht Ign. sich auf sein Archiv", 
die y^ioi:of.ia&ia, das eiiayyeliov (9, 2) zuriiek, Christus, seine Geschiehte- und >; 
Ttians i] Si afaov ist ihr Inhalt. Im Zusammenhang und in einer Reihe mit den ob- 
jektiven Tatsachen aus Christi Leben kann die jtions exegetisch nur als objek- 
tiver Glaube verstanden werden (vgl. Polyc. ad. Philipp. 3, 2 und ,? nians in Praed. 
Petr.). Der Standpunkt des Ignatius in diesen Satzen ist ungefahr der namliche, 
den spater Irenans und Tertullian vertreten: nicht die Schrift, sondern der tra- 
dierte Glaube ist im Kampf zu brauchen. 



Der Kanon der Uberlieferung in der nachapostol. Zeit. 167 

Ganz wie in der apostolisclien Zeit umfafit diese iiberkommene 
,,Lebre" sowobl die Wabrbeiten des Glaubens als bestiinmte 
moraliscbe Regeln, Ao'^ot TJjfg Jtiareus un( i svrohal didayfis, wie 
Barnab. sagt (16, 9). So kann Ignatius aus der inneren Befestigung 
in diesen Geboten oder Dogmen ableiten den richtigen Lebensstand ,,an 
Eleiscb und Geist, an Glauben und Liebe, im Sobn, ini Yater und im 
Geist, in Anfang und in Ende" (Magn. 13, 1. Epbes. .9, 1. 2). 1 ) Und 
die Didacbe weifi ibre Leser orientiert iiber alle moglicben inoraliscnen 
Einzelheiten, da sie ja' das ,,Gebot" empfangen baben (Did. 1, 5; 4 7 13; 
13, 5. 7). Nicbt an gelegentlicne Ausspriicbe der Evangelien kann 
bierbei gedacbt werden, sondern nur an eine detaillierte moraliscbe 
Unterweisung, die jedein Christen gelaufig ist. 2 ) Aber der Yerfasser 
der Didacbe kann diese Quelle aucb als das ,,Evangelium des Herrn" be- 
zeichnen(15,4; 11, 3). 3 ) Aasdas bedeutet, ist jetzt, aucb. obne Erlauterung, 
klar. Auf die gleicbe Quelle weisen dann aucb die rtQOGtdyi.iaTa-oder 
die odbg TTjg (xkrft-eias, von denen der 1. Clemensbrief redet (1, 3; 
3, 4 ; 37, 1 ; 35, 5), zuriick. Wie der etwas alt ere Hebraerbrief zmn 
Eestbalten am Bekenntnis irn praktiscben Interesse auffordert (4, 14; 
10, 23), so sagt der erste Clemensbrief: eldiopev Inl tbv einihefj ' vat 
oef.ivbv Tfjs rtctQadooews yi-i&v v.avova (7, 2cf. 41, 1), und dieser 
Kanon enthalt in sicb. so.wobl die Erinnerung daran, was Gott wohl- 
gefallig ist, als an die Bedeutung des Blutes Cbristi. Axicb bier zeigt 
sicb wiecler der doppelte ethiscbe und dogniatiscbe Inbalt der 
IJberlieferung. 



1) Die Stellen sincl Avegen der Zusaininenordniuig der Trias mit Glaube und 
Liebe interessant (s. dazu 1. Clem. 58, 2). Beide Zusammenstelluugen werden 
von der ,,Lehre" dargeboten worden sein. Hinsiclitlicli von Grlaube, Liebe, HofEmmg 
zeigt Polyc. ad Phil. 3, 2 deutlicli die Zngehorig'keit znr alten "Dberlieferung. 
Dann ist es walirscheinlich, dafi die Trias des PaTthis 1. Kor. 13, 13 nicnt minder 
formelhaft war (vgl. oben S. 66), als die Trias 2. Kor. 13, 13. Das Vorhanden- 
sein beider Triaden setzt aucb. der Hbr. voraus (10, 2224. 29 31) und aucb. 
bier stehen sie nab. beieinander. 

2) Hierauf inacht auch Drews aufmerksam, s. Zeitscnr. f. nentest. Wiss., 
1904, S. 631 

3) Fraglicb. kann nur sein, ob Did. 8, 2 das Evangelium des Herrn, in dem 
das Vaterunser (nach Matth.) geboten war, das Evangelium des Mattliaus oder 
die evangeliscne Lebre ist. Da an deii iibrigen Stellen das ,,Evangelium", wie 
icb. meine, nicbt das Evangelienbucb, bezeicb.net, so woM aueb. nicnt an dieser 
Stelle. Der Sprachgebrauch ib ebayyeliov = Evangelienbucb. ist, nach Ignatius, 
in unserer Zeit schon vorhanden, aber noeh denkt man zunacbst bei dem Wort 
an die ungescbriebene ,,evangeliscbe Lehre". DaC dann der Titel sich allmahlich 
aiif die festere literarische Fixierung des Evangeliums oder eigentlicb. seines 
.ersten Hauptteils beschrankte, ist begreiflich. 



168 8. Die alten Normen der Lehi'e. 

Besonders deutlich liegt die Saehe bei Polykarp. Ei' kennt 
E agy^q f]f.ilv rtagado&evta koyov '(7, 2), der im Gegensatz zur 
Lehre der Haretiker stelit. Schon Paulus hat TOV rtsgl aky&eictQ koyov 
gelehrt. anders ausgedriickt vrpi do&elaav vf.dv Ttiaiiv (3, 2; 4, 3). 
Dieser uberlieferte Glaube ist einmal identisch mit der evi/okij, zum 
anderen aber der engere Begriff, da die kvtolx\ auch die Moral in. sich 
fafit (2. 1; 3, 3).- 1 ) . . 

Wir sehen also, daB in der Zeit von ca. 95 bis ca. 140 in der 
Kircbe eine tlberlieferung herrschte, die man mit verscbiedenen Nanien 
bezeichnete, etwa als Lehre, Gebot, Evangelium, tJberlieferung, Kanon 
der TJbeiiieferung, Wort der Wabrbeit. 2 ) Diese Tradition zerifiel in 
zwei grofie Abteilungen, den iiberlieferten Glauben nnd die moraliscben 
Kegeln, eleven Resume uns die Tugend- und Lasterkataloge bzw. die 
,,beiden Wege" gewabren. Diese TJberlieferung stellte den alten Inbalt 
der Mssionslebre dar, der dann zur Regel fiir Leben und Lebre clerer^ 
die elurcb jene Verkiindigung gewonnen waren, geworden ist. Diese 
Grofie bat zunacbst gewifi fiir uns etwas Vages und TJnbestimmtes an 
sicb, weil sie uns eben nicbt im Detail literariscb iiberliefert ist. Aber 
nicbts ware so verkebrt, als wenn man darum einen unbestimmten 
schillernden Inbalt dieser TJberlieferung annebmen wollte , wie etwa : 
Yergebung, Priede, Heil, Gerecbtigkeit, Erommigkeit. Nacb den Quellen 
ist vielmebr sicber, 1) dafi es sicb um ziemlicb detaillierte nioraliscbe 
Regeln banclelte, 2) dafi die Tatsacben des Lebens Cbristi und ibre Be- 



1) Die (partielle) Identitat von f/ Sod'siaa Ttiam mit der vtolr\, wie auch 
der weitere Urnfang der letzteren, zeigt sich deutlich 4, 1. 2: in bezug auf die 
Manner wird gefordert zu wandeln sv Tfj svroly rov xvgiov, fiir die Prauen wird 
die gleiche Fordemng formuliert als Wandeln in dem iiberlieferten Glauben und 
der Liebe und Heiligkeit. Der Glaube ist also in der evroii) enthalten, aber diese 
fafit zugleich die Liebe in sich. Den gleichen Glauben nennt 4, 3: ii}v tov 

Ttianv, d. h. den vom Herrn herriihrenden (objektiveu) Glauben. Die 
J.i] wird 3, 3 auch evro/.i] Si'/.aioavvtjs (cf. 9, 1 : l,6y>os tfjs Sixaioavvrjs) genannt. 
Inter essant ist, dafi die Trias Glaube, Liebe, Hoffnung als Ausdruck der 
Erfiillung der gesamten evroli) erschemt; die Stelle 3, 2f. zeigt dies und ver- 
deutlicht das Ganze: as (Paulus) . . . ISiddgsv dx^cos vat ftefiaicos rbv 7t eg I 
'l.oyov, os '/.at drt&v v/nJv eyfjon/jev j-Ttiatokds, us &m, 

oixoSojiisiffO'ai els Tifv So-9'eiyav v fj.tv Ttiativ, IJTIS sariv 
ffji' K7tuy.olov9~ovat]3 rtfi slttiSos; 7t(>oayovat]s Tfjs dydTtqs frjs els d'ebv 
/.a\ Xfiiarbv xul sis tbv Ttkijaiov. ^Eav ydq ns tovtcav ivros [], 'jtKTii^QW/.Bv ev- 
toh'i]i> d ly.aioavvtje. 

2) Als bald nach 150 Hegesipp vorn Orient kommend Korinth und Eom 
besuehte. fand er iiberall den dp&bs koyog, d. h. man lehrte: CDS d vd/.ios n^^voost 
y.al ol 7t(io(f>i]T(u nal 6 XVQIOS (bei Euseb. h. e. IV, 22, 2. 3). Von der ,,Lehre 
der zwolf Apostel" spricht die Asc. leg. (3, 21), vorangeht eine Darstellung des 
Christentums, die jedenfalls die kirchliche Verkiindigung iiber Christus wiedergibt. 



Der Inhalt der alten Uberliefernng. 169 

deutung in Betracbt kamen, 3) daB diese Lebre sacblicb einen Gegen- 
satz zu den Theorien der Gnostiker bildete, sie muB also lebrbaften 
Charakter gehabt baben. Man konnte nun aber einwenden, daB eine 
solcbe fixierte, und docb nicht literarisch festgelegte Lehre etwas ganz 
TJngreifbares und daber ,,TJndenkbares" sei. Allein es gibt eine sebr 
naheliegende Analogie hierzu. Jabrbundertelang bat die jiidiscbe 
Mischnab die Religion beberrscbt, ohne aufgezeicbnet worden zu sein. 
Sie trat als die miindlicbe Tborab neben die schriftliche, und aucb sie 
fiihrte man auf Mose zuriick, indem man zugleicb darin einen besonderen 
Vorzug sab, daB sie, weil ungescbrieben, ausscbliefilich Israel und nicbt 
auch den Heiden gebore. J ) Nun zeigt sicb immer deutlicber, daB die 
synagogalen Ordnungen der Diaspora die Yorbilder der kircblicben Ord- 
nungen gewesen sind. Wie der jiidiscbe Missionar nicbt nur die Tborab, 
sondern ein besonderes Yerstandnis derselben, wie die Halacboth der 
Miscbnab es darboten, verkiindigte und damit einen fixierten Gedanken- 
stoff, der nicbt gescbrieben war, wiederbolte, so tat es aucb der cbrist- 
liche Missionar. TInd wie bei den Juden dieser Stoff ein fester und 
docb sicb allmahlicb erweiternder war, so aucb bei den Cbristen, und 
wiederum war beiden gemeinsam die IJberzeugung, nur ,,alte Tlber- 
lieferung" zu vertreten. Und nicbt anders als wie dem jlidiscben Pro- 
selyten zugenmtet wurde, eine besondere Lebre seinem Gedacbtnis ein- 
zupragen, wurde etwas Ahnlicbes von dem cbristlichen Katecbumenen er- 
wartet. Es bestand freilicb der grofie TJnterscbied, daB der Cbrist 
wurde was er war durch die personlicb erlebte Erfabrung des Greistes, 
wabrend nacb judischer Vorstellung das Gesetz selbst die umwandelnde 
Kraft besitzt. Dieser Unterscbied kann nicbt groB genug gedacbt 
werden (cf. Gal. 3, 2), aber er scbloB nicbt aus, daB man seit Paulus 
aucb bei den Christen der Meinung war, daB der Geist nicbt anders 
wirksain werde, als eben durcb die Gedanken xind Begriffe der cbrist- 
licben Verkundigung (oben S. 64). 

Damit bat sicb uns das gefundene Resultat bestatigt. Man besaB 
in unserer Zeit eine ungescbriebene Tradition, eine kircblicbe Lebre, 
die man auf die Apostel und auf Cbristus zuriickfubrte. Sie bot die 
Grundlagen dar fiir den Unterricbt und die Predigt, sowie fur die seel- 
8orgerlicbe Leitung der Gemeinden. Ware nicbt die konfessionelle Ab- 



1) S. hieriiber Weber, Syst. tier altsynagog. Theol., S. 1001 Bousset, 
Eeligion des Judentums S. 132 f. Hier der Satz: ,,die Halacliotlx schreiben, sind 
so, als wenn sie die Thorah verbreunten" (R. Jochanan). Dies bezieht sick vor 
allem auf die gesetzlichen Bestiminungen, dagegen herrscht gro'Bere Freiheit be- 
ziiglicb. der Haggada, d. li. den historischen und dogmatiscnen Ausspinuungen 
alttestamentl. Stoffe. 



170 8. Die alteu Normen der Lehre. 

neigung gegen den katholischen Traditionsgedanken dieser Erkenntnis 
hindernd in den "Weg gekonunen, so hatte sie sich verniutlich schon 
fruher den Forschern aufgedrangt. Der Tatbestand 1st ja an sich ein- 
fach. Jedermann weifi. daB, Avenn von jiidischen ,,tJberlieferungen" die 
Rede ist. diese einen Komplex fixierter Gedanken und Yorschriften be- 
deuten. Nun begegnen uns dieselbe und ahnliche Bezeichnungen immer 
Avieder in christlichen Schriften in Zusammenhangen, die klar hinweisen 
auf feste tlberlieferungen von Lehren und Geboten: da ist der SchluB 
unvernieidlich. daB nicht nur ein unbestimmter common sense in der 
Kircne lebte, sondern daB sie einen festen geistigen Besitz innenatte. Die 
Bezeichnungen, die dieser Besitz erhalt, ebenso aber die Beurteilung, die 
er findet, sowie seine Gleichartigkeit in den verschiedenen Quellen, be- 
lebren auch dariiber, dafi man ibn sich niclit denken darf, als eine zu- 
fallige "Wiederholung bestimmter Lieblingswendungen und erbaulicher 
Redensarten. - 1 ) Hinsichtlicn der moralisclien Regeln wird sicb kaum je- 
mancl mehr die Sache so vorstellen, der Tatbestand erfordert die Be- 
trachtungsweise, die der Moral billig ist, auch dem ,,Grlauben" recht 
sein zu lassen. 2 ) Yielleicht schwindet bei dieser Betrachtungsweise etwas 
von dem Hauch unmittelbarer Begeisterung, den wir in der alten 
Christenheit wahrzunehmen uns gewohnt haben. Aber wir haben dafiir 
den grofieren Gewinn. uns ihr Leben und "Werden anschaulicher, kon- 
kreter, Avenn man will ..natiirlicher" vorstellen zu konnen. 

Was man so lehrte im Vertrauen auf die iiberirdische Macht der 

Sache und was man lernte, indem man diese Macht im Geist eiiebte, kann 

man zusammenfassen in die doppelte Trias : der Vater, der Sohn und der 

I Geist, und der Glaube, die Liebe und die Hoffnung. Christus der Erloser und 

1 Herr war der Mittelpunkt des Ganzen, der lebendige Gott ist sein Vater, 

V von Christus kommt die Geistesmacht iiber die .Menschen. Das ist der 



1) Ha mack hat otters anclere siucl imn clarin gefolgt von ,,Ke- 
rygmen" oder ,,kerygmatischen Satzen" gesprochen (z. B. PRE. I s , 750), die in 
der apostolischen und nachapostolisclieu Zeit in den G-ememden kursierten. Dem 
liegt eine ganz richtige Empflndung zugrunde. Aber man kann es nun niclit 
sein Bewenden hatten lassen an solchen einzelnen Satzen, wenn man ilberlegt, 
daC solche Bezeichnungen wie d/^&eia, svayyshov, SiSay/j, evrolrj, TtapdSoais etc. 
doch offenbar auf eiue umfassende Darstellung des ganzen Christentums hin- 
weisen. Eine solche besaB man, sie setzte man als allgernein bekannt voraus, 
niit ihrer Autoritat argumentierte man. Harnack hat recht, wenn er es ablehnt, 
alle Lehrformelu auf ein ,.Bekenntnis" zuriickzufiihren, aber es ist offenbar un- 
richtig, Arenn er diese einzelnen ,,Satze" als isolierte ,,Kerygmen" fafit, sie haben 
in Wirkliehkeit eine zusammenhangende Einheit gebildet, Avie Avir sahen. 

2) Z. B. das EvayyeLov fiov des Paulus (oben S. 161) ist nicht minder eine 
feste Grofle als das, Avas er TS 6Sovs fiov TS sv X^ior^ (1. Kor. 4, 17) nennt 
und in der ganzen Kirche zu lehreu pflegt. 



Das Taufbekenntnis der nachapostolisehen Zeit. 171 

,,Grlaube", den man glaubig' erfafit, Her wurzelt die Liebe, die in 
mancherlei ,,Greboten" das Leben umfafit und auf den rechten ,,Weg" 
stellt und den falschen meiden lafit. Und biermit ist eine objektive 
.jHoffnung" gegeben, in der hoffend der Menscb sich trostet im Leid der 
Gregenwart. 1 ) 

6. Yon dem ,,Glauben" der apostolischen Zeit war .,das Bekenntnis", 
wie wir gesehen baben, zu unterscbeiden, nicbt anders als wie das be- 
kenntnisartige Scb'ma der Synagoge neben. den ,,tJberlieferungen" be- 
stand. Wenn man die Literatur tmserer Zeit nach einer Bekenntnis- 
formel durcbmustert, so begegnen uns rnehrfacb formelbafte Zusainrnen- 
stellungen. "Wie das Bekenntnis im N. T., erstrecken aber aucb sie 
sich nur auf christologiscbe Formeln, von einem Bekenntnis in triadi- 
scher Fassung findet sicb keine Spur. Die bekenntnisartigen Zusammen- 
stellungen, die man bei Ignatius und Polykarp findet, 2 ) sind dem ..Be- 



1) Die Quellen verwehren es, diese beiden Triaden im spateren dogmatischen 
Sinn zum Einteilungsprinzip der ,,Lehre" zu machen, dazu koinmen sie zu selteE 
fiir sich und miteinander Tor. Aber ihr Alter wie das Vorhandensein der Kom- 
bination zeigen doch, dafi man zurhistorischenZusammeiifassung' sick ihrer bedienen 
kami. Vgl. bes. Ignat. Epb.es. 9, If. : "J&yvcov Se . . . fyovras y.uy.i]v StSu'/ijv, 
ove ofa sldaars OTteiQai sis vfius flvaav-TEg T& 3)ta eis TO f.ii] Tta^aSs^aad'ai ra 
OTteigofieva i>7(' aiifoiv, dig ovies hi&oi vaov Ttar^os, fjTocfiafffievot sis olxoSoftiiv 
freov rtatQOS, dvacpE^6f.isvoi els tot. iitprf Sta rfjs {.trjftavrjs lijaov X^iarov os 
eariv aravQOs, a r /,oiviq> ftycbftevoi TCO Jtvevf.i are, tip ayicp' -fj Se stiffTis -fiftoav 
dvaycoyeiig iificov, fj Se dydTt'ij oSos fj dvayegovaa sis d'sov. "Eate. otiv y.a.1 ovvodoi 
jtdwtss, 8'eo<p6()oi> y,od vaocpogoi, y^ioiocpogoi, ayiocpogoi, v.urca, Ttdwra ttExoafiTjfievoi ev 
rais evtoKaTs 'lyaov Xyiarov. Hier tritt denen, die die ,,schlechte Lehre" 
haben, entgegen die Lebenssphare und der Besitz derer, die den ,,Geboten" Christi 
folgen. Es fehlt bei der zweiten Trias die Hoffmmg, wie auch oft im N. T., das 
ist verstandlich, ist sie doch im Glauben enthalten. S. auch Magn. 13, 1. 1. Clem. 
58, 2: fj yctg 6 9'sbs xal Qij 6 xvpios 'Iqaovs Xpiarbs xal TO rtveiifia TO 
ayiov, ij TE Ttians ncu rj e),7tls TCOV sxlsKTwv. Wiclltig ist auch Hbr. 10, 

22-24. 2931. Vgl. S. 167. 73. 147 und Iren. epideix 41. 

2) Die Hauptstellen sind Ignat. Trail. 9, 1. 2: '/.oxpcbd-riTe ol>v, otav ii/niv 
%cools 'Irioov Xoiarov Adhr] Tie, TOV ex ysvovs ^JaviS, TOV sz Manias, os d).t]d~w$ 

etpaysv TB y.al emev, dhrjd'&s sStco'/ftq sTtl JJowtiov HiiAiov, 
l xcu d^tsd'avsv fikeTtovitov [TCOV sTtovqavicov xui ertiyeicov teat -vTCO' 
8g xal dhr]&(5s ijys^rj drtb VKV.Q&V, syeioaVTOS afabv TOV TtaTobs aiiTOv. Dies ist 
eine im antignostischen Interesse erweiterte und zug-espitzte (dlri&cas, etpaysv etc.) 
Bekenntnisformel. Smyrn. 1, 1. 2: jtBTcl-rj^oyo^rji.isvovs sis TOV xvoiov 
yevovs ^favlS y.a/ra. adoy.a, vlbv d'sov VMTCH. d'ehrif.ia 'y.nl Svvafiiv -&eov, 

s% Ttuo&evov, ftsfia'jt'tiaf.ievov into ^Ito&vvov . . ., d^9"ws sTtl Hovriov 
y.al 'HocbSov TST0do f /,ov xafrrjlcofievov vaeo fjficov ev oaoxi . . ., Sid TIJS 
fivaar&ascos. S. noch Magii. 11, 1. Bom. 6, 1. Philad. inscr. Eph. 18. 2 : IK 
fiaros fisv jJaviS, 7tvsvf.ia,TOS Se ayiov etc. Polycarp. ad Phil. 2, 1 : 
rrjv KSVTjv fiaraioloyiav . . . TtiarsvaavTes sis TOV eysioavTH TOV xvoiov -ijucov 'Iijaovv 



172 8. Die alten Normen der Lehre. 

kenntnis", das wir im N. T. wahrnehmen, ganz ahnlich. Dann aber 
wird man das Bekenntnis, das Paulus, Johannes und der Homer, der 
den Hebraerbrief schrieb, kennen, auch in Antiochia als bekannt anzu- 
nehmen haben. Es trug also okumenischen Charakter. wieAVohl 
der Wortlaut sicher lokal differenziiert gewesen ist. l ) Das Bekenntnis 
driickte den Glauben an Christus aus, der aus Davids Geschlecht stana- 
mend, von der Jungfrau Maria geboren ist, und Gottes Sohn war, der von 
Johannes getauft wurde, unter Pontius Pilatus und Herodes (?) litt und 
starb, der von Gott erweckt ist von den Toten, der zur Rechten Gottes 
sitzt, dem die Engel unterworfen sind, und der komuien wird, die 
Lebendigen und die Toten zu richten. Das war also der Kern des 
..Evangeliums" und der ,,Lehre", den der Katechumene zu bekennen hatte. 

7. Aber in unser Zeitalter sclieint nun die Neuforinung des Be- 
kenntnisses zu fallen, welche die alte triadische Paradose zum Ein- 
teilungsgrund des .,Glaubens" macbte. Eine Tatsacbe, die fur die DG. 
von unvergleichlicher Bedeutung ist, riickt damit in unseren Gesichtskreis. 

Justin, der Martyrer, der um 150 seine Apologie verfafite, be- 
.zeicb.net in ibr den cbristlicben Gottesglauben als die Verehrung des 
Sckopfers und seines Sohnes, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, 
sowie des propbetischen Geistes .(Apol. I, 13). 2 ) In baufig wieder- 
kebrenden Formeln wird aufierdem der Inbalt des sog. 2. Artikels 
wiedergegeben. 3 ) Vor allem aber ist von Bedeutung die Mitteihing, dafi 



BK v6'/.()(av xal Sovra. aiirca So^av y.at &QOVOV ex Se^icov a-dtov' a> vT 
10. Ttdwm KTtovpdwa. '/.al KTtiysia . . ., '03 %(>%eTai y.Qiti]s ,cbvrcov y.al vsxtjwv. 

1) Vergleicht man die neutest. Pormeln (S. 163 f. A. 3), so fallen besonders 
auf die Erwahnungen der Jungfrau (s. aber Gal. 4, 4) mid des Herodes (s. aber 
Act. 4, 27), ferner das Fehlen der Zettgen der Aufersteliung iind der Erwahnung 
der Himmelfahrt, fiir die der Kleinasiat Aristion, falls 'der unechte Markusschlufi 
auf ilm zuriickgeht, eintritt (Me. 16, 19). Indessen laftt sich hier im einzelnen 
nichts ausmacJbten. DaB die ,,Jungfrau" spater in die Formel kam das ist nach 
Ignat. sicher ist ebenso begreiflich (s. oben S. 1081), wie dafl man die nach 
1. Kor. 15 doch nnvollstandigen testes der Anferstehung fallen lie.fi. Bemerkens- 
wert ist noch, daB auch das johanneische fiovoyevtfs fehlt. Aber dem Antiochiener 
Ignatius wird es nicht gelaufig gewesen sein und Polykarp referiert nur das Bnde 
der Formel, zudem ist keineswegs sicher, dafl Job., das Wort in seinem 
,,Bekenntnis" stehen hatte. Aber es steht freilich im altromischen Bekenntnis 
(s. nnten). 

2) Ap. I, 13: Tov 8 1] fi i o v (>. y 6 1' TovSs TOV TtavTos aeftofttvoi. Ibv 
StSdaxa}.6v re. tovrtov yev6f.ievov f//.iTv nal els TOVTO yewq-9'evra 'I'ljoovv 
Xqiatov, ibv atavoio&EVtu, S7tl JJovriov ITikdrov . . ., vibv aiitbv 
TOV OPTCOS \)'eov (.iK&w'tes ev Sevcefiri, '/fbfjq. e%ovTes, Ttvevfid TB TtQoyrjif/.bv sv 
iqlrr} Tget on fiera. l.oyoy riftcofifr 8ei$o/j.ev.. Vgl. 65: (uvov y.al So^av ttff 
7tar()l TOJV o).cov Sia TOV ovdfiaros TOV vlov y.al TOV rcvevuaTOs TOV ayiov, ebenso 67. 

3) Aus den in Betracht kommenden Stelleu heben wir folgende Formeln 



Die Entstehung des triadischen Bekenntnisses. 173 

die Taufe vollzogen wird im Nam en des Vaters und Herrn von allem. 
und Jesu Christi des tinter Pontius Pilatus Gekreuzigten und des heil. 
Geistes (I, 6 1 1 )). Hieraus ergibt sich einmal die Verwendung der triadi- 
schen Taufformel (cf. Did. 7, 1), dann aber dafi die Formel auch in 
erweiterter Gestalt in Betracht kam (,,Pontius Pilatus"). So luckenhaft 
immer solche gelegentliche Erwahnungen und Anspielungen sind, wie 
Justin sie bietet, so erscheint es doch als wahrscheinlich, dafi das Be- 
kenntnis, an das er denkt, nut dem altromischen nicht schlechtweg 
identisch ist. 2 ) Das hat nichts Auffalliges an sich, war doch Justin 
nicht in Rom, sondern in Ephesus Christ geworden. 3 ) Hieraus lafit 
sich aber schliefien, dafi um 140 in Ephesus das Taufbekenntnis bereits 



hervor: 1) ibv 8ijf.uovpybv tovSe .tov navtos (Ap. I, 13), tov rcatobs ndvtojv xal 
Ssanotov -dsov (ib. 46), TOV natods tcov oKoiv xal Seanotov dsov bvofta (ib. 61). 

Letzteres wird demnach wohl die Formel sera, 2) tyoovs Xgiatos, 3) yewcbfievov 

Sid nap-dsvov (ib. 31), Sid. nagfievov avdpconos dney.v^-drj (ib. 46), ia trjs Ttaq-devav 
avQ^conos yevvri&rjvat, (Dial. 63), Sia Tia^devov yevvrjdevTOs (Dial. 85), 4) vlbv 
avrbv tov dvtcos &eov (Ap. I, 13)* vlbv d'eov ovra veil "/.exkrjfievov (ib. 21) cf. tov 
TiatQos avrov (Dial. 63. 85), tov vlov tov -deov (D. 85), vlbv 9'sov (D. 132), 5) tbv 
atavftco&evta. erii Uovtiov ZTiidtov (Ap. I, 13), tov atavQcbQsvtos BTU Uovtiov 
Uikdtov (ib. 61. Dial. 85), 6) atavtjco&evta y.cu catodavovta. y.ai avaatdvta avsh]- 
hvfrevai sis tov ovqavov (Ap. I, 21). xal dTtofrftfay.ovtd y.al dveyeioofievov y.al si? 
dvep)>6{.(,evov (ib. 31), atavQcodels y.ai oujioQ'avcov dveatrj y.ai efiaaikevaev 
sis oiioavov (ib. 42), y.ai atav() cod's is y.al dnod'avcav dveatrj teal dvs}TJkudsv 
sis oiioavov (ib. 46), atavpcodrjvai y.al dno&aveiv (Dial. 63), os y.al dvsatr] ey. vsy.owv 
y.al avrl^d'EV sis tbv ovoavov, y.al otavoca&svtos snl ITovtiov Hikdtov . . y.al ano- 
fravovtos y.al dvaatdvtos ey. vexgcov y.al avajidvtos els tbv ovgavov (D. 85), otavoco- 
&svta xal avaatdvta y.al avB^rj^v&ota sis tovs ovoavovs (D. 132), 7) y.al nd),iv 
nagayevrjaofievov y.oirijv Ttdvrcov aTthcos avd^caTtcov (D. 132), 8) avevfid ts 7tQO<pr r 
tixov (Ap. I, 13), y.al en dvdfiatos nvsvfiatos ayiov (Ap. I, 61). 

1) Ap. I, 61 : en ovofiatos yao tov natobs twv b'Lcov y.al Ssanotov &eov y.al 
tov acotrj^os fyfiwv Utjoov Xgiotov y.al 7ivsv/.iatos ayiov to sv tea vSan tots ).ovtobi' 
izoiovvtai. *Ev tcp vSati e^ovofid^stai, tco ekouEVCp dvayswi]&-?jvai y.al ftsta- 
vorjoavti em tols f]fiaot^f.isvois to tov Ttatobs tcav ohcov y.al Ssanotov 
dsov ovofia. Kal In ovopatos Ss 'Frjaov Xaiatov tov fftavoca- 
O'svtos snl Uovtiov JTi),dtov y.al I.TI ovofiatos nvsv juntos dyiov, o 
Sid t&v Ttooyrjtcov 7cooey.i']ov!;ev to y.atd tbv 'Iqaovv ndvta 6 cpcoti^ofisvos 'f.ovetat.. 

2) Besonders Avicbtig ist das Pehlen von navtoy.odtwo, ^ovoysvijs, taysvta, 
tpitr] fjfiepq, ayia ey.xhrjaia, acpeais afiapti&v, aapxbs dvdotaois. GeiiauereS S. bei 
Kattenbusch, Das ap. Symb. II, 286 f., 293 ff. Aueh das nvt-vua noocpt]tty.6>' 
macht stutzig, wenn man sich erinnert, daB in den morgenlandischen Formeln 
oft auf Ttv. ay. der Zusatz : to lalf}aav ev tois noocprjtais folg't. 

3) Die Envalnnmg von Stiicken aus dein 2. Artikel als exorcistische Formel 
(bes. Apol. H, 6. Dial. 30. 85 cf. Iren. II, 32, 4) lafit freilich auf em sehr hohes 
Alter dieser Stiicke schliefien, aber sie gehoren dem alteren eing-liedigen Be- 
kenntnis an und beweisen somit niclits fur das Alter der triadischen Formel. 



174 8. Die alten Normen der Lehre. 

dreigliedrig war, und dafi es im einzelnen kaum identisch war mit der 
romischen Formel, die wir kennen. 

DiesResultat wiirde bestatigt werden durch die um 140 entstandene 
Apologie des Atheners Aristides, wenn sich sicher ausinachen liefie, dafi 
die bekenntnisartigen Eormeln, die bei ihm vorliegen, einem drei- 
gliedrigen Bekenntnis entstammen. 1 ) DaB der Brief, in dem Marcion 
um 140 seine Rechtglaubigkeit vor der romischen Gemeinde dartat, ein 
Bekenntnis enthielt, das mit dem Tertullian gelaufigen dreigliedrigen 
Symbol sieh deckte, scheint dagegen sicher zu sein nach der Art, wie 
Tertullian von der Sache redet. 2 ) Das Yorhandensein und die oku- 
menische Geltung des dreigliedrigen Symbols wird dann von Irenaus und 
Tertullian deutlich fur die ganze Kirche bezeugt, 3 ) oline dafi Rom als 
der Ort seines TIrsprungs genannt wiirde. 4 ) 

Demnacb ist zu sagen, dafi das alte eingliedige Taufbekenntnis seit 
ca. 130 140 allmahlich in der ganzen Kirche von dem dreigliedrigen 
Bekenntnis verdrangt worden ist. Unter den Formulierungen, die dasselbe 
gefunden hat, ist die romische spater im Abendland mafigebend geworden, 
obne dafi irgend etwas darauf funrte, dafi Rom das neue, triadisclie 
Schema aufgebracht hatte. Am wahrscbeinlichsten scbeint mir zu sein, 
dafi es zuerst in Jerusalem oder auch in Kleinasien in Anwendung 
gekommen ist und von dortaus sich liber die ganze Kirche verbreitet hat. 5 ) 

1) Vgl. Member R. Seeberg, Die Apol. d. Aristid. (Zahns Forsek.,V) S. 270 f. 
und Katteiibusch II, 303 ff. In Betracht kommt: 1) yivcbaxovai tbv &sbv 
xTiairjv y.al Sij/uiovgybv tcov cmdvtcov (15, 2 cf. 14, 2); 2) o-Sros Ss 6 vibe TOV d'eov 
tov inpiatov ofioAoyettat (2, 6) ; 3) sv nvsvfia/rt. ayico an oiigavov y.afafids (2, 6, 

znm Verstandnis nieinen Kommentar S. 272); 4) n und von einer hebraischen 
Jungfrau nahm und, anzog Fleisch (nur syr. erhalten, 2, 6) ; 5) fieru IQSZS -fifte/tas 
dv/3ico y.al sis ovgavoiis avT^sv (2, 8) ; 6) Gericht, welches durcli Jesus den Messias 
bereit ist zu kommen uber das ganze menschliche Geschlecht (17, 8). Die an 
erster Stelle angeflihrte Fonnel klingt wie bekenntnismaEig, aucli der Znsammen- 
hang stimmt hierzu; sieht man aber von ihr ab, so konnte Aristides ev. nur das 
alte eingliedige Bekenntnis gehabt haben. Indessen diinkt mich. dies nicht 
Avahrscbeialicb. Eine Erwahming des Geistes fehlt. 

2) s. Tertull. adv. Marcion I, 1; IV, 4, de carne Cbr. 2 cf. de praescr. 30. 
Zahn hat benauptet, aus dem Text Marcions Gal. 4, 26 (in quam repromisimus 
sanctam ecdesiam) folge, dafi die ,,Kirche" ini Bekenntnis Marcions gestanden 
habe (das apostol. Syrnb. S. 33; vgl.. Gesch. d. Kan. II, 502). 

3) s. auch das Bekenutnis der Presbyter von Smyrna Hippol. c. Noet. 1 
(ca. 180), wo aber der Geist nicht erwahnt wird. 

4) Das sagt auch Tert. de praescr. 36 nicht, nur dafi Rom als eine von 
Aposteln begriindete Gemeinde fiir die Afrikaner den alten Glauben autoritativ 
vertrete, wie Korinth oder Ephesus fiir andere Gegenden, will T. sagen. 

5) Stellt man, wie iiblich, die Alternative Bom oder Kleinasien, so sprechen fiir 
Kleinasien folgende Erwagungen : 1) Justin kennt das triadische Bekenntnis, das er 



Das romische Taufsyinbol. 175 

8. Das altromiscbe Symbol 1st uns als ganzes zuerst durch. Marcell 
von Ancyna (348) und durch Rufin (ca. 400) uberliefert. Aber es fehlt 
nicht an Anzeichen dafiir, daB diese Form sebr viel alter 1st und 
mindestens bis in den Anfang des 3. Jahrhunderts zuriickreicnt. *) Da 
nun bis zu dieser Zeit das Griecbische die Kircbenspracbe Roms war, 
so pfl'egt man den von Epipbanius (b. 72, 3) iiberlieferten Text Marcells 
als den altesten mitzuteilen. Aber dagegen spricht, daB dieser Text, 
wie allgemein anerkannt wird, einige nicbt ganz unwesentliche Abande- 

als Katechumene in Ephesus erlernt haben Avird. Aber auch Avenn man letzteres 
als unsicher ansehen will, bezeugt dieser KLeinasiat jedenfalls, daB, wie in Bom, 
so auch in r Asien das triadische Bekenntnis nm 140150 im Branch stand. 
2) Wie die Presbyter von Smyrna um 180 das Bekenntnis anfiihren, so ist die 
Theologie des -Kleinasiaten Irenaus ganz .von ihm durchtrankt, sie ist recht eigent- 
lich Bekenntnistheologie. 3) Iren. folgt hierniit der Methode, die das grofie Licht 
Kleinasiens Johannes in seinem 1. Brief aufgestellt hat: den Haretikern gegen- 
iiber an der nalaia. iviolr\ festzuhalten; vgl. die Traditionstheologie des Papias. 
4) Das in alter Zeit so iiberans seltene povoyevjjs weist nach Kleinasien, aber 
freilich scheint Jnstin es nicht im Bekenntnis zu haben, nnd es konnte nberall 
geschrieben werden, wo man das Johannesev. las. 5) Die innere Wahrscheinlich- 
keit ist fiir jene Zeit groBer, daB Boin die Empfangerin, Kleinasien die Geberin 
war. 6) Dazu kommt, daB das neue Symbol bald im ganzen Orient bekannt ist, 
was sich auch mit romischer Entstehung nicht recht vertragt. In jener abge- 
legenen Gemeinde Syriens, in der die Didascalia entstand, gait schon in den 
ersten Dezennien des 3. Jahrh. fiir Tatsache, daB die Apostel auf dem Konzil zn 
Jerusalem fiir die ganze Welt das dreigliedrige Bekenntnis verfaBt hatten 
(Didascal. 24 init.). Man kann.die okumenische Geltung und die Autoritat der 
Pormel nicht starker markieren, als es durch diese Geschichte geschieht. DaB 
die ,,Geschichte" nicht historisch ist, bedarf keiner Bemerkung. Konnte ihr aber 
nicht ein geschichtlicher Kern zugrunde liegen, die Erinnerung namlich, daB in 
der Tat die Bekenntnisf ormel aus Jerusalem stammt ? Nach Euseb hat Jerusalem 
im Jahre 135/6 den ersten heidenchristlichen Bischof erhalten (h. e. IV, 6, 4). 
Das ware der geschichtliche Moment, in dem sowohl Matthaus griechisch be- 
arbeitet werden, als ein neues der heidenchristlichen Missionsarbeit entsprechendes 
Taufbekenntnis geschaffen werden konnte. DaB Jerusalem fremde Tradition iiber- 
kam, ist nicht wahrscheinlich, an der jerusalemischen Lehre bewahrte sich aber 
dem Hegesipp die Lehre der tibrigen Kirchen als orthodox. Noch ein Punkt ist 
von Belang, die alteste triadische Taufformel, die wir kennen, ist judenckristlieh. 
Im Helkesaibnch wird angewiesen, die Wiedertauf e zu vollziehen ,,in dem Namen 
des groBen und hochsten Gottes und in dem Namen seines Sohnes", darauf sollen 
zu Zeugen angerufen werden Himmel und Erde und ,,die heiligen Geister" etc. 
(Hippol. Bef. IX ; 15). Mag auch bei den heil. Geistern an Engel zu denken seiii, 
so scheint doch diese Forael in dem uralten Buch auf jiidische Provenieuz der 
triadischen Taufe zu fiihren. Es mag sich mit dem Sjtnbol ahnlich verhalten 
wie mit dem monarchischen Episkopat : beide sind aus Jerusalem nach Kleinasien 
und von dort nach Bom gekommen und beide haben erst in Rom sich zu voller 
Bliite entfaltet. 

1) s. Novatian de trin., sowie Dionys. Bom. b. Athanas. de decret. Nic. syn. 26. 



176 8.- Die alteii Normen der Lehre. 

rungen erfahren hat, dann aber, dafi es sehr wabrscbeinlicb 1st, dafi der 
lateiniscbe Text des Symbols der altere ist. Dieser ist nainlich rbyth- 
miscb gestaltet. Da die TJbereinstimmung mit dem griecbiscben Text 
erne ganz wortiiche ist, dieser aber des Rhytbnius entbebrt, so ist der 
lat. Text der urspriinglicbe. oder es rnuBte ein wunderbares Spiel des 
Zufalls den Rhytbmus hervorgebracht liaben. 1 ) Den lateinischen Text 
teilen wir nacli Rufin und dem Codex Laudianus niit, nacb den zwolf 
Artikeln geordnet. 

1) Credo in deum patrem 2 ) omnipotentein. 2) Et in Christum lesum, 
filium eius unieutn, 3 ) dominwn nostrum, 3) qui*) natus est de spiritu 
sancto et Maria virgine, 5 ) 4) qui sub Pontio Pilato arucifixus est et se- 
pultus, 5) tertia 6 ) die resurrearit a mortuis, 6) ascendit 7 ) in caelbs, 
7) sedet 8 ) ad dexteram patris, 8) unde venturus est ^udicare vivos et 
mortuos. 9) Et in spiritum sanctum, 9 ) 10) sanctamecdesiam, 10 ) 11) re- 
missionem peccatorum, 12) carnis resurrectionem. 11 ) 

Der Ursprung dieser altromiscnen Formel ist fiir uns in tiefes Dunkel 
geliullt. Wann die Formel in Rom gepragt worden ist, 12 ) das wissen 
wir ebenso wenig, als welehe Entwicklnng sie in Rom durcbgemacht bat 
bis zu ibrer jetzigen Glestaltung, 13 ) oder wie sicb die romiscbe Formel 
zu. etwaigen alteren triadiscben Pormeln verbalten bat. 



1) Dies hat H. Jordan (Rhythmiselte Prosa in der altckristl. lat. Literatur 
1905, S. 33 ff.) wahrscheinlick gemacht. 

2) naie^n fehlt bei Marcell (= M), das romische Symbol ist uns aber 
griechisch auch im Psalteriiim Aethelstani sec. IX (= A) erhalten; dort [stekt 
TiateQtt, und Eufin wie Laud, liaben patrein. Zum Text Marcells s. Katten- 
busch, Das ap. Symb. I. 64 f., 71 ff. 

3) Griechisch: ibv /uovoyevrj. 

4) Griechisch : TOV yBwi]d-evTa ebenso in 4 fiir jjxii : tbv . . aravQcod'evru. 

5) Dies ist unrhythmisch, daher proponiert Jordan: et virgine Maria. 

6) Tertia: xal rf] iQitri M. 

7) Ascendit: avafiAvra. MA. 

8) Sedet: KOLI y.ad'ijf.ievov M. 

9) Sp. s. : TO ayiov nvefi/w, M. , 

10) Jordan S. 35 proponiert aus inetrischen Griinden.: ecclesiam sanctam. 

11) Eesurr: ^cojjv al&viov add. M, sicher nicht ursprimglich. 

12) G. Kr tiger nieint. im AuschluB an McGiffert (The Apsostles Creed. 
1902), das Bekenntnis sei als Gegenmittel gegen die marcionitische Bewegung er- 
funden worden (Ztschr. f. neutest. Wiss. 1905, 72 ff.); ich halte diese Hypothese 
fur undurchfuhrbar. 

13) Nach Zahn (Das apostol. Sjonb. S. 23 ff., 45 f.) hatte unser romischer Text 
sick vom urspriinglicken an zwei Punkten untersckieden : 1) Art. 1 kiefi sis eva S'.edv 
Ttai'-co-^dto^a, 2) povoyevi/s habe rielleicht ursprunglich gefehlt. Unter Papst 
Ze.ph.yrin (199217) sei in Koni die alte Eegel ,.umgepragt" worden, indem eva 
fortfiel und Ttarfya, Avahrscheinlich auck /.lovoysvf} eingeschoben wurde. Dem 



Der Ill-sprung des triadischen Tatifbekenntnisses. 177 

9. Dagegen lafit sich mit einiger Sicherbeit erschliefien, durch welcbe 
Motive die Kirche zu der neuen triadisch gegliederten Formel gefubrt 
worden ist. Folgende Erwagungen kommen in Betracht : 1) Es' handelt 
sich um eine Taufformel (s. Justin). Did. 7, 1 gibt an, dafi man tauft 
.,,in den Nanien des Yaters nnd des Sohnes und des heil. Geistes", aber 
in den, nach allgemeiner Annabme der Didacbe selbst an Alter erheblicb 
ilberlegenen, Abendmablsgebeten in ibr ist die Kede von den 



gelte die Klage der Monarchianer Eus. V, 28, 3. 13. Zahn beruft sich auf 
Wiedergaben der Eegel bei Irenaus und Tertulli'an, die von unus deus omnipotens 
reden (S. 23 Anm.), auf die Formel der Presbyter von Smyrna (Hippol. c. Noet. 1: 
y.al fi/.ieis sva &ebv cft8a/u,ev\ sowie auf die unnatuiiiche Verbindung Ttar^ Ttarro- 
y.Qdicof) statt des naturgemafien fobs TtavToxgdvcoy (S. 27 1). Aus dem Fehlen 
des fiovoyenjs oder unieus in den Eeproduktionen bei Irenaus Tertullian, Justin 
und in verschiedenen Relationen des Symbols wird ebenso wider die Ursprung- 
lichkeit argumentiert. Allein diese Beweisflihrung unt'erliegt den schwersten 
Bedenken, wie Harnack, Ztschr. f. Theol. u. Kirche IV, 130fl. gezeigt hat. 
1) Es muB der freie Charakter der betr.- Referate, die nie den Wortlaut des 
Synibols wiedergeben, im Auge behalten werden, auch von Christus heiJBt es sis 
era Xqiorov (Ir. I, 10, 1 U. 6). 2) Iren. (I, 10, 1 : sis eva d'ebv Ttareqa, Ttavro- 

y.ocnoioa^ wie Tertull. (nionog. 7: imicus pater etc,) verlangen die ilbliche rom. 
Forniel; 3) das in orientalischen Symbolen haufige svu verbindet sich stets mit 
Ihbv nareQa TtavToxydTOfta; 4) das Pehlen des Ttaietia ist bei dem Ursprung 
der Forniel aus dem Taufbefehl unbegreiflich (cf. Justin). 5) Aus der geschicht- 
lichen Situation ist eine derartige ,,Umpragung" der Formel nicht erweisbar. 
6) Dagegen ist Zufugung des eva zu Gott in freien Wiedergaben der Kirchenlehre 
aus der antignostischen und antiheidnischen Tendenz sehr einfach zu verstehen, 
wie ja der Orient es tatsachlich in seine Formeln aufnahm. Ebensowenig ist 
es als notwendig zu erweisen, daJ] povoyevfis spaterer Zusatz ist. Die Erinnerung 
an den Wortlaut des Taufbefehls legte es nahe bei nicht wortlichen Referaten 
davon abzusehen, so wie es spater in der Formel selbst fallen zu lassen (dagegen 
Ignat. Rom. inscr. : tov fiovov vtov atrov}. Es ist also von der doppelten resp. 
dreifachen Emendation, die Zahn zur Gewiunung der urspriinglichen Form des 
romischeu Bekenntnisses vorschlagt, abzusehen. Wir haben kein Mittel eine 
altere Form als die obeu angegebeue zu gewinnen. Merkwiirdig ist es aber, 
daB die syrische Didascalia c. 24 init. sagt: Gott den Allmachtigen und Jesum 
Christum und, den heil. G-eist (dies ist fraglos der richtige Text) M. c. 19 extr. : 
wir glaiiben an imseren Herrn Jes^ls Christus und an seinen Vater den Herrn, 
Gott den Allmachtigen und, an den heil. Geist. Darnach bildet Zahn die Formel: 
ittarevw sis -Osbv navfoy.^dro^a (N. kirchl. Ztschr. 1896, 22 27). Aber auch dies 
ist nicht stichhaltig, an der ersten Stelle fehlt nicht nur der Yater, sondern aueh 
der Sohn, und an der zweiten Stelle lafit die Fassung des Referates sehr gut die 
Zugeho'rigkeit des Vaters zu dem 1. Artikel zu. DaB Ttcneoa. nicht irn Symbol 
gestanden habe, kanu auch hierdurch nicht bewiesen . werden. Der Gedauke, der 
einem kommen kanu etwa angesichts des Bekenntuisses der Smyrnaer, der 
Didascalia (s, noch c. 26. fin), des Aphraates (am SchluC seiner 1. Homilie) und 
.der dem Irenaus nmndgerechten Ausdrucksweise, dafi im Orient das Bekenntnis 
urspriinglich des ,,Vaters" entbehrt habe, wird sich nicht durchfiihren lassen. 
See berg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 12 



178 8. 'Die alten Normen der Lehre. 

ig fivo[.ici '/.voiov (9, 5). Der Schlufi ist unvermeidlicli, dafi die jiingere 
ttnd altere Taufform Her nebeneinander stelien. 2) Die alte eingliedige 
Form ist entstanden als ein Bekenntnis fur Juden, die Christen wurden. 
Hier geniigte das Bekenntnis zvi Christus. Anders mufite die Sache 
werden, als Heiden das wesentliche Kontingent der Katechumenen atis- 
machten. Der eine Schopfergott wurde jetzt ein wesentliches Stuck der 
Lehre (s. z. B. Hernias Mand. I). 1 ) Bbenso aber mufite der heil. Geist 
fester mit dem Sohn verbunden werden, wenn man durch die Taufe als 
solche den Geistempfang vermittelt dachte. Soinit erforderte die ge- 
schichtliche Entwicklung mit innerer Notwendigkeit , dafi im Tauf- 
bekenntnis der Vater und der Greist neben den Sohn gestellt wurden. 
Das Matth.-Ev. gab dies an die Hand, und in judenchristlichen Kreisen 
begegnet uns zuerst die triadische Taufform (s. Helkesai oben S. 175). 
3) Aber trotz dieses Bediirfnisses und trotz des Vorhandenseins der 
triadischen Formel in der kirchlichen TJnterweisung blieb man lange bei 
der alten Formel stehen; das ist keine einzigartige Erscheinung, tin- 
zahlige Analogien der Kultusgeschichte sprechen fiir sie. Man wird an- 
nehmen miissen, dafi etwas Neues auftrat, das die Taufe eng mit der 
triadischen Formel verband. Dies Neue aber werden wir in dem all- 
gemeinen Bekanntwerden des Matthausevangeliums in der griechischen 
Bearbeitung zu erblicken haben. 2 ) Hier war die letzte Verkiindigung 
Jesu in der Form einer triadischen Taufformel zusammengefafit (oben 
S. 62). Auch wenn der Bearbeiter nur in geringfiigiger Weise die 
Formel zuspitzte, konnte dies praktisch von grofiem Einflufi werden. 
Aber selbst wenn man hiervon absehen wollte, war es ein grofier Unter- 
schied, ob jene Worte nur aramaisch vorlagen und deshalb wenigen direkt 
zuganglich waren, oder ob sie in gemeinverstandlicher Form jedermann 
vor Augen lagen. Aus deni Zusammentreffen"" der vorhandenen Bediirf- 
nisse und der Formel bei Matthaus wird sich die Entstehung der neuen 



1) tibrigeiis beweist dies Mandat des Hermas auch, dafi als es entstand, 
der Glaube an Gott noch nicht formulierter Bestandteil der kirchlichen svroLj 
war. Dieser Zug, wie viele andere, erfordert eine friihere Abfassung bestimmter 
Stiicke des Hermas als ca. 140. 

2) Papias wird urn 140 geschrieben haben. Damals lag- nach dera bekannten 
Fragment Eus. h. e. Ill, 39, 16 Matthaus in griechischer Sprache vor, aber der 
Verfasser weifi von einer Zeit, da dies noch nicht der Pall war, sondern jeder 
das Buch so gut er konnte, verdolmetschte. Wann die griechische Ausgahe 
erfolgte, ist nicht gesagt. Aus den Matthauszitaten, die Barnabas, Ignatius, 
die Didache, Polykarp haben (s. Zahn, Einleitg. in d. N. T. II 1 , 258), laBt sich 
nicht sicher entnehmen, dafi sie das griechische Werk lasen. Mehr als dafi die 
griechische Bearbeitung in der Zeit zwischen 90 und 130 stattfand, lafit sich 
kaum sagen. 



Das eingliedige und das dreigliedrige Bekenntnis. 179 

Tariff orm und der neuen Bekenntnisformel erklaren. Mcht so liegt es 
aber, als hatte man jetzt die Trias erfunden, denn sie war langst ge- 
brauchlich, sondern die gelaufige Formel wurde jetzt Tauffofmel. TJnd 
nicht so ist dies zu deuten, als hatte ein geschichtlicher Zufall es be- 
Avirkt, sondern der Zufall kam nur der Dialektik der inneren Ent- 
wicklung entgegen. Das aufiere Verfahren bei Herstellung der neuen 
Formel ist einfach gewesen. Man liefi die alte christologische Formel 
in der Hauptsache stehen, loste den ,,Yater", der ja in thr enthalten 
war, von ihr ab und setzte ihn an die erste Stelle, wahrend der heiL 
Geist an die dritte Stelle kam. So entstand das dreigliedrige Glaubens 1 
bekenntnis, das der dreigliedrigen Taxifformel entsprach. Freilich flofi 
hier einigermafien Verschiedenartiges zusammen, denn das erste und dritte 
Glied sind offenbar in eineni anderen Stil gebaut als das zweite. Das 
zweite Glied enthalt eine ausfiihrliche Zusanimenstellung der geschicht- 
lichen Tatsachen, an denen der. Bekeiinende die Heilserkenntnis erworben 
hatte; das erste und dritte Glied dagegen bieten nur eine Nennung der 
Hypostase mit knapper Andeutung ihrer Wirkung. Diese Stildifferenz 
bietet einen indirekten Beweis fiir die dargelegte Anschauung von der 
Entstehung. des Symbols. 1 ) 

10. Damit hat sich aber ein Ereignis vollzogen, mit dem kein 
anderes in der DG. an Bedeutung verglichen werden kann : die triadische 
Fassung des christlichen Glaubens. Hinfort ist die Gotteserkenntnis, die 
den Katechumenen vorgetragen, die von der Gemeinde bekannt, und die 
von den Theologen vorausgesetzt wird, die Erkenntnis von Vater, Sohn 
und heil. Geist. Diesem Schema ordnet sich fortan alle christliche Er- 
kenntnis ein, von ihm her wird jedes Gotteswirken, das man erfahrt, 
gedeutet. Vor allem aber stellt diese Eormel fur imnier Christus und 
den Geist auf die Seite Gottes. Welche Probleme sind hierin verborgen : 



1) Man kann sich dies veranschaulichen, indem man Glied 1 n. 3 nach der 
Tonart von 2, oder 3 nach der von 1 und 3 transponiert. Im ersteren Pall miifite 
von Gottes Schopfung und Offenbarung, von der geschichtlichen Wirksanikeit des 
Geistes die Eede sein, irn letzteren miifite gesagt werden, daB Christus Erloser 
ist, Haupt der Kirche etc. Es ist von Interesse, daB die orientalischen Bekennt- 
nisse in der Tat unwillkiirlich das 1. u. 3. Glied einigermaCen nach dem 2. ge- 
staltet hahen, indem sie der Schopfung gedenken oder vom Wirken des Geistes 
im Gesetz, den Propheten, deni Evangelium und in den Glaubigen reden. 
Noch eine Hypothese ware denkbar, namlich daB es zwei Bekenntnisse gegeben 
habe: ein knapp gehaltenes triadisches heidenchristliches, in dem Christus nur 
als ,,Herr" pradiziert war, und ein geschichtlich-christologisches judenchristliches. 
Beide waxen dann spater ineinander geschoben worden. Allein alle Daten ver- 
sagen zur Begrlindung dieser Hypothese und der cliff erente Charakter der Bestand- 
teile der Pormel widerspricht ihr geradezu. 

12* 



180 .& Die alten Norraen der Lelire. 

der Vater imd der Sohn und docli ein Gott, der Sobn Gottes und docli 
der Solin der Maria! DaB unser Ausblick auf keiner Sinnestauscbung 
beruht. wii'd sich spater erweisen. 

Nur einige kurze Benaerkungen liber den Inhalt des Symbols miissen bier 
nock geniackt werden. Vor allem fragt es sicli nacb dem Sinn der Forinel 
,,Sohn" im sog. 2. Artikel. Dieser BegrifE kann bekanntlich im theo- 
kratiscben Sinn gebraucbt .werden als Bezeicbnung des Menscben, zu 
dein sicb Gott verbalt wie ein Vater zuin Sobn. Aber der Begriff wird 
aucb im metapbysiscken Sinn gebraucbt vom Verbaltnis Gottes zu 
Ckristus in seiner praexistenten und seiner gegenwartigen gottlichen 
Stellung. Es ist m. E. uicbt fraglicb, dafi der Sobn, zwiscben den 
Vater und den Geist gestellt, in letzterem Sinn verstanden werden inufi. 
.Der Sobn ist fur das Bewufitsein der apostoliscben und nacbapostoliscben 
.Zteit der biniinliscbe Herr, der wieder bei Gott ist, wie er einst bei ibm 
war, bevor der Vater den Sobn sandte". In diesem Sinn ist das Wort 
aticb bier gemeint, und das um so mebr, als bier der Sobn in keiner 
anderen Existenzspbare vorgestellt werden kann als der Geist und der 
Vater; der bimmliscbe Herr ist aber aucb der praexistente Sobn, die 
bimmliscbe Existenz ist obne die Praexistenz undenkbar. . Da6 dies 
wirklicb der Gedanke der JZeit war, kann man besonders deutlicb an 
den Bezeicbnungen (.wvoyevijs unc '- -^fiog (.lovoyevijg seben, durdb die 
Jobannes den Sobnesbegriff uniscbreibt. Dafi er der ,,Einziggeborene" 
xind der ,,eingeborene Gott" ist: das war es, was man in dem Sobnes- 
namen fand. Man kann scbon aus der Wortfolge des Bekenntnisses 
diesen Sinn von vios entnebmen. Auf den Vater im Himmel folgt ,,sein 
Sobn" ; zuerst der Name Cbristus Jesus, dann was es mit ibm und 
seineni Wesen ist: er ist im Verbaltnis zu Gott der ,,eingeborene Sobn", 
im Verbaltnis zu uns ,,unser Herr". Wie nun letzteres eine iiberwelt- 
licbe Stellung in sicb fa6t, so aucb ersteres. Aber Gottes Sobn im 
.iiberweltUcben Sinn ist nur der, der zugleicb als gottlicben Wesens, was 
die Praexistenz natiirlicb einscbliefit, vorgestellt wird. Dann erst, nacb- 
dem das dauernde Wesen Cbristi zum Ausdruck gebracbt ist, folgt die 
Aussage von seinem Eintritt in die Geschicbte. Dieser, der von Ewig- 
'keit ber Sobn Gottes ist, wurde Menscb aus dem Geist und aus Maria. 
Dies ist fur die gescbicbtlicbe Interpretation der einzig moglicbe Sinn 
der Bekenntnisformel. 1 ) Der Sobn Gottes ist Menscb geworden durcb 
die Paktoren, von denen Mattb. 1, 20 und Luk. 1, 35 zu lesen ist. 



1) Dati der ,,Sohn Gottes" in der G-egeirwart liiminlisclier Herr und Gott ist, 
.ist im N. T. klar. Wenn es von mm heiCt: ,,Gott sandte seinen Sohn" (Gal. 4, 4. 
Eom. 8, 3. Joh. 3, 17. 1. Job. 4, 10. 14), so ist kern Aiilafi da, den Begriff Sohn 
hier anders zu fassen, als dort, wo der Sohn am Ende der Tage erwartet wird 



Der Inhalt des Bekenntnisses. 181 

Das eigentliche Novum in dem neuen Bekenntnis ist der Artikel 
vom heil. Geist. Dafi die Zusammenordnung mit dem Solin und Vater 
die personale Fassung des Geistes einschlieBt, ist m. E. selbstverstand- 
lich. Schon die johanneischen Reden vom Parakleten setzen diese Auf- 
fassung vom Geist voraus. 1 ) Auf den ,,heil. Geist" folgt die ,,heilige 
Kirche". Diese Zusanimenstellung ist naturlich beabsichtigt, und zwar 
soil die Kirche . als das bezeichnet werden, wozu sie der Geist macht 
und wozu sie von Anbeginn her bestimmt ist. 2 ) Der Taufling be- 
kennt also zunachst, dafi Gott als heilige Kraft wirksam ist und dafi 
es daher eine heilige Kirche gibt. Wenn dann die ,,Yergebung der. 
Siinden" hinzugefiigt wird, so ist dies sehr begreiflich. Die Taufe 



(1. Thess. 1, 10), oder er im Himmel redet (Apok. 2, 18), oder er sich in der 
Ewigkeit dem Vater imterordnet (1. Kor. 15, 28). Fur das Verstandnis der Sache 
im Bekenntnis ist am wichtigsten Rom. 1, 3. 4. Der Mensch Jesus ist Gottes 
Sohn vermoge des ihm einwohnenden Gottesgeistes von seiner Auferstehung her. 
Dafi aber mit dieser ganzen Anschauung die Praexistenzidee unloslich verbunden 
ist, sollte man nicht bezweifeln angesichts der vom N. T. wie besonders von, den 
apostolischen Vatern (s. oben) bezeugten Anschauungsweise. Dies mu.B erinnert. 
werden wider Kattenbusch II, 566. 575. Ebenso unrichtig ist es aucb, wenn 
K. die Eelation zwischen Vater und Sohn letignet (II, 564) oder die ,,Doppehiatur" 
Christi durch die Herkunft voin Geist und der Maria bezeugt findet (II, 565), 
wahrend doch recht klar ist, daB eben nur der Mensch Jesus von diesen beiden 
herstammt. Den Sinn der Formel kann man am besten aus der Christologie des 
Ignatius (s. S. 99 f.) interpretieren. tiber povoyevrjs s. HoTt, Two dissertations. 

1) Das Dilemma: Person oder Kraft, das die neueren Erklarungen in der 
Eegel zugunsteu der ,,Kraft" entscheiden , ist modern und daher irrefiihrend. 
Hvsvpa ist die wirksame Gegenwart Gottes, daher sowohl Gabe und Kraft, als 
auch Gott uud Person. 

2) Vgl. besohders 1. Kor. 12, 13 : &v svl Ttvevfian f]/.iels Tcduiss sis ev acofta 
e(}a.nria$ri(.iev, oder Eb'm. 15, 16, wo die Heidenkirche die Tt^oayo^d ist fiyiaofisvt] 
KV m>EtifiaTi aylco. Did. 10, 5: aAtr\v (die Kirche) . . TIJV ayMa&Eiauv auch die 
Zusammenstellung von 6 ayiaCfov und ol &yiat,6/uevoi Hbr. 2, 11 ist zu ver- 
gleichen, S. auch ayiaoftbs Ttvevfiaros 1. Ptr. 1, 2. 2. Thess. 2, 13. 'Ayia 
Exxlriaia. bei Herm. Vis. 1. 1, 6 ; 3, 4. Zu beachten ist, wie selten in der Literatur 
von der ayia' exttlyaia die Rede ist, sodann aber, daiS die sxxlyoia haafig als 
praexistente himmlische Gro'Be bezeichnet wird (Hbr. 11, 10; 12, 22; 13, 14* 
Apok. 21, 2. 9. Herm. Vis. II," 4, 1. 2. Cl. 14). Asc. Jes. 3, 15 heiEt der heiL 
Geist ,,der Engel der Bjrche, die in den Himmeln ist" (vgl. iiberhaupt oben die 
Darstellung d. apost. Vater S. 111). Hiernach wird bei der Erwahnung der 
Kirche im Symbol aueh nicht blofi an die irdische Kirche gedacht sein (vgl. 
Kattenbusch II, 694), sondern diese wird als mit dem heil. Geist gesetzte, 
praexistente und in diesem Sinn vollendete Grofie vorgestellt sein. So ist fur 
den Juden auch Israel, das messianische Reich und das Paradies praexistent 
(Weber, System S. 191. 330). 'Die werdende Kirche erscheint dem Glauben'als 
vollendete. Auch dieser Gedanke ist nur vom Boden jiidischer Vorstellungen aus 
zrt verstehen, spater ist es daher anders gedeutet wordeu. 



182 8. Die alten Norm en der Lehre. 

bracbte eben nicbt nur den Geist. sondern aucli die Vergebung, man 
wurde in ihr konkret niclit anders Glied der heiligen Kirche, als 
durch Simdenvergebung. 1 ) Ein knappes eschatqlogisches Glied macbt 
den SchkiB, die Auferstehung als die Vollendung der Erlosung ist ja 
des Geistes "Werk. 2 ) 

Erinnern wir uns jetzt des Hauptzusanimenbanges dieses Abschnittes, 
so handelte es sicli darum zu zeigen, dafi allmahlicb neben dem Geist 
feste Grofien die geistige Leitung der Kirche iibernommen haben. Es 
sind die Scbriften des A. T. und des N. T.. es ist ein iiberlieferter 
Lehrstoff moralischen und dogmatischen Inhalts und es ist endlich das 
triadisch formulierte Taufbekenntnis. Diese GroBen batten okmnenischen 
Obarakter. sie beberrscbten das geistige Leben der Kircbe uberall. 3 ) 



1) Katteubusck II, 713 ff. kuiipft an dies Glied verschiedene Beflexionen 
und will seinetwegen das Bek. auf die Zeit vor Hernias datieren. M. E. mufl man 
im Auge behalten, daC es sich um ein Taufbekeimtiiis handelt, in dem die Ver- 
gebung eine notwendige Stelle hatte, nachdem der Geist erwahnt worden war. 
Vgl. z. B. Didascal. c. 21 fin : Es iverden die Siinden auch in der Taufe ver- 
geben denen, die aus den Heiden herannahen imd die heilige Kirche Gottes be- 
treten. Anders ist der Zusammenhang des 3. Gliedes in der afrikanischen 
Formel gefafit , s. das Bek. des Fulgentins : remissionem peccatorum, carnis 
resurrectionem et vitani aeternam per sane tarn ecelesiam; so sclion Cyprian 
ep. 69. 70; in sancta eccl. cath. liat das von Morin gefundene Symbol des 
Hieronynms (Anecd. Maredsol. III. 3, 199 ff.). 

2) S. z. B. Eom. 8, 11. 23, freilich stelit hier a&fia, an ad^ nehmen die 
orientalischen Formeln oft AnstoC und schreiben dafiir vf/.qffw, a&o% in diesem 
Sinn 2. Clem. 9, 15. Iguat. Smyrn. 3. Justin. Dial. 80 fin. 

3) Eine Auseinandersetzung mit den yerschiedenen heute yertretenen An- 
schauuugen iiber die Entsteliung des Symbols kann Mer nicht vorgetrageu 
werden, sie ergibt sich aus der positiven Darstellung yon selbst. P. Caspari 
hat die neuere Synibolforschung in mafigebender Weise eroffnet, Kattenbnsch, 
Zahn mid Harnack haben die Eesultate Casparis .yerarbeitet, gepriift und 
weitergefiihrt, Lernrne, HaiiBleiter und Clemen uutersuchten die Wurzeln 
des Symbols im N. T., HauBleiter kam dabei zur richtigen Erkenntnis, daB der 
sog. 2. Art. den altesten Bestandteil des Symbols reprasentiere, aber seine Durch- 
fiihrung dieses Gedankens Avar unsicher und der Gedanke, daC der sog. 3. Art. 
im Gegensatz zu der Haresie erwachsen sei, offenbar unrichtig. Harnack 
dachte an lockere ,,Kerygmen" und kultische Fornieln, die sich allmahlich zu 
dem Symbol verdicktet haben. A. Seeberg eudlich schuf eine feste Grundlage 
fur die neutest. Wurzeln des Symbols, aber er ging im einzelnen yielfach zu 
weit und verkannte vor allern, daB der gesarnte lehrhafte Stoff der neutest. Ver- 
kundigung nicht sehon in dem Bekenntnis als solchem imd den ,,beiden Wegen" 
zusammeugefafit ist. Damit sind die Ankniipfungen fiir meine eigenen Unter- 

suchungen gegeben, die im obigen kurz zusammengefaBt sind. Wenn iibrigens 

der 6'kumeuische Charakter des Symbols you mir mehrfach betont wurde, so ist 
damit kein Urteil iiber den Archetypus desS y m b o 1 s ausgesprochen. Katten- 
busch besonders hat neuerdings den Archetypus fiir alle yorhandenen Tauf- 



Die Frage nach der Urform des Symbols. 183 

Aber eine neue Zeit brachte neue Bediirfnisse und Gefahren; Vie sie 
mit diesen Mitteln befriedigt und tiberwunden warden, wird sicb in 
anderem Zusammenhang ergeben. 

11. Die alteste Qhristenbeit stellte den vielen Charismen den einen 
Geist gegentiber (1. Kor. 12, 4), aber sie setzte nicbt minder den aus- 



symbole, auch die des Orients, in der altrom. Formel findeu wollen, Harnack hat 
dies geleugnet. Manches spricht fur die Ansicht von Kattenbusch, denn es ist 
richtig, dafi die altrom. Formel den pragnantesten und einfachsten Typus des 
Symbols darstellt, den wir besitzen, oder daB dieser Typus dem Urtypus am 
nachsten steht; die meisten Differenzen der oriental. Symbole lassen sich aller- 
dings als Zusatze. Abstriche, Ausspinnungeu an der altrom. Formel verstehen. 
Trotzdem kann ich der These Kattenbuschs nicht beipfliehten, denn sie lost 
nicht alle Schwierigkeiten. In den oriental. Symbolen sind dem rom. gegenuber 
bestimmte ganz regelmaBige Differenzen Torhanden, die sich als Abwandlungen 
an dem ro'm. Typus nicht begreifen lassen, denn es miifiten, ware die rom, 
Formel der Archetypus, ihre Formen anch hie und da wieder im Orient zum 
Vorschein kommen. Es kann nicht zufallig sein 1) dafi die griech. Formen 
regelmafiig wa vor d-sov haben (dagegen ist els tbv VVQIOV und els to &y. itv. 
aiTch bei den. Griechen die Urform gegeniiber dem sva WQ. nnd ev nv. der 
meisten Symbole), 2) dafi sie stets von der Schopfertatigkeit Gottes reden, 3) daB 
immer xvgios vor 'Irja. Xg. steht und 4) der Name in dieser Eeihenfolge gegeben 
wird, 5) dafi stets nach vibs f-iovoy. ein die Gottheit Christi bezeichnender Zusatz 
steht, 6) dafi ITU Hovt. Ud. und if] i^itu fjfie^a fast imnier nach ihren Verben 
stehen, 7) daC irnmer bei dvaaravra fehlt EX iwv VSXQWV und 8) nach 
KV 6$u steht, 9) daB zu dem Geist irgend ein Zusatz (TO ^coonoiov, ib 
ev rots TCfjoyrjfacs, TO olnovv ev TOZS aylois, Schon Justin. : TigoytjTixov Tzvevfia etc.) 
tritt, 10) daB die Earche stets als xa-dohx'/i bezeichnet, und 11) daB nach aagxbs 
dvdaraaiv ein xal els ^coijv alcomov angehitngt wird. Uberlegt man dies, so ist 
es klar, 1) dafi die oriental. Formeln auf eine gemeiiisame Urform zuriickfiihren, 
die nicht iclentisch ist mit der rom. Formel; 2) daB die griechische Urform weder 
aus der rom. Formel, noch diese ans jener hervorgegangen sein kann; 3) daB 
bei der engen Verwandtschaft beider Typeu ein gemeinsamer Archetypus ihnen _ 
zugrunde liegt. 4) SoAvohl die oriental. Urform als die altrb'mische Formel sind 
also'Bearbeituugen einer alteren Form. Diese mufi alsbald nach ihrer Entstehung- 
nach Eom gekommen sein, in Eoni ist sie danu aber fur den praktischen Gebrauch 
zurechtgemacht worden, dasselbe rnuB bald darauf ini Orient geschehen sein. 
5) Der Archetypus steht der altrom. Formel sehr nah. Folgende Uuterschiede 
mogen dagewesen sein a) els rbv KVQIOV Xg. '1>]0. b) nach Avaordvra fehlte sx 

TWV vexgiov c) vielleicht: ex Manias lijs 7ta^&. diet, TtvevfiaTOs aylov, d) fiir odev; 

xnl sqxeiai, e) vermutlich war aiich die Wiederholung des %ai im 2., sowie des 
sis im 3. Glied urspriinglich (cf. 1. Kor. 15). 6) In Eom anderte man hieran nnr 
wenig, mehr im Orient, wo die Anderungen immer grofier Avurden bei der freiereu 
Auffassung der Formel. Dafi man in Eom die Formel etwas inodifizierte, ist 
begreiflich. Woher es kommt, daB die Urform im Orient iiberhaupt nicht in das 
Leben eingriff, sonderu alsbald modifiziert worden ist, lafit sich ziu-zeit nicht er- 
mitteln. Uber die Merkmale der orient. Symbole s. C a s p a r i III, 46 ff. Katten- 
busch I, 216 ff. 368 ff. Hahn, Bibl. S. 1271 



184 8. Die alteu Normen der Lehre. 

einandergehenden Tendenzen der Individuen den e i n e n Leib der Kirche 
mit ihrer Lehre und Taufe entgegen (Eph. 4, 4f.). Das BewuBtsein 
der Okumenizitat lebte von Anfang an in der Christenheit. ,,Am Ende 
der Tage hat Gott zu uns gesprochen im Sohn." Die Offenbarung und 
die Kraft Gottes ist erst jetzt erschienen, man fiihlt sicli als Glied eines 
,,neuen Geschlechtes", dessen Geschichte ebenso weltumspannend und 
weltbeherrschend sein nmfi wie Gott selbst es ist. Geeinigt init alien 
denen, die das "Wunderbare ebenso erlebten durch den Geist, wie sie 
eine ,,neue Kreatur", sieht man die aufieren weltlichen Beziehuhgen fur 
nichtsbedeutend an. Und getrieben von Gott fiihlt man sich mit aller 
Kreatur als Gottes Organ und als Mattel zur tTberwindung der ganzen 
"Welt. Hierin ist das starke Gefuhl der Katholizitat in der Kirche be- 
grtindet : Christtis vereinigt alle in sich zur Einheit iind er wird die 
ganze Welt, wenn er will, dieser Einheit eingliedern. Der, in dem wir 
der "Welt entnommen sind, ist der Herr der Welt: das ist zuletzt die 
religiose Empfindung der Katholizitat. Es hat die Kirche nie ohne sie 
bestanden. Aber das Erleben des Wunderbaren ist mit der Beruhrung 
der konkreten Wirklichkeit eng verflochten ; das gereicht ihm einerseits 
zur Anfechtung, andererseits zur Bestatigung, und aus beidem erwachst 
dann der Glaube beziiglich der einen kathoHschen Kirche, und beidem 
gegenuber hat sich dieser Glaube zu behaupten. . In siindhaften Menschen, 
in sinnlichen Lauten und Handlungen, in menschlichen Begriffen und 
Formen wirkt und herrscht Gott. Dafi Gott es ist und dafi diese 
Menschen und Fornien es sind das fafit der Glaube zusammen, und 
er hat sich stets zu verteidigen gegen den empirischen Tatbestand : nur 
Gott, Geist und unsichtbare Welt, o d e r nur Begriffe, Kirchenverfassuug 
und Kirchenpolitik. 

Der Glaube, dafi es eine katholische Kirche gibt, ist in unserem 
Zeitalter ebenso lebendig wie in der neutestamentlichen Zieit. Bis an 
die Enden der Erde ist sie ausgebreitet und von den vier Winden her 
fiihrt Gott sie zusammen, sie von allem Bosen errettend und heiligend, 
in sein Heich (Did. 9, 4; 10, 5). Wo Christus ist, da ist auch die 
/,a&oh~/.i] S7.-/J,rjOia (Ignat. Smyrn. 8, 2 cf. Mart. Polyc. inscr. ; 8, I). 1 ) 



1) Ignat. Smyrn. 8, 2: ftftov &v yavfj 6 KTIIOXOUOS e-s.ei TO Tt^&os earco, 
bnov uv tj Xtjiarbs Y'tjaovs ey.el f] y.a&o^iy.ij emtkrfaia. Der Ausdriick x 
ist hier uoch in sehr harmlosem Sinn gemeint; er bezeichnet das Allgemeine im 
Gegensatz zum Besonderen, z. B. Polybius VIII, 4, 11 : y.a&ohxf; y.al -/.owl] lato^ia. 
Justin. Dial. 102 : y.a&ohy.al y.al /uepixai y.piaeis,- ib. 81 : vafl'ohy.i] avaoraais. 
Heracleon b. Orig. in Joh. XIII, 60, 416 : va&ofa'/.bs y.al fuxpos /Saodevs. Cyrill . : 
V. Jerusalem erklart: xa&ohxr] fisv oiiu xaleiTai Sia TO y.ata xdar : s slvai, 7% 
oly.ov/.iEV>]s Arcb TiEftdicav yfjs teas neoaiiov (cat. 18, 23). 



Die Katholizitat der Kirche. 185 

Wie Christus der Herr, so umspannt aiich sie den Erdkreis. Das ist 
der Sinn der ,,katholischen Kirche" bei Ignatius, der 11. W. den 
Ausdruck zuerst anwendet. Das "Werk Christi ist in ihr verwirklicht. 
Es ist Ghristi neuer Bund, durch den die Menschen pneumatisch werden, 
mit dem Herzen glauben imd die Gebote Christi erfullen, durch den 
die Siinden vergeben werden. Hier ist alles innerlich und geistig, Be- 
sehneidung und aufiere Opfer sind abgetan (Barnab. 4, 6ff. ; 7, 5 ; 14, 5 ; 
2, 4. 10; 9, 4f.). Es ist der Bund, den Grott einst dem Abraham ver- 
heifien hat (ib. 13, 1. 7). Nicht mehr Israel, sondern die Christenheit 
ist jetzt das Volk Gottes. Sie enthalt die ,,Zahl der Erwahlten", die 
,,berufenen Heiligen" (1. .Clem, inscr. ; 2, 4; 58, 2; 59, 2; 1, 1 ; ,6, 1). 
Alles was einst Israel zu sein behauptete, das ist in Wirklichkeit die 
Kirche (cf. 1. Ptr. 2, 9). In ihr ist das Yolk Gottes in die "Welt ge- 
kommen. Eine weltgeschichtliche Wen dung ist init dem Aufkommen der 
Kirche eingetreten, denn sie ist das ,,neue Yolk" (Barn. 5, 7), das 
.,dritte" oder auch das ,,vierte Geschlecht", Barbaren, Hellenen und 
Juden sind in die Irre gegangen, aber die Christen ,,haben die Wahr- 
heit gefunden" (Praedicat. Petr. b. Clem. Strom. YI, 5 p. 760. Aristid. 
Apol. 2, 2; 15, 1; 16, 4). 1 ) Zur .,Wahrheit" kommt die neue Sittlich- 
keit, und. dies wie jenes ist umschlossen von dem ; machtigen Bewufitsein, 
Gott nah zu sein, von ihm geleitet zu werden und ihm zu dienen. Es 
gibt zwei Staaten oder zwei Stadte, die Stadt Gottes und die Stadt der 
Welt. Die Christen gehoren zu jener, aber nur.so lange duldet sie der 
Herr derselben. als sie die Gebote" seiner Stadt einhalten (Hennas 
Sim. I). Das ist eine jiidische Form des Gedankens, aber man versteht 
sie nicht richtig, wenn man sie auf die Werkgerechtigkeit deutet. Die 
., Gebote" umfassen das ganze kirchliche Leben, sowohl die rechte Lehre 
als die reine Moral, und sie schliefien zunachst so wenig als bei 
Johannes, s. oben S. 84 die innere Bestimmung durch den Geist aus. 
Ein ungeheures geschichtliches SelbstbewuBtsein driickt sich in diesen 
Gedanken von der Kirche aus, aber es ist das SelbstbewuBtsein der Ge- 
meinschaft mit Christus. Durch ihn ist die Kirche heilig und durch 
ihn ist sie katholisch. Es ist der Geclanke der TJniversalitat des tJber- 
weltlichen. "Wie die Welt ihre Eiirsten hat, so hat die Kirche den All- 
herrn Christus zum Konig. Man kann diese Empfindung nicht scharfer 
ausdriicken, als es ein spateres Martyrium tut, indem es das Datum 
nach dem Kaiser und den Prokonsuln angibt und dann hinzufiigt : ,,bei 
tins aber Avar Konig unser Herr Jesus Christus" (Acta Pionii 23). 

1) Vgl. Herm. Sim. IX, 17, 4: yews r&v Sixaimv; liber das tertium genus 
das ist die iibliche Bezeichnung- ira Munde der Geg-ner s. Harnack, 
Mission und Ausbreitimg des Clmstentuins, 1902, S. 197 if., 180 f. 



186 8. Die alten Normeii cler Lehre. 

Trug nun cler Gfegensatz zum beidniscben Staat noch dazu bei, .dies 
Selbstbewufitsein aufrecht zu erbalten. so bat man von fruit auf aucb 
das BewuBtsein des Gregensatzes zur Religion des Judentums gehabt. 
Das Judentum 1st eine gescbichtlicb iiberwundene Religionsstufe, es ist 
widersinnig, vom Cbristentum aus zu ibm zuriickzukehren, sagen die 
eiuen. Nacb anderer Auffassung sind die Tafeln des alten Bundes zer- 
brochen worden, und dieser also iiberhaupt nicbt zustande gekommen, 
clagegen ist der Bund Christi eingesiegelt in die Herzen der Christen. 
Der Teufel will sie von der ,,Herrschaft des Herrn" losreifien, sie diirfen 
aber nicht TJberlaufer zum Gfesetz der Juden werden, das ist die An- 
sicht des Barnabas (Barnab. 4, 8. 13 ; 5, 6). Dagegen betont Ignatius 
die Bjuckstandigkeit des Judentums. "Wer Christus zum Lehrer und die 
Grnade empfangen bat. der kann nicbt jiidiscb leben, fur Uin ist es 
Sonntag geworden und der Sabbat bat aufgebort. Fur den, der Cbristus 
im Munde fubrt, ist es "Widersinn, zu ,,]udaisieren", ,,denn das Cbristen- 
tum bat nicbt an das Judenturn geglaubt, sondern das Judentum an das 
Cbristentum" (Ignat. Magn. 8, 1 ; 9, 1 ; 10, 3. 1 ) Pbilad. 6, 1). 

12. Die ,.Heiligen" und. die ,,Grerecbten u sind die Kirche, und diese 
Kircbe ist katboliscb oder allgeniein. Dies religiose Urteil liber das 
"Wesen der Kircbe fiibrt nun aber zu der konkreten Forderung, eine 
besondere Stellung im AvirkHcben Leben zur Kirche einzunebmen. Es 
ist zunacbst die Pflicbt jedes Cbristen. treii festzubalten an der Gremein- 
scbaft mit den Heiligen, die Eintracbt wird unter den obersten cbrist- 
licben Tugenden genannt. In der Gremeinscbaft gilt es das Heil zu sucben 
und nicbt der Isolierung zu verf alien. 2 ) Aber diese Forderung fafite 
naturgemaB weitere Pflicbten in sicb. Die Gemeinscbaft, an die man 
sicb balten sollte, besafi einen bestimmten Kultus, in dem dem Menscben 
die Heilsmittel dargeboten wurden, sie batte eine gemeinsame Lebre, 
wie wir friiber geseben baben, und sie stand unter der Leitung be- 
stimmter Personen. AVer zu ibr geboren wollte, mufite ibre beiligen 
Mittel braucben. die gemeinsamen Lebren und Anscbauungen teilen und 



1) Diese Stelle heifit: atonov eartv "Irjoovv XtJiarbv ).((,)eT->> y.al iovSat&iv 
6 -/af) %(>ioTiamofids oim sis iovSaia/udv sTtiarevasv, &) lovSa'ifffibs els '/^tanavia^ov, 
els ov Ttuaa y),a>oaa Ttiareijoaaa els d'eov avvrj'^O'r]. 

2) Die Ausdriicke sind : xoDMad-ai rots ay lots oder rots Smalois (Herrn. Vis. Ill, 
2, 6; 6, 2. Sim. VIII. 8, 1; 9, 1. IX, 20, 2; 26, 3. 1. Clem. 46, 2; 15, 1), 6p6voia 
(1. Clem. 34, 7; 60, 4. Herm. Maud. VIII, 9. Sim. IX, 15, 2). Clemens beruft 
sick aiif ein nicht naclvweisbares Schriffcwort : yeygaTtrai yap- y.o)2uads tois 

on ol y.ollmnsvoi aitrols ayiaod"iqoovT:ui. (46, 2), g. nodi 1. Clem. 30, 3 : 
oiiv E'/.eivois, ols ?/ %d<?is &Ttb TOV 3'eov SeSoraf svSvacbf.ied'a. TTJV bpovoiav ransivo- 
. . eyyois Siy.aiovusvoi y.al fri] koyois. 



Die konkrete Einheit der Kirche. 187 

sich der Leitung jener Personen unterwerfen. Dadurch nalim aber die 
sittliclie Pflicht der Eintracht ganz feste Eormen an. 1 ) 

Je starker, deni Intellektualisnius der Zeit entsprechend. bestiminte 
,,Lehren" iui Gregensatz zu den kirclilichen Anschauungen sich geltend 
machten, desto starker wurde in der Kirche die Notwendigkeit der Ein- 
heit und Reinheit der Lehre betont. Das Wort cuQeffig bezeichnet 
urspriinglich eine Sondermeinung, einen Lehrsatz, eine philosophische 
Grrundlehre oder auch eine besondere philosophische Schule. Die Sonder- 
meinung wird jetzt verpont, sie widerspricht der Wahrheit und 1st eine 
fremde schadliche Gfiftpflanze. Wenn auch der Ausdruck .,Haresie" 
noch selten ist, 2 ) so ist die Sache doch in aller Klarheit vorhanden, wie 
ja schon in den johanneischen Briefen. Nicht selten begegnet man der 
Ermahnung, sich zu bitten Tor den Yerkundigern ,,neuer Lehren" (Herm. 
Sim. YIIE, 6, 8. Ignat. Eph. 9, 1; 16, 2). Sie werclen auf das scharfste 
bekampft. Sie sind Atheisten (Ign. Trail. 10), ihre Lehre ist Teufels- 
lehre (Ign. Eph. 17, 1), sie sind VOID. Teufel und ,,der Erstgeborene des 
Satan" (Polyc. 7, 1), 8 ) Tiere in Menschengestalt (Ign. SmjTL'n. 4), tolle 
Hunde, die ini Gfeheimen beifien (Ign. Eph. 7. 1). Man kann an diesen 
Ausdriicken erkennen, wie furchtbar zugespitzt die Gregensatze vielfach 
schon am Anfang des 2. Jahrhunderts gewesen sind. In diesem Gegen- 
satz nun empfing die Mahnung zvir Eintracht einen neuen Sinn. Es ist 
das 3?esthalten an der iiberlieferten Lehre und an den kirchlichen Be-- 
amten, die diese vertreten. Die Haretiker haben die ,,falsche Lehre", 
von ihr soil man sich ab- und dem ,,von Anfang an iiberlieferten Wort" 
zuwenden (Polyc. 7, 2) oder auch den Propheten und dem Evangelium 



1) Herm. Sim. IX, 26, 3: ,v) %o)JMf.iEvoi TOIS doulois TOV &BOV, dV.a fiovd- 
,ov>Tes aTtottvovat rets eavrcov i[jv%ds. Barnab. 4, 10: fiij y.ttd ? savrovs EvSvvovres 

d>s ifii) SeSixauofievoi, d?J? em. TO UVTO avvs^^ousvoi avv^Yitelts Tre^l 
avf.iye^ovtos, cf. Hbr. 10, 25. 

2) 2. Ptr. 2, 1: yisvSoSiSdoxcdoi oltives na^eiad^ovai UIQ easts dTtca/.sias 
cf. Tit. 3, 10 ai^arisios. Ignat. Eph. 6, 2: fat Ttdvres 'Mi? dlrj&eiav ^re v.al on 
ev itfiZv oii8ef.ua at ye a is '/Mtov/.Bl, a'/J? oiiSe d'/.ovEis twos 7ti*eov ellTtep Urfaov 
XQIOTOV l.aLovvtos sv dl^slq. Trail. 6, 1 : dlloTgias Se fioravffs d7ts%ea&E, ^ns 
ecrtiv a'ioeais. Magn. 8, 1 : eteqoSo&av. Pol. 3, 1 : ETSQoSiSaay.a/.ovvres. cf. Sinyril. 
6, 2: ersoodot-ovvTes. Polyc. ad Phil. 7, 2: yEvdoiSaaxa.Ua> Justin Dial. 80: toiii 
yao heyofievovs fisv '^latiavovs, ovtas Ss a&eovs '/MI aaefieZs aigsaicoTas, on, 
y.ata ztdvra ft).da<pfj(.ia teal cid'ea xal dvorjTU SiSday.ovoiv, eSrjkoad aoi, der Haretiker 

ist auch a%i;coi> (Ign. Philad. 3, 2). 

3) Vgl. die GescMchte von Johannes, der aus euiern Badehause, in dem sich 
auch Kerinth befand, entfloh, damit nicht das Hans zusammenstiirzend mit dem 
,,Feind der Wahrheit" auch ihn begrabe (E\xs. h. e. Ill, 28, 6) und Polykarps 
eigene Anrecle an Mareion: sTtiyivwavco tbv TCOCOTOTOXOV TOV Saiuva. (Iren. adv. 
haer. Ill, 3, 4). 



188 8- Die alten Normen cler Lelire. 

(Ign. Smyru. 7, 2). Es gilt ,,dem Bischof folgen", wo der Bischof ist, 
da sei die Gemeinde (ib. 8, 1. 2). ,,Denn soviele Gottes und Ohristi 
sind, die sind aticli mit dem Bischof. Und soviele (Haretiker) ihreu 
Sinn andern, kommen zu der Einheit der Kirche und auch diese 
werden Gottes sein . . . "Wenn jemand dem Zerspaltenden (o%lovri) 
folgt, cler ererbt nicht das Reich Gottes" (Ignat. Philad. 3, 2. 3). AVer 
dem Bischof folgt, der folgt Gott, denn wie Christus von Gott gewollt 
ist. so die Bischofe von Ohristus (Ign. Eph. 3, 2 ; 6, 1). 

Also die Eintracht auBert sich darin. dafi man sich an die kirch- 
liche Lehre und an den sie vertretenden Bischof halt. Dies ist aber 
die Lehre der allgemeinen Kirche. Von hier aus empfangt das Beiwort 
..katholisch" eine neue Nuance, es wird aus einem Quantitatsbegriff ein 
Qualitatsbegriff zur Bezeichnung der genieingiiltigen Wahrheit. x ) Die 
Voraussetzung dieser Betonung der Einheit der Kirche ist, dafi man 
von dem Vorhandensein einer katholischen Lehre iiberzeugt war. Es 
hat sich tins fruher gezeigt, dafi man in der Tat dieser IJberzeugung 
war. Als Hegesipp bald nach 150 vom Orient kominend iiber Korinth 
nach Som reiste, da fand er liberall dieselbe Lehre, den OQ&bs Ao'yog, 
..wie es das Gesetz verktindigt und die Propheten und der Herr". Das 
ist ..die jungfrauliche Kirche", die noch nicht durch .,nichtige Ver- 
kiindigungen" verderbt war. Die Haretiker aber hatten die urspriing- 
liche ,,Einheit der Kirche" zerrissen.' 2 ) Die Reprasentanten und Garanten 
dieser rechten oder katholischen Lehre waren die Bischofe. So war 
es liberall. Die Einheit und Katholizitat der Kirche beruhte zuhochst 
auf Christus und seinem Heil, konkret auf der einen Lehre, die Ohristus 
und die Apostel gelehrt haben, und auf dem Kirqhenamt, das diese Lehre 
vertritt. 

13. Aber es war nicht nur der Gegensatz zur Haresie, der zur 
Hervorhebung der Autoritat des Amtes fuhrte, -und es war nicht blofi 
das Interesse an der reinen Lehre, das an den Episkopat fesselte. In 
cler altesten Schrift unseres Zeitraunies, in dem Brief des romischen 
Presbyters Clemens, findet sich ein anderer Gesichtspunkt, der auf etwas 
Neues hinAveist. In Korinth war die Einheit der Gemeinde gespalten 
wordeu durch bestimmte Personen (&QyJiyol ozdoews 14, 1 ; 51, 1; 
54.1. 2; 57,1; 63,1), einige Presbyter waren ihres Amtes entsetzt 



1) So zuerst Mart. Pol. 16, 2 : eTtiaxoTtos Tfjs ev 

(iiulessen ist auch die Lesart uyias vorhanden). Can. Muratori 1. 61. 66. 69. In 
cliesem Sinn ist das Wort dann hauflg seit Clemens Alex, nnd Tertullian. 

2) Hegesipp in seinen Hypomneinata bei Ens. h. e. IV, 22, 2. 3. 4. 6: 

o'irtves s ft e <) t a civ ri]v Kvmaiv rfjs K'/.'/.)ji]a ins y&o^ifiaiois ^oyois y.am TOV 
freov y.al y.ata rov Xoiarov ai>rov. 



Amt und Geist. 189 

worden (44, 3ff.). Es handelte sich dabei um die ertiGKOitri und ihre 
ksvtovQyitt, die die Darbringung der Opfer oder Gebete in sich fafite. 
Das heifit, die Presbyter batten ein festes Amt, das auch Episkopat 
biefi, und hielten vermoge desselben den Gottesdienst ab (41 44). Aus 
diesem Amt sind sie verdrangt worden durch eine oder zwei Personen 
(47,. 6), die Urbeber des ,,Aufrubrs". Was sind das fur Leute? Tauschen 
die durcb den ganzen Brief zerstreuten Andeutungen nicht, so sind es 
Pneumatiker oder Propbeten. Sie baben gegen die amtlicbe Einsetzung 
ibre personlichen Vorziige geltend geniacbt. 1 ) Das Recht des Geistes 
erbebt sicb wider das Kircbenrecbt. Man verstebt die Situation erst 
ganz, wenn man weifi, dafi es anderwarts formulierter Grundsatz war, 
dafi die Propbeten bei der Eucbaristie freie Gebete anwenden diirfen 
(Did. 10, 6), und dafi die geistige Leitung der Gemeinden zunachst und 
an sicb den Pneumatikern zustand (Did. 13, 1 3; 15,1). 

Gegen diese Anspriicbe der Pneumatiker erbebt sicb Clemens mit 
einer Argumentation, die die Gescbicbte von Jabrbunderten vorweg- 
nimmt. Horen wir bei Ignatius und Polykarp, daB die Irrlebre die 
eine Kircbe spaltet, so ist bier die bloBe AufLebnung gegen das Amt 
ein Zerreifien der Gemeinde, ein Scbisma. 2 ) Und dies erscbeint nicbt 
minder als Frevel wie jenes. Es ist ntin von bocbstem Interesse, zu 
erkennen, womit Clemens diese Stellung des Amtes begriindet. Es sind 
f olgende Gedanken : 1) Es soil der Gottesdienst in der Ordnung und zu 
der Zeit und von den Personen vollzogen werden, die Gott eingesetzt 
hat' 3 ), er ist also statutariscb geregelt, genau ebenso wie der alttestarnent- 



1) Dafi es sich wahrscheinlich um Pneumatiker handelt, geht aus folgeudeu 
Erwagungen hervor 1) ihre Starke besteht in Worten, uicht in Tateii (57, 2; 
38, 21; 30, 3; 33, 7f.; 34, 2), 2) sie sind in Gefahr sich ihrer Weisheit zu liber- 
heben (13, 1), 3) es ist geschichtlich iiberhaupt keuie auclere Qnalitat denkbar, 
die die dgxqyol rfjs ardaews fur sich geltend machen konnten, und das Schweigen 
des Clemens liber ihre eigentlicheu. Griinde ist sehr beachtensivert; er wirft ihnen 
fortwahrend Hochmut vor (13, 2. 3; 21, 5; 16, 17; 48, 6; 57, 2), aber das ist 
eine ethische Beurteilung, die den Sachbestand inx Dmikeln lafit; 4) sie scheineu 
auch Asketen zu sein (38, 2f.). Vgl. Sohm, Kirchenrecht I, 157 f. Aber auch 
wenn man den pneuinatischen Charakter der Gegner bestreitet, bleibt das Novum 
in der Anschauung des Clemens bestehen. 

2) Sxla/M 2, 6; 46, 5. 9; 49, 5; 54, 2. ' 

3) 1. Clem. 40, 1 : Ttdvm id^st xoieiv dysllofiev oaa 6 SeaitoTtjs sTUTskeir 
KveLevoev Kara y.cugoiis rerayfievovs. Es folgt als BeAYeiS: (laB Gott im A. T. 
bestimmte Ordnungen festgestellt hat und daB der Hohepriester, die Priester uiid 
die Leviten ihren besonderen Dienst hatten, dagegen 6 la'txbs av-d-^coTtos (hier 
Zltei'St .der ,,Laie") tols IcCfooTs Ti^oaidyftaat, SsSeiai, (40, 5). 41, 1 : sy.aaios ?),ft5v, 
dSs^yoi, ev Tcp iSicp tdyfian evaosatsirco T<W &BCO . . . fii] TiagexSaivtov. ibv cbgia- 
fie-vov i^s hsiiovias atirov y.avova. 



190 8. Die alten Normen der Lehre. 

liche Kultus es war. Die Kleriker baben ihre Aufgabeu, wie die ,,Laien" 
die ihrigen. 2) Gott sandte Cbristus, Ghristus die Apostel, die Apostel 
aber setzten die Erstlinge ibrer Missionsarbeit zu Biscbofen und Diakonen 
ein. Das Eecbt dieser Amter beweist wieder ein alttestainentlicbes 
"Wort. 1 ) 3) Die Apostel haben die Anordnung getroffen, dafi nacb .dem 
Tod der ersten Presbyter oder Biscbofe deren Nacbfolger ibren Dienst iiber- . 
nebmen sollen. Sorait sind die gegenwartigen Presbyter entweder direkt 
von den Aposteln oder von den von diesen eingesetzten Mannern unter 
.Zustimmung der ganzen Gemeinde ernannt worden. 2 ) 

14. Das Amt, von dem Clemens redet, ist nocb nicbt der monar- 
cbiscbe Episkopat, den wir bei Ignatius fanden. Bei ibni geben viebnebr 
die Bezeicbnungen ,,Presbyter" und ,,Episkopen" nocb auf die narnlicben 
Personen, die durcb sie nacb seiten der EbrensteHung und der Eunktion 
bezeicbnet werden, wie Clemens sie aucb fjyovf.isvoi nennt (1, 3; 21 6 ; 
37, 2). 3 ) Die Sacblage ist einfacb die , dafi es zwei Amter gibt , die 



1) 42, 1 : ol anoaio/.oi fj/uiv Evy/yeliadqaav dnb rov xvgiov 'Irjaov 
'Irjffovs 6 XqiaTOS and TOV d'sov el-ene/u.yi&t]. 42, 4: vara. '/,ca^as ofv y.al 
y.t^vaaovrss y.a&iaravov ius dna^as avrwv oxifidaafrss tcp Tivsijfian els STtiay.oTtovs 

y.al Siaxovovs i6>v (.isM.dvTcov Ttiotsvetv. Dies sei oil y.tuvws geschehen, denn die 
Schl'ift sage bereits : itaraar^aco roiis sTtiaxonovs avrmv sv Sixaioalivr) YMI 
Siaxovovs avi&v sv rtiozet. (42, 5). Das Zitat ist Jes. 60, 17, wo aber rods 
aov mid roi>s smaxoTtovs aov steht. Hier scheint der hebr. Text hereinzuspieleu : 
rin^jSB imd -ii'^i. Ersteres ist Aufsicht, Amt, letzteres Treiber, Frohnvogt, Tribut- 
einnehmer. Nun wircl i-'ps. Tips etc. dem Etymon gemafi von LXX mehrfach 
durch ETtloxoTcos iibersetzt, b'.'ii aber mag als Tributeinnehmer (z. B. Deut. 11, 20) 
im Sinn des Almosensammelns verstanden worden sein, wie es in der Synagoge 
ein Amt der Almosensammler (npv*; 'N3i) gibt. 

2) 44, 1 ff. : y.cu ol vatoatohot, fj[.icov eyvcoaav S.ia tov y.v^iov -fi/,icov Yrjaov 

Srt eyig sarai enl lov ovofiaios irjs emaxonfjs. 4ia ravTrjv oitv rrjv 
nqoyvcooiv Eikrjcpdres vzLeiav, ftaTEOTtjcrav roiis Ti^ostQrjfievovs y.ai ftsta^ii 
SsSt'jyMOiv, O7t<as, sdv '/toi^irjdidaiv , SiaSe^covrai KIEQOI s8oy.ifj,aafiBVOi 
leirov(i"/iav O.VTOJV. loiis oiiv y.araara-9'svTas iiTe 1 sxsivcov ij fiera^i) "by? 
eJj.oyifiiav dvSgcov avvsvSoy.rjadai^s tfjs emthjolas adarjs . . . oil Stxaicos 
tofidttsaS'ai trjs herrovpyias. Der Sinn ist der : die Apostel setzten 
die ^(fOEiQrjfiEvoi (s. 42, 4) ein, haben aber sodann (das bedeutet /.ism^ij) eine 
gegeben. Dies Wort wird hier das bedeuten was man sonst durch 
ausdriiekt: Zusatz zu ein em Gesetz, und zwar des Inhalts, daB wenn 
die von den Aposteln Eingesetzten sterben, andere ihnen folgen sollen. Die 
gegenwartige Presbytergeneration ist nun von ,,jenen" d. h. wohl den Aposteln 
eingesetzt oder aber von anderen namhaften Mannern d. h. den von jenen Ein- 
gesetzten. Wichtig ist die Beteilignng der Gemeinde bei der Einsetzung. 

3) i]yovf.ivoi (Hbr. 13, 7. 17. 24) oder nooijyovfisvoi. (1. Clem. 21, 6. Herm. 
Vis. II. 2, 6; III, 9, 7) ist eine altrb'mische Bezeichnung der Presbyter. 

wie TiQEapvteyoi dienen nach dem Zeugnis agyptischer Papyri auch 



Ursprung des kirchlichen Amtes. 191 

Episkopen und die Diakonen (42, 4. 5) und clafi erstere Presbyter sind: 
den Presbytern ist die ertioxortij genommen , das ist der Aufruhr" 
(44,1.4). Mit anderen Worten, in Rom herrschte gegen Ende des 
1. Jahrhunderts noch die alte Presbyterverfassung, die Paiilus nach der 
Apostelgeschichte auf seiner ersten Missionsreise iiberall einftihrt (Act. 14. 
23 cf. 20, 17. 1. Ptr. 5, 1). Indem dieselbe Ordnung uns au.cn in 
Jerusalem begegnet (Act. 11, 30; 15, 2fL; 16, 4; 21, 18 cf. Jak. 5, 14). 
ist anzunehmen, dafi sie urchristlich ist und wahrscheinlich der jiiclischen 
Gemeindeleitung nachgebildet ist. 1 ) Diese Ordnung scheint Paulus, wie 
die Apostelgeschichte und- aiich die Korintherbriefe zeigen, auf helle- 
nischem Boden zunachst nicht durchgefiihrt zu haben. Hier griff eine 
freie Organisation ein, wie die Hausgemeinden (Rom. 16, 5. 1. Kor. 16, 19, 
aber auch Kol. 4. 15. Philem. 2) sie ermoglichten, oder wie sie 1. Thess. 
5, 12 .angedeutet wird. Am Abend seines Lebens in den Pastoralbriefen 
hat Paulus dann wieder gefordert , was sich mittlerweilen , z. B. in 
Philippi, von selbst eingebiirgert hatte (Phil. 1> 1), namlich die Ein- 
setzung von Episkopen oder Presbytern und Diakonen (s. bes. ] . Tim. 
3, 113. Tit. 1, 5 9). 2 ) DerVergleich von Tit. 1, 5 und 7 (cf. Act. 
21, 28) zeigt dabei unwiderleglich , daB die Presbyter und Episkopen 
miteinander identisch sind. Yon groBem Interesse ist nun aber, dafi die 
Pastoralbriefe in den Kreis der Aufgaben der Presbyter oder Episkopen 
bereits die Lehrtatigkeit zieLen. Unter den Presbytern stehen die sich 
in "Wort und Lehre bewahren, obenan (1. Tim. 5, 17f.). Demgemafi ist 
die Eahigkeit zu lehren ein Merkmal des Episkopos (1. Tim. 3, 2), und 
es wird vom Episkopos verlangt, dafi er gemafi der ,,Lehre" und in 
,,gesunder Lehre" ermahne und den Widersprechenden begegne (Tit. 1, 
9f. cf. Act. 20, 28 ff.). Die Meinung ist noch nicht die, dafi ausschliefi- 
lich die Presbyter lehren, sondern die, dafi die Presbyter womoglich auch 

zur Bezeichnung heidnischer Priester, 'ohne daB die letztere Benennxmg ein 
hoheres Alter voraussetzte (s. Hauschildt in Ztschr. f. d. nt. Wiss. 1903, S. 236. 239 ff.). 

1) S. hieruber Schiirer, Gesch. d. jiid. Volkes etc. II 3 , 430 ff. Darnach hat 
die jiidische Gemeinde Alteste, einen oL^tawaycoyos (mehrere z. B. Act. 13, 15), 
die Almosensammler und einen Diener. Dem d^iawaycoyds steht die Leitimg 
des Gottesdienstes zu, ohne daB er selbst liest oder predigt. Die Altesten haben 
dagegen die gesamte Leitnng und Verwaltimg- der Gemeinde zu versehen, in der 
Hegel wird der d^^iawaycoyds aus ihnen gewahlt worden sein. Nach allem, was 
wir.iiber die Gescbichte der altesten christl. Gemeindeorganisation wissen, er- 
scheint es als das einzig Natitrliche diese jiidische Ordnung als ihr Vorbild und 
ihren Ausgangspunkt anzusehen. Wie man man zu einem Titel wie eTtioxonot 
kam, zeigt die Erwagung der Aufgaben des Presbyteriums und die Anwendmig 
von Jes. 60, 17 in 1. 01. 42, 5 (oben S. 190 Anm. 1). 

2) Die Moglichkeit, daB gerade hier spatere Hande in den Test eingegriffen 
haben, ist freilich vorzubehalten. 



192 8- Die alteii Normen der Lelire. 

lehren sollen. Dabei ist dieser Begriff Presbyter noch nicht scharf . ge- 
pragt. An sicli sind es aucli die Alten der Gemeinde im TJnterschied 
zu den Jungen (1. Tim. 5, 1), gerade so wie bei Clemens (3, 3; 21, 6 
cf. 1. Ptr. 5, 1. 5). *) Allein unter den Presbytern im allgemeinen Sinn 
befinden sich die ,,eingesetzten <! oder ,,vorstehenden" Presbyter. 2 ) Sie 
sind das eigentliche Kollegium. dem das Weiden, Leiten und Regieren 
der Gemeinden znsteht (1. Ptr. 5, Iff. Act. 20, 28 f . ; 15, 22. 1. Kor. 12, 
28. Bom. 12, 8 usw.). 

Wir werden also sagen : es gab in der apostolischen wie nach- 
apostolischen Zeit in der Kirche ein Kollegium der Presbyter oder 
Episkopen, das im Zusammenhang zu den Alteren in den Gemeinden 
stand. Dies Kollegium hatte die Leitung der Gemeinde zu versehen. 
"Frith scbon fafite diese Ausgabe aucn die Vertretung der kircklichen 
Lelire , sowie die Leitung des Gottesdienstes in sich.- Was also der 
1. Clemensbrief iiber die Einsetzung der Presbyter oder Bischofe durch 
die Apostel berichtet (s. oben) , ist dnrchaus glaubwiirdig. Zu diesem 
Amt kam der Diakonat , der es mit dem Almosenwesen zu tun ge- 
habt hat. 

15. Nun ist aber diese Leitung der Gemeinden niit einer anderen 
kombiniert gewesen, niit der durch die Pneumatiker. Zunachst erschienen 
die Pneumatiker als die Personen, die Gott selbst gesandt und gegeben 
hatte zur geistigen Leitung und Erbauung der Gemeinden (Eph. 5, 11. 
1. Kor. 12, 28; 14, 26 ft). Nur Propheten und Lehrer werden anfangs 
in den Gottesdiensten das Wort gehabt haben. Die Ordnung der 
Synagoge gewahrte ja auch jedem das Wort, und hier gab es Leute, 
die Gott selbst hierzu antrieb. Wie in der Synagoge, so wird auch bei 
den Christen das Amt zunachst nur die Sorge fiir einen ordentlichen und 
schicklichen Hergang des Gottesdienstes gehabt haben im Sinn von 
1. Kor. 14, 40. Wir haben erkannt, dafi .dem ,,Geist" von friih an 
die kirchliche Lehre einschrankend an die Seite trat , niemancl hat dies 
so kraftig wie Paulus gefordert. Es ist nun geradezu selbstverstandlich, 
da6 die Personen, die fiir Zucht und Ordnung in der Gemeinde Sorge 



1) 1. Tim. 5, 1: 7r()ff/?we(>4> fii] S7ii7i)^rjs &hka, 7ta<)a"/sdhei cog Ttaieqa, vswregovs 
(as a$sj,(povg. 1. Ptr. 5, 5 : ofioicos vedneQoi v7ioidyr\iE ytosajSvTeoois. 1. 01. 21, 6 : 
TOVS Tiootjyovfievovs i](.(,&v aiSeadwuev, TOVS TtpeafivTepovs evTiftijffcofiev, rovs veovs 



2) S. 1. Ptr. 5, 1 ff. Tit. 1, 5 : xaraamjaris y.ata Ttohv Ttoea/ivre^ovs. 1. Tim. 5, 17 : 
ol y.a/.ffjs TtQosarcbies TtoeafltjTeooi. Herm. Vis. II, 4, 3 : fisra iffjv noeapvte^cov 
nooiffrafievcov Tfjs exxtyaias. 1, Cl. 54, 2: JLIBTO. tcav Ka-9'saraf.isvcov 

e(icav, das sind dieselben Personen wie die. 7topt]yov/.isvoi, die 21, 6 von 
deu TtpEOiSvTspol uuterschiedeu werden, s. die vorige Amn. Vgl. Sohm, Kirchen- 
recht I, 96. Za'hn, Einleitung I 1 , 461. 



Der Geist und das Arnt. 193 

zu tragen batten, aucli die Pneumatiker nach einem festen MaBstab be- 
urteilten. Das konnte aber nur die uberlieferte Lehre sein. Die TJber- 
lieferung und das Amt riicken aneinander. Gait es den Geist" zu be- 
urteilen (1. Thess. 5, 20 f.) oder einen ,,Lehrer" aufzunehmen oder ab- 
zuweisen (Did. 11, 1. 2), oder sich iiber ,,Apostel" oder ,,Propheten' f 
em tlrteil zu bilden (Did. 11, 3), so gab es dazu einen MaBstab, das 
,,Evangelium" oder die Lehre" (Did. ll, 1 3), und diesen anzuwenden 
waren die Presbyter berufen. Es ist demnacb verstandlich, daB der Be- 
sitz der ,,gesunden Lehre" eine Bedingung ihres Amtes war (Tit. 1, 9). 
Dazu kam , daB es auch ,,fremde Lehren" (Herm. Sim. IX, 6, 5), ein 
,,anderes Evangelium" (Gal. 1, 6. 2. Kor. 11, 4), einen ,,anderen Geist" 
<2. Kor. 11. 4), ein ,,Anderslehren" (1. Tim. 1, 3; 6, 3. Did. 6, 1), 
selbstgemachteLehrer(Herm. Sim. IX, 22, 2 : s-9-s^odiddaxa^.oi, cf. Jak. 3, 1) 
gab. Wer konnte hieruber urteilen auBer dem , welcher die rechte 
Lehre kannte? 

Waren nun aber die Presbyter Kenner der Lehre, so lag nichts so 
uah, als daB sie , wenn es an Geisttragern in der Gemeinde fehlte , an 
ihre Stelle traten, die Predigt und Mahnung iibernanmen und das Opfer 
des Gebetes bei der Eucharistie darbrachten. Die Presbyter (oder 
Biscnofe) fangen an, an die Stelle der Propheten und Lebrer zu treten, 
,.aucb. sie fiihren den Dienst der Propheten und Lenrer aus". 1 ) Das 
scbloB anfangs keineswegs aus, daB Presbyter und Propbeten zusammen- 
Avirken. Hernias soil von seinen Yisionen zwei Abscbriften nebmen. 
Die eine 1 erbalt der Presbyter Clemens , urn sie nacb auswarts zu ver- 
senden, die andere eine gewisse Grapte , die die "Wltwen und Waisen 
danacb ermabnen soil. Hernias selbst verliest aber das Bucb in Rom, 
und zwar in Gegemvart ,,der Presbyter, die der Kircbe vorsteben" (Herm. 
Vis. II, 4, 3). Und wiederum wird es derselbe Clemens sein, der die 
amtlicbe Versendung der Propbetenscbrift besorgt, der aucb im Jfamen 
der romisclien Gemeinde die Mabnscbrift an die Korintber verfaBt. Das 
ist eine interessante Momentaufnabnie , die zeigt , wie der Prophet dem 
Kirchenamt untergeordnet ist, und wie auch das Kirchenamt durch Wort 
und Lehre wirkt. Wir diirfen hinzufligen , daB dainals in Rom sicher 



1) 1. Tim. 5, 17 : ol tcahws TtooeoT&res TtQeofivreooi 

ol '/.OTtimvTes ev hoyco y.cu SiSaay.a't.iq. Tit. 1, 9: Iva. Swards fj 

Iv T/J iaaxakia TIJ byio'vovor t v.al rovs dvTiUyovras shey%ew. Did. 13, 4 
;getzt die Moglichkeit : sav Sk fit] e%>]Te TtgocptfTiiv' 15, 1. 2 ordnet an: '/^orovi'^ams 
ovv eamols KTtiaxortovs y.alSiay.ovovsd^iovsrovy.v^iov, avdyas npaels xal dcpi?.ai)yvoovs 
y.ai dhqd'Eis y.ni 8eSoy.if.iao/.ievovs' iiftlv yv-Q f-BirovQyovai v.cCi niiTol ?>]>> 
leirovgyiar rwv TtQ ocpv\i;u>v y.al SiSaand),cov , . ., avrol yap slaiv ol 
TBTiftrjfievoi iiuiov fiera r&v TC^offr^iav y.cu Sioaaxdlcor. 

Seeberg, Dogmengeschicbte I. 2. Aufl. 13 



194 8- Die alien Normen der Lehre. 

sclion die Darbringung der eucharistischen Opfergebete in den Handen 
der Presbyter lag. 1 ) 

Aber in dem MaB, als die Presbyter die Pneumatiker einschranken, 
wird es verstandlich, dafi bei letzteren sich ersteren gegeniiber das gleiche 
Bediirfnis regte, dafi also die Pneumatiker die ganze ertioxortij fur sich 
in Anspruch' nahnien sanit der Leitung des Gottesdienstes und den 
eucliaristischen Gebeten. So lagen wohl die Verhaltnisse in Korinth. 
Die beiden Propheten, die hier das Heft in die Hande bekonimen hatten, 
waren niclit so zahin wie Hernias in Horn ; sie verlangten die ganze 
Leitung der Gemeinde. Wie etwa zwanzig Jahre spater Ignatius seine 
gliihende Empfehlung des Anites auf eine Inspiration, die ihm geworden, 
griindete , so mogen auch die korinthischen Propheten ilire entgegen- 
gesetzten Anspriiche auf die SrtiOXOTtij erwiesen haben. 2 ) 

16. Diesen Anspriichen gegeniiber .hat sich Clemens auf die be- 
stehende alte Ordnung berufen. Er ist damit nicht im Unrecht gewesen. 
TJnd doch hat er die alte Ordnung umgedeutet in eine Theorie, die sich 
von ihr weit genug entfernte. Folgende Punkte bezeichnen diesen Fort- 
schritt : 1) Clemens schweigt den Greist tot, er sieht in Korinth nur einen 
.,schmutzigen und unheiligen Aufruhr" (1, 1), er verlangt ,,Unterwerfung" 
unter das Amt sans phrase (57, 1). 2) Clemens sieht in dem Amt und 
seinen Fimktionen ein Gresetz , das aus dem A. T. begriindet wird. 
3) Clemens verwandelt die geschichtliche Entstehung des Amtes in gott- 
liches B-echt. 4) Clemens schafft einen Zusammenhang zwischen den 
Aposteln und dem Amt, wonach die Amtstrager und nur sie der 
Welt das sind , was ihr die Apostel waren ; er macht sie zu N a c h - 
folgern der Apostel. TJnd dies geschieht nicht etwa durch Re- 
flexion auf die Identitat der Lehre der Apostel mit der der Presbyter, 
sondern auf ganz aufierlich rechtlichem Wege. 3 ) 

Es ist der Gedanke der diadoyjtj oder der . successio, der hier.zuerst 
auffcritt. Sieht man aber genauer zu , so denkt Clemens hierbei an 
zweierlei. Zunachst ist Christus von Grott, die Apostel sind von Christus 
gesandt, die Bischofe yon den Aposteln eingesetzt, alles geht auf Gfottes 
AVillen zuriick (42). Dies wird nun dadurch erlautert, daB dem Mose 
die iibrigen Propheten folgten (sjtrj'x.okovOrjGav), die das von ihm Ange- 
ordnete bestatigten (43, 1). Das ist der echt jiidische Gedanke von der 



1) Das ist die Voraussetzung von 1. Clem. 40. 41. Anders liegt es Did. 10, 6 : 
TOIS Se 7tr)o<pTjTais eTriT^e^ters Ev%aoicnelv oaa d'eA.ovaiv. 

2) Vgl. z. B. was Ignatius (Pol. 5, 2) von Asketen sagt, die sich liber den 
Bischof erheben. 

3) Hierin ist er weit mehr Hierarch als Ignatius, vgl. A. Berendts, das 
Verhaltnis d. rom. Kirche zu d. kleinasiat, 1898, S. 25 f. 



Das Recht des Amtes. 195 

f ortlaufenden Tradition. 1 ) Aber die Sukzession hat noch eine andere 
Seite. Wie Mose der Familie Arons das Priesterreclat verlieli, so haben 
die Apostel angeordnet, dafi den von ihnen eingesetzten Episkopen andere 
folgen soUten (43, 244, 2). 

Der erste dieser Gredanken beruhrt sich. mit der Anschauung, die 
wir bei Ignatius gefunden haben, ja man wird mehr sagen konnen : sie 
ist mit der des Ignatius identisch, wenn man von dem monarchischen 
Episkopat absieht. Die Bischofe sind danach Reprasentanten der reinen 
Lehre , sofern sie dieselbe durch die Sukzession vom Herrn her iiber- 
liefert bekommen haben. So meint es Clemens und so haben wir gewifi 
auch Ignatius zu interpretieren. 2 ) Das heifit aber mit anderen Wbrten, 
dafi der jiidische Traditionsgedanke die eine Stiitze des Amtes wurde ; 
die andere stellte Clemens im Anschlufi an die alttestamentliche Idee der 
aronitischen Priestersukzession her. Diese beiden Stiitzen des Hierarchis- 
mus sind also jiidischer Provenienz. Die Autoritat der Rabbinen und 
die Vorrechte der Priester iibertrug .man auf das christliche Amt und 
begriindete sie, wie jene begriindet wurden, durch die Idee der geschicht- 
lichen und der rechtlichen Tradition. Der Ursprung des ersten dieser 
Gredanken ist sicher dort zu suchen, woher auch der monarchische Epi- 
skopat stammt, namlich in Jerusalem (s. xinten), 3 ) der andere mag in 
Rom, vielleicht erst durch Clemens, gebildet sein. Aber es ist' dabei zu 
beachten, dafi die romische Gemeinde zur Zeit ihrer Entstehung iiber- 
wiegend judenchristlichen Charakter trug. 4 ) Daraus ist es verstandlich, 



1) Vgl. Jos. Ant. XIII, 10, 6: v6f.ua fia 7cott>& two, TtageSoaav TW STJ/.ICO oi 
aaioi ex Ttaieymv Sia8o%i]s. Zu Beginn des Traktats Pirge aboth (1. 2) 

Avird das Gesetz das gesdnlebene wie das mimdlich iiberlieferte durch 
eine Kette von G-liedern anfMoseresp. den Sinai zimickgefiihrt, s. nockBacher, 
Agada d. pal. Amor. I, 261 (vgl. Bousset, Eeligion des Judentums S. 133 f.). 

2) Ignat. Eph. .3, 2: OTtcos awT^E'^TS Tfj yvcofifl iov dsov, xal ya^ 'Iqaovs 
XQIOTOS .. . tov Ttat^bs >] yvdafirj, ws %ai oi STtioxoTtot . . . ev 'Iqaov Xgtarov yvcbfirj 
eioiv. 6, 1 : Ttdvra, yd(>, ov TtE/HTisi olr.oSeoTtorris els iSiav olxovofdav, OTTCOS Set 
f]f.ias atiTov e%ea&ai ws cmrbv TOV TtefcyavTa, vbv oi/t> ertiay.OTtov Sij/.ov on d>s 
aiirbv ibv WJQLOV Set Ttgoaflherteiv. 

3) Hegesipp, dessen kirchliches Denken durchweg an Jerusalem orientiert 
ist, braucht iao%ij als festen Begrifl und setzt diesen zum Fortbestand der ur- 
spriinglichen Lebre in Beziebung, Eus. b. e. IV, 22, 3: lv sy.doTu 8s iaSo%[i 

y.al ev eadarrj Ttokei ovrcog e%ei us o vo t uos teqoijaaei. xai ol TtgocpJjini y.al 6 avows. 

4) Dafl der Eomerbrief . des Paulus sicb an eine wesentlicb judencbristlicbe 
Gemeinde wendet, ist abscbliefiend von Zabn (Einleit. I, 298 ff.) erwiesen. Das 
Pravalieren judencbristlicber Interessen und Gedanken in Rom beweisen uns 
gegen Ende des 1. Jabrb. der Hebr., das Hermasbucb und der 1. Clem., die 
gro'fite Wahrscheinlicbkeit spricbt zudem dafiir, daB Clemens jiidischer Herkunft 
war, jedenfalls erweist er sich mit jiidischer Tradition wobl vertraut. Aucb 

13* 



196 8. Die alten Normen der Lehre. 

dafi judenchristliche Ideen hier noch zu Ende des 1. Jahrhunderts kraftig 
wirksam war en. ' ... 

Es ist eine koniplizierte historische Entwicklung, die wir kennen ge- 
lernt haben. Die jiidische Presbyterordnung wird von der Kirche ange- 
nommen. mit ihr koinbiniert sich zunachst eine zweite Ordnung, die der 
Pneumatiker. Indem der. christliche Presbyterat einerseits das Erbe der 
Pneuniatiker antreten mufi, andrerseits die Leitung im grofien Geistes- 
kampf wider die Haresie iiberninimt , wachst er . alsbald weit uber sein 
jiidisches Yorbild hinaus. Er. ergreift jetzt die Funktionen und Rechte 
des Rabbinats und des Priestertums. Einst standen die Sittenzucht, die 
aufiere Yerwaltung und der Vorsitz im Grottesdienst dem Presbyterium 
zu. jetzt ist dazu gekomnien die Yertretung der reinen Lehre und die 
priesterliche Darbringung der Gebete. 

17. Nichts hat die Macht des Amtes mehr gestarkt, als die Kon- 
zentrierung seiner Grewalt in e in e r Hand. Es handelt sich tun. die Ent- 
stehung des monar chischen Episkopats. Da er in Rom seine 
hochste Bedeutung erreicht hat, so ist es begreiflich, dafi man auch seine 
Entstehung hier suchte. 1 ) Aber die Quellen widersprechen dem mit aller 
DeutHchkeit. Was wir aus Hennas und 1. Clem, erfahren haben, be- 
statigt sich daran , dafi noch Marcion um 140 in E,om nicht mit dem 
Bischof, sondern mit dem Presbyterkollegium yerhandelt (Epiphan. haer. 
42. 1). Dagegen ist fiir die .Zeit des' Clemens und Hennas der monaiv 
chische Episkopat in der kleinasiatischen Kirche durch die Sendschreiben 
der Apokalypse und 3. Joh. 9f. 2 ) bezeugt, ebenso wie spater durch 
Ignatius, der zugleich sein Yorhandensein in Antiochia beweist. 3 ) i Hier- 
zu kommt der Bericht des Hegesipp iiber die Gremeinde von Jerusalem, 
nach welchem von Jakobus an hier Bischofe im monarchischen Sinn vor- 
handen waren (Eus. h. e. II, 23, 4; 4 ) IV, 22, 4). An dieser Behaup- 



Hermas hat einen judencliristlichen Horizont. Dafi Tomische Vorbilder die Ent- 
wicklung beeinflufit haben, ist nicht zu erweisen (vgl. Harnack. Chronologle 
I, 193 Anm.). 

1) S. bes. Sobm, Kirckenreckt I, 165 ff., der behauptet, dafi bald nach 100 
infolge des 1. Clem, sich der monarchische Episkopat geMldet habe. 

2) Piotrephes der cpdoTtpcorevcov wird kaum bloE nach der Oberherrschaft 
.streben, er ubt sie bereits aus, ohne dafi Johannes hierin etwas Anstofiiges :sieht, 
vgl. Z ah n, Einleitung II, 581. .. 

3) Kom. 2, 2: 6 eTtloxoTtos Zvyias, merkwiirdig ist die Weitschaffc dieser 
Bezeichnuug. 

4) diade%sTcu e trp> exxkijoiav /isra 'i(ov dTtoorohmv 6 ae),<pbs TOV KV^IOV 
ydxcaflos. Nach der Apostelgeschichte sprechen in Jerusalem das entscheidende 
Wort ot d7tooTo).oi '/.al TtQeapvTBaoi (15, 2. 4. 6. 22 f.), . aber der Beprasentant ider 
letzteren ist Jakobus (15, 13). Paulus nennt neben Petrus imd Johannes nur 
Jakobus (Gal. 1, 19; 2. 9). . . : - 



Der monarehische Episkopat. 197 

tung wird ricbtig sein, daB Jakobus als Bruder Jesu eine beberrscbeude 
Stellung im Presbyterkollegium von Jerusalem einnabm (vgl. Act. 15), 
und dafi, da sein Nacbfolger Simeon ebenfalls ein Herrnverwandter war, 
diese herrschende Stellung eines Mannes im Presbyterkollegium in Jeru- 
salem sich fortgesetzt .hat und feste Ordnung in Jerusalem geworden sein 
wird. Bei der engen Beziehung von Jerusalem nach Antiocbia und 
Kleinasien wird diese Ordnung dann gegen Ende des 1. Jabrbunclerts 
bier akzeptiert worden sein. 1 ) Dies ist das allein Wahrscheinliche, nicht 
aber daB aus Antiocbia oder Kleinasien der Episkopat sehliefilich aucb 
nacb Jerusalem kam. ' 

Die Motive zur Annabme der neuen Einricbtung mogen mannigfaltig 
gewesen, und ebenso war die Art der Durcbfiihrung nicht immer eben- 
maBig. Ignatius zeigt uns, daB die Einheit der Lebre, des Gemeinde- 
lebens und des Kultus besonders wirksam war. 2 ) Der jiidiscbe Gedanke, 
dafi die Sukzession die Bichtigkeit der Lebre garantiert, wird scbon in 
Jerusalem vertreten gewesen sein, stammt docb das Traditionsprinzip 
iiberbatipt von dort. Noch eins ist zu. beacbten. Die Art, wie Ignatius 
immer wieder die Pflicbt der TJnterordnung unter den Biscbof einscbarft, 
macbt den Einclruck, daB diese Einricbtung, obgleicb die Biscbofe Witt 
ia jtSQCna eingesetzt sein sollen (Epb. 3. 2), in Kleinasien nocb nicbt 
ganz durcbgedrungen war, Und dazu stimnit , daB er die Inspiration, 
die ibm geAvorden ist, sicb an den Biscbof und die anderen Amter zu 
balten, gegen den Vorwurf ad boc erfunden zu sein , verteidigt (Philad. 
7, If.). 

Bunfort gibt es drei Amter. Der Biscbof, der an Grottes oder 
Cbristi Statt stebt, die Presbyter, die die Apostel , und die Diakonen, 
die Gottes Gebot vertreten. 3 ) Die Presbyter stimmen mit clem Biscbof 



1) Vgl. Zahn, Forsch. VI, 299 f. 

2) Vgl. Harnack, Clironologie 1, 195 ff. Denkt man daran, daB die Vor- 
steherschaft sich in der Leitimg des Kultus darstellt (Justin Ap. I, 65. 67, dazu 
.Ignat., auch 1. Clem.), so liegt die Verm\itung nahe, daB der Presbyter, der die 
Pvmktionen des u^owaymyos verwaltete, es war, dem der Episkopat zufiel. Vgl. 

auch Lucian. Peregr. 11: 7roop;r/;s xal &ioi<i^'/fly y.al Hwaycoyebs y.al Tt&vra. 
fiovos nines rjv . . . y.al Tt^oai&Ti]v avtbv etteygdyovTo. So diirfte es sich auch 
verstehen, daB die alten Bischofslisten bis auf die Apostel zuriickgefithrt 
werden. Man AA'ird aus der Vielheit der Presbyter den Leiter der Gottesdienste 
,erwahlt haben, war das docb. der Maun, der die charakteristische Funktion der 
Bischofe verselien hatte. 

3) Smyni. 8, 1 : Ttdvres iio sTCiayoMp dy.okovd'eiTS cog 'Iijaoiii X^WTOS TCO Tt 
y.cii, Tc5 TtgeaftvTEgicp we tots dTtootdhois, TOVS us Siay.ovovs evTfjeTteod'e cos 
svvokriv. M'ljSsls '/fcapls sTtioxdTtov TI rtgaoaeim i&v avi]"/.6vT:iov tli tijv e 

Gf. Magn. 2; 6, 1. Trail. 3, 1;.2, 2. Pol. 4, 1. Die auch sonst bezeugte Zwblf- 
zahl der Presbyter ist bei ihrer Vergleicluing mit den Aposteln vorausgesetzt. 



198 8. Die alten Norm en der Lehre. 

iiberein wie die Saiten niit der Zither (Epli. 4, '!). Gehorsam und An- 
schluB an den Bischof ist aller Pflicht (Eph. 5, 3. Smyrn. 8, 2. Trail. 3, 1 ; 
2, 2). Dies geschiekt aber, indem man ,,nichts ohne den Bischof tut". 
Das bezieht sich auf das Gebet und die Lehre (Magn. 7, 1. Trail. 6, 1; 

7, 1. Philad. 2, I), 1 ) auf die eucharistische Feier und die Taufe (Smyrn. 

8, If. Trail. 4) und auf den Eheschlufi (Pol. 5, 2). Dazu kam noch die 
BuBordnung. So wird das gesarnte religiose und sittliche Leben der Ge- 
meinden straff um den Bischof konzentriert als den Reprasentanten 
Gottes und Christi. Aber trotzdem ist der Episkopat erst Gemeindeamt, 
noch nicht Kirchenamt. Ohristus ist der unsichtbare Bischof , um den 
sich die allgeineine Kirche schaart wie die Einzelgenieinde um den sicht- 
baren Bischof. TJnd wo eine Gemeinde ihres Bischof s beraubt ist, da 
bleibt ihr dennoch der himmlische Bischof (Smyrn. 8. 2. Magn. 3, 1. 2. 
Eoni. 9. 1. Pol. 8, 3). 2 ) 

18. Die Erb'rterungen , die wir in diesem Paragraphen angestellt 
haben, haben eine Anzahl wichtiger Resultate ergeben. Es hat sich ge- 
zeigt, dafi das Geistwesen in der Kirche zwar fortbestand, dafi aber starke 
Machte des Beharrens ihm einschrankend zur Seite standen von Anfang 
an, und daB diese inimer kraftiger geworden sind und die Leitung des 
geistigen Lebens mit ' sich steigernder Wucht beansprucht haben. Es sind 
folgende : die Autoritat der "Worte Christi und der Apostel, die Lehre 
der Apostel oder der Urchristenheit , die man in dem Mafi fester und 
pointierter fafite, als ihr die ,.Haresie" lehrhaft ausgepragt entgegentrat, 
das Bekenntnis der Katechumenen, das gegen Ende unseres Zeitraumes 
aus einem eingliedig christologischen in ein dreigliedrig triadisches ver- 
wandelt wird. endlich das Kirchenamt , das sich der Lehre bemachtigt 
hat und im Zusammenhang damit seine Autoritat stabiliert als Garant 
der reinen Lehre und als durch gottliches B,ech;fc eingesetzte Sukzession 
der Apostel. Die geschichtliche Entwicklung, die sich hiermit voll- 
zogen hat, ist unverkennbar. Sie haftet am. Kirchenamt. DaB Christus. 
die Apostel, die apostolische Lehre Autoritat sind, wufite man von 
Anfang an. DaB aber Christi und der Apostel Lehre und Autoritat die 
vom. kirchlichen Amt anerkannte und ausgeiibte Lehre und Autoritat 
sind das ist das Neue. Aber nicht so liegt es , als wenn bewufite 
hierarchische Tendenzen diese Entwicklung hervorgerufen haben, . es hat 
sich Her nur ein ProzeB der Yergroberung vollzogen, der in der Geistes- 
geschichte iiberaus haufig ist. Man hat die alten Autoritaten und Mafi- 
stabe dadurch handlicher gestalten wollen, daB man ihnen das gegen- 



1) Der Bischof als Prediger Pol. 5, 1 cf. Did. 15, 1. 

2) Vgi. Zahn, Ignat. S. 306. E. Seeberg, Beg-riff d. Kirche I, llff. 



Die Bedeutung des Amtes. 199 

wartige Amt wie eine Handbabe anfiigte, Dann erscbeint wobl das 
Gegenwartige und Sichtbare mehr und mehr als Hauptsacbe, neue Gre- 
danken werden gesponnen, urn dem untergeordneten Mittel selbstandige 
Bedeutung zu erwerben. Ein Anfang bierzu wurde gemacbt durcb den 
Gedanken der apostoliscben Sukzession. Aber nocb 1st man weit entfernt 
davon, das Amt zum Herrn der Kircbe zu macben, man bat nocb das 
lebbafte Bewufitsein, daB es nur Handlangerdienste tut der Offenbarung 
Cbristi, daB Cbristus der Herr der Kircbe 1st. ,,Hierarcben" sind weder 
Clemens nocb Ignatius gewesen. 1 ) 

Wir baben zu Beginn dieses Paragrapben darauf verwi'esen, daB die 
Autoritat des A. T. andauernd den Einwirkungen des Judentums auf 
die Kircbe ein Tor offe'nbielt. Das bat sicb uns bestatigt. Der ganze 
Apparat beil. Scbriften und Traditionen und kircblicber Amter, den wir 
kennen gelernt baben, ist nacb judiscben Yorbildern, aber freilicb aucb 
unter dem Druck praktiscber Bediirfnisse , entworfen. In dem Streit 
iiber die Frage , ob die alteste Kircbe ,,beidencbristHcb" oder ,,juden- 
cbristlicb" war , bat man die Entscbeidung zu sebr atis den einzelnen 
,,Lebren" zu erbringen versucbt. Hier pravaliert in der Tat das beiden- 
cbristlicbe Verstandnis. Anders liegt die Sacbe aber, wenn man an den 
ganzen kircblicben Organismus denkt. Dieser ,, ist entstanden als Urn- 
bildung der jtidiscben Kircben- und Gemeindeordnung. Der Gedanke 
des kanoniscben Bucbstabens und der durcb Sukzession vermittelten 
miindlicben Tradition, die Idee einer okumeniscben Lebre und" einer 
katboHscben Kircbe ? sowie die Funktionen des geistlicben Amtes, sind 
in Anlebnung an das Judentum erwacbsen. Aber es bat die grofiere 
Intensitat des geistigen Lebeus der Cbristenbeit diese Fornien bald aus- 
gedebnt und dabei nocb straffer gestaltet. Dabei baben andere Elemente 
mitgewirkt. Aber es ist eine Tatsacbe, dafi der Grrundrifi zum Ban der 
katboliscben Kircbe nacb dem Muster der Synagoge bergestellt ist. 



l) : Solim hat in. seinem groBen Werk liber das Kirclienreclit diese Ge- 
danken verschoben, mdem er sich von der These leiten lafit, daB das Wesen der 
Kirche .mit dein Wesen des Kirchenrechts in Widerspruch stehe. Blofi der Geist 
diirfe daher in der Kirche regieren, jede nienschliche Ordnung wird daher als 
Abfall vom urspriinglichen Christentum ang-esehen. Dabei ist aber iibersehen, 
dafi keine Gemeinschaft ohne eine solche Ordnung bestehen kann und daB die 
Wurzeln derselben tief in die apostolische Zeit znrftckreichen, s. meine eiii- 
gehende Besprechung yon Sohms Werk in dem Theol. Lit.-Bl. 1893, Nr. 2527. 



Zweites Kapitel. 

Die haretische Umdeutung des Evangeliums sowie die gegen das 
katholische Chrisientum gerichteten Reformversuche. 

9. Das Judenchristentum. 

Hauptquellen : Justin. Dial. c. Tryphone 47. Irenaeus adv. haer I, 26, 2 
Origen. c. Gels. II, 1. 3; V, 61. Hippolyt. Eefut. VII, 34. Epiphan. h. 29. 30. 
Euset. h. e. Ill, 27. Hieronym. Ep. 112 (al. 89) u. sonst. Vgl. A. Eitschl, Die 
Entstehimg der altkatholisclien Kirche 2 , S. 152 ff. A. Hilgenf eld, Ketzergesch. 
d. Urchristentums 1884, S. 421 ff. und Judentum und Judenchristentum 1886. 
Th. Zahn, Gesck. d. Kanons II, 642ff. A. Harnack, DG. P, 271 ft. 0. Pf lei- 
d e r e r , Urclmstentum II 2 (1902), 596 ff. 

1. Jtidentum und Christentum haben sicli sehon friili for immer 
voneinander getrennt. Die neutestamentliclie wie die nachapostolisclie 
Litei'atur setzen diese Trennung voraus. Sie ist dadurcli verscharft 
worden, dafi die Christenheit bald in tiberwiegender Mehrheit sicb. aus 
Heiden rekrutierte. Andererseits stieB die jiidiscbe Greineinde schon 
friib die Obristen, aucb. die geborenen Juden unter ibnen, scbrofi zu- 
riick. 1 ) Das Judenchristentum bat unter diesem Hafi naturgemafi am. 
scbwersten zu leiden gebabt. Es bat sicb trotzdem durcb Jabrbunderte 
in Palastina, Syiien und im Ostjordanland erbalten. Der EinfluB des 
Judencbristentums auf die Gesamtentwicklung der Kircbe ist von Bam* 
und seiner Scbule sebr iiberscbatzt worden. Einen dem Heidenchristen- 
tum kobrdinierten [Faktor bat es wenn man von den altesten jZeiten 
absiebt nie gebildet. Die Art, wie die Kirchenvater (Justin. Dial. 47. 
Iren. adv. haer. I, 26, 2) von ihm reden, zeigt deutlich, wie geringe Be- 
deutung sie der Erscbeinung beilegen. Allein die Anerkennung dieses 
Urteils flibrt docb leicbt zu einer Yerkennung der Bedeutung, die das 
jiidische Element fiir die Entwicklung der kircblicben Anschauungsweise 



1) lust. Ap. I, 31. Dial. 16. 17. 96. 110. 122. 133. 136 f. Vgl. Schlatter, 
Die Kirche Jerusalems, 1898, 8.8ft. 



Das ,.Judenchristentunr'. 201 

gehabt hat. Je deutlicher es neuerdings wird, \vie belangreich das 
,.Jtidentuin" schon flu- die neutestamentliehe Lehrbildung gewesen ist, 
desto scharfer muB dieser Bestandteil fiir die gesainte Entwicklung der 
christlichen Lehre in das Auge gefafit werden. 

Der Begriff Judenchristentum" ist nicht uninittelbar durchsichtig. 
Man kann ihn als die religiose und sittliche Denkweise der national- 
jiidischen Ohristenheit definieren. An die jiidische Christenheit, nicht 
an die einzelnen judischen Christen, ist dabei zu denken, denn sonst 
waren auch Paulus und verschiedene seiner Mitarbeiter Judenchristen. 
Man kann aber auch unter Judenchristentum" eine Denkweise ver- 
stehen, die das nrspriingliche Christentum mit spezifisch jlidischen An- 
schauungen und Tendenzen so versetzt, dafi es dadurch in seinem wesent- 
lichen Gehalt modifiziert \vird. So verstanden, konnte von Judenchristen- 
tum auch in der Heidenchristenheit geredet werden. Allein so fruchtbar 
dieser Gresichtspunkt ist, so fiihrt er doch zu keiner greifbaren Ab- 
grenzung des Begriffes, er wiirde geschichtHche Mifiverstandnisse zur 
unausbleiblichen Folge haben. 1 ) Es wird sich also enipfehlen, beide 
Definitionen so miteinander zu verbinden, .da6 wir unter Judenchristen- 
tum die Anschauungsweise der judischen Christenheit verstehen, sofern 
sie prinzipiell das Christentum mit dem angestammten Judentum, 
seinen Satzungen, Brauchen und Tendenzen verband. Mcht also das 
personliche Festhalten an derartigen Satzungen und ITormen oder die 
zufallige geschichtliche Anlehnung an sie bedingt das Judenchristentum, 
sondern die prinzipielle Anerkennung ihrer Yerbindlichkeit als 
alttestamentlicher Ordnungen. Dies kann in verschiedenem Grrade ge- 
schehen (Beschneidung, Opfer, Christologie, Kanon), aber auch in ver- 
schiedenem TJmfang, sofern es entweder nur auf geborene Juden oder 
. auch auf alle Christen erstreckt Avird. Die entscheidende Differenz zu 
der heidenchristlichen Anschauxing besteht also nicht in der materiellen 
Aneignung judischer Ideen und Eormen, sondern in der fornialen An- 
erkennung ihrer Heilsnotwendigkeit. Dort handelt es sich um zufallige 
geschichtliche Eormeri, die man vom Christenttim her als notwendig 
ineint erweisen zu konnen, hier sind diese iFormen notwendig, weil sie 
jiidisch sind. 

In dies em Sinn genommen, ist der geschichtliche Einflufi des 
Judenchristentums ein verschwindend geringer gewesen. Die Pragen 
nach der Beschneidung oder der Greltiing des Zeremonialgesetzes blieben 



1) Zum Teil wenigstens versteht sich der Gegensatz zwischen Baur und 
seinen Gegnern darans, dafi diese das Judenchristentum in dem zuerst, jener in 
dem zuletzt bezeichneten Sinn yerstanden. 



202 9- Das Judeiichristentitm. 

den Judencbristen uberlassen. Dagegen iibte die judencbristlicbe Denk- 
weise indirekt einen sebr erbeblicben EinfluB auf die Entwicklung der 
kircblicben Anscbauung aus. Die Konibination jiidiscber und cbristlicber 
Gredankenelemente, die hier vorlag, wurde grundlegend und vorbildlicb 
fur die kircbliche Lelire. Nicbt die Begriindung, wobi aber die Sache 
wurde ubernommen. Es. handelt sicb dabei wesentlich um folgende 
Punkte : 1) den Begriff des Kanons in der eigentumlicben jiidiscb-cbrist- 
licben Pragung , 2) die Auswabl des gescbicbtlicben StofOes in den 
Evangelien. die Herstellung jener dogmatiscben und etbiseben ,,Tradi- 
tionen". die scbon die Grrundlage der neu.testamentlicb.en Lebrbildung 
sind, d. b. die Darstellung des Christentums als einer ,,Lebre", 3) die 
kircbJiche Amtsordnung und die Idee der Sukzession ; 4) die besonderen 
etbiscben Yorschriften etwa der beiden ,,"Wege" sowie die mit ihnen 
verbundenen Lobn- und StrafverbeiBungen, oder die moralistiscbe und 
legalistiscbe Tendenz, 1 ) 5) viele pbantastiscbe Details aus der Escbato- 
logie, liber Engel und Danionen usw. Im einzelnen ist biervon friiber 
die Rede gewesen (S. 152 f .) ; dort wurde aucb scbon darauf verwiesen, 
dafi an alien diesen Punkten die zunacbst bei den Judencbristen aus- 
gepragten Anscbauungen dem beidencbristlicben Bedarf entspracben. 
Das gilt wie von der. gesetzlicben Begelung des Lebens und dem System 
fester Autoritaten, so aneb von den aberglaubiscben Engel- und Damonen- 
spekulationen. Man nabm an, geleitet von dem Bedlirfnis das Ohristen- 
tum in das konkrete Leben einzufiibren und wirklicbe Menscben dadurcb 
zu befriedigen. was die Tradition darbot. Das geistige Bewufitsein der 
groBen Mebrheit der Katecbumenen war zunacbst gar nicbt fabig, die 
Gedanken der Erlosungsreligion in ibrer Tiefe aufzunebinen. Daber 
war man alsbald bereit, die gesetzlicben TJmdeutungen dieser Gredanken 
anzunebmen. oder die Erlosungsreligion so viel als moglicb mit der Gre- 
setzesrebgion zu versetzen. 2 ) Die gescbicbtlicbe Bedeutung des Juden- 
cbristentums bestebt nun zubocbst darin, dafi es dieseni Triebe entgegen- 
kam, oder der Heidenchristenbeit die Mittel dazu darbot, das Cbristen- 
tum moralistiscb, dogmatistiscb, bierarcbiscb und superstitios zu deuten. 
Die Heidencbristen baben zu alledem ibrerseits viel binzugefiigt. aber 

1) Beispielsweise deiike man daran, daB die Tugendreihe Tob. 12, 8 die 
soleunen guten Werke der Kirclie (Beten, Fasten, Almosen) bestimmt hat, oder 

dafi Jesu Wort Matth. 7, 12 (was ihr wollt, dafi ench die Lente tun, tut ihnen 
auch) nur in der abgeplatteten judischen Form Tob. 4. 15 (8 fuaets firjdevl ytorforis) 
christliche Lebensregel geworden ist (z. B. Did. 1, 2). 

2) In dieser Unfahigkeit wurzeln z. B. auch die kiiustlichen Versuche die 
Erlo'sung durch Christus mit dem Gesetz zu kombinieren und rationell zu deuten. 
Christi ,,neuer Bund" wird zum ,,neuen Gesetz", der Logos als das Gesetz der 
Ghristenheit zum ,,nenen Gesetzgeber". 



Die Bedeutung des Judenchristentiras. 203 

die Grundlage zu den Abweichungen yon dem alteren Christentum be- 
stand iinmer in judenchristlichen Gesichtspunkten. Die katholische 
Kirche ist entstanden als die heidenchristliche Kirche der ausgehenden 
Antike, aber der GrundriB des Gebaudes ist in mafigebender Weise be- 
stimmt Von judenchristlichen Gedanken und Tend enzen. Im Katholizis- 
mus lebt nicht nur ein Stuck griechisch-romischer Weltanschauung, 
sondern auch judischer Frommigkeit fort. Die Bestandteile der Ge- 
setzesreligion, die ihm anhaften, haben soztisagen das heiden- 
chri'stliche Bediirfnis zur Mutter und die judiscb-christliche Satzung zum 
Vater. Die reformatorischen .Bewegungen in der Kircne haben sich 
immer nicnt blofi gegen das heidenchristliche, sondern auch gegen das 
jiidisch-ckristliche Mifiverstandnis des Evangeliums richten miissen. 

So betrachtet, ist die Bedeutung des Judenchristentums eine uner- 
mefilich grofie, denn es hat in kraftigster Weise dazu beigetragen, das 
Christentum in seinem ganzen Umfang auf die Stufe der Gesetzesreligion 
hinabzuziehen. Nicht seine Propaganda, sondern seine Existenz hat diese 
Bedeutung gehabt; und nicht durch das beherrschende spezifisch 
,,judenchristliche" Prinzip hat es gewirkt, sondern durch die einzelnen 
Bestandteile seiner Anschauung. Ein schwerer, raassiger Zug ist ! hier- 
-durch in das katholische Christentum hereingekommen . aber andrer- 
seits ist nicht zu verkennen, daB eben hierdurch ein Gegengewicht ge- 
wonnen war zu der griechischen Neigung, die Religion in Spekulation 
liber das Absolute aufzulosen. Der christliche Voluntarismus hat an 
den jiidischen Gedanken von Gottes Wirken und des Menschen Aufgaben 
; eine kraftige Stiitze gehabt. 

2. Die geschichtlichen "Wirkungen des Judenchristentums gehoren 
'der alteren Zeit an, etwa bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts. Wie der 
orientaUsche Synkretismus des Gnostizismus sich in diesem Zeitalter dem 
Christentum. anheften -konnte, so konnten auch die jtidischen Gedanken 
und Pragestellungen naiv angenornmen werden, sie drangen daher in die 
untersten Schichten der christlichen Gedankenbildung ein. Dafi man 
dabei in den weiteren EJreisen der Kirche den spezifischen JForderungen 
des Judenchristentums gegeniiber sich ablehnend verhielt, das ist vor 
allem der "Wirkung des Paulus, spater auch der johanneischen Schriffcen 
zu danken. Trotz aller Bereitschaft zu lernen war der gesunde Takt 
vorhanden, die Beschneidung und das Zeremonialgesetz abzulehnen und 
das iovda'i'Ceiv zu verwerfen. 1 ) Porderungen dieser Art sind von der 



1) Eine dein JudenehristeEtum innerlich nicht zu fern stehende Schrift-wie 
<lie syrische Didaskalia weist ,jdie Wiederholung des Gesetzes" prinzipiell ab, 
z. B. c. 2 : ^^nser Erloser ist um keiner anderen Sadie willen gekommen als das 
G-esetz zu erfiillen und uns von den- Banden der Wiederhohing des G-esetzes zu 



204 9- Das Judenchristentuiu. 

jerusalemischen Kirche auch nicht geltend gemacht worden. Als Hegesipp 
tun 180 seine Hypomnemata schrieb, konnte er, dessen geistliche Metro- 
pole Jerusalem war, von seiner grofien Reise aus den fiinfziger Jahren 
des 2. Jahrhunderts den Eindruck bezeugen, daB uberall in der Kirche 
es sich so verhalte wg o v6(.io$ MIQVOGSI xai ol rtgocpfjiai xat 6 XVQIQS 
(Eus. h. e. IV, 22, 3). Er will damit sagen, dafi er libel-all die rechte 
Lehre, d. h. die der Kirche von Jerusalem, angetroffen habe (ib. IV,. 
22, 1. 2; III, 32, 7). So sehr erscheint ihm Jerusalem als Ausgangs- 
punkt aller kirchlicnen Bewegungen, dafi er auch die Haresien dort ihre- 
"Wurzel haben lafit, namlich in einem gewissen Tnebutnis, der . uber- 
gangen worden war, als Simeon, der Sohn des Klopas, zum zweiten. 
Biscnof von Jerusalem gewanlt wurde (IV, 22, 5). Danach ist es klar,. 
dafi im wesentlichen in Jerusalem derselbe Grlaube Herrschte, wie in den 
heiclencnristlichen Gemeinden. Da dieser Glaube aber kein anderer war- 
als der der triadischen Glaubensregel , so hat diese B,egel auch in. 
Jerusalem gegolten. Nun war Jerusalem freilich seit 135 eine heiden- 
christliche Gemeinde, aber die Einheit der Tradition von Jerusalem bis. 
auf seine Tage herab, steht Hegesipp fest. Daher wird man annehmen. 
dlirfen, dafi die triadische Regel auch in Jerusalem vorhanden war.. 
"Wenn man nun erwagt, dafi die jerusalemische Tradition, die Lukas .in 
seineni Auferstehungsbericht befolgt, der letzten VerheiBung Ohristi eine: 
Eorm gibt, die den Sohn, den Geist und den Yater in sich schliefit. 
(24, 49) und dafi Matth. 28, 19 schwerlich einer anderen Qvielle als der 
palastinensischen Tradition entstammt, endHch dafi die wohl ebenfalls, 
in Palastina entstandene Didache (7, 1) die Taufe auf den Namen der 
Trias zu vollziehen anordnet, J ) so wird gegen obige Annahnie nicht 
eben viel einzuwenden sein. Das Wahrscheinlichste hinsichtlich dei" 
Entstehung des dreigliedrigen Taufbekenntnisses s.cheint mir dann aber 
zu sein, dafi es in Jerusalem gepragt wurde, ebenso wie die triadische- 
Eorrnel von hier aus in die Welt gegangen.ist (vgl. oben S. 175). 2 ) Das 
wird aber zu einer Zeit geschehen sein, als die Gemeinde von Jerusalem, 
direkte Beziehungen zum Heidenchristentum gewann ; das kann nach 135 
gewesen sein, aber ebenso auch schon fruher. 

lefreien. Das Buch lehrt .ims ein Gemeindelebea kennen, in. clem die juden- 
chilstliche Grundlage noch. Iiberall durchschimmeTt, das sich aber innerlich von 
diesen Elementen zu scheiden beginnt. 

1) Von Wiehtigkeit ist auch, daB das um 100 entstandene Elkesaibuch 
die Wiedertaufe im Namen Gottes und seines Sohnes vollziehen lafit (Hippol. 
Eef, IX, 15), vgl. oben S. 175 Anm. 

2) Das ware danu der .Wahrheitskern der Erzahlung der Didascal. 24 init., 
dali die Apostel zu Jerusalem den Heidenchristen den Glauben an den Vater, 
Sohn und heil. Geist vorgeschrieben hatten.; 



Judenchristliche Propaganda. 205 

Indessen kauri dies nur als Vermutung ausgesprocben warden. 'Sicberer 
scbeint mir dagegen zu sein, dafi die Didacbe von Jerusalem aus in die 
"Welt gesandt wurde. Wo anders als dort, wober wirklicb die Lebre 
der Apostel in. die Welt gegangen war, konnte man auf den Gredanken 
konimen ein Biicblein fiir die Heidenchristenheit herzustellen mit der 
TJberschrift : Jtdayj] xvgiov diet tfov dtidexct ccrtoarokcov vole, e&veoiv, 
und wo anders batte man wobl eine Taufrede von so spezifisch jiidischer 
Provenienz und Art (c. 1 6) dargeboten als auf palastinensiscbem J3oden? *) 
Nicbt die religiose ,,Lebre" wollte das Bucblein bringen, sondern 
eirie 'praktiscbe Anleitung fiir das Gremeindeleben. 2 ) Die Ordnungen, in 
denen man lebte, galten aber vermoge der Sukzessionsidee fiir aposto- 
lische. Das ist nirgends so verstandlicb. als in Jerusalem. 8 ) Dann aber 
ist die Didache als ein Versuch der jerusalemischen Gremeinde das Leben 
der Heidencbristenheit zu bestirnmen und zu regeln anzuseben. 

3. Aber nicnt nur kirchliche Kreise haben dies versucht. Ahnlicb 
sind aucb die judenchristlicben Haretiker vorgegangen. Hier kommt 
vor allem die klementinische Literatur in Betracbt. So wie die Werke 
(Homilien und E/ecognitionen) uns vorliegen, sind sie von tlberarbeitern 
zu katboliscben Werken gestaltet worden. Aber die urspriinglicbe 
Tendenz der Yorlage ist nocb deutlicb erkennbar. Es bat sicb. in ibr 
um nicbts Greringeres gebandelt als um die Herstellung des JrjQuy i ua 
des Petrus, 4 ) das yon diesem als Grundlage der cbristblcben Yerkiindigung 
bergestellt und von Jakobus gebilligt sein sollte und das wegen seiner 
Heiligkeit nur als Gfebeimscbrift verbreitet werden sollte (s. die ein- 
leitenden Scbriftstiicke der Homil.). Indem einerseits dem von Petrus 
bekampften Simon Magus die Vertretung von Hauptpunkten der marcioni- 
tiscben Tbeologie zugescboben wird, andrerseits in Nacbabmung des 
Marcion eine eigentiimlicbe Eo-itik am A. T. gelebrt wird und endlicb 
der Homer Clemens als Junger des Petrus eine Hauptrolle im Roman 
spielt, wird die .Zeit und die Adresse des Unternebinens erkennbar. Es 
bat sicb clarum gebandelt in dem antimarcionitiscben Karnpf der romiscben 



1) Die jiidische Herkunft der ,,beiden Wege" ist anerkannt; aber es ist 
darauf hinzuweisen, dafi aucli bei der jiidischen Taiife der Taufer eine Anzahl 
von Gesetzesvorschiiften verliest (s. A. Seeberg 1 , Das Evangel. Christi S. .99) 
ans diesem Vorbild versteht sich die sonst so anffallende Tanfrede .der Did. 

2) Wie etwa 1. Tim. 4, 6 die '/.aty 8i8a.ay.alia, zu den ).6yoi tfjs Ttiarscos 
hinzntritt, vgl. obeu S. 66. 167. 

3) Das ,,Aposteldekret" Act. 15 ist das Vorbild dieses Unternehmens, die 
Didaskalia und die apostolischen Eonstitutionen sowie die spateren Sagen .iiber 
die apostoiiscne Entstehung des Taufbekenntnisses schreiten aiif'idieser Bahn fort 

4) Vermntlich sollte dies Kfavy/ta des Petrns in Gregensatz treten zn der 
bekannten gleichnamigen Schrift. . . ..... 



206 9- Das Judenchristentum. 

Kircbe zu Hilfe zu kommen. Mit der Autoritat des Petrus und eines 
seiner bervorragendsten romischen. Nachfolger soil Marcion gescblagen 
werden. aber dieselbe Autoritat soil dazu dienen das Judencbristentum 
als die urspriinglicbe und apostolische Form des Ghristentums dem 
Abendlande zu empfeblen. Das "Werk rechnete darauf, dafi wer die 
Schneide der Waffe gebraucben wolle, auch den Stiel sicb werde aneignen 
miissen. Daber ist es aber wohl von Anfang an vorsichtig gebalten 
word en, von der Beschneidung .etwa sab. man ab, aber man koordinierte 
Mose Cbristus und die frommen Juden den frommen Christen und pries 
den, der das Alte und das Neue in seiner Einheit erfasse, als den wabr- 
baft in Gott Reichen. 1 ) Tiber den Eindruck, den dies TJnternebmen 
gemacht bat, wissen wir nicbts, nur das ist bekannt, dafi das Werk 
nicbt verloren gegangen ist, sondern niebrfacb von katbolischen Handen 
bearbeitet worden ist. 2 ) 



1) Adam, Mose und Christus sind die drei groflen Gesetzgeber (Horn. 8, 10). 

lAito ftev 'Eftoaicov ibv Mcovaflv Si8daxaf,ov elktjyorcov xahtiziTSTai o 'Itjaovs, aatb 8e 
ruv 'Iijaov TCKTUQISV/.OIWV 6 Mcovafjs dTtox^ijTCisiai, pi as 7^ 8 ^ d ft, yore ^ coy 
StSaoxahias ovarjs tbv TOVTCOV ttvl TtsTtiaTevxoTa 6 3'eos 0.7108 e^stat. 
(8, 6). OUTS oi>v l E^a,loi Tts^i dyvoias ^Ir/aov y.aiti&v/.a.'Cpvta.i Sia ibv '/.(tijijjav'ia, 
Eiiv ye Ttpdvtovres f& Sid Mcotiaecos ov riyvoyaav f.ifj fitm'jacoaiv, oiV aii ol catb 
e&'ucov dyvorfaavTss tbv Mcovaflv Sift, ibv xahvijjavTa yMTaSiy.dfcflwtai , s&vTtsf) y.al 
vbtoi TtQdooovtes TO. Sia. iov Yrjaov ^rj&svra f.ii] fiimjacoaiv ov rjyvoqaav (8, 7). 
Hki\v st TIS xaTaJztco&eir] TOVS diicpoTegovs entyvavat cas fti&s OiSacrxa^ias vTt 1 ai>Tcov 
oi)ios dvr^f> sv d'ecp ?t)\.ovaios xonnj^i'dfi'iftai td TS &o%ala, vea tm 
io xal ia xaiva itahcua OVTO. vevorjy.cas (8, 7). 

2) tfber die literargeschichtliclxen Fragen handelten neuerdings H. Waitz 
(Die Psendoklettientmen in T. u. U. XXV. 1904) und H a-rn a c k (Chronologie II, 518 ff .). 
Es hat sicli allmahlich ein.e Anzahl gemeinsamer Urteile fiber die Entstehung" 
der Pseudoklementinen ergeben. Ohne mich im einzelnen in die Fragen einlassen 
zu konnen, moclite ich in ein paar Satzen meine Auffassung darlegen. 1) Es hat 
einige oder mehrere judeuchristliche Schriften gegeben, die die erste ScMcht 
dieser Literatur bilden, vor allem eine jiidisch-gnostische Schrift, die aber die 
gewShuliche Gnosis bekampfte (Petrus und Simon Magus), dazu die 'Avapa&fiol 
^lay.ojfiov (Epiphan. h. 30, 16, erhalten Eecogn. I. 27 74) und wohl noch anderes. 

2) Diese Schriften wurden mit aufgenommen in ein grofies romanhaftes Werk, 
das den Zweck verfolgte Marcion zu bekampfen und das Judenchristentum als 
Lehre des Petrus dem Abendland zu empfehlen. Dies Werk mag um 170 ent- 
standen sein, viel weiter herabzngehen in der Datierung scheint mir durch das 
aktuelle antimarciouitische Interesse verboten zu sein. ' Das Buch war betitelt 
KLr/[ie.vtos r&v Hettjov xij^vy/Lidrcof eTutofitf (Horn. ep. Clement, ad. lacoh. 20). 

3) Dies Werk ist dann gegen Ende des 3. Jahrh. von einem katholischen Christen 
bearbeitet und erweitert worden .(besonders der Lehrstp'fi' und die Verfassungs- 
verhaltnisse; auf die Einmengung der lucianischen Christologie z. B. Horn. 16. 16: 
rov 7taff)bs ib f.ir] yeytvvrjodai sanv, vlov e id yeyevvfjo&ai, yevvq-rbv e dysvr^na 
ij xal avToyevvijTcp oi> owxoiveTM macht Harnack S. 534 f. aufmerksam). Diese 



Pseudoklementinen und Elkesai. 207 

4. Den letzten derartigen Yersuch die Kampfe des Abendlandes 
im Interesse der judenchristlichen Propaganda auszuniitzen unternahm 
ein gewisser A Iki blades aus Apamea in Syrien um. 220 in Rom. Es 
war zur Zeit, als Kallist in Bom die Bufipraxis erleichtert hatte (s. 
unten), dafi Alkibiades wie ein marktschreierischer AblaBprediger in Bom 
auffcrat. Er fuhrte mit sich ein Buch, das zur Zeit Trajans (ca. 100) 
dem Elkesai 1 ) im Lande der Serer von Christus und dem heil. Greist 
selbst uberreicht sein sollte. Christus war ihm als mannlicher, der heil. 
Greist als weiblicher Engel erschienen, beide waren von ungebeuerlichen 
Dimensionen. Es handelte sich um ein haretisches Judencbristentum. 
Christus ist als Menscb wie alle ubrigen entstanden und, nacb der pytha- 
goraischen Seelenwanderungslehre, bereits vor seiner Gfeburt menrfacb 
erscbienen. Man mtisse sicb bescbneiden lassen und nacb dem jiidischen 
Gesetz leben. Dazu kamen astrologiscbe Spekulationen. Die praktiscbe 
Spitze der Lebre bestand aber in der "Wiederholung der Taufe. Eiir 
das 3. Jabr Trajans stellte Elkesai Sundenvergebung dureb "Wieder- 
taufe in Aussicbt. Grrobe und grobste Sunder (Surer, Sodomiter, Blut- 
scbander) finden Yergebung ibrer Sunden, wenn sie sicb wiedertaufen 
lassen ev bvo^iati vov (.teydhov xal vifitawv -9-sov -/.al ev bv6f.iaTt viov 
avrov rov /.isydlov fiaailstog und . sich reinigen und beiligen und als 
Zeugen anrufen ,,den Hirnmel und das "Wasser und die beiligen Greister 
(m Ttvev^iara ta ayia) und die Engel des Gebets und den Olbaum und 
das Salz und die Erde". Aber aucb diejenigen, die von einem tollen 
Hunde gebissen sind, sollen in ihren Kleidern in das Wasser und sich 
taufen unter Anrufung Gottes und der sieben Zeugen und mit der Ab- 
sage an alle groben Siinden (Biippolyt. Befut. IX, 13 16. 2 ) Aucb 



Schrift mag den Titel HepioSoi Ueroov getragen haben (Epiph. h, 30. 15. 16). 
4) Sie 1st dann, etwa in den ersten Dezennien des 4. Jahrh., von zwei katho- 
lischen Schriftstellern bearbeitet worden, den Verfassern . der uns vorliegenden 
,,Homilien" und der (nur in Rufins Ubersetzung erhaltenen) Eecognitionen. 
Beide Autoren Melten sicb. an die Vorlage, der Verf. der Eecog. kannte aber 
auch die Horn.; letztere gaben die Vorlage im ganzen treuer wieder. Fiir 
unseren Zweck kommt nur die zweite Schicht in Betracht, aber die dritte und 
vierte geben fiir das populate religiose BewuBtsein und die Verfassungs- und 
Kultusverhaltnisse um die Wende des 3. u. 4. Jahrhunderts nicht unwichtige Aut 
schliisse. Zur Lehre vgl. 0. Pfleiderer, Urchristentum II 2 , 605 ff. 

1) Den Namen 'Hk/aoai erklart Epiphanius (h. 19, 2) als Svva/.us xeKa),vfi- 
lisvri = ID? on, Wellhausen denkt an den Namen "AU&os (Skizzen III, 206 Anm.). 
Sollte letzteres richtig sein (cf. 'Hl^atos Epiph. h. 30, 3), dann ware ^/,to- 
wohl im Sinn von ,,Heiland" gemeint, das wiirde zu der praktischen Tendenz 
dieser ,,0ffenbarung" stimmen; auch das Buch wurde so genannt (Epiph. h. 30, 17). 

2) Pie Echtheit xind das hohe Alter der von Hippolyt (IX, 15. 16. 17) mit- 
geteilten Frag-mente (s. auch Epiph. h. 19, 3. 4) diirfen als sicher angenommen 



208 9. Das Judenckristentum. 

dieser Yersuck judaistischer Propaganda hat naturgemafi keine tiefere 
Wirkung ausgeubt. 

5. Die bisherige Betrachtung hat zu einem doppelten Resultat ge- 
fiihrt, 1) die spezifisch judenchristliche Anschauungsweise oder die prinzi- 
pielle Anerkennung des jiidischen Gresetzes und der nationalen Praro- 
gativen Israels kaben auf die dogmengeschicktlicke Entwicklung keinen 
positiven Einflufi ausgeubt; 2) dagegen haben einzelne Ansckauungen 
und Institutionen der Judenchristenheit in maBgebender 'Weise die Gre- 
schiclite der Kircne bestimmt. Im prinzipiellen Sinn war die Entwicklung 
antijudaistisck gerichtet, praktisch war sie in umfassender "Weise von 
Elementen, die von dem Judenchristentuni vermoge seines Zusammen- 
hangs mit deni Judentum produziert waren, beeinflufit. 

Zum SckluB erhebt sich die Aufgabe in kurzen Ziigen die Lehr- 
weise der jiidischen Ghristenheit darzustellen. "Wir verniogen die An- 
gaben, die Hegesipp und Epipkanius liber die religiosen Parteiungen des 
Judentums macben. leider nicbt zu kontr oilier en. Aber es stelit fest, 
dafi wir in dem Judentum des 1. und 2. Jahrhunderts eine grofie geistige 
Hegsamkeit anzunebmen baben, daB neben den schlichten Altglaubigen, 
wie etwa die Psalmen zu Beginn des Lukasevangelmms sie uns kennen 
lebren; nicbt blofi den pbarisaiscben Eanatismus mit seiner Yerberrlicbung 
prazisester Gresetzeserfiillung, sondern aucb ein syn'kretistiscbes Judentum 
anzunebmen baben. Kosmogoniscbe Spekulationen, Zauberwesen, Askese 
und eine wunderlicbe Kritik des A. T. verbanden sicb bier zu Er- 
scheinungen, die den spateren Gnostizismus antizipieren. 1 ) Es ist nun 



werden, vgl. Hilgenfeld, Judentum und Judenchristentum 103 ff. Harnack, 
Chronol. II, 167 f. Entscheidend fiir die Eclitheit ist, daB die Bezuguahme auf 
die Zeit Trajans (das 3. Jahr imd eine andere Weissagung Hipp. IX, 16 fin.) in 
keiner Weise Alkibiades' Tendenzen forderlich sein koimte, es handelte sich im 
Elkesaibueh, ahnlieh wie bei Hermas, nur um den Terrain.' einer zweiten BuGe, 
die mit einer zweiten Taufe (ex devrspov paotti&adai) verbunden ist. Nach 
jiidischer Ansicht ist auch der tolle Hund von einem bosen Geist besessen, 
s. Blau, Das altjlid. Zauberwesen 1898, S. 31 Anm. 

1) Vgl. das freilich sehr kritisch zu benutzende Werk von M. Fried- 
lander, Die vorcbristl. jlidische Gnosis 1898. Hier ist nun noch zu beachten, 
daG auch Elkesai sicher den Bestand eines haretischen gnostisierenden Judentums 
voraussetzt. Manches an dem Elkesaitismus erinnert frappant an den Mandais- 
mus, es ist daher hochst wahrscheinlich, daB ersterer durch letzteren hervor- 
gerufen ist. Zu deuken gibt Hipp. Eef. IX, 13, wo Elkesai das Buck iibergibt 
iivl IsyouEvco SojSiat Brandt, der hierauf hinweist, will das durch' Text- 
verwirrung entstanden sein lassen aus dem urspriinglichen Berickt: das Buck 
sei durch Sobiai dem Elkesai iiberliefert worden, Sobiai aber sei ein Sabier oder 
,,Taufer" (Hand. Eel. S. 229). Ersteres ist nicht begiiindbar, daB aber der Name 
Sobiai absichtlich gewaklt ist, glaube ich auch. 



Die judenchristlichen Grruppen. 209 

ganz begreiflich, dafi sieh auch das Christentum auf judischem Boden 
nach diesen Gesichtspunkten bestimmte. Wir finden einmal Judenchristen, 
die das Christentum mit den alttestamentlichen Grundlagen, an die sie 
gewohnt waren, verbanden, und begegnen dann Judenchristen, die 
-wie die Gegner.des Paulus einen strengen und unduldsamen Phari- 
saismus mit ibrem Cbristentum vereinigten, und uns begegnet endlicb 
mit steigender Deutlichkeit eine Gruppe, die das Cbristentum in ibrem 
gnostisierenden Synkretisnius bineinzog. Wahrend die erste Gruppe 
nacb allein, was wir horen, das Heidencbristentum anerkannte und mit 
ihm Paulus, haben die beiden anderen das Judentum selbst mitEinschlufi 
d.er Beschneidung als prinzipiell notwendig fur jeden Gbristen bin- 
gestellt. Dadurcb war es dann bedingt, dafi sie den lebbaften Antrieb 
zur Mission in der Heidencbristenbeit empfanden. Und eben dieser 
Trieb fubrte sie dann aucb zusammen, und zwar so, da6 die dem Bedarf 
der Zeit entsprecbende synkretistiscbe. Ricbtung die Oberband gewann 
und den pbarisaiscben ,,Ebjonitismus" in sicb aufsog. Scbon die Irrlehrer 
des Kolosserbriefes und dann wieder der Pastoralbriefe sind zwar Yer- 
treter des Gesetzes, ermangeln aber nicbt gewisser spekulativer und 
asketiscber Tendenzen. Seit Elkesai ist dann ein gnostiscb-pbarisaiscbes 
Judencbristentum deutlicb nacbweisbar. ^ 

Es wird nun freilicb bezweifelt, dafi die beiden Gruppen des Juden- 
cbristentums sicb scbarf unterscbeiden lassen. Die eigentlicbe Differenz 
zwiscben der besonders von Zabn begriindeten Ansicbt, dafi die Nazaraer 
oder bis zu einem gewissen Grade ortbodoxe Judencbristen den pbarisaiscb- 
gnostiscben Ebjoniten gegeniibersteben (Gescb. d. Kan. II, 668 ff.) und 
der Auffassung Harnacks (DG. I 3 , 285), dafi man gnostiscbe Juden- 
christen und ,.eine mannigfacb scbattierte. Gruppe von Judencbristen, 
die sicb sowobl Nazaraer als Ebjoniten von Anfang an genannt bat" zu 
unterscbeiden babe, bestebt in der Stellung der pbarisaiscben Cbristen. 
"Wabrend Harnack diese mit den Nazaraern zusammenstellt, bat Zabn 
sie mit den gnostisierenden Judencbristen kombiniert. Icb balte letzteres 
li\r ricbtig, denn einerseits tritt uns diese Kombination von Anfang an 
ivirklicb entgegen (die Irrlebrer von Kolossa und in den Pastor albrief en, 
Elkesai und die Clementinen, die Ebjoniten des Epipbanius,) andrerseits 
fehlt den ortbodoxen Judenchristen die Eorderung der Gemeingiiltigkeit 
des mosaischen Gesetzes. Indessen mag in dem wirklichen Leben mancher 
pbarisaisch gesinnte Christ die Gemeinschaft mit den sog. Nazaraern 
den elkesaitischen Tendenzen vorgezogen baben. Die Namen ,,Nazaraer" 
und ,,Ebjoniten" lassen sich freilich nur im allgemeinen als unter- 
scbiedlicbe anwenden, da die Yater sie nicbt ganz selten promiscue 
.gebraucben. 

Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. '14 



210 9. > as Judenchristentum. 

Wir werden also einerseits von dem Judenchristentum zu reden 
haben, dafi die Denkweise der alten jerusalemischen Christenheit bei- 
behielt und fortsetzte , andrerseits von haretischen oder gnostisierend 
pharisaischen Judenchristen. 

6. Justin berichtet von Judenchristen, welche von alien die Ein- 
haltung des Gesetzes verlangen , sowie von anderen , welche selbst das 
Gesetz streng befolgen, dies aber nicht alien Christen vorschreiben wollen. 
Er selbst will letzteren die Seligkeit nicht absprechen, wei6 aber, daft 
nicht alle Christen so denken (Dial. 47). Noch Hieronymus kennt die- 
selben als eine per tolas orienlis synagogas inter ludaeos verbreitete 
haeresis, Nazaraer genannt, qui credunt Christum filium dei natum de 
virgine Maria et eum dicunt esse qui sub Pontio Pilato passus est et 
resurrexit, in quern et nos credimus. Aber er urteilt von ihnen : sed dum 
volunt et ludaei esse et Cliristiani, nee ludaei sunt nee Christiani (Ep. 112,. 
13 [al. 89] vgl. Epiph. h. 29, 79). Tiber die Christologie dieser 
Nazaraer belehren in etwas die Eragmente des bei ihnen brauchlichen 
Hebraerevangeliums. Bei der Taufe ist ,,der ganze Quell des heil. 
Geistes" liber Jesus gekonimen und hat zu ihni gesagt: fili mi, in 
omnibus prophdis eocpectabam te, ui venires et requiescerem in te, iu es 
enim requies mea, iu es filiu-s metis primogenitus qui regnas in sempiternum. 
Sonst wird der heil. Geist von Jesus ,,naeine Mutter" genannt. Jesus 
wircl in diesen Kreisen als der von der Jungfrau Maria geborene Mensch 
gedacht , der in der Taufe den heil. Geist zu dauernder Einwohnung- 
empfing und dadurch zur ewigen Herrschaft befahigt wurde. Der Satz, 
den wir mitgeteilt haben, scheint ihn in eine gewisse Parallele mit den 
Propheten zu riicken ; der Gedanke niag dann sein, da6 der Geist in die 
Propheten nur zeitweilig einging, in Christus aber B,uhe niachen konnte. 
Bei dieser Auff assung , die von der der synoptischen Evangelien kaum 
verschieden ist, sind diese Kreise stehen gebh'eben. Die Probleme der 
spateren Logoslehre haben sie nicht beruhrt. 1 ) Es hat also im Orient 



1) Euseb. hat (h. e. Ill, 27, 3) diesen Christen, welche er von den eigent^ 
lichen ,,Ebjoniten" unterscheidet, nachgesagt, dafi sie zwar an der Geburt.aus 
der Jungfrau festhielten, nicht aber die Praexistenz des Logos zugestandeu 

hiitten : oi) /.i^v sff 1 oiioicos '/MI obtoi 7tQoiJ7td<)%eiv aiirov, &&bv Adyov dvra '/.al aotpiav 

d^o/.oyovnss etc. cf. Orig. in Matth. torn. 16, 12 Lommatzscli IV, 38. Das gibt den 
Tatbestand Avohl treffend wieder. Der Menscb. Jesus war ihnen nicht praexistent 
und fiir die Logoslehre hatten sie das Geistprinzip. Zu beachten ist noch, dafi 
der doch sicherlich judenchristenliche Aristo von Pella in s. Disput. lason. et 
Papisci das ,,in initio" Gen. 1, 1 auf Christus bezogen hat (Otto, Corp. apol. IX r 
357). Fiir den Logosbegriff, wie er sich bald entwickelte, hatten Judenchristen 
keine Ankniipfung. Orig. bezeugt, dafi die Juden die Gleichsetzung des Logos 
mit dem Sohn Gottes nicht kennen (c. Gels. II, 31). Auch das fO> der jiidi- 



Nazaraer und Ebjoniten. 211 

durch Jahrhunderte sicli ein altertiimliches Judenchristentum erhalten, 
dessen Bekenner im Glauben. mit der katholischen Kirche im ganzen 
ubereinstimmten, blofi ein hebraisches Evangelium braiichten, Paulus und 
sein Werk anerkannten , ohne freilich von seinen Briefen Gebrauch zu 
machen , a ) in ihreni Leben aber ihrem natiohalen Gesetz treu blieben, 
dies aber nicht zu einer Forderung fur alle Christen erhoben. Sie sind 
wirklich jiidische Christen gewesen, wahrend die beiden folgenden 
Gruppen eigentlich nur christliche Juden sind. 

7. Die zweite Gruppe entsprach zunachst den judenchristlichen 
Gegnern des Paulus. Es sind christliche Pharisaer. Sie hielten fest an 
der Beschneidung und dem Gresetz, dieses von alien Christen verlangend 
(Just. Dial. 47) ; sie verwarfen Paulus- als einen apostata legis, brauchten 
nur das Matth.-Ev. (Ir. adv. haer. I, 26, 2 ; HI, 15, 1). Aufierdem 
wurde hier die Gfottheit Christi und seine Geburt aus der Jungfrau ge- 
leugnet (Ir. Ill, 21, 1 ; V, 1,3). Nicht einen konservativen .Zug, son- 
dern eine Konzession an den judischen Messiasbegriff , dem die jung- 
frauliche Geburt fremd ist, hat man hierin zu erblicken. In dem bei 
diesen Judaisten benufczten ,,Evangelium der Zwo'lf" (Zahn, Gesch. d. 
Kan. H, 724 ff.) ist die Gottessohnschaft Christi auf die Taufe zuriick- 
gefiihrt worden. Der Geist in Gestalt einer Taube kommt auf ihn herab 
und geht in ihn ein, eine Stimnie ruft : du bist mein geliebter Sohn, an 
dem ich Wohlgefallen habe, und wiederum: ich habe dich heute gezeugt. 
Ein grofles Licht erleuchtet den Ort (Epiph. h. 30, 13). Sie haben 
einerseits die itbernatiirliche Geburt Christi geleugnet, aber andererseits 
das Wort Matth. 12, 47 so gedeutet, dafi Christus danach nicht Mensch 
gewesen sei. Dabei werden sie an den Geist, der in ihn eingezogen war, 
gedacht haben. Eine Leugnung der ,,Gottheit Christi" kann man auch 
diesen Judenchristen kauna nachsagen. Sie haben freilich Christum als 
den ,,Propheten der Wahrheit" bezeichnet und von einern Portschritt in 
seinem Leben geredet, durch den er Gottes Sohn wurde, aber trotzdem 
war das eigentliche und spezifisch Gottliche in ihm der in ihn einge- 
gangene Geist, dieser bedingte sein Leben und rnachte ihn zum Gottes- 
sohn (Epiph. h. 30, 18). Zieht man die Yision Elkesais (oben S. 207) 



schen Theologie hat cliese Beziehung nicht (vgl. Weber, System d. altsynag. 
palast. Theologie., 1880, S. 178. 339). 

1) Euseb. h. e. III. 27, 4 berichtet auch von diesen Judenchristen, daB sie 
die paulinischen Briefe verleugnen und 'da sie Paulus fiir einen dttoaTdTijs rov 
i'6f.iov halten. Ersteres wird richtig sein, letzteres dagegen diirffce einfach aus 
dem, was Irenans iiber die haretischen Ebjoniten sagt, abgeschrieben sein; es 
kann . vmmoglich die Meinung von Leuten sein, die das Werk Pauli" oder die 
heidenchristliche Kirche im Prinzip anerkannten. 

14* 



212 9. Das JudenchristentiiHi. 

mit heran, so ist auch klar, dafi sie einen erhohten gottlichen Christus 
annahmen, den sie irgendwie vom Geist unterschieden. Auf dem Gebiet 
der Gottheit Christi stimmten sie irtit den orthodoxen Judenchristen 
iiberein. Die Differenz liegt an einem anderen Punkt. Je nach der 
Stelhing zur Geburt Christi unterscheidet Origenes dirioi 3 E@ia)valoi 
(c. Cels. Y, 61). Der Sohh des Joseph und der Maria wurde nach den 
einen durch die Taufe mit dem Geist Gottes ausgeriistet, nach den anderen 
war der Empfanger des gottlichen Geistes der von der Jungfrau geborene 
Mensch Jesus. Es war verstandlich , dafi man dabei stark betonte, 
Christus habe in vorbildlicher Weise das Gesetz erfullt und seine Be-r 
folgung eingescharft. Auf diesern Wege gelte es Christo nachstreben: 
/cm* v6[iov cpdaxovrEg diKCUovo&cu (Hippol. Eef. VII, 34). Hierzu 
kommt noch die grobsinnliche Yorstellung yom Millennium, die man den 
Propheten glaubte entnehmen zu konnen (Ir. I, 26, 2. Hieron. in Jes. L 
18, c. 66, 20). 

8. Wie in der Wirklichkeit die 2. und 1. Gruppe sich nicht ininier 
scharf werden haben scheiden lassen, so ist die zweite, soweit wir urteilen 
konnen, in der Regel verbunden" gewesen mit einem Christentum theo- 
sophischer Spekulationen und strenger Askese, \vie es bereits der Kolbsser- 
brief voraussetzt (vgl. das alex. Judentum und die Essaer). Diese Bich- 
tung scheint eine starke He bung erfahren zu haben z. Z. Trajans durch 
den Elkesaitismus. Es ist also gar nicht falsch, was Epiphanius in seiner 
"Weise ausdnickt, die Anhanger des Ebjon 1 ) hatten ihre Anerkennung 
des jiidischen Gesetzes mit den Phantasien desElkesai verbunden (h. 30, 17). 

Die Tendenzen dieses gnostischen Judenchristentums treten am deut- 
lichsten in den Clementinen hervor (s. oben S. 205 f.). Die Grundziige 
sind folgende : Die Welt ist aus Gott emaniert, welcher auch als xo rtav 
bezeichnet wird. Sie bewegt sich dvfr/Mg "/.at IvaviLwg. Auch der Teufel 
wie Christus entstaimnt einer TQOTtij in Gott (s. Homil. 2, 15 ff. 33; 
17, 7. 8. 9; 20, 8). Gott hat, nach stoischer Anschauung, ein oai^ia 
und G%fj[:ioc (Homil. 17, 7). Jenem Gesetz des Gegensatzes gemafi gibt 
es eine doppelte Eeihe von Propheten , die mannliche und weibliche 
Prophetie. Letztere hat Eva, erstere Adam zum Heprasentanten. Von 
der weiblichen geht das Heidentum aber auch das falsche Judentum aus. 
Von dieser falschen Prophetie riihren Krieg und blutiges Opferwesen (der 
Menstruation entsprechend) , sowie die Vielgotterei her. Die weibliche 
Prophetie ist an sich vollig irrig, aber wie das Weib nach dem Empfang 



1) Die Frage, ob es einen Sektenstifter Ebjon g-egeben habe, wird heute 
fast durchweg veraeint, ich glaube mit Eecht, denn es fehlt ims jeder konkrete 
Zug fiir einen solehen Mann und die Entstehung des Irrtums ist ebenso klar, als 
die Herkunft des Namens Ebjoniten. 



Die Theologie der Pseudoclementinen. 213 

des Mannessamens trachtet, so nimmt diese Prophetic auch Elemente der 
wahfen Prophetie in sich auf. So ergibt sich eine Mischung. ,,Der 
Mannliche ist ganz Wahrheit, die Weibliche ganz Irrtum, der aber aus 
Mannlichem und Weiblichem Gewordene liigt in dem einen und spricht 
die Wahrheit in dem anderen." Hierauf bezieht sich Christi Wort 
Mark. 12, 24 sowie seine Mahnung, bewahrte Geldwechsler zu werden 
(HomiL 3. 2027. 50, cf. die Doppelreihe Eec. 8, 52; 3, 61; 5, 9). 
Demgemafi wird an dem A. T. eine durchgreifende Kritik geiibt, zu der 
Christus selbst anfgefordert babe. Zwar bleibt, nach Christi "Wort , das 
Gesetz ewig (Horn. ep. Petri ad Jac. 2) , aber das gilt nur von dem 
wirklichen mannlichen Inhalt des A. T., dagegen ist so etwas nicbt 
wahr, wie daB Adam ein Sunder, Abraham der Mann von drei, Jakob 
von vier Weibern oder Mose ein Mprder gewesen sei (H. 2, 51. 52). 
Die ganze Lebre von blutigen Opfern oder die Anscbauung, als ob Gott 
irre usw., entstammt einer ay.gi'ios vrtokqilJis, ^ e cpiovag ddt'xoug ovaag 

xat ijjevdslg als aAiy#eg annimmt (18,19). Der falschen Propbetie 

stebt nun die wabre .gegeniiber, die ebenfalls in den. alttestamentlicben 
Schriften enthalten ist. In Adam scbon wohnte 10 Syiov Xgtowv Ttvsvpcc, 
er war die erste Erscbeinung Christi oder des ,,wahren Propheten". 
Dann folgte besonders Mose , der dasselbe wie Christus und Adam ge- 
lehrt hat. Adam , Mose und Jesus sind die drei Inkarnationen des 
wahren Propbeten und die drei Gesetzgeber der Menschheit, die ihr das 
,,ewige Gesetz" gebracht haben (H. 3, 20; 8, 5. 6. 10). ,,Der wahre 
Prophet" ,,wechselt von Anfang der Welt an mit den Namen zugleich 
die Gestalt und lauft durch die Welt, bis dafi' er seine Zeiten erreicht 
haben und wegen seiner Mtihe durch Gottes Erbarmen gesalbt, fur immer 
Rube haben wird" (Horn. 3, 20, cf. Recogn. 2, 22). Dieser rechte 
Prophet hat nun die Wahrheit gelehrt: Es ist ein Gott, der die Welt 
erschaffen hat, das Gesetz gab und der gerecbte Ilichter ist. Dadurch 
ist ausgeschlossen , dafi Christus Gott ist (OVTS savzbv &sbv slvat 
avr}j>6()6v0ev). Obgleich viog 9-eov ist er nicht &s6s, indem dieser ein 
ayevvrjTOV , jener ein yevvr\T6v ist (H. 16, 15. 16). Der Mensch ist 
wahlfrei : a del cpQovelv KCCI rcoielv evetelhaTo ehso&e ovv o srtl ir\ 
v^er^cc "/.swat tgovaiq (Horn. 11, 11; 10, 4ff. cf. Recogn. 2, 36 fin. 3, 
22. 23 cf. 8, 48). Es gilt nun die Gebote Gottes erfullen. Die Be- 
schneidung erwahnen die Horn, nicht (s. aber Diamart. Jac. 1), die Eec. 
(5, 34) sehen ausdriicklich von ihr ab. Dazu kommen haufige Waschungen 
(H, 9, 23; 10, 26. E. 4, 3; 5, 36), vegetarische Nahrung (Horn. 12, 6 ; 
15, 7; 8, 15; 14, 1), die Ehe war geboten (H. 3, 68. Ep. ad. Jac. 7). 
So steht der freie Mensch vor ,,zwei Wegen", fur die er sich frei 
entscheiden kann. Den beiden Wegen entsprechen zwei Seiche. Dem 



214 9- Das Judenchristentum. 

Bosen 1st diese Welt, dem Guten die zukiinftige zugewiesen. Der Mensch 
1st aber, da er aus dem. weiblichen Leibe . und dern mannlichen Geist be- 
steht, fahig eine der beiden Welten zu erwahlen. '..Gott nun regiert die 
beiden Reiche durch zwei Konige, Christus und den Teufel, jerier ist 
gleichsam. seine recbte, dieser seine linke Hand. Aber beide sind aus 
Gott hervorgegangen, nur ist das Bose am Teufel nicht aus Gott. . Der 
.Teufel furchtet Gott , daber tut er nicbts Boses , .sondern waltet nur 
ernes Strafamtes. Er freut sicb darauf, in die Einsternis des Hades zu 
kommen : cpilov yag nvgl TO oxoiOS- Dort kann er, da er sicb der 
Ordnung Gottes gefiigt bat, els (kyu-d-ov stQoaiQsa'iv. venvandelt werden. 
Dann wird die Gescbicbte von Arons Stab , der Scblange und dahn 
wieder Stab wurde , ibre Erfiillung finden : lOvro ei$ t^v lov 
.VGXBQOV yevr]OO[.ievr)v Tfjg TQortrjg {.iSTaavyxQiaiy {.ivorrjQitod&g fj 
loof.ievr]V TfQOfdtfiwffe. Indessen wird gesagt, dafi dies blofie Vermiitungen 
und ayqacpa seien (H. 20, 3. 8. 9). '......! 

9. Die gescbicbtlicbe Erscbeinung, die wir kennen gelernt baben, 
bat fiir die Entstebung des Dogmas direkt so gut wie nicbts beigetragen. 
Trotzdem ist sie von bohern Interesse fiir das Yerstandnis des alteren 
Ohristentums. Einmal zeigt sie namlicb, wie rnacbtig der religiose Syn- 
kretismus auf orientaliscbeni Boden gewesen ist, so dafi er auch das 
pbarisaiscbe Judencbristentum in seinen Strudel bat bineinzieben konnen. 
Indem aber dies Judencbristentum die synkretistiscben Ideen seiner 
Propaganda dienstbar . macbt , wird. die "Werbekraft letzterer in der da- 
maligen "Welt iiberhaupt offenbar. Vor allem aber ist zu beachten, wie 
trotz aller Gescbmeidigkeit dem Synkretismus gegeniiber und der ecbt 
jiidiscben Lust zur Propaganda, dies Judenchristentum keine grofiere 
propagandistiscbe Kraft .besessen bat. Das .ist verstandlicb , denn alle 
Wege, die es einscblug, f iibrten : auf ITmwegen docb schliefiHcb zu Mose. 
In der Gleichung Adam = Mose = Cbristus spracb sich scbeinbar der 
unifassendste Universalismus aus, aber in Wirklicbkeit diente die Gleicbung 
nur zur Recbtfertigung des mosaiscben Gesetzes, Mose stand in der Mitte. 
Die Kritik am A. T. scbaffte mancbe Hindernisse fiir Heidencbristen 
fort, aber docb nur, um. den Rest des Gesetzes um so fester zu stabilieren. 
Darin vor allem aber. ist. es begriindet, dafi dieseni beutelustigen Juden- 
cbristentum der Erfolg versagt geblieben ist. . 

Dieses Judencbristentum bat iiberbaupt eine grofiere bistoriscbe 
Wirkung nur auf die Entstebung des Mohammedanism us ausgeiibt (vgl.AY e 1 1 - 
hausen, Skizzen und Yorarbeiten H. IDI -197ff.), Aus. dem Bund, der 
.beiden grofien monbtheistischen Religionen der Semiten, gescblossen ini 
Zeichen des religiosen Synkretismus, ist die dritte erwacbsen. Hierin 
bestebt die gescbicbtliche Bedeutung des baretischen Judencbristentums. 



10. Die heidenchristliche Gnosis. 215 



10. Die heidenehristliche G-nosis. 

Quell en: Von der reichen gnost. Lit. sind vollstandig erhalten nur der 
Brief des Ptoleinaus an die Flora bei Epiph. h. 33, 3ff. -vgl. Harnack, 
Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1902, die Pistis-Sophia (kopt.) ed. Schwartze- 
Petermann 1853, C. Schmidt 1905 (zusammen mit den'Jeubucherri), aus der zweiten 
'Halftedes 3. Jahrh. vgl. Harnack Texte u. Unters. VII, 2, die beiden anderen 
.gnost. Werke in koptischer Sprache edierte Schmidt schon Texte u. Unters. VIII, 
1. 2. Sonst nur Fragmente a. Bonwetsch bei Thomasius DG. I, 153f., 
Grabe, Spicilegium II ; Hilgenfeld, Ketzergesch. d. Urchristent. 1884, s. auch 
S tier en, Irenaus I, 909 ff. (Ptol. Valent. Herakleon, des letzteren Frgg. sainmelte 
Brooke in Texts and Studies I, 4). Vgl. A. Harnack, Gesch. d. altchristl. 
Lit. I (1893), 141fl. Hierher gehb'ren auch verschiedene der apokryphen Apostel- 
geschichten, bes. die Acta loannis und die Acta Thomae (Acta. apostol. apocr. ed. 
Lipsius-Bonnet .II, 1. 2). Vgl. Zahn, Gesch. des Kanons II, 856ff. Harnack, 
Chronol. I, 545 ff. E. Hennecke, Handb. zu den neutest. Apokryphen 1904, 
S. 492ff., 562ff. Die altesten Gegenschriften sind yeiioren, so Agrippa 
Castor (Eus. h. e. IV, 7, 5ff.), Justing Syntagma wider alle Haresien (cf. 
Apol. I, 26) und desselben Schrift'gegen'Marcion (Iren. adv. haer. IV, 6, 2) etc. 
Erhalten in lat. Ubersetzung (yiel griech. Frg. bei Epiph. Ens. etc.) ist Irenaus 
"'Eleyzos xal Avar^oTtr] ifjs ipevScaiijfiov yvwasios 11. 5 (edd. Massuet ; Stieren ; ; 
JEarvey), geschrieben um 180. Tertullian de praescriptione haere.ticorum, adv. 
Vale.ntinianos, de came Christi, de resnrrectione carnis, de anima. Von Hip - 
polyt besitzen wir yMth Ttaotbv algeaemv Hsy/fts libri 10 ca. 230 (Refutatio bder 
Philosophumena, ed. Dnncker-Schneidewin, vgl. S t ah elin in Texte it. Unters. 
VI, 3), verloren ist sein friiheres Syntagma wider alle Haresien., Photius Bibl. Cod. 
121, geschr. nach 200 (zu rekonstruieren aus Ps.-Tertull. adv. omn. haeres.,.Phi- 
lastrius und Epiphan.). Im iibrigen Philastrius, de -haeresibus ca. 380.. Epi- 
ph an. Panariou geschr. 374^376 (Jbeides beiOhler, Corp. haeresiologic.). Ada- 
niantius, de recta in deum fide, ed. van de Sahde-Bakhuyzen 1801, Euflns lat. 
tJbers. bei Caspari, Kirchenhist. Anekdota 1883 vgl. Zahn Ztschr. f. KG. IX, 
193ff. ca. 310. Sonst die WW.. des Clemens Alex., Origenes. Euseb. h. e., 
Plotjii. Ennead. II, 9 (ed. Miiller T, 133 ff.), Porphyr. Vita Plotm. 16. Zur 
Quellenkritik: Volkmar, Quell en der Ketzergesch. 1855. Lipsius, Zur 
Quellenkrit. d. Epiph. 1865. Lipsius, Die Quellen der altest. Ketzergescb. 1875. 
Harnack:. Zur Quellenkrit. der Gesch. d. Gnostiz. 1873. Harnack in Ztschr. 1 
hist. Th. 1874, 143 ff. Hilgenf eld, Ketzergesch.- des Urchristent. 1884. J. Kunze, 
Ae historiae gnosticismi fontibus, 1894. Darstellungen: Neander, Ent- 
.wickl. der vornehnist. gnost. Systeme, 1818. Baur, Die christl. Gnosis, 1835. 
Lipsius, Der Gnostic., sein Wesen, Ursprung und Entwicklungsgang, 1860. 
W. Moller,' Kosmologie d. griech. Kirche, 'I860. G. Heinrici, Die valent. 
Gnosis und-die Schrift, 1871. G. Kriiger, PEE. VI s , 728 ff. G. Koffmane, 
Die Gnosis nach Tendenz u. Organis., 1881 . H i 1 g e n f e 1 d . a. a. 0. T h-o m a si u s , 
DG. I 2 , 62ff. Harnack, DG. I 3 , 211ff. Eenan, Origines du christianisnie VI, 
140ff.; VII, 112ff. G. Anrich, Das-antike-Mysterienwesen in s. EinfliijB auf d. 
Christent.,' 1894, S. 74 ff. W. A'nz, Znr Frage nach dem- Ursprung des Gnostic. 
(Texte u. Unters. XV, 4), 1897. G. Wobber'min, Eeligionsgeschichtliche Studien, 
1896. C. Schmidt, Plotins Stellung z. Gnostizisraiis etc. (Texte u. Unters. XX. 4), 



216 10- Die heidenchristliche Gnosis. 

1900. Lichtenhan, Die Offenbarung im Gnostizismus, 1901 . Mead, Die Frag- 
mente eines verschollenen Glaubens, deutsch, 1902. 0. Pfleiderer, Urchristen- 
tum II 2 (1892), 81 ft. ' 

Das sich herausbildende altkatholische Christentum, das wir an der 
Hand der Sehriften der apostolischen Yater kennen gelernt haben, hat 
im Lauf des 2. Jahrhunderts einen unendlich schwierigen Kampf durch- 
zufechten gehabt, in dem es zugleich zur klareren Herausarbeitung seiner 
Prinzipien gelangt ist. Yon diesem Gesichtspunkt aus hat die DG. 
sich mit der Frage nach dem Wesen des Gnostizismus zu befassen. 

1. Die Anschauungen iiber das Wesen des Gnostizismus sind schon 
bei den Zeitgenossen weit auseinandergegangen. Wahrend Hegesipp die 
Wurzeln der Gnosis in jiidischen Haresien erblickte, hat Hippolyt sie 
in der griechischen Philosophic, den Mysterien und der Astrologie er- 
kennen zu konnen geglaubt (Refut. I prooeni.). Auch Plotin lafit die 
Gnostiker einiges von Plato entlehnen, anders ,,abseits von der Wahr- 
heit" finden (Enn. TL, 9, 6). Ebenso urteilte Tertullian, wenn er die 
Probleme der Gnosis aus der heidnischen Keligiositat heiieitete : unde 
malum et qua in re ? unde homo et quomodo, et quod maxime Valentinus 
proposuit: ^lnde deux? (de praescr. 7). Es entspricht dieser Anschauung, 
dafi die alten Hareseologen die gnostischen Gedanken wesentHch unter 
dem Gesichtspunkt von ,,Lehrsystemen" auffafiten. "Wie sich ihnen 
selbst das Christentum darstellte als die Lehre von Gott und seinen 
Taten, so befolgten sie bei der Darstellung der Haresie die Tendenz 
sie als eine dem objektiven christlichen Glauben entgegengesetzte Lehre 
zu schildern. 1 ) Ereilich zeigten sie durch manche Notiz, daB auch 
praktische religiose Tendenzen und Institutionen, die sie als Zauberei 
beurteilten, in dem Gnostizismus wirksam waren. Das Bekanntwerden 
grofierer gnostischer Originalschriften, die Erkenntnis des gnostischen 
Charakters einer Anzahl von apokryphen, Apostelgeschichten (s. die 
Literatur) und die Anwendung einer strengeren religionsgeschichtlichen 
Methode haben neuerdings dazu angeleitet, die praktisch religiosen Motive< 
in der gnostischen Lehre stark zu betonen. 2 ) So richtig dies ist, so 
sehr ist aber auf der anderen Seite daran festzuhalten, daB die ,,Systeme", 
die uns die Kirchenvater mitteilen, trotz mancher Irrtiimer im einzelnen, 3 ) 

1) Es ist in der Hinsicht lehrreich, wie Origenes (zu Tit. 3, 10 f.) die 
Haresien einteilt nach dem Bekenntnisschema Vater, Sohn und Geist. 

2) Dies hat Koffmane zuerst hervorgehoben. 

3) Die Markosianer haben sieb. dariiber beschwert, daB Irenaus ihre Brauche 
falsch wiedergegeben habe (Hippol. Eefut. VI, 42 p. 300); C. Schmidt zeigt, 
dafi ihm auch in der Wiedergabe der Lehre der Barbelognostiker Irrtiimer und 
Ungenauigkeiten , aber keine absichtlichen Entstellungen, begegnet sind (eiu 
voriren. gnost. Originalwerk in Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1896, 842 ff.). 



Die Tendenz der Gmwtiker. 217 

integrierende Bestandteile der gnostiscben Anecbauung gewesen sind. Es 
entspricbt nicbt dem Tatbestand, wenn man den. ganzen Gnostizismus 
meint aus dem Bediirfnis nacb pafiartigen Formeln fur die Seele bei 
ibrer Reise zum Himmel durch die Gebiete der verscbiedenen Arcbonten 
erklaren zu konnen (Anz). Siebt man die gnostiscben Originalwerke 
auf ibre mafigebenden Gedankengruppen an, so ergeben sicb folgende 
Gesicbtspunkte 1) tbeogoniscbe und kosmogoniscbe Spekulationen, wie 
die Kircbenvater eie so ausgiebig mitteilen ; 2) das aus jenen Betrachtungen 
erbellende Verstandnis der Lage des Menscben ; 3) eine Kritik der 
jiidiscben Religion ; 4) die Erlosung durcb Cbristus ; 5) die Verwirklicbung 
der Erlosung an den einzelnen Seelen durcb Erkenntnis, Moral, Mysterien 
und Forineln fiir den sicberen Aufstieg in das Jenseits ; 6) die Be- 
bauptung, dafi die gnostiscben Lebren auf ,,0ffenbarung" zuriickgeben ; x ) 
nicbt ein pbilosopbiscbes rationales Erkennen soil die ,,Gnosis" darstellen, 
sondern die pneumatiscbe intuitive' Erkenntnis religioser Offenbarung. 
7) Hiermit ist der letzte Gesicbtspunkt gegeben : die Gnostiker wollten 
die wabre pneumatiscbe Kircbe bilden, in der die ganze Offenbarung 
zur Geltung kommt. 

Das sind die Punkte, urn die es sicb bei den Gnostikern gebandelt 
bat, und die daber fiir die Erkenntnis des Gnostizismus mafigebend sind. 
Nicbt pbilosopbiscbe Systeme wollten die Gnostiker begriinden und nicbt 
tbeologische Scbulen einricbten. Sie wollten das Cbristentum auf die 
Hobe einer ofEenbarten religiosen Weltanschauung fiibren und dadurcb 
ein bewufites frommes Leben und eine absolute Sicberheit des Heils- 
besitzes gewabren und die wirklicb ,,geistigen" Cbristen in Konventikeln 
sammeln. Auf die freie innere tlberzeugung kam es ihnen an, die 
religiose Erkenntnis" im Gegensatz zum blofien ,,Glauben" und auf die 
vollige Sicberstellung des Menscben durcb diese IJberzeugung, auf das 
Bewufitsein einer unifassenden Erlosung". Die Betonung der freien 
eigenen Erkenntnis bedingte nun aber zweierlei, einmal den "Widersprucb 
wider die jiidiscbe Gesetzgebung sowie den Nachweis ibres niederen 
Ursprungs. Das ist ein Zug, der alien gnostiscben Systeinen eigentum- 
licb ist. Nicbt nur bei Marcion, sondern iiberbaupt wird er sicb aucb 
gegen das kircblicbe Prinzip dogmatiscber und etbiscber ..Gebote" 
ricbten. Die Gnosis bat iiberbaupt gegen das Gesetztum reagieren 
wollen. Zum anderen aber lag in jener Betonung der personlicben 
TJberzeugung auch der Ansprucb, daran festbalten zu diirfen, wovon man 
scbon alsNicbtcbrist iiberzeugt gewesen war, namlich an jenen synkretistiscben 



1) Hierauf maekt zutrefend Lichtenhan aufmerksarn, im einzelnen aller- 
dings zu weitgehend. 



218 10. Die heidenchristliche Gnosis. 

mytbologischen Ideen, die keinem gnostiscben System feblen. Sie gingen 
iiber den Bucbstaben def cbristlicben TJberlieferung binaus, aber indem 
man sie als ,,Gnosis" besaB, bielt man sicb fiir berechtigt aucb ihnen 
Offenbarungscbarakter beiztilegen. Endlicb aber erforderte die Tendenz 
auf die Sicberbeit des Heils, daB man Mittel schnf, die so bandfeste 
Garantien der HeilsgewiBbeit darstellten, wie man an dem beidniscben 
Mysterienwesen sie besessen batte. So entstand das gnostiscbe Mysterien- 
und Zauberwesen.- Der cbristlicbe Erlosungsgedanke blieb so der Mittel- 
'punkt der gnostiscben Religion. Es wurde ibm aber als Voraussetzung 
'das ganze System synkretistiscber Gedanken vorangestellt. Dadurcb 
wurde aber nicbt nur der Zustand des zu erlb'senden Menscben ganz 
anders bestimmt als im Urcbristentum, sondern aucb die Anschauung 
von Christus und seinem Eiiosungswerk wurde von bier aus durchgreifend 
umgebildet. Dazu kam, dafi aucb die prak'tiscbe Abzweckung der 
Religion auf Erkenntnis und Mysterien modifizierend auf die Gredanken 
vom Erlb'ser und . der Eiiosung einwirkte. So entstand eine religiose 
-'Denkweise, die mit dem Cbristentum zwar den Gedanken der Erlqsung 
gemein batte, cliesen aber in ganz anderer AYeise als die Kircbe bestimmte. 

2. Die Probleme des Grnostizisnius waren also diese: 1) woraus 
kann der gegenwartige Zustand des Menscbeu und der Welt verstanden 
werden, 2) wer ist der Erloser und worin bestebt die Erlb'sung, 3) wie 
wird der Menscb von dieser gegenwartigen "Welt erlost und in die 
jenseitige Welt versetzt, 4) me kann diese neue Erkenntnis als cbrist- 
licbe Offenbarungswabrbeit erwiesen werden. Die Beantwortung dieser 
Eragen sollte den Geist des Cbristentums als der absoluten Religion aus 
falscben Fesseln und Hiillen befreien und durcb diese Religion dem 
Menscbengeist alle Probleme des Daseins losen und ibm die GewiBbeit 
der Erlosung verleiben. Die Religion \vird dadurcb einerseits zur Welt- 
anschauung umgepragt, andrerseits in beilige Magie verwandelt. Die 
gnostiscben Lebrer baben je nacb Hirer Bildung und je nacb den Glaubigen, 
die sie fanden, die eine oder die andere Seite mebr betonen konnen, 
sie baben sicb wie Pbilosophen oder wie beilige Hypnotiseure gebarden 
konnen, aber inimer dienten sie beiden der bezeicbneten Tendenzen. 

Es ist begreiflicb, wie die Probleme der Gnosis .und die Mittel zu 
ibrer Losung in weiten Kreisen popular werden konnten, losten sie docb 
in ibrer Weise die innersten Probleme und Note der beidniscben Welt. 
Die Eragen, die die Popularpbilosopbie entfacbt batte und .fiir die man 
im . religiosen Synkretismus Antworfc sucbte, die Angst um die Errettung 
der Seele aus Not und Tod fanden bier ihre Erledigung. 1 ) TJnd das 

1) Die Hauptmythen, die die Grnostiker aufgenommen haben, sind folgende 
1) die babylonische Kosmologie (vgl. Berostis und Damascius), 2) den Istarmythus 



Die Probleme des Gnostizismus. 219 

geschah in Formen, die dem BewuBtsein der JZeit mit seinem massiven 
.Offenbarungsglauben, mit seiner Sehnsucht nach positiver Wahrheit, mit 
.seinem Streben nach Sicherheit der Erlosung durchaus entsprachen. Hier 
trat eine Religion auf , . die den Synkretismus der zeitgenossischen 
Frommigkeit auf das hochste steigerte und ihn doch mit eicherer Hand 
auf die Erlosung und die Heilsgewifiheit konzentrierte, eine Religion, 
die alles in sich f afite und es doch in jedem Zuge als praktisch wertvoll 
erkennen liefi. Wenn das Christentum nur die Fragen der natiirlichen 
Menschheit beantworten sollte. und nicht vielmehr sie neue Fragen zu 
lehren hatte, so ware der Gnostizismus die beste Darstellung des Christen- 
tums im 2. Jahrhundert gewesen. 

Man kann sich an einigen Beispielen anschaulich machen, wie die 
Gnostiker es verstanden haben das religiose Interesse fur ihre Probleme 
wacbzurufen, Auf die Wut , Grausamkeit und Hoheit der Menschen 
\vies etwa Yalentin bin und folgerte daraus, dafi solche Menscben un- 
moglich ibre Siibstanz (vnoGiaaig) von dem guten Gott erhalten habeii 
konnen. Neben ihm babe von Anfang an die Materie (uhj) bestanden, 
und aus dieser stamme das Bose. 1 ) In dem geistreicben Brief an die 
Flora scbliefit der Valentinianer Ptolemaus aus der Eigenart des judischeh 
Gesetzes, die er durch Ausspriiche Jesu beleuchtet, dafi das Gesetz weder 
von dem guten Gott noch dem Teufel berriihren konne, sondern von 
deni mittleren gerecbten Gott oder dem Demiurgen. 2 ) So wurde das 
Interesse fiir die Fragen der Gnosis erweckt. Hymnen, wie etwa die 
der in der Materie gefangnen iind nacb dem Licht der oberen Welt sich 
sehnenden Pistis-Sophia (s. das gleichnamige Bucb), wufiten das Elend 
der Gefangenschaft des ,,edlen Glieds der Geisterwelt" tief in die Herzen 
hineinzubringen, und die Jubellieder der Erlosten oder die umstandlichen 
feierlichen Angaben wunderbarer Mysterien, die den Menschen ganz rein 
jnachen und ihm die Tore 'der jenseitigen Welten eroffnen, erscblossen 
den Ausblick auf ein sicheres Heil. Was alle suchten, wurde bier ge- 
boten in Formen, die alien sympatbisch waren. Es waren .abnliche 
geistige Motive, mit denen etwas spater der-Mithrazismus und dann die neu- 
platoniscbe Philosopbie so gewaltig in das religiose Leben des romiscben 



'{Istar 1st zur Unterwelt herabgekomnien, durch Beschworung- und Besprengung 
mit Leberiswasser wird. sie befreit); dazu kornmen 3) Elemente des persischen 
Dualismus und der Damonologie, 4) jiidische Spekulationeu, 5) agyptische Ideen 
iiber die Sehicksale der Seele nach dem Tode, sie sind hi der koptischen gnostischen. 
'Literatur stark wirksam. ' ' 

1) Irn Dialogus des Adamantius IV, 2. 

2)." Erhalten bei Epiphan. h. 31, .3 7, neuheransgegeben und erklart von 
Harnack in Sitzuiigsber. d. Berl. Akad. ,1902, S. 507ff. 



220 10. Die heidenchristliche Gnosis. 

Heiches eingriffen. Es 1st wohlyerstandlich, dafi in der Schule Plotins 
auch Gnostiker safien iind dafi der Meister auch ihre Probleme diskutieren 
liefi. 1 ). Die Erfolge der einen Erscheinung erklaren die der anderen,. 
und die Wurzeln beider sind einander nalie verwandt. 

3. Auch der Grnostizismus hat seine TJrspriinge in dem religib'sen. 
Synkretismus, der sich auf dem Boden des alten babylonischen Seiches 1 , 
herausgebildet hatte. In ihn war der altpersische Dualismus init den. 
babylonischen Theogonien tind Kosmogonien und dem Zauberwesen de'r- 
Babylonier verschmolzen worden. Von den Urspriingen dieses orienta- 
lischen Synkretismus haben wir zurzeit noch kein deutliches Bild, und 
auch das System", das er herausgebildet hat, entzieht sich im einzelnen 
unserer Kenntnis. Aber es ist fiir die Erkenntnis des Ursprunges des 1 . 
Gnostizismus von hochster Bedeutung, dafi wir erne Religion kennen,. 
die auf dem Boden des alten babylonischen Heiches erwachsen ist, und. 
deren "\Yesen man nicht besser charakterisieren karm denn als vorchrist- 
lichen Gnostizisnius. Es ist die niandaische Religion. Hier liegt. 
eine Beligionsmengung vor, die in der "Weise der Grnostiker ein kosmo- 
gonisches System aus babylonischen und persischen Elementen hergestellt. 
und mit mancherlei Sakramenten (besonders Taufen) verbunden hat, und. 
die im weiteren Yerlauf ihrer Entwicklung auch jiidische und christliche' 
Eleniente in sich aufgenomnien hat. In ihrer ganzen Anlage bietet diese^ 
Anschauungsweise so viel frappante Ahnlichkeiten mit dem Gnostizismus,. 
dafi man auch die Tiber einstimmung des Namens (Mancla heifit Erkennt- 
nis) kaum als zufallig wird ansprechen diirfen. 2 ) Bei dieser Sachlage- 
scheint es sicher zu sein, dafi wir die TJrspriinge der Gnosis im Orient 
zu suchen haben. Es mag ein nach Syrien vorgeschobener Kreis mit 
einer babylonisch-persischen Mischreligion den Ausgangspunkt der Be- 
wegung gebildet haben. So weit man nach den alten Berichten urteilen 
kann, hat die Bewegung dann auch im Judentum, besonders aber in Samaria, 
"Wurzel geschlagen. Dadurch kamen judische Stoffe und Ideen in sie 
herein. Dieser depart erweiterte Synkretismus zog dann noch das 
Christentum in seinen Bereich. So hat Hegesipp die Sache dargestellt. 
Die Wurzel aller Haresie erblickt er in ,,sieben Haresien" des Juden- 
tums (zu den en er auch die Samariter rechnet), von diesen leitet er 
dann eine Anzahl judisch-samaritischer Haresien ab, und die Nachfolger 
letzterer sieht er in den grofien gnostischen Parteien seiner Zeit (Euseb. 



1) S. Plotin. En. II, 9, 10; Porphyr. Vita Plotin. 16 u. vgl. C. Schmidts 
Abhandlung a. a. 0. 

2) Vgl. das bahnbrechende Buch von W. B r a n d t , Die mandaische Religion 1889. 
= Nj)" ist yv&ais, davon NHJNB y 



Der Ursprung des Gnostizismus. 221 

h. e. TV,, 22, 5 -7). 1 ) Aber auch. Justin hat die Haresie bei den Sama- 
ritern ihren Anfang nehmen lassen : Simon und Menander gaben sich 
selbst fur Gott aus und bewahrten ihren Anspruch durch Magie, wahrend 
die spateren Gnostiker den Schopfer lastern und Jesus nur deui Namen 
nach bekennen. 2 ) 

4. An der Geschichtlichkeit dieser TJberlieferungen zu zweifeln liegt 
kein Grund vor, 3 ) so wenig wir die Einzelheiten bei Hegesipp zu identi- 
fizieren verniogen. Dann wird aber auch die einhellige Ansicht des 
Altertums, dafi die gnostische Bewegurig niit Simon Magus ihren 
eigentlichen Anfang genommen hat, nicht zubezweif ein sein, wie andrerseits 
ein Ztisammenhang dieser Bewegung mit alteren samaritanischen und 
jiidischen Haresien anzunehmen ist. Die Gestalt des Simon Magus 
steht in verhaltmsmafiig hellem geschichtlichen Licht. Es ist nicht un- 
moglich, dafi er schon zu Johannes dem Taufer Beziehungen gehabt 
hat, wie die Clementinen erzahlen (Horn. 2, 23). Er trieb in seiner 
Heimat Samaria Magie und gab sich fur ,,die grofie Kraft" Gottes aus, 
dann wurde er von Philippus getauft. Die Wunder im Christentum 
zogen ihn an, fiir die Geistgabe bietet er Petrus Geld, er wird schroff 
zuriickgewiesen (Act. 8, 924). Er hat spater sein inagisches Treiben 
wieder aufg6nommen und seine Theorie yon- der grofien Kraft weiter 
ausgebildet. Er wirkte zusammen mit Dositheos. Nicht ein Apostel 
Christi wollte er sein, sondern Christus selbst oder der laro/g nach 
samaritanischem Sprachgebrauch. In ihm ist Gott erschienen. 4 ) Er ist 
,,die hochste Kraft" und ,,der Yater ftber alles". Bei den Juden ist er 



1) Die sieben jiidischen Haresien sind nach Hegesipp : "Eaaaioi, 

cnorai, Maafico&eoi, , Sa.f.ia.QB'lmi , Sa Sdovxaioi , fpccfjiaaiot. Von 
riihren her (ay? &v) : Si/.icov Sfrev ol Siiuoviavoi, y.al Kleofiios odsv 
VM /loaidsos O&EV Zloai-dsavoi, v.n\ Fo^&alos oQev Po^n-d'ijvoij v.al Maafiwd'eos 
o\)ev MaajSw&eoi,. Er fahrt dann fort: ditb TOTJTCOV MevavSgiaviaTai v.al Maq'/.iw- 
t'latai y.ai KntjTtotcgaTiavoi y.ai Ovaisvnavol '/MI Baaif.eiSiavol y.nl Ea.io^vi).ta.vol 
. . ., dnb toimov yBV6%oiaTOi, yevdoTttJocpTifm,, yevdaTtooToloi. Die zweite ScMcht 

kann nicht als christlich verstanden werden. Geht man von Simon oder 
Dositheos aus, so wird es sich. urn Haresien handeln, die den Christusgedanken 
so aufnahmen, dafi die Urheber sich selbst fiir Inkarnationen der Gottheit ansahen. 

2) Justin Ap. I, 26. 56. Dial. 35. Auch Justin kennt sieben jiidische Haresien: 
Sadducaer, Genisten, Meristen, Galilaer, Hellenianer, Pharisaer und Baptisten 
(Dial. 80), sie sind nur zum Teil mit denen des Hegesipp identisch, vgl. die vier 
Haresien bei Josephus b. j. II, 8, 2: Galilaer, Pharisaer, Sadducaer, Essener, 

3) Lehrreich fiir diese Entstehungsgeschichte des Gnostizismus ist der 
Elkesaitismus : eine judisch-gnostische mit mandaischen Elementen durehsetzte 
Anschauung ist mit christlichen Gedanken verbramt worden, vgl. S. 207. 

4) Justin Ap. I, 26. Iren. J, 23, 14 sowie die anderen Berichte bei Hippolyt, 
Tertulliaii (de anima 34), vgl. Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 163 ff. 



222 10. Die heidenchristliche'Gnosis. 

als Sohn erschienen und hat scheinbar gelitten, zu den . Samaritern. 1st. 
er als Vater, zu den iibrigen Volkern als heil. Gfeist gekoinmen. Unter 
vielen Grotternamen wird er angerufen. Aber erkam als Erloser. In 
einem Bordell zu Tyrus hatte er eine gewisse Helena gefunden. Sie 
erklarte er fur seine ursprungliche Ennoia, die erste Konzeption seines 
Greistes, die Allmutter. Durch diese TJridee gedachte er Engel und. 
Erzengel zu niachen. Sie springt aus ihni hervor und erzeugt die 
Engel und Grewalten ; diese schaffien die "Welt, aber sie halten die Ennoia 
fest und schliefien sie in nienschliche Korper ein, sodafi sie durch die 
Jahrhunderte aus einem weibliehen Leib in den anderen wandern mufi, 
durch die griechische Helena bis zur Dirne von Tyrus. Sie ist das 
verlorene Schaf des Evangeliums. TJm sie zu befreien und den Menschen 
Rettung zu bringen, 3 ) ist der hochste Gott in Simon erschienen. Di& 
Engel hatten die Welt schlecht regiert, von ihnen waren die alttestament- 
lichen Propheten inspiriert. Aber die alttestamentlichen Grebote sind 
nur zur TJnterjochung der Menschen von den Engeln erfunden. "Wer 
an Sinion glaubt, ist frei, seine Gfnade rettet die Menschen, nicht die 
"Werke. 2 ) Der innere Zusammenhang dieser Lehren mit der Magie, den 
Exorzismen und Zauberformeln, die weiter den Simonianern nachgesagt 
werden, wird aus den Quellen nicht deutlich. Aber es kann kaum frag- 
lich sein, dafi sie zur Erlosung in Beziehung gestanden haben. Seine 
Lehre hat Sinion auszubreiten sich angelegen sein lassen, er ist auch 
nach Rom gekommen und ist dort gestorben. 

Dies alteste gnostische Lehrsystem geht also in die apostolische 
Zeit zuriick. In roher Eorm stellt es wirklich den GrrundriB der 
gnostischen Lehre dar. Wir finden hier 1) den Synkretismus, 2) die 
Anfange der Aonenspekulation, 3) die Eingliederung der Erlosungsidee 
in diesen Eahmen, 4) die antijiidische, paulinische Tendenz, 5) ein aus- 
gebreitetes .Zaiibenvesen. Kein Zug in der ganzen Lehre ist historisch 
unverstandlich, 3 ) derVersuch, Simon Jesus zu substituieren, verrat hochstes 
Altertum, 4 ) die spatere Darstellung sieht in ihm wesentlich nur einen 



1) Die Ennoia seufzt im Kerker der Sinnlichkeit. die Menschen unter dem 
Druck des Gesetzes; es ist aber zu yermuten, dafi die Ennoia auch irgendwie 
in den Menschen iiberhaupt gefangen ist, und dafl somit ihre Befreiung zugieich 
die Befreiung des Geistes der Menschheit bedeuten -vvird. 

2) Iren. I, 23, 3 : ut liberos at/ere quae velint, secundiim enim ipsius grqliam 
salvari, sed non semndum operas iustas. 

3) Audi nicht die triadische Formel, die Simon wie Elkesai voraussetzt, 
oder die antijudaistische Tendenz. Spuren eines Zusamuienhangs mit Johannes 
dem Tanfer sind in dem ,,System" nicht wahrzunehmen. 

4) Der Doketismus Simons (et 'possum autem in ludaea putatum, cum non 
esset passus) ist axis der Situation erklarlich. 



Simon und Menander. 223 

Pseudoapostel. Der AnschluB .an Paulus, den er vollzogen hat, macht, 
es erklarlich, dafi er bei den judenchristlichen Hadikalen zum Doppek 
ganger des Paulus werden konnte. Der Gnostizismus des Simon 1st 
eine unendlich paradoxe Erscheinung. Wuster Aberglaube und die; 
paulinische Erlosung durch den Glauben, eine schroffe Geringschatzung-. 
des Judengottes und die Anerkennung aller Gotter, spekulative Tendenzen 
und ein Goetentum schlimmster Sorte Simon und Helena als gott- ; 
liche Inkarnationen fliefien in dieser synkretistischen Religion zu- 
sammen. Trotz mancher christlichen Anregungen ist nichts Christliches; 
in ihr erhalten. Man versteht den tiefen Abscheu der Kirche gegen 
diese Religion und dafi sie in ihr das damonische Urbild aller Haresie 
erblicken konnte. . 

Wenn von Menander, dem Schuler Simons, berichtet wird, dafi 
auch er sich fiir den Erloser erklart habe, so wird das bedeuten, dafi 
nach Simons Tode in ihm die Gottheit sicb. inkarniert haben sollte. 
Im einzelnen mag sicb. seine Lebre von der Simons unterschieden baben, 1 ). 
im ganzen Melt er die gleiche Bicbtung ein. Die Bedeutung der Magie 
tritt in dem Bericbt iiber ibn deutlicb bervor: ,,aucb gebe er durch die 
von ihm gelebrte Magie dazu die Erkenntnis, darnit sie die Engel, die 
die Welt gescbaffen baben, iiberwinde" 2 ) (Iren. I, 23, 5). Die Aui>. 
erstehung sollte durcb seine Taufe mitgeteilt und die Getauften vom 
Tode.befreit sein (ib.). 3 ) 

5. ' Das Wirken Simons und Menanders wird in die Zeit von ca, 
40 90 fallen. Ein Blick in die neutestamentliche Literatur zeigt, da(5 
auch in der Kirche die religiose Unrube der .Zeit haretische Bewegungen 
bervorrief. Die paulinischen Briefe lebren uns ein judaistiscb.es Christen- 
turn kennen, das sich arich den Charakter der ,,Pbilosophie" gab und 



1) Iren. IV, 23, 5 heit es : qui primum quidem virtutem incognitam ait 
omnibus, se autem eum esse qui missus sit ab invisibilibus salvatorem pro salute 
homihum. NachEiiseb. h. e. Ill, 26,1 bedeuten letztereWorte, dafl er der Soter sei, 
civm&Ev Ttod'ev s| aogdrcov alavwv dKtBai;ak(j.svos, die Aonen liaben. ihn also nicht 
gesandt, sondern er kam aus ihrer Sphare. Der Soter scheint nicht identisch zu 
sein mit der Urkraft wie bei Simon. 

2) Naeh dem Eeferat bei Eus. h. e. Ill, 26, 2 wird vincant zn lesen sein,' 
die Glaubigen itberwinden die xoatioTtoiol ayyelot. Das kann lieiEen, daB sie. 
ihren Q-eboten und Orclnungen vermoge ihrer ,,Freiheit" (vgl. 2. Ptr. 2, 19) ; 
widerstehen, es kann aber auch auf die Uberwindung .dieser Geister bei dem, 
Anfstieg in die obere Welt sich beziehen; an beides wird wohl zn denken sein. 

8) Der Text bei Iren. sagt: quod est in eum'baptisma, Eus. 1. c,: fieTa- 
SiSofcei'ov 7t(jos aviov flaTtTiafiaios d. h. die von ihm mitgeteilte Taufe, der 1 
Ubersetzer des Iren. yerwechselte ngos avmo mit nobs afaov. Zur Sache ist zu- 
vergleichen die Lehre des .Hymenaus und Philetus : dvdaraaiv ijSt] 
(2. Tim. 2, 18). " " ... ;. ; . , : . . ; 



224 10. Die heiclenchristliche Gnosis. 

auf streuge Askese AVert legte (Kol. 2, 8. 18f.). In den Pastoralbriefen 
wird ebenfalls ein judaistisches Christentum bekampft, das iiber Genealogien 
und ,,Mytken" endlose Betrachtungen und Disputationen anstellt (1. Tim. 1, 
37; 6. 4. 2. Tim. 2, 14. 16; 3, 79. Tit. 1, 10. 14) und asketische Ten- 
denzen verficht (1. Tim. 4, 3). Die tlberzeugung, dafi die Auferstehung 
schon gewesen sei (2. Tim. 2, 18), wird nicht hierher gehoren. Da nur 
zwei Personen als Vertreter dieser Ansicht angefiihrt -werden, kann sie 
nicht allgemeine Lehre der Judaisten gewesen sein. Dieser Judaismus 
ist also durch ,,heilsgeschichtliche" Spekulationen, philosophische Rasonne- 
ments iiber das Gesetz und asketische Tendenzen charakterisiert. Er 
ist auf dem Wege zu einem Christentum, wie wir es bei Elkesai und 
in den Clementinen kennen gelernt haben. 

Yon dieser judaistischen Irrlehre unterscheidet sich eine spezifisch 
heidenchristliche Form der Haresie, wie wir sie in dem Judas- und 
2. Petrusbrief und in der Apokalypse kennen lernen. Es sind Pneu- 
matiker, die sich als Propheten oder Prophetinnen aufspielen. grofie 
"Worte brauchen, die ..Freiheit" verherrlichen und auf Grund derselben 
alle Lust freigeben, auch die Hurerei und die Beteiligung an Gotzen- 
opfermahlen *) (Apok. 2, 6. 14 f. 20. Jud. 2. 4. 1016. 19. 2. Ptr. 
2, 15. 18 f.). Aber ihr Gegensatz zuni kirchlichen Christentum hat axich 
lehrhaften Charakter gehabt. Sie verleugnen den Herrn Christus, so- 
dafi es not tut, sich ihnen gegenuber an den .,uberlieferten Glauben" zu 
erinnern (Jud, 3. 4). den sie wieder verlassen haben (2. Ptr. 2, 21 f.). 
Sie reden von einer Erkenntnis der .,Tiefen Satans" (Apok. 2, 24), und 
sie verachten und lastern die Engel (Jud. 8. 2. Ptr. 2, 10). Der 
Mittelpunkt dieser Lehrweise Avird in dem Bewufitsein, den Geist zu be- 
sitzen und dadurch von alien Gesetzen und Ordnungen frei zu sein, 
liegeu. Hierfiir beriefen sich diese Leute auf Pauli Briefe (2. Ptr. 3, 16 f.). 
Yon diesem Ausgangspunkt aus versteht sich zunachst^ ihr iibermutiges 
Wesen und ihre Sorglosigkeit auf sittlichem Gebiet, das pneumatische 
Bewufitsein erhob sie iiber alle Ordnungen und Gesetze. Aber dasselbe 
Bewufitsein erklart es auch, dafi sie Christus als Herrn verleugneten 
als Pneumatiker werden sie sich ihrn gleich gedlinkt haben , und daB 
sie sich iiber die Engel hoch erhaben diinkten. Dies wird wohl darin 
zuni Ausdruck gekommen sein, daS sie sie schalten wegen des von ihnen 
gegebenen 2 ) Gesetzes; Es ist auch sehr wahrscheinlich, dafi man in 
diesen Kreisen die TJberzeugung verfocht, dafi wer den Geist empfangen 
habe, dadurch das ewige Leben .erhalten habe, also schon auferstanden 



1) Letzteres ist nacli Justin Dial. 35 gemeinsames Merkraal der Gnostiker. 

2) Vgl. Hbr. 2, 2. Gal. 3, 19. Act. 7, 38. 53. 



Die Haretiker des Neuen Testamentes. 225 

sei. Dies Mifiverstandnis hat sich ja schon friib-an die pauliniscbe Ver- 
kiindigung geschlossen (1. Kor. 15, 12); es entsprach der Deutung, die 
diese Haretiker der pauliniscben Lebre gaben, dafi sie das MiBverstand- 
nis wieder aufnabmen. Ausdriicklicb sagt Hippolyt von Nikolaus, dafi 
er als erster bebauptet babe, die Auferstehung sei bereits geschehen, wo- 
bei er unter Auferstehung dies verstand, dafi wir an Ghrislus glatiben und 
die Waschung empfangen, eine Auferstehung des Fleisches aber bestritt. 1 ) 
Hiernacb werden aucb Hymenaus und Pbiletus 2. Tim. 2, 18 unter diese 
Grruppe von Haretikern zu recbnen sein. Den JSTamen der Nikolaiten 
fuliren die Kircbenvater auf den Diakon Nikolaus in der Apostelgescbicbte 
zuruck. Nach Act. 6, 5 war er geborener Heide und stammte aus 
Antiochia. AuBer der mitgeteilten Bemerkung Hippolyts iiber ibn. 
koranien nocb die positiven Notizen bei Clemens Alex, in Betracht. 
Danacb soil sein. Grrundsatz, man solle das Meiseb miBbandeln, ?) von 
seinen Anhangern mifideutet worden sein (Strom. H, 20, 118. HE, 4, 25 f.). 
Von den Nikolaiten \vird nacb der Apok. : ein indiscrete vivere 
bericbtet (Ir. I, 26, 3), sie werden aber aucb als Vorlaufer des Kerinth 
angeseben (ib. III. 11, I). 3 ) Man bekommt docb. von der Anschauung 
des Nikolaus ein binreichend deutlicbes Bild, urn ibn als Begriinder 
einer libertinistischen Grruppe anseben zu konnen. 4 ) Man wird aber 
gewifi nocb weitere Einfltisse als in dieser Grruppe wirksam annebmeh 
diirfen. 5 ) Es wird dieselbe baretiscbe Grruppe sein. von der Hermas ge- 
legentHcb sagt, dafi sie ,,fremde Lebren" einfubren, ,,alles erkennen 
wollend erkennen sie nicbts iiberbaupt" (Sim. 8 ? 6. 5; 9, 22, 1. cf. 
Vis. 3, 7, !).) 

Eafit man zusammen, was wir von dieser Ricbtung boren, so scbeint 
das vor allem sicber zu sein, dafi sie sicb an das pauliniscbe Evangelium. 
angescblossen baben, und dafi sie sicb als Pneumatiker fiiblten. Zu 
Avelchen Konsequenzen diese Ideen unter Heidencbristen fiibren konnten, 



1) Syr. Erg. aus d. Schrift liber d. Auferstehung in Hipp. WW. ed. Bonwetsch- 
Aclielis II, 251. 

2) Seiv Ttapaxpfjadcu TIJ aaov.i, naoa^rjod-ai, heifit miOhandeln, aber auch 
miGbrauchen. 

3) Tertull. de bapt. 1 sagt noch : laptismum destruens. Nach Eus. h. e. Ill, 
29, 1 hat die nikol. Haresie nur ganz kurze Zeit bestanden. 

4) Vgl. L. Seesemann,.Die Nikolaiten in Stud. u. Krit. 1893, S. 47ft'. 

5) Beachtenswert ist es, dafi wie die Apok. 2, 14 die Nikolaiten als Ver- 
treter der Lehre Bileams bezeiehnet, auch 2. Ptr. 2, 15 cf. Jiid. 11 die Beziehung 
zu Bileam hervorhebt. 

6) Die augefilhrten Stellen kb'nnen aber auch sehr wohl auf die spatere. 
entfaltete Gnosis gehen, das hangt von der Datieruiig der betr. Stlicke bei 
Hermas ab. , . , 

Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 15 



226 1Q- Die heidenchristliche Grnosis. 

zeigen ihre Grundsatze. Sowohl die Geringachtung Christ! als die Leug- 
nung der Auferstehung, und die Verwerfung aller ethischen Normen, nicht 
nur die hochmiitige Kritik der Engel und das Erkennen der Tiefen 
'Satans, sondem auch die Betommg der Freiheit und der Erkenntnis 
lassen sick so sehr einfach begreifen. Gnostiker im eigentlichen Sinn 
konnen wir in den Yertretern dieser Lehren noch nicht erblicken, da 
widerspricht vor allein das Fehlen des kosmogonischen Synkretismus, 
w-ohl aber wird man sagen konnen, daB der schrankenlose Subjektivismus 
dieser Gruppen mit seinena ungeziigelten. Geisttum und der dreisten 
Kritik aller TJberlieferung eine der Wurzeln bildet, aus denen der 
Gnostizismus hervorgewachsen ist. Diese .Christen werden selbst auf 
den heiligen Geist, der sie leite, auf die Pflicht zu einer personlichen 
TJberzeugung und auf das E,echt der christlichen Ereiheit hingewiesen 
haben. Als Pneumatiker und freie fromme Seelen mogen sie sich gefiihlt 
haben. Sie werden sich mit Stolz auf Paulus berufen haben. 1 ) Und sie 
sind wirklich von ihm angeregt worden , freilich so wie auch Simon 
Magus. "Wo die Tiefen der Religion mit so intuitiver Kraft wie bei 
Paulus ergriffen werden, finden sich nicht selten solche, die jene Tiefen 
erreichen, aber auf ihren eigenen "Wegen bleiben wollen. 

Noch eine Form der Havesie ist am Ende der apostolischen JZeit 
aufgekommen. Es ist die von Johannes bekampfte Haresie des Kerinth,. 
von der frtiher schon die Eede war (s. oben S. 82 Anm.). Ker'mth 
hat seine Bildung in Agypten empfangen. Ausgehend von der juden- 
christlichen Christologie, hat er den . oberen Logoschristus scharf ge- 
schieden von dem Menschen Jesus ) nur dieser litt , jener war leidens- 
unfahig. Aber er hat weiter bei der sich herausbildenden synkretistischen 
Gnosis eine Anleihe gemacht und den obersten Gott von dem "Welt- 
schopfer unterschieden. Die Urkunden sagen uns nicht, welche inneren 
Motive ihn hierzu veranlafiten. Er wird aus Agypten den Logosbegriff 
mitgebracht haben und diesen dann mit dem geschichtlichen Jesus ver- 
bunden haben. Und er wird fur die Unvollkommenheit der gegen- 
wartigen Welt die Erklarung in dem niederen engelartigen Schopfergott 
gefunden haben. 2 ) Zum erstenmal, so viel wir wissen, ist ein Stuck des 



1) Dies mag- den hare tisclien Judenchristen ein Anlafi oiehr zum HaB 
Paulus gewesen sein. 

2) Nach.-d'en Exzerpteu aus Cajus und Dionysius v. Alex, bei Eus. h. e. III,. 
28,, 1 5 cf . Vli, 25, 1 ff. wird hauflg dem Kerinth auch ein sinnlicher Chiliasmus 
zugeschrieben (z. B, Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 416 fL). Nur schweigen aber 
die alteren Hareseologen Mervon. Zalin (G-esch. d. Ka,n. I. 222 ff.) hat gezeigt, 
daB .Cajus, . indem er die Apokalypse des Johannes als ein Werk des Kerinth 
betrachtet, axis der, johamieischen Apokalypse die Ziige entnommen hat, die er 
zu einem ,,Dogma" Kerinths yerarbeitet hat. Dann hat aber Kerinth rait diesen. 



Kerinth. Die Haretik.er des Ignatius. 227 

synkretistischen Polytheismus durch Kerinth in das Christentuin einge: 
drungen. Er ist in diesem Sinn der erste christliche Gnostiker gewesen. 

Kerinth hat in Kleinasien gewirkt und hier ist ihm die johanneisciie 
Theologie gegenizbergetreten. Nun begegnet Tins in den ignatianischen 
Brief en eine Haresie, die sehr scharf bekampft wird. Da sie auf klein? 
asiatischem Boden zu suchen ist, so liegt .es nahe, an Kerinthianismus 
zu denken. Und in der Tat scheinen sich die Schwierigkeiten, die die 
fliichtigen Skizzen bei Ignatius ergeben, so am besten zu losen. Zwei 
Merkmale fallen an diesen Haretikern auf: 1) sie haben gelehrt, Christus 
habe nur scheinbar gelitten (Ttefcov&evat ambv fo doxelv Tr. 10. Sm. 2 ; 
4,. 2) ; nacb. Polykarp leugnen sie , dafi' Christus im Meisch gekommen 
sei (Pol. 7, 1). 2) Sie haben Heterodoxien und alte jiidische [W&evf.ta7a 
yorgetragen und jtidische Tendenzen im Leben befolgen gelehrt (Magn. 8, 1), 
und zwar haben auch TJnbeschnittene das getan (Philad. 6, 1). Diese 
Ziige 'geben das ungefahr wieder, was wir bei Kerinth fanden. Polykarp 
wendet sich noch gegen Leute , die nach der eigenen Lust die Auf- 
erstehung und das Gericht leugnen und dazu die Worte .Tesu. Yerkehren 
(.7, 1). Das .pafit nicht auf Kerinth, der unmittelbar yorher bekampft 
wird, aber um so mehr auch die gleichzeitigen Nikolaiten. 1 ) Es sind 
die beiden Gruppen der ihm bekannten Haresie, an die Polykarp denkt. 

Wir haben die drei Wurzeln der Gnosis kennen gelernt, die im 
N. T. vorausgesetzt sind. Es gab 1) ein mit Philosophic und Mythen 
sich abgebendes asketisches Judenchristentum, 2) ein pneurnatisch.es, auf 
Paulus sich berufendes Heidenchristenturn , das die Erkenntnis iind die 
Freiheit betonte, das Gesetz und die Engel bekampfte und die Auf- 
erstehung leugnete , 3) eine aufgeklarte judaisierende Richtiing, die die 
Logosspekulation niit der jiidischen Christologie verband und aus deni 
Synkretisrnus die Geringschatzung des Schopfers iiberkani. Nur sie kann 
im eigentlichen Sinn als ,,gnostisch" bezeichnet werden. Aber die 
Stimmungen aller drei Kichtungen waren bereit, jenen synkretistischen, 
zunachst widerchristlichen Gnostizismus im Sinn Simons und Menanders, 
in sich aufzunehmen. Wie die erste Eiichtung auf diesem "W.ege zum 
Elkesaitismtis kam , ist fruhe'r dargestellt worden. Die beiden anderen 

judaistischen Lehren in "Wirklichkeit nichts zu schaffen gehabt. Im iibrigen 
ware die Kombination des Chiliasmus mit der Lehre Kerinths an sich nicht un- 
mogiich. Die von den Juden erwartete Herrlichkeit, die ihr Gott nicht herbei- 
fiihren kann, ware in diesem Fall als eine Gabe des Logos-Messias angesehen 
worden, oder Kerinth hatte mit der agyptisch-jiidischen Logoslehre angefangen. 
und \nit der jiidischen Eschatologie geschlossen. Indessen bedaii es dieser Kom- 
bination nicht nach der kritischen Quellenbetrachtung. ; 

1) Das doppelte os Pol. 7, 1 wird sich also aiif zwei haretische Gruppen 
beziehen. . 

lo* 



228 10- Die heidenchristliche Giiosis. 

haben die gnostisclie Spekulation in sich aufgesogen. Teils gab sie ihren 
Tendenzen die ,,wissenschaftliclie" Begriindung, teils diente sie zur Aus- 
fiihrung vorhandener Anschauungen. Es konnten jene libertinistischen 
Pneumatiker keine sicherere Grundlegung finden als die Aonenspekulationen, 
und es konnte Kerinths Christologie nicbt besser begriindet werden, als 
in dein Rahmen dieser Spekulationen. 

6. Sowar um das Jahr 100 der Boden in der Christenheit bereitet, 
den altorientalisclien Synkretismus in sich aufzusaugen und ihn mit dem 
Christentum zu verschmelzen. Dieser Boden verlangte nicbt minder nach 
jenem Sanien. als jener Samen dieses Bodens bedurfte. Der Erfolg 
Christi hatte Simon auf den Gredanken gefuhrt, ibm Konkurrenz zu 
macben. Das wurde je langer , desto mebr unmoglich. Das sieghafte 
Vordringen Cbristi war nicbt aufzubalten ; ging es nicbt wider Cbristus, 
so versucbte man es nun mit Cbristus. Cbristus war unwiderstehlicb ini 
Abendlande wie ini Morgenlande, aber machtig stark war aucb der Glaube 
an die alte Weisheit des Orients und der Trieb alle Daseinsratsel durch 
beilige Offenbarung zu losen. So stellte dieser altorientaliscbe Synkretis- 
mus sich in den Dienst Cbristi. Aucb pbilosopbiscben Geistern boben 
Ranges im Abendlande wie einem Valentin bat diese Kombination 
imponiert. Sie scbien die "Weltanschauung zu bieten, die man braucbte. 
Und die Mascben dieses Netzes waren weit genug, um durcb sie alles 
bineinzuscbieben an Eragen und Antworten. von denen man sicb nicbt 
trennen mocbte , und das Netz schien docb fest genug zu sein , um. in 
ibm die Heise zuni Himmel wagen zu konnen. Inmitten des Weltalls 
leucbtete ein belles Licbt auf, Cbristus der Erlosergut mit all dem Zauber 
beiliger Liebe. Und binter ibm und iiber ibm. sab man durcb leucbtende 
"Welten selige Gotter auf- und niedersteigen. Und vor ibm und unter 
ibm liegen andere Welten, durcb die Hirnmel und an den Sternen mit 
ihren Herrscbern und Wacbtern voriiber fvibren Pfade durcb sie, dunkler 
und roher wird alles, je tiefer binab es-geht. Ganz unten aber in dem 
dunkeln "Wasser des Chaos, da spiegelt sicb wieder der ganze Glanz der 
oberen Welt. Aber dies Licbt von oben ist bier gefangen in der dunkeln 
Flut. Da dringt von den bochsten Hoben der Wille ewiger Liebe in 
Christus binein , und er steigt binab auf der Sternenbabn, an all den 
Schrecken der Piirsten und Wacbter voriiber, und taucbt hinab in die 
dunkle Mut und bleibt eine Weile darin. Er lost das gefangene Licbt 
aus seinen Banden und lebrt es die Sternenpfade emporzusteigen. Und 
das gefangene Licht wird frei und durch "Wolken und "Welten steigt es 
empor zu schimmernden Gipfeln bis bin zum Urquell des Lichts. So 
sab die Welt des Gnostikers aus. Ein schmaler Streifen nur ist diese 
Welt, aber unendlicb ist die obere Welt; obne ihren Willen kommen die 



Die gnostisehe Weltanschatiung. Satornil. 229 

Menscben von oben nacb unten, aber Cbristus kam willentlicb berab, die 
Gebeimnisse jener Welt entbiillend und den Pfad zu ihr eroffnend. Was 
lebrte dies Bild nicht alles die Zeii I Nacb der beiligen Welt des 
Geistes fragten begierig die Weisen, um das Geistige in sich befreien zu 
konnen ; auf die Zauberformeln, die Siinden und Damonen vertrieben und 
vor denen einst die Wacbter und Herrscber an der Sternenbahn den 
Durcbgang gewabren, acbteten die Toren. Erlosung eroffnete sicb tier, 
eine Erlosung, die alle verstanden und alle braucbten. Der Weise und 
der Tor, der Asket und der Genufimenscb fur alle scbien gesorgt zu 
sein. Man mufi die Menscben jener .Zeit versteben , um zu begreifen, 
eine wie scbwere Gefabr der Gnostizismus fiir die Kircbe bedeutete. 

7. Einige JZlige aus der gescbicbtlicben Entwicklung der Gnosis 
miissen nocja angefiibrt werden. Es bandelt sicb vor allem darum zu 
versteben, wie jener widercbristlicbe Synkretismus sicb mit der Cbristus- 
idee verband. Zwei Manner scbeinen es gewesen zu sein, die diese Kom- 
bination vollzogen, Satornil (oder Saturninus) und Basilides, ersterer 
wirkte in Syrien, letzterer in Alexandrien. Satornil mag zwiscben 100 
bis 120 gebllibt baben: Der xinbekannte Yater bat Engel, Erzengel, 
Krafte und Gewalten erscbaffen. Sieben von ibnen scbufen die Welt 
und den Menscben. Der Menscb krocb iirsprunglicb auf dem Boden wie 
ein Wurm. Die obere Kraft aber flofite ibm den ,,Funken des Lebens" 
ein, der ibn lebensfabig macbte. Nacb dem Tode gebt dieser Lebens- 
funke wieder in die obere Welt zuriick. Docb baben ibn nicbt alle 
Menscben, oder sie baben ibn nicbt in demselben MaB. Es gibt namlicb 
zwei Gescblecbter der Menscben, ein gutes und ein nicbtswiirdiges, 
ersteres nur bat den ,,]?unken des Lebens". Die Danionen fordern 
die scblecbten Menscben , Satan bekampft die Weltscbopfer , besonders 
den Judengott. Die Propbetie ist teils von den weltscbopferiscben 
Engeln, teils von Satan ausgegangen. Da nun diese Engel den obersten 
Vater zerstoren wollten , erscbien sein Sobn , der ungeborene und un- 
korperlicbe Cbristus, der nur dem Scbein nacb Menscb war. Er erscbien, 
urn den Judengott, die Danionen und die bosen Menscben zu zerstoren, 
und zurn Heil clerer, die an ihn glauben, das sind aber die Inbaber des 
Lebensfunkens. Das Heil wird in der asketiscben Lebensfiibrung zu er- 
blicken sein, die Ebe und die Zeugung sab Satornil fur Teufelswerk an (s. 
Iren. I, 24, 1. 2). Drei Gedankengruppen begegnen sicb in dieseni 
System, 1) eine relativ ausgebildete Aonenlebre (die Engelgewalten, der 
Judengott, Cbristus und sein Vater), 2) der Dualisruus (die Trager des 
Lebensfunkens und die obere Welt, Satan, die Materie und die Bosen), 
3) der Erlosungsgedanke. Der Ausgang von Simon resp. von dem von 
Simon ubernommenen orientalischen Synkretismus ist einleucbtend. Aber 



230 10- Die heidenchristliche Gnosis. 

Satornil- ist iiber Simon binausgegangen. Wohl ist das inythdlogiscbe 
Element in semen Gedanken nocb wirksam. (Kampf, Zerstorung untei ; 
Gottern und Kreaturen) , aber es hat docb scbon ein geistiger Subli- 
mierungsprozefi begonnen. Durch zweierlei ist er bedingt, durcb deii 
streng gefafiten Dualismus und dureb die durcb diesen erforderte Er- 
losungsidee. Indem die dariioniscben Gewalten in diese Welt eingreifen, 
wird es erst ganz begreiflich, dafi eine Erlosung von oben erfolgen riiu'B. 
Vor Cbristus bat Satornil unbedingt kapituliert : er ist der Erloser, nicbt 
Simon oder Menander. Die Erlosung kann in nichts anderem besteben' 
als in der Befreiung des Lebensfunkens aus der Materie und der GreWalt 
der niederen Aonen wie auch des Teufels. Dies aber geschieht durch! 
Askese ; von den goetischen .Zaubermitteln seiner Vorganger scneint 
Satornil abgesehen zn baben. Die Leugnung der Auferstenung.(Ps. tert. 3) 
ist in dein Gedankenzusamnienbang Satornils verstandlich. 

8. Mit Satornils Lebre ist die des Basilides verwandt. Basilides 

und sein Sobn Isidor wirkten in Agypten. Sie haben sich. auf die pfo- 

phetiscben Scbfiffcen des Barkabbas und Barkopb berufen (Agrippa Castor 

b. Eus. h. e. IV, 7, 7). Der Gnostizismus nimmt bier einen niebr auf- 

geklarten philosopbiscben Cbarakter an. Aus dein ungezeugten Urvater 

gebt der Nus bervor, von dem der Logos stanimt, von diesem die 

Pbronesis . von dieser Sopbia und Dynamis , von beiden letzteren die 

ersten Krafte . Eiirsten und Engel. Diese macben den ersten Himmel. 

Aus ibrer dcrivatio werden andere Engel, die den zweiten Himmel 

scbaffen, und so gebt es fort, bis 365 Himmel erscbaffen sind. Der 

letzte Himmel, der unsere, ist von Engeln erscbaffen , deren Fiirst der 

Judengott ist. Von diesen stammt aucb Gesetz und Weissagung ber. 

Cbristus ist der von dem Urvater gesandte primogenittts Ntis , er wird 

doketiscb vorgestellt, in "Wirklicbkeit sei Simon von Kyrene gekreuzigt 

worden, wabrend der Nus zum Vater emporfubr und der Kreuziger 

lacbte; Das Heil ist nur fur die Seelen da, der Leib ist verganglicb. 

Das Heil bestebt in der Befreiung von den "Weltscbopfern. Der Menscb, 

der durcb Obristus die "Wabrbeit erkennt, ist dadurcb von allem Sinn- 

licben und AuBerlicben frei, da dies nur von den "Weltscbopfern ber- 

riibrt. Desbalb erstreckt sicb das cbristlicbe Bekenntnis aucb nur auf 

den bimmliscben Nus, nicbt aber auf den Gekreuzigten. Hieraus zog B. 

nun nicbt. wie Satornil, die Pblgerung des Asketismus, sonderh gab den 

irdiscben Genufi frei. Dagegen wurden Magie und Zauberformeln wieder 

eingefubrt. Die' Lebre wurde fur Gebeimlebre erklart (Ir. I, 25', 3 7). 1 ) 

1) Die ganz andersartige Lehre, die die Eefut. VII, 2027, X, 14 dem 
Basilides beilegt, raufi spateren Ursprungs sein, oder sie wird dureh Verwechslurig 
B. zugesclirieben. 



Die Lebre des Basilides. 231 

Cbarakteristiscb fur B. 1st vor allem der wissenschaftlicbe Anstrich, 
den er dem christianisierten Grnostizismus gab. Zwischen den Urvater 
und die weltschaffenden Engel stellte er eine Anzahl iiberhimmlischer 
Greistemanationen, fur die 365 Himrnel wurde die Lehre der Mathematiker 
herangezogen, 1 ) die pytbagoraiscbe Seelenwanderungslehre akzeptierte er 
ebenfalls. 2 ) Von mytbologiscben Elementen suchte er die Lehre mog- 
lichst zu saubern (es ist nicbt von einem berabgefallenen Lebensfunken 
die Rede, der Satan fehlt). Seine sittlichen Anscnauungen hatten dieselbe 
gemafiigte Art. TJberall ist das Streben merkbar, die Grnosis auf eine 
hohere Stufe zu erbeben. 3 ) 

9. Basilides wird urn 125 gewirkt haben. Etwa 135 160 bat 
Valentin in Bom gelebrt. Durcb ibn ist der Gnostizismus auf die 
bocbste Hohe erboben worden. Seine Schule bat sicb im Abendlande 
wie im Morgenlande ausgebreitet, dort besonders durcb Secundus, 
Kalarbarsos,Herakle on, Marcus undPtolemaus (ca. 160 180), 
Her durcb Axionikos, Tbeodotos, Bardesanes und seinen Sobn 
Harmonios. 4 ) Die Lebre Yalentins kann bier nicbt in all die Atis- 
pragungen und Modifikationen binein verfolgt werden, die sie bei seinen 
Anbangern gefunden bat. Mancberlei ist zu seinen Gedanken binzu- 
gekommen und die Yater sind dem eifrig nacbgegangen, seben sie docb 
in Yalentins Lebre die klassiscbe Darstellung des gnostiscben Systems; 



1) Yon der Hiinmelsgeographie wird gesagt : nituntur CCCLXV ementitorum 
caelorum et nomina et principia et angelos et virtutes exponere (Ir. I, 24, 5); 
vorangeht die Erwahnung der Beschwornngsformeln. Es ist anzunehmen. daC 
die Kenntnis der Himmel im Hinblick auf die Himmelsreise iiberlieferfc wurde 
imd daB die Formeln zum Teil wenigstens auch diesem Zweck dienten. 

2) Orig. iu Eoin. V, 1 (Lomm.,VI, 336). Agrippa Castor erzahlt (Ens. h. e. IV, 
7, 7), B. halie ebenfalls in pythagoraischer Weise seinen Anhangern ein fiinf- 
jaliriges Schweigen auferlegt. Das stimmt aber wenig zu seiner weltfreundlichen 
Art, ich vermute, dafi eine Verwechslung Torliegt mit dem Gebot die Lebre und 
das Bekenntnis zu ibr zu verheimlicben s. Ir. IV, 24, 6. 

3) Das bezeugen die Fragmente des Basilides wie seines Sohnes Isidor 
(gesammelt bei Hilgenfeld, Ketzergescli. S. 207 ff. 213 ff.). Zu denken gibt 
der Satz Ir. I, 24, 6 : et hidaeos quidem iam non esse dicunt, Christianas autem 
nondum. Im Zusammenbang handelt es sicb urn die Gebeimbaltung ihrer Lebre. 

Epipbanius sagt: 'JovSaiovs ftev fiavToiis fir/xETt. eii'tti (jpdanovai, ygicntavovs Ss 

/Li'il'/.sti ysysvrja&a.i. Soil das beifien: sie nehmen eine Zwiscbenstellnng zwiscben 
beiden Eeligionen ein, oder: sie sind geborene Juden, balten sicb aber nicbt 
mebr an das Judentum, obne darum Cbristen geworden zu sein? In beiden 
Fallen erwartet man an zweiter Stelle fiij^to, was Iren. voraussetzt. Die zweite 
Erklarung scheint allein mo'glich zu sein, dann haben wir an eineu juden- 
christlicben Kreis zu denken. 

4) Zur Cbronologie s. Hilgenfeld a. a. 0. uud Harnack, Chronologie I, 
299ff. ... 



232, 10. Die heidenchristliclie ' Giiosis. 

Es ist aber im gescbicbtlieben Interesse wicbtiger, sicb an der Hand 
der uns erhaltenen Brucbstiicke Valentins uber die Grundricbtung seiner 
Gedanken und iiber die ibn leitende Gesamtstimmung zu belebren. Eine 
solcbe Betracbtung zeigt nun aber, dafi dieser bobe und belle Geist den 
Sublimierungsprozefi des gnostiscben Synkretismus, den Basilides begonnen 
batte, in ganz eigenartiger Weise fortgesetzt bat. Valentin bat den 
gnostiscben Synkretismus in ein System der Religionspbilosopbie ver- 
wandelt, das alle "Weisbeit der "Welt in sicb aufnebmen und die Hob& 
der menscblicben Erkenntnis darstellen sollte. Mit seinen Bemiibungen 
ist er ,der direkte Vorlaufer des Neuplatonisrnus geworden. Es sind 
abnlicbe Ideen gewesen, die er zu einer Apologie des Cbristentums und 
die Neuplatoniker zur scbarfsten Waffe wider das Cbristentum ver- 
arbeiteten. Diese Erkenntnis erbebt Valentins System ans der Sekten- 
gescbicbte in den Zusanmienbang der allgemeinen Geistesgescbicbte. 1 ) 

Yieles von den Wabrbeiten der Kircbe Gottes stebt aucb in den 
weltlicben Biicbern, sei es in dem A. T. sei es bei den Pbilosopben. 
Was aus dem Herzen kommt und in ibm geschrieben stebt ist die ge- 
meinsame Wabrbeit. Die diese Wabrbeit baben sind das recbte Yolk 
Gottes (H. 301). Wie alle Gnostiker scbeidet aucb Valentin scbarf die 
obere von der unteren Welt, aber er versucbt dabei Plato zu folgen und 
in seinem Sinn die uberkoinmenen mytbologiscben Bilder der oberen 
Welt zu deuten. Zwei Gesichtspunkte kommen dabei in Betracbt. Der 
Geist, der am Anfang war, ist lebendiger Geist, er ist in sicb bewegt r 
die Aonen sind die sensus, affectus, motus des Urgeistes, wie scbon 
Tertullian bemerkt bat (c. Val. 4 cf. Ir. II, 13, 10; 28, 4; Plot. Enn. H r 
9, If.). Sodann ist die Geisteswelt das ITrbild der irdiscben Welt, 
sodafi alles Irdiscbe zum Gleicbnis jenes Himmliscben wird. Das zeigt 
die Aonenlebre Valentins. Aus der ,,unnennbaren Zweibeit", (dem Bv&6 
oder dem Urvater) gingen bervor der TJri'sagbare und das Scbweigen, 
aus diesen der Vater und die Wabrbeit, 'aus diesen die Vernunft und 
das Leben, dann der Menscb und die Kircbe. Das ist die erste Acbtbeit 
oder die transzendente SelbstexpHkation des ITrgeistes. Dann geben aus 
Vernunft und Leben zebn. Krafte bervor, aus Menscb und Kircbe zwolf . -) 



1) Die Fragmente Val. s. bei Hilgenfeld, Ketzergesch. S. 293 ff.. darauf 
bezielien sich die Seiteuzahlen oben im Text; einen kurzen Abrifi seines Systems 
s. bei Ir. I, 11, 1. 

2) Nach Ptolomaus sind es folgende, aus I6yo$ und &oij: 

ayij^aioe, evcoaig, avrofv/je, iiSovij, ay.ivrjios, atiyttfjaais, fwvoyev^s, 

Dann aus avfrgcaTtos und eaxtyaia; Ttagdy.AriTOS, TtidTis, Ttar^i'/tos, B^TC'IS, 

dydTtij, aeivovs, ativeais, exxkriaiaoTutos, {taxapioTijs, -Oel^fos, aotfia. Vgi. eine 

Talent. Schrift bei Epiph. h. 31, 5. 6. 



Die Religionsphilosophie Valentins. 233 

Das ergibt zusammen dreifiig Aon en. Die beiden letzten Reihen scheinen 
die Entfaltung des Geistes zum konkreten geistigen Leben. sowie zum 
religiosen Leben darstellen zu sollen. Die erste Reihe gibt die meta- 
physische On,tologie des Geistes an, die zweite und dritte die meta- 
physischen Urbilder des psychologischen und des religiosen Lebens. Dann 
fallt der 30. Aon oder die Sophia hinab aus dem Pleroma des Geist- 
reiches in das Leere oder die Sphare der Materie. Das ist der Anfang 
der wirklichen Welt. Ein Grenzwachter trennt die Sophia vom Pleroma, 
und ein anderer das Pleroma von dem Bythos. Die Sophia gebiert den 
Christus, er aber geht in das Pleroma zuriick. Die Sophia aber, jetzt 
von der geistigen Substanz entleert, gebiert den Demiurgen oder Schopfer 
und mit ihm zugleich den ,,linken Fiirsten" d. h. den Teufel. Jetzt 
entsteht die "Welt. 1 ) Jesus wird zu ihrer Erlosimg hervorgebracht, ent- 
weder von dem Theletos d. h. dem Genossen der Sophia oder von dem 
Christus oder von ,,Mensch" und ,,Kirche". Der heil. Geist wird von 
der ,,Kirche" 2 ) hervorgebracht (Ir. I, 11, 1). So stammt alles in dieser 
Welt von oben, von dort komnien auch Jesus und der heil. Geist zur 
Erlosung herab. Diese Welt, so hat Yalentin selbst gesagt, verhalt sich 
zu dem ,,lebendigen Aon" das wird hier der TJrvater sein - wie 
das Bild zu dem abgebildeten Gesicht : Das Bild ist geringer, aber der 
Name des Abgebildeten gibt ihm seine Ehre. So ist auch erlautert 
Clemens Alex. der Denmirg, der Yater und Gott genannt wird, ein 
Bild des wahren Gottes, das die Sophia gemalt hat (H. 299). Allein 
die Erlauterung scheint zu eng zu sein. Valentin selbst hat die Welt 
als Abbild Gottes bezeichnet und er scheint den der Seele eingeflofiten 
Geist, von dem der Demiurg nichts wufite, als die Herrlichkeit , des 
TJrbildes an diesem Bilde betrachtet zu haben. Die Welt war ihm das 
Abbild Gottes, dessen tinsichtbares Wesen im Geist ihr erst ihre Ehre 
und Bedeutung gibt, avvegyel de nccl TO wv &eov aogawv elg 



Das ist das Weltbild Yalentins. Alles hangt in ihm niit einander 
zusammen. JZwar ist der prihzipielle Dualismus nicht iiberwunden, aber 
ihm wirkt entgegen ein starker Zug zur Einheit. Der Geist von oben 
durchdringt und verklart alles. Alles sieht Yalentin in seinem Lied von 
der Ernte schweben und von einander getragen werden (H. 304 f.): das 
Eleisch oder die Hyle hangt an der Seele, die der Demiurg schuf, die 



1) Ptolomaus fiihrt poetisch aus, dafi aus der Wendung der gefallenen 
Sophia zu Gott entstanden sei die Seele, aus ihren Tranen das Wasser, aus 
ihrer Trauer und Verwimuig die acoucmy.a aioi^sia, aus ihrem Lachen aber das 
Licht (Ir. I, 4, 2). 

2) Der lat. Text hat dafiir die ,,Wahrheit". 



234 10- Die heidenchristliche Ghiosis. 

Seele an der Luft o'der dem Reich der Sophia, die Luft an dem hellen 

Himrnel oder dem Pleroma des Geistes. Aus dem TJrgrund des Yaters 

gehen Friichte hervor, die Aonen, und aus dem Mutterschoft ein Kind. 

Das soil vermutlich heifien: aus der Geistwelt geht die wirkliche Welt 

hervor. 1 ) Yon unten nach oben wird zunachst der Zusammenhang ver- 

folgt und dann sein Werden von oben nach unten erkannt. Zum 

Pleronia strebt alles enrpor, wie es aus dem ewigen TJrgrund hervorging. 

Nun herrscht aber unten in der Welt das Elend. Wie ein Wirts- 

haus ist das Herz, in dem die Dainonen aus- und eingehen und es nait 

ihrem Schmutz beflecken. Da schaut der allein gute Yater, der gegen- 

wartig wird durch die Offenbarung des Sohnes, das Herz an, und riun 

wird es geheiligt und gereinigt und ist selig in dem Anschauen Gottes. 2 ) 

In diesen Gedanken liegt die ganze praktische Erommigkeit der philo- 

sophischen Gnosis. Zwar ist der Yater hoch iiber der Welt erhaben 

und Christus ist ein verhaltnisrnaBig geringer Aon. Aber dem Grundzug 

des Systems gemafi ist alles aus Gott und ist auch ein geringerer Aon 

Gottes Offenbarung. also ergreift durch Christus das ganze gb'ttliche 

Leben die Seele. Die Seele wird vom Geisteslicht durchdrungen und 

sieht in diesem Licht das ewige Licht, und eben dies Schauen ist ihre 

Seligkeit. Wie sehr tritt in diesem einfachen Gedankengefuge die kosmo- 

logische Weisheit zuriick, und wie vollig wird doch hier die platonische 

Stimmung zum Ausdruck gebracht. Das Orientalische ist verschlungen 

von der. Macht des hellenischen Geistes. Aber nicht nur rein wird 

die Seele auf diesem Wege, sie wird auch unsterblich, der Demiurg aber 

ist, nach Ex. 23, 22, die Ursache des Todes (H. 299). Wer aber die 

Welt auflost. wird ihr Herr und der Herr der Yerganglichkeit. 3 ) 

Aber nicht alien Menschen fallt dieses liebliche Los. Es wird nur 
denen zu Teil, die im Herzen das Gottesgesetz eingeschrieben tragen 
und zum wahren Gottesvolk gehoren (H.'SOl), d. h. aber denen, die 
Geist in sich haben. Eine physische Predestination macht sich geltend, 
die geistigen Menschen werden errettet. Es ist in diesem Zusammen- 
hang klar, dafi das Interesse an Christus sich nur auf sein gottliches 



1) Anders Hilgenfeld S. 305, der das ,,Kind" als vovs, den Mutterschofi 
als oiy-fj erklart. allein dadurch gewhint das Lied nicht den umfassenden Ab- 
sciihiB, der erfordert wird durch die Doppelbewegung, die es durchzieht. 

2) H. 296: el* Se KOTIV dyafros, oil rtetoovaia /; Stcl vlov yavsQmais . - . Kni 
fioi Soy.el Sfioioi' 11 7Cd<j%eiv rm ctavSo^sicp f/ "/.agdia . . . a.y.dd'aQtos oiiaa, 7t 
o$aa SMUOWDV oly.rjirjiJiov. 'Erciiv Se E7tiay.sifii]Tai UVTI^ 6 ftovos ayaftos Tt 
r/yiaaTai xai ipon\ Sial.dfiTtei xai OVTCO fiar.agit^eTHi. 6 'e'/cov rfjv TOiavTrjv '/MQiav, 
on o^'ETcti rbv -9edv (cf. Mt. 5, 8). 

3) H. 298 : ornv yap rbv fiev y.oouov '/.vrjie, aiiTol Se fij] '/caralvfjad'e, xvo 

oy xc/.i Tfjs (pfloo&s oxtdays. 



Die religiose Anschatiimg- Valentins. 235 

"We'sen ricbten kann, und dafi sein Werfc sicb in der geistigen Erleucbtung 
oder in der Aufldarung erscbopfb, daB dagegen sein menschliches Siihne- 
wirken ausgescbaltet wird. Der johanneische Typus der Erlosung ist 
fur YalentiA vorbildlich, aber in einseitiger Auffassung. Das Siihnewerk 
Cbristi baftet an seinem realeii menschlicben Turi und Leiden ; wird es 
aufgegeben so empfangt das Obristusbild doketische Ziige. So ist es 
micb bei Valentin. Jesus ifit und trinkt nicbt wie andere Menscben, er 
verdaut nicnt die Speisen, denn das triige die Art der Yerganglichkeit 
an sicb. Er war das Yorbild absoluter Weltfreiheit. 1 ) 

10. Das System Yalentins stellt den Hohepunkt des Grnostizismiis 
dar. Der urspriingliche religiose Synkretismus in seinem ganzen TJmfang 
spekulativ unigedeutet worden. Die Triebe, die von Anfang an in der 
Onosis lagen die vielen Eleniente der alten Eeligionen und die mannig- 
facben Tendenzen der Erommigkeit der Zeit unter gemeingultigen Ge- 
sichtspunkten als die Wabrheit zusammenzufassen, baben ibren Abscblufi 
erreicbt. Das Resultat ist ein religionspbilosophiscbes System. Die 
positiven geschicbtlicben Elemente der Religionen sind immer mebr zu 
blofien Eormen fur speculative Gedanken und praktiscbe Mystik geworden. 
In diesen Strom der Entwicklung ist aucb? das ganze positive Christen- 
tum mit hineingezogen worden. Zwar redet man welter von ,.0ffen- 
barung", und die Grnostiker baben scbliefilicb alle religiosen Gedanken 
tind Tendenzen, die ibnen sympatbiscb. waren, in Offenbarung verwandelt. 
Was sie dacbten und empfanden, war Offenbarung. Aber gerade dadurcb 
ist die gescbicbtliche Offenbarung zerstort worden, denn wenn alle Ge- 
dariken des Menscbengeistes Offenbarung sind, so gibt es keine Offen- 
barung, und wenn alle Heligionen Offenbarung sind, ist es unmoglicb 
von einer besonderen offenbarten Religion zu reden. - Die gescbicbt- 
licbe Entwicklung des Gnostizismus lauft der allgemeinen E,eligions- 
^gescbicbte des 1. und 2. Jabrbunderts parallel. Wie bier' aus der syn- 
kretistischen Bewegung "der Neuplatonismus bervorwucbs , so miindet 
dort der Synkretismus der alteren Gnostiker in Valentins Religions- 
pbilosophie. 

Aber diese Parallele reicht nocb weit'er. Wie der Neuplatonismus 
a,lle positiven Beligionsformen des Heidentums konservierte , ja das 
Mysterienwesen der Zeit zur bocbsten Bedeutung bracbte. so bat aucb 
der Gnostizismus den Glauben und den Aberglauben der Zeit erbalten 
'und das Mysterienwesen eigentlicb erst in das Cbristentum ein- 
.gefiibrt. Beide wollten den Glaiiben reinigen und beide offneten die 



1) H. 297: Toaa.v't!] i]V aiirco eyy.yaTsias Stivtitus, coate xdl tiij tpd'anfjvnt ri]i> 
ti(fo(pi]v kv ntitco, ETfel' TO yfdeig'eodat' m'irbs om eiyev. 



236 10- Die heidenchristliche Gnosis. 

Tore dem Aberglauben, beide wollten die Religion verinnerlichen und 
beide lehrten sie in der aufierlichsten Superstiton betatigen, beide ineinten 
am geistigen Verstixndnis die Kraft zu besitzeri, uni auch die schwersten 
Lasten der gesehichtlichen Religionen tragen zu konnen. Der Weg der 
inneren Umbildung und Amalgamierung schien ihnen der' richtige zu 'sein 
fur die religiose Erneuerung, wahrend die Kirche den Weg der aufieren 
Ausscheidung und Trennung beschritt. Gnosis wie Neuplatonismus ver- 
standen die ,,Wahrheit" als gemeinsamen Inhalt aller Religionen, die' 
Kirche sah in diesen nur Irrtum und nur in der Offenbarung Wahrheit.. 
Daher aber und das ist das Entscbeidende kani die Gnosis, trotz. 
ihrer Anerkennung der Erlosung durcb Cbristus, nicht beraus aus dem 
Bannkreis der alien Probleme und Ideale, die Kircbe lebrte neue Fragen 
stellen und ein neues Leben fubren. 

Es bat sicb uns bestatigt, worauf schon friiber hingewiesen worden- 
ist, dafi der Gnostizismus die religiose Weltanschauung rnit Mysterien, 
Weiben und magiscben Prozeduren verlmiipft bat. Die Weltanscbauung- 
lebrte den Geist sicb selbst zu erkennen und sicb vermoge dieser Er- 
kenntnis in die Welt des Geistes zu ei'beben. Zum praktiscben Bebufe- 
braucbte man beilige Eormeln und Symbole, um sicb vor der bosen Lust 
zu bewabren und einst auf der Himmelsstrafie die Tore zu offnen. 
Es wiirde uns bier zu weit fubren, wollten wir den sonstigen gnostiscben 
System en nacbgeben. 1 ) Tiber das Wesen der Gnosis bringen sie keine 
ueuen Aufschliisse, wicbtigere Einzelbeiten besonders iiber die gnostiscben 
Sakrarnente werden wir im Eolgenden anzufubren Gelegenbeit baben^ 

11. Wir wollen nun weiter die gnostiscbe Lebre als ganze dar- 
stelleu, indem wir die gemeinsamen Elemente der Weltanschauung und 1 
des Mysterienwesens zusamnienstellen. 

1) Die bimnaliscbe Welt des Geistes, das Pler.oma, und die irdiscbe- 
Welt der Hyle sind von uran einander entgegengesetzt (Dualismus).. 
Beide baben aber ihre Gestalt durcb einen Entwicklungsprozefi empfangen.. 
Dabei ist ein Teil der Geistwelt in die hylische berabgesunken. Di& 
Erlosung und Emporfiibrung des Geistes aus der sinnlichen in die- 
bimmHscbe Welt ist das eigentlicbe Problem des Gnostizismus. 2) Aus 
dem ewigen Urgrund der Geisteswelt (fiv&og, avrofcdrojQ) ging in einem 
tbeogoniscben Prozefi die Welt der bimrnHscben Geister (aiwveg) bervor. 2 ) 



1) Die wichtigsten ,,Systeme", die noch in Betracht kommen konnten, sind. 
das der Opliiten (Iren. I, 30) und das der Barfoelognostiker (Ir. I, 29),-: 
ferner die Lehre des Karpokrates und seines Sohues Epiphanes (Ir. I, 25) usw. 

2) Hie itnd da begegnen hierbei triadische Anspielungen, z. B. bei den 
Ophiten : primus homo, so wohl genannt weil sein Sohn der Menschensohn oder 
secundus homo ist, dazu der spiritus sanctiis oder die prima femina; der Sohn. 



Die gnostische Theologie und Anthropologie. 237 

Der ganze Apparat bypostasierter Geistkrafte wie vovg, Ao'/og, vvoia> 
oocpia wird so in den Himmel verlegt. 1 ) 3) In die untere "Welt ist 
em Bestandteil der Aonenwelt berabgef alien. Das kann in mancberlei 
Bildern dargestellt werden. Zu dem friiher Gesagten fiigen wir nocb 
einige Beispiele. Nacb ophitischer Lebre geht aus . dem bimmliscben 
Weib die Linke, Sophia oder Prunikos 2 ) genannt, hervor. Sie steigt in die 
unbewegten Wasser binab, an ibren Licbttau drangt sicb alles beran, sie 
empfangt einen Korper und ist nun zu scbwer zur Mutter emporzuateigen. 
Aber sie empfangt Kraft, scbwingt sich empor und macbt aus ibrem 
Korper den sicbtbaren Himmel. Von ibrem Sobn aber starnmen die 
kosmiscben Engel ab, unter ibnen der Demiurg oder Weltscbopfer (Ir. I, 
30, 3ff.). Aucb bei den Barbelognostikern springt die Prunikos aus 
dem Geistreicb beraus und gebiert ein opus, in quo erat ignorantia et 
audacia. Es ist der Demiurg, der die Engel und die Welt scbafft und 
dazu Bosbeit, Racbe, Begierde und Eifersucbt, es ist der ,.eifersiicbtige 
Gott. des A. T. (Ir. I, 29, 4). - 

4) Der Scbopfergott oder Demiurg wird immer als ein niederes 
engelartiges "Wesen vorgestellt, das ron Bosbeit nicbt frei ist, oder nur 
eine aufierb'cbe lieblose Gerechtigkeit walten lafit. Man ineinte durcb 
einen Eiickscblufi aus der Bescbaffenbeit der wirkHcben Welt auf ibren 
Urbeber dies beweisen zu konnen (oben S. 219). Aber die Kreatur ist 
besser als ibr Scbopfer. Das ist ein notwendiger Gedanke, denn nur 
durcb ibn lafit sicb die Erlosung begriinden. Entweder sind in der 
Welt irgendwie Licbtelemente jenes gefallenen Aons zurlickgebHeben oder 
die Aonen teilen sie aus Mitleid, den Menscben mit (z. B. Exc. ex 
Tbeod. 53). Bei den Ophiten etwa durcbkreuzt Prunikos fortwabrend 
die Plane ibres Sobnes, des Weltscbopfers, mit dem Menscben. Sie be- 
wirkt den Sundenfall als die Abwendung vom Scbopfer nnd belebrt die 
Menscben dariiber, daB sie nur zeitweilig, bis zum Tode, den Korper 
des Demiurgen tragen miissen (Ir. I, 30, 7. 9). 5) Die Menscben zer- 
fallen in drei Gruppen, die Pneumatiker, Psycbiker und Somatiker 
(Hyliker, Cboiker), je nachdein, welcber Bestandteil in ibnen vorwiegt. 
Die Pneumatiker werden dxircb ibre Natur erlost, die Psycbiker konnen, 
wenn sie wollen, erlost werden, die Somatiker geben verloren. 3 ) 

dieser Trias ist aber der terti^ls masculus, quern Christum vacant. Diese Tier 
sind die wahre Kirche (Iren. I, 30, 1. 2). In den gnostischen Apostelakten ist 
die Trias haufig z. B. Act. Thorn. 6. 39. 

1) Scnon Plato und Philo imd dann der Kabbinismus sind hieriii voran- 
gegangen. 

2) TTipowt-xos oder ffyovveixos (von uqoevey/.eiv) wird bedeiiten zur Wollust, 
zur Hervorbringung geneigt; jtyowt.mct. ist nacb. Hesych. = Tto^vsLa. 

.3) S. z. B. Ir. I, 7, 5. Tert. c. V9-1. 29. Hippol. Eefut. V, 6 p. 134. Clem. 



238 10- Die heidenchristlicke Gnosis. 

6) Die Sinnlichkeit 1st demgemafi der eigentliche Grund des Bosen ira 
Menschen. 1 ) Aber wie von Damonen, die in dem Herzen wohnen, die 
Hede ist (Yal. oben S. 234), so ist es der Wille des Menschen, (lurch 
desseu Zustimmung der Mensch aus einem zur Siinde Befahigten wirkr 
licb bose wird. Schon der Wille zu Ehebruch oder Mord ist also Siinde, 
Wegen jener sinnlichen Anlage zur .Siinde konnen alle Menschen als 
Sunder bezeichnet werden (s. Basilid. bei Clem. Strom. IV, 12, 83). 

7) Aus der Greistwelt stammt die Eiios.ung. Erloser ist Christus,. 
Seinem Wesen nach ist er ein himmlischer Aon, der in einem Schein- 
leibe erschien, lehrte und Wunder tat. Auf seine Lehre und seine- 
Wirkungen in der Greisterwelt richtet sich das praktische Interesse. Das. 
Leiden entbehrt der Erlosungsbedeutung ; nicht der hinunlische Aon,. 
sondern seine Leiblichkeit oder auch ein anderer Mensch hat gelitten. 2 ) 



Exc. ex. Theodot. 56 : stoMal fiev ol vfaxoi, oi> Ttoklol Se ol ijjv/^y.oi, ottdvioi Se oi 
to fisv ovi> jtvevpictfuibv cpvaei aw^6/.is'uov, to Ss -ifw^iy.bv ai>iet;oijaiov 
e%ei, wads te Tciaiiv xa.1 dcp-9'a^ain'f r.ai 7i(ibs aniatiav y.ai cp&ogav 
y.aia ii]v olzeiav aigeaw, id Ss vfa'/.bv ffvasi dTiollvrcu. Herakleon b. Orig. ia 
Toll. XX, 24, 213 : ov ft^bs foils (ftjaei TOV diafiohov vlovs, foi>s '/flt'/.ovs, dhia 7t()bs 
TOVS \!)v%i'/.obs, &EOSI lov SictfioKov yivo(.ievovs, dy>' &v rf] yvaei Svvavml rives y.al 
9'eoei, viol d'eov ftprjfMiiani,. 

1) S. das altgnost. Werk c. 13 (Schmidt, kopt. gnost. Schriften S. 353): Das 
Niclitexistierende ist das Bose. das sicJi in der Materie manifestiert hat. 

2) Die gnostisclie Christologie weist iM einzelnen mannigfache Spiel r 
arteii auf. Dieselben sind geschichtlich vor allem deshalb von Interesse, weil sie 
einen EiickschhiB auf die ihnen als Ausgangspunkt dienenden vulgarchristlichen 
Christologieu gestatten. Darnach kann man sagen, dafi die gemeinchristliche 
Anscliam;ng 1) in Christus eine gottliche und raenschliche Natur unterschiedeu 
hat, und 2) in der Eegel sich die Vereinigung beider in der Taufe Jesu hat voll- 
ziehen lassen. Die Neuerung der Guostiker bestand darin, dafi sie 1) die Gott- 
heit Christi als Aon bestimmten und 2) sein menschliches Leben und Leiden do- 
ketisch faCten. Die jimgfriiuliche Geburt haben die einen anerkaunt, audere aber 
abgelebnt, z. B. Karpokrates (Ir. I, 25, 1). Eiiiige Belege mogen die ver- 
schiedeaen Formen der gnostischen Christologie veranschaulichen. Simon Magus 
scheiut einen naiven 'Modalisnras vertreten zu haben. Valentin scheint dagegen 
cleni Mdnophysitisnius nahegekoinmen zu sein : ^fists yao TOV bomoU y.al aoodiov 
f.da. s'u'ai, irjv yvoiv ya.uev, Valent. b. Clem. Al. Str. Ill, 7, 59 u. b. Photius 
Bibl. cod. 230 s. Hilgenfeld 297. 302. Valentins Schule sah in Christus einen 
Aon, der eiuen aus seelischer Substanz bereiteten Leib angenommen. Als aTta&f^ 
hat niclit er gelitten, sonderu uur sein seelischer Leib, Ir. I, 6, 1; 7, 2, anderes 
bei Tert. adv. Val. 39. Clem. Exc. ex Theod. 59. 61: ATtedavw Si- 

iov -/.arufSdiJios trf aviaj ETII rw 'loftSdvij Ttve.vf.iaios . . ., KTCBI Ttcos t'rjs 
Traoovaijs ev uiiTca dTCsd'avev TO aa)/.ia; ovrco yao &v "/MI aiirov TOV acoT-fjpos o 

0-dva.T:os Exo&rrjaev &v, oneo faoTiov. Der gottebenbildliche durch besondere 
Okonomie durch Maria erzeugte Mensch Jesus wird erwahlt von Gott, in 
der Taufe vereinigt sich init ihin der Aon Christus, auch Anthropos oder 
Menschensolm genannt, so Marcus b. Ir .1, 15, 3 cf schon Kerinth bei Ir. I, 26, 1. 



Die gnostische Christologie und Soteriologie. 239 

Der Weg der Offenbarung wird umgekehrt : zuerst nun erkenne den 
Logos, dann wirst du den Herrn erkennen, den Menschen aber drittens 
und was er gelitten hat" (Acta Job.. 101). Das Kreuz Cbristi wird so 
zum Symbol, das die obere mit der unteren Welt verbindet und das die 
linke Macbt in die Mucht jagt und alles in Harmonie vereinigt. *) 
8) Worm besteht die von Christus gebrachte Erlosung? Die Antwort 
auf diese Frage ist im ganzen bei alien Grnostikern dieselbe. Der 
himmlische Cbristus bat sicb mit Jesus verbunden, ,,um aufzulosen 
die TJnwissenbeit und zu vernichten den Tod". 2 ) Urn die 
Offenbarung des hochsten Grottes (Ir. I, 20, 3), der Weltentstehung und 
des "Weltzusammenbangs bandelt es sicb, denn wenn der Menscb dies 
erkennt, wird ibm sowohl die Aufgabe, sich von der Sinnlichkeit zu 
losen, Mar, als er iiber den Weg zur oberen Welt und die TTnsterblicb- 
keit zur Grewifiheit kommt. TJnter diesem doppelten Gresicbtspunkt be- 
greift sicb das kosmologiscbe Interesse der Gnostiker, es klart auf iiber 
die Entwicklung von oben nacb unten und zeigt den Weg von unten 
nacb- oben. Wie scbon friiber gesagt wurde, hat man entweder den 
Akzent mehr auf die Erkenntnis oder die innere TTmwandlung gelegt, 
oder man konzentrierte das Werk Cbristi auf die Mitteihing der Mysterien. 
Zu Job. 4, 34 sagt Herakleon: ,,der Wille des Yaters sei es, sagt er, 
dafi die Menscben den Yater erkennen und dadurcb gei'ettet werden". 3 ) 



Karpobrat. Ir. I, 25, 1. 2. Ps.-Tert. 15. Satornil: Tbv Se 

i)7tsdsio -/.al aacb/.m'TOV y.al aveiSeov, Soxtfaei, Se eTtiTtecprjvevai. i):i>Q QIWTIOV Ir. I, 24, 2. 
Basilid. : Christum . . . venisse in phantasmate, sine substantia carnis f'uisse. 
liunc passum apucl ludaeos non esse, sed vice ipsius 'Simonem crucifixum esse; 
unde nee in eum credemhim esse qui sit crucifimis (Ps.-Tert. 4 vgl. Ir. I, 24, 4). 
Nach den Ophiten bereitet die untere Weisheit den von Demiurgeu erschaffenen 
Menschen Jesu zu eiiiem reinen Geschopf des oberen Christus, der durch die 
sieben Himmel herabkommt, iudein er nach imd nach ihre Krafte anzieht uncl 
sich dann in der Taufe mit Jesus vereinigt. Jesus \vurde gekreuzigt, aber voii 
dem Christus erweckt. Jesus weilte 18 Moaiate nach der Auferstehung bei deu 
Jiinger und empflug durch Eingebung die reine Wahrheit, die er den Jiiugern 
verkiindigte. Dann ist er zuin Demiurgen aufgefahreu, clem er die Seelen fiir 
sich und den Christus raubt (Ir. I, 30, 11 14). Nach der Pistis-Sophia ver- 
band sich der hylische Leib aus Maria mit dem himml. Pneuma iii der Taufe, 
aber schon frtther in der Kiudheit Avurde Jesus ,,eius" mit dem Geist (59. 60. 61. 
62 f. 141), vgl. auch die Kindheitsgeschichten in dem Thomasev. Der Doketis- 
mus wird anschaulich geschildert Acta Joh. 89. 90. 

1) S. Acta Andr. 19. Act. Joh. 98. Act. Petr. 38 cf. Ev. Petr. 10. Exc, 
ex Theod. 42. 

2) Ir. I, 15, 2 : re&s/.ijxevcu yao -tbv naiEpa 'iwv o/.cot' /.vaca TI]I> ayvoiav y.at 

ibv ddvctstov dyvoias y&f> Avais >] Kniyvwats ainov KyiveTo. 

3) Bei Orig. in Joh. XIII, 38, 247 : d'ehjfia. 8e Karoos shysv el>>ai TO y 

ibv 



240 10- Di e lieidenchristliche Gnosis. 

Andrerseits sagt Maria in der Pistis-Sophia zu Jesus : wir haben offen, 
genau und deutlich erkannt, da/3 du die Schlussel der Mysterien des Licht- 
reiches gebracht hast, welche die Sunden den Seelen vergeben tmd sie 
reinigen und sie zum reinen Lichte machen und in das Licht fuhren 
(c. 135). Die Mysterien reinigen also von der Siinde und fiikren auch 
zum Himniel empor. In den Jeubuchern besitzen wir einen umfang- 
lichen Apparat von solchen Zauberformeln, die den Weg durch die 
Ttiren der Archonten bei dem Aufstieg der Seele eroffnen sollen. Ein- 
fach wird diese Tendenz in einem von Hippolyt initgeteilten Hyninus 
der Naassener (Refut. V, 10) ausgesprochen. Im Labyrinth, des Chaos 
ist die Seele gefangen, sie klagt und weint und weifi nicht aus noch 
ein. Da spricht Christus zum Yater: 

Zu.entfliehen sucht sie dem bitteren Chaos 

Und weiG nicht. me sie hindurchkomme. 

Deswegen entsende inich, o Vater! 

Mit den Siegeln werde hinab ich steigeii, 

All die Aonen durchwandern, 

Alle Mysterien eroffnen, 

Gestalten der Gotter zeigen, 

Und das Verborgene des heiligen Weges 

Erkenntnis rufend iiberliefern. 

Sakraniente, ,. Mysterien" und ,.Siegel" bringt Christus, er lehrt die 
Gestalten der "Weltgotter kennen und erofEnet dadurch den "Weg nach. 
oben. Das ist die Grnosis. die er als Eiiosung der gefangenen Seele 
bringt. Noch ein Gresichtspunkt kommt fur die Eiiosung in Betracht. 
In der Welt herrscht die Heimarmene. die sich im Lauf der Grestirne 
kundgibt und niancherlei Wirkungen auf die Menschen ausiibt ; auch von 
dieser Macht der Greister und Gfestirne hat uns Christus erlost, wie der 

Stern der Weisen es angedeutet habe (Exc. ex Theod. 69 76). a ) 

j 

9) Greinafi dieser Anschauung von der Erlosung steht in deni per- 
sonlichen religiosen Leben die Erkenntnis und die Befreiung von der 
Sinnlichkeit ini Mittelpunkt, ,,Dafi sie nicht durch die Tat, sondern 
Aveil sie von Natur vo'llig und ganz geistig sind, errettet wiirden, lehren 
sie" (Ir. I, 6, 2). In der Erkenntnis der unsagbaren Gfrofie" besteht 
die Erlosung, nur auf den Greist, nicht auf den Leib bezieht sie sich 
(Ir. I, 21, 4; 7, 5). Die Psychiker dagegen werden durch Grlaube und 
Werke errettet (Ir. I, 6, 2). In der Praxis haben die Grnostiker die 
Genossen ihrer Yerbindungen sicher durchweg fiir Pneumatiker ange- 



1) Ib. 72 : UTto tavTi]s ifjs ardaecos y-ui fid.%tjs twv Swdfiecov 6 xvqios f]/n&s 
y.al na^i'/Bi rijv eiorfvrjv 0.7(0 TIJS itav Svvdfiscav teal Tfjs tu>v dyyekmv TTCMH- 
, r\v oi fiev vn:e<) iififfjv, ol Ss y.afF fjfi&v Ttaoaidaaovtai, 



Die gnostische Frommigkeit. 241 

sehen (vgl. Ir. I, 6, 1 fin.' in, 15, 2. Hipp. Eef. V, 9 p. 174). Durch 
die Innerlichkeit personlicher TJberzeugung glaubten sie den kirchlichen 
Christen iiberlegen zu sein, dazu kam die grofiere HeilsgewiBheit, die 
sie durch ihre Mysterien meinten darbieten zu konnen. Und ihr seid 
in groflen Leiden und grofien Bedrcingnissen bei den Umgiefitmgen in ver- 
schiedenartige Korper der Welt gewesen. Und nach all diesen Leiden 
durch euch selbst habi ihr gewetteifert und gekdmpft, indem ihr der ganxen 
Welt und der in ihr befindlichen Materie entsagt habt, uivl habt nicht 
nachgelassen %u suchen, bis da/3 ihr alle Mysterien des Lichtreiches fcindet, 
welche euch gereinigt und euch zu reinem, sehr gereiniytem Licht gemachi 
haben, und ihr seid gereinigtes Licht geworden (Pist.-Soph. 100 p. 160). 
Dieser Religiositat entsprach entweder eine streng asketische Enthalt- 
samkeit, oder auch eine freiheitliche sittliche Richtung, die den sinn- 
lichen Trieben des Menschen ihren Lauf liefi. - 1 ) Die Gresamtstinamung 
der Glnostiker konamt schon zuni Ausdruck in den Andreasakten (c. 1) : 
,,selig ist tinser Greschlecht, von wem ist es docb. geliebt worden? Selig 
ist tinser Sein, von wem wurde ihm doch Erbarmen? "Wir sind nicbt 
zu Boden geworfen, wurden wir docb. erkannt von solcner Hone. "Wir 
geboren nicbt der Zeit an, uni dann von ihr avifgelost zu werden ; wir 
sind nicht ein "Werk der Bewegung, das wiederuui von ihr zerstort 
wiirde . . . Wir gehoren an der Grofie, die wir erstreben, und wir sind 
Eigentum wohl auch dessen, der sich unser erbarmt. Wir gehoren zuni 
Besseren, daruni fliehen wir vor dem Schlechteren ; wir gehoren dem 

1) Man sehe einerseits Ir. I, 24, 2; 28. 1. Hipp. Eef. V, 9, p. 170. Act. 
Joh. 53 f. 63. 113. Act. Andr. 5. 7f. 9. 25. Act. Thorn. 12 f. 88. 96. 98. 100. 103. 
117. 124. 129; an die Stelle der irdischen Ehe tritt in deii Thomasakten eine 
,,andere Ehe", nainlich die mit Christus: ,,Jesus ist der wahrhaftige Brautigain, 
da er in Ewigkeit unsterblich bleibt" (124 cf. 14, vgl. Clein. Homil. 13, 16). Andrer- 
seits haben Basilides und Isidor die Ehe freigegeben (Ir. I, 24, 5. Clem. Al. 
Strom. 1111,1 3), Epiphanes erklarte die Geschlechtslust fiir uni\berwmdlich, da 
sie &sov Soyfia sei (bei Clem. Strom. Ill, 2, 9; 3, 9). Karpokrates meinte: Si a 
Ttiatecos yao r.al dydattjs ocb^sad'ai- TO. 8s l.oi/rta. ddidcfopa ovta xarot. T>]>> 
6::av i(ov avd'QWTtcov, TI-IJ fisv dyaO'd, 7trj Se xay.d rofii&adai., ovSsi'bs yijoei y.axov 

<b7td,<)%ovTos (Ir. I, 25. 5). An der kirchlichen Strenge iibte man spb'ttische Kritik, 
z. B. auch hinsichtlich des Martyriums (Ir. 1, 6, 2, 3; 24, 5; 25, 3; 28, 2; 31, 2; 
III, 18, 5. Clem. Strom. IV, 9, 73. Agrippa Cast. b. Eus. h. e. IV, 7, 7), gegen 
die &atQMol doxijTat sprach Isidor (bei Clem. Ill, 1, 1), gegeii das Fasten s. 
Epiph. h. 26, 5. Auch Plotin (Eimead. I, 9, 15) tadelt an den Gnostikern, daB 
,,sie von der Tugend garnicht sprechen", nicht lehreu ,,wie die Seele geheiligt 
und gereinigt wird", sondern es hei dem pUne xybs Osoi' seiu Bewendeu haben 
lassen. S. auch die Stelle Porphyr. de abstinent. I. 42, auf die C. Schmidt, 
Plotins Stellung etc. S. 45 f. aufmerksarn geniacht hat, wo die Gnostiker den 
Gl'Uudsatz verfechten : s&v e-Hafirjd'aifiev ftg&aw, edovfabfrtjitsv TW roV fOfiov Tt 

, Set Se Ttavi^ fjfiJv iiTtot si d'/^ fra i. 

Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Aufl. 16 



242 10- Die heidenchristliche Gnosis. 

Guten an, urn dessentwillen wir das Schimpfliche von uns stofieu, dem 
Gerechten, duvcli den wir das TIngerechte fortwerfen, dem Barinherzigen, 
durch den wir den TJnbarmherzigen forttreiben, dem Erretter, durcli 
den wir den Verderber erkannt haben, dem Lichte, durch das wir die 
Finsternis vertrieben haben, deni Einen, durch den wir das Viele fort- 
wandten, dern Uberhimmlischen, durch den wir das Irdische erkannt 
haben. dem Bleibenden, durch den wir das <jiicht)> Bleibende verstanden 
haben. Wenn wir wurdig Dank oder Zuversicht oder Lied oder Preis 
axiszusprechen uns vornehmen gegen den Gott, der sich unser erbarmt. 
hat (so sei es urn nichts mehr?), als dafi wir von ihm erkannt sind." 

10) Eine Eschatologie feblt den Gnostikern. An die Stelle des 
grofien Dramas von Gericht und Vollendung tritt der Aufstieg der Seele 
in das . Pleroma. Als ein Glied der oberen Welt und als ein Sohn des 
obersten Gottes stellt sich die Seele den himmlischen Machten vor. 
Dann werden diese machtlos, sie aufzuhalten, sodaB sie den Weg nach 
oben zimicklegen kann. Die Seele sagt den Archonten das Mysterium. 
derselben und diese fallen voll Eurcht auf ihr Antlitz, sie aber geht 
weiter, diese unteren Gewalten auf ewig meidend. 1 ) Diese Reise zum. 
Himinel ist fraglos ein Hauptgegenstand der gnostischen TJnterweisung 
gewesen, 2 ) tmd viele Mysterien dienten dazu, die Seele der Errettung: 
nach dem Tode sicher zu machen. Die Seelen, die die Mysterien nicht 
empfangen haben, verf alien den Strafen der Archonten und .werden 
wieder in Korper geworfen, die ihrer Siinden wurdig sind (Seelen- 
wanderung, s. Pist.-Soph. Ill), die schlimmsten Sunder dagegen werden 
in die aufierste Finsternis geworfen und dort ,,vernichtet und aufgelost" 
(ib. 147). ) 

12. Die Gnostiker bildeten in der Ptegel wohl geheime Vereine in 

der Kirche oder sie grtindeten auch eigene Gemeinden (z. B. Ir. Ill, 

J 
4, 3 ; 15, 2. I, 13, 7). Dabei suchten sie ihr gereinigtes Christentum 

naturgemafi den kirchHchen Christen nahezubringen (Ir. Ill, 15, 2. Tert.. 
praescr. 42). Mit dem. Gemeindecharakter der Gnosis hing es nun zu- 



1) S. die Eorinelu der Markosiauer bei Ir. I, 21,, 5; 13, 6; ferner im Phi- 
lippusev. bei Epiph. h. 26. 13. Act. Joli. 114. Act. Thorn. 167. ffippol. Eef. V, 
16 p. 190. Pist.-Soph. 112 p. 187. Jeii II, 49 p. 314; I, 33ff. f 40; vgl. liber den 
Weg- ,,durch die Planeten" Gels. b. Orig. c. Gels. VI, 21 f. Plotin Enn. II, 9,13., 

2) Darin hat Anz in der oben erwahnten Abhandlung Eecht, er geht aber 
zu weit, wenn er den ganzen Gnostizismus aus diesem Gesichtspunkt erklaren. 
will. Die reiche Ausbildung dieses Elemeiites in der koptischen gnostischen 
Literatur versteht sich aus der agyptischen Volksreligion. 

3) Die SeeJen der Gerechten werden, auch wenn sie keine Mysterien haben,. 
nur ,,ein wenig" von dem Eauch der Strafnammen ergriffen, das Feuer ,,belastigt. 
sie teilweise", Pist.-Soph. 147. 103. 



Gnostische Gemeinden und Mysterien. 243 

sammen, da6 sie Symbols, beilige Formeln und Weiben in Anwendung 
brachten, urn so ibre Gremeinschaften abzugrenzen und ibre Bedeutung 
anscbaulicb zu machen. Das fiihrt uns auf ein weiteres Hauptelement 
der' gnostischen Gedankenbildung, auf die Mysterien. 

Es gab eine grofie Anzabl gnostischer Mysterien. Die meisten von 
ihnen erweisen sich bei genauerer Betracbtung als "Weiterbildungen der 
Taufe oder aucb des Abendmabls. Aus der christlicben Taufe macbte 
man etwa mebrere taufartige Handlungen. Man kniipfte an Altertiim- 
licbes an, wenn man die Wasser- und Geisttaufe voneinander unterscbied 
und letztere als Mittel wider die bosen Greistmacbte ansab. 1 ) Das 1st' 
aucb der Sinn der Anwendung von 01 und Wasser bei der Taufe. 2 )' 
Die koptiscben Scbriften sprecben von einer dreifacben Taufe ; wit 
"Wasser, Eeuer und Greist, wobei die Eeuertaufe dem Wort des Jobannes, 
Jesus werde mit Eeuer taufen, entnommen wird (Pist.-Sopb. 122. 143. 
Jeu II, 43. 45). Hierber gebort aucb das Sakrament der artohmgcoGig 
bei den Markosianern. Auf die Wassertaufe folgt die geistlicbe Taufe 
oder die Erlosung (Ir. I, 21, 2 5). Das ist zugleicb eine lu-CQtooig 
ayyehlM], wie aucb die Engel sie baben, so dafi der Getaufte auf den- 
selben Namen getaiift wird, auf den friiber. sein Engel getauft ist (Esc. 
ex Tbeod. 22). 3 ) Mit- der Feuertaufe stebt der Eitus in Zusammen- 
bang, binter dem recbten Obr die Glaubigen zu brandmarken (Ir. I, 
25, 6. Clem. Eel. propb. 25. Gels. b. Orig. c. Gels. Y, 64). Im Zu- 
sammenhang mit der Taufe stebt aucb das ,,Mysterium der S linden-" 
v erg eb ung". Wir baben frtiber (oben S. 130) den Zusammenbang von 
Taufe und Bufipraxis kennen gelernt. JSTicht ntu* reinigt Jesus durcb 
die Taiife von den Siinden, sondern er gibt den Jungern aucb das 
Mysterium der Stindenvergebung : ,,damit deni, welcbem ibr auf Erden 
vergeben werdet, ira Himniel vergeben wird, iind der, welcben ibr auf 
Erden binden werdet, im Himmel gebunden sein wird." 4 ) Hierber wird 



1) So die Valentinianer s. Exc, ex Theodot. 77. 86. 81 : TO Se &VW&EV 
Ttvsvfia dacbfiaiov ov ov aroi'/^Uov j.iovov, dtJ.a y.al Svvdfiecav y.^aiEl y.al doy.cov 

v, cf. Orig. c. Cels. VI, 27. 

2) Act. Thorn. 25, 26 f. 52. 157. 1211 182 (zuerst 01, dann Wasser), Ir. I. 
21, 3. 4. 5. 

3) Auch miter den Gesichtspunkt eines Ttvsv^aiixbs ydftos tritt dies, s. Ir. I, 
21, 3 cf. Act. Thorn. 12-14. 98. 124 Exc. ex Theod. 64. 

4) Pist.-Soph. 141 f. p. 243 f. Hier wird die Einsetzung dieses Sakramentes 
ausfiihrlich geschildert, Jesus spricht sinulose Formeln aus mid sagt: Du Vater 
aller Vaterschaft mogen die Siinden vergeben k'onnen, deren Namen diese sind: 

aicfn,(>8yi'i%iev ^evsi- fiegifiov aozapQWK)' evd'agf va- -va'i- 
viTtos' xtyie' ewaifi- f.iovd~(,ov^ f afiov(>- nev^jQ- oovo%oi>3' 

Erhoret mich, indem icli euch anrufe, vergebet die Siinden dieser Seelen und 



244 10. Die heidenchristliche Gnosis. 

aucb die Olsalbung an Sterbenden zu zieben sein, von der Irenatis 
(I, 21, 5 vgl. Epipk. h. 36, 2. Orig. c. Gels. VI, 27) erzab.lt. Sie stellt 
nur eine besondere Anwendung des Erlb'sungssakraraentes resp. der Geist- 
taufe dar, indem sie den Sterbenden befabigt, den Nacbstellungen der 
Engel zu entgeben ; zugleicb werden zu demselben Zweck deni Sterbenden 
Eornieln mitgeteilt. 

Tim das Abendmabl baben sicb nicbt soviel Scblingpflanzen gelegt 
wie" urn die Taufe. Irenaus erzahlt von der zauberbaften Magie, die 
Markus clamit trieb. Durch die Epiklese gab er deni Wein rote Farbe 
und erklarte ibn fiir das Blut der Cbaris, das die Empfanger enthalten. x ) 
Oder er gofi den Wein aus einem kleinen in einen grofien Kelcb, der 
zum tJberiaufen voll wurde (Ir. I, 13, 2). Aber eine sebeuBliche Anwen- 
dung des Abendmablsgedankens wird aucb in jenern ekelbaften Mysterium 
zu erblicken sein, das bei einigen Grnostikern gebraucbt worden 1st. Mannes- 
same und weiblicb.es Menstrualblut wurden in Linsen gekocnt und ge- 
nossen, oder es wurde ein Embryo zerstofien und niit Pfeffer vermengt 
genossen. Man sab bierin, wie Epipbanius beriebtet, das ,,vollkommene 
Passab" oder den Leib Obristi. 2 ) Aufier diesen Mysterien sind nocb 
verscbiedene andere vorgekonimen , besonders die koptiscben Scbriften 
sind reicb daran. Zauberformeln , um auf die Aonen der jenseitigen 
Welt zu wirken, oder um aus Kranken die Damonen zu vertreiben, baben, 
wie es scbeint, iiberall in Geltung gestanden. 3 ) 



tilget ihre Missetaten OMS; mogen sie lourdig sein zu clem Reich meines Vaters, 
des Vaters des Lichtscliatzes gerechnet zu iverden. Die Wirkung des Sakramentes 
ist die Austilgnng aller Siinden und die Verwandlung des Menschen in ,,reiues 
Licht", ,,unsterbliche Goiter" werden sie und bei dem Aufstieg durch die Himmel 
fliehen aUe Aonen Tor ikneii (Jeii II, 44 p. 3061; 49 p. 314f. ; 52 p. 328 f.). 
Pist.-Soph. 142 heifit es: Dies nun ist das wahre Mysterium der Taufe fiir 
die, deren Siinden vergeben . . werden. Aber trotzdem ist dies Mysterium nicht 
identisch xuit der Taufe, wie es darnach aussieht, denn Jen II. 51 bitten die 
Jiinger, nachdeni sie die drei Taufen empfangen haben (c. 44 47), um das 
Mysterium der Siindenvergebung. 

1) Sollte dies mit dem alten Abendniahlsgebet: ItMtm %d(>is (Did. 10, 6) 
zusammenhiingen? Act. Job.. 110 ist das Abendmahl i] iov '/.VQ'IOV %d<]is. 

2) S. Epiph. h. 26, 4. 5. Pist.-Soph. 147. Jeu II, 43. Dazu Cyrill. Oat. 6, 33. 
Augustin de haeresib. 46, de moribus Manich. 18, 66. Ahnlicb.es sagen die Man- 
daer den Christen nach, s. Brandt, Die mand. Eelig. S. 143. 

3) Z. B. ein Mysterium, das die Bosheit der Archonten in den Jungern fort- 
schaSt und sie imsterblich macht (Jeu II, 48), ein Mysterium der Totenaufer- 
weckungeu uud der Krankenheilung (Pist.-Soph. 110. Ill), HandaufleguBg in An- 
fechtungen (Isidor bei Clem Strom. Ill, 1, 3). Dazu maneherlei magische Formeln 
und Brauche (Ir. II, 32, 3. Plotin Ennead. II, 9, 14. Orig. c. Gels. VI, 31. 39. 40), 
Bilder (Ir. I, 23, 4; 24, 5; 25. 6). In den Jeubiichern und der Pist.-Soph. sind 



Der gnostische SakratnentsbegrifL 245 

Die erste Erkenntnis, die wir gewonnen haben, 1st die, dafi die 
Mehrzahl der gnostischen 'Mysterien sich als Fortbildungen der Taufe 
(und des Abendmahls) verstehen lassen. Dazu kommt, zweitens, die 
Abzweckung der meisten dieser Mysterien auf die Himmelsreise. Die Myste- 
rien reinigen von den Siinden und eroffnen den Weg zum Lichtreich. 
,,Nicht wiirden sie das Lichtreich ererben konnen, wenn ich nicht ihnen die 
reinigenden Mysterien gebracht hatte," sagt Jesus in der Pistis-Sophia (100), 
Maria aber sagt zu ihm : ,,wir haben offen, genau und deutlich erkannt, 
dafi du die Schlussel der Mysterien des Lichtreichs gebracht hast, welche 
die Siinden der Seelen vergeben und sie reinigen und sie zum reinen 
Licht machen und in das Licht fiihren" (ib. 13, 5 extr. 103. 134. 91). 
Diese Keinigung erscheint nun aber und das ist der dritte wichtigste 
Punkt als eine physische. In die sinnlichen Elemente kommt durch 
Anrufungen eine Kraft hinein, die wunderbare Wirkungen am Menschen 
ausubt. Damit ist aber der spatere Sakramentsbegriff gefunden. In das 
Wasser oder 01 der Taufe kommt der Greist. ,,Komm und wohne" 
heifit es vor einer Taufe in den Thomasakten, ,,in diesem Wasser, daniit 
die Gnadengabe des heil. Greistes yollkommen in ihm Yollendet werde" (52). 
So dachte man auch bei dem Abendniahl an eine Yerwandlung des 
Brotes in eine ,,geistliche Kraft" (Exe. ex Theod. 82). - 1 ) Den Geist 
stellte man sich dabei in antiker Weise entweder als einen feineren >Stoff 
wie Luft oder Feuer vor, oder wohl auch als eine beAvegende 
Energie. 2 ) Eine der wichtigsten Bildungen der Gnosis ist in diesem 
Sakramentsbegriff zu erblicken. . In die sinnlichen Synibole werden iiber- 



imverstandliche und sinnlose Gebets- mid Zauberformeln sehr naufig. Ahnliches 
ist in der Abraxaslitteratur oft vorbanden. 

1) Act. Thom. 52 : eytv^e y.o.\ <jKt]v<oaov e-v TOIS vSaat TOTJTOIS, 
ayiov 7tvev/.iaTOS lelsicos sv avrois TEAeico&f]. Ib. 157 : ^I-rjoov 

Svvafus aa.1 eviSgija&w TCO slalca IOTJICI) cf 27. Demgema'B ist die Vorstellung 1 
von der Wirkung des Sakramentes Pist.-Soph. 115: wpr die Mysterien der 
Taufen empfangen ivird, so wircl das Mysterium jener zu einem gropen selir 
yeiualtigen ^ue^sen Feuer, und es verbrennt die Siinden und geht in die Seele 
im Verborgenen ein und verzehrt alle Siinden . . . Und wenn es alle Siinden 
zu reinigen ~beendet hat . . ., so geht es in den -Korper im Verborgenen ein und 
verfolgt alle Verfolger im Verborgenen und trennt sie nach der Seite des Teiles 
des Korpers. Tiber die magische Wirkung der eTtly.l-tjois bei dem Abendmabl 

S. Ir. I, 13, 2. Dazu Exc. ex Theod. 82: %al o li^ios nal ib ekaiof uyid^eTai Ttj 
Swdfiet tov ovofiatos ov to. aiim ovia "/.aid, TO tpcuv6{.ievov oia eArfqp-fr/jf a)J.a Sv- 
V&/.IEI sis SiJVttfiiv ?tv sv f.iarixi]V t uetaj3 e ^).i]tai- ovrcos xal to vScaf) v.a\ 
TO K^o()y.tfc t 6 l U8Vov VMI ib fidTtTiOfta yiiVOfievov oi) fi6vov yjcoqeZ 16 xstfjoi', a.}./.a xal 



2) S. z. B. die aus Pist.-8oi>h. angefiihrte Stelle in der vorigen Anm., dazn 
Exc. ex Theod. 17. 



.246 10- i e heidenchristliche Ghosis. 

weltliche Krafte vermoge bestimmter Fornieln herabgezogen. In dern 
Ding wohnt gottliche Kraft und diese dringt als physischer Stoff oder 
eine physische Kraft in die Seele hinein. Diese Anschauung von den 
Mysterien haben die Gnostiker geschaffen oder ihn aus den Volksreligionen 
ihrer Zeit in das Christentum emgefiihrt. Sie haben den kircblichen 
Sakramentsbegriff in ihrer "Weise zuerst gepragt. 

13, Die gnostische Lehre gab sich als Geheimlehre. Das war 
durch die praktischen Verhaltnisse bedingt und diente als Nimbus fur 
die Lehre. Hit beidem hing es welter zusaimnen, daB die Gnosis ihre 
Weisheit auf Offenbarung zuriickfuhrte. Nur so konnte der geheininis- 
volle Nimbus aufrecht erhalten werden, und nur so vermochte man diese 
Lehre der Kirchenlehre gegeniiber zu behaupten. ),Von den unnenn- 
baren und unsaglichen und uberhinimlischen Geheimnissen rede ich zu 
euch, die weder von den Gewalten, noch den Machten, noch von (ihreri) 
TJnterordnungen, noch von dera ganzen Chaos erkannt werden konnen, 
sondern nur durch den .Sinn des TJnwandelbaren offenbart werden." 
Diese Worte zu Beginn einer valentinianischen Schrift (Epiph. h. 31, 5) 
bringen diese geheimnisvolle Offenbarungsstimmung trefflich zum Aus- 
.druck. Wie die Lehre, so sollten auch die Mysterien geheiragehalten 
Averden. Aber sehr viel mehr als der Ausdruck hochster Wertschatzung 
diirfte hierniit nicht genieint gewesen sein. 

Sollte nun aber diese Offenbarung unter Christen ihren Zweck er- 
reichen, so niufite sie christlichen Charakter an sich tragen. "Wohl nahmen 
die Gnostiker init dem Pneuma fur ihre Kreise auch die Gabe der Pro- 
phetie in Anspruch und es fehlte ihnen derngemafi auch nicht an prophe- 
tischen Biichei-n. - 1 ) Aber sollte mit der Kirche nicht ohne Erfolg kon- 
kurriert werden, so mufite man sich auf dieselben Autoritaten wie sie 
stiitzen. Da standen obenan die Worte Jesu. Ptolomaus sagt , daB 
auch die Gnostiker sie durch die Apostel iiberliefert bekommen haben 
und daB sie alle ihre Lehren an der Lehre Jesu beniessen. 2 ) Dabei aber 
wandte man reichlich die allegorische Exegese an, um die eigenen Ge- 
danken in den Worten Jesu wiederzufinden, besonders die Gleichnisse 
boten hierzu Anlafl. 3 ) Der ,,Konigische" etwa mit seinen Knechten ist 



1) Eine genaue Zusaiumenstellung gibt Lie lit en ban in der Ztschr. f. d. 
neutest. Wiss. 1902, 223 H. . 

2) Epiph. h. 33, 7: a^iov/.dvii TJ 7 S agtoarofavris nayadoaecos, fjv ex tado%f]s 
'/, ul ijfisZs Ttageikijfjpaftev fisra y.nl TOV y.avovioai Ttdvras fovs 1.6yov Ty tov morfj^os 



3) Exc. ex Theod. 66: 6 acarijfj iovs aTtoaio^ovs eSiSaay.Bv, tct fiev 
Tti'/.&s y.a\ [ivati'/.ffjs, ta 3e vaTEfia naoafiohi'/.cos xui i/viyfievcos, TO. Ss tQita, aacpws 
l yv/nvcas VMIUL 



. Die gnostischen Offenbarungen. 247 

der Demiurg mit semen Engeln (Herakleon bei Orig. in Job. XIII, 60). 
Wenn Paulus von Aonen" redet, so bezieht sich das auf die gnostischen 
Aonen. Die zwolf Apostel bedeuten zwolf Aonen, die achtzebn Monate, 
die er nach der Auferstebung bei den Jiingern gewesen sein soil, be- 
ziehen sich auf acbtzebn Aonen, oder der Name Jesu (/j) bedeutet acht- 
zehn (irj = 18) Aonen usw. (s. Ir. I, 3. 8. 18 cf. Tert. de praescr. 
.38. 17. de resurr. 63). So fand man leicbt fiir jede Behauptung eine 
bibliscne Begriindung. Dazu trat nun aber welter die Berufung auf 
j Geheimtraditionen der Apostel , die diese von Jesus, besonders in der 
Zeit nacb der Auferstebung, die man moglichst ausdebnte (18 Monate 
oder gar 12 Jabre) empfangen batten. Nicht auf den Bucbstaben meinte 
man seine Sacbe stellen zu sollen, sondern auf die viva vox der Apostel. 
Nicht anders war ja auch die kircblicbe Lehre entstanden, wie wir fruher 
erkannt baben. Das koptiscbe Bucb der Sophia Jesu Christi" beginnt 
mit denWorten: ,,Nach seiner Auferstebung von den Toten batten sicb 
seine zwolf Jiinger und sieben Frauen, seine Jiingerinnen, nacb Galilaa 
begeben auf den Berg . . . . , indem sie in Zweifel waren in betreff der 
Hypostasis des Alls und der Oikononiia und der beiligen Pronoia und 
der Arete der Gewalten, in betreff aller Dinge, welcbe der Erloser mit 
ihnen gemacbt hatte, die Mysterien und die heilige Oikonomia. Da offen- 
barte sich ihnen der Erloser, nicht in seiner friiheren Grestalt, sondern 
in dem unsichtbaren Geiste". Die Jiinger legen ihm dann ibre Pragen 
vor und er beantwortet sie sofort (0. Schmidt in den Sitzungsber. d. 
Berl. Akad. 1896, 841). Grade ebenso 1st die Form der Belehrungen 
Jesu liber die Aonenwelt und die Mysterien zu ihrer IJberwindung be- 
rschaffen, die wir in der Pistis-Sopbia und den Jeubiichern kennen lernen. 
Das war die Weisbeit, von der Paulus unter den Yollkonimenen redete 
nach 1. Kor. 2, 6 (Ir. HI, 2, 1 cf. I, 20; 25, 5. Clem. Strom. VII, 17. 
Hippol. Eefut. VH, 20; V, 7. Tert. de praescr. 25 f.). Aus dieser 
^Geheimiiberlieferung ging dann wieder eine umfangliche Literatur hervor. 
.Evangelien und Berichte iiber die Lehren des Auferstandenen, Apostel- 
geschichten und Zauberbiicber entstanden in grofier Menge, sodaB Ire- 
naus von einem ccf.iv-9^jTOV TrA^og arcoKQVCpcov Y.CU vo&cov ygacpCbv reden 
kann (I, .20, 1). Hier zuerst bat man der ,,"Wahrheit" zu Ebren in 
gro'Btem Unifang gefalscht und Tatsacben wie "Worte erdichtet. An Phan- 
tasie und Geist hat es in dieser Literatur nicht gefehlt, aber freilich auch 
nicht an wiistem Aberglauben und an den geistlosesten Anhaufungen von 
.Zauberformein und Himmelsgestalten. 

14. Das Avar die neue Weltreligion. Sie wollte die Offenbarungs- 
religion im weitesten ITmfang sein. Sie wollte den Menscben bieten, 
was die Kirche nicht zu bieten schien. eine freie innerliche tlberzeuguug, 



248 10- Die lieidenekristlicke Gnosis. 

eine timfasseude Weltanschauung, eine gesetzesfreie Moral und die Ge- 
wifiheit der Erlosung im Diesseits und Jenseits. So sollte das Okristen- 
tum die Religion der Aufgeklarten werden und dadureh alien alles sein. 
Die eigentiimlich gereizte Stimmung, die zwischen der Kirche und den 
.,fortschrittlichen" Christen zu herrschen pflegt, konnte auch hier nicht. 
ausbleiben. Die Gnostiker liefien .die Kirche ihre vermeintliche TJber- 
legenheit. immer wieder merken, bald im. Ton ubeiiegener Aufklarung,. 
bald in der Weise des durch seine Mysterien des Heils sicheren Eana- 
tisrnus. Und die Kirche quittierte darauf mit dem ganzen Selbstbewufit- 
sein der besessenen Offienbarung und mit der ganzen Wucht der ver- 
leugneten "Wahrheit. Aber wenn etwas sicher ist, so ist es dies, dafi. 
es sich hier nicht urn einen leeren Streit um "Worte, um ein mehr oder 
minder handelte, sondern dafi wirklich. zwei religiose Auschauungen mit 
aller Wucht aneinanderprallten. Man hat das "Wesen der Gnosis als 
..die akute Hellenisierung' des Christentuins" bezeichnet (Harnack). Diese- 
f eine Beobachtung pafit aber blofi auf die philosophische Gnosis , und 
auch auf sie nur teihveise. Die Einfuhrung des ganzen Heligionssyn- 
kretismus in das Christentuni charakterisiert die Gnosis ; nicht nur grie- 
chische, sondern vor allem orientalische Anschauungen waren es, die so^ 
in das Christentuni eingefiigt wurden. Aber allerdings und das ist 
das Richtige an Harnacks Porniel der Hellenismus gehorte von 
Anfang an in das Gefiige der neuen Religion und er ist, je langer desta 
mehr, fur dieses rnafigebend geworden. Die griechische religiose Seelen- 
stellung gab dem Gnostizismus seine entscheidende Eigenart dem TJr- 
christentum gegentiber. Die Beriihrung der Gnosis mit dem. Geist 
des Paulus scheint mir sicher zu sein, aber im tiefsten Yerstandnis 
der Religion ging sie ganz andere Wege als der Apostel. "Urn die Herr- 
schaft des ,,Herrn" und um die beseligende, freie geistige TJnterwerfung 
unter diese Herrschaft handelte es sich bei Paulus zu oberst. Das Ver- 
standnis der Welt, ihres Ursprunges und ihres Zusammenhangs, die kon- 
templative Anschauung der Gottheit, und die physische Beruhrung und 
Durchdringung mit den Kraften und .,Geheimnissen" der oberen Welt 
das waren die eigentlichen Absichten der Gnosis. Sie wurden ge- 
leitet von den Interessen der absterbenden griechischen Kultui- dem 
Abscheu Yor dem Einfachen und Hellen, der Neigung zu kornplizierten 
dunkeln Gedanken und dem Bestreben sie durch die massiven Mittel des 
religiosen Materialismus zu stiitzen , das Christentum war, tro\z allem^ 
die Religion heiligen Geistes, einfach, stark, wirksam und wirklich. Der 
Geist der antiken Welt und der Geist Jesu Christi traten letztlich in 
den beiden Erscheinungen einander gegenliber. Die grofite Frage der 
.Zeit ob Christentum oder ob die alte Religion? kam in diesem 



11. Der Keformversiich cles Marcion. 249 

Gegensatz zum Ausdruck. "Wie und wodurcb. die Kirclae die Gnosis 
xiberwand, wird spater zu untersuchen sein. *) 



11. Der Reformversuch. des Marcion. 

Quell en: Iren. I, 27, 24; III, 12, 12 u. s. Celsus b. Orig. c. Gels. VI, 
74. 53. Tert. adv. Marcionem 11. 5. Ps. Tert. 17. Philaster h. 44. 45. Epiph. 
h. 41. 42. Hippol. Eefut.VII, 29-31. Adamantius Dial, de orth. fid. I. II, ed. 
van de Sande-Bakhuyzen, 1901. Esnik (armen. Bisch. d. 5. Jahrh.), Wider die Sekten 
(iibersetzt von J. M. Schmid, Wien 1900), IV, 1 8. 172 ff. Vgl. Ehodon liter M.'s 
ScMiler Apelles bei Ens. h. e. V, 13, Frgg. des letzteren in Texte u. Unters. VI, 
3, lllff. vgl. Harnack, De Ap. gnosi monarch. 1874. Darstellnngen : Har- 
nack. DG. I 3 , 254ff. u. Ztschr. f. wiss. Th., 1876, S. 80ff. Bonwetsch b. 
Thomas. DG., I, 81 ff. Zahn, Gesch. des nil. Kan. I, 585 ff.; II, 409 ff. Hilgen- 



1) Aber schon hier muB bemerkt werden, daB die grofie geistige Bewegung, 
die die Gnosis reprasentiert, nicht nnr negativ, sondern auch positiv auf die 
Kirche eingewirkt hat. Das gilt von dem literarischen Betrieb, wie etwa den 
Apostelromanen oder den biblisehen Kommentaren, es gilt auch von den Lehr- 
schriften mit der Terminologie der griechischen Philosophic. Vor allem kommt 
in Betracht die Einfiihrnng des sakramentalen Mysteriengedankens. Manche Ge- 
danken der spateren Zeit sind von den Gnostikern antizipiert worden, ohne daU 
an Abhangigkeit zu denken -ware. Einiges clerartige sei hier notiert. Voin Ur- 
vater z. B. hieB es bei spateren Valentinianern : "ESo^sv afacp WZB 16 '/Mllimov 
VMI rekeicbiaTov, 8 A'/EV ev aim!}, yevvrjaai y.al TCgoayayefv yile^rjuos "/a(> oil-/, fjv. 
"AyaTitj yay, (prjalv, i]v ohos, >] e dydTttj oi>x safiv dydTCi], eav fit] f/v ib dyu7t(o t uevov. 

Daher die Erzeugung von vovs und dfajd'eia (Hipp. Eef. VI, 29 p. 272). Die 
prinzipielle Betonung der Allgemeinheit der Siinde und ihrer natiuiichen auge- 
boreneu Art (Basil, b. Clem. Str. IV, 12, 83. Iren. IV, 27, 2). Basilides hat die 
Fornrel gebrancht: wi Kitu'/cokovfrtiua S' ati tfjs e-^oy^s TT/S V7ts^xoa/.iiov i^v 

y.oafiixrjv ciTtdmjs fvasmg avveTtsadai Tiiartv (Cl. Al. Str. II, 3 p. 434). AUein diese 

Erwahlung bedentet doch ntir ein fiascos nlBovexTiiua. (ib. cf. Str. V, 1 p. 645). 
Vgl. auch die iuteressanten Formeln gnost. Gegner, die Orig. bekampft: ot)/ 

efjyov eat<u to wi &osii]v /Siovf d)J,ot 7cd'tn>] freia. '//tyis, oder ot)x EX TOV 
TO ffdi^eadai. dM? ex xmaay.eviis . . . i] sx ztoocuoeaecos iov ore ftov/.eTai 

, cf. Ro'rn. 9, 16 (Orig. de princ. Ill, 1, 8ff. 15. 38 ed. Eedepenning 
p. 28. 33). Der Znsammenhang mit Paulus ist klar, der Sinn doch andersartig 
(vgl. c. Gels. V, 61), s. uoch PrisciU. tr. 1 p. 32 ed. Schepss cf. p. 11. 39. Den 
Terminus ofiooiiaios haben Gnostiker vielleicht zuerst gebraiicht (z. B. Ep. Ptol. 
ad PL b. Epiph. h. 33, 7: das Gute hat die Natur fd Suoia EO.VTOV y.al 6fioovaia 
IE y.al Ttyocpefieiv, der Gegensatz dazu ist ere^as oiialai rey.al yvascos 
xcbs. Clem. Exc. ex Theod. 42. 50. 53. IT. I, 5, 1. 5. 6; 11, 3 cf.'l. 30, 
8. 14; II, 19. Hipp. Eef. VII, 22 cf. Clem, homil. 20, 7. Ireu. II, 17, 2 = 
eiusdem substantiate, ebenso iibersetzt Angustin in Joh. tr. 97, 4 vgl. consul>- 
stantialis Tert. adv. Hermog. 44. Herakleon sagt afaol T^- adrrjs yvascos (ivies 
ica Ttariil 7tvev/.id eioiv, das gibt Origeil. "wieder dlirch : dfiootiotot r/J (iyevitijtq? 
fpva'ei, in Joh. XIII, 25). Die gnost. ,,Zweinaturenlehre" folgt kirchlichen Vor- 
bildern, hat aber auf die kirchliche Lehre kaum eingewirkt. 



250 -11- Der Reformversucli des Marcion. 

feld, Ketzergesch. S. 316f. Meybooin, Marcion en de Marcionieten, 1888. 
G. Kriiger. PEE. XII. 266 ff. Zur Chronologic s. Harnack, Chronologie I, 306 f. 

1. In Marcion erblickten die Kirchenvater den schlimmsten Gnostiker 
neben Valentin. Die Untersuchungen Harnacks und Zahns haben eine 
andere Betracbtungsweise veranlaBt. Man siebt beute Marcion fur einen 
TJltrapauliner an, der die Kircbe durcb das Evangelium Pauli reformieren 
.wollte. Blickt man auf den auBeren Bestand des rnarcionitiscnen Systems", 
so treten einem die Ahnlichkeiten mit dern Gnostizismus deutlich ent- 
gegen (der gute und der gerecbte Gott, die doketiscbe Christologie, die 
Askese). Allein es fehlen so wicbtige Bestandteile der Gnosis, wie die 
Aonenlehre und die Lehre von der Entstehung der Siinde. Dazu kommt, 
dafi. Marcion nicbt erdiclitete Offenbarungen benutzte, sondern sicb. -strong 
an die pauliniscbe Lebre bielt, und dafi, wie gescbicbtlicb feststebt, seine 
Lekre von den zwei Gottern nur ein spaterer Einscblag zum Abschlufi 
seiner "Weltanschauung ist. Angesicbts dieses Tatbestandes tun wir gut 
daran, in der DG. Marcion gesondert von den Gnostikern zu bebandeln. 
Bei den Gnostikern wirkte das pauliniscbe Evangelium nur nacb in der 
Form dunkler Ahnungen und balb verstandener Bediirfnisse und es ver- 
band sicb daber mit alien Tendenzen des religiosen Synkretismus, uber 
den ,,Paulinisraus" des Simon Magus karnen sie nicbt binaus. Marcion 
wurde durcb tiefste innere Edebnisse auf das Evangelium des Paulus 
gefiibrt und er rnacbte vollen Ernst mit ibm, so wie er es verstand. 
Er war wirklicb ein Pauliner und mit Paulus in der Hand wollte er die 
Kirche vorn Gesetz befreien und ganz auf das Evangelium stellen. Er 
Avollte mit Bewufitsein reformieren, aber nicbt dem Aberglauben der Ge- 
bildeten zuliebe, sondern im Geborsam gegen das Evangelium. Und er 
bat mit einer Energie obnegleicben sein Leben diesern Werk gewidmet. 
So ist er der erste in der Kette von Reformern, deren l.etzter und grofiter 
Lutber war. Sein Auftreten bezeugt uns sowohl, dafi das Gesetzes- 
cbristentum inirner macbtiger in der Kircbe geworden war, als auch, dafi 
die pauliniscbe Tradition in ibr fortwirkte. Man mufite Paulus wieder 
entdecken, aber man konnte ibn nocb finden. 

2. Urn 140 karn M. nacb Rom, wabrscbeinlicb aus der beimiscben 
Kircbe (in Sin ope) wegen Hurerei ausgestofien. Er ist Glied der 
roniiscben Gemeinde geworden (Tert. IY, 4). -Eine Erage brennt ibm 
auf dem Herzen: wie man den neuen "Wein in die alten Scblaucbe 
giefien konne, und Aviederum, dafi kein guter Baum bose und kein 
scb.lecb.ter Baum gute Eriicbte bringen konne (Mattb. 9, 16 f.; 7, 18). 
"Was beifit das? Es bringt einmal den Zweifel zum Ausdruck an der 
kircblicben Verkniipfung von Gesetz und Evangelium, und es driickt 
dann diesem Zweifel das Siegel auf: wie kann der Gute iiberhaupt nocb 



Entstehung der Lehre 'Maroons. 251 

Boses tun und wie kann man von dem Bo'sen das Gute verlangen? Ge- 
rade dies aber tut die Kircbe" niit ihrem Gesetztum , sie verlangt Un- 
moglicbes und sie niacht es selbst unmoglicb. Die Lebenserfabrung 
eines nacbdenklicben und ernsten Geistes spricb-t aus diesen Eragen. Die 
Antworten der Presbyter zu Horn geniigten nicbt. Am Galaterbrief 
gingen ibm die Augen auf (Tert. IV, 3. I,' 20). Dort treten Paulus die 
das Evangelium durcb, das Gesetz falscbenden Judaisten entgegen. Zu 
diesen geborten aucb die iibrigen Apostel. Auf diese Weise ist die 
Predigt des Evangeliurns verfalscbt , dieses mit dem Gresetz vermengt 
worden (Ir. in, 2, 2) ; die Kirebe ist den Irrweg gegangen, den Paulus 
dem Petrus so bart verwies. Separatio legis et evangelii pro- 
prium et principale opus est Narcionis (Tert. I, 19. IV, 1. 6). 
Scblecbtbin voneinander geschieden sind A. und N. T. , Gresetz und 
Evangelium. Vielleicht. empfand er jetzt scbon die scbroffen Kontraste 
zwiscben dem natiirucben Leben und dem Eeicb der Grnade. 

Ibren Abschlufi fand M.'s Lebre,-als er durcb den syriscben Gnostiker 
Kerdo in die gnostiscbe Lebre eingeftibrt wurde (Ir. IV, 27, 1. 2. 
Tert. I, 2; IV, 17). Jene Gegensatze, zu denen er gekommen, lieBen 
sicb am besten begreifen aus der Annabme eines doppelten Gottes. Der 
: eine ist unvollkonimen , zornig , ein wilder Kriegsf first , dem Irrtum, 
]Feblern und Reue ausgesetzt (Tert. I, 6 ; II, 2026. Adam. I, 11). Das 
ist der Scbopfer der Welt. Von Gnade weifi er nicbts, nur Strenge und 
.Gerecbtigkeit lafit er walten. . Das ganze Elend des Menscbendaseins mit 
den Scbmerzen, die es von der Geburt bis zuin Grabe begleiten, erklart 
sicb aus der Art dieses Gottes (z. B. Tert. HI, 11. 01. Al. Str. IV, 7 
p. 58*). Von ibrn ruhrt das A. T. ber; der Messias, welcben dasselbe 
weissagt, ist nocb nicbt gekommen , da auf Cbristum die Weissagungen 
nicbt passen Dickmilcb und Honig bat er nicbt gegessen , Samai'ia 
und Damaskus nicbt unterworfen (Tert. Ill, 12 23) und er ja dem 
Gesetz des Judengottes widersprocben bat (Adam. I, 10 ff. II. 10. 15 ft). 
.Dem Scbopfer stebt gegeniiber der . andere Gott, der gut und barmberzig 
ist (Tert. I, 6. 26 usw.). Er war der ,,unbekannte Gott" bis zum 15. 
Jahr des Tiberius, da er sicb in Cbristus offenbarte (Ir. I, 27, 2. Tert. in, 
3; IV, 6; I, 19). Cbristus wird gern spiritus salutaris genannt (Tert. I, 
19). Er ist die Erscbeinung Gottes selber. Tiber das Verbaltnis zu 
Gott feblt es an deutlicben Aussagen. Gewobnlicb wird er einfacb als 
der gute Gott selbst bezeicbnet (Tert. I, 11. 14; II, 27; in, 9; IV, 7). 
Docb bat M. fraglos einen personlicben TJnterscbied zwiscben deni Vater 
und Cbristus gemacbt. Cbristus bat sicb nicbt mit dem Leib des 
Demiurgen besudelt, sondern nabm nur um sicb verstandlicb niacben 
zu konnen einen Scbeinleib an (Tert. HI, 8 11). Da er den guten 



252 11- 'Der Beformversuch des Marcion. 

Gott offenbarte, und die Propheten tmd das Gesetz sowie alle "Werke des 
Demiurgen aufloste (Ir. I, 27, 2. Tert. IV, 2527 ; I, 8. 19. Adam. II, 18. 
Epipb. b. 42, 4), so liefi dieser ilin an das Kreuz schlagen. Cbristus 
ging darauf in die TJnterwelt und befreite bier die Heiden, und zwar 
selbst die Sodoiniter und Agypter, nicht aber die Frommen des A. T. 
(Ir. I, 27, 3). Auf die Hollenfabrt Christi bat M. fraglos grofies Ge- 
wicbt gelegt , aber er gab ibr die entgegengesetzte Tendenz , als sie in 
der Kircbe sicb berausbildete (s. oben S. 103 Anna. I). 1 ) Paulus allein 
bat die "Wabrbeit treu bewabrt. Sie gilt es im Glauben annebmen 
(vgl. Apelles b. Eus. b. e. Y, 13, 5. 7). So kommt man zur Vergebung 
der Siinden und wird ein Kind Gottes (Adam. II, 2. 19). Cbristus bat 
das Gesetz aufgelost, nicbt erfullt, er bat nicbt ein en neuen Lappen auf 
das alte Kleid gesetzt oder neuen Wein in alte Scblaucbe gegossen 
(Adam. II, 16). Aber er bat nicbt nur nene Gebote, die mit der Welt 
nicbts zu scbaffen baben , gegeben , sondern er bat die Menscben aucb, 
unigewandelt und gut gemacbt; Kayiovc, TOVC, Av-3-Qconovg fivcag $vod(.ievos 
Ix rou 7tovr]QOv 6 aya&bs f.iBT^a^sv y.al srtoir>oev aya-9-ovg 
rovg TtiovevoaVTas avti^ (ib. II, 6). Dieser Gedanke kann bei 
Marcion kaum gefeblt baben , denn einerseits entspricbt er dem Aus- 
gangspunkt seiner Lebre der gute Bauni bringt gute Friicbte , 
andrerseits konnte Marcion diesen Zug in der Lebre des Paulus kaum 
uberseben. Die pauliniscbe Anscbauung Yom Geistwirken wird er in 
dieser Weise wiedergegeben baben. Der glaubige (vom Demiurgen los- 
gekaufte) Menscb enapfangt Siindenvergebung und wird von Gott umge- 
Avandelt. Erst so wird M.'s Paulinismus klar. DaB die Hareseologen 
uns von dieseni Zuge nicbts bericbten, ist begreiflicb, da sie ibr Inter- 

esse ausscbliefilicb auf die Metapbysik M.'s ricbteten. Ein ernster 

etbiscber Sinn berrscbte unter den Anbangern Marcions , die strengst& 
Askese Avurde verlangt, vor allem Ebelosigkeit (Tert. I, 29. Clem. Str. 



1) Nach Esnik (IV, 1 p. 177 f.) inuB der Demiurg, da er sich an dem un- 
schuldigen Christus vergriffen und so sein eigenes Gesetz iibertreten bat, Ohristus. 
Genugtuung gewahren. Er sagt: Dafur, dafi icli gefelilt imd dich umvissentlich 
getotet hale, weil ich nicht geioufH habe, daft du Gott Mst, sondern dich fur einen 
Menschen gehalten hake, gvbe ich dir zur G-emigtmmg alle jene, wdclu cm d-ich 
glanben ivollen, sie zu fiihren, icohin du willst. Christus entrlickt darauf deu 
Paulus und sendet ihn zu predigen, da(3 wir um den Preis erltauft seien, imd 
ein jeder, ivelcher glaiibte an Jesus, ivurde verkauft von dem Gerechten dem 
Guten (Gott). Ira Pauliuismus des Marcion lage eine merkwiirdige Liicke vor, 
weim er von dem Erlb'sungswerk nichts gesagt hatte; ich halte es daher fiir 
Avahrscheinlich, daC M. nach 1. Kor. 6, 20; 7, 23 die von Esnik mitgeteilte An- 
schanung wirklich vorgetragen hat. Erst so gewinnt auch seine Ansicht yon 
der Rettung durch den Glauben Halt. 



Der Panlinismus des Mareion. 253 

III, 3 p. 515). Die Menschen sollten sich losen von dem Demiurgen 
und seinen Werken. Die meisten gehen aber verloren (T. I, 24), d. h. 
sie verf alien dem Eeuer des Demiurgen (Tert. I, 28). Der gute Gott 
straft nicht ; erwill die Bosen nicht. Das ist sein Gericht (T.I, 27 cf. Adam. 
II, 4f.). Die leibliche Auferstehung leugnete M. (Ir. I, 27, 3. Tert. I, 29). 

3. Dieses M.'s Lehre. Die Gegensatze von Gesetz und Evangelium, 
Judentum und Christentum, Natur un'd Gnade, dem gerechten und dem 
.guten Gott, beherrschen dieselbe. In den ,,Antithesen" hat er dieses 
dargestellt (Tert. I, 19, IV, 6. 9). Sein Verstandnis des Galaterbriefs 
fuhrte ihn auf den Gedanken, daft die in der Kirche gebrauchlichen 
apostolischen Schriften teils interpoliert teils unecht seien. Da er am. 
wortlichen Yerstand der Schrift streng festhielt, konnte diesem Mangel 
nur durch Kritik abgeholfen werden. So entstand M.'s N. T., welches 
aufier einem bearbeiteten Lukasevangelium noch 10 ebenfalls emendierte 
paulinische Briefe enthielt (Ir. I, 27, 2. Tert. IV, 2. 3. 5. V). Dieses 
Unternehmen beweist, eine wie hoh'e Bedeutung die neutestarnentlichen 
Schriften damals shon in dem BewuBtsein der Elirche gehabt haben. 

M. war ein praktisches Genie. Nachdem er aus der Kirche getreten, 
begann er zu wirken. Die Kirche wollte er reformieren , das reine 
Evangelium \viederherstellen. Aiuni enim Marcionem non tarn innovasse 
reg'ulam separations legis et evangelii quam retro adulteratam recurasse 
{Tert. I, 20). Er hat Gemeinden gegrlindet (Tert. IY, 5 usw.), und 
schon um, 150 war seine Lekre wth rtav yevog av&QcbTtwv verbreitet 
(Just. Ap. I, 26). Bis in das 6. Jahrhundert haben sich marcionitische 
Gemeinden ini Orient erhalten. 1 ) Die Elirche hat im Marcionitismus die 
schlimmste aller Haresien erbh'ckt, fiir die innere Wahrheit in M.'s Unter- 
nehmen konnte sie in den Tagen des Kampfes kein Verstandnis haben. 
Daher hat Mareion nur negative Wirkungen ausgeiibt. DaB in Gott 
Barnaherzigkeit und Gerechtigkeit eins sind, und daft der Schopfer der 
Welt auch ihr Erloser ist, das im Gegensatz zu M. festzustellen, haben 
die Kirchenvater sich bemiiht. 



12. Die montanistische Reformation. 

Quelleu. Die rnontanist. Orakel sammelten N. Bonwetsch, Gesch. des 
Montan. S. 197 ff. u. Hilgenfeld, Ketzerg-esch. S. 591 ft, iiber sonstige Schriften 

1) Die Lehre hat sich dabei teils gnostischen, teils kirchlichen Ansichteu 
akkommodiert (iua A^ Apelles b. Ehoclon, Ens. h. e. V, 13. Zwischen ayad-ov 
imd v.ay.ov als rom; d^l ' Slatov Prepon, Hipp. Eef . VII, 31. Adamant. I, 21 
Christ! Leiden erkauft die Menschen aus der Gewalt des Deminrgen, s. Esnik 
S. 252 AMD. 1 ; die Hyle als 3. Prinzip Clem. Str. Ill, 3, 12 p. 515. 



254 12- Die montanistische Reformation. 

Bon wets cli a. a. 0. S. 16 Aiim. Tertullian de corona, de fuga, de exhort, 
castitatis, de virg. veland., de monagainia, de ieiunio adv. psych., de pndicitia. 
Die 7 BB. de ecstasi (vgl. Hieron. de vir. ill. 24. 40. 53) sind verloren. Die 
altesteu Gegenschriffcen sind verloren, von Apolinarius, Melito, Apollonius, Mil- 
tiades, eineni Anonymus (aus dern Ens. gro'flere Ausziige gibt), Serapion s. Ens. 
h. e. V, 16-19. IV, 26, 2. Iren. adv. haer. Ill, 11, 9. Hippol. Eefut VIIL 
6. 19. X, 25. Ps. Tert. 21. Philaster h. 49. Epiphan. h. 48. 49 (nach alten 
Quellen, vgl. Voigt, Eine verschollene Urknnde des antimont. Kampfes, 1891). 
Orig. de princ. II, 7, 3f. Didymus, De trinitate III, 41 (Migne Gr. 39, 984 ff.). 
Hieronym. Ep. 41. Theodoret haer. fab. Ill, 2. 

Zu vergl.: Eitschl, Altkath. K. 402ff. Bonwetsch a. a. 0. 1881. Hil- 
genfeld 560ff. Belck, Gesch. d. M. 1883. Harnack DG, P, 389ff. 

Znr Chronologie s. Z a h n , Forsehtmgen V, S. 1 ff . Harnack, Chronol. 1, 363 ff. 

1. In ganz andere Probleme als Marcions Reformversuch fuhrt uns 
die niontanistisclie Reformation. Wie Marcion hat auch Montanus die 
Kirche erneuern wollen durch Riickgang auf das alte Christentum. Beide 
wollten die Kirche von der Welt befreien,- der eine durch Gredanken des 
Paulus , der andere durch die strenge Durchfuhrung johanneischer Ge- 
danken. Aber wahrend der eine ein ntichterner Realist war , der das 
gegenwartige Leben erneuern wollte ini Grehorsam gegen die geschicht- 
liche Offenbarung, fiihlte der andere sich als den letzten Propheten und 
lehrte auf die Gregenwart zu verzichten, urn bereit zu sein zum Empfang 
des hinamlischen Jerusalems. Seit einem Menschenalter las man in Klein- 
asien die "Weissagungen vom Parakleten, der die Offenbarung Christi voll- 
enden Avlirde. Aber in der Wirklichkeit des Lebens fing der.Geist all- 
mahlich an zuriickzutreten , Lehren, Gebote und Ordnungen traten an 
seine Stelle. Und zugleich dainit verblafite immer niehr der Grlaube an 
das nahe Ende. Schon gab es glaubige Christen, die vom tausendjahrigen 
Reich nichts wissen wollten (Justin Dial. 80), und in dern. MaB als die 
Autoritat der heiligen Schriften in der Kirche stieg, mufite der heil. 
G-eist die lauten Eornien ekstatischer Erregurigen und prophetischer Ent- 
hilllungen ablegen. Es wurde irnmer mehr so, wie es Paulus gewiinscht 
ha,tte. dafi der Geist sein Wkken durch die ruhige Predigt in den Herzen 
ausiibte. Im ganzen fing man an, wie es uns die apokryphen Apostel- 
geschichten zeigen, den Trieb nach dem "Wunderbaren nicht mehr an 
dem Erleben gegenwartiger Wunder zu stillen, sondern an phantastischen 
Erzahlungen von den Worten und Taten der grofien Griinder der Kirche. 
Es ist immer so gewesen : solange man selbst im Wunderbaren lebt, 
bedarf man weniger der Wundergeschichten ; wenn die wirklichen Wunder 
verschwinden, schiefit die Produktion der Wundergeschichten ins Kraut. 1 

So hatte urn die Mitte des 2. Jahrhunderts eine andere Anschauungs- 
und Empfindungsweise das alte enthusiastische Christentum. der Wunder 
und der Geisterregung langsam aber sicher in den Hintergrund geschoben. 



Der Urspnmg des Montanismus. 255. 

Den Geist und die Wunder haben die Apostel ,,ohne MaBen" gehabt, 
die Gegenwart hat die Lehre und die Gesetze der Apostel. Die Gfnosis, 
die mit eigenen Propheten und Offenbarungen operierte, trug das Hire 
dazu bei, den Greist unpopular zu machen. Aber freilich war das Be- 
wufitsein von der kraftvollen Nahe Gfottes noch so unmittelbar und leb- 
haft, dafi man fiir das Auftreten eines Propheten und fur die Yerkiindi- 
gung des nahen Endes noch Yerstandnis besafi. Das war die Situation, 
die beides erklart, sowohl dafi ein Prophet sich zum Auftreten gedrangt 
fuhlte und Anhanger fand, als auch dafi sein Werk schliefilich scheitern 
mufite. Montanus ist ausgegangen von Johannes, er wollte die Weissagung 
vom Zeitalter des Parakleten verwirklichen, und er ist an Gedanken zer- 
schellt, die zum Teil auf denselben Johannes zuriickgehen, den Gredanken 
von der die Kirche leitenden ,,Geboten". 

2. Im Jahr 156/57 trat in Phrygien Montanus auf und fand dort 
zuerst Anhang. Daher die Bezeichnung xaTOt @Qvya(; aiQeais- Er wie die 
"Weiber Prise a und Maximilla fiihlten sich als Propheten. Die Art 
dieser Prophetie kennzeichnet etwa der Spruch des in Montan redenden 
Greistes: ,,siehe der Mensch ist wie eine Lyra und ich fliege iiber sie 
wie das Plektron. Der Mensch schlaft und ich wache" oder Maximillas 
Wort: ,,Gesandt hat mich der Herr .... gezwungen, wollend oder 
nicht wollend die Erkenntnis des Herrn zu lernen". 1 ) Auf Grund der 
johanneischen Schriften meinte man, die letzte hochste Stufe der Offien- 
barung sei erreicht, das Zeitalter des Parakleten sei gekommen, in M. 
rede er, und die Herabkunft des himmlischen Jerusalems stehe nahe 
bevor. ^a Pepuza und Tymitis wird es seine Statte finden (Epiph. h. 
49, 1 vgl. Apollon. b. Eus. Y, 18, 2). Angesichts dessen sollen die 
Christen die Ehen losen, streng fasten, in Pepuza sich versammeln die 
Herabkunft Jerusalems zu erwarten. Geld wird gesammelt, die Prediger 
dieser Lehre z\\ besolden (Apollon. b. Eus. h. e. Y, 18, 2, cf. 16, 14). 
Dies wird die urspriingliche Form des Montanismus sein. 

3. Bald nun breitete sich der Montanismus weiter in Kleinasien 
aus, er kam auch nach Thracien, Rom und Nordafrika, wo sich ihm der 
machtigste Herold des Montanismus, Tertullian anschlofi. Aber was die 
Kirche im grofien erfahren hatte, das erfuhr auch die montahistische 
Bewegung : der Geist ergriff nicht mehr die Yolksmassen, und das Ende 
kam nicht. Aber alle Gedanken des Montanismus ruhten auf diesem 



1) tSoi) 6 civd'QcoTtos coael Iv^a, xdycb syiTtrafiai cbael HhfjxTgov 6 

1 y.ayco yQ'rjyogcd loi> '/.VQIOS lativ 6 e^iaTctvwv '/Madias d.v9~^cf>7tcov y.al 
aySiav d-vd^wTtois, bei Epiph. h. 48, 4. Maximilla : dTtsatBds fie xtigtos TOVTOV 
tov Ttovov v.ai irjs eTtayyskias '/MI Tfjs ovvdrfjxrjs alpeTiatijv, fiijvvrfjv, 
f]vayy.aoj.ivov Q'ekoviu, VM\ ,?} -Oe/.ovra fiaO'stv yvwaiv &eov, Epiph. h. 48, 13. 



256 12. Die montanistisclie Reformation. 

Doppelten, dem Geist uiid dem Ende. Und aucb Her wurde nun aus 
dem entscbwundenen Leben eine Theorie vom Leben und ein Gesetz 
fur das Leben. Die unniittelbare Ervrartung des Endes wurde zum 
Dogma, dafi man in der letzten Zeit lebe, und der naturgernafie Ausdruck' 
dieser Erwartung wurde zu einem Komplex statutarischer Moralregeln. 
TJnd statt des Geistes, der alle ergreifen sollte, muBte man sicb niit dem 
Glauben begnugen, daB er die montanistiscben Propheten ergriffen babe 
und aucb andere ergreifen werde. An die Stelle des urspriinglicben 
Entbusiasmus traten festere Eorinen und eine tbeoretiscbe Bestiminung 
des Wesens und der Bedeutung dieser Erscbeinung. 1) Die letzte 
Periode der Offenbarung ist angegangen. Es ist die Zeit der geistlicben 
Gaben. Die agnitio spiritalium charismatufn ist das Kennzeicben der 
Montanisten (Tert. monog. 1. adv. Prax. 1. Passio Perpetuae 1). Dies 
besagt zunacbst die Anerkemiung des Parakleten und seiner Genossen. 
Maximilla bat gesagt: [AST* e[te Ttgoyrfttg, ovnexi eavai, alia ovvvelsia 
(Epipb. b. 48, 2). Aber visionare Propbetien gab es aucb spater, freilicb 
nur selten. Das bat scbon Prisca geweissagt (Tert. de exb. cast. 10), 
und demgemaB acbtete man eifrig auf derartige Erscbeinungen ini Leben. 
Eine Fran etwa scbaut, wabrend Tiber die Seele gepredigt wird, diese in 
korperlicber Gestalt und beweist dadurcb das stoiscbe Dogma von der 
Korpeiiicbkeit der Seele. Oder eine Martyrerin siebt in der IsTacbt iin 
Traumgesicbt Cbristus an der Spitze einer langen Leiter und an ibrem 
Eufi einen Dracben. Das sind solcbe ,,"W r eissagungen" der ,,neuen 
Propbeten" (Tert. de anim. 9. Pass. Perp. 1. 14. 21. 4. 7f. 10. 11 ff.). 
Die Anerkennung der Cbarismen ist so das Merkmal des Montanismus. 
Jsl fjf.ias, cprjot, -ml ra %aQia(.iaTa de%Ea&ai (Epipb, b. 48, 1). Aber 
die "Weissagung starb aus (Anon, bei Eus. V, 17, 4). Man fing daher 
an sie scbriftlicb zu fixieren. Was man damit gewann, waren neue 
Biicber und neue Bucbstaben, aber nicbt die erwartete AusgieBung des 
Geistes. Man konnte den Kreis der beiligen Schriften erweitern, das' 
neueste Testament der dritten Epocbe der Heilsgescbicbte dem Neuen 
Testament der zweiten Epocbe anbangen wenn man so sagen will , 
aber das alles bracbte nicbt den Geist und es fubrte nicbt binaus iiber 
den bisberigen geistigen Besitzstand. So entstanden Sammlungen inont. 
Scbriften (Hipp. Eef. VLTI, 19: $l$loi arteiQOi. Eus. b. e. Y, 16, 17; 
18, 5 [der katb. Brief des Tbeniison], Pass. Perp. 1). Und wie man 
in den Scbriften einen Ersatz fur den Geist sucbte, so learn man in Ab- 
bangigkeit vom kircblicben Sukzessionsgedanken zur wunderlicben An- 
nabnie einer propbetiscben Sukzession (Anon. b. Eus. Y, 17, 4). So 
batte man scbliefilicb an Stelle der freiwaltenden Geistmacbt Bticber und 
eine propbetische Hierarcbie ! 2) Anerkannt ist die Ortbodoxie der 



Der spatere MontanisinuS. - 2157 

Montanisten und ihre Annahme der Glaubensregel (Tert. cf. Epiph. h. 48, 
1. Philast. h. 49). Der Monarchianismus in Ausspruchen Montana (Didym. 
de tr. Ill, 41, 1. Epiph. h. 48, 11) erklart sich aus Mangel an theo- 
logischem Interesse und wissenschaftlicher Bildung (vgl. Tert. adv. Prax. 3, 
Orig. c. Gels. VIII, 14). Er 1st auch spater Her und da festgehalten 
worden (Hipp. Vin, 19. Ps.-Tert. 21. Theodoret h, f. Ill, 2. Did. de 
tr. Ill, 41, 1, Hieron. ep. 41,. 3). 3) Stark betont wird die Nahe 
des Endes ; niit der Anerkennung der Gharismen zusammen- ist dies das 
Haiiptdogma. 4) Strenge sittliche Eorderungen a) Eininaligkeit der 
Ehe, b) strenge Eastenordnung : saepius ieiunare qiiam nubere (Tert. de 
iei. 1), c) strenge Sittenzucht, der Paraklet sagte : potest ecclesia donare 
delictum, sed non faciam, ne ei alia delinqiiant (Tert. de pud. 21). Nacn 
der Taufe gibt es fur grobe Siinden (bes. Hurerei) keine weitere Yer- 
gebung. Auch das ist keine ISTeuerung, sonderu nur die alte Praxis, wie 
sie vor Hermas Pastor moechorum nennt daher Tertull. sein "Werk 
(pud. 20) brauchlich war (s. oben'S. 125 f.). Einer anderen Beurteilung 
unterliegen freiKch die delicta cotidianae ineursionis (Tert. de pud. 6. 7. 19). 
Ini Abendland fuhrte diese Auffassung zu einem Konflikt durch die Be- 
hauptung, dafi nur die ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non 
'ecclesia numems episcoporum , Siinden vergeben konne (Tert. pud. 21 
Afgl. unten). Nur das Martyrium.. kann Todstinden wieder gut macnen 
{ib. 9. 22). d) Das Martyrium wird ungeniein hochgehalten (Anon. b. 
Eus, Y, 16, 20). Die fuga in persecutions (Tert.) ist verboten. Ein 
Propbetensprucb. makut : Nolite in lectulis- nee in aborsibus et febribus 
mollibitsjoptare ex-ire, sed in martyriis, uii glorificetur qui -e'st passus pro 
vobis (Tert. de fug. 9, de an. .55). 5) BQerzu kani spater die Organi- 
sation eigener Gremeinden. Weifigekleidete Jungfrauen mit Packeln in 
den Handen vollzogen etwa die propbetiscbe BuBpredigt. Pepuza wurde 
der Mittelpunkt, wo alljabrlicbe Yersanimlungen stattfanden (Hier. ep. 
41, 3. Epiph. h. 49, 2). Aus der reforinierten Kirche, die Montanus 
yorschwebte, war eine Sekte geworden niit archaistischer Stimmung und 
ekstatischen Yelleitaten. 

4. Die Kirche befand sich . dieser Erscheiming gegenliber in einer 
:schwierigen Lage (vgl. die Stellung des rom. Bischofs bei Tert. adv. Prax. 1). 
Die Montanisten waren orthodox und Gregner der Gfnosis. Charismen 
kannte iind anerkannte ini Prinzip wenigstens. die Kirche noch zur Zeit 
des Irenaus. 3 ) Aber dieselben ' sind mehr und mehr zuriickgetreten. 
Origenes z. B. weifi nur' von ,,Spuren" der Greistgaben, die zur Zeit 

1) Justin Dial. 30. 39. 82. 87. 88. Ap. II, 6. Mimic. Pel.- Octav. 40. Gels, 
bei Orig- c. Gels. VII, 9. Ir, adv. h. I, 13, 4;- II, 31, 2; 32, 4; V, 6, 1; II, 6, 2. 
Eus. L e., V, .1, 49; 3, 2. 3. 4. Anon b. Eus. h. e.V, 17, 4. 

Seeb erg, Dogmengescliichte I. 2. Aufl. 17 



258 12. Die montanistische' Reformation. 

Christ! und der Apostel so reiehlieh in der Kirche vorhanden waren, 
.,bei wenigen" zu berichten. Wirkliche Wunder gehoren nach ihm also 
wesentlich der Greschichte an. 1 ) Ebenso, ist jetzt schon hinsichtlich des 
sittlichen Emstes und der Erwartung des nahen Endes eine gewisse Ab- 
spannung eingetreten. 2 ) Hieraus begreift sich der Anlclang ., . den 
die montanistische Prophetie fand. Die Nahe des Endes verkundet die 
Schrift, Charisraen ,sind der Kirche notwendig, in der "Welt fuhrt sie 
ein Pilgerdasein, daher sollen .sich ihre Grlieder von dem natiirlich welt- 
lichen Leben frei halten. Man glaubte auf dem Boden der Schrift zu 
stehen, wenn roan mit der Prophetie des Mpntanus die geweissagte Zeit 
des Parakleten gekommen sein liefi, und man hatte das Bewufitsein, daft 
durch diese Form des Christentunis die verweltlichte Kirche (psycliici 
sind die Kirchlichen, spiritales die Mont., Tert. monog. 1) reformiert 
werde. Hatte Marcion seinen Reforniversuch an die Lehre des grofiten 
Apostels geschlossen, so der Montanismus an die des letzten Apostels. Aber 
die Macht des wirkliehen Lebens war auch hier starker als der muhsam 
behauptete Biblizismus, dem sich die Wirklichkeit nicht fiigte. Man 
kann sich zur Verdeutlichung der Tendenzen und Krafte des Montanis- 
mus etwa der irvingianischen Bewegung unserer Tage erinnern. So 
biblisch die Absichten waren, stand doch die kirchliche Entwicklung auf 
festerem Boden und stimmte schliefilich auch besser mit der Bibel uber- 
ein. Das hat die Kirche alhnahlich deutlich erkannt. 

Seit den siebziger Jahren des 2. Jahrh. Montan starb ca. 175, 
dann Priska, 179 Maximilla entbrennt der Kampf wider die Montanisten, 
durch den sie schliefilich aus der Kirche gedrangt werden. Soter von 
Rorti (166 bis 175) sprach sich wider sie aus, 3 ) die Konfessoren von 



1) 2-rjf.iBla e TOV ayiov Ttvefyiatos '/.ai? donees ftev tfjs 'Iqaov SiSaaxalias, 

Ss ti]v avd},r]ij;i-v ainov rtksiova kdsif.vvro, ftoTegov Se s^Attova,' TC^V v.ai vw S.TI 
sarlv uiirov Ttat? ohiyois i&s ifru%a-s ico koym r.al rals '/Mr atiibv yt^a^eai, y.e- 
ie (Orig. c. Gels. VII, 8 cf. II, 8; I, 46; vgl. auch Ir. adv. h. Ill, 11, 9: 
simul et evanydium et propheticutn repellunt spiritum: die sog. ,,Aloger". 

2) Eiir letzteres vgl. Tert. Apol. 39: oramus . . ; pro mora finis. Hipp. 
Comm. ZU Dan. IV, 22 : e fae fioi, el yivcbaxeis ii]v fj/.ie^av ifjs eS-odov aov, 'iva. xi]v 
owre/.eiav rov Tiavtbs y.6<f[iov jtoAiwcgayfto-irfafle . 4i& n y.ai ab oil f.tay^o^'vfisZs, 
Iva, '/.at, ETSfioi aco&waiv y.al 6 df)i&{.i6s iff>v yj^rcov dyicav 7tl,r](jco-9'rj ; vgl. schon 
Justin Dial. 80: auch viele orth. Christen halten nichts vom 1000 j. Reich. 

3) Ich halte mit Zahn (Forsch. V, 51 ff.) xmd Harnack (Chron. I, 369) 
diese Notiz des Praedest. I, 26 fiir eine richtige, nach Tertull. verlorenem WeA 
de ecstasi gemachte Angabe. 1st das aber zutreffend, so hat bereits Tertullian 
(ib : asserens falsa esse de sanguine infantis, trinitatem in unitate deitatis, poeni- 
tentiam lapsis, mysteriis iisdem unuin paseha noUscum) die Montanisten gegeii 
den spater gelauflgen Vorwurf, bei dem Abendmahl ein Kiud'zu schlachten 



Die Bekampfung des Montanisnms. 259 

Lyon (177) schrieben wider sie an den: rom. Bischof (Eus. h. e. V, 
3, 4 vgl. Voigt a. a. 0. S. 71 fL). Man fing an das Schwaringeistige 
der via TtQOCprfisia, wie man sie nannte, zu erkennen. Durch Exorcismus 
versuchte man Priska beizukommen (Eus. V, 19, 13). . Oder es wurde 
der Versuch gemacht den Greist, der in Maximilla redete, zu widerlegen 
(Eus. V, 16, 16 f. ; 18, 13). Die alte Scheu vor dem "Walten des Greistes 
war geschwunden. Die Reden der Prophetinnen imponierten so wenig, 
dafi ihre Anhanger sich ins Mittel legen miissen, um die exorcistische 
Behandlung zu verhindern oder die Kritik nicht allzu tief dringen zu 
lassen. Man fing an sich der neutestamentlichen "Worte iiber falsche 
Propheten, die in der letzten Zleit kommen wiirden, zu erinnern und 
meinte in den rnontanistischen Propheten gingen diese Weissagungen in 
Erfiillung (Epiph. h. 48, 8). Sittliche Anschuldigungen bes. Habgier 
wider sie fanden sich nun bald (Eus. V, 18, 2ff. 6f. 11). Das Wort, 
man soil sie an ihren HYiichten. erkennen, wandte sich wider sie, limner 
sicherer wurde man in dem TJrteil, dafi es sich hier nicht inn den Para- 
kleten, sondern um die falschen Propheten der Endzeit handle. Maximilla 
hat den Umschwung noch erlebt iind in ergreifenden Worten dem Schmerz 
des verfolgten Gfeistes Ausdruck verliehen. 1 ) Es ging eine scharfe Luft 
durch die kirchlichen Kreise. Es war das^Verhangnis des Montanismus, 
da6 er in die Zeit fiel, da die Kirche durch die Gfnostiker mistrauisch 
geworden war gegen alles ,,'Neue" und besonders gegen das ungeziigelte 
Gfeisttum. Die antignostische Beaktion hat auch den Montanismus 
mit fortgesptilt. Der Hauptpunkt, der gegen die Montanisten geltend 
gemacht wurde, ,war der ekstatische Oharakter ihrer Prophetie. Miltiades 
trat mit seinem Buch ^ftSQi TOV (.ITJ delv ytgocfnJTyv sv eytGrdosi 



hervor (Eus. Y, 17, 1).. Die Propheten des A. u. N. T. sowie der 
Kirche hatten nicht in diesem Zustand geweissagt. Die neue Prophetie 
sei Pseudoprophetie, vom Teufel eingegeben. (Anon. b. Eus. V, 16, 4. 
7. 8; 17, 2ff. Apollon. ib. 18, 1. Epiph. h. 48, 18 vgl. Orig. de 
princ. IE, 7, 3.) Ebenso erkannte man die TJnmoglichkeit, dafi diese 
enthusiastische Prophetie eiu neues Zeitalter hervorbringen solle (Eus. V, 
16, 9. Epiph. h. 48, 8. 11. 12. Did. de tr. HI, 41, 2). Dafi man hierbei 
auch zu weit ging und mit der falschen Prophetie zugleich iiberhaupt 
die Prophetengabe verwarf, ist begreiflich. 2 ) Das muratorische Frg. sagt: 



(Epiph. h. 48, 15) verteidigen miissen ; so lebhaift ist dann schon friih der HaB 
wider die Montanisten gewesen. 

1) Eus. h. 6. V, 16, 17 : TO Sict, Ma^ifiMrjs Ttvevfccc Subxofiai tag bvxos sx rwv 
Ttgofiwicov oiix elf.il kvxos, ^fjf.id ej.fu xal tiva(.us. 

2) Ir. Ill, 11, 9 : sed simul et evangelium et phwpheticum repellunt spiri- 
tum. Inf dices giii pseudoprophetas (nicht : pseudoprophetae) quidem esse nolunt 

17* 



(260 12. Die montanistische Reformation. 

prof etas conpletum nwncro (1. 79). TJnd Tert. scbreibt : ut proinde officia 
cessaverint quemadmodum et beneficia eius, atque ita negetis usque adhuc 
enm munia importer e, quia et.hic lex et prophetae usque ad loanne in. 
Superest tit totum auferatis qiiantum in vobis tarn otiosum (de iei. 11 fin.). 
Er, der Montanist, sielit in der. kircblicben Stellung zur neuen Prophetie 
einen Abfall voin Cbristentum iiberbaupt, da docb. diese Propbetie nur 
die Gebote Gottes bestatige. Die Kircbe wolle eigentlicb Gresetz und 
Propbeten bei . Jobannes dem Taufer ikr Ende finden lassen nacb Mattb. 
11, 13. Aber aller Widersprucb Melt die Entwicklung nicbt auf. 
Synoden die ersten uns bekannten wurden in Kleinasien ab- 
gebalten und die Anbanger der neuen Propbetie aus der Kircbe ver- 
wiesen (Anon, bei Eus. V. 16, 10. So nocb spater in Iconium Cypr. ep. 
75. 19). So ist der Montanisnius aus der Kircbe gedrangt worden. Seit 
deni 4. Jabrb. bekani er den Druck der Staatsgewalt zu spiiren. Seit 
dem 6. Jabrb. verscbwindet er (vgl. Bonwetscb a. a. 0. S. 171ff.). 
Die Kircbe bat den M. verworfen, weil sie in den schweren Kampfen 
jener Tage .sicb immer fester auf die alte TJberlieferung batte zuriick- 
zieben lernen, und weil das alte Greistwesen in das sicb berausbildende 
System eines geordneten Kircbenwesens nicbt bineinpafite. Der ab- 
.sterbenden Cbarisnien bat sie sicb entledigt und deni Gteist ,,das Wort 
des Evangeliunis des neuen Bundes" entgegengestellt, yon dem nicbts 
f ortgenommen und deni nicbts zugefiigt werden darf (der Anon. b. Eus. 
b. e. V, 16, 3), und den Fornien fester Organisation den Weg geebnet. 
Fur die Entwicklung der Kircbe ist dieser Kanipf daber von grofiter 
Bedeutung. 



(nieht : vohint), propheticam ve.ro gratiam repdlunt. ab ecclesia. Es ist das ,,die 
Haresie, welehe die Biiclier des Joh. verwirft" (nach Hippol. Epiph. h. 51, 3), von 
Epiph. ,,Aloger" genaunt (ygl. Epiph. h. 51. Philaster h. 60. Ir. Ill, 11, 9). 
Urn 170 haben dieselben in Kleinasien das 1 Joh. ev. und die Apok. als unecht 
und als von Kermtk verfafit, yerworfen. Uber ihre krit. GrMde a. Epiph. h. 51, -2. 
18 f. 21 f. 32. 34. Es smd kath. Christen, welche auf diese Art 'dem Montanisnius die 
Quelle abschueiden woUten. Vgl. Zahn, Gesch. d. nt. Kan. I, 237 if.; II, 967 ff. 
Ahnlich urn 210 aj us in. Rom, Avelcher nur die Apok. als kerinthisch verwarf. Aus 
der Gegensclirift Hippol. wider inn s. die Fragmente in Hippolyts Werken 
If. 241 fE. 



Drittes Kapitel. 

Die Anfange der kirchlichen Theologie. 

Bis in die Mitte des 2-. Jahrhunderts hatten wir an der Hand der 
apostolischen Vater die Geschichte der christlichen Lehre kennen ge- 
lernt. Die Kirche war nach ihrem weit uberwiegenden Bestand zu einer 
okumenischen heidenchristlichen Gremeinschaffc geworden. Die gewaltige 
Missionsarbeit, die sie immerfort und fast durchweg auf heidnischem 
Boden leistete, brachte allmahlich eine immer regere Yerbindung mit 
der Gredankenwelt des Heidentums mit sich. Der wach'senden atifieren 
Ausdehnung entsprach das Bestreben nach innerer Konsolidierung. Die 
Organisation der Amter und die Anwendung der heiligen Schriften so- 
wie der Tradition als der entscheidenden Autoritaten wurde naturgemafi 
immer 'fester und umfassender. 

Die mannigfachen Bertihrungen mit der Welt und die Jfotwendig- 
keit, in der Welt eine alien verstandliche geschichtliche Stelhmg zu 
markieren, riefen eine kirchlicne Literatur hervor, die nicht nur prak- 
tischen Erbauungszwecken dienen, sondern wissenschaftlichen Charakter 
tragen sollte. Nicnt aus literarischen Velleitaten, sondern aus der inneren 
Notwendigkeit der .geschichtlichen' Situation wuchs diese Literatur her- 
vor. Es handelte sich einmal darum, dem. Staat und der gebildeteri 
Gesellschaft das Wesen und die "Wahrheit des Christentums klarzulegen, 
nicht zunachst zur Bekehrung, sondern zur BeleLrung. So entstanden 
die Schriften der Apologeten. Es war dann weiter eine unumgangliche 
Notwendigkeit, das Eecht der Kii-chenlehre zu erweisen gegeniiber den 
reformerischen Tendenzen der Grnostiker, Marcioniten iind Montanisten. 
Das geschah in der antimontanistischen und antignostischen Literatur. 1 ) 

1) Auch dem Judentum gegeniiber bestand diese Aufgabe. Die Apologeten 
haben sie mehr gelegentlich erledigt, nui 1 Justin verfafite den, groen Dialogus 
cum Tryphone eigens fiir diesen Zweck, ygi. noci. den yerloren gegangenen 
Dialog des Jason und Papiskus,. s. Orig. c. Gels. IV, 52. 



262 Die Darstellung des Christentums durcli die altkirclil. Apologeten. 

TJnd endlich mufite man mit irmerer Notwendigkeit zu einem positiven 
Aufbau der kirchlichen Weltanschauung fortschreiten, der die geistige 
Tiberlegenheit der Kirche iiber die Gnostiker und die Philosophen der 
Welt dartat, Dieser Absicht sind die "Werke der grofien alexandrinischen 
Theologen gewidmet. Mit dieser Literatur sind die wesentlichen Quellen 
bezeichnet, die der DG. fur die drei Menschenalter seit ca. 140 fliefien. 
Die Mannigfaltigkeit der Tendenzen, die diese Quellen beherrschen, lafit 
die Yerschiedenen Stromungen in der inneren Entwicklung der Kirche 
gut zum Ausdruck gelangen. Der beidnischen Welt gegenuber wurde 
das Christentum als die aufgeklarte Religion und Sittlichkeit cbarakteri- 
siert. Im Kampf gegen die Gnosis pragte es sicli als Kirchlichkeit und 
kircklicher Traditionalisnius aus. Der Versucli, die philosophische Welt- 
anschauung positiv zu ubertreffen, trieb alle spekulativen und synkretisti- 
schen Zuge der neuen Religion an die Obe^ache. Als vernunftige Re- 
ligion und Moral stellte sich. das Christentum deni Staat und der Gesell- 
schaft vor, als kirchlicher Traditionalismus der Gnosis, als die Weislieit 
iiber alle Weisheit der Pb.ilosopb.ie und Kultur der Zeit. Die Distanzen 
zwischen diesen Tendenzen sind nicht gering sie scbeinen zu Wider- 
spriichen zu werden , aber sie beweisen aucb, welcbe Yielseitigkeit 
der Interessen und welche Beweglichkeit des Lebens deni Ghristentum 
einwohnten, es war fahig, alles an Werten, was die Welt besafi, sich 
anzueignen und doch die Welt auszuscheiden und von der eigenen tlber- 
lieferung niclit zu weichen. Jede dieser Tendenzen entsprang einem 
praktisehen Bediirfnis und jede ist daher von Nutzen gewesen fiir den 
Sieg des Ohristentums iiber die antike Welt. Aber mit jedern dieser 
Triebe war aucb die ernste Gefahr verbunden, .Scbaden zu nehmen an 
dem Kern der Religion. Der Kern wachst nur in der Schale, aber man 

darf darum nicht die Schale mit deni Kern verwecbseln. 

) 

Wir baben im folgenden die drei Themata, die wir bezeichnet haben, 
zu untersuchen, und zwar so, daB die 'bezeicbneten Tendenzen dabei 
moglichst hervortreten. Daraus ergibt sich, dafi wir auf einzelne Lehren 
der Apologeten im Zusarnmenhang niit der eingehenderen Darstellung 
der antignostischen Theologen zuriickgreifen werden. Es nandelt sich. 
zunachst um. die apologetische Literatur. 

13. Die Darstellung des Christentums durch. die altkirchliclien 

Apologeten. l 

Quellen: Die griech. WW. in Corpus apologetarum ed. Otto 9 Bde. 1842 ff. 
Bd. 16 in 3. Ann. 1876 ff. Tatian, Athenagoras und Aristides auch in Texte 
u. Unters. .IV. Vgl. Harnack, Die tiberlieferung der griech. Apol. (Texte u. 
Unters. I) 1882. Im einzelnen: Quadratus ca. 125, s. Eus. -h. e. IV, 3, 2 vgl. 



. . Die Entstehung der kirchlichen Theologie. ' - 263 

Zahn in 'Neue Mrchl. Ztschr. 1891, 281ff. Marcianus Aris tides, seine Apol. 
syr. erhalten, ca. 140 145 s, E. Seeberg, Die Ap; d-. Arist. untersucht und, 
yviederhergestellt in Zahns Forschungen V, S. 159414, sowie E. Seeberg, der 
Apol. Aristides, 1894, wp auch die Homilie des Arist. u. em Frg. Verloren 
sind die Apologien des Melito 'Yon Sardes (Ens. h. e. IY, 26); 'die unter s. 
Namen syr. erhaltene Apol. ist nicht echt), des Apolinarius vo'nHieropolis (ib. IV. 
26, 1; 27), des Miltiades (ib.V, 17,5 vgl. Seeberg a. a. 0. S. 238ff.). Diese 
Blicher waren alle an Marc Aurel gerichtet (161180). 'Justin derMartyrer 
schrieb ca. 150 seine beiden Apologien, etwas spater den Dialogus c. Tryphone; 
yon der Schrift rtepl dvagrdascoe zwei Frg.. bei Otto II, 208 ff. Vgl. Zahn, Ztschr. 
f. KG. VIII, Iff. Veil, Just. Eechtfertigung des Christ, eingeleitet verdeutscht 
und erlautert 1894, dazu Seeberg im Theol. Littbl. 1895 Febr. M. Y. Engel-. 
hardt, D, Qhristent. Justin d. Mart. 1878.. Dazu A. Stahlin, Justin d. Mart, 
u. s. neuester Beurteiler 1880. W. Fie naming, Zur Beurteilung d. . Chfistent.. 
Just. 1893. F. Bosse, Der praex. Christus d. Just. 189.1. Tatian, loyos Tt^bs 
"'EUijva.s. Vgl. W. Steuer, die Gottes- imd Logoslehre des Tatian, 1893. Athe- 
nagoras, ca. 170, ' ITpsafisia ite^l ^olandvcov. AllBei'dem nsgi Avaardaecos. 
Theophilus von Antiochieh, ad Autolycum libriS. Buchlll ist 181 geschrieben 
III, 27), vgl. A. Pommrich, Die Gottes- und Logoslehre d. Theophil., 1904, 
Nicht in diese Zeit gehort. die E pis t. ad Diognetum, vgl. E. Seeberg in 
Zahns Forsch. V, 240ff, Lat. geschriebene Apol. besitzen wir von Minucius 
Felix: Octavius, vielleicht erst im 3. Jahrh. geschrieben, vgl. Harnack, Chronol. 
H. 324 ft. Edid. Halm in Corp. scr. eccl. lat. JI. Vgl. Klihn, Der Oct. d. 
Min. Fel. 1882. Dazu Martyrium Apollonii, vgl. Klette, Der Prozefi und die 
Acta d. Apollon. (Texte u. Unters. XV, 2), 1897. Harnack in: Sitzungsber. d. 
Berl. Akad. 1893, 721 ff. E. Seeberg in Neue kirchl. Ztschr. 1894, 58 ff. 

1. Die wirkungsvollste Apologie des Christenturas war zu alien 
Zeiten das Leben, seiner Bekenner. Das haben auch. die alten Apologeten- 
genau g^RruBt und sie sind nicht niiide geworden, das Augenmerk Uorer- 
"Widersacher auf das ernste, --strenge, demiitige, reine und wahriiaftige 
Leben ,der Christen zu lenken. 1 ) Aber die konkrete Lage erforderte, 
dafi zu dieser schweigenden eine redende Apologie binzutrat. Nicht nur 
lief en ini Yolk grausige Greriicbte iiber die Christen umher, nicht nur 
strafte der Staat den Trager des Christennamens als Verbrecher an der 
offiziellen Sta'atsreligion und der Majestat des Kaisers, 2 ) sondern auch 



1) VgL.hierzu Harnack, Missionsgesch. S. 153 ff. 

. 2) d&eoTris, &ae/3eta, geheime Unsittlichkeit s. ep. eccl. Lugd. b. Eus. h. e. 
V, 1, 14, 9: on fiySsv ti&eov firjSe dashes sariv ev ijftiv. Tert. Ap. 10: Sa- 
crilegii et maiestatis rei convenimur. Summa haec causa imo tota est. 
Athenag. 3 : rfjia e'jti<prif.u,ovaiv -qfiZv eyxirfftfcra a.&B6irfia., Qvearsta Selitva, OiSi- 
TtovMovs firsts cf. Plinii ep. X, 79. Aristid. 17. Just. Ap. I, 6. 26f.; II, 12. 
Dial. 10. Theoph. Ill, 4. 15. Eus. h. e. V, 1, 9. 14. 19. 26. 52. Minna F. 8ftV 
28 ff. Tert Ap. 271 7ff. 39. Orig. c. Gels. VI, 27; VIII, 39. 41. 65. 67 etc. Die 
Verleumdungen (Essen eines Kindes bei dem Abendmahl iind TJnzucht) sind von. 
den Juden aiifgebracht worden (s. Orig. c. Gels. VI, 27, vgl. Justin. Dial. 17, 
auch 10). ... 



264 13. Die Darstelluug des Christentums durch die altkirchl. Apologeten. 

die Macht der offentlichen Meinimg, wie die Gelehrten und die Holier- 
stehenden sie reprasentierten, zeugte wider das Christenturn, weil man 
in ihm allniahlich imnier deutlicher eine politisehe Gefahr fiif das romische 
"Weltreich erblickte. *) Denigegeniiber war es fur eine Gemeinschaft, 
die immer mehr in das helle Licht -der Geschichte trat, unmoglich zu 
schweigen. 

Aus der altesten Streitschrift wider das Christentum, dem ,,wahren 
Wort" des Oelsus (ca. 160 180), das wir aus Origenes Gegenschrift 
unifassend rekonstruieren konnen, lafit sich deutlich entnehmen, was die 
gebildete lieidnische Gesellschaft am Christentum. fiirchtete und weshalb 
sie es. hafite. Das Christentum erschien mit dem Judentum zusainmen 
als ein Gemenge wiisten Aberglaubens und fanatischer Grlaubigkeit. Mrj 
%TC(e aklce nioTeuaov heifie es bei den Christen (c. Gels. I, 9. 12), 
und : (.10} xda[.iog ia-favQWTCti xdyco KOG[.ity (V, 65 cf . Gal. 6., 14). Die 
TJberlieferung iiber Christus sei unsicher und widerspruchsvoll. Er ist' 
ein gottverhafiter und rucliloser Zauberer gewesen, der aber nicht ein- 
nial inistande war wie es doch jeder Rauber kann alle seine Ge- 
nossen dauernd an sich zu fesseln (I, 71. II, 12). Sein Leiden sahen alle, den 
Auferstandenen nur ein Jiiiiger und ein halbverriicktes Weib (II, 70. 55). 
Die Anhanger liaben ihn dann ahnlicli wie den Antinous zu eineni Gott 
geniacht (III, 36) und erweisen ihm im hochsten MaB gottliche Yer- 
ehrung (v7tQ&QrjO%vovOi, YIII, 12). Die ganze 'christliche Lehre ist 
ein Konglomerat von TJnsinn und von Entlehnungen aus den. alten 
Philosophen, besonders Plato (VI, 1. 6ff. 16. 19. 47. 22. 71 ; VII, 28. 58), 
Allzu lacheiiiche Myth en in ihren heiligen Schriften versuchen Judeii 
wie Christen durch die allegorische Deutung zu beseitigen ,(IV, 48), frei- 
lich ist diese noch abgeschmackter als die Mj'then selbst (IV, 51). Der 
christliche. Gedanke von einer Herabkunft (xct^0(5og) Gottes ist wider- 
sinnig, warnm kam denn Gott erst jetzt zur B.echtfertigung (Jt/aiwffat) 
herab (IV, 7), und wird nicht so Gott veranderlich (IV, 14. 18)? Aber: 
wenn dann wirklich Gott aus dem Schlaf erwachen und' seinen Sohn' 
senden soil, warum sendet er ihn in einen Winkel der "Welt und lafit 
ihn nicht in vielen Leibern erscheinen (VI, 78)? Das Lacherlichste aber 
ist, dafi Juden und Christen wie um des Esels Schatten daruber hadern,. 
ob Christus schon erschienen oder erst erscheinen werde (III, 1). Es 
ist widerlicher, als wenn JYosche und Eegenwiirnier in einer Pfiitze 
daruber haderten, wer von ihn en Gott naher stehe (IV, 23). Eiir ihre 
Lehre fiihren die Christen aber keinen anderen Beweis, als den, dafi es 
so geweissagt sei: OTL fr/j^v ovtug yevead-ai, Te^nJQLOV dh' ridlai 



. .1) Vgi. hierzu den Vortrag iiber die Christenverfolgungen in meinemBuch 
,,Aus Eeligioii und Gesch." I, S. 145 ff. 



'Celsns' Angriff wider das .Christentum. . 265 

iauT(X ytQOstQrffO (VII, 2). Aber in der Welt walten nun einmal die 
Damonen, wer also in ihr leben will, mufi ihnen Verehrung erweisen 
und ihren Ordnungen sich fiigen (YIII, 53. 55). Also soil man auch 
den Herrschern gehorchen, auch wenn sie den Schwur bei ihren Namen 
befehlen (VIII, 63. 67). Durch diesen Grlauben ist Rom grofi geworden, 
es darf nicht von seinen Grottern ab- und einem Gfott zuf alien, der seinen 
Anhangern nicht einmal eine Scholle oder einen Herd zu geben vermag. 
sbdafi sie heimlich, in steter Furcht umherschleichen mlissen (VIH, 69). 

Man ruft nicht die ganze uberirdische und ir.dische Welt zu Zeugen 
an wider einen Gfegner, den man nur verachtet. Celsus hat das Christen- 
tum gefiirchtet, und es ist ihm im hochsten Gfracle widerwartig gewesen. 
Aber er hat trotz allem es fur notig gehalten, den Christen zu raten, 
ihren Erieden mit dem Staat zu machen. Das religiose Interesse war 
bei ihm dem politischen untergeordnet. Wie der Heide bei Minucius 
Eelix (c. 6) die alte Religion verherrlicht, weil sie den Romern die 
Weltherrschaft gegeben habe, so hat auch Celsus geurteilt. Die Religion 
mit Einschlufi des Kaiserkultus war ein Stiick des romischen 
Weltreichs, daher verteidigte man sie. Das war die Kraft des Heiden- 
tums, aber es war auch seine Schwache. 

2. Die christlichen Apologeten haben sich nicht mit der Wider- 
legung solcher historischen und kritischen Betrachtungen, wie man sie 
bei Celsus liest, abgegeben. Die waren nicht ausschlaggebend fiir die 
Stellung der heidnischen Welt zum Christentum, sie Avaren nur ganz 
wenigen verstandlich und interessant. Die Apologeten haben der land- 
la/ufigen Beurteilung das wirkliche Wesen des Christentums und sein 
Recht positiv entgegengestellt, inclem sie zugleich den Spiefi umkehrten 
und die Grott- und Sinnlosigkeit des Heidentums erwiesen. Es war Ver- 
teidigungs-, Angriffs- und Eroberungskrieg in einem. Aber so scharf 
man das Heidentum angreift man konnte das nicht entbehren, denn 
darauf beruhte das Recht auf eigene Existehz , so bereit war man 
doch auch, im apologetischen Interesse, Analogien tind Wahrheitsmomente 
im Heidentum. anzuerkennen. Man verwies auf die Sohne, die Zeus von 
sterblichen Weibern gehabt habe (Just. I, 20 ff. 24. Dial. 69. Tert. 21; 
dagegen Just. Ap. I, 53 f. Tat. 21), oder man meinte, den Vorwurf des 
Atheismus daclurch am besten zu widerlegen, dafi man erklarte, nicht 
nur an Grott, sondern auch an seinen Sohn und den heil. Geist zu 
glauben, und dazu eine Menge Engel anzunehmen (Ath. 10. Just. I, 6). 
Aber das sind apologetische Kunstgriffe, wie man sie inuner angewandt 
hat. TJnd auch die Zuriickhaltung in der Darlegung der Lehi-en 
manches wurde zuriickgestellt (Minuc. 40. Ath. 37) versteht sich aus 
dem Zweck der Apologeten. 



266 13. Die Darstellung des Christentums durch die altkirchl. Apologeteu. 

Die Apologia des Aristides (ca. 140145) gewahrt uns einen 
ziemlich deutlichen Einblick in die Entstetmng dieser Literatur. Seine 
Hauptgedanken sind namlicri abhangig von der Missionspredigt. Die 
Schilderung der christlichen Moral (15 17) kniipft er an eine Erwahnung 
der Gebote, die die Christen von Gfott empfang.en naben (1.5, 3), und 
die Beziehung zu den ,.beiden "Wegen" wird in der Tat . im folgenden 
deutlicli. Die Darstellung des Grottesbegriffes aber (1, 4), sowie die ganze. 
Einteilung seines "Werkes erweist sich abhangig von der alten Praedicatio 
Petri. 1 ) Diese Schrift, .deren Abfassung noch in das erste Jahrhundert 
fallen wird, kann nach ihren TJberbleibseln nichts anderes gewesen sein 
als eine Anleitung zur Missionspredigt unter den Heiden.. Daher ist es 
auch gerade Petrus, dem die Clementinen derartige Seden in den Mund 
legen. Die Missionsreden des P.aulus in der Apostelgeschichte (14, 15 17;. 
17, 22 31 vgi. Rom. In. 2 nnd die Zusarnmenfassung 1. Thess. 1, 9f.) 
sind die altesten derartigen Versuche. . Auf dieser Bahn ist die Prae- 
dicatio fortgeschritten. Sie hat in knapper Form zuin Gebrauch der 
Heidennrissionare den Lehrstoff in Gestalt einer Mnsterrede zusanunen- 
gestellt. 2 ) Der alteste Apologet hat dies Schema fiir seine Zwecke aus- 



1) Doch hat Aristides aus den drei Geschlechtern der Menschen in der Praed. 
nach dem nrspriinglichen, syr. Text vier geinacht, vgl. liberhaupt liber dies Ver- 
haltnis E. Seeberg, die Apol. d. Arist. (Zalm, Forsch. V) S. 216. 

2) Der Name x^vyfta und die zweite Person, in der die Ermahnungen der 
Eede gehalten sind, beweisen den oben angenommenen Charakter der Schrift. 
Nach den sicheren Fragnienten der Praed. ist folgender Stoff in ihr zni- Dar- 
stellung gekomnien: 1) 12 Jahre sollen die Apostel Israel predigen, sich von da 
ab aber an die Heiden wenden (Clem. Str. VI, 5, 43) ; 2) sie sollen den einen Gott 
und durch den .,Glauben" Christi (d. h. den von Chr. iiberlieferten objektivenGlauben) 
die Zukunft verkiindigen (ib. VI, 6, 48); 3) es ist ein Gott, unsichtbar, unfalSbar, be- 
ditrfnislos, unbegreiflich, ewig, unsterblich, nngemacht, er ist der Schopfer (ib. VI, 
7, 58 cf. Arist. 1, 4ff.); 4) er schuf alles durch das Wort seiner Kraft oder den 
Sohn, ev fyxfj Gen. 1, 1 bezieht sich auf den Sohn (ih.); 5) Christus wird vopos 
xal Idyog genannt (vgl. oben S. 93 Anm. 1); 6) von Christi Erscheinung, Tod 
uud Kreuz durch die Juden,. war die Rede unter ausdrilcklicher Berufung auf 
die Weissagungen der Propheten (Clem. Str. VI, 15, 128 cf. Arist. 2, 8); dabei wurde 
ein Wort Jesu ovx elfu frawpatov Saifwmov iiberliefert (Orig. de princ., praef. 8) ; 
7) man soil Gott verehren, nicht nach Art der Hellehen, die Stein, Holz und die 
Metalle, oder der Agypter, die Tiere verehren (Clem. Str. VI, 5, 39 f. cf. Arist. 
313), 8) aber auch nicht nach Art der Juden, die dienen dyyehois y.al (.ir\v\ xal 
aelijvi], sofern ihr Kultus abhangig ist vom Mondwechsel (Orig. in Job. XIJI, 17, 104. 
Clem. Str. VI, 5, 41, das hat Arist. 14, 4 nicht verstanden); 9) vielleicht standen 
auch moralische Uuterweisungen in dem Buch, Origenes fand in qiiodam libello 
ab apostolis dictum den Satz : beatiis est qui etiain ieiunat pro eo, ut alat pau- 
perem (in Lev. h. 10, 2 fin.), da Arist. 15, 9 dasselbe hat, so ist es sehr wahrschein- 
lich, dafi er aus der Praed. stammt; hatte diese aber .auch einen moralischen Teil, so 



Die Apologeten und. die Missionspraxis. 267 

gebeutet. Seine Nacbfolger baben selbstandiger gearbeitet, aber aucb 
ibnen wird die Missionspraxis die Hauptgedanken geliefert haben, abnlicb 
wie Justin seine Auseinandersetzung mit dein Judentum (Dial. c. Tryph.) 
in Anlehnung an seine praktis.chen Erfahrungen hergestellt bat. Der 
Fortscbritt der Apologeten seit Justin (ca. 150) uber Aristides Hegt darin, 
dafi ein formlicber Beweis fiir die Wabrheit des Cbristentums von den 
Spateren gefiibrt wird, wabrend Aristides mebr mit dem guten Willen 
seiner Leser recbnet, und dafi die beidniscben Yorwurfe Avider das 
Cbristentum ausdriicklich -zurtickgewiesen werden (s. bes. Atbenag.). Dazu 
kommt das Bestreben, die cbristlicbe Hauptlebre von der Person Christi 
durcb die Logostheorie verstandlicb zu macben und zu recbtfertigen. 

3. Die Apologeten. , stellen den Gegnern das Cbristentum als eine 
Pbilosopbie dar. Tavc^v \.wv^v tvgiGxov (pikooocpiav aacpahfj ve 
v.al Gvf.i(poqov, sagt Justin, und die barbariscbe Pbilosopbie ist, nacb Tatian, 
die altere und bessere im.Yerbaltnis zur.griechiscben (Just. Dial. 8. Tat. 
31. 42. Melit. u. Milt, b, Eus. Y, 17, 5; 26, 7). Damit soU nun keines- 
wegs der religiose Offenbarungscbarakter geleugnet wei'den. Die Be- 
zeicbnung Pbilosopbie" soil nur den geistigen Cbarakter der cbristlicben 
Religion inarkieren und sie von dem Zaubertum der sonstigen orientali- 
scben Pteligionen unterscbeiden. Die Lehre Cbristi wird nun als die 
alleinige Wabrbeit bebauptet. Diese Behauptung ftibrt zu einer. zwie- 
spaltigen Stellung zum Heidentum. Das ist begreiflicb. Soil das Cbristen- 
tum als absolute Religion vorgestellt werden, so, ist das Heidentum als 
Irrtum zu b^ezeicbnen, aber andrerseits wird es aucb Wahrbeiten ent- 
balten, die im Gbristentum ibre Yollendung erbalten. Das Cbristentuin 
stebt also im ausscbliefienden Gegensatz zu alien Religionen, und es ist 
docb aucb ibr Abseblufi. Das Bewufitsein des absoluten Gegensatzes 
.aum Heidentum ist sebr stark gewesen. .Alle Religionen der Menscbbeit, 
auch die jiidiscbe, baben scbon Aristides, und vor ibm die Praedic. Petr., 



diirfte auch Arist. 1517 von ihr beebxfiuflt sein ; 10) den sich Bekehrenden wird, 
da sie ev uyvoia _ gehandelt haben, Vergebimg- zugesichert (Clem. Str. VI, 6, 48 
cf. Arist. 17, 4); 11); die Christen sind das r^irov ytvos und sie haben. die v.aivi] 
diadifon (Clem. Str. VI, 5, 41), hieraus wird sich also die Bezeichnung ,,drittes 
Greschlecht" erklaren, denii' es heiUt: VEOLV i^iiv die&e-co, rA ydcg 'JEHijvtov y.al 
'lovSaicov Ttakcud, vfisls 8e ol xaivws odtbv rpmo ysvei aej-Sofisvoi y^umavoi; 
12) der Grund zum Glauben wird in der Weissagung auf Christus eiblickt: 
fTttarBvaafiev Tip deep Sift, t&v ysypctfifisvcov sis aiiiov (Christus), weiter: 
ydg, OTI 6 'd'sbg aiira (die Weissaglingen) Ttgoaera^ev ot'tcos xal oiiSsv ars^ 
Uyofisv (Clem. Str. VI, 15, 128; vgl. Arist. 2, 7; 15, 1; 16, 3. 5; 17, 1). Es ist 
Mernach klar, daB die meisten wichtigeren Gedanken bei Arist. ihre Vorlage in 
der Praed. hahen. Die .Zusammenstellung der. Frgg. .der.Praed. nach der Dis- 
position des Arist. wird den wirklichen Zusammenhang ungefahr wiedergeben. 



268 13. Die Darstellung des Christentums durch. die altkirchl. Apologeten. 

auf die eine Seite gestellt und deni Christentunv allein auf der anderen 
Seite Raum gegeben. Und hierin hat die ganze Welt geirrt. Denn von 
den Geschichten iiber ihre Goiter sind einige Sagen, einige nat-urlich und 
einige Hymnen und Lieder (Arist. 13, 9). Die Christen aber . . . liaben 
die Wahrheit gef linden. Und wie wir am ihren Schriften entnomtnen . 
hciben, sind sie der Wahrheit und der genauen Erlcenntnis nahe, mehr 
denn die ubrigen Volker (ib. 15, 1). ' ; 

Yon diesein Standpunkt aus wird die heidnische Religion als ab- 
geschmackte Torheit und als widerwartige Unsittlichkeit gekennzeiehnet.. 
Die Gotter der Heiden sind Danionen iind die Damonen sind diese- 
Gotter. Sehon Sokrates hat die Macht dieser Damonen erfahren, gegen 
die er zeugte, tind ebenso Cbristus und die Christen. Atheisten- schilt 
man die Christen, wenn sie diese ,,sogenannten Gotter" leugnen, die in 
Wirklichkeit nor den Guten schadenj oder in die Menschen eingeben, 
xim sie krank zu machen (Just. Ap. I, 5. 12. 14. 21. Dial. 79fin. 83.. 
Tat. 18. Ath. 23. 25 ff. Minuc. 21 ff. Tert. 23). Als Schriftbeweis gait 
Ps. 95, 5 : ol &eol T&V s&vwv dai(.wvia. Dazu konnte man sich auf 
die Heiden selbst berufen, die ihre" Gotter in der Tat Damonen nannten, 
freilich in anderem Sinn. 1 ) Oder man sah die Gotter in euhemeristischer 
"Weise fur Menschen der Yorzeit an (Theoph. I, 9 ; H, 2 ; HI, 23. Ath. 30. 
Minuc. 20 f.). Oder man sa,gte, die Gottheiten der Heiden seien die 
Elemente (Arist. 36), oder naturphilosophische Deutungen der Welt 
und ihrer Teile (Arist. 13, 7: TCSQI iGiv -3-ewv cpvowkoyia, Ath. 22). 
Dazu kommt endlieh der Kaiserkultus (Arist. 7, 1 vgl. Seeberg z. St., 
Just. Ap. I, 17. 21. Tat. 4. 10. Theoph. I, 11). Zwei Punkte werden 
aber stets rnit breitem Behagen und nicht immer geistreich dargelegt, : 
die Unsittlichkeit der Gotter nach der Mythdlogie und die Sinnlosigkeit 
der Yerehi'ung der Gotterbilder. Aber nicht nur der Yolksglaube ist 
verachtlich und verwerflich, auch die Philosophen und Dichter sind nur 
Forderer des Gotzendienstes (Arist. 13) , von Damonen inspiriert 
(Theoph. II, 8) : nur widerspruchsvolles und gottloses Gerede brachten sie 
vor (Tat. 2. Ath. 17. 20. Theoph. II, 8; III, 2f. 5ff. Minuc. 38. Tert. 46). 
Das unleugbar Gute bei ihnen ist aus den an Alter ihnen . sehr iiber- 
legenen jiidischen Propheten entlehnt (Just. Ap. I, 44. 54. 59 f. Tat. 31.. 
40f. Theoph. I, 14; in, 23: H, 30. 37fin. Minuc: 34. Tert. 47). Das 
war ein feststehender Gedanke, wie andrerseits Celsus die christlichen 
Schriftsteller zu Plagiatoren der Philosophen machte. 



1) Vgl. z. B. das Wort im Munde des Celsus und des Origenes, bei Orig. 
c. Cels.V, 2; YIII, 24. 28. 33. 45. 58 etc., andrerseits Y, 5; 711, 67. 68 f.; VIII, 
13. 25 etc. ' . . . : .- , . ... 



. , . . Christeiitum und Heidentum. . 269 

Aber nicbt nur so wird die tjbereinstinimung der Philosophen und 
Propbeten. erklart. Der bimmliscbe Logos , der sicb liberal! in der 
mengcbliscben Yernunft auswirkt, wurde von den Cbristen fur Cbristus 
rklart. Daraus ergab sicb ein Cbristentum vor- Christus oder ein Cbristen- 
tum der allgemeinen Vernunft. Nur der Unterscbied bestebt, dafi . in 
Cbristus der ganze Logos erscbien, wabrend in den Pbilosopben nur 
.Teile oder G7t^Qf.iara des Logos wobnten. MeyakeiOTSQCi f.dv ovv rtdorjt; 
av-9-Qcortelov didaaxaliag cpaiverai ra fyierega dia TO koyixbv to ohov, 
ibv (pctyevta di fyi&s XQIGTOV, yeyovtvai xai aCo^ia xal loyov xat tyvyjfv. 
c '0oa yaQ xaAwg ael fcp&sygavTu xat SVQOV cpiloaoyTJoavTsg i] VOJ.IQ- 
dez-ijoavces, xaza Xoyov {.is^og di 3 SVQ^GSCOS ^ccl 0-ecoQias SGTI jtovrj&evva 
avwlg (Just. Ap. n, 10). "Weil freilicb nur Logosteile in den Pbilosopben 
waren, haben sie aueb mancbes Irrige gelebrt. Platos dtddyj-iata ver- 
balten sicb zu den Lebren Cbristi so : oi'X akkoTQia tov XQLGTOV, a)J? 
brt, QVY. SGTLV TcdvTr] o/.ioicc (Just. Ap. II, 13). Hieraus ergibt sicb nun 
die doppelte ttberzeugung , daB alle Wabrheit, wo immer sie auftritt. 
cbristlicb ist, und dafi alle verniinftigen Menscben Cbristen sind. "Oocc 
ovv TtaQa n&ai xaAo)g 1^011 r^iCbv rCbv XgiGnavwv eo-civ, und: ol 
(.leta Xoyov ^iwGccvres %QiOTiavol eioi, so Sokrates, Heraklit, Abraham, 
Elias etc. (Just. Ap. II, 13; I, 46 cf. Mimic. 20 init.). 

Der Welt des Irrtunis und der Unsittlicbkeit stebt nun die Cbristen- 
beit gegeniiber als das ecbte Yolk Grottes, das wabre Israel und ' das 
aQiiEQUTi-Aov yevog TOV &ov (Just. Dial. 116. 119. 123. 135). Hier 
berrscbt ,,die wabre und reine Lebre Cbristi" (ib. 35). Ibr Inbalt.ist 
der Glaube an den einen tiberweltlicben Grptt, an das- neue Gfesetz, das 
Cbristus gebracbt, und an Lobn und Strafe ini Jenseits (Arist. 15, 2. 3). 
Vor allem aber bat Cbristus die Menscben die ecbte Sittlicbkeit gelebrt, 
die sich kundgibt in deni Leben der Cbristenbeit. Mit scbonem Stolz 
\-erweist man auf das Leben der Cbristen, in dem Eeinbeit und Keuscb- 
beit, Lauterkeit und Wabrbaftigkeit, Ebrlicbkeit, werktatige Bruderliebe 
und Eeindesliebe berrscben (Ar. 15. 16). Damit ist das Gregenteil der 
Laster der damaligen beidnischen Welt bezeicbnet (Unkeuscbbeit, Hab- 
sucbt, Liige, Egoismue). Die' Siinden sind wie Stiirme, die das Meer 
.der Welt bewegen, die Kirchen mit ibren Lebrstiiblen gieicben dagegen 
den Inseln , auf denen man Zuflucbt findet im Sturm der siindbaften 
Welt (Tbeopb. II, 14). Gregeniiber dem Wirrwarr der beidniscben An- 
sicbten (Tat. 28) ist bier die eine Wabrbeit. Daber stebt es nicbt so, 
als wenn das Cbristentum der Welt Scbaden bracbte , Avie die Heiden 
annebmen. Im Gregenteil, das Christentum erbalt die Welt. Das Meer 
der Welt ware langst ausgetrocknet, wenn nicbt der ZufluB der Strome 
des Gesetzes und der Propbeten es gespeist batte (Tbeopb. II, 14). 



270 13. Die Darstellting des Christentnms durch die altkirclil. Apologeten. 

Welter kann gesagt werden, dafi die Welt iiberhaupt nur urn der Christen 
willen ivnd wegen ihres Gebetes fortbesteht (Arist. 16, 1. 6; Just. 
Ap. II, 7). 1 ) Und endlich wird auch darauf aufmerksam gemacht, dafi 
das Christentnm die beste Stiitze des Staates sei, weil der Gedanke der 
ewigen Strafe weit besser zur Erfiillung der Gesetze anleitet als die 
zeitlichen Strafen (Just. Ap. I, 12). Einen Schritt welter 1st Melito ge- 
gegangen, indem er das Aufbliihen des romischen Staates unter Augustus 
mit dem Aufkommen des Christentums in. Verbindung bringt und geradezu 
hehauptet, nur die schlechten Kaiser batten das Cbristentuni bedriickt 
(bei Eus. b. c. IV, 26, 7f.). GewiB 1st bei diesem Urteil ein Stuck 
Diplomatie wirksam, aber ibm liegt docb das grofie Selbstbewufitsein 
der Cbristenbeit zu grunde, eine -weltgeschicntlicbe konservierende Mission 
auszutiben, sicb als Salz und Licbt in der Welt zu betatigen (vgl. oben 
S. 269). Die Christen haben die Wahrheit und die Sittlichkeit, sie sind 
ein Yolk von Philosophen (Tat. 32; Ath. 11), daher sind sie das Mark 
der Weltgeschichte, . sie erhalten die Welt und urn ihretwillen lafit Gott 
die Welt nocb. fortbesteben. 

4. Wie kann nun die Bebauptnng, das Christentum ist die Wahr- 
heit begriindet werden? Zunachst wirkt der alte Beweis des Geistes 
und der Kraft nach. Wer das Evangeliuia liest, enipfindet die Kraft, 
,.welche iiber ihna ist" (Arist. 2, 7); die Worte , denen die Christen 
glauben, sind voll von heil. Geist, von Kraft und Gnade (Just. Dial. 9. 
Tat. 29). Andrerseits sind sie Ausdruck der Yernunft und konnen 
daher auf die Zustimniung aller Yerniinftigen rechnen. Es gebort zur 
Natur jedes Menschen, dafi er Ehebruch, Hurerei und Mord fur bose 
halt und dafi er von seiner Yernunft zur Gerechtigkeit angetrieben wird 
(Just. Dial. 93. 141). Nichts anderes aber als ih cpvosi xa^a xt di- 
xata (Dial. 45) baben Moses, die Propheten oder Christus gelehrt. Die 
christliche Moral bedarf daher keines Beweises, sie ist dem verniinftigen 
Menschen angeboren und ihre Yerkiindigung erweist ihre gottliche Kraft 
in ihm. Anders steht es nun aber mit den christlichen ..Dogmen", 
Avie clem einen Gott, Christus, dem Gericht , dem Weltende. Gerade 
diesen Lebren wird Neuheit und Torheit vorgeworfen (Teoph. HI, 4 cf. 
Gels, bei Orig. HI, 26 ; YUE 12). Aber von Neubeit kann nicbt die 
Rede sein, da die Propheten, die alle diese Lehren schon haben, weit 
alter sind als die heidnischen Philosophen (Tat. 29. 31. 40. Theoph. Ill, 29). 



1) Vgl. Tert. Ap. 39: oramus etiam pro imperatoribus . . . pro rerum 
quiete, pro mora finis. Dieser Vorstellungskreis, daB uin der Christen willen 
xvnd dxirch sie die Welt bestehe, ist dem analogen Gedanken des Judenturns nach- 
gebildet, vgl. Weber, Syst. der altsyn. Theol. S. 58. 202. 287 ff., s. ttberhaupt 
Seeberg, Arist. S. 304 f. 



Die Methoden des apologetischen Beweises. 271 

Die Weissagungen des A. T. dienen nun zum entscheidenden Beweise 
fur das Christentum. Sie enthalten alles, was immer ein Philosoph iiber 
die ersten und letzten Dinge zu wissen braucht (Just. Dial. 7), und sie 
entsprechen der Bedingung, die auch ein Plato der Wahrheit gestellt 
hat, dafi sie von Grott stammen miisse, denn sie waren von Grott inspiriert. 
Sein Greist bewegte die Propheten, sodaB sie die Wahrheit sagten, Grott war 
der Motenblaser und sie die Mote. - 1 ) TJnd was immer sie sagten liber 
Christus, iiber seine Lehre und sein Gfeschick, iiber die Erommigkeit, 
iiber Lohn und Strafe, das ist bis in einzelne hinein in Erfiillung ge- 
gangen und gent andauernd in Erfiillung. Das ist der "Weg der christ- 
lichen IJberzeugung, dafi man an die Schriften der heiligen Propheten 
herankommt ,,die durch Grottes Greist das Greschehene vorhersagten so, 
wie es geschehen ist und das Gfegenwartige so, wie es geschieht und das 
Zukiinftige in der Ordnung, in der es zustande kommen wird" 
(Theoph. I, 14). Auf das eingehendste und sorgfaltigste fiihren die Apo- 
logeten diesen Weissagungsbeweis (zi B. Just. Ap. I, 30 53. Dial. 28. 32. 
Theophil. Ill, 17). Er findet auch auf Christi Ausspriiche Anwendung, 
denn auch sie gingen in Erfiillung (Just. Ap. I, 12). Hierin gipfelt 
der apologetische Beweis fiir das Christentum. Das H. T. wird durch 
das A. T. begriindet. Es ist wahr, was im N. T. gelehrt, gefordert 
und verheifien wird, denn in ferner Yergangenheit haben es inspirierte 
Manner vorhergesagt. Diese Betrachtungsweise hat sich clann tief in 
das kirchliche Bewufitsein eingegraben ; sie ist es gewesen , die dem 
A. T. seine Getting als christliche Schrift erhalten und die Methode 
seiner Interpretation bedingt hat. 

Im A. T. ist sonait die neutestamentliche Wahrheit in der Eorm 
der Yorhersagung enthalten. Das Kecht der bisherigen Besitzer des 
A. T. wurde nun eigentiimlich beschrankt. Sie sind schuld daran, daB 
zu dem eigentlichen geistigen Gfehalt des Gresetzes das Ceremonialgesetz 
gefiigt wurde, um ihrer sinnlichen Harte willen (Just. Dial. 19 22. 42. 
44. 46. 67). Doch enthalt auch das Ceremonialgesetz verhiillte Be- 
ziehungen auf Ohristus (ib. 44). Dann aber haben die Juclen durch 



1) Ath. 9: ot von 'exaraaiv rcav ev a&iois ^oyiaficov xivrjaavcos aiiToits ton 
&siov Ttvetifiaios # evqoyovvio e^sycovrjaav avyxgrjaauevov TOV nvetifiaros coael y.al 
aiihrj-tiis avKbv efinvsTjaai. Tat. 13 : rtvevf.ia. Ss TOV -dsov naoa naaiv /.IEV ovx 
sari, Ttapa Se tiai rols Stxaicos ztoliTevo/uevots "/caraydfisvof y.al avfiTrksy.ofisvoi' rij 
y v Xli ^"^ rt(>oayo<)Bvoecov tats hoiTtaZs ifiv%als to xexgvftfievov dvijyyeihe. Theoph.. 
II, 9: ot SE TOV dsov avdoeonoi rtfev ^aTocpoooi jtvevfiaros ayiov y.al TtoocpfJTca 
yt.v6f.ie.vot,, vTt' OVTOV TOV deov sfiTtvevo&evTes f.a.1 aotpiad'evTes, eysvovTO -dsoSiSay.TOi. 
. . ., doyava d'eov ysvofievot, y.al %coorfaat>Tes aoyiav T>]V jtuo aiiTOv, Si ?js aoipias 
elTtov y,al ra Tteol ifjs y.Tiaecos TOV y.6a t uov y.al tajv loinmv UTtavicov. Auch die 
Sibylle gehort hierher Theoph, II, 9. 36 f. . . . . 



272 13. Die Darstellnng des Christentums durch die altkirchl. Apologeten. 

ihre 8i8a.yf.iaia. die Gottes yerdrangt (Just. Dial. 78). Sie sind daiher 
nicht mehr das Yolk Gottes; 1 ) geniafi den Weissagungen sind jetzt die 
Christen aus. den Heiden das Volk Gottes und das rechte Israel (Just. 
Dial. 25. 26. 123. 135 fin.). Das Christentum ist der neue Bund Gottes 
init der Menschheit, der das alte Gesetz durch ein neues raid die sinn- 
bildliche Beschneidung durch die Herzensbeschneidung ersetzt (Just. 
Dial. 11 f. 51. 67. 24. 113). 

5. Welches sind nun die christlichen ,,Lehren" ? 

Gott ist einer, der Schopfer, Bildner und Erhalter der Welt, 
sowie der Gesetzgeber. Seine" Yorsehung regiert die "Welt. Die Er- 
kenntnis Gottes Ayird aus der Beobachtung der Welt und ihrer Ordnung 
gewonnen, 2 ) wie es in der Philosophie iiblich war. Der unsichtbare Gott 
ist ein unerzeugtes, nanienloses, ewiges, unfafiliches, unveranderliches, be- 
ditrfnisloses, von alien Affiekten freies Wesen (Arist. 1, 4ffi. Just. I, 10. 
13. 25. 49. 53; II, 6. Dial. 127. Tat. 4. Ath. 10. 13. 16. 44. 21. 
Theoph. I, 4. 3; H, 10. 3. 22). Er hat alles um des Menschen willen 
geniacht auch dies ist ein stoischer Gedanke , und ist daher zu 
lieben. (Arist. 2. Just. I, 10; II, 4. Tat. 4. Theoph. I, 4 fin.; II, 16). 
Er schuf die Welt aus deni Nichtseienden und gab dem Stoff dann die 
Eorni (Theoph. II, 4. 13. 10: TQOrtci) xivl vh\v yevr]xriv, vnb wu -3-EOv 
yeyovvlav , &cp* ?^g fCftoii]"/.v v.a.1 df.dt^aovqyrf/.Ev 6 S-ebg ibv v.6aj.iov). 
Aber iiber clieser unserer Welt gibt es noch andere obere Welten 
(Tat. 20). .Zu diesen gehoren die ,,Krafte" oder die Engel, die fur die 
Einzeldinge in der Weltordnung Sorge zu tragen haben. Ein ^Ceil von 
ihnen ist aber abgefallen aus IJbermut. Es ist der aQ%uv trjs vlyg oder 
der Teufel saint anderen Geistwesen. Einige unter ihnen haben sich, 
nach Gen. 6, mit irdischen Weibern eingelassen und die Giganten erzeugt. 
Diese Engel sind voin Himmel hinabgestiirzt und bewirken nun die ihrem 



1) Giinstiger urteilt Aristid. 14, vgl. Seeberg a. a. 0. S. 295 f. 

2) Vgl. Ilist. I, 6. Ath. 7. 8. Arist. 1, 1 f . : e-/a> fiaailev Ttijovoiu -9'sov ifidov sis tbi> 
v.6a(j.ov "Mi 9'soji)i]oas tbv oiiQnvbv y.al i-r\v yf/v VMI i^v Q'd/.aaoav jjhidv IB r.ai to. hotztd, 
i&avfiaaa T>}V Siazoofiijaiv to^tcav. YScbv e ibv y.6a t uov xal TO, ev aiitco TidvictoTi 
y.Hia djv&y/.TjV y.ivelrai, ovi'rj'/.a ibv '/.IVOVVTO. y.al 8ici.y.QO.'tovvia eivat &EOV. Theoph. 
I, 5 f . ; III, 9 : fjfists Se y.al -d'ebv 6fio).o-/ovfiev, H'lti evrt, ibv KtiafrfV '/ecu 

v.(Ci Sr//uiovoybt> rovSs rov Ttavrbs y.oauov, y.ai TtQOVoiu ia Tt&VTO, Sioiy.eZa&ai eTt 
,6i9', d/J' vx ainov fiovov, y.al vofiov ayiov fisuadrjy.afiiv, d/J.a vofiod~eTi]v : &%o l uei> 
ibv OVTCOS D*e6v, os '/MI SiSday.ei -f^tas Si^aiOTt^aysi/^ y.al EiiaefieTv y.nl '/.alortotelv, es 
folgeu die zelin Gebote. In diesem Gedankengefiige ist alles aus der griechischen 
Philosophie entlehnt : die Erkenntnis Gottes aus der Naturordnung, die Smy.oa- 
fiijais, TtQovoia s. die Stelleu bei Seeberg, Ap. d. Arist. S. 281 f. Amn. 1. Das- 
selbe gilt von den oben ^yeitel mitgeteilten Attribiiten des g.ottlichen Weseus s. 
a. a. 0. u. S. 221. 



Der Gottesbegriff der Apologeten. 273 

Wesen entsprechenden Kegungen in den Menschen, sie. ziehen die Geister 
der Menschen zum Irdischen herab und erzeugen Siinde, Krankheit und 
Wahnsinn in den Menschen. Sie haben ihre Wohnung in der Luft und 
auf der Erde. Sie sind hylisch geworden und die geistlichen Menschen 
konnen auch ihre Leiber sehen. Das Bose ist ihr Element. C ds ^g 
vfajg aQ%cov ... svaviia rep aya&fy rou 3-eov ^ftLTQOjrsvei KCCI diow.el 
(s. bes. Ath. 24 f. Tat. 15 ff.). Diese Betrachtungen Averden ausfiihrlich 
und mit schwerem Ernst vorgetragen. Die Damonologie, die ja auch in 
den apokryphen Apostelgeschichten eine so grofie Holle spielt, wird mit 
den Elementen des Yolksglaubens imnier kraftiger Versetzt und immer 
tiefer in das religiose Bewufitsein hineingezogen. 

Bk'ckt man auf diese Gredanken zuriick, so ist zweierlei von Wichtig- 
keit. 1) Die hellenische Bestimniung des Gottesgedankens, die iiber den 
abstrakten Begriff des absoluten Seins, der ovoia ertsxeiva ir$ ovaiag 
nicht hinausreicht. Das Beste am christlichen Gottesgedanken vermag 
man theoretisch nicht zu formulieren aus Eurcht, durch konkrete Eor- 
meln die Gottheit in das Mythologische und Kreattirliche hinabzuziehen. 
.2) So ist eine Kluft zwischen dem absoluten Gott und clem wirklichen 
Leben eroffnet. Engel und Damonen fiillen sie aus. Aber das geniigt 
nicht. ,,DaB der Schopfer des Alls und Vater alles TJberhimmlische ver- 
lassen und auf einem kleinen Teil der Erde erschienen sei, wird niernand, 
der auch nur etwas Yerstand hat, zu behaupten wagen" (Just. Dial. 60. 
127). Der raurolose Gott 'kann nicht in der Welt erscheinen. (Theoph. II, 
22). Also beda^ es , um jene Kluft zu schliefien, eines Mittehvesens. 
Das ist der Logos. 

6. Der Logos ist der Sohn Gottes und sein Mittler in der Welt. 
Jede "Wii'kung oder Erscheinung Gottes in der Welt ist "Werk des Logos. 
Alle Theophanien sind Christophanien (Just. Dial. 127), denn Ghristus 
ist der gb'ttliche Logos. 1 ) .Zwei Interessen begegnen sich in diesem Ge- 
danken, einnial mufi ein gottliches Mittelwesen angenommen -\verden, dann 
aber muB das Wesen Christi in einer den Heiden verstandlichen und 
imponierenden Form ausgedriickt werden. Wir iiberblicken zunachst das 
Material. 

Urspriinglich war Gott allein, aber verinoge der ihm eignenden 
dvva(.ns trug er den Adyog in sich. Qeh^iari de vfjs aTfkoTrjTOg 
TtgOrtydq o Ao'yog. Er ist egyov TCQIOTOTOXQV tov- nctTQog (Tat. 5 
cf. Just. Ap. II, 6. Dial. 100. Ath. 10: rcgwrov yevvr^a . . . ov% wg 



1) Justin. Dial. 61: &(>"/ilv Ttgb Tt&vrcov iwv xnofidTcov 6 &eos yeyevvtixei' 
Tiva si- savrov loyixrji>, jjris v.cu. dot; a y.vQiov iiTtb TOV Ttpevtiaros tov dyiov 
, Ttors Se vlos, Ttoie Se.aotpia, ifore E ciyyekos, TTOTS ds &eos, TTOTS 
Se '/.tiptoe "/.al koyos, TCOTS Se d()%iOT(> aTtjyov eavrbv ).eyei (Jos. 5, 131), cf. 34. 
Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 18 



274 13- Die Darstelhmg des Christentums durch die altkirchl. Apologeten. 



, ef <xQ%fjs yag 6 d-edg, vovg &idwg &v, sl%ev ambg sv savvy 
TOV "koyov, aidlcog hoyixbg wv). Der Logos ging in geistiger Weise aim 
clem Yater hervor, durch den Willen wie etwa ein Wort aus uns hervor- 
gelit. Also ist an keine pliysisclie Abtrennung vom Yater zu denken : xyv 
dvvaf.uv Tavzrjv ysysvvriaS'ai ano TOV TtarqoQ dwd(.iei v.a\ fiovhfj 
avTOv, &M? ov Ken; 3 ajtoto/.ir]v &g a7tofiSQt^O(.tvrig wjfg tov rtctTgbg 
ovaiag. Also wird der Yater durch diesen Yorgang nicht kleiner, wie, 
auch ein Eeuer das andere, welchem es entstammt, nicht kleiner macht, 
wohl aher dasselbe ist mit dem ersten Feuer (KOI TO e avwv avaq^BV 
"/.al avrb ov (paiviTcci, ovx ekaTT&oav ixelvo ej; ov av^cpd-ri Just. Dial. 
128. 61. 100. Tat. 5). Nicht ein Engel ist er, sondern Gott, deos nicht 
Q &e6s (Dial. 60, dagg. Ap. I, 6). Aber er ist im Yerhaltnis zu dem 
Yater srsgov XL und a'AAog Tig, und zwar der Zahl, nicht dem Begriff 
nach, wie ja jedes yevvcbfievov ein anderes der .Zahl nach ist als der 
ysw&v (&QI&PV &M ov yvdnrj, Just. Dial. 56. 50. 55. 62. 128. 129). 
So ist der Logos Gott neben dem Yater und ihm allein kommt auch wie 
jenem Anbetung zu (Just. Dial. 38. 63 f. Ap. H, 13). 

Durch den Logos nun hat sich Gott offenbart. Er ist es, der im 
A. T. den Menschen erscheint (Just. Dial. 56 ffi. 60. Ap. I, 36). Er 
ist der Bote Gottes, o fjf.tTQOs diddaxakog Y.CU artooTohog, er ist -fredg 
yvtOQt6iievos (Just. Dial. 60. 127. Ap. I, 12. Dial. 64. of. Teoph. II, 22). 
Als Gott die "Welt erschaffen wollte, zeugte er die Yernunft, welche ei v 
in sich trug (koyog ivdid&ETog) zum Ao'yog 7tqo(poqi7.6^ d. h. er liefi die 
ihm immanente Yernunft sich als Wort nach aufien hin wahrnehmbar 
machen. Diese Termini kommen schon bei den Stoikern und Philo vor. x ) 
Christus ist also die Gott immanente Yernunft, die er in eine be- 
sondere Existenz versetzt. Als gottliche Yernunft ist er nicht nur bei 
der Schb'pfung und in den atl. Propheten, sondern auch in 'den heid- 
nischen Weisen wirksam gewesen. 

Nichts an diesen Gedanken ist spezifisch christlich, alles ist Wieder- 
gabe des beliebten landlaufigen Dogmas der Stoiker, von der die Welt 
durchdringenden gottlichen Yernunft (s. oben, S. 29 f.). Auch das war 
nicht neu , dafi man die alttestamentlichen Gotteserscheinungen und 
-wirkungen dem Logos zuschrieb, das hatte schon Philo getan (oben S. 53). 

1) s. Heinze, Die Lehre vom Logos S. 140 ff. 2311, vgl. Orig. c. Gels. VI, 

65. Theoph. . II, 22: ... tbv loyov ibv owia. Sia Ttrtvrbs IvStaQstov ev xapSiq. 
3sov. II()b yd(> n ylveffd'ai IOVTOV EI%BV aij^iftov'/MV eavrov vovv '/.al tp^ovrjaiv bvia. 
'Onoi's Ss i/d'etyaev 6 -9'sos itoifjaai oaa eflovheijaaTo, IOVTOV ibv hoyov f-yvvi]aev 
7toq(fO()i"/,6v, TtQiototo'/.ov tiddi^s "/.iiaew, oil xevcoflels avibs- ?ov ).6yov &/JM ).6yo : t> 
ysvvriaas '/.al t(y l.oyip a-drov Sia Ttctvrds bf.iiku>v, cf. 10. Ath. 10. Tert. adv. 

Prax. 5 : sermonalis und rationalis, ebensq Galen, proptrept. (Opp. ed. Kiihn I, 1) ; 

a Tip' .ipwvry und '/.ata. trjv yv/jjv. 



. ; - - Die- apologetische Logoslehre. - 275 

Neu dagegen war die bewufit personlicbe Fassung des Logos. 1 ) Sie ergab 
sicb .konsequent aus der Absicbt den Logos mit Cbristus zu identifizieren. 
An dieser Absicbt 1st zunacbst ems von grofier Bedeutung, es 1st die 
vorausgesetzte cnristliche Anschauung von Cbristus. Nicbt Sokrates, 
Moses oder die Propbeten zog man- zur Yerdeutlicbung der Cbristblogie 
beran, sondern den -,,anderen Gott" oder den Logos. Daraus ergibt sicb 
mit-grofiter Gewifibeit, dafi die berrscbende Ansicbt von Christus ibn 
als- gottlicb und Gott ansab. Wie sollte dies den Heiden verstandlicb 
gemacbt werdn, obne in die ,jFabeln" der Grottersobne zu- verf alien 
(of. Ath. 10)? Es war ein genialer Griff, dafi die Apolegeten zu dem 
Zweck den Logos berangezogen. Das war ein jedermann verstandlicber 
und bekannter Begriff, aucb in cbristUcben Kreisen war er, wenn aucb 
in anderem Sinn, braucblicb. Aber weiter konnte man boffen, durcb. 
diesen Begriff die Scbatzung Cbristi, die man batte, im wesentlicben 
klarzustellen. Da6 er Gott ist und Gott doeb einer ist, dafi er gewirkt 
bat vor seiner irdiscben Erscbeinung und dafi er nacb ibr -wirkt iind 
berrscbt, dafi alles Gute, "Wahre und Yerniinftige von ibm berriibrt 
das wurde jetzt deutlicb. Was Paulus intuitiv empfunden und behauptet 
batte- von seinem Cbristus, das wurde bier plan und klar, eine "Wabrbeit, 
die jedem Verntinftigen einleucbten mufite. Wenn j es die Aufgabe der 
Theologie ist, die Offenbarung in die Denkweise ibrer Zeit zu iibersetzen, 
so baben die Apolegeten nur = eine tbeologiscbe Pflicht erftillt. Aber 
dieser tlbersetzerarbeit der Tbeologie baftet immer die scbwere Gefabr 
an, dafi sie mit $er Eorm aiicb die Sacbe verandert, dafi sie nicbt nur 
anders redet, sondern aucb anderes sagt. Dieser Gefabr sind aucb- die 
Apolegeten erlegen. -Nicbt dafi sie Spekulationen ange'sponnen baben 
iiber-das rnetapbysiscbe Verbaltnis des Sobnes zum Yater, war eine Gefabr, 
denn derartige Spekulationen sind notwendig und feblen daber in keiner 
Zeit mit kraftigem religiosen Empfinden, sondern darin lag die Gefabr/ 
dafi man durcb das neue Gfedankengeftige genotigt wurde das Heilswii'ken 
Cbristi einzuscbranken und zu redxizieren. Eeligiose und etbiscbe Belehrung 
ist -binfort Obristi "Werk, die bocbste Aufklarung bringt er der Menscb- 
beit, ist er docb die gottlicbe Yernunft' und als solcbe alien Yerniinftigen 
immanent. Nicbt die Spekulation war eine Gefabr, sondern die rationali- 
stiscbe griecbische Tendenz, die die Bicbtung dieser Spekulation bestimmte. 



j 1) Man kann im ganzen sagen, claB der alte Logosbegriff Christus als Wort, 
Offenbarung, Gesetz, Bund'bezeichnete (s. oben 82. 93. 101 f.), der neue ^dagegen 
als Vernunft; aber -bei Justin lauft die alte- Anschauung .nock nut unter, wenn 
ef ;Ghristus vdpos und Sia&rjxrj nennt (Dial. 43. 51), oder "koyov rbv Ttaqa d-eov 
j- I,--'22), oder Dial.. 128: loyov y.alovat, STteiSr] aal rds Ttaga rov 

- ; r . . . . : 

18* 



276 13. Die Darstellung des Christentunis xltirch.die altkirchl. Apologeten. 

Auch die Trinitat s lehre ist in der Folge durch die, neue Christo- 
logie befruchtet worden. Zunachst aber kann man iiber die Wiederholung der. 
gelaufigen Formel nicht sondeiiich hinaus. Neben dem Wort" wird. 
erwahnt die Weisheit Gottes oder der heil. prophetische Geist, doch tritt 
dieser gegen jenes zuriick (Just. -Ap. I, 6. 13. 60. 61. Ath. 10. 12. 24). 
Der Diener Christi und der Bote Grottes ist der heil, Geist (Tat. 13. .15); 
Jedenfalls aber ist die Trinitat ein Stuck- des Gemeindeglaubens. Der 
Ausdruck TQKXQ zuerst Theoph. H, 15. Den Heiden gegeniiber war 
es nicht veranlafit von. diesem Begriff eingehend zu reden, und das urn 
so weniger als man auch praktisch zunachst das Interesse. nur ,auf das 
Verhaltnis des Sohnes zuin Yater konzentrierte. Aber schon beginnt. 
das religiose Streben sich der Erkenntnis der Trinitat zu bemachtigen. 1 ) 

7. Der Logos ist Mensch geworden. Das ist an sich nicht un- 
nioglich, denn ist er oft in mancherlei Gestalten in dem Alten Testament 
erschienen, warum konnte er nicht auch Mensch werden. ,(Just. Dial. 
75 fin.) ? Aber wie ist die Menschwerdung zu denken ? Zunachst ist 
klar, dafi die Yorstellung von der Yereinigung des gottlichen Greistes mit 
dem Menschen Jesus bei der Taufe verschwunden ist. Eiir Justin ist 
Christi Taufe zu einern Problem geworden und er ist dessen gewifi, dafi 
Christus um seinetwillen der Herabkunft des Geistes nicht bedurft habe 
(Dial. 88). "} Yielmehr ist durch die Geburt aus der Jungfrau der Logos 
nach Gottes Willen ,,Mensch geworden". IIQOTSQOV kayos &v -.- . . vvv 
de dice -3-^(.t(XTOs -9-eoij . . . av-S-Qtonos ysvo/.ievos (Just. Ap. I, 63. 23). 
Osbg rtQOiJrtd()%iiiV wurde er, nach Gottes Willen, accgxoTtoirj&eiQ (Just. 
Dial. 87. 48. Ap. I, 32). Die .Meischwerdung fafit nun sowohl den 
Besitz von Fleisch und Blut (oaQXOTtoirjd-els . . . 7.ai adQYM xal alf.itt 
O%SV Just. Ap. I, 66), oder eine Leibwerdung (asouf.HXftoifjO&ai Dial. 70) 
in sich, als auch das Werden zu einer menschlichen Seele. Das sagt 
Justin ausdriicklich, wenn er die Erhabenheit der christlichen Lehre 
riihmt dice TO hoywov TO blov, tov cpavevta di 3 fjf.iag Xqiorov, yeyovsvoti 
y.al a5)/.ia yial hoyov -/,al ijjwyjjv (Ap. II, 10). 3 ) Dabei ist aber die An- 
sicht keineswegs die, dafi der Logos aufgehort habe zu existieren, spndern 
Christus ist ,.Gott und Mensch" (Dial. 71), oder ,,Gottessohn" und 

1) VTIO (.idvov e TtatjaTtefiTtofisvoi tov tov Q'ebv v.ni ibv 7M(f aviov l.oyov 
slSevai TIS i] tov TtniSbs itQos TOV mnsQa voTt]s, fis ?/ TOV Tta/iqas Ttqos TOV vibv 
s.otvcovia, TI TO Ttvsv/ua, Tig fj TWV TOOOVTCOV evcoais "/MI diaipeffts evovfievcov, TOV 
Xvetifia'ros, ton itctidos, TOV Ttar^os; (Ath. 12). 

2) Die Taufe ist durch den auch sonst bezeugteii sageuhafteu Zug, ausge- 

schmiickt: y.al TIVO avrjcp&r] ev Tq> 'lopSdvi], s. Otto z. d. St. 

3) So ist die Stelle zu interpungieren xiiid zu erklaren (gegen Qtto, vgl. 
Engelhard t S. 120 ff. und Veil). Auch Ap.olinarius hat ausdrticklich , einer 
menschlichen Seele Christi gedacht, s. das Frg. im Corp. apol. IX, 486 



' ' Die Menschwerdung des Logos. 277 

,,Mens'chensohn" (Dial. 100). Mit diesen Begriffen wird fortan ent- 
gegen ihrem urspriinglichen Sinn einf ach die Grottheit und Menschheit 
Christi bezeichnet (vgl. oben S. 90). Gredanken dieser Art fingen in 
jener Zeit uberhaupt an haufig zu werden, wie man- besonders an den 
Fragmenten Melitos sehen kann, der geradezu von der gottlichen und 
menschlichen Substanz redet, die in Christi "VVirken offenbar geworden 
sei. 1 ) -Zwei Naturen und eine doppelte Reihe von Betatigungen unter- 
schied man also in dem Leben des fleischgewordenen Logos. Die vor- 
ausgesetzte Einheit des Subjektes ermoglichte es aber auch von dem 
Leiden des Logos zu reden. c (9 TteTCOv&wg &s6g nennt ihn Tatian (l'3)j 
und Melito schrieb : 6 i^eog rteTCOV&ev, impassibilis patitur (Corp. apol. 
IX, 416. 419. 420 cf. Just. Ap. IE, 13). Aber derselbe ist jetzt nicnt 
ein gekreuzigter Mensch, sondern der Sonn GrotteSj den die Christen 
neben dem Vater ,,an zweiter Stelle" und samt dem propbetiscnen Greist 
verebren (Just. Ap. I, 13. 53), wie das nacb den Axisspriicben der 
Propheten berecbtigt ist .(ib. 30 fL)~. 

Somit ist deutlicb, dafi der Logos Mensdfe geworden ist, aber so, 
dafi er Grott und Mensch war/ oder Grott blieb und Mensch wurde. 

Aber eben in diesem Gedanken ist der Anlafi zu einer zweiten 
Betrachtungsweise enthalten. Sobald man namlich an die TJnveranderlich- 
keit und Fertigkeit des Logos denkt, tritt an die Stelle der Mensch- 
werdung die Annahme einer zweiten Natur, der menschlichen ; oder 
statt vom menschjewordenen Logos redet man von dem ^eog iv avd'QMTtov 
[.lOQCpfj (Tat. 21). Demgemafi ist dann die Menschwerdung im Sinn des 
Eingehens in die Menschennatur oder der Annahme dieser zu denken. 
So sagt Aristides : Und dieser loird bekannt als der Solm Goltes des 
Hochsten, und es heifit, dcifi er heralgekommen ist in heiligem Geist vom 
Himmel und von einer hebrdischen Jungfmu nahm und cmzog Fleisoh, 



1) Dabei hat Melito auch der Taufe Christi gedacht und zwar nicht auf 
sie die Gottheit Christ hegriindet, wohl aber nach ihr das Leben Christi in zwei 
Abschnitte geteilt: i& ya^ /.leva-ib fidTtnofia vTtb Xfjiarov Tttictydevia, y.al {idlicna 
ta atjfieia, %i]v avrov y.ey.^vf.i/.isvt]-!' BV aa^y.i dsoT^ia e8ri).om> . . . Osos 

s v.a.1 av&QCOTios ve&eios 6 (linos r&s Svo aiiTov oitaias 
v, ii]v ftijv -d~e6rt]Ta. ui>rov Sia rwv oqfieicov iv TI] Tgieriu if, fisia. TO 

Se avdycoTtoTiita ainov ev -cols i^iAr/.oviu ZQOVOIS 1013 TtQo tov 
ois Sia TO aTsles TO xaiot, adgxa, djeex^yfis 10. <?r)fieTa. irjs avrov d'soTijros, 
&sbs dkii&ijs TtQoatcavios vrtdo%a>v (Corp. apol. IX, 415f.). A Maria 
portatus et.patre suo induhis . . ., corpus induens et simplicitatem naturae suae 
divinae non coarctans . . . Stabat coram Pilato et sedebat cum patre, affixus 
erat ligno et tenebat universum. (ib. p. 420). Im iibrigen" gehort Melito mehr zu 
Irenaus und Tertullian als zu Aristides und Justin. 



278 13. Die Darstellung des Christentums;durcli die altkirchl. Apologeten. 

und es. wohnte 'in ernes Menschen Tochtef der Solin Gottes (2, 6).' 1 ) -Die 
Stelle zeigt, daJ3 Cbristus als Geist voin Himmel herab kam uhd sicb 
mit dem in der Maria erzeugten FJ.eis.ch verband. 2 ) Aber wie 1st dies 
Fleiscb entstanden ? Das sagt Aristides nicht. Aber wir erbalten bei 
Justin eine neue Antwort darauf. Der Greist und die Kraft, die 
nacb.Luk. 1, 35, uber die Jungfrau konimen, sind nichts anderes als 
der Logos, s.elbst. 8 ) Der Logos selbst bewirkt also, dafi er als '.Menscb 
in der Jungfrau entstebt, wie er aucb Auf erstebung und Himmelf ahrt 
seiner Meuschlieit bewirkt. 4 ) Demgemafi konnten aucb. die Magier das 
Kind Jesus anbeten, denn gleicb nack seiner Geburt besafi er scbon :Seine 
gottlicbe Logoskraffc. 5 ) Die Mitwirkung. Grottes bei der Entstebung Jesu 
bat Justin in der Formel ..nack dem. Wiljen des Vaters" ausgeda'iiekt 
(s. die Stellen S. 276), die Entstehung selbst 1 1st durcb den Logos bewirkt-. 
Demnach. 1st Cbristus als Gott der Erzeuger seiner Menscbbeit und als 
Menscb das Erzeugnis seiner Gottneit. Das ist ein anderer Gedanke als 
der im altromiscben Bekenntnis ausgesprocbene. 

Die beiden Typen dan.- Menschwerdung, die wir bei den apostoUscben 
Vatern fanden (S. 100) sind aucb jetzt nocb vorbanden : der Logos ist 
Menscb geworden, und der Logos bat sicb mit einer Menschennatur ver- 
bunden. Aber die erste Eorm ist die beberrscbende geworden. Indem 
nun Justin Jesus zum Gescbb'pf des Logos naacbt,. bat er die zwei 
Naturen in Cbristus anerkannt, aber zugieich die denkbar engste Yer- 
einigung ZAvisclien ibnen ausgesprocben. Die popular-] obanneiscbe Idee 
beberrscbt diesen Gedanken, der Menscb Jesus ist in vollige Abbangig- 
keit A'oni Logos gebracbt, die Menscbwerdung ist nicbt mebr die Her- 
stellung einer besonderen Beziebung zu einem gescbaffenen Menscben, 



1) Ziun Text und zur Erklarimg der Stelle s. Seeberg a. a. 0. S. 329 f., 
sv Ttvevpaxi &yi(p 1st zu eiklaren durch ,,als h'eil. - Geist", wie sv gebraucht wird 
z. B. 1. Petr. 3, 19. 1. Kor. 2, 7. 2. Makk. 4, 30. 

2) Vgl. das Fragm. des Aristid. : omnes dolores vere passus est in corpore 
suo, quod beneplacito patris- de virgine Hebraea, assumpserat atgiie sibi ineffdbili 
et indivisibili unione coniunxerat (Seeberg, Der Apologet Arist. S. 68), ' auch 
Melito: pater misit filium suum e coelo sine, corpore, ut postqiiam incarnatus 
esset in utero virginis etc. (Corp. ap. IX, 419). 

3) Ap. I. 33 : TO TCvev/Lia. oi>v y.al ii]v Svvauiv irp> Ttapa lov 9'sov oiioev aL^o 
vofjaui -Oefiis ?/ tbv ),6yov. 

4) Ap. I, 46: Sia Svvdfiecos TOV }.6yov y.ara rrjv rov Ttarrjos Ttdvrcov y.al 
SeoTtorov &EOV /3ovli}v Sia Ttagdsvov avd'Qionos aTts'/.vq&i] y.al 'Iqaovs BTCIOVO- 
fidadri, y.ul aravtjco&eis '/M aTtod'aywv dvtotr] y.cu d.vstofivd'EV sis oiigavov. 

5) Dial. 88: xal yaQ ysvv>]9'e\$ dvvafiw Tip', fdnov %a%e. Ini iibrigen sagt 
diese Stelle von Jesus eine iiatiirliche Eutwieklung .aus: '/Ml uv^dvcov y.uid, TO 

y.oivov . . ., xpcbfisvos Tols apfio'^ovai, ey-dorri ait^ijaei TO olxeTtov ditsvEiue, rt)S(p6- 
JJ.EVOS ias ttdaas rooyidg. :. 



Die ErlBsung bei Justin. '"' 279 

sondern die Schopfung dieses Menschen. Der Logos wird Mensch, indem 
er sich zum Menschen macht. 

8. In der Anlage der Christologie ist es begriindet, dafi alles Ge- 
wicht in der Erlosungslehre. auf die aufklarende Wirkung des Logos 
fallt. Wie der Logos vor seiner Menschwerdung sich. in den verniinftigen 
Menschen offenbarte, so gibt er als ,,der neue Gesetzgeber" (Just. Dial. 18) 
den Menschen das neue Gresetz, das ein verniinftiges und tugendhaftes 
Leben fordert, sowie die Yerheifiung von Lohn und Strafe. Dazu 
kommt die Belehrung liber den einen G-ott (Just. Ap. I, 12 19). Das 
ist der neue Bund, der den alten aufhebt. Christus selbst ist ,,das ewige 
und endgiiltige Gesetz," ,.das ewige Gesetz und der neue Bund" (Dial". 
11. 43. 51). Das Neue, was Christus der Menschheit bringt, ist also 
nichts anderes, als das vernunftgeinaBe an das Herz des Menschen sich 
richtende Gresetz, dazu wurde der Logos Mensch, una durch diese seine 
Lehre das Menschengeschlecht umzuwandeln (Ap. I, 23). Er wird wohl 
als Konig bezeichnet, aber auch dies hangt niit seiner Stellung als Ge- 
setzgeber zusammen (Dial. 34). Das Gresamtwirken Christi fafit sich 
also Justin, deni einzigen Apologeten, der genauer auf diese Prage ein- 
geht, zusammen in der Aufklarung des Menschengeschlechtes durch die 
Yerkiindigung des einen Gottes und der reinen vernunftgeniaBen Moral. 
Damit wird nur die Entwicklung fortgesetzt, die wir bei den apostolischen 
Yatern sich anbahnen sehen (oben S. 112 ff). Aber diese Bichtung empfangt 
durch die Logosidae eine feste prinzipielle Grundlage. Die Aufklarung 
wird zu einem notwendigen Bestandteil des Christentiims. Das ist die 
eigentlich verhangnisvolle Wirkung der Einfiihrung des philosophisclien 
Logosgedankens gewesen. Nicht nur die geschichtliche Offenbarung 
Christi, sondern auch das Wirken des hiniinlischen Herrn wird hierdurch 
rationalisiert und depotenziert. 

Aber Justin weifi auch von der anderen Seite ini "Wirken Chiisti 
zu reden. Auch das Kreuz Chzisti ist irn A. T. geweissagt, etwa wenn 
Aron und Hur die Arnie ausbreiten (Dial. 90 f.), Plato redet davon 
(Ap. I, 60), im gewohnlichen Leben findet es sich z. B. der Pflug, das 
Beil, die Segel und die Eeldzeichen usw. (ib. 55). Was ist es nun uin 
die Wirkungen des Leidens Chiisti? TJm leiclen zu konnen wui-de er 
Mensch (Dial. 98 f). Das Blut Christi reinigt von der Siinde nach Jes. 53 
(Dial. 13. 40 f., Ap. I. 32. 50). Vergebung der Siinden und Eiiosung 
vom Tode bringt Christi Tod (Dial. 111). 1 ) Das sind die bekannten 
Yorstellungen, auf die kein originelles Licht geworfen wird. Zweierlei 



1) "Vgl. Melito (Corp. ap. IX, 418) : b xvpioi acpayeis 'sacooev fjuas xal Ssd'sts 
ekvae %al iv&eis 



280 13. Die Darstelltmg des Ohristentuins durch die altkirchl. Apologeten. 

ist noch hervorzuheben. "Wie- Jakob urn. die Lammer, hat Christus ge^ 
dient um die Menschen, um sie zu erwerben durch Blut und Mysterium. 
des Kreuzes" (Dial, 134). "Wie die Parallele mit Jakob zeigt, erwirbt 
Christus die Menschen zu seinem Eigentum. Hierin wird es dann be- 
griindet sein, daB Christi Leiden die Menschen von Leiden befreit (Ap. 
II, 13),. sowie dafi durch Beschworungsformeln mit dem Namen des 
Gekreuzigten die Damonen ausgetrieben werden (Ap. II, 6. Dial. 30: 
wars "/ai. ta daifiovia vftordoaeff&ai iC^ ovof.iari avrov -/.al TJJ iov 
ysvof-ievov nd&ovg avrov oixovoLiiy). Der Tod Christi befreit also auch 
von Leiden, Krankheiten und Damonen, weil er durch den Tod die 
Menschen zu seinem Eigentum envorben hat. Das andere ist ? daft 
Christus den xim der Gresetzesiibertretung willen auf ,der Menschheit 
liegenden Eluch, nach Gottes Willen auf -sich nahni (Dial. 95). Dagegen 
hat die Opfervorstellung bei Justin keine irgend belangreiche Stelle. 
Dies alles reicht iiber das iiblich ^gewordene Material nicht hinaus. 1 ) 
Es zeigt nur, daB in der Christenheit die alten Gedanken von der Er- 
losung durch Christi Blut in bezug auf die Siinde, das tJbel, den Tod 
und die Damonen fortbestanden haben, ohne dafi man ein Bediirfnis 
nach Erklarung dieses Glaubens empfunden hatte. 

9. Wenn die Erlosung wesentlich in der Mitteilung des neuen 
Gesetzes besteht, so ist auf seiten des zu erlosenden Menschen die 
Freiheit zur Befolgung des Gesetzes vorausgesetzt. Die Freiheit ist 
aber mit der menschlichen Vernunft gegeben und ein unveiiierbares 
Stuck der menschlichen Natur. Yermoge der anerschaffenen hoyMCii 
dvvdf.ieic, kann der Mensch das Gottgefallige erwahlen, und dadurch wird 
er dann der TJnverganglichkeit (acp&aQoia) und der Gemeinschaft mit 
Gott gewiirdigt (Just. Ap. I, 10). Gegen die stoische Lehre von der ~Noi- 
wendigkeit des Fatums (xa^ 5 el/.ia()[.ievY)s avdyKYjV), die man aus der 
christlichen Anschauung, dafi alles Geweissagte geschehe, ableiten konnte, 
wie Justin sagt, wird das empirische Eaktum der Wahlfreiheit und die 
Verheifiung von Lohn und Strafe geltend gemacht (ib. 43 Ap. II, 7). 
Ist nun der Mensch von Natur frei, so ist er auch verantwortlich, und 
sein Schicksal liegt in seinen Handen. Nicht hat Gott von sich aus die 
menschlichen Taten vorherbestimnit , sondern er hat nur cliese Taten 
vorhererkannt und demgemafi der Menschen Geschick nach ihrei- 
Wiirdigkeit bestimmt (Just. Ap. I. 44). 2 ) Hier wird zum erstenmal 



1) Dial. 72 ist von einer Predigt Christi in der Unterwelt die Kede, s. oben. 
8. 103 f. Ob Justin den Begriff der dvaney>a}.aicoais gebraucht hat, ist miv 
dnrcliaus zweifelhaft, da das Citat bei Iren. IV, 6, 2 friiher scblieBen wird, als 
die Herausgeber annehmen. 

2) Dial. 141 : si ds 6 '/.oyos rov &eov TT^OILDJVVSI TCUVTCOS nvue, f.al ayyekovg 



Freiheit und Erlosung. 281 

die urchristliche Idee von der Allwirksamkeit Gottes ersetzt durch die 
Yorstellung von Gott als dem allwissenden Zluschauer der freien mensch- 
liclien Taten, durch die Gottes Taten bestirnmt werden. Die praktische 
an der Vergeltung orientierte Anschauung von dem Verhaltnis Gottes 
zum Menschen \vird im scharfen Gegensatz zum stoischen Fatalismus 
theologisch f ornruliert. Nach dieser Grundanschaunng besteht nun die 
Siinde in der Tpsvdodo^ia "ACU ayvoicc TMV "MthGiV und in deni Merdurcli 
bedingten Ungehorsam gegen Gottes Gebot. 1 ) Dies hat aber den Tod 
zur Folge. Da nun aber in dem Menschen die verniinftige Eahigkeit 
Gut und Bose zu unterscheiden wohnt, kann er jederzeit die "Richtigkeit 
des ihm vorgehaltenen Guten erkennen und es gehorsam befolgen. Dies 
ist die Bekehrung und der Glaube, durch die der Mensch die TJnsterblich- 
keit verdient oder ein Gott wird. 2 ) Die Freiheit ist des Menschen Ver- 
derben, 8 ) sie ist aber auch das Mittel seiner Rettung. Durch sie glaubt 
er und ernpfangt Siindenvergebung (Just. Dial. 95. 116. 141), durch. sie 
,.vermag er aber auch das neue Leben fiir Gott zu beginnen und der 
Welt zu sterben. 4 ) Auch hier ist alles in das Eationalistische ver- 
.flacht, \venngleich es an Andeutungen kraffcigerer Gedanken nicht fehlte. 5 ) 



di'S'gcoTtovs , y.ohcto&rjaead'ai: uelJ.ovms, SIOTI, ityoeyivio tf'/.ev aiitoiis 
Tovs yevtjao (.levovs stovr] g-oti's TtgoeiTte Tavra, d)./? ofy OTI 
i's o O'Bos TOIOVIOVS eTtoirjOev. 

1) Die j.Erbsitiide" ist durch Just. I, 61 ausgeschlossea : wir sind geboren 
aus dem Samen der Eltern, daranf folgt dann als etwas neues y.al sv ed-eai yatilois 
ML 7tovi]<3als dvaTooifais yeyovafiev, 

2) Just. Ap. II, 14: y.al Svvcanai ir t s ifsvSoSo^ins xal dyvoias t&v xalcav 
d.TtcJJ.ayrn'ni, oi Ttaqu. tr]V eavr&v aliiav yTtetjd'vvot tals Tiftwgiais yivowzai, Sia ?b 
s.v tt] (ptiaei, Trj T&V d.vd'qwTuov sivai ib yvco.giQTixbv %a?.ov xal cday^ov. Dial. 141: 

s TOVS dyyekovs '/.(u rovs dvd~()w7tovs sTtsad'ai TIJ fiovhi] aisTov o 9'eos 
Ttoifjoai rovrovs aiire^ovalovs stabs Si/staiOTtQa^iav . . ., v.cu. Si? eawiovs 
>l ( iiETs . . . elsyxd'yaofied'a Ttovqqevodfievot,, eav f.ii] (ffrdoavres (tetad'Afis-d'a, . .'. 
"QaT SUM. fisiavorfffcaai, TCavrsi fiovhoaei/ot fw/lv tov 710.00. iov &sov sAsovs SvvavTai. 
Tlieoph. II, 27 : 'iva si $e\pr] KTU .rd 'ifjs ddavaaias TIJ^IJOUS rijv svio^v tov fleoy, 
fiiafrbv xo/Liiarjiai ^UQ ainov TIJV dd'avaaiav y.ai yevtjTat deos . . ., elevQeqov ydo 
/ML ccdTE^ovaiov taoir/oev 6 &EOS ibv avd"<3co7tov. . C ovv kavrco TteoieTiioirjOato Si 
dfiskeias v.ai Ttafjay.ofjg, totiro 6 &EOS crimp wvi ScoyeiTui . . . Ka\)d7ts^ ydq Ttaoa- 
y.otioas <5 livd'jJcoTtOi &dvarot> eavrrji ETtsOTtdaaio, ovrcas vTtay.ovaas i(<j d's^ijiiart rov 
9'sov 6 ftovhdfievos StivuTai, TteyiTtoirjaaad'ai eavrtp rijv alcbviov ^coi'fV "JSScoxev ydy 
6 i9eos fifiTv vo { uov r.al svrolds dying, c^i Tt&s 6 Ttonqaas Syvatui aco&ijvui y.al r?7s 
uvaaidoEcos iw/jby xhijoovo/uTjaai rijv dyd'aoaiav. 

3) Tat. 11 : dTtcbleaev fj/.ias to cuiiie^ovaiov. :. ; 

4) Tat. 11: UTtoQ'vrjoy.e no y.oaftqt ctapaiTOijfievos Ti]i> sv aiizcd fiaviav ^flO'i 
i(p \)sco, Sid rfjg niirov xaTuhrjipecos riff 7ta.ha.idv yeveoiv ytagairovfie-i'os. 

5) So in der . Tauflehre s. unten. Tatian hat eine eigentumliche Geistlehre 
vorgetragen. G-eist ist in alien Leb.ewesen, wie den Sternen, den Engeln, den 
Menschen und Tiereu, und zwar derselbe Geist, der aber in sich Unterschiede hat 



282 13. Die Darstellung des Christeutums durch die altkirchl. Apologeteu. 

DaB in diesem Gedankenzusammenhang die Rechtfertigungslehre des 
Paulus keinen Platz findet, ist verstandlich. Alles Gewicht fallt auf die 
intellektuelle Aufklarung und die mit ihr gegebene freie Tat der Be- 
kelinmg zur verniinftigen Moral. Die liturgische tJberlieferung bot die 
Formeln der "Wiedergeburt durch den Geist, und man verband sie mit 
der TJberwindung der bosen Geister, aber im Grunde fiihrte ersteres 
nicbt iiber den rationalistiscben Moralismus hinaus und letzteres eroffnete 
dem schlinimsten Aberglauben der Zeit die Tiir. "Wie arm ist doch die 
christliche Psychologic bei den Apologeten geworden im Vergleich zu 
den apostolischen Yatern, und wie eintb'nig verlaiift die ScHlderung der 
inneren Zustande der fronimen Seele ! Der Rationalismus der Logos- 
christologie hat den moralistischen Zug, der uns schon bei den apostolischen 
Yatern so kraftig entgegentrat, machtig verstarkt. Das Christentum der 
Heidenchristen tritt uns bei den Apologeten zuni erstennial ohne Zusatze 
aus der alteren Zeit entgegen. Es ist arm iin Yerhaltnis zu dem 
Christentum der beiden vorangegangenen Generationen, aber dies Christen- 
tum hat doch ein Leben hervorzubringen verinocht, wie es uns die letzten 
Kapitel des Aristides schildern, es stak ininier noch ein wunderbarer 
Reichtum in ihm. 

10. Esoterische Elemente, die der Apologet nur um der Yollstandigkeit 
^Yillen erwahnt (s. Just. Ap. I, 61 init.), sind die in dem Gemeinde- 
gottesdienst gebrauchten Mittel, durch \relche man Christ -wird und bleibt. 
Wir gedenken ihrer hier nur in Kiirze. Es sind die Lesung der 
Propheten und Evangelien, die Predigt und Yermahnung, das gemein- 
sanie Gebet (ib. 67), die Tauf e und das Abendmahl. Im Namen 
des dreieinigen Gottes wird der Taufling gewaschen, nachdem er zuvor 
uni Yergebung seiner Siinden gebetet. Die Taufe bringt (.lerdvoicc und 
acpsoig fyiaQTicov, sie versetzt in eine neue Existenz, ohne sie kein Heil ; 
aus Kindern der Notwendigkeit und Unwissenheit macht sie Tenva TCQO- 
aiQSOecoQ y.al fCLOT^f.tt]g, wobei zu beachten ist, dafi auch hier nur an die 
Taufe Erwachsener zu denken ist (Just. Ap.1, 61 : xaiWTTOM^fiVreg, 66 : TO 
dcpsoews a^aqTiCbv xai. dg avayevvrjaiv lomqov cf. Dial. 19. 29. 44. 



(12). Die Seele nun bedarf, um nicht zur %'),vi herabzusinken, der ovtyyia rov 
&eiov TtvEvpaios (13). Diese hat sie aber verloren uud mufi sie wiedererlangen ; 
das gescliieht, wenn Gott durch den Geist in ilii- wohnt, so wird der Mensch 
zum Bilde Gottes und unsterblich (15). Dagegen versuchen die Damonen 

TtvevfiaTixi] SB eativ ainois fj atipTtijgts d)s rtv<}6s, ws &EQOS (15) den MeilSClieu 

hinabzuziehen und ihn zu peinigen (16). Tat. denkt hier an eine physische Mit- 
teilung des Geistes, der die an sich sterbliche Seele unsterblich macht, Ygl. 
ilbrigens oben Barnab. uud Valent. S. 122. 234. Aber Tatian hat auch wieder 
die Freiheit znm Grimd der Erlosung gemacht. 



Tatife, Abendtoahi. AuferStehnng. . 283 



. Il, 16 ; (pUTiG^ios Just. 1, 61, t&stov yivea&al. Dial. 8). Von der 
Euch'aristie sagt Justin (Ap: I, 66):- VY\V di v%ijs koyov TOv rtctQ* avwv 
(sc. Christ!) sv%a()carr}'&sZaav TQOtytjv, l % aif.ia ~/.al Gag-teg -/.met 
1 ) tQ&povTui tyuwv, SKSIVOV tou oaQKOrtoiri&VTO$ ^Irjaov y.at 
Li ccifia i:di8(x%&v>iiv slvai. . . 
11. Als letztes Stuck des Gremeinglaubens kommt die A u f e r s t e h u n g 
in Betracht. Nur unter Voraussetzung derselben bleibe die menschliche 
(pvQi ihrem "Wesen treu; wie Leib tmd Seele glaubig wurden und Grutes 
iaten, so werden auch beide der TJnverganglichkeit teilnaft (Jiist. jPrg. 
de resurr. 9. 10. Athenag. de resurr. 15. 25. 21 cf. Theoph. n, 13 f. 
Tat. 13. Tert. Ap. 48). Indem Christus aueh dem Leibe die TJnver- 
ganglichkeit verneifit, iibertrifft er die philosophischen Yorstellungen 
(Just. ib. 10).-) Die Propheten haben von einer ftQihrrj und devreQCc 
rtctQOvola Christi geweissagt (Just. Ap. I, 52. Dial. 40. 49. 110 f. u. s.). 
Cnristus kehrt in Herrlicnkeit und als Richter wieder, die Welt vergeht 
in Feuer, nach der Auferstehung" empfangen Grerechte wie TJngereclite 
ihren Lobn (Just. Ap. I, 20. 52; IE, 7). Zur vollen Orthodoxie (xi 



1) Diese Worte lehren nattirlich. nicat die ,,Transsubstantiation". Voran 
;g-eht, claB durch den Logos Jesus Christus Fleisch und Blut erhielt, sonach konne 
von seinem Meisoh und Blut die Eede sein. Eben jene Speise nun, welche ge- 
ma Umvvandlung den Leib nakrt, soil far den Grlauben Meiscb. und Blut Christi 
;sein, vgl. Dial. 41. 7(^117. Die Erklarung, als wenn y.aia. /.isfa@olf[i> auf die 
Uniwandlung zur Unsterblichkeit, die durch das Abendmahl an unserem Leibe 
^eschieht, abziele (Eug-elhardt S. 104 ff., Loofs, PEE. I 3 , 41), ist unmoglich, 
weil 1) xatd logisch zu dem Gedanken nicht stimint, well 2j nicht feMen durfte, 
in was denn die Christen verwandelt werden. Eine ,,Theorie" enthalten die 
platten Worte in keiner Weise. Der etyfjs l.oyos ist keiae Konsekrationsformel, 
sondern die eucharistischen Dankgebete (sii^ul ?.al s-uy/^iaricu c. 67 cf. Iren. IV. 
18, 4: panem, in quo gratiae actae sint und Did. 9, 10). Man beachte noch die 
vorsichtige Wendxing eSiSd%&-rifisv slvai. Justin redet wie Joh. von aa^^ y.al 
alfia, in deu gleich darauf zitiei'ten Einsetzungsworten heifit es aber acopa. Der 
.Zusanimeuhang zeigt, dafi Just, oa^ y.al alfta als Bezeichnung der menschlichen 
Natiir braucht. Die Behauptung Harnacks, es seien ,,Brot und Wasser die 
.eucharistischen Elemente bei Justin" (Texte und Unters. VII, 2, 117 if. Just 
Ap. 65 fin. nennt agios, olvos KM tidco^, ebenso 67; dagegen.65 nied. agros y.a.1 
ttoiiigiov -SSaios '/MI xyduaTos, die beiden letzten Wb'rter fehlen im Cod. Ottob. 
.'H. erklart sie wie olvos fur spatere Zusatze, vgl bes. Cypr. ep. 63) scheitert an 
textkrit. Erwagungen, sowie an der einhelligen geschichtl. Tradition, vgl. Zahn 
in Neue kirchl. Ztschr. 1892, 261ff. Jiilicher in den Theol. Abhandlungen, 
Weizsacker gewidmet 1892, S. 215 ff. Vgl. aber oben S. 133 Anm. 1. 

2) Dariiber, ob die Seele an sich unsterblich sei, schwankeu die Meinuugen 
(Theoph. II, 19 fin.). Justin. (Dial. 6) und Tat. (13) leugnen das, und Theophil. 

(II, 24. 27) schreibt : ovre oliv dd'dvaiov avtbv eTtohjaev ovrs ,?)// &vi]Tdf, d)./,d . . . 
aiitpoisoiav. 



284 14. Die Theqlogie der antignostischen Vater. 

l' itvsg SIGLV 6g&oyvd)f.ioves wia Tttivva. %Qiariavoi) rechnet Just. . auch 
die Anerkennung des tausendjahrigen Reich^s in dem restaurierten, ge- 
schniuckten und .erweiterten Jerusalem (Dial. 81 f. dazu Ap. I, 11)., 

12. Die Apologeten sand in doppelter Hinsicht fur uns von Bedeutung. 
Erstens zeigen ihre Schriften, daB das Verstandnis des Christentums in 
ihrer Zeit die Mangel und Verengungen, die wir bei den apostdlischen 
Vatern wahrnehmen (Cliristi Werk, Moralismus), nicht nur .forterhalten, 
sondern vergrofiert hat. Die Logosidee und der. Moralismus haben ein- 
ander, die Hand gereicht zur Depotenzierung des Christentums. Der 
Moralismus empfing an der Logosidee seine .theoretische Gbundlage und 
der Logosgedanke hatte an dem Moralismus seine praktische B.asis. 
Beides aber entsprach den Tendenzen der zeitgenossischen Popular- 
pliilosopnie. 1 ) Zweitens lernen wir die Anfange der kirchlichen Theologie 
kennen. TJm das Christentum gebildeten Heiden begreiflicb. zu machen, 
wurde es in ein fremdes Schema gedrangt .(als Yernunftreligion) und 
nach fremdai'tigen Yprbildern gedeutet. Der abstr'akte (platonis.che) 
Gottesgedanke, der Versuch durch den (stoischen) Logosbegriff die Grott- 
heit Christ! A T erstandlich zu machen, die Anschauung, dafi des Menschen 
Verderben Avesentlich in der Unwissenheit und im Tode, die Erlosung 
in der Aufldarung durch den richtigen Grottesbegriff und die rechte 
Moral, sowie in dem Lohn der Unsterblichkeit (acp&aQGid) bestehe, sind 
die bier in Betracht kommenden Momente. Auf denselben beruht die 
dogmengeschichtliche Bedeutung der Apologeten. DaJB ein reicherer religioser 
Besitz, .den ihre Theologie nur ahnen laBt, in der Christenheit lebte, 
wird der folgende Paragraph zeigen. 



14. Dogmatisierung des Kanons, der G-laubensregel und der 
Kirehe. Die Theologie der antignostisehen Vater. 

.Quell en: Ireuaus adv. haeres. s. oben 10. Eh 87tisihv TO-O dTtoaroL'/.ov 
m^v'/fimos ed. ter Mekerttschiau und ter Minassiaiitz (Texte u. Unters. XXXI, 1), 
1907. Vgl. Za.hn PEE. IX s , 401 ff. J. Werner, Der Paulinism. d. Ir. (Texte n. 
Unters. YI, 2),, 1889. J. Kunze, Die Gotteslehre des Iren., 1891. Tertullian., 
gest. ca. 230. Opp. ed. Oehler, 3 Bde., 1851 ff, Wissowa Bd. I, 1890, ygl. 
Hauck, Tert. Leben u. Schriften, 1877. Bonwetsch, Die Schriften Tert, 1878. 
N o 1 d e c h e u . Tertull., 1890. K, H o 11 , Tert. als Schriftsteller (Preufi. Jahrb. 1897, 
262 ff.) . J. S t i e r , Die Gottes- und Logoslelire Tert ,1899. W. M a c h o 1 z , Spur en 
binitarischer Denkweise . . . seit Tert., 1902. G-. Esser, Die Seelenlehre Tert., 1893. 



1) Es ist das bleibende Verdienst der Monographie M. v. Engelhardts 
liber Justin, diese Beurteilung der Apologeten an dem Beispiel Justins nachge- 
wiesen zu haben, nnd dabei ist, wie Harnack mit Recht hervorhebt, J\istin der 
christlicliste unter den Apologeten. 



Vulgarchristentum. 285 

K. H. Wirth, Der Verdienstbegriff bei Tert., 1892. A. d'Ales, La theologie de 
Tert., 1905. Hippolyt. Werke ed.-Bpnwe.tsch n. Achelis, 2 Bde., 1897. 
N.'Bonwetsch, Hipp. Komin. z. Hohenlie'd (Texte u. Unters. N. F. VIII, 2), 1902. 
N. Bonwetsch, Drei.georgisch erhaltene Schriften von Hipp. (Texte u. Unters. 
N. F. IX, 1), 1904. ' Vgl. Bellinger, Hipp. n. Kaffist, 1853. G.' Picker, 
Studien z. Hippolytf rage, 1893. N. Bonwetseh, Studien z. d. Komin. d. Hipp. 
(Texte u. Unters. N. F. I, 2), 1897. Vgi. zum Ganzen Harnacks Chrono- 
logic II it. DG. I s , 507 ff. Loofs DG. 4 8. 129 ff. M. Winkle r, Der Traditions- 
begriff d. Urchristentums bis Tertull. 1897, sowie die zti 8 angeftlhrte Literatur. 

1. .Die grofie gnostische Bewegung und die Theologie der Apologeten 
hatten etwas Gremeinsames. Beide trachteten danach das Christentum zu 
einer popularen und gemeinverstandlichen GfroBe zu erheben. In dem 
Ma6 als . das Christentum weitere Yolksschichten ergriff, wurden die 
Elemente, die es mit dem heidnischen Volksgiauben gemeinsam hatte, 
an die Oberflache gezogen. Die apokryphen Apostelgeschichten vor 
allem, deren Grrundlage seit der Matte des zweiten Jahrhunderts in 
gnostischen, aber auch in kirchlichen Kreisen geschafEen wurde, geben 
hiervon anschaulich Zeugnis. Ein dicker Nebel von Aberglauben oder 
von antikem Volksglauben lagert tiber dieser Literatur. Sie ist wirklich 
popular, aber im schlechten Sinn dieses Wortes, denn sie erhebt nicht, 
sondern sie sinkt auf das Niveau des Vulgaren hinab. Die Greister und 
Damonen werden mehr in den Mittelpunkt des religiosen Grlaubens ge- 
riickt, und ihre Gestalten werden immer grotesker und derber. Das 
atifierlichste goetenhafte Wunder wird zum Exponenten des Heiligen. 
Die Apostel sind wesentlich grofie Wundernianner, denen die Toten- 
erweckungen leicht von der Hand gehen, die Hitnde und Esel reden 
lassen, zerbrochene Statuen heil, geraucherte Pische lebendig machen ttnd 
Damonen den Kopf abschlagen (z. B. Act. Petr. 9. 11. 13. 15. 25 ff. 22. 
Act. Joh. 46 ff. Act. Thorn. 39. 73). Und solche "Wunder wirken daun 
den Grlauben an Christus, per quern omnia impossibilia possibilia sunt 
(Act. 1 Petr. 11). Diese Erscheinungen gehoren der Vergangenheit an; 
je mehr die eigene Zeit des Wunderbaren zu entbehren begann, desto 
reichlicher stattete man die Vergangenheit damit aus. Die Apostel treten 
wie Halbgotter auf ; Ehren, wie sie Paulus in Lystra sich verbat, werden 
ihnen reichlich zuteil. Die Urzeit des Christentums wird zur Heimat 
der Wunder im Stil des Simon Magus. Yon der Gegenwart schaute 
man aber auch auf die Zukunft. Mit Wonne nahmen die Apokalyptiker 
alle wunderbaren Zeichen des Endes, alle Siege ; itber die Weltniacht, 
von denen das Judentum wufite, in den Kreis ihrer Weissagungen auf 
(s. das 6. 8. Buch der Sibyllinen). Man gewann hierdurch einen ge- 
schichtlichen MaBstab zur Beurteilung des Ghristentums. In grauer Yor- 
zeit hat die Sibylle alle Schicksale der "Welt zusammen erschaut, sie 



286 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

miinden im Cbri&tentum und seinem Sieg: ,,Durcb Davids Haus> aber 
kommt alles zxini Ende" (Sib. YH, 31). Aber liber dem alien scbwebt 
Cbristus, der' Herr und der Gott, der Wander tut und tun laBt und 
tun wird. Nicht nur komint ihm irgendwie Gottbeit zu, sondern er ist 
einfacb Gott, rein und ohne Reflexion wird das behauptet und praktisch, 
angewandt. 1 ) . , . 

2. So fremdartig uns dies Popularcbristentuni beruhren mag, sollte: 
man in ibm einen merkwiirdigen Zug nicht verkennen. Es ist ein Yer- 
sucb des Christentums Volksreligion zii werden. Aber nock war* es zu 
friib bierzu und nocla war das Bewufitsein von der Eigenart des- Ohristen- 
tums zu stark, als dafi solcne Versuche hatten durcndringen konnen; 
Der Hafi des Heidentums, wie er sich in Yerleumdungen und Yer- 
folgungen kundgab, bildete ebenso einen Damm gegen die Yolkstumlicn- 
keit des Christentums, als das belle BewuBtsein seiner fiibrenden Geister^ 
dafi die Kirche nicbt in die Welt aufgehen dtirfe. Man bat jene vulgaren 
Elemente nicbt verworfen das konnte man nicbt / aber man bat 
die Entwicklung in andere Gfeleise gelenkt. Es kommt bier zunacbst 
das unerscbiitterlicbe BewuBtsein von dem positiven, besonderen Cbarakter 
des Cbristentums in Betracbt. Das Cbristentum ist nicbt die Religion 
der Welt, sondern die Religion der von der Welt verfolgten Heiligen 
und Martyrer. Eine besondere Gemeinscbaft bild'en sie. Auf Cbristus 
und seine Apostel gebt sie zuriick, ,,die Lebre der zwolf Apostel" : 
berrscbt in ibr (Asc. Jesaj. 3); Cbristus konimt wieder die Seinen zu 
erretten und die Welt zu ricbten. Ein macbtiges BewuBtsein der Ein- 
beit der Welt gegeniiber beberrscbt die Cbristenbeit. Aus ibm geht 
das Bestreben nacb Gleicbbeit der Lehre und der kircblicben Sitte bei-vor. 
Und dies Bestreben wieder scbarft den Blick fiir die Haresie und macbt 
immer mifitrauiscber gegen den H Geist" (s. oben). Aus dieser Tendenz 
erwacbst eine inimer starkere Betonung der kircblicben Lebre und des 
kircblicben Amtsorganismus sowie ein stronger Biblizismus , der' die 
beiligen Scbriften als Beweismittel fiir die iiberb'eferten Lebren und als 
Quelle der religiosen und sittlicben Wabrbeit genau interpretiert und 
gern anwendet. ,.Exegesen der gottlicben Scbriften" gebb'ren zu dem 
Bestand des Lebrbriefes (Dionysius von Korintb ca. 170, bei Ens. b. e. 
IY, 23, 6). Ein Mann in Melito (ca. 160) verfaBt Auszlige aus Gesetz 
'Und Propbeten .,iiber den Heiland und unseren ganzen Glauben" (Bus. 
b. e. IY, 26, 13). Tbeopbilus von Antiocbien legt die Scbopfungs- 
gescbicbte aus (ad Autol. II, 11 fL), scbreibt einen Kommentar zu den 



1) Hierlier ist wohl auch die christliche Bearbeitung der ,,Testamente der 
zwolf. Eatriarchen" zu nehmen mit ilirem Monarchianismus (s. unten 16 am Ende); 



Anfange einer positiven Theologie. 287 

Evangelien (Hieron. vir. ill. 25) und kront seinen Beweis des Christen- 
tums durcb eine Erorterung liber Alter und Wert der alttestamentlicben 
Biicher (ad Autol. ITI). Die exegetiscbe Arbeit, die von den Grnostikern 
zuerst betrieben wurde, fafit festen Fufi in der Kircbe. Der Anfang zu 
den Forschungen von Clemens, Origenes und Hippolyt ist gemacht. 1 ) 

Die Streitliteratur wider das Heidentum und Judentum, wider Marcion, 
die Gfnostiker und Montanisten scnwillt immer inebr an. 2 ) Aber das 
geistige Interesse erscbopfb sicn nicht im Streit oder auch in der erbau- 
lichen Briefrede. Indem man das Cbristentum als eine positive lebendige 
Gfrofie vor Augen bat, ergeben sich positive Probleme. Man fangt an 
dogmatische und ethiscbe Traktate zu verfassen. Melito etwa schreibt 
,,iiber das Passab", Tiber den "Wandel und die Propheten", ,. iiber die 
Kirche", ,,iiber den Sonntag", ,,iiber den G-lauben des Menscben", ,,iiber 
die Scbopfung", ,,iiber den Grehorsam der Sinne gegen den Grlauben", 
,,iiber die Seele und den Leib", ,,uber die Taufe und iiber die "Wabrbeit 
und den Grlauben und die Entstebung Cbristi und das Wort seiner 
Weissagung und iiber Seele und Leib", 3 ) ,,iiber die Grastfreundscbafb", 
,,den Scbliissel", iiber den Teufel und die Offenbarung des Jobannes", 
,,iiber den korpeiiicben (evatof-idzov) Grott" (Eus. IV, 26, 2). 4 ) "Wie 



1) Frauen und Jwigfrai<,en, Kleine und G-rofte, denkt sicli Hippolyt als 
Leser seines grofien Danielkommentars, oder doch, wie Bonwetsch annimmt, des 
betr. biblischen Buches (in Dan. T, 22, 3). Uber das Sechstagewerk schrieben 
auch ein Candidus imd ein Apion, Herakleitos sis tbv dTtoaro/.ov, Sextus TISQI 
dvaatdascos, Arabianus cz/U?/ ns bTtofreois (Eus. h. e. V, 27), indessen wissen wir 
nicbts iiber diese Schriften, sie mogen dem 3. Jahrh. angeho'ren. 

2) S. z. B. die Schriften des Apolinarios Eus. b.. e. IV, 27 ; Maximus Ttodev 
1} xaxta- ib. V, 27. 

3) Nach dem Wortlaut des Textes (s. die Ausg. von Schwartz I, 382) scheint 
dies alles der Inhalt eiiier Scbrift zu sein. Dann handelte das Biich von der 
Taxife und dem ihr vorangehenden Taufunterricht. Dieser umfaBte : 1) die dltjO-eia, 
d. h. die christiiche Lehre sowobl nach der dogmatischcE wie ethischeu Seite hin ; 
2) die Ttiatis d. i. vermutlich die Glaubensf ormel ; 3) besonders hervorgehoben wir d dann 
die yweais Xyiaiov, vermutlich der Ursprung Christi im Sinne von Mt. 1, 1. Mark. 1, 1 
cf . Act. 1, 1 , d. h. Bezeicbnung seines irdischen Lebens ; 4) seine prophetische Eede ; wenn 
hierauf folgt: xal TCB^I ww/fis xal Ttfev/uaros, so mb'chte ich dies letzte Glied aiif das 
jenseitige Scliicksal von Seele und Leib beziehen. So gibt auch Iren. (I, 20 1) das 
eschatologische Lehrstiick wieder : eandem salutem totius hominis id est animae 
et c or p or is. Die ganze Stelle bei Iren. ist 'nachzulesen, denn ihre Anordnimg 
lauft dem Titel des Melito vielfach parallel. Dieser Zusammenhang wiirde also 
ungefahr dem entsprechen, was wir friiher iiber die Taiiflehre geho'rt haben, vgl. 
S. 161 f. Tivd. y.aTtj/^Tiy.d pifllla schrieb auch Theophilus (Eus. IV, 24). Auch die 
Canones Hippolyts kommen hier in Betracht. 

4) Vgl. die Zusammenstellung der Schriftstellerei des Melito bei Harnack, 
Literaturgesch. I, 1, 246 ff. . , . 



288 14. Die Tkeologie der autignostischeu Vater. 

lehrreich ist doch diese tJbersicht Mr die Yielseitigkeit innerldrchlicher 
Interessen in unserem Zeitalter ! Melito erweist sich schon durcli die 
Auswahl seiner Theniata als Vorlaufer Tertullians, aber der Kleinasiat 
ist vielseitiger gewesen als der Afrikaner. Zu diesen Problenien ist 
schon fruh die Bufifrage gekomrnen. Das BewuBtsein die Gemeinde der 
Heiligen zu reprasentieren verbunden mit den Stinden, die inuner deut- 
licher im Leben hervortraten, liefien die Mittel sucken, durch die auch 
Sunder Heilige sein konnen. Schon Dionys von Korinth hat geniahnt, 
,',die, welche sich von einem wie inuner beschaffenen Fall, sei es einem 
Yergehen, sei es selbst dem haretischen Irrtum bekehren, '.wieder auf- 
zunehnien" (Eus. IV, 23, 6). 1 ) 

3. Lehren, Ordnnngen, Institutionen fangen an das geistige Interesse 
der Christenheit zu erfiillen. Daraus wird auch positiv verstandlich die 
scharfe Abwehr, die man gegen die Greistmenschen aller Grattungen 
Grnostiker und Montanisten richtete. Was sich langst schon angebahnt 
hatte, fing man an bewufit zu tiben. Fiir die Probleme, die man enipfand, 
bedurfte man fester Traditionen nnd heiliger Schriften, der ,,Geist" wird 
inuner starker als etwas Fremdes, das in die neue Lage nicht pafit, 
empfunden. Ein grofier religionsgeschichtlicher ProzeB fangt an zum 
AbschluB zu gelangen. Aus der Religion des heil. Geistes wird die 
Religion des heiligen Buchstabens und der ,,alten TJberlieferung". Beide 
Grofien standen von Anfang an im Christenturn auf dern Plan, immer 
weiter hat die zweite die erste zuriickgedrangt, bis sie schliefilich den 
Geist, der weht wo und wann er will, fest in die Tradition und den 
Situs gebunden hat ; kein Geringerer als Paulus hatte den Anfang dazu 
gemacht, aber wie anders wurde das Resultat, als er es sich gedacht 
hatte! Aber in rnannigfachen Eorinen lebte trotz allem der ,. Geist" 
auch aufierhalb des liberlief erten Wortes in der Kirche fort - in dern 
Treiben der Exorcisten und den Spekulationen der Theologen, in den 
Martyrern und den Monchen, in dem Mysterienwesen und in manchen 
Fornien vulgarsten Aberglaubens, vielfach ein wunderliches Gemisch dar- 
stellend von heiliger Kraft und Xarikatur des Heiligen, von Mystik und 
Hypnose, von Autosuggestion und Betrug. 2 ) 



1) HO'I.'IM Tts^l ydfiov y.al ayveias role avrois Ttaqaivei, v.ai TOVS l ' ft S' 
d.7T07ttojoecos, eire 7t'/;)]/.i/.ie},eias S'ITE ftfjv al^si:i-/.fjs Ttl.dvrjs ETtiOTQecpowms SeS-iovad'at 

Nacli dem Zusammenhang scheint Dionys also auch Vergeheu 
gegen die Keuscbheit zu meinen; ist es zufallig, dafi diese Mahnung an die Ge- 
meinden von Pontus gerichtet ist, wo ein Menschenalter vorher Marcion durcli 
den ethischen Rigorismus aus der Kirche gestoCen war? 

2) Die Geschiclite des Monchtums, der Mystik, des Aberglaubens, der Ketzer 
etc. bietet daflir viele Belege. Wie stark auch iin Zeitalter des Iren. nud Tertull. 



Der Geist und die neue Theologie. 

Indem die Kircbe den ,,'Greis't" ausstiefi, 1st sie in der Kraft der 
Tradition Herr uber die 'Gfnostiker und Halbgnostiker, die Montanisten 
und die Ekstatiker geworden. Aber es gab ein anderes, fremdes Element 
in ibrer Mitte, und dies batte sicb. mit den tiefsten und starksten Tendenzen 
der Cb.ristenb.eit auf das innigste vereinigt.' Die Kircbe wollte die 
absolute Religion, die alien alles ist, -vertreten. Und sie tat das, indein 
sie ibre Lebre als die Bliite der naturlicben Moral und als. die Hobe 
der antiken Pbilosoptie bezeicbnete. Der Kanipf gegen die Grnostiker 
nat die Kircbe zum positiven Biblizismus und Traditionalismus geleitet, 
der Kanipf wider das Heidentum und Judentum notigte dazu den 
positiven Standpunkt ins allgemeine zu deuten oder zu rationalisieren : 
eben diese positive Lenre der Bibel und der Tradition ist der Seblufi- 
'punkt der naturlicben Moral und "VVelterkenntnis. Den Greist, der sicb 
den Formen und Formeln des alten Cbristentums nicbt ftigte, konnte 
man dampfen, an seine 'Stelle trat ein anderes beweglicbes und die 
Tradition in Bewegung setzendes "Element, die natitrlicbe Vernunft des 
Menscben. Die Probleme, die die Formel ,,fides et ratio" in sicb birgt, 
baben sicb -scbon im 2. Jabrhundert mit innerer Notwendigkeit in der 
Tbeologie berausgebildet. Die ratio trat an. die Stelle des Ttvsuua und 
.sie erbielt sicb, - obgleich der Positivismus aticb. ibr widerstrebte und ibr 
nur eine A r erborgene Stelle im Komplex seiner Gedanken gewabrte, der 
Positivismus bat die ratio immer gern verleugnet und bat ibrer docb 
immer bedurft. 1 ) ' 

4. Es sind drei grofie Fiibrer gewesen, die im Abendland uw. die 
Wende des 2. und 3. Jabrhunderts die -Gredanken imd die Eormen ge- 
scnaffen baben, durch deren Annabme die Kircbe zur katboliscben Kircbe 
wurde. Dei 1 erste uriter ibnen istlrenaus. Sein grofies antignostiscbes 
Hauptwerk lehrt ibn UQS als einen boben und strengen, priesterlichen 
Geist kennen. Er streitet nicbt aus Freude am Kampf, sondern uih 
der Sacbe willen, er beniiibt sicb aucb. den Gregnern gerecbt zu werden, 
^so bocb erbaben sein altes Cbristentum ibm aucb inneiiicb dastebt gegen- 
iiber der modernen Erkenntnis der Gegner. Er lebt und webt in der 

das (Msfrvvesen noch war, zeigen anschaulicli die psendoclem. Briefe de virgini- 
tate, s. r l, 11, 10: wer das Charisma der Lehre hat, soil sich von den Propheten 
priifen lassen, qui dignoscarit del esse verba quae loqueris, und die Geineinde er- 
bauen, vgl. IT, 2, 1. 4; dazu das charisma sanandi oder die Gabe des Exorcismus 
1, 12, 2. 4. 5. Bernerkenswert ist, wie die pneumatische Lehrgabe mit der natiir- 
lichen Beredsamkeit (II, 11, 4. I, 1, 3; 2, 4) vertauscht werden kann. 

1) Der Gegensatz und die Kombination von auctoritas und ratio (s. imteu. 
Tertull.) ist alt, Cicero z. B. sagt von den Pythagoraern : tantim opinio prae- 
'iudicata poterat, ut etiam sine rations valeret auctoritas (de uat. deor. I ? 
.5, 10). ' ' . , 

Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 19 



290 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

heiligen Schrift. Aus ihr widerlegt er die Gegner und aus ihr entwickelt 
er seine Theologie, manches Arcliaistisclie lauft dabei mit unter und 
auf manches Problem der Z'eit versagt er die Antwort (z. B. II, 28, 6f.). 
Irenaus ist Biblizist und er ist der erste grofie Yertreter des Biblizismus. 
Er ist von den johanneisehen Traditionen Kleinasiens bestimmt, aber 
zugleich tief in den Geist des Paulus eingetaucht, die pneumatische Ge- 
dankenlinie bei Paulus ist fur ihn mafigebend gewesen wie fiir keinen 
anderen Theologen der alten Zeit. Aber Iren. ist zugleich Traditionalist, 
nur irn Sinne der kirchlichen TJberlieferung darf die Bibel ausgelegt 
werden, denn nur so wird sie im Geist ihres Ursprungs verstanden. Der 
Gfegensatz zur Gnosis notigt ihn zu dieser Kombination, aber sie ruht 
auf dem festen Boden erlebter Erfahrung. Nur die Bibel, aber die 
Bibel nur im Sinn der kirchlichen Tradition, und eben dadurch nur die 
wirkliche Bibel das war der Ausgang des Irenaus. Nicht grubeln 
soil man, sondern glauben und lieben und dadurch Gott nahekommen 
(H, 26, 1). Zwar gibt uns die Schrift nicht iiber alles Auskunfb und 
ihre Ausspriiche sind nicht immer verstandlich, aber die Hauptpunkte 
sind verstandEch und eroffnen die "Wahrheit (II, 28, 3). Traditione 
igitur quae est ab apostolis sic se habente in eeclesia et permamnte apud 
nos, revertamur ad earn quae est ex scripturis ostensiomm eorum qui 
evangelinm conscripserunt, apostolorum, ex quibus conseripserunt de deo 
sententiam, ostendentes, quoniam dominus noster lesus Chrislus veritas est 
et mendacium in eo non est . . . Et apostoli autem discipuli veritatis- 
existentes extra omne mendacium sunt (III, 5, 1). 

Ein ganz andersartiger Greist ist Tertullian: beweglich und leicht 
erregt, zu bosern scharfen Witz geneigt und nicht immer Herr der 
dunkeln Triebe seiner Natur, mit alien tlbertreibungen des Rhetors 
arbeitend, und doch urwiichsiges christliches Empfinden nie verleugnend, 
in Zornglut sich hineinredend und doch gerade dann zur Hohe scharfer 
Logik sich emporschwingend, und bei alle dem ein durch und durch 
praktischer Geist, mehr reich als tief, mit vielen Mitteha arbeitend und 
doch in jedern Moment zielbewuBt. Er war ein Meister in dem Genre 
der dogmatischen und ethischen Zeit- und Streitfragen, die er, Melito 
folgend, gern veroffentlichte. Es sind immer praktisch gedachte einfache 
Gedanken, die er durchfiihrt, und er besitzt im hochsten Grade die Gabe 
den Leser fur sie zu interessieren. Wunderbar versteht er es kurze 
knappe Eormeln fur seine Gedanken zu pragen, Schlagworter fiir die 
Kanipfe des Tages, aber auch Stichworter zur Orientierung der Gedanken. 1 ) 

1) Vincenz von Lerinum (comm. 18) charakterisiert diese praktische Art gut 
in den Worten: cuius quot pene verba tot sententiae sunt, quot sensus tot vic- 
toriae. 



Irenaus und Tertallian. 291 

Die gauze Trinitatslebre und Cbristologie, die Sunden- und Gnadenlebre,, 
die Tauf- und Bufilebre des Abendlandes ist von seinen Sticbwortern 
beberrscbt. Man spurt an dieser Tendenz auf das Wirksame und 
Pormale einen. juristiscben Zmg in Tertullians Gedanken. 1 ) JSFocb deutlicber 
tritt dieser in seinem Gesamtverstandnis. des Cbristentums zutage. Er 
bewegt sicb in Reebtskategorien, So aucb, wenn er das Cbristentum 
gegen die Gnostiker verteidigt: sie haben kein Recbt an die beiligen 
Scbriften, diese geboren der Kircbe und nicbt den Haretikern. ,,Daher 
haben sie als Nicbtcbristen kein Becbt an den cbristlicben Scbriften. 
Man darf ibnen mit B,ecbt sagen : wer seid ibr, wann und wober seid 
ibr gekommen, was treibt ibr, die ibr docb zu den Meinigen nicbt gebort, 
auf meinem Boden? Mit welcbem Recbt fallst du, o Marcion, meinen 
Wald? Mit wessen Erlaubnis legst du, o Valentin, meine Quellen um? 
Mit welcber Befugnis verriickst du, o Apelles, meine Grenzen? Mein 
Besitztum ist es, was babt ibr anderen bier nacb eurem Willen zu saen 
und zu weiden? Mein Besitztum ist es, von alters ber babe icb es itn 
Besitz, icb babe es zuerst besessen, icb babe sicbere TJbertragungstitel 
von den TJrbebern, denen die Sacbe gebort bat, icb bin Erbe der 
Apostel" (praescr. 27). Dies stolze Bewufitsein des Besitzes bebt das 
rast- und rubelose Sucben der Gnostiker auf. Sie sucben immer, weil 
sie nie finden und sie finden nicbt, weil sie an eine Tiir klopfen, binter 
der niemand wobnt (praescr. 11). Sie miiben sicb ab mit den Problemen 
der beidniscben Religion. Vicl&rint qui Stoicum et Platonicum et dia- 
lecticum christianismutn prptulerunt. Ndbis curiositate opus non est post 
Christum lesum nee inquisitione post evangelium. Cum erediimis, nihil 
desideramus ultra credere. Hoc enim prius credirmts, non esse . quod ultra 
credere debeamus (ib. 7). Alles ist in Ordnung, si quod debui credere credidi 
(11). Glauben aber soil man die Regel des uberlieferten Glaubens. 
Fides in regula, posita est . . . Adversus regulam nihil scire omnia scire 
est (14). Der kircblicbe Positivismus ist in diesen Satzen ygl. crede 
qitod traditum est (de earn. Cbr. 2) auf die Spitze gefubrt. . Der 
Cbrist bat keine Interessen und keine Bediirfnisse, die iiber die Kircben- 
lebre binausgingen, und diese fafit die ganze Offenbarung in sicb. 

Aber Tertullian feblt nicbt ein rationaler Zug. Die Vernunft ist 
von Gott und Gott bat alles verniinftig geordnet, daber: 'nihil non ratione 
tractari intelligique voluit (poenit. 1). Die "Worte der Scbrift miissen 
verniinftig aufgefafit werden, denn z. B. crudelem deum qui non intelligit 



1) Jurist ist aber Tertullian nicht gewesen, w'ie S. SchloBmann zeigt, s. 
die Abn. ,,Tertull. iin Licnt der Jurisprudenz" in Ztschr. f. KG. XXVII, 252 ff., 
.407ff.; aber die Menge juristischer Wendungen bei Tert. zeigt, wie sehr die Ge- 
bildeten des Abendlandes von juristischem Geist durcbtrankt waren, vgl. Cyprian. 

19* 



92 14 - Die Tlieologie der antignostischen Vater. 

credit (scorp. j 7). -Es gibt erne dem Menschengeist als solcbein zuganglicbe 

natiirlicbe Erkenntnis Gottes, die ibn twa aus der Schopfung erkennt 

(c. Marc. I, 17. 18), wie auch die moraliscbe lex naturalis in alien 

Menscben wobnt (cor. mil. 6). Daher stehen Vernunft und Glaube nicht 

'im Gegensatz zueinander. 1st auch die TJberlieferung zunacbst nur im 

Glauben anzunebmen, so findet sicb doch spater aueh ein vernunftiger 

Grund fur ihre Eorderungen. 1 ) Der Gedanke n cre.do, ut. intelligent 1st 

'Tertullian bereits gelaufig gewesen. Aber bedeutsainer noch als diese 

allgemeineB Gedanken ist die Rationalisierung des ganzen i^eligiosen 

Lebens durcb. die Eecbtskategorien. : Die Ansehauung der Apologeten 

von dein Cbristentum als der verMnftigen Seligion \vird Merdurcb. fiir 

das lateiniscbe Bewufitsein erlautert : das Cbristentum ist aucb die Religion 

des gottlicben Kecbtes. Je einseitiger der kircbUcbe Positivismus gefafit 

wird, desto mebr drangt sicb die rationale Begrundung auf. Dies Gesetz' 

der Scbolastik bat sicb schon frub wirksam erwiesen. 

Derselbe Mann, der so klar fiir die kircblicbe Tradition eingetreten 
ist, bat sicb spater dein Montanismus zugewandt. Das ist ein Problem, 
'das sicb nocb nicbt durcb die Reflexion auf sein Temperament lost. 
Darin liegt die Losung, dafi die nova lex des traditionellen Christenturns 
Tertullian fiir die Moral unzulanglicb erscbien und dafi der Paraklet eine 
'Erganzung dazu bot. Die lex fidei oder die Grlaubensregel blieb als 
immobilis et irreformcibilis erbalten. Der Paraklet sollte ibr, dein enipi- 
riscben .Bedarf entsprecbend, eine neue Disziplin binzufiigen, die veritas 
der consuetude entgegenstellen. Es war die spatere Deutung des Mon- 
tanismus, die Tertullian erg-riff, sie stimmte zu seinen Grundgedanken : 
wie Gfott einst das Gflaubensgesetz gab, so bat er jetzt die neue Disziplin 
gewabrt. 2 ) Der Montanismus wird im Sinn des Katbolizismus verstanden 
-und angewandt, nicbt der Gleist, sondern die Disziplin des Greistes bat 
es Tert. angetan. 

Wieder eine ganz andersartige Erscbeinung tritt uns in Hipp -ply t 
vor das .A u g e - Er ist ein Gelebrter und er arbeitet zum guten Teil 
init fertigen Gedanken. TJm was Irenaus und Tertullian ringen, erscbeint 



1) Cor. mil. 4 : traditio tibi praetendetw auctrix, consuetiido confirmatrix et 
fides observatrix. liationem traditioni et consuetudini et fidei yatrocinaiuram ant 
ipse perspicies aut ab aliguo gui perspexent disces. Vgl. de resurr. 3, de pud. 22. 
Vgl. G. Esser'/Seelenlehre Tert. S. 16-ff. 

2) s. de virg. vel. (vielleicht T.'s erste niont. Schrift) 1 : liac lege fidei ma.' 
nante cetera iam disciplinae et conversationis admittiint novitatem corrections, 
operante sdl. et proficiente usque in finein gratia dei . . . Propterea paracletum 
miserit dominus, ut, quoniam humana mediocritas omnia -semel capere non 
'poterat, paulatim dirigeretur et ordinaretur et ad perfectum perduceretur dis- 
ciplina ab illo vieario domini, spiritu sancto. 



Hippolyt. Der Beweis cler kirchliehen Lehre. 293; 

ihm als selbstverstandlich. Er hat in umfangliehen Kommentaren biblische 
Biicher atisgelegt, .well er in der Bibel die Quelle der Wahrheit erblickte. 1 ) 
Er hat die Haresien widerlegt, aber in einem Ton, dem man anmerkt, 
dafi sie schon widerlegt sind. Er hat sein Interesse besonders eschato- 
logischen Eorschungen zugewandt und sie mit dogmatischer Akkuratesse; 
durchgefuhrt, aber doch gewarnt, sich allzu eifrig um Zeit und Tag des, 
Herat zu bemiihen (in Dan. IV, 22), Sein innerstes .Interesse wird 
ofienbar, wenn er von dem Logos Christus redet und die Erlosung des 
Christen beschreibt. Er kampfb nicht rtm die Fundamente, sondern er 
baut das Haus ans. Jene setzt er als sicher vorans, in letzterer Hinsicht 
sieht er schwere Probleme. Seine Kommentare haben auf weit hinaus 
gewirkt, seine dogmatischen und polemischen Werke sind bald-iiberflugelt 
warden: nicht der grofie Gelehrte, sondern der ;Man-n der 'praktisch 
gedachten knappen Eormel - Tertullian ist der .geistige- Etihrer dec 
abendlandisehen Entwicklung geworden; dazu kam, dafi er, lateinisch, 
Hippolyt griechisch schrieb. Daher ist das dogmengeschichtliche Interesse 
an der Theologie Hippolyts ein relativ geringes. 2 ) :. . 

5. Das Hauptproblem Mr die DGr. ist die Erkenntnis, , wie iniinserer 
Zeit die f ormalen Grrundlagen zum Beweis- der christlichen 
Wahrheit hergestellt worden sind. Damit beginnen wir also. Im 
Gegensatz zu dem groBen Ansturm des gnostischdn Greistes ist , der 
Begriff der kirchlichen Wahrheit und ist die Methode ihres Beweises 
prinzipiell festgestellt worden. Die Kirche ist Lehrkirche und die 
Wahrheit ist die Kirchenlehre. Das war der Anfang einer Entwicklung, 
er barg Keime des Fortschrittes in sich. 

Die Kirche behauptete iiber Gott, Christus und das Heil die alleinige 
Wahrheit zu besitzen. Das Beweismittel fiir diese Behaiiptung waren 
zunachst die heiligen Schriften. Die Propheten, die Apostel und 
alle Jiinger haben die "Wahrheit gelehrt (Iren. Ill, 2, 1 ;: 24, 1). Neben 
den alten Weissagungsbeweis, der alle Lehren und Tatsachen des ,,6rlaubens st 
in dem A. T. aufzeigte (Melito b. Eus. h. e. IV, 23, 6 ; 26, 13 ;. Iren. 
epideix. 43 86) teat der Beweis aus den neutestamentlichen Biichern. 
Die Vorstellung, als hatten Grnosis und Montanismus der Kirche den 
neutestamentlichen Kanon abgedrungen, ist mifiverstandlich. Der Umfang 
des NT. war am Ende des 2. Jahrhunderts nicht fester unischrieben 
als am Anfang desselben. 3 ) Man konnte sich auf eine vorliegende Ubung 



1) S. die Belege b'ei Bonwetsch, Studien zu den Komm. Hipp. S. 20 ff. 

2) Ain feesten orientiert Meriiber Bonwetseh a. a. 0. 

3) Mancher Landeskirche felilte z. B. Jak. xmd> Hebr.,. andere brauchen 
Hermas (Ir. IV, 20, 2. Tert. de . or. 16 cf. de pud. 10. Can, Jim-. 1:73 ft. j, Barnabas 



294 -14. Die Theologie der aiitignostischen Vater. 

berufen, indem man die Autoritat dieser Schriften als entscheidende ein- 
fuhrte. Die besondere Weise des gnostisclien Gegensatzes brachte es 
nun aber mit sich, dafi man der Herkunft dieser Schriften eine grofie 
Bedeutung beiinafi, und zwar nicht sowohl deslialb weil sie von Aposteln 
herriihrten, als deslialb weil sie der Urzeit der Kirche entstainmten und 
daher das wirkliche Evangelium enthalten (Ir. Ill, 1. Serap. bei Eus. 
h. e. VI, 12, 3). Daher legt Ir. solches Grewicht auf die Aufierungen 
der ,,Presbyter", von denen er einen personlich gekannt hat, die iibrigen 
wohl nach Papias erwahnt (z. B. ad Morin. b. Eus. h. e. Y, 20, 4. 
adv. haer. IV, 27, If.; 31, 1. 2; 32, 1 ; H, 22, 5. IV, 28, 1. V, 33, 3; 
36, 2). Es war nur eine Folge jener Wertung der neutestamentlichen 
Schriften, wenn man jetzt auch die Inspiration (rtvev[.tarocp6()0i ; a verbo 
dei et spiritu eius dictae; spiriius per apostolum etc., -d-sofcvevaws) aus- 
driicklich von ihnen aussagte (Theophil. ad. Autol. II, 22. 9; HE, 11. 12. 
13. 14. Ir. H, 28, 2; III, 16, 2. 9. Tert. de pat. 7, de orat. 20. 22. 
c. Marc. V, 7. Hippolyt de' Antichr. 2. Clem. Al. Protr. 87). Dafi 
sich von hieraus alimahlich eine scharfere Abgrenzung des Kanons ergab, 
ist begreiflich. Das relativ Neue lag zunachst nur darin, dafi man 
prinzipiell und mit Bewufitsein den Kanon, als den Niederschlag des 
Urchristentums, als Norm und Grundlage der Lehre der Kirche hinstellte 
(vgl. cv^pwva vals ygacpals Iren. b. Eus. h. e. V, 20, 6). 

Der Fortschritt, der hierdurch gemacht wurde, wird erst verstandlich, 
wenn man ini Auge behalt, dafi mit der Inspiration zugleich die ganze 
jiidische Anschauung von dem heiligen Buchstaben akzeptiert wurde. 
Der Inspirationsbegi'iff war dem Hellenentum gelaufig, er wog dort nicht 
sonderlich schwer (vgl. etwa Plato). Mit ihra verband sich nun aber 
das jiidische Verstandnis vom. Kanon als einer festen Norm. Aus diesen 
beiden "WurzeLa ist der dogmatische Begriff des inspirierten Bibelwortes 
hervorgegangen : Worte, die als solche absolut verbindlich sind, weil sie 
zu diesem Zweck von Grott eingegeben sind. Dazu kam eine dritte Er- 
wagung : das Normative ist das Alte und das Urspriingliche, Mose und 
die Propheten, Christus und seine Augen- und Ohrenzeugen. Und hierin 
waren dann die Motive enthalten, um dem Kanon allmahKch feste Gfrenzen 
zu geben. Ein historischer Zug verbindet sich mit der rein dogmatischen 
Betrachtung, indem er sie begriindet. Zwischen der Kirche und dem 
TJrchristentum wird ein dicker Strich gezogen. Ein Buch, das nuperrime, 
nostris temporibus entstanden ist, wie das Muratorische Fragment von 
Hernias sagt, ist dadurch als unkanonisch bezeichnet. Wie die popularen 



(01. Strom. IT, 31, 35), Didache (01. ib. I, 100. Orig. de princ. Ill, 2, 7) vgl. 
Clemens b. Ir. Ill, 3, 3 als kanoiiisch, vgl. Zahn I, 326 ff. 



Die Dogmatisierung der heiligen Schriften und der Glaubensregel. 295" 

Apostelgeschichten die apostolische JZeit zum Wunderzeitalter stempelten, 
so fand die Theologie nur in den Schriften dieser Zeit die Wahrheit. 
Die wunderbare Gabe des Geistes gehort eben dem Altertum der Kirche 
an oder dann ihrer letzten Zukunft. Dazwischen liegt die Gegenwart, 
arm und bediirftig, die Gaben der Vergangenheit suchend und fest- 
haltend und fur die grofie Zukunft sich vorbereitend. Diese Betrachtungs- 
weise , die den spateren Zeiten als selbsverstandlich gait, ist in den 
Kampfen jener Tage dogmatisch herausgebildet worden. Und sie ent- 
spraen der Wirklichkeit. Den Geist der grofien Zeit besafi man nicht 
mehr im Leben Montanisten und Gnostiker zeigten das , man hatte 
inn nur in den inspirierten TJrkunden der alten Zeit. Von dort kain 
er und aus den Institutionen, die damals eingesetzt waren, quoll er immer 
wieder empor jeder Getaufte empfing ihn , aber nichts anderes 
sagte und brachte er als was ,,geschrieben" steht. 

6.- Indem nun aber die Haretiker Herin der altk*ircHichen Praxis 
scheinbar folgten, aber ihrerseits gefalscbte Schriften einfiihrten oder die 
echten mifideuteten oder sich auf Geheimtraditionen des apostok'schen 
Kreises beriefen, geniigte die Berufung auf das 1ST. T. nicht iin Kampf : 
ergo non ad scripturas provocandum est nec r .in his instituendum certamen, 
in quibus aut nulla aut incerta victoria est aut par incertae (Tert. de 
praescr. 19). Von den Haretikern gilt: neq^le scripturis n&que 
traditioni consentire eos. Gegen die Schrift wenden sie ein, sie sei 
tinverstandlich und miisse nach der TJberheferung ausgelegt werden, hin- 
sichtlich der ,,apostolischen TJberlieferung" aber haben sie ebenfalls ihre 
'Bedenken (Ir. Ill, 2, 1. 2). Dann aber versagt uberhaupt, wie Tertullian 
hervorhebt, in wichtigen Pragen die auctoritas scripta, man kann sie 
solius traditionis titulo allein aufrecht erhalten (de cor. 3). Es gait 
diese kirchliche TJberlieferung festzustellen iind mit hochster Autoritat 
zu bekleiden und sie. zum Mafistab des Verstandnisses der Schrift zu 
proklamieren. Ein solcher mu6 erweisen, dafi die Haretiker kein Becht 
an die Schrift haben (Tert. de praescr. 15. 19. 37. Ir. I, 9, 5 ; 10, 1; 
V, 20, 1). Diese Grofie oder .dieser Mafistab ist der xavcov 1^ akrjd-eiac; 
oder die regula fidei (Tert. de pr. 13. 36). Was verstand man hierunter? 
Es gibt vier Antworten auf unsere Erage. Nach Zahn ist die 
Glaubensregel das Taufbekenntnis, nach Harnack, dem Kattenbusch, 
Loofs u. a. folgen, ist die Glaubensregel zwar auch das Bekenntnis,- aber 
das ,,bestimnit interpretierte Bekenntnis". Diese Auffassung hat J. Kunz e 
dahin erweitert, daB er die regula fidei als ,,das antiharetisch gewendete, 
aus der Heil. Schrift erganzte xind axisgelegte Taufbekenntnis , diese, 
die Schrift . selbst mit eingeschlossen" definiert. ."Wahrend nun die 
protestantischen Eorscher in irgend einem. Sinn die Eegel niit dem 



14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

Symbol identifizieren, werden von den katholiscben Grelehrten beide scharf 
auseinander gehalten, sodaB letzteres rein kultisehen, ersteres kirchlich 
lehrhaften Charakter trug. 1 ) : 

"Was zunacbst die sprachliche Form anlangt, so bedeutet xctvwv vys. 
akyd-siag, regula, veritatis oder TMXVOJV vijg, Ttlovewg, regula fidei den. 
MaBstab, wie er in der ,,."Wahrheit" oder dem ,,Grlauben" gegeben. ist. 2 } 
Im allgemeinsten Sinn ist also die Grlaubensregel der iiberlieferte Korehen- 
glaube. Dieser Grlaube ist, nun aber apostoliscber Gflaube. Dies ergibt 
sich daraus, dafi er ein Bestandteil der traditio vetu& oder der traditio ab~ 
apostolis ist. Die Apostel predigten und iiberlieferten den wahren Grlauben. 
Der Kern der TJberlieferung ist der Grlaube oder die- apostolische Lebre r 
wie die Apostel sie von. Christus empfingen und wie die Kircne sie ver- 
kiindigt. 3 ) Nun haben aber die Apostel ibre Verkiindigung aucb sebrift- 



1) s. Zahns Aufsatz in den Skizzen aus dem Leben der alt. Kirche S. 238 f. 
PEE. VI s , 682 ff. Harnack, DG-. I s , 320if. imd Chronologie I, 524ff. 

F. Kattenbusch, Das apost. Symbol, 2 Bde., 1894 ff. F. Loofs, Symbolik I, 
1902. J. K u n z e , OHaubensregel, h. Sehrif t u. Tauf bekenntnis, 1899, S. B a u m e r T 
Das apostol. Glaubensbekenntnis, 1893. Cl. Blume, Das apost. Glaubensbek., 1893. 

2) Die Bezeichimngen schwanken. Iren. redet, so viel ich sehe, in adv. haer. 
HUT von 6 xavcov ifjs alri&sias, regula veritatis, s. I, 9, 4; 22, 1. II, 27, 1; 28, 1. 
Ill, 2, 1; 12, 6. "0 y.avfov ifjs aiaiscos 1 steht epideix. 3. 6, und fides ist bei ihm 
nicht selten synonym mit regula gebrauclit (z, B. epideix. 3 ; II, 25, 2. Ill, 4, 1. 2). 
Ersterer Ausdruck auch bei Dionys v. Korintli ca. 160, bei Eus. h. e. IV, 28, 4 und 
in den clement. Homil. ep. Petr. 1. 2; ep. Clem. 2. Tertullian braucht ge- 
wohnlicb. regula fidei (praescr. 1, virg. vel. 1), seltener regula veritatis (Apol. 47, 
c. Hermog. 1, de pud. 8). Novatian hat regelma'flig regula veritatis (de trin. 1. 9,' 
11. 17. 21. 29; de. cibis-Iud. 7; daflir auch fidei auctoritas de trin. 29, fides vera 
c. 30; von dem einzelnen Glaubenssatz credendi regula c. 16. 17; ebenso Hippolyt 
(Eefut. X, 1). Polykrates v. Ephesus (ca. 195) redet wie Iren. in der Epideixis 
von 6 '/.aviov ri]s Ttiateeos (Eus. h. e.V, 24, 6), ebenso das kleine Labyrinth (Eus.Y, 
28, 13). Bei Clemens Al. kommt vereinzelt xavfov irjs Ttlorscos (Strom. IV, 15, 98) 
und xavajv iris (U?;#ts (VI,. 15, 124. VII, 16, 94) vor; haufiger y.aviav T?S ex- 
xkriaias oder i'^maar^os (I, 19, 96. VI, 15, 125',- 18 ; 165. VII, 7, 41 ; 15 S , 90,; 
16, 105), s. Kattenbiisch II, 121. Demnach wird regula veritatis der ur- 
sprungliche Ausdruck sein, der allmahlich der regula fidei weicht, und zwar weil 
der ,,Glaube" der eigentliche Gegenstand des Kampfes war, und weil die Eegel 
immer mehr dem Glaubensbekenntnis angenahert wird. 

3) Iren. I, 10, 1. 2': tovio to Krjgvyiua. .. . . y.al %wt>ir[ ii]v Ttiativ . . . jj 
sxxitfoia . . . (ftvldaasi. Ill, 3, 2: habet db apostolis- traditionem et annuntiatam 
hominibus fidem. Ill, 4, 2: veterem traditionem diligenter custodientes : in unum 
deum credenles etc. Ill, 3, 3 : TO x^vy/ua tcov tetoatohtov aal TTJV Ttagddoaiy . . ., 
ii]v TiioTiv (t&i&v y.ai fji> veaxni dno iG>v vatoaiohcov TtnodSoaiv el%ri<p8t, : unum deutn 
etc. II, 9, 1 : ecclesia autem omnis per universum orbem Jianc accepit ab apos- 
tolis traditionem. IV, 26, 4: apostolorum doctrmam ciistodiunt. IV, 32, 1: 
apostolica doctrina. V praef. : praeconio ecclesiae, quod '. . . apostoli tradi- 



Die regula veritatis- und die Schrift. 297 

licli zusammengefafit in den Evangelien, *) , wie andrerseits scbriftlicb 
iiberliefert ist, was und wie die Apostel gepredigt baben. 2 ) An sicb 
kann nun naturlicb das scbriftlicb fixierte Kerygma der Apostel keinen 
anderen Inbalt haben als die mundlicbe tlberlieferung.. Daber wird der 
Wabrbeitsbeweis mit dem einen wie . dem anderen MaBstab gefuhrt. 
Irenaus sagt etwa, dafi alle Biicber der .Scbrift den Grlauben an den 
einen Scbopfergott bezeugen (II, 27, 2), oder er lafit die Gescbicbts- 
erzablung des Lukas den Grlaubigen. zu einer regula veritaiis inadulteratcn 
gereieben (HI, 15, 1), oder die Cbristen Gottes sermones als regula 
veritatis innebaben (IY, 35,, 4). 8 ) Aber die Folgerung, dafi also die 
Heil. Scbrift ein notwendiger Bestandteil der ,,E,egel" sei (Kunze), ist 
trotzdem nicbt aufrecbtzuerbalten. Die Apostel baben, meint Irenaus, 
in der Kircbe wie in einer reicben Vorratskammer niedergelegt omnia 
quae sint veritatis. Das ist die veritatis traditio. Diese ware da, aucb 
wenn die Apostel keine Scbriften verfaBt batten, denn die veins traditio 
oder der Grlaube ist aucb bei denen, die, des Lesens. und Scbreibens 
unkundig, sine litteris geglaubt baben- 4 .) So viel ist klar, dafi bier die 
miindlicbe Tauflebre als eigentlicber Gregenstand der Tradition auftritt. 
Die Wabrbeitsregel, die der Cbrist ,,durcb^die Taufe empfangen 
bat", ist nun aber der ibm von der Kircbe iiberlieferte- apostoliscbe 



derunt . . ., apostolorum doctrina. Ill praef. : dominm omnium dedit apostolis 
s^l^s potestatem evangelii, per qitas et veritatem, hoc est dei filii doctrinam 
cognovimus. Sehr deutlich sprechen die romischen MonarcManer zu Anfang des 
3. Jahrh. diese Anschauung aus: cpaal ycip whs UEV TtyoTsgovs aTtavras xnl 
aiiTovs robs focoaiokovs Ttageikqcpevizt re '/ctu Sidaftevai lavia . . . y.ai TST^fjad'ai 
fr]v &ktf&siav TOV> xr^^iiyfiaios pezpi t&v %q6vcov TCOV Bixroyos (Euseb. h. 6. Y, 

28, 3). Die bindende Autoritat ist also die apostolische Lebre und das war ihre 
Predigt, nicht eine Bekenntnisformel. 

1) Ir. Ill, 1, 1: quod tune praeconaverunt, posted vero per dei vohmtatem 
ill- scripturis nobis tradiderunt fundamentum et cohimnam fidei nostrae futurum. 
Ill, 5, 1: revertamiir ad earn,, quae est ex scripturis ostensionem eorum, qui 
evangelium conscripserunt, apostolorum. 

2) Ir. Ill, 12, 7 ; s. aueh die Bemerkung liber den "Unterschied von Christi 
an Juden geriehteter Predigt und der an die Heiden gerichteten apostolischen 
Verkundigung, III, 6, 3. IV, 24, 1. 

3) Ygl. Kunze a. a. 0. S. 95 ff. 

4) III, 4, If.: non oportet adhuc quaerere apud alios veritatem, quam facile 
est ab ecclesia sumere, quam apostoli quasi in depositoriim dives in earn con- 
tulerint omnia quae sint veritatis . . . Propter quod oportet deviare quidem illos, 
quae autem sunt eeelesiae cum summa diligentia diligere et apprehendere veritatis 
tradition em , . . Quid autem si neque apostoli quidem scripturas reliquissent 
.nobis,. nonne oportebat ordinem sequi traditionis, quam tradiderunt Us- quibus 
committebant' ecclesias ? Cui ordinationi assentiunt m/ultae gentes barbarorum . . . 
et veterem traditionem diligenter custodientes, in unum deum credentes . . . Hone 



298 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

Gr la u be. J ) Dabei unterscheidet Irenaus deutlich zwischen den scripiurae 
und der traditio apostolica, und zwar so, dafi letztere miindlich durch die 
Vorsteher der Kirclie fortgepflanzt ist (IH, 2, 1. 2. epideix. 3). Dein- 
nacli ist die These Kunzes nicht richtig. Die traditio ist ihrem "Wesen 
nach der nmndlich uberlieferte apostolische Gflaube, und dieser ist die 
regula vcritatis, Sofern auch die Schriften apostolischer TJberlieferung 
entstammen, konnen sie in ungenauerer Rede wohl auch als regula veritatis 
bezeichnet werden, aber sie sind nicht eigentlich Bestandteil der Hegel. 
Die alte jiidische Unterscheidung von Schrift und miindlicher Tradition 
(oben S. 49 f.) beherrscht den Sprachgebrauch des Irenaus. 

Dann scheint die These Zahns die richtige Losung zu bieten. Eiir 
sie spricht 1) dafi die Wahrheitsregel ,,durch die Taufe" empfangen 
wird, 2) dafi der Begriff YMVcbv oder regula nur auf eine fixierte feste 
JTorinel zu passen scheint, nicht aber auf ein lockeres Gefiige von Lehr- 
gedanken. Indessen erheben sich auch hier uniiberwindliche Schwierig- 
keiten. Vor allem komnien die Inhaltsangaben der Regel in Betracht. 2 ) 
"Wer sie iiberschaut, bekomnit den Eindruck, dafi sie zwar den triadischen 
Grlauben darbieten und dafi dieser gern in den Formeln des Taufbekennt- 
hisses ausgedruckt wird, aber nicht minder ist klar, dafi die Eegel mehr 
enthalt als das Bekenntnis und dafi sie eine genauere lehrhafte TJber- 
lieferung darstellt. Sie uinfafit den ganzen Grlauben oder die ganze 
praedicatio cccleside (I, 10, If. V, 20, I), 3 ) sie enthalt demgeinafi Er- 
kenntnisse in sich wie die, dafi durch den Logos die Welt geschaffen 
wurde, dafi es eine Simdflut und eine Errettung aus Agypten gab (I, 22, 1. 
Ill, 3, 4), ja auch ethische Gfebote oder die Ordnung der Kirche (V, 20, 1). 
Dazu wechseln die Pornieln, sie werden bald kiirzer, bald expliziert an- 
gefiihrt. Nicht urn eine kurze Formel kann es sich denmach bei der 
Hegel handeln, sondern uni ein Lehrgefuge, das seinen ktirzesten Aus- 



fidem qui sine litteris crediderunt . . . barbari sunt . . . Per illam veterem 
apostolorum traditionem ne in conceptionem giiidem mentis admitttmt quod- 
cunque eorum (der Haretiker) portentiloquium est. 

1) I, 9, 4: OVTCO 8e y.al 6 tbv y.avova, ifjs dhj-d'etas Axkivri ev eavtiy y.afteyiov, 
ov 10. fov fiaTtTiofiams ettyffE. V praef. : neophytomm quoque sensum confirmare, 
ut staMlem custodiant fid em, quam bene custoditam db ecclesia accepenmt. 

2) Die Hauptstellen sind -I, 10, 1; 22, 1. Ill, 3, 3; 4, 2. IV, 33, 7. V, 
20, 1; epideix. 3 6. Dazu Ausfiihrimgea einzelner Punkte wie II, 1, 1. 5; 6, 1; 
30, 9. Ill, 8, 3. 

3) Die Kegel ist veritatis corpus integmm II, 27, 1 (zur Lesung s. n. 6 
vgl. epideix. 1). Das ifjs dlr]&eias acdfianov (I, 9, 4) wird niclit hergehoren, der 
Gedanke ist dort, daC die einzelnen Steine aus dein Mosaikbild des Fuchses fort- 
genominen und angepafit sind deni wirklichen und urspriinglicken Korper (des 
'Konigssohnes), s. Kattenbusch I, 301 . 



Die regula veritaiis und das Taufbekenntnis. 299 

druck in jenen Formeln finden konnte, aber an sich iiber sie hinaus- 
reichte. DaG dieses Lehrgefiige iiberliefert wird durcli das Taufbekenntnis, 
kann man sagen, sofern letzteres ersteres in der Hauptsache zusammen- 
fafite. Aber unfraglich denkt sich Irenaus die "Wahrheitsregel sehr viel 
umfassender als das Bekenntnis. Nur so war sie wirklich ein Mittel im 
i3treit, nur so batte es einen Sinn die Lauterkeit der sie iiberliefernden 
Personen so zu betonen, wie Irenaus es tut, nur so wird es begreiflich, 
dafi er etwa den 1. Clemensbrief als Zeugen der Grlanbensregel verwendet 

<HI, 3, 3). 

So scbeint nur Harnacks Ansicht iibrig zu bleiben, wonach die 
Hegel das antignostisch interpretierte Symbol ist. Aber auch dagegen 
erheben sich Bedenken. Man versetze sich nur in die Lage. Es handelt 
sich nicht urn eine naive Behauptung zur Begriindung der eigenen TJber- 
;zeugung Grleichgesinnten gegeniiber, sondern es handelte sich um eine 
grundlegende These iin Streit mit kundigen Gregnern. Diesen gegeniiber 
Terschlug es nicht das Greringste eine moderne Auslegung des Symbols 
als uralt zu proklamieren , sondern es mufite zur Gfewifiheit erhoben 
werden : so ist die Lehre der kirchlichen Tradition von jeher beschaffen 
: gewesen, oder es gibt eine alte Tauflehre, die seit der Apostel Zeiten 
; gegolten hat und die daher das alte richtige Verstandnis des Symbols 
wie der heiligen Schriften reprasentiert. 

7. Diese Behauptung schwebte nicht in der Luft. Nichts anderes 
.als das ,,Gebot", der Kanon der TJberlieferung", das alte "Wort, der 
.,,gegebene Grlaube", die ,,Christuslehre", von denen Johannes, Clemens, 
Polykarp, Ignatius reden (oben S. 166 ft), wird auch von Irenaus angefuhrt. 
Keine Erfindung der Kampfesnot liegt vor, sondern eine alte langst vor- 
handene Anschauung wird aufrecht erhalten und angewandt. Nicht 
einmal die antiharetische Zuspitzung der Sache war neu, neu war nur 
der geschichtliche Beweis, den man notgedrungen fur die alte TJber- 
.zeugung suchen mufit.e. Irenaus ist, gerade ebenso wie Polykarp, Ignatius 
und Clemens auf den er sich ausdrucklich beruft davon iiberzeugt, 
dafi die Tauflehre apostolische tlberh'eferung ist, und diese tlberzeugung 
war an sich kein Irrtuni, wie friiher gezeigt ist. Nun freilich und 
.auch das wurde friiher gesagt lafit sich eine solche ,,Lehre" nie 
verbo tenus festhalten, sie wuchs und sie erweiterte sich (vgl. die Praedicat. 
Petr.), neiie Probleme und Gfesichtspunkte drangen ein, ungewollt und 
unvermerkt, die vermeintlich ,,alte Lehre" wandelte sich, wie auch die 
Mischnah der Juden. Aber gerade ihre nie veraltende Neuheit legte die 
Reflexion auf ihr nie erneutes Altertum nahe. "Was imnier gesagt war: 
die Tauflehre ist apostolische Tradition, das mufite jetzt, wo eine andere 
,,Tradition" sich entgegenstellte, bewiesen werden. Das haben Irenaus 



300 14.. Die Theologie der antigaostischen Yater. 

und Tertullian getan. Ihr TJnternehmen hat, mutatis, mutandis, Ahnlich- 
keit mit dem des Protestanten, der behauptet noch heute die liehre d'err 
Augustana zu vertreten und auf dem Wege kirchenrechtlicher. Sukzession; 
den Beweis dafur zu erbringen versucht. 

So betrachtet, gewinnt man ein geschichtliches ' Verstandnis der 
regula ftdei. Es ist die kirchliche Tauflehre, wie sie von jeher als* 
apostolische Wahrheit betrachtet worden war, und zwar diese Tauflehre 
in der spateren triadiscnen Ifassung. Sofern diese .Lehre im Symbol 
zusaininengefafit ist , konnen Symbol und Hegel identiscb genommen 
werden; sofern aber die' Hegel die ganze apostoliscne Lehre entnalt, 
sind beide Begriffe nient identiscn. Nicht sowohl eine antignostische 
Interpretation des Symbols soil die Hegel sein, sondern die apostolische 
Tradition, die yon dem Symbol yorausgesetzt wird. Sie umfafit etwa 
den Lehrstoff, den Melito in seinem "Werk liber die Taufe (s. S. 287). 
behandelt zu haben scbeint, 3 ) und dieser gait eben allgemein als aposto- 
liscne Lehre und daher als Wahrbeitsregel. 2 ) Scnon um 160 nat Dionys 
von Korintb. den Marcion nacb diesem Mafistab bekampft: nrjv MaQxicovog 
cflqeGiv itokm&v rfy rfjs ahi]$eiag TCaQloxa-cai Kavovu referiert 
Eusebius (h. e. IY, 23, 4), dabei wobl sicner Ausdriicke seiner Quelle 
anwendend. Aucb. die neuerdings in armenischer Spracbe wiederauf- 
gefundene Scbrift des Irenaus 3 Ertidsifyc, tov 'ctrtOGzofaxou y^Qvy/.ia-cos 
(Eus. h. e. V, 26) bestatigt die gewonnene Erkenntnis in erfreulicbster 
Weise. Vor allem. ist es aucb hier unzweifelbaft, dafi der ,,Kanon des 
Glaubens" den gesamten cbristlicben Grlauben, resp. das apostoliscne 



1) Der Begriff der regula veritatis uinspannt an sicli die. ganze apostolische 
Uberlieferung einscMiefflich der ethischen beiden Wege oder der Kirchenordnung, 
s. Iren. Y, 20, 1 : firmam habens ab apostolis traditionem . . . unum et eandem 
esse fid em . . ., eadem meditantibus praeeepla et eandem figuram eius quae 
est erga ecclesiam ordinationis custodientibiis, et eundem exspectantibus 
adventum domini et eandem salutem totius liominis i. e. animae et corporis 
sustinentibus, s. auch epideix. 3 : Den Kanon des Glaubens unverriickt lialten 
und die G-ebote Grottes erfullen. Ygl. dazu die Bemerkung liber Melito obea 
S. 287 Anm. 3 ; ferner die Inhaltsangabe der ,,katholischen Lehre" in der Disdasc. 
syr. 24 (triadischer Glaube, Schriftgebrauch, Auferstekung, Ehe, Herzensbeschnei- 
dung). Indessen hat sich gemaC den Gegensatzen unserer Zeit der Titel immer 
melir auf die fides besehrankt, vgl. S. 296 Anm. 2. 

2) Diesem Gedanken verdanken Biicher wie die Praedic. Petri ihreEntstehungv 
S. iioch die interessanten Ausfiihrungen in den clement. Homil., wonach wie einst 
Moses den Altesten na^ado&svra. aiirots xavova hinterliefl, Petrus seine Eerygmen 
den 70 Briidern iibergeben wissen will, damit die Christen eine Tradition haben : 
Iva. OVTCOS tag Ttiateis (fv^d^coaiv KUI 7tavTa'/,fj ibv tfje d^ij&sias xavova Ttaga- 
&wavv (jtaQufiidQiv'T) egfi-rjvevowiEs 10. Ttdwza Ttyos ir]v TtaydSoow r\f.iu>v (ep. Petr. 

ad Jac. 1. 2 und ep. Clem, ad Jac. 2). . 



Die regtila veritatis bei Irenaus. ; '.301 

'Eerygma" bezeicb.net und nicht blofi eine Be'kenntnisformel (6). Dieser 
Grlaube" enthielt in triadischer Anordnung (5. '6) >eine Lebre von-Gro'tt, 
der Scbopfung, der alttestamen.tlich.eD. Heilsgeschichte (8 30), sodann 
Ton Ohristus, seinem Ursprung und Wesen, seinen Taten, und seiner 
Erlosung, der Auferstehung und Himmelfahrt .(3040). An - die Er- 
wabnung der Apostel scblofi sicb dann die Belehrung viiber die Taufe 
-und den beiligen Geist, Grlaube, Liebe, Hoffnung als Erfolg der Predigt, 
'iiber den : Wandel im Greist, uber die Auferstebung, iiber die Eirche, in 
der jetzt Heiden statt der Juden Gfottes Volk sind, iiber die Parusie 
(41.42 cf. 8790. 93 97). 1 ) Zu dem ,,apostolischen Eerygma" mrd 
aber nicht nur dieser ,,Eorper der Wanrheit", ,,Eanon des Grlaubens", 
- Grlaube " oder ,,unser gesundes unbeflecktes Wort" (1. 3. -6), sondern 
'auch ,,die Grebote Grottes" (3) genort naben. Die Scnrifl des Irenaus 
-zeigt uns, wenn aucb. teilweise nur in kurzen Andeutungen, welcher 
Lehrstoff als Gflaubensregel oder apostolische Predigt in den Gfemeinden 
vorgetragen wurde ; sie veranschaulicnt aber aucb. andrerseits, mit welcher 
Harmlosigkeit Jeder Lebrer seine Tbeologie in diese Scbemata bineinlegte. 
Der Hauptertrag, den 'diese neae Scbrift liefert, bestent darin, dafi sie 



1) Iren. hat unsere Schrift geschrieben, urn semen Adressaten in Kiirze an 

,,die Verkiindigung der Wahrheit" zu erinnern und ihm ,,die Beweise der gott- 

lichen Dinge" kurz yorzulegen (c. 1). DemgeinaB legt das Such zimaclist den 

Inhalt der apostoliscnen Verkiindigung dar (842 med.), um dann einen ein- 

gehenden alttestamentlichen Schriftbeweis -fiir sie :zu liefern (42 nied. 97). Der 

entscheidende Einschnitt liegt in der Mitte von c. 42 (p. 24 Z. 5: Daft dies attes 

-so .geschehm soltte, hat der G-eist . -. . vorausverkiindigt etc., Harnacks Kapitel- 

einteilung ist hier irrefuhrend). Indem gegen Ende der Wiedergabe der ,,Ver- 

Mindigung" Iren. sich itmner . kiirzer gefaBt hat, kommen die betr. Sachen ^spater 

in den -,,Beweisen" etwas ausfiihrlicher zur Sprache; die Beweise setzen bei der 

Christologie ein, da fur die historisbhen Berichte liber die Schopfung etc. kein 

"Beweis erfordeiiich war. Wie der Titel zeigt, lag der Schwerpunkt der Schrift 

in dem biblischen Beweise, ygl. Melitos exkoyca ex re TOV vo/uov uai T&V Tt^oip^rwv 

7te<)l rov- oanypos xai Ttdaqs ifjs rtioTecos fjfiwv (Euseb. h. e. IV, 26, 1-3) und spater 

Cyprians Testhnonia. Eiir das Alter der von Irenaus befolgten Schemata spricht. 

daB die Behandlung des heil. G-eistes und seines Wirkens von der Ghristologie 

aiicht scharf er gesondert ist. Der . ,,Grlaube' ; , den Iren. darlegt, ist der immer- 

'loahrende Erhalter unserer Erlosung . ., vor alleni unterweist er uns, dap ivir 

die laufe empfangen haben zwr Vergebung der Siinden . . ., und daft diese Taufe 

das Siegel des ewigen Leberis sei und die Wiedergeburt in Gott (3). ,,Der 

'Glauhe" ist also die Tauflehre oder die Lehre von dem, was durch die Taufe sich 

in den Katechumenen verwrrklicht hat. Noch ist darauf zn verweisen, daB Iren. 

die Haresien als Gegensatz: zu dem triadisehen G-lauben in drei G-ruppen teilt: 

sie verschmahen entweder den 'Vater, oder nehmen den Sohn nicht an, indem sie 

gegen die Okonomie der Fleischiverdung lehren, oder empfangen den Geist nicht 

d. h. verschmahen die Prophetie (100), zu letzterem s. oben S. 259 f. Anm. 2. 



302 14- Die Theologie der antignostischen Vater. 

uns von dem Inhalt der Grlaubensregel ein sicheres Bild gewahrt und 
dadurch die Deutung der . betr. Stellen in dem groflen Werk des Irenaus 
bestatigt. 

8. Tertullian stimmt in der uns beschaftigenden Erage zunaphst 
mit Iren. uberein. Die regula fidei, wie er gern sagt, ruhrt von Christus 
und Gfott her (praescr. 13. 37. Apol. 47). Es ist die miindliche traditio 
apostolorum im Unterschied zu der auctoritas scripta. 1 ) Sie enthalt die 
von den Aposteln verkiindigte doctrina fidei (praescr. 20. 26). Diese 
nun wird einerseits offenbar mit dem Taufbekenntnis identifiziert : cum 
aquam ingressi christianam fidem in legis suae verbum profitemur (de 
spectac. 4), und in moglicnst engem Anschlufi an die Bekenntnisformel 
pflegt Tert. die Grlaubensregel zu reproduzieren (praescr. 13. 36. virg. 
vel. 1. c. Prax. 2), doch ist diese auch bei ibm nicht wortlich wieder- 
gegeben und es felilt dabei so wenig als bei Irenaus an Einschuben und 
Gedanken, die nicht vorn "Wortlaut des Bekenntnisses geboten waren. 2 ) 
Dazu kommen solche Stellen, in denen die ,,Eegel" offenkundig nichts 
anderes bezeichnen will als die iiberlieferte normative Lehre. 3 ) Relativ 
neu ist bei Teiiullian 1) die scliarfe Betonung der Regel als einer lex 
fidei (virg. vel. 1; spect. 4), sie hangt mit seiner Gresamtanschauung 
zusammen ; 2) der mystiscne Charakter, den die Eegel als christianum 



1) c. Marc. I, 21; de cor. 3: etiam in traditionis obtentu escigenda est, in- 
quis, ciiictoritas scripta. Ergo quaeramus, an et traditio nisi scripta non debeat 
recipi. Plane negabimus recipiendam, si nulla exempla praeiudicent aliarwin ob- 
servationum, quas sine ullius scripturae instrumento solius traditionis titulo et 
exinde consiietudinis patrocinio vindicamus. Es folgt der Taufritus als Beispiel, 
dabei: ter mergitamur, amplius aliqiiid respondentes quam domimis in evangelio 
determinavit ; cf. bapt. 2. c. Prax. 26 fin. De praescr. 44: semel evangelium et. 
eiusdem regulae, dootrinam apostolis meis delegaveram. 14: fides, inquit, tua te 
salvum facit, non exercitatio scriptural-urn ; fides in regula posita est. 

2) Es ist nicht richtig, wenn Harnack (DG. I, 330) den materiellen Fort- 
schritt iiber Iren. liinaus als ,,selir bedeutend" bezeicb.net. 

3) Z. B. c. Marc. IV, 5; de earn. Chr. 6: alterius regulae fides. Aucb. der 
Satz: aiunt enim Marcionem non tarn innovasse regulam separatione legis et 
evangelii quam retro adulteratam recurasse (c. Marc. I, 20) gibt mir dann einen 
Sinn, wenn man regula nicht als Glaubenssymbol faBt (gegen Kattenbusch. 
II, 86). Aucb. praescr. 36 ist wichtig: die Apostel baben der Kirche Mam doc- 
trinam gebracbt; was bat sie nun von. den Aposteln gelernt? unum deum ... 
et Christum Jesum . . . et carnis resurrectionem ; legem et proplietas cum evan- 
gelicis et apostolicis litteris miscet, inde potat fidem, earn aqua signat etc., offen- 
bar enthalt die apostoliscbe Lebre, die die Kircbe bei der Taufe weitergibt, bier- 
uacb Elemente, die in dem Bekenntnis nicbt stehen, die Regel ist also an sicb 
nicht identiscb mit dem Symbol. Aber es lafit sich aucb nicbt mitKunze (a. a. 0. 
S. 175 ff.) aus der Stelle erweisen, daJ3 nach Tert. Anscbauung die Scbrift mit 
zur Eegel gebb're. ' 



Die Glaubensregel bei TertHllian und Novatian. 303 

sacr amentum empfangt (praescr. 20. idol. 6 c. Prax. 30. c. Marc. 1, 21). *) 
Dazu kommt 3) die sich. anbahnende Konzentrierung der ,,Regel" auf 
das Taufbekenntnis. Dies Verfahren wird sich daraus begreifen, dafl 
der ,,apostolische Grlaube" im Lauf der Zeit immer mehr zu einer 
schwankenden unsicheren GfroBe werden mufite, wahrend die TTmrisse 
.des Bekenntnisses nur fester wurden. Es war eine historische Erinnerung, 
dafi der Katechumenenunterricht den apostolischen Lehrstoff tradiere; 
von den Wandlungen, die diese Tradition durchgemacht hatte, hatte 
man keine Yorstellung, und man war von der Identitat der Lehre" 
der Earche mit der alten apostolischen iiberzeugt die alten Schemata 
bestanden ja wohl auch ini ganzen fort (Melito) , aber als konkrete 
unantastbare Gfrofie empfahl sich die Zusammenfassung der Lehre im 
Bekenntnis, wie sie jeder im Kopf trug. So fangt jetzt jenes wunder- 
liche Yerfahren an, das dem Taufbekenntnis die Losung fur die ver- 
wickeltsten theologischen Probleme entlockte, der sakramentale Charakter 
der fides mag dazu mitgeholfen haben. Man kann sich den Wandel, 
der sich allmahlich vollzieht, durch die Eormel verdeutlichen : einst war 
die ,,apostolische Lehre" die Autoritat, die man irn Bekenntnis kurz 
zusammengefafit sah, jetzt wird das Bekenntnis die Autoritat, die man als 
apostolische Lehre interpretiert. 

Granz ahnlich Tertullian hat auch noch Novatian die regula 
veritatis angesehen. Bei diesem Ausdruck denkt er zunachst wohl sicher 
an das Taufbekenntnis als praescripta regula (de trin. 16). So etwa wenn 
er seine trinitarische Erklarung des christlichen Gflaubens mit den Worten 
anfangt: regula exigit veritatis, ut primo omnium credamus in deum 
pair em et 'dominum omnipotentem (de trin. 1), oder ziu- Christologie 
iiberleitet : eadem regula veritatis docet nos credere post patrem etiam in filium 
(9), und schliefilich vom Geist sagt : ordo rationis et fidei auctoritas digestis 
vocibus et litteris domini admonet nos post haec credere etiam in spiritum 
sanctum (29). Aber diese fides (vgl. c. 30), die offienbar die regula veritatis 
ist, enthalt nun sehr viel mehr als der Wortlaut des Bekenntnisses. Alle 
Grundwahrheiten der Schrift sind in ihr enthalten, aber sie ist an sich 



1) tiber den Begriff sacramentum hat Kattenbusch (II, 64 ff., 93. 95 ff.) 
sorgfaltig gehandelt. Sacramentum (= juvanj^iov) ist ein ,,Heiltum", das alles 
im Christentum, ,,was dariu eine spezifische Gottesgabe oder Gottestat ist, nacb. 
Seiten seiner geheimnisvollen Art bezeicb.net". So wircl die Glaubensregel als 
Sakrament zu einer heiligen Sache, ,,dureh welche Gott den Menschen niit sich 
ia Verbindung brachte, wodurch der Mensch einen Charakter als fideli's erhielt". 
Hierzu kommt die besondere Anwendivng des Begriffes im Sinn des militariscken 
Fahneneides, den der miles Christi im Taufbekenntnis ablegt (ad. mart. 3. de 
cor. 11. scorp. 4) s. Harnack, Militia Christi (1905) S. 33 ff.; indessen hat auch 
die durch diesen Fahneneid hergestellte Be/iehung mystischen Charakter. 



304 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

.nicht --der Ausdruck der Lehre der scripturae coelestes, wie Novatian ge- 
wohnlich sagt, sondern sie 1st eine besondere -Grrofie, fur die man das 
Zeugnis der Sckrift anrufen kann. Sie ist das, was die sincera traditio 
'et catholica fides in ,sich fafit, 1 ) oder auch die incontaminata doctrinae 
dominicae iura (29). Als Inhalt der Wahrheitsregel denkt sich Novatian 
also die vom Herrn ausgehende, 'durch die Tradition forterhaltene reine 
christliche Lehre. Aber diese Lehre liegt vor und ist zusanunengefafit 
in dem Taufbekenntnis. Die 'ganze lehrhafte Erorterung Novatians 
erscheint ihm daher als ein ,,Aufschliefien" der Regel, bei der er immer 
einse'tzt; was er will, ist: breviter circa personam Ghristi regulam 
veritatis aperire (21). Daraus ergibt sich seine Anschauung deutlich: 
die Regel ist formell das Taufbekenntnis, uber sie enthalt materiell 
mehr, namlich die ganze alte TJberlieferung, die ]a gleichsam eingeschlossen 
ist in die knappen Formeln des Befcenntnisses. 2 ) Dazu wirkt der heil. 
Greist in der Kirche, damit diese sectas repettit, regulam veritatis eocpedit, 
ha&reticos revincit (29), d. h. das rechte geistHche Verstandnis erlautert 
oder entwickelt den kurzen Wortlaut der Regel. Fur Novat. ist also, 
wie wir es bei Tertullian fanden, die Eegel oder ,,der Gflaube" oder 
das ,,Sakrament des Grlaubens" 8 ), d. h. das Taufbekenntnis die Autoritat, 
aber er setzt dabei voraus, dafi dies die ganze kirchliche Tradition in 
sieh faBt, sodafi das tiefere Verstandnis sie aus ; ihm entnehmen niufi. 
Daher wird in der ,,Regel" gesucht und gefunden, 'was dem Wortlaut 
nach nicht in ihr steht, oder man empfindet sie immer noch als eine 
Abbreviatur fiir die ganze, weitlaufigere Tradition. Wie deni einzelnen 
Getauften sich alles, was er iiber den Grlauben gehort hatte, irn Be- 



1) Novatian. de trin. 30: ad testimonium, quod ita se habeat fides vera, 
ioium et vetus et novum testamentum possit ad&wi. Sed quia dbluctantes ad- 
versus veritatem semper haeretici sincerae traditionis et catholicae fidei contro- 
versiam sclent trahere etc. Die veritas, von der Nov. hier spricht, ist der wahre 
trinitarisclie G-laube, wie er ihn im Buch en'tAvickelt hat. Diese Wahrheit ist 
nun aber nicht Schriftlehre als solche, sondern katholischer G-laube und lautere 
Tradition. 

2) Kattenbusch II, 361ff. hat niit Eecht die Beziehung der regula auf 
das Taufbekenntnis angenommen, aber auch H. Jordan (die Theol. der neuent- 
deckten Predigten Novatians 1903, S. 182) ist von einer ganz richtigen Bmpfin- 
dimg geleitet, wenn er die regula viel mehr in sich begreifen laCt als das Tauf- 
bekenntnis. Wie beide Urteile sich initeinander vereinigen lassen, zeigt die Dar- 
stellung bben. 

3) Novatians Brief bei Cyprian. Ep. 30, 3: cum totum fidei sacr amen- 
tum in confessione Christi nominis intelligatiir esse digestum, vgl. die gleich- 
zeitige Schrift de rebaptism. 10: mysterium fidei tradunt bei dem Tauf vorgang ; 
beides pafit auf das Bekenutnis. 



Die Glaubensregel bei Clemens Alex. 305 

kenntnis zusartunenfaBte, so schien aucli der allgemeine Christenglau.be 
nur seine praziseste \Formulierung an dem Taufbekenntnis zu besitzen. 

9. "Aber dies ist nur die eine "Wendung der geschichtlichen Ent- 
wicklung. Die andere halt an der alteri Yorstellung von einer aposto- 
lischen Lehre fest, interpretiert diese aber mit wachsender Harmlosigkeit 
im Sinn der neueren Dogmatik resp. der ganzen Schriftlehre. So hat 
Hippolyt sein grofies antiharetisches Werk mit einer Wahrheitsregel 
beschlossen, die ein ganzes theologisches System mit EinschluB der Heils- 
geschichte in sich fafit. 1 ) Ebenso verhalt es sich mit der Kegel, die 
Origenes zu Beginn seines "Werkes rtegl &Q%a>v mitteilt (s. unten). 
Auf dieser Linie bewegt sich auch Clemens Alex. 2 ) Die eigentliche 
Quelle der Wahrheit und die entscheidende Autoritat erblickt er in den 
heiligen Biichern als der Offenbarung Christi ini A. T. und den evan- 
gelischen und apostolischen Schriften. Also kann man mit Recht sagen, 
dafi er das ,,Schriftprinzip" in Voller Klarheit vertrete. Niin bleibt Clem, 
aber nicht dabei stehen, sondern kehnt einen ,,kirchlichen Kanon", den 
,,Kanon der Wahrheit", nach dem die Schrift ausgelegt wird und der 



1) Befttt. X. 1. 32 34'vg-l. Kunze S. 129f. " 

2) Einige Hauptstellen aus Clemens mo'gen Mer stelien. Strom. VII, 16, 94: 
zoiavrcu S' f/fiiv at y.v^iay.cd ypacpcd ii]v ahrjfleiav dTtoTixrovaai . . . SyaD.sa&at, 
yap dvdyxri fisyiara tots fisyiarois sy'^BiQOvvras Ttqayfiaaiv, i\v firj rbv y.avovu 
-rifs dhrj-S-eias 7ta(? aiirtfs kafiovres e%coai rijs dhydeias. Weil die Haretiker 
niclit foesitzen d't^&cov y.al yevSmv y.gitijgiov, genorcheii sie nicht deu lieiligen. 
Schriften. Ib. 95: e^o^iev yap ifjv d^fjv Tfjs St8a.ay.aUas ibv "/.iiqiov Sid is t&v 
rtQOfpii'T&v Sid TS TOV eiayyebiov xal Sid twv {.layMQitov aTtorol.cov . . e| dyxfjs sis 
rekos fjyovf.i8vov ifjs yvcboecos. Ib. 97 : Die Haretiker wahlen was ihnen gut diinkt, 
Statt TO Ttqbs y.vgiov Sid iwv Tt^oyrjTwv sigijfievov '/MI iiTtb TOV evayysiiov, Ttgoaen 
Ss y.al rwv d-XOffToAcov avfifiatJTvgovftevoi. TS ticii pefiaiotfievov . . ., fiTteg/Srjvai s 
ortovSdaavTes TO v.oivbv Tijs TtiaTsws s^s^aav TIJV dkijd'eiav. Indem sie TO, Tfjs 
yvcbasws T^S K%xkt]ffiaaTiy.r]s fivaTrj^ia, und TO fieyaAeiov TIJS dirj&elas nicht erfasseiu 
lassen sie die Schriften fahren. Str. VI, 15, 124 : dTtoo-TsoovvTss TOV avoiov tip 
dktjdtf Siaay.a).iav ol {.ITJ '/.arf d^iav TOV d'eov y.al TOV r.voiov rds yoaipds l.eyovTes 
TB y.al TtaoaSiSovrss. Anders als die Haretiker die Apostel y.aTd TOV T-fjs &l,rj- 
&sias f.avova SiaaacpovvTsg Tag yoayids. Ib. 125: oaoi iirf avrov (Christlis) 
<ja(frjvia&eioav s^ytjaiv y.ard, TOV exxhrjaiaoTixdv y.avova lxe%6[.ievoi Siaaco^ovai- 
xavcbv Se ly.'x'kijaiaaTiy.bs f] ovvcoSia y.al i] avficpcov ia vopov ts y.al 
TtpocprjTcdv TT] y.aTa TrjV TOV vvpiov napoyoiav %apa iSo fievr] ta-drjx-r]. 
Tiber die geheirne Tradition der- kirchlichen Gnosis s. Str. VI, 7, 61: 37 yvcoois 
SB ai>Trj ?/ y.aTU 8io%ds ' sis okiyovs ex T&V dnoaTol.cov dypdycos TtaqaSodeloa 
y.aTshtfkv&sv, dazu VI, 15, 131 und bei Eus. h. e. II, 1, 4: Christus habe- nach 
der Auferstehung die Gnosis Jakobus, Johannes und Petrus liberliefert, diese sei 
den iibrigen Aposteln, diese den Siebzig nu'tgeteilt. Vgl. Harnack DG I s , 334f. 
Katteubusch II, 102ff. Kunze S. 132 ff., s. auch Kutter, Cl. v. Al. und 
das N. T. 1897. 

Seeberg, Dogmengesohichte I. 2. Aufl. 20 



3.06 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

der kritische Mafistab, urn das IPalsche und Wahre zu unterscheiden, ist. 
Einrnal hat er diesen Mafistab als die tlbereinstimmung von Gesetz und 
Propheten mit dem neuen Bunde definiert. Das ware also etwa ein 
Purchschnitt der ganzen Schriftlehre, nur nicht im Sinn eines Auszuges 
aus der Schrift, sondern, wie es ein anderes Mai heifit, als das ,,Gremein- 
sanie des Grlaubens". Die Grofie, die Clem, vorschwebt, wird demnach 
der uberlieferte in der Kirche herrschende apostoliscbe Grlaube sein, 
Dieser Grlaube ist materiell identiscb mit dem Schriftinhalt, aber er ist 
formell von ibm verschieden. Cleni. bat den ,,kirchlichen Kanon" neben 
das Taufbekenntnis gestellt, 1 ) .aber ibn doeb nicht mit diesem identifiziert. 
Eine derartige Annaherung beider Gfrofien, wie sie bei Irenaus und 
Tertullian vorkonimt, fehlt bei ihm. Aber eben darum ist sein ,,kirch- 
licher Kanon" eine unklare und schwankende Grestalt, auch die Be- 
ziehung zur Tauflehre fehlt. Er operiert mit einem iiberkommenen 
Begriffi, dem es aber an konkreten Ziigen mangelt. Die Tauflehre hat 
offenbar in Alexandrien friiher als anderwarts ihr festes Gfeprage veiioren. 
Der Begriff blieb, aber man verband mit ihm einen neuen Inhalt, es ist 
der Inbegriff der Bibellehre oder die kirchliche Gresamtanschauung. 

10. Das Eesultat der Untersuchung ist, dafi man die TJberzeugung 
von einer gemeinsamen Kirchenlehre, die man von alters her besafi, im 
Gregensatz zxir Gfnosis festhielt. Aber indem man diese TJberzeugung 
festhielt, miifite man sie in der neuen Lage verscharfen. Diese Lehre 
ist der umfassencle und genugsame Ausdruck der ganzen Wahrheit, sie 
legt die ganze Schrift richtig aus und die Schrift bestatigt sie. Sie ist 
der alleinige Mai3stab zum Verstandnis der Schrift, ihr Besitz gibt erst 
ein Recht auf die Schrift. Man hat durch diese Gredanken die MiB- 
deutungen der heiligen Schriften durch die Gfnostiker abgeschnitten, aber 
man hat dafiir aiif das geschichtliche Yerstandnis der heiligen Autoren 
verzichten miissen. Die alte ,,TJberlieferung" war von alters her die 
eigentliche Grrofiniacht der dogmengeschichtlichen Entwicklung, sie ist es 
auch jetzt geblieben, denn sie entschied iiber das Verstandnis des Kanons. 
Daher fehlt es der Zeit . am Verstandnis der Eigentumlichkeiten der 



1) Fiir die Frage, ob Clem, ein formuliertes Taufbekenntuis gekannt 
kommt besonders in Betracht Strom. VII, 15, 90 : fiij 11 oi>v, si r.al Ttaoafiahi its 
avi>f)ri'/.as '/.a\ if/1- p/.io!oyiav 'Tta.QeWoi T^V Ttgbs ijfi&s, Sia vbv yevadfievov 
6 polo y lav dcf>s^6f4s&a iJjs a).t]9'eius VMI> fjfiels, alfc ws dyevdelv %oii tbv 
VML /uriSsv &v vTtea'/^rat, dy.vgovv, xav aJJ.oi tives nu.qa^a'ivcaavv avv&faas, ovrcos "/.ui. 
ijfi&s '/.(no, (.iifSeva tqoTiov rw exy.^rjaiaarixdv napafiaiveiv Ttyooijxei xavova,, 
y.al f.id),iaru rfjv rcegi iS>v fieyiarcov 6 ft o hoy lav fyiets fiev fpvidTiofiev, ol Se 
nuQafiuivovaiv. Danacli hat .Clem, wohl sicher ein Bekenntnis gekannt, wie 
C-aspari. (Ztschr. ,f. k. Wiss. 1886, 352ff.) und Kunze (a. a, 0. S. 60ff.) er- 
wieseu haben, s. auch Kattenbusch II, 128 f. 



Die G-laubensregel als- apostolisclie Lehre.. 307 

bibliscben Autoren, je origineller sie sind, desto weniger weifi man mit 
ihnen anzufangen. Aucb ein Pauliner wie Irenaus hat der ublicben 
Anscbauung seinen Tribut nicbt versagen cliirfen. So wird die alte 
Tauflebre zur Kircbenlebre. Man spitzt sie dann immer scbarfer zu dem 
Taufbekenntnis zu, oder man fafit sie als Inbegriff der Scb.riftleb.re auf. 
Jenes ist der Weg der abendlandiscben, dies der inorgenlandiscben Ent- 
wicklung. Dort wird der Begriff immer mebr verengt, bier erweitert, 
dort erbalt sicb das Taufbekenntnis als feste Grrofie, bier wird es nach 
den Forderungen der Tbeologie erweitert. 

Die Kircbenlebre ist ntm aber zugleicb apostoliscbe Lenre. 
Der Beweis fiir diese grundlegende Bebauptiing lieB sicb auf doppeltem 
Wege fiibren. Einmal indem man aus den apostoliscben Scbriften erwies, 
dafi sie diese und keine andere Lebre entbalten. Nicbt nur Irenaus, 
sondern aucb Tertullian und Novatian bemiibten sicb aus der Scbrift die 
Kircbenlebre zu begriinden und die baretiscbe Lebre zu entgriinden. 
Zum anderen aber wird die Kircbenlebre auf formal gescbicbtlicbem 
Wege als apostoliscbe Lebre aufgezeigt. Es ist namlicb die Lebre der 
Nacbfolger der Apostel und daber dieser selbst. Die Nacbfolger der 
Apostel sind die Biscbofe der Kirchen. Zwiscben iinen und den Aposteln 
ist durcb die principalis suecessio eirie sicbere Kontinuitat bergestellt. 
Yermpge dieser baben sie das charisma veritatis cerium empfangen. Die 
Biscbofe besitzen also die wabre Lebre xind daber die ricbtige Scbrift- 
auslegung. Das ist ibr Cbarisma. Nicbt um eine personHcbe Inspiration, 
sondern tun einen gescbicbtlicb iiberlieferten Besitz bandelt es sicb 
bei dem Cbarisma. Mag immerbin auf die moraliscbe Integritat der 
Biscbofe Grewicbt gelegt werden, nicbt der Geist, sondern die Lebre ist 
die Grabe, die ibnen geworden ist. 1 ) Die kircblicbe Tradition ist binfort 



1) Iren. IV, 26, 2 : quapropter eis qiti in ecclesia sunt presbyteris obaudire 
oportet, Ms qiii successionem habent ab apostolis . . ., qui eum episcopatus s^^c~ 
cessione charisma veritatis certum secundum placilwn patris acceperunt; religuos 
vero qui absistunt a principali successions, et quocunque loco colligunt suspectos 
habere vel quasi haereticos et malae sententiae vel quasi scindentes .et elatos et 
sibi placentes. Ib. 4: adhaercre vero Ms qui et apostolprum, sicut praediscirmis, 
doctrinam custodiimt et cum presbyterii ordine sermonem sanum et conver- 
sationem sine offensa praestant. Ib. 5: ubiigitur charismata dominiposita sunt 
(cf. 1. Kor. 12, 28), ibi discere oportet veritatem, apud qiios est ea quae est ab 
apostolis ecclesiae suecessio et id quod est sanum et irreprobabile conversations 
et inadulteratam- et incorruptibile sermonis constat. Hi enim . . . fidem nostram 
ciistodiimt, et . . . dilectionem adaugent . . . et scripturas sine periculo ex- 
ponunt. V, 20, 1. IV, 33, 8. Ill, 3, 1. 3: Tfi avrfj I&^&L %al iij uvrij 8tSa%fj 
ij re dTcb iwv anoatolcov sv T>/ sstxhqoiq rtaydSoais xal TO TIJS dirjdslas 
els fjfiast 

20* 



BOS 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

das Charisma und die amtliche Sukzession von den Aposteln her ist das 
Mittel, dureli das die Offenbarung Q-ottes die Menschheit erreicht. Es 
gibt hinfort nur eine indirekte Offenbarung , die direkte Offenbarung 
gehort der Urzeit der Kirche an. Die Offenbarung ist apostolisch und 
sie fallt in die alte Zeit, neue Lehre ist Irrlehre. 1 ) . 

Aber diese Betrachtung fiihrt weiter. Die Lehre der Apostel ist 
niit geschichtlicher Sicherheit nur dort anzutreffen, wo sie selbst gewirkt 
haben oder in den antiquissimae ecclesiae (Ir. HE, 4, 1. Tert. de praescr. 21). 
In der ganzen Welt sind solche apostolische Gfemeinden vorhanden', be- 
sonders werden angefiihrt Smyrna, Ephesus, Jerusalem, .'dazu Korinth, 
Philippi, Thessalonich, vor allem aber Rom. 2 ) TJberall werden die 
Bischofslisten die llickenlose Sukzession der Bischofe bis zu den Aposteln 
hin erweisen. Sof ern nun aber auch die nicht von Aposteln gegrundeten 
Gemeinden mit den apostolischen im Zusammenhang stehen und die gleiche 
Lehre haben, sind auch sie als apostolische anzusehen. Die Einheit der 
Lehre begrtindet die Einheit der Kirche. Auf diesem Wege nun'vermag 
die Kirche . ihre Lehre als apostolische zu erweisen, wahrend man an die 
Haretiker umsonst die Forderung richten wlirde, die Sukzession Hirer 
Bischofe auf die Apostel zuriickzufiihren (Tert. praescr. 32). 

An sich gilt die gekennzeichnete Bedeutung von alien Mutterkirchen. 
VorziigHch aber kornmt sie zu der roraischen Kirche, maximae et anti- 
quissimae et omnibus cognitae, a. gloriosissimis duobus apostolis Petro 'et 
Paulo Romae fwidatae et constitutae ecclesiae. Dieses Urteil begriindet 
Irenaus durch den beriihinten Satz : ad hanc enim ecelesiam propter 
pot&ntiorem principalilatem necesse est omnem convenire ecclesiam hoc est 
eos, qui sunt undique fideles, in qua semper ab his qui sunt undique 
conservata est ea quae est ab apostolis traditio (III, 3, 2). Dieser Satz 
besagt 1) dafi Rom ein hervorragenderes Aflsehen eignet im Hinblick 
auf die beiden Hauptapostel, 2) da6 jede Gremeinde niit Rom iiberein- 
stinimen niiisse (nicht: solle), 3) da ja in der Weltstadt Christen aus 
alien Gregenden niitbeteib'gt gewesen sind an der Aufrechterhaltung der 
alten Tradition. 3 ) Das ist ein rein geschichtliches, noch kein dogniatisches, 



1) Tert. adv. Prax. 2 : quo peraeque adversus universas haereses iam hinc 
praeiudicatum sit, id esse verum qiiodcunque primum, id est adulterum quod- 
cunque posterius. 

2) Ir. Ill, 3, 2. 3; 3, 4; 12, 5. Tert. de praescr. 32. 36. 

3) tiber diese Stelle haben neuerdings gehandelt Sohm (Kirchenrecht I, 
380f.), Harnack (Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1893, 939ff.), H. Bohmer (Ztschr. 
f. die neutest. Wiss. 1906, 193 ff.). Icb. bemerke kurz folgendes: 1) fur princi- 
palitas hat Harnaek richtig av&evtia als Original erkannt; 2) necesse est hat 
nicht den Sinn einer sittlichen Forderung, sondern einer logischen oder natiir- 
liclien Notwendigkeit, ,,miissen", nicht ,,sollen"); 3) convenire bedeutet nicht die 



Die apostolische Sukzession, Eom. 309 

Urteil. Die beiden Hauptapos.tel und Horns Stellung als Weltstadt b.er 
griinden es. Dazu kommt dann die Reflexion auf. das ."W-Qft an. Petrus 
Matth. 16, auf das Tertullian Bezug nimmt, freilich so, daft er .den: Jiinger> 
der an der Brust ,Tesu gelegen, sofort neben den Fels der Kirche, der 
die Schliissel des Himmelreichs erhalten hat, stellt (praescr.. 22). l ). An 
sich .steht Roni nicht iiber Ephesus und den anderen TJrgemeinden. Das 
zeigt Tertullian deutlich. ,,Ist dir Achaja nah, du hast Korinth. Bist 
du nicht weit von Macedonien, du hast Philippi, du hast die'Thessalonicher. 
Kannst du dich nach Asien wenden, so hast du Ephesus. Bist du aber 
Italien benachbart, so hast du Rom, woher auch, uns die Autoritat zur 
Hand ist. "Wie gliicklich ist doch die Kirche, der die ganze Lehre zu- 
gleich niit ihreni Blut die Apostel hingeschuttet haben, wo Petrus der 
Passion des Herrn gleichgemacht, wo Paulus mit des Johannes Ausgang 
gekront wird, wo der Apostel Johannes, nachdem er in siedendes 01 
getaucht war, ohne Schaden zu nehmen, auf eine Insel verbannt wird!" 
(praescr. 36). 

11. Damit ist der Nachweis zum Abschlufi gekommen. Die Kirche 
hat die Wahrheit, denn sie hat die yon den Aposteln herstammenden 
Schriften und sie hat die ebenfalls auf die Apostel zuriickgehende 
miindliche Lehrlibeiiieferung, tind sie hat diese letztere. mit Sicherheit, 
sofern die bischofliche Sukzession sie garantiert. 1st dies aber der Fall, 
so ergibt sich zunachst die Folgerung, dafi nur in der Kirche die "Wahr- 
heit und nur in ihr daher heil. Greist und Gnade ist. Die Apostel haben 
in ihr niedergelegt omnia quae sint veritatis, sodafi jeder den Trank des 
Lebens hier findet (Ir. Ill, 4, 1). Die offenbarte apostolische Lehre ist 
das Mittel, durch das den Grliedern der Kirche Leben, Greist und Grnade 
zuteil wird. Diese Lehre' ist das Wirken des Greistes, spirit us autem 
veritas. 2 ) Der heil. Geist ist also den Aposteln zuteil geworden und 



tJbereinstimmung, sondern den Verkehr (so Bohmer); 4) notwendig oder natiir- 
gemafi ist aber der kirchliche Verkehr aller mit Eom, einmal wegen des be- 
soncleren Anseheus Roms, dann aber von der Erwagnag her, daB ja Eom ge-' 
wissermafien alle in sick fafit als ,,Mikrokosmos der Kirche" (Sohm). In qua be- 
zieht sich also auf Eom, was im Zusammenhang das allein Mogliche ist (gegen 
Harnack), demi omnis ecclesia heii3t nicht die ganze, sondern jede Kirche, da in 
ersterem Fall die Erlauterung durch undigiie fideks zwecklos ware. Das necesse 
est empf angt seine Hauptbegrijndung erst durch den nacbi olgenden Gedanken : es 
ist innerlich notwendig, dafi alle mit Eom in Gemeinschaft stehen, sind sie doch 
gewissermaCen alle in Eom enthalten. Die Stelle besagt an sich uicht mehr als 
der gleich im Text anzuftthrende Satz Tertullians. 

1) PetrilS als ars^ecc Ttsr^a, depehov s>fx'h]oias S. 01 em. Hom. 17, 19. 

2) Ir. Ill, 24, 1 : hoc enim ecclesiae creditum est dei munus, quemadmod^lm 
ad inspirationem plasmationi ad hoc, ^lt omnia membra percipientia vivificentur ; 



14. Die -Theologie der antignostischen Vater 

aus ihren Worten spricht er- nocli heute zu alien und wirkt auf sie ein. 
Der deist gibt keine neuen Offenbarungen, sondern er wirkt durch die 
alten. So sind alle neuen Offenbarungeri ausgeschlossen, die Schrift und 
die Kirchenlehre allein sind Offenbarung. Wer sie nicht anniuunt, der 
ist verloren. Aufierhalb der Kirche ist kein Heil. Die Haretiker und 
die,' qui scindunt et separant unitatem ecclesiae, gehen zugrunde (Ir. TV, 
26, 2).') 

So hangt der ganze Bestand der Kirche an der apostolischen Lehre'. 
Die Gremeinschaft an dieser Lehre ist es, die die vielen Gfemeinden zu 
einer Kirche zusammenfafit. Ecclesia vero per universum mundum ab 
apostolis fir-mum habens initium, in una et eadem de deo et de filio eius 
pwsm&rat sententia (Ir. Ill, 12, 7). Communicamus cum ecclesiis apostolicis, 
quod nulla dodrina diversa (Tert. praescr. 21). Die spateren Earchen 
haben ja als Ableger der apostolischen Gremeinden die apostolische 
Wahrheit inne ; dadurch sind sie auch apostolische Gremeinden. Diese 
Einheit zeigt sich an der Friedensgemeinschaft, dem Brudernamen und 
der Gastfreundschaft der Christen untereinander , diese Gremeinschaft 
aber wird von keinein anderen Gfrund bestimint als von eiusdem sacra- 
inenti una traditio d. h. der IJbeiiieferung des gemeinsamen Tauf bekennt- 
nisses (Tert, ib. 20 cf. virg. vel. 2. Apol. 39 in.). 

Derngernafi ist die Kirche die Christenheit, die den einen apostolischen 
Glauben bekennt. Aber dieser Grlaube ist die von den Bischofen dar- 
gebotene TJberlieferung. Daratis folgt aber: quapropter eis qui in 
ecclesia sunt presbyteris obaudire oportet, his qui suceessionem habent ab 
apostolis (Ir. IV, 26, 2). Die Frage ist mm, ob diese Anschammg als 
hie r arc his ch zu bezeichnen ist. "Wenn man die Auffassung als 
Hierarchismus ansieht, die das Heil des Menschen von der Priesterschaft 
abhangig macht, so ist bei Irenaus, Tertuluan und Hippolyt noch nicht 



et in eo disposita est communicatio Ghristi id est spiritus sanctus, arrlia in- 
corruptdae et confirmatio fidei nostrae et scala ascensionis ad deum.' In ecclesia 
enim, inquit, ,,posuit deus apostolos, prophetas, doctores" et universam reliquam 
operational spiritus, cuius non sunt participes omnes qui non currunt ad ec- 
desiam . . . Ubi enim ecclesia ibi spiritus dei, et libi spiritus del illic ecclesia 
et omnis gratia, spiritus aiitem veritas. 

1) Vgi. Theophil. ad Autol. II, 14 neunt die Kirchen rettende Inseln iin 
sturnrischen Meer der Welt, wo die Wahrheit gelehrt wird, es gibt aber auch 
wtiste, von . wilden Tieren bewolmte Inseln, das sind die Imretischen Gemein- 
schaften. Hippolyt vergleickt die Kirche mit einem -ScMff, dessen Steuer- 
mann Clnistus, dessen Steuerruder die beiden Testamente sind (de Antichr. 59 
cf. Clement. Horn. ep. Clem. 14). Sie gebirt den Logos und lehrt so alle Volker 
(Hippol. ib. 61). Komm. in Daniel 1, 17, 7: ivas ist nun die Kirche? Die heilige 
Versammlung der in G-ereehtigkeit Lebenden. 



Wahrheitsregel, Kirehe und Episkopat. oil 

von Hierarchismus zu reden. Denn Mr diese Manner 1st 1 die Kirehe die 
Gfemeinschaft der Grlaubigen und Heiligen, die Gott furchten und den 
Greist empfangen (Ir. V, 32, 2. IV, 36, 2. HE, 3, 2. Hipp, in Dan. I, 
17, 7). Alle Grlieder der Gfemeinden sind Priester: omnes cnim iusti 
sacerdotalem habent ordinem (Ir. IV, 8, 3).- Nonne et laid sacerdotes 
sumus . . ., libi ires ecclesia, licet laid (Tert. exh. cast. 7. de orat. 28). 
Nicht das Priestertum, sondern der gemeinsarae Gflaube bewirkt die 
Einheit der Kirehe. Es ist also klar, dafi die Kirehe noch nicht als 
das dem Bischof unterstellte Volk angesehen wird. Indessen bahnt sich 
doch der hierarchische Gredanke deutlich an. Indem nur die von den 
Bischofen dargebotene Lehre die apostolische errettende "Wahrheit ist, 
wird doch die Unterwerfung unter den Episkopat zur Heilsbedingung, 
An sich ist der Gfedahke der bischoflichen Grarantie der Heilswahrheit 
nur eine Hilfslinie im Beweis, aber diese Hilfslinie konnte nicht fort- 
geloscht werden, denn sie bezeichnete einen machtigen Eaktor der 
Wirklichkeit. Der Episkopat mufite selbst eine dogmatische Grrofie 
werden, wenn man ohne ihn den geschichtlichen Begriffl der Tradition 
nicht dogmatisieren konnte. Dann treten die sakramentalen Funktionen 
des Episkopates hinzu, 1 ) aus ihnen erwuchs /der Priestergedanke und 
dieser wurde eine der wichtigsten Voraussetzungen des Hierarchisnius. 
Davon ist spater zu reden. 

12. Blicken wir hier einen Aiigenblick zurtick, so \verden wir 
zuriickversetzt in die Zeit des Clemens und des Ignatius. Man versteht 
bei diesem B/iickblick die tlberzeugung des Irenaus und des Tertullian, 
nur das Alte zu vertreten. Es war in dr Tat so. Ignatius hatte der 
TJberzeugung gelebt, dafi der Bischof die alte "Wahrheit vertritt, und 
Clemens hatte die Idee der Sukzession auf die Lehre und den Kirchendienst 
der Presbyter angewandt (oben S. 187 f. 194 f.). Daran hielt man fest. 



1) Die Verlbmdmig ,,W.ort und Sakrarnent" bahnt sich in imserer Zeit 
an, s. z. B. Tert. de cult. fern. II, 11: ant sacrificium offertur aut dei sermo 
administratur, cf. de orat. 19, ad uxor. II, 8, de pud. 1. Ps. cleni. de virg. 
I, 5: Wort Q-ottes ^lnd gottliche Eiicharistie. Tert. praescr. 36: (die Kirehe) legem 
et prophetas cum evangelitis et apostolicis litteris miscet, inde potat fidem, earn 
aqua signat, sancto spiritu vestit, eucharistia pascit. Sehr anscliaulich wird diese 
Verbindung durch die Abercius-Inschrift (ca.- 200) : bei semen Eeisen von Bom 
bis Nisibis sah AbercillS : labv Se E~IOV w.sl },a/.nt^av ocppayetSav e%ow[a . . . 
$ so%ov awoSimjv Havl.ov eycb sTtOfiqv, Titans Ttdvrt] Se 7tgof;-/e, '/ML 
tj)oif>T]v TtdvTij tydiiv dstb Tniyrjs . . ., Sv eSgdiiaTO Ttagdevos ayvi']' v.a.1 TOVTOV STte- 
<itoy.e yihois eod'eiv Sia Ttavtos, oivov yg^otov s'/ovaa, y.egadfia StSoiiffa fiet' ci^tov. 

S. auch Ps. orig. Tractat. fed. Battifol) 6 p. 75: aut panem corporis Christi 
ruminant aut escam vitalem verbum dei credentibus praedicant.. Method, de 
cibis 11, 6. . 



312 W. Die Theologie der antignostischen Vater. 

Im Gregensatz zu einem rieuen Cbristentum bebauptet man, nur die alte 
Kirclie besitze die "Wab.rb.eit, denn ibre Biscbofe baben mit der aposto- 
lischen Sukzession die apostoliscbe Lebre empfangen. Aber man 'war 
docb in einer, freib'cb kontinuierlicben, Entwicklung fortgescbritten. Ein- 
mal war die ., Lebre" ein immer komplizierterer, mit Bewufitsein anti- 
gnostiscb gestalteter Apparat geworden. Dann bezeicbnete der Gfedanke 
der kircblicben Einbeit nicbt naebr blofi ein religioses TJrteil, sondern 
eine konkrete Grrofie. Und diese GrroBe empfing ibre konkrete Art von 
dem Episkopat. In Synoden taten sicb die Biscbofe zusammen, um 
bindende Bescbliisse zu fassen. Die Synoden waren das Mattel, durcb 
das die Biscbofe zum Episkopat wiirden. Und die Snkzessionsidee war 
das Mattel, durcb das der Episkopat mit apostoliscber Autoritat bekleidet 
wurde. Das ist der Eortscbritt, den die Kircbe gemacbt bat yon Ignatius 
und Clemens bis zu Irenaus und Tertullian : I) die tbeologiscbe Aus- 
debnung der Lebre, 2) die Ausgestaltung der Autoritat der einzelnen 
Biscbofe zu der Autoritat des zusammenbangenden Episkopats, 3) die 
apostoHscbe Art dieser Autoritat im Babmen des Sukzessionsgedankens. 
Damit war aber 4) die Eliminierung des Greistwesens prinzipiell vollzogen. 
Der beil. Greist waltet nicbt mebr wie und wo er will, sondern er ist 
an die Lebre der Kircbe gebunden; nicht mebr die Obarismatiker sind 
seine Trager, sondern die Inbaber und Graranten der apostoliscben Lebre. 
In ihrer Hand Hegt nun aber aucb die Institution, die den Greist dera 
einzelnen nabebringt, die Taufe, sowie die Bufie, die ibn ibm wieder- 
bringt, und die eucbaristiscbe Eeier. Die Autoritat des Episkopates 
bat sicb zimacbst an die Erbaltung der Lebre in der Kircbe gekniipft. 
Das war durcb das Vorbild des jiidiscben Eabbinats aucb die Synode 
ist judiscben TJrsprungs (oben S. 50) und durcb den gnostiscben Gregen- 
satz bedingt. Dann bat diese Autoritat sicb, dem Bedarf des inner- 
kircblicben Lebens entsprecbend, auf die Taufe, die Bufie und das 
eucbaristiscbe Opfer gericbtet Ignatius und Clemens sind aucb bier 
die Anfanger und erst bierin bat sie sicb vollendet, wie wir spater 
seben werden. Auf zweierlei erbaut sicb der Hierarcbismus, auf der 
Lebrgewalt und der sakranientalen Befugnis ; durcb ersteres wird er zum 
Ersatz flir den Apostolat, durcb letzteres erlangt er Priestergewalt, und 
durch dieses wie jenes nimmt er den Pneumatikern den Boden in der 
Kircbe. . ' 

Das sind die Ziele der antignostiscben Entwicklung. Die TJber- 
lieferung und das Amt iibernebmen die Leitung der Kircbe, sie werden 
die Trager des Greistes und der Ersatz fur die Pneumatiker. Die 
Elemente der judiscben Kircbenorganisation ersticken das freie, von 
beidniscbem "Wesen durcbtrankte Greisttum. Aber beide Elemente baben 



Der Gottesbegriff. 313 

an Eaden gesponnen, die der grofie Grander der siciitbaren Kirche, die 
Paulus angesponnen hatte. Was/man in unserer Zeit gewonnen hatte, 
war zunachst dies, dafi. es eine apostolische Kirchenlehre gibt und dafi 
die Kirche die Kirche der apostolischen Lehre ist, dafi aber die aposto- 
lische Lehre feststeht dureh die apostolische Sukzession der Bischofe, 
und dafi die apostolische Kirche die bischoflich organisierte Kirche ist. 

Damit ist nun auch die sachgemafie Disposition fur die weitere 
Darstellung gegeben. Es wird sich zunachst uni eine tjbersicht liber 
den Inhalt der apostolischen Lehre handeln, und dann um die Dar- 
stellung der Idrchlichen Institutionen, an. die sich der weitere Eortschritt 
des - Kirchenbegriffs gekniipft hat. 

13. Gott. Als Grundirrtum der Gfnostiker erscheint die Trennung 
Gfottes und des Schopfers. Des Teufels Trug hat die blasphemia ereatoris 
hervorgebracht (Ir. I praef. I; 22, 1; 31, 3; II, 10, 2; IH, 24, 2 ; V, 
26, 2 J ) vgl. schon Just.. Ap. I, 26. 58. 35. Dial. 80). Mit dem einen 
Gott, dem Schopfer, beginnt die Darstellung des GHaubens (Ir. II, 1, 1 
vgl. Hipp. Eef. X, 34). 

1) Grott ist einer, Schopfer, Erhalter xind Erloser zumal. Der 
hochste Grott ist der Schopfer. Das bezeugt das ganze Alte und Neue 
Testament, die Schopfung, ja selbst der Grlaiibe des Heiden. (Ir. HI, 
915 ; IV, 9, 3. Tert. de praescr. 13. c. Jud. 2). Der Begriff Gottes 
fordert seine Einheit. Deus si non unus est, non est (Tert. adv. Marc. I, 3 
cf. adv. Hermog. 17. 7). Es ist derselbe Grott, der. das Gfesetz und das 
Evangelium gegeben hat (Ir. IY, 9, 3; IH, 12, .11). 2) Gott ist ver- 
niinf tiger Geist; vovg, spiriius, evyoicf sind demnach nicht besondere 
Wesen, sondern verschiedene Seiten des einen gottlichen Wesens (Ir. DZ, 
13, 36. 8; I, 12, 2. Tert. adv. Yal, 4). Atif Grand, des stoischen 
Satzes, da6 alles Wirldiche korperlich sei (Tert. de carne Chr. 11, adv. 
Hermog. 35 f . 41), lehrt Tert. : quis enim negabit deum corpus esse, etsi 
deus spiritus est ? (adv. Prax. 7 ; dazu de bapt. 4). Gott ist aber nicht 
caro, (adv. Prax.. 27). tJbrigens hat Tert.. mit dieser Lehre keineswegs 
deni monistischen Pantheismus der Stoa das ."Wort reden wollen, er hat 
Gott durchaus iiberweltlich gedacht. 2 ) 3) Nicht durch Spekulation 

1) Eine gute Zusammenfassung des Gegensatzes s. IV praef. 4: omnes 
haeretici in ultimum ad hoc deveniiint, ut blasphement fabricatorem et contra- 
dicunt saluti plasmatis del, quod quidem est caro. 

2) Vgl. Zeller, PMlos. d. Griechen III, 1 s , 124; liber die Differeuz von 
dem stoischen Gedanken s. Stier, Die Gottes- und Logoslelire Tert. S. 32ff. 
Nach Gemiadius, de eccl. dogmat. 4 hat auch Melito wie Tertull. ein corporeum 
in trinitate gelehrt, er schrieb eine Schrift neyl svacofidiov &eov, nach Origenes 
(Opp. VIII, 49 Lommatzsch) wird sie von der Korperlichkeit Gottes gehandelt 
haben, s. Harnack, Litt.-Gesch. I, 1, 248. 



314 14. Die Tkeologre der antignostischen Vater. 

wird Gott erkannt sondern aus der Offenbarung. Daher soil man nicht 
miissigen IVagen nachgehen, was Gott vor der . Schopfung getan, .wie der 
Sohn gezeugt wurde usw. (Ir. II, 28, 3. 6f. cf. 25, 4; 26, 1; 28, 1). 
"Avsv S-eov (.ri] ywdoKea&cti TOV &BOV (Ir. IV, 6, 4). Seiner Grofie 
nach bleibt Grott unfafilich, aber nach seiner Liebe lernen wir ihn in 
Christo kenrien : qui seeundum magnitudinem quidem ignotus est omnibus 
his, qui ah eo facti sunt . . ., secundum autem dileciionem eognoseitur 
semper per eum, per quern constituit omnia. Est autem hie Verbum eius 
(Ir. IY, 20, 4). "QGJIGQ ol filenovTes TO cp&s evvog slat, TOO 
veil Tifc Itt^iTt^oTrjTog afcov [tevtyovaiv owwg ol fihertovreg vbv 
evwg slot, lov D-sou, {.t6re%ovzsg amov .vfjg kc([,i7t()dTi]vo (ib. 5). Auf 
dem "Weg der Offenbarung und Erfahrung, nicht durch Spekulation 
lernt man Gfott kennen. 4) Nicht atif zwei Gfotter sind Grottes Gre- 
recntigkeit und Giite zu verteilen, sondern: a primordio creator tarn 
bonus quam iustus (Tert. adv. Marc. II, 12). Die wanre Griite -\vird von 
der Grerechtigkeit regiert. Der Gfute ist Feind des Bosen und sein 
Bichter : non alias plene bonus sit nisi mali aemulus (ib. I, 26 cf. Ir. Ill, 
25, 1 3; H, 30, 9; IV, 38, 3 die "Weisneit hinzufiigend), Der Siinde 
gegenliber wird die Grerechtigkeit zur severitas und ira (Tert. adv. 
Marc. II, 11 ; I, 26). So wird der sittliche Charakter der gottlicnen 
Person gewanrt (Ir. Ill, 25, 2). 4) Das Ziel der "Wege Grottes ist 
das Heil der Menschheit. Nihil tarn dignum deo quam solus hominis 
(Tert. adv. M. H, 27 vgl. de poenit. 2, de orat. 4; Ir. Ill, 20, 2). Es 
ist Gfottes Art TO tAffXff-5-at, TO eheelv, TO TCC oj/a aw&tv eavrou (Ir. 
Frag. Stieren I, 830). ^ Um des Mensclien willen wurde die Welt er- 
scbaffen (Ir. V, 29, 1 vgl. S. 272). Auf dafi der Menscb. reif werde 
Gott zu scbauen, ist Gottes Gute, Gerechtigkeit und Weisheit Avirksam: 
Pmeftniente deo omnia ad hominis perfectionem et- ad efficaciam et mani- 
festationem dispositionum, uti et bonitas ostendatur et iustitia perfieiatur 
et ecclesia ad figuram imagines filii eius coaptetur et tandem aliquando 
maturus flat homo in tantis maturescens ad videndum et capiendum deum 
(Ir. IV, 37, 7). 5) Gott ist Scbopfer und Bildner der Welt. Durch 
sein Wort und seinen Willen erschuf er sie (Ir. II, 30, 9; 2, 4; 3, 2. 
Hipp. c. Noet. 10), ex nihilo (Tert. c. Hermog. 8. 45. Hipp, in Dan. I, 
8, 1). Gott ist liber et suae potestatis, nicht der necessitas des Irrtums 
unterworfen wie bei den Gnostikern (Ir. II, 5, 4). In seineni Verhaltnis 
zur Welt ist er der Herr, dern alles tinterworf en ist. Prineipari enim 
debet in omnibus et dominari vo hint as dei, feliqua autem 



1) S. auch Tert. de resuiT. 60: dives dominus et liberalis adfectui aut 
gloriae suae praestans . . . voluerit operari. 



'-V ; WelWe&opfung,- Logos, .Triiiftat. ->- ' 315 

10-mnia hziic- cede&e ei' 'subdit : a esse- et in servitiurn dedita 
'(II, 34. 4; 28, 7). @ekr)ot$ v.al eVsgyeta : &sov ecnlv fj atavTOS XQOVOU 
y.al ri<x(fr]$ cpvtiecbg rtQixpi-jxi tied- rtQovorjTVMi ahia (Ir. Frg. bei Stiereri 
I, 828). Daber 1st die Scbo'pfung durcb Gtatt selbst ein religioser Ge- 
danke. Sein Wille 1st der Gfrund -Von allem, aucb wenn er Mittel zu 
seiner Verwirklicbung anwendet, wie man aucb dem Menscben das zu- 
scbreibt, was er etwa diircb die Axt oder: Sage tut (H, 2, 3. 5). Niebt 
die naturales . leges, sondern die divinae vires bedingen die Weltentwicklung 
'(Tert. de res. 42). Die Scbopfung ist aber nicbt scblecbt, die Gregen- 
satze in ibr Idingen, wie die verscbiedenen Tone der Either zur Einbeit 
:zusamnien (Ir. II, 25, 2). Derselbe Gfott veranstaltet die Erlosung (z. B< 
Ir. IV, 7, 2). 6) Der eine Gfott ist der dreifaltige Grott (fQidg Hipp, 
c. Noet. 14, cf. Opp. II, 109; trinitqs Tert. adv. Prax. 2. 3. 8f. 11. 
12. 24f. Apol. 24). So lebrt es die Kircbe (Ir. I, 10, 1), so setzt es 
die Taufbandlung voraus (Tert. adv. Prax. 26 extr.), so findet es der 
Grlaubige in der Scbrift (Ir. IV, 33, 15). Gfott nainlicb war nie allein: 
//oVog &>v \itokvc, r]Vi OVTS yccg ahoyos owe aoocp&g ovre 
ovzs afiovlevTOs %v (Hipp. c. Noet. 10 cf. Tert. adv. Prax. 5). 
Nee enim indigebat deus horum (d. b. der Engel) ad faciendum quae ipse 
apud se praed&finiemt fieri, quasi ipse suas non haberet manus. Adest 
enim ei semper verbum et sapientia, ftlius et spiritus, per quos et in quibus 
omnia libere et sponte fecit (Ir. IV, 20, 1. 3 vgl. V, 6, 1). Diese drei 
sind sis O'SOQ, weil ibnen jta'a dvvaf.ng eignet (Hipp. c. Noet.,8. 11). 
'Tertull. bat den Gredanken dabin naber bestinimt, dafi an der einen 
.gottlicben siibstantia an zweiter und dritter Stelle zwei personae teil- 
baben, namlicb der Sobn und der Greist (consortes substantiae patris, adv. 
Prax. 3). Ubique teneam unam substantiam in tribus cohaerentibus (ib. 12). 
In der einen substantia leben also drei personae. Ib. 2: quasi., non sic 
quoque unus sit omnia, dum ex uno omnia, per substantiae scilicet uni- 
tatem, et nihilominus custodiatur otxovo(.tia(; sacramentum, quaennitatem 
in trinitatem disponit tres . dirigens,. patrem et filium et . spiritum 
sanctum, tres autem non static sed gradu, nee substantia sed forma, nee 
potestate sed specie, whius autem ' substantiae et 'unius status et unius 
potestatis, quia unus deus, ex quo et gradus isti et formae et species in 
nomine patris et filii et spiritm sancti deputantur. 

Passen wir zusammen, so ist im Gregensatz zu der abstrakten 
gnostiscben Gfottesanscbauung das urcbristlicbe Streben kraftig, Grott als 
den leben dig en Herrn der "Welt zu versteben. Sein Wille'scbafft 
und wirkt in allem, der bo cbste Z week : dieses "Willens aber ist die satus 
liominis. Der allwirksame Grott ist nicbt nur pbysiscb lebendig, sondern 
aucb geistig und sittlicb. Greistig .sofern :er seine Vernunft und Weisbeit 



316 14- Die Theglogie der antignostischen Vater. 

in sicb tragt, sittlich sofern er gut und gerecbt ist. 1 ) . Der trinitariscbe- 
Gfedanke sowie die energisclie Betonung der Identitat des scbopferiscben 
und erlosenden Grotteswillens und. die bewufite Yereinigung von Allinacbt, 
Liebe und sittlicber Gerechtigkeit .in Gfott haben konkrete , Lebenszuge 
in den Gfottesbegriff bineingebracbt. Wie durcb diese. Erwagung der 
Eigenschaften und der Taten Gfottes das BewuBtsein. seiner Lebendigkeit 
gegeniiber den abstrakten Eormeln des griecbiscben Gfottesbegriffies auf- 
recht erhalten wurde, so notigte. aucb der Gfedanke an den in Cbristus 
sicb offenbarenden Gfqtt zu einer religiosen Erfabrungserkenntnis Gfottes^ 
Die Mittel, durcb die diese Yater den lebendigen Gfott, im Gfegensatz. 
zur Gfnosis und zu Marcion, darzustellen versucht baben, sind grundlegend 
geworden -fur die kirchliche Grottesanscbauung : der beberrscbende Gfottes- 
wille, die Trinitat, Gfott als Scbopfer, Ricbter und. Erloser, als gut und 
gerecbt, Gfott in Cbristus offenbar geworden. IJber die gescbicbtlicben 
Nacbwirkungen der triadiscben Eormel Tertullians (Substanz und Personen). 
wird spater genauer zu reden sein. 

14. "Wir wenden uns der Anscbauung vom Menscben zu..- 

1) Gfut und Bose im Menscben erklart sicb nicbt aus der ver- 
scbiedenen natuiiicben Anlage des Menscben. Ware das Bose cpvaei ini 
Menscben, so ware das sittlicbe TJrteil unmoglicb (Ir. 3Y, 37, 2). Die- 
Siinde ist viebnebr eine freie Tat des Menscben, der ausgerlistet mit dem 
ccvie^ovoiov und liber in arbitrio factus et suae potestatis war (Ir. IY, 37,. 
1. 3; 4, 3; Ygl. die Apologeten oben S. 280). Hinsicbtlicb des Urstandes 
gilt, dafi der Menscb als erscbaffener nicbt imstande war scbon am An- 
fang die Yollkommenbeit von Gfott zu empfangen. In der TJnsterblicb- 
keit bestiinde diese: ov yag rjdvvavvo ayevvrjTa sivcci fa VBIOGTL yeyevvr]- 
Ka-d-0 de JWTJ SGTLV &yvvrpa, xa^a TOVZO xa vorBQOvvTai wv 
(Ir. IY, 38, 1). 2) Der freie aber sterblicbe Menscb 2 ) sollte- 
Gfott gehorsain sein, urn unsterblicb zu werden. Da frei, ' mufite er das. 



1) s. die Zusammenfassung Ir.. II, 30. 9. 

2) Irenaus bezeichnet die Seele als eine immortalis substantia, die imi- 
schlossen wird von dem Gefafi des Korpers und dadurcli eine Form gewinnt, wie- 
das GefaB dem Wasser seine Form gibt. Sed incorporaks animae quantum ad compa- 
rationem mortalium corporum (V, 7, 1. II, 19, 6). Ir. scheint die stoische Psycho- 
logie zu befolgen, nach der die Seele eitte feine Substanz ist. Tertullian beruft 
sich ausdriicklich anf die stoische Psychologic " (de anima 5). Die Seele ist eine 
reale Substanz und als solche korperlich, denn omne quod est, corpus est sui 
generis; nihil est incorporate nisi quod non est (de earn. Chr. 11, de resurr. 53). 
Die Seele ist auch nach Tert. an sich unsterblich (de res. 34), darin wuOte er 
sich auch mit den Haretikern eins (ib. 2, de an. 51), er hat daher hierfiir keine 
eingehenden Beweise wie fiir die Auferstehimg gefiihrt. Vgl. die genaue Dar- 
stelhmg von Baser, Die Seelenlehre Tert., S. 66 ft, 83 ff. . 



Der Mensch,' die Erbsiinde. 317 

Bose kennen lernen. " Ghit sein ist Grott geborcben, bose sein ibin un- 
geborsam sein. Der Menscb konnte nicht Grott (d. b. unsterblicb) werden 
bevdr er ein recbter Mensch geworden (Ir. IY, 39, 1. 2; 38, 4). Die 
"Siinde ist TJngeborsam. Ungeborsam aber bringt Tod (Ir. V, 23, 1), 
wabrend Gfeborsain "Unsterblicbkeit ist (IY, 38, 2). Die Ghiten werden 
also -' unsterblicb, die Bosen aber berauben- sicb selbst der TJnsterblichkeit 
{IY, 34, 3). Das ist eine notwendige Konsequenz. Die Slinden sind 
carnalia und spiritalia (delicta voluntatis), man darf aber letztei-e nicbt 
-fiir geringfugig im Yerhaltnis zu ersteren ansehen (Tertull. de poenit. 3. 7). 
3) In Adam, war die. ganze Menschbeit ungeborsam. In ibm ist sie 
der Siinde und dem Tod verfaUen (Ir. in, 23, 3; Y, 12, 13, 3. Tert. 
de anim. 40. de earn. Obr. 16). Uber den Zusammenbang Tinserer Siinde 
mit Adams Siinde gibt Tertull. bedeutsame Andeutungen. Das Bose ist 
:gleicbsam etwas Natiirlicbes im Menscben geworden. Die Scblange ver- 
fiibrte den Menscben zum Bosen, und dieses setzte sicb dann in der 
Seele fest: atqm ita inokverit et coadokverit in anima ad instar iam natu- 
raUtatis, quia statim in naturae primordio accidit. Dies Bose, das so 
gleicbsam ' ein Naturbestandteil des Adam geworden Avar, bat sicb auf 
seine Hacbkommen ' f ortgepflanzt ; 3 ) dazu kommt nocb, daB von Anfang 
an die Heiden das Kind zu den Damonen in Beziebung bringen: Malwn 
igitur animae, praeter quod ex obventu spiritus nequam superstruitur, ex 
originis mtio antecedit, naturale quodammodo, nam, ut diximus, naturae 
corruptio alia natura est, dazu aber : ut tamen insit et bonum animae illud 
principals, illud divinum atque germanum et proprie naturale, quod enim 
a deo est, non tarn 'extinguitur quam obumbratur (Tert. de an. 41, 16 cf. 
.de test. an. 2. de bapt. 18). Diese Yerfassung gebt also durcb die 
JSeugung auf das ganze Menscbengescblecbt iiber, per quern (d. b. den 
Teufel) homo a primordio circumventus, ut praeeeptum dei excederet, et 
propterea in mortem datus exinde totum genus de suo semine infectum 
suae etiam damnationis traduc&in fecit (Tert. de testini. anim. B).. 2 ) Yon 



1) Loofs, DG. 4 , S. 163 erklart das vitium originis (de an. 41) als die 
(lurch die unreine eheliche Vereinigung bewirkte Mangelhaftigkeit des Ursprungs. 
Das ist m. E. unrichtig; zwar sieht Tert. die Ehe fiir- unrein an, aber der Zu- 
sainmenliaiig niit der angefuhrten Stelle (de an. 16). scheint mir zu beweisen, dafi 
Tert. bei vitium originis daran denkt, was in naturae primor&io bei Adam ge- 
schehen ist. Vgl. noch cult. fern. II, 8: mtio naturae ingenita est placendi 
voluntas. 

2) Zuin Ausdruck vgl. de an. 27, de resurr. 7: Adam substantiate suae tra- 
d^<,cem in femina iam carnem recognoverit, Genes. 2,23. Die Voraussetzung 
dieser Gedanken ist die Vorstelhmg, daB bei- der Zeuguug ein dpppelter Same 
semen corporate et animale gleichzeitig wirksam werde, so daB die Seele des 



14 - Die Theologie der autignostischen Vater. 

.einein 'naevus (Mutterma'l) peccati redet " Tert. (de carne Chr. 16). Diese 
gelegentlichen Andeutungen sind die Anfange der Erbsimden'lehre. Aber 
dieselben haben Tert. nicht yerhindert,- ein angeborenes Gfute oder das 
innere Licht -der Yernunft im Menschen anzunehmen, 1 ) oder in starkster 
Weise die Willensfreiheit zu betonen: nobis est voluntas et arbitrium 
eligendi alterum (Sir. 15, 18) . . . solum sit in nobis vette (exh. cast. 2), 
Tota ergo libertas arbitrii in utramque part&ni cpncessa est illi (c. Marc. 
H ; 5. 6). . . ., ' 

.15. Die Heilsgescbiclite. Aus :Grnade -vertrieb Grott den ge- 
fallenen Menschen aus dem Paradies und lafit ihn sterben, damit der 
Schade nicht ewig bleibe (Ir. Ill, 23, 6). Grott hat sich nnn das Heil 
der Menschheit von Anfang an angelegen sein lassen, ihr stufenweise 
immer mehr Gfnaden spendend. Una eniin salus et unus dem, quae 
autem formant hominem praecepta multd et non pauci gradus\ qui ducunt 
hominem ad deum. Das ist die rechte Entwicklung, die zu einem immer 
tieferen Erleben der Gfnade fiihrt, wahrend das proficere der Grnostiker 
zn immer neueh Grottern treibt (Ir. IY, 9, 3). Gfott blieb derselbe.- 
Die Menschheit anderte sich niit ihren Bediirfnissen (Ir. IY, 16, 3; 38; 
36, 2). Dtirch drei Biinde (di,a&i]xai, foedera; Ir. HI, 11, 8 fin. nennt 
im AnschhiB an die Yierzahl der Ew. vier) hat Grott die Menschheit zu 
gewinnen versucht. , 

1) Der erste Bund enthielt die naturalia legis (Ir. IY, 13, 1 ; 15, 1). 
Sein Inhalt Avar, nicht verschieden vom Dekalog und Christi Geboten, 
die Liebe zu Gfott und dem Nachsten. Die Patriarchen, welche dieses 
Gfesetz in -ihren Herzen trugen, waren dadurch vor Gfott gerecht (Ir. IY, 
16, 3. Tert. c. lud. 2). Diese lex primordialis fafite den ganzen Dekalog 
in sich, denn es war matrix omnium praeceptormn dei. Yon seinen 
Gfeboten gilt: naturaliter intelligebantur (Tert. 1. c.). Es handelt sich 
nicht nur tim das paradiesische Gfesetz, sondern urn "ein den Menschen 
angeborenes .sittliches Natui'gesetz, wie es auch die Stoiker kannten, das 
erst allmahlich infolge der Yerfinsterung der Yernunft positiy und konkret 
ausgedriickt werden niufite. : 2) Als dieser Bund den Herzen ent- 
schwand, erneuerte ihn Gfott durch den Dekalog oder den zweiten Bund, 
die lex reformata (1, c.). Erst die begehrliche Art des Yolkes Israel, 
\velche sich in der Siinde mit dem Kalb und dem Begehren nach der 



Gezeugten eiii traclux der Seele des Zeugenden ist (de- an. 27). Vgl. Esser, 
Seeleulehre Tert, S. -220 ff. . . ' 

1) Das ist ein grieehisclier Gedanke, (vgi.-die Apologeten), die Autoritat des 
ratio wie des angeborenen naturlicnen Eechtes (-Tert. c. Marc. IV, 25, cor. mil. 6) 
wurzelt in ihrn. Der Gfedanke hat eine lange GescMchte durchlanfen. 



. , Die Heilsgescbichte. 319 

agyptiscben Knecbtscbaft kundgab, wurde Veranlassung zur Erteilung 
des Zeremonialgesetzes : aptam coneupiscentiae suae acceperunt reliquam 
sermtutem, .a deo quidem non dbseindentem, in servitutis autem iugo domi- 
nafttem eius (Ir. IV, 15, 1). Wie >der Dekalog auf die Nacbfolge Cbristi 
un'd auf die Freundscbaft mit Gfott vorbereitet (Ir, IV, 12, 5; 16, 3), 
so weissagen die Propbeten zu demselben Zweck, ja in ibnen ist Grottes 
Gfeist wirksam um die Menscbbeit daran zu gewobnen den Gfeist Grottes 
in sicb zu tragen (Ir. IV, 14, 2 ; 20, 5. 11 f.). Das Gresetz aber wurde 
von den Pbarisaern durcb ibre Satzungen verwassert und um seinen 
Hauptinbalt, die Liebe, gebracnt (Ir. IV, 12, 1. 4). 3) In dem dritten 
Bunde bat Cbristus das ursprunglicbe Sittengesetz (Liebe) wiederbergestellt 
(Ir, IV, 12, 2. 5) und ein ewiges Gesetz mit ewigen geistlicben Opfern 
gebracbt (Tert. c. lud. 6). Die Symbole des alten Bundes sind durcb 
das Cbristentum aufgeboben, nicbt aber der Dekalog, der alien gilt und 
den Cbristus nur erweitert bat .(Ir. IV, 16, 1 4). 1 ) Zu dem zweiten 
Bunde verbalt sicb dieser dritte wie dieFreibeit zur Knecbtscbaft (IV, 13. 2 ; 
34, 4), wie die Forderung der Tat zu dem blofien Heden, recbter Ge- 
sinnung gegeniiber atifierlicber Tat (IV, 28, 2; 13, 1. 3), wie die Er- 
fiilliing zur "Weissagung, die Ernte zur Saat (TV, 34, 1; 11, 3. 4; 16, 11; 
25, 3). Demgernafi gilt es nicbt nur an" den Vater, sondern aucb 
an den . Sobn, der nun bereits erschienen , zu glauben (TV, 13, 1 ; 
28, 2). Gralt der alte Bund einem Volk, so gilt der neue der ganzen 
Menscbbeit , (IV, 9, 2). Die Cbristen baben ein scbarferes Gresetz 
uberkoinmen als die Juden, sie baben mebr zu glauben als jene (IV, 
28, 2 vgl. Tert. de orat. 22 : nostra lex ampliata atque suppkta), sie 
baben aber aucb maiorem munerationem gratiae (IV, 11, 3) erbalten 
durcb die Ankunft Cbristi, welcber ibnen Leben und Seligkeit gebracbt 
(IV, 34, I). 2 ) Tertull. bat bierzu in seiner niontanistiscben Zeit 
das Zeitalter des Parakleten gefttgt (de virg. vel. 1). Diese beils- 
gescbicbtlicbe Betracbtungsweise, die Irenaus zuerst klar durcbgefubi't 
bat, die aber sebr viel-alter sein mufi 3 ) ist uberaus interessant. Einnial 



1) Der Dekalog ist der Inbegriff des Sittengesetzes, s. Ir. IV, 16, 3. 4. Tert. 
c. lud. 2 cf. Theophil. ad Autol. II. 35. Darin macht sich eiue prinzipielle Ver- 
einfachung der alteren Eegebi der ,,beiden Wege" geltend. ' 

2) Das heilsgeschichtliche okonomisclie Prinzip bestimmt auch die Wieder : 
gabe der Glaubensregel bei Tertull. (de praescr. 13), Tgl.. unten. 

3) Der Beweis for das Alter dieser Konstruktion besteht darin, dafi die 
Jlabbinen eine ahnliche Eiitwicklung der Offenbarung lehren: Die ursprungliche 
Thorali im Paradies, Noah, Abraham, dann das Gesetz uud endlich der ueue Bund 
(s. Weber, Altsynag. Theol. S. 253 ff.). Also bezeichuet aucli diese Geschiehts- 
betrachtung ein Erbstiick der Synagoge, das frith schon von den kleinasiatischen 
Presbytern angeeignet seiu wird. . 



320 14. Die Theologie dfer antignostisehen Vater. 

well sie die ganze Offenbarung unter einem festen Schema behandelt. 
Sie ist die Erziehung des Menschengeschlechtes durch Gott 
und zwar eine Erziehung, die die am Anfang mitgeteilte Wahrheit je 
nach dem Bedarf der Zoglinge weiter entfaltet. Igitur in hac generali 
et primonliali dei lege, quam in arboris fructu observari deus sanxerat, 
omnia praecepta legis posterior-is speciaMter indita esse cognoscimus, quae 
suis temporibus edita germinaverunt. Eiusdem est enim postea superducere 
legem, qui ante praemiserat praecepium, quoniam et ipsiits est erudire 
postea, qui anteaiustos formare instiluerat. Quid enim mirum, si is 
auget disciplinam qui insiitmt, si is proficit qui coepit? (Tert. c. lud. 2 
cf. Ir. TV, 16, 3 f.). Diese Auffassung stellt zunacbst eine groBe ge- 
scbicbtlicbe Konzeption dar, ein innerlicb notwendiges "Werden vollzieht 
sicb in der Offenbarung, sie lehrt gescbicbtlicb empfinden, deutlicher als 
das alte Schema von Weissagung und Erfullung. Dadurch aber wird 
sie fruchtbar fiir das Verstandnis des A. T., man behalt es und hat 
doch einen Grand sich von ihm zu befreien. Und weiter wird so die 
gnostische Kritik des A. T. iiberwunden. Aber andrerseits lagen in 
dieser heilsgeschichtlichen Konstruktion auch verhangnisvolle Moniente. 
Einerseits indem sie die ganze Offenbarung unter dem Gresichtspunkt des 
Gresetzes riickt, andrerseits indern sie das sittliche Naturgesetz zuin eigent- 
lichen Mafistab der ganzen Entwicklung macht. Das Ohristentum stellt 
nur das durch das jiidische Gresetz veraufierlichte sittliche Naturgesetz 
in seiner urspriinglichen Einf achheit iind Innerlichkeit wieder her. Das 
fiihrt auf den Rationalismus der Apologeten zuriick. Die positiv ge- 
schichthche Betrachtungsweise (Grottes Erziehung und die Entwicklung 
der Menschheit) schlagt um in die rationalistische Idee von der durch 
mancherlei Irrwege zu sich selbst zuriickkehrenden Vernunft. Ereilich 
so haben es unsere Yater nicht gemeint, aber es zeigt sich doch, wie 
stark auch in der Gredankenwelt eines Irenaus der ,,naturliche" Einschlag 
gewesen ist. Man vergewisserte sich innerlich der Wahrheit des christ- 
lichen ,,Gesetzes" auf demselben .Wege, auf dem die Rechtsphilosophen 
das Recht der positiven Satzungen des Rechtes erwiesen, namlich durch 
Ulickgang auf das ,.nattirliche Eecht". 

16. "Von besonderem Interesse ist die Christ ologie des Irenaus, 
denn sie bringt die Yorstellungen des, Gremeindeglaubens deutlicher zum 
Ausdruck als die Logostheorie der Apologeten. 

Die Spekulationen der Grnostiker iiber den Hervorgang des Nus oder 
Logos aus dem Yater lehnt er ab. Und zwar deshalb weil Grottes Yer- 
nunf t oder Geist nicht als Teil Gottes verstanden werden darf , da Gott 
als Geist eine absolute, unteilbare Einheit ist. Ein derartiger Hervor- 
gang wiirde Gott zu einer zusanimengesetzten korpeiiichen Grofie machen. 



Die Christologie *des Irenaus. 321 

"Wollte man aber sagen, dieser Ausgang finde in Gott selbst statt, so 
Avare der Logos nicht ausgegangen, da er ja in Gott ist. Wenn man 
Yorgange des menscblicben Geistes kurzer Hand auf Gott iibertragt, so 
komnit dabei nur ein leeres Gerede heraus. Soinit lafit sicli nacb 
Irenaus keinerlei positive Aussage iiber den Hervorgang des Sobnes aus 
dem Vater gewinnen. 1st die Geburt des Sobnes unaussprechlicb (Jes. 53, 8), 
so.darf sicb nieinand geberden, als batte er dabei Hebammendienst ge- 
leistet. Ir. leugnet mit alle dem nicbt die Gfeburt des Logos aus dem 
Yater, er meint aber, dafi aufier dem Yater und dem Sobne niemand 
bieriiber etwas sagen konne, tJber leere Worte und billige Yermutungen 
komme man dabei nicbt binaus und, diese steben iiberdem zu unserer 
Erkenntnis Gottes in Widersprucb. 3 ) Im Gegensatz zu den Gnostikern 
betont Ir. auf das scbarfste die Einbeit und Einfacbbeit des gott- 
licben Wesens und weist von dieser Erkenntnis ber die ganze Spekulation 
iiber die Greburt des Logos zuriick. 

Hieraus folgt nun aber, dafi Gott selbst in der Einbeit seines Wesens 
Logos ist. 2 ) Also ist es der eine und einbeitlicbe Gott, dessen "Wille 
alles wirkt, condens et fadem omnia . . . verbo virtutis suae et omnia 



1) Vgl. Ir. II, 13, 3 : multum enim distat omnium pater ab his quae pro- 
veniunt hominibus, affectionibus et passionibiis ; et simplex et non compositus et 
similimembrius et totus ipse sibimet ipsi . similis et aequalis est, totus cum sit 
sensus et totiis spiritus et totus sensuabilitas et totus ennoia et totus ratio et 
totus auditio et totus oculus et totus lumen et totus fons omnitim bonorum. 
Ib. 5 : qui emisit sensum . . compositus et corporalis intelligitur, ut sit separatim 
quidem qui emisit deus, separatim autem qui emissus est sensus. Ib. 6 : quem- 
admodvtm enim emissus est, si intra patrem erat? Emissio enim est eius q^^ocl 
emittit^^r extra emittentem manifestatio. Ib. 10: omnes homimtm affectiones et 
motiones mentis el generationes intentionum et emissiones verbomm coniidentes 
mrisimiliter, non verisimiliter mentiti sunt adversus deum. Ea enim quae acci- 
dunt hominibus et quaecunque patientes ipsi recognoscunt, ad divinam rationem 
udducentes, apta videntur dicere apud eos qui ignorant deum . . ., mirabilia 
mysteria et alia . . . dicunt se docere. II. 28, 6 : si quis itaque nobis dixerit : 
quomodo ergo films a patre emissus est, dicimus ei, quia prolationem istam, sive 
generationem, sive nuncupationem, sive adapertionem, aut quolibet quis nomine 
vocaverit generationem eius inenarrdbilem, existentem, nemo novit .... Non 
enim magnum quid invenerunt qui emissiones excogitaverunt neque absconditum 
mysterium, si id, quod ab omnibus intelligitur, transtulerunt in unigenituwi dei 
verbum ; et quern inenarrabilem et innominabilem vacant, hunc, quasi ipsi obstetri- 
caverint, primae generationis eius prolationem et generationem ennutiant adsimi- 
lantes eum homimim verbo emissionis. Epideix. 43 : fur Gott hatte Anfang der 
.Sohn vor dem Bau der Welt, fur uns aber jetzt, als er erschien. 

2) II, 28, 5: deus autem totus existens mens et totus existens Logos; quod 
cogitat hoc et loquitur, et quod loquitur, hoc et cogitat. Cogitatio enim eius Logos 
-et Lopos.mens, et omnia concludens mens ipse est pater. 

Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Aufl. 21 



322 14. Die Theologie'der aritignostischen Vater. 

aptavit et disposuit sapientia sua (II, 30, 9). "Wort und "Weisbeit d. b. 
Solm und lieil. Geist (IV, 20, 3) sind also zunacbst nur Offenbarungs- 
formen des scblecbtbin einbeitlicben gottlicben Wesens. 'Gott 1st seinem 
"Wesen nacb tmerforscblicb und unerkennbar, aber es 1st sein "Wille off en- 
bar zu werclen. Er wird nun aucb von Anbeginn an offenbar, sofern 
er Logos 1st. Scbon in der Scbb'pfung und der alttestamentlicben Offen- 
barung redet er und zeigt er sicb. Es 1st derselbe Gott, der einst den 
Propbeten erscbien, dann im Sobn und der sicb als Vater iin ewigen 
Reicb offenbart. Es ist Gott, sofern er Logos oder Offenbarer ist. In 
diesem Zusanrmenbang ist es begreiflicb, dafi der Yater als ,,das Un- 
sicbtbare des Sobnes" und der Sobn als ,,das Sicbtbare des Yaters" be- 
zeicbnet wird. Diese Ausdrucksweise ist ganz modalistiscb. Aber es 
darf bei diesen und abnlicben Wendungen 1 ) nicbt iiberseben werden, 
dafi Ir. docb die Sonclerperson des Logos voraussetzt. Das Wort ist 
der Sobn Gottes, der ewig mit dem Yater ist. ,,Wort" aber beiBt er, 
sofern er Gott offenbar macbt. Die urspriinglicbe jobanneiscbe Fassung 
dieses Begriffes wird von Ir. wieder aufgenommen. Der Logos ist der 
Offenbarer Gottes, der den Engeln und den Menscben das Wesen des 
tinerforscblicben Gottes aussagt und darstellt. Dies gescbiebt abschliefiend 
dadurcb, daB er in der Eiille der Zeiten Menscb .geworden ist, sodafi 
wer.ibn siebt oder bort. Gott siebt und bort. Er ist das Mafi des un- 
mefibaren Gottes, unser Lebrer, die persb'nliche Offenbarung Gottes. 2 ) 



1) IV, 6, 5: ad hoc filium revelavit pater, ut per eum omnibus manifestetur 
Ib. 6: per ipsam conditionem revelat verbum conditorem deum .... Sed per 
legem et prophetas simttiter verbum et semetipsum et patrem praedicabat . . . 
Et per ipsum verbum visibilem et palpabilem factum pater ostendebatur- . . . ., 
omnes viderunt in filio patrem, invisibile enim filii pater, visibile autem patris 
filius. Ib. 7: omnia autem filiiis administrans patri perficit ab initio usque ad 
finem, et sine illo nemo potest cognoscere deum. Agnito enim pairis filius, agnitio 
autem 'filii in patre ~ et per filium revelata . . . Ab initio enim filius assistens suo 
plasniati revelat omnibus patrem. IV, 20, 5: homo autem a se non videt deum, 
ille autem volens 'videtur hominibus . . ., potens est enim in omnibus deus^msus 
enim tune per spiritiim prophetiae, visus autem et per filium adoptive, videbitur 
autem et in regno caelorum paternaliter. : IV, '5, 2: ipse igitur Christus cum 
patre vivorum est deus qui locutus est Moysi, qui et patribus manifestatus est. 

2) II, 30, 9 : hie pater domini nostri lesu Christi per verbum suum, qui 
est filius eius, per eum revelatvir et mhnifestatur omnibus quibus revelatur, cognos- 
cunt enim eum hi, quibus revelaverit filius. Semper autem coexistens filius palrl 
'olim et ab initio semper revelat patrem et angelis et archangelis et potestatibus 
et virtutibus et omnibus, quibus vult revelare deus; cf. II, 25, '3. Ill, 18, 1. HI, 11, 6 : 
patrem enim inmsibilem existentem qui in sinu eiiis est filius 'omhibiis enarrat, 
cf. Ill, 10, 12. IV, 7, 2: omnes qui -ab initio cognitum habuerunt deum >. . ., 
revelationem acceperunt ab ipso filio, qui et in novissimis temtwribus visibilis 



Der Logos und der Vater bei Irenaus. 323 

Die Meiirang des Ir. ist also diese. Der unerforscbliche Grott ist 
aucb 'Logos und Avird als Logos offenbar. Indem mm aber der Logos 
in Cbristus personlicb erscbienen ist, wird ibm aucb eine personlicbe 
Praexistenz beigelegt, 1 ) von der aber nicbts "Weiteres gesagt werden 
kann als das, was von ibr in Cbristus offenbar wurde, namlicb clafi der 
Logos der Offenbarergott ist. Dadurcb kommt Irenaus auf die Linie 
des triadiscben Gedankens, den er ancb einbalt, indem aucb dem Gfeist 
besondere Funktionen beigelegt werden. 2 ) Das Hauptgewicbt der Dar- 
stellung fallt aber auf den Gedanken, dafi der Logos oder Gottessobn 
wirklicb Mensch geworden ist. Aucb bierin folgt Ir. Jobannes. Sofern 
nun der Logos iiberbaupt Gfott und also auch Scbopfer ist, niufi er es 
aucb sein, der den Menscben Jesus erscbaffit, wie scbon Justin lebrte 
(oben S. 278). Wie Adam von dera Logos aus jtmgfraulicber Erde ge- 
bildet wurde, so bat der Logos selbst sicb aus der Jungfrau Maria ber- 
vorgeben lassen (III, 21, 10). Auf das scbarfste wird die gnostiscbe 
Trennung des Logos und des Menscben Jesus zuriickgewiesen. 3 ) Cbristus 
Qeist Gottes seiend wurde leidensfdhiger Mensch, wie der Schatten vom 
Korper entstammt, so ist auch der Korper Ghristi von seinem Geist ent- 
stammt (epideix. 71). Der Logos oder der praexistente Grottessobn ist, 
indein er von einem Weibe geboren wurde, wirklicb Menscb geworden, 
sodafi die Menscben ibn versteben und erfassen konnten. 4 ) An diesen 



et passibilis factus est et cum liuvnano genere locutus est. IV, 6, 3: patrem 
qitidem invisibilem et indeterminabilem, quantum ad nos est, cognoscit ipsius 
verbum, et cum sit inenarrdbilis, ipse enarrat eitin nobis. . . . et propter hoc 
films revelat agnitionem patris per suam manifestationem. V, 1. 1: non enim 
aliter nos discere poteramus q^^ae sunt dei, nisi magister noster, verbum existens, 
homo factus fuisset. Nemo enim alius poterat enarrare nobis quae sunt patris 
nisi proprimn 'ipsius verbum. IV, 4, 2 : et. bene qui dixit ipsum immensum 
patrem in filio mensuratum, mensura enim patris filiiis, quoniam et capit eum. 

1) In diesem Gedanken diirfte die Verniittlung zwischen den modalistischen 
Ziigen bei Ir. und der besonderen Logoshypostase liegen. 

2) IV, 38, 3 : TOV ftev Ttwr^bs siiSoxovvros "/.<u xehevovros, rov 8s vlov TtpdaaovTOs 
y.al SrjfiiovpyovvTos, rov e Ttvev/uaTos TQEcpovtos y.al av^ovros. IV, 20, 1. 3. 12. 5 : 
spiritu quidem praeparante hominem in filio dei, filio autem adducente ad patrem, 
patre autem incorruptelam donante in aeternam vitam, cf . II, 30, 9. V, 28, 4 ; 36, 2, 
Epideix. 5. 7. 

3) Z. B. Ill, 9, 3; 11, 3. 7; 12, 7; 16, 8; 17, 4. 

4) III, 16, 2. 3. 5:' non ergo alterum filium hominis novit evangelium nisi 
hunc qui ex Maria, qui et passiis-. est; sed neque -Christum avolantem ante 
passionem ab lesu, sed liunc, qui natus est, lesum Christum novit dei filiiim, et 
eundem Jmncpassum resurrexisse. Ib. 7: diviti enim et multae voluntati patris 
deservit, cum sit ipse salvator eorum qui salvantur, et-dominus torum qui sunt 
sub dominio, et deus eomm quae constituta sunt et unigenitiis patris et Christus, 
qui praedicatus est et verbum dei -inearnatus, cum advenisset plenit\ido temporis, 

21* 



324 14. Die Theologie der autignostischen Vater. 

Gredanken liegt Ir. viel, daher fiihrt er fur sie einen eingehenden Schrift- 
beweis, nicht nur aus Johannes, sondern auch aus Paulus und den 
Synoptikern. Christus ist sowohl vom Yater als; von Maria geboren, er 
ist vere, deus und vere homo. Der Gfottessohn ist 'Menschensohn geworden. 
Nicht nur auf den Leib, sondern auch auf die menschliche Seele er- 
streckt sich die Menschwerdung. 1 ) Als der Menschgewordene hat Christus 
das ganze menschliche Dasein mit seinen Altersstufen durchlaufen und 
sich auch den Leiden unterzogen (II, 24, 4f. Y, 21 ; 16, 3; 31. IV, 33, 2. 
Ill, 16, 5 cf. 18, 5). Es verhielt sich der Logos in Ohristus ruhig, wenn 
der Mensch versucht wurde oder starb, dagegen trat er hervor, wenn es 
sich um die Greduld, die Eronruiigkeit, den Sieg und die Auferstehung 
des Menschen handelte. 2 ) 

Dieser letzte Satz fuhrt strenggenommen zu einer anderen 
Betrachtungsweise als der fur Ir. naafigebenden. Der Mensch tritt als 
ein zweites und relativ Selbstandiges dem Logos entgegen. Ebenso steht 
es bei den Bezeichnungen der Menschwerdung als VO)0is rtgbg TO itk6.G\,iGL 
avrov oder verbum unitum carni (TV, 33, 11; 34, 4). Hiernach scheint 
der Logos sich mit dem Meisch verbunden oder es angenommen zu 
haben, wahrend fiir gewohnlich betont wird, dafi er Eleisch wurde. 
Aber irn ganzen halt sich Ir. genau in den Bahnen der johanneischen 
Christologie : der Logos ist durch die Greburt Mensch geworden, sodafi 
dasselbe Subjekt sowohl Logos als Mensch ist. ABei dieser Anschauung 
war es notwendig fur die Taufe Christi eine neue Erklarung zu finden. 
Der Gfeist, so meint Ir., kam auf den Menschensohn herab, indern er 
ihn salben und zur Heilsverktindigung befahigen sollte und indem er 
sich so daran gewohnte im Menschengeschlecht, das er erneuern soil, zu 
wohnen \HL, 9, 3 ; 17, 1 cf. Y, 20, 2). 

Die Bedeutung dieser Gedanken erhellt erst ganz bei der Erlosungs- 



in quo filium hominis fieri oportebat filium dei. III, 19. 1, 3 : hie ergo filiiis 
dei dominus noster existens verbum patris, quoniam ex Maria, quae ex hominibus 
habebat genus, quae et ipsa erat homo, lidbuit secundum hominem generationem, 
factus est filius hominis. IV, 33, 11; 38, 1. 2: avvevijTila&v vtbs tov &eov, 
re^etos wv, rep dv^canco, oil Si eavrov, ahha Sid TO TOV dv&fjwTtov vrpuov ovrco 
ftwfiovfievos, &>s av&ficoTtos cditbv ftcoQelv fjdvvato, 

1) III, 19, 2 : quoniam praeclaram praeter omnes habuit in se earn quae est 
ab ultissimo patre genituram, praeclara autem functus est et ea, quae est ex 
virgine generation. IV, 6, 7. Ill, 22, 1, 2. V, 1, i. Epideix. 36. 37. 92. 53. 
32 f. 40. 

2) III r 19, 3 : &G7teQ pay fjv u.vQ'QmTtos, Iva neiQaad'ii, OVTCOS val hoyos, Iva. 
So^aaO'/J, ?]ov%doi>TOs fiev TOV hoyov &v Tea yfeiod^sa&ai y.al OTavoovad'ai xal O-TCO- 
&vfia'/.ew, ovyywofisvov Se T<y dvflocbxq) (Lat. : absorpto autem homine) EV T( 

y.al vnofieveiv y.ul ftoyaTevsad'ai -/cat 'dviaraad'ai y.al dvala.fi/3dve0dat. 



Die Menschwerdung bei Irenaus. 325 

lehre des Ir. Dort wird sich welter zeigen, dafi Ir. auf der johanneischen 
Linie sich bewegt. Grott selbst ist in Christus den Menschen offenbar 
geworden, denn indem der Logos ITleisch annahm, ist die Menschheit 
hinfort mit Grott geeint, per quam commixtio et commtinio dei et hominis 
secundum placitum patris facia est (IV, 20[, 4). Die Christologie des 
Irenaus teilt mit Justin (oben S. 278) die Bevorzugung der Mensch- 
werdung vor der Annahme der Menschennatur, sie unterscheidet sich 
aber deutlich von Justin; durch die Fassung des Lbgosbegriffes. Wahrend 
Justin an die hypostasierte gottliehe Vernunft denkt, fafit Ir. den Logos 
in der Weise der alteren johanneischen Tradition als den Offenbarergott. 
Daraus folgt dann die /weitere Differenz, dafi Justin den Logos irgend- 
wie als Teil der Grottheit, als ,,zweiten Grott" versteht, Ir. dagegen den 
Logos als Gott schlechthin oder als Grott in. der Selbstbestimmung des 
Offenbarers ansieht. Die Christologie des Ir. ist, so viel ich sehe, un- 
abhangig von den apologetischen Theorien entstanden, sie ist altertiim- 
licher als diese und sie ruht ganz wesentlich auf der Lehrweise des 
Johannes (und des Ignatius). Man kann sie in diesem Sinn als ein 
Stiick der ,.kleinasiatischen Theologie" bezeichnen. 1 ) Diese Beobachtung 
ist von Wichtigkeit, denn sie zeigt, dafi die lehrhafte Eormulierung der 
Grottheit Christus weder blofi ein Werk der Apologeten ist, noch auch 
dem Kampf wider die Grnosis entstammt. 

17. Es empfiehlt sich jetzt gleich einen Blick auf die Erlosxings- 
lehre des Irenaus zu werfen. Yorweg mufi der leitende Begriff der 
avaxecpalaicoGig erortert werden. Er stammt aus Eph. 1, 10 und be- 
deutet die JZusamnienfassung, nicht die Wiederhplung. Sachlich ist hier- 
mit nichts anderes gemeint, als wenn Kol. 1, 19 Christus die Absicht,- 
dafi alles in -ihm wohnen solle, beigelegt ist, oder als wenn Johannes 
Christus von eineni Sein der Grlaubigen in ihm und dem Yater, von 



1) So Loofs DGr. 4 S. 140 ff. Als Merkmale dieser Theologie in ihrer vor- 
irenaisclien Entwicklung fiihrt Loofs folgende Ziige an: Der heilsgeschicfitliche 
Bahmen (olxovo/.da) und Christus als der zweite Adam resp. die Bekapitulations- 
theorie, das ewige Leben als Heilsgut und die dadnrch bedingte Abendmahlslehre 
als ydgfiay.ov irjs dd'avaaias, ein ,,6konomisck trinitarischer Monotheismus", die 
Hadesfahrt. Ich glaube, dafi diese Hypothese in den Hauptpunkten zutrifft 
die Hadesfahrt g-ehort m, E. nicht her ; es liegt in der Tat ein besonderer 
johanneischer, durch paulinische Einschlage modifizierter Typus der Lehre. der von 
Johannes bis Irenaus reicht, vor. Er wird sich aus einer von dem Johannesev. 
stark beeinfhiBten Tauflehre begreifen. Ob die dvaxsycdalcoais bei Justin stand, 
ist mir zweifelhaft (oben S. 280 A. 1), aber die Art, wie Iren. den Begriff braucht, 
spricht fur seine Verhreitung vor ihm. Melitos Ausspruch: ut . . . vivificaret 
hominem et colligeret membra eius (Corp. apol. IX, 419) bezieht sich nach dem 
Zusammenhang auf die Glieder des Menschen, nicht der Menschheit. 



326 14. Die -Theologie der antignostischen Vater. 

einer Vollendung zur Einlieit (iva tiaiv T&ES^UOf.tVOi, Big ev) sprechen 
lafit (3 oh. 17. 21 23). Es ist der Gredanke, dafi Christus als der all- 
durchdringende Greist alles leitet und volleudet. Diesen urchristlichen 
Gedanken nimmt Irenaus auf; Johanneisches und Paulinisches verbindet 
sicli in ihm, was bei seiner kleinasiatischen Herkunft nichts Auffalliges 
hat. Der Grundgedanke der Avaxecpakaiwois ist also, daB Christus als 
der zweite Adam das ganze Menschengeschlecht mit Einschlufi des ersten 
Adam so in sich zusammenfafit, dafi er es mit seinem Gfeist durchdringt 
und heiligt, durch sein Leben lebendig niacht und dadurch in ihm den 
alien Ungehorsam auflost und den Tod vernichtet (epideix. 37. 38). Positiv 
wirkt die Anakephalaiosis, also die Mitteilung des neuen Lebens, negativ 
die Auf 16 sung des alten Lebens. Aber diese Zusammenfassung resp. 
diese Heiligung und Lebendigung konunt nur so zustande, dafi Christus 
die adamitische Natur anninimt und ein organischer Bestandteil des 
Menschengeschlechtes wird. Daher ist er entstanden wie Adam und hat 
so das ursprungliche Wesen des Menschen sich angegliedert. und daher 
hat er jedes Menschenalter durchlaufen nach Joh. 8, 56 f. und den 
Presbytern soil er gegen fimfzig Jahre alt geworden sein (II, 22, 5f.) 
und den Tod erlitten. Daher hat er aber auch in sich den gefallenen 
Menschen anferweckt, und ist Meisch geworden, um die Aufcrsteliung des 
Leibes zu erweisen (epideix. 38. 39). Indeni er, der Logos, als der neue 
Adam in die alte Menschheit eintrat, wurde er als der neue Stanimvater 
der Anfang eines Geschlechtes der Lebendigen, wie Adam der Anfang 
der Sterbenden geworden ist. Und zwar gilt das nicht nur von denen, 
die ihm gleichzeitig oder nach ihm lebten, sondern auch von den Yatern 
vor ihm. Sein Gehorsani loste also unseren Ungehorsam und Tod auf, 
er erfiillte das Gesetz und vereinigte durch sein "Wirken den gottlichen 
Geist mit dem Menschengeschlecht : auf diese Weise nun dringt das Wort 
Goltes in alien zur emirachtigen Gemeinschaft vor, da er ivahrer Mensch . . . 
und ondchtiger Gott ist (epideix. 40). Man kann also sagen, durch die 
avaxscpahaicoaig wurde Christus das Prinzip einer Mensehheit Grottes, 
indeni er als gottliches Ferment das Menschengeschlecht durchdringt. 
Dazu kommt nun eine weitere Anwendung des Gedankens. Indem 
Christus als neuer Adam wirksani wird, befreit er die Menschheit aus 
der Herrschaft des -Teufels und der Siinde und versetzt die Menschheit 



2) Wie Rom. 13, 9 zeigt, liegt der BegrifE der Wiederlioluug au sich uicht 
in dem Wort, es ist die Zusammeiifassung, die ja auch Wiederlioluug sein kaim, 
vgl. Quinctilian : rerum repetitw et congrec/atio . . . et totam simul causam ponit 
ante oculos (lust. VI, 1), oder auch Chrysostomus' Wiedergabe durch avvayai. Im 
Hiublick auf Joh. 17, 23 kann man es mit der Bedeutung YOU avaxerpa'haiovv = 
versuchen Avollen, iiidessen versagt die Gleichung bei Iren. 



. . Die Anakephalaiosis bei Irenaus; , 327 

in ein neues Yerhaltnis mit Grott. 1 ) Durch die Rekapitulation wird also 
die Menscbbeit, Juden wie Heiclen, faktiscli sittlick erneuert und un-. 
sterblich. gernacht, sie wird aber auck in das neue Verbaltnis der Ver- 
solmung zu Gfott gebracht, da Christus als Grott Siinden vergibt. So 
ergeben sich die beiden Seiten des "Werkes Cbristi aus der Eekapitulation : 
Cbristus beiligt die Sunder und er vergibt ibnen die Siinden, jenes in- 
dem er als Ferment des Lebens in ihnen wirkt, dieses indem er als 
Grott die Schuld vergibt, die wir Gott scbulden, aber dies wie jenes 
sofern er als der Logos und der andere Adam in der Menschheit wirkt. 
So gliedern sicb die beiden alten Gesicbtspunkte der Erlb'sung clem 
Grundscheina des Irenaus ein. 2 ) 

Es ist klar, dafi der eigentliek mafigebende Gredanke in. der Heiligung 



1) Die Hauptstellen fiir die avaxecpa'Aaicaois* sind III, 18, 1 : quando incarnatus 
est et homo factiis, longam hominum ex-positionem in seipso recapitulavit, in 
compendia nobis salutem praestans, ^tt quod perdideramus in Adam, id est 
seeundum imaginem et. similitudinem esse dei, hoc in Christo lesii reciperemus. 
Ib. 7: quod autem parebat, hoc et erat: deus liominis antiquam plasmationem in 
se recapitulans, ut occideret quidem peccatwn, evacuaret autem mortem et vivificaret 
hominem. III, 16, 6; 5, 3. IV, 6, 2; 20. 8; 38, 1. V, 1, 2; 14, 1. 2; 21, 1. 
IV, 34, 4: consequente corpore simm caput. V, 20, 20: haec iyitur in semet- 
ipswn recapitulatus est adunans hominem spirfad et spiritum collocans in homine, 
ipse caput spiritus factus est et spirititm dans esse liominis caput II, 22. 4: 
per omnem venit aetatem, et wfantibus infans factus sanctificans infantes, in 
parvulis parvulus sanctificans hanc ipsam habentes aetatem, simul et exemplum 
illis 2Jictatis effectus et iustitiae et subiectionis, in iuvenibus iuvenis exemplum 
iuvenibus fiens et sanctificans domino ; sic et senior in senioribus, ut sit perfectus 
magister in omnibus . . ., deinde et usque ad mortem pervenit, ut sit primogenitus 
ex mortuis. III, 22, 4: primogenitus enim mortuorum natus dominus et in 
sinum suum recipiens pristinos patres regeneravit eos in vitam dei, ipse inilium 
viventium factus', quoniam Adam initium morientium factus est. HE, 22, 2 : cum 
autem salvetur homo, oportet salvari eum qui prior formatus est homo, quoniam 
nimis irrationabile est ilium quidem, qui . . . prior captivitatem passus est, dicere 
non eripi ab eo qui vicerit inimicum. ereptos vero filios eius, quos in eadem 
captivitate generavit. V, 23, 2 : recapitidans autem universum hominem in se 
ab initio usque ad finem recapitulatiis est et mortem eius. V, 16. 3: lv uh' 
ya() TcjJ 7t<iu>rco 'AScif.1 7tc>oaey.6\]ia/.iev firj Ttotrjanvres avrov ii]v evrolrjv, ev Se tea 
SBVTSQCO 'ASaii a.7CO}<aT>]V,dyrif.ievv7ti]y.ooi fie^i -OavAiov yevdftevoi, Vgl. epideix. 31. 37: 
Das Wort Gottes ist Fleisch geivorden . . ., wm den Tod aufzulosen und den 
Menschen lebendig zu machen. 34 : durch den G-ehorsam nun, den er bis an den 
Tod festhielt an das Holz gehdngt, loste er den alten mit dem Hote verbundenen 
Ungehorsam auf. 33 : es war die naehmalige Vollendung des Adam in Christus 
notivendig, damit das Sterbliche von der Unsterblichkeit verschhmgen werde. 
89 : das Gesetz wurde von Christiis erfiillt. Weiteres s. im folgenden. 

2) Aber die dvatteycdcdwaig hat die direkte Beziehung nur zur Heiligung mid 
Lebeudigrnacliuiig der Menschen, aber Suudeuyergebung und. Versohnuug folgen 
aus.ihr. 



328 14- Die Theologie der antignostischen Vater. 

und Lebendigmachung der siindigen Menschheit besteht. Dieser Gedanke 
kann nun, wie wir schon friiher erkannt haben, in moralisierender und 
aufklarender oder in mystischer Weise verwandt werden. Ersteres ist 
der Fall, wenn Irenaus Christus als den Offenbarer darstellt, der den 
Menschen die Erkenntnis Gottes und das uralte Gesetz der Liebe bringt, 
sodafi sie zum Glauben Abrahams kommen und die rechte Yerehrung 
Gott darbringen,- Christus nachfolgen und gute "Werke tun. 1 ) Aher zum 
anderen ist dies neue, von Christus ausgehende Leben eine mystische 
"Wirkung, die den Menschen in die Gfemeinschaft mit Gott bringt. 
Verbum . . . adunitus antiquae substantial plasmationis Adae viventem .et 
perfectum effecit hominem } capientem parfedum pair em (V, 1, 3), durch 
seine Menschwerdung ist die commixtio ei communio dei et hominis 
vollzogen, denn er fiihrt den Menschen in communionem et unitatem dei 
(IV, 20, 4; 13, 1. epideix. 97). Christi "Wirkung lafit den Menschen 
mit ihni gleichformig oder Gottes Bild und Gottes Kind und dadurch 
fur. Gfott wieder wertvoll -werden. 2 ) Die Adoption der Menschen, die 
durch die Menschwerdung Christi stattfindet, versetzt sie also in die 
Gemeinschaft mit Gott, sie fiihrt zur Liebe gegen Gott und zu der ver- 
mehrten Furcht der Kinder (IV, 12, 5 ; 16, 5). Vor allem aber gibt 
sie die Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit ist das eigentliche Heilsgut 
des Irenaus, in dem alle Gedankenlinien konvergieren. Die Erlb'sung 
ist ,,Entleerung des Todes" und die Gabe Christi ist das ewige Leben. 3 ) 



1) IV, 12, 5; 6, 3; 7, 2; 13, 1; 14, 1; 16, 5; 38, 1. Ill, 5, 2. 3. V, 1, 1: 
non eniin aliter nos discere poteramus quae sunt dei, nisi magister noster, verbum 
existens, homo factus fuisset. Neque enim alius poterat enarrare nobis quae sunt 
patris, nisi proprium ipsius verbum . . ., neque rursus nos aliter discere poteramus, 
nisi magistrum nostrum videntes et per auditum nostrum voeem eius percipientes, 
iiti imitatores quidem operum, f adores autem sermonum eius facti, commimionem 
habeamus cum ipso, a perfecto et eo, qui est ante omnem conditionem, augmentum 
accipimtes. 

2) V, 16, 2: homo verbum dei factum est semetipsiim homini et hominem 
sibimetipsi assimilans, ut per earn quae est ad filium similitudinem pretiosus 
homo fiat patri. III, 19, 1 : sis TOVTO yaq 6 I6yos av&QcoTtos . . ., Iva b avd'gcoTtos 
ibv ).6yov xcoQrjaas xal irjv vlo&saiav iMfiiav vibs yev^iai -9eov. jtfon enim poteramus 
aliter incorruptelam et immortalitatem percipere, nisi adunati fuissemus incorrup- 
telae et immortalitati. III, 20, 2. Epideix. 31. 33. 37. 39. 40. 97. 

3) III, 24, 1: in eo disposita est communicatio Christi, id est spiritus 
sanctus, arrha incorruptelae et confirmatio fidei nostrae et seala ascensionis ad deum. 
Ill, 18, 7; 23, 7: illius enim salus evacuatio est mortis; domino igitur 
vivificante hominem, id est Adam, evacuata est et mors. III, 19, 1: ignorantes 
autem eum, qui ex virgine est Emmanuel, privantur miinere eius, quod est 
vita aeterna; non redpientes autem verbum incormptionis perseverant in 
came mortali et sunt debitores mortis, antidotum mortis non accipientes. 



Der Erlo'sungsgedanke des Irenaus. 329 



Unter dem ewigen Leben versteht Irenaus die ewige Fortdauer 
eloael ita.^a\.iovr\v) oder die Teilnahine an der Herrlichkeit des Un- 
gewordenen. Aber dies Leben beginnt hienieden und durchlaufb einen 
Prozefi bis zur Yollkommenbeit oder der Herrlichkeit des Ungewordenen 
in der Ewigkeit. Dieser Prozefi wird nach dem Willen des Yaters durch 
Christus und die nahrende und "Wachstum verleihende Tatigkeit des heil. 
Griestes an dem Menschen ausgefiihrt, bis derMensch zur ewigen Grottgleichheit 
gelangt. ,,DietTnterordniing unterGrott istUnverweslichkeit , 
das Bleiben aber der Tfnverweslichkeit ist die ungewordene Herrlichkeit. " 
Das heifit also, wer sich dem gottlichen "Willen unterwirft, ist dadurch 
unsterblich geworden ; indem aber Glott diesen Zustand f ortbestehen lafit, 
wird er der ungewordenen Herrlichkeit teilhaftig. In diesem grofien 
Heiligungsprozefi kommt aber zugleich die Schopfung des Menschen 
zu ihrer Vollendung. Gfott hat namlich den Menschen nicht von 
Anfang an voEkommen geschaffen, nicht weil er es nicht konnte, sondern 
weil der entstandene Mensch die Yollkommenheit nicht erfassen konnte 
(IV, 38, 1. 2). Diese ausstehende Yollkommenheit wird durch die 
Menschwerdung des Logos und durch den heil. Gfeist der Menschheit 
mitgeteilt. 1 ) 

Somit besteht das Erlosung'swerk zunachst in der Yergeistigung, 
TJnsterblichmachung, Yergottung des Menschen, es umfafit den ProzeB 
von der Bekehrung bis zur ewigen Herrlichkeit, es fuhrt den Menschen 
auf die Hohe geistiger und sittlicher Yollendung. Das alles geschieht 
durch die Menschwerdung des Logos, durch sein Leben, Lehren und 
"Wirken innerhalb der Menschheit, 2 ) tind es handelt sich dabei keines- 



IV, 38, 3: TOV &eov TtqoZy.a Scogovfievov atirols ti]V slausl Ttapafiovijv . . ., 
$s d'sav dcp&agala, vg'l, IV, 36, 7 : ifo yv&oiv iov &BOV, jfas i~,v ap&apaia. 

1) S. IV, 38, 3: bTtafa.yr] Ss d'eov d.cp-d'a.gaia,, tied TCaQcifiovi] atpdagaias So^a 
dyevvriTos (cf. IV, 39, 1). dia. TUIJTIJS . . . irfs raj-seas "/.ai TCOV roiovreov yv&fi&v xal 
TJ/S fOMiJT:i]s dycoyijs d yewi]i;bs y.nl TteTthaOftevos uvQ^caTtos '/.asi sly.ova. "/MI duoicooiv 
iov dysvvij'cov yivsrai dsov, rov (.lev Ttatgbs eiiSoxovvios y.al XB^STUOVTOS, rov s viov 
Ttffdaoovros y.al StjfiiovQyovwtos, iov 8s Ttveij/iiaTOS tQsyovtos KM aft^ovfos, iov Ss dv^co- 
Ttov fj(>s{ia. TtQoy.oTtrowios y-al Ttgos teheiov d.vBfj'^o/.ievov, rovtecni, Ttf^aiov rov dyevv^rov 
yivo l usvov. Ib. 4: nos enim imputamus ei, quoniam non ab initio dii facti 
swims, sed primo quideni homines, tune demum dii . . . Oportuerat autem primo 
naturam apparere, post deinde vinci et dbsorH mortale ab immortalitate et 
corruptibile ab incorruptibilitate et fieri hominem secundum imaginem et simili- 
tudinem dei agnitione accepta boni etmali. V, 12, 6: et in semel totum samim 
et integrum redintegravit hominem, perfectum eum sibi praeparans ad resurrec- 
tionem . . . Vita enim per curationem, incorruptela autem per vitam efficitiir, 
qui igitur curationem affert hie et vitam, et qui vitam hie et incorruptela drciimdat 
plasma suum. 

2) Dies fafit auch in sich die Heilsverkimdung Christ! in der Unterwelt mit 



330 14. Die Tlieolog'ie der antignostischen Vater. 

\vegs blofi urn einen pbysiscben Prozefi, sondern die ganze Lebrtatigkeit 
Christi, sowie die geistige Unte'rwerfung unter Grott ist in ibn ein- 
gescblossen. Auffallend ist dabei aber, dafi von Simdenvergebung nur 
selten die Rede ist, und dafi das Kreuz Christi niclit die Bedeutung 
einnimnit, die seit Paulus viblicb ist. Der Tod Cbristi ist allerdings 
durcb den Rekapitulationsgedanken als notwendig erwiesen, aber die 
SiindenYergebung wird nicht eigentE.cn anf ihn begriindet, sondern sie 
erscbeint als eine Funktion, die Cbristus kraffc seiner Gfottbeit ausubt 
(IV, 33, 2. V, 17, 1. 3: ut quomodo homo compassus est nobis, 
tanquam deus misereatur nostri ct dimittat nobis debita nostra, quae factori 
nostro debemus, deo). Die Frage ist also die, Avelehe Bedeutung Ir. dem 
Tode Cbristi beilegte. Man begegnet bei ihm nicht eben haufig Aus- 
sagen hieriiber. die fiber die "Wiedergabe des TJbeiiieferten hinausreichen. 
Chistus 1st ein leidensfahiger Menscli gewbrden und bat wirklich gelitten, 
dui'cb sein Leiden resp. seinen Geborsam bat er unseren TJngeliorsam 
aufgelost und bat er uns mit Grott A r ersobnt und errettet und erlost, ist 
Gfott ein Opfer geworden, bat den Vater versobnt. 1 ) Aber diese 
Wendungen sind nicbts anderes als Wiedergabe bibliscber Form ein. 
Sacblicb fiihren sie nicbt dariiber binaus, dafi Cbristus als Haupt der 
Menscbbeit, wie er sie wirkHcb erneuert und in die Gemeinscbaft Gottes 
fubrt. so aucb als neue vor Gfott darstellt. ") Eine besondere Bedeutung 



Bemfong auf den pseudojerem. Spmch (vgl. S. 108) s. HI, 20. 4. IV, 22, 1 ; 33, 1. 12. 
V, 31, 1. IV, 27, 2. Epideix. 78. 

1) IV. 2, 7: 5, 4: vlb-v &vaiav naQaaymv sie J.vTpcoatv fj^iere^av. III, 18, 
1. 3ff. ; 16, 9: qui per passionem reconciliavit nos dco. V, 2, 1; 17, 1: in. 
amicitiam restituit nos dominus per suam incarnationem, mediator dei et homimim 
factiis, propitians quidem yyro nobis patrem, in quern fieccaveramus, et nostram 
inobedientiam per suam obedientiam consolatus (d. h. vergessen machen), nobis 
autem donans earn quae est ad factorem nostrum conversaiionem et subiectionem. 
IV, 5, 4 : Abraliam opfert Isaak Gott, Iva y.al 6 &ebs evSoxtfafi v7te<) tov ottepfiuTos 
ai/rov Ttdmcog ibv Vdiov fiovoyevfj %al dyaTtrjTov vlbv -dvoiav TtaqaaftBlv els "Miocoaiv 
itfieTspav. V, 14, 3: per earn quae est ad se communicationem reconciliavit 
dominus hominem deo patri, reconcilians nos sibi per corpus carnis suae et 
sangiiine suo redimens nos. Ib. 4 : carne domini redemptus es et sanguine eius 
redhibitus. V, 1, 1 : sanguine suo rationabiliter redimens nos, redemptionem 
semetifisum dedit pro his qui in ca$>tivitatam ducti sunt. Epideix. 34 : an das 
Holz angeschlagen, luodurch er die Erlcenntnis des Bb'sen vernichtete, die Erlcenntnis 
des G-uten aber einfiihrte und aneignen lie ft. 

2) IV, 20, 7 : Verbum dispensator paternae gratiae factus est ad utilitatem 
homimim . . ., hominibus quidem ostendens deum, deo autem exhibens hominem. 

V, 2, 1. 2; 1, 1: T<j7 idicp oiiv a'lfiaTi IvTOCoaafievov tying 'TOV y.vgiov y.al SOVTOS 
ii]v ijjvyjjv iiTtif) i(ov i^ueiEocuv ipv/^cav v.ai iifv a&()'/.(i Ti]V EUVTOV acvt\ iwv tyiSTegco'i' 
et effundente spiritum patris in adunitionem et communionem dei et 



Der Tod Christ! bei Irenaus. 331 

gewinnen das Leiden und der Tod Christ! erst unter dem Gesichts- 
punkt, daB durch sie die Menschheit aus dem Herrschaftsbereich des 
Teufels oder von derSiinde und demTode in vernunftgemafier "Weise befreit 
ist. Der Teufel hatte namlich den Menschen betrogen und ihn dann 
gefangen gesetzt durch die Siinden und den Tod. Aus diesem Zustand 
befreite Christus den Menschen, indem er Siinde, Tod und Teufel be- 
siegte. Aber das, wenn auch unrechtniafiig erworbene, Anrecht des 
Teufels an den Menschen konnte nur dadurch aufgehoben werden. dafi 
ein Mensch in der Lage der Sunder und unter dem Todesverhangnis 
den Gehorsain und die Gerechtigkeit leistete, die Adam nicht geleistet 
hatte. Dasselbe geschieht andererseits freilich auch schon dadurch, daB 
Christus bei seiner Versuchung das Gesetz Gottes in ahnlicher Lage 
einhielt, in der Adam es bei dem Siindenfall iibertreten hatte. 1 ) 

Also ist der Sinn jener Wendungen von der Erlosung durch Christi 
Blut bei Ir. der, daB Christus die positive Erneuerung der Menschheit 
ausfiihrt, indeni er zugleich sie aus der Gewalt des Bosen befreit. 2 ) 



hominis, acl homines quidem deponente deum per spiritum, ad deum autem versus 
imponente hominem per suam incarnationem. 

1) III, 18, 7 : si y&o fir/ avfrijcoTtos e-vlxijae ibv avrfaaJ.ov rov dvd'pojTtov, oiiy, 
av dixaicog eviMJd'q o e%d'()6s' 7ta)\,n> f, el ,?) 6 -dsos sSco^aaTO tiff ocoTqaiav, oiiy. 
&i> fiefiaicos ea/ofiev aimjv .... Oportebat enim eum, qiii incvperet occidere 
peccatum et mortis reum redimere hominem, id ipsum fieri, quod erat ille, id est 
hominem, qui a peccato quidem in servitium tractus fuerat, a morte vero tenebatur, 
ut peccatum a~b homine interficeretur et homo exiret a morte. III, 23, 1 : per 
secunditm hominem (deiis) alligavit fortem et diripuit eius vasa et evacuavit 
mortem vivificans eum hominem, qiii fuerai mortificatiis. V, 21, 1 : neque enim 
iuste victus fuisset inimicus, nisi ex muliere homo esset qui vicit eum. Ib. 2: 
sed quoniam unus et idem est qui db initio plasmavit nos et in fine filiiwi suum 
misit, praeceptum eius fecit domimis, factus ex muliere, et destruens adversarium 
nostrum et perficiens hominem secundum imaginem et similitudinem dei. Et 
propter hoc non aliunde eum destruxit, nisi ex dictionibus legis et patris praecepto 
adiutore usus ad destmctionem et traductionem apostatae angeli; es folgt eiae 
Analyse der Versuchungsgesehichte Matth. 4, die als Gegenbilcl znm Siindenfall 
verstanden wird. Daraus folgt ib. 3: apostata autem dei.angelus . . . victus a 

.filio hominis servants dei praeceptum. Qiioniam enim in initio homini suasit 
transgredi praeceptum factoris, ideo eum habuit in sua potestate, potestas autem 
eius est transgressio et apostasia et his collicjavit hominem; per hominem ipsum 
iterum oportebat mctum mm contrario colligari iisdem vinculis, quibus alligavit 
hominem, ut homo solutus revertatur ad suum dominum, illi mncula relinqiiens, 
per quern ipse fuerat alligatus, id est transgressionem . . . . Et captimis quidem 
diictus est iuste is, qui hominem iniuste (cf. Ill, 23, 1) captivum duxerat. 

2) Die Frage, ob Ir. die Idee von emera dem Teufel von Gott gespielten 
Betrag kenne, wird seit Baur auf Grand der Stelle V, 1, 1 (ea quae sunt sua 
redimens ... non cum vi . . '. sed secundum suadelam, quemadmodum decebat 
deum suadentem et non vim inferentem accipere quae vellet) erortert, zuletzt von 



332 14- Die Theologie der autignostischen Vater. 

Letzteres gescliieht aber, sofern er als Mensch Reprasentant des Menschen- 
gesclilechtes ist, wahrend ersteres verinoge der Kraft seines gottlichen 
Wesens erfolgt. Der Tod Christi hat in diesem Gedankengefiige schlechter- 
dings keine inneiiich begriindete Stellung, denn was er wirken soil, 
wirkt ja auch schon die Sieghaftigkeit Christi der Yersuchung gegen- 
iiber. In Wirklichkeit erschopft sich das religiose Interesse des Ir. 
ganz und gar in der aktiven gottlichen Wirksamkeit Christi, zu dieser 
gehort aiich die Siindenvergebung der aber kein besonderes Interesse 
gewidmet wird, sie wird dein Iren. als selbstverstandliche Yoraussetzung* 
der Heiligung erschienen sein , ebenso die Genieinschaft mit Gott nnd 
das nene Leben. Vollendung der Scho'pfung ist zuhochst das Werk 
Christi, nicht Yergebung fiir das Yerlieren einer urspriinglichen Yoll- 
konimenheit, die allmahliche reale Tilgung der Siinde, nicht die ideelle- 
Aufhebung der Schuld. 1 ) 

18. Einen anderen Charakter als die irenaisehe Christologie weist 
die Tertullians auf. Wahrend IreneUis von der alten johanneischen 
Tradition atisging, knupft Tertullian an die Logoslehre der Apologeten 
an, er hat sie aber in tiberaus beinerkenswerter und geschichtlich folgen- 
reicher Weise fortgefiihrt. 1) Der Logos der Christen ist, ini ITnterschied 
zu dem Logos der Stoiker, eine selbstandige geistige Substanz , der 
selbst Rede, Yernunft und Kraft eignen. Es ist die gottliche Yernunft, 
die inimer in Gott Avar, die aber als Sohn von Gott erzeugt wurde und 
vor der Zeit der Welt aus ihni hervorging. 2 ) Der Logos ist so eine 
selbstandige Person, welche aus Gott geboren ist. Er hat einen Anfang : 
Fuit tempus, eum . . . filitis non fuit . . . qui patrem dominum fecit 
(adv. Hermog. 3. 18). In seinem Yerhaltnis zuni Yater ist zu betonen 



K. Grafi, Zur Lehre v. d. Gottheit Christi (1900) S. 13 f. Die Stelle besagt aber 
nur, dafl Gott bei dem Loskauf der Menschen sich in einen Handel mit dem Teufel 
einlieC oder ihn beredete. Dagegen finde ich einen gewissen Ansatz zur Be- 
trugstheorie V, 21, 3: a\if des Teufels Anrede ,,bist du Gottes Solm" antwortet 
Ohristus: der Mensch lebt nicht vorn Brot allein, ad ilhid quidem, quod ait: 
n si filius dei es", usus est hac quae excaecavit eum hominis confessione. 

1) Aber es trifft doch nicht zu, was Harnack (DG. I 3 , 565) hieriiber sagt: 
,.Das Entscheidende ist ihm die Aufhebung der Folgen der Sunde, namlich des 
Todesverhangnisses", denn in der Denkweise des Ir. ist die Siinde selbst uur 
ein Bestandteil des Todes, nicht den Tod als ,,Verhangnis" hebt Christus auf, 
sondern die Todhaftigkeit, die die Siinde in sich schlieUt. 

2) Apol. 21 : Et nos autem sermoni atque rationi iteinque virtuti, per . 
quae, omnia, molitum deum ediximus, propriam siibstantiam spiritum inscribimtis, 
cui et sermo insit pronuntianti et ratio adsil disponenti et virtus praesit per- 
fidenti. Hunc ex deo prolatum didicimus et prolatione generatum et idcirco 
filium dei et deum dictum ex imitate substantiae, nam el dews spiritus. Dazu 
adv. Prax. 5. 6. 



Tertullians Logoslehre. 333 

die Einheit und Identitat des gottlichen Seine und Wesens, der sub- 
stantia, andererseits die Besonderheit und Unterschiedenheit des ihm 
eigentiimlichen Daseins und Soseins, der persona. 1 ) Da Vater iind 
Sohn dieselb.e gottliche Substanz sind (deus ex unitate substantiae Ap. 21. 
adv. Prax. 25. 26), so sind sie nicht durch divisio oder separatio, sondern 
durch distinctio und dispositio (oiY.ovof.da) zu unterscheiden (adv. Pr. 8. 
11. 12. 19 fin. 21. 22: duos demonstrat tarn duos qiiam inseparatos; ad 
testimonium indlviduorum duorum}. Also : Ita connexus patris in filio 
el filii in paracleto tres efficit cohaerentes, atterum ex altero. Qui ires 
unum sunt, non unus, quomodo dictum est: ,,Ego et pater unum surnus", 
ad substantiae unit at em non ad nutneri singularitatem (adv. Pr. 25) 
und: pater et -films duo et hoe non ex separatione substantiae sed ex 
dispositione, quam individuum et inseparatum filium a patre pronuntiamus, 
nee statu sed gradu alium (ib. 19). Der Sohn ist mit dem Vater 
unius substantiae (ib. 2). Der Sohn und der Greist sind consortes sub- 
stantiae patris (ib. 3). Der Greist stammt vom Yater durch den Sohn 
(a patre per filium , ib. 4; spiritus a deo et filio, 8). 

Der Gfedanke Tertullians ist hiernach der : die Einheit der Sub- 
stanz und des gottlichen Wesens stellt fur Vater, Sohn und Greist die 
Einheit und Identitat der Gfottheit fest, sie sind unum. Aber jeder 
von ihnen ist auch ein alius vermoge der unterschiedlichen PersonaHtat, 
Eunktion und Stellung. Sie sind nicht getrennt voneinander, sondern 
iinterschieden, und sie stehen zueinander durch die Einheit der Substanz 
in einem unloslichen Zusammenhang. Yerdeutlicht soil dieses Ver- 
haltnis durch den Gedanken werden, dafi der Logos nur ein Teil der 
vaterlichen Substanz ist (pater enim tota subsiantia est , filius vero 
derivatio totius et-portio, adv. Pr. 9. 26. adv % Marc. HI, 6), oder auch 
durch Anwendung der Grleichnisse von der Sonne und ihren Strahlen. 
der Wurzel und dem- Stamin, der Quelle und dem Strom (Ap. 21. adv. 
Pr. 8 cf. Hipp. c. Noet. 11). Ist der Vater sozusagen philosophorum 



1) adv. Prax. 12: Immo quia iam adhaerebat illi fitius, secunda persona, 
sermo ipsius et tertia, spiritus in sermone, ideo pluraliter pronuntiavit : faciamus 

Gen. 1, 26 Alium autem quomodo accipere debeas, iam professus sum, 

personae, non substantiae nomine, ad distinctionem, non ad divi- 
sion em. Ceterum ubique ieneam unam substantiam in tribus cohaerentibus, 
tamen alium dicam oportet ex necessitate sensiis eum qui iubet et eum qui facit. 
Ib. 21: naeh Job. 1; Iff. indubitanter aliits ostenditur qui fuerit a principio, 
alius apud quern fiiit .... Quo alium dicamus . . . non quasi separatum, 
dispositione alium, non divisione. Ib. 23: non estseparatio ista, sed dispositio 
divina. 24: manifestam fecit duarum personarum coniunctionem. 2: tres 
autem non statu sed gradu, nee siibstantia sed forma, nee potestate sed swede, 
unius autem substantiae et ^mi^t,s status et unius potestatis. 



334 14- Die Theologie cler antiguostischen Vater. 

ileus, so ist der Solin die faBbare Offenbarung des Vaters : arbiter patris 
ct minister (c. Marc. II, 27). Der Sohn ist, wenn man seine Substanz. 
in das Auge fafit, Gott wie der Vater, die Menscbwerdung emiedrigt 
ihn aiieh nicht, denn sie dient dem Heil des Menscben und nicbts ist 
Gottes so wiirclig als dies. Indem aber der Sohn einen zeitlichen An- 
fang hat und eben nur ein Teil der gottlicben Substanz ist, kann man 
von einem Subordinatianismtis Tert. reden. 

2) Der praexistente Logos ist iim des Heils der Menscben willen 
Mensch geworden , denn nur als Menscb konnte er "unter Menscben 
wirken. Er ist geboren von der Jungfrau. Der Logos war Gottes 
Sobn, eines menscblicben Yaters bedurfte er also nicbt. er braucbte nur 
nocb nienscblicbes Fleiscb anzunebmen. Er war gottlicber Geist und 
ging in die Jungfrau ein, sodafi er Ton ibr sein Eleisch empfing. Somit 
Avurde Gott von Maria geboren. In Cbristus war also eine doppelte 
Substanz , namlicb gottlicber Geist und nienscblicbes Fleiscb. 2 ) Da 
aber die Seele oder das Empfinden zuni Wesen des Menscben gebort, 
besafi Cbristus aucb eine menscbliche Seele, sodaB seine Menscbbeit, 
genau genonimen. wieder aus zwei Substanzen sicb zusammensetzte. 3 ) 



1) c. Mare. II, 27: deiim non potuisse humanos congressus inire, nisi 
humanos et sensiis et affectiis siiscepisset, per qiws vim maiestatis suae, intokra- 
bilem ubique Jmmanae mediocritati, liumilitate temperaret, sibi quidem indigna, 
hoinini autem necessaria, et ita iam deo digna, quia niJiil tain (Lignum cleo 
quam sal us ho minis . . . . Totum denique dei mei penes nos dedecus sacra- 
mentum est humanae salutis. Conservabatur deus, ut homo divine agere doce- 
retur; ex aequo agebat deus cum homine, ut homo ex aequo cum deo posset; 
deus pusillus inventus est, ut homo tnaximus fteret. 

2) de earn. Chr. 18: ergo iam dei filius ex patris dei semine, id est spiritu, 
ut esset et hominis filius caro ei sola competebat ex hominis came sumenda sine viri 
semine, vacabat eniin semen viri apud habentem dei sejnen .... Sic denique 
homo cum deo, duin caro hominis cum spiritu dei; caro sine semine ex homine, 
spiritus cum semine ex deo . : . Ita cum ipse sit de S2nritu dei et spiritus deus 
est, ex deo natus ipse est et ex came hominis, homo in carne generates. Ib. 17 : 
haec est nativitas nova, dum homo nascitur in deo. In quo homine deiis natus 
est carne antiqui seminis suscepta sine semine antiquo, ut illam novo semine id 
est S2)iritaliter reformaret exclusis antiquitatis sordibus expiatam. 18 : utramque 
substantiam Christi et carnis et spiritus. Adv. Prax. 18. 26 : spiritus substantia 
est sermonis et sermo operatio spiritus . . . Et ideo spiritiis deus et sermo deus, 
quia ex deo .... /Spwifoi dei et sermoiie et virtute conlatis in virginem, quod 
de ea nascitur, filius dei est. 

3) de cam. Chr. 11: qui homo voluerit incedere, animam quoque humanae 
condicionis ostenderit. 12: cum totum quod sumus, anima sit, denique sine 
anima nihil sumus . . . Sensualis est animae natura . . ., animae anima sensus 
est. 13: quodsi una caro et una anima . . ., salvus erit mimems duarum 
substantiarum in suo genere distantium. 



Die Menschwerdung nach Tertullian. 335 

Also ist Christus eine aus zwei (resp. drei) Substanzen zusammengesetzte 
Person gewesen. Das eigentliche Prinzip in ihm ist der Logos oder 
der gottliche Geist, und des menschlichen Wesens bedurfte er nur, um 
sich den Menschen verstandlich zu machen, um leiden . zu konnen und 
damit seine Grottheit vor den Menschen zunachst verhiillt mirde. 1 ) Aber 
der logischen Scharfe Tert. entgeht in diesem Gredankenzusammenhang 
nicht die Frage, in welcheni Sinn denn die Mensch w e r d u n g gemeint 
sei. Von alters her sprach man von ihr, warf aber die Vorstellung von 
der Ann ah me der Menschennatur mit ihr zusammen. Tert. ist der 
erste, der die Frage scharf gestellt hat, oh die Mensch werdung im Sinne 
einer Metamorphose oder als Annahme des Meisches zu verstehen sei. 
Er entscheidet sich fiir letzteres. Die Verwandlung Gfottes in einen 
Menschen ist ein unnioglicher Gredanke. Zunachst weil Grott und Grottes 
Logos unveranderlich ist und seine Form nicht aufgeben kann. Sodann 
weil dadurch die Grottheit Christi wie auch seine Menschheit aufgehoben 
wiirde , denn wiirde der Logos Mensch , so waren nicht niehr zwei 
Substanzen vorhanden, sondern ,,etwas Drittes", mixiura quaedam. 2 ) In 
Wirklichkeit ist dagegen anzunehmen der Fortbestand beider Substanzen. 
Und zwar so, dafi jede von beiden ihre Eigentiimlichkeiten beibehalt 
(salva est Utrlusque proprietas substantiae) und jede somit getrennt von 
der anderen handelt ( distincte agebant). Nicht vermischt, Avohl aber 
vereinigt sind sie in der einen Person Christi. Daher ist also nur von 
einem Beldeidetwerden der Grottheit mit der Menschheit, nicht aber von 
einer Verwandlung jener in diese zu sprechen, 3 ) wie andererseits die 



1) de earn. Chr. 6: homo vere futunis usque ad mortem earn carnem oportebat 
indueret, cuius est mors; earn porro carnem, cuius est mors, nativitas antecedit. 
9 : haec omnia terrenae originis signa et in Christo fuenmt et sunt, quae ilium 
dei filium celaverunt, non alias tantummodo hominem existimatum quani exstantem 
humana substantia corporis. 

2) adv. Prax. 27: quomodo sermo caro sit factus, utrumne quasi trans- 
figitratione in carne an inautus carnem? Immo induttis . . . Omne 
cnim, quodcunque transfigiiratur in aliud, desinit esse quod fuerat -et incipit esse 
quod non erat; deus autem neque desinit esse neque aliud potest esse. Sermo 
autem deus et sermo domini manet in aevum perseverando soil, in sua forma. 
Quern si non capit configurari, consequens est, ut sic caro factus intelligatur, 
dum fit in carne et manifestatiir et videtitr et contrectatur per carnem. Si enim 
sermo ex transfigurations et demutatione substantiae caro factus est, una iam 
erit substantia lesus ex duabus, ex carne et spiritu, mixtura quaedam . . . et 
tertium quid efficitur. Neque ergo deus erit lesus, sermo enim desiit esse qui 
caro factus est, neque homo caro, caro enim non proprie est, quia sermo fuit. 
Ita- ex ^(,troque neutrum est, aliud longe tertium est- quam iitrwnque. 

3) adv. Prax. 27 : invenimus ilium -directo et deum et hominem expositicm . . ., 
certe usquequaque filium dei et filium hominis, cum deum et liominem, sine dubio 



336 14. Die Theologie der antigiiostischen Vater. 

gauze Mensclienart der Menschennatur ebenso unverkiirzt fortbesteht wie 
die Gottheit des Logos. 

Es kann hiernach nicht wundernehmen , dafi Tert. eine doppelte 
Betrachtung der Person Ckristi durchfuhrt. Man sieht in dieser Person 
Gottliehes nnd Menschliches, Geistiges und Fleischliches, Unsterbliches 
und Sterbliches, Kraft und Schwache. 1 ) Heifit es also, Ohristus ist ge- 
storben, so bezieht sich das auf die inenschliche Substanz. Gott leidet 
nicht, also kann auch die Gottheit in Christus nicht init deni Meisch 
mitgelitten haben, wie etwa auch die Unbill, die jeinand einem Strom 
antate, nicht die Quelle treffen wiirde. Wenn Gptt Christus am Kreuz 
verlafit, so hat das nur den Sinn, dafi er seine Menschheit (hominem 
ems) deni Tode iiberlafit, nicht aber dafi er seinen .Sohn verlafit, der 
sich ja vielniehr, seinem gottlichen Geist nach, den Handen des Yaters 
iibergibt, und jetzt erst vermochte er zu sterben. 2 ) Aber diese lehr- 
hafte Erwagung schliefit nicht aus, dafi Tert. gelegentlich Wendungen 
braucht, wie nasti se deus patiiur, passiones dei, vere crucifixus est dcus, 
VKi'e mortmis. 3 ) Andrerseits ist Tert. der Ansicht, dafi der Mensch 
Jesus die Substanz und Form menschlichen Pleisches auch im Himmel 
bewahrt hat: ,,Dort sitzt Jesus zur Rechten des Yaters, Mensch wenn 
auch Gott, der letzte Adani, wenn auch das uranfangliche "Wort, Meisch 
und Blut, wenn auch reiner als bei uns, derselbe doch nach Substanz 
und Form als welcher er enaporstieg und auch herabsteigen wird . . . 
Dieser, der wegen des Depositurns beider Teile Mittler genannt wird, ist 
es, der auch das Depositum des Meisches bei sich bewahrt als ein Unter- 



secundum utramque substantiam in siia proprietate distant em . . . 
Sic et apostolus de utraque substantia docet, Eom. 1, 3f. ... Videmus 
duplicem statum (= substantia cf. de an. 37. c. Blare. I, 6), non cow/'tmtm, 
sed coniunctum in una persona, deum et hominem lesum , . . Et adeo 
salva est utriusyue proprietas substantiae, iit et spiritus res suas egerit in ilia, 
id est virtiites et opera et signa, et caro functiones suas functa sit esiiriens sub 
diabolo, sitiens sub Samaritide, flens Lazarum, anxia usque ad mortem, denique 
et mortua est. Quodsi tertium quid esset . . ., non tarn distincta documenta 
parerent utriusque substantiate, sed et spiritus carnalia et caro spiritalia egisset ex 
translatione, aut neque carnalia neque spiritalia, sed tertiae alicimis formae ex 
confusione, immo aut sermo mortuus esset aut caro mortua non esset .... Sed 
quia substantiae ambae in statu suo quaeque distincte agebant, 
ideo illis et operae et exitus sui occurrerunt . . . Neque caro spiritus fit, neque 
spiritus caro, in uno plane esse possunt. Ex Ms lesus consistit, ex came 
homo, ex spiritu deus. 

1) de earn. Chr. 5 : ita utriusque substantiae census hominem et deum exhibuit, 
hinc natum inde non natum, hinc carneum inde S2nritalem, hinc infirmum inde 
praefortem, hinc morientem inde viventem. 

2} de pat. 3. de cam. Chr. 5; c. Marc. II, 27, vgl. Melito oben S. 277. 



Die Zweinaturenlehre Terttdlians. . 337 

pfand der Gesamtsumme. Deim .wie er uns das TTnterpfand des G-eistes 
hinterliefi, so nahm er von uns das Unterpfand des Fleisches und trug 
.es in den Himmel als Pfand dessen, daB die Gesamtsumme einst dorthin 
gebracht werden solle" (de resurr. 51). Also mit Meisch und Blut : ist 
.Ghristus im Himmel gegenwartig. Tertull. hat diese These nicht minder 
zuversichtlich als Ignatius (oben S. 104) ausgesprochen. Im ubrigen hat 
Tert. fiir die Wirklichkeit des menschlichen. Lebens und Leidens Christi 
;gerade die TJndenkbarkeit, TJ.nerfindbarkeit und Torheit dieser Tatsachen 
angefuhrt. Das geschieht in dem beruhmten Paradoxon, das die vulgare 
Tradition in das n eredo, quia absurdum u zusammengezogen hat: crucifixus 
est dei filius, non pudet, quia pudendum est. Et mortmis est dei films, 
prorsus credibile est, quia ineptum est. Et sepultus resuirexit, cerium est, 
quia impossibile est (de earn. Chr. 5). - 

3) Tertullians Trinitatslehre und Christologie stehen in eng'ern Zu- 
sammenhang .zueinander *und beide sind fiir die Kirche des Abendlandes 
mafigebend geworden, Tertull. hat die orthodoxe Lehre des Abendlandes 
auf diesen Gebieten geschaffen. Wir miissen deshalb noch einen Augen- 
blick bei seiner Lehre verweilen. Tertullian ist strenger Monotheist und 
er ist bewufiter Trinitarier. Dieser Monotheismus ist ihm nicht erst 
durch die monarchianische Lehre atifgenotigt worden (ady. Prax.), sondern 
er wurzelt in seinen fundamentalen religiosen Gedanken. An sich ist 
'Gott einer, es wohnt aber in ihm der Logos, den er zum Zweck der 
Weltschopfung aus sich heraussetzt, sodaB er Vater und der Logos Sohn 
wird. Dieser Logos ist Gottes Geist und ein Teil des vaterlichen G-eistes. 
Der Korper des Logos ist gleichsam Greist. ') So wird es verstandlich, 
dafi der heil. Greist in engstem Zusammenhang zum Sohn steht und dafi 
in diesem der Yater den Geist sendet. Andrerseits ist aber auch der 
heil. Geist wie der Logos priiexistent, schon bei der Schopfung tatig, 
oder bei der Taufe Ohristi wirksam. 2 ) Das Yerhaltnis der Hypostasen 



1) S. die Stelleii S. 334 A. 2, dazu c. Prax. 14. Nur zwei Hypostasen werden 
erwalmt de orat. 1. Ap. 21 imd oft. Dabei wird der Sermo als spiritus charakterisiert, 
;S. bes. c. Prax. 8 unten S. 3B9 Anm. 

2) Z. B. adv. Prax. 9. 12. de bapt. 4. 6. Der Yater sendet deii Geist. aber 
erst nach der Himmelfahrt des Sohnes, ib. 10: negiie jKccatum dimittit neque 
spiritum indulget nisi deus solus; etiam ipse dominus, nisi ipse prius ascender et 
adpatrem, aliter negavit spiritum descensurum. 11 : in quetn enim tinguerat? . . . 
in semetipsum, qiiein humilitate celabat? in spiritum sanctum qui nondum ad 
patrem ascenderat? Die letzten Worte shid so zu lesen (nicht: ft patre descen- 
derat), aber, wie. die Erorterimg in c. 10 zeigt, ist der seit der Taufe in Christus 
eingegangene Geist keineswegs identisch mit dem Logosgeist. der von Geburt an 
seine Substanz ist. Tert. will nur sagen: zu Christi Lebzeiteu war der heil. 
Geist iu ihm, nicht im Himmel, auf diesen Geist konnte also nicht getauft Averdeu 

Seebevg, DogmengescMeMe I. 2. Anfl. 22 



338 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

untereinander wird deutlicb durcli die tertullianische Anwendung des 
Begriffes der or/ovojut'a. Yon alters her bediente man sicb dieses Aus- 
drucks in mannigfacher Anwendung. Der Grundgedanke dabei ist der,. 
daB Gott ein zusammenbangendes Wirken in der Welt durchfiibrt, sei 
es daB man an die Ordnung und Leitung der Welt iiberkaupt, sei es,. 
claB man an die Menschwerdung Christi oder an sein oder der Apostel 
Heilswirken denkt. 1 ) Das Wort oixovopia ist von Paulus eingefuhrt 
worden (Eph. 1, 10; 3, 2. 9. Kol. 1, 25. 1. Tim. 1, 14), der Auspraguug 
des Begriffes wird der Gedanke des Heilsratscblusses und der dureh ibn 
bedingten Sendnng des Sohnes und dann des heil. Geistes zugrunde 
liegen (s. Job.). Eine Anwendung dieser Tendenz liegt in der Heils- 
gescbichte des Irenaus vor (oben S. 318 ff), dann aber in der an die regula 
fidei sich ansckliefienden Gestaltung des trinitariscben Gedankens bei 
Tertullian: Gott ist unicus, aber er lafit den Logos aus sich hervor- 
genen, er sendet ihn berab in die Jungfrau und auf die Erde, und der 
Vater oder der Vater und Sobn oder der Vater in dem Sobn senden 
dann den Geist. Es ist die gottliche Okonomie' oder seine Verwaltung 
der Welt , die Gott dazu veranlaBt wirksam zu werden in dieser 
Stufenfolge. Seine monarchische dominatio wird dadurcb nicbt beschrankt, 
daB er sie durch die beiden Personen ausubt, die nut ihm einer Sub- 
stanz teilbaftig sind und durcb deren Offenbarung sein Wesen den 
Menscnen tiefer erschlossen wird. Die Offenbarung Gottes selbst ist es, 
die dazu notigt diese drei Personen und sie sicb als Realitaten zu 
denken. 2 ) Aber durcli dies Urteil ist nicnt etwa die Praexistenz einer 



Die Stelle beAveist also keineswegs die Identitat von. Logosgeist und heil. Geist 
(gegenMacholz, Spureu binitar. Denkweise im Abendl. seit Tert., 1902, S. 45). 

1) OlxovHftia iin Sinne der Verwaltung der Welt Arist. 1, 2. ad Diognet. 4, 5. 
lust. Dial. 107. 134. 141 cf. Jes. 22, 21 = n^ti'DO; von der Inkarnation Igu. 
Eph. 18, 2 : 6 "/up &sbs f]f.icav 'Jrjaovs 6 y^iatos exvoyogrjS't} i>TCo Manias y.an oly.ovo- 
fiiuv &sov ex a7tEQf.id.ios (isv Z/avlS, ztVEijfiatos SB aylov, lust. Dial. 45. 120. Iren. 
epideix. 99. 100; von dem Heil, das der Vater will, Christus am Kreuz ver- 
wirklicht. die Jiiuger in der Welt ausbreiteu lust. Dial. 103. 67. 87. Arist. 2, 8:. 
er hatte aber zwolf Junger, clamit seine Okonomie in etioas vollendet wirde. 
Clem. Strom. II, 5 p. 439: oly.ovof.da ocarfytos ; von der Trinitat Tertull. (s. die 
folgende Anni.). Hippol. c. Noet. 8. 14. in cant. 11. 17. 

2) S. schon Iren. epideix. 47: "somit ist nach seinem Sein und nacli der 
Kraft seines Wesens Ein Gott zu erltennen, nach der Okonomie unserer Er- 
losung aber recht eigentlich soivohl Sohn als Vater. Tert. c. Prax. 2: unicum 
quidem deum credimus, sub hac tamen dispensatione, quam oly.ovof.dav dicimus, 
id unid dei sit et filius sermo ipsius, qui ex ipso processerit . . . Hunc missum 
a patre in viryinem . . ., hunc passum . . . et resuscitatum a patre et in caelO' 
resumptum . . ., qui exinde miserit, secundum promissionem sit,um, a patre 
spiritum sanctum paracletum, sanctificatorem fidei eorum, qui credunt in patrem 



Die Entwicklung der Trinitatslehre Tertullians. 339 

der drei Personen ausgeschlossen ; die Meinung ist nur die, clafi wie der 
Yater erst, als er es wollte, Christum offenbar werden lieB, so erst hier- 
auf aus sicli imd durch Christus den Gfeist. Die Trias ist praexistent, 
indem gottliche Substanz, aber urn der Menschen willen wird ,sie allmah- 
lich offenbar, sodafi die Menschen sie zahlenmaBig gegeneinander ab- 
stufen konnen. 

Lafit sich eine Entwickhmg in der Trinitatslehre und Ghristologie 
Tert. wahrnehmen? Diese Frage ist neuerdings bejaht worden. Ur- 
spriinglich habe Tertull., der romischen Lehre folgend, einen ,,binitarischen 
Monotheismus" vertreten. Das heifit, er dachte sich Gfott als Yater und 
Sohn, der Geist ist. Nach der Auferstehung ware dann d.erselbe Greist 
als heil. Greist herabgekommen. Ztu der spateren Betonung der dritten 
Person habe dann der Montanisrnus Tert. mitgewirkt. 1 ) Hieran ist 

et filium ei spiritum sanctum. Unus sit omnia, dum ex uno omnia, per 
substantiae soil. unitatem, et nihilominus custodiatur oly. ovofi las sacr amentum, 
quae unitatem in trinitatem disponit, tres dirigens, patrem et 
filium et spiritum sanctum. Ib. 3 : nullam dico dominationem ita unius sui 
esse, ita singularem, ita monarchiam, ut non etiam per alias proximas personas 
administretur, quas ipsa prospexerit officiates sibi. 4: filium non aliunde 
deduce, sed de substantia patris, nihil facientem sine patris voluntate . . . Hoc mihi 
et in tertium graduni dictum sit, quia spiritum non aliunde puto quam a pat re 
per filium. Vide ergo, ne tu potius monarchiam destruas, qui dispositionem et 
dispensalionem eius evertis in tot nominibus constitutam, in quot deus voluit. 
8: sermo autem spiritu siructiis est, et, ut ita dixerim, sermonis corpus est 
spirit us. . . . Tertius est spiritus a deo et filio. 9: sic alium a se para- 
cletum, quomodo et nos a patre alium filiiim, ut tertium gradum ostenderet in 
paracleto, sicut nos secundiim in filio, propter oixovofiiag observationem. 13: 
ubi venit Glwistus et cognitus est a nobis, quod ipse sit qui numerum retro fecerat, 
factus est secundiis a patre, et-cum spiriiu tert'ms, etiam pater per ipsum pleniiis 
manifestatus, redactus est iam nomen dei et domini in unionem. Die gauze 
okonomisclie Betrachtungsweise wurzelt in eler Grlaubensregel, wie de praescr. 13 
zeigt: der Vater schuf durch den Logos die Welt, dieser offenbart sich im alten 
Bunde, wird Pleisch, stirbt, ersteht, sitzt zur Eechten, inde misisse vicariam 
vim spiritus sancti, qui credentes agat, vgl. de yirg. vel. 1, wo die menschliche 
Schwache als Grund der allmahlichen GottesoSenbariuig erscheint, die durch den 
Parakleten oder vicarius domini die Disziplin volleudet. 

1) S. Loofs DG 4 S. 155 ff. PEE. IV 3 , 40 f. W. Macho Iz, Spuren bini- 
tarischer Denkweise im Abendland seit Tertull. 1902. Nach Loofs geht Tert. aus 
Ton dem ro'mischeu ,,binitarischen" Standpunkt, wie er bei Hernias etvva vorliegt, 
dazu sei ,,sehr bald" der apologetische nud der kleiuasiatische EinflxiB gekomnien. 
Allein 1) von einer Ghristologie Tert. vor dem Empfang der apologetischen Ein- 
wirkungen wissen wir hichts; 2) der ,,Binitarisraus" ist m. E. Mr keine Stnfe 
seiner Entwicklung wirklich nachweisbar, denn er hat zwar Christus als Geist 
bezeichnet, aber er hat diesern die Substanz Ohristi seit seiner Geburt bildeuden 
Geist, den Geist gegeniibergestellt, der auf Christus bei der Taufe kam nnd nach 
seiner Himraelfahrt auf die Glaubigeh kommt. 

22* 



340 ' 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

richtig, daB Tert. in friilierer Zeit nicht selten nur von deni Vater und 
dem Solin redet, wie das ja iiberhaupt haufig war (schon bei Paulus). 
Indessen feblt auch in seinen Anfangen nicht die Praexistenz des heil. 
Geistes. Die Entwicklung, die vorliegt, scneint mir uberaus einfach zu 
sein. Von jeher hat Tert. den einen Gott als Vater, Sohn und Geist 
gedacht, aber er besafi zunachst keine sichere Eorruel zur ITnterscheidung 
von Sohn und Gfeist. Identisch waren sie ihm aber nicht, denn der 
Greist war der vicarius Christi, und nicht Christus ist es zunachst, der 
ihn sendet. sondern der Vater (s. die Stellen S. 337 A. 2). Nach der 
Taufe Christi findet totius spiriius in dominum translatio stattj indem 
zugleich der spiritus prophetiae, der in Johannes war, abnahm (de hapt. 10 
c. Jud. 8). Da nun Christus von seiner Empfangnis an Gfeist ist, so 
erweist diese neue Geistmitteilung unwiderleglich, daB Tert. den Logos- 
geist und den heil. Gfeist unterscheidet. Aber freilich denkt er letzteren 
zunachst noch nicht als Person, sondern als vicaria vis (de praescr. 13). 
Indein aber bei der Taufe der ganze Gfeist in Christus eingeht, wird es 
auch begreiflich, daB er erst dann den Menschen zuteil werden kann, 
wenn Christus gen Himmel gefahren ist (debapt. 11 s. S. 337 A. 2). Die 
apologetische Logoslehre hat Tert. zwar von Anfang an die begriffliche 
Unterscheidung von dem Vater und dem Logos, der Gfeist ist, sofern er 
substanziell eins init dem Vater ist, klar geinacht, aber sie hot keine 
Erkenntnis uber den heil. Gfeist. Die Interpretation der Gflaubensregel 
aber hielt das Bewufitsein von dem. heil. Geist, dem vicwius und der 
vicaria vis Christi, aufrecht. Soviel ich sehe, hat der Montanisnms keine 
direkte Einwirkung auf den trinitarischen Begriff Tertull. ausgeiibt, 1 ) 
wohl aber kam er durch die monarchianische Elontroverse zur Klarheit. 
In ihr gewann er den Gedanken von der okonoraischen stufenweisen 
Selbsterschliefiung Gottes. Er fand einen Begriffi, urn die doppelte 
,. Sen dung" der Glaubensregel formal zu deuten. Dadurch erhielt der 
heil. Geist , von dem er stets gelehrt hatte , eine festere, begriffliche 
Stellung. Aber indem er Sicherheit hinsichth'ch der ,,drei" gewinnt, 
vermag er die Erkenntnis von der Einheit Gottes klarer als die Apolo- 
geten geltend zu machen. An sich ist Gott einer, aber der eine hat 
sich sowohl als Vater, wie als Sohn und als Geist in geschichtlicher 
Entwicklung offenbart. Hater sich aber so offenbart, sofolgt, 



1) DaC der Montanismus auf die Auspraguug der Geistlehre bei Tert. direkt 
eiugewirkt liabe, wie Macholz behauptet (S. 39. 41 s. schon Schwegler, 
Montanismus S. 152ft'.), ist nicht zu erweiseu. wohl aber ist der Montanismus der 
Geistlehre dadurcli forderlich geworden, dafi er das BewuBtseiii fiir die besondere 
Punktiou des Geistes (der Disziplin) scharfte s. virg. vel. 1. adv. Prax. 2: sancti- 
ficator. Vgl. auch Stier a. a. 0. S. 931. 



Sitbstantia und persona bei Tertnllian. 341 

dafi er aucb so beschaffen ist. 1 ) Diese Betrachtungsweise lauft 
eigentlich auf die des Irenaus binaus. Der Untersehied bestebt riur 
darin, dafi Tert. den ganzen stoisclien Logosapparat seiner Betracbtung 
einverleibt. Tert. hat also von Anfang an ein streng monotheistisches 
BewuBtsein mit dem Bekenntnis der Trias und den stoischen Spekulationen 
vom Logosgeist verbunden, und er ist schliefilich im Gegensatz zu dem 
Monarchianismus und in einer gewissen Abbangigkeit von ibm zu seiner 
okonomiscben Trinitatslehre gekommen, die ihn die beiden Gesichtspunkte, 
von denen er ausgegangen war, zu behaupten befabigte : die Dreineit 
und die absolute Einbeit. 

Der Begriffsapparat, mit dem er arbeitet, ist einfach. Es war vor 
allem der Gregensatz von substantia und persona. Der Substanzbegrifl; 
wurde ihm von der zeitgenossischen Pbilosopbie dargeboten : Gott ist 
ovoia. Er wurde erstreckt in Nachfolge des Melito auf Geist 
und Meiscb in Christus. War nun aber fiir Gottes und Christi Sein 
als Geist und Pleiscb eine allgemeine Kategorie gewonnen, so bedurfte 
es einer analogen formalen Kategorie fur das Sondersein des Vaters, 
Sobnes und Geistes. Tert. wahlte dafior die Kategorie persona. Er 
wird darin kaum Vorganger gebabt naben. Der in. der Recbtsspracbe 
gepragte Gegensatz von res und persona *) geniigte, um einen so formel- 



1) Die Difierenz zu dem MonarcManismus besteht darin, daC dieser die Dreiheit 
lediglicb. als Erscheinungsform verstand, wahrend Tert. die Erscheinung als eine 
der Wirklichkeit entsprechende Selbstoffenbarung Gottes betrachtet, er stiitzte sich 
dabei auf das Schriftzeugnis (adv. Prax. 11). 

2) Z. B. Gai. Instit. I, 8: omne ius, quo utimw, vel ad per son as pertinet 
vel ad res vel ad actiones, s. S. Schlofimann, Persona und -XQoawxov im Eeeht 
\ind im .christi. Dogma, 1906, S. 22 ff. und in Ztschr. f. KG. XXVII, 269 ft. 407 ff, 
Bei dem Begriff der ,,Person" ist zu beachteu, daB er das, was Avir heute Per- 
sonlichkeit und Personlebeu nennen, nicht wiedergibt, sondern nur das einzelne 
Individuum als Sonderwesen bezeiclmet. Die tertullianisehe Gegemiberstellung 
von substantia und persona hat Harnack (DG. IP, 286 Anm.) aus dem juristischen 
Sprachgebrauch Tert. begreifen wollen, d. h. Tert. hatte unter siibstantia das 
,.Vermb'gen", (z. B. Cant. 8, 7) verstanden, daber babe er freilicb ein Vermogen 
drei Personen, wie auch. zwei Vermogen einer Person zuschreiben konnen. Aber 
diese Beh.auptong.ist unbeweisbar, indem an keiner beziigl. Stelle jeiie Bedeutung 
zu erweisen ist, wogegen andere Stellen die Meiuung Tert. ganz klar stelleu, 
z. B. adv. Hermog. 3: deus siibstantia ipsius (Christi) namen id est divinitatis. 
Apol. 21 : hunc ex deo prolatum didicimus et prolatione generatum et idcirco 
filium clei et deum dictum ex unitate substantiae ; de resurr. 53: ex qua enim 
substantia pariant inter se Christus et Adam? soil, ex carne. Ibid. 2: salutem 
eius substantiae exchidant, cuius Christum consortem negant. adv. Marc. Ill, 6 
nennt er Christus filius et spiritus et substantia creator-is; ib. V, 20: de Christi 
substantia putant . . ., quod phantasma carnis fuerit in.Christo, de carne Chr. 9: 
humana substantia corporis; adv. Prax. 2: tres autem non statu .sed gradu, nee 



342 14. . Die Theologie der antignostischen Vater. 

gewandten Mann \vie Tert. auf die Anwendung von persona iin Gegen- 
satz zur Substanz zu bringen, ein Grieche hat damals sicher nicht von 
rtgoacortov geredet. Ziu diesen Begriffen kamen die biblischen Wendungen 
(Vater, Sohn, Geist, senden, hervorgehen usw.) und die stoische Logos- 
terminologie, und endlich der Begriff der Okonornie, es spricht manches 
dafur, dafi Tert. diesen aus kleinasiatischer Tradition empfing. 

So ist eine Trinitatslehre gepragt worden, die in Hirer Einiachheit 
und Abgeschlossenheit einen imponierenden Eindruck machen riiuBte und 
inachte. Tert. spracb die Spracbe der Wissenscnaft und er sicberte die 
loeiden religiosen tJberzeugungen von der Einheit Gottes und seiner 
Dreiheit. Er steckte die Grenzen ab mit wunderbarer Sicherheit und 
einem formalen Gescbick obne gleicben. Er gewann eine forniale Er- 
kenntnis von der Sacbe, die seinem juristiscben Geist geniigte und die 
dem geistigen Bedarf seiner Kirche entspracb. Er lebrte rascb und klar 
sicb iiber die ,,Hauptsachen" zu orientieren ; darum sind seine Fornieln 
fur die abendlandiscbe Kirche inafigebend geworden. 

Und mit derselben Sicberbeit und Klarbeit wufite er Licbt in die 
Christologie zu bringen, wieder mit dem einfacben und gelebrten Scbema 
der Substanzen und der Person. Wie klar wurde nun alles. Er wollte 
die kirchliche TJberzeugung wiedergeben, und er tat das iin Gegensatz 
zu der Christologie der Gnostiker. Dafi Cbristus der Sobn des Scbopfers 
ist, war der eine Gesicbtspunkt, dafi er wirklicber Menscb geworden und 
dafi er beides zumal Gott und Menscb gewesen ist und bleibt seit der 
Menscbwerdung, waren der zweite und dritte Gesicbtspunkt. Freilich 
inachte sicb der formale aufierliche Zug seines theoretischen Denkens 
bier nocb deutlicber merkbar als in seiner Trinitatslehre. Es gibt Stellen, 
in denen Tert. redet wie ein Apollinarist : der Logos verband sicb als 



substantia sed forma . . . unius autem substantiae et unius status etc.; de carne 
Chr. 13 fin.: quodsi una caro et una anima . . . salvus est mmerus duarum 
substantiarum; ib. 6: hiimana sitbstantia corporis; de an. 32. Welchen Sinn 
Tert. mit substantia verbindet, ist liiernacli uiizweifelhaft, s. noch den Ersatz von 
substantia durch materia, de praescr. 20 in. Dazu kommt der Sprachgebraucli 
des Melito: -ras Svo afaov otialas s. die Stelle oben S. 277. An Gottheit und 
Menschheit Christi dachte Tert. also. Wenn nun die Einneit . dieser Substaiizen 
in e iii em Wesen der Gnosis gegeniiber festzuhalten war (vgl. Iren. Ill, 16, 5: 
dividunt dominum . . . ex alterd et altera substantia dicentes eum factum cf. V, 
14. 2), so ist die Entstehung jener Formeldoch nicht tinbegreiflich, s. jetzt Esser, 
Die Seelenlehre Tert. S. 61 ff.; Stier, Die Gottes- und Logoslelire Tert. S. 72 ff. 
tibrigens weist Scblofimann a. a. 0. 121 ft nach, dafi der von Harnack kon- 
struierte Zusammenhang iiberhaupt keinen juristischen Charakter tragt, soferu 
,,Verm6gen" kein juristischer Begriff, und ein Vermogen nach juristischem Begriff 
nie mehreren Personen.und mehrere Yermogen nur in besonderen Fallen einer 
Person gehoren konnen. 



Christ! Werk nach Tertullian. 343 

geistiges Prinzip mit dem Fleisch Jesu. Aber das ist seine Meinung 
sicher nicht gewesen. Aber man wird nicht Mar iiber sie. Die Haupt- 
frage nach der individuellen geistigen Selbstandigkeit des Menschen Jesu 
1st ibm durch seine Formel verhullt worden. Nicht nur die Betonung 
der menschlichen Seele Jesu, sondern vor.allem die Unterscheidung des 
Tuns und Leidens der beiden in Christus vereinigten Substanzen (s. oben) 
machen den Schlufi unvermeidlich, dafi Tert. sich die Menschheit Jesu 
als personlich gedacht haben . mufi, 3 ) dafi also die Menschwerdung nur 
den Sinn einer Vereinigung der Logosperson niit dem Menschen Jesus 
homo &ius nennt T. diesen hat. Aber ist dies der Fall, welchen 
Sinn hat dann die una persona der beiden Substanzen Christ! ? Hier 
lagen Schwierigkeiten vor, die Tert. nicht empfunden hat, und an die 
seine formalen Begriffe nicht heranreichten. Aber seine christologische 
Formel schien doch das Problem der Christologie zu losen, darum hat 
auch sie sich durchgesetzt. "" 

19. Irenaus und Tertullian befolgen die beiden Typen der Christo- 
logie, die wir fruher. kennen gelernt haben (S. 100 f.). Irenaus denkt an 
eine wirkliche Menschwerdimg , Tert. dagegen lafit den Logos den. 
Menschen Jesus annehmen. Demgemafi unterscheiden sich auch die 
Yorstellungen vom Werk Christ bei beiden Mannern. Wahrend Irenaus 
an einen umfassenden Vergeistigungsprozefi der Menschheit durch Christus 
denkt , f aBt Tert. das Werk Christ! wesentlich als Belehrung , Auf- 
klarung und Mitteilung des Gesetzes. Christ! ganzes Auftreten in der 
Menschheit dient der Anleitung zu gottlichem Handeln. 2 ) Ihm ist die 
Mystik fremd, er rationalisiert wie die Apologeten. Es ist begreiflich, 
dafi Tert. bei seiner scharferen Fassung des personlichen Menschlichen 
in Christus, haufiger als Irenaus an das Leiden Christi gedacht hat. 
Indem ihm der Gredanke der fur die Schuld Grott zu leistenden Satis- 
faktion gelaufig ist, erwartet man, dafi er auch Christi Tod unter diesen 
Gresichtspunkt riickt. 3 ) Aber die Erwartung geht nicht in Erfiillung. 



1) Man kann hier an Hermas erinnern (S. 97 f), den Tert. friih gekaimt uud 
geschatzt hat. 

2) S. Apol. 21. c. Prax. 8. 13. de praescr. 13. c. Jud. 6. c. Marc. II, 27. de 
pat. 3. 6. de orat. 4. 

3) Die spatere Opfer-Satisfaktionstheorie ist ebenso eine Kationalisieruug ur- 
christlicher Gedanken, wie die Uimvandhmg der Geistwirkung Christi in der 
novus legislator; um so mehr hatte sie bei. Tert. stehen konuen, scorp. 7 streift 
an sie heran, biegt sie aber auf die Martyrer ab. Adv. Jiid. 6 spricht yon Christiis 
als dem sacrificiorum aeternorum antistes als Ersatz fur die jiidischen Opfer, 
bezieht sich aber nicht auf ein Opfer am Kreuz, also war dieser Gedanke Tert. 
nicht gelaufig-. Adv. Jud. 10 wird zu Deut. 21, 23 die Bemerkung gemacht : non 
pro meritis suis in id genus mortis expositus est, sed ut ea, qnae praedicta sunt 



344 14. Die Tlieologie der. antignostischen Vater. 

Was er liber den Tod Christ! sagt, reicht niclit hinaus iiber die fiber- 1 
kommenen Yorstellungen. Der Tod Christi 1st swnmum fundammtum 
evangelii et salutis nostrae et praedicationis suae, namlich des Apostels 
nach 1. Kor. 15, 3 f. Der. Tod Cliristi ist der Zweck seines Kommens 
in die Welt, er zerstort unseren Tod, denn um unserer Siinde wilien 
ist Christus gestorben, \vie die m$ dominici sanguinis reinigt von Siinden. 1 ) 
Endlich hat Tert. dem Tod Christi auch die Wirkung zugeschrieben r 
dafi er die TJnsterblichkeit bringt, und so das Eleisck des Menschen 
als die Braut mit deni gb'ttlichen Geist als dem Brautigam. vereinigt. 2 ) 
20. Die Christologie Hippolytes hat auf die dogmengeschicht- 
liche Entwicklung keine positiven Einwirkungen ausgeiibt. Daher 
miissen einige Bemerkungen iiber sie geniigen, sie dienen zur Vervoll- 
standigung des Bildes vom-'Grlauben jener Zeit. 3 ) Christus ist der 
Logos, den der Vater aus seiner Substanz zeugte und der aus seinem 
Munde hervorging. 4 ) Er ist der Mittler der Schopfung und der Schopfer 
der Welt und schon irn A. T. als Offenbarer wirksam (c. Noet. 10. 
Eef. X, 33. de Antichr. 26. 31 f. in Daniel. I, 9, 8. in theophan. 2).' 
Im Unterschied zu alien Kreaturen teilt er die ovata -3-eov , er ist 
f.iovoysvi]s v.ttTa i^v -3-si^rjv ovaiav (Eef. X, 33. in theoph. 7). Hippolyt 
ist Subordinatianer : devzegos y.vtu TOV narsQa mbg 3-sou (in Dan. IV, 
11, 5). Das Verhaltnis von Vater, Sohn und Greist charakterisiert er, 
Tertull. folgend, durch die Kategorie rtgoatortov : rtcarjQ {.isv yaq elg, 



a prophetis, per vos (die Juden) ei obventura implerentur. Aber ib. 13 heifit es : 
liunc enim oportebat pro omnibus gentibus fieri sacr^fici^lm, nach Jes. 53, 7f. ; 
ib. 14 : effectus liostia per omnia pro omnibus nobis. 

1) c. Marc. Ill, 8. de pat. 3 de earn. Chr. 6. de bapt. 11. scorp. 7. de cult, 
fern. I, 1. c. Jud. 10 ff. de pud. 19. 22. 

2) de resurr. 63 : Christus als seqiiester zwischen Gott und Fleisch wird beide, 
die er in sicli vereinigt hat, mitemander vereinigen, indem er sponscmi sponso 
et sponsum sponsae comparavit. Dagegen kann gesagt werden, dafi die Seele die 
sponsa ist, dann ware der Leib Avenigstens ihre Mitgift, aber auch die caro 
selbst ist sponsa, quae et in Christo lesu spiritum sponsum per sangiiinem 
pacta est. 

3) Vgl. Bonwetsch, Studien zu den Kommentaren Hippolyts 1897, S. 34 ff. 

4) In cant. 11 : Das Wort sprang voin Himmel in den Leib der Jungfrau, 
es sprang aus dem Mutterleib an das Holz, es sprang vom Holz in den Hades, 
es sprang hinauf auf die Enle ivieder der neuen Auferstehung , sprang 
wieder von der Erde in den Himmel. So setzte er sich zw Rechten des Vaters. 
Diese Darstellung des Lebens Christi in j^priingen" im Anschlufi an Cant. 2, 8 
(siehe mein Bruder kam spring-end iiber die Berge) hat Hippolyt gepragt, sie 
findet sich dann bei Ambrosius (de Isaac et anim. 4, 31), Gregor d. Gr. etc. und 
in der angelsachs. nnd deutschen Literatur,. s. E. Seeberg, die german. Auffassung 
d. Christent. etc. in Ztschr. f. kirchl. Wiss. 1888, 103. 



Die Christologie Hippolyts. 345 

de dvo , OTI -/.at b vios> vo de TQLTOV w ayiov ftveu(.ia 
(c. Noet. 14). Der Ao'j>og aaaQKOg wurde Adyog evactQXog, oeoaQ- 
MOf.iVOv 10V koyov "/at ivav&QtojtrjGaVTOg, indeni er Meisch und eine 
i]Jv%r] 'koyui/i annahm (in Dan. II, 33, 5. c. Noet. 4. 17. 12. 15. de 
Antichr. 4). So ist der Logos wirklich Mensch geworden (c. Noet. 18). 
Er zog das heilige Meisch. aus der heiligen Jungfrau an wie ein 
Bratitigam sein Gfewand (de Antichr. 4), und zwar Ivcc rbv Ix 
rtciQ^svov iiv&QtOTtov 7tevdvG(x/.i6vo$ vlbg &EOV xal vib$ av 
&v aTtodeift&fi (in Dan. IV, 39, 5). 1 ) Er, der an sich unfafibar ist 
wie der Vater, hat durch seinen Willen sich. befassen lassen vom Leibe 
(alia S-e'kwv S^MQ^&Y] iv Gto(.icm e^ipv^ii) "VYW. II, 269). Er verbarg 
so in seiner menschlichen Leiblichkeit TO T^g ^eorjyTOg a^uof.tc( (intheoph. 4). 
Erst als der Menschgewordene ist Christus der ,,vollkonunene Sohn", 
sein Eleisch aber hat am Logos die Bedingung seines Bestandes. 2 ) Es 
ist ihm av&gwftivov ogyavov (WAV. II, 267). 

Die Christologie Hippolyts gibt die seit den Apologeten brauchlich, 
gewordenen Gedanken wieder. An mehreren Stellen gewinnt man den 
Eindruck von der personlichen Selbstandigkeit der Menschheit Jesu 
(vgl. Tertull.), aber eine Stelle \vie die zuletzt angefiihrte notigt zxir 
Einschrankung dieses TTrteils. Hipp, hat sicli Jesus als ,,einen Menschen" 
gedacht, aber einen Menschen, der zur Wirklichkeit seines Bestandes 
des Logos bedarf. In der Erlosungslehr e hat Hipp, sich Irenaus 
angeschlossen , indem er haufig den Gredanken ausfiihrt , daB der 
Logos sich mit Adam vereinigt und dadurch. das Menschengeschlecht 
ernetiert habe. 3 ) Demgemafi ist die Mitteilung der Unsterblichkeit der 
eigentliche Zweck Christi (c. Noet. 17). Eine Umwandhing dtirch den 



1) Vgl. einFrg.WW.II, 121 : 'iv o TCQCOTOTOXOS loyos &sov nocoromxco av&gcbncp 
avvartTo fievos Ssift&ij. 

2) C. Noe't. 15: owe y&(> aaaoxos xul "/.ad* eawtbv o hoyos re'f.eios f t v vlos 
re^eios hoyos wv fiovoyevtfg), ov9 ? fj aa^^ y.a\f SUVTI/V Si%a rov loyov 

ai ijSvvaro 81,01, TO ev 1.6ycp ii]v ovotaot,v e%eiv. Hiernach ist also die Sohnschaft 
Christi erst durcli die MenscliAverd\ing Yollendet, die Menschheit Christi >vird 
aber ,,aoihypostatisch" gedacht. Spatere Gedanken bahnen sick Mer an. Uber 
die Hadesfahrt Christi s. die Stellen oben S. 103 A.I. Die Taufe brachte Cnristus 
den Geist der Trar^nx?) %d^is (de Antichr. 4 cf. in theoph. 7. 8). Noch sei be- 
inerkt die altertiimliche bekenntnisinaflige Wendnng hinsichtlich der Entstehung 
der Menschheit Jesu WW. II, 147: '/.am av&ocoTtov IOVTEOTIV I-/, T/JS Tia.od'evov xal 
rov ayiov Tti'eij l uaros- 

3) de Antichr. 4 : 6 loyos . . . sveSvaaTO ii)V ayiav adyxa . . ., oncos ovyy.sgdaas 
TO d'yrjTov fj{.iK>v ff&fia TIJ euvrov Swdfiei v.ai fillets TO (f>d"ccoTbv T(5 dy&doTco . . 
debar) ibv duioUxfievov av&qcoTtov. 26: avfrowTtos . . Eyevvijfrt] avaTtkdaatov f 
eavTOii ibv ^ASdf.1. in Dan. IV, 11, 5: n^coroTOXov /, TtaoQ'evov, Iva. ibv TIOCOTO- 

ov 'ASdiu sv eavTfS ava.7tha.aomv 



346 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

heil. Greist findet bei der Taufe roit dem Menschen statt, die ihn zum 
Gfott maclit und ilim in der Ewigkeit das Erbe Cliristi sichert. Das 
sind irenaische Gredanken, aber Hipp, deutet sie gern ins Aufgeklarte, 
so, daB die Grebote Christi die. Krafte des ewigen Lebens sind und daB 
die Befolgung der Grebote die Unsterblichkeit mit sich bringt. 1 ) 
Im iibrigen sind die Gedanken von der Erlosung durch Christi Leiden 
und Tod bei Hippolyt reichlicher als bei Irenaus vertreten, aber sie 
ermangeln der lehrhaften Pragung. Christus bat die Sunder erkauft, 
das Gresetz fur sie getragen, den Teufel gebunden, von inm und der 
Siinde gerettet, durcb den Tod den Tod besiegt, durcb das Kreuz das 
Leben geschenkt (Erg. WW. II, 91. 267. de Anticbr. 26. in Dan. IV, 
33, 4. II, 36, 8) usw. 2 ) So versteht Hipp, in niannigfaltigen Wendungen 
von der Bedeutung des Leidens Cliristi zu sprechen. Die Hauptsaclie 
wird auch Her sein , daB durch Christi Tod wir vom Tode befreit 
sind. Denmach darf man sagen, daB Hipp, in Abhangigkeit von 
Irenaus die Eiiosung als Durchdringung der Menschheit mit geistiger 
Lebenskraft, als Vergottlichung verstanden hat. Dieser Gfedanke wird 
aber praktisch reduziert auf die Mitteilung von Grlauben und Gresetz. 
Dazu konnut als zweiter Gresichtspunkt die durch den Tod Christi 
bewirkte Befreiuug von dem Todesgericht. Das Leben Christi gibt das 
Leben. der Tod Christi befreit vom Tode ; jenes iibt eine positive und 
reale, dieser eine negative und ideelle Wirkung aus. So etwa kann 
man die Empfindungen Hippolyts wiedergeben. Sie zeigen, wie stark zu 
Beginn des 3. Jahrhunderts auch in Rom die johanneische Auffassung 
des Christentunis \virksam gewesen ist, freilich nicht ohne nioderne 
TJmpragungen und Abplattungen. In der Auschauung vom Werk Christi 
steht Hipp, unter dem Einflufi der johanneisch-irenaischen Anschauung, 



1) 111 theopll. 8 : 6 if/s d&avaaias Ttarrj^ ibv afrdvarov vim' y.al koyov 

sis fbv xofffiov, og dcpiftdfievos sis ibv oivi) ficoTtov /,OTjoaad'at iiScm y.cCi 7ivsvfia.ii, y.ai 
dvayswijoas Ttgbs a.tpQ'a.rtoiav yv%fjs IB y.cu awfiaios Eve<pvar/osv i^uTv nvs'Of.ta ,cofjs . . . 
El oiiv ad'avaioe yeyovev 6 av&gcoTtos, effTai y.cu -d'eos' el Ss 3'ebs . . . ylvsrai, 
svfiiay.sTai y.ai ovy?.).)]()ov6/.ios XQIOTOV fiera. i^v ex VEVQWV avdaraaiv. Eefllt. X, 34 : 
yeyovas yd./) d'eos . . ., on ed'eoTtoijj&ris d&avards yevi'i^d'els . . Xgiarbs ydg . . . 
og TIJV aftagriav e dvd"^w7ia>v dnoTt^vveiv ittioaeia^e, veov ibv Tiakaibv civ&Qconov 
dTtore'/MV . . ., oil TtQooi&yfiaaiv iiTtaxovoas osfivols y.ai dyaO'ov dyad'bs yevdfieios 
f.uf.t,r]ti]s ear] Sfioios im? a-iirov itf.irj&sis' ov ya.Q TIICO^SVSI, d'eos y.ai ae -d'ebv 7toti]aas 
sis So^av avrov. Fl'g'. WW. II,' 162f. : (Christus) a>s aiiro^corj rovg vys yvwaecos 
y.ai aQEifjs y.aoitovg ws SevSfiov eft^dafrjaev e ov ol eadiovies aeiKfoiav )tijif>ovTai. 
Christus als Gesetzgeber in Cant. 11, de Antichr. 13. 59. 

2) S. auch Christus als Konig und Priest&r nach dem Fteisch geboren in 
,,Erklarung der Segmmgen Mosis" 3. 23 (Bonwetsch, drei georgisch. erhaltene 
Schriften v. Hipp. S. 51. 89), in Dan. IV, 30, 9, nur gelegentliche Erwahnung; 
Kouig de Antichr. 6, ,.hinimlischer Priester" in Dan. IV, 32, 6. 



Heilsgiiter imd Heilsstand. 347 

seine Auffassung der Person Christi entspricht mehr der Tertullians 
und der Apologeten. 

21. Die Ans chaining vom Werk Christi steht in einem festen 
inneren Zusammenhang zu den Heilsgiitern des Christentums, tind diese 
wiederum bedingen die Eigentiimlichkeit des Heilsstandes. Nun wird, 
wie wir friiher gesehen haben und wie es sich uns jetzt wieder be- 
statigt hat, das Heilswerk Christi gemafi der Idee des neuen Btindes 
auf die Siindenvergebung und auf die Geistniitteilung bezogen. Aber 
letztere kann entweder mystisch oder rationalistisch gedeutet werden. 
DemgemaB werden als Heilsgiiter die Siindenvergebung einerseits, die 
Heiligung oder die Mitteilung des reformierten Gesetzes andererseits 
angesehen. Hieraus ergibt sich, dafi der Heilsstand entweder mehr als 
neues unsterbliches Leben oder als Erfullung des Gresetzes betrachtet 
wird. Noch eins fallt in dieseni Zusammenhang auf. AVird Gfott als 
der wirksame Lebensspender vorgestellt, so ist das Heil eine gegen- 
Avartige GroBe, der Glaube ein gegenvvartiger Besitz, und das Eeich 
Gottes ist jetzt schon da; wird Grott als der fordernde Gresetzgeber gedacht, 
so niufi das Heil und Leben als zukiinftiger Lohn , der Gflaube als 
Furcht und Hoffnung, das Eeich Gottes als rein eschatologische Grrofie 
betrachtet werden. Diese Gfesichtspunkte bringen EUarheit in die 
mannigfachen Yorstellungsreihen, die uns bei-der Schilderung des per- 
sonlichen Christentums bei unseren Vatern begegnen und -die vielfach 
ineinander iibergehen und sich miteinander kreuzen. Es ist selbst- 
verstandlich , dafi keiner der bezeichneten Gresichtspunkte bei einem 
Autor ganz f ehlen kann, dabei kann aber die Betonung und Abstufung 
der betr. Elernente iiberaus verschieden sein. Bei Irenaus richtet sich 
das Interesse ganz auf die "Wledergeburt und Heiligung oder das neue 
Leben, bei Tertullian dagegen wiegt fraglos vor die sittliche Leistung 
clem Gresetz gegeniiber. Aber keinem von beiden fehlt darum der 
'Gresichtspunkt des anderen. Iren. erblickt den Zweck dieses neuen 
Lebens in der Erfiillung der Grebote des sittlichen Naturgesetzes und 
'Tertullian lafit dem Menschen den Geist rnitgeteilt werden, um die 
"Werke des Gesetzes tun zu konnen. Ahnlich wie Iren. iirteilt Hippolyt, 
nur dafi bei ihm die Unsterblichkeit und die Erkenntnis konkreter und 
aufierlicher als in der irenaischen Mystik gedacht sind. 

Das neue von Christus geschenkte Leben wird aber in der Barche 
erfahren. Je lebhafter das Bewufitsein von der Kirche wurde, desto 
deutlicher wurde dies Leben von bestimmten kirchlichen Institutionen 
abhangig gemacht, von dem Wort der Verkiindigung und von dem 
Taiifakt. Gerade der Zusammenhang mit der Taufe liefi eine gewisse 
Kontinuitat mit den alteren Anschauungen f ortbestehen, denn die iiber- 



348 14- Die Theologie der antignostischen Vater. 

komnienen Brauche xind Formeln erhielten das Bewufitsein der urspriing- 
lichen Heilsguter aufrecht. 

Blicken wir zunachst auf den Heilsstand bei Irenaus. Gliristus 
giefit den Geist des Vaters auf die Mensclien aus, um eine Gemeinr 
schaft zwischen ihnen und Gott herzustellen (effundente spiritum patris 
in adunitionem et communionein dei et hominis, V, 1, 1). Nun 1st aber 
der Geist in der Kirche als dem Gefali des Geistes. Also ist es die 
Kirche, die ihre Glieder niit heiligem Geist durchdringt, belebt und 
heiligt (in. 24, 1 s. den Text oben S. 309 f . A. 2). Es ist vor allem 
die apostolische Wab.rb.eit als das Cbarisma der Kirche (oben S. 307), 
das diese "Wirkung ausiibt, es ist aber dann auch die Taufe (s. unten). 
Keineswegs meint Iren. das so, als wenn der heil. Geist in nichts 
anderem bestande, als in der Bichtigkeit oder Vernunftgemafiheit der 
Kircbenlehre , sondern er denkt sich den Geist als eine xiberirdische 
Macht, die in das Leberi des Menschen eingreift, rnir dafi diese Macht 
eben in keiner anderen Form wirksam wird als durch die Lehre und 
die Gnadenmittel der Kirche. Nachdena der heil. Geist sich daran 
gewohnt hatte in den Propheten und im Menschen Jesus, auf den er 
bei der Taufe herabkam, zu wohnen, wohnt er auch weiter in der 
Menschheit, und zwar volunlatem patris operans in ipsis et renovans 
eos a vetustate in nowtatem Christi (HE, 17, 1. TV, 14, 2). Wie ein 
Pfropfreis ist er in die Menschheit eingegangen und macht die Menschen 
geistlich (V, 10, 1). Mit den Menschen findet eine transmutatio in melius 
statt durch die insertio und infusio spiritus (V, 6, 2). Der Mensch 
enipfangt die Gerueinschaft Gottes und damit alle Gaben der Erleuchtung 
und des Lebens : Tovtoig tyv ISiav TCaQey^et, xoivcovlav ' xoivwvla de 
&sov Ceo?) xui> y>G>S xai artohavoig T&V natf amov ayadcov (V, 27, 2). 
Dadurch Avird die Substanz des Menschen nicht verandert, sondern, 
inclem der Geist seiner Seele einwohnt, wird der Mensch vollendet zu 
der Vollkomnienheit der Ahnlichkeit init Gott. Zu der urspriinglichen 
Vollkommenheit des Menschen gehort, dafi der Geist Gottes in ihm ist r 



1) V, 6, 1 : secundum partidpationem spiritus existentes spirituales, seel non 
jjer defraudationem et inter ceptionem carnis . . . Si enim substantiam tollat 
aliquis carnis, id est plasmatis, et wide ipsum solum spiritum intelligat, iam non 
spiritualis homo est, quod est tale, sed spiritus hominis aut spiritus dei. Cum 
autem spiritus hie commixtus uhitur plasmaii propter infusionem spiritus 
spiritualis et pzrfedus homo factus est. Si autem defuerit animae spiritus, ani- 
malis est vere, qui est talis et carnalis derelictus imperfectus erit, imaginem 
quidem Jiabens in plasmate, similitudinem vero non assumens per spiritum. 
V, 10, 2: homo per fidem insertus et assumens spiritum dei, substantiam 
quidem carnis non amittit, qualitatem auiem fructus operum 
immutat. . 



Das neue Leben nach Irenans. 349 

denn dieser leitet dann die Seele, die sonst voin Fleisch und seinen 
Liisten unterworfen wird (V, 9, 1). So wird. der Mensch durch den 
Geist vollendet zum Leben und zugleich wird wiederhergestellt pristina 
hominis natura, seinen AbschluB erreicht dieser Prozefi durch die Auf- 
erstehung und die Verklarung (V, 12, 2; 10, 1; 8, 1). Die ,,Substanz" 
des Menschen bleibt, aber die ,,Qualitat seiner Friichte" wird ver- 
wandelt (V, 10, 2). So ist also Gottes Geist im Menschen und dieser 
wird dadurch was er sein soil und was er nicht war. 

In diesein neuen Lebenszustand ist der Geist also das innerlich 
bestimmende Prinzip im Menschen. Sowobl der Mensch ist hierbei 
tatig als Gott. Aber Gottes ist das Wirken, des Menschen die Hin- 
nahine dieses "Wirkens oder das durch dasselbe bedingte Werden. Der 
Mensch soil sich umterwerfen in Glauben und Gehorsam, dann rnacht 
Gott aus ihm den vollkommenen unsterblichen Menschen. 1 ) Nicht Gott 
bedarf der Menschen, aber sie bediirfen sein. Und wer dem Heiland 
nachfolgt, der empfangt eben dadurch Licht. und Leben. 2 ) In diesen- 
grofiartigen Gedanken, die das ursprungliche Verstandnis des IVesens 
des Christentuins wunderbar klar ausdriicken, hat Iren. seine Frommig- 
keit auszusprechen vermocht. Der Glaube ist die Hinnahme der 
Wirkungen des allwirksamen Gottes, die gehorsame TJnterwerfung unter 
seinen Willen. Demgemafi kann der Glaube sowohl bestimmt werden 
als die Erkenntnis und Anerkennung Gottes und Christi und der 
lebensvolle Anschlufi an Gott (IV, 5. 4f. ; 7. 2; 2, 7), wie auch als 
der tatkraftige Gehorsam gegen Gott und sein Gebot. 3 ) Der neue durch 

1) IV, 39. 2 : si ergo opera del es, manum ariificis tui exspecta . . . Praesta 
autem ei cor tuum molle et tractabile . . . Fabricavit substantiam in te manus 
e^^ls l liniet te et ab intus et foris auro puro et argento . . . Facer e enim 
proprium est benignitatis dei, fieri autem proprium est hominis 
naturae. Si igitur tradideris ei quod est tuum, id est fid em in eum et 
s^l,biectione'>n, regies eius artem et eris perfectum opus dei. IV, 38. 3: 
vTco-cayi] Se &EOV acp&apaia y.dl 7ia^a/.iovi] ay&agaias So^a dyet>v>]TOs. IV, 11, 2 : 
et hoc deus ab homine differt, quoniam deus quidem facit. homo autem fit . . . 
Queamadmodum enim deus semper idem est, sic et homo in deo inventus semper 
proficiet in deum . . . Exceptorium enim bonitatis et organum clarifications eius 
homo gratus ei, qui se fecit. 

2} IV, 14, 1 : nee nostro ministerio indigens iussit, ut eum sequereimw, sed 
nobis ipse attribuens salutem. Sequi enim salvatorem participare est 
salutem, et sequi lumen percipere est lumen . . . Sic et servitus ergo 
deum, deo quidem nihil praestat . . ., ipse autem sequentibus et servientibus ei 
vitam et incorruptelam et gloriam aeternam attribuit. Vgl. IV, 5, 3 : i}xo/.ov0^as 
(Abraham) rcu ).6y(p, a&iov ^evnevcov, Iva avv TCO ).6yco no'/.nevO'il. Diese Siitze 

geben den urspriinglichen Sinn der ,,Nachfolge Christi" iu klassischer Keinheit 

wieder (ygl. E. S e e b e r g , Aus Eel. u. Gesch. I, 2 ff.). Den yulgiireu Sinn s. IV, 12. 5. 

3) IV, 13, 1: primo quidem non tantum in patrem, sed et in filium eius 



350 14. Die Theologie der antignostisehen Vater. 

den Greist gewirkte Lebensstand bestelit also -im Grlauben und der Liebe, 
und in nichts anderein. Mit dem Gresetz hat der Christ nichts zu 
schaffen, denn er braucht es nicht: Daft die Menschen nicht nacli dem 
Vielewortemachen des Gesetxes, sondern nach der Kurxe des Glaubens 
und der Liebe leben sollten, sagl Jesaja (Jes. 10, 22 f.). Dureh den 
Glauben an ihn (Christus) lern&n wir Gott von .ganxem Her Ken lieben 
und den Ndchsten wie uns selbst . . . Darum haben wir auch kein 
Gesetz %um Erzieher no tig, siehe, wir sprechen mit dem Voter 
und stehen ihm von Angesicht %u Angesicht gegenilber. Es wird 
nichi geboten einen Tag in Ruhe und Mufie %u%ubringen dem, der jeden 
Tag den Sabbat halt d. h. im Tempel Goties , wekher der Leib des 
Menschen ist, Gott den ivurdigen Dienst leistet und, jede Stunde die 
Gerechtigkeit tut (epideix. 87. 95. 96). In bewunderungswiirdiger "Weise 
komrat Her ein pauliniseher Hauptgedanke zum Ausdruck, wie ihn so 
klar keiner der alteren Vater zu forinulieren gewufit hat. Es ist also 
ein innerlicher freier Grehorsam, an den Irenaus denkt: Es ist base Gott 
nicht %u gehorchen, wie Gott gehorchen gut ist (epid. 34). Bei dieser 
Grundanschauung ist es selbstverstandlich, dafi auch der gute Wandel 
und die "Werke, die aus dem. Greist hervorgehen, stark betont werden. 
In alien Tugenden wandeln die Christen, da der heil. Geist bestandig in 
ihnen verweilt (epideix. 42). Vivificamur oper antes ea, quae sunt spiritus 
(V, 11. 2): Den reinen Tieren vergleicht Iren. die rechten Christen. 
Zweihuf er sind sie, welche zuni Vater und Sohn im Glauben festen 
Schrittes gehen (in patrem et folium per ftdem iter formiter faciunt), 
und den Wiederkauern gleich, sinnen sie Tag und Nacht iiber Grottes 
Wort nach, um sich mit' guten Werken zu schmucken (uti operibus 
bonis adornentur, Y, 8, 3). ] ) 

Alle diese Gedanken, in denen die spezifische Eigenart der Er- 
losungsreligion zuui Ausdruck kommt, hat Ir. im Anschlufi an Paulus 
Gfeistlehre entwickelt und - sie niit einer Eulle pauliniseher Zitate belegt. 
Er hat die pneuniatische Seite des Paulinismus in der Tat tief nach- 
zuempfinden vermocht. 2 ) Dagegen versagt sein Yerstandnis deni Recht- 



iam manifestatum credere, hie est enim qui in communionem et unitatem dei 
homineni inducit. Post deinde non solum dicere, sed et facere. IV, 6, 5 : et 
ad hoc filium revelavit pater, itfcper eum omnibus manifestetur et eos q^^idem, 
qui credunt ei iusti, in incorruptelam . : . recipiat, credere autem ei hoe 
est facere eius voluntatem. 

1) Auch fur die weltliche Kulturarbeit hat Iren. Sinn gehabt; den aske- 
tischen Einsiedler entscliuldigt er, quod ignoret necessitates nostrae conversationis 
s. IV, 30, 3. 

2) Es ist von groBein geschichtlichem Interesse, dafi ein Mann wie Ireu. in 
den pneximatischen Elementen den 'Kern der paulinischeu Lehre erblickt hat. 



Die Rechtfertigung bei Irenaus. 351 

f ertigungsgedanken des Paulus gegenuber. Das ist verstandlich. 
Seine Gesamtanschauung vollendete sich in dem Gedanken, dafi durch 
das Wirken des Geistes die Menschen gut gemacht Averden, die Ge- 
rechtigkeit, die das Gesetz verlangt, wird vom Geist in ihnen gewirkt, 
dabei konnte er an den Glauben. oder an die Werke das Urteil ge- 
recht" kniipfen, aber nie in dem Sinn der imputierten Gerechtigkeit, 
sondern so dafi die Wiedergeborenen und Erneuerten, in denen der Geist 
wirkt, eben darum als gerecht anzuseben sind. Wie in der TJrzeit der 
Mensch durch das den Herzen eingeschriebene sittliche Naturgesetz ge- 
recbtfertigt -wurde, so hat Christus sein erweitertes und vertieftes Gesetz 
entgegen dem fordernden alttestamentlicben Bucbstaben durch den 
Geist in dem Christen wirksam gemacht, und dadurch werden sie gerecht. 1 ) 
Damit ist die paulinische Rechtfertigungstheorie abgeschnitten , Iren. 
interpretiert Paulus im Kahmen seiner johanneischen Grundanschauung. 
22. Den geistlichen Entwicklungsprozefi des Menschen faBt Irenaus 
als eine gottliche Okonomie auf (z. B. TTT, 24, 1), Tertullian redet von der 
salutaris discipline/, (de pat. 12). Bin charakteristischer Unterschied 
der Heilsanschauung pragt sich hierin aus. Iren. denkt an einen von 
Gottes Ordnung gewirkten inneren Gesundungsprozefi des Menschen, der 
in konsequenter Entwicklung im ewigen Leben miindet, Tert. empfindet 



1) IV, 13, 1: qiiia dominus naturalia legis, per qiiae homo iustificatur, quae 
etiam ante legisdationem custodiebant, qui fide iustificabantur et placebant deo, 
non dissolvit, sed extendit etimplevit, ex sermonibus eius ostenditiir, Matth. 5, 27 f. 
21. 22. 33 f. 20. . . Haec autem (Christus) non quasi contraria legis docebat, sed 
adimplens legem etinfigens iustificationes legis in nobis. IV, 16, 3: 
iusti patres virtutem decalogi conscriptam habentes in cordibus et animabus suis 
diligentes soil, dcum . . et abst inentes erga proximum ab inmstitia; propter quod 
non fuit necesse admoneri eos correptoriis litteris, quia habebant -in semetipsis 
institiam legis. Ik 5 : quae autem naturalia et liberalia et communia omnium 
auxit et dilatavit (Christus), sine invidia largiter donans hominibus per adoptionem 
patrem scire deum et diligere eum ex toto corde et sine adversatione sequi eius 
verbum, non tantum abstinentes a malis operationibus, sed etiam a concupiscentiis 
earum. Uber Gesetz und Evangelium s. Ill, 18, 7. V, 10, 1 : sicut igitur qui 
in melius profecerit et fructum operates fuerit spiritus, omni modo salvatur 
propter spiritus commiinionem, sic et is, qui remanserit in praedictis 
carnis operationibus, carnalis vere deputatus, eo quod non assumat spiritum dei, 
regnum non potent possidere caeloriim. IV, 33, 4 : quam adoptionem accipient 
a deo permanentes in hac genesi. quae est secundiim hominem in hoc tnundo? 
IV, 5, 5: (Abraham) didicerat quidem a verbo dei et credidit ei, quapropter et 
deputatum est ei in iustitiam a domino. Fides enim, quae est ad deum altissinmm, 
iustificat hominem, vgl. IV, 21, 1. IV, 30, 3: benefacientes iustificamur. Die 
Habe in dominicas irtilitates conversantes iustificamur. Vgl. ferner epideis. 24: 
da G-ott die Unerschiitterlichkeit und Sicherheit seines Geistes sah, bezeugte er 
Abraham glaubte und es wurde Him zur Gerechtigkeit gerechnet, vgl. 35. 72. 93. 



348 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

kommenen Brauche und Eormeln erhielten das Bewufitsein der xirspriing- 
lichen Heilsgiiter aufrecht. 

Blicken wir zunachst auf den Heilsstandbeilren'aus. Gliristus 
giefit den Geist des Vaters auf die Menschen aus, um eine Gemeinr 
schaft zwischen ihnen und Grott herzustellen (effundente spiritum patris 
in adunitionem et communionem dei et hominis, V, 1, 1). Nun 1st aber 
der Geist in der Kirche als deni Gfefafi des Geistes. Also ist es die 
Kirche, die ihre Glieder mit heiligem Geist durchdringt, belebt und 
heiligt (in, 24, 1 s. den Text oben S. 309 f. A. 2). Es ist vor allem 
die apostolische "Wahrheit als das Charisma der Kirche (oben S. 307), 
das diese Wirkung ausiibt, es ist aber dann auch die Taufe (s. unten). 
Keineswegs meint Iren. das so, als wenn der heil. Greist in nichts 
anderem bestande, als in ,der Bichtigkeit oder Vernunftgemafiheit der 
Kirchenlehre , sondern er denkt sich den Geist als eine tiberirdische 
Macht, die in das Leberi des Menschen eingreift, nur da6 diese Macht 
eben in keiner anderen Form wirksam wird als durch die Lehre und 
die Gnadenmittel der Kirche. Nachdem der heil. Geist sich daran 
gewohnt hatte in den Propheten und im Menschen Jesus, auf den er 
bei der Taufe herabkani, zu wohnen, wohnt er auch weiter in der 
Menschheit , und zwar voluntatem patris operans in ipsis et renovans 
eos a vetustate in novitcdem Ghristi (HI, 17, 1. IV, 14, 2). Wie ein 
Pfropfreia ist er in die Menschheit eingegangen und macht die Mensehen 
geistlich (V, 10, 1). Mit den Menschen findet eine transmutatio in melius 
statt durch die insertio und infiisio spiritus (V, 6, 2). Der Mensch 
empfangt die Gemeinschaft Gottes und daniit alle Gaben der Erleuchtung 
und des Lebens : VOVTOIS tip idiav rtaQe%si xoiviovLav KOiViovia, 6s 
-d-eov coi] xat (pug %al artolavais vwv natf avzov ayad&v (V, 27, 2). 
Dadurch wird die Substanz des Menschen nicht verandert, sondern, 
indem der Geist seiner Seele einwohnt, wird der Mensch vollendet zu 
der Yollkommenheit der Ahnlichkeit mit Gott. Zu der urspriinglichen 
Yollkommenheit des Menschen gehort, daB der Geist Gottes in ihm ist,. 



1) V, 6, 1 : secundum participationem spiritus existentes spiritiiales, sed non 
per defraudationem et interceptionem carnis . . . Si enim mbstantiam tollat 
aliquis carnis, id est plasmatis, et unde ipsum solum spiritum inteMigat, iam non 
spiritualis homo est, quod est tale, sed spiritus hominis aut spiritus dei. Cum 
autem spiritus hie commixtus unitur plasmati propter infusionem spiritus- 
spiritualis et perfectus homo factus est Si autem defuerit animae spiritus, ani- 
malis est vere, qui est talis et carnalis derelictus imperfectus erit, imaginem. 
quidem habens in plasmate, similitudinem vero non assumens per spiritum. 
V, 10, 2: homo per fidem insertus et assumens spiritum dei, substantiam 
quidem carnis non amittit, qualitatem autem fructus operum 
immutat. . . 



Das neite Leben nach Irenaus. . 349 

denn dieser leitet 'dann die Seele, die sonst voin Meisch und seinen 
Liisteri unterworfen wird (V, 9, 1). So wird. der Mensch durcli den 
Geist vollendet zuin Leben und zugleich wird wiederhergestellt pristina 
hominis natura^ seinen Abschlufi erreicht dieser Prozefi durcli die Auf- 
erstehung und die Yerklarung (V, 12, 2; 10, 1; 8, 1). Die ,,Substanz" 
des Menschen bleibt, aber die ,,Qualitat seiner Fruehte" wird ver- 
wandelt (V, 10, 2). So ist also Gottes Greist im Menschen und dieser 
wird dadurch was er sein soil und was . er niclit war. 

In diesem neuen Lebenszustand ist der Greist also das inneiiich 
bestimmende Prinzip im Menschen. Sowohl der Mensch ist hierbei 
tatig als Gott. Aber Gottes ist das Wirken, des Menschen die ffin- 
nahnxe dieses "Wirkens oder das durch dasselbe bedingte Werden. Der 
Mensch soil sich unterwerfen in Glauben und Gfehorsani, dann niacht 
Gfott aus ihm den vollkomnienen unsterblichen Menschen. 1 ) Nicht Gott 
bedarf der Menschen, aber sie bedurfen sein. Und wer deni Heiland 
nachfolgt, der empfangt eben dadurch Licht. und Leben. 2 ) In diesen' 
grofiartigen Gedanken, die das urspriingliche Yerstandnis des Wesens 
des Christentunis wunderbar klar ausdriicken, hat Iren. seine Fromniig- 
keit auszusprechen vermocht. Der Grlaub^ ist die Hinnahme der 
Wirkungen des allwirksamen Gottes, die gehdrsame ITnterwerfung unter 
seinen Willen. Demgemafi kann der Grlaube sowohl bestimmt werden 
als die Erkenntnis und Anerkennung Gottes und Christi und der 
lebensvolle Anschlufi an Gott (IY, 5, 4f. ; 7, 2; 2, 7), wie auch als 
der tatkraftige Gehorsam gegen Gott und sein Gebot. 3 ) Der neue durch 

1) IV, 39. 2 : si ergo opera del es } manum artificis tui exspecta . . . Praesta 
autem ei cor tuum molle et tractabile ... Fabricavit substantiam in te manus 
eius, liniei te et ab intus et foris auro puro et argento . . . Facere enim 
propriiim est benignitatis dei, fieri autem propriiim est liominis 
naturae. Si igitur traclideris ei quod est tuum, id est f idem in eum et 
subiectionem, recipies dus artem et eris perfectum opus dei. IV, 38, 3: 
bnorayi] e d'sov ay-d'aQoia, y.al jia.Qa.^ovr] dcp-9'aoaias So'^a dys'frijTOs. IV, 11, 2: 
et hoc deus ab Jtomine differt, quoniam dens quidem facit, homo autem fit . . . 
Queamadmodum enim deus semper idem est, sic et homo in deo inventus semper 
proficiet in deiim . . . Exceptorium enim Itonitatis et organum darificationis eius 
homo gratus ei, qui se fecit. 

2) IV, 14, 1 : nee nostro ministerio indigens iussit, ut eum seqwr&mur, sed 
nobis ipse attribuens sahitem. Sequi enim salvatorem participare est 
salutem, et sequi lumen percipere est himen . . . Sic et servitus ergo 
deum, deo quidem nihil praestat . . ., ipse autem sequentibits et servientibus ei 
vitam et incorruptdam et gloriam aeternam attribuit. Vgl. IV, 5, 3 : -ijaolovO^ffe 
(Abraham) tea ).6y(p, ainov ijevirevcov, 'ha ain> tea loyco TCohitevd'ij. Diese Satze 
geben den ursprimglichen Sinn der ,,NachfoIge Christi" in klassischer Eeinheit 
wieder (vgl. E. S e e b e r g , Aus Eel. u. Gesch. I, 2 ff .). Den Tulgareu Sinn s. IV, 12, 5. 

3) IV, 13, 1 : primo quidem non tantum in patrem, sed et in filium eius 



350 14- Die Theologie der antignostischen Vater. 

den Geist gewirkte Lebensstand besteht also -im Glauben und der Liebe, 
und in nichts anderem. Mat dem Gesetz hat der Christ nichts zu 
schaffen, denn er braucht es nicht: Da/3 die Menschen nicht nach dem 
Vielewortemachen des Gesefaes, sondern nach der Kiirxe des Glaubens 
und der Liebe leben sollten, sagt Jesaja (Jes. 10, 22 f,). Durch den 
Glauben cm ihn (Christus) lernen tvir Gott von ganxem Herxen lieben 
und den Ndchsten wie uns selbst . . . Darum haben wir auoh kein 
Gesetx, %um Erxieher no tig, siehe, wir sprechen mit dem Vater 
und stehen ihm von Angesicht zu Angesicht gegeniiber. Es wird 
nicht geboten einen Tag in Ruhe und Mufie %u%ubringen dem, der jeden 
Tag den Sabbat halt d. h. im Tempel Gottes , welcher der Leib des 
Menschen ist, Gott den ivurdigen Dienst leistet und jed& Stunde die 
Gerechtigkeit tut (epideix. 87. 95. 96). In bewunderungswiirdiger Weise 
konunt hier ein paulinischer Hauptgedanke zum Ausdruck, wie ihn so 
klar keiner der alteren Vater zu f ornmlieren gewufit hat. Es ist also 
ein innerlicher freier Gehprsam, an den Irenaus denkt: Es ist bb'se Gott 
nicht %u gelwrchen, wie Gott gehorchen gut ist (epid. 34). Bei dieser 
Grundanschauung ist es selbstverstandlich, dafi aiich der gute Wandel 
und die "Werke, die aus dein Greist hervorgehen, stark betont werden. 
In alien Tugenden wandeln die Christen, da der heil. Geist bestandig in 
ihnen verweilt (epideix. 42). Vivificamur oper antes ea, quae sunt spiritus 
(Y, 11, 2); Den reinen Tieren vergleicht Iren. die rechten Christen. 
Zweihufer sind sie, welche zuni Vater und Sohn im Glauben festen 
Schrittes gehen (in patrem et filium per fidem Her ftrmiter faciunt), 
und den "Wiederkauern gleich, sinnen sie Tag und Nacht iiber Gottes 
Wort nach, urn sich niit- guten Werken zu schnriicken (uti operibus 
bonis adornentur, V, 8, S). 3 ) 

Alle diese Gedanken, in denen die spezifische Eigenart der Er- 
losungsreligion zum Ausdruck kommt, hat Ir. im Anschlufi an Paulus 
Geistlehre entwickelt und sie mit einer Flille paulinischer Zitate belegt. 
Er hat die pneumatische Seite des Paulinismus in der Tat tief nach- 
zuempfinden vermocht. 2 ) Dagegen versagt sein Verstandnis dem Recht- 



iam manifestatum credere, Me est enim qui in communionem et imitatem del 
hominem inducit. Post deinde non solum dicere, sed et facere. IV, 6, 5: et 
ad hoc filium revelavit pater, ut per eum omnibus manifestetur et eos quidem, 
qui credunt ei iusti, in incorruptelam : . . recipiat, credere ante in ei hoc 
est facere eius vohintatem. 

1) Auch flir die weltliche Kulturarbeit hat Iren. Sinn gehabt; den aske- 
tischen Einsiedler entschuldigt er, quod ignoret necessitates nostrae conversationis 
s. IV, 30, 3. 

2) Es ist von groJJem geschiclitlichem Interesse, daB ein Mann wie Iren. in 
den pueumatisclien Elementen den" Kern der paulinischen Lelire erblickt hat. 



Die Rechtfertigung bei Irenans. 351 

f ertigungsgedanken des Paulus gegeniiber. Das ist verstandlich. 
Seine Gesamtanschauung vollendete sich in dem Gedanken, dafi durch 
das Wirken des Geistes die Menschen gut gemacht werden, die Ge- 
rechtigkeit, die das Gesetz verlangt, wird vom Geist in ihnen gewirkt, 
dabei konnte er an den Glauben, oder an die Werke das Urteil ,,ge- 
recht" kniipfen, aber nie in dem Sinn der imputierten Gerechtigkeit, 
sondern so dafi die Wiedergeborenen und Erneuerten, in denen der Geist 
wirkt, eben darum als gerecht anzuseben sind. ~\Vie in der TJrzeit der 
Mensch durcb das den Herzen eingescbriebene sittlicbe Naturgesetz ge- 
recbtf ertigt wurde, so bat Cbristus sein erweitertes und vertieftes Gesetz 
entgegen dem fordernden alttestamentlichen Bucbstaben durcb den 
Geist in dem Christen wirksarn gemacbt, und dadurcb werden sie gerecbt. *) 
Damit ist die pauliniscbe Rechtfertigungstheorie abgescbnitten , Iren. 
interpretiert Paulus im Rahmen seiner jobanneiscben Grundanscbauung. 
22. Den geistlicben Entwicklungsprozefi des Menscben faBt Irenaus 
als eine gottlicbe Okonomie auf (z. B. HE, 24, 1), Tertullian redet von der 
salutaris disciplines, (de pat. 12). Ein cbarakteristiscber Unterscbied 
der Heilsanscbauung pragt sicb bierin aus. Iren. denkt an einen von 
Gottes Ordnung gewirkten inneren GesundungsprozeB des Menscben, der 
in konsequenter Entwicklung im ewigen Leben mlindet, Tert. empfindet 



1) IV, 13, 1: quia dominus naturalia legis, per quaehomo iustificatw; quae 
etiam ante legisdationem custodiebant, qui fide itistificdbantur et placebant deo, 
non dissolvit, sed extendit et implevit, ex sermonibus ems ostendititr, Matth. 5, 27 f . 
21. 22. 33 f. 20. . . Haec autem (Christus) non quasi contraria legis docebat, sed 
adimplenslegemetinfiffens iustificationes legis in nobis. IV, 16, 3: 
iusti patres virtutem decalogi conscriptam habentes in cordibus et animabus suis 
diligentes scil. deum . . et abstinentes erga proxirmim ab iniustitia ; propter quod 
non f^lit .necesse admoneri eos correptoriis litteris, quia lidbebant in semetipsis 
iiistitiam legis. II). 5 : quae autein naturalia et liberaUa et communia omnium 
auxit et dilatavit (Christus), sine invidia largiter donans hominibus per adoptionem 
patrem scire deum et diligere eum ex toto corde et sine adversatione sequi eius 
verbum, non tantum abstinentes a malis operationibus, sed etiam a concupiscentiis 
earum. Uber Gesetz mid Evangeliran s. Ill, 18, 7. V, 10, 1 : sicut igitur qui 
in melius profecerit et fructum operatus fuerit spiritus, omni modo salvat'iir 
propter spiritus comrminionem, sic et is, qui remanserit in praedictis 
carnis operalionibus, carnalis vere deputatiis, eo quod non assumed spiritum del, 
regnum non poterit possidere caelorum. IV, 33, 4 : quam adoptionem accipient 
a deo permanentes in hac genesi. quae est secundum hominem in hoe mundo ? 
IV, 5, 5: (Abraham) didicerdt quidem a verbo dei et credidit ei, quapropter et 
deputatitm est ei in iustitiam a domino. Fides enim, quae est ad deum altissimum, 
iustificat Jiominem, vgl. IV, 21, 1. IV, 30, 8: benefacientes iustificamur. Die 
Habe in dominicas utilitates conversantes iustificamur. Vgl. ferner epideix. 24: 
da G-ott die Unersehiitterlichkeit und Siclierheit seines Geistes sail, bezeugte er . . . : 
Abraham glaubte und es wurde ihm zur G-erechtiglteit gerechnet, vgl. 35. 72, 93. 



352 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

die Gnade Gottes als errettende Erziebung durch das Gesetz, vermoge 
Avelcber der Menscb das Gute tun lernt, und sich dadurcli das ewige 
Leben als Lohn erwirbt. Er empfindet romiscb und seine eigentiiinlicbe 
Geistesart driickt dies in den Formen eines Recbtsverbaltnisses 
zwiscben Gott und dem Menscben aus. Tertullian bat seine Grund- 
anscbauung fraglos in Rom iiberkoinmen. Sie war scblieBlicb jiidiscben 
TJrsprungs (vgl. S. 153), aber sie war von deni rorniscben Geist akzeptiert 
und verarbeitet worden. Tertull. bat diesen Prozefi zur Yollendung g.e- 
bracbt. Er bat den jiidiscben Legalisnius und Moralismus in klassiscber 
Weise in das Lateiniscbe zu ubersetzen verstanden und er bat dadurcb 
die Gesetzesreligion in das abendlandiscbe Cbristentum auf langer als 
ein Jahrtausend eingefubrt. Seine Bedeutung fiir die Dogmengescbicbte 
findet bierin ibren Abscblufi. Es war etwas anderes, ob man gelegent- 
licb von den evrohai redete, die der Cbiist befolgen soil, oder aucb das 
Cbristentum als nova lex bezeicbnete, oder ob man die ganze Religion 
als Kecbtsverbaltnis bescbrieb. Dies hiefi die gesetzlicben Motive in ein 
System zusammenfassen oder die Riickkebr von der Erlosungsreligion 
zur Gesetzesreligion vollzieben. Das bat aber Tert. durcbgefiibrt. Das 
von ibni scbon friib angeeignete Schema der beilsgeschicbtlicben Stufen- 
folge der Offenbarung als Gesetzesoffenbarung (s. S. 320) bat seine 
Grundanscbauung nur verfestigt, indem es neiies Licbt auf die nova lex 
des Cbristentunis warf. Aucb sein AnscbluB an den Montanismus erklart 
sicb von bier aus. 

Aber andere Elemente standen der konsequenten Legalisierung des 
Cbristentunis entgegen und sie wirkten aucb bei Tertullian. Es war 
einmal der ganze Komplex der Vorstellungen von Gnade und Erlosung, 
der irgendwie deni Yerstandnis der nova lex eingefiigt werden mufite. 
Es war sodann der kircblicbe Apparat der Gnadenmittel, der ebenfalls 
das reine Recbtsverbaltnis einschrankte. Die Sakr'amente baben den 
Cbarakter des Cbristentums als Ei'losungsreligion gerettet, aber sie taten 
es, indem sie den stoiscben Geistbegriff und den Mysteriengedanken und 
scblieBlicb den Hierarcbismus in das Cbristentum einfiibrten. Auch bier- 
fiir bietet Tert. die Anfange dar, wie wir sehen werden. Das Problem der 
Religion des Mittelalters das Cbristentum Gesetzesreligion, aber durcb 
Sakrarnente, ,,eingegossene Gnade" und Priester aucb Erlosungsreligion 
liegt scbon bei Tert. vor. Aber nocb ein Moment ist in diesem Zu- 
sammenbang zu erwagen. Gerade die Taufe als das Gnadenmittel par 
excellence fiibrte in das Cbristentum die stoiscbe Vorstellung vom Geist 
als einer Substanz ein und depotenzierte so den cbristlicben Gottesbegriff. 
Denigegenliber wurde durcb das Gesetzttim der personlicbe Cbaraktei 1 
Gottes uud das personlicbe Verbaltnis des Menscben zu Gott aufrecbt 



Das Christentiun Tertullians. . 353 

erhalten. Es 1st ein wunderbares Gedankengebilde, das sich liier anbahnt : 
die Gesetzesreligion wird durch das Sakrament zur Erlosungsreligion, 
aber die Ziige der Gresetzesreligion vergeistigen wiederum die Erlosungs- 
religion. So entsteht ein gewisses Gleichgewicht der Motive, aus denen 
die Religion des Katholizismus hervorging. 

Das ganze Christentum unterfallt bei . Tert. dein Gesichtspunkt des 
Gesetzes. Er gibt als einen Bestandteil der Glaubensregel die AVorte: 
lesutn Christum praedicasse novam legem ei novam promissionem regni 
caelorum (de praescr. 13). Das ist Ghristi Werk. Das Evangelium ist 
das Gesetz der Christen: lex proprie nostra, id est evangelitim 
(de monog. 8). Christus hat namlich das alte Gesetz dadurch erweitert, 
dafi er nicht nur die Tatsiinden, sondern auch den bosen Willen verbot. 
Dominus quemadmodum se adiectionem legi super sir uere, demon- 
strat, nisi et wluntatis interdicendo delicta (de paen. 3)? Demgemafi ist 
die Siinde TJbertretung des gottlichen Gesetzes, sei es aufierlich, sei es 
nmerlich .(delictum omne aut agitur-aut cogitatur). Somit begriindet die 
Siinde einen reatus oder eine eulpa Gott gegenixber nnd sie unterstellt 
den Sunder der gottlichen poena (ib. 3). Gut ist -dagegen .was Gott ge- 
bietet. Andaciam existimo de bono divini praecepti disputare. Neque enim 
quia bonum est, idcirco ausoultare debemus, sed q ui a deus praecepit. 
Ad exhibitionem obseqttn prior est maiestas divinae potestatis, prior est 
auctorilas imperantis quam utilitas servientis (ib. 4). Die Furcht vor 
Gott ist daner der Anfang des Heils: deum simul cognoveris, timeas, 
simul inspexeris, reverearis (ib. 6). Timor autem hominis dei honor 
est (ib. 7). Ans dieser Furclit erglbt sicb der Gehorsain als die Gleichheit 
der Gesinnung mit Gott, wie sie auch der Sklave seineni Herrn gegen- 
iiber haben soil. Obsequii enim, ratio in similitudine animorum eonstituta 
est (ib. 4). "VVer den Gesetzeswillen Gottes erfiillt, der niacht sich Gott 
zum Schuldner, wie er auch Eacher des Ungehorsams ist. Bonum factum 
deum habet debitor em sicidi et mahim, quia iudex omnis remunerator est 
causae (ib. 2). 

Man niufi diese scharfgeschnittenen Satze auf sich wirken lassen, 
uni zu enipfinden, wie mit durch die prazise Form der Eede hier 
die ganze Religion in ein Rechtsverhaltnis zu Gott verwandelt ist. Die 
Konsequenz davon erstreckt sich auf das gesanite sittliche Leben. Es 
handelt sich im Christenleben daruni das Gesetz zu erftUlen oder sich 
Verdienste bei Gott zii erwerben. Schon vor der Taufe geht dies 
an. Die Vergebung der Siinden in der Taufe ist die Folge der voran- 
gegangenen Bufie, der Lohn fur sie : non itieo abluimur, ut delinquere 
desinamus, sed quia desiimus, quoniam ia/m corde loti siwmis (de 
poen. 6 cf. de pud. 9). Dasselbe gilt von den Bufileistungen, wie sie das 
S eeberg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 23 



354 14- Die The'ologie der antignostischen Vater. 

gauze Cbristenleben ausfiillen (s. unten). TJnd der gleiche Ring umfafit 
das ganze Leben. Der Menscb soil das Gesetz erfullen ,. womb'glicb 
nicbt nur die praeeepta, sondern auch die consllia' (c. Marc. II, 17. 
ad ux. II, I). 1 ) So erwirbt sicb der Menscb einen Scbatz der Heiligkeit, 
per continentiam enim negotiaberis magnam substantiam sanctitatis (de 
exh. :cast. 10), und so vergilt er Cbristus was dieser fur ibn getan bat 
(de resurr. 8. de pat. 16). Nemo indulgentia utendo promeretur , scd 
voluntati obsequendo, wluntas dei est sanctificatio nostra (de exb. cast. 1. 
de paen. 6. de iei. 3). Je nacb den Yerdiensten wird sich aucb der gott- 
liche Lobn gestalten. Im Hinblick auf die varietas meritorum bat 
Cbristus das Wort Ton den vielen Wohnungen gesprochen (scorp. 6 s. nocli 
de orat. 2.4. adScapul. 4 extr.). 2 ) DerYerdienstbegriff war. in der Tat be- 
sonders geeignet die eigentumliche Anscbauung von dem Yerbaltnis zu 
Gott auszudriicken, denn er bezeicbnet in der Eecbtsspracbe einerseits 
den freien Erwerb , andrerseits eine Handlung , welcbe billigermaBen, 
von dem, dem sie gescbab, durcb eine Gregenleistung belobnt wird. 3 ) 
Die Bezeicbnung der sittlicben Tat als Yerdienst wird also sowobl den 
jfreien Erwerb des .ewigen Lobnes als aucb die besondere Qualitat der 
Handlung, die Grott billigermafien belobnt, zum Ausdruck bringen. So be- 
greift es sicb aber, da6 nicbt seltenVerdienst und Gnade miteinander 
verbunden werden, denn freilicb recbnet das verdienstlicbe Handeln mit 
der billigen und giitigen Gresinnung dessen, dem es gescbab. So kornmt 
durcb das meritum die durcbjjrnade gemafiigte recbtlicbe Anscbauung 
des religios-sittlichen Lebens zum Ausdruck. Die ganze katholiscbe 
Yerdienstlehre liegt bei Tert. im Grundrifi vor. Durcb Yerdienste wird 
die Gnade erworben und durcb die Gnade wird die Fabigkeit verliebeh 
das ewige Leben zu verdienen. Sittlicbkeit ist ein Leben der Yerdienste 
und das ewige Leben ist eine aufiere, nicbt eine innere Folge des frommen 
Lebens. TJnd so kann der Menscb seines Heils sicber werden. Fides 
integra secura est de salute (de bapt. 18). Auf der Menscben "Werke 
kommt es an, die Gnade aufiert sicb wobl aucb im sittlicben Leben als 
Mitteilung besonderer Gaben wie etwa der Jungfraulicbkeit, die Hegel 
ist aber: virtus coronatur.^ 

1) tJber diesen Begriff s. Hermas pben S. 146. 

2) Vgl. zu Obigem Wirtn, Der Verdienstbegriff in der christl. Kirclie I (d. 
Verdienstbegriff b. Tert.) 1892. . - . 

3) Uber den jurist. Sprachgebrauch s. Heumann-Seckel, Handlexikon zu 
.den Quellen des rom. Recites 1906, S. 340. Danach folgende Beispiele: 1) ex 
opens suis meret servus d. h. sich verdienen, ebenso inerere stipendia _oder blofi 
merere = als Soldat dienen. 2) Quae princeps alicid ob. merita indulsit, oder 
merita, quibus honestum sit libertatem pr&estare. 

4) ad. iix.. I, 8: poterit vlrgo felicior haberi, at viducf laboriosior, ilia-, quod 



Verdienst. Wort Gottes. 355 

23. Aber die Gnade greift docla auch in entscheidender "Weise in 
das Leben ein. Das geschieht zunachst natiirlich durch das "Wort oder 
die Predigt, die ja als apostolische Wahrheit das bleibende Charisma 
in der Kirche darstellt, wie wir es bei Irenaus fanden (oben S. 348). Wer 
also dies Wort .hort, empf angt darnit zugleich das erneuernde Pfropfreis 
des Geistes (Ir. V, 10, 1). Von der %d()i, d'BOv diet Adyou da}Qov/.ievrj 
spricht Hipp olyt (in Dan.- 1, 10, 4) und er stellt deni Wort, das aus Gott 
hervorgegangen ist, an die Seite dm %weites Wort . . ., geboren aus den 
Heiligen, bestandig die Heiligen gebarend, ivird es auch selbst wieder von 
den Heiligen geboren (ib. I, 9. 8 cf. de antichr. 61). ^ Es ist die ,,gottliche 
Lehre", die in der Seele die ,,geistliche Erkenntnis" hervorbringt 
(WW. IE, 159). Christus selbst ist der Paradiesesstroin der Offenbaning, 
der sicb in die vier Strome der Evangelien teilt und den Menschen das 
Gesetz und dadurcb Siindenerkenntnis, und .,das Wort" und dadurch 
,,Leben und Vergebung der Siinden" gibt (in Dan. I, 17, 11. 12). Das 
sind irenaiscbe Gredanken, die sicb. aus der Grrundanschauung ergeben. 
Christus .als die gottliche Offenbarung durchclringt mit der Lebenskraft 
des Geistes, der die Glaubigen bewegt, das ganze 'Menschengeschlecht 
und wirkt in ihnen das geistliche Leben, das das Gesetz nicbt wirken 
konnte (vgl. Ir. Ill, 18, 7). Wie nun aber Hippolyt Christi Offenbarung 
nur als Gesetzesoffenbarung bezeichnet (de antichr. 13. 59) oder von 
Christus sagt: durch die beiden Testamente den Glauben zeigend, durch 
das Gesete und Evanqelium (in cant. 11), so fallt vollends bei Tertullian 
das ganze Gewicht auf die Mitteilung des neuen Gesetzes. Das Wort 
ist sornit Gnadenmittel als Mittler des Geistes und Lebens, oder auch 
als Ausdruck des gpttlichen Gesetzes. Je nach der Grundanschauung 
wiegt dieser oder jener Gesichtspunkt yor, der Legalismus steht aber 
der paulinischen Erkenntnis, clafi das Gesetz nur die Offenbarungsform 
der niederen Stufe der Gesetzesreligion ist, im Wege. 

24. Neben das Wort tritt die Taufe. Die Christenheit bildete 
eine abgeschlossene Gemeinschaft. Der Akt, durch den jemand in diese 
Gemeinschaft - aufgenonimen wurde , vermittelte ihin alle Gaben . dieser 
Gemeinschaft. Es waren, nach der Idee des neuen Bundes, zwei: die 
Siindenvergebung und die Geistmitteilung. So war es A r on alters her 



bonum semper liabuit, ista, quod bonum sibi invenit; in ilia gratia, in ista virtus 
coronatur. Quaedam enim Simt divinae liberalitatis, quaedam nostrae operationis. 
Quae a domino indulgenttir, sua gratia gubernantur, quae ab homine captanhir, 
studio perpetrantur. 

1) Dieselbe Vorstellung in dem Schlufi der Ep. ad Diognet. 11, 4, dessen 
Abfassung durch Hippolyt Bonwetscli Avahrscheinlich geinacht hat (Abh. der 
Gott. Gesellsch. d. Wiss. Phil, hist, Kl. 1902 H. 5). 

23* 



356 14. Die Theologle der antiguostischeii Vater. 

gewesen (vgi. S. 123). Alles, was die Christenheit an Heilsgaben besafi, 
gab sie durch das Wort der Offenbarung und ebenso durch die Handlung 
der Taufe. Mittlerweilen -war die Taufe in den gnostischen Kreisen 
noit Bewufitsein den heidnischen Mysterien konform gestaltet und durch 
verschiedene Akte erganzt worden (s. S. 243 f). Andrerseits war das 
Bewufitsein der absoluten Differenz von Kirche und Welt in der Kirche, 
die immer scharfer als eine Welt in der Welt 'sich darstellte, konkreter 
geworden. Beides hat seine Wirkungen auf die Gestaltung der christ- 
lichen Taufe ausgeiibt. Zu den alten Akten der Abwaschung und der 
Handauflegung war .eine doppelte Olsalbung, und zu dein alten Glaubens- 
bekenntnis war die Absage an den Teufel und seine Werke getreten. 1 ) 
Wenn nun die Taufe das Granze des Christentums dein Menschen 
bringen sollte, so war es ganz verstandlich, dafi man friih angefangen 
hat in ihr zusammen nut dein Abendmahl den Ertrag des Werkes 
Cbristi zu erblicken. An dem Wasser und Blut, die aus Cbristi Seite 
hervorgegangen, empfing dieser Gedanke seine anschauliche Form, wobei 
das Blut auch atif die Bluttaufe des Martyriums gedeutet wird. 2 ) ,,Der 



1) Utter deii Hergaug de? Taufe sind wir durch Tertull. de bapt. und die 
Canones Hippolyti. deren Urgestalt in athiopischer Spraclie uns wieder zugauglich. 
gewoi'deu 1st (s. E. y. d. G-olz, Die Taufgebete Hippolyts etc., in dei Ztschr. 1 
KG. XXVII. 1 ff.). hinlanglich imterrichtet : Der Tanfling ineldet sich, gibt seinen 
Namen an imd wird auf seine sittliclie Wiirdigkeit hin (cum confessione omnium 
retro delictorum, Tert. bapt. 20) in Gegenwart der sponsores und ob er i,die Schriften" 
gelesen, gepriift (Goltz S. 16). Am Morgen des Tauftages wird er mit 01 gesalbt, liber 
das Fasten ini Hinblick auf die nach der Taufe stattfindende Eucharistie belehrt ; liber 
Wasser und 01 werden Gebete gesprochen. Der eigentliche Taufakt schliefit in 
sich die dTtorayrj, bei Tert. de cor. 3 init den Worten wiedergegeben : renuiitiare diabolo 
et pomp'ae et angelis eius, Can. Hipp. 119: renuntio ttbi, o satana, cum omnipompa 
tua (cf. Hipp, theoph. 10); sodann das Glaubensbekenntnis, das der Ta'uflmg spricht. 
Es lautete nach Hippolyt (s. Goltz S. 38) : ,.ich glaube an einen Gott, den Vater iiber 
alles, den Allmachtigen, an seinen einzigen Sobn uuseren Herrn Jesus Christus 
und an den heiligen Geist, uiid an die Auferstehung des Leibes tincl die heilige 
Versainmlung, die eiue katholische Kirche". Die gleiche Bekenntnisforniel scheint 
Tertnll. vorauszusetzeu (s. de bapt. 6 : cum autem- sub tribus et testatio fidei et 
sponsio salutis pignerentur, necessario adicitur ecclesiae mentio, quoniam iilii tres, 
id est pater et films et spiritits sanctus, ibi ecelesia, qttae trium corpus est, cf. 
de pud. 21). Die Taufe findet auf die Trias statt (Tert. adv. Prax. 26 fin. Iren. 
epideix. 3). Die Salbnng init dem geweihteu 01 nncl die Handauflegung, beides 
zitr Mitteilung des heil. Geistes . (Goltz S. 41. 42. Tert. de bapt. 7. 8). Dann 
findet statt die Segmmg von Milch undHonig, sowie von Brot und Wein zum Zweck 
der sich anschlieBenden ersten Koimntinion (Goltz S. 47. Can. Hipp. 144. Tert. : de 
cor. 3 cf. c. Marc. I. 14. de resurr. 8. de pud. 9. Novatiaii adv. Jud. 10). 

2) Vgl. Apollinar. bei Otto, Corp. apol. IX, 487. Melito ib. 418. Tert. de 
bapt. 16. scorp. 6 cf. Ps. cypr. de mont. Sion et Sina 9. de rebapt. 14. Hippol. 
WW. II, 96 -. Ebenso hat Christus seiner Gemeinde drei Dinge geschenlct* ndmlich 



Die Taufe. 357 

Yater der Unsterblichkeit sandte seinen unsterblichen Solan und Logos 
in die Welt, der in den Menschen gekommen ist, urn zu waschen mit 
Wasser und Greist" (Hipp, theoph. 8). Dabei .bleibt es, gernafi der 
Doppelseitigkeit des Werkes Christi oder des neuen Bundes, bei der 
doppelten Besthnmung der Wirkung der. Taufe. Einerseits wascht das 
"Wasser die Stinden ab , andrerseits wird durch die Handauflegung 
und Salbung der heil. Greist der "Wiedergeburt mitgeteilt. Der Glaube 
untenveist uns %u gedenken, daft wir -die Taufe emp fane/en haben %ur 
Vergebung der Siinden im Namen Gottes des Voters und im Nainen 
Jesu Christi ... und im heiL Geist Gottes, und daft diese Taufe das 
Si eg el des eivigen Lebens sei imd die Wiedergeburt in Gott 
(Iren. epideix. 3). Beides zusanrmen ist die Grabe Cbristi oder dann 
der Taiife. 1 ) . 

Nun redete man aber seit Paulus von deni ,,Bad der Wiedergeburt", 
Man war dadurcb genotigt die iirspriinglicn so einfache Ordnung ^-r 
durch Wasser Vergebung, durch- Handauflegung und Gebet der heil. 
Greist immer naehr zugunsten der Wassertaufe zu verschieben, oder 
den Greist mit dem Wasser zu konibinieren, ihn in das Wasser hinein^ 
zubringen. TJnd das niufite xini so mehr geschehen , als die Taufe 
eben der Akt niit dem Wasser war, und als die zeitgenossische Mysteries 
praxis die Wirkung der hiramlischen Krafte gern an sinnliche. Dinge 
band. . 

Zunachst indessen besteht die alte Verbindung, . wie wir sie in der 
alteren Zeit haben, fort. Die Verbindung der Taufe mit der Lehre 
und dem Bekenntnis ermoglichte das. So betrachtet macht die Taufe 
das in e i n e m Akt zu einer lebendigen seelischen Realitat , was der 



semen Leib, sein Blut und die Taufe. Tertull. de bapt. 11 : efficacia lavacri per 
passionem et resurrectionem domini. 

1) Die Taufe ist TO v^te^ dcfeascos UJUU^TUOV y.al sis Avayevvrjoiv AOVTOOV 

(Justin. Ap. I, 66). Sie ist Abwasclrang zur, Vergebung (Just. Dial. 44), und die 
Getauften sind '/.aivo^oir^Emss Sia tov X^iamv (Ap. I, 61), die Taufe ist 

tpcoTiafios &>& cpWTi&fiei'cov tr-jV Siavoiav rcov Ttdvta fiavd'avovicov (Ap. I, 65), der 
Getaufte ist telstos yevdpevos (Dial. 8), &yi<p TtfEfyiart, pefiattiaftevos (Dial. 29). 
Die Alenschen empfangen diirch die Taufe fieTdvoiav v.al licpeaiv afiaorimt' Sia 
vSaros y.cd i.ovrgov itahvysvEaias (Theophil. ad Autol. II, 16). Iren.- epideix. -41: 
Seelen und Leiber durch die Taufe des Messias und des heil. Geistes reinigen. ~ 
Tertull. de bapt. 10: ware Johannes Taufe hiinmlisch gewesen, so hatte sie ge- 
.geben-et spiritum sanctum et remissionem delietorum, aber seine Taufe war 
quasi canditatus remissionis et sancfificationis in Christo svhsecuturae. Hippol. 
(bei v. d. Goltz a. a. 0. S. 22) : wasche sie mit Wasser und lehre sie durch den 
heil. Geist. Ibid. S. 47 : durch Ghristus Jesus unseren Herrn, den du gegeben 
hast mitzuteilen den heil. Geist und das Bad zur Vergebung der Silnden. 
Vergebung und 'Wiedergeburt s. auch Clem. Horn. 7, 8 cf. 8, 23. 



358 14. Die Tkeologie der antignostiscken Vater. 

Menscli zuvor gelei-nt hat. Sie 1st Wiedergeburt und (jpcuTttfjUOg und 
zwar a)g rpa)rio(.iev<j<)v TIJV didvoiav T&V tavra (.iccv&avovcwv 
(Justin. Ap. I, 65). Die Christen erkennen Ohristus und empfangen 
Siindenvergebung (Just. Dial. 44 fin.). "Was anfangsweise und als 
Verlangen in ihnen vorhanden war, das wird jetzt vollendet und sie 
werden dadurch rekeioi 1 ) (ib. 8). So hat auch noch Irenaus sich 
die Sache vorgestellt. Der Regen von oben macht uns lebendig. 
Corpora enitn nostra per lavaerum illam (!), quae est ad incorruptionem, 
^lnitatem } accepenmt, aniinae autem per spiritum. Wie das samaritische 
Weib so einpfangt man Christus , der in sich den Quell , der zuin 
ewigen Leben sprudelt, hat (III, 17, 2). Der Name Christi und der 
Geist Gottes, wie sie hier dem Menschen zuteil werden, retten (V, 11, 1). 2 ) 
Christus stellt also durch das ,,Bad der Wiedergeburt" dem Blinden 
das Gesicht und deni sixndigen Menschen sein ursprungliches Wesen 
wieder her (V, 15, 3), 3 ) und das geschieht durch den Geist, der arrha 
incorruptelae et confirmatio fidei nostrae et scala ascensionis in deum ist 
(III, 24, 1). Das Eigentumliche dieser Anschauungsweise besteht darin, 
dafi die Taufe in engem Zusammenhang zu der ganzen Heilsokonornie 
oder zu deni "Wirken Christi und des Geistes im Wort steht. Sie 
bietet nichts Besonderes, keine ,,materia coelestis", wie die spatere Dog- 
matik sagt, dar, sondern sie ist eine besondere Form des gottlichen 
Heilswirkens, sie befestigt das, was die Herzen im Glauben empfangen 
haben , und sie macht das , was man bisher gehort hat und was in 
einzelnen Regungen das Herz bewegte, zum festen Besitz, zum dauernden 
Licht der Seele. Die Yerheifiung wird durch sie zur Erfiillung, die 



1) Der Sinn, der Bezeicknung des Getauften als tshios hat ursprimg-lick, 
und so auch bei Justin, nichts zu schaffen rnit der Mysterienterminologie. leisiog 
ist der Getaufte, sofern er nicht inehr den kindischen Sum hat, der der Milcli der 
KatechumenenleLre bedarf, er ist eiu erwachsener reifer Mensch geworden. S. 
hierzu 1. Kor. 14, 20: 2, 6. Eph. 4,. 13. Kol. 1, 28, fees, aber Hebr. 5, 13. 14 cf. 
1. Ptr. 2, 2. So dann auck Did. 6, 2 : si ftsv yap Svvaaat paardaat iftov tbv Zpybv 
tov y.vQiov, Tefaiosjear]. Ignat. Epll. 15, 2 : 6 ).6yos 'fyoov f.sy.rrjfiefos . . ., tva reAeios ij. 
Didascal. 10: Das Wort lioren . . ., bis sie das Siegel empfangen und vollkommen 
werden. Von diesem G-esichtspunkt aus Avird sick auck die Bezeicknung Ckristi 
Hbr. 12, 2 als rfjs Tiiatscos doy^ybs xal Tslsiotijs erklaren, er ist jenes durck das Wort, 
dieses durck die Taufe. Tiber die versckiedenen Bezeicknungen der Taufe s. bes. 
Clem. Paedag. II. 6. 

2) Vgl. dazu obeu S. 121 ; ebenso altertiimlick ist die Anwendung der arrha 
auf die Taufe Ir. Ill, 24^ 1 ; s. auck epideix. 3 : daft diese Taufe das Siegel des 
eivigen Lebens sei und die Wiedergeburt in Q-ott. 

3) Vgl. das Frag. b. Stieren I. 846: ol heTtqol OVTSS lv rais afiapriais St& 
TOV ayiov vSaros '/MI ifjs TOV xvgiov sTnyJj'joecos y.adaot^Of.ied'a TOW nal.a.iwv TTaouTtTm- 

v, 6)s TtaiSin vsoyovu TtvsvfiaTix&s uvayevvcbfiEvoi Hack Jok. 3, 5. 



Der Qeist und das Taufwasser. . 359 

Anfange des Lebens werden zusammengefafit zur Einheit und zum 
dauernden Anfang eines neuen nach oben gerichteten Daseins. Was 
imnier der Geist welter in der Seele wirkt, ist nur eine Ausfuhrung 
dessen, was der Seele durch den Eintritt in die Gemeinde wurde. Um 
dies zu verstehen, mufi man sich gegenwartig erhalten, dafi die Taufe 
den Abschlufi der c'hristlichen Lehre und den Beginn des Christen- 
lebens darstellt, und dafi durch sie der Christ unter alle "Wlrkungen 
jener Gemeinde, in der der heil. Geist waltet, konimt. Die Einmalig- 
keit der Taufe und ihr Charakter als ein besonderer Akt ermb'glichten 
es, ihr in dem grofien Zusammenhang der Okonomie Christi und seines 
Geistes diese Bedeutung mit psych ologischer und religioser "Wahrheit 
beizulegen. Hier war noch nichts von magischen Wundern, sondern 
die "Wahrheit kaui zum. Ausdruck , dafi der Katechumene . die Ver- 
gebung und die Gnadengegenwart Gottes, auf die man ihn hoffen 
gelehrt hatte, hier wirklich zu schmecken bekam und dafi es fortan 
die namliche Gnade war, die durch das Leben der Gemeinde auf ihn 
einstronite. . 

Aber die Vorstellungen von der Taufe haben in unserem Zeitalter 
eine neue Wendung genommen, die die Lehre der Eolgezeit . bestimmt 
hat. "Wir finden sie bei Tertullian wie bei Hip poly t. Es handelt 
sich dabei urn die Frage, die in der jZusammenstellung ~\V a s s e r und 
Geist liegt. "Wir horten schon, dafi Tertull. im Anschlufi an die 
Stoiker sich den Geist als eine feine inaterielle Substanz vorstellte. 
Diese Yorstellung wendet er atich auf die Damonen. an. Ihre subtilitas 
et tenuitas befahigt sie. sowohl in die Seele als den Leib des Menschen 
einzudringen , hier . wirken sie dann krankniachend oder erregend 
(Apol. 22), voni Teufel geht eine oeculta, inspimtio aus (ib. 27). So ist 
nun auch der gottliche Geist ein ten&rum et delicatum, das vorsichtig 
behandelt werden mufi, da es durch Erschutterungen der Seele leicht 
verloren geht (de spect. 15). Das Gute im Menschen entsteht durch 
die gratia divinae inspirationis (de pat. I). 1 ) Gemafi dieser Grund- 
anschauung findet auch bei der Taufe eine Heiligung des Wassers durch 
den Geist so statt, dafi das Wasser, iiber dem schon bei der Schopfung 
der Geist schwebte, die heiligende Geistkraft gleichsam einsaugt. 2 ) 

1) Vgl. Loofs DG. 4 S. 161 

2) de bapt. 4: suliecta quaeque materia eius quae desiqw imminet qiiali- 
tatem rapiat, necesse est, niaocime corporalis spiritakm, et penetrare et insidere 
facilem per siibstantiae suae subtilitatem. Ita de sancto sanctificata natura 
aquarum et ipsa sanctificare concepit. Igitur omnes aqiwe . . . sacramentum 
sanctificationis consequuntur invocato deo. Supervenit enim station spiritus de 
caelis et aquis .superest sanctificans eas de semetipso, etita sanctificatae vim 
sanctificandi cotnbibunt. 



360 14. Die Theologie der antignostisclien Vater. 

Ahnlich .spricht Hippo lyt von der Erfiilhmg des Wassers mit "Gelst. 1 ) 
Eine Vorstellung, die der Gnosis gelaufig war (oben S. 245 A. 1), ist 
damit in die Kirchenlehre iibergegangen. 

Indessen ist die Sache, bei Te'rtullian wenigstens, noch keineswegs 
konsequent durchgefuhrt. Yielmehr schlagt die uralte Anschauung von 
der doppelten Taufe init Wasser uncl Geist wieder kraftig durch. 
Nach Joh. 5, 4 bewegt ein Engel das Wasser, und nach der Taufe 
Christ! durcli Johannes folgt erst auf die Wassertaufe die Herabkunft 
der Taube des heil. Geistes. Geinafi cliesen Vorbildern denkt sich Tertull. 
den Tauf vorgang so : der Taiif erigel bewegt und heiligt das Wasser, er 
teilt ihm die Kraft mit die Siinden abzuwaschen xind er bereitet dadurch, 
wie Johannes, den Menschen vor zum Enipfang des heil. Geistes. Der 
,,heiligste Geist" selbst aber kommt erst durch die Handauflegung uncl 
auf die Bitte des Taufers hin in den durch das- Wasser von den Siinden 
innerlich Gereinigten. 2 ) Non quod in aquis spiritum sanctum conse- 
quamur. sed in aqua emundati sub angelo, spiriiui sancto praeparamur 
(de bapt. 6). AVie es die 'Form des Eitus an die Hand -gab (oben 
S. 356 A. 1), sind somit zwei Akte in der einen Taufe zusammengefafit. 
Fiir den einen Akfc bringt der Engel eine heiligende Kraft in das 
Wasser und diese macht frei von der Siinde. Der andere Akt lafit 
durch Gebet und Handauflegung den heil. Geist selbst in den Menschen 

einziehen. Dem- doppelten Akt entspricht der doppelte negative 

und positive ' Effekt (oben S. 357 A. 1). Der Mensch wird frei 
von der Siinde und er empfangt den Geist. Aber die Befreiung von 
der Siinde gewinnt in dieseni Zusanimenhang einen neuen Charakter. 
Es handelt sich nicht mehr urn das geistige Erleben der Gnade Gottes, 
sondern aim eine durch eine . materiell-geistige Kraft gewirkte reale 
Ausstofiung der Suncle, es ist ein spiritalis effectus, quod delictis liberamur, 
eine ablutio delictorum im realen Sinn (de bapt. 7. 5. 6). Indem aber 
die Siinde vernichtet ist, ist zugleich -die' Befreiung von Schuld und 



1) Hippolyt. Canon. (Goltz S. 22); jetzt nun beivege dieses Wasser und fiille 
es mit deinem heil. Geist, daft es loerden moge Wasser und Geist zur Wieder- 
geburt. Segeai Jacobs 18, 3 (Bomvetsch. Georgisehe Schriften Hipp. S. 30): 
als er aufstieg aus detn Jordan, reinigte er das Wasser und schenkte ihm die 
Gnade des heil. Geistes. In theoph. 8 : rovro 8s eam> to vSco<i TO . tig Ttvefyian 
v.owiovovv . . ., Si oi> avayew)>cbfisvos: ^ajoyovelrai, &V&OCOTHOS. 

2) Tertull. de bapt. 4': medicatis quadammodo dquis-per angeli interventiim 
et -spiriius in aguis corporaliter dihiitur et caro in eisdem spiritalitermundatur; 
5: angelnm dei sanctum aquis in salutem hominis temperandis adesse cf. Job. 5, 4; 
6: in aqua emundati sub angelo spiritid sancto praeparamur . . . Sic enim 
loannes ante praecursor domini fuit praeparans vias eius. Ita et angelus bapiismi 
arbiter superventuro spiritui sancto vias dirigit ablutione delictorum, quam fides 



Wasser- mid Geisttaufe. 361 

Strafe eingetreten.^) Ein Stiick des stoiscben Materialismus 1st in die 
cbristlicbe Lebre eingefiibrt. . 

Aber Tertullian liat trotzdera die geistige Anscbauung , die die 
iiberlieferung darbot, aufrecbt zu erbalten versuclit. Der bekannte 
Grlau.be ist es, der die Vergebung der Siinden erbalt. Vater, Sobn und 
Geist sind sowobl die Scbiedsricbter des Glaubens, als aucli die Biirgen 
des Heils durcb die Geistmitteilung. 2 ) Die Taufe bringt somit die 
Heilsvorbereitung zur Vollendung: denV Glaubenden wird die Siinde ab- 
gewascben und wird 'der Geist niitgeteilt. Aber freilicb der Geist" 
ist eine irgendwie materielle Kraft, die die Siinde zerstort und ein 
neues Leben. inspiriert. Der Geist ist die s'ubstant'ia baptismatis 
(de pud. 9). Der geistige Prozefi findet seinen Abscblufi in einer 
pbysiscben Tlnrvvandhmg des Menscben. Die innere Heilsgewifibeit wird 
dadurch zu einer durch aufiere Akte gewirkten Sicberbeit. 

Aber iminerhin wurde gerade durcb. die Trennung der Geistmit- 
teilung von der Wassertaufe der " religios-geistige Cbarakter der Taufe 
nocb zur Geltung gebracbt. Aber dieser Zug konnte sicb auf die 
Dauer nicbt erbalten. Es niufite allmablicb das Taufwasser zuna Trager 
der ganzen , sowobl der positiven als der negativen, Geistwirkung 
werden, und die Handauflegung zu eineni Anbangsel der Eeier werden.?) 
Das ,,Bacl der "Wiedergeburt" wascbt mit "Wasser und Geist und dadurcb 
wird der Menscb zur TJnsterblicbkeit der Seele und des Leibes wieder- 
geboren. So wird der Menscb durcb Wasser und Geist ein Gott, d. b. 
unsterblicb und der Sobnscbaft und des Erbes Cbristi teilbaftig (Hippolyt. 
tbeopb. 8. 10). 4 ) Iin Anscblufi an die Praxis der Mysterien bat 



impetrat obsignata in patre et filio et spiritu sancto. Ib. 7 : ipsius baptismi 
carnalis actus, quod in aqua mergirmir, spiritalis effectus, quod delictis liber amur; 
8 : Dehinc maiius imponitur, per benedictionem advocans et invitans spiritum 
sanctum .... Tune ille sanctissimus spiritus super emundata et benedicta 
corpora libens a patre descendit . . . Emergenti de lavacro post vetera delicta 
columba sancti spiritus advolat. . . 

1) de bapt. 5: deleta morte per ablutionem delictorum, exemto soil, reatit 
eximitur et poena. 

2) de bapt. 6: . . . ablutione delictorum, quam fides impetrat obsignata 
in patre et filio et spiritu sancto. ... Habetmis per benedictionem eosdem 
arbitros fidei, quos et sponsores salutis. De paen. 6: lavacrum illud obsignatio 
est fidei, quas fides a poenitentiae fide incipitur et commendatur ... Haec enim 
prima audientis intinctio est, metus integer. De pud. 9: fidei pactionem interro- 
gatus obsignat. 

3) Aus ihr ist spater ein besonderer sakramentaler Akt die Confirmatio 
geworden. . 

4) Dabei trittimmer noch die alte Doppelheit der Tanfe liervor, s. z. B. das 
Gebet Hippolyts bei v. d. Goltz a. a. 0. S. 22. wonach das Wasser mit heiligein 



362 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

dann Clemens von Alexandrien stark betont, dafi in dem Tauf- 
moment dem Menschen sofort Vollendung, .Gnade und Eiieuchtung im 
VollmaB zuteil werde, denn es sei Grottes Art vollkommene Gaben zu 
spenden. 1 ) Die , zauberbaf te Vorstellung, die bier vorliegt, wird aucb 
dadurcb nicbt gemildert, dafi Clemens den Taufunterricht mit dem 
Glauben in Beziebung bringt, da erst zugieicb mit der Taufe der 
Glauben inneiiicb gelebrt werden soil. 2 ) 

Die lebrbafte Auffassung der Taufe bat nni die "VVende des 2. 
und 3. Jabrbunderts eine erbeblicbe !Fortbildung erfabren. Dieselbe 
bestebt in folgenden Punkten: 1) der durcb die stoische Geistlebre 
veranlafiten Materialisierung 'der Taufgnade, man denkt an eine sub- 
stanzielle Gnade, die die Siincle austilgt und den Menscben mit neuen 
Kraften erfullt. 2) Auf der Babn des Paulus und Jobannes fort- 
gebend , wird die Taufe als e in Akt aufgefafit , der Simdentilgung 
und "Wiedergeburt in einem durcb das gebeiligte "Wasser wirkt. 3) Im 
Anscblufi an die neuplatoniscbe Anschauung beginnt man den Taufakt 
als magiscb-geistige Eiieucbtung, als Scbaffung des Grlaubens im Menscben 
zu deuten. Die beiden ersten Punkte weisen auf die abendlandiscbe 
Tauflebre bin, der dritte babnt die morgenlandiscbe Entwicklung an. 
Aber bier wie dort beginnt die Taufe ein Mysterium zu werden. Die 
alte Auffassung, dafi die Taufe das abscbliefiend gibt, was man anfangs- 
.\veise durcb die Tauflebre empfangen bat, fangt an zuriickzutreten 
gegen die Deutung der Taufe als eines scblecbtbin neuen Wunderaktes, 
der den Menscben umwandelt. Das psychologiscbe Wunder wird durcb 
das pbysiscbe "Wunder verdrangt. Damit war aber eine neue Be- 
tracbtungsweise angebabnt. Die Taufe wird zu einem. besonderen Sakra- 
ment. Dogniatiscbe Reflexionen fassen sie isoliert als solcbes auf, 



Geist gefiillt Avird, aber erbeten wird : ,,wasche sie mit Wasser und lehre sie durch 
den heil. Geist". Nocli Cyrill von Jems, halt es fur no'tig stark .zu betonen, 
daB die Taufe niclit nur die Siindenvergebung, sondeni auch die Gnade des Geistes 
gewahrt (Oat. inyst. 2, 6). Er dritckt die spatere Anschauung klar aus, wenn er 
bei der Untertauchung in das Wasser den Menschen in demselben Augenblick 
sterben imd geboren werden lafit, sodafi das Wasser ihm Grab mid Mutter zugleich 
wird (ib. 2, 4). 

1) Paedag. II, 6: &va.yevvr]d'EVTss yovv siid'ecos TO releiov &7teiM]yauEv . . ., 
ecpcoria^fisv ydf) . . . Telstovtcu Se rep l.ovtqcp fiovov xai rov TtpstifiaTOs vfj y. 
ayid&zcu. -T- . fPcotiofie is dn:j]h),atrat fief rt a g a % q fj fi a 'rov 
aTtBilrjcp s v Se avio&EV rb cpcos. 01 fiaTfri^ofievoi. ras sTtiaaorovaas 

tcij d'slco TtvevfictTi . . . cKtOTQEydiiEvoi s/.evd'eQOV '/.al dvefinoSiaiov xai tponetvbv 
dfifia tov 7iVBTjf.ia.TOs ea%ofiev, co s (.tovco TO ftslov EitoTtrsvofiev, oiiQavo&Ev ejtsiopEot'- 
TOS fjfiiv TOV ayiov TtvevfiaTOS- 

2) Paed. II, 6 : f] fiev yu^ xanjy^ais BIS nlanv TiEQidyEi,, Titans de &ua fiamio- 

TiaiSsvETai tr 



Fortbildungen in der Tauflehre. Die Kindertaufe. 363 

kirchenrechtliche Bestinimungen regeln ihren Vollzug. Was einst ein 
Glied in der religiosen Erziehung war, wird jetzt zu dem einen groflen 
"Wunder des Christenlebens. 

Die kirchenrechtliche Betrachtungsweise, die in unserer Zeit die 
Kirche gegen die Grnosis sichern will, erstreckt sich auch auf die Taufe. 
Die Taufe durch Haretiker wird fur ungiltig (Tert. debapt. 15), die 
Johannestaiife als vorbereitende Zeremonie erklart (ib. 10). Schon 
Ignatius hatte gemahnt sich von deni Bischof taufen zu lassen, Terfcullian 
sieht ebenfalls den Bischof fur den berechtigten Taufer an, der aber 
auch Presbyter und Diakonen dazu autorisieren kann. Doch wird auch 
.den Laien das ,,Recht" dazu nicht abgesprochen. Indes ist die Ordnung 
der Kirche in Acht zu behalten (ib. 17). Die Taufe fangt an zur 
Stabilierung der Autoritat und Macht des Kirchenamtes verwandt zu 
werden. 1 ) 

Noch eins ist hervorzuheben. Die Kindertaufe ist in unserer 
Zeit in Anwendung gekomnien. Aber sie ist nicht Kegel gewesen. Ein 
Mann wie Tertullian hat sie fur gefahrlich gehalten und vor ihr gewarat. 
Die Idee, dafi die Taufe die Siinden wegnimmt und der Gretaufte ein 
siindenreines Leben f iihren solle, macht das ,verstandlich, man erinnere 
sich der Jugendgeschichte Augustins und der Hinausschiebung seiner 
Taufe. 2 ) Irn ganzen kann man sagen, daB erst seit dem 4. Jalirhundert, 
d. h. seit die Kirche Volkskirche wird, die Kindertaufe feste Sitte wird. 
!Nur in der Volkskirche ist die Kindertaufe durchzuf iihren, die Missions- 



1) Vgl. Didascal. 9 : ehret aber die, die euch von den Siinden befreit haben, 
die euch von neueni durch das Wasser gezeugt, die euch mit dem Mil. G-eist er- 
fiillt haben, die eucli mit dem Wort ivie mit Milch groftgezogen, die euch durch 
die Lehre erbaut, die euch durch die Zucht gefestigt haben und an der heiligen 
Eueharistie Gottes euch. haben teilnehmen lassen und euch zu Teilhabern und 
Miterben der gottlichen Verheifiung gemacht haben.- 

2) Von der Kindertaufe spricht Iren. IT, 22, 4: omnes, qui per eum renas- 
cuntur in deum, infantes etparmdos etpueros et iuvenes et senior es. Origenes 
iu Bom. comm. V, 9 (Loinm. VI, 397) : ecclesia ab apostolis traditionem suscepit 
etiam parvulis baptisnmm dare. In Lev. horn. 8. 3 : secundum ecclesiae obser- 
vantiam etiam parmilis baptisimim dari. In Lvic. honi. 14 : et quia per baptismi 
sacramentum nativitatis sordes deponuntur, propterea baptizantur et parvull. 
Tertull. debapt. 18: pro cuiusque persona sacramentum condicione ac dispositione. 
etiam aetate, cunctatio baptismi iitilior est, praecipue tamen circa parvulos. Quid 
festinat innocens aetas ad remissionem peccatorum? Cautius agetur in saecu- 
laribiis, ut cui substantia terrena non creditur, divina credatur. Norint petere 
sahitem, ut petenti dedisse videaris ... Si qui pondus intelligant baptismi 
magis timebunt consecutionem quam dilationem. S. aucn Cyprian, ep. 64, 2. Zu 
beachten ist, daB auch bei den keidnischen Mysteries Kinder eingeweiht Avurdeu, 
s. An rich, Das antike Mysterienwesen etc. S. 55. Vgl. zu der ganzen Frage 
Sachs se, Die Lehre von der kirchlichen Erziehung, 1897, S. 92 ft 



364 14, Die Theologie der antignostischen Yater. 

kircke ermangelt der sittlicken Vorbedingungen fur sie. Wie sick da's 
Taufinstitut keratisgebildet katte, war es nur ein Zeicken religiosen 
Taktes, daB man zauderte es auf die Kinder anzuwenden. -Aber es 
ist spater, so wie es war, mit alien Gaben und Eorderungen, die es 
umfaBte, auf die Kinder iibertragen worden. 1 ) Die Ziige des antiken 
Mysteriums, die sick der Taufe allmaklick angekeftet batten, sind da- 
durck versteinert worden. Ein grofier Teil der Prablenie, die die Taufe 
nock beute der Kircbe aufgibt, ist daraus erwacksen, daB man die alte, 
fur Erwacbsene zurecktgemackte, Taiifinstitution ungeandert als Kinder- 
taxife fortbestehen liefi. 

25. Von alters her- waren Bufie und Taufe miteinander verbunden. 
Zwei Anscbauungen standen sick gegeniiber. Nack der einen beginnt 
mit der Taufe das Leben der Bufie, nack der anderen sollte die Bufie 
mit der Taufe abscbliefien, ein siindenfreies Leben soil folgen. Freilick 
bleibt es bei den taglicken kleinen Stinden, fur sie soil das Gebet Yer- 
gebung sckaffen. Aber auck die rigoristi'sche Praxis katte eine einmalige 
zweite BuBe zugestanden. So war in Rom, dort wo starke jiidiscke 
Traditionen und die romiscke Ansckauung YOU der recktlicken E,eligions- 
disziplin sick miteinander vereinigt katten, das BuBsakrament entstanden 
(vgl. oben S. 126 f .). Die Kircke kat es nickt fallen lassen und die gnostiscken 
Kreise katten es in ikrer Weise ausgepragt (oben S. 243). Im sittlicken 
"Wettstreit mit der keidniscken Welt konnte die Kircke sie in doppelter 
Weise iiberbieten: sie konnte eine Gremeinde der ,,Heiligen" kerstellen, 
deren Grlieder die Bufie nur irn Hinblick auf ikre keidniscke Vergangen- 
keit brauckten, und sie konnte die ' Reinigungsniittel des Heidentums 
ubertreffen durck eine BuBe, die sicker und prompt die Heiligkeit ikrer 
Grlieder, auck wenn sie einrnal verletzt war, wiederkerstellte. Wie stark 
das Bedurfnis kiernack war, zeigen TJnternekmungen wie der Elkesaitis- 
mus und die BuBreklame des Alkibiades (oben S. 207). Es war in den 
Yerkaltnissen der immer weiter sick ausbreitenden Kircke begriindet, 
daB sie im Prinzip die BuBe beibekielt und immer mekr zu. einem 
Institut ausgestaltete , daB aber andrerseits kinsicktlick der grobsten 
Stinden sick auck Bedenken erkoben. Es ist spater davon zu reden. 

Es katte sick Einkeit darin kerausgebildet, daB der Ckrist fiir die 
geringen Siinden private BuBe tun sollte, und dafi fiir grobe Siinden ikm 
eine besondere kircklicke Institution kelfen solle. Aber der Sinn und 
der Zweck dieser konnte versckieden verstanden werden ]'e nack der 



1) s. z. B. Cyprian, ep. 6i, 3: esse denique apud omnes, sive infantes sive 
maiores natu, imam divini muneris aequalitatem declarat nobis scriptume di- 
vinae fides. 



. Versehiedene Anschauuugen von der BuBe. 365 

Grundanschauung von der Religion. Dachte man das Christentum als 
die go'ttliche Neugestaltung durch Ghristus, so empfing die Bufie einen 
padagogischen Charakter, uni des Menschen willen, zur Brechung der 
Macht der Siinde wird sie vollzogen. Dachte man dagegen die Religion 
als Rechtsverhaltnis, so wurde die Bufie zu der Gott fur die Siinde 
schuldigen Satisfaktion,- um der Ehre Gottes willen, als Aufhebung der 
Schuld .der Siinde ist sie notig. Das sind die Ausgangspunkte der 
griechischen und der lateinisclien Bufitheorie. Mit ihnen hangt auch. die 
Wahl der Person, vor der man beichtet, zusammen, fiir den Abendlander 
ist es naturgeinafi der Priester, fiir den Morgenlander jede in geistlichen 
Dingen -besonders erfabrene Person. Schon bei Clemens und ebenso bei 
Origenes tritt die morgenlandische Anschauung klar bervor. "Wie der, 
welcher sicb den Magen verdorben bat, meint Origenes, dadurcb Er- 
leichterung gewinnt, dafi er die schadlichen Stoffe von sicb gibt, so soil 
der Siinder sicb durch Bekenntnis seiner Siinde Erleichterung verschaffen, 
aber er soil nur vor einem sachkiindigen Mann sein Bekenntnis aus- 
sprechen, der ibn eventuell zu einem offentlichen kirchlichen Bekenntnis 
veranlassen wird. Das Ziel ist, dafi der Siinder gebessert werde. 1 ) 

In unserem Zusammenhang handelt es sich aber um die andere 
abendlandische Anschauungsweise, die Tertullian in seiner Schrift 
de paenitentia scharf und klar herausgearbeitet hat. Der Siinder, so 
sahen \vir S. 353, verdient sich durch die Bufie vor der Taufe die Tilgung 
und Yergebung der Siinden in der Taufe, diese Bufie und die Taufe 
hangen eng zusammen, sodafi die Furcht vor der Taufe als die erste 
Eintauchung bezeichnet wird. Die erste Halfte der Schrift Tert. handelt 
nur von dieser ersten Bu6e (cf.de pud. 9). Durch sie gewohnt sich der 
Mensch an die Furcht ,vor Gott. Diese oder die Bufigesinnung wird 
ein dauerrider Besitz seiner Seele (de paen. 6 in.). N a c h der Taufe soli 
sich der Mensch nun von Siinden rein bewahren. Er soil nicht auf die 
zweite Bufie rechhen, wie auch der einmal in einem Schiffbruch Gerettete 
nicht wieder. sich auf das Meer wagen wird. Nun sucht aber der Teufel 
gerade die Getauften wieder in Siinde zu stiirzen (7). Die Siinde ist 
aber eine Beleidigung Gottes, und Gott niufi als Gesetzgeber sein Gesetz 
aufrecht erhalten. Daher ziirnt er dem Siinder und strait ihn : si offen- 
ditur, debet irasci (c. Marc. I, 26 ; exh. cast. 2 ; ad ux. II, 7). Der Siinder 
wird daher von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. 2 ) Aber in 

1) s. Orig. in ps. 37 h. 2; in Lev. h. 5, 4; auch Theophil. in Autol. II, 26; 
Tgl. Steitz, Die BuBdiszipliu der morgenland. Kirehe in Jahrb. f. deutsche Tbeol., 
1863, 91 ff. Ho 11, Enthusiasmus und BuCgewalt beim griech. Monchtum,. S. 225 ff. 

2) Apol. 39: iudicatur magtio citm pondere . . ., si quis ita deliquerit, ut a 
communieatione orationis et conventus et omnis sancti commercii relegetur. 



366 14- Die Theologie der antiguostischeu Vater. 

seiner viiterlicben Giite hat Gott clem Sunder noch eine zweite BuBe 
bereitgestellt. Aber nur tun eine zweite Bufie handelt es sich dabei. 1 ) 
Dieselbe scheint sicb. auf alle Siinden erstrecken zu konnen. 2 ) 
"Worin bestebt nun diese BuBe ? Sie fafit in sicb ein paenitere ex animo, 
eine confcssio delictorum und eine Gott dargebrachte satis factw, wie am 
Beispiel des veiiorenen Sobnes nachgewiesen wird. Nicht nur ein innerer 
Vorgang soil es sein, sonclern er soil sicb aucb in Taten zeigen. Ersteres 
fafit man nun in dem. griecbiscben Wort Exomologesis zusammen. Das 
Bekenntnis aber bereitet die Genugtuung vor, 3 ) darauf konimt es zu- 
hochst an. dafi Gott fur die ibm angetane TJnebre Satisfactio wird. 
Diese Bufie besanftigt Gott, sie ist ein ibm dargebracbtes Opfer. 4 ) Der 



1) de paeii. 7: callocavit in vestibulo paenitentiam secumlam, quae pul- 
santibus patefaciat; sed iam semel, quia iam secundo, sed amplius nunquam, quia 
proxime frustra. Non enim et hoc semel satis est? Habes quod iam non mere- 
baris ... Si tibi indulgentia domini accomodat, wide restituas quod amiseras, 
iterate beneficio grains esto . . Mains est enim restituere quam dare, quoniam 
miserius est perdere quam omnino non accepisse. 

2) Unter den Simden, fiir die die Sendschreibeu der Apok. zur BuBe auf- 
fordern, werden auch stupnwn, idolothytorum esus, docentes perversa etc. ange- 
fiihrt, de paen. 8. . 

3) de paen. 8: si paeniteat ex animo . . ., si patrem repetas vel offen- 
sum. Tantum relevat confessio delict-orum, quantiim dissimulatio ex- 
aygerat. Confessio enim satisfactionis consilium est, dissimulatio contu- 
maciae. Ib. 9: ut non sola conscientia praeferatur, sed aliquo etiam actu ad- 
ministretur. Is actus, qui magis Graeco vocabulo exprimitur et frequentatur, ex- 
omoloyesis est, qua delictum domino nostrum confitemur, non quidem ut ignaro, 
sed quatenus satisfactio confessione disponitur, confessioiie paenitentia nascitur 
paenitentia deus mitigatur. de or. 1 : exomologesis est petitio veniae, qua qui 
petit veniam delictum confitetur. 

4) Folgende Wendungen Tertnllians veranschaulichen seine. Gedanken: 
paenitentia deus mitigatur 9; lit deum reconciliem, quern delinquendo laesi 11; 
offendisti, sed reconciliari adhuc potes 1 ; domino offenso satis facere 10. 11. 5. 8 ; 
per delictorum paenitentiam domino satisfacere 5 ; paenitentia domino immolare 
(cf. de resurr. 8, wo dies Opfer anf Taufe und 'Abendmahl. folgt). De pud. 9: 
satisfacto (patri) redit. De or. 23 : deprecamur et satisfacimus deo. Der Hauptbegriff 
ist satisfactio. Ps. Asconius zu Cicero (in Veir. act. 2, 1, 1, 79) deimiert : satisfacere . . . 
tantum facere quantum sit irato ad vindictam. In der Eechtssprache be- 
zeichnet die satisfactio die Erfiilhmg einer Verpflichtung z. B. durch Be- 
zahhmg, die Abfindung des Gflaiibig'ers, endlich die reparatio iniuriae. wie z. B. 
propter f acinus satisfacere poend, oder verberandum exhibere servum, ut ita satisflat 
ei, qui iniuriam passus est (s. die Belege beiHeumann, Handlexikon d. Quellen 
d. rom. Eechtes, 9. Aufl., S. 527). Satisfactio kann daher auch die Bitte urn 
Vergebung (so im Frg. des Hebr.-Ev. bei Hieron. c. Pelag. Ill, 2), die Verteidi- 
gung (2. Tim. 14, 16 = uTto^oyia) sein, . Tert. de pat. 3 gebraucht es ; auch Ton 
der Heilung des Ohres des Malchus etc. Uber den juristischen Sprachgebrauch 
s. noch Brissonins, De verborum significatione ed. Heineccius-Bohmer, Halle 1743, 



Tertullians Bnfitheorie. 367 

Mensch soil sich alles irdischen Genusses enthalten ; indem er so die 
zeitliche Strafe seiner Siinde tragt, tilgt er die ewige Strafe aus. 1 ) Die 
Vergebung wird ihm dann von der Kirche ausgesprochen Ein faetum 
sakitare ist die Bufie (10), 2 ). die Planke zur Eettung des Schiffbriichigen 
(12 cf. 7. 4). Ihr Motiv ist die Furcht vor den Hollenstrafen (12). 

Das ist eine in sich zusammenhangende Anschauung, die sich auch 
der Gesamtanschauung Tertull. einordnet. Gott ziirnt dem Sunder, aber 
er gewahrt ihm noch einmal die Moglichkeit sein TTnrecht gutzumachen. 
Das geschieht dadurch, dafi der Siinder Gottes angetastete Ehre durch 
seine Furcht restituiert, indem er sich. selbst alle zeitlichen Strafen auf- 
erlegt, urn sich so von der ewigen Strafe freizukaufen. Das ist seine 
Satisfaktion. "Wie er sich die erste Yergebung verdiente , so soil er 
auch die zweite verdienen. Das ist konsequent gedacht in dem Schema 
der Rechtsreligion, trad es ist zu bewundern, wie auch auf diesem Ge- 
biet Tert. die knappen Formeln zu finden gewufit hat, die die Kirche 
des Abendlandes so lange beherrscht haben. Aber fast wunderbarer ist 
es noch, dafi er noch nicht aus seiner Grundanschauung die Konsequenz 
der Fortdauer der rechtlichen Bufie gezogen hat. Kann Gott einmal 
Satisfaktion geleistet \verden, warum ' nicht immer? Indessen nur mit 
"Widerstreben piget secundae, immo iam ultimae speisubtexerementionem, 
de paen. 7 ist er an die Darlegung der zweiten BuBe gegangen, und 
er hat sie als Montanist ganz aufgegeben zusammen mit ihrer Autoritat, 
Heriiias, clem apocryphus Pastor moecliorum (de pud. 10. 20). Jetzt be- 
rief er sich auf den 1. Johannesbrief und den Hebraerbrief, die fur 
Todsiinden (Mord, Gotzendienst, Betrug, Lasterung, Hurerei) keine Bufie 
gestatten, liefi aber fiir die delicta cotidianae incursionis (ziirnen, fluchen. 
schworen, liigen) durch die Fiirbitte Christi Yergebung eintreten (ib. 19. 20). 
Die sittliche Grundrichtting seiner Personlichkeit arbeitete sich hierin 
hervor, gestiizt auf die Disziplin des Parakleten. Er fiel damit nicht 
heraus aus seiner Grundanschauung: Gott hat sein Gesetz gegeben, es 
mufi befolgt werden im grofien, mag auch im kleinen seine Milde walten. 
Wir kommen spater auf die Bufitheorie Tert. zuriick. 

26. "Weit weniger deutlich als in der Taufe sind die Fortschritte 



p. 1225 b. In der BuBlehre ist der Sinn natiirlicli .der der rechtlichen reparatio 
iniuriae. 

1) de paen. 9 : Jiaec omnia exomologesis, ut . . . de periculi timore domi- 
num honor et, ut.inpeccatorem ipsa pronuntians pro dei indignatione fungatur 
et temporali afflictatione aeterna supplicia, non dicam frustretur, 
sed expungat . . . In quantum non peperceris tibi, in.tantum tibideus, crede. 
parcet. Ib. 11 : castigationem victus atque cultus offenso domino praestare. 

2) Auch medicina wird sie genannt 7 cf. 10; sanare de pud. 2. 



368 14. Die Tkeologie der antigiiostisckeii Vater. 

in der Anschauung voin Abendmahl in unserer Zeit. AVir beginnen 
mit Irenaus. Es diirfte fur das Yerstandnis praktiscli sein, .bei dem. 
Opfergedanken einzusetzen. Dafi die eucharistisehen Gebete das rechte 
gottgefallige Opfer sind, war ein uberkoimnener Gedanke (S. 137). Der- 
selbe empfangt bei Iren. eine neue AVendung. Christus hat. die .Jiinger 
angewiesen die- Erstlinge der Kreatur, Brot und Wein, Gott als Opfer 
darzubringen. Indem er liber diesen Elementen die Einsetzungsworte 
sprach, gab er ihnen den Charakter als Leib und Blut und daniit die 
ideelle Opferqualitat. Somit kann man sowohl sagen, dafi Brot und 
Wein Gott dargebracht werden, als aucli dafi die eucharistischen Gebete 
bzw. die Einsetzungsworte der eigentliche Opfergegenstand sind. So 
geht in dem eucharistischen Opfer die Weissagung Mai. 1, 10 f. vom 
Preis des gottlichen oSTamens und von dem reinen Opfer in Erfiillung, 
und deshalb konnen die Juden nicht opfern, da ihnen das Wort als 
Opfermittel fehlt. 3 ) Was Iren. meint ist also dies: die Christen bringen 
Brot und AYein als Opfer dar, aber sie tun dies vernioge des eucharistisehen 
Dankgebets, das jene sinnlichen Elemente besonders qualifiziert. Dabei 
denkt Iren. keineswegs daran, dafi Christus selbst geopfert wiirde. Er 
nieint nur, dafi Brot und AYein vernioge der Einsetzungsworte als Leib 
und Blut gelten. 

Das ftihrt uns weiter zur Frage, was denn die Eucharistie eigentlich 
ist. Zwei Gesichtspunkte leiten hierbei das Interesse des Irenaus. Ein- 
nial soil durch das Abendmahl die Fahigkeit des Meisches Unsterblich- 
keit zu empfangen erwiesen werden, sodann soil das Abendmahl beitragen 
zur Erkenntnis der Identitat des AYeltschopfers und des Yaters Christi. 
Die Gnostiker, so horen wir, diirfen nicht, wie sie es doch tun, das 
Brot und den AYein, liber denen das Dankgebet gesprochen ist, als Leib 
und Blut Christi bezeichnen, denn nach ihrer Anschauung sind Brot 
und AVein ja voni Demiurgen geschaffen, wie kann Christus sie dann als 



1) Ir. IV, 17, 5: suis discipulis dans consilium primitias deo offerre ex 
suis creaturis . . ., eum qui ex creatura panis est accepit et gratias egit dicens: 
hoc est corpus meum. et calicem similiter qui est ex ea creatiwa, quae est secun- 
dum nos, suum sanguinem confessus est, et novi testamenti no vain docuit 
oblationem, quam ecclesia ab apostolis accipiens in universo mundo offert deo, 
es folgt Mai. 1, 10. 11. Ibid. 6: quoniam ergo nomen filii proprium patris est 
et in deo omnvpotmte, per lesum Christum offert ecclesia, bene ait . . . (Mai. 1, 11) : 
,,et in omni loco incensa offertur nomini meo et sacrificiiim purum", incensa 
autem loannes in Apocalypsi ,,orationes" ait esse ,,sanctorum u . IV, 18, 4: et 
hanc oblationem ecclesia sola put-am offert fabricatori offerens ei cum gratiamm 
actione ex creatura eius. ludad autem non offerunt, manus enim eorum sanguine 
plenae sunt, no n\ enim receperunt verbum quod offertur deo., Vgl. 
Just. Dial. 41. , 117. 



Irenaus tiber Opfer und Eucharistie. 369 

seinen Leib bezeicbnen ? *) Man siebi, es bandelt sicb nur urn die 
Besitzergreifung der ibin zugeborigen oder nicbt zugeborigen Substanzen 
durcb Cbristus. Nun fragt Iren. aber welter, wie die Gnostiker sagen 
diirfen, dafi das Meiscb des Menscben verganglich sei, wabrend es doch 
von Cbristi Leib und Blut genahrt werde. Ausdriicklich wird dabei von 
zwei Bestandteilen der Eucbaristie geredet c J2g yag ajtb j/?]g aQwg, 
rtQoaha[.i@av6t:tvo$ vrjv wzkyotv wv -3-sou, OVY.STL y.oivbg agios sariv, 
ev^agioria en dv nQccyfAaicov avvsoTy/vla, STtiyeLov TS v.a.1 ovgctviov, 
xal TCC ad/uaia fyiwv (.le-vakaftfidvovTcc ii\q ev%aQiGuag (.ir^exi 
elvca cpd-aQTK, ity skrtida vijv sig ai&vas avctOTaoecog e%ovra (IV, 18, 5). 
Es fragt sicb, was unter der ,,bimnilisclien Sacbe", die in dem Abendmabl 
ist, zu versteben sei. Man kann an Leib und Blut Cbristi denken, wie 
es seit Lutber iiblicb ist, docb darauf fiihrt der Zusammennang nicbt. 
Voran gebt der Gredanke , dafi die Cbristen , im Gregensatz zu den 
Grnostikern, Grott das ibm Angeborende darbringen, und dafi sie ,,die 
Gfemeinscbaft und Einbeit von Fleiscb und Greist" verkiinden. 2 ) Folgt 
darauf, mit ,.denn" eingeleitet, der oben angefiibrte Satz, so scbeint der- 
selbe nur sagen zu konnen, dafi aucb in der Eucbaristie eine derartige 
Yerbindung voiiiege, wie ja aucb. in dem Menscben, der sie und niit ibr 
die Unsterblicbkeitsboffnung empfangen bat. Nun ist aber das , was 
Unsterblicbkeit wirkt, der Greist (s. V, 3, 3 ; 8, 1 ; 13, 4). Dann nieint 
Iren. wobl, den Elementen ist nacb der ,,Ekklese" 3 ) der Geist gegen- 
wartig. Da aber der Logos es ist, der die Elemente zu seineni Leibe 
niacbt, so wird der Geist auf den Logosgeist zu bezieben sein. Und in 
der Tat beifit es in anderem Zusammenbang, dafi Brot und Kelcb den 
Logos Gottes aufnebmen und dafi sie dadurcb zur Eucbaristie oder dem 
Leibe Cbristi werden. Der Logosgeist verbindet sicb also mit den Ele- 



1) IV, 18, "4: quomodo autem constabit eis (den Gnostikern), eum panem, 
in quo gratiae actae. sint, corpus esse domini sui et calicem sanguinem ems, si 
non ipsum fabricatoris mimdi filium dicant, id est verbum eius, per quod lignum 
fructificat . . '. et terra dat . . . plemtm triticum in spica? IV, 33, 2: quo- 
modo autem iuste dominus, si alterius patris existit, huius condicionis, quae est 
secuiidimi nos, accipiens panem, simm corpus esse confitebatur et temperamentum 
calicis suum stirigiiinem confirmavit? 

2) itQoacpB^p^isv Ss ai>T(S tot, %dia, efifiehais xoiveoviav '/.at, evcooiv dLTcayyekhovTEs 

fy.al ofiohpyovvresj aagxbs xal TtvEiifiarog {'eyegoivj. Der griechische Text der Stelle 
ist interpoliert,. wie .die Klainmern anzeigeu, der lateiuische hat das Urspriing- 
liche erhalten, . 

3) So sagt Iren. fur eni-Atiais, es ist die Eiuladuug an den Geist zu 
kommen, wie Tert. (de bapt. 8) von eineni invitare des Geistes spricht. Ent- 
standen ist diese Vorstellung aus jenein Marara tha zu SchluB des alten eucha- 
ristischen Gebetes (vgl. S. 132 A. 1). 

Seeberg, DogmengescMchte I. 2. Aivft. 24 



370 '14- Die Theologie der antignostischen Vater. 

menten und dadurch und insofern werden sie zurn Leibe Christi. Die- 
selben Elernente also, die den Leib ernahren '- wie Justin (S. 283)> so 
hebt auch Ii*en. dies besonders hervor < sind nunmehr Tragef des 
Logos und in diesem Sinn Leib Christi .und wirken das ewige Leben 
ini Menschen. 1 ) Sofern die Elemente ibre riaturliche Eunktion ausiiben, 
sind sie nicht verwandelt. Ja mehr noch, von einer Gegenwart des 
Leibes Christi als solcheni ist iiberhaupt nicht zu reden, 2 ) sondern der 
Logos hat sich mit dem Brot verbunden und dies zu seinenl Organ und 
so gewissermaflen zu seinem Leibe gemacht. DaB das Brot Brot bleibt, 
hebt Iren. gefiissentlich durch die Erwahnung des Eortbestandes der 
natiirlichen Eunktionen des Brotes hervor. Sofern aber andrerseits der 
Logos mit dem Brot sich vereinigt hat, wird der Leib des Menschen 
auch von der Logoskraft durchdrungen. 

Die Gedanken des Irenaus vom Abendfflahl reichen iiber die un- 
bestimmte Eormel Justins, dafi Brot und Wein, die unseren Leib er- 
nahren, nach christlicher Lehre auch Leib und Blut Christi seien, nicht 
hinaus. Ja erst bei Ir. wird es klar, wariim diese Eormel so unbestimmt 
gehalten war. Die Ansicht des Iren. faBt sich kurz in folgende Ge- 
danken zusammen : 1) Brot und Wein dienen zuni Opfer, vermoge der 
besonderen ideellen Qualitat, die das eucharistische Gebet ihnen gibt, 
d. h. sofern si6 als Christi Leib angesehen werden. 2) Durch die An- 
rufung Grottes empfingen Brot und "Wein auch fur den Genufi einen 
besonderen Charakter, indem' der Logosgeist sich mit ihnen verbindet; 
das entspricht der Tatsache, dafi von Anfang an der Logos in der Natur 
wirksam ist. 3) Brot und Wein bleiben was sie sind, indem sie ihre 



1) V, 2, 2f. : to dad rrjs xriascos TtoiriQiov al/.ia VSiov cbfiohoyrjoei', fi| -ov t-b 
pov Sevsi aifia, v,ai tbv &!Jtb iT]s xTiffscog lifirov 'iSiov owfia 8iej3e8aicf>aa,fo, ay? 

ov ru rjiieTsoK- ail^st, acbfiara. f 07toTS ovv '/tal TO y.sy.oaf.if.ievov Ttorrjoiov xal 6 
yeyovtos aoros sTitSe^srai rbv koyov lov 9'sov xal yiveiai i] e'd/^i.aTia a&fia 
XOWTOV, "/. fovrwv 8s avgei r.al avviotaTut, fj rfjs ffaoxos ti/ncov vnoamois' Ttcos 
tr] eivai. keyovai rrjv adoxa ri^s dcooeas TOV d'eov, ijns ean &oij aicbwos, 
und lov acafiaros VML aiuaros tov xvoiov roeyofievrjv VM /.te^os aiirov vftdpftovaav, 
Eph. 5, 30. Brot Ulld Wein n^oa^a/uftavofteva rbv hoyov TOV d'eov e$%aoiaTia 
yiverat,, onso lonv acofia, y.ai alfia TOV XQIOTOV' OVTCOS y.al TO. fjfiETSpa ocbf.iaTa l| 
ai)Trjs Tpecpofieva. y.ai TS&EVTU sis Tr/f yfjv Mat diahvd'EVTa st> avT/i dvaaTijasTai sv 
TCO iSico %aipc(i TOV loyov TOV -&EOV TTJV syspoiv avTOis %apio/.ievov. ' Der koyos 
TOV d-sov in diesen Satzen ist auf Christus zu beziehen, wie die Verbindung .mit 
a&iLia TOV XOIOTOV zeigt, und wie es der Gedanke, daO der Sohn des, Schopfer.s 
oder sein Logos allem. Irdischen das Wachstum gibt, bestatigt, IV, 18, 4, s. das 
Zitat oben'S. 369 A. 1. . : 

2) In einem Frag. (Stieren II, 832) weist Iren. es als MifiveTStandnis zuriick, 
daC die Eucharistie TCO bvn Fleisch und Blut sei. Im iibrigen spricht er fast 
immer YOU a&fia y.al alfia. 



Tertullians Abendmahlslehre. 371 

natiirlichen Wirkungen fortsetzen, aber sofern der Logos sicli mit ihnen 
vereiriigt hat, sind sie seine Mattel oder sein Leib und Blut geworden. 
4) Indem sie das Meisch physisch durchdringen, fiihren sie auch den 
Logos in dasselbe hinein, und er macht es unsterblich. 5) Sofern Brot 
und Wein der Kreatur angehoren nnd doch der Logos sie zu seinem Leibe 
macnt, ist'es Mar, dafi er .der Sohn des Schopfers ist. Sofern Brot 
und Wein physisch ini Fleisch wirken und docli Trager des Logosgeistes 
werden, ist erwiesen, dafi auch das Eleisch des Menschen der Unsterb- 
lichkeit fahig ist. Das 1st die antignostische Spitze, die Iren. seinen Ge- 
danke'n gegeben bat. ' . - 

TJberscnaTit man diese Gedanken, so tritt die arspriingliche Grund- 
lage der Abendmablsvorstellung Christus selbst ist' gegenwartig und 
wirksam nocb deutlicb hervor. Auf die Greistwirkung Christi kommt 
es dem Irenaus an, Brot und Wein werden zu sinnlichen Medien dieser 
"Wirkung und in diesem Sinn Leib und Blut Cbristi. Aucb das ist eine 
alte Vorstellung, dafi Christi Gfegenwart ewiges Leben verleiht. E-elativ 
neu dagegen ist die physische Bindung des gegenwartigen Christus an 
die sinnlichen Elemente durch :die Ekklese. Dadurck wird das Abend- 
mahl in ahnlicher Weise als . Mysterium gefafit,-wie Tertullian es fiir die 
Taufe gelehrt hatte. Ebenso ist nicht zu verkennen, dafi der Opfer- 
gedanke einen Schritt yorwarts getan hat; JZwar sind an sich die Eler 
mente die Opfergaben, aber sie sind es in der besonderen Qualitat, die 
ihnen die Ekklese verleiht, d. h. schliefilich doch sofern sie Leib und 
Blut Christi darstellen. Sobald nun die Wandlung der Elemente in den 
wirklichen Leib Christi konsequent durchgefiihrt werden wird, mufi sich 
der Opfergedanke auf Leib und Blut Christi selbst richten. So sind die 
Keime einer weiteren Eortbildung der Abendmahlslehre bei Irenaus schon 
deutlich erkennbar. 

27. Tertullian hat nur gelegentlich vom Abendmahl geredet. 
Tiber seine Ansicht herrscht Streit. , Tert. will die 4. Bitte, spirituality 
auffassen. Christus enim panis nosier est, quia vita Christus el vita pdnis. 
Ego sum, inquit, panis vitae (Joh. 6, 35). Et paulo supra: panis est 
sermo dei vivi, qui descendit de caelis (Joh. 6, 33). ^ Turn quod et corpus 
eius in pane censetur: hoc est corpus meum. Itaque petendo panem 
quotidianwn perpetuitatem posttdamus in Christo et individtiitatem a corpore 
eius (de orat. 6). Die Ansicht, die aus diesen Satzen sich ergibt, ist 
nun die. "Wir bitten in der 4. Bitte urn Christus den Logos, der das 
fiir die Seelen ist, was das Brot fiir die Leiber, wir bitten somit iini 
das unsterbliche Leben. Dies lauft auf die Gedanken des Irenaus hin- 
aus, die geistige Gegenwart Christi ist die eigentliche Gabe des Abend- 
mahls. Aber dieser Gedanke wird durch einen an deren erganzt. Auch 

24* 



372 14- Die Theologle der antignostischen Vater. 

der Leib Christ! fallt in irgend eiiiem Sinn unter den Begriff 1 ) des 
Brotes. Den Sinn gibt nun aber das Eolgende an, es handelt sich um 
die Unzertreunlichkeit voni Leibe Christi. Das bedeutet nun nichts 
anderes als was 1. Kor. 10, 17 geineint ist. Das eine Brot macht aus 
den vielen Einpfangern einen Leib. Von der Einheit des Leibes Christi 
oder der Gemeinde nicht getreunt zu werden, ist also das zweite, was 
erbeten wird. Nicht wie Irenaus denkt Tert. bei dein Leibe hier an 
die Abendmahlselemente , sondern an die Gemeinde, die Christus zu 
seineni Leibe macht. Es liegfc auf der Hand, daB dies die realistische 
Deutung der Abendmahlsworte ausschliefit. Also : im Abendmahl ist 
der Logos geistig gegenwartig und die Elemente sind die sinnlichen 
Synibole seiner Gegenwart ; aber auch der Leib Christi ist gegenwartig, 
narnlich die durch Christus zu seinem Leib geeinte Gemeinde. Indem 
der Christ der geistigen Gegenwart Christi teilhaftig wird, wird ihm die 
Gemeinschaft niit der Gemeinde Christi aufs neue zuteil. 

Indessen tritt an anderen Stellen auch die irenaische Anschauung, 
daB Brot und "Wein Christus als sein Leib dienen , hervor. "Wie 
Christus "Wasser und 01 bei der Taufe zu seinen Zwecken braucht, so 
,.vergegenwartigt" er auch durch das Brot seinen Leib. Dabei ist nun 
aber sicher nicht an eine Realprasenz des Leibes .zu denken, sondern 
das Brot soil nur figura corporis sein d. h. eine uneigentliche, meta- 
phorische oder symbolische , Darstellung des Leibes. Diese erweist 
freilich die "Wirldichkeit des^ Leibes Christi, aber nur -in dem Sinn wie 
jedes Abbild die Wirklichkeit des Abgebildeten dartut. Gerade die 
Art, wie Tert. in antimarcionitischem Interesse aus deni Vor- 
handensein der ,,Figur" des Leibes auf die Wirldichkeit des letzteren 
schliefit, zeigt, wie fern ihm noch der Gedanke der Gegenwart des 
Leibes Christi im Abendniahl liegt. 2 ) Wie anders hatte sich bei Luther 



1) Das bedeutet censeri. s. Leiinfoach, Beitrage zur Abendmalilslehre Tert., 
1874, S. 40ff. 

2) c. Marc. 1, 14: panem, quo ipsum corpus simm repraesentat. Leim- 
bach (S. 20 f., vgl. d'Ales, La theol. de Tert. p. 3561) hat bewiesen, daC re- 
praesentare bei Tert. oft == praesentare 1st, aber daraus folgt noch nichts iiber 
die Art der gerneinteu Vergegemvartigung. c. Marc. IV, 40: acceptum panem 
. . . corpus 'suum ilium fecit, hoc est corpus meum dicendo, id est figura 
corporis mei. Figura autem non fuisset, nisi veritatis esset corpus. Ceterum 
vacua res. quod est pliantasma, figuram capere non potest. Lavabit, inquit 
(Gen. 49, 11) in vino stolam suam et in sanguine uvae amictum simm . . . Ita 
et nunc sanguinem suum in vino consecravit qui tune vinum in sanguine 
figuravit. Zuw Sprachgebrauch von figura s. Leimbach S. 67 ff. S. noeh 
c. Marc. I, 19: panem corpus suum appdlans, ui et liinc iam. intettigas corporis 
sui figuram pani dedisse, cuius- retro corpus .in panem prophetes figuravit, Jer. 



Tertullians Abendmahlslehre. 373 

ein solcher Beweis gestaltet ! Zwar 1st Tert. cler TJberzeugung , dafi 
auch der Leib Christi sich im Himmel befinde (oben S. 337), trotzdem 
clenkt er bei dem Ausspruch, dafi Christus sein Pleisch zur Speise gibt, 
lediglich daran, dafi 'das Wort durch die Vermittlung der leibhaftigen 
Offenbarung gehort und angenommen werde. 1 ) So ganz aufierhalb 
seines Gresichtskreises liegt der Genufi des wirklichen Leibes Christi. 
Gegen dies Resultat sprechen nun auch nicht solche Stellen, in denen 
von einem Grenufi des Leibes Christi die Rede 1st, da sie nur dem 
Sprachge branch entsprechen und keinerlei Bestimmung iiber den ,,Leib" 
geben. 2 ) Tertull. kommt sonach im ganzen auf dieselben Abendmahls- 
gedanken hinaus wie Irenaus. Er glaubt an die lebenspendende Gfegen- 
wart Christi im Abenclmahl und er sieht in den Elementen den ,,Leib" 
Christi. Der TJnterschied besteht aber darin, dafi er die Elemente nicht 
in der "Weise des Irenaus zu Tragern des Logos zu machen, also die 
Wirkung des Logos nicht an die sinnlichen "Wirkungen der Elemente 
zu kniipfen scheint. 3 ) Aber man kann letzteres allerclings nicht sicher 
behaupten , die Ernahrung durch den Leib Christi konnte auch im 
Sinn des Irenaus verstanden werden. Dafiir konnte auch die Tauflehre 
Tert. herangezogen werden mit ihrer Einwohnung des Greistes im "Wasser. 
Aber nichts kann dafur angefiihrt werden, dafi Tert. diese Analogic 
befolgt hat. Sehen wir recht, so tragt seine Abendmahlslehre einen 
altertiimlicheren Charakter als seine Tauftheorie. 

Es war von alters her iiblich, die eucharistische Eeier als Opfer 
zu bezeichnen. 4 ) So sagt auch Tertullian von dem christlichen Gfottes- 



11, 19. c. Iiul. 10. de anim. 17: 'vini saporem, quod in sanyuinis sui me- 
moriam consecravit. Consecrare bedeutet zu etwas weihen, eineii heiligen 
Cb.arakterverleih.en, aucb dieser Begriff flibrt nicht auf die ,,Impanationslehre" 
(gegen Leimbach S. 96), da er rein formaler Nator 1st. 

1) de resurr. 37: itaque sermonem constituens vivificatorem, qitia spiritus 
et vita sermo, eundem etiam carnem suam dixit, qiiia et sermo caro erat factus, 
proinde in causam vitae adpetendus et devoramhis auditu et ruminandus in- 
tellectu et fide digerendus. 

2) de pud. 9: opimitate dominici colons vescitur, eucharistia scilicet. 
de resurr. 8: caro abhiitur, ut anima emaculetur . . . Caro corpore et sanguine 
Christi 'vescitur, ut et anima de deo saginet'ur. De orat. 19 : accepto corpore etc: 
Der smnliche Vorgang ist nach dem Zusammeubang das Mittel der geistigeii Ein- 
\virkimg, auf sie kam es Tert. an. 

3) Die ausfiibrliche Erorterung von Leimbach, der Earn a ck zugestimmt 
hat (DG. I, 398), kommt zum Eesultat, . dafi Tert. wesentlich die lutherische 
Theorie vertreten habe. Ich stimme Loofs in der Bestreituug dieser Ansicht 
(PRE. I 3 , 59 f.) zu. Leimbachs Febler ist, daB er das zu Beweisende voraussetzt 
und die \inbestimmten rein formalen Ausdrucke Tert. in dieseni Sinn detitet. 

4) s. oben S. 137. Auch spater mit Beziehung- auf die Gebete, z. B. Didascal. 



374 14- Die Theologle der antignostischeii Vater. 

dienst : autsaerificium offertur aut sermo administratur (de cult. f era. II, 11). 
Aber der Qpfercbarakter der Feier scbeint nacb ibm in alter Weise 
noch an den Gebeten.zu liaften. Tart, weifi von Christen, die um das 
libernommene Fasten nicbt zu unterbrecben , an den sacrificiorwn 
ofationibus nicbt teilnebmen wollen, er rat ibnen dies docb zu tun, den 
Leib des Herrn zu enipf angen , aber aufzubewahren , und auf diese 
"Weise sowohl der partwipatio sacrificii als der Fastenpflicht zu ge- 
niigen. 1 ) Hiernacb ist Idar, dafi man das Opfer fur vollzogen ansab 
durcb .Teilnabnie an den sacrifieionim orationes. . Die jabrlichen Gebete 
und Opfer Almosen fur die Verstorbenen, von denen Tert. redet 
(de nionog. 10. de exb. cast. 11. de cor. 3), geboren schwerlich hierber. 2 ) 
Aucb bier ist Tert. altertumlicber als Irenaus. 

Die Fortscbritte in der Abendniablslehre sind in unserem Zeitalter 
weniger signifikant als die Fortbildung der Taufe und BuBtbeorie. 
Man war in der Hauptsacbe bei der alten Auffassung steben geblieben, 
nacb der .das Abendniabl die Gegemvart des lebendigen Cbristus ver- 
mittelt , durcb die Unsterblicbkeit deni Menscben zuteil wird. Aber 
scbon zeigten sicb bei Irenaus neue Elemente. Zwar soil das Brot 
Brot bleiben, aber mit dem Brot ist irgendwie die Kraft des Logos 
verbunden. Dann : die Elemente werden Gott dargebracbt, aber sof ern 
sie zu Tragern Cbristi qualifiziert sind. Hier setzen die spateren Fort- 
bildungen der Lebre ein. . 

28. Mit diesein letzten Hauptstiick der antignostiscben Lebre sind 
wir auf unseren Anfaug zuriickgewiesen. Ini Gegensatz zu den gnostiscben 
Kircben bat die katboliscbe Kirche 1) den Kanon die seripta 
auctoritas (Tert. de cor. 3) zu einer dogniatiscben GroBe erboben, sie 
bat die uberkomniene katboliscbe Tradition als seine Interpretin an- 
erkannt, sie bat statt des ,,Geistes" das ,,rationelle" Verstandnis dieser 
gegebenen Grofien gefordert und sie bat endlicb das kircblicbe Amt 
als den legitimen Inbaber der kircbb'cben Wabrbeit p'roklaniiert. Es 
gibt eine "Wabrbeit Gottes in der Kircbe, es ist die "Wabrbeit der in- 
spirierten Scbrift, der kircblicben Tradition oder dann die Wabrbeit, 
die der Episkopat durcb die Sukzession besitzt. 2) Sodann ist fest- 
gestellt, welcbes die Grundwabrbeiten der Kircbenlebre sind, und sie 
sind genauer formuliert worden ini Gegensatz zu den gnostiscben Tbeorien. 
Tiber Gott, Cbristus, die Dreieinigkeit, iiber die Welt und den Menscben, 



syr. 9 : wenn du die JEucharistie des Opfers empf angen hast. Ib. 11 : das Opfer 
fur Gott ist aber wiser Gebet und unsere Eucharistie; ib. 26. 

1) de orat. 19 : accepto corpore domini et reservato utrumgiie salvum erit 
et parlidpatio sacrificii et executio officii. 
.: . 2) Vgl. die vorsichtige Untersiichung von Kattenbusch, PRE. XII 3 , 675 f. 



Ruckblick uud Znsawnienfassung. . 375 

liber die Siinde und die Erlosung besafi man nun Gedanken scharf anti- 
gnostischen Geprages ; sie gaben den kirchlichen common sense wieder, 
aber sie taten das in verscharfter und geklarter "Weise. Man hielt an 
den alien Eormeln feat, aber man deutete sie im Sinn umfanglieher 
Theorien. Die von alters her betriebene Explikation der Glaubens- 
regel hat sich immer mehr zu einer selbstandigen Grofie neben und 
.Tiber der Glaubensregel ausgewachsen. Theologische Ideen fangen da- 
.durch an in das Gemeindeleben einzugreifen. Statt der erbaulichen 
Betrachtungen der Vater oder der Inspirationen der Bneumatiker macht 
man Gedanken und zusammenhangende Theorien geltend. Entsprechend 
der Stellung der Kirche in der Welt hat sie ihren Besitz entfaltet und 
theoretisch flxiert. Den ,,Systenien" der Gnostiker stellt sie ein eben- 
btirtiges theoretisches Gedankengefiige entgegen. Aber diese Gedanken 
sind gebunden an die kirchliche ,,Wahrheit" ; so sehr sie sich kom- 
plizieren, so stark sie jnodernisiert sind, so sehr sollen und diirfen sie 
nichts anderes seiu als eine Auslegung der Glaubensregel resp. der 
Heil. Sohrift. Man gestattete nieniandem mehr neue Inspirationen, aber 
man verlangte vop alien neuen Gedanken, dafi sie alt seien oder sich 
durgh den B.iirgschein der alten inspirierten Wahrheit legitimieren. Die 
Christenheit hat alle Wahrheit, aber es ist die apostolische Wahrheit. 
Unter diese Fahne Averden alle Erkenutnisse der Zeit gestellt. Dabei 
ist es in der Kirphe geblieben. -^ 3) Aber weiter, die Kirch e hat die 
alten Heilsmittel, die sie besaB, prganisiert zu kirchlichen Institutionen, 
und sie : hat damit einen weiteren Grundstein ihires Baues fest in den 
Boden der Welt eingesenkt. Sie hat die apostolische Wahrheit, die- sie 
durch IJnterricht und Predigt der Welt bringt. Und sie hat die 
Gnadeninittel, die dern Sunder den Geist und die Vergebung schenken 
und sie ihm \viederbringen, falls er sie verlor, und die ihin das ewige 
Leben in der verganglichen Welt zueignen, In diesen Institutionen 
liegt das Heil der Welfy diese Mysterien allein erretten und machen 
der Errettung gewifi, t . 

So ist die altkatholische Kirche entstanden, indem .sie prinzipiell 
die apostolische Kirqhe blieb und \mrde. Sie war die , Tragerin der 
apostolischen Lehre und sie deutete sie mit apostolischer Autoritat, 
und sie war die Spenderin der urchristlichen Gnadenmittel und sie 
waltete ihrer mit der Autoritat der Apostel, Sie hat sich erhalten und 
durchgesetzt, indem sie den Kern der apostolischen tjberlieferung f est- 
hielt, gerade dadurch dafi sie sie den Bedurfnissen der Zeit anpafite. 
Sie blieb prinzipiell die alte Kirche und beherrschte doch die neue 
Zeii. Der Kanon, die Glaubensregel resp. ihre Erklarung und die 
kirchlichen Gnadeninstitutionen sind die Mittel, durch die sie die Gnosis 



376 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

iiberwand und ihre Existenz geschichtlich stabilierte gegeniiber alien 
unruhigen Elementen in der "Welt und in ihrem eigenen Kreise. Alles 
in ihr war konkret xind massiv geworden, aber die alte Aiitoritat ver- 
Heh ihm einen idealen ScMmmer. Und jenes war notwendig im ProzeB 
der Entwicklung wie dieses. 

Damit ist der altkatholische Kirchengedank e auch in 
seinem ganzen TJmfang erkannt. Die apostoliscbe "Wahrheit und die 
Autoritat des Episkopates sind ibr Gfrund. Hierin setzt sicb das Vor- 
bild der Synagoge durcb (oben S. 312). Aber die Kircbe ist nicht'nnr 
antoritative Lehr- und Erziehungsanstalt, sie ist auch Heilsanstalt, denn 
sie hat die Sakramente. Damit gewinnt sie eine Grrundlage, die die 
Synagoge nicbt besessen bat. Die Symbole der Bescbneidung und der 
"Wassertaufe reicben in keiner Weise beran an die Realitaten der Geist- 
taufe tind der Lebensmitteilung in der Eucbaristie. Durcb sie wird die 
Autoritat des Arutes auf das bocbste gesteigert. Nicbt nur, dafi der 
Opfergedanke den cbristlicben Priester scbuf (oben S. 371), der Amtstrager 
wurde aucb Inbaber und Verwalter der Grnadengaben und- dadurch der 
Heilsmittler. Er batte mebr zu bedeuten als der alttestamentlicbe 
Priester. Docb erst die Anfange biervon waren in unserem Zeitalter 
gewonnen. 

29. Von zwei Motivpaaren ist die Grestaltung der escbalogiscben 
Ideen bedingt. Grrofie Epocben innerer Befreinng von der "Welt starken 
ebenso die eschatologiscbe Betracbtung, wie barter aufierer Druck seitens 
der Weltmacbt oder der Weltlage. Dazu komnit das zweite. Je reiner 
der Oharakter der Erlosungsreligion in einer Zeit sicb darstellt, desto 
einfacber und scblichter wird die cbristlicbe Hoffnung ausfallen ; es 
bandelt sicb bei ibr nur uin das BewuBtwerden von zwei innerlicb not- 
Avendigen Konsequenzen : wie Grott die Seele errettet bat, so wird er 
aucb den Leib erretten, und wie er uns errettet, so wird er seine ganze 
Kircbe erretten. Unrubiger und vielgestaltiger fallt dagegen die Es- 
cbatologie auf dem Boden des gesetzlicb. infizierten Cbristentums aus, 
denn bier riickt sie unter den Gresicbtspunkt der Entscbeidung und der 
Lobnerteilung, bier mufi sie moglicbst genau und vielseitig den mancberlei 
Eormen menscblicben Yerdienens angepafit werden. Erst sie bringt ja 
wirklicbes Leben, alles andere war nur Yorbereitung. Hierzu kommt 
weiter, dafi die Escbatologie -von alters her ein reicbes Erbe jiidiscber 
Ideen mit sicb fuhrt, die mancberlei Deutungen Spielranm gewabren. 

Wie in dem Zeitalter der antignostischen Yater iiberbaupt fest- 
gestellt worden ist, was in der -Folgezeit als cbristlicb zu gelten babe, 
so aucb in der Escbatologie. Die oben ausgesprocbenen Beobachtungen 
bestatigen sicb uns an Irenaus. einer-, Tertullian und Hipp olyt anderer- 



Die Eschatologie des Irenaus. 377 

seits. Aus dem Mittelpunkt seiner Religion quillt der eschatologische 
Hauptgedanke des Irenaus hervor, wie er'in den letzten "VVorten seines 
grofien "Werkes es zum-Ausdruck bringt: -ut . . primogenitus verbum des- 
cendat in facturam, hoc est in plasma et capiaiur ab eo ; et factura iterum 
ccvpiat verbum et ascendat ad eum, supergrediens angelos, et fiat secundum 
imaginem et similitudinem dei (Y, 36, 3). Der Geist Gottes, der die 
Seele lebendig gemacht hat, fiihrt sein "Werk an dem Menschen zur 
Yollendung, indem er in der Auferweckung auch den Leib lebendig 
macht (Y, 7, 1 ; 13, 4). Und dieser ist fahig Grottes "Wirkung auf- 
zunehmen, wie einst am Anfang der Tage, so auch an ihrem Ende, wie 
hinsichtlich des zeitlichen, so auch des ewigen Lebens (Y, 3, 2f.). So 
ist die Auferstehung fur Irenaus wie ahnlich fiir Paulus eine einfache 
Konsequenz seines Erlosxingsgedankens. Das jiingste Gericht hat, unter 
diesem Gesichtspunkt angesehen, keinen anderen Sinn als den eines 
konsequenten Abschlusses der durch Christus eingeleiteten Entwicklung. 
,,So viele die Liebe zu Gott bewahren, denen schenkt er Gemeinschaft 
mit sich selbst. Gemeinschaft aber niit G-ott ist Leben und Licht und 
Genufi der von ihm (geschenkten) Gliter. So "viele aber nach ihreni 
EntschluJB Gott verlassen, iiber die lafit er die Trennung von sich selbst 
kommen. Trennung aber von Gott ist Tod . . . Die nun durch ihren 
Abfall die vorhergenannten Grtiter verloren haben, die befinden sich, da 
sie ja von alien Giitern entblofit sind, inmitten der Strafe, indem namlich 
Gott nicht von sich aiis x ) strait, sondern jene Strafe ergibt sich daraus, 
dafi sie eben aller Griiter beraubt sind. Ewig aber xmd endlos sind die 
G-liter von Gott. Daher ist auch ihr Yerlust ewig und endlos" (Ir. Y, 

27, 2). Diese Satze lesen sich' wie eine Paraphrase der johanneischen 
Gedanken, daB Gott niemand richtet, und da6 wer nicht an den Sohn 
glaubt, schon gerichtet ist. 

Im Gegensatz zu den Gnostikern wird dabei auf die leibliche 
Auferstehung besonders Grewicht gelegt. TJnter den mancheiiei Griinden 
fur sie, die man von alters her anfiihrte, hat Irenaus auch den hervor- 
gehoben, dafi das Abendmahl die Unsterblichkeit Christi auch dem Leibe 
zufiihre (s. oben S. 369). Aber die ganze eschatologische Tradition gewann 
fiir ihn durch die antignostische Position hoheres Interesse als man 
erwarten mochte. Er verfocht sie, wie Johannes sie vertreten hatte 
neben den Anschauungen seines Evangeliums.. Der Antichrist fafit den 
ganzen Abfall und teuflischen Irrtum in sich zusanimen (Y, 25, 1. 5; 

28, 2 ; 29, 2). Alles in der "Weltentwicklung dient dazu die freien 
Menschen vorzubereiten auf die Unsterblichkeit und die aeterna siibiectio 



1) Das bedeutet hier T 



378 14. Die Theologie der aiitiguostischen Vater. 

deo. Das gilt auck von dem letzten Kampf : novissimus enim agon hie 
iustorum, in quo vincentes coronantur incotruptela (V, 29, 1). Ckristus 
ersckeint, den 6000 Jahren der Welt folgt die erste Auferstekung und 
die requietio des 7. Jakrtausends saint der Herrsckaft der Gereckten 
(Y, 28, 3; 32, 1; 33, 2; 34, 1; 35, 1). In Palastina erquicken sich 
die Glaubigen an den wunderbar reicken Frtickten des Landes, die nack 
Papias gesckildert werden (V, 33, 3f. 1). Hat Paulus, uni den Weissagungen 
der Propheten liber Israel die Erfiillung zu sickern, eine Bekehrung 
Israels in der letzten Zeit in Aussicht genommen, so lafit Irenaus diese 
Weissagungen in Erfiillung gelien in der Erjrettung der Kircke, quonia/m 
ecclesia est semen Abrahae (Y, 34, 1 : 32, 2). Auf das tausendjanrige 
Eeich folgt das Ende: ,,^61! nun in dieser "Welt einige sich dem Licht 
zuwenden tind sick durck den Glauben mat Grott yereinigen, die anderen 
aber sick fernkalten vom Lickt und sick von Grott abtrennen, kommt der 
Logos Glottes alien die iknen angemessene Woknung zuweisend, den 
einen, die im Lickt sind, dainit sie die Gfiiter, die in ikm sind, geniefien, 
den anderen, die in der Finsternis sind, damit sie teilkaben an der Pein 
in ikr. Und deskalb keifit es, daB er die zur Reckten in das Reick des 
Himmels rufe, die zur Linken aber in das ewige Feuer sende, denn sie 
selbst kaben sick aller Gfuter beraubt" (V, -28, 1). Der neue Himmel 
und die neue Erde werden gesckaffen (Y, 36, 1). Nack den Presbytern 
sind aber in dieseni Vollendungszustand manckerlei Stufen anzunekmen. 
,,Die einen werden in den Himinel aufgenonamen werden, die anderen 
werden im Paradiese verweilen, wieder andere. in der Stadt woknen", 
aber sie alle werden Gfott sckauen nack dem MaB ikrer Wiirdigkeit. 
,,Und durck diese Stufen werden sie fortsckreiten durck den Greist zum 
Sokn, durck den Sokn aber emporsteigen zum Yater. " Dann iibergibt 
der Sokn dem Yater die Herrsckaft nack 1. Kor. 15, 25 fL (Y, 36, 1. 2). 

In diesem Aveltgesckicktlicken Entwicklungsgang komrot alles zum 
Ziel. Ckristi umbildendes und neugestaltendes Wirken und die mensck- 
licke Freikeit sind die Faktoren, die den "Werdeprozefi innerlick bedingen. 
Seine Fornien werden nack Mafigabe der alten tjbeiiieferung gedackt, 
aber die treibenden Krafte treten immer wieder deutlick kervor. Iren. 
kat die ganze libeiiieferte Esckatologie vorgetragen, aber er kat es init 
der B/uke und inneren Sickerkeit getan, die ikm sein religioser Stand- 
pnnkt gewaki'te. 

Es gab in jenen Tagen majickerlei esckatologiscke Stimmungen. 
Extreme Geister zogen niit ikren Ankangern in die "Wiiste, urn . dort 
Ckristus zu sucken, andere lieBen sick . von ikren Traumen verleiten, das 
Ende fur das nackste Jakr zu weissagen (Hippol. in Dan. IY, 18. 19). 
Wieder andere, wie jener Cajus, den Hippolyt bekampft kat, wollten 



Die Eschatologie Tertullians. 379 

yon der ganzen Apokalypse nichts wissen, denn wie ein Dieb in der 
Nacht , plotzlich und unerwartet , wiirde der Herr komnien (Hippol. 
WW. II, 241). Demgegenuber 1st der Takt der Kirche zu bewundern. 
Sie ubernahm die altchristliche Eschatologie sie war naittlerweilen 
noch weiter ausgebildet worden , aber sie konzentrierte die Vielheit 
der Vorstellungen auf gewisse mafigebende Grundgedanken. So haben 
Irenaus und Tertullian gedacht. Oder man breitete die iiberkommenen 
Gedanken aus und interpretierte sie zu Nutz tind Frommen des religiosen 
Lebens, weitlaufig' und eingehend, aber doch so, daB. die gefahrlichen 
praktischen Konsequenzen abgestofien warden. So steht es bei Hippolyt. 
Was liegt doch. in der Tatsache beschlossen, daB die Christenheit regel- 
mafiig pro mora. finis betete (Tert. Apol. 39)! 

Tertullian hat die Tradition nicht in deni Unifang wiedergegeben, 
wie Irenaus, aber er hat sie sicher anerkannt. 1 ) Er hat aber vor allem, 
wie Irenans, ihre praktische Seite hervorgehoben. Ihm, dem. Eealisten, 
kam es vor allem auf die Auferstehung des Meisches an. Psychologic 
und Physiologic hat er zu ihrem Erweis in seiner Schrift de resurr. 
carnis mobil gemacht und alle Griinde, die irgend fur die leibliche Auf- 
erstehung angefiihrt werden konne, zusammengebracht. 2 ) Es liegt nun 
aber in der Eigenart seiner religiosen Grrundanschauung, daB bei ihnx 
der Auferstehungsgedanke eine andere Stellung gewinnt als bei Irenaus. 
Eiir letzteren war die Auferstehung die naturgemafie !Folge des Erlosungs- 
werkes, fur Tertullian war sie das 'Fundament seiner Eronunigkeit oder 
die eigentliche Erlosung selbst. An ihr liegt es namlich, ob das Eechts- 
yerhaltnis zwischen Gott und Mensch zur Erlosung fiihrt, denn durch 
sie wird Lohn oder Strafe dem Menschen zuteil. Die Hoffnung hat in 
der strong durchgefuhrten Erlosungsreligion einen anderen Charakter als 
auf deni Boden der .Gesetzesreligion, dort wird sie durch die Erlosung 
gebracht, hier bringt sie erst die Erlosung. Daher hat die Bitte uin 
das Kommen des B/eiches im Munde Tertull. einen fast leidenschaftlichen 
Klang: ,,wie verlangen einige einen gewissen Aufschub fiir die Welt, 
wahrend doch das Reich Gottes, um dessen Kommen wir bitten, zuin 
AbschluB der Welt hindrangt? Wir wollen friiher herrschen und nicht 



1) s. z. B. iiber das Enddraina de res. 42, liber deii Antichrist de fug. 12; 
de an. 50. Uber seiue Eschatologie handelt eingehend L. Atzberger, Gesch. 
d. christl. Eschatologie innerhalb d. vornican. Zeit, 1896, S. 291 ffi. 

2) Etwa Analogien aus dem Naturleben (res. 12. 52), das Leben des Meuscheu 
im Pleisch (7. 8),. der Lohu, ; der dem Fleisch daher zustehf(15. 48), der Schopfer 
kann auch wiederherstellen (.11), Christus erlost den ganzen Menschen (34. 47), 
Christus ist leiblich erstauden und kehrt auch so wieder (48. 51), die Uberliefe- 
mug der Lehre (18. 21) etc., vgl. Apol. 48. 



380 14. Die Theologie der antignostischen Vater. 

langer dienen" (cle or. 5). Desbalb 1st ibrn aber auch die Auferstebung 
der Punkt im Cbristentum, auf dem die gauze Religion und Sittlichkeit 
beruht, der also fest und sicber ausgedrlickt sein muB, da, Lobn und 
Strafe klar sein mtissen. 1 ) TJnd von Her aus versteM sich auch die 
strenge Drohung niit der ewigen Strafe, deren IPeuer seine Schlote an 
den feuerspeienden Bergen hat, und deren Ewigkeit diese Berge bezeugen, 
die brennen \\nd docb nicbt verbrennen (de paen. 42. Apol. 48 fin. de 
res. 35). 

Am ausfunrlicnsten bat Hippolyt 2 ) die eschatologischen Fragen 
bearbeitet auf Grand der alttestamentlichen "Weissagungen, bes. Daniels, 
und der Apokalypse. Man kann bei ihin sehen, wie mufanglicb der 
apokalyptiscbe Bestand zu jener Zeit gewesen ist, wieviel Judisches er 
in sich aufgenommen, und wie antrjiidisch seine Gnindrichtung gewesen 
ist. An die danielischen Weltreiche haben diese Betrachtungen angekniipft. 
Zusaminen niit der Idee der ,,0konomie" und der vier Btinde bilden sie 
die Grundlagen der christlichen Geschicbtspbilosopbie. Nicbt eigentlicb 
fiir die breite Masse der Gemeinde ist diese Erkenntnis bestimnxb, sie 
ist ein Mysteritini der "Wissenden, liber das der, der es kennt, scbweigt 
(de anticbr. 1 ; in Dan. IV, 5, 6 ; 15, 1). Das vierte Weltreicb ist 
das romische, das liber alle Volker sicb erstreckt (Dan. IV, 8, 3. 7; 
de anticbr. 25). Flinfbundert Jabre dauert sein Bestand (Dan. IV, 24, 7). 3 ) 
Dann ninamt die Ungerecbtigkeit immer xnebr zu ; das Reicb zerfallt in 
zebn Teile. Jetzt kornmt der Anticbrist in die Hobe, er besiegt die 
Teile des romiscben Eeicbes (Dan. IV, 12, 2). Dies batte ibm bisber 
entgegengestanden als der -/.axs^cov (Dan. IV, 21, 3). Nun wiitet er 
scbrankenlos gegen die Cbristen. Ein ,,fremder und boser Geist in ibm", 
sowie die Juden treiben ibn zur Verfolgung an (Dan. IV, 12, 5 ; de 
anticbr. 56. 58). Der Anticbrist ist ein Jude, aus Dan stammt er ber 
(de anticbr. 14 f.), er wird zuerst von vielen veracbtet (WW. U, 234). 
In Jerusalem bant er wieder den Tempel auf und stellt die Herrscbaffc 



1) de resurr. 21: verisimile non est, ut ea species sacmmenti, in quam 
fides tota committitur, in quam disciplina tota connittitur, 
ambigue anmwtiata et obscure proposita videatur, quando spes resurrectionis, 
nisi manifesto, de periculo et praemio, neminem ad eiusmodi praesertim reli- 
gionem, publico odio et hostili elogio obnoxiam persuaderet. Nullum opus cerium 
est mercedis incertae, nullus timor iustus est periculi dubii. Et inerces autem 
et periculutn in resurrectionis pendet eventu. 

2) Vgl. L. Atzberger, Gesch. d. Eschatol. S. 271 ff. 

3) Nach de antichr. 49 besteht das romische' Reich seit Augustus, nach 
Dan. IV, 24, 1 ist Christus im Jahre 5500 geboren; demnach hat das Ohristen- 
tum eine Geschichte von 500 Jahren zu durchlaufen bis zum tausendjahrigen Eeich. 
Die Zahlen zeigen, dafi man sich auf eine langere Geschichte ernzurichten beginnt. 



Die Eschatologie Hippolyts. 381 

der Juden wieder her (de antichr. 6.25). Er gibt sich als Grott aus und ver- 
heifit alien die Erlosung (ib. 53. 55), in allem ist er das Gegenbild zu 
Ohristus (ib. 6), aber auch ,,ein Sohn des Teufels" (Dan. .IT, 49, 3). *) 
In nichts ist der unneilbare Bruch zum Judentum so schroff zum Aus- 
druck gekomnien als in diesen Gredanken. Denn sie sprachen es deutlich 
aus, dafi der Messias, auf den die Juden noch hoffen, der Teufel und 
der letzte Feind der Kirche ist. Zweitens aber zeigen sie, dafi die 
Christenheit nicht mehr wie einst in E,ona ihren ersten und letzten 
Peind erblickt, sondern im Judentuni. Ja Horn selbst wird zum Heifer 
Israel und seinem Messias gegeniiber. Damit wendet sich langsam das Blatt, 
die Christenheit und die rornische Staatsgewalt sind Bundesgenossen dem 
letzten Feind gegentiber. So dient die Eschatologie selbst einer rahigeren 
Betrachtung der Weltordnung. 

Im iibrigen lafit sich bei Hippolyt wahrnehnien, dafi, wie ja auch 
bei Irenaus, die Eschatologie zu verblassen beginnt. Uin der Voll- 
standigkeit der Bibellehre willen und um TJbertreibungen oder aber 
unbibHsche Abschwachungen zu widerlegen, \vird sie eingehend dargelegt, 
aber die Grlut der inneren Anteilnahnie fehlt. Die Hauptsache ist 
schliefilich auch bei Hippolyt, dafi die Wiirdigen und die Glaubigen, die 
den Greist empfangen haben, mit dem Brautigani, wenn er kommt, ein- 
gehen in das ewige Heich (in Dan. IV, 59, 3). 2 ) Zunial der Gredanke 
des tausendjahrigen Keiches, den auch Hippolyt nicht aufgeben konnte 
wegen des Zusammenhangs mit den sieben Jahrtausenden der Weltwoche, 
ist nicht viel mehr als eine Heliquie, und alle allzu sinnlichen Ziige 
werden sorgsani vermieden (IY, 23, 4ff. und WAY. II, 247). 3 ) Das ist 
Yerstandlich ; in dem Mafi als man sich innerlich in das christliche Heil 
einlebte, nmfite die jtidische Doublette zu dem christlichen Endgedanken 



1) Der Gedanke des Antichrists wurzelt im spatereii Judentuin. Nach eiuer 
Form ist er em machtiger Eurst, iiach : der anderen tritt Beliar als samaritauisclier 
Pseudoprophet anf, tat grofie Wunder und verfiihrt, aber auch in ersterer Eorni 
scheint er eiue lukaruatiou des Teufels zu sein (Assumpt. Mos. 8 cf . 10 in. ; Sib. Ill, 
63 ff.). Beides Avirkt im Christentum nach. In der Asc. Jes. 4, 2f. erscheint 
Beliar ,,der groBe Fiirst, der Konig dieser Welt" in der Gestalt des Nero redi- 
vivus cf. Sib. YIII, 70f. Hier vgl. Apok. 13 ist also Bom der Feiiid. Dann 
gewinnt der Gedanke die Uberhand, dafi der Antichrist der erwartete Messias 
ludaeorum ist, nud daB Eom mit clazu beitragt, die Macht des Antichrists hint- 
anzuhalten (s. auch TertulL Ap. 32), die Judeu sind fuao&eoi itnd allezeit Feinde 
Christi (Hippol. de antichr. 58; WW. II, 55. 68). Ygl. Bo us set, Der Anti- 
christ, 1895, und Eeligion des Judeutums, S. 242 ff. 

2) Das Abendinahl ist das Pfand des eivigen Lebens (Hippol. WW. II, 96). 

3) Die, Welche an der ersten Auferstehung teilhaben uud die Heiligen 
richten, sind jetzt nur die Martyrer (Hippol. in Dan. II, 37, 4 cf. TertulL de 
resurr. 43j. 



382 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

und das ist das Millennium den Herzen ferner riicken. Das' 
eschatologische Drama ist in unserem' Zeitalter, das die Grundlage der 
spateren Kirchenlehre abgesteckt hat, nicht dogrnatisiert worden. Der 
christliche Glaube hat sich explicite iiber die Stiicke der Glaubensregel 

Auferstehung und ewiges Leben nicht hinaxiserstreckt, implicite 
freilich fafite er alle Momente in sich, die die biblischen Biicher bzw. 
ihre jeweiligen Interpreten darboten. Die Anschauungen und Empfindungen 
haben sich auch auf diesern Gebiet gewandelt. Sie standen der Gnosis 
schroff gegeniiber, aber sie waren doch nicht einfach identisch niit den 
Tendenzen, aus deren Bekampfung die Gnosis hervorgewaehsen ist. So 
zeigt sich axich an diesena letzten Abschnitt, was sich uns ofters schon 
ergeben hat. 



15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 



Literatur: Clemens Al. (f ca. 215) Scliriften loyos 

s, UaiSaycayos 11. 3, St^wf-ianeis 11. 8, daztt f."/. iCbv n()o<f>?]ri'/.a>v snioyai und 
ex i(bv OeoSotov y.al ifjs dvarokty.fjs xahov/tevrjs Sidaaxalias y.ara toiis Oimhsvtivov 
ZQOVOVS siuto/AM. Ferner die Homilie 27s o aco&fisvos Ttlovatos; eEdlich ein 
groJJes Frg. aus den 'YTtorvnaiaeis, lat. erhalten (Adumbrationes). Ausgaben 
v. Potter 1715 (hn Folgenden sind die Kapitel- und Seitenangaben dies. Ausg. 
zitiert), Dindorf 1868, b. Migne t. 8. 9 ; in der Berliner Ausg. hat 0. Stahlin den 
Protr., Paedag., ti. 6 Biicher d. Strom., 1905/6 ediert. Von Origenes(f 254) kommen 
bes. in Betracht ITeyi &QK&V 11. 4, erhalten in der lat. Ubers. Ruflns, grofiere griech. 
Frag, sind erhalten ; sodann yMtit KS/MOV 11, 8, sowie die Kommentare. Ausgaben T. 
de la Eue 1733 ff., abgedruckt v. Lommatzsch 1831 ff., b. Migne t. 1117; 
Ton der Berliner Ausgabe sind bisher 4 Bande erschienen (c. Gels., de orat., de 
mart. ed. P. Kotschau, in Job., ed. E. Pretischen, Homil. in Jerem. ed. E. Kloster- 
mann). Vgl. 0. Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. II (1903), 15fL, 68ff. 
Guerike, De sehola quae Alex, floruit cat. 1824. 1825. Ch. Bigg, The christ. 
Platonists of Alex. 1886. Luthardt, Geseli. d. chr. Ethik I, 113 ff. Zahn, 
Porschungen III (Supplementuin Clenieutinum), 1884. J. Co gnat, Clemens 
d'Alexandrie, 1859. E. de Paye, Clem. d'Alex., 1898. N. Bouwetsch, PEE. IV, 
155 ff. P. J. Winter, Die Ethik d. Cl. v. AL, 1882. C. Merk, Cl. Al. in s. Abh. 
T. d. griech. Phil. Lpz. Diss. 1879. J. H. M tiller, Id6es dogrnatiques de Clem. 
d'Alex.,1861. K.Ernesti,DieEthik d. Tit. Flav. Clem. v. Alex., 1900. W.Scherer, 
Klem. Y. Al. u. seine Erkenntnisprinzipien, 1907. Bratke, Die Stellung d: Cl. zum 
antiken Mj'sterieiiAvesen in Stud. u. Krit., 1887, 647 ff. Huetius , Origeniana, 1668. 
Thorn as ius,0rig., 1837.- Eedepenning,Orig.,2Bde.,1841 6. E.Preuschen, 
PEE. XIV, 467 ff. H. Schulfz, Die Christol. d. Or. im Zsh. s. Weltanschauung iii 
Jahrb. f. prot. Theol., 1875, 193 ff., 369 ff. H. J. Bestmann, Orig. u. Plotinos in 
Ztschr. f . kirchl. Wiss., 1883, 169 ff. P. M e h 1 h o r n , Die Lehre v. d. menschl. Preiheit 
nach Orig. in Ztsch. f. KG. II, 234 ff. J. Denis. De la philosophic d'Origene, 
1884. G. Anrich, Clemens \i. Origen. als Begriinder der Lehre v. Eegfeuer in 
Abh. f. Holtzmann (1902), S. 97 ff. W. Schiller, die Vorstellungen y. d. Seele 
bei Plotin und Orig. in Ztschr. 'f. Theol. u. Kirche, 1900, 167 ff. 



Das Zeitalter der Severe. 383 

1. Wir stehen in dem Zeitalter der Severe. Das Christentum hatte 
sich innerlich konsolidiert und breitete sich auBerlich fortwahrend aus. 
Die Zeitstimmung kam ihm gewisserinafien entgegen. Die Zersetzung 
der positiven Eleniente in cler Religion und im Staatsleberi war. immer 
welter fortgeschritten. Man wirkte dem Verfall durch Zentralisierung 
entgegen. Der Orientalismus wirkt auf die abendlandischen Anschauungen 
kraftiger als friilier ein. Die Gottheit der Kaiser wird ernsthaft ge- 
nommen. Der allmachtige Herrscher waltet durch ein ungeheures Be- 
amtenheer. Das alte Volksrecht wircl durch das abstrakte Juristenrecht 
ersetzt. Der Synkretisnius in der Religion geht fort und er wird so- 
zusagen verinnerlicht. In alien Gottern wird die eine Gottheit offenbar, 
und alle Kulte dienen ihrer Verherrlichung. Die Furcht und die HofEnung 
gewinnen der Religion neue Anhanger. Auch die Gebildeten fangen an 
der Erommigkeit nachzustreben. Ein eigentumlich sinnlicher Zug ver- 
bindet sich mit der synkretistischen Aufklarung. Alles wird zum Symbol 
des Ewigen, daher sucht man das Ewige in dem Einzelnen, Zeitlichen und 
Sinnlichen. Das Buch vona Leben des Apollonius *) kennzeichnet diese 
Fronunigkeit nicht minder deutlich als der Mithrazismus, der jetzt erst, 
nachdem das Griechentum ihn zuriickgestofien hatte, auf dem abend- 
landischen Boden weite Ausdehnung findet. 2 ) Der w gottiiche Mann", 
der wirklich ein Gott 1st, wie er sich in Apollonius darstellt, 3 ) wird das 
Ideal. Er ist kein Magier und kein "VVahrsager, sondern ein Weiser, 
der sich aus Pythagoras und von den Indern seine "Weisheit geholt hat. 4 ) 
Er weifi alles und ohne TJnterlafi tut er Wunder. 5 ) Er fiihrt das Leben 
eines Asketen und wird immer rnehr Gott, er hat die Stellung eines 
Kaisers in der Welt. 6 ) Er ist durch und durch aufgeklart, ein Weiser, 



1) Philostratus, Vita Apollonii, ed. Kayser. 

2) F. C.umont, Textes et monuments figures relatif aux mysteres de Mthra, 
2 Bde., Briissel 1896, 99; den 2. Teil des 1. Bandes gab Gehrich deutsch heraus: 
die Mysterien des Mithra, 1903. S. bes. die Karte, die die Ausbreitung des 
Mithrazismus veranschaulicht iind vgl. dazuHarnack, Die Mission etc., S. 534 fL 

3) Vit. Apoll. II, 40 dviif 3 s *s; in, 28: yswazos xal &sos cf. Ill, 18. 29. 
50. VII, 38: Apollon. zieht den FoJJ aus der IPessel, tore Tt^&rov . . . yrjalv 

^vvetvai ifjs 'Anoklcoviov (pijaecos, Sit, 9sia re et?; xal uqeittcov 
Q c67tov, cf. VIII, 13. Auf die Prage. des Kaisers, \varum die Menschen 
Apollon. fur einen Gott halten, antwortet dieser: on. Tt&s av&Qconos aya&bg vofu-. 

t,6(ievos 9'sov 87tcovv(.iiq Ti/uarai. 

4) IV, 44: nicht /.tdvns, sondern von Gott gegebene ooyia; I, 2: er hatte 
das Tttpoyiyvcbaxeiv, aber nicht (t&yq) t^WH' 

5) Z. B. Ill, 38. 39; IV, 10. 45; VI, 43; IV, 11 ft; VIII, 5. 26. 31. 

6) VIII, 31 fin. 4; IIIj 29. Die iiberfitrstliche Wiirde des Wersen einzu- 
scharfen ist die eine Tendenz des Buches (VIII, 4 wendet sich Apoll. gegen die 
Gottheit des Kaisers), die andere liegt darin, dafi der Weise kein Magier ist: 



384 15. Die Theologie der alexandriuischeii Viiter. 

der alle Erkenutnis hat, uiid doch gaben seine Taten Anlafi ihn als 
Zauberer anzuldagen. 1 ) Er kanu sich unsichtbar raachen und er er- 
scheint nacli seineni Tode einem Jungling, der in die Worte ausbricht : 
fCSl-frOf-icd GOL (VIII, 31). Es fehlen in dieser Idealgestalt nicht Ziige, 
die Christus und den Aposteln nachgebildet sind. Aber Apollonius ist 
weiser als sie, Weisheit nicht Magie erklaren sein Wesen. Das ist- der 
ideale Repraseutant der Frommigkeit : durch "Weisheit ein Gott, aber 
kein Magier wie die Christen ; ein TJbermensch, der Philosoph ist, aber 
i)TCsg(pL^ooo(pG)V (VII, 36). 

Neben dem Ideal des rationalistischen Mystikers steht das heifie 
Streben nach Vereinigung mit der Gottheit und nach Sicherheit der Er- 
losung. Von der unteren Welt und ihren Danionen befreien die Askese 
und die Kathartik, die Weihen und die Sakrainente, welche der Mithra- 
zismus lehrt, und sie fiihren die Seele sicher empor zu der oberen Welt, 
der sie entstammt. Eine . heilige Schar bilden die Anhanger des Licht- 
gottes, die den Kampf wider die Machte der Finsternis fiihren und dabei 
der Erlosung teilhaft werden. Derbe Mythen iind sinnliche Sakrainente 
machten diese Religion gerade den nichtgebildeten Kreisen verstandlich, 
und sie entsprach ihrem Bedarf, indeni sie alles hoffen und alles fiirchten 
lehrte. Sie schien in den unteren Volksklassen die geborene Kon- 
kurrentin des Christentmns zu sein. . Aber dieses hat, so viel wir w'issen, 
keinen Augenblick sich vor dieser Konkurrenz gefiirchtet, damonische 
Nachaffung der Wahrheit haben die Kirchenlehrer in den Sakramenten 
des Mithraskultus erblickt und zugleich das Bewufitsein gehabt, dafi es 
eine barbarische Keligion sei. 

2. Es kann hier nicht weiter verfolgt werden , wie die neue 
Stimnmng sich im roinischen Reich entfaltete und wie sie teils dem 
Christentuni entgegenkam, teils AnlaB zu den neuen Verfolgungen des 
3. Jahrhunderts wurde. Aber auf eine Erscheinung mufi hier notwendig 
hingewiesen werden, denn sie lehrt uns erst die geistige Bewegung, die 
unser Paragraph schildern soil, richtig zu schatzen. Es ist der Neu- 
platonisnius. 2 ) Mehr als eine Entwicklungslinie mlindet in dieser 
grofien historischen Erscheinung. Zunachst bildet der Neuplatonisinus 
den Ausgang der antiken Philosophie. Die Philosophie kehrt zu dem 
Idealismus Platos zuriiek, nicht ohne den Ertrag der bisherigen Greistes- 



1) z. B. VII, 34. 11. 

2) Uber Plotin und den Neuplatonisnius s. die Geschichten der Philosophie 
von tiberweg-Heinze, wo die.ganze Literatur verzeichnet ist, von Win del- 
ta and etc.; vor alleni Zeller, Philosophie der Griechen; ferner E. v. Hart- 
maun, Geschichte der Metaphysik I, 106 186. Harnack, DG. I 3 ,. 766ft 
Eucken, Die Lebensanschauungen der groCen Deuker, 1890. 



Charakteristik des Neuplatonismus. 385 

arbeit in sich aufzunehmen. Aber sie bleibt andrerseits dem praktischen 
Charakter, den die philosophische Bildung allmahlich angenommen hatte, 
treu. Gemafi dein Bedarf der Zeit wird die Philosophic zur religiosen 
Weltanschauung. Metaphysik und Physik, Psychologic und Ethik fiigen 
sich diesem Rahmen ein. Movr\ oartrjQia i] TtQog ibv &eov smargocprj 
(Prophyr. ad. Marcell. 24). Die Bekehrung zu Gott ist das oberste 
Anliegen der Philosophie. TJnd doch soil sie reine Wissenschaft sein. 
Alle Tiefen der Welterkenntnis will sie erschliefien und gerade dadurch 
den Weg zu Gott bahnen. Sie ist erhaben iiber die Religionen, aber 
sie will die Religion in alien Religionen sein. Das kann nur erreicht 
werden, indem die religiose TJberlieferung und ihre Mysterien zersetzt 
werden, wenn auch nur in der Form der allegorischen Deutung, und 
indem welter die objektive Erkenntnis der Philosophie nach den religiosen 
Bediirfnissen gestaltet wird. Beides ist im Lauf der Entwicklung immer 
deutlicher hervorgetreten. Aber indem das geschah, hat die Religion 
der Philosophie ihre Kraft zerstort, und die Philosophie der Religion 
ihre Eigenart geraubt. Das letzte grofie Gebilde, das der hellenische 
Geist hervorgebracht hat, war wie ein Sonnenuntergang. Es war ,.unter- 
gehend noch immer dieselbe Sonne", aber es war die Sonne einer unter- 
gehenden Welt. Mystik und Intellektualismus, subjektiver Seelenbedarf 
und objektive Weltbetrachtung kreuzten sich . in dieser letzten Geistes- 
schopfung der Antike, aber so, dafi sie einander verdarben. Der Neu- 
platonismus hat den Zersetzungsprozefi der positiven Religion zu Ende 
gefuhrt, und an der Religion hat die Philosophie ihren wissenschaftlichen 
Sinn eingebiifit. Dafi ,,Eins not ist", hat diese Philosophie mit Engel- 
zungen zu verkiindigen gewufit. Die Tone hochsten Idealismus, die sie 
dabei angeschlagen hat, klingen durch die Jahrhunderte fort, und noch 
heute bezaubern sie unser Gemut. Wenige Erscheinungen der Gescbichte 
haben s6 tiefgehend fortgewirkt wie die neuplatonische Mystik. Aber 
der Weg zu dem ,,Einen" war ein Sprung in den Abgrund. Eine un- 
geheure Sehnsucht konnte diese Philosophie erregen, aber ihre Stillung 
wuBte sie nicht zu beschaffen, sondern nur in dunkeln grofien Worten 
zu preisen, denn sie kannte keine positive Religion und keine geschicht- 
liche Offenbarung. So konnte man von Gott reden und iiber die Seele 
Grofies denken, aber iiber den Abgrund zwischen Gott und der Seele 
kam man nicht hinweg, denn das gianzende Geflecht von Gedanken, die 
heriiber und -hiniiber gingen, trug niemanden. Wundervoll hat Augustin 
dies Erlebnis, wie er es an dem Neuplatonismus geniacht hatte, geschildert. 
Er las wohl bei den Neuplatonikern Satze, wie die aus dem johanneischen 
Prolog, dafi das Wort am Anfang war, und dafi es das Licht war und 
dafi es nicht aus dem Willen des Pleisches ist. aber er .fand .nicht die 
Seeberg, Dogmengeschiclite I. 2. Anfl. 25 



.386 ' 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

anderen Satze des Prologs, daB Gott in sein Eigentum kam, und daft 
das Wort Fleisch ward, tmd daB der Herr fur die Gottlosen gestorben 
ist (Confess. VII, 9). 

Das ist die geschichtliche Stellung des Neuplatonismus. Er hat die 
Philosophic zu einem Surrogat der Religion gemacht, und er hat dadurch 
die antike Religion aufgelost und die Philosophic um ihr Wesen .gehracht. 
Aher er hat auch andrerseits alle Sehnsucht nach der Erlosungsreligion 
in sich vereinigt und sie den Herzen einzupflanzen verstanden, er hat 
die Welt vom Standpunkt des religiosen Empfindens und Bediirfens her 
anschauen gelehrt. So stellt er die Grenze der antiken Geistesentwicklung- 
dar. Auch darin, daB er deni Christentum schroff und allseitig wider- 
strehte, zeigt sich dieser Grenzcharakter, den aktiven Gott, seine be- 
sonderen Taten und Offenbarungen die Schopfung, Christi Wirken, 
die Auferstehung verstand der Neuplatoniker nicht und er konnte 
ihn nach alien seinen Voraussetzungen nicht verstehen. 1 ) Aber seine 
Grenze war nicht das Ende des Neuplatonismus. Das Ohristentuni, das 
ihn iiberwand, ist auch sein Erbe geworden. Mcht nur philosophische 
Erkenntnis, sondern auch religiose Ideen und Stimmungen hat es von 
ihm iibernommen und hat niit dadurch ihn verdrangen konnen. Mit und 
neben deni Christentum hat der griechische Geist fortgewirkt. ,,Nicht 
inimer in gleicher Starke, nicht stets an derselben Stelle tritt im 
Menschheitsleben der Quell griechischer Gedanken zutage. Aber niemals. 
versiegt er ; er verschwindet um wiederzukehren, er verbirgt sich, um 
wieder aufzutauchen. Desinunt ista, nonpereunt" (Rohde, Psyche II, 404). 

3. Die neuplatonische Philosophic hat ihren TJrsprung in Alexandrien 
genommen. Ammonius Sakkas (ca. 175 242), ein friiherer Christ^ 
ist ihr Begrunder. Der Heide PI o tin (204269) und der Christ 
Origenes sind seine grofiten Schiller gewesen. Wir wollen an der 
Hand Plotins die Hauptgedanken dieser Philosophic kennen lernen. 

Aiis Gott ist alles und zu Gott strebt alles. Aber zwischen Gott 
und der Welt klafft ein tiefer Abgrund. Wie dennoch auf dem Wege 
der Emanation die Welt aus ihm geworden, und wie die Seelen zu ihm 
zuruckkehren, das zeigt die Philosophie. Gott ist das Eine (TO ev) und 
das Erste, ohne alle Bediirfnisse. unwandelbar wie der Mittelpunkt des 
Kreises oder die Sonne (Ennead. I, 7, 1), nicht ein Etwas, auch nicht 
die Vernunft, denn in dieser ist der Gegensatz des Denkenden und des 
Gedachten vorhanden, sondern das schlechthin Eine und absolut Tran- 
szendente (VI, 9, 6). Dies Eine ist nun das Prinzip von allem, es ist 

1) Prophyrius schrieb 15 Biicher ,,Gegen die Christen", wichtige Fragmente 
in deni Apocriticus des Macarius Magnes; vgl. iiber ihn Harnack, Geschi d. 
Mission S. 352 ff. 



Gott und die Welt naeh Plotin. . 38?. 

uberall und alles ist in ihm, ,,nichts war in ihm, daher ist alles aus ihm, 
und damit es das Seiende sei, deshalb ist es selbst nicht seiend, aber sein 
Erzeuger" (V, 5, 9. 10 ; 2, 1). Aber wie geht aus diesem Einen und Un- 
beweglichen die vielheitliche Welt hervor ? Das Eine regt sich nicht und es 
will nicht, aber ein Gflanz geht von ihm aus und wird ewig von ihmgezeugti. 
Das ist die Vernunft (VOVQ), die ewig ist wie das erzeugende Eine, "und das 
zweite nach ihm. 1 ) Das Eine in seiner Vollkommenheit .,,flo6 gleichsam 
iiber und seine TJberfulle brachte ein anderes hervor" (V, 2, 1). Dies 
andere Gfewordene ist gewissermafien das Eine selbst als sein Abbild und 
sein Ahnliches. Es entsteht, indem das Eine sich anschaut, diese An- 
schauung ist aber Gredanke oder Vernunft. 2 ) Sofern nun aber das Eine 
die Potenz von allem ist) 3 ) so schaut die Vernunft, indem sie sich von 
jener Potenz gleichsam loslost, dies alles in sich und empfindet ihre 
Kraft eine Substanz zu erzeugen von dem Einen her. Das Eine hat 
keine Form und sch'afft nicht, wiewohl alles aus ihm ist, die Vernunft 
aber sobald sie ist, erzeugt alles Seiende, alle Schonheit der Ideen und 
alle intelligibeln Gfotter, und zwar so, dafi jede Substanz Bestand durch 
Begrenzung und Grestalt und dadurch Hypostase empfangt. Das Sein 
hat somit alles aus dem Einen, das Sondersein aber .aus der Vernunft. 4 ) 
Anders als bei Plato, der nur die Gattungsbegriffe in der gottlichen 
Vernunft praexistieren lafit, denkt sich Plotin die Urbilder aller Einzel- 
dinge, weil diese ja durchweg voneinander individuell verschieden sindy 
in dem gottlichen Nus (V, 7). Der Nus nun erzeugt welter die Welt- 
seele, denn seine grofie Kraft konnte nicht untatig bleiben. Diese Welt- 
seele ist geringer als der Nus selbst, sein Licht und sein Bild. Sie hat 
Teil an ihm, aber auch an den geringeren Dingen, die sie zeugt. Diese 
Seele ist der Begriff ties Nus und seine Energie, wie der Ntis gleichsam 



1) V, 1, 6: Set oi>v d.Mvr\iov owios, ei TI Sevtegov /uei? atiio, ov TCp 

oiiSs j3ovkri\)evios oitSe ohms y.ivri&svtos iiitoaifjvai aiiro. JZcos oiiv ; xal ii Set vorjoai, 
TtEQl sxeTvo /.IEVOV ; IJs^i^a^tv el- aiitov /.lev, l| aisrov Se fiBVovros, olov fjkiov to 
Ttegl wbibv hafiTttjov cpws xegid'Eov, e| atitov del yevvcojuevov /.levovros. To 8e 
del TS^SIOV del %al diSiov yewa ... ., fitjSev an aiitov ij tct, fieyiOTa f.is't' avid, 
Ss fier* ainb vovs xal SSIJTS^OV. 

2) V, 1, 7.: ely.ova, Ss exeivov keyo[.iV ibv vovv . . ., STI Set Ttcos eivai Iv.elvo to 

v.al a7toocbt,8tv Tiok'ka. aiitov y.al sivai bfioiotrjTO. ngbs avid, coaTteg y.al 
to cpws tov fj&iov. AlX ov vovs ey.stvo, Ttcos oiiv vovv ysvva; i) on rij 
TTOOS airo ecbga, i] e Sgaais avir] vovs. 

3) Ib. : to ei> Svvafiis Ttavrcov. 

4) Ib. : taiirri yag Ttdvra J| ey.eivov, ozi fit] Tim ^ioq(pT\ xateifteio exetvo, 

yuo ev sxeZvo, zlid TOVTO exstfo ovSsv fiev twv ev rcfi vco, st; avtov OB Ttdvta, sv 
rots of>aiv, 16 y.al ovaiai ravra ... Tb Se ov Set ovy. ev dooiOT(o olov &sco^slad~ai, 
uD? ogco TtETtfj'/ftat y.al aidasi' ardais Se TOIS voi^rols froiofibs y.al fioopi], ois xal 
ka/.i{3dvEi. 

25* 



388 !*> Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

Begriff und Energie des Einen ist (V, 1, 6. 7). Die Weltseele 1st nun 
die eigentliche Weltschopferin, oder sie ist es, die den Zusammenhang 
zwischen der intelligibeln und der erscheinenden Welt herstellt. Sie 
gestaltet die Materie, indem sie sie ,,schmuckt, ordnet und beherrscht". 
Die Materie wird wie bei Aristoteles als das schlechthin Bestimmbare 
angesehen. In sie dringt nun die Seele ein, wie die Strahlen der Sonne 
eine dunkle Wolke erglanzen lassen. Aber sie bleibt dabei an den Nus 
gebunden, me aucb die Sonnenstrahlen an die Sonne, und sie \virkt 
doch auf die Materie ein, wie die Sonnenstrahlen auf die Erde. Sie 
stellt sieh dar in vielen Einzelseelen, die die Dinge beleben, aber diese 
sind' in ihr zusaminengefafit, wie etwa die einzelnen Stadte im Staat 
(IV, 8, 2-4; 9, 1. 2. 5. V, 1, 2. 7. II, 9, 7. 8. Ill, 9, 3). 

Das ist die Theologie und Kosniologie Plotins. Ein gewaltiger 
Entwicklungsprozefi reieht von dem Absoluten bis zur Materie herab, 
alles in ilim nat seine Stelle und zwar so, dafi das Hohere dem Niederen 
sein Wesen in abgestufter Eolge initteilt. ,,Es ist notwendig, dafi jedes 
das Seine aucb. einem anderen gebe, oder das Grute wird nicht gut, die 
Vernunft nicht Yernunft, oder die Seele nicht eben dies sein, wenn 
nicht nach dem Erstlebendigen auch ein Zweitlebendiges ist, solange 
jenes Erste ist. Es ist also notwendig, dafi alles aufeinander folgt und 
ewig ist, und dafi das andere geworden ist dadurch dafi es von anderen 
herriihrt. Daher ist nicht (auf einmal) geworden was Grewordenes heifit, 
sondern es wurde und wird werden" (II, 9, 3). So ist alles in der 
Welt notwendig und vernunftig. ,.Prinzip ist die Vernunft und alles 
ist Vernunft, und was ihr gemafi entsteht und bei dem Entstehen Ordnung 
ernpfangt, nmB durchaus so sein" (III, 2, 15). Daher sieht Plotin die 
Welt optimistisch an, denn diese unsere Welt ist ein Abbild der wahren 
ewigen Welt. Ewige Ordnung und Schonheit wird in ihr offenbar 
(V, 1, 4. Ill, 2, 2). Alles in ihr ist von der Vorsehung geordnet und 
harmonisch miteinander 'Verbunden und wird imnier neu geschaffen 
(III, 2, 2. 13 ; 3, 2). Mb'gen auch schroffe Gregensatze in ihr vorliegen, 
so lafit die Vorsehung auch sie in harmonischer Einheit ausklingen. 
Das Ganze ist vollkommen und harrnonisch, nur wer das einzelne isoliert 
betrachtet oder wer das Spiel init aufierena Gliick und Ungluek fiir 
Ernst nimnit, kann das bezweifeln (III, 3, 1; 2, 11. 15. H, 9, 9. 16). 
Darum wendet sich Plotin mit grofier Scharfe gegen die Weltbetrachtung 
der Gnostiker. Hier ist er ganz Grieche. Daher erscheiut ihm die 
Eurcht der Gnostiker vor den himmlischen Sphiiren lacherlich, da ja 
alles in der Welt von der Gottheit geordnet ist. ,,Denn nicht soil man, 
weil jene Korper feurig sind, sie fiirchten, da sie doch in deru richtigen 
Verhaltnis zum All und zu der Erde stehen" (H, 9, 16). Und ebenso 



Plotins Weltbeurteilung im Gegensatz zum Gnostizismus. 389 

widerspricht er der Herabsetzung des Demiurgen und seiner Schopfung. 
Yoll von Gottern, Geistern und Seelen ist ihm diese Welt. Die Welt 
und die Gotter in ihr und das andere Schone zu- verachten, das heifit 
nicht gut werden, denn jeder Bosewicht verachtet ja " ohnedies 1 die 
Gotter. ... Auch ihre angebliche Yerehrung der intelligibeln Gotter 
vertragt sich nicht hiermit. Denn wer jemand liebt, kommt aucb freundlich 
der ganzen Yerwaridtschaft des Geliebten entgegen und liebt die Bonder, 
deren Yater er liebt. Jede Seele aber ist (Kind) jenes Yaters. Seelen 
sind aber aucb in diesen Dingen, und zwar verniinftige und gute, die 
mit der jenseitigen Welt in weit engerer Yerbindung stehen als die 
unseren" (II, 9, 16). ,,Die ganze Erde ist voll von mannigfacben Wesen, 
auch von iinsterblichen, und bis zu.m Himniel bin ist alles voll von:ihnen. 
Die Gestirne aber, sowobl die in den unteren Spbaren wie aucb die 
bocbsten, warum sollten sie nicbt Gotter sein, da sie in Ordnung sicb 
bewegen und die Welt umkreisen? Warum sollten sie nicbt aucb 
Tugend baben, oder was sollte sie hindern zum Besitz der Tugend zu 
kommen? . . . Warum sollten sie nicht stets in ibrer Mvifie begreifen 
und in ihrem Geist Gott erfassen und die anderen intelligibeln Gotter?" 
(II, 9, 8). Hier ist alles griechisch. Die stoiscbe jtQovoia. wird mit 
clem ProzeB der Weltentwicklung kombiniert, und das Resultat ist eine- 
groJ3e Theodizee. Und in dieser von Geistern, Damonen und Seelen 
erfiillten Welt finden aucb alle Gotter der Mythologie mit der ganzen 
antiken Damonologie ihren Platz. 

Aber der Optimismus der Theodizee hat seine Scbranke. Im 
Menschen liegt sie. Die Seelen der Menscben sind ,,Ampbibien", sie 
geboren dem Diesseits und dem Jenseits an (IY, 8, 4). Ihr oberer 
Teil lebt in der intelligibeln Welt, aber es ist zugleich ihre Natur am 
Sinnlichen teilzuhaben, sie empfangen aus dem Jenseits und spenden 
dem Diesseits (IY, 8, 4f. 7. 8). Aber in dieser Lage der Seelen ist 
ihr Abfall von Gott dem Yater, der zugleich ein Abfall von sich selbst 
ist, begriindet. Sie sind wie Kinder, die in der Feme auferzogen, 
schliefilich weder den Yater noch sich selbst kennen. Hochmut, das 
Anderssein, die Begierde durch sich selbst zu sein ist der TJrsprung des 
Palls. Indem aber so die Seele sich von Gott abwendet und in eine 
andere Richtung strebt, vergifit sie den Yater und verachtet ihren eigenen 
TJrsprting dadtirch dafi sie weltlichen Dingen nachjagt und so diese 
hoher schatzt als sich selbst. 1 ) So werden die Seelen bose. Aber 



1) V, 1, 1 : ' itors ago, earl to TWTCouixbs rag tpv%as nar^bs deov eTt 
v.al fioigas sy.et&ev otioas teal Skog s'/.eivov dyvofjaai y.al eavTs *<' etcslvov ; 
fief ofit- aiiials TOV xaxov fj rohfia v.o.1 i] ysveats xa.1 i] TT^WT?; 8T8^oT?;s xal ib 
Si eavifov elvat. Om oin> ert ey.eJvov ofyte savras dywocu, cm- 



390 15. Die Tlieologle der alexandrinischeu Vater. 

was ist das Bose? Gott 1st das Sein und das Gute, also kann das Bose 
nur zu den f.irj ovra geboren. Das Bose ,,ist eine gewisse Form des 
Nicbtseienden und es ist bei deni mit dem Nicbtseieriden Vermischten 
o'der irgendwie mit dena Nicbtseienden in Gerneinscbaft Stebenden. Das 
Nicbtseiende 1st aber keineswegs das iiberbaupt Nicbtseiende, sondern 
nur etwas anderes als das Seiende, 'aucb nicbt so ein Nicbtseiendes wie 
Bewegung oder Rube am Sein, sondern wie ein Bild des Seienden und 
nocb weit mebr nicbtseiend. Dies ist aber alles Sinnenfallige (TO aia^-rjzov) 
oder alle AfEektionen (rtd&rf) am Sinnenfalligen oder etwas nocb binter 
diesen Stebendes, oder wie ein Akzidens an ibni oder ein Prinzip von 
ibm oder etwas, was dies dazu macbt, was es ist. Und so kann man 
wobl zu einer Vorstellung von ibm gelangen, es ist gleicbsam Mafilosig- 
keit im Verbaltnis zum MaB, und TJnbegrenztes im Verbaltnis zur Grenze, 
und Formloses gegeniiber dem Formgebenden, und imnier Bediirftiges 
gegeniiber dem Selbstgenugsamen, immer unbestimmt, nie feststebend, 
alleidend (ttaf.irtad'Eg), ungesattigt, absolute Armut" (I, 8, 3). Dies 
absolut Unbestimmte und Formlose ist die Materie. Das .Bose ist somit 
die Materie. Die Seele an sicb ist nicbt bose, nainlicb sofern sie sicb 
Gott zuwendet. TJrsacbe des Bosen fur die Seele ist das Zusammensein 
; mit dem materiellen ELorper. Zwar durcbdringt die geistige Kraft der 
\ Form aucb die Korper, aber trotzdem ' bleiben diese als solcbe .ibrer 
\ ,,alten Natur nacb" bose. 1 ) Das QuaHtat- und Formlose ist somit das 
\ Bose. Nun ist aber das, was die Pormen aufbebt, eine Negation, und 
; baftet als solche an einem anderen. Das Bose ist also ein Defekt in 
der Seele oder ,,die Abwesenbeit des Gfuten". 2 ) Die Materie als das 
Form- und Gfeistlose ist daber an sicb bose. Sofern sie nun dem 
Menscben anbaftet und das Geistige in ibm negiert, ' wird der Menscb 



/.idaaaai savras Ayvolq rov yevovs, iifii']aaaai laHa. y.al Ttdvm f.ia/J.ov fj saving 
tyav/ridaaaai . . . "Qate ovfiflaivei i^g TtawteLovs dyvolas exsivov j; rcavSe iifii] y.a.1 
fj eavrcov drifiia slvcu atria. 

1) I, 8, 14: v'kr] Tolvvv y.al dadsveias ipvzij altia v.a.1 v.av.las altia- yiQoreoov 
ago. y.ay.f] avii] y.al TIQCOTOV xxoz- xal yap el mitr] f) tywffi t'n vkr] syevvrjas Tta&ovaa. 
y.al si iy.oiv(avt]OEV aiirfj y.al sysvero '/.ami, % vkf] altia Tiagovaa. I, 8, 4. 5. 7 : 
{isfiiyfiev?] ovv Sf; 27 tovSs TOV v.oafiov cpiiaie '/ is tov vov y.rtl dfdyn-ijs, xou dou 
Ttafia -d'eov sis cntibv rjy.ei, dyaftd, rd Se '/MV.O. e% TTJS dj)%aias cpvoscos, ii]v vkt]v ),eycov 
Tt]v {>7io%eijU.evr]v oiiTCco y.oaf.i'ri\)slaav eideaiv. Ib. 8: el Srj acafta cfvriov iGtv y.aycov, 
vlr] av e'ir] %al rnvrij a%Tiov TOJV y.axcov. 10: 6(>f)<0s aga heyerac (TJ vkr;) y.ai 
dnoios eivat, y.a't */.ay.r\. 

2) I ; 8, 11: &),)? fy Bvawtia. tea slSei Tcavil pvais are^tjais, areprjais Se del ev 
&),)M VMI erf avtTJs oi>% vTtooraats, mate to y.ay.bv, si sv aTsprjasi, iv i<3 e 

e'iSovs TO y.axbv sarat, mare xaff 1 savrb oiix 'earai. El c&v BV tij yv'/fi 'sarat 

i] are^rjois EV OIITIJ to xa-s.bv y.ai // v.ay.ia 'sarai y.al oiiSev s^ca .... OiiBev ovv Ssi 

aklad'ev 'Qrjretv to xaxov, dtta &gfiEVov &v yv%!] OVTCO dead'ai djtovolav dya&ov elvni. 



Das Bose und die Freiheit bei Plotin. 391 

schlecht. Nicht etwas Substanzielles ist also das Bose im Menschen; 
sonder-n die Aufhebung des Geistigen, ein Nichtsein oder ein Defekt in 
seinem geistigen Wesen. Das ist eine Idee, die in die kirchliche Lehre 
ubergegangen ist. 

Zweierlei mufi hier noch erganzend hinzugefiigt werden. Alles, 
was durch aufiere Einfliisse geschieht oder vom Menschen vollfiihrt wird, 
ist notwendig und durch feste Ursachen bestimmt. ,,Wenn die Seele 
dagegen der Vernunft als dem reinen und leidenschaffcslosen und ihr 
eigentumlichen Fiihrer folgt, so ist dies Streben allein als frei (ecp 1 fyilv') 
und selbstandig zu bezeiehnen, und dies ist unser eigenes Werk, das 
nicht von anderwarts kam, sondern von innen, von der reinen Seele." 
(Ill, 1,9). Freiheit ist also Innerlichkeit und Yerniinftigkeit. Da nun 
aber unser Wesen und Leben keine Episode in dem Granzen ist, so ist 
auch die freie Wahl in dem Ganzen mitgesetzt und niitverrechnet (HI, 3, 3), 
d. h. eine metaphysische Ereiheit des einzelnen gibt es nicht. Nicht in 
den Taten des Menschen liegt also " seine Freiheit, sondern in der Ver- 
nunft. Redet man nun von freien Handlungen, so ist dabei an die 
innere Energie, an die verniinftige Betrachtung und Schauung der Tugend 
zu denken. 1 ) Das Zweite ist der Gedanke, daB die Bosen durch ihre 
Bosheit an einen schlechteren Platz" gestellt werden, ,,denn nicht ver- 
mag etwas dem zu entgehen, was in dem Gesetz des Ganzen angeordnet 
ist" (III, 2, 4). Das fiihrt auf den Gedanken der Seelenwanderung. 
Je nach dem, wie sich die Seele verhalten hat, gestaltet sich ihr weiteres 
Schicksal. Die einen werden Sterne oder wieder Menschen, die anderen 
Tiere oder auch Pflanzen (III, 4, 2. 6). Es ist .nicht Zufall, daB der 
eine Sklave wird und der andere in Gefangenschaft gerat, ,,sondern er 
hat einst das getan, was er nun erleidet", ,,ein Weib wird werden, der 
einem Weibe Gewalt angetan hat, damit ihm Gewalt geschehe" (III, 2, 13). 
Von oben nach unten ging bisher die Linie der Entwicklung. Von 
unten nach oben soil aber des Menschen Weg fiihren. Die Seele konimt 
von oben und lebt in der materiellen Welt. Sie soil nun sich von dieser 
losreifien und eniporstreben zu dem Ersten. Sie strebt entgegen dem 
Schauen des Einen (IV, 9, 3. 4. 7). ,,Es sehnt sich die Seele in ihreni 
natiirlichen Zustand und will mit Gott vereinigt Averden, gleichsam eine 
Jungfrau, die eine edle Liebe hat zum edlen Vater. Wenn sie aber 
zum Werden gekommen ist, wird sie gleichsam durch die (irdische) Ver- 
mahhing verblendet und geberdet sich frech, indem sie den Vater verlaBt 
und eine andere sterbliche Liebe eintauscht. Und wieder fangt sie an 



1) VI, 8, 5. 6 : &a<ie %ai TO ev rats Tt^d^eatv aine^ovaiov "/.cu ib &<p ijfiiv ovx 
sis TO Tigdiieiv avdyeod'ai oi>S" sis ii]v 'e^ca, &),!? sis T>]V svrbs svsfiysia.v y.al vorjffiv 
y.nl \)sco()im> ciiiTijs Tfjs 



392 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

das frecbe Wesen hier unten zn bassen. TJnd sicb entsiibnend von diesen 
Dingen strebt sie wieder dem Vater zu, und nun 1st ibr wobi . . . Dort 
aber ist das wabrbaft Liebenswerte, mit dem yereint bleiben kann der 
es ergriffen bat und wirklicb besitzt, ist es docb nicbt aufierlicb mit 
Fleiscb bekleidet. Wer es aber gescbaut bat, der weifi, was icb meine, 
wie narnk'cb die Seele dann ein anderes Leben empfangt, die binzutritt 
und scbon binzugekommen ist und teil an ibm gewonnen bat". Dann 
ist die Seele Gott geworden und ist Gott (9-sbv yev6f.(evov (.tShhov ds 
ovta, VI, 9, 9). Der Scbauende ist eins geworden mit Gott. Das ist 
das Mysterium, das jenseits alles Scbonen und aller Tugenden liegt. 
i ,,Und so ist das Leben der Goiter und der gottlicben . und gliickseligen 
Menscben ein Leben der Trennung von den iibrigen Dingen bier, ein 
Leben obne Lust an diesen Dingen, eine Flucbt des Einen zu dem 
Einen" (VI, 9, 11), "Wie eine Glut von oben ergreiffc etwas die Seele 
und dadurcb wird sie wie bescbwingt und strebt jaucbzend in beifier 
Liebessebnsucbt empor (VI, 7, 22). Und wie die Liebenden eins werden 
wollen, so wird sie eins mit ibm, trunken gleicbsam in der Liebe (VI, 7, 
34. 35). Das ist also das Ziel, das Plotin vorscbwebt, das ekstatiscbe 
Scbauen der Gottheit, die rnystiscbe Union mit ibr oder das Aufgeben 
in sie. Die Seele wird Gott oder gottlicb (II, 9, 9. Ill, 2,' 5. VI, 9, 
9. 11). Hier ist die Frommigkeit der Mysterien in die Pbilosopbie ein- 
gefiibrt. Der Weg aber zu diesem Ziel ist einmal in den gewobnlicben 
giiecbiscben Kardinaltugenden gegeben, dann in der A(x\)'(X()ai$ oder der 
asketiscben Losung des Menscben von seiner Korperlicbkeit. Aber das 
letzte Ziel, die Vereinigung mit Gott, kann der Menscb bienieden nur 
zeitweilig erlangen, ,,weil er nocb nicbt vollig ausgewandert ist. Es 
kommt aber fiir ibn die Zeit des dauernden Scbauens, wenn.ef garnicbt 
mebr von dem Leibe bescbwert sein wird" (VI, 9, 10). Plotins eigenes 
Leben illustriert diese Lebre. Er scbien sicb zu scbamen, dafi er im 
Korper war ; viermal bat er das Ziel der ekstatiscben Vereinigung mit 
Gott erreicbt, das sein Biograpb Porpbyrius nur einmal eiiebte (Porpbyr. 
vit. Plot- 1. 23). J ) 



1) Die weitere Geschiclite des Neuplatonismus gehort nicht ner. Sie ist in 
zwei Linien verlanfen. Die erste kniipft sich an den Nam en des Jamblichos 
(f ca. 330). Er war selbst ein groBer Wundertater, er systematisierte die ganze 
Mythologie und legte Gewieht auf Magie und Theurgie. Aus seiner Schule 
stammt die Schrift de mysteriis. Dureh seinen Schiiler Aidesios (aus der syrischen 
Schule) ge'wann diese Form des Neuplatonismus EinnuJQ anf den Kaiser Julian. 
Die zweite Entwicklungslinie ist durch die athenische Schule bezeichnet. Hier 
wandte man sich mehr der Systematisierung und Kommentierung der alten Philo- 
sophen zu, ohne die polytheistischen und mystischen Tendenzen aufzugeben. Der 
wichtigste Name ist Proklos .(t 485). 529 schlofl Justinian die athenische 



Clemens und Origenes. . 393 

4. Noch einmal hatte die antike Welt ihre ganze Kraft zusammen- 
gerafft. Der Bund von Religion und Philosophic, den wir kennen ge- 
lernt haben, brachte eine neue Situation hervor. Der geistigen Macht 
des Christentums trat eine ebenburtige geistige Macht entgegen. Sollte 
das Christentum sich in dieser neuen Lage behaupten, so mufite es die 
Waffen der Wissenschaft und den Schild der Philosophie ergreifen. Auf 
Justin mufite Origenes folgen. Aber nicht nur die aufiere Lage notigte 
der Kirche diese neue Stellung auf . Wichtiger war, dafi auch die innere 
Entwicklung auf sie hintrieb. Indem auch die hoheren Schichten der 
Bevolkerung sich dem Christentum zuwandten, mufite es die Bildung 
der Zeit in sich aufnehmen und dieser Bildung gegenuber seinen Charakter 
als die hochste Eeligionsphilosophie dartun und sich die literarischen 
Formen der hochsten Bildung zu eigen machen. An die Stelle der 
popularphilosophischen Apologien und der exegetischen, dogmatischen 
und ethischen Traktate mufiten wissenschaftliche Systeme, gelehrte Unter- 
suchungen iiber das Wesen der Religion und eingehende exegetische und 
histprische Forschungen J ) treten. "Was einst in ihrer grofien Zeit die 
Grnosis erstrebt hatte, das nahm man. jetzt, durch das Schwergewicht der 
inneren Entwicklung genotigt, wieder auf. TFnd es fehlte nicht am 
begeisterten Beifall der Besten. 2 ) Clemens und Origenes waren in der 
weltlichen Literatur nicht weniger zuhause als die grofien Philosophen 
der Zeit. Aus derselben Schule, der der Neuplatoniker Plotin entstammte, 
ging Origenes der Christ hervor, beide empfanden dieselben Probleme 
und sie verwandten zum guten Teil die gleichen Mittel zu ihrer Losung. 
Niemand konnte die geistige Ebenburtigkeit dieser neuen Verfechter des 
Christentums beanstanden (vgl. Euseb. h. e. VI, 19, 1). Aber um so 
argerlicher erschien den Gegnern ihr Beginnen. Porphyrius hat dem in 
seinern Urteil liber Origenes Ausdruck gegeben: er, der Schuler des 
Ammonius, der regelmafiig alle "Werke der griechischen Philosophie 
studierte, ,,ein Grieche unter Griechen gebildet, fiel er ab zu der bar- 
barischen Hartnackigkeit und schandete dadurch sich selbst und die von 
. ihm erlangte Bildung, indem er seinem Wandel nach christlich und 
widergesetzlich lebte, in seinen Ansichten aber liber die Dinge und das 



Schule. Durch das Medium dieser Philosophen ist die Kenntnis der antiken 
Philosophie dem Mittelalter zugekommen. 

1) Hier kommen auJJer Origenes Werken besonders die historischen Arbeiten 
des Julius Africanus in Betracht s. Euseb. h. e. VI, 31. I, 7 u. vgl. Harnack, 
Gesch. d. altchr. Lit i, 2, 507 ff. 

2) s. das Urteil des Alexander v. Jerusalem iiber Pautanus und Clemens bei 
Euseb. h. e. VI, 14, 9 uud die Aufnahme, die Origenes in Palastma fand, ib.VT, 27, 
oder die Lobrede des Gregorius Thaumaturg. auf ihn. 



394 15. Die Tlieologie der alexandrinischeE Vater. 



Gottliche hellenisierte (eAA^w'tctw) und die Anschauungen der Hellenen 
den fremden My then unterschob". Von den Philosophen ,,lernte er die 
ubertragende Deutung der griechischen Mysterien und wandte sie auf 
die jiidischen Schriften an" (bei Euseb. h. e. YI, 19, 7. 8). 

Es war kein aufierlich, aus taktischen Griinden, angeeignetes Element, 
das Clemens und Origenes am Griechentum besafien , sie waren mit 
innerer TJberzeugung und wahrer, Begeisterung Hellenen. Aber wie die 
Schule, an der sie wirkten, der kirchliclien Unterweisung diente, so haben 
sie mit ebrlicber tlberzeugung an der kirchlicben tlberlieferung fest- 
genalten als an der ,,"Wahrheit", die die Scbrift enthalt und die in der 
Kirche von jeher gelehrt worden ist (oben S. 305 f.). Aber sie wollten 
das Yulgare und Aberglaubische aus der Religion ausscheiden, sie sollte 
ganz geistig werden, aiich darin folgten sie dem Yorgang der Philosophic. 1 ) 
Indessen so hocb immer diese Theologen die ,,Gnosis" gegeniiber dem 
,.blofien Glauben" erboben, so tmerbittlich streng ist ihr TJrteil iiber die 
haretischen Gnostiker, zu ihnen fiihrt keine Briicke hiniiber. 

AYie in Alexandrien der judische Geist und die belleniscbe Philosophic 
einen Bund geschlossen batten, welchem die Denkweise des Philo ent- 
sprungen, so ist ein ahnlicher Bund gegen Ende des 2. Jahrhunderts 
dort zustande gekommen. Die helleniscbe Weisheit und das liberlieferte 
Evangeliuni werden in wunderbarer Weise initeinander gepaart. Die 
Katecbetenschule zu Alex, gab den Boden dazu her, Pantanus, Clemens, 
Origenes fuhrten das Werk aus. Man wollte erreichen was der tiefste 
Trieb im Denken der Gnostiker erheischt hatte, aber man war gewiB, 
es mit "Wahrung der kirchlichen Glaubensregel erlangen zu konnen. Fur 
die Geschichte der griechischen Theologie ist dieser Yersuch von unennefi- 
licher Bedeutung. An den Namen des Origenes kniipft sich dieselbe. 
Nur vorbereitend gedenken wir der Lebre des Clemens. 

5. In eigentumlich frischer und naiver Weise ist bei Clemens 
der griechische Geist mit dem kirchlichen Glauben verbunden. Die 
Schwierigkeiten driicken ihn nicht. Er war kein systematischer Denker 
im strengen Sinn des Wortes, sondern ein geistreicher Dilettant. Er 
hatte sehr viel gelesen und sehr viel behalten. Sein Geist arbeitete 
leicht und schnell in Ideenassoziationen. Den Eklektizismus hielt er 
prinzipiell fur den richtig'en . Standpunkt (Strom. I, 8 p. 338). Er pries 
Plato am lautesten, aber er stand, zumal in seiner Ethik, der Stoa am 
nachsten. Aber er war ein wirklich gebildeter Mensch, er hatte die hohe 
Stimmung der griechischen Philosophie sich innerlich angeeignet und er 



1) Vgl. z. B. Cicero de nat. deor. II, 28, 71: non enim philosophi sohim, 
verum etiam maiores nostri superstitionem a religione separaverunt. 



Charakteristik des Clemens. 395 

lebte in ihr. Das verlieh jhm den sicheren Takt, der ihn bei dem grofien 
Amalgamierungsprozefi, den er vornahm, geleitet hat. Wie er mit dem 
Gefiihl Christ war, so auch Hellene. Und wie sich beides in seiner 
Seele zu erlebter Einheit verbunden hatte, so wufite er es auszusprechen, 
warm und beredt, Mhn und naiv. Die beiden Gebiete, in denen er 
lebte, theoretisch gegeneinander abzugrenzen, war unendlich schwierig, 
aber sein .Empfinden und sein feiner Takt fand die Abgrenzung mit 
instinktiver Sicherheit. Vor dem Unmoglichen hiiben wie driiben inachte 
er unwillkurlich Halt. Er strioh nichts mit Bewufitsein ab, aber er lieft 
fallen was ihn innerlich abstiefi. In immer neuen Ansatzen legt er seine 
Empfindungen und Anschauungen dar, nicbt immer klar, aber fast immer 
fesselnd. An Worten eigenen und fremden fehlte es ihm dabei 
nie. Seinen Charakter als Schriftsteller hat er selbst unubertrefflich mit 
den Worten am Ende des Protrepticus gekennzeichnet : ,,von dem Leben, 
das nie und nimmer ein Ende' hat, wollen auch die deutenden "Worte 
kein Ende finden". Es ist kaum fichtig, wenn man Clemens als den 
ersten system atischen Theologen der Kirche charakterisiert, aber niemand 
hat so viel. wie er fur die Erzeugung der Seelenstellung getan, die die 
Voraussetzung der systematischen Theologie der Griechen geworden ist. 
Die Grabe Tertullians fiir weitschichtige Probleme knappe Eormeln zu 
pragen, fehlte ihm ganz, aber er teilte mit Tertullian die Gabe eine 
erlebte religiose Grundstimmung zu packendem Ausdruck zu bringen. 
Hierin liegt seine geschichtliche Bedeutung, und in dieser Richtung hat 
er lange langer als Origenes auf die griechische Christenheit 
eingewirkt. 

Wir mussen jetzt seine Hauptgedanken zusanimenstellen. Es gibt 
nur eine Wahrheit, .in welche alle Strome zusammenfliefien. Gott gab 
den Juden das Gesetz, den Griechen die Philosophic. 3 ETt(xid(xyd)'yei 

nol avrr) (sc. die Philosophie) TO 'Ekkrjvmbv wg 6 v6f.iog rovg 
sig XQUJTOV (Strom. I, 5 p. 331; VI, 17, 823; YI, 6, 762). 
Hellenen und Juden haben einen alten und nun veralteten Bund empf angen, 
die Christen als das ,,dritte Geschlecht" haben den neuen Bund (Str. YI, 
6, 761). Die Geschichtsbetrachtung des Clemens sagt also von der 
.griecbischen Philosophie keine blofi negative Stellung zuni Christentuni 
aus, sondern wie durch das A. T., so hat auch durch die Philosophie 
Gott die Menschheit auf Christus bin erzogen. Aber diese Wertung 
wird dadurch gemindert, dafi die Philosophen ihr Bestes aus dem A. T. 
entlehnt haben die 'Ell^m] *lom'i (V, 14, 699 ; YI, 5, 759 ; I, 25, 419). 
Propadeutische Bedeutung hat die Philosophie aber auch noch heute fur 
jeden Christen, welcher von der tfjikrj rtiOTig zur yvwotg emporsteigt. 
Dies geschieht aber v.ara ytdvova 6xxlrj(JiaaT;r/.6v (Str. YIT, 7, 855 ; YI, 



396 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

15, 803). Mit dem Buchstaben des A. und N. T. findet sick schon 
Cl. im AnschluB an Philo durch allegorische Exegese ab (vgl. Str. VI, 
15, 806 f.). Es bedarf des Glaubens an die Offenbarung zuni Heil, und 
der Glaube geniigt. Clemens wendet sich aber gegen die Christen, die 
auf die Bildung meinen verzichten zu konnen und es bei der ipiXi] ftiotLg 
genug sein lassen, d. h. die das tJberlieferte einfach annehmen, ohne 
sich uni den Beweis dafiir zu kmnmern (I, 9, 341 ; VII, 16, 888). Der 
Glaube weist iiber sich hinaus zur Gnosis (Str. II, 2, 432; V, 1, 643). 
Der Glaube ist ein der Seele .geschenktes Gut, ohne.zu suchen bekennt 
und anerkennt sie Gott. Der Glaube ist die Grundlage der Erkenntnis, 
die Gott selbst durch seine Gnade in den Glaubigen entstehen lafit. 1 ) 
Daher ttkeov de EOTIV TOV niGxevouL TO yv&vai (Str. VI, 14, 794). Der 
Glaube ist die aufierliche Annahme Gottes und der Lehre Christi in. 
buchstablichem Verstandnis, aus Eurcht und Gehorsam gegen die Autoritat. 
(z. B. Str. II, 12; V, 1, 643; TO, 12, 873 f.). Der j/vwaxr/og da- 
gegen lebt in der fiTTOTmxi) -S-ecoQia, er ergreift innerlich das Heil und. 
begreift es (Str. VI, 10 ; I, 2, 327). Er hat Gott erkannt und ihm zu. 
dienen ist ihm stetiges Anliegen. 0Qafteia TOV 3-eov f] avve%i]s 
rfjs ipv^S ffy yvioGTmtt) xal f] jte^l TO Selov avroo xazot 
aydmqv ao%oMa (Str. VII, 1, 830). Nicht nur die d-sioQi 
sondern auch die itq'a^iq, soil JZiel des Gnostikers sein (Str. VII, 16, 895). 
Nicht die Aussicht auf Lohn bewirkt, da6 er gut handelt, sondern er 
tut das Gute um sein selbst willen, in Liebe zu Gott (Str. IV, 18, 614 ;. 
IV, 22, 625), nicht nur die Tatsiinde sondern auch jede Regung siind- 
hafter Lust meidet er (Str. n, 11, 455; VI, 12, 789 f.), nicht als Knecht. 
sondern als Kind Gottes weifi er sich (Str. VII, 2, 831), er betet allzeit,. 
denn Gebet ist Urngang mit Gott (Str. VII, 7, 851 ff. 854; VII, 12, 875). 
Bedarf der anhG) TtSTiioievxwg der xoc&aQGia oder (.iixga ^vor^Qia der- 
Kirche, so braucht der yvwOTixos die /.isyctha (.ivar^Qia oder die e-rcortTsia 
(Protr. 1. p. 9; 12. Str. V, 11, 689). 2 ) Dies ist der konigliche "Weg. 
( '0aov yaq &yct7tq Tig TOV d'sbv TOOOVTII) itKt-ov evdoTSQu TOV -3-sov- 
TiaQadv&iaL (Quis div. salv. 27 fin.). Der Gnostiker lebt nicht nur 
fiir sich, sondern durch sein Leben und seine Philosophic wirkt er 



1) Str. VII, 10 p.' 864: Ttians (iev di)V EvSidd'e'tov 11 BOTIV d.ya&bv xai avev 
tov tftiElv ibv O'ebv o/j.o'/.oyovoa slvai tovrov y.al o!-daovaa ws OVTCI. "Odev %()}) 
dTcd TUIJT^S ooJayoiiBvov irjs niarecas r.al aii^rjd'EVia EV ami] xdpm TOV O'sov i^v 
7te<u uiirov s.of.iioaod'at, tog otov TE EOTW yvwaw . . . JJiarsvaai, SB ds/.iekios yvcaaecos, 
iif.i<fco e 6 '/^latbe, o re d'efislios rj re eTtotnoSofiij, St' oft y.ai f] aq'/fi y.al TO re^os, 
Tiioris l.Eyco y.ui rj dydnr]. 

2) Diese Unterscheidung s. auch bei Philo de sacrif. Abel et Cain. 15. 16; 
de Abrah. 24. 



Glaube und Gnosis bei Clemens. . 397 

bessernd und . helfend auf seine Mitmenschen ein (Str. VI, 14, 793 ; 
VII, 1, 830). Durch seinen Rat und seine Fiirbitte kommt er den 
Siindern zu Hilfe und ist ihr Mittler bei Gott (Quis div. salv. 34 ff. 41. 
Str. VII, 7, 855). So sind die Gnostiker die eigentlichen Erbauer und 
Erhalter der Kirche (s. unten). Alles das, was man einst von den 
Pneumatikern ,erwartete, fallt jetzt ihnen zu. An die Stelle del' Pneu- 
matiker. hatten die antignostischen,Lehrer die Kleriker gesetzt, bei Clem. 
empfangen die Gnostiker oder die reifen Christen diesen Platz. Sie sind 
die geistigen Leiter und die lebendigen Autoritaten der Kirche. So 
ergeben sich zwei Formen des Christentums : dem blofi glaubigen un- 
gebildeten, anfierlich am Buchstaben mit Fnrcht und Hoffnung haftenden 
Anfanger steht gegeniiber der Christ, der die Geheimnisse Gottes erschaut, 
der mit Vernunft und innerer tlberzeugung Gott aufnimmt zu dauernder 
Gemeinschaft und ihm von Herzen dient. Die stoische Unterscheidung 
des Weisen von den Tt^oxoTtTOWfig wird hier auf das Christentum iiber- 
tragen. Der Begriff von Christen erster und zweiter Klasse ist gewonnen. 
Dadurch ist die Entleerung des Glaubensbegriffes durch die 0(>&odoctaTai, 
denen es am aufieren Glauben genug ist (Str. I, 9, 342 f.), erkannt, aber 
auch anerkannt, andrerseits ist freilich das Bewufitsein, dafi es an dem 
gesetzlichen ,,blofien Glauben" nicht genug sei, kraftig festgehalten. 
Der Gnostiker" des Cl. steht wirklich hoher als sein ,,Glaubiger". 
Man darf dabei nicht vergessen, dafi Cl. auf das starkste betont, dafi 
die Getauften und die Glaubigen als solche vollkommen sind, sofern sie 
alle in die Sphare des Lichtes versetzt und des Geistes teilhaft geworden 
sind : OVY. &Q<X oi fisv yvcoanxolj ol 6e ipvwAol iv amC\) rip hoyy, akh 1 
ol rtdvves &no&ei.i6voi rag oaQ'/.mag ejtL-d-vf.dag 3 laoi xa* fCvsvf.iaTiy.oi 



tfj) . yMQity (Paed. I, 6 p. 116). Streng genommen steht diese 
Anschauung im "Widerspruch zu der scharfen Unterscheidung von 
Gnostikern und Glaubigen. Der hellenische Aristokratismus stofit hier 
mit der rnehr demokratischen christlichen Auffassung zusammen, wie 
iibrigens auch die Stoiker einerseits die Gleichheit aller Menschen pro- 
Idamierten, andrerseits den Weisen hoch iiber das genieine Menschen- 
wesen erhoben. Aber noch eins mufi hier gesagt werden. Die zwei 
Stufen, die Clem, im Christentum annimmt, bringen zum Ausdruck, dafi 
er ein starkes Empfinden fiir die Eigenart des Christentums als Erlosungs- 
religion hat. Die blofi Glaubigen sind die Christen, die auf der Stufe 
der Gesetzesreligion stehen bleiben, die Gnostiker mit ihrem inneren Er- 
leben der wirksamen Lebensgemeinschaft mit Gott, erheben sich in die 
Sphare der Erlosungsreligion. Aber indem Cl. diese nur in den Eormen 
des Hellenentums zu schildern vermocht hat, hat er das Grofie in seiner 
Betrachtungsweise selbst verdunkelt. 



398 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

6. Die Einzellehren bei Cl. wie sie Gegenstand von Glauben 
uncl Erkennen sind lassen sicb bald iiberscbauen. Der eine Grott, 
der in gewobnter Weise als das- Sein Sftsxelva TTjjg -ovaiag, das pradikat- 
lose Sein und das scblecbtbin Eine *) bezeichnet wird (z. B. Str. Vj 
12, 695 f.; V, 11, 689), ist der Schopfer der "Welt. Formel und Ge- 
danke der Tqtdg sind Cl. gelaufig (Str. V, 14, 710 cf. Exc. ex Tbeod. 80. 
Protr. 12 init. Paed. I, 6, 123. Ill, 12, 311; quis div. s. 42 fin. Adumbr. 
p. 88 Zabn). Wie Clem, den griecbiscben Gottesbegriff beriibernimint, 
so siebt er es aucb fur selbstverstandlicb an, daB der Logos der Pbilo- 
sopben niit Cbristus identiscb ist. Einerseits ist der Logos im Vater 
und eins mit dem Vater, 2 ) andrerseits wird er als die Verminft, die 
Kraft und der Wille, der vom Vater ausgeht, 3 ) bezeicbnet. Dabei bat 
Clemens, wie es scbeint, die Tendenz verfolgt, den Abstand zwiscben 
dem Logos xind dem Vater als dem absolut Einen zu vergrofiern. Darauf 
Avird die Unterscbeiduug abzielen, die Cl. macbt zwiscben dem Logos, wie er 
an sicb dem Vater eignet, und dem Logos, wie er aus jenem hervorging 
als eine birnmliscbe Kraft ; letzterer nicbt ersterer ist Menscb geworden. 4 ) 
Der Logos ist von Anbeginn ber in der Welt gegenwartig und wirksarn, 
ibr die Existenz verleibend, in Propbeten und Philosopben die Wabrheit 
darbietend, das Prinzip nicbt nur der Existenz der Welt, sondern aucb 
alles Verniinftigen in ibr. Wie der Logos die Welt erscbaffen, bat er 
aucb seine eigene menscblicbe Natur erscbaffen : srtuxa KCU eavrbv yevvq, 
orav 6 Adyog aagi* yevrpcu, c lva d-ecc&fi (Str. V, 3 p. 654). Das sind 
Geclanken, die seit den Apologeten uns mebrfacb begegnet sind (S. 278. 323). 
Das Resultat der Menscbwerdung ist das gottlicbe und rnenscblicbe Sein 
in Cbristus : amog youv b Ao'/og 6 %Qi0rbs xal tov eivai itakai 
fjf.iag . . . xal TOV ev tivai, vvv ds Ertecpdvrj av&Qcojtois a fobs 
OVTOQ 6 Ao'yog, o (.IOVOQ a { ucpco, &sos ve xal av&Qtortog, ajtavruv fifilv 
cihios aya-d-wv, nag* ov rb eti lyjv xdidaax6[.ivoi ei$ a'idiov a)i]V 



1) Paed. I, 8 p. 140 : EV Se 6 -debs xai enexewa TOV evbs y.a.1 tiney ai 
fiovdSa. 

2) Paed. I, 8 p. 140: vibs u>v 6 Aoyos aiirov sv TCO naryi sott. Ill, 12 p. 311: 
vis nut ttartjp, ev ufiycb. 

3) Protr. 12 p. 93: TOVTO o loyos rov &sov figayjcov xvqiov, Svvafits iStv 
o'tjtov, to delij : ua TOV 7car^6s._ . Str. V, 1 p. 646 f . : Der Logos des Vaters ist nicht 
bloBes Wort, sondem aoyia '/MI '^riatoT^s tpaveycoTdTr] rov d'eov, Stivafiis te a% 
Tiay/.oaiijs xal rco ovn deia . . ., d's^Tj/u.a TiavTO'/.^aTo^iy.ov. 

4) Photius Bibl. cod. 109 teilt folgenden Satz aus Clem, mit: heyeiai fisv 

y.al 6 vlos ),6yos dficovvfiws TCO TCUTOiy.ca hoyq), dW ov% o-Hros sativ 6 aa^ yev6[.ievos, 
ovSe ftfjv 6 Ttargqjos l.oyos, dV.a Svvafiis ris tov d'eov, olov djioggoia rov Koyov 
avtov vovs yevofievos ibs r&v d.vd~oct)7tcov y.aoSias SiaTteyoiiqy.e. Zur Erklarung 
der Stelle s. Zahn, Forsch. Ill,' 144 ff. 



Christ! Person und Werk bei. .Clemens. 399 

(Protr. 1 p. 6). Der Logos kam vom Himmel herab 
und ,,zog einen Menschen an" (i&v&QtoTCOV ive&v) und litt was die 
Menschen zu leiden haben, er hatte Leib und Seele, und war doch \tebs 
sv avd-Qibnov ay^fia^i ay^avrog (quis div. . s. 37. Paed. I, 2 init. Protr. 
10 p. 86). Olem. hat sonach die Menschwerdung so gedacht, dafi der 
Logos den von ihm geschaffenen Menschen Jesus wie ein Gewand anzog 
und dafi er in ihm wohnte. Dabei ist .aber die Einheit des Subjektes 
immer vorausgesetzt, und zwar so, dafi der Logos das Subjekt 1st, das 
sich in der Erscheinung eines Menschen darstellt, er ist avv xal T^> 
oy^f.idTi -9-eos d- h. wahrnehinbarer Gott (Paed. 1. c.). Den Doketismus 
will 01. meiden, ohne dafi es ihm gelingt. Ohne Kritik fiihrt er Yalentins 
Satz, dafi die Speisen von Christus nicht verdaut worden seien, an 
(Str. Ill, 7, p. 538). Und es erscheint ihm lacherlich anzunehmen, dafi 
er der Speise bedurft habe ; nur damit man nicht doketisch iiber ihn 
denke, habe er gegessen ! Sein Leib aber sei von einer heiligen Kraft 
zusammengehalten worden. 1 ) Christus hat nun fur uns sein Leben in 
den Tod gegeben, er ist 'kmqov wad Opfer fur uns geworden, hat , den 
Teufel uberwunden und bittet fur uns bei Grott (quis div. s. 37. Paed. Ill, 
12 p. 310; I, 5, 111 ; I, 11 fin. Protr. 11 init. 12 p. 93). Das sind iiber- 
lieferte christliche Gedanken. Aber die Deuturig derselben in der Bichtung 
einer stellvertretenden Siihne ist Clem, nicht gelaufig (z. B. Paed. Ill,- 12 
p. 310). Eiir ihn ist Christus die gottliche Kraft, die in das Dunkel der 
Welt hineinleuchte.t und in diesem antiken Sinn dann auch 
reinigende Heilsgewalt. 2 ) Vor allem aber ist Christus der eine grofie 
Lehrer des Menschengeschlechtes, der Fiihrer und Gesetzgeber sowie der 
Spender der Erkenntnis und darnit der Unsterblichkeit. Nachdem er 
erschienen ist, braucht niemand mehr Hellas oder Athen aufzusuchen, 
sondern er hat die ganze Welt zur Statte der Weisheit oder zu einem 
Hellas gemacht. El yctQ fyilv 6 didda'/.aKoQ 6 nhrjQwoas xct navra 



1) lAhft 1 eTtl fiev TOV acoTfjQOS to a&fia aTtanelv ws owfia tag avayxaias 
i)7te())]aias els Stafiovijv, yefaos av ?/; sy>aye yu(> oil Sia TO a&f.ia Swdfiei mtpt- 
'^dfievov uyict, d&% > cos fifj TO'bs avvovias akkcos Ttegl ainov yoovelv vTtsiffek&oi, 
&Gne() dfiekei SaTsoov Soxijaei lives atitbv TteipavEocdad'ai iiTtekaftov ' Aiitbg Ss djfat- 
ctTTAcos aTta&rjs r\v, els ov oiiSev TtapsioSvETat xivijfia Tta&i'j'ny.ov, ovte i]Sovi] ovrs 
ltxi] (Str. VI, 9, 775. Adumbr. p. 87 Zahn). 

2) Protr. 10 p. 86: rd%ei . . . ?) vvaiu,is &E'iy.i] sTtddfiyaoa T^V ytfv ocoTtjpiov 

eveTthrjffs. id Tfav . . . "O^Bt, .xaracpgovov/.iEvos, 'soyco 7CQoay.vvov/.ievos, 6 
xt acorijoios xal /.ieit,l%ios, 6 &sios . l.oyos, 6 cpaveoanmos ovicos 
&eo$, 6 ico SeoTtoTi] ta>v ohiov s^tacodsis ... f O aTtovSotpopos f.al SiaM.axTtjs y.cu 
acoirj^ fjficov 'koyos, 7t>]yi] ^cooTtoios, eioijvtxij . . ., Si ov . . rd rtdwra, ifiri nekayos 
yeyovev a.yad'wv. - Paed. I, 2 p. 100: Ttaubvios xal sTtcoSbs tiyios voaotjaqs \vv/rjs, 
6 Ttavay.^s ifjs d^dpcoTtozijTOS largos. 



400 15. Die Theologie der alexandrmischen Yater. 



ayiaiSj diftiiovgyiq, Georgia, euegyeatq, vofio&eaiq, 
didaaxaUq, aavTa vvv b diddoxahog y.azri%el xcrt TO rt&v 
ml f EKla$ yeyove T$ ' Uyy (Protr. 11 p. 86: 88 f. 12 p. 91. 
Paed. I, 3 p. .102 f. ; I, 6, 113). Der Lehrer ist Christus, der alien 
alles bringt, den Gnostikern nicht minder als den Glaubigen. 1 ) Aber 
der Lehrer ist zugleich Arzt. Mit der Erkenntnis zugleich -\vird der 
Menschheit die TJnsterblichkeit. ,,Von alien Sterblichen", lafit Clem. 
Christus sagen, schenke ich euch es allein die TJnsterblichkeit zu ge- 
winnen, denn ich will, ich will auch an dieser Gnade euch Teil geben, 
indem ich euch gewahre die vollkomnine Wohltat, die TTnsterblichkeit, 
und den Logos schenke ich euch, die Erkenntnis Gottes, ganz mich 
selber schenke ich" (Protr. 12 p. 93). Gshjiia de tov &EOV sniyvcoaig 
tov 3-eov, f]Tig earl xowcovia acpdctQaLug (Sir. IV, 6, 575). So wird 
der Mensch ein Grott. 2 ) Dazu tritt die Siindenvergebung. Als Grott vergibt 
Christus Siinden, seine Menschheit dient der sittlichen Belehrung: Tot. 
I.IEV af.iaQrijf.iata fog $sbg acpieig, slg de TO (.n] e^af-iaQraveiv rtaidayioyfov 
cog av&Qwrtog (Paed. I, 3 init.). 

7. Der Mensch nun soil Christi Lehre Gehorsam leisten, zum Lohn 
gleichsam Gegenliebe betatigen, indem er die Gebote erfullt (Protr. 11 
p. 89 f. Paed. I, 3, 102). Nun weiB 01. ebenso wie die zeitgenossischen 
Philosophen (oben S. 389 f . 31) daB der Mensch in den Eesseln der Siinde 
liegt (Protr. 11 init. Paed. Ill, 12, 307: TO (.lev yog e^af.iaQ'vdveir 
Tt&OiV ef-icpvcov Y.a.1 7.oiv6v) f aber das hindert ihn nicht an der 
starksten Betonung des avre^ovaiov oder des ecp 3 fyilv. c Hf.iag de e' 
fyitiv avrwv ^ovlerat ocb&o&at (Str. VI, 12, 788 ; U, 14, 460 ; Paed. 
I, 6, 118). So ist der Mensch auch frei zum Guten und zum Glauben 
(Str. IV, 24, 633; II, 15, 462; III, 9, 540). Gott reicht das Heil 
dar, und der Mensch vermag es zu ergreifen : c g de 6 laTQOg vysiav 
olg owegyovoi Ttgoc vyeiav, ovrug /.al 6 -9-eb$ TI]V a'i'diov 
roig avvsgyouoi rtgbg yvwoiv re xai evrtgayiav (Str. VII, 7, 
860). Die erste Regung ist der Glaube. Er verbindet sich mit Eurcht, 



1) Str. VII, 2 p. 831 : o StSday.a).og oinos 6 TtaiSevarv fivaTtjglois fisv "ibv 
yvmati'/.dv, sATfiai Se dyadais tov Jtiaibv y.nl naiSsia rfj sTTcci'oij&caTMiJ Si ulad~>]ti'/S]^ 
svegyeias ibv ay.):i]^oy.a.i)Siov. 

2) Protr. 1 p. 8: o ).6yos . . Hvd'QcoTtos yevofievos, ivn Srj "/.al av TCUQa dv- 
d"<)oj7tov fidd'fis, Ttij Ttote a.Qa avdycoTios yevijTcu -deoe. Paed. I, 12 p. 156: tv.- 

. Uber die Gottvverdung s. noch Str. IV, 23 p. 632: tbv yvcoam"/.bv ijSi] 
&s6v nach Ps. 102, 6. Str. VII, 10. 865. Str. VI, 4, 797: ofowg 
'iMftovaa. WQiny.i]v fj yw/yi fie/.eru elvcu -9'eos, VMV.OV f.iev oi>8ev 0JJ.O Tttyr 
dyvoias slvai vofil,ovaa "/.al T^S ft'fj "/Mia. tbv oqd'bv l.oyov svepyeias- Protr. 12 
p. 94: Siaato}' y.ca daiov . . yevofievos fab XQWTOV 'Irjaov -/.at, els roaoviov ofioiov 



Die Heilsordnung des Clemens 401 

Hoffnung, Sinnesanderung, Entbaltsamkeit und Geduld ; das 1st das erste 
Entwicklungsstadium, das iiber sicb binausstrebt zu der Gnosis und der 
Liebe. 1 ) Der Glaube 1st eine owyxa'cdd i eGig und eine -rtQokrjipig diavoia$ 
jcegl m hydfieva (Str. II, 12, 458; II, 2, 437. 432). Sofern der 
Glaube notwendige Yoraussetzung des Heils, kann ihm die Rettung zti- 
gescbrieben werden. 2 ) Aber dieser Glaube Aveist iiber sicb selbst binaus 
zur Erkenntnis und Liebe (s. oben, vgl. TCLGILQ, do^ccOTr/.!] und KTCiGxr^- 
f.iovimj Str. II, 11, 454). Und dieser Gedanke war notwendig, wenn 
man unter dem Glauben nur eine avy/M'cdd-e.Gis oder ein rtSi&ea&cii 
TGig ivTokal$ (ib.) verstand. Hierbei ist die paulinisehe Recbtfertigungs- 
lehre nicht haltbar. Die Gedanken des Clem, uber den Glauben reicben 
scbliefilich nicht iiber die Bekebrung binaus, die man aucb in der Stoa 
kannte (oben S. 31). Der Sinn fiir die iiberirdiscbe Welt und die Be- 
reitscbaft die Gebote Gottes anzuerkennen und zu befolgen ist der 
Glaube. Es ist nun ebenso verstandlich, daG diese Bereitscbaft und 
dieser Sinn durch den wirklicb betatigten Geborsam oder die innere. er- 
fabrene Gemeinscbaft mit Gott gesteigert wird, 3 ) als dafi dann die eigent- 
liebe Gerecbtigkeit des Menscben nicbt nur an den Glauben, sondern 
mebr nocb an die Liebe gekniipft wird, der Glaube fiibrt zur Erkennt- 
nis und die Erkenntnis zur Liebe. 4 ) Und bier erst ist die innere Ent- 
wiclclung zum Abscblufi gekommen. Die wabre Gerecbtigkeit bat daber 
erst der yvoJGTiY.og. Das gilt auch von Abrabain, aucb ibm wurde sein 
Glaube zur Gerecbtigkeit gerecbnet, sofern er sicb auf dem Wege zu 
dem boberen Standpunkt des Gnostikers befand. Gerecbtfertigt ist also 



1) Str. II, 6 p. 445: &eia roirvv /} looavii] fisTajSo?.?] e| aTttaiiag 
yevd/iievov y.al rfj e.^TtlSi r.al t(^ yopco TtiarEvaai. Kai S>i i\ TtocoTi] TIQOS aoni]()inr 

}] TTiang fffilv dvayalveTtti, /.leff 1 rjv <f6/3os re y.al E/.TIIS "/.cu fietdvoia avv re 
iq xal vitojuofij TtQoy.oTttovoat ciyovaiv f] t u&s srti TE Aydmiv BTC'I TS yvwovv, 

2) Str. II, 12 p. 457: 6 cpofios rijs dydrtqs dy/i] y.am Ttaoaij^aiv mans yevo- 
fisvos, SITU dydni] . . . May.dgios oitv 8s Ttiorbs yivsrat aydTtt] y.at cfoficy y.Ey.oaf.ievos, 
rtiaris Se la%i>s els aeon] Q iav y.al dvvafiis sis ?)*' aicovior. Paed. 
I, 6 p. 116: ?; fiev y&Q xamfyyats eig niariv TTEtJidysi, Tticms SE aua fiaTtTifffian 
&yiq> TtaiSsveTat a-peti/iait . . ., fiiet xad'oktxi] tijs dfd'pcoTtdTijTog OCOTIJOIH ij Ttiatis. 

3) Str. VII, 12 p. 879: I'^et yoc^ axparov Ttianv ri]v Tie^i TWV TtyayfidTcov TO 
evayyslio'i' t)Y epycav r.al -dscoglas emxtvcov . . . c? eSlSa^sv 6 xvpios ravra sTtnehaJi;. 
Ta Se svravd'n ndvra aJJ.orQia -^yovftsvos, oi> ( u6vov d"av t udcov fas TOV 
y.vgiov evTot.di, &)3? ... 8f ainijs t'ijs yvcbaecos fisro'/os &v T//S 9'slas fiovkijaecos 
oly.slos ofTcog TOV y.voiov y.ou iwv IVIO'IMV s^sUeyusvos cbs dixaios, fjyejtovmbg Si 
y.al fiaaikiy.bs ws b yvcooTiy.os. - /livtriv olnos oiSe y.nl TIJV fiev TOV TnaTevovrog 

e-vepyetav, ir^v Se TOV TCIOIBVO/HEVOV iiyv y.a,T d^iav v7reoo%>ji', eirel y.nl i] S i y. at o - 
<svvr\ SiTtlrj, 'fj fiev Si dyaTfr/v, i] Se Sid ipofloi'. 

4) Str. VII, 10 p. 865: tcp e%ovn noooredijoeTai (LllC. 19, 26)' rij 
i] yvtaais, Til Ss yvcoasi f] dydTttj, Tfi Hya.ni- Se >] d.qoo'i'Ofiia. 

Seeberg, Dogmengescliiclite I. 2. Aufl. 26 



402 15- Die Theologie der alexandriuischen Vater. 

der, der gut gemacht wurde und den Geist empfing. Nicht nur der 
Glaube rettet, wie Christus , Mark. 5, 34, in Anbequeinung an die 
jiidiscbe Anscbauung sagt, sondern dem Glauben mussen Werke folgen. 1 ) 
So entscheidet sich also der Christ mit freiem Willen fur Gott und sein 
Gebot, vorn. blofien Glauben in der Eurcht mit ibrer Gerechtigkeit fort- 
schreitend zur Gnosis xind Liebe, zur andauernden Herzensgemeinscbaft 
mit Gott, zu einem Leben des Gebetes und unausgesetzt beiligen Wirkens. 
zu der ecbten Gerecbtigkeit. Evyr] yag amCi) b /S/og aitag xal 6f.nXia 
fCQOg -d-eov (Str. VII, 12 p. 876). Hier ist das sittlicbe Ideal erreicbt, 
die "Weltlust bat aufgehort: ovx syxQCtTTjg ofiros dyU 3 Iv el-i yeyov* 
dftad'Eias (Str. IV, 22, 625), aber andrerseits wird aucb voller Ernst 
gemacbt mit dem Satz : /.wvt] d 3 fj di? dydrtrjv svrtoi'i'a, f] 6t avxo TO 
y.cdbv al^BTi] ftp yvwatmfy. Er lebt und wirkt in der Welt obne Lust 
an der Welt (z. B. Str. Ill, 7, 537; VI, 12, 790; VII, 12, 874 2 ). 878). 
Er bringt es zuni '/.aTOQ&ioi-icc, der arclCog 7tiGTO$ nur zur (.itavj TtQa^iQ 
(nacb stoiscber Terminologie, Str. VI, 14, 796). 

Man iiberblickt diese Heilsordnung des 01. mit Interesse, denn erst 
an ibr wird einem klar, in welcbem Grade 01. belleniscb empfunden 
bat. Die Mysterienspracbe, die er gern anwendet, ist in der Tat das 
passende Gewand fur seine Gedanken. Wie der Menscb von dem Logos- 
Padagogen belebrt tind mystiscb angeregt, vom blofien Glauben sicb zur 
inneren Sittlicbkeit und zur ecbten Gerecbtigkeit erbebt, bat 01. gezeigt, 
und zwar in Wendungen, -die den Popularpbilosopben der Stoa durcb- 
aus vertraut waren. Das gilt vom Ganzen wie von unzahligen Einzel- 
beiten zumal in der sebr detaillierten Lebensordnung ini ,,Padagogen" 
, es gilt von dem etbiscben Ideal der ,,Apatbie" wie von der inneren 



1) Str. VI, 12 p. 791 : ainixci 110 'A/3^aa.f.i rtiorqj yevof.iivq> gAoyio-dy sis 
8ixat,ooiji'i]v els TO fiet^ov y.al teheioreyov i-i^s Ttioiecas n^ojSe^-rjy.ori, oil yap 6 &TCE- 
%6fievos /.idvov T^S y.a.xrjs ^d^scos Sixaioe, e&v fir] Tt^oae^s^ydarjrai %al id % Ttoielv 
y.at, TO yivdaoxetv, Sf r t v aliiav t(ov (.lev dcpey.Teov, rot, Se svepyrjTeov. VII, 15 
p. 885 : SioTtsQ eSixaica^re, ynjal, ica ovofinti tov y.vgiov (1. Kor. 6, 11) 

ws siTtsTv vrf atirov Siy.aioi slvat, d>s aiifds, "/.al TC{> TivevfAcm, Tip dyup ws evi 
y.aTO. S-iJvafuv dvexyddyre. Str. VI, 14 p. 794. 

2) Einige Satze darailS: ^lib xal sff&lsi y.nl Ttivet y.al yafieZ oi> Tt^ 

d)J,ct dvayxaicog. To yafisiv Se sav b koyos soi], "kiyco, y.al ws y.a\h]xsi. rev6/.ievos 
ydj) relsios elxdvas e%ei jobs fotoaiohovs y.<u ico ovci avrjg aim ev red fiovrjoij 
7iavs^sa3ai, Seiy.vwcai fiiov, dM? ey.eZvos civSpas viy.a b ydfico y.al TtcuSonouq y.al rfj 
TOV Oty.ov Ttoovoiq, dvrjSovcas te y.al dkvTtrjrws eyyvftvaadpevos fieia if]s rov oliy.ov 
y.>]Ss[iovias, dStdaraios tfjs TOV \)eov yefOfisvos dydTtrjs y.al Ttdarjs y.ars^amaTdfisvos 
zieioas, ifjs Sid tey.vcov y.al yvvaixos, oly.ei&v is y.al x-rrifiaTcov Tcpoay>spofiefr]s. Tco Se 
&voly.co id 7to)J.d slvui avf.i^e/3>jy.sv uTtsloaarov. Movov yovv savrov xrj6fj.evos 
f]Tiatai. nods TOV dsto}.si7io[.ivov /.Ctv y.aict. ii)v eavrov aanrjQiav, Tieoms-fiovios Se 
fv tfj y.UTu TOV j3iov olxovof.ua. 



Der Kirclienbegriff des Clemens. 403 

religiosen Entwicklung. Aber dieser starke philosophische Einschlag in 
seinem Christentum ist es gewesen, der ihn iiber den aufierlichen Glauben 
hinausfuhrte zur Forderung einer innerlichen Frommigkeit. 

8. Der Einzelne erlangt das Heil aber nicht anders als ini Ttu- 
sammenhang mit der Kirche und ihrem "Wirken. Die Kirche bat Cl. 
definiert als a&QOia[.ia TCOV sxltxruv (Str. VII, 5, 846). Die irdische 
Kirche ist das Abbild der himmlischen Kirche gemafi der 3. Bitte des 
Yaterunsers, oder wie diese die Verwirklichung des gottlichen "Willens 
im Himmel darstellt, so jene auf Erden. Eine Stadt oder ein Staats- 
wesen ist die Kirche, in der der Logos waltet 1 ). Sie ist die jung- 
frauliche Mutter, die mit ihrer Milch die Glaubigen ernahrt (Paed. I, 6, 
123). Zu der Kirche im eigentlichen Sinn gehoren die Gerechten und 
die wahren Philosophen. Sie bilden den Leib Christi als ,,ein geist- 
licher und heiliger Reigen", wahrend die librigen, die nur den Nameu 
Christi tragen, nur Fleisch sind, d. h. an dem Wesen der Kirche nicht 
teilhaben. 2 ) Das ist die alte Anschauung von der Kirche, nach der 
sie die Gemeinschaft der wahrhaft Erommen darstellt, der sich aber 
aufierlich auch unfromme Elemente beigesellen. Hierarchische Interessen 
sind Clem, fremd. Die fronimen und gerechten Gnostiker, die Gottes 
"Willen lehren und tun, sind die Nachfolger der Apostel und die Pres- 
byter, auch wenn sie der TtQCOTOxa&sdQia nicht gewiirdigt -vvorden sind. 
Sie sind wie einst die Pneumatiker die geistigen Leiter der Kirche, wie 
freilich auch die Bischofe, Presbyter und Diakonen als Abbilder der 
Engel ihres Amtes walten. Auch letzterer Gedanken er spielt spater 
eine grofie B,olle ist nicht hierarchisch, er soil nur die bei den Amts- 
tragern vorauszusetzende geistliche Qualitat zum Ausdruck bringen. 3 ) 



1) Stv. IV, 8, 593: ely.&>v Se Tfjs ovgaviov ey.xhrjolas % IniyBios, 

a y.a.1 ervl yrjs yevead'ai ib ds^-ij/.ia lav d'sov we ev ovgavco. IV, 26, 642: 
Aeyovai ya^ y.al ol Stcowol rbv (.lev oiigavov V.VQUOS itohw ... EftovSalov yap ?; 
Tiolis not d Sfjfios davetov 11, avary/na y.al TthfjiJos Av^coTtmv tinb vofiov Siomoij- 
(.isvov, xad'aTts^ rj ey.xhrjoia iinb Aoyov dTtohiogi'.qms dtvfid'iwrjTOS Ttofos ETTI yfje, 
&ekr][ia. d'eTov snl yJjs &>S ev ofyavcj). Paed. I, 6, 114: OTJTCOS y.al TO fiovisvfta 
ai>Tov dvdgcoTccov sail acoTijgia. teal tovio exxhtjoia xexkritai. 

2) Str. VI, 14, 793 : f] dvcoTdrr] Exxkqaia, y.a.^ fa ol yiAoaoyoi xaTdyovrai tov 
&EOV, ol iio 'ovti 'laoatfktrcu, ol y.a&agol lijv xaodlav. VII, 14, 885: xal firf n 
olov adoxas el-vat, TOV ayiov amfiaTOs ZOVTOVS cpqai, acdfia Se dVttjyooeTrai i] 

6 7tvevf.ia,iv/.bs xal aytos %ooos, sj; 5>v ol to bvofict sTtixsK^fievo 
es Se oil y.a/tct, koyov odoy.eg slot. . 

3) Str. VI, 13, 793 : o^rog Koea/ivregos van t<$ ovtt tijs sx-Arjoias . . . KO.V 
ztoiij y.al oiSdoy.fi to, tov xvoiov, oi)'^ i>rf Avd'^WTtiov %ei()otovov/iievos, oiio oti Ttos- 
afivregos Siy.aios vofii6f.ievos, dffi, on Siy.aios, EV Ttoeafivregiq) '/.ataley6 t uevoe, 
svtavd'a, E?tl yfjs TtgcoToxad'eSgiq fifj te.fi!}d'ij. Ai evtav&a' y.atoc, ti]v 
Ttooxoital sitiO'/.OTtmv, TtQsaftvteQwv, Siay.ovcov fiiftrjfiata, olftai, dyy.ehtxfjs Sol-r]s. 

26* 



404 15. Die Theologie der alexandriuischen Vater. 



Nun wird aber diese Ttvevf-iaTm] iKxhjota (Str. VII, 11 fin.) auch ge- 
scMchtlich als ,,die alte und katholische Kirche" gedacht, die ini Gegen- 
satz zu den sie zerreifienden Haresien steht. Das ist die Kirche, in 
der die apostolische Paradosis herrscht oder die Kirche des einen reinen 
Glaubens. 2m. ihr gehoren alle diejenigen, die Gott zur Gerechtigkeit 
vorherbestimmt hat, aber eben nicht die Haretiker. x ) Das Voile Gottes, 
in deni der Logos wirkt, ist also zugleich die Geineinschaft, in der die 
apostolische Lehre herrscht. Die Haretiker, die diese Lehre nicht haben, 
haben auch nicht den Logos und das Heil. Das war fur Clem, eine 
selbstverstandliche, uberkommene Voraussetzung. 2 ) 

Die Taufe ist es, welche den Menschen zuin Glied der Kirche 
und des Heils teilhaftig inacht. In der Tauflehre macht Cl. einen 
Schritt welter zur niysterienhaften rnagischen Anschauung. Sof ort wird 
durch die Taufe das ganze Heil dem Menschen mitgeteilt (oben S. 362). 
Die alte Doppelteilung der Taufgaben (Vergebung und Geist) blickt 
auch bei ihm noch hervor, aber er liebt es mehr die den Griechen ver- 
standlicheren Bezeichnungen, wie ,,Erleuchtung", ,,Vollendung" usw. 
auch sie sind alt auf sie anzuwenden. Die Taufe bringt Keinigung 
von den Siinden und dadurch die Eahigkeit, im Glauben das Heil zu er- 
greifen , welches die Lehre dargeboten hat. So wird durch sie der 
Mensch ein neuer; Kindschaft, Vollendung, Unsterblichkeit sind ihm im 
Glauben durch die Taufe zuteil geworden. 8 ) 



1) Str. VII, 17, 898: on' yao fisTaysveorepus irjs ttad'ohy.ijs sy.'/f^aiug ray 
7tit>as awrfi.vOEis TteTtoiijy.aaiv, oil TtoM.cov Set f.dycoi'. Miav elvai Tt]-i> 

tv.v3;r[Qiav rrfv icp bvti, aQyaiav, sis TJV ol y.aTa nooQeaiv Sixaioi 
yovrai. MOVIJV sirai cpa/u,ev ii]v d^alav y.al y.ad'oh'/'.ijv faxhrjoiav els 
TtiffTscag ftiae iije y.ara. rag oly.eias Siadifaas, f.ia.'l,\ov Se '/Mia. ii]v dia&ijxrjv ii]v 
avv&yovoav tovs . ovs 7t(>od)(>iasv 6 -9'sos dixaiovs effOfievovs, Ttoo 
y.6of.iov syvcoxcos- 

2) Ich mochte daher nicht mit Harnack (DG. I 3 , 376) und Bonwetsch 
(PEE. IV 3 , 162) sagen, daE Cl. ,,plotzlich" die katholische Kirche mit der geist- 
lichen Kirche identifiziere. 

3) Paed. I, 6, 113: Ba7ti,6(.ievoi rpcon^df.ied'a, cpcoTi6/u.ei>oi vlottotovfied'a, 
vloTCoiovfievoi telet.ovfj.E-9a, Teleiovfievoi, diTto-d'ava/ri^ofie-d'a. p. 114: ovrco ro 
Ttiarevaai fid'fov xal dvaysw^ijvai. reheicaais EOTIV BV Kfi^. ib. : id Ss 

diSios acoTrjoia d'iSiov acoi^os. 01 /SartTi^ofievot, Tag eTtiaxorovaas 

rep &eiqj Ttvevfiari &'/},vos iy.r]v a.TCorQiy&f.ievoi,, ehevdeoov xai &ve(.t,7idtorov xai 
ycoTEivbv dfija.a rov Ttvevfiaros a%ojiev ca Sr/ fiovcp rb 3'eTov srtOTirevofisv, OVOUVO&EV 
Eizeiaoeovros i]fuv .rov ayiov 7Tvevf.iaros. p. 116 : Ildvra fiev oi)i> dTtohovofieO'n 
ra a/Liaprrjuaru, otixsri Se eofiev Ttaoa. TtoSas y.av.oi. Mia %d(>is aiir-ij rov ycorio- 
fiaros rb (.irj rov avrbv elvat rm Ttoiv i] bovffaff'iai rov rooTtov. "On SB fj 
ovvavare)J.ei rep cpcariafian . . . fia&qrai ol duad'els' Ttooreoov Ttore rrjs 

s n/joayevofiei'ijs ' ov yap av 'E%OIS sl7ieti> rov %povo>>, f] fiev yap %rirTJ%qo~is sis 
nepidyei, Ttians Se &fia jSaTtriajiari ayico TtntSeijerai. rc 



Taufe. Bufie, Eucharistie bei Clemens. . 405 

Nun hat aber:CL ein lebhaftes Bewufitsein davon, daB auch nach 
tier Taufe der Mensch siindigt. Die feinere griechische Psychologic lehrt* 
ihn, die mancherlei Triebe und Affekte des Bosen, die im Menschen 
bleiben, erkennen. Daher bat er der inneren, psycbologiscben Disziplinier 
rung des Menschen mehr Aufmerksamkeit als irgend jemand seit den 
Tagen des Paulus gewidmet. Weiter aber greif t bier die zweite B u fi e 
ein, d. b. die auf die Taufe folgende Bufle. In ibr hilft der Rat und 
die Eiirbitte der Gnostiker, Darin bestebt aber die Bufie, daB man 
seiner Stinde bewufit wird, daB man uin ibretwillen Scbmerz empfindet, 
sie aus der Seele austilgt und von Gott, der allein Siinde vergibt, Yer- 
gessen erbittet. Das Ziel ist inuner das Heinwerden von der Stinde, 
wiewobl CL weiG, daB dies nicbt sofort erreicbt werden kann. Zur 
Reinigung belfen aucb die Strafen, die Gott iiber die Sunder verhangt. 1 ) 
Die Eucbaristie ist nacb Cl. eine Miscbung des sinnlicben Ele- 
mentes mit dem Logos und infolgedessen eine effuaotg Aoyr/rj. ^Nur 
darum bandelt es sicb, daB der Logos auf den Menschen einwirkt, ibn 
beiligend und zur TJnsterblichkeit fiihrend. DaB der Logos efrwa in 
dem Element sei, liegt Cl. fern. 2 ) 



1) Sir, II, 13, p. 459. IV, 24 p. 634. Quis div. salv. 39: Ttavrl y&? i<s 

| 8h>is ifjs xagSias sTttaiQeipuvri 7t<]bs fbv d'ebv dvecoyaaiv al dv^ai xai 
T^iadaftsvos rmri}i) vibv dhrjd'ws ^sravoovvra. 'H Se dhqdivi) fistdvoia ib 
rols ainols ^vo'fpv slvai, aU.a. a^dif-P sy.oi^coacu iris ifvjffis sff' ols ectvrov 
r.areyvco ddvaiov dfiag trffiaai ratjicov yao dvaipsd'evtcov aiid'is sis as &sds elaoi- 
xifffofosTai. Oecti y&j) f.t6vcp Svvaibv ciif-saiv d/iiaQiiwv 7tn<}a.a%ea9at xai fit] 
hoyiaaa&ai Tta^uniiofiata. Ib. 40: lorn SOTI. uerayvcovai id /.amyvajvai t&v 
7taycp'ftij,ivcov y.al ahijaaaO'cu tovicov dfivijariav Tta^a na.T{j6g, 8s judfos i<av &7cdv- 
iiov oios IB sffTiv aTCQay.ia, rtoi-ijaai ia Ttsttqayfieva &~Litp tiff Ttaff ainov y.al S^oaca 

Ttisevfiaros dTtahetyas ice rtgo-qfittpTijfttva. Tiber die Hilfe der Gnostiker s. oben 
S. 403. VgL Ho 11, Enthusiasm, u. Bu'%ewalt S. 226 ff. 

2) Paed. II, 2 p. 177 f. : avcdoycos loivvv v.i^vaiai b fiev oivos t(S vScm, rcS 
Se dvO'QcbMt} TO 7CVBV(.ia, '/.al ib f.iev sis rtiaviv s-dco^ei, TO xgafia, ?b e sis &cp-9a$oiav 

i, to Ttvevfia, >] Se &/.i(f,olv atidis x^&ats Ttoiov ie xal t.oyov eti%at)ia?irt. y.6y.ht]Tai 
fjg ol y.ata, n.Loiiv /.iBvcd.a/.ipd-i'OV'ces uyid,ovTru ;:al acofia '/.al ifrv/jv, ib &eloi> 
, ibv avd'ycoTiov, tov Ttaiqi'/.ov fiovhjfiaros TtvevfiaTi "/.al koyco ovyxiovavios 
s. Ib. II, 1, 166. Bigg, the Christian Platonists p. 103 u. hat ge- 
meint, die Agape sei noch mit der Eucharistie verbunden bei Clem. Doch ist 
dies nicht zu halten. Str. VII, 7, 861 handelt nur Ton Tisehgebeten, Paed. II, 2, 
179 von abendlichem WeingenuB, Paed. II, 1, 165 f. wendet sich gegen denMB- 
bratich, beliebige Ssiytrd^ta Agapen zu nennen. Aus alle dem folgt uichts zu- 
gimsten von Biggs Behauptung. Die Agape scheint seit dem Anfang des 2. Jahr-' 
lumderts in der Edrche ini allgemeinen verschwunden zu seiu. Gewisse tfber- 
reste scheint Epiphan. h. 30, 16 fur eine judenchristliche Grxippe zu bezeugen. 
Sonst ist die Agape zunachst zu einem mit erbaulicher Zutat gewiirzten Ge- 
meindemahl (Tertull. Ap. 39), dann zn einer Armenspeisiiug geworden (Didascal. 9 
Ag. Kordng. 47 ff.). Vgl. Zahn, PEE. P, 234 ff. 



406 15. -Di e Theologie der alexandrinischen Vater. 

Dies sind die christlichen Mysterien (s. Protr. 12 p. 9 Iff.). Doch 
dies alles weist iiber sich hinaus zu der unverhiillten Erkenntnis der 
,.grofien Mysterien" (vgl. oben S. 396). Das ist das christl. Leben: 



ti]v vor}aiv xal xi]V KttT&TCQci^iv r&v BVTol&v (Str. I, 1, 3L8 cf. VI, 12, 
788 : tfi re (.tafrijosi vy re aaxijaei). Die Auferstehung des Meiscb.es 
hat Cl. gelebrt. Er bat die Moglichkeit einer Bekebrung nacb dem 
Tode angenommen, indem er durcli die Strafen des Jenseits eine fort- 
scbreitende Reinigung der Seelen sich vollzieben liefi (Hypotyp. p. 89. 
83 ed. Zahn. Str. VII, 2 fin. VII, 16, 895, VI, 14, 795 : vgl. siib 20), 
obne diesen Gredanken zu betonen. 1 ) 

9. Origenes teilt niit Clemens nicbt nur die pbilosopbiscbe Grund- 
stromung in dem Verstandnis der Religion, sondern bis zu einem 
gewissen Grade aucb die Voraussetzung, daB Cbristentum und Griecben- 
tum miteinander in den Hauptpunkten ubereinstimnien. Origenes war 
aber ini Unterscbied von Clemens nicbt nur ein geistreicher Dilettant, 
sondern ein metbodiscb forscbender Gelebrter. Daraus folgte ein- 
mal, dafi er die pbilosopbiscbe Grundlage als ganze tiefer erfafite, weiter 
daB er, der der erste wirklicbe und ernstbafte Exeget war, die bibliscben 
Gedanken in ibrer Vielbeit und in ibrer Einbeit besser verstand als sein 
Vorganger. Hieraus ergab sicb, daB er die Scbwierigkeiten, die die Ver- 
einigung der belleniscben und der cbristlicben Weltanschauung bereitete, 
genauer erkennen mufite als" Clemens. Aber er bat sie zu iiberwinden 
gestrebt, und die innere Einbeit antiken Idealismus und cbristlicber Re- 
ligion, die er im Herzen trug und die aucb seine Umgebung darbot, 
kam ibm dabei zu Hilfe. Er bat, nicbt anders als Clemens, die Losung 
: darin gefunden, dafi man das Cbristentum des Buchstabens und der aufieren 
j Observanz von dem ecbten Christentuni des Geistes und der Erkenntnis 
' unterscbied. Ersteres bat er nicbt geringgescbatzt, sondern als Notwendig- 
keit empfunden, sollte docb gerade die fur alle passende universale Art 
des Cbristentums seinen Vorzug vor alien iibrigen "Weltanscbauungen be- 
griinden (c. Gels. VII, 60), aber letzteres war aucb fiir ibn die bobere 
Stufe als die siegbafte Religion der Erlosung wie der Rultur, die tiefste 
und bocbste "Weisbeit. Es entspricbt der Art des Gelebrten, dafi er 
dabei die neue allumfassende Erkenntnis besonders betonte. Auf der 

; 

anderen Seite bat aber Origenes auf die kircblicbe Korrektbeit der Lebre 
i mebr Gewicbt gelegt als Clemens. Und gerade bierdurcb ist er der 
Scbopfer der Dogmatik der griechiscben Kircbe geworden. 



1) Cl. spricht sich gegen die Praexistenz der Seele aus Eclog. 17. ' Str. V, 
16, 808. Quis div. s. -33 fin. ist dieselbe nicht gelehrt. 



Charakteristik des Origenes. 407 



In dem Buch ITsQi ctQX&v, das uns in B/ufins IJbersetzung ganz er- 
halten ist, von dem aber auch umfangliche Eragmente in der Ursprache 
auf uns gekommen sind, hat Origenes zum erstenmal den Yersuch ge- 
macht, die christliche Lehre als ein zusammenhangendes System darzu- 
stellen. Er hat den Stoff in vier Biichern behandelt. Das 1. Buch 
handelt von Grott, das 2. von der Welt, das 3. von dem freien AVillen 
und das 4. von der allegorischen Auslegung der Schiift. In jedem der 
drei ersten Biicher wird von verschiedenen Ausgangspunkten aus fast die 
ganze Lehre entwickelt. Wichtige Beitrage zur Lehre des Origenes 
bieten auch die 8 Biicher gegen Celsus, sowie die Kommentare, besonders 
die zu Johannes und dem Romerbrief, welch letzterer freilich auch ntir 
in Rufins Bearbeitung existiert. 

10. Origenes hat seine Darstellung mit einer Erorterung iiber die 
Quellen der christlichen Lehre begonnen (s. de princ. I praefat.). Die 
Quelle der Lehre ist in Christi Worten und Lehre gegeben. Christ! 
Worte liegen aber nicht nur in den Evangelien und Episteln, sondern 
auch im Gesetz und in den Propheten vor (praef. 1). Da nun aber auch. 
iiber die wichtigsten Eragen der Lehre unter den Christen Differenzen 
vorliegen, mufi man de /iis singulis certam lineam manifestamque reyulam 
ponere. Origenes denkt dabei an die ecclesiastica et apostolica traditio 
{ib. 2), den xavcov lijg 3 Ir]Oov XQIOTOV xara diadoyrjv T&V artOGTofaov 
OVQCCVIOV ixxfajolctg (IV, 9). Es ist die fides Christi d. h. der von 
Christus gelehrte Glaube (cf in cant. Lommatzsch XIV, 416), den die 
Apostel und die Kirche verktindigen (praef. 3), die pmedicatio apostolica 
oder ecclesiastica praedicatio (4. 5. 6. 7. 10). Nun ist aber in der aposto- 
lischen Verkiindigung einiges klar und begilindet voi'getragen, wahrend von 
anderem nur gesagt ist, daB es ist, ohne Grrund und Wesen genauer an- 
.zugeben. Origenes stellt nun diese Grundwahrheiten zusammen , die 
deutlich iiberlieferten von den blofi angefiihrten, nicht erklarten unter- 
scheidend. 1 ) So gewinnt er den Inhalt der ecclesiastica praedicatio oder 



1) Folgende Stiicke kommen in Betracht: der eine Gott, der Schopfer, der 
Gott der Gereehten von Anfang an. Er hat Christus in den letzten Zeiten ge- 
sandt, zuerst Israel, dann die Volker zu herufen. Er ist gerecht und gut 
und hat Gesetz, Propheten, Evangelien gegeben und ist der Gott der Apostel. 
Sodann Jesus Christus, ante omnem creaturam natm ex patre, . . . in omnium 
conditione patri ministrasset . . ., novissimis temporibus seipsum exinaniens homo 
factus incarnates est, cum de^ls esset, et homo factus mansit quod erat deus 
Corpus assumsit nostro corpori simile, eo solo differens, quod natum ex virgine 
et spiritu sanvto est. Sodann : passus est in veritate . . ., vere mortuus, vere . . . 
resurrexit . . ., assumptus est. Turn deinde honore ac dignitate patri ac filio 
sociatum tradiderunt spiritum sanctum. In hoc non iam manifeste discernitur. 
utrum natus an innatus (Hieron. iibersetzt : factus an infectus), vel filius etiam 



408 15. Die Theologie der alexandrinisehen Vater. 

die elemenla ac fundamenta. Aus diesen ist nun ein Corpus der Lenre 
herzustellen, indem die Elemente in ihrem Zusaminenbang zu tibermitteln 
sind, sei es dafi dieser in der Heil. Schrift angegeben ist oder sich durch 
die logiscke Konsequenz herausstellt (ib. 10). Die christliche Lenre soil 
danach die apostolische oder bibliscne Gesamtanschauung in ihreni inneren 
Zusammenhang entwickeln , wobei dieser autoiitativ iiberliefert oder 
wissensebaftlich ersclilossen sein kann. 

Die Frage ist nun aber weiter, was Origenes unter der kirchlicben 
oder apostolischen Predigt oder Regel versteht. *) Dafi er dabei nicht an 
ein formuliertes Taufbekenntnis denkt wiewonl er ein solches sicher 



del ipse habeinlus sit necne, sed inquirenda iam ista pro viribus sunt de sacra 
scriptura et sagaci perquisitione investiganda. Dagegen wird manifestissime ver- 
ktindigt, da.fi clerselbe Geist alle Heiligen, die Proplieten und die Apostel inspirirt 
hat. Post liaee iam, quod anima substantiam vitamque habens propriam, cum 
ex hoc mundo discesserit, pro suis mentis dispensabiiur . . . Est et illud defini- 
tion in ecdesiastica praedicatione, omnem animam rationabilem esse liberi arbi- 
trii et voluntatis, esse quoque ei certamen adversus diabolum et angelos eius . . ., 
nonnos necessitati esse subieetos; nicht sind die Gestirne Ursacken nnserer Hand- 
lungen. Unklar ist dann wieder, ob die Seele von den Eltern erzeugt wird oder 
einen anderen Ursprung hat. Ebenso wird vom Teufel und den Damonen nur 
gelehrt, dafi sie sind, nieht aber: quae sint aut quomodo sint. Auch das wird 
verkiindigt, daB die Welt in der Zeit erschaffen wurde, dagegen fehlt eine sichere 
Aussage dariiber, quid ante hunc mundum fuerit. Die heil. Schriften per spiri- 
tum dei conscriptae, sensum habeant non eiim solwn, qui in manifesto est, sed 
et alium quendam latentem quam plurimos. fformae enim sunt haec, quae de- 
scripia sunt sacramentorum quorundam et divinarum rerum imagines. De quo 
totius ecclesiae una sententia est, esse quidem omnem legem spiritalem, non 
tamen ea, qiiae spirat lex, esse omnibus nota, nisi his solis, quibus gratia spiritus 
sancti in verbo sapientiae ac scientiae condonatur. Dann geht Orig. iiber ziir 
appellatio dowfidrov, die in der Doctrina Petri vorkommt (Christi Wort : non sit,m 
daemonium incorporeuni), aber diese Schrift ist nicht von Petrus und der Begriff 
nicht biblisch. Es ist zu untersuchen, ob er in anderer Eorm in den Schriften 
vorkommt, auch ist zu fragen, ob Gott, Christus, der heil. Geist, die Seelen und 
jedes sonstige verniinftige Wesen kb'rperlich sind, an alterius naturae quam corpora 
sunt. Dafi Engel sind, lehrt die Kirche, aber wann sie gesehaffen und wie be- 
schaffen sie sind, non satis in manifesto designatur. Dasselbe gilt hinsichtlich 
der Beseelung von Sonne, Mond und Sternen (de princ. I praef. 4 10). Eine 
ahnliche Zusammenstellung in Job. XXXII, 16, 187 f. : Gott tier Schb'pfer (nach 
Hennas Hand. 1), Christus "als vtiaios, der heil. Geist und die Freiheit samt Lohn 
uud Strafe; s. noch in Mt. ser. 33; in Tit. frg. Loniraatzsch V, 285 ff. 

1) Andere ISfameu fiir dieselbe Saehe sind v.avfov rfs exxhrjoias (de princ. 
IV. 9), '/.avcbv 6 %ara robs rto)J,ovs ifjs sy.yj^aias (in Joh. XIII, 16, 98) regula 
ecclesiae oder ecdesiastica (in Matth. ser. 28; in Bom. II, 7 Lomin. VI, 95), 
regula fidei (ser. cornm. in Mt. 46), regula christianae veritatis (de princ. Ill, 3, 4), 
scriptiwarum requla (ib. und in Mt. ser. 33). 



Origeues und die Glaubensregel. 409 

kennt J ) gelit aus cler Wiedergabe dieser Predigt in dc, princvpiis 
deutlich hervor. Liest man die ganze Erorterung zu Anfang seines 
systematischen Hauptwerkes, so erscheint einem sofort klar zu sein, daB 
Origenes auf dem Standpunkt des Clemens (oben S. 305 f.) steht. Die 
Schriftlehre als ganzes ist auch fiir ihn die ,,B,egel", wobei vorausgesetzt 
wird, daB die ,,kirchliche Predigt" mit dem von Christus und den Aposteln 
gelehrten Glauben identisch ist. Daher werden als ,,kirchliche Regel" 
Bibelspriiche angefiihrt (z. B. in Horn. II, 7) oder als Quelle der Lenre 
die Heil. Schriften bezeichnet, deren Inhalt dann unter dem Titel der 
,,kirchlichen Predigt" zusammengestellt wird. Die beiden GroBen gehen 
fortwahrend ineinander iiber. Origenes scheint noch mehr als Clemens 
das Bewufitsein von der Existenz einer miindlichen apostolischen tlber- 
lieferung verloren zu haben. Unzweifelhaft entsprach das nur den wirk- 
lichen Zustanden. Der Komplex von Gedanken und Fornieln, der einst 
die apostolische Tauflehre bildete, war nicht mehr eine konkrete Grb'fie, 
aus ihm war die gesamte KirchenleHre geworden. Wollte man nun die 
Apostolizitat dieser Lebre erweisen, so gab es- nur zwei "Wege dazu: 
entweder erklarte man das Taufbekenntnis als solcbes fiir die apostoliscne 
IJberlieferung oder man setzte diese den apostoliscben Scliriften gleich. 
Auf jener Babn fanden wir Tertullian (oben S. 303), auf dieser geben 
Clemens und Origenes. So verschwindet der alte ,,Kanon", den nocb Irenaus 
gehandhabt bat, die miindlicbe apostoliscbe IJberlieferung, und an seine 
Stelle tritt das Taufbekenntnis oder der Kanon der biblisclien Biicber. 
Aus einer fliefienden, alien Wandlungen der Entwicklung unterworf enen 
GroBe sind feste konkrete MaBstabe geworden. Aber indem dies geschab, 
ist auch eine Fiille wirklicber Gedanken der cbristlichen Urzeit in die 
kircbliche Lebre hineingezogen worden, wie man bei Origenes seben 
kann. Preilicb wirkte aucb die alte Regel d. b. die miindlicbe Tradition 
bestimmend fort, denn sie batte ja die Grundrisse, Ordnungen, Eragen 
und Probleme, in denen die ,,kircblicbe Lebre" sicb bewegte, erzeugt. 
Man denke nur an die triadiscbe Gliederung der Lebre, an die Moral 
cler beiden Wege, an die Taufpraxis und die Abendrnahlsformel. Alles, 
was man der Scbrift an Spriicben entnahm, wurde auf den Flacben auf- 
getragen, die durcb jene alte Lehre und Praxis abgesteckt waren. 

11. Origenes bat also die Kircbenlebre an der Hand cler bibliscben 
Biicber systematiscb darstellen wollen. Aber als Leitfaden diente ibni 
dabei der Komplex iiberkommener Lebren und Vorstellungen. Dadurcb 
kam Einbeit in seine Gedankenwelt und diese Einbeit wurde gefordert 



1) S. bes. in Joh. XXXII, 16, 191. in Lev. h. 5, 3. in Ex. li. 8, 4. Ein- 
gehende Untersuchungen bei Kattenbusch, das ap. Symbol. II, 134 ff. und 
Knnze, Glaubensregel etc. S, 158 ff. 



410 15- Die Theologie der alexaudrinischen Vater. 

durcli den starken Trieb nach einer geschlossenen christlichen "Weltan- 
schauung, der ihn beseelte. Diese Absiclit verband sich nun mit dem 
inneren Bediirfnis, die Weisneit des Griechentmns mit der biblischen 
Lehre zu verschmelzen. l ) Zur Befriedigung dieses inneren Dranges 
diente dem Origenes einmal die Beobachtung, dafi viele Lehren in der 
Scbrift nur behauptet, nicbt dargelegt sind, 2 ) dann aber die IJberzeugung, 
dafi der Schriftbuchstabe haufig nur die Hiille fiir ,,tiefere" Wahrheiten 
sei. Diese ~\ahrheiten zu enthullen, vermag aber nur der, welcher vom 
heil. Geist das Cbarisma dazu empfangen hat (de princ. I praef. 8). 3 ) 
Die Heil. Scbriften sind inspiriert, wie oft gesagt wird (IV, 9). Er- 
wiesen wird die Inspiration einerseits aus der Erfullung der "Weissagung, 
andrerseits aber aucb daraus, dafi der, welcber sicb genauer mit ihr 
befafit, aliquo diviniore spiramine inentem sensumque pulsatus agnoscei, non 
Immanitus esse prolatos eos, quos legit, sed dei esse .sermoncs (IV, 6). So- 
mit bezeugt sicb. der Greist, der die Scbriften hervorbrackte, aucb an den 
Herzen der Leser zu ihrem Verstandnis. Aber nur der, der eine be- 
sondere Gfabe des Verstandnisses erbalten bat, vermag ibren tieferen Sinn zu 
erfassen. Somit sind eigentlicb nicbt .nur die Verfasser inspiriert gewesen, 
sondern aucb die recbten Ausleger sind es. Das Cbarisma, das Irenaus 
in der Tradition erblickte, besitzt bei Origenes der geisterfiillte Ausleger. 
Aber der gottlicbe Geist fliefit leicbt zusammen mit der spekulativen 
Anlage ; mit anderen Worten, wie bei den Gnostikern bat aucb bier 
die spekulative Begabung etwas Charisrnatisches an sicb. In dieser Form 
lebt das Cbarisma fort, die gebildeten denkenden Christen sind seine In- 
baber. So ist die Schwierigkeit iiberwunden, die aus dem Zusaminen- 
stofi des biblischen Traditionalismus mit dem bellenischen Geist sich ergab. 
Die Triebe dieses Geistes sind Gnadengaben , die es ermoglichen, die 
biblischen Schriften in ihrer Tiefe zu begreifen. Die ecbten Christen 
verstehen den biblischen Geist in der Kraft des hellenischen Geistes. 
Origenes ist ein hervorragender Exeget, er bemuht sich ernstbaft um 
das Verstandnis des "Wortsinns, aber die Hauptsache ist doch fiir ihn 
.das ,,geistlicbe" Verstandnis oder die einheitliche religiose Auffassung. 



1) Lehrreicli fiir die Eichtung der Lehre des Orig 1 . sind die Mitteilungen in dem 
Panegyrictis des Gregor. Thaumaturges (c. 11 ff.); auch hier ist in der Religion als 
einzige Quelle die Heil. . Sclirif t empfohlen s. c. 15. 

2) Gerade diese Lehren (Ursprung des heil. Geistes, der menschlichen Seele, 
der Engel, des Teufels, Anfang der Welt) sind dem Orig. Ansatzpunkte fiir die 
Spekulation geworden. 

3) Vgl. toes. Gregor. Thaumat. 1. c. 15, wo ansgefiihrt wird, dafi Orig. die 
schwierigsten Bibelstellen zu erklaren wuCte, Aveil er von dem heil. Geist das 
Yerstandnis der prophetischen Worte empfiug, der diese Worte ja auch hervor- 
gebracht hatte. 



Origenes als Bibelausleg-er. 411 

Alles in der Schrift mu6 Religion und Weisheit sein, 1 ) den "Weg dazu 
bahnt er sich auf mannigfache Weise, wie durch den Naehweis der Tri- 
vialitat, der Unvernunft und Nutzlosigkeit des Wortsinns ; der Buchstabe 
tote, auch der des Evangeliums. 2 ) Durch Ankniipfung an die Etymo- 
logie der Namen, 3 ) durch Parallelstellen etc. strebt Origenes dem wahren 
geistigen Sinn entgegen. Aber imnier bewahrt er einen merkwiirdigen 
Takt, den er durch den Anschlufi an die gegebene Kirchenlehre gewinnt 
und der ihn vom Bodenlosen zuruckhalt. 

Die Schrift ist also ,,geistlich" oder allegorisch zu deiiten. So 
f and Or. seine religionsphilosophischen Ideen in der Schrift. Die alle- 
gorische Deutung hat er systematisch bearbeitet (de princ. IV). Stellen, 
die widersinnig oder nur roh aufierlichen Sinnes sind, verbergen einen 
^a-9vreQOs vovg. Der heil. Geist verhiillte den Gfedanken durch ein 
vdvf.ice TWV 7tVS.vuaiiV.OiV. TJnm6glieb.es wurde erzahlt, um aufmerksani 
.zu machen, dafi es oco/.iaTMC)$ nicht geschehen sein konne (das sinnl. 
Paradies, Grottes Wandeln daselbst; das Yerbot einen Beutel zu tragen 
.Luc. 10, 4; das Ausreifien des rechten Auges oder der Schlag zuerst 
auf die rechte, statt auf die linke Backe Mtth. 5, 39. 29 f.; das Yerbot 
des Maulkorbs for den dreschenden Ochsen 1.- Kor. 9, 9; manche ge- 
setzliche Bestimmung ; auch Ziige der Gesch. Jesu, und in den Evan- 
: gelien erSQCt f.ii] ovf.i^s^rjytOTa, vgl. IY 9 18). In den meisten Fallen 
aber ist die erzahlte Greschichte wirklich Geschichte, jedes Schriftwort 
aber hat einen geistlichen Sinn : rtaaa (.lev (sc. ygacprf) e%ei TO rtvtv- 
(.ictTixdv, ov naoa, de to ow/.taTixov ( 19). Nach Prov. 22, 20 f. lehrt 
Or. einen dreifacheri Schriftsinn : den somatischen "Wortsinn, den psy- 
chischen moralischen Sinn und den pneumatischen . spekulativen Sinn. 
'Gesehichtliches und Lehrhaffces wird danach ausgelegt. TJberall findet 
'Or. seine Lehre, die Sprache ist christlich, die Gredanken sind hellenisch. 
Andrerseits ermb'glicht ihm diese Methode die Torheit des Evangeliums 
:zu verdecken und dasselbe als Weisheit zu verherrlichen (z. B. c. Gels. 



1) Vgl. in Rom V, 1 (Lomm. VI, 332): in litteris Pauli ne imam quidem' 
syllabam vacuum sentiri debere mysteriis. 

2) S. z. B. in Lev. h. 7, 5 : agnoscite, quia figurae simt quae in divinis 
voluminibus scripta sunt . . . Si enim quasi carnales ista suscipitis, laedunt vos 

et non ahmt, est enim et in evangelio littera, quae occAdit. Bei "wortlichem 

Verstandnis : enibesco dicere et confiteri, quia tales leges dederit dens, videbuntur 
enim magis elegantes et rationabiles hominum leges. 

3) Wie die ganze allegorische Erklarung religioser Geschichte, so habeii anch 
diese etmyologischen Deutungen ihr VorMld in. der Methode der griechisehen 
Philosophic, s. De char me, La critique des traditions religieuses chez les Grecs 
1904, p. 315 ft. 



412 IB. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

VI, 7: V, 60: III, 19 vgl. dazu das Urteil des Porphyrius b. Eus. h. 
e. VI, 19, 4. 7f. und Gels. IV, 38). 

Dieser Theorie entsprechen nun die beiden Gruppen von Christen, 
die Or. annimmt und scharf unterscheidet. Die artkdvGTSQOi und die 
ftok^oi verlassen sich auf das amb$ <pa und bleiben bei deni Wortsinn 
mit ihrer ijjdi] 7u'<ms xai aloyoc, (c. Gels. IV, 9; I, 42. 13; III, 5.3: 
IV, 71). Sie reden von Gott als deni Schopfer, aber denken ihn sich 
wie einen rohen und ungerechten Menschen (de pr. IV,. 8), sie verstehen 
was die Schrift vom Gericht sagt wortiich und nicht im Sinne der 
Lauterung (c. Gels. VI, 26 ; V, 16), und gerade die Furcht vor dem Ge- 
richt lafit sie Christen werden. Das ist ein niederer Standpunkt, iiber 
Avelchen sich der Gebildete erhebt, er sucht nach Christi Befehl in der 
Schrift und lernt ihren geistigen Gehalt kennen (c. Gels. II, 5 f . ; III,. 
79; IV, 71; V,'31f. 18). Nicht nur Brot ist Christus, sondern auch 
der Weinstock, dessen Gewachs erfreut xcu iv&ovaiav noiouVTU arcogqijia 
%al (.tvoTixa 9'ecoQijj.taTa (in Joh. I, 30, 208). So denkt der Gebildete 
bei Betrachtung des Todes Christi daran, dafi er mit Christo gekreuzigt, 
denn der einfache Wortlaut der Geschichte gewahrt keineswegs die Ein- 
sicht in das Wesen der Sache, die Tatsachen sind nur ,,Symbole" fur 
den aufmerksainen Leser (c. Gels. II, 69). Dieser versteht auch, warum 
Christus in der Ebene Kranke heilt, aber nait den Jiingern auf den 
Berg geht (ib. Ill, 21), fur ihn ist Christus Lehrer, nicht mehr Arzt. 
(ib. Ill, 62 : ert/.Kp$Yj ovv i^eot,- Ao/og xa^o J.IGV largoc; volg &(. 
de diddaxahog deicov jUtxrajpiaiv TOtg ijdr] Ka&ctQO 

cf. in Joh. I, 20, 124). Der Christ beginnt mit dem, 
Autoritatsglauben (vgl. c. Gels. I, 11) und, der Reinigung von Slinden 
in der Furcht vor der Strafe, es folgt der hohere Standpunkt des Ver- 
standnisses und der Einsicht. Zuerst stinamt man aufierlich im ,,blofien 
Glauben" den Dogmen zu, aber der Gebildete soil es durch Nachdenken 
und Forschen zu veraiinftiger Einsicht in die christliche Lehre bringen. 
Je nach dem Verdienst des Glaubens schenkt Gott diese tiefere Ein- 
sicht. Der ,,blofie Glaube" ist nur eine niedere Stufe; den Gebildeten 
wird nicht zugemutet, einfach die Historie zu glauben, sondern sie sollen 
eindringen in den Sinn, wie die Schriftsteller ihn gemeint haben. 1 ) 



1) S. Z. B. C. Gels. I, 42: Si bkrjv ii]v ipEpouevqv &v tots evayyshiots 
TOV Uyaov iaiogiav eljtijxafiev , aim eitl yMjv Ttiativ xal S&oyov ioi>s 
sv.y.tii.otif.iEvoi, d}J.a flovkofisvoi Ttaftaaifjoai, 611, ei>yvco[.ioarti>iis %(>eia tots 
y.al jtohkfjs s^sidascas "/.at . eiaoSov sis ib fiovhrjfia icov ygaydvrwv ; I, 13. ill 
Rom. IX, 3: quod fides quidem, quae speret et credat et absgiie ulla diibitatione 
conftdat, in nobis est, ratio vero fidei ipsius et scientia et perfectus eorum, quae 
credimus, intellectiis donatur a deo . . ., dabit unicuique gratiam pro menswa 
merilorum. 



Origenes liber zwei Klassen der Christen. 413 

Diesen hoheren Standpunkt denkt sich Or. wesentlich als Intel lektuelle 

Einsicht, als philosophische Erkenntnis. Das ist ein Kiickschritt gegen 

Gl. Aber Or. hat die Einsicht, dafi es ein Yorzug des Christentums 

gegeniiber der Philosophic ist, dafi es grade dein nhrflot; Ttov Idiwc&v 

das Heil und die Erommigkeit zu bieten vermag (c. Cels. YII, 60; III. 

53f.). ,,Wir sagen von ihm (Christus) das Wahre und das, was auch 

den vielen klar zu sein' scheint, jenen freilich nicht so klar, \yie den 

.wenigen, die geiibt sind zu philosopMeren iiber das auf den Logos Be- 

zugliche" (c. Cels. Ill, 79). So ist fur Origenes immer die Erkenntnis 

des Wesens des Christentums ein Fortschritt iiber den aufierlichen 

Glauben Hnaus, der einerseits . als gottliches Charisma gedacht wird. 

andrerseits aber auch. als Produkt der Bildung und der Spekulation er- 

scheint. Das Charisma der Erkenntnis wird eins mit der antiken 3-eajQia, 

das heilsbegierige Porschen in der Schrift verschmilzt mit dem cpilooocpelv. 

Der gebildete Hellene, der in Christus den Logos gefunden hat, ist der 

vollkommene Christ. In allem vernaag er die ewige Wahrheit zu schauen, 

und jede Tatsache wird ihm zum Symbol abstrakter Lehren. Was einst 

den grofien Grnostikern als Ziel vorgeschwebt hatte, 1st hier durchgesetzt, 

und zwar unter Wahrung der gesamten kirchlichen tlberlieferung und 

unter ausdriicklicher Anerkennung des Rechtes derer, die iiber den 

Grlauben nicht hinauswachsen. Es wird sich uns spater zeigen, daB bei 

der Anschauung vom Grlauben, die Or. hatte, diese Steigerung eine Not- 

wendigkeit war. 

12. ,,Grott ist ein Greist" und ,,Grott ist Licht", so beginnt Or. seine 
Grotteslehre. Dieselbe verharrt in dem Bannkreise des hellenischen Gfe- 
dankens. Glott ist das Sein, ja S7i^7.eiva ovaiag (vgl. c. Cels. YI, 64: 
in Joh. XIX, 6, 37: ifj vrteQexeiva i^g ovoias dvvdj.isi xal cpvosi TOV 
&eov). Er ist sv */M\ aitkovv (in Joh. I, 20, 119), intellectualis natura 
(de pr. I, 1, 1 6), er ist frei von allem Materiellen, nicht gebunden 
durch Eauni und Zeit. Demgemafi wcomprehensibilis, inaestimabilis, im- 
passibilis, anQoadsrjs e *c. (de pr.-I, 1, 5; II, 4, 4; HE, 5, 2. in Joh. X, 
4, 15 ft; XIII, 20, 123. c. Cels. YHI, 8. 21). Gott allein ist ayev 
(in Joh. n, 10, 75). Er ist ex :omni parte (.lovdg et, lit ita dicam, 
et mens ac fons, ex quo initiwn totius intellectualis naturae vel mentis est 
(de pr. I, 1, 6). Dies Prinzip der Welt wird aber andrerseits als Per- 
sonlichkeit gedacht. Gfott ist der Schopfer, Erhalter und Regent der 
Welt (drjfiiovQyrioas, Gwtywv,. wpegv&v c. Cels. Ill, 40 cf. YI, 79). 
Er ist bei diesem Walten gerecht und gut : unum eundemque esse instum 
et bonum, legis et evangeliorum deum et benefacere cum iustitia et cum 
bonitate punire (de pr. II, 5, 3). Diese traditionellen Begriffe sowie die 
Taten Gottes bringen in die Abstraktionen einen lebendigeren Zug, man 



414 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

begegnet abnlicbem iibrigens aucb bei den Neuplatonikern. Dabei 1st 
Orig. immer bemubt alle antb.ropomorpb.en Ziige von der Gottbeit fern- 
zubalten. So ist das Herz Gottes seine geistige Kraft (in Job. I, 38, 
282 f.), sein Ziorn. kein Affekt, sondern die Offenbarung seiner Macbt an 
den Gottlosen (in Bom. VII, 17. c. Gels. IV, 72). Eine relative Eiv 
kenntnis Gottes erreicht der Geist des Menscben, und zwar in dem MaB 
als er sicb von der Materie freimacbt (de pr. I, 1, 7). 

13. Gott der Vater ist das absolute Sein, das an sicb unfafibar ist. 
"Wie nun bei den Neuplatonikern . aus diesem Sein der Novg bervorgebt, 
so wird aucb bei Orig. Gott erst erkennbar und begreifbar in dem Logos. 
In Gott ist von Ewigkeit ber seine vorpwx\ Kdl ftQO&eziMi fteQi T&V 
oKwv duva^ug; dieselbe Kraft kann aucb als eine Vielbeit lebendiger 
logiscber Krafte vorgestellt werden, oder man kann von den Ideen und 
Bildern der "Welt in dem gottlicben Geist reden. Cbristus oder der 
Logos ist nun die oberste und vorziiglicbste der gottlicben Krafte, er 
ist die &QyjTVTCO slxajv unter jenen Bildern oder aucb TO &fiayy^Tr/.6v 
dessen, was in Gottes Kraft entbalten ist (in Job. II, 2, 18. I, 19, 
113; 39, -291. I, 38, 282. 277). Mit anderen Worten : Cbristus ist die 
oberste alles umfassende Idee und die bocbste Kraft in Gott, aber beides 
so, dafi durcb ibn Gottes Ideen und Krafte konkret, oflenbar und wirk- 
sam. werden. Demgemafi ist Cbristus sowobl Gottes "Wort, "Weisbeit, 
Gerecbtigkeit und "Wabrheit (in Rom. I, 1), vapor virtutis dei et manatio 
gloriae omnipotentis et .splendor lucis aeternae et imago bonitatis dei (ib. 
I, 5), sodafi man nur in ibm als der figura substantiae et subsistentiae 
dei Gott zu erkennen vermag (de princ. I, 2, 8), als er aucb der Scbopfer 
ist oder docb durcb ibn die Welt gescbaffen wurde. 1 ) Der Offenbarer 
Gottes als Licbt und scbopferiscbe Kraft ist also der Sobn (de princ. 
I, 2, 7 13). "Wie bei den Neuplatonikem sind die Ideen und die 
Krafte 2 ) in dem Logos zusammengefaBt. In . dieser Erkenntnis Cbristi 
als der ewigen gottlicben Kraft und "Wabrbeit erblickt Orig. die ecbte 
religiose Erkenntnis, die erbaben ist iiber die Erkenntnis des nur im 
Meiscb offenbar gewordenen Cbristus. 3 ) 

Aber wie die Apologeten, so mufite aucb Or. die personlicbe Existenz 
des Logos betonen. Das ergab neue Probleme, die die Griecben nicbt 



1) in Joh. II, 10, 72:-<Jt rov loyov syevsro, ai>% iinb rov koyov eyevsto, dM? 
iiTtb y.fjeiTvovos xcu /Lieit,ovos' Ttapa ibv "koyov. 

2) Letzteres ist stoisch, ersteres platoniscn. 

3) in Job. II, 3, 29: eisgoi Se ol fiqSev elSorss ,,el fit} ^Irjaovv Xgxnbv nal 
toviov eomvpcof.isvov" ibv ysvofiEvov Q&QVM koyov TO Ttav vo(iiaavts.s slvai rov 
'f-oyov, Xpiavbv xarci odfjy.a. fiovov yivcboy.ovai, roiovrov Se eon ib Ttkijd'os TCOV 



Die Gottes- und Logoslehre des Origenes. 415 

bedriickt batten. Der Sohn gelit aus dem Vater hervor, nicht etwa 
durch Teilung, sondern in geistiger Weise, wie etwa der Wille aus der 
Vernunft herYorgeht. 1 ) Die Betrachtung des Logos als Sohn fiihrt auf 
den Begriff der Zeugung. Da nun alles in Grott ewig ist, so ist auch 
die Zeugung ein ewiger Akt: Ovyji eyevvrjoev 6 7tccTi]Q xbv vlbv xal 
ajtekvaw ambv 6 rtazrjQ ajtb T^Q yeveaeus avrov, aktf asl yevvix amov 
(in Jer. 9, 4. de pr. I, 2, 4: aeterna ac sampiterna generatio.^ Dem- 
gemafi hat der Sohn keinen zeitlichen Anfang : om sOTtv ore OVY. r]v (Or. 
b. Athanas. de deoret. 27. de pr. I, 2, 9f. 2; IV, 28. in Eom. I, 5). 
Der Sohn ist nicht per adoptionem spiritus filius extrinsecus, sed natura 
filius est (de pr. I, 2, 4). Das Verhaltnis zum Vater ist auf Grrund 
hiervon das der Einheit der Substanz : vapor virtntis dei ? aporrhoea 
gloriae . . .: manifestissime ostendunt communionem substantiate esse filio 
cum patre. Aporrlioea enim 6f.ioovoios videtur id est unius substantiae 
cum illo corpore, ex quo vel aporrhoea vel vapor (in Hebr. frg. Lonimatzsch 
XXIV, 359). Die Bedeutung des of.ioovGios, das schon die Gnostiker 
gebraucht haben, ist also Identitat der ovoia oder der cpvaig, wie sie 
vorhanden ist zwischen deni Dampf und dem Wasser, oder dem AbfluB 
und dem Korper, den Strahlen und dem Licht, den Kindern und den 
Eltern. Auch an diesem Punkt hat Plotin ahnlich wie Orig. gedacht, 
wenn er A r on dem erzeugten gottlichen Nus sagt, er sei gewissermafien 
die Gottheit und eine ojuotOTijg bestehe zwischen ihm und ihr. 3 ) Ist so 



1) de princ. I, 2, 6: qui natiis ex eo est velut quaedam voluntas eius ex 
mente procedens. Et ideo ego arbitror, qiiod sufficere debeat voluntas patris ad 
subsistendiim hoc, quod vult pater. Voluntas enim non alia via iititur, nisi quae 
consilio voluntatis profertiir. -- Sicut voluntas procedit e mente et neque partem 
aliquam mentis secat neque ab ea separatur aut dividitur, tali quodam specie 
putandiis est pater filium genuisse, imaginem soil. suam. Cf. IV, 28. 

2) Den Begriff der ewigen Zeugung bildet Or. in Anlehnung an Prov. 8, 25 
(xpo Ttdvrcov fiovvwv yewy /.IB sagt die Weisheit), s. in Jer. 9, 4. Aber es ist zu 
beachten, daJ3 auch Plotin den gleichen Gedanken hat, Ennead. V, 1, 6: rl Ser 
t'ofjaai Tte'pl sxetvo fiivov (yorher AxivrjTov) ; Jtigftafiyiv l| ainov fiev, l| nvrov Ss 
/.(.evowtos, olov fjkiov to Ttepi avibv ka[i7t(>bv tpfas Ttepi&eov, s aiiiov del 'yevvcb- 
HEVOV fievovTog. -- To e del tehetov del nal d'iSiov yevva. Dazu Vgl. de princ. 
I, 2, 5: apprehendere, quomodo ingenitus deus pater efficitur unigeniti filii. Est 
namque ita aeterna ac sempiterna generatio sicut splendor generatur ex luce. 
Das ist genau dieselbe Vorstellung. tfbrigens behauptet Or. (in Jer. 1. c.) das 
del yevvaa&ai auch yon den Christen, da sie von Gott ewig gezeugt werden, 
sofern sie in Christus sind. 

3) tJber fyoovmos s. in Joh. XIII, 25, 149. XX, 20, 170; 24, 2041 uudvgL 
oben S. 249 Anna, und iiberhaupt Zahn, Marcell Y. Ancyra S, 11 ff. Hatch, 
Griechentum u. Christent. S. 202. 204. Vielleicht stand das Wort auch bei 01. 
Aduinbr. im Urtext (Zahn, Forsch. Ill, 87. 139) : secundum aequalitatem substantiae 
unum cum patre consistit (vgl. z. Bedeutung b. 01. Str. II, 16 p. 467). S. Plotin 



416 15- l^ e Theologie der alexandrinischen Vater. 

der Sohn mit deni Yater eins durcli die gleiche ovola, so 1st er doch 
andrei'seits ein Wesen fur sick, eine besondere vrtoavaais oder in propria 
fiubsistentia effechis (de pr. I, 2, 2. 9). 3 ) Man darf nicht mit den 
Monarchianern annehmen, dafi Vater rmd Sohn agility nicht verschieden 
seien, sondern V ov (jovov ovoicc ctkKa y.al vjtQKS.iiivty (in Joh. X, 37. 
246). Es sind zwei vrtOGrdcoeis da, aber elg $0 (Or. vergleiclit Act. 
4, 32). dgrjOxeuofAGv ovv xbv ytaxegce. Ti]g akrj'd'eiag nctl xbv vlbv tip* 
alrftetav mna, 6vo ifi VTZOGT&GU Tt^dy^aTcc, sv de ir\ 6i.wvoi(x nai xf t 
ovftcpiuvla YML zfj ravTOTyii vov j^of^jitaTOg (c. Gels. VIII, 12). Dieser 
Satz fiihrt einen neuen Gresichtspunkt ein. Die Einheit des Sohnes mit 
dem Vater stand fest vermoge des Verhaltnisses des Logos zur Gott- 
heit, des Grezeugten zum Erzeuger oder durch die Homousie von Vater 
nnd Schn. Jetzt tritt ein neues Moment Hnzu. Zwei nqdy^iata sind 
da, aber sie sind miteinander verbunden durch die Identitat des Willens. 
"Walirend namlicb. alles, was dui'ch Gottes AVillen geschieht, von diesem 
Willen auch abweicht, verwirklicbt sich in deni Sonn rein und ganz der 
gottliclie "Wille, sofern der Sohn allein den vaterlicnen Willen ganz er- 
fafit und ausfiihrt. Daher kann von e i n e m Willen des Vaters und 
Sohnes gesprochen werden, und so verstent es sich, dafi wer den Sohn 
sieht. den Vater sieht. 2 ) Es ist also der Sohn nicht nur das Abbild 



Enn. V, 1. 7: elxova e exeivov heyofiev ibv vovv, Ttoanov (.iev oil Set Ttcog elvnt, 
exeivo to yewcbfisvov xai d.noaw'Cfiv itol'/.a atiiov y.al eivat 6/uoi6rr)ta ntjbs aiiro. 

1) Die Ausdriicke oiioia und Anoamois sind an sich identisch, beide bezeichnen 
zunachst die ,,Substanz". Ersterer ist platonisch, letzterer stoisch. Auch Or. 
braucht tiTtdaraais als synonym mit ovyta, wenn er etwa die gottesbildliche bnooraais 
des Menscheu als seine y.$dfiwv otioia bezeichnet (in loh. XX, 22, 182 f.) oder 
die Menschheit und Gottheit in Christus bnoaraats neunt (ib. XXXII, 16, 192 f.). 
Andrerseits hat sein Schiiler Pierius Vater und Sohn als ovoins Svo y.al ipvaeis 
fao bezeichnet (Photius cod. 119). Aber bei Or. bahnt sich bereits eine Unter- 
scheidung an, wonach iiTtoaraais die otiaia I8ia die besondere individuelle Existenz 
ist (z. B. in Joh. II, 10, 75: Vater, Sohn u. Geist sind taeis iiTtoardasis cf. X, 

37. 246 : man meillt, /} diaufegeiv T(<J dpidfiai ibv vibv rov natqbs dtt? 8V oi> 
fiovov otioia &2J.O. VMI itTtoy.Eififvcp rvy/^Avovias dfiyiorepovs, y.atd vivas ejtivoias 
SiacpOQOvs oil tiara. iiTtoaraaiv keyeadai nareon xal viov. c. Gels. VIII, 12; in 
cant. 3. in Tit. Lomm. V, 287: unam vTtoataow . . . id est imam personam}, 
otaia, die Substanz bezeichnet, vgl. Bigg a. a. 0. 8. 163 f., s. auch Hatch, 
Griecheut. it. Christent. S. 203 ff. und substantia und persona bei Tertull. Der 
Sprachgebrauch des Or. stimmt mit dem Plotins iiberein: vxoaiaois ist die Sub- 
stanz oder Existenz z. B. Enn. I, 8, 11. 15. VI, 7, 40, dann aber auch die 
Sonderexistenz, z. B. V, 1, 7: jedes Ding hat /wpyij, ardais, dgiafios, ols VM\ ii]v 
vTtoataaiv J.afi/Sdvei, V, 1, 6: aus der o-daia gehen iiTtoardasts hervor, Vgl. VI, 8, 
10. 13. 20. Seine Trinitatslehre uberschreibt Plotin: Tisol TWV VQI&V do%i%a>r 
irtoavdaecov (V, 1). 

2) in Joh. XIII, 36. 228 f.: xatTtovaa. PQOXHS (Joh. 4, 34) n? VIM rov fteov, 



Der Vater und der Sohn bei Origenes. 417 

der gottlichen Weisheit, sondern auch der gottlichen Energie, sodafi er 
nicht nur Gottes Ideen der Welt offenbart, sondern auch Gottes Werk 
in ihr treibt. 1 ) Diese Wendung, die den Logos an ihn ist zu 
denken und nur in abgeleiteter Weise an den Menschen Jesus durch 
den "Willen mit dem Yater vereinigt, gehort zu der vorher erwahnten 
Betrachtung des Logos als des Ausdruckes der gottlichen Kraft (oben 
S. 414). Sie'lafit ein doppeltes Verstandnis zu: die TJrkraft wirkt sich 
zuerst im Logos und durch ihn in allem tJbrigen aus (s. die Stelle A. 1), 
o der man kann, mehr personlich und moralisch, an selbstgewollte tjber- 
einstimrnung des Logos mit dem Vater denken (s. oben c. Gels. VIII, 12). 
Erstere Betrachtungsweise liegt in der Konsequenz des Systems, letztere 
drangt sich dem Orig. durch den Ausdruck ,,Willen" und das antimonar- 
chianische Interesse auf. Das Resultat ist somit: una voluntas 
est et una substantia, sed duae sunt postiones, id est duae per- 
sonarum proprietaiBs (in Lev. h. 13, 4). 

Die Homousie scheint die vollige'Gleichheit der Gottheit des Sohnes 
und des Vaters zu fordern. Nichtsdestoweniger begegnen uns bei Or. 
sub ordinatianische Ziige. Der Sohn ist rtQeofimctTOV Ttdvnov x(av 
drn.uovQyr\(.idTiov (c. Gels. V, 37) und ein Geschopf des Vaters (in ,Joh. 
I, 19, 115). Diese Gedanken wollen aber mit der ewigen Zeugung 
zusammengehalten werden. Sie besagen nichts anderes, als dafi der 
Sohn nicht identisch mit dem TJrgrund ist, sondern auch aus diesem hervor- 
gegangen, er ist o devregog -S-eog (c. Gels. V, 39 vgl, in Joh. VI, 39, 
202). Der Sohn ist Gott, aber als des Vaters Abbild. Aber auch : 
ovoiav xal vjiOY.eLj.iev6v saitv b vtbs foD ftccugos (de orat. 



ote Troi'ijTtjs yiverai tov jtmqiv.ov dshtffiaTOs, ToVi:o TO &ef,eiv ev savrca Tt 
amp ?]* '/ML sv to) TtaiQi, ware si-vat TO d'ekqju.a TOV d'sov sv TC<> 9'eA.rjfiaTt TOV viov 
VMI y8vead~ai TO de^t](.ia TOV viov djtaodMaarov TOV d'ehijfia.Tog TOV TtaToos, els TO 
ftrfxeii, eivcu Svo d'efajfiata, &)*ka sv -dshrjficf drteo l sv d's^fta dUnov i]-v TOV ),eyeiv 
TOV viov ,,syw y.al 6 jrr>)^> ev eafte-f xal Sia TOVTO TO Delijfia 6 icbv avTov 
TOV viov, scboaxe Se xcel TOV ztefiyavTa CCVTOV . . . 'Exsivo . . . eto TOV 
ysvofisvov . . . oi>% bl,ov fiev TO d'e} t r]fM TOV TtaToos' ztav Se SOTIV TO 
tov TtriToo's fired TOV viov yivofisvov, OTS TO &slsiv TOV deov yevofievov ev 
TcS vicp noiBl TavTa aTCBQ fiov/.STtu TO &&>] fia TOV &eov' fiovos Se 6 vide Ttav TO 
9 l ehr]f.ia TtoieT ^cootjaas TOV TtaToos- To ev aiiTco $eki]fia slv.cov TOV TIOCOTOV 
ftehr/fiKTOs nat >] ev avT(5 freto-iys elxtbv Tfjs dhtj&iVTJs 9"eoTi]TOs. 

1) de princ. I, 2, 12: seel et specuhim immaculatum sveoysias, id est in- 
operationis del esse sapientia nominatur .... Est vigor quidam, per quern 
inoperatur pater, vel cum creat, vel cum providet, vel cum iudicat, vel cum singula 

quaeque in tempore suo disposuit atque dispensat. Quoniam ergo in nullo 

prorsus filius a patre virtule operum immutatur ac differt nee aliud est opus 
filii quam patris, sed unus atque idem, ut ita dicam, etiam motus in omnibus est: 
idcirco speculum eiim immaculatum nominavit. 

Seeberg, DogmengescWchte I. 2. Anfl. 27 



418 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

15, 1), der "Wille des Vaters ist weiser als der "Wille des Sobnes (ad 
mart. 29). Er ist nicbt das absolut Gute und "Wabre sondern er isfe 
gut und wahr als Ausstrablung und Abbild des Vaters (de pr. I, 2, 1& 
p. 5 griech. Erg.; IV, 35. in Job. Sin, 25, 151; XXXII, 28. in 
Matth. XV, 10 etc). Dasselbe gilt von der "Wirksamkeit. Christus ist 
der vnr)Qxrj des Vaters, die Befeble desselben ausfiibrend, so bei der 
Scbopfung (c. Gels. VI, 60 ; II, 9). Dies zeigt sick aucb darin, daft 
. Or. das Gebet zu Jesus nicbt unbedingt zugesteben will. Das Gebet 
ist an den Vater zu ricbten, durcb Cbristum werde es diesem darge- 
bracbt (de orat. 15. a ) 16 init. 14 fin. c. Gels. VIII, 13). Aber solcben 
Gedanken steben bei Or. immer andere entgegen. Christus ist ,,von 
Anfang an Grott und Gottes Sobn", amohoyoc, avwaocpia, amoalr^sia 
(c. Gels, in, 41. VI, 47, in Mattb. XIV, 7). Oder es wird gelebrt, 
daB die Christen nur den Vater und den Logos anzurufen baben, wobei 
freilicb letzterer als Mittler angeseben wird. 2 ) Oder es wird Cbristus 
ausdriicklich dieselbe ovaia mit dem Vater zugesprocben, was docb ge- 
legentlicb geleugnet werden kann. Das Scbwanken zwiscben lebhaftester 
Pleropborie und vorsicbtiger Zuriickbaltung ist jedem, der sicb in den 
Zusammenhang der Gedanken des Or. versetzt, ' woblverstandlicb. Vom 
Standort des Menscben aus ist der Logos bocberbaben und Gott, vom 
Standort des unerforscblicben Gottes dagegen erscbeint er nur als das 
erste Glied in der Kette der Emanationen. Ganz so wie Or. bat aucb 
Plotin den Nov als ,,das zweite" unter die Gottbeit gestellt, 3 ) und die 
betende Seele angewiesen allein den Einem (/.to'voDg TtQog l-iovov) zu nahen, 
was aber wegen der Transzendenz des Einen nur gescbeben kann durcb 
die Anscbauung des ersten Gb'tterbildes oder des A r o0g (Enn. V, 1, 6). 
Es ist buben wie driiben dieselbe Anscbauung: weil die Gottbeit absolut 
transzendent ist, stebt einerseits der in der Welt wirksarne Logos tief 
ivnter ihr, und ist andrerseits docb er als die bocbste dem Menscben. 
zuganglicbe Effulguration des Gottlicben zu verebren. Das praktiscbe 



1) 15, 1 : ovdevi roav yvv>]iu>v TtQoasvxieov eariv, oiiSs aiirco Tea X^iarcg, dkka 
TfS -9"eca icov 8).cov y.ai .TtatQi, eg y.ai aiirbs b ooiir]q rjfiwv n^oarjv'^eto. 

2) c. Gels. VIII, 26 : f-iovta yag TC^oaev/.teov ico eTtl nam -dew nai TtpoaevHTeov 
ye tiff [.lovoyevel y.al TLQunoiov.io . . . loyeo -9'sov xal a^uoteov afabv cas &(>%ie<)ea 
tijV en? aiiibv tp-9'daaaav fj/.iwv e-fi'/jt^v avacpeqeiv iTti tbv Seov aiiiov wu debv %if.i&v. 

VIII, 12. 67, in Rorn. VIII, 4: sicut invocatur deus invocanrhis est Christus, et 
sicut oratur deus ita et orandus est Christus etc. 

3) Plotin Ennead. V, 1, 6 : y.al navca, de baa jj-q reieia yevva y.al elairov 
us eavrov yevvff. TO Se dei teheiov del xal aiSiov yevva. Ti oitv ^^>j) Tttgl TOV Tekeio- 
rdTov heyeiv ; /.i-rjSev d.7i fitiTOv -rj to. /.isytara fj.sr' ufao, fieyiatov Se /.IBT* uiiTO vovs 
y.al SeijTeoov. Diese Satze hatte auch Or. schreiben konnen. 



Origenes Subordinatianisimis. Der heil. Geist. 419 

Empfinden wird sich mehr an dies, die theoretische Reflexion mehr an 
jenes halten. 

14. Wahrend hinsichtlich der Lehre vom Sohn die Zustimmung 
einiger Philosophen vorliegt, ist die Lehre von dem heil. Geist nur 
der Offienbarung zu entnehmen (de pr. I, 3, 1 4). Die Aussagen der 
Schrift sind es auch, um derentwillen Or. den Geist anders auffafit als 
die Neuplatoniker ihre "Weltseele. "Wahrend diese namlich die Weltseele 
als schopferisch.es Prinzip, in dem der Logos wirkt, denken. weist Orig. 
dem Geist nur eine Beziehung zti den Heiligen zu. Wie aber in 
der "Weltseele viele Seelen sind (Plotin oben S. 388), so verbindet Or. 
mit dem Geist die heiligen Geister oder Engel und die Geistgaben, die 
Paulus auch als Geister auffaBt (in Rom. VII, 1. 5). Seine "Wirksamkeit 
hat er also nicht wie der Logos in alien vernunftigen "Wesen, sondern 
nur in den Seelen der Heiligen. Dieser Beschrankung entspricht, daB 
er unter dem. Logos steht: eAcfxTcav rtctQa tov naisga. 6 vib$ (f&dvwv 
7ti juo'i> TO, koymcc, dsvrsQos yag <m lov JIUTQOS' STL de tyvov w 
7CveO[.ia TO ayiov srtl {.tovovt; fovg ayiovg duKvovf.isvov (de pr. I, 3, 
5. 8). Auch er ist nicht erschaffen (de pr. I, 3, 3). "Wie alles ist er 
durch den Sohn heryorgebracht : Ttavxiav diet rov loyov yevo[.iV(jDV to 
ayiov itv^ia rtdvrtov sivat Tif.ud)feQOV KCU idsi (rtQ&zov) ndvTwv 
rwv VTIO TOD rtctTQOS dice XQIGTOV ysyevi]f.ivcov. Der Geist ist also die 
erste unter den Hervorbringungen des Sohnes, durch die Anteilnahme 
am Sohn einpfangt er seinen Bestand und seine Art (in Joh. II, 10, 75). 
In diesem Sinn behauptet Or. sowohl die Hypostase des Geistes als seine 
Gottheit, wenngleich er unter dem Sohn steht und nicht wie dieser den 
ganzen gottlichen Willen, sondei-n nui- einen Teil desselben in sich fafit 
(in Job. XIII, 36, 231 f.). Sein Wirken besteht darin, ut ea, qua& sub- 
stantialiter sancta non stint, participatione ipsius sancta effidantur (de 
princ. I, 3, 8). Er gibt den Menschen gleichsam den Stoff der Gnaden- 
gaben, die vom Vater gewirkt, von Christus erworben werden und ditrch 
den Geist zum Bestand gelangen. 1 ) Ist der Sohn Gottes Weisheit, so 
ist der. Geist seine Heiligkeit (in Rom. VIII, 12); gibt der Vater allem 
das Sein iind der Sohn das Verniinftigsein, so kornrnt vom Geist das 
Heiligsein, aber so, da6 er nicht etwa das TJnheilige heilig macht, sondern 
daB er in denen wirkt, die sich schon zu Christus bekehrt haben. 2 ) 



1) In. Joh. II, 10, 77: olficu Ss rb ayiov Ttvevfta Ttjv, "iv oVitcos s'irtco, 

Alto &sov ftagiofid'icov 7ta.qifjuv tots Si aiiro xal ir(v ^IBIO'^V a&iov %or]fia- 
ri^ovaiv dyiois, ?fjs elj)i]p,i>r]s vkrjg icov ftccgia fid-rap s'fs^yovfievrjs ftev 0.710 toy d'sov, 
Staxovovfie'isrjs Se vno TOV Xgiorov, {xpeaTcbaqs Ss xaTot. rb ayiov rtveiifia. 

2) de princ. I, 3, 8 : cum ergo prime, ut sint, liabeant ex deo patre, secundo 
ut rationabilia sint, liabeant ex verbo, tertio ut sint sancta, liabeant ex spiritu 

27* 



420 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

Man wird hiernacb sagen konnen, dafi sicb die Trinitat dem 
Or. in der Weise dreier konzentriscber Kreise darstellt, von denen der 
Yater der grofite, der Geist der kleinste ist. Oder der Vater wirkt 
alles und in allem, der Sohn das Verniinftige in der der Vernunft fabigen 
"Welt mit Einscblufi alles natiirlicben Gescbebens, der Geist schenkt die 
Geistesgaben denen, die durch den Sohn gewonnen sind. Aber nur der. 
Vater ist ungeworden. c H/,ielg (.ISVTOL ye T Q el g VTtoavdaeig 
rtsi&opsvoi Tvy%dviv, wv naxsqa VML TOV vtbv -/.ai TO ayiov 
v.al aysvrivcovf.trjdevBTSQOV vov rta'TQos elvaiftia 
(in Job.. II, 10, 75). Der Ausdruck TQidg ist Or. natiirlicb bekannt 
(in Job. X, 39, 270. VI, 33, 166. in Jes. horn. 1,. 4; 4, 1 u. s. J ) 
In der lat. "fibers., aucb in de pr., ist der Ausdruck oft zweifelbaft). Der 
Modalisnius oder die Leugnung der personlichen Differenz der trinitariscben 
Hypostasen bat- Orig. oft abgelebnt. Diese Denkweise mufite ibm 
bocbst unsynipatbiscb sein, denn der Subordinatianismus, den er vertrat, 
verlangte die bypostatiscben Unterscbeidungen ; dieser Subordinatianismus 
war aber eine notwendige Konsequenz seiner Gottes- und Weltanscbauung, 
wie wir geseben baben. Der unbewegte und ungewordene Urgrund 
ist etwas anderes als die wirksanie Weltvernunft, wie diese sicb wieder 
von der die Gbarismen bervorrufenden Geistmacbt unterscbeidet, und 
unter diesen Grofien ist die eine imnier umfassender und ,.grofier" als 
die andere. Der Subordinatianismus ist durcb die neuplatoniscbe Denk- 
weise notwendig. 

15. Gott bat Jakob geliebt und Esau gebafit, und die scbroffsten 
Gegensatze im Menscbengescbick liegen uns allezeit vor Augen. Nicbt 
aus Gottes Willklir ist dieses zu erklaren sondern aus der Ereibeit der 
Kreaturen (de pr. H, 9, 2. 5). In der Freibeit ist dauernd die Mog- 
licbkeit einer verscbiedenartigen Selbstbestimniung entbalten , die Krea- 
tiirlicbkeit des Menscben aber begriindet die Wandelbarkeit seines Zu- 
standes, denn wem etwas gegeben wurde von eineni anderen, dem kann 
es aucb wieder genommen werden (ib. II, 9, 2). Freibeit und Krea- 
tiirlichkeit sind also die beiden Gesicbtspunkte , aus denen sicb alle 
Gegensatze in der Welt begreifen. Da alles in Gott ewig ist, ist es 



sancto. I, 3, 5: in illis sol-is arbitror esse opus spiritus sancti, qui iam se ad 
meliora convertimt et per vias lesu Christi incedunt, id est qui sunt in bonis 
actibus et in deo permanent. 

1) S. noch in Eom. VII, 13 fin. : naturam trinitatis et substantiate unam 
ease. Ib. VIII, 4 die Haresien: aut male separant filium a patre, ut alterius 
naturae patrem, alterius filium dicant, aut male confundunt, ut vel ex tribua 
compositum deum vel trinae tantummodo appellationis in eo vocabulum putent, 
cf. in Lev. h. 13, 4. 



Die Trias imd die Weltentstehung bei Origenes. 421 

auch ; die schopferische Tatigkeit (ib. I, 2, 10). Als Mittler derselben 
dient inm der Sohn. Geschaffen wurde eine, bestimmte Anzahl einander 
nrspriinglich gleicher korperloser Geistwesen (ib. II, 9, 6). Diesen 
eignete aber das ccvTe^ovaiov und dasselbe ist von ihrer Existenz un- 
trennbar. Die sittliche Entscheidung derselben ist nun verschieden aus- 
gefallen. Das Wesen des Bosen besteht in der Abwendung vom Guten, 
das Bpse ist somit nichts Positives, sondern es ist der Defekt des 
Guten. Recedere autem a- bono non aliud est quam effici in malo ; certum 
namqiie est, m.aluvn esse bono car ere. Ex quo accidit, ut in quanta 
mensura quis devolveretur a bono, in tantam mensuram malitiae deveniret 
(II, 9, 2). Der Mensch, welcher vovg war, erkaltete infolge des Abfalls 
von Gott zur ty'vyr^, indem er den Anteil am gottlichen Eeuer verlor 
(de pr. II, 8, 3; ifJv%ij nach Or. von ijJvy^Qog). Auf das eigene meritum 
der Geschopfe gelit nun ihr weiterer Zustand zuriick (ib. I, 8, 2; II, 
9, 7). Es verlieh namlich jetzt Gott den Kreaturen eine materielle 
Leiblicnkeit. Je nach Verdienst waren die Leiber beschaffen : leicbt 
und atherisch bei den Gottern, Tronen und Gewalten, straHend bei den 
Sternen, die ebenfalls Lebewesen sind (vgl. Plato , Philo), grob und 
dunkel fiir Satan und die Damonen, als welche zuerst und besonders 
tief gefallen ; dazwiscben liegt nun die Leiblicbkeit der Menschen, qui 
ob nimios defectus mentis crassioribus istis et solidioribus indiguere 
corporibus (de pr. Ill, 5, 4; II, 1, 1 4). Das ist es um die Ent- 
stehung dieser Welt, die so freilicn einen Anfang in der .Zeit bat (ib. Ill, 
5, 3). Diese Welt selbst ist ein Gericbt vor dem Gericht. Ganz 
eigentlicb wird bier die Weltgescbichte zum Weltgericbt. Je nach dem 
wie jemand in der Praexistenz war, sind ihm Ort und Gegend, Be- 
dingungen der Geburt etc. zugewiesen (ib. II, 9, 8). Aus dem Gesagten 
versteht sich die unendliche Mannigfaltigkeit in der Welt; von der Be- 
tatigung der Ereiheit hangt sie ab. Gott aber bewahrt dadurch seine 
Gerechtigkeit ebenso sehr als seine Giite. Jedem wurde das Seine, aber 
die unendHchen Gegensatze zog er zusammen in unius immdi consonan- 
tiam (ib. II, 9, 61). So macht diese Welt einen harmonischen Ein- 
clruck und auch die Siinden der Bosen sie gehen nicht auf Gott 
zuriick weifi Gott dem Ganzen dienstbar zu machen (c. Gels. IV, 
54. 70. in Num. h. 14, 2). 

Wie ein ,,Yorspiel im Himmel" zur Weltgeschichte lesen sich diese 
Gedanken des Origenes. In der praexistenten Welt liegen die Samen- 
korner zu der gegenwartigen Welt, semina et causae varietatis et diver- 
sitatis (de pr. II, 9, 2). Die Stimmung und manche Einzelheiten er- 
innern an Plotin (oben S. 390 f.). Von dem ewigen Unerzeugten fiihrt 
durch den Logos die Entwicklung herab zu den verniinftigen Seelen. 



422 15. .Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

Hire Ereiheit und Wandelbarkeit Avird zum Material, aus dem Gott die 
Avirkliche Welt bildet, ihre praexistente Entscheidung ist der Mafistab ihrer 
Stellung in dem Weltzusamnienhang. Die Vorstellung von der Abhangig- 
keit des Menschengeschickes von den Taten der Menschen sowie die 
Freude an der Harmonie der so entstehenden Welt teilt Or. mit Plotin. 
Aber er betont starker als der Philosoph die sittliche Freiheit und er 
gent dem Gedanken einer Seelenwanderung aus deni Wege. ] ) Trotzdem 
ist der innere Zusainnienhang zu der neuplatonischen Denkweise un- 
verkennbar. 

16. Die Christologie des Origenes stellt einen iiberaus interes- 
santen- und geschichtlich Avirkungsvollen Entwurf dar. Gegeben waren 
dem Origenes seine Logostheorie sowie das Jesusbild der Evangelien. Die 
Schwierigkeit der Aufgabe den alles durchdringenden und in allem walten- 
den Logos, der schon die Sch Sprung gewirkt hat (c. Gels. IV, 81. VI,. 
47. 60. VII, 70. in Jon. VI, 39, 202), eingehen zu lassen in circum- 
scriptionem cms hominis, qui apparuil in ludaea (de princ. II, 6, 2), hat 
Origenes lebhaft empfunden. Die Losung, die er fur sie fand,' ist uber- 
raschend einfach. Origenes fiihrt den Begriff der Seele Jesu in die 
Diskussion ein und laBt durch diese Seele den Zusammenhang zwischen 
deni unendlichen Logos und dem endlichen Leibe Christi hergestellt 
Averden. Die Seele Jesu war ex genere et substantial, humanarum anima- 
rum (in Lev. 12, 6), und sie Avar praexistent Avie alle diese Seelen. Auch 
ihr Greschick hat sich in der Praexistenz entschieden. Sie hat sich mit 
dem Logos von Anf ang an anf das engste verbunden, tota totum reci- 
piens atque in eius lucem splendoremque ipsa cedens. So Avurde sie ein 
Geist mit dem Logos nach 1. Kor. 6, 17. 2 ) TJnd die Innigkeit ihrer 
Hingabe an ihn machte diese Verbindung zu einer inseparabilis cum deo 
unitas (de pr. IE, 6, 4). Hierdurch aber Avar diese Seele auch peccati 
incapax, (ib. IV, 31). Diese vom Logos erfiillte praexistente Seele stellt 
nun das Bindeglied dar zwischen dem Logos und dem Leibe Jesu. Die 
caro, in die diese Seele einging, Avar rein und heilig und von Gott geschaffen, 
ex incontaminata' virgine assumta et casta sancii spiriius operatione for- 
mata est (in Rom. HI, 8. I, 5. V, 9. c. Gels. I, 69 1). Die Seele 
konnte den Logos fassen und der Leib konnte die Seele fassen. So 
wurde es moglich, da6 der freavd-QCorcos geboren Avurde. 3 ) Es bringt 



1) S. die Bemerkungen iu Rom. V, 1 (Lomm. VI, 336). VI, 8 (L. VII, 47). 

2) s. de princ. II, 6, 3. in Job. XX, 19, 162. I, 32, 236. iu Rom. Ill, 8 
(Lomm. VI. 210). VIII, 7 (. VII, 124). 

3) de princ. II, 6, 3: hac ergo substantia animae inter deiim carnemque 
mediante non enim possibile erat dei natiiram corpori sine mediatore misceri 



Die Christologie des Origenes. 423 

also die Seele, die in den in Maria geschaffenen Leib eingeht, den Logos 
mit sich. 1st aber der Sohn Gottes der Inhalt dieser Seele, so ist es 
begreiflich, da6 sie zusammen mit deta Meisch, mit deni sie ja nun in 
festem Zusammenhang steht, ebenfalls Gottes Sohn, Kraft und "Weisheit 
genannt wird, oder da6 Gottes Sohn Menschensohn genaiint und von 
seinem Tod geredet wird. 1 ) 

Bis jetzt ist alles verstandlich. Jesus war ein wirklicher Mensch, 
mit einer Seele, die praexistent war wie alle Seelen. Aber alle Tugend, 
Kraft, "Weisheit und Gerechtigkeit des Logos erfiillte und bewegte. diese 
siindlose Seele, die allein unter alien den Logos ganz zu erfassen ver- 
mochte, da sie es sich verdient hat seine ganze Offenbarung zu emp- 
fangen. Oder der Mensch Jesus war von dem Logos erflillt und ge- 
tragen und das ihm absolut entsprechende Organ. 2 ) Gott redet in dem 
Menschen Jesus und ist in ihm (c. Cels. II, 9. I, 66), der Mensch ist 
substantialiter deo repletus (de princ. IY, 31). Nun aber ergaben sich 
aus diesem Gedanken zwei Konsequenzen, einmal miissen Gottheit und 
Menschheit als zwei difOerente und ungemischte Grofien vorgestellt werden, 
dann aber muB doch irgendwie eine konkrete Einheit beider gedacht 
werden. Beide Gesichtspunkte sind Origenes gelaufig. In Ghristus ist 
Gott und Mensch (in Joh. X, 6, 24), eine gottliche und menschliche 
Natur (ib. XIX, 2, 6. 10 imd c. Gels. Ill, 28), utraque, natura (de princ. 
II, 6, 2), die menschliche und die gottliche VTfoorciGig (in Joh. XXXH, 
16, 192 f.), die fCQorjyovf.ievrj rov TtgioTOxoxov yvois und 6 av&gcortos, 
ov avsikrjcpsv, der von jener Natur gebildet wird (in Joh. I, 28, 195). 
Dabei behalt jede der beiden Naturen oder Substanzen ihre Eigentum.- 
lichkeit. Der Mensch Jesus hat wirklich gelitten, er Avar sterblich und 
ist wirklich .gestorben (c. Cels. II, 16. YII, 16. in Joh. XXVIII, 18, 
157: av&Qi07to$ ydg eortv aTto&aviov^lYjGOvc;). Auf das scharfste verwahrt 



nascittir, lit diximus, deus-homo, ilia substantia media existente, cuitttique 
contra naturam non erat corpus assiimere. 

1) de princ. II, 6, 3 : Unde et merito pro eo vel quod tota esset in filio del, 
vel totiim in se caperet filmm dei, etiam ipsa cum ea, quam assumpserat, came 
dei filiiis et dei virtus, Christus et dei sapientia appellatiir, et rursum dei filius, 
per quern omnia creata sunt Jesiis Christus et filius hominis nominatur. Nam 
et filius dei mortuus esse dicitur, pro ea scil. natura, quae mortem utiqiie 
ncipere poterat. 

2) Vg'l. C. Cels. V, 39 : VoTcoaar, OTI tbv SsijreQov $ebv oi)x aJJiO ti ieyofisv r t 
lijv 7tEQiey.TiM]v 'Jia.omv a^Brtov a^Eirjv xcu rbv TteoisxTiy.bv Ttavrbs oimvoaow hoyov 
reap y.ara <pvaiv y.al Ttgoijyovfievcos yeye'f^fis'fajv y.al els y^aifiov tov Tfavrbs hoyor: 
f 'Ovnva TIJ 'Irjaov fids&iara Ttuodt, Ttaaav yv%i]v -tfv'/.ij cay.Ei&affcu y.a.1 ip'dia&ai cpa/uev, 
fidvov Ti/.eicog %cooi]aa.i SsSvvr/fterov Tr\v uy.Qar fisto^ip- rov ainot.oyov y.al t?js 
aocpias y.al Tfjs ai>To8iy.aioovi'i]s. 



424 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

sich Origenes gegen die Einrede des Celsus, der sterbende Jesus sei 
Qott (c. Gels. VIII, 42 u. o.). Von einer Veranderung und einena 
Leiden der Gottheit kann nicht die Rede sein, der Logos erleidet nichts 
davon , was Jesu menschliche Seele und Leib erleiden , nur um der 
Schwache der Menschen willen ist er ,,gleichsam", ,,leiblich geredet" 
Fleisch geworden. 1 ) 

Nun ist aber Jesus Christus ein "Wesen und zwar etwas Zusanimen- 
gesetztes: GUV&STOV it y.^id fpaftsv avrbv yeyovevcu (c. Gels. I, 66). 2 ) 
Er wollte nicht, dafi die Glaubigen nur seine Gottheit und deren Wunder 
glaubten ,,als ob er nicht auch an der inenschlichen Natur teilgenominen 
und jenes Meisch, das unter den Menschen wider den Geist geliistet, 
angenomnien hatte" (c. Gels. Ill, 28). Aber nicht nur eine xoivwvia 
findet zwischen den beiden Naturen statt, sondern eine SVIOGIS und 
<xvdxQ<xais , sodafi die Menschheit Jesu geradezu vergottlicht wurde. 3 ) 
Diese Vereinigung wird bei Origenes zunachst als geistige oder mystische 
gedacht. In dem Menschen Jesus waltet der Logos, dieser fiihrt jenen 
etwa ZUHI Opfer an das Kreuz (in Joh. VI, 53, 275). Origenes zieht 
gern das Wort I. Kor, 6, 17: ,,wer dem Herrn anhangt ist ein Geist 
mit ihm" zur Erklarung dieser Einheit heran; Da die Seele Jesu stets 
an cleni Logos gehangen hat, so ist es, nach Meinung des Origenes, 
,,nicht wunderbar", dafi sie mit ihm eins geworden ist. 4 ) Tiber den 



1) C. Gels. IV, 15: el e y.al awfiu &vi]ibv y.al -y>v%r]v dvd'ijcoTtivriv dtmlaficbv 
6 afrdvaros &sos bdyos Soy.ei rco Kelaca dllditsadai %al fieTaTt^drrsa&at, f.iavd'avi%m 
ott, 6 hoycs Ttj oiiaiq fiivwv ).6yos oiiSev fis-v 7tdo r / v ei &v 7tdo%ei ib awuu y.ai fj tyvyj], 
avyyMTa^aivcov $* sad' 'oie tw firj Swaftevco aiiiov rds /naQpagvyds xat ir[V IM/.I- 
7tf)6Tt]ta ifje -d'eioTijios fik&TtEiv olovel ffagl; yivetai, ocopastiy.ws '/M}.OV/.ISVOS, ecos 6 
TOIOVTOV aiitbv Tca.qaSe^a.a&a.t, v.aia fi!)a%v iiTtb lov %6yov fieTecapi^d/uevog Swiforj 
aiitov y.al TTJV, vi? ovtcos ovofidoco, TCQOrjyovf.isvi-jV fiogfrfv &edoaad'at, in Job.. 

xxvm, is, 159. 

2) Ib. : TCeyi tov awdsiov xal el; cav avuey.siro o evav^coTfrjaus 'Jqaovs. ill 
Joh. I, 28, 196 : oiiy.eti d>s TtEfj'i Svo nvcov dnayye^saO'ai,, dfJS fas Ttepl evos. 
C. Gels. II, 64: 6 'ft^aovs els u>v Ttheiova rfj eawoiq, fjv. 

3) C. Gels. Ill, 41 : to Se &vrjibv ai>rov a&fia y.ai Tt]V a.vd'Qca7iivt]v ev uiii<3 
yv'/fiv TIJ Tt^os ey.et'fop (d. h. den Logos) oil fiovov y.owioviq ah f /M y.a.1 evcoaei nal 
dva-/.()dasi to. fteyiffrd yaf.iei> Ttgoaeikijcpevai xai irjs sxeivov SsiOTrjios '/.E'/.o 



4) C. Gels. II, 9 : Tavru Ss (jpctfisv oil ^(a^L^ovies ibv vlbv iov \)eov arto tov 
'I/jaov ' ev yuj) ftdhtaTa fieta, t-fjv. oly.ovofiiav ysyevqTai Ttpbs tov kdyov tov d'eov fj 
y.cd ib G&/.IU ^I^oov. El y&o '/.ana, ii]V Jlavhov SiSaay.aliuv ksyovios' ,,b 
TW y.vfjioj ev 7tvevf.id i-an" Ttas 6 voijaas ii TO -/.oJ^Mod'ai ito y.vQuo, y.cu y. 
aiirq. ev ean 7tvev/.ia 7t<)bs TOV xvpiov, TI&S oi> aottcj) fialioi* -deioreocos VM fieit,6vcos 
ev eati 16 Ttots avvd'eiov ttoos tbv J.6yov tov Q'eov ; VI, 47: ovy. sial Svo >] "i 
lov 'Iqaov TtQos ibv . . . -d'ebv t.oyov. VI, 48: /) %copi,eiv -fjfius' trjv Ur t aov 

TOV 



Die Vereinigimg der Naturen Christ! bei Origenes. 425 

Sinn dieses Gedankens kann kein .Zweifel sein. Mit dem allwaltenden 
Yernunftsgeist verwachst die Seele Jesu zu einer innerlichen mystischen 
Einheit, wie sie ahnlich auch sonst zwischen Christus und den Erommen 
besteht. 1 ) Sowohl die Parallele mit den Erommen, als aucli die genaue 
Bestimmung, dafi das Menschliche in Christus \vegen jener Yerbindung 
gottlich genannt werde (de princ. II, 6, 3), erlautern den Gedanken. 
An eine ,,Yergottung" im Sinn einer physischen Metamorphose denkt 
Origenes tier nicht. 

Anders steht es aber welter an einer Reihe von Stellen, in denen 
Origenes auch von einer ubernatiirlichen physischen Art des Leibes Jesu 
redet. Wenn Judas den Juden bei dem Yerrat Jesus besonders erkennt- 
lich macht, oder Jesus darauf hinweist, dafi er taglich im Tempel ge- 
lehrt habe (Mt. 26, 55), so beweist das, dafi Jesus seinen Leib babe 
vei'andern konnen, wie und wann er wollte. Wenn Jesus so geboren ist, 
wie die Schrift berichtet, so wird sein Leib auch etwas mehr Grottliches 
als die iibrigen Leiber an sich gehabt" haben. 2 ) Wie Origenes zu dieser 
an Doketisinus streifenden Anschauung kam, ist nicht unverstandlich, wenn 
man an die Scbwierigkeiten denkt, die ihm die Auferstehung und die 
leibliche Fortexistenz des Auferstandenen bereiten mufiten. ' Nahm er 
fiir den Auferstandenen zunachst eine verklarte Leiblichkeit an, so lag 
der Raickschlufi auf die friihere Existenz Jesu "nahe. Nachdein Jesus 
gelitten und gestorben ist, predigte seine Seele im Hades (c. Gels. H, 
43). Er ist dann leibhaftig auferstanden. Sein Leib befand sich nach 
der Auferstehung in einer Beschaffenheit, die in der Mitte liegt zwischen 
der sinnlichen Konsistenz (rcaxmrjg), die ihm 'friiher eignete, und dem 
Zustand der vom Leibe befreiten Seele (c. Gels. II, 62), daher war er 
auch unsichtbar (ib. 64 f.). Jetzt beginnt der Prozefi der Yergottung 
der Menschheit Jesu : resurreocit a mortuis et deificavit quam susceperat 
humanam naturam (in Mtth. ser. 33). Dieser ProzeB verherrlicht und 
erhebt die menschliche JSTatur, die dadurch eins wird mit dem Logos, so 
dafi nach 2. Kor. 5, 16 hinfort nicht mehr ein Mensch, sondern 



nurGrott da ist: xay (.laQrvQij u OLoxrjg, on bv icpOQeoev avtigturtos i]V 

si Y.OL Tji> av&QWTtoc;, a/Ucc vuv ouda^dig IGTIV av-5-^iu7iog (in Jer. b. 

15, 6 vgl. in Luc. h. 29). Allein- diese rhetorisch gesteigerte Wendixng 



1) s. auch de princ. II, 6, 4 : Ps. 44, 8 wird auf Christi Seele gedeutet, dalS 
es dort heiCt: gesalbt hat dich Gott vor deineu Genosseu, bedeutet: non 
gratia spiritus sicut proplietis ei data est, sed ipsius verbi (hi in ca substantialis 
inerat plenitude. 

2) C. Gels. II, 64: XUTCL ib /.isTafio^fov^tsvov ocof.ia 01? K^OV/.STO y.al ols 
KflovXaxo. C. Gels. I, 69 : et cos yey^a%T(u ytyivviyio, cJvwrat TCCOS elvui ib awitu 
UVTOV y.al &SIOTB^OV Tta^u rots no).).oi3 xru y.aia. n at]^iai,v6(.iE.vov O'eov acofia. 



426 15. Die Theqlogie der alexandriuischen Vater. 

soil die Fortexistenz der Menscbbeit Jesu keineswegs ausscbliefien. Sie 
bestebt fort, aber erboht und verberrlicbt, namlicb eins geworden mit 
dem Logos ; f H de vrtEQuipiuoig TOV vlov TOU av&Q&Ttov . . . awrj fjv- 
TO fiyxezt ersQOV avzbv sivai TOO hoyov dA/a wv avrbv airtfy (in Job. 
XXXII, 25, 325). Zuin Erweis dessen dient wieder 1. Kor, 6, 17. 
Der Menscb Jesus bat also nacb der Auferstebung Gewalt uber Himmel 
und Erde enipfangen, sofern er vereint ist init der Gottbeit des Logos. 1 ) 
Br ist eius geworden mit dein Sobn Gottes . obne daG freilicb das 
menscblicbe Yerstandnis die Art dieser Yereinigung erfassen konnte.-) 
Jede Scbranke bat fiir Cbristi Wesen aufgebort. War einst der Logos 
gebunden an die Scbranken des Leibes, so durcbdringt er nun scbranken- 
los alles, 3 ) wobei inimer vorausgesetzt ist, dafi irgendwie die Menscbbeit 
Jesu mit ibni verbunden ist. Mit Recbt siebt Loofs in diesem Prozefi 
der Yerberrlicbung eine ,,fortscbreitende Absorption des Leibes Jesu" 
(DGr. S. 200), er batte aber binzufiigen sollen, dafi dasselbe sicb, nacb 
Origenes Ansicbt. an alien Menscben vollzieben wird. 4 ) Der Leib Jesu 
wird also allniablicb von der Grottbeit aufgezebrt, dagegen bleibt seine 
Seele irgendwie in der ,,Einbeit" mit dem Logos fiir immer erbalten, 
ist sie docb das Subnmittel, das ewig zwiscben uns und Goti stebt. 

Die Cbristologie des Origenes ist im ganzen durcbsicbtig. Der 
Hauptgedanke ist der, dafi der personlicbe Logos sicb mit der persb'n- 
licben Seele Jesu oder mit dem Menscben Jesus verbindet, sie durcb- 
dringt und leitet, sodafi aucb sie sanit dem. von ibr geleiteten Leibe 
sicb als gottlicb darstellt. Letzteres gilt aber nur in uneigentlicbein oder 
ubertrageneni Sinn, an sicb bleiben die beiden Naturen resp. Personen 
was sie sind, die Differenz ibrer Existenzweise bestebt . fort. Das ist 
der erste und beberrscbende Gedankenkreis. Wabrend die Einbeit 



1) de orat. 26, 4: )M^OVTOS TOV xaia tbv acotrj(>a avd'^coTtov Ti]V t-^ovoiav 

KV oiigavcp, olov iwv t-vvnagzovfcov rep /tovoyevsl, Iva uiirco xowcovfi, &va'/.i<)v<i[iEvos 
ey.etvov ifi &e6rt]Ti: y.al evov/.t,evos niiTco. 

2) iu Eoin. I, 6: quia ,,etsi agnovimus Christum secundum carnem, sed 
nunc iam non novimus" {2. Kor. 5, 16), ideo omne quod est in CJiristo, iam 
nunc filius del est. Quomodo autem hoc et ad eum, qui filius del in virtute 
destinatus est, referatiir, coarctet intelligentiam nostrum, nisi quod per indisso- 
hibilem wiitatem verbi et carnis otnnia quae carnis sunt, adscribuntiir et verbo, 
quomodo, et quae verbi sunt praedicantiw m came. 

3) de princ. II, 11, 6: vpse tamen iibique est et imiversa 2>ercurrit, nee ultra 
intelligamus eum in ea exiguitate, in qua nobis propter nos effectus est, id est, 
non ilia circumscriptione. quam in nostra corpore in terris positus inter homines 
habuit, quo velut in two' aliquo circums'eptus loco putatur. 

4) s. de princ. II, 3, 3: materialem naturam exterminandam declarat. 
Paulatim cessante imtura materiali. 



Bedeutung 1 der Christologie des Origenes. 427 

zwischen Gottheit und Menschheit hier eine geistige und mystische 1st. 
ahnlich der Vereinigung aller frommen Seelen mit Gott, finden wir aber 
auch eine Form rein physischer Yerbindung. Zwar gehorte das Eins- 
werden der Seele Jesu mit dem Logos in dem Zustand der Erhohung 
nicht eigentlich hierher, wohl aber ist an die physischen "VVandlungen 
des Leibes Jesu durch den Logos zu denken. Aber dieser zweiten 
Betracbrtungsweise kommt der ersten gegeniiber keine selbstandige Be- 
deutung zu. Diese physische Vergottung des Leibes ist zugleich' seine 
allmahliche Zerstorung ; von diesem Zweck aus begreift sich jener Ge- 
danke. Wenn man noch daran denkt, dafi alle Leiblichkeit aufgehoben 
wird und dafi Jesu Leib nur ein vorubergehendes Mittel war, um die 
Logoslehre den Rohen und Ungebildeten verstandlich zu machen, so wird 
man keinen Augenblick iiber die wahre Absicht des Origenes zweifel- 
haft sein. Wir haben friiher gezeigt, dafi von Anfang an zwei Typen 
der Christologie bestanden haben (S. 100). Es ist unfraglich, dafi Ori- 
genes nicht an eine Menschwerdung wie etwa Irenaus denkt, sondern 
dafi er ganz den Menschen Jesus von dem Logos angenommen werden 
lafit, wie etwa Tertullian u. a. 1 ) Dabei kommt ihm das Verdienst zu. 
den personlich-geistigen Charakter der Menschennatur Jesu den seine 
Vorganger stillschweigend voraussetzten klar geltend gemacht zu 
liaben. Er hat damit das christologische Problem auf eine Hohe gefiihrt. 
die man vor ihm nicht kannte der personliche Logosgott und der 
personliche Mensch Jesus vereint 2 ) , und auf der man sich nicht zu 
halten vermocht hat. Zwar hat Origenes der griechischen Theologie 
den wissenschaftlichen Apparat der Christologie geliefert (cpvGig, vrto- 
GraoiG, ouoia, 6/.iOOvoios, ewige Zeugung), aber man hat nicht den Ein- 
druck, dafi er diese Termini zuerst in Anwendung bringt ; 8 ) auch hat 



1) Lehrreich ist hierfiir in Joh. I. 28, 195: Ps. 71, If. spricht von Konig und 
Xonigssohn, das Lezieht Or. auf Christi Gottheit imd Menschheit: fiaaiUa fiev 
j.eyead'ai, TJJV Ttpoyyovpevrjv lov TtQWioio'/.ov . . . <puoiv . . ., ibv Si- av&Qconov , 
vv aveiKrj <pev, int" ey.eivqs f.io^yov(.isvov vata $t"/.cuoavvr\v '/.cti sy.ivTtovfievor 

,,vlbv tov fiaodecos". Ib. 192 heifit Christi Menschheit 6 tivdomTtos avrov, ebenso 
I, 32, 236. VI, 53, 275: 6 iv iQ Mtqdnttf &sog. 

2) Auch in den urchristlichen Ansatzen ist dies Problem begrundet. 

3) Zur Terminologie vgl. schon Hippolyt oben S. 345. Der Ausgangspunkt 
itir die ganze Terminologie scheint mir in der Bezeichnung Gottes als ovata oder 
siibstantia enthalten zu sein. Aus der Eeflexion auf die lebendige Qualitat der 
odaia ergab sich die Parallelbezeichnung yvois; die Notigung als logischen 
Gegensatz zu oiiaia ein Wort fur die Sonderexistenz des Vaters, Solmes und Geistes 
resp. Ohristi im Verhaltnis zu seinen Naturen zu finden, flihrte bei den Lateinern 
zu dem Begriff persona, bei den Griechen allmahlich zu iiaoataais (vgl. oben 
S. 416 A. 1). Diese Phraseologie scheint sich bei beiden imabhaugig vonein- 
ander von dem gleichen Ansatz . aus entwickelt zu liaben. Sie ist bei Or. noch 



428 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

er durcli seine Eragstellungen und Forineln tief auf die Eolgezeit ein- 
gewirkt, aber seine Christologie als ganze ist von niemand reproduziert 
worden. Das lag besonders daran. dafi sie dem popularen Bewufitsein von 
deni mensclige worden en Gott nicht entgegenkam. 1 ) Dies hat man 
instinktiv empfnnden, und deshalb ist die origenistische Christologie auch 
so oft umgedeutet worden, so einfach sie an sich ist. 2 ) 

17. Von der Person Christi schreiten wir fort zu dem Yerstandnis 
seines Werkes. Auch bei Origenes sind die beiden Gesichtspunkte 
dabei inaBgebend, da6 er sowohl an Christi Wirken auf die Menschen, 
als an sein"Wirken auf Gott denkt. Bei der Anlage seines ganzen Systems ist 
es keinen Moment zweifelhaft, dafi ersterer Gesichtspunkt fur inn mafi- 
gebend ist. Christus ist ja der Logos, der Vernunft, Ordnung und 
Sittlichkeit dem Menschengeschlecht einflofit, indeni er sich. dabei der 
menschlichen Organe Jesu bedient. Daneben steht der andere Gesichts- 
punkt, dafi er die Menschen objektiv befreit vom Teufel, von den go'tt- 
lichen Strafen und den TJbeln. Origenes hat, indem er die alttestament- 
liche Opferordnung in diesem Sinn deutete und den Anregungen des 
Paulus sorgsam nachging, gerade auf diesem Gebiet bleibende Formeln 
geschaffen (s. unten), aber es ist nicht zu vergessen, dafi fur sein reli- 
gioses Empfinden dieser Gedankenkomplex ganz hinter den ersten zuriick- 
tiitt. Er behandelt doch nur die Yoraussetzung der eigentlichen Er- 
losung durch den Logosgeist, und die vollkommenen Christen bediirfen 
nicht inehr des heilenden Arztes, sondern des anregenden Lehrers. ,,,In 
der Gb'ttlichkeit des Logos sind einerseits enthalten die Heilmittel fur 
die Kranken, von denen der Logos sagte : ,nicht bediirfen die Gesunden 
des Arztes, sondern die Kranken', andrerseits aber fur die an Seele und 
Leib Heinen die Amveisung der ,0ffenbarung des Geheimnisses, das ver- 
schwiegen war in ewigen Zeiten, nun aber offenbart ist' ". Gesandt 
wurde der Gott Logos als Arzt fiir die Sunder, als Lehrer aber der 
himmlischen Geheimnisse fiir die schon Reinen und nicht mehr Siin- 
digenden" (c. Cels. LTI, 6.1. 62). ,,Selig die, die dahin gekommen sind, 
des Sohnes Gottes nicht mehr zu bediirfen als eines Arztes, der die 



niclit fertig. Zwar nennt er die triadischen Personen v7tooT,dois, aber fiir die 
eiue Cliristusperson verwendet er nur so vage Ausdriicke wie Ttg&yfia oder 
X(W/"*, vgl. R. Seeberg-, Th. Litt.-Bl. 1906, 295 f. 

1) Blickt man in die Folgezeit, so hat die aiitiochemsclie Christologie ana 
meisten Ahnlichkeit mit der des Origenes. 

2) Harnack (DG. I 3 , 637. 641) hat sie fiir sehr kiinstiich erklart und ihr 
Eesultat als ,,Monstrum" bezeichnet. Ich halte dies Urteil fiir falsch ; die Grund- 
iinien bei Or. sind uberans einfach, und die ,,Einheit" des Logos mit der perso'n- 
lichen Seele hat Or. in seiner Weise und jedenfalls Aveniger monstros als viele 
Christologen der Folgezeit denkbar zu machen versucht. 



Christ! Werk als Lehre und Gesetzgebung bei Origenes. 429 

Kranken heilt, noch auch als eines Hirten, noch auch der Erlosung, 
sondern als der Weisheit, der Yernunft und der Gerechtigkeit" (in 
Joh I, 20, 124). 

Somit ist an die Spitze der Gedanke zu stellen, dafi Christus Arzt. 
Lehrer, Gesetzgeber und Beispiel gewesen ist. Wie er einst in den 
Philosophen und Propheten die Wahrheit offenbarte, so brachte er nun 
der Welt alle Wahrheit und Weisheit und nimrnt die Unvernunft fort, 
er macht die Menschen dadurch geistig und gottlich (in Job. I, 37, 267 f. : 
sv&ecas koymol ytvof.ts-9-a). Besonders aber iibertraf Christus alle 
Propheten und Fiihrer der alten Welt durch sein neues Gesetz, das 
alien gelten soil und bei alien Gehorsam gefunden hat (z. B. c. Gels. IY, 

4. 22. 32). Nicht in den sinnlichen Satzungen des jiidischen Gfesetzs 
oder in dem Damonendienst der antiken Yolksreligionen bleibt das neue 
Gesetz stecken, sondern es tragt den geistigen und universalen Charakter, 
dessen die Weltreligion bedarf (c. Gels. YII, '26). Indem Christus die 
OtOTrjQia doy^aia (de pr. IY, 2), die praecepta evangelii (ib. 24) brachte, 
ist er 6 vo(.iod-Tris ^LGTiavwv (c. Gels. HE, 7). Er ist der Christenheit 
das, was Mose Israel war (c. Gels. II, 52. 75; IY, 4; Y, 51; YIII. 

5. 53). Allen verstandlich wurde dieses Gfesetz, indem, den Bedilrfnissen 
entsprechend, Lohn und Strafe ihm beigefiigt warden (c. Gels. IH, 79). 
In diesen Zusanimenhang gehoren auch die Wunder Jesu: ,,wie es dazu, 
dafi Moses Grlauben fand nicht nur bei der Grerusie, sondern auch bei 
dem Yolk, der Zeichen bedurfte, die er, wie geschrieben steht, getan 
hat, warum sollte nicht auch Jesus, damit er bei denen, die von dem 
Yolk gelernt batten nach Zeichen und Wundern zu begehren, Grlauben 
finde, solcher Wunder bediirfen, die, weil sie groBer und gottlicher waren 
im Yergleich zu denen des Mose, geeignet waren abwendig zu rnachen 
von der jiidischen Mythologie und den menschlichen TJberlieferungen bei 
ihnen und zu bewirken, dafi man den, der solches lehrte und tat, annahm, 
weil er groBer als die Propheten war" (c. Gels. II, 52) ? Deni zeit- 
genossischen Bedarf angepafite Mittel der Belehrung waren also Jesu 
Wunder. 

Das Gesetz nun, das Christus gibt, ist o vp(.ios T^g cpvaewg TOvrean 
lov -9-eov im Gegensatz zum vdjiiog ta.Z$ rtokeoi yqaitio^ (ib. Y, 37). 
Nach antiker Anschauung ist dies natiirliche oder gottliche Eecht der 
MaBstab zur Kritik des positiven Eechtes. Indem nun das christliche 
Recht mit dem Naturrecht, d. h. der Yernunft (in Rom. Y, 1 p. 335), 
identisch ist, niufi seine Kritik an den biirgerlichen Gesetzen als be- 
rechtigt anerkannt werden (ib.). Das ist eine neue Wendung fur den 
alten Gedanken, daB das Christentum die natiirliche und daher gemein- 
gultige Religion ist. Der wesentliche Inhalt des christlichen Gesetzes 



430 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater. . 

1st: die Erkenntnis und die Verehrung des einen Gottes des Schopfers, 
der Glaube an Jesurn als den Sohn Gottes, die Befolgung seiner Gebote 
in einem tugendhaften Leben, die Yerheiftung von Lohn und Strafe 
(c. Gels. V, 51. 53; YII, 17. 481; VIII, 57. 51. 1 ) Zu dem Gesetz 
tritt Christi Wandel als nci()(xdiy[.ia aQiorov jiiov (c. Gels. I, 68; YHI, 
17. 56. in Rom. IX, 39. de pr. HE, 5,- 6), speziell als Muster in der 
Ertragung von Leiden (c. Gels. II, 16. 42). Die Kraft des Kreuzes 
Christi, wenn man es von Herzen anschaut, zeigt sich wirksam zur Yer- 
treibung aller siindhaften Gedanken und Liiste (in Horn. YI, 1 p. 3). 
So wirkt der Logos auf mancherlei Weise auf die Seelen ein. Der 
Mensch Jesus wirkt als sein Organ und daher auch als mafigebendes 
Beispiel des Gehorsams und als Fiihrer auf dem steilen Weg der Tugend. 
AVer diesen Menschen nachahmt, wird der gottlichen Natur teilhaft 
werden, die jener in sich tragt. 2 ) Dieser Gedanke halt sich ganz auf 
der Linie des bisherigen : indem der Mensch Jesus Gott uns nahebringt, 
wird der aktive Anschlufi an ihn zugleich zum Erleben der Gottheit. 
Aber wie die Seele Jesu durch ihre Tugend zur . Vereinigung init dem 
Logos kam, so ist auch bei den Christen die eigene fromme Bemiihung 
der Weg zu der Yereinigung mit der gottlichen Natur oder dem Logos. 3 ) 
So sehr nun diese Gedanken fur Or. im Yordergrund stehen, so 
weifi er doch, da6 des Christen Heil und Rettung von Christi Leiden 
und Sterben abhangen (z. B. c. Cels. I, 54 cf. 61 fin.; II, 23. 44): 
/.al TOV 9'dvaTOv avTov ov f.wvov ftccQddei.y/.icc txxeiff&ai xov vj 
suoefielag cmofhijoxeiv, aKKa yaQ "/.at slgydod-at agyjiv v.a.1 
rfjg. -/.ara^vastos TOV TCovr^qov xal dcafidlov (ib. YII, 17). BLiernach 
tritt Ghristi Tod unter die Gesichtspunkte der Erlosung aus der Gewalt 
des Teufels und der Damonen, des Gott dargebrachten Siihnopfers und 



1) Die letzte Stelle lautet: ols (den Christen) ^ no. a a 

ti]S rt iarsco s 6 &eb^ y.al al Sia rov XQIOTOV Tteqi icov Sixaicov eTtayyekiai 

itjov dSixcov al ?te<)l xoldoews SiSaaxakiai. Dagegen wird in Eom. Ill, 7 (Lomm. 
VI. 201 f.) (las sittliche Naturgesetz von der Gerechtigkeit CKristi scharf unter- 
schiden und die Erkenntnis der Gottessohnschaft Ghristi ihm abgesprochen. 

2) de princ. IV, 31 : umisqiiisque post lapsum vel post errorem expurget se 
maculis, exemplo proposito, et liabens itineris ducem arduam mam virtutis incedat, 
ut sic forte per hoc in q_uantum fieri potest, per imitation em eius parti- 
cipes efficiamur divinae naturae, vgl. in Joh. XIX, 14, 86.' 

3) Die altkatholische .Anffassung der n lmitatio Christi" kommt hierdurcli 
zu klarern Ausdruck, s. clariiber E. Seeberg, Aus Rel. u. Gesch. I, 11 f. Den 
Grmidgedanken der mittelalterlichen Mystik spricht schon Or. aus : xal acofiarixais 
ye ).a).oij/j.EVog y.ui cos oa^ ojtayyehofisvos, eyS eavtbv xakel robs SVTOLS. ad^'/ta, Iv 
(titrovs 7tOLi\ari rtqiatov fiogrfcofrfjvai y.dTa. ibv loyov tbv ysv6f.isvov a&qvM- v.ai ftsra. 
IOVTO a-d-uaiis dvKj3t.fi dot] KTU rb iSeZv avrbv OTte^ fjv nqlv yevyrai ad^ (c. Gels'. 

VI, 68). 



Der Tauschung des Teufels bei Origenes. 431 

der Reinigung der Menscben von den Siinden, der Vertretung derselben 
bei dem Vater (vgl. Tboinasius, Orig. S. 22 Iff.). 1) Durcb die 
Siinde baben sich die Seelen der Menscben dem Teufel ergeben. Jesus 
gab nun seine Seele (sein Leben) in den Tod als ein ^VTcAJkay^iu oder 
IWQOV jene vom Teufel zu erkaufen (in Ex; h. 6, 9 cf. c. Gels. I 7 31. ad 
mart. 12 fin. in Mtth. XII, 28; XVI, 8 Lomm. IV, 27 f. in Job.. VI, 
53, 274. in Rom. II, 13 p. 140; HE, 7; IV, 11; V, 9). Der Teufel 
ging auf den Tausch ein ; er war aber betrogen, da er die reine Seele 
Ghristi nicht zu balten vermochte und docb um des Losegeldes willen 
die Menscben freigeben inufite: o&rog yap expcrret fjfi&v ewg do&fi ib 
vftSQ fyicbv amfy hvcqov fj rou 'Irjaov ifjutf] <XTCarr]$evTi cog duvapevci) 
avrfjg uvQisvaai 7.01 ov% oQcovti, C OTL ou cpegtt TTJV inl TO xaTe%etv 
ami]V fidaavov (in Mt. XVI, 8). So wurden die menscblicben Seelen ~^- 
auch die im Hades befindlicben frei von der Grewalt des Teufels und 
seiner Damonen (s. c. Gels. II, 47. VIII, 54. 27. 64). Und dieser 
Sieg liber den Teufel bewabrt sich -bis zur Stiinde in den Austreibungen 
der Damonen durcn cbristliche Bescbworer, die das ,,im JSTanien Jesu" 
tun (c. Gels. VII, 4. 64. 69. VIII, 58. I, 67). An der tJberwindung 
der Damonen lag jener Zeit viel, -well ja die heidnisclien Grottneiten 
Damonen sein sollten. Dafi diese Grotter bose sind und daB der gute 
Cbristus sie iiberAvindet, das erkannte man an den Damonenaustreibungen. 
Die Idee von der TJberlistung des Teufels, die Her zum erstenmal klar 
ausgesprochen wird, bat Or. sicberlich aus dem Volksglauben uberkommen, 
aber er bat sie in die Literatur eingefiibrt. - 1 ) .Sie machte den ; ,Sieg" 
Cbristi iiber den Teufel anscbaulicb und verlegte ibn docb in der Spbare 
des geistigen Lebens ; das mag Or. angezogen baben, aber es bleibt auf- 
fallend, dafi er ziemlicb baufig diesen Gredanken verwendet. 2) Die 
Siinde bedarf einer propitiatio Grott gegentiber, diese gescbiebt durcb 
Darbringung eines Opfers. Christus ist der Hobepriester, welcber sein 
eigenes Blut oder seinen Leib fur uns Grott als fleckenloses Opfer dar- 
bracbte, damit dieser dadurcb uns gnadig werde und die Siinde vergebe. 2 ) 



1) Der dem Teufel gespielte Betrug kommt in einigen Variatiouen zur Dar- 
stellung. Mt. 12, 29 wird von Or. herangezogen : der Teufel sei von Christus 
an das Kreuz gebimden und darauf habe Christus sein Hans betreteu und seine 
Gefafie gerauLt (in Rom. V, 7. Lomm. VI, 407). Die wunderliche Vorstellung 
liest sich. \vie eine judenchristliche Erlanterung des Triumphes Christi am Kreuz 
(Kol. 2, 14 f.). Mtgewirkt haben mag der Gedanke, daB der vou dem Teufel bei 
dem Siindenfall gespielte Betrug ihrn so vergolten wurde. 

2) in Born. Ill, 8 (Lomm. VI, 205): per hostiam sui corporis propitium 
hominibus facer et deum. VI, 12 (VII, 69): quod hostia pro peccato factus sit 
Christus et oblatus sit pro purgatione peccatorum. in Lev. h. 1. 3: nonsolum 
pro terrestribus, sed.etiam pro coelestibus oUatus est hostia lesus, et Me quidem 



432 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

Die Pai'allele zu den alttestamentlichen Opfern bringt es mit sicli, dafi 
als Gegenstand des Opfers der Leib oder das Blut Christi bezeichnet 
wird, doch soil fur die himmlischen Wesen Christus seine korperliche 
Lebenskraft dargebracht haben. SchloB die Parallele zu den alien Opfern 
die geistige Selbstbingabe aus, so wurde es welter verhangnisvoll, dafi 
Or. das Opfer . in der iiblichen popularen antiken Beziehung als Um- 
stimmung Gottes auffafite oder in ihm auch eine geheimnisvolle Wirkung 
zur Entmachtigung der Dainonen erblickte. 1 ). Or. ist u. "W. der erste 
Theologe, der das "Werk Christi konsequent und ausfiibrlicb als Opfer, 
und zwar nacb der Weise der heidnischen Opfer, auffafite. Die bibli- 
zistische Neigung alle Bibelgedanken praktisch auszudeuten, hat ihri auf 
diese Babn getrieben und die schelrfe Trennung des Menschen Jesus von 
dem Logos bat ibni die Durehfuhrung dieser Opferidee ermoglicht. Sein 
Gedankenkreis fand darin seinen Abschlufi, dafi er Jes. 53 auf Christi 
Leiden deutete, und so das Opfer stellvertretenden Charakter empfing 
(in Job. XXVIII, 19, 165). Damit ist der Opfergedanke zum Ausdruck 
der Wirkung Jesu auf Gfott zum. Zweck der Stindenvergebung geworden. 
Da nun die popular Auffassung diese Opferidee nur im Sinn der 
vulgaren Yorstellungen begreifen konnte, so hat die Autoritat des Or. 
sicher viel dazu beigetragen, Cbristi Tod irmner mebr als eine aufierliche 
Leistung anzusehen, durch die Gott versobnt und umgestimmt wurde. 
Damit wurde aber wieder die urcbristliche Anschauung an einem wichtigen 
Punkt verschoben. Nicht mehr der Hohepunkt der geborsamen Hingabe 
in G-ottes "Willen, sondern eine dinglicbe Einwirkung auf Gott ist der 
Tod Christi, er bringt Gott seinen Leib dar, wahrend die Seele dem 
Teufel gegeben wird. Indem Cbristus als das Haupt der Gemeinde (in 
Lev. h. 1, 3) so fur uns eintritt, .wird Gott mit uns und werden andrer- 
seits auch wir mit ihm versohnt (in E,om. IV, 8). Dies Werk der Ver- 
sohnung erstreckt sich iiber die Menschenwelt binaus in die Engelwelt 
(in Job. I. 35, 255. in Mtth. XHI, 8. c. Gels. TO, 17). Ja es scheint, 
als ob Or, auf eine Fortsetzung der Leiden Christi im Himmel hin- 



pro hominibus ipsam corporalem materiam sanguinis sui fudit, in coelestibus 
vero . . . vitalem corporis sui virtutem velut spirituale quoddam sacrifichim 
immolavit. in Num. h. 10, 2; 24, 1: ad occisionem ductus et in sacrificium 
altaris oUatus peccatorum remissionem universo praestitit mundo. Dicitw 
tamen agnus, quia voluntas et bonitas eiiis, qua deum repropitiavit hominibus, 
et peccatorum indidgentiam dedit. Quoniam . . . propitiatio non fit nisi per 
liostiam, necessarium fuit provideri hostiam. 

1) C. Gels. I, 31 eixbs ya<) elvni m> ifj yvaei, iwv Ttoayft&icov y.ard nrae 
anoq (Jtjrovg y.al SvahfriTovs tols TtoV.ois ).6yovs y-vaiv loiavtrp, me eva Sixcuov i>neo 
tov y.oivov aTtodavovTci exovaicos curotgoTtiaafioiis sfiTtoiefv ymjl.an 1 Saipovimv evefi- 
).otfiovs etc. ; c. in Job. XXVIII, 19. 162. 



Die Erlosung durch. Christ! Leiden uud Intercession. 433 

gedeutet hat. 1 ) So ist denn Christi .Leib das Opfer, das Gott zur 
Yersohnung fur die Sunde dargeboten wird, indeni zugleich seine Seele 
als kvTQOV Satan anheiingegeben wird. 3) Das Erlosungswerk wird von 
Christus dtirch alle Zeit:hin fortgesetzt und erhalten. Ihm dem Haupt 
der Gemeinde ist die Bekehrung und Heiligung seiner Glieder ein 
dauerndes Anliegen (in Lev. h. 7, 2). Dies verwirklicht Christus aber, 
indeni er als Logos seine Her rschaft iiber die Welt ausiibt und sich 
und dadurch dem Yater alle Menschen unterwirft (in Job.. I, 28, 191 ff. 
de princ. Ill, 3, 3). Christus herrscht aber durch .das geistige Gesetz 
Gottes, nicht zwingend und vergewaltigend, sondern lehrend, einladend, 
uberzeugend, durch sein Beispiel wirkend und durch seine gottliche 
Macht die Herzen zur Annahme der Wahrheit bewegend (in Rom. IX, 39 fin. 
de or. 25, 1. c. Gels. YII, 17. Yin, 43). Vult enim in isto cm-pore 
ecclesiae suae et in istis membris populi sui ipse velut anima habitare, ut 
omnes moius atque omnia opera secundum ipsius habeal voluntatem (in 
Lev. h. 7, 2 Lomm. IX, 296). So" lebt und wirkt er in den Menschen 
(c. Gels. YI, 9). Dadurch aber wird die Einigung zwischen gottlicher 
und menschlicher Natur, wie sie in ihm ihren Anfang nahm, allmahbich 
auf das ganze Menschengeschlecht ausgedehnt. 2 ) Wie Irenaus vergegen- 
.vvartigt sich Or. also das "Wirken Christi in deni geschichtlichen Prozefi 
der Durchdringung der Menschheit durch den Greist und die Krafte 
Christi. Christus ist ihm die geistige Macht, die die Greschichte der 
Menschheit gestaltet und sie durch einen Entwicklungsprozefi auf die 
Hohe geistiger Religion und Kultur fiihrt. An dieser Herrschaft Christi 
empfand man die absolute Bedeutung der Erlosung und des Erlosers, er 
unterwirft alle und er wird dadurch alien alles. Diese urchristlichen 
Gedanken sind .von Or. kraftvoll nachempfunden worden mag auch 
sein Intellektualismus das lehrhafte und gesetzliche Moment einseitig 

bevorzugen , das ist von hochster Bedeutung geworden fur die Ge- 

schichte der griechischen Theologie (s. Athanasius). 4) Aber auch 
die andere Seite in Christi Werk wirkt in dem Stand der Erhohung 



1) de prillC. IV, 25: el &OTte^ evfidSe oi>y, aidotifis&a aiav^o/nsvov ouokoyeiv 
7tl y.a&aiQSQst, &v "/.a-d'elke : ia rov TCeJtovQi-vo.1 avrco TO ~s.ay.eT Tta^aTC^rjatov SiSovres 
yiveod'ai ifn */.al s^fjs sfti irjs ovfreheias TOV Ttavxbs aiaJvos oil <po@/]i)'r l ffdfied'a, Vgl. 

die Ubersetzung des Hieronymus. . In Rom. V, 9 (Lomin. VI, 407) wird aber 
ausdriicklich in Abrede gestellt, quod in futuris seculis ml eadem vel similia pati 
necesse sit Christum. . 

2) dn? Ky.etvov tj^^ato &eia, -pat, av&Qto'jiii'ri ovwfpaivead'ai cpvats, "w fj Avd'gco- 
Tiivr) ifj Tigbs TO tysioiefjov. y.oivcovia yevt]ta.i d'sia. o.i>% sv /.i6vct) 110 'J/jaov dM,a tsai 
jiaai Tots fisrd rov TtiaTetisiv Avphafiftdvovai fiiov, 8v 'Jqoovs sdiSai-ev, dvayayovrn 
eTCl TTJV Ttgbs tbv d'sbv yiiliav y.al TrjV ttgbs exeliw y.oivcovittv Ttdvra rbv y.ara TS 

imod-rfy.as ^covrn (c. Gels. Ill, 28). 
See berg, Dogmengeschi elite I. 2. Aufl. 28 



434 lo.' Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

welter fort. Christus ist fortdauernd der Anwalt fiir die menschlichen 
Siinden bei Gott, er ist der Mittler und Hohepriester, der auch unsere 
Gebete und "Werke als \\nser Opfer vor Gott tragt, der uns bei/ ibm 
durcli sein Opfer . vertritt und uns zu ihm hinfiihrt. Das alles abei- 
geschieht, daniit die Menschen sich bekehren, damit sie Jesu Beispiel 
nachahmen und dadurch zu der Vereinigung mit dem Logos gelangen, 
die in der Person Jesu vorgebildet ist. 1 ) Dies ist der durchschlagende 
Gresichtspunkt, in den alle Betrachtungen des Or. ausmiinden. Darum 
handelt es sich, dafi der mrksame Logos, wie er den 'Menschen Jesus zu 
seinem Organ gemacht hat, er durch ihn die ganze Menschheit der Herr- 
schaft Gottes unterwerfe. Indem Jesus aber das Haupt der Mensch- 
heit ist, wird diese durch ihn imd schliefilich .mit ihrn der unmittelbaren 
Herrschaft des Vaters unterstellt (de princ, HI, 5, 6). 

18. Die Einwirkungen Christi auf die einzelnen Menschen erfolgen 
vor allem durch die Verkiindigung des Evangeliums. Darunter ver- 
steht Or. die neue Gesetzesordnung und Yerfassung, die Ohristus ge- 
bracht hat. und durch die die jiidische Lebensordnung aufgehoben ist 
(z. B. c. Gels. VII, 26). Dies neue Gesetz kann einerseits als eine 
Restitution des sittlichen Naturgesetzes angesehen werden (oben S. 429), 
andrerseits reicht es iiber dies hinaus, sofern es Christus oder die Grerech- 
tigkeit Gottes zum Inhalt hat. 2 ) Freilich stellt sich die Vei-kiindigung 
des Ohristentums dem Or. haufig als neue Gesetzespredigt dar. Auf- 
Idarung der Yernunft d.urch die heilsamen Lehren und Gebote scheint 
dann der Inhalt des Wortes Gottes zu sein. "Was der Logos der Kirche 
gibt, ist die eminentia dogmatum et seientiae, dostrinae spiritualis pleni- 
tudo, ,,das allein wahre "Wort" (in cant. Lommatzsch XIV, 334. 357 f. 
370. 417). Aber die Verkiindigung des Evangeliums ist nicht blofi die 
Darlegung einer Lehre, sondern in ihr wird die gottliche Gnade wirksam. 
Die schonste Hede kann wirkungslos verhallen oder nur ein allgemeines 
Ergotzen erzeugen ; dazu, daB das Wort auch das einfaltige und 



1) s. c. Gels. Ill, 34. V, 4. VII, 46. VIII, 4. 26. 34. 36 f. in Lev. h. 7, 2 
Lomm. IX, 291. 292): pro Ms ergo omnibus adsistit nunc vultui del, interpettans 
pro nobis, adsistit altari, ut repropitiationem pro nobis offerat deo . . . Exspectat 
ergo, ut convertamur, ut ipsius imitemur exemplum, ut sequamur vestigia eius. 
Dies ist also der Hauptgesichtspunkt. h. 9, 8f. Auch die Leiden und Verclienste 
der Apostel und Martyrer haben siihnende Wirkimg zur Silndenvergebung s. exh. 
ad mart. 50. in Num. h. 10, 2. 

2) iu Eom. Ill, 7 (Lomin. VI, 199 f. 201 f.): Lex naturalis potest occasiones 
praebere et intellecttim dare . . . vel ad ea, quae inter homines agi aequitas 
poscit, vel ad hoc ipsum, ut esse sentiat deum. Deo Ghristo autem, quod sit 
filius del, sentire naturaliter quis potest? Ideo ergo sine hac lege iustitia del 
quae est Christus manifestata est. 



Das Evangelium und die Taufe bei Origenes. 435 

scblicbte wirkt, gebort,' daft die Grnade in dem Redenden wirksam 
ist, oder aucb die ScMcksale des Lebens wirken in dieser Weise. Aber 
nicht nur in dem Redenden ist diese Kraft wirksarn, sondern sie mufi 
aucb den Horern zuteil werden. Km- unter diesen Yoraussetzungen 
wird das Herz bewegt und getrostet, .erneuert und gebeiligt, wie es auch 
der Lesung der Schrift zum geistlicben Yerstandnis und zur Erneuerung 
bedarf. 1 ) So ist fur Or. die Heilsverkiindigung einerseits Gesetzespredigt, 
aber diese ist nur dann beilskraftig, wenn sie von der Kraft des Logos 
gewirkt und begleitet ist. Der Intellektualismus, den man bei Or. findet, 
entstammt dem apologetischen Interesse, den geistigen iind moralischen 
Cbarakter der cbristlicben Yerkiindigung zu wabren und sie itber die 
philosophischen ,,Lehren" stellen zu konnen, aber die cbristlicben 
Gredanken, die wir angefiibrt baben, diirfen biertiber nicht tibersehen 
werden. 

Sowobl in der Kircbe des Abendlandes als auck des Morgenlandes 
haben sicb die spezifiscben Momente der Erlosungsreligion , iminer mehr 
in die Mysterien gerettet, freilich nicbt obne in dieser Spbare allmablicb 
auf die Stufe der Naturmagie binabzusinken. 2 ) Wir saben, daB Clemens 
den magiscben Charakter von den cbristlicben Mysterien nicbt ganz fern- 
.zubalten vermocbte (oben S. 362). "Wie stebt es mit den Mysterien 
bei Origenes? Die Ta.ufe ist ber Or. ein kirchHcber Akt, iiber den 
es feste Lebren gibt, und der bereits von den Teilnebinern nicbt selten 
' mifibraucht wird. 3 ) Yon den alten Problemen (Wasser- und Geisttaufe), 
die bei Tertullian und Hippolyt nocb so deutlich wabrnebmbar waren, 
bat Or. nicbt mebr ein BewuBtsein. Er bait es fiir selbstverstandlicb, 



1) in Bom IX, 2 (Loinni. VII, 292 1): non solum in verbo del ecclesiam 

docentibus adesse gratiam, . . . sed et in omnibus fer.e quae aguntur in vita. 

Sic ergo alia virtus est sermonis, qui per gratiam dicitiir, et alia vis docirinae 
potestas. Alius autem sermo est ex eruditione communi, qui quamvis lautus sit 
et arte composes, tamen si non per gratiam vel dicitiir vel scribitur , delectare 
fortassis potest legentem, addueere autem ad profectum non potest auditorem. 
Paiilus . . . et auditoribus suis precatur gratiam dari. Ib. IX, 3 p. 309: si 
vero sermo habens virtu tern gratiae dei fiierit adhibitus, tune cor ews 
penetrat et consolation-em praebet ac spem revocat desperatione submota. Ib. IX, 
1 p. 288: quanta quis ex script^l,rar^<,mproficit lectione, . . . tanto semper 
noviis et quotidie novus efficitur.- 

2) Taufe und Abendmahl habeu sich dein Celsus als isfatai (-z&eiov) dar- 
g-estellt, c. Gels. Ill, 59. 55. 

3) in Born V, 8: apostolorum temporibus non, ut nun'c fieri videmus, typus 
. tantummodo mysteriorum his, qui bapti?abantur, sed virtus eorum ac ratio trade- 

batur. iu Luc. h. 21 (Lomm. V, 165). Die trinitarische Taufe halt Or. fin; selbst- 
verstandlich (ib.); die Johannestaufe war wax. in lege, nicht in Christo (ib. und 
.in Joh. VI,. 33, 168). 

28* 



436 - 15- Die Theologie der alexaudrinisclien Vater. 

dafi alle auch die kleihen Kinder, sind sie docli in Siinden enipfangen 
und geboren - 1 ) nur durch die Taufe.Yergebung der Siinden, die neue 
Greburt und den heil. Gfeist erlangen konnen. 2 ) Siindenvergebung und 
Gfeistmitteilung werden nicht niehr voneinander gesondert. Der Geist 
wird als bei der Taufe dena Wasser irgenwie gegenwartig gedacht, aber 
eine physisclie Vereinigung beider scheint Or. nicht anzunehnien , da 
keineswegs alle, die getauft werden, auch die Gfeistgabe erhalten.^) Das 
"Wasserbad der Taiife ist uberhaupt ein Symbol der gereinigten Seele, 
d. h. die besondere Darstellung der durch Ghristus bewirkten Reinigung. 
gerade so wie Christi Heilungen nur eine besondere Form oder ein 
Symbol der fortlaufenden Befreiung von alien IJbeln durch den Logos 
sind. Wie nun der Einzelne von diesen Wundern Nutzen empfangt, 
so wird auch die Taufe dem, der sich dem dreieinigen Gott hingibt, 
durch die Kraft der Anrufungen zum Anfang und zur Quelle der gott- 
lichen Gnadengaben. 4 ) Or. nieint also, dafi die Taufe ein Symbol der 
Eeinigung ist, sof ern sie in besonderer Form 5 ) die Reinigung darstellt, 



1) Bes. in Lev. 8, 3, Sonstiges s. oben S. 363 A. 2. 

2) fia.Tt'ciaa.ad'a.i vSan xal 7t-i'eijfia.n els ayeaiv afiagTicov (ad mart. 30) ; in 

spirit, sancto et aqua de superioribus baptizatur (in Eom V, 8). per aquam et 
spiritum ablui (ib. V, 9) ; in spiritu sancto baptizari, und dadurch nova nativitas, 
renatus de superioribus (ib. V, 8. in Mt. XV, 23) etc. 

3) in Joh. VI, 32, 162: oil aeof.iany.bv ycc.^ lov sxsivov (Christi) fidTtnafia, rbv 
[leravoovvra. Ttkqoovvros aylov TtvevpaTos y.al d'eioreqov nvgbs TI&V vhtxbv d<pam,ovTOs. 
Ib- 169: Ttahvysveolas bvo^iatpfiBvov ^OVTQOV fiera &va.y.ruvcbaecos yivofievov Ttveti- 
uatos, TOV xal vvv em<pe(>o/.ievov, STtsiSi] Tta^a. d'eov eativ, sitdvw TOV tiSatos, d)J' 
oil Ttaaiv fiera TO vda>(> eyyivofievov. . 

4) in Joh, VI, 33, 166: &OTISQ at y.ata TUS yeyevrjfitvas iiitb TOV ocoffjoos 
tyepaTteias TeodaTiot Swd/ueif, aljf.ifioka Tvy%dvovacu loiv del l.oytp TOV d'eov drtalhctTTO- 
ftevcov Ttdarjs voaov '/Mi ficchaxias, ovev TITTOV y.al acofiaTixws ysvofievai oavrfaav els 
Ttioriv TtooaxaAeodfievai TOVS sveoyeTijd'ev'ras OVTCOS ** TO Sta TOV vSaTOS 
OTj(.tfSoKov Tvy%dvov na&aoaiov ifru'/fis TtdvTO. jmTtov ibv aTtb xav.ias 

ovdev fjTTOV xal -/.ftd* nvib TCO e/u,7iaoe%ovTi eavrbv t7\ d'eioTrjn Tfjs Swdfiecos i(av 
Tfjs 7tt)oay.vvr[Tfjs ToidSos E7uvh)}a&wv BOTIV f] %aoia[idTcov -d'eicov doyjj y.al yrqyij. 

Dieser Text (ed. Preuschen S. 142) ist von Tf,s Swd^ecos an unverstaudlieh, Basilius 
de spir. s. 29, 73 citiert die Stelle in f olgender Gestalt : T/J deo^n Tfjs Ttooaxw'^^ 
Toiddos Sid Tijs Swdfiews rcov emxlijaewv etc., m. E. hat so oder ahnlich der ur- 
sprungliche Text gelautet. ' 

5) Sfypofav ist das Zeichen oder Merkmal (in' Joh. XXXII, 6, 65. 87. VI, 
49, 257), dann das Vorbild (ib. XIII, 59, 407; 62, 437) oder das SinnMld (ib. X, 
12, 63: 15, 85. XIII, 54, 369. XXXII, 21, 268), dann aber auch die einzelne, 
besondere Erscheinung als Darstellung von etwas Allgemeinem (ib. X, 24, 142. 
XX, 39, 377: die Blinden im Evangelium sind Symbole der menschlichen Blind- 
heit. X, 12, 63 : mit Christi Opfer sind alle Opfer verwandt, as aTjpflokov slaw 
ai vofiwai). Das Symbol ist bei Or. ein sinnliches Ding oder ein besonderes 
Geschehnis, das Ausdruck, Abbild, Erscheinung von etwas Allgemeinem ist, daher 



. ;Taiife und Bnfie bei Origenes. 437, 

die Christus wirkt, und die in der Taufe denen, die nach Gott streben, 
zuteil wird , indem die Gebete bei der Taufe sie zum Ausgangspunkt 
der Geistmitteilung durch Gott machen. Diese Anschauung von der 
Taufe ist weder ,,symbolisch" in modernem Sinn, noch aucb magisch. Or. 
ist der Ansicht, dafi deni, der das Heil sucbt und sich innerlich auf 
die Tatife vorbereitet, durch sie die Heilsgaben zuteil werden , die im 
iibrigen auch auf anderen Wegen von Christus gegeben werden. 
Also Siindenvergebung und heil. Geist werden den Heilsbegierigen durch 
die Taufe zuteil, und zwar denen, die sich um diese Giiter bemiihen. 
Das sind einfacbe altchristliche Gesichtspunkte. Die Betonung der inneren 
Stellung des Menscben zu der Sache, sowie der Gedanke, dafi die Taufe 
nur eine besondere Form der Gnadenwirkung Gottes ist, halten den ma- 
giscben Mysteriencharakter von der Taufe ab. 

An die Taufe scbliefit sicb aucb bei Or. das Bufiinstitut an. An 
sich kennt das Christentum, nach Or., nur die eine, durch die Taufe 
gewahrte Siindenvergebung. Indessen .gibt es eine Anzahl. von Mittehi,. 
durch die der Sunder auch fiir Siinden nach der Taufe Vergebung er- 
langt. Es sind folgende : aufier der Taufe, das Martyrium, das Al- 
mosen, die Vergebung unseren Schuldigern gegeniiber, die Bekehrung 
eines Siinders (nach Jak. 5, 20), die Liebe (nach Luk. 7, 47), endlich : 
dura et Idboriosa per poenitentiam remissio peccatorum', cum 
lavat peccator in laerimis stratum simm et fiunt ei lacrimae suae panes 
die et- node, et cum non erubescit sacerdoii domini indicare peccatum suum 
et quaerere medicinam (in Lev. h. 2, 4 Lomm. IX, 192f.). Der Priester, 
aber ebenso auch jeder erfahrene Christ soil nun geistlich auf den reuigen 
Sunder einwirken, und ist, sof ern und weil er selbst Gottes Geist in 
sich tragt, berechtigt deni Siinder an Gottes Statt die Siinden zu ver- 
geben oder aufzubehalten. 1 ) Nicht auf die priesterh'che QuaKtat als 
solche, sondern auf die Ausriistung niit Geist und auf das Geschick 



dann auch das Besondere als Erscheimingsform des Allgemeinen, dies ist an unserer 
Stelle der Sinn des Wortes. ' ' 

1) in Lev. h. 5, 4 : discant sacerdotes domini , qui ecdesiis praesunt . . . 
Quid, autem est repropitiare delictum? Si assumseris peccatorem et monendo, 
hortando, docendo, instruendo adduxeris eum ad poenitentiam, ab errore correxeris, 
a vitiis emendaveris et effeceris eum talem, ut ei converso propitius fiat deus 
pro delicto, repropitiasse diceris; s. noch h. 5, 12 (Lomm. IX, 269), de orat.. 28, 8 : 

6 de e(.i7ti>eva\)eis vjtb tov 'Jqoov cas oi a7tooTo),oi, . . . d>s %cof)i]aa.s to Tt-vsvua, 16 
uyiov y.ai yev6fi&i>os TtvevfiaTixos f(3 VTCO TOV TtfEVfiaios ayeod'at. ifiOTtov vlov &eov 
ey sy.aaiov iwv y.aia. \6yov Tt^ay.tEcov, dyiiyatv S sav &cpi] o frees xcu n^arel TO. 
a, tcov afia^Tr/fidTcov, iin^QBTcov wans^ oi Tt^ocf^iru sv rta teyew oil ra 'idia, 
id tov &siov fiovhrffiaTOs i(5 &ec3 ovico r.ai avibs tiy ftavco e^pvaiav e%oi>Ti 
fiJ. In Mt. t. XII, 14. . . . : - 



438 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

und die Erfalirung x ) komnit es also bei deni Leiter der Bufie an, einmal 
well er den Siindern geistlich erzieheii soil, sodann well er ein Urteil 
dariiber haben mufi, ob die Siinde vergeben werden kann oder nicht, 2 ) 
und endlich well er nur so die gottliche Funktion der Yergebung aus- 
zuiiben vermag. Die Yergebung erstreckt sich aucb auf schwere Siinden, 
wobei aber Or. am Anfang die eigentlichen ,,Todsiinden" (Grotzendienst, 
Ekebruch, Hurerei) von der Yergebung ausgeschlossen hat, und auch 
spater iin Prinzip nur eine einmalige Yergebung fur sie kennt, freilich 
redet er aber konkret dock so, als wenn es auch fur diese Siinden Bufie 
gibt, darin der kirchlichen Praxis folgend. 3 ) Die Sacblage ist deninack. 
die, dafi es fur Todsiinde prinzipiell iiberhaupt keine regelinafiige Yer- 
gebung gibt, dafi bei den geringeren Siinden der Sunder si en selbst 
vermoge der oben aufgezahlten Mittel Yergebung erwirbt, und dafi end- 
lich fiir die zwiscken beiden Gebieten liegenden sckwereren Siinden 



1) S. bes. in ps. 37 h. 1, 1; 2, 6: circumspice diligentius, cui debeas confiteri 
peccatum tunm; proba prius medicum, . . . qui sciat infirmari cum infirmante, 
flere cum fiente, qui condolendi et compatiendi noverit disciplinam, ut ita 
demum ... si quid consilii dederit, fades et sequaris, si intellexerit et praevi- 
derit, talem esse languorem tuum, qui in conventu totius eccksiae exponi debeat 
et curari. Der BeicMiger, von dem Mier die Eecle ist, ist nicht als Priester 
qualifiziert, die Eigenschaften, die verlangt werden, ko'nnen ebenso bei einem Laien 
angetroffeu worden sein. Aber der Priester ist bei Or. der Eegel nacli mit der 
Bufizucht beauftragt, s. c. Gels. Ill, 51; freilicb. kann nur der fromme Bischof 
das faeiv und Sssiv mit Erfolg ausliben (in Mt. t. XII, 14) und jeder fromme 
Christ ist an sieh in gleicher Weise dazu qualifiziert (in Mt. t. XII, 10. 11. 14. 
XIII, 31). 

2) De or. 28, 9 : iaaaiv i)7tb tov Tive^ftaros SiSaoxouevoi, 7te<)i &v %f)r] dvacpepsii' 
tyvoias dfiagrrifidTaw . . . y.at yivcbay.ovai Ttspl &v oi> %$}] TOVTO Ttoisiv. Of. ill 
Mt. t. XIII, 30. Nocli Theognost ist der Ansicht, dafi fiir die, die den Geist 
empfaugen haben, oiiSejiia Tte^deiTtsrcu avyyvcofirjs fatokoyia y.al Tta^airrjais (bei 
Athanas. ad Serap. ep. 4, 11). 

3) Nach c. Gels. Ill, 51 ist es allgememe Praxis, den fao'/Maiaivovfes und 
der aoslyEia Vergebung zu gewahren nach vorangegangeneni AusschluC. In der 
friihen Schrift de or. 28, 10 werden eiScololar^eia, /.loi^sia, Ttoyvsia, von der Ver- 
gebung ausgeschlossen mit Berufung auf 1 Joh. '5, 16. In Lev. h. 15, 2 fin.: 
in gravioribus enim criminibus semel tantum poenitentiae conceditur locus, ista 
vero communia, quae frequenter incurrimus, semper poenitentiam recipiunt et 
sine intermissione redimuntur. Dagegen in Lev. h. 12, 3 fin.: si quis sibi 
conscius est, quod liabtai intra se mortale peccatum neque id a se per poeniten- 
tiam plenissimae satisfactions aliecit, . non speret, quod intret Christus in ani- 
mam suam. Ibid. h. 11. 2: Nunc (im NT. im Gegensatz zum AT. bei Ehebruch) 
vero non infertur poena corpori, nee purgatio peccati per corporate supplicium 
constat, sed per poenitentiam, quam utrum quis digne gerat, ita ut mereri pro 
ea veniam iwssit, videto. S. auch die Schilderung der Reue des BuGenden in 
Jer. h. 20. 9 (ed. Klostermann p. 191 1). 



BuBe urid Abendmahl bei Origenes. . 439 

und die konnten dann wokl auch sckwerste Siinden sein , die Bufi- 
zuckt in Wirkung tritt. Es wurde sckon friiker .(S. 365) auf den 
bessernden .und erziekenden Oharakter der griechiscken Bufidisziplin ver- : 
wiesen. 1 ) Aber , ein Punkt muB *noch beleucktet werden. Indena Or. die 
BuBbetatigung in ikren versckiedenen Fornien .zu. dem alttestamentlicken 
Opferdienst in Parallele setzt und sie -als verdienstliche Slikneleistungen 
auffafit (in Lev. k. 5, 4; ,2, 4; 11, 2, de or. 28, 9), wird der Bufie 
neben dem erziekeriscken Ckarakter nun dock die Art einer Gott ver- 
soknenden Leistung oder eines Opfers keigelegt. Sofern der Sunder 
sick selbst in seinem Gewissen straffc und Pein in seinem Herzen erleidet, 
kommt er in ein Feuer, das in bewakrt vor dem Gericktsfeuer (in Jes. 
k. 20, 9). Das Selbstgerickt entnimmt ikn also dem Gottesgerickt, ein 
Gedanke, der spater eine grofie Rolle gespielt kat. Die Bufie ist zu- 
nackst also eine Leistung, die den Menscken wieder gut mackt, aber sie 
ist dadurck auck eine versoknende Einwirkung auf Gott. Die kircklicke 
Entwicklung des Bufiinstituts trifft . in diesen Gedanken zusammen 
mit der niorak'stiscken Tendenz und den biblizistiscken Neigungen des 
Origenes. 2 ) 

Or. Ansckauung von der Euckaristie ist einfack. Die reifen 
Ckristen sollen die aiSQeal "koyr/.al Tqotpai enipfangen (c. Gels, in, 60). 
Die Speise, die ikn en zuteil wird, ist der Logos und sein "Wort als die 
wakre' Speise fur alle Seelen. 

Panis iste, quern deus verbum corpus suum essc fatetur, verbum est 
riutritorium animarum, verbuni de deo verbo procedens . . . . El potus 
iste , . verbtim est . potans et inebrians praed&rc corda bibenlium . . . . 
Non enim panem ilium visibilem, quern tenebat in manibus, corpus suum 
dicebat deus verbum sed verbum, in cuiiis' mysterio fuerat panis'ille 
frangendus. Nee potwn. ilium visibilem sanguinem suum dicebat, sed 
verbum, in cuius mysterio potus ille fuerat effundendtis. Nam^ corpus dei 
verbi aut sanguis quid aliud esse'potest nisi verbum, quod nutrit, et 
verbum, quod laetificat cor? (in Mttk. comm. ser. 85.) Das Wort Ckristi, 
dessen Symbol die Eleniente sind, ist also das Wirksanie im Abend- 
makl. Dies Wort oder dann die ganze geistige Person ist Seelenspeise, 
wie ja auck. die Apostel und iiberkaupt die Ckristen, ein jeder nack 
dem Mafi seiner Verdienste reine Speise wird fur die iibrigen Menscken. 3 ) 



. . 1) Vgl. kierzu z. B. Didascal 6. 7 p. 19 f. 25. 28 ed. Achelis-Flemming. 
Uber Or. BuBlehre s. die gute Untersuchung von Holl, BuCgewalt etc. S. 230ff. 
2) Die Bluttaufe des Martyriums bringt Silndenvergebung, aber hat auck 
stellvertretende Bedeutung, abnlich dem Opfer Christi (ad mart. 30. 50). 

. 3) in Lev. n. 7, 5 : lesus ergo . . . tota ems caro cibus est et totus sanguis 
eius potus est, qida omne opus eius sanctiim est et omnis sermo eius verus est . . . 



440. 15. Die Theologie der alexandrinisehen Yater. 

DenigemaB konimt den Elementen lediglich symbolische Bedeutung zu. 
Das Wort allein, welches bei der Feier, gesprochen wird, .bringt Nutzen 
dem, welcher reinen Sinnes und Grewissens der Eucharistie naht. Das sinn- 
liche Zeichen andert seine Natnr nicht, es wird verdaut und ausgeworfen 
wie jede andere Speise, nacbdem es seinen Dienst als Symbol erfullt 
hat. 1 ) Demnacb ist also Or. Lebre von der Eucharistie ganz symbolisch 
gehalten, und er. bat ein BewuBtsein davon, daB er mit seinen Gre- 
danken von der Anschauung der aTthovaTSQOi abweicht. 2 ) Or* meint 
also, dafi Christus selbst oder seine "Worte Seelenspeise sind, und daB 
die euchai'istischen Elemente dies symbolisch darstellen und dem Menschen 
naherbringen. Die alte Idee von der Gfegenwart des personlichen 
Christus bei der Abendrnahlsfeier hatte in der vulgaren Anschauung die 
materialistische Deutung empfangen, die die Eormel ,,Meisch und Blut" 
nahelegte, bei Or. tritt die spiritualistische Deutung zum ersten Mai mit 
BewuBtsein und ganz klar hez'vor. Der ursprungliche religiose Ge- 
danke, wie er in deni Marana tha sich ausspricht, ist also in doppelter 
Richtung rationalisiert worden, einmal indem man eine sinnliche Glegen- 
wart Christi in den Elementen annahin, sodann aber indem man die 
Avirkliche und besondere Gegenwart Christi bei der Handlung iiberhaupt 
in Abrede stellte. Die beiden Auffassungen haben ihre Existenz durch 
die Jahrhunderte gefiistet , weil jede der anderen das Recht zu be- 
griindetem Widerspruch lieferte und weil jede eberi dadurch das Existenz- 
recht ihrer Gfegnerin erwies. Beide batten zur Wahrheit Beziehung, 
aber freilich, die "Wahrheit lag nicht zwischen ihnen, sondern liber ihnen. 



Carnibus enim et sanguine verbi sui tanquam mundo cibo ac potu potat 
et reficit omne hominum genus . . . Post illius carneni mundus cibus est Petrus 
et Pcmlus et omnes apostoli. Tertio loco discipuli eorum et sic unusquisque pro 
quantitate meritomm vel sensuum puritate proximo suo mundus efficitur cibus. 

1) in Mt. XI, 14: auf Mt. 15, 17 folgt: to ayia&fievov ^co/.ia Sia Ipyov 
0"EOv '/.al s'l/tBij^ecas, '/.use avro ftev to iikixbv sis ir]V r.oihiav %co(>et y.al els dipeSpcova 
Ey.jSdttetni '/.a/to. Se tr\v emyevo/j,eyr]V cmrcij evfflv, "/.aia. ITJV dva?,oylaf Tijs nidiscos 
w(fs),iiiov ylvetai xal ifjs fov vov a'mov dta/3heyEcos dg&vcos ?tl TO dxpehovv r.al 
ovy f f] v/.rj tov ligtov d&},' 6 STX* aiiTcp el^rj^evos 'hoyos eatlv b cocp 

ibv firj dva^lcos rov y.vgiov ea&lovTa, u&iov. Kul lav-ia f.isv Ttefn lov 
y.al avfifiohixov acafiaros- 

2) Wie Or. selfost sich gelegentlich einer anders klingenden Ausdrucksweise 
bedient (z. B. C. Gels. VIII, 33 : a^iovs saS'lojuev a&fia yevof.ievovs Sia trff ei>%r]v 
iiyiov n y.ai, ayia^ov roi>s /usd* iiyiovs TtQO&eaecos aiiTco %()co[.ivovs Vgl. in Ex. h. 

13, 3, wo die Vernachla'ssignng des verbum dei mit der des corpus eius zu- 
sammengestellt wird und von der Vorsicht hei dem Empfang des corpus doming 
damit kein Stiiek davon zur Erde falle, die .Eede ist), so ist ihm auch fcekannt, 
daC die riTdovoreyot, eine noivore^a negl -djs efyatjioTias exdo%tf haben (in Joh, 
XXXII, 24, 310. in Mt. ser. 86). 



Siinde und Freiheit bei Origenes. . 441 

Wie Origenes die. Bufie iind das Martyriiim als Opfer behandelt 
hat, so ist ihm dieser Gesicbtspunkt, aucb bei dem Abendmahle gelaufig. 
Seiner Grrundanscbauung nacli .deutet er aber dies Opfer auf das geist- 
liebe Verstandnis Cbristi iin Grlauben und Gebet. 1 ) 

19. Die Einwirkungen des Logos aiifzunebmen ist der Menscb be- 
fahigt durcb die vom menscblicben "Wesen untrennbare Freibeit. 
Zwar ist die inenscblicbe Seele in dem vorzeitlichen Ealle gegen Grott 
.ungeborsam geworden. Die Allgeineihbeit der Siinde stebt dauiit fest 
(vgl. sub 14). .ZTioog xb &i.iaQTdvEiv jiscpvyicc^ev (c. Gels. Ill, 66. 62). 
Td%a de %ai KCCTCC j.iev ri]v yeveoiv oudels earl xa#a0g ajtb gvnov 
ovd' d {da r,fiQa ely ?/ fru?) avrou, Hiob 14, 4f. (in Mtth. XV, 23). 
Wozu sonst bedurfte .es der Kindertaufe (in Lev. b. 8, 3. in Rom. 
V, 9)? Zu jener vorzeitlicben Siinde kommt nocb, dafi die Seele durcb 
die Vereinigung mit dem Leibe weiter verunreinigt wird (in Luc. b. 14 
Lomm, Y, 134. in Lev. b. 8, 3; b. 2, 4. c. Gels. VII, 50), ferner be- 
acbte man die Herrscbaft des Teufels' und der Damonen iiber die Seele, 
die Yerfestigung der Siinde in der Seele durcb die Gewalt der bosen 
Triebe und unter dem Einflufi des bosen Beispiels (de pr. HE, 2, 2. c. 
Gels. HI, 69). Somit kann gesagt werden, dafi von Adam an die Siinde 
in alien Menscben ist, und dafi der Tod wie ein'Tyrann von Adam an 
alle Menscben raubt (in Rom. V, 9. 1 Lomm. VI, 397. 331. 339). 
Aber der (aedanke ist nicht der einer Erbsiinde, sondern eines Verbang- 
nisses, das von einem bestimmten Zeitpunkt an wirksanl ist. Die Siinde 
ist die Yereinigung mit der fCOQV)] vkrj und eine sxTQOTtrj artb &eov (in 



1) Die Hauptstelle in Lev. h. 13, 3: Die Schaubrote sincl Vorbilcl auf 
Christus, ilium panem pi-opositionis, quern proposuit deus propitiationem per 
fidem in sanguine eius; et si respicias ad illam comryeinorationem, de qua'dicit 
dominus : ,,hoc facite in meam commemorationem", invenies, quod ista est comme- 
moratio sola, quae propitium facit hominibiis deum. Dies ist die 
damals schon vorhandene kirchliche Anschairang, die Eucharistie, nicht nur die 
Einsetzuiigsworte, ist eiri Gott versohnendes Opfer. Origeues selbst dagegen 
deutet den Schaubrottisch auf das Herz, die Brote auf den Glauben an den Vater 
iind Christus, also: in ipsiiis mente domino panis offertur (ib. c. 4). panibus fidei 
orationum vigilantiani . . . coniungere(o), vgl. H of ling, Die Lehre der altesten 
Kirche vom Opfer 1851, S. 172 ff. Der Streit iiber Orig. Ansicht vom eucharistischeii 
Opfer nach den einen ein wirkliches Opfer, z. B. F. Eenz, Gesch. d. ]\lefi- 
opfer-Begriffs I, 1901, S. 205, nach den anderen die glaubige Hingabe an Gott, 
Ho" fling S. 176 scheint sich mir sehr einfach zu lo'seii. Ersteres ist richtigv 
als Ausdruck der kirchlichen Anschaiiung, letzteres ist des Orig. spirituales Ver- 
standnis der Sache; beides verhalt sich zueinander wie die vulgaren Gedanken 
vom Abendmahl (s. die vorige Anm.) zu der origenistischen Theorie. Der Opfer- 
gedanke ist auch c. Cels. VIII, 33. 34 vorausgesetzt, er geht aber iiber die Dar- 
bringung der Elemente und Gebete nicht hinaus. ' 



442 15- Die Theologie der alexandrinischen Yater. 

Jot. XX, 16, 134; 22, 184). DaB nun aber der Menscb sick so von 
Gott ab- und der Materie zuwendet, bat seinen Grund in der Wandel- 
barkeit des menschlicben Willens (in Job. XXXII, 19, 255). Die freie 
Seele begibt sicb selbst in diese Knecbtscbaft (in Horn. V, 3. Lomin. 
YI, 358); nicbt in der Materie wurzelt die Siinde, denn sie ist nicbt 
gegen Valentin und Marcion Substanz des Menscben, sondern sie 
bat ibren Grrund in dem . freien "Willen des Menscben, der sicb eben dem 
Hyliscben ergibt (in Rorn. V, 12 in.). Or. ist also bemubt, die geistige 
Art der Siinde zu wakren. Wobl ist einmal vor . der Zeit die 
Seele abgefallen, aber indeni sie geistig ist, verwirklicht sicb der Abfall 
in vielen einzelnen Entscbeidungen, wobei freilicb die ruaterielle Art des 
Menscben, aber ebenso die geistigen Einwirktmgen, die in. der bosen 
Welt ibn umgeben, auf diese Entscbeidungen einwirken. Von Adam . 
beifit es : qui eum vel genuit vel doctcit in mortem. Non solum nativi- 
iaiis, sed et doctrincte, est,' in .quo mors regnavit . ab Adam (in Roin. V, 2 
Lomm. VI, 353). Daber wird der Menscb erst allinablich zuni Sunder. 
Das pewatorem esse ist etwas anderes als das peccare, dies entstebt durcb 
freien Entscblufi, jenes ist das Produkt der consuetudo und des usus (in 
Rom. V, 5 Lomm. A 7 I, 365 f.). Demnacb ist die Ereiheit vom menscb- 
licben Wesen unabtrennbar, sie und nur sie vollziebt die sittlicben Ent- 
scbeidungen, .durcb die. der Menscb zunacbst bose Taten tut, und dann 
durcb Wiederbolung jener Entscbeidungen zu der Habitifalitat des 
Siinderseins gelangt; Grott aber ist es, der der Menscben Grescbick diesen 
ibren freien Taten entsprecbend gestaltet. 1 ) Grriecbiscbe und speziell 
neiiplatoniscbe Anscbauungen (ygl. oben S. 391) sprecben sicb in diesen. 
Gfedanken aus. So ernst also die Siindbaftigkeit des Menscben fest- 
gebalten wird, so kann docb dadurcb nicbt ausgescblossen werden das 
avvE^OvOWV, die fortdauernde und unverlierbare Fabigkeit sicb frei zu 
entscbeiden. Ist aber eine ' solcbe Pabigkeit angenommen, so gilt sie 
selbstverstandlicb aucb in der Bicbtung auf das Gute. Es ware . Un- 
sinn, anzunebmen, da6 Gott dem Menscben die Fabigkeit auf dem. Seil 
zu tanzen gab, aber ibm nicbt die Fabigkeit verlieb, sein Heil zu wirken 
und die Seligkeit zu erwerben (c. Oels. Ill, 69). Nur bei der Annabnie 
der Freibeit erklaren sicb die etbiscben Mabnurigen der Scbrift, und 
nur so ist der sittliche Cbarakter des Menscben gewabrt (de pr. Ill, 
1, 20). Nun gibt es freilicb Stellen in .der Scbrift, welcbe die Pra- 
destinationslebre der Gnostiker zu bestatigen scbeinen (z. B. Ex. 4, 21. 
Hos. 11, 19. Marc. 4, 12. Rom. 9, 16. 18ff.), allein dieselben sind 

1) in Koin. VII, 16 fin. : ut boni enim aut mail sirmis, nostrae vohmtatis 
est, mains autem ad cuiusmodi verbera, et bonus ad cuiusmodi gloriam destinatur, 
vohmtatis dei est; de orat. 6, 3. . : 



Das Wesen der Siiiide nach Origenes. 443 

anders auszulegen (de pr. Ill, 1, 7ff.). Ausdrticklicli stellt Or. fest, 
dafi die gottliche Prascienz abhangig 1st von den Taten der Menschen, 
und nicht etwa diese Taten hervorruft. 1 ) Das ist die griechische Seelen- 
stellung, die schliefilich die Gottheit nur als Zuschauer der Taten der 
Menschheit auffafit. Es bleibt dabei, dafi der freie "Wille auch in der 
Erlosung gewahrt ist (ib. Ill, 5, 8; 3, 4). Die Schrift .wechselt : TO 
ftctv cp } ri(.i& &vacpsQi und to Ttav STtl rbv febr avacpegeiv <5oxti (de 
pr. Ill, 1, 22). Die Wahrheit ist, dafi Gott dem Menschen nicht das 
vineere, sondern die vincendi virtus gab (ib. Ill, 2, 3) namlich durch 
die verniinftige Art des Menschen und Christi Lehre. "Wie ein Lehrer 
verspricht: flsknwoeiv TOV ^ov"k6}.itvov' OVTCOQ 6 $tios -Ao'/og srtayyek- 
hezai T&V rtQOGiovTWV trp Kaxiav s^aigslv . ., ovyi sxeivtov [.ty fiovko- 
{isvcov alK* savrovg xfy laxqCj iG)V -/.a^ivovriav TtaQeoyjiKOTiov (de pr. 
Ill, 1, 15). Grott bietet das Heil dar, aber der freie Mensch ergreift 
es, er ist immer selbst tatig bei der Aneigung desselben (ib. Ill, 1, 
18), das adiutorium divinum steht ihin aber zur Seite (ib. Ill, 2, 5. 2). 2 ) 
In dem Sahmen dieser Gedanken ist nun die Ansicht des Or. von 
d.er G-nade, vom Glauben , den Werken und der Rechtfertigung 
zu verstehen. Wie Siinde und Tod seit Adam uber alle herrschen, so 
ist Christus der, qui docet et gignit ad mtain. Das geschieht aber durch 
die Gnade (in Bom. V, 2. 1 Lomm. YI, 353. 351 f.). Die Gnade ist 
die gottliche Kraft, die den Menschen bewegt, oder der heil. Geist. 3 ) 
Der Geist wirkt die Gabe des Glaubens in den Herzen (in Rom. IV, 5), 
und aus seiner Fiille ergiefit sich die Liebe in die Herzen, ad participa- 
tionem eapiendam divinae naturae (in Rom. IV, 9). Der von Orig. per- 
sonlich gedachte Gottesgeist ist also in der Art einer Kraft in der Seele 
wirksam. 4 ) Horten wir friiher (S. 419), dafi der Geist nur in den Seelen 
der Heiligen wirke, so fordern die angefiihrten Stellen doch auch eine 
heiligende "Wirksamkeit in den Unheiligen anzunehmen. 5 ) Indessen 

1) in Eom. VIII, 7 (Lomm. VII, 129) : neqiie in praescientia clei vel salutis 
vel perditionis nostra causa consist-it neyiie iustificatio ex sola vocatione pendebit . . . 
Non propterea erit aliquid, quia id scit deus fifairum, sed qiiia futiirum est, 
scitur a deo, antequam fiat. 

2) Vgl. Mehlhorn, Die Lehre v. d. mensehl. Freih. nach Or. Jte^t d.o'/&v 
Ztschr. f. KG. H, 234 ff. 

8) in Eom. VI, 13 fin. IV, 5; VII, 7: omnia . . . collaborant his, qui dili- 
.gunt deum, ui et ipse spiritiis adiuvet nee dedignetur divina natura diix esse 
itineris ad bonum. c. Gels. VIII, 53: &eiq Swd/.iei. 

4) Zur Geistvorstellung vgl. Clem. Exc. ex. Theodot. 17: TCVBVLM yovv K 

fian ftlyi-'VTai, sfiol Se Soy.si y.nra. Ttaq&d'eaiv lovro yevtafrcu, d."l.l? oil 
y.Qaoiv, . . . f] y&o Stivafus oi> */.ari oiiaiav Sirjxet, dkka y.ara Stivafitv xal iay/w. 

5) Es 1st dasselbe Problem, das schon bei Paulns vorliegt! Der Glaubige 
empfangt den Geist, aber der Geist wirkt den Glauben. 



444 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

mag immerhin der Glaube von der Grnade gewirkt sein, konkret be- 
trachtet 1st er eine Tat der menschlichen Freibeit, und zwar die Zu- 
stiminung zu der iiberlieferten Lehre, die zunachst oft von auBerlichen 
Motiveu, wie Furcht, Autoritatsgefuhl, abbangig ist. Der Grlaube soil aber 
zur Erkenntnis und zum Verstandnis gesteigert werden. 

doy(.iaoi /.ISTCC Xoyov v.al oocpiag ' ist besser .als fierce 

(c. Gels. I, 13 und vgl. sub 11). Die tyiki] ovyKcad&tais d. h. 
die aufiere Annabme der Lehre auf Autoritat bin, ist Sache der Knechte, 
aber nicbt der Kinder (in Joh. XX, 33, 289. 295). 

Entsprecbend dem rein intellektiven Charakter des Grlaubens wird- 
als sein Objekt die Kircbenlebre in ibrer antiharetiscben triadischen 
Fassung bezeicbnet. Dabei unterscbeidet Or. in aufierlicbster Weise 
Stufen im Grlauben je nacb. der Quantitat der von ibm geglaubten 
Grlaubensstiicke. 1 ) Es ist ganz begreiflicb, dafi dieser Grlaube- dann. 
nur als Notbebelf fiir den genieinen Mann angeseben \vird (c. Gels. I, 13), 
oder dafi Or. den Grescbicbtsglauben tief unter den Vernunftglauben 
stellt. 2 ) Und doch ist, nacb Or. Meinung, jener Anfangsglaube eine 
notwendige Durcbgangsstufe. Nur \venn der Menscb die "Wahrheit an- 
nimmt, kann er sie verniinftig durcbdenken und ibren Geboten folgen 
(c. Gels. Ill, 69). Er bedarf einer festen Grrundlage fiir sein Denken^ 
und die Androbtingen von Strafen, sowie die Yerheifiungen von Lohn. 
sind ibm ein notwendiger Sporn auf dem "Wege zur Tugend. Aber das, 
urn was es sicb eigentlicb bandelt, ist, dafi der Menscb fromm und 
tugendbaft wird. Wo damit ein Anfang gemacbt ist, da nimmt Grott 
den Menscben an. 3 ) Es ist klar, dafi Orig. nacb seiner griecbiscben 
Ereiheitslebre gar nicbt anders denken kann. Die allwaltende Yernunft 
wird zwar der Menscben Herr, aber dieser Gedanke bricbt sicb an dem 
anderen : nur durch verniinftige Einsicbt und tugendbafte Taten der 



1) S. z. B. die Glaubensregel zu Anfang von de princ., ferner in Eom. III,. 
11; IV, 11: sana autem fides dicitur, quae perfecta est et GUI nihil deest . . ., 
Unde evidenier apparet esse augmenta quaedam et profectus in fide, et aliquos 
habere partem fidei exiguam, alias magnam, alias vere habere omnem fidem. Ebenso-. 
in Mtth. XII, 15 (Lomm. Ill, 168 i), in Joh. XXXII, 16, 187 ff. ; XX, 30, 269 ft. 

2) in Joh. XX, 30, 275: rovro d' av v.al vvv ETU Ttohkwv iSois, davfia,6mcov 
fisf ibv 'Iijaow sTtav IvoQcaaiv rij 7tet)l ainov laro^ia, /.IIJXETI de Ttiorevovicov eitav 
fia&vTeoos y.ttl fiel^cov ifjs e^scos ainwv aiirots dvaTtivaaqtai A.6yos, akha, vrtoTCTevo'V- 
tcov UVTOV elf at yevdrj, vgl. in cant. I (Lomm. XIV, 351) : qui videntur credere et 
scripturarum auctoritatem recipere. Wie sehaii hat doch schon Or. den Gegen- 
satz der ,,Bichtimgen" empfunden ! 

3) c. Gels. Ill, 71: ?,a& > fifias.ya^ en, ovSsva fiq Tt^orsT^aftfievov erf 
y.ovpi&i 6 &eos y.al ovSsva ijSrj dya&bv dujto^QiTCrsi. Kal u.'&ol.oyov. s^ 

6 3'eos. 



Glaube und Rechtfertigung bei Origeues. 445 

*freien Menscben wird dies wirklicb. Beide Gedanken steben unvermittelt 
nebeneinander : die Gnade wirkt alles und der Menscb wirkt alles zu 
seinem Heil, der Logos 1st der Reiter, der die Seele wie ein Reittier 
durcb den Ziigel seiner Gebote leitet, wie und wobin er will (in Cant. 
II. Lomm. XIV, 412). . Aber es ist Sache der verniinftigen Seele, ob 
sie diesen Geboten folgt oder nicbt. 

Es ist nun von Interesse zu b.eobacbten, wie Origenes seine Heils- 
lebre mit den pauliniscben Begriffen auseinandergesetzt bat. Mit Paulus 
lebrt er, dafi das Gesetz den Menscben nicbt recbtfertigen kann, denn 
als Naturrecbt kennt es uberbaupt nur .eine irdische Gerecbtigkeit (in 
Rom. HI, 7 Lomm. "VI, 199. 201 f.), und dann ist der . Menscb Fleiscb 
und widerstrebt daber dem Gesetz (ib. Ill, 6, p. 194). Gott rech'tfertigt 
um Christi willen den Glaubigen (III, 8 p. 205). Aber dieser Glaube 
ist nie obne Werke, . wie unter Berufung auf Jak. 2, 21 f. gelebrt wird. 
Man darf sicb durcb den pauliniscben Apparat nicbt blenden lassen. 
Scbliefilicb lauft alles auf den reinen belleniscben IntellektuaUsmus bin- 
aus, nacb dem der Menscb dadurcb, dafi er etwas als ricbtig anerkennt, 
es aucb befolgen und tun wird. 1 ) In diesem Sinn kann dann freilicb 
jemand, der der Weisbeit und dem Gfesetz Obristi zugestimmt bat, als 
im Prinzip gerecbt angeseben werden. Nicbt darauf, dafi Gott nun 
weiter in diesem Menscben wirken wird, stutzt sicb das Hecbtfertigungs- 
urteil, sondern darauf, dafi der Menscb selbst wirken wird nacb An- 
leitung seines Glaubens, Scbliefilicb bangt docb, trotz .aller pauliniscben 
Form ein, die Gerecbtigkeit des Menscben von seiner Bekebrung und 
Bufie, von der Befolgung des Gesetzes und des Yorbildes Cbristi ab 
(s. z. B. in Lev. b. 7, 2; 11, 1; 12, 4. c. Gels. HI, 71. 57; VIII, 10). 
Neqtte enim possibile, est, id habenti in se aliquid iniustitiae possit iustiiia 
reputari, etiam si credat in eum, qui susdtavit dominum lesum a mor- 
tuis. lustificat ergo eos Christus tantummodo, qui novain vitam exemplo 
resurrectionis ipsiits susceperunt el vetiista, iniustitia eatque iniquitatis indu- 
menta velut causam mortis abiciant (in Rom. IY, 7. Lomm. YI, 280. 
282). Es ist also ganz verstandlicb, dafi die Gerecbtigkeit des Menscben 
von seiner Liebe abbangig gemacbt wird (in Rom. IY, 6 p. 273). 

1) IE Eom. IV, 1 p. 234 f. 241: homini iustitia reputatur, licet 'nondum 
opera iustitiae egerit, sed pro eo tantum quod credidit in eum, qui iustificat 
impium . . . Et haec fides, cum iustificata fuerit tanquam radix imbre suscepto 
haeret in animae solo, ut, cum per legem dei excoli coeperit, surgant in ea rami, 
qui fructus operum ferant. Ib. Ill, 9 p. 219: indidgentia non futurorum, sed 
praeteritorum criminum datur. in Joh. XIX, 23, 155: 6 maTsvcov ii sanv f] 
St'/.aioavvr] o-dx &v dSacrjaai, xal 6 Sia TO tKQ'&wQrp'.s.va.i fjris eo'tiv r\ aocpta, rtSTtidTevxcbs 
els TTJV aoyiav oiix &v n [uogbv keyoi rj rc^aitoi. in Lev. h. 6, 5 : non OAlditores 
legis iustificabwntur apud deum, sed factores. 



446 15- Die Theologie der alexaudrinischen Vater. 

Ebenso aber aucb, dafi Origenes die Gerecbtigkeit, nacb Aristoteles, als 
einen sittlicben Habitus erklart. 1 ) 

Vom Standort der griecbiscben Denkweise ist die Auffassung- des 
Qrigenes sebr einfacb zu versteben. Die Ereibeit bestebt in dem veiv 
niinftigen Denken. Den Konflikt zwiscben dem Willen mit seinen Trieben 
und der Vernunffc kennt Origenes nicbt, anders, als Paulus. Daber 
ist mit der Entscbeidung der Vernunft oder dem Glauben freilicb im 
Prinzip iiber die Gerecbtigkeit des Menscben entscbieden. Es bandelt 
sicb welter nur noch darum, dafi die Vermmft eine begriindete. tiefere 
Erkenntnis gewinnt, und dafi der Menscb durcb TTbung und "Wlederbolung 
guter "Werke den Habitus der Gerecbtigkeit erlangt. Den cbristlicben 
Gedanken nabert sicb .Origenes freilicb weniger durcb die Eormeln 
Glauben und Gerecbtigkeit, als durcb die Einsicbt, dafi Gott den Glauben 
wie die Tat im Menscben wirke (z. B. in Rom. IV, 5 p. 259. in Job. 
XX, 23, 195f.), aber dieser Gesicbtspunkt stebt naiv neben dem andereri, 
dafi der Menscb selbst seine TJnterwerfung unter Gptt ausfiibrt. 2 ) 
Das Ziel der sittlicben Entwicklung stellt sicb Origenes dar in . der 
Heiligkeit, die in Abtrennung von der Welt und in der einsanien braut- 
licben Gemeinschaft der Seele mit Gott bestebt. Daber die starke Be- 
tonung der Yirginitat, sowie die Zuriicksetzung ' der Ebe ibr gegenuber, 
die Zuriickbaltung von offentlicben Amtern, dem Kriegsdienst etc. 3 ) und 



1) in Eom. V, 5 (Lomrn. VI, 365) : iustus non dicitur is, qui semel aut Us 
aliquid iustitiae fecerit, sed ille, qui semper iuste agenda in usii, et con- 
suetudine iustitiam hdbet. in Joh. XXVIII, 13, 102: S'utatov f.iev n Ttenotij- 
y.aai oil /.tiyv &Ttb s^scas. S ixaioaiJi't;s heiBt 6S VOU deneil, die aus xevpSj-ia 

G-ntes tun. Vgl. -Aristotel. Eth. Nicom. II, 3. 

2) Gelegentlich fafit Or. den ganzen HeilsprozeB in die Fonael der subiectio 
zusammen, aber auch dann ist Christus zwar der Unteiwerfende, aber damit 
koordiniert ist die eigene TJnterwerfung des Menschen, s. in Lev. h. 7, 2 (Lomm. 
IX, 294) : siibiectus quidem sum deo, verum non ex integro, sed ex parte. Si 
.autem potuero et carnem meam et omnia membra mea in consonantiam spiritus 
trailers, tune perfects videbor esse subiectus . . . Cum vero (dominus] consumma- 
verit opus suum et ^ln^ve>rsam creaturam ad summam perfectionis adduxerit, tune 
ipse dicetw subiectus in his, quos subdidit patri. Vgl. in cant. IE (Lomm. XIV, 416), 
de or. 25, 1. 

3) in Ley. h. 11, 1 (Lomm. IX, 374 f.): donee enim permixtus est turbis et 
in multitudine fluctuantium volutatur, nee vaeat soli deo, neque segregatus a 
milgo est, non potest esse sanctus. Die brautliche G-emeinschaft der Seele mit 
Christus ib. 12, 5 p. 393 f. Die Braut des Hohenliedes bedeutet sowohl die 
Kirehe als die Seele (in cant. I. Lomm. XIV, 327. 354).... Uber Yirginitat s. c. 
Cels. I, . 26 fin. VII, 48. ; VIII, 55 : ayeodai yvvalv.a KUttqsysv f]f.ilv 6 fteos, d>s 6i> 
Tidvrcov yrnqovwciov to Siacpeqov Tovteati TO TtdvTrj y.a&a^ov. Dafi die Christen 
Aveltliche Amter ausschlagen, geschieht TTJ^OVVTES savrobs &siors^ a'y.al dvaytcaio- 



Kirche mid Welt bei Origenes.. 44(7 

aucb der Gedanke von Verdiensten, die iiber das Gesetz binausgeben. 1 ) 
Die -Stellung zu dem natiirlicben und offentliqben Leben 1st bei Origenes 
negativer, als bei Clemens (oben S. 402). Das ist, einerseits aus der 
doktrinaren Art des Origenes zu versteben, . der die griecbiscben Empi- 
findungen oft aufierlicber wiedergab als Clemens, es begreift sicb aber 
auch andrerseits aus der instinktiven Eeaktion der . Cbristenbeit gegen die 
AVelt, die in dem MaB starker wurde, je mebr sie selbst in : das Weit- 
getriebe bineingezogen wurde. 

20. Die Kircbe bat Origenes in der iiblicb gewordenen Weise 
als credenliurn 'plebs (in Ex. b. 9, 3) oder coetus omnium sanctorum (in 
Cant. I. Lomm. XIV, 328. 412) definiert. Dabei hat er den Gedanken 
betont, dafi alle frommen Cbristen, nacb . Jes. 61, 6 und 1. Ptr. 2, 9, 
Priester sind (in Lev. h. 4, 6; 6, 5 ; 9, 1). Der Logos wohnt in der 
Kircbe als seinem Leibe wie die Seele und bewegt und macbt lebendig 
das Granze wie seine Teile. 2 ) Ist nun aber so der Logos in der Kirche 
wirksani, so ist die Kircbe das Salz der Welt. Sie tragt okunieniscben 
Cbarakter, in ibr sind ,,die neuen Gesetze, die, zu dem tiberall vorbanclenen 
Staat passen" (c. Cels. IV, 22. de orat. 25, 1). Sie ist der Universal- 
staat, der allmablicb das ganze romiscbe Heicb tdurcbdringt und der einst 
den Erdkreis umspannen wird, wenn in alien der. Logos zur Herrscbaft 
gekommen sein wird (c. Cels. VIII, 68. , 69. 72). Durcb die Cbristen- 
beit wird die Welt erbalten und ibr Gebet scbafft dem Staat Sieg und 
Heil (ib. 70. 73 f.). 8 ) tjberall bestebt neben den Stadtgemeinden. die 
cbristlicbe Gemeinde, und ibre Vorsteber sind weit gescbickter zum 
Hegiment als die weltlicben Obrigkeiten : (ib. Ill, 30), , wie ja aucb ibr 
-Amt ein ,,gottlicberer und notwendigerer Dienst" ist .als die weltlicben 
Amter (ib. VIII, 75). So siebt Origenes in der Kircbe den verniinf- 
tigen Gottesstaat, der neben dem irdiscben Staat bestebt und.ibn all- 
mablicb in ,,der Kraft des Logos und seiner universalen Gesetze iiber- 
windet. Indem der Logos die Kircbe erleucbtet, wird sie zum xoo/wg 

KOO(.iov (in Job. VI, 59, 301. 304). So tritt an die Stelle der 



1EQ(L ksnovgyiq s'/.-A^aias &EOV sTtl awiriQia. O.V&QW'KWV (e. Cels. VIII. 75), KriegS- 
dienst c. Cels. VIII, 73 etc. 

1) in Bom X, 14 (Lomm. VII, 423): virginitas non ex debito solvitur, neque 
enim per praeceptum expetitur, .sed s.upra debitwni off.ertur. 

2) c. Cels. VI, 48 : i>7tb TOV vlov rbv -9eov yv%ov{.ievov TIJV. 7taoav tov &EOV 
ey.y.hijaiai',- juehri Ss TOVIOV tov OCO/.MTOS elvai.. . . tabs Ttiaieljov.xas' eTteiTtep money 
yw/fy ^coonoiei y.ai y.ivei ib aw/.ia, oil neyw/.bs dtp' savrov. y.ivetod'at fyonxaJs, OVTCOS 
6 hoyos v.w&v sTil iu Seowta y.al svs^ywv TO ol.ov awjun -.rrjV ey.y.l.ijaiav xiveT y.ul 
sy.aarov fiekos rcov dnb ifjs ey.xhjaias, oiidev '/(ogl's koyov Tt^dirovfo,. 

3) Vgl. atich ep. ad. Diogiiet. ,6, 7: xgiarinvol, '/MTe%ovTai t uE-v cos ev 
tcp y.oafim, aiiTol.Ss awe%ovai ibv xodfiov. , . 



448 i5. Die Theolbgie der alexandrinischen Vater. 

grofien eschatologischen Katastrophe die Vorstellung von dem sich iiiimer 
weiter ausbreitenden Vernunftstaat der Kirche. Origenes empfiehlt die 
Kirche als einen Staat im Staat, der aber eininal den irdischen Staat 
iiberwunden und unterwerfen wird. Das sind uralte Gedankeri (vgl. 
'S. 77. 185), die aber eine neue Fassung und konkretere Form erhalten 
haben. Die antiken Traume von einer "Weltrepublik 3 ) sind bier ver- 
bunden mit deni christlichen Gedanken von Christus als dem Herrn der 
Welt und das ist das Neue mit der ernpirisch wirksamen Kirche. 
Origenes ist der erste, der die Idee vom Gottesstaat nicht nur am 
Horizont, sondern auf deni geschichtlichen Boden der Kirche erblickt hat. 

Extra hanc domum, id est ecclesiam nemo salvatur (in Jos. h. ,3, 5). 
Dies IJrteil gilt zunachst deshalb, well nur in der Kirche die von dem 
Logos gebrachten reinen Lehren und, Gesetze vorhanden sind. Wirk- 
liche Frominigkeit ist unmoglich ohne die richtige Erkenntnis, die Hare- 
tiker verlieren notwendig mit der richtigen Erkenntnis auch den Gegen- 
stand dieser Erkenntnis. 2 ) Dieser Glaube ist aber der trinitarische 
Glaube , wie ihn jeder, der in die Kirche eintritt, bekennt. 8 ) Der 
Glaube der Haretiker ist aber keine fides, sondern eine willkurliehe 
credulitas, daher ist ihre Lehre unreine Speise und gleicht falschen 
Leuchttiirmen (in E,oni. X, 5. 1 Loimn. VII, 385. 372). AVeit schliinmer 
als in den Sitten zufehlen ist. das in dogmatibus aberrare, denn auch fromme 
Haretiker und Heiden gehen ja verloren, nur weil die falsitas dogmatis 
ihren Wandel ,,gleichsam verdunkelt und beschmutzt" (in Mt. XII, 12 ; 
in Mt. ser. coinm. 33). Die Intoleranz der Schule verbindet sich in 
diesen Urteilen iiber die sreQodo^oi mit dem Hochgefiihl des kirchlichen 
Wahrheitsbesitzes. Origenes macht mit dem Gedanken der Heilsnot- 



1) Der Idealstaat Platos inag Or. Gedanken iiber die Kirche bestimmt haben. 
Auch bei Plato kommt die eigehtliche Leitung des Staates den Einsichtigeu und 
Tugendhaften zu, wahrend die Begiertmgsgeschafte von diesen gemieden werden 
(s. Zeller, Phil. d. Griechen II, I 4 , 900. 920 f. 894 f. 966), wie auch bei .Him der, 
Staat wesentlich eine Erziehungsanstalt. zur Erkenntnis und Sittlichkeit ist (ib 
S. 896 ff.). Aber maCgebend. war fiir Or. das stoische Vorbild von der durc.h den 
vdfios xoivoe oder den loyos bg&os zur Einheit zusammengefafiten Oikumene 
(s. oben S. 33), die ja auch auf den Universalismus des romisehen Staates ein- 
gewirkt hat (vgl. Ka erst, Die antike Idee der Oikumene 1903, S. 19 ff., s. auch 
Kampers, Alex. d. Gr. u. die Idee des Weltimperiums 1901). 

2) De or. 29, 10: 6 yat) fifj to. 'd/^&fj ygovcov Ttegl dsov fj rov Xgiatov aiiiov 
lov ftev dkqdivov aTtoTttTncoy.e -deov-xal iov fiovoyevovs aiirov- ov Ss cLvenhaaev i] 
avoia. aiirdv, vofii^ovaa elvai TtareQa v.ai vlov, om. Svicos TtgoaxweT, vgl. de prlllC. I, 2. 

3) in Lev. h. 5, 3 : propter fidem patris et filii et spiritus sancti, in quam 
credit omnis, qui sociatur ecclesiae dei; ebenso in Exod. h. 8, 4. Vgl. das Ver- 
zeichnis von Haresien in Tit. frg. (Lomm. V, 284 ff.), sie richten sich .gegen die 
drei triadischen Personen und die kreatiirliche Freiheit, cf. Iren. epideix. 99. 100. 



Zwei Abstufungen in der Kirche des Origenes. 449 

wendigkeit des Glaubens, so \vie er ihn versteht, vollen Ernst: ohne 
Zustimnlung zur kirehlichen L.ehre gibt es keine Erkenntnis Gottes, 
liat man keinen Gott und geht daher verloren. Dabei 1st es beachtens- 
wert, dafi keinerlei hierarchische Interessen in diese TJrteile hineinspielen. 

Hierarchische Tendenzen sind Origenes ebenso frenad wie Clemens. 
Er kennt eine doppelte Abstufung in der Kirche. Die Presbyter 1 ) 
stehen den ,,Laien" gegenuber, sie sollen sie bekehren und belehren, sie 
bessern und ihnen mit ihrem guten Beispiel voranleuchten. Die Ver- 
pflichtung zu religiosem sittlichein Ernst wird dabei stark hervorgehoben 
(z. B. in Lev. b. 5, 3. c. Gels. VIII, 75). Die Amter sind um der 
Ordnung willen in der Kirche vorhanden, wie mancherlei Glieder mit 
verschiedenen Funktionen am Leibe sind' (in Rom. IX, 2. Lomm. VH, 
298), aber formale rechtlicbe Prarogativen des Anites sind schon dadurcb. 
ausgeschlossen, dafi Origenes das allgemeihe Priestertum so stark betdnt. 
Daher kann auch der fromme Laie, w.ie wir sahen, die Siindenvergebung 
aussprechen (oben S. 437). Mit der amtli.chen Abstufung verbindet 
sich bei Origenes eine zweite Grliederung der Kirche. In der Kirche 
sind die perfectiores und die schlichtglaubigen Grli.ed.er zu unterscheiden ; 
jene haben nun . die Aufgabe diese zu leiten, und diese sollen, \venn sie 
Gremeinschaft an den geistlichen Gaben jener erlangt haben, die Liiste in 
sich durch die geistlichen Gebote tiberwinden. 2 ) Die spiritiidles oder 
diejenigen, die die spiritualis intelligentia der Schrift empfangen und 
Teil erlangt haben an dem Strom der "Weisheit, der die civitas dei er- 
quickt, stehen gegeniiber den gewohnlichen (carnales) Christen, die am 
Aufierlichen und Sinnfalligen haften und nichts anderes kennen als 
den gekreuzigten Christus (in Num. h. 26, 7). Aber da alle der Er- 
kenntnis der geistlichen Mysterien nachstreben sollen, so fallt den Yoll- 
kommeneren geistlichen Christen die Aufgabe zu, die niederen buch- 
stabenglaubigen Briider mit ihrer geistlichen Einsicht zu durchdringen 
Und ihnen Gemeinschaft an ihren geistlichen Gaben zu gewahren. So 
vollzieht sich in der Kirche ein grofier Erziehungsprozefi, in dem die 
niederen Glieder Teil erlangen an dem geistlichen Besitz der hoheren 



1) quipraeest ecclesiae (in Rom. IX, 3), ecdesiamm rectores (ib. X, 13) etc. 

2) in Rom. X, 15 (Lomm. VII, 422): videtur ergo mihi Ms, giios nominal 
gentes (Rom. 15, 27) imperfectiores quasdam animas indicare, quae per fee- 
tor um magisterio mdigeant; et si forte dignae habitae f^ler^nt, lit participes 
Us fiant in intellectu et scientia spirituali, ipsae debeant in carnalihis ministrare 
Us, hoe est, cum spiritus eorum imbui coeperit ad scientiam celsiorem, Aebet etiam 
caro continentiae et castitatis frena suscipere spiritualibus ministrae praeceptis . . . 
In spirittialibus enim communionem . vel participationem posuit, in carnalibus. 
vero ministerium, et hoc debitum esse, illud vero communicari dicit. 

Seeberg, Dogiriengeschiclite I. 2. Aufl. 29 



450 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

Glieder. Nicht eine objektive Qualitat, wie das Amt oder die aufierlich 
iiberlief erte Tradition, zeichnet die hohere Ordnung aus , sondern der 
Besitz des heil. Geistes, d. li. des tieferen, innerlich erworbenen Schrift- 
verstandnisses. So setzt sich in diesen Gedanken des Origenes die ur- 
christliche Idee von der Leitung der Gemeinde durch die Geisttrager 
fort. Sehliefilich hat Origenes selbst dasselbe Selbstbewufitsein des in- 
spirierten geistlichen ,.Lehrers" gehabt, wie etwa der alte Barnabas. 
Aber das Charisma des ,,Propheten" ist erloschen und das des ,,Lehrers" 
beschrankt sich auf die ,,geistliche" Schriftauslegung. TJnd dazu kommt 
noch ein anderes, das deutlich den Unterschied zu der alten Zeit mar- 
kiert. Zwar sind die Presbyter nicht an sich ,,geistlich", aber die 
Eorderungen, die an ihre Erkenntnis und ihre Sittlichkeit gestellt werden,. 
weisen doch darauf hin, dafi beide Ordnungen in der Kirche miteinander 
verschmolzen werden. Einnial wird der Amtstrager als solcher ,,geist- 
lich" werden, er wird die geistlichen Krafte erlangen, die er den Ge- 
meindegliedern weitergibt. Das ist die spatere griechische Auffassung 
der kirchlichen Amter. Sie erwachst aus der Kombination der beiden 
alten Ordnungen (Amt und Geist) in der Kirche. Bei Origenes erkennen 
wir die Anfange zu dieser spateren Auffassung. 

Nur ein Punkt ist noch hervorzxiheben. Auch Origenes ist die 
Unterscheidung der ernpirischen und der eigentlichen Kirche gelaufig. 
Den Ausgangspunkt dazu bildet die Erkenntnis, dafi in der Kirche viele 
. Scheinschriften vorhanden seien und dafi in ihr es Jebusiter gebe, wie auch 
auf Zion Jebusiter neben den Israeliten lebten. 1 ) Unter diesen schein- 
baren Gliedern der Ki-rche sind nicht die Haretiker, aber auch nicht 
die blofi ,,Glaubigen" zu verstehen, sondern die unfrommen Christen,, 
die eigentlich iiberhaupt nicht zur Kirche gehoren. Die eigentliche 
Kirche (?) -/.vQicog exxkyoici) ist so, wie Paulus sie schildert, beschaffen: 
,,ohne Flecken und E,unzeln, heilig und untadelig" (de or. 20, 1), Christen, 
die so sind, inachen die v&ra ecclesia aus (in Gen. h. 1, 6). Diese 
wahre Kirche ist jetzt auf der Erde, wird aber einmal im Himmel sein 
(in Luc. h. 7 fin. in Cant. II Lomrn. XIV, 369), wie denn die irdische 
Kirche auch in stetem Zusammenhang mit der himnilischen Kirche ist. 
In den Gottesdiensten der einzelnen Gemeinden sind sowohl Christus. 
und die Engel gegenwartig, als auch die entschlafenen Heiligen, wie 
aiTch die noch auf Erden lebenden, was freilich schwer zu erklaren sei. 
Jedenfalls vereinigt sich aber im Kultus die irdische ' Gemeinde mit der: 



1) in Mti XII, 12 : to. nhijdr] TCOV Tiiarsvsiv vofii^ofievcov esmk 
Toi/s av%ovvTas fisv elvai. 0.710 irjs ettxkrjaias, dadevws Ss xal na^h ibv J-oyov J3iovi>~ 
ms. in Jos. h. 21, 1. in Num. h. 26, 7. in Gen. h. 2, 3. 



Die empirische. und die ideale Kirche bei Origenes. 451 

himmlisehen. 1 ) Das ist sonach die wahre Kirche, deren Glieder heilig 
sind und in der Gemeinschaft mit Christus, den Engeln und den Heiligen 
im Hinunel wie auf Erden leben. . In ihr herrscht Entwicklung, indem 
die : hoheren Grlieder die niederen zu sich emporziehen,. und indem aus 
der irdischen Kirche immer wieder die himmlische ,,Kirche der Erst- 
geborenen" hervorgeht. Aber auf Erden ist es unmoglich diese eigent- 
liche heilige Kirche einpirisch darzustellen, da das Unkraut neben dem 
Weizen bis zur Vollendung wachsen mufi (in Jos. h. 21, 1). ..Origenes 
hat darnit nur die alte Erkenntnis von der Differenzierung der Kirche 
nach "Wesen und Erscheinung zum Ausdruck gebracht (oben S. 149). 2 ) 
Er hat noch eine starke Empfindung von dem Zusammenhang der Kirche 
mit. der ober'en Welt besessen, aber er ist auch durch den Zusammen- 
hang seiner Weltanschauung befahigt gewesen die Kirche als etwas 
Werdendes zu .begreifen. Der Prozefi der Durchdringung der Mensch- 
heit durch den. Geist stellt sich in, ihr dar, dadurch empfangt das alte 
Pradikat der Heiligkeit der Kirche- einen beweglicheren Charakter, sie 
ist heilig, indem sie andauernd heilig . wird. Auf dieser Bahn werden 
die Prage'n. nach der Heiligkeit der Kirche eine andere Losung finden 
als bei dem abendlandischen Katholizismus. Auch hier offnet sich ein 
Au.sblick in die Zukunft des griechischen Christentums. 

21. Die- ersten und die letzten Dinge pflegen in den Heligionen 
einander konform zu sein. Dieser Grrundsatz ist auch fur die Escha- 
tologie des Origenes mafigebend. 3 ) Man konnte nach den Andeutungen 
zu Ende des Werkes wider Celsus (oben S. 447) erwarten, dafi Origenes 
in der Weise des Irenaus- die alten eschatologischen Bilder zum Aus- 
druck des Ziels der Herrschaft des Logos verwenden -wiirde. Aber. 
Origenes ist hierauf nicht eingegangen, die ersten Dinge haben auch bei 
ihm iiber die letzten entschieden. Waren am Anfang die Seelen in rein 
geistiger Existenzform bei Gott, so wird das Ziel der Heils- und Welt- 
entwicklung in der Restituierung dieses Zustandes zu erblicken sein. 
Man konnte das ganze System des Origenes unter dem Gesichtspunkt 



1) in Luc. h. 28 (Lomm. V, 177): et in coetu nostro adesse angelos, non 
solum generaliter omni eccksiae, sed etiam singillatim . . . Duplex hie adest 
ecclesia, une hominum, altera angelomm, daher auch Paul! Gebot liber die Ver- 
schleierung der Weiber l.-Kor. 11, 5ff. de or. 31, 5: al &yysh'/.&v Swdftecov 

erpiotafievcov TOIS d&^oiafiaai twv TUOTEVOVICOV y.al aitrov tov xvgiov . . . Swdfiecos 
Jjot] de y.cu 7ivev{.iaTixw'i> dyicav , ' olftat Ss STI y.a.1 Tr^oxey.ot/tirjfisvcov, aacpes Se Sit 
y.u.1 BV TcS /3ica nsfiiovicov, el acu xb TICOS ovx s^s^es elTtelv. "Qa-t 1 elvai enl TWV 
ayicov ovva&^oi^Ofievcov 8i,7i1fjV er.xhrjaiav, ii]v fiev &V\)QCOTCCOV, trjv Ss uyyeicov. 

2) Vgl. R. Seeberg, Begriff d. Kirche I, 28 ff. 

3) de princ. Ill, 6, 3: sic ergo finis ad principium reparatus et rerum 
exitus collatiis initiis restituet ilhwi statum, quern, tune habiiit natura rationalis. 

29* 



452 15." Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

des Herabsinkens der Seele von Gott und des Aufstieges zu ihm empor 
darstellen und man wiirde seinein religiosen Empfinden dabei sehr nahe 
kommen. 1 ) Wie das Wirken des Logos und der Heiligen die Seele 
von dieser sinnlischen Welt loslosen, so findet die Seele ihre Yollendung 
dadurch, dafi sie, von den Schranken der sinnlischen Existenz befreit, 
wieder zu Gott emporsteigt. Das ist init innerer Notwendigkeit der 
AbschluB der origenistischen Lehre. Um diesen AbschluB zu erreichen, 
hat er die ganze altkirchliche Eschatologie preisgeben resp. sie als 
Produkt des schlechten Buchstabenglaubens brandmarken nnissen. Voll 
Entriistung wendet er sich von den solius litterae discipuli ab, die aller- 
hand sinnliche Ergotzungen, eine kostliche irdische Stadt mit Edelsteinen 
an den Mauern samt den Kanielen von Midian und Kedar in der seligen 
Zukunft erwarten. ludaico sensu betrachten sie die prophetischen Weis- 
sagungen, sie wollen von der Zukunft, ut iterum sit hoc, quod est, ver- 
fehlen daher das richtige geistliche Yerstandnis (de princ. II, 11, 2). So 
wandelt sich ihrn das ganze eschatologische Drama wie bei den 
Gnostikern in den Prozefi der fortgehenden Eeinigung der Seele, 
bis sie bei Gott als dem Ziel- und Ausgangspunkt ihrer Eeise durch 
die Welt wieder .angelangt ist. 2 ) 

Dieser Prozefi der Eeinigung und Belehrung, welcher angehoben 
hat hier auf Erden, dauert auch nach dem Tode fort. Die Guten 
kommen , bekleidet mit einer feinen seelischen Leiblichkeit , in das 
,,Paradies", d. h. an einen^.Ort, der .irgendwo auf der Erde liegt, in 
quodam eruditionis loco, auditorio vel schola animarum. Ein Feuerstrom 
umgibt das Paradies, aber die Gerechten, die mit Wasser und Geist 
getauft -\vurden, durchschreiten ihn, indem Christus ihnen in diesern 
Strom, die Eeuertaufe erteilt (in Luc. h. 24 Bd. V, 179 Lornm.). Nun 
losen sich der Seele alle E,atsel, welche die irdische "Welt ihr aufgegeben 
hat. Yon dort steigt die Seele empor zu einem Ort in der Luft, die 
zwischen Himmel und Erde ist, durch die Spharen hindurch geht der 
Weg, und alles, was in dieser Welt der Sterne ist und geschieht, wird 
von der Seele erkannt. Schliefilich kornint sie dann in die unsichtbare 
Welt und dringt, von den Sinnen nicht mehr 'behindert, in ihre Geheim- 
nisse ein ; das sind dann die Speisen, von denen die Propheten reden : 
theoria et intellectus dei (de princ. II, 11, 4 7). Ein edoceri et infor- 
mari ist dieser Aufstieg der Seele, sapientiae escis wird sie wieder- 
hergestellt zur urspriinglichen Gottesbildlichkeit. TJnd auch hier scheinen 



1) So dargestellt wiirde sich Or. Lehre ziemlieh nah mit der Valentins be- 
rtiliren, aber diese Darstellung ware einseitig und paradox, der wirkliche Or. 
hat dies Empfinden eben mit der ,,Walirheitsregel" ausgeglichen. 

2) Vgl. Denis, La philos. d'Orig. p. 343 ff. 



Das Paradies und das Fegfeuer bei Origenes. 453 

die vollkommeneren Seelen die minder vollkommenen zu unterweisen und 
zum Gottlichen emporzuziehen. 1 ) Und was. hat die Seele nicht alles .zu 
lernen iiber den Geist und die Seele, iiber Israel und die Volker, iiber 
die jiidiscben Feste und die Opferordnung, iiber die Tiere und die Ent- 
stehung ihrer Arten, iiber die Krafte der Wurzeln und Pflanzen, iiber 
den Fall der Engel, iiber den Sinn des ,,Zufalls", iiber die ratio aslrorum 
(II, 11, 5. 7)! Der Trieb ,,die Ursachen der Dinge" zu erforscnen, ist 
ihr vom Schopfer eingestiftet, daher rnuB dieser Trieb auch einst voile 
Befriedigung erlangen (ib. 4). Welterkenntnis ist Seligkeit, wie tief 
lafit dieser Gedanke in die bellenische Seele. des Or. blicken! 

Und a 1 1 e Menschenseelen werden einmal diesen Weg gefiihrt. Die 



Gottlosen fallen zunachst dem Feuer des Gerichtes anbeim. Es ist eine 
flamma proprii . ignis und der Stoff derselben ist des Menschen . eigene 
Siindnaftigkeit, welche das Gewissen peinigt (de pr. IE, 10, 4). Nicbt 
ein bleibendes Gericht und ein sinnliches Feuer, wie die arthovffreQOi 
wannen, sondern einen Lauterungsprozefi baben wir hierin zu erblicken : 
Furor vindictde dei ad purgationem proficit animarum (ib. 6). Ilgsitei 
yaq $$ aya&fy avctltioai xty ftvgi rtiv xoldoecov ity xaxiav (c. Gels. 
VI, 72 vgl. V, 15; VI, 26). Es ist ein jtvq xa^fftov (c. Gels. V, 17). 
Hier tritt uns die Vorstellung 'von dem Pegfeuer deutlicb. entgegen, 
aber das Eegfeuer ist der Ersatz fiir das ewige Gericbtsfeuer der Kircbe. 2 ) 
Werden so die Bosen gelautert, so steigen die Guten von Spbare zvi 
Spbare empor der Gottbeit entgegen, indem auch sie durcb. die gesteigerte 
Erkenntnis eine gewisse Lauterung empfangen (de pr. II, 11, 5). Aber 



1) de pr. II, 11, 3: quibus sapientiae escis mitrita mens ad integrum et 
perfecium, sicut ex initio factus est homo ad imaginem et similittidinem dei, 

reparetur. Seel et principes et rectores intelligendi aunt hi, qui inferiores 

et regimt et erudiunt et edocent atque instituunt ad divina. 

2) de or. 31, 15 : sv e ito Ttvql y.a.1 TIJ (pv)My.?l aiix dvii/.ttodLav Tfjs Ti^dvtjs 
K eiiegyeaiav ETU xaddoaei i&v ev TIJ rckdvr] '/M-/.WV (.teia acoTr]<)icov lafi/Sdvovres 

cl. Gels. IV, 12. 13. V, 15. In Ez. h. 1, 3 wird diese Deutung.cles Feuers 
zu den celanda gezahlt, well die parouli iuxta animae .aetatem der Frucht be- 
diirfen, aber die Haretiker notigeii dazu off en davon zu spreehen. Aucb. Clemens 
kennt die Vorstellung vom reinigenden Feuer, s. Eclog. propb. 26. Str. VII, 6 fin. ; 
12 p. 879 f.; V, 14 p. 700; s. nacb Pist. Sopb. 146. 147. Man bat sicb bei diesem 
Gedanken, der aueb dem Abendland nicbt fremd war (Cypr. ep. 55, 20, s. 
aucb Tertull. de monog. 10, de an. 58 Minuc. Fel. Oct. 35), der antiken Vor- 
stellung von der lauternden Kraft des Hadesfeuers zu eriiinern, z. B. Plato 
Pbaed. 62 ; Vergil Aen. VI, 742 : Infestum eluitur scelus aut exuritur igni. vgl. 
Dietericb, Nekyia 1893, S. 199 ff. Eobde, Psyebe IP, 128 f. 275, Anricb 
in den Abb. fiir Holtzmann. Ebenso bat das Judentum angenommen, daB das 
Gebinnom fiir die Israeliten nur ein Pxirgatorium sei, da keiu Bescbnittener ver- 
loren gehe (Weber, System d. altsynag. Tbeologie S. 327). 



454 15- Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

wie diese so erreicben aucb jene wenn auch nacb unendlicben >'Zeit* 
raunien das Ziel (de pr. Ill, 6, 6). Die Macbt des Logos bricht 
scbliefilicb alien "Widerstand und verniclitet alles Bose in den Seelen. 1 ) 
Dann bricbt das Ende ein mit dera Tage der "Wiederkunft Christi. 
Jetzt findet die Auferstebung der Leiber statt, es wird von einer ver- 
klarten pneumatiscben Leiblicbkeit geredet (de pr. Ill, 6, 4 9). Die 
leibliche Auferstebung wird von Or. Haretikern und Heiden . gegeniiber 
energiscb verfocliten, besonders iin ETinblick auf die Verneifiungen der 
Scbrift und die Notwendigkeit, daB aucb der Leib Lohn und Strafe 
erbalte (s. Pamphilus Apol. 7). Indessen lebnt Or. die korperlicne 
sinnlicbe Identitat des Auferstebungsleibes niit dem irdiscben Leibe ab, 
bebauptet. aber andrerseits, daB jener kein anderer als dieser sein wird 
(de pr. Ill, 6, 6). Nach seiner Ansicbt bestebt , fort das ei<5og des 
Leibes oder seine , dauernde cbarakteristiscbe Form. Dies gescbiebt aber 
dadurcb, dafi in dem irdiscben Leibe ein Xoyog oder eine ratio substantialis 
entbalten ist ; diese verborgene Kraft, die den Leib zusammenbalt, kann 
aus ibm aucb neue Formen bervorgeben lassen, wie etwa die ratio im 
Samenkorn aus ibm Halm und Abre entsteben lafit. Sie verwandelt 
aucb den irdiscben Leib in ein corpus spiritale.-) Yon einer wirklicben 
Identitat des irdiscben und geistlicben Leibes kann biernacb nicbt wobl 
geredet werden. Es ist ein neues geistartiges Grebilde, das ge- 
scbaffen wird durcb eine dem irdiscben Leib eimvobnende Kraft, das 
aber vermoge dieser Herkunft und der bleibenden Individualitat (eidog} 
dieseni aucb gleicbgesetzt werden kann. Or. bat gelegentlicb aucb bei 
den Auferstandenen belle und dunkle BLorper je nach ihrer sittlicben 
Bescbaffenheit, unterscbieden (de pr. II, 10, 8). DaB er der Kircben- 
lebre folgend sicb bemiibt bat, an der leiblicben Auferstebung festzubalten, 



1) C. Gels. VIII, 72: K&viwv ya^ t&v kv Wv%ij y.a'/.wv SwaTwrepos a>vo hoyos 
y.al i] KV aiino -d'sftaTteia Ttqoadyei y.arot. fiovlyoiv &sov exdcnca aiirrjv, xal ib rekos 
rwv Ttjjayfidtcov dvaitie&fjvai SGTI liyv v.a'/.iav. 

2) Uber die Auferstehung bei Or. s. Pamphil. Apol. pro Orig. 7, Hieronym. 
ep. 38 ad Pammaehium ; iiber den loyog c. Gels. V, 23 u. de pr. II, 10,: 3: nostra 
corpora velut granum caderc in terrain . . ., quibus insita ratio ea, qiiae sub- 
stantiam continet corporalem, quamvis emortua fuerint corpora et corrupta atqwe 
dispersa, verbo tamen dei ratio ilia ipsa qiiae semper in substantia corporis salva 
est, erigat ea de terra et restituat ac reparet, sicut ea virtus, quae est in -grano 
frumenti, post corruptionem eius et mortem reparai ac restittiit granum in culmi 
corpus et spicae. . . . Ratio ilia reparandi corporis . . ., dei iussii, ex terreno et 
animali corpore reparat spiritale, quod habitare possit in coelis. Auf die z. T. 
unlosbaren Schwierigkeiten, die diese Lelire bei Or. bereitet, kann hier nieht 
weiter eingegang-en werden, s. die sorgfa'ltigen Darstellungen von Atzberger, 
Gesch. d. Eschatol. in d. vornic. -Zeit 1898, 8. 431 f. u. Bonwetsch, Die Theol. 
d. Methodius 1903, S. 105 ff. 



Die Auferstehung bei Origenes. 455 

1st hiernach klar, aber die erkiinstelte Weise, in der das geschieht, zeigt 
auch, wie innerlich fern ihm dieser Gedanke gestanden hat. Achtet 
man auf den Grundgedanken des Or., so ist' unfraglich, daG er, wie 
Plato oder Plotin, nur eine rein geistige Fortexistenz der Seelen annehinen 
kann (de pr. II, 3, 7; 11, 7), denn nur so ist das Ende dem Anfang 
gleich. 1 ) Gott ist nun alles in allem und die Kreatur lebt ini 'Schauen 
der Gottheit (III, 6, 3), hier ergreifen wir das ;,ewige Evangelium", 
das sich zu dem zeitlichen Ev. verhalt wie dieses zum Gresetz (ib. Ill, 6, 8 ; 
IV, 25). Aber fur das tiefere Verstandnis scheint aucn dies Ende nicht 
das Ende sein zu konnen. Der freie Wille, der das Prinzip aller Yer- 
anderung im Weltprozefi ist, ist der Kreatur geblieben. So kann er auch 
wieder der Urneber neuer materieller Welten werden. 2 ) So spricht auch 
hier die Freiheit das letzte Wort und sie eroffnet den Ausblick in einen 
neuen Werdeprozefi mit neuen tragischen Konflikten und neuen Erlosungen 
durch den allgewaltigen Logos. Wie die Welt von Ewigkeit her ist, so 
wird sie auch in Ewigkeit bleiben. 

22. Zwei Probleme beherrschen die Entwicklung der DGf. ini 
.2. Jahrhundert. Es ist die tlberwindung des Grnostizismus mit seinem 
Synkretismus xind seinem wildwachsenden Greisttum , und es ist die 
Regelung des Yerhaltnisses der uberkommenen Tradition zu dem fort- 
dauernden Wirken des heil. Greistes. Irenaus und Tertullian losten beide 
Probleme durch die Apostolizitat der Gflaubensregel und des kirchlichen 
Amtes, hier ist der wahre Greist vorhanden, der alle sonstigen Berufungen 
auf den Geist als irrig oder zum mindesten uberfliissig erweist. Einen 
anderen Weg hat man in Alexandria zur Losung dieser Fragen ein- 
geschlagen. Man behielt in der Kirche den Geist bei, aber man naturali- 
sierte ihn, indem man ihm hellenischen spekulativen Oharakter verlieh, 
und man ordnete ihn der Schrift unter, die er auslegen soil, freimiitig, 
aber im'Einklang mit dem kirchlichen common sense. So uberwand 
man 1) die Gnosis, nicht indem man ihren Geist durch den Buchstaben 
der Tradition richtete, sondern indem man ihn durch den hellenisch 
durchsetzten heil. Geist uberwand und iibertraf. So schied man aber 
auch 2) den unruhig flackernden Geist aus, s ) indem man ihn durch 

1) Das hat Or. auch in de pr. Ill, 6 nach der tibersetzung des Hieroiiyrnus 
gesagt : futiira sit vita incorporaliwn incorporates. Eadem qiia vivit deus, nobis 
condicione vivendum est (in Eedepennings Ausg. S. 318 f.). 

2) de pr. Ill, 6, 3 nach Hieronym. : nee dubium est, quid post qiiaedam in- 
tervalla temporum rursus materia subsistat et corpora fiant et miindi diversitas 
constmatiir propter varias voluntates rationabilium creaturarum, s. aueh c. Gels. 
IV, 69. Anders z. B. de pr. Ill, 6, 6: in quo statu etiam permanere semper et 
immutabiliter. 

3) S. das Urteil des Orig. iiber die Montanisten de princ. II, 7, 3: erroribiis 



456 15. Die Theologie der alexandrinischen Vater. 

ruhige religionsphilosophische Erkenntnis und erbauliche Mystik ersetzte, 
an den heiligen Buchstaben ankniipfend, ohne dem Geist sein freies 
Walten zu verschranken. Die Grundprbbleme der Zeit waren hier- 
durch gelost, im Sinn des Hellenismus und nach seinem geistigen Bedarf. 
Das ist die grofie Tat dieser alexandrinischen Theologie gewesen. Sie 
hat in eigenartiger Weise die Gnosis aufgehoben, und sie hat den Geist 
nicht ausgeschieden , sondern ihn in modifizierter Gestalt der Kirche 
dienstbar gemacht. 

Aber aus der neuen Bestiminung des Geistes in der Kirche ergab 
sich eine Fiille wichtiger Konsequenzen fiir die weitere Entwicklung des 
griechischen Christentums. Zunachst wurde die grobe Form des Orientalis- 
inus ausgeschieden, nicht nur den gnostischen orientalischen Mytholo- 
gumenen gait das , sondern auch der kirchlichen Eschatologie und 
schliefilich jedena geschichtlichen Element der TJberlieferung, das dem 
Griechen nicht assimilierbar war. Zum anderen wurde der griechische 
Hang zur Kontemplation und Spekulation als tiefste Frommigkeit und 
als ."Werk des heil. Geistes legitimiert. Der ,,nackte Glauben" auf 
Autoritat bin wurde nur als Notbehelf fiir den gemeinen Mann anerkannt, 
das Christenturn als solches strebt die hohere Erkenntnis an. Nicht das 
"Wort, sondern der Geist des Dogmas tut es, und nicht der Glaube an 
die Lehre, sondern das pneumatisch-spekulative Yerstandnis derselben 
fuhrt. den Menschen auf die Hohe der Eeligion; Dieser Gesichtspunkt 
bietet den Schltissel dar zum VCTstaftclnis der grofien Kampfe um Trinitat 
und Christologie auf griechischeni Boden in der Eolgezeit. Dazu kommt 
drittens, daB die pneumatischen Christen die eigentlichen Leiter der 
Gemeinde sind; daraus ergibt sich aber spater die Konsequenz, da6 alle 
auch die amtlichen Leiter der Gemeinde irgendwie pneumatischen 
Charakters teilhaftig sein miissen. Aber viertens, waltet der Geist fort- 
dauernd in den Gemeinden, so wird man leicht neben den pneumatischen 
"Wirkungen der vollkommenen Christen auch nach direkten pneumatischen 
Wirkungen verlangen, ihr Organ werden die Mysterien sein. Je starker 
der neuplatonische Geist in der Kirche wird, desto .dunkler wird die 
Mengung von sinnlichen Symbolen und wirksamen Gotteskraften werden, 
desto starker wird die ' Theurgie . zur Mystik magische Elemente hih- 
zufugen. 

Das ist die Grundrichtung des Christentums, wie Clemens 'und 
Origenes es zuerst in grofiem MaBstab clargestellt haben. Wir haben 
dabei unserem Ausgangspunkt entsprechend, den Geist" in den Mittel- 



se ac deceptionibus tradiderunt, erratico magis spiritu depravati quam sancti 
spiritus institiitionibus eruditi. 



Das alexandrinische Christeutum. 457 

punkt geriickt. Statt Geist muB. man aber auch Logos sagen, denn der 
Logos ist zunachst die geistige Macht, die erzieherisch durch menschliche 
Medien auf die Menschheit einwirkt, wie auf ihn auch vor allem die 
Spekulation sich richtet. FaBt man aber die Christologie genauer in 
das Auge, so begegnen einem auch hier sofort die Konsequenzen der 
hellenischen Anlage des ganzen Gedankenbaues. Zwischen der absoluten 
Gottheit und der Welt liegt eine tief e Kluft. Der Logos iiberbriickt 
sie von Gott zum Menschen. Darin ist eine doppelte Betrachtungsweise 
begriindet: der Logos ist Gott, denn nur in ihm erreicht das Gottliche 
die Menschheit, und der Logos muB doch wieder subordinatianisch als 
,,zweiter Gott" gedacht werden. Nichts war daher dieser Gedanken- 
richtung so unertraglich als der Modalismus in jeder Form, der "Wider- 
spruch gegen Athanasius hat hierin semen eigentlichen Grrund. Aber 
welter, auch die scharfe Trennung des Menschen Jesus von dem Logos, 
wie sie besonders Origenes eigentumlich ist, wurzelt in dem Hellenismus, 
der alles Irdische . und Kreatiirliche" nur in weiter Distanz von dem 
Grottlichen zu denken vermag. Daher die schliefiliche Annihilierung der 
Leiblichkeit Christi, das Aufgehen seiner Seele in der Gottheit. 

Aber der letzte Gredanke weist , auch wieder auf einen anderen Pfad 
in dem verschlungenen Gedankenbau. Die starre Fassung der Absolutheit 
der Gottheit errichtet einerseits eine unendliche Distanz zwischen Gott 
und der Kreatur, aber sie macht auch andrerseits alles Kreatiirliche zu 
einem AusfluB der Gottheit und alles Sein gottlich. TJnd so wird dann 
die sittliche Entwicklung zu einem ProzeB der Yergottung. Die Kreatur 
erlangt Teil an der Gottheit; indem sie wird was sie sein soil, wirkt 
die seingebende oder vergottende Kraft des Alleinen in ihr. Und wiederum 
muB man sich hiiten, mit diesen Konsequenzen zu weit zu gehen. 
.,Vergottung" ist keineswegs zunachst ein physischer Prozefi, sondern 
es ist die ganze den Menschen vernttnftig und geistig niachende Ein- 
wirkimg. des Logos durch die Mitteilung der Wahrheit und des Gesetzes. 
Vergottung ist . dann die Mitteilung .der Unsterblichkeit. Aber auch 
hierbei ist nicht sowohl an eine materielle TJnibildung zu denken, als 
daran, dafi der Mensch sich lost von den Fesseln der Materie und ihrer 
Luste. Ein mystisches Element spielt freilich immer irgendwie in den 
'Begriff der Yergottung herein, es ist die durchdringende reinigende Kraft 
des Logos als des gestaltenden Prinzips. Aber dieser Tendenz steht als 
Gegengewicht .zur Seite die Freiheit. Die Freiheit gehort zu den 
Grundbegriffen dieser Theologen, ihre Leugnung zahlt zu den schlimmsten 
Haresien. Sie bezeichnet die Yernunftigkeit und Geistigkeit des Menschen, 
vermoge welcher er alles, .was ihm angeboten wird, selbst ergreift und 
nach eigener Wahl sich aneignet. An ihr hangt der geistige und sittliche 



458 15- Die Theologie der alexandriuischen Vater. 

Charakter des Christentums. So wenig konsequent durchgefiihrt der 
Freiheitsbegriff 1st, so sehr halt er der physischen Form der Yergottung 
das Gleichgewieht. Die Psychologic Augustins hat das Freiheits problem 
geschaffen, unsere Theologen haben dies Problem noch nicht empfunden. 
Fur sie 1st der Mensch frei, sofern er ein vernunftiges denkendes Wesen 
ist. Sie waren naive Pelagianer. 

Yon hier aus begreift man die ganze Heilslehre des Clem, und Orig. 
in ihrem inneren Zusammenhang. Durch Aufklarung, Gesetz und Beispiel 
\virkt der Logos auf die Menschen ein. Sie nehmen diese Einwirkung 
an, entweder aufierlieh aus Autoritatsglauben und Furcht, oder aber mlt 
Yerstandnis und freiwilligem Gehorsam; Dadurch befreien sie sicb. von 
der Welt und der Materie und werden reine Geister. Das ist der Heils- 
prozeB. Die in die Materie gebannte Seele befreit der Logos aus ihrer 
Knechtschaft und fiibrt sie zuruck in die obere Welt, der sie ehtstammt. 
In diesen einfachen GrundriB kam nun aber eine unendliche Komplikation 
durch die Elemente der kirchlichen IJberlieferung und durch den Biblizis- 
mus, der jeder biblischen Yorstellung Platz in dein Grundrifi verschaffen 
\vollte. So muBte man von dem Opfer Ohristi reden, so ergab sich die 
Notigung die Mysterien und alle Kultusordnungen irgendwie als ,.not- 
wendig" zu erweisen. So endlich mufiten auch Pauli Gedanken von der 
Rechtfertigung gedeutet und verwandt werden. Es hat der Grundtrieb 
in diesem Gedankengeflige starke Wirkungen ausgeubt in dem griechischen 
Christentum, aber er hat imnier nur wirken konnen in dem Zusammen- 
hang niit den iiberkonimenen Formen, in dem er Gestalt empfangen 
hatte. Und gerade dieser Zusammenhang war es, der dem Ganzen den 
christlichen Charakter erhielt und es iiber das Yulgarchristentum hinaus- 
hob, 1 ) jenes indem die christliche Tradition eine Macht blieb, dieses 



1) Vom Glauben des gemeineu Marines, der &7tlotJaieooi gebeu 
Celsus und gelegentliclie Bemerkungen des Orig. Kunde : z. B. der schroffe Gegeu- 
satz der (.leydl-rj EwAyoia zu den gnost. Parteien (Gels. b. Or. c. Gels. V, 63), der 
Glaube an einen Gott, die 1 rohe Auffassung seiner Person (de pr. IV, 8 fin. Gels, 
c. Gels. IV, 71 j VI. 6 Iff.); die eiuzigartige Stellnng der anzubetenden Person 
Christi (obs -9s6 s , ivre^^sma^ovat Gels. b. Or. c. C. VIII, 41. 39. 12. 14 cf. Ill, 
41; VI, 10; VII, 36. Or. de orat. 16 init.); die Hymnen, die Christi Gottheit 
gelten (Ens h. e. V, 28, 5; VII, 30, 10; der Hymnus zu SchluC des Paedag. d. 
Clem., (s. uocli Mart. Polyc. 17, 2. Tertull. e. lud. 7. Lucian de roorte Peregrin. 
11. 13, das Spottkruzifix) ; die Betonung des blofien Glaubens (Gels. 1. e. I, 9. 12), 
die Zusammenfassung des Ckristentums in das Wort: die Welt ist mir gekreuzigt 
etc, (Gal. 6, 4. Gels. 1. c. V, 64), die Gnade (Gels. 1. c. Ill, 71. 78); die lebhafte 
siimlich gefarbte Hoffnung aiif das Jenseits (z. B. Or. de pr. II, 11, 2 cf. b. Method, 
de resurr. 20. Gels. I. c. VIII. 49; IV, 11; V, 14; VII, 28), der rege Glaube an 
die Gewalt des Teufels und der Danionen, welche der christl.. Glaube durch 



Die geschichtliche Bedeutung der alexandrinischen Theologie. 459 

indem das geistige Yerstandnis der Yerflachung und Yersumpfung ent- 
gegenwirkte. Wie Philo trotz Plato Jude blieb, so Origenes Christ trotz 
Plotin. 

Das ist die Lehre der Alexandriiier, Religionsphilosophie und doch 
Kirchenlehre, Hellenismus und doch Christeritum, ein Zweig von einem 
absterbenden Baum, dem Zweig aber war Lebenskraft eingepfropft. 
Bemessen an den nachsten Aufgaben und an der praktischen Wirkungs- 
Icraft ist diese Lehre ein Gebilde von einer Grofiartigkeit und Kraft, 
wie nur wenige in der Geschichte, sie hat den Bruch mit dem Heiden- 
tum wie mit den judaistischen und gnostischen Eormen des Christentums 
sieghaft zu Ende gefiihrt, und sie hat wieder alles Kraftige und Zeit- 
;gemafie der iiberwundenen GroBen in sich aufgesogen und dadurch ge- 
rettet, sie hat das Christentum zu einem Faktor in der hoheren und 
hochsten Kultur der Zeit gemacht. Niemand darf diese ungeheure Leistung 
rgeringschatzen oder sie als Hellenismus preisgeben. Sie war fur ihre 
Zeit edne notwendige Form und war eine herrliche Gabe an ihr Zeit- 
'.alter. Legt man freilich den absoluten Wertmafistab an diese Theologie 
an, so wird das TJrteil weniger glinstig a'usf alien. Dabei handelt es sich 
van die Reinheit und Energie 1 der Durchfiihrung des Charakters des 
Christentums als Erlosungsreligion. Nun hat dieser Gesichtspunkt aller- 
dings Clem, wie Orig. bei der Polemik wider die Religion der artkovOTSQOi 
geleitet und ihre Charakteristik der vollkonimenen Christen' bestimmt. 
Aber sie haben ihre Absicht nicht streng einzuhalten vermocht. Der 
-die Menschheit gestaltende Logos ist eine abstrakte Idee, in der kon- 
kreten Durchfiihrung der Erlosung schiebt sich der gesetzliche Zug 
immerfort ein. Die eigene Freiheit entscheidet, Yernunftwahrheiten . und 
Gesetzesvorschriften werden angenommen und' befolgt. Der Mensch 
wirkt selbst aktiv gestaltend seine Erlosung, ohne daB die Abhangigkeit 
dieses Tuns von deni Erloser-Logos klar ergriffien wird. Dieser Eindruck 
ist um so starker, als die Mehrzahl der Christen die Hohe der Yoll- 
kommenheit nicht zu erreichen vermag, sondern ganz in der gesetzlichen 
Anschauung stecken bleibt. Aber das schlimmste ist, .daB gerade an 
den Punkten, wo die Gotteswirkungen besonders hervortreten sollen 
in den Mysterien ^ wieder ein frenidartiger Zug, die sinnliche natur- 
'hafte Gotteswirkung, sich in die Gedanken hereinschiebt. Oder, die 
;geistig gefafite Religion bleibt im Bann der Gesetzesreligion, und die als 
Erlosungsreligion bestirnrnte Religion beginnt Ziige der naturhaften 
Religionen in sich aufzunehmen. 



Spriiclie etc. iiberwindet etc. (Orig. c. Gels. I, 24. 25. 46. 67; II, 8; III, 24; 
V, 45; VII, 69; VIII, 37. 58. 59. 61). . 



Viertes Kapitel. 

Die einzelnen Lehren sowie die Gesamtauffassung ties Christentums 

im dritten Jahrhundert. 

Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln die geistige Entwick- 
lung der Kirche von der Mitte des 2. bis gegen Mitte des 3. Jahr- 
hunderts verfolgt. An fast alien Punkten der christlichen Anschauung 
sind feste Eundamente fur die weitere Entwicklung gelegt worden. Das 
ist von versckiedenen Grundanschauungen aus geschehen, aber das Ke- 
sultat der Arbeit stellt, auf das GroBe gesehen, eine Einheit dar. Drei 
Grundtypen baben sicb tins ergeben : 1) die alterttimliche Theologie des 
Kleinasiaten Irenaus, die prinzipiell die alte apostoliscbe ,,Lebre" ver- 
ficbt und sie vermoge einer Kombination johanneischer und pauliniscber 
Gedanken deutet. Man lernt aus ihr ani besten das geistige Kapitel 
kennen, das die Kirche aus ihrer Urzeit uberkommen hat. 2) Die ra- 
tionalisierende Recbtstbeologie des Tertullian mit ihren knappen recht- 
artigen JFormeln, die fur das Denken und die Interessen der lateinischen 
Christen typisch ist. . 3) Die prinzipiell hellenisierte Theologie der 
Alexandriner , in der alle Grundlinien der spateren dogmengeschicht- 
lichen Entwicklung bei den Griechen schon hervortreten. BQer sind die 
ersten Ansatze der theologischen Gedankenbildung bei den Apologeten 
und den Gnostikern prinzipiell durcbgefiihrt worden (s. auch Hippolyt). 
Aber in dieser kiihnsten Annaherung an das "weltliche Denken sind doch 
auch altertumlichere christliche Elemente als in den beiden anderen 
Gruppen beibehalten worden. Man kann dabei sagea, daB auch fiir 
diese Gedankenbildung die Tendenzen der johanneischen Theologie maB- 
gebend geworden sind ; man kann ini Wort vom Weinstock und den 
Heben die letzte Absicht der Alexandriner wie des Irenaus zusanrmenfassen. 
Neben der alten ,,TJberlieferung der Apostel" ist die johanneische Theologie 
nicht nur die Christologie, sondern auch das ,,Gebot" des Glaubens 
und die antiharetische Stimmung der treibende Paktor in der Theo- 



Das Christentum des 3. Jahrhunderts. 461 

logie. des ausgehenden 2. Jahrhunderts gewesen. Dazu kam die Not- 
wendigkeit, die Darstellung des Christentums den Gemeinden verstand- 
lich zu erhalten, indem man sie nach -den Bediirfnissen und den Er- 
tragen des wirklichen Lebens gestaltete. Aber dies schlofi allmahlich 
die Aufgabe in sich, das Christentum als die Denkweise der hochsten 
Kultur aufzufassen, nicht nur aus apologetischer Ilberlegung, sondern 
unter dem Drang des eigenen Empfindens und Denkens. Und hierfiir 
ist die Methode der Apologeten vorbildlich geworden, weil das Leben 
immer wieder den Anlafi zu ihr bot. In diese grofie geistige Arbeit 
drangen mit den heiligen Schriften, deren Bedeutung in dem Mafie stieg 
als ihre Apostolizitat prinzipiell betont und die miindliche Apostellehre 
eine immer unsicherere Grrofie wurde, eine Menge von Problemen und 
Gresichtspunkten, die die Aufgaben komplizierten, aber auch erleichterten. 
Der ,,Schriftbeweis" wurde zur Notwendigkeit. Er war um so schwie- 
riger, als die zu beweisenden Lehren nicht aus der Schrift genomnien 
waren, sondern faktisch das Produkt einer alten Verkiindigung- resp. des 
Verstandnisses von ihr waren. Irenaus und die Alexandriner haben diese 
tiberlieferung im Sinn des Johannes aufgefafit, das Abendland hat eine 
solche wirksame Autoritat an keinem einzelnen Schriftenkomplex des 
N. T. besessen. 1 ) Das Einheitsband fiir die Elemente der UberHeferung 
hat es daher aus dem kirchlichen Interesse mit seinen Tendenzen ent- 
nehmen mtissen. Aber schlieBlich mufi noch gesagt werden, wie um- 
fassende Fragen aus der mit der Ausbreitung der Kirche erwachsenden 
Yerweltlichung der Christenheit 2 ) auch der Theologie erwuchsen. Man 
kann das an den grofien Kampfen iiber die Bufie und die Kirche, aber 
auch sonst, bei Tertullian wie Origenes, lernen. 

Die Kirche ist mit grofien Aufgaben und Problemen aus deni 2. 
in das 3. Jahrhundert hiniibergegangen. Aber sie nahm auch erne Eulle 
konzentrierter Kraft zu ihrer Losung mit hiniiber. Man hatte die 
Kealitat und den Begriff einer katholischen Kirche, alle idealen "Werte 
und Hoffnungen, die man einst an die Idee der Kirche gekniipft hatte. 
waren konserviert und auf die empirische "Wirklichkeit iibertragen worden. 
Diese sichtbare sich immer weiter ausbreitende Gemeinschaft hat das 



1) Zwar hat man sich mit Vorliebe auf Paulus berufen, aber was man ihin 
entnahm, war nicht paulinisch, weder die Theorien vom Opfer Christi noch die 
,,Gerechtigkeit", die im G-egenteil verhangnisvoll zur Starkung des Moralismus 
hat beitragen konnen. 

2) Vgl. die Bemerkungen des Iren. iiber Christen, die im eigenen Interesse 
und wegen heuchlerischer Briider aus der Kirche ausscheiden (IV, 33, 7; 30. 3. 
Ill, 11, 9. IV, .26, 2 cf. Eus. h. e. V, 15 dazu 20, 1). Die &7clova<ie$oi des Clem, 
und Orig. stellen auch eiue besondere Form der Verweltlichung- dar. 



462 16. Der Monarchiamsirms. 

BewuBtsein , das Salz del' Erde zu sein und die Oikumene einst zu 
erobern. Alles, was sie betraf und in ihr geschah, kam dadurch unter 
den Gesichtsprmkt weltgeschicktlicken Kampfes und Sieges. Diese Kir eke 
verf iigte iiber die alte von Gott offenbarte Wakrheit ; siclier .handhabte 
man diese Wahrkeit, sie war fest ausgepragt in groBen Gedankenkom- 
plexen, und diese batten das Siegel der Geschickte erlangt in schweren 
Kampfen wider Heiden und Haretiker. Die alten Grand wahrheiten, die 
die Apostel verkiindigt batten, waren zu einem Lehrsystem verarbeitet 
worden, die gesckichtlicke Tradition sowie das keilige Buch der Ckristen- 
heit garantierten die Wahrkeit dieses Besitzes. Man hatte die ."Wahrkeit 
und eine gesicherte Methode ihres Beweises. Durch diese Gedanken 
war aber auch der Begriff der Haresie festgestellt, und waren die Mafi- 
stabe zu ihrer Eruierung immer feiner und unbeugsamer geworden. Die 
Art der Kampfe um das reine Christentum hatte es mit sich gebracht, 
daB man die Lenre als den alleinigen MaBstab der Entscheidung brauchte, 
jeder Gegensatz riickt alsbald unter den Gesichtspunkt der Haresie. 

v 

x^ucb. wo der Kampf der Heiligkeit des Lebens gait, wurde er als Streit 
um die Lehre gefiihrt, Schismatiker werden als Haretiker verurteilt. 1 ) Von 
diesen Gesiclitspunkten aus werden wir die weitere Geschichte der christ- 
lichen Lehrentwicklung darzustellen naben. "Wir beginnen. mit einer An- 
zab.1 von Streitigkeiten um die christliche Zentrallebre, die Christologie. 



16. Der Monarchianismus. 

Die clynainistischen Monarchianer : Hippol. Eefut. VII, 35. Ps.-Tert. 
ady. omn. haer. 23 (8). Das kleine Labyrinth Eus. h. e. V, 28. Epiphan. h. 54. 
Paul, von Samos: Eus. h. e. VII, 2730. Epiph. h. 65. Fragmente bei Eouth, 
Eeliq. sacr. IIP, SOOff. Mai, Vet. scr. nova coll. VII, 68 1 Die Patri- 
passianer: Tertull. adv. Praxeam. Hippol. c. Noet. Eefut. IX, 6 12. Epipk 
h. 62. Ens. h. e. VI, 33. Vgl. Harnack, PEE. XIII 3 , 303ff. Hilgenfeld, 
Ketzergesch. S. 609 ff. Thorn asius DG. I, 168 ff. 

1. TJnter dem Namen MonarcManismus befaBt die dogmengescnicnt- 
liche Tradition zwei Erscbeinungen, die innerlich nur wenig miteinander 
geniein baben. Die eine, der dynamistische Monarchianismus, 
bezeicbnet namlich eine christologische Sonderineinung, die andere, der 
modalistische Monarchianismus, gehort dagegen in das Gebiet 
des Trinitatsgedankens ; nur diese zweite Erscheinung hat das Altertum 



1) Das ist ein bleibendes Erbe der Kirehe aus den Kampfen um ihre Existenz 
in dem antignostischen Zeitalter, und nach Lage der Dinge konnte man nicht 
anders vorgehen. . 



Die dynamistischen Moriarchianer. 463 

mit dein Namen belegt. Da aber aucb, der Modalismus sich auf das 
christologiscbe Gebiet konzentriert, und da beide Erscbeinungen cbarak- 
teristisch sind fur eine TJbergangszeit der Christologie und endlicb beide 
gewisse archaistische Ankniipf ungspunkte haben, die < binter die Logos- 
cbristologie zuriickreichen , so mogen sie aucb . bier der Tradition 
folgend nebeneinander bebandelt werden. 1 ) .: 

Noeb ist ZM~ bemerken, dafi die sog. ,,Aloger" nicbt bierber ge- 
bb'ren. Epiphanius bat das freilicb bebauptet (h. 54, 1), aber docb nacb 
seiner Quelle ibre Ortbodoxie anerkennen mussen (ib. 4 vgl. Irenaus und 
oben S. 259 A.). 

2. Wir baben es zunacbst mit den dynamistiscben Monar- 
cbi'anern zn tun.- Es ist die Lebre des TJrbebers darzustellen. 

Tbeodotus 6 O"/.vrsvs aus Byzanz bracbte ca. 190 diese Lebre 
nacb Rom. Nacb Epipbanius batte er in Byzanz Cbristus verleugnet, 
isei dann nacb Rom gefloben und babe bier zu seiner Recbtfertigung 
eine Lebre erdacbt, die die Ableugnung der Gottheit Cbristi als erlaubt 
erscbeinen liefi. An der Grescbicbte mag efrvvas Wabres sein, aber jeden- 
falls ist seine Lebre nicbt .ein ad hoc erfundenes Figment. Tbeodotus 
lebrte : cpdoxtov ret TCSQI (.isv trig rov Ttavrbs agxfjs ov^icpiova ex (.isQOvg 
tolg vys afaj&oug exxhrjoiac;, vnb lov -d-eov ndvrcc o^oKoyCov y&yovevat, 
TOV ds Xqtotbv . . . cpdoxsi foiomti) xivl TQOrtty ytecprjvsvai,' ~/.ai TQV 
l.t sv 3 IriGovv sivai av&Qwitov ex riagd-svov y&yvrj/.ievov xava fiovkyv TOV 
rtargog, fii&aavTcc de xoiv&g rtaaw av&Qtbftoig xal svaefifGTarov ytyo- 
vora, VOTSQOV STTI TOU @c(TCTio[.iarog srcl rfy *IoQddvr) /. l / i toQr)"/.i>at ibv 
Xgioibv avco-9-sv xars^rj^v^-ora sv etdei rteQiaxBQ&g, o$ev ou 
tag duvd/iieig sv amfy sv^Qyi^xevcii r) ore xarsltf-bv avsdsi%&rj sv 
TO nvsv(.ia, o slvai TOV XQLGTOV rtQoaayoQSvei. 0sbv de ovdsnoie 
TOUTOV ysyovsvai omoi dslovaiv iril Tfj xa&odij) TOV ffvtvf.iaTOs, STSQOI 
ds f.iTa TIJV -/ VSXQIOV avdoTaoiv (Hipp. Ref. YII, 35 cf. Ps.-Tert. 8). 
Papst Viktor (189 198) scbloB ibn aus' der Kircbengemeinschaft aus 
(Das kl. Lab.' bei Bus. V, 28, 6): Zur Zeit Zepbyrins (198217) 
b,at sicb diese Ricbtung wieder geltend gemacbt unter Leitung des As- 
klepiodotus und des T gartstiTyg Tbeodotus (Eus. V, 28, 7 s. 
aucb. 17) Aucb bier war roan der Ansicbt : et ipsum hominem Christum 
tantummodo elicit ex spiritu sancto et vifgine Maria (Ps.-T. 8), er war 
geringer denn Melcbisedek (vgi. Epipb. b; 55, 8); dieser ifjihbg avd-QU- 
Ttog aber wurde in der Taufe mit dem Greist Gottes ausgeriistet (Hipp. 
YII, 36). Diese Lebre versucbte man auf exegetiscbem Wege durch 



1) Schon Origenes hat beide Anschatiungsweiseu zuaammengestellt. s. Frg. 
in Tit. Lommatzsch V, 287 ; bes. Novatian de trjn. 30. 



464 : 16. Der Monarchianismtis. 

gelehrte Arbeit zu erweisen. Die Textkritik .und spinose logische 
Distinktionen nahm man dabei zu Hilfe. 1 ) Sodann aber behauptete 
man die alte bekenntnismafiige Lehre zu fiihren : cpaol yaq rovg {.isv 
rtqoTqov$ artavTCtc, xat avTOVQ iovg, anoaroKovg jtaQSi^cpevaL TS xed 
dedida%evai rauTcc, a vuv obroi leyovbi, xa< trm^jjo^at tyv &krj&eiav 
vou TMiQvy(.ia.TOs [.ie%Qi xCov %qoviov TWV BiyaoQOg . . ., &7tb de TOV dta- 
do%ov avtov Ztcpvyivov rt<x()aKe%a()(x%&ai ity al^siav (kl. Lab. b. Eus. 
V, 28, 3 vgl. dazu den Vorwurf des kirchl. Gregners wider sie : ygacpag 
f,iev O-eiag ctcpoficos $SQqdiovQpp.aai -niortcbs TS aQ^alas xdvova rj&evij- 
xafft, Xqiaxbv de fyvorixaoiv ib. 13). Der Versuch eine Gemeinde 
zu griinden, hat obwohl man ihn sich. etwas kosten liefi, zu dem er- 
wiinschten Erfolg nicnt gefiihrt (kl. Lab. b. Eus. V, 28. 812). 
Nocli um 270 vertrat Art em as (od. Ai-tenion) wonl zu Rom diese 
oder eine ahnliche Auffassung und scheint eine besondere Gremeinde um 
sich gesammelt zu haben (Eus. h. e. V, 28, 13; VII, 30, 17). 

Die Lehre dieser sog. Monarehianer ist hiernach ziemlich klar. Sie 
beriefen sich auf die Heil. Schrift, resp. auf die richtigen Lesarten .und 
das vernunftgemafie Verstandnis derselben, sowie auf das alte apostolische 
xi f j()V'y(.ia. Letzteres war freilich eine schwankende Grofie, denn an das 
romische Taufsymbol dabei zu denken , liegt keine Yeranlassung vor. 
Aber man sieht hieraus, dafi sie sich prinzipiell den kirchlichen Mafi- 
staben der AYahrheit unterstellten, mogen auch einige unter ihnen schliefi- 
lich bei der Gfnade oder deni Gfeist Zuflucht gesucht haben (s. die vorige 
Anm.). Ihre Gfotteslehre war orthodox. Die Christologie trug dagegen 
altertiimlichen Charakter, d. h. es fehlte ihnen die. Logoschristologie. 
Es war eine Christologie, wie sie sich auf die Synoptiker oder auf Hennas 
berufen konnte (oben S. 104f.). Der von der Jungfrau geborene 2 ) Mensch 
Jesus hat bei der Taufe den heil. Geist, den sie mit dem Christus iden- 
tifizierten auch das hat alte Ankniipfungspunkte empfangen. Allein 
aus alle dem wird noch nicht klar, weshalb die Kirche sie so scharf 
bekampfte. Dafi Jesus ein von dem Geist durchdrungener Mensch war, 
das war der Zeit nach keineswegs so fremdartig, als dafi es den schroffen 



1) Das kl. Labyrinth (Eus; h. e. V. 28, 18 f.) erzahlt, sie hatten selbst ihre 
Haudschriften verfertigt,- die aber untereinander wieder nicht iibereinstiminten. 
Daselbst wird von evioi berichtet, sie hatten n^otpdaei %d(>n;os, unter Absehung 
von der Schrift, ihre Lehren vorgebracht, das scbeint auf Pneumatiker zu weisen. 
Beispiele der exegetiscken Methods des Schusters Theodotus gibt Epiphan. 
h. 54, 3 ff . : nach Dent. 18, 15 ist Christus ein Prophet wie Moses, ebenso nach 
Jer. 17. 9. Jes. 53, 3. 1. Tim. 2, 5, wo aber bei Epiph. das entscheiclende av- 

os vor 'Ii]aovs fehlt. - 

2) Erst Epiphanius (h. 54, 1) hat dies geleugnet, aber sicher mit Unrecht. 



Das ,,Haretiscke" in dem Monarchianisnras. 465 

"Widerspruch verstandlich inachen konnte. Sehe ich recht, so war es bei 
diesen Haretikern, wie fast immer,. die Negation, .aus der sich die 
Scharfe des Gegensatzes begreift. Sie haben aber zweierlei negiert 
1) dafi Jesus vo'r der Taufe Wunderkrafte besessen habe, und 2) da6 
der Mensch Jesu irgendwie Gott geworden sei, d. h. sie sahen Jesus 
wie einen Propheten an, der zeitweilig gottliche Krafte in sich trug, 
aber selbst dadurch nicht gottlich wurde,. oder es hochstens einmal nach 
-der Auferstehung seiri wird. Daraus versteht sich sowohl das Suchen 
nach Bibelstellen, die Jesus als Menschen bezeichneten, wie auch die 
JFormel des ifjikbg av-9-QCOrtog. Nicht die Betonung des Menschen Jesus 
oder die Identifizierung von Christus und dem Geist waren an sich uner- 
traglich fur beides fehlt es nicht an Analogien bei Hippolyt selbst , 
imkirchlich wurde die Lehre erst dadurch, dafi man den Menschen Jesus 
aum bloBen menschlichen Propheten machte, der von eineni bestiinznten 
.Zeitpunkt an iiber .gottliche Krafte verftigte, ohne doch selbst gottlich 
und Gott zu werden. So ang'esehen" .und geschichtlich kann m. E. die 
Sache nicht anders angesehen werden , war der Verf . des kl. Labyrinths im 
JRecht, wenn er den Monarchianern die .Zeugnisse der Altert .vorhielt, ev 
.olg naGi -d-sohoysiTai d XQIGVOS, und die Christum als d-ebv VML av&Qtortov 
verkiindigen (Eus. V, 28, 4. 5). Eiir sie war freilich Ohristus nur av- 
<d-QCOTtos, aber man versteht auch sehr wohl, wie sie dabei das mJQvy(.ia 
der Apostel .wie etwa die Synoptiker fur sich in Anspruch nehmen 
konnten, allerdings, geschichtlich angesehen, mit Unrecht. 1 ) Tiber den 
.Ursprung der ganzen Lehrweise war sie von dem Judenchristentuni 
abhangig? konnen wir nichts Sicheres sagen. 2 ) 

3. Eine neue Eorm empfing der Monarchianismus durch Paulus von 
Samosota. 3 ) Dieser hochfahrende und in seinem Wandel weltforniige 



1) Ha mack (PEE. XIII 3 , 316) lafit diese Monarchianer im ganzen die 
'Christologie des Hermas vertreten, will aber auf Grund der MelcMsedek-Betrach- 
tung-en einen spekulativen Zug bei ihuen wahmelirneji, gestebt aber zu, daB sie 
sich gegen die Apotheose Christi ablelmeud verHelteu. Dies ist richtig, von 
jenem kann ich nichts wahrnehmen, auch nicht Epiph. h. 55, 8. Loofs (DGr. 4 
S. 183) leugnet (gegen Harnack) eine ,,wirklich hypostatische Stellung des Geistes 
neben Gott", aber dem widerspriclit die Gleichung nvsvpa XQIOIOS. 

2) Yon clem orthodoxen Judeiichristentum scheineu die Monarchianer abge- 
wichen zu sein, sof ern sie eine clauemde Vereinigung des Geistes mit Jesus kaum 
angenommen haben. Aber das ist kein Grand urn den Zusamnieuhang abzulehiieu. 
Hippolyt (Eef. VII, 7) stellt Theodotus mit den Ebjoniten zusanimen, aber das 
ist ein dogmatisches Urteil. Audi aus der Melchisedekspekulation, die an sich 
;jiidisch ist (s. Winer, Kealworterb. II, 79),. lafit sick keiu Urteil gewiunen, da 

der Hbr.-br. sie. in die Christenheit eingefiihrt hatte. 

3) tfber Paul. s. das . Syno dalschreiben bei Eus. h. e. YIL 30, der Brief der 
.sechs Bischofe an Paul (bei Eouth, Eeliquiae sacr. Ill, 289) Eprpkau. b. 65, die Frag- 

Seeberg, DogmengescMcMe I. 2. Aufl. 30 



466 16. Der Monarchianismus. 

Bischof Y.on Antiochien (seit ca. 260; vgl. das Schreiben der Synode- 
von Antiochien b. Eus. h. e. "VII, 30, 715) lehrte 'IrjGOvv Xoiawv 
Y,dicod-V (ib. VIIj 30, 11). In dem von der Jungfrau geboreneri 
Menschen Jesus habe die gottliche Weisheit gewohnt. Diese.ist nichifc- 
eine besondere. Hypostase, sondern sie ist in Gott wie die menschliche 
Vernunft im Menschen: sv defy ds asl ovva TOV &VTOV koyov xal vb 
rtveS[.ia avwu, &GrtSQ sv av&Qcbrtov xctQdla 6 tdiog koyog' iii] sivat dk 
ibv vlbv TOV -0-sov evvrcoarctTOV alha sv avzC<) Tip &efy 
6s ibv hoydv v.al ivowijoavva ev *IY\OOV 'av$Q(hnti) OVTL' y.o.1 
els toriv 6: &ebs . . . sig $ebg 6 ftarrjQ xal 6 vlbg avwv ev umC$ to$ 
Ao'yog ev dv&()d)TCCt} (Bpiph. b.. 65, 1). Dies bat seinesgleichen an der 
Einwobnung der "Weisbeit in den Propbeten, nur dafi in Gbristo, als- 
dem Tempel Gottes, diese Eirrwobnnng in einzigartiger Weise stattbatte :. 
iva (.nfftB o ex Jafild XQio&sls ahlovQiog f] v?\s oocpi&s- ^re fj GO(fL& 
ev. a^ht) OVTCOS olmj: Kal yaq sv rolg fC^ocpiJTatg yv, [.lakhov- - de sP 
Mcoasl: -/ML sv no)Jkolg XVQIOIS, [.la'k'kov ds v.ai sv XqiGify cos 
Aber aucb : C cpaiv6f.tsvos oux f t v oocpia, ov yctQ i]y dvvoeibs sv 
tvQS&fjvai . . . [.isi&ov yaQ. T&V OQcof.ievt.ov soxi (Houth, Rel. sacr. HI,, 
301). Demnacb bat also Paul streng an, der Einbeit Gottes f estgebalten ;. 
den Logos, den er immer der gottlicben oocfia gleicbsetzt, bat er mit 
Bewufitsein als gottlicbe Kraft und nicbt als Person verstanden. HQO^ 
ocoTtov sv wv 9'sov aiia rfy hoycp (Epipb. h. 65, 3). Gemafi einer 
ewigen Yorberbestimmung Gottes ist der Menscb Jesus aus Maria ber- 
vorgegangen und bat damals den Anfang seiner Existenz genommen.. 
Sof ern nun aber in ibm die gottlicbe Weisbeit wirksain war, hat ; Paul, 
den Menschen Jesus ausdrucklich als Gott bekannt. 1 ) Er hat also seinen. 



mente der Disputation zwischen Malchion u. Paul auf der antiochenischen 
von 268 (Eiis. VII, 29), gesammelt von South, Eelig. sacr. Ill, 300 ff. (s. auch, 
Pitra, Anal. sacr. Ill, 600L), gesichtet von Harnack, Lit, Gesch. I, ; 2, 520,'ff. 
Dazu haufige Notizen bei Kirchenvatern wie bes. Athanasius ,(s. HarnackPEU- 
XIII^, 319). In einer wider Monotheleten gerichteten Doctrina patrum aus deni 
7. Jahrh. (bei Mai Vet. seriptor. nova coll, VII, 68f. xind Eouth IIP, 3291) linden 
sich fiinf Paul beigelegte Fragmente e t&v aiitov Ttgbs SafiTvov hoycov, fiir deren 
Echtheit Harnack eintritt (Chronol. II, 137). Fiir die Echtheit sprieht vor allem,. 
daC die Willeuseinlieit, die Mer zwischen dem Menschen Jesus und Gott ,- ange- 
nommen wird. bei den durch Lucian mit Paul zusammenhangenden Arianern 
eine grofie Eolle spielt, freilich als Einheitsband zwischen dem Logos und dem 
Vater, s. bes. Athauas. c. Arian. . or. Ill, .10. 

1) Athanas. c. Apollinar. I, 20: 9'sbv opoloyeTv rbv ex Manias Ttgb aitbvcov 
fiev Tt^oo^iad'evca, &'/. Ss Manias lijv o-(>%i]v ifjs vndjj^scos sa^rjxoTa, hoyov e evepyfj 
s^ OVQWVOV y.ai aocfiav ev aiittio df.iol.oyeZ. II, 3: dsbv ex TJ/S Ttao&evov ofiohoysi, 
Osbv s-/. Na'C,a()T brp&evia, . . ., loyov Ss evepyov l| ofigavov nal aoyiav ev aiircS- 



Baulus von Samosata:. 467 

Ausgang von dem Menschen Jesus genbmmen, dieser allein hat als per- 
sonliches Subjekt- existiert, Gottes Weisheit aber wohnte,in ihm als der 
Inhalt und die Kraft seines Lebens und Wirkens. Tiber die AH 
dieser Vereinigung lehrt Paul, dafi der Mensch Jesus niit dem heii. Geist 
gesalbt wurde. Das fcann sich nur auf die Taufe Jesu beziehen. In- 
dem Jesus unwandelbar an dem Geist festhielt und sich rein erhielt, 
-ward ihm die Kraft zu den Wundertaten und er iiberwand, 

die Siinden Adams. Es ist eine sittliche 
l (.iBtovGiav Routh III, 312) Einigung im "Willen und in 
der Liebe, die hier vorliegt, nicht eine bloBe naturliche. Ein blofi natiir- 
licher Besitz verdient kein Lob, wobl aber das, was durch Ereundschaft; 
also durcli ein sittliclies Verhaltnis erworben wird. Durch solch ein 
Verhaltnis ist aber Jesus mit Gfott verbunden, und zwar fur immer. Sein 
Wille wird namlich andauernd bewegt von der Offienbarung des Gfuten 
oder dem Greist, und so kommt es, da6 er^ e i n en Willen init dem Yater 
hat. Dies Zusammentreffen der beiden Willen - des vaterlichen Gottes- 
willens und des menschlichen Willens Jesu bildet die Einheit zwischen 
dem menschlichen und gottlichen Element in Jesus. Das sind die in- 
teressanten Gedanken der Fragmente bei Mai. To. 

e%ei,ertccivov, tec ds o%eoei cpiUag KQCcvovf.isva VT 
- 3 jv <iC$ defy Guvacp&elg 6 GwzrjQ ovdercoTS de%etai 
sis vov$ aiCovas, /.uav ambq nal xrjv a^v e%iov d-e^Giv ytal 
ad MVOV/.ISVYJV rfj cpavegtioei vwv aya&ajv. - Mi] &av{.idG ! )]<;, 
on {.dav [.leva TOV 0-eov TTJV -O-ehrjGw sfysv 6 GCOTIJQ' &GTCSQ yctQ ^ 
[.uav T&V noM.6)v v.al ity ami]v vrtd()%ovGav cpavsQOl TTJV ovffiav, 
)] oy v sGiQ TT\V a/ct7r^g; (.ilctv xCov rtolk&v real irjv avryv egydCeTcct 
v dia |Ui8g xat T^t, 1 awr$ cpavSQOV[,isvrjs BvaQtGTijoEcos. Al 
dtdcpoQOi cpvoeig . xal i& didcpOQ<x jt^ootona eva xai (.idvov 
%OVOL VQOTCOV Tr\v Kceca 3-sfaiGiv GV^UGLV, l ^g. f] nava ivsgyeiav 
fG)v ovTwg ov(,iftifiaG&eVTwv aA^^Aotg dvacpccivercei f.iovd. Jesus hat 
also in sittlicher Entwicklung sich innerlich von dem Gfeist Gottes durch- 
dringen lassen und gelangte so zur Einheit des "Willens mit dem Vater, 
so die Kraft zu seinen Wundern und die Fahigkeit Er loser zu sein,- . aber 
auch eine fortdauernde Einheit mit Gott erwerbend : aj/tog xat 
o GWV^Q ay&vi-xal rtovttj Tag TOV rtQOrtdwgoc, fu.i 

olg KafOQ&diGas tr\ d^T^ owijcp-d-r} ify -d-sty f.itav x 
v avtrjv ?t^og avrbv ^OV^YIGLV y.al svegyeiav ralg iG)V aya-O-Cbv TCQOXO- 

eGyjjKcbs' i^v adicdgerov cpvhda ib ovof-ia x/tojjjatfoai TO 
ovo[.ia, OTopyijg enad'kov 



tdo f.Csv 7t<ioo<)ia(.i(5 ttgb aldovmv BVTO., Ttj 8e 
ftewta., Iva, els sit], yrjaiv, o sTtl Ttdvia &ebs 6 Tiai-ftf). 

30* 



468 16. Der Monarcluamsnras. 

Diese Lehre Avird ihren Ausgang von Origenes Christologie ge- 
nommen haben. "Wie Origenes betont aucb Paul stark die personliche 
sittliclie Art des Mens'chen Jesus, und wie Origenes lafit auch er dies 
freie Meuschem\ r esen von dem Logos durchdrungen werden. Aber hier 
liegt auch die Differenz. Paul verlegt das personliche Element aus- 
schlieBlich in den Menschen Jesus und lafit den Logos lediglich eine 
diesen bewegende gottliche Kraft sein, wahrend Origenes ihn personlich be- 
stimmt. Die Sclrwierigkeiten, in die die origenistische Theorie leicht ftihrt 
(Doppelperson) einerseits, der starke Hang zuui reinen Monarchianismus 
andrerseits Averden Paul zu den Abweichungen von Origenes gefiihrt 
haben. Dazu komint die Differenz, die in der Avissenschaftlichen Grrund- 
richtung beider Manner liegt. Paul hat unterschieden und gesondert, er 
hat aus dem Einzelnen Konsequenzen gezogen,') ohne sich durch den 
Blick auf das Gfanze bleuden zu lassen, Origenes sah immer das Granze 
vor dem Einzelnen und Avandelte dies nach jeneni, er Avar ein spekula- 
tiver Neuplatoniker, Paul mehr ein dialektischer Aristoteliker. Die 
Gfeistesrichtung, der er folgte, niufi iiberhaupt bei den syrischen Helle- 
nisten in grofiereni Unifang vorhanden ge.wesen sein, wie die Geschichte 
der Christologie zeigt. So stellt die Christologie Pauls eine interes- 
sante Parallele zu der des Origenes dar, sie ist ein ebenso kiihner und 
konsequenter Yersuch das christologische Problem scharf zu fixieren und 
klar zu Ib'sen. Paul ist der erste Unitarier gewesen, und er ist der 
einzige unter den sog.. dynamistischen Monarchianern, auf den dieser 
Nanien wirklich pafit, denn er hat sowohl mit der Monarchic als mit der 
dynamistischen Fassung des Gottlichen in Christus konsequent Ernst ge- 
macht. Er ist clamit liber die alter e Christologie (z. B. Hernias) weit 
hinausgegangen. Doch scheint er Yorganger gehabt zu haben (Arternas? 
s. auch S. 469 Anni. 2 zu Anfang). Dafi er trotzdem von der Grottheit Jesu 
reden Avollte, war eine Inkonsequenz, die ihm die Gegner mit Eecht 
vorgehalten haben, aber die Yertreter des christologischen Typus, den 
Paul zuerst klar durchgefiihrt hat, entziehen sich bis heute ungern dieser 
Inkonsequenz. Sie ist eine Konzession an den Gremeindeglauben und 
schlieBlich 'auch an den historischen Ohristus. 

Drei Synoden Avurden zu Antiochien in dieser Sache abgehalten 
(264269; Eus. h. e. YII. 30, .4. 5). 2 ) Paulus machte zunachst Aus- 
fliichte. man kam zu keinem Urteil, schlieBlich (auf der 3. Synode) iiber- 
Avand ihn der Presbyter Malchion : ov ita\a.i iomo ekeyov, on ov 



1) Die Hervorhebuiig der menschlich kreatiirlichen Ziige im Bilde Jesu, 
die die Arianer spater auf ihren Logos amvenden, mag von Paul gepriigt seiu. 

2) Vgl. P. Pape, Die Synoden von Antiochien, Berlin 1903. 



Verurteilung Pauls. Der Modalisnras. 409 



ev ify ofy) GWTfjQi fbv vlbv ibv {.wvoyevf} ibv 
dQ^oVTO. (B,outh III, 302 dazu Pitra, Analecta sacra III, 
600 f. ; IV, 424. Eus. h. e. VDI, 28. 29). Das Urteil der Synode lautete 
auf die Haresie des Artemas und Ausstofiung aus der Kirchengemein- 
scbaft (Eus. h. e. VII, 30, 16. 17). 1 ) Aber Paul bebielt zunachst Anr 
hang und Aint, bis im Jahr 272 das Urteil Aurelians das Kirchen- 
haus dem zuwies, der mit den Biscbofen Italiens und Horns in brief- 
licnem Yerkehr stiinde (Bus.. YII, 30, 19). Es war das erste Mai, 
dafi die kaiserliche Politik einen kirchlichen Gegensatz zum Austrag 
brachte.^) 

4. Yon grofierem dogmenhistorischen Interesse als 'die besprochenen 
christologiscben Yersucbe ist die ^ neue Gestaltung der Trinitatslehre 
durch den modalistischen Monarcbianismus gewesen, der nach Tertullian 
(adv. Prax. 2. 29) aucb als Patripassianismus bezeichnet zu werden 
pflegt. Die.se Erscheinung ist eine Eolge der Logoscbristologie, die man 
in den ,,zweiten Gott" hatte ausmiinden lassen. Dem stand das Be- 
wufitsein von der Einbeit Gottes um so mebr entgegen, als aucn die hober 



1) Die Synode verwarf auch die origenistische Form el dpoovaios, nach dem 
Urteil des Athanasius, weil Paul dieselbe als Gleichheit mit der gottlichen ovaid 
tind nicht mit dem Vater, so daB drei ovaiou anzunehmen seien, fafite (de synodis 
45 ff.), oder weil Paul selbst das Verhaltnis des unpersonlichen Logos zum Vater 
durch die Formel ausdriickte (so Hilar. de synod. 81. 86). 

2) Origenes (in Tit. frg. Lomm. V, 287) kennt Leute, die Christus fiir einen 
pradestiuierten Menschen halten, qui ante adventum carnalem substantialiter et 
proprie noli exstiterit, sed quod homo natus patris solam in se habuerit deitatem. 
Er urteilt von ihnen : ne illos quidem sine periculo est in ecclesiae numero sociari. 
Diese Lehrweise wlirde ungefahr mit der Pauls ubereinkommen. In der pseudo- 
cypr. Schrift de montibus Sina et Sion ist c. 4 (Opp. Cypr. ed. Hartel III, 
JOS) keineswegs monarch. Christologie anzunehmen (gegen Harnack, DG. I, 676). 
Denn wenn dort gesagt ist : caro dominica a deopatre lesu vocita est, spiritus sanctus 
qui de caelo descendit Christus vocitus est, so ist das keine audere Ausdrucksweise als 
z. B. Hermas Sim. IX, 1, 1. Arist. Apol. 2, 6. Gyprian quod idola dii non sint 11 (carnem 
spiritus sanctus induitur, deus cum homine miscetur)., Lactant. Instit. IV. 6, 1; 
12, 1. Tertull. adv. Prax. 8. 26. Hippol. c. Noet. 4. 16. Celsus b. Orig. c. Gels. 
VI, 69. 72. 73. 78. 79. Ps.-Cyprian ad Vigil. 7. Apollinar. b. Greg. Nyss. Autirrh. 
12; s. m. Bemerkungen z. Arist. 2, 6; s. auch Macholz, Spuren binitar. Denk- 
weise seit Tert. 1902, S. 3fL Anders steht es mit der Christologie der A eta 
disputationis Archelai et Manetis (ca. 320 entstanten, bei Routh Reliq. 
sacr. V 2 , 38205 vgl. Harnack, Chronologic II, 163 f.). Hier tritt c. 50 
freilich die monarchianische Christologie zutage: Est enim qui, de Maria natits 
est filius, qui totum hoc, quo magnum est, voluit perficere certamen lesus. Hie 
est Christus dei, qui descendit super eum, qui de Maria est. Allein diesen Ge- 
danken hat der Verf. bereits mit der kirchlichen Christologie verbunden: solus 
enim deus pater eius natiira est, qui omnia per Verbum suum velociter 
nobis manifestare diynat-us est (c. 33). 



'470 16. Ber Monarchianisinus. 

'Gebildeten unter den Heiden diese Idee stark betonten. Die Reflexion 
dariiber, wie man das Bekenntnis zur wirklichen Gottheit Christi mit 
der absoluten Einheit Gottes, die die Lehre so scharf aussprach, ver- 
einbaren konne, war daher unvermeidlich. Man hatte auf diese Frage 
drei Antvvorten. Bntweder liefi man die Gottheit im eigentlichen Sinn 
nur YOiii Vater gelten und maclite Christus zum Gott im abgeleiteten 
Sinn, wie Origenes es gelegentlicli tut (oben S. 417), oder man half sich 
durch die kleinasiatische Idee von der Offenbarungsokonomie, wie Tertullian 
(S\ 337 f.), oder endlich man sab. Christus nur fiir eine besondere Offen- 
barungsform des einen Gottes an. So hatte Irenaus empfunden, aber 
er hatte die Sonderperson des Logos doch festgehalten (S. 322). Hier 
setzt der Modalismus ein, er verfahrt aber konsequent und interpretiert 
die johanneischen Worte ,,ich und der Vater sind eins" oder ,,wer micb 
sieht, sieht den Vater" im Sinn nicht nur der Substanzeinheit, sondern 
der Personeinheit. So schien sowohl die gottliche Monarchie als das 
Bekenntnis zur Gottheit Ohristi sans phrase gewahrt zu sein. Cum 
animadverter&nt . . ., quod units sit dens, non aliter putaverunt stam 
tenere se posse senientiam , nisi aut hominem tantuin Christum (die 
djmamist. Monarchianer), aut certe deum patrem puiarent esse credendum 
(Novatian de trin. 30). Itaque duos et tres iam iactitant a nobis 
praedicari, se vero -unius dei cultores praesumunt . . '. Monarcliw,m> 
inquiunt, tenemus (Tertull. adv. Prax. 3 vgl. Hippol. B,ef. IX, 11. 
Epiph. h. 62, 2). Diese Gedanken sind nach den Quellen auf klein- 
asiatischem Boden entstanden. Sie miissen auf diesem Boden.friih auf- 
getreten sein, denn schon Montanus hat so gedacht (S. 257), und 
auch bei Irenaus fehlen nicht Spuren dieses Ausgangspunktes. Dieser 
alte Modalisinus wird also als ein besonderes Verstandnis der johanneischen 
Christologie zu beurteilen sein : Christus ist der eine Gott, aber in der 
besonderen Form als OfEenbarer oder als ,,Wort" (s.. auch Ignatius oben 
S. 101). Im Gegensatz zu der vulgaren Logoslehre hat der Modalisnaus 
dann seine theoretische, gegensatzliche Ausgestaltung erhalten. Es ist 
dabei Avohlverstandlich, dafi seine Vertreter Sukkurs in der Philosophie 
suchten, wie die Gegner ihnen vorhalten. Es ist wirklich stoische Lehre, 
dafi der eine Gott, der die Welt durchdringt, je nach den Beziehungen, 
in denen er sich kundtut, mit verschiedenen Namen bezeichnet wird. 
"Ev re tlvai d-tbv, -/.al- vovv, :/.al slf.taQf.iei'rjV -/.al J.ia, nokhalg TS wegais 
ovonaaiaig TTQoaovo[.ida&aL (Diog. Laert., de vit. phil. VII, 68, 135 ; 
72, 147). 

Eine alte Deutung der johanneischen Christologie, die .Enipfindung 
von der MiBlichkeit des ,,zweiten Gottes" und das Vorbild der stoischen 
Xiehre haben sich in dem Modalisinus , der spateren ausgebildeteren Ge- 



Ursprunge des Modalismus. .Praxeas. 471 

stalt verbunden. Der Eindruck, den diese Lehre machte, war erheblich.- 
In Rom wie in deni lateinischen Afrika und in. der Pentapolis fand sie 
Anhanger, und der Gredanke 1st kaum von der Hand zu weisen, daB 
:ihre Nachwirkungen mit dazu beigetragen haben dern Arianismus die 
Homousie entgegenzusetzen. Doch dayon ist spater zu reden. Die 
Greschichte der einzelnen Vertreter des Modalismus liegt vielfach im 
Dunkeln, auch ihre Lehrweise im einzelnen ist schwer auseinanderzukalten. 
"Wir stellen an die Spitze unserer Darstellung den Grundgedanken des 
^Modalismus in der Formulierung -Hippolyts : OVTCOQ yag doxsl f.iovccQ%iccv 
ev xal TO amb (pdaniov vnaqy^iv rtarsQa v.al mbv " 



ov% STSQOV e| eTSQOv dA^,' avrbv e eavrou, ovofiarL f.tev itareqa "/.at 
vlbv xcthov[.ievov Y.O.TO, %QOVCOV iqoTcr\v^ eva de sivai TOVTOV tbv (pavevca. 
uat yevsoiv ex Ttaqdzvov vrto^BivavTa . . . vlbv /.lev savrbv TOIQ OQOJOIV 
ofiohoyovvra . . ., narsQcc de eivat v.al rols ^COQOUOLV (.trj artoxovifjavza 
(Ref. IX, 10). 

Praxeas, ein kleinasiatischer Martyrer, kam unter Viktor nach 
Rom 1 ) und gewann auf diesen Feind des dynam. MonarcHianismus sowohl 
mit seiner Ohristologie als seiner antimontanistischen Richtung Einflufi. 
'Seine Lelire : f and auch in Afrika Anklang, aber er hat sie dann zuriick- 
gezogen, erst mehrere Jahr.e spater, als die Bewegung wieder yiel von 
sich reden machte, hat Tertullian seine S.chrift wider Praxeas verfafit. 
Die Lehre, die Her widerlegt wird, ist aber schon die spatere Anschauung 
einer Partei (Tert. c. Prax. 1). Praxeas lehrte : post tempus pater natus 
et pater passus, ipse deus, dominus omnipotens, lesus Ghrisius praedicatur 
{Tert. adv. Prax. 2 in.). Vater .und Sohn sind also dieselbe Person 
(ib. 5 in.). Daftir .berief man sich auf die Schrift, besonders Jes. 44,, 6. 24; 
46, 5. Joh. 10, 30; 14, 9. 10 usw. (ib. 18. 20). Der Streitpunkt be- 
:stand darin, daB die kirchliche Logoslehre zu einer diinnio 'oder separatio 
substantiae fiihre, wahrend der Modalismus an der Einheit Gottes fest- 
halten wollte. Demgegeniiber entwickelte dann Tertullian , dafi der 
'Sohn individmis und inseparatus mit dem Vater sei, dafi aber durch die 
dispositio eine distinctio uiriusque, personae zustande komnie (ib. 19. 21 
vgl. oben S. 338 f.). Und das sei eine bessere Lehre als der unus deus 
versipellis der Praxeaner (23). Eine Wendung zur kirchlichen An- 
schauwng zugleich aber zuni dynamistischen Monarchianismus war 
es, wenn nun doch der Vater und der Sohn unterschieden werden sollten 
.gemafi dem biblischen Sprachgebrauch, der den von Maria geborenen 
Menschen Jesus .,Sohn Grottes" nennt (Luc. 1, 35) : ui deque in una 
persona utrumque distinguant: palrem et filium, dicentes filium carnem 



IV Ps.-Tertull. adv. haer, 8 schreibt Victormus, meint aber wohl sicher Viktor. 



472 16. Der DilonarcManismiis. 

esse id est hominem, .id est lesum, patrem autem spiritum id est deum) 
id est Christum (ib. 27). Auf diese Weise ging man dem Satz, dafi der 
Vater gelitten babe, aus dein Wege (films sic quidem patihir, pater v&ro- 
compatitur ib. 29 cf. Hipp. Eef. IX, 12). 

N o e t u s von Smyrna und die Anbanger seiner Lebre E p i g o n u s 
und Kleomenes erlangten in Rom zu Anfang des 3. Jabrhunderts; 
mit ibrer Lebre an maBgebender Stelle wieder EinfluB (Hipp. Ref. 15, 7).: 
Diese Lebre war dieselbe, wie die des Praxeas : ore f.iev ovv /iii] yeysvvrtto- 
6 Ttcmj^, (Jtxatcog rtaxi]() nQOGrfloQEvio OTS ds rfidd'Ayasv yevsoiv vno- 
(.islvai, yevvrf&slg 6 vlbs fyevsro auwg iavxou, ov% eveQOv (Hipp. Ref;. 
IX, 10). *Eyr] TOV XQIOTOV avibv elvai ibv rtaxeqa. Y.OL amov rbv 
rtaxEQa yeyevvfjo&cti nctl JtSTCov&evcti xat aftore&v^svai (Hipp. c. Noe't. 1).. 
So bat der Yater sicb aucb selbst erweckt (ib. 3). Dieses verlange die- 
Scbrift, so werde der Sobn verherrlicht (ib. 1), so die Erlosung errnb'glicbt ? 
XQIOWS yciQ fjv 9-ebg /ecu ertao%ev di? f)[.i(xs, ccvrbg wv nai^, tva xal 
G&oai f]/.i5$ dvvrj-d-fi (ib. 2). Es war neben der strengen Eassung der 
gottlicben Einbeit das religios motivierte Interesse an der vollen Grottheit 
Cbristi , das diese Manner leitete. Daraus begreift sicb ibr EmfluB.. 
Cbristus sollte Grott sein, nnd docb wollte man an der von der Glaubens- 
regel bezeugten Einheit Gottes nicbt riitteln : Simplices enim quique, n& 
dixerim imprudentes et idiotae, quae maior semper credentium pars est r 
quoniam et ipsa regula fidei a pluribus diis saeculi ad unicum et verum 
deum transferl) non intelligentes unicum quidem sed cum sua olytovo[.iicc 
esse credendum, expavescunt ad ohovofiiav. Numerum et disposiiionem 
trinitatis divisionem praesumunt unitatis (Tert. adv. Prax. 3 init.). 

5. Der Modalismus- ist als religiose Anscbauung verstandlicb, aber 
ibrer tbeoretiscben Durcbfiibrung stellten sicb Scbwierigkeiten entgegen. 
Einerseits scbien von dem Yater so Leiden ausgesagt werden zu naussen r 
andrerseits scbien, wabrend der Yater als Cbristus erscbien, sein Platz- 
im Himniel sozusagen leer zu bleiben. Ersteres versucbte man spater 
die Praxeaner sowie Kallist - dadurch zu umgehen, dafi die Person 
des Sobnes der Menscb Jesus ist, aber dann scbien er nicht Grott zu sein, 
sondern Grottlicbes ist in ibm, man bog somit in die Babn der dyna- 
mistiscben Monarcbianer ein. Im Gregensatz bierzu scbeint Sabellius 
seine Tbeorie gebildet zu.baben, indem er zugleicb aucb der an zVeiter 
Stelle genannten Scbwierigkeit Herr zu werden versucbte. Die Kiirze 
der alteren Berichte erscbwert es ein Bild von der Lehre dieses be- 
deutendsten Monarcbianers zu gewinnen. 1 ) Erst die spateren Berichte 



1) Uber SabeUius s. Hippolyt Refut. IX, 11. 12. Epiph. h. 62 (nach ^alter 
Quelle). Athanas. c. Arian. or. Ill, 4. 36. IV, 2. 3. 9:' 13. 17. 25 und sonst. 



Die Lehre des Sabellius. 

lassen Sabellius aus Libyen herstammen. Im Licht der Greschichte steht 
er fiir uns mir in Rom, und auch ob er spater nach Libyen gegangen 
ist es gab dort viel Anhanger seiner Lehre ist nicht auszurnachen. 
Hippolyt erzahlt, dafi Sabellius ursprunglich zu ibm Beziehungen hatte 
und seinen Einwanden gegeniiber nicht unzuganglich blieb. Kallist in 
Rom beeinnufite den Papst Zephyrin wie Sabellius iin Sinn der moda- 
listischen Theorie. Sabellius hat sie ausgebaut, ist aber von Kallist selbst 
spater fallen gelassen worden. 

Folgende Punkte seiner Lehre lassen sich feststellen. 1) Br hat in 
strengster Form die Einheit Grottes behauptet, daher die Bezeichnung 
vloTtaTWQ, d. h. der eine Grott ist sowohl Yater als Sohn. NUT ver- 
schiedene Namen derselben Person sind die Bezeichnnngen Yater, Sohn 
und Greist: kv {tig vrtoardoEi vqelg dvo(.iaoLag (Epiph. h. 62, 1). JZur 
Erlauterung fiihrt Epiphanius das Bild der Sonne an, sie ist eine 
vrtoGTUGiQ, aber sie warmt, erleuchtet und hat eine Gestalt. Der Sinn 
des Bildes kann nur der sein, dafi der eine Grott von verschiedenen 
Gfesichtspunkten aus betrachtet und benannt werden kann. Athanasius 
bestatigt diese Auffassung, fiihrt aber als Ausspruch des Sab. an: &GJtSQ 
diaiQeaeis %(XQt>O[.idTa)V sioi, to ds avrb yrvvf.ia, ovrco -/.at 6 jtaxriQ o 
avw$ {.lev BOIL, it'LaTvvetai de eig vlbv v.a.1 fcvsv(.ia (c. AT. IY, 25). 
Arius (a. a. 0.) sagt ahnRch von Sab. : o tr)V (.lovdda diaLQ&v, viortdvOQa 
sifter. Das kann nur heifien, dafi wie der Greist sich offenbart in einer 
Piille von Kraften, so Grott sich gleichsam ausbreitet oder sich verteilt 
als Sohn und Greist, nicht indem er dadurch etwas anderes wird, spndern 
sich in einer neuen Offenbarungsform darstellt. Dernnach waren die 
verschiedenen Bezeichnungen Grottes nicht zufallig, sondern sie entsprechen 
den von Grott gewirkten . Offenbarungsformen. 3) Diese verschiedenen 
Offenbarungsformen sind zugleich Offenbarungsstufen, da Grott zuerst als 
Sohn und dann als Geist offenbar wird (Epiph. h. 62, 1). Somit ist 
der eine Grott zunachst nur im allgemeinen, etwa in der Natiuy offienbar 
gewesen, er zeigte sich aber dann als Sohn und dann als Greist. 4) Wie 
ein Sonnenstrahl wurde Christus herabgesandt, er wirkte -das Heil der 
Menschen und kehrte dann in den Hinimel zuriick wie der Strahl in 
die Sonne. Darauf wird der Greist in die Welt gesandt die einzelnen 
lebendig zu machen und mit seiner Kraft zu erwarmen (ib.). Dabei ist 
die Yoraussetzung immer. die personale Identitat von Yater, Sohn und 
Greist. 5) Das Neue in dieser Theorie besteht, so viel ich sehe, nxu- 



Arius ep. ad Alex bei Epiph. h. 69, 7. Novatian de trin. 12 ff., sodann Basilius, 
Gregor v. Nyssa etc. Hilarius (de trin. VII, 39). DurchVermengnngmit denAnsichten 
Marcells u. a. ist Verwirrung in die Darstellungen gekommen, s. fees. Zalin, 
Marcell u. Aucyra 1867, S. 198 ff. 



474 16- Der Monarchianisinus. 

darin, dafi Sabellius die kirchliche Idee der Okonomie in seiner Weise 
rezipiert resp. konsequent durchgefuhrt hat. 1 ) , Der eine Gott ist fur 
Sab. nicht gleichzeitig Yater, Sohn und Geist, sondern er wird stufen- 
weise in diesen Offenbainmgsformen der "Welt kund.. Aber es sind 
wirklicke, von Gott so gewollte Offenbarungsforinen. Das war auch die 
Absicht der kirchlicben Okonomientkeorie, uur dafi hier die Offenbarungs- 
formen zugleich selbstandige Hypostasen sein sollten. 2 ) Zwei Griinde 
scheinen Sab. zu dieser Modifikation der alteren Anschauung veranlafit 
zu haben : dafi die trinitarischen Namen auf diese Weise einen objektiven 
Gebalt bekainen, und dafi so die Eortwirkung des Yaters auch wahrend 
der weiteren Offenbarungsformen denkbar zu sein schien. Sind nanilieh 
Sohh und Geist nur sukzessive, und zwar geschiehtliche Erscheinungen 
der Gottheit, so liegt es nahe, die alles umspannende, in der Natur 
wirksame Tatigkeit der Gottheit (als Yater) neben jenen Erscheinungen 
irgendwie fortbestehen zu lassen. TJnd in der Tat scheint Sab. so ge- 
dacht zu haben. 3 ) Mit anderen Worten, der Yater ist die Gottheit, 
Sohn und Geist sind zeitweilige Selbstdarstellungen des Yaters. So 
bleibt Gott im Himmel, auch wenn er als Christus auf Erden erscheint. 4 ) 
Die zweite der oben (S. 472) gedachten Schwierigkeiten schien hierm.it 
erledigt werden zu konnen. 6) Sab. hat durch diese Gedanken den 
Modalismus nicht nur einleuchtender gemacht, sondern ihn auch der 
trinitarischen Denkweise gewissermafien angenahert. Aber in einem ist 
er intransigent gewesen, jede personale Yerselbstandigung des Sohnes 
und Geistes hat er abgelehnt und an der personalen Einheit der Gottheit 
strikt festgehalten. 



1) DaE der Ausdruck ,.0konomie" bei Sab. nicht nachzuweisen ist, tut gar- 
mckts zur Sache. der Ausdruck war eben schon kirchlich beschlagnahmt und 
gepragt mid claaer fiir Sab. unbrauchbar. War aber dies der Ausgangspunkt 
seiner Lehre, so versteht man, daO Hippolyt anfangs boffea konnte ihn zu bekehreu. 

2) Man yergleiche etwa Tertull adv. Prax. 19: pater et filius duo, et Hoc 
non ex separatione substantiae, sed.ex dispositione, cum individuum etinsepara- 
tum filium a patre pronuntiamus, nee statu sed gradu alium. 

3) S. Hilar. de trm. VII, 38; Vigilius v. Thaps. Dial. adv. Arian. etc. I, 3 
veraiischauliclit gut den Gedanken: deus ineffabili virtutis potentia, qua omnia 
implet, Mariae virginis utemm implens . . ., et in eo ipso ho mine, q^^em 
assumpsit, filiusmincupat^ir, cum non alius atque alim, sed idem pater 
intelliyatur ; Zahn, S. 213. 

4) Man darf das Gleichnis von der Sonne und ihren Strahlen niclit pressen, 
aber die Wahl des Bildes ist doch charakteristisch, Christus und der Geist sind 
,,Energien" oder Strablen, die Sonnensubstanz ist der Vater (Epiph. h. 62, 1), 
Dafi Sabellius wirklich so gelehrt hat, gent auch aus der Anschaunng des. von ihm 
theologisch beeinflufiten Kallist hervor, der in dem alles erfiillenden Gottesgeist, 
der in der J\ingfran Sohn -wird, den Yater erblickt (Hipp. Eef. IX, .1-2 p. 4'58). .. 



. Der Modalismus in Earn. 475 

Die Idee der Okonomie hat durch Sab. eine Anwenduhg erfahren, 
die der Idrchlichen an Konsequenz fraglos iiberlegen war. Man darf 
ih.m auch nicht vorhalten, dafi die letzte GedankenAvendung (sub 5) ihn 
selbst in Inkonsequenzen stiirzt, denn ist der Yater die Gottheit, so ist 
nicht viel dawider zu sagen, dafi neben den besonderen heilsgeschicht- 
lichen :Eormen ihrer Offenbarung auch ibr "Wirken in der 'Natur fortgeht, 
und dafi docb die Christen ihren Gott in den besonderen Offenbarungs- 
formen erkennen. Wie Avir Paul von Samosata den einzigen wirldichen 
Dynainisten unter den Monarchianern nannten, so ist Sabellius der einzige 
wirkliche Modalist unter ihnen. Er hat eine Deutung der -triadischen 
Eormel vorgelegt, die an Avissenschaftlicher Klarheit der origenistischen 
und tertullianischen Iiberlegen Avar. Aber trotzdem ist diese Deutung 
nirgends in der Kirche auf langere Zeii :akzeptiert Avorden. Das lag 
daran, dafi sie .ZAA r ar die Gottheit des geschichtlichen Ghristus ver^ 
anschaulichen konnte, dafi sie aber die personliche Portexistenz des 
rottes Ohristus prinzipiell ausschlofi. Sie kollidierte :dadurch nicht nnr 
mit der kirchlichen Logoslehre, sondern mit dem praktischen religiosen 
Leben. Sie Avar der Logostheorie theoretisch tiberlegen, aber sie verletzte. 
das religiose Einpfinden, daher ist sie jener unterlegen. ...... 

6. Die modalistische Theorie hat soAvohl im Abendlande als auch 
im Morgenlande Anhanger gehabt. In B,om vor allem haben die Bischof e; 
Viktor (Ps.-Tert. adA r . haer. 8), Zephyrinus (Hipp. Refut. IX, 
7. II) 1 ) und Kallistus (ib. IX, 11. 12) zu ihr gestanden, unter Zu- 
stinimung eines grofien Teils der Gemeinde. Erbitterte Kampfe haben 
sich hieran geschlossen. Hippolyt und sein Anhang, Avelche dem AA r ider- 
igprachen, mufiten den "VorAVurf des Ditheisnius itber sich ergehen lassen.. 
Als Bischof sagte sich Kallist freilich aus kirchenpolitischen Eiicksichten 
ion Sabellius 1'os, der ihn Aviederum des Yerrates an seinena urspriing- 
lichen Glauben bezichtigte. Kallist fiihlte sich aber durch seine Kom- 
proniifipolitik genotigt , eine etwas modifizierte monai'chianische Lehre 
vorzulegen. Yater, Sohn und Geist sind allerdings 'sv xal r,b amo, und 
der in der Jungfrau fleischgeAVordene Gottesgeist ist identisch mit dem 
Yater, dagegen sei das Fleisch Jesu als ,,der Sohn" zu bezeichnen : 10 
j.ih yag (3fart6[.ivor, ortsg tGilv av^wyrog 2 ), 'IOUTO siv'ai ibv viov, TO 
tie sv tC<) vify %cttQY]&ev 7tveu(.ta, TOUTO sivai TOV Tcccvsga. Dieser Gottes- 
geist hat sich aber mit dem Menschen .Jesus eng A r erbiinden, und ,hat 
ihn vergottet und ist eins mit ihm geAvorden : b yctQ iv avzy yev6 t uevo$ 



1) Zephyrins Formeln (eyco olSa eva tyevr .X^ta^bv.^Iqoovv r.al 7tki]v cd'iov 
oi)8eva yevqrov . nal Ttadijtof, SOAVie: oi>%' 6 Ttarij^ cujted'cWBV alia, 6 ylos) 

tragen schon KompromiCcliarakter AA r ie die der Praxeaner. 

2) Vgl. Iren. IV, 6 r 6: mvisihile filii pater, visibile autem .jaatris filius. . 



476 16. Der Monarckianisimis. 



act^na e&eonoiiqosv svcooas eavrfy -/MI e 
ev, wg xakelo$ai jtaxe^a xai vlbv eva $s6v. Es sei allerdings nicht von 
einem Leiden des Vaters zu reden, sondern : TOV TtaifQa avf.iTttxtov&svat 
r(x) vify (Hipp. Eef. IX, 12). Diese Eormeln bringen dieselbeAnscb.au- 
ung zum Ausdnick, die auch die Praxeaner vertreten haben. Hippolyt 
hat von ihr geurteilt (1. c.), dafi sie eine Kombination der Lehren des. 
Sabellius und des Theodotus darstelle. Er hat Recht, derm einerseits 
bleibt Kallist bei der Behauptung Yater, Sohn und Greist seien dieselb 
Person, andrerseits soil der Mensch Jesus der ,,Sohn" sein; dabei sucht 
er diesem eine gewisse Grottlichkeit zu sichern, um auch von dem gott- 
lichen Sohn reden zu konnen und so der empfindlichsten Konsequenz 
des Sabellianismus aus dem Wege zu gehen und aiich den i//*/log ccv- 
-9-QtOTtog der Dynamisten abzuwehren. Es ist aber interessant zu be- 
obachten, daB sein Denken sich nur in den beiden Formen des Monar-. 
chianismus bewegt, er versucht eine durch die andei*e zu korrigieren. 
Die Logoslehre hat er nicht angenommen, ^ wohl aber hat er durch die' 
Vergottung des Menschen Jesus eine gottartige Hypostase fur den Sohn: 
geschaffen und ist dadurch der kirchlichen Anschauung nahergekommen. 2 ) 



1) Gegen Harnack, PEE. XIII 3 , 330, deiui Kallists Satz, daB alles vom 
Gottesgeist erftillt sei, geht nicht auf den Logos als besondere Hypostase, sondern 
auf die einheitliche Gottheit oder den Vater. 

2) Ein Vertreter dieser Christologie iin Morgenland sei hier noch genannt. 
Es ist Beryll von Bostra. Da iiur ein Satz des Eusebius seine Lehre be- 
schreibt, so ist es schwer liber sie zur Klarheit zu kommen. Eusebius sagt: 

. . . Revest, nva ifjs Ttiarecos TtageiacpEyeiv s^tsi^&TO, tbv acoifj^a y.al y.tiQiov 
ksyeiv tol^iwv {.lij Ttgovrpeatdvai v.afi iSiav oiioias TtE^iy^ayfjv Ttgb rfjs BIS 
sTfiSrjfilas fiijde ^i]v -deoT^Ta. ISiav fyeiv &M? s/uTtohTSvofisvijv afirco 
fiovov ti]-v 7ia.rpiy.7jv (h. e. VI, 33, 1). Origenes iiberwand ihn auf einer Synode 
zu Bostra (um 244). Die Synode uab.ni Anlafl, ihni gegenliber die menschliche 
Seele Jesu liervorzuheben (Socrat. h. e. Ill, 7). Danach hat Beryll 1) von einer 
personlichen eigenen Gottheit Christi niehts gewufit, seine Gottheit war die des 
Vaters, 2) hat er gelehrt, daB Ohristus ein personliches Einzelweseri erst durch 
seine Meuschwerdung wurde, 3) scheint er zu diesem Urteil nicht durch Berufung. 
auf die menschlich seelische Existenz Jesu gekommen. zu sein (?), 4) wird ihm 
nicht nachgesagt, daB er, wie die dynamistischen Monarchianer, Jesum flir einen 
iiii).bs avdycoTtos ansah. Er hat sich also wahrscheinlich den Sahellianern genahert: 
Gott gab sich erst- in der Menschwerdung die besondere Existenzweise als Sohn 
(vgl. auch Marcell v. Ancyra unten). tJber die libyschen Sabellianer ist weiter 
tinten zu haudeln. Endlich glaube ich, daO auch die,,Testameute der zwolf 
Patriarch en" in dieser Zeit oder schon friiher von einem ,,Patripassianer" 
interpoliert worden sind, s. Sim. 6. Levi 4 (itd-fros tov vyiorov) vgl. Zabul. 9. 
Aser. 7 (&ebs els civdya vTtoxptr-dfievos). Benj. 9. Napht. 8. Manches spricht 
daflir, die Interpolationen schon dem 2. Jahrh. zuzuweisen (vgl. Bousset, Ztschr. 
f. die neut. Wiss , 1900, S. 175). Dann konnte das Werk zu den ,,Apokryphen" 



17. Die vornicanische Christologie. . 477 



17. Die vornicanische Christologie. 

1. Die dynainistiscben und inodalistisclien Gedanken sind weit alter 
als die im vorigen Abscknitt gescbilderten Tbeorien. 1 ) Neben der- sicb 
berausbildenden Logoslebre batten diese Gedanken zumal die nioda- 
listischen eine andauernde stille "Wirksamkeit geiibt. Sie sind ge- 
scheitert an dem Versucb als Tbeorie die Logoslebre zu verdrangen, 
denn diese batte im Bewufltsein der Zeit vier scbwerwiegende Yorziige 
vor jener voraus : sie liefi Cbristus als besondere gottbeitlicbe Person 
erklaren, sie stinimte dadurcb bequem mit dem Taufsymbol iiberein, sie 
arbeitete mit der \vissenschaftlicben" Kategorie des Logos und sie er- 
moglicMe es, binter clem beweglicben Offenbarergott die ruhende absolute 
Gottheit zu denken. Das waren, wissenscbaftlicb wie praktiscb ange- 
sehen, erbeblicbe Yorteile. Aber trotzdem hatte ein modalistischer Ein- 
scblag bei einem Mann wie Irenaus kraftig wirken konnen, .und selbst 
in Tertullians ,,6konomiscber" Idee ist er zu spiiren. Das hat sicb seit 
den grofien Kampfen des angebenden 3. Jabrbunderts allmablicb ge- 
andert. Machtige Fiibrer wie Tertullian und ( 0rigenes baben den Mo- 
dalismus als gottlos verurteilt, und ein Gelebrter von dem E,ang Hippo- 
lyts bat ibn andauernd bekanipft. 2 ) Man erblickte in den Monarcbianern 
beider Ricbtungen Feincle der Gottbeit Cbristi, 3 ) wabrend diese mit deni 
Vorwurf des Ditbeismus, der ja wirklicb dem vulgaren ,,zweiten Grott" 
gegentiber nicbt unberecbtigt war , antworteten. Es batte ja einen 
Augenblick iiber in Eom scbeinen konnen, als wiirde ein modifizierter 
Modalisnius sicb in der offiziellen Kircbe dtu^cbsetzen, der Yertreter der 
,,Wissenscbaft" Hippolyt war von seinen Gegnern zuriickgedrangt 
worclen. 4 ) Und docb bat, soweit unsere gescbicbtlicbe Kenntnis zu ur- 



gehoren, auf die sich nebeii deni Ag-ypterevangelium die Sabellianer beriefen 
(Epiph. h. 62, 2). 

1) Vgl. Loofs, Die Trinitatslehre Marcells uud ihr Yerhaltnis zur alteren 
Tradition in Sitzung-sber. d. Berl. Akad., 1902, 764 ff. 

2) Uber Hippolyts Christologie s. oben S. 344 ff. Ihre clog-mengeschichtliche 
Bedeutung bestelit vor allern darin, daC sie den Modalismns in Eom nicbt bat 
zur Herrschaft kommen lasseu. 

3) Wie wenig freUich. die Laien an den Finessen der Logoslebre batten, 
zeigt Oligenes : ol ff;ij8ev slSorss ,,sl /) ''Ir l aovv Xgtarbv y.al toviov Earavgcofisvov", 
TOV yEvof-isvov adfjy.a ).6yov TO TtSnv vofuoaviss elvat rov l.oyov, ^K^iarbv '/.aia, adgy.a 
fiovov yivwaxovai- toioviov Ss eon TO rd-fjd'os rcov TTeTtiatevxevai voftiZpfievcov (ill 

Job. II, 3, 29). 

4) Yielleicht gehoreu Merker die alten Prologe zu den Evangelien, auf 
deren monarcluanischen Charakter P. C'orssen bingewiesen hat (die monarch. 
Prologe zu den vier Evangelien 1896), z. B. ostendens imum se cum paire esse, 



478 ' 11-' Die vormcanische Christologie. 

teilen erlaubt, ein Menschenalter spater der Modalisinus seine Rolle in 
der Kirche ausgespielt, und erst die krasse Eorm des Difheismus, die 
Arius verfoclit, hat gewisse Grundtendenzen der modalistischen Denk- 
weise bei Marcell, aber auch Athanasius an die Oberflache ge- 
bracht, wie wir spater sehen werden. 

2. Die vornicanische Ciiristologie und Trinitatslehre zeigt neben 
dem Zuriicktreten der modalistischen Gedanken den Fortschritt der 
Logoslehre, im Morgenland in der Form des Origenes, im Abendland 
in der. Form des Tertullian. "Wir kb'nnen uns dariiber, da neue Gre- 
danken nicht aufkommen, kurz fassen. Nur vereinzelt begegnet uns 
der Modalismus bei kirchliehen . Autoren des 3. Janrnunderts. So bei 
Commodian Carmen apol. 278 : nee pater est dictus, nisi factus filius esset ; 
618. 94. 110 ff. 198. 358. 772. 257. 363 f. 634 s. aber 340. J ) Cy- 
prian hat die Patripassiani neben Yalentinianer und Marcioniten ge- 
stellt und sie als pestes et gladii ac venena subvertendae veritatis be- 
zeicnnet (Ep. 73, 4). 2 ) Dafi aber auch in Rom um 250 die tertulliar 
nische Auffassung zum Sieg gekommen war, zeigt Novatians Schrift 
de trimlate?) 

Novatians Darstellung ist an einem doppelten Gregensatz orientiert. 
Er will die voile Grottheit Cnristi feststellen gegeniiber der Annahme^ 
er sei nur Menscb gewesen, und er will den TJnterscbied des Vaters und 



quia unus est (S. 51); nan emissum solum verbum caro factum, sed corpus 
domini in omnia per verbum divinae vocis animatum (S. 9). Aber die Sache 
bleibt unsicher, well die Hauptstellen uicht sicher zu deuten sind. 

1) Auf Commodian scheint nach Waitz (das pseudotert. Gedicht adr. 
Marc. 1901, vgl. Harnack. Chronol. II, 442 ff.) auck das pseudotertull. Carmen 
adv. Marcionem zuriickzugehen. Aber die Christologie des Gedichtes spriclit nicht 
hierfiir (s. auch Macholz, Spureu binit. Denkweise, S. 21). Der deus Christus 
(III, 255), der caro factus est (III, 238), ist namlich vorn Yater genau unteiv 
schieden als seine virtus, gloria, verbum, spiritus (IV, 28 f. V. 200 f.: spiritus et 
verbum . . . cum patre semper erat, unitus gloria et aevo). Dagegen wird das 
Gottliche in Christus nicht selten als ,,Geist" bezeichnet (V, 200. IV, 160 f.: 
corpus Ohristi . . . sacro . . . spiritu iunctum); aber V, 251 scheint der Sohn 
vorn Geist iiuterschieden zu werden, er sitzt neben dem Vater und ist spirit 
coniunctus. V, 199. IV, 29 (immenso genitum de lumine lumen) lassen es 
Haruack (S. 447) Avahrscheinlich erscheinen, dafi das Gedicht nachnicanisch sei; 
indessen Aviderspricht dein die ganze Christologie des Gedichtes deutlich, und das 
wiegt weit schwerer als ein derartiger zufalliger Gleichklang, besonders wenn 
man liberlegt, daJB die Formeln, ehe sie solennen Charakter gewinnen, in der 
Eegel schon vorher bestanden haben. 

2) Vgl. Novatian. de trin. 11: Sabelliana haeresis sacrilega. Ps.-Orig. Trac- 
tatus ed. Battifol, tr. 3 p. 33: Praxeas et Sabellius, patripassiani kaeretici. 

3) Vgl. Tixeront, Hist, des dogmes I, 352 ff. 



Commodian, Cyprian, Novatian. 479 

Sohnes fixieren im Gegensatz zu der sabellianischen Identification beider. 
Die Erkenntnisse, die er vortragt> stellen sich ihm clar als Auslegung 
des. TDaufbekenntnisses und als Yerwendung der saerae audoritates divi- 
namm lilterarum } beides widerspricht den Haretikern. Nach diesen Iii~ 
stanzen ist Christus sowohl wahrer Mensch als wahrer Gott gewesen. 
Mit grofier. Gewandtheit und in weitem TTmfang werden hierfur Schrift- 
zeugnisse beigebracht ; die "Worte wie die Funktionen Christi erweisen 
danach sein gottliches. Wesen (deus ex virtutibus appr-obttri 11). Aus 
dem ewigen Gott ist, als es dieser wollte, der Logos oder sein Sohn. 
hervorgegangen. Tiber die Art seiner Geburt aus Gott kann niemand 
aufier ihm selbst etwas aussagen. Sie ist vor der-Zeit geschehen, daher 
steht er als der irgendwie aus dem Yater Geborene, dem Vater naher 
als alles, indem er zuerst aus ihm dem TJrsprungslosen seinen Ursprung 
nahm. Ais. gottliche Kraft ist er von jeher in Gott; als zu einer 
Sonderexistenz erzeugt hat er einen vorzeitlichen Anfang. 1 ) Durch ihn 
ist alles geschaffen (Joh. 1, 3), er ist vor allem, aber er ist nach deni 
Yater, er ist eine. zweite aus jenein hervorgegangene persona, und er ist 
divina substantial] Aber er ist dies als natus: so wird die absolute 
Einheit Gottes nicht ge'stprt, wie es der Pall ware, wenn der Logos als 
innatus ein zweites Prinzip und ein zweiter Gott neben dem Yater ware. 
Deus pater ist der eine Gott, der aber den Sohn als den Herrn und 
Gott iiber alles erzeugt hat. 3 ) Dem entspricht es nun, dafi der Sohn 
dem Yater als sein Diener gehorsam ist 4 ), sowie dafi schliefilich der 

1) de trin. 31 : ex quo, quando ipse voluit, sermo filius natus est, qui non 
in sono percussi aeris . . . sed in substantia prolatae a deo virtutis agnoscitur, 
cuius saerae et divinae nativitatis arcana . . . filio soli nota sunt, qui patris 
seer eta cognovit. Hie ergo,, cum sit genitus apatre,semperestinpatre. Semper 
autem sic dico, ut non innatum sed natum probem. Sed qui ante omne tempus 
semper in patre fuisse dieendus est, nee enim tempus illi assignari potest, qui 
ante tempus .est, semper enim in patre, ne pater non semper sit pater . . . Simul 
ut hie minor sit, dum in illo esse se scit habens originem: quia nascitur et per 
patrem quodammodo, quamvis originem habet qua nascitur. vicinus in nativitate, 
dum ex eo patre, qui originem solus non habet, nascitur. Sic ergo, quando pater 
voluit, proeessit ex patre, et qui in patre fuit, processit ex patre . . ., sub- 
stantia scil. ilia divina, cuius nomen est verbum. Die Interpunktion im 
vorletzten Satz habe ich verandert. 

2) .a. den. letzten Satz der vorstenenden Anm. ; dazu 31 : deus ittique proce- 
dens ex deo secundam personam effieiens post patrein qua filius, sed non 
eripiens illud patri, quod unus est deus. 

3) Ib. : si enim natus non fuisset . . . duos faceret innatos et idea duos 

faceret deos. Ut merito deus pater omnium deus sit et principium ipsius 

quoque filii sui, quern dominum genuit; filius autem ceterorum omnium deus sit, 
quoniam omnibus ilium deus pater proposuit quern genuit. 

4) Ib.: qiiamvis probet ilium nativitas filiit/m, tamen morigera obedientia 



480 W' Die vornicanisclie Ghristologie. 

.Sohn dem Vater alle ihm iibergebene Gewalt wieder zuriickgibt. ,,Zwar 
wird als Gott der Sohn, deni offenbar die Gottheit iiberliefert und dar- 
.gereicht 1st, erwiesen. Aber nichtsdestoweniger wird als der Eine Gott 
.der Yater dargetan, sofern jene Majestat und Gottlieit stufenweise zu- 
riickgekenden Schrittes von jenem namlicheh Sohn aufgegeben, zuruck- 
.kehrt und zuriickbiegt zu dem Yater, der sie gegeben hatte" (de trin. 31). 
Man sieht atis diesen Gedanken, wie stark bei Novatian die Eurcht 
vor dem Yorwurf des Ditheismus ist. Er meint ihm dadurch am sichersten 
zu entgehen, da6 er den Yater allein als den ungeborenen ewigen Gott 
auffafit, den Logos dagegen sich als zeitweilige personliche Ausstrahlung 
aus dem Yater denkt. Hierbei kann er sich ganz subordinatianisch aus- 
driicken, aber auch die Substanzeinheit zwischen Yater und Sohn be- 
tonen, 1 ) beides diente ja dem Zweck, die Einheit Gottes festzustellen. 
Es ist wichtig zu beobachten, wie kraftig letzterer Gesichtspunkt bei 
Novatian gewirkt hat. Er hat den Sabellianisnius auf das scharfste be- 
kampft, aber er hat sich auch alle Muhe gegeben, den AnlaB zu dem 
Haupteinwand der Sabellianer aus dem "Wege zu raumen. 

Der Logos ist Mensch geworden, d. h, er hat sich die Substanz 
des menschlichen Meisches wie ein Gewand umgetan. Der leitende Ge- 
danke ist clabei. wie bei Tertullian oder Hippolyt, der, dafi der Logos 
sich mit dem Menschen Jesus verbunden hat, den er annimmt und mit 
dem er connexions et permixlione, oder auch wie der Brautigam mit der 
Braut sich \ 7 ereint. Darin besteht seine Erniedrigung, dafi er die ge- 
brechliche menschliche Natur annimmt. 2 ) Carnis assumptio oder induiio, 



adserat ilium paternae voluntatis, . ex quo est, ministrum, ita dum se patri in 
omnibus obtemperantem reddit, quamvis sit et deus, unum tamen deum patrem 
.de obedientia sua ostemlit. 

1) de trin. 31 : a quo solo (i. e. patre) haec vis divinitatis emissa, etiam in 
filium tradita et direc ta, rursum p e r s u & s t a n t i a e comtminionem ad patrem 
revolvitur. Die gesperrten Wo'rter liat Jackson in seiner AusgaTbe (Lond. 1728, 
S. 248) als verdachtig eingeklammert. Es folgen die soebeii iin Text ubersetzten 
Worte; in den Ztisammenhang 1 will die communio substantiae freilich nicnt reclit 
hereinpassen. Trotzdem mochte ich die Worte nicht streichen, sondern blofi rur- 
sum liinter sie setzen und dann verbinden: die Kraffc, die in den Somi vermo'ge 
der Gemeinschaft der Substanz hineingeleitet wurde. DaC der Text YOU de trin. 
nielit tendenzios korrigiert, wohl aber recht mangelhaft iiberliefert ist, zeigen die 
Citate aus dieser Schrift in den psetidoorig. Traktaten Battifols. 

2) z. B. 21 : Yerbum illud, quod est ante omnem creaturam . . ., adsumit 
hunc hominem, qui est post omnem creaturam et sic cum illo et in illo habitat 
in nobis. Sermonem dei sciimis indutum carnis substantiam, eundemque rursus 
exutum eadem corporis materia, quam rursus in resurrectione suscepit et qiiasi 
indumentum resumpsit. 13: de eaelo deseendit verbum hoc tanquam sytonsus 
ad carnem, ut per carnis assumption em filius ho minis illuc jpossit ascender e, 



Noyatians .Ohristplogie. 481 

eomunctio, connexio mutua, peryniztio ,das sind ,die Wendungen,.in denen 
Novatian ,die Menscbwerdung ,pder die y.erbin,dung des G.ottes- und 
Menschensohnes ausdrii,ckt. Aber zu. einer scharfer .umrissenen An- 
scbauung ist .es ,dabei : aucb b,ei ibm nicbt gekommen. Er r r edet yon 
utr.aque substantia in iCbristus (13), er verwirft .die Ans.icht als beruhte 
..die. Herrlicbkeit .Cbristi bloB in .einer PrMestination seiner Menscbbeit, 
war.en .dann ,docb die alttestamentlichen Gr.ereclxten y ; pr ilim prade^tiaierst, 
wahrend er doch als Gott vor der "Welt seine Herrlichkeit .inn.ehat (16), 
er legt andrerseits Gewicht auf die "Wirklichkeit des Fleisches Christi, 
das kein Phantasma, nicht atjaerisch .oder sideriscb. geAyesen 1st, nostri 
.consors .corporis (10). i^ragt ,man aber, wori,n die yereinigung ,der gott- 
lichen und der naenschlicben Substanz eigentlich bestebt, so lassen sicb. 
nur ganz imbestimmte Formeln als Antwort auffinden. ,,Es ,^yird an- 

- - r .': -;'-v -.'. 

gezogen und ausgezogen der Menscb, gleicbsani ein aus einem'zusammen- 
bangenden Korper bestebender B,pck" (quaedani contexti cprpmjs tunica, 21). 
Ani ineisten wirft nocb die jErorterung uber Luk. 1, 35 ,ab : das IJeilige, 
das von Maria geboren Avird, soil .nicbt, wie die Haretiker meinen,. an 
sicb als carnis corporisqiie substantia Gottes Sobn sein , sondern der 
eigentlicbe Gottessobn ist der Logos, der inkarniert -\vird in jener Geist- 
\virkung, von der Luk. 1, 35 spricbt. Dieser .Geist oder , Gottessobn 
nun ziebt den Menscbensobn an sicb und verniengt sicb init ihm, uni 
ibn umzuwandeln in einen Sobn .Gottes. Aber nur in uneigentlichem 
und sekundarem Sinn ist diese Verwandlung des Menscben Jesus zu 
versteben. 1 ) Sie besagt nicbt rnebr, als daB die Yereinigung des Gott- 



unde del filius verbum descenderat, .inerito dum per c.onnexionem m.utuam 
et. caro verbum del gerit et filius dei fragilitatem carnis adsumit, cum sponsa 
carne conscendens ilhtc, unde sine carne descenderat. 15: homo est enim cum 
deo iimctus et deiis cum Iwmine copulatus. 21: iitrumque ergo in Ghristo 
confoederatum est et utrumque coniunctum est .et utrumque connexum est . . ., 
qui mediator dei et liominum effectus cxprimitur, in se deum ethominem sod- 
as se reperitiir. 25: tarn, ex eo quod deus est, quam ex eo quod, homo est, 
Christus intelligatur esse permixtus et esse sociatus. 22: se exmanivit, 
dim homanae conditionis fragilitatem mscipere non recusavit. . ; 

1) 24: non principaliter .hoc, ,,sanctum" ,,quod ex ilia nascitur", id est 
istam carnis .corporisqiie substantiam filium dei esse, .sed consequenter etin secundo 
loco, 2^'incipalit'er autem filium dei esse verbum dei incarnatum per ilium spiri- 
tum, de quo angelus refert: ;) spiritus veniet in te" etc. Hie est enim legitimus 
dei filiiis qui .ex ipso deo est, qui .dum n sanctum u istud assumit et sibi filium 
:hominis annectit et ilium ad se rapit atque transducit, connexione sua et per- 
mixtione .sqciata, praestat, ui filium ilium dei faciat, quod ille nOturaliter non 
fuit, ut principalitas nominis istius filius dei in .spiritu sit, domini, qui descendit 
et venit, ut .sequela nominis istius in filio [dei et] hominis sit. et merito conse- 
quenter hie filius dei factus .sit, dum non principaliter filius dei est. Die einge- 
SeeToerg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 31 



482 !? Die vornicanische Christologie. 

lichen und Menschlichen, in der das Heil der Menschen besteht, schon 
in Christus stattgefunden hat, und daft durch diese Gemeinschaft ge- 
wissermafien der Menschensohn ein Gottessohn wird. 1 ). Dieser Art der 
Yereinigung entspricht es auch, dafi nur die Fleischsubstanz Christi dem 
Tode unterliegt. 'wie ahnlich ja auch bei den Menschen' nur das Meisch, 
nicht aber auch die Seele dem Todesverderben verfallt. 2 ) Bei der Auf~ 
erstehung nimmt iibrigens der Logos die menschliche Natur wieder an 
(21 s. oben S. 480 A.). 3 ) 



klammerten Wovte sind fraglos unecht. Ubrigens ist der spiritus del Lk. 1, 35 
hier auch dem Logos gleichgesetzt. Neben letzterer Vorstellung lafit Novatian 
auch in der Taufe Christus mit Geist ausgeriistet werden, c. 29: super eum 
venit et mansit habitans in solo Christo plenus et totus . . ., ut ex illo delibationem- 
quandam gratiarum ceteri consequi possint, totius sancti spiritus in Christo fonte 
remanente. In den jedenfalls mit Novatian im Zusammenhang stehenden 
pseudoorig. Traktaten ist ausdriicklich die Prage aufgeworfen, warum der Geist 
iiher die Jungfrau, und dann wieder bei der Taufe uber Jesus gekommen sei 
(tr. 20 p. 209 f. ed. Battifol). Darauf wird zunachst geantwortet: filius dei 
ideo primum venit ad virginem, ut hominem sibi exinde in virginis utero plas- 
maret, der Gottessohu wird also naiv dem Geist gleichgesetzt. Weiter heifit esi 
necesse fuit, ut prius ad ilium hominem, quern dei sermo induerat, spiritus 
scmctus adveniret et sic per ipsum quasi de fonte virtutum ad nos quoque 
distributa eiusdem spiritus sancti gratia redundaret etc. Man empfand das 
Problem nicht mehr, weil der Taufgeist und der Geburtsgeist hj'postatisch unter- 
schieden waren. . 

1) 23: si ad hominem veniebat, ut mediator dei et hominum esse deberet r 
oportuit ilium cum eo esse et verbum carnem fieri, ut in semetipso concordiam 
confibularet terrenorum pariter atque coelestium, dum iitriusque partis in se 
connectens pignora et deum homini et hominem deo copularet, ut merito filius 
dei per assumptionetn carnis filius hominis et filius hominis per receptionem dei 
verbi filius dei effici possit. Hoc altissimum atque reconditum sacramentum 
ad salutem generis Immani ante secula destinatum, in domino lesu Christo, deo 
et homine invenilur impleri, quo conditio generis humani ad fructum aeternae 
salutis posset adduci. 

2) 25 : non illud in Christo mortuum esse quod dens est, sed illud in illo 
mortuum esse quod homo est. Quid enim si divinitas in Christo non moritur, 
sed carnis solius substantia extinguitur? 

3) Die vielfach Noyatian beigelegten ,,Tractatus Origenis" (ed Battifol 
Paris 1900) hat H. Jordan hinsichtlich ihrer Lehre sorgfaltig untersucht und 
dabei zum Vergleich die ganze Theologie Novatians herangezogen (Die Theologie 
der neuentcleckten Predigten Novatians 1902). Ich halte fur sicher, daC diese 
Predigten eine lateinische Originalarbeit, und um die Wende des 3. uud 4. Jahrh. 
entstanden sind ; gegen die Abf assung durch Novatian liegen aber erhebliche Be- 
denken vor, bes. die Weise wie die^Schrift de trin. ausgeschrieben wird, kommt 
in Betracht. Die christologischen Formeln (hominem indiiere 13 .p. 149; 19 p. 201; 
14 p. 154; carnem hominis induere 6 p. 73; 17 p. 187; substantia corpus hominis 
induere 17 p. 185. 189; carnem sicut vestimentum adsumpsit 19 p. 203 etc.) 



Novatians Lehre vom heil. Geist. 483 

Wir fiigen sofort hinzu, daft Novatian durch den AnschlulJ an die 
"Wahrheitsregel auch im 29. Kap. seines Buches eingehend von dem 
heil. Geist gehandelt hat. Christus hat das Kommen des Geistes als 
desparadetus oder spiritus veritatis verheifien. Aber der Geist war schon in 
den Propheten wirksam, je nach dem Bedarf der Menschen wirkt er zu 
verschiedenen Zeiten in verschiedener "Weise, unus atque ipse est dimdens 
officia sua per tempora et rerum occasioned atque momenta. Naeh Christi 
Auferstehung ist er in seiner Ganzheit und zu dauernder Wirksarnkeit 
offenbar geworden, sollten doch die Jiinger durch Christi Eortgang nicht 
"Waisen werden. Dieser Geist hat in den Aposteln gewirkt und rtistet 
die Gemeinden mit Charisnien aus, er ist nach seiner Taufe in Christus 
eingegangen (s. oben), er wirkt bei unserer Taufe, er vertritt uns bei 
Gott, er macht uns heilig und bereitet uns vor zur TJnsterblichkeit, er 
halt die Begierden in Zauni, er erlautert die "Wahrheitsregel xind iiber- 
windet die Haretiker. Nieniand, der diesen Geist hat, widerstrebt der 
Schrift oder fithrt neue gottlose Satzungen ein. Der Geist zeigt sich. in 
der Bestandigkeit der Martyrer, in der Enthaltsanikeit der Jungfrauen, 
in der Heinheit der Lehre. 1 ) Das sind Svertvolle Gedanken, denn sie 



stimmen mit NoTatian. Die Formel unigenitus ab ingenito (3 p. 33; 20 p. 211) 
ebenso deus de deo et. lumen ex lumine (6 p. 67), dieHarnack (Chronol. II, 409) 
als nachnicanisch anspricht und Jordan als interpoliert aufgibt (S. 52 ff.), halte 
ich fur unbetlenklich, s. iiber letztere S. 478 A. 1, hmsicktlich der ersteren yer- 
weise ich auf die S. 415 A. 2 mitgeteilte Stelle und Noyat. cle trin. 31, wo ja 
auch dem nngeborenen Vater der allein geborene Sohn gegeniibertritt. Aber 
freilich hat Novatian selbst die-Foimel kaurn gebraucht. Das zeigt die Wieder- 
gabe von de trin. 29 : nemo negavit Christum del filium, im tr. 20 p. 211 : nemo 
negat Christum verum deum et verum dei filium unigenitum de ingenito natiim: 
die gauze Umgebung clieser Worte im Traktat ist aus de trin. abgeschrieben. 
Aiich die Erwahnung der trinitas (7 p. 80; 12 p. 138; 14 p. 157) oder die Be- 
zeichnung Christri als deus noster (20 p. 212) oder die Formeln: in quibus non 
natura dividitur, sed personae disiinctae monstrant-itr (6 p.. 67), naturae individua 
unitas (ib. p. 68) ftihren nicht in die nachiaicanische Zeit. 

1) Da grofie Stiicke dieses Kap. in den 20. pseudoorig. Traktat tibergegangeu 
sind, so lafit sich der Text von de trin. hie und da verbessern nach clem Traktat 
und umgekehrt. Einige Hauptstellen: qui nos dei faciat templum et nos ei-us 
efficiat domum, qui interpetlat dimnas mires pro nobis gemitibus ineloquadbiis . . . 
inhabitator corporibus nostris datus et sanctitatis effector . . . Erudiuntur enim 
in illo et per ipsuin corpora nostra ad immortalitatem proficere, diim ad decreta 
ipsiiis discunt se moderanter temperare . . . Hie est qui inexplebiles cupiditates 
coercet, immoderatas libidines frangit . . ., regulam veritatis expedit, haereticos 
revinc.it, improbos foras expuit (expellit?) evangelia (evangelica?) custodit . . . 
In hoc spiritu positus ... nemo negavit Christum dei filium aut repudiavit 
creatorem deum, nemo contra scriptiiras ulla sua verba depromit, nemo alia et 
sacrilega decreta constituit, nemo diversa iura conscribit . . . Hie . . . in mar- 

31* 



484 17. Die Yornicanische Christologie. 

zeigen uns, Arelcher Stoff fill- das Lehrstiick vom heil. Geist traditionell 
geAvorden Avar. Auf die Personlichkeit des Geistes fallt kein Akzent, 
der Geist wird als die in der Gemeinde wirksame gottliche Macht vor' 1 - 
gestellt, die den einzelnen die Wahrheit bringt, sie gut macht, heiligt 
und fiir die ewige Seligkeit vorbereitet. Es sind die Gaben Christi, die 
der Geist dem gegliederten Gemeindeleben einflofit und dies dadurch 
leitet und heiligt. 

Die Darstellung Novatians hat fraglos stark auf die Entwicklung 
der Lehre im Abendland eingewirkt. Folgende Punkte an ihr sind 
cliarakteristisch : 1) die form ell durchgefuhrte Kombination des Geistes 
mit den beiden anderen H^ostasen, ,,Probleme" stellt freilich nur die 
Ohristologie clem Novatian ; 2) der starke negative, aber auch positive, 
Einflufi der beiden Eornien des Monarcnianismus. Diese beiden Gegen- 
satze, zAvisclien denen sich Novat. Darstellung bewegt, haben ihre an- 
ziehende me abstofiende Kraft gegenseitig beschrankt, so ist er zu einer 
gewissen ,,Mitte" der Anschauungsweise gelangt. Eine modalistische 
Neigung findet ihre Schranke an der Eurcht die gottliche Personalitat 
Christi zu veiiieren, und dieselbe Schranke steht auch der Tendenz 
Christus als den geistgesalbten Menschen zu fassen entgegen. Andrer- 
seits begrenzt.- der starke Trieb zur Eihheit Gottes die gottliche Sonder- 
existenz Christi. 3 ) Hippolyts lebhaftes Interesse an der personlichen 
Gottheit des Logos ist der eine mafigebende Paktor in der Christologie 
Novatians. Dazu komnit die nionotheistische Tendenz, die er von Ter- 
tullian und Irenaus iiberkommen hat, sowie die Anregung durch die 
Eormeln Tertullians. 4 ) So stellt Nov. Lehre einen gewissen Abschlufi 
.der christologischen Entwicklung dar. Sie zeigt, wie die Abendlander 
: gewohnt Avaren, ein formales Schema rnit Hilfe einer grofien Anzahl 
von paraten Bibelstellen an den Formeln des Taufbekenntnisses durch- 
:zufiihren und es an den jeAveiligen Gegensatzen zu orientieren und da- 
idurcli konkret und lebendig zu gestalten. Da6 Gott einer ist, und 
(dafi Christus Mensch und auch personlich Gott ist das Avaren die 
beiden Hauptgesiehtspunkte in diesem Schema. 

3. Die gelegentlichen ErAvahnungen der Person und des Werkes Christi 
bei den iibrigen Lateinern bis 325 beAveisen kein dogmatisches Interesse 
an der Lehre und bringen keinerlei Portbildungen derselben hervor. 
Peststeht, dafi Christus Gott ist (Arnobius adv. nationes I, 53. 39. 



tyribus constantem fidem religionis ostendit, in virginibus admirabilem continen- 
iiam signatae castitatis (carnis ?) includit, in ceteris incomtpta et inconiaminata 
doctrinae dominicae iura custodit, Haereticos destruit, perversos corrigit, infideles 
arguit . . ., ecclesiam incorruptam et inviolatam perpeiuae, virginitatis et veritatis 
sanctiiale custodit. ... 



Die Christologie des Laetanz. 485 

42. II, 11. 60: Christus, licet vobis invitis deiis, deus inquain Christus 
. hoc enim saepe dicendum est, ui infidelium dissiliat et dirwwpatw 
auditus, Cyprian de pat. 6. ep. 63, 14: domimis et deus noster, ep. 51, 1: 
deus noster sahitaris), wenngleich dies in sehr subordinatianischer "Weise 
gelehrt wird, z. B. von Lactantius, nacn welchem Gott eine Menge 
von Geistern hervorbrachte, von denen einer als sein Sohn in die Ge- 
nieinschaft seiner Herrschaft aufgenommen wurde. Das ist der Logos 
oder virtus, mamis, ratio, sermo des Vaters, durch den er die "Welt er- 
schuf. 1 ) Der Sohn ist eins mit dem Vater, wie der Strahl mit der Sonne, 
die Hand mit dem Korper, beide haben eine mens, voluntas und substantia 
und sind daher unus deus. Neben dem Sohn steht nicht etwa der heil. 
Geist, sondern aus den Engeln ragt ein anderer machtiger Geist empor, 
der aus Neid gegen den Logos abfiel ; es ist der Teuf el, dem eine An- 
zahl anderer Geister im Eall folgte. Yon clem heil. Geist als besonderer 
Hypostase redet Laetanz nicht, vielmehr ist der Geist, der einst in 
David von seinen kiinftigen Leiden redete, der spiritus dei, qui fuerat 
ilia passurus post annos inille et quinquaginta (inst. II, 8, 4). Der 
Logos ist also ein Geschopf Gottes >vie die Engel, Gott ist der weator 
Christi (Cypr. ep. 73, 18), und Christus ist zugleich der heil. Geist. 
Dieser Geist Christi ist es dann auch, der welter in den Jiingera wirkte 
(Lact. epit. 42). Hier liegt also freilich ein naiver j^initarismus" 
vor. 2 ). Dieser Logosgeist nun ist vom Vater auf die Erde herabgesandt, 
er schuf sich in Maria seinen Leib. Gott war Vater seines Geistes ohne 
Mutter, und Maria war Mutter seines Leibes ohne Vater (inst. IV, 25, 4). 
Die Menschwerdung ist also die Annahme des menschlichen Meisches. 
Derselben bedurfte es aber, um Mittler.zu sein zwischen Gott xmd Mensch 
(Cypr. quod idola etc. 11), um als Lehrer iinter den Menschen durch Wort 
und Beispiel wirksarn zu werden. 3 ) Vermoge der doppelten Herkunft, deni 



1) (Unique ex omnibus angelis, quos idem deus de suis spiritibus figuravit, 
sohis in consortium summae potestatis adscitus cst, sohis deus nuncupatus 
(epitome 36, 3. Instit. IV, 6, 2 ; 8, 7 ; 14, 20 : propterea quia tarn fidelis exiitit . . . 
ut mandata miitentis impleret . . , et dei nomen accepit, vgl. Cyprian, quod 'idola 
etc. 11. Gum igitur et pater filium faciat et filius patrem, tma iitrique mens, 
unus spiritus, una substantia est (Lact. inst. IV, 29, 4). Pater ac 'films, umim 
sunt . . ., non potest utique necessitudo tanta divelli. ut duo esse. dicantur, in 
quibus et substantia et voluntas et fides una est (Epit. 44, 4; der sanctus spiritus 
wircl erwahnt inst. IV, 11, 1; 12, 1, aber Hieronymus weifi, dafi Laetanz in 
den verlorenen Briefen an Demetrian spiritus sancti omnino negat siibstantiam 
(ep. 84, 7). ..- 

2) s. Macholz, Spuren etc. S. 25 ff. 30. 

3) Arnob. I, 62. Lactant. epit. 38, 8 : iussit igitur eum summits pater des- 
cendere in terrain et humanum corpus induere , irf subiectus passionibus 



486 17 - Vie vornicanische Christologie. 

Geist nach aus Gott. dem Fleisch nach aus der Jung-frail Maria, ist .er 
d&i et hominis filius (Lact. epit. 38, 2. instit. IV, 13, 6 : ei deum fuisse 
el hominem ex utroque, gen ere permixtnm). In diesen Ge- 
danken besteht eigentlicli diese Christologie. Es ist eine "Wiederholung 
des Glaubens des Taufbekenntnisses, den man sich, ohne viel Muhe, 
einigermaBen zurecht zu legen versuchte. Dafi die Gedanken Tertullians 
den Lateinern nicht verlbren gegangen sind, zeigt aber Novatian. 

4. "Was Tertullian fur die Christologie des Abendlandes war, das 
war Origenes fur das Morgenland. Seine Christologie bildet die Grund- 
lage ftir die Anschauungen der griechischen Lehrer. Aber diese Christo- 
logie war einmal vieldeiitig Honiousie und Subordinatianismus standen 
nebeneinander , sie hing sodann an einem Hauptpunkt - die Seele 
Christi niit clem Praexistentianismus zusammen, den man spater ver- 
worfen hat. Als ganze hat daher niemand diese Lehre reproduziert, 
aber ihre Elemente wirkten fort, vor allem der Gedanke, daB der Logos 
gottliche Person nnd der Usie*nach eins rn.it dem Yater ist. So hat 
Theognostus im 2. Buch seiner Hypotyposen gelehrt, dafi der Sohn 
ans der TJsie des Vaters hervorgegangen sei nnd sich zu dem Yater 
verhalte wie der Glanz zur Sonne. der Danipf zum Wasser (ex -r^g fou 
Ttatgbs ovoiag ecpv). Somit sei der Sohn weder identisch mit^dem 
Vater, noch auch ein alkoTQiov im Verhaltnis zu ihm, al'La artOQQOia 
Tfjg rou ncizQOQ ovaiag, ov f.iSQiG/.ibv VTfOfLsivccarjg ifj^ TOU Jtaxob^ ovaiag, 1 ) 
er ist %cov Vf\v 6f.toiOTr]TCi mo naiQog xcmx trjv ovaiav . . . ft^Qr]. 2 ) 
Grregorius Thau in aturgus 3 ) : tig xvgiog, f.iovog ex (.wvov, -O-ebg 
I/ -9-tou, xaQaMriQ v.al BLY.WV irjg -fteoTrpog, koyog svtQyog . . . ome 
ovv miaiov ti oms 1} dov'Aov Iv r-fj Tgiddi oms STttiGamov, tog Ttgo- 
TSQOV t uh ov% V3T,(XQ%ov, vGTeQov de enf.i.oeLd'OV (Grlaubensbek. bei Cas- 
pari, Alte und neue Quellen etc. S. 10). Andrerseits hat er den Logos 
auch als "/.TiO(.ict und jtoirj/.i(X bezeichnet ; freilicli heifit es aber auch, dafi 
er .den Yater und Sohn nur fTtivom dvo, VJIOGTCCGBI ds sv angesehen habe. 
Zu beidem hot die origenistische Lehre x^nkniipfungspunkte, die Einheit 
der Substanz (das ist vrtoomoig) reicht schliefilich liber das o(.ioouGiog des 
Origenes nicht hinaus (Basil, ep. 210. 5). Wie ernst Grregor es mit 
der Gottheit Christi nahrn, zeigen die Erorterungen ..iiber die Leidens- 



carnis .virtutcm ac fmtientiam non solum verbis sed etiam factis doceret. in'st. IV, 
12, 15. - ' 

1) s. das Oitat bei Athanas. de decretis 25. Uber die Zeit des Theognost 
s. Harnaek, Chrouolog. II, 66 ff. tJber den etwas spateren Pierius s. Photras 
Cod. 119. 

2) s. P. Diekamp, in TheoL Quartalschr. 1902, 481 f. 

3) tiber ihn s. Bonwetsch, PEE. VIP, 156 ff. 



Theognost, Gregor Thaumaturg. Dionys v. Alex. 487 

fahigkeit Gottes" (s. Ryssel, Greg. Thaum. S. 73 &.'.) mit dem Resultat, 
dafi die ,,Gottheit" zwar gelitten hat, aber ohne das Leiden zu empfinden 
,,auf unsterbliche und leidensunfahige Weise" (c. 13 ff. 8fL). 

5. Lehrreich fur die christologischen Anschauungen der Zeit sind 
die Auseinandersetzungen zwischen Dionysius von Alexandrien 
und Dio nysius von R,om (c. 260). 1 ) Die Lehre des Sabellius 
liatte in der libyschen Pentapolis viel Anhanger, auch uuter den Bischofen, 
gefunden (Ath. sent. Dion. 5). Das ist nicht unverstandlich, da auch 
ein so treuer Origenist wie Gregor. Thauma'turg. auf eine Formel geraten 
war (vTtOGfdaSi sv), die die Sabellianer fur sich in Anspruch nehmen 
konnten. Freilich lag diese Konsequenz durchaus nicht inr Sinn des 
Origenes. Aber \ver von ihm gelernt hatte, dafi die Usie des Vaters 
und Sohnes identiseh sei, dem konnte es beikommen, diese Identitat auch 
personlich zu fassen, war doch die Unterscheidung von Substanz und 
Person nock keineswegs klare Erkenntnis oder Gemeingut. Dionysius 
sah sich nun veranlafit wider den Sabellianismus litterarisch aufzutreten. 
Er ist dabei von Gedanken seines Meisters Origenes ausgegangen, und 
.zwar betonte er, um des Gegensatzes willen, die subordinatianischen Ge- 
danken desselben. Er hat demgeniafi den personlichen Unterschied 
.zwischen dem Yater und Sohn in den Vordergrund geriickt, ahnlich 
scheint auch von anderen Lehrern zu Alexandrieu damals gelehrt worden 
zu sein (Ath. de deer. syn. Nic. 26). Der Sohn ist ein Geschopf des 
Yaters, das eine audere ovoia als der Yater hat, wie etwa der Wein- 
^stock vom Landmann, das Schiff vom Zhnmerinann, oder die Kinder 
von den Eltern sich unterscheiden. 2 ) Es waren orthodoxe alexandri- 
nische Christen, welche diese Lehre fiir bedenklich hielten und ihren 
Bischof bei Dionysius von Rom verldagten (sent. Dion. 13). Somit 
tritt eine dritte Anschauung auf den Plan. Den Sabellianern standen 
Subordinatianer gegeniiber, ihrer Anschauung hatte Dionysius nur eine 
polemisch zugespitzte Formulierung gegeben. Beide Gruppen werden 
sich an origenistischen Gedanken genahrt haben. Aber dieselben Gedanken 
legten Zeugnis wider sie ab. Das inachte diese dritte Gruppe geltend^ 



1) Vgi. Athanasius, de sententia Diouysii und de decretis synodi Nicaen. 
'Zb. 26. de synodis 44 (Fragmente aiis Dionys. v. Alex. Ep. ad Euphranorem et 
Ammonium sowie aus dem Elenchus et apol. in 4 Bb. und dem Sehreiben des 
Dionys. v. Rom) und vgl. Dittrich, Dionys. d. Gr. 1867, S. 91ff., Hagemann,. 
Die ran. Kirche 1864, S. 411 fl." 

2) Ttoitjfia xai yevrjrbv eivcu tbv vlbv tov -9'sov, f.fijre Ss cpvaei 'iSiov dkia. 
ievov Kofi oiiaiav ai>rbv slvai rov Ttar^os, &ane^ eorlv 6 yemgybs nobs Tt\v a,(Ktel,ov 
xal 6 vavTiyyos npbs TO avArpos, xai ya.(> &s rtoiyfia a>v ovv. i}v Ttfnv ysvrjrat, de 
sent. Dion. 4. 12. 13. 17. 18. 21. 



488 !? Die vormcanigche Christologie. 

sie zeigt, dafl die origenistiscbe Tbeologie auch bei deri gebildeteri Ge- 
meindegliedern Eirigang gef linden ha'tte. Ihre Anklage ist ein Protest 
der origenistischen Honiousie wider den origenistischen Slibdrdinatianisinus.. 
Dabei scheint bier zum erstenmal das ofioovoiog sis Ausdruck der Ortho- 
doxie' geltend gemacht auch von dem Papst zu sein, denn Dionys 
halt er spater ftir notig sich gegen die Leugnung des o{.iOOV0iog zu. 
verteidigen. Diese Anklager warfen nun dem alex. Bischof yo'r, er 
le'hre: avxbg Ss 6 vibs ovx fy itolv ysvsd-fi, ahK fjv TTOTS ore QVY. fjV,. 
ov jag aid 16$ SGTLV (sent. Dion. 14), und welter: riaiSQti heycov zliovv- 
a.iog ov'/. ovof.idtet fov viov, xal n&kiv vlov keyiov om ovo;.id^L vov 
aAAa diaigel %al (.iccxyvvei, xal (.leqitei %bv vlov aito TOV ita- 
(ib. 16), und: a/g sva heyovrcc iwv yePrjT&v (.ivai TOV vlov xal [.irj 
df.ioovaiov T(JJ TtcagL (ib. 18. de deer. 25). Diese Vorwtirfe sind ohne 
Zweifel berechtigt gewe'sen. 1 ) 

Interessant ist es im Verhaltnis hierzu die Lehrvveise des romiscben. 
Dionys zu betracbten. Der roiniscbe Biscbof bait sicb mit seinen posi- 
tiven Gredanken ganz auf dem Boden Novatians und Tertullians, aber 
er verstebt es mit Gescbick von diesein Boden aus die obsebwebende- 
Erage zu beleucbten. Entsprecbend der neuen romiscben Theologie 
findet er den ganzen Grlauben in dem Taufbekenntnis zusammengefafit 
und riickt daber die garize Kontroverse auf den Boden der Trinitat.. 
Dabei bat er wieder echt romiscb eine starke Abneigung gegen. 
den Tritbeismus, den er dadurcb recbt kraftig zuriickweist, dafi er ibn 
als marcionitiscb zu entlarven versucbt. Dionys verwirft also jene Lebre 
einiger alexandriniscber Lebre'r, welcbe die (.tovccgy^ia zerstort und fur 
sie TQSIS dvvd/.ieLS, ja scblieMcb TQelg -3-eovg einfubrt, er wendet sicb 
wider die Bezeicbnung des Sobnes als eines 7toir][.ia, sowie gegen die 
Annabme eines zeitlicben Anfanges desselben. Vielmebr imisse man, 
nacb der Scbrift Sobn und Geist eng mit dem Vater verbinden : ijdrj 
"tal TYJV -S-siav TQidda elg eva, wGrteQ sig /.oQvcpijv rtva, vbv O'sbv i&v 
ofaov rbv rtavTOKQdTQQo. ksyw, Guyxecpahatouffycd TS -/.al 
naaa dvdy/.r].. Somit. diirfte die 3eta j.iovdg nicbt elg TQSLQ 
zerspalten werden, sondern man miisse glauben : etg S-sbv naieQO. itavio- 
/.QaTOQCc -/.al eig Xoiavbv tyaovv rbv vlov avzov /.al sig TO ayiov 
nvBv(.ict, fjvwa&ai ds i $tfy vtiv ofaov TOV loyov. Ovrto yag av nal 
f] &da TQiag xai TO ciyiov %tJQvyf.ia rfjg (.ibvct()%ictg diao~(i)oiro (de 
deer; 26). Tiber die Art der Eiiibeit zwiscben Yater und Sobn gibt 



1) DaB der alex. Bischof nicht etwa an die xara adfjy.a. olxovo/iia. 
wie Athanas. zu seiner Eritschuldiguhg behauptet (z. B. de deer; 25 ; sent.. 
Dion. 21), daclite, ist aus der Situation olme weiteres deutlich. Vgl. auch BasiL 
ep. 9,2. 



Der Streit der beiden Dionyse. 489 

das Scb'reiben, soweit wir es kennert, Andeutungen, die der iiblicben 
Logoslebre entsprechen. c Hvfoo&ai yaq &vdyxr) iGj defy fOJV ohcov TOV 
9-slov koyov, 6Li(pilo%a)Qelv ds T$ &$ v.al svdiaivao&at del ib ayiov 
rtvefyicc. Das 1st der alte Gedanke, dafi Gott obne seinen Logos und 
seinen Geist nie habe sein konnen, da diese Krafte sind, die zu seinem 
Wesen geboren. Als lo'j/oc, oocpia und dvvaf.ii mufi der Sobn nacb 
Job. 14, 11 immer in dem Vater gewesen sein. Das fjV ore OVY. rjv 
darf daber riicbt von ibm gesagt werden, sondern asl fjV. DemgemaB 
darf aucb von einem rtoieiv und einer Tidaatg in bezug auf ibn nicbt 
gesprocben werden, sondern von einem -/.ti^siv und einer f /6VV)jOig. Vor 
alien Dingen ist er von dem Yater erzeugt nacb Prov. 8, 25, es ist 
erne 3-sia. "/.at aQq^WQ ysvvYjOis, keine Tto/^fffg. Das sind gewifi keine 
orJginellen tbeologiscben Gedanken man merkt ibnen zu sebr das 
Streben nacb dem juste milieu an und das Benaiiben zu ,,retten" - , aber 
es ware docb zu viel, wenn man die Aufstellungen des Papstes als nicbts- 
sagend bezeicbnen wollte. Er bat die Monas und die Trias festgebalten, 
indem er den Sobn und den Geist als aus dem Vater bervorgebende 
Krafte deutete, und er bat sicb durcb die j/m'jjo/g des Sobnes der per- 
sonlicben Existenz desselben versicbert gebalten; bierdurcb ist er den 
Konsequenzen des dynamistiscben Monarcbianismus, den er nahe streift, 
entgangen, freilicb obne selbst die Gefabr zu empfinden. Seine Aus- 
fubrungen zeigen, dafi er gewobnt war, das Taufbekenntnis in der Weise 
Novatians auszulegen und dafi er demgegentiber neue Problenie nicbt 
empfand. Er batte nicbt das Bedllrfnis zu diskutieren , sondern er 
wollte ricbten. Sacblicb fublte er sicb dabei den Anklagern seines 
alexandriniscben Kdllegen verwandt, 1 ) er trat mit innerem Reebt fiir sie 
ein. -- - Es ist merkwiirdig, wie scbnell Dionys v. Alex, den Weg zu der 
Lebre des Origenes zitriickfand. Die Anscbuldigungen seiner Gegner 
sind ibm wirklicb wie ein ungebeures Mifiverstandnis erscbienen. Eine 
gewisse Einseitigkeit seiner friiberen Ausfiibrung leugnet er ebensowenig 
ab als das TJngescbick seiner Bilder, aucb an Versucben sicb durcb Um- 
deutungen zu belfen feblt es nicbt. Aber irn iibrigen konimt er seinen 
Gegnern in allem entgegeix und wendet mit YorHebe die Termini des 
romiscben Biscbofs an: Ov y&g rjv ore 6 -frsbs 6v% i]v ncar^. ^Asl 
IQV XqiGfov elvat hoyov ovra -/.al aocpiav y.a.1 dvva/.uv. ^-l/iavyaof-ia 
ds lov (pcowg ttidiov ndvccog xal . avwg ai'diog sar.iv. C vib<; asl 
GVVOJV ftp rtctTQi (sent. Dion. 15). Es sei Luge, dafi er das of-toovaiog 



1) Auch auf das dfiootaios scheint er, nach .sent. Diou. 18. cle decret. 25, 
Gewicht gelegt zu haben; die Formel wircl jetzt aiich im Abeiidlande einen 
giiten Klang erhalten haben, das ist fiir ihre weitere Geschichte bedexituugsvoll 
geworden. 



490 17 - Die vornicanische Christologie. 

leugne, \viewolil freilich der Ausdruck nicht biblisch sei (ib. 18. 26 ; 
de deer. 25). J ) c g j'c^ ov ftoh]j.i(x cpQOVfi) TOV hoyov, Y.al ov 
&UM TtaiCQa TOV d-sbv avrov /Uyco (21). E'lg f vi]v tQidda 
(.wrdda 7r).ccrvvof.isv ddtaiQEtov xca ity iqidda itakiv fyisicozov sig T.TJV 
/.tovdda avyKScpa'/Miov/.iS'd-a (ib. 17). 

Fast lehrreicher als der Streit selbst ist die Leichtigkeit. mit welcher 
sich die Parteien verstandigen : der romische Biscbof wird eins mit dea 
alex. Klagern. und der Biscbof von Alex, findet alsbald den Riickweg 
zum Standpunkt seiner G-egner. Eine gewisse Einheitlichkeit der G-e- 
danken iiber Christi Person in ihrem Yerhaltnis zum Yater fangt an 
sich herauszubilden. Der Sbreit ninimt sich aus wie eine Weissagung 
auf die Zukunft: der origenistische Subordinatianismus ruft den Wider- 
spruch des origenistischen Homousianismus hervor. beide konnen sich 
nicht miteinander verstaudigen. da greift Bom ein. mit seiner formalen 
Interpretation des Sj r nibols entscheidet es im Sinn der Homousianer, es 
stellt nur TJmrisse fest. aber eben darum spricht es das letzte Wort. 
Petrus von Alexandria (-j- 311) hat sich nach den wenigen Fragmenten 
aus seineni Buch megi -d-somnoQ gut orthodox, iiber ohne krai'tigere Spuren 
von Origenismus ausges^'rochen. Der Logos ist Meisch ge\vorden &> 
[rfjTQCi ii\g TtctQ&tvov. Die dvm^tg Gottes kam an Stelle der mannlicheu 
Kraft iiber Maria om> xCit Ijtei^v^oii &yi(i> rtvevf.io.Ti. Der deutlicher 
gewordene trinitarische Gedanke verlangte diese Unterscheidung, bei der 
Kraft" denkt Petrus nicht wie die friiheren an den Logos selbst, 
sonderi; an die Kraft des Yaters. Ohristus kam ^eoTTjg v.al cn'O-QWTtotrjc; 
zu. 2 ) er war -9-ebg evar-9-Qco7ti]aag, und -3'f.bg ?})' (pvoet '/.al yeyovsv av- 
d-QOijfog (pvoei (B,outh III, 345. 346). Das scheint die Mensch- 
AV er dungs theorie in unreflektierter Form zu sein. 

6. Schlielilich ist noch ein Bliek auf die Christologie des Metho- 
dius v. Olympus (]- 311) zu werfen. 8 ) Methodius ist ein Reprasen- 

1) Ich sehe nicat, da-B Loofs (DGr. S. 222) reclit liat. weim er meint, 
Dioiiys babe den Terminus Sfioovaios nicht akzeptiert. Sein Bestreben ist darauf 
gerichtet zu erweisen, daC er sclion friiher mit den Bildern von Keim und Pflanzej 
Yater und Kind das 6/iioyvss und Sfioyeves habe ausdriickeu wollen, also gegen 
das ofiootaws niclits haben konnen, soniit erkennt er es in dem durch jene Aus- 
driicke gegebeuen Sinn an, das war aber auch die Meinung des Origenes. 

2) s. das Frg. bei Holl, Fragm. vornic. Kirchenv. (Texte mid TJnters. N. F. 
V, 2) S. 208, Vgl. ep. ad Dioguet. 1, 4: a>s 9'ebv faefiysv, As iiv&QcoTtov 



3) Opp. ed. Jahn 1865. N. Bonwetsch, Methodius v. 01. I (Schriften) 
1891. Abgeselien voni Conviv. dec. virg.. das bei Bouw. fehlt, beziehen sich die 
Citate anf letztere Ansg. N. Bonwetsch, Die Theologie des Meth. (Abh. der 
Gcittinger Gesellsch. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. N. F. VII, 1) 1903. Allgemeines 
iiber die Bedeutung des M. s. nnten. 



Petrus v. Alex. u, Methodius. 491 

taut der sich herausbildenden vomicanischen Orthodoxie. Yon Origenes 
angeregt, geht er doch init BewuBtsein alien bedenklichen Elementen bei 
ihm aus dem. "Wege. Die Ablehnung der Haresien des Sabellius und 
Artemas, der Doketen und Ebjoniten steckt den Spielraum seiner Ge- 
danken ab. Er glaubt an die Trias, demgemafi auch an die voile Gott- 
heit Christi, aber in subordinatianischer Eassung. Christus ist der Sohn 
Gottes, dwell den alles geivorden ist (Voni Igel 7, 3), indem er die aus- 
fuhrende Hand des Yaters ist (de creatis 9), der neben dem Yater und 
deni Geist, welcher die Erkenntnis des Yaters . und Sohnes in sich fafit, 
den die Christen ergreifen, steht (conviv. YIII, 11. 9. 10; Y, 2; III, 8 
cf. de resurr. Ill, 23, 8. 12. v. Aussatz 11, 4. ITnterscheidung der 
Speise etc. 12, 3f.). Er ist das vorxeitliche Wort (v. Aussatz 11, 4. 
de res. II, 24, 5 vgl. conv. YH, 4; YIII, 9: TtQOOvrcc ijdrj TCQO i&v 
ai('oviov), rtQ&TOv fi~Lamr\[ia (conviv. Ill, 4), der ewgeborene Sohn (de 
res. Ill, 23, 6), der aber aQ%i] /.tsra ii]v tdlav avagyjov dgyjjv ist (de 
creatis 11), der erste der Erzengel (ibv iiQEafimcnov twv aiwvcov '/.al 
TtqUfiov iG.)V aQ^ayysXwv cony. Ill, 4 cf. v. Igel 1 , 3), der Hirte und 
Fiihrer der Engel (conv. Ill, 6), der ini alten Bunde zu den Proplieten 
geredet bat (ib. YII, 6), grofier denn alles nach deni Yater (conviv. 
YII, 1). An ilin werden Gebete gericbtet (de resurr. III. 23, 11. 
conviv. 11, 2). Yon Anbeginn an ist dieser Logos \virksani und zwar als 
der, welcher die von Gott ins Sein gerufene Welt ordnet und lenkt, er 
ist gleicbsam. die starke Hand, diircli die Gott die Welt regiert. 1 ) 
Nacb dem "Willen des Yaters nabni der Logos, der Leidenslose den viel 
leidenden Leib (vgl. die Armen ahmte er nach, v. Leben u.. d. vern. 
Hancll, 6, 2) wahrkaftifl an, und ist wabrhaftig gestorben (de resurr. 
II, 18, 8; III. 23, 4): Touio yaq .dvai, xov XQIOIUV av&Qionov a'/.Qmtp 
frsoTrpi /at veheia fCS7t"^riQco/.ivov v.o.1 &ebv h dv-d-Qwnq) /.e%cuQi]/.iVov 
(conviv. Ill, 4). Ein Menscb war also Jesus, in deni Gott wobnte. 
Diese allgenieine Eormel gewahrt kein genaueres Yerstandnis. Die Art, 
wie Methodius Adam und Jesus zueinander in Beziehung setzt, sowie 
die Erlosungslehre (s. unten) Aveist aut Abhangigkeit von Irenaus bin. 
Methodius nieint, der Logos babe den Menschen angenommen, dieser 



1) de creatis 9 : dtio Ss Svvdfisis . . ecpaiiiev sivai TioiqTixds, Tf/v ef oiix bwtcov 
yvfivca Tea ftov'hrjf.iari %ct>(>ls fiehfajofiov &fia TCO -del.rjaai ainovgyovaav 8 {Sovl.etKi 
iv, rvy%dvei 3e 6 TtmriQ' d'atsijav. Ss v.a'tay.oaf.iovaav y.al 7iocxiD.ovaav vara 
T?7s nQorettas to. rjd-q yeyovora. "Eovi de 6 vtos TtavcoSvvafios '/.al y.(>a.Ta.ia. 
TOV TtaTjjos, BV -ij /Lieta TO Tiotfjaai Tt]V v'ki]v c| ova oviiov y.aray.oafiet. Bichtig 

Bonwet'Sch, Die Theol. d. Meth. S. 57: ,,Hierdurch wird also das Seiu.der 
Welt auf den Vater, ihr Sosein auf deii Sohn zuruckgefiihrt". Die gottl. Weis- 
heit als schaffende Hand auch Ps.-clem. Horn. 16, 12. 



492 I?- Die vornicanische Cmistologie. 

Mensch sei aber Adam, sodafi durch. diesen wie der Tod so das Leben 
der . Menschheit zuteil werde. Dabei erklart er, dafi Ghristns dasselbe 
wie Adam geworden sei, indem auch auf diesen der Logos gekommen 
sei. Hierbei inag an die Ekstase Gen. 2, 21 gedacht sein. Das kann 
nun nicht der ,,mythische Gedanke" sein, dafi Jesus und Adam dieselbe 
Person seien, sondern, sofern Adam wie Jesus Reprasentanten der Mensch- 
heit sind, sind sie der Mensch" und somit identisch. 1 ) Lehrreich ist dabei 
aber, dafi die Menschwerdung analog gedacbt wird der Beziehung des 
Logos zu Adam im TJrstande. Es gehort zum urspriinglichen Wesen 
des Menschen, dafi der Logos ibm einwohnt ; dies Wesen, das durch' die 
Siinde gestort war , ist durch Christus restituiert. Die Theorie des 
Origenes von der Seele Christi.hat Methodius nicht angewandt. Er lehrt,. 
dafi das Meisch Cbristi sich unbefleckt und rein erhalten babe und dafi 
es deshalb gewlirdigt worden sei in den Hirnrnel zu kommen' und Teil. 
zu erhalten an der Herrschafb des Eingeborenen (conviv. VII, 8. 9).. 
Das sind altertiimliche Gedanken (vgl. Hennas), die zeigen ebenso 
wie die Adamparallele , wie selbstandig Meth* .die Menschbeit Jesu ge- 
dacht hat und wie locker ihm die Einheit rait dem Logos war. 
Den aus der gleichen Substanz bestehenden ,,wirklichen" Leib hatte der 
Herr auch in der Verklarung (resurr. Ill, 7, 12; 12, 3fL). 

Diese Christologie zeigt, wie unbestinimt noch kurz vor dem grofien 
Kanipf die lehrhafte Auspragung der Gedanken war. Sicher waren nur die 
beiden Eleniente : der Vorzeitliche Gottessohn, der subordinatianisch gedacht 
wird, ist ein wirldicher Mensch geworden. Das' sind wenig bestimmte 
Gedanken, die an das spatere Dogma nicht heranreichen. Methodius 
scheint in der Christologie Origenes naher zu stehen als etwa Petrus 
von Alexandrien. Es waren noch mancherlei Standpunkte nebeneinander 
vorhanden. 2 ) Aber es bedarf nur des konkreten Anlasses das zeigt 
in seiner Weise der Streit der Dionyse um sich zu einigen. . 



1) ConviVi III, 6: xad'cbs BV rep lASa.fi TtQoisqov Tt&vres ditod'i'tfay.ovai.v, ollrco 
Sij 7tal.iv '/.at Iv tea aveihriyton X^iotty ibv ASap Ttdwtes ^cooTtoiq&cooiv. Ill, 4 : y.ai 
aiiib IOVTO Xgiotbv '/ML ainbv (d. i. Adam) yeyoveveu Sia, to tbv Tt^o aicovwv els 
afabv eyxaraaitfjipai loyov. Zur Erklarung s. Bonwetsch, Theol. d. Metli.^ 
S. 94, die ,,mythische" Deutung bei Loofs, DG. 4 S. 226. Die Identitat von 
Cluistns und Adam auch Ps.-clem. Horn. 3, 20, s. noch Henoch 90, 37 cf. 85, 3. 

2) Hier sei auch des zeitlich nachnicanischen, alier sachlich vornicanischen 
Sja-ers Aphraates (er schrieb 337 345) gedacht (s. Wright, The homilies of 
Aphraates, Loud. 1869; ins Deutsche iibersetzt von Bert in Text. u. Unters. Ill, 
3. 4, wonach die folgenden Citate). Von Christus. heiBt es, dafi er Sohn G-ottes 
ist und da/j er Gott ist, der von Gott gekommen ist (17, 2 S. 280), 'und dafi wir 
durch ihn seinen Vater erlcennen ( 6, S. 285) ; atich das Wort (xn^D) wird Christus 
genannt, aber im alten Sinn als gottliche Oflenbarung (s. 1 S. 8). Den Juden 



18. Die Eortbildung des Kirchenbegriffes. 493 



18. Die Tortbildung des Kirchenbegriffes. 

Quell en: Hippolyt Ref. IX, 12. Tertull. de pudieit. Cyprians Briefe sowie. 
die Schriften de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate. Novatians Schriften. 
Die Briefe des Cornelius v. Rom und. des Dionys. v. Alex, bei Eus. h. e. VI, 43. 45. 
Ambros. de poenitent. 11. 2. Die -pseudoaug. Schrift c. Novatian. (vgl. Harnack 
in den Abbandl. f. Oettingen, 1898. '8. 34 ff.). Die Schriften .ad Novatianum (dazu 
A. Harnack inTexte u. Unters. XIII, 1) und de rebaptismate (im Anhang yon Cypr. 
Werken). Vgl. E. X. Funk, KirchengescMchtl. Abhandl. I (1897), 165 ff. 
<G. E^Steitz, Das roin. Buflsakr., 1854. M611.er-v. Schubert, KG. P, 278ff. 
Harnack, Die Lehre v. d. Seligkeit allein durch den Glauben, in Ztschr. f. Theol. 
u. Kirche, 1891, S. 108ff. E. Preuschen, Tert. Schriften de poenit. und de pud., 
1890. G-. Esser, Tert. de.pud. und .der Brimat d. rom. Biscbofs in .der Katholik, 
1902, II, S.'193f. E. Eolffg, Das IiHtalgenzedikt des rom. Bisch. Eallist (Texte 
u. Unters. XI, 3), 1893. A. d'Ales, La tbeologie de Tertnllian, 1905, p. 478 ff. 
A. Harnack, Art. Lapsi u. Novatianus in PEE. XI 3 , 283 ff, XIV 3 , 223 ff. 
'0. Ritsclil, Cyprian v. Karth. u. die Verfassung der Kircbe, 1885. C. Goetz, 
die Bu.Blehre Cypr., 1895. K. Mil Her. Die BuJBinstitution in Karth. unter Cyprian: 
Ztscbr. f. KG. 1896, Iff., <187ff. 

1. Es war eine der bedeutungsvollsten Wendungen der K'irchen- 
gescliiclite, als das Problem der Heiligkeit der Kirclae resp. der 'Biifi- 
praxis mit der Autoritat des Kirchenamtes prinzipiell in Beziehung 
.gesetzt wurde; die Frage, wie ist die durch die Taufe ge'wirkte Heiligkeit 
trotz der Siinden zn erhalten, bewegte von alters her die Kirche. Sie 
L.atte zur Schafftmg eines Instituts, das immer melir der Taufe koordiniert 
wurde, gefulirt. Ein wiclitiger Faktor raehr war damit gewonnen, die 
Kirche zum. Staat im Staat, zn einem Bunde der Heiligen imter den 
Unreinen zti gestalten. Nun ging aber die Leitung der Kirche imnier 
mehr in die Hande der Bischofe liber, und weiter, es wurde der Bedarf 
nach Bufie immer grofier. In diesen beiden Tatsachen ist die Verbindung 



gegeniiber wircl nachgewiesen, daB sie nicht Anlali baben, die Bezeicbnung als 
Sohn Gottes als etwas Absonderliches ( 5) anzusehen, da ja das A. T. auch 
Menscben Gotter und Gottessobne nenut ( 3). Die Meinung ist .nun aber nicbt 
die, daB Jesus etwa nur ein Prophet etc. war. Er ist von G-ott gekommen, d. :h. 
der Vater hat ihn von seinem Wesen (oi>aia] abgetrennt und zu den Menschen 
gesaudt (23, S. 402). 'Es ist eine sonderliche Tat, da er einen nieuschlicheii Leib 
annahni (ib. S. 378f.) und von der Jungfrau Maria und von dem heil. Geist ge- 
boren wurde (S. '388). Gabriel nalim das Wort-aus der Hohe und ham, und das 
Wort ward Fleisch und wohnte imter uns (S. 103). Christus ist also seinem Wesen 
nach Gott, 'der 'Erstcjeborene aller Kreaturen (17, 8 fin. S. 289), Liclit vom Lielit 
'(ib. 2, die einzige nican. 'Wenduug bei Apbr.). Trinitarische Pormeln z.-B. 23, 
S. 411. 412 vgl.'-l, 15. Es siud Gedauken, die .in den oben gezeichneten.Eahmen 
Mneinpassen. Vgl. P. Scbwen, Afrahat 1907, 8. 92 ff. Uber die etwas. iiltereu 
Acta Archelai s. S. 469 Anm. 



494 '18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes. 

der Probleme der Bufie mit dem Aints- lind Kircbenbegrilf begriindet. 
Einerseits fragte es sicb, in dem Mafi als der Zudvang zur Bufie groiier 
mirde, ob wirklicb dieser Weg die Heiligkeit der Kirche sichern kdnne. 
Man verstelit, dafi in Friedenszeiten es vor allem die Siinden gescblecbt- 
licber Uureinbeit \varen, die diese Frage nabelegten, in Yerf'olgungs- 
zeiten aber die Apostasie, und daft in diesen Zeiten das Problem be- 
sonders lebbaft empfunden wurde. Andrerseits ist es begreiflicb, dafi 
die Biscbofe, als die anerkannten Inbaber und Hiiter der apostolischen 
"Wabrneit und als Leiter des Gemeindelebens, aucb dies wicbtige Institut 
ganz in ibre Hande zu bekommen tracbteten. Dies Streben bat im 
Abendland vorgeberrscbt, wabrend im Morgenland eine niebr private 
Anscbauung vom Bufiinstitut vorlag (s. S. 365). Aber die Berecbtigung 
der Biscbofe zur Siindenvergebung ist scbwerem Zweifel ausgesetzt ge- 
wesen. Man meinte, dafi Gott allein Siinden vergeben konne, bzw. solcbe 
Personen, denen er seinen Greist verlieben bat und die Cbristi, des 
Urbebers des Lebens, Nacbfolger sind, oder die sicb eine gewisse sittlicbe 
Berecbtigung dazu erworben baben. Beides verband sicb in den Martyrern 
oder Konfessoren, in ibnen sab man -vielfach nacb dem Scbwinden der 
Propbetie daber die berecbtigten Yerwalter der SiindenTergebung, 1 ) obne 
natiirlicb zumal in Friedenszeiten die Amtstrager auszuscbliefien. 
Zwei Anschauungen stiefien aneinander; nacb der einen ist der Inbaber 
der apostoliscben Wabrbeit aucb Inbaber des Greistes, denn nur in der 
Tradition wirkt der Geist (vgl. oben S. 296 f.), nacb der anderen baben 
nur die wirklicb Fromnien den Geist. So enipfand Origenes, wenn er 
den yvmGTi'/.oc, den -alien Pneumatikern gleicbsetzte und sie zu Leitern 
der Bufie macbte , so baben aber aucb die abendlandiscben Kreise 
empfunden, die sicb straubten dem Episkopat als solcbem das E,ecbt der 
Simdenvergebung zuzugesteben. 2 ) Wie die Ideen des Irenaus ilber die 

1) Ep. eccl. Lug-cl. b. Eus. V, 1, 45 f.; 2. 6f, 5: slvov /.IEV aTtavtas, sSea/.isvov 
Se ovSsim. Tertull. (le paenit. 9: presbyteris aclvolvi el caris dei adgeniculari; 
ad martyr. 1; de pud. 22. Diouys v. Alex. b. Eus. li. e. V, 42, 5f. Die 
Martyrer liben diese Funktion aus als die cari dei (cf. nos deo sacri von den 
pneumatischen Asketeu Ps.-clem. cle virginit. II, 3, 2), die den Geist haben: 
nolite contristare spiritum sanctum, qui vobiscum introiit carcerem. Quam 
pacem quidam in ecclesia non habentes a martyribus exorare consueverunt, et 
ideo earn propterca.in voUs habere et custodire debetis, ut si forte et aliis praestare 
possitis (Tert. ad mart. 1); sodann als die Nachfolger Cbristi des tttijd'ivds fidg- 
TVS, der do/r;ybs ??js fays rov &sov ist (Eus. V, 2, 3) und als die klinftigen Richter 
der Welt (Eus. VI, 42, 5), endlich v'ermoge ihres Verdienstes und ibrer Ftirbitte : 
ev ois Bni.eovutflv atitoi, romo rots evSeeaTsgotg emjpxovi' , . ., TCO}JM Tie^t aitriov 

e-/.%eovTEs ddxqva Ttfbs ibv xaTeya (Eus. V, 2, 6); gegen diesen Gedanken sagt 
Tertull. : quis alienam mortem sua solvit nisi solus dei filius ? (de pud, 22.) 

2) Kuapp spriclit Tert. diese Grundanschauung aus: ecclesia quidem delicta 



Die Bufle imd das kirchliche Amt. 495 

"Wahrheit und das Amt an dem Gegensatz wider das Geisttum in der 
Kirche sich herausgebildet haben, so wirkt derselbe Gegensatz in den 
Gedankenbildungen fort, die uns bei den Namen Kallist, Novatian und 
Cyprian einfallen. Das sind die Gesichtspunkte, aus denen sich die 
Portbildungen auf den Gebieten der BuBe und cles Kircbenbegriffes 
erklaren : einmal das Bedenken, ob iiberhaupt der Weg der Bufipraxis 
die Heiligkeit feststellt, sodann der Trieb der Bischofe die Siinden- 
vergebung auszuiiben, und das "VViderstreben dawider resp. der Glaube, 
daB nur Gott bzw. ein ffvsvf.iarr/.6g Siinde vergeben konne. 

2. Die praktische Handhabung der BuBe wie die theoretischea 
Gedanken iiber sie waren um das Jabr 200 keineswegs abgescblossen. 
Zwar gab es wobl iiberall ein kircblicbes BuBinstitut, 1 ) aber die Grund- 
satze binsicbtlich der Bufie differierten. Indeni wir auf frtiher Dar- 
gelegtes verweisen(S. 364ff. 437ff.), sollbiernureinekurzeTJbersicbtgegeben 
werden. 1) -Es bandelt sich um erne zweite BuBe als eine "Wieder- 
aufnabme in die Kircbe. 2) Die Praxis scbeint zeitweise diese BuBe 
fur alle Todsiinden gewabrt zu haben, und die Theorie folgte ibr darm; 
das ist aucb fiir Apostasie und gescblechtlicbe Siinden bezeugt.' 2 ) Bei 
den Todsiinden handelt es sich wesentlich um Gotzendienst, Mord und 
Hurerei. 3 ) Es scheint nun keine Einheit in der Praxis auf diesem 
Gebiet geherrscht zu haben, Tertullian behauptet de pud. 12 : neqiw 
idololatriae neque sanguini (Mord nach Act. 15, 29) pax ab ecdesiis redditur, 



donabit, sed ecclesia spirit-its per spiritalem hominem, non ecclesia numerns epis- 
corum (de pud. 21), ygl. den Antimontanisten Apollonins bei Ens. h. e. V. 18, 7. 

1) s. auch die syr. Didascalia: dem Getanften sind alle Siinden vergeben, 
aber er siindigt wiecler, auch wenn er keine Todsiinde begeht (c. 20 fin. p. 103 
ed. Achelis-Plemming) ; die Biscliofe bestimmen je nach dem Vergehen die Zahl 
der Tage des Fastens (6 p. 25), ilmen steht das Binden und Lcseu zu (7 p. 28) : 
denn zu cuch, ihr BiscMfe, ist gesagt worden: alles was ihr auf Erden Mnden 
werdet etc. Mtth. 18, 18. Der Bischof herrscht iiber Seek und Le'ib. soda/s er 
bindet und lost auf Erden mit himmlischer Macht (9 p. 50), iind zwar gibt er 
durch Handauflegung den Geist wie in der Tatife (10 p. 55). Wer nieht bereuen 
.will, soil aus der Kirche gestoBen werden (10 p. 56). 

2) s. Iren. I, 13, 5. 7 (geschlechtl. Siinden), Dionys y. Kor. b. Ens. IV, 
23, Q (Abfall, Uusauberkeit, Haresie), Tertnll. de paen. 8, Orig. c. Gels. Ill, 51 
vgl. oben S. 438 A. 3. Das spricht wider die heute vielfach iibliche Ansehaumig, die 
Harnack so formuliert: ,,dafi in der katholischen Kirche bis c. 220 der definitive 
AusschlnC aus der Kirche gnmdsatzlich die Strafe fiir Gotzendienst, Hurerei und 
Mord gewesen ist, wobei man fiir den Gefallenen, sofern er bis an sein Ende als 
BfiJJer verharrte, die Verzeihung Gottes im Jeuseits vorbehielt" (PEE. XIV, 229). 

3) Die Todsiinden (nach 1. Job. 5, 16) s. bei Tertnll. de pud. 19 (oben S. 367) 
n. c. Marc. IV, 9. Auf Gotzendieust, Mord, Hurerei wurde Act. 15, 29 bezogen 
(Tert. de pud. 12). 



496 18 - Die Fortbildung des Kirclienbegriffes. 

und das war aucb in Bom die Anscbauung zur Zeit Kallists (Ref . IS, 12). 

3) Hinsicbtlicb dieser Stinden hatten die fuhrenden Tbeologen Bedenken, 
sowobl Tertullian wie Origenes erscbien ibre Vergebung .als unstattbaft.*) 

4) Aber es bat aucb spater Christen gegeben, die iiber die Strenge -Aes 
ganzen Verfabrens muiTten, es kommt ja sogar die Ansicbt vor, dafi 
wie in der Arcbe aucb unreine Tiere waren, aucb in ibrern Abbild, : der 
Kircbe, scbAvere Siinder geduldet werden miiJBten. 2 ) 5) Andrerseits wird 
es aucb in Idrcblicben Kreisen nicbt wenige gegeben baben, die wie 
Tertullian als Montanist fiir die Todstinden die zweite Bufie mebr .oder 
minder entscbieden verneinten (vgl. Oxigenes). Tertullian bat diese 
Position sehr klar formuliert. Es gibt zwei Arten von Sunden: alia 
erit, quae ven-iam .consequi potest, in delicto scil. remissibili, alia, quae 
nutta moclo potest, in delicto scil. irremissibili (de pud. 2). Ita nihil 
iam superest, quam aut neges moechiam et fornicationem inorialia esse 
ddicta, aut irremissibilia fatearis, pro quibus nee exorafe pevmittitur 
(ib. 19). Aber ini ganzen gait die Regel, die Hippolyt folgender- 
mafien formuliert: Gleicherweise hat Gott dieses Gebot alien Hensclien 
gegeben, da/3 sie, wenri sie sundigen, ihre Schulden bekennen und sich 
von dem Tod der Silnde durch Fasten, Gebet, Almosen, Weinen und Reue 
loskaufen sollen, dafi sie zum Ersatz gute "Werke tun sollen (WW. II, 
101. 104), sie sind i? ayadoegyiag TO rcgoocortov amov e^ilaoxousvoi 
(in Dan. IV, 31, 5). ' . 

3. So etwa lagen die Dinge, als Kalli'st von Rom (217 222) 
eine Bufiordnung feierlicb erliefi, die in den "Wirren jener Zeit sell-were 
Kampfe entfesselte. 

Kallist 3 ) ist der erste gewesen, der damals in Rom aucb fiir Hurerei 
die zweite BuBe gestattete : Kal fCQWfOQ ret rtQOS Tag, fjdovag wig 
ovy%ct)oslv sftsvorjos, heytov rtoiaiv vn O.VTOV dcpteG&ai 
(Hipp.), 4 ) d. b. er erklarte: ego et moechiae et fornicaiionis 



1) s. Orig. de orat. 28 vgl. Theognost. bei Atlianas. ad Scrap, ep. 4, 11, 
Tert. de paen. 7 vgl. oben S. 367. Cyprian ep. 55, 21. 

2) de paenit. 10 cf. 5; de .idolol. 24: viderimus enim, si secundum arcae 
typum et corvus et milvus et hipus et canis et serpens in ecclesia erit, das mufi 
also ausgesprochen Avorden sein ; vielleicM wirkte die alte AnsicM, dafi alien die 
BuBe jederzeit freistehe, noch nach. 

3) Die folgen.de Darstellung ruht auf der Voraussetzung, daB der Bischof, 
gegen den Tertullian in de pud. sich wendet. Kallist ist, und dafi somit der Be- 
richt Hippol. Eefut. ; IX, 12 aus Tertull. zu erganzeii ist. - So zuerst de Rossi, 
Bulletino archeol. christ. 1866, p. 26. Stiicke aus dem Edikt des Kallist lafit 
Tertull. erkeunen. Einen Eekonstruktionsversuch machte Rolffs a. a. 0. 

4) So wie Hippolyt seine Anschuldigung ausspricht, ist sie fraglos iibertrieben, 
denn die Vergebung fiir Meischessiinden entspracli nur der ,,bereits herrschenden 



Kallists Bufiedikt. 497 

4elida paenitentia functis dimitto (Tert.de pud. 1). Dies bezog sich 

.aber nur auf die Meischessiinden, Mord und Gotzendienst sind aus^ 

-driichlich ausgeschlossen gewesen (Tert. 5. 6) , es gewahrte auch nur 

eine zweite Bufie, wie Tertull. Polemik beweist.. Kir diese Neuerung 

hat Kallist (oder doch seine Anhanger) eine Reihe bes. biblischer Gfriinde : ) 

vorgebracht : Grott ist barmherzig und will nicht den Tod des Sunders usw. 

>(Hes. 33, 11, Tert. 2 in.), es stehe uns nicht zu die Briider zu richten 

(Eoin. 14, 4, ib.), die Parabeln vom verlorenen Sohn, dem verirrten 

.Schaf (7 f.), Jesu Yerhalten zu den Ehebrecherinnen (11), Pauli Handlungs- 

weise (2. Kor. 2, 5ffi. c. 13) usw. ; das Thema Jesus nimmt die Sunder 

an" ist reichlich variiert \vorden. Die Bufie hat die Yergebung zum 

JZiel (3), man mag dem Sunder " J die communicatio entziehen, sed.ad 

jyraesens ; tut er Bufie, so gewanre man sie ihm wieder nacb. Grottes 

Barmlierzigkeit (18). Macbt uns Ckristi Blut von aller Stlnde rein 

(1. Jon. 1, 7. c. 19), so sei .es also durchaus scnriftgemafi, wenn Kallist 

.auch den Hurern Yergebung gewahrt. Das Eecht dazu hat die Kirche, 2 ) 

speziell die Bischb'fe oder die ecclesia numerius episcoporum (21). 

.Kallist hat sich dabei auf Matth. 16, 18 f. berufen (ib.) 3 ) und scheint 

sich als Nachfolger des Petrus besondere Autoritat beigelegt zu haben.*) 

Die gleiche Befugnis hat Kallist iibrigens auch den Martyrern zu- 



Ansicht" (Loofs DG. S. 208, vgl. oben), sie mag aber damals in Born nicht iib- 
lich und die Ausdehnung, die Kallist der Sache gab, neu gewesen sein; Cypr. 
ep. 55, 21 erzahlt, dafi auch in Afrika in frttherer Zeit einige Bischofe die BufJe 
iiir TJnzncht yerweigert hatten. 

1) Ahnlicli wie Tertull. de paen. 8. 

2} 21: sed habet, inquis, ecclesia potestatem delicta donandi. Unde hoc 
ins ecclesiae usurpes? 

3) Der Sinn des Sssiv %al l-teiv Mtth. 16, 19 glbt noch Ps.-clemens richtig 
wieder : TISQI Tta-i'tbs oZ &v ^si^otovriai] BTU yfjs, SOTUI SsSoy/j.aT:iaf.iBVOv ev oiigavoTs 
(ep. Clem, ad lacob. 2), aber die Deutung auf Vergeben oder Belialten der Siinden ist 
fast allgemein, sie ist jedenfalls alter als nnsere Zeit, s. ep. eccl. Lugd. b. Eus. 
h. e. V, 2, 5. Didascal. 7 p. 28; 9 p. 50. Tertull. de pud. 21. Origen. in Mt. t. 
511, 14. XIII, 31, s. noch Pistis-Sophia 141 fin. cf . 37 : aufnehmen und verstoBen. 

4) Darauf weist die hohnische Anrede Tertullians : apostolice, sowie die Be- 
zeichnung pontifex maximus, episcopus e.-piscoponm (de pud. 21. 1). Es lag in 
der Konsequenz des Traditionsgedankens. dafi Kallist die Nachfolge Petri in Aii- 
spruch nahm, vgl. hierzu die Stellung des Petrus in den Clernentiuen, er ist 
d'spsfaov ex-Ayaias (Horn. 17, 9); nach der Matth.-stelle ergab sich daraus dann 
das Eecht der Siindenvergebung. Origenes vhat dagegen polernisiert, dafi diese 
Verheifiung sich auf die Person des Petrus bezieht, die Tterga sei nag 6 X^WTOV 
(10.9^11)5; wenn der Inhaber tils eTttaxoTttfs sie flir sich reklamiert, so hat er nur 
-dann Eecht, wenn er Petri %gyov hat, sonst fidt^v teal 8eafist xal Avst, (in Mt. t. 
XII, 10. 11. 14. XIII, 31). Das mag sieh mit gegen Kallist richten. 

Seeberg, DogmengescMclite I. 2. Anfl. 32 



498 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes. 

gesprochen (22). ') . Der Eindruck dieser Grundsatze des Kallist 1st sehr 
grofi geweseri. Alle "Welt lief ihm zu, nicht nur Personen, die von 
Hippolyt aus der Kirchengemeinschaft gestofien waren, sondern auoh 
solche, die in den haretischen Gemeinschaften nicht geduldet wurden.. 
Kleriker heirateten, . vornehme Damen liefien sich in Verhaltnisse mit 
Sklaven und Ereigelassenen ein, die von Kallist gegen die Rechtsordnung- 
legitimiert wurden. 2 ) Dann tauchte der Ablafrkrarner Alkibiades mit. 
seiner ,,"Wiedertaufe" in Rom auf (s. S. 207). 

Aber Kallist hat seine Grrundsatze iiber die Bufie nicht nur zur 
Vergrofierung seiner Gemeinde gebraucht, sondern er hat sie auch zur 
Steigerung der Macht des Episkopats verwandt. Die Berufuhg aiif 
Petrus sollte ihm sowohl das Recht auf Siindenvergebung verschaffen,. 
als auch die Autoritat als Fundament der Kirche, nicht nur ein be- 
sonderes Recht, sondern eine neue objektiv sichere Rechtsstellung in der- 
Kirche. 

Die Vergebung der Siinden ist also wesentlich in die Hand des 
Bischofs gegeben. Dieser iibt sie aus als gottliches Recht. Seine sitt- 
liche Beschaffenheit kommt dabei nicht in Frage. Er ist als Nachfolger 
des Petrus unabsetzbar : el ertiGKOrtOS a^dQTOi TL, d 'mi nQog &dvuTOV s . 
f.ii] dslv '/Mia.Ti&BO&at. Duldet nun der Bischof Sunder in der Kirche,. 
so ist dawider nichts einzuwenden. Es soil das TJnkraut neben dem 
Weizen stehen bleiben, und die Arche enthielt niancherlei Tiere : nctl 
wv Na> sis 6uoia){.ia exxkrjalas ecpr) ysyovsvai, sv fj 
-/.at hvzoi '/MI KOQCMSS xai Ttdvxa ra -/.a-d-ago. '/.al andd-ayta- 
OVTW cpdaxcov deiv sivai kv xxA^a/a b^oko^ (Hipp. IS, 12 cf. Tert.. 
de idol. 24). 

AVer die Gedanken des Kallist liberschaut, ist frappiert iiber die- 
Kombination, die sich in ihnen vollzieht. Es sind Ausfiihrungen von 
evangelischem Klang, wenn er die Barmherzigkeit Gfottes, der alien 
vergibt durch Christus, preist. Daneben aber sehen wir den nackten 
Hierarchismus mit dem Bischof als deni Herrn der Kirche auf Grund. 
seines formalen gottlichen ..Rechtes". Beide Gedanken stehen in Wechsel- 
wirkung zueinander. Kallist hat mit richtigem. Instinkt die ungeheure 



1) Nach der Art, wie Tertull. (de pud. 22) von Martyrem redet, die ad 
metalla confugiunt und dort zu communicatores werden d. li. die communio init- 
teilen, ubi mm aliucl martyrium necessarium est delict-is post inartyrmm novis, 
liegt die Vennutung nahe, dafi Kallist sich auch als Martyref hat aufspielen wollen,. 
uin communicator zu sein. 

2) Kallist hat also fur Christen die uralte kirchliche Trauung (Ignat.. 
ad Pol. 5, 2. Clem. Pad. II, 11 p. 291. Tert. de pud. 4, ad ux. II, 8) fiir geniigend. 
angesehen. 



Tertullian wider Kallist. 499 

Bedeutung der Bufiinstitution fur die Sicherung der/Macht des Bischofs 
erkannt, und er hat andrerseits gesehen, wie prompt und dem praktischen 
Bedarf entsprechend diese Institution arbeitet, wenn .die Hand des 
Bischofs sie leitet. Diese Kombination hat zum guten Teil die Eigen r 
.tiimlichkeit des abendlandischen Ohristentums bestimmt, sie hat der Bufie 
eine Bedeutung verliehen, die sie in der griechischen Kirche nie gehabt 
hat, sie hat dem Priester eine seelsorgerliche Stellung gegeben, die iiber 
die bloBe Technik der Mysterienverwaltung hinausging, sie hat die innersten 
Erlebnisse der Seelen vor den Augen der Priester bloBgelegt, aber sie 
hat auch den Grund gelegt zu der Veraufierlichung der BuBe, die 
schlieBlich nach mehr als einem Jahrtausend zum Sturz des BuBsakramentes 
gefiihrt hat. . 

Hippolyt, der Gegenbischof des Kallist, hat ihn bekampft, aber ohne 
sieghafte Griinde. Dann ist Tertullian wider ihn vorgegangen (s. de pud.). 
Jetzt hatte er den Bigorismus konsequent ausgestaltet, zu dem es ihn 
schon friiher hingezogen hatte (oben S. 367), er verwirft die zweite BuBe 
fiir Todsiinden prinzipiell. Er hat die mollissima et humanissima disciplines 
verhohnt (5) und -er hat die Inkonsequenz richtig erkannt, die in der 
differenten Behandlung der geschlechtlichen Siinde und des Hordes sowie 
der Apostasie liegt (12. 19). Weiter hat Tertullian die biblisehen Gximde 
seines Gregners zu entgriinden versucht, meist dadurch, dafi er nach^ 
zuweisen sich bemiihte, die BiiBmahnungen bezogen sich auf die Zeit 
vor der Taufe (18). 1. Joh. 5, 16 und Hbr. 6, 4ff. verwandte er mit 
Recht zu seinen gunsten (2. 20). Endlich machte er geltend, daB nur 
Gott oder dann die Kirche des gottlichen Geistes Siinde vergeben konnen 
und wies den Anspruch des Gegners, als Nachfolger des Petrus das Recht 
der Yergebung zu besitzen, zuriick, da dies Recht nur dem Petrus 
personaliter zugesprochen sei, bzw. denen, die ihm innerlich ahnHch sind 
d. h. den spiritales: seGundum Petn personam spiritalibus potestas ista 
conveniet aut apostolo aul prophetae (21). Somit hatTertull. nicht nur die 
hierarchischen Tendenzen Kallists zuriickgewiesen, sondern er hat auch der 
rigoristischen Auffassung von der BuBe kraftig Ausdruck verliehen. 

4. Die ungeheure Ausbreitung, die der Abfall in vielen Genieinden 
wahrend der Yerfolgung unter Decius erfuhr, bedingien eine weitere 
Eortbildiing. Auch solchen, die den Christenglauben verleugnet hatten, 
muBte die Moglichkeit der Riickkehr in die Kirche gewahrt werden, Avie 
es auch in Afrika iiblich gewesen war fiir Hurerei die BuBe zu gestatten 
(Cypr. ep. 55, 20 f . ; 4, 4). Es ist vor allem Cyprian (f 258), der 
diese Konsequenzen gezogen hat und, im Zusammenhang damit, den 
katholischen Kirchenbegrit fortgebildet hat. 

Wahrend der decianischen Verfolgung stellte sich die TJnmoglich- 

32* 



; 500 18. Die Fortbildimg des Kirckenbegriffes. 

: keit heraus, hinsichtlich der lapsi, insbesondere der sog. libellatici, bei 
der zur Herrschaft gelangten Praxis zu bleiben, d. la. dieselben von der 
communicatio der Kirche (der Eucharistie , Cypr. ep. 57, 2) auszu- 
schlieBen und ihnen die pax niit der Gemeinde zu verweigern. Die Ge- 
'fallenen wandten sich an die confessores mit der Bitte um Enipfehlungs- 
schreiben (libelli), und diese wurde reicblicb erfullt, Tag urn Tag sollen 
die Konfessoren Tausende von Einpfehlungsbriefen onne "Untersucbung 
und TJnterscbeidung ausgestellt baben (Cypr. ep. 20, 2 cf. 22, 2 ; 27, 1). 
Sollten diese zunachst nur als Enipfehlungsschreiben verstanden wei-den 
'(ep. 15, 1; 16, 3; 18, 1; 19, 2; 22, 2 fin. cf. 36, 2), so trug diese 
Empfeblung doch bald den Charakter des Befehls an sicb (s. das 
Scbreiben des Martyrers Lucian an Cypr. ep. 23 vgi. 27, 1; 21, 3). 
Dem Recbt der Martyrer widerspracb Cyprian nicbt, aber er meinte, 
da6 eine Yersamnilung der Biscbofe genieinsam mit dem Klerus und 
der standbaft gebliebenen Gemeinde in der Sacbe zunacbst einen prin- 
zipiellen BescbluB fassen mtisse, ebe man zumal in den Wirren der 
Verfolgung bandle ; dabei wird aber gestattet Personen, die sicb auf 
dem Sterbelager befinden , sofort durcb Handauflegung wieder aufzu- 
nebrnen und ihnen das Abendmabl zu reicben (ep.. 18 ; 19, 2; 20, 3; 
26 cf. 31, 6). Das war aucb, iind scbon vorber, der Standpunkt der 
rornischen Kircbe (ep. 8, 2; 30, 3. 5. 6; 36, 3). Nun aber baben et- 
licbe . Presbyter in Kartbago wabrend der Abwesenbeit des Biscbofs 
Cyprian obne vorangegangene offentlicbe Exomologese und obne 
Handauflegung, auf Grund jener libelli, Gefallene zur Abendmablsgemein- 
scbaft zugelassen (ep. 15, 1 ; 16, 2. 3 ; 17, 2 ; 20, 2), ja in einigen 
Stadten erzwang die multitude , gesttltzt auf die Zeugnisse und das 
Recbt der Martyrer und Konfessoren, von den Biscbofen den Erieden 
(ep. 27, 3). Diesen aber, die mit den Zeugnissen der Martyrer in der 
Hand, den Erieden glaubten fordern zu diirfen, standen solcbe gegeri- 
itber, welcbe erklarten BuBe tun und auf den Sprucb des Biscbofs 
warten zu Avollen (e'p. 33, 1. 2 ; 35 cf. 36, 1). Die Presbyter, welcbe 
sicb der biscboflicben Entscbeidung nicbt fiigen, ordnete Cypr. an, von 
der communicatio auszuscbliefien (ep. 34, 3 cf. 42). 

Im Prinzip hat also Cyprian nicht anclers geurteilt als jene Pres- 
byter, die Martyrer und- . die Gefallenen selbst. Der TJnterschied liegt 
nur darin, daB ibm , nicht anders als den Homern (ep. 30, 6), das 
sturmische selbstherrliche Gebahren der Konfessoren wie des niederen 
Klerus , der die ordentlichen Eormen der Wiederaufnahme bei Seite 
setzte, gefabiiich erschien. Sodann aber darin, daB er der Ansicbt ist, 
daB ecclesia super episcopos eonstituatur et omnis actus ecclesiae per eosdem 
praepositos gubernetur. Das 1st nach dem "Wort an Petrus Mt. 16, 18 f. 



Die Buflfrage urKarthago in der decian. Verfolgung. 5Q1; 

divina lege fundatum, daher 1st es eine 'audax temeritas, wenn andere . 
Personen im Namen der Kirche schreiben und handeln wollen (ep. 33, 1, 
cf. 36, 3). Darin liegt der Fehler, dafi nee per episcopos et sacerdotes 
domini domino satis fiat, sed relictis domini sacerdotibus contra evangelicani, 
disciplinam nova traditio sacrilegae institutions exsurgat (43, 3). Es 1st 
niclit richtig, den Gegensatz, der sich bier kundtut, aus den mehr 
seelsorgerlichen Tendenzen der Presbyter oder als ein en Yersuch der- 
selben dem Bischof gegeniiber die Selbstandigkeit zu bewahren, zu er- 
klaren. In Zeiten so grofier Erregung, wie die Yerf plgung sie nut sick 
fiihrte, werden alte fast erstorbene Triebe der Religion nicht selten neu- 
belebt. So scbien auch jetzt in den Martyrern. der Geist \yieder offenbar 
zu werden (81; 68, 5). Nur dieser,, Geist vergibt die Siinde durcb .die, 
in denen er seine EIraft offenbart bat, und nnr die konnen den Geist 
geben, .die inn haben. Wozu braucbte man da Handauflegung oder Ge- 
nugtuung, wenn der Geist entschieden hatte : paenitentiam agere et deo 
satis facer e detractant . . ., pac&m non dandam sibi posttdantes, sed quasi 
iain d.atam vindicantes, quod dicant Paulum (ein Martyrer) omnibus, 
pacem dedisse (ep. 35). Cyprian selbst hat diesen Geist empfunden, 
(s. unten), ebenso ist es diesen Presbytern und den erregten Genieinden 
ergangen. Ein Stiick TJrcbristentum erliebt sicb in den Martyrern, 
der Geist tracbtet die Eunktionen wieder an sicb zu bringen, die der 
Buchstabe ihm. langsam entwunden batte. Das ist schliefilicb. der Gegen- 
satz zwiscben Cyprian und seinen Gegnern ; .fur ibn sind die divina lex 
und die ecclesiastica disciplina die obersten Instanzen, denen der Geist, 
den er anerkennt, sicb fiigen mu6, fur diese ist der in den Martyrern 
offenbare Geist die hocbste Autoritat, denen lex und disciplina tmter- 
zuordnen sind; Aber das war ein Aufschwung, den niemand mebr durch- 
fiibren konnte : mochte man vom empfangenen Frieden reden, man ver- 
langte ihn docb von den Priestern (cf. 36, 2) ! Daner war der Kampf 
entscbieden, ebe er erst anging. Esbildete sich nun eine Gegenpartei unter 
fiinf Presbytern und einem gewissen Pelicissimus (ep. 41, 2). "War 
dieser der signifer seditionis (59, 9), so war der Presbyter Novatus 
die Seele der Emporung, fax et ignis ad conflanda seditionis incendia 
(52, 2). Eortunatus wurde der Biscbof dieser Partei (ep. 59, 9). 
Ibr Prinzip war: lapsos -redticere et revocare (ep. 43, 5), sie saben dabei 
von der biscbof lichen Entscheidung sowie einer langeren Bufifrist ab (ep. 
43, 2). Sie stiitzten sich auf die Bekenner (ep. 43, 2 ; 52, 2), deren 
Autoritat war ihre Rechtfertigung, denn sie meinten, man miisse dem 
Geist mebr geborchen als dem Bischof. 

5. Urn dieselbe Zeit kam es auch in Roin ziini Schisma. Eine 
zwiespaltige Bischofswahl (Cornelius und Novatian, 251) gab An- 



502 ' 18. Die Fortbildung des KifchenbegTiffes. 

lafi dazu (Cypr. ep. 44. Euseb; h. e. VI; 43). Novatian war wahrend 
der langen Sedisvakanz in Horn (nach Fabians Tod) der Fuhrer der 
Presbyter gewesen. In zwei Briefen an Cyprian (ep. 30 und' 36) hatte 
er die Grundsatze dargelegt, denen auch dieser fo]gte. Er war ein 
Grelehrter von Ruf und ein ernster Asket. Als Theologe wandelte er in 
den Bahnen Tertullians, nicht anders als Cyprian. Von Tertullian hatte 
er seine Ideen iiber die Glaubensr'egel und die Trinitat (oben S. 303 f ., 478 ff.), 
die strenge Anschauung von der BuBe und die Forderung der Wiedertauf e 
der Haretiker uberkommen. Auf seiner Seite standen nicht nur einige 
Presbyter, sondern auch viele Konfessoren. Ein lehrhafter Gegensatz 
lag zunachst zwischen ihm und Cornelius nicht vor. Episcopatus aemu- 
latio schismatum mater est, sagt Tertullian (debapt. 17), das Wort ging jetzt 
Erfiillung. Eine grofie Synode in Rom entsehied fiir Cornelius (Eus. VI, 
43, 2), Cyprian trat auf seine Seite (ep. 45), und ebenso die meisten 
auswartigen Bischofe. Der Flihrer der Presbyter von Karthago Novatus 
kam nach Horn und schlofi sich hier naturgemafi dem Gegner des. mit 
Cyprian verbiindeten Cornelius an (Cypr. ep. 47. 50). Da nun 
Cornelius beschuldigt wurde selbst libellatieus zu sein, und da er moglichste 
Milde walten liefi (Cypr. ep. 55, 10. 11), so war dadurch Novatian der 
Weg vorgezeichnet. Er sah sich genotigt, um eine Grundlage- fiir sein 
Schisma zu gewinnen, die strenge Praxis gegen die Lapsi einzuschlagen ; 
er hatte dabei den Vorteil, dafi dies die ,,alte" Praxis war. Aber das 
barg zwei Schwierigkeiten in sich. Erstens gait die Strenge nur den 
Ijapsi, nicht auch sonstigen groben Siindern, wie Ehebrechern und Be- 
triigern (ep. 55, 26 f. cf. c. Novat. 4. 6. 7.) ; J ) zweitens waren seine 
Hauptstiitzen, die Konfessoren, ja selbst friiher die Verfechter der niilden 
Praxis gewesen. Man versteht, dafi die Bekenner ihn bald verliefien 
und sich iiber Betrug beschwerten (ep. 49 cf. 53. 54. Eus. h. e. VI, 43, 6); 
Ersterem gegeniiber fand Novatian den Ausweg, daB er den Grotzendienst, 
d. h. also den Abfall, ftir die Hauptsiinde erklarte, dies sei die Ver- 
leugnung Christi, die Verleugnung durch ihn zur Folge hat (Mt. 10, 32 f.) 
und die unvergebbare Slinde wider den Greist (ep. 55, 27. c. Nov. 2. 3). 
Indem er die Grotzendiener ausscheide, deren Verkehr auch die iibrigen 



1) Cypr. spricht von fraiidatores et moechi in Novatians Umgebung ; in dem 
Traktat c. Nov. Die Kapiteleinteilung oben in den Citaten ist die Harnacks 
in s. Abh. heiBt es: niaiora crimina, inquit, ignosci non debent, fornicatio et 
idololatria; dazu: si fornicationi ignosci non debet, sicut Nova,tiqno videtur, quanta 
tnagis homicidio ant adulterio. Danacb. haben die romiscben Novatianer zu 
Ende des 4. Jabrh. Mord und Ehebrucb. vergeben, niebt aber Hurerei und 
Gotzendienst; sie baben in den beiden letzteren direkte Auflehnung' wider 
Oott erblickt. : 



No vatian wider Cornelius von Bom.. 503 



<Gemeindeglieder beflecke (ep. 55, 27), stelle er die Kirche der 
und Heiligen her (Eus. h. e. VI, 43, 1. c. Nov. 12). .Dabei scheint 
schon Novatian selbst die Vergebbarkeit auch der Apostasie an sich nicbt 
.geleugnet zu haben, nur stebe das Recht dazu lediglieh Grott, nieht der 
Kircbe zu, was man iibrigens aucb sonst von alters ber annabm. 1 ) War 
aber nun die grofie Kircbe unrein, so ist es konsequent, dafi. Novatian 
ihre Glieder so bebandelte wie Haretiker, d. .h. bei ihrem TJbertritt 
zu ibm die Wiedertaufe in Anwendung bracbte ; 2 ) dadurcn, war die 
'Trennung auf das scharfste markiert und wur.de. das Bewufitsein zu 
Hoberem zu gelangen gesteigert. Die Abendmablsfeier soil er dazu beniitzt 
'haben, die Enipfanger eidlic'h zum Ausbarren in seiner Kirche zu ver^ 
pflichten (Eus. YI, 43., 18). Die Eucharistie sollte kein notorischer 
iSiinder erbalten. 3 ) So stand die Gremeinde der Heiligen scbarf geschieden 
der unreinen Kircbe der Yerleugner gegeniiber. Der Novatianismus bat 
:sich bald wetter verbreitet und .aucb ' im Orient Wurzel gescblagen 
(Eus. YI, 46, 3. VII, 5). Seine " weitere Geschichfce gehort nicht mehr 
her. 4 ) Nur ein Punkt mvifi nocb erwabnt werden, die spateren Novatianer ' 
baben ihren Standpunkt dadurch erganzt und befestigt, dafi sie den 
'Todsiindern iiberhaupt die kirchlicbe Vergebung versagten., 5 ) Die 
.novatianiscbe Gregenkirche hat sich stellenweise init den Resten des 



1) c. Nov. 10: nee ego renuo agendam poenitentiam admissae idolola,tna~e r . 
sed ego remittere non audeo, quia crimen hoc ab eo remittendum est, in quern 
admissum est, ef. Socrat. h. e. I, 10. Die Anschaxuuig ergibt sich konsequent 
aus der abendlandischen Auffassung der Siinde als einer Grott zugefiigten Be- 
leidigung (s. Tertull. Cypr^ de laps. 17), neu ist aber die Beschrankuhg der Be- 
.leidigung auf die Idololatrie und die Leugmmg des gottlichen Charakters der 
von der Kirche resp. den Heiligen gespendeten Vergebung, s. dagegen Tertull. 
-de pud. 21, . ' . 

2) Cypr. ep. 73, 2. Dionys v. Al. b. Eus. VII, 8. Ambros. de poenit. I, 7, 30. 
^Novatian folgt Tertull. de bapt. 15, der die Taufe der Haretiker ftir ungiltig er- 

klart. Hippolyt Ref . IX, 12 sagt von Kallist : snl totirov ngcbrcos TeT6^fi>]rat. SSVTEOOV 

ai>iozg fidTmafta, dies bezieht sich sicher auf die Wiedertaufe des Alkibiades im 
iolgenden, fur die Hipp, seinem Gegner die Schuld zuschieben mochte. 

3) e. Nov. 11 : cur, inquit, corpus domini tradunt eis, quos noverunt pecca- 
tores? Dies ist in dem spaten Bericht c. Nov. erzahlt (cf. Socrat. I, 10), man 
.kann zweifeln, ob es auf Novatian selbst zurttckgeht, da es zu dem ihm nachst- 
liegenden Problem keine direkte Beziehung hat. 

4)s. Harnack PEE. XIV, 240 ff. Die Ausbreitung im Orient wird ver- 
:standlich, wenn man iiberlegt, daC dort die origenistische Tradition fiir Strenge, 
die Praxis fiir Milde sprach. . 

5) s. z. B. Athanas. c. Serap. ep. 4, 13. Socrat. h. e. I, 10. Doch kann 
diese Praxis nicht iiberall geherrscht haben, denn der Eo'mer, der den Traktat 
c. Nov. urn 380 verfaflte, kennt nur idololatria iind fornicatio als unvergehbar, 
s. S. 502 Anm. 1. 



504 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes. 

Montanismus verschmolzen ; einen tieferen EinfluB auf das Ganze der 
kirchlichen Entwicklung hat sie niclit gewonnen. 

In den Gedanken Novatians scheint die Heiligkeit der Kirche in. 
anderei* Weise begrvindet zu sein als es in der Kirche liblich wurde.. 
Harnack hat diese Differenz dahin bestimint, dafl Novatian liber Kirche,. 
Absolution und Priestergewalt andere Anschauungen gehabt habe als. 
die Kirche, . denn Novatian lasse Gott allein die Siinde vergeben, auf 
seine Barinherzigkeit durfe ,,in alien Fallen mit Zuversicht gehofft" 
werden, die Zugehorigkeit zur Kirche sei ,,nicht die condicio sine qua. 
non der Seligkeit, sondern sie versichert dieselbe in irgend welchem. 
Mafie" (PEE. XIY, 237). Aber diese Auffassung ist aus den Quellen 
nicht zu begriinden. Der feste Ausgangspunkt des Yerstandnisses liegt. 
in der Weigerung Novatians bestimnate Sunden zu vergeben, sofern die- 
Yergebung derselben durch gewisse Bibelstellen ausgeschlossen sei. Indenv 
aber diese Bibelstellen sicher nur als auf die ewige Yersagung der Yer- 
gebting abzielend verstanden werden konnten, kann Novatian auch nur- 
hieran gedacht haben. Wenn nun er selbst oder seine Anhanger diesen. 
Gedanken die Beschrankung gaben, dafi etwa Gott in der Ewigkeit diese^ 
Sunden vergeben konne, so darf darin nur eine Yerlegenheitsauskunft 
erblickt werden, denn 1) war es gefahiiich die Sunder geradezu in ein. 
siindhaftes Leben zu stofien, 2) konnte man so der kirchlichen Kritik 
die Spitze abbrechen, sofern eben bei Gott alle Dinge moglich sind. 
Dafi sich dadtirch die Theorie in einen unloslichen Widerspruch ver- 
wickelte, ist klar, aber derartige "Widerspriiche sind bekanntlich nicht. 
selten und naussen daher von dem Historiker respektiert werden. - : Man. 
konnte nun erwarten, dafi Novatian die Heiligkeit der Kirche auf den. 
heil. Geist in ihr begriindet hatte, wie das den Martyrer und Presbytem 
von Karthago vorschwebte, Zwar hat Novatian das "Wirken des Geistes- 
in der Kirche stark betont (oben S. 483 f.), aber clafi er dies fur seinen. 
Be griff von del' Kirche verwertet hatte, lafit sich nicht erweisen. 
Novatian hat die Heiligkeit der Kirche einerseits auf die Sakraniente- 
gestiitzt, ganz wie die Grofikirche, hat aber die Anwendung der Bufie- 
avis kirchenpolitischen und archaistischen Interessen eingeschrankt. Andrer- 
seits hat er und das ist relativ neu die aktive Heiligkeit der 
Glieder der Kirche resp. den Mangel an notorischer Unheiligkeit stai-k. 
betont und zum zweiten Pfeiler der Heiligkeit der Kirche gemacht. Yon 
einem neuen ,,religipsen" Kirchenbegriff bei ihm zu reden, ist demnach 
keine Yeranlassung, seine ,,heilige Kirche" trug dies Pradikat im saki'a- 
mentalen^ aber auch im moralistischen Sinn. Das ist eine gewisserniafiea 
eigenartige Losung eines Zeitproblems, aber sie ist in sich widerspruchs- 
voll Avie auch die Bufilehre Novatians. Sie hat seine Orthodoxie nicht 



Cyprians Entscheidung in der BuBfrage. ' 505. 

beeintrachtigt, ') aber sie hat sich auch nicht als wirksames Prinzip in 
der Geschichte bewahren konnen, wie die Geschichte der novatianisclieii 
Kirche zeigt. 

6. In Karthago fand, nach Cyprians Ruckkehr, die vorher ange- 
kiindigte Versammlung der Bisehofe statt (252). Ihre Beschliisse stellen 
das Resultat der Situation, wie sie sich wirklich herausgebildet hatte, dar. 
TJnter den Bischofen herrschte zunachst Zwiespaltigkeit, man stellte Bibel- 
stelle wider Bibelstelle, zuletzt kam ein temperamentum salubri moderations 
zustande, das weder uberhaupt die Hoffnung der Gefallenen zerstoren, 
noeh auch zu eilfertig sie erfullen sollte (ep. 55, 6). Trotzdem wurde 
de facto das gewakrt, was die Gregenpartei des Felicissimiis aucb gewabrte. 
Im Hinblick auf eine drobende neue Yerfolgung wurde bescblossen: eis, 
qui de ecclesia doinini non recesserunt et paenitentiam agere et lamentari 
ac domimim deprecari a primo- lapsus sui die non destiterunt, pacem 
dandcmi csse. Hatte man dies bisber nur den in Todesgefabr Befind- 
licben gewabrt, so wird es nun, sdneto spiritu suggerente et domino per 
visiones multas et manifestos admonente, . auf alle Grefallenen ausgedebnt 
(s. das Synodalscbreiben ep. 57 cf. 55, 6). Dern stimnate aucb Rom zu 
(ep. 55j 6), oder sofern Cyprian die Praxis des Cornelius aucb seiner- 
seits einscblug, wurden beide Bundesgenossen und Gregner ISTovatians. 
Die scharfe Hervorhebung der Inspiration der Synodalbescblttsse ist aus 
dem Gregensatz gegen die Geistautoritat der Martyrer bervorgegangen 
(s. unten). In der Praxis bat sich dieser Grrundsatz freilicb nicbt sofort 
iiberall durcbgesetzt (s. ep. 55, 22; 59, 15), aber im Prinzip batte er 
gesiegt. Aber nicbt hierin liegt die Bedeutung dieser Entscbeidung. 
In der Anscbauung von der Bufie ist Cypr. ganz auf den Standpunkt 
seiner Gegner getreten, aber Bischofe baben den entscbeidenden Bescblufi 
gefafit, die Bischofe entscheiden im einzelnen iiber die Sacbe der lapsi, 
und die Autoritat der Biscbofe diirfen sie und ihre Patrone, die Martyrer 
nicht umgehen. In diesen Kampfen hat sich der Kirchenbegriff 
Cyprians herausgebildet. 

Polgende Grundgedanken seien hervorgehoben : 1) die Bischofe sind 
die Nachfolger der Apostel, wie diese vom Herrn selbst erwahlt und in 



1) DioBys V. Al. sagt von Novatiau. : trjv is TCQO aiitov jtiariv y.al dftoloyiav 
(Eus. VII, 8), daraus wollte Harn'ack eine Symbolanderung- clurch 
N. erscklieGeu (Texte u. Unters. XIII, 1 S. 42), aber &vai$e7tsiv heiBt: iimreiBen, 
zertriunmern, widerlegen (z. B. Dionys b. Eus. VII, 7, 5), niclit aber: verandern. 
Was Dionys will, driickt Cyprian deutlicher aus : non esse unam nobis 'et schis- 
maticis symboli legem neque eandem interrogationem, nam cum dicunt: credis in 
remissionem peccatorum . . . per nanctam ecclesiam, mentiuntiir intcrrogatione . . . 
Voce sua ipsi confitentur remissionem peccatorum non dari nisi per sanctam 
ecclesiam posse (ep. 69,7). Vgl. auch Kattenbusch, das ap. Symb. II, 369. 



506 18 - Die Fortbildung des Kirchenbegriffes. 

Ibr Amt als praepositi oder pastores (ep. 8, 1; 19, 2; 20, 3; 27, 3; 
33, 1; 13, 1; 59, 14") eingesetzt (ep. 3, 3; 48, 4; vgl. Eirrnilian ib. 75, 
16). Dies gilt nicht nur im Sinn einer ordinatio succedanea (69, 5), 
sondern jeder einzelne Bischof \vird durch ein divinwn indicium, de eius 
sententia eingesetzt (59, 5). Er ist aber Bischof und sein Opfer und 
Gebet sincl -wirkungskraftig, solange er bebarrt und ein heiliges Leben 
fuhrt. 1 ) AVer die Bischof e kritisiert, raafit sich soniit ein Urteil liber 
das Urteil Gottes und Christi an, die Kritik der Bischtffe wird also mit 
denselben Griinden verboten, mit denen man eiust die Kritik der Pneu-. 
matiker venvarf. Hoe est in dcum non credere, hoc est rebellern adversus 
Christum et adversus evangelium eius cxistere, ut cum itte dicat: nonne 
duo passives etc. (Matth. 10. 29) ... tu existimes, sacerdotes dei sine 
conscientia eius in ecdesia ordinari. Nam credere quod indigni et incesti 
sint, qui ordinantur^ quid aliud est quam contendere, quod non a deo nee 
per deum sacerdotes eius in ecdesia constituantur (66, I)? 2 ) Dement- 
sprechend werden die Biscbofe bei ibren Bescbliissen und Scbriften 
durcb Eingebungen und Gesicbte geleitet (z. B. ep. 11, 3. 4; 57, 5; 
68, 5; 66, 10; 63, 1; 73, 26 cf. 40; 81 s. aucb de aleat. 3, 2). 3 ) 
Cyp r i ari siebt also die Biscbofe als die Nachfolger der Apostel an. Das 
fafit zunachst in sicb., dafi sie das apostolische Recbt und die apostoliscbe 
"Wabrbeit iiberkominen baben, sie sind die B;eprasentanten der lex evan- 
gelica et traditio dominica, deren Aufgabe es ist aus Irrtum und Scbwanken 



1) ep. 65, 4: fratres ab eorum fallacia separare . . . db eorum contagione 
secernere, quando nee oblatio sanctificari illic possit, ubi sanctus spiritus non 
sit, nee cuiquam dominus per eius orationes et preees prosit, qui dominum ipse 
molamt. Und ep. 67, 3 (Synodalschreiben YOU 37 Bischofen) wird als Grundsatz 
ausgesprochen : omnes omnino ad peccatum constringi quique fuerint profani et 
iniusti sacerdoiis sacrificio contaminate (nach Hos. 9, 3) und : plebs obsequens 
praeceptis dominicis et deum metuens a peccatore praeposito separare se debet 
nee ad sacrilegi sacerdotis sacrificiiim miscere (nach Num. Ifi, 26). Das siucl . 
Gedanken, auf die sich spater die Donatisten berufen konnten. Vgl. E enter, 
Augustin. Studien S. 254 ff. 

2) Das divinum indicium schliefit bei der Wahl nicht aus : populi suffragium, 
coepiscoporum consensum (ep. 44, 3; 59, 5; 55, 8; 67, 4. 5; 49, 2), ja es heifit 
YOU der plebs : quando ipsa maxime Jiabeat potestatem vel eligendi dignos sacer- 
dotes vel indignos recusandi (ep. 67, 3). ' 

3) Gesichte -\verden auch sonst bei Cyprian erwahnt (ep. 16, 4; 39, 1. de 
mortal. 19. ad Doiiat. 5, vgl.. Alexander v. Jerusalem bei Bus. VI, 11, If., Dionys. 
Alex. b. Ens. VII. 7, 2. 3, Firmilians Brief ep. 75, 10, sowie die Kritik, welche 
einige iiben ep. 66, 10: somnia ridicula.et visiones ineptas quibusdam videri; 
s. auch den Brief d. Petrus v. Alex. eel. Schmidt, Texte u. Unter's. N. P. V, 4 b S. 9. 11). 
Ubrigens denkt Cypr. nicht an einen ein fur allemal mitgeteilten Amtsgeist. 
sondern an Erleuchtnngen, die ad hoc gewahrt \yerden. Dieser Hierarch hat der 
Schwarmgeisterei nicht fern gestanden. ' 



Die Begrundung der bischof lichen Autoritat bei Cyprian. 507 

zuruckzufiihren zum TJrsprung, ad originem dominicam et ad evangelwam 
dtque apostolie-am trdditionem (63, 1. 17; 74, 10). Nachfolger der 
Apostel sind aber die Bischofe nicht nur in diesem geschichtlichen Sinn, 
sondern auch personlich und zwar durch die Ausriistung mit heil. Geist. 
Nicht nur in der Tradition steckt der Geist,' wie Irenaus wollte, sondern 
jeder Bischof wird von ihm erwahlt und geleitet und soil dementsprechend 
ein heiliges Leben fuhren. Cyprian folgt damit dem Montanisten Ter- 
tullian , der als eigentliche Nachfolger der Apostel nur die spiritales 
gelten liefi, aber Cyprian wandte den Gedanken anders: alle Bischb'fe 
sind spiritales, aber auch: sind, sie. letzteres nicht mehr, so haben sie zu 
erstereni kein Eecht. Er hat das hierarchische Traditionsprinzip Ter- 
fcullians mit dessen niontanistischer Geistlehre verkniipft, ja er ist hierin 
noch iiber Tertullian hinausgegangen. Er folgte damit den Gedanken 
des verehrten Lehrers, sicherlich auch personEcher Erfahrung und end- 
lich dem Zug der Zeit, wie er sich ja auch in seiner Gemeinde geltend 
.gemacht hatte. Der grofie Bischof," der die Sicherheit des vornehmen 
Homers so unubertrefflich mit der Autoritat des kirchlichen Amtes zu 
verschmelzen verstand, verband in sich auch die juristische Logik mit einem 
heifien Herzen, er schwarmte fur die Hierarchic und liebte Christus, er 
war ein praktischer Diplomat hohen Hanges und hinnnlisehe Stimrnen 
und Gesichte waren . ihm nicht fremd. So ging aus der Zeitlage wie 
aus dem personlichen Erleben Cyprians die paradoxe Kombihation her- 
vor, von der. wir reden. Der Geist scheint wieder aufzuleben : wie einst 
Hennas die zweite BuBe unter seiner Einwirkung . erstmalig verkiindete,. 
so hat der Geist den Bischofen zu Karthago. die richtige Anwendung dieser 
Bufie mitgeteilt. Haben aber die Bischofe den Geist, dann sind sie 
die hochste Autoritat der Kirche, die in nichts den Martyr'ern nachstehen, 
dann ist das kirchliche Amt nicht nur historisch auf .die, Apostel ge- 
: grundet, sondern die Bischofe haben wirklich das, was die Apostel aus- 
zeichnete, den Geist. Der alte Kampf zwischen den beiden Fornien der 
Leitung der Kirche . scheint . sich friedlich dadurch zu losen, da6 die 
amtliche Form die pneumatische in sich aufnimmt und die Pneuinatiker 
sich unterordnet. Aber noch einen dritten Eaktor hat Cyprian zum 
Pfeiler fiir die Autoritat des Amtes zu machen verstanden, es ist das 
kirchliche Opfer. Vom Opfer ist spater zu reden. Hier ist nur zu 
sagen, dafi Cyprian das Abendmahlsopfer als wirkliches Opfer auffafit, 
und dafi der Bischof dies an Christi Stelle darbringt. Hat .nun Christus 
dies Opfer eingesetzt und haben die Bischofe seine Einsetzungen aufrecht 
zu erhalten, so ist das Opfer ihre Auf gab e (ep. 63, 14. 17), wie sie zu 
seiner Darbringung durch den Geist befahigt sind, sodafi gefallene 
Bischofe auch -das- Opfer nicht vollziehen konneu : nee oblatio sanctificari 



508 18. Die Fortbildung des Kirchenbegriffes. 

illis possit, tibi sanctus spiritus non sit (64, 4 cf. 72, 2). Damit wird 
die biscboflicbe Autoritat liber die Apostel auf die Hobe Christi selber 
geboben. Und dazu kommt, dafi der Biscbof aucb Bichter an Ghristi. 
Statt ist vermoge der Autoritat, die Christus Him gegeben. 

2) Daraus ergibt sicb die Stellung des Biscbofs in der Kircbe, sowie> 
seine Eunktionen in ibr. Nacb Mattb. 16, 18 f. ist die Kircbe auf den. 
Biscbof gegriindet, und ibm stebt die Leitung derselben zu : inde per 
temporum et successionum vices episeoporum ordinatio et ecclesiae ratio' 
decurrit, ut ecclesia super episcopos constituatnr et omnis adus ecclesia&- 
per eosdem praepositos gubernetur (33, 1). Unus in ecclesia ad tempus 
sacerdos et ad tempus index vice Ghristi (59, 5). Wie ernst 
diese Gedanken geineint sind, zeigt der Streit, den wir kennen gelernt 
baben. Der Biscbof entscbeidet iiber die Zugeborigkeit zur Kircbe,. 
iiber die "Wiederaufnabrne in ibre communicatio (16, 1 ; 41, 2. de laps. 
18. 22. 29), er leitet den Grottesdienst als der Priester Grottes, der das. 
Opfer am Altar vollziebt (67, 1), er sorgt ftir die Bedlirftigen. Er 
tritt fur die reine Tradition, gegen den Irrtum, ein (ep. 63, 17. 19;. 
74, 10). - 1 ) Er ist der praepositus, der die laid oder die plebs zu regieren 
bat, vennoge gottlicber Autoritat. 3) Die Biscbofe bilden nun aber 
ein collegium, den &piscopatus> Aucb das batte sicb in der "Wirklicbkeit 
langst vollzogen ; die Synoden batten es vorbereitet, Brief e der Biscbofe 
tmtereinander leiteten zu genieinsamer Aktion an und starkten das Be- 
wufitsein der Einbeit. Auf-dieser Einbeit berubt die Einbeit der Kircbe. 
Die ganze Kircbe bildet ein zusammenbangendes Gefiige (ecclesiastici 
corporis compago, ep. 55, 24). Der Episkopat ist das Einbeitsband. 
Episcopatus unus est, cuius a singulis in solidum pars tenetur ; ecclesia 
una est, qtiae in multitudinem latins incremento fecunditatis extenditur 
(de unit. eccl. 5). Ecclesia^ quae catholica una est . . . sit utique connexa 
et cohaerentium sibi invicem sacerdotum glutino copulata (ep. 66, 8). In 
diesem Zusammenbang beifit es: illi sunt ecclesia sacerdoti adunata et 
pastori suo grex adhaerens. Unde scire debes } episcopum in ecclesia esse 
et ecdesiam in cpiscopo, ut qui cum episcopo non sit, in ecclesia non esse r 
et frustra sibi blandiri eos qui pacem cum sacerdotibus dei non habentes. 
obrepunt et latenter apud quosdam communicare se credunt (ib.). Diese 
Einheit des Episkopates runt auf der gemeinsamen gottlicben Erwablung 
und Ausriistung als Nacbfolger der Apostel, und kommt in dem gleicben 
Sinn (z. B. 75, 3), in gemeinsamen Beratungen und in der gegenseitigen 
Anerkennung zuui Ausdruck (vgl. ep. 19, 2 ; 20, 3- 55, 1. 6. 7. 24. 30 
cf. 75, 4. 45 usw.). Hierdurcb gewinnt aucb die Synode einen neuen. 



1) Vgl. 0. Eitschl a. a. 0. S. 216.ff. S.ohm, Kirchearecht I, 205 ff. 258 ff. 



Die Einheit der Kirche und'der Episkopat nach Cyprian. 509 

Urspriinglicli waren die Synoden iiberhaupt Yersamrnlungen von 
Christen, in denen die Bischofe naturgemaB das entscheidende Wort 
sprachen (Eus. h. e. V, 16, 10; 23, 2). Jetzt fallt prinzipiell die Ent- 
scheidung den vom heil. Geist inspirierten Bischofen zu (Cypr. ep. 57, 5), 
inogen immerhin auch Laien und niedere Kleriker an der Synode teil- 
nehmen (ep. 19, 2). 1 ) 1 

4) Die Einheit wird daran sichtbar, dafi der Herr zunachst Petrus 
die apostolisehe Yollmacht gab : hoc erant utique et ceteri apostoli quod 
fait Petrus. pari consortio praediti et honoris et potestatis, sed exordium 
ab imitate profieiscitur, ut ecdesia Christi una monstretur (de un. eccl. 4 
cf. ep. 75, 16 ; 33, 1 ; 43, 5). Petrus und die ihm zugeteilte Yollmacht 
1st also ein Symbol fiir die Einheit der Kirche wie ihrer Macht. Die- 
selbe Macht hat ja der Herr auch den ubrigen Aposteln ausdriicklich 
gegeben, indem er ihnen den heil. Greist und die Vollmacht der Siinden- 
vergebung verlieh, Joh. 20, 21 ff. (75, 16). Zwar wird auch jetzt noch 
die roniische Kirche cathoKcae eccleside radix et mater genannt, wie Irenaus 
und Tertullian es getan hatten (ep. 43, 3), aber dem gesteigerten Episko- 
palismus entsprechend, spielt Mt. 16 mit der Personlichkeit und dem 
Thron Petri die Hauptrolle : ad Petri cathedram atque ad ecclesiam princi- 
palem, unde unitas sacerdotalis exorta est (59, 14). Aber hierin liegt 
doch wieder mehr als die Betrachtung Petri als eines Apostels unter 
den anderen, in der Theorie fafit man es so auf, die Praxis greift un- 
willkiirlich 'daruber hinaus, Horn wird das Zentrum der Kirche, Petrus 
dux ac princ&ps apostolorum (de rebapt. 9), seinen Nachfolgern kommt 
der primatus unter den Bischofen zu. An 'den rb'mischen Bischof wenden 
sich spanische und gallische Bischofe mit 4 er Bitte uni Wiedereinsetzung 
und Anerkennung, und an seinem Spruch hangt in der Tat die Ent- 
scheidung, das bezeugen auch die, die, wie Cyprian, mit seiner Ent- 
scheidung unzufrieden sind (ep. 67, 5 ; 68, 1 3). Diese Stellung hat 
S t e p h a n von Rom (254 57), der gegen die Wiedertaufe von ISTovatianern 
wie Haretikern war (s. unten) prinzipiell in Anspruch genommen, er 
redete von seinem primatiis, er verlangte Grehorsam von den iibrigen 
Bischofen (71, 3), er liefi sich nicht auf Yerhandlungen mit ihnen ein, 
sondern behandelte sie, falls sie sich nicht fiigten, als Exkoninxunizierte 



1) Von jahrlicli stattfindeiiden bisclioflichen Synoden bericlitet Pirmilian 
(Cypr. ep. 75,4 vgl. schon Tertull. de iei. 23). S. iiberhaupt A. Hauck, Synodea 
PEE. XIX. 263 ff. 8 ohm (Kirchenreclit I, 277 ff.) legt viel Gewielit daraaif, daB 
auch der niedere Klerus an den Beschliissen teilnimnit, aber er gesteht selbst zu: 
,,die Mitwirkimg und Zustimmung von Volk und Klerus war schon uni die Mitte 
des 3. Jahrh. in der Mehrzahl der Falle zu einer b lo JB en Form ge word eu" 
(S. 306), und clafi nur die Stimmen der Bischofe gezahlt wurdeu (S. 301 f). 



, 510 18. Die EortbilduBg; des Kirchenbegriffes. 

(Firmilian b. Cypr. ep. 75, 25). Der Grund dafiir war das Bewufltsein 
Nachfolger des Apostelflirsten .zu sein : qui per. successionem cathedram 
. Petri habere se praedieat (ep. 75, 17). Dieseni Verhalten hat es an. 
scharfer Kritik nicht gefehlt. Cyprian war keineswegs gewillt den 
romischen Primat anzuerkennen, er wufite Mtth. 16 den Vorgang Gal. 2 
entgegenzustellen (71, 3) und hat die Anmafiung und Hartnackigkeit des 
Homers schonungslos getadelt (ep. 74, s. auch 59, 2. 14; 67, 5), der 
Kappadocier Firmilian hat ihm dabei tapfer sekundiert (ep. 75). Aber 
in diesem Kampf hat Stephan gesiegt. 

5) Die Bischof e sind die von Christus eingesetzten Hegenten der 
Kirche, und der Episkopat ist die von Gott ge,gebene Form, die den 
Stoff der Gremeinde gestaltet und zur Einheit zusammenfafit. Aus dieser 
Anschauung ergibt sichnaturgemafi.dieKonsequenz, dafi nur der zur Kirche 
gehb'rt oder Christ ist, der deni Bischof sich tinterordnet. Nach Irenaus 
gehorte der zur Kirche, der den von dem Bischof als apostolisch garan- 
tierten Glauben teilte, nach Cyprian ist der Bischof selbst Gegenstand 
des Glaubens und der religiosen Unterwerfung. Nee eniin ignoramus 
unwn deum esse, et unum Christum esse domimim . . ., unum sanctum 
spiritum, unum episcopum in catholica esse debere (ep. 49, 2). JJ&us unus 
est et Christus unus et una ecclesia et cathedra una super Petrum domini voce 
fundata (43, 5). Gehort aber der Episkopat zum christlichen Glauben, so ist 
Auflehnung wider ihn Unglaube und Auflehrmng wider Gott. Somit ist 
der Schismatiker, und ware er auch ein orthodoxer Mann wie Novatian, 
dem auch Cyprian keine Haresie nachweisen kann oder will, als solcher 
zugleich Haretiker (59, 5; -66, 5; 52, 1; 69, 1. 5. de unit. 10 cf. ad 
Novat. 1. 8. de rebapt. 10). Wer sieh dem rechtmaBigen Bischof nicht 
unterwirft, kommt dadurch um die Gemeinschaft rait der Kirche und um 
das Heil: quisquis ille est et qualiscunque est, christianus non est qui in 
Christi ecclesia non est (55, 24 von Novatian gesagt! cf. 43, 5. de unit. 
17. 19). Der gleiche Glaube, auf welchen jene sich berufen, niitzt 
ihnen so wenig als er der Rotte Korah geniitzt hat (ep. 69, 8). Es ist 
iinmer Spreu, was von der Tenne fortgeweht wird (de un. eccl. 9. ep. 
66, 8), wtirde der Betr. auch Martyrer um des.Glaubens willen (ep. 73, 21) : 
quia salus extra ecclesiam non est. Die rechten Glieder der Kirche 
werden also vor allem den Bischof anerkennen und ihni gehorchen. So 
bleiben sie in der einen Kirche, auBerhalb welcher kein Heil ist'.-^hctbere 
non potest deum pair em qui ecclesiam non habet matrem (de un..6).. Wie 
die Kinder zum Yater verhalten sich die Gemeindeglieder zum Bischof 
(ep. 41, 1), wie Briider die Genossen der fraternitas untereinander, 
.indem sie Priede und Liebe walten lassen und alle Zwietracht und 
Spaltungen meiden, briiderlich zusammen betend und auch die irdischen 



Der Streit urn die Ketzertaufe. . 511 

GHiter einander mitteilend (de unit. 8. 9. 12. 13. 15. 24 f. de orat. dom. 
8. 30. de op. et eleem. 25 fin. de pat. 15. de zel. et liv. 6). 

6) In dem Streit uber die Griiltigkeit der Ketzertaufe 1 ) zog 
Cyprian eine weitere Konsequenz aus seinem Kirchenbegriff,. die aber 
zugleich zeigt, dafi seine Anschauung nicht in ihrem ganzen "Umfang 
der allgemeinen tjberzeugung entsprach. Die Frage iiber die Taufe der 
Ketzer war durch Novatians Wiedertaufe der kirchlichen Christen brennend 
geworden (oben S. 503). Es lag sehr nahe der novatianischen Gremeinde 
Grleiches mit Gleichem zu vergelten und die TJberlaufer von dort eben- 
falls neu zu taufen. Diesen Weg hat Cyprian eingeschlagen, es ist sicher, 
dafi er dabei ebenso wie Novatian auf Tertullians Theorie. (de 
bapt. 15) zuruckgeht, oder vielmehr, dafi diese Theorie damals in Afrika 
in allgemeiner Greltung stand, denri die unter Cyprian in Karthago auf 
drei Synoden versammelten Bischofe (im J. 255 und 256) berufen sich 
bei ihrem Widerspruch gegen die Giiltigkeit der ketzerischen Taufe auf 
ihre Vorganger und einen bestimmten Beschlufi derselben (ep. 70, 1 ; 
71, 4; 73, 3). Doch hat man sich in Afrika noch erinnert, dafi friiher 
dort die entgegengesetzte Praxis herrschte, wahrend der Kappadocier 
Eirmilian bezeugt, dafi bei ihm stets die Wiedertaufe der Haretiker 
iiblich gewesen sei (ep. 75, 19). Aus den Brief en des Dionys von 
Alexandrien geht hervor, dafi in seiner Heimat die "Wiedertaufe nicht 
brauchlich gewesen zu sein scheint (Eus. h. e. YH, 7, 4. 5 ; 9, 2). 
Dagegen schrieb S t e p h a n von Rom : si qui a quacunque haeresi venient 
ad nos, nihil innovetur nisi quod traditum est, ^lt manus illis imponatur 
in paenitentiam, cum ipsi haeretiei proprie nlterutrum ad se venientes non 
baptizent, sed communicent tantum (Cypr. ep. 74, 1 cf. 72, 1 ; 75, 14). 
Sofern eine irgendwie christliche Taufe vorlag, wurde diese in Korn fiir 
geniigend erachtet, man fiigte blofi eine Belehrung iiber den rechten 
Gflaiiben hinzu, sowie die bischofliche Handauflegung oder die ,.geistliche 
Taufe" als Mitteilung des Greistes. 2 ) Dafi dies die alte Praxis ist, geht 
daraus deutlich hervor, dafi sie die alte TJnterscheidung von zwei Be- 
standteilen der Taufe (oben S. 357 f.) deutlich voraussetzt, .die ja gelegent- 

1) Vgl. J. Ernst, Die Ketzertaufangelegenheit 1901. L. Nelke, Die 
Chronologie der Korresppndenz Cj r pr. etc. 1902, S. 84 ff. J. Ernst, Papst Steplian I. 
XT. der Ketzertaufstreit 1905. N. Bonwetsch PEE. X 3 , 270 f. J. Tixeront, 
Hist, des dogines I, 392 ff. 

2) s. die Schrift de rebaptismate, die sicher in tinsere Zeit fallt (J. Ernst 
in Hist. Jahrb. 1898, 499 ff. W. S chiller in Ztschr. f. wiss. Theol. 1897, 555 ff. 
Harnack Chronol. II, 395), c. 1. 10: si vero (baptisma) ab alienis traditum 
fuerit, . . . poenitentiam agentibus correctisque per doctrinam veritatis . . . 
tantummodo baptismate spiritali, id est manus impositione episcopi et spiritus 
sancti subministratione subveniri debeat. 



512 18. Die Fortbildung des Kircheubegriffes. 

lich auch bei Cyprian noch hervortritt. l ) Pann war der Gedanke der: 
eine Beziehung zu Christus ist bei alien denen anzunehmen, an denen 
die Taufe im Namen Christi vollzogen wurde, aber um den Geist zu 
empfangen, bedarf es der exhibitiven Einwirkung der Kirche, die den 
Geist hat. Indeni man in Horn diesen Gedanken noch verstand, wahrend 
fur Cyprian die Taufe wesentlich der eine Akt der Wiedergeburt ist, 
ebenso Firmilian, ep. 75, 17 begreifb sich der Gegensatz. Dazu 
komrut eine Differenz in der Anschauung von der Kirche. Cyprian 
denkt an die voni Geist erfullten Bischofe, die allein imstande sind das 
"Wasser zu heiligen : mundari et sanctificari aqua/m per sacerdotem Christi 
{ep. 70, 1), die haretische Taufe ist ihm nur eine sordida et profana 
tinctio (70, 1; 72, 1 ; 73, 6. 21 etc.). Der Bonier dagegen lafit die 
Institution als solche wirksara werden : bringt das Wasser, resp. der Name 
Christi, nach Christi Yerfiigung eine Beziehung zu Christus, so geschieht 
das eben uberall und unter alien TJinstanden. 2 ) Diese Differenz wird 



1) s. bes. ep. 72, 1 : parum sit eis manum imponere ad aedpiendum spiritum 
sanctum, nisi accipiant et ecclesiae baptismum, tune enim demum plene sancti- 
ficari et essefilii dei possimt, sisacramento utroqu'e nascantur, . . . ex aqua 
et spiritu (Job. 3, 5). 

2) TJnsere Darstellnng griindet sich anf die merkwiirdige und bedeutende 
Sclirift de rebaptisniate. Man kann den nnbekaimten Verfasser den ersten 
Scliolastiker nennen. denn die Methode der Scholastik, Gegensatze aufzudecken 
und danii miteinancler auszugleichen, befolgt auch er (c. 1 fin.). Das Problem, der 
Sclirift ist, ob die, welche von Haretikern, aber in nomine Jesit Christi die Taufe 
empfangen haben, bei ihreni Eintritt in die Earche nur der bischdflichen Hancl- 
auflegung bediirfen znni Empfang des Geistes, oder ob sie, wie Cyprian will, 
wiederzutaufen siucl. Der Verfasser entscheidet sich unbedingt fiir die romisehe 
Praxis. In scharfsinniger Erorterung zeigt er, daB im N. T. die Wasser- und 
die Geisttaufe keineswegs notwendig zusammenfallen. Schon Johannes unter- 
scheidet seine Wassertaufe von Christi Geisttaufe (c. 2), Act. 8, 15 sind beide 
Taufen deutlich unterschieden (2), Act. 1, 44 48 geht die Geisttaufe der Wasser- 
taufe voran (5). Nun sind zwar gewohnlich die beiden Taufen miteiuander ver- 
bunclen als baptisma spiritus et aquae (2. 10), aber es kann auch jetzt noch die 
Geisttaufe viel spater vollzogen werden als die Wassertaufe. Sie erfolgt in 
der Eegel durch die bischofliche Handanflegung {baptisma spirituale id est manus 
impositio episcopi, 10), aber auch dnrch Gott selbst occulta largiente et operante 
(4. 2. 11). Sonach braucht der von Haretikern Getaufte nur seiuen Glauben zu 
andern, BuJBe zu tun (10. 14) und die bischofliche Handauflegung- nachzusuchen, 
einer Wiedertaufe bedarf es nicht. falls er im Namen Jesu Christi getauft wordeu 
ist. Der Verf. spricht immer wieder von der Taufe in nomine Christi oder der 
invocatio nominis Christi (z. B. 1. 4. 12. 13. 14 f. 6. 10). Er kennt und aner- 
kennt die allgemein brauchliche triadische Taufe, er ist aber der Ansicht, daB 
auch die Taufe auf den Narnen Jesu geniige, und zwar weil diesern Namen eine 
besondere Kraft inuewohnt, die Wunder wirkt, selbst wenn homines extranei ihn 
anwendeu (7). Der Name Christi ist der wesentliche Bestandteil der Wassertaufe : 



Griinde fiir und wider die Wiedertaufe von Haretikern. 513 

aocli deutlicher, wenn man die Griinde iiberblickt, die beide Gtegner an- 
gefiibrt haben. Nacb Cyprian baben nur die Bischofe das Recbt zu 
taufen (73, 7), nur wer selbst den Geist bat, kann ibn anderen geben. 
aind die Stinden vergeben (69, 10. 11 ; 70, 1. 3 ; 73, 7 ; 74, 5 cf. 75, 9), 
nur der zuerst in der Kircbe Greborene kann- den Greist erbalten (74, 7), 
der Grlaube der Haretiker ist ein anderer als der der Kirche (73, 21). 
.Endlicb. bat sicb. Cyprian der Tradition gegeniiber immer wieder auf das 
consilium sanae mentis berufen (68, 2 ; 71, 3 ; 73, 13 ; 74, 2. 3. 9 cf. 
75, 19) und die "Wanrbeit der Grewobnheit gegeniiber gepriesen. Non 
est autem de comuetudine praescribendum, sed rations vincendum (71, 3); 
consuetudo sine veritate vetustas erroris est (74, 9). Das heifit, er hat 
sicb auf die logische Konsequenz aus seinem Kircbenbegriffi und auf 
seine personlicbe TJberzeugung berufen. Dagegen bat Stepban sicb auf 
die alte Tradition gestiitzt und die Berufung auf seinen apostoliscb.en 
Primat binzugenominen (75, 17); 1 ) aucb seine sana mens wird dabei 



WR der Kraft willen, die nacli Act. 4, 12. Phil. 2, 9 ff. diesem Namen einwokat, 
haben die Apostel auch solchen, die den Geist hatteii, die Wassertaufe befohlen 
(5 fin. 6). Die Ansicht des Verf. ist also, dafi wegen der zauberhaften Kraft, die 
4em Namen Christi einwohnt, und sich wirksam erweist, auch wenn Haretiker 
den Narnen beniitzen, eine Taufe auf diesen Namen als geniigend anzusehen ist, 
freilich nur ini Sinn eines initium quoddam mysterii dominici commune nobis 
et ceteris omnibus . . ., quod-possit postmodum residuis rebus impleri (7); diese 
Erganzung (invocatio nominis lesu . . ,, si rite suppleta postea fuerit, 12) wiirde 
im Sinn des Autors in dem Glauben an die triadische Bekenntnisformel und in 
.dern Empfang- der Handauflegung bestehen. Das personliehe Interesse des Autors 
richtet sich durchaus auf die Geisttaufe. AuISer der Kraft des Jesusnamens und 
der non inodica praerogativa, .die er veiieiht (6), weiC er nichts von der Wasser- 
taufe zu sagen, auch nicht die Wirkung der Vergebung, die perso'nliehen reli- 
giosen Wirkungen haften an dem Geist, der freilich in der Eegel mit derWasser- 
taufe zugleich empfangen. wird. Cyprian hat (ep. 73, 16 18) die Jesustaufe des 
.Autors scharf zuriickgewiesen. Der Autor ist ein Bischof (10), der zu Stephan 
lialt. Hat Cyprian, wie der Autor ihm vorwirft (3 init.), den Geist mo'glichst eng 
.mit der Wassertaufe verbunden, so hat sein Gegner die Wassertaufe und den 
Geist mo'glichst voneinander getrennt. Er hat Cyprian einen streitsiichtigen 
Neuerer genannt (3. 8) und fiir seine eigene Ansicht die alte Tradition in An- 
spruch genommen (15 fin. 19). Mag er auch selbst im polemischen Interesse die 
Tradition einseitig gedeutet haben, so ist dock das Vorhandensein solcher Tradi- 
tionen im Gesichtskreis eines italischen, Eom nahestehenden Bischofs des dritten 
Jahrhunderts iiberaus merkwiirdig. Im iibrigen erkennt man in der Schrift auch 
eines der Motive, die spater zur grundsatzlichen Abtrennung der Hschoflicheo, 
Xonfirmation von der Taufe fiihrten. Vgl. Ernst in Ztschr. f. kath. TheoL, 
.1900, 425 ff. Beck in Katholik, 1900, .1, 40 ff. H, Koch, Die Tauflehre des 
.lib. de rebapt., 1907. . 

1) Vgl. Cyprian in der Praefat.. der, Sentent. episcop.: quid sentiamus, 
proferam^ls neminem iudicantes aut a iure commimicationis aliqiiem, si diversum 
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 33 



514 18. Die iFbrtbildung des Kirchenbegriffes. 

mitgesprochen haben in Grestalt der kircberipolitischen Erwagung, den 
Novatianern den B/iicktritt zn erleichtern. 1 ) 

Stephan ist bei seiner IJberzeugung gebliebeh tind es -ist ihm bitterer 
Ernst mit ihr gewesen, sodafi er Cyprian ansah fur einen pseudochristum 
et pseudoapostolwn et dolosum operarium (ep. 75, -25), die Gremeinschaft 
mit den afrikanischen Kirchen (ib. 6. 24. 25), sowie init den kleiii- 
asiatischen aufhob (JDionys b. Eus. YH, 5, 4). 2 ) Demgegenuber hat 
Cyprian nur gewagt, die afrikanische Praxis als auch berechtigt zu be- 
zeichnen , die entgegengesetzte Anscnauiing aber -ebenfalls ane'rkannt 
(z. B. sent, episcop. praefat. ; ep. 72, 3 : 73, 26). Aber Cyprian scheint 
die Genugtuung zuteil geworden zu sein, daB Sixtus II. von Som. 
(257 ^258) nicht nur seinen Kirchenbegr'iff akzeptierte, sondern aucn 
endlich an alien Grefallenen die Vergebung vollzog, auch darin de'n 
Afrikanern folgend. 3 ) Die romische Beurteilung der iKetzertaufe ist 
beibebalten worden, doch natte ja auch Cyprian dieselbe freigestellt. 4 } 
Diese Praxis hat sich ini Abendland bald durchgesetzt, wahrend im Orient 
wahrend des ganzen vierten Jahrhunderts die Wiedertaufe der Haretiker 
die Eegel blieb. 5 ) 

: senserit, amoverites, neque enim -qmsquam nostrum episcopum se 'epi'scopdnim 
constitute aut tyrannico terrore ad obsequendi necessitatem collegas suos adigiL 
Diese Worte auf der Herbstsynode 256 sind veranlafit durch ein Schreibei. 
Stepbans (das aus ep. 74 zu erscbliefien ist), s. Nelke a. a. 0. n. Har-nack, 
Cbronol. II, 3581 

1) Vgl. Harnack, Texte tind Unters. XIII, 1, S. 22. 67. 

2) s. Nelke a. a. 0. S. 109. 126. 129fL, dagegen-J. Ernst, IPapst Stephan I. 
etc. S. 80ff. 

3) s. die Schrift ad Novatianum, voii der Harnack a. a. 0. es im bochsteii 
Grade wahrscbeinlich gemacht hat, daC sie Sixtus II. angehort. 

4) tj'be'r die schweren Kampfe urn die Wiederatifnahme der 'lapsi in Rom 
von 306309 wisseii wir nur wenig, damals scheiiien die rSmisohen BischSfe 
Marcell. I und Eusebius wieder eine strerigere Praxis vertre'ten zu haben, s.. 
Harnack PEE. XII 3 , 259. 

5) Basilius der Gr. weifi, 'daJS in Kappadocien 'die : r6mische Verwerfung der 
Wiedertaufe anerkannt ist, ist aber der Meiimng, daB sie an Haretikern forzu- 
nehmen ist (ep. 188, 1; 199, 47, vgl, K. Ho 11, Amphilochius V. Ikcinium 1904, 
S. 23). Zu NiCaa (325) wird die Wiedertaufe der Anhanger Pauls v. Sainosa'ta. 
beschlossen (can. 19), ebenso hat Athanasiiis 'die Ta'ufe -der Aria'ner fiir -nlchtig 
erklart (c. Arian. or. II, 42. 43). Cyrill v. Jerus. verlangt die Wiedertaufe 'der 
Haretiker, weil ihre erste Taiife ke'ine wahre Taufe gewesen (proca't. 7), s. ; noch 
Const, ap. VI, 15. Auf der Synode zu Aries im J. 314 wird im Hinblick a'uf 
die afrikanische Wiedertaiife festgestellt, daB eine so'lche nicht stattfinden soil, 
falls die Taufe des Haretikers auf die Trias Yollzdgen ist; dann : genuge die Hand- 
auflegung, kennt der Taufling die Trias nicht, so ist er wiederzutaufen (can. ! 8). 
Bei Augustin steht die Gultigkeit der Ketzertaufe fes't (z, B. ; de bapt. I, 5, 7;. 
12, 18. VI, 1, 1). 



Die romische und die afrikanische Anscliauung von der Kirche. 5l5 

7. Blicken wir auf die dargestellte Entwicklung zuriick, so 1st zu- 
nachst erkennbar, wie eng die Geschichte des Bufiinstituts mit der Ent- 
wicklung des Kirchenbegriffs verbunden 1st (s. oben : S. 494). Sodann 
aber, dafi diese Entwicklung im ganzen eine Einheit darstellt, die 
durch Cyprian ihren klassischen Ausdruck erhielt. Diese Einheit besteht 
in einer Fortbildung des Gedankens des Irenaus und des Tertullian : der 
. Bischof als Inhaber der apostolischen Wahrheit 1st nach gottlichem Kecht 
der Regent der Kirche und des kirchlichen Lebens, sodafi der Abfall 
von ihm zugleich Abfall von Kirche und Christentum ist. Nun aber 
haben die Homer Kallist, !Movatian, Stephan die Autoritat des 
Bischofs axtsschliefilich auf seine amtliche Stellung begriin'det und deni- 
gemafi in den gegebenen apostolischen Institutionen das 'iFeld seiner Be- 
tatigung erblickt. Dagegen haben die Afrikaner Cyprian wie auch 
seine Gregner zu der geschichtlichen Autoritat des Bischofs seine 
pneumatische Ausrustung hinzugefugt und -daher ihm Grewalt auch liber 
die Institutionen beigelegt. Fur beide - war also der Episkopat der Nach- 
folger des Apostolats, aber fiir erstere nur im geschichtlichen kirchen- 
rechtlichen Sinn, fiir letztere zugleich im Sinn personlicher pneumatischer 
Nachfolge. Erstere haben den Ansatz des Irenaus konsequent fort- 
gebildet, letztere haben ihn erganzt durch eine besonde're Inspiration der 
Bischofe, nach diesen hat der Bischof den Gfeist in sich, nach jenen 
verfiigt er iiber den in der apostolischen Lehre und den kirchlichen 
Institutionen besch'lossenen Geist. Es ist merkwiirdig, wie tief diese 
Differenz wurzelt. Novatian hat , soviel wir sehen , sich nicht durch 
seine Lage zum Greisttum fortdrangen lassen, er hat die Martyrer nur 
zu Qrganen seiner kirchenregimentlichen Gewalt gebraucht und dahef 
,,betrogen". Cyprian dagegen hat seinen afrikanischen Gegnem nicht nur 
in der pneumatisch begriindeten Bufipraxis nachgegeben, sondern 
er ist mit ihnen schliefilich auch 'einig gewesen in der Anerkennung des 
Primats des 'Greistes in der Kirche, nur 'dafi er den Geist in dem Episkopat 
'konzentrierte und die historische Autoritat mit ihm kombinierte. Aiif 
ihn hat nicht nur der friihere, sondern auch der mdntanistische Tertullian 
eingewirkt. Die ,,heilige Kirche" -hatte man in Rom, sofern heilige 
'apostolische 'Ordnungen herrschten, in Afrika kam liinzu, dafi ;heilige 
Manner diese handhabten. Dort war -die personliche Heiligkeit des 
Bischofs -eine Prage untergeordneten Kanges, Her war sie eine Saupt- 
frage, 'dort hing alles an den G'esetzen und korrekten Formen, iier kain 
'die personliche Qualitat mit in Betfacht. Dazu tritt endlich di& 
Differenz in der Auffassung des Primates Petri. Man hat in E,om hierbei 
an eine feste Institution gedacht und daraus die Konsequenzen gezogen^ 

33* 



516 19. Die Gesamtauffassung des Christentums. 

wahrend fiir Cyprian der geisterfullte Apostel nur die syrnbolische Einheit 
aller pneumatischen Kirchenleiter darstellt. 

Man darf uber dieser Differenz der Anschauungen die Einheit in 
ihnen nicht iibersehen. Aber gerade dies Beieinander differenter und 
einheitlicher Momente schlofi den Antrieb zur weiter.en Entwicldung in 
sich. Davon \vird spater zu reden sein. Hier sei nur noch daran 
erinnert, dafi die angestellte TJntersuchung uns die Grundlagen kennen 
gelehrt bat, die die Mitarbeit des Abendlandes am dogmatischen Streit in 
der voraugustinischen Zeit bestimrnen. Es ist einmal die IJberzeugung, 
dafi die ganze apostoliscbe Wahrheit im Taufbekenntnis zusainmengefafit 
ist, es ist sodann der Gedanke, dafi der Episkopat nacb gottlicbeni Hecht 
die Kircbe regiert, so dafi die Cbristen ibm in alien Fragen der Lebre 
wie des Lebens zu geborcben baben und es ist endlicb die praktiscbe 
Anscbauung von der unitas ecdesiae, die als ein unter seinen Regenten 
geeinter Staat lebt, wirkt und siegt. 



19. Die Gesamtauffassung des Christentums. 

Je welter die DGr. forts cbreitet, desto mebr wird das Dogma eine 
selbstandige Grb'JSe gegeniiber den kircblichen Institutionen. Zwar wirken 
beide Grofien aucb weiter aufeinander ein, aber docb hat jede von ihnen 
,eine relativ selbstandige Gescbichte. Im 3. Jahrhundert wirkt die Bufi- 
praxis und die damit zusammenbangende amtliche Organisation der Earche 
noch energiscb niit zur Hervorbringung lebrhafter Anscbauungen. Aber 
diese wie jene kniipfen an kraftig entwickelte Anfange an, und aueb 
das Yerbaltnis beider zueinander ist ' in der Vergangenheit festgestellt 
^vorden. Daraus begreift es sich, dafi die dogmengeschicbtliche Darstellung 
nicbt aucb weiter in dem Mafi wie im 2. Jahrhundert auf die Einzel- 
entwicklung der kircblicben Institutionen einzugehen braucbt, was sicb 
ja auch aus der Eiicksicht auf den Umfang der Darstellung verbietet. 

"Wir baben es im folgenden mit der Gesamtanscbauung vom Cbristen- 
tum im 3.' Jahrhundert zu tun. Als Yoraussetzung ist uns dabei der 
^ustand der Lehre und der kirchlicben Praxis gegeben, wie er sicb in 
den grofien Kampfen um die Wende des 2. und 3. Jabrhunderts heraus- 
gebildet hatte. Der Gegensatz zu Gnosis und Montanismus hatte dem 
alten Kircbentum und der alten Lebre neue gefestigte Formen verliehen. 
Irenaus, Tertullian und Hippolyt, Clemens und Origenes haben diese 
Eormen gepragt. Auf diese scbopferische Zeit ist eine Periode der 
Aneignung und der Anwendung gefolgt. Es ist daraus verstandlich, dafi 
die Kirchengescbichte an den Bildungen des 3. Jabrbunderts einen. liber- 



Die nachorigenistische Theologie. 517 

aus reichen Stoff hat, wahrend die DG. von prinzipiell neuen Gesichts- 
punkten verhaltnismafiig wenig zu berichten hat. Wir handeln zu- 
nachst von der Gesamtanschauung der griechisehen, dann der lateinischen 
Vater. 

I. Die griechischen Theologen. 

* 

Unter diesen sind zu nennen Dionysius v. Alex, (f ca. 265; Fragmente 
bei Eonth, Eeliq. sacr. III. IV), Ho 11, Fragmente vornican. Birchen vater 
(Texte n. Unters., N. F., V, 2), 1899, S. 146 ff. Pamphilus, Apologia pro 
Origene: Eouth III IV. Theognost (ca. 280, s. Phot. cod. 105 u. vgl. F. Die- 
kamp in Theol. Quartalsclir., 1902, 481ff. Harnack in Texte u. Unters., N. F., 
IX, 3 S. 73ff. Pierius (z. Z. Dioldetians, s. Phot. cod. 119). G-regorius 
Thanmaturgos (s.Caspari, Qnellenetc. 1886, S. Iff. Migne. gr. 10. Lagarde, 
Analecta syr., 1858. Eyssel, Greg. Thamn. Leben nnd Schriften. Pitra, 
Analecta sacr. III. IV). Hierakas (Epiph. h. 67). Vor allem aber Methodius 
von Olympos (Schriften eel. Bonwetsch, s. oben S. 490 A. 3, vgl. Pankan, Meth. 
Bisch. v. Olympus in ,,der Katholik" 1887, II S. 118 ff., 225 ff. nnd N. Bon- 
wetsch, Die Theologie d. Method., 1903),- ueben ihm sein alexandrinischer Zeit- 
genosse Petrns (f 311; Fragmente bei Eonth, Eelici. sacr. IV. Pitra, Ana- 
lecta sacra IV, 187 ff. resp. 425 ff. vgl. C. Schmidt, Fragm. einer Schrift d. 
Martyrerbischofs Petr. v. Alex. Texte n. Unters., N. F., V, 4 b , 1901). Zu den 
literaturgeschichtl. Fragen s. Harnack, Gesch. d. altchr. Lit. I, 409 ff., 428 ff., 
437 ff., 443 ff.) nnd Chronolog. II, 5779. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. 
Lit. II, 195 ff. 

1. Die G-edanken der griechischen Theologen stehen unter dem 
EinfluB des Origenes, aucb. an energischen Gegnern 1st das zu spiiren. 
Seine dogmatischen Pornieln und Probleme wirken fort (Schopfung, 
Homousie des Sohnes, Geist und Leib, Preiheit, Aiiferstehung, Schrift- 
verstiindnis usw.). ' , 

Die Geschichte der Lehre des Origenes gleicht der aller Theologen 
ersten Ranges. Die Theologie des Origenes hat die weit- und tief- 
gehendsten Einwirkungen ausgeiibt, aber das Grofite in ihr, den Trieb 
zu einer einheitlichen religiosen Anschauung, vermochte man nicht zu 
assimilieren. Man hielt sich an das Einzelne, man machte die Ideen des 
Meisters zu festen Lehren und man liefi die grofien lebensvollen Tendenzen 
zu Schulnormen verknochern. 1 ) Das gilt in mehrfacher Hinsicht. 
Origenes hatte mit feinem Takt fur das Mogliche und Notwendige drei 



1) Vgl. Kattenbusch, Das apostol. Symbol II, 220 f.: ,,Was 0. letztlicb. 
noch in wirklicher geistiger Freiheit sich vergegenwartigt hat, die forniulierte 
Tradition der Kirche, das steht ihnen ganz anders autoritativ, innerlich bindend 
gegeniiber." ,,Auch sie wollen ja wie er alles aus den Schriften beweisen, aber 
sie sind Advokaten, wo er immer wieder erworben hatte." ,,Die Ensebianer 
haben nicht den Geist' des Meisters, sondern nur das Phlegma desselben konser^ 
viert". Das gilt schon von den Theologen des 3. Jahrhunderts. 



518 19. Die Gtesamtauffassung des Christentuins. 

Grofien miteinander zur Einheit verwoben, die kirchliche tJberlieferung,, 
die Autoritat der biblischen Biicher und die hellenische Philosophie., 
Aber sein Biblizisinus hatte ihn angeleitet die Kj.rcb.enleb.re groB und. 
allgeinein zu fassen, sein Hellenismus hatte ilini ermoglicht durch das 
Mittel der Allegorie nur das praktiscb Bedeutsame der Scbrift zu ent- 
nehmen, und sein Traditionalisnaus hatte den Hellenismus in seineri 
Scbranken gebalten. Das waren klibne und komplizierte Kombinationen, 
die nur das Genie niit innerer Lebendigkeit aufrecbt zu erbalten vermag. 
Man ist ihm bierin zunachst gefolgt, aber was in seinem. beweglichen 
Geist zu lebendiger Einbeit sicb zusammenschlofi, das isolierte man und, 
betracbtete es als rubende GroBe fiir sicb. So gewann man einen strengen 
Biblizismus, der init einzelnen ,,Stellen" bewies und widerlegte. Da die 
alte Grlaubensregel keine lebendige GfroBe mebr war, und man nicht wie 
das Abendland an dem Taufbekenntnis einen Ersatz -fiir sie besafi, fand 
man an der Bibel die einzige Lebrautoritat, deren einzelne Stellen mit 
kircbenrecbtlicber Verbindlicbkeit in den Streitigkeiten geltend gemacbt 
wurden. 1 ) Aber die Lebren, die man verfocbt, waren. nicbt ausschliefilicb 
auf dem Boden der Bibel erwacbsen, so blieb die ,,Lebre der Alten" 
oder die Tradition als ein zweites verborgenes Prinzip in Kraft. Man 
sagte Bibel und meinte Tradition, man bewies aus der Bibel und setzte 
das zu Beweisende stillscbweigend voraus. Ein unfreier Biblizismus und 
ein versteckter Traditionalisms standen nebeneinander, und fiir diesen wie 
jenen berief man sicb auf Origenes und durffce es tun. Dazu karn die 
Fortentwicklung seiner bellenisch beeinfluBten Einzellehren. Von Origenes. 
bat die griecbiscbe Christenheit nicbt blofi eine Ftille von Anregungen 
empfangen, sondern sie bat aucb unter seinem Einflufi den traditiona- 
listiseben Mifibraucb der Bibel und eine ,,bibliscb begriindete" aufierlicbe 
Ortbodoxie sicb angewobnt. 2 ) Und dazu kam, daB der pneumatiscbe 
Cbarakter, den Origenes dem forscbenden Tbeologen zuerkannt hatte, 
von seinen Nacbfolgern fiir sicb in Ansprucb genommen wurde. Die 
Tbeologie bat durch Origenes im Morgenland eine kirchlicke Autoritat 
erworben, die sie im Abendland in dem Grade nie besessen bat. 

Prinzipien, die nicht innerlich erworben sind, versteinern, aber bei 



1) Hierfiir sind die Schrirten des Methodius lehrreich, die Glaubensregel und 
das Taufbekenntnis macht er nicM geltend (vgl. Kattenbuscb. II, 191 Anm.), 
iin Prinzip ist er.strenger Biblicist (Bonwetsch, Theol. d. lleth. S. 153), aber 
er entnimmt der Bibel das, was seine Tradition ihn lehrte. 

2) Man vergleiche damit die Geschichte des AugustMsmus und des Luther- 
turns, vor allem aber die Einwirkungen Schleiermachers im 19. Jahr-/ 
htindert, der Traditionalismus von Philip pi oder Sch mid geht schlieClich auf 
ihn zui'iick. 



Umbildung des Origenismns. Dionys v. Alexandrien. 519 

diesem Prozefi zerstort leicht eins das andere. Per Traditiqnalismus 
ischwachte den Ernst des Biblizismus, und Biblizismus wie Traditionalis- 
inus drangten gemeinsam zu der Einschrankung der allegpriscben Bibel- 
erklarung und zu der Eliminierung der ,,philosophischen" Lehren. 
PreUich haben. noch zu Ende des 3. Jahrhunderts Manner wie Theognost 
und Pierius in allem.,. soviel wir sehen, sich dem Origenes angeschlossen ; 
sie haben seine Lehren von Christus und dem heil. Greist reproduziert 
und haben auch die rtQOvrtaQ^ig ijjv^wv gelehrt. 1 ) Noch spater lehrte 
ein begeisterter Origenist und. Schrifttheolqge Hierakas, den Origenes 
Tibertreibend, eine. blofie fevev(.icii;i%r} ctvccGTCtois, er eiferte wider das 
sinnliche Paradies, allegorisierte bei der Erklarung des Sechstagewerks 
und stellte Betrachtungen uber den heil. Geist an; Christi Koniinen fand 
nach ihm zum Zweck der Yerkiindigung der Keuschheit statt: sv ds 
{.wvov TOVTO Kavoo&ajGai 7)A$ TO fi]V syviQdTSiav wrjQv^ai sv rfy '/.ooticp 
<Epiph, h. 67, 14). 

Yor diesen Theologen wirkte Dionysius, von dem oben schon 
die Eede war (S. 487 ff.). Seine Stellung im christologischen Kampf verrat 
in alien Punkten die Abhangigkeit von Origenes, aber zugleich auch, 
wie wenig Dionys sich den Origenisnius innerlich angeeignet hatte. Yoni 
Meister hatte er die Abneigung wider den Sabellianismus iiberkommen, 
durch den Gregensatz lafit er sich immer bibh'sch begriindend zu 
einem unertraglichen Subordinatianismus forttreiben. Dann tritt der 
Traditionalismus des Homers ihm in den Weg und sofort kapituaert er 
"vor ihm und besinnt sich auf andere Gfedanken des Origenes und 
spendet wieder biblische Belege. Die ganze TJnklarheit und der Mangel 
iner innerlich erworbenen Position tritt dabei deutlich zutage. Aber 
derselbe Mann hat mit starkem SelbstbewuBtsein gegen die Atomistik 
Epikurs und Demokrits pbleniisiert, er meinte sie widerlegen zu kb'nnen 
durch den Gredanken, dafi Gott und nicht die unverniinftigen Atonie 
diese Welt mit ihrer Ordnung hervorgebracht haben (jte^l cpvoscag 1. 7). 



1) s. die Berichte bei Photius, dazu Athanas. ad Serap. ep. 4, 11, de decret 25. 
Theognost hat in sieben Bitcliern iinotvncbaeis eine lehrhafte Zusammenstellung 
4er christlichen Gedanken geliefert, yon der rms durch Photius wenigstens die 
Einteilung- noch bekannt 1st. Er handelte 1) von Gott dem Vater, dem Demiurgen 
imd wandte sich gegen die, welche die $kri fur awa'iSios halten, 2) Ssiv y^ai tbv 

fccne^a. e%eiv vlov, diesen als '/sciaf.10, bezeichnend, xal t&v hoyiy.cov (.icrvov eTtiaratsiv, 

gemaB Orig. Lehre, 3) vom heil. Geist, wob.ei fees, dessen Existenz bewiesen 
werdeu sollte, sonst nach Orig., 4) ebenfalls wie Orig. von Engem und Damonen, 
welche acbfia.ro. 'Lvrtta. haben, 5 und 6) itegl lys svavd'Qconriaecos tov ocoTfjgos: 
e7ti%8i()sZ ftsv, MS s-S'os atiico, ifjv evav&gcbnriaiy tov vlov Svvarr]v elvtu Seiy.vijvat,, 

auch hier folgt er Orig., 7) 8 ml TCB^I &EOV 8rjf.uov^yias eMy^dysi, hat einen me.hr 
orthodoxen Eindruck gemacht, besonders gegen Ende, hmsichtlich des Sohn.es. 



520 19- Die Gesamtouffassung des Christentums. 

"NVieder trat er auf den Plan, urn die Schrift des agyptischen Bischofs 
N e p o s 'jEksyftog alfayyoQiOT&v z\\ wideiiegen. Dieser fromine und 
eifrige Schriftforscher war fiir das buchstabliche Verstandnis der Schrift 
eingetreten imd hatte an der Hand der Apokalypse das sinnliche' 
Millenium verteidigt. Er hatte in weiteren Kreisen Anhang gefunden, 
niclit nur Lehrer, sondern auch arckovct^oi schlossen sick ihm an, ganze 
Geraeinden nahmen eine scliismatische Stellung ein (Dionys b. Ens. li. e. 
VII, 24). Demgegeniiber enipfand Dionys echt origenistisch, ibm kam 
es an anf ,,hobe nnd grofiartige Gredanken" iiber die gottliche "Wieder- 
luinft Christi, iiber nnsere Auferstehuug und Vereinigung und Ver- 
ahnlichung [mit Christus, (.UXQCC xcd d-vrfid erblickte er in des Nepos. 
buclistablicher Auffassung. Das legte er in seiner Schrift rtSQi ETtayyeliGw 
dar. Er half sich damit, dafi er die wortliche Erklarung fiir umnoglich 
erklarte und auf den fia&vreQog vovg hinwies. Die Apokalypse wagte 
er niclit zu yerwerfen, weil viele Briider sie anerkennen, auch dies Ab- 
wagen der Anerkennung der Biicher hat Origenes zum Yorbild ; aber 
aus Griinden der inneren EJritik Vergleich mit Sprache und Greist 
des 4. Ev. iind des 1. Johannesbriefes komnit er zum Resultat, da6 
der Verfasser der Apokalypse nicht der Apostel Johannes sein konne, 
sondern ein anderer Prophet (Eus. h. e. YII, 25). So hat die Riicksicht 
auf das kirchliche Herkommen die Kritik des Dionysius gebunden, um 
so hoher ist es ihna anzurechnen, daB er fest bei seiner tlberzeugung 
von dem geistlichen Charakter der Herrschaft Christi und der ewigen 
Seligkeit beharrt hat. Er ist ein Typus der kirchlichen Origenisten, 
wie etwa spater Eusebius, die gewisse Grrundpositionen des Meisters fest- 
hielten, aber stets zu Konzessionen und Abstrichen bereit waren im Sinn 
der kirchlichen Tradition. 

Die praktischen Kirchenmanner sind in dieser Richtung welter fort- 
geschiitten. Petrus von Alexandrien hat nicht nur die traditionelle 
Christologie vorgetragen (s. oben S. 490), sondern auch die Praexistenz 
der Seelen heftig bekampft, da die Schopfungsgeschichte nichts von ihr 
wisse; sie sei ein (.idd-rftia xfJQ 'Elkyvr/.'fjs cpiloao(pias, Seele und Leib 
Adams seien gleichzeitig erschaffen (Bouth IY, 49 f. Pitra IV, 193. 429. 
Holl, Erg. d. vomic. Vater S. 208). Ebenso hat er die Auferstehung 
der Leiber mit alien Grliedern, so wie ,,unsere Leiber in die Grraber gelegt 
wurden" und wie Christus erstanden ist, behauptet. Introdwitur duratio 
aeterna cum gloriosa essentiae dei communications (Pitra IV, 189 fL 427 ff.). 
Diese Vereinigung des Menschen in seiner leiblichen Substanz mit der 
gqttlichen Substanz wird aber erreicht durch die Erkenntnis der Wahr- 
heit, wie sie das Christentum uberliefert. Opus proprium christianismi 
est erroris experlem tradere scientiam atque illos, qui ca p&rficiunhir, ad 



Nepos, Petrus v. Alexandrien. 521 

beatam vitam adducere (Pitra IV, 429). In diesem Satz spricht sich das 
griechische Ghristentum sehr deutlich aus, aucli Clemens oder Origenes 
hatten ihn schreiben konnen. 1 ) Aber die Anregungen des Origenes 
sind sehliefilich nur in dem TJmfang rezipiert worden, den die artkova- 
tSQOi und die Ttokkoi gestatteten. "Was sie nicht mochten, wurde ge- 
strichen. Aber schlimmer war es, daft damit der Protest des Origenes gegen 
das Vulgarchristentum hinfallig wurde. Ein Christentum inneren Erlebens 
und eigener Erkenntnis hatte er verlangt, man hat infolge dessen auf 
die Erkenntnis viel Grewicht gelegt ; aber man verstand darunter nur die 
Annahme iiberlieferter Erkenntnis, nicht die selbsterworbene Einsicht. 
Man kann sagen, daB unter den Einwirkungen dieses Origenismus die 
artkovGTSQOi blieben wie sie waren, sie empfingen nur einen erweiterten 
Erkeuntnisstoff, keine vertiefte Erkenntnis, und sie wurden dadurch an- 
geleitet, sich zu gebarden, als waren sie solche yvcoGTixoi, wie sie Origenes. 
sich dachte. 

2. Das ist die Theologie der Naclafolger des Origenes. Die einen 
repetierten die Eormeln des grofien Theologen, die anderen modifizierten 
sie nach den Anforderungen der Menge und der TJberlieferung zuliebe, 
und stiefien aus, was allzu ,,hellenisch" klang. Beiden war die starke- 
Tendenz auf Forderung der innerlichen christlichen Erkenntnis gemeinsam r 
aber das Mittel dazu war die dogmatiscne Formel. Manner wie Dionys, 
Grregor Thaumat. und Petrus sind die wahren Vorlaufer der Theologie 
der Zukunft gewesen. Was man von Origenes empfing war einmal 
ein ungeheurer Bespekt vor der religiosen Erkenntnis und damit im 
Zusammenhang das Bestreben sie auszubreiten und zu steigern. Bei 
Origenes selbst war zwischen den Theologen und den Yollkomnienen 
Christen kein Unterschied, man hat jetzt alle Christen dadurch zur 
Vollkommenheit zu fuhren versucht, dafi man sie zu Theologen zu machen 
trachtete. Die philosophische Erkenntnis denaturalisiez-te man, so dafi sie 
als bloBe Technik des dogmatischen Denkens gait tind so ruhig fortr 
bestehen durfte. Man rrrafi das alles im Auge behalten, um die grofien 
Kampfe der folgenden Jahrhunderte zu verstehen. Eine andere 
bleibende "Wirkung des Origenes war die strengere Fassung der Autoritat 



1) Fiir die geistige Art des Petrus ist uberaus charakteristisch der Brief, 
den C. Schmidt (s. oben) mitgeteilt hat, den ieh iiiit ihm fiir wesentlich echt halte. 
Einerseits hort Petrus des Nachts eine himmlische Stiinme, audrerseits befiehlt er den 
Kirchenbesuch und die Enthaltung von jeder Arbeit am Sonntag; man soil acht 
geben ,,auf die Vorlesung der heil. Schriften und Brot geben den Bediirftigen", 
Siinden am Sonntag werden rnit AusstoBung aus der Gemeiuschaft der Christen 
bedroht etc. Das ist eine so aufierlich-gesetzliche Auschauuug vom Souutag, wie 
sie in voniicanischer Zeit sonst kaum vorkommt. 



522 19. Die GesamtauffassuMg des Christentums. 

der Heil. Scbrift, speziell des N. T. Sie war binfort die eigentlicbe 
Wabrbeitsregel Lei den Griecben, libri ecclesiastici nennt Orlg. in cbarakte- 
ristiscker "Weise ibre Bestandteile (de prine. praef. 8). Hierdurch ist 
einerseits das exegetiscbe Studium machtig angeregt worden, andrerseits 
niachte sicb, sollte die Scbrift wirklicb als Kanon gelten, das Bedurfnis 
lebbaft geltend sie als feste sicher umrissene GroBe zu besitzen. Die 
Grenzen des N. T. des Oiigenes waren nocb nicht festgezogen -^- eben- 
sowenig bei Lucian oder Eusebius - 1 ) T, erst nacb. den grofien dograatischen 
Kainpf en des 4. Jahrbunderts bat der grofite Fiibrer in. diesen Kampfen 
das Bediirfnis nacb eineni fest abgescblossenen neutestanientlicben Kanon 
empfunden. In dem Osterbrief von 367 ist Atbanasius diesern Bedtirfnis 
nacbgekommen. 2 ) Der Gegensatz gegen die Haresie leitete ibn dabei 
sowie die TJberzeugung, dafi diese Biicber auf Obristus selbst zuriick- 
geben und daB sie alle "Wabrbeit entbalten. 3 ) Hier ist. zum ersteninal 
der nocb betite gtiltige Kanon von 27 Biicbern autoritativ fixiert worden. 
Neben den Kavovid/.iei>cc laBt Atbanasius nock gelten die qi>ayiva)axd[.ieva 
(Sap., Sir., Estb., Judith, Tobit; Didacbe, der Hirte), aber in scbarfer 
Sonderung von jenen. In dieser Tat des Atbanasius ist eine der 
wicbtigsten .Konsequenzen aus der Lage zu erblicken, die Origenes ge- 
scbaffen bat. Der alte Kanon der griecbiscben Obristenbeit ist gescbwunden, 



1) tfber Orig. s. Zahn, GrimdriB der Gesch. d. neutest. Kaiions 1901. S. 41 ff., 
liber Lucian und Euseb. ebenda S. 53 ff. 

2) s. Zahn, Gescli. d. neutest. Kan. II, 203 ff.; C. Schmidt, Der Osterfest- 
brief des Ath. (Nachr. d. Gottinger GeseUsch. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. 1898 H. 2' 
sowie 1901 H. 3), wo der Text nach einer -kopt. Handschr. vollstandiger als bigher 
mitgeteilt ist. Zahn, Ath. u. d. Bibelkanon 1901. J. .Leipoldt, Gesch. d. 
E.eutest. Kanous I, 78 ff. 

3) Einige Stellen aus dem Brief zum Beleg : Die Worte, welche die Jilnger 
verkiindigten, waren nicTit die ihrigen, sondern die, welche sie vom Erloser gehort 
batten. Desioegen, selbst wenn Paulus lehrt, ist es melmehr Ghristus, der in ilim 

redet. -. Jesus Christus gleichsam der Logos des Vaters . . . ist mit Recht 

<illein der -Lehrer (Schmidt S. 177). Als ich hb'rte, dafs die Haretiker, vielmehr 
die elenden Heletianer, sich der sog. Apokryphen ruhmen (Schmidt Abh. v. 1901, 
S. 5). Dies ist nun kein Wunder, dafs sie tot in ihrem Unglauben geUieben 
sind . . ., ivir aber . . . feiern . . ., indem wir die heiligen Schriften besitzen, 
die fur uns genugen, um uns vollkommen zu belehren (Schmidt S. 179). 'B/.I.&V 
(us K'/ftvrmv Tigbs acon^iav ras &sias y^ayds. ;,-r- Nach dem Verzeichnis: Tavra 

tov acaifj^iov, wais vov SiijJ&vta, efupogeZod'at iwv sv VOIJTOIS koyicov ' &v 
/uovois to i7]s eiiasfistas SiSa.ay.alsiov Eiia.y.ys^i^erai ... M-tjSeis ZOVTOIS sTti- 

f.irjSe TOVTCOV dycugelad'co 11. Kal Sficag . . . yA'/.eiyu>v 

y.al tOToiiov avayivcoay.of.ievcov, oiiSafiov T&V ajtoy.Qvtpcoy /.ivrffirj^ dJk'ka atQetmiav 
eTtivoia yoayovTcov fiev ois Sel.ovaiv avid, %a()ifl(j,ev(Dv 8s vat 
atiiols %oovovs, 'iva, d>s Ttalaiu TtpoacpepovTss Ttgocpaaiv Is'^oiaiv catatav ex 
TOVS dxeoaious. 



Der -Biblizisnras. Methodius. . 523 

die Schrift ist an seine Stelle getreten ; dem entspricht der Wandel im 
Sprachgebrauch, seit Mitte des 4. Jahrhunderts erst wird es iiblich die 
:Schrift als ,,Kanon" zu benennen. 1 ) Alles, was einst yon der Glaubens- 
regel gait, wird jetzt auf die Schrift ubertragen: sie riihrt von Christus 
her, sie umfafit die Heilslehre, sie ist die "Waffe im Kampf wider die 
.Haretiker. Das Erbe des Origenes an die griechische Kirche umfafit 
nicht nur die Spekulation und das Dogma, sondern auch einen prin- 
.zipiellen Biblizismus, den man iiber jenen ersten Mpmenten nicht iiber- 
:sehen darf. 2 ) 

3. Mit den Einwirkungen des Origenes verbanden sich aber noch 
.andere Eleinente der Yergangenheit. Ein interessantes Beispiel einer 
'Theologie, die stark von Origenes bestimmt ist, aber doch in schroffem 
Gegensatz zu seinem Spiritualismus steht, stellt die Theologie des 
Methodius dar. Aber dieser Kleinasiat hat eingehender und origineller 
.als sein alexandrinischer Zeitgenosse Petrus, mit dessen Negationen er 
;sich beriihrt, die positive Anschauung der alteren Tradition darzustellen 
verstanden. Er hat nicht nur Korrekturen an Origenes vorgenommen, 
sondern er hat innerlich eine Verschmelzung der Theologie des Irenaus 3 ). 
mit der des Origenes zu vollziehen sich bemtiht. Zwar sieht er von 
dem Traditionsprinzip der Grlaubensregel bei Irenaus ganz ab, diese E/egel 
war auch in Kleinasien nicht mehr eine konkrete und lebendige GroBe. 
.Seine Autoritat ist die Schrift, darin steht er auf dem Boden des Origenes. 
Aber seine Anschauung von der Schrift wird modifiziert durch den irena-i 
ischen Realismus. Einen ,,Centauren" nennt er bezeichnenderweise den Orig. 
(de creat. 2. 6). Seine Methode ist ihm zuwider, scharf greift er die 
:allegorisehe Exegese an (conviv. Ill, 2. resurr. I, 39, 2; 54, 6 ; HE, 
'9, 4ff.), aber er selbst verwendet sie, wo sie ihm pafit, mit Yirtuositat 
(s. die Eegel res. Ill, 8, 3. 7 cf. v. Aussatz 4, 5). Eine ,,Theologie 
der Tatsachen" gedenkt er wider die Theologie der E/hetorik" zu ver- 
f echten : V.OL yctQ ovd.ev sv avrols vyieg oAwg ovds it&yiov, ak"kh cpavrccoia 
{.tovov evTtQeicrjg grfiidrcov rtQO$ /.ardrtkyfyv /.tovov i&v &KOVOVTWV ytal 
ycsi-d'O} xai;GK6vcia[.ivr] (res. I, 27, 2). Yon der Praexistenz der Seelen 
und dem vorzeitlichen Fall, von der geistigen Deutung der Auferstehung 
will er daher nichts wissen (z. B. res. I, 55, 4; III, 1, 1; 2, 2f. ; 
3, 3 ; 5 ; 7, 12 ; 12), eine ,,Zerstorung der Auferstehung" ist ihm letztere 
<ib. I, 27, 1). 

In kurzer Skizze sei nun ein Bild seiner Gesamtanschauung gegeben : 
1) Der allmachtige Gott hat aus Liebe, um der Menschen willen, diese 

1) s. Zaha, Grmidrifi S. 7ff. und vgl. Kunze, Glaubensregel etc. S. 244ff. 

2) Mt Eecht hat Kunze a. a. 0. dies kraftig betont. 

3.) Vgl. iiber seinYerhaltnis zu Irenaus Bonwetsch, Theol. d.Meth. S.164fE. 



524 19. Die Gesamtatiffassung des Christentums. 

"Welt aus niclits erschaffen, sowohl die ovGiai wie die fCOLOT^nsg (de lib- 
arb. 7, 49, 1 ; 22, 7. 8). Die Welt ist nicht ewig (de creat. 11. 2. 
de lib. arb. 22, 10. 11), aber da Gott nie untatig war, bestand die "Welt 
von Ewigkeit her dvvd/.iL in ihm (de lib. arb. 22, 9). Er schuf si& 
durcli den Logos. Tiber ihn wie den beil. Geist s. oben S. 491 f. 
2) Die "Wesensmerkmale des von Gott in der JZeit erschaffenen Menschen 
sind die Freiheit tmd die Unsterbliclikeit : avvs^ovoiog yaq &v 
avTOXQaTcoQ 6 av&QWrtog xal amodeonoxov (SovhrjGiv "/.al 
rtgbg vyv ctiqeoiv (res. I, 38, 3). Tsvof-ievov CCV-ES^OVGIOV ftQog 
ULQSGLV ToD xaAotf etc. . . ., o yccQ -9-sbg fixwas lov avtycortov srtl 
cxp-d-aQoia xal shova fijs idias aidLorrjTOS eTrohjosv avrov (res. I, 36 2 ;. 
34, 3 ; 51,5 conviv. VI, 1. 2). Hierin bestelit sein d-eoeidsg Y.a\ 
9-eoeiy.slov (res. I, 35, 2). Diese Wahlfreiheit ist nun voni ersten 
Menschen auf seine Uachkommen iibergegangen : wp 3 ov xal ol 5id(5o/jOfr 
TOW yevovg T^V 6f.ioiav skevd-EQiav exkrjQcbaavTO (lib. arb. 16, 2). Diese- 
sittliche Ansriistung des Menscben bedingt, dafi er Grottes Gebot zu er- 
fnllen in der Lage war nnd ist: TO (.lev jaQ dvva.O'd'Ul rtdQK 
y.av rrjv svcohyv )M[.i(3dvr] (lib. arb. 16, 7), ^(p 3 r^ilv yag vb 
/.eirat -/.ca TO /.ir] fCiOTSVGai, . . ., ecp 3 fyilv TO xamQ&dxjaG&ai xal 
a[.i(x()Tfjaai, scp 3 r^ilv TO a.ya$QTtoir\<5ai v.al xaxojTOttjfo'at (res. I, 57, 6 
cf. conv. VIII, 17). Da der Menscb fur die Ewigkeit erschaffen, sorgt 
Qott, daB dieselbe clem Menschen ancb wirklicb werde (res. I, 35, 2 4), 
Das ist die gennin griecbiscbe Antnropologie, wie sie die Apologeten r 
Irenans nnd Origenes gelenrt batten. 3) Der Neid des Tenfels auf 
den Menschen flihrte zum Siindenfall (lib. arb. 17, 5; '18, 4fi.), d. lu 
der Mensch brauchte seine Preiheit znm Ungehorsam gegen Grottes Gfebot. 
ISTicht eine Substanz ist das Bose im Menschen, sondern es ist eine Tat 
seiner Freiheit (ib. 13, 5). ,,Das Bose ist aber der Ungehorsam" (ib. 
18, 8; 17, 2. res. I, 38, 4), wie schon Irenaus sagt. Der Gleist der 
Welt gewann nun in dem Menschen die Herrschaft : OVTCOQ yocQ n 

e, ocpadqa[.i6)v re "/.al "koyiG(.iG)V avoweicov e 
f,isv tov sf.tcpvGtjf.iaTog tov 5-eov, 7t^ow5-ewg ds 
vfaxfjg, rjv 6 TColvitkoMQ, svsTtvsvosv eig fH-iftg ficpig (res. 1C, 6, 2). So 
hat der Mensch avTodeGnoTip ^ovlfj Kaxictv BLkaxo (res. I, 45, 2). Nichfe 
das Meisch hat somit Schuld an der Siinde, sondern die Seele (res. I r 
29, 8; 59, 3), aber: rtSv yaq a(.idQTrj/.ta y.al fCizr'jdsv/.ia TO Gvf.ifteQaG/.i(x 
xcG'cai diet T^g ffa^xo'g (res. II, 4, 3). Hinfort dringen bose Begierden. 
auf nns ein, deren wir freilich Herr werden sollen: -ov yag scp* ^ilv 
TO tvd^vf.islo&at rj f.irj Iv9v(.ieio&ai "Aelrai ia crcona, c&ka, TO 
TJ juij y^fjO^ai TOtg iv&vf.irjf.iaatv (res. DZ, 3, 1). Damit aber 
das Bose im Menschen nicht unsterblich werde, hat Gott aus Gnade 



Methodius iiber Gott, die Freiheit, den Tod, den Logos. 525 

den Tod eingesetzt (res. I, 39, 5 ; 38, 1 ; 45, 5 ; II, 6, 3). Er 1st eine 
.Strafe, die, wie jede Strafe, zur Besserung dienen soil (res. I, 31, 4; 
II, 18, 4). "Wie der Kiinstler die von einem Neidischen verdorbene 
-Statue zerbricht, um sie umzuschmelzen, so handelt .Gott, indem er den 
.Menschen sterben lafit (res. I, 43, 2f.). So. ist der leibliche Tod ,,der 
Heilsb'kononiie eingegliedert als das Mittel zur "Wiederherstellung des 
Menschen in seinen Zustand vollkommener Grottesgemeinschaft" , wie 
.Meth. ini Anschlufi an Irenaus und Theophilus lehrt. 1 ) Man spurt aber 
auch bier wieder, bei aller Polemik wider Orig., etwas von seiner 
Stimmung. 

4) Worin besteht nun das Heil, Avelches Christus der Menschheit 
gebracbt hat? Die Antwort fallt mannigfaltig aus. Durch Christi Blut 
werden die Seelen gereinigt, im Kampf ist er unser ,,Helfer". (Unter- 
scheidung der Speisen 15; 11, 4; 2, 1.) Er ist ,,Helfer, Fursprecher 
und Arzt", der ,.grofie Greber und grofie Heifer" (res. Ill, 23, 11). 
.Christus hat durch die Propheten des alten Bundes verkiindigt, dafi er 
Vergebung der Siinden und Auferstehung des Meisches bringen werde 
(conv. YII, 6). So hat uns ,,das Wort" ,,zur Wahrheit unterwiesen", 
und ,,zur Unsterblichkeit gefiihrt", ,,das Sterbliche in die Unsterblich- 
keit . . . verwandelt" (res. Ill, 23, 4. 6). Die Erlosung des Leibes 
bringt er den Menschen (res. II, 18, 8; -24, 4. conv. in, 5). Der 
beherrschende Grundgedanke des Methodius ist demnach der des Irenaus. 
Der Logos hat den Menschen angenommen und ihn zu seinem Organ 
und Kleid gestaltet. So iiberwindet in ihm der Mensch den Bosen und 
wird frei von der Verdanmmis, aber andrerseits durchdringt der Logos 
-auch mit seiner Weisheit, Gferechtigkeit und Unsterblichkeit wie seine 
eigene menschliche Natur, so das ganze Menschengeschlecht, er vollendet 
das Schopfungswerk, das durch die Slinde unterbrochen wurde, in der 
Menschheit (conv. Ill, 6 8). . Dadurch zuhochst verwirklicht sich die 
Erlosung, daB Christus in jedem einzelnen geboren wird und ihn zu der 
Vollendung bringt, die er an seinem eigenen Meisch verwirklicht hat. 
In denen, die durch die Taufe in die Kirche aufgenoninien werden, wird 
Christus geboren: 3 Ertidr} rovs ^a^axr^ag v.a.1 Ti]V exrvrtcoaiv xai, TT)V 
(vgl. Apoc. 12, 5) TOV XQLGTOV rtQOGl,a[.ip<xvovGiv ot 
Tijg xa# 3 bf-toicoGLV (.WQCpfjs ev ccvrolg exTvrtov[.i6vrjg iov 
hoyov nal sv avzoiQ yEvvio(.isvri Kara xr t v a/.^t/?^ yv&GLV xat rtiGnv 
&GTS ev exdary yevv&o&ai xbv XQLGVQV voyvug' Indem sie 
durch den heil. Greist niit Christo in Lebensgemeinschaft treten,- werden 
sie selbst gleichsam Christi : oiovei y^iotCov yeyovoTtov viov Kara 



1) s. Theophil. ad Autol. II, 26. Iren. Ill, 23, 6 und vgl. Bonwetsch S. 76. 



526 19. Die G-esamtauffassung des Christentums. 



TOV rtvsv t uai;o els XQIGTOV ^s^aymof-isviov (conviv. YIH, 8 vgl. Ephes- 
3, 14 17). Denn %u verkundigen die Fleischwerdting des Sohnes Gottes- 
von der heil. Jungfrau, nicht aber ebenso %u bekennen, da(3 er auch in 
die Kirche als in sein Fleisch komme, ist nicht vollkommen. Denn es- 
iniifS ein jeder von uns nieht nur seine Parusie in jenes heilige Fleisch 
behennen, ivekhcs von der reinen Jungfrau kam, sondern auch eine g lei che 
in den Geist eines jeden von uns (v. Igel 8, 2. 3). 1 ) Werde 
gestaltet durch Christus, der in dir ist (ib. 1, 6 cf. Untersch. d.. 
Speisen 4, 1). Christus wird uns bekannt, indeni er in uns wohnt (vgl.. 
conv. VIII, 9). Diese Genieiuschaft aber in dem heil. Geist bringt ein 
neues Leben und Streben, das zur Unsterblichkeit fuhrt, in uns hervor 
(v. Igel 1, 4. 6 ; 8, 35). ^dvvarov ds tov rtvev/.icci;os TOV ayiov 
f.iSTao^elv two. xat jWeAog KataJ^y^vai XQIGTOV, sav p] TCQOTSQOV y.ccl 
7tl TOVTOV ovyxavsh-d-cov 6 Ao'j/Qg I'tOTr} xoipyd'sls, Vvcc m]v avavetooiv 
v.al TOV ava"/.aiVLG(.i6v, ovvE^avaGTccs TOV VTCVOV tfy VTCSQ avrov xe/ot^- 
(i&Hj),*) y.al avTog (.iSTCihafisZv dw^fj ytvevf-iatog, avarthaa&els (conv.. 
IH, 8 ; "VU1, 10). Also Christus ist gekommen und kommt in den Menschen, 
Wohnung zu machen, wie einst in Adam, wie dann in deni Menschen 
Jesus, so nun in alien denen, die an Jesus glauben. Darum handelt es- 
sich, dafi der Logos oder die Geistinacht das Lmenleben durchdringt. 
Indeni dies durch den heil. Geist geschieht, werden die Menschen erneuert,. 
angeregt das Ghite zu erwahlen und so die Unsterblichkeit zu erlangen. 
Dabei handelt es sich dem Meth. keineswegs urn magisch-physische Vor- 
gange, sondern die Einwirkung des Logos ist eine geistig mystische, die' 
das menschliche Geistesleben anregt zu freier Entscheidung, zu Glaube,. 
Erkenntnis und gutem Werk, die es so erhebt und reinigt und dadurch. 
fur die Unsterblichkeit herrichtet. 3 ) Ubrigens sei daran erinnert, daB 
diese Gedanken, die in allem. auf Irenaus aber auch Origenes teilt. 
sie zuriickgehen, nach Seiten ihrer besonderen Pragung in deutlichem 
Zusamnienhang zu der Christologie des Meth. (oben S. 491) stehen. 

5) In dies neue Leben wird der Mensch durch die Kirche versetzt.. 
Dieselbe ist zunachst avvb TO a&()oiG(.ia naT TO GTicpog T&V TCSTCIGTSV- 
7.0TOIV (conv. IIE, 8; YII, 3), aber die Yollkommeneren und slttlich 
Gereiften machen eigentlich die Kirche Christi aus, die sein Werk zu. 
treiben vermag (ib.). Mit diesen Gedanken kniip'ft Meth. an Origenes. 



1) Die Geburt Christi in uns schon bei Sippqlyt oben S. 355. In der Mystik. 
spielt dieser Gedanke hinfort eine grofie Rolle. 

2) Bei deni Scblaf und der Ekstase kniipft Meth. an Gen. 2, 21 an: Adams 
Schlaf bezeichnet ,,die Ekstase des Leidens" Christi, diese wiederholt sich aber 
in jedem, der glaubig wird, vgl. Bonwetsch, Theol. d. Meth. S. 971 

3) Vgl. auch Bonwetsch S. 95. 



Methodius liber die Eflosttng "iifid die Kirche. 52Y 

an (oben S. 449). Ferner werden im j,Kleid des Herm" d. h. der Kirche, 
unterschieden die Gfeistlichen und Laien: denn -Aufzug nennt &r die 
kraftigere Ordnung der Kirehe, d. h. die Bischofe und Lehrer, Einschlag 
cib&r die, Untergebenen und Leute der Weide (v. Aussatz 15, 4). Das 1st die 
zweite Abstufung in der Kirche. Hierarchisch ist dieser Gredanke nicht 
(s. die Klage iiber die Bischofe ib. 17, 2). Die Kirche ist Christi 
"Weib, durch das ihm Kinder geboren werden. Sie ist daher die Mutter 
der Grlaubigen und in diesem Sinn etwas anderes als die Gremeinde : 
dvvaf-tis Ti ovaa v.a& eotvifyv STCQCC fwv vexvcov (conv. VHE, 5), di& 
uralte Yorstellung, dafi die Kirche eigen'tlich der heil. Gfeist ist (oben 
S. Ill A. 1) schimmert hier durch. Die Kirche bringt aber 'die 
Kinder des Logos hervor durch die d idatixcckloc (conv. HI, 8) und 
durch die Taufe (ib. YHI, 6 cf. TJntersch. d. Speisen 11, 6: denn 
wie %ur Erleuchtung und Belebung des Gelernten sind gesetzt warden die 
Gfeheimnisse). Diese lafit Ghristus in der Seele geboren werden (oben 
sub 4), versetzt in die Gfemeinschaift des Greistes und verleiht die- TJn- 
sterblichkeit, ei$ acp&aQtiiav avaysvv&vuai rigoGyxovtcos 61 ftsywrifffievot 
d. h. die Gretauften (conv. HI, 8). Die Haup'twirfcung der Taufe 1st 
also die Geburt Christi in r der Seele oder die Mitteilung des Greis'tes. 
Mit dieser Erleuchtung geht die Meinung Hand in Hand : der Mensck 
bedurfte der 'Hilfe %um 'Erwcihlen -des fromm'en Lebens, indem er (Lurch, 
diese Z'&iehen, welche sie %ur Erneuerung haben, plo'tzlich in der Seele 
erlette hte t wird, wodurch durcUaus die -Siinde gereinigt wird (TJntersch. 
d. Speise 12, 5). Das sind die Gfaben der Taufe; es ist klar, dafi die 
Gfeis'tmitteilung die Sundenvergebung ganz zuriickgedrangt hat, ebenso 
a'ber atich, dafi die 'Greistmitteilu'ng in der Weise der alten Mysterien 
,,plotzlich" er'folgt (vgl. Clemens oben S. 36-2). Freilich wird hierauf 
noch kein besonderes Grewicht gelegt und Meth. hat sicherlich eine 
innere Entwicklung dadurch nicht ausschliefien wollen, ,,nur im Prinzip" 
ist 'die Wandlung zu verstehen. 1 ) ^ ; So mehrt sich und wachst die 
Kirche , indem sie in Lebensgemeinschaft mit dem Logos steht : eig 
^o?* Kcxllog tied tthrj&og y.a-9- 3 fiftegav avt-avo(.ievrjs dta -Trjv 
xai xotvtifviav 'wv hoyov (ib.). So gebiert sie Christo Kinder, 
,ja sie gebiert den Logos selbst in den Herzen ,(ib. Vill, 11 in.). 2 ) 

6) So 'deutlich es ist, 'da6 der Mensch das dargebotene Heil mit seinem 
Willen zu ergreifen vermag, so -gewifi ist es 'auch, dafi die Siinde ihre 
lockende und reizeiade Macht noch weiter in ihm ausiibt. ffifiv 6s y.al 
TO rticrceuaai xai, srtl to vdcoQ ek&eZv TOV ayviouov, rtokkdxig sv 



1) So -richtig B o-n"W'e ; t ; s c li S. '-99. 

2) Uber das Abendmahl mir eine beilaufige Notiz v. Igel 4, 2. 



',528 19- Die Gesamtauffassung des Christentuins. 



oWg eugtaxdjUE^a. Der Gllaube dampft nur die Siinde, aber 
er rottet sie nicbt aus, er scbneidet die Luftwurzeln, aber nicbt die 
Wurzel selbt ab (res. I, 41, 2 4). ,Mebr vermag der Menscb nicbt 
.zu tun (ib. I, 44, 4) der Tod leistet es erst. Aber dies soil er an- 
treben. Er tut es in der Kraft des in . ibm wirksamen Greistes (z. B. 
conv. YIII, 10) ; so dampft er die ibn bedrangenden Liiste (res. II, 3 5), 
jiicbt der Welt .sondern Grott geborcbt er (d vof-ioc, &60U ococpQOGvv^, 
.res. I, 60, 3). In diesein Kampf ist Christus der Heifer und Fiir- 
-sprecber (res. Ill, 23, 11). Grott wird angerufen unv Besserung des 
SinneSj tun Nichtxurechnung und Vergebung der Siinden (ib..III, 23, 7 9). 
Kanipfend u.nd Bufie tuend (ib. Ill, 21, 9), 1 ) strebt der Menscb. so 
empor. Sein Ziel ist: damit ivir stark werden und gesund durcli 
den Glauben %u tun deine Gebote (ib. Ill, 23, 11). Auf den 
Glaniben und die, Tat kommt es an, auf Rechtglaubigkeit 2 ) und gute Werke, 
auf em tdtiges und verniinftiges Leben (v. Aussatz 15, 2. v. Igel 8, 4. 
Unterscb. d. Speise 8, 2). Dabei geht ein starker Zug auf das jenseitige 
Xieben und auf Askese durcb die Gfedanken des Metbodius. Das Leiden 
lautert den Menscben (Unterscb. usw. 1 5), das Gegenwartige acbtet er 
.gering (ein Brauchen aber kein Besitxen), er liebt aber das Zukunftige, 
das unverganglicb ist (d. Leben u. d. vern. Handlung 5, 1 ; 6, 3). Von 
,,Lusten" weiB die Kircbe nicbts : OTI eKxkiqaia ytaQce TO >cxe>cAwceVai 
Tag fidovag keya$ai (pyoiv (de creat. 8). Yor alleni aber wird Metb. 
,nicbt miide die Jungfraulicbkeit zu verberrlicben : 3 ) ZTa^v^e'ta yag fj 
fta^'3'svia (conv. YIII, 1), Cbristus ist die aQ%inaQ&VO$ (ib. I, 5). Die 
Jungfrauen sind der beste Teil der Kircbe : jtohh&v yaq OVGUIV 
T?jg exxlyoias TCOV -S-vyaTSQcov, (.da SGTI (.wvrj extaxTT) xat 
V bcpd-a^tolq avTfjs vrteg ftdoag, TO Tay^ia xwv 
(conv. YH, 3). 

1) tJber die BuBdisziplin s. v. Aussatz 6. 7: die bose Lust darf sick in 
der Seele nicht einnisten, man Mtte Christus urn Hilfe und enthalte sich der 
.KQooyoQd. (6, 3. 7). Hilft dies nicht, sondern breitet die Lust sich weiter aus und 
-schlagt Wurzel im Menscheu (6, 2), so nehme maai seine Zuflucht zuni Bischof 
(6, 9). Dieser ist als beratender uud furbittender Seelsorger gedacht (7, 5); er 
soil d<popiodTco afabv els fty '^o(iok6yr\ot,v (ib.), nach ein oder zwei Wochen soil 
zugesehen werden, ob er Eeue und Leid liber seine Sunde empfindet ; ist das aber 
.nicht der Fall: evfiattead'a) ^fje ex-Aijaias (1, 6. 7). "Vgl. Bonwetsch in den 
Abhandl. f. Oettingen 1898, S. 39 ff. und Theol. d. Meth. S. 103 ff. 

2) Vgl. hierzu die Wertschatzung des orthodoxen Glaubens de resurr. I, 
50, 2: 'Ogqs YCLQ us oil aspl fuv.^fov fjfiiv siaiv ol koyot, aMJ bvtiva, xgi] IQO- 
Ttov TieTttOTevxsvaf VMI yap oiiSev ol-fiat toaovmv y.w/.bv dvd'gcbTtcp yeveo&ai, 
boov &rtb twv divayxaicov bnorav yevSfj negi aiirwv So^d^oi. 

3) Das Eecht der Ehe wird dabei nicht verkiirzt, z. B. conv. II, 1. 2; 
III, 11 ff. lib. arb. 15, If. 



Methodius iiber Frommigkeit und Auferstehung. 52.9 



7) Das Ziel 1st gegeben in der acp&aQOia durch die 
Nicht der Seele; sondern dem Leibe gilt sie. Die Substanz desselben 
besteht fort, denn nicht wollte Gott die Menschen zu Engeln machen 
(res. Ij 50, 1 ; III, 1 .). Es ist erne Lasterung zu sagen : m]V adg'/.a 
l^trj eivai TCtvTrjV a&avaGiaQ dsKTiKTJv (res. I, 40, 1). "Wie aber der 
Mensch in seiner Leiblichkeit fortbesteht, so auch die Welt. Dies ge- 
schieht durch die EKTCVQWGIS, die ein avaxTiGdfjvai der XTt'dfcg zur Folge 
bat (ib. I, 48, 3). Dies alles wird in. bewuBtein scbarfen Gegensatz zu 
Origenes und in steter Auseinandersetzung mit ihm, an der Hand genauer 
biblischer und philosophischer Untersuchungen vorgetragen. Das escbato- 
logiscbe Interesse des M. ricntet sicb besonders auf die leibliche Auf- 
-erstebung und den Zustand der Yerklarung. Die Yorstellung vom tausend- 
jabrigen Beicb ist ibm bekannt (conv. IX, 1), docb scbeint sie keine 
grofiere Bedeutung in seinem Gredankenkreis beansprucbt zu haben. 1 ) 

Das sind die Gredanken, die das ,,0hristentum" eines kleinasiatiscben 
Cbristen uni 300 ausmacbten. Es ist ein eigentftmlicbes Genienge von 
Gredanken der griecbiscben Popularpbilosopbie, von den Ideen der alteren 
kleinasiatiscben Tbeologie, von gliibender Lust am asketiscben Ideal und 
von Interesse fur die Problems, die Origenes gestellt bat. Yon einer 
Grerecbtigkeit durch Glauben weifi Metb. nicbts mebr. Der Glaube ist 
die Annahme dessen, was man glauben soil, \voinit die sittliche Be- 
tatigung, vermoge der acocpQOOVVY], im Grehorsam, durcb gute "Werke und 
Askese zusanimengebt, saint der Hoffnung auf die acp&ctQOia. Aber 
; durcb alle diese Gedanken scblingt sicb eine grofie iircbristliche Erfahrung : 
,,der Cbristus in uns", der unsere Kraft ist, der tins in unserem Herzen 
erneuert und der die Herzen von dieser Erde zu sich emporzieht: avco 
vipog a.QTtaCof.isva)v T&V avccyevvtofisvcov TCQOS TOV 3-Qovov TOV 
.... aigB^ai TO cpQOVi]f.ic( tCov ava"/.ccivto3-evTcov TCC e'/.sl (Shsjtsiv 
xal ih suel (pandeG$ai 7taidayoyov(.isvtov, f iva p) ajtcari^fi rtgbg TOV 
dgdnovvos fiQi&ovTOg KCCTCO (conv. YIII, 10). Aber dieses Surstim 
cor da! rubt auf dem Gedanken: er der "Weinstock und wir die B,eben. 
er in uns und wir in ibm ! Es ist das Erbe des Johannes, des Ignatius 
und des Irenaus, von dem die Frommigkeit dieses kleinasiatischen Theo- 
logen lebt. Es ist vielleicbt mifiverstandlicb, seine Theologie als ,,die 
Theologie der Zukunft" zu cbarakterisieren (Harnack), das pafit mehr 
auf die Lehre der vermittelnden Origenisten, die wir kennen lernten, 
aber einen der Faktoren, ' die die heifien Kampfe der Zukunft iiber die 
Person Cbristi erklaren, lebrt sie uns genauer kennen, es ist das Fort- 



1) tJber die Eschatologie liandeln ausfiihrlich Bonwetsch, Theol. d. Meth, 
S. 114f. Atzberger, Gesch. d. Eschatol. S. 469ff. 

Seeberg, DogmengescMchte I. 2. Aufl. 34 



530 19. Die Gesamtauffassung des Christentums. 

wirken der johanneischen oder kleinasiatischen Ideen und Stimmungen 
mit und neben dem Origenismus. "Wir kennen nun das religiose Kapital, 
aus dern die Kosten fiir diese Kampfe bestritten worden sind. 

II. Die ab en dlandis chen Theologen. 

Es koinmeu in Betracht die Schriften Cyprians, vgl. K. G. G-oetz, Das 
Christentum Cypr., 1896. K. H. Wirth, Der Verdienstbegriff in der ehristU 
Kirche, II (der Yerdienstbegriff bei .Cyprian), 1901. Morgenstern, Cyprian 
als Philosoph, 1889. J. Tixeront, Hist, des dogmes I, 381 ff.; die pseudocypri- 
anischen Werke de montibus Sina et Sion, die Predigt de aleatoribus (wohl in der 
2. Halfte des 2. Jabrh. in Eom gehalten), die Traktate ad Novatianum und de 
rebaptismate ; dies alles im 3. Band von Hartels Cyprianansgabe. Novatians 
Schriften: de trinitate (ed. Jackson, London 1728 und Migne lat. 3); de cibis 
Indaicis (ed. Landgraf et Weyman, 1898) ; die ep. 30 u. 36 in Cyprians Briefbuch *. 
nrit grower Walirscheinlichkeit die pseudocyprianischen Schriften: de spectaculis,. 
de bono pndicitiae, adversns Indaeos, Tgl. Harnack, PEE. XIV, 223 ff. Barden- 
hewer, Gesch. d. altk. Lit. II, 559 ff., Schwerlich novatianisch sind die pseudo- 
cyprianischen Traktate, die Battifol entdeckt hat, aber sie gehoren in 
unsere Zeit, s. oben S. 482 A. 3, liber ihre Theologie s. H. Jordan, Die Theol. der 
neuentdeckten Predigten Novatians, 1902. Das pseudotertullianische 
Gedicht adversus Marcioneni (Opp. Tertull. ed. Oehler II) ygl. H. Waitz,. 
Das pseudotert. Gedicht etc., 1901. Wetter Commodianus, Instructionum 11.2 
u. Carmen apologeticum (ed. Dombart 1887). Arnobius,' adv. nationes 11. 7 
(ed. Eeifferscheid 1875). Lactantius, divinarum institutionum 11. 7, Epitome/ 
de ira dei (ed. Brandt u. Laubmann 1890/93), vgl. E. Preuschen, PEE. XI,. 
203 ff. E. Overlach, Die Theql. Lact., 1858. Vgl. liberhaupt die vortrefflich. 
orientierende Darstellung von 0. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. II,. 
394496. 559574. 584610. 

1. Ghristus . . . cum mortalium sciret caecam esse naturam neque 
uliam posse comprehendere veritatem positarwn nee ante oculos rerum, . . . 
omnia -ista nos Unquere et posthabere praecepit neque in res eas, quae sint 
a nostra procul cognitione dimotfie, infructuosas inmittere cogitationes, sed> 
quantum fieri potest, ad dominum rerum iota mente atque anima pro- 

ficisci Quid est, inquit, vobis investigare, conquirere, quisnam 

hominem fecerit, animamm origo quae sit, ^quis malorum excogitaverit 
causas, orbe sit sol amplior . . ., alieno ex hi/mine an yro'priis luceat 
fulyoribus luna ? Quae neque scire compendium neque ignorare detrimen- 
tum est ullum. Remittite haec deo atque ipsum scire concedite } quid, quare. 
aui undo, sit, debuerii esse dut non esse, supernatum sit aliquid an orius 
primigenios liabeat . . . vestris non est rationibus liberum inplicare vos 
talibus et tain remota inutiliter curare. Res vestra in. ancipite sita est, 
salus dico animarum vestrarum, et nisi vos adplicatis dei principis 
notioni, a corporalibus vinculis exsolutos expectat mors saeva (Arnob. IE,. 
60. 61). 



Der Interessenkreis der abendlandischen Theologen. 531 

Diese merkwiirdigen Worte eines Abendlanders ricbten das cbrist- 
liclie Interesse auf die salus animarum und weigern ibm die Beziebung 
auf pbysiscbe und metaphysiscbe Problem e. Eine sicb berausbildende 
Eigentiiinlicbkeit des abendlandischen Ghristentums man vergleicbe 
Tertullian mit Origenes, Cyprian mit Methodius gibt sicb dabei kund. 1 ) 
Die salus animarum und die perpetuitas (Arnob. II, 65) stecken dem 
. Interessenkreis ab. Er reicbt im wesentlicben nicbt binaus liber das, 
was die romiscbe, von der Stoa so stark beeinflufite, Popularpbilosopbie 
eines Cicero oder Seneca geboten hatte. Wie Plato und dann die neu- 
platoniscben Ideen die pbilosopbiscbe Parallele und Quelle zu dergriecbiscben 
Tbeologie darbieten, so die romische Popularpbilosopbie .zu den Anfangen 
der lateiniscben Tbeologie. Den Sprucb : quae supra nos, nihil ad nos baben 
aucb .die Lateiner energiscb bekampft (z. B. Tertull. ad nat. II, 4. Lact. 
epit. 37), aber er war docb von ihrer Denkweise nicbt allzu weit ent- 
fernt. Damit aber verband sicb ein Weiteres. Fur das griechische Be- 
wufitsein bot die Pbilosopbie das bocbste Gkit dar, und der beste Staat. 
war der, in dem sie resp. die Pbilosopben und Tugendbaften die Moral 
des Vernunftrecbts bandbabten ; fur den Ronier bestand das bocbste 
Gut in dem Leben des Staates, das von positiven Gesetzen regiert wird. 
Diese Differenz erstreckt sicb auf das ganze geistige Leben. Die 
griecbiscbe Pbilosopbie ist zubocbst Metapbysik und Naturpbilosopbie,. 
das ,,Scbauen" und ,,Staunen" ist der Menscbbeit bestes Teil, aucb die 
religiosen Mysterien sind ibm untergeordnet. Das Interesse des Homers 
ricbtet sicb mebr auf die Etbik und die Gescbicbte, seine Religion 
bestebt in der korrekten Erfllllung liberlieferter Hiten und in dem von 
dem Gesetz geforderten Handeln. 2 ) Wenn man von diesem Stanclpunkt 
aus die Grundtendenzen eines Origenes und Tertullian miteinander ver- 
gleicbt, so ist es frappierend, -wie stark bei dem einen die naturpbilo- 
sopbiscben und metapbysiscben Interessen, die Idee der Herrscbaft der 
,,Gnostiker" und der Prommen vorwiegt, und wie kraftig bei dem 
anderen die romiscb-stoiscben Interessen an deni moraHscben Gesetz und 
dem guten Werk, an der Recbtsordnung der Kircbe und ibrer ,,Disziplin" 
durcbscblagen. Diese Gegensatze, die eine so verscbiedene Gescbicbte 



1) Aucli jene Betonung der salus animarum als des Inhaltes des Clmsten- 
tums klingt an Tertull. an: homm bonorum unus est titulus: sahis hominis 
(paen. 2, vgl. z. B. ib. 10. 12. pud. 9. iei. 3. bapt. 5. praescr. 14. resurr. 8. c. Marc. 
II, 27 u. o.). 

2) s. oben S. 28ff. und vgl. Seneca, ep. 20, 2: facere docet philosophm, non 
dicere, et hoc exigit, lit ad legem suam quisque vivat, ne orationi vita dissen- 
iiat. Anders die Grieclien, inre PhilosopMe ist ein cpvawbs loyos, s. Decharme, 
La critique des trad, relig. etc. p. 476. 

84* 



532 ' 19. Die Gesamtauffassung des Christentums. 

im Orient und im Occident hervorgebracht haben, sind schon friih 
wirksam gewesen und haben auf der gemeinsarnen Grundlage scharf 
differenziierte Lebensformen erzeugt. 

Die Eigenart des Naturbodens wirkt stets ein auf die Auswahl und 
die Betonung der Elemente der christlichen TJberlieferung. Man hat 
ini Abendland bis zu Augustin prinzipiell ein elementareres Verstandnis 
des Christentums eingehalten als bei den Griechen. Man blieb bei dem 
,,Glauben" stehen und verinied grundsatzlich die ,,gnostischen" Gedanken, 
wie sie Clemens und Origenes gepflegt hatten. An den ,,Tatsachen" 
und dem ..Kompendium" des Bekenntnisses hatte man genug. 3 ) Daher 
\vurde das Taxifbekenntnis zum Inbegriff der apostolischen Lehre, dabei 
wirkte niit die Hochstellung der Taufe als Institution und die Anschauung 
des Bekenntnisses als sacramentum (s. oben S. 303). Der Gedanke an 
eine den ganzen Bibelinhalt reproduzierende Glaubensregel , wie ihn 
Clemens und Origenes hegten, ist den Abendlandern nicht gelaufig ge- 
worden. Man macht sich die Differenz in der Wertung der Schrift 
anschaulich, Avenn man sieht, wie Origenes alle Tiefen und Hohen reli- 
gioser Spekulation in den Bibelworten findet, oder Avie Athanasius seinen 
!^anon zur "Wahrung der reinen Lehre fixiert (oben S. 522), und wenn 
man sich dann der Sanamlung von Bibelstellen in den Testimonien 
Cyprians zuwendet. Das erste Buch der Testimonien verf olgt einen 
apologetischen Zweck ; er erschopft sich in dem. Gredanken, dafi die 
Juden die indulgentia domini verloren haben und dafi in eorum locum 
die Christen, fide dominum premier -antes, getreten sind. Das alte iugum 
hat aufgehort, ein neues ist dafttr gegeben. Die alten pastores, die alte 
Kirche. die alte Taufe, das alte Opfer sind durch neue ersetzt. An die 
Stelle der friiheren Gresetzesreligion ist die neue getreten. Der zweite, 
dogmatische, Teil hat Christ! sacramentum zum Gregenstand. Yom A. T. 
geweissagt, ist er gekommen als s&rmo dci, mantis et bracliium dei, als 
deus; id de virgine nasceretur homo et deiis, liominis et dei filius, er hat 
gelitten und ist gestorben, die Kirche ist seine Braut, de qua filii 
spiritualiter nascerentur, er ist auferstanden, rex in aetermtm regnaiurus, 
et index et rex. Das geniigt ad prima fidei liniamenta, formanda. Der 
dritte ausfiihrlichste, ethische, Teil lehrt die religiosa disciplina kennen 
als ein breviarium praeceptorum coelestium : voluntati non nostrae, sed dei 
obtcmperandivin ; fundamentum et firmamentum spei et fidei esse timorem; 

1} s. Cypr. ad Donat. 2: cum de domino et de deo vox est, vocis pura 
sinccritas non eloquentiae viribus nititur ad fidei argumenta sed rebus. Deniqiie 
avcipe non diserta, sed fortia . . ., 'accipe quod sentitur, antequam discitur, nee 
per moras temporum longa agnitione colUgitur, sed compendia gratiae maturantis 
hauritur (d. I., das Taufbekenntnis). 



Abendlandische Lehrdarstellungen. 533 

datum esse ndbis exemplum vivendi in Christo; disciplinam dei in 
e cchsiasticis praeceptis observandam ; surgendum, cum episcopus aut presbyter 
venial; subito venire finem mundi', gratiam dei graluitam csse debere; 
grave fuisse iugum legis, quod a nobis abieetum est, fit leve esse . iugum 
domini, quod a nobis susceptum est. Das sind einige Hauptsatze aus 
den salutaria sacramenta des Christentums. Es sind kurze Thesen, fur 
.die ein diirftiger ,,Schriftbeweis" gefiihrt wird, ein Grewebe alt- und 
neutestamentlicher Stellen. Auch. Cyprian hat an der Hand der heil. 
Schriften die ,,Prinzipien" des Christentums darstellen wollen, gerade wie 
Origenes in dem Buch de principiifs, beide in bewufitem engen Anschlufi 
an die Schrift. Und wie unahnlich sind doch beide Werke geworden, 
der eine schuf eine armliche Sammlung von Katechismusstellen , der 
andere ein theologisches System. Dort galten die Spriiche als solche 
mit gesetzlicher Autoritat, hier wurde ein geistiges Verstandnis erstrebt. 
Die Differenz des geistigen Bedarfes in der Kirche des Orients und des 
Occidents tritt eineni bei dieser Gregeniiberstellung sehr anschaulich 
entgegen. Tiber diesen elementaren Gresichtskreis reichen auch, trotz 
alles gelehrten Aufputzes, die ,,Institutionen" des L act an z nicht hinaxis. 1 ) 
In oberflachlichster Weise ganz, anfier in dem Abschnitt IV, 6 30, 
von der Anwendung der Bibel absehend wird hier, nach der Art der 
Kasonnements Ciceros, .eine tlbersicht liber die christlichen x Gredanken 
gegeben, deren Breite fiir die mangelnde Tiefe ebensowenig wie bei 
seineni Vorbilde Cicero entschadigt. Nicht besser verhalt es sich mit 
den ,,Instruktionen" Coroinodians mit ihrer niichternen vulgar en Yer- 
standigkeit. Tiber einen popularen Eationalismus und Moralismus reichen 
diese "Werke nicht hinaus, aufier an einem Punkt, der mit gliihenden 
Farben ausgemalten chiliastischen Eschatologie. Wo einem bei diesen 
Lateinern kraftvolle praktische Gedanken begegnen, wie bei Cyprian oder 
Novatian, da weisen sie immer zuriick auf den einzigen grofien Geist, 
den die Kirche des Abendlands vor Augustin hervorgebracht hat, auf 
Tertullian. 2 ) 



1) Die beiden ersten Biicher (de falsa religione und de origine erroris) be- 
kampfen den Polytheismus und verteidigen den Monotneismus, das dritte Buch 
(de falsa sapientia) wend'et sich wider die Ph.ilosopb.ie; das yierte Buch (de vera 
sapientia et religione) zeigt sodann, daB der Sohn Gottes auf die Erde herabkam, 
urn die Menschen die Weisheit und die Gerechtigkeit zu lehren ; das fiinfte Buch 
handelt de iustitia, das sechste de vero cultu, das siebente de vita beata, den 
Lohn der Gerechtigkeit schildernd. Lactanz Werk ist die erste lateinische 
,,Dogmatik" (geschrieben ca. 305310), in ihrem Mittelptinkt steht der Begritf 
der Gerechtigkeit, aber er denkt in der Weise der Philosophen dabei nur an 
die moralische Werkgerechtigkeit. 

2) Es ist rnerkwiirdig, wie wenig der grofle Gelehrte, den die abendlandische 



534 19. Die Gesamtauffassung des Christentuins. 

2. Wir haben den eigentiimlich elementaren Charakter des abend- 
landischen Christentuins kennen gelernt. Er verbindet sich mit dem 
praktischen Interessenkreis der Lateiner und riickt so bestimmte Ge- 
danken in den Mittelpunkt des Christentuins. Es ist einnlal die rational- 
gesetzliche Anschauung von der Religion : Gott und Christus geben das 
Gesetz, die TJbertretung ist Schuld, die Schuld nmfi vergeben werden 
durch die Taufe und die BuBe, dann ist das Gesetz zu befolgen, das 
ist die Gerechtigkeit. Hiermit verkniipffc sich, zweitens, die anstaltliche 
staatliche Auffassung von der Kirche mit ihren Amtern, Rechten, 
Kompetenzen und Disziplinen ; konsequent schreitet man hier fort, von 
praktischen Gesichtspunkten her (Bufie) steigt allmahlich eine Art r e c h t s - 
philosophischer Theorie von der Kirche einpor, die Kirche ' bietet 
den Ersatz dar fiir die staatlichen Interessen der Vorfahren. Ein gewisser 
historischer Sinn schafft sich darin seinen Ausdruck. Die rb'mische 
Freude liber die Zugehb'rigkeit zu einem Staat mit heiligen Gesetzen und 
Ordnungen ist vereinigt mit der christlichen Gewifiheit der solus und mit 
dem stoischen Empfinden in diesem Staat frei zu sein : religio sola est, 
in qua libertas domicilium conlocatiit, res est enim praeter ceteras voluntaria, 
nee imponi cuiquam mcessitas potest, ut colat quod non vult (Lact. epit. 
49, 2). Mit diesen beiden Gesichtspunkten verbindet sich, drittens, 
ein lebhaftes eschatologisches Interesse. Einerseits korrespondiert es 'der 
gesetzlichen Anschauung, die die Lohnerteilung sichergestellt sehen will, 
andrerseits entspricht es der historisch-staatlichen Auffassung der Kirche, 
die eine geschichtliche Vollendung erfordert. ') Das sind die inneren Triebe 
der Gedankenbildung, sie treten auch bei Augustin noch deutlich hervor. 
Aber sie haben sich nie fiir sich entfalten konnen. Einmal gab es ein 
grofies Erbe iiberlieferter Vorstellungen, wie den triadischen Gedanken, 
die Gnade, die Sakramente, die man nicht aufgeben konnte und die doch, 
jede in ihrer "W'eise, die E/echtsauffassung in der Religion modifizierten. 
Sodann erwuchs aus der Idee der kirchlichen Einheit diesen katholischen 
Gedanken eine machtige Stiitze, wie auch weiter die grofien dogmatischen 
Kampfe des Morgenlandes auch- die Kirche des Occidents in Mitleiden- 
schaft .zogen. Sie sind die Briicke geworden, auf der dann seit der zweiten 
Halfte des vierten Jahrhunderts die "Wissenschaft der Griechen mit ihren 



Kirche besessen hat, Hippolj't auf ihre Gedanken eingewirkt hat. Auch Manner, 
denen das Griecbische so gelanfig war, wie Viktorin von Pettau oder Hieronyrnus, 
hielteu sich statt an Hippolyts Kommentare, an die des Origenes. 

1) Vgl. z. B. Novatian de spect. 10, wo als Ersatz fiir die Schauspiele die 
Betraclituug der gottlichen Weltregieruug, des Sieges des Christentums und des 
Trinmplies Christi liber den Teufel anempfoblen wird. 



Abendlandisches und morgenlandisches Christentmn. 535 

dogmatischen Problemen in die abendlandische Theologie eingedrungen 
sind, wovon spater zu reden sein wird. 

Man kann die ganze Theologie des Morgenlandes als die Geschichte 
der johanneischen Lehre beschreiben. Wie Christus in einem grofien 
geschichtlichen mystischen ProzelJ die Menschheit durchdringt. heiligt, 
vollendet der "Weinstock und die Eeben , das ist die leitende Yor- 
stellung. Fur den Abendlander besteht die Erlosung durch Christus 
wesentlich in der Herstellung eines raoralischen Verhaltnisses zwischen 
{jott und dem Menschen, auf die Gerechtigkeit des Menschen koinmt es 
an. Es lage nahe bei dieser Lehrbildung an Paulus als TJrheber zu 
denken. Und in der Tat haben in der spateren Zeit die juristischen Be- 
griffe des Paulus diese Auffassung stiitzen miissen, aber das gilt nicht von 
tier alteren Zeit. Die Wurzeln dieser Denkweise liegen nicht in der 
neutestainentlichen Literatur, sondern in der Kombination des stoischen 
Moralismus mit der jiidischen Gresetzlichkeit, die das lateinische Christen- 
tum von Anfang an charakterisiert hat.- 1 ) In der Erscheinung der abend- 
liindischen Kirche umfafit der aufierchristliche Einschlag in clem Grewebe 
<ler Ideen und Institution en natiirlich auch die philosophischen BegrifEe 
der allgemeinen Bildung (abstrakte Pradikate der Grottheit, Logos, Sub- 
stanz usw.), aber sie sind nicht so becleutsam wie die iibrigen Elemente 
dieses Einschlages, namHch die rechtliche Auffassung des Lebens uad 
der ethische Moralismus. Diese Elemente sincl aber einerseits ein Erbe 
der romisch-stoischen Weltanschauung , andrerseits haben sie an dem 
jiidischen Legalismus, der sich in der Gemeindeorganisation und -disziplin 
darstellte, eine starke Stittze empfangen. Die "Wahlverwandtschaft zwischen 
romischem und jiidischem AVesen hat diese Vereinigung erzeugt. Das 
Oesetz, die Priester, die Opfer, die guten "Werke, die sinnlich gefarbte 
Eschatologie sind die Zeugen dieses Zusammenhangs, der nicht durch 
iDewufite Anlehnung, sondern durch die Grleichheit der Stimmungen und 
Interessen zustande gekommen ist. Indem etwa in den ,,Testimonien i: 
Cyprians (oben S. 532) das Christentum moglichst allseitig als die Konse- 
quenz des echten Judentums und als Ersatz des unglaubigen Judentums 



1) K. G. Goetz hat in seinein anregenden und.zu yrenig beachteten Buch 
iiber ,,das Christentum Cyprians" die Elemente der cyprianisehen Keligion auf- 
zudecken versucht, indem er ihrer fiinf unterscheidet : rational - moralisches, 
dynamistisches, dualistisches, nationales und politisches Christentum, dabei aber 
dem ersten Element durchaus den Vorrang zuspricht (S. 139 f.). Da nun aber 
der Verf. seinen Stoff in sacblich unveranlaCter Weise zersplittert und ini einzelnen 
nacb. dem weiiig entsprechenden triadischen Schema ordnet, ist es ihm nicht ge- 
lungen ein einheitliches Bild von Cyprians Denkweise zu gebeu, so zutreffend 
mancbe seiner Beobachtungen sind. 



536 19. Die Gesamtauffassuug des Christentums. 

dargestellt wird, wird diese Stimmung sebr deutlicb. 1 ) JSFicbt ein bewuBtes r 
sondern ein unbewufites ,,Judaisieren" liegt bier vor, man kann seine Ge- 
schicbte von Clemens dem Komer nnd Hernias durch Tertullian nnd Cyprian 
bis in die Theokratie des Mittelalters hinein verfolgen. Aber das Reizvolle 
an dieser Form des Christentums besteht in der Beobachtung der ver- 
scblungenen Yersncbe mit den Gedanken der Rechtsreligion die Tendenzen 
der Erlosungsreligion zu vereinigen, wie andrerseits in dem griechischen 
Christentum allmahlicb immer starker in die Erlosungsanscbauung Elemente 
der Naturreligion sie feblen ancb im Abendland nicht, so wenig wie ini 
Morgenland die Motive der Hecbtsreligion eindringen und ebenfalls 
zu merkwiirdigen Miscbbildungen Anlafi geben. 

3. Wir iiberblicken nunmenr die einzeLaen Anschauungen in dem 
abendlandiscben Cbristentum des 3. Jahrhunderts. An der Spitze steht 
der Gedanke des einen allmacbtigen Gottes, der der Schopfer Hiininels 
und der Erde ist (z. B. Comniod. carm. ap. 90 ff.). Er ist der Urgrund, 
der Quell des Lebens und der TJrsprung des tiefen Lichtes, an keinen 
Ort gebunden, unus ubique, fur alle Sterblicben (carmen adv. Marc. IV, 16 ff.). 
Man kann Grott wobl empfinden, aber nicbt sage'n, wie er ist (Novat. de 
trin. 2). Er ist nnergriindliob und unendlicb (ib. 4), simplex et sine 
uila corporea concrelione (5). Sein "Wirken ist vor allem in der Gescbichte 
offenbar geworden, bei den Patriarcnen und Propbeten und in Cbristus 
(ib. 8), Diesem Grott ist der Menscb zum Gieborsam verpflicbtet. Dies 
Verhaltnis wird als ein recbtlicbes angeseben (s. unten : lex, satisfadio 
merituni). Es ist ganz verstandlicb, dafi in diesem Zusammenbang ein 
stark.es Grewicbt auf die moraliscben Eigenschaften Grottes gelegt wird, 
denn nur als der Gerechte verrnag er Lobn und Strafe ricbtig zu ver- 
teilen. Daber bat Lactanz, ini Gegensatz zu der Apathie Gottes bei 
den griecbiscben Pbilosopben, stark betont, dafi in Grott Affekte 
Liebe -und Zorn anzunebmen seien (de ira dei 4f. 16). Wie der 
Herr den scblecbten Sklaven strafen mufi zum Beispiel fiir die iibrigen 
(5. 17 f.), so mufi aucb Gott die Gottlosen strafen. Sonst wiirde B,eligion 

1) Der Zusammenkang init der jiidiselien Denkweise zeigt sich auch. in der 
eigentumliGhen Benutzung alttestamentlicher Stellen, urn die neutest. Lehren dar- 
.zustellen (s. die Christologie in Cypr. test. II n. in Oommod. carm. apol.), 
andrerseits auch in der fortlaufenden Auseinandersetzung mit dem Judentum 
(Tertullian und Novatian sclirieben wider die Juden, Cyprian richtet das 1. Buch. 
der testim. wider sie, Gommodian tritt ihnen sehr oft entgegen, instr. I, 3734. 
carm. ap. 434 ff. 674 ff. etc.), man verspiirte eben immer wieder das Bediirfnis sicli 
selbst seiner Erhabenheit ttber das Judeutum zu versichern. " Die reinen Juden, 
die Exilierten, die sich in Persien erhalten haben sollen, sincl gerecht und heilig : 
obtemperant quoniam universa candide legis, quae nos et ipsi sequemur pure viventes 
(Commod. carm. apol. 956 f.). 





Der Gottesbegriff und die Siinde im Abendlande. 537 

und Sittlichkeit aufhoren, ja ohne Furcht wiirden die Mensclien wie 
Bestien leben (8. 12. 16). Nunc vero, quoniain et mali poenatn et boni 
gratiain et adflicti opem sperant, et virtutibus locus est et scelera rariora 
. sunt (16, 8). Gott ist stets in Tatigkeit, seine actio ist mundi adminis- 
tratio; diese vollzieht sich aber, indem er denen gnadig ist, die sein 
Gesetz befolgen, die aber in seinein Zorn straft, die es iibertreten (17, 4f.)* 
Der Zorn Gottes ist ewig gegen die dauernd Gottlosen, aber er hat inn 
auch in der Gewalt und zeigt das den Bufifertigen gegeniiber : morum 
emendatione placatur, et quipeccare dcsinit, irarn dei mortalem facit (21, 10). 
In diesen Gedanken gibt sich die Neigung kund, Gott als den lebendigen 
Herrn der Welt zu begreifen, er regiert die Welt und bedarf daher 
zum Heil und zu der Erziehung der Mensclien der Affekte, in denen 
seine Gerechtigkeit sich betatigt. Sein Zorn gereicht daher der Mensch- 
heit, wie Novatian sagt, ad medicinam, er ist ex consilio^ und nicht ex 
vitio (de trin. 5). 

Nun hat aber der Sunder Gott den Gehorsarn verweigert, von Adam 
ging Siinde und Tod auf seine Nachkommen iiber (Comm. carm. ap. 324: 
cuius de peccato morimur, cf . instr. I, 35, 3). x ) Dies bedeutet aber 
zweierlei, einnial dafi der Mensch als Adamssohn mit clem Todesverhangnis 
behaftet geboren wird, dann aber dafi er von Adam die sinnliche Bichtung 
iiberkommt. Nicht eigene, sondern frernde Siinde liegt auf dem Neu- 
geborenen, d. h. die eigentliche Erbsiinde besteht- in der TJbei'nahnie der 
Adamsschuld: recens natus nihil peccavit, nisi quod secundum Adam 
cornaliter natus contagium mortis antiquae primct nativitate contraxit . . ., 
illi remiltuntur non propria, sed alie-na peccata (Cypr. ep. 64, 5). "Wie 
der erste Mensch vitam, quam perpetuam deus tribueret, amisit (Lact. 
epit. 22, 3), so werden alle Spateren geboren sub crimine mortis (carm. 
adv. Marc. V, 65). Dies Verhangnis ist das Erbe Adams. Dazu tritt 
noch die fleischliche Art, denn im Meisch haben die Siinden ihren Spiel- 
rauni, wie die Tugenden im Geist (Lact. de ira dei 19, 1), und mit der 
Zeit wurzeln sie inimer tiefer im Menschen (Cypr. ad Donat. 3). . Bei 
clieser Vorstellung, . die sich nicht ganz mit der Tertullians cleckt (oben 
'S. 317), ist es vollig begreiflich, daB, trotz starker Betonung der Siind- 
haftigkeit des Menschen, das liberum arbilrium auch im Siinder als 
selbstverstandlich vorausgesetzt wird : homo libertati suae relictus et in 
arbitrio proprio eonstitutus, sibimet ip&e, vet mortem appeiit vd salutem 
(Cypr. ep. 59, 7. test. HI, 52). 

1) Contitlisset nobis seu boni sei<, mali quod egit Dux iiativitatis ; m.orimur 
itemque per ilium, cf. Instr. II, 5, 8: genitalia. Cypr. ad Donat. 3 genuimim 
op. et. eleern. 1 : sanasset ilia, qiiae Adam portaveret vtilnem, et venena serpentis 
antiqua curasset etc. Ps.-cypr. ad Vigil. 1: nequitiae genitalis obnoxii. 



538 19- Die Gesaintauffassvmg des Christentums. 

Der Siinde wie dem Tode will Grott den Menscben entnebrnen. Dies 
geschiebt durcb das Glesetz. Endlich aber dadurcb, daB Cliristus als 
Lehrer der "Wahrheit ein .,neues Gresetz" gibt und dasselbe durch sein 
Beispiel eindrucksvoll zu macben weiB : gratia dei provocamw credere 
legi (Comm. carm. ap. 766 vgl. instr. I, 35, 18; II, 1, 6: 7, 5. Cypr. 
op. et eleem. 1. 7. 24, de laps. 21. or. dom. 15. 28. unit. eccl. 2 etc.). 
Die Knechte aber sollen dem Grebot ibres Herrn geborcben, und das urn 
so niehr, als er niclit nur Lohn und Strafe in Aussicht gestellt bat, sondern 
es auch Pflicht ist, ihm fiir seine Passion eine Yergeltung darzubieten : 
didboli servis minores sumus, tit Christo pro pretio passionis et sanguinis 
vicem nee in inodicis rependamus ; praecepta ille nobis dcdit, quid facere 
servos cius oporteret. instruxit, operant'ibus praemium pollieitus et sitpplicium 
sterilibus comminatus sententiam suam protulit (Crpr. op. et el. 23). 
Tiber diese Gfedanken hinaus bat Lactanz kaum etwas zu sagen. Die 
Menscbwerdung Avie der Kreuzestod erscbopfen ibren Zweck in der Be- 
lebrung und deru Beispiel, L ) es sei denn, dafi die Kraft des Kreuzes bei 
Bescbworungen besonders bervorgeboben v/ird (epit. 46, 6 8. inst. IV, 27 
s. nocb IV. 20, 3). Reicbere Vorstellungen bieten die iibrigen Autoren. 
Nicbt nur das neue Gesetz bat Cbristus uns gelebrt, sondern er bat fur 
unsere Siinden gelitten (Cypr. laps. 17) und uns dadurcb zu Grottes 
Kindern gemacht (ep. 58, 6). Zum vivificare und reparare sandte ibn 
Grott (Cypr. ad Deni. 10), er bat unsere Wunden gebeilt und durcb 
seine Knecbtscbaft uns frei gemacbt (Cypr. op. et el. 1). Er, das Haupt 
der Kircbe, scbenkt Heil und Leben seinen Gliedern (carm. adv. Marc. 
Ill, 236 f.), er bringt Vergebung und lost die Gfefesselten (ib. I, 42). 
Er trug die Strafe und zerstorte den Tod und wurde so die causa salutis 
(ib. V, 236 f.; II, 165), aucb aus der Unterwelt erloste er die Toten 
(ib. V, 240 ft); sein Blut vernicbtet den Tod (Cypr. ep. 55, 22. op. et 
el. 1). Dabei wird jetzt baufiger als frtiber der Opfergedanke auf 
Cbristi Werk angewandt. Cbristus ist der sacerdos, sein Leib die hostia 
saneta oder viva, die er fiir alle darbracbte (carni. adv. Marc. IV, 80 ; 
II, 75. 113 ff. 98; IV, 136). Hie ergo sacerdos semper litat deo patri, 
eximiam illi offerens victimam obedientiam suam (Ps.-orig. tract. 19 p. 204 ; 
tr. 2 p. 18 ed. Battifol). Das Opfer Cbristi dauert also fort und es 
befreit aus der Gewalt des Teufels (ib. tr. 9 p. 102), aucb dort wo es 



1) s. instit. IV, 10, 1 ; 11, 14 : cum statuisset deus doctorem virtiitis mittere 
ad homines, renasci eum denuo in came praecepit et ipsi Jiomini similem fieri, 
cui dux et comes et magister esset f'ulurus. IV, 13, 1; 14, 15; 16, 4; 26. 30; 
24, 1. 5. 10. 7 : ipse eerie deus virtutem docere non potent, quia expers corporis 
'non faciet quae docebit ac per hoc doctrina eius perfecta non erit. Dazu epit. 
38, 8f.; 39, 7: 45; 46, 2f.; 60, 2. 



Das Werk Christ! bei den Abendlandern. 539 

von der Kirclie dargebracht wird: hostia oblatio sacrificii est, cum deo 
munus offertur, ut propitiate/, divinitate hostis diabohis ax&rtatur (ib. tr. 10 
p. 106). So wird also Gott dauernd versobnt durch Obristi Opfer und 
der Teufel besiegt (cf. ib. tr. 6 p. 67. tr. 14 p. 157). Ebenso wirkt 
.aber Cbristus ilia Himmel als unser Anwalt und Fursprecber (Cypr. ep. 
11, 5; 55, 18. or. dom. 3. quod idola etc. 11). Endlicb waltet er im 
Himmel als iudex et rex (Cypr. test. I, 30. ep. 58, 3), er ist index et 
dominus, rex, rex deusque (carm. adv. Marc. I, 41. 239; V, 252). Daber 
sagt Commodian: Ghristo sicut Caesari pares (instr. II, 11, 4). Aucb 
das letzte Gericht vollziebt er. Blicken wir zuriick, so stellt sicb 
Cbristi ErlosungsAverk unter folgenden Gesicbtspunkten dar: 1) die dem 
Tode verfallene Menscbheit erlost er, indem er an ihrer Stelle die Strafe 
tragt und andauernd durcb das Opfer seines am Kreuz dargetanen Ge- 
borsams resp. seines Leibes, sowie durcb seine fortgehende Fttrbitte Gott 
versobnt; so kommt es zur Siindenvergebung. 2) Aber wie auf Grott, 
so wirkt Christus auch auf die Menscben fortdauernd ein, indeni er ibnen 
das neue Gesetz gibt und sie zu seiner Erftillung durcb sein Beispiel 
und die Verpflicbtung zur Dankbarkeit anregt, und indem er als Konig 
und Bicbter sie leitet zum Geborsani xind zur BuBe. Jenes erste wird 
fiir die Gemeinde konkret in der Taufe, dieses letzte in dem ,,neuen 
Gesetz", dem eucbaristiscben Opfer und der Bufiordnung, sowie in der 
Austreibung der Damonen und in der Erwartung des letzten Gerichtes. 
So bangt das Werk Obristi auf das engste zusammen mit den kircblicben 
Institutionen und Sakramenten, in ibnen realisiert es sicb fortdauernd, 
oder die Sakramente verwirklicben Cbristi Wirken in seinem Leibe, der 
Kircbe. Mit diesen Gedanken ist aber die dem abendlandiscben Katboli- 
zismus eigentiimlicbe Erlosungslebre erreicbt. Die spatere Entwicklung 
nat in dieser Hinsicbt so gut wie nicbts an neuen Gesicbtspunkten bin- 
zuzuftigen gebabt. Die charakteristiscben Punkte dieser Lebre bestehen 
aber darin, dafi klar zwei Seiten des Erlosungswerkes unterscbieden 
werden, die auf Gott und die auf die Menscbbeitgericbtete, daB beide Seiten 
juristiscb gedacbt werden (Versobnung Gottes und Gesetzgeber, Kicbter), 
dafi Cbristi Werk sicb in den kircblicben Sakramenten realisiert. 1 ) Die 
recbtliche sakramentale Anscbauung bat diese Gedanken bervorgebracbt 
und hat an ibnen ibre starkste .Stiitze erbalten. Jetzt erst war die Zu- 
sprechung der Vergebung in der Taufe ein gesicberter Gedanke, jetzt 
erst war die Bufiordnung solicle fimdamentiert, aber aucb erst jetzt, 

1) Vgl. z. B. Cypr. ep. 55, 22: liberat . . . ab ilia morte, quam semel Christi 
sanguis extinxit et a qua aqua nos salutaris baptismi et redemptoris nostri gratia 
liberavit. Ps.-cypr. ad Novatian. 3: trinitas ilia . . . haec nunc in ecclesia 
per nos (die Bischofe) spiritaliter operetur. 



540 19- Die Gesaintauffassung des Christeutums. 

nachdem man das Opfer Christi je und je in der Eucharistie erlebte r 
wurde die Opfertheorie hinsichtlich des Todes Christi ein greifbarer und 
praktischer Gedanke, das Opfer Christi hat das eucharistische Opfer 
hervorgebracht, aber erst dies hat jenem die feste Form verliehen. 

4. Das Heil erhalt der Mensch durch die Taufe. 1 ) Der Taufe 
geht naturlich die BuBe voran. Die Erneuerung kommt also zustande 
per poenitentiam praeteritoruin delictorum et lavacri vitalis sanctificationem 
(Ps.-orig. tract. 7 p. 85 Battifol). Die Anschauung yon der Taufe 
hewegt sich auf der Linie, die Tertullian gezogen hatte (oben S. 360 ft), 
einerseits soli die Gnade irgendwie in das "Wasser verlegt werden, andrer- 
seits die "Wassertaufe und die Geistmitteilung als Einheit gefafit werden.. 
Christus hat sich im "Wasser taufen lassen, um diesern, da ja in Christus 
Geist war, die Fahigkeit tiberall Leben zu erzeugen, mitzuteilen (ib. tr. 15 
p. 163f.). Das Wasser wird aber aucb von dem Priester gereinigt und 
geheiligt, damit es die Siinden abwascben kann (Cypr. ep. 70, 1). Das 
heifit aber, dafi der Priester als Geisttrager Geist in das Wasser bringt : 
peccata enim purgare et hominem sanctiftcare aqua sola non potest, nisi 
habeat et splritwn sanctum (ep. 74, 5). DemgemaB sind die Getauften 
ex aqua et superna virtute renati (Ps.-orig. tr. 7 p. 85 ; 15 p. 164). 
Die Taufe ist nun der Anfang des gottlichen Heilswerks am Menschen : 
cum inde incipiat omnis fidei origo et ad spem vitae aeternae salutaris 
inyressio et purificandis ac vivificandis dei servis divina dignatio (Cypr. ep. 
73, 12), sie bringt die ganze indulgentia Gottes, divina compendia (ep. 
69, 12); wie Christi Blut, so befreit auch die Taufe VOHI ewigen Tode 
(ep. 55, 22). Sie verleiht eben das ganze Heil in knapper Zusammen- 
fassung. Die beiden Gaben, die dies nach alter Anschauung in sick 
fafit, sind die Siindenvergebung und die Heiligung durch den Geist. So 
redet man auch jetzt nicht selten von der Yergebung als dem Ertrag 
der Taufe : in baptismo tibi genitalia donanlur (Conimod. instr. II, 5, 8. 
Cypr. op. et el. 2. testim. HI, 65. Ps.-orig. tr. 6 p. 64. 71; 15 p. 167). 
Mit ihr verbindet sich aber eng die Heiligung: si peccatorum remissam 



1) Tiber den auJBeren Hergang der Taufe seien folgende Stellen notiert: die 
Taufe wircl vollzogen im Namen der Trinitat, nicht blofl Christi (Cypr. ep. 73 
1618 cf. 69, 7); neben dem iiblichen lavacrum wird getauft durch aspergi oder 
perfundi (ep. 62, 12), Kinder sind sobald als moglicli iind nicht erst nach acht 
Tagen zu taufen (ep. 64, 2 cf.de laps. 10), auch sie erhalten den heil. Geist 
(ep. 64, 3). tJber das Taufbekenntnis s. ep. 70, 2; 69. 7; 73, 5 cf. 75, 10 f. 
Die Olsalbung s. ep. 58, 9; 70, 2. Ps.-orig. tr. 17 p. 187, die Abrenunciation No- 
vatian de spectac. 4. das Vaterunser Cypr. orat. dom. 9, die Handauflegung 
Cypr. ep. 73, 9. Ps.-orig. tr. 17 p. 187. Ps.-cypr. de rebapt. 1. 4. 5. 10; die sich 
au die Taufe anschlieBende Abendmahlsf eier Cypr. ep. 63, 8 ; 70, 20. Ps.-orig. tr. 
17 p. 187 f. 



Die Taufe bei den L'ateinern. 541 

consecutus est, sanctifiahis est (Cypr. ep. 73, 12), denn per lapiisma auiem 
spiritus sanctus accipitur (ep. 63, 8). Die Taufe wascht alle Mecken 
ab und bringt das Licht des heiligen Geistes (Cypr. ad Donat. 4). Beide 
Vorstellungen gehen nun aber ineinander iiber in dem Gedanken der 
secunda nativitas (ib. 4. or. dom. 23). Durch. diese ist der Menscb ge- 
reinigt und geheiligt und ein Gotteskiud geworden (Cypr. de zel. 13. 
.tab. virg. 2. ep. 74, 5. Ps.-orig. tr. 12 p. 131; 15 p. 163. Lact. instit. 
VII, 5, 22. Carm. adv. Marc. II, 247. 253), liber das die Damonen 
keine Gewalt menr Kaben (Cypr. ep. 69, 15), und von dem alle Siinden 
vertrieben werden (Lact inst. V, 19, 34). Diese neue Geburt begrimdet, 
alien Zweifeln, die der Mensch vorher gebabt bat, zum Trotz, wirklich 
eine neue Existenz (Cypr. ad Donat. 3. 4); der Mensch. empfindet jetzt 
membra nostra ab omni faece contagi6his antiquae lavaeri vitalis sancti- 
ficatione purgata, er bat die sanitas erlangt iind kann und will nun 
Christus dienen (Cypr. de bab. virg. 2). Es baknt sicb also eine Koni- 
bination der beiden alten Graben der Taufe an in den Ideen der "Wieder- 
geburt und der Reinigung. Indem Geist im Taufwasser wirksam ist, 
reinigt er den Menscb en und scbafft ibn um zu einer neuen ICreatur. 1 ) 

Dem stebt nun aber die alte Vorstellung nocb immer entgegen, dafi 
der Geist erst nacb der Taufe durcb den besonderen Akt der Hand- 
auflegung nebst den begleitenden Gebeten verlieben wird (Cypr. ep. 73, 9). 2 ) 
Wie Adam zuerst gescbaffen und ibm dann erst der Geist eingeblasen 
wurde, so mufi der Mensch zuerst neugeboren werden in der Taufe, um 
dann den Geist zu empfangen, zuerst also die generatio, dann erst die 
sanctificatio (ep. 73, 9). "Wenn jemand durch die Taufe sanctificatus est 
et in novum hominem spiritaliter reformatus, so ist er dadurch erst ad 
accipiehdwn spiritum sanctum idoneus factus (ep. 74, 5). Es ist, wenn 
man diese beiden Stellen miteinander vergleicht, klar, dafi Cyprian die 
sanctificatio verschieden auffafit, oder da6 er bald an die mit der Taufe 
gegebene, bald an eine andere von der Handauflegung abhangige Sankti- 
fikation denkt. Dies spricht er auch deutlich aus : tune enim demum 
plane sanctificari et esse filii dei possunt, si sacramento ^ltroq^le 
nascantur (ep. 72, 1). Wurde aber die "Wassertaufe an sich als Mittel 
der Neugeburt und der Heiligung betrachtet, so hatte die Handauflegung 
entweder aufgegeben werden miissen, oder aber sie mufite zu einein 



1) Novat. de kin. 29 (cf. Ps.-orig. tr. 20 p. 210): hie (der heil. Geist) est 
qiti operatur ex aquis secundam nativitatem semine quodam divini generis et 
consecratione coelestis nativitatis, pignus promissae haereditatis et quasi chiro- 
graphum quoddam aeternae salutis. 

2) s. aucli Cornelius T. Eom bei Euseb. VI, 48, 15: oy^ayiad-r^ai. fab iov 

= TOV ayiov Ttvevfiaros 



542 19- Die Gesamtauffassimg des Christenturns. 

besonderen Akt werden, der etwas Selbstandiges neben der Taufe zu 
bedeuten hat. Indeni der Ketzertaufstreit Cyprian genotig hat, in die 
Taufe so viel Geist als irgend nioglich hineinzuverlegen (s. oben S. 513), 
hat dieser Streit viel dazu beigetragen die Taufe selbst als Mittel der 
Geistverleihung zu betrachten und somit den alten Akt der Handauflegung 
yon ihr als ein anderes Sakrament abzulosen. Dem kain die Tendenz 
von Cyprians Gegner, dem Verfasser der Abhandlung de rebaptismate, 
clarin entgegen, dafi er seinerseits alle Gfeistwirkungen in die bischofliche 
Handauflegung zu verlegen versuchte (s. oben S. 512 f. A. 2). Die Ab- 
handlung zeigt zugleich, wie mannigfache Ansichteu von der Taufe in 
unserer Zeit noch nebeneinander hergingen wie die altertiimliche, 
freilich haretische Taufe auf Jesu Namen , aber trotzdem hat man 
auch hier, auf Tertullian fufiend, einen gewissen Abschlufi der Gedanken- 
bildung erreicht. 

5. Deni in der Taufe wiedergeborenen, von den Siinden gereinigten 
Menschen gilt nun das neue Gesetz, durch Befolgung desselben soil er 
sich die uberkornmene Eeinheit erhalten : dot innocentiae legem, postquam 
eontuKt sanitatem . . . Nulla sit venia ultra clelinquere, postquam deum 
nosse coepisti (Cypr. hab. virg. 2 vgl. Commod. instr. II, 5, 11: summa 
tibi: gravia peccata devita tu semper). Dies gesehieht im Gflauben und 
in der Furcht Gottes : Fundamentum omne reiigionis et ficlei de obser- 
vatione ac timore proficiscitur (Cypr. hab. virg. 2 cf. op. et el. 8), im 
Gebet (or. dom. 12) und in der Aufnahme der neuherzustromenden 
Gnadengaben durch den Glauben : manat iugiter , -exuberat affluenter, 
nostrum tantum sitiat pectus et pateat. Quantum illuc fidei cap ads 
adferimus, tantum gratiae inundantis haurimus (ad Donat. 5). Spricht 
sich in den letzten "Wdrten Cyprians (bald nach seiner Bekehrung ge- 
schrieben) ein Gefiihl von der beherrschenden Bedeutung des Glaubens 
aus, so erfordert doch der Zusammenhang der Gedanken eine andere 
Beniitzung des Glaubensbegriffes. 1 ) Der Glaube ist wesentlich die An- 
erkennung der christlichen Lehre, des gottlichen Gesetzes und das Fiir- 
wahrhalten der YerheiBungen. Das "Wesen des Glaubens besteht darin: 
credit esse fern quae promittit deus, qui verax est, cuius sermo credentibus 
aeternus et firmus esi (Cypr. de mortal. 6). Der Glaube ist also die 
Anerkennung und die Annahme der christlicheu Lehre und des kirch- 
lichen Eechtes (Novat. d trin. 29 cf. Ps.-orig. tr. 12 p. 136). Das fafit 
in sich- die tJberzeugung von Gottes Wahrhaftigkeit sowie der "Wahrheit 
der heil. Schrift, besonders hinsichtlich der Gebote. und Verheifiungen : 



1) Vgl. zum folgeiiden die sorgfaltige Darstellnng von Wirth, Der Vor- 
dienstbegriff b. Cypr. S. 121 ff. 128 ff. 



Glaube und Gerechtigkeit bei den Lateinern. 543 

scire vera esse, quae praedicta sunt verbis dei, nee scripturam posse, mentiri 
(Cypr. op. et el. 8. cle mortal. 22. 24. ad Demetr. 20. Commodian carm. 
apol. 311ff. 615. Lact. epit. 61, 3ff. instit. VI, 17, 23fL). Der 
Glaube ist die Erleuchtung des Yerstandes durch die Eingiefiung des 
himmlischen Lichtes (Ps.-orig. tr. 12 p. 136), die geistliche Erkenntnis 
der himmlischen Dinge (JSTovat. adv. Jud. 1), vor allem aber doch das 
obsequium timoris ac devotionis (Cypr. bon. pat. 1, op. et el. 8. mortal. 12),. 
sowie die fidticia futurorum (de zel. 16). Bei dieser Auffassung des 
Glaubens fehlt jedes Verstandnis fiir die iustitia ex fide. 21 war 
kennt Cyprian diesen Ausdruck, aber er denkt dabei immer nur an den 
Glauben im Sinn der rnoralischen Erkenntnis und des Gehorsams, der 
die Grundlage der Werkgerechtigkeit bildet. Fidei ac iustitiae mentis 
hat Abraham sich seine Anerkennung bei Gott verdient (de mortal. 17. 12. 
bon. pat. 10), und merito fidei erwerben sich die Christen die Stellung 
als Gottes Volk (ep. 63, 12). Gerecht ist somit der, welcher die 
mstitiae opera hat, oder derjenige, der aktiv seine Frommigkeit betatigt 
(de mortal. 16. 26). An einen ethischen Habitus, der inancherlei 
fromnie "Werke in sich fafit, de'nkt also Cyprian bei der Gerechtigkeit. 
Mit dem Glauben hat die Gerechtigkeit nur insofern etwas zu tun, als 
die Erkenntnis der Gerechtigkeit und ihres Lohnes die notwendige 
Yoraussetzung ihrer Ausiibung ist: nam si Abraham- credidit deo et 
reputatum est ei ad iustit-iam, titique qui secundum pracceptum dei 
eleemosynas facit deo credit, et qui habet fidei veritatem servat dei timorem, 
qui autem dei timorem servat in miserationibus pauperum deum cogitat, 
operatur enim, in deo quia credit, quia scit vera esse quae praedicia sunt 
verbis dei nee scripturam posse mentiri, arbores infructuosas id est steriles 
homines excidi et in ignem mitti, misericordes ad regnum vocari (op. et el. 8). 
Aus diesen Satzen wircl die leitende Anschauung sehr Mar ; es ist nichts 
anderes, als was Lactanz etwas naiv mit den "Worten ausdriickt : fides 
quoque magna iustitiae pars est (epit. 61, 1). Die Anschauung von der 
Gerechtigkeit, die damit ausgesprochen ist, ist ebenfalls in der Kirche 
des Abendlandes auf lange hinaus maBgebend gewesen. SSie entspricht der 
antiken Auffassung von dem Habitus der Gerechtigkeit in der Yerbindung 
mit der "Weisheit einerseits und der Unsterblichkeit andrerseits. Diese 
Gerechtigkeit war ein wesentlicher Bestandteil der Frommigkeit. Die 
antiken Grundlagen treten bei Lactanz besonders deutlich zutage. 3 ) 

1) Lact. epit. 29, 1 f . : Ad iustitiam nasci homines non modo litterae sacrae 
decent, verum etiam ipsi philoso2)hi . Nee enim ad scelus nasdmur, cum simus 
animal socials, atque commune. 30, 1 : qiiid erit fructus iustitiae atque mrtutis, 
si nihil habebit in vita nisi malum? . . . Sine praemio esse non potest . . ., 
merces eius immortalitas sola. 52, 2. 4: necesse est et iustum esse sapientem 



.544 19- Die Gresaintauffassung des Ghristentums. 

Auf dem Wege zur Gereclitigkeit bedarf der Mensch aber der 
gottlichen Hilfe. . Dieselbe wird ihm dargeboten von dem christlichen 
Gesetz, von dem Beispiel Christi (Cypr. test. Ill, 39), der Erwagung 
von Lohn uud Strafe, aber aucb von der cottidiana sanctificatio, die der 
'Geist in seinem Herzen ausfiihrt (Cypr. or. dom. 12). Aber die starksten 
Motive zuni sittlichen Handeln sind die Hoffnung auf Loan und die 
Furcht vor der Strafe, liierauf koniint Cyprian immer wieder zu sprechen. 2 ) 
So soil also der Mensch den Forderungen der divina lex und der eccle- 
siastica disciplina nachkommen, durch die guten "Werke erwirbt er sich 
Yerdienste bei Gott, und Gott belohnt diese, mentis atque operibus 
nostris praemia promissa contribuens (op. et el. 26). Der Christ vergilt 
Merdurch zugleich Christus die Wohltaten, die er ihm erwiesen (ib. 17/23 
cf. hab. virg. 2). Das Rechtsverhaltnis, das zwischen Gott und dem 
Menschen besteht, tritt hier auf das deutlichste hervor : iustitia opus est, 
ut promereri quis possit deum iudicem, praeceptis eius et monitis obtempe- 
randum est, tit accipiani merita nostra mercedem (unit. eccl. 15). Der 
juristische Charakter dieses Verhaltmsses wird besonders darin ersichtlich, 
dafi der Mensch durch seine Verdienste einen Rechtsanspruch auf Lohn 
erwirbt, da der wahrhaftige Gott ihm die retributio durch seine promissa 
zugesichert hat (zel. et liv. 16. ep. 58, 4; 76, 7. op. et el. 15). Dadurch 
verliert der Begriff meritum seine naiv-moralische Bedeutung, er wird 
zum Ausdruck eines kontraktlich festgestellten Rechtsanspruches, dem 
notwendig der Lohn kprrespondieren mufi. Der Fromme erwirbt sich 
Anspriiche an Gott, zu deren Realisierung sich Gott verpfiichtet hat. 
Auf das ganze sittliche Leben mit all seinen ordentlichen und aufier- 
ordentlichen Leistungen erstreckt sich diese Betrachtungsweise. Gewifi 
kommt in ihr die romische Denkweise zuni Ausdruck, 1 ) aber die gauze 



et eiim, qui sit stultiis, iniiistiiin. Non potest igitur neque siulto iustitia neque 
iniusto sapientia coiwenire. 51, 1. 2: nescierunt ergo iustitiam philosophi, 
quia nee ipsum deum agnoverunt nee cultum eius legemque temierunt. Et ideo 
refelli poiiwunt a Carneade, cuius haec fuit disimtatio , nulhm esse ius 
naturale. itaque omnes animantes ipsa ducente natura commoda sua defendere 
et idea iustitiam. si alienis utilitatibus consulit, suas ncgligit, stultitiam esse 
dicendam. lust. VI, 25, 7: nulla igitur alia religio vera est, nisi quae virtute 
et iustitia constat. 

1) s. deu eingelienden Nachweis bei Wirth, S. 92100. 

2) Auch das bei Cyprian beliebte Bild des christlichen Lebens als eines 
Krieg'sdi'enstes, der imperio regis d. h. Christi (Coiamod. instr. II, 12,4), pro 
nominis sui honore (Cypr. ep. 58, 4) geschieht und sich wider den Teufel richtet 
(ad Fortunat. praefat. 2. de zel. 16). wird gern auf den ewigen Lohn der Kampfenden 
hiuausgefiuirt (z. B. Cypr. ep. 68, 4: 80, 2; 76, 4). Hiermit hangt auch die Be- 
toming der gloria der Christen zusamnien (ep. 37, 3; 10, 1; 51, 12; 28, 2). 



Der mbendlandische Verdienstbegriff. 545. 

von dem Terdienst und Yergeltung genau gegeneinander 
]bwagenden Gott, die scharfe Kalkulation des Menschen beziiglich dieses-. 
Yeffoaltnisses ist nicht ;r6misch, sondern judisch empfunden. Auch bleu; 
ist <fder starke judische Einschlag in dem Christentum der alten Latemer- 
_ er ist so bei den" Grriechen nie wirksam geworden wahrneb.rn.bar. 1 ) 
Die rechtliche Betrachtung des religiosen Lebens fuhrt aber zvt der 
(d'Gjppelten Moral. Da namlich die hochsten sittlichen Leistiangen 
nkfei alien zugemutet werden konnen, so werden sie von dem, neuen 
JGfesetz nicbt gefordert, sondern nur geraten. So etwa die Virglnitat:. 
prima sententia crescere et multiplicari praecepit, secunda et contimntiam 
su-asit . . . Nee hoc iubet dominus, sed hortatur, nee iugum necessitatis 
imponit, quando moneat voluntatis arbitrium liberum (Cypr. hab. virg:. 23). 
AiiiSer der Yirginitat ^ kommen als" solche blofi angeratene "Werke nocn. 
in.Betracht das Martyrium es ist an sich keineswegs Pflicht, de laps. 3 r 
sowie besondere gute "Werke, vor allem die eleemosynae. Da nun aber 
weiter alle sittlichen Leietungen einen entsprecnenden Lonn erbalten, so 
wird jauch diesen Tatern besonderer "Werke ein besonders hoher Lohn zuteil 
T,ver.den. Unter den vielen "Wohnungen im Himmel bekommen sie die 
Jiabitacula meliora (bab. virg. 23), der hochste Lobn kom'mt den Martyrern 
zu (ib. 21), ibre merita koiaamen aber aucb anderen als Satisfaktion zu- 
gute, "bei dem letzten Gericbjfc wie scnon in der Gegenwart (laps. 17. ep. 
18, 1 19, 2). So .ergeben acb zwei Klassen von Cbristen ; denen, die 
bloJ3 ,<lie Gebote tun, stebt ate illustrior portio gregis Ghristi mit der 
sublimior gloria (bab. virg. 3) gegeniiber die Scbar derer, die in Kontinenz 
leben -wad reicblicb Almosen geben. Das ist eine Scbeidung, die an die. 
bei Clemens und Origenes vorgenommene erinnert. Aber wahrend dort 
die eine jGrruppe wirklich, qualitativ und an innerer Reife, der anderen 
ijberlegen war, liegt bier nur eine quantitative Abstufung vor, der Ver- 
zicbt auf .sinnlichen Genufi und die Auswabl bestimmter guter Werke. 
Auch darin gibt sich wieder die aufierliche, judisch-romische Auffassung 
von Heligion und Moral zu erkennen. 



Die Vergleiehung des sittlichen Lebens mit dem Kriegsdienst ist vorchristlichea 
Urgpunges s. Senec. de provid. IV, 8. 11. V, 1; vgl. Wirth a. a. 0. S. 150f. 

1) Mit Recht hat auch Wirth S. 167 ff. diesen Gesichtspunkt betont. Den 
formalen juris'tischen Charakter der Verdienstlehre Cyprians findet er in dem 
Innominatrealkontrakt des rSmischen Eechtes nach der Formel facio, ut des 
(S. 166). Aber dabei ist nicht zu vergessen, daB . in dem Gedankengefiige des 
weiteren immer die Giite und Freiheit Gottes mitgedacht wird, s. Tertull. oben 
S. 354 und vgl. den Ausdruck mereri misericordiam. 

2) Die Jungfrauen sind Christi Braute und Frauen (hab. virg. 20. 22). Aber 
auch die Kirche ist Christi Braut, sie steigt vom FufikufizumMundkuB ernpor, 
indem er zu ihr redet, so Ps.-orig. tr. 12 p. 132. 

Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 35 



546 19. Die Gesamtauffassung- des Christentums. 

6. Aber nocb eine weitere Konsequenz ergibt sick aus der gesetz- 
liclien Denkweise, sie bezieht sicb auf die Bufie. Wir durfen uns iiber 
sie kurz fassen, denn es werden nur die Gedanken Tertullians wieder- 
.gegeben und angewandt (vgl. oben S. 365 ff.). Der Christ sollte nacb der 
Taufe siindlos leben. Legem dedit sano et prqecepit, ne ultra iam peccaret 
(Cypr. op. et el. 1). Nacbdem nun die Gnade inn von der Siinde ge- 
xeinigt und mit deni Gesetz versehen bat, tritt die gottlicbe Gerechtigkeit 
wieder in Kraft. Die taglicben Gesetzesiibertretungen (Cypr. de orat. 22. 
Comniod. instr. II, 22) bedeuten ein offendere deum (bab. virg. 2. orat. 31). 
Nun verbindet sicb in eigentiimlicber Weise die Gnade niit der Ge- 
recbtigkeit, der neue Bund gewabrt alien die Moglicbkeit der Bufie 
(Novat. adv. Jud. 6 8), aber unter einer Bedingung, die von der Ge- 
recbtigkeit gefordert wird. Der Sunder soil indignationis offensam iusta 
deprecatione placare (Cypr. le laps. 36. 17. 22). Das gescbieht durcb 
den Scbmerz, die Trauer und den Jammer iiber die Siinde, durcb die 
angeordnete exomologesis (de laps. 32. 35. ep. 59, 13 ; 65, 1), vor allem 
aber durcb gute Werke. Die Bitten geniigen nicbt, sie miissen, nacb 
Tob. 12, 8, durcb Werke verstarkt werden (de or. 32. op. et el. 5). 
Es gilt precibus et operibus suis satis facer e (ep. 16, 2), dominus nosier 
satisfactione placandus est (laps. 17), und zwar eine entsprecbende Zeit 
iiber (aestimato iusio tempore, ep. 4, 4). Dies ist der leitende Begriff 
der Satisfaktion ^ oder der Genugtuung, die der Sunder dem beleidigten 
Gott darbringt als ein-ibn versobnendes Opfer. 2 ) Yor allem aber bandelt 
s sich dabei, zumal im taglicben Leben, urn. die Werke, besonders die 
Almosen. Die Almosen baben geradezu die Bedeutung einer zweiten 
Taufe : sieut lavacro aquae salutaris gehennae ignis extinguitur, ita elee- 
mosynis atque operationibus iustis delictorum flamma sopitur. Et quia 
semel in baptismo remissa peccatorum daiur, assidua et iugis operatic 
baptismi instar imitata deirursus indulgentiam largiatur (op. et el. 2. 
orat. 32). Durcb solche Werke nun vermag der Menscb mereri dei 
misericordiam (op. et el. 5). 3 ) Diese "Wendung vervollstandigt die 
wunderlicbe Kombination von Erlosungs- und Recbtsreligion, die diese 



1) An sich kann satisfactio aucli die dem Gesetz entsprechende Betatigung 
:sein, s. ad Demetr. 25. 

2) Vgl. Lact. epit. 62, 1. 2. 4 : ut confugiamus ad paenitentiam, quae non 
minimum locum inter virtutes habet. Magnum est paenitentiae auxilium, 
magnum solatium, ilia est vulnerum peccatorumque sanatio, ilia spes, illaportus 
salutis. Eae sunt victimae, hoc saerificium placabile. 49, 3: data rursus 
facultate ac reddita libertate referunt se ad deum eumque precibus et lacrimis.. 
placant ... ., et venia satisfacientibus non negatur. S. noch Commod. instr. II, 8. 

3) Vgl. ep. 37, 4: quid enim petitis de indulgentia doming quod non impe- 
trare mereamini? 



Die lateinische-Bulftheorie.' 547 ; 

BuBtbeorie darstellt : der barmherzige Gott vergab die.Siinde, der gerecbte 
Gott verlangt , gute "Werke ; der barmherzige . Gott : -:gewabrfr neue Yer- 
gebung, der gerecbte Gott kniipft sie an die Satisfaktion, ' die Satisfaction 
gegen die Gerecbtigkeit verdient die Barmberzigkeit. Das ganze 
widerspruchsvolle Gebilde ! gipf elt - in - dem mereri misericordidm ! *) Es' F 
gebt etwas wie Marcions zwei Gotter in 'diesen 'Gedankengangen' um. 
Aber zu alledem kommt, dafi' die Bufie und>vdie;Sunde in eineni "genauen 
quantitativen Verbaltnis zueinander steben miissen: 1 paenit&ntia crimine 
minor non sit (laps; 35). 

Diese ganze Bufitbeorie ist eingerabmt von dem Gedanken der Kirche 
mit ibren Priesterny durcb ibre Vermittlung kommt die Satisfaktion vor- 
Gott und wird der Siinder ibrer Anerkeniiung gewifi (s. bben S. 500 f.). 
Nocb eine Konsequenz- ergibt sicb in dem streng recbtlicben^Scbenia- 
dieser Gedanken. Korrespondieren Verdienst tmd ; Gnade einander in ' 
genauem Quantitatsverbaltnis, -was -wird dann aus jenen iiberscMssigen 
Werken, von deneh wir borten?i Nunj ! sie kommen anderen zugute, die ' ' 
einen Defekt an Werken baben. Die alte Idee, da6' die Martyrer-als 
Geisttrager an Gottes .Statt Siinde- vergeben konnen, empfangt dadurcb ! 
eine neue Deutung: posse apud iudicem plurimum martyrum merita et : 
opera iustorum (laps. 17). Diese Werke belfen bei dem jiingsten Gericbt, '.' 
aber die Fiirbitte der Martyrer und' das Opfer .der Priester koimen aucb ; 
jetzt scbon dazu wirken, dafi Gott dem Sunder die innerlicbe Erneuerung 
wieder scbenkt : potest in acceptum referre quidquid pro talibus et petierint 
martyres et fecerint sacerdotes (ib. 36). - So' scbliefit. sicb mit innerer 
Notwendigkeit ein Gedanke des werdenden KatboUzismus an den anderen ; 
aber zwei Gedanken beherrscben die ganze Entwicklung, das Heir des 
einzelnen ist sicber gestellt durch die -Earcbe, und es wird. erworben und ; ' 
erbalten durcb gute Werke. Die Earcbe spendet die Gnade durcb 
Pristertumy Gesetz, Taufe und Bufie, ' aber die Gnade will verdient sein 
durcb den Geborsarn gegen das neue Gesetz und die kircbliehe Disziplin. 
Parum esse baptizari et eucharistiam accipere, nisi qui factis ! et opere pro- 
fieiat (test. DIE., 26). So scblingen sicb die Gaben der Erlosungsreligion 
ineinander mit den Aufgaben der' Gesetzesreligion. Man macbt es dem 
Menscben leicbt in der Religion, indern man es ibm scbwer niacbt, aber 
da's Grofite iii der Religion, den freien Herzensglauben verliert man 
dariiber. Aber der. Menscb wird so sicber seines Heils : securitatis nostrae 



1) Wie wir fruker gesehen halben (S. 354), macht gerade der Doppelcliarakter 
des mereri, der sowoM mit der eigenen freien Tat als der wcfa%en&a des'-Empf angers 
rechnet, diesen Begriff so geeignet die merkwiirdige Kombination von Rechts- 
religion und Erlosungsreligion ZUIQ -Ausdruck 'zu bringen; Man nat bisher iiber- 
sehen, daB der Begriff gewissermaflen die strenge Eechtsanschauung erweicht,' 

35* 



548 19- Die Gesamtanffassnng des Christentums. 

sahibre praesidium , res posita in potestate facientis, res et grandis 
et facilis (op. et el. 26), das ist das mereri miserieordiam. 1st aber 
in dieser Weise alles an das menschliche Werk und eine Rechtsordnung 
geschlossen, so rniissen sich konsequentermafien bald auch die Mittel und 
Gfedanken finden, die alien Siindern fiir. alle Siinden und unter alien 
Umstanden die Vergebung sicher und bereit stellen. 

7. Ein weiteres Mittel zum Heil ist das Abendmahl. Es hat 
eine doppelte Bedeutung, als eine Grabe fiir den Empfanger und als 
Opfer, das fiir inn Grott dargebraclit wird. 1) Cyprian halt sich auch 
in seiner Anschauung vom Abendmahl an das tertullianische Vorbild, 
doch hat er haufiger von ihm geredet und bietet daher wenigstens fur- 
die Opfervorstellung deutlichere Gfedanken. Aber eine feste dogmatische- 
Grundlage sucht man auch bei ihm vergebens. Im 63. Brief bekampft. 
er die Ansicht, dafi der Abendmahlswein durch Wasser zu ersetzen sei, 
und kommt dabei auf genauere Angaben iiber den Sinn und .Zweck der 
Eeier. Christus der wahre Weinstock hat nicht Wasser, sondern Wein 
als sein Blut bezeichnet, daher kann auch das Wasser nicht als sein 
Blut angesehen werden ; es mufi Wein im Kelch sein. Wie Melchisedek 
hat Christus als Opfer ,,Brot und Wein dargebracht, namlich seinen 
Leib und Blut". 1 ) Wie Christus verheifit, im Reich des Yaters Wein 
mit den Jiingern zu trinken, so hat er Wein dargebracht, et vinum fuisse, 
quod sanguinem dixit (ep. 63, 9). Der Gfedanke ist also deutHch: Brot 
und Wein werden nicht etwa in Leib und Blut verwandelt, sondern sie 
bleiben was sie sind, aber Christus stellt Brot und Wein als seinen Leib 
und sein Blut dar, Leib und Blut erscheinen in Brot und Wein, letztere 
sind also die Darstellungsmittel oder Symbole von ersteren. 2 ) Dies wird 
aber nur dann der Fall sein, wenn das Opfer legitima sanctificatione 



1) ep. 63, 2: cum dicat Christus: n ego sum vitis vera", sanguis Christi non- 
aqua est utique, sed vinum, nee potest videri sanguis eius, guo redempti et vivi- 
ficati sumus, esse in calice, quando vinum desit calici, quod Christi sanguis 
ostenditur. Ib. 4: Christus, qui sacrifieium deo patri obtulit et obtulit hoc 
idem, quod Melchisedec obtulerat, id est panem et vinum, suum sdl. corpus et 
sanguinem. Ib. 13: in vino ostendi sanguinem Christi. P. Eenz (Gesch. d. 
Meflopfer-Begr. I, 230) deutet die erste Stelle so: da Christus der Weinstock ist r 
so mufi sein reales Blut Wein, nicht Wasser genannt werden ; aber im Zusammen- 
hang handelt es sich darum, daB Christus Wein nicht Wasser dargebracht hat,, 
die Kirche also dasselbe zu tun hat, zudem konne angesichts der Selbstbezeichnung 
Christi als Weinstoek nur Wein, nicht Wasser zur Veranschaulichung seines 
Blutes dienen. DaC Cypr. nicht an eine reale Gegenwart des Blutes und Leibes 
Christi im Abendmahl gedacht hat, geht aus obigen Stellen deutlich hervor; eine 
zutreffende Darstellung bei Loofs PRE. I, 58. 

2) Demgemafl werden die Abendmahlselemente selbstin alter Weise sacrifieium 
genannt, s. op. et el. 15. 



Cyprians Abendmahlslehre. . , 549 

d. b. mil Wein, nicbt Wasser, also einsetzungsgemafi begangen wird (ib.), 
sodann aber aucb nur dann, wenn die sanctificatio dort stattfindet, wo 
sanctus spiritus ist, d. b. in der Kircbe (ep. 65, 4). Das recbte Opfer 
Jsann also nur in der Kircbe dargebracbt werden, weil nur in ibr sancti- 
ficatio jnoglicb ist (unit. eccl. 17). Es wird demnacb durcb die Konsekration 
den Elementen docb eine besondere Qualitat mitgeteilt, die aber ideellen 
Cbarakter bat (vgl. Irenaus und Tertullian oben S. 368 ff). Es reicbt 
dariiber nicbt binaus, wenn Cyprian von einem kleinen Madcben erzahlt, 
das Brot vom Gb'tzenopfer genossen batte und daber sicb wider den 
.Empfang des Abendmablweins straubte, und ibn, als er ibr dennocb ein- 
^eflofit wurde, ausbracb, denn nur ein Zeicben der gottlicben Macbt 
erblickt er in dem Vorgang. 1 ) In diesem Sinn werden also die Elemente 
durcb die Konsekration Christi Leib und Blut: sandificatus in domini 
.sanguine potus.*) 

Durcb den Abendmablsgenufi werden die Cbristen in der Gremein- 
scbaft mit Cbristus gestarkt, sie werden als sein Leib von ibm gespeist 
und werden mit ibm vereinigt, wie das Wasser mit dem Wein eins wird 
in dem Abendinablskelcb. 3 ) Diese Lebensgemeinscbaft mit Cbristus 
sattigt sie innerlicb und wird ibnen so zum Scbutze wider alle An- 
fecbtungen. Wie der Wein den Menscben frei und froblicb macbt, so 
lafit der GrenuB des Blutes Cbristi den alten Wandel vergessen und 
erfvillt das traurige, von Siinden geangstete Herz mit der Freude tiber 
Gfottes Vergebung. 4 ) Die Gremeinscbaft mit dem Erloser, der, wie Brot 
und Wein, starkend und erfreuend auf die Seele einwirkt, ist also die 



1) de laps. 25 : sandificatus in domini sanguine potus de pollutis visceribus 
erupit, tanta est potestas domini, tanta. maiestas.. 

2) s. d. vor. Anm. vgl. Ps.-origv tr. 5 p. 55: nemo panem facit corporis 
domini, id est eucliaristiam benedieit, quia sacrificium tune (im alten Bunde) 
offerri non licet. 

3) de or. 18: Christiis eomm, qiii corpus eius contingimus, panis est . . . 
Non .communicantes a caelesti pane prohibemur, a Christi corpore separemur. 
ep. 63, 13 : quando autem in calice vino aqua miscetiir, Christo populus adu- 
natur. Quemadmodum grana multa in unum collecta, . . . sic in Christo, qui 
est panis caelestis, unum sciamus esse corpus, cui . coniunctus sit noster 
numerus et adunatus. ep. 11, 5 : nihil potest avellere corpori eius et sanguini 
-cohaerentes. 

4) ep. 57, 2: protedione sanguinis et corporis Christi muniamus, et cum 
ad hoc fiat eucharistia, utpossit accipientibus esse tutela . . . munimento dominicae 
saturitatis armemus. ep. 63, 11: quemadmodum vino isto communi mens 
solvitur et anima relaxatur et tristitia omnis exponitur, ita et puto sanguine 
domini . . . exponatur memoria veteris hominis et fiat oblivio conversations 
jpristinae saecularis, et maestum pectus ac triste, quod prius peccatis angentibiis 
premebatur, divinae indulgentiae laetitia resolvatur. 



550 19. Die .Gresamtauffass'ung- des Cbristentums. 

Gabe; des Abendmahlsgenusses. ;Das -sind alte christliche Gedanken ; es 
; mag Zufall sein, s .,dafi .die .eschatologisGhen.' Motive dabei wenig hervor- 
treten. 

2) Nun ist aber von alters her das Abendmahl mit ' dem Opfer- 

gedanken verbunden gewesen. 'Die Opfer des Christentums waren 

urspriinglich die Selbsthingabe an Gott und speziell die Gebete, vor 

allem die Dankgebete. 1 ) In Ankniipfung an letzteres riickte die Handlung r 

, die mit der svy^aQbGila begann, tinter -den Gesichtspunkt des Opfers. 

Dies Grebet war zunachst das Opfer im Abendmahl, es sprechen hieS 

den Opferdienst vollziehen, jede materielle Opfergabe war ausgeschlossen. 2 ) 

.Aber andere --'Motive verbanden sich bald mit diesem. Die' Darbringung 

der Gaben, in ; denen das Abendmahl als Agape begangen wurde und die 

.spater zu wohltatigen Zwecken verwandt wurden, gait ebenf alls als Opfer r 

und man legte dann dieser Darbringung besondere Bedeutung und Kraft 

.bei. 3 ) Weiter kam.: in' Betracht die Analogic der 'Mahlzeit mit den 

antiken Opf ermahlen, schon Paulus hatte davon geredet, 'aber der Gedanke 

einer ' Opf erdarbringung wuxde. nicht mit hereingezogen in die Parallele 

; (1. Kor. -10, 19 f.) ; sodann die allmahlich immer bedeutsamer werdende 

Erklarung .des Todes Christi als eines Opfers (s. oben S. 538 f.).' So wurde 

: es , ein , fester- iSprachgebrauch von - dem Abendmahl als dem Opf er der 



1) ygl. Rom. ,12, l,(cf. Eph,,5, ; 2). Ehil.,2, 17; 4, 48.^ Hbr.i:13,: IG.ci 
Jak. 1, 27. Apoc, 5,. 8. Hbr. 13. 15.. 1. Pete 2, 5. 1. ,C1.:36, 1. Athenag. 
Supplic. 13. Minuc. Fel. Octav. 32. Tertull. de res. 8. c. Marc. IV, 1. 9. seorp. 9. 

ad Scapul. 2. cult. fern. II; 9. orat. 28. virg. vel. 13. apol. 80. Hippolyt. Segea 
Mos. 17, 6. Segen Jak. 4, 3 (georgiscli). Ps.-orig. tr. 10 p. 107 f. 109. Lactant. 

.,ep. 53, 4; inst. YI, 24, 27 ; ; 26,, 5 (Gereehtigkeit). : Ps. s Tertull. carm. adv. Marc. 

IV, 183 ff. Clemens Strom. VIIv 3 p.- 8361; 6 p- 848; 7 p. 860. "Origen. de 

.or, 12, in Jer. h; 18, 10... in Lev. 9, !; 2, 2. 4;43, 3. inRom. IX, 1-etc. Cypr. 
ep,;66, 9;,. 37, 1; 76, 3. orat. 33; 24. -r tfber .das =altkirchliche Opfervgl. Hof ling, 
Die Lehre d. altesten Kirche v. Opfer 1851 und bes. F. Wieland,"Meusa und 
Confessiq 1906. - 

, : 2) s. 1. Glem;,40, 2ff. 44,- 4. Did. 14, 1 f . vgl; 8.136. Justin Dial; 41. 70. 117 : 

.eiiftal ^a.l,si>'/ l a^iat;t.ai, i)nb,',icov. aicov yivdfievai, rehsiat (idvca y.al :ei)dj)eaToi -sioi. 
tio &ecp dvoicu. : Tertull. orat: 19. 

3) 1. Kor.: 11, ; 20 22. . Justin. Ap. I, 67. Dial. ; '41 : Tigoocpegofievcov ctitcS 

: &VOICOV, TO.vTefffi .xov, ci^TOv .rrjs si/'^a^tarias xal -tov. Ttotrjqiov Sfioicos ifjS ei>%a<)iOTiaS' 

Iren. IV, 17, 5f/; 18, Iff. vgl. oben S. 368. Orig. c. Cels. VIII, 34. Cypr. op. et 

el.-. 15. Im.iubrigen' habeii" die. Opfergaben, die- bei ! ^dieser Gelegenheit' darge- 

- bracht werden- imd die fur Lebende. wie.-aucb. Tote von Bedeutung 'sind, .mit' dem 

,euc}iaristischen Qpferr^als- solchem noch-ber Tertull. niehts -zu tun, s. adux.'lIyS. 

y.monpg.; 10. .exh. cast. 11. cor. .-mil. 2; "Man - beging aii den ; Grrabern der Ver- 

..storbenen die Eucharistie (Acta^ Job.. :72) und brackte- dabei zu ikrem refrigeriutn 

: Opfergaben; dar,, -wie, : auch somst .bei der. Eucharistie. Vgl; 'F; W i e 1 a n d ,' 'Mensa 

u. Conf. S. 161ff. ' 



Das eucharistische Opfer. 551 

'Christenheit zu reden, 1 ) und dan'n 'als Gegenstand dieses Opf ers Christus 
als die Erfuilung aller Op ; fer zu bezeichnen. iFeste . dogmatisc'he Vor- 
ste'llungdn ; haben slc'h u'rsprunglich kaum liiermit verbunden. So hat 
schon Trenails von dem Opfer Christi gesprochen (oben S. 368 f.). Nun 
sab. riian aber 'Christi 'Opfer als Siihnopfe'r -an, es war also 'konsequent, 
dafi auch das Abendrnabl als 'Suhnopfer gefa'fit wurde, das ist 'der Gre- 
darike, den Origenes als kircblicb. voraiissetzt, aber in seiner Weise um- 
deutet (oben 'S. 441 A. 1). A'ber erst auf dem Boden der lateinischen 
''Recntsreligion enipfing ' diese ; r Gredanke seine scnarfe und klare CPragung. 
'Das Abendmalilsopfer wurde hineingezogen in den weiten Kreis der 
'Opfersatisfaktionen, deren ; der Sunder zur Yersobnung Grottes bedurfte.^) 
Damit verband sicb. die Tehdenz dem Priester als sacerdos eine feste 
Funktion zu erwerbeh. Zwar batte'er das iganze Satisfaktionswesen zu 
leiteh, wie wir gesenen 'haben, aber 'die satisfaktoriscbe Tat als solcbe 
war das Opfer jedes einzelnen Christen, bei dem ' eucbaristiscben Opfer 
trat die priesterlicbe Funktion in den Vordergrund. Der Priester hat 
ni6ht das eucbaristiscbe Opfer geschaffen, aber ; er hat ^die :vorhan'dene 
'Idee akzeptiert ' ilnd seiner Tendenz entsprecherid f ormuliert. Daf iir .;gab 
vor allein das alttestamentlicbe Opferritual reichlicb seine entleerten 
Schemata her, es gait sie ' ausfiillen. Man kann an' Origenes studieren, 
wie verwirrend diese 'Vorbilder auch auf einen hellen Greist eingewirkt 
ha'ben. TJrid auch das ' Opf erritual des romischen 'Staatskultus mag- zur 
Ausgestaltung der Opferidee 'in "der ^Kirche :mitgewirkt haben. 3 ) "So 
haben mancherlei .Paktoren mitgewirkt, um 'den schlichten urchristHchen 
Opfergedanken fortziubilden. Er ; hat sich schliefilich <auf das Abendmahl 
: kbrizeintriert, und hat die Grundidee ; desselben vollig und :allseitig um- 
gebildet. Aus einer' Grabe' Grottes an den Menschen wurde eine ,:gatis- 
f aktorische Grabe 'des 'Menschen an ; Gott, aus der -Mitteilung der Siinden- 
vergebung" wurde ihr-Erwerb, aus r; der Gegenwart des lebendigen 5 .Christus 
' wurde ' ( das ; Opfer seines' Meisches und Blutes, statt nach der' ^personlichen 
'Gegenwart des Herrn zu fragen forschte man hinfort seinenv/gottlichen 
'Meisch s ! Und'Blut 'inach, 'der -grofie Gedanke der Erlosungsreligion von 
der erlosenden Macht personlicher Gegenwart wandelte sich in einen 
Siihneritus der Rechtsreligion. Wie sich diese Wandlungen allmahlich 



1) s.'z. -B. Just! Dial. '41. '117. Clem. Strom.'I, 19 p. : 375. :Tertiill. cult, 
fern, II, 11. orat.'-19."ad ux. II, -8. Hippolyt. canon/ (Ztschr. f. KG.^XXVn,:19) : 
dew man allein darbringt, nacii'aiiderer tfbersetziing : who* alone hast made oblation. 
Bidascal. syr. 9.-11 (Eu'charistie de's Opf ers}. Ps.-clem de virg. I, >5. Ps.-cypr. 
de aleat-5. 8. -Method, lepr. 6,>'7.:8. 

2) z. B. Tertull.-pud.^2.' pat/ 13 cf. resurr. 8. :Lact. epit. 62, -4. 

3) Ygl. Gotz, Christent.' Cypr. 8.: 135. . 



552 19- Die Gresamtauffassung des Christentums. 

.herausgebildet liaben, .sie sind bei Cyprian keineswegs ,,fertig% so hat 
sich neben ihnen immer auch der alte Gedanke von der beseligenden 
Gegenwart Cbristi behauptet, wir baben ihn auch bei Cyprian konstatieren 
konnen (oben S. 549). Aber man kann sicb den Wandel im Verstandnis 
der Religion von Paulus bis Cyprian kaum an einem Beispiel so viel- 
seitig vergegenwartigen als an der Idee des eucharistischen Opfers. 

Die sanctificatio, so saben wir (S. 548 f.), teilt, nacb Cyprian, dem. 
Brot und "Wein die ideelle Geltung als Leib und Blut Cbristi mit. Nicbt 
die sanctificatio ist die Opferbandlung, sondern sie qualifiziert Brot und 
Wein fur sie. 1 ) Die oblatio ist an sicb die Darbringung der Abendmahls- 
elemente, die sanctificatio macbt sie zu Leib und Blut Cbristi. 2 ) Die 
sanctificatio kann nur in der Kirche des Geistes vollzogen werden (ep. 
65, 2. 4; 43, 5). Dem Priester steht das sacrificia offerre zu (ep. 68, 2; 
72, 2 ; 1, I), und zwar bringt er sie dar in Vertretung Cbristi des Hohen- 
priesters : sacerdos vice Christi fimgitur, qui id quod Christus fecit imitatur 
et sacrificium verum et plenum iunc- offert in ecclesia deo patri, si sic 
incipiat offerre secundum quod ipswn Christum videat obtulisse (ep. 63, 14). 
Das wirkliche Opfer Christi aber bestebt in der Darstellung seiner Selbst- 
bingabe in der Passion. Die Passion Cbristi ist somit aucb das Objekt 
des priesterlichen Opfers : quia passionis eius mentionem in sacrificiis 
omnibus faeimus passio est enim domini, quod offerimus , nihil 
aliud quam quod ille fecit facere debemus (ib. 17). Der Zusanimenhang 
ist also dieser : Christus. brachte im Wein und Brot dem Vater seine 
kiinftige Passion als ein Opfer dar, dies Opfer ahmt der Prieser nach, 
indem auch er die Passion Cbristi oder sein Blut Grott darbringt. Mcbt 
ist also eigentlicb der Leib Christi Gegenstand des Opfers, sondern die 
erlosende Wirkung dieses Leibes resp. das vergossene Blut. Der Priester 
opfert somit nicbt den Leib Christi, sondern er macht die erlosende 
Kraft der Passion vor Gott geltend, in Nachahrnung dessen, was Christus 
bei der Einsetzung des Abendmahls im Hinblick auf die Passion getan 
hat. Demgemafi wird das Blut (sanguinem offerri, ep. 63, 9) als die 
eigentliche Opfergabe bezeichnet. 3 ) Wenn man diesen Zusammenhang 



1) Vgl. Eenz, Mefiopfer I, 220. 

2) z. B. ep. 65, 4 : oblatio sanctificari . . . possit. 63, 9 : sanguinem Christi 
non otferri, si desit vinum calici, nee sacrificium dominicum legitima sanctificatione 
celebmri, nisi oblatio et sacrificium nostrum respondent passioni. ep. 12, 2; 1, 2. 

3) Es kommt aueh darauf hinaus, wenn Eenz (I, 221) ,,die dargestellte 
Passion Christi" als das Opfer bezeichnet. Ubrigens mag daran erinnert werden, 
dalS der ursprungliche Sinn der Hinzufiigung des Kelches zu dem Brot in der 
Erinnerung an das Heilswirken Christi in , der Passion besteht s. E. Seeberg, 
Das Abendmahl im Neuen Test. 2.. Aufl. 1907, .8. 19 ft. 



Der Sinn des eucharistischea Opfers. 553 

/ ' 

im Auge bebalt, 1st es unfraglich, daB das eucbaristische Opfer, genau 
betracbtet, niclits anderes entbalt als die commemoratio (ep. 63, 17), 
oder die Greltendmachung des Yerdienstes Christi vor Gfott. Es fubrt 
aber freilicb die Sanktifikation der Elemente, sowie die Annabme, dafi sie 
durcb dieselbe den Charakter als Cbristi Blut. und Leib erbalten, biniiber 
in einen anderen Vorstellungskreis. Daraus ergibt sicb dann, daB man 
praktiscb docb an die Herstellung des Leibes Cbristi und an seine 
Opferung denken konnte. Daraus aber folgte dann allmablicb, wie so 
oft, die Yorscbiebung der leitenden Idee durcb die praktiscbe An- 
.scbauung. 1 ) 

Eragt man nun nacb dem Erfolg dieses Opfers, so inufi dies Opfer 
in dem Rabnien des ganzen propitiatoriscben Opferapparates der .Zeit 
begriffen werden. Was Gbristi Opfer am Kreuz, was die BuBe und die 
guten Werke als Opfer leisten, das bewirkt aucb dies Opfer, narnlicb 
die Umstimmung Grottes, den Erwerb seiner Gnade. 2 ) Offerre pro illis 
et eucharistiam dare ist also der Inbalt der Abendmahlsbandlung (ep. 
17, 2; 15, 1). Das ist der doppelte "Weg, auf dem die Eucharistie den 
Sunder trostet und mit Sundenvergebung und Grottes Scbutz versiebt. 
Wie sebr aber das Opfer dabei eine selbstandige Stelle einnimmt, ergibt 
sicb vor allem daraus, dafi aucb Yerstorbene an dem Segen des Opfers 
teilbaben : sacrificia pro vis semper . . . offerimus, quoti&ns iimrtyrum 
passiones et dies anniversaries commemoratione celebramus (ep. 39, 3 ; 12, 2). 
Es ist ein sacrificium pro dormitione (ep. 1, 2). Der Gredanke, daB die 
iebenden zur Milderung des Zustandes der Yerstorbenen etwas beitragen 
tonnen, ist alt. Wie die Furbitte der Perpetua fur ibren ver- 
storbenen Bruder bewirkt translatum eum esse de poena (passio Perpet. 8), 
so gibt Tertullian an,. daB die uberlebende Frau fiir ibren verstorbenen 
Oatten pro anima eius or at et r&frigerium interim adpostulat ei et in prima 
reswrectione consortium et offert annuis diebus dormitionis eius (monog. 10 
cf. exb. cast. 11, s. oben S. 550 A. 3). 1st bier die Eiirbitte und ibre 
verstarkte Grestalt, das Almosen zum Segen fiir die Yerstorbenen wirksam, 
so bat dieser Gredanke bei Cyprian die Steigerung erfabren, dafi zu ibren 
gunsten das eucbaristiscbe Opfer dargebracbt wird, natiirlicb mit dem 



1) Diese Darstellung kommt im Resultat mit Kattenbusck tiberein 
tPEE. XII, 677). Die katholischen Theologen (z. B. Kenz I, 229) reden YOU der 
Darbringung yon ,,Blut selbst in realer Gregenwart". 

2) Es ist richtig-, dafi von dieser ,,propitiatoriscnen Wirkung" ,,nirgends 
direkt die Eede" ist (Kattenbusch a. a. 0.), aber diese Wirkung ist imBegriff 
des Opfers als selbstyerstandlich mitgesetzt, vgl. Wirtk, Der Verdienstbegr. b. 
Cypr. S. 142 ff. Vgl. nocb. Ps.-orig. tr. 10 p. 106: liostia oblatio esi sacrifidi, 
cum deonmnus offer tur, ut propitiata dimnitate hostis diabohis avertat^(,r. 



554 19- Die Gesamtaiiffassung des' Christe'ntums. 

"gleichen Effekt, der ibm iiberhaupt zukommt. Im Zusammenhang mit 
diese'm Gedanken des Opfers fiir die Yefstorbenen steht : die sowohl im 
Judentum als dein griechischen und romisc'hen Heidentum nachweisbare 
'idee ernes Zwischenzustandes mit einem. lauterriden 'Eegf euer , wie sie 
uns schon bei Origenes und' Clemens begegnete. 1 ) 

8. Der dritte Gredankenkreis hat es mit der Eschatologie za 
tun. Die eschatologische Erwartung ist am 3. Jahrhundert iiberaus rege 
gewesen, zumal in dem christlichen Yolk. Schon Hippolyts gelehrte 
Erorterung der Escliatologie wies auf dies Interesse tin (oben S. 380 f). 
Die Yerfolgungen haben die ruhigere Betrachtungsweise eines Irenaus 
und Hippolyt vefdrangt. Dazu kain, dafi je mehr die Kirche sicb. in 
der Welt konsolidierte, und je scharfer der "Widerspruch der Welt gegen 
sie wurde, sie ihr eige'ntiimlicnes Gescbicbtsbild mit dem endlicn'en Sieg 
iiber die Yolkerwelt konkreter zu empfinden trachten 'mufite. Im 'Morgen- 
land dachte man freilicb. seit Origenes nienr an einen grofien ethischen 
'KulturprozeB, der die Welt irinerlicb. umwandelt, es ist interessant, dafi 
Her wob.1 erst iin 6. JaHrhundert wieder ein'Kommentar zur Apokalypse 
geschrieben wurde. 2 ) Im Abendlande waltete dagegen die dramatische 
Betrachtung des Endes als einer Eolge gescb.ichtlicb.er Ereignisse und 
gottlicher Akte vor. Nicht nur fand man' an den Zukunftsbildern der 
Apokalypse grofies Interesse, 3 ) 'sondern man nahm. auch den- ganzen iiber- 
kbmmenen Apparat der jiidischen eschatologischen Yorstelltngen mit auf, 
wie inan-'es bei Commodian und'Lactanz beobachten kann. 4 ) Moglichst 
alles aiis diese'n TJberlieferungen eignete man sich an, man trostete sich 



1) s. die NacHweise oben S. 453 A. 2. Dazu Tertull. : de anim. '58: "et 
: supplicia iam'illic et refrigeria . . .Cur 'enim non putes animam et puniri et 
foveri in inferis' interim sub expectations utriusque iudicii in quodam usurpatione 
et Candida eius? Animam aliquid pensare, penes infer os salva resurrectionis 
plenitudine . per carnem quoque. Cypr. ep. 55, 20: aliud pro peccatis longo 
dolore cruciatum emundari et purgari diu igne, aliud peccata omnia passions 
purgasse. 'Novatian. de trin. 1: locus 'enim est, quo piorum animae impiorumque 
ducuntur futwris ntdicii praeiudicia sehtientes. Commod. iristr. 11,^32,- 10. 

2) Andreas v. Casarea, vgl. Bousset, Offenb. Joh. S. 68 J. Leipoldt, 
Geseli. des neutest. Kanons I (1907), 96. GrieeMsclie Chiliasten sind auCer 
Nepos s. oben S. 520 Methodius (oben S. 529) und Apollinaris v. Laodicaa 
'(Basil, ep. 263, 4). Die Apokalypse' fehlt im Kanon vieler orientalischer Theologen 
s. Leipoldt a. a. 0. S. 88ff. 

3) s. Viktorins Kommentar zur Apokalypse, den echten cMliastischen Schlufi 
hat Hau.Bleiter wieder aiifgefunden s. Theol. Literatnrbl. 1895, : 193 ff. und 

' vgl. HauBleiters Abhandlung : die Komm . ' d: Victorinus, Tichonius und Eierony- 
' mus zur Apbk. in 'Zts'chr. f. k. Wiss. 1886, 239ff. 

4) Vgl. die genaue Darstellung von A t z b e r g e r , Gesch; ; d. christl. Eschatologie 
innerh. der vornican. Zeit 1896, S. 555 ff. 583 ff. 



Die Eschatologie der Latemer. '555 

dadurcb im Kampf, man starkte' das gescbicbtlicbe SelbstbewuBtsein der 
Eorcbe und man scbuf fur die religiose ''Pba'ntasie eine Spbare des 
absolut "Wunderbaren, in der sie von keiner liarten'Wirklicliieit beerigt 
wurde. -Anfang und' Ende des Cbristentums' boten ' bierfiir den Spiel- 
raiim, zu den ;,;"Wundern" jener alten' balbgnostiscben Apostelromane 
kamen die "Wunder der letzten' Zeit. So veranscbaulicbte sicb das Abend- 
land das siegh'afte' "Walten der 'HerrscKaft" Grottes in ; der "Welt. ' Es 
gewann damit ein geistiges Betriebskapital; 1 dessen Wirkungen man nicht 
unterscnatzen darf, auch ! Augiistins groves' Geschichtsprogramin in "de 
oivitate dei ist von dieser Geschichtsbetrachtung mitbestimnit worden. 

' -Man kann als Subjekt der 'Eschatologie' die fromme Seele anSehen r 

dann handelt es sicb. um'ibre Hbffnung auf Seligkeit und ewiges Leben. 

Und man kann wieder ; die'Kircbe' als' Sub] ekt nebmen, dann ist die 

Erage die nacb. dem AbscbluB der''"Welt -und' dem Eintreten des Eeicbes 

Gottes. Beide Eormen der Betracntung pflegen in dem kircblicben 

Leben nebeneinander berzulaiifen, in der Dogniatik werden sie kombiniert. 

'Aber auch wenn : die Dogmatik feststellt, dafi der Einzelne innerKalb 

des grofien Gesamtprozesses seine 1 Yollendung findet, pfle'gt die fromme 

Seele sicb des Gedankens Luk. 2 3, '42. 43 zu trosten, gleicb. nacb. dem. 

;! Tode bofft sie ini Paradieg zu sein. TJnd diese' 'Betra'chtungsweise gerlide 

ist der genuine' AusdrUck personHcher Erommigkeit. ' "Wir beginnen daber 

die' Darstellung mit ibr. ,,'Diese Gnade erteilt Cbristus, dies Ge- 

scbenk seiner Barmberzigkeit verleibt er, indem er ; den Tod dufcb'das 

Siegeszeicben des Kreuzes bezwingt, den Glaubigen um den Preis seines 

. Blutes -erlost, ; den \ Menscben Gott dem> Yater--versobnt, den' ^Sterblicben 

' durcb die bimmHscbe -Wiedergeburt lebendig macbt. ' Ibm wollen wir 

alle na'cbfolgen, wenn es sein kann, zu seinein Dierist und seinem Zeicben 

uns werben. lassen. Er eroffnet.uns den Weg des Lebens, er fiibrt- uns 

..zuruckizum.' Paradies, ( er leitet uns. zum> Himmelreicb. Mit ibm werden 

wir ewig:> leben, durcb ibn zu Gottes Kindern gemacbt, .mit ; ibm werden 

wir ewig jubeln,- durcb sein Blut wiederbergestellt. ' l Wir werden "Cbristen 

sein, mit Cbristus zugleicb verbefrlicbt, beseHgt' durcb Gbtt den Vater, 

in ewiger Wonne. immer im Angesicbte Gottes uns : 'freuend und Gott 

.immer- Dank sagend. ., Penn nicbt -wird der . anders als dmmer froblicb. 

und -.dankbar ^sein konnen, :der, ; da- 'er- dem Tode verf alien '< war, seiner. 

' TJnsterbli'cbkeit sicher gemacbt ~ worden ist" (Oypr. ad. Demetr. : 26). 

1 Diese' 'Satze zeigen, wie ' eng das 'Bewiifitsein der' Erlosung zusammen- 

.bangt mit -der ..Gewifibeit ewiger Seligkeit. ,,'Es bluht bei uns der 

. Hoffnung Kraft und Eestigkeit des : , iGlaubens, und -selbst ; > unter > den 

iTrummernitder. zusammenbrecbenden^Welt bleibt aufrecbt der Geist^und 

unerscbiittert der Mufrurid stets'-fr'ob' die Geduld und' die' Seele immerddr 



."556 19- Die Gesamtauffassung des Christentums. 

: sicher ihres Gottes" (ib. 20). Yoll Sehnsucht wartet die Seele des Ab- 
scheidens, das sie rait Ghristus vereinigt und den ewigen Lohn ihr 
bringt, iin Yergleich zu dem alle irdische Millie gering erscheint (de 
mortalit. 24. tab. yirg. 21). Wer geglaubt hat und gerecht gelebt bat, 

der kann sicber sein, dafi der Richter sein Yerdienst mit ,,unverganglichen 
Schatzen" und dem ,,Lobn der TJnsterblicbkeit" vergilt. 1 ) Scbon jetzt 
tragen die seligen Martyrer Kronen und weifie Gewander und sind ein- 

.gegangen in das Paradies (Cypr. ep. 39, 3. pat. 10. mortalit. 20. 26), 
aber aucb die Gottlosen, die sterben, sind jetzt scbon der ewigen Mamme 
verfallen (ad Demetr. 9. mortal. 14). Andrerseits freilicb soil erst das 

..jungste Gericht die Prufung der Yerdienste und Lobn und Strafe bringen 
(ep. 58, 10). Scbon Tertullian bat dies Dilemma eingebend erortert, aber 
er weist den doppelten Einwand, daB dem Lobn und der Strafe das Gericbt 
sowie die Auferstehung vorangeben miissen, zuriick. Da die Seele selb- 
standig f ortbestebt und da gerade sie Boses wie Gutes tat, so bat sie 

es aucb verdient Ereude oder Trauer zu empfinden, und sie ist dessen 
aucb vor der Auferstehung des Leibes f abig. Er nimrnt daber aucb fur 

den Zwiscbenzustand supplieia et refrigeria an als die expectatio utrius- 
que iudicii (de anim. 58). Es ist also der Gedanke der TJnsterblicbkeit 
der Seele, 2 ) der aucb tbeoretiscb die Annabme einer sofort eintretenden 

..gewissen Seligkeit oder UnseHgkeit ermoglicbt bat. Die altere urcbrist- 
.licbe und israelitiscbe Yorstellung konnte die Seligkeit wie Yerdammnis 
-erst nacb der Auferstebung eintreten lassen, da sie nur ein Leben im 



1) Gominod. carm. apol. 803 f.: quisque tribus credit et sentit unum adesse, 
hie erit perpetuus in aeterna saecla renatus. Lact. epit. 68, 5: sed verum et 
solum deym rectws agnoscet, abiciat voluptates . . ., prosit quam plurimis, in- 
corruptybiles sibi thesauros bonis operibus adquirat, tit possit deo iudice pro vir- 
tutis suae mentis vel coronam fidei vel praemium immortalitatis adipisci. 

2) Lactanz hat die Unsterblichkeit der Seele ausftifoiich, im AnschhiB an 
Plato und Cicero, erwiesen (die Seele bewegt sich selbst, nur sie ist der Tugend 
fahig, sie verachtet die zeitlichen Giiter, sie erkennt den ewigen Gott, der Mensch 
scliaut zum Himmel empor und braucht das himmlische Element, das Feuer etc., 

s. inst. VII, 8 13. epit. 65), aber er sieht sie andrerseits auch als eine dem 

Menschen mitgeteilte Moglichkeit an, die er durch Frommigkeit verwirklichen 

: soll, s. inst. VII, 5, 9. 15. 17. 20: immortalitas non sequella naturae, sed merces 

.praemiumqye virtutis est. 22: mortalem. nasci hominem, postea vero immor- 

'talem fieri. Wunderliche Gedanken hat Arnobius vorgetragen: der genitor 

fler Seele ist nicht Gott, aber auch nicht die Eltern, sondern ein anderes erhabenes 

Wesen, das unter Gott steht, aber zu seiner aula gehort (adv. nat. II, 36). Die 

Seele hat anceps ambiguaque natura (II, 31), sie ist an sich sterblich, aber der 

TJnsterhlichkeit fahig.- Diese aeternitas vitae wird ihr durch das Christentum ge- 

geben (II, 34), da Christus die salus und die perpetuitas den Mensehen sehenkt 

(II, 65). Vgl. A. Eohricht, Die Seelenlehre d. Arnobius 1893. 



Unsterblichkeit und letztes Grericht. 557 

Leibe kannte; indessen hat man immer von der Seligkeit der Yerstorbenen 
geredet, inag diese auch nur relativ gedacht werden, denn allerdings ist 
es ein Prrvileg der Martyrer, sofort in das Paradies einzugehen (Tert. 
res. 43. Oypr. pat. 10). Lebhaftigkeit der Hoffnung und frohe Sieges- 
gewifiheit vereinigen sich in diesen Gedankeri, der Lohnvorstellung be- 
gegnet man seltener als man annehmen mochte. Nicht selten trifft man 
in diesem Zusammenhang auf militarische Wendungen : Gottes Heerlager 
liegt dem Satans gegeniiber, da gilt es wachsam sein fur den letzten, 
Kampf und Straufi (Cypr. ep. 58, 8. ad Fortunat. praef. 2). 

Wir reden weiter yon den Gfedanken iiber die Endzeit. Das Ende,. 
meinte man, ist nahe, die "Welt altert (Cypr. ad Demetr. 3. 4. de mortal. 
2. 25), die Spaltungen in der Kircne weisen auf das Ende bin (unit., 
eccl. 16). Allgemein ist die Anschauung, dafi der Weltlauf sechstausend . 
Jabre dauern soil, die fast vollendet sind, dann folgt der Antichrist, die 
erste Auferstebung und das tausendjahrige Reich, 1 ) dann. erst spater, nach 
neuen Kampfen, die zweite Auferstehung, das jungste Gericht und die 
Ewigkeit. Aber diese allgemeinen Umrisse werden durch mancherlei 
Details belebt und mit allerhand aufierbiblischem Material ausgefiihrt. . 
So ergeht man sich gern in genauer Schilderung der furchtbaren Natur- 
erscheinungen und "Wirren, die die letzte Zeit einleiten. Dann erscheint 
der Antichrist, er ist ein gottloser Herrscher, der ITeind Grottes, der 
"Wunder tut und Anbetung beansprucht. Der Antichrist ist der Nero 
redivivus: quasi deum eum putabunt (Commod. carm. apol. 832), Juden 
und Romer beten ihn an (ib. 836). Dann aber tritt auch der Antichrist 
der Juden im Orient auf: nobi<> Nero factus Antichristus, itte ludaeis 
(ib. 933), er richtet auch in Rom ein furchtbares Blutbad an. Aber 
schliefilich werden auch die Juden an ihm irre (ib. 937 ff.). Nun treten 
die neun Stamme auf, die in Persien ein frommes Leben im Exil ge- 
fiihrt haben. Grott fuhrt sie mit vielen Wundern nach Judaa (ib. 942 ff.). 
Jetzt erscheint Christus, die Erde wird gereinigt, die Gferechten erstehen, 
die Gfottlosen werden verbrannt, der Teufel gefesselt. Das tausendjahrige 
Reich geht an, die Gerechten regieren mit Christus die Yolker, Sonne 
und Sterne leuchten heller, die Erde ist wunderbar fruchtbar, die wilden 
Tiere werden zahm (Lact inst. YII, 24, 2ff. epit. 67, 3ff.). Nach Ab- 
lauf des Millenniums wird der Teufel wiedef frei, er will mit den Heiden 
das Reich der Heiligen erobern. Aber Gott besiegt ihn. Dann findet 
die zweite, allgemeine Auferstehung und das letzte Gericht statt (Lact. 

1) s. Cypr. ad Fortunat. praef. 2 cf. 11. ep. 58, 7. Commodian. instr. I, 
35, 6. II, 3, 9; 39, 8. 15. cam. apol. 45. 791. Lactant. inst. VII, 14, 611. 
epit. 65, 8. Victoria, s. HauBleiter Theol. Lit.-Bl. 1895, 195 ff. Ps.-orig. tr. 
5 p. 56. tr. 18 p. 197. tr. 8 p. 94. 



558 19. Die Gesamtauffassung des Christeiitums. 

inst. VII, 20). Post haec .renovabit deus mundum et transformabit iusios 
in figuras angdorum, ut .immortalitatis veste donati : serviant deo in sempi- 
ternum. Et hoc erit regnum dei, quod finem non kabebit (Lact. epit. 67, 8). 
Das Reich Gottes ist in diesem Zusammenhang .endgiiltig .als erne 
rein . escliatologisclie Grofie fixiert. Es ist die . Statte der ewigen. Selig- 
keit, die sich denen . eroffnet, die Menieden in der.Kirche. Gutes getan 
liaben: ad percipiendam regnum dicit admitti qui fuerint in ecclesia 
eius operati (Cj'pr. op. et el. 9 cf. zel. et liv. 18). Hier erst ist die. 
"Wiedergeburt .vollzogen (Commod. carm. ap. , 804), ein quietwn, tran-- 
quillum, pacificum, aureum, ^d poetae vacant, seculwn ist angegangen 
{Lact. inst. VII, 2, 1). , Das hockste Gut der Christenheit ist in die 
Zukunft projiziert, es ist der. Lohn fur die Arbeit auf Erden. Die 
Kirche ist irdisch, das Reich ist hhnmlisch und jenseitig. 



20. Rucktolick. 

1. "Wir haben bisher von der Entstehung keines einzigen ,,Doginas" 
im strengen Sinn des Wortes berichtet, aber wir haben die Grundlage 
kennen gelernt, auf der sich die Dogmen entwickeln werden. Die Saat- 
zeit habsn wir besprochen, die Ernte wird ihr folgen, und zwar bald. 
TJnter diesem Gesichtspunkt soil noch ein kurzer Ruckblick auf die ge- 
scbichtliche Entwicklung, die wir hn einzelnen durchforscht haben, in 
diesem Paragraphen erfolgen. 

Wir sind-, ausgegangen vom Urchristentum. Es lehrte uns die 
Religion der Eiiosung und der Yollendiing kennen. Die, Herrschaft. 
G-ottes ist die Erlosung und die Vollendung, die durch Jesus Christus 
und den heil. Geist im Menschengeschlecht geschichtlich wirksam wird. 
Das Erleben dieser, erlosenden Herrschaft fafit. in sich, die. Erkenntnis 
der Siinde, als der. Macht, die die Mensphheit bose macht und. der 
Schuld gegen Gott unterstellt, sie ist der Tod und das Verderben. Aber 
Gottes erlosende Herrschaft lafit zugleich inne werden seiner Liebesenergie, 
die in Christus Siinde vergibt und ein neues Denken und Wollen und. 
damit das ewige Leben in dem Menschen schafft. Das ist der netie 
Lebensinhalt des Christen in dem Glauben und der Liebe, in der TJnter- 
werfung unter Gott und in der Hingabe an.ihn. Nicht natiirliche Giiter 
oder neue Gesetze gibt Gott, sondern er ,,wirkt in : uns das Wollen und 
das Vollbringen", und er wirkt dies als personlicher allmaehtiger Liebes- 
vville. 1 ) Nicht dies und jenes; gibt Gott, was der Mensch zu erganzen 



1) Das Weseu jeder Eeligioii ist unter drei. unter sicli zusammenhangendeii 
'Gresichtspunkten zu bestimmen: 1) nach dem Gottesbegriff, 2) nach den ihin ent- 
'SprechendeiL Gaben Gottes an die Menschheit und 3) nach den in diesen be- 
:schlosseneu Aufgaben fur 'die Menscben. "Outer diesen drei Gesichtspunkten ist 
auch die Bigenart der drei Eeligionsstizfen, der naturlichen, der Eeclits- und der 
Erlosungsreligion, zu erkennen und die Uberlegenheit. der letzteren liber, die 
ersteren anschaulicli. zu niachen. Vgl. C. Girgensohn, Die Religion, ihre 
psychischen Fornien iind.ihre Zentralidee. 1903. 



560 20. Eiickblick. 

oder zu ,,erfiillen" hatte, sondern er wirkt alles Gute und befreit von allem 
Bosen. Er erlost von der Macht der "Welt und des Bosen und er vollendet 
dadurch die Menschheit, indem er sie auf die Hohe des geistigen und sitt- 
lichen Daseins, zu Versohnung und Unsterblichkeit fiihrt. "Wie sie alles 
von Gott empfangt, so gibt sie ihm alles in freiem Dienst. Daher nun 
wandelt die erlosende Herrschaft die Menschheit urn in ein Reich Gottes, 
das durch seine Liebesenergie ist und wird ; dies empfindet der Glaube, 
und die Yerwirklichung dieses Eeiches ist daher das hochste Ideal aller 
menschlichen Liebe und Arbeit. Dies ist in Jesus Christus Wirklich- 
keit geworden, einmal sofern es in die Geschichte eingetreten ist, dann 
sofern es durch ihn als fortwirkende ewige Wirklichkeit erlebt wird. 
Er hat nicht blofi gelebt, gelehrt und erlost, sondern er lebt, lehrt und 
erlost, er hat nicht nur Gottes Herrschaft und sein Reich verkiindigt r 
sondern er iibt sie aus und baut es dauernd und fur immer. Das ist 
das Wesen der christlichen Religion als der Erlosungsreligion. Als solche- 
steht sie zu den sonstigen Religionen und Weltanschauungen in einem 
doppelten Yerhaltnis, sie ist ihre Kritik und sie ist ihre Vollendung,, 
indem letzteres auch ersteres. Die christliche Religion verwirft die An- 
schauungen tmd Urteile der iibrigen Religionen, weil sie in ihnen einen 
irrigen Ausdruck des religiosen Bedarfes und Gutes erblickt, aber si& 
vollendet ihre Tendenz auf ein ewiges Leben der Gemeinschaft mit Gott 
und unter Gott. Daher hat sie zu alien .Zeiten mit der scharfsten 
Kritik von Religion und Philosophic der nichtchristlichen Menschheit die 
positive Ankniipfung an beide verbinden konnen, wie wir es bei den 
alten Apologeten gesehen haben (S. 265 f.). Diese Beobachtung ist fur das 
Verstandnis der DG. von hochster Bedeutung, denn sie schliefit den 
Purismus der positivistischen Geschichtsbeurteilung aus, als ware das 
Hellenisieren oder Germanisieren schon an sich vom TJbel. 

Als neues Leben in der Gemeinschaft mit Gott und Christus, als 
xaivrj wcioiQ unter dem EinfluB des ftvevpa, als ein neues Geschlecht 
der Menschen haben die Christen von Anfang an sich und ihre Genossen- 
schafb empfunden. Eine unendliche Fulle von Empfindungen und An- 
schauungen quoll aus dem Walten des Geistes empor. Aber von Anfang 
an stand dem gegenuber ein relativ fester Komplex religioser und 
moralischer Begriffe und TTrteile, eine Anzahl von Institutionen, die heil. 
Schriften des A. T. und die Autoritat Jesu und der Apostel. Jener 
Komplex der ,,TJberlieferung" oder der ,,Gebote", des ,,Evangeliums" 
oder der ,,Yerkiindigung" ist nun der eigentliehe Qnellpunkt des Dogmas, 
nicht die Schriften der neutestamentlichen Autoren. Die Tradition" 
ist alter als die ,,Schrift" und sje ist in dn ersten Jahrhunderten das 
Fundament aller christlichen Erkenntnis und somit auch der Dogmen 



Das urchristliclie Kerygma und seine Wandlungen. 

geworden. 3 ), Man kann die DG. d.er drei ersten Jahrhunderte in sehr 
-\veitem TJinfang als die Geschicbte der Tradition oder des Gedanken- 
komplexes. der. urchristlichen Missionspredigt charakterisieren. Indesseri, 
so zah imnier diese Grofie sich konserviert hat (vgl. Irenaus und Tertullian), 
so sehr mufite doch die geschichtliche Entwicklung auch auf sie um'- 
bildend, vertiefend und verflachend, erweiternd und verweltlichend ein- 
wirken. Das war vor allem dadurch bedingt, dafi das Christentum als 
die grofite Mission sreligion aller Zeiten Ankniipfungen in der Religion 
und Bildung der Zeit suchen mufite, dafi es sodann die TIrkunden einer 
inehr als tausendjahrigen Religion als sein Eigentum benutzte, und dafi 
der Reiclatum seines Inhaltes, der gedeutet wurde von dem beweglichen 
Geistprinzip, tiefste Empfindungen in den Seelen seiner Bekenner aus- 
loste und zu mannigfaltiger Kombination niit der Bildung der Zeit 
einlud. . - 

Genauer betracbtet sind es folgende Elemente, welcHe die Entwicklung 
und Interpretation des alten y^Qvyj.ia . bedingt baben. 1) Die jiidische 
^ynagoge mit ibrer Yerfassung und. Ordnung, mit der Hocbschatzung 
des Buchstabens, der Tradition, des Lebramtes. In diesem Boden liegen 
die Wurzeln des Hierarcbismus man nabm nocb die alttestamentlicben 
Priestergesetze binzu zu der Autoritat der Lebrer und Yorsteber , des 
Traditionalismus und des juristiscben Bibbzismus. 2) Die Anscbauungen 
des A. T. sowie der spateren jiidiscben Literatur. Eine Eiille von 
Einzelbeiten stromte auf diesem Wege in die Kircbe ein, aber aucb .um- 
f assende Anscbauungen wie der Legalismus, Ziige des jiidiscb-babyloniscben 
Weltbildes .und die mit ibm eng zusaminenbangenden eschatplogiscnen 
Pbantasiegemalde, Nicbt nur die Institutionen, sondern aucb die Ideen 
der Synagoge baben einen starken Einscblag in dem jungen Cbristentum. 
gebildet. DaB das gemafiigte Judencbristentum keinen EinfluB auf die 
groBe .Kircbe ausgeiibt bat, ist nicbt daraus zu erklaren, dafi diese zu 
viel Helleniscbes .in sicb trug, sondern daraus, dafi sie so viel Jtidiscbes. 
akzeptiert batte, dafi jene . Gernafiigten ibr nicbts Wertyolles und Neues 
zu sagen batten. 3), Man eignete sicb allmablicb die Ideen der griecbiscb- 
xpmiscben Kulturwelt an, den stoiscben Moralismus, den abstrakten 
Gottesbegrifl:, die Logosidee, dann spater die platoniscbe Psychologie und 
die Metapbysik des Neuplatonismus, sowie die Ideen der griecbiscben 
Moralpbilosopbie (Clemens) und den Gedanken des okumeniscben pbilo- 

1) Hierin ist die katholische Geschichtsbetrachtung .dem 'Protestantismus 
gegeniiber im Recht, aber sie miCbraucht diese richtige Erkenntnis, indem. sie 
auf diesem Wege. das gauze katholische ; System in das Urchristentum zuriick- 
datiert, wie fi-eilich umgekehrt.auch Protestanten die Augen vor wirklich ,,katholi-. 
schen" Elementen der alteren Dogmengeschichte bisweilen : verschlieBen. : ';, 
Seeberg, Dogmengeschichte I. 2. Aufl. 36 



562' 20. Eiiekblick. 

sophisehen Vermmftstaates (Origenes). Dazu trat dann die Anwendung- 
des Mysterienbegriffes zur Ausgestaltung von Taufe und Abendmahl, da. 
die jiidischen Vorbilder auf diesem Gebiete versagten. 4) Waiter 
kominen in Betracht die Ausspriiche Jesu und die Brief e der Apostel,. 
die zur Interpretation, Ausfiihrung und Begriindung des ubliehen Lehr- 
stoffes herangezogen wurden und sich allmahlich immer mehr mit inm 
zur Einheit verbanden. Als ganzes hat keine Form der< neutestament- 
lichen Lehrbildung so stark gewirkt wi& die johanneische Theologie. Sie 
bot sowohl Ankniipfungspunkte fur gewisse Ideen der antiken Bildung 
als fiir den Paulinismus und das straffe Kircnentum, dessen man bedurfte. 
In der Theologie des Kleinasiaten Irenaus erreicht diese Kombination! 
von jonanneiscner Erlosungstheologie und den pneumatiscnen Tendenzen 
des Paulinismus mit der Eschatologie des Johannes und seinem praktischen.. 
Kirchentum ihren Hohepunkt. 

7m. diesen positiven Antrieben der geschichtHchen Entwicklung^ 
traten andere, die mehr negativ wirkten, wie 5) der religiose und. 
moralische Yerfall des Heidentunis ; er hat das Selbstbewufitsein 'der 
Kirche auf das hb'chste gesteigert, er hat aber auch die Kluffc zwischen. 
ihr und der Welt als uniiberbruckbar anzusehen gelehrt. Freilich dies 
Zusammenleben der Kirche mit einer hinsiechenden Welt hat ihr auch 
einen gewissen Pessimisnius der Welt- und Menschenbetrachtung auf 
lange hinaus eingefiigt, es starkte den Sinn fiir harte aufierliche Ord- 
nung und Disziplin sowie^ fiir die Weltflucht. Die Weltverklarung des 
christlichen Greistes verband sich eigentiinilich mit der Anschauung der 
Kirche als eines Krankenhauses fiir die sieche Welt. Das waren Emp- 
findungen, die in jener Zeit unvermeidlich waren, aber sie haben doch 
auch an ihrem Teil bedriickend und einschrankend auf die Entfaltung 
des christlichen Prinzips eingewirkt. 6) Grofite Bedeutung kommt 
weiter der Yerbindung des religiosen Synkretismus "der Zeit mit dem 
Christentum selbst zu. Es handelt sich um die mannigfaltigen Eormen 
des gnostischen Synkretismus. Jede geschichtliche Religion ist in ge- 
wissem Sinn synkretistisch, denn sie verwendet fiir die neuerlebte reli- 
giose Stellung und Anschauung Symbole und Ausdrucksmittel der Re- 
ligion, aus der sie hervorwachst oder auf deren Grebiet sie sich an- 
siedelt. : ) Das gilt in besonderem MaB von dem Christentum im Ver-' 



1) H. Gunk el (Zum religionsgeschichtl. Verstandnis des N. T., 1903, S. 95) 
stellt die These auf: ,,Das Christentum ist eine synkretiatische Religion", in ihm 
seien ,,starke religiose Motive, die aus der Fremde gekommen waren", enthalten; 
,,unmittelbar nach Jesu Tode nrassen diese fremden religiosen Motive in die Ge- 
meinde Jesu eingestromt sein", deshalb] sei es auch unrichtig, das Christentum 
,,an dem vorwiegend aus den Synoptikern erschlossenen Evangeliuia als dem- 



Synkretismus und Christentum. 563 

haltnis zu der alttestamentlichen Religion sowie- zu ihrer Eortbildung im 
Judentum. Dazu kommt, dafi das Christentum als Missionsreligion iffi 
eminenten Sinn cine starke Tendenz zur Rezeption und Einschmelzung' 
der religiosen Ideen und Formen der griechisch-romischen Kulturwelt 
in sich entwickelt hat. Aber dieser Synkretismus ist nUr dann eine Ge- 
fahr fiir die betr. Religion, wenn er zur materialen Umbildung 'der 
Grrundtendenz oder der Seelenstellung in ihr fuhrt. Hiervon hat sich 
aber das altere ChristentUm im ganzen und in der Hauptsache freizu- 
halten gewufit. "Wenn man etwa die alttestainentlichen messianischen 
Bpitheta anf Ohristus anwandte oder inn durch die' Logosformel 'cha- 
rakterisierte, wenn man das griechische Weltbild akzeptierte oder ge- 
wisse antike Moralsatze sich aneignete, so wurde doch bei alledem 
die Grundstellung zu Ohristus als dem Herrn, die Yerwerfung der 
Mythologie oder die Grrundlage der christlichen Moral hicht preisgegeben. 
Auch dann, als in spaterer Zeit die umbildende Kraft der liidisehen 
nnd hellenischen Elemente sich sehr viel starker geltend machte, wie ; wir ge- 
s'ehen- haben, sind die urchristlichen Elemente inuner noch so- stark ge- 
wesen, dafi sie ein G-egengewicht gegen deii fremdartigen Einschlag dar- 
boten und dadurch' dem SynkretismTis priuzipiell entgegenwirkten. Ein 
gesehichtliches Zeugnis Merfiir ist vor allem in dem sicheren religiosen 
Takt zu erblieken, der die Kirche auf der ganzen Linie zum scharfsten 
Widerspruch gegen den prinzipiellen Synkretismus d'er gnostischen 
Eirchen veranlafite. Man kann sich an diesem Gegenfeatz klar machen, 
was der sachliche Synkretismus ist im TJnterschied von ; j'enem formalen 
geschichtlich selten vermeidbaren Synkretismus der Ebrmen und 



allein 1 giUtigeu Mafistabe zu : messen". So richtig -letzteres ist, so wenig' klar 
seheint mir der Sinn jener These bei Gunkel herausgearbeitet zu sein. Wenn- 
man sich. die Religion als. eine Summe YOU ,,Voistellungen" denken will, so wiirden 
freilich ,,fremde" Ausdrucksformen ein Beweis fiir Synkretismus sein; ist die Re- 
ligion aber das E'rleben der geistigen Kraft Gottes, so verahschaulicht der Aus- 
dTuck des neuen Erlebens in gegebenen Formen irar ein bekanntes Gesetz der 
menschliehen Gedankenbildung. Durch die Yerwendmrg ,,fremder" Ausdriick'e und : 
Bilder wird die Religion 1 zunachst eben'sowenig synkretistiseh als etwa durch die 
tJberse.tzung- ihrer Brkenntnis in eine neue Sprache oder die Akkommodation an 
den Begriffsapparat eines philosophischen Systems. Die Unterscheidung zwischen 
Inhalt nnd Ausdruck, Tendenz und Mttel, seheint mir in der religibnsgeschicht- 
lichen Fbrschung der Gegenwart mehr geiibt und deutlicher erfafit werden zu 
miissen, als es- vielfach geschieht. : Wie i verschiedenartigen religiosen Absiehten 
konnen etwa die Ausdrucksformen des alten Drachenmythus als. Mttel dienen; 
der Erweis blofi formaler Analogien dient mehr zur Klarung: . der Begriffsge- 
schichte als der Religions geschichte. Hier liegt noch ein schAveres methodi- 
scnes Problem vor. Vgl'.'K. Beth, Das Wesen des Christentums u. die mod', 
hist. Denkweise, 1904, S. iOO-ff. 

36* 



564 . . 20. Kiickblick. 

Brauche,. von dem wir ; ausgegangen. sind. TJm niclits Geringeres hat es 
sicli den Gnostikern gehandelt, . als um die prinzipielle Gleichstellung. 
des Christentums mit den heidnischen Religionen der Zeit tmd um eine 
grundsatzliche Urnpragung jenes im Sinne von diesen. :. Mit bewunde- 
rungsAviirdiger. Klarheit hat die Kirche diesem Versuch gegeniiber 'den 
Eekurs auf die urchristliche. , Verkundigung ergriffen, denn das war in 
der Tat. das. einzige durchschlagende Mittel, das ihr der schweren Ge- 
fahr des Grnostizismus gegeniiber zu Grebote stand. Sie erhob die 
Grlaubensregel tind . rnit ..ihr die neiitestanientlichen Schriften prinzipiell 
zu der einzigen Autpritat in der Prage nach der cbristlichen Lehre. 
AYii 1 wissen heute, dafi dieser Schritt auch verhangnisvolle Polgen gehabt, 
hat/ aber trotzdein konnen wir keine anderen Mittel als die ergriffenen 
angeben, die die Kirche in jenen Kampfen hatte. wahlen konnen. . . 
. In engem Zusammenhang hiermit steht nun aber .7) die Ausschei- 
dung des ,.Greistes" seitens' der Earche. Die Yersuche, die Wirkungen 
des . Geistes zu reguh'eren, gehen auf Paulus selbst zuriick. In dem 
Mafi .als die Kirche historische Porraen annahm, mufite;der Gfeist zuriick- 
gedrangt werden. Als seine Anhanger dann zu dem sich herausbildenden 
kirchlichen; common sense : in "Widerspruch gerieten,; und dann auch die 
CJ-egner des christlichen ,,Grlaubens"; mit .dem Greist pperierten, wurde 
das Geisttum als etwas Premdes ,und Wildes empfunden und allmahlich/ 
seiner besonderen Formen entkleidet und in den kirchlichen Organismus 
hineingefugt. Man hatte den Greist jetzt -im Wort "der kirchlichen Lehre 
und der neutestamentlichen Biicher. ' Das war allgenieine tlberzeugung.- 
Aber der Gfeist . erhalt 'sich auch_ in dem konkreten kirchlichen Leben, 
die Taufe gibt alien den Greist. Aber das war zu allgemein, es war 
kem Ersatz fur den charismatischen, in.den einzelnen von Gott Erwahlten 
wirksainen Geist. Ihn fand man, indem man die geistigen innerlichen 
Christen ^^ zuerst alle, dann die Monche : als Pneumatiker faBte, oder 
ihde.m man den Bibelausleger als geisterfullten ,,Lehrer" bezeichnete,. 
qder indem man in den Martyrern Pneumatiker sah, oder endlich indem 
man den Bischb'fen durch die Ordination den . Geist zuerteilt werden 
liefi und sich dafiir auf ihre Gesichte und Traume berief. So fiigte 
sich der Prieumatismus allmahlich und nicht ohne Schwierigkeiten dem 
geoi'dneten kirchlichen Leben ein ; freilich er wurde dadurch ein anderer. 
Er ist dem Buchstaben, : der . Gfeschichte, der Ordnung und dem Amt 
erlegen, aber seine -Fanatiker Gnostiker und Montanisten - . sind 
seine schlimmsten Gegner geAvesen. '.-'" - : 

' 2. Dies sind -die hauptsachlichen Entwicklungsmotive in der Ent- 
stehung'der Griindlagen dei 1 dogmatischen Arbeit der Kirche gewesen. 
Aber hierzu kommt noch ein wesentliches Moment. Nicht nur Religion 



Das Kirchenideal mid die Lehrbildung. 565 

war das Christentum, sondern es war Kirche, eine lebendige Gemein- 
schaft von hohem Selbstbewufitsein und weiten Zielen. Diese Gemein- 
schaft behauptete: 1) die Wahrheit zu besitzen, 2) das heilige 
Gottesvolk, und als solches 3) die katholische Gemeinschaft fur die 
ganze Oikuniene zu sein. Die Wahrheit besaB sie in dem iiberlieferten 
Glauben ; daraus ergab sich die Aufgabe, diesen Glauben festzuhalten 
und zu entfalten, zu verteidigeri und zu verbreiten. Diese Aufgabe 
wurde aber genauer bestimmt durch die Idee der Katholizitat, d. h. die 
Wahrheit mufite als Wahrheit fur alle ausgelegt und erwiesen ' werden. 
Daraus ergibt sich die eine Entwicldungsreihe. Sie fafit die Arbeit in 
der Yerkiindigung und praktischen Anwendung der Wahrheit sowie ihre 
apologetische und systematische Darstellung in sich. Sie hat es aber 
auch mit der Eeststellung der Normen der Wahrheit in der kirchHchen 
TJberlieferung, in den heiligen Schriften und in dem kirchlichen Amt 
zu tun. Beides geht naturgemafi zusammen, aber doch war zuerst 
raehr die materiale Erkenntnis und die Yerteidigung der Wahrheit, dann 
mehr die formale Konstatierung der Wahrheitsnormen irn Yordergrund 
des Interesses. Diese Gfedankenentwicklung berahte auf dem kirehlichen 
Wahrheitsbesitz Und der Katholizitat der Kirche. Eine zweite Ent- 
wicklungslinie geht aus dem Bewufitsein der Heiligkeit der Kirche hervor. 
Hier kam es auf die Taufe als das Mittel der Heiligung und auf die 
Yermittlung zwischen prinzipieller Heiligkeit und faktischer Unheiligkeit 
der Glieder der Kirche an. Diese Yermittlung erfolgt durch die An- 
wendung der Bufiidee. Sofern nun aber die Kirche selbst ihre Heilig- 
keit zu wahren hat, werden es schliefilich dieselben kirchlichen Amt-s- 
trager sein, die die Wahrheit zu verkundigen haben, sowie die Taufe 
'zu vollziehen und die Bufie zu leiten haben. Durch beides .werden sie 
immer mehr zu Kegenten der Kirche. Beide fieihen laufen neben- 
einander her und greifen immerfort ineinander ein. Trotzdem lassen sie 
sich yoneinander unterscheiden. Die erste Entwicklungslinie verleiht 
der Kirche mehr den Charakter einer Schule der Wahrheit, die zweite 
mehr die Art einer Rechtsgememschaft. Daraus ergibt sich schon, da6 
die griechische Ohristenheit mehr an der Erkenntnis und Ordnung der 
Lehre, die lateinische Kirche mehr an der Konstatierung der Lehr- 
normen und der kirchlichen Ordnung der Bufidisziplin beteiligt sein 
wird. So zeigt sich bereits in dem. Grundrifi der Entwicklung der Be- 
ginn einer gewissen Gabelung der Interessen und Tendenzen in der ein- 
heitlichen Kirche, entsprechend den Differenzen des griechischen und 
lateinischen Geistes. Auf der ein en Seite fangt die reine Lehre an das 
hochste Gut der Kirche zu sein, ai\f der anderen die Heiligkeit ihrer 
Glieder, dort ist das kirchliche Amt mehr Lehramt, bier mehr Begier- 



566 20. RiiekbJick. 

.arnt, dort kommt es naehr auf die religiose Erkenntnis, Her mebr. auf 
den moralischen Geborsam an. 

3. Nachdeni wir die Motive und Ziele der Entwicklung erkannt haben, 
lafit sich der innere Zusamineuliang derselben leicbt an ihren verschiedenen 
Gliedern veranscbavilieben. Zunacbst liat es sich darum. gebandelt, 
in praktiscb erbaulicher. "Weise die uberlieferte "Wakrheit auszulegen und 
anzuwenden, wie wir es bei den apostoliscben Yatern gesehen 
baben. Dafi sicb gerade bei dieser praktiscben Tendenz sclion mancber- 
lei freindartige Elemente in die Erkenntnis eindrangten, ist leicbt be- 
greiflicb. Diese naive praktiscbe Tbeologie bat Irenaus dann in mebr 
tbeoretiscben Pormen fortgesetzt, indeni er einerseits aus Jobannes einen 
einbeitlicben Zusammennang fiir das Verstandnis der TJberlieferung ent- 
nahm, andrerseits sie durcb Anlehnung an Paulus vertiefte und be- 
reicberte. Er bat dadurcb sein-Auge wurde .durcb den bewufiten 
Gegensatz zur Gnosis gescbarft die reifste und reicbste Auslegung 
des alten ..Glaubens" der tlberlieferung geboten, die wir besitzen. Der 
alten Tbeologie der Glaubensregel stellte sicb. nun aber von frtib an die 
synkretistiscbe Tbeologie der gnostiscben Scbulen entgegen. Die 
.Tendenz des Christentums "Weltreligion ZM werden, fiibrte bier zur piin- 
zipiellen Yerweltlicbung der cbristlicben Religion. Die gleicbe Tendenz 
leitete die Apologeten, aber sie lieBen grundsatzlicb die cbi'istlicbe 
Keligion unangetastet, versucbten aber sie der Welt verstandlicb und 
imponierend zu gestalten durcb eine IJbersetzung in die Begriffe und 
Denkformen der damaligen Bildung und Elultur. Sie baben dadurcb 
die Grundlagen der cbristlicben Tbeologie als Wissenschaft gescbaffen. 
Der Scbritt, den sie gemacbt baben, war eine innere Notwendigkeit 
die Missionspraxis bat ibnen dabei vorgearbeitet (s. die Praedicat. Petr. 
und Aristides) , aber er bedeutete wie einen geAyaltigen Scbritt in die 
."Welt binein, so aucb eine Yerweltlicbung des Cbristentums. 

Die alte Tbeologie des Irenaus und die moderne Tbeologie der 
Apologeten bezeicbnen den ersten Yersucb, die iiberlieferte Lehre syste- 
matiscb und zusamnienbangend darzustellen. Hand in Hand mit diesem 
Portscbritt des Gedankens ist eine Portbildung der kircblicben Lebens- 
f ormen gegangen, Nun griffen die praktiscben Bedlirfnisse imnier kraf- 
tiger in die Gedankenbildung ein. Die Tbeologie wurde iinmer mebr 
kircblicb und imnier mebr wissenscbaftlicb. sie umfafite immer mebr 

\' 

konkrete Probleme und legte inimer mebr Gewicht auf den Beweis. Fur 
den Beweis bot sicb ibr der wissenscbaftlicbe Apparat der Zeit sowie 
die feststabilierten Grofien der Glaubensregel und der beiligen Scbriften 
.clar. So entstebt eine Kombination der Interessen des Irenaus und der 
Apologeten, die so oder anders in alien tbeologischen Gebilden des 



Die Tendenzen der alten Theologie. 567 

.3. Jahrhunderts ' sich wahrnehmen laJBt. 'In dieser Kombination koxmte 
naturgemafi mehr das Traditionsiiioment oder mehr die wissenschaftliche 
Absicht vorwiegen. Welches Moment vorwog, hing ab von der Geistes- 

: :richtung des kirchlichen Gebietes, auf dem die betr. Theologen arbeiteten. 
Zweierlei ist noch zu beacbten, um diesen TJmschwung zu versteben. 
Auf der ganzen Linie war das freie Geistwesen aufgegeben oder docb 

. iirchlich organisiert worden. Man batte sicb dieses Stiickes Altertum 
entledigt auf Grund der alten Glaubensregel. Aber wie das ausge- 
schlossene altertumliche Element des Geistes obsolet geworden war, so 
war aucb das andere. altertiimlicbe Element, . niit dem man jenes erste 
scblug, alt und unkonkret geworden, namHcb das alte apostoliscbe 
Kerygma. Desbalb ist es allmablicb durcb greifbarere konkretere Fornien 
ersetzt worden. Der Ersatz bestand einerseits in der Sclu-ift, andrer- 
seits in der kurzen Eorniel des alten Taufbekenntnisses. Wo man die 
Wabrbeit der liircbe lebbafter und friscber empfand. griff man zur 
spekulativen Bibeltbeologie, .wo man mehr auf die Probleme der Kircbe 

. als der beiligen Gemeinscbaft bedacbt war, wablte man die .kurze Symbol- 
"fcbeologie, die genilgend erscbien als Grundlage der beiligen Disziplin. 
Das sind die Triebkrafte, die die Religionspbilosophie der grofien 
Alexandriner und die ELircbenpbilosopbie der Abendlander bervorgebracbt 
baben. Beide bingen an der tlbeiiieferung und beide arbeiteten niit 
den ibnen zugangUcben Mitteln der ."Wlssenscbaft, beide batten von dem 
Geist des Irenaus und von den Tendenzen der Apologeten gelernt. Aber 
die eine Entwicklungslinie lag auf dern Boden, aus dem der Neu- 

. platonismus bervorwucbs, die andere batte zur Grundlage die praktiscbe 
romiscbe Popularpbilosopbie der Stoa. Die eine zielte ab auf eine die 
Welt umspannende Weltanschauung und auf eine sie innerlicb umge- 

staltende religiose Kultur, die andere tendierte zu einer heiligen Ord- 
nung und Disziplin, die ein heiliges Yolk scbafft und erbalt, dem einst 
Gott in grofien Gerichten die Welt unterwerfen wird. Dort war die 
Kirche ein Staat von Philosophen, bier ein wohldiszipliniertes Kriegs- 
lager inmitten feindbcber Scbaren ; dort dachte man an stille innere 
Entwicklung und an den allniahlichen Sieg der Wahrheit, bier redete 

. man von dem Geborsam der Heiligen und hoffte auf den Lobn und 

. Sieg, den Cbristus, der grofie Kriegsherr, einst im letzten Kampf e 

, bringen wird. Dort komplizierte sich die Gedankenwelt immer mebr 

und man fing an auf die Macbt der feinen dogmatiscben Formeln : zu 

bauen, bier wurde das Netz der kircblicben Institutionen, Eecbte und 
Disziplinen immer f einer gesponnen, und von ihm erwartete man das 
Heil. Dort waltete mehr die Expansion der Krafte, hier mebr die 
Konzentration. Dort war das Yerbaltnis zur Welt und zum Fremden 



568 20. Kiickblick. 

melir nach griechischem, liier nach judischem Vorbild geordnet. Die 
griechische Christenlieit hat das Christenturu nach dem Ideal der in- 
tellektuellen Kultur euipfunden, das es aus dem Hellenismus ubernahm, 
die Lateiner haben in ihin. die vollendete Rechtsordnung erblickt, die 
ein sittliches Leben und die ewige Seligkeit garantiert, sie konnten 
dabei an den abendlandischen common sense ankniipfen und ihn niit dein 
judischen Yerstandnis der Religion verbinden. So entstand die Ge- 
dankenwelt, wie sie Clemens und Origeries einerseits, Tertullian und 
Cyprian andrerseits verti*eten. ~WIe die praktische Tendenz huben und 
driiben verschieden ist, so heben sich auch verschiedene Problerae auf 
beiden Seiten heraus und werden verschiedene Mittel und Methoden zu 
ibrer Losung in Anwendung gebracht. Die Probleme eines Athanasius 
und Cyrill oder eines Ambrosius und Augustinus beginnt man bereits 
jetzt zu ahnen, freilicb. sind die Griechen an geistiger Reife und Tiefe 
den Lateinern noch weit iiberlegen. Tinier den gb'ttlichen Erweistingen. 
in der Religion treten jetzt die Sakramente in den Vordergrund. Sie 
sind zu Mysterien ini Sinne der popularen Anschauung geworden ; da- 
durch baben sie AnlaB zu einem neuen Problem gegeben, wie namlich 
das sinnlicbe Element nut der gottlicben Kraft zusarnmenhange. Damit 
kommeu Fragen in MuG, die hinfort die Dogmengescb.icb.te andauernd 
begieiten werden. 

4. Man konnte die Entwicklung, deren GrundriB uns vorscbwebt r 
an yielen einzelnen Punkten verfolgen und dabei ibren einbeitlicnen 
Cnarakter aufzeigen. Indessen wiirde das bier zu weit fiibren. Nur 
eine Prage liegt uns nocb nabe, namlicn wie sich die Stadien der dar- 
gelegten Entwicklung zu der Idee der Erlosungsreligion verbalten. Diese 
Idee batte einen klassischen Ausdruck in den Gredanken des Paulus und 
des Jobannes empfangen. Ibre Grundmotive waren aber aucb. in der 
Tradition zusaminengefafit. An diesem Leitfaden sind sie entwickelt 
worden mit iminer starkerer Zubilfenabme der biblischen Spriicbe und 
Gedanken bis bin zu dem Biblizismus von Irenaus und Origenes. Nun 
fiihrte aber die praktische Lage auch in immer starkerem MaBe zu 
einer Yerquickung mit den popularen pbilosophischen und religiosen 
Ideen der Antike,. sowie zu einer Hineinmengung der jiidischen Religions- 
auffassung. So " kam man im Christentum zu dem abstrakten Gottes- 
begriffi der Antike, zu der Idee des ,,zweiten Gottes" oder des Logos, 
zu einem ausgepragten Moralismus, verbunden mit der griechischen 
Ereiheitsidee und der intellektualistischen und asketischen Auffassung 
des Lebensideals, zu der griecbischen Auffassung der Sakramente als 
Mysterien, andrerseits zu der gesetzlichen Autoritat des Buchstabens, zu 
dem Legalismus der Rechtsreligion in Taufe und .Bufidisziplin, sowie zu 



Erhaltung- imd Umbildung der Erlosnngsreligion. 569 

clem bierarcbiscben Autoritatsgeclanken. Die beiden Hauptformen der 
cliristliclaen Lebre, die sicb so ergaben, wicben ab Ton der urcbrist- 
licben Seelenstellung, einerseits durcli den einseitigen Intellektualismus, 
andrerseits durcb die gesetzlicbe Auffassung der Religion und des reli- 
giosen Lebens. Wir ' baben beides einge'bend nachgewiesen. Beide 
Eormen entnalten also, bemessen an dem cbristlicben Prinzip, Modi- 
fikationen bellenischer oder jiidischer Herkurift. : Diese Modifikationen 
sind nun aber nicht bewufite oder beabsicbtigte Entstellungen des cbrist- 
licben Prinzips, sondern sie sind Produkte der gescbicbtlicben Lage und 
der erzieberiscben Anwendung der cbristlicben Grundgedanken seitens 
der Kircbe. Das Prinzip als solcbes sollte durcb sie nicbt angetastet 
werden. Dies aber war moglicb, da das Obristentum nicbt tbeoretiscbe 
Deutung des "Weltzusammenbanges sein wollte, sondern das praktiscbe 
Erleben der Erlosungsberrscbaft Grottes und die von ibr gewirkte sitt- 
licbe Betatigung, es batte also seinen Spielraum an Willenstaten Grottes 
und der "Willensbetatigung des Menscben. So lange cliese Grrundver- 
baltnisse konkret empf linden wurden oder die yoluntaristiscbe Grund- 
auffassung lebendig blieb, konnten die tbeoretiscben MLBgriffe in der 
Deutung des cbristlicben Grlaubens und Lebens den eigentumlicben Cba- 
rakter der Erlosungsreligion nicht aufbeben. Vermoge der Grundan- 
scbauung wurden die tbeoretiscben Eebler im einzelnen in gliicklicber 
Inkonsequenz unwirksani geniacbt durch die praktiscbe Tendenz des 
Ganzen. Dem abstrakten Gottesgedanken stand gegenuber die praktiscbe 
Empfindung des Scbopfers und Eegenten, der Logos-Cbristus blieb der 
allwaltende baruiberzige Herr, der Moralismus bracb sicb an dem Ge- 
danken der gottgegebenen siltlicben Kraft, die Mysterien 'bbeben Mittel 
fur das Erleben der geistigen Gegenwart Gottes, der Legalismus verband 
sieb mit der Gnade, die Yerdienstlebre miinclete im Gnadenlobn, der 
Hierarcbismus wurde erweicbt durcb das padagogiscbe Moment, das ibm 
einwobnte. So begreift es sicb, daB der Leser dieser L/iteratur immer 
wieder, trotz der mifideutenden Eormeln, auf die Alleinwirksamkeit des 
gottlicben Liebeswillens, auf die innere glaubige Unte.rwerfung unter 
Gott und die Willensbetatigung in seiner Kraft und fur seinen Dienst 
stb'fit. Er empfindet die Macbt der Erlosungsreligion so, wie sie ja 
wirklicb in der Gescbicbte gewirkt bat. ; 

Man kann diese Gedanken auf die Eormel vereinigen, dafi das re- 
ligiose Erkennen der -Grundverbaltnisse des Cbristentmns in der alt- 
katboliscben Zeit nocb so stark gewesen ist, dafi es die tbeoretiscben, 
d. b. tbeologiscben Eormeln bis zu einem gewissen Grade rektifizierte. 
Es darf binzugefilgt werden, dafi dies gewissermafien von der Tbeologie 
aller Zeiten in ibrem Yerbaltnis zu der religiosen Erkenntnis gegolten 



570 20. Riiekblick. 

hat. x ) Nun ist aber auf der anderen Seite nicht zu iibersehen, dafi die 
unrichtige theologische Erkenntnis ihrerseits auch das religiose Ver- 
standnis der Gemeinden beeinflufit, denn sie gibt AnlaB zu einseitigen 

. und schiefen praktischen Urteilen, die die religiose Stellung allmahlich 
modifizieren, zuinal wenn jene tbeologisclien Anschauungen als Dogmen 

.mit in die Grundlagen des Gerueindelebens aufgenommen sind (oben S. 4), 
denn dies bezeugt ja, dafi die betr. Anscbauungen niclit mehr blofi 
theoretische Ideen der Theologen, sondern dafi sie Ausdruck praktisch- 
religioser Erkenntnis sein sollen und sicb als solcbe durcbzusetzen die 
Tendenz baben. So angesehen baben die fremdartigen Elemente, die.wir 
in der Anscbauung der altkatboliscben Zeit wahrgenommen baben, nun 
dock weit naebr zu bedeuten als zufallige tbeoretiscbe ITebler. Die Kor- 
i-uption der EeUgion nacb den Schemata des Doktrinarismus, Moralismus, 

.der Gesetzesreligion, des Hierarchismus und des Sakranientarisnms, die wir 
in der weiteren Entwicklung sich zu Dognien d. h. praktisch wirksamen 
Orofien verdichten sehen, hat bereits friih ihren Anfang genommen. Alle 

. fremdartigen Motive, die wir, beniessen an dem eigentumUchen Wesen 
des Ohristenturns, in der Religion der griechischen und der romischen 

.Kirche beobachten, sind keimartig schon in dem 2. und 3. Jahrhundert 

.in der Kirche wahrzunehmen. Dadurch ist aber der Charakter des 
Christentunis als Erlosungsreligion gefahrdet, freilich niemals jetzt 
noch weniger als spater aufgehoben worden. Was die denkenden 
und leitenden Geister im Interesse der Einheit der Weltanschauung, der 
Mission, der Apologetik und der Disziplin gelehrt und gefordert haben 

. im Grunde genommen ist eg immer Eationalisierung der Religion , 
ist in die Religion selbst hineingeraten und hat in wachsendem Mafi 
die Grundverhaltnisse in ihr verschoben. Aber an nichts vielleicht er- 
weist sicb der eigentiimliche Offenbarungscharakter des Christentunis so 
klar als darin, dafi es, trotz aller Rationalisierung seitens des Klein- 
glaubens oder Glaubens der . Theologen, seine Eigenart immer wieder 
findet und zu seinen Grundverhaltnissen immer wieder zuriickstrebt. 
,,Die christKche ReHgion ist ein machtiges Wesen fiir sich, 
Avoran die gestinkene und leidende Menschheit von jZeit zu Zteii sich 
immer wieder emporgearbeitet hat, und indem man- ihr diese "Wirkung 
zugesteht, ist sie liber alle Philosophic erhaben uud bedarf von ihr keiner 

.Stiitze" (Goethe). 

1) Vgl. die.zutreffenclen Ausfiiliruugen yon K. Beth, Die Moderne und die 
Prinzipieu der Theologie, 1907, S. 248 ff. 



. A. D e i c h e rt ' sche VerlagsbucMdlg. (G. Bo lime), Leipzig. 

Die Kirehe Deutsehlands 



im 



Neiihzehnten Jahrhuhdert. 



Eine Einfiihrung in die religiosen, theologisclien 
und kirchlichen Fragen der G-egenwart 

von 

Reinhold Seefoerg. 

== Zweite durchgesebene Auflage. ... 

6 Mk. 75 Pf., eleg. geb. 8 ITk. 

Der Yerfasser beabsichtigt eine geschichtliche Einfiihrung in das Lebeu 
.und die Arbeit der Kirche und der Theologie der Gegenwart, die, wie er 
selbst sagt, nicht nur den Bedurfnissen der Theologen, sondern anch der 
Historiker, Philosophen, Juristen, Politiker, sowie aller gebildeten Christen 
entgegenkommt. Daher muBte auch der Zusammenhang der Kirckengeschichte 
mit clem breiten Strom der allgemeinen wissenschaftlichen, asthetischen, natioualen 
Hind kultnrellen Entwicklung in umfassender Weise beriicksichtigt werden. In 
der Tat sind auch gerade die Partien, in Avelchen das kirchliche Leben in 
diesem breiteren Eahmen uns vorgefuhrt Avird, die glanzendsten des trefflicheu 
-Werkes. Der Inhalt desselben zerfallt in die beiden Teile: Rlickblick auf 
die erste Halfte des 19. Jahrhunderts, wobei die Aufklarung, der alte 
Glaube und die Fragen der neueu Zeit in sehr feiner, anregender Weise mit 
besonnenem Urteil uns vorgefuhrt werden. Die Klassiker und Romantiker. 
das Zeitalter der Erweckurig, die Restaviration und Rbniaiitik in der katho- 
lisclien Kirche, der Kampf wider den Rationalismus, die Union, ferner die 
Bedeutung Schleiermachers als Theologe und Kirchenmann, die Stellung von 
Kant, Hegel und Schelling zum Christentum, . das Leben Jesu von Straufi, die 
theologische Repristinatiou durch Manner wie Hengstenberg u. a., die Stellung 
Baurs in der Geschichte der Theologie werden uns der Eeihe nach vorgeflihrt. 
Noch interessanter diirfte fiir manche Leser der zweite Teil sein, der die B lick e 
.atif die neueste Zeit, die Gaben und Aufgaben, die Fragen -und Antworten 
in der Kirche und Theologie enthalt. Aus dem reichen Inhalt, der auch .auf 
Pplitik, Nationalokonomie, Natiirwissenschaften und Geschichtsforschung, auf 
Bildung, Kunst und Literatur, Kirchenverf assung und Kirchenpolitik, innere 
-und aufiere Mission Riicksicht nimmt, die Einheitstendenzen in der evangelischen 
'Kirche bis in die neueste Zeit bespricht und auch einen Blick in die rb'misch- 
katholische Kirche noch wirft, ko'nnen wir nur einzelnes hervorheben. Sehr 
"gut werden die verschiedenen Stromungen und Standpunkte der neuesten Theo- 
logie, die positive und liberale, die Vermittlungstheologie, die Erlanger Theo- 
logie imter Hofmann mid Prank, vor allem die Theologie Ritschls behandelt. 
'Lichtvoll und klar, mit sicherer Beherrschung des reichen Stoffes wird-uns in 
vorziiglicher Weise das Gauze geschildert. Wir empfehlen das schone Bucli 
den Aveiten Kreisen unserer Gebildeteu. 

Wissenschafil. Beilage d. Milnchn. Allgem. Zeitung. 



A. D ei-ch erf sch e Verlagsbuchhdlg. (G. Bo lime), Leipzig. 

Die Grundwahrheiten 

der 

c h r is 1 1 i c h e n R e 1 i g i o n. 

Von 

Re in hold Seeberg, 

Professor der Theologie in Berlin. 
.. 4. inehrfach yerbesserte Auflage. == 
3 Mk., geb. 3 Mk. 80 Pf. 

Das Buch 1st eutstancleu aus Vorlesungen vor einem groflen Kreis von 
Studierenden a Her Fakultaten und vveudet sioh an gebildete Christen 
a 1 1 e r K r e i s e. Es 1st die Absicht des Verf assers zxi zeigen, wie das Christen- 
ttim als Religion den Gebildeten unserer Tage zitganglick ge- 
macht werden kann und soil, uud Anh auger der verschiedensten Ricli- 
tungen, denen es wirklich auf die Sache ankommt, werden mit grofiem Interesse 
seinen Gedaukengangen folgen. 



Die Vorlesungen sind in den der Wissenschaft gewidmeten Hallen der 
Universitat gehalten worden ; die nachste Sorge war naturgemafi, der Wissen- 
schaft nichts zu vergeben, aber doch zugleieli auch dem Christentum seiu Eecht 
zu gewahren vor Leuten, . die dem Christentum nicht insgesamt freundlich 
gegeniiberstehen, die dem Christentum erst geneigt gemacht werden sollen 
durch Aufzeigung seiner Vorziige. Es gait, nicht abzuschrecken durch Harte 
und Schroffheit. Luthers grofie Gestalt und hohe Auffassung steht dabei dem 
Eedner yor Augen; aber auch die neuere Anschauungsweise und selbst die 
neueste Stromuug der religionsphilosophischen Gedanken flndet an ihm einen 
Vertreter. Glaubensinhalt und Wissenschaft sind nach ihm keine Feinde. 
,,Man kann das Widersinnige und den Widerspruch nicht glauben. Der 
Glaube selbst verlangt eine begriffliche Erklarung. Wir sprechen Gedanken 
des Glaubens aus, indem wir zu verstehen suchen." In religiosen Dingeu von 
der Scharfe und Behutsamkeit des Denkens sich zu dispensieren, die man ; auf 
die kleinsten Diuge der Welt anzuwenden fiir angemessen halt, ist verkehrt 
und zeigt einen Mangel an Bildung etc. etc. 

Unschatzbar die Wohltat, daG von so ausgezeichneter Seite die Gedanken, 
die an dieser Stelle immer vertreten worden sind, so kraftige Unterstiitzung 
gefunden haben. Der Raum gebietet uns abzubrechen ; wir konnen auf das 
einzelne der dogmatischen Deutungen nicht mehr eingehen. Aber das Mitge- 
teilte wird ausreichen, urn den "Wert der in Seebergs Grundwahrheiten" ge- 
gebenen Anregungen zum Verstandnis, zunial fiir Werdende, empflnden zu 
lassen. Das Buch wird sich fruchtbar erweisen an vielen, und nicht bloG an 
den Suchenden, zur Vertiefung der Erkenntnis und zur Bereicherung des 
christlichen Lebens im Glauben und in der Hoffnung. 

Prof. Dr. Lasson in einer ausf iihrl. Besprechung im Ev. k. A. 



AiiD'e'ic&ert'sche Vferlagsbuohhaig. (G. B6hme), Leipzig. 

Aus Eeligion und Geschichte. 



Gesammelte Au'fsatze und Vortrage 

;"'". Von .''- 

Reiuhold Seeberg, 

Professor der Theologie in:Berlin. 

I. Ban.d: 
Biblisches und Kirchengeschichtlich.es. 

6 M. 50 PL, geb. 7 Mk. 10 Pf. 



Grundriss der Dogmengeschichte 



von 



DP. ReE n hold See b erg s 

Professor in Berlin. 



2. rerbesserte Auflage. -r-r- 



2 Mk. 80 Pf., eleg. geo. 3 Mk. 50 Pf. 

Das Bucu wird weit tiber den Kreis der akademisehen Jugend Mnaus einen groCen 
Leserkreis flnden, da es alien denen, die sibh sclion eingehender mit der Dogmengeschicnte 
beschaftigt liaben, den trefflichen Dienst einer schnellen Vergegenwartigung des schon 
GewuCten leistet und durcli die wirklichen Literaturangaben den Weg zu eingehenderem 
Studium einer besonderen Frage balint. : Ev. Kirckenztg. 



Seeberg, Prof. D. R., Der Begriff der christl. Kirehe, I. Studien 
zur Geschichte des Begriffs der Kirche. 3 Ilk. 

, Der Apologet Aristide?^ ;I)er. Text seiner , uns erhaltenen 

Schriften nebst einleit. Untersuchungen iiber dieselben. 2 Mk. 

, Brauchen wir ein neues Dogma? 60 Pf. 

, Die Kirche und diie soztale Frage. 75 Pf. 

, Luther und Luthertum in der neuesten katholischen Be- 

leuchtung. 2. Aufl. 60 Pf. ; 



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Der Tod Christ! 



in seiner 



Bedeutnng fur die Erlosung, 

Eine Mblisch-theologische Untersuchiuig 



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D, Alfred Seeberg, 

Professor der Theologie in Dorpat. 
Preis: M. 5.50. 



Der 

Katechismus der Urchristenheit 

: . Von -''.'/'' 

D. Alfred Seeberg, 

Professor der Theologie in Dorpat. 
Preis: M. 6.. 



Das Evangelium Christi. 

Von 

D. Alfred Seeberg, 

Professor der Theologie in Dorpat. 
Preis: M. 3. . 



Die beiden Wege 
und das Aposteldekrel 



Von- . 

D. Alfred Seeberg, 

Professor der Theologie in Dorpat. 
Preis: M. 2.50. 



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Gottes Sohn und Gottes Geist* 



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zur 

Christologie und zur Lehre vom Geiste Gottes. 

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o. Professor der Theologie in Halle a. S. 

Preis: M. 2.80, eleg. geb. M. 3.60. 



Die L i e b e 



im 



Neuen Testament 



Ein Beitrag 
zur Geschichte des Urchristentums 



.yon 



.D.'W. Ltttgert, 

o, Professor der Theologie in Halle a. S. 
Preis: M. 5.40, eleg. geb. M. 6.40. 



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Studien 



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Professor der Theologie in Eostock. 



I. Die Quelle und das Prinzip der tlieologischen Etliik im christliclien 
Charakter. 6'/ 4 Bogeii. M. 1.60. ' 

II. HauptproMeiue der gegenwartigen Dogiuatik. Die Forderung 
einer modernen positireii Theologie. M. 1.80. 



Wort und Geist. 



Eine historisclie und dogmatisclie Untersucliiing 

zum 

Gnadenmittel des Wortes. 

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Lie. Richard H. Griitzmacher, 

Professor der Theologie in Rostock. 
Preis: M. 5.50. 



Modern -Positive Vortrage 



von 



Lie. Richard H. Griitzmacher, 

Professor 'der Theologie in Kostock. 
14 Bog-en. 3 Mark 50 .Pf.,. geo. 4 Mark 50 Pf. 



JL Deichert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Bohme), Leipzig. 

Kahler, Prof. D. M., Die Wissenschaft der christlichen Lehre vom 

evangel. Grundartikel aus im Abrisse dargestellt. 3. Auflage, sorg- 
faltig durchgearbeitet und durch Anfiibrungen aus der beiligen Schriffc 
vermebrt. 12 Mk. 75 Pf., in eleg. Halbfrzbd. 14 Mk. 25 Pf. 

, Die Sacramente als Gnademnittel. Bestebt ibre reformator. 

Schatzung noch zu Recht? 1 Mk. 80 Pf. 

, Dogmatische Zeitfragen. 2. ganzlich umgearb. Aufl. I. Zur 

Bibelfrage. 8 Mk. 50 Pf. IT. Methodologiscbe und 
prinzip. Erorterungen. ca. 15 Bog. ca. 5 Mk. III. Aus- 
fiibrungen fiber einzelne Dogmen. ca. 15 Bog. ca. 5 Mk. 

, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, 

biblische Christus. 3. Aufl. in Vorbereitung. 

, Der lebendige Gott. Pragen und Antworten von Herz zu 

Herz. 3. revid. Auflage. 1 Mk. 20 Pf. 

, Wie studiert man Theologie im ersten Semester? Briefe 

an einen Anfanger. 3. erw. Aufl. 1 Mk. 20 Pf. 

, Jesus und das Alte Testament. 2. Auflage. 1 Mk. 20 Pf. 

, Unser Streit urn die Bibel. 2. Auflage. 1 Mk. 25 Pf. 

' , Die Herrlichkeit Jesu. 75 Pf. 

, Gehort Jesus in das Evangelium? 2. Aufl. 75 Pf. 

, Der Verkehr mit Christo in seiner Bedeutung fur das eigene 

Leben und den Gremeindedienst der Geistlichen nacb dem N. T. 75 Pf . 

, Die Versohnung durch Christum in ihrer Bedeutung fur 

das christliche Glauben und Leben. Erlauterungen zu Thesen vor 
cbristlichen Mannern und Prauen. 2. durcbgesebene Aufl. 1 Mk. 20 Pf. 



Frank, GeMmrat Prof. D. Fr. H. R. v., System der christlichen 
Gewissheit. 2. Aufl. 2 Bde. 16 Mk., geb. 18 Mk. 25 Pf. 

, System der christlichen Wahrheit. 3. verb. Aufl. 2 Bde. 

16 Mk., eleg. geb. 18 Mk. 25 Pf. 

, System der christlichen Sittlichkeit. 2 Bde. 15 Mk., 

" J. geb. 17 Mk. 25 Pf. 



, Geschichte und Kritik der neueren Theologie, insbesondere 

der systematischen, seit Schleiermacher. 3. verm. Aufl. Mit 
Portrat. 6 Mk. 25. Pf., eleg. geb. 7 Mk. 75 Pf. 

, Zur Theologie A. RitschFs. 3. wesentl. erweit. Aufl. 2 Mk. 

, Dogmatische Studien. 2 Mk. 

, Vademecum fur angehende Theologen. 4 Mk. 60 Pf., 

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A. Deichert'sche Veiiagsbuchlidlg. (GL Bbhme), Leipzig. 



Theologiselie 




Martin Kiihler zmn 6. Januar 1905 dargeforacht. 

Inhalt: 

Prof. D. Fr. Crieseforeclit: Die Degradationshypothese und die alttestament- 
liche Gescliichte. Lie. Dr. J. ogel: Der Begriff rekeiovv im Hebraerbrief . 
Prof. Lie. K. Bornhauser : Die Versucliungen Jesu nach dem Hebraerbrief . 
Prof. D. J. Mtiller : Beobachtjingen zur paulinischen Eechtfertigungslelire. 
Prof. D. 'C. Stange : Religion und Sittlichkeit bei den Reformatoren. Prof. 
-Mart. Schul/e : Religion und Sittlichkeit. Prof. D. W. Lutgert : Die Furcht 
Gottes. Prof. D. W. Tsphackert: Lorenz v. Moslieims Gutachten iiber den 

theologischen Ddktorat. 



13 Bogen. gr. 8. Mk. 3.60. 



Jeder Beitrag wird auch einzeln a Mk. .60, nur der des Herrn 
Prof. D. Tschackert a Mk. .40 abgegeben. 



Das 



Schriftprinzip der lutherischen Kirche. 

Geschiclitliche und dogmatische Studie. 

Von 



Dr. F. Kropatscheek, 

Professor der Theolpgie in Breslau. 



I. Band. 
Die Yorgeschichte. Das Erbe des Mittelalters. 

Preis: M. 9.. 



Die Bedeutung 



des 



Suhnetodes Christi 

fur das christliche Gewissen. 



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D. Ph. Bachmann, 

Professor der Theplogie i?i Erlangen. 
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Won Herm Professor D. LudWlQ IhlUelS, Leipzig erschienen: 

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ihr 

letzter Grund und ihre Entstehung. 

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Wie werden wir 
der christlichen Wahrheit gewiss? 



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gegeniiber der Religionsphilospphie. 

Preis: M. 1.. 

Die Bedeutung des Autoritatsglaubens 

im Zusammenhang mit der andern Prage er(5rtert: 

Welche Bedeutung hat die Autoritat fiir den (xlauben? 

Preis: M.I.. 



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im Licht der christlichen Ethik. 



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Jesus Ghristus, 

die Wahrheit und das Ueben. 



Zwei Predlgten. 
Preis: M. .75. 



Wer war Jesus? Was wollte Jesus? 

1. 3, -Auflage. Preis: M. .60. , 



Die Auferstehung Jesu Chri^ti. 

1. u. 2. Auflage. Preis: M. .50. 



A. Deiehert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Bb'hme), Leipzig. 

Bachmann, Prof. D. Ph., Die perso'nliche Heilserfahrung des Christen 
und ihre Bedeutung fur den Glauben nach d. Zeugnisse d. Apostel. 
3 Mk. 60 Pf. 

, Die Sittenlehre Jesu und ihre Bedeutung fiir die Gegenwart. 

1 Mk. 20 Pf. 

Bensow, Dr. 0,, Die Lehre von der Kenose. 6 Mk. 

Beth, Prof. Lie. Dr. K., Das Wesen des Christentums und die 
moderne historische Denkweise. 2 Mk. 50 Pf. 

Blafs, Prof. D. Dr. Fr., Tiber die Textkritik im Neuen Testament. 

80 Pf. 

, Die Entstelrang und der Charakter unserer Evangelien. 

75 Pf. 

Cafpari, Prof. D. W., Die evang. Konfirmation, vomamlich in 
der luther. Kirche. 3 Mk. 

, Die geschichtliche Grundlage dfts gegenwartigen evangel. 

Gemeindelefoens. 2. ganzl. umgearb. Auflage. ca. 4 Mk. 50 Pf. 

Ewald, Prof. D; P., Eeligion und Christentum. 75 Pf. 

, Wer war Jesus? 60 Pf. 

1 Der Christ und die Wissenschaft. 80 Pf. 

Fischer, Lie. E. Fr., Die christliche Religion als Religion des 
Dualismus. 1 Mk. 

, Autoritat und Erfahrung in der Begriindung der Heils- 

gewifsheit nach den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen 
Kirche. 3 Mk. 60 Pf. 

Frey, Dr. JL, Die zweimalige rOmische Gefangenschaft und das 
Todesjahr des Apostels Paulus. Ein Beitrag z. neutest. Chronologic. 
80 Pf. 

, Die Probleme der Leidensgescb.icb.te. Studien zur Kritik 

der Evangelien und der evangelischen Geschichte. I. 3 Mk. 50 Pf. 

Gennrich, Lie. P., Die Lehre von der Wiedergeburt, die chfistliche 
Zentrallehre in dogmengeschichtlicher und religionsgeschicht- 
licher Beleuchtung. 6 Mk. 

Girgensohn, Mag.th. K., Die moderne historische Denkweise und 
die christliche Theologie. 1 Mk. 

, Die Religion, ihre psychischen Formen und ihre Zentralidee. 

Ein Beitrag zur Losung der Frage nach dem. Wesen der Religion. 4Mk. 



A. Deichert'sche Verlagsbuchhdlg. (G. Boh me), Leipzig. 

Haufsleiter, Prof. D. Johs., Der Glaube Jesu Christ! und der christl. 
Glaube. Bin Beitrag z. Erklarung des Romerbriefes. 60 Pf. 

, Die Universitat Wittenberg vor dem Eintritt Luthers. 

Nache. SchilderungdesMag.A.MeinhardivoniJahrel507. IMk. 60Pf. 

Honnicke, Privatdoz. Lie. Dr. , Die Chronologic des Lebens Hes 
Apostels Paulas. 5 Bogen. 1 Mk. 50 Pf. 

Horn, Lie. tlieol. K., Abfassungszeit, Geschichtlichkeit u. Zweck 
VOnEvang. Job. Kap. 21. Ein Beitrag^z. johanneischen Frage. 4Mk. 

Kirn, Prof. D. 0., Grundriss der evangelischen Dogmatik. 2. Aufl. 
2 Mk. 20 Pf., geb. 2 Mk. 80 Pf. 

} Grundriss der Theologischen Ethik. 1 Mk. 40 Pf., geb. 2 Mk. 

Kohler, Prof. P. A., Lehrbuch der biblischen Geschichte des Alten 
Testamentes. I., II. 1. a 8 Mk. II. 2. 1. 3 Mk. II. 2. 2. 

2 Mk. 80 Pf. II. 2. 3. (Schluss) 7 Mk. 50 Pf. 

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in ihrer Urgestalt naeh G-. L. Plitt in 3. Aufl. von neuem heraus- 
gegeben und erlautert. 3 Mk. 50 Pf. 

Lotz, Prof. D. W., Das Alte Testament und die Wissenschaft. 

4Mk. 20 Pf., eleg. geb. 5 Mk. 

, Die biblische Urgeschichte in ihrem Verhaltnis zu den 
Urzeitfragen anderer Vo'lker , zu den israelitischen Volkserzahlungen 
und zum Granzen der heiligen Schriffc. 1 Mk. 50 Pf. 

Matthes, Sup. Dr. A., Absolute Offenbarung oder religionsgeschicht- 
liehe Entwicklung. 60 Pf. 

Quellenschriften zur Geschichte des Protesianiismus. Herausg. 

von Prof. D.' Johs. Kunze und Prof. D. C. Stange. 

I. Die altesten ethischen Disputationen Luthers. Herausg. von 
Prof. P. C. Stange. 1 Mk. 60 Pf. 

II. Die Wittenberger Artikel von 1536 lateiniscku. deutsch 
z. ersten Male hrsg. von Prof. Dr. Gr. Mentz. lMk.60Pf. 

Ht. Der Heidelberger Katechismus. Herausgegeben von Lie. 
A. Lang, Halle a. S. 6 Mk. 

IV. Luthers sermo de poenitentia. Hrsg. v. Lie. E. F. Fischer. 80 Pf. 

Y. Die Appellation und Protestation der evangelischen Stande 
auf d. Reichstage z. Speyer 1529. Hrsg. von P. J. Ney. 1.80 Mk. 

"VI. Urbauus .Rhegius. Wie man fiirsichtiglich reden soil von, den 
furnehmsten Artikeln christlicher Lehre. Kach der deutschen 
Ausgabe von 1536 herausgegeben von Lie. A. Uckeley. 2 Mk. 



A. Beicliert^sGlie Verlagsfcuchhdlg. (G, Bohme), 

Muller, Prof. D. K., Symbolik. Vergleiehende Darstelliing der christ-. 
lichen Hauptkirchen nach: ihrem Grundzuge und ihren wesentlichen 
Lebensausserungen. 8 Mk. 50 Pf., geb. 10 Mk. 

-, Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. In Original- 

texten m. histor. Einleitungen u. ausf iihrl. Eegister. 22 Mk., geb. 24 Mk. 

Scharling, Prof. D. 0,, Offenlbarung und heilige Schrift., Dogma- 
tische Erlauterungen. Berechtigte TJbersetzung von G. Johanna. 4Mk. 

Schnedermann, Prof. Dr. 6., Der christliche Glaube imSinneder 
gegenwartigen ev.-lutherischen Kirche. I. 1. Elnleitung in 
die ohristliche Glaubenslehre. 3 Mk. 60 Pf. I. 2. Dec 
christliche G-ottesbegr-iff. 3 Mk. 60 Pf. I. 3. Die christ- 
liche Anschauung von der "Welt und den Menschen. 
2 M. (Mit der 3. Abteilung ist die 1. Halfte abgeschlossen.) 

Thieme, Prof. D. K., Luthers Testament wider Rom in seinen 
Schmalkaldischen Artikeln. 1 Mk. 50 Pf. 

Thoma, Pastor Joh., Die Absolutheit des Christentums zur Aus- 
einandersetzung mit Troeltsch untersucht. 1 Mk. 8.0 Pf. 

ThomasJUS, Prof. D. 6;, Christi Person und Werk. Darstellung der 
evang.-luther. Dogmatik vom Mittelpunkte der Christologie aus. 
3. Aufl. bearb. von Lie. "Winter. 2 Bde. 18 Mk., eleg. geb. 21 Mk. 

, Die christliche Dogmengeschichte als Entwicklungsge^chichte 

des kirchl. Lehrbegriffs dargestellt. 2. Auflage. Herg. von Prof. 
B.Bonwetsc h,und Prof. D. S e e b e r g. 2 Bde. 22 Mk., geb. 26 Mk. 

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schichte des Monchtums. Neue Polge. Bernhard von Thiron; 
Vitalis von Salles; Bemerkungen zu Norbert von Xanten und 
Heinrich v. Lausanne. 4 Mk. 80 Pf, 

Zahn, Prof. D. Th., Einleitung in das Neue Testament,, 3., yielfach 
berichtigte und vervollstandigte Aufl. I. Bd. 9 Mk. 50 Pf ., eleg. geb. 
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,GescMchte desneutestamentlichenKanons. I. Bd, : Das neue 

Testament vor Origenes. 1. Halfte. 2.9 Bog. 12 Mk. 2. Halfte. 
32 J / 2 Bog. 12 Mk. IT. Bd. : Urkunden und Belege zum ersten 
und dritten Band.. 1. Halfte. 26 Bog. 10 Mk. 50 Pf. 2. Halfte. 
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, Grundiss der Geschichte des neutestamentlichn Eanons. 

Bine Erganzung zu der Einleitung in das Neue Testament. 2. verm, 
u. vielfach verb. Aufl. 2 Mk. 10 Pf., eleg. geb. 2 Mk. SO Pf. 

Zimmermann, Lie. Dr. H., Der historische Wert der aitesten tjber- 
lieferung von der Geschichte Jesu ini Markusevangelium. 3.60 Mk. 



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