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Full text of "Zur frage nach der psychotherapie Jesu [microform]"

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Cibe 



it^ of Cbica^o 



KHbraries 




BUCHHANDLUHG 



Neuteftameritliehe 
Zeitgefdlidite 



oder 



Judentum und Heidentum 
zur Zeit Chrifti und der Apoftel 



von 

Dr. Jofeph Felten 

Apoftolischer Protonotar 
Profeffor der Theologie zu Bonn 




Zweite und dritte Auflage 



Erfter Band 



Regensburg 1925. Verlagsanftalt vorm. G. J. Manz, 
Budi- und Kunftdruckerei A.-G., Miinchen- Regensburg, 




V 



Imprimatur 



Den 23. April 1925 

Das Erzbisdiofliche Generalvikariat 

Dr. Vogt 

J.-Nr. 1403/25 



Drudt der Verlagsasftalt vorm. 0. J. Manz in Regensburg. 



79681O 



Vorwort. 



Die erfte Auflage diefes Budies erfchien im Jahre 1910. 
In der vorliegenden ift die Anlage im wefentlichen 
diefelbe geblieben. Nur ift das Kapitel fiber das Ge- 
fetj und das Leben nadi dem Gefetj aus dem Abfchnitt fiber 
die inneren fozialen und fittlidien Zuftande des jiidifdhen Vol- 
kes in der neuteftamentlichen Zeit herausgehoben und rich- 
tiger an den Anfang des Abfchnittes fiber die theologifchen 
Anfchauungen gefetjt worden. Hinzugekommen ift u. a. eine 
zufammenfaffendere Darftellung der rechtlichen Lage der Ju- 
den in der Diafpora, woffir auch die trefflichen Ausffihrungen 
von Sdifirer, Gefchidite des jfidifchen Volkes im Zeitalter 
Chrifti, Band III 4 , Leipzig 1909 und von Jean Jufter, Les 
Juifs dans 1' Empire Romain, leur condition juridique, eco- 
nomique et sociale, 2 Bde, Paris 1914 benutjt wurden. 

Ich habe geglaubt, im Anfchlufc an den SadduzSismus 
auch einen Oberblick fiber ,,die Gemeinde des Neuen Bundes 
(im Lande Damaskus)", woruber wir erft durch die Publi- 
kation von E. Schechter, Documents of Jewish Sectaries, 
vol. I., Fragments of a Zadokite work, Cambridge 1910 
Kenntnis haben, geben zu follen. Eine oftere Erweiterung 
der Anmerkungen liefe fich trotj des Strebens nach mog- 
lichfter Kurze fchon durch die notwendige Erwahnung und 
Beruckfichtigung der wichtigeren neueren Literatur nicht ver- 
meiden. 

In einer gedankenreichen Rezenfion der Theologifchen 
Revue, 1912, Nr. 4, wird das ihrem Verfaffer vorfchwebende 
Ideal einer neuteftamentlichen Zeitgefchichte entwickelt. Dabei 



IV Vorwort. 

wird grower Nachdruck auf die Behandlung religionsgefchicht- 
lieher Fragen gelegt. In befonders widitigen Punkten, z. B. 
hinfichtlich der heidnifchen Myfterien, ift vielleicht auch in 
diefem Buche das Notwendigfte bemerkt worden. Im ubrigen 
durfte eine ausfuhrliche Erorterung folcher Fragen fiber den 
Rahmen einer neuteftamentlichen Zeitgefchiehte hinausgehen. 
Dag in einer folchen die Darftellung des Judentums mehr 
Raum einnimmt als die des Heidentums liegf m. E. in der 
Natur der Sache. 

Bei der Korrektur der Druckbogen konnte ich mich der 
ftets bereiten, freundlichen Hilfe des Direktors des hiefigen 
Kollegium Leoninum, Dr. W. Stockums, erfreuen. Idi danke 
ihm auch hierdurch beftens. 

Bonn, den 29. April 1925. 

Der Verfaffer. 



Inhaltsverzeidinis. 



Erfter Band. 

Die politifchen und fozialen Verhaltniffe des jiidifchen 
Volkes im neuteftamentlichen Zeitalter. 

Seite 

Vorwort f Ill 

Einleitung: Begriff, Einteilung u. Nutzen der neuteft. 

Zeitgefchichte, ihre Quellen. Literatur . . . 3-19 

Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden 
feit dem Jahre 63 v. Chr. 

I. Kapitel. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der 

Apoftel 19-92 

1. Land und Leute im allgemeinen [2039]. 2. Galilaa 
[39-46]. 3. Samaria [46-51]. 4. Judaa [51-79]. 5. Das 
Oftjordanland (Peraa) [79-92]. 

II. Kapitel. Die politifche Gefchichte Palaftinas feit der 
EroberungJerufalemsdurchdieR6merimJahre63 
v. Chr. bis zum Tode des Konigs Herodes im Jahre4 
v. Chr 92-156 

1. DieSchickfaleJudaasbiszumJahre63v.Chr.[92 101]. 

2. Die letjten Makkabaer und die Idumaer Antipater und 
fein Sohn Herodes von 63-40 v. Chr. [101111]. 3. He- 
rodes und KOnig Antigonus (40-37 v. Chr.) [111-115]. 
4. K6nig Herodes (37-4 v. Chr.) [115-156]. a) Die 
Sicherung (einer Macht vom Jahre 3725 v. Chr. und 
feine weiteren politifchen Erfolge [116 128]. b) Die 
Glanzzeit des Herodes von 25-13 v. Chr. [128-136]. 
c) Die letjten Lebensjahre des Herodes und fein haus- 
liches Elend [137147]. d) Die ftaatsrechtliche Stellung 
des KOnigs Herodes zu Auguftus und die Schatjung des 
Quirinius [147156]. 

Ill Kapitel. Palaftina unter den Sohnen des Herodes 
und den erften romifchen Landpflegern bis zum 
Jahre 41 n. Chr. . . . . . . . . . . 157196 

1. Der Ethnarch Archelaus [157-162]. 2. Judaa unter 
den erften romifchen Landpflegern von 641 n. Chr. 



VI Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

[163-180]. 3. Der Tetrarch Philippus (f 34 n. Chr.) und 
fein Qebiet [180-182]. 4. Herodes Antipas, Vierfurft 
von Galilaa und Peraa vom Jahre 4 v. Chr. bis 40 n. 
Chr. [182-196]. 

IV. Kapitel. Die Regierung des K6nigs Herodes 
Agrippa I. vom Jahre 4144. Sein Sohn Agrippa II. 

und andere Verwandte 196214 

1. Konig Herodes Agrippa I. [196-206]. 2. Konig 
Agrippa II. [206-214]. 

V. Kapitel. Die romifchen Landpfleger Judaas vom 

Jahre 44-66 n. Chr. . 215-230 

CufpiusFadus [215-217]. Tiberius Alexander [217-218]. 
Ventidius Cumanus von 4852 [218-220]. Antonius 
Felix [220225]. Porcius Feftus [225228]. Albinus 
(62-64) [228]. Geffius Florus (64-66) [228^-230], 

VI. Kapitel. Der judifche Krieg von 66-73 n. Chr. . 230-261 
1. Vom Ausbruch des Krieges bis zur AnkunftVefpafians im 
Jahre 67 [230238]. 2.-Der judifche Krieg vom Jahre 67 
bis zur Belagerung Jerufalems durch Titus [238248]. 

3. Die Belagerung und Eroberung Jerufalems durch 
Titus im Jahre 70 und das Ende des Krieges [248261]. 

VII. Kapitel. Die Juden in der Diafpora .... 261298 
Allgemeines [261264]. 1. Die Juden in Mefopotamien, 
Medien und Babylonien [264268]. 2. Die ,,Zerftreu- 
ung" in Syrien und Kleinafien [268 271]. 3. Die Juden 
in der Zerftreuung in Agypten und Gyrene [271-283]. 

4. Die Juden in Europa, befonders in Mazedonien, Grie- 
chenland und Italien, namentlich in Rom [283290]. 

5. Die rechtliche Lage der Juden in der Diafpora [290 
bis 298]. A. Organifation der judifchen Gemeinden in der 
Diafpora [290293]. B. Politifche Rechte der Juden in 
der Diafpora [293296]. C. Die Privilegien der Juden 
[296-298]. 

VIII. Kapitel. Die letjten vergeblichen Kampfe der 

Juden urn ihre Frelheit 299-312 

1. Die Zuftande in Palaftina [299-301]. 2. Die Kriege 
gegen die Juden unter Trajan im Jahre 115 117 [301 
bis 304]. 3. Kaifer Hadrian und der Aufftand des Bar- 
kochba 132-135 [305-312]. 

Zweiter Abfchnitt. Die innern foziaJen und fittlichen Zuftande 
des judifchen Volkes in der neuteftamehtlidien Zeit. 

IX. Kapitel. Die Verfaffung der judifchen Stadte Pa- 

laftinas. Der Hohe Rat zu Jerufalem . . . .313-328 
1. Die Verwaltungsbezirke [313-315]. 2. Die Orts- 



Inhaltsverzeichnis. VII 

Seite 
behorden und LokalgericWe [315-317]. 3. Der Hohe 

Rat zu Jerusalem [317-328]. 

X. Kapitel. Die judifche Priefterfchaft und derTem- 

peldien[t 328-365 

Allgemeines [328-329]. 1. Der judifche Priefterftand als 
erblicher und heiliger Stand [330-334]. 2. Die Hohen- 
priefter [335 - 342]. 3. Die Dienftabteilungen der Priefter. 
Die Stellung und die Pflichten der Leviten [342-347]. 
4. Einzelne wichtige Tempelamter [347-351]. 5. Der 
Opferdienft im Tempel [352-357]. 6. Die Einkunfte 
der Priefter und Leviten [357-363]. 7. Das Tempelver- 
mOgen [363-365]. 

XI. Kapitel. Die Schriftgelehrten, Synagogen und 

Sehulen 365-402 

1. Die Sdiriitgelehrten [366-384]. 2. Die Synagogen , 
[384 - 400]. 3. Die Schule [400 - 402] . 

XII. Kapitel. Das jiidifche Parteiwefen in neutefta- 

mentlieher Zeit 402448 

1. Die Herodianer [402-403]. 2. Die Pharifaer und die 
Sadduzaer [403-426]. a) Urfprung, Gefchichte und Ver- 
haltnis der Pharifaer zu den politifchen Machthabern 
[404-408], b) Die Haupteigentumlichkeiten der Phari- 
faer [408-414]. c) Der Urfprung und die Gefchichte der 
Sadduzaer [414-417], d) Die Haupteigentflmlichkeiten 
der Sadduzaer [417 419]. Anhang: Die Gemeinde des 
Neuen Bundes im Lande Damaskus [419-426], 3. Die 
Effener [426440], a) Ihre Gebrauche und Anfchauungen 
gemag den alien Berichten [426-434], b) Urfprung des 
Effenismus und Wiirdigung feines Wefens [434440]. 
4. Die Therapeuten {440-448]. 

XIII. Kapitel. Das hausliche und foziale Leben der 
Juden 449-503 

1. Die Wohnung [449-456], 2. Die Nahrung [456-464], 
3, Die Kleidung [464-469]. 4. Die Familie und ihre 
Sitte [469-484]. 5. Mage, Gewichte, Geld und Kalen- 
der [484-500]. 6. Handel und Gewerbe [500-503], 

XIV. Kapitel. Die Profelyten des Judentums . . . 504-531 

1. Beurteilung der Juden in der griechifch - rOmifchen 
Literatur und Welt [504-511]. 2. Mittel zur Verbrei- 
tung des Judentums unter den Heiden [511 520]. 3. Die 
Profelyten des Judentums [520-531], 

XV. Kapitel. Die judifche Literatur der neuteftament- 

lichen Zeit bis zur Zerftorung Jerufalems . . 531-595 
'Allgemeines [531-532]. 1. Die letjten kanonifchen 
Schriften aus der hellenifch - jiidifchen Zeit [532-537]. 



VIII Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

2. Die Henochbficher und andere Schriften aus der letjten 
Zeit vor Chrifti Qeburt [537-557]. a) Die Henoch- 
bucher [538-547]. b) Die Pfalmen Salomos [547-549]. 
c) Die fibyllinifchen Orakel [549-557]. 3. Die jfidifchen 
Schriften aus der nachherodianifdien Zeit bis zur Zer- 
ftOrung des Tempels [557-595]. a) Das Targum des 
Onkelos zum Pentateuch und das des Jonathan zu den 
Propheten [558-563]. b) Das Buch der Jubilaen, das 
Martyrium des Propheten Ifaias und andere Legenden- 
bficher [563573]. c) Die apokalyptifche Himmelfahrt 
Mofis [574-578]. d) Philo [578-592]. e) Das dritte 
Buch der Makkabaer [592-595]. 

XVI. Kapitel. Die jfldifche Literatur von der Zer- 

\lQrung Jerufalems bis zur Zeit Hadrians . . 595-642 
Allgemeines [595 - 596], 1. Apokalyptifche Schriften [596 

623]. a) Das Gebet des Manages. Das dritte und 
vierte Buch Esdras [596-608]. b) Die Apokalypfe Ba- 
ruchs [608 614], -Die Apokalypfen Abrahams, des Elias 
und des Sophonias [614616]. c) Die Testamente der 
zwSlf Patriarchen [616-623]. 2. Flavius Jofephus [623 
-641]. 3. Das vierte Buch der Makkabaer [641-642]. 

Abkurzungen 643 




Erfter Band. 

Die politifchen und fozialen Verhaltniffe des 
judirchen Volkes imneuteftamentlichen Zeitalter. 




Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Aufl. 



Einleitung. 



Die neuteftamentliche Zeitgefchichte, 1 ) wie man kurz die Begriff der 
Gefchichte der neuteftamentlichen Zeit nennt, ift die neute ^ Zeit ~ 
Wiffenfchaft, welche die gefchiditlidien Verhaltniffe, d. h. 
die Ereigniffe, Zuftande und Ideen, welche zur Zeit der Ent- 
ftehung des Neuen Teftamentes beftanden und fur defien 
Verftandnis und das Verftandnis der Anfange der chriftlichen 
Religion wichtig find, auf Grund der Quellen darftellt. Der 
Heiland hat perfonlich unter den Juden Palaftinas, fur die er 
zunachft gefandt war, gewirkt. Die damaligen politifehen Er- 
eigniffe, die fozialen und fittlichen Zuftande wie die religiofen 
Anfchauungen feiner Zeitgenoffen bilden gewiffermafjen den 
Hintergrund des Gemaldes, auf welchem fich fein ganzes 
wunderbares Leben und Wirken um fo fcharfer abhebt. Was 
aber von ihm gilt, gilt auch in ahnlicher Weife von der 
Tatigkeit der Apoftel unter den Juden und Heiden des erften 
diriftlichen Jahrhunderts. Sie find Menfchenfifcher gewefen in 
den gro&en Zentren der griechifch-romifchen Welt und haben 
die Glaubenslehren vielfaeh unter Polemik gegen judifche und 
heidnifche Vorftellungen dargelegt und verteidigt. 

Somit ift die neuteftamentliche Zeitgefchidite keineswegs 
blofc eine Gefchichte des judifchen Volkes zur Zeit Chrifti und 
der Apoftel, aber ebenfowenig die Gefchichte aller Verhalt- 
niffe aller Volker jener Zeit. Denn nach dem wiffenfchaft- 
lichen Sprachgebrauch umfafet die Zeitgefchichte etwa eines 
gro&en Fflrften pder Schriftftellers nicht alles, was uberhaupt 
zu feiner Zeit gefchichtlich merkwiirdig ift, fondern nur was 
fiir das Verftandnis feines Charakters, feines Strebens und 
Wirkens Wichtigkeit hat. 

l ) Der Ausdrudc ift zuerfl von dem im Jahre 1848 zu Bern verftor- 
benen Gelehrten Matth. Schneckenburger (vgl. feine M Vorlefungen fiber 
neuteftamentl. Zeitgefchichte". Aus deffen handfchriftl. Nachlag herausg. 
von Dr. Th. LOhlein, mit Vorwort von Hundeshagen, Frankf. a. M. 1862) 
angewandt worden. 

1* 



4 Einleitung. 

Unfere Wiffenfchaft fetjt die im Neuen Teftamente er- 
zahlten Dinge, bezw. die neuteftamentliche Gefchichte felbft 
als bekannt voraus, ift aber ein Hilfsmittel zur Erklarung 
des Neuen Teftamentes und gehort wie z. B. audi die bibli- 
fche Archaologie zur Einleitung in die Heilige Schrift" im 
weitern Sinne des Ausdruckes. Sie ware keine Wiffenfchaft, 
wenn fie nur willkurlich einige fur die Erklarung des Neuen 
Teftamentes wichtige Erorterungen zufammenfafcte. Das tut 
fie aber auch nicht, fondern fie bietet vielmehr den wiffen- 
fchaftlichen Nachweis des Zufammenhanges des Judaismus 
und des Heidentums mit dem Chriftentum, wie es uns im 
Neuen Teftament entgegentritt, und behandelt fomit einen 
Stoff, der natiirlich zufammenhangt und in fich abgefchloffen 
und gegliedert ift. 

ihre Ein- Entfprechend dem Verlauf der neuteftamentlidien Gefchichte 

teiiung-. jjt zuer jt die jiiciifche, dann die heidnifche und zwar die grie- 
chifch-romifche Zeitgefchichte des Neuen Teftamentes darzu- 
ftellen. Jeder diefer zwei Teile zerfallt in drei Unterabtei- 
lungen, worin die politifche Gefchichte, die innern fozialen 
und fittlichen Zuftande und die religiofen Anfchauungen der 
judifchen bezw. heidnifchen Zeitgenoffen, foweit fie fur das 
Verftandnis des Neuen Teftamentes wichtig find, behandelt 
werden. Die hier zu fchildernde Zeit umfagt im wefentlichen 
das erfte chriftliche Jahrhundert. Jedoch wird die politifche 
Gefchichte der Juden, weil fie im Jahrhundert des Heils durch 
die romifche Herrfchaft bedingt ift, am beften mit der Erobe- 
rung Jerufalems durch Pompejus im Jahre 63 v. Chr. be- 
gonnen und bis zum Jahre 135 n. Chr., der Unterdriickung 
des Aufftandes unter Hadrian fortgefuhrt, weil damit das 
Schickfal des judifchen Volkes befiegelt und dem letjten grofcen 
Verfuche des Volkes, feine Selbftandigkeit herzuftellen, ein 
Ende gemacht wurde. 

ihr Nu^en. Wahrend die Einleitung in das Neue Teftament, wie fie 
heutzutage aufgefajgt wird, eine literarifche Einleitung ift, ift 
die neuteftamentlidie Zeitgefchichte eine gefchichtliche, welche 
uns die neuteftamentlidie Gefchichte im Rahmen und im Lichte 
der Zeitverhaltniffe verftehen lehrt. Wenn man mit Recht 
die Ardiaologie als ein wertvolles Hilfsmittel der Exegefe 
fcha^t, darf man auch die neuteftamentlidie Zeitgefchichte 



Einleitung. 5 

weldie fo vielfadi zum Verftandnis des Neuen Teftamentes 
beitragt, niciit vernadilaffigen. 

Ihre Bedeutung Mr die Kirdiengefchidite als einer Real- 
einleitung in diefelbe wird von faft alien kirchengefchiditlichen 
Lehrbudiern durch einen Uberblick fiber die heidnifchen und 
jiidifchen Verhaltniffe zur Zeit der Entftehung des Chriften- 
tums anerkannt. Wie wollte man auch ohne Kenntnis diefer 
Dinge das Leben der alteften Kirdie verftehen? Eine ahn- 
lidie Bedeutung hat fie fur die Apologetik namentlich wegen 
der durdi fie vermittelten wiffenfchaftlidien Erkenntnis, daft 
das Chriftentum weder ein naturliches Erzeugnis des Juden- 
nodi des Heidentums, nodi des judifch-hellenifchen Geiftes 
fein kann und Chriftus felbft zwar in diefer Welt, aber dodi 
hodi fiber derfelben fteht. 

Die Quellen find teils monumentale Denkmalei 1 des Altertums, Die Quellen. 
Bauten, Statuen u. dgl., teils Infchriften, Mtinzen, Urkunden und Schrif- 
ten jener Zeit. 

Fur die griechifchen Infdiriften ift das Hauptwerk die Inscriptiones Infchriften. 
Qraecae. Ed. consilio et auctoritate acad. regiae Borussicae, Berol. 
1873 sqq., welche 14 Bande umfaffen werden. Vgl. audi W. Dittenberger, 
Sylloge inscriptionum Graecarum 2 I III, Leipz. 18981901 und ders. 
Orientis Graeci Inscriptiones selectae. Supplementum Sylloges Inscrip- 
tionum Graecarum. I II, L. 1903-5. 

Die lateinifdien Infchriften finden fich im Corpus inscriptionum Latina- 
rum. Ed. Th. Mommsen etc. Vol. I, 1 (ed. II). II-X, XI. 1. 2, 1. XII. XIII. 
1, 12. 2, 1-2. 3, 12. XIV. XV, 1. 2, 1 und Suppl. zu vol. II. III. IV, 
1. VII (2 pts). Berol. 1863 sqq. Eine Auswahl bietet J. G. Orelli, Inscrip- 
tionum latinarum selectarum amplissima collectio, 2 voll. Ace. vol. 111. 
Supplementa emendationesque, ed. G. Henzen, Turici 18281856. H. Dessau, 
Inscriptiones latinae selectae, B. I. 1892. II, 1. 1902. Das Monumentum. 
Ancyranum, eine umfangreiche Oberjicht der Taten des Augustus, welche 
er felbft an den Marmorwanden des Tempels des Auguftus und der Roma 
zu Ancyra in Galatien anbringen lieg, ift herausgegeben von Th. Mommsen, 
Res gestae divi Augusti . . . iterum ed. B. 1883. 

Die femitifchen Infchriften werden gefammelt in dem Corpus In- 
scriptionum Semiticarum ab acad. Inscript. et Litt. Human, cond. atque 
digestum. Paris. 1881 sqq. Pars I. Inscriptiones Phoenic. torn. I. fasc. 
1 4; II, 1 4. Pars II. Inscript. Aramaic, torn. I, 1 4; torn. II. fasc. I. 
Pars IV. Inscriptiones Himyariticas et Sabaeas continens I, 1-4. II, 1-2. 
Das von der Kommiffion des Corpus publizierte Repertoire d'Epigraphie 
semitique Par. 1900 ff. enthalt neue Texte. M. Lidzbarski, Handbuch der 
nordfemitifchen Epigraphik [Palaftina und das petraifche Arabien ist mit ein- 
gefchloffen]. 2 Teile. Weimar 1898; feine Ephemeris fur femitifche Epi- 



6 Einleitung. 

graphik, Giessen, 3 Bde., 19021915 enthalt nicht neue Texte, fondern 
Bearbeitungen des gefamten neuen Infchriftenmaterials. Mandies derartige 
findet fich audi in Ch. Clermont-Ganneau, Etudes d'archeologie orientale. 
2 Bde. Paris 18957 und ebd. Recueil d'archeologie orientale 7 Bde. 
Paris 1888-1906. H. A. Cooke, A text-book of North-Semitic Inscriptions, 
Moabite, Hebrew, Phoenician, Aramaic, Nabataean, Palmyrene, Jewish, 
Oxford 1903, ift ohne Oberfetjung und Kommentar. Obrigens find hebraifche 
Oder andere femitifche Infchriften aus der Zeit vor Chriftus in Palaftina 
felbft hochft felten. Dort beginnt die Epigraphie er{t mit der romifchen 
Herrfchaft und mit der Griindung rOmifcher Stadte. Am zahlreichften find 
unter den griechifch oder lateinifch erhaltenen palaft. Infdiriften der heidnifehen 
nachchri[tlichen Zeit von Trajan bis Konftantin die auf Meilenfteinen. Vgl. 
Germer-Durand, Note sur 1'epigraphie en Palestine. Compte rendu du 
4. congres scientifique des Catholiques. Sciences exegetiques Frib. 
1898 p. 23 ss. 

Urkunden. Unter den vielen neuentdeckten Papyrusurkunden beanfpruchen be- 

fondere Wichtigkeit die zehn aramaifchen Papyri aus dem 5. Jahrhundert 
v. Chr., welche im Jahre 1904 auf der Nilinfel Elephantine am erften 
Katarakt Affuan [dem alten Syene] gegenuber gefunden wurden und die 
Befitjverhaltniffe einer jQdifchen Familie behandeln (Aramaic Papyri di- 
scovered at Assuan ed. by A. H. Sayce with the assistance of A. E. Cowley 
London 1906; auch fur Vorlefungen und Obungen herausg. v. W. Staerk, 
Die judifch-aramaifchen Papyri von Affuan, Bonn 1907). Noch wichtiger 
find die auf derfelben Infel gefundenen n Drei aramaifche Papyrusurkunden" 
(Herausg. von E. Sachau aus den Abhandl. der Ak. d. Wiff. B. 1907), 
welche fiber das jfidifche Heiligtum dafelbft Aufjchlufj geben. Unter 
den griechifchen Papyrusurkunden, worflber Wilcken, Archiv fiir Papyrus- 
forfchung L 1901 .ff. andauernd unterrichtet, find zu nennen The Oxyrhynchus 
(^ Behnesa in Mittelagypten) Papyri. Ed. by B. P. Grenfell and A. S. Hunt. 
London 1898 ff. Weiterhin vgl. Fayum towns and their Papyri. Ed. by 
Grenfell and Hogarth. L. 1900; The Tebtunis Papyri. Ed. by B. P. Grenfell 
Hunt and Smyly P. I. L. 1902; The Amherst Papyri. Ed. by B. P. Grenfell 
and A. S. Hunt. 2 Bde. L. 19001901. Das wichtigfte Werk uber judifche 
Miinzen. Munzen ift Madden F. W., Coins of the Jews. L. 1881. Gemeinfajglich 
handelt davon Levy M. A., Gefchichte der judifchen Mflnzen. L. 1862. FQr 
die fibrigen vgl. Eckhel J., Doctrina nummorum veterum. Vindob. 1792 98. 
8 Bde. Cohen H., Description historique des monnaies frappees dans 
1'empire romain, communement appelees medailles imperiales. Paris 1859 
sqq. 5 Bde.; continuee par. Feuardent. torn. 6-8. 2. ed. Paris 18801892. 
Barclay V. Head, Historia nummorum. A manual of Greek numismatics. 
Oxford 1887. Seth W. Stevenson, A dictionary of Roman coins, Republican 
and Imperial, revised in part by C. Roach Smith and completed by 
F. W. Madden. Lond. 1889. Fur die griechifchen und rOmifdien Munzen 
Palaftinas vgl. auch DeSaulcy, Numismatique de laTerre sainte. Description 
des monnaies autonomes et imperiales de la Palestine et de 1'Arabie Petree. 
Paris 1874. 



Einleitung. 7 

Unter den Schriften, welche als Quellen der Gefdiichte diefes Zeit- g ue u en . 
raumes in Betracht kommen, find die folgenden am ofteften anzufOhren. fchriften. 
(Vgl. u. a. A. Sdiaefer, Abrig der Queilenkunde der griediifchen und 
rbmifdien Qefchichte. Zweite Abteilung. Rom. Qefchiehte bis auf Justinian. 
Zweite Aufl. von H. Miff en. L. 1885; far die Daten f. die Kultur der 
Gegenwart. Herausg. von Paul Hinneberg. Teil I. .Abt. VIII. B. 1905, 
worin S. 1236 die griech. Literatur des Altertums von Ulridi von 
Milamowitj-Mollendorff und S. 313373 die rOmifche Literatur des Alter- 
tums von Friedr. Leo behandelt ift. Fur die nichtjudifchen griechifchen 
und lateinifdien Klaffiker werden, wenn nidit das Qegenteil befonders an- 
gegeben ift, die Textausgaben der Bibliotheca Scriptorum Graecorum 
et Romanorum Teubneriana benutjt). 

Strabo (von ca. 68 v. Chr. bis 20 n. Chr.) aus Amafia im pontifchen 
Kappadozien, welcher feit 29 v. Chr. meift in Rom lebte, fdirieb gegen 
Ende feines Lebens die uns nodi erhaltene M Geographie" in 17 Buchern. 
Darin legt er meift auf Grund der von ihm mit grofjer Umficht gefam- 
melten Nadirichten die phyfikalifchen, hiftorifchen und politifchen Verhalt- 
niffe der von ihm befchriebenen Lander anfchaulich dar. Am beften ift 
ihm Kleinafien bekannt. n Seine kurzen Befchreibungen find wunderbar 
genau und fur den Augenzeugen wunderbar klar" (Ramsay W. M., The 
historical geography of Asia minor. L. 1890. p. 96). 

Plutarch (urn 40120 n. Chr.), geb. zu Chaeronea in Boeotien, 
lebte unter den Flaviern als geehrter Lehrer der Rhetorik zu Rom, die 
letjten Jahrzehnte feines Lebens aber in Delphi als Priefter des Apollo. 
Neben feinem Hauptwerk, den Parallel - Biographien hervorragender 
Griechen und Romer, und einem Werke fiber die Kaifer Galba und Otho 
fchrieb er viele moralifche und religionsphilofophifche Schriften, in denen 
u. a. die Damonologie ftark hervortritt. 

Dio Caffius, geb. um 155 n. Chr. zu Nicaea in Bithynien, kam 
um 180 nach Rom und verwaltete fpater als Prokonful und Legat nach- 
einander Afrika, Dalmatien und das obere Pannonien, ftarb um 235 n. Chr. 
Von feiner rOmifchen Gefchichte in 80 Buchern find die fiber die Jahre 
68 v. Chr. bis 47 n. Chr. handelnden Bficher (XXXVI LX) erhalten, (wenn 
auch von LV an vielfach verftOmmelt). ') 

Von den lateinifdi fchreibenden Schriftftellern ift aus der Zeit der 
Republik namentlich Cicero (10643 v. Chr.), wegen feiner philofophifchen 
Schriften oft zu erwahnen. In der Kaiferzeit lebten C. Plinius Secundus, 
der Altere (23 79 n. Chr.) und fein Neffe, C. Plinius Caecilius Secundus, 
der Jfingere (62113 n. Chr.), beide geb. zu Como in Oberitalien. Der 
erftere hinterlieg in feiner Naturalis historia, 37 Bficher, ein reichhaltiges 
vortreffliches Sammelwerk, worin naturwiffenfchaftliche, geographifche und 
andere Nachrichten enthalten find, der letjtere Briefe, die fich fiber eine 
Ffille von Gegenftanden verbreiten. 

') Zitiert wird nach der Ausgabe von Ursulus Philippus Boisse- 
vain, Cassii Dionis Coccejani Historiarum Romanarum quae supersunt 
Berol. 1895-1901. 3 vols. 



8 Einleitung. 

Corn. Tacitus (um 55-116) der grOgte romifehe Hiftoriker, ge- 
dankenfchwer, ernft und von edlem Streben nach Wahrheit geleitet, be- 
handelt in den erhaltenen Buchern 16 und 1116 feiner Annalen die 
Gefchichte des Tiberius mil einer Liicke, die des Claudius und des Nero 
vom J. 47 61; in den erhaltenen Buchern 1 5 der Hiftoriae fchildert er 
die Zeit der Kaifer Galba, Otho und Vitellius und die Anfange Vefpafians. 

Von C. Suetonius Tranquillus (um 75150 n. Chr.), dem Geheim- 
fchreiber Hadrians find uns u. a. die Kaiferbiographien von Cafar bis 
Domitian fa[t ganz erhalten. 

Unter den Philofophen ragt an Bedeutung L. Annaeus Seneca 
(4 v. Chr. bis 65 n. Chr.), aus Corduba in Spanien, der Erzieher und 
Minifter Neros hervor, der in fchcmen moralphilofophifchen Werken vom 
Standpunkte der ftoifchen Lehre aus Tugend und Pflicht preift, aber audi 
in einer Satire den eben verftorbenen Kaifer Claudius verhOhnt hat. 
Sein Bruderssohn M. Annaeus Lucanus (3965 n. Chr.) hat in einem 
Epos Pharsalia 1. 1 10 den Entfcheidungskampf zwifchen Cafar und 
Pompejus gefchildert. 

An die Dichter der augufteifchen Zeit P. Vergilius Maro (70 19 v. Chr.), 
Q. Horatius Flaccus (65-8 v.'Chr.j, P. Ovidius Nafo (43 v. Chr. bis 17 
n. Chr.) fchliefcen fich im erften Jahrhundert die Satiriker Petronius 
Arbiter, der im Jahre 66 ftarb, A. Persius Flaccus (3462 n. Chr.), der 
Epigrammatiker M. Valerius Martialis (geft. um 102), und der die 
moralifche Verkehrtheit feiner Zeit fo fcharf geijgelnde groge Satiriker 
D. Junius Juvenal is (um 57 138 n. Chr.). Das erfte Budi feiner 
Satiren erfchien wahrfcheinlich zwifchen 112 und 116, das funfte naeh 128. 
(Vgl. L. Friedlander, D. Junii Juvenalis Saturarum libri V. .Mit er- 
klarenden Anmerkungen, 2 Bde. L. 1895. Einl. S. 6 ff.) 

Von den namentlich fur die judifche Gefchichte fo hoch bedeutfamen 
judifchen Schriftftellern Philo aus Alexandrien, der nach dem Jahre 41 
n. Chr. ftarb und dem judifchen Priefter, Feldherrn und Freund der Flavier, 
Flavius Josephus (geft. nach 93) wird fpater noch ausfuhrlich gehandelt 
werden, ebenfo von den zahlreichen andern vielfach apokalyptifch gehaltenen 
judifchen Schriften, welche um die Zeit des erften chriftlichen Jahrhunderts 
entftanden find. (S. unten das 15. u. 16. Kapitel). 

Die rabbi- Eine befondere Bedeutung hat die Frage, ob die altere rabbinifche 

nifch-talmudi- Literatur, namentlich der Talmud in feinen einzelnen Beftandteilen, als 
fche Literatur. eine Quelle der neuteftamentlichen Zeitgefchichte angefehen und benutjt 
werden kann. 

Mit dem Namen Talmud (eigentlich das Studium, die Lehre) als 
Buchtitel bezeichnet man heutzutage ein Sammelwerk, welches aus der 
Die Mifchna. Mifchna und der Gemara befteht. Mifchna (eigentlich Wiederholung, Lehre, 
dann im Gegenfa^ zu der Mikria Oder dem Gelefenen, das mtindlich fort- 
gepflanzte Gefe^) ift der Name einer im zweiten chriftlichen Jahrhundert 
veranftalteten Sammlung von Oberlieferungen angefehener jfidifcher Lehrer 
uber das mofaifche Gefe^. Es kommen darin ungefahr 150 wahrend der 
zwei erften chriftlichen Jahrhunderte lebende Lehrer zu Worte, welche im 



Einleitung. 9 

Gegenfatje zu den fpateren Lehrern die Lehrer, nach dem Aramaifchen 

Tannaim, die Tannaiten heigen und meift den Titel Rabbi (eigentlich mein DieTannaiten 

Lehrer, fpater Lehrer) in feltenen Fallen den ehrenvolleren Titel Rabban 

(unser Lehrer) fiihren. (Vgl. W. Bacher, Die Agada der Tannaiten, 2 Bde. 

1 2 , Straub. 1903 u. 1890). Man unterfcheidet vier Generationen derfelben 

(vgl. z. B. Schechter, art. Talmud in Dictionary of the Bible, ed. by J. Haftings 

[vol. I -IV, Edinb. 1900-1902]. Extra Volume. Edinb. 1904, p. 57 ff.). 

Zu der erften von etwa 10-90 n. Chr. rechnet man die Mitglieder der 

Schule von Hillel (vgl. fiber ihn unten 11. Cap.), unter denen Rabban 

Gamaliel der Alte, den wir aus der Apoftelgefchichte kennen und der 

fpatere in Jamnia oder Jabne wohnende , Rabban Jochanan ben Zakkai 

die beruhmteften find und die der Schule von Schammai. Der zweiten 

Generation (von 90-130) gehoren u. a. an der Rabban Gamaliel II., ein 

Enkel des eben erwahnten und feine Zeitgenoffen R. Josua ben Chananja 

und der Schammaite R. Eliezer ben Hyrkanos. JQngere Lehrer diefer 

Generation find R. Ismael und der beruhmtefte aller Tannaiten R. Akiba, 

welcher den Barkochba als Meffias anerkannt haben foil und als Begrunder 

der Mifchna gilt, indem er das Studium des mfindlichen Gefetjes feines 

bisherigen Charakters eines Bibelkommentars entkleidete und feine Be- 

ftimmungen fyftematifch einteilte und ordnete (vgl. J. S. Bloch, Einblicke 

in die Gefchichte der Entftehung der talmudifchen Literatur. Wien 1884, 

S. 2242). In der dritten Generation (130160) ragen vor alien Gelehrten 

die Schfiler Akibas hervor; der bedeutendfte ift R. Meir, der die fyftematifchen 

Arbeiten feines Lehrers fortfetjte. Auf der Grundlage der Mifchna des 

R. Meir fchuf dann in der vierten Generation (160200 n. Chr.) Juda 

Ha-nafi (= der Ffirft oder Patriarch), der meift blog Rabbi, der Meifter 

fchlechthin, oder auch Rabbenu hakkadofch d. h. unfer Lehrer, der Heilige 

heigt und wahrfcheinlich um 135217 n. Chr. lebte (H. Strack, Einleitung 

in Talmud und Midras. 5. Aufl., Munchen 1921, S. 16 f. und 133) die uns 

erhaltene Mifchna. 

Ob er aber fein Werk nicht blog zufammengeftellt, fondern auch 
felbft niedergefchrieben hat oder die fchriftliche Fixierung desfelben erft 
nach Jahrhunderten erfolgte, ift eine alte, noch immer unentfchiedene Frage. 
Auf der einen Seite weift man auf den herkQmmlichen Ausdruck Mifchna" 
d. h. mfindliches Gefetj, auf die in derfelben enthaltenen verfchiedenen 
Hilfsmittel der Erinnerungskunft (vgl. z. B. Megilla 1, 411) und auf ein 
altes Gefetj oder eine alte Gewohnheit, welche das Niederfchreiben des 
Inhaltes der Gefetjesuberlieferung verbot, hin, auf der andern Seite ift 
wenigftens in dem Falle der Megilla Taanith , eines kurzen aus dem 
zweiten chriftlichen Jahrhundert ftammenden Verzeichniffes von freudigen 
Erinnerungstagen, an denen nicht gefaftet werden durfte (vgl. dasfelbe 
bei Derenbourg, Essai sur 1'histoire et la geographic de la Palestine, 
Paris 1867, p. 439-446), das Verbot nicht beobachtet worden. (Vergl. 
Schechter p. 62, der felbft von der Frage meint, dag die Beweisgrunde 
auf beiden Seiten ungefahr gleich feien). Jedenfalls war der Einflug des 
Juda Ha-nafi fo grog, dag feine Sammlung fur die rabbinifchen Schulen 



1 Einleitung.. 

ausfchliefcliche Auktoritat erhielt. Sie wurde der eigentliche Kodex des 
mundlichen Gefetjes. 

Die Mifchna befteht nadi dem Lehrftoffe aus fechs Buchern Oder 
Ordnungen, die zufammen 63 Traktate bilden; jeder Traktat zerfallt in 
Kapitel, jedes Kapitel in Lehrftucke. Die erfte Ordnung mit dem Titel 
Zeraim (eigtl. Saaten) handelt im grofjen ganzen von den Vorfchriften 
fur den Landbau. Sie umfafct folgende 11 Traktate: 1. Berakhoth 
= Segensfprtiche (handelt vom Qebete u. dgl.) 2. Pea, Winkel (von den 
Acker ecken, die man Armen beim Ernten laffen foil). 3. Dammai, 
Zweifelhaftes (vom Zweifel uber die Frage, ob Fruchte fchon verzehntet 
find Oder nicht). 4. Kilajim, Vermifchung (von der widergefetjlichen Ver- 
mifchung des Samens verfchiedener Arten und Gattungen der Tiere und 
Tuchftoffe). 5. Schebiith, das Siebente (vom Sabbatjahr). 6. Terumoth, 
Gaben (uber die den Prieftern zukommenden Gaben und Opfer). 7. Maa- 
seroth, Zehnten. 8. Maaser scheni, der zweite Zehnte. 9. Challa, 
Teighebe (von der Abgabe, welche von jedem Teig dem Priefter gegeben 
werden mujgte). 10. Or la, Vorhaut (vom Verbot, die Fruchte von Baumen 
in den erften drei Jahren zu geniefjen). 11, Bikkurim, Erftlinge. 

Die zweite Ordnung Moed (eigtl. Feftzeit) enthalt die Traktate uber 
die Feft- und Feiertage. 1. Schabbath, Sabbat. 2. Erubin, Ver- 
mifehungen (kunftliche, oft nur in Gedanken gemachte Verbindung getrennter 
Raumlichkeiten, um die Sabbatbefchrankungen zu erleiditern). 3. Pesa- 
chim, Oftern. 4. Schekalim, Sekeln (von den Sekeln zur Unterhaltung 
des Gottesdienftes). 5. Joma, der (groge) Tag (vom Verf6hnungsfe[t). 

6. Sukka, Laube (vom Laubhxittenfeft). 7. Beza, Ei (fogenannt von dem 
Anfang, in welchem die Frage, ob man ein an einem Feiertag oder Sabbat 
gelegtes Ei ef[en durfe, erQrtert wird. Der Traktat handelt von den an 
Feiertagen erlaubten und verbotenen Arbeiten). 8. Rosch ha-schana, 
Neujahr. 9. Taanith, Faften. 10. Megilla, Rolle (des Buches Efther; 
Vorfchriften fur das Purimfeft). 11. Moed qatan, kleine Fefte (von den 
Tagen zwifchen dem er{ten und letjten Tag des Ofter- und Laubhfittenfe[tes)- 
12. Chagiga, Feftopfer (von den Opfern, welche man an den drei hohen 
Wallfahrtsfeften in Jerufaiem darzubringen hatte). 

Die dritte Ordnung, Nafchim d. h. Frauen, hat nur fieben Traktate, 
vorzuglich Qber Eherecht, dann auch uber Geliibde, z. B. das Nasiraat. 

1. Jebamoth, Schwagerinnen (von der Levirats- oder Schwagerehe). 

2. Kethuboth, Ehevertrage. 3. Nedarim, Gelflbde. 4. Nasir, Nasiraer. 
5. Sot a, das (des Ehebruchs) verdachtige Weib. 6. Gittin, Scheidebrief. 

7. Qiddushin, Verlobungen. 

Die vierte Ordnung Nesiqin, Schadigungen, mit 10 Traktaten er- 
Ortert die Fragen des Kriminal- und Zivilrechts. Die erften drei Traktate 
Baba qamma, erfte Pforte, Baba mezia, mittlere Pforte und Baba 
bathra, die leljte Pforte bildeten urfprunglich drei Abteilungen eines 
zufammenhangenden Traktats uber die Schadigungen; die erfte handelt 
von den Nachteilen, die jemand durch einen andern zugefQgt werden, die 
zweite von den Pflichten in Bezug auf gefundene und geliehene Sachen, 
Pfander u. dgl., die dritte von den verfchiedenen Gefetjen uber den Er- 



Einleitung. 1 J 

werb von Eigentum, Handel, Erbfchaft etc. 4. Sanhedrin, Synedrium. 
5. Makkoth, Schlage (von der Strafe der Geiglung). 6. Schebuoth, 
Eidfchwfire. 7. Edujoth, Zeugniffe (Entfeheidungen berfihmter Lehrer fiber 
verfchiedene ftrittige Fragen). 8. Abodazara, GOtjendienft (fiber die Be- 
handlungderGOtjenbilderuridGotjendiener). 9. Aboth oder Pirke Aboth, 
Altvater oder Ausfprfiche der Altvater. 10. Horajoth, Entfeheidungen (von 
Entfeheidungen des Hohen Rates, die aus Verfehen irrig find u. a.). 

Die f finite Ordnung Qodaschim, heilige Dinge, hat 11 Traktate. 

1. Sebachim, Schlachtopfer. 2. Menachoth, Speifeopfer. 3. Chullin, 
Unheiliges, Gemeines (vom Schlachten der Tiere ffir den gewohnlichen 
Gebrauch und den Fallen, in welchen fie zum Effen untauglich werden 
u. dgl.). 4. Bekhoroth, Erftgeburt. 5. Arakhin, Schatjungen (von Gott 
geweihterf Perfonen und Dingen und ihrer Auslofung). 6. Temura, Ver- 
wechslung (der Opfertiere). 7. Kerithoth, Ausrottungen (was zu tun ift, 
wenn man unvorfatjlich etwas getan hat, worauf Ausrottung fteht). 8. M e il a, 
Obertretung (von Sakrilegien die durch Aneignung von dem Tempel oder 
dem Altar gehOrigen Dingen begangen werden). 9. Tamid, M dauerndes" 
Opfer (fiber das im Tempel taglieh darzubringende Opfer und den Tempel- 
dienft). 10. Mid doth, Mage (namlich des Tempos, Befchreibung des- 
felben). 11. Qinnim, Nefter (vom Taubenopfer der Armen). 

Die fechfte Ordnung, Teharoth d. h. Reinigkeiten, handelt in 12 Trak- 
taten von den Beftimmungen fiber Reinheit und Unreinheit. 1. Kelim, 
Cerate (von den Hausgeraten u. dgl. und deren levitifchen Reinigung). 

2. Ohaloth, Zelte (und deren levitifchen Verunreinigung, befonders durch 
eine Leiche). 3. Negaim, Ausfatj. 4. Para, rote Kuh (von dem Ge- 
brauch, den man von der Afche der verbrannten Kuh bezw. dem Spreng- 
waffer zur Entffindigung derer macht, die unrein geworden find, vergl. 
Num. 19, 2 ff.). 5. Teharoth, Reinigungen (von den verfchiedenen Arten 
und Graden der Unreinheit). 6. M.iqwaoth, Waff erf am mlun gen (betrifft 
das zum Baden und Wafchen geeignete Waffer). 7. Nidda, die blut- 
flfiffige (levitifche Unreinheit von Frauen unter beftimmten Umftanden). 
8. Makhschirin, Tauglichmachendes (von den Umftanden, unter welchen 
beftimmte Dinge durch Flfiffigkeiten, mit denen fie in Berfihrung kommen, 
levitifcher Verunreinigung fahig werden). 9. Zabim, die mit einem un- 
reinen Flufc Behafteten. 10. Tebul jom, n gebadet am Tage" (von der 
Lage einer Perfon, die das wegen einer levitifchen Unreinigkeit vorge- 
fchriebene Bad genommen hat, aber bis Sonnenuntergang warten mug, 
urn als ganz rein zugelten). 11. Jadajim, Hande (von der Verunreinigung 
und Reinigung derfelben). 12. Uqsim, Stiele (inwiefern die FrQchte un- 
rein werden, wenn ihr Stiel von etwas Unreinem berfihrt wird). 

Zitiert wird die Mifchna unter Angabe des Traktates, des Kapitels 
und des Satjes, alfo z. B. Berakhoth 1, 1. Ubrigens wird auger der 
Kenntnis der zu erklarenden Schrifttexte auch oft eine der Obungen des 
mundlichen Gefe^es vorausgefe^t. Z. B. beginnt Ber. 1, 1 mit den Worten: 
Wann fangt man an, des Abends das Schma zu fagen? Von der Zeit 
an, dag die Priefter (im Falle fie levitifch unrein geworden find, vom 
Reinigungsbade) zurfickkommen, um ihre Hebe (ihre heilige Gaben) zu 



12 Einleitung. 

effen d. h. nach Sonnenuntergang, vgl. Levit. 22, 7, bis zum Ende der 1. Vigilie. 
Dies ift die Meinung R. Eliezers. Die andern Gelehrten fagen, es fei nodi 
Zeit bis Mitternacht. Rabban Gamaliel aber will, man diirfe es fagen bis 
zum Anbruch der MorgenrOte." Jedenfalls wird hier die Gewohnheit, 
taglich das Schma zu fagen, als bekannt vorausgefetjt. 

Es gibt nur zwei Mifchna-Traktate, weldie nicht gefetjliche Beftim- 
mungen enthalten, Pirke Aboth und Middoth. 

Die Sprache der Mifehna ift neuhebraifch. Es gibt aber drei Rezen- 
fionen derfelben, wovon die eine in den Handfchriften und Ausgaben der 
Mifehna, die zweite im palattinenfifchen, die dritte im babylonifchen Talmud 
enthalten ift. 

Unter den Ausgaben feien erwahnt: Mischna sive totius Hebraeorum 
juris etc. systema cum Maimonidis et Bartenorae commentariis integris 
etc. Latinitate donavit ac notis illustravit G. Surenhusius. 6 voll. fol. 
Amsteld. 1698 1703; The Mishnah on which the Palestinian Talmud rests, 
edited from the unique manuscript by W. H. Lowe. Cambridge 1883; 
Mifchnajoth, Die 6 Ordnungen der Mifehna. Hebraifcher Text mit Punk- 
tation, Deutfcher Oberfetjung und Erklarung von A. Sammter, Berlin 1887 ff. 
(noch unvollendet). Vgl. auch' Mifehna oder der Text des Talmud, aus 
dem Hebraifchen uberfetjt, umfchrieben und mit Anmerkungen erlautert 
von Joh. Jak. Rabe. 6 Teile. Onolzbach 1760 - 63. Abgefehen von 
Einzelausgaben gibt es 3 deutfche Sammlungen von Mifchnatraktate, 
namlich die Leipziger von H. L. Strack, Ausgewahlte Mifchnatraktate nach 
Handfchriften und alten Drucken herausgegeben, uberfetjt und mit Berfick- 
fichtigung des Neuen Teftaments erlautert (erfchienen find Berakhoth, 
Schabbath, Pesachim, Joma 8 , Sanhedrin, Makkoth, Aboda zara, Pirke 
Aboth); dann die Giegener herausg. von Georg Beer und Oskar Holtj- 
mann: ,,Die Mifehna, Text und Oberfetjung und ausfiihrliche Erklarung" 
(feit 1912 erfchienen Berakhoth, Pea r Kilajim, Challa, Orla, Bikkurim, 
Pesachim, Joma, Rosch ha-schana, Baba qamma, Horajoth, Middoth); fo- 
dann die Tubinger (feit 1907 ff. : Ausgewahlte Mifchnatraktate in deutfcher 
Oberfetjung herausg. von Paul Fiebig (erfchienen find u. a. die Traktate 
Schabbath (G. Beer), Sanhedrin und Makkoth, und Megilla (vgl. Strack, 
Einl. 5 , S. 154 ff.) Von englifchen Ausgaben feien erwahnt Taylor, Sayings 
of the Jewish fathers in Hebrew and English? Cambridge 1897, und Her- 
ford, R. Travers-, Pirke Aboth: The Sayings of the fathers in Charles, the 
Apocrypha and Pseudepigrapha vol. II. Oxford 1913 p. 686714 (engl. 
Oberfetjung mit Einl.) 

Auger den in der Mifehna enthaltenen Ausfpruchen der Tannaiten 

find den Talraudiften noch andere bekannt gewefen, welche man aramaijch 

Baraitha. Baraitha d. h. die ,,aujgere" Mifehna oder Tosephta d. h. ,,Zufat5" zu der 

Mifehna nannte. Im Talmud werden folche Satje mit den Worten ,,Unfer 

Lehrer lehrte" oder ,,er lehrte" oder dgl. eingefuhrt. 

Es gibt aber auch ein im aufteren Aufbau der Mifehna entfprechendes 

Die Tosephta. Sammelwerk, welches die Tosephta (= Hinzufiigung) heigt und feinen 

Stoff in derfelben Ordnung wie jene behandelt nur mit dem Unterfchied, 

dag die Traktate Aboth, Tamid, Middoth und Qinnim fehlen. Die Ge- 



Einleitung. 13 

fchichte der Entftehung der Tosephta und ihr Verhaltnis zur Mifchna ift nodi 
nicht aufgeklart. Sie wird oft als ein der Mifchna ebenbfirtiges Werk 
angefehen und auf einen Schuler Akibas, den R. Nehemias, zuriickgefuhrt, 
deffen von R. Meir abweidiende Oberlieferung der R. Chija der altere, 
ein Freund und Sender des Juda Ha-nasi, kodifiziert habe. Vgl. z. B. 
Bloch S. 54-56. M. S. Zuckermandel will, zuletjt in dem Werke Tosefta, 
Mifchna und Boraitha in ihrem Verhaltnis zu einander Frankf. a. M. 2 Bde. 
19089, Erganzungsheft 1910 beweifen, dafc die Tosephta die palaftinen- 
fifche Mifchna fei, unfere Mifchna aber in Babylonien neu redigiert worden 
ware. Vgl. gegen diefe fchon an fich unwahrfcheinliche Annahme u. a. 
Schiirer, Gefch. d. jud. Volkes I, 124. Th. Reinach in REJ Bd. 67, P. 1913 
p. 308. L. Blau, Tosefta; Misctiha et BaraTta dans leurs rapports reci- 
proques, REJ 68, 1914 p. 123. H. Strack, Einl. S. 76. Spanier, Arthur, 
Die Toseftaperiode in der tannaitifchen Literatur B. 1922 vertritt die 
Meinung, die Tosefta fei aus Randbemerkungen zu Mifchnaexemplaren 
verftanden, welche von einem oder mehreren Kompilatoren zufammenge- 
ftellt wurden. Solche Zufammenftellungen waren dann zum Teil wieder 
von der letjten babylonifchen Redaktion berfickfichtigt worden. Vgl. hiezu 
Dalman, Th. Lz. 1923, 16/17 S. 342 f. 

Wieder andere erklaren die Tosephta als eine Sammlung von Reften 
alterer Mifchnawerke oder als eine Art Commentar der Mifchna. 

Jedenfalls enthalt das Werk in feiner jetjigen Form viele Lehrfatje 
und Ausfpruche der fpateren rabbinifchen Lehrer, der fogen. Amoraer und 
ift erft in fpattalmudifcher Zeit entftanden oder redigiert worden. Die 
befte Ausgabe ift: Tosefta, herausgegeben von M. S. Zuckermandel, Pase- 
walk 1880. Supplement, enthaltend Oberficht, Regifter und Gloffar., Trier 
1882 83. Alle in der Tosephta vorhandenenen Traktate des erften, zweiten 
und funften Seder find ins Lateinifche flberfe^t in Ugolini, Thesaurus 
antiquitatum sacrarum t. XVII XX. Venetiis 1755 57. 

Die vom dritten bis fechften Jahrhundert n. Chr. lebenden judifchen 
Lehrer heigen Amoraer (eigentl. Sprecher), Erklarer, da fie fich neben Die Amoraer. 
den ihnen vorangegangenen Tannaiten als bloge Affiftenten betrachteten 
und fich vorziiglich mit der Erklarung der Mifchna abgaben. Dies gefchah 
fowohl in Palaftina als in Babylonien, wofelbft grojge rabbinifche Schulen 
entftanden waren (vgl. Strack 135 149. W. Bacher, Die Agada der 
babylon. Amoraer. Stragb. 1878. Der 2. Aufl., einem anaftatifchen Neu- 
druck 1913 find 14Seiten ,,Erganzungen und Berichtigungen" beigegeben; 
derf., Die Agada der palaftinenf. Amoraer. 3 Bde. Stragb. 189299). 
Der fo gefammelte Stoff wird im Unterfchied von der Mifchna Gemara, 
d. h. Vollendung, heutzutage im Sinne der Vollendung der. Mifchna ge- 
nannt. Derfelbe ift fowohl in Palaftina als auch in Babylonien kodifiziert 
worden. 

Der palaftinenfifche Talmud, oder der Talmud von Jeru- Derpalafti- 
salem ift, wie heute allgemein tro^ der gegenteiligen Anficht des Mai- nenfifche Tal- 
monides zugegeben wird, ganz ficher nicht von dem in Tiberias wirkenden mu< ^ O( ^ er ^ er 
R. Jechonan bar Nappacha (geft. 279 n. Chr.) verfafct worden. Denn es m ^ von 
find noch manche Amoraer, welche uber ein Jahrhundert fpater als Jechonan eru l a em - 



] 4 Einleitung. 

wirkten, in dem Werke vertreten. Im wefentlichen entftand es im 4. und 
5. Jahrhundert n. Chr., wenngleich auch Baraithas d. h. nidit in der Mifdina 
befindliche Lehrfatje der Tannaiten angefuhrt werden. Diefe wie die 
Rechtsfatje uberhaupt werden immer und die fich daran fchliegenden Er- 
Orterungen meift hebraifch gegeben, wahrend ein Teil der Erzahlungen 
aramaifch abgefagt i{t. (Vgl. Q. Dalman, Grammatik des judifdi-palafti- 
nenfifchen Aramaifch. 2. Aufl. L 1905. S. 19 f. Er meint, befonders in 
den aus dem Leben gegriffenen Erzahlungen batten wir n das von den 
Juden Qalilaas im 3. und 4. Jahrhundert gefprochene Aramaifch" vor uns). 
Bekannt waren bis vor kurzem nur Erklarungen zu den vier erften Teilen 
der Mifchna. Eine Oberrafchung bot deshalb das Werk: Der V. Teil des 
Jerufalemifchen Talmuds, herausgegeben von Rabbiner Dr. Salomon Fried- 
lander, Traktate: Chulin-Bechoreth. Szatmarhegy (Ungarn) 1907. Fried- 
lander wollte im ganzen die vier erften Traktate und ein StQck des funften 
Traktats der funften Ordnung auf Qrund einer im J. 1212 n. Chr. von 
Isaak ben Jofeph aus Barcelona gefchriebenen Handfchrift entdeckt haben. 
Tatfachlich enthalt aber der verOffentlichte Text grogenteils nur Exzerpte 
aus den ftets bekannt gewefenen Teilen diefes Talmuds. Vgl. Strack, 
Einl. in .den Talmud S. 68. 

Die er[te Ausgabe des palaftin. Talmuds erfchien bei Bomberg zu 
Venedig 15231524. Auf ihr beruht die bekanntefte Ausgabe, die zu 
Krakau 1609 erfchien. Nach diefer wird meift mit Angabe des Traktates, 
des Kapitels, des Blattes und der Kolonne (Die Ausgabe hat auf jeder 
Seite vier Kolonnen) zitiert. Ein vorgefetjtes j (= jerufalemifch) dient zur 
Unterfcheidung von b, dem babylonifchen Talmud. Vgl. noch B. Ratner, 
,,Varianten und Erganzungen des jerufalemifchen Talmud" nach alten 
Quellen und handfchriftl. Fragmenten edirt. Wilna 19011912. Neun Hefte. 
Mehrere Traktate find in lateinifcher Oberfetjung von Ugolinus in feinem 
Thesaurus antiqq. sacr. herausgegeben worden, namlich Pesachim in 
t. XV11, die Traktate 4-12 der zweiten Ordnung in t. XVIII, Traktat 7 
und 911 der erften Ordnung in t. XX, 4 und 5 der vierten Ordnung 
in t. XXV, 2, 5 und 7 der dritten Ordnung in t. XXX. Eine vollftandige 
franzOfifche Oberfetjung gab M. Schwab, Le Talmud de Jerufalem. 11 Bde. 
Paris 187890. Bd. 1 in 2. Aufl. 1890. Der Band erfchien als Teil des 
Gefamtwerkes unter dem Titel ,,Traite des Berachoth du Talmud de Jerus. 
et du Talmud de Babylone" etc. fchon 1871. Vgl. auch A. Wtinfche, Der 
Jerufalemifche Talmud in feinen haggadifchen Beftandteilen ins Deutfche 
ubertragen. Zurich 1880. 

Der babylo- Der babylonifche Talmud ift faft funfmal fo umfangreich wie der 

nifche Talmud palaftinenfifche, von diefem ganz unabhangig und auch viel angefehener. 
Er geht in feinem Urfprung zuruck auf die judifchen Schulen Babyloniens, 
von denen die erften zu Sura und Nehardea fchon zu Anfang des dritten 
chriftlichen Jahrhunderts entftanden. Das in den Arbeiten diefer in ihren 
ErOrterungen und Entfcheidungen von einander unabhangigen Schulen 
zutage geforderte Material wurde von Rab Afchi (geft. 427) redigiert, von 
den folgenden Amoraern aber noch vermehrt, Als letter der Amoraer 
wird im Talmud felbft Rab Abina (oder Rabina), geft. 499, genannt. (Die 



Einleitung. 15 

babylonifdien Lehfer haben gewohnlich den Titel Rab im Uhterfdiiede von 

den palaftinenfifchen, weldie man Rabbi nannte). Der babylonifche Talmud 

ift aber erft von den Gelehrten des fediften Jahrhunderts, welche Saboraer Die Saboraer. 

hiegen, vollendet. Der Name bedeutet foviel als Erklarer, Nadidenkende 

und bezeichnet diefe nur fur Babylon nachweisbaren Qelehrten als foldie, 

weldie iiber die Worte ihrer Vorganger nadifannen. 

Der babylonifdie Talmud ift abgefehen von den hebraifdi mitgeteilten 
Reditsfa^en und Ausfprudien alterer Gelehrten in dem mit dem Syrifdien 
verwandten oftaramaifchen abgefagt. Es werden aber nicht alle Traktate 
der Mifchna behandelt. Die der erften und letjten Ordnung mit Ausnahme 
von Berakhoth und Nidda fehlen ganz, im zweiten Seder fehlt nur Schekalim, 
im Vierten Edujoth und Aboth, im funften Middoth und Qinnim und die 
Halfte von Tamid. 

Der babylonifche Talmud ift oft gedruckt worden. Die erfte voll- 
ftandige Ausgabe erfchien bei Bomberg in Venedig 152023; eine durch 
die Zenfur verftummelte zu Bafel 1578-81. Pol. In den fpateren Ausgaben 
z B. der zu Krakau 16025, Fol., find die meiften Textverftiimmelungen 
erganzt (vgl. .Strack, S 86). Wertvolles Material fur eine kritifdie Aus- 
gabe bietet die Variantenfammlung von R. Rabbinovicz, Variae lectiones 
in Mischnam et in Talmud Babylonicum. 16 Bde. Mundien 186897. 
(Der 16. Bd. ift von Ehrentreu herausg.) Eine photographifche Repro- 
duktion der einzigen erhaltenen Handfchrift des ganzen babylonifdien Tal- 
mud ift ,,Talmud Babylonicum codicis Hebraici Monacensis 95 ... arte 
phototypica depingendum curavit, praefatione et paginarum argumentis 
instruxit Hermann L. Strack. 2 Bde. Leiden 1912. Neuerdings wurde 
der Text des bab. Talmud mit englifcher Uberfequng herausgegeben von 
L. Rodkinson, New Edition of the Babylonian Talmud, original text edited, 
corrected, formulated and translated into English. 20 Bde. New-York 
18961903; Derfelbe [by Rev. J. M. Wise]. 10 Bde. London 1920. Den 
Text mit deutfdier Oberfefrjung bietet die noch nicht ganz vollendete Aus- 
gabe von Lazarus Goldfchmidt, Der Babyl. Talmud .... herausg. nach 
der erften zenfurfreien Talmudhandfchrift .... nebft Varianten .... der 
Munchener Talmudhandfchrift, moglidift finn- und wortgetreu uberfe^t 
L. 1897 ff. (Der 1. Band erfchien in 2. Aufl. 1906). Eine n ftreng wiffen- 
fchaftliche, riditige und gut deutfche" Talmudubertragung kQndigt im 
Sept. 1921 der Burgverlag in Wien an: Der babylonifche Talmud. Ober- 
fetjt und kurz erlautert von Dr. Nivard Schlogl, O. Cist."; die erfte 
Lieferung erfdiien 1921. - Ober Oberfe^ungen einzelner Traktate vgl. 
Strack, Einl. in den Talmud S. 163 ff. Ugolini Thesaur. hat lateinifch nur 
die zwei erften Traktate des funften Seder, Sebachim und Menachoth, 
torn. XIX, wozu in t. XXV noch der Traktat Sanhedrin kommt. Die 
haggadifchen Stiicke f. in A. Wunfche, Der babylon. Talmud in feinen 
haggadifchen Beftandteilen wortgetreu Gberfetjt etc. 5 Teile. L. 1886 89. 
Man zitiert den babylonifdien Talmud, deffen gebraudilidie Ausgaben in 
den Seiten inhaltlidi ubereinftimmen, durch Anfuhrung des Traktates, des 
Blattes und deffen Vorder- und Ruckfeite (a b) z. B. Pesachim 2 b = Traktat 
Pesachim, Blatt 2 Ruckfeite. 



16 



Einleitung. 



Kleine GewOhnlich ftehen in den Ausgaben des babylonifchen Talmud am 

talmudifche Ende der vierten Ordnung nodi fieben andere kleine Traktate, welche 

Traktate. teils aus talmudifcher teils aus nodi fpaterer Zeit ftammen. So z. B. ift 

der halachifdie Traktat Sopherim, weldier in 21 Kapiteln Vorfchriften fur 

den Sdireiber und Vorlefer des Gefetjes enthalt, naditalmudifdi. Vgl. fiber 

diefe Traktate Zunz, Die gottesdienftlidien Vortrage der Juden hiftorifdi 

entwickelt 2 , Frankf. a. M. 1892, S. 94 f., 100 f., 114-119: Strack, S. 72 74, 

der auch S. 74 fiber fieben andere ahnliche kleine Traktate, weldie Raph. 

Kirdiheim, Septem libri Talmudici Hierosolymitani, Frankfurt a. M. 1851 

herausgegeben hat, handelt. 

Die Die Midrafdiim unterfdieiden fidi von den bis jetjt erwahnten 

Midrafdien. rabbinifchen Sdiriftwerken dadurdi, dag fie keine fyftematifchen Werke 
find, fondern dem Sdirifttext folgen. Man verfteht namlidi unter einem 
Midrafdi (= Forfdiung, Studium, Auslegung) im allgemeinen ein alteres 
iiidifdies Werk, weldies Sdiriftauslegung enthalt. Hier find drei fiber- 
wiegend haladiifdie Midrafdie zu erwahnen, in denen fidi einzelne Be- 
ftandteile finden, deren Alter bis in die Zeit der Tannaim hinaufreidit. 
Es find der Midrafdi Mechilta (eigentl. Mag, dann Regel, Richtfdmur) 
fiber einen Teil des Budies Exodus, Siphra (= das Budi) fiber Levi- 
Mediilta. ticus und Siphre (= Bfidier) fiber die Bfidier Numeri und Deuterono- 
mium. In der Mediilta werden manche Ausfprfidie angeffihrt, weldie im 
Talmud unter dem Namen des R. Ismael, eines Zeitgenoffen Akibas, Oder 
eines feiner Sdifiler erfcheinen. Deshalb wird das Werk in feiner Grund- 
lage oft auf ihn zurfickgeffihrt. Auf jeden Fall fteht feft, dag es erft be- 
deutend fpater ift redigiert worden. (Vgl. Zunz S. 51. Ausgaben der 
Mechilta beforgten J. H. Weig, Wien 1865 und M. Friedmann, Wien 1870; 
eine lateinifche Uberfe^ung f. in Ugolini Thesaurus t. XIV, 1-586, eine 
deutfdie beforgten J. Winter und A. Wfinfdie, Mechiltha, ein tannaitifdier 
Midrafdi zu Exodus, erftmalig ins Deutfdie ubertragen und erlautert. 
Siphre. L. 1909. Ahnlidies ift fiber den Midrafdi Siphre zu fagen. Er befteht 
aus einem Midrafdi zum Budie Numeri aus der Sdiule des R. Ismael und 
einem andern zu Deuteronomium, deffen haladiifdier Teil (12, 126, 15) 
aus der Sdiule Akibas ftammt, wahrend der haggadifdie Teil im wefent- 
lichen auf die Sdiule Ismaels zurfickgefuhrt wird. Jedenfalls find beide 
in ihrer jetjigen Geftalt jfingeren Urfprungs. (Vgl. Blodi S. 30 f. Ausgabe 
von M. Friedmann. I. Teil: Text, Noten und Erklarungen. Wien 1864. 
Ein zweiter Teil ift nidit erfdiienen. Lateinifdi fteht der Text im Ugolini 
Siphra. Thesaurus t. XV, 1-996). Das Buch Siphra (Ausgabe von J. H. Weig. 
Wien 1862. Lateinifche Oberfegung in Ugolini, Thes. t. XIV p. 587-1630) 
wird als ein Produkt der Sdiule Akibas bezeidmet. (Vgl. Sdiediter p. 63). 
,,Es fdieint frfiher zum Abfdilug gekommen zu fein als unfere Mifchna." 
,,Denn obwohl diefer Midrafdi," wie G. Aidier, Das Alte Teftament in 
der Mifchna, Freiburg 1906, S. 169 (= Bibl. Stud. XI, 4, 463) fagt, ,,die 
Mifchna des Traktates Chullin fleigig benu^t, kennt er diefelbe in der 
Bearbeitung, wie fie jetjt in der Mifchna vorliegt (Gefetje, die innerhalb 
und augerhalb des Landes, zur Zeit des Tempelbeftandes und hernadi, 
beobaditet werden mfiffen) nidit." (Nadi Aidier, S. 153 haben fchon die 



Einleitung. 17 

Tannaiten den n fehr getrfibten exegetifchen Sinn" der fpateren talmudifchen 
Lehrer befeffen). 

Die haggadifchen Midrafchen ftammen erft aus dem fechften Jahr- 
hundert oder aus noch fpaterer Zeit (vgl. Zunz 184195 und 262 ff.). 
Mandie find von A. Wflnfdie ins Deutfche ubertragen fo z. B. die ,,Pefikta 
des Rab Kahana" L. 1885 (fie behandelt die biblifchen Lektionen der Feft- 
tage und einzelner Sabbate). Das Werk bildet einen Teil der von Wunfche 
herausgegebenen Bibliotheca rabbinica. Eine Sammlung alter Midrafdiim, 
L. 1880-85; derf. Midrasch Tehillim oder haggadifche Erklarung der 
Pfalmen. 2 Bde. Trier 189193. Derf. Aus Israel Lehrhallen, zum erften 
male uberfe^t. 5 Bde. L. 1907-10. J. Winter und A. Wunfche, Die 
judifche Literatur feit Abfchlufj des Kanons. 3 Bde. Trier 1884-96. 

Hermann L. Stradc hat feiner ,,Einleitung in den Talmud" 4. A. 
Lp. 1908, in der ganz neu bearbeiteten 5. Aufl. eine befondere ,,Einfuhrung 
in die Midrajchim" (Einleitung in Talmud und Midras, 5, Munchen 1921 
S. 195-226) beigelQgt. 

Die Glaubwurdigkeit der rabbinifchen Autoritaten, aucb der in der Die Glaub- 
Mifchna enthaltenen ift fur die neuteftamentliche Zeit eine fragliche. Ab- wiirdigkeit 
gefehen von der Frage, ob die Ausfpruche lange Zeit nur mundlich fort- der rabbini- 
gepflanzt wurden, find viele anonym und deshalb chronologifch uberhaupt fchen Quellen. 
fchwer feftzuftellen. Bei der Obereinftimmung oder grogen Ahnlichkeit 
der Namen maneher alterer Lehrer ift es aber auch bei den genannten 
keineswegs immer ficher, ob ein frQher oder fpater lebender Trager des 
Namens als Urheber eines Ausfpruches anzufehen ift. Oberdies fehlt es 
noch immer an einer kritifchen auf Vergleichung aller Handfchriften be- 
ruhenden Textausgabe. Endlich haben die Ereigniffe des Jahres 70 den 
allertiefften Einflug auf die Entwicklung und die Anfchauungen der judifchen 
Lehre gehabt. 

Da die eigentlich gefetjlichen, die halachifchen Beftimmungen diefer 
Literatur verbindlidien Charakter haben, lagt fich annehmen, dag bei ihrer 
Oberlieferung grOgere Sorgfalt angewandt wurde und ihr Wert infofern 
grOger ift als der der nicht verbindlidien haggadifdien Beftandteile. Von den 
letjteren fagt ein genauer Kenner diefer Literatur (Derenbourg p. 409, 1): 
,,Die lange und muhfame Reife, welche ieh durch die Haggada gemacht 
habe, hat midi uberzeugt, dag fidi nur einige unbeftimmte gefchichtliche 
Erinnerungen dureh diefes oder jenes in die improvifierten Ausfuhrungen 
der Prediger, welche ihre fittlichen Mahnungen durch Erzahlungen wurzten 
und ihre Zuhorer nicht blog erbauen, fondern zugleich auch gern unter- 
halten wollten, verirren konnten. Urn in den Schlackenmaffen ein wenig 
Gold zu finden,.mug man die fchon feftftehende echte Gefchichte zu Hilfe 
nehmen. Bisweilen gibt dann das geringe Refultat, welches man erreicht, 
mehr Licht und lagt das fchon Gewugte beffer verftehen." 

Am eheften kommt als Quelle die auch an halachifchen Ausfpriichen 
befonders reiche Mifchna fchon wegen ihres hdheren Alters in Betracht, 
obwohl auch hier die verfchiedenen Anfichten gerade wie im Talmud oft 
blofj hintereinander ftehen, ohne dag gefagt wird, welche Beftimmung 
eigentlich auktoritativen Charakter haben foil. Die allergrOgte Vorficht ift 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl 2 



18 Einleitung. 

bei einer etwaigen Benutjung des eigentlidien Talmud notig, weil er flber- 
haupt eine fpatere Entwicklung des Judentums darftellt und es fich nur 
darum handeln kann, einige wenige oft entftellte und verzerrte alte Ober- 
lieferungen religiOfen oder gefchichtlichen Charakters herauszufchalen. Zu 
welchen Verwirrungen und Nachteilen die zu vertrauensvolle Benutjung 
einer derartig trflben Quelle fuhrt fieht man an Werken wie z. B. Eders- 
heim, The life and times of Jesus the Messiah. 2 Bde. 2 L. 1884. 
Megilla Dag Qben ^ ^ genannte Faftenbuch Megilla Taanith ift in feiner 

laanith. j e ^jg en Form in der erften Halfte des zweiten chriftlidien Jahrhunderts 
verfagt. Einige Qedenktage weifen auf die Zeit Hadrians hin (Vgl. 
Zunz 134 f., Strack 12; Dalman Gramm. bemerkt S. 8, dag die Beftim- 
mungen des Werkchens nach Taan. II., 8 nodi um 200 rechtsgultig waren, 
aber nach Ned. 4Qa, Meg. 69^, Taan. 66* fchon fQnfzig Jahre (.pater nicht 
mehr anerkannt wurden). 

Werke iiber go reich auch die Literatur iiber einzelne Teile des im folgenden 

neuteftament- zu behandelnden Stoffes ift, fo find doch bis jetjt nur wenige Werke er- 
liche Zeit- fchienen, welche fieh die quellenmagige Darftellung der neuteftamentlichen 
gefchichte. Zeitgefchichte im vollen Sinne des Wortes zur Aufgabe ftellten. 
Gfrorer, Das Jahrhundert , des Heils, 2 Abtlngn., Stuttgart 1838, be- 
fchaftigt fich nur mit dem Judentum, namentlich den Lehren desfelben und 
zwar auf Grund fpaterer Quellen. Joh. Jos. Ign. Dollinger, Heidentum 
und Judentum. Vorhalle zur Gefchichte des Ghriftentums, Regensb. 1857, 
hat aber das Heidentum der vorchriftlichen Zeit und das griechifch-romifche 
Heidentum bis auf die Zeit der Antonine, bis gegen die Zeit von 150 
bis 160 n. Chr., dargeftellt und auch das Judentum nach feinen politifchen, 
fozialen und fittlichen Zuftanden und feinen religiofen Lehren in klaffifcher 
Weife behandelt, fo dag fein Werk auch fur unfere Disziplin eine dauernde 
Bedeutung hat. Schneckenburger ftellt in feinen Vorlefungen fiber neu- 
teftamentliche Zeitgefchichte (f. S. 3, 1) die Zuftande im rOmifchen Reiche, 
vornehmlich in Beziehung auf Religion und das Judentum der neuteftament- 
lichen Zeit dar. Der geiftige Gehalt der judifchen Religion wird nur kurz 
im Anhang behandelt. A. Hausrath, Neuteftamentliche Zeitgefchichte, 
4 Bde., 2 Heidelb. 1873-77 (I 3 1879) ftellt auch die Gefchichte des Ur- 
chriftentums felbft dar und geht in feinem tibrigens auf rationaliftifdiem 
Standpunkte ftehenden anziehend gefchriebenen Werke nicht nur auf die 
Verhaltniffe des Juden-, fondern auch des Heidentums ein. Hingegen 
befchrankte fich Emil Schurer ,,Lehrbuch der neuteftamentlichen Zeitge- 
fchichte", L. 1874, auf die Darftellung der erfteren. Er gab in den folgen- 
den Auflagen dem immer umfangreicher werdenden Werke den Titel: 
Gefchichte des judifchen Volkes im Zeitalter Chrifti, 3 Bde. (I 3 u. 4 L. 1901, 
5. unveranderte Aufl. 1920, Einleitung und politifche Gefchichte; II*, L 1907, 
Die inneren Zuftande; III*, L. 1909, Das Judentum in der Zerftreuung und 
die judifche Literatur, dazu Regifter, L. 1911). Das monumentale Werk, 
die reife Frucht der Arbeit eines Menfch en alters, hat fur die neuteftament- 
liche Zeitgefchichte dauernden Wert. Es zeichnet fich ebenfo fehr durch 
Oberfichtlichkeit in der Anordnung des Stoffes und durch Vollftandigkeit 
und Genauigkeit in der Mitteilung und Verwertung des Quellenmaterials 



Einleitung. 19 

und der in Betracht kommenden reichen Literatur wie durch das [tets 
beachtenswerte befonnene Urteil des gelehrten Verfaffers aus. Oskar 
Holtzmann, Neuteftamentliche Zeitgefchichte, 2. Aufl., Tub. 1906 hat den 
Charakter eines Lehrbuches und bildet einen Teil des von mehreren 
proteftantifchen Gelehrten herausgegebenen ,,Qrundrig der theologifchen 
Wiffenfchaften". Die in der Sammlung Gofchen erfchienene kurze n Neu- 
teftamentliche Zeitgefchichte" von W. Staerk, B. u. Lp. 1907, 2. A. 1912, 
behandelt im erften Bandchen den hiftorifchen und kulturg-efdiichtlidien 
Hintergrund des Urchriftentums, im zweiten w Die Religion des Judentums 
im Zeitalter des Hellenismus und der Romerherrfchaft". Einzelne Fragen der 
Neuteftamentlichen Zeitgefchichte befpricht das Werk von K. A. Heinrich 
Kellner, Jefus von Nazareth und feine Apoftel im Rahmen der Zeit- 
gefchichte. Regensb. 1908. 



Erfter Abfchnitt. 

Die politifche Gefchidite der Juden 
felt dem Jahre 63 v. Chr. 



I. Kapitel. 

Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 

1. Land urid Leute im allgemeinen. 

Der Name, Welch heilige Gefuhle der Verehrung und Liebe erweckt 
das heilige nicht fchon der blofee Name das heilige 1 ) oder das gelobte 2 ) 
oder gelobte <j ^ t $ as verheifeene Land! Den Juden war es das heilige 
Land, weil Gott felbft es in befonderer Weije fein eigen 
nannte 3 ) und es ihnen verhiefc und zum Befitj gab. Den 
Chriften aber ift es geheiligt durch das Leben und Wirken 
des Erlofers. Seitdem wir als Kinder mit den Patriarchen 
und Propheten des Alten Bundes und befonders mit dem 
Leben Jefu vertraut wurden, haben die Orte, die ihr Fug 
betrat, die Hohen, auf denen fie im Gebet mit Gott verkehrten, 
kurz hat diefer Schauplatj der Offenbarung der Liebe und des 
Zornes Gottes eine Bedeutung fur uns ahnlich der unferer 
eigenen trauten Heimat. 

Wir miiffen uns aber auch tatfachlich mit dem Lande 
felb[t vertraut machen, wenn wir die fur die Menfdiheit fo 
unendlich wichtigen Ereignifje, die Jich dort zugetragen haben, 
richtig verftehen wollen. 



') Vgl. Zadi. 2, 12. Weish. 12, 3. 2 Mac. 1, 7. Ober den Namen 
vgl. Reland, Palaestina ex monumentis veteribus illustrata. 2 Norimbergae 
1716 I, 4 p. 16-21. 

2 ) Hebr. 11, 9. Vgl. ,,das Land Israel" in Matth. 2, 20. 

) Lev. 20, 24. Jerem. 16, 18. Joel 1, 6. 3, 2. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Ghrifti und der Apoftel. 21 

Geographifch bildet das heilige Land 1 ) einen Teil des 
nordlidien fruditbaren Endes der arabifchen Halbinfel, Sy- 

') Die wichtigften Quellen der Palaftinakunde find in folgenden Samm- 
lungen vereinigt. Itinera Hierosolymitana saeculi IV VIII ex recens. 
P. Geyer (Corpus Scriptorum ecclesiasticorum latin, vol. XXXVIII). Vindob. 
1898. Itinera Hierosolymitana et descriptiones terrae sanctae bellis sacris 
anteriora et latina lingua exarata edd. T. Tobler et A. Molinier (bezw. II, 
1 edd. A. Molinier et C. Kohler) I und II, 1. Genevae 1879-1885. 
Auger den Nachrichten im N. T., bei Josephus, Strabo, Plinius und Ptole- 
maeus ift von hohem Wert das fogen. Onomasticon des Eufebius von 
Caefarea (aeyl twv rontxiuv ovondrow TO~)V ev rfj &iia ygaqi-fi), welches der 
heilige Hieronymus mit einigen Anderungen und Zufatjen ins Lateinifche 
iiberfetjte. Beide Schriften find zuletjt herausgegeben von E. Kloftermann, 
Eufebius Onomasticon der biblifchen Ortsnamen ( Die griechifchen Schrift- 
fteller der erften drei Jahrhunderte. Eufebius Dritter Bd.), L. 1904. Vgl. 
audi die Berichte des hi. Hieronymus fiber feine Orientreifen im Jahre 
372 u. 385 Epist. 3 (Migne P. L. XXII 333) und Adv. Rufin. Ill C. 22 
(Migne P. L. XXII 1 475 bezw. Molinier et Kohler 75 f.) und feine Lebens- 
befdireibung der hi. Paula (Tobler-Molin. 27-40), fowie den Brief der 
hi. Paula und ihrer Toehter Euftochium ad Marcellam (Tobler-Molin. 4147). 
Faft um diefelbe Zeit wie Eufebius fchrieb ein Pilger aus Bordeaux 
(Anonymus Burdigalensis), Itinerarium a Burdigalia Hierusalem usque 
(Geyer 1-33), der im Jahre 333 das hi. Land befucht hatte, einen Reife- 
berieht, worin die Entfernungen der befuchten Orte und die Hauptfehens- 
wflrdigkeiten kurz angegeben find. Ebenfalls aus dem 4. Jahrhundert 
ftammt die Peregrinatio ad loca sancta bei Geyer p. 35 101, weldie ihr 
erfter Herausgeber Gamurrini (S. Hilarii Tractatus de mysteriis et Hymni 
et S. Silviae Aquitanae Peregrinatio ad loca sancta, Romae 1887) der 
hi. Silvia aus Aquitanien zufchrieb. Wahrfcheinlich hieg aber die Ver- 
fafferin Aetheria. Vgl. Bardenhewer, Gefch. der altkirdil. Literatur, Bd. 3, 
Freib. 1912, S. 416-421. Aus dem 6. Jahrhundert ftammen die kleinen 
Schriften des ura 530 fdireibenden Theodosius, de situ terrae sanctae 
(bei Geyer p. 135 - 150) und der Breviarius de Hierosolyma (bei Geyer 
p. 151 155). Erft um 580 entftand das Itinerarium Anonymi Placentini 
(bei Geyer 157191 bezw. in einer weniger guten Textesform 193 218), 
welches frflher irrtumlich dem Antoninus Martyr zugefdirieben wurde. 
(S. H. Grifar, Zur Palaftinareife des fog. Antoninus M. in Innsbr. Z K Th. 
1902. 760 770 und nochmals das Palaftinaitinerar des Anonymus von 
Piacenza, ebd. 1903, 776780). Weitere Literatur z. B. in A. Baumftark, 
Abendlandifche Palaftinapilger des erften Jahrtaufends und ihre Berichte. 
Koln 1906 [Gorres-Gef. II. Ver. Schr. 1906]. Sehr nu^lich ift P. Thomfen, 
Loca sancta, Verzeichnis der im 1. bis 6. Jahrhundert n. Chr. erwahnten 
Ortfchaften Palaftinas, 1. Bd. Halle 1907. Nodi immer ift mit Nutjen zu 
gebrauchen des gelehrten Utrechter Orientaliften Hadrian Relands fchon 
erwahnte Palaestina illustrata. Auf eingehenden Forfchungen beruht die 
Befchreibung der Stadte, DOrfer und Ruinen des Weftjordanlandes durch 



22 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

Guerin, Description geograph. hist, et archeologique de la Palestine. Jud ee. 
3 Bde. P. 1868-9. Samarie. 2 Bde. 1874-5. Galilee. 2 Bde. 1880. 
Jerusalem. 1889. Der im Jahre 1865 gegrfindete englifche Palestine Ex- 
ploration Fund hat das Weftjordanland wie einen Teil des Oftjordanlande s 
vermeffen laffen. Vgl. The Survey of Western Palestine. 9 Bde. L. 1881 88, 
worunterThe memoirs of the Topography etc. (1. Galilee, 1881. 11. Samaria 
1883. III. Judaea 1883), das heutige Weftjordanland befdireiben. Von 
dem ahnlichen Werke ,,The Survey of Eastern Palestine", L. 1889 ff. find 
bis jeljt nur 4 Bande erfchienen, The 'Adwan Country von Conder 1 889, 
ein Band von Hart fiber Fauna and Flora of Sinai, Petra and the W ady 
Arabah und 2 Bande Archaeological Researches von Clermont-Ganneau. 
Manche Beitrage enthalten die Zeitfchriften Pal. Exploration Fund. Quarterly 
Statements feit 1869, ,,die Zeitfchrift des deutfchen Palaftinavereins", L. 
1878 ff., ,,Das heilige Land", Organ des Vereins vom heiligen Grabe, 
bezw. des deutfchen Vereins vom heiligen Lande, Koln 1857 ff. und die 
Revue biblique Internationale, P. 1892 ff. Die ,,Biblifche Zeitfchrift", heraus- 
gegeben von J. Gottsberger und J. Sickenberger, Freib. i. B. 1903 ff. gibt 
von Zeit zu Zeit Bibliographifche Notizen auch fiber die Geographie des 
heiligen Landes. Vgl. audrF. Buhl, Geographie des alten Palaftina, 
Freib. und L. 1896 und das anfchaulich und anziehend gefchriebene Werk 
von G. A. Smith, The historical geography of the holy Land 4 , L. 1897; 
weiterhin das von G. Dalman herausg. Palastina-Jahrbuch, Berl. 1905 ff. 
Atlanten: R. v. Riess, Bibel- Atlas 3 , Freib. 1895. Lat. Ausgabe: Atlas 
scripturae sacrae. Ed. 3. Recogn. et emend. Lud. Heidet, Fr. 1924. 
Atlas biblicus ed. M. Hagen, S. J., Paris 1907. Bibelatlas in 20 Haupt- 
und 28 Nebenkarten von Herm. Guthe. Mit einem Verzeichnis der alten 
und neuen Ortsnamen. L. 1911. G. A. Smith, Atlas of the Historical 
Geography of the Holy Land (mit 60 von J. G. Bartholomeu gezeichneten 
Karten), L. 1915. Karten: The great map of Western Palestine in 
26 Sheets conducted forthe Committee of the Pal. Explor. Fund by Conder 
and Kitchener L. 1880 wurde 1882 in einer von Saunders beforgten Re- 
duktion herausgegeben. Eine grofje auf 12 Blatt berechnete Karte des 
Oftjordanlandes, im Auftrage des Deutfchen Vereins zur Erforfchung Pa- 
laftinas aufgenommen von Baurat Dr. G. Schumacher, herausg. von dem 
D. P. V., erfcheint L. 1908 ff. H. Fifcher und H. Guthe, Neue Hand- 
karte von Palaftina, L. 1890 erfchien in Neuausgabe unter Mitwirkung von 
G. Dalman 1912. Vgl. H. Fifcher, Referat fiber die moderne Topographic, 
Siedlungs- und Verkehrsgeographie Palaftinas in ZD P V, 1913, 136162 
und 211-219. Von H. Fifchers und H. Guthes Wandkarte erfchien die 
3. Auflage. Lp. 1911. Von H. Kieperts Neuer Wandkarte, berichtigt von 
R. Kiepert, die 9. Auflage. B. 1911. Im Jahre 1896 fand man zu Madaba 
Oftlich vom Toten Meere einen dem Anfcheine nach aus der Zeit des Kaifers 
Juftinian ftammenden, nur ftfickweife erhaltenen Mofaikboden mit einer 
geographifchen Darftellung Palaftinas und des Deltas, woruber feitdem eine 
kleine Literatur entftand. Vgl. u. a. La carte mosai'que de Madaba, P. 1897; 
Lagrange, La mosaique geographique de la Madaba, R. b. VI (1897) 
165184 und Jerusalem d'apres la mosaique de Madaba ebd. 450458. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti tmd der Apoftel. 23 

riens, 1 ) deffen naturliche Grenzen im Weften das Meer, im 
Often und Suden die Wiifte, im Norden der Taurus find. 
Afiatifche, afrikanifche und fpater, nachdem Alexander d. G. 
zuerft durch Syrien nach Agypten zog, auch europaifche Volker 
haben auf diefer naturlichen Brucke oder Landftrafce von 
Afien nach Afrika ihre Kampfe gefochten. 

Der fudweftliche Teil Syriens zu beiden Seiten des Jor- Der Name 
dans heifct Palaftina. Der Name (hebr. Peleschet), welcher Pala f tina - 
urfprimglich nur dem fudweftlicb vom ifraelitifchen Gebiet ge- 
legenen Lande der Philifter (Pelischtim, die Eingewanderten) 
zukommt, 2 ) wird fchon von Herodot auf das ganze fudliche 
Syrien mit Einfchlujj von Judaea angewandt. 3 ) In diefem 
Sinne reden die griechifchen Sdiriftfteller von Syria Palaftina 
oder von Palaftina. 4 ) 

Die naturlichen Grenzen Palaftinas find im Weften das Die Grenzen 
Mittelmeer, im Siiden das petraifche Arabien, im Often die Pala f tin as. 
fyrifche Wufte, im Norden gegen den Libanon bin der untere 
Lauf des tie! ins Land fchneidenden Leontes-Fluffes (Nahr- 
el-Litani) und weiter oftlich weniger beftimmt die Auslaufer 
des Antilibanon. Rechnet man die Ausdehnung des Landes 
von Norden nach Siiden von 31 33 l /2 nordlicher Breite, 
fo ift das Land nur etwa 280 km lang. Im Durchfchnitt ift 

Fonck, die zu Madaba entdeckte Mofaik-Karte des heiligen Landes in 
StML. 1897, S. 390-400. Quthe H. und P. Palmer, Die Mofaik-Karte 
von Madaba, 2 Teile. L. 1906 und 1912. n Eine internationale Biblio- 
graphic in fyftematifcher Ordnung" bietet P.Thomfen, Die Palaftina-Literatur. 
3 Bde. Lp. 1908-16. Ober die Vorgefchichte Palaftinas unterriditet uns 
Dr. Paul Karge, Rephaim. Die vorgefchichtliche Kultur Palaftinas und 
PhOniciens, Ardiaologifdie und religionsgefchichtliche Studien. Paderborn 
1917 (Erfter Band der von der Q6rres-Gef. herausgegebenen Collectanea 
Hierosolymitana). Vgl. auch P. Thomfen, Palaftina und feine Kultur in 
fiinf Jahrtaufenden. Nach den neueften Ausgrabungen und Forfchungen 
dargeftellt. 2 Lp. u. B. 1917. P. Karge, Die Refultate der neueren Aus- 
grabungen und Forfchungen in Palaftina (= Bibl. Zeitfragen. 3. Folge, 
Heft 8/9), MQnfter 1910. 

*) Kurzere Form von Affyrien. 

'-) Noch Jofephus gebraucht das Wort bisweilen in diefem Sinne 
vgl. Ant. 13, 5, 10. 

3 ) Vgl. Jofeph. c. Apion. 1, 22 und Herodot 2, 104; 3, 5, 91; 7, 89; 

Vgl. auch Herod. 1, 105 ev rfj nalniSTivr] 2v<jir]. 

*) Strabo 16, 4, 18 p. 776 T^V naXmgrlvjjv x<>>ev. Ptolem. 5, 16, 1 : 17 /7a- 
Svqiot ^Tiq xcci'lovdaist xaXtlrai. Vgl. Reland 1, c. 7 Sq. (p. 28-35). 



24 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

es etwa 100 km breit, und fomit betragt der ganze Fladien- 
inhalt etwa 28000 qkm. Damit ift es ungefahr fo grog wie 
Belgien (29000 qkm). 1 ) 

Palaftina ift ein Gebirgsland, welches vom Norden nach 
geographi- giiden durch den Jordan und das Jordantal in eine weftliche 

U " d dnG ftlidie H * lfte geteilt wird ' Zu be]den Seiten des 
Jordantales ziehen fich von den Hohen des Libanon aus- 

gehende Gebirgsketten nach Suden. 

Beide Gebirgsmaffen beftehen meift aus lichtgrauem Kalk- 
ftein der Kreideformation, wenngleich es namentlich im Oft- 
jordanland nicht an vulkanifchen Eruptivmaffen, Bafalt und 
Lava fehlt. Der weftliche, iiberhaupt oft von Talern durch- 
fchnittene Gebirgszug finkt in Galilaa zur grofcen Ebene Es- 
drelon oder Jezreel herab, erhebt fich dann aber wieder in 
dem Berglande Samaiia, von wo der Seiten- Gebirgszug des 
Karmel nach Nordweften zum Meere gent, bis zur durch- 
fchnittlichen Hohe von 600 m und hat im judaifchen Berg- 
lande mit einer Durchfchnittshohe von 750 900 m den Cha- 
rakter einer fchmalen Hochebene, 2 ) die fich fudlich wieder 
fenkt in das Negeb oder Siidland, aber nach Often zum 
Toten Meere hin in hohen, fteilen Abfturzen abfallt. Im 
Weften liegen in Judaa zwifchen der Ebene am Saume des 
Meeres und dem Hochplateau von diefem durch Taler ge- 
trennt die Hugel der Wiiftenebene Sephela. 3 ) Diefe findet 
nordlich von Joppe bis zum Karmel in der von 13 bis 19 km 
breiten Ebene Saron und vom Karmel bis zur fogen. tyrifchen 
Leiter, dem Vorgebirge Ras en-Nakura in der Ebene Akka 
eine Fortfetjung. Somit konnen wir im grofeen und ganzen 
den Boden Palaftinas in vier lange, parallel laufende Streifen 



J ) A. Kirchhoff, Palaftinakunde zur Erlauterung der biblifchen Ge- 
fchlchte. Halle a. S. 1898, S. 3. 

2 ) Im Alien Teftament wird das Bergland von Samaria Gebirge 
Ephraim und Ifrael, das Gebirge nordlich von Esdrelon Nephtali, das 
weftlich vom Toten Meere Juda genannt, das Oftjordanland fuhrt bis- 
weilen den Namen n das Land Galaad". Ebenfo findet fich der Name 
Galaad fur das oftliche Gebirge, deffen nOrdlicher Teil auch Gebirge 
Hauran oder Basan und deflen fudlicher Teil im Often des Toten Meeres 
Moab oder Phasga heigt. 

3 ) Vgl. Smith, The historical geography p. 202 und ebd. Jeru- 
salem II, 119, 2. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 25 

einteilen, die Ebene langs der Kiifte, den weftlichen Gebirgs- 
zug, das Jordantal und den oftlichen Gebirgszug. *) 

Diefer letjtere bildet ein vom Hermon bis zum Edomiter- 
gebirge fich erftreckendes Tafelland von 600900 m Hohe. 

Die Kiifte des Landes ift flach und ohne einen guten 
Hafen, da der von Jaffa Oder Joppe gewijj nidit diefen Namen 
verdient. Es gibt zwar viele Schluchten oder Wadis, welche 
im Sommer trocken, im Winter reifcende Bache enthalten, aber 
Fluff e, welche die Schiffahrt erleichtern, gibt's nicht. 

Der bedeutendfte Plug des Landes ift der Jordan, der 
herabfteigende, heute Scheriat el-Kebire. Von feinen drei 
Quellarmen entfpringt der langfte, der Nahr el-Hasbani, am 
nordweftlichen, die beiden andern am fiidweftlichen Fufce des 
fich 2759 m u. M. erhebenden, felbft im Sommer nicht ganz 
fchneefreien Hermon (arabifch Dschebel esch-Schech = Berg 
des ,,Bejahrten, Weifchaarigen"). Der oftlichere diefer zuletjt 
erwahnten Arme hat feinen Urfprung bei dem alten Paneas 
(Casarea Philippi), dem heutigen Dorfe Banijas. Sie ver- 
einigen fich kurz vor dem Hule-See, den Jofephus den Same- 
chonitifchen See nennt. 2 ) Von hier fliefct der Jordan (lurch 
ein erft in den letjten Jahrzehnten von judifchen Koloniften 
der Kultur zuruckgewonnenes Tal 15 km lang mit einem Ge- 
fall von 14 m auf 1 km in den See Genefareth, den er im 
Suden verlagt, um fich dann in vielen Krummungen in einer 
Breite von etwa 80 Schritt und einer je naeh der Jahreszeit 
wechfelnden Tiefe auf dem Wege noch weitere 186 m fallend 
ins Tote Meer zu ergiejjen, welches fein Grab wird. 

Von Often, der iiberhaupt wafferreicher ift als der Weften, 
ergiefcen fich 2 Fliiffe in den Jordan, der Jabbok (= Nahr 
ez-Zerka), und weiter nordlich 2 Stunden unterhalb des Sees 
Genefareth der dem Jordan an Grofce gleichkommende Jar- 

') Vgl. E. Robinfon, Phyfifehe Geographie des heiligen Landes, 
L. 1865, S. 17 f. 

2 ) Vgl. Jof. B. J. 3, 10, 7; Der Name Hule-See hangt mit der dortigen 
Landfdiaft Ulatha (Ant. 15, 10, 3) zufammen. Dag er mit dem Merom-See 
(Josue 11, 57) identifch fei, wird wohl oft gefagt, aber ohne zureichenden 
Qrund. Die offene Seeflache heigt heutzutage bahret el-diet, der Papyrus-r 
fumpf nordlich vom offenen See bahret el-Hule. Vgl. Dalman, Palaftina- 
jahrbuch III. Jahrg. S. 10, 4; Z D P V, Bd. 38, 1915, S. 241, 1. Vgl. auch 
E. W. G. Mafterman, Studies in Galilee, Chicago 1909 p, 25 ff. 



26 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juderi etc. 

muk Oder Hieromyces (= Scheriat el-Menadire). Ein dritter 
Flufc des Oftjordanlandes, der Arnon (= Seil el-Modsdiib) 
ergiejjt (ich in das Tote Meer. 
Das Das eigentliche Flufctal des Jordans ( ez-Zor) ift etwa 

ugta des e j ne Viertelftunde weit und fieht von weitem wie ein filber- 
Jordans und ' , _ 

durdizogenes grunes Band aus, da es an manchen Stellen 

mit einem grunen Dickicht von Bufchwerk und hohen Baumen 

bedeckt ift. Von hier gelangt man auf einer meift fteilen 

Anfteigung von durchfchnittlich 15 m Hohe zu der 23 Stunden 

die breiten Jordansau, dem fogen. el-Ghor, d. h. Einfenkung, die 

or ansau. au j ^eiden Seiten von hohen Felfen eingefchloffen wird und 

meift nur eine unfruchtbare Wufte 1 ) ift, an einzelnen Stellen 

aber, namentlidi in der Gegend von Skythopolis und weiter 

unten von Jericho aufcerft fruditbar ift. 

Die grofte Landeinfenkung des Jordantales ift wohl die 
tieffte der Erde. Wahrend namlich die tieffte Stelle der 
Liukkun- Steppe in Zentralafien nur 154 m und andere be- 
kannte Senkungen der Erdoberflache kaum 95 m unter dem 
Meeresfpiegel liegen, betragt die Gefamttiefe diefer Erdfpalte 
im Toten Meere nicht weniger als 793 m. Denn das Jordan- 
tal, welches am Sudende des Hule-Sees unter den Meeres- 
fpiegel finkt, erreicht am See Tiberias eine Tiefe von 208 m 
und beim Toten Meere von 394 m. Letjteres ift aber ftellen- 
weife 399 m tief. Begrenzt wird diefe Einfenkung im Norden 
durch den Hule-See, im Suden jenfeits des Toten Meeres 
durch die kahle Wiifte Araba, 2 ) an deren Sudende fich die 
Wafferfcheide zwifchen dem Toten und dem Roten Meere 
250 m uber dem Mittelmeer erhebt. Geologifch wird die tiefe 
Lage des Jordantales durch ein ungleichmaftiges Einfinken 
eines parallelrandigen Erdftreifens erklart, der im Siiden 
immer durch die erwahnte Wafferfcheide vom Ozean getrennt 
war, fo dag von einer friiheren Verbindung des Toten und 
des Roten Meeres keine Rede fein kann. 3 ) 

') Vgl. auch Marc. 1, 4 f. 

2 ) Als genaue Grenzlinie gilt eine Reihe weiger Felsklippen, welche 
einen quer fiber das Tal laufenden HOhenzug bilden. Sudlich davon ift 
die Araba, nOrdlich bis zum Galilaifchen Meere das Ghor. Vgl. z. B. 
Smith, 507, 3. 

3 ) Blankenhorn, Das Tote Meer und der Untergang von Sodom und 
Gomorrha. Berlin 1898, S. 34. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 27 

Das Tote Meer, welches die Araber Bahr Lnt = Meer Das 
des Lot nennen, deffen tiefblaues Waffer man fcnon von der Tote Meer - 
Hohe des Benediktinerklofters auf dem Berge Sion fehen 
kann, macht auch in der Nahe gewohnlich den Eindruck eines 
ruhigen, friedlichen Sees, deffen Ufer an manchen Stellen 
einer gewiffen Vegetation nicht ermangeln. Am Sudweftufer 
befindet fich ein Steinfalzberg, den die Araber Dschebel Usdum, 
d. h. Berg Sodom nennen. 1 ) Der Salzgehalt des Meeres ift 
uberhaupt fo grog, dag alles organifche Leben dadurch er- 
totet wird. Im Waffer fchwimmen oft, fo z. B. nach heftigen 
Stfirmen, Asphaltklumpen, welche auf Asphaltlager im Boden 
hinweifen und es erklaren, daft griechifche und romifche 
Schriftfteller diefes Wafferbecken Lacus asphaltites genannt 
haben. Der Wafferftand des' Toten Meeres, welchem durch 
den Jordan, den Arnon und andere kleinere Fliiffe groge 
Waffermengen zugefuhrt werden, fchwankt nicht blog alljahr- 
lich durch den Wechfel von trockenem Sommer, in welchem 
auch die Wafferverdunftung des Sees grog ift, und naffem 
Winter, fondern ift auch durch den Wechfel von langeren 
regenreicheren und dann wieder regenarmeren Perioden be- 
dingt. 2 ) Die durchfchnittliche Tiefe des Toten Meeres betragt 
300m, feine durchfchnittliche Breite 12km, feine Lange 76km. 
Im Siiden tritt aber eine von Often kommende Halbinfel (arab. 
el-Lisan = Zunge) bis auf 3,5 km an die Weftfeite, fo dag 
man von einem tieferen nordlichen und einem fiidlichen Becken 
reden kann. 

Der Unterfchied der Bodenbefchaffenheit und des Klimas Klima. 
bewirkt in diefem fo eng begrenzten Lande die grogten Ge- 
genfa^e. Landet man im Friihjahre in Jaffa, fo ift man ent- 
ziickt uber die Fruchtbarkeit des Bodens mit feinen herrlichen 
Orangenpflanzungen, um mit der Bahn bald zu dem kahlen, 

') Ebd. 25 f. Vgl. auch F. M. Abel, Une croisiere a la mer morte. 
Rb. 1909, p. 213242. 386-411. 592-605. 1910, p. 92-112. 217-233. 
Audi befonders erfdiienen. 

2 ) Vgl. Hans Fifcher ZD P V, Bd. 36, 1913, S. 143 ff. Nach E. W. 
G. Mafterman, Summary of the observations on the rise and fall of the 
level of the Dead Sea, 1900-1913. in PEFQSt, Octob. 1913, p. 192-197. 
Der Wafferftand fiel zwifchen 19001904 allmahlich um 0,90 m, hob fich 
aber feitdem; der Stand von Mai 1913 war 1,80 m hoher als der von 
Oktober 1904. 



28 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

fteinigen Hodiland von Judaa gebracht zu werden, welches oft 
kaum fur Schafe und Ziegen Nahrung bietet. In der Gegend 
von Jericho herrfcht im Sommer eine tropifche Hitje, im 
Norden aber fieht man die Schneefelder des Hermon. 
Niederfchiage Man kann m Palaftina wie auch fonft in den Mittelmeer- 
landern zwei Jahreszeiten unterfcheiden, die regnerifche Winter- 
und die regenlofe heifte Sommerzeit. Erftere beginnt gegen 
Ende Oktober mit dem Friihregen, der befonders ftark vom 
Dezember bis Februar fatlt, das Erdreich lockert und die Be- 
ftellung der Saat ermoglicht und die Quellen fpeift, und endigt 
mit dem Spatregen im Marz und April. Von Mai bis Oktober 
ift meift wolkenlofer Himmel. Gewitter find faft unbekannt. 
Faft ganz trockene oder ganz feuchte Jahre find felten. Im 
Durchfchnitt hat Jerusalem im Jahre 55 Regentage mit einer 
Regenmenge von 660 mm, wahrend die Regenfummen im 
Jordantal vom See Gene.fareth bis zum Toten Meere weniger 
als 450 mm betragen. Dies erklart fich daraus, daft die regen- 
bringenden We[twinde an den we[tlichen Hohenzugen, die 
fogar 700750 mm Niederfchlag erhalten, den grogten Teil 
ihrer Feuchtigkeit abfe^en und fomit fiir das Jordantal ver- 
haltnismafcig weniger Nu^en bringen. 1 ) 

emperaur. ^ j' em p era ^ urver j 1 aitniffe wechfeln ftark. In Jerufalem, 
wo felbft im Sommer vom Meere her ein erfrifchender Wind 
zu wehen pflegt, die Abende und Nachte aber eine ftarke 
Abkiihlung bringen, herrfcht im kalteften Monat Januar eine 
Mitteltemperatur von 8,5 Celfius, im warmften, dem Auguft, 
eine folche von 24,4 Celfius, die Mitteltemperatur fiir das 
ganze Jahr ift 17,3 Celfius. Das Jahresmittel im Jordan- 
tal wird auf ungefahr 24 Celfius berechnet. Welche Maxi- 
malwerte aber felbft in Jerufalem vorkommen konnen, be- 
weift, dag im Auguft 1881 dafelbft eine Temperatur von 
44,4 Celfius beobachtet worden ift. 



! ) Vgl. Hilderfcheid, die Niederfchlagsverhaltniffe Pala[tinas in alter 
und neuer Zeit. ZDPV. Bd. XXV, Leipz. 1902, (S. 1105) S. 65 f.; 
Klengel, Ober das Klima von Palaftina im Globus, Bd. LXXXVIII, 8 
(Braunfchw. 1905), S. 117129. Exner, Zum Klima von Palaftina. ZDPN. 
Bd. 33, 1910, 106-164. Audi als Separatdruck erfdiienen. H. Vincent, 
Jerusalem 1 (1912) p. 98-103. Hugo Klein, Das Klima Palaftinas auf 
Grund der alten hebraifchen Quellen. ZDPV, Bd. 37, 1914, S. 217 247. 
297327. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 29 

Im Winter kommt der Wind meift von Weften bezw. Windverhait- 
Siidweften und bring! vom Meere feuchte Luft, welche Regen ni ^ e 
oder Schnee verurfacht. l ) Im Soffimer herrfcht meift trockener 
Nordweftwind, welcher, da er auf feinem Wege blofc Warme 
trifft, etwas Kuhlung aber keinen Regen bringt; im Oktober 
meift Nordwind, der vom Libanon her trockene Kalte mit fich 
fuhrt. Sehr fchlimm ift der von der Wufte her wehende Oft- 
und Sudoftwind, der Sirocco, da er gewohnlich die Atmofphare 
mit feinem Wuftenfand ffillt und Entzundungen, Kopffchmerz 
und Sdilaflofigkeit hervorruft. 

Die Winterfaat beftand damals wie heute vorziiglidi aus Flora 
Weizen, Gerfte und Spelt Roggen und Hafer (vgl. aber des Landes - 
Mischna Challa 1, 1 a) gab es nicht die Sommerfaat aus Hirfe, 
Bohnen, Kummel, Flachs u. dgl. Das Land war aber auch reich 
an manch edler Frucht und edlem Baum, 2 ) wie Balfam, dem 
Weinftock, dem Olbaum, der Feige, dem Palmbaum u. dgl. 

Zur Zeit Chrifti war Palaftina die Kornkammer Phoni- Balfam. 
ziens. 3 ) Beriihmt war namentlich fein Balfam, der aus dem 
nicht hohen Balfamftrauch, 4 ) der befonders in den zwei Garten 
bei Jericho und Engaddi wuchs, 5 ) gewonnen wurde, fei es, 



!) Luc. 12, 54. 

2 ) Ober die heutige Flora orientiert kurz K. Baedeker, Palaflina und 
Syrien 5 , L. 1900, S. XLV1II LI, ausfuhrlicher z. B. Tristam, The Fauna 
and Flora of Palestine im Survey of Western Palestine, 1885; Boissier, 
Flora orientalis sive enumeratio plantarum in Oriente a Graecia et Aegypto 
ad Indiae fines hucusque observatarum, 5 tomi und 1 torn, suppl. Basileae 
et Genevae 1867-88; Post, Flora of Syria, Palestine and Sinai, Beirut 1896 
(fur Botaniker). Vgl. auch Leop. Fonck, Streifzuge durch die biblifche Flora 
(Bibl. Stud. V, 1), Freib. 1900. Vgl. auch u. S. 33, 1. H. Vogelftein, Die 
Landwirtfchaft in Palaftina zur Zeit der Mifchna, I. Der Getreidebau. B. 1894. 
Dinsmore J. E. und Dalman G., Die Pflanzen Palaftinas. ZDPV, 1911, 
S. 1-38. 147172. 185241. (Auch als Sep. Abdruck erfchienen). S. Killer- 
mann, DieBlumen des heiligen Landes, Botanifche Auslefe. 2Teile. Lp. 1915. 

3 ) Apg. 12, 20. 

*) ,,Modica arbor" Tac. Hist. 5, 6. 

B ) Vgl. Strabo 16, 2, 41 p. 763 und Plin. N. H. 12, 25: omnibus odoribus 
praefertur balsamum, uni terrarum Judaeae concessum, quondam in duobus 
tantum hortis, ostendere arbusculam hanc urbi imperatores Vespasiani. 
Noch um 250 fpricht Solinus in Collectanea rerum memorabilium 35, 5, 
it. ed. Th. Mommsen B. 1895 p. 154 von diefen Pflanzungen: In hac terra 
balsamum nascitur, quae silva intra termino's viginti jugerum usque ad 
victoriam nostram fuit. . . , 



30 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Qefdiichte der Juden etc. 

dafc der Balfam von felbft, fei es, dajg er infolge kunftlicher 
Einfdinitte im Baum aus demfelben flofe. ') Der Balfam bildete 
einen wertvollen Handelsartikel. 2 ) 

Weinftodc. Ebenfalls bliihte damals noch der Weinbau, namentlich 

audi auf den Bergen und Hiigeln des Landes Juda. Schon 
Jakob hatte in [einem Segen fiber Juda gefprochen: 3 ) Er 
bindet an den Weingarten fein Fiillen, an die Rebe feine 
EJelin. Sein Kleid wafcht er im Weine, im Blute der Trauben 
{einen Mantel." Will Michaas den ungeftorten Frieden der 
mefiianifchen Zeit fchildern, fo fagt er, A ) es werde jeder unter 
feinem Weinftock und {einem Feigenbaum fitjen. Der Heiland, 
der {eine Bilder aus {einer Umgebung zu nehmen pflegte, 
hat nicht blofr in den Parabeln von den Arbeitern im Wein- 
berge, und von den bofen Winzern auf den Weinbau Bezug 
genommen, {ondern {ieh {elb{t auch als den eigentlichen Wein- 
{tock bezeichnet. 5 ) Am haufigften kam in Palaftina die rote 
Traube vor, worauf auch der Prophet 6 ) mit den Worten hin- 
wei{t: ,,Warum i{t dein Gewand rot und {ind deine Kleider 
wie die der Keltertreter?" Noch zur Zeit Gregors von Tours 
galten die Weine Pala{tinas als die edel{ten und {tark{ten, bis 
der Einbruch der Araber der Weinproduktion dort ein Ende 
machte. 7 ) Sie hat {ich er{t in den letjten Jahren nicht zum 
wenig{ten durch die Bemiihungen von deutfchen Koloniften 
wieder gehoben. 

Der oibaum. Neben der Traube war die auch heute im heiligen Lande 
nidit ausgeftorbene Olbeere oder Olive eine Quelle des Reich- 
turns fur das Land. Nicht nur in den Talern, {ondern auch 
hier und da auf den Bergen, wie z. B. auf dem Olberge bei 
Jerufalem, gab es ganze Pflanzungen von immergriinen 01- 
baumen. In Palaftina mugte der Baum, der das Meer und 
das Kalkgebirge liebt, gut gedeihen. Das 01 aber fand dort 



!) Tac. 1. c. Plin. 1. c. 

2 ) Justin. Hist. 36, 3: Opes genti ex vectigalibus opobalsami crevere,. 
quod in his tantum regionibus gignitur. 

3 ) Gen. 49, 11. 
4, 4. 

6 ) Matth. 20, 1 ff., 21, 33 ff. etc. Job. 15, 1 ff. 

6 ) Is. 63, 2. 

7 ) Greg. Turon. Hist. Franc. 7, 29. Vgl. Hehn, Kulturpflanzen und 
Haustiere 3 , Berl. 1877, S. 83. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 31 

zu Speifen, bei Opfern, zum Brennen in der Lampe oder 
zum Salben des Haares und des Korpers vielfadien Gebraudi. *) 
Zwei Fliiffigkeiten, fagt Plinius, 2 ) gibt es, die dem menfchlichen 
Korper angenehm find, innerlidi der Wein, aufcerlich das 01. 
Wahrend nun der veredelte Olbaum folch grofcen Nutjen 
brachte, lieferte der wilde Olbaum, der naeh Plinius ein hohes 
Alter erreicht, 3 ) ein hartes Holz, das eine fdione Politur 
annimmt. 

Dazu kam der Feigenbaum/) der im femitifchen Vorder- Der Fei g en - 
afien, in Syrien und Palaftina feine eigentliche Heimat hat und baum ' 
dort das iippigfte Wachstum und die fufcefte Fruchtfiille er- 
reicht. In dem heifcen Lande gab der Baum mit feinen rie- 
figen Blattern an gliederreichen Zweigen erquickenden Schat- 
ten, 5 ) wahrend feine Friichte in zwei Ernten im Sommer und 
im Spatherbft gepfluckt werden konnten. 

An Orangen und Zitronen ift das Land noch immer reich. 
Audi kommen z. B. in Gaza die Granate und die Dattelpalme 
vor. Aber in der Neuteftamentlichen Zeit war der Palmbaum, 6 ) Der 
der Konig des Pflanzenreidies, wie ihn Linn6 nennt, der Palmbaum - 
Konig der Oafen, wie er bei den Arabern heigt, eine herr- 
liche Zierde Judaas, und wurde befonders in Jericho, der 
alten Palmenftadt, 7 ) gepflegt. Die dortigen Palmenhaine er- 
ftreckten fich hundert Stadien, d. h. funf Stunden weit. 8 ) 

') Vgl. Matth. 6, 17; 25, 3. 4. 8. Luc. 10, 34 etc. Ober den medizin. 
Gebrauch des Ols vgl. Plin. H. N. 15, 4. 7. 23, 3. 4. Vgl. auch Fifcher, 
Der Olbaum, feine geograph. Verbreitung, feine wirtfchaftliche und kultur- 
hiftorifche Bedeutung, Gotha 1904 (in Petermanns Mitteilungen, Erganzungs- 
heft Nr. 147). Ober den 01- und Weinbau im heiligen Lande vgl. auch 
S. Krauss, Talmud. Archaologie, Bd. 2 (L. 1911) S. 214247 und 594-619. 

2 ) 14, 22, 150. 

b ) 16, 44, 240. Vgl. Nehem. 8, 15. R5m. 11, 17 ff. 

*) Vgl. J. L6w, La figue en Palestine a Pepoque de la Mischna. 
REJ., Tome LXII, P. 1911, p. 216-235 und Fortf. von F. Goldmann ed. 
Tome LX1V, 1912, p. 185-209. 

5 ) Vgl. Nathanael unter dem Feigenbaum, Job. 1, 50. Zachaus auf 
demfelben, Luk. 19, 4. 

6 ) Fonck 6 ff. 

7 ) Deuter. 34, 3 u. 6. Vgl. auch Horat. Epp. II, 2, 184. 

8 ) Strabo 16, 2, 41 1. c. Vgl. auch Plinius 13, 4, 44. Tac. Hist. 5, 6. 
Justin. 36, 3. Der Palmbaum als Sinnbild Judaas findet fich fowohl auf 
MQnzen aus der Makkabaerzeit als auf rOmijchen Munzen, z. B. denen des 
Vespasian und des Titus mit der Infchrift Judaea capta". 



32 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

Weniger koftbar ift der ebenfalls in Palaftina einheimifche 
und audi jetjt nodi uberall dort wachfende Johannisbrotbaum, 
ein immergruner, langfam fidi maditig ausbreitender, nidit 
fehr hoher Baum, deffen braune horn- oder fichelformig ge- 
krummten Sdioten die Nahrung des armeren Volkes bildeten 
und audi als Sdiweinef utter dienten. 1 ) 

Wie am Nil und in Babylon, fo wuchs audi am Merom- 
See die Papierftaude, die ubrigens audi heutzutage am Hule- 
See wie an der Kufte und im Jortantal bis herab zum Toten 
Meere vorkommt. 2 ) 

Fruchtbarkeit )} e Fruditbarkeit des Bodens, wovon jeder Befudier des 
des odens. ^gjjjggjj Landes fidi an zahllofen Orten durdi den Augen- 
fdiein uberzeugt, wird von judifchen wie heidnifdien Sdirift- 
ftellern jener Zeit gefdiildert. 3 ) Allerdings meint Strabo, 4 ) 
der fteinige, unfruditbare Boden der Gegend von Jerufalem 
habe kaum die Miihe, die man fidi um feinen Befitj unter 
Mofes gegeben, gelohnt. Aber Jerufalem ift nidit Palaftina, 
und Strabo kannte das Land nur unvollkommen. 

Gewifc ift ein grower Unterfdiied zwifdien der heutigen 
Wirklidikeit und der Vorftellung, die man fidi auf Grund der 
Heiligen Sdirift und anderer Berichte von dem Lande madit, 
weldies von Milch und Honig troff, audi wenn man dem Um- 
ftande Rechnung tragt, daft die Sdirift das Land den 



') Luc. 15, 16. Vgl. P. Ernft Sdimi^, Der Johannisbrotbaum im 
heiligen Lande, in: Das heilige Land. 1916, S. 171 ff. 

2 ) Vgl. Kirchhoff, S. 7 Fondc, S. 36. Hysop (vgl. Joh. 19, 29; 
Hebr. 9, 19), ein ftrauchartiges Kraut, welches von den Hebraern vielfach 
als Weihwedel gebraucht wurde (vgl. Exod. 12, 22. Lev. 14, 4 f. Num. 
19, 18) ift wahrfdieinlich mit dem Origamum Maru L. identifch. Es hat 
einen 34 Fug hohen, geraden und [tarken Stengel, der n >caia/io9 (Matth. 
27, 48. Marc. 15, 36) genannt werden kann." Vgl. Fondc, a. a. 0. S. 105110. 
Ihm ftimmen u. a. zu J. Low, Der biblifche ez&b (S. B. d. W. A. Phil. hist. 
Kl., Bd. 161, 3, 1909). Heidet, Der Hysop iu feiner rituellen, botanifdien 
und fymbolifchen Bedeutung. Das heilige Land, Koln 1910, S. 6076 
und 113-118 (vgl. auch Kandler ebd. 1911, 34-37 und Qisler ebd. 1911, 
S. 80) ftellt die Hypothefe auf, dag Hysop mit dem einheimifchen Thymian 
identin'ziert werden miiffe. S. dagegen J. E. Dinsmore, Die botanifdie 
Erforfdiung.'Palaftinas in den le^ten Jahren. ZDPV. Bd. 37, Lp. 1914, 
S. 286-288. 

3 ) Jos. B. J. 3, 3, 2-5. Tac. Hist. 5, 6: Rari imbres,. uber solum: 
fruges nostrum ad morem, praeterque eas balsamum et palmae. 

*) 16, 2, 36 p. 761. 



I." Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 33 

den der Wufte,' wozu die Ifraeliten gehorten, preift. Das hangt 
aber fchwerlich mit der Zerftorung der Walder durch die Tur- 
ken und der niditbeweisbaren Verminderung des Regenfalles 
und der bisweilen behaupteten Veranderung des Klimas uber- 
haupt zufammen. Wie heute die Baume in Palaftina, felbft 
am Karmel eher dick als hoch werden, und man verhaltnis- 
mafcig wenig Unterholz fieht, fo wird es wohl immer gewefen 
fein. Selbft ffir den Tempel braudite man Zedernholz vom 
Libanon. 1 ) Vielmehr ift der Grund in der Vernachlajfigung 
der Kultur, der Verringerung der Bevolkerung durdi die vielen 
Kriege, der fchlediten Verwaltung der Turken und in den 
Raubzugen der Nomaden zu fuchen. Audi mag es einiger- 
mafcen mit den religiofen Grundfatjen der Turken, denen der 
Wein verboten ift, zufammenhangen, daft nun fo zahllose 
Hiigel, die friiher mit Weinbergen bedeckt waren und keine 
andere Kultur zuliejgen, jetjt blofje Steinmaffen find. Was aber 
aus dem Lande gemacht werden kann, fieht man aus den 
Refultaten fo maneher europaifcher Koloniften. 2 ) Den Mangel 
an Waffer erfetjten ehedem zum grofcen Teile Zifternen und 
Wafferleitungen. 

Von wilden Tieren, 3 ) die in der Heiligen Schrift erwahnt Die Tierwelt. 
werden, befi^t auch das heutige Palaftina nodi Schakale, 
Fudife, Wildfdiweine und Hyanen, wahrend Panther und 
Wolfe fehr felten find, der Bar nur bisweilen am Libanon 
vorkommt und der Lowe in Syrien iiberhaupt ausgeftorben 



') Zedern werden Ifai. 9, 10 erwahnt; Eichen ebd. 2, 13. Ezech. 27, 6. 
Zach. 11, 2. 

2 ) Vgl. z. B. Wimmer, Palaftinas Boden mit [einer Pflanzen- und 
Tierwelt vom Beginn der biblifchen Zeiten bis zur Gegenwart. Kdln 1902, 
S. 125 ff. Vgl. S. 35, 4. 

3 ) Ober die Zoologie des hi. Landes vgl. befonders Bochart, Hie- 
rozoicon. London 1663. Neue und befte Ausg. von Rosenmuller, Lips. 
179396; Wood, Wild animals of the Bible. London 1887. - Ober das 
Vorkommen von Leoparden, des Sumpfluchfes und des Steppen- Oder 
Wtiftenluchfes in Palaftina und die dortigen Tag-RaubvOgel und Nacht- 
,Raubv6gel beridhtet in neuerer.Zeit P. Ern[t Schmitj, Das hi. Land, 1912, 
1,23-27; 1913, 4, 210-213; 224230; 1914, 4, 216-224. Sehr an- 
fdhaulich fchildert er aueh die furchtbare Verwiiftung des Landes und der 
Fluren durch die an den Propheten Joel c. 12 erinnernde plOt$lich 
maftenweife auftretende Heufchreckenplage im Jahre 1915. Ebd. 1915, 4, 
192-199. 

Felten, Neuteflamentlidie Zeitgefdiidiie. I. 2. u. 3. Aufl. 3 



34 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

i[t. Das einhockerige Kamel wurde fdion herdenweife von 
den Patriarchen gehalten. J ) 

Ochfen braudite man als Zug- und Lafttiere. Zahllofe 
Rinder warden alljahrlich als Opfer gefchlachtet. Efel fanden 
in dem gebirgigen Palaftina, wie auch fonft bei den orienta- 
lifchen Volkern vielfach als Reittiere Verwendung, 2 ) wahrend 
Pferde, die bei den Afiaten wie bei den Agyptern nur zu 
kriegerifchen Zwecken gehalten wurden, 3 ) felten waren 4 ) und 
als Haustiere bei den Hebraern uberhaupt nicht vorkamen. 
Um fo mehr gab es bei ihnen Ziegen und Sdiafe. Sollera 
dodi zur Zeit des Jofephus fiir ein Ofterfeft 256500 Lammer 
gefchlachtet worden fein. 5 ) Wir lefen zwar auch von einer 
grofcen Schweineherde in der Gegend oftlich vom See Tiberias. 6 } 
Die durfte aber, da die Gegend zum Teil von Nichtjuden be- 
wohnt war, hellenifchen Bauern gehort haben. Hunde galten 
wie noch heutzutage bei faft alien orientalifchen Volkern als 
unrein und wurden deshalb nicht als Haustiere gehalten. 7 ) 
Die Pflege der Taube, des Opfers der Armen, hatte fchon 
aus gottesdienftlichen Ruckfichten Wichtigkeit. 

Kurz, man iibte damals in Palaftina alle drei Arten der 
Bodenbenut5Ung, die Tierweide, welche Fleifch, Milch und 
Wolle lieferte, den Ackerbau, der die Halmfrucht brachte, und 
die Baumpflanzung, als deren befte Frucht der Wein und das 
01 galten. Dadurch kam es, dajj auch damals wie heute 
noch die Bevolkerung zum Teil, um Weide zu finden, wan- 
derte (Nomaden, Beduinen), grofjtenteils aber fefchaft war 
(Stadtbewohner und Bauern, jetjt Fellachen). 



!) Gen. 32, 15. Vgl. auch Gen. 12, 16. 24, 19 etc. 30, 43. Richt. 6, 
5. 7, 12. 8, 21 etc. 

2 ) Vgl. 2 KQn. 17, 23. Isai. 30, 6 ff. uud 66, 20. Zach. 9, 9. 1 Par, 
12, 40. Matth. 21, 2 ff. Marc. 11, 2 ff. Luc. 19, 29 ff. Vgl. Smith, Je- 
-rufalem 1, 326 f. 

3 ) Vgl. Hehn, S. 28 ff. Die ifraelitifchen KOnige follten keine Er- 
oberungsziige machen. Schon Mofes verbot, viele Roffe (Reiterei) zu 
halten. Deut. 17, 16. 

J ) Vgl. 3 Kon. 10, 28 f. 4 KOn. 3, 7. 18, 23. Prov. 21, 31. Job 
39, 25. Jef. 8, 6. 

6 ) B. J. 6, 9, 3. 

6 ) Marc. 5, 11. 13. 

7 j Vgl. aber Tobias 11, 9. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 35 

Wenn wir dem hinfichtlich feiner Zahlenangaben nicht Bev&ike- 
gerade zuverlaffigen Jofephus glauben durfen, ift das Land 
im erften diriftlidien Jahrhundert fehr didit bevolkert gewefen. 
Wie er bericfatet, haben die Priefter unter Nero bei einem Ofter- 
fe[t ermittelt, dag, wie eben erwahnt wurde, 256500 Opfer- 
iiere gefchlachtet wurden. Da aber urn jedes Opfer fich eine 
Gefellfchaft von zehn, oft audi von zwanzig Mannern fammelte, 
ware damals die grofce Zahl von zwei Millionen und fieben- 
hunderttaufend Mann ermittelt worden. 1 ) Audi behauptet er, 
daft von den zahlreichen Stadten und Flecken Galilaas, es 
gab deren dort 204, 2 ) der kleinfte Fiecken uber 15000 Ein- 
wohner gehabt hatte. 3 ) Folglich mtijgte diefe Landfchaft allein 
eine Bevolkerung von etwa drei Millionen und ganz Palaftina 
eine foldie von etwa fiinf Millionen Einwohner gehabt haben. 
Nehmen wir diefe Ziffer als wahrfcheinlich richtig an, jo ent- 
fpradi die Diditigkeit der Bevolkerung ungefahr der von 
Belgien. Heutzutage leben in Palaftina nach allgemeiner 
Sdia^ung 700000 Perfonen, darunter etwa 76000 Juden. 4 ) 

') B. J. 1. c. 
*) Jof. Vita 45. 

3 ) B. J. 3, 3, 2. E. W. G. Mastermann, Studies in Galilee. Chicago 
1909 p. 131 halt diefe Angabe fur manifeftly abfurd. Er nimmt nur eine 
GefamtbevOlkerung von 400000 Einwohner far Galilaa zur Zeit Chrifti 
an, da die noeh exiftierenden Ruinen von alten galilaifchen Ortfchaften 
einen fehr geringen Umfang hatten. Allein wie viele Ortfchaften find 
nicht in den vielen Kriegen ganz vernichtet worden. 

4 ) Es gibt eine ganze Anzahl judifcher landwirtfchaftlicher Siedlungen 
in Palaftina, namlich nach dem Stand yon 1914 in Judaa bei Jaffa 18, 
in Samaria bei Haifa 7, in der Esdrelonebene bei Haifa 1, in Untergalilaa 
bei Tiberias 12, in Obergalilaa 5. Vgl. A. Ruppin, Syrien als Wirtfchafts- 
gebiet, B. 1917 und hiernach D. Trietfch, Palaftina und die Juden. Tat- 
fachen und Ziffern. 7,8 Heft von Pro Palaftina. Schriften des deutfchen 
Komitees zur Forderung der judifchen Palaftina-Siedlung. Berl. 1919, 
S. 30 f. Niederlaffungen des in Wurtiemberg im Jahre 1856 gegriindeten 
Deutfchen Tempels" gibt es acht, unter denen die von Haifa (gegrflndet 
1868), Jaffa (1869), Sarona (1871) und WilhelmaX1902) die bedeutendften 
find. Vgl. Loffler, Der Zionismus und die Zukunft des HI. Landes. Mit 
einem Anhang uber die deutfchen Anfiedlungen in Palaftina (= Frank- 
furter Zeitgem. Brofchuren 39. Jahrg., Heft 2) Hamm, 1919. S. 40 ff. 
Nach dem Bericht eines jungft aus Palaftina heimgekehrten amerikanifchen 
Forfchers in der Kolner Volkszeitung 1923, 10. Dez. Nr. 898 hat fich der 
Kolonifationsplan der Zioniften nicht durchfuhren laffen. Die Jerufalemer 
Zeitung Dear Home fehreibe, in Jerufalem erlebe man das Schaufpiel 

3* 



36 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Mifdmng der R e j n jfidifch waren audi damals, wenn man von dem 
Bevolkerung. Ho dilande Judaa und etwa dem fudlichen Teile von Galilaa 
abfieht, nur wenige Orte. Die Kiiftenftadte batten fogar ab- 
gefehen von Joppe und Jamnia eine uberwiegend heidnifche 
Bevolkerung, geradefo wie die Gebiete der nichtjudifchen 
Stadte im Siiden und Sudoften des Sees Genefareth. Samaria 
hatte aber von alters her eine aus der Mifdmng von Juden 
und heidnifchen Koloniften entftandene Bevolkerung. 

In den nicht-judifchen Gebieten fand die griechifche Kultur 
und Sitte, auch nadidem die rivalifierenden Monarchien der 
Ptolemaer in Agypten und der Seleuciden in Syrien unter- 
gegangen waren, meift eine dauernde Statte. Dies fand u. a. 
feinen Ausdruck in den religiofen Kulten, z. B. des Pan in 
Panias (Cafarea Philippi) und den periodifchen Feftfpielen, 
welche z. B. in Cafarea feit Herodes alle vier Jahre gefeiert 
wurden. 

Aber felbft in den -judifchen Gebieten konnte der da- 
malige Jude fich dem Einflug der ihn umgebenden griechi- 
fchen und romifchen Welt nicht ganz entziehen. Hatte doch 
Herodes fogar in Jerufalem ein Theater fur Schaufpiele und 
ein Amphitheater fur Gladiatorenkampfe u. dgl. gebaut. x ) Das 
Geldftuck, weldhes man dem Herrn brachte, war eine romifche 
Silbermunze mit dem Bilde des Kaifers. 2 ) Selbft in Palaftina 
hatten viele Juden griechifche und romifche Namen, wie Ale- 
xander, Ariftobul, Herodes, Archelaus oder unter den Apofteln 
Andreas und Philippus. 3 ) Audi in der gewohnlidien Sprache 
des Volkes gab es griechifche und lateinifche Worte. 4 ) 

einer allgemeinen Auswanderung. Die Juden verliegen das Land in 
groger Zahl. Den Grund fur den ,,vollftandigen Zufammenbruch des 
Zionismus" findet der Amerikaner in den befonderen Verhaltniffen des 
Landes und in der Veranlagung der eingewanderten Juden . . . Der 
Boden, der feit Jahrhunderten verlaffen war, erfordert viel Arbeit . . . 
Die Mehrzahl der Eingewanderten ift an die Landarbeit nicht gewOhnt. 
Selbft der Jude, der fOr fie geeignet ift, gibt fie bald auf, um fidi dem 
Handel zu widmen. . . . Haufig find ferner die anfteckenden Krankheiten. 
50 Prozent der Eingewanderten kommen aus Wefteuropa und kOnnen fich 
an das Klima Palaftinas gar nicht gewOhnen. 

') Jof. Ant. 15, 8, 1. B. J. 1, 21, 8. 

*) Matth. 22, 17 ff. etc. 

3 ) Vgl.Zunz, Namen der Juden in GefammelteSchriftenll, 1 82. B. 1876. 

4 ) Viele Beifpiele bei Schflrer II, 5989 und Kraufc, Griechifche und 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 37 

Die Spradie der Maffe des Volkes war zur Zeit Chrifti 
und der Apoftel nicht das Griediifche, audi nidit das He- die Ve rbrei- 
braifche, fondern wie fchon feit Jahrhunderten das Aramaifche tung des 
oder, wie es oft hei&t, das Syrifche. Diefes war nidit etwa Griechifchen 
eine ungebildete Volksfpradie, fondern die in Tyrus und Si- 
don wie in Samaria und dem fich vom alanitifchen Meer- 
bufen bis naeh Damaskus bin erftreckenden Nabataerreiche 
gefprochene erfte Spradie Vorderafiens. Bereits zur Zeit der 
perfifdien Weltherrfchaft war fie die Amtsfpradie, in weldier 
der Verkehr der Reichsregierung mit ihren vielfpradiigen 
Untertanen aufredit erhalten wurde. Gewifc gab es kleine 
Verfdiiedenheiten der Ausfpradie, aber dariiber darf das Ge- 
meinfame nidit vergeffen werderi. l ) Audi der Heiland unter- 
hielt fich in diefer Spradie mit dem Volke, fo mit der Sama- 
riterin am Jakobsbrunnen und der Phonizierin. Nodi am 
Kreuze betete er: 'EM &ott Xo^a aa^ax9avn'. z ) Diefes Ara- 
maifch, welches erft der Islam, der das Arabifche an feine 
Stelle fetjte, aus feiner herrfchenden Stellung in Vorderafien 
verdrangte, wird im Neuen Teftament wie in der altkirch- 
lidien Literatur gerade wie die Urfprache des Alten Tefta- 
mentes ,,Hebraifch" genannt. 3 ) Das eigentlidie Hebraifch blieb 
neben dem Aramaifchen als die heilige Spradie in Ehren, 
infofern als in diefer Spradie die biblifchen Lektionen in den 

lateinifdie Lehnworter im Talmud, Midrafch und Targum, 2 Bde. B. 1897 
bis 99. Die Beifpiele ftammen zwar meift aus einer jungeren als der hier 
behandelten Zeit, aber die Worte find ficher, wie fich aus den Verhalt- 
niffen des Staats- und Volkslebens ergibt, vielfach fchon fruh in Gebraucn 
gewefen. 

') Vgl. Arnold Meyer, Jefu Mutterfprache, Freib. i. B. 1896; Th. Zahn, 
Einleitung in das Neue Teftament 1. L. 1897, S. 1 ff. Dalman, Die Worte 
Jefu. Bd. I. L. 1898, S. 110; ebd. Grammatik des judifch-palaftinen- 
fifchen Aramaifch 2 . L. 1905,. S. 1 ff. Zum Beifpiel Eufeb. Demonftr. 
evang. Ill, 7, 10 nennt die Mutterfprache der galilaifchen Apoftel fyrifch. 
Zu den Verfchiedenheiten der Ausfprache in Judaa und Galilaa vgl. 
Matth. 26, 73, Mark. 14, 70 und die Kommentare; Meyer, S. 59. Der 
babyl. Talmud (Erub. 53 b) wirft den Galilaern nachlaffige Ausfprache, 
befonders der Gutturale vor. Vgl. dazu Dalman, Gramm. 5 u. 57-61. 
Audi Jon. Buxdorf, Lexicon chald. Talmud, et Rabbinicum ad v. b^i- 
(Basil. 1640, p. 434 sqq.) gibt eine Anzahl von Beifpielen. 

*) Joh. 4, 7 ff. Luk. 17, 16. Marc. 7, 24 ff. Marc. 15, 34. 

3 ) Joh. 5, 2. 19, 13. 17. 20. 20, 16 vgl. Zahn, S. 18 f. 



38 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Synagogen vorgelefen wurden, urn alsbald Vers fQr Vers in 
die Landesfprache iiberfetjt zu werden. 1 ) Cbrigens i[t die 
Abfaffung der aramaifchen Targumim ein weiterer Beweis 
dafur, dag damals die Mafte des Volkes- aramaifch redete. 2 ) 
Man nannte auch die griechifch redenden Juden Helleniften. a ) 
Selbft der den Juden in Jerufalem fo verhagte Paulus konnte 
mitten im Aufruhr ihre Sympathie dadurch gewinnen, dag 
er fie ,,in hebraifcher (d. h. aramaifcher) Sprache" anredete. 4 ) 
So lagt es [ich verftehen, dag bei der Belagerung Jerufalems 
durch Titus Jofephus das Volk aramaifch anredete. 5 ) Auch 
ift es hochft bezeichnend fur den Gebrauch des Aramaifchen 
felbft bei hochgebildeten, vornehmen Juden, dag Jofephus 
die Ausarbeitung feines Werkes ,,Die judifchen Altertumer" 
verfchob, weil er es, wie er in der Vorrede zu diefem Werke 
fagt, fchwer fand, feine Gedanken in griechifcher Sprache aus- 
zudriicken. 6 ) Man darf fich durch die griechifchen Namen 
mancher Stadte, wie z. B.-Skythopolis 7 ) oder ihre griechifchen 
Kulte oder Munzen nicht zu dem Irrtum verleiten laffen, es 
ware in ihnen nur Griechifch gefprochen worden. Das war 
fo wenig der Fall, als z. B. in Bruffel nur Franzofifch oder 
nur Flamifch geredet wird. Abgefehen von den vieleri auch 
in jenen helleniftifchen Stadten wohnenden Juden waren die 
meiften Einwohner Syrer, d. h. Leute, welche das Syrifche 
als ihre Mutterfprache redeten. 

Immerhin braucht die Kenntnis des Griechifchen nicht aus- 
fchlieglich auf die gebildeteren Juden Palaftinas und die nahe 



J ) Megilla IV, 6, 10. 

2 ) S. u. iiber die jiidifche Literatur der neuteftam. Zeit. Kap. XV. f. 

3 ) Apg. 6, 1; 9, 29. 
*) Apg. 21, 40. 22, 2. 

5 ) B. J. 5, 9, 2. 6, 2, 1. 

6 ) Ant. Prooem. c. 2. Die Gefchichte des jiidifchen Krieges war zuerft 
aramaifch gefchrieben. S. u. Kap. XVI. 

7 ) Ln der chriftlichen Gemeinde zu Skythopolis gab es (nath Eufeb. 
de mart. Palaestinae gemag dem vollftandigeren fyrifchen Text bei Zahn, 
Tatians Diateflaron 1881, S. 19 u. Violet, Die Pala'ft. Martyrer des Eufeb. 
von Gafarea in Tezte und Unterfuchungen von O. v. Gebhardt und Har- 
nack XIV, 4, 1896, S. 4) zur Zeit Diokletians einen offiziellen Dolmetfcher 
fur die Obertragung der n griechifchen Sprache in die aramaifche" beim 
Gottesdienft. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 39 

der griechifchen Sprachgrenze wohnenden befchrankt gewefen 
zu fein, 1 ) vielmehr darf zur Zeit Chrifti eine geringe, not- 
durftige Kenntnis des Griechifchen auch fonft bei andern im 
Binnenlande vorausgefety werden. Derm es ift nicht anzu- 
nehmen, daft fich alle im Verkehr mit den romifchen Be- 
amten, welche nur Griechifch und Lateinifch fprachen 2 ) und 
mit den im Lande ftationierten fremden Truppen, fur welche 
die griechifche Sprache die gemeinfame gewefen fein mug, 
und mit den griechifch redenden Juden oder Profelyten, 
welche alle Jahre zu den Feften nach Jerufalem kamen und 
zum Teil dort als ,,Helleniften" blieben, eines Dolmetfchers 
bedient haben. 

2. Galilaa. 3 ) 

Die Einteilung Palaftinas in die vier Landfchaften Gali- 
laa, Samaria, Judaa und Peraa, d. h. das Jenfeitige oder das 
Oftjordanland ift, wie dem Neuen Teftament und Jofephus, 
fo auch den griechifchen und romifchen Schriftftellern ganz 
gelaufig. 

Der Name Galilaa 4 ) eigentlich Kreis, Bezirk, fcheint zu- 
nachft den ,,Bezirk der Heiden", 5 ) d. h. den Norden der fpa- Grenzen - 
teren Landfchaft G.alilaa bezeichnet zu haben, wird aber nach- 
weislich wenigftens fchon .zur Zeit der Makkabaer 6 ) von der 
Landfchaft in dem weiteren Sinne, wie zur Zeit Chrifti, ge- 
braucht. Sie erftreckte fich 7 ) im erften chriftlichen Jahrhundert 

J ) Vgl. u. a. Gla, Die Originalfprache des Matthausevangeliums, 
Paderb. 1887, S. 122143. Zahn, Einl. I, 24 51. 

2 ) Jof. c. Apion. 1, 9 behauptet, auf3er ihm hatte im rOmifchen 
Heere keiner die judifdien Oberlaufer zur Zeit des judifchen Krieges ver- 
ttanden. Fur Infdiriften u. dgl. bedienten fich die romifchen Beamten 
Jeit Cafar der griechifchen und lateinifchen Sprache. Vgl. Ant. 14, 10, 
2 sq. 14, 12, 5. Jon. 19, 20. 

3 ) S. o. S. 21, 1; vgl. Oehler, Die Ortfchaften und Qrenzen Qalilaas 
nach Jofephus. ZDPV. (1905) XXVIII 126. 4974. 



5 ) Is. 9, 1. Jos. 20, 7. 21, 32 und IChr.- 6, 76 bezeichnet es den 
Bezirk im Norden Palaftinas mit der Hauptftadt Kedes. Er heigt 3 Kon, 
9, 13 Kabul, d. h. w abgegrenztes Land und wurde von Salomon dem 
KOnige Hiram von Tyrus gegeben. 

) S. 1. Mace. 5, 14. 

7 ) Jos. B. J. 3, 3, 1 und 4. Vita 37; 



40 Erfter Abfdinitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

vom tyrifchen Gebiet im Norden bis nach Ginaa, dem heu- 
tigen Dschenin an der Sudgrenze der Ebene Esdrelon, wo 
die Berge Samariens anfangen, und Skythopolis, dem alten 
Bethsean (heute Besan), einer damals zur Dekapolis gehoren- 
den heidnifchen 1 ) Stadt, im Suden. Im Weften grenzte fie an 
Ptolemais auf der engen Seekufte im Weften, welche wie 
audi der Karmel den Phoniziern gehorte und heidnifch war, 
wahrend im Often der Jordan und das Oftufer des Sees 
Genefareth, welches aber geographifch felbft nicht mehr zu 
Galilaa gehorte, die Grenze bildete. Man unterfchied damals 
Ober(Nord)- und Unter(Sud)- Galilaa, 2 ) eine Unterfcheidung, 
die, abgefehen von der Ebene Esdrelon, den naturlichen Ver- 
haltniffen entfpricht. Denn nordlich von einer zwifchen Ptole- 
mais und dem Nordende des Sees Genefareth gezogenen 
Grenzlinie erreichen die Berge eine Hohe von 6501300 m, 
wahrend ffidlich davon die HohenzQge nirgends fiber 600 m 
fich erheben 3 ) und breite Taler'haben. 

Charakterder Die Landfchaft war aujjerft fruchtbar und dicht bevolkert 
Bewohner. g s wohnte dafelbft ein arbeitfamer, kraftiger, kuhner, aber 
auch zu Neuerungen und Aufftanden geneigter Menfchen- 
fchlag. 4 ) Die Galilaer, fagt fpater der Talmud, 5 ) liebten die 
Ehre mehr als das Geld, Judaa aber zog der Ehre das Geld 
vor. Jedenfalls hatten fie fich mitten in der fie rings um- 
gebenden Heidenwelt eine reinere und ftarkere Meffiashoffnung 

') Vita 6. Damals war Skythopolis, weldie Stadt dem Johann 
Hyrkanus unterworfen war (Ant. 13, 10, 3), aber durch Pompejus im 
Jahre 64 ihre frflhere Unabhangigkeit wieder erlangt hatte (Ant. 14, 4, 4), 
die grofcte Stadt der Dekapolis (B. J. 3, 9, 7) und befag ein weites und 
fruchtbares Gebiet (Vita 9). 

*) Nach B. J. 3, 3, 1 gingf Ober-Galilaa von Baka im Norden an 
der tyrifchen Grenze bis nach Berfabe, und von Thella am Jordan bis 
nach Meroth im We[ten, Unter-Galilaa (mit den Orten Tarichea, Tiberias, 
Sepphoris f. Vita 37) yon Berfabe bis Exaloth (je^t Iksal fudOftlich von 
Nazareth) und von Tiberias bis nach ChabuToh' in der NShe von Ptole- 
mais. Die Orte find aber meift unbekannt. Eufebius Onom. p. 72 
unterfcheidet Galilaa der Heiden am tyrifchen Gebiet und das andere 
Galilaa um Tiberias und den gleichnamigen See. 

3 ) Smith 416. Der Dschebel es-Stdi nw. von Nazareth ift 488 m 
u. M., der Tabor 562 m ii. M. hoch. 

4 ) B. J. 3, 3, 2. Vita 17. , 

5 ) Jer. Talm. Kethuboth 4, 14. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 41 

als die Eiferer fur das Gefe^ in Judaa bewahrt, fo dafe von 
Galilaa nicht blog Manner, wie Johannes von Gisdiala, im 
Kriege gegen die Romer kamen, fondern auch die meiften 
Apoftel und Jiinger des Herrn Galilaer waren. 

Die fich durch Galilaa hinziehenden Wege 1 ) waren zum Stragen. 
grogen Teil Weltftragen, fo namentlich die groge Weftftrafje,-) 
weldie von Damaskus zum Meere ffihrte und Afien mil Afrika 
verband. Zwifchen dem Hule-See und dem See Genefareth 
uberfchritt fie in der Romerzeil an der Stelle, wo die fogen. 
Brucke der Tochter Jakobs (Dsdiisr Benat Jakub) liegt, den 
Jordan und teilte fich bei dem heutigen Chan der Grube 
Jofephs (Chan Dschubb Jusef) fudoftlich von Safed in mehrere 
Arme. Bin Arm ffihrt von dort fiber Safed nach Tyrus, ein 
anderer quer wefttlich durch Galilaa nach Ptolemais, ein 
dritter bildete die wichtige, Afien mil Afrika verbindende 
Sudftrafje, welche fich in fudweftlicher Richtung zwifchen dem 
Tabor und den Anhohen von Nazareth durch Esdrelon nach 
Megiddo und von dort durch die Ebene Saron nach Lydda 
und Ramie in das Philifterland und nach Agypten zog; ein 
vierter endlich ging zunachft fudoftlich bis nach Tiberias und 
weiter bis nach Skythopolis. Hier traf fie mit einer andern 
grojsen, von Damaskus kommenden Strafes zufammen, der 
Oftftra&e, welche etwas nordlich von Skythopolis den Jor- 
dan uberfchritt und fiber diefe Stadt entweder durch die Ebene 
Esdrelon nach Megiddo und bis ans Mittelmeer Oder fudlich 
den Jordan entlang nach Jericho und weiter fudlich fuhrte. 

Im Norden von Galilaa, in einer Schlucht des Hermon- Cafarea Phi- 
gebirges und im Quellgebiet des Jordan lag die Stadt und lj ppi- 
Landfchaft Panias, deren Name fich in dem heutigen Banijas, 
fibrigens einem unbedeutenden Dorfe, erhalten hat. Einft 
hatte Herodes Stadt und Landfchaft von Auguftus erhalten 
und neben dem Heiligtum des Pan einen Marmortempel zu 

') Vgl. Smith 425431. S. auch F. Buhl, Geographic 125 ff. und 
feinen Artikel Roads and Travel in OT. in Hastings Diet. Extra vol. 
p. 368 ff. 

'-') Im Mittelalter nannte man fie die via maris nach einem Ifaias 
9, 1 (vgl. Matth. 4, 15) ftehenden Ausdruck, der bei ihm aber nicht eine 
Strage, fondern ein Gebiet, namlich das in der Richtung zum Meere hin- 
liegende, bezeichnet. 



42 Erjter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Ehren des Kaisers gebaut. 1 ) Sein Sohn Philippus erbaute 
die Stadt neu und nannte fie Cafarea. 2 ) Der grofjte Ruhm 
von Cafarea Philippi ift aber, daft hier vor dem Heilande 
der heilige Petrus im Namen der ubrigen Jiinger zuerft klar 
und beftimmt den Glauben an die Gottheit Chrifti bekannte. 3 ) 
See und Wahrend der nordlidi gelegene, von Schilf iiberwachfene 

Ebene Hule-See mit feiner fumpfigen Umgebung wenig Anziehendes 
hat, ift ein anderer See fur immer fchon durch feine Ver- 
bindung mit dem Heiland ehrwurdig. In der Heiligen Schrift 
heifct er bald nach der gleichnamigen Ebene See Genefareth, 4 ) 
bald nach der an ihm liegenden Stadt der See von Tiberias, 5 ) 
bald das galilaifche Meer. 6 ) Er hat die Form einer Harfe mit 
der Ausbuchtung nach Nordweft, ift 21 km lang, 12 km breit. 
Es betragt die durchfchnittliche Maximaltiefe feines Waffer- 
ftandes 4045 m. 7 ) Seine hellen, reinen, blau fchimmernden 
Fluten fiifeen, trinkbaren Waffers waren und find 8 ) wegen 
ihres Fifchreichtums beruhmt. Damals, zur Zeit Christi, nahrten 
fidi Taufende von Familien davon, wie denn die Stadt Tarichea 9 ) 
am See damals gepockelte Fifche in die ganze Welt verfandte. 

Siidweftlich von dem Eintritt des Jordan in den See, 
von der Stelle an, wo das Seeufer fich entfchiedener nach 
Siiden wendet, breitet fich dem Ufer entlang bis zu dem 
alten Magdala, dem heutigen Dorfe Medfchdel, wo die Hugel 

') Ant. 15. 10, 3. B. J. I, 21, 3. 

2 ) Ant. 18, 2, 1. B. J. 2, 9, 1. Agrippa II., welcher die Stadt feit 
dem J/53 befag, nannte fie Neronias. Ant. 20, 9, 4. 

a ) Matth. 16, 3. Marc. 8, 27. 

*) 1 Mace. 11, 67. Luc. 5, 1. Jos. Ant. 18, 2, 1. Vita 65. Strabo 16, 
2, 16, p. 755. Uber den Namen der Ebene, der von ].>=. Garten" ab- 
geleitet wird, vg-1. Buhl 113. 

6 ) Job. 21, 1. 

6 ) Matth. 15, 29. Marc. 7, 31. Joh. 6, 7. 

7 ) Vgl. Barrois in PEFQS. 1894, p. 211-220 und GObeler, Barrois 
Unterfuchung des Tibetias-Sees im Globus, Bd. LXV (1894), S. 135 f. 

") ZDPV IX, 102. Intereffante Nachrichten Qber die Fifdie im 
See, fowie uber den audi heute nodi bedeutenden Verfand von Fifdien 
vom See Genefareth und die dabei gebrauchten Ne^e z. B. ein Schlepp- 
net5 von 400 m Lange, de[fen obere Seite vermittelft Korken fdiwimmt, 
w&hrend der untere Saum durch kleine Bleigewichte niedergehalten wird, 
gibt E. W. G. Masterman, Studies in Galilee, p. 3748. 

'-) Tarichos (rd^/oc) heigt Pockelfleifdi. Vgl. S. 41 ft". 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 43 

nahe an den See herantreten, die Ebene Genefareth aus.- 
Damals war fie von wunderbarer Schonheit und Fruchtbar- 
keit, da wegen der Fettigkeit des Bodens und des ausge- 
zeichneten Klimas die verfchiedenften Gewachsforten dort ge- 
diehen und angepflanzt waren. ,,Nugbaume," fagt Jofephus, 1 ) 
,,welche am meiften Kuhle bedurfen, gedeihen in grofeer 
Menge neben Palmen, die nur in der Hi^e fortkommen; 
nahe bei ihrien wachfen wiederum Feigen- und Olbaume, 
denen eine gemafcigtere Temperatur zufagt . . . Der Boden 
bringt nicht nur die verfchiedenften, fcheinbar unvereinbaren 
Fruchte hervor,. fondern bewahrt fie auch lange. Die konig- 
lidien Fruchte, Trauben und Feigen, liefert er zehn Monate 
hindurch ununterbrochen, wahrend die ubrigen FrUchte mit 
ihnen das ganze Jahr hindurch reifen." 

Heutzutage bieten allerdings Ebene und See einen ganz 
andern Anblick. Der unanfehnlidie Flecken Tiberias und 
einige 45 Dorfchen nehmen die Stelle der fruher zahl- 
reichen Stadte und Dorfer ein, das Land ift zum grofeen 
Teil nidit angebaut, felten fahrt ein Segel auf dem See, und 
die nackten, duftern Bafaltfelfen, die fidi von den gaulani- 
tifchen Bergen her an das Oftufer herandrangen, fcheinen zu 
klagen um eine untergegangene Herrlichkeit. Eines hat fidi 
nicht verandert, das Auftreten plo^licher Sturme auf dem See, 
wenn entweder die von Weften kommenden kalteren Winde 
auf den tiefliegenden, der brennendften Sonnenhitje ausge- 
fe^ten See durch Luftwirbel herabgezogen werden Oder etwa 
durch enge Schluchten vom Nordoften, dem obern Dscholan, 
auf denfelben einfturmen. 

Um den See herum lagen viele Stadte und Dorfer. Auf dem Nord- Ortfchaften in 
ufer lag Oftlich*) von der Jordanmundung Bethfaida (was fo viel wie Galilaa. 
Fifdihaufen heigt), die Heimat der Apoftel Petrus, Andreas und Philippus 
in der Nahe der n WufteV) wo der Herr einft die Fflnftaufend fpeifte 

') BTT 3, 10, 8. 

*) Ant. 20. 8, 4. B. J. 2, 13, 2. Plin. N. H. 5, 15, 71. 

3 ) Marc. 6, 31. Matth. 14, 13. Der Tetrarch Philippus vergrOgerte 
den Ort durch Zuzug vieler Einwohner und gab ihm den Namen Julias. 
(Ant. 18, 2, 1. B. J. 2, 9, i.) Deshalb i[t es nicht wahrfcheinlich, dag 
daneben noch Bethfaida als Hafen von Julias, wie Buhl S. 224 meint, 
fortbeftand. Aus Marc. 6, 45, wonach die Jflnger dem Heiland voraus- 
gehen follten il? TO ntyav ^5? Bri&gaUdv folgt nicht, wie Reland p. 487 
u. a. meinen, dag es noch ein zweites Bethfaida weftlich von der Jordan- 



44 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

und nur ei-nige Kilometer von der Einmtindung in den See entfernt 
Kapharnaum ,,die Stadt Jefu",') 4 km nordlich hiervon Chorozain.*) 
SudOftlich von Magdala 1 ) und der Ebene Genesareth auf einem erft 
gegen Suden breiter werdenden fchmalen Landftreifen zwifchen dem Berg- 
abhang und dem See erbaute Herodes Antipas fruheftens vom J. 2022 
n. Chr. eine Stadt, die er zu Ehren des Kaif ers Tiberius Tiberias nannte und 
mit einem Palafte, einem Forum und einer grofjen Synagoge fchmtickte. 4 ) 

mundung, etwa, wie einige wollen, am Orte der deutfdien Anfiedlung 
Tabgha oder Tabigha, ffldlich von der Quelle Ain et-Tabigha (= Hepta- 
pegon ,,Sieben Quellen"), vgl. u. a. Ernft Schmitj, Tabgha u. feine bibl. 
Erinnerungen, Das hi. Land, 60. Jahrg., 1916, S. 164-173. 225-231 fo- 
wie den von Bug. Huber bearbeiteten Pilgerfiihrer ,,Durch'sHeiligeLand" 
von B. Meiftermann, Trier 1913, S. 502 ff. gegeben hat (vgl. folg. Anm.), 
da der Ausdruck auch fchon bei einer Fahrt von einem fudoftlichen zu 
einem nordoftlichen Punkte berechtigt ift. 

') Matth. 9, 1. FOr die Identitat von Tell Hum mit Kapharnaum 
( Caphar [Dorf] des Nahum) fpridit Theodofius (circa a. 530) De situ 
terrae sanctae (bei Geyer p. 135 150), der fagt: ,,De Magdala usque ad 
septem fontes, ubi domnus Christus baptizavit apostolos, milia II, ubi et 
saturavit populum de quinque panibus et duobus piscibus. De septem 
fontibus. usque in Capharnaum milia II. De Capharnaum usque Bethsaida 
milia VI." (1. c. p. 138). Arculf (670) fpficht fich fur das weiter fudlich 
am See gelegene Chan Minje aus. FQr Tell Hum find u. a. Buhl 224 f., 
Kirchhoff 31, Maftermann p. 71-89, fQr Ghan Minje u. a. Smith 456 f., 
677 f. und Sepp, Neue hochwichtige Entdeckungen, Mflndien 1896 I 115 
bis 126. 

2 ) Die heutigen Ruinen von Keraze. Hierfur fchon das Itiner. S. Willi- 
baldi (723726) in Tobler 1. c. I, 289. Vgl. fiber Chorozain Maftermann 
p. 93 ff. 

3 ) S. o. S. 39. Gegen Buhl S. 226, der fagt: Die talmudifdien 
Schriften .kennen verfdiiedene Ortfchaften namens Magdala oder Migdal 
in diefer Gegend, vgl. Sam. Klein, Beitrage zuf Geographic und Ge- 
fchidite Galilaas Lp. 1909. Er zeigt S. 78 ff., dag in Wirklichkeit nur 
zwei Orte mit dem Namen ,,Migdal" genannt werden, deren einer mit 
dem galilaifchen El-Medschdel identifch ift, der andere aber im Oftjordan- 
lande zu fuchen ift. 

4 ) Jof. Vita 12. 17. 54. Das Grfindungsdatum ergibt fich aus Munzen 
von Tiberias, wovon eine aus dem 81. Jahre der Stadt den Trajan blofc 
Germanicus und nicht auch Dacicus, welchen Titel er erft im Jahre 103 
erhielt, nennt (De Saulcy, Numism. de la terre sainte 336 Nr. 4 PL XVII) 
und uns fomit ins Jahr 22 n. Chr. als Sugerfte Grenze der GrQndung 
der Stadt ffihrt. Eine andere unter Klaudius (geft. 54) gejchlagene Mflnze 
(De Saulcy 334) hat das Datum des 33. Jahres der Stadt, ffihrt alfo ins 
Jahr 21. Angefichts diefer Tatfachen ift es unmOglich, dag Tiberias erft 
um 26 n. Chr. (vgl. SchQrer II, 217) erbaut ift, obwohl Jofephus Ant. 
18, 2, 13 die Grfindung von Tiberias erft nach dem Amtsantritt des 
Pilatus (26 n. Chr.) erwahnt. Vgl. Smith 448, 2. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 45 

Von den alteften Juden wurde fie aber als unrein gemieden, weil fich 
bei der Legung der Fundamenle eine Menge menfchlicher Gebeine ge- 
funden hatte. Die Stadt exiftiert noch immer (Tabarija) und zahlt gegen 
9000 Einwohner. Am Sudende augerhalb der Stadt, heutzutage etwa 
eine halbe Stunde ffidlich von der je^igen Stadt lagen die auch damals 
fchon beruhmten heigen Bader von Tiberias. 1 ) 

In der Heiligen Schrift wird auger Tiberias, welches aber auch nur 
im Johannesevangelium erwahnt wird, 2 ) kein Ort ftidlich von der Ebene 
Genefareth am See genannt, auch nicht die 30 Stadien 3 ) von Tiberias 
gelegene Stadt Tarichea, welche ihren Namen von dem griechifchen 
Worte tarichos, Pockelfleifch, Salzfifch 4 ) hatte und deshalb fuhrte, weil von 
hier aus eingefalzene oder gepOckelte Fifche in die ganze Welt verfandt 
wurden. 5 ) In ihrer Nahe fpielte fich die groge Seefchlacht des jttdifchen 
Krieges ab, wozu die rOmifchen Floge in der an Schiffsmaterial und 
Schiffsbauern reichen Stadt gemacht wurden. 6 ) 

Das weftlich vom Jordantal gelegene Hugelland Galilaas bietet von 
den nordweftlichen Hohen den Blick auf das alte Tyrus, von den fudweft- 
lichen auf den unmittelbar zum Meere abfallenden Karmel. In diefem 
Hugellande lag im Weften unweit eines Zufluffes des fich bei Haifa in 
das Meer ergiegenden Kison Sepphoris (heute Saffurije), welche Stadt 
Herodes Antipas neu aufgebaut und zu einer ,,Zierde von ganz Galilaa" 
gemacht hatte. 7 ) 1m rOmifchen Kriege ftand die Stadt von Anfang bis 
zu Ende auf rOmifcher Seite gegen ihre eigenen Stammesgenoffen. 8 ) Siid- 
oftlich hiervon liegt Kan a (jetjt Kefr Kenna), 4 ') wo der Heiland Waffer 



J ) Plin. N. H. 5, 15 Ant. 18,. 2, 3. B. J 4, 1, 3. Vgl. auch Sepp 
I, 241 ff. u. a. 

2 ) Joh. 6, 1. 23. 21, 1. 

3 ) Jof. Vita 32 lagt es unentfchieden, ob die Stadt 30 Stadien nord- 
lich von Tiberias lag und mit Magdala identifch ift, wie Kirchhoff undOehler 
S. llff. glauben, Oder 30 Stadien ffldlich von Tiberias bei Kerak lag, 
wofQr Plinius N. H. 5, 15, 71 n am Judlichen Ende des Sees" ift. Vgl. 
hierfflr Sepp I, 234 ff. Buhl, Schiirer, Smith u. a. 

4 ) Ober den Verfand augeritalifcher eingemachter Fifche vgl. J. Mar- 
quardt, Das Privatleben der Romer L. 1886, S. 435 ff. 

6 ) Strabo 16, 2, 45. 

6 ) B. J. 3, 10, 9 und 6. 

') Ant. 18, 2, 1. 

b ) B. J. 3, 2, 4 (wo fie dftoifvim Stammesgenoffen der Juden heigen) 
und 3, 4, 1. Der Ort hieg fpater feit dem 2. Jhdt. n. Chr. Diocaesarea 
(vgl. z. B. Hier. Onomast. ed. Klostermann p. 17). Eufebius gebraucht 
ftets im Onpm. letjteren Namen. Ober Sepphoris und feine Gefchichte 
vgl. Sam. Klein, Beitrage zur Geographic und Gefchichte Galilaas Lp. 
1909, S. 26-41. 

) Vgl. Theodofius, De situ (p. 139): De Diocaesarea usque in 
Canan Galileae milia V. De Diocaesarea usque in Nazareth milia V. 
Vgl. Guerin, Galilee 1. 175 ff. Bus. Onom. p. 116 verlegt das Wunder 



46 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

in Wein verwandelte. Von hier gelangt man fiber die bewaldeten Kalk- 
felfen in fudweftlicher Richtung zu den ffidlichften Teilen der HGhen von 
Unter-Galilaa. Hier liegt gerade oberhalb der Ebene Esdrelon in einer 
Talmulde teils in der Talfohle teils an den Gehangen des Tales das alte 
Nazareth (jetjt en-Nafira mit etwa 11000 Einwohnern). Von den die 
Stadt umgebenden HOhen hat man, wie ich aus eigener Anfchauung weig, 
eine ganz herrliche weite Ausficht, im Often auf das Jordantal, das Ge- 
birge Gilead und den Tabor, im Nordweften auf den Karmel, im Weften 
fieht man das wie heute von Dampfern fo damals von Tarfisfahrern 
durchzogene Mittellandifche Meer bei Haifa. 1m Suden aber liegt vor 
dem Befchauer die Ebene Esdrelon, wo Ifrael in den Tagen der Richter, 
der KOnige Saul und Jofias und der Makkabaer fo manche Schlachten 
fchlug. Hier lag am Ende der Ebene, beim Eingang des Hauptpaffes 
naeh der Ebene Saron und fomit nach Agypten das alte Megiddo,') 
wo Jofias von dem gegen die Babylonier ziehenden Pharao Necho ge- 
fchlagen wurde, oftlich davon, wo fich das Tal zum Jordan hin offnet, 
Jezreel oder Esdrelon, wo die Hunde Jezabels Leiche zerriffen, n6rd- 
lich hiervon Nairn, wo der Herr den Jungling auferweckte, und mehr 
nadi Often hin Endor, wo Saul den Geift Samuels rief. Im Norden von 
Endor erhebt fich etwa 400 m fiber der Ebene und 562 m fi. M. der 
auf den Abhangen bewaldete Tabor (Dschebel et-T6r). Von Nazareth 
und uberhaupt von Sxidweft gefehen hat er die Form einer Halbkugel, 
wahrend er von WNW gefehen die eines abgeftumpften Kegels hat. 
Jofephus hat im Anfang des jfidifchen Krieges die groge ebene Flache 
auf dem Gipfel des Berges mit einer 26 Stadien langen Mauer befeftigt. 
Das Holz und Waffer dazu mugte von unten heraufgebracht werden.*) 

3. Samaria. 

Die Grenzen. Die Grenzen Samarias find, wenn man von dem fich in 
ffidoftlicher Richtung hinziehenden Karmel abfieht, im Weften 
der Sau'm der Ebene Saron, welche felbft zu Judaa gehorte, 
im Norden die Ebene Esdrelon, im Often der Jordan und 
im Suden Judaa. 3 ) Eine naturliche Grenze zwifchen Samaria 

naeh Kana fudoftlich von Tyrus, fpatere z. B. Robinfon und Kirchhoff S. 30 
nach einem zwei Stunden NW von Kefr Kenna gelegenen Ort Chirbet 
Kana, den wie Robinfon behauptet, die Anwohner Kanat el-Dschelil 
nennen. 

') Aller Wahrfcheinlichkeit nach das heutige El-Leddschun. 

2 ) B. J. 4, 1, 8. Da es dort hergt, dag auch die Anfiedler nur 
Regenwaffer gehabt hatten (ai yng rot? enoixmt; povov r,v o/;^.r) meint 
Guerin 1. c. p. 155, es hatten oben auf dem Gipfel einige Familien ge- 
wohnt, die das Land bebauten. Allein dag die oben gewohnt hatten, 
gent aus dem Texte nidit hervor. 

3 ) Jofephus B. J. 3, 3, 4 fagt, Samaria fange in Ginaea (dem 
heutigen Dschenin am Saum der Ebene Esdrelon) an (vgl. auch Ant. 20, 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Ghrifti und der Apoftel. 47 

und Judaa gibt es nicht, und felb[t eine politifche war damals 
infofefn nicht vorhanden, als die beiden Landfchaften unter 
Herodes, feinem Sohne Archelaus und den romifchen Land- 
pflegern zufammengehorten. 

Vom Meere aus fieht die Landfchaft aus wie ein Hoch- Samaria im 
land mit einem Pafe, namlich dem, in welchem zwifchen dem aiigemeinen. 
868 m hohen Garizim und dem noch hoheren (938 m) Ebal 
das alte Sichem liegt. Tatfachlich befteht aber das Gebirge 
von Samaria (das alte Gebirge Ephraim) nicht wie das von 
Judaa (Gebirge Juda) aus einem Plateau, fondern aus einer 
Gruppe von Bergen, welche fowohl nach dem Meere wie 
nach dem Jordan hin fchone offene Ebenen und geraumige 
Taler aufweifen. 

Der Boden Samarias, auch des Hochlandes ift fehr frucht- 
bar, und auch heute noch in einem verhaltnismafcig guten 
Kulturzuftande. Jofephus 1 ) riihmt zu feiner Zeit befonders 
die durch zahlreiche Regenguffe befruchteten Baumpflanzungen 
und das Weideland Samarias, fowie feinen Reichtum an 
Mannern. Allein an Schonheit ift die Landfchaft mit den Ber- 
gen und Ta'lern Galilaas nicht zu vergleiehen. Auch fehlten 
ihr die grofeen Stragen, an denen jenes fo reich war. Die 
Hauptftrafce war der Karawanenweg, welcher Galilaa mit 
Jerufalem verband. 

Ging man von Nazareth nach Jerufalem, fo lag Galilaa zunachft an Ortfchaften. 
einem Kreuzpunkte verfchiedener galilaifcher Stragen die Grenzftadt Gi- 
naa,') das heutige Dschenin, wo der fich bei Haifa am Karmel ins 
Meer ergiegende Kison (jetjt Nahr el-Mukatta) entfpringt. Von dort kam 
man an Dothain (Dotan) vorbei in funf Stunden nach der Hauptfladt 
Sebafte, dem alten Samaria (jetjt das Dorf Sebastije). Die Stadt lag 
auf einem ifolierten, etwa 100 m hohen Hugel, der die Ausficht auf.das 
Meer bietet, in fruchtbarer Umgebung. Die von Johannes Hyrkanus zer- 

6, 1) und endige in der Toparchie von Akrabe (das heutige Akrabatta 
lag etwas nordlich von Selun, dem alten Silo). Waren die Grenzen auch 
zur Zeit Jefu fo, fo hatte diefer, wenn er uber Sychar nach Jerufalem 
reifte, nur etwa 8 Stunden durch famaritahijches Gebiet zu gehen. Obrigens 
enthielt die Toparchie der Akrabatener, obwohl fie von der romifchen 
Verwaltung zu den Toparchien von Judaa gezahlt wurde, meift famari- 
tanifche Flecken. Vgl. B. J. 3. 3, 5. Plin. 5, 14, 70. Ptol. 5, 16. 

l ) B. J. 3, 3, 4. Vgl. Leo Hafeli, Samaria und Peraa bei Flavius 
Josephus (= Bibl. Studien, herausg. v. O. Bardenhewer XVIII. 5). Freib. 
1913, S. 26 ff. 

-) Ant. 20, 6, 1. B. J. 3, 34; vgl. B. J. 2, 12, 3. 



48 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ftorte, aber von dem romifchen Legaten Qabinius wieder aufgebaute ') 
Stadt hatte Auguftus im Jahre 29 dem Herodes gefchenkt, 2 ) der fie neu 
begrfindete, zu Ehren des Kaifers Sebafte-Augusta nannte und in ihr 
einen Tempel des Auguftus erbaute. 3 ) Von hier kam man in zwei Stun- 
den nach dem in einem engen, kaum 500 Schritt breiten Tale zwifchen 
dem Ebal und dem Garizim gelegenen alten Sichem (Nacken, Berg- 
riicken). Die Stadt wurde unter Vefpafian wieder hergeftellt und erhielt 
den Namen Flavia Neapolis, woraus Nabulus, jetjt eine Stadt von 24,000 
Einwohnern, geworden ift. Etwas nordOftlich von Sichem, eine romifche 
Meile oder rund 1 l /z km von Sichem entfernt 4 ) lag Sychar s ) (wohl das 
heutige Dorf Askar).") Zwifchen Sichem (Nabulus) und "Sychar (Askar) 
lag der Jakobsbrunnen und in deffen Nahe das Grab Jofephs. 7 ) Der 
Brunnen ift heutzutage 23 m tief und hat einen Durchmeffer von 2,3 m. 
Auf dem fudlich von Sichem gelegenen Berge Garizim, deffen Gipfel 
eine groge Plattform bildet, ftand feit dem fiinften Jahrhundert v. Chr. 
der Tempel der Samaritaner, bis Johannes Hyrkanus ihn ganz zerftorte. 

An der Oftgrenze Samarias, aber keineswegs immer zu diefer Land- 
fchaft gerechnet, lagen mehrere in der Zeit des Herodes und des jfidi- 
fchen Krieges hervorragende Orte; im Jordantal, nordlich von Jericho, 
am Wege von Jericho nach Skythopolis, das von Herodes zu Ehren feines 
Bruders Phasaelus benannte Phasaelis (Chirbet Fasail), wofelbft zur 
Zeit des Jofephus eine groge Palmenpflanzung war. 8 ) Das von Archelaus 
gegriindete Archelais lag in der Nahe von Jericho' 1 ). Die Spitje des 

') Ant. 14, 5, 3. B. J. 1, 8, 4. 

2 ) Ant. 15, 7, 3. B. J. 1, 20, 3. 

3 ) Ant. 15, 8, 5. B. J. 1, 21, 2. Hier mordete Herodes die Mariamme 
und feine zwei Sohne. Ant. 15, 7, 7; 16, 11, 7. Die Neugrflndung von 
Sebafte erfolgte nach Ant. 15, 8, 5. 9, 1 im 13. Jahre des Herodes, d. h. 
im Jahre 25. (Schurer, 3, 366, 8 und Otto, Herodes find fur das Jahr 27.) 
Der Beweis, dag fich das Datum bei Jofephus nicht auf den unmittelbar 
vorhergehenden Bericht iiber die Grundung von Sebafte bezieht, ift aber 
nicht erbracht. Vgl. Gratj, Gefch. der Juden III s . L. 1905, S. 218, 2. 
Vgl. fiber die Stadt Samaria-Sebaste L. Hafeli S. 4251; eine Befchrei- 
bung der Ruinen von Sebastije s. bei Dalman, Palaftina - Jahrbuch II, 
39 ff; fiber die Ruinen des von Herodes auf der hochften Stelle der Stadt 
erbauten, dem Augustus gewidmeten, .impofanten Kaifertempels vgl. 
H. Thierfch, Archaol. Jahresbericht ZDPV, 36, 1913, S. 4957. 

4 ) Itin. Burdigalense p. 20: (a Sechim) passus mille. 

5 ) Joh. 4, 5. Audi Euf. Onom. p. 164 unterfcheidet Sychar von Sichem. 

6 ) Vgl. u. a. Smith 365-375. 
J ) Jos. 24, 32. 

8 ) B. J. 2, 9, 1. 

9 ) Ant. 17, 13, 1. 18, 2, 2. Vgl. Guthe, in Mitteil. u. Nachrichten d. 
P. V., 1911, S. 65-70. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 49 

weithin fichtbaren, ficii 728 m iiber dem Jordantal und 379 m fiber dem Meere 
erhebenden Karn Sartabe kronte die wahrfdieinlich von Alexander Jar- 
maus erbaute, [tark befeftigte hasmonaifdie Feftung Alexandreion. 1 ) 

Die Bewohner der Landfchaft, weldie nach dem griedii- Die 
fchen Namen der Stadt bezw. des Gebietes Samaritaner oder Samariter. 
Samariter heigen, werden bei Jofephus 2 ) Kuthaer genannt, 
vermutlidi weil der grogte Teil der heidnifchen Koloniften, 3 ) 
weldie nadi der Wegfuhrung der Bewohner des Reidhes 
Ifrael in die affyrifche Gefangenfchaft in deren fruhere Wohn- 
jitje gefchickt wurden und [i* dort mit den im Lande zuruck- 
gebliebenen Juden vermifchten, aus Kutha in Babylonien 
ftammte. Die[em Mifchvolke nun ftellten [i* audi die aus der 
babylonifchen Gefangenfchaft zuruckgekehrten Juden feindlidi 
gegenuber und wollten von ihrer Teilnahme an dem Wieder- 
aufbau des Tempels nichts wiffen. 4 ) Im funften Jahrhundert 
v. Chr. veranlafete der von den Juden feines Prieftertums 
^ntfe^te Manaffes, der fich mit einer Heidin, der Toditer des 
perfifchen Statthalters Sanaballat, verheiratet und zu diefem 
nadi Samaria begeben hatte, daJ5 der Tempel auf dem Gari- 
zim gebaut, der famaritanifche Kultus eingeriditet und von 
den alttejtamentlidien Biidiern nur der Pentateudi als majj- 
gebendes Budi angenommen wurde. 5 ) Sie hielten fidi fur 
edite Nadikommen der Patriardien und die Vertreter des 
fiditen Mofaismus. 

Aber der Haft zwifdien ihnen und den Juden wudis nodi Feindfdiaft 
im Laufe der Jahre. Zur Zeit Jefu gait das Wort Samariter" zwifdien Sa- 

1 ) Ant. 14, 3, 4. Am Fug des Berges lag Koreae. Vgl. F. M. "^ 
Abel, Exploration de la Vallee du Jordan. VIII. X. Rb. 1913, 218 ss., 
fiber Phasaelis und Archelais 234-238; fiber Alexandreion 227-234. 

2 ) Ant. 9, 14, 3. 11, 2, 1. 11, 4, 4. 13, 9, 1. 

3 ) 4) K6n. 17, 24. 
) 1 Esdr. 4, 3. 

5 ) Vgl. 2 Esdr. 13, 28 mit Ant. 11, 8, 2. 13, 3, 4. 13, 9, 1. Unter 
Antiochus Epiphanes ift ihr Tempel dem Zeus geweiht worden und zwar 
auf Befehl des KOnigs (2 Mace. 6, 2). Jofephus behauptet (Ant. 12, 5, 5), 
die Samaritaner batten, um fich den Bedrfickungen des Konigs zu ent- 
ziehen, felbft, als fie fahen, wie es den Juden ging, den Konig gebeten, 
ihren Tempel dem griediifdien Zeusweihen zu dfirfen, und vorgegeben, 
fle feien Sidonier. Jedenfalls wird weder im Neuen Teftament, nodi bei 
den Vatern den Samaritern der.Vorwurf des QO^endienftes gemadit. In 
<ier Z. d. m. G. 62. Bd. Leipz. 1908, S. 209-279 hat M. Qafter den von 
ihm entdeckten hebrSifdien Text des Buches Jofue in famaritanifdier Re- 
Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 4 



Juden. 



50 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

bei den Juden als Sdiimpf wort x ) und der Samariter felbft 
als ,,Fremdling". 2 ) Man nahm nicht einmal einen Trunk 
Waffers von ihnen an. 3 ) Sie hingegen verfchloffen den Juden 
erft recht ihre Haufer 4 ) und griffen gelegentlieh nadi Jeru- 
falem ziehende Karawanen galilaifcher Juden tatlich an. 5 ) Es 
kam vor, daft einige Samariter, nur um die Juden zu argern, 
nach Anbruch des Ofterfeftes Totengebeine in den Tempel 
zu Jeru[alem warfen, fo dafc die Feier unterbrochen werden 
mufcte, weil fonft das Volk unrein geworden ware. 6 ) 

Es ift aber auch zwifchen den Samaritanern und den 
Romern zu blutigen Zufammenftofeen gekommen, namentlich 
als Pilatus im Jahre 35 eine Zufammenrottung der Sama- 
riter, denen ein Betruger auf dem Garizim angeblich die 
dort von Mofes verborgenen Tempelgefafce zeigen wollte, 
mit Gewalt verhinderte. 7 ) Im judifchen Kriege befe^ten Sama- 
riter den Berg Garizim, wurden aber von einem Tribunen 
Vefpafians niedergemacht. 8 ) 

Die Sprache Die Spradie.der Samariter 9 ) war im wefentlichen die- 
der felbe femitifche Mundart, wie fie auch fonft in Palaftina nach 

Samariter. dem Exil gefpro^gn wur de. Wie man aber die Galilaer an 

der harten Ausfprache ihres Idioms erkannte, fo die Sama- 



zenpon befprochen und herausgegeben: Das Buch Jofua in hebraifch- 
famaritanifdier Rezenfion. Entdeckt und zum er[ten Male herausgegeben. 
Es handelt fich um eine Bearbeitung des Textes, der vielfach verkurzt,. 
aber auch wieder durch Einfchiebung von Gebeten und Gefangen erweitert 
ift. Kap. 1621 enthalten als Zufatj die Sage vom Kampfe Josuas mit 
Sebobach. Allein felbft alle in Europa vorhandenen Handfchriften des 
hebraifchen Pentateuchs der Samaritaner gehoren erft dem zweiten chrift- 
lichen Jahrtaufend an. Vgl. Der hebraifche Pentateuch der Samaritaner,. 
Hrsg. von Aug. Frhrn. v. Gall, 5 Teile, Giegen 19141918. I. Teil, Prole- 
gomena u. Genefis, Giefcen 1914. Vgl. auch Theol. Ltztg. 1915 Nr. 25/26 
Sp. 533-636. 

') Joh. 8, 48. 

2 ) Luc. 17, 18. 

3 ) Joh. 4, 9. - 
*) Luc. 9. 53. 

) Ant. 20, 6, 1 ff. B. J. 2, 12, 3 ff. Vgl. Tac. Ann. 12, 54. 

6 ) Ant. 18, 2, 2. '. 

7 ) S. u. Kap. 3, 2. 
) B. J. 3, 7, 32. 

'') Vgl. H. Petermann, Brevis linguae Samar. grammat. etc. Berol 1873. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 51 

riter an ihrem weidien, die fcharfen Kehllaute vermeidenden 
Dialekt. Die Spradie gehort aber, feitdem im fiebenten Jahr- 
hundert die Mohammedaner das Gebiet okkupierten und das 
Arabifdie einfflhrten, zu den toten. 

Heutzutage gibt es nur nodi etwa 200 Anhanger der 
alten Samaritanerfekte, welche in einem befonderen Quartier 
in Nabulus wohnen. 1 ) 

4. Judaa. 

Der Name Judaa, weldier bisweilen ganz Palaftina be- 
zeidinet, 2 ) ift der gewohnliche, aus der Schrift bekannte Aus- 
druck fiir die fiidlich von Samaria gelegene Landfchaft. Diefer 
Teil ift feiner Natur nadi der unfruchtbarfte und unfchonfte 
Teil Palaftinas, trocken und fteinig. Es ift ein fchmales Land, 
weldies fich von Samaria im Norden 3 ) bis zur petraifch- 
arabifchen Wiifte im Siiden und vom Jordan im Often bis 
zum Mittelmeer im Weften erftreckt. 

Die Mitte, gewiffermafjen das Riickgrat des Landes, bildet Der 
das einformige felfige Tafelland, weldies fidi von 2 3000f tenJudaas - 
Fufc u. M. erhebt und 46 Stunden breit und etwa 12 Stun- 
den lang ift. Gegen Often finkt das Land, von dem man an 
vielen Punkten, z. B. von Bethel, von Jerufalem, von Beth- 
lehem in die Tiefe des Jordantales und des Toten Meeres 
hinabfieht, rafch von feiner Hone bis zu einer Tiefe weit 
unter dem Meeresfpiegel. Ober diefe weg fieht man auf der 
andern Seite des Toten Meeres die faft ununterbrochene 
Linie des kahlen, hohen und abfchuffigen Gebirges Moab 
mit dem Nebo, von wo aus Mofes kurz vor feinem Tode 



') Vgl. z. B. den Artikel von Fell, Samaritaner im Kirchenlexikon- 
10, 1655 ff. Zu den dort Sp. 1666 f. erwShnten gefchichtlichen Biidiern 
ware hinzuzuffigen: Une nouvelle chronique samaritaine ed., avec une 
traduction francaise, par Elkan Nathan Adler et M. Seligsohn. Paris 1903. 
Vgl. dazu Clermont-Ganneau, Recueil 6, 85-107. Die Liturgie der 
Samaritaner in ihrem ganzen Umfang hat A. E. Cowley, The Samaritan 
Liturgy. 2 vols. Oxford 1909 bekannt gemadit. Vgl. daruber W. Bacher, 
Theol. Lz. 1910, 22, 680682. 

*) Luc. 23, 5. Apg. 10, 37. 26, 20. Jof. Ant. 1, 7, 2, auf den Munzen 
Vefpafians etc. Vgl. Reland p. 24. ff. 

3 ) Jofephus B. J. 3, 3, 5 erwahnt als ndrdliehen Qrenzort das Dorf 
Anuath mit dem Beinamen Borkeps, als {udlidien das Dorf Jardas. 



52 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefehichte der Juden etc. 

das Gelobte Land fchaute. Es ift, als ob man von einer Berg- 
fefte in eine furchtbare Tiefe und daruber weg gegen eine 
furchtbare Mauer fchaute. Von Jerufalem bis zum Jordan 
und dem Toten Meere geht man 4000 Fug hinunter und 
ebenfo hodi mufcte man wieder hinauf, um auf der andern 
Seite auf die Hodiebene von Moab zu kommen. 
Die Die felfige Abdadiung Judaas im Often zum Toten Meere 

wafte Jud a- bin ift eine wafferlofe, 5 8 Stunden breite, nur ab und zu von 
etwas niedrigem Bufchwerk und Dornftrauchern bewachfene 
fandige, ode Wufte. Audi das Hodiland felbft ift teils Wfifte, 
teils oft mit wenig Griin bewachfene Weide, fo daft das Land 
von vornherein zu einem Hirtenland beftimmt ift. Die Be- 
wohner Judaas hatten damals wie heute die Wufte und da- 
mit das Verderben fozufagen vor ihren Toren. Tatfachlich ift 
die Wiifte von Hebron, Bethlehem oder Jerufalem nur 2 Stun- 
den entfernt. 

Der letjte grime Or.t, den der von Jerufalem nordoft- 
lich nadi Jericho Reifende jieht und fah, war das nur 3 /4 Stun- 
den von Jerufalem gelegene Bethanien. Von da an zieht 
fich der faft ftets fallende Weg fiber fiinf Stunden lang zwi- 
fchen kahlen Kreidefelfen durch eine ganz wafferlofe, men- 
fchenleere Gegend hin. Damals war Jericho, welches in der 
Nahe einer ftarken, fur die Bewafferung der Fluren fehr 
dienlichen und auch auf einer grojjen BodenflSche dazu be- 
nutjten Quelle lag, noch die weltbertihmte Palmenftadt, 1 ) 
deren gottgefegneter Boden die feltenften und koftbarften 
Erzeugniffe der Natur hervorbrachte, namentlich auch Bal- 
fam. 2 ) Hier ftarb Herodes, und hier kehrte der Heiland, als 
die Stadt unmittelbar unter romifcher Verwaltung ftand, in 
das Haus des Zachaus 3 ) ein. 

Am Weftufer des Toten Meeres lag in einer Oafe der 
Wufte Engaddi (jetjt Ain Dfdiidi), ein nur von einigen Ara- 
bern bewohnter Ort, deffen Weinberge das hohe Lied preift 4 ), 
und 4*/2 Stunden fudlich hiervon die von dem Makkabaer 
Jonathan auf einem Felskegel 519 m fiber dem Toten Meere 



Jericho. 



Engaddi. 
Masada. 



>) S. oben S. 31. 

2 ) S. die begeifterte Schilderung von Jof. B? J. 4, 8, 23. Plin. 12, 25. 

8 ) Luc. 19, 2. 

*) 1, 13. Vgl. Plin. N. H. 5, 17 fiber die Palmenhaine von Engaddi. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 53 

gebaute Feftung Mafada (heute es-Sebbe), welche Herodes 
fpater noch mehr befeftigte und in der fich noch fpater die 
hierin geflohenen letjten Refte der Sicarier, als die Romer 
felbft dies Felfenneft eroberten, den Tod gaben. 1 ) 

Im Suden war JudSa von Asypten und Arabien durch Der Suden 
Edom oder Idumaa getrennt gewefen. Urfprunglich wohnten 
die Idumaer im Gebirge Seir, fiidlich vom Toten Meere bis 
zum Meerbufen von Akaba. Ihre Hauptftadt war Sela oder 
Petra, die fpatere Hauptftadt der Nabataer. Seit dem baby- 
lonifchen Exil hatten fich aber die Idumaer in dem entvolker- 
ten Lande Juda niedergelaffen und wohnten im fudlichen Teile 
JudSas. Unter ihnen war der Hellenismus fehr verbreitet. 2 ) 
Allein fie wurden im Jahre 125 v. Chr. von Johannes Hyr- 
kanus ganzlich unter worf en und zurBefchneidung gezwungen. 3 ) 
Seit der Zeit wurden fie von einem judifchen Prafekten, der 
in Gaza feinen Sitj hatte, regiert. Ffir die hier behandelte 
Zeit ift fomit zwifchen Idumaa und JudSa geographifch kein 
Unterfchied zu machen, wie auch politifch die Idumaer im judi- 
fchen Kriege auf feiten der Juden gegen die Romer fochten. 

Die . ffidlichfte Stadt des alten ifraelitifchen Gebietes fiber- Beerfeba. 
haupt ift das fdion in der Patriarchenzeit vielgenannte Beer- Hebron - 
seba (Chirbet Bir es-Seba), fo daft das Alte Teftament das 
heilige Land von Dan bis Beerseba" fich erftrecken lafct. 4 ) 
Die Stadt lag an dem Karawanenweg, der von Agypten nach 
Hebron fuhrte, der Stadt, wo fchon Abraham unter den Eichen 
des Amoriters Mamre fein Zeit auffchlug, 5 ) wo David fieben 
Jahre lang refidierte. 6 ) Im judifchen Kriege ift die Stadt von 
den Romern verbrannt worden und wurden ihre Einwohner 
getotet. 

') B. J. 7, 8, 3. 7, 9, 1. Vgl. Lagrange, Excurfion a Sebbe Rb. Ill 
(1894) 263-76. 

2 ) Beweis dafiir bieten u. a. die jfingft ausgegrabenen Grabanlagen 
mit Malereien und Infdirifien in dem idumSifchen Marisa, dem heutigen 
Tell Sandahanna bei Eleutheropolis oder Bet Dschibrin (vier Stunden 
nordweftlich von Hebron). Vgl Peters and Thierfdi, Painted Tombs in 
the Necropolis of Marissa. London 1905. Vgl. Sdiurer II, 4, 8. 

3 ) Ant. 13, 9, 1. B. J. 1, 2, 6. 

4 ) Richt. 20, 1. 1 K5n. 3, 20. 2 K6n. 3, 10 etc. Im Griechifchen 
wie in der Vulgata heifet die Stadt Berfabee. 

ft ) Gen. 13, 18. 14, 13. 23, 17. 19. 
6 ) 3 K6n. 2, 11. 



54 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

Nach Weften bildete das Mittellandifche Meer die natur- 
liche Grenze Judaas, wenngleich die Kuftenebene fehr oft 
den Juden nicht gehort hat. Die Weftgrenze von Judaa im 
engeren Sinne bildete der Saum des Hochlandes. Damals 
aber {tand auch die Kiifte und das ganze Unterland unter 
romifcher Herrfchaft. 

Die pho- Die phonizifchen Stadte Sidon und das etwa fieben Weg- 

mzifche Kufte. jtunden fudlicher gelegene Tyrus find nie in den Handen der 
Hebraer gewefen. Sie waren damals ,,ebenfo beriihmt und 
reich als fruher; weldie von beiden man die Hauptftadt 
Phoniziens nennen foil," fagt Strabo, *) ,,ift fchwer zu entfchei- 
den." Uberall waren nodi die Gla[er und Parfumerien von 
Sidon gefucht, 2 ) wahrend die Purpurfarbereien, Webereien 
und Metallarbeiten von Tyrus noch inrmer der Stadt grofjen 
Reichtum verfchafften. 3 ) Aber wenngleidi Jefus auch bis in 
das Gebiet von Tyrus und Sidon gekommen iff, 4 ) fo hat er 
doch nicht hiergepredigt,.ebenfowenig wie in dernur2 1 /sWeg:- 
[tunden vom Karmel entfernt liegenden alten heidnifchen Pho- 
nizierftadt Akko, Ptolemais oder Akka. 5 ) Wohl aber hat der 
heilige Paulus fowohl Tyrus wie Akka befucht, 6 ) ein Zeichen, 
dag das Chriftenium fruh dorthin gekommen ift. Haifa 
aber, welches im Siidwinkel der Bucht von Ptolemais an der 
Miindung des Kifon am Fuge des Karmel liegt und heut- 
zutage von Jahr zu Jahr an Hafenverkehr wie an kommer- 
zieller Bedeutung zunimmt, wird in jener Zeit iiberhaupt nie 
genannt. 

Sudlich vom Karmel bietet die fteile Kufte fiir einen 
grofeen, guten Hafen keinen Raum, zumal auch die parallel 

! ) 16, 2, 22. 

2 ) Strabo 16, 2, 25. 

3 ) Strabo 16, 2, 23. 

4 ) Marc. 7, 24. Vgl. auch Matth. 11, 21 f. Luc. 10, 13. 

s ) Hier ift der Makkabaer Jonathan verraterifdierweife von Tryphon 
gefangen genommen worden. 1 Mace. 12, 45 ff. Seitdem der Kaifer 
Klaudius im Jahre 54 in der Stadt eine Veteranenkolonie angefiedelt 
hatte, hieg fie Colonia Ptolemais. S. Plin. 5, 19, 75. Vgl. fiber die Na- 
men, Aren und autonomen Mfinzen der Stadt von 198 v. Ghr. bis 54 
n. Chr. Rouvier, Ptolemais-Ace. Rb. VIII (1899), p. 393-408. W. Ku- 
bitfchek, Zur Gefch. der Stadte des rOm. Kaiferreidies. Epigraph, numis- 
mat. Studien 1. Heft, Wien 1916, 80 ff. 

6 ) Apg. 21, 3 ft. 21, 7. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Juden. 55 

mit der Kiifte laufende Stromung Sand und Nilfchlamm zum 
Norden bringt, und dadureh die wenigen kleinen Flujgchen 
an d.er Mundung verftopft. 1 ) So ift es gekommen, daft die 
Ifraeliten nie wie die Phonizier zu Seefahrten fich hingezogen 
fuhlen konnten. 

Der einzige kleine ifraelitifche Hafen, der aber fur die Joppe. 
Einfahrt damals 2 ) geradefo wie heute viele Schwierigkeiten 
und Gefahren bot, war Joppe, das heutige Jafa. Diefen er- 
langten aber die Ifraeliten erft durch die Makkabaer, nament- 
lidi durdi Simon Makkabaus, der urn das Jahr 144 v. Chr. 
eine jiidifche Befatjung in die Stadt legte und Joppe befeftigte. 3 ) 
Allerdings hat fpater Pompejus die Stadt wieder den Juden 
abgenommen und fie zu einer freien erklart, 4 ) aber fchon 
Cafar gab ihnen die Stadt wieder. 5 ) Da auch Auguftus die 
Anfpruche der Juden anerkannte, 6 ) blieb fie nun feit Hero- 
des mit Judaa vereinigt und trug bis zum Feldzug des Vefpa- 
fian einen unvermifcht jiidifchen Charakter. 7 ) Geographifch 
der haturliehe Hafen von Jerufalem, mit dem fie auch heute 
durch die erfte in Palaftina gebaute Eifenbahn verbunden ift, 
war es fehr bezeichnend, dajj gerade hier, wo allein die 
Moglichkeit auf Verbreitung des chriftlichen Glaubens von Pa- 
laftina nach dem Weften fich bot, Petrus das Geficht von den 
reinen und unreinen Tieren, die er effen follte, hatte. 8 ) 

Etwa zehn Stunden weiter nordlich lag Stratons-Turm, Cafarea. 
welchen Ort mit Joppe, Gaza u. a. Herodes von Auguftus 
erhalten hatte. 9 ) Diefen Ort, der einen kleinen naturlichen 
Hafen hatte, Heft Herodes zu einer herrlichen Stadt ausbauen 
und grofcartige Hafendamme dort anlegen. 10 ) Zu Ehren des 



; ] ) Ant. 1.5, 9, 6, ; :. 

. 2 ) B. J. 3, 9, 3. 
3 ) 1 Mace. 12, 33 f. 13, 11. 14, 5. 
*) Ant. 14, 4, 4. B. J. 1, 7, 7. . . 

6 ) Ant. 14, 10, 6. 

) Ant. 15, 7, 3. B. J, 1, 20, 3. 

7 ) Sie kam an Ardielaus Ant. 17, 11, 4. B. J. 2, 6, 3. Ober die 
antirOmifche Haltung der BevGlkerung im Kriege \. B. J. 2, 18, 10. 
3 >9, 2-4. 

*) Apg. 10, 9 ff. . iv ..'...-. 

9 ) B. J. 1, 20, 3. ,;oL 

) Ant. 15, 9, 6. 16, 5, 1. B. J.-. 1-, 21, 5-8. 



10 



56 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefdiidite der Juden etc. 

Kaifers nannte er den Hafen Sebastos Limen, 1 ) die Stadt 
aber, die er audi mit einem weithin fichtbaren Tempel des 
Auguftus und der Roma fchmiickte, 2 ) Cafarea. Bald wurde 
die vorwiegend romifche und heidnifche Stadt 3 ) politifch die 
bedeutendfte Stadt Palaftinas. In ihr refidierten die romifchen 
Prokuratoren. 4 ) In ihr erfullte fidi durch die Aufnahme des 
Heiden Kornelius in die Kirdie die Vifion des heiligen Petrus, 
Hierhin kam Paulus von Ephefus her. Hier war er gefangen 
und von hier aus fuhr er naeh Rom. 

Nordlich von Cafarea fuhrt die fdimale Kuftenebene 

weftlidi vom Karmel bis nadi Haifa und weiter nach Pto- 

lemais und Tyrus. Sudlich aber erftreckt fich von Cajarea 

bis nach Joppe und dem fudoftlich davon gelegenen Lydda 

ein durchfdmittlidi drei bis vier Stunden breiter und frucht- 

barer Kuftenftrich, die Ebene Saron, welche ihrerfeits fudlich 

von Joppe ihre Fortfetjung in der nach Gaza fuhrenden 

Lydda und Ebene Sephela findet 5 ) Lydda, das alte Lod, der Grenzort 

die Phiiifter- der Juden nach dem PhiHfterlande hin, war in romifdier 

Jtadte - Zeit eine echt jOdifche Stadt. 6 ) Die alten Philifterftadte Gaza, 7 ) 



') Ant. 17, 5, 1. B. J. 1, 31. 3. 

2 ) Ant. 15, 9, 6. B. J. 1, 21, 7. 

3 ) B. J. 3, 9, 1. 

4 ) Audi Agrippa 1. refidierte hier. Tac. Hist. 2,78 nennt die Stadt 
als Repdenzftadt M Judaeae caput". Hier war audi die Hauptgarnifon der 
den Prokuratoren unterftehenden Truppen. B. J. 2, 12, 5 etc., vgl. audi 
Apg. 23, 23. 24, 27. 25. 1. 

5 ) Ober die Kfiftenftrafte von Sidon bis Gaza und weiter vgl. auch 
Thomfen, Palaftina nadi dem Onomaftikon des Eufebius ZDPV XXVI 
(1903, S. 97 ff., 145 ff.) 170-173. 

) Vgl. Ant 14, 11, 2. 10, 6. B. J. 1, 11, 2. 4, 8, 1. Die Stadt 
hieg fpater unter Septimius Severus Diospolis und wurde ganz heidriifdi 
gemadit. Vgl. Sdilatter, Zur Topographic und Gefchichte Palaftinas. 
Calw u. Stuttg. 1893, S. 29 43. 

7 ) Die heute etwa 40000 Einwohner zahlende Stadt (vgl. zur Ge- 
fdiidite der Stadt Stark, Gaza und die philiftaifdie Kflfte, Jena 1852 und 
Martin A. Meyer, History of the city of Gaza from the earliest times to 
the present day, New-York 1907), weldie fdion Gen. 10, 19 erwahnt ift 
und als Hauptfabrikationsort der nadi ihr n Gaze" genannten dQnnen, 
luftffihrenden Gewebeftoffe mittelbar auch unferm von n Gaze" abgeleite- 
ten OT Gas" den Namen gegeben hat (vgl. Waldeyer Feftrede K. A. d. W. 
Berlin 1897 p. 24), verdankt ihre Bedeutung ihrer Lage am Rande der 
agyptifdien WOfte. Acht Tage lang mufcte der Reifende von Agypten 



1. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Juden. 57 

Anthedon, 1 ) Askalon, 2 ) Azotus, 3 ) Ekron war eine judifche 
Stadt geworden 4 ) und Jamnia, das altteftamentliche Jabne, 
waren griechifche Stadte, die fdion feit Alexander d. Grofcen 
unter griediifchem Einflufc ftanden. Jamnia hatte einen gleich- Jamnia. 



nach Syrien durch den Sand, bis man zu dem erften grogeren Ort Gaza 
kam. n Oaza is the outpost of Africa, the door of Asia". Smith p. 184- 
Es gab eine befondere Ara von Gaza, die mit dem 28. Oktober 61 v. Chr. 
begann. Siehe daruber Clermont-Ganneau, Arch. Researches II, 400 ff. 
und Recueil VI (1903), p. Ill s. Vgl. auch Schurer II, 116, 89. - Gaza 
wurde von dem Makkabaer Alexander Jannaus erobert und zur Wufte 
gemacht. Ant. 13, 13, 3. B. J. 1, 4, 2. Nach Strabo 16, 2, 30 blieb fie 
Wufte (filvovaa s(ii}t*o<;.) Unter dem rOmifchen Feldherrn Gabinius wurde 
die Stadt wieder aufgebaut (Ant. 14, 5, 3), aber an einer andern Stelle 
(Hier. Onom. ed. Kloftermann, p. 63). Auguftus gab die Stadt dem 
Herodes (Ant. 15, 7, 3. B. J. 1, 20, 3), nach deffen Tode fie als ,,grie- 
chifche Stadt" (Ant. 17, 11, 4. B. J. 2, 6, 3) mit der Provinz Syrien 
vereinigt wurde. In der Apg. 8, 26 wird nidit gefagt, dag Gaza (Alt- 
Gaza) WQfte war, was an fich nidit unrichtig ware, fondern es wird 
vielmehr von dem Wuftenweg von Jerufalem nach Gaza geredet, vgl. 
Felten, Apoftelgefdiichte, Freib. 1892, S. 177. Von Gaza mug der Hafen- 
ort Gaza (rafaiwv iinijv Strabo 16, 2, 30) unterfchieden werden, der von 
Konftantin d. Gr. zur Stadt erhoben wurde (Bus Vita Const. IV, 38) 
und den u. a. auch Theodosius De situ, p. 138 unter dem Namen Ma- 
joma (Hafenort) erwahnt. Vgl. fiber Gaza und feine Umgebung auch 
G. Gatt, Das HI. Land, 1917, 4, 204-209. Es wird von G. Gatt Das 
HI. Land 58 Jahrg. 1914, 1, 49-51 (vgl. auch ebd. 61. Jahrg. 1917, 
S. 206 f) auf Grund eines anonymen geographifchen Fragments in 
Geographiae scriptores Graeci minores, ed. Hudson (Oxon. 1717) IV, 39: 

oc T 'Ptvoxopov^a ij via. JTce'Ca xeirat nokt? oioa, *ai avrij, ei&-' 17 ifp^oe 

afa, etza rj 'A<s*d).<av jzoitc; (vgl. auch SchOrer II, 114, 79) vermutet, es mflffe, 
da hier nachdrQcklich hervorgehoben werde, dag auch das neue Gaza eine 
Stadt war, das t^t*o? Fd^a. erft recht eine Stadt gewefsn fein. Somit 
bedeute der Zufa ep^o? hier weder wQfte noch verlaffen, fondern 
terrestris, auf xlem Lande gelegen, bezeichne alfo die Landftadt Gaza im 
Gegenfatj zur Seeftadt. Allein diefe Bedeutung von c'e^o? = terrestris 
ifl nidit nachgewiefen. Oberdies kannte, felbft wenn fie richtig ware, hier 
an den frQheren Zuftand des nun n wfiften u Alt-Gaza gedacht fein. 

1 ) Der von Jofephus oft erwahnte Ort lag zwifdien Gaza und As- 
kalon (Theodosius, De situ ed. Geyer, p. 138). Gatt (ZDPV VII 1884, 
p. 5-7; vgl. auch N6ldeke und Gildemeifter, ebd. 140 -142) identifiziert ihn 
mit einigen, etwa 25 Minuten nOrdlidi vom Hafen von Gaza gelegenen 
Ruinen, welche die Eingebornen Teda nennen. Dag der Ort am Meere 
lag, ergibt fich aus Jos. Ant. 13, 15, 4. 18, 6, 3. B. J. 1, 21, 8. 

2 ) Die Bedeutung der alien Philifterftadt druckt fchon die Klage 
Davids uber den Toe' Sauls aus: Madiet es nicht kund in Geth und ver- 



58 Er[ter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

namigen Hafen, 1 ) deffen Trummer eine Stunde nordweftlich 
vom heutigen Jebna liegen. 2 ) Zur Zeit Chrifti waren die 
Einwohner der Stadt, welche Herodes feiner Schwefter Sa- 
lome vermachte, 3 ) die ihrerfeiis fie wiederum der Kaiferin 
Livia fchenkte, 4 ) vorwiegend Juden. 5 ) Der Ort erhielt be- 

kiindigt es nicht in Askalons Strafcen, damit fich nicht freuen die Tochter 
der Philifter und nicht jubeln die Tochter der Unbefchnittenen (2 KOn. 1, 20). 
Die Stadt (nebenbei bemerkt die Heimat einer befonderen Art von Zwie- 
bel, der Schalotte, woruber fchon Plinius N. H. 19, 6 und-Strabo 16, 2, 29 
berichten, vgl. Reland, p. 439) lag wie das heutige Askalon am Meere, 
da auch Ptolemaus 5, 16, 2 von ihr als Kiiftenftadt fpricht. Allerdings 
wird im Jtin. An. Plac. p. 180 im 6. Jahrhundert Askalon von einem 
Hafenort Majuma Ascalonis unterfchieden. 1m Jahre 104 v. Chr. machte 
fich die Stadt von den Seleuciden unabhangig und datiert von dem 
Jahre eine eigene Zeitrechnung (vgl. Chron. paschale zu Olymp. 169, 1, 
d. h. zum Jahre 104 v. Chr. ed. Dindorf 1, 346; Schwartj in GGN. 1906, 
S. 342345; Schurer II, 121 f). Herodes [der in Askalon geboren war], 
lieg in der Stadt, obwohl fie nicht ihm gehorte, prachtige Bader und 
Brunnen bauen, B. J. 1, 21, 11. Philo, Leg. ad Cajum 30 (ed M. II, 
576) fpricht von der dauernden Feindfchaft Askalons gegen die Juden. 
Dag aber eine ziemlich ftarke Zahl Juden zur Zeit Vefpafians dort unter 
den Heiden wohnte, fieht man aus B. J. 2, 18, 5. Nach dem Tode des 
Herodes hatte Auguftus den Konigspalaft zu Askalon der Salome, Hero- 
des' Schwefter, gefchenkt. Jos. Ant. 17, 11, 5. B. J, 2, 6, 3. Vgl. fiber 
die Lage der Stadt Askalon den archaolog. Jahresberieht von H. Thierfch 
ZDPV, 37, 1914, S. 67-73 und dazu Tafel XXXIII, 4-10 (Mtinzen). 

3 ) Azotus Oder Asdod (jetjt Esdud mit 4-5000 Einwohnern), halb- 
wegs an der Strage von Gaza nach Joppe gelegen, hatte am Meere 
(1 Stunde weftlich) einen Hafenort (auch auf der Mofaikkarte von Madaba 
wird " A^wroq naydLas und 'Aa3<[3 q vvv "Ao>Tos] unterfchieden. Vgl. die 
Ausgabe von Schulten, Abhandlungen der Gott Gef. d. W. N. F. Bd. IV, 
Nr. 2, 1900, S. 20, 21. Schurer II, 125, 127). Von den Makkabaern wurde 
fie zerftort (1 Mace. 10, 84. 11, 4)j von Gabinius aber neu aufgebaut 
(Ant. 14, 5, 3. B. J. 1, 8, 4). Nach dem Tode des Herodes erhielt feine 
Schwefter Salome die Herrfchaft fiber Azotus. Ant. 17, 8, 1. 11, 5. B, J. 
2, 6, 3. Philippus hat. hier gepredigt. Apg. 8, 40. 

') Ekron, welches mit dem weftlich von der Eifenbahn, die.von Jafa 
nach Jerufalem fuhrt, gelegenen Akir identifiziert wird, war von den Sy- 
rern den Makkabaern ubergeben worden (1 Mace. 10, 89) und war im 
erften Jahrhundert eine gut judifche Stadt. 

J ) Vgl. Plin. N. H. 5, 13, 68: Jamheae duae, : .altera.intus. 
. 2 ) Badeker, S. 145. . :, . : 

3 ) Ant. 17, 8, 1. 11, 5. B. J. 2, 6, 3.. 

... .. *) Ant.. 18, 2, 2. B. J. 2, 9, 1. 

.. , 5 ) Philo, Leg. ad Caj. 30, 



1. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 59 



fondere Bedeutung nach der Zerftorung Jerufalems als 
einer bluhenden rabbinifchen Sdiule. 1 ) Jamnia liegt anmutig 
im Sorektal (Wadi es-Sarar), durch welche heutzutage die 
Eifenbahn von Jafa nadi Jerufalem fiihrt. Oftlich von der 
Eifenbahn liegt die ausgedehnte Ruinenftatte Tell Dschezer, 
auf der Stelle der im Alten Teftamente haufig genannten 
Stadt Gezer, Gazer oder Gazara, welche die Konigsftadt der 
Kanaaniter vor der Ankunft der Ifraeliten war 52 ) und auch 
noch in der Makkabaerzeit als wichtige Fe[tung eine Rolle 
gefpielt hat. 3 ) Gezer liegt gerade 6 km nordojtlich von 
dem altteftamentlichen, in den Makkabaerbiichern oft er- 
wahnten Orte Emmaus, 4 ) dem heutigen Amwas, welcher Ort 
oft mit dem neuteftamentlichen Emmaus identifiziert wird. 5 ) 

') S. u. 8. Kap. 

*) Jos. 10, 33. 12, 12. 

3 ) 1 Mace. 4, 15. 7, 45. 9, 52. 13, 54. 14, 7. 15, 28. 16, 1. 2 Mace. 
10, 32 In Ant. 12, 7, 4. 14, 5, 4. B. J. 1, 8, .5 heigt der Ort Gadara. 
Vgl. auch Strabo 16, 2, 29 u. 45. Ober die Ruinenftatte vgl. Clermont- 
Ganneau, Arch. Researches II, 1896, p. 224275 und im Recueil III, 
116126 u. 264268. Vgl. auch R. A. Macalister, The excavation of 
Gazer 1902-5 und 19079. 3 vols. Ld. 1912. 

') 1 Mace. 3, 40. 57. 4, 3-25. 9, 50 f. Vgl. Jos. Ant. 13, 1, 3. 
Der Ort wurde mit andern von Caffius 44 v. Chr. feiner Selbftandigkeit 
beraubt (Ant. 14, 11, 2 B. J. 1, 11, 2), war aber fpater Si<3 einer Toparchie 
(B. J. 3, 3, 5). Vefpafian hat im jiidifchen Kriege dort ein feftes Lager 
errichtet (B. J. 4, 8, 1). Deshalb wurde Emmaus zur Erinnerung an die 
Siege der Romer von diefen, als fie um 220 die Stadt wieder aufbauteri, 
auf Betreiben des Julius Africanus Nicopolis genannt, vgl. Euseb. Chren. 
ed Schoene 11, 178 sq. Nach dem Pilger von Bordeaux p. 25 lag Jeru- 
falem von Nicopolis 22 r&mifche Meilen, d. h. 176 Stadien oder 31 km 
entfernt. 

5 ) Dies gefchieht auf Grund einer fchon durch den Cod. Sinaiticus 
bezeugten Lesart in Luc. 24, 13, wonach die Entfernung ^mdiov? ixartlv 
igtjxuvra" 160 Stadien betragen habe, wahrend allerdings die alexandri- 
nifche und vatikanifche Handfchrift mit vielen andern, wie auch die Vul- 
gata nur ,,60 Stadien" angeben. Auch Euseb. Onom. p. 90 und Hier. 
Onom. p. 91, ep. 108, 8 u. 6. fehen Nicopolis fur das neuteftamentliche 
Emmaus an; ebenfo Sozomenus H. E. 5. 21 und Theodofius, De situ 
p. 139: Emmau, quae nunc Nicopolis dicitur ... in qua Emmau sanctus 
Cleopas cognovit Domnum in confractione panis. Vgl. befonders M. 
Schiffers, Amwas, das Emmaus des hi. Lukas. Freib. 1890 und ebd. im 
Katholik 1893 I. 337 ff., 398 ff. und ebd. Rb. II. (1893) 2640. S. auch 
Heidet, Das HI. Land, Jahrg. 55, 1911, S. 211-216. Jos. B. J. 7, 6, 6 
erwahnt ein 30 (vgl. Niefe auf Grund von 6 Handfchriften ; nur eine 



Gezer, 
Gazara. 



Emmaus. 



60 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchidite der Juden etc. 

Zu den Orten Judaas, wekhe durch grofeere Fruditbar- 
keit ausgezeidmet find, gehort Bethlehem. Schon der hebr. 

Bethlehem. Name Bethlehem = Brotort, ubrigens audi ein prophetifcher 
Name des Ortes, an weldiem ,,das Brot des Lebens" vom 
Himmel herabftieg, weift auf die Fruditbarkeit hin. Audi 
heutzutage wadifen in der Umgebung des freundlidien, jetjt 
etwa 12000 meift diriftlidie Einwohner zahlenden Ortes 
Oliven, Granaten, Mandeln, Feigen und Trauben. Die grofete 
Merkwiirdigkeit des Ortes ift die aus konftantinifdier Zeit 
[tammende fiinffchiffige ehrwurdige Marienkirche mit der 
Kapelle der Geburt Jefu. Nocii fruditbarer als das 8 km 
von Jerusalem entfernt liegende Bethlehem ift der heutzutage 
von den lateinifchen und griediifchen Pilgern viel befudite 
lieblidie Ort St. Johann im Gebirge (Ain Karim), wo fidi 
eine Niederlaffung der von P. Ratisbonne geftifteten Kongre- 
gation Unferer Lieben Frau von Sion befindet. 

Der oiberg Hier find wir nur nodi. 6 1 /* km von Jerufalem entfernt. 
Auf der Hohe des Weges ift der Olberg fiditbar, ein oftlich 
von Jerufalem gelegener Bergzug, weldier durdi zwei fladie 
Einfattlungen in drei von Nord nadi Sfld nur wenig abneh- 
mende Kuppen geteilt ift. Gewohnlidi verfteht man aber 
unter dem Olberg nur die 812 m 20 ii. M. hohe mittlere 
Kuppe, weldie fidi 60 m fiber den Tempelberg erhebt. Von 
hier, wo der Heiland oft weilte, 1 ) fieht man auf die Stadt 



hat tifxovra) Stadien von Jerufalem entfernt liegendes Ammaus 
o Ko/UtTdt pev 'Aftftaovs, welches 800 Veteranen Vefpafians *? 
gegeben worden fei). Diefes Ammaus ift vielleicht mit dem nordweftlidi 
von Jerufalem an der Strafte nadi Jafa gelegenen Dorfe Kalonije identifdi. 
In letjterem wollen Sepp u. a. das neuteftamentliche Emmaus finden 
(vgl. Sepp, Jerufalem 2 I, 54-73, Buhl 166 f. und 186; SdiQrer I, 640, 
142 etc.). 1m Mittelalter hat man das heutige mohammedanifdie Dorf 
el-Kubebe als Emmaus angefehen, welches allerdings, was die Entfernung 
angeht (64 Stadien, d. h. etwa 3 Stunden nordweftlidi von Jerufalem), 
zu dem Texte des Lukas paffen wurde. Fur el-Kubebe find auch u. a, 
Holzammer, Art. Emmaus im Kirchenlexikon 4, 446, P. Barnabe, Deux 
questions d'arch^ologie Palestinienne: I. L'glise d'Amw^s, 1'Emmaus- 
Nicopolis. II. L'Eglise de Qoufoeibehj 1'Emmaus de S. Luc. Jerufalem 
1902 und B. Bazzochini, L'Emmaus di S. Luca Roma 1906; vgl. auch 
Belfer, Die Gefdiichte des Leidens und Sterbens, der Auferftehung und 
Himmelfahrt des Herrn. 2. Aufl. Freib. 1913, S. 498 u. 507 f. 

') Vgl. Matth. 24, 3. Marc. 13, 3 u. 6. . 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 61 

Jerufalem und hat einen weiten Blick gegen Often auf das 
Tote Meer und das Jordantal, im Norden auf den Ebal und 
Garizim, im Suden auf die Hohen von Bethlehem. Durdi 
die Einfattlung fiidlidi vom eigentlidien Olberg und nordlich 
von der Berg des Argerniffes genannten Kuppe fuhrte die 
Jerufalem mit Jericho verbindende Romerftrafce und fomit 
auch der Weg zur Zeit Chrifti nach dem 3 U Stunden von 
Jerufalem entfernten, auf einem Hugel am oftlichen Abhang 
des Olbergs gelegenen Flecken Bethanien (je^t ein arm- 
feliges Dorf el-'Azarije, deffen Name wohl urfpriinglich mit 
el-Azar, der arabifchen Form fur Lazarus zufammenhangt), 
wo Lazarus mit feinen Schweftern Martha und Maria wohnte. 
Etwas oftlich hiervon lag die jetjt ganz verfchwundene Ort- 
fchaft Bethphage. 1 ) 

Am Fufce des Olberges im Zedrontal, im Often von 
Jerufalem, tag der Gai ten Gethfemani (= Ikelter), wo der 
Herr in der Todesangft blutigen Schweifj vergojj und ge- 
fangen wurde. a ) 

) S. Luc. 19, 29. Matth. 21, 1. Die Worte Matth. 26, 32. Mark. 
14, 28 ,,ich werde euch vorausgehen nach Galilaa" werden bisweilen auf 
einen angeblidi bei Jerufalem liegenden Ort bezogen. So verjteht Refch, 
Das Galilaa bei Jerufalem. Eine biblifche Studie. Lp. 1910, darunter 
die Oftlich von Jerufalem gelegene Gegend mit dem Olberg und mit dem 
an feinem Oftabhang gelegenen Bethanien; Gebhard Kreffer M Praecedam 
vos in Galilaeam" in den Berichten der Palaftinapilger. Tub. Q. Schr. 
1911, S. 505524 eine Bergfpitje fiber dem Tale Jofaphat rechts vom 
Olberg. Wir haben aber keinen Beweis fur diefe Benennung. In Jof. 
18, 17 wird von Geliloth = Hugeln geredet, die nach Jof. 15, 7 Galgala 
heifjen. Ezech. 47, 8 wird nur von den Waffern gefprodien, weldie von 
Jerufalem nach Often ftromen. Die Sept. uberfe^t die Stelle zwar S TO 

V&MQ' TOVTOTQ ixno(jev6fifvov el<; Ttjv rnktkaiav rrjv TTQns ctraroAa?," gemeint 

ft aber iiberhaupt die Gegend im Often. Eufebius und Hieronymus u. a. 
wiffen von diefem angeblichen Galilaa nichts. Tertull. Apol. c. 21 (cum 
discipulis autem quibusdam apud Galilaeam, Judaeae regionem, ad 
quadraginta dies egit docens eos quae docerent) gebraucht Judaea im 
weiteren Sinne, fo dag Galilaa hier die nOrdliche Landfchaft des Landes 
Judaea ift. Die orthodoxen Griechen befi^en auf der nordlichen Kuppe 
des Olbergs ein Anwefen , welches fie Galilaa nenneri. Der Berg heiftt 
der Berg von Galilaa feit dem 16. Jahrh. und Viri Galilaei feit dem 
14. Jahrh. Vgl. den Pilgerfuhrer von B. Meiftermann w Durch's Heil 
Land" bearbeitet von Bug. Huber, Trier, 1913, S. 227. 

Matth. 26, 36. Marc. 14, 32. Luc. 22, 39 ff. Joh. 18, 1 ff. Zu 
den biblifdien Angaben pafjt die heute als Gethfemanigarten verehrte, 



62 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Lage Auf einem von Nordwefien nach Siidoften gefenkten 

jerufaiems. kahlen, zungenformigen Vorfprung des Gebirges oftlich von 

der Waflerfcheide *) zwifchen dem Jordan und dem Mittel- 

landifchen Meere liegt die Stadt Jerufalem, 2 ) weldie fchon 

fehr ftimmungsvolle ftille Statte, 5 Minuten von der Stadtmauer, der 
Nordoftecke des Tempelplatjes gegenuber. Im Garten ftehen noch 8 ur- 
alte, geborftene und faft auseinander fallende Olbaume. Vgl. B. Meifter- 
mann, Gethsemani. Notices historiques et descriptives. Paris 1920. 
-J- H. Vincent et F. M. Abel, Jerufalem, T. II. L. 3. p. 301-327, und 
328337. 

') Vgl. G. A. Smith, Jerufalem 1, 10: ,,Nor is Jerusalem perched 
upon the watershed itself, but lies upon the first narrow plateau to the 
east of this." 

*) Vgl. Kiimmel, Materialien zur Topographic des alten Jerufalem. 
Halle 1906; ebd. Karte der Materialien etc. Halle 1904. George Adam 
Smith, Jerufalem: The topography, economics and history from the 
earliest times to A. D. 70. With maps and illustrations, 2 vols. London 
1907. 1908, der auch I, 250265 fiber den Namen Jerufalem und feine 
Gefchichte ausfuhrlich handelt. Die augerft grojge Literatur fiber die 
Topographic Jerufaiems wachft fortwahrend. Es wird fiber die einfchla- 
gigen Erfcheinungen berichtet, z. B. in der Zeitfchrift des deutfchen Pa- 
laftina-Vereins feit 1878, der Zeitfchrift n Das Heilige Land", Koln 1857 ff., 
der Revue biblique internal, feit 1892. Vgl. noch u. a. Guerin, Jerufalem 
1889; Lagrange, Topographic de Jerufalem (Rb. I, 17-38); Ruckert, Die 
Lage des Berges Sion, Freib. 1898. Gatt, Die Hugel von Jerufalem. 
Neue Erklarung der Befchreibung Jerufaiems bei Jofephus, Bell. Jud. 5, 
4, 1 u. 2. Freib. 1897; ebd. Sion und Jerufalem, wie es war und wo 
es lag, Brixen 1901. G. Mommert, Topographic des alten Jerufalem, 
3 Teile, L. 1902 ff.: vgl. auch deffen Werke: Die hi. Grabeskirche zu 
Jerufalem, 1898; die Dormitio und das deutfche Grundftuck auf dem 
traditionellen Zion, 1900; Golgotha und das heilige Grab, 1900; Das 
Pratorium des Pilatus, 1903; Der Mauerbau des Nehemias, die Akra 
der Syrer, die Baris Antonia, der Konigspalaft Herodes d. Gr., die 
Agrippamauer und Jerufaiems alte Graber, 1907. Unter den vielen 
Werken des in Jerufalem lebenden Franziskanerpaters Barnabe d'Alsace 
(Meiftermann), der die traditionellen Anfchauungen feines Ordens fiber 
die heiligen Orte in Palaftina vertritt, vgl. La ville de David. Paris 1905. 
Die jetjige Stadt ift gut befchrieben von Socin-Benziger in dem Reife- 
Handbuch von K. Badeker, Palaftina und Syrien 7 , L. 1910. - Von dem 
grojgen reich illuftrierten Werke Jerufalem, Recherches de topographic, 
d'archeologie et d'histoire behandelt Tome 1. Jerusalem antique par le 
P. Hugues Vincent, Tome 2. Jerusalem nouvelle, par les P. P. Hugues 
Vincent et F. M. Abel find erfchienen von Band 1 Fascicule I: Topo- 
graphic Paris 1912, von Band II, Fasc. I et II. Paris 1914. Sie behandeln 
Aelia Capitolina, Le saint sepulcre und Les sanctuaires du mont 
des Oliviers. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 63 

im Alten Teftament den Beinamen die ,,heilige Siadt" hat 1 ) und 
audi heute nodi bei den Arabern El-Kuds, die Heilige, heifcL 

Die Steinzunge, welche die Stadt tragt, hangt nur im 
Nordweften mit der Hochflache von Judaa zufammen und ift 
im Often, Stiden und Weften von tiefen Talern umgeben, aus 
denen fich wieder hohere Berge erheben. Daher kann die 
Stadt nicht fehr weit gefehen werden. Die Taler find im 
Often das Tal des Zedron Oder das Tal Jofaphat, im Weften 
das fich fpater rechtwinklig nach Suden ziehende, im Siiden 
Hinnom oder Gehenna genannte Tal. Dort, wo fich das 
Zedrontal mit Gehenna im Siidoften von Jerufalem vereinigt, 
liegt eine tief eingefchnittene Schlucht (jetjt Wadi en-Nar), 
durch welche der Zedron zum Toten Meere abflofc. Im 
Norden der Stadt liegt der Scopus, 2 ) wo bei der Belagerung 
der Stadt Titus fein Lager auffchlug, im Often der Olberg r 
deffen fudliche Kuppe der Berg des Argerniffes hergt, 3 ) im 
Siiden des Hinnomtales der Berg des bofen Rates, der fo 
heigt, weil dort Kaiphas ein Landhaus befeffen und mit den 
Juden beraten haben foil, wie man Jefus toten konne. 

Die Stadt Jerufalem lag auf zwei einander gegenuber liegenden 
Hugeln, die durch das fudlich bis zur Quelle Siloe gehende Tal Tyro- 
poion getrennt waren. In diefes mfindeten von beiden Seiten die Haufer 
ein. 4 ) Der eine Hugel, welcher die Ober[tadt trug, war viel hoher als 
derandere 5 ) und in Bezug auf die Lange grader. Wegen feiner Feftig- 
keit wurde er von dem Konige David . . . Burg genannt. Zur Zeit des 
Jofephus, dem wir diefe Befchreibung entnehmen, hieg er Obermarkt. 
,,Der andere Hugel, welcher Akra hie und die unlere Stadt trug, war 
von beiden Seiten gekrOmmt." 6 ) 



J ) Nehem. 11, 18. 

! ) Warte, Ausblick, weil man von dort Jerufalem und den Tempel 
fchaut. S. B. J. 2, 19, 4. 5, 2, 3. 

3 ) Nach 3 Kon. 11, 7; 4 K6n. 23, 13. 

*) B. J. 5, 4, 1. GewOhnlich tiberfetjt man j TMV TVQOTIOIMV mit 
n Kafemachertal." J. BGhmer, Studien zur Geographic Palaftinas, befon- 
ders im Neuen Teftament (ZNTW, 1908, 216-229) S. 223 ff. meint 
TvQonottav fei nur Grazifierung eines femitifchen Aquivalents NSiTO und 
bedeute Giegbach, was wohl moglich ware. 

5 ) Der fiidweftliche Hugel ift 777 m hoch, der Tempelberg 744, der 
Hugel n. davon 770 m; die Hohe bei der nw. Ecke der heutigen Stadt- 
mauer 789 m u. M. Badeker, Palaftina und Syrien J. 1900, S. 32. 

') B. J. 1. c. 



64 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Der die Oberftadt tragende Hiigel war nach allgemeiner Auffaffung 
der fudweftliche; 1 ) der andere mit der Unterftadt, der Tempelberg. An 
und auf dem fudlichen Teile desfelben lag die Unterftadt. Denn Jofephus 
berichtet. dag nach der Verbrennung des Tempels vor der Eroberung'der 
Oberftadt, Titus die Stadt in Brand zu ftecken befohlen habe. Es feien 
das Archiv, Akra, das Rathaus und (der Bezirk) Ophla in Afche gelegt 
worden. Das Feuer habe fieri bis zum Palafte der Helena, der mitten 
in (dem Stadtteil) Akra {land, verbreitet. 4i ) Ophel lag aber fudlich vom 
Tempel. 3 ) 

Jofephus fpricht noch von einem dritten Hugel, welcher dem Akra 
genannten gegeniiberlag, aber von Natur niedriger als Akra und von 
ihm durch ein breites Tal getrennt war. ,,In fpaterer Zeit aber," fagt er, 
,,als die Hasmonaer regierten, fchutteten diefe, um die Stadt mit dem 
Tempel zu verbinden, das Tal zu. Augerdem trugen fie die Hohe von 
Akra ab und machten ihn niedriger, damit der Tempel auch ihn uber- 
rage." 4 ) Er felbft gibt uns an anderer Stelle eine Erklarung. Antiochus 
Epiphanes hatte ,,die Stadt Davids", weldie David den Jebufitern entriffen 
und zu feiner Refidenz gemacht hatte, 5 ) erobert, befeftigt und zu einer 
fyrifchen Burg gemacht. 6 ) Als es dem Makkabaerfurften Simon im J. 
142 v. Chr. gelang, fie zu erobern, hatte er diefe Zwingburg dem Erd- 
boden gleich gemacht. Auch lieg er den Hugel, auf dem die Burg 
geftanden hatte, ablragen, eine Arbeit, welche 3 Jahre in Anfpruch nahm. 7 ) 

Wo lag denn diefe urfprungliche Jebufiterburg oder ,,die Stadt 
Davids."? Sie lag fudlich vom Tempel auf dem Oftlichen Hugel Jerufalems. 

Der alte Name der Stadt wahrend der Herrjchaft der Jebufiter war 
Sion, bezw. Berg Sion. Denn wir lefen in. der Schrift: David nahm die 
Burg Sion, das ift die Stadt Davids ein" und wohnte dafelbft (2 K6n. 
5, 79. 1 Par. 11, 57). Unter Salomon brachten die Haupter des 
Volkes die Bundeslade ,,aus der Stadt Davids, das ift von Sion" in den 
Tempel (3 Kon. 8, i. 2 Paral. 5, 2). Fur die Zeit des KOnigs Ezediias 
bezeugt die Chronik, dafj er, um die Belagerer des Waffers zu berauben, 
die obere Quelle der Waffer von Gihon verfchlofj und die Waffer an die 
Weftfeite der Davidftadt hinunterleitete (2 Paral. 32, 2. 30. 4 K6n. 
20, 20.) Gemeint ift der Siloakanal, der das Waffer unterirdifch in den 
innerhalb der alten Stadtmauern gelegenen Siloateich 8 ) fuhrt. Somit 
lag die Stadt Davids auf dem Ofthugel oberhalb des Gihon, der, wie 



') Der nOrdlidie Teil des nw. Hugels ift der Kalvarienberg, wo fich 
der Riditpla^ Golgotha oder die Schadelftatte befand. S. S. 68, 1. 
2 ) B. J. 6, 6. 3. 

3 ) Nehem. 3, 26 f. 11, 21. Vgl. 2 Paralip. 27, 3. Vgl. S. 66, 2. 
*) B. J. 5, 4, 1. 

5 ) 2 Kon. 5, 7. 9 u. 1 Par. 11, 5. 7. 

6 ) 1 Mace. 1, 35. 2, 31. 7, 32. 14, 36. Nach Ant. 12, 9, 3 lag fie 
neben dem Heiligtum auf dem Tempelberg. 

7 ) Ant. 13, 6, 7. 

8 ) Vgl. Jon. 9, 1-39. . 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 65 

durdi Ausgrabungen bewiefen ift, mit der Marienquelle identifch ift 
(vgl. zu S. 66, 3). Nach dem Exil fpricht Nehemias (3, 15 f. 12, 37) von 
den Stufen, die von der Davidftadt zum Teiche Siloe herabfuhren, und 
erwahnt in diefem Zufammenhang das Haus und das Grab Davids zwifchen 
dem Tempel und dem Siloe (vgl. Wilfon, Art. Zion in Hastings Diet. 
4, 983). Kommen wir endlich zu der Makkabaerzeit, fo finden wir, dag 
auch nadi dem erften Makkabaerbuch die Stadt Davids auf dem Tempelberg 
lag. S. vor. Seite. 

Damit ift auch die urfpriingliche Lage von Sion, infofern als Sion 
gleichbedeutend mit Stadt Davids ift, bewiefen. Sion lag auf dem fud- 
flftlichen Hugel. Ob fehon zur Zeit der Jebufiter der Tempelberg flberhaupt 
Sion hieg, wiffen wir nicht. Jedenfalls ift der Name oft dem Tempelberge 
gegeben worden, z. B. im erften Makkabaerbuch ift ,,Berg Sion" ftets 
der Tempelberg im Unterfchied von der Stadt Davids und dem ubrigen 
Jerufalem (vgl. 4, 37. 60. 5, 54. 6, 48. 62. 7, 33. 10, 11. 14, 27. Vgl. auch 
Esdras 8, 81. Eccli. 24, 15). Aber auch fonft finden fich im A. T. viele 
Stellen, welche Sion und Tempelberg als topographifch identifch anfehen, 
fo z. B. wenn der Sion der heilige Berg (Pf. 2, 6) als die Wohnung 
Gottes (Pf. 9, 12. Isai 8, 18. Jer. 8, 19 u. a.), wo Gott fich offenbart 
(Pf. 13, 7. 52, 7 u. 6. Amos 1, 2), wo er verehrt werden mug (Pf. 64, 2. 
Jer. 31, 6. Joel 2, 1. 15), genannt wird; Ausdriicke, die es erklaren, dag 
der Sion im N. T. als ein Typus des Himmels angefehen wird (Geh. 
Off. 14, 1. vgl. Hebr. 12, 18). Allein der Ausdruck Sion und Tochter 
Sions findet fich auch fur die ganze Stadt Jerufalem und ihre Be- 
vOlkerung (z. B. Pf. 125, 1. 145, 10; Isai 51, 3, 11. 53, 7 f. Jerem. 
4, 6. 8, 19 etc. Threni 1, 17: Sion ftreckt ihre Hande, aber niemand 
trOftet fie). 

Jofephus erwahnt den Namen Sion nicht; allein er hat die Stadt 
Davids auf den fudweftlichen Hugel der Stadt verlegt (B. J. 5, 4, 1. S. 
oben). Er hat fich durch die offenbare Feftigkeit des fudweftlichen Hti- 
gels zu diefem Irrtum verleiten laffen. Wie durch ihn, fo ift uberhaupt 
feit dem 4. Jahrhundert n. Chr. der Sion mit dem fudweftlichen Hugel 
der Stadt identifiziert worden. 

Die Frage, ob Sion der Ost- oder der Wefthiigel gewefen ift, darf 
heutzutage als zu Gunften des erfteren entfchieden angefehen werden. 1 ) 
Denn Nachgrabungen, welche in den Jahren 1909 1911 am Ophel vor- 

J ) Aus der Literatur feien als Vertreter der traditionellen Anficht 
erwahnt Ruckert 1. c., Gatt 1. c. ,,zur Topographic Jerufalems" ZDPV 
1902, S. 178-194 und in M Das Heil. Land", 1903, S. 126-133; Mommert, 
Topographic I (1903); fur die neuere Anficht Cafpari, Chronologifch 
geographifche Einleitung in das Leben Jefu. Hamburg 1869, S. 232 ff. 
Schegg, Bibl. Archaologie, Freib. 1887, S. 46 f. Schurer I (1901) S. 198 f.; 
befonders Lagrange, Topographic, Rb. (1892) I, 17-38. Smith, Jerufalem 
1, 134-180. H. Hansler, Streiflichter in die Topographic des alten 
Jerufalem in ,,Das Heil. Land" 1913, 202-210; 1914, l-f3. 99106. 
130-142; 1916, 25-42. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefchichte. I. 2. u. 3. Aufl. 5 



66 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

genommen wurden, haben den Nadiweis jebufitifcher Befeftigungen und 
kanaanitifcher Graber auf dem Sudofthiigel erbracht, wahrend auf dem 
Wefthiigel derartige Funde nicht gemadit wurden. Vgl. H. Vincent in 
Rb. 1911, 566 ss. 1912, 82 ss. 424 ss. 544 ss. und kiirzer auf Grund des 
Berichtes v. H. Vincent, E. Baumann, Die Ophelfunde von 190911 
ZDPV, 36, 1913, 127. Dafur auch u. a. Dalman, Zion, die Burg Jeru- 
falems. Palaftina-Jahrbuch B. 1915, 39-84. Vgl. noeh H. Vincent, La 
cite de David d'apres les fouilles de 191314. Rb. 1921, 3, 400-433. 
Vincent, Jerusalem 1, 142 ss. 

Fur die Chriften bleibt der ffldweftliche Sion, wenn er auch nicht die 
Davidsftadt trug, ein geheiligter Berg. Denn dort lag der Abend- 
mahlsfaal, dort ift der heil. Geift auf die Jiinger herabgekommen. 

Nordlich vom Tempelberg lag Beze.tha 1 ) (d. h. Oliven- 
hain), der von Natur am leichteften einzunehmende Teil der 
Stadt. Den [udlichen Teil des oftlichen Hiigels oder des 
Tempelberges bildete der felfige Platj-) Ophel. 
Waffer- Fur die Wafferbediirfniffe der Stadt war teils durdi 

reichtum. kunftliche Sammelftellen der grofcen, in den Talern fidi 
fammelnden Regenwafjermajfen, teils durch kunftliche Waffer- 
leitungen geforgt. 3 ) 

Die Mauern Die Stadt war an vielen Punkten fchon durch die fteil 

der Stadt. abfallenden Abhange gefchutjt, aber auch an den iibrigen 

Stellen durch Mauern gedeckt, deren es zur Zeit des Jofe- 

*) B. J. 5, 4, 2, wonach diefer Stadtteil auch Kainopolis-Neuftadt 
(vgl. B. J. 2, 19, 4) hiefc. 

a ) Ophla oder Ophel (hebr. ErhOhung, Hugel) ift nach dem Sprach- 
gebrauch des Jofephus kein vom Tempelberg unterfchiedener Hugel, 
fondern nur ein Pla (B. J. 2, 17, 9. 5, 4, 2. 5, 6, 1. 6, 6, 3). Vgl. iiber 
Ophel Vincent, Jerusalem 1, 187 ss. 

3 ) Vgl. fchon Eccl. 2, 6 und Eccli. 48, 19. S. G. Schick, Die Waffer- 
verforgung der Stadt Jerufalem ZDPV 1878, S. 132-176 und Smith, 
Jerusalem I, 75133. Aus welcher Zeit zwei Wafferleitungen , welche 
das Waffer von . den fogen. Teichen Salomos bei Bethlehem nach Jeru- 
falem brachten und die Zufiihrungen zu diefen Wafferleitungen ftammen, 
ift nicht ficher. Die Infchriften auf einem dem Salomo, dem Pontius 
Pilatus, oder dem Herodes zugefchriebenen Aquadukt mit zum Teil 
fteinernen Sifonrohren, weifen auf die Zeit des Septimius Severus hin 
(vgl. Clermont-Ganneau, Recueil IV, 206 ss.). Vielleicht beziehen fich 
aber diefe Infchriften -nicht auf die urfprungliche Anlage, fondern auf ihre 
Wiederherftellung. S. Smith I, p. 128 ff., II, 462 f. Die einzige Quelle 
in Jerufalem, welche etwas Quellwaffer hat, ift die Marienquelle ('Ain 
Sitti Marjam, oder 'Ain Umm ed-Derefch, Stufenquelle; vgl. die Unter- 
fuchungen von Vincent, Jerufalem 1, 93 ss.) im Zedrontale. Sie fuhrt 
ihr Waffer dem Teiche Siloe (lag innerhalb der Mauer f. o. S. 64) zu. Der 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 67 

phus im Norden fogar drei gab. Die altefte, nodi aus der 
Zeit der Konige von Juda ftammende Mauer begann im 
Nordweften der Stadt bei einem nach Hippikus, einem im 
Partherkriege gefallenen Freunde des Herodes genannten 
Turme, und lief von hier in oftlicher Riehtung in ziemlich 
gerader Linie bis zur weftlichen Halle des Tempels und in 
fudlicher Riehtung um die Weft- und dann oftlich um die 
Siidfeite der Oberftadt (oder des fiidweftlichen Hiigels) herum 
iiber das Tyropoion bis zu dem Platje Ophla und weiter bis 
zur Ofthalle des Tempels, 1 ) fo daft fie alfo den ftidweftlichen 
Hugel und im weiteren Verlauf den fudlichen Teil des Tempel- 
berges umfdilofc. Die zweite Mauer, welche ebenfalls nodi 
aus alterer Zeit ftammte, begann bei dem Tore Gennath 
(d. h. Gartentor), das nodi zur er[ten Mauer gehorte und 
oftlidi vom Turme Hippikus lag, und umzog die Nordseite 
von Akra und erftreckte fidi bis zur Burg Antonia an der 
nordweftlichen Edce des Tempels 2 ) Allem Anfdieine nadi 
zog fich die Mauer oftlidi und fudlich von der heute wie von 
alters her als Kalvarienberg oder Golgotha angefehenen 
Statte auf dem nordweftlichen Hugel hin, fo daft damals 
diefe Statte aufjerhalb der Stadtmauer lag und fomit, da der 
Kalvarienberg und das heilige Grab notwendig aufcerhalb 
der alten Stadt Jerufalem zu fuchen find,") gegen die Edit- 
heit des heiligen Grabes keine begriindete Einwendung 



Name Siloam (Job. 9, 7) ift das gracifierte Schiloach = der Entfendete. 
Es erklart fich daraus, dag ihm das Waffer aus der intermittierenden 
Marienquelle in Zwifchenraumen zuflog. S. Badeker S. 98 f. und Vincent 
1. c. p. 93. Ober die Identitat der Qihonquelle (1 Kon. 1, 33) mit der 
Marienquelle vgl. u. a. Lagrange p. 31 ss. Hansler 1916, 1, 25 ff. 

x ) B. J. 5, 4, 2. Ober den Lauf der erften Mauer f. Sejourne, Les 
murs de Jerufalem, Rb. (1895) IV, 37-47. Riickert, S. 47 ff. Smith, Je- 
rufalem I, p. 242 f. 

2 ) B. J. 5, 4, 2. Das Tor mug ( fich etwa in der Mitte der Nord- 
mauer befunden haben. Hatte es nahe dem Hippikusturme gelegen, fo 
warde Jofephus von diefem bekannten Turme aus den Anfang der Mauer 
benannt haben. Uber die mutmagliche Lage des Gennathtores vgl. Vin- 
cent, La deuxieme enceinte de Jerusalem Rb. (1902) XI [3157], p. 39 ss. ; 
Wilson, The Walls of Jerusalem PEFQS, 1905 [231243], p. 237 ff. 
Smith 1. c., p. 243 f. 

*) Matth. 27, 32 f. Marc. 15, 20. 22. Jon. 19, 17. Hebr. 13, "12. 

5* 



68 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

gemadit werden kann. 1 ) Die dritte Mauer, welche im Norden 
die Neuftadt Bezetha und im Nordweften auch den Kalvarien- 
berg 2 ) mit der nahen Grabftatte Jefu umfchlofc, fo dag diefe 
nun innerhalb der Stadt zu liegen kam, ift naeh dem Tode 
Chrifti von Konig Agrippa I. gebaut worden. Audi diefe 
Mauer nahm wie die erfte ihren Anfang am Hippikusturm, 
ging von da nordlich bis zum achteckigen, 33 m hohen Pse- 
phinusturm, in deffen Nahe fpater Titus lagerte und zog fich 
von dort gegenuber dem noch erhaltenen Grabmal der K6- 
nigin Helena von Adiabene (heute ,,K6nigsgraber" genannt, 
vor dem Damaskustor) um die Stadt herum bis zu der alten 
Mauer im Zedrontal (an der Ofthalle des Tempelbezirks). 
Die aus den grojjten Quadern gebaute Mauer hatte nicht 
weniger als 90 Turme. 3 ) 

Der Paiaft Gewaltige, turmahnlidie fefte Burgen waren die von K6- 

des Herodes. n jg Herodes auf der alten nordlichen Stadtmauer nahe bei- 



x ) Dartiber herrjcht kein Zweifel, dag die wenigftens feit dem vierten 
Jahrhundert nach der Uberlieferung als richtig angefehenen Orte der 
Kreuzigung und des Grabes Chrifti, fiber weldie Kaifer Konftantin eine 
Kirche bauen liefj, in der Grabeskirche zu Jerufalem zu finden find. 
Vgl. Bus. Vita Const. 3, 25; De laud. Const. 9; Onomast. p. 75. 
It. Burdig. 22. S. Silviae peregr. p. 74 ff. Eucherius Ep. ad Faustum 
presb. (ed. Geyer It. Hier. p. 126). Jt. Anon. Plac. p. 171 sq. Eusebius 
Vita Const. 3, 26 bezeugt auch, dag unter den Chriften fruherer Zeiten 
die Kenntnis der heiligen Orte ungefchmalert erhalten geblieben fei. 
Allein eine Anzahl Forfcher haben ausfchlieglich auf Grund der Angaben 
der Heiligen Schrift die Lage der Schadelftatte anders beftimmen und fie 
an den verfchiedenften Orten der hi. Stadt finden wollen. Vgl. Mommert, 
Golgotha und das hi. Grab zu Jerufalem, S. 3 ff. G. Dalman, Golgotha 
und das Grab Chrifti. Palaftina-Jahrbuch IX (1913) S. 98 - 123. 

Von dauerndem Wert ift die Gefchichte und Befchreibung des heil. 
Grabes und feiner heiligen Statten bis auf die Gegenwart von P. Vincent 
und P. Abel in Jerufalem, Bd. 2, Buch 2, S. 89300. 

*) Golgotha, im jiid. Aramaifchen Golgoltha, heigt n Schadel", oder 
,,Schadelort". Die Schadelform des Berges ift vielleicht (vgl. F. Dunkel, 
Das Heil. Land, LV, 1911, S. 231 ff.) erft durch den bei dem Bau der 
dritten Mauer gemachten Einfchnitt in den Felfen entftanden. 

3 ) B. J. 5, 4, 2 3. Ober den Lauf der Mauer herrjcht unter den 
Forfchern keine Einigkeit Vgl. u. a. Gatt, die Mauer des Agrippa, 
Th Q. 1905, S. 264 70 und Vincent, La troisienne enceinte de Jerusalem 
Rb. N. S. V (1908), p. 182204 und p. 367381. Vgl. auch H. Vincent 
uber Ausgrabungen am Turm Psephinus RB. 1913, S. 8896. Smith 
1. c. p. 244 ff. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 69 

einander errichteten Turme, der fchon genannte viereckige 
Hippikusturm, der Phalael und der nach der Mariamme ge- 
nannte dritte Turm. Die Gefamthohe des erften betrug an 
80, die des Phafael an 90, die des Mariammeturmes 55 Ellen. 1 ) 
Den Grundftock diefer Turme bildeten gewaltige behauene 
Blocke weigen Marmors, woriiber fich koftbar ausgeftattete 
Wohngebaude erhoben, die oben mit Turmchen und Bruft- 
wehren verziert waren. 2 ) An diefe Turme fchlofj fich im Nord- 
weften der Oberftadt der prunkvoll ausgeftattete und mit 
einer hohen Mauer umgebene, mit Parkanlagen und kiinft- 
lidien Seen ausgeftattete Palaft des Konigs Herodes an. 3 ) 

Wahrend diefer Palaft zugleieh durdi feine feften Turme Die Burg 
eine Feftung der Oberftadt war, war die eigentliche Tempel Antonia. 
und Stadt beherrfchende Feftung die von den Hasmonaern 
in der nordweftlichen Ecke des Tempelberges erbaute Feftung 
Baris, welche Herodes mit grofcen Koften umbaute und An- 
tonia nannte. Sie lag auf einem 25 m hohen Felfen, und 
war durdi vier Turme flankiert, von welchen der fudliche 
und oftliche 35 m hoch waren, fo dafc man von dort aus 
das ganze Tempelgebaude uberfchauen konnte. Das Innere 
der Burg war ganz wie ein Konigspalaft eingerichtet und 
hatte Hallen, Bader und geraumige Kafernenhofe. Hier war 
das Standquartier der romifchen Befa^ung. Dort, wo die 
Burg an die nordlidie und weftliche Tempelhalle angrenzte, 
fiihrten von der Burg Treppen in die Hallen hinab. 4 ) 

') B. J. 5, 4, 3. Die Elle, nadi der Jofephus rechnet (S. Kap. 13, 5), 
ift = I 1 /,, Fug = 0,444 m. ! 

2 ) B. J. 5, 4, 34. Der Phafael ift noch in dem gewaltigen Nordoft- 
turm der fogenannten Davidsburg, der Zitadelle am Jafator des heu- 
tigen Jerufalem, erhalten. 

3 ) B. J. 1, 21, 2. 5, 4, 4. 2, 15, 5. 2, 17, 6 u. 6. Ant. 15, 9,. 3. 17, 
5, 2. 17, 10, 2. 3. B. J. 5, 5, 8 heigt der Palap die Feftung der Ober- 
ftadt (rfjc avta jroleox; idtov yfjovyiov (jv, ret c H(/a.'efoi< /9T//lea). Unter dem 

Prokurator Geffius Florus, der bei feinem le^ten Befudie Jerufalems im 
K6nigspalafte abgeftiegen war (B. J. 2, 14, 8) und vor demfelben wieder- 
holt auf dem Richterfiuhl fag (2, 14, 8. 9), batten die romifdien Truppen 
ihr Lager bei dem Konigspalaft (TO *(>o> rf? p<*adeio t <; ^aroneSov 
B. J. 2, 15, 5), verlief3en dasfelbe aber fpater, da es leicht zu erfturmen 
war, und flohen in die kOniglichen Turme (B. J. 2, 17, 8). 

4 ) B. J. 5, 5, 8. Vgl. B. J. 1, 3, 3. 21, 11. Ant. 15, 8, 4. 11, 4. 
18, 4, 3. Nach der Rede des Agrippa I. bei Philo, Leg. ad Cajum 38 



70 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiidite der Juden etc. 
DerPaiaftder An der Nordoftfeite der Oberftadt, hoher als der dort 
"und" Ter^ gelegene > mit bedeckt en Saulenhallen gefchmiickte grofce Pla^ 
Xyftuspiatf. x yf tus la S der alte Palaft der Hasmonaer, 1 ) den [pater K6- 

hat Pilatus, um die Juden zu argern, vergoldete Weihefchilde in dem in 
der Stadt befindlichen Herodespalaft, den er ( 39) ,,Wohnung der Pro- 
kuratoren" (sv olxlp rolv SJUTQOITWV} nennt, anbringen laffen. Daraus folgt 
aber nicht, dag die Landpfleger nicht auch gelegentlidi auf der Burg 
Antonia refidierten, wenn fie zu den Feften von Cafarea nach Jerusalem 
heruberkamen. Das n Pratorium" des Pilatus in Jerusalem (Job. 18, 28) 
ift entweder im Herodespalaft oder auf der Antonia zu fuchen. 1m Neuen 
Teftament bezeichnet der Ausdruck nicht die Amtswohnung des Land- 
pflegers uberhaupt, wie van Bebber, Das Pratorium des Pilatus, Th Q. 1905 
[S. 179230], S. 181 ff. will, fondern, genauer gefprochen, feine mit der 
Kaferne in Verbindung ftehende Wohnung, in welcher fich dann auch die 
Feldzeichen befanden. Das ergibt fich aus Marc. 15, 16: ol de 6-cQctnw- 

ttx.i ctTiyyayov avxov efiio rfj? ai'A^?, o e&rir ftgatTuiytov, xtu tivvxakovtiiv o'A^v 

x^v tnslgav, vgl. Matth. 27, 27. Bei Joh. 18, 29. 33. 38. 19, 4. 9 geht 
der Landpfleger aus und ein im Pratorium. Apg. 23, 35 fagt Felix, der 
doch felbft im Palafte des Herodes wohnte, Paulus folle verwahrt werden 
ev XM 7t(j<xirttjl(a rov 'Hywdov. (Die Kaferne alleinvvird Apg. 23. 10. 16. 32 
na.^s^ol>- ( genannt.) Der Richterftuhl, auf welchem Pilatus zu Qericht fiber 
Jefusfag, befand fich augerhalb des Pratoriums (vgl. Joh. 19, 13u.9)et?T07iov 
isydfttvov Ai&oGrQMTfiv, 'Efcaicii di- Fa^a&a. Lithoftroton war die kunft- 
lichfte Art der Mofaik (vgl. z. B. J. Marquardt, Das Privatleben der Ro- 
mer, (L. 1886) II, 627 f.); auch im Tempel war Lithoftroton = ein Mofaik- 
pflafter, vgl. B. J. 6, 1, 8. 3, 2. Was Gabbatha bedeutet, ift unbekannt 
(vgl. Neftle, art. Gabbatha in Haftings II, 75). Die Lokaltradition in 
Jerufalem fucht feit dem 13. Jahrhundert den Ort, wo Jefus von Pilatus 
verurteilt wurde, in der turkifchen Kaferne, welche auf dem Platje der 
Burg Antonia fteht (vgl. dafur befonders Barnabe d' Alsace, Le Pretoire 
de Pilate et la Forteresse Antonia, Par. 1902 und Hanfler, Die Richt- 
ftatte des Pilatus. Das HI. Land, 62. Jahrg., 1918, S. 1829. 58-73. 
97- 107, wahrend K. Mommert, Das Pratorium des Pilatus, L. 1903, ihn 
im Stadttal auf dem Terrain des alien Sultanbades am Weftfujge des 
Antoniafelfens gefunden zu haben glaubt (ihm ftimmt u. a. zu: Herbert 
Thurfton, The praetorium of Pilate and the pillar of the scourging. The 
Dublin Review 1906, vol. 138, p. 120-142). Nach van Bebber (1. c.) ift 
das Pratorium der Herodespalaft auf dem Sion. Der altefte Pilgerbericht 
fpricht aber jedenfalls gegen diefe letjtere Annahme (vgl. It. Burd. p. 22: 
Inde ut eas foris murum de Sion, euntibus ad porta Neapolitana ad 
partem dextram deorsum in valle sunt parietes, ubi domus fuit sive 
praetorium Pontii Pilati). 

J ) 'EndvM TOV t-vtiroij TI^O'? TO Trt'^av TIJ? avw noktia? B. J. 2, 16, 3. 
Srrith, Jerufalem II, 490 f. verlegt den Xyftosplatj in das Tyropoion, was 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 71 

nig Agrippa II. bewohnte, 1 ) und in dem auch wohl die Hero- 

dianer, wenn fie, wie z. B. ,,K6nig Herodes", d. h. der 

Vierfurft Herodes Antipas, zum Ofterfefte oder bei andern 

Gelegenheiten nach Jerufalem kamen, wohnten. Der er- 

wahnte Xyftusplatj war durch eine Briicke mit dem Tempel- 

berg verbunden. 2 ) Etwas oftlich von dem Platje, aber eben- Das Rathaus, 

falls an der alten nordlichen Mauer lag auch das Rathaus, das Archiv 

welches fomit nicht mehr auf dem Sion, fondern fchon i 

Tyropoion ftand, 3 ) wahrend das Archiv, worin auch die Schuld- 

urkunden verwahrt wurden, in der Oberftadt war. 4 ) Hier 

hat auch das Haus des Hohenpriefters Ananias geftanden, 5 ) 

wie auch dort etwas nordlich von der Stelle, auf der fich 

heute die deutfche Kirche der Dormitio erhebt, das Haus des 

Hohenpriefters Kaiphas gefucht wird. 6 ) Auch die Unterftadt 

war nicht ganz grofcerer Gebaulichkeiten bar. Dort erhob 

fich z. B. allerdings wohl erft einige Jahrzehnte nach Chri- 

ftus der Palaft der Konigin Helena von Adiabene. 7 ) In der 



aber doch nach Jofephus 1. c. nicht richtig fein kann, well von dem Plarje 
eine Brucke zum Tempelberg fiihrte. 

') Ant. 20, 8, 11. Vgl. auch B. J. 2, 17, 6: rd 'Ay$inna. xai zd 

Beyevixqc; pa.6iA.tta. 

2 ) B. J. 2, 16, 3. 6, 3, 2. 6, 2. 

3 ) Ober die Lage vgl. B. J. 5, 4, 2 (fiovA/,') und 6, 6, 3 (jBorA^T^^ov). 
Es wird wohl mit Recht an der Stelle des heutigen Gerichtshaufes im 
Tyropoion, nahe dem Tempelberg, gefucht. Vgl. auch unten. 

') B. J. 2, 17, 6. 6, 6, 3. 
l ) B. J. 2, 17, 6. 

6 ) Nach dem Pilger von Bordeaux lag das Haus auf dem Sion 
(d. h. in der Oberftadt, cf. Itin. Burdig. p. 22, wo er, nachdem er von 
dem Teiche Siloe gefprochen, fortfahrt: In eadem ascenditur Sion et 
paret, ubi fuit domus Caifae sacerdotis). Zur Zeit des Theodofius (de 
situ terrae f. p. 141: De sancta Sion ad domum Caiphae, quae est modo 
ecclesia sancti Petri, sunt plus minus passi numero L) war auf der 
Stelle eine Kirche des heiligen Petrus gebaut (auch der Breviarius de 
Hierosolyma [aus dem 6. Jahrh.] fagt p. 155 [ed. Geyer]: ubi est basilica 
grandis sancti Petri). Auf der Stelle liegt heute das armenifche Zionsberg- 
klofter, nordlich von der deutjchen Dormition. Vgl. U. Coppens, Le palais 
de Caiphe et le nouveau Jardin Saint-Pierre. Paris 1904; A. Ceyssens, 
Le palais de Caiphe et le Jardin Saint-Pierre. Brux. 1905; H. Vin- 
cent, RB. 1905, 149-158; Germer-Durand, La maison de Caiphe et 
1'eglise S. Pierre a Jerusalem RB. 1914, 71-94. 223-246. 

7 ) B. J. 6, 7, 3. 



72 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

Neuftadt wird es naturgemag manche villenartige Gebaulich- 
keiten gegeben haben. Aber fonft waren die Stra&en eng 1 ) 
und wurden erft unter Agrippa II. mit weifcem Stein ge- 
pfiaftert. 2 ) 

DerTempei. Der Mittelpunkt des religiofen und nationalen Lebens 
der Juden war der Tempel. Der Tempel, welchen die Ifrae- 
liten unter Zorobabel an Stelle des durch Nabuchodonofor 
zerftorten falomonifchen Tempels gebaut und den, nach feiner 
Entweihung und Pliinderung durch Antiodius Epiphanes, Ju- 
das Makkabaus gereinigt und feierlich geweiht hatte, war 
in Bezug auf das Tempelhaus und die Vorhofe von Herodes 
feit dem 18. Jahre feiner Regierung (20-19 v. Chr.) um- 
gebaut, erweitert und verfchonert worden. Seine Nachfolger 
haben an den Nebengebauden und der Ausfchmuckung des 
Ganzen weiter gearbeitet bis zum Jahre 64 n. Chr. 3 ) 

Der ganze Umfang des Tempelareals ift nodi aus dem 
heutigen Haram esch-Scherif (= das edle oder beruhmte 
Heiligtum) zu erfehen, wobei aber zu bedenken ift, dag zur 
Zeit des Herodes an der Nordfeite die Burg Antonia lag. 
Der Platj bildet ein unregelmafciges Viereck, deffen Siidfeite 
283 m lang ift, wahrend die Lange der Nordfeite 317, die 
der Oft- und Weftfeite 474 und 486 m betragt. Die Gesamt- 
flache ift 144000 qtn 4 ) ode'r 14 ha 40 a oder ungefahr 

') B. J. 2, 14, 9. 

2 ) Ant. 20, 9, 7. 

3 ) Ant. 20, 9, 7. Wir folgen dem Beridit des Jo{ephus Ant. 15, 11 
und B. J. 5, 5, da diefer den Tempel nodi aus Augenfchein kannte. Der 
fpatere Beridit der Mifdina, namlidi der Traktat Middoth, enthalt zwar 
viele Einzelheiten, ift aber wegen feiner bisweilen phantaftifdien Sdiil- 
derungen mit Vorfidit zu gebraudien. Unter den alteren Werken ift 
Lundius, Die alten jGdifchen Heiligtiimer, Hamburg 1701, S. 237403, 
fehr ausfuhrlidi. Von neueren Werken ift befonders C. Schick, Die Stifts- 
hiitte, der Tempel in Jerufalem und der Tempelplatj der Jetjtzeit, B. 1896, 
wegen der fadikundigen Behandlung des letjteren von Wert. Odilo 
Wolff, Der Tempel von Jerufalem und feine Mage, Graz 1887, und von 
neuem in ,,Der Tempel von Jerufalem, eine kunfthiftorifche Studie fiber 
feine Mage und Proportioned', Wien 1913, fucht namentlidi' die Harmonic 
des Ganzen klarzuftellen. Von kurzeren Befdireibungen vgl. z. B. F. Spieg, 
Der Tempel zu Jerufalem wahrend des letjten Jahrhunderts feines Be- 
ftandes nach Jof., B. 1880, u. F. Diifterwalds Artikel ,,Tempel" im Kirchen- 
lexik.'^ 12, 1304 ff., fowie Smith, Jerufalem II, 499 ff. 

') Schick, S. 240. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 73 

56 preufcifche Morgen grog. Diefe grofce Flache war dadurdi 
gewonnen worden, dafc namentlidi nadi Siiden bin die obere 
Flache des Tempelberges durch gewaltige Unterbauten er- 
weitert worden war. Dadurdi waren die oftliche und weft- 
lidie Halle, welche fruher nur wie die ubrigen ein Stadium 
(= 177,6 m) lang waren, auf zwei Stadien 1 ) verlangert und 
hatte man Raum gewonnen fiir einen dritten grofcen Vor- 
hof, den der Heiden, den Jofephus das erfte Oder aufcere 
Heiligtum nennt. 2 ) 

Um den ganzen Tempelbezirk lief eine Umfaffungsmauer, Der Vorhof 
an deren Weftfeite vier 3 ) und an deren Siidfeite zwei Tore 4 ) der Heiden - 
waren. Im Innern der Umfaffungsmauer, an welche der grofete 
Tempelhof, der Vorhof der Heiden ftiefc, welcher feinen Namen 
davon fuhrte, daft zu demfelben auch Heiden Zutritt hatten, 
liefen an der Nordweft- und Oftfeite der Umfaffungsmauer 
doppelte Hallen, welche 30 Ellen breit waren und flache, 
auf 25 Ellen hohen, weifcen Marmorfaulen ruhende Dacher 
von Zedernholz hatten. 5 ) An der Oftfeite fiel die Tempel- 
terraffe fteil ab ins Zedrontal. Die fich auf ftarken Mauern 
diefem Abgrunde entlang ziehende oftliche Halle hiefc nach 
ihrem erften Erbauer die Halle Salomos. ) Befonders pracht- 
voll war aber die Sudhalle, welche die konigliche Halle hiefc 
und 162 Saulen mit korinthifchen Kapitalen befafc. Diefe 
Saulen waren in vier Reihen von einem Ende der Halle bis 
zum andern einander gegenuber aufgeftellt und zwar fo, dag 
die vierte Reihe in die fteinerne Mauer eingelaffen war. So 

) Vgl. B. J. 5, 5, 1 ff. Ant 15, 11, 3. Der Flacheninhalt ware 
demnach 63048 qm = 6 ha 30 a 48 qm. Obrigens durfte Jofephus die Ent- 
fernung-en nach dem AugfenmaJ3 abgefchat5t oderwenigftens abgferundet haben. 

B. J. 5, 5, 9. 6, 5, 1. 

z ) Ant. 15, 11, 5. 

4 ) Jos. 1. c. Tri'Aac. Nach Middoth 1, 3 waren es 2 fogen. Hulda- 
pforten, d. h. Wiefel- oder Schleichtore, die fo hiegen, weil man durch 
eine Art Tunnel auf die Tempelarea hinaufkam. Refte derfelben find noch 
heute vorhanden. Vgl. Schick 185, Badeker 52. Middoth 1. c. erwahnt 
im Often das Sufantor, auf welchem wohl zur Erinnerung an die per- 
fifche Herrfchaft der Palaft von Sufan abgebildet war. Jofephus erwahnt 
B. J. 2. 19, 5. 6, 4, 1 ein Tor im Norden, welches Middoth 1, 3 das nur 
fur Priefter beftimmte Tadi (= dunkle) Tor nennt. 

5 ) B. J. 5, 5, 2. Ober die Elle des Jofephus s. o. S. 69, 1. 

6 ) Ant. 20, 9, 7. Joh. 10, 23. Apg. 3, 11. 5, 12. 



74 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

bildeten fie drei Hallen, wovon die mittlere 45 Fufe, die beiden 
andern je 30 Fug breit waren. Die mittlere war zweimal 
fo hoch als die iibrigen, obwohl auch letjtere iiber 50 Fug; 
Hone batten. 1 ) Der gefamte nicht iiberdachte Raum des Vor- 
hofes der Heiden war mit Mofaik von allerhand Steinen ge- 
pflaftert. 2 ) In diefem Vorhofe herrfchte ein reges Leben. 
Denn hier war der Tempelmarkt mit Tauben-, Ochfen- und 
Schafhandlern, hier ftanden die Wechfeltifche, wo man Tempel- 
mimzen einwechfeln konnte, um die Tempelfteuer zu be- 
zahlen. Das Feilfchen und Handeln und Betriigen war oft 
derart, dafc der Herr von einer Rauberhohle fprechen konnte. 
Hier ergingen fich nicht nur die Befucher, fondern lehrten 
und disputierten die Rabbiner und fanden Volksredner leicht 
willige Ohren. Hier hat auch der Heiland das Volk belehrt. 

Innerhalb des fo eingefchloffenen Raumes, nicht weit von 
der aufcern Umfaffungsmauer entfernt 3 ) lag eine zweite Ein- 
friedigung, zu der einige Stufen hinauffuhrten. Sie war durch 
ein drei Ellen hohes Steingitter gebildet. An demfelben 
waren in gleichen Abftanden Saulen angebracht, welche teils 
in griechifcher teils in lateinifcher Sprache jedem Nichtifraeliten 
den Zutritt zu dem Heiligtum unterfagten. 4 ) Zu letjterem, 
dem innern Tempelraum ftieg man, wenn man das Stein- 
gitter paffiert hatte, von Nord, Oft und Sud auf 14 Stufen 
empor, und kam dann zu einer 10 Ellen breiten, ebenen 
Terraffe. Durch die 14 Stufen, welche nur an der Weftfeite 



*) Ant. 15, 11, 5. 

2 ) B. J. 5, 5, 2. 

3 ) Ant. 15, 11, 5 ev fiedo) ctfzfxwv ov nni.v. 

4 ) Ant. 1. c. B. J. 5, 5, 2. 6, 2, 4. c. Apion. 2, 8. Philo, Leg-, ad Caj. 
31. Vgl. Apg. 21, 26 ff. Eine Infdirift ift im Jahre 1871 von Clermont- 
Ganneau (Revue archeol. N. S. t. XXIII, 1872, p. 214-34, 2906) ent- 

deckt WOrden. Sie lautet: uri&iva, a'JUoytvif tl(SnO(javs6&ai evroV TOV Tiefji 
to itfiov T(tv<p<x.*t<iv xai 7ie^t^oJi.ov' o? d'civ ^.tiy&ij, envTw ntrto? i-Groti did TO 

egctKolovfrelv d-dvaror. Keiner von anderm Volke trete in das das Heilig- 
tum einfchliegende Gitter! Wer dabei ergriffen wird, ift felbft fchuld, dag 
der Tod ihn trifft. Dag dies keine bloge Drohung mit dem Strafgeridit 
Gottes (Derenbourg, Journ. asiat. 6. serie t. XX, 1872, p. 178-195) 
ift, ergibt fich ganz klar aus B. J. 6, 2, 4. Die Tafeln find nicht etwa 
von der rOmifchen Regierung aufgeftellt worden, wie Mommfen RG. V, 
513, 1 meint, vielmehr hatten die Romer nur Erlaubnis gegeben, die 
Obertreter der Warnung zu beftrafen. S. B. J*6, 2, 4. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 75 

nicht angebracht waren, wurde an der Nord-, Oft- und Sud- 
{eite des innern Heiligtums eine an der Weftfeite fichtbare 
ftarke Mauer, welche aufcerlich 40 Ellen hoch war, zum Teil, 
d. h. bis zur Hohe der Terraffe, verdeckt. 1 ) Von der Terraffe 
nun ftieg man auf fiinfftufigen Treppen zu den Toren der 
genannten Mauer. Im Siiden und Norden waren je 4 Tore, 
im Often aber ein Doppeltor. 2 ) Jedes hatte Doppeltorflugel, 
die 30 Ellen hoch und 15 Ellen breit waren. Da jedes turm- 
formig gebaut war, ftellte es eine Torhalle dar, deren Breite 
und Lange 30 Ellen betrug. Die Tore an der Nord- und 
Siidfeite waren iiberall mit Gold und Silber bekleidet, eines 
aber, das Aufcentor des innern Heiligtums (das Ofttor), war 
aus korinthifchem Erz, d. h. aus reinem Kupfer und uber- 
ragte die iibrigen aus Erz (Bronze) hergeftellten, verfilberten 
und vergoldeten Tore an Wert. Vermutlich ift dies das Tor, 
welches in der Heiligen Schrift das fchone heifet, an welchem 
Petrus den Lahmgebornen heilte. 3 ) 

Ging man nun durch diefes aufjere Ofttor in das Heilig- Der Vorhof 
turn, fo kam man zunachft in einen viereckigen Hof oder der ifraeiiten. 
Raum, zu welchem auch von Siiden und Norden je eine Tur 
fuhrte. Diefer Raum hiefc der Vorhof der Frauen, weil diefe 
fiber denfelben nicht hinausgehen durften. 4 ) Zwifchen den 

') B. J. 5, 5, 2. 6, 2, 4. 

2 ) Das heijgt nur ein Augentor. B. J. 5, 5, 2 wird von 2 Toren 
nach Often gefprochen, weil, wie der Zufammenhang ganz klar macht, 
das diejem Augentor im Innern zwifchen dem Vorhof der Frauen und 
dem der Ifraeiiten gegenuber liegende Tor mitgezahlt wird. Auch B. J. 
5, 5, 3 wird diefes unter die 9 Tore gezahlt und davon das Augentor 
des Heiligtums unterfdiieden. 

3 ) B. J. 5, 5, 3. 6, 5, 3. Apg. 3, 2. Vgl. Schurer, Die M^a oder OT'AT; o>Q<*ia. 
Act. 3, 2 u. 10. ZNW. VII (1906) 51- 68, wahrend O. Hol^mann, Tore 
und Terraffen des herodifchen Tempels ZNW. IX (1908) 7174 die An- 
ficht vertritt, das korinthifche Tor fei zwifchen Manner- und Frauenvorhof 
gewefen. Es heigt auch Tor des Nicanor, nach dem Erbauer Nicanor 
von Alexandrien. S. Middoth 1, 4 und 2, 6. Vgl. Joma 3, 10 und b. 
Joma f. 38a. Clermont-Ganneau, La porte de Nicanor du temple de 
Jerufalem in Recueil V, 334 40. tiber die in einem Grabe bei Jeru- 
falem gefundene Infchrift: OIT rwvror JVe* xavo^oe '^Af ewtf^Ew?, Ttuttianvru? 
ra? tfY^rts- vgl. auch Dittenberger, Orientis Graeci Inscr. 2, p. 296 zu 
n. 599. 

4 ) B. J. 5, 5, 2. 6, 9, 2. Er ift nur die Verlangerung des Vorhofes 
der (mannlichen) Ifraeiiten nach Often hin. ,,Weil aber das urfprungliche 



76 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

Toren diejes Vorhofes fanden jidi vor den Mauern nach 
innen einfache Saulengange, welche zu den Schatjkammern 
fuhrten. Audi ftanden hier Opferftocke, in deren einen die 
Witwe im Evangelium ihr Sdierflein legte. 1 ) 

An der Weftfeite des Vorhofes der Frauen, weldien die 
durdi das Ofttor eintretenden Manner durdifchreiten mufeten, 
offnete fich dem korinthifchen Tore gegeniiber, aber hoher 
als dasfelbe, ins innere Heiligtum ein Tor, zu welchem 15 
Stufen hinauffiihrten. Diefes Tor, welches eine Hone von 
50 Ellen und Turen von 40 Ellen Breite hatte, audi koft- 
barer als andere gefchmuckt war und eine reiche Silber- und 
Goldbekleidung hatte, fuhrte in den weftlichen Teil des innern 
Vorhofes, der ausfchliejpch fur die Manner beftimmt war. 2 ) 
Der Vorhof Derfelbe war nur dureh ein niederes, fchon gearbeitetes 
der Priefter. Steingitter von dem nodi etwas weftlidier fidi erftreckenden 
Vorhofe der Priefter getrennt. Diefer letjtere Vorhof umgab 
das Tempelhaus von alien Seiten, war aber feinerfeits fo- 
wohl im Often wie im Norden und Suden von dem Vor- 
hofe der Ifraeliten eingefchloffen. In dem Vorhofe der Priefter 
erhob fich unter freiem Himmel der grofce, 15 Ellen hohe 
und 50 Ellen lange und ebenfo breite Brandopferaltar, vier- 
eckig von Geftalt und an den Ecken mit hornartigen Vor- 
fpriingen verfehen, zu welchem von Suden her ein bequemer 
Aufgang hinauff uhrte. 3 ) 

Terrain fich hier ftark fenkt, wurden zwei, ungleich hoch gelegene Hof- 
flachen hergeftellt, was eine formliche Abteilung in zwei H6fe nOtig- 
machte." Schick 127. A. Buchler, The fore-court of women and the brass- 
gate in the temple of Jerusalem. Jew. Quart. Rev. 1898, p. 678 - 718 
meint, der Vorhof der Frauen fei erft nach Herodes gebaut worden auf 
Koften der Konigin Helena von Adiabene. Vgl. dagegen Schurer (fiehe 
o. S. 75, 3). 

l ) B. J. 5, 5, 2 (yctto<tvl<xKia), Marc. 12, 41 ff. u. Luc. 21, 1 ff. be- 
richten von der armen Witwe, welche ihr Sdierflein legte '? TO yCo- 
?.?-Artxov. Nach Schekalim 6, 5 hatten 13 trompetenahnliche Almofen- und 
OpferftOcke im Vorhofe der Frauen geftanden. 

a ) B. J. 5, 5, 3 6, 5, 2. 

3 ) B. J. 5, 5, 6. Nach Pfeudo-Hekataeus bei Jos. c. Ap. 1, 22 war 
zu feiner Zeit, im 3. Jahrh. v. Chr., der Altar 10 Ellen hoch und bildete 
feine Flache ein Quadrat von 20 Ellen. Nach Middoth 3, 1 war die 
Grundflache nur 32 Ellen lang und breit und nahm nach oben ftufen- 
weife um eine Elle ab, fo dag der obere Raum, auf welchem geopfert 
wurde, nur noch 24 Ellen im Quadrat hatte. Vermutlich hat der Altar 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 77 

Das Tempelhaus lag 12 Stufen hoher 1 ) als der Vorhof Das Heilige 
der Priefter und zerfiel in 2 Abteilungen, wo von die erfte und 
aus der Vorhalle, die le^tere aus dem eigentlidien Tempel- Allerheili ^ e - 
haus beftand. Das le^tere, welches 60 Ellen hodi, ebenfo 
lang und 20 Ellen breit war, zerfiel der Lange nach in zwei 
Raume, das 40 Ellen lange Heilige, in deffen Mitte der 
Rauchopferaltar, nordlich hiervon der goldene Schaubrote- 
1ifch und fiidlich vom Altare der fiebenarmige goldene Leuchter 
ftanden, 2 ) und das von dem Heiligen durch einen Vorhang 
getrennte 20 Ellen lange Allerheiligfte, welches ganz leer 
war 3 ) und nur einmal im Jahre, am Verfohnungsfefte, vom 
Hohenpriefter betreten wurde. Ober dem, wie gefagt, 60 Ellen 
hohen Tempelhaus, alfo iiber dem Heiligen und dem Aller- 
heiligfien, war noch ein oberes Stockwerk, welches 40 Ellen 
hoch war, fo dafe alfo die Gefamthohe des zweiftockigen 
Tempelhaufes 100 Ellen betrug. 4 ) An den Seiten des Tempel- 
haufes lagen neben dem Heiligen und Allerheiligften viele 
durcheinandergehende dreiftockige Gebaude, deren Gefamt- 
hohe 60 Ellen betrug, fo dafc alfo, ahnlich wie manche chrift- 
liche Gotteshaufer ein hoheres Mittelfchiff und niedrigere 
Seitenfchiffe haben, in der Mitte das Tempelgebaude 40 Ellen 
hoher war als auf der rechten und linken Seite. 5 ) Den Bin- 
gang zu dem Tempelhaus, alfo zu dem zunachft liegenden 
,,Heiligen" bildeten 55 Ellen hohe und 16 Ellen breite gol- 
dene Turen, vor welchen fich ein gleich langer, aus Hyazinth, 
Byffus, Scharlach und Purpur gewebter babylonifcher Vor- 

auf dem noch heute fichtbaren, 17,7 m langen und 13,5 m breiten Hei- 
ligen Felfen ge[tanden, der fich 1,25 bis 2 m uber den Boden erhebt 
und den Mittelpunkt der grogen Omarmofchee bildet, welche gewOhnlich 
der Felfendom, Kubbet es-Sachra genannt wird. Sie liegt ungefahr in 
der Mitte des Tempelplatjes, aber mehr nach Weften hin. 
') B. J. 5, 5, 4. 

2 ) B. J. 5, 5, 5. 7, 5, 5. Ant. 3, 6, 68 (vgl. Exod. 25, 30. 37. 
26, 35. 40, 22. 24. 1 Mace. 1, 21 f., 4, 49). Philo, vita Mos. 3, 9-10. 
Von Fenftern jagt Jofephus nichts. Vielieicht fiel vom obern Stockwerk 
her Licht in das ,,Heilige". Audi muffen doch wenigftens Luken, um 
den Dampf abziehen zu laffen, vorhanden gewefen fein. 

3 ) B. J. 5, 5, 5. Vgl. Matth. 27, 51. Marc. 15, 38. 

4 ) B. J. 5, 5, 5. 

6 ) B. J. 5, 5, 5. Ant. 15, 11, 2. Nach Middoth 4, 3 enthielten die 
Crebaude 38 Gemacher. 



78 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchiehte der Juden etc. 

hang befand, auf welchem das Bild des Himmels, mil Aus- 
nahme der Bilder des Tierkreifes, gejtickt war. 1 ) Audi die 
das Tor umgebende Wand war ganz vergoldet. t)ber dem 
Tore aber befand fich ein. goldener Weinftock mit herab- 
hangenden Trauben 2 ) 

Die Vorhalle reidite nadi oben in ununterbrochener 
Hohe bis zum Dach und war im Innern 90 Ellen hodi, in 
der Riditung von Nord nach Slid 50 Ellen breit, und 20 Ellen 
tie!. 3 ) Da an beiden Seiten diefer Vorhalle Nebengebaude 
lagen, durch welche man zu den erwahnten dreiftockigen 
Gebaulichkeiten gelangen konnte, 4 ) erklart fich auch die An- 
gabe des Jofephus, dafe die Vorhalle (augen) iiber das um 
40 Ellen fchmalere Hinterhaus mit dem Heiligen und dem 
Allerheiligften und feineri Nebengebauden rechts und links 
fliigelformig um 20 Ellen hinausragte. 5 ) Dadurch erkl art fich 
aber auch die Breife der Front der Vorhalle, welche 100 Ellen 
hoch und ebenfo breit war. Hier an der Front war ein 70 
Ellen holies und 25 Ellen breites, an der Vorderfeite wie 
an der Innenfeite vergoldetes Tor, welches keine Tiiren hatte, 
da es ein Bild des weiten offenen Himmels fein follte. So- 
mit fchaute man durch diefes offene Tor ungehindert auf das 
eigentliche Tempelhaus. 6 ) Ober dem Tore hatte Herodes den 
Namen feines Gonners Agrippa einhauen 7 ) und einen riefen- 
grofjen Adler aus Gold anbringen laffen, ein romifches Em- 
blem, an welchem die Juden fchon deshalb Anftog nahmen, 
weil das Gefetj die Dar[tellung lebender Wefen verbot. In 
der le^ten Krankheit des Konigs, als es hieg, er {ei ge- 

J ) B. J. 5, 5, 4. 

) B. J. 5, 5, 4. Ant. 15, 11, 3. 

3 ) Jof. B. J. 5, 5, 4 ftrjxvvofievos Je enl nevcyxnvTa, xcu dia.ftniv<av 

knl ettoGtv. Dag die Brette und nicht die Lange 50 Ellen betrug, folgt 
fchon daraus, daf3 das Tor 25 Ellen breit war, 1. c. Dag bei der Angabe 
von 20 Ellen Tiefe die des Augentores mit eingefchloffen war, fagt Jo- 
fephus nicht. Die Dicke der Mauern des Tempelhaufes betrug nach ihm 
8 Ellen. B. J. 6, 5, 1. 

4 ) B. J. 5, 5, 5. Auch von Norden her hatten fie einen Zugang. 
S. B. J. 6, 4, 5. 

6 ) B. J. 5, 5, 4. 

6 ) L. c. 

7 ) B. J. 1, 21, 8. 



1. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 79 

ftorben, wurde der Adler mitten am Tage von den Juden 
hinabgeworfen und zerftort. 1 ) 

Aufcerlich bot der Tempel einen herrlidien Anblick dar. Anbiick des 
Er war namlich ganz aus blendend weijgem Stein gebaut, Tem peis. 
auf alien Seiten mit fchweren Goldplatten bedeckt, und oben 
fiber dem Dach mit goldenen Spiegen gefchmiickt, damit fich 
nicht die Vogel darauf niederlaffen und ihn verunreinigen 
konnten. Beim Sonnenaufgang ftrahlte er im hellften Feuer- 
fchein und fchien den Fremden, die ihn von feme fallen, wie 
ein fchneebedeckter Berg. 2 ) 

Die gewohnlidie Bevolkerung der Stadt, welche bei den Einwohner- 
Feften von unzahligen Fremden befucht wurde, 8 ) betrug allem zahl - 
Anfcbeine nach 100000 Perfonen/) 

5. Das OJtjordanland (Peraa). 

Der Name Peraa beruht auf einer griechifchen Ober- Umfang-von 
fetjung (HfQav) des hebraifchen Wortes Eber = jenfeits, d. h. Peraa. 
jenfeits des Jordans. Das Neue Teftament gebraucht den 
Namen Peraa uberhaupt nicht, fondern redet immer von Jen- 
feits des Jordans". 5 ) Im weiteften Sinne wird mit dem Na- 
men Peraa oder Oftjordanland das Land vom Fuge des 
Hermon bis zum Arnon im Siiden bezeichnet. Oft wurde es 
aber im engeren Sinne fur das Land zwifchen Jarmuk und 
Arnon, welches heute el-Belka und 'Adfchlun heifjt, gebraucht. 
In noch engerem Sinne fteht es bei Jofephus fiir das Land 
von Macharus im Siiden bis Pella im Norden und von Phila- 
delphia (jetjt Amman) im Often bis zum Jordan im Weften. 6 ) 

Nehmen wir es im weiteren Sinne, fo haben wir es 
mit einem im allgemeinen fruchtbaren Lande zu tun, durch 

') B. J. 1, 33, 2-4. Ant. 17, 6, 2-4. 

2 ) B. J. 5, 5, 6. Ant. 15, 11, 3. 

3 ) B. J. 6, 9, 3 rechnet Jofephus in ubertreibender Weife aus, dag 
nicht weniger als 1 Million 700000 reine und geweihte Perjonen bei 
einem Ofterfeft zur Zeit des Nero in Jerusalem gewefen find. 

4 ) Jof. c. Ap. 1, 22. Dort fuhrt Jofephus eine Stelle aus des Heka- 
taeus Werk uber die Juden an, deffen Abfaffung er ins 3. Jahrh. v. Chr. 

Jeijt, worin es heigt: ('Je^ofJoAv^a) oixovGiv dv&QWTTiav Ttfgi d'oidsKa ftvgtcid'ei;, 

alfo ,,etwa 120000". 

6 ) Matth. 4, 15. 19, 1. Marc. 3, 8. Joh. 1, 28. 3, 26. 6, 1. 17. 10, 40. 18, 1. 
6 ) B. J. 3, 3, 3. 



80 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gejchichte der Juden etc. 

welches fich vom Jarmuk bis zum Toten Meere das Gebirge 
Gilead hinzieht. Das Land hat durch den Jarmuk (Scheriat 
el-Menadire), den Jabbok-Flufc (Nahr ez-Zerka) und den 
Arnon (Sell el-Modschib) und ihre zahlreichen Nebenflufjchen 
viele wafferreiche Taler und Nebentaler, ist aber aueh immer 
den Einfallen der Nomaden aus der benachbarten Wfifte her 
ausgese^t gewefen. 

Jofephus nennt das ganze Oftjordanland Coelefyrien. 1 ) 
Die einzige, weftlich vom Jordan gelegene Stadt, welche 
politifch dazu gehorte, war Skythopolis. 2 ) Damals bildete der 
Jarmuk die Hauptteilungslinie des Landes in politifcher Hin- 
ficht. Nordlich vom Jarmuk lagen die Lander, welche zur 
Zeit Chrifti die Tetrarchie des Philippus bildeten, namlich 
Gaulanitis, Auranitis, Batanaa, Trachonitis und Ituraa, fudlich 
davon lag Peraa im engeren Sinne mit der Dekapolis. Erftere 
hatten eine meift griechifche Bevolkerung, Peraa aber eine 
vorzuglich jiidifche. 3 ) 

Eine genaue Be[timmung der Grenzen der einzelnen 
Diftrikte ift deshalb kaum moglich, weil das Land von arabi- 
fchen Nomadenftammen bewohnt ift, die [ich nicht an fefte 
Wohnfitje binden, und es auch friiher im grojgjen ganzen 
nicht anders war. 

Qauianitis. Die Niederung Gaulanitis oftlich von See Genefareth vom 

Hermon bis zum Jarmuk hat ihren Namen von der Stadt 
Gaulon (hebr. Golan) in dem urfprunglich nordweftlichen Teile 
des alten Reiches Bafan 4 ) und heifct heutzutage Dscholan. 5 ) 
Der Boden ift im nordlichen Teil bafaltifches Hiigelland, wah- 
rend der fiidliche Teil, das ,,untere" Gaulanitis, worin die 
Stadt Gamala 6 ) lag, flach und fruchtbares Ackerland ift. 



') Ant. 12, 3, 3. 4, 1. 13, 13, 3. 15, 2. 

2 ) Ant. 13, 13, 2. 

3 ) Ant. 20, 1, 1. B. J. 2, 3, 1. 4, 7, 3-6. In B. J. 3, 3, 5 heigt 
es von den nordlichen Landfchaften <,ix<n~6iv 6k avrf^v niyddt? 'lovdui-d xe 
xal 2v^oi [ein Gemifch von Juden und Syrern]. 

4 ) Deut. 4, 43. 

6 ) Vgl. Schumacher, Der Dscholan mit Karte in ZDPV Bd. IX. 1886, 
S. 165363 und Bd. XXII 1899, S. 178-188. 

6 ) B. J. 4, 1, 1. Der Ort wie die Oftktifte des Galilaifchen Meeres 
iiberhaupt gehorte politifch oft zu Galilaa. So heigt Judas von Gamala 
in Gaulanitis (Ant. 18, 1, 1) auch der Galilaer (B. J. 2, 8, 1). S. u. S. 87. 



I. Kap. Das heilige Land.zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 81 

Auranitis hat allem Anfchein nach in der herodianifchen Auranitis. 
Zeit nur das Haurangebirge, den mons Alsalamos des Ptole- 
maus, weldies Dschebel Hauran oder, da heutzutage viele 
Drufen im Hauran wohnen, Dschebel ed-Druz, Drufengebirge 
heifct und aus einer von Norden nadi Siiden laufenden Gruppe 
alter Vulkane befteht, umfafct. Denn das fudweftlich vom Ge- 
birge liegende alte Bostra (Bosra, heute Eski-Scham, d. h. 
Alt-Damaskus, ein Name, der auf die ehemalige Bedeutung 
der Stadt hinweift), von dem der Syrer fagt, die Bliite Bos- 
ras fei die Bliite Haurans und umgekehrt, in welcher Stadt 
auch der Statthalter der fpateren romifchen Provinz Arabia 
refidierte, gehorte damals nicht zu Auranitis, fondern zum 
Nabataergebiete. 1 ) 

Batanaa entfpridit im Namen dem altteftamentlichen Basan, Batanaa. 
einem Landftricii im Norden des Oftjordanlandes, auf deffen 
Charakter das Wort Bafan, welches fteinlofe Erde, befon- 
ders den zerfetjten torfbraunen, fehr fruchtbaren Bafalttrap 2 ) 
bedeutet, hinweift. Geographifch verfteht Jofephus an den 
Stellen, worin er Batanaa von den iibrigen Teilen des Oft- 
jordanlandes unterfcheidet, 3 ) unter erfterer Landfchaft die Hoch- 
ebene en-Nukra, d. h. ,,die Hohlung", welchen Namen das 
durch Berge und Hohenziige, namlich im Often vom Drufen- 
gebirge und der Ledschah, im Weften von Dscholan begrenzte 
Land wegen feiner keffelformigen Lage fiihrt. Die Landfchaft 
ift aufcerft fruchtbar und fowohl als Kornkammer Syriens, 
als auch wegen ihrer eigentumlichen ,,fchwarzen" Ortfchaften 
beriihmt. Man hat namlich faft nirgendwo Holz, woran jene 



J ) Dies folgt aus einer zu Bosra gefundenen nabataifchen Infchrift 
aus dem 11. Jahre des Konigs Malchus II., d. h. aus ungefahr 40 v. Chr. 
Vgl. de Vogue, Syrie centrale, Inscriptions semitiques, P. 1868, p. 103 
<= Corp. Inscr. Semit. P. II. Aram. n. 174). Vgl- Smith 617, 1. - Eine 
Karte des Dschebel Hauran von H. Fifcher gibt ZDPV, XII (1889). Vgl. 
auch Rene Dussaud et F. Macler, Voyage archeologique au Safa et dans 
le Djebel ed-Druz. Paris 1901. Sejourne, A travers le Hauran Rb. VII. 
(1898), p. 275-87, 596-611. 

*) S. Buhl, S. 117. 

8 ) Ant. 15, 10, 1. 17, 2, 1 f. B. J. 1, 20, 4. Er nennt aber bis- 
weilen den nOrdliehen Teil des Oftjordanlandes iiberhaupt Bafan, Ant. 4 
7, 4. 9, 8, 1 und gebraucht auch Batanaa bisweilen im weiteren Sinne' 
Z. B. Vita 11. fiera ro,v sv Barnvala rQa^mvirwv. 

Felien, Neutejtamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Aufl. 6 



82 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc, 

Gegend fehr arm 'iff, fondern vielmehr Steinbalken zum Bau 
der Haufer benutjt, und wie die Balken beftehen audi die 
Decken, Tiiren, Riegel u. dgl. aus Bafalt, der durdi die ftarke 
Sonne fchwarz geworden ift. 1 ) Am Siidrande von en-Nukra 
liegt die Stadt Der l at, das alte Edrei. 

Trachonitis. Trachonitis (d. h. ,,Rauhland") 2 ) fiihrt feinen Namen von 
den fudo[tlich von Damaskus gelegenen fogenannten Tra- 
dio.nen (vom griech. trachon = fteiniger, rauher Boden), 
zwei grofcen Lavabetten, wovon allerdings nur das grofce 
Lavaplateau el-Ledschah (= Zufluditsort, Afyl) mil feiner 
Umgebung in Betracht kam, da das andere es-Safa (die 
,,leere, nackte") kein Waffer und keine Vegetation hat und 
auch zu weit entfernt .von zivilifierten Gegenden in der 
Wiifte liegt. Noch um das Jahr 25 v. Chr. horen wir von 
ganz verkommenen Menfchen, welche in der Trachonitis in 
unterirdifdien Schlupfwinkeln und Hohlen mit ihrem Vieh 
lebten und das Damaszenifche Gebiet plunderten. 3 ) 

uiatha und Nordweftlich von der Trachonitis lag der Bezirk Ulatha, 

Panias. an welchen Namen der Hule-See erinnert, und die Land- 

fchaft Panias und ihre Umgebung, wo zur Zeit des Herodes 

Zenodorus herrfchte, nach deflen Tode Herodes die Land- 

fchaften erhielt. 4 ) 

Das Gebiet Ituraa und das Trachonitifctie Gebiet bildete nadi dem 
der ituraer. Neuen Teftamente 5 ) die Tetrarchie des Philippus. Der Name 



') Vgl G. Smith 615, 629 ff. Schumacher, Das fiidliche Bafan [d. h. 
der oftliche und fiidliche Hauran], ZDPV, Bd. XX. (1897), 67-227. G. Rind- 
fleifch, Die Landfchaft Hauran in romifcher Zeit und in der Gegenwart 
ZDPV, XXI. (1898), 146 [und feparat, Marburg 1898. Es ift eine zu- 
fammenfaffende Arbeit], Noch immer wertvoll ift Wetjftein, Reifebericht 
uber den Hauran und die Trachonen. Berl. 1860. 

2 ) Jofephus fagt bisweilen 6 T^a/wr, fo Ant. 13, 16, 5; 15, 10, 1. 
B. J. 1, 20, 4. 2, 6, 2. Er redet Ant. 17, 2, 1 f. von der an Trachonitis 
grenzenden Toparchie Batanaa. Ant. 17, 8, 1 und 18, 4, 6 fteht Trachoni- 
tis im weiteren Sinne, mit Einfchlug von Auranitis (Ptolem. 5, 15, 26 
redet von T^a/wvira? "./^a^i ,,unter" dem Mons Alsalamos) und Ant. 
18, 5, 4 kurz von der ganzen Tetrarchie des Philippus. In letjterer Be- 
deutung wird Trachonitis auch von Philo, Leg. ad Caj. 41 gebraucht. 

3 ) Ant. 15, 10, 1. B. J. 1, 20, 4. 
*) Ant. 15, 10, 3. 

5 ) Luc. 3, 1. Der fonft nicht ficher nachgewiefene Name Ituraa (bei 
Jos. Ant. 13, 11, 3, wo Dindorf 'Itovyaiuv hat, ift nach Niefe 'It 



I.-Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 83 

Ituraa weift auf das von den Ituraern bewohnte Gebiet bin. 
Sie waren in der romifchen Kaiferzeit als Bogenfchutjen be- 
ruhmt 1 ) und gehorten einem ifmaelitifchen Stamme von Ara- 
bern an, 2 ) der allerdings aus unruhigen Nomaden, ahnlich 
den heutigen Beduinen, beftand, aber im erften Jahrhundert 
einigermafcen fefte Wohnfitje hatte. Nadi Strabo bewohnten 
fie diefelben Gebirgsgegenden wie die Araber oberhalb der 
Ebene Massyas (jetjt El Bika) zwifchen Libanon und Anti- 
libanon. Ihre Wohnfitje muffen fich aber uber die Weft- 
und Siidabhange des Antilibanon hinaus nach Sudoften er- 
ftreckt haben. Denn Strabo erwahnt audi, nadidem er von 
Damaskus und den Traehonen gefprochen hat, gleidi darnach 
}) wilde Gebirge mit grofcen Hohlen naeii den Gebieten bin, 
welche die Araber mit den Ituraern bewohnen." Somit 
haben fie bis nach Trachonitis hin 3 ) gewohnt, wenn auch 



zu lefen) wird von Euseb. Onom. p. 110 als gleichbedeutend mit dem 
trachonitifchen Lande gebraucht, leljteres aber ift ihm i/ jta^axet^lvt] x^a^* 

crj tQ^fiu> rij xr BdffTQav TIJ? '^4(a/9/af. 

J ) Caesar, Bell. Afric. 20. Cicero, Philipp. 2, 8, 19. 2, 44, 112. 13, 
8, 18. Virgil. Georg. 2, 448. Lucan. Pharsal. 7, 230 und 514. 

") Der Name hangt ficher mit Jetur, einem Sohne Ifmaels zufammen . 
S. Gen. 25, 15. 1 Par. 1, 31. Vgl. 1 Par. 5, 19. 

3 ) Strabo 16, 2, 18: r fikv ovv OQSIVOI U/ov6t ndvta'hov^alol -ce xal 
; 16, 2, 20: e'rrtitct TT^O? T ^.(tcifiwv /Aegrj xai ToJv 'iTovga-imv ava- 

041*7 6v6^ara, Vgl. Smith, Hist. Geography p. 544547. Nach einer 
Infdirift um das Jahr 6 n. Chr. (Ephemeris Epigraphica, IV, 1881, 
537 542) fagt Q. Aemilius Secundus, Unterfeldherr des Varus n adversus 
Ituraeos in Libano monte castellum eorum cepi". Den Sohn des Pto- 
lemaus Mennaus, welchem die Ebene Massyas und die Gebirgsgegend 
der Ituraer gehorte (Strabo 16, 2, 10), Lysanias, welcher zur Zeit des 
Triumvir Antonius das Land von Damaskus bis zurri Meere befag und 
feine Hauptftadt in Chalcis oberhalb der Ebene Massyas im Antilibanon 
hatte, (vgl. u. S. 89) nennt Dio Cassius 49, 32 KOnig der Ituraer. Aus 
diefen CrQnden und wegen Strabo 16, 2, 10 und 18 vertritt Schurer I, 
707 ff. die Anficht, dag die Ituraer um die Zeit vor Chrifti Geburt in 
dem die Ebene Massyas im Often begrenzenden Gebirgszuge, dem Anti- 
libanon, wohnten. So auch Sejourne Rb. VI, 1898, p. 2779. Das mag 
ja zu einer Zeit richtig gewefen fein, war aber fchon zu Strabos Zeiten 
wenigftens nicht ausfchliefclich richtig. Vgl. Strabo 1. c. Ober die Hohlen 
in Trachonitis f. Seite 82. Im Jahre 38 v. Chr. wird ein Kdnig der 
Ituraer, Soemus, erwahnt. Denn es heigt bei Dio Cass. 59, 12, dag 
Caligula ihm (im Jahre 38) die Herrfchaft uber die Ituraer verlieh. 
Nach feinem Tode wurde fein Land mit Syrien verbunden. Vgl. Tac. 

6* 



84 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchidite der Juden etc. 

zerftreut unter Arabern. Moglicherweife hat der heilige 
Lukas mit den Worten Tetrardi von ,,Ituraa und dem 
trachonitifchen Gebiet" zwei Namen fiir ein und dasfelbe 
Gebiet gebraucht, 1 ) wahrfcheinlidi meint er aber verfdiiedene 
Teile, da dies feinem fonftigen Verfahren entfpricht. 
Peraa im en- Kehren wir zuruck zu Peraa im engeren Sinne, fo er- 
geren Sinne. ftreckte fich dies nadi Jofephus von Macharus am nordliehen 
Saum des Hodilandes von Moab bis nach Pella im Norden. 2 ) 
Da nun Pella, eine fchon zur Dekapolis gehorige Stadt, 
nordlich vom Jabbok liegt, fo war Peraa nadi Norden weiter 
ausgedehnt als das alte Land der Ammoniter, welches vom 
Arnon bis zum Jabbok reichte 3 ) und heute el-Belka heifct. 
Geographifch zog man aber die Grenze auch noch weiter 
bis zum Jarmuk. Denn in diefem Sinne nennt wohl Jofephus 
Gadara, unmittelbar fudlich vom Jarmuk, die Hauptftadt Pe- 
raas. 4 ) Es wurde fomit auch bisweilen noch das Land zwi- 
fchen Jabbok und Jarmuk (heute "Adschlun) zu Peraa gezahlt. 
El-Belka und Adfchlun zufammen bilden das altberuhmte 
wafferreiche Weideland Gilead. Macharus lag im alten Moa- 
biterland, welches fich der Makkabaer Alexander Jannaus 
tributpflichtig gemacht hatte. 5 ) Die von ihm erbaute Feftung 
Macharus am Toten Meere hatte fpater Herodes, der auch 
noch zuletjt die in der Nahe gelegenen beriihmten warmen 
Bader von Kallirrhoe befuchte, 6 ) zu einem zweiten Masada 
gemacht. 7 ) 

ann. 12, 23: Ituraeique et Judaei defunctis regibus, Sohaemo atque 
Agrippa, provinciae Suriae additi. 

') Vgl. Smith, p. 554 und art. Ituraa in Hastings II, 521 f. und 
Schurer I. 711 gegen Ramsay (Expositor, 1894, IX, p. 51 ff., 143 ff., 288 ff.), 
der das ituraifche und das trachonitifehe Gebiet als identifch [vgl. auch 
Bus. Onom., p. 110] anfehen will. Da Lukas das Gebiet des Pilatus (3, 1) 
kurzweg Judaa, das des Vierfurften Herodes Galilaa nennt, wurde er 
doch wohl, wenn kein fachlicher Unterfchied zwifchen den beiden Aus- 
drucken ware, auch blog ,,das trachonitifehe Gebiet" gefagt haben, ahn- 
lich wie Agrippa bei Philo Leg. ad Caj. 41 die kurze Bezeichnung n Tijv 
TQay.oivlriv ^Byoiisv^ xal trjv JTAAa/r" fur die beiden Tetrarchien ge- 
braucht. Reland, p. 77 ff. identifiziert Ituraa mit Auranitis. 

2 ) Siehe S. 81 f. 

8 ) Ant. 4, 5, 2. 

<) B. J. 4, 7, 3. 

5 ) Ant. 13, 13, 5. 14, 2. 15, 4. 

e ) Die Bader von Kallirhoe liegen an der Oftfeite des Toten Meeres, 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 85 

Im Oftjordanland war, feitdem das ganze Land von Ale- Die 
xander Jannaus mit Ifrael vereinigt war, 1 ) nach Moglidikeit Dekapoiis. 
jadifche Sitte eingefuhrt worden. 2 ) Allein dem widerftanden 
die zahlreidien helleniftifchen Stadte jener Gegend, deren Lage 
zur Zeit Chrifti wieder eine viel unabhangigere geworden 
war. Durch Pompejus hatten fie wieder ihre ,,Freiheit" er- 
langt, 3 ) d. h. fie waren wie fruher ,,freie Stadte" mit freier 
einheimifcher Verwaltung, Munz-, Afyl- und Vereinigungsreeht, 
die jedoch von Anfang an zur Provinz Syrien gehorten und 
in politifcher und reditlicher Beziehung unter der Oberauf- 
fidit des dortigen Statthalters ftanden. Audi mufcten fie 
Reidisfteuer bezahlen und konnten zum Heerdienfte einge- 
zogen werden. Audi mufcten ihre Miinzen das Bild des 
Kaifers tragen. 4 ) Zehn diefer griediifdien Stadte bildeten 
zufammen die Dekapoiis. Das Wort Dekapoiis findet fidi erft 
in romifdier Zeit und wird wie ein geographifcher Ausdruck 
zur Bezeidinung eines beftimmten Teiles von Syrien bezw. 
von Palaftina gebraudit. 5 ) In den Evangelien i[t es der Di- 

wo nun die Ruinen von Zara fich finden, fudlich von dem Einflug des 
Zerka in's Meer. Von dem Orte fagt Plinius H. N. 5, 10, dag er den 
Namen Kallirhoe (= die fchOne, gute Quelle) mit Recht verdiene (aqua- 
rum gloriam ipso nomine praeferens). Nach Jofephus Ant. 17, 6, 5, 
B. J. 1, 33, 5 lagen die Quellen direkt am toten Meere. Bei den frflher 
oft als Kallirrhoe ange[ehenen Quellen bei Baaras (Jof. B. J. 7, 6, 3), 
welche die Araber Hammam ez-Zerka d. h. Zerka-Bad nennen, trifft das 
nicht zu. Audi die Karte von Madaba nennt eine Gruppe von Badern 
unmittelbar am Meere ,,Bader von Kallirhoe." Vgl. u. a. F. M. Abel, 
Une croisiere etc. Rb. 1909, 233 ss. Heidet, Eine Badekur in Kallirrhoe 
u. die Dampffchiffahrt auf dem toten Meere. Das hi. Land 1909, 2, 65 ff. 

7 ) Ant. 14, 5, 2. 6, 1. B. J. 7, 6, 2. Plin. H. JJ. 5, 16, 72. Vgl. 
iiber die durch die Ermordung des Johannes des Taufers beruhmte 
Feftung, die zugleich auch Palaft des Herodes war, Abel 1. c. p. 386 -397. 

J ) Ant. 13, 13, 13. B. J. 1, 4, 2. 

) Ant. 13, 15, 4. 

3 ) Ant. 14, 4, 4. B. J. 1, 7, 7. 

*) Vgl. Marquardt, R6m. Staatsverw. I, 69 ff. Mommfen, R6m. Staats- 
recht III, 1, 645 ff. 

5 ) PliniUs 5, 18, 74: Decapolitana regio a numero oppidorum, in 
quo non omnes eadem observant [die Zahl der Stadte wird ver" 
fchieden angegeben]; 15, 15 heigt es, die kleinen Oliven wuchfen Deca- 
poli Syriae. Jos. B. J. 3, 9, 7 nennt zur Zeit Vefpafians Skythopolis 
,,die grogte Stadt der Dekapoiis". S. auch Jos. Vita 65 (r'? ev rfj Sv^la 

3e*ct ^o'Ae<? enole/tsiTe) und 74 (ot7i(>~ ottoi rolv rrj? 2v(>la<; dexa, nolewv). 



86 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ftrikt, der durch den See Genefareth und den Jordan von 
Galilaa getrennt ift. 1 ) Zu den Stadten der Dekapolis ge- 
horte 2 ) eine als Mittelpunkt vieler Strajgen wichtige griediifdie 
Stadt im Weftjordanland, namlidi Skythopolis, 3 ) dann im Oft- 
jordanland neun an Haupthandelsftrafcen liegende Stadte. 
Hierzu gehort Pella (wahrfcheinlich das ffiddftlidi von Skytho- 
polis fiber dem Jordantal liegende Fahil), 4 ) eine im judifchen 
Kriege den Romern treu ergebene Stadt, wohin die Chriften 
Jerufalems wahrend des romifdien Krieges fliichteten ; 5 ) 
dann weiter nach Norden, auf den Hohen unmittelbar fudlidi 
vom Jarmuk Gadara, 6 ) deffen umfangreiches Stadtgebiet fidi 
fiber den Jarmuk hinuber bis ans Galilaifche Meer erftreckte. 7 ) 

Daft die Stadte der Dekapolis einen Stadtebund, etwa zu Zwedcen des 
Handels oder der Verteidigung, gebildet hatten, wird oft angenommen, 
lajgt fich aber nidit dartun. Vgl. dagegen auch Schwartj, Die Aren von 
Gerasa und Eleutheropolis, GGN 1906 (S. 340395), S. 372 ff., dejfen 
eigene Vermutung, Dekapolis fei urfprfinglich Name einer feleucidifchen 
Provinz gewefen, von Schurer II, 149, 215 bekampft wird. 

a ) Matth. 4, 25. Marc. 5, 20. 7, 31. Bus. Onom., p. 80 nennt die 
Dekapolis richtig die Gegend um Hippos, Pella und Gadara. 

2 ) Nadi Plinius N. H. 5, 18, 74. Befonders ausfuhrlich handelt uber 
die einzelnen Stadte der Dekapolis Schurer II, 148194, wo auch die 
neuere Literatur forgfaltig verzeidinet ift. 

3 ) Siehe o. S. 38. 40. 41. Die Stadt, welche hebraifch Beth-Sean, 
griech. Bijsdv oder B<*iffdv heigt (in Judith 3, 11 und 2 Mace. 12, 29 
S*vv noKiq), lag auf einer Terraffe 100 m fiber dem Jordan, etwa 7 
Kilometer vom Fluff e entfernt in einer wafferreichen Gegend. Jofephus 
B. J. 3, 9, 7 fagt von ihr: 17 6e fan, (tyl'STy tfj<; JsKamiieu,?. Ober die 
bewegte Gefchichte der Stadt vgl. Schurer 2, 170-173; F. M. Abel, Ex- 
ploration de la vallee du Jourdain, VII., in Rb. 1912, 409423. 

*) Vgl. befonders Schumacher, Pella. London 1888. 
6 ) Bus. H. E. Ill, 5, 23. Epiphan. haer. 29, 7; de mensuris et 
pond. 15. 

6 ) Plin. 5, 18, 74; Gadara Hieromice praefluente. Der Ort wird 
allgemein in der Ruinenftatte Mukes (MkSs), die 364 m uber Meer auf 
der weftlichen Spitje eines Gebirgskammes liegt, gefunden. Siehe Schu- 
macher, Northern Ajlun, London 1890, p. 46-80; Badeker, S. 185 f. 
Warren, art. Gadara in Hastings II, 79 f. Abel, Exploration de la vallee 
du Jourdain. Rb., 1911, 424436. 

7 ) Nach Schurer II *, 161 reichte das Gebiet von Gadara bis an den 
See, wie nicht nur aus Ev. Matth. 8, 28 (wo die Lesart fchwankend fei) 
fondern auch aus den Munzen folge. Auf diefen wurde ofters ein Schiff 
abgebildet, ja einmal (auf einer MQnze Mark Aurels) eine v,tt<t*n (/la) 
erwahnt (vgl. de Saulcy, pi. XV n. 9-11). Eine ahnliche Munze befchreibt 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 87 

Die befonders wegen ihrer warmen Quellen 1 ) beruhmte Stadt 
hat zeitweilig geradefo wie eine andere Stadt der Dekapolis, 
Hippos (etwas vom 6ftlichen Ufer des Galilaifchen Meeres ent- 
fernt) 2 ) dem Herodes gehort. a ) Beide find aber nach feinem 
Tode mit der romifchen Provinz Syrien verbunden worden. 4 ) 
Etwas weftlich von Hippos und fomit unmittelbar am See 
Genefareth lag auf einem nur von Often zuganglidien Hu- 
gel, wie Jofephus fagt, ,,gegeniiber Tarichea jenfeits des 
Sees," die fefte Stadt Gamala, welehe aber nicht zur Deka- 
polis, fondern zum untern Gaulanitis gehorte. 5 ) Den Ort 
nehmen jetjt die Ruinen Kal c at el-H6sn ein. 6 ) Die nordlidi 
hiervon liegenden Ruinen von Khersa Oder Kursi, ebenfalls 
am Ufer des Sees, die einzige Stelle an der Kiiftey wo die 
Berge als fteile Felswand unmittelbar ans Waffer heraiitreten, 7 ) 
weifen noch in ihrem Namen auf Gergesa oder Gerasa 8 ) 
bin, wo der Heiland den Befeffenen heilte. 



aueh Dalman, Infchriften aus Palaltina ZDPV, Bd. 37, 1914 S. 143). Sie 
ftammt aus der Zeit Mark Aurels (aus dem Jahre 224 = 160/161 n. Chr.) 
und hat auf der Ruckfeite die Auffchrift rrfo(,v TTJS xarn n()r (nnov) 
vwnn f/v?' = Der Gadarener von der Schiffska'mpfe veranftaltenden 
Stadt am Fluff e (Jarmuk). Dalman meint, fie beweife nichts fur die 
Herrfchaft der Stadt fiber den See. Die Schiffskampfe wurden wohl unten 
bei den Badern im Fluffe oder in einem dort leicht herzuftellenden Baffin 
ftattgefunden haben. 

') Bus. Onom., Ausg. Kloftermann p. 74 u. 22, erwahnt fie. 

*) Die Stadt lag am oftlichen Ufer des Sees Genefareth (Plin. 5, 
15, 71), 30 Stadien von Tiberias (Jos. Vita 65), nicht weit von Gadara 
(Vita 9), nach Bus. Onom., p. 22 nahe bei Afeka. Letjteres wird iden- 
tifiziert mit dem jetjigen Dorfe Fik. Nahe dabei liegt die Ruinenftatte 
Susije, welehe vermutlich das alte Hippos iff. 

3 ) Ant. 15, 7, 3. B. J. 1, 20, 3. 

4 ) Ant. 17, 11, 4. B. J. 2, 6, 3. 

*) B. J. 4, 1, 1. Siehe o. S. 80, 6. 

6 ) Badeker, S. 282. Vielfach wird el-H6sn mit Hippos identifiziert, 
auch von Schurer II, 156, 240. Bei der damaHgen dichten BevOlkerung 
des Landes beweift der Umftand, dag, wenn Hippos "= Susije und Ga- 
mala = el-HOsn ift, zwei bedeutende Stadte n unmittelbar nebeneinander" 
gelegen haben, nichts. 

7 ) Vgl. Smith 458 f. und Buhl 243. 

8 ) Es gab mehrere Orte des Namens Gerasa. Vgl. Furrer, Noch- 
mals Gerasa, ZDPV XXI. (1899), 184 f. Fur Khersa auch Kaulen im 
Kirchenlex. 5, 350. Warren, art. Gerasenes in Hastings II, 159 f. u. a. 
Vgl. noch Lagrange, Geraseniens ou Gergeseniens in Rb. IV (1895),512-522. 



88 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Eine fiinfte Stadt der Dekapolis, namlich Dium, lag etwas 
fiidoftlich von Pella, 1 ) und- welter fiidoftlich die grofce Stadt 
Gerasa,-) von welcher noch fehr bedeutende, allerdings er[t 
aus dem zweiten und dritten Jahrhundert [tammende Refte 
eines grofcen heidnifchen Tempels, zweier Theater und an- 
derer offentlichen Gebaude in den Ruinen von Djerafch er- 
halten find. 3 ) 

Noch 9 l /2 Stunden Wegs fudlicher als Gerasa lag die 
ebenfalls zur Dekapolis gehorige Stadt Philadelphia, welche 
im Alten Teftament Rabba (Hauptftadt) der Ammoniter, oder 
einfaeh Rabba hiefc. Ihren alten Namen hat fie aber doch 
auch behalten, und heute noch heifcen die grojgartigen Ruinen 
der Stadt die Ruinen von 'Amman. 4 ) 

Die Lage von Raphana, welches Plinius unter den Stadten 
der Dekapolis erwahnt, ift nicht bekannt, 5 ) wohl aber die 
von Kanatha, dem heutigen Kanawat am Weftabhang des 
Haurangebirges an der alten Romerftrafee, die von Bosra 
nach Damaskus fiihrte. ) Endlich gehorte noch Damaskus 
nach Plinius zur Dekapolis. 7 ) 

In diefen Stadten, zu welchen oft ein grofces Gebiet mit 
mehreren Dorfern gehorte, 8 ) pulfierte in den Stra&en, Am- 
phitheatern, Badern u.'dgl. machtig das griechifch-romifche 
Leben der damaligen Zeit, und in ihren Tempeln fanden 



x ) Ptolem. 5, 15, 23; vgl. Smith 598, 2. Deshalb i[t die Vermutungf 
von E. Schwartj, S. 359 ff., dag Dium auf dem heutigen Tell-el-Asch'ari 
(oftlich vom See Genefareth und nordoftlich von Pella) lag, fdiwerlich riditig. 

2 ) Alexander Jannaus hatte die Stadt erobert (B. J. 1, 4, 8 und 
Ant. 13, 15, 3, wo ftatt *E66av r^aoav zu lefen i{t). Plinius 5, 18, 74 
nennt urrter den Stadten der Dekapolis auch Gelasam, wofur Gerasam 
zu lefen ift. 

3 ) Schumacher, Dscherasch ZDPV, XXV. (1902), S. 109177. Vgl. 
auch Badeker, 163-169 und P. Thomfen, Palaftina und feine Kultur in 
funf Jahrtaufenden, 2. Aufl. Lp. 1917, S. 103 ff. 

4 ) The Survey of Eastern Palestine I. (By C. R. Conder), L. 1889, p. 19 - 64. 
Vgl. auch Badeker, 169 171. Den Namen Philadelphia erhielt die Stadt von 
Ptolemaus II. Philadelphus. S. Hieron. in Ezech. c. 25 (Migne PL. 25, 233). 

5 ) Vgl. Buhl, S. 250. Schurer II, 163 f. 

6 ) Vgl. Schurer II, 167-170. Sejourne Rb. VII, 603-606. Badeker 
191193. 

7 ) S. u. S. 90. 

b Jos. Vita 65. 



I. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 89 

die heidnifchen Cotter ihre Verehrer. In Gadara zum Bei- 
fpiel, deffen Gemarkung fo ausgedehnt war, daft man von 
einer Landfchaft Gadaritis reden konnte, 1 ) wurden Zeus, 
Pallas, Herkules und Aftarte verehrt. 2 ) Von hier ftammten 
der Lehrer des Kaifers Tiberius, der Rhetor Theodorus, der 
um die Zeit Ciceros lebende Epikuraer Philodemus und der 
ebenfalls im erften Jahrhundert vor Chriftus lebende Epi- 
grammendichter Meleager. 3 ) 

In der Dekapolis lag auch oftlich von Gadara ein Ort namens 
Abila. 4 ) Aber nicht von diefem, fondern von einer gleichnamigen Stadt 
Abila, 5 ) welche identifdi ift mit dem auf der Strafce von Damaskus nach 
Heliopolis (Baalbek) etwa 6 Wegftunden oberhalb Damaskus am Barada 
gelegenen Dorfe Suk 6 ), fuhrt die im Neuen Teftamente erwa'hnte Tetrar- 
chie von Abilene 7 ) ihren Namen. Das Qebiet von Abila gehSrte um die 
Mitte des erften Jahrhunderts einem gewiffen Ptolemaus, Sohn des.Men- 
naus, welcher Furft der Ebene Maffyas mit der Hauptftadt Chalcis und 
des Berglandes der Ituraer 8 ) war. Sein Reich grenzte an das Gebiet von 



') B. J. 3, 10, 10. 

2 ) De Saulcy, Numism. de la terre sainte, p. 294303. 

8 ) Strabo 16, 2, 29, der allerdings die judifche Stadt Gadara = Ga- 
zara (f. S. 59) mit dem heidnifchen Gadara vervvechfelt (fo Lightfoot, Cen- 
turia chorographica Matthaeo praemissa cap. LXXV. Opera 1 . Ultrajecti 
1699 II, 225. Reland, p. 577). 

*) Bus. Onom., p. 32. 

5 ) EUS. I. C. 'jifttlci tfje 'IiOMtxSli ftun&i Ann.ct6M-v xai IJaveci$os. 

Ober das Abila des Lysanias vgl. Ptolem. 5, 14, 22. Jos. Ant. 19, 5, 1. 

6 ) Man fand 2 Meilen von Suk einen Meilenftein rnit der Aufjchrift 
Mil. pass II. Vgl. Clermont-Ganneau, Recueil II, 35 - 43. In der Na'he 
findet fich auf einem Felfen eine Infchrift, wonach (f. diefelbe bei Orelli 
4997) die Kaifer Mark Aurel und L. Verus viam fluminis vi abruptam 
interciso monte restituerunt per Jul. Verym leg. pr. pr. provinc. Syr. et 
amicum suum, impendiis Abilenorum. Der Plug ift der Chrysorrhoas, 
der jetjt Barada heigt, an dem auch Damaskus liegt. Man hat auch 
Abila mit einer Stadt Leucas am Chrysorrhoas, wovon man zahlreiche 
Munzen hat, identifizieren wollen (f. z. B. Marquardt RStV. 1, 402). Allein 
es gab eine ganze Anzahl von Flilffen, welche den Namen oder Beinamen 
Chrysorrhoas fuhrten (Perdrizet in Rb. 1900, 442). Ob das auch von dem 
Fluffe Valania gilt, an welchem Banijas, das alte Balanaia, worin neuer- 
dings Leucas gefucht wird (von J. Rouvier, Balanee-Leucas Rb. N. S. I. 
1904, p. 572-576) gilt, ift aber unbekannt. 

7 ) Luc. 3, 1. 

8 ) Strabo 16, 2, 10 (f. o. S. 83, 3). Jos. Ant. 14, 7, 4 nennt ihn 

ryro rw Aifidvw 



90 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Damaskus, fur welche Stadt er ein gefahrlicher Nachbar war, 1 ) da er feine 
Maeht {tets auszubreiten 2 ) fuchte. Von Pompejus erkaufte er fich den Fort- 
beftand feiner Herrfdiaft urn 1000 Talente. Da er mit einer Makkabaerin 
verheiratet war, 3 ) unterftutjte er deren Bruder Antigonus in feinen Be- 
muhungen um den Thron, 4 ) Nach feinem Tode im Jahre 40, der zur 
Zeit des Einfalls der Farther erfoigte, kam {ein Reich an feinen Sohn 
Lyfanias. 5 ) Der Kleopatra zuliebe liefc Antonius der Triumvir diefen 
unter dem Vorgeben, er habe mit den Parthem ein Btindnis gefchloffen, 
im Jahre 36 v. Chr. umbringen und gab fein Gebiet der Konigin von 
Agypten. 6 ) 

Als Pachter, 7 ) d. h. als tributpflichtigen Befitjer des Gebietes des 
Lyfanias finden wir f pater Zenodor, 8 ) Dynaft von Ulatha und Panias,'-) 



a ) Ant. 13, 16, 3: /9p?V r\v rfj noltt, yeiTixv. Nach Jos. Ant. 14, 15, 2. 
B. J. 1, 4, 8 haben die Damaszener aus Hag gegen ihn den Araber- 
konig Aretas herbeigerufen und diefen zum Konjg von Coelefyrien ge- 
macht, Spater hat die K6nigin Alexandra ihren Sohn Ariftobul mit einem 
Heere nach Damaskus gefchickt, angeblich um die Stadt vor Ptolemaus 
Mennai zu fchQtjen. Ant. 13, 16, 3. B. J. 1, 5, 3. 

*) Ant. 14, 3, 2. 

a ) Ant. 14, 7, 4. B. J. 1, 9, 2. 

*) Ant. 14, 12, 1. 

5 ) Ant. 14, 13, 3. B. J. 1, 13, 1. (Siehe u. S. 91.) Jofephus nennt 
ihn nidit Tetrarch, fondern K6nig (fl**et\t-vi) B. J. 1, 22,3. Audi Dio Cass. 
49, 32' und Porphyrius bei Bus. Chron. ed. Schoene I, 170, der ficher 
nicht von Lyfimachus, fondern von Lyfanias fpricht, nennen ihn Kdnig. 
Erft nach dem Tode diefes Lyfanias fpricht Jofephus von einer ,,Tetrarchie 
des Lyfanias" Ant. 18, 6, 10. 20, 7, 1. In 20, 7, 1 wird Chalcis von der 
Tetrarchie Abila unterfchieden. 

6 ) Vgl. Ant. 15, 3, 8 fin. und 15, 4, 1, woraus fich ergibt, dafj, als 
Herodes im Jahre 34 zu Antonius kam, Lyfanias bereits tot und fein Reich 
der Kleopatra gefchenkt war. Porphyrius 1. c. fagt: TO ^ex 

[das 16. Jahr der Kleopatra ift das Jahr 36 v. Chr.] wvonda&t) TO 
TfXevTijOtxvToi; jivQindzov (z. 1. ift jivGaviov) Tys lv 
?, M.a.gxo<; > AvTMVto<; o avroxgdroiQ Tr\v re XaAw'rfa xnl 
TOTHVC itnfjifitnxe zfj lO.ennaT&a. Somit fe^t et; die Schenkung 
auch ins Jahr 36. Ebenfo Plutarch, Anton. 36 und Dio Cass. 49, 32. 
Allerdings hat damals, im Jahre 36, die Kleopatra verfprochen, auf Judaa 
keinen Anfpruch zu machen (Ant. 15, 3, 8 fin.), hat aber dies Verfprechen 
nicht gehalten und hat im Jahre 34 Stucke von Judaa erhalten (Ant. 
15, 4, 1-2. B. J. 1, 18, 5). (Schurer I, 362, 5 fe^t die Hinrichtung des 
Lyfanias ins Jahr 34. Vgl. auch ebd. 1, 707725: I. Beilage Gefchichte 
von Chalcis, Ituraa und Abilene.) 

7 ) Ant. 15, 10, 1. B. J. 1, 20, 4. 

8 ) In einer zu Heliopolis gefundenen und nur bruchftuckweife er- 
haltenen Infchrift wird von einem n Zenodorus, Sohn des Tetrarchen 
Lyfanias" geredet (vgl. den Text nebft Kommentar bei Renan, Memoire 



1. Kap. Das heilige Land zur Zeit Chrifti und der Apoftel. 91 

der aueh Herr von Trachonitis, Auranitis und Batanaa war. 1 ) Da er fich 
aber an den Raubereien gegen die Bewohner des Damaszenifdien Ge- 
bietes beteiligte, wurden die drei zuletjt genannten Landfdiaften im 
Jahre 23 v. Chr. von Auguftus dem Herodes fibertragen.*) Nachdem 
Zenodorus im Jahre 20 zu Antiodiien geftorben war, erhielt ,,deffen nicht 
kleinen Befitj, der zwifdien Trachonitis und Galilaa lag und Ulatha, Pa- 
nias und daran grenzende Gebiet einfchlog", ebenfalls Herodes. 3 ) 

Abilene wird unter den dem Herodes gefchenkten Landfdiaften nicht 
erwahnt, vielmehr hOren wir erft wieder von Agrippa I., dag ihm Kaifer 
Caligula im J- 37 n. Chr. auch ,,die Tetrarchie des Lyfanias"*) und der 
Kaifer Claudius ihm im Jahre 41 das ganze Reich, wie es Herodes be- 
feffen, und dazu w aus feinen eigenen Befitjungen Abila des Lyfanias 
und das ganze Gebiet im Libanon" ubertrug. 5 ) 

Zur Zeit Chrifti hatte Abilene noch eigene Fflrften. Denn im Lukas- 
evangelium wird ,,Lyfanias Tetrarch von Abilene" erwahnt. 6 ) Ohne Zweifel 
handelt es fich um einen AbkOmmling 7 ) des altern Lyfanias, dem von 



sur la dynastie des Lysanias d'Abilene (in Memoires de 1'Acad. des 
Inscr. et Belles-Lettres t. XXVI. (1870), p. II. p. 49 84), p. 70 ss.}. Da 
Lyfanias I. fonft nicht Tetrarch heigt, ift die Beziehung unficher. Vgl. 
Schurer 1, 715. 

9 ) Ant. 15, 10, 3. Dio Cass. 54, 9. 

') Ant. 15, 10, 12. B. J. 1, 20, 4. Man hat Munzen von ihm aus 
den Jahren 32, 30 und 26 v. Chr. Vgl. Renan, 1. c., p. 63. Vigouroux, 
Le nouveau testament et les decouvertes archeol. modernes 2 . Paris 1896 
(handelt p. 131 141 von Lyfanias dem Tetrarchen von Abilene], p. 136. 

) Ant. 15, 10, 1. B. J. 1, 20, 4. 

3 ) Ant. 15, 10, 3, vgl. B. J. 1, 20, 4. 

4 ) Ant. 18, 6, 10. 

5 ) Ant. 19, 5, 1. Vgl. B. J. 2, 11, 5 ,,pa6dtiav Tijv Avdaviov 



6 ) Luc. 3, 1. 

7 ) Der altere Lyfanias kann nicht gemeint fein, da fein Reich einen 
viel grogeren Umfang afs die Tetrarchie Abilene hatte. Siehe S. 89 f. 
Die Exiftenz eines jungeren Lyfanias wird durch eine bei Abila gefundene 
Infdirift bezeugt (vgl. Renan, Memoire sur la dynastie des Lysanias etc. 
1. c. p. 67. Die Infchrift ift oft veroffentlicht, z. B. auch von Schurer 1, 
718 f. und Vigouroux 1. c. p. 137 s. und nach einem ebenfalls bei Abila 
gefundenen vollft&ndig erhaltenen Exemplar von R. Savignac, Texte 
complet de 1'inscription d'Abila relative a Lysanias Rb. 1912, 533 540 
<S. auch ZDPV, Bd. 36, 1913, S. 220). Hiernach n baute fur das Heil 
unferer Herren Auguften und ihres ganzen Haufes (r*c rJ? toir m-^twv 
Stfiet'ttar oo>Tt:fiin<; x n TOI* ovtinairtHt: nrmlv i.tKuti) Nymphaus, Sohn des 
Abimmeos, Freigelaffener des Tetrarchen Lyfanias, einen Weg und er- 
richtete den Tempel und pflanzte alle Pflanzen auf eigene Koften. Dem 
Herrn Kronos und der Vaterftadt in pietatvoller Gefinnung. M Da die 
Tetrarchie des Lyfanias fchon feit dem J. 37 n. Chr. nicht mehr exiftierte 



92 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Augustus diefe Landfchaft uberlaffen fein dQrfte. Werin Jofephus hiervon 
nidits erwant, fo erklart fich dies daraus, dag er iiberhaupt von Abilene 
als einem augerhalb Palaftinas gelegenen Diftrikt nur gelegentlich fpricht. 
Immerhin bemerkt er, dag im Jahre 53 n. Chr. Agrippa II. nebft andern 
Landern auch ,,Abila, die Tetrarchie des Lyfanias", erhielt. ') 



II. Ka p i t e 1. 

Die politifche Gefchichte Palaftinas }eit der Eroberung 
Jerujalems durch die Romer itn Jahre 63 v. Chr. bis 
zum Tode des Konigs Herodes im Jahre 4 v. Chr. 2 ) 

1. Die Schickfale Judaas bis zum Jahre 63 v. Chr. 

Alexander d. Zwei grofee weltgefchichtHche Perfonlichkeiten haben fich 

Or. und feine w j e f ru h er Cyrus dem judifchen Volke fehr wohlwollend be- 

oger " wiefen, Alexander der Grofce und Julius Cafar. Letjterem 

verdankte es die grofeen Privilegien, deren es fich im R6- 

merreiche zu erfreuen hatte, erfterem, der [elbft im Tempel 



(vgl. S. 90), nehmen wie Renan (p. 49 ss.) auch z. B. Schurer 1, 718 und 
Savignac p. 539 an, dag die beiden gleichzeitigen Auguften in der Zeit 
von 37 n. Chr. zu fuchen find und es fich handelt iim Tiberius und feine 
Mutter Livia, welche nach dem Tode des Auguftus den Titel Augufta 
fuhrte. (s. Tac. Ann. 1, 8). Sie ftarb im J. 29 n. Chr. Lysanias I 
(S. S. 90) kann nicht gemeint fein, da diefer zur Zeit des Tiberius fchon 
50 Jahre tot war. 

>) Ant. 20, 7, 1. Vgl. B. J. 2, 12, 8. 

*) Ygl. zur politifchen Gefchichte des Volkes Ifrael iiberhaupt Ewald, 
Gefchichte des VoJkes Ifrael, 7 Bde 186468. Bd. IV VII. Wellhaufen, 
Ifraelitifche und judifche Gefchichte, 1894. 4. Ausg. B. 1901. Schlatter, 
Ifraels Gefchichte von Alexander d. Gr. bis Hadrian, Gal w u. Stuttg. 2. Aufl, 
1906. E. Schurer, Gefchichte des judifchen Volkes im Zeitalter Jefu 
Chrifti. Erfter Bd. 4. Aufl. (behandelt die Zeit von Antiochus Epiphanes 
175 v. Chr. bis zum hadrianifchen Kriege 135 n. Chr.). C. HOlfcher, Pa- 
laftina in der perfifchen und helleniftifchen Zeit (= Quellen und Forfchun- 
gen zur alien Gefchichte und Geographic, H. 5) B. 1903. Gratj, Gefchichte 
der Juden von den alteften Zeiten bis auf die Gegenwart, 11 Bde., 
18531876. Bd. 3. Gefchichte der Judaer von dem Tode Juda Makkabis 
bis zum Untergange des judaifchen Staates. 5. verb. u. verm. Aufl. Be- 
arbeitet von M. Braun, L. 1905. Guthe H., Gefchichte des Volkes Ifrael. 3 
Tub. 1914. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 93 

zu Jerufalem ein Opfer dargebracht 1 ) haben foil, die Erlaub- 
nis, fowohl in Palaftina, als auch in Alexandrien, wo er bei 
der Grundung der Stadt den Juden diefelben Vorrechte wie 
den Mazedoniern einraumte, 2 ) nach den eigenen judifchen 
Gefetjen zu leben. 

Nach dem Tode Alexanders d. Gr. im Jahre 323 ftand 
Palaftina bis zum Jahre 198 v. Chr. faft ununterbrochen unter 
der Herrfchaft der Ptolemaerkonige von Agypten, welche die 
Juden mil Milde behandelten und fich mit den Abgaben be. 
gniigten. 3 ) Im Jahre 198 traten, nadidem der Konig Antio- 
<iius III (223-187 v. Chr.) von Syrien die Agypter bei 
Paneas an der Jordanquelle befiegt hatte, die Setettziden an 
ihre Stelle. Antiodhus III. felbft erwies den Juden viele Zu- 
gefiandniffe und Gunftbezeigungen 4 ) Aber fchon fein Nach- 
iolger Seleucus IV. (187175 v. Chr.) machte fich durch den 
Verfuch feines Strategos Heliodor, den Tempelfchatj in Jeru- 
falem zu plundern 5 ), und durch die fchweren, dem Lande auf- 
erlegten Steuern mifcliebig. 6 ) 

') Ant. 11, 8, 3 5. Da von diefem Ereignis famtliche andere Quellen 
fchweigen, wird dasfelbe von vielen z. B. von Ewald a. a. O. Bd. Ill, 
S. 276 ff. und Niefe, Qefchidite der griechifchen und makedon. Staaten. 
.3 Bde. Gotha 18931903 I, 83 als Erfindung eines helleniftifchen Juden 
aus den erften Jahrh. v. Chr. erklart. H. Willrich, Juden und Griedien 
vor der makkabaifchen Erhebung, Gott. 1895 S. 1 ff., kommt fogar zu 
dem Paradoxon, dag die Quelle des Jofephus nach dem Jahre 52 n. Chr. 
gefchrieben ift, alfo junger ift als er felbft. Jedenfalls wird Alexander 
im Alten Teftamente nur 1 Mace. 1, 18 und 6, 2 mit Namen erwahnt, 
ohne dag aber dort oder in Daniel 'irgend eine Andeutung, dag er zu 
-Jerufalem in einer Beziehung geftanden hat, fich findet. Vgl. auch Smith, 
Jerufalem (London 1908) II, p. 372375. F. Pfifter, Eine judifche Griin- 
dungsgefchichte Alexandrias. Mit einem Anhang fiber Alexanders Befuch 
in Jerufalem (= SB der Heidelberger Ak. d. Wiff. Phil.-hift. Kl., Jahrg. 
1914. 11. Abhdlg.) Heidelberg 1914. S. 22-30. 

2 ) c. Apion. 2, 4. Vgl. J. P. Mahaffy, The empire of the Ptolemies, 
London 1895 p. 86, der fich auf Papyrus-Fragmente beruft. 

3 ) Vgl. Mahaffy p. 292 ff. 

*) Ant. 12, 3, 3 f. Ober die Regierungszeiten der Seleuziden von 
312 - 129 v. Chr. vgl. die auch auf neue keilinfchriftl. Quellen fich ftu^enden 
Unterfuchungen von Kugler, Von Mofes bis Paulus, Miinfter 1922, 
:S. 309338. 

5 ) 2 Mace. 3. 

G ) Vgl. Mahaffy p. 310. Ober die Steuern f. 1. Mace. 10, 29-31. 
3. 1 , 34 f . 



94 Erfter Abfchnitt. Die politifdhe Gejchichte der Juden etc. 

Verbreitung Wie uberhaupt die Regierung Alexanders d.Gr.und feiner 

des Heiienis- Nachfolger der Verbreitung des Hellenismus den gewaltigften 

mus in Paia- Vorfchub leiftete, fo batten fich auch in Palaftina griediifche 

ftma. . Bjiduug unc j sme feit dem Ende des vierten Jahrhunderts 

immer mehr verbreitet. Es konnte bei der Lage des Landes 

zwifchen den beiden Zentren helleniftifcher Beftrebungen auch 

nicht anders fein. Diefe waren namlich im Siiden Alexan- 

drien, im Norden aber die von Seleucus I. gegrundete Stadt 

Antiochia. Beide Stadte waren auch Sitj der Regierung, die 

eine Agyptens, die andere Syriens, und traten dadurch in urn 

fo innigere Beziehungen zur griechifchen Welt. Auger ihnen 

gab es noch in beiden Landern wie in ganz Vorderafien eine 

Menge griechifcher Stadte. Vielfach waren es nur neugegrun- 

dete und nun anders benannte Orte, welche aber durch ge- 

waltigen Zuzug von Mazedoniern und Griechen und die An- 

nahme einer griechifchen Verfaffung einen neuen Charakter 

erhielten. Dabei erhielt fich .aber in folchen Stadten auch die 

durch Zuzug vom Lande vermehrte einheimifdie Bevolkerung, 

welche auch ihre eigene Sprache beibehielt. Solche Stadte 

waren an der palaftinenfifchen Kiifte, wie bereits gefagt wurde, 1 ) 

z. B. Gaza und Askalon, im Binnenlande z. B. Samaria, Sky- 

thopolis, Gadara u. a. Diefe wurden nun felbft wieder Mittel- 

punkte griechifchen Wefens. Noch ein weiterer Umftand trug 

zur Verbreitung des Hellenismus in Palaftina bei, der rege 

Verkehr, welchen die in der Fremde wohnenden Juden mit 

dem Mutterlande unterhielten. Selbft in Jerufalem fand grie- 

chifches Wefen immer mehr Eingang, namentlich bei den 

oberen Standen, welche naturgemafc am meiften mit den 

Machthabern Agyptens und Syriens und anderer Lander ver- 

kehrten. 

Der Heiienis- Wie ftark die helleniftifche Stromung in Jerufalem war, 

mus in Jeru- zeigte fich unter der Regierung Antiochus IV. Epiphanes 

[aiemunter (174164 v. Chr.), als der Hohepriefter Jefus oder Jafon, 

A tl .* us 1V ' wie er fich griechifch nannte, nachdem er feinen Bruder, den 

pip anes. H jj en p r j e ^ er Qnias aus feinem Amte verdrangt und felbft 

durch Verfprechung grower Geldfummen die eigene Ein- 

fe^ung in die hohepriefterliche Wurde vom Konige erlangt 

hatte, in der heiligen Stadt ein Gymnafium baute. Sogar 

J ) S. o. S. 36 ff. 



II. Kap. Die politifche Qefdiichte Palaftinas von 634 v. Chr. 95 

Priefter nahmen dort ohne Sdieu an den Spielen teil. Jafon 
fandte zu den Feftfpielen des Herakles in Tyrus 300 Silber 
Drachmen als Opfer fiir Herakles. 1 ) Aber audi ihn ereiite 
die Abfetjung, als Menelaus, der als Benjaminite nidit einmal 
aus priefterliehem Gefchledite war, dem Antiochus gro&ere 
Geldverfprechungen zur Erlangung des Hohenprieftertums 
machte. 2 ) 

Der Verfudi des Jafon, wahrend der Abwefenheit des 
Antiochus in Agypten fich Jerufalems zu bemachtigen, ge- 
lang zeitweilig, aber Antiochus liefj im Jahre 170 v. Chr. bei 
feiner Ruckkehr viele in Jerufalem toten und den Tempel 
pliindern. 3 ) Zwei Jahre fpater liefc er Jerufalem fdileifen, 
die Bewohner morden und plundern und legte in die neu 
befeftigte Burg eine fyrifche Befatjung hinein. 4 ) Jetjt verbot 
er fogar bei Todesftrafe, die judifchen Satjungen, namentlich 
die des Sabbats und der Befchneidung, zu beobachten, und 
fchaffte den judifchen Kultus ab. In alien Stadten Judaas 
wurden heidnifchen Gottheiten Altare errichtet und felbft der 
Brandopferaltar in Jerufalem zu einem Altare des Zeus 
Olympius umgebaut. 5 ) 

Damals fielen viele ab, damals ftarben aber auch viele, 
wie der neunzigjahrige Eleazar und die fieben makkabaifchen 
Briider, eines glorreichen Todes fur den Glauben. 6 ) Mattha- 
thias, ein Priefter von Modein (heute el-Med!jeh), einem Ge- 
birgsftadtchen oftlieh von Lydda, begann den offenen Kampf 
fiir den Glauben, 7 ) den feine funf Sohne Johanan, Simon, j u das 
Judas, Eleazar und Jonathan erfolgreich fortfe^ten. Der Makkabausu. 

feine Briider. 

1 ) 1 Mace. 1, 15. 2 Mace. 4, 11, 20. 

2 ) 2 Mace. 3, 7 ff. 4, 23 -25. 

3 ) 1 Mace. 4 und 5. 1 Mace. 1, 20 ff. 

4 ) 1 Mace. 1, 30-42. 2 Mace. 5, 2426. Damals hatte Antiochus 
auf einem neuen fiegreichen Zuge gegen Agypten, auf dem er hoffte, 
Alexandrien einzunehmen und (ich der kOniglichen Prinzen Ptolemaus VII. 
und feines Bruders Euergetes zu bemachtigen, vor Alexandrien auf Be- 
fehl der Romer umkehren muffen. Vielleicht waren die nationalgefinnten 
Juden, welche in Agypten viele Verbindungen hatten, mit daran fchuld 
gewefen, dag fein Marfch nach Alexandrien Verzogerungen erlitten hatte. 
Vgl. Mahaffy 341 und 494 f. 

b ) 1 Mace. 1, 4360. 2 Mace. 6; 117. 

6 ) 2 Mace. 6, 18-7, 42. 

7 ) 1 Mace. 2, 1 ff. 



96 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Fuhrer war Judas mit dem Beinamen Makkabaus oder der 
Hammer. 1 ) Er eroberte Jerufalem, liefc den Tempel neu 
weihen und erlangte wenigftens das Zugeftandnis der freien 
Ausubung der jiidifdien Religion, fiel aber in der Schlacht im 
Jahre 161 v. Chr. 2 ) In feinem Geifte wirkten und kampften 
dann als Heerfuhrer Jonathan, der tatfachlich in den Befitj 
der Herrfchergewalt gelangte und als Hoherpriefter anerkannt 
wurde, und nadi deffen Gefangennahme und fpaterer Hin- 
richtung 3 ) Simon (142135), weldier im Jahre 141 von dem 
Konige Demetrius II. von Syrien wie vom judifchen Volke 
als Fiirft anerkannt wurde. 4 ) Von feiten des letjteren gefchah 
es in der Form, daft Simon auf ewig (alfo mit dem Rechte 
der Vererbung) Hoherpriefter, Heerfuhrer und Furft fein folle, 
bis ein zuverlaffiger Prophet aufftunde. 5 ) Dadurch wurde er 
der Begrunder der hohenpriefterlichen und furftlichen Dyna- 
ftie der Makkabaer, wie fie nach Judas Makkabaus oder der 
Hasmonaer, wie fie nach Asmonaus, 6 ) dem Ahnherrn der 
Familie des Matthathias, genannt werden. 

Johannes Simons Sohn und Nachfolger, Johannes Hyrkanus I. 

Hyrkanus i. (135 105), 7 ) ein Mehrer des Reidies, hat die Idumaer im 



') ojfts 

2 ) 1 Mace. 3, 19, 22. 2 Mace. 8, 115, 37. 

3 ) 1 Mace. 9, 23-12, 54. 13, 12-24. 
*) 1 Mace. 13, 116, 24. 

5 ) 1 Mace. 14, 41. 

6 ) Der Name ift nicht im erften Maccabaerbuch, wohl aber bei Jo- 
fephus Ant. 12, 6, 1. 14, 16, 4. 16, 7, 1 erwahnt. Vgl. auch Mifchna, 
Middoth 1, 6 und Targ. Jonathan zu 1 Sam. 2, 4. 

"') Simon ftarb im Februar 135 v. Chr. (1. Mace. 16, 14); die K5- 
nigin Alexandra nach Ant. 14, 1, 2 im Jahre 69 n. Chr. Da nun Hyrkan 
(nach Ant. 13, 10, 7 und 20, 10, 3 [ed. Niefe]) 31 Jahre regierte [damit ift 
B. J. 1, 2, 8, wo 33 Jahre [tent, korrigiert], Ari[tobul 1 Jahr (Ant. 13, 
15, 5), Alexander Jannaus 27 Jahre (Ant. 13, 15, 5), Alexandra 9 Jahre 
(Ant. 13, 16, 6) regierte, die alien Hi[toriker aber das Jahr, in welchem 
ein Wechfel in der Regierung [tattfand, entweder dem verftorbenen oder 
dem neuen Regenten anzurechnen pflegen (vgl. fiber Porphyrius und 
Eufebius z. B. Schiirer I, 168), [o i[t fur Hyrkanus die Zeit von 135105, 
fur Ariftobul die von 105-104, fur Alexander Jannaus die von 104-78, fur 
Alexandra die von 77 69 anzunehmen. Niefe, zur Chronologic des Jofephus, 
Hermes Bd. 28 (1893), S. 194-229 halt die Stelle Ant. 14, 1, 2 nicht fur 
entfcheidend, ihm folgt Schurer I, 256, 1. Unger, Zu Jofephus II. Die 
Regierungsjahre der makkab. Fiirften S. A. Munchen 1896, S. 357-382 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 97 

Siiden Palaftinas zur Unterwerfung und zur Annahme des 
judifchen Gefetjes und der Befchneidung gezwungen, den 
Tempel der Samaritaner zerftort und Samaria, wie Michaas 
vorhergefagt hatte, dem Erdboden gleichgemadit und u. a. 
audi die bedeutende Stadt Skythopolis in feine Hand be- 
kommen. Im Innern machte er fich aber gegen Ende feiner 
Regierung die Pharifaer zu Feinden, indem er fich den Sad- 
duzaern anfchlofr und die pharifaifchen Satjungen zu beob- 
achten fogar unter Strafe verbot. 1 ) Der Grund fur die Un- 
beliebtheit diefes Fiirften bei der pharifaifchen Partei lag dem 
Anfcheine nach darin, dafe letjtere iiberhaupt die Vereinigung 
der hohenpriefterlichen Wiirde mit der furftlichen, zumal bei 
einer nicht aaronitifchen Familie, miftbilligte. 2 ) Jofephus gibt 
allerdings einen andern Grund an. Nach ihm hatte ein Pha- 
rifaer bei einem Gaftmahle dem Fiirften keck den noch dazu 
unbegriindeten Vorwurf gemacht, von einer friiher kriegs- 
gefangenen Mutter abzuftammen und fomit aus unreinem Ge- 
fchlecht zu fein, weshalb er auf das Hoheprieftertum verzieh- 
ten muffe. Hyrkanus habe aber geglaubt, diefe Schmahung 
[ei mit Wiffen und Willen der Pharifaer erfolgt. 3 ) 

Ihm folgte fein altefter Sohn Ariftobul I. (105104), Ariftobui i. 
welcher den Konigstitel annahm. Aus Herrfchfucht lie er 
feine 'eigene Mutter, welcher Hyrkan die Verwaltung des 
Staates iibertragen hatte, ins Gefangnis werfen und dort 
verhungern. Audi legte er drei feiner Briider in Ketten und 
liefc den vierten auf eine blojge Verdachtigung hin ermorden. 
Er erwarb fich aber dadurch ein Verdienft um fein Volk, dag 
er die Ituraer bekriegte und einen Teil ihres Landes, deffen 
Bewohner, wenn fie ihre Wohnfitje behalten wollten, die 



bringt fur Johann Hyrkanus 33 Jahre nach B. J. 1, 2, 8 in Anrechnung. 
Vg-1. auch u. S. 99, 4. 

J ) Ant. 13, 8 -10. B. J. 1, 2, 3-7. 

2 ) Dies ergibt fich aus ihrer Anfchauung von der Bedeutung und 
abfoluten Geltung des . mofaifchen Gefe^es. Vgl. auch Wellhaufen, Die 
Pharifaer und die Sadduzaer, Greifswald 1874, S. 92 ff. Montet, Essai 
sur les origines des partis saduceen et pharisien. Vienne 1883, p. 205 ss. 

3 ) S. Anm. 1. Kein Priefter durfte ein Madchen, welehe Kriegs- 
gefangene der Heiden gewefen war, heiraten, weil fie des Umganges 
mit Heiden verdachtig war und den Verdacht der eigenen Unreinheit auf 
ihre Kinder vererbte. Jos. c. Ap. 1, 7. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte I. 2. u. 3. Aufl. 7 



98 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Befchneidung und das jtidifche Gefetj annehmen mufcten, mit 
feinem Reiche verband. 1 ) 

Alexander Nach feinem Tode wurden von feiner Frau Salome Ale- 
Jannaus. xandra die bis dahin gefangenen Briider des Verftorbenen 
befreit. Der altefte, Alexander Jannaus (104-78), beftieg 
den Thron. Er hat viele, oft ungliiddiche Kriege gefuhrt, 
aber im Oftjordanland Gerafa, Gamala und andere Stadte, 
und im Philifterlande z. B. die Stadt Gaza erobert. Bei fei- 
nen kriegerifchen Neigungen fchien er aber den Pharifaern 
erft recht des Hohenprieftertums unwiirdig, wie er audi beim 
Volke nidit beliebt war. Als er einft am Laubhuttenfeft am 
Altare ftand, um zu opfern, wurde er vom Volke verhohnt 
und mit Zitronen beworfen. Damals unterdruckte er die Be- 
wegung mit Gewalt, indem er durdi feine Mietstruppen 6000 
Juden niedermetjeln liefr. Spater aber, als er nach einer 
gegen den Nabataerfurften Obodas verlornen Schlacht nach 
Jerufalem floh, verbanden {ich feine jtidifchen Gegner fogar 
mit den Syrern. Erft nach fechsjahrigem Kampfe gelang es 
ihm, den Aufftand zu unterdriicken. 8000 retteten fich durch 
die Fluent, aber 800 vornehme Gefangene wurden von ihm 
gekreuzigt. Sterbend riet er aber feiner Frau Alexandra, 
auf jede Weife die Pharifaer zu verfohnen, da fie fonft nicht 
im Frieden herrfchen konne. 2 ) 

DieKonigin Das tat Alexandra (7769) auch. Aber nun benut^ten 
Alexandra, die Pharifaer ihren Einflug auf die Regierung dazu, um fich 

') Ant. 13, 11, 1-3. Vgl. B. J. 1, 3. Unter dem von Ariftobul 
eroberten und judaifierten Stuck des Landes der Ituraer vermutet 
Schurer I, 275 f. fei der Hauptfache nach Qalilaa verftanden. Allein die 
Ituraer (f. S. 82 f.) wohnten am Antilibanon. Somit fetjt eih Angriff auf 
. ihr Land die Eroberung Galilaas voraus. Allerdings heigt es 1 Mace. 
5, 45 54, Judas Makkabaus habe alle Ifraeliten aus Galaaditis d. h. 
dem Oftjordanland nach Juda gebracht, 1 Mace. 5, 23 weniger be[timmt, 
fein Bruder Simon habe die Juden aus Galilaa und Arbat (wohl == mDli? . 
den Niederungen am Jordan) nach Judaa gefiihrt. Allein Jof. Ant. 12, 
8, 2 bezieht dies mir auf die von den Heiden in Galilaa gefangenen 
Juden. Jedenfalls Nvird fchon zur Zeit des Jonathan von den Bezirken 
von Samaria und Galilaa gefprochen, welche Juda zugeteilt find. I. Mace. 
10, 30. Auch hat nach Jof. Ant. 13, 12, 1 Johannes Hyrkanus feinen Sohn 
Jannaus in Galilaa erziehen laffen. Das ware aber doch ficher nicht ge- 
fchehen, wenn die Landfchaft damals vorztiglich heidnifch gewefen ware. 

2 ) Ant. 13, 1215. B. J. 1, 4. 



II. Kap. Die politifche Gefehichte Palaftinas von 634 v. Chr. 99 

an ihren Gegnern zu rachen. Alexandra hatte ihren alteren, 
fchwachlichen und die Ruhe iiber alles liebenden Sohn Hyr- 
kanus zum Hohenpriefter ernannt, hielt aber den jungeren, 
Ariftobul, einen Mann von entfchloffenem, kuhnem Charakter 
von den offentlichen Gefchaften fern. Der trat aber nun an 
die Spitje der Oppofition und bemachtigte fich wahrend einer 
lebensgefahrlichen Erkrankung feiner Mutter zahlreidier Fe- 
ftungen und warb ein Heer, um fich die Herrfchaft zu fichern. 1 ) 

Kaum war Alexandra tot, als der Biirgerkrieg zwifchen Burg-erkrieg 
ihren beiden Sohnen ausbrach, der far Hyrkan unglticklich zwifchen 
ausfiel. Bei feiner Bequemlichkeit mufcte ihm der Vergleidi, Hyrkanusii. 
wonadi er als Privatmann 2 ) im ungeftorten Befitj feiner Ein- undAri f tobul - 
kunfte bleiben, Ariftobul aber die Herrfchaft fflhren follte, 
angenehm fein. Zum Ungluek fur ihn und den judifchen 
Staat ftand Hyrkanus unter dem EinfluJ5 eines ehrgeizigen 
und reichen Idumaers namens Antipater, deffen Vater von 
Jannaus und der Alexandra zum Statthalter von Idumaa be- 
ftellt worden war. 3 ) Diefer wufcte den Hyrkan zu dem Glau- 
ben zu bringen, Ariftobul ftrebe nach feinem Leben, und ihn 
zur Fluent nach Petra an den Hof des'Nabataerfurften Aretas 
zu bewegen. 4 ) Le^terer befiegte den Ariftobul und belagerte 
Jerufalem. Jetjt mifchten fich aber die Romer in den Bru- 
derftreit. 

1 ) Ant 13, 16. B. J. 1, 5. 

2 ) Das heigt, ohne fich um die offentlichen Qefchafte zu kiimmern 
(dffQayftovwq) Ant. 14, 1, 2. Hyrkan hatte nur 3 Monate bis zu diefem 
Vergleich regiert. S. Ant. 15, 6, 4. 

3 ) Ant. 14, 1, 3. B. J. 1, 6, 2. Nach Jof. B. J. 1, 6, 2 (vgl. Ant. 
14, 1, 3) war der Vater des Herodes ein Idumaer von vornehmer Her- 
kunft. Juftinus M. (Dial. c. Tryph. c. 52) kennt aber die Behauptung der 
Juden, er Jei aus Askalon gewefen. Julius Africanus bei Euf. H. E, 
1, 6, 23 und 1, 7, 11 berichtet fogar, der Vater des Antipater fei 
Hierodule im Tempel des Apollo zu Askalon gewefen. Antipater fei als 
Knabe von den Idumaern geraubt worden und bei ihnen aufgewachfen. 
Vgl. Schiirer I, 292, 3. 

*) Ant. 14, 1, 3-4. B. J. 1, 6, 2. Dem Anfcheine nach nahm erft 
jetjt Ariftobul auch die hohepriefterliche Wurde an. Ant. 14, 6, 1 fagt 
namlich Jofephus von ihm, er fei 3 Jahre und 6 Monate KOnig und 
Hoherpriefter gewefen. Das wurde uns, wenn wir von feiner Abfetjung 
im Jahre 63 zuruckrechnen, etwa zum Ende des Jahres 67 fuhren. Dag 
Hyrkanus von feinem Bruder der hohenpriefterlichen Wurde beraubt 
wurde, fagt Jof. Ant. 15, 3, 1; wann das gefchah, ift aber nicht ficher. 

7* 



100 Erfter Abfchnitt. Die politifehe Gefchichte der Juden etc. 

Einmifchung Im Jahre 65 war namlich Scaurus, der Unterfeldherr des 
der Romer in Pompejus, nadi Syrien gekommen und nach Judaa gezogen. 
den Bruder- Er ent fchi ed f icn fur Ariftobul und zwang den Aretas, die 
Belagerung von Jerufalem aufzuheben. Als nun Pompejus 
im Friihjahre 63 felbft nach Damaskus kam, wurde er nicht 
blofc von den entzweiten Briidern, fondern auch von Ver- 
tretern des judifchen Volkes, welch letjtere die Monarchic 
abgefchafft und die alte Priefterverfaffung eingefiihrt haben 
wollten, angegangen. Pompejus verfchob die Entfcheidung 
und zog mit Ariftobul gegen die Nabataer. Da aber nun 
Ariftobul, der fortwahrend in feinen Entfchliiffen hin und her 
fchwankte, nach Alexandreion 1 ) floh, folgte ihm Pompejus 
dorthin und weiter nach Jerufalem. Hier begab fich Arifto- 
bul ins Lager des Pompejus und verfprach ihm, Jerufalem 
zu ubergeben, und wurde, als Jerufalem den romifchen Trup- 
pen die Tore verfchlofc, gefangen genommen. Die Stadt 
wurde nun zwar von den Anhangern des Hyrkanus den 
Romern ubergeben, aber der Tempelberg wurde von der 
Partei des Ariftobul verteidigt und erft im dritten Monat 
der Belagerung genommen. 2 ) Pompejus tat felbft nach der 
Anficht des Romerfreundes Jofephus dem Tempel eine grofce 
Schmach an. Er betrat mit feinen Begleitern das Aller- 
heiligfte, was doch nur dem Hohenpriefter erlaubt war. 3 ) 

Das Ende der Unabhangigkeit der makkabaifchen Fiir- 
ften und ihres Landes war gekommen. Der romifche Adler 
nahm es in feine Gewalt. Die Mauern Jerufalems wurden 
grofctenteils zerftort und die Stadt wie das ganze Land den 
Romern zinspflichtig gemacht. Hyrkan wurde zwar zum Hohen- 
priefter und zum Ethnarch (nicht zum Konig) gemacht, aber 
als tributpflichtiger Klient der Romer. 4 ) Die an der Kiifte 

Ant. 20, 10, 1 heigt es namlich, Hyrkanus fei 9 Jahre bis zum Tode 
feiner Mutter Hoherpriefter gewefen. Dann fei nach feinem Siege iiber 
Hyrkanus Ariftobul Hoherpriefter und Konig gewefen. ,,Im dritten Jahre 
feiner Regierung nachdem eben fo viele Monate verfloffen waren," fei' 
Pompejus gekommen, habe Jerufalem erobert und den Ariftobul mit 
feinen Kindern nach Rom gefchickt. 
J ) S. o. S. 49. 

2 ) Ant. 14, 1-4. B. J. 1, 6-7. 

3 ) Ant. 14, 4, 4. Psalmi Salom. 2, 2 f. 
") Ant. 14, 4, 4 und 5, 2. B. J. 1. 7, 6. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 634 v. Chr. 101 

und im Oftjordanlande gelegenen griediifchen Stadte, weldie 
fich friiher die Juden unterworfen batten, wurden wie auch 
die Stadte Skythopolis und Samaria ihnen wieder abgenom- 
men und als ,,freie Stadte" der romifchen Provinz Syrien 
einverleibt. 1 ) Ariftobul aber wurde mit feinen Sohnen Ale- 
xander (der aber auf dem Wege entkam) und Antigonus 
und zahlreichen Juden nach Rom gebracht, 2 ) um dort im 
Jahre 61 den Triumphzug des Pompejus zu verherrlichen. 
Viele derfelben find dort fpater freigelaffen worden und haben 
die Judengemeinde in Rom, wenn nicht erft gegriindet, fo 
doch bedeutend verftarkt. 

2. Die letjten Makkabaer und die Idumaer Antipater 
und fein Sohn Herodes von 6340 v. Chr. 

Nadi dem Abzug des Pompejus blieb Hyrkanus einige Neue Kampfe 
Jahre im ruhigen Befit* feiner Herrfchaft, wenn man von einer u. Aufftande 
folchen reden kann. Denn tatfachlich regierte nicht er, fon- in Pala f tina 
dern Antipater, der fich feinerfeits wieder auf die R6me 
ftiitjte. Diefen leiftete er auch grofce Dienfte, fo im Jahre 62 
dem von Pompejus in Syrien zuriickgelaffenen romifchen Feld- 
herrn Scaurus auf feinem Kriegszuge gegen die Nabataer, 
die Antipater im Intereffe der den Romern wiinfchenswerten 
Beendigung des Krieges zur Zahlung von 300 Talenten be- 
wog. 3 ) Dann unterftiitjte er auch den Statthalter von Syrien, 
Gabinius, auf feinem Feldzuge nach Agypten im Jahre 55 Qabinius und 
mit Getreide, Waffen und Geld und bewog die Juden in die 



') Vgl. Ant. 14, 4, 4. B. J. 1. 7, 7. Vgl. iiber den Begriff ,,freie 
Stadte" o. S.,85. Zum Andenken an die Erlangung der Autonomie 
durch Pompejus haben mit Zuftimmung der romifchen Regierung manche 
Stadtgemeinden, die einen etwas fruher, die andern etwas fpater, durch 
Miinzen und Infchriften beglaubigte befondere Stadtaren eingefiihrt, die 
man, obwohl die Jahreszahlungen nicht gleich find, unter den Namen 
,,Pompejanifche Ara" zufammenzufaffen pflegt. Vgl. Schurer II, 94 ff. 
E. Schwar^ [f. o. S. 85, 5] 341 und 358 ff. 

2 ) Ant. 14, 4, 4, 5. B. J. 1, 7, 7. Vgl. Psalmi Salom. 8, 18-21. 

3 ) Ant. 14, 5, 1. B. J. 1, 8, 1. Antipater war mit einer vornehmen 
Idumaerin Kypros verheiratet und ftand auch mit den Nabataerfurften und 
andern in freundfchaftlichen und verwandtfchaftlichen Beziehungen. S. Ant. 
14, 7, 3. B. J. 1, 8, 9. 



102 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Agypten auf die Seite der Romer zu treten. 1 ) Spater hat er 
in ahnlicher Weife dem Cafar gedient. 

Die Romer haben auch die wiederholten Bemfihungen 
der Hasmonaer, wieder zur Herrfchaft zu gelangen, vereitelt. 
Zunachft madite Ariftobuls Sohn Alexander, der ein Heer 
von 10000 Fugfoldaten und 1500 Reitern gefammelt hatte 
und fidi einiger Feftungen, namentlich Alexandreions 2 ) und 
Macharus', 3 ) bemachtigt hatte, einen foldien Verfuch. Erwurde 
aber von Gabinius, in deffen Heer fich der heldenmiitige 
Reiteroberft Antonius, der fpatere Racher Cafars befonders 
auszeichnete, bei Jerufalem und Alexandreion gefchlagen und 
mufcte die Feftungen den Romern ubergeben, blieb aber felbft 
in Freiheit. 4 ) Audi ein zweiter, im Jahre 56 von Ariftobul 
felbft, der mit feinem Sohne Antigonus aus Rom entkommen 
war, gefiihrter Aufftand endete wieder ungliicklich. Ariftobul 
wurde von neuem gefangen und nach Rom gefchickt. 5 ) Im 
Jahre 55 griff Alexander wieder zu den Waffen und fiihrte, 
trotjdem Antipater fidi bemuhte, die Juden vom Kampfe 
gegen die Fremdherrfchaft abzubringen, nodi 30000 Mann 
gegen Gabinius ins Feld, wurde aber beim Berge Tabor 
gefdilagen und verlor 10000 Mann. 6 ) 

Antipater wurde dadurdi belohnt, daft nunmehr Gabinius 
wieder alles nach feinen Wiinfchen ordnete, 7 ) nadidem er 
vorher im Jahre 57 nach der erften Befiegung des Alexander, 
urn alien Selbftandigkeitsgeliiften der Juden ein Ende zu 
machen, der Regierung Judaas eine neue ariftokratifche Form 
gegeben hatte. Er hatte namlich dem Hyrkan nur die Sorge 
fur den Tempel gelaffen, das Land aber in fiinf voneinander 
unabhangige Bezirke, deren jeder von einem Synedrium 
verwaltet werden follte, geteilt. 8 ) Als Si^e diefer Synedrien 
hatte er die Stadte Jerufalem, Gazara und Jericho in Judaa, 

') Ant. 14, 6, 2. Vgl. auch Dio Cass. 39, 56-58. S. uber die 
Statthalter Syriens unten. 
*) S. o. S. 49. 
3 ) S. o. S. 84. 

*) Ant. 14, 5, 2-4. B. J. 1, 8, 2-5. 
6 ) Ant. 14, 6, 1. B. J. 1, 8, 6. Dio Cass. 39, 56. 

6 ) Ant. 14, 6, 2-3. B. J. 1, 8, 7. 

7 ) Ant. 14, 6, 4. B. J. 1, 8, 7. 

8 ) Ant. 14, 5, 4 : 'Yqxuvov Karfjyev ti? 'Isgotioivtia, 6%f6ovT(t rt}v for 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 103 

Sepphoris in Galilaa und Amathus im Ojtjordanland 2 ) be- 
ftimmt, als ob nidit das Judenvolk durdi den Tempel und 
das Hoheprieftertum aufs engfte zufammengehalten worden 
ware und deshalb derartige Verbande geringe Bedeutung 
gebabt batten. 

Daft aber die Emporungen in Palaftina nidit aufhorten, 
waren die Romer felber fchuld. So hatte der Statthalter von 
Syrien, Licinius Craffus, urn fich Geld zu einem Feldzuge 
gegen die Farther im Jahre 54 zu verfchaffen, 2000 Talente 
Geld und 8000 Talente an Goldfachen aus dem Tempel fort- 
gefchleppt. 3 ) Nachdem er im Jahre 53 v. Chr. bei Karra in 
Mefopotamien gefchlagen und bald danach ermordet worden 
war, brach ein vierter Auf[tand aus, an deffen Spitje ein An- 
h anger des Ariftobulus, namens Pitholaus, ftand. Allein audi 
diefer wurde von den Romern unter Caffius Longinus, dem 
Nachfolger des Graff us in Syrien, niedergefchlagen und 30000 
Juden als Sklaven verkauft. 4 ) 

Als im Jahre 49 v. Chr. der romifche Biirgerkrieg zwi- 
fchen Pompejus und Cafar ausbradi und letjterer [ich Roms 
bemachtigt hatte, liefc er den gefangenen Ariftobul frei, um 
ihn mit zwei Legionen nach Syrien zu fchicken, da der Often 
auf feiten des Pompejus ftand. Allein Ariftobul wurde nodi 
vor feiner Abreife von Rom von den Anhangern des Pom- 
pejus vergiftet und fein Sohn Alexander auf Befehl des- 
Pompejus in Antiochien enthauptet. 5 ) 

Im Auguft des Jahres 48 wurde Pompejus bei Pharfa- Cafar wird 
lus gefchlagen und am 28. September bei feiner Ankunft in von Antipater 
r 1 . . u - den Juden 

leyov entfisisiav. Ilivrs de dwedgia nara(?r;tfa? ei? trf? poiya? Sieveifte To , ti- M 

k'&voc . . . noil fjl nev otTzijiiay^Evoi tijs dwcttSTEiaQ ev dgitftoxQctTict diffyov. 

Im B. J. 1, 8, 5 nennt er die Bezirke dvvoSoi, fahrt aber audi fort a6ns- 
vo>q 6s z*i<s i eve? (namlidi des Hyrkanus) fTn.^nrela/; iXev&eQot&evTss, TO 
Ao7ToV etpetfToxpaTt'a JKOXOVVTO. Der Ausdrudc (Jvvorfo? konnte auf Gerichts- 
fprengel (conventus juridici, vgl. Marquardt RStV. 1, 500 f.,) hinweifen, 
allein der Ausdrudc 6wi3(>ta. und der Zufammenhang macht es klar, dag 
es fich um eine politifche Einteilung gehandelt hat. 

2 ) Amathus am Jordan (Ant. 13, 13, 3) fiidlich von Pella (Euseb. 
Onom., p. 22). Ober Gazara \. S. S. 59. 

3 ) Ant. 14, 7, 1 (alle Juden der Welt batten feit langem ihre Gaben 
in den Tempel gebracht, ibd. 7. 2). B. J. 1, 8, 8. 

*) Ant. 14, 7, 3. B. J. 1, 8, 9. 

5 ) Ant. 14, 7, 4. B. J. 1, 9, 1-2. Vgl. Dio Cass. .41, 18. 



104 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Agypten verraterifcherweife ermordet. Alsbald wandte fich 
Antipater, ,,der nach Hyrkans Wille Judaa verwaltete," *) 
dem grofcen Gegner des Pompejus, Julius Cafar, zu, der fich 
mit einer kleinen Truppenzahl mit Miihe in einem kleinen 
Teile von Alexandria gegen die agyptifchen Truppen und die 
ihm feindliche Burgerfchaft behauptete, und leiftete ihm die 
grofcten Dien[te. Denn er war es, der es erft einem vom 
Konig Mithridates von Pergamum gefiihrten Erfatjheere er- 
moglichte, von Askalon weiter nach Agypten zu kommen, in- 
dem er mit 3000 judifchen Truppen zu ihm ftieg, dem Cafar 
die Freundfchaft der arabifchen Stammeshaupter und der 
Syrer verfchaffte und das feindliche Pelufium mit den Seinigen 
zuerft betrat. Er veranlagte agyptifche Juden unter Berufung 
auf Befehle des Hohenpriefters Hyrkan, das Heer zu ver- 
proviantieren und fich Cafar freundlich zu zeigen, und hatte 
fowohl an dem Siege des Mithridates wie an dem Cafars 
uber den jungen Konig Ptolemaos Dionyfos, der felbft im 
Nil ertrank und deffen erft 2.1 jahrige Schwefter Kleopatra 
nun die Gunft Cafars gewann, wefentlichen Anteil. 2 ) 
Die Dankbar- Cafar erwies fich dankbar. Teils bei feinem Aufenthalte 
keit Cafars. in Syrien im Jahre 47, 3 ) teils durch einen von ihm veran- 
lafcten romifchen Senatsbefchlufc vom Jahre 44 gab er den 
Juden viele Gunftbezeigungen. 4 ) 



KatSctQi no}.e.uovvTi VHXT Allyvmcov el? rcoXid %(tri<Si{tov avtdv 

o twv 'lovdaluiv ent/Jteiytqt;, | evzokije 'Ygxavuv. Allt. 14, 8, 1. 
Vgl. S. 102, 7. 

2 ) Ant. 14, 8, 1-3. B. J. 1, 9, 3-5. 

3 ) Ant. 14, 8, 4 f. B. J. 1, 10, 1-3. 

*) Ant. 14, 10, 7. Durch einen neuen Senatsbefchlufc wurde die 
Niederlegung des friiheren Befchluffes im Archiv angeordnet, ebd. 14, 
10, 9 10. In welche Jahre die bei Jos. Ant. 14, 10, 210 mitgeteilten 
Urkunden fiber die von Cafar den Juden gewahrten Privilegien gehoren, 
i[t infolge des fchlechten Zuftandes der Texte fehr ftrittig. Vgl. u. a. 
Schurer I, 344-348; Qra^ s , 662-673. O. Roth, Rom und die Hasmonaer. 
Unterfuchungen zu den jiidifch-romifchen Urkunden im erften Makkabaer- 
buche und in Jofephus' judifchen Altertumern, XIV, Lp. 1914 (= Beitrage 
z. Wiffenfchaft von A. T., her. von R. Kittel, Heft 17). Von den vier von 
Jofephus mitgeteilten Senatsbefchlirffen bezieht fich nur der Ant. 14, 10, 10 
mitgeteilte auf Hyrkan II., die iibrigen drei in Ant. 13, 9, 2 (der auch 
richtig eingereiht ift), Ant. 14, 8, 5 und Ant. 14, 10, 22 auf Hyrkan I., 
uber deren Datierung befonders G. Unger, Zu Jofephus I. Die unpaffend 



II. Kap. Die politifche Gefchidite Palaftinas von 634 v. Chr. 105 

In Syrien beftatigte Cafar, ohne auf die perfonlich von 
Ariftobuls Sohn, Antigonus, erhobenen Rechtsanfpriiche und 
die Stellung der Familie gegen Pompejus Riickficht zu neh- 
men *), in Erwagung der vielen ihm von Antipater und Hyr- 
kanus geleifteten Dienfte den Hyrkanus als erblichen Hohen- 
priefter 2 ) mit alien Rediten und Befugniflen, womit feine 
Vorfahren diefe Wflrde inne gehabt batten 3 ), und als Eth- 
narchen, und beftimmte, dajg er und feine Kinder als Bundes- 
genoffen und perfonlidie Freunde der Romer anerkannt fein 
follten. Es wurde ausdriicklich verboten, dag in feinem Lande 
Winterquartiere bezogen oder Kontribution von ihm gefor- 
dert werden follte. 4 ) Audi befabl er, dag kein Beamter oder 
Feldherr oder Legat innerhalb der judifdien Grenzen (Hilfs-) 
Truppen ausheben diirfe. 5 ) Audi geftattete er den Wieder- 
aufbau der von Pompejus zerftorten Mauern Jerufalems. 6 ) 
Dem Antipater aber gab er nicht nur das romifche Btirger- 
redit und Steuerfreiheit, fondern ernannte ihn auch zum 
Prokurator von Judaa. 7 ) Die Stadt Joppe und die Platje in 
der Ebene Esdrelon, welche die Hasmonaer fruher befeffen, 
wie audi die fyrifch-phonizifchen Orte, weldie ihnen von den 
fyrifchen Konigen und den Phoniziern gefdienkt worden waren, 

eingelegten Senatskonfulte. SA. Miinchen 1895, S. 551 604 zu ver- 
gleichen ift. 

*) Ant. 14, 8, 4. B. J. 1, 10, 1-3. 

2 ) Ant. 14, 8, 3-5 f. 

*) Ant. 14, 10, 4. Damit war auch das Recht der Forderung von 
Abgaben far den Tempel verbunden (B. J. 6, 6, 2). 

*) Ant. 14, 10, 2 u. 6. ' 

) Ant. 14, 10, 6: *at oinaq firjSeli; IA,Y\TK a(t%tov fifae OT^urtjyo? rj nyeti- 
fievrqi? ev rolq o^om ttav 'JovSaltav lvt,6t<i tivftfiaxiav. Dies bedeutet nidlt 

dag die Juden in Palaftina vom Militardienft frei fein follten, fondern 
nur, dag damals, da die palaftinenfifchen Juden noch ihre Landesflirften 
hatten, kein romifcher Beamter direkt Hilfstruppen dort ausheben konnte. 
Das war ein dem judifchen Landesherrn zuftehendes Recht. Vgl. Jufter, 
Les Juifs dans PEmpire Romain. Paris 1914, 2, 272. 

6 ) Ant. 14, 8, 5 u. 10, 5. B. J. 1, 10, 3. Ober ihre Wiedererbau- 
ung Ant. 14, 9, 1. 

7 ) Ant. 14, 8, 3 u. 5. B. J. 1, 10, 3. Damit war er keineswegs 
zum Landpfleger, fondern zum oberften Finanzbeamten ernannt, eine 
Stellung, die fich aus der Pflicht des Hyrkan, Tribut an die Romer zu 
zahlen, erklart. Vgl. Marquardt, RStV 1, 407 f. Ober den Titel Proku- 
rator in diefem Sinne fiehe unten. 



106 Erfter Abfchnitt, Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

wurden den Juden zuriickgegeben. Audi follte der Zehnte, 
wie er den Hasmonaern entrichtet worden war, dem Hyrkan 
und feinen Sohnen zukommen, und weiterhin ganz Judaa, 
mil Ausnahme von Joppe, eine jahrliche Abgabe an die " 
Stadt Jerusalem leiften. Endlidi wurde dem Hyrkan das 
Recht zuerkannt, alle Streitigkeiten fiber judifche Einrich- 
tungen zu entfcheiden. 1 ) Cafar gewahrte audi den Juden das 
Recht, iiberall nach ihren Gebrauchen zu leben, namentlidi 
auch Verfammlungen und Geldfammlungen zu gemeinfamen 
Mahlen und Opfern zu halten. 2 ) Es find grojje Zugeftand- 
niffe, die es erklaren, daft kein auswartiges Volk fo wie das 
judifche den Tod Cafars am 15. Marz 44 beklagte. 3 ) 
Antipaterund Antipater fuchte nun auch feinerfeits die grofce, ihm durch 
feine Sohne eigene Energie und Klugheit und die Tragheit und Unfahig- 
Phafaei und ^ e jt (j es Hyrkanus zugekommene Gewalt feinen Sohnen zu 

vererben - Er hatte aus ^ einer Ehe mit der Nabataerin Ky- 
'pros vier Sohne, Phafael, Herodes, Jofeph und Pheroras 
und eine Tochter Salome. 4 ) Erfteren ernannte er zum Be- 
fehlshaber von Jerufalem und Umgebung, den Herodes, dem 
fchon der Effener Manahem als Schulknabe geweisfagt haben 
foil, 5 ) er werde dereinft Konig werden, zum Befehlshaber 
von Galilaa. Diefe Landfchaft hatte damals viel von Rau- 
bern zu leiden, die fich in den Biirgerkriegen in den Gali- 
laifchen Bergen feftgefetjt und fortwahrend durch Fliichtlinge 
und Verarmte verftarkt, den nationaljudifchen Gedanken der 
Emporung gegen die Fremdherrfchaft aufgegriffen hatten. 
So war es moglich, dag der Rauberhauptmann Ezechias, 
der befonders gern Syrer angriff, fich der Sympathien an- 
gefehener und vornehmer Kreife in Jerufalem erfreute. 

Damals war Herodes 25 Jahre alt, 6 ) kiihn und energifch 
und ein ausgezeichneter Reiter und Schfitje. 7 ) Er fauberte 



') Ant. 14, 10, 6 u. 2. 
2 ) Ant. 14, 16, 8. 



3 ) Suet. Caes. 84: In summo publico luctu exterarum gentium multi- 
tude circulatim suo quaeque more lamentata est, praecipueque Judaei, 
qui etiam noctibus continuis bustum irequentarunt. 

4 ) Ant. 14, 7, 3. B. J. 1, 8, 9. 

5 ) Ant. 15, 10, 5. 

6 ) Ant. 14, 9, 2. 

') B. J. 1, 21, 13. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 107 

das Land mit ftarker Hand und liefe den Ezechias mit vielen 
Raubern ohne weiteres hinrichten. Das machte nun wieder 
bofes Blut in Jerufalem, und die den Idumaern ohnehin 
feindfelig ge[innten Grogen wugten den Hyrkan durdi die 
Vorftellungen, daft ihm allein der Blutbann zustehe, zu be- 
wegen, den Herodes zur Verantwortung nach Jerufalem zu 
laden. Der kam aber im Purpurgewand, bewaffnet mit einer 
bewaffneten Bedeckung, in den erfchreckten Rat, wo aber 
doch der Schriftgelehrte Sameas ihn kiihn anklagte. Er ware 
verurteilt worden, wenn nicht Hyrkan, den der im Jahre 47 
zum Statthalter von Syrien ernannte Sextus Cafar aufgefordert 
hatte, den Herodes freizufprechen, die Sitjung auf einen an- 
dern Tag verfchoben hatte. Heimlich liefc er ihm dann raten, 
fich aus der Stadt zu entfernen. Das tat Herodes auch, ging 
naeh Damaskus und wurde von Sextus Cafar zum Statt- 
halter von Colefyrien ernannt. Jetjt, da er Macht hatte, zog 
er mit einem Heere naeh Jerufalem, um sich zu rachen und 
wurde nur dureh die Bitten feines Vaters und Bruders von 
einem Angriff auf die Stadt abgehalten. Er hatte aber hin- 
langlich gezeigt, was von ihm zu erwarten war. 1 ) 

Als im Jahre 46 Sextus Cafar durch einen Anhanger des 
Pompejus, den Cacilius Baffus, ermordet worden war und 
fich in Syrien der Kampf um die Obergewalt zwifchen der 
pompejanifchen und cafarifchen Partei hinzog, ftanden die 
Sohne des Antipater treu zu letjterer. 2 ) Da wurde Cafar 
am 15. Marz 44 ermordet. Einer feiner Morder, Caffius caffius und 
Longinus, welcher fchon 53-51 in Syrien befehligt hatte, Herodes. 
kam nach Syrien und hatte bald grojge Streitkrafte dort ge- 
fammelt, fur deren Unterhalt er dem Judenlande eine Ab- 
gabe von 700 Talenten auflegte. Antipater fugte fich ihm. 
Am dienfteifrigften war aber Herodes, der auch zuerft den 
auf Galilaa fallenden Teil, 100 Talente, aufbrachte und dem 
Caffius gab. Dafur wurde er von Caffius, der die Bewohner 
der Stadte Gophna, Emmaus, Lydda und Thamna, die ihren 



1 ) Ant. 14, 9. B. J. 1, 10, 4-9. Vgl. u. S. 111. - Wahrend B. J. 
1, 10, 8 fagt, Herodes sei zum j^rpmr^yo'c" von Coelefyrien und Sa- 
maria ernannt worden, heigt es in 14, 9, 5 nur, Sextus habe den Herodes 
gegen Bezahlung zum sr^aTtjyoq von Coelefyrien gemacht. 

2 ) Ant. 14, 11, 1. B. J, I, 10, 10. 



1 08 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Anteil nidit aufbringen wollten, als Sklaven verkaufen liefc, 
als Statthalter von C6le[yrien anerkannt und ihm die mili- 
tarifche Verwaltung von Judaa gegeben und die Konigskrone 
in Ausficht geftellt. 1 ) 

DieErmor- Als fo der Stern der Idumaer immer hoher ftieg, [tieg 
dung des auch bei mandien der Hafr gegen fie. Von diefem geleitet, 
Antipaten u e g em Hofling Hyrkans, namens Malidius, 2 ) den Antipater 
durch einen Mundfchenken Hyrkans bei einem Mahle im 
Jahre 43 v. Chr. vergiften und bemachtigte [ich der Stadt. 
Mil Antipater ftarb ein ebenfo kluger wie tatkraftiger Staats- 
mann, der aus Politik ein Freund der Romer ftets die In- 
tereffen feiner Familie zu wahren und zu fordern gewufct 
hatte. Immerhin waren ihm die Erhaltung der Herrfchaft des 
Hyrkanus und die Begiinftigungen der Juden durch Cafar 
zu verdanken, wenn er auch durchaus kein Patriot im judifch- 
nationalen Sinne war. 

Aus Furcht, einen Aufftand der Juden zu erregen, gaben 
fich feine Sohne den Anfchein, den Unfchuldsbeteuerungen des 
Malichus zu glauben, liejgen ihn aber, fobald als ihr Conner 
Caffius im Jahre 43 den von Antonius, dem Racher Cafars, 
zur Obernahme von Syrien abgejandten Dolabella befiegt 
hatte, bei Tyrus ermorden. Auch die Mitverfchwornen des 
Malichus, die fich einiger Feftungen bemachtigten und den 
Phafael in Jerufalem mit Waffengewalt angriffen, wurden 
zur Unterwerfung gezwungen. Die klaglichfte Rolle fpielte 
bei all diefem der fchwache Hyrkanus, der einerfeits die 
Feinde der Idumaer begunftigte, anderfeits aber nach der 
Ermordung des Malichus diefen als das Verderben feines 
Vaterlandes bezeichnete. 3 ) 

Herodes be- Im Jahre 42 v. Chr., als Caffius mit feinem Heere zu 

fiegt den Brutus nach Mazedonien zog und die Idumaer in Judaa durch 

Antigonus. ^ Q Anhanger des Malichus befchaftigt waren, machte auch 

der letjte iibriggebliebene Sohn des Ariftobul, der Hasmo- 

!) Ant. 14, 11, 2-4. B. J. 1, 11, 14. An erfterer Stelle fteht 
(STQartiyov nrTovKoiiy? vela<; enoirjGav (Ant. 14, 11, 4) an letjterer 2v(jia? 
dndtir;?. Die fpateren Ant. find vorzuziehen und ift deshalb auch wohl 
nicht anzunehmen, dag in Ant. 14, 11, 4 xottq Svyta ein Schreibfehler ftatt 
2v$i.n ift, wie z. B. Kellner, Jefus von Nazareth, S. 39, 1 vermutet. 

2 ) Vgl. uber ihn auch Ant. 14, 5, 2. 14, 11. 2-3. B. J. 1, 8, 3. 11, 2. 

3 ) Ant. 14, 11, 4-7. B. J. 1, 11, 3-12, 1. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 109 

naer Antigonus, unterftiitjt von feinem Schwager Ptolemaus 
Mennaei von Chalcis ') und dem von Caffius als Alleinherrfcher 
von Tyrus zurfickgelaffenen Marion einen Verfudi, den Thron 
feiner Vater zu gewinnen. Marion rifc einige galilaifche Ort- 
fchaften an fich, 2 ) Antigonus wurde aber von Herodes ge- 
fchlagen und zum Riickzug gezwungen. Jetjt nahm der arme 
Hyrkanus den Herodes wie einen Triumphator in Jerujalem 
auf und gab zu, dafj er fich mil einer Hasmonaerin, der Die Verlo- 
Mariamme, 3 ) deren Mutter eine Tochter Hyrkans war und bung des He- 
deren Vater Alexander ein Sohn des Ariftobul gewefen war, r desmitMa- 
verlobte, ein ungliickfeliger Entfchlufc, der nur nodi viel mehr namme - 
Leid fiber die Hasmonaer braehte. 4 ) 

Dem Gluck und der Gewandtheit des Herodes beugte Antonius er- 
fich alles. Bei Philippi wurden feine Conner Brutus undnenntdieBru- 
Caffius befiegt und toteten fich felbft. Das Triumvirat Okta- derPha f aelu - 
vian, Lepidus und Antonius war nun im Befifee der Macht, ^erodeszu 
Oktavian verwaltete das Reich im Abendland, Lepidus in 
Afrika, Antonius in Afien. Aber vergebens fuchten die Ju- 
den durch eine Gefandtfchaft zu Bithynien vor letjterem die 
Cbergriffe des Herodes und des Phafael darzulegen. Sie 
wurden merit einmal vorgelaffen. So viel vermochten die 
Gefchenke des Herodes, die bekannte romerfreundliche Ge- 
finnung der Familie und die fruheren freundfchaftlichen Be- 
ziehungen des Antonius unter Gabinius mit Antipater. 5 ) 

Spater kamen zwar zu Daphne in Antiochien die jiidi- 
fchen Anklager gegen die Briider zu Wort. Da aber auch 
Hyrkanus dem Herodes ein glanzendes Zeugnis ausftellte, 
ernannte nun der Triumvir die beiden Briider Phafael und 
Herodes zu Tetrarchen und ubertrug ihnen die Verwaltung 
von ganz Judaa. Damit war Hyrkanus tatfachlich, wenn auch 



') S. o. S. 89. 

2 ) Sie wurden fpa'ter auf Bitten Hyrkans von dem Triumvir Anto- 
nius zuruckgegeben, der auch die Ruckgabe der von Caffius gefangenen 
Juden anordnete. Ant. 14, 12, 2 6. 

3 ) Griedi. fj.utJtu/*(trj. 

*) Ant. 14, 12, 1. B. J. 1, 12, 2-3. Herodes war bereits mit Doris, 
von der er einen Sohn Antipater hatte, vermahlt. Ant. 1. c. B. -I. 1. c. 
S. unten S. 137. 

a ) Ant. 14, 12, 2. B. J. 1, 12, 4. 



110 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchidite der Juden etc. 

nidit ausdriicklich feiner politifchen Stellung enthoben. 1 ) Als 
zu Tyrus gar 1000 Juden verfuchten, den Antonius umzu- 
ftimmen, lieg er mit blogen Sehwertern auf fie einhauen und 
die gefangenen Juden hinrichten. 2 ) 

Mit Hiife der Von Tyrus eilte Antonius nach Alexandrien zur Kleo- 
Parther be- patra, in deren Umgang feine Staats- und Feldherrnkunft 
maditigt fich un( j er j e ib er ZU grunde gehen follte, und vergag in den aus- 
Tchweifenden Feftlichkeiten des Winters 41/40 die Not der Zeit. 
Dann ging er zu Anfang des Jahres 40 nach Griechenland 
und von da nadi Italien. Denn um die Wende des Jahres 41 
fielen die Farther unter dem Befehle des Pakorus, des Sohnes 
ihres Konigs Orodes und des pompeianifchen Parteigangers 
Labienus, in das romifche Gebiet ein, 3 ) bemachtigten fich wie 
Kleinafiens fo auch des nordlichen Syriens und ganz Phoni- 
ziens mit Ausnahme von Tyrus, und drangen in Judaa ein, 
um auf Betreiben des Lyfanias von Chalcis den Hasmonaer 
Antigonus, der ihnen 1000 Talente und 500 Weiber fur ihre 
Hilfe verfprochen hatte, auf den judifchen Thron zu erheben. 
Auch das politifche Intereffe, die romerfreundliche Familie des 
Herodes zu vernichten, fpielte dabei naturlich eine Rolle. 
Dem Antigonus, den die am Karmel wohnenden Juden 
unterftiitjten, gelang es vor Pfing[ten des Jahres 40 4 ) in Je- 
rufalem hineinzukommen, wo Herodes mit feinem Bruder 
Phafael auf die Konigsburg Baris befchrankt wurde. Phafael 
lie)5 fich tro^ des Abratens feines Bruders bewegen, mit 
Hyrkanus in das Lager des parthifchen Befehlshabers nach 
Galilaa zu gehen, in der torichten Hoffnung, den Frieden 
vermitteln zu konnen, wurde aber dafelbft hinterliftig ge- 
Fiucht des fangen genommen. Auf diefe Kunde floh Herodes in der 
Herodes. Nacht mit feiner Familie und feiner Dienerfchaft und brachte 
fie im haufigen Kampfe mit den ihn verfolgenden Parthern, 
nachdem er auch noch drei Stunden fudlich von Jerufalern 
an der Stelle der fpateren Feftung Herodeion 5 ) mit den nach- 
ftromenden Juden fiegreich gekampft hatte, glucklich in die 



Ant. 14, 13, 1. B. J. 1, 12, 5. 

8 ) Ant. 14, 13, 2. B. J. 1, 12, 6-7. 

3 ) S. Dio Cass. 48, 24-26. Vgl. Mommfen, Rom. Gefdi. V, 357 ff. 

) Ant. 14, 13, 4. B. J. 1, 13, 3. 

5 ) S. unten S. 130. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. Ill 

Feftung Mafada am Toten Meere. Hier lieg er die Seinigen 
unter dem Schutje feines Bruders Jofeph und ging felbft 
nach Petra in Arabien. 1 ) In diefer Gefahr, in der er fdion 
nahe daran war, fich felbft in fein Schwert zu fturzen, aus 
Furcht, lebend in die Hande feiner Feinde zu kommen, hatte 
er eine bewundernswerte Tatkraft an den Tag gelegt und fich 
grower gezeigt 2 ) als der Schlag, der ihn getroffen hatte. 

Dem gefangenen Hyrkan, den die Farther mit in ihr Verftumme- 
Land fortfiihrten, hatte Antigonus die Ohren abfchneiden lung des 
laffen, damit er, weil er als Priefter mit einem korperlichen gefangenen 
Fehler nicht zum Altare fchreiten durfte, zur abermaligen Er- H y rkanus - 
langung der hohenpriefterlichen Wiirde untauglich fei. 3 ) Pha- 
fael aber zerfchmetterte fich auf die Kunde, dafc er zum Tode 
beftimmt fei, den Kopf an der Kerkermauer. 4 ) 

3. Herodes und Konig Antigonus (4037 v. Chr.). 

Antigonus nahm, nachdem er Konig geworden, wie feine Konig Anti- 
Munzen zeigen, den Titel an ,,Mattathias Hoherpriefter, Konig gonus. 
Antigonus". 6 ) Allein von der Tatkraft nd der kriegerifchen 
Tiichtigkeit feines Grofcvaters, des Alexander Jannaus, war 
er weit entfernt. Er verstand es auch gar nicht, die Zeit- 
umftande fich zunutje zu machen und vergeudete feine Kraft 
im erften Jahre mit dem vergeblichen Verfuche, dem Bruder 
des Herodes, Jofeph, die Feftung Mafada zu entreifcen. 6 ) 

Ganz anders Herodes, deffen Kraft mit feinem Mifcgefchick Herodes wird 
zu wachfen fchien. Nach Petra kam er gar nicht, da der in Rom zum 
Konig der Nabataer, Malchus, ihn erfuchen liefc, umzukehren, Konige er- 
weil die Farther ihm die Aufnahme des Herodes unterfagt nannt. 
hatten. 7 ) Er ging vielmehr direkt durch die Wufte fiber Pelu- 
fium nach Alexandrien zur Kleopatra und fchiffte fich tro^ 
der Herbftfturme nach Brindifi ein und kam noch im Spat- 
herbft des Jahres 40 nach Rom. Damals weilten Antonius 



) Ant, 14, 13, 2-9. 14, 14, 3. B. J. 1, 13, 19. 

2 ) F. de Saulcy, Histoire d'Herode roi des Juifs. Paris 1867, p. 75. 

3 ) Ant. 14, 13, 10. B. J. 1, 13, 9 u. 11. 

*) Ant. 14, 13, 10. 15, 2, 1. B. J. 1, 13, 10. 

5 ) Levy, S. 65-67. Madden, Coins, p. 99193. 

6 ) Ant. 14, 14, 6. B. J. 1, 15, 1. 

7 ) Ant. 14, 14, 1. B. J. 1, 14, 1. 



112 Erfter Abfdmitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

und Oktavian dort, weldie erft jungft zu Brindifi einen Ver- 
trag gefchloffen batten, wonach Oktavian die Verwaltung der 
weftlidien, Antonius, der fidi nun nadi dem Tode feiner 
Frau Fulvia mit der Oktavia, der Schwefter des Oktavian, 
verlobte, die oftliehen Provinzen verwalten follte. 1 ) Beide 
nahmen ihn gut auf. Er hatte anfangs nur gehofft, feinen 
Schwager Ariftobul, den Bruder der Mariamme, zum Konig 
madien und als deffen Majordomus die Gewalt ausiiben zu 
konnen. Allein dank der Unterftiitjung des Antonius, der 
auf die Wichtigkeit hinwies, fich fiir den bevorstehenden par- 
thifchen Krieg eines Mannes wie Herodes bedienen zu konnen, 
wurde er vom romifchen Senat im Jahre 40 zum Konige er- 
nannt und brachte, von Antonius und Oktavian geleitet, auf 
dem Kapitol ein Opfer dar. Naeh kaum fiebentagiger An- 
wefenheit konnte er Rom als Konig verlaffen. 2 ) 
Die Kampfe Im Jahre 39 wurden zwar die Farther durdi den romi- 
des Herodes jchen Feldherrn Ventidius aus Syrien vertrieben, allein Anti- 
gegen gonus wugte letjteren, der fdion bei Jerufalem ein Lager 
gonus. k ez0 g en hatte, durdi Beftechung zum Abzug zu bewegen. 
Zwar blieb ein romifcner Unterfeldherr Silo mit einem kleinen 
Heere zuriick, aber diefer verhielt fidi auch untatig. 3 ) 

Als nun Herodes im Jahre 39 aus Italien in Ptolemais 
ankam, hatte er bald ein Heer gefammelt und eilte durdi 
Galilaa 4 ) dem Antigonus entgegen. Je weiter er kam, desto 
mehr Leute fielen ihm zu. Er nahm Joppe, entfetjte Mafada, 
mufjte allerdings von der Belagerung Jerufalems abfehen, 
weil die Truppen des Silo fruh die Winterquartiere bezogen, 
nahm Sepphoris in Galilaa und reinigte jetjt die ganze Land- 
fchaft von Raubern, die fieh vergebens zuerft in die unzu- 
ganglichen Felshohlen von Arbela, 5 ) dann in Siimpfe und 
unwegfame Gegenden zuruckgezogen hatten. 6 ) 



') Dio Cass. 48, 27 u. 28. 

*) Ant. 14, 14, 2-5. B. J. 1, 14, 2-4. 

3 ) Dio Cass. 48, 39-41. Ant. 14, 14, 6. B. J. 1, 15, 2. 

*) B. J. 1, 15, 3. 

B ) Gemeint find die nodi heute angeftaunten HOhlen von Irbid, dicht 
am See Genefareth, nordweftlich von Tiberias. Vgl. u. a. Guerin, Galilee I, 
198203. Herodes legte auf der Hone der Felsklippen Balken, die uber 
den Abgrund hinausragten und lieg von dort in grofcen, durch eiferne 
Ketten auf und ab bewegten Kaften Soldaten herab, die von den Kaften 
her in die Hohlen eindrangen. Ant. 14, 15, 4-5. B. J. 1, 16, 2 u. 4. 

) Ant. 14, 15, 1-6. B. J. 1, 15, 3-16, 5. 



II.- Kap. Die politifche Gefdrichte Palaftinas von 63-4 v. Ghr. 1 13 

Am 8. Juni 38 hatte Ventidius die Farther in einer grogen 
Schlacht, in weldier Pakorus fiel, gefchlagen ') und fandte nun 
auf Befehl des Antonius dem Herodes zwei Legionen und 
1000 Reiter. Da aber auch diefe, von Antigonus beftochen, 
fidi laffig zeigten, ging Herodes zu Antonius nach Samofata 
am Euphrat, wo diefer den Bundesgenoffen der Farther, den 
Konig Antiochus von Commagene, belagerte und erlangte 
dort die Zuficherung, dag der zum Statthalter von Syrien 
ernannte Cajus Sofius ihm gegen Antigonus helfen werde. 2 ) 

In Antiochien erfuhr Herodes, dag fein Bruder Jofeph 
bei Jericho gefdilagen und felbft in der Sdilacht gefallen 
und in Galilaa wie in Judaa der Aufftand ausgebrochen 
Jei. Allein nun brachte er mit Hilfe der Romer bald Galilaa 
wieder in feine Gewalt und fchlug bei Ifana (wohl das heutige 
Ain Sinja, etwas nordlich von Bethel) 3 ) die von Pappus be- 
fehligten Truppen des Antigonus. 4 ) 

Nach dem Winter 5 ) zog er im Jahre 37 nach Jerusalem. Herodes ver- 
Wahrend feine Werkmeifter im Norden der Stadt Walle auf- mahit fieh mit 
warfen, um von dort die Mauern mit Mafchinen zu berennen, Mariamme. 
ging er felbft nach Samaria, dejjen Bevolkerung aus Hag 
gegen die Juden und die Makkabaer ihm ftets groge Treue 
bewiefen hatte, und wo fich auch feine Mutter und Verwandten 
befanden, feitdem er Mafada entfetjt hatte, und feierte dort 
mit der fchonen Hasmonaerin Mariamme Hochzeit. 6 ) 

Gleich danach kam er mit neuen Streitkraften wieder Einnahme 
vor Jerufalem. Seine eigenen Truppen waren 30000 Mann jerufaiems 
ftark; dazu ftiegen noch 11 Legionen und 6000 Reiter unter i 
dem Befehl des fyrifchen Statthalters Sofius. Tro^dem hielt 
fich die Stadt, in welcher fich Juden aus dem ganzen Lande 
zufammengefunden hatten, fiinf Monate lang, 7 ) bis endlich 

') Dio Cass. 49, 1921. Vgl. Clinton, Fasti Hell. Ill, 220. 
a ) Ant. 14, 15, 7-9. B. J. 1, 16, 6-7. 
3 ) Vgl. Schiirer I, 357, 9 und die dort angegebene Literatur. 
*) Ant. 14, 15, 10-13. B. J. 1, 17, 18. 

5 ) Ant. 14, 15, 14; vgl. B. J. 1,- 17, 8. 

6 ) Ant. 14, 15, 3-4 u. 14. B. J. 1, 16, 1. 1, 17, 8. 

7 ) B. J. 1, 18, 2. Gerechnet ift hier nicht vom Anfange der Schanz- 
arbeiten iiberhaupt, fondern von der Riickkehr des Herodes aus Samaria, 

da 6S heijgt ,,T//A/xotrr^? drvauewc Hi()t,xafri>/4.Vf]c; nevte nqrti diriv^Y.nv 

roAtu^xi.xv." Ant. 14, 16, 4 fagt Jofephus, die Erftiirmung fei gefchehen 
Felten, Neutejtamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 8 



114 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

im Oktober des Jahres 37 1 ) am Verfohnungstag audi der 
Tempel und die Oberftadt erfturmt wurden. Weder Kinder 
nodi Frauen wurden von den durch den langen Widerftand 
erbitterten Soldaten verfchont, und nur mit der grofeten Muhe 
konnte Herodes verhindern, dag die Romer nicht das Innere 
des Tempels betraten. Um die Pliinderung der Stadt abzu- 
wenden, mugte er, da er nicht Konig fiber eine Einode fein 
wollte, aus feinem Vermogen jedem Soldaten eine Belohnung 
geben 2 ) 

Antigonus hatte wahrend des Strafcenkampfes die Burg 
Baris verlaffen und fich dem S.ofius zu Ftigen geworfen, der 
ihn fpottend Antigona genannt haben foil, ihn gefangen 
nehmen und dem zu Ende des Jahres 37 3 ) wieder nach 
dem Orient zuriickgekehrten Antonius uberfenden liejg. Der 
hatte ihn gern bis zum Triumph am Leben gelaffen. Aber 
die von einer bedeutenden Geldfumme unterftiitjten dringen- 
Hinrichtung den Vorftellungen des Herodes, dag, folange Antigonus lebe, 

ff QQ _ 

n im dritten Monat am Fefttage des Faftens". Hier wird gerechnet von 
Antigonus. der Fertigftellung der drei Walle und der Berennung der erften Mauer. 
Vgl. Ant. 14, 16, 2. 

a ) Vgl. Ant. 14, 16, 4. Danach wurde die Stadt genommen, unter den 
Konfuln Markus Agrippa und Caninius Gallus, in der 185. Olympiade, 
im 3. Monat, am Fefttage des Fastens (r// o,,r^ r>]e v^r tins ), an weldiem 
vor 27 Jahren (gemeint find jiidifche Mondjahre) Pompejus die Stadt er- 
obert habe. Allerdings {e^t Dio Cass. 49, 2223 die Eroberung in das 
Konfulat des Claudius und Norbanus ins Jahr 38. Allein mit Recht haben 
faft alle Neueren das Jahr 37 angenommen, da der ausfiihrliche Bericht 
des Jofephus der fummari|chen Darftellung diefer Dinge durch Dio Gaf- 
fius uberhaupt vorzuziehen fei. Bin Grund zur Bezweiflung des von 
Jofephus angegebenen Tages, der ein Fe[ttag und ein Fafttag, alfo der 
Verfohnungstag, der 10. Tischri war, liegt nidit vor (f vor. Anm.) Diefer 
10. Tischri entfpricht nach den aftronomifchen Berechnungen (f. Gardthaufen 
im Rhein. Muf. 1895, 2, S. 311314; vgl. auch Kellrier, "Jefus von Nazareth, 
S. 74 f.) dem 3. Oktober des Jahres 37. Nach Kugler, Von Mofes bis 
Paulus, Miinchen 1922, S. 420 (vgl. uber die Daten der beiden Er- 
oberungen Jerufalems, ebd. S. 415422) entfpricht der 10. Tischri des 
J. 37 v. Chr. im Julian. Kalender Oktober 5/6. Vgl. auch Unger, Die Seleu- 
kidenara der Makkabaerbucher S A. Miinchen 1895, S. 274-277 u. S. 316. 
Kellner, Die Regierungszeit des Herodes und ihre Dauer, im Katholik 
1887. II, 65 75. Ebd. Jefus von Nazareth und feine Apoftel im Rahmen 
der Zeitgefchichte. Regensb. 1908, S. 27 f. 

*) Ant. 14, 16, 13. B. J. 1, 17, 9-18, 3. 
3 ) Vgl. Clinton, Fasti Hell. Ill, 224. 



II. Kap. Die politifdie Gefchichte Palaftinas von 63 4 v. Chr. 115 

die Juden nicht im Zaume gehalten und auch dureh keine 
Marter bewogen werden konnten, ihn felbft Konig zu nennen, 
bewogen ihn, den Antigonus zu Antiochien mit dem Beile 
hinrichten zu laffen. 1 ) 

In diefer fchmachvollen Weife endete durdi Henkershand 
der letjte Herrfcher aus dem Haufe der Hasmonaer, welches 
grog geworden war durch die inneren Streitigkeiten der 
Seleuziden und die nationale Tatkraft und unterging durdi 
inneren, von Antipater aus Ehrgeiz geforderten dauernden 
Zwift, aber doch fchliepch nur vor der gewaltigen Madit des 
Romerreiches, der fidi die Idumaer wieder, um ihre eigene 
Macht zu fordern, ganz unterordneten, in den Staub fank. 
Jetjt war Herodes wirklieh Konig der Juden, was er von 
4037 nur dem Namen nadi gewefen war. 

4. K6nig Herodes (374 v. Chr.). 

Alle die vielen Bemuhungen der Juden zugunften der Aiigemeine 
Hasmonaer batten nichts vermocht. Uber viele Leidien bin- Charak- 
weg war Herodes zum Thron emporgeftiegen. Er bradite ten f tlk des 

LJ f^f/Af^ ^Q 

mit fieh grojge korperliche Kraft und Ausdauer, grofje Kriegs- . 

erfahrung, gewaltige Energie und ein trotj aller ihm eigen- 
tiimlichen Sinnlichkeit und Leidenfchaftlichkeit kaltes, grau- 
fames Herz, welches ihn unbeirrt und unbeengt durch irgend- 
welche Rfickfichten als Jeinen eigenen Nu^en durch Strome 
Blutes {elb[t feiner eigenen Angehorigen waten lie, um feine 
Ziele zu erreichen. Die Romer batten ihn auf den Thron 
gebracht. Ihrer Freundfchaft {ich ftets und unter alien Um- 
ftanden zu verfichern, war auch in Zukunft das Hauptziel 
feiner Politik. Wie er fein Konigtum im Jahre 40 mit einem 
Opfer auf dem Kapitol zu Rom angefangen hatte, fo hat er 
fpater in Cafarea am Meere zu Ehren des Auguftus und 
der Roma einen Tempel erbaut. Dabei war er aber eben- 
falls aus Politik bemiiht, die religiofen GefQhle der Juden 
zu fchonen und forgte als Konig der Juden, wenn fie ihm 
nur gehorchten, fur ihre Intereffen innerhalb und aufcerhalb 

') Ant. 14, 16, 4. 15, 1, 2 (Zeugnis des Strabo). B. J. 1, 18, 3. 
Dio Cass. 49, 22. Da der Tod erft einige Wochen nadi der Gefangen- 
nahme erfolgt fein kann, dGrfte er, wie Lewin, Fasti sacri, L. 1875, p. XVII 
meint, in den November des Jahres 37 gefallen fein. 

8* 



116 Erfter Abfdhnitt. Die politifche Gefchidite der Juden etc. 

Palaftinas. Ehrgeizig und prachtliebend fuchte er durch viele 
dffentlidie Bauten und reiche Gefchenke fowohl dem Auguftus, 
der darauf grogen Wert legte, fich angenehm zu madien, 
als auch feinen Namen auf die Nachwelt zu bringen und zog 
fogar Gelehrte, wie z. B. den Nikolaus von Damaskus, deffen 
Biographic des Herodes von Jofephus benutjt wurde, an 
(einen Hof. Aber bei allem aufcern Firnis romifcher Kultur 
war er ein orientalifcher Defpot fchlimmfter Art, gegen die 
jeweiligen romifchen Madithaber gefiigig, aber gegen feine 
Untertanen iiberaus ftreng und hart, mit zehn Frauen ver- 
heiratet und voll ungebandigter Leidenfchaft, und doch dabei 
gegen die Reize der Kleopatra blind und verfchlagen, rach- 
fuchtig und hinterliftig zugleich und dabei ftets, namentlich 
aber in den letjten Lebensjahren, voll Argwohn, man ftrebe 
nach feinem Leben Oder feinem Throne, an aujgeren Erfolgen 
reich, aber in feinem Familienleben ungliicklidi, befahigt, 
durch eigene Kraft und kluge Politik ein Konigreich zu er- 
werben und zu erhalten, aber nicht imftande, es Jo zu kon- 
folidieren, dag ihm eine langere Dauer hatte befchieden (ein 
konnen. 

Man kann drei Perioden in feiner Regierung unter- 
fdieiden, die der Sicherung feiner Macht vom Jahre 3725, 
an deren Darftellung fich die feiner weiteren politifchen Er- 
folge am beften anfchlie^t, die namentlich durch eine grojj- 
artige Bautatigkeit ausgezeichnete Glanzzeit feiner Regierung 
vom Jahre 25 13, und die feiner letjten Lebensjahre und 
feines hauslichen Ungliickes von 134 v. Chr. 

a) Die Sicherung feiner Macht vom Jahre 37 25 v. Chr. und feine 

weiteren politifchen Erfolge. 

Hinrichtung Wie er bei Antonius mit Erfqlg darauf gedrungen hatte, 

vieier dag Antigonus getotet werde, fo Heft er auch gleich nach 

Geg-ner ^em Antritt feiner Regierung fiinfundvierzig der vornehmften 

des Herodes. des Antigonus hinrichten und ihr Vermogen ein- 



ziehen. Denn er brauchte viel Geld, fchon um fich die Freund- 
fchaft des Antonius durch groge Gefchenke zu erhalten. 1 ) Da 
ohne Zweifel viele der Ermordeten Mitglieder des Hohen 
Rates waren, erlangte er dadurch auch eine Sauberung des- 
) Ant. 15, 1, 1-2. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 634 v. Chr. 117 

felben in feinem Intereffe^ Auch die Mitglieder diefer Be- 
horde, welche friiher fur feine Verurteilung geftimmt hatten, 
lieg er hinrichten, 1 ) mit Ausnahme der Haupter der Phari- 
faer Pollio und Sameas, weil fie geraten hatten, zur Vermei- 
dung des Blutvergiegens ihm die Tore zu offnen. 2 ) Ober- 
haupt fcheint es, dag fein Hag mehr die Sadduzaer als An- 
hanger des hasmonaifchen Konigshaufes getroffen hat. 

Schon als geborener Idumaer konnte Herodes die hohe- 
priefterliche Wiirde nicht felbft bekleiden, wie das die Has- 
monaer getan hatten. Hyrkanus war wegen feiner Verftiim- 
melung dazu nicht fahig. 3 ) Allein es war immerhin moglich, Hyrkanus 
dag der alte Mann, welchem der Partherkonig Phraates den kehrt p n , adl 
Aufenthalt in Babylonien geftattet hatte, wo er (vielleicht zu 
Naharda), verehrt und geliebt von den zahlreichen Juden 
Mefopotamiens, lebte, 4 ) einmal von den Parthern oder den 
Juden wieder auf den judifchen Thron erhoben wiirde. Des- 
halb fuchte Herodes ihn unter dem Vorgeben, fich gegen ihn 
dankbar beweifen zu wollen, in feine Gewalt zu bekommen 
und erlangte auch durch die Vermittlung des judifchen Ban- 
kiers Saramalla von Antiochien, des reichften Mannes von 
Syrien, eines alten Freundes der Familie des Herodes, der 
ihm auch wohl die Mittel zur Werbung eines Heeres im 
Jahre 40 verfchafft hatte, dag der Partherkonig ihn gegen 
reiche Gefchenke frei gab. Hyrkanus kam felbft gern nach 
Jerufalem und wurde dort im Jahre 36 fo freundlich von 
Herodes aufgenommen, dag er keinen Verdacht fchopfte. 5 ) 

Das nachfte Anrecht auf die hohepriefterliche Wiirde hatte Der 
nun Ariftobul, der Bruder der Mariamme. Da diefer aber Hohepriefter 
wegen feiner Abkunft ihm ein gefahrlicher Nebenbuhler wer- Ananel - 
den konnte, auch erft 16 Jahre alt war, glaubte Herodes 
ihn iibergehen zu konnen und berief zum Hohenpriefter einen 
unangefehenen Priefter namens Ananel von Babylon, der feine 
Abftammung von einer hohenpriefterlichen Familie herleitete. 6 ) 

J ) Ant. 14, 9, 4. Sie fahen in Herodes eine Geigel Gottes. 

2 ) Ober Sameas f. o. S. 107. 

3 ) S. o. S. 111. 

4 ) Ant. 15, 2, 12. 

5 ) Ant. 15, 2, 2-4. B. J. 1, 13, 5. Vgl. Ant. 14, 13, 5. 

6 ) Ant. 15, 2, 4. 3, 1. 3, 3. 



118 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

Der Bruder Dadurch fuhlte fich aber die Mutter des Ariftobul und 

der Mariam- der Mariamme, Alexandra, gekrankt und fie wufcte durch die 

me, Anftobui, Cberfendung eines Bildes des jugendlidien fchonen Ariftobul 

wir ri er " an den finnlichen Antonius diefen zu dem Wunfche zu ver- 

anlaffen, den Jiingling zu fehen. Es gelang dem Herodes die 

Erfullung des Wunfches durdi die Vorftellung, daft die Ent- 

fernung des Ari[tobul aus dem Lande die Juden zu fehr er- 

regen wiirde, zu hintertreiben. 1 ) Er machte aber nun, zumal 

ihn auch Mariamme fortwahrend mit Bitten beftfirmte, den 

Ariftobul zum Hohenpriefter und fetjte den Ananel ab. a ) 

Die Ermor- Herodes konnte aber den Argwohn nicht unterdrucken, 
dung des jun- die Alexandra wolle ihrem Sohne auch zur koniglichen Wiirde 
gen Ariftobul. verb elf en und liefc fie ftreng iiberwachen. Diefe fafcte nun 
auf den Rat der Konigin Kleopatra den Entfchluft, mit ihrem 
Sohne nach Agypten zu entfliehen und wollte fich mit ihm 
in zwei Sargen nachts an einen Seehafen, wo ein Schiff 
bereit ftand, bringen laffen. Der Plan wurde aber verraten und 
Herodes befchlofc nun, fich des Jiinglings zu entledigen. 3 ) 
In diefem Vorhaben wurde er beftarkt, da bei dem erften 
feierlichen Auftreten des jungen Hohenpriefters am Laub- 
huttenfefte im Jahre 35 v. Chr. diefem die Menge freudig 
zujubelte. 4 ) Herodes wollte und konnte aber nicht offen gegen 
ihn vorgehen. Deshalb veranlajjte er ihn, bei einem Fefte 
in Jericho mit andern zu baden und liefc ihn durch diefe, 
dem Anfcheine nach zum Scherz, fo lange unter dem Waffer 
halten, bis er ertrank. 5 ) Es war eine Schreckenstat, die ihm 
auch das Herz der von ihm heiftgeliebten Mariamme ent- 
fremdete, der erfte aus bofem Argwohn und Hag erzeugte 
Schritt auf der blutigen Bahn der Ermordung der nachften 



') Ant. 15, 2, 6 f. 

2 ) Ant. 15, 2, 5-3, 1. 

3 ) Ant. 15, 2, 7. 3, 2. 

*) Das Jahr fteht durdi die Bemerkung Ant. 15, 2, 6 (B. J. 1, 22, 3) 
feft, dag Alexandra kurz vorher die Bilder des Ariftobul und der Ma- 
riamme dem Antonius nach Agypten fandte. Diefer war aber erft Ende 36 
nach einem ungluddichen Feldzug gegen die Farther nach Agypten ge- 
kommen. 

5 ) Ant. 15, 3, 3-4. Nach B. J. 1, 22, 2 ware Ariftobul in der Nacht 
nach Jericho gefandt und dort auf Befehl des Herodes in einem Teiche 
ertrankt worden. 



II. Kap. Die politifche Gefchifchte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 1 19 

Anverwandten. Auf die Kunde hiervon {e^te die Kleopatra 
es dureh, dag Antonius, der fich auf feinem Zuge nach Ar- 
menien im Friihjahre 34 in Syrien aufhielt, den Herodes 
nach Laodicea zur Verantwortung lud. 1 ) 

Damals war ein Onkel des Herodes, namens Jofeph, Salome ftiftet 
der zugleich durch feine Heirat mit der Salome des Konigs Zwietracht 
Schwager war, Statth alter von Idumaa. Diefen machte nun zwl f* enH e- 
Herodes, als er fich zu der wegen des Haffes der Kleopatra Mariamme 
nicht ungefahrlichen Reife entfchlofc, zum Reichsverwefer und 
gab ihm den geheimen Befehl auf die Kunde, daft ihm ein 
Leid zugeftofren fei, die Mariamme mit ihrer Mutter zu toten, 
erftere, damit die wegen ihrer Schonheit beriihmte Frau 2 ) 
nicht in die Hande des Antonius Oder eines andern falle. 
Wahrend feiner Abwefenheit verbreitete fich in Jerufalem 
das Gerucht von feinem Tode, woraufhin die Alexandra den 
Jofeph zu bewegen fuchte, fich mit ihr und der Mariamme 
unter den Schutj einer romifchen Legion zu ftellen, welche 
gerade damals in der Nahe von Jerufalem lagerte. Aber 
das Gerucht war falfch. Herodes hatte durch feine Gefchenke 
und feine Berufung auf die Rechte, die einem Konige zu- 
ftehen miigten, den Antonius fiir fich gewonnen, und erfuhr 
nun von feiner Schwefter Salome und feiner Mutter Kypros 
den Plan der Alexandra. Zwifchen diefen Frauen herrfchte 
iiberhaupt eine groge Spannung, weil le^tere und ihre Tochter 
jene wegen ihrer niedrigen Geburt und ihrer idumaifchen 
Abftammung mit Verachtung behandelten. Die Salome ging 
fogar fo weit, ihren Mann des verbotenen Umgangs mit der 
Mariamme bei Herodes anzuklagen. Diefe warf ihm aber den 
von ihm erteilten Befehl, fie eventuell zu toten, vor, den 
Jofeph, wohl um fie von der grofcen Liebe ihres Gatten zu Herodes lagt 
uberzeugen, ihr verraten hatte. Herodes fah aber darin nurfeinen Onkel 
einen Beweis, daft Jofeph aus Liebe zur Mariamme dies Jofeph 
getan habe und lieg ihn toten. 3 ) hinrichten. 



J ) Ant. 15, 3, 5. Der Zug gegen Armenien (Ant. 15, 4, 2) heifct 
auch (Ant. 15, 3, 9. B. J. 1, 18, 5) ein Zug gegen die Farther, da Arme- 
nien wegen der Verbindung- mit den Parthern geziiehtigt werden follte. 
Vgl. Dio Cass. 49, 39-40. 

2 ) Ant. 15, 2, 6. 3, 5. B. J. 1, 22, 3. 

3 ) Ant. 15, 3, 5-9. B. J. 1, 22, 4-5. 



120 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

Kieopatra in Eines hatte aber dodi die Kleopatra gegen Herodes bei 
Jerusalem. Antonius, den fie im Jahre 34 auf feinem Zuge gegen Arme- 
nien bis an den Euphrat begleitete, worauf fie fiber Jerufa- 
lem zuriickkehrte, erreicht. Sie hatte ihn namlich bewogen, 1 ) 
ihr nicht blofc faft den ganzen Kiiftenftrich vom Fluffe Eleu- 
therus (nordlich von Tripolis) bis Agypten, mit einziger Aus- 
nahme von Tyrus und Sidon und einen Teil des dem Nabataer- 
fiirften Maldius gehorigen Arabiens, fondern auch die frucht- 
bare und reiche Landfchaft Jericho mit ihren Palmbaumen 
und Balfamplantagen 2 ) zu fchenken. Herodes mugte fie nun 
fogar ehrenvoll in Jerufalem aufnehmen 3 ) und zufrieden sein, 
ihr fein eigenes Land gegen einen jahrlichen Tribut von 
200 Talenten abzupachten und begleitete fie bis nach Agypten. 4 ) 
Ihn durch ihre Reize zu beftricken, war ihr nicht gelungen. 
Sie hatte aber noch einen andern Plan, ihn zu verderben. 
Sie hatte ihn namlich zum Biirgen fur den ihr von Malchus 
zu zahlenden Tribut machen laffen. Als diefer nun zu zahlen 
aufhorte, erwirkte fie im Jahre 32 von Antonius den Befehl, 
Krieg des He- Herodes folle den Nabataerfiirften bekriegen. Sie hoffte 
rodes gegen aus (j er gegenfeitigen Schwachung beider Nu^en ziehen zu 

k nnQn ' Der Krieg endigte aber ' tro ^ dem Herodes anfangs 
eine grojje Schlacht verier, im Jahre 31 mit der vollftandigen 

Niederlage der Araber/) 

Nach der Ware der Befehl des Antonius zu diefem Kriege nicht 

Schlacht von ergangen, fo hatte Herodes in dem gerade im Jahre 32 

Actmm gent an f an g e nden Biirgerkriege zwifchen Antonius und Oktavian 

Oktal ZU er ^ erem J em ^ eer zugefiihrt. 6 ) Jetjt hatte er wenigstens das 

uber. Gluck, nicht direkt auf feiten des Antonius gekampft zu haben. 

Ant. 15, 4, 12. B. J. 1, 18, 5. Vgl. o. S. 90, 6. 

2 ) S. o. S. 52 und 31. 

3 ) ,,The scene at Herod's palace must have been inimitable. The 
display of counter-fascinations between these two tigers; their volup- 
tuous natures mutually attracted; their hatred giving to each that deep 
interest in the other which so often turns to mutual passion while it 
incites to conquest; the grace and finish of their manners, concealing 
a ruthless ferocity; the splendour of their appointments what more 
dramatic picture can we imagine in history!" J. P. Mahaffy, The empire 
of the Ptolemies, L. 1895, p, 472 f. 

') Ant. 15, 4, 2. 

*) Ant. 15, 4, 4-5, 5. B. J. 1, 19, 1-6. 

6 ) Ant. 15, 5, 1. B. J. 1, 19, 1. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 121 

Denn das Kriegsgliick entfchied am 2. September 31 in der 
Seefchlacht am Vorgebirge Actium an der Westkfifte Griedien- 
lands gegen diefen. Aber diefer Schlag und der Abfall des 
Prokonfuls Quintus Didius von Syrien und der kleinafiatifchen 
Furften von Antonius war fur Herodes Grund genug, nun 
auch auf die andere Seite jidi zu fchlagen und den Prokonful 
im Kampfe gegen eine Gladiatorenfchar des Antonius, weldie 
fich von Cyzikus nach Agypten durchfchlagen wollte, zu unter- 
ftuljen. 1 ) 

Als nun Oktavian im Frfihjahre 30 von Korinth fiber 
Rhodus nach Syrien reifen wollte, begab fich Herodes zu 
ihm nach Rhodus. Gewifc war die Reife fiir einen fo alten 
Gunstling und Anhanger des Antonius, wie Herodes war, 
nicht ohne Gefahren. Deshalb wollte er fich in feiner herz- 
lofen, graufamen Art vorfehen. Er liefj namlich den gut- Ermordung 
mtitigen, iiber 80 Jahre alten Hyrkanus aus Furcht, man des 
konne ihn als letjten Hasmonaer auf den Thron fetjen, um- Hyrkanus. 
bringen, unter dem nichtigen Vorwande, der alte Mann habe 
mit dem Nabataerkonig Malchus gegen ihn konfpiriert. 2 ) So 
mufcte diefer durch Abkunft, Stand und Alter ehrwurdige 
Greis feine gutmutige Schwachheit wie zuerft dem Antipater, 
fo jetjt dem Herodes zu viel vertraut zu haben, bfifcen. Zum 
Reichsverwefer ernannte Herodes feinen Bruder Pheroras und 
brachte dann Mutter, Schwefter und Kinder in die von ihm 
ftark befeftigte Fefte Mafada, feine Frau und deren Mutter 
Alexandra aber nach Alexandreion unter die Aufficht des 
Scha^meifters Jofeph und des Ituraers Soemus, denen er 
den Befehl gab, beide, falls er umkomme, zu toten. 3 ) 

In Rhodus fand Herodes bei Oktavian, der fiber fein ab- Herodes und 
hangiges Verhaltnis zu Antonius hochherzig wegjah und in Oktavian in 
jenen Gegenden einen Mann wie Herodes gut brauchen konnte, Rh odus und 
. wohlwollende Aufnahme und gewann fo, nachdem er jedes- 
mal zeitig von Pompejus zu Cafar, von Cafar zu Graff us, 
von Craffus zu Antonius fibergegangen war, auch an Augu- 

1 ) Ant. 15, 6, 7. B. J. 1, 20, 2. Plut. Ant. 71. 72. 

2 ) Ant. 15, 6, 3. Jofephus berichtet ebd. 6, 2 aus den ,,Jahrbuchern 
des Herodes", Hyrkan habe im Einverftandnis mit dem Nabataer Malchus 
zu diefem nach Arabien fliehen wollen, um dort die Ereigniffe abzii- 
warten, halt aber felbft den ganzen Bericht fur unglaublich. 

3 ) Ant. 15, 6, 5. 



122 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ftus einen Conner. Er zeigte aueh feine Dienftfertigkeit fo- 
gleich bei dem Zuge des Auguftus nach Agypten im Jahre 30, 
indem er ihm in Ptolemais einen herrlichen Empfang bereitete, 
das romifche Heer verproviantierte und dem Auguftus noch 
obendrein 800 Talente gab. 1 ) Antonius wurde zu Alexandrien 
am 1. Auguft 30 von neuem gefchlagen, wahrend die Flotte 
zu Auguftus iiberging. Da fich nun fowohl Antonius wie 
auch die Kleopatra 2 ) den Tod gaben, war Herodes auch 
diefer fchlimmen Gegnerin ledig und konnte ahnlich wie 
damals Horaz jubeln: ,,nunc est bibendum, nunc pede 
libero pulsanda tellus." 3 ) Er reiste voll Freude zu Augustus 
nach Agypten und erhielt von ihm nicht nur die ihm friiher 
von Antonius zugunften der Kleopatra entzogenen Lander wie- 
der zuriick, fondern obendrein noch die Stadte Gadara, Hip- 
pus und Samaria und an der Meereskiifte Gaza, Anthedon, 
Joppe und Stratonsturm (Cafarea). 4 ) 

Herodes lagt Zu Haufe erlebte allerdings Herodes, den feine Mutter und 

Mariamme Sdiwefter durdi allerhand Verleumdungen gegen die Mariamme 

hinrichten. einzunehmen fuchten, wenig Freude. Mariamme felber zeigte fidi 

gegen ihn gereizt, weil fie in Alexandreion wie in einem Ge- 

f angnis eingefchloffen gewefen und von Soemus iiber den ihm 

gewordenen Auftrag unterrichtet worden war, 5 ) und ging 

l ) Ant. 15, 6, 57. B. J. 1, 20, 1-3. 

*) Vgl. Edmund Groag, Beitrage zur Qefchichte des zweiten Trium- 
virats. III. Das Ende der Kleopatra in ,,Klio, Beitrage zur alten Ge- 
fchichte". Bd. 14, 1. L. 1914, S. 57-68. 

3 ) Od. 1, 37. Vgl. Hausrath I, 230. 

*) Ant. 15, 7, 3. B. J. 1, 20, 3. 

5 ) Ant. 15, 7, 1-3. In B. J. 1, 22, 3-5 wird der Tod der Ma- 
riamme zugleich mit dem Jofephs nach der Ruckkehr des Herodes von 
Antonius gefetjt und das Ant. 15, 6, 5 und 7, 16 Erzahlte iibergangen. 
Die Mariamme kann aber nicht fchon im Jahre 34 geftorben fein, da fie 
nach B. J. 1, 17, 8 er{t im Jahre 37 heiratete, nach B. J. 1, 22, 2 aber 
von Herodes funf Kinder hatte, die ihm als Konig geboren waren. Ge- 
rade der fruhere, dem Jofeph gegebene Befehl (f. o. S. 119) hatte die 
Mariamme argwohnifch gemacht und fie veranlagt, dem Soemus das Ge- 
heimnis zu entlocken. Siehe Ant. 15, 7, 1. Nach Ant. 15, 7, 4 dauerte 
das fchlechte Verhaltnis der Mariamme zu ihrem Manne ein halbes Jahr 
nach feiner Ruckkehr aus Agypten fort. Diefe war aber erfolgt Ende 30. 
Auguftus reifte zu Ende des Jahres 30 aus Agypten nach Antiochien, 
begleitet von Herodes (Ant. 15, 7, 4). Somit fallt der Tod der Mariamme 
ins Jahr 29 v. Chr. Auger Alexander und Ariftobul hatte Mariamme 



II. Kap. Die politifche Gefchidite Palaftinas von 63-4 v. Chr. 123 

eines Tages fo weit, ihn als den Morder ihres Vaters und 
ihres Bruders zu fchmahen. Als nun feine Schwefter Sa- 
lome nodi 01 ins Feuer go)5, indem fie einen Mundfchenken 
des Konigs zu der Ausfage bewog, Mariamme habe ihn 
verfuhren wollen, dem Herodes einen Liebestrank darzu- 
reichen, liefj der Konig einen vertrauten Diener der Mari- 
amme foltern, der zwar von dem Liebestrank nichts wufcte, 
wohl aber ausfagte, die Konigin fei wegen des ihr von 
Soemus Mitgeteilten fo erziirnt. Voll Wut befahl nun Herodes 
den Soemus, den er fur des Ehebruchs mit Mariamme fchuldig 
hielt, hinzurichten. Er felbft aber klagte feine Frau vor einem 
Tribunal feiner vertrauteften Freunde des Ehebruchs und des 
Vergiftungsverfuches fo leidenfchaftlich an, dafc fie zum Tode 
verurteilt wurde. Das Urteil wurde, da Salome dem Herodes 
vorftellte, das Volk konne leicht einen Aufftand zur Befreiung 
der Konigin erregen, alsbald vollftreckt. Aus Furcht, felbft 
der Mitwiffenfchaft diefes angeblichen Verbrechens ihrer Toditer 
angeklagt zu werden, hatte Alexandra die feige Roheit, auf 
der Strajge ihrer Tochter fdilechtes, undankbares Wefen gegen 
ihren Mann vorzuwerfen. Die Konigin aber blieb gelaffen 
und ftarb im Jahre 29 v. Chr., ohne auch nur die Gefichts- 
farbe zu andern, wiirdig ihrer edlen Vorfahren. 1 ) Von fel- 
tener korperlicher Schonheit, *) Wurde und hoher Geftalt, 3 ) 
keufch und hochherzig, wenn auch nicht immer frei von 
Streitfucht und hochfahrendem Wefen, 4 ) ftarb fie vorzuglich 
als ein Opfer des Haffes und der Verleumdungen der Salome. 

Kaum war Mariamme tot, als die friihere leidenfchaft- Die Mutter 
liche Liebe zu ihr mit der verzweifelten Reue iiber das ihr der 
bereitete Schickfal in Herodes fo ftark wurde, dafe er in Sa- Mariamme 
maria in eine fchwere Krankheit und Geiftesverwirrung fiel . e * ra 
und man an feiner Genefung verzweifelte. Kaum hatte Ale- r id,tet 
xandra hiervon gehort, als fie fich in den Befi^ der feften 

einen dritten, jungeren Sohn, der in Rom ftarb. B. J. 1, 22, 2. Die zwei 
Toditer hiegen Salampfio und Kypros. Erftere heiratete Phafael, den 
Sohn von Herodes' Bruder Phafael, letjtere Antipater, den Sohn der 
Salome und des Koftobar. Ober ihre Nachkommen vgl. Ant. 18, 5, 4. 
!) Ant. 15, 7, 4-6. 

2 ) S. o. S. 119. 

3 ) Ant. 15, 2, 6. 15, 7, 6. 
*) Ant. 15, 7, 6. 



Ebenfo der 

Schwager des 

Herodes, Ko- 

[tobar. 



Gebiets- 

zuwachs des 

Herodes 

durch die 

Gunft des 

Auguftus. 



124 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefdiidite der Juden etc. 

Platje Jerufalems angeblich im Intereffe der Sohne des Herodes 
zu fetjen fuchte, daftir aber von Herodes ebenfalls hinge- 
riditet wurde. 1 ) 

Zuletjt wurde auch nodi im Jahre 25 v. Chr. der vor- 
nehme Idumaer Koftobar, den die Salome nach dem Tode 
ihres Gatten Jofeph 2 ) geheiratet, 3 ) dem fie aber fpater nach 
einem Zwift gegen das Gefetj einen Scheidebrief gefandt 
hatte, 4 ) von ihr bei Herodes verraterifcher Umtriebe ange- 
klagt 5 ) und ebenfalls auf deffen Befehl hingerichtet. 6 ) 

Die folgenden Jahre der Regierung des Herodes find 
angefullt mit weiteren den Rornern erwiefenen und von ihnen 
belohnten Dienften, mit einer gewaltigen Bautatigkeit und 
mit Verfchworungen, Verbredien und Hinriehtungen. 

Zu dem in die Jahre 25 24 fallenden erfolglofen Feld- 
zug der Romer gegen das gluckliche Arabien fandte Herodes 
500 Reiter, welche dem romifchen Befehlshaber Alius Gallus 
grojse Dienfte leifteten. 7 ) Im Jahre 23 reifte der Konig felbft 
nach Rom, um dem Auguftus feine beiden Sohne Alexander 
und Ariftobul, SprofcHnge feiner Ehe mit der unglucklichen 
Mariamme vorzuftellen. Bei diefer Gelegenheit erhielt er 
einen bedeutenden Gebietszuwachs durch die Landfchaften 
Trachonitis, Batanaa und Auranitis. 8 ) In Trachonitis lebten 
damals viele Rauber, welche die Nachbarlande, namentlich 

1 ) Ant. 15, 7, 8. Dag es erft je^t gefchah, mag damit zufammen- 
hangen, dag fie fruher den Herodes vor den Parthern gewarnt hatte 
(Ant. 14, 13, 6, vgl. o. S. 119). 

2 ) S. o. S. 119. 

3 ) Ant. 15, 7, 9. Herodes machte ihn zum Statthalter von Idumaa 
und Gaza, ebd. 

') Ant. 15, 7, 10. Vgl. Deut. 24, 1. 

5 ) Er war zuerft verdachtigt worden, Idumaa von Herodes unab- 
hangig machen zu wollen (Ant. 15, 7, 9). Die Salome verdarb ihn aber 
durch die Anzeige, dag er fchon zwolf Jahre lang hervorragende An- 
hanger des Antigonus, die Sohne des Babas, verfteekt halte, welche er 
feiner Zeit bei der Eroberung Jerufalems im Jahre 37 gefangen ge- 
nommen, aber wegen ihres Anfehens beim Volke an einen ficheren Ort 
gebracht hatte. Siehe Ant. 15, 7, 10. 

6 ) Ant. 15, 7, 10. 

7 ) Ant. 15, 9, 3. Vgl. Strabo 16, 4, 22-24 und dazu Mommfen R. 
Gefch. V, 608 ff. Schiller, Gefch. der rom. Kaiferzeit, Gotha I (1883), 198 ff. 

s ) Ant. 15, 10, 1. Vgl. B. J. 1, 20, 4. 



II. Kap. Die politifehe Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 125 

das damaszenifche Gebiet pliinderten. Aber wie ehedem in 
Galilaa, fo wufcte audi hier Herodes bald durch gewaltfame 
Unterdruckung der Rauber den Nachbarn Ruhe und Sicher- 
heit zu verfchaffen. 1 ) Er trat auch alien Verfudien des Zeno- 
dorus, ihn in feinem neuen Befit* zu ftoren, mit Erfolg ent- 
gegen. 2 ) Als aber Zenodorus im Jahre 20 an einem Darm- 
bruch zu Antiochien ftarb, erhielt Herodes auch noch deffen 
Bezirk, welcher Ulatha am Hule-See, Panias und das an- 
grenzende Gebiet umfafcte. 3 ) Wie grofc das Anfehen des . 
Konigs bei den Romern war, batten die Gadarener erfahren 
miiffen, welche ihn des Raubes und der Pliinderung ihres 
Tempels befchuldigten. Als fie ihre Klagen zu Mitylene auf 
der Infel Lesbos bei Agrippa, der feit dem Jahre 23 eine 
Art Statthalter aller Lander jenfeits des Jonifchen Meeres 
war, vorbrachten, wiirdigte fie diefer, der mit Herodes be- 
freundet war, keiner Antwort und fchickte die Gefandten ge- 
bunden an Herodes. Auguftus nahm aber die Boten der 
Gadarener im Jahre 20 fo unfreundlich auf, dafc fie fich aus 
Furcht, dem Herodes ausgeliefert zu werden, felbft urns Le- 
ben brachten. 4 ) 

Ja, Auguftus ging fogar fo weit, den Prokuratoren (Finanz- Weitere 
beamten) von Syrien zu befehlen, nichts ohne die Gutheigung Gunftbezei- 
des Konigs zu tun, 5 fo dafc diefer gewiffermagen der Stell- gungen des 
vertreter des Statthalters von Syrien, als welcher damals der Au u f tus - 
allerdings viel in Rom fich aufhaltende Agrippa gelten konnte, 6 ) 
war. Unter diefen Umftanden erlangte Herodes von Auguftus 

: ) Ant. 15, 10, 1. Vgl. o. S. 91. 

2 ) Ant. 15, 10, 2. 

3 ) Ant. 15, 10, 3. B. J. 1, 20, 4. (Vgl. dazu Marquardt RStV 1, 
408, 2), Dio Cass. 54, 9 ,,Zr;vodoJ(jov TWO? Tr^a(>.W. 

*) Ant. 15, 10, 2-3. S. Anm. 3. 

5 ) Ant. 15, 10, 3. 

6 ) Agrippa warnach Ant. 15, 10, 2 v ro>v Tte^nv'Iavlov cTof<fo/o? KaltictQi." 
und blieb es nach Ant. 16, 3, 3 zehn Jahre lang (von 2313 v. Chr.). 
Allerdings war er nur von 2321 in Mitylene und ging dann nach Rom 
(Dio Cass. 53, 32. 54, 6. Sueton. Aug. 66). Dann kam er wieder in den 
Orient und blieb bis zum Jahre 13 (Dio Cass. 54, 19. 24. 28. Ant. 16, 2, 
1-3, 3). Nach Mommsen, Res gestae d. Augusti 2 (1883), 163 ff. war er 
eine Art Mitregent fowohl fur das Morgenland wie fur das Abendland. 
Jedenfalls war er Statthalter nicht blofj fiber Syrien, fondern den ganzen 
Often. Das erklart die dem Herodes eingeraumte Stellung. 



126 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

ohne Muhe die Erlaubnis, feinen Bruder Pheroras zum Vier- 

fiirjten von Peraa machen zu durfen. 1 ) 

Unruhen in Einmal iff aber doch Herodes zeitweife aus einem poli- 

der Tracho- tifchen Grunde bei Auguftus in Ungnade gewejen. Die Ver- 

nitIS - Herodes anlaffung, weldie zwar fchon in die letjte Lebenszeit des 

K A 261 6 Konigs fallt, aber beffer hier erwahnt wird, war folgende. 

Dwl /\UgUjiUS m 

in Ungnade. Als lm J anre 12 v. Chr. Herodes in Rom weilte, ) fingen 
in der Trachonitis wieder die gewohnten Raubziige an. Allein 
vierzig Hauptrauber retteten fich nach Arabien in das Gebiet 
des Nabataerfttrften Obodas. Damals war Syllaus, dem He- 

>) Ant, 15, 10, 3. B. J. 1, 24, 5. 

-) Herodes war in Rom im Jahre 23 v. Chr. (f. o. S. 124), dann 
wenn nicht in Rom, fo doch in Italien um das Jahr 18 (Ant. 16, 1, 2. 
Er holte feine SOhne ab), dann im Jahre 12 in Rom. (Ant. 16, 4, 16, 
vgl. B. J. 1, 23, 35, um gegen feine SOhne bei Auguftus zu klagen). 
Die Ruckkehr von diefer Reife wird auch Ant. 16, 9, 1 erwahnt (ytvuuevoi 

fit sv rfj 'Pi,>nrj xaxei&fn sit'ivuxovri fivviftrr} 7roA>jUO? nydt; T'<uc v ^4^/?a.) Denn 

der Auiftand der Tradioniten wird Ant. 16, 9, 1 in init. als der erfte feit 
ihrer Unterwerfung durch Herodes dargeftellt und wird gefagt, fie feien 
durdi die Feldhefren, die ir^ar^y../ des Konigs, wieder unterworfen wor- 
den. Ihre Unterwerfung durch die arvn-cw-i ift fchon Ant. 16, 4, 6 in 
init. erzahlt, wird aber Ant. 16, 9, 1 wieder erwahnt, weil jetjt die fich 
daran kniipfenden Schwierigkeiten mil den Arabern gefchildert werden 
follen. Ebenfo wird das Ant. 16, 4, 16 ausiiihrlich Erzahlte durch die 
Bemerkung in Ant. 16, 9, 1, Herodes fei nach Rom gereift, um feinen 
Sdhn Alexander zu verklagen und den Antipater dem Kaifer vorzuftellen, 
kurz wiederholt. Dag nur Alexander, nicht auch fein Bruder Ariftobul, 
genannt wird (fo auch B. J. 1, 23, 3), mag darin begriindet fein, dag 
auch vorher Ant. 16, 8 nur von dem alteren Alexander die Rede ift. 
Dag diefe Reife ins Jahr 12 fallt, ergibt fich, wie Schurer 1, 371, 16 be- 
merkt, befonders aus Ant. 16, 4, 5. Danach hat namlich Auguftus bei der 
Anwefenheit des Herodes in Rom Qefchenke an das Volk verteilt. Er 
machte acht folcher Schenkungen (vgl. Monum. Ancyranum III, 7 21 bei 
Mommsen, Res gestae 2 , p. 58 sq.), wovon die funfte ins Jahr 12, die 
fechfte ins Jahr 5 v. Chr. fallt. An letjtere kann natfirlich hier nicht ge- 
dacht fein. Vgl. auch fchon Sanclemente, De vulgaris aerae emendatione. 
Romae 1793, p. 334 sq. u. a. Bei diefer Anwefenheit gab Auguftus 
dem Herodes die Halfte der Ausbeute der (kaiferlichen) Kupferbergwerke 
auf Cypern und die Verwaltung diefer Halfte. Nach Jos. Ant. 16, 4, 5 
hatte damals Herodes dem Auguftus 300 Talente gefchenkt. Walter Otto, 
Herodes. Beitrage zur Gefchichte des letjten judifchen KOnigshaufes, 
Stuttgart 1913, S. 93 erklart die Stelle wohl richtig dahin, dag damals 
Herodes die Ausbeute der Bergwerke zur Halfte gegen einmalige Zah- 
lung von 300 Talenten ubernahm. 



II. Kap. Die politifdie Gefchichte Palaftinas von 634 v. Chr. 127 

rodes frfiher die Hand feiner Schwefter Salome abgefchlagen 
hatte, angeblich weil der Nabataer fidi weigerte, das jtidifche 
Gefetj anzunehmen, 1 ) der allmachtige Minifter feines Furften. 
Syllaus hatte auch die Rauber aufgenommen und ihnen die 
Feftung Raipta als Wohnort angewiefen. Von hier aus plfin- 
derten fie Judaa und ganz Coelefyrien. Ihre Zahl wuchs 
durdi Zuzug immer mehr. Als nun Herodes von Rom zu- 
riickgekehrt war, lieg er im Zorn die in feinem Gebiet woh- 
nenden Angehorigen der Rauber niedermadien und forderte 
die Auslieferung der Rauber und die Rtickerftattung von 
60 Talenten, welche er ehedem dem Nabataerkonig geliehen 
hatte. Da diefe Forderung erfolglos blieb, drang er dann 
mit Erlaubnis der romifchen Feldherren Saturninus und Vo- 
lumnius 2 ) in Arabien ein, fchleifte Raipta und fchlug das ara- 
bifche Heer in die Fluent. Um aber die Trachonitis dauernd 
gegen die Rauber zu fichern, legte er dort idumaifche Militar- 
kolonien an. Syllaus gab nun dem Augustus einen fo fal- 
fchen Bericht fiber das Gefchehene, dag diefer gegen Herodes 
in grofeen Zorn geriet und feine Gefandten gar nicht an- 
horte. Es fehlte gar nicht viel, fo hatte er fogar den Syl- 
laus, da damals gerade Obodas geftorben war und fein 
Nachfolger Aneas, der fich Aretas nannte, das Reich ohne 
Erlaubnis des Augustus angetreten hatte, zum Konige der 
Nabataer gemacht. Endlich gelang es dem Nikolaus von Da- 
maskus an der Spitje einer neuen Gefandtfchaft des Herodes, 
welche durch eigene Briefe des Syllaus beweifen konnte, 
daft diefer viele aus der Umgebung des Obodas umgebracht 
habe, Gehor zu finden, den Herodes zu entfchuldigen und 
wieder mit Auguftus zu verfohnen. Ware nicht damals fchon 
Herodes mit feinen und der Mariamme Kindern in Streit 
gewefen, fo wfirde er fogar noch Arabien erhalten haben. 
Nunmehr beftatigte aber Auguftus den Aretas als Konig der 
Nabataer. 3 ) 

Im Laufe des Streites waren die in dem trachonitifchen Anfiediung 
Gebiete angelegten idumaifchen Militarkolonien von den Tra- von babyio- 

nifchenJuden 



, 7, 6. 

2 ) Ant. 16, 9, I v 3ifMyTO HBQI torrtav TOt? KotidnQoc ifye/wotftv '" BatanSa - 



re xai OJoAo/trtw". Saturninus war von 96 v. Chr. Statthalter von 
Syrien. 

3 ) Ant. 16, 9, 1-4. 16, 10, 8-2. 



128 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

dionitern und den Arabern ausgepliindert und vernichtet wor- 
den. Deshalb verlieh nunmehr der Konig babylonifchen Ju- 
den, berittenen Bogenfchutjen, an deren Spitje Zamaris ftand, 
einen Landftrich der an das trachonitifche Gebiet grenzenden 
Landfchaft Batanaa zur fteuerfreien Benutjung. Diefe bauten 
dort die Feftung Bathyra und andere Feften und konnten fo 
die Trachoniter in Schach halten. 1 ) In fpaterer Zeit ift der 
Enkel des Zamaris, Philippus, Oberbefehlshaber der Truppen 
des Agrippa II. gewefen. 2 ) 

b) Die Glanzzeit des Herodes von 2513 v. Chr. 

Die Zu den vielen Verdienften, welche fich Auguftus um das 

Bautatigkeit romifche Reich erwarb, gehorten der Schu^ und die Unter- 

des ftiitjung von Handel und Induftrie, die vielen Wiederher- 
ftellungen und Neubauten offentlicher Gebaude, wie Tempel 
und Amphitheater, die Sorge fur Wafferleitungen, Wege und 
andere gemeinnutjige Werke. 3 ) Sein Wunfch und fein Bei- 
fpiel in diefer Hinficht wurden von Agrippa und den ro- 
mifchen Grofeen in der Stadt Rom und den Provinzen, aber 
auch von den verbiindeten und befreundeten Konigen, die 
dadurch ihre Anhanglichkeit an den Kaifer und an Rom dar- 
tun wollten, nachgeahmt. 4 ) Gewig; ein herrliches Beifpiel und 
eine riihmenswerte Nacheiferung. 

Bei dem Charakter und der Politik des Herodes ift es 
zu begreifen, dafj diefer fich, [obald er zur ruhigen Herr- 
fchaft gekommen war, mit der ganzen Energie, ja Leiden- 
fchaftlichkeit feines Wefens auch in derartigen Beftrebungen 
auszuzeichnen fuchte. Tatjachlich liefen fie auf eine grofjere 
Hellenifierung des Landes hinaus und konnten vielfach nur 
mit Verletjung jiidifcher Anfchauungen durchgefe^t werden. 
Aber dariiber fe^te er fich, um den Romern zu gefallen, 
leicht hinweg. 



x ) Ant. 17, 2, 12. 

2 ) Ant. 17, 2, 3. , 

3 ) Vgl. u. a. Schiller, Gejch. der rom. Kaiferzeit I, 237 ff. V. Qardt- 
haujen, Augustus und Jeine Zeit. 2 Teile in je 3 Bden. L. 1891-1904. 

*) Sueton. Aug. 59 60: Provinciarum pleraeque super templa et 
aras ludos quinquennales paerie oppidatim constituerunt. Reges amici 
atque socii et singuli in suo quisque regno Caesareas urbes condiderunt. 



II. Kap. Die politijche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 129 

Um feine Ergebenheit gegen Auguftus zu bezeugen, fiihrte spiele und 
er im Jahre 25 in Jerufalem die Abhaltung der vierjahrigen x ) Bauten in Je- 
Aktiaden, welche Auguftus zur Erinnerung an feinen Sieg iiber ru f alem - 
Antonius feit dem 2. September 28 v. Chr. wieder erneuert 
hatte, ein, und baute in der Nahe der heiligen Stadt ein gropes 
Amphitheater, zu deffen Wettkampfen, Tierhetjen u. dgl. viele 
Zufchauer aus der Feme kamen, aber wenige Juden, da 
diefen derartige Dinge als heidnifche Greuel galten. 2 ) Audi 
baute er in Jerufalem fur Schaufpiele ein Theater. 3 ) Die an 
demfelben angebrachten Nachbildungen romifcher Siegeszeichen 
und Adler erregten einen folchen Unwillen, dafc fich zehn 
Manner, darunter fogar ein Blinder, verfchworen, den Herodes 
im Theater zu erdolchen. Zwar wurde die Verfchworung 
verraten und die Verfchworer zu Tode gepeinigt. Aber der 
Angeber wurde von dem wutenden Volke in Stiicke geriffen 
und diefe den Hunden vorgeworfen. 4 ) 

Der Haft des Volkes liefc aber den Herodes auf Mafc- 
regeln zu feiner eigenen grofeeren Sidierheit finnen. In Jeru- 
falem befafj er bereits die alte Makkabaerburg, welche er 
fchon friiher hatte umbauen laffen und Antonia genannt hatte, 5 ) Grogartige 
und den fpa'ter ebenfalls umgebauten Palaft in der Oberftadt. 6 ) Bautatigkeit 
Je^t baute er auch fonft im Lande Feftungen, um die Juden des Herodes 
in Schach zu halten und verftarkte feine Leibwache, zu denen m Pala ^ tma - 
auch Thrazier, Germanen und Gallier gehorten. 7 ) Unter an- 



J ) Ant. 15, 8, 1. 16, 5, 1. 

2 ) Ant. 15, 8, 1. Ob eine Rennbahn, die Ant. 17, 10, 2. B. J. 2, 3, 1 
erwahnt wird, von ihm herruhrt, weig man nicht. Dag hellenijierende 
Juden felbft in Palaftina an den Spielen [ich beteiligten, fieht man aus 
1 Mace. 1,14 ft. 2 Mace. 4, 9 ff. Vgl. fiber die Beteiligung von Juden an 
heidnifchen Spielen in Palaftina und der Diaspora J. Jufter, Les Juifs 
dans 1'Empire Romain. 2, Paris 1914, p. 238241. 

3 ) Ant. 15, 8, 1. Vgl Smith, Jerufalem II, 493, fiber die mutmaft- 
liche Lage. Er meint 1. c., es feien die vor 22 Jahren im Siiden der 
Stadt von Schick entdeckten Oberrefte eines grogen Theaters, welche 
diefer felbft unrichtig ein Amphitheater nannte, Refte des Theaters des 
Herodes. 

*) Ant. 15, 8, 1-4. 

5 ) Vgl. o. S. 69. 

6 ) Ant. 15, 8, 5. 9, 3. Vgl. o. S. 69. 

7 ) Ant. 15, 9, 3 (Die aus 400 Galliern beftehende Leibwache der 
Kleopatra wurde dem Herodes im Jahre 30 von Auguftus gefchenkt. 

Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 9 



1 30 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

dern befeftigte er die von ihm [lets fehr geliebte Stadt Sa- 
maria, wofelbft er 6000 Anfiedlern, teils fruheren Soldnern 
teils Auslandern, Land gab, und nannte fie zu Ehren des 
Auguftus Sebafte. x ) Er befeftigte, erweiterte und verfchonerte 
in grofcartigfter Weife den Stratonsturm am Meere und 
nannte die Stadt, an der zwolf Jahre gebaut wurde, jetjt 
Cafarea, den Hafen aber, in dem eine grofee Flotte bequem 
unterkommen konnte, Sebaftos. 2 ) Weiterhin befeftigte er zur 
Beherrfchung Galilaas Gaba 3 ) am nordoftlidien Abhang des 
Karmel und zur Beherrfchung Peraas Esbon oder Hesbon 
oftlich von Jericho. 4 ) Er baute das alte Anthedon wieder auf 
und nannte es Agrippeion, 5 ) und wollte die Namen feiner 
Anverwandten verewigen, und feinen eigenen durdi die von 
ihm gebauten Sta'dte Ann'patris, 6 ) Phafaelis, 7 ) Herodeion 8 ) 
und die Burg Kypros oberhalb Jeridios. 9 ) Audi Alexandreion 10 ) 
und Hyrkania 11 ) wurden neu befeftigt, mit Recht aber ganz 
befondere Sorgfalt auf die Sicherung der Feftungen Macharus 12 ) 
undMafada 13 ) gelegt, weil fie durch ihre fefte Lage in Zeiten 
der Gefahr ihm befondern' Schutj gewahren und zugleidi 
Stiitjpunkte im Kampfe gegen die Araber fein konnten. 



Ant. 15, 7, 3. B. J. 1, 20, 3). 17, 8, 4. Diefe Truppen wurden von Arche- 
laus und [pater von den Romern beibehalten. 

>) Ant. 15, 8, 5. B. J. 1, 21, 2. Vgl. o. S. 48. 

2 ) Vgl. o. S. 55 f. 

3 ) Ant. 15, 8, 5. B. J. 3, 3, 1. Vita 24. Vgl. Scburer II, 199 f. 
*) Ant. 15, 8, 5. Vgl. Sdiiirer II, 200^202. 

6 ) B. J 1, 21, 8. Vgl. Ant. 13, 13, 3 u. B. J. 1, 4, 2. Siehe o. S. 57. 

6 ) Ant. 16, 5, 2. B. J. i, 21, 9. Sie lag zwifchen Cafarea und Lydda. 
Vgl. Apg 23, 31. B. J. 2, 19, 1. 9. 4, 8, 1. 

7 ) Ant. 16, 5, 2. B. J. 1, 21, 9. S. o. S. 48. 

8 ) Ant. 15, 9, 4. B. J. 1, 21, 10 J. o. S. 110). Der nach B. J. 4, 9, 5 
in der Nahe von Thekoa liegende Ort ift identifiziert mit Dschebel-el- 
Furedis (Berg des kleinen Paradiefes), den die Europaer den Franken- 
berg nennen. Vgl. u. a. Guerin, Judee III, 122132, Badeker 5 S. 131 
und den Palaftinafuhrer von Meiftermann-Huber S. 334. Bin anderes. 
Herodeion lag in Peraa an der Arabergrenze. Siehe B. J. 1, 21, 10. 
Vgl. GreUj 219, 2. . 

") Ant. 16, 5, 2. B. J. 1, 21, 4. 
) Ant. 16, 2, 1. S. o. S. 49. 
n ) Ant. 16, 2, 1. Die Lage ift unbekannt. 

12 ) B. J. 7, 6, 2. S. o. S. 84. 

13 ) B. J. 7, 8, 3. S. o. S. 52 f. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 634 v. Chr. 131 

Am meiften hatte fidi aber die dem Kaifer Auguftus zu 
Ehren gegrundete Stadt Cafarea, durch deren- Glanz er dem 
Kaifer und den Romern gefallen wollte, {einer Gunft zu er- 
freuen. Hier in der zweiten Stadt feines Landes, welche ftets 
mit Jerufalem rivalifierte, baute er auch einen Tempel des 
Auguftus. 1 ) Dasfelbe gejchah in Sebafte 2 ) und in Paneas. 3 ) 

Um dem Kaifer zu gefallen, half er audi in der von 
Auguftus bei Actium gegriindeten Stadt Nikopolis die offent- 
lichen Gebaude errichten. Aber er gab auch fonft mit vollen Bautatigkeit 
Handen aus Ruhmfueht an viele Stadte Syriens und Griechen- augerhalb 
lands, nur um gepriefen zu werden. So baute er den Rho- Palaftinas. 
diern ihren pythifchen Tempel, liefc die lange Hauptftrafee 
von Antiodiien mit Marmorplatten belegen und mit breiten 
Saulengangen fchmucken, und baute in Askalon, Ptolemais, 
Berytus, Tyrus und Sidon, in Tripolis und Damaskus, ja 
fogar in Sparta und Athen Gymnafien, Theater, Bader, 
Brunnen u. dgl. 4 ) Dafiir mufcten denn allerdings immer 
neue Wege ausgefonnen werden, um Geld von feinen Unter- 
tanen zu erpreffen. Er entfchuldigte aber feine mit jiidifchem 
Gelde bezahlten Bauten von Stadten und Tempeln in frem- 
den Gegenden damit, dafc er diefes auf hoheren Befehl tue. 5 ) 

Diefer fo gefliffentlich an den Tag gelegten Wertfcha^ung Ausianderam 
griechifchen Wefens entfprach es auch, dafc Herodes hervor- Hofe des He- 
ragende Auslander an feinen Hof zog. Der hervorragendfte rodes. 
unter diefen war Nikolaus von Damaskus, fein Freund und 
Vertreter bei Prozeffen und wichtigen Gefandtfchaften. 6 ) Wie 
er mundlich feines Herrn Sadie mit grower fophiftifcher Ge- 
fchicklichkeit ffihrte, 7 ) fo hat er auch in fehr ferviler Weife 
die Taten des Herodes in einem grojjen, von Jofephus viel 
benu^ten Gefchichtswerke gefchrieben. 8 ) Audi fein Bruder 
Ptolemaus gehorte zu den Vertrauten des Herodes 9 ). Weiter 

x ) B. J. 1, 21, 2. 

2 ) S. o. S. 48. 

3 ) Ant. 15, 10, 3. B. J. 1, 21, 3. 

*) Ant. 16, 5, 3. B. J. 1, 21, 1112. 

5 ) Ant. 15, 9, 5. 

6 ) Vgl. fiber ihn Schurer I, 5057. 

7 ) Ant. 16, 2, 3-5. 16, 10, 8. 17, 5, 4 ff. etc. 

8 ) Urteil des Jofephus 16, 7, 1. 

9 ) Ant. 17, 9, 6. B. J. 2, 2, 3. Spater ftand er auf feiten des Antipas 

9* 



132 Er[ter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

zahlten dazu Andromachus und Gemellus, die Erzieher feiner 
Sohne, deren -Gegenwart er fich aber verbat, wenn er bei 
ihnen entfchiedenen Widerftand gegen feine Plane zu finden 
erwartete. 1 ) 

Seine Sohne Er ging fogar nodi weiter, indem er im Jahre 23 feine 

zu Rom er- beiden Sohne Ariftobul und Alexander, die damals etwa 

zgen. 13 und 12 Jahre alt warenj nadl Rom fchjckte. Dort nahm 

fie Afinius Pollio, der als Konful mil Antonius und Okta- 
vian den Herodes im Jahre 40 zum Tempel des Jupiter ge- 
leitet hatte, 2 ) ein als Heerfiihrer, Staatsmann und Gelehrter 
bedeutender Mann, der damals den Mufen lebte, 3 ) in fein 
Haus auf. 4 ) Dort blieben fie bis zum Jahre 19 oder 18 v. Chr. 5 ) 
Von weldiem Nachteil fiir ihre Sittlichkeit aber der Aufenthalt 
in Rom gewefen, follte fich bald zeigen. 6 ) Trotjdem fandte 
Herodes auch feinen alteften Sohn Antipater im Jahre 13 in 
Begleitung des Freundes des Auguftus Agrippa dorthin. 7 ) 
Herodes und wie freundlich ihm Agrippa, der Sdiwiegerfohn und 
Agnppa. machtige Freund des Auguftus, gefinnt war, wurde bereits 
erwahnt. Diefer befudite auch den Herodes in Judaa im 
Jahre 15 v. Chr. 8 ) und brachte im Tempel zu Jerufalem 
Opfer und Weihgefchenke dar. 9 ) Im folgenden Jahre zog 
Herodes zu Agrippa nach Sinope am Schwarzen Meere, 
machte fich ihm nutjlich in feinem Krimfeldzuge und reifte 
mit ihm zuriick bis Ephefus. Cberall teilte Herodes reiche 
Gefchenke aus und zeigte fich namentlich auch der judifchen 

(1. c.), wahrend ein anderer Ptolemaus, der erfter Minifter des Herodes 
war (Ant. 16, 7, 2. B. J. 1, 24, 2), fpater auf feiten des Archelaus ftand 
(Ant. 17, 8, 3. 9, 4 f. B. J. 1, 33, 8. 2, 2, 1 u. 4). 
') Ant. 16, 8, 3. 

2 ) Ant. 14, 14, 5. 

3 ) Horat. Sat. 1, 10, 12. Vgl. Prosopographia imperii Romani sae- 
culi I., II., III., Edd. E. Klebs, H. Dessau et P. de Rohden. 3 Bde. 
B. 1897-98. I, 163167. 

*) Ant. 15, 10, 1. Vgl. Ant. 16, 8, 2. Auch der Kaifer nahm fie gut 
auf. Ant. 15, 10, 1. 
ft ) Ant. 16, 1, 2. 

6 ) B. J. 1, 24, 7. 

7 ) Ant. 16, 3, 3. 

8 ) Im Jahre vor dem Krimer Feldzug (Ant. 16, 2, 2), der nach Dio 
Cass. 54, 24 in das Jahr 14 v. Chr. fallt. 

) Ant. 16, 2, 1. Philo Leg. ad Caj. 37. Gardthaujen 1, 840 f. 



II. Kap. Die politifehe Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 133 

Bevolkerung allerorts giitig ') und erwirkte von Agrippa ein 
neues Dekret, wodurdi den Juden in Afien ungefahrdete 
Ausiibung ihrer Religion zugefichert wurde. 2 ) 

Stolz verkiindete er diefe wirkliche Wohltat zu Jerufa- steuereriaffe. 
lem und erliefc in der Freude feines Herzens den vierten 
Teil der Steuern fur das verfloffene Jahr. 3 ) Etwas Ahnlidies 
hatte er fchon einmal zur Hebung der Unzufriedenheit im 
Jahre 20 getan 4 ) und im Jahre 25 bei einer Hungersnot, 
die von einer Peft begleitet war, fogar alles Gold und Silber 
in feinem Palafte zu[ammenfchmelzen laffen, um Brot und 
Saatfrudit fiir das kommende Jahr zu kaufen. 5 ) Den gro&ten 
Anfprudi auf die Dankbarkeit des Volkes erwarb er fich durch 
den Ausbau und die Verfchonerung des Tempels. 6 ) Bei deffen Ausbau des 
Bau, den er im achtzehnten Jahre 7 ) feiner Regierung, d. h. Tem P els - 

' ') Ant. 16, 2, 2. 

2 ) Ant. 16, 2, 35. Er beftatigte damit die ihnen fchon zur Zeit 
Cafars zugeficherten Reehte. Vgl. die fruheren Urkunden in Ant. 14, 10 
und zwar fur Ephefus (12 f. 16. 19. 25), Delos (14 vgl. 8), Cos (15), 
Sardes (17 u. 24), Laodicea (20), Milet (21), Pergamum (22. Vgl. dazu 
J. Unger, Zu Jofephus S. A., Munchen 1895, 551-3 und 590-604, wo- 
nach nur die 2. Halfte des Befchluffes in die Zeit Cafars fallt), Hali- 
carnass (23). 

3 ) Ant. 16, 2, 5. 
*) Ant. 15, 10, 4. 

6 ) Ant. 15, 9, 12. Damals find von ihm in Judaa an 80000 Kor 
(zu je 10 attifchen Metreten [nicht Medinnen, wie es I. c. 9, 2 verfehent- 
lich heigt]; der Metretes fagt aber 39,366 Liter) = 31493280 Hektoliter 
und an Auswartige noch 10000 Kor (= 3936660 Hektoliter) Getreide 
verteilt worden. 

6 ) Ant. 15, 11. B. J. 1, vgl. B. J. 5, 5. S. o. die Befchreibung 
S. 72 ff. 

7 ) Ant. 15, 11, 1. Vorher Ant. 15, 10, 3 ift for das 17. Jahr der 
Befuch des Auguftus in Syrien angefe^t, welcher nach Dio Cass. 54, 7 
in den erften Monaten des Jahres, in welchem Apulejus und Publius 
Silius Konfuln waren, d. h. im Jahre 734 a. u. c. = im Jahre 20 dort- 
hin kam. Da der Regierungsantritt des Herodes im Oktober 37 v. Chr. 
(J. o. S. 114, 1) erfolgte, ware alfo der Tempel Ende 20 Oder Anfang 19 
v. Chr. (735 a. u. c.) angefangen worden (B. J. 1, 21, 1 ,,im 15. Jahre" 
ift ein Irrtum. Der Befuch des Auguftus in Syrien wird fchon B. J. 1, 
20, 4 erwahnt). Joh. 2, 20 heigt es zur Zeit eines Paffahfeftes, man habe 
bereits 46 Jahre am Tempel gebaut. Je nachdem diefe 46 Jahie als 
noch nicht ganz vollendet, oder als bereits abgelaufen angefehen wer- 
den, kommen wir fomit zum Paffahfeft des Jahres 780 (= 27 n. Chr.) 
oder 781 (= 28 n. Chr.). 



134 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefdiichte der Juden etc. 

im Jahre 20 bis 19 begann, fuchte er audi den judifchen 
Anfchauungen in jeder Weife gerecht zu werden. So z. B. 
wurde der Bau des inneren Heiligtums von Prieftern aus- 
gefuhrt und war Sorge getragen, dafc wahrend des Baues 
der Opferkult nicht unterbrochen wurde. Audi betrat er felbft 
den Vorhof der Priefter nidit, weil er felbft kein Priefter 
war. In adit Jahren waren die Hallen und aufteren Raume, in 
weiteren anderthalb Jahren audi der innere Tempel vollendet. 
Dann wurde an dem Tage, an welchem Herodes den An- 
tritt feiner Regierung zu feiern pflegte, eine grojje Tempel- 
weihfeier gehalten, 1 ) bei weldier der Konig 300 Odijen 
opferte. 

Er vergallte aber feinen Untertanen die Freude fiber 
diefes groge Werk wieder dadurch, dafc er uber dem Tem- 
peltor einen riefengrojgen Adler aus Gold anbringen liefc, 
was die Juden als gegen das Gefetj verftoBend anfahen. 2 ) 

Ubrigens wurde an dem Tempel nodi gebaut bis zum 
Jahre 64 n. Chr. unter Agrippa II. 



3 ) Ant 15, 11, 6. Ob Herodes wie Jofephus den Antritt feiner Re- 
gierung vom Jahre 37 (oder vom Jahre 40) rechnete, ift unbekannt. 
Nehmen wir erfteres an und rechnen wir 9 l fz Jahre (Ant. 15, 11, 56) 
auf den ganzen Bau, fo hatte die Einweihung im Oktober (f. o. S. 114, 
Anm. 1) des Jahres 10 v. Ghr. ftattgefunden, 

2 ) Ant. 17, 6, 2, Wann der Adler dort angebracht wurde, ift unbe- 
kannt. Man hat in Jerusalem kleine Kupfermfinzen mit einem Adler ge- 
funden, welche vermutHdi dem Herodes angehOren (vgl. Madden, Coins, 
p. 114. Schiirer I, 397, 87), obwohl die fonft von ihm bekannten Munzen nur 
dieAuffdirift BA21AEJi2HPSl/loYu. einige nicht auf lebendeWefen fich be- 
ziehende Embleme haben (Madden, Coins, p. 105 1 14, vgl. auch Levy, Gefch. 
der jud. Munzen 6772). Reinach, Les monnaies juives 1887, p. 32 = R E J 
1887 p. CXCVIII meint, die erwahnten Munzen gehOrten in die letjten 
Regierungsjahre des Herodes, als er auf das jiidifche Gefetj und die 
Juden weniger Rflckficht nahm wie friiher. Ift dem fo, fo darf man daf- 
felbe wegen des Zufammentreffens diefes Miinztypus mit dem Adler des 
Tempels auch far diefen annehmen (vgl. Otto, Herodes S. 105 und 143). 
Wie dem auch fei, es ift eher anzunehmen, wie Walzinger (Kohl und 
Walzinger, Antike Synagogen in Galilaa. L. 1916. S. 195) meint, dag der 
Adler des Tempels ein Bild des Wappentieres des Herodes war, als dag 
er fymbdlifch die romifche Herrfchaft andeuten und eine Huldigung des 
KOnigs vor dem romifchen Kaifer fein follte, da auch Auguftus den Adler, 
das Wappentier der Ptolemaer, als kaiferliches Wappen ubernommen 
und auf feine Munzen gepragt habe. 



II. Kap. Die politifdie Gefdiichte Palaftinas von 634 v. Chr. 135 

Das Gefamteinkommen, welches Herodes wenigftens inEinkunftedes 
den letjten Jahren feiner Regierung an Steuern aus feinen Herodes. Er- 
Gebieten bezog, betrug 1160 1200 Talente, 1 ) d. h. wenn es P re ff un g en - 
fich, wie wahrfcheinlich ift, um hebraifche Talente handelte, 2 ) 
iiber 9 Millionen Mark. 3 ) Die Hauptabgabe bildete jahr- 
lich die Bodenabgabe. 4 ) Daneben wurde auch eine Steuer 
von alien auf dem Markte gekauften Oder verkauften Gegen- 
ftanden erhoben und mit grofeter Strenge eingetrieben. 5 ) Ja, 
man mufcte, um grofceren Ungerechtigkeiten zu entgehen, den 
Konig, feine Freunde und Vertrauten und die Zolleinnehmer 
mit Gold und Silber beftechen. 6 ) Weiterhin bot dem Konig 
der grofce Widerwille fo vieler gegen [eine Herrfchaft will- 
kommene Gelegenheit, fie dafur an Hab und Gut zu ftrafen 
und fo feine eigenen Senate zu vermehren. 7 ) Er liefc aber, 
als all diefes fur feine grofcen Ausgaben nicht ausreichte, 
fogar heimlich nachts das Grab Davids offnen in der Meinung, 
dort Geld zu finden. Darin taufchte er fich, aber er liefc 
doch die wirklich dafelbft gefundenen Goldfachen und fonftige 
Koftbarkeiten mitnehmen, 8 ) Ja, er ging im Jahre 19 oder 
18 v. Chr. 9 ) fogar fo weit, zu beflimmen, da& Diebe auger 
Landes verkauft werden follten, wodurch er fie ftrafte und 

J ) Seine S6hne bezogen nach Ant. 17, 11, 4 zufammen aus ihren 
Landern 900 Talente. Dazu kamen aber noch etwa 200 Talente, um 
welche {ich das Einkommen des Archelaus aus Judaa, Idumaa und Sama- 
ria verringerte (vgl. Friedlander, Sittengefchichte Roms 3, 155; Marquardt 
RStV 1, 408, 2; Mommfen, RQ. V, 511, 1), 60 Talente, welche Auguftus 
der Schwefter des Herodes, Salome, als Jahreseinkommen anwies (Ant. 
17, 11, 5) und vielleicht noch andere Einkiinfte, aus welchen die von 
Herodes feinen iibrigen Verwandten ausgefetjten Legate (1. c.) beftritten 
wurden. 

2 ) Vgl. Mommfen 1. c., der darauf hinweift, dag die Einkunfte unter 
Claudius nach Jof. 19, 8, 2 auf 12 Mill. Denare (etwa 10 Mill. Mark) 
angefetjt werden. 

3 ) Das altere hebraifche Talent berechnet Hultfch, Griech. und r6m. 
Metrologie 2 , B. 1882, S. 605 f. auf 7830 Mark. 

*) Jos. Ant. 15, 9, 1. 

6 ) Ant. 17, 8, 5. Vgl. unten. 

6 ) Ant. 17, 11, 2. 

') Ant. 16, 5, 4 u. 17, 11, 2. 

8 ) Ant. 16, 7, 1. 

9 ) Ant. 16, 1, 1. Das Gefetj war nach 16, 1, 2 in init. um die Zeit 
der Reife nach Italien erlaffen. 



136 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

zugleidi den eigenen Sackel fiillte, wahrend das alte Gefetj 1 ) 
hochftens einen Verkauf an Juden und nur bis zum Sabbat- 
jahre zuliefc. 

Bedriickung Zu diefen driickenden Erpreffungen kamen nodi viele 
des Voikes. andere Griinde der Unzufriedenheit. Er fetjte die Hohen- 
priefter ein und ab, wie es ihm beliebte, 2 ) und nahm fogar 
die Amtstracht des Hohenpriefters in Verwahr. 3 ) Die Leute 
muftten beftandig an der Arbeit bleiben und durften fich weder 
auf der Strafe noeh in Haufern verfammeln. Oberall hatte 
er feine geheimen Spione, und ftrenge Strafe traf jeden Ober- 
treter der koniglichen Anordnungen und jeden, der als Un- 
zufriedener verdachtig war. Viele wurden teils offentlich teils 
geheim ergriffen, in die Feftung Hyrkania gefuhrt und dort 
getotet. 4 ) Nur die Effener hielt er in Ehren, des Manahem 
wegen, der ihm einft die Konigswurde vorausgefagt hatte, 5 ) 
aber auch weil fie fidi uberhaupt um Politik nicht kummerten. 
Um das Jahr 20 liefc er das Volk fchworen, dem Kaifer und 
ihm die Treue zu bewahren; allein 6000 Pharifaer, an ihrer 
Spitje Pollio und Sameas, weigerten fich, kamen jedoeh mit 
einer Geldftrafe davon, weldie die Frau des Pheroras, die 
eigene Schwagerin des Herodes, fur fie zahlte. 6 ) 

So grofc war aber die Furcht vor ihm, dafe, folange er 
lebte, es zu keinem offenen Aufftand kam. Um fo mehr 
Leid hatte er aber in feinem eigenen Haufe. 



') 2 Mof. 22, I ff. 

*) S. u. 

3 ) Ant. 18, 4, 3. 

*) Ant. 15, 10, 4. 

) Ant. 15, 10, 45. 

6 ) Ant. 15, 10, 4 u. 17, 2, 4. Schurer I, 399, 96 meint, es fcheine 
fich um zwei verfchiedene Falle der Eidverweigerung zu handeln, in 
Ant. 15, 10, 4 handelte es fich um einen Eid fur den Konig, in Ant. 17, 2, 4 
fcheine der Eid fur den Kaifer die Hauptfache gewefen zu fein. Dag 
auch die Bevolkerung unterworfener Provinzen, nicht blojj die Soldaten 
und Beamten, dem Kaifer Treue fchworen, fieht man aus dem im Jahre 4.'3 
v. Chr. von den Paphlagoniern fur Auguftus abgelegten Eid, in welchem 
fie fich verpflichten, im Dienfte des Kaifers weder Leib noch Seele, weder 
ihr Lebert noch das Leben ihrer Kinder zu fchonen, und die als Feinde 
anzufehen, welche er als Feinde anfieht (vgl. den Eid bei Cumont, Comp- 
tes rendus de 1'Acad. des Inscr. et Belles-Lettres 1900, p. 687 691, und 
Revue des etudes Grecques 1901, p, 2645). Schurer, . 1. c. Vgl. den 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63 4 v. Chr. 137 

c) Die le^ten Lebensjahre des Herodes und fein hauslidies Elend. 

Nadidem Herodes feine Sohne Alexander und Ariftobul Paiaft- 
aus Rom zuriickgeholt hatte, lieg er fie zu Jerufalem bei fich intriguen in 
wohnen und vermahlte den Alexander mit Glaphyra, Toditer J eru f alem - 

i j -ri. is* A t- i J vf ui u -A Die Frauen 

des kappadozifchen Komgs Archelaus, den Anftobul aber mit des Herodes 
der Tochter der Salome, Berenice. 1 ) Man hatte meinen fallen, 
dajj die alte Feindin der Mariamme, die Salome, ihren Hag 
vergeffen habe, aber je mehr die beiden fchonen 2 ) Sohne 
der Mariamme vom Volke geliebt wurden, defto mehr hagte 
fie diefelben und fiirchtete mit andern, welche ehedem das 
Ungliick der Mutter verfchuldet hatten, die fpatere Rache der 
Sohne. Der Palaft des Herodes in Jerufalem wurde der 
Schauplatj von Intriguen, deren Ende neue Mordtaten waren. 3 ) 
Herodes hatte fich im Jahre 24 mit einer ebenfalls Ma- 
riamme genannten Tochter eines gewiffen Priefters Simon, 
der durch feinen Vater Boethus einer agyptifchen Leviten- 
familie entftammte und den Herodes nach Abfetjung des 
Hohenpriefters Jefus, des Sohnes des Phabes, zum Hohenpriefter 
machte, 4 ) verheiratet. 5 ) Seine erfte Frau Doris, die er ehe- 
dem der fchonen Hasmonaerin zuliebe verftogen hatte, 6 ) nahm 
er fpater wenigftens zeitweife um des Antipater, ihres Sohnes, 
willen in fein Haus auf. 7 ) Auger diefen hatte er noch fieben 
Frauen, alfo im ganzen neun auf einmal, darunter die Sa- 
mariterin Malthake, welche ihm den Herodes Antipas und 
Archelaus, und die Kleopatra aus Jerufalem, welche ihm den 
Herodes und Philippus gebar. 8 ) Auger all diefen und ihren 

Text auch in Dittenberger, Orientis graeci inscr. selectae n. 532 und 
Lagrange, Le Messianisme chez les Juifs. Paris 1909, 15, 1. 
') Ant. 16, 1, 2. 

2 ) Ant. 16, 4, 4. 

3 ) Ant. 16, 1, 2. 

4 ) Ant. 15, 9, 3. 17, 4, 2. 

5 ) B. J. 1, 28, 4. Diefe Mariamme gebar ihm einen Sohn, der den 
Namen Herodes fiihrte. Ant. 17, 1, 2. Auger diefem hiegen noch zwei 
andere Sohne des Herodes wie ihr Vater, Herodes Antipas, der Sohn 
der Malthake, und Herodes, der Sohn der Kleopatra (vgl. Ant. 17, 1, 3; 
18, 5, 1 etc.). S u. S. 142, 4. 

6 ) Nebft ihrem Sohne Antipater. Ant. 16, 3, 3. B. J. 1, 22, 1. 

7 ) Ant. 16, 3, 3. Er entlieg fie [pater von neuem. Ant. 17, 4, 2 

fe ) Siehe Genaueres in Ant. 17, 1, 3 und B. J. 1, 28, 4. Jofephus 
behauptet Ant. 17, 1, 2 und B. J. 1, 24, 2, es fei jiidifche Sitte, dag ein 
Mann zu gleicher Zeit mehrere Frauen habe. 



138 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

zum Teil fchon verheirateten Kindern wohnten nodi im Konigs- 
palaft zu Jerusalem die bofe Rankefchmiedin Salome und ihr 
und des Herodes wiirdiger Bruder Pheroras, 1 ) der Vierfurft 
von Peraa, 2 ) ein Menfch, der gegen feinen Wohltater, den 
Herodes, wiederholt konfpirierte und ihn fogar falfchlich bei 
Alexander der verbotenen Liebe zu Alexanders Frau, der 
Glaphyra, befchuldigte. 3 ) Diefe beiden, Salome und Phero- 
ras, verbundeten fich zum Verderben der beiden jungen un- 
erfahrenen Manner, nachdem zunachft Klatfch und Zank unter 

Die intnguen den Frauen geherrfcht batten. Glaphyra pochte hochmutig 
gegen die auf ihre vornehmere Abkunft, 4 ) und die Berenice klagte ihrer 

beiden Sohne Mutter, ihr Mann Ariftobul werfe ihr vor, dag fie keine 

., . er Konigstochter fei, und man rede in der Umgebung des Ale- 
Manamme. . , * - , r ,,7, .. . t . ,. 

xander davon, dag er, wenn er emmal felbft Komg fei, die 

Frauen femes Vaters zu den Magden an den Webftuhl fchicken 
und ihre Sohne zu Dorffchreibern machen werde. Die Bru- 
der Alexander und Ariftohul liegen fich leicht zu offener Aus- 
fpradie uber das ihrer Mutter Mariamme angetane Unrecht 
hinreigen und von ihren gewandten Gegnern zu grower Hef- 
tigkeit verleiten, wenn fie fich auch von offener Gewalt, zu 
der man fie treiben wollte, fernhielten. 5 ) 

Dem Herodes ftellten endlich Salome und Pheroras vor, 
die Jiinglinge wollten den Mord ihrer Mutter rachen und 
eine neue Unterfuchung des Prozeffes gegen diefelbe erwir- 
ken. Um die beiden Sohne nun zu demiitigen, rief Herodes 
zu feinem und der Seinigen Ungluck den Sohn der Doris, 
Antipater, einen augerft boshaften und ehrgeizigen Menfchen 
an feinen Hof, 6 ) der feine beiden Stiefbruder fortwahrend 
zu kranken und durch andere bei Herodes anzufchwarzen 
verftand, fich felbft aber bei feinem Vater }o in Gunft fetjte, 
dag felbft die Doris, wie fchon erwahnt, wieder an den Hof 

1 ) Ant. 17, 3, 3. B. J. 1, 29, 4. 

2 ) S. o. S. 126. 

3 ) Ant. 16, 7, 4 f. Pheroras war zweimal mit einer Tochter des 
Herodes verlobt, zog aber jedesmal eine Sklavin feiner Verlobten vor. 
Ant. 16, 7, 3. 

4 ) B, J. 1, 24, 2. 
) Ant. 16, 3, 1, 

6 ) Er hatte bis dahin nur an Fefttagen nach Jerusalem kommen 
durfen. B. J. 1, 22, 1. 



II. Kap. Die politifche Gefdiichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 139 

kommen durfte und Antipater felbft im Jahre 13 nach Rom 
gefchickt wurde. 1 ) Audi von hier he^te er denHerodes immer 
auf, bis diefer endlich im Jahre 12 nach Aquileja zu Kaifer 
Auguftus reifte und offen feine Sohne verklagte, nach feinem 
Leben und feinem Thron zu ftreben. Diefe, fiir welche der 
altere Alexander in wiirdevoller, verftandiger Weife die Ver- 
teidigung fiihrte, erregten allgemeines Mitleid, und Augustus 
felbft brachte durch giitige und kluge Worte eine Verfohnung 
zuftande, woriiber Herodes felbft nach feiner Ruckkehr in 
Jerufalem offentlich berichtete. 2 ) 

Aber auch jetjt horte Antipater mit feinen boshaften und 
gefchickt durch andere dem Herodes zugetragenen Verleum- 
dungen der beiden nicht auf. Machte Ariftobul eine ver- 
trauliche Bemerkung zu feiner Frau, fo uberbrachte diefe fie 
gleich der Salome, und Pheroras oder Salome fuchten fogar 
den Alexander glauben zu machen, die Keufchheit feiner 
eigenen Frau fei vor feinem Vater nidit ficher. 3 ) Anderfeits 
gab Alexander felbft zu neuen Verwicklungen Anlafc, indem 
er fich mit drei Eunuchen feines Vaters einlieg. Zwar fagten 
diefe auch auf der Folter nichts aus, was fiir hochverraterifche 
Abfichten des Alexander fprach. 4 ) Aber Antipater forgte da- 
fur, daft der Argwohn und Hag feines Vaters immer finn- 
lofer wurde. Immer mehr Leute wurden gefoltert, bis nach 
der Ausfage eines Gefolterten, Alexander wolle feinen Vater 
eines gegen Rom gerichteten Biindniffes mit dem Parther- 
konig Mithridates befchuldigen, der junge Mann ganz ver- 
zweifelt fich als fchuldig, aber die Salome und den Pheroras 
und alle vertrauten Freunde des Konigs als mitfchuldig be- 
zeichnete. Erft der Klugheit des Konigs Archelaus von Kappa- 
dozien gelang es, den rafenden Herodes noch einmal zu 
befanftigen. 5 ) 

Das Feuer wurde von neuem gefchurt durch einen fitten- 
lofen, verworfenen Abenteurer Euryklus aus Sparta, der als 
Gaftfreund Antipaters an den Hof kam und auf Betrieb des 

') Ant. 16, 4, 2-4. B. J. 1, 23, 1-2. 

2 ) Ant. 16, 4, 1-6. B. J. 1, 23, 2-5. 

3 ) Ant. 16, 7, 2-5. 

*) Ant. 16, 8, 1. B. J. 1, 24, 6. 

5 ) Ant. 16, 8, 26. B. J. 1, 25, 1-6. 



140 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Antipater harmlofe Aufcerungen Alexanders bosartig aus- 
gefchmuckt dem Herodes uberbrachte. 1 ) Die Ausfagen zweier 
Leibwachter auf der Folter, wonach Alexander den Mord 
feines Vaters plane, 2 ) und ein gefalfchtes Schreiben Alexanders 
an den Kommandanten der Feftung Alexandreion, der an- 
geblidi den beiden Briidern die Obergabe der Feftung 
verfprochen hatte, 3 ) taten das Ihrige. Jetjt wurden die 
Briider zu Jericho, wo die Sache unterfucht wurde, in Ketten 
gelegt, 4 ) und den Herodes hielt nur die Furcht vor dem 
Kaifer ab, fie zu toten. Der gab ihm Vollmadit dazu, wenn 
fie fchuldig waren, 5 ) riet ihm aber, in Berytus, wo auch 
Romer anfaffig waren, 6 ) einen Gerichtstag zu halten. Dort 
trug Herodes in eigener Perfon und in grenzenlofer Wut 
feine Anklagen etwa 150 Perfonen vor. Ohne dafc die An- 
geklagten auch nur gehort wurden, erklarten inn die Ver- 
fammelten, mil. Ausnahme des Statthalters Saturninus von 
Syrien, feiner drei Sohne und weniger anderer, fur be- 
rechtigt, nach feinem Willen gegen feine Sohne zu verfahren. 7 ) 
Hinrichtung Er zogerte noch eine Weile mil dem Urteil. 8 ) Als fich aber 
der Sohne der un { er ^en Offizieren das Mitleid regte und ein alter Kriegs- 



anamme. mann jj im Vorftellungen machte, lieg er in feiner Wut 300 
ihm verdachtig gewordene Hauptleute auf offenem Markte 
hinrichten und feine Sohne nach Sebafte bringen, wo fie 
nach feinem Befehl durch den Strang ftarben. 9 ) 



') Ant. 16, 10, 1. B. J. 1, 26, 1-4. 

2 ) Ant. 16, 10, 3, wonach B. J. 1, 26, 3 zu erklaren ift. Auch der 
am Hofe weilende Koer Evaratus, der zugunften Alexanders ausgefagt 
hatte (B. J. 1, 26, 5), wurde des Bundniffes mit letjterem angeklagt. 
Ant. 16, 10, 2. 

3 ) Ant. 16, 10, 4. B. J. 1, 26, 3. 

*) Die Bruder felbft gaben nur zu, an Fluent zu Archelaus und von 
da nach Rom gedacht zu haben. Glaphyra fagte zugun[ten des Alexan- 
der aus. Ant. 16, 10, 58. 

5 ) Ant. 16, 10, 8-11, 1. B. J. 1,27, 1. 

6 ) Agrippa hatte dort die Veteranen zweier rom. Legionen ange- 
fiedelt (Strabo 16, 2, 19), nach Bus. Chron. ed. SchOne II, 142 im 
Jahre 15 -v. Chr. 

7 ) Ant. 16, 11, 13. B. J. 1, 27, 2-3. 

8 ) Ant. 16, 11, 3. 

fl ) Ant. 16, 11, 4-7. B. J. 1, 27, 3-6. 



II. Kap. Die politifche Gefehichte Palaftinas von 634 v. Chr. 141 

Wenngleich nun Antipater fein 'nachftes Ziel erreieht Verfthworung 
hatte und tatfachlich Mitregent war, 1 ) war er noch nicht ^ e ^Anti pater 
zufrieden 2 ) und ftrebte auch nach dem Leben des Herodes. un ***' 

roTEis 2j6ff6i* 

Er fe^te fich zu dem Zwecke mit Pheroras, der gegen den Herodes. 
Willen des Herodes eine Sklavin geheiratet hatte, mit deffen 
Frau, Sdiwiegermutter und Schwagerin in Verbindung. Diefe 
hielten geheime Zufammenkunfte ab und gewannen auch 
den Eunuchen des Herodes, Bagoas, fur fich. Die Frau des 
Pheroras wie auch ihre weiblichen Anverwandten waren An- 
hanger der Pharifaer. Diefe, welche fich mit den meffiani- Meffiashoff- 
fchen Hoffnungen auf die baldige Ankunft des Meffias trugen, nun&en a 

' , . , _ j rau r i r j Hofe des He ' 

hatten der Frau des Pheroras vorausgefagt, es fei dem rodes 
Herodes und feinen Nachkommen von Gott beftimmt, das 
Reich zu verlieren, das dann (unter der Oberherrfchaft des 
Meffias) an die Frau des Pheroras und an diefen und ihre 
Kinder kommen werde, Bagoas aber werde der Vater und 
Wohltater des von ihnen verheifcenen Konigs heifcen, der 
alles unter feine Hand bringen werde. 3 ) Die Salome, welche 
nebenbei bemerkt trots ihres Alters als dritten Mann den 
Alexas, einen vertrauten Freund des Herodes, geheiratet 
hatte, 4 ) zeigte dem Herodes an, was verging. 5 ) Diefer liefc 
den Bagoas und alle Diener, welche den Reden der Phari- 

J ) Ant. 17, 1, 1 u. 5, 5. Er bezog 50 Talente jahrlicher Einkunfte. 
Ant. 17, 5, 3. 

2 ) Volk und Heer waren gegen ihn. Ant 17, 1, 1 f. B. J. 1, 28, 1. 
Auch lebten 2 Sohne Alexanders, wahrend Ariftobul 3 Knaben und 
2 Tochter hinterlieg. Ant. 17, 1, 2. B. J. 1, 28, 1. Die Kinder lieg 
Herodes erziehen (Ant. 17, 1, 2. B. J. 1, 28, 15). Glaphyra kehrte nach 
Kappadozien zuruck. Ant. 17, 1, 1. 

3 ) Ant. 17, 2, 4. Da Bagoas ein Eunuch war, kann fich die Ver- 
heigung von dem kiinftigen Konig, der ihm die Kraft verleihen folle, zu 
heiraten und eigene Kinder zu erzeugen, nicht auf Pheroras oder deffen 
Sohn, fondern nur auf den Meffias beziehen. Denn von der Zeit des 
Meffias hatte If. 56, 3-5 geweisfagt, dag dann nicht mehr der Eunuch 
fich einen durren Baum nennen werde. Es ergibt fich daraus, dag die 
Pharifaer das Auftreten des Meffias nahe glaubten und felbft im Palaft 
des Herodes Glauben fanden. So auch Hausrath l,-267 f. u. Wellhaufen, 
S. 292, 1. J. van Bebber, Zur Chronologie des Lebens Jefu, Munfter 1898, 
S. 145 meint, Vater heige in der Sprache der Morgenlander Grogwefir, 
und verweift dafiir auf 1 Mof. 45, 8. Efth. 3, 13 LXX, 1 Mace. 11, 32. 

4 ) Ant. 17, 1, 1. B. J. 1, 28, 6. 

5 ) Ant. 17, 2, 4. B. J. 1, 29, 1. , 



142 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

faer geglaubt batten, hinriditen. 1 ) Den Pheroras aber fandte 
er in feine Tetrarchie, wo diefer bald nachher unerwartet 
ftarb. 2 ) Man dachte an Vergiftung. Die Unterfuchung ergab 
zwar, dafc dies unriditig fei, daft die Frau des Pheroras 
aber Gift verwahrt hatte, womit Pheroras, dem aber zuletjt 
fein Vorhaben leid geworden fei, und Antipater den Herodes 
hatten ermorden wollen. Audi die Mariamme, die Frau des 
Herodes, hatte von dem Plan gewufct. 3 ) 

Oefangen- Antipater war damals in Rom, wohin ihn fein Vater 

nahme des gefchickt hatte, um das Teftament, wodurch er zum Erben 

Antipater. emge j e ^ t wur de, beftatigen zu laffen. 4 ) Gerade als fein Ver- 

giftungsplan entdeckt war, langte noch weiteres Gift von ihm 

an Pheroras und ein Brief an, worin er feme Bruder Arche- 

laus und Philippus in derfelben Weife verleumdete wie friiher 

Alexander und den Ariftobul. Jetjt lud itin Herodes, um 

ihn in feine Gewalt zu bekommen, durch ein moglidift herz- 

lich abgefafctes Sdireiben ein, zuruckzukehren. Er tat dies 

und ahnte erft in Cafarea,,was bevorftand, als er dort bei 

feiner Landung von keinem empfangen oder begriifct wurde. 5 ) 

Gleidi nadi feiner Ankunft fand das Geriditsverfahren in 

Gegenwart des aus dem Teutoburger Walde bekannten 

damaligen Statthalters Quinctilius Varus ftatt. Er konnte 

gegen die Zeugen nichts vorbringen und wurde in Ketten 

gelegt, worauf Herodes an den Kaifer berichtete. 6 ) 

Krankheit Herodes aber fiel in eine fdiwere todlich fcheinende 

des Herodes. Krankheit. 7 ) Sobald zwei angefehene fanatifche Rabbiner 

>) Ant. 17, 2, 4. 

2 ) Ant. 17, 3, 3. B. J. 1, 29, 4. (Er hatte .fich geweigert, feine Frau zu 
entlaffen, woraufhin Antipater und feine Mutter dem Herodes verfprachen, 
nicht mehr mit Pheroras zu verkehren. Ant. 17, 3, 1. B. J. 1, 29, 2. 
Vgl. audi Ant. 17, 4, 1). 

3 ) Ant. 17, 4, 1-2. B. J. 1, 30, 1-7. 

4 ) Ant. 17, 3, 2. B. J. 1, 29, 2. Falls Antipater vor feinem Vater 
ftarb, follte Herodes, der Sohn der Tochter des Hohenpriefters (f. o. 
S. 137, 5), an feine Stelle treten. 

b ) Ant. 17, 4, 3. B. J. 1, 31, 12. 

6 ) Ant. 17, 5, 17. B. J. 1, 31, 4-32, 5. Vgl. fiber weitere Be- 
weife der. Verruchtheit des Antipater Ant. 7, 5, 7-8. B. J. 1, 32, 6-7. 

7 ) In diefer machte er ein neues Teftament, worin er, da ihm infolge 
der Verleumdungen des Antipater Arthelaus und Philippus verhagt waren, 
den Antipas zum Erben einfetjte. Ant. 17, 6, 1. B. J. 1, 32, 7. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 634 v. Ghr. 143 

davon horten, trugen fie ihren Schtilern vor, all das Ungluck 
fei fiber Herodes gekommen, well er durch die Anbringung 
des goldenen Adlers uber dem Tempeltor das Gefetj uber- 
treten habe. Als es nun auf einmal hieg, der Konig fei ge- 
ftorben, zerhieben einige junge Leute am hellen Tage den 
Adler mit Axten in Stucke. Herodes liefc aber die later 
und ihre beiden Lehrer verbrennen, etwa 40 andere, die 
mit ihnen ergriffen worden waren, enthaupten und fetjte den 
Hohenpriefter Matthias, weil er die Tempelordnung nicht 
aufrecht erhalten habe, ab. 1 ) 

Seine Krankheit nahm indeffen immer mehr zu. Ge- 
fchwure in den Eingeweiden verurfachten ihm die furcht- 
barften Schmerzen, feine Fiifce und fein Unterleib waren an- 
gefchwollen, an einzelnen faulenden Teilen wuchfen Wiirmer, 
in alien feinen Gliedern wiihlten Krampfe und er konnte 
nur ftehend atmen. 2 ) Vergebens lieg er fidi uber den Jordan 
bringen, urn in den heifcen Sehwefelbadern von Kallirrhoe 
Heilung zu fuchen. Er konnte die Kur nicht ertragen und 
lieg fich deshalb nach Jericho zuriickbringen. Dort ,,erbitterte 
ihn die fchwarze Galle gegen alle fo," dafr er unter Todes- 
ftrafe alien vornehmen Juden befahl, fich in Jericho einzu- Dievomeh- 
finden. Hier liefe er fie in die Rennbahn einfchliefcen und men Juden 
befchwor mit bitteren Tranen diQ Salome und ihren Ge- in der 
mahl, bei ihrer Liebe zu ihm und bei ihrer Ehrfurcht gegen 
die Gottheit, fobald er den letjten Atemzug getan habe, die 
Rennbahn von Soldaten, denen fein Tod nicht bekannt ge- 
geben werden durfe, umzingeln und dann alle dafelbft ein- 
gefchloffenen Juden mit Pfeilen erfchie&en zu laffen, damit 
fo das ganze Volk bei feinem Tode traure und klage. 3 ) 

. Mittlerweile kam die Erlaubnis des Kaifeis an, Herodes Hinrichtung 
moge mit Antipater nach feinem Gutdunken verfahren. Er desAntipater 
wurde nun etwas beffer, zuzeiten waren aber feine Qualen 
fo grofe, dajs er fich felbft mit einem Meffer durchbohren 
wollte. Den Antipater lieg er aber hinrichten, 4 ) fo dag diefer 

') Ant. 17, 6, 2-4. B, J. 1, 33, 24. 

2 ) Ant. 17, 6, 5. B. J. 1, 33, 5. 

3 ) Ant. 17, 6, 5 f. B. J. 1, 33, 6. 

*) Nach Ant. 17, 7. B. J. 1, 33, 7 auf die Nachricht von unvorfich- 
tigen Augerungen, die Antipater im Glaubten, fein Vater fei geftorben, 
gemacht hatte. Nach B. J. 1, 33, 1 ftand aber der Entfchlug des Hero- 



144 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

elende Brudermorder nodi fiinf Tage vor dem Konige felbft 
Teftamentdesftarb. Es machte auch Herodes, der wiederholt feine tefta- 
Herodes. mentarifchen Beftimmungen 1 ) geandert hatte, ein neues Tefta- 
ment, 2 ) wodurch er Archelaus zum Thronfolger, den Philippus 
zum Vierfurften von Gaulanitis, Tradionitis, Batanaa und 
Panias, den Antipas zum Vierfiirften von Galilaa und Peraa 
machte. Seiner Schwefter Salome vermachte er u. a. die 
Orte Jamnia, Azot und Phasaelis. Auch die ubrigen Ver- 
wandten, fowie der Kaifer und die Kaiferin wurden reich 
bedacht. 

Sein Tod. Herodes felbft ftarb vor Oftern [= vor 1 0. April] des Jahres 

4 v. Chr. im Alter von etwa 70 Jahren- 3 ) Er hatte 34 Jahre 
nach Antigonus' Ermordung und 37 Jahre nach feiner Er- 
nennung zum Konige durch die Romer regiert.*) Ehe noch 

des, fobald wie er felbft beffer fei, den Antipater toten zu laffen, beim 
Konige feft. Macrobius, Saturnaliorum lib. 2, c. 4 beriditet, auf die 
Nachricht von dem blutigen Ende des Antipater habe Auguftus gefagt, 
es ware beffer die Sau als der Sohn des Herodes zu fein (Melius est 
Herodis porcum esse quam filium). Alleiri Macrobius hat die Hinrich- 
tung des Antipater und den bethlehemitifchen Kindermord als eins auf- 

gefagt. Denn er fagt: Quum audisset (Auguftus) inter pueros, quos in 
Syria Herodes rex Judaeorum intra bimatum jussit interfici, filium quo- 
que ejus occisum, ait: melius est etc. Faft gleichzeitig mit beiden 
Ereigniffen ift der Bericht in der fogen. Himmelfahrt des Mofes (f. dar- 
uber unten), worin es cap. 6 heigt: Er totet die alteren und die jungen 
fchont er nicht. Bittere Furcht vor ihm wird in ihrem Lande fein und er 
wird Qericht halten unter ihnen, wie es die Agypter unter ihnen getan 
haben vierunddreigig Jahre lang. 

') Im Jahre 6 v. Chr. hatte Herodes zu feinem Nachfolger den Anti- 
pater, und falls diefer vor ihm fterbe, feinen Sohn Herodes, den er von 
der Hohenpriefters Tochter Mariamme (S. o. S. 137) hatte, beftimmt, 
(Ant. 17, 3, 2. B. J. 1, 29, 2). Nachdem ihm aber die Anfchlage des 
Antipater bekannt geworden, ernannte er mit Obergehung feiner durch 
Antipater verleumdeten Sohne Archelaus und Philippus den Antipas zum 
Nachfolger (Ant. 17, 6, 1. B. J. 1, 32, 7). 

2 ) Ant. 17, 8, 1. B. J. 1, 33, 7 f. 

3 ) B. J. 1, 33, 3 ,,<J;^rfoV eriav epdnri*ovTct. u 

*) B. J. 1, 33, 8, vgl. Ant. 17, 8, 1. - Ober das zur Beftimmung 
des Geburtsjahres Chrifti wichtige Todesjahr des Herodes vgl. u. a. San- 
clemente, De vulgaris aerae emendatione. 1793, p. 307 394. Lewin, 
Fasti sacri, p. IX -XXII. Rieg, Nochmals das Geburtsjahr Jefu Chrifti. 
Freib. 1883, S. 1 -68. H. Kellner, im Katholik 1887 II, 75-82. 166182 
und in Jefus von Nazareth, S. 54 ff. Hontheim, Das Datum der Geburt 
Chrifti im Katholik 1907, II. 15 ff., 113 ff. Nach Sanclemente ftarb He- 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 634 v. Chr. 145 

der Tod des Konigs ruehbar geworden war, fetjte Salome 
mit ihrem Manne die in der Rennbahn Eingefchloffenen wie- 

rodes im Jahre 749 a. u., nach Rieg unmittelbar vor Oftern 753 a. u. 
(= 1 v. Chr.), nach Kellner zu Anfang Dezember 751 u. c. (3 v. Chr.), 
nach den meiften Forfchern, z. B. Petavius, Ussher, Eckhel, Clinton, Lewin, 
Schiirer (1, 415, 167), Hontheim etc. im Jahre 750 a. u. == 4 v. Chr. 

Aus Jofephus wiffen wir, dag Herodes kurz vor einem Ofterfefte 
(Ant. 17, 9, 3. B. J. 2, 1, 3) ftarb und dag, kurz ehe er in die Bader 
von Kallirrhoe ging, alfo einige Wochen vor feinem Tode eine Mond- 
finfternis war (Ant. 17, 6, 4). In dem Todesjahre des Herodes trat fein 
Sohn Archelaus die Reife nach Rom an, und zu der damals wegen der 
event. Beftatigung des Teftamentes des Auguftus abgehaltenen kaifer- 
lichen Ratsverfammlung war auch Cajus eingeladen, ,,der Sohn des Agrippa 
und der Julia, der Tochter des Augustus, den Auguftus felbft an Kindes 
Statt angenommen hatte und dem er im Rat den erften Sitj einraumte" 
(Ant. 17, 9, 5). Ob man nun die 37 Jahre vom Jahre 40 v. Chr. an 
bis zum Tode des Herodes als voile Jahre rechnet oder nicht, jedenfalls 
mug der Tod des Herodes zwifchen 750753 U. C. fallen. Somit ware 
von der am 23. Marz 749 (5 v. Chr.) abends ftattgefundenen totalen Mond- 
finfternis abzufehen und kamen nur die aus 750 753 in Jerufalem ficht- 
bareii Mondfinfterniffe in Betracht, eine partielle in der Nacht vom 12. auf 
den 13. Marz 750 und eine totale in der Nacht vom 9. auf den 10. Ja- 
nuar 753. (Vgl. Rieg, Das Qeburtsjahr Jefu Chrifti, S. 13 ff. u. 189 ff., 
f. auch Kellner, Jefus von Nazareth, S. 60). Kurz vor der Mondfinfternis 
fallt aber das Vergehen an dem goldenen Adler, welches eben am Tage 
vor der Mondfinfternis gefuhnt wird. Dies Vergehen fand ftatt, als 
Herodes bereits ,,ungefahr in feinem 70. Jahre war" (Ant. 17, 6, 1; vgl. 
B. J. 1, 33, 1: ,,er war faft 70 Jahre alt." Somit ftand er damals in 
feinem 69. Jahre). Da er nun im Jahre 47 v. Chr., als er Unterftatthalter 
von Qalilaa wurde, n noch fehr Jung" (B. J. 1, 10, 4) oder ,,erft 25 Jahre 
alt" war (Ant. 14, 9, 3), folglich erft im 26. Jahre ftand, war er in feinem 
69. Jahre im Jahre 750 U. C. (4 v. Chr.). Es ergibt fich hieraus, dag 
die kurz vor dem Tode des Herodes fallende Mondfinfternis die des 
Jahres 750 gewefen ift und er fomit vor Oftern des Jahres 4 v. Chr. ftarb. 

Der erwahnte Enkel des Auguftus, Cajus, konnte fchon im Jahre 750 
an einer Staatsberatung teilnehmen und hatte es fchon im Jahre vorher 
gekonnt. Denn er erhielt die mannliche Toga im Jahre 749 U. C. 5 
v. Chr., wahrend fein jiingerer, auf der Verfammlung nicht anwefender 
Bruder Lucius fie erft im Jahre 2 v. Chr. bekam (vgl. Sueton. August. 26). 
Archelaus ift im Jahre 759 U. C. abgefe^t worden (Dio Cass. 55, 27) 
und zwar im zehnten Jahre feiner Regierung (Ant. 17, 3, 2-3, vgl. Vita 
c. 1. Dadurch wird die fruhere Angabe in B. J. 2, 7, 3 ,,im neunten Jahre" 
verbeffert). Folglich trat er die Herrfchaft im Jahre 750 U. C. = 4 
v. Chr. an. 

Man kann hiergegen nicht mit Grund einwenden, dag, wenn Herodes 
im Jahre 4 v. Chr. geftorben fei, die Zahlung der Regierungsjahre von 34 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgerdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 10 



146 Erfter Abjchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Das Leichen-der in Freiheit und gab vor, der Konig befehle, fie follten 

begangnis n^ Haufe zuriickkehren. 1 ) Seine Leidie wurde mit groger 

des Herodes. 

oder 37 bei Jofephus nicht riditig fei. An fich waren, abgefehen von 

der Abrundung der Zeit, drei verfchiedene Zahlweifen derfelben moglich. 
Erftens konnte man von dem wirklidien Tage der Ernennung im Jahre 40, 
oder dem Tage der Ermordung des Antigonus im Jahre 37, zweitens, 
nach dem jtidifchen Jahr, welches mit dem 1. Nifan (Marz oder April) 
begann, und drittens nach dem romifchen Jahr, welches mit dem 1. Januar 
begann, za'hlen. In den beiden letjteren Fallen konnte das erfte Jahr 
des Herodes vom 1. Nifan bezw. vom 1. Januar vor deni wirklichen Re- 
gierungsantritt gerechnet werden. Jofephus berechnet nach der erften 
Weife die Regierungsjahre der rGmifchen Kaijer, wie es ja uberhaupt 
uberall gefchah. Allein fonft hat er nachweislich oft nach unferer Art der 
Auffaffung der Sache ein Jahr zu viel gerechnet. So z. B. heif3t es 
Ant. 15, 5, 2 und B. J. 1, 19, 3 die Schlacht bei Actium, welche am 
2. September 723 U. C. (= 31) ftattfand, habe im 7. Jahre des Herodes 
ftattgefunden, wahrend fie tatfachlich, wenn man auf den wirklichen An- 
fang der Regierung zu Ende des Jahres 37 zuriickgeht, in fein 6. Jahr 
fallt. Hat er aber die Regierungsjahre abgerundet, oder vom 1. Nifan 
oder vom 1. Januar 37 an gerechnet, Jo fiel die Scnlacht wirklich in das 
7. Jahr. Oder, um noch ein Beifpiel zu geben, Ant. 14, 16, 4 werden 
von der Eroberung Jerufalems durch Pompejus bis zu der Eroberung 
der Stadt durch Herodes 27 Jahre gerechnet, wahrend es doch nur 26 
find (vgl. o. S. 100). Rechnet nun Jofephus das Jahr, in welchem Hero- 
des die Regierung antrat, diefem ganz zu (f. o. S. 96, 7), fo konnte er 
bis gegen Oftern des Jahres .4 die Regierungszeit des Konigs rund auf 
37 bezw. 34 Jahre angeben. Folgte er aber der judifchen Zahlweife vom 
1. Nifan, fo konnte er, wenn Herodes, wie wahrjcheinlich ift, erft nach dem 
1. Nifan des Jahres 4 (der 1. Nifan fiel damals auf den 7. Marz) ftarb, 
ebenfalls abrundend fagen, er habe 37 oder 34 Jahre regiert und konnte 
es noch mehr, wenn er fich etwa, weil er zu Rom fchrieb, der dort ub- 
lichen Rechnung nach Konfularjahren, die mit dem 1. Januar anfingen, 
bediente. Ein. ganz fpater hebraifcher Kommentar bemerkt zu der 
Notiz des Faftenbuches der Megilla Taanith (bei Derenbourg, 1. c. 442 ss. 
n. 21 und 25), daf3 der 7. Kislev und der 2. Schebat als Freudentage 
anzufehen feien, der 7. Kislev (Ende November oder Anfang Dezember) 
fei der Todestag des Herodes. Kellner, Jefus von Nazareth, S. 71 ff. 
halt diefes Datum far hiftorifch zuverlaffig. Dagegen fpricht aber u. a. 
dag dasfelbe Buch auch den 2. Schebat als Todestag des Herodes und 
des [Alexander] Jannaus erklart. Dafj aber auch hier Herodes I. gemeint 
ift, ergibt fich aus der Begriindung, da fowohl die Einfperrung der Vor- 
nehmen [in Jericho] wie die Erwahnung der Salome auf ihn hinweifen. 
Deshalb ift an Herodes Agrippa 1., der auch den Juden nicht befonders 
verhagt war, nicht zu denken. Vgl. auch Gratjlir, 571 u 573. 

J ) Ant. 17, 8, 2. B. J. 1, 33, 8. Nach Ant 17, 9, 5 ift dem Arche- 
laus vorgeworfen worden, mit Anmagung koniglicher Rechte die Ent- 
laffung der Eingefchloffenen verfugt zu haben. 



II. Kap. Die politifche Gefchidite Palaftinas von 634 v. Chr. 147 

Pracht nach Herodium gebracht und dort feinem Befehle ge- 
mafe beftattet. 1 ) 

1m Leben hatte feine Dienftbefliffenheit gegen die romi- Urteii feines 
fchen Machthaber und feine eigene graufame Energie jeden Voikesuber 
Widerftand niedergefchlagen. Als er geftorben war, fagten lhn * 
die judifchen Gefandten in Gegenwart des Vertreters feines 
Sohnes Ardielaus, der Konig habe in feinem Lande wie ein 
wildes Tier gehauft, eine unerhort grofce Anzahl Menfchen 
umbringen laffen und den Edlen feines Volkes, denen er 
das Leben gelaffen, wenigftens Hab und Gut geraubt. 2 ) 
Immer ein graufamer Defpot, zeigte er fidi in feinen letjten 
Lebensjahren am fchrecklidiften, da felbft die Reue dariiberj 
dafe er jemand ohne Verhor hatte umbringen laffen, ihn 
blofc veranlagte, den Angeber nun ebenfo zu beftrafen. 3 ) 

Wer immer die blutige Gefchichte feines Lebens Heft, Herodes 
wird auch im Evangelium feinen Charakter getreu gezeidinet in den 
finden, den Charakter eines argwohnifchen, verfchlagenen, Evan ^ ehen - 
graufamen Tyrannen, der fdhon in einem Kinde eine Gefahr 
fur feinen Thron erbliekt und, um das eine zu treffen, viele 
umbringen lafct, naehdem er mit aller Schlauheit feine Ab- 
fichten den Weifen aus dem Morgenland verborgen hat. 
Immerhin war die Ermordung von etwa 20 Knabchen in 
Bethlehem und Umgegend etwas Geringes, wenn fie mit 
feinen fonftigen Untaten verglidien wird. Jofephus hat fie 
auch wohl deshalb gar nicht erzahlt. 

d) Die ftaatsrechtliche Stellung des Konigs Herodes zu Auguftus 
und die Scha^ung des Qutrinius. 

Als Herodes wenige Jahre vor feinem Tode den Nabataerkonig Staatsrecht- 
Obodas anf eigene Verantwortung mit Krieg uberzog, 4 ) fchrieb Auguftus Hche Stellung 

J ) Nach B. J. 1, 33, 9 zog man mit dem Leidmam [von Jericho] des Herodes 
200 Stadien weit nach Herodium; nach Ant 17, 8, 4 nur 8 Stadien. Die zu Auguftus. 
Angabe ift unrichtig. Die Entfernung Herodiums von Jerufalem betragt 
fchon 60 Stadien. Vgl. 14, 13, 9. 

2 ) Ant 17, 11, 2. 

a ) Ant. 16, 8, 2. Jofephus nennt ihn Ant. 18, 5, 4 den Grogen, ver- 
mutlich nach dem Vorgang des Nikolaus von Damaskus, den doch Jofephus 
felbft wegen feiner Parteilichkeit tadelt (Ant. 16, 7, 1) 1m Unterfchied 
von feinen in den Augen der Romer unbedeutenden Nachfolgern mag 
aber auch der Name ,,der Groge" fur Herodes bei den Romern verbrei- 
tet gewefen fein. 

*) S. o. S. 127. 

10* 



1 48 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ihm voller Entrtiftung, er werde ihn in Zukunft nicht mehr wie einen 
Freund, fondern wie einen Untergebenen behandeln. ') Staatsrechtlich 2 ) 
war er dazu berechtigt. Denn Herodes war von ihm im Jahre 30 v. Chr. 
zu Rhodus nicht als ein Bundesgenoffe, der aus eigener Machtvollkom- 
menheit den Konigstitel fiihrte, angenommen, fondern nur als ein aus 
befonderer Qnade und Freundfchaft des Cafar regierender Konig be- 
ftatigt worden. Denn er hatte fein Reich ,,durch Schenkung des Auguftus 
und einen Befchlug des romifchen Senats" 3 ) und war in derfelben Lage 
wie die iibrigen Konige, welche dem Antonius gegen Auguftus beige- 
ftanden hatten und ihre Reiche nur durch die Gute des Auguftus zuruck- 
erhielten. *) Solche Konige hatten zwar in ihren Reichen konigliche 
Gewalt, hingen aber derart von Auguftus, der fie nach Belieben abfetjen 
konnte, ab, dag fie tatfachlich ihm gegeniiber wie Landpfleger mit dem 
koniglichen Titel waren. 5 ) Man fieht dies am beften aus der Gefchichte 
des Herodes und Judaas. 

Seine Untertanen mugten fowohl dem Kaifer als auch dem Konige 
Gehorfam geloben. 6 ) Das Land, welches fowohl unter Pompejus 7 ) wie 
unter Cafar 8 ) dem romifchen Reiche tributpflichtig war, mugte fogar dem 
befondern Conner des Herodes, dem Antonius, Tribut zahlen y ), ein Um- 
ftand, der es faft ficher macht, dag es fo auch unter dem Gegner des 
Antonius, dem Auguftus, gewefen ift, zumal Herodes, wie er wenigftens 
den Juden fagte, Tempel und Bildfaulen augerhalb Judaas ,,auf Befehl 
und im Auftrag" des Kaifers errichtete. 10 ) Er hat gerade wie feine Nach- 
folger nur ein befchranktes Munzrecht gehabt, indem er nur kupferne 
Munzen pragen laffen durfte. u ) Er durfte nicht ohne Erlaubnis des 
Kaifers Krieg fiihren, 1 ' 2 ) bedurfte einer Vollmacht des Auguftus, um die 
Sohne der Mariamme und feinen Sohn Antipater zu ftrafen, 13 ) und fein 

!) Ant. 16, 9, 3, vgl. 16, 10, 8-9. 

*) Vgl. Mommfen, RStR 3, 1, 645-715. 

3 ) Ant. 15, 6, 7. 

*) Suet. Auguftus 48. 

5 ) Vgl. Sallust. Jug. 14: Patres conscripti, Micipsa pater meus 
moriens mihi praecepit, uti regni Numidiae tantum modo procurationem 
existumarem meam, ceterum ius et imperium eius penes vos esse. 

6 ) Ant. 17, 2, 4, 

7 ) Ant. 14, 4, 4. 

8 ) Ant. 14, 10, 5. 

9 ) Nach Appian. Bell. civ. 5, 75 hat Antonius nach Gutdunken einige 
gegen Auflage eines Tributs zu Konigen ernannt, den Darius von Pontus, 
den Herodes uber die Idumaer und Samariter, den Amyntas iiber die 
Pisidier etc 

10 ) Ant 15, 9, 5-6 Vgl. 15, 10, 3. B. J. 1, 21, 3-8. 

X1 ) Von famtlichen herodianifchen Furften gibt es nur Kupfermiinzen. 
Dag bei den Juden romifche Munzen in Gebrauch waren, zeigt Matth. 
22, 20. 

") S. o. S. 127. 

13 ) Ant. 16, 11, 1. B. J. 1, 27, 1. - Ant 17, 5, 7-8. B. J. 1, 32, 5 u. 7. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 149 

Teftament mugte vom Kaifer beftatigt werden, um rechtskraftig zu fein, 1 ) 
wie denn auch der Kaifer entfchied, dag Ardielaus der Nachfolger des 
Herodes werden folle 2 ) 

Deshalb ift es audi nicht auffallend, dag der von Auguftus befohlene 
Cenfus n des ganzen Erdkreifes" auch in Judaa unter der Regierung des 
Herodes und dann gewig auch direkt gemag feinen Weifungen vorge- 
nommen wurde. Denn dag der augerordentliche kaiferliche Kommiffar 
fur den Cenfus in Syrien, der fpatere Statthalter Quirinius, 3 ) fich fur die 
Durchfflhrung feiner Aufgabe in Palaftina zu Lebzeiten des Herodes an 
diefen als den Konig zu wenden hatte, ift felbftverftandlich. 

Hinfichtlich der Schatjung des Quirinius, woriiber eine ganze Litera- 
tur vorhanden ift, 4 ) berichtet Lukas, 5 ) dag Auguftus befohlen hatte, der 
ganze Erdkreis folle ,,aufgefchrieben" werden, unddagdiefe erfte Schatjung 
in Palaftina ausgefuhrt wurde, als Quirinius n die Hegemonie" von Syrien 
hatte. Lukas gebraucht fur diefen Cenfus das griechifche Wort anoyQcupij, Begriff der 
descriptio, worunter nach feinem Sprachgebrauch 6 ) nicht blog die Re- 
giftrierung des Namens, Alters, Gefchlechtes und Standes der Perfonen 
eines Haushalts, fondern auch des Eigentums zu verftehen ift. Man weifj, Regelmagige 
wie ein folcher rdmifcher Cenfus in Agypten im Jahre 48 n. Chr. und Schatjungen 
wenigftens in den Jahren 63257/8 n. Chr. alle 14 Jahre gehalten in Agypten. 
wurde. 7 ) Jeder Hausbefiijer hatte feinen Namen und fein Alter fowie 

') AntTl7, 8, 3, 5. 17, 9, 7. B. J. 1, 33, 8 

2 ) Ant 17, 9, 4-9. B. J. 2, 2, 1-7. 

3 ) S. S. 152 ff. 

4 ) Vgl. u. v. a. Schttrer, I, 508-543, der uberhaupt einen Reichs- 
cenfus des Auguftus leugnet. Fur die Zuverlaffigkeit des lukanifchen 
Berichtes, den fie aber verfchieden erklaren, vgl. u. a. Zahn, Die fyrifche 
Statthalterfdiaft und die Schatjung des Quirinius in Neue kirchl. Zeitfchr. 
Erlangen u. L. 1893, S. 633-654 und Einl. in das N. T. L. 1899 II, 394 ff., 
415 f Knabenbauer, Ev. sec. Lucam. P. 1896, p. 103-114. Vigouroux, 
Le nouveau testament et les decouvertes archeol. modernes. 2 P. 1896, 
p. 89130. Me Kinnon, the census of Quirinius in the Catholic Univ. 
Bulletin V, 3. Washington 1899, p. 315-336. R. S. Bour, L'inscription 
de Quirinius et le recensement de s Luc. Rome 1897; vgl. daruber 
Rb. 1898, p. 313314. Ramsay, Was Christ born in Bethlehem? A study 
on the credibility of St. Luke. New-York & London 1898, und den fich 
an Ramfay anfchliegenden Sanday, Art. Jefus in Hastings D. II, 646. 
Hontheim, Das Datum der Geburt Chrifti [welches er 1. c. S. 127 auf 
den 25. Dezember 8 v. Chr. (!) fetjen will]. Kellner, Jefus von Naza- 
reth S. 200209. A. Mayer, Die Scha^ung bei Chrifti Geburt in ihrer 
Beziehung zu Quirinius. Innsbr. 1908. Lagrange, Ou en est la question 
de recensement de Quirinius? Rb. 1911, p. 60-84, Ramsay, The bearing 
of recent discovery on the trustworthiness of the New Testament L. 1915; 
The Expositor 4 (1912) 385-407; 481-507. 

5 ) Luc. 2, 1-2. 

6 ) Vgl Apg. 5, 37. 

7 ) Vgl. die Nachweife in The Oxyrhynchus Papyri. Part. II Von 



150 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

den Namen imd das Alter aller iibrigen Hausbewohner, Kinder und 
Sklaven mit eingefchloffen , anzugeben, damit die Kopffteuer erhoben 
werden konnte. 1 ) Es ift audi bekannt, dag wenigftens der Statthalter 
von Agypten unter Trajan, C Vibius Maximus, im Jahre 104 n.. Chr. be- 
fahl, dag wegen der bevorftehenden Volkszahlung alle, die fich augerhalb 
ihres Bezirkes aufhielten, nach Haufe zuriickkehren follten, urn die her- 
kommlichen Angaben fiir die Volkszahlung zu machen und zugleich ihr 
Land zu beftellen. 2 ) Daneben gab es noch ebenfalls drtoyQa<pal genannte 
Erklarungen des beweglichen VermOgens, 3 ) die alljahrlich fdiriftlich ab- 
zugeben waren. 

Ober Die Tatfache, dag eine folche allgemeine Schatjung des ganzen 

die Frage des Rei dies von Auguftus angeordnet worden ift, 4 ) n'ndet fich fonft nicht be- 

Reichscenfus. zeugt, wenngleich es von ihm wohl bekannt ift, dag er groge Sorgfalt 

auf die Befchaffung genauer ftatiftifdier Nadirichten legte, und wenigftens 

dreimal einen Cenfus der rOmifchen Burger vornahra, 5 ) die von Cafar 

den drei Cenfusberiditen ift n. CCLV datiert Okt. 48; die Herausgeber 
meinen n. CCLIV in das Jahr 6 des Tiberius, alfo 19-20 n. Chr. ver- 
weifen zu kOnnen; das Datum von n. CCLVI ift unbeftimmt Fur die 
Volkszahlungen in 201/2, 215/6, 229/30, 243/4 und 257/8 vgl Wessely, 
Studien zur Palaographie und Papyruskunde II (L. 1902), S. 26 ff. Die 
Erhebung der Kopffteuer in Agypten ift fur das Jahr 94 oder 61 v. Chr. 
bewiefen durch The Tebtunis Papyri, Part I, ed. Grenfell, Hunt and 
Smyly 1902, n. 103 p. 445 ff. Vgl. auch fiir die wahrfcheinliche Erhebung 
der Kopffteuer in Agypten im 3. bis 2. Jahrhundert v. Chr. die von 
Mahaffy und Smyly herausgegebenen Flinders Petrie Papyri, R. Irish 
Acad., Cunningham Memoirs Nr. XL, Dublin 1905, n. LIX; vgl. Vieredc 
im Jahresbericht uber die Fortfdiritte der klaffifchen Altertumswiffenfchaft 
Bd. CXXXI (1906), S. 81. 

') The Oxyrhynchus Papyri 1. c. n. CCL1X Census Return, p. 207 
bis 214; vgl. noch Wilcken, Griech. Ostraka I. Leipz. u. Berlin 1899, 435 ff. 

2 ) Vgl. das Schreiben in Greek Papyri in the British Museum. 
Catalogue, with Texts. Ed. by F. G. Kenyon and H. J. Bell. L. 1907, 
III, 124-126; vgl. auch den von U. Wilcken hergeftellten Text in A. 
Deissmann, Licht vom Often, Tub. 1909, S. 201 ff. 

3 ) Vgl. The Oxyrhynchus P. II, 177 sqq. S. auch Schurer, I, 515, 25. 
*) Lage bei Luc., cap. 1 2, eine hebraifch abgefagte Kindheits- 

gefchichte Jefu zugrunde, fo konnte der Ausdruck bei Luc. 2, 1 na.6a.v 
T^V oixov/tevijv eine Oberfetjung von Y>N>ij""' | 2 fein (fo Refch, Augerkan. 
Parallelftellen zu den Evangelien, Heft 5. L. 1897, S. 119 f. u. 213) und 
das ganze Judenland bedeuten. Diefe erfte anoy^aqnl Palaftinas wiirde 
dann von einer andern zweiten unterfchieden. Kellner, Jefus von Naza- 
reth S 93 meint, Lukas habe die gefamte auf Neuordnung des Abgaben- 
wefens im Reiche zielende Tatigkeit des Auguftus im Auge. Fur Judaa 
kOnne eine fpezielle Verordnung erlaffen fein, oder der Befehl in Judaa 
mit diefer Neuordnung vorzugehen, kOnne auch in einem generellen Edikt 
fchon enthalten gewefen fein. 

~ a ) In den Jahren 726, 746 und 767 U. C. fand folch eine 



II. Kap. Die politijche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 151 

angelangene Reichsverme{fung vollendete 1 ) und felbft ein Buch, worin 
alle offentlichen Hilfsquellen des Reiches aufgeffihrt waren, befag. 2 ) Allein 
auch die Einteilung (descriptio) Italiens durch Auguftus in elf Regionen, 
auf welcher, falls fie zunachft nur einen ftatiftifchen Zweck hatte, jeden- 
falls fpater die ganze Adminiftration und Provinzialeinrichtung Italiens 
ruhte, wird nur von einem Schriftfteller, Plinius, berichtet. 3 ) Erft Caffiodor, 
der 480 575 A. D. lebte und altere Quellen, die Schriften der Feldmeffer, 
benutjte, fpricht von einer Einteilung des Reiches unter Auguftus nach 
Grundftficken und einer Schatjung. 4 ) Audi das Zeugnis des gelehrten 
Lexikographen Suidas, der um das zehnte Jahrhundert lebte, fiber den 
Cenfus der Perfonen und VermOgen im ganzen Reich des Auguftus darf 
deshalb angeffihrt werden, weil auch Suidas alte Quellen benutjt hat 5 ) 

Dag in einem Reiche, wie dem romifchen, derartige allgemeine Er- 
laffe nicht Qberall immer fofort und nicht in derfelben Weife ausgeffihrt 
wurden, liegt auf der Hand/) 

Dag die von Rom befohlene Schatjung in Palaftina durch romifche Unter 
Beamte oder auch nur nach rOmifchen Grundfaljen vorgenommen wurde, Herodeshat 
fagt Lukas nicht. Die Tatfache aber, dag unter Herodes ein Cenfus einromifcher 

Cenfus ftatt- 

ftatt. Vgl. Res gestae divi Augusti. Iterum ed. Th Mommsen, p. XLVI sq. o-efunden 
LXXXII sq. und p. 36 ff 

') Vgl. die Quellen bei Marquardt, RStV 2, 207211. 

2 ) Er befag ein von feiner Hand gefchriebenes ,,rationarium imperii" 
(Sueton. Aug. c. 28) oder breviarium totius imperii (1. c. c. 101), worin 
ftand: ,,quantum civium sociorumque in armis, quot classes, regna, pro- 
vinciae, tributa, aut vectigalia, et necessitates ac largitiones" Tac. 
ann. 1, 11. Am ficherften und am beften hatte ihn fiber den Steuerertrag 
der einzelnen Provinzen und die Zahl der waffenfahigen Manner in den 
Teilen des Reiches ein Reichscenfus vergewiffern kOnnen. 

3 ) Plin. N. H. 3, 46. Vgl. dazu Marquardt 1, 220 ff. 

4 ) Cassiodor, Variarum III, 52: Augusti siquidem temporibus orbis 
Romanus agris divisus censuque descriptus est, ut possessio sua nulli 
haberetur incerta, quam pro tributorum susceperat quantitate solvenda. 
Hoc auctor Hyrummetricus [zu lefen ift entweder Hyginus Gromaticus 
oder blog Gromaticus. Hyginus mit dem Beinamen Gromaticus fchrieb 
unter Trajan fiber Landvermeffung] redegit ad dogma conscriptum, qua- 
tenus studiosus legendo possit agnoscere, quod deberet oculis absolute 
monstrare." 

5 ) Suidas s. v. aTtoy^a^ fagt, dag Auguftus, als er Alleinherrfcher 
wurde, zwanzig Manner von anerkannter Rechtfchaffenheit uberallhin im 
Reiche fandte, damit fie einen Cenfus der Perfonen und VermOgen auf- 
nahmen. Es konnte Suidas gar kein Intereffe daran haben, Angaben 
fiber den Cenfus zu erfinden, da zu feiner Zeit kein Menfch die Glaub- 
wurdigkeit des Lukas beftritt (Knabenbauer, p. 105). 

8 ) Dag in vielen Provinzen zur Zeit des Auguftus ein Cenfus ftatt- 
gefunden hat, zeigt Zumpt, Das Geburtsjahr Chrifti, L. 1869, S. 147 f., 
163 ff., 211 f.; ebenfo, dag es in einigen Provinzen nicht der Fall war, 



152 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ftattgefunden hat, berichten fowohl Juftinus wie Tertullian. Erfterer be- 
ruft fich in feiner an den Kaifer Antonin gerichteten Schutjfchrift fiir die 
Geburt Chrifti zu Bethlehem auf die dnoy(>a<tfi, welche ,,unter dem erften" 
romifchen ,,Prokurator von Judaa, Cyrinius", gemacht worden fei, 1 ) letjterer 
aber fpricht von dem unter Auguftus n in Judaa dutch Sentius Saturninus 
abgehaltenen Cenfus". 2 ) Moglicherweife hangt die von Jofephus be- 
richtete Weigerung von 6000 Pharifaern, dem. Kaifer den Treueid zu 
leiften, mit dem Cenfus unter Herodes zufammen. 3 ) 

Die Nachrich- P. Sulpitius Quirinius gehdrte zwar der alien Patrizierfamilie der 

ten iiber Sul- Sulpitier nicht an, gelangte aber wegen feiner Kriegstiichtigkeit und 

pitius Quiri- feiner Verdienfte zu den hochften Ehren. *) Er war mit M. Valerius 

nius. Meffalla zufammen Konful im Jahre 12 v. Chr. Wie er vorher die 

Marmariden (zwifchen Cyrenaica und Agypten) und die Garamanten 

(im Innern Afrikas) erfolgreich bekriegte, 5 ) fo nachher die Homonadenfer 

an der Grenze von Pamphylien und Cilicien. 6 ) Als Cajus Cafar im 

Jahre 1 v. Chr. hauptfachlich wegen der Sdiwierigkeiten in Armenien, 

welches unter parthifchem Einflufj ftand, als Reprafentant des Kaiferhaufes 

in den Orient gefchickt wurde, war zuerft fein offizieller Ratgeber der im 

Jahre 2 n. Chr. 7 ) geftorbene M. Loll.ius, dann, als deffen unwiirdiges, 

S. 176 f. Die Bataver zahlten noch im zweiten Jahrhundert keine Steuern. 
Tacitus, Hist. 4, 12; Germ. 29. 

') Apol. I, 34. 46. Migne PP. G. 6, 384. 397. Es gab im gewOhnlichen 
Sinne des Wortes keinen rom. Prokurator von Judaa vor dem Jahre 6 n. Ch., 
wenn nicht darunter ein bloger kaiferlicher Finanzbeamter verftanden wird. 

2 ) Adv. Marc. 4, 19. ,,Sed et census constat actos esse tune in 
Judaea per Sentium Saturninum apud quos genus ejus inquirere po- 
tuissent." 

3 ) Jos. Ant. 17, 2, 4. 

*) Tac. ann. 3, 48: (Quirinius) impiger militiae et acribus ministeriis 
consulatum sub divo Augusto, mox expugnatis per Ciliciam Homonaden- 
sium castellis insignia triumphi adeptus, datusque rector Gajo Caesari 
Armeniam optinenti Tiberium quoque Rhodi agenttsm coluerat. 

8 ) Florus Epitoma 2, 31. Vermutlich fiihrte er diefen Krieg als 
praefectus Aegypti, welchem Heeresmacht zur Verfugung ftand. Unter 
Auguftus wurden die Statthalter von Agypten aus dem Ritterftand ge- 
nommen. (Tac. hist. 1, 11.) 

6 ) Tac. ann. 3, 48. Vgl. Strabo 12, 6, 5. Den Krieg, der zwifchen 
die Jahre 12 v. Chr. und 2 n. Chr. fallen mug, konnte er nur als Statt- 
halter einer Provinz fuhren. Hilgenfeld, P. Sulpitius P. f. Quirinius in 
ZWTh XXXVI, 2 (L. 1893, S. 196-222) vermutet (1. c. p. 199-213), 
Cilicien fei damals mit Pamphylien verbunden und die Provinz eine 
konfularifche und kaiferliche gewefen, Wahrfcheinlich war aber damals 
Cilicien wie fonft oft mit Syrien verbunden und Quirinius Statthalter 
von Syrien, und zwar entweder im Jahre 9 vor Saturninus Oder nach 
Varus, der unmittelbar dem Saturninus folgte und wenigftens bis zum 
Jahre 4 v. Chr. im Amte blieb. 

7 ) Vellej. Paterc. 11, 102. 



II. Kap. Die politifche Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 153 

kaufliches Wefen an den Tag getreten war, Sulpitius Quirinius. 1 ) Cajus 
Cafar hat im Jahre 2 n. Chr den Krieg gegen Armenien begonnen, 
wurde aber in demfelben verwundet und ftarb am 21. Februar des Jahres 
4 n. Chr. auf der Ruckreife nach Rom. Dag Quirinius Statthalter von 
Syrien gewefen ift und dort einen Cenfus veranftaltet hat, ift durch 
eine Infehrift ganz fidier. 2 ) Es fdieint, dag er es fogar zweimal war. 3 ) 
Denn allem Anfcheine nach war er es das erfte Mai im Jahre 3 2 v. Chr. 
und fuhrte damals den Krieg gegen die Hamonadenfer,*) jedenfalls aber 
war er Statthalter von Syrien im Jahre 6 oder 7 n. Chr. 5 ) und [tarb im 
Jahre 21 n. Chr. in Rom. 6 ) 

') Tacitus 1. c. Vgl. Schiller, Gefch. d. r6m. Kaiferzeit. Gotha, 
1883-87, I, 204 und 195 f.; Mommfen, Res d. Aug. 173 sqq. 

2 ) Vgl. diefelbe bei Mommsen, Ephemeris epigraph, vol. IV, 1381, 
p. 537-542 und im CJL. Ill Suppl. I. n. 6687, fowie bei Vigouroux, p 116 
und Kellner, Jefus von Nazareth, S. 131. Darin erwahnt der Q. Aemilius 
Q. f. Pal. Secundus die Ehren, welche er (in) castris divi Aug(usti) s(ub) 
P. Sulpicio Quirinio le(g. Aug.) Caesaris Syriae erwarb und bezeugt 
weiter: idem jussu Quirini censum egi Apamenae [Stadt in Syrien] civi- 
tatis millium homin(um) civium CXVII [= 117000 Einwohner]. Idem 
missu Quirini adversus Ituraeos in Libano monte castellum eorum cepi. 
Bin Grund, weshalb fich diefe Infdirift auf die Statthalterfchaft des Quiri- 
nius im Jahre 6 oder 7 und nicht auf die im Jahre 3 -2 v. Chr. be- 
ziehen foil (fo Mommfen, Ephem. p. 541, Res divi Aug. p. 166. 176, 
Schurer I, 327), ift nicht abzufehen. 

3 ) Ob die im Jahre 1764 bei Tibur gefundene Infehrift (vgl. Sancle- 
mente, De vulgaris aerae emendatione, Romae 1793, p. 414 426, Mommfen 

1. c. p. 161 ff., Vigouroux p. 118 126), die von einer doppelten fyrifchen 
Statthalterfchaft eines ungenannten fruheren Statthalters von Afien zur 
Zeit des Augustus zu reden fcheint, mit Mommfen auf Quirinius zu beziehen 
ift, ift nicht ficher. 

*) S. 152, 6. 

5 ) Er kam nach der Abfetjung des Ethnarchen Archelaus nach Syrien, 
urn in Syrien wie in Judaa eine Einfchatjung des VermOgens vorzuneh- 
men und fiber das VermOgen des Archelaus Beftimmungen zu treffen 
(vgl. u. S. 169 f.) und nahm alsbald, wahrend Coponius Landpfleger in 
Judaa war, den Cenfus dort vor. Vgl. Jos. Ant. 17, 3, 5; 18, 1, 1. 2, 1. 
Damals war er aber Statthalter. Denn abgefehen davon, dafj ihn Jo- 
fephus (18, 1, 1) nicht blog TIH^T^, d. h. Einfchatjer, Steuertaxator (vgl. 
auch Ant. 20, 5, 2), fondern auch dtxaioSoTri? rot~ eQ-vnv?, d. h. einen Mann, 
der dem [judifchen] Volke Recht zu fprechen hat, nennt, ftand er deshalb 
uber dem Coponius, mit dem er zugleich gekommen war (Ant. 18, 1, 1. 

2, 2), da nicht diefer, fondern er felbft den Hohenpriefter Joazar abfetjte 
und einen andern an feine Stelle fetjte (Ant. 18, 2, 1). Er hatte auch 
allgemein den Auftrag, ,,das Vermogen in Syrien einzufchatjen" (Ant. 
17, 13, 5: aTzoTi/ttjtSopevos ret iv Sv(iia), ein Auftrag, der nicht blog auf 
den Teil Syriens, welcher die bisherigen Lander des Archelaus umfagte, 
befchrankt werden darf. 

6 ) Tac. ann. 3, 48. Vgl. uber ihn Prosopogr. imp. Rom. Ill, 287 - 289. 



154 Erfter Abfehnitt. Die politifche Gefdiidite der Juden etc. 

Wenn nun Lukas fagt, die Schatjung habe ftattgefunden 

Lukas will t-evovro? rjj? Svqiou; Kvpi/Wow", 1 ) fo heijgt das nicht notwendig: ,,als Qui- 

vermutlich rinius Statthalter von Syrien war", denn Lukas pflegt die Beamten nadi 

den Quirinius ihrem Amtstitel zu nennen. 2 ) Einem Statthalter von Syrien, welches 

als oberften unter Auguftus eine kaiferliche Provinz war, kam aber der Titel TT^- 

Cenfus- ptnTijt; TOV Sf^ctstov avrttfr^ar^yo?, 3 ) legatus Augusti pro praetore zu. Ge- 

beamten be- wig k5nnte Lukas, der den Titel yytpotv dem Prokurator von Judaa gibt, 4 ) 

zeichnen. hier eine fur alle Arten von Statthaltern mOgliche allgemeine Titulatur 

gebraucht haben. 6 ) Er konnte aber auch den Titel fur einen Beamten, 

dem die Schatjung der Provinz iibertragen war, gebrauchen, 6 ) zumal er 

gar kein Intereffe daran hatte, den Statthalter von Syrien" zu erwahnen, 

wohl aber den, der in der Provinz nach kaiferlichem Auftrag den Cenfus 

auszufiihren hatte. Deshalb empfiehlt fich die Annahme, 7 ) dag Quirinius 

damals wirklich aufjerordentlicher, kaiferlicher Kommiffar fur den Cenfus 

in Syrien gewefen ift und Lukas ihn als jplchen bezeichnen will. Ob 

dann Quirinius fein Amt zur Zeit des Saturninus oder, wie wahrfchein- 

lich ift, des Varus angefangen hat, bleibe dahingeftellt. 



') Luc. 2, 2; vgl. diefelbe Wendung 3, 1; jyc/tavevovros 
IJetidrov TIJS 'Jo Woe tec?. 

2 ) Die Statthalter der fenatorijchen Provinzen heigen dv 
proconsules (vgl. Apg. 13, 7 f., 12. 18, 12. 19, 38). Lukas kennt Politarchen 
von Teffalonich (Apg. 17, 6, 8), Afiarchen zu Ephefus (Apg. 19, 31) und 
nennt, urn beim Evangelium zu bleiben, den Landpfleger von Judaa 
ftets jrw> v (praeses Vulg.) (cf. Luc. 3, 1; 20, 20. "Apg. 23, 24; 26, 33; 
24, 1, 10; 26, 30; vgl. auch Matth. 27, 2. 11. 14. 15. 21. 27. 28, 14). 

3 ) Dio Gass. 53, 13. 

4 ) Bei Jofephus wird 16, 9, 1 von rot? Kaitiaqot; yyepottiv geredet. 
Es find darunter der Statthalter Saturninus und Volumnius verftanden. 
Beide heigen Ant. 16, 9, 1 ol 2vyla<; e'/nrfraTotVre?. Letjterer wird 
B. J. 1, 27, 2 als eniryojios, procurator, bezeichnet. Auch neben dem 
Statthalter Varus findet fich ein kaiferlicher Prokurator Sabinus, nicht for 
den Genfus, fondern fur die kaiferlichen Domanen in Syrien erwahnt 
(Ant. 17, 9, 3 KaL6aQog eniTQontx; TMV dv Svpt'ct 7rpay^'rwr; vgl. auch B. J. 
2, 2, 2; 2, 5, 1). Auguftus fchreibt dem Herodes, er folle die qyepovts 
nach Beirut einladen. Diefe waren Saturninus und feine drei Sohne, 
,,welche bei ihm als Legaten waren" (etnovto yoip uvrw r^ei? ovre? nqei;- 
/?evrt) nebft Volumnius (Ant. 16, 11, 1. 11, 3). 

6 ) Marquardt RStV 1, 547, 8 erwahnt unter andern ungenauen Be- 
zeichnungen, die fur die dv&vnaroi oder proconsules gebraucht werden, 
auch f\yen<av. Vgl. Ariftides vol. I, p. 532 Dind. 

6 ) Vgl. Mommfen.RStR II, 1016, 1091 ff. Marquardt RStV II, 215 f. 
und O. Hirfcnfeld, Die kaiferl. Verwaltungsbeamten bis auf Diokletian 2 . 
B. 1905, S. 55 f. 

') So auch Sanclemente 1. c. p. 413-448; Ideler, Handbuch der 
Chronologie II, 395. Kellner, Die r6m. Statthalter von Syrien und Judaa 
zur Zeit Chrifti ZKTh 1888, S 477 u. a. 



II. Kap. Die politifdie Gefchichte Palaftinas von 63-4 v. Chr. 155 

Andere meinen, um nur einige wichtigere Anfichten anzufuhren, das Erklarungen 
milita'rifdie Kommando der Provinz oder das Amt des yyeftuv fei ent- von 
weder unter Saturninus 1 ) oder Varus von dem des ordentlichen Legaten Luk. 2, 1 ff. 
getrennt und in den Handen des Quirinius gewefen, oder Saturninus 
oder Varus habe die Schatjung angefangen, Quirinius fie aber beendigt.' 2 ) 
Es fei die Schatjung nach ihm als dem in Syrien beffer bekannten Manne, 
der fiberdies bei feiner zweiten Statthalterfchaft in Syrien im Jahre 7 
n. Chr. einen zweiten Cenfus in Judaa vornahm, genannt worden, Lag- 
range, 3 ) der im Jahre 1911 die Frage von Neuem unterfucht hat, halt 
die LOfung von Calmet, Wallon, Wieseler u. a. fur am wahrfcheinlichsten, 
nach der Luk. 2, 2 zu uberfet5en ift: ,,Diefe erfte Schatjung gefchah, bevor 



] ) Vgl. befonders Ramfay, The bearing of recent discovery on the 
trustworthiness of the New Testament. L. 1915, p. 238 ff. Ramfay 
hat in den Jahren 1912 und 1913 im pifidifchen Antiochien zwei Infchriften 
gefunden. (Vgl. diefelben in The bearing p. 285 und 291; f. auch F. 
Bleckmann in ZDPV, 1915, 229 f., Lagrange Rb. 1913, 617; Wickenhaufer, 
Die Apoftelgefchichte und ihr Gefchichtswert [= Neuteft. Abhandlungen 
herausgegeben von M. Meinertz VIII, 3-5] Munfter i W. 1921, S. 317), 
welche beide eine Widmung fur C. Caristanius, ,,praefecto P. Sulpici 
Quirini duumviri" enthalten. Die erfte lautet: C. Carista[nio] C. F. Ser. 
Front[oni Caesiano Juli[o, praef[ecto fabr[um], pon[tif(ici), sacerdoti, 
praefecto P. Sulpici Quirini duumv[iri, praefecto M Servili. Huic primo 
omnium publice d[ecurionum] d[ecreto] statua posita est. Die zweite 
unvollftandige: C. Caristiani[o C. F. Ser[gia] Frontoni Caesiano Julio 
praef. fabr. tribuno mil. leg[ionis] XII fulm[inatae], praef[ecto] coh[ortis] 
Bos[porianae], pontif[ici], praef[ecto] P. Sulpici Quirini II vir[i], praef[ecto] 
M. Servili, praef[ecto]. Ramfay halt es fur wahrfdieinlich, dafj Quirinius, 
der im Jahre 12 v. Chr. Konful war (f. S. 152), fdion im Jahre 11 v. Chr. 
nach Syrien gekommen fei, und von 10 8 v. Chr. den Krieg gegen die 
Homonadenfer gefiihrt habe. Er fei eine Zeit lang zugleich mit Sentius 
Saturninus Statthalter von Syrien gewefen, namentlich im J. 8 v. Chr., 
in welchem Jahre die Schatjung ftattgefunden habe. Waren beide im 
Jahre der Schatjung Statthalter von Syrien, fo konnte diefe fowohl auf 
Quirinius oder mit Tertullian (vgl. S 152 Anm. 2) auf Sentius Satur- 
ninus bezogen werden. Es ware auch moglich, dafj fie unter Quirinius 
angeordnet und unter Saturninus ausgefuhrt wurde. 

Gegen diefen Erklarungsverfuch fpricht aber, dag dann Jefus, als 
er feine offentliche Tatigkeit begann, nicht wie Luk. 3, 23 fagt, etwa 30, 
fondern vielmehr etwa 33 Jahre alt gewefen fein mugte. 

*) Z. B. Zumpt, S. 207 ff. Knabenbauer p. Ill, Polzl im Kirchen- 
lexikon III, 5ff. Me Kinnon, p. 335. Auch A. Mayer, Die Schatying etc. 
ift der Anficht, dafj der Cenfus unter dem Statthalter Sentius Saturninus 
anting und unter Quirinius beendigt wurde und etwa vom Jahre 7 
(refp. 6) bis fpateftens 3 v. Chr. gedauert hat. 

3 ) Oft en est la question du recensement de Quirinius? Rb. 1911, 
N. S. Tome VIII, p. 60-84; vgl. auch Rb. 1913 p. 617 s.; 1921 p. 147. 



156 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Quirinius Statthalter von Syrien war." Er hat auch viele Beifpiele dafiir an- 
geffihrt, dag Tr^oTro? mit folgendem Qenitiv bisweilen als Zeitbeftimmung 
im Sinne von nQo-e^oq ,,vor jemand" gebraucht wird, fo z. B. auch 
Job. 1, 15, 30; 15, 18. Jedenfalls kommt es aber in diefem Sinne nicht 
bei Lukas vor. Bin wegen feiner klaren Schreibweife fo geriihmter 
Schrrftfteller wie er hatte fich ficher unzweideutiger und be[timmter aus- 
gedruckt, wenn er das ihm Zugefdiriebene hatte fagen wollen, 1 ) Man 
mag uber den Grad der Wahrfcheinlichkeit folcher Vermutungen ver- 
fchiedener Anficht fein. Immerhin find fie berechtigter als die Annahme 2 ) 
dag Lukas ,,etwas, was vor dem Marz des Jahres 4 v- Chr. gefchehen 
fein foil, mit einem Ereignis, welches frfilfe{tens, am Ende des Jahres 
oder im Anfang des Jahres 3 v. Chr. fich zugetragen hat, als gletchzeitig 
betrachtet und in innigfte Verbindung zu demfelben gefetjt" hat. 3 ) 

') So u. a. Knabenbauer z. d. St. 

*) Vgl. Zahn, Die fyrifche Statthalterfchaft etc. S. 633 ff. Einleitung 1, 
395 f. Nach feiner Anficht ift der Bericht des Jofephus iiber die Ereignifje 
vom J. 4 v. Chr. bis 37 n. Chr. augerft unzuverlaffig. Er bringe die- 
felben Tatfachen zweimal vor, einmal nach dem Tode des Herodes, das 
andere Mai nach der Abfetjung des Archelaus. Quirinius fei nur einmal, 
namlich zwifdien Herbft 4 bis 1 v. Chr. Statthalter von Syrien gewefen 
und habe nur einmal, nicht vor, ,fondern nach dem Tode des Herodes 
eine Schaljung vorgenommen. Lukas habe fich in der Anfetjung der- 
felben, mindeftens um einige Monate, vielleicht urn 1-2 Jahre geirnt. 
Friedr. Spitta, Die chronologifchen Notizen und die Hymnen in Lc. 1 
und 2. Zeitfchr. f. d. neuteft. Wiff. Jahrg. VII, 1906, 281-317 nimmt das 
Urteil Zahn's uber Jofephus an, meint aber, dag der Bericht des Lukas 
nichts Unwahrfcheinliches enthalte. Wm. Weber, der Cenfus des Quiri- 
nius nach Jofephus, Zeitfchr. etc. Jahrg. X, 1909, 307319 kommt fogar 
zu dem Refultat, dag es fich nicht blog bei Jofephus um eine einzige 
Schaljung Palaftinas und zwar im J. 4 v. Chr. handele, fondern dag der 
mit ihrer Aufnahme betraute ROmer, den Jofephus Sabinus nennt, ein 
und diefelbe Perfon mit Quirinius fei. Vgl. hiergegen Lagrange, Ou en 
est la question etc. p. 63 ss, 72 s. 

3 ) J. van Bebber, Zur Chronologie des Lebens Jefu. Munfter 1898, 
S. 110 120 will zeigen, dag Quirinius vor Titus Statthalter von Syrien 
war und im Jahre 742/43 U. C, = 12/13 v. Chr. die Scha^ung vor- 
genommen habe. Folgerichtig lagt er dann Chriftus im Jahre 743 oder 
744 U. C. geboren fein. Dann ware er bei feiner Taufe nicht ,,ungefahr 
30 Jahre" (Luc. 3, 23), fondern ungefahr 40 Jahre alt gewefen, was ganz 
unglaublich ift. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 157 

HI. Kapitel. 

Palaftina unter den Sohnen des Herodes und den erften 
romifchen Landpflegern bis zum Jahre 41 n, Chr. 

1. Der Ethnardi Ardielaus. 

Da das Teftament des Herodes keine Giiltigkeit hatte, Unruhen in 
bis es von Auguftus beftatigt war, beabfichtigte Ardielaus Jerusalem. 
nach den Trauerfeierlichkeiten fiir feinen Vater alsbald zur 
Erlangung diefer Beftatigung nadi Rom zu reifen. Zunachft 
ging er nadi Jerufalem, wo er der ihn begriijgenden Menge 
im Tempel allerlei Verfprechungen madite, fiir den Fall, daft 
er von Auguftus beftatigt werde. Allein eine Anzahl Leute 
verlangte mit grofcem Ungeftiim die Beftrafung der Ratgeber 
des Konigs, welche den Tod der Adlerzerftorer Matthias und 
feiner Genoffen verfdiuldet batten, 1 ) und die Abfetjung des 
von Herodes eingefetjten Hohenpriefters. Sie liefcen fich 
durdi niemand von ihrer unzeitgemajjen Forderung ab- 
bringen, hielten fich im Tempel zufammen und fchlugen, vom 
Volke unterftutjt, die zur Herftellung der Ordnung gefandten 
Kriegsleute in die Fluent, fo daft ein formlicher, wegen des 
ftets vielbefuchten Ofterfeftes gefahrlicher Aufftand drohte. 
Deshalb griff Ardielaus mit feiner ganzen Macht ein und 
liefc durch feine Reiterei dreitaufend Mann niedermachen. 
Je^t fugte man fich feinem Befehl, das Feft zu verlaffen und 
nach Haufe zuriickzukehren. 2 ) Aber gewifc war diefer An- 
fang feiner Regierung nur zu geeignet, den Ardielaus von 
vornherein verhafct zu machen. 

Nachdem nun Ardielaus feinen Bruder Philippus zum 
Reichsverwefer eingefe^t hatte, reifte er, begleitet von der 
Salome, der Schwefter des Herodes, und andern Bluts- 
verwandten nach Rom, wohin fich auch fein Bruder Antipas 
begab, der das Reich fiir fich felbft erlangen wollte. In 
Rom traten alle Verwandten auf die Seite des Antipas, unter 
dem fie beffer zu fahren glaubten als unter dem von ihnen 

') S. o. 143. 

Ant. 17, 8, 4-9, 3. B. J. 2, 1, 1-3. 



158 Er(ter Abfchnitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

gehafcten Archelaus. Am meiften wunfchten fie jedoch, das 
Land moge unter die Verwaltung eines romifchen Land- 
pflegers geftellt werden, da fie dann audi am freieften fein 
wiirden. 1 ) 

Mittlerweile war in Judaa nach der Abreife des Arche- 
laus ein neuer Aufftand ausgebrochen, den der durch feinen 
unruhmlichen Kampf gegen die Germanen bekannte Pro- 
konful von Syrien, Q. Varus, mit Gewalt unterdruckte. Er 
glaubte durch die Zuriicklaffung einer Legion in Jerufalem 
hinreichend fur die Ruhe geforgt zu haben und ging nach 
Antiochien. Allein die Unruhen wurden aufs neue durch das 

Das ruck- riickfichtslofe Vorgehen des Sabinus angefacht, der als Pro- 
fichtsiofeVor- kurator oder Schatjmeifter des Kaifers deffen Rechle zu 

gehen des wa h ren hatte, dem Varus aber verfprochen hatte, die naheren 
Beftimmungen des Kaifers abwarten zu wollen. Daran hatte 
er fich aber nicht gehalten, fondern hatte, nachdem Varus 
das Land verlaffen, den koniglichen Palaft in Jerufalem in 
Befitj genommen, und von den Befehlshabern der konig- 
lichen Burgen und offentlichen Verwaltern Rechenfchaft ver- 
langt. Diefe hielten fich aber ftreng an die Befehle d'es 
Archelaus und erklarten, alles der Entfcheidung des Kaifers 
zu iiberlaffen. Sabinus ging foweit, den Archelaus felbft beim 
Kaifer zu verklagen.' 2 ) Durch feine Bewaffneten fuchte er die 
Schloffer wie auch den koniglichen Schatj mit Gewalt in feine 
Hande zu bekomme'n und bedruckte das Volk. Am Pfingft- 
fefte kam es zwifchen den judifchen Feftgenoffen und den 
Romern zum offenen Kampf. Le^tere griffen den Tempel 
felbft an, zerftorten die von den Juden verteidigten Tempel- 
hallen durch Feuer und bemachtigten fich des Tempelfcha^es, 
von welchem Sabinus 400 Talente an )ich nahm. Die nachfte 
Folge hiervon war, da feibft ein Teil der koniglichen Truppen 
zu den Aufftandifchen iiberging, die den auf die Hilfe des 
Varus vertrauenden Sabinus und die Seinigen in dem hero- 
dianifchen Palafte belagerten. 3 ) 

NeueEmpo- Der Angriff auf den Tempel rief iiberhaupt im ganzen 
rungen. Lande den Aufftand hervor. In Idumaa bekampften 2000 



') Ant. 17, 9, 3-7. B. J. 2, 2, 1-7. 
2 ).Ant. 17, 9, 3 u. 4. B. J. 2, 2, 4. 
3 ) Ant. 17, 10, 1-3. B. J. 3, 1-4. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 159 

Veteranen des Herodes die koniglidien Truppen. In Galilaa 
bemaditigte fidi Judas, der Sohn des Rauberhauptmanns 
Ezediias, mit feiner Sdiar der zu Sepphoris angefiauften Judas. 
koniglidien Waffenvorrate und des koniglidien Schatjes, in 
Peraa fammelte ein Sklave des Konigs Herodes namens 
Simon viele um fidi, fteckte den koniglidien Palaft in Jeridio Simon. 
in Brand und pliinderte dort wie in andern koniglidien Pa- 
laften, wurde aber von den Romern iiberwaltigt und ent- 
hauptet. Eine andere Rotte fteckte den koniglidien Palaft bei 
Betharamathon (fpater Julias oder Livias genannt) 1 ) am Jor- 
dan in Brand, und ein Sdiafhirt von riefiger Korperkraft Athronges. 
namens Atbronges fetjte fidi felbft die koniglidie Krone auf 
und kampfte lange Zeit nicht ohne kleinere Erfolge mit feinen 
groge Rotten befehligenden vier ihm ahnlichen Briidern gegen 
die Romer und die koniglidien Truppen. 2 ) 

Endlidi kam Varus, der alfo nodi immer Statthalter von Gewaitfame 
Syrien war, mit den beiden andern ihm nodi zur Verfugung Unter- 
ftehenden Legionen und Hilfstruppen, namentlidi des Naba- 
taerkonigs Aretas, deffen Truppen den von ihnen gehafcten 
Juden durdi Mord und Brand vielen Sdiaden zufiigten, zu 
Hilfe. Sepphoris wurde verbrannt und feine Bewohner als 
Sklaven verkauft. Jerufalem wurde von den Aufftandifchen 
beim Anzug des Varus, dem iibrigens auch Sabinus nidit vor 
die Augen zu kommen wagte, verlaffen. Oberall wurden im 
Lande die Sdiuldigen aufgegriffen und zweitaufend ans Kreuz 
gefchlagen. Genu^t hatte der Aufftand den Juden nichts. 
Eine Legion blieb in Jerufalem als Befatjung zuriick. 3 ) 

Ehe in Rom die Entfcheidung fiel, wer das Land be- Judifche Ge- 
herrfdien folle, kamen fiinfzig Gefandte des iiidifdien Volkes f andtfchaf t f ur 

dorthin, welche um die Abfchaffung des Konigtums, die Ein- die Ab r* af - 
tung des 

J ) Wahrend Ant. 17, 10, 6 von dem KOnigspalaft zu Amatha (lv 
'Afiafrolc) fpricht, nennt die Parallelftelle B. J. 2, 4, 2 inn den Konigs- 
palaft bei Batharamathon (xr Bti&aydna&ov) am Jordan. Gemeint ift der 
Ant. 18, 2, 1 mit. dem Namen Betharamphtha bezeichnete Ort, den fpater 
Herodes Antipas Julias, zu Ehren der Julia, der Gemahlin des Auguftus 
nannte. Vgl. fiber Julias oder Livias wie der Ort fpater heigt, Schiirer 
2, 218 216, der in Ant. 17, 10, 6 einen Textfehler fur lv B^d-a 
annimmt. 

2 ) Ant, 17, 10, 4-8. B. J. 2, 4. Tacit, hist. 5, 9 (iiber Simon). 

z ) Ant. 17, 10, 9-10. B. J. 2, 5. 



160 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

verleibung des Landes in die Provinz Syrien und die Ober- 
tragung der Verwaltung Judaas an einen romifchen Land- 
pfleger, unter dem die Juden nach ihren eigenen Gefetjen 
leben diirften, baten. Das Gefuch, welches fie dem Kaifer 
im Apollotempel zu Rom vortrugen, wurde von nicht weniger 
als achttaufend romifchen Juden fo ftark war fchon damals 
die jiidifche Bevolkerung der Stadt 1 ) - unterftiitjt. Begriindet 
wurde es mit den Ungerechtigkeiten des Herodes und der 
Tatfache, daft Archelaus, nodi ehe er in der Herrfchaft be- 
ftatigt war, dreitaufend Volksgenoffen im Tempel abgefchlachtet 
habe. 2 ) 

Die Erinnerung an die Zeit, in welcher ein Mann von 
edler Abkunft in ein fremdes Land zog, um ein Konigreich 
zu erringen und feine Mitbiirger, die ihn hasten, ihm eine 
Gefandtfchaft nachfchickten und fagen liefcen, ,,wir wollen 
nicht, dajj diefer fiber uns herrfche," ift noch dreifcig Jahre 
fpater lebendig gewefen. Denn Jefus fpielt darauf an in 
dem Gleichnis von den Pfunden. 3 ) 

Beftatigung Archelaus ift aber in die Lage gekommen, fich fpater 

des an f einen Feinden rachen zu konnen. Denn einige'Tage 

Teftamentes nac h j ener Verfammlung im Apollotempel gab Auguftus feine 

des Herodes. gntfcheidung, die im wefentlichen das Teftament des Herodes 4 ) 

bejtatigte. Archelaus erhielt zwar nicht den Titel Konig, der 

ihm erft fur fpater, wenn er fich desfelben wiirdig gemacht 

habe, in Ausficht geftellt wurde, aber doch den Titel Ethnarch 5 ) 

und die eine Halfte des Gebietes des Herodes, namlich Judaa, 

IdumSa und Samaria mit den Stadten Cafarea, Samaria, 

Joppe und Jerufalem. Jedoch wurden die griechifchen Stadte 

Gaza, Gadara und Hippus davon abgefondert und mit Syrien 

verbunden. Archelaus bezog aus feinem Gebiete jahrlich 

600 Talente. 6 ) 

1 ) Bald hiernach haben fich die romifchen Juden fur den falfchen 
Alexander, einen zu Sidon erzogenen Juden, der fich fiir den Sohn der 
Mariamme und des Herodes ausgab, begeiftert, bis er von Auguftus 
felbft entlarvt wurde. Ant. 17, 12. 

2 ) Ant. 17, 11, 13. B. J. 2, 6, 1-2. 

3 ) Luc. 19, 1227. 

4 ) S. o. S. 144. 

5 ) Der Titel fteht auch auf feinen Miinzen. Siehe Levy 73 f. Madden, 
p. 114-118. 

6 ) Ant. 17, 11, 4. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Ghr. 



161 



Die andere Halfte des urfpriinglich herodianifchen Ge- 
bietes wurde in zwei Tetrardiien 1 ) geteilt. Die eine mit den 
Landfchaften Pera'a und Galilaa erhielt Antipas, die andere 
mit Batanaa, Auranitis, Tradionitis und einem Teile des Ge- 
bietes des Zenodorus erhielt Philippus, der Bruder des Arche- 
laus. Antipas bezog aus feinen Landern eine jahrliehe Ein- 
nahme von 200, Philippus aus den feinen eine von 100 Talenten. 
Audi die Vermachtniffe an die Schwefter des Herodes, Sa- 
lome, wurden beftatigt und ihr noch der konigliche Palaft in 
Askalon dazu gegeben. Ihre jahrlichen Einkunfte belief en 
fidi auf 60 Talente. 2 ) Sie hat nodi die Zeit der romifchen 
Prokuratoren erlebt und ihre Befitjungen der Kaiferin Livia 
vermadit. 3 ) Auguftus zeigte fidi audi darin grogmutig, dag 
er die ihm felbft von Herodes vermaditen 1500 Talente den 
Sohnen desfelben uberlieg und nur einige Gefage als An- 
denken behielt. 4 ) 

So waren die Bemiihungen, den Ardielaus vom Throne Regierung 
fernzuhalten, vergebens gewefen, und feine Feinde hatten nun des 
feine Rache zu furditen. Es entfpricht ganz der allgemeinen Archeiaus. 
Anfdiauung vom Charakter des Ethnarchen, dag, als Jofeph 
horte, dag Ardielaus ftatt feines Vaters in Judaa herrfdite, 
er fich furditete, dorthin zu gehen. 5 ) Zunachft fe^te Ardie- 
laus, wie mandie friiher von ihm verlangt hatten, 6 ) den 
Hohenpriefter Joazar, Sohn des Boethus, ab, weil er es mit 
den Aufftandifdien gehalten habe. An deffen Stelle machte 
er den Eleazar und nadi deffen Abfe^ung den Jefus, Sohn 
des See, zum Hohenpriefter. 7 ) Nodi mehr als an diefen Ge- 
fetjwidrigkeiten ftiegen fidi viele daran, dag er nadi Ver- 
ftogung feiner eigenen Gemahlin gegen das jiidifdie 



a ) Der Name, welcher eigentlich ,,Viertelsherrfchafteri" bedeutet, 
kommt zuerft bei Euripides, Alcestis 1154, hinfiditlieh Theflaliens, welches 
in vier Bezirke geteilt war, vor. Spater ift der Ausdruck iiberhaupt Be- 
zeichnung eines kleinen Furftentums. Vgl. z. B. Ant. 14, 13, 1. Schiirer 1, 
423, 12. 

2 ) Ant. 17, 11, 4-5. B. J. 2, 6, 3. 

3 ) Ant. 18, 2, 2. B. J. 2, 9, 1. Sie [tarb unter dem zweiten romi- 
fchen Prokurator von Judaa um das Jahr 10 n. Ghr. 

*) Ant. 17, 11, 5. B. J. 2, 6, 3. 
B ) Matth. 2, 22. ; 

) S. o. S. 157 und 153, 5. 

') Ant. 17, 13, 1. i! 

Felten, Neuteffamentliche Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 1 1 



162 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

die Witwe feines hingerichteten Bruders Alexander, Glaphyra, 
welche von ihrem zweiten Manne, dem Konige Juba von 
Mauretanien, gefchieden 1 ) war, heiratete. Obrigens ftarb fie 
bald nach ihrer Ankunft in Jerufalem. Wie durch feine Grau- 
famkeit, fobewies fich Archelaus ebenfalls durch feine Bauten, 
durch die er gewifj auch das Wohlwollen des Auguftus zu 
erwerben fuchte, als echten Sohn des Herodes. Er ftellte den 
Palaft in Jericho wieder glanzend her, 2 ) legte in der Ebene 
nordlich von Jericho Palmenpflanzungen an und grundete in 
der Gegend die Stadt Archelais. 

Er war aber wegen feiner Graufamkeit und Tyrannei 
derart verhafct, dafc fich die fonft einander fo feindfeligen 
Juden und Samariter gegen inn verbanden und ihn beim 
Kaifer verklagten. Er wurde zur Verantwortung nach Rom 
geladen, mit Entziehung feines Vermogens beftraft und nach 
Vienne in Gallien verbannt. 3 ) 

Dies Schickfal traf ihn im zehnten Jahre feiner Regierung 
im Jahre 6 n. Chr. 4 ) 

2. Judaa unter den erften rdmifchen Landpflegern 

von 641 n. Chr. 5 ) 

Verhaitnis Nach der Abfe^ung des Ardielaus wurde fein Gebiet 
von Judaa zu in eine romifche prokuratorifche Provinz verwandelt, 6 ) welche 

Synen feit a b er infofern wie ein Annex mit der benachbarten wichtigen 
dem Jahre 6 p rov j nz Syrien verbunden war, 7 ) als wohl in Beruckfichtigung 

n. Chr. 

J ) Jos. Ant. 17, 13, 4. B. J. 2, 7, 4 fagt n nach dem Tode" des. 

Juba. Allein der {tarb erft im Jahre 23 n. Chr. 

2 ) Vgl. o. S. 159. 

3 ) Ant. 17, 13. B. J. 2, 7, 3-4. 
*) S. o. S. 145. 

f ) Nach dem Vorgang von andern wird in den allgemeinen Erorte- 
rungen S. 162 ff. auch fchon die zweite Periode der Prokuratoren von 
44-66 mit beruckpchtigt. 

6 ) B. J. 2, 8, 1. Tac. ann. 2, 42 (z. Jahre 17 n. Chr.): provincia& 
Suria atque Judaea fessae oneribus, deminutionem tributi orabant. Auch 
Luc. 3, 1 nennt den Pilatus Landpfleger von Judaa, verfteht aber unter 
Judaa wie auch Tacitus ebenfalls Samaria und Idumaa. Dag Samaria 
zur Provinz des Pilatus gehorte, ergibt fich auch aus Ant. 18, 4, 1. 

7 ) Vgl. Ant. 18, 1, 1: sis rrjv *Iovdaitv 7tQo69^xrjv rfj<; 2vpia,? ytvoftevqv. 
Auch Tac. ann. 12, 23 fagt von der Zeit des Claudius: Ituraei et Judaet 
defunctis regibus Sohaemo atque Agrippa provinciae Syriae additi. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 163 

der durch die religiofen Eigentumlichkeiten der Juden be- 
Jonders fchwierigen Verhaltnifie Palaftinas, dem Statthalter 
von Syrien das Recht zuftand, bei 'aufjerordentlichen Anlafjen, 
wie fie eben bei den fo fchwer zu regierenden Juden leichter 
als anderswo entftehen konnten, einzugreifen. 1 ) 

Von derartigen aujserordentlichen Fallen abgefehen, wurde ttber proku- 
Palaftina wie jede prokuratorifche Provinz verwaltet. Augustus ratorifche 
hatte im Jahre 27 v. Chr. die Provinzen eingeteilt in impe- 
ratorifche, weldie eine militarifche Befafjung erforderten und 
deren Statthalter von ihm felbft ernannt wurden, und in fena- 
torifche, weldie als beruhigt galten und deren Statthalter vom 
Senat ernannt wurden. Die kaiferlidien Provinzen verwaltete 
er durch Stellvertreter, welche, feitdem er im Jahre 23 v. Chr. 
felbft die prokonfularifche Gewalt iiber die Provinzen erhalten 
hatte, Legaten hiefcen und in {einem Namen die prokonsu- 
larifche Macht ausubten. Die[e Legaten hie&en in den grofceren 
und wichtigeren Provinzen legati Augufti pro praetore 



J ) So i(t wohl Ant. 18, 1, 1 (f. vorige Anm.) wie Ant. 17, 13, 5 

v /o'(a? vnorshtvi; TTgoGvepri&ti'iqs rfj SVQMV" ZU erklaren. VitelliuS 

hat als Statthalter von Syrien eine judifche Befchwerde gegen Pilatus 
angenommen und ihn abgeje^t (Ant. 18, 4, 2). Gewijg mag er das kraft 
feines augerordentlidien Imperium fiber die benachbarteh Provinzen, wo- 
von Tacitus Ann. 6, 32: cunctis quae apud orientem parabantur L. Vi- 
tellium (Tiberius) praefecit fpricht, getan haben, wenn fich diejes Imperium 
nicht blog auf die Ordnung der parthifch-armenifchen Schwierigkeiten be- 
zog. Von Petronius, der ebenfalls in die Verhaltniffe Judaas eingriff 
(vgl. Ant. 18, 8, 2-9. B. J. 2, 10, 15), ift es bekannt, dafj er im be- 
{ondern Auftrag des Caligula handelte; vgl. Mommfen, RG, V, 509, 1. 
Audi kann nichts Be[timmtes aus dem Urteil des Statthalters Ummidius 
Ouadratus fiber die judifdien Prokuratoren Felix und Cumanus gefolgert 
werden, da Quadratus fur diefen beftimmten Fall das jus statuendi etiam 
de procuratoribus erhalten hatte (Tac. ann. 12, 54). Allein es beftand 
doch ein engeres Verhaltnis zwifchen Judaa und Syrien als zwijchen den 
prokuratorifchen Provinzen im Abendland und den an fie angrenzenden, 
wie Hirfchfeld, Die kaiferl. Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian 2 , 
B. 1905, S. 407 f. fagt. Denn audi der Statthalter Caflius Longinus ift 
unter Claudius mit Truppen in Jerufalem und geftattet mit dem judifdien 
Prokurator, eine judifche Gefandtfdiaft an den Kaifer zu fenden (Ant. 20, 
1, 1). Unter Nero kommt Ceftius Gallus zunachft zur Befdiwichtigung 
des Volkes nach Jerufalem (B. J. 2, 14, 3) und an ihn bringen nadi 
feiner Ruckkehr nach Syrien die Juden und der Prokurator ihre Be- 
fchwerden, woraufhin er zunachft einen Tribun nach Jerufalem fendet, da- 
mit der ihm Bericht erftatte (B. J. 2, 16, 1). 

11* 



164 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 



xal dvTiGiQdTqyoi TOV Stficunov}, in den kleincren, in welchen 
nur eine Legion [land, legati praetorii (nQtofievTal GTQCIJ^- 
ytxof). 1 ) Allein es gab aiich kaiferliche Provinzen, deren 
Verhaltniffe entweder wie bei Noricum und Rhatien in den 
Alpen durch die Bodenbefchaffenheit, oder wie in Thrazien 
und Mauretanien durch den Kulturzuftand der Bewohner, oder 
wie in Agypten durch eine ftarre eigentumliche Kultur fo 
eigentumliche waren, daft die Einfiihrung der gewohnlichen 
romifchen Provinzialverwaltung nicht oder noch nicht tunlich 
war. 2 ) Deshalb wurden fie Mr fich behandelt und nicht durch 
Prokonfuln und Legaten, fondern durch Statthalter aus dem 
Ritterftand verwaltet, welche in der er[ten Kaiferzeit nicht 
blofe in Agypten, fondern auch fonft den Titel praefectus 
fuhrten. 3 ) Sie waren aber wie Vizekonige wirkliche Statt- 
halter, deren Amtsdauer vom Willen des Kaifers abhing, bei 
feinem Tode aber von felbft erlofch. 4 ) 

Der Titel per Statthalter von Judaa fiihrte, wenn nicht von An- 

Prokurator. fjyig ^n, j dodl j e denfalls fchon unter Claudius den Titel 

Prokurator, 5 ) Landpfleger, ein Titel, der auch den fpwohl 

in den imperatorifchen wie den fenatorifchen Provinzen fich 

findenden hochften kaiferlichen Finanzbeamten gegeben wird, 6 ) 

. *) Vgl. Marquardt RStV 1, 548 ff. 

2 ) Tac. Hist. 1, 11: duae Mauritaniae, Raetia, Noricum, Thracia et 
quae aliae procuratoribus cohibentur. 

3 ) Vgl. Mommfen RStR 3, 554 ff.; Hirfchfeld S. 382. 

4 ) Mommjen 1. c. 2, 259; Marquardt RStV 1, 554 f. 

5 ) 'EnirQonnq. Vgl. den Erlag an die Juden bei Jof. Ant. 20, 1, 2. 
Man follte annehmen, dag nach der Analogic von Agypten und der iibrigen 
Ritterprovinzen auch in Judaa der Statthalter urfprunglich praefectus 
genannt worden jei (vgl. Hirjchfeld, S. 385). Immerhin nennt Tac. ann. 
15, 44 den Pilatus procurator. Jofephus braucht oft inlrgonoc; (pro- 
curator) vgl. Ant. 20, 6, 2; B. J. 2, 8, 1; 9, 2; 11, 6; 12, 8; bisweilen 
aber e^ra^o? (Ant. 18, 2, 2; 19, 9, 2; 20, 9, 1. B. J. 6, 5, 3) oder 
yyeftwv = praeses (Ant. 18, 3, 1; 18, 1, 1 fteht yyytiotievoc, 20, 7, 1 
7T(joSTij<softtvo/; und an einer Stelle Ant. 18, 4, 2 e^^e^tTf?). Die Evan- 
gelien und die Apg. nennen den Statthalter von Judaa aber flets jye/to>v, 
entfprechend dem lateinifchen praeses. In der Heil. Schrift Apg. 23, 26. 
24, 3. 26, 25 findet fich fur den Prokurator von Judaa die .Anrede 
x^a'rttfro?., welches unferem ,,Exzellenz" entfpricht. Auch fur die Pro- 
konfuln Afiens ift diefer Titel nachgewiefen. Vgl. W. H. Waddington, 
Pastes des prov. Asiat. 210. 213. 225. 

c ) S. unten fiber die romifche Provinzialverwaltung. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 4.1 n. Chr. 165 

obwohl die Prokuratoren von Judaa durchaus nicht blofce 
kaiferliche Finanzbeamte waren. 

Der Landpfleger von Judaa refidierte in Cafarea. 1 ) Dort Re[idenzder 
war fein Pratorium, wie man die Wohnung eines Statthalters Landpfleger 
nannte, der von Herodes erbaute Palaft. 2 ) Kam er bei be- von Judaa - 
fonderen Veranlaffungeh nadi Jerufalem, fo wohnte er dort 
entweder in dem Konigspalaft des Herodes in der Oberftadt 
oder in der Burg Antonia. 3 ) Als Landpfleger hatte er audi 
den Oberbefehl iiber die in Palaftina fiationierten Truppen, 
hatte die Oberverwaltung, wozu die Einziehung der Steuern 
gehorte, und die oberfte Zivil- und Kriminaljurisdiktion. 

Legionstruppen ftanden dem Landpfleger zwar nicht zur Die Truppen 
Verfiigung, 4 ) aber doch Hilfstruppen, welche meift aus Sama- desLand- 
ritern und fyrifchen Griechen beftanden. 5 ) In Cafarea lagen P fle g" ers von 

In d jip 

wenigftens feit dem Tcde des Agrippa funf Kohorten Fug- 
volk und eine Reiterabteilung, 6 ) von denen die erfteren wie 
oft je 600, letjtere 120 Mann ftark gewefen fein durften. 7 ) 
Eine diefer Kohorten hie)5 um das Jahr 40 die italifche, 8 ) 
wohl weil fie mehrere aus Italien ftammende Freiwillige 
hatte oder ihre Offiziere von dort ftammten. Ob fie mit der 
zur Zeit des Apoftels Paulus erwahnten den Ehrennamen 
,,die auguftanifche" fiihrenden Kohorte 9 ) identifch war, weig 
man nicht. Auch in Jerufalem und zwar auf der Burg An- 
tonia lag eine von einem Tribunen befehligte Kohorte, 10 ) 
wozu wie ublich auch eine Reiterabteilung gehorte. 11 ) Da 



} ) Vgl. z. B. Ant. 18, 3, I. B. J. 2, 9, 2. Tac. Hist. 2, 78: Caesa- 
ream . . . Judaeae captrt. 

2 ) Apg. 22, ,35. ' 

3 ) S. o. S. 69. 

*) Eine rOmifche Legion wurde erft nach dem jiidifchen Kriege in 
Palaftina ftationiert. S. unten. 

5 ) Ant. 20, 8, 7. B. J. 2, 13, 7. Vgl. Mommfen, RQ V. 510. 

6 ) Vgl. Ant. 19, 9, 1-2; 20, 6, 1. B. J. 2, 12, 5; B. J. 3, 4, 2. 
') S. unten Qber das romifche Heerwefen. 

8 ) Apg. 10, 1. 

) Apg. 27, 1. 6nflQn Stpaarrj = cohors Augufta (Vulg.). 
10 ) Apg. 21, 31-37; 22, 24 ff.; 23, 10, 15 ff.; 24, 7, 22. Vgl. auch 
Jof. B. J. 5, 5, 8 xa&ijdTH yctf) del tn 'avrrji; ray no. [== Cohorte wie Ant. 
20, 6, 1 U. fonft.] 'Pufiaiow. 

") Apg. 23, 23 u. Felten, Apg. 418 f. 



166 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

auch in den fonftigen feften Platen des Landes fidi kleinere 
Truppenabteilungen befanden, 1 ) ift felbftverftandlich. 

Die in der Die Steuern wurden in den prokuratorifchen Provinzen 
Provinz j er Kaiferzeit nicht durch einen Quaftor bezw. kaiferlichen 

judaa erho- p ro kurator wie in den fenatorifchen bezw. kaiferlichen Pro- 
steuern vnizen fondern durch den Landpfleger felber verwaltet, der 
fich aber bei der Eintreibung derfelben der einheimifchen 
Behorden zu bedienen pflegte. Die{e Steuern beftanden in 
der erften Kaiferzeit aus der Grund- Oder Bodenfteuer und 
der fogen. Kopffteuer, einer ficb nach der Hohe des Einkom- 
mens richtenden Vermogensfteuer. 2 ) Dag die Steuern in 
Syrien und Judaa driickend waren, lehrt das Bemuhen der 
beiden Provinzen, im Jahre 17 n. Chr. eine Verminderung 
der Steuern wegen ihres Druckes zu erlangen. 3 ) 
Die Zolle. Neben diefen direkten Steuern liefen die Zolle, wozu 

namentlich die Abgaben von den ins Land eingefuhrten 
Waren, das Wegegeld u. a. gehorten. Solche Zolle wurden 
z. B. an der Oftgrenze Judaas nach Peraa bin zu Jericho 
erhoben 4 ) und in ahnlicher Weife von dem Vierfurften Anti- 
pas von Galilaa bei Kapharnaum ebenfalls nahe der Grenze. 5 ) 
Die mit der Erhebung diefer oder auch der Kommunalzolle 
befchaftigten Perfonen heifeen in der Heiligen Schriit Zollner 
Awveu, publicani. Zur Zeit der Ptolemaerherrfchaft in Pala- 
ftina waren dafelbft die Abgaben jeder Stadt Jahr ffir Jahr 
an den Meiftbietenden verpachtet worden. 6 ) Damals hiegen 
folche Pachter ,,Z6Uner". Dasfelbe Syftem beftand zur Zeit 
der Republik auch in Rom, infofern als die famtlichen Zolle 
einer Provinz an einzelne oder mehrere romifche Ritter ge- 
wohnlich auf fiinf Jahre verpachtet wurden, die ihrerfeits 
z. B. an den Provinzial-Zollftatten Erhebungsbeamte (ex- 
actores, portitores) anftellten und felbftverftandlidi auf Gewinn 

') Fur den Anfang des jQdifchen Krieges s. B. J. 2, 18, 6; 3, 7,32. 
Vita 24. 

2 ) S. unten iiber die rOmifche Provinzialverwaltung. 

3 ) Tac. ann. 2, 42. 
') Luc. 19, 1 f. 

6 ) Matth. 9, 9. Marc. 2, 14. Luc. 5, 27. Romifche Burger genoffen 
in den von den Romern als autonom anerkannten Staaten und Stadten 
Zollfreiheit. Liv. 38, 44. Vgl. Mommfen, Rom. Staatsrecht III, 1, 697. 

6 ) Ant. 12, 4, 15. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 167 

hofften. 1 ) In der romifchen Kaiferzeit beftand diefe Sitte zwar 
nicht mehr fur die direkten Steuern, wohl aber nodi fur die 
Zolle der romifchen Provinzen. 2 ) Somit wurden damals audi 
nodi die Zolle von Judaa in diefer Weife verwaltet, und die 
Erhebung gefchah entweder durdi Beamte des Generalpach- 
ters oder, wenn auch diefer weiter verpachtet hatte, feiner 
Unterpachter. In letjtefem Falle waren nodi mehr Leute, 
die profitieren wollten, und es ift nidit zu verwundern, dag 
das ganze Syftem auf Bedriickung und widerrechtliche Er- 
preffung hinauslief. Denn wenn es auch Tarife gab, 3 ) [o 
waren dadurch Ubervorteilungen und Willkurlichkeiten der 
Zollbeamten, z. B. bei der Berechnung der Abgaben nach 
dem Werte der Waren, nicht unmoglich gemacht, und es war 
nicht jedermanns Sadie, einen oft recht fchwierigen und koft- 
fpieligen Prozefc dieferhalb gegen die Zollpachter durchzu- 
fuhren. Ahnlich wie in Judaa wird fich die Sadie auch in 
den Landern der Herodaer Antipas und Philippus verhalten 
haben/) da fie ja durch die ptolemaifche und romifche Sitte 
in diejer Hinficht beeinflufet werden mufcten. Das Sy[tem der 
Verpachtung der Zolle mit all feinen iiblen Einwirkungen auf 
den Charakter derer, die [ich als Beamte fo oft mit diefen 
Erpreffungen abgaben, madi-t.es verftandlich, dag im Neuen 
Teftamente Zollner mit Sundern, Huren und Heiden zu- 
fammengeftellt find, 5 ) und man verfteht die Bedeutung der 
Mahnung des Taufers an die Zollner: ,,Fordert nicht mehr, 
als was euch feftgefetjt ift." 6 ) 



') Vgl. z. B. Cic. pro Cn. Plancio 9.; ad Quint, fratr. 1, 1, 11. Tac. 
ann. 4, 6. 13, 50; Germ. 29. Dio Cass. 42, 6. 

'0 Marquardt RStV 2, 302 f. Vgl. unten. 

3 ) Vgl. den aus der Zeit Hadrians ftammenden Zolltarif von Palmyra 
in der Ausg. von Reckendorf ZDMG 188S, S. 370-415 und dazu Ro- 
ftowzew, Gefch. der Staatspacht in der romifchen Kaiferzeit. Philologus 
Suppl. IX, 3, S. 406, wonach die Stadt die Abgaben nicht blofc fur fich, 
fondern auch fur den Fiskus einzog und dabei von kaiferlichen Beamten 
unterflutjt oder beauffichtigt wurde. 

Schurer I, 478. 

6 ) Matth. 9, 10 f.; 11, 19. Luc. 5, 30; 7, 34. Matth. 21, 31 f. 
Matth. 18, 17. Die ebenfalls den ZOllnern fehr ungunftigen Urteile der 
rabbin. Literatur vgl. z. B. in Lightfoot, Horae Hebr. (Opera II , Ultra- 
jecti 1699), p. 295 sq., 344, 502, 555. 

6 ) Luc. 3, 13. 



168 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Sonftige Ab- Auger den erwahnten Steuern und Zollen gab es auch 
gaben. n och befondere Abgaben, z. B. in Jerufalem den von Hero- 
des eingefuhrten 1 ) und erft von Vitellius im Jahre 36 ab- 
gefchafften 2 ) Marktzoll, und eine noch unter Agrippa I. exi- 
ftierende Hauferfteuer. 3 ) Endlidi mugten die Juden auch die 
Tempelfteuer zahlen, welche zur Zeit Chrifti eine Doppel- 
drachme (ungefahr 1 Mk. 32 Pfg.) betrug. 4 ) 

DieRechts- Wie uberhaupt den kaiferlichen Statthaltern der Provin- 

pfiege in der ze n die oberfte Gerichtsbarkeit zuftand, fo auch der Blutbann, 

Provinz das Recht flber Leben und Tod der Provinzialen. 5 ) In Judaa 

] udaa 

haben allerdings die Romer fowohl die lokalen Gerichte 
wie den Hohen Rat 6 ) beftehen laffen, allein dag der Land- 
pfleger von Judaa felbft auch gerichtliche Entfcheidungen 
fallte 7 ) und Jein Recht fiber Leben und Tod von den Juden 
felbft anerkannt wurde, 8 ) wiffen wir aus der Heiligen Schrift 
und wird durch Jofephus beftatigt 9 ) Hier finden wir auch, 
wie es iiberhaupt der Gewohnheit entfprach, da vom Statt- 
halter gefallte Oder vollzogene Todesurteile durch Soldaten 
ausgefiihrt wurden. 10 ) 

Riickficht- Das Volk mufete den Kaijern Treue geloben, 11 ) diefe aber 

nahme der juchten ihrerfeits das Volk zu gewinnen, indem z. B. Augu- 
Romer auf ^ die ftaiferin Livia 12 ) und andere Mitglieder des kaifer- 
lichen Haufes 13 ) Weihegefchenke an den Tempel fandten und 



Juden. a ) S. o. S. 135. 

2 ) Ant. 17, 8, 4; 18, 4, 3. 

3 ) Ant. 19, 6, 3. 

*) Matth. 17, 23. Vgl unten. 

5 ) Vgl. Marquardt, RStV 1, 556 f.; fiber die Rechtfprechung der 
Statthalter uberhaupt f. Mommfen, RStR 2, 267 ff. und 967 ff. 

6 ) Ober beide f. unten. . 

7 ) Apg. 25, 12 zeigt, dag er fich dabei eines Rates von Beifitjern 
bediente 

s ) Job. 18, 31. 
9 ) B. J. 2, 8, 1. 

10 ) Bei der Kreuzigung Jefu find Soldaten 6tQo.Ti.Mrai, (vg\. Matth. 
27, 27; Marc. 15, 16; Luc. 23, 36; Job. 1.9, 2. 23 f. 32, 34) unter einem 
Centurio (Marc. 15, 39. 44 f.; Matth. 27, 54; Luc. 23, 47) tatig. 

11 ) Vgl. Ant. 18, 5, 3 beim Regierungsantritt des Claudius. 

) B. J. 5, 13, 6 (Weinkruge) und Philo, Leg. ad Caium 23 u. 40. 

") Cber Marcus Agrippa cf. Philo 1. c. 37. Diejer Schwiegerfohn des 
Auguftus lieg audi Opfer im Tempel darbringen (Ant. 16, 2, 1), ebenfo 
Vitellius (Ant. 18, 5, 3. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 169 

Auguftus beftimmte, dag taglich auf Koften des Kaifers ,,ftir 
den Kaifer und das romifche Volk" ein Rind und zwei Lammer 
geopfert wurden. 2 ) Audi wurden dem Anfcheine nadi wegen 
der judifchen Bilderfcheu auf den in Judaa gepragten Munzen 
nicht wie fonft der Kopf des Kaifers gepragt, 2 ) wie auch die 
romifchen Soldaten, wenn fie nach Jerufalem zogen, die fonft 
an den Feldzeichen in Form von Medaillons angebrachten 
Kaiferbilder nicht mitnahmen. 3 ) Daft daneben zahlreidie Mifr- 
griffe, Willkiirlidhkeiten und Rechtsverletjungen der romifchen 
Prokuratoren liefen, konnten die oberften romifchen Behorden 
kaum verhindern. So z. B. wurde das Feftkleid des Hohen- 
priefters, welches unter den Hasmonaern und Herodes in 
der Burg Antonia verwahrt wurde, auch von den Romern 
dort verwahrt und nur an den drei Hauptfeften und am Ver- 
fohnungstage zur Benutjung ausgeliefert, bis der Statthalter 
von Syrien, Vitellius, im Jahre 36 auf Bitten der Juden und 
mit Erlaubnis des Kaifers es ihnen zuftellte. 4 ) Aber gleich 
der erfte Prokurator nach Agrippa I. Heft es auf Befehl des 
Kaifers Claudius von neuem auf die Antonia bringen, bis 
der Kaifer auf Verwendung des jiingeren Agrippa einer 
judifchen Gefandtfchaft die fruhere Anordnung des Vitellius 
wieder beftatigte. 5 ) 

Der erfte von Auguftus gefandte romifche Landpfleger 
von Judaa war der romifche Ritter Coponius, welcher fein Landpfleger 
Amt im Jahre 6 antrat. Coponius. 

Zugleich mit ihm war Quirinius 6 ) dorthin gekommen, um Aufftand 
eine Einfchatjung des Vermogens in der fruheren Eparchie infoige der 

J) Philo 1. c. 23 und 40. Jof. B. J. 2, 17, 2-4. Auch B. J. 2, 10, 4 Scha ^ un ^ des 
erwahnt er das Opfer fur den Kaifer, fagt aber nicht, wer die Koften y uirimus - 
beftritt; c. Apion. 2, 6 behauptet er aber, das Opfer ware auf Koften des 
judifchen Volkes dargebracht worden. Vermutlich wurden, wie Ed. Meyer, 
Die Entftehung des Judentums, Halle 1896, S. 53 f., meint, die Koften 
aus den judifchen Steuern an den rOmifchen Fiskus beftritten. 

2 ) Vgl. Levy, Gefch. d. jfld. Munzen, S. 74-79. De Saulcy, Numis- 
matique de la terre sainte. P. 1874, p. 6978. Plate III -IV. Madden, 
Coins, p. 170187. Gold- und Silbermunzen wurden nicht in Judaa ge- 
pragt, kurfierten aber dort und trugen das Bild des Kaifers. S. Matth. 
22, 20. Me. 12, 16. Luc. 20, 24. 

3 ) Vgl. Ant. 18, 5, 3. 

*) Ant. 15, 11, 4; 18, 4, 3. 

5 ) Ant. 20, 1, 1-2. 

6 ) S. o. S. 142 f. 



170 Erfter Abfdmitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

des Archelaus vorzunehmen und fiber de[fen Privatvermogen 
zu verfugen. Seine Bemuhungen wurden von dem friiher 
von Archelaus abgef etjten *) Hohenpriefter Joazar, der nun 
wieder in den faktifchen Befitj des Hohenprieftertums ge- 
kommen war, unterftutjt. 2 ) Es waren auch nicht religiofe, 
aus dem Gefets herriihrende Griinde, fondern patriotifche, 3 ) 
welche den Schriftgelehrten Judas, einen aus Gamala Itam- 
menden Gaulaniter, und den Pharifaer Sadduk veranlafcten, 
ihre Landsleute wegen ihrer Unterwurfigkeit gegen die Romer 
zu fchmahen, da die Scha^ung offenbar eine Knechtung mit 
fidi braehte, und viele zum Aufruhr zu bewegen. Der Auf- 
[tand verlief ungliicklich, Judas felbft kam um und alle feine 
Anhanger wurden zerftreut. 4 ) Trotjdem blieb fein Geift lebendig 
bis zum Untergang des Volkes. Denn gerade diefer Auf- 
ftand fuhrte zur Bildung der fpater Zeloten und dann Sika- 
rier genannten Partei, welche in fonftigen Dingen mit den 
Pharifaern uberein[timmend, ,,Gott allein als Herrn und Konig 
anerkannten" und bei der Vertretung diefes Grundfatjes jede 
Todesart und auch den Tod ihrer Freunde und -Verwandten 
fur nichts achteten. 5 ) Die Hauptkampfer und Vorkampfer im 
Kampfe gegen Rom waren aber immer Judas' des Galilaers 6 ) 
Sohne 7 ) und Verwandte, und es war einer von diefen Ver- 
wandten, Eleazar, der fchliejglich nodi allein in Judaa gegen 



') S. o. S. 161. 

2 ) Ant. 18, 1, 1. 

3 ) Trotjdem Ant. 18, 1, 1 u. 6, B. J. 2, 17, 8 dies ausdrucklidi " 
fagen, hat man neuerdings meift nur religiofe Grunde annehmen wollen. 
Das Richtige hat Wellhaufen, Ifrael. und jud. Gefchichte. B. 1894, S. 299. 

*) B. J. 2, 17, 8; 2, 8, 1; 7, 8, 1. Apg. 5, 37 in der Rede des 
Gamaliel. 

5 ) Ant. 18, 1, 6. B. J. 2, 17, 8. 

6 ) Jof. nennt ihn Ant. 18, 1, 1 einen Gaulaniter aus Gamala, aber 
Ant. 18, 1, 6; 20, 5, 2; B. J. 2, 8, 1 ; 17, 8 den Galilaer. Beides ift 
richtig, da Gamala zwar geographifch zu Gaulanitis, politifch aber zu 
Galilaa gehcirte. In meiner Apg. S. 135 habe ich gefagt, Galilaa (ei der 
Schaupla^ [einer Tatigkeit gewefen. Das kann aber nicht richtig fein, 
weil fich die damalige Schaljung gar nicht auf Galilaa bezog. 

7 ) Ant. 20, 5, 2 (Jakob und Simon wegen Aufruhrs von Tiberius 
Alexander gekreuzigt) und B. J. 2, 17, 8 f. Vita c. 5 (Manahem im 
Jahre 66 ein Ffihrer der Emporer). 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 171 

Rom kampfte und nodi im Tode im brennenden Palafte der 
Burg Mafada den Romern Bewunderung abzwang. 1 ) 

Aus der Verwaltung des Coponius ift nur. bekannt, daft 
der Hag zwifchen Samaritanern und Juden dadurch neu auf- 
flammte, dag wahrend des Ofterfeftes in der erften Nadit 
Samariter in den Tempelhallen Menfchengebeine zerftreuten, 
durdi weldie Verunreinigung alle vom Tempel abgehalten 
wurden. Auf Coponius folgte zuerft M. Ambivius, dann 
Annius Rufus. Letjterer war nodi im Amte, als Auguftus im 
Jahre 14 n. Chr. ftarb. 2 ) 

Tiberius pflegte die Perfonen, denen er ein Amt fiber- Der Land- 
tragen hatte, moglidift lange in demfelben zu laffen, weil pfiegerVa- 
er glaubte, je kurzer jemand meine ein Amt bekleiden zu lenus Qratus 
konrien, dejto mehr werde ihn die Habfudit verleiten, die ' 



. 

Vermogenden zu plundern. Verfdieudie man die Fliegen, 
die fidi bereits am Korper eines hilflofen Verwundeten ziem- 
lidi vollgefogen hatten, Jo kamen neue hungrigere, die ihn 
ganz ausfaugen wiirden. 3 ) Deshalb hat er audi nur zwei 
Prokuratoren von Judaa eingefetjt, den Valerius Gratus und 
den Pontius Pilatus. 

Valerius Gratus blieb elf Jahre im Amte, 4 ) d. h. vom 
Jahre 1526 n Chr. 5 ) Er fe^te bald nadi feiner Ankunft, 
alfowohl nodi im Jahre 15, den Hohenpriefter Ananus oder 
Annas ab und fetjte nidit weniger als vier Hoheprie[ter ein, 
zuletjt den Sdiwiegerfohn des Annas, den Kaiphas. 6 ) Gut 
haben es audi fonft die Juden unter ihm nicht gehabt. Denn 
unter ihm baten die Juden im Jahre 17 den Kaifer um Er- 
leichterung ihrer Abgaben. 7 ) Ja, im Jahre 19 n. Chr. ver- 
trieb Tiberius, weil einige Juden zu Rom eine vornehme 



) B. J. 7, 8, 1-9, 2. Vgl. 2, 17, 9. 

*) Ant. 18, 2, 2. Auguftus pflegte nach Dio Cass. 52, 23 die Pro- 
pratoren wenigftens drei Jahre im Amte zu laffen. Handelte er bei der 
Einfetjung der Prokuratoren ahnlich, fo blieb Coponius etwa von 6-9, 
M. Ambivius (Niefe nennt ihn Ambibulus) von 9-12, Rufus von 1215 
im Amte. 

3 ) Tac. ann. 1, 80. 4, 6. Jof. Ant. 18, 6, 5. 

*) Ant. 18, 2, 2. 

5 ) 1m Jahre 26 wurde Pilatus fein Naehfolger. 

6 ) Ant. 18, 2, 2. 

7 ) S. o. S. 166. 



172 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Dame namens Fulvia, die Gemahlin des Senators Saturninus, 
zur Annahme des Mofaismus bewogen und hierauf ihre an 
den Tempel gefendeten Schatje von Purpur und Gold fiir 
fich behalten batten, die Juden aus Rom und Italien. 1 ) Denn 
das Beifpiel der Herren findet bei den Dienern Nachahmung. 
Pontius Pila- Pontius Pilatus 2 ) ift zehn Jahre lang 3 ) vom Jahre 26 36 4 ) 
tus (26-36 Landpfleger gewefen. Vermutlich gehorte er der alten famni- 
n - Chr -)- tifehen Familie der Pontier, die fidi in den Kampfen der Sam- 
niter gegen die Romer ausgezeichnet hatte, und aus der fo- 
wohl unter Tiberius wie unter Nero einzelne das Konfulat 
erlangten, an. 5 ) Dann ware er nicht wie manche Sohne 
reichgewordener Freigelaffenen durch Gliicksfall, fondern von 
Geblut Ritter gewefen. 6 ) Daraus, daft die Juden ihm den 
Titel ,,Freund des Kaifers" gaben, 7 ) folgt dies nodi nicht, da 
derfelbe alien hoffahigen Perfonen gegeben wurde. 8 ) Seine 
Frau hatte ihn nach Judaa begleitet, wie denn fchon feit 
Augustus das alte Gefetj, welches den Frauen der Statth alter 
verbot, ihre Manner in die Provinzen zu begleiten, nicht 
mehr in Obung war. 9 ) ' 

') Ant. 18, 3, 5. Tac. Ann. 2, 85. Ober den judenfeindlichen Ein- 
flug des Minifters Sejanus \. u. S. 173, 1 u. Kap. 7. 

2 ) Vgl. u. a. Guftav Adolf Miiller, Pontius Pilatus, der fiinfte Pro- 
kufator von Judaa und Richter Jefu von Nazareth, Stuttg. 1888. H. Kell- 
ner, Pilatus im Freib. KL. 10, 15. M. J. Ollivier, Ponce Pilate et les 
Pontii Rb. V (1896), p. 247-254; 594-600. Herm. Peter, Pontius Pi- 
latus, der r6m. Landpfleger in Judaa in N. Jahrb. f. d. Waff. Altert. 1907 
(10. Jahrg. Bd. XIX u. XX) I, 1-40. 

3 ) Ant. 18, 4, 2. 

*) Er wurde abgefetjt (Ant. 18, 4 2), ehe Vitellius zum erftenmal 
nach Jerusalem kam, kurzvor Oftern, wie es fcheint, des Jahres 36 (Ant. 
18, 4, 3; vgl. 18, 5, 3). Da nun Pilatus erft in Rom ankam, als Tiberius 
{chon geftorben war (Ant. 18, 4, 2) er ftarb aber im Marz 37 ift er 
entweder nicht gleich nach feiner Abfetjung (falls diefe in den Anfang 36 
fallt) abgereift, oder die Abfetjung erfolgte erft zu Ende des Jahres 36, 
in welchem Falle der Bericht des Jofephus (Ant. 18, 4, 2 mit 3) ungenau 
und das Ant. 18, 4, 3 erwahnte Ofterfeft mit dem 1. c. 5, 3 erwahnten 
identifch und das Ofterfeft 37 ift. 

5 ) Vgl. Mommfen RG I, 368 f., 384; II, 331, 333. Ollivier, p. 252 ss. 

6 ) Tac. ann. 15, 44 fagt nicht von ihm wie von Felix (ann. 12, 54; 
h. 5, 9), dafj er ein Emporkommling war. 

7 ) Joh. 19, 12. 

8 ) Mommfen RStR 2, 2, 834 f. 3, 556. 

9 ) Tac. ann. 3, 33 sq. Die Frau heijgt in den Apokryphen (fiehe 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 173 

Schon die Ernennung des Pilatus zur Zeit, als der Ju- Charakter 
denfeind Sejanus bei Tiberius einflufcreich war, 1 ) lafct bei de s Pilatus. 
ihm auf kein befonderes Wohlwollen fiir die Juden fchliefcen. 
Der wohlunterrichtete Herodes Agrippa I, nennt in einem 
Briefe an Caligula 2 ) den Prokurator von Juda'a, 3 ) Pilatus, ,,un- 
beugfam, rtickfichtslos und ftarrfinnig" und wirft ihm ,,Beftech- 
lichkeit, ubermutige Gewalttatigkeit, Raubereien, Mifchandlun- 
gen, Kra'nkungen, dicht aufeinanderfolgende Hinrichtungen 
ohne Urteilsfpruch, fortdauernde, kaum zu ertragende Grau- 
famkeit" vor. Dem entfpricht das uns fonft von ihm Be- 
richtete. Er war der erfte Prokurator, der die Truppen bei Er lagt die 
Naeht in Jerufalem mit den Kaiferbildern einrucken liefc. Auf Truppen mit 
die Bitten der nach Caefarea geeilten Juden, die Bilder denKaifer- 
wieder zu entfernen, drohte er, fie, wenn fie die Bilder nicht bi ^ ^ 
aufnahmen, alle niederzume^eln. Sie aber warfen fidi in Z j e h e n 
der grojjen Rennbahn zu Caefarea, wo der Landpfleger fie 
eingefchloffen hatte, auf die Erde, entblofcten ihren Nacken 



Acta Pilati Graece B. cap. 4 bei Tifchendorf, Evang. apocr. 2 L. 1876, 
p. 296 I/eo'xAa; ebenfo in dem Briefwechfel des Pil. und Herodes, ed. 
James, Apocrypha Anecdota, Second Series (Texts and Studies V, 1, 
p. 65 ff.) und bei Jpateren Kirehenfdirift[tellern (Joa. Malalae Chronogr. 
1. .10 Migne PP. Gr. 97, 369; Nicephori Callisti E. H. 1, 30) Procula, 
gr. JlgnxXa und wird in dem fehr unzuverlaffigen fog. Ghronicon Dexters 
(bei Migne PPL. 31, 70) mit der 2 Tim. 4, 21 genannten romifchen Chri- 
ftin Claudia identifiziert. Nach den apokryphen Acta Pilati Graece A. 
cap. 2 (bei Tifchendorf 1. c. p. 223) ware fie eine judifche Profelytin gewefen. 
Origenes (Comm. in Matth. n. 122 ed. Lommatjfch V, 37) la'gt die Rich- 
tigkeit der Behauptung apokr. Schriften, fie fei Chriftin geworden, dahin- 
geftellt fein. Sie {tent aber wie auch Pilatus im athiop. Heiligenkalender 
am 25. ;(19.) Juni. Vgl. Ludolfi, Ad suam hist. Aethiopicam Comm. 
Francofurti ad Moen. 1691, p. 419. 433. Ollivier, p. 252 weift auf das 
fonderbare Zufammentreffen der Namen Cajus Pontius Nigrinus und 
Cnejus Acerronius .Proculus als Konfuln am Ende der Regierungszeit 
des Tiberius hin. 

J ) Sejanus war Minifter vom Jahre 23 bis zum 18. Oktober 31 n. Chr. 
Philo Leg. ad Caj. 24 fagt, dag er auf den Tiberius zuungun[ten der 
Juden eingewirkt habe. 

2 ) Philo, Leg. ad Caj. 38. 

3 ) IntTQonog -. . . rfj? 'Invdata? (1. c.) Es fei erwahnt, dag Tertull. 
Apol. c. 21: ,,Pontio Pilato Syriae tune [im Todesjahre Jefu] ex parte 
Romana procuranti" zu glauben fcheint, dag Judaa wie im dritten \o auch 
im erften chriftlichen Jahrhundert mit Syrien eine Provinz gebildet habe. 



174 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

und erklarten, lieber fterben als eine Ubertretung ihrer Gefet5e 

zulaffen zu wollen. Jetjt erft gab er nach. 1 ) Spater rief er 

neue Unruhen dadurch hervor, daft er mit den Geldern des 

Tempelfchatjes eine Wafferleitung nach Jerusalem bauen wollte. 

AndereVer- Jetjt liefc er aber die nach taufenden zahlende laut fchreiende 

letjungen der Menge durch {eine Soldaten mit Knutteln auseinandertreiben, 

Gefuhie der wo tj e j v j e j e verwundet und getotet wurden. 2 ) Immerhin war 

Piiatus un ter Tiberius, der gerade auf die Verwaltung der Provinzen 

grofee Sorgfalt verwandte, 3 ) nicht jede Willkiir moglich. So 

z. B. hatte Piiatus in dem Palaft des Herodes zu Jerufalem 

vergoldete Schilde mit dem Namen- des Kaifers angebracht, 

,,um das Volk zu betrfiben", und [ich auch nicht durch die 

Bitten der vier Sohne des alten Herodes zur Wegnahme 

bewegen laffen, erhielt aber, als [ich die Juden an Tiberius 

wandten, von diefern den Befehl, die Schilde im Auguftus- 

tempel zu Cafarea aufzuhangen. 4 ) 

Augenfcheinlich war Jomit Piiatus ein Mann, der fich um 
die religiofen Eigentumlichkeiten und Empfindlichkeiten der 
Juden nicht kummerte und das Volk verachtete, ohne dafr 
er deshalb z. B. fchlimmer als Gratus gewefen zu fein braucht. 
Auch in den Evangelien erfcheint er als ein gewalttatiger 
Mann, der eine Anzahl Galilaer, wahrend fie opferten, toten 
liefe, 5 ) weshalb, ift unbekannt. Sie fchildern ihn als einen Feind 



x ) Ant. 18, 3, 1. B. J. 2, 9, 2-3. 

2 ) Ant. 18, 3, 2. B. J. 2, 9, 4. (Nadi er[terer Stelle follte die Lange 
der Leitung 200, nach le^terer 400 Stadien betragen.) 

3 ) Vgl. Schiller, Gefch. d. r6m. Kaiferzeit 1, 286 ff. 

*) Philo, Leg. ad Caj 38. H Peter 1. c. S 11-15 halt die Be- 
richte Philos und des Jofephus iiber Piiatus fiir parteilich und will S. 40 
nur die Evangelien und deren Erganzung durch die allgemeinen ftaat- 
lichen und religi&fen Verhaltniffe als zuveriaffige Zeugen anfehen. Denn 
es erwecke von vornherein Argwohn gegen ihre Angaben, dag Tacitus 
Hist. V, 9 ,,sub Tiberio quies" ausdrucklich fur die Regierung des Tiberius 
Rune in Judaa bezeuge und fich nur der einzige Barabbas als ein wegen 
Blutvergiegens bei einera Aufftand zum Tode Verurteilter im Gewahrfam 
des Piiatus gefunden habe (Marc 15, 7). Dag Barabbas allein im Ge- 
wahrfam gewefen, fteht nirgends und die Bemerkung des Tacitus ift 
relativ zu verftehen. Die Echtheit des Briefes des Agrippa hat auch 
Peter S. 7 nicht bezweifelt. Philo gibt aber nicht feine Anficht, fondern 
die des Agrippa. 

& ) Luc. 13, 1. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 175 

des Herodes Antipas das war er wohl infolge des Eintre- 
tens auch diefes Sohnes des Herodes in der Sache der Weihe- 
fchilde der aber, um einer Verlegenheit zu entgehen, die- 
fern eine Aufmerkfamkeit erweift. Diefer Verachter der Juden 
gibt auch dort, tro^dem er von der Schuldlofigkeit Jefu uber- 
zeugt ift, wie zu Cafarea fchliefjlich dem Anfturmen der Juden 
nach, aus Furcht, nicht als Freund des Kaifers zu erfcheinen, 
wenn er ihnen nicht willfahre. 1 ) 

Das Ende des Pilatus wurde durch eine Gewalttat gegen Die Gewaittat 
die Samariter herbeigefuhrt. Diefe hatte .em Lugenmeifter, des Pilatus 
der um jeden Preis Gunft beim Volke erwerben wollte, 2 ) 
vielleicht der bekannte Simon Magus, 3 ) im Jahre 35 n. Chr. 
auf den Garizim berufen unter dem Vorgeben, er wolle ihnen 
die heiligen Gerate zeigen, welche Mofes dort verborgen 
habe. Wie es fcheint, kniipfte das Volk an diefe von ihm 
geglaubte Verheifeung A ) allerhand meffianifche Hofmungen. 



1 ) Die Naehridit Tertullians Apol. 21: ,,et omnia super Christo Pilatus 
Caesari tune Tiberio nuntiavit" i[t nicht einfach als falfdi abzuweifen. Denn 
auch Jof. Ant. 18, 8, 4 erwahnt einen Bericht des fyrifchen Statthalters 
Petronius uber judifche Angelegenheiten. Ober die Verpflichtung der 
rOmifchen Beamten, in der Kaiferzeit Protokolle zu fuhren, die dem Staats- 
archiv des betreffenden Sprengels einverleibt wurden, f Mommfen, R5m. 
Strafrecht, S. 514 ff Vgl. auch Justin M. Apol c 35 B xi ravra (uber 
die Kreuzigung und das Lojen um den Rock des Herrn) on ylyove, 

SvvaS&e paVeiv ex TMV FlovTinv IlildTHV yivofievaiv axrwv", Vgl. auch C. 48. 

Wohl aber find fowohl der angebliche Brief des Pilatus an den Kaifer 
Claudius (bei Tifchendorf, Evang. apocr. p 413-416; vgl auch eine 
Epistola Pontii Pilati an den Kaifer Tiberius ebd. p. 433 sq.), wie die 
fogen Acta Pilati und andere erft auf Qrund diefer aus dem vierten 
oder funften Jahrhundert ftammenden fogen. Acta Pilati entftandenen ahn- 
lichen Machwerke (bei Tifchendorf 1. c. p. 210 sqq.) apokryph. Vgl. u. a. 
Edgar Hennecke, Handbuch zu den Neute[t Apokr., TQb. 1904, S 143-153, 
wo auch S. 143 die ubrige Hauptliteratur angegeben ift 

2 ) Ant. 18, 4, 1. 

3 ) So Hausrath 1, 338 unter Berufung auf Apg. 8, 4 f. und die 
Nachricht der clementin. Homilien 2, 22, wonach Simon Magus Jerufalem 
leugne und den Qarizim aufrichte. Vgl. auch Felten, Apoftelg! S. 170. 

*) Nach 2 Mace. 2, 4 ff. hat Jeremias das Zelt (,vgl. 3 KOn. 8, 4; 
2 Par 5, 5) die Lade und den Rauchopferaltar auf dem Berge Nebo 
verborgen und foil der Ort unbekannt bleiben, n bis Qott fein Volk fam- 
meln und ihm gnadi j fein wird". 



176 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Pilatus verbot aber die Wallfahrt. Jetjt 1 ) griffen die Sa- 
mariter zu den Waffen; um, wie es fpater hiefc, vor den 
ubermutigen Gewalttaten des Pilatus ficher zu fein, verfam- 
melten fie fich in dem Flecken Tirathana und zogen immer mehr 
Volk an fich, um in moglichft grower Anzahl den Berg zu 
befteigen. Allein Pilatus befe^te die Wege zum Berge mit 
Truppen und liefc die Samariter angreifen, wobei manche 
niedergemaeht oder gefangen genommen wurden. Die vor- 
nehmften derfelben wurden hingerichtet. Nun verklagte der 
Landtag (n fiovlii) der Samariter den Pilatus wegen des Mor- 
des der Ihrigen bei dem Statthalter von Syrien, Vitellius, 
dem ihre Behauptung, fie batten keinen Abfall von Rom 
beabfichtigt, um fo glaubhafter erfcheinen mufcte, weil die 
Abfetjungdesbeften Hilfstruppen Palaftinas aus der Gegend von Samaria 
Pilatus. kamen. 2 ) Deshalb befahl Vitellius dem Pilatus, naeh Rom 
zu gehen, um fidi bei Tiberius zu verantworten. Ehe er 
aber dort ankam, war Tiberius bereits geftorben. 3 ) 

') So fcheint Ant 18, 4, 1 mit der Entfchuldigungj der Samariter 
(Ant. 18, 4, 2) zu vereinigen zu fein. 

2 ) S. o. S. 165 

3 ) S. o. S. 172, 4. In ,,Des hi. Irenaus Schrift zum Erweife der 
apoftol. Verkundigung" in armen. Verjion entdeckt, herausg. u. ins Deutfche 
uberjetjt vonKarapetTer-Mekertschian und Edw. Ter-Minassiantz. L. 1907, 
Kap. 74 heigt ,,Pontius Pilatus, der Prokurator des Kaifers Claudius". 
Dies erklart {ich daraus, dag Irenaus, weldier fur die Wirkfamkeit Jefu 
viele Jahre annimmt, auf Grund von Joh 8, 57 den Tod Uefu in die 
Regierungszeit des Claudius je^t. Nach Eufebius (der fich H E. 2, 7 
dafur auf die griechifchen Annaliften, im Chron. ed Schoene II, 150 sq. 
auf die romifchen Hiftoriker bezieht) endigte Pilatus durdi Selbftmord. 
[Nach der aus dem 5. Jahrh. ftammenden riayddotii? ntidrov bei Tifchen- 
dorf, 1. c. p. 449455 wurde er von Tiberius hingerichtet und ftarb als 
reumutiger Chrift.] Die Sage hat (vgl. z. B. Jacobus de Voragine, Legenda 
aurea, Rec. Graesse' 2 , L 1850, p. 234) hieran angeknxipft und berichtet, dag 
der in die Tiber geworfene Leichnam des Pilatus furchtbare Gewitter und 
Stiirme erregte. Deshalb brachte man ihn nach Vienne in Frankreich, wo 
man ihn in die Rhone warf, dann naeh Laufanne, und weil er auch hier 
keine Ruhe gab, in einen kleinen Alpenfee hoch oben am BergeFrakmund 
gegenuber Luzern , der nun nach ihm Pilatus genannt worden fei. (Letj- 
teres Wort ift keltifchen Urfprunges; ftammt von pila, pilat und piladr, die 
alle drei Pfeiler bedeuten. Pilatus heifct [o viel wie der hone Berg, 
der wie ein Pfeiler den Himmel tra'gt.) Hier fei endlich der .bofe Geift 
des Pilatus durch einen Gei{terbefchworer bewogen worden, fich ruhig zu 
verhalten. Vgl. z. B. Mors Pilati bei Tifchendorf, Ev. apocr. 456-458 
und G. Miiller 48-54. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 177 

Nach der Abfetjung des Pilatus beauftragte Vitellius einen 
feiner Freunde, Marcellus, mit der Verwaltung Judaas. 1 ) Ver- 
mutlich ift derfelbe audi von Caligula beftatigt worden und 
bis zur Vereinigung der Provinz Judaa mit dem Reidie des 
Herodes Agrippa I. im Jahre 41 Landpfleger geblieben. 

Damals unter der Regierung des Caligula batten die Bedruckung 
Juden fchlimme Tage, trotjdem des Kaifers vertrauter Freund der J uden 
ein Herodaer war, Herodes Agrippa I., dem Caligula im u " ter 



Jahre 37 die fruheren Tetrarchien des Philippus und des Ly- 
fanias famt dem Konigstitel verlieheri hatte. Gerade das 
Auftreten diefes neuen Konigs In Alexandrien auf der Reife 
nach Palaftina und die larmenden Begru&ungen desfelben 
durch die alexandrinifchen Juden gaben dort den nachften 
Anlafc zu einer Verfolgung der Juden, die dadurch einen fur 
fie unter Caligula befonders gefahrlichen Charakter annahm, 
dafe die Judenfeinde mit Gewalt Kaiferbilder in den judifchen 
Synagogen zu Alexandrien aufftellten. 2 ) Denn wahrend bis 
dahin die Kaifer erft nach ihrem Tode durdi ein eigenes 
Dekret ihres jeweiligen Nadifolgers und des Senates zu 
Gottern erhoben worden waren, lebte Caligula fich ganz in 
den Gedanken an feine Gottheit hinein und beanfpruchte 
alien Ernftes gottlidie Verehrung. In Alexandrien ift auch erft 
der Friede wieder durch Kaifer Claudius hergeftellt worden. 

Allein auch Palaftina wurde in Mitleidenfchaft gezogen. Konfiikt in 
Der Konfiikt entftand zuerft in der alten Philifterftadt Jamnia, Jamnia. 
welche von Salome der Kaiferin Livia vermacht worden 
war 3 ) und damals fur den kaiferlidien Fiskus durch Heren- 



J ) Ant. 18, 4, 2: Md^xeD-ov rtav arrov qitioiv Ixneuyai; 

TO?? 'lovdaiot? yevytiofAsvov. Jofephus erwahnt keinen andern Procurator 
yon Judaa, fagt aber Arit 18, 6, 10, dag Caligula, der dem Agrippa 
die Tetrarchien des Philippus und des Lyfanias und den Konigstitel ver- 
liehen hatte, den Marullus zum Befehlshaber (intcifjyriv) der in Judaa 
jtehenden Truppen ernannt habe. Da nun der Befehlshaber der Truppen 
der Prokurator felber war, ift entweder Marcellus nach dem Tode des 
Tiberius abberufen worden oder ift, da ja auch Vitellius Statthalter blieb, 
von Caligula beftatigt worden und durfte dann mit Marullus ein und 
diefelbe Perfon fein. 

*) Philo, in Flaccum 5 sqq. und Leg. ad Cajum 20. Vgl. tiber das 
Auftreten des Agrippa u. Kap. 4 S. 199 und fiber die alexandrinifche 
Verfolgung weiter unten. 

3 ) S. o. S. 161. 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchichte. I. 2. u. 3. Aufl. 1 2 



178 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

nius Capito verwaltet wurde. 1 ) Er war ein Feind der Juden, 
welche die Mehrzahl der Bewohner der Stadt bildeten, und 
hatte ihre Klagen gegen feine ungerechte Verwaltung zu 
furchten. Um nun die Juden zu argern, erriditeten die heid- 
nifchen Bewohner der Stadt dafelbft gegen Ende des Jahres 
39 zu Ehren des Kaifers einen aus Lehm und Backfteinen 
gebauten Altar, den aber die Juden alsbald niederriffen. 
Nun beriditete Capito in iibertriebener Weife fiber diefes 
Vergehen an den Kaifer, der darauf befahl, es folle ihm in 
Befehi des Jamnia ein koftbarer Altar gebaut und im Tempel zu Jeru- 
Caiiguia,im j a i em j e i ne Bildfaule aufgeftellt werden. 2 ) Diefer Befehi er- 

SmTe^e ging ZU Anfa " g deS Jahr6S ^ 

Biidfaieauf- ^it der Ausfuhrung des Befehls wurde der neu ernannte 

zufteiien. Statthalter von Syrien, P. Petronius, beauftragt, der mit zwei 4 ) 

Legionen in Palaftina einrucken follte, urn jeden Widerftand 

gegen die Mafcregel zu brechen. Mit diefen und fo viel 

Hilfstruppen, als er aufbringen konnte, zog er von Antiochien 

nach Ptolemais. Wahrertd die Statue des Kaifers in Sidon 

Verhaitendesangefertigt wurde, berief Petronius die vornehmften Juden 

Statthaiters zu fich nach Ptolemais und fuchte fie zu bewegen, felbft der 

pet j^ von Ausfuhrung des kaiferlidien Befehls nidits in den Weg zu 

ynen ' legen und audi das Volk zur Rune zu bewegen. Allein fie 

erklarten, lieber Augen und Leben verlieren als eine Statue des 

Kaifers im Tempel dulden zu wollen. Auf die Kunde von dem 

geplanten Greuel ftromten Taufende von Juden mit Weib und 

Kind nach Ptolemais zu Petronius und flehten ihn an, ihnen 

zu geftatten, ehe er den Befehi des Kaifers ausfiihre, fich an 

diefen felbft zu wenden. Der Statthalter war ein verniinf- 

tiger, wohlwollender Mann. Er erlaubte zwar die Abfen- 

dung einer Gefandtfchaft nicht, weil dies fur die Juden fehr 

gefahrlich gewefen ware, und wollte audi nicht durch offenen 

Ungehorfam fein eigenes Leben preisgeben. Aber er fuchte 

l ) Ant. 18, 6, 3-4. Philo, Leg-, ad Caj. 30. 
5 ) Philo, Leg. ad Caj. 30. Jos. Ant. 18, 8, 2. 

3 ) Bereits zur Erntezeit, alfo April des Jahres 40, war Petronius 
mit den Truppen in Ptolemais. Philo, Leg. 33. 

4 ) Jos. Ant. 18, 8, 2 [nach B. J. 2, 10, 1 irrtumlich drei]. Vgl. auch 
Philo 31, der von der Ha'Ifte der Armee am Euphrat,.d. h. in Syrien, 
fpricht. Unter Tiberius [tanden vier Legionen in Syrien ,,usque ad flumen 
Euphraten". Tac. ann. 4, 5. 



HI. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 179 

zunadift die Erledigung der Sache moglidift hinauszufchieben, 
indem er den Kiinftlern in Sidon einfcharfte, die Statue mog- 
lidift fchon und dauerhaft zu madien. Dann fchrieb er an 
den Kaifer, der im Herbfte 1 ) Agypten und Palaftina bereifen 
wollte, man muffe in Syrien und zwar befonders in den See- 
ftadten groge Provifionsmagazine gefiillt halten. Es fei aber 
zu befiirditen, dajg die Juden, wenn ihre Religion verniditet 
werde, nun, da die Getreidefrucht und alles in der Reife fei, 
die Ernte zerftoren und eine Hungersnot veranlaffen wurden. 
Audi bediirften die Kunftler langere Zeit zur Fertigftellung 
der Statue. 2 ) Da ein Statthalter mit einer Armee in einer 
Provinz wie Syrien leidit eine Emporung veranlaffen konnte, 
wufcte audi Caligula. Deshalb liefc er fidi von feinem Zorn 
iiber den Ungehorfam des Petronius nidits merken und 
fchrieb ihm, fofort nach der Ernte mit der Aufftellung der 
Statue vorzugehen. 

Kurze Zeit hiernach kam Agrippa, ohne etwas von dem Verhaiten des 

Briefwechfel zwifdien Petronius und dem Kaifer zu wiffen, A g ri PP a in 

: diefer Sadie. 

*) Namlich im Herbfte des Jahres 40. Caligula hatte im Jahre 39 

feinen germanifch-gallifchen Feldzug angetreten (im Januar 40 war er in 
Lyon, vgl. Sueton. Calig. 17) und kehrte am 31. Auguft 40 nach Rom 
zuriick (Suet. Calig. 49). 

*) Vgl. Philo, Leg. ad Caj. 33. Da der Brief des Petronius mahnt, 
zu warten, damit die Halmfrucht und die Baumfriichte ungeftort einge- 
heimft werden konnten, aber bis zur Aberntung aller Fruchte fich langere 
Zeit hinziehen konnte, zumal es eine FrQh- und Spaternte gibt, und wei- 
terhin eine Gefandtfchaft der Alexandriner an Caligula er[t im September 
des Jahres 40 zu Puteoli von dem Befehl des Cajus, feine Bildfaule im 
Tempel aufzu[tellen, h6rte (Philo, Leg. ad Caj. 29. Ober das Datum f. u.), 
ift der Brief frflhe[tens im Juli des Jahres 40, vielleicht aber noch fpater 
gefchrieben. Nach Jofephus i[t Petronius zue'r[t in Ptolemais, wo er Win- 
terquartiere bezogen hatte, und dann wieder auf feinem Wege von Pto- 
lemais nach Tiberias von den Juden angegangen worden, und haben 
die Juden damals trotj der Saatzeit 40 Tage dasFeld unbeftellt gelaffen, 
bis der Statthalter ihnen in Tiberias verfprach, fich beim Kaifer fur fie 
zu verwenden (Ant. 18, 8, 2 6). Dann habe er in Ptolemais fein Heer . 
geholt und fei nach Antiochien zuruckgekehrt (B. J. 2, 10, 5). Wir halten 
uns lieber an die Darftellung Philos, weil er unter dem unmittelbarften 
Eindrucke des Gefchehenen als ein perfOnlich dabei Beteiligter er war 
Fiihrer der alexandrinifchen Gefandtfchaft fchrieb und fein Bericht durch- 
aus logifch und glaubwxirdig ift, auch in der Bemerkung, dag damals, ' 
als Petronius fchrieb, die Erntezeit nahe war (Gratj III 5 , p. 761772 be- 
ftreitet dies. S. aber oben S. 178, 3). 

12* 



180 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

zu letjterem und wurde von ihm durch die zornige Bemer- 
kung, die Juden wollten fidi wohl durch ihre Weigerung, 
ihn als Gott anzufehen und feine Statue in ihren Tempel 
aufzunehmen, urns Leben bringen, fo erfchreckt, daft er in eine 
lange Ohnmacht fiel. Moglicherweife hat der fchlaue Menfchen- 
kenner Agrippa die Ohnmacht nur fingiert, um den Caligula, 
der fo wahrnehmen konnte, welchen Schrecken fein gottlicher 
Zorn einflo&te, milder zu ftimmen. Jedenfalls hatte er den 
Mut, in einem Schreiben den Caligula um Zurucknahme 
feines Befehls zu bitten, indem er den Auguftus und Ti- 
berius, die den Tempel gefchutjt, fur denfelben flehen lafct. 1 ) 
Caligula lieg darauf dem Petronius fchreiben, im jiidifchen 
Tempel nichts zu verandern. 2 ) Aber aufcerhalb Jerufalem 
diirfe keiner gehindert werden, dem Kaifer oder feinen Ver- 
wandten Altare, Tempel oder Bildfaulen zu errichten. Gluck- 
licherweife machte niemand einen derartigen Verfuch, da ein 
folcher auch fchon die grofjten Unruhen nach fich gezogen hatte. 
Bald reute es allerdings den Caligula, fo mild gewefen 
zu fein. Er liefr zu Rom eine andere Koloffalftatue maehen, 
um gelegentlich einer projektierten Reife nach Agypten die 
Bildfaule plotjlich im Tempel aufzuftellen. 3 ) Auch fcheint er 
dem Petronius gefchrieben zu haben, er folle fich zur Strafe 
fur feinen Ungehorfam felbft das Leben nehmen. Der Brief 
verfpatete fich aber infolge einer ungunftigen Fahrt und kam 
27 Tage fpater als die Nachricht vom Tode Caligulas an. 4 ) 
Der wurde namlich am 24. Januar 41 ermordet. 

3. Der Tetradi Philippus (f 34 n. Chr.) und fein Gebiet. 

Das dem Philippus nach dem Teftamente des Herodes 
zugefallene Gebiet beftand aus den Landfchaften Batanaa, 

') Vgl. den Brief bei Philo, Leg. 36-41. Jofephus erzahlt Ant. 18, 
8, 7 8 die Vermittlung des Agrippa anders. Diefer habe bei einem 
Gaftmahl dem Kaifer [olche Beweife feiner Ergebenheit gegeben, dag 
jener ihn aufforderte, fidi eine Gnade zu erbitten. Da habe er den 
Verzieht auf die Aufftellung der Statue im Tempel gefordert und erhalten. 

2 ) Nach Ant. 18, 8, 8 gefchah dies, noch ehe Caligula den Brief 
des Petronius erhalten hatte. 

3 ) Philo, Leg. 4243. Die beabfichtigte Reife erwahnt auch Sueton. 
Calig. c. 49. 

*) So berichtet wieder Jos. Ant. 18, 8, 8 und B. J. 2, 10, 5, der 
aber diefen Befehl als Antwort auf den Bericht des Petronius anfieht. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 181 

Trachonitis, Auranitis, Gaulanitis und Panias, 1 ) obwohl die 
Sdiriftfteller des erften Jahrhunderts, wenn fie von dem Ge- 
biete reden, naturlich nicht immer alle einzelnen Beftandteile 
auffuhren. 2 ) So z. B. nennt der heilige Lukas den Philippus 
,,Vierfurft von Ituraa und dem tradionitifchen Gebiet". 3 ) Die 
Tetrardiie umfafcte im grofjen und ganzen das oftlich vom 
Jordan von feinem Urfprung bis zum Einfluft des Jarmuk 
gelegene Land. Es war zum grofeen Teil von Heiden be- 
wohnt, wenngleieh tiberall audi Juden zu finden waren. 4 ) 

Philippus war def Sohn des Herodes und feiner Frau 
Kleopatra, die aus Jerufalem ftammte, 5 ) und war mit Arche- 
laus in Rom erzogen worden. 6 ) Von feiner Bautatigkeit 
wiffen wir nur, daft er das an den Quellen des Jordans ge- 
legene Panias ausbaute und zu Ehren des Kaifers Cafarea 
nannte. 7 ) Gewohnlich heifct die Stadt zum Unterfchiede von 
Cafarea am Meere Cafarea Philippi. 8 ) Audi erhob er den 
Flecken Bethfaida zur Stadt und gab ihm nach der Tochter 
des Kaifers Auguftus den Namen Julias. 9 ) 

Seine Regierung war mild und friedlich, 10 ) fo dafc auch 
Jefus im Lande des Philippus eine ungeftorte Zufluchtsftatte 
finden konnte. Philippus brachte fein ganzes Leben in feiner 
Tetrardiie zu.. 

Er hat fidi befonders durch Eifer in der Rechtfprechung 
ausgezeichnet und deshalb, da damals nach romifcher An- 



l ) Dies ergibt ftch aus Jofephus, der Ant. 17, 8, 1 Qaulanitis, Tra- 
chonitis, Batanaa und Panias, ebd. 17, 11, 4 Batanaa, Trachonitis, Aura- 
nitis und einen Teil des Gebietes des Zenodorus, ebd. 4, 6 Trachonitis, 
Qaulanitis und Batanaa, B. J. 2, 6, 3 Batanaa, Trachonitis, Auranitis und 
Teile des Gebietes des Zenodorus bei Panias (im Texte fteht hier irrtum- 
lich 'Tdfjivtav ftatt HavidSa) als Beftandteile der Tetrarchie angibt VgL 
fiber die Landfchaften o. S. 80 ff. 

*) Ober Jofephus J. Anm. 1 u. S. 82, 2; uber Philo \. o. S. 82, 2. 

3 ) Luc. 3, 1. Vgl. zu der Stelle o. S. 82, 2. 

4 ) B. J. 3, 3, 5. Ober die Anfiedlungen von Idumaern und baby- 
lonifchen Juden durch Herodes in der Trachonitis vgl. o. S. 128. 

5 ) Ant. 17, 1, 3. B. J. 1, 28, 4. 
) Ant. 1. c. B. J. 1, 31, 1. 

7 ) Vgl. o. S. 41 f. 
s ) Matth. 16, 13. Marc. 8, 27. 
u ) S. o. S. 43, 3. 
10 ) Ant. 18, 4, 6. 



182 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

fchauung die formelle Gultigkeit eines Riditerfpruches da- 
durdi bedingt war, 1 ) daft der Richter bei der Fallung des- 
felben auf der sella curulis fafr, auf feinen Reifen, die er ge- 
wohnlich nur in Begleitung einiger Freunde zu machen pflegte, 
den Richterftuhl mil fich gefiihrt, um fo iiberall, wo feine 
Hilfe verlangt wurde, Redit fprechen zu konnen. a ) 

Politifch war er den Romern treu ergeben, wie [ich auch 
in der Benennung der Stadte Cafarea und Julias zeigt. Seine 
Munzen zeigen teils den Kopf des Augustus teils des Tiberius. 3 ) 
Bei einem iudifchen Fiirften konnte da auffallend erfcheinen, 
allein bei Philippus erklart es fieh aus dem vorwiegend heid- 
nifchen Charakter feines Gebietes. 

Erwar vermahlt mil der aus dem Evangelium bekannten 
Tanzerin Salome, der Tochter feines Stiefbruders Herodes 
und der Herodias, ftarb aber, ohne Kinder zu hinterlaffen 4 ), 
im Jahre 34 n. Chr. 5 ) 

Sein Reidi blieb zunachft mit der Provinz Syrien un- 
mittelbar verbunden, 6 ) bis es im Jahre 37 von Caligula dem 
Agrippa I. fiberwiefen wurde. 7 ) 

4. Herodes Antipas, Vierfflrft von Galilaa und Peraa 
vom Jahre 4 v. Chr. bis 40 n. Chr. 

Der im Neuen Teftamente als Vierfurft von Galilaa 8 ) oft 
genannte Herrfcher, der iibrigens dort gerade fo wie auf 
feinen Miinzen 9 ) ohne weiteren Beinamen nur Herodes heigt, 

Vgl. Mommfen, RStR 1, 399 ff. Beifpiele f. Matth. 27, 19. Job. 
19, 13. Apg. 25, 6. 

") Ant. 18, 4, 6. 

3 ) Auf der andern Seite haben [ie das Bild eines Tempels mit der 
Auffchrift QtUnnov Teif>d(rx ov - Madden, Coins of the Jews, p. 123127. 

*) Ant. 18, 5, 4. 

5 ) Nadi Ant. 18, 4, 6 im 20. Jahre des Tiberius (deffen Regierung 
am 19. Auguft d. J. 14 n. Chr. begann) nadi 37jahriger Regierung. Ober 
eine Munze aus dem 37. Jahre des Philippus vgl. Madden, History of 
Jewish coinage and of money in the Old and New Testament. L. 1864, 
p. 102. 

6 ) Ant. 18, 4, 6. 

7 ) Vgl. u. S. 200. 

8 ) Matth. 14, 1-11. Marc. 6, 14-28; 8, 15. Luc. 3, 1. 19 f.; 8, 3; 
9, 7-9; 13, 31 f.; 23, 7. 12. 15. Apg. 4, 27; 13, 1. 

9 ) Vgl. u. S. 195, 1. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 183 

trat naeh der Beftatigung des Teftamentes feines Vaters die 
Herrfchaft fiber die beiden fruchtbaren Provinzen an, von 
denen Galilaa wenigftens zum Teil didit bevolkert war. 

Wie fein Bruder Ardielaus war Herodes Antipas in Rom Sein 
erzogen. 1 ) Im allgemeinen energielos und apathifch, 2 ) ober- Charakter. 
flachlich und verweichlicht kommt er einem wie ein an das 
Serailleben gewohnter fchlaffer Sultan vor, dem es aber an 
einer gewifien Schlauheit 3 ) nicht fehlte. Von feinem Vater 
hatte er die Bauluft geerbt, deren Befriedigung aber zugleich Seine Bauten. 
als fcbmeidilerifche den Romern dargebrachte Huldigung die- 
nen mugte. Denn als er die Stadt Sepphoris mit'Mauern um- 
gab, weihte er fie zugleich dem Kaifer; 4 ) als er zum Schutje 
gegen die Einfalle der Araber im fudlichen Peraa das alte 
Beth Haram befeftigte, nannte er es zu Ehren der Kaiferin 
Mutter Livias Oder Julias. 5 ) Sein Hauptbau war die von 
ihm am See Genefareth gegriindete Stadt Tiberias, die er 
zu Ehren des Kaifers Tiberius benannt hatte und zu feiner Re- 
fidenz erkor, fo daft fie die Hauptftadt von Galilaa wurde. 6 ) Die 
urfprungliche Bevolkerung be[tand aus zufammengelaufenen 
Fremden und zur Anfiedlung gezwungenen Untertanen des 
Herodes, und fogar im Lande aufgegriffenen Bettlern, welche 
durch Wohnfi^e, Freiheiten und Vorrechte an die Stadt ge- 
feflelt werden follten. Allein die echten Juden mieden die 
zum Teil auf einem Grabfeld erbaute Stadt, obgleich Antipas 
auch eine fur eine fehr grofce Volksmenge ausreichende Syna- 
goge darin hatte bauen laffen. 7 ) 

Mit dem romifdien Landpfleger Pilatus ift er zeitweife Steiiung zu 
verfeindet gewefen, 8 ) vielleicht weil diefer Galilaer, welche im 

1 ) Jos. Ant. 17, 1, 3. 

2 ) Ant. 18, 7, 2. 

3 ) Vgl. Luc. 13, 32. 

*) Ant. 18, 2, 1. Ygl. o. S. 45. 

5 ) Ant. 18, 2, 1. B. J. 2, 9, 1. Vgl. Eufeb. Onom. p. 48. Hier. 
Onom. p. 49 und zu Julias oder Livias uberhaupt Schfirer II, 213216 
S. o. S. 159, 1. Die Kaiferin Livia ift erft im Jahre 29 n. Chr. geftorben. 

) S. o. S. 44 f. 

7 ) Ant. 18, 2, 3. B. J. 2, 9, 1. Vita 54. Zur Annahme (von W. Otto, 
Herodes S. 183), dafo Ant. 1. c. unter cino^oi nicht Bettler, fondern Leute ver- 
ftanden waren, welche das fur Liturgien erforderliche VermOgen nicht 
befagen, liegt kein Grund vor. 

8 ) Luc. 23, 12. 



184 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Tempel opferten, hatte niedermetjeln laffen, 1 ) wahrfcheinlich 
aber wohl, well er fich an der Klage gegen diefen wegen 
der Anbringung der Weihefchilde beteiligt hatte. 2 ) 

Unbeiiebtj>ei Wie in diefem Falle, fo hat aucii Herodes Antipas fonft 
den Juden. gewifle Ruckfichten auf die Juden genommen, fo z. B. liefc 
er auf feinen Munzen, obwohl fie teilweife den Namen des 
Kaifers trugen, wenigftens kein Bild anbringen. 3 ) Audi kam 
er zu den judifdien Feften nach Jerufalem. 4 ) Aber fchon als 
Sohn eines Idumaers und einer Samariterin 5 ) konnte er bei 
den Juden nicht beliebt fein, wie denn audi der Evangelift 
die Anhanger des Vierfiirften mit dem Parteinamen ,,die 
Herodianer" bezeiehnet. 6 ) 

Seine Verbin- Das Ungliiek feines Lebens war feine blutfchanderifche 
dung mit Verbindung mit der Herodias, einer Enkelin des Herodes I. 
Herodias. durch ihren Vater fatyo^ un d der Salome und des Koftobar 

durch ihre Mutter Berenice. Sie war vermahlt mit dem Stief- 
bruder des Antipas, Philip.pus, 7 ) in deffen Haus Antipas 

') Luc. 13, i. 
*) S. o. S. 174. 

3 ) S. u. S. 195, 2. 

4 ) Luc. 23, 7 ff. 

5 ) S. o. S. 137. 

6 ) Marc. 3, 6; 12, 13. Vgl. Matth. 22, 16. 

7 ) Marc. 6, 17. Vgl. Matth. 14, 3 und Luc. 3, 19. Dag diefer der 
Tetrarch Philippus war, fagt Markus nicht. Jofephus Ant. 18, 5, 4, vgl. 
ebd. 5, 1, nennt inn ,,Herodes, einen Sohn des Herodes des Grogen und 
der Mariamme, der Tochter des Hohenpriefters Simon". Hieraus haben 
manche, z. B Winer BRWB Art. ,,Philippus" mit Reeht gefchloffen, dag er 
Herodes Philippus hieg. Schiirer 1, 435, 19 will dies allerdings nicht 
gelten laffen und ein Verfehen des Evangeliften Markus annehmen, J. Duret 
(Der Tetrarch Philippus mit Bezug auf Marc. 6, 17 und die eigentliche 
Veranlaffung zur Enthauptung desTaufers Johannes. Luzern 1902. Separat- 
abdruck aus den kathol. Schweizerblattern) aber als erften Gemahl der 
Herodias den Tetrarch Philippus erweifen. Jofephus, Jo meint Duret, 
habe den Sachverhalt im Intereffe der Salome, welche eine Tochter der 
Herodias und des Antipas gewefen fei (hiergegen ift aber Ant. 18, 5, 4, 
wonach die Herodias aus ihrer erften Ehe eine Tochter Salome hatte, und 
das Evangelium, worin fie Tochter der Herodias genannt wird, f. S. 191, 4) 
und fpater den erften Mann ihrer Mutter, alfo ihren Stiefvater Philippus 
geheiratet habe, verdunkelt. Der von Jofephus erwahnte Herodes (jun.) 
fei fchon im Jahre 6 tot gewefen, da von der Zeit an Jofephus den 
Herodes Antipas blog noch Herodes genannt habe, weil der Herodes 
(junior) nicht mehr exiftiert habe. Allein Jofephus nennt ihn vielmehr 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 185 

auf einer Reife nach Rom, vermutlich wohnte Philippus zu 
Rom felbft, in heftiger Liebe entbrannt war. 1 ) Er kam mit 
ihr uberein, fie nadi feiner Ruckkehr fofort in fein Haus 
aufzunehmen, vorher aber feine eigene Frau zu verftofeen. 
Antipas war namlich verheiratet mit einer Nabataerin, einer 
Tochter des Konigs Aretas IV, und lebte fomit in einer 
ehelichen Verbindung, welche politifch vorteilhaft war, in- 
fofern als dadurch das Oftjordanland vor den arabifchen An- 
griffen gefchutjt war. Ohne Zweifel waren mit der Tochter 
des Aretas auch einzelne Nabataer an den Hof des Antipas 
gekommen, wozu der aus dem Evangelium 2 ) bekannte Chuza 
gehort haben durfte. 3 ) Sie erfuhr nun zeitig das zwifdien 

,,Herodes, der Tetrarch", vgl. z. B. Ant. 18, 2, 3. 4, 5. 5, 1 etc. Wenn 
er aber B. J. 2, 9, 1 fagt, nach der Verwandlung der Ethnarchie des 
Archelaus in eine Provinz hatten n die ubrigen Philippus und Herodes 
mit dem Beinamen Antipas ihre Tetrarchien verwaltet" , fo wird doch da- 
durch nicht ausgefchloffen, dag auch noch andere .nicht zu Herrfchern be- 
ftimmte Verwandte lebten. Dag folche noch lebten, fagt ausdriicklich Ant. 
17, 11, 5. Auch W. Otto, Herodes S. 199 will den Doppelnamen Herodes 
Philippus fur den erften Mann der Herodias nicht gelten laffen, Der 
eine Grund ift, weil Doppelnamen fich von Haus aus bei den Herodeern 
nicht fanden. Allein geradefo gut wie Herodes Archelaus und Herodes 
Antipas zwei Namen fuhrten, konnte dies ihr Stiefbruder Philippus tun. 
Der andere Grund, dag im Neuen Teftament ,,gerade die Individualnamen 
gegeniiber den Dynaftienamen zuriicktreten," z. B. bei Herodes Antipas, 
beriickfichtigt nicht die Tatfache, dag z. B. Matth. 6, 14 von ,,K6nig He- 
rodes" gefprochen wird, ebenfo 2, 1. Vgl. auch Matth. 2, 22 fiber 
Archelaus u. Matth. 14, 1. Luc. 3, 1, 19. 9, 7 iiber den ,,Tetrarchen Herodes." 
- Es fteht auch nichts der Annahme entgegen, dag es zwei Bruder mit 
Namen Philippus gab, geradefo, wie zwei den Namen Herodes fuhrten 
(Ant. 18, 5, 4), obwohl Herodes geradefowenig ein Familienname ift wie 
Philippus. Daran andert fiir die eigenen Sohne des Herodes die Tat- 
fache, dag diefer der Stammvater einer Dynaftie wurde, nichts. 

a ) Dagegen ift nicht Ant. 18, 5, 1: (?rAAo^evo? d'eni 'Pw^;/c, xazceysrat 
ev 'H(>(t>-dv cidektpov. 

2 ) Luc. 8, 3. 

3 ) F. G. Burkitt, The Expositor 1899, Febr. weift auf eine in Cooks 
Glossary of the Aramaic inscriptions angefuhrte Grabfchrift aus dem 
erften Jahrhundert zu El-Hegr in Arabien hin: ,,Dem Hagyan, Sohn des 
Kuza (= Chuza)' feine Nachkommenfchaft." (Vgl. The Biblical World, 
1899, p. 198.) Chuza wird im Martyrologium Rom. zum 24. Mai erwahnt. 
In dem fyrifchen Verzeichnis der Jttnger Jefu, welches fich in der aus 
der erften Haffte des 13. Jahrh. ftammenden Schrift des Salomo von 
Bafforah ,,die Biene" (in der Sammlung der Anecdota Oxoniensia, 



186 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

ihrem Manne und der Herodias getroffene Abkommen, er- 
fuchtejhren Mann, 1 ) nadidem lie fdion vorher nadi Macharus 
und in das ihrem Vater untertanige Gebiet 2 ) Boten gefandt 
und der ,,Stratege" des Aretas alles zur Abreife Notwendige 
vorbereitet hatte, :l ) fie in die Grenzfeftung Macharus, wofelbft 
[ie dem arabifchen Gebiete ganz nahe war, bringen zu laffen, 
und entfloh von dort nach Arabien, von den Strategen ihres 
Vaters geleitet, und eroffnete letjterem die Plane des Herodes. 
Aretas verfchob die Rache fur den feiner Tochter'angetanen 
Schimpf auf eine gunftige Zeit, verwirklichte fie aber, wie 
weiter unten berichtet werden wird, erft im Jahre 36, in 
welchem er dem Herodes in der Schlacht bei Gamala eine 
fchwere Niederlage beibrachte. 4 ) 

Nach der Flucht feiner Gemahlin heiratete Antipas die 
Herodias, ein leidenfchaftliches, rankevolles, ehrgeiziges und 
graufames Weib, welches den Charakter des Herodes, aber 
ohne feine Schlauheit, befafc. 

Johannes der Um jene Zeit, als Antipas diefe 'ehebrecherifche Verbin- 
Taufer. dung eingin^ war es, dafc der groge Bufcprediger und Vor- 
laufer des Herrn, Johannes der Taufer, zuerft in der Wiifte 
von Judaa, dann in der ganzen Gegend des Jordans auf- 
trat und im Geifte und der Kraft des Elias wirkte. Selbft 
der jiidifche Gefchichtfchreiber Jofephus bezeugt, dafe Jo- 



Semitic series vol. I P. 11, neu herausgegeben, englifch und fyrifch, von 
Ernft A. Wallis Budge, Oxford 1886, p. 103-115 der engl. Uberfetying) 
findet, wird Chuza als Apoftel von Ptolemais genannt. Einige, z. B. 
Haneberg, Schegg und Le Camus identifizieren inn mit dem Apg. 13, 1 er- 
wahnten Manahen. 
') Ant. 18, 5, 1. 

2 ) Nach alien Handfchriften ift mit Niefe zu lefen: v els rov Maxai- 
Qovvm T(O Te TifuzQl arr^s v'TroreAci*. Demzufolge tiberfe^t auch Schurer 1, 
436, 20: ,,nach Macharus und an das ihrem Vater Untertanige (an die 
ihrem Vater untertanigen Stamme)". Da Herodes felbft feine Frau nach 
Macharus bringen lagt und diefe von dort nach Arabien flieht, und Ant. 
18, 5, 2 von Macharus ausdrucklich gefagt wird, dag es dem Herodes 
gehorte (18, 5, 1 heigt es nur nt&nQiov TIJ? rt 'Agfaa, *ai 'Hgwdov p/^?), 
kann die Feftung damals nicht dem Aretas gehOrt haben. S. f. Anm. 

3 ) Gemeint ift der Scheich (Stratege) des benachbarten arabifchen 
Diftrikts, obwohl auch ein Beamter des Aretas in Macharus zur Wanning 
der Handelsintereffen der Nabataer gewohnt haben mag. 

* S. u. S. 191 f. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 187 

hannes der Taufer ein gerechter Mann" war, der ,,die Juden 
anhielt, der Tugend nachzuftreben, gegen ihre Nachften Ge- 
reditigkeit und gegen Gott Frommigkeit zu uben und fo zur 
Taufe zu kommen." 1 ) Aller Wahrfcheinlichkeit nach i[t der 
Anfang feiner Tatigkeit, 2 ) da er trachten mufcte, eine langere 
Wirkungszeit bis zur trockenen Sommerzeit zu haben, in 
den Herbft zu verlegen. In der heifren Jahreszeit ift ja 
ohnehin das Zufammenftromen grower Volksmaffen im Ghor 
des Jordans, wie fie die Wirkfamkeit des Taufers hervor- 
rief, undenkbar. Sie war erfolgt, wie Lukas fagt, 3 ) im 
funfzehnten Jahre der Regierung des Kaifers Tiberius, als 
Pontius Pilatus Landpfleger von Judaa war, d. h. da der 
Evangelift die Regierungsjahre des Tiberius von dem An- 
tritt feiner Regierung -als Mitregent des Auguftus zahlt, im 
Herbfte des Jahres 26 n. Chr. 4 ) Seine grogartige Wirkfam- 



') Ant. 18, 5, 2. Die dem Origenes bekannte Stelle (c. Gels. 1, 47), 
weldie auch Eufebius (H. E. 1, 11, 4-6. Demonstr. evang. IX, 5, 15) 
anfiihrt, wird faft allgemein als echt angefehen. Dag der Taufer der 
Prophet des kommenden Meffias war, verfchweigt Jofephus. Er hat auch 
die Johannestauf e nicht richtig verftanden, wie feine weiteren Bemerkungen : 
,,Denn fo werde auch die Taufe Gott angenehm fein, indem fie diefelbe 
nicht zur Suhne fur ihre Vergehen anwendeten, fondern zur Heiligung 
des Leibes, da ja dann fchon die Seele durch Gerechtigkeit gereinigt fei" 
zeigen. Denn ebenfowenig wie die Johannestaufe von der Stinde reinigte, 
fetjte fie eine Entfiindigung bereits voraus, bereitete vielmehr auf eine 
folche in der mefjianifchen Geiftestaufe vor. 

2 ) Vgl. Matth. 3, 1 ff. Marc. 1, 1-11. Luc. 3, 1 ff. 

3 ) Luc. 3, 1. 

*) Wie es verfchiedene Arten gibt, den Anfang der Regierung des 
Auguftus zu beftimmen (vgl. Zumpt, Das Geburtsjahr Chrifti. L. 1869, 
S. 286), fo kann man auch den Regierungsantritt des Tiberius entweder 
vom Tode des Auguftus an (19. Auguft 767 U. -C. = 14 n. Chr.) oder 
von dem Jahre, in welchem er Mitregent des Auguftus wurde, beftimmen 
(vgl. Zumpt 1. c., S. 289 ff.). Nach Sueton. Tib. 21 wurde durch die 
Confuln ein Gefeij gegeben, dag Tiberius die Provinzen gemeinfam mit 
Auguftus verwalten follte. Wie wir aus Vellejus (Hist. rom. 2, 121) 
wiffen, erhielt dadurch Tiberius gleiche Rechte wie Auguftus ,,in alien 
Provinzen und beim Heere", alfo auch in der kaiferlichen Provinz Syrien 
(vgl. Mommfen RStR 2, 1145 ff.). Diefem Sachverhalt entfpricht es, dag 
ihn auch Tacitus (Ann. 1, 3) collega imperii nennt (vgl. auch Monum. 
Ancyr. Lat. 2, 8. Graec. 4, 22 und dazu Mommfen, Res divi Aug., p. 31. 38). 

Lukas hat nicht vom Tode des Auguftus an gerechnet, wenn er fagt 
(Luc. 3, 23), Jefus fei bei feinem erften Erfcheinen am Jordan ungefahr 



188 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefcbichte der Juden etc. 

keit hat, wie fich aus der Heiligen Sdirift ergibt, wenigftens 

30 Jahre alt gewefen. Denn fonft waren damals feit Jefu Geburt, die 
fpateftens gegen Ende des Jahres 749 U. C. vor dem Tode des Herodes 
(im Jahre 750 U. C.) fallen mug, bis zum 15. Jahre des Tiberius 33 Jahre 
verfloffen gewefen. Zahlt er aber die Jahre, in denen Tiberius fur das 
judifche Volk und die Provinzeh flberhaupt Mitregent war, ift alles in 
Ordnung. Denn das Gefetj iiber die Mitregentfehaft des Tiberius und 
damit der Antritt desfelben ijt nadi Vellejus (1. c.) und nach Suetonius 
(1. c. 19-21) einige Zeit vor dem Triumphe gefallen, den Tiberius nach 
feiner Ruckkehr aus Deutfchland am 16. Januar des Jahres 12 n. Chr. 
(vgl. die fasti Praenestini bei Orelli, Inscript. lat. II, 382) feierte (vgl. 
audi Dio Cass. 56, 25, wonach Tiberius bis zum Herbfte des Jahres 764 
U. G. in Germanien weilte und dann nach Rom zuruckkehrte). Somit 
fing das 15. Jahr des Tiberius Anfang 27 oder, wie wahrfcheinlicher ift, 
Ende 26 an. Denn die Taufe Jefu im Jordan mug im Spatherbft 26 
oder Anfang 27 erfolgt fein, weil zwifdien ihr und dem erften Ofterfeft 
des Offentlichen Lebens Jefu (Joh. 2, 13) im Jahre 27 (780 U. C.) der 
40tagige Aufenthalt in der Wiifte und die Reife nach Cana in Galilaa 
und die Ruckkehr nach Jerufalem zum Ofterfeft liegt. Die weiteren Ofter- 
fefte fallen in die Jahre 781 (Joh. 5, 1 ff.), 782 (Joh. 6, 4) und 783. Der 
Oftertag des Jahres 783, namlieh der 15. "Nifan, fiel auf einen Freitag 
und entfpricht unferm 7. April 30. Dies ift der Todestag des Herrn. 
Vgl. u. a. Achelis, Bin Verfuch, den Karfreitag zu datieren, Nachrichten 
der Gott. Gefellfch. der Wiffenfch., Philol. hist. Klasse, 1902 S. 707717; 
Ladeuze, La date de la mort du Christ, Rev. d'hist. eccl. Tome V. (1904), 
894 903 und die verfchiedenen Anfchauungen fiber ,,Die Dauer der offent- 
lichen Wirkfamkeit Jefu" u. a. in der gleichnamigen Studie von Dr. W. 
Homanner (= Bibl. Stud. XIII, 3), Munchen 1908 und den gleichnamigen 
Artikeln von Nagl in ,,Der Katholik", 1900, II, 200 ff., 318 ff., 417 ff., 
481 ff. 

Mommfen RStR 2 3 , 1159 fagt: ,,Die effektive Mitverwaltung aller 
Provinzen ,,gemeinfchaftlich" mit dem Kaifer ift nur ein einziges Mai und 
zwar dem Tiberius, geraume Zeit, nachdem er nicht blog die prokon- 
fularifche, fondern felbft die tribunizifche Gewalt erhalten hatte, nicht lange 
vor dem Tode des hochbejahrten Princeps, durch befonderen konfularifchen 
Volksbefchlug (vgl. Vellejus 1. c., Suetonius 1. c.) eingeraumt worden." 
Vgl. auch Pick, zur Titulatur der Flavier. Zeitfchrift filr Numismatik 13 
(Berlin 1885) 190 ff. 355 ff.; 14 (1887) 294 ff. Hiergegen fucht Hermann 
Dieckmann, Die effektive Mitregentfehaft des Tiberius (Klio, Beitrage zur 
alten Gefchichte, 15. Bd., L. 1918, S. 339-375; vgl. auch H. Dieckmann, 
Das funfzehnte Jahr, des Tiberius (Lk. 3, 1), Bibl. Zeitfchr. 16, 1922, 
S. 5465) zu zeigen, dag diefe keine wirkliche Teilnahme an der Ober- 
gewalt, fondern nur die feierliche Beftatigung der bisher fchon von 
Tiberius innegehabten Stellung als defignierter Princeps und Thronan- 
warter war. Handelte es fich aber z. B. bei Vellejus blog darum, fo 
fieht man nicht ein, weshalb denn diefe Tatfache fo befonders hervorge- 
hoben wird. Er begriindet den Volksbefchlug mit den Worten: ,,etenim 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 189 

ein Jahr gedauert. 1 ) Ein Ende wurde ihm gefetjt durch den 
Tetrardien Herodes Antipas felbft, der ihn ins Gefangnis 
werfen liejj, weil der grofee Prophet ihm gefagt, 2 ) er diirfe 



absurdum erat non esse sub illo, quae ab illo vindicabantur, et qui ad 
opem ferendam primus erat, ad vindicandum honorem non judicari parem". 
Die Tatfache, dag man die Regierung des Tiberius erft vom Tode des 
Auguftus (19. Aug. 14 n. Chr.) rechnete, erklart fich aus der uberwiegen- 
den Bedeutung des Auguftus und der Tatfache, dag die erwahnten Mag- 
r.egeln nicht lange vor feinem Tode fielen. Obrigens ift auch der Re- 
gierungsantritt des Auguftus verfchieden berechnet worden, bald vom 
Tode des Caefar, bald von der Schlacht bei Aktium u. f. w. Vgl. Knaben- 
bauer Evang. sec. Lucam, Paris 1896 p. 153. 

Eine andere LOfung der Schwierigkeit bietet Conr. Cichorius in der 
ZNW 22 Bd., 1923, S. 17-20. Seit den Unterfuchungen von Eckhel, 
Doctrina nummorum IV, 418 und den Ausfuhrungen von Mommfen 
RStR II 3 803 f. und Pick in Sallets numismat. Zeitfehrift XIV, 331 f. ftehe 
feft, dag in Syrien und damit ficher auch in Judaa eine befondere offizielle 
Zahlung der Regierungsjahre fur die r5m. Kaifer von Augustus bis Nerva 
in Gebrauch gewefen fei, welche befonders auf den Tetradrachmen von 
Antiochia vorkomme. Fur diefe Zeit fei (Mommfen S. 803 fagt ,,ver- 
mutlich") als erftes Regierungsjahr die Zeit vom Antritt der Regierung 
bis zum nachften 1. Oktober, dem fyrifchen Neujahr, gerechnet worden, 
das zweite Regierungsjahr ift dann das mit dem 1. Oktober beginnende, 
welches wie alle weiteren mit dem alten fyrifch-feleukidifchen Jahr zu- 
fammenfalle. (In Agypten rechnete man ahnlich, nur trat an die Stelle 
des 1. Oktober vielmehr das agyptifche Neujahr, der 29/30. Auguft. 
S. Mommfen S. 804). 

Da nun Tiberius am 19. Aug. 14 den Thron beftieg, rechnete man 
nach fyrifcher Zahlung fein erftes Regierungsjahr vom 19. Aug. 1. Okt. 14; 
das zweite vom 1. Oktober 14 1. Oktober 15 und das 15-te Jahr 
vom 1. Okt. 27 1. Oktober 28. Jefus ift nun, da Herodes kurz vor 
Oftern des J. 4 v. Chr. [= 10. April 4] (vgl. o. S. 144 ff.) ftarb, fpateftens urn 
den Marz 4 v. Chr. geboren. Als er anting zu lehren, war er ,,ungefahr 
30 Jahre alt." Luk. 3, 23. War er im April 4 geboren, dann wurde 
er im April 27 n. Chr. 30 Jahre alt. Lukas fagt aber nur, er fei ,,un- 
gefahr 30 Jahre alt" gewefen. Nimmt man nun an, ,,der fpatefte mOgliche 
Zeitraum, zu dem Jefus als 30 Jahre alt bezeichnet fein konnte, wenn er 
noch bei Lebzeiten des Herodes geboren war," fei ,,der von April 27 
April 28", fo wurden allerdings ,,die letjten Monate d. h. Oktober 27 - 
April 28" noch in das 15. Regierungsjahr des Tiberius fallen und damit 
n jeder Widerfpruch zwifchen den beiden Stellen des Lukas (3, 1 und 3, 23) 
befeitigt" fein (Cichorius S. 19). 

') Die Zeit der Gefangennehmung des Taufers (vgl. Luc. 3, 19 f. 
Matth. 14, 35, Marc. 6, 17-20) fallt in den Herbft des Jahres 27. 
Denn da Jefus auf die Kunde von der Gefangennehmung Judaa verlieg 



190 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc, 

nidit gegen das Gefetj 1 ) feines Bruders Weib nodi dazu 
in doppeltem Ehebruch haben. Ausgeliefert aber haben 
nach der Heiligen Schrift dem Herodes den Johannes die 
Pharifaer, 2 ) die fich durdi feine ftrengen Bu&worte veriest 
fiihlten und auf feinen Einflufc eiferfuchtig waren. Nach Jo- 
fephus 3 ) ware der Grund der Einkerkerung und auch der 
fchlie&lichen Hinrichtung des Taufers die Furcht des Herodes 
gewefen, der Einflujg; eines folchen Mannes konne die Menge 
leicht zu einem Aufftande verleiten. Dann ware die Tat eine 
blofte politifche Vorfichts- und Willkurmafcregel gewefen. Ver- 
mutlich liegt aber die Sache fo, daft zu dem Groll des Te- 
trarchen gegen den Taufer wegen deffen Kiihnheit noch die 
Furcht vor politifchen Unruhen, die durch dejfen freies Wort 
erregt werden kohnten, hinzukam. Diefe Furcht 4 ) hat Anti- 
pas langere Zeit abgehalten, trots des Einfluffes feines rach- 
ffichtigen Weibes, 5 ) den Johannes, deffen Heiligkeit auch ihm 
Ehrfurcht abzwang, 6 ) aus dem Leben zu fchaffen, fo dafc 
diefer faft ein ganzes Jahr im Kerker gefeffen hat. 7 ) Diefer 



und auf der Reife nach Galilaa (Matth. 4, 12. Marc. 1, 14. Luc. 4, 14. 
Job. 4, 13) in Samaria war, waren es noch vier Monate bis zur Ernte 
(Jon. 4, 35). Die Ernte beginnt aber Mitte April (am 16. Nifan wurde 
die Erftlingsgabe im Tempel dargebracht, Lev. 23, 10 ff. Ant. 3, 10, 5), 
fo dag es alfo damals Dezember war. Vgl. die Kommentare von Schanz, 
Knabenbauer u. v. a. 

2 ) Matth. 14, 3 ff. Marc. 6, 17 ff. Luc. 3, 19 f. 

1) Lev. 18, 16. 

2 ) S. Matth. 4, 12; 17, 12 f. und Joh. 4, 1-3. Vgl. Th. Inni^er, 
Johannes der Taufer, Wien 1908, S. 305 f. 

3 ) Ant. 18, 5, 2. 

4 ) Matth. 14, 5. 

5 ) Marc. 6, 19. 

6 ) Marc. 6, 20. Danach unterhielt fich Antipas mit dem Taufer, 
ahnlich wie einft der Konig Sedecias den von ihm in den Kerker ge- 
worfenen Jeremias um Rat fragte. Vgl. Jerem. 32, 2 f.; 37, 16 f. 

7 ) Dag Johannes einige Zeit im Kerker zugebracht hat, folgt aus 
der Gefandtfchaft an Jefus (Matth. 11, 2-19. Luc. 7, 18-35) und der 
Nachricht fiber feinen Verkehr mit Antipas (Marc. 6, 20). Die Gefandt- 
fchaft fallt, wie ein Vergleich von Luc. 6, 1 mit 7, 18 zeigt, nach dem 
zweiten Ofterfeft (781 U. C.). Wenn damals Jefus vom Taufer fagte, M er 
war eine Leuchte" (Joh. 5, 35), fo hieg das nicht, er fei tot, fondern nur, 
er habe aufgehOrt, eine folche Leuchte fur das Volk zu fein, was aber 
Jchon durch feine Einkerkerung der Fall war. Da nun die Ausfendung 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Ghr. 191 

befand fich nach Jofephus 1 ) zu Macharus am Toten Meere, 
einem auf einer faft unzuganglichen, auf drei Seiten von 
tiefen Abgrunden umgebenen Felfenhohe gelegenen Orte, 
den Herodes I. durch kiinftliche Mauern und Turme nodi un- 
angreifbarer hatte machen laffen. Um die eigentliche Burg 
war, da der Plat* tiefe Zifternen hatte, zur Zeit des Hero- 
des I. eine kleine Stadt entftanden, und der Konig hatte fich 
dort ahnlich wie auf Mafada einen fchonen und geraumigen 
Palaft erbauen laffen. 2 ) 

Hier hat aueh allem Anfcheine nadi das Mahl ftattgefun- 
den, welches der Vierfiirft an feinem Geburtstage 3 ) den Spitjen 
der Zivil- und Militarbehorden und den Vornehmften von 
Galilaa und PerSa gab, bei welchem er grofcfprecherifch der 
fchon erwachfenen Tochter der Herodias, der felbft als 
Tanzerin auftretenden Salome, verfpradi, ihr zu geben, was 
immer fie von ihm verlange, fei es auch die Halfte feines 
Konigreiehes. Sie aber ging zu ihrer Mutter und auf deren 
Rat verlangte fie, dafc ihr auf einer Schuffel das Haupt Jo- 
hannes des Taufers gegeben werde, was denn auch wirk- 
lich gefchehen ift. 4 ) So ftarb der grofjte vom Weibe ge- 

der Apoftel (Marc. 6, 7-13. Vgl. Matth. 10, 1, 514 und Luc. 9, 16) 
vor der Enthauptung des Taufers ftattfand und Jefus auf die Kunde da- 
von (Matth. 14, 13. Luc. 9, 6-10. Vgl. Marc. 6, 29 f.) die wieder zu- 
riickgekehrten Apoftel mit fich nach Bethfaida nahm, vor der wunderbaren 
Brotvermehrung (Joh. 6, 2-15. Luc. 9, 1117. Marc. 6, 33-46. Matth. 
14, 13-23) und dem dritten Ofterfeft (Joh. 6, 4), folgt, dag die Ent- 
hauptung zwifchen dem zweiten und dritten Ofterfeft des Offentlichen 
Lebens Jefu ftattfand. Vgl. auch Innitjer, 366 ff. 

l ) Ant. 18, 5, 2. 

") B. J. 7, 6, 1-2. Vgl. o. S. 84. 

3 ) Vgl. Matth. 14, 6 ^svtaioiq (Vulg. die natalis) und Marc. 6, 21 
roi? yfvseiint: (Vulg. natalis). In der Bedeutung ,,Tag des Regierungs- 
antrittes" ift ytvsala. iiberhaupt nicht nachweisbar. Vgl. Schurer I, 439, 27. 
Die nach Gen. 40, 20 fchon bei den alten agyptifchen KOnigen beftehende 
Sitte, den Geburtstag zu feiern, herrfchte bei den Herodeerfurften (vgl. 
Ant. 19, 7, 1 uber Agrippa) gerade fo wie die, den Tag des Regierungs- 
antrittes feftlich zu begehen (Ant. 15, 11, 6). Vgl Wilh. Schmidt, Ge- 
burtstag im Altertum (RVV Bd. 7, 1) Gieffen 1908; derfelbe, r tv sho? 
^nifja bei Pauly-Wissowa VII, 1135. Zur Erhartung der Glaubwurdig- 
keit der biblifchen Taufergefchichte, befonders des Auftretens der Salome 
als Tanzerin vgl. u. a. Hans Windifch, Zum Gaftmahl des Antipas in 
ZNTW, Gieffen 1917 (Jahrgang 18), 7381. 

*) Das Madchen verlangte, dag ihr fofort (vgl. Marc. 6, 25 



1 92 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

borne im Herbfte des Jahres 28 n. Chr. 1 ) durch die Radi- 
fucht eines hoehmutigen Weibes und die Sdiwachheit eines 
finnlich erregten toriditen Furften. 

Es pafct zum Charakter diefes Konigs, dag er den ihm 
von Pilatus zugefandten Heiland zwar nidit richtet, aber 
ebenfowenig einen Verfudi macht, ihn zu retten, und meint, 
der Gefangene werde ihm zuliebe einige Wunder tun, und 
als das nicht gefchieht, wagt, ihn zu verhohnen. 

Aretas hielt die Zeit zur Rache fur den feiner Tochter 
Antipas von angetanen Schimpf angebrochen, als er mit Antipas zu Grenz- 
Aretas bei [treitigkeiten in Gamalitis-) im Sudoften des Galilaifehen 
Gamaia be- Meeres gekommen war, da damals die Romer mit einer feit 
dem Tode des Germanikus im Jahre 19 unerhorten Energie 
von neuem in die Verhaltniffe Armeniens und des Oftens 

das Haupt gegeben werde. Das wurde fie aber fchwerlich verlangt haben, 
wenn erft der Henker etwa von Tiberias Oder von Sepphoris in den 
Kerker des Johannes nach Macharus hatte gefchickt werden miiffen. Neuer- 
dings ift Sollertinsky, The death of St. John the Baptist (Journal of theol. 
studies July 1900, p. 507-528' dafur eingetreten, daf3 der Taufer wahr- 
fcheinlich zu Sepphoris enthauptet worden fei. Allein es ift nicht einzu- 
fehen, warum nicht die Grogen Galilaas zu einem Fefte nach Macharus 
hatten eingeladen werden konnen. Fur Macharus auch Innitjer, S. 351 ff. 
Die Salome (die Lesart Marc. 6, 22 r^s frvyaTyo? nvruv 'Howdtoerfo? 
i[t nach den befferen Textzeugen zu verwerfen) heigt Matth. 14, 11. Marc. 
6, 22 xoQctaiov, Madchen. Sie hat jedenfalls bald nach der Enthauptung 
des Johannes den Tetrarchen Philippus geheiratet (S. o. S. 182). Nach 
deffen Tode heiratete fie, alfo doch nicht vor 35 n. Chr., den Sohn des 
Herodes von Chalcis, Ariftobul, welcher im Jahre 55 von Nero zum 
Konige von Kleinarmenien gemacht wurde (Ant. 20, 8, 4. B. J. 2, 13, 2. 
Tac. ann. 13, 7; 14, 26) und dem fie drei Sohne gebar (Ant. 18, 5, 4). 
Nichts weift darauf hin, dag fie alter war als Ariftobul, der aber nicht 
vor dem Jahre 10 n. Chr. geboren fein kann. Denn Herodes von Chalcis 
war jiinger als fein im Jahre 10 v. Chr. geborner Bruder Agrippa und 
alfo felbft fruheftens im Jahre 9 v. Chr. geboren. Ob die Mutter der 
Salome, Herodias, eine Schwefter des Agrippa, alter oder junger als 
diefer war, ift unbekannt. Nicephorus E. H. 1, 20 berichtet die Legende, 
Salome fei dadurch umgekommen, dag fie im Winter beim Oberfchreiten 
eines zugefrornen Fluffes durch das Eis brach und die Eisfchollen ihr 
den Kopf abfchnitten: 

') S. S. 190, 7. 

2 ) Ant. 18, 5, 1. Zu einer Anderung von Gamalitis in Galaaditis 
^Schurer 1, 445) liegt kein Grund vor. Denn dag Gamaia zu dem fruheren 
Herrfchaftsgebiet des Tetrarchen Philippus gehort hat, ift keineswegs 
ficher. Vgl. S. 80. 87. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 193 

eingriffen und den L. Vitellius, der von 3539 Statthalter 
der Provinz Syrien war, mit weitgehenden Vollmaditen aus- 
jtatteten. 1 ) Es kam im Jahre 36 zum Kriege und zur Schlacht 
bei Gamala, in weldier Antipas' Truppen vollftandig ge- 
fchlagen wurden. Das Volk erkannte darin die Strafe Goites 
fur die Ermordung des Taufers. Antipas aber verklagte in 
feiner ohnmaehtigen Wut den Aretas bei Tiberius, der nun 
allerdings voll Zorn fiber das Vorgehen des Aretas dem 
Vitellius Befehl gab, den Aretas gefangen zu nehmen oder 
zu toten. 2 ) Diefer riiftete zum Kriege und kam, wahrend 
fein Heer von Ptolemais an der Kiifte des Mittelmeeres vor- 
bei u.m Judaa herum nach Petra zog, felbft nach Jerufalem 
und verweilte dort aus Anlafc eines Feftes, wahrfcheinlicfa des 
Ofterfeftes, drei Tage. Am vierten Tage kam die Nachricht, 
Tiberius fei geftorben (am 16. Marz 37), 3 ) worauf Vitellius 
feine Vollmacht zum Kriege fur erlofchen erklarte und nach 
Antiochien zuriickkehrte. 4 ) Somit hatte Herodes Antipas das 
Nachfehen. 

Der neue Kaifer Caligula war feit feiner Jugend mit Das ungiuck- 
Agrippa, dem Bruder der Herodias, befreundet und gab, fo- liche Be ~ 

muhen des 
Antipas, die 

1 ) Tac. ann. 6, 32. Vgl. fiber die romifch-parthifche Gefchichte der Konigskrone 
damaligen Zeit Tac. ann. 6, 31-37 und 4144. Dio Cass. 58, 26. zuerlangen. 
S. Schiller, Gefch. der rom. Kaiferzeit 1, 270 ff. Mommfen, Rom. G. 

5, 375 ff. 

2 ) Ant. 18, 5. 1. 

3 ) Da fiir den Bericht des Antipas an den Kaifer und die Riiftungen 
des Vitellius einige Monate angefe^t werden miiffen, fiel fomit der Krieg 
mit Aretas ins Jahr 36. 

*) Ant. 18, 5, 3. Jofephus gibt Ant. 18, 4, 5 als Grund fur dief.es 
Verfahren des Vitellius deffen Unzufriedenheit fiber das Benehmen des 
Antipas bei einem friiheren Anlag an. Als namlich Vitellius mit dem 
parthifchen Konige Artabanus perfonlich aiif einer fiber den Euphrat , 
gefchlagenen Brficke fiber ein freundfchaftliches Verhaltnis unterhandelt 
hatte, habe Antipas der Vierfurft die beiden in einem auf der Brficke 
errichteten koftbaren Zelte bewirtet und den Kaifer durch einen Eilboten 
fiber alles fo genau unterrichtet, dafj des Vitellius Bericht fiberflfiffjg ge- 
worden fei. Darin habe diefer eine grofje Krankung erblickt. Nadi Dio 
Cass. 59, 27 und Sueton. Calig. 14 hat aber diefe Zufammenkunft zwi- 
fchen Artabanus und Vitellius erft unter Caligula ftattgefunden ; wohl aber 
hat Vitellius, wie Tac. ann. 6, 37 fagt, unter Tiberius den parthifchen 
Pratendenten Tiridates bis an den Euphrat geleitet. 

Felten, Neuteftamentlidie ZeitgefAichte. I. 2. u. 3. Aufl. 13 



194 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

bald er zur Regierung gekommen war, diefem die fruhere 
Tetrarchie des Philippus famt dem Konigstitel. 1 ) Dies war 
im Jahre 790 U. C. = 37 n. Chr. Allein Agrippa blieb einft- 
weilen noch in Rom und reifte erft im zweiten Jahre des 
Caligula (Marz 38 39) von Brindifi nach Alexandrien 2 ) und 
von dort nach Palaftina. 

Dort trat er im koniglichen Schmucke auf. und erregte 
dadurch fo fehr den Neid der Herodias, die es nidit ertragen 
konnte, dafe ihr Mann dem Agrippa nachftehen follte, dajj 
fie den Antipas fortwahrend drangte, nadi Italien zu reifen, 
um dort ebenfalls die konigliche Wurde zu erlangen. Antipas 
trat auch wirklieh nadi grofeen koftfpieligen Vorbereitungen, 
begleitet von der Herodias, die Reife an. Als er abgereift 
war, fchickte aber Agrippa feinen Freigelaffenen Fortunatus 3 ) 
an den Kaifer mit einer Anklagefchrift, worin Antipas be- 
fchuldigt wurde, fich fruher mit Sejanus (f 31) gegen die 
Herrfchaft des Tiberius, nun aber mit dem Partherkonig 
Artabanus gegen Cajus verfchworen zu haben. Fortunatus 
kam fo bald nadi Herodes in Puteoli an, daft er noch dem 
Kaifer, wahrend diefer den Antipas zu Baja empfing, die 
Anklagefchrift uberreichen konnte. Tatfachlidi hatte Antipas, 
fei es nun zum Kriege gegen Aretas, jei es, um im romifch- 
parthifchen Streit eine Rolle fpielen zu konnen, fur 70000 
Seine Ab- Mann Waffen aufgehauft. Das konnte er auch, als der Kaifer 
fe^ungund ihn dieferhalb befragte, nicht leugnen, woraufhin ihn Cali- 
Verbannung. gula fflr jfa u[ fi g an j ahj ihm j e i ne Tetrarchie abnahm, die 

nun Agrippa erhielt, und ihn in die Verbannung ,,nach Lug- 
dunum in Gallien" fchickte. 4 ) Der Kaifer wollte der Herodias 
als der Schwefter des Agrippa ihren Privatbefitj laffen und 

') Ant. 18, 6, 10. Philo in Place.. c. 5. 

2 ) Ant. 18, 6, 11. Philo in Place. 5 erwahnt, dag Agrippa auf der 
* Reife nach Alexandria die initial benutjte, eine Art Paf[atwinde, welche 

vom 20. Juli an 30 Tage wehen. Vgl. Plin. N. H. 2, 47. 18, 28. 

3 ) Ant. 18, 7, 2. Nach B. J. 2, 9, 6 ware Agrippa felbft dem Anti- 
pas nachgereift. 

*) Ant. 18, 7, 2; in B. J. 2, 9, 6 fteht aber ti? 'lanaviar. Einige, 
z. B. Schiller I, 383, auch Kellner, Jefus von Nazareth S. 100, 6 wollen 
hieraus fchliejgen, dag nicht Lyon, fondern Lugdunum Convenarum in 
Aquitanien, d. h. Lugdunum im Lande der Convenen, in den Pyrenaen 
(jetjt St. Bertrand des Comminges) gemeint fei, weil die Lage leichter 
den in den Antiq. verbefferten Irrtum des Jofephus erklare. 



III. Kap. Palaftina bis zum Jahre 41 n. Chr. 195 

fie unter den Sdmtj ihres Bruders ftellen. Sie verfdimahte 
aber diefe Gnade und zog es vor, ihrem Manne in die Ver- 
bannung zu folgen, der einzige von ihr bekannte edelmutige 
Zug, woraufhin Cajus ihren Privatbefitj dem Agrippa fdienkte. 1 ) 

Die Abfetjung des Antipas erfolgte allem Anfcheine nach 
im Jahre 40 n. Chr. 2 ) 



5 ) Jos. Ant. 18, 7, 2. 

2 ) Qanz klar ift die Sadie nicht. Agrippa erhielt nach Ant. 19, 8, 2 
die Tetrarchie des Herodes im 4. Jahre des Caligula [dag er fie ein Jahr 
unter ihm regiert hat, fteht nicht da] = 16. Marz 4041. In Ant. 18, 7, 2 
ift aber die Sache fo dargeftellt, als ob die Obertraguag der Tetrarchie 
an Agrippa gleichzeitig mit der Abfetjung und Verbannung des Herodes 
erfolgt fei; diefe letjtere wird aber dort mit der Audienz in Verbindung 
gebracht, welche Antipas beim Kaifer zu Baja in Campanien hatte. Dag 
diefe ins Jahr 38 n. Chr. gefallen fei, ift fchon deshalb unmoglich, weil 
Agrippa erft gegen Ende des Jahres in Palaftina anlangte. Im Jahre 39 
war Cajus aber zweimal in Campanien (vgl. Dio Cass. 59, 13. 17), weilte 
danach an feinem Geburtstag, dem 31. Auguft (Dio Cass. 59, 20. Sueton. 
Calig. 26) in Rom und trat nun feinen Feldzug nach Gallien, Germanien 
und Britannien an (Dio Cass. 59, 21-25, Suet. 1. c. 17, 4349). Am 
1. Januar 40 war er in Lyon (Suet. Gal. 17) und hielt natali sua, d. h. 
am 31. Auguft 40 feinen Einzug in Rom (Suet. Calig. 49, vgl. ebd, 8). 
Vom Herbfte des Jahres 40 an bis zum Tode des Caligula war auch 
wieder Agrippa bei ihm (Philo Leg. ad Caj. 35 ff. Ant. 18, 8, 7 ff. Dio 
Cass. 59, 24), deffen Reife wohl die B. J. 2, 9, 6 gemeinte ift. Im Herbfte 
des Jahres 40 ift Agrippa nachweislich im Befitje von Galilaa (S. Philo 
Leg. ad Caj. 41). Es ergibt fich hieraus, dag, falls die Audienz des 
Antipas und des Fortunatus zu Baja im Jahre 39 ftattgefunden hat, ent- 
weder noch kein definitives Urteil fiber die Abfetjung des Antipas er- 
folgte, oder, falls dies gefchah, zwifchen der Abfetjung und der Obertragung 
der Tetrarchie an Aprippa, wie Schurer I, 448, 46 meint, mehrere Monate 
lagen, was unwahrfcheinlich ift. In beiden Fallen ift der Bericht des Jofe- 
phus Ant. 18, 7, 2 ungenau. Wahrfcheinlich erfolgte aber fowohl die Ab- 
fetjung des Antipas wie die Obertragung feiner Tetrarchie an Agrippa 
wahrend des gallifchen Feldzuges des Caligula im Jahre 40. Fur diefes 
Jahr fprechen auch die Mfinzen des Antipas. Auger Munzen feiner Re- 
gierung, welche auf der einen Seite die Auffchrift Howrfow Tez^n^xov mil 
den Jahreszahlen 33, 34, 37, 38, auf der andern Seite den Namen der 
Stadt Tiberias haben, gibt es auch folche mit der Auffchrift H^wdy? 
TtTyapxtjc auf der einen, und Fana Kainagt reypavixw auf der andern, 
wovon drei die Jahreszahl Mr = 43 (alfo 39/40 n. Chr.) tragen (Madden, 
Coins of the Jews 1881, p. 121 sq.). Es gab auch eine mit dem Datum 
M.A = 44 (vgl. daruber fchon Sanclemente, p. 315319 und Eck'hel, 
Doctr. Num. Ill, 487 sq.; f. auch Madden, 1. c., p. 122, fowie SchQrer I, 

13* 



196 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

416 f. 434. 448, der auch S. 417 iiber eine unechte Munze mit der Jahres- 
zahl 45 (ME) zu vergleichen ift). Kellner, Katholik, 1887 II 176 und Jefus 
von Naz., S. 102 will allerdings uberhaupt die Regierungsjahre des Antipas 
nicht vom Tode des Herodes an zahlen, da Antipas fchon vorher, nam- 
lich als Nachfolger feines Onkels Pheroras Tetrarch gewefen fei. Allein 
Jofephus fagt davon gar nichts, lagt vielmehr den Antipas erft nach dem 
Tode des Herodes Tetrarch werden (Ant. 17, 11, 4). 



IV. K a p i t e 1. 

Die Regierung des Konigs Herodes Agrippa I. vom 
Jahre 41 44. Sein Sohn Agrippa II. und andere 

Verwandte. 

1. K6nig Herodes Agrippa I. 1 ) 

SeinLeben . Die Lebensgefchichte diefes Enkels des Herodes I. und 

wie ein Ro- der Mariamme, des Sohnes des ungluddidien Prinzen Arifto- 

man - bul, Heft fich wie ein Roman. Bald am romifchen Hofe hoch 

geehrt, bald verbannt und auf der Flucht vor feinen Glau- 

bigern, wird Agrippa aus dem Gefangnis heraus auf einen 

Furftenthron berufen, greift in krilifcher Zeit erfolgreich in 

die Schickjale des romifdien Reiches felbft ein, veranlafet mittel- 

bar die Trennung der Apoftel und das Wirken des von ihm 

verfolgten Apoftels Petrus zu Rom und befchliefct ein aben- 

teuerliches Leben als Konig von Jerufalem. 

Erziehung Herodes Agrippa, im Neuen Teftament heifct er blofe 

und Leben zu Herodes, war als altefter 2 ) Sohn des Ariftobul und der 
Rom. Berenice, einer Tochter der Salome- und des Koftobar, im 
Jahre 10 v. Chr. geboren. 3 ) Seine Mutter fiedelte, ohne 
Zweifel mit Zuftimmung des Herodes, kurz vor de[fen Tode 
nadi Rom iiber und lebte dort in inniger Freundfchaft 4 ) mit 
der edlen Witwe des im Jahre 9 v. Chr. verftorbenen Clau- 
dius Nero Drufus Germanicus, der Schwagerin des Kaifers 



') Quellen Jos. Ant. 18, 6. 19, 5-9. B. J. 2, 9. 11. Philo in Flaccum 
und Leg. ad Cajum. Apoftelgefchichte Kap. 12. Ober feine Munzen f. u. 

*) Ant. 18, 5, 4. Vgl. B. J. 1, 28, 1, 
3 ) Ant. 19, 8, 2. 
*)'Ant. 18, 6, 1. 3. 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 197 

Tiberius, Antonia. Mit ihren zwei Sohnen, Germanicus 
Cafar und Claudius, und dem Sohne des Tiberius, dem 
jiingeren Drufus, 1 ) wuchs Agrippa auf. Er lernte, fidi 
mit grofcem Gefchick auf dem fchlupfrigen Hofpflafter be- 
wegen, lernte aber auch allerlei Lafter, wurde ein Ver- 
fchwender und hatte nach dem Tode feiner Mutter bald fein 
eigenes Vermogen durdigebradit und fich tief in Schulden 
gefturzt. Als nun im Jahre 23 n. Chr. Drufus durch Gift 
ftarb, Tiberius aber die Freunde des Verftorbenen, um nicht 
an deffen Andenken erinnert zu werden, nicht mehr fehen 
wollte, konnte fich Agrippa fchon aus Armut nicht langer in 
Rom halten 2 ) und fchiffte fich, um feinen GlSubigern zu ent- 
gehen, nach Judaa ein. 

Er begab fich in einen einfamen Burgflecken Idumaas, Agrippa ais 
namens Malatha, und wollte fein Leben durch Selbftmord Marktauf- 
endigen. Da wurde feine Gemahlin Kypros, ebenfalls eine ^ her von 

Tiberias 

Herodeerin, 3 ) fein guter Engel. Sie verwandte fich fiir ihn 
bei feiner Schwefter Herodias, welche damals fchon mit An- 
tipas vermahlt war, und der gab ihm das unbedeutende Amt 
eines Marktauffehers von Tiberias und wies ihm Geld zur 
Sieherung feines Lebensunterhaltes an. Da er ihm aber dies 
eines Tages bei einem Gaftmahl in Tyrus vorwarf und ihn 
einen Bettler nannte, begab fich Agrippa nach Antiochien zu 
dem ihm von Rom her befreundeten 4 ) Pomponius Flakkus, 
der feit dem Jahre 32 Statthalter von Syrien war. Er machte 
fich aber auch hier unmoglich, weil herauskam, dafc er fich 
von den Damaszenern hatte beftechen laffen, um ihnen in 
Grenzftreitigkeiten gegen die Sidonier bei Flakkus zu helfen. 
Jetjt wollte er wieder nach Italien. Er verfchaffte fich 
in Ptolemais von einem Freigelaffenen feiner Mutter Geld 
und ftand im Begriff von Anthedon, im Siiden Palaftinas, 
abzufahren, ais Herennius Capito, der Prokurator der kaifer- 
lichen Domane Jamnia, durch Soldaten das Schiff mit Be- 

J ) Tac. ann. 1, 76 wirft ihm zu groge Freude an den blutigen Gla- 
diatorenkampfen vor. 

2 ) Ant. 18, 6, 1. 

3 ) Ant. 18, 5, 4. Ihre Mutter Salampfio war eine Tochter des Hero- 
des I. und vermahlt mit ihrem Vetter Phafael, deffen Vater, ein Bruder 
des Herodes, ebenfalls Phafael hieg. 

*) Ant. 18, 6, 2. 



198 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der. Juden etc. 

fchlag belegte, bis Agrippa eine nodi dem Sohne des Kaifers 
fchuldige Summe bezahlt habe. Aber Agrippa liefc in der 
Nacht die Taue durchfchneiden und entkam nadi Alexandrien, 
wo es ihm gelang, auf Burgfchaft feiner Frau hin eine grofce 
Anleihe zu machen. 

Von36n.Chr. So kam er im Jahre 36 nach Italien, 1 ) wo er zu Capri 
an wieder in^ei Tiberius anfangs gute Aufnahme land, dann aber auf 
om ' die Klage des Herennius Capito vom Hofe verwiefen wurde, 
bis er feine Schulden bezahlt habe. Das ermoglichte ihm 
die alte Freundin feiner Mutter, Antonia. Jetjt vertraute ihm 
Tiberius feinen Enkel, den Sohn des Drufus, an, damit er 
diefen ftets begleite. Allein aus Dankbarkeit gegen Antonia 
fchlojg fich Agrippa mehr an deren Sohn, den fpateren Kaifer 
Cajus Caligula, an. Den fur diefen Umgang notigen Aufwand 
ermoglichte ihm ein Freigelaffener des Kaifers namens 
Thallus. 2 ) 

Agrippa im Es war begreiflich, dafc Agrippa, um feine Lage zu ver- 
Gefangnis. beffern, den Wunfch hegte, Tiberius moge bald dem Cajus 
Platj auf dem Throne machen. Da er aber eines Tages 
feinen Wunfch vor Cajus laut in Gegenwart feines Kutfchers 
Eutychus, eines Freigelaffenen, geaufcert hatte, zeigte diefer 3 ) 
den Agrippa, welcher ihn bald danach wegen eines Mantel- 
diebftahls hatte ergreifen laffen, beim Kaifer an. Jetjt wurde 
Agrippa auf Befehl des Tiberius in Ketten gelegt, die er 
fechs Monate lang bis zum Tode des Kaifers (16. Marz 37) 
trug. Damals foil ihm ein deutfcher Mitgefangener feine Er- 
hebung zur hoheren Macht vorherverkiindet, aber auch zu- 
gleich vorhergefagt haben, dafe, wenri er einen Uhu, der fich 
gerade auf einen Baum herabliefc, wiederfehe, er nach fiinf 
Tagen fterben miiffe. 4 ) Eines Morgens kam ein Freigelaffener 
und fagte dem Agrippa auf Hebraifch ins Ohr: Der Lowe 
ift tot. Aber erft am folgenden Morgen> nachdem dem Agrippa 
inzwifchen die ihm zuerft auf jene Nachricht hin abgenommenen 



1 ) Ant. 18, 6, 3. Vgl. 18, 5, 3. 

2 ) Ant. 18, 6, 4. Er lieh ihm eine Million Sefterzen (159000 Mk.), 
fo dag Agrippa jetjt fogar feine Schuld bei der Antonia bezahlen konnte. 

3 ) Ant. 18, 6, 5. 
*) Ant. 18, 6, 6 f. 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 199 



Ketten wieder angelegt worden waren, erfuhr man beftimmt, 
Tiberius fei wirklidi geftorben. 1 ) 

Sobald Tiberius beftattet war, befreite fein Nachfolger Seine Er- 
Caligula den Agrippa aus dem Gefangnis, gab ihm ftatt der nebu ng zum 
eifernen Kette eine gleicb fchwere goldene, ernannte ihn zum om e - 
Tetrarchen der fruheren Tetrardiie des Philippus und der 
des Lyfanias und verlieh ihm den Konigstitel.*) 

Der Konig blieb nodi anderthalb Jahre 3 ) als der ver- 
traute Freund des Kaifers in deffen Umgebung. Daft er 
feinen Torheiten und Schlechtigkeiten irgendwie entgegen- 
getreten fei, horen wir nicht. Und doch zwang Caligula 
gegen Ende des Jahres 37 den Zogling Agrippas, den erft 
fiebzehnjahrigen Enkel des verftorbenen Kaifers, der wie 
diefer Tiberius hiefc, fich felbft den Tod zu geben. 

Erft im Herbfte des Jahre 38 kehrte Agrippa nach Pala- SeinAuf- 
ftina zuriick. Er nahm der giinftigeren Winde wegen den A ! reten . m 
Weg fiber Alexandrien und trat in der Stadt, ohne Riickficht und 
auf den anwefenden Statthalter Flakkus zu nehmen, offent- p a iaftina. 
lich im Konigsgewande mit einem reichgekleideten Gefolge 
auf und wurde in alien Strafcen von einer larmenden Juden- 
menge enthufiaftifdi mit dem fyrifchen ,,Marin! Marin!" (das 
heigt ,,unfer Herr" begruf(t. d ) Dadurch wurde aber die fchon 
ohnehin dureh den Judenfeind Apion u. a. gegen die Juden 
verhetjte griechifche Bevolkerung nodi mehr gegen diefe ge- 
reizt. Den Agrippa, der felbft auch fchon hohnifdie Zurufe 
vernehmen mufjte, trifft die Sdiuld, durch fein Auftreten zu 
der bald eintretenden Verfolgung der Juden in Alexandria 5 ) 
mit Veranlaffung gegeben zu haben. 

Wie infolge feines Auftretens in Paiaftina die Herodias 
den Antipas zu der ungliicklichen Reife nach Rom veranlafcte, 
wo er fich den Konigstitel holen follte, wurde fchon erzahlt. 
Ebenfo daft im Jahre 40 n. Chr. Agrippa auch noch die 
Tetrarchie des Antipas erhielt. 6 ) 

1 ) Ant. 18, 6, 10. 

2 ) B. J. 2, 9, 6. Ant. 18, 6, 10. Philo in Place. 6 (der aber nur 
von der Tetrarchie des Philippus, vgl. S. 200, 9, redet), Dio Cass. 59, 8. 

3 ) Ant. 18, 6, 11. 

*) Philo in Place. 5. Vgl. o. S. 194, 2. 

5 ) S. unten. 

6 ) S. o. S. 194. 



Cahguia 



200 Erfter Abfchnitt. Die politifcbe Gefchichte der Juden etc. 

Seine Ver- Vom Herbfte des Jahres 40 an war er wieder bei Cali- 
dienfte um g u ia in Rom 1 ) und erwarb fich damals das grofee Verdienft, 
j^jj wen ig[tens zeitweife zum Verzicht auf die Aufftellung feiner 
Bildfaule im Tempel zu Jerufalem bewogen zu haben. 2 ) 

Er war auch in Rom anwefend, als Caligula am 24. Ja- 
nuar ermordet wurde, 3 ) er eilte auf die Kunde von der Er- 
mordung herbei und hob die Leiche auf. 4 ) Audi machte er 
dem von Natur wie durch friihere Kranklichkeit und Zuruck- 
fetjung angftlichen und unbeholfenen Oheim des Verftorbenen, 
Claudius, den die Pratorianer aus dem Palaft, wo er fich 
aus Ang[t verfteckt hatte, in die Kaferne geholt batten, um 
ihn zum Kaifer zu maehen, 5 ) Mut. Ja er verftand es, den 
Senat, der uberhaupt keinen Tyrannen mehr wollte, 6 ) hint- 
anzuhalten, bis immer mehr Anhanger dem Claudius zu- 
ftromten und die Senatoren iroh fein mujgten, dag Claudius 
fie auf Bitten Agrippas mild behandelte und fich auch im 
Senate beftatigen liefc. 7 ) Vergebens hatte der Hauptmorder 
Caligulas, der Tribun Caffius' Charea, die Soldaten be- 
fchworen, doch nicht ftatt eines Verriickten einen Efel wie 
Claudius auf den Thron zu fetjen. 8 ) 

Er erhait das Die Dankbarkeit des neuen Kaifers Tiberius Claudius 
ganze Reich G erma nicus gegen Agrippa zeigte fich aber nun darin, dajj 
er ihn nicht nur in f einen Tetrarchien beftatigte, fondern ihm 

' . q . , J ' ' 

auch noch Judaa und Samaria verlieh, ) fo dag er das ganze 

Reich, wie es fein Grofcvater Herodes inne gehabt hatte, 
befajj. Auch dem jiidifchen Volke kam die Dankbarkeit des 
Claudius zugute. Denn der Kaifer befahl durch ein Dekret 

1) S. o. S. 195, 2. 

2 ) S. o.'S. 179 f. 

3 ) Vgl. Ant. 19, 1, 3-15. 
*) Ant. 19, 4, 1. 

5 ) Ant. 19, 2, 1. 3, 1-3. 

) Ant. 19, 2, 2 f. 

') B. J. 2, 11, 1-5. Ant. 19, 4, 13. Sueton. Claud. 10. Dio 
Cass. 60, 1, 4. 

8 ) Ant. 19, 4, 4. 

y ) B. J. 2, 11, 5 und genauer Ant. 19, 5, 1. Wenn es hier heigt, 
der Kaifer habe dem Agrippa noch ,,Abila, das Lyfanias beherrfcht hatte, 
und die Gegend am Libanon" gegeben, fo ift dies, da fchon Ant. 18, 6, 10 
die Obertragung der Tetrarche des Lyfanias durch Caligula an Agrippa 
berichtet wurde, nur von einer Beftatigung zu verftehen. Vgl. S. 199, 2. 



d ! s . 

Herodes 1. 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 201 

die Wiederherftellung des fruheren Zuftandes in Alexandrien 
und ficherte den dortigen Juden freie Religionsiibung zu. 1 ) 
Weiter verlieh er durch ein anderes Dekret den Juden in der 
Diafpora und damit auch in Italien diefelben Redite, die den 
Juden in Alexandrien gewahrt waren, und beftatigte ihnen 
die von Auguftus gemachten Zugeftandniffe, ermahnte fie 
aber auch zugleich, nun damit zufrieden in ihren Schranken 
zu bleiben und die Religionen der ubrigen Volker nidit zu 
verachten. 2 ) 

Bald nach die[en Erlaffen ging Agrippa im Jahre 41 Seine 
nach Jerufalem und bewies hier diefelbe GeFchmeidigkeit wie Freundhcn - 
am romifchen Hofe. Denn er trat auf wie ein theokratifcher * 
Konig und ftutjte fich auf die beim Volke angefehenen Phari- 
faer. Kaum in Jerufalem angelangt, brachte er Dankopfer 
im Tempel dar, beftritt fiir eine groge Zahl Nafiraer die 
Koften ihrer Opfer und liefr die ihm von Caligula im Jahre 37 
verliehene goldene Kette als Weihegefchenk im Tempel auf- 
hangen. 3 ) Jofephus, der iiberhaupt groge Sympathien fiir 
ihn zeigt, lobt an ihm, 4 ) daft er gern und anhaltend in 
Jerufalem wohnte, die Gefetje des Landes gewiffenhaft be- 
obachtete und keinen Tag ohne Opfer vorflbergehen lieg. 5 ) 
Seine Toditer Drufilla verlobte er mil Epiphanes, dem Sohne 
des Konigs Antiochus von Commagene, nur gegen deffen 
Verfprechen, dag er die judifche Religion annehme, welches 
diefer allerdings fpater nicht hielt und auf die Drufilla ver- 
zichtete. Er wu&te es auch bei Petronius, dem damaligen 
Statthalter von Syrien, durchzufetjen, dag diefer junge Leute, 
welche aus Obermut zu Dora in Phonizien in einer Juden- 



') Ant. 19, 5, 2. 

2 ) Ant. 19, 5, 3. Qenaueres f. unten. 

8 ) Ant. 19, 6, 1. 

4 ) Ant. 19, 7, 3. 

6 ) Ant. 20, 7, 1. Die Mifchna Sota VII, 8 berichtet, dafe Agrippa 
beim Laubhiittenfeft das Deuteronomium vorgelefen und bei der Stelle 
(Deut. 17, 15): M Du follft keinen Fremdling uber dich fe^en, der nicht 
dein Bruder ift" in Tranen ausgebrochen fei. Das Volk habe ihm aber 
zugerufen: ,,Furchte nichts! Du bift un[er Bruder! Du bift unfer Bruder." 
Die Stelle wird von Derenbourg, Histoire 217, 1 u. a. auf Agrippa II., 
von SchQrer 1, 555, 27 mit mehr Wahrfcheinlichkeit auf Agrippa I., zu 
deffen ganzes Verhalten fie befonders gut pagt, bezogen. 



202 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gejchichte der Juden etc. 

fynagoge eine Statue des Kaifers aufgeftellt batten, dafiir 
zur Rechenfchaft zog. 1 ) 

Sein Verhait- Sonft waren ihm die Romer allerdings nicht fo gefallig. 
nis zu den Denn als er im Streben nadi Voiksgunft die Stadt Jerufalem 
Rome. j tarker zu befeftigen anfing und die den neuen Stadtteil Be- 
zetha oder die Neuftadt einfchlieftenden Mauern breiter und 
hoher bauen liefe, mufcte er auf Befehl des Kaifers, der durdi 
den neuen Statthalter von Syrien, Marfus, unterrichtet wor- 
den war, von der Vollendung der Mauer abftehen. 2 ) Nodi 
fchlimmer erging es ihm, als er zu Tiberias in Galilaa funf 
romifche Vafallenfiirften, namlich die Konige Antioehus von 
Commagene, Sampfigeram von Emefa in der {yrifchen Land- 
fchaft Apamea, Cotys von Kleinarmenien, Polemon von Pon- 
tus 3 ) und feinen eigenen Bruder Herodes von Chalcis 4 ) zu 
Gaft hatte. Denn es erfchien audi der {yrifche Statthalter 
Marfus und befahl, augenfcheinlich weil er eine Konfpiration 
gegen Rom argwohnte, den fiinf Konigen ungefaumt nach 
Haufe zu gehen. Trots femes' guten Verhaltniffes zu Clau- 
dius mufjte Agrippa die Beleidigung, ohne Genugtuung zu 
erhalten, hinnehmen. 5 ) 

Er verfoigt Dem Streben des Agrippa nach Voiksgunft und feinem 

die Apoftei. an blutigen Schaufpielen fich ergo^enden Gemiite 6 ) entfprach 

es, da er aucii die Apoftei verfolgte und den Jakobus, den 

Sohn des Zebedaus, mit dem Schwerte umbringen liefe. Der 

heilige Petrus ift ihm nur durdi ein Wunder entkommen. 7 ) 

Sein Leben Es ware ein grower Irrtum, wenn man wegen der Er- 

aufcerhaib zahlungen des Jofephus uber die Freigebigkeit, Leutfeligkeit 

Paiaftinas. un( j Judenfreundlidikeit des Agrippa 8 ) fidh diefen als einen 



') Ant. 19, 6, 3 f. 

2 ) Ant. 19, 7, 2. B. J. 5, 4, 2 f. und 2, 11, 6. Vgl. o. S. 68. 

3 ) Vgl. unten. 

*) S. u. S. 205 f. 

5 ) Ant. 19, 8, 1. 

6 ) S. S. 197, 1 und 203. 

7 ) Apg. 12, 1-19. Zu Oftern 41 kann Agrippa noch nicht in Jeru- 
falem gewefen fein. Er wird aber auch nicht mit einer folchen auf das 
Volk berechneten Magregel gezogert haben, fobald er die Stimmung des 
Volkes kannte. Deshalb ift der Mord des Jakobus Oftern 42 anzufe^en. 

s ) Erlag der Abgaben von den einzelnen Haufern in Jerufalem. 
Ant. 19, 6, 3. Andere allgemeine Bemerkungen f. Ant. 19, 7, 3. 8, 2. 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa 1. und feine Familie. 203 

gutmiitigen, innerlich fur das Judentum begeifterten Mann 
vorftellte. Er fpielte nur mit Gefchick eine politifche Rolle 
und dachte nidit daran, etwa mit Rat der Pharifaer nun fein 
Leben ganz nach ihren Grundfatjen einzuriditen. Schulden 
hat er bis an fein Lebensende gemacht 1 ) und felbft einen 
feiner treueften und verdienteften Anhanger, Silas, den er 
felbft zum Oberbefehlshaber ernannt hatte, in Ketten legen 
laffen, weil derfelbe ihm gegeniiber oft einen zu freien Ton 
anfdilug. 2 ) Wenn er nidit in Jerufalem war, erfreute er fieri 
auch fchon zu Cafarea an den Geniiffen des Heidentums, 
feierte Spiele im Theater 3 ) und liejg in feinem Haufe zu 
Cafarea feinen Tochtern Bildfaulen errichten/) In der be- 
fonders von ihm begiinftigten romifchen Kolonie Berytus er- 
richtete er aufjer einem Theater auch ein fehr koftbares 
Amphitheater mit Badern und Saulengangen, 5 ) zu deffen 
Einweihung fidi vierzehnhundert Gladiatoren (nach Jofephus 
Verbrecher aller Art) gegenfeitig mordeten. 6 ) 

Unter diefen Umftanden ift es zu begreifen, dafe feine 
augerhalb Jerufalems gepragten Miinzen ein Bild, namlich 
bald das des Agrippa felbft, bald das des Kaifers haben. 
Auf diefen Miinzen hat er den Titel ,,K6nig Agrippa" oder 
,,grofeer Konig Agrippa, Freund des Kaifers". 7 ) 

Seiner Herrfchaft ift keine lange Dauer befchieden ge- Sein Ende. 
wefen Wahrend er in einer Volksverfammlung zu Cafarea in 
koniglichem Kleide auf dem Throne fafc und eine Rede an 
die Gefandten von Tyrus und Sidon, welche Stadte durch 
feine Begiinftigung von Berytus naturlich in ihrem Handel 
fich beeintrachtigt fuhlten, hielt, rief ihm das Volk zu: ,,Eines 
Gottes, keines Menfchen Stimme." Weil er aber, fo fagt 
die Apoftelgefchichte, 8 ) Gott nicht die Ehre gab, d. h. diefe 

Ant. 19, 8, 2. 

2 ) Ant. 19, 7, 1. Sobald Agrippa tot war, lieg Herodes von Chalcis 
den Silas im Qefangnis umbringen. Ant. 19, 8, 3. 

3 ) Ant. 19, 7, 4. 

4 ) Ant. 19, 9, 1. 
6 ) Ant. 19, 7, 5. 

6 ) Ant. 19, 7, 5. 

7 ) ZJao'iAer? /tteya? ^yfiana? q>tioxai(fct^. Ober feine Miinzen vgl. Levy 
80 f. Madden, Coins p. 129139. 

8 ) Apg. 12, 1923. 



204 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

gotteslafterliche Schmeichelei annahm, fchlug ihn ein Engel 
des Herrn, und er gab, von Wurmern zerfreffen, feinen Geift 
auf. Im wefentlichen ftimmt hiermit der Benefit des Jo- 
fephus *) iiberein. Darnadi ereilte ihn fein Schickfal, als er zu 
Cafarea im Theater in Gegenwart der vornehmften Manner 
der Provinz zu Ehren des Claudius ,,wegen deffen Rettung" 
Kampffpiele abhielt. Bei der Gelegenheit erfchien er in einem 
ganz aus Silber gewirkten Kleide, welches im Glanz der 
Morgenfonne ftrahlte. 2 ) Von alien Seiten begriigten ihn die 
Schmeichler, ohne dafc er fie zuriickwies, als Gott. Als er 
aber bald nachher nach oben fchaute, fah er fiber fich auf 
einem Strick einen Uhu fitjen und erinnerte fich an die Weis- 
fagung des fruher mit ihm gefangenen Germanen. 3 ) Bald 
empfand er einen immer furchtbarer werdenden Schmerz in 
den Eingeweiden, iiefc fich nach Haufe tragen und ftarb nach 
fiinf Tagen. Man fieht, die Angaben des Arztes Lukas iiber 
die fchreckliche Krankheit des Agrippa ift genauer als die 
des Jofephus, der fie nur im allgemeinen angibt. 4 ) 
Die Zeit Er ftarb im Jahre 44, 5 ) als das Feft ,,wegen der Rettung" 

femes Todes. $ QS Kaifers Claudius gefeiert wurde. Darunter ift nach dem 
Wortlaut ein befonderer Anlafc zu verftehen und deshalb 
weder an den Geburtstag des Kaifers (1. Auguft) 6 ) noch an 
den Jahrestag feiner Thronbefteigung (24. Januar) noch an 
die von Herodes I. gegrundeten alle vier Jahre zu Cafarea 
ftattfindenden Kampffpiele 7 ) zu denken. Es handelt fich viel- 
mehr um die Feier der glucklichen Ruckkehr des Claudius 



') Ant. 19, 8, 2. 

2 ) Ein Gegenftiick dazu war der goldene Mantel, welchen die Kai- 
ferin Agrippina bei dem Schiffskampfe auf dem Fucinerfee trug. Tac. 
ann. 12, 56. Dio. 60, 31. Plin. N. H. 33, 3, 63. 

3 ) S. S. 198. 

4 ) Vgl. Felten, Apoftelgefchichte, S. 245 f. Von dem Throne (p^it, 
Apg. 12, 21) konnte er die Spiele anfchauen und zugleich die Qefandten 
anreden. Schon Euf. H. E. 2, 10 weift auf die wefentliche Obereinftim- 
mung beider Beridite bin. 

6 ) Nachdem er drei Jahre unter Claudius regiert hatte. Ant. 19, 8, 2. 
8 ) So Kellner, Jefus von Nazareth, S. 105. 

7 ) So Wiefeler, Chronologic des apoftol. Zeitalters, GOtt. 1848, 
S. 129 ff., (wogegen Sdhurer I, 562, 44) und E. Schwar^, Zur Chrono- 
logic des Paulus G. G. N. 1907, H. 3, S. (263-299) 265 f. 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 205 

aus Britannien/) weldie im Januar 44 erfolgte, 2 ) in Judaa 
aber wohl erft im Marz oder zu Anfang April bekannt ge- 
worden ift. Ihre Feier ift dort, da auch die Vorbereitungen 
dazu einige Zeit in Anfpruch nehmen mufeten, vermutlidi erft 
Ende April oder Anfang Mai 44 gehalten worden, und in 
diefe Zeit ift auch der Tod des Agrippa zu verlegen. 3 ) 

Aus Anlafe des Todes des Agrippa haben auf die Kunde 
davon die Burger von Cafarea und Samaria und die daher 
ftammenden Soldaten formliche Freudengelage*) gehalten, 
letjtere wohl auch aus Zorn fiber die Behandlung des fruheren 
Oberbefehlshabers Silas, alle aber am meiften wegen der 
Judenfreundfchaft des Verftorbenen. 

Agrippa hinterliefc vier Kinder, drei Tochter, wovon die Seine Kinder. 
altefte, Berenice, an ihren Oheim Herodes von Chalkis ver- 
heiratet war, und einen fiebzehnjahrigen Sohn, der auch 
Agrippa hiefc. Diefer wurde am kaiferlichen Hofe zu Rom 
erzogen und war noch. zu jung und unerfahren, um das 
Reich feines Vaters, das ihm Claudius gern iibertragen hatte, 
zu verwalten. Deshalb wurde nunmehr das ganze Reich in 
romifche Verwaltung genommen und Cuspius Fadus zum 
Landpfleger von Judaa ernannt, 5 ) wahrend an Stelle des 
Marfus jetjt Caffius Longinus Statthalter von Syrien w.urde. 

Agrippa I. hatte zwei jiingere Bruder, von denen der Herodes von 
jungfte, Ariftobul, als Privatmann lebte und ftarb, 6 ) der andere, Chaicis. 
Herodes, aber im Jahre 41 mit der Erhohung des Agrippa 
auch felbft emporftieg, indem ihm Claudius auf Bitten des 
Agrippa das Fiirftentum Chaicis famt dem Konigstitel ver- 
lieh. 7 ) Zu diefem Eintreten ffir feinen Bruder bewog den 
Agrippa auch noch der Umftand, daft fein Bruder auch fein 
eigener Schwiegerfohn war. Denn Herodes von Chaicis 
hatte in zweiter Ehe 8 ) die obenerwahnte Berenice, die trot) 

J ) So auch Anger, Schiirer, Lewin u. a. 

2 ) Dio Cass. 60, 23 erwahnt ihre Feier in Rom im Fruhjahr 44. 

3 ) Vgl. Lewin, Fasti sacri, Lond. 1865, p. 279 sq. n. 1674. 
*) Ant. 19, 9, 12. 

5 ) B. J. 2, 11, 6. Ant. 19, 9, 1-2. 

6 ) B. J. 2, 11, 6. 

7 ) B. J. 2, 11, 5. Ant. 19, 5, 1. 

8 ) Er war zuerft mit Mariamme, einer Enkelin des Herodes I., ver- 
heiratet (Ant. 18,' 5, 4) und hatte von ihr einen Sohn namens Ariftobul, 
fiber den o. S. 191, 4 u. 206, 3 zu vergleichen ift. 



206 Erfter Abfdmitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

ihrer Jugend 1 ) fchon einen Gemahl, Marcus, den Sohn des 
Alabardien Alexander durdti den Tod verloren hatte, ge- 
heiratet. 2 ) Das Ftirftentum Chalcis hatte feinen Namen von 
der Stadt Chalcis im Gebiete des Libanon. 3 ) An das viel 
weiter nordlich auf der Strafje von Gyrrus nadi Emefa, fiid- 
lich von Beroa (= Aleppo) in der Landfehaft Chalcidice ge- 
legene Chalcis 4 ) (= Kinnesrin) 5 ) zu denken, verbietet fchon 
die geographifche Lage. Herodes von Chalcis erhielt einige 
Zeit nach dem Tode des Agrippa von Claudius das Recht, 
die jiidifchen Hohenpriefter zu ernennen, und die Oberaufficht 
iiber den Tempel und den Tempelfchatj. 6 ) Er ftarb aber fchon 
wenige Jahre fpater, im Jahre 48, oder genauer vor dem 
24. Januar des Jahres 49, im achten Jahre des Claudius. 7 ) 

2. Kdnig Agrippa II. 

Markus Julius Agrippa, ,,der groge Konig, Freund des 
Kaijers, Frommer, Freund von Rom," wie er auf Infchriften 8 ) 
heifct, der Sohn des Agrippa I., war am Hofe des Claudius, 
wofelbft er beim Tode feines Vaters weilte, erzogen wor- 

') Sie war beim Tode ihres Vaters erft 16 Jahre alt. Ant. 19, 9, 1. 

2 ) B. J. 2, 11, 5 f. Ant. 19, 5, 1. Aus der Ehe ftammten zwei 
Sohne Berenikianos und Hyrkanos. S. B. J. 2, 11, 6. Ant. 20, 5, 2. 

3 ) Vgl. o. S. 83, 3. Das Furftentum ift fpater an Agrippa II.- ge- 
fallen, der es aber nur bis zum Jahre 53 befag (B. J. 2, 12, 8. Ant. 20, 
7, 1). Vgl. u. S. 194. Aber noch im Jahre 72 wird ein K6nig von Chalcis 
erwahnt, Namens Ariftobul (B. J. 7, 7, 1), der wohl mit dem Sohne des 
Herodes von Chalcis (B. J. 2, 11, 6, f. S. 205, 8), den Nero zum Konig- 
von Kleinarmenien gemacht hatte, identifch ift. Ob aber auch Chalcis fchon 
vor dem Jahre 41 von der Tetrarchie des Lyfanias getrennt war, weig 
man nicht. 

*) Vgl. iiber Chalcis auch Marquardt, RStV 1, 400 f., der mit No- 
rifius die Einverleibung der Stadt Chalcis in die Provinz Syrien, weil 
die Stadt eine Ara von 845 = 92 n. Chr. hat, in diefes Jahr verfetjt. 

4 ) Kinnesrm heigt Adlerneft. Die Turken nennen den Ort Eski 
Haleb = Alt-Aleppo. Vgl. Badekers Palaftina und Syrien, S. 421 f. 

6 ) Ant. 20, 1, 3. Urn diefelbe Zeit wurde den Juden die Verwah- 
rung der hohenpriefterlichen GewSnder geftattet. Vgl. das Refkript vom 
28. Juni 45. Ant. 20, 1, 2. 

7 ) Alfo zwifchen dem 24. Januar 48 und 49". S. B. J. 2, 11, 6. 
Ant. 20, 5, 2. 

8 ) Waddington, Inscript. Qrecques et Latines de la Syrie P. 1870, 
n. 2365. 



IV. Kap. K6nig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 207 

den. Er hatte bei diefem gelehrten Grammatiker einen ge- Seine 
wiffen Sinn fur Wiffenfchaft fidh angeeignet. x ) Daft er aber Erziehung. 
fonft am Hofe der Meffalina, der Gattin des Claudius, etwas 
Gutes gelernt hat, ift nicht zu erwarten. Da er beim Tode 
feines Vaters erft 17 Jahre alt war, fetjten die Ratgeber des 
Claudius es durch, dafe diefer auf feinen Wunfch, ihn zum 
Nachfolger feines Vaters zu madien, verzichtete, weil ein fo 
junger Menfch wirklidi ein fo grofces und unruhiges Reich 
nicht verwalten konnte. So blieb der junge Agrippa einft- 
weilen als Privatmann in Rom. 2 ) 

Als aber fein Onkel Herodes zu Chalcis im Jahre 48 Nachfolger 
ftarb, wurde Agrippa vermutlich fchon bald nach deffen Tode des Herodes 
im Jahre 49 zu feinem Nachfolger ernannt. 3 ) Audi erhielt von Chalci s 
er die Oberaufficht fiber den Tempel wie das Redit, die 
Hohenpriefter zu ernennen. 4 ) 

Dem Anfcheine nach blieb er auch jetjt in Rom. Denn 
wie er fruher 5 ) die wegen der Verwahrung der hohenpriefter- 
lichen Gewander nach Rom gefchickten judifchen Gefandten 
bei Claudius eingefuhrt hatte, fo nahm er fich auch feiner 
Landsleute in einem Streite gegen den Landpfleger Cuma- 
nus und die Samariter an. 6 ) Bei der Abfetjung des Cuma- Er erhalt im 
nus wurde aber doch nicht Agrippa zum Konige von Judaa Jahre 53 zwei 
ernannt, fondern die Verwaltung des Landes dem Landpfle- Tetrarchien - 
ger Felix ubertragen. Aber er erhielt doch gegen den Ver- 
zicht auf Chalcis im Jahre 53 die fruhere Tetrarchie des 
Philippus fowie die des Lyfanias und das ehemalige Gebiet 
des Varus. 7 ) Dazu kamen noch unter Nero im Jahre 54 

') Mit dem jQdifchen Qefchichtfchreiber Jofephus unterhielt er einen 
lebhaften Briefwechfel fiber deffen Gefchichtsauffaffung. Jof. Vita 65. 

2 ) Ant. 19, 9, 1 f. 

3 ) Ant. 20, 5, 2. B. J. 2, 12, 1. Nach Ant. 20, 7, 1 erhielt Agrippa 
die zwei Tetrarchien des Philippus und Lyfanias im 13. Jahre des Clau- 
dius, nachdem er vier Jahre Chalcis befeffen hatte. Das 13. Jahr des 
Claudius beginnt am 24. Januar 53. B. J. 2, 14, 4 heijgt es allerdings, 
der judijche Krieg habe im Mai 66 angefangen im 17. Jahre der Konigs- 
herrfchaft des Agrippa, wonach man meinen follte, Agrippa habe Chalcis 
erft im Jahre 50 erhalten. 

*) Ant. 20, 8, 11. 20, 9, 7. 

B ) S. o. S. 169. 

6 ) Ant. 20, 6, 3. 

') Ant. 20, 7, 1. B. J. 2, 12, 8. Den Varus halt Schurer I, 587, 6 



208 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

Oder 55 ein Teil Galilaas, namlich die Stadte Tiberias und 
Tarichea, fowie die Stadt Julias in Peraa famt 14 umliegen- 
den Dorfern. 1 ) 

Aus Dankbarkeit nannte Agrippa die von ihm erweiterte 
Stadt Cafarea Philippi Neronias. 2 ) Keine Stadt hat er aber 
mehr begiinftigt, als die fchon von feinem Vater bevorzugte 
Stadt Berytus, die er ganz mit Statuen und Bildern fchmuckte 
und wo er ein Theater zur Abhaltung jahrlicher Sdiaufpiele 
baute. 3 ) 

Was er fur Piir Jerufalem tat er wenig. Wir horen nur, dafc er 
Jeru[aiemtat. edaubtej die Stadt mit we j em Marmor zu pflaftern, damit 

die friiher am Tempelbau befchaftigten achtzehntaufend Bau- 
leute ein Verdienft hatten, und daft er mit Erlaubnis des 
Hohen Rates den levitifchen PJalmenfangern zum grofcen 
Argernis des Jofephus geftattete, wie die Priefter leinene 
Gewander zu tragen. 4 ) 

und 720 f. fur einen Sohn des zur'Zeit des Caligula lebenden Soemus 
Konigs der Ituraer (f. o. S. 83, 3). Sein Gebiet lag nach Schiirers An- 
ficht am Libanon. 

') Vgl. Ant. 20, 8, 4 und die Parallel[telle B. J. 2, 13, 2, wo auger 
Julias noch Abila in Peraa (gegenuber Jericho; genannt wird. Da Ant. 
20, 8, 4 Qberhaupt nur das erfte Jahr des Nero ohne jedes ,,darauf" oder 
,,nachher" erwahnt wird, ift auch diefe dem Agrippa erwiefene Gunft in 
diefe Zeit zu fetjen. Audi Jof. Vita 9 heigt es, dag Tiberias unter 
Agrippa 1. und bis auf den Landpfleger Felix (alfo bis 52 f. u.) die. 
Hauptftadt von Galilaa gewefen fei. 

2 ) Ant. 20, 9, 4. Es gibt Munzen, auf welchen das 25. und 26. Jahr 
einer [tadtifchen Ara von Cafarea Philippi dem 12. Konfulate des Domitian 
gleichgefetjt wird (Madden, Coins p. 157 f.). Vgf. dazu De Saulcy, Numis- 
matique de la Terre sainte, Paris 1874, p. 315. Smith, Hift. geogr. 623, 2 
gegen Sdiiirer 1, 588, 7 der an eine Ara Agrippa II. denkt. Das 12. Kon- 
Julat des Domitian war das Jahr 86, alfo begann die hier erwahnte Ara 
im Jahre 61. In diefe Zeit ware fomit die Neubenennung der Stadt zu 
verlegen. Von einer Ara Agrippas II. kann man iiberhaupt nicht reden. 
Wohl findet fich auf einer in Sanamen im Hauran gefundenen Infchrift 
{ZDPV VII, 1884, 121 f.) das doppelte Datum.: ,,Das 37. Jahr, welches 
auch das 32. Jahr des Konigs Agrippa ift." Dasfelbe wird aber meines 
Erachtens richtig von Smith 623, 2 auf das Recht des Agrippa auf die 
Nachfolge feines Vaters in 44/45 und feine tatfachliche Thronbefteigung 
funf Jahre fpater bezogen. 

3 ) Ant. 20, 9, 4. S. o. S. 203. 

*) Ant. 20, 9, 7 und 6. B. J. 5, 1, 5 wird von Bauholz gefprochen, 
welches Agrippa mit vieler Muhe und grogen Koften kurz vor dem judifchen 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 209 

Er felbft gab den Juden grofcen Anftog durdi die hochft 
buchftabliche Art, in welcher er fein Auffichtsamt fiber den 
Tempel ausubte. Denn er errichtete auf der ehemaligen Burg 
der Hasmonaer im Weften des Tempels und diefem gerade 
gegeniiber ein turmartiges Gebaude, von wo er auf dem 
Polfter liegend, allem, was im Tempel gefchah, zufehen konnte. 
Allein die Juden hielten dies fur unpaffend und fuhrten des- 
halb nun oberhaib der Halle, die fich an der innern Weft- 
feite des Tempels befand , eine hone Mauer auf, wodurch 
dem Konige die Ausficht wieder verfperrt wurde. Auf Fiir- 
bitte der Poppaa erlangten fie aueh trotj der gegenteiligen 
Bemuhungen Agrippas von Nero, dajgj die Mauer ftehen blieb. 1 ) 

Gegen das Chriftentum zeigte er fieh weriigftens nicht Seine 
feindlich. Denn als er mil [einer Schwefter Berenice nach - nun g ' mit 
Cafarea kam, um den neuen Landpfleger Feftus zu begrugen, Paulus - 
jetjte diefer ihm den Fall des Paulus, der, obwohl felbft Jude, 
wegen eines gewiffen Jefus, wovon Paulus behaupte, er lebe, 
von den Juden angefeindet werde, auseinander und fuhrte 
ihm feinem Wunfche gemag den Gefangenen vor. Damals 
hielt der Apoftel eine Rede uber feine Bekehrung und fein 
Wirken, die einen gewiffen Eindruck auf Agrippa machte. 
Er fuchte fich aber desfelben mit den Worten zu erwehren: 
Mit wenigem beredeft du mich, ein Chrift zu werden. Audi 
gab er feiner Oberzeugung von der Unfchuld des Paulus in 
den Worten Ausdruck, er hatte, wenn er nidit bereits an den 
Kaifer appelliert hatte, in Freiheit gefetjt werden konnen. 2 ) 

Im iibrigen erwies fich Agrippa in allem als Freund der Seine Romer- 
Romer und ftand natfirlich auch auf deren Seite im judifchen freundHch- 
Kriege. Als fich im Fnihjahre 66 das jiidifche Volk gegen keit - 
die Romer emporte, war Agrippa gerade in Alexandrien zur 
Begrugung des neuen Statthalters von Agypten, Tiberius 
Alexander. 3 ) Auf der Ruckreife traf er in Jamnia fowohl 
einen Abgefandten des Statthalters Ceftius von Syrien, fo- 

Kriege vom Libanon habe bringen laffen, um gemag einem Befchlug der 
Priefter und des Volkes den Tempel unten zu [tu^en und ihn um zwanzig 
Ellen zu erhohen. 

1 ) Ant. 20, 8, 11. Ober f einen Aufenthalt auf der Burg vgl. auch 
B. J. 2, 16, 3. 

2 ) Apg. 25, 13 - 26, 32. 

3 ) B. J. 2, 15, 1. 

Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u.3. Aufl. 14 



210 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

wie eine jiidifche Gefandtfchaft, weldie ihm die Bedrfickung 
des Landes durdi den Landpfleger Florus fchilderte. 1 ) Audi 
in Jerusalem flehte man ihn um Beiftand gegen Florus an. 
Allein er wollte fich nidit durch Zulaffung einer Gefandtfchaft, 
die den Florus bei Nero verklage, Feindfchaft zuziehen. 2 ) 
Obgleich es ihm gelang, durdi eine lange, die Madit der 
Romer fdiildernde Rede das Volk zum Wiederaufbau der 
niedergeriffenen Hallen der Antonia und zur Zahlung der 
nodi riickftandigen Abgaben an den Kaifer zu veranlaffen, 3 ) 
fdilug fein Verfudi, das Volk audi zum Gehorfam gegen 
Florus, bis der Kaifer einen andern Landpfleger fchicke, zu 
bewegen, fehl. Die Menge forderte ihn auf, die Stadt zu 
verlaffen, und die Aufrflhrer warfen fogar mit Steinen nadi 
ihm, fo daft er voll Unwillen in fein Reich zuruckkehrte. 4 ) 

Audi jetjt fuchte er nodi den Krieg zu verhindern und 

fandte deshalb den Vornehmen in Jerufalem, die fich be- 

miihten, der aufruhrerifchen Bewegung Herr zu werden, 

3000 Reiter zu Hilfe. 5 ) Allein diefe wurden von der ftarkeren 

Kriegspartei aus der oberen Stadt hinausgedrangt und die 

Palafte des Agrippa und der Berenice wurden verbrannt. 6 ) 

Seine Be- Da nun der Krieg nicht mehr aufzuhalten war, ftellte 

teiiigung am fich Agrippa ganz auf die Seite der Romer, begleitete den 

Kriege gegen fynjchen Statthalter Ceftius auf dem Zuge nach Jerufalem 

die Juden. und unter j m ^ te jhn durdi Hilfstruppen und Proviant. 7 ) Der 

Zug hatte aber keinen Erfolg und von den Boten, die 

Agrippa an die Aufrflhrer fandte, wurde der eine gleich er- 

mordet, der andere verwundet und zur Fluent gezwungen. 8 ) 

Audi dem Vefpafian fandte Agrippa Hilfstruppen gegen die 

Juden 9 ) und bewirtete ihn mit feinem Heere im Jahre 67 

^TO'. 2, 16, i f. 

2 ) B. J. 2, 16, 2-3. 

3 ) B. J. 2, 16, 4-17, 1. 
*) B. J. 2, 17, 1. 

) B, J. 2, 17, 4. 

6 ) B. J. 2, 17, 6. 

7 ) B. J. 2, 18, 9. 

8 ) B. J. 2, 19, 3. 

B ) B. J. 8, 4, 2. Agrippa, der fich bis zum Frtihjahr 67 in Berytus 
aufgehalten hatte (Jof. Vita 36 und 65), vereinigte feine Truppen mit 
denen des Vefpafian in Antiochien (B. J. 3, 2, 4) und zog nun mit ihm 
nach Tyrus (Vita 74) und Ptolemais (Vita 65). 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 211 

zwanzig Tage lang in Gafarea Philippi. Zum Dank hierfur 
brachte Vefpafian die abgefallenen Stadte Tiberias und 
Tarichea wieder unter die Botmafcigkeit des Konigs. 1 ) Die 
Romer verfchafften ihm audi die ebenfalls von ihm abgefallene 
Feftung Gamala, bei deren Belagerung Agrippa felbft ver- 
wundet worden war, 2 ) wieder, 3 ) fo daft er zu Ende 67 fidi 
des Refines feines Reidies in jenen Gegenden wieder er- 
freuen konnte. Bemerkenswert ift die Tatfache, dag Agrippa 
die aus feinem Reidie ftammenden und ihm von Vefpafian 
gefchenkten judifchen Kriegsgefangenen einfadi als Sklaven 
verkaufen liefe.*) 

Als Vefpafian in Syrien und Agypten zum Kaifer ausge- 
rufen wurde, reifte Agrippa, der fidi damals gerade zu Rom 
befand, ohne Wiffen des Vitellius naeh Palaftina ab, 5 ) wo wir 
ihn bald danadi in der Begleitung des Titus finden, 6 ) dem 
Vefpafian die Fortfe^ung des Krieges gegen die Juden uber- 
tragen hatte. Ohne Zweifel war er audi als Landesherr 
zugegen, als zu Cafarea Philippi der Sieg iiber Jerufalem 
von Titus durch mandierlei Spiele gefeiert wurde. 7 ) Daft 
Vefpafian ihm fein bisheriges Land beftatigt hat, ift zweifel- 
los. 8 ) Allem Anfchein nach hat er ihm fogar nodi einen Gunftbezei- 
Gebietszuwachs gegeben. 9 ) Spater im Jahre 75 hat ihm gungen Ve- 
Vefpafian den Rang eines Prators verliehen. 10 ) fpafians. 



') B. J. 3, 9, 7-10, 10. 

-) B. J. 4, 1, 3. Die Stadt hatte fich gegen Agrippa fieben Monate 
gehalten B. J. 4, 1, 2. (Vgl. B. J. 2, 20, 4. 6. 2, 21, 7, Vita 24. 35-37.) 

3) B. J. 4, 1, 1-10. 

4 ) B. J. 3, 10, 10. 

5 ) Tac. Hift. 2, 81. Vgl. ebd. 2, 1-2. B. J. 4, 9, 2. 
) Tac. Hift. 5, 1. 

>) B. J. 7, 2, 1. 

8 ) Es wird B. J. 3, 3, 1 und 7, 5, 1 vorausgefetjt. 
u ) So Juftus v. Tiberias in dem Auszug einer Chronik der jfidifchen 
Konige von Mofes bis Agrippa II. bei Phot. Bibl. cod. 33: Tra^Aa/Se ,ukv 

ii\v a.(jxn v * nt -KAawd't'oi;, -jjiif-i/tf-iy de enl JVspoivot; xat en ftaXiov VTTO Ovsd- 

naGiavov, reJisvra de srei r^irot Tfjatavo-v. Dajj aber diefe Qebietser- 
weiterung fich bis nadi Arcae nordlich von Tripolis erftreckt hat, wie 
Schtirer I, 594, 36 meint, ift nicht wahrfcheinlich. Allerdings wird B. J. 
7, 5, 1 von Arkaia im Lande des Agrippa gefprochen. Es gab aber 
auch eine Stadt Arke oder Ekdipus im frtiheren Stammgebiet von Afer 
zwifchen dem Karmel und Sidon (Ant. 5, 1, 22). Audi heigt es B. J. 

14* 



212 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefdiichte der Juden etc. 

Fur die Gefchidite des Krieges hat er naturgemafj grofees 
Intereffe gehabt. Mit Jofephus hat er daruber einen leb- 
haften Briefwedifel gefiihrt 1 ) und er hat den andern Ge- 
fdiiditrdireiber des Krieges, Juftus von Tiberias, fogar eine 
Zeitlang als Sekretar in feinem Dienfte gehabt. 2 ) 
Sein Tod. Agrippa II. ftarb zwifchen 86 und 94 n. Chr. 3 ) 



3, 3, 5, das Gebiet des Agrippa beginne beim Libanongebirge und den 
Quellen des Jordan. 

10 ) Dio Cass. 66, 15. 
') Vita 65. 
*) L. c. 

3 ) Seine Regierungszeit ift wegen der o. S. 211, 9 arigeffihrten Stelle 
bei Photius oft von 48 100 angefetjt worden. Es gibt noch MQnzen von 
ihm aus dem Jahre 86, f. S. 208, 2. Andere vom Jahre 35 des Agrippa 
mit dem Namen des Domitian AvToxQa[zoQa] 2/o/ma|Voy] Katdaya, 
re^finri[xnvj) fuhren uns in das Jahr 84 n. Chr., in welchem Domitian 
auch den Titel Germanicus annahm. Schon Tillemont, Hist, des empereurs 
t. I, Bruxelles 1732, p. 2930, Note XLI hat die Behauptung, daft Agrippa 
im 3. Jahre Trajans geftorben fei, mit Redht beftritten. Fur Tillemont 
traten u. a. ein BrQll, Jahrbb f. jiid. Gefch. u. Literatur, VII. Jahrg. 1885, 
S. 5153. Erbes, Das Todesjahr Agrippas II. in Hilgenfelds Zeitfchr. 
f. wiff. Theol. 1896, S. 415-432. Dag Agrippa vor dem Jahre 94 tot 
war, folgt keineswegs blog aus der Annahme, dag die Selbftbiographie 
des Jofephus, welche nach c. 65 gefchrieben wurde, als Agrippa bereits 
tot war, unmittelbar nach den Altertumern etwa urn das Jahr 94 entftand, 
vielmehr wird fchon in den Altertumern felbft der Tod des Agrippa 
vorausgefetjt, da ihm in der Herrfchaft fiber Batanaa die Romer gefolgt 
find (vgl. Ant. 17, 2, 2 mit B. J. 3, 3, 5). Dag Agrippa II. im Jahre 86 
nur in Irrfinn verfallen und deshalb fein Land von andern verwaltet 
worden ware, wie Gutfchmid, Kleine Schriften IV, 354 f. annimmt, ift 
gegen Jof. Vita 65, wo Jofephus den Juftus von Tiberias tadelt, dag er 
nicht feine Gefdiichte des jfidifchen Krieges bei Lebzeiten des Vefpafian 
und Titus und wahrend Agrippa noch lebte, verOffentlicht habe. Die 
Notiz bei Photius (S. 211, 9) fiber das dritte Jahr des Trajan dfirfte auf 
eine gewiffe Unordnung des im Laufe der Zeit fiberarbeiteten Textes der 
Chronik der jfidifchen KOnige von Mofes bis Agrippa II. hinweifen. Denn 
Eufeb. Chron. Aug. yon Schoene II, 162, fetjt das genannte Werk In das 
erfte Jahr des Nerva, alfo in 96 (nach dem armenifchen: Nervas a I et 
mens III: Justus Tiberiensis Judaeorum scriptor cognoscebatur), die 
aus dem IX. Jahrhundert ftammende Chronik des Syncellus (ed. Dindorf 

1, 655: 'Iv6ro<; TifieytevQ 'lovdato? avyygayevg syvwfjl^tTta) in den Anfang 

der Regierung Trajans. Vgl. Schflrer I, 61; Vincent, Chronologie des 
oeuvres de Josephe, Rb. 1911, 379 ss.). 



IV. Kap. Konig Herodes Agrippa I. und feine Familie. 213 

Allem Anfcheine nadi ftarb Agrippa, ohne legitime Kinder Sein 
zu hinterlaffen. 1 ) Es ift auch uberhaupt unbekannt, ob er ver- Charakter. 
heiratet gewefen. 2 ) Er war ein weidilidier, fittlidi verkom- 
mener Hofling, ohne wahre Liebe zu feinem eigenen Volke, 
kriechend gegen die, von denen er Vorteil erwarten konnte, 
im grofcen und ganzen ein Seitenftuck zu dem Vierfurften 
Herodes Antipas, nur nodi etwas erbarmlicher. Nadi dem 
Tode des Herodes von Chalcis lebte deffen Frau Berenice, 3 ) Seine Schwe- 
die im Jahre 28 geboren war, langere Zeit bei ihrem Bruder f tern Bere " 
Agrippa 4 ) und zwar, wie es allenthalben hieft, in einem nice ' a " 
unerlaubten Verhaltnis. Urn dem Gerede, fie lebe mit ihrem 
Bruder im Inceft, ein Ende zu machen, heiratete fie den 
Konig Polemon von Cilicien, der fidi als einen Konvertiten 
zum Judentum ausgab und fich befchneiden liefc. 5 ) Sie ver- 
lieJ5 ihn aber, wie es Weft, aus blower Unenthaltfamkeit 
wieder 6 ) und kehrte zu ihrem Bruder zuriick. 7 ) Kurz vor 
dem Kriege war fie zur Erfullung eines Nafirarergelubdes 
in Jerufalem und flehte barfufc den Landpfleger Florus an, 
dodi dem Morden in der Stadt ein Ende zu madien, wurde 
aber unehrerbietig behandelt und geriet felbft in Lebens- 
gefahr. 8 ) Durdi reidie Gefdienke wu&te fie fich audi fpater 



*) Nadi Jof. Vita 11 fchrieb ein gewiffer Philippus an die Kinder 
des Agrippa und die Berenice. 

') Im Talmud (bab. Sukka 27 a, bei Derenbourg 1. c. p. 252254) 
wird eine von dem koniglidien Verwalter Agrippas im Namen des Konigs 
an den Rabbi Eliezer geftellte Frage berichtet, die von der Vorausfetjung 
ausgeht, dag der Fragende zwei Frauen zur gleichen Zeit hatte. Dag 
aber der KOnig felb[t zwei Frauen hatte, fteht nicht da. 

3 ) Ant. 19, 5, 1. 19, 9, 1. Vgl. Juven. Sat. VI, 156-160. S. o. 
S. 206, 2. 

4 ) Er erwies ihr Offentlich koniglidie Ehren. Apg 25, 13. B. J. 2, 16, 3. 
B ) Ant. 20, 7, 3. 

6 ) Ant. 20, 7, 3. Polemon II. war feit 38 Konig von Pontus und feit 
41 audi von einem Teile von Cilicien (vgl. Dio Cass. 60, 8). Jof. Ant. 20, 
7, 3 nennt ihn Beustitvn KiU*laq. Das konnte er audi deshalb, weil Pole- 
mon als Konig von Cilicien geftorben ift. Es gibt nodi Munzen von ihm 
aus der Zeit Qalbas; auf Pontus hatte er aber im Jahre 63 n. Chr. zu- 
gunften der Romer verziditet. (Suet. Nero 18. Vgl. Prosop.imp. Rom. Ill, 59 
und namentlidi Sdiflrer I, 557 ff.) 

7 ) Apg. 25, 13. 23. 26. 

8 ) B. J. 2, 15, 1. Vgl. ebd. 2, 16, 1. 



214 Erfter Abfthnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

dem Vefpafian angenehm zu machen. 1 ) Spater kam fie als 
Maitreffe des Titus nadi Rom, gab aber dort foldien An- 
ftofc, dafc Vefpafian den Titus zwang, fie nach Haufe zu 
fchicken. 2 ) Nach der Thronbefteigung des Titus im Jahre 79 
kehrte fie zwar nach Rom zuriick, aber da er nun Kaifer 
geworden war, ignorierte Titus fie. 3 ) 

Die zweite Schwefter des Agrippa, Mariamme, war im 
Jahre 34 n. Chr. geboren und heiratete zuerft den Julius 
Archelaus, Sohn des Chelkias, 4 ) aus welcher Ehe eine Tochter, 
Berenice, hervorging. Trotjdem verliefe Mariamme ihren Mann 
und heiratete nun den reichen und vornehmen Juden Deme- 
trius aus Alexandrien, der damals auch die Steuern ge- 
pachtet hatte. 5 ) 

Die dritte Schwefter, Drufilla, war beim Tode ihres 
Vaters im Jahre 44 erft fechs Jahre alt. Sie war von ihm 
mit dem Sohne des Konigs Antiochus von Commagene, 
Epiphanes, verlobt, heiratete aber, da diefer fich fchliejslich 
weigerte, die judifche Religion anzunehmen, den Azizus, 
Konig von Emefa. 6 ) Derfelbe ftarb fchon im erften Jahre 
des Nero, 7 ) aber fchon vorher hatte fich feine Frau bewegen 
laffen, ihn zu verlaffen und dem Landpfleger Felix die Hand 
zu reichen. 8 ) Diefem gebar fie einen Sohn namens Agrippa, 
und kam mit diefem im Auguft 79 in den Flammen des 
Vefuv urn, 9 ) 

*) Tac. Hift. 2, 81. 

2 ) Vgl. Dio Cass. 66, 15. Juven. Sat. VI, 156-160. Aurel. Victor, 
Epitome c. 10. Sueton. Tit. 7. Vgl. Hausrath 4, 53-56. 

3 ) Dio Cass. 66, 18. 

4 ) Vgl. fiber ihn Ant. 19, 8, 3. 

5 ) Ant. 18, 5, 4. 19, 9, 1. 20, 7, 1. 3. 

") Ant. 18, 5, 4. 19, 9, 1. 20, 7, 1. Aus diefer Stelle ergibt fich, dag 
die Heirat im Jahre 53 ftattfand, nachdem Agrippa II. von Claudius 
ftatt Chalcis andere Lander erhalten hatte. 

') Ant. 20, 8, 4. 

8 ) Ant. 20, 7, 2. Apg. 24, 24 f. 

) Ant. 20, 7, 2. Es ift nicht ganz [icher, ob der Sohn der Drufilla 
mit jeiner Mutter oder mit feiner Frau (o vsaviaq exelvoi; avv rfj 
umgekommen ift. 



V. Kap. Die rSmifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Ghr. 215 

o 

V. Kapitel. 

Die romifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 44 66 

n. Chr. 

s- 

Als Agrippa I. geftorben, ward bekanntlich fein Reich, 
wie friiher das des Ethnardien Archelaus, einem romifchen 
Prokurator unterftellt. Es war ein Obelftand, der bittere 
Frudit'bringen follte. Denn das judifche Volk mufcte mehr 
als jedes andere mit weifer Scheming feiner Eigentumlich- 
keiten, namentlich auch {einer religiofen Empfindlichkeit, re- 
giert werden. Dafur zeigten aber die Landpfleger, wenn 
wir von den zwei er[ten abfehen, gar kein Verftandnis, 
reizten vielmehr das Volk auf jede Weife. 

Als erfter Prokurator fiber das Reich des Agrippa wurde 
beftellt 1 ) 

Cufpius Fadus. 

Sein erfter Auftrag ging dahin, die Burger von Sebafte Cufpius Fa- 
und Cafarea fiir die dem Andenken Agrippas zugefiigten dus (um 44 
Schmahungen 2 ) zu ftrafen, die aus Burgern von Cafarea und bis 46 )- 
Sebafte beftehenden fiinf Kohorten in das weit entlegene 
Pontus zu fenden und durch fyrifche Truppen zu erfe^en. 
Allein die Schuldigen wugten durch Gefandte den Claudius 
zu bewegen, ihnen den weiteren Aufenthalt in Judaa zu ge- 
ftatten. 3 ) Audi ein Zeichen, dag eine den Juden weniger 
giinftige Zeit angebrochen wan 

Die aufjere Ordnung hatte Fadus bald hergeftellt. Bei 
feinem Amtsantritt fand er die Juden in offener Feind- 
feligkeit gegen die heidnifehe Stadt Philadelphia wegen 
Grenzftreitigkeiten. Er fdiaffte Ruhe, indem er die Radels- 
fQhrer der fchuldigen Peraer beftrafte. 4 ) Auch lieg er Ptole- 
maus, den Anfuhrer von Rauberbanden, die nach Agrippas' 
Tode den Idumaern und Arabern vielen Schaden zufugten, 



') Ant. 19, 9, 2. 

2 ) S. o. S. 205. 

3 ) Ant. 19, 9, 2. 
*) Ant. 20, 1, 1. 



216 Erfter Abfdmitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

hinriditen 1 ) und hatte bald wieder ganz Judaa von Raubern 
gefaubert. 

Er zeigte auch Entgegenkommen gegen die Juden in 
einer ihr religiofes Empfinden beruhrenden Sadie. Der 
Kaifer hatte befohlen, die hohenpriefterlichen Gewander 
follten wieder auf der Burg Antonia von den Romern be- 
wahrt werden, und der Siatthalter von Syrien, Caffius Lon- 
ginus, kam felbft mit Truppen zur Durchfuhrung diefer Mafe- 
regel nach Jerufalem. Fadus und Caffius Longinus geftatteten 
aber, dafc die Juden wegen diefer Angelegenheit fich durdi 
eine Gefandtfchaft direkt an den Kaifer wenden durften, die 
durch Vermittlung des jungen Agrippa Erfolg hatte. 2 ) 

Es kam aber doch aus einem andern Grunde unter 
Fadus zum Blutvergiefcen. Bin gewiffer Theudas namlich, 
der fich fur einen Propheten ausgab, hatte grofcen Anhang 
gefunden und verfprach einer ungeheur en Menfdienmenge, 
die ihm an den Jordan nachzog, einen bequemen Durch- 
gang durch den Flufc zu ' verfchaffen, indem er durch fein 
Wort, wie in den Tagen der Vorzeit, die Fluten des Jor- 
dans teilen werde. Vermutlich handelte es fich um die an- 
gebliche Vorbereitung des meffianifchen Reiches und einen 
Angriff auf die Heiden im Oftjordanland. Es ift fehr begreif- 
lich, dafj Fadus in dem ganzen Unterfangen eine Bewegung 
zum Aufruhr gegen die Romer witterte, die audi ohne 
Zweifel, wenn audi vielleicht nicht gleich in erfter Linie, be- 
abfichtigt war. Er lieg die Menge durch Reiterei fiber- 
fallen und zerftreuen, wobei viele getotet, andere gefangen 
wurden. Dem Theudas felbft wurde der Kopf abgefchnitten 
und als Siegeszeidien nach Jerufalem gefandt. 3 ) 

Fadus diirfte fein Amt von 44 46 4 ) innegehabt haben. 



') Ant 20, 1, 1. 

2 ) Ant. 20, 1, 12. Vgl. S. 207. 

3 ) Ant. 20, 5, 1. Der Apg. 5, 36 von Gamaliel erwahnte und nach 
diefem noch vor Judas Galilaus, alfo vor der Scha^ung- des Quirinius 
aufgetretene Theudas, ift von dem obigen verfchieden. Vgl. Kirchen- 
lexikon XI, 1607 1, Art. Theudas. 

4 ) Claudius gab den an inn Gefandten einen Brief, datiert vom 
28- J un * 45, mit, in welehem auch von Weifungen an Fadus die Rede ift 
(Ant. 20, 1, 2). 



V. Kap. Die romifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Chr. 217 

Sein Nachfolger, der ficher fchon im Jahre 48 abberufen 
wurde, 1 ) war 

Tiberius Alexander, 

der Sprogling einer reichen, vornehmen und angefehenen Tiberius 
alexandrinifchen Familie. Er war namlich der Neffe des be- Alexander 
ruhmten Gelehrten Philo und Sohn des Alabardien Alexan- um 46 bis 48 - 
der Lyfimachus, der Sachwalter der Mutter des Claudius, 
Antonia, war. 2 ) Tiberius Alexander war vom Judentum zum 
Heidentum iibergetreten. Vielleidit hat diefer Umftand neue 
Unruhen hervorgerufen. Wir horen wenigftens, dag der 
Landpfleger die Sohne des Judas Galilaus, der wahrend der 
Schatjung des Quirinius einen Aufftand erregt hat, Jakobus 
und Simon, ans Kreuz fchlagen lieg. 3 ) 

Um diefe Zeit 4 ) trat eine groge Hungersnot ein, wah- 
rend welcher die gerade zum Befudi des Tempels nach Je- 
rufalem gekommene judifch gewordene Konigin Helene von 
Adiabene eine groge Menge Getreides in Agypten und Feigen 
in Cypern kaufen und an die Durftigen in Judaa verteilen 
lieg. 5 ) Es ift diefelbe Hungersnot, von welcher, wahrend 
Paulus und Barnabas in Antiochia predigten, der Prophet 
Agabus weisfagte, fie werde fiber den ganzen Erdkreis 
kommen, 6 ) was nach dem Evangeliften Lukas auch wirklich 
unter Claudius eintraf. 7 ) Dag fie auf einmal zur gleichen 

') Das Datum ergibt fich aus Ant. 20, 5, 2, wo die AblOfung des 
Tiberius durch feinen Nachfolger Cumanus in die Zeit des Todes des 
Herodes von Chalcis im achten Jahre des Claudius gefetjt jcheint. Vgl. 
audi B. J. 2, 11, 6 und 2, 12, 1. 

2 ) Vgl. Ant. 18, 6, 3. 8, 1. 19, 5, 1. 20, 5, 2. 

3 ) Ant. 20, 5, 2. 

4 ) Ant. 20, 5, 2. Niefe lieft mit der Epitome inl zov-eov. Allein 
nach den griech. Handfchr., der latein. Verfion und Eufeb. H. E. 2, 12, 1 
ift vielmehr Inl rovroiq zu lefen. Nach Zahn, Einl. II, 631 erfordert der 
Zufammenhang die Bedeutung ,,um diefe Zeit". 

6 ) Ant. 20, 5, 2. 

6 ) Apg. 11, 2730. 

7 ) Apg. 11, 28. Wahrend der Regierung des Claudius gab es 
assiduae sterilitates (Sueton. Claud. 18). Selbft in Rom war im 2. Jahre 
Dio Cass. 60, 11) und wieder im 11. Jahre (Tac. ann. 12, 43) groge 
Hungersnot, der naturlich Migwachs in den Kornlandern am Mittelmeer - 
voranging. In Griechenland, war im 8. oder 9. Jahre des Claudius Hungers- 
not (Eufeb. Chron. ed. Sch6ne II, 152 sq.). Von der in Palaftina fpricht 



218 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Zeit fiber den ganzen Erdkreis kommen werde, haben auch 
die Antiochener nicht geglaubt, welche zunadift an die Arrnen 
in Jerufalem dachten und ihnen zeitig eine Unterftutjung 
fchickten. 1 ) 

Bald verlieg auch Tiberius das Land, um fpater nadi 
einer glanzenden Laufbahn diesmal als Generalftabschef des 
Titus zur Zeit des Krieges wieder dorthin zu kommen. 2 ) 

Ihm folgte als Landpfleger 

Venti'dius Cumanus von 4S-52. 3 ) 

Ventidius Unter ihm entftanden wiederholt groge Unruhen. Das 

Cumanus von er j te Mal wur d en fie durch einen der romifchen Soldaten, 
48 bis 52. wdche der Sitte gemafc beim Ofterfeft in die Tempelhallen 
zur Aufrechterhaltung der Ordnung geftellt wurden, hervor- 
gerufen. Er verhohnte namlich in unanftandiger Weife die 
Menge, worauf diefe drohend Beftrafung des Sdiuldigen ver- 
langte. Da einige arifingen, die Soldaten mit Steinen zu 
bewerfen, liefc Cumanus aus Fureht vor einem grogeren An- 
griff Schwerbewaffnete heranriicken. Nun floh alles voll 
Schrecken in die Stadt und es entftand dabei ein Jo furchter- 
liches Gedrange, dag viele unter den Fugen der Nachf olgen- 
den zertreten wurden. 4 ) 

Ein anderes Mal liefc Cumanus, als ein kaiferlicher 
Diener in der Nahe von Jerufalem beraubt worden war, 
ohne dag man den Tater entdecken konnte, die nachft 
gelegenen Dorfer pliindern. Dabei zerrijj ein Soldat eine 
ihm in die Hande gefallene mofaifche Gefetjesrolle unter 
allerhand Lafterungen und Verhohnungen. Nun rotteten fich 
aber viele Juden zufammen, kamen nach Cafarea und ver- 

Jof. (Ant. 3, 15, 3. 20, 2, 5. 5, 2), fo, dag gewift Lukas von einer Hungers- 
not unter Claudius in der ganzen (zivilifierten) Welt reden konnte. Vgl. 
Ramsay, St. Paul the traveller and the Roman citizen, L. 1896, p. 48 f. 
Zahn, Einl. 11, 415 f. 

! ) Uber das Datum der fogen. Kollektenreife vgl. u. a. Felten, 
Apoftelg. 43 f., 50. 299. 

2 ) S. u. 6. Kap. Vgl. J. Reach, Ein Lebensbild a. d. Z. d. Zer- 
ftOrung Jerufalems (Progr.), Prag-Neuftadt 1914. 

3 ) S. o. S. 217. 

4 ) Nach Ant. 20, 5, 3 waren ,,zwanzigtaufend tt , nach B. J. 2, 12, 1 
vnep TOV? (wnpioi'c M mehr als zehntaufend" [Niefe Heft iwep r^t6^vgiuv<;, 
vgl. auch Euf. H. E. 2, 19, 1. Chron ed. Schone 2, 152 sq.] umgekommen, 
was ficher iibertrieben ift. 



V. Kap. Die romifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Chr. 219 

langten die Beftrafung des Sdiuldigen, den audi Cumanus 
mit dem Beile hinriditen liefc, um in diefer Weife einem 
Aufruhr zuvorzukommen. 1 ) 

Ein anderer Vorfall gab beinahe zu einem formlichen 
Kriege zwifchen Juden und Samaritern Veranlaffung. Gali- 
laifche Pilger waren bei dem Dorfe Ginaa in Samarien an- 
gegriffen und getotet worden, ohne daft der, wie es hiefr, 
beftochene Landpfleger Cumanus einfehritt. Deshalb [tiirmte 
ein bewaffneter jiidifcher Haufe auf Samaria zu und pliinderte 
und verbrannte unter Beihilfe des Raubers Eleazar einige 
famaritanifche Dorfer. Jetjt griff Cumanus mit Truppen- 
macht die Juden an, madite eine grofce Anzahl nieder und 
nahm viele gefangen. Auf die Klagen fowohl der gefcha- 
digten Samariter wie der Juden unterfuchte der Statthalter 
Ummidius Quadratus die Sadie in Samaria felbft, lieg die 
von Cumanus eingekerkerten Juden hinriditen, fandte den 
Hohenpriefter Ananias und den Hauptmann Ananus gefangen 
zur Verantwortung nach Rom und befahl audi den Vor- 
nehmften der Juden und Samaritern wie dem Landpfleger 
Cumanus und deffen Tribun Celer, fidi in Rom vor dem Kaifer 
zu reditfertigen. 2 ) In Rom, wo Cumanus und die Samariter 
maditige Freunde fanden, nahm fich der junge Agrippa der 
Juden an. Zu ihren Gunften lautete audi die kaiferliche 
Entfcheidung, der zufolge die Samariter als fdiuldig befunden 
und einige von ihnen hingeriditet wurden. Cumanus wurde 
verbannt und der Tribun Celer nach Jerufalem gefdii&t und 
dort enthauptet. 3 ) 

J ) Ant. 20, 5, 4. B. J. 2, 12, 2. 

2 ) Ant. 20, 6, 1-2. B. J. 2, 12, 3-6. 

3 ) Ant. 20, 6, 3. B. J. 2, 12, 7. Nach Tacitus ann. 12, 54 ware 
audi der Landpfleger Felix (f, u.) ,,jam pridem Judaeae impositus" (vgl. 
auch Tac. h. 5, 9) an den Unruhen beteiligt gewefen. Ihm hatten die 
Samariter gehorcht, die ,,Qalilaeorum natio" dem Cumanus. Beide waren 
gegen die Galilaer und Samariter, die fich formliche Treffen geliefert 
hatten, nicht eingefdiritten, fondern hatten fogar Anteil an der Beute ge- 
nommen. Ein fOrmlicher Krieg in der Provinz ware nur durch den fyri- 
fchen Statthalter Quadratus verhindert worden, der vom Kaifer Vollmacht 
erhalten habe, uber beide Landpfleger Qericht zu halten. Bei der Unter- 
fuchung habe diefer aber den Felix, deffen Bruder Pallas Minifter des 
Kaifers war, begunftigt und ihn unter die Richter gefetjt. Dadurch waren 
die Anklager abgefchreckt und Cumanus allein verurteilt worden. Der 



220 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

Jetjt wurde entfprechend dem ausdruddichen Gefuche des 
judifchen Hohenpriefters Jonathan 1 ) 

Antonius Felix 

Felix von 52 zum Landpfleger von Judaa ernannt, ein Freigelaffener 2 ) der 
bis um 60. Antonia 3 ), der Mutter des Claudius, und ein Bruder des am 
kaiferlichen Hole allmaditigen Pallas, des Gfinftlings der 
Agrippina 4 ), der Tochter des Germanicus und Mutter des 
Nero, welche nach der Ermordung der Meflalina im Jahre 48 
in zweiter Ehe ihren Onkel, den Kaifer Claudius, geheiratet 
hatte. Er trat fein Amt im Jahre 52 an. 5 ) 

Beridit ift aber mit dem des Jofephus unveaeinbar. Die Frage, weldier 
von beiden vorzuziehen ift, mug man zugunften des Jofephus entfcheiden, 
weil der in der damaligen Zeit im Lande felbft lebte und iiberhaupt fiber 
judifche Verhaltniffe bejfer unterrichtet ift, als Tacitus. So auch Schfirer I, 
570, 14. - Kellner (Z. f. k. Th. 1888, S. 639 f. und Jefus von Nazareth, 
S. 152 ff.) nimmt die Richtigkeit des Berichtes des Tacitus an. Ebenfo 
O. Holtjmann, Neut. Zeitg. 2 , Tub. 1906, S. 64 f., 135 ff. Uber die Zeit 
des Amtsantritts des Feftus f. ,u. S. 225, 2. 
') Ant. 20, 8, 5. 

2 ) Tac. hist. 5, 9. Suet. Claud. 28. 

3 ) Tac. hist. 5, . 9 nennt inn Antonius Felix. Dag fein Bruder Pallas 
ein Freigelaffener der Antonia war, fagt Ant. 18, 6, 6. Nach Ant. 20, 
7, 1 ed. Niefe hat Felix auch nodi den Namen Claudius gefuhrt. Die 
Lesart ift aber nicht fierier. Vgl. Schurer 1, 571, 18. 

*) Ober ihr Verhaltnis zu Pallas vgl. Schiller, Gefch. der rom. Kaiferz. I 
(Gotha 1883), S. 340. 

6 ) Das Datum ergibt fich aus Tac. ann. 12, 54, zu welchem Tacitus 
die Abfetjung des Cumanus (deffen Nachfolger Felix war) berichtet. Fur 
das Jahr 52 fcheint auch Jof. Ant. 20, 7, 1 (vgl. auch B. J. 2, 12, 8) zu 
fprechen. Er erwahnt, dag Felix von Claudius gefandt wurde, und fahrt 
fort, ,,als er aber das zwOlfte Jahr feiner Regierung fchon vollendet hatte 
[alfo nach dem 24. Januar 53], gab er [Claudius] dem Agrippa die 
Tetrarchie des Philippus". Es konnte allerdings auch das Jahr 53 ge- 
meint fein, nach dem Zufammenhang ift dies aber weniger wahrfcheinlich. 
Allerdings werden alle Amtshandlungen des Felix (Ant. 20, 8, 1-8, 
B. J. 2, 12, 813, 7) erft unter Nero berichtet. Die Chronik des Eufebius 
(ed. Scheme II, 152 f.) fetjt nach der latein. Bearbeitung die Sendung 
des Felix zu Abr. 2066, Claudii 10, die armen. Verfion zu Abr. 2067, 
Claudii 11. Nach Turner Art. Chronology of New Test, in Haftings, 
Diet. I, 418 rechnet Eufebius, der das erfte Jahr eines jeden Kaifers mit 
dem September nach feiner Thronbefteigung beginnen laffe, das 11. Jahr 
von September 51 bis September 52. Ift das richtig, dann ftimmt Eu- 
febius mit Jofephus und Tacitus uberein. Vgl. auch Zahn, Einl. 11, 
635. 637 f. 



V. Kap. Die rOmifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Ghr. 221 

Es war etwas Ungewohnliches, dajj ein friiherer Sklave 
ein derartiges hohes Amt erhielt, und es gereichte der Provinz 
nidit zum Segen. Denn Felix hat in Judaa ,,konigliches 
Redit mit fklavifcher Gefinnung in aller Graufamkeit und 
Wolluft geubt", 1 ) und dies um fo mehr, weil er als Bruder 
des Pallas ,,alle Sdiandtaten ungeftraft veruben zu durfen" 
glaubte. 2 ) Wie er in feinem Privatleben war, fieht man dar- 
aus, daft er im Jahre 54 die Schwefter des Agrippa II., Dru- 
filla, welche erft kurze Zeit mit dem Konige Azizus von Emefa 
verheiratet war, bewog, fich gegen das jiidifche Gefetj mit 
ihm, einem Heiden, zu vermahlen und ihren eigenen Mann 
zu verlaffen. 3 ) 

Als Claudius ftarb und fein Stieffohn Nero am 13. Ok- 
tober 54 die Regierung antrat, wurde Felix von neuem als 
Landpfleger von Judaa beftatigt. 4 ) 

In dem Lande wuchs unter ihm die Zerriittung von Tag 
zu Tag. Immer mehr wuchs die Partei der Rauber, wie 
Jofephus fie nennt. Es waren dies keine Rauber im ftrengen 
Sinne des Wortes, fondern politifeh Unzufriedene, welche von 
ihren Verftecken in der Wildnis allerdings auch gelegentlich 
Raubereien verubten, deren Ziel aber war, ihren politifchen 
Gegnern und der Staatsgewalt moglichft zu fchaden. Felix 
He viele ergreifen und kreuzigen. Er bewog den Rauber- 
hauptmann Eleazar, der fchon zwanzig Jahre das Land ver- 
heert hatte, gegen das Verfprechen vollftandiger Sicherheit an 
feinen Hof zu kommen, nahm ihn dann, ohne fich um den 
Treubruch zu kummern, gefangen und fchickte ihn nach Rom. 
Auch viele Burger liefj er als Verbiindete der Rauber beftrafen. 5 ) 

Um fo mehr wuchs aber nun das Unwefen der Sikarier, 6 ) 
Meuchelmorder, welche ihren Namen von den kleinen krum- 



a ) Tac. hist. 5, 9. 

2 ) Tac. ann. 12, 54. 

3 ) Ant. 20, 7, 2, f. o. S. 201. - Er war dreimal verheiratet, jedes- 
mal mit einer ,,K6nigin" (Suet. Claud, c. 28). Eine feiner Frauen, die 
Tac. hist. 5, 9 wohl durdti eine Verwechflung mit der KOnigin von Emefa 
Drufilla nennt, war eine Enkelin der Kleopatra und des Markus Antonius 
(Tac. 1. c.). 

4 ) B. ,). 2, 13, 2. Ant. 20, 8, 5. Vgl. S. 220, Anm. 1. 

5 ) Ant. 20, 8, 5. B. J. 2, 13, 2. 

6 ) B. J. 2, 17, 6. Ant. 20, 8, 10. Vgl. auch Apg. 21, 38. 



222 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

men Dolchen (sicae) fuhrten, weldie fie unter den Kleidern 
verfteckt hielten, urn in Jerufalem befonders an Fefttagen 
fogar im Tempel, ihre Feinde oder Romerfreunde unvermerkt 
im Gedrange niederzuftofjen und dann, wenn ihre Opfer nie- 
derfturzten, unbefangen in die lauten Rufe des Unwillens ein- 
zuftimmen. Der erfte, weldier von ihnen und zwar auf An- 
ftiften des Landpflegers Felix felbft erdoldit wurde, war der 
damals allerdings nicht mehr im Amte befindliche Hoheprie- 
fter Jonathan, den Felix wegen der fteten Mahnung, das Land 
gut zu verwalten, hafjte. Der Mord blieb ungeftraft und reizte 
dadurch zu andern Sdiandtaten. 1 ) 

Unter diefen Umftandenfanden religiofe Sdiwarmer, weldie 
auf Umwalzung und Aufruhr unter Berufung auf eine gott- 
liche Sendung hinarbeiteten , leidit Aufnahme. Sie fuchten 
die Menge zu bereden, ihnen in die Wiifte zu folgen, wo fie 
durdi Gottes Hilfe Wunder und Zeiehen tun wurden. Damals 
erfullte fidi das Wort des Herrn: ,,Viele werden in meinem 
Namen kommen und fagen: Idi bin Chriftus und werden 
viele verfuhren. Wenn fie aber fagen: Seller, er ift in der 
Wufte, fo gehet nicht hinaus." 2 ) 

Felix liefc viele von denen, weldie den Sdiwarmern in 
die Wiifte nadigezogen waren, ergreifen und hinriditen. Der 
fdilimmfte Betruger war damals ein Agypter, der fidi als einen 
Propheten ausgab und die Menge aufforderte, mit ihm auf 
den Olberg zu ziehen. Dort werde er ihr zeigen, wie auf fein 
Geheijs die Mauern Jerufalems einftiirzen wurden, und er werde 
ihnen einen Eingang in die Stadt barmen. Er wollte augen- 
fcheinlich fidi der Stadt bemachtigen. Felix kam ihm aber zuvor, 
griff ihn an, machte vierhundert feiner Anhanger nieder und 
nahm zweihundert gef angen. Der Agypter felbft entkam aber. 3 ) 



J ) Ant. 20, 8, 5. B. J. 2, 13, 4. 

2 ) Matth. 24, 5. 26. Ant. 20, 8, 6. B. J. 2, 13, 4. 

3 ) Ant. 20, 8, 6. Der romifche Hauptmann Apg. 21, 38 fcheint den 
Paulus ffir den Agypter gehalten zu haben: ,,Bift du nicht der Agypter, 
der vor diefen Tagen Aufruhr erregte und viertaufend Sikarier in die 
Wiifte fiihrte?" Nach B. J. 2, 13, 5 belief fich die Zahl der Anhanger 
des Agypters auf 30000 Die meiften feiner Anhanger wurden nieder- 
gemacht oder gerieten in Gefangenfchaft. Der fpatere Bericht Ant. 20, 8, 6 
durfte aber den Vorzug verdienen. 



V. Kap. Die romifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Chr. 223 

Audi je^t gab es kerne Ruhe. Denn die fluchtigen Be- 
truger und Rauber rotteten fieh nun zulammen, reizten das 
Volk zum Kriege gegen die Romer und bekampften alle, die 
denfelben irgendweldien Vorfchub leifteten, und plunderten 
und verbrannten ihre Dorfer. 1 ) 

Es war, als ob es gar keine Obrigkeit mehr gabe. 
Selbft die Hohenpriefter lagen mit den Prieftern und vor- 
nehmften Biirgern von Jerufalem in offenem Streit und fcheu- 
ten fich nidit, unter dem Vorgeben, allein ein Reeht auf den 
Kornzehnten zu haben, ihre Knechte auf die Tennen zu 
fchicken, damit fie den den Prieftern gebiihrenden Zehnten 
mit Gewalt wegnahmen, fo dag manche Priefter aus Mangel 
umkamen. 2 ) Namentlich beteiligten fich an diefen Gewalt- 
taten die Knechte des Ananias, der in der Erwerbung von 
Geldmitteln fehr erfinderifch war und durch Gefchenke den 
Landpfleger zu gewinnen wugte. 3 ) Es ift derfelbe, der den 
Apoftel Paulus auf den Mund fchlagen liefc. 4 ) 

Felix verftand nicht einmal an feinem eigenen Wohnfhj 
in Cafarea Ordnung zu halten. Dort entftand zwifchen den 
judifchen und fyrifchen Einwohnern ein Streit wegen des An- 
rechtes an den burgerlichen Rechten. Erftere verlangten, weil 
ein Jude, Herodes, die Stadt erbaut habe, einen Vorzug und 
brufteten fich mit ihrem Reichtum. Letjtere verliefeen fich 
darauf, dag der grofcte Teil der zu Cafarea liegenden Trup- 
pen Syrer waren. Es kam zu offenen Strafcenkampfen, bis 
Felix, da die fiegreichen Juden feinem Befehle zur Ruhe nicht 
gehorchten, viele niedermachen und einige mit Reichtiimern 
angefullte Haufer ausplundern lieg. 5 ) Als auch je^t die 
Reibereien nicht aufhorten, fchickte Felix Abgefandte beider 
Parteien nach Rom, um vor dem Kaifer ihre Sache auszu- 
machen. 6 ) Dort haben aber f pater die Syrer durch Beftechung 
des Sekretars des Nero, der deffen griechifche Korrefpondenz 



Ant. 20, 8, 6. B. J. 2, 13, 6. 
*)' Ant. 20, 8, 8. 9, 2. 
3 ) Ant. 20, 9, 2. 

*) Apg. 23, 2 f. 24, 1. Er war fo verhagt, dag er beim Ausbrudr 
des Krieges unter den erften von Sikariern ermordet wurde. B. J. 2, 17,9. 
*) Ant. 20, 8, 7. B. J. 2, 13, 7. 
6 ) B. J. 2, 13, 7. 



224 Erfter Abfchnitt. Die politifdhe Gefchichte der Juden etc. 

fuhrte, ein Refkript erlangt, wodurdi die Juden in Cafarea 
fogar der Gleichftellung im Biirgerrechte mit den Syrern be- 
raubt wurden. 1 ) Das Refkript wurde in Cafarea im Artemi- 
fios (Mai) 66 bekannt, worauf fofort der Aufftand ausbradi 
und damit der judifch-romifdie Krieg anfing. 2 ) 

Den Apoftel Paulus hat Felix zwei Jahre lang in der 
Hoffnung, Geld fur feine Befreiung zu erhalten, gefangen 
gehalten und ihn, um Gunft bei den Juden zu erwerben, 3 ) 
auch nidit befreit, als er felbft im Jahre 60 n. Chr. abbe- 
rufen wurde. 4 ) Daft Felix viele Jahre Riditer des jiidifchen 

') Ant. 20, 8, 9. 

2 ) B. J. 2, 14, 4. Vgl. Ant. 20, 8, 9, wonach fofort nach dem Amts- 
antritt des Feftus die vornehmften judifchen Einwohner von Cafarea den 
Felix in Rom verklagten, aber wegen des Einfluffes des Pallas nichts 
gegen ihn ausrichten konnten. Es mug fich um eine andere Gefandtfchaft 
handeln, als die B. J. 2, 13, 7 erwahnte. 

3 ) Apg. 24, 2427. 

*) Diefes Datum wird yon den meiften wenigftens als wahrfcheinlich 
richtig angenommen. Vgl. u. a. Zahn, Einl. II, 634 ff., Schurer I, S. 577, 
38; Steinmann, Die Abfaffungszeit des Galaterbriefes, Munfter 1906, 
S. 152 ff. Es folgt befonders daraus, dag der Nachfolger des Felix, 
Feftus, fpateftens im Juni 62 ftarb (f. u. S. 225, 2), feine Amtszeit aber, 
wie fich aus Ant. 20, 8, 10 11 (vgl. B. J. 2, 14, 1) ergibt, zwar kurz 
war, aber doch langer als ein Jahr dauerte. Nach Anordnung des Claudius 
(vgl. Dio Cass. 60, 11 und 17) traten die Statthalter ihr Amt mit dem 
1. Mai an. Somit fallt fein Amtsantritt in. den Mai des Jahres 60. 

Die in den letjten Jahren wiederholt geaugerte Anficht, Felix fei 
jchon im Jahre 54 (fo Kellner wiederholt, zuleljt Jefus von Nazareth, 
S. 153165) Oder 55 (V. Weber halt feine friihere Anficht, dag Paulus 
von 53 55 in Cafarea gefangen war, nicht mehr aufrecht, vgl. Weber, Die 
Abfaffung des Galaterbriefs vor dem Apoftelkonzil, Ravensb. 1900, S. 389. 
394 f.) oder 56 (fo Harnack, Gefch. der altchriftl. Literatur II, 1, 1897, 
S. 233239) abberufen worden, lagt fich nicht halten, da Felix nicht mit 
dem Tode des Claudius abging, fondern von Nero beftatigt wurde (f. o. 
S. 221). Man fagt (1), als Felix nach feiner Abberufung durch eine judifche 
Gefandtfchaft beim Kaifer verklagt wurde, habe fein Bruder Pallas, der 
damals bei Nero in grogtem Anfehen geftanden, fur ihn nach Jof. Ant. 
20, 8, 9 Furbitte eingelegt. Pallas fei aber fchon im Jahre 55 in Un- 
gnade gefallen. Richtig ift, dag Pallas, der vertraute Gehilfe von Neros 
Mutter Agrippina (Tac. ann. 13, 2), vom Hofe entfernt wurde, um der 
Agrippina, welche fich der Leidenfchaft Neros zu der Freigelaffenen Akte 
widerfetjte (1. c. 13, 12 f.), diefen Vertrauten zu entziehen (1. c. 13, 14). 
Es gefchah dies nach Tac. (1. c.) fchon im Jahre 55 kurz vor dem Ge- 
burtstage des Britannicus (1. c. 13, 15), d. h. dem 15. Februar 55 (vgl. 



V. Kap. Die rOmifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 4466 n. Chr. 225 

Volkes gewefen, fagt audi Paulus in der ApoftelgefchiditeJ) 

Porcius Feftus, 

der Nadifolger des Felix, bekleidete fein Amt nur kurze Zeit 
vom Jahre 60 62. 2 ) 

Suet, Claud. 27). Nero hatte aber erft am 13. Oktober 54 die Regierung 
angetreten. In die kurze Zeit von Oktober 54 bis Januar 55 kann aber 
doch nicht die Reife des Feftus nadi Palaftina und die des Felix und 
der Gefandtfchaft nach Rom ufw. (vgl. Jof. Ant. 20, 8, 19. B. J. 2, 12, 
8 14, 1) zufammengepregt werden (vgl. u. a. Zahn 11, 636 f.). Pallas, 
der erft im Jahre 62 ftarb, ift von der Anklage des Hochverrates im 
Jahre 55 freigefproehen worden (Tac. ann. 13, 23), nidit weil er dem 
Kaifer verhagt war, fondern weil diefer fieh feines Geldes bemSchtigen 
wollte (Tac. ann. 14, 65. Dio Cass. 62, 14). Was Pallas vermOge feines 
Reichtums fur Felix im Jahre 55 oder 56 tun konnte, konnte er auch 
nodi im Jahre 60. Die Bemerkung des Jof. Ant. 20, 8, 9, dag Pallas 
bei Nero im hSchften Anfehen geftanden habe, ift unrichtig. Man beruft 
fich (2) auch auf die Chronik des Eufebius, nach welcher die Abberufung 
des Felix in das zweite Jahr des Nero verlegt werde (fo auch Hieronymus 
cf. Chron. Euf. ed. Schone II, 155; nach dem armen. Text 1. c. p. 152 
ware 'fie im letjten Jahr des Claudius erfolgt; Kellner, S. 159 ff., meint 
fogar, das Zeugnis des Eufebius fur den Abgang des Felix im Jahre 54 
n. Chr. fei gefchOpft aus einheimifchen offiziellen Quellen; Eufebius fpreche 
als Lokalhiftoriker , da er Bifchof von Cafarea in Palaftina gewefen fei), 
wahrend nach der Kirchengefchichte des Eufebius Felix noch unter Nero 
Prokurator (H. E. 2, 20, 1) und Feftus von Nero eingefetjt ift (1. c. 2, 22, 1). 
Qegen die Anficht fpricht (3) auch Jofephus in feiner Vita 3. Dort berichtet 
er, er habe im Jahre 64 (d. h. nach feinem 26. Lebensjahre; er war aber 
zwifchen dem 13. September 37 und dem 15. Marz 38 geboren, f. u.) eine 
Reife nach Rom unternommen und dort einige befreundete Priefter, die 
von dem Landpfleger Felix wegen geringer Vergehen dorthin zur Ver- 
antwortung gefandt worden waren, mit Hilfe der Poppaa befreit. Dag 
diefe Leute aber fchon feit dem Jahre 54 oder 55 oder 56 in Unter- 
fuchungshaft gewefen fein follen, ift doch nicht anzunehmen. 
') Apg. 24, 10. 

2 ) S. o. S. 224, 4. Der Landpfleger Albinus, der Nachfolger des 
Feftus, ift an einem Laubhuttenfeft in Jerufalem gewefen, als ein gewiffer 
Jefus 4 Jahre vor dem Ausbruch des Krieges anfing, Weh fiber Jerufa- 
lem zu rufen, was er 7 Jahre und 5 Monate zu tun fortfuhr, bis er bei 
der Belagerung Jerufalems ftarb (B. J. 6, 5, 3). Aus beiden Angaben 
ergibt fich, dag Albinus beim Laubhuttenfeft des Jahres 62 in Jerufalem 
war und fpateftens im Herbft dorthin gekommen ift. Da nun doch die 
Reife des Boten, der die Nachricht vom Tode des Feftus nach Rom 
brachte und die Reife des Albinus fiber Alexandrien, wo er aufgehalten 
wurde, nach Jerufalem (Ant. 20, 9, I) mindeftens drei Monate in Anfpruch 
nahm, ftarb Feftus fpateftens im Juni 62, vermutlich aber noch einige 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 1 5 



226 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

Feftus tat, was er konnte, um das Land zu beruhigen, 
und liefc viele Rauber aufgreifen und hinrichten, ebenfalls 
liefc er einen neuen Betruger, weldier die Menge durch Ver- 
fprechungen betorte und in die Wufte lockte, famt feinem 
Anhang niedermachen. 1 ) Seine entgegenkommende Gefin- 
nung zeigte er auch bei einem Streite der Juden mit Agrippa 
wegen einer Tempelmauer, welche fogar den romifchen Sdmtj- 
wachen in der weftlichen Halle bei den Feften jeden Anblick 
verfperrte, indem er nicht auf feinem Befehle, die Mauer ab- 
zubrechen, verharrte, fondern den Juden geftattete, die Sache 
dem Nero vorzulegen. 2 ) 

Audi dem als Gefangenen von Felix zurfickgelaffenen 
Paulus zeigte er fich als ein billig und reditlidi denkender 
Mann und Heft ihn, da er an den Kaifer appelliert hatte, 
nach Rom fiihren. 3 ) 

Monate fruher. DafQr, dag fein Amtsantritt in den Mai des Jahres 60 
fallt (f. o. S. 224. 4), fpricht auch die wenngleich nidit urfprungliche, fo 
doch auf alter Uberlieferung beruhende Lesart Apg. 28, 16, dag der 
Hauptmann den gefangenen Paulus zu Rom TM ffr(>aro7rJa>/to iiber- 
geben habe. Der er^moaeSa(fxij<: ift der Praefectus praetorio, der Garde- 
kommandant (an den princeps [castrorum] peregrinorum, wie Mommfen 
in dem Auffatj ,,Zu Apoftelgefch. 28, 16" von Th. Mommfen u. A. Harnack, 
SB. Berl. A. d. W. 1895, S. 495 meint, ift nicht zu denken, da die Ein- 
richtung der castra peregrina er[t ffir das 3. Jahrh. nachweisbar ift. Vgl. 
Belfer, Beitrage zur Erklarung der Apoftelg., Freib. 1897, S. 146 154. 
Zahn, Einl. I. 389391). Seit der Abfe^ung der beiden Prafekten Lufius 
Geta und Rufrius Crifpinus durch Agrippina unter Claudius bis zu feinem 
im Jahre 62 erfolgten Tode war Burrus der einzige Praefectus praetorio 
(vgl. Tac. ann. 12, 42; 14, 51; er erwahnt bis zu dem nach Suet. Nero 57 
am 9. Juni 62 erfolgten Tode der Octavia J4, 5164 fo viele Ereigniffe,. 
dag der Tod des Burrus in den Januar gefetjt werden mug) ; ihm folgten 
wieder zwei praefecti praetorio, Rufus und Tigellinus (Tac. ann. 14, 51). 
Jedenfalls kann man nicht den Amtsantritt des Feftus deshalb ins 
Jahr 61 fetjen, weil nach J of. Ant. 20, 8, 11 unter dem Landpfleger Feftus 
fich die ,,Gattin" des Nero, Poppaa, einer judifchen Gefandtfchaft angenom- 
men habe. Nero habe fie aber erft im J. 62 nach der Verftogung feiner 
Frau Octavia (f. u. Kap. 24) geheiratet. Allein die Poppaa unterhielt 
fchon feit dem Jahre 58 ein Liebesverhaltnis mit dem Kaifer (Tac. ann. 
18, 45 sq.) und konnte proleptifch fchon vor dem Jahre 61 feine Gattia 
genannt .werden. 

J ) Ant. 20, 8, 10. B. J. 2, 14, 1. 

2 ) Ant. 20, 8, 11. Vgl. o. S. 209. 

) Apg. 24, 27; c. 25; c. 26; 27, 1-2. 



V. Kap. Die rOmifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 44 66 n. Chr. 227 

Feftus ftarb, ehe feine Amtszeit abgelaufen war. 1 ) 
Die Zwifdienzeit, welche bis zur Ankunft feines Nadi- 
folgers .verflofc, benutjte der eben erft von Agrippa zum 
Hohenpriefter ernannte jungere Ananus, Sohn des gleich- 
namigen in der Heiligen Sdirift Annas genannten Hohen- 
priefters, ein hartherziger, verwegener Sadduzaer, dazu, fei- 
nem Haft gegen die Chriften genugzutun. Er klagte namlidi, 
wie Jofephus fagt, ,,den Bruder Jefu, der Chriftus genannt 
wird, Jakobus mit Namen nebft nodi einigen andern" beim 
Hohen Rate als Obertreter des Gefetjes an und liefe sie zur 
Steinigung verurteilen." 2 ) Gemeint ift der Apoftel Jakobus 
der Jungere, 3 ) der Bruder des Herrn, welcher Bifchof von 
Jerufalem war 4 ) und felbft bei den Juden der Gerechte hiefj. 5 ) 
Sein Tod erregte gerade bei den eifrigften, dem Gefetje er- 
gebenften Burgern foldien Unwillen, dag fie den Ananus bei 
Konig Agrippa verklagten, der ihn nun als Hohenpriefter ab- 
fetjte. Einige gingen fogar dem von Alexandrien her kommen- 
den Albinus entgegen und ftellten ihm vor, Ananus habe 
gar kein Recht gehabt, ohne Genehmigung des Landpflegers 



l ) Ant. 20, 9, 1. 

-) Ant. 20, 9, 1. Die Echtheit der Stelle, welche fich in alien Hand- 
fehriften findet und von Bus. h. e. 2, 23, 21 wie auch dreimal von Ori- 
genes angefiihrt wird, namlich Comm. in Matth. (ed. Lommatzsch, torn. III. 
p. 46, zu Matth. 13, 55), c. Celsum I, 47 und II, 13 fin., ift auch aus innern 
Griinden (wie Lippus, Die apokr. Apoftelgefchichten u. Apoftellegenden, 2, 2 
[Braunfchw. 1884] 242, 1 unter Hinweis auf Keim u. a. ausfuhrt) nicht zu 
bean[tanden, da Jofephus in den Worten ,,Bruder des Jefu, der Chriftus 
genannt wird","keinen eigenen Glauben ausfpricht. Eine Interpolation, die 
fich in keiner der vorhandenen Jofephus-Handfchrifteh findet, ift die von 
Bus. h. e. 2, 23, 20 zitierte angebliche Augerung des Jofephus, dag die 
ZerftOrung Jerufalems eine Strafe fur die Totung des Jakobus gewefen 
fei. Diefelbe findet fich auch noch frflher bei Orig. c. Gels. 1, 47 (vgl. auch 
c. Gels. 2, 13 fin.) und wird von ihm (zu Matth. 13, 55) auf die Archaologie 
des Jofephus zurfickgefuhrt. Nach Hegefipp bei Bus. h. e. 2. 23, 11 18 
wurde Jakobus von der Zinne des Tempels herabgeftiirzt, gefteinigt und 
dann von einem Walker mit einem Kniittel totgefchlagen. 

3 ) o /utxpo?, Marc. 15, 40. 

*) Bus. h. e. 2, 1, 2 f. Vgl. Apg. 12, 17. 

5 ) Vgl. Bus. h. e. 2, 28, 12. 1517. Auch Hegefipp (bei Bus. h. e. 
2, 23, 18; 4, 22, 4) und Klemens von Alexandrien (bei Bus. h. e. 2, 1, 
3 f.) nennen ihn fo. Obnr feine ftrenge Lebensweife f. Hegefipp bei Bus. 
h. e. 2, 23, 46. 

15* 



228 Erfter Abfdmitt. Die politifche Gefchiehte der Juden etc. 

fo zu verfahren. 1 ) Der Tod des Jakobus fallt, wie fich aus 
Jofephus ergibt, nicht fpater als 62. 2 ) Nach Hegefipp ware 
er erfolgt, wahrend das Volk zur Ofterfeier verfammelt war. 3 ) 

Albinus (62-64), 

der fein Ami im Jahre 62 antrat und .bis zum Jahre 64 
fiihrte, hat in der kurzen Zeit feiner Verwaltung durdi Be- 
ftechlichkeit, Raubereien und tyrannifdies Wefen viel zum 
Ausbrudi des romifchen Krieges beigetragen. Anfangs liefe 
er zwar eine grofce Anzahl Sikarier niedermadieh, aber vom 
Hohenpriefier Ananias beftochen, Heft er den Hohenprieftern 
freie Hand in der Beraubung der auf den Zehnten angewiefe- 
nen Priefter und befreite fogar viele Sikarier. Nur der Rau- 
ber, fagt Jofephus, blieb als Obeltater im Gefangnis, der 
nicht zahlen konnte. 4 ) Albinus beftahl die offentlichen Kaffen, 
brandfchatjte mil Hilfe feiner Anhanger friedliebende Burger, 
beraubte manche Privatleute ihres Vermogens und belaftete 
das ganze Volk mit Abgaben. Ja, er Heft fogar die Reichen, 
wenn fie ihn beftadien, unbehelligt den Aufruhr fdiiiren. So 
hatte bald jeder Bofewicht eine Rotte um fieh gefammelt, ja 
fogar zwei Verwandte des Konigs Agrippa folgten diefem 
Beifpiel und iibten iibermutig Gewalt gegen Schwachere. 

Zuletjt, als Albinus abberufen wurde, liefc er alle Ge- 
fangenen, welche offenbar den Tod verdient hatten, hinriditen, 
die ubrigen aber, darunter viele Rauber, fur eine beftimmte 
Summe freigeben. 5 ) 

Der folgende Landpfleger, 

Geffius Florus (64-66), 6 ) 
war der fchlimmfte von alien. Er hatte das Amt durch Ver- 

!) Ant. 20, 9, 1. 

2 ) Vgl. S. 225, 1. Bus. Chron. ed Schoene II, 154 fe^t den Tod 
in das fiebente Jahr des Nero; ebenfo Hier. de viris ill. c. 2 am Ende. 
Hegesipp ap. Bus. h. c. 2, 23, 18 fetjt ihn naher an den Anfang des 

jiidifchen Krieges: XCM ev&v? OveOnadtnvo? Jiokiogxel arzovg. 

3 ) Vgl. Heges. ap. Bus. h. e. 2, 23, 10. Vgl. Lipfius, Die apokr. 
Apoftelgefch. 2, 2, 247 ff. und Erganzungsheft S. 81 und 93. Kellner, 
Heortologie, Freib. 1901, S. 168 ff. 

*) B. J. 2, 14, 1. Vgl. auch Ant. 20, 9, 2-4. 

5 ) Ant. 20, 9, 5. 

6 ) Er trat das Amt im Jahr 64 an, denn der Krieg begann im 
Mai 66 (B. J. 2, 14, 4); nach Ant. 20, 11, 1 n im zweiten Jahre der Ver- 
waltung des Florus, im zwolften von Neros Herrfchaft". 



V. Kap. Die rflmifchen Landpfleger Judaas vom Jahre 44 - 66 n. Chr. 229 

mittlung der Kaiferin Poppaa, mit weldier feine Gattin Kleo- 
patra befreundet war, 1 ) erhalten. ,,Er fdireckte, als ob er 
wie ein Henker zur Beftrafung Verurteilter gefandt worden 
ware, vor keiner Art von Raub und Mifchandlung zurack" 2 ) 
und veriibte feine Sehandtaten fo offen und zeigte fich fo 
unbarmherzig, habgierig unjd rudilos, dafc die Juden im 
UbermaJ5 ihres Blends im Vergleich zu ihm Albinus als Wohl- 
tater priefen. Die Rauber konnten fidi darauf verlaffen, dag 
fie, wenn fie ihm einen Anteil an der Beute uberliefcen, frei 
ausgingen. Ganze Stadte raubte er aus und richtete ganze 
Gemeinden zugrunde. Deshalb verliefjen nun manehe Juden 
ihre Wohnfitje und fliichteten fidi ins Ausland. 3 ) Als aber 
der fyrifche Statthalter Ceftius Gallus zum Ofterfeft nadi Jeru- 
falem kam, fuhrten alle, die zum Fefte gekommen waren, 
Klagen fiber den Florus, erreiditen aber nur das Verfprechen 
vom Statthalter, er wolle ihn milder ftimmen. 4 ) Florus ging 
fdiliefjlidi darauf aus, das Volk in einen Krieg zu verwickeln, 
damit feine eigenen Sdiandtaten ungeahndet blieben. 5 ) 

Voll trfiber Ahnung erzahlte man fidi allerhand Dinge 
und Vorzeichen 6 ) einer nodi viel dufteren Zukunft, die ihre 
drohenden Sdiatten fdion vor fidi warf. Gerade vor dem 
Aufftand am Fefte der ungefauerten Brote umftrahlte um die 
neunte Stunde ein ftarkes Lidit wie ein Feuerbrand den Altar 
und den Tempel, und als ob der letjtere den Feinden feine 
Tore offnen wollte, offnete fidi um Mitternadit von felbft das 
fchwere erzene, oftliche Tor des innern Vorhofes, weldies 

1 ) Ant. 20, n, i. 

2 ) B. J. 2, 14, 2. 

3 ) Ant. 20, 11, 1. 

*) B. J. 2, 14, 3. Nadi diefer Stelle find es nicht weniger als drei 
Millionen Juden gewefen, weldie fidi klagend um den Ceftius Gallus 
fcharten, eine runde Zahl, die aber audi als folche ubertrieben erfdieint. 

5 ) B. J. 2, 14, 3. Man kOnnte dies fur die ubertriebene Sdiilderung 
des Jofephus halten, wenn nidit audi Tac. hist. 5, 10 fagte: duravit 
patientia Judaeis usque ad Gessium Florum. Der B. J. 6, 4, 3 ge- 
nannte Markus Antonius Julianus heifct zwar o rfc 'lovJaia? 'tnl^oao?, 
war aber nicht Landpfleger, fondern nur ein unter Titus ftehender kaifer- 
licher Prokurator oder Staatsbeamter. Denn feit der Ernennung des 
Vefpafian zum kaiferlichen Legaten von Judaa gab es keine Land- 
pfleger mehr. 

6 ) B. J. 6, 5,|3. 



230 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

abends von zwanzig Mann gefchloffen wurde. Am Pfingft- 
fefte vernahmen die Priefter in der Nadit, als fie den innern 
Vorhof betraten, um ihren Dienft zu verfehen, ein Getofe 
und Raufchen und darin den vielftimmigen Ruf (wie der hei- 
ligen Geifter): Laffet uns von hinnen ziehen. 

Schon im Jahre 62, beim Laubhuttenfefte, fing ein Bauer 
namens Jefus, des Ananus Sohn, plotjlidi an zu rufen: M Eine 
Stimme vom Aufgang, eine Stimme vom Niedergang, eine 
Stimme von den vier Winden; eine Stimme fiber Jerufalem 
und den Tempel, fiber Brautigame und Braute und fiber das 
ganze Volk. Weh, weh, Jerufalem." So fchrie er Tag und 
Nacht, wahrend er in alien Gaffen der Stadt umherlief. Man 
zfiditigte ihn mil Sdilagen, Albinus liefc ihn fogar bis auf 
die Knochen geifceln, 1 ) aber bei jedem Hieb fchrie er nur: 
,,Weh, Jerufalem!" Audi in der Folge fluehte er keinem, 
der ihn fchlug, und dankte keinem, der ihm zu effen gab. 
Fur niemand hatte er eine andere Antwort, als: ,,Weh, weh, 
Jerufalem!" Sieb en Jahre und ffinf Monate liefj er, befon- 
ders laut an Fefttagen, diefen fchrecklichen Ruf erfchallen, 
bis ihn wahrend der Belagerung bei dem gellenden Rufe: 
,,Weh der Stadt, dem Volke und dem Tempel," ein von 
einer romifchen Wurfmafchine gefchleuderter Stein traf und 
er mit dem Rufe: ,,Weh audi mir!" tot zufammenbradi. 



VI. Kapitel. 

Der judifche Krieg von 66 - 73 n. Chr. 2 ) 

1. Vom Ausbruch des Krieges bis zur Ankunft Vefpafians 

im Jahre 67. 

Feindfeiig- Zu Cafarea, wo die Spannung zwifdien Juden und 

keiten in Syrern fchon fo wie fo aufs hodifte geftiegen war, kam es 

Cafarea. aus einem geringffigigen Anlag zum Streit. Die Juden 

hatten eine Synagoge auf einem Pla^, der den Griechen 

J ) Vgl. Juster, 2, 148: II est evident, que nous sommes, ici aussi, 
en presence d'un cas pouvant dtre interprete comme rebellion: car .la 
ruine predite devait surement etre la peine meritee pour la tolerance 
du joug etranger. 

' 2 ) Von neuen Werken feien erwahnt : Bertholet Alf , Das Ende des 
judifchen Staatswefens, Tub. 1910. Luther H., Jofephus und Juftus von 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 66-73 n. Chr. 231 

zugehorte und von diefen nun mil Werkftatten fo zugebaut 
wurde, dag den Juden nur em fehr unbequemer Eingang 
blieb. Letjtere batten vorher dem Florus acht Talente gegen 
das Verfprechen, den Bau der Werkftatten zu unterfagen, 
gegeben. Als er aber das Geld hatte, kummerte er fidi 
urn nichts und reifte ab. Am f olgenden Sabbate opferte ein 
Grieche einige Vogel vor der Synagoge, um dadurch auf das 
mofaifche Opfer der Ausfatjigen, die rein werden wollten, 
hinzuweifen und die Juden als Ausfa^ige hinzuftellen. 1 ) Es 
kam zu einem Handgemenge, in weldiem die Syrer die 
Oberhand behielten, woraufhin deren judifche Gegner 2 ) nach 
einem 60 Stadien von Cafarea entfernten Ort Narbata zogen. 
Ihre Gefandten wurden von Florus gar nicht vorgelaffen. 3 ) 

In Jerufalem wuchs die Erregung, als Florus 17 Talente, Florus wird 
wie er fagte, fur den Kaifer, wie man aber glaubte, fur fich in Jerufalem 

felbft aus dem Tempelfehafe nahm. Zum Hohn f ammelten o verh ^ nt ; 

. . i i , o. ,. r - j Seine Rache. 

nun einige Leute in der Stadt Almofen ,,fur den armen, 

ungliicklichen Florus". Darauf kam der aber voll Wut mit 
Truppen in die Stadt, lieft einen Teil plundern und viele 
Burger, darunter fogar romifche Ritter, ergreifen, geigeln 
und ans Kreuz fchlagen. 3600 Leute follen an dem Tage 
umgekommen fein. 4 ) Selbft die gerade in der Stadt anwe- 
fende KQnigin Berenice geriet in Lebensgefahr und mufcte 
fich vor den Soldaten in den Konigspalaft fliichten. 5 ) 

Dies gefchah am 16. 6 ) Artemifios des Jahres 66. Am Florus raumt 
f olgenden Tage, den 17. 7 ) Artemifios, beftimmten die Vor- die Stadt. 

Tiberias. Ein Beitrag zur Qefdiidhte des jfidifchen Au![tandes (Diss.) 
Heidelberg 1910. Windifdi H., Der Untergang Jerufalems im Urteil 
der Chriften und Juden. Theol. Tijdsch, XL VIII, Leiden 1914, 6, 519550. 
Weber W., Jofephus und Vefpafian. Unterfuchungen zu dem judifchen 
Krieg des Flavius Jofephus. L. 1921. 

) S. Levit. 14, 4. Vgl. Ant. 3, 11, 4. C. Apion. 1, 26 f. 

2 ) D. h. die am Kampfe Beteiligten; f. B. J. 2, 18, 1. 

3 ) B. J. 2, 14, 4 f. . 
*) B. J. 2, 14, 6-8. 

8 ) B. J. 2, 15, 1. Vgl. o. S. 213. 

6 ) B. J. 2, 15, 2. 

7 ) Nach Wiefeler, Zur Gefch. der neut. Schrirt und des Urchriften- 
tums, Leipz. 1880, S. 93, 1 (vgl. auch Wiefeler, Des Jofephus Zeugniffe 
uber Chriftus und Jakobus in Jahrb. f. deutfche Theol. 1878, S. 103) ift 
der 17. Artemif. 66 = 1. Mai. 



232 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

nehmen und Hohenpriefter mit grofeter Mime die Juden 
dazu, nach dem Verlangen des Floras zum Zeichen ihrer 
Unterwiirfigkeit zwei von Cafarea anriickenden Kohorten zur 
Begrufcung entgegenzuziehen. Die Truppen erwiderten aber, 
wie Jofephus fagt, auf Befehl des Florus, den Grug der 
Juden nidit und drangen, als nun einige auf Florus fchimpften, 
auf fie ein. 1 ) Viele wurden totgefchlagen oder von den 
Pferden zertreten oder von der wild in die Stadt zuruck- 
fturmenden Menge zu Tode gedriickt. In der Stadt hielt 
aber das Volk dem Angriff ftand und bradi, um den Tempel 
vor Florus zu fchutjen, die Saulenhallen, welche den Tempel 
mit der Burg Antonia verbanden, ab. Jetjt raumte Florus, 
indem er den Hohenprieftern und dem Hohen Rate eine 
Kohorte zur Aufrechthaltung der Ruhe und Sidierheit zuriick- 
liefc, die Stadt. 2 ) 

Friedens- Der Statthalter von Syrien, der fowohl von Florus, 

bemuhungen we^er ^{ Q Juden des Abfalls befchuldigte, wie auch von der 

des Agnppa. g eren j ce un( j ^en Vo'rnehmert Jerufalems benachrichtigt wor- 

den war, fandte nun einen Tribunen nach Jerufalem, um 

Erkundigungen einzuziehen, der aber wieder heimkehrte, 

nachdem er in Jamnia den gerade aus Alexandrien kom- 

menden ;! ) Konig Agrippa, bei dem fich auch Gefandte aus 

Jeru[alem einfanden und dem das niedrige Volk entgegen- 

zog, getroffen hatte. 

Agrippa wollte zwar dem Verlangen der Juden, den 
Florus beim Kaifer felb[t zu verklagen, nicht zuftimmen, be- 
rief aber eine Volksverfammlung, in welcher er in langer 
Rede das Volk vor einem Kriege mit dem uberma'chtigen 
Rom warnte, der das grogte Ungluck fiber die Stadt, den 
Tempel und das ganze Volk bringen wurde. Es gelang ihm 
aber nicht, das Volk zum Gehorfam gegen Florus zu be- 
wegen und er kehrte in fein Konigreich zuriick. 
Anfang des In der Stadt waren die vornehmen Sadduzaer und auch 
Kneges. manche einfichtige Pharifaer gegen den Krieg, den fie fur 
ausfichtslos hielten: Aber die Zeloten wollten ihn um jeden 



>) B. J. 2, 15, 2-5. 

*) B. J. 2, 15, 5 f. 

3 ) B. J. 2, 16, 5-17, 1. Vgl. o. S. 209 f. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 6673 n. Chr. 233 

Preis und bemachtigten fich der Feftung Mafada. 1 ) Ihre Ge- 
finnungsgenoffen in Jerusalem befchloffen um diefelbe Zeit 
auf Betreiben des Befehlshabers der Tempelwache, Eleazar, 
Sohnes des Hohenpriefters Ananias, in Zukunft die her- 
kommlichen Opfer fur die romifche Obrigkeit zu unterlaffen 
und iiberhaupt keine Opfer von Nichtjuden mehr anzu- 
nehmen.^) Der Befchlufj blieb trotj aller Vorftellungen der 
Hohenpriefter und anderer Vornehmer und der angefehenften 
Pharifaer beftehen. 3 ) So fehr war diefen bereits die Bewe- 
gung uber den Kopf gewachfen. Es bedeutete der Befchlufc 
aber nichts geringeres als den Abfall vom romifchen Kaifer 
und er gilt deshalb als der eigentliche Anfang des Krieges. 
Die Gemafcigten fuchten nun durdi Gewalt ihren Zweck 
zu erreichen und wandten fich an Florus und Agrippa um Erfoige der 
Hilfe. Er[terer antwortete gar nidit, le^terer fchickte aber 
3000 Reiter, welche, da der Tempelbezirk und die Unterftadt 
bereits in den Handen der Aufftandifchen waren, die obere 
Stadt befetjten. 4 ) Allein im Monat Loos (Auguft) 5 ) wurden 
fie von den Emporern, weldie von aufeen immer neuen Zu- 
zug erhielten, auch hier mehr und mehr verdrangt und in 
dem Konigspalaft des Herodes eingefchloffen. Die Aufftan- 
difdien verbrannten das Haus des Hohenpriefters Ananias, 
die Palafte der Berenice und des Agrippa und das ftadtifdie 
Archiv, wo die Schuldurkunden verwahrt wurden Audi ge- 
langten fie einige Tage fpater in den Befit* der Antonia. 6 ) 
Die Trupen im Konigspalaft konnten fich nicht halten. Die 
Koniglichen und Einheimifchen erhielten freien Abzug, die 
Romer fluchteten aber in die feften Tiirme der Burg, die 
felbft am 6. Gorpiaios (September) in Brand gefteckt wurde. 7 ) 
In der Wafferleitung des Palaftes iand man den dort ver- 
borgenen Richter des Paulus, den Hohenpriefter Ananias, 
der von den Banditen umgebracht wurde. 8 ) Endlich ergab 

J ) B. J. 2, 17, 2. 

2 ) L. c.; vg-1. unten. 

3 ) B. J. 2, 17, 3-4. 

4 ) B. J. 2, 17, 5. 
6 ) B. J. 2, 17, 6 f. 
a ) B. J. 2, 17, 5, 7. 

') B. .1. 2, 17, 8-9. Vgl. uber die Tiirme o. S. 69. 
8 ) B. J. 2, 17, 9. 



234 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

fich auch die romifche Befatjung gegen das eidliche Ver- 
fpredien freien Abzugs, wurde aber nadi Niederlegung der 
Waffen treulos von den Leuten Eleazars an einem Sabbate 
niedergemacht. 1 ) 

Kampfe in Es gefchah dies an demfelben Tage, an welchem zu 

Syrien und Cafarea mit Begunftigung des Landpflegers Florus fiber 

Agypten. 20000 Juden von ihren heidnifchen Mitbiirgern niedergemadit 

wurden. 2 ) Diefe Tat gab nun wieder den Juden Anlafr zu 

Angriffen auf fyrifche Dorfer und zu Verwuftungen in den 

Stadten Sebafte, Askalon, Anthedon und Gaza und bald 

bekampften fich faft in jeder Stadt Syriens Juden und Nicht- 

juden und riff en das Vermogen der Ermordeten an fidi. So 

z. B. wurden in Skythopolis 13000 Juden niedergemetjelt, 

ebenfalls viele in Ptolemais und Tyrus, ja felbft in Alexan- 

drien brach der Streit wieder los, in welchem 50000 Juden 

teils durch die Grieehen, teils durdi die romifdien Soldaten 

umgebradit und ihre Haufer eingeafchert wurden. 3 ) 

Der ungiuck- Endlidi brach der Statthalter Ceftius von Syrien mit 

Hche Feidzug einer grofeen Truppenmaeht, zu weldier die Konige Agrippa, 

des Ce{tms Antiochus von Commagene und Soemus von Emefa 4 ) Hilfs- 

fiallus 

truppen geftellt hatten, von Antiochien auf und lagerte, nadi- 
dem Joppe und Lydda verbrannt worden waren, wahrend 
des Laubhiittenfeftes (Oktober) 66 vor Jerufalem. 5 ) Am 
30. Hyperberetaios (Oktober) 6 ) befetjte er die Vorftadt Be- 
zetha und verbrannte fie, und griff einige Tage f pater die 
Nordfeite des Tempels ohne Erfolg an. Dann trat er aber, 
vermutlich weil er fich zu fchwach fiihlte, den Riickzug an, 
der unter fortwahrenden Angriffen der Juden, die ihre Gegner 
bis nach Antipatris verfolgten, in eine Fluent ausartete, auf 
der viele Gegner der Juden getotet und der grofete Teil 
des romifchen Kriegsmaterials verloren ging. Am 8. Dios 
(November) zogen die Aufftandifchen, gegen die vergebens 
ein Heer von gegen 30000 regularer Truppen, abgefehen 

J ) B. J. 2, 17, 10. 

2 ) B. J. 2, 18, 1. 

3 ) B. J. 2, 18, 2-8. Vita 6. 

4 ) Dag er Kflnig von Emefa war, ergibt fich aus Ant. 20, 8, 4. 
Vgl. B. J. 2, 18, 9. 

5 ) B. J. 2, 18, 9-19, 2. 
) B. J. 2, 19, 4. 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 6673 n. Chr. 235 

von den Hilfstruppen der Stadte, 1 ) gekampft hatte, unter 
Siegesgefangen in die Hauptftadt ein. 2 ) Viele angefehene 
Jiiden, weldie zur Partei des Agrippa gehorten, verliefcen, 
die Stadt, 3 ) andere Romerfreunde wurden aber teils mit Ge- 
walt, teils mit Uberredung auf die aufftandifche Seite ge- 
zogen.*) So grofc war aber nodi immer das Anfehen der 
judifchen Ariftokratie, daft fie, obwohl fie nur mit halbem 
Herzen bei der Bewegung war, nun die Fuhrung im Kriege 
gegen die Romer erhielt. 

In der Stadt erhielten den Oberbefehl Jofephus, Sohn Die judifchen 
des Gorion, und der Hoheprie[ter Ananus. Eleazar, der Befehishaber. 
Sohn des Hohenpriefters Ananias wurde mit Jefus, Sohn 
des Sapphias, nach Idumaa gefchickt und damit gewiffer- 
maffen kalt geftellt, 5 ) wahrend der bekannte judifche Ge- 
fehiditfchreiber Jofephus, Sohn des Priefters Matthias, das 
wichtige Kommando in Ober- und Unter- Galilaa und in Ga- 
mala erhielt. 6 ) Er war damals erft 29 Jahre alt, hatte die 
Macht des romifchen Reiches bei einem Befuche Roms im 
Jahre 64 felbjt kennen gelernt, war dem Aufftande abge- 
neigt und fur feinen hochft fchwierigen Poften in einer Pro- 
vinz, welche den romifrhen Angriffen am meiften ausgefe^t 
war, ganz ungeeignet. Es follte fidi auch bald zeigen, wie 
wenig er im Herzen mit den Aufftandifchen fympathifierte 
und wie fehr er fich durch allerhand geheime Dienfte bei 
dem Konig Agrippa und den Romerfreunden den Riicken 
zu decken fudite. So waren den Prieftern und Sdiriftge- 
lehrten wie ehedem das Sdiickfal Je(u nun das Schickfal des 
Volkes anvertraut. 

Neben Jofephus waren noeh andere Priefter, Joazar 
und Judas, mit der Organifation und Fuhrung des Krieges 

*) B. J. 2, is r 9. 

2 ) B. J. 2, 19, 49. Auf die Kunde von dem Siege der Juden 
braditen die heidnifdien Bewohner von Damaskus, deren Frauen meift 
die judifche Religion angenommen hatten, ihre judifchen Mitburger unter 
einem Vorwande in die Ringfchule zufammen und machten 10000 von 
ihnen nieder. B. J. 2, 20, 2. 

3 ) B. J. 2, 20, 1. 
*) B. J. 2, 20, 3. 
8 ) B. J. 2, 20, 4. 

6 ) B. J. 2, 20, 4. Vgl. fiber ihn unten. 



236 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiiehte der Juden etc. 

Tatigkeit desin Galilaa beauftragt. 1 ) Zunachft ernannte er nach dem Vor- 

Jofephus in fcjide des hohen Rates ein Kollegium von 70 Alteften zur 

Qahiaa. Entfcheidung der wichtigeren Rechtsfaile und beftellte in jeder 

Stadt 7 Riditer fur die weniger wichtigen Falle. 2 ) Edit phari- 

faifch wollte er audi die Leute in Tiberias zur Zerftorung 

des Palaftes des Herodes bewegen, weil derfelbe mit Tier- 

geftalten gefchmfickt war, was das Gefetj nidit geftatte. 3 ) 

Immerhin befeftigte er aber doch audi eine Anzahl ge- 
eigneter Platje in Galilaa. Dasjelbe tat er z. B. in Taridiea, 
Tiberias, Gamala, weldie Orte zu dem Gebiete des Konigs 
Agrippa, welches von diefem abgefallen war, gehorten. Selbft 
Sepphoris erkannte wenigftens zum Scheine die Autoritat 
des Jofephus an, beforgte aber den Bau feiner Mauern 
felbft. 4 ) Zu einer geniigenden Schulung der Truppen kam es 
fdion aus Mangel an Zeit nicht. Er hatte fchliefclich ein Heer 
von 60000 Mann zu Fug, 250 Reitern und nodi etwa 4500 
Soldnern zufammengebracht. Seine Leibwache beftand aus 
600 Mann. 5 ) ' 

Seine Aber es fehlte audi nicht an gewaltigem Widerfpruch. 

Gegner. An (j er spi^e der Oppo[ition in Galilaa ftand Johannes, 
Levis Sohn aus Gifchala, ein gewalttatiger Menfch, der {ich 
durch Ollieferungen an die Juden in Syrien grofcen Reich- 
turn erworben hatte, mit einer Bande von 400 verwegenen 



l ] Vita c. 7. Nachdem fie viel Geld aus dem Zehnten erhalten hatten, 
wollten die beiden wieder nadi Jerufalem zuriickkehren und blieben nur 
auf Bitten des Jofephus. Vita c. 12. 

2 ) B. J. 2, 20, 5. Vita c. 14. 

3 ) Vita c. 12. 

4 ) B. J. 2, 20, 6. Vgl. Vita 37. In Tiberias hatte die romerfeindlidie 
Kriegspartei die Oberhand; vgl. Vita c. 9 und 12. Gamala war an- 
fangs den Romern treu (Vita c. 12), fiel aber bald ab (B. J. 2, 20, 4. 
6; 21, 7. Vita 24. 3537). Sepphoris, die feftefte Stadt Galilaas, hatte 
fchon die rOmifchen Truppen des Ceftius im Jahre 66 freudig aufge- 
nommen (B. J. 2, 18, 11) und fich nur zum Scheine dem Jofephus unter- 
worfen (B. J. 2, 20, 6; 21. 7; dag die Stadt tatfachlich den ROmern treu 
blieb, ergibt fich aus Vita c. 8. 22. 25. 45. 65). Jofephus erlaubte der 
Stadt die Verbindung mit der Stadt Dora in Phonizien, wo fich die von 
Sepphoris dem Ceftius geftellten Geigeln befanden (B. J. 2, 19; Vita c. 8). 
Er nahm die Stadt einmal mit Gewalt ein (B. J. 2, 21, 10. Vita c. 67), 
wahrend er ein anderes Mai zuruckgefchlagen wurde (Vita c. 71). 

5 ) B. J. 2, 20, 7-8. 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 66-73 n. Chr. 237 

Raubern plundernd in Galilaa umherzog und felbft nach dem 
Oberbefehl ftrebte. Er ftreute iiberall das Geriicht aus, Jo- 
fephus wolle das Land den Romern verraten. Anlafc dazu 
gab deffen Nachficht gegen Sepphoris und feine Abficht, die 
von einem Beobaditungskorps einem Beamten des Konigs 
Agrippa abgenommene Beute diefem wiederzugeben. In 
Tarichea wollte deshalb eines Morgens eine wiitende Menge 
den Jofephus lebendig verbrennen. Er wufete aber einen 
Teil der Leute durch die Behauptung, er habe das erbeutete 
Geld zur Befeftigung von Taridiea zuriickgehalten, fur fich 
zu gewinnen. 1 ) Bald danaeh mufjte er in Tiberias vor einer 
Mordbande des Johannes von Gifchata fich in einem Nachen 
auf die offene See fltichten. 2 ) Endlich fe^te fein Gegner es 
doch in Jeru[alem durdi, daft eine Kommiffion von 4 Man- 
nern mit 2500 Schwerbewaffneten nach Galilaa gefchickt 
wurde, um ihn zur Rechenfchaft zu ziehen. Aber jetjt gelang 
s ihm durch Lift fowohl die vier Manner als auch manche 
der Bewaffneten in feine Gewalt zu bekommen, um fie nach 
Jerufalem zuruckzufchicken, und der Befchlujg; gegen ihn wurde 
in Jerufalem wieder riickgangig gemacht. 3 ) 

In Jerufalem hatte man mittlerweile die Stadtmauer Rfl . tun en . 
wieder inftand gefe^t und wohl auch den unterbrochenen j er ufaiem. 
Neubau des Agrippa (vgl. o. S. 202) durftig vollendet, Kriegs- 
gerat verfertigt und planlofe Waffeniibungen abgehalten. 4 ) 
Einen Angriff auf das ftark befeftigte Askalon hatte die 
dortige kleine romifche Garnifon fiegreich abgefchlagen. 3 ) 



!) B. J. 2, 21, 15. Vita 13. 2630. In der Vita verteidigt fich 
Jofephus gegen die Behauptung des Juftus von Tiberias, er trage die 
Schuld, dag fich die Stadt Tiberias am Aufftand beteiligt habe, und fueht 
fich als ROmerfreund darzuftellen. Er erzahlt auch Vita c. 13, er habe 
fich zu Tiberias bemuht, alles bewegliche Eigentum des Agrippa in feine 
Hand zu bekommen, um es diefem zurQckzugeben. 

2 ) B. J. 2, 21, 6-7. Vita 16-21. 

3 ) B. J. 2, 21, 7. Ausfuhrlich handelt uber die Beftellung und Qe- 
fchichte der Kommiffion Vita c. 3864. Auch gelang es dem Jofephus, 
fich wieder Tiberias, deffen Einwohner die Hilfe Agrippas angerufen 
hatten, zu unterwerfen. B. J. 2, 21, 8-10. Vita 3235. Gifchala mugte 
fich auch dem Jofephus unterwerfen, wurde "aber zur Strafe gepliindert. 
B. J. 2, 21, 10. 

*) B. J. 2, 22, 1. 
*) B. J. 3, 2, 1-3. 



238 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefdiichte der Juden etc. 

Wie in Galilaa Johannes von Gifchala, fo verlegte fich 
im Bezirke von Akrabatta Simon, des Gioras Sohn, auf 
Raubereien, fo dag Ananus von Jerufalem Truppen gegen 
ihn fchickte. Jetjt floh Simon nach Mafada und beunruhigte 
von dort Idumaa, fo dafc die dortigen Behorden Befatjungen 
in die Dorfer legen mufcten. 1 ) 

Es war ein troftlofer Zuftand des Wirrwarrs und der 
innern Zwiftigkeiten, welche viele den kommenden Unter- 
gang vorausfehen liefc. 2 ) 

2. Der judifche Krieg vom Jahre 67 bis zur Belagerung 
Jerufalems durdi Titus. 

Vefpafian und ^Is ^ Qro m Achaja die Kunde von der Niederlage des 

Ce * tius und den Zu f tanden Palaftinas erhielt, ubertrug er die 
Fuhnmg des Krieges gegen die Juden einem bewahrten 
Feldherrn, dem Vefpafian, 3 ) der fidi namentlieh durdi feine 
Kriegstaten gegen die Germanen und in Britannien ausge- 
zeichnet hatte. Diefer befand fidi damals ebenfalls zu Achaja 
bei Nero und begab fich nun nadi Syrien, wahrend er feinen 
Sohn Titus nach Alexandrien fchickte, um von dort die funf- 
zehnte Legion zu holen. d ) 

In Antiochien traf Vefpafian die ganze Streitmacht des 
Konigs Agrippa und ging mit ihm nach Ptolemais, 5 ) wo das 
von Suden kommende Heer des Titus zu ihm ftieg. 6 ) Noch 
ehe diefer let;tere ankam, hatte fchon die romifch gefinnte 
grofcte und feftefte Stadt Galilaas, Sepphoris, eine romifche 
Befa^ung erbeten und erhalten. 7 ) Ihr Befehlshaber war Pla- 
cidus, der nun mit feinen 1000 Reitern und 6000 Fugfoldaten 
nicht blog den Angriff des Jofephus leicht abfchlug, fondern 



!) B. J. 2, 22, 2. 

2 ) B. J. 2, 22, 1. 

3 ) Geboren im Jahre 9 n. Chr. 

4 ) B. J. 3, 13. Der Text in B. J. 3, 1, 3 fpricht von der 5. und 
10. Legion. Aus B. J. 3, 4, 2 ergibt fich, dag Titus nur eine Legion, 
die funfzehnte, heranfuhrte. Vgl. auch Sueton. Tit. 4, der fagt, dag Titus 
wahrend des Krieges eine .Legion befehligte. 

6 ) B. J. 3, 2, 4. 

6 ) B. J. 3, 4, 2. 

7 ) B. J. 3, 2, 4. 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 6673 n. (Jhr. 239 

auch ganz Galilaa verwuftete, fo daft nur nodi die befeftigten 
Stadte einen ficberen Zufluchtsort bildeten. 1 ) 

Das gefamte romifche Heer, zu welchem die Konige 
Agrippa, Antiochus von Commagene, Soemus von Emefa 
und der Araber Malchus Hilfstruppen geftellt batten, war 
etwa 60000 Mann ftark. Den Kern bildeten die funfte, zehnte 
und fiinfzehnte Legion. 2 ) Im Friihjahre 67 kam Vefpafian 
mit feinem Heere an den Grenzen Galilaas an und lieg dort 
ein Lager auffchlagen. Auf die bloge Nadiridit hiervon ftoben 
die nidit weit von Sepphoris bei einem Orte narnens Garis 
lagernden Truppen des Jofephus in wilder Fluent auseinander. 
Der Feldherr felbft floh mit den wenigen treu Gebliebenen 
nach Tiberias, 3 ) dachte an einen Vergleich und fchrieb nach 
Jerufalem, wenn man den Krieg fortfetjen wolle, folle man 
ihm ein Heer fchicken, welches es mit den Romern auf- 
nehmen konne, 4 ) als ob nicht gerade die Organifation eines 
folchen feine Aufgabe gewefen jei. Allerdings fanden iich 
von den Zeloten, die aus ganz anderm Stoff waren, keine 
bei {einem Heere. 

Die meiften Leute des Jofephus waren in die ftarke Beiagerung 
Bergfeftung Jotapata (nordlich von Sepphoris, auf dem Wege von Jotapata. 
von Ptolemais nach Nazareth), welche auf einem hohen run- 
den Hugel (Tell Dfchefat) lag, der nur mit den nordlichen 
Bergen durch einen niederen Bergfattel verbunden ift, 5 ) ge- 
fluchtet. Dort kam auch Jojephus am 21. Artemifios (Mai) 
an, 6 ) nur einen Tag fruher als die ganze Streitmacht des 
Vefpafian, der die Stadt Gadara genommen und in Brand 
gefteckt hatte und nun mit einem Schlage das Schickfal Ga- 
lilaas entfcheiden wollte. 7 ) 

Die Stadt war an der einzig zuganglichen Seite im Nor- 
den dur;ch eine ftarke Mauer gefchtt^t. Tro^dem hier die 
Romer fchon am 23. Artemifios und den folgenden Tagen 
Angriffe machten, gelang es den Belagerten, nicht nur die- 

') B. J. 3, 4, 1 und 3, 6, 1. 

2 ) B. J. 3, 4, 2. 

3 ) B. J. 3, 6, 2-3. 

4 ) B. J. 3, 7, 2. 

5 ) Vgl. Querin, Galilee I. p. 476 ss. 
a ) B. J. 3, 7, 3. 

') B. J. 3, 7, 4 und 1. 



240 Erfter Abfchnitt. Die politifehe Gefchichte der Juden etc. 

felben abzufchlagen, fondern trotj des beftandigen Gefchog- 
hagels hinter einer von Jofephus erfonnenen kiinftlichen 
Deckung die Mauer zu erhohen. So fah fidi Vefpafian ge- 
zwungen, die Stadt formlidi zu belagern, und fuchte nun fie 
auszuhungern. 1 ) Jofephus, der iiberhaupt damals groge Er- 
findungsgabe und Schlauheit an den Tag legte, taufchte auch 
den Feind uber den Waffermangel in der Stadt, indem er 
von Waffer triefende Kleider an den Bruftwehren aufhangen 
liefc. Tatfachlich mufcten fidi aber die Belagerten mit Zifternen- 
waffer begnugen, in der Sommerzeit regnete es aber in 
jener Gegend felten. 2 ) Jetjt griff Vefpafian zur Freude der 
an ihrer Rettung verzweifelnden Juden wieder zu den Waffen. 
t)ber den Jofephus felbft, der ernftlich an die eigene Ret- 
lung durch die Fluent gedacht und fchliefclich nur aus Furdit, 
die Menge werde ihn mit Gewalt zuruckhalten, den Ge- 
danken aufgegeben hatte, 3 ) kam nun etwas vom Mute der 
Verzweiflung. Er fugte den Romern durch kiihne Ausfalle 
grogen Schaden zu, wugte die Gewalt des Sturmwidders an 
der Mauer durch herabgelaffene Spreufacke zu brechen und 
lieg auf die anfturmenden Romer fiedendes 01 und auf die 
Bretter der Sturmbriicken abgekochtes griechifches Heu giefcen, 
fo da die Romer ausglitten und hinabrutfchten. 4 ) Vefpafian 
felbft wurde beim Angriff auf die Stadt leicht am Fug ver- 
wundet, 5 ) und die Belagerten entwickelten unter den fort- 
wahrenden Angriffen und der Tatigkeit von 160 Wurfma- 
fchinen 6 ) des romifchen Heeres auf der Mauer Wunder der 
Tapferkeit und fchlugen auch einen Sturm der Romer am 
20. Daifios (Juni), denen es gelungen war, eine Brefche in 
die Stadtmauer zu legen, ab. 7 ) Nun liejg Vefpafian auf von 
ihm errichteten Wallen drei je funfzig Fug hohe Turme mit 
Bruftwehren bauen, um die auf der Stadtmauer ftehenden 
Juden leichter fehen und treffen zu konnen. 8 ) 

') B. j. 3, 7, 5-n. 

*) B. J. 3, 7, 1213. 

3 ) B. J. 3, 7, 15-17. 

*) B. J. 3, 7, 17-29. 

) B. J. 3, 7, 24. 

6 ) B. J. 3, 7, 9. 

v ) B. J. 3, 7, 21. 23 ft 

*) B. J. 3, 7, 30. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 66^-73 n. Chr. 



241 



Wahrend diefer Vorbereitungen griff ein Teil des ro- 
mifchen Heeres eine Nachbarftadt Jotapatas mil Namen Japha 
an und nahm fie am 25. Daifios nach einem furchtbaren 
Blutbad, in welchem 15000 Juden umkamen, ein. 1 ) Zwei 
Tage fpater wurden 11600 Samariter, welche fich auf dem 
Berge Garizim verfammelt batten und ebenfalls an Aufftand 
gegen die Romer dachten, von Cerealis mit der fiinften Le- 
gion umzingelt, und da fie fich nicht ergeben wollten, nieder- 
gemacht. 2 ) 

Kurz danach, am 1. Panemos (Juli), 3 ) fiel auch Jotapata 
durch Verrat. Ein Oberlaufer verriet dem Vefpafian, daft gegen 
Morgen felbft die Wachtpoften vor Ermudung zu fdilafen 
pflegten. Dies benutjte der Feldherr. Um die angegebene 
Zeit erftieg zuerft Titus mit einigen Leuten die Mauer und 
das ganze Heer war fchon in der Stadt, fiber 'die gerade 
ein dichter Nebel lagerte, ehe die Belagerten es wufcten. Im 
ganzen find bei der Einnahme und in den vorangegangenen 
Kampfen 40000 Juden umgekommen/) 

Jofephus felbft rettete fich in eine tiefe Zifterne, die fich 
feitwarts zu einer von oben unfichtbaren, geraumigen Hohle 
erweiterte. Hier traf er vierzig andere Manner, die fur eine 
Reihe von Tagen mit Lebensmitteln verfehen waren. Nach 
zwei Tagen wurde er entdeckt und wollte fich den Romern, 
die ihm das Leben verburgten, ergeben. Allein feine Ge- 
fahrten drohten ihn niederzuftoften, wenn er das tue, und 
verlangten, er folle fich, wie jeder von ihnen auch tun wurde, 

1 ) B. J. 3, 7, 31. 

2 ) B. J. 3, 7, 32. 

3 ) B. J. 3, 7, 36. Ift dies Datum richtig und ebenfalls riditig, dag 
Vefpafian am 22. Artemifios vor der Stadt ankam und fie am folgenden 
Tage angriff (B. J. 3, 7, 5; vgl. ebd. 7, 3-4), fo kann die Belagerung 
vom 22. oder 23. Artemifios gerechnet nicht 47 Tage gedauert haben, 
wie doch zweimal B. J. 3, 7, 33 und 8, 9 beftimmt gefagt ift. Es konnen 
aber auch die 47 Tage vom 17. Artemifios an gerechnet fein, da an dem 
Tage fchon von Truppen Vefpafians mit der Ebnung des Bergweges be- 
gonnen wurde, um dem Heere/.eine breite Strage zu eroffnen (B. J. 3, 
7, 3). Vgl. auch Niefe, Hermes XXVIII, 1893, S. 202 f. Unger, Die 
Tagdata des Jofephos [S. B. der Munchener Ak. 1893, II, 453-492] 
S. 490 f. meint, es fei vielleicht ftatt 47 die Zahl 37 zu lefen, wozu aber 
kein Anlaft vorliegt, da die Zahl 47 in B. J. 3, 8, 9 wiederholt wird. 

4 ) B. J. 3, 7, 33-36. 

Felten, Neuteftamentlidie Zeitgerdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 16 



Romifche 

Unter- 

nehmungen 

gegen Japha 

und die 
Samariter. 



Fall 
Jotapatas. 



Gefangen- 

nahme des 

Jofephus. 



242 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

felbft toten. Er behauptet nun, fie bewogen zu haben, jedes- 
mal das Los daruber beftimmen zu laflen, wer an der Reihe 
fei, von einem andern getotet zu werden. Schlieglich fei er 
mit noch einem andern iibrig geblieben, und diefen habe er 
veranlafjt, fich mit ihm den Romern zu ergeben. 1 ) 

Als er zu Vefpafian gefuhrt wurde, wollte ihn diefer 
zu Nero fchicken. Aber Jofephus wufete fich auch jetjt zu 
helfen. Er gab vor, fich eines gottlichen Auftrages entledigen 
zu miiffen, nahm eine Prophetenmiene an und fagte voraus,. 
fowohl Vefpafian wie fein Sohn Titus wiirden die Kaifer- 
wiirde erlangen. Nun wurde er, zumal auch Titus fich fur 
ihn verwandte, freundlicher behandelt, wenngleich er einft^ 
weilen in Feffeln blieb. 2 ) 

Unter- Am 4. Panemos zog Vefpafian von Jotapata iiber Pto- 

werfungvon lemais nach Cafarea am Meere, und begab fich von dort 

Tibenas, ^^ c a j area philippi, wo ihn Konig Agrippa zwanzig Tage 

'"To * I pVi oo 

lang feftlich bewirtete und ihn die Berenice durch Gefchenke 
zu gewinnen wufete. 3 ) 

Bald danach wurde die Stadt Joppe, die im Jahre 66 
durch Ceftius zerftort, 4 bald aber wieder von judifchen Flucht- 
lingen neu befeftigt worden war, durch die Romer von neuem 
zerftort. 5 ) 

Die Unterwerfung Galilaas wurde noch im Jahre 67 be- 
endigt. Tiberias offnete dem Vefpafian freiwillig die Tore 
und blieb auf die Fiirbitte Agrippas hin von Pliinderung und 
Gewalttatigkeiten verfchont. 6 ) Tarichea, deffen eingeborne 
Bevolkerung fich ergeben wollte, wurde von Titus zu An- 
fang des Monats Gorpiaios (September) eingenommen und 

!) B. J. 3, 8, 17. 

2 ) B. J. 8, 8-9. Vgl. auch Sueton. Vespas. 5. Ei unus ex nobilibus 
captivis Jojephus, cum conjiceretur in vincula, constantissime asseveravit, 
fore ut ab eodem brevi solveretur, verum jam imperatore. Vgl. auch Dio 
Cass. 66, 1. Vermutlich war dem .Jofephus die (teigende Unzufriedenheit 
mit Nero, welcher im folgenden Jahre ermordet wurde, bekannt. Kohout,. 
Flavius Jofephus' jiidifcher Krieg. Linz 1901, S. 634 f. (vgl. auch a. a. O.- 
S. 633, 351) tritt fur die Moglichkeit einer ,,hoheren Anregung" bei Jo- 
fephus ein. 

3 ) B. J. 3, 9, 1 und 7. Tac. Hist. 2, 81. 

4 ) S. o. S. 234. 

5 ) B. J. 3, 9, 24. 

6 ) B. J. 3, 9, 78. 



VI. Kap. Der jtidifche Krieg von 66-73 n. Chr. 243 

die Zeloten, welche fich in Fifcherboten auf den See Gene- 
fareth gefluchtet batten, auf Floffen verfolgt und in einem 
Seegefedit niedergemaeht, fo dafc der ganze See voll Leidien 
war. Im ganzen batten 6500 in diefen Kampfen ihr Leben 
eingebiifct, weitere 1200 liefc Vefpafian in der Rennbahn zu 
Tiberias niedermadien, 6000 wurden an den Ifthmus von Ko- 
rinth gefchickt, deffen erft im Jahre 1893 vollzogene Durch- 
ftechung fchon von Nero geplant war, und 30400 wurden 
verkauft. 1 ) 

Noch fchonungslofer verfuhren die Romer in Gamala, Unter- 
weldie Feftung voll von Fliichtlingen war und fich fieben werfungvon 
Monate gegen den Landesherrn Agrippa und einen Monat Gamala und 
noch gegen Vefpafian gehalten hatte. Die Stadt fiel nach 
verzweifeltem Widerftande am 23. Hyperberetaios (Oktober). 
Die wutenden Romer fchonten nicht einmal der Sauglinge 
und keiner blieb am Leben als zwei Frauen, die fich ver- 
fteckt gehalten batten. 2 ) Wahrend der Belagerung Gamalas 
fiel auch der Berg Tabor, auf welchem fich die judifche Be- 
fatsung bis jetjt gehalten hatte, in die Hande der Romer. 3 ) 
Endlich fiihrte zu Ende des Jahres 67 Titus auch taufend 
Reiter gegen Gifchala, wofelbft der Zelotenfiihrer Johannes, 
Sohn des Levi, kommandierte, und forderte die Stadt zur 
Obergabe auf. Da es gerade ein Sabbat war, bat Johannes 
um einen Tag Auffchub, entfloh aber mit feinen bewaffneten 
Anhangern in der Nacht und entkam nach Jerufalem. 4 ) Da- 
mit war nun ganz Galilaa in den Handen der Romer, nach- 
dem fie Samaria 5 ) und Gaulanitis, deffen Hauptftadt Gamala 
war, fchon bezwungen batten. 

Vefpafian Heft die zehnte Legion in Skythopolis und be- 



J ) B. J. 3, 10. Sueton. Tit. 4. 

2 ) B. J. 4, 1, 210. Titus drang zuerft mit 200 Reitern in die 
Stadt ein (B. J. 4, 1, 10), weshalb Suet. Tit. 4 ihm die Eroberung der 
Stadt zufchreibt. 

3 ) B. ,). 4, 1, 8. Schon nach der Unterwerfung von Tarichea batten 
fich alle Feftungen und Stadte Galilaas mit Ausnahme des Tabor und 
Gijchalas den Romern iibergeben. B. J. 4, 1, 1. 

*) B, J. 4, 2. Gifchala lag in der Nahe des fyrifchen Gebietes, wo- 
hin Titus fein Lager verlegt hatte. B. J. 4, 2, 3. 
: ) S. o. S. 241. 

16* 



244 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiiehte der Juden etc. 

zog mit den beiden iibrigen Legionen die Winterquartiere 
zu Cafarea. 1 ) 

Streitig- Unter den Juden herrfehte iiberall Hader und Zwie- 

keiten unter tradit, indem die Emporungsluftigen und Kriegsfuchtigen fich 
den Juden. zu f am menrotteten, die iibrigen bedriickten und die Landbe- 
volkerung auspliinderten. 

Am fchlimmften war der Streit in Jerufalem felbft, wo- 

hin nicht blofe Johannes von Gifchala mit feinen Leuten, fon- 

dern iiberhaupt immer mehr Banditen gezogen waren, und 

Tyrannei der wo die Zeloten immer tyrannifcher auftraten. 2 ) Zunachft wur- 

Zeioten in den Angehorige der koniglichen Familie der Herodeer und 

Jerufalem. an dere Vornehme unter dem Vorwande, fie batten mit den 

Romern wegen der Obergabe der Stadt unterhandelt, ins 

Gefangnis geworfen und dort ermordet. 3 ) Dann fchaffte man 

die Vorredite der Familien ab, aus denen in beftimmter 

Reihenfolge die Vorfteher der 24 Priefterfamilien ernannt 

wurden, und gab die Wurde Leuten niederen Standes. 4 ) 

Dann vereinbarten 'fich die Frevler fogar, den Hohenpriefter, 

deffen Wiirde eine erbliche war, durchs Los zu wahlen, und 

iibertrugen demzufolge das Hoheprieftertum einem ganz un- 

gebildeten Priefter vom Lande, namens Phannias. 5 ) Man 

wollte eben mit alien Mitteln den Krieg. Dafr diefer aber 

Leuten wie dem damaligen Hohenpriefter Matthias, dem 

Sohne des Theophilus, der nodi von Konig Agrippa einge- 

fe^t war, ebenfowenig fympathifch fein konnte, wie feinen 

Freunden und den Verwandten des Konigs, lag auf der 

Hand und deshalb mufcten diefe befeitigt werden. 

Kampf der Wie die Dinge nun fo weit gekommen waren, bemuhten 

Ariftokraten jj^ au fa die Ariftokraten, fowohl auf Volksverfammlungen 

gegen die w j e j m p r j va t en Verkehr, mit Erfolg das Volk zum Sturz 

der Tyrannei zu bewegen. Namentlich waren in diefer Hin- 

ficht tatig der fruher genannte Oberbefehlshaber der Stadt, 

der Hohepriefter Ananus, fodann der Hohepriefter Jefus, der 



') B. JL 4, 2, 1. Vefpafian hatte noch die Stadte Azot und Jamnia 
unterworfen und Befa^ungen hineingelegt. B. J. 4, 3, 2. 
*) B. J. 4, 3, 1 3. 
)'B. J. 4, 3, 4 5. 
*) B. .1. 4, 3, 6. 
5 ) B. J. 4, 3, 7-8. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 6673 n. Chr. 245 

beriihmte Pharifaer Symeon, Sohn des Gamaliel, und Gorion, 1 ) 

Sohn des Jofeph. Es brach nun der Btirgerkrieg aus, in 

welchem die Zeloten infoweit im Vorteil waren, als fie den 

Tempel, den fefteften Teil der Stadt, in ihrer Gewalt batten. 

Ihre Gegner befetjten zwar die aufcerften Vorhofe, konnten 

fich aber nicht entfchliejsen, die heiligen Tore felbft zu er- 

ftiirmen." 2 ) Zum Ungliick bediente fich der durch Johannes 

von Gifchala getaufchte Hohepriefter Ananus diefes Mannes 

als Vermittlers zwifchen den Zeloten im Tempel und dem 

Volke. Denn Johannes hetjte nun die Zeloten nur noch 

mehr durch die Behauptung, Ananus wolle die Stadt dem 

Vefpafian in die Hande fpielen und bedrohe namentlich die 

Anfuhrer der Zeloten, auf. 3 ) Es gelang ihnen, Boten an die 

Idumaer um Hilfe zu fenden, welche auch alsbald 20000 Die Idumaer 

Mann ftark vor Jerufalem erfchienen und wahrend der Nacht in Jerufaiem. 

in einem fchrecklichen Unwetter, durch den heulenden Sturm 

und den anhaltenden Donner begiinftigt, von den Zeloten 

in die Stadt eingelaffen wurden.*) Idumaer und Zeloten rich- 

teten nun vereint ein furchtbares Blutbad an. Zwolftaufend 

Leute wurden umgebracht, auch die Hohenpriefter Ananus 

und Jefus. 5 ) Selbft noch nach dem Gemetjel ftiefcen zwei der 

frechften Zeloten einen der vornehmften Manner, Zacharias, 

den Sohn des Baruch, welcher vom Gerichte von der An- 

klage, mit Vefpafian in Verbindung geftanden zu haben, frei- 

gefprochen worden war, mitten im Tempel nieder. 6 ) Von 

folchen Vorgangen wurden auch die Idumaer angewidert und 

zogen wieder heim. 7 ) Nun waren aber die Zeloten vollftan- 

dig Herren der Stadt und brachten auch den Gorion um. 

Uberall, in der Stadt und auf den Landftrajgen lagen Hugel 

unbeerdigter Leichen. 8 ) 



J ) B. J. 4, 3, 9. Er ift wohl, wie Derenbourg 1. c., p. 270, 1 meint, 
identifeh mit dem B. J. 2, 20, 3 (f. o. S. 235) erwahnten Jofephus. 

2 ) B. J. 4, 3, 912. 

3 ) B. J. 4, 3, 13-4, 1. 

4 ) B. J. 4, 4, 27. 

5 ) B. J. 4, 5, 13. 

6 ) B. J. 4, 5, 4. Er ift nicht mit dem Matth. 23, 35. Luc. 11, 51 
erwahnten Zacharias zu verwechfeln. 

7 ) B. J. 4, 5, 5-6, 1. 

8 ) B. J. 4, 6, 1 und 3. 



246 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Damals verliegen viele die Stadt, denn die Zeloten 
liegen diejenigen, welche ihnen Geld gaben, durch. 1 ) Die 
Chriften durften wohl fchon fruher die Stadt verlaffen haben. 
Sie flohen in die heidnifche, den Kriegsgefahren nidit aus- 
gefefcte Stadt Pella in Peraa. 2 ) 

Unter- Vefpafian, der durch Oberlaufer von den Zuftanden in 

nehmungen der Stadt unte rrichtet war, iiberliefj fie einftweilen ihrer eigenen 
Zwietracht. 3 ) Im Fruhjahre des Jahres 68 befe^te er am 
4. Dyftros (Marz) Gadara, die Hauptftadt von Peraa, 4 ) wah- 
rend fein General Placidus die von Gadara geflohenen und 
von der Landbevolkerung verftarkten Emporer bis in die 
Gegend von Jericho verfolgte und 15000 niedermachte, an- 
dere in den von Regen hochangefchwollenen Jordan trieb. 
Audi die ubrigen Orte Peraas mit einziger Ausnahme von 
Macharus kamen teils freiwillig, teils gezwungen in den Be- 
fi^ der Romer. 5 ) 

Vefpafian hatte fich im Winter 67/68 mit der Sicherung 
der eroberten Orte durch romifche Befa^ungen befchaftigt 
und manche verwiiftete Orte wieder neu aufbauen laffen. 6 ) 
Im Friihjahr 68 zog er, nachdem er von Gadara nach Ca- 
farea zuriickgekehrt war, von dort fiegreich durch die Ku[ten- 
gegend Judaas nach Idumaa, wo er einen Teil feiner Truppen 
als Befa^ung liefe, und von dort durch das Land der Sama- 
riter dem Jordan zu. In Jericho, wo am 3. Daifios (Juni) 
Truppen aus Peraa zu ihm ftiefren, wie in Adida in der 
Sephela im We[ten Judaas errichtete er ein Lager. Dasfelbe 
hatte er zu Emmaus getan, wo er die funfte Legion zuruck- 
liejs. 7 ) Tatfachlich war fchon jetjt Jerufalem von alien Seiten 
eingefchloflen. 

i)~B. J. 4, 6, 3. 

2 ) EuJ. h. e. 3, 5, 23. Nach Jof. B. J. 2, 20, 2 verliegen fchon 
manche Juden Jerufalem nach der Niederlage des Ceftius (f. o. S. 235). 
Vgl. die Mahnung des Herrn Matth. 24, 15 ff. 

3 ) B. J. 4, 6, 2-7, 3. 
*) B. J. 4, 7, 3. 

5 ) B. J. 4, 7, 4-6. 

6 ) B. J. 4, 8, 1. 

7 ) B. J. 4, 8, 1. 9, 1. Verftanden ift hier unter Emmaus das heutige 
Amwas, welches 160 Stadien von Jerufalem entfernt liegt (f. o. S. 59). 
Hier hat man auch Infchriften von Soldaten der 5. Legion gefunden; vgl. 
daruber Michon, Inscription d' Amwas, Rb. Vll (1898) S. 269271. 



. VI. Kap. Der judifche Krieg von 66-73 n. Chr. 247 

Eben als fich Vefpafian zur Belagerung Jerufalems an- Thron- 
fchickte, vernahm er zu Cafarea, dag Nero am 9. Juni 68 ftreitigkeiten 
geftorben fei. Er verfchob nun einftweilen den Zug nach in Rom - 
Jerufalem und fandte feinen Sohn Titus an Neros Nach- 
folger, Galba, um Verhaltungsmagregeln entgegenzunehmen. 
Auf der Reife horte Titus zu Achaja, dag Galba (am 15. Ja- 
nuar 69) ermordet fei, und kehrte nach Cafarea zuriick. 1 ) 
Beide, Vater und Sohn, hielten aber, da fich nun Otho und 
Vitellius um den romifchen Thron ftritten, einen Angriff auf 
Jerufalem fiir zunachft untunlich. 2 ) So kam es, dag fich Ve- 
fpafian von Mitte 68 bis Mitte 69 untatig verhalten hat. 

Es wurde aber Vefpafian wieder zur Tatigkeit durch die Simon Bar 
Unternehmungen des Simon, des Gioras Sohn, welcher fchon Gioras in 
gegen Ceftius mit Erfolg gekampft hatte, 8 ) gefuhrt. Derfelbe Jeru f alem - 
hatte fich zeitweife an die Sikarier, welche Mafada befetjt 
hielten, 4 ) angefchloffen, fich aber nach dem Tode des Ana- 
nias wieder von ihnen getrennt und allmahlich ein Heer von 
fiber 40000 Mann um fich gefammelt, mit welchem er zu- 
nachft Idumaa verwuftete. 5 ) Um fich nun der immer driickender 
werdenden Tyrannei des Johannes von Gifchala und der 
Zeloten zu entziehen, 6 ) verfielen deren Gegner in Jerufalem 
auf den unglucklichen Gedanken, den geffirchteten Simon zu 
Hilfe zu rufen. Der machte fich fchon im Monat Xanthikos 
(April) 69 zum Herrn der Stadt, wahrend Johannes und die 
Zeloten den Tempel befetjt hielten und auch gegen einen 
formlichen Angriff Simons verteidigten. 7 ) 

Vefpafian brach nun am 5. Daifios (Juni) 69 wieder von Vefpafian 
Cafarea auf und kam bis in die Nahe von Jerufalem, wan- kommt in die 
rend Cerealis Idumaa unterwarf. Mit Ausnahme der von den Nahe von 
Juden befet5ten Feftungen Herodeion, Mafada und Macharus a em ' 
fowie der Stadt Jerufalem felbft war nun ganz Palaftina den 
Romern unterworfen. 8 ) 

x ) B. J. 4, 9, 2. Vgl. Tac. Hist. 2, 14 fiber die Reife des Titus. 

*) B. J. 4, 9, 2. 

3 ) B. J. 2, 19, 2. 

*) B. J. 2, 22, 2. 4, 7, 2. 

5 ) B. J. 4, 9, 38. 

6 ) B. J. 4, 7, 1; 9, 10 f. 

7 ) B. J. 4, 9, 11-12. 

8 ) B. J. 4, 9, 9. 



248 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gejchichte der Juden etc. 

Vefpafian Inzwifchen iiberfturzten fich die Ereigniffe in Italien. Otho 

wird zum wurde gefchlagen und gab fich felbft den -Tod. Sein Heer 

Kaifer aus- gmg zu vitellius uber und zog in Rom ein. Die Truppen 

gem en. des y e jp a jj an> der w i e d er nac h Unterwerfung der nachften 

Umgebung Jerufalems nach Cafarea gekommen war, 1 ) wei- 

gerten fich, dem Vitellius den Huldigungseid zu fchworen, 

vielmehr riefen die Legionen in Syrien und Palaftina, wie 

es die in Agypten fchon am 1. Juli 69 getan batten, 2 ) nur 

einige Tage f pater 3 ) den Vefpafian zum Kaifer aus. In Bery- 

tus empfing diefer die Gliickwunfche der fyrifchen Stadte und 

des fyrifchen Statthalters Mucianus und liefe nun dem Jo- 

fephus, deffen Weisfagung fich erftillt hatte, die Ketten ab- 

nehmen. Mucianus wurde mit einem bedeutenden Heere 

nach Italien gefchickt, 4 ) wohin aber auch fchon Antonius Pri- 

mus, Statthalter von Mofien, zog, der bald Rom fur den 

Vefpafian in feine Gewalt bekam. 5 ) Vitellius wurde am 

21 Dezember 69 auf der Strafce zu Rom ermordet. 6 ) Nun 

Titus Ober- bereitcte fich Vefpaffan in Alexandrien zur Abreife nach Rom 

befehishaber vor 7) un( j ubertrug die Beendigung des Krieges gegen Ju- 

im Kriege ^ ^ {nQm Sohne Titus .s) 

gegen die ' 

Juden. unc j Eroberung Jerufalems durch Titus 



im Jahre 70 und das Ende des Krieges. 

Burgerkrieg In der ungliicklichen Stadt Jerufalem war inzwifchen zu 
der drei ^en fich bekampfenden Parteien noch eine neue gekommen, 

kampfenden mdem ^ em Teil der Zeloten unter der Fiihrun des 



Parteien in _____ 
Jerufalem. ,j B j 4> 10? 1 _ 2 . 

2 ) Tac. Hist. 2, 7981. Sueton. Vefp. 6. Nach Jos. B. J. 4, 10, 2-6 
batten aber die palaftinenfifchen Truppen ihn zuerft zum Imperator aus- 
gerufen. 

3 ) Nach Tac. Hist. 2, 79 ,,quintum Nonas Julias", nach Suet. 1 c. 
,,V. idus Jul.". 

*) B. J. 4, 10, 4-11, 1. Tac. Hist. 2, 79-82. Suet. Vefp. 6. Jo- 
fephus erhielt von Vefpafian die Freiheit und begleitete ihn fpater nach 
Alexandrien (Vita 75), kam aber mit Titus wieder nach Palaftina und 
Jerufalem (Vita 75; c. Ap. 1, 9). 

*) B. J. 4, 11, 2-4. 

6 ) Das Datum ergibt fich aus Tac. Hist, 3, 67. 79 f; 

7 ) B. J. 4, 11, 5; iiber feine Reife ebd. 7, 2, 1 und den glanzenden 
Empfang in Rom 7, 4, 1. 

s ) B. J. 4, 11, 5. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 66-73 n. Chr. 249 


Priefters Eleazar, des Simons Sohn, 1 ) der bis zur Ankunft 

des Johannes von Gifchala Anfiihrer der Zeloten gewefen, 
von den iibrigen trennte. Eleazar hielt den hoher gelegenen 
inneren Tempelraum be{e^t, Johannes von Gifchala den Tem- 
pelberg, Simon des Gioras Sohn die obere Stadt und einen 
grofeen Teil der unteren Stadt. So wurde nun Johannes 
von Gifchala, dem aber eine Anzahl Wurfmafchinen zu Ge- 
bote ftand, von oben her durch Eleazar und von unten her 
durch Simon bekampft. Am fchlimmften waren aber die 
Opfernden daran, welche von den Anhangern Eleazars nach 
genauer Unterfuchung in den Tempel zugelaffen wurden. 
Denn die Wurfgefchoffe des Johannes von Gifchala flogen 
oft bis an den Altar und trafen Priefter wie Opfernde. Das 
Blut der Erfchlagenen bildete einen formlichen See in den 
heiligen Raumen. Man war wie wahnfinnig. Gelang es dem 
Johannes yon Gifchala einmal, den Simon in die Stadt 
hinunterzutreiben, fo fteckte er ftets die mit Getreide und 
andern Vorraten gefiillten Haufer in Brand, und Simon tat 
dasfelbe, wenn er dem Johannes nachfetjte, als ob man fich 
felbft der Mittel, gegen die Romer auszuhalten, berauben 
wollte. 2 ) 

Inzwifchen war Titus von Alexandrien aufgebrochen und Der Generai- 
iiber Pelufium, Rhinokorura, Gaza und Joppe nach Cafarea pabschef und 

gereift. 8 ) Im Friihjahr des Jahres 70 brach er mit einem die Qenerale 

dcs Titus 
Teile feines Heeres von Cafarea auf und befahl der 5. und 

10. Legion, in Jerufalem zu ihm zu ftofcen. Sein Heer be- 
[tand aus der 5., 10., 12. und 15. Legion und den Hilfsheeren 
der Konige und Bundesgenofien aus Syrien. 4 ) Als oberfter 

') Vgl. B. J. 2, 20, 3; 4, 4, 1. Er ift naturlidi von Eleazar, dem 
Sohne des Ananias (f. o. S. 233 und 235), zu unterfcheiden. 

2 ) B. J. 5, 1, 1-5. Die drei Parteien befchreibt Tac. Hist. 5, 12: 
Tres duces, totidem exercitus; extrema et latissima moenium Simo, 
quern et Bargioram vocabant, mediam urbem Joannes, templum Elea- 
zarus firmaverat. Multitudine et armis Joannes ac Simo, Eleazarus loco 
pollebat. 

3 ) B. J. 4, 11, 5. 

4 ) B. J 5, 1, 6. Die 5. Legion, die fpater wieder wie fruher in 
Mofien ftand (vgl. ihre Gejchichte in Victoria Vaschide, Hiftoire de la 
conquete romaine de la Dacie et des corps d'armee qui y ont pris part. 
Paris 1903, p. 92 103) folgte nach dem Kriege dem Titus nach Alexan- 
drien (uber die in Emmaus gefundenen Grabinfchriften von Soldaten 



250 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 


Ratgeber in den Kriegsangelegenheiten, oder, wie man jetjt 

fagen wiirde, als Chef des Generalftabs 1 ) ftand ihm der 
friihere Landpfleger von Judaa und fpatere Statthalter von 
Agypten, welcher als folcher zuerft feine Truppen fiir Vefpa- 
fian vereidigte und dadurch diefem den Weg zum Kaifer- 
throne bahnte, 2 ) Tiberius Alexander, ein kriegserfahrener 
Mann, 3 ) zur Seite. 4 ) 

Ankunft des Das Heer des Titus zog durch Samarien und langte 

Heeres vor k urz vor d em \^ Xanthicos (Nifan Oder April) des Jahres 70 

Jerufaiem. vor den j^ auern j er ufalems an, 5 ) als dorthin das Volk aus 

dem ganzen Lande wegen des Ofterfeftes zufammengeftromt 

war. 6 ) Als die Truppen noch etwa 30 Stadien von der Stadt 

entfernt waren, eilte Titus mit etwa 600 Reitern voraus, um 

die Feftungswerke auszukundfchaften, wurde aber in der Nahe 

des Pfephinusturmes plotjlich von den Juden angegriffen, 



diefer Legion f. o S. 246, 7); die 10. Fretenfis blieb in Jerufaiem; die 
12. Fulminata kam an die Grenze Armeniens und Kappadoziens ,B. J. 7, 

1, 3), die 15. Apollinaris kam nach Pannonien (B. J. 7, 5, 3; vgl. Stille, 
Historia legionum auxiliorumque inde ab excessu divi Augusti usque ad 
Vespasiani tempora. Kiel 1877, p. 60). 

1 ) Iltxvriav r<av tfr^otrev^aTwv enap^wv. B. J. 6, 4, 3 (vgl. auch B. J. 

5, 1, 6). Renier, Memoire sur les officiers qui assisterent au conseil 
de guerre tenu par Titus in Memoires de 1'Acad. des inscr. etc. torn. 
26, 1 [1867, p. 269-321] p. 299 ss. meint, der Titel fei gleichbedeutend 
mit praefectus praetorio, den fchon Sejan fuhrte.in einem vom Kaifer 
befehligten Heere. Vgl. uber den Tiberius Renier 1. c. p. 294302, 
Mommfen, RG. V, 494, 527, 566 und Kellner, Jefus von Nazareth, 
S. 148 ff. 

2 ) Tac. Hist. 2, 79. Vgl. B. J. 4, 10, 6. 

3 ) Er war fchon im Kriege gegen die Farther im J. 63 General- 
ftabsehef des Corbulo gewefen (Jac. ann. 15, 28) und im Jahre 66 Statt- 
halter von Agypten geworden (B. J. 2, 15, 1; 2, 18, 7 f. Tac. Hist. 1, 11; 

2, 74; Sueton. Vesp. 6). 

*) Auger ihm traten in den Vordergrund die Befehlshaber der Le- 
gionen. An der Spit5e der funften ftand Sextus Vetullenus Cerealis, die 
zehnte befehligte Larcius Lepidus, die fiinfzehnte M. Tittius Frugi (dag 
dies (ein Name, f. bei Renier 1. c., p. 314); vgl. uber diefe Perfonlich- 
keiten die Prosopographia imperii Romani III, 415 f.; II, 263; III, 330. 
Der Befehlshaber der 12. Legion wird nicht genannt. 

& ) Vgl. B. J. 5, 3, 1. Nach Unger 1. c. 1893, p. 482 war der 14. Ni- 
fan 70 = 28. April. 

B ) B. J. 6, 9. 3. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 6673 n. Chr. 251 

von dem grofcten Teil feiner Reiter getrennt und nur wie 
durdi ein Wunder gerettet. 1 ) 

Auf der Skopus genannten Hochebene im Norden der 
Stadt, fieben Stadien von letjterer entfernt erriditete Titus, 
wie fruher Ceftius Gallus getan hatte, ein Lager fur zwei 
Legionen; die funfte erhielt ihren Standort drei Stadien 
weiter ruckwarts, die zehnte den ihrigen auf dem Olberg. 2 ) 
Als die letjtere ihr Lager am verfchanzen war, machten die 
Juden einen Ausfall, wurden aber mit Hilfe des Titus felbft 
in das Kedrontal zwifdien der Stadt und dem Olberg zuriick- 
gedrangt. 3 ) 

In der Stadt felbft gelang es am Ofterfefte (14. Nifan) Die Partei 
einer Anzahl von Anhangern des Johannes mit den Leuten, des J o hannes 
welche zur Verrichtung ihrer Andacht von Eleazar in den Tempel 
gelaffen wurden, unerkannt hineinzukommen. Einmal drinnen 
warfen fie ihre Oberkleider ab, zeigten fich in voller Riiftung und Tempeis. 
bemachtigten fidi nun des inneren Tempeis. 4 ) Damit gab es 
von nun an nur noch zwei Parteien in der Stadt, die des 
Simon in der Ober- und Unterftadt und die der Zeloten, 
welche unter Johannes von Gifchala den Tempel und einen 
betrachtlichen Teil feiner Umgebung befetjt hielten. 5 ) 

Inzwifchen hatte Titus fein Lager im Norden der Stadt, Beiagerung 
von wo wegen der Bodenbefchaffenheit am eheften ein An- der Stadt - 
griff unternommen werden konnte, naher an die Stadt ge- 
ruckt. Er felbft lagerte zwei Stadien von der Stadtmauer 
entfernt dem Pfephinusturm gegenuber im Nordweften der 
Stadt, wahrend der ubrige Teil feiner Streitmacht ein Lager 
beim Hippikusturm im Weften Jerufalems bezog und die 
10. Legion auf dem Olberg, im Often der Stadt blieb. Jo- 
fephus mufcte nuri die Stadt im Auftrag des Titus zur Ober- 



!) B. J. 5, 2, 1-2. 

2 ) B. J. 5, 2, 3. Ober den Skopus vgl. auch B. J. 2, 19, 4 und 
o. S. 63. 

*) B. J. 5, 2, 4-5. 

*) B. J. 5, 3, 1. Tac. h. 5, 12. 

5 ) B J. 5, 6, 1. Den ftreitbaren Anhang des Simon, zu dem auch 
die Idumaer hielten, berechnet Jof. 1. c. auf 15000 Mann, den des Jo- 
hannes auf 6000 Schwerbewaffnete, an die fich die fruheren 2400 Mann 
ftarken Anhanger des Eleazar anfchloffen. 



252 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

gabe auffordern, hatte aber naturlich keinen Erfolg. 1 ) Fur 
Friedensvorfchlage war kein Raum mehr. 2 ) 

Die Wurfmafchinen des Titus verm ochten fch were Fels- 

blocke zwei Stadien weit gegen den Feind zu fchleudern 

und da der Boden im Nordweften der Mauer geebnet wor- 

den war, konnten die Mafchinen naturlich auch ziemlich nahe 

an die Mauer gebracht werden. Schon konnte die Mauer 

von den Sturmbocken erreicht werden, da gelang es den 

Juden, wenigftens einen Teil der Belagerungswerke in Brand 

zu fetjen. 3 ) Aber das Arbeiten der Sturmwidder wurde er- 

leichtert, weil Titus auf den von ihm aufgeworfenen Wallen 

50 Ellen hohe Turme gebaut hatte, auf welchen leichtere 

Mafchinen erriditet waren, welche die Juden zwangen, fidi 

Eroberung auger Schugweite zu halten. So kam es, dag am 15. Tage 

der Vorftadt der Belagerung, dem 1. Artemifios (Mai), die augere Mauer 

Bezethaund un(J damit die Vorftadt Bezetha in die Hande der Romer 

der 
Unterftadt kam. 4 ) Nach weiteren fiinf Tagen eroberten die Romer trot* 

heftigfter Gegenwehf der Juden auch die mittlere Mauer und 
drangen nun in die Akra oder Unterftadt ein, welche fie 
ebenfalls nach einem 3 Tage lang fich hinziehenden Stragen- 
kampfe behaupteten. 5 ) 

Um auch die dritte Mauer anzugreifen, lieg Titus vom 
1 2. bis zum 29. Artemifios vier Walle, zwei gegen die An- 
tonia und zwei gegen die von Simon verteidigte Oberftadt 
errichten, um von den Wallen aus mit Sturmbocken die 
Mauer erfchiittern zu konnen. Aber alle vier Walle wurden 
von den Juden zerftort. 6 ) Neue Walle aufzufiihren, war fchon 
wegen Mangels an Bauholz fchwierig. Auch die fchonen Re- 
den des Jofephus, 7 ) welcher auger Schugweite aber doch in 
Horweite, hinter fich die ihn antreibenden Romer, vor fich 
die uber den Verrater wiitenden Juden, die Belagerten in 



J ) B. J. 5, 3, 2-5. 

2 ) B. J. 5, 6, 2. 

3 ) B. J. 5, 6, 2-5. 
*) B. J. 5, 7, 1-2. 

5 ) B. J. 5, 7, 38, 2. 

6 ) B. J. 5, 11, 1. 4-6. Nach Unger 1. c. 482 ware der 29. Arte- 
mifios 4. Juni. 

7 ) Seine eigenen Eltern waren in der Stadt. Vgl. B. J. 5, 9, 4 
und 13, 1. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 66-73 n. Chr. 253 

ihrer Mutterfprache zur Obergabe aufforderte, machten gar 
keinen Eindruck. 1 ) 

Nun entfchlofc fich der Feldherr, die Stadt auszuhungern, 
und damit jede Proviantierung der Stadt unmoglich gemadit 
werde, diefelbe mit einem Steinwall zu um^eben. Derfelbe Erriditung 
wurde in nur drei Tagen erbaut, war 31 Stadien lang und eines 
hatte 13 Wachkaftelle, in weldie Truppen hineingelegt wur- Steinwaiies. 
den, die auch nachts die Zwifchenraume zwifchen den ein- 
zelnen Kaftellen begingen, fo daft niemand aus der Stadt 
heraus konnte. 2 ) 

War fchon vorher in der Stadt Mangel an Lebensmitteln, Hungersnot 
jo wuchs die Hungersnot nun immer mehr. Viele verkauften in der stadt - 
ihr ganzes Vermogen fur ein einziges Mafr Weizen und 
Kinder riffen die Speife ihren Eltern, ja felbft Mutter den 
Sauglingen die Nahrung aus dem Munde. Die Aufruhrer, 
durch deren Schuld die grojgen Getreidevorrate verbrannt 
waren, drangen mit Gewalt in die Haufer.und folterten die 
Befitjer, um zu erfahren, wo fie Getreide verfteckt hielten. 
Sie beraubten die Armen, welche mit Lebensgefahr wild- 
wachfende Krauter in der Nahe der romifchen Poften ge- 
fammelt batten, und toteten wegen angeblicher geheimer 
Umtriebe und Verrat die Reichen. Nie war ein Gefchlecht 
erfinderifcher in Werken der Bosheit. 3 ) 

Wer von den Romern auf der Suche nadti Lebensmitteln 
ergriffen wurde, wurde gegeifeelt, gefoltert und dann ge- 
kreuzigt. An jedem Tage wurden 500 und mehr Juden er- 
griffen, fo dafe es bald an Raum fur die Kreuze und an 
Kreuzen fur die zu Kreuzigenden fehlte. 4 ) 

J ) B. J. 5, 9, 210, 1. Spater wurde er bei einer ahnlichen Qelegen- 
heit, derm er liejg mit feinen Ermahnungen nicht nach, von einem Stein- 
wurf an den Kopf getroffen und: ware faft von den freudig hinzueilenden 
Juden. in die Stadt gefchleppl worden; B. J. 5, 13; 3. Vgl. auch B. J. 5, 
3, 3. 6, 2. 7, 4. 9, 2-4; 6, 2, 1-3. 2, 5. 7, 2. Vita 75. 

2 ) B. J. 5, 12, 1-2. Vgl. die Weisfagung Jefu Luc. 19, 43. Auch 
Mafada ift fpater fo eingefchloffen worden. S. B. J. 7, 8, 2. 

3 ) B. J. 5, 10. Vgl. auch 5, 12, 3 und 5, 13, 7. Spater kaute man 
das Leder an Gurteln, Schuhen und Scnilden. Ja eine vornehme, reiche 
Frau aus dem Dorfe Bethezob in Peraa, Maria, die Tochter Eleazars, 
fchlachtete aus Hunger ihr eigenes Kind, briet es, verzehrte die eine 
Halfte und bot den Raubern, die, vom Bratengeruch angezogen, in ihr 
JHaus drangen, die andere Halfte an. B. J. 6, 3, 4. 

4 ) B. J. 5, 11, 1. Spater wurden den um Gnade flehenden Ober- 



254 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefchichte der Juden etc. 

Da in der Stadt immer mehr Leute an Entkraftung [tar- 
ben, warfen die Juden die Leichen einfach von den Mauern 
in die Schluchten hinab. 1 ) 

Eroberung Um nun wenigftens den Re[t der Biirgerfchaft zu retten, 

der Burg An- Keg jit us mnerhalb 21 Tagen neue Walle gegen die Burg 

toniadurch Anton j a au ff u h r *en, obwohl man, urn das dafiir notige Holz 

die Romer. . , ,-,<.. , * r * * f /% 

zu gewmnen, das ganze Gelande um Jerusalem bis auf 90 
Stadien im Umkreis vollig kahl machen mujgte. 2 ) Bin An- 
griff des Johannes von Gifchala in der Antonia gegen die 
romifchen Belagerungswerke wurde am Neumond des Pane- 
mos (Juli) abgefchlagen, 3 ) und es gelang den Romern am 
5. Panemos, nachdem man von drei Uhr nachts bis ein Uhr 
mittags gekampft hatte, in den Befitj der Burg zu gelangen. 
Am 17. Panemos wurde fie, damit das Heer leichteren Zu- 
gang zum Tempel habe, gefchleift. 4 ) An demfelben Tage er- 
fuhr Titus, dafc das tagliche Opfer im Tempel aus Mangel 
an Mannern eingeftellt worden fei. 5 ) 

^ 

Nach dem Fall der Antonia war auch der Tempel 
nicht zu halten. Vergebens forderte Jofephus den Johannes 
von Gifchala auf, zur Schonung des Tempels eine Schlacht 
auf freiem Felde einzugehen. Audi vornehme jiidifche Ober- 
laufer flehten die Emporer von der romifchen Linie her an, 
wenigftens den Tempel zu erhalten. Die pflanzten vielmehr, 
dureh diefe Bitten nur noch mehr gereizt, die Wurfmafchinen 
fiber den heiligen Toren auf. Einen nachtlichen Angriff 
fchlugen die Juden ab. 6 ) 

Zerftorung Darauf wurde nun von den zerftorten Grundmauern der 

mehrerer Antonia her ein breiter Weg zum Tempel geebnet und vier 

Hallen des _ 
aufteren ] au f ern ^ e Bauche aufgefchnitten, weil fich das Gerucht verbreitet hatte, 



Vorhofes. dje Flflcht i irl g e hatten Goldftiicke, damit fie von den Romern nicht ent- 
deckt wurden, verfdiludkt. In einer einzigen Nacht wurde gegen 2000 Per- 
fonen der Leib aufgefchlitjt. B. J. 5, 10, 1 und 13, 4 f. 
') B. J. 5, 12, 3. 

2 ) B. J. 5, 12, 4; 6, 1, 1. 

3 ) B. J. 6, 1, 3. 

*) B. J. 6, 1, 6 f.; 2, 1. Vgl. 1. c. 6, 2, 7, wonach die Zerftorung 
der Grundmauern und die Ebnung eines Weges zum Tempel fieben Tage 
dauerte. 

5 ) B. J. 6, 2, 1. 

6 ) B. J. 6, 2, 3-6. 



VI. Kap. Der jiidifche Krieg von 6673 n. Chr. 255 

Walle gegen die Tempelmauern aufgeworfen. 1 ) Da aber die 
Juden auch in den Gefediten fortwahrend fchwere Verlufte 
erhielten, 2 ) ziindeten fie felbft die fchwer zu verteidigende 
nordweftliche Tempelhalle, dort wo fie mil der Antonia zu- 
fammenhing, an und riffen fie noch auf eine weitere Strecke 
nieder. 3 ) Die Romer afcherten die Halle noch weiter ein und 
zerftorten am 28. Panemos die nordliche Tempelhalle ganz. 4 ) 
Tags zuvor hatten die Juden es geradefo mit der weftlichen 
Halle gemacht, wobei eine Anzahl Romer, die fich durch den 
Abzug der Juden aus der Halle hatten verleiten laffen, letj- 
tere mit Leitern zu erklettern, umkamen 5 ) 

Am 8. Loos (Auguft) waren die Walle vollendet. Aber Angriff auf 
auch der ftarkfte Sturmbock vermochte nichts gegen die den Tem P el 
gro&en feft zufammengefugten Quadern des Tempels. Audi 
der Verfuch, die Fundamente des nordlichen Tores des innern 
Vorhofes zu untergraben, fuhrte nicht zum Ziele. Auch ge- 
lang es den Romern nicht, auf Leitern bis in die innern 
Hallen zu gelangen. Jetjt befahl Titus, Feuer an die Tore 
zu legen, wodurch auch die Hallen des innern Vorhofes er- 
griffen wurden, 6 ) und liefc am 9. Loos an den Toren einen Bahnung 
Weg anlegen, um den Legionen den Aufftieg zum Tempel eines Weges 
zu erleichtern. Der Tempel felbft, fo hatten die Romer in 
ihrem Kriegsrat befchloffen, folle erhalten bleiben. 7 ) 

Als die Juden nun am 10. Loos (Auguft) zweimal aus Brand und 
dem innern Vorhof einen Ausfall machten, fetjten beim Untergang 
zweiten Ausfall einige der mit dem Lofchen der Hallen des des Tem P els - 
innern Vorhofes befchaftigten Romer ihnen bis zum eigent- 
lichen Tempelgebaude nach, und hier fchleuderte ein romifcher 
von einem Kameraden emporgehobener Soldat durch ein 
Fenfter an der Nordfeite der den Tempel umgebenden Ge- 
macher einen Feuerbrand in das Tempelhaus. Als die Flamme 
aufloderte, eilten die Juden mit gewaltigem Gefchrei herbei, 



1 ) B. j. 6, 2, 7. 

2 ) B. J. 6, 2, 7-9. 

3 ) B. J. 6, 2, 9. 

*) B. J. 6, 2, 9. 3, 2. 

5 ) B. J. 6, 3, 1-2. 

6 ) B. J. 6, 4, 12. 

7 ) B. J. 6, 4, 3. 



256 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefehichte der Juden etc. 

um zu lofchen. 1 ) Audi Titus mit feinen Offizieren eilte herbei 
und befahl zu lofchen, wurde aber in dem fiirchterlichen Ge- 
tummel nicht verftanden und vermochte dem Ungeftum feiner 
wie rafend gewordenen Soldaten, welche von neuem Feuer 
in den Tempel warfen und alles, was ihnen in den Weg 
kam, niedermetjelten, nicht zu wehren. Als das Feuer immer 
mehr um fich griff, betrat Titus mit feinen Offizieren das 
Allerheiligfte und gab, da das Innerfte des Tempels noch 
nicht vom Feuer ergriffen war, fondern nur die anftofcenden 
Gemacher, wie Jofephus berichtet, noch einmal Befehl, zu 
lofchen. Aber die Erbitterung gegen die Juden, die allge- 
meine Kampfeswut und die Hoffnung auf Raub waren ftarker 
als fein Befehl. 2 ) 

Titus wird Wahrend fo am 10. Loos 3 ) oder dem 6. Auguft 4 ) des 

Tempel j a hres 70 der Tempel unter dem Wehgefchrei der Menge 

in der Ober f tadt und dem Geheul der von Feuer und Schwert 
umringten Emporer in Flammen aufging, pflanzten die R6- 
mer ihre Feldzeicheh im Vorhofe gegeniiber dem oftlichen 
Tore auf, opferten dafelbft und begriifeten den Titus als 
Imperator. 5 ) 

Dem Johannes von Gifchala war es mit einem Teile 
feiner Leute gelungen, in die Stadt zu entkommen. Aber 



') B. J. 6, 4, 4-5. 

2 ) B. J. 6, 4, 67. Sulpicius Severus Chron. 2, 30, 7 fagt, Titus 
habe im Kriegsrat ausdriiddich fur die ZerftOrung des Tempels geftimmt, 
um fo defto leichter die jfidifche und chriftliche Religion zu verniditen 
(quo plenius judaeorum et christianorum religio tolleretur). Die Moti- 
vierung ift fidier dem Verfaffer eigen, die Nachricht felbft wird aber von 
Bernays, (Jber die Chronik des Sulpicius Severus. Breslau 1861, S. 48 ff. 
u. a. als richtig angefehen. Bernays meint, [ie fei vielleieht aus den uns 
verlornen Teilen der Hi[torien des Tacitus entnommen, da Sulp. Severus 
vielfaeh aus Tacitus fchopfe. Dag er dies in diefem Falle nicht getan hat, 
zeigt auf Grund der Unterfuchungen von Valeton auch SchQrer I, 631, 115. 
Dag im Kriegsrat befchloffen war, den Tempel mit Gewalt zu erfturmen, 
ergibt fich aus Dio Gass. 66, 6. Darin liegt aber nodi nicht notwendig 
die Abficht, den Tempel zu zerftOren. Obrigens {chreibt auch Orofius, 
Histor. adv. Paganos VII, 9, 5-6 die Zerftorung dem Titus zu. 

3 ) B. J. 6, 4, 5. 

*) Vgl. Unger 1. c. 484. Kugler, Von Mof.es bis Paulus, Munfter 1922, 
S. 477 fagt ,,Aug. 5/6". 

6 ) B. J. 6, 6, 1. Sueton. Tit. 5. Dio Cass. 66, 7. 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 6673 n. Chr. 257 

die einzige noch unverfehrte Halle, in welche fich ein Volks- 
haufe von etwa 6000 Menfchen mit Weibern und Kindern 
gefltichtet hatte, wurde, ohne dafc jemand gerettet wurde, 
ebenfalls von den Romern verbrannt. 1 ) 

Jetjt endlich liefcen Simon und Johannes von Gifchala 
den Titus um eine Unterredung bitten, der ihnen das Leben 
verfprach, wenn fie fich unterwiirfen. Sie wollten das aber 
nur gegen freien Abzug mit Weibern und Kindern tun, . 

woraufhin Titus den in feinem Befits befindlichen Teil der 
Stadt, d. h. die Unterftadt und den Bezirk Ophla verbrennen 
und pliindern liefe. 2 ) Endlich fiel auch die Oberftadt, nach- Eroberung 
dem die Romer vom 20. Loos (Auguft) bis zum 7. Gor- der 
piaios (September) Belagerungsdamme errirhtet und dann Ober f tadt - 
durch Sturmbocke einen Teil der Mauer eingeftofcen hatten, 
faft ohne Gegenwehr in die Hande der Sieger. Die Be- 
lagerten flohen felbft aus den feften Turmen Hippikus, Pha- 
fael und Mariamme in die unterirdifchen Gange, aus denen 
fie hofften, fpater entfliehen zu konnen. Auch die Oberftadt 
wurde gepliindert und verbrannt, 3 ) und nunmehr war am 
8. Gorpiaios (September) 4 ) die ganze Stadt in den Handen 
der Romer. 

Titus liejj nun auch den letjten Reft der Stadt zerftoren Zerftorung 
und ihre Mauern fchleifen. Stehen blieben nur die genannten d er Stadt. 
drei Tiirme als ein Denkmal der Feftigkeit der Stadt, weiter- 
hin die weftliche Strecke der Ringmauer, welche helfen follte, 
ein feftes Lager fiir die zukunftige Befatjung zu bilden. 5 ) 

Von den noch lebenden Einwohnern der Stadt wurden LOS der Ge- 
viele getotet, andere in die Bergwerke Agyptens gefchickt fangenen. 
oder zu Gladiatorenkampfen in die Provinzen verfchenkt. 
Die fchonften und grogten Manner wurden fur den Triumph- 
zug beftimmt, 6 ) befonders auch Simon Bar-Giora, der fich 

') B. J. 6, 5, 12. Die Leute waren gerade an jenem Tage von 
einem falfchen Propheten bewogen worden, zum Tempel hinaufzufteigen, 
wo fie die Zeichen ihrer Rettung fehen wflrden. I. c. n. 2"; vgl. Matth. 
24, 5 f. 

2 ) B. J. 6, 6 und 6, 7, 2. 

3 ) B. J. 6, 7, 3 und 6, 8. 

4 ) B. J. 6, 8, 5 und 6, 10, 1. 
s ) B. J. 6, 9, 1; 7, 1, 1. 

6 ) B. J. 6, 9, 2; vgl. B. J. 7, 5, 3. 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Aufl. 17 



258 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchiehte der Juden etc. 

eine Zeitlang in den unterirdifchen Gangen verborgen ge- 
halten hatte, 1 ) und Johannes von Gifchala, welcher die Gnade 
der Romer angerufen hatte und zu lebenslanglicher Einker- 
kerung beftimmt ward. 2 ) 

Zahl der Die Gefamtzahl der in diefem Kriege gefangenen Juden 

Umge- w j r d auf 97000, die der wahrend der Belagerung Umge- 

kommenen. kommenen auf e j ne Million und hunderttaufend beftimmt. 
Wenn auch le^tere Zahl ubertrieben erfcheint, fo i[t immer- 
hin zu erwagen, dag der Anfang der Belagerung kurz vor 
dem Ofterfeft, zu welchem das Volk aus dem ganzen Lande 
nach Jerufalem zufammengeftromt war, fiel. 3 ) 

Siegesfeier Als Befa^ung liejg Titus die zehnte Legion mit einigen 

des Titus. Reiterfchwadronen und kleinen Abteilungen Fu&volk unter 
dem Befehl des Terentius Rufus zuriick 4 ) und ging felbft 
mit dem ubrigen Teil des Heeres und der unermejpchen 
Beute nach Cafarea am Meere. 5 ) Dann verweilte er langere 
Zeit in Cafarea Philippi 6 ) und in Berytus, 7 ) von wo er der 
Reihe nach die Stadte Syriens befuchte und in jeder der- 
felben prachtvolle Spiele gab, in welchen die judifchen Kriegs- 
gefangenen entweder gegen wilde Tiere kampfen oder als 
Gladiatoren fich gegenfeitig abfchlachten mugten. 8 ) 

J ) B. J. 6, 9, 4; 7, 2, 

2 ) B. J. 6, 9, 4. - Eine Anzahl Burger wurden von Titus be- 
gnadigt. Vgl. B. J. 6, 8, 23. 

3 ) B. J. 6, 9, 3. Tac. Hist. 5, 13 gibt die Zahl der Belagerten nur 
auf 600000 an: multitudinem obsessorum, omnis aetatis, virile ac mu- 
liebre secus, sexcenta milia fuisse accepimus. Arma cunctis, qui ferre 
possent, et plures quam pro numero audebant. Obstinatio viris femi- 
nisque par; ac si transferre sedes cogerentur, maior vitae metus quam 
mortis. 

*) B. J. 7, I, 2 2, 1. Die Anwefenheit der Legion X. Fretensis in 
Jerufalem wird durch mandi'e in Jerufalem aufgefundene Infchriften, Ziegel 
u. a. bezeugt. Eine Zufammenftellung der in Jerufalem und fonftwo in 
Palaftina gefundenen Infchriften diefer Legion f. bei Schurer I 4 , 634, 123. 
Dazu kommen auf dem Olberg gefundene Ziegelftempel in Rb, 1910, 264. 
Vgl. auch F. Bleckmann, Bericht fiber griech. und latein. Epigraphik 
ZDPV Bd. 36, 1913, S. 221 ff. 

5 ) B. J. 7, 1, 3. Viele Koftbarkeiten wurden noch f pater in den 
Trummern gefunden. B. J. 7, 5, 2. Vgl. auch 6, 8, 3. 

6 ) B. J. 7, 3, 1 (erwahnt die Feier des Geburtstages des Vefpafian 
am 17. November 70 in Berytus) und 7, 5, 1. 

7 ) B. J. 7, 5, 1. 

8 ) B. J. 7, 2, 1. 3, 1. 5, 1. 



VI. Kap. Der judifche Krieg von 6673 n. Chr. 259 

Von Antioehien, wo er ubrigens trofc der entgegenge- Triumph uber 
fefcten Bitten der Burger die Gereditfame der Juden be- die Juden in 
wahren hieg, 1 ) reifte er an den Trummern Jerufalems vorbei m ' 
nadi Alexandrien 2 ) und von dort nadi Rom. Hier feierte er 
im Jahre 71 gemeinfam mit feinem Vater Vefpafian und 
feinem Bruder Domitian einen Triumph, in dem auch Jo- 
hannes von Gifchala und Simon Bar-Giora mitgefuhrt wurden. 
Im Zuge trug man aueh die Prachtftucke des Tempels, einen 
goldenen Tifch und den gleidifalls goldenen fiebenarmigen Die Triumph- 
Leuditer, fowie die Gefe^esrolle, 3 ) wovon die beiden erfteren prunkftucke. 
fpater in den von Vefpafian erbauten Friedenstempel, die 
Rolle und die purpurnen Vorhange des Allerheiligften aber 
in den kaiferlichen Palaft kamen. 4 ) 

Noeh heute zeigt man die damals gefdilagenen Denk- Der Titus- 
munzen aus Gold, Silber und Kupfer, mit der Auffchrift Ju- bo s en in 
daea devicta oder mit dem Bilde der als Judin unter einem Rom- 
Palmenbaume zu Fufjen des Siegers fitjenden Judaea. 5 ) Aber 
das bedeutendfte den Untergang des Judentums durch das 
heidnifche Rom verfinnbildlichende Denkmal ift der herrliche 
vom romifchen Senate und Volke am Fufce des Palatin dem 
Titus erriditete Triumphbogen. Nahebei fteht der Bogen Kon- 
ftantins wie ein Sinnbild des Falles des romifchen Heiden- 
tums vor der Macht des Chriftentums. 6 ) 

>) B. J. 7, 3, 24. 4, 2. 
*) B. J. 7, 5, 2-3. 

3 ) B. J. 7, 5, 36. Dio Cass. 66, 7. Die im Triumph getragenen 
Schauftficke find abgebildet in den Reliefs des nodi erhaltenen Titus- 
bogens in Rom. Eine Abbildung z. B. in Qrijar, Gefchichte Roms und 
der Papfte im Mittelalter. Freib. 1901, I, 77. Vgl. ebd. S. 176 f. 

4 ) B. J. 7, 5, 7. Genferich hat fie dort im Jahre 455 geraubt und 
nach Karthago gebracht. Von dort brachte Belifar fie im Jahre 535 nadi 
Konftantinopel (Procop. de bello Vandalico II, 9). Juftinian foil fie von 
dort an eine der diriftlidien Kirdien Jerufalems gefdiidct haben (Procop. 
1. c.). Ob fie dann bei der Einnahme Jerufalems durch die Araber zu- 
grunde gingen, weig man nicht, wie Qberhaupt feit dem Jahre 535 nidits 
Sidieres fiber ihren Verbleib bekannt ift. Vgl. Bludau, Der Verbleib der 
Gerate des Tempels zu Jerufalem. Katholik 1902 I, 109119; fodann 
Hasak, Der fiebenarmige Leuditer und die andern Tempelgerate. Das 
Heilige Land, 59. Jahrg., 1915, S. 200-208. 

) Madden, Coins of the Jews, p. 207229. 

6 ) Auf den Gegenfatj madit Grifar 1. c. S. 176 f. aufmerkfam. w Beide 
Triumphbogen befiegelten," fagt er 1. c. p. 177, ,,in gleicher Weife die 

17* 



260 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

Eroberung Die Unterwerfung der Feftungen Herodeion, Madiarus 

von und Mafada lag dem neuen Statthalter von Palaftina 1 ) Lu- 

Herodeion u. c j|j us Baffus ob. Herodeion wurde alsbald zur Obergabe 

Art o pri o l"|t Q 

' gezwungen 2 ). Madiarus leiftete zwar Widerftand, ergab fidi 
aber gegen freien Abzug der Befatjung und Loslaffung des 
bei den judifchen Truppen hoctift angefehenen, tapferen Ele- 
azar, weldier in romifche Gefangenfchaft geraten war. 3 ) 

Der Fail von Nach dem Tode des Baffus im Jahre 73 n. Chr. iiber- 
Mafada. n ahm Flavius Silva das Kommando in Palaftina und rfickte 
mit alien Truppen gegen Mafada am Weftufer des Toten 
Meeres vor. Die Feftung wurde von den Sikariern unter 
Fiihrung des Eleazar, eines Nadikommen des Judas des 
Galilaers, der zur Zeit der Schatjung des Quirinius einen 
Aufftand erregt hatte, verteidigt. Es war eine Heldenfchar, 
die, als Silva eine Ringmauer um die Feftung gebaut und 
mit vieler Miihe eine Brefche in die Feftungsmauer gelegt 
hatte, und jede Hoffnung auf Rettung gefchwunden war, die 
Burg in Brand ffeckten und darauf zunadift ihren Ange- 
horigen und dann fidi felbft am 15. Xanthicos (April) 73 
den Tod gaben. 4 ) 

Mit dem Falle Mafadas war die Unterwerfung Palaftinas 
beendet. Die von Jerufalem entflohenen Sikarier haben wohl 
nodi in einigen Gegenden Unruhen erregt, z. B. in Ale- 
xandrien und Gyrene, 5 ) wurden aber bald unfdiadlidi ge- 
madit. In Agypten wurde aber doch aus Vorficht nun audi 
der judifdie Oniastempel in Leontopolis gefdiloffen 6 ) 

Schickfai des Das ganze judifdie Land in Palaftina behielt Vefpafian 
Landes. als perfonlidies Eigentum und liefj es durdi Baffus und den 



Macht des Chrifteng-ottes, der die neuen Gefchicke der Weltg-ebieterin 
Rom vorbereitete." 

B. J. 7, 8, 1. Vgl. B. J. 7, 6, 1. ' 

*) B. J. 7, 6, 1. Ober die Lage {. o. S. 130. 

3 ) B. J. 7, 6, 15. Ober Madiarus vgl. o. S. 84. Den Eleazar 
hatte ein romifcher Soldat namens Rufus, ein Agypter von Geburt, ge- 
fangen (B. J. 7, 6, 4). Auf ihn bezieht fich vielleidit eine jiingft in Baal- 
bek gefundene Infchrift, woruber Mommfen, Infdirift aus Baalbek, SB d. 
Berliner A. d. W. 1903, S. 817824 zu vergleichen ift. 

4 ) B. J. 7, 8, 19, 2. Ober Mafada f. o. S. 52 f. 

5 ) B. J. 7, 11, 13. Vgl. unten VIII. Kap. 

6 ) B. J. 7, 10. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 261 

Prokurator Liberius Maximus verwalten. 1 ) Nur 800 Veteranen 
gab er im Bezirk von Emmaus, 30 Stadien von Jerufalem 
entfernt, Landereien. 2 ) Eine den Juden furditbare Strafe 
war, dafc die bisherige jahrliche Kopffteuer, weldie alle Ju- 
den fur den Tempel zu Jerufalem entrichten mufjten, in Zu- 
kunft fur den Tempel des kapitolinifchen Jupiter zu bezahlen 
war. 3 ) Cafarea wurde durdi Vefpafian in eine romifche Ko- 
lonie, die ,,erfte flavifche Kolonie", umgewandelt.*) 



VII. Kapitel. 

Die Juden in der Diajpora. 

Wie in der Gegenwart fich Juden in der ganzen zivili- 
fierten Welt finden, lebend unter andern Volkern und dodi 

1, <-, , -. M r -ivi i- ri. j der 

nidit vermifcht mit ihnen, fo ift es auch fchon in der neu- 



1 ) B. J. 7, 6, 6. 

2 ) B. J. 7, 6, 6. An das 160 Stadien von Jerufalem entfernt lie- 
gende Emmaus-Nikopolis (vgl. o. S. 59, 5 und S. 246, 7), wofelbft zeit- 
weife die 5. Legion geftanden hat, ift wegen der Entfernung nicht zu 
denken, felbft wenn nicht mit den beften Handfchriften ,,<sraSlov? rgta- 
KOVTCI", fondern nach der Emendation ,,lfif>tovrrt" gelefen werden follte, 
vielmehr an Kalonije; vgl. iiber den Ort o. S. 59, 5. Jofephus Vita 76 
bemerkt, dag das Land in der unmittelbaren Umgebung von Jerufalem 
der 10. Legion (vgl. o. S. 258) uberwiefen wurde. 

3 ) B. J. 7, 6, 7. Dio Cass. 66, 7. Wie ungerecht oft diefe Steuer 
eingetrieben wurde, bezeugt Suet. Domit. c. 12: ludaicus fiseus acerbis- 
sime actus est. Von dem im Jahre 96 Kaifer gewordenen Nerva ruhmt 
eine Miinze (bei Madden, History of Jewish coinage, p. 199): ,,Fisci lu- 
daici calumnia sublata". Wie es fcheint, ift damit aber nur die Denun- 
ziation verboten worden, da noch Origenes (Ep. ad African. 14, Ed. 

Lomrnaijjch XVII, 44) fagt ,,xa,l vi>vlovda.i<av TO dldguxnov avTois [SC. 'Pw- 

riaiutt;] relovvTinv. Vgl. Gorres, Z. f. w. Th., Jahrgang 49. N. F. XIV> 
L. 1906, S. 143. 

4 ) Plin. N. H. V, 13, 69. Plinius erwahnt auch I. c. Neapolis quod 
antea Mamortha dicebatur. Der Ort wird ebenfalls als n Neapolis, oder 
wie er bei den Eingebornen heigt, Mabortha" von Jof. B. J. 4, 8, 1 er- 
wahnt. Es ift die Stadt Flavia Neapolis, in deren Nahe (nach Eufeb. 
Onom. ed. Klostermann, p. 150 sq. V nQoaOxsLoK; JVa? TTOACW? = in sub- 
urbanis Neaspoleos) Sichem lag. 



262 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

teftamentlidien Zeit 1 ) und zum Teil fdion fruher gewefen. 
Die Tatfadie ift fur die genannte Zeit nicht bloft in allge- 
meinen Ausdrucken, welche ]a hyperbolifdi fein konnten, von 
Sdiriftftellern des erften diriftlichen Jahrhundefts wie Strabo, 2 ) 
Jofephus 3 ) und Philo 4 ) bezeugt, fondern folgt audi aus den 
genauen Angaben glaubwurdiger Zeugen. Die Apoftelge- 
fchidite fagt, 5 ) dag auf dem erften Pfingftfeft in Jerufalem 
Juden aus Parthien, Medien und der Landfchaft Elamitis am 
perfifchen Meerbufen, Mefopotamien, Kappadocien, Pontus 
und Alien, aus Phrygien und Pamphylien, aus Agypten und 
den Gegenden Libyens bei Gyrene, Fremdlinge aus Rom, 
fowohl geborne wie neubekehrte Juden und Juden aus 
Kreta und Arabien anwefend waren. Konig Agrippa I. fpridit 
aber in einem an den Kaifer Caligula geriditeten Sdireiben 6 ) 
von judifdien Aniiedlungen in Agypten, Phonizien, Syrien 
und Colefyrien, in Pamphylien, und Cilicien, in den meiften 
Gegenden Aliens bis nach Bithynien und den entlegenften 
Winkeln von Pontus hin, weiter von andern Anfiedlungen in 
Europa, Theffalien, Bootien, Mazedonien, Atolien, Attika, 
Argos, Korinth und den meiften und beften Teilen des Pelo- 
ponnes. Audi die anfehnlidiften Infeln Euboa, Cypern und 
Kreta feien voll judifcher Einwohner. Von den Landern jen- 
feits des Euphrats wolle er fchweigen, da alle, mit Ausnahme 
eines kleinen Teiles, Babylon und die umliegenden Satrapien 
judifche Einwohner hatten. 

Wie richtig derartige Angaben find, ergibt fidi audi aus 
der Tatigkeit des Weltapoftels Paulus, der fidi flberall auf 
feinen Reifen zunaehft an die Juden in den Synagogen wen- 
den konnte. Allerdings handelt es fidi bei faft alien der- 



') Vgl. u. a. Hausrath, Neut. Zeitg. II, 91 ff., 283 ff., Ill, 383 ff.; 
Sdiflrer III 4 , 1-134 und art. Diaspora in Hastings, Diet. Extra vol. 
p. 91-109; Mommfen, RG V, 489499; Bertholet, Die Stellung der 
Ifraeliten und der Juden zu den Fremden, Freib. 1896, S. 257 ff. Jufter 1, 
180-209. Altere Literatur f. bei Winer, Bibl. Realworterbuch 2 Bde. 
L. 18478, art. Zerftreuung. 

2 ) Bei Jof. Ant. 14, 7, 2. 

3 ) B. J. 2, 16, 4. 7, 3, 3. 

*) In Place. 7. - 

5 ) Apg. 2, 9-11. 

6 ) Bei Philo, Leg. ad Caj. 36. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 263 

artigen Anfiedlungen, abgefehen von den Euphratlandern, 
nur um Stadte und deren unmittelbare Umgebung, und auch 
in diefen entfprach die zahlenmajgige Grofce der iiidifchen 
Bevolkerung keineswegs der Bedeutung, welche fie fich durch 
ihren engen Zufammenfchlujs, ihre Riihrigkeit und durch ihre 
vielen lauten Klagen zu erwecken wufcten. 1 ) 

Die Grflnde fur diefe Verbreitung der Juden find zum Qrunde 
Teil in den gewaltfamen Deportationen zunachft der zehn die f er ro 6 en 
Stamme, dann der Bewohner des Reiches Juda und fpater Verbreitun - 
der kriegsgefangenen Juden durch Pompejus u. a. zu fuchen. 
Audi die Flucht von Juden aus ihrem Jo oft von Kriegs- 
unruhen heimgefuchten Lande befonders nach Agypten wirkte 
mit. In den letjten Jahrhunderten v. Chr. hat aber der Han- 
del viele veranlafct, fich in den grofcern auswartigen Stadten 
anzufiedeln. Oberall blieben fie im Verkehr mit Jerufalem, 
pflegten das religiofe Gemeindeleben in den Synagogen , 
lebten nach ihrer eigenen Sitte 2 ) und waren doch zugleich 
meift im Befi^e aller biirgerlichen Rechte. So fehr fie auch 
oft uber Bedruckung klagen mochten, waren fie dank der 
Privilegien, welche ihnen befonders Cafar, dann auch Au- 
guftus 3 ) und friiher die ptolemaifchen und feleuzidifchen K6- 



!) Vgl. Hausrath II, 92. 

2 ) In der Mifdina (Sola 7, 1) heigt es, dag das Gebet: Hore Herr 
(das fog 1 . Sdima), die (g-ewohnlichen) Gebete [das Schmone Esre] und 
das Tifchgebet in jeder Sprache gefagt werden durfen. Die heiligen 
Schriften durfen nach Megilla 1, 8 in jeder Sprache g-efchrieben werden. 
Rabban Simeon ben Gamaliel fagte allerdings (1. c.), man habe nur er- 
laubt, die heiligen Schriften griechifch zu fchreiben. 

3 ) Vgl. S. 104 ff. Das von Julius Caefar den Sidoniern mitgeteilte 
Dekret, dag wenn irgend eine Streitigkeit uber judifche Einrichtungen 
entftand, die Entfcheidung- beim Hohenpriefter liegen follte (Ant. 14, 10, 2), 
bezieht fich in feiner Allgemeinheit auch auf die Juden in der Diajpora. 
Ebenfo das andere Dekret Caefars (Ant. 14, 10, 3), dag der jedesmalige 
Hohepriefter und Ethnarch fich der Juden, denen Unrecht gefchieht, 

(n<jtieSrrjra.i TMV ad'ixovftevmv) annehmen foil. 

Das gefchah z. B. nach Caefars Tod im Jahre 43 durch die Vor- 
ftellungen des Hyrkanus bei dem Statthalter Dolabella von Afien, feine 
Landsleute kOnnten am Kriegsdienfte nicht teilnehmen, weil fie am Sab- 
bate weder Waffen tragen noch marfchieren durften und fich ihre vor- 
fchriftsmagigen und gewohnten Nahrungsmittel nicht verjchaffen kOnnten. 
Daraufhin befreite fie Dolabella, wie feine Amtsvorganger es getan 



264 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefdiidite der Juden etc. 

nige verliehen batten, 1 ) eher ein wenigftens von der Staats- 
gewalt, der fie treu anhingen, bevorzugtes Volk. Die Zahl 
der Juden im romifchen Reiche betrug mit Einfchlufc Pala- 
ftinas vor dem J. 70 n. Chr. ficher etwa 7 Millionen, da 
fchon allein Agypten etwa eine Million zahlte. 2 ) Dazukommen 
die Juden, welche in den nur teilweife und nur von Zeit zu 
Zeit oder gar nicht zum romifchen Reiche gehorigen Lan- 
dern Mefopotamien, Medien und Babylonien wohnten. 

Es empfiehlt fich der beffern Uberficht wegen einzelne 
Gruppen befonders zu behandeln. 

1. Die Juden in Mefopotamien, Medien und Babylonien. 

In diefe Lander waren ehedem die Bewohner des Reiches 
Ifrael und des Reiches Juda in das affyrifche und babylonifche 
Exil fortgefiihrt worden. 

Die zehn Die Bewohner Samarias waren von Salmanaffar im 

stamme in j a h re 722 in der affyrifchen Landfchaft Hala und am Fluffe 
der Ver- chaboras, dem heutigen Chabur, einem Nebenflufc des 
annung. g u pjj ra t m ^ Qr Landfehaft Gauzanitis in der Nahe des be- 



kannteren Nifibis in Mefopotamien und in den Stadten der 
Meder angefiedelt worden. 3 ) Von dort verbreiteten fie fich 
auch nach andern Orten. Ninive, Rages und Ekbatana wer- 
den als Hauptwohnfitje genannt. 4 ) Die Exilierten hingen von 
der Laune des Konigs ab und wurden auch wiederholt ver- 



), vom Kriegsdienft und geftattete ihnen 
audi, einer weiteren Bitte des Hyrkan entfprechend, bei den herge- 
brachten Verfammlungen zum Opfer und Gottesdienft ihrem Gefetj zu 
folgen und Geld zur Befchaffung von Opfern beizutragen (Ant. 14, 
10, 11 f.). Vgl. Jufter, Les Juifs 1, 146; 2, 275 s. 

Augu[tus hat den Juden im romifchen Reiche alle ihnen von Caefar 
verliehenen Privilegien beftatigt (Ant. 16, 6, 2 4). Natiirlich kam das 
perfonliche freundfchaftliche Verhaltnis des Herodes und Jeiner Nachfolger 
auch der Beobachtung diefer Privilegien zu gut, ebenfo auch die im 
Grogen und Ganzen vorhandene Anhanglichkeit der Juden in der Diajpora 
an die romifche Herrfchaft und die romifchen Einrichtungen. Vgl. Jufter 
1, 213 ss. 234 s. 240 s. 

J ) Vgl. Ant. 12, 3 und 4. 13, 10, 4. 

2 ) Vgl. u. S. 276. 

3 ) 4 Kon. 17, 6. 18, 9 ff. ' 

4 ) Hala i[t identifch mit 'XaAxtr/?. S. Ptolem. Geogr. 5, 18. Der Chaboras 
ergiefct fich bei Abu Sera], dem alten Karkemifch (Circesium), in den 



'VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 265 

folgt. Allein anderfeits erfreuten fie fidi grofeer Freiheii Sie 
konntenz. B. aus Handelsintereffe grofce Reifen unternehmen. 1 ) 
Gewifc mogen mandie fich wie Tobias durdi Anhanglichkeit 
an Gott und das Gefetj ausgezeichnet haben, 2 ) aber im all- 
gemeinen wirkte die Verbannung auf die meiften, die ja 
ohnehin fchon im Reidie Ifrael den Kultus heidnifcher Gotter 
kennen gelernt batten, in religiofer Beziehung fehr nach- 
teilig. Sie haben fich unter den Heiden, mit denen fidi mandie 
vereheliditen, verloren. 3 ) Zur Zeit des Jofephus ift zwar nodi 
Nifibis ein Mittelpunkt der judifchen Bewohner Babyloniens, 
aber dorthin konnten naturlich fdion feit langem andere Ju- 
den gekommen fein und fidi mit den wenigen glaubig ge- 
bliebenen Nadikommen der zehn Stamme vermifcht haben. 4 ) 

In viel gunftigerer Lage waren die Exilierten des Reidies Die 
Juda. Sie bildeten in religiofer und nationaler Beziehung Exill <^ ten 

r$ n o I? CM f*fl f^O 

ein viel widerftandsfahigeres Volk und wurden auch nidit 
zerftreut, fondern in der Hauptftadt Babylon felbft und deren 
Umgebung angefiedelt. 5 ) Hier lag audi Naharda (fyr. Nu- 
hadra) am Euphrat, welches die fpatere jiidifdie Tradition 6 ) 



Euphrat und ift von dem Fluffe (oder Kanal des Euphrat bei Babylon) 
Chabor, wovon Ezechiel 1, 1 fpricht, zu unterfdleiden. Vgl. Vigouroux, 
La bible et les decouvertes modernes, Paris 1896, III 6 , p. 561 ss. 
') Tobias 1, 16. 3, 7. 5, 8. 

2 ) Tobias 1, 14 ff. 4, 21 ff. Vgl. Vigouroux 1. c. p. 567 s. 

3 ) Jof. Ant. 11, 5, 2 ftellt die Sache ungenau fo dar, als ob die 
Stamme Benjamin und Juda unter Esdras zurudcgekehrt feien, die ubrigen 
aber als eine gar nicht zu zahlende Menge jenfeits des Euphrats wohnten. 
Das 4. Buch Esdras (13, 3947), welches als Wohnfitj der zehn Stamme 
Arzareth (ni~N yiK = terra alia, vgl. Deut. 29, 27) angibt, erwartet die 
Wiederkehr der zehn Stamme am Anfang der meffianifchen Zeit. Auch 
Pfeudo-Baruch 78, 1 nimmt an, dag ,,die neun und einhalb Stamme 
am jenfeitigen Ufer des Fluffes Euphrat" wohnen und fchickt ihnen einen 
Brief 78, 2 ff., worin er [ie zur Buge und Treue gegen Gott mahnt und 
ihnen ihre einftige Erlofung verkundet (78, 5. 7. 84, 10). Nach M. San- 
hedrin 11, 3 hat unter Berufung auf Deut. 29, 27 R. Akiba gefagt, fie 
wurden nie wiederkehren; aber R. Eliezer ben Hyrcanos hat das Gegen- 
teil gelehrt. Vgl. u. a. Haneberg, Gefch. der bibl. Offenbarung*, Regens- 
burg 1876, S. 389-397. 

4 ) Ant. 18, 9, 1. 9. 

*) Vgl. 4 K6n. 24, 15. 25, 7, II. Par. 36, 6. 10. 20. Jerem. 24, 1. 
39,, 7 ff. 52, 11 ff. Bar. 1, 3 ff. 6, 1. 

u ) Vgl. daruber Art. Exil im Kirchenlex, 4, 1139 f. und iiber die 



266 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

als eine der alteften Niederlaffungen nennt. 1 ) Die Juden 
konnten ungehindert ihre gottesdienftlichen Verfammlungen 2 ) 
und das ganze Gefetj Mofis, abgefehen von dem an den 
Tempel gekniipften Opferdienft, halten, konnten fidi bald 
auch uberall im babylonifdien Reiche anfiedeln, Gefchafte trei- 
ben und Reichtum erwerben. 3 ) Unter den Perfern wurde ihre 
Lage nodi gunftiger, fo dag nur wenige von der Erlaubnis, 
nach Palaftina zuriickzukehren, Gebrauch machten. 4 ) Im Laufe 
der Zeit vermehrte fidi durch Zuzug die Zahl der Juden in 
jenen Gegenden, 5 ) fo dag zur Zeit des erften Herodes ,,viele 
Taufende des jiidifchen Volkes im babylonifdien Lande an- 
gefiedelt waren". 6 ) Herodes madite fogar einen babylonifdien 
Juden Ananel zum Hohenpriefter. 7 ) 

der Audi Alexander d. G. hatte den Juden in Babylonien 

Juden in und Medien geftattet, nach ihren Gefeijen zu leben. 8 ) Die 
Babylonien. Seleuziden begiinftigten fie, ja Antiochus d. Gr. hielt fich 
von ihrer Treue fo uberzeugt, dag er 2000 judifche Familien 
aus Mefopotamien und Medien in Lydien und Phrygien an- 
fiedelte. 9 ) 

Um die Zeit Chrifti verwahrten die Juden in den Stadten 
Naharda und Nifibis die fur den Tempel beftimmten Gelder. 
Wenn zu den feftgefetjten Terminen das Geld nach Jeru- 



babylon. Wohnfi^e der Ifraeliten Qberhaupt die fpateren rabbinifchen 
Nadirichten in Lightfoot, Hor. hebr. in Ep. I ad Cor. Addenda ad cap. XIV, 
Opp. II, 929-932. 

J ) Bei Jof. Ant. 18, 9, 1. 9 heigt die Stadt Naarda. 

2 ) Bar. 1, 3 ff. Ezech. 3, 15. 

3 ) Vgl. Dan. 13, 4. 62. Kirchenl. 4, 1139 f. 

*) Esdr. 1, 3. 7, 13. Esdr. 2. Neh. 7. Jof. Ant. 11, 5, 2. 

5 ) Z. B. hat der perfifdie Konig Artaxerxes Ochus jiidifche Ge- 
fangene um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. in Hyrkanien am 
Kafpifchen Meere angefiedelt. Bus. Chron. ed. SdiOne II, p. 112. 

6 ) Jof. Ant. 15, 3, 1. Vgl. Ant. 15, 2, 2. Philo, Leg. ad Caj. 31. 
') Ant. 15, 2, 4. 3, 1. 

8 ) Jof. Ant. 11, 8, 5. Das nadi Hekataus in Jos. c. Apion. 1, 22 
Erzahlte liegt fruher. 

) Ant. 12, 3, 4. - Ober die perfOnliche, foziale und religiofe Lage 
der Exilierten vgl. u. a. Job. Nikel, Die Wiederherftellung des judifdien 
Gemeinwefens nadi dem babylon. Exil (= Bibl. Stud. 5, 2-3) Freib. 1900; 
Erich Klamroth, Die judifchen Exulanten in Babylonien (Beitrage zur 
Wiffenfchaft vom alten Teftament, Hrsgb. von R. Kittel, Heft 10), Lpz. 1912. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 267 

falem gefchickt wurde, begleiteten jedesmal viele taufend 
Menfchen aus Furcht vor den Raubereien der Farther, denen 
damals Babylonien zinspflichtig war, den Zug. Derartige 
kriegerifche Ziige hoben wieder das Selbftgefuhl der Juden 
iiberhaupt. Zwei abenteuerliche jiidifche Briider, Afinaus und 
Anilaus, welche urfpriinglich Weber gewefen waren, fcharten 
andere junge Leute, die nichts zu verlieren batten, um fich, 
fuhrten mit ihnen ein Rauberleben und gelangten zu folcher 
Macht, da& fie in der Nahe von Nabarda wie unabhangige 
Fiirften herrfchten. Ihre Macht wurde fogar von dem par- 
thifchen Konig Artabanus HI. dadurch anerkannt, dafe er mit 
ihnen einen Vertrag fchlofc und ihnen den Schutj des baby- 
lonifchen Gebietes anvertraute, um fich ihrer gegen die eigenen 
zum Abfall geneigten Satrapen zu bedienen. Als aber {pater 
Anilaus im Cbermute fogar die Befitjungen des Mithridates, 
des Schwiegerfohnes des Artabanus, anzugreifen wagte, 
wurde er in einer Schlacht befiegt und kam bald nachher 
felbft um. 1 ) Nach feinem Tode ffihlten fich die Juden, welche 
wegen der Religion in fteten Streitigkeiten mit den Baby- 
loniern lebten, ihren Gegnern nicht mehr gewachfen und 
zogen nach der von Mazedoniern, Griechen und Syrern be- 
wohnten Stadt Seleucia an einem Kanal, der den Tigris mit 
dem Euphrat verbindet. Dort verbanden fich aber fechs Jahre 
fpater ihre Mitbiirger gegen fie und brachten mehr als 50000 
Juden um. 2 ) Audi in Ktefiphon in der Nahe von Seleucia 
waren fie nicht ficher, weshalb fich die meiften Juden in die 
feften Stadte Naharda und Nifibis zuruckzogen. 3 ) 

Zur Zeit des Kaifers Klaudius befafc die Landfchaft Ni- Bekehrung 
fibis der Konig Izates von Adiabene, welcher in einem Ab- der 



hangigkeitsverhaltnis zu dem parthifchen Reiche ftand. Er familie von 

Adiabene. 

J ) Ant. 18, 9, 17. Die beiden Bruder haben fich 15 Jahre lang- 
in ihrer Macht behauptet (1. c. 9, 4). Afinaus ftarb durch Gift, welches 
ihm die Frau feines Bruders beigebracht hatte (1. c. 9, 5). 

'=) Ant. 18, 9, 19. Als das Blutbad angerichtet wurde, war, wie 
fich aus einem Vergleich von 18, 8, 9 mit 18, 9, 1 und 9, 8 ergibt, Ca- 
ligula fchon tot. Vgl. auch Philo Leg. ad Caj. 31, wonach Petronius v es 
im Jahre 40 fur gefahrlich hielt, die babylon. Juden gegen die ROmer 
zu reizen. In Seleucia hatten die Juden das Burgerrecht und ftanden 
darin den ubrigen Einwohnern gleich. Ant. 12, 3, 1. 

3 ) Ant. 18, 9, 1. 



268 Erfter Abfdinitt. Die politijche Gefchichte der Juden etc. 

trat mit feiner Mutter Helena zum Judentum fiber und liefe 
fich fogar befchneiden. Spater folgten feinem Beifpiele fein 
Bruder Monobazus und deffen Verwandte trots des Unwillens 
der Grofcen des Reidies iiber diefen Schritt. 1 ) 

Wahrend des grofcen Krieges gegsn die Romer ver- 
fuchten die palaftinenfifchen Juden durdi Gefandte audi jen- 
feits des Euphrats den Aufruhr zu predigen, batten aber 
damit infolge der fdhlimmen Lage ihrer dortigen Glaubens- 
genoffen keinen Erfolg. 2 ) 

2. Die ,,Zerftreuung" in Syrien und Kleinafien. 

Die Juden in Die Lage von Syrien im Verhaltnis zu Palaftina erklart 
Antiochien. es> d a g in diefer Provinz der grofcte Prozentfatj judifcher 
Bevolkerung war, und es ift wieder leicht erklarlich, dafj dies 
am meiften in Antiochien, zu jener Zeit der drittgrofcten 
Stadt des romifchen Weltreiches, der Fall war. Erjt im Jahre 
301 v. Chr. gegriindet war die Stadt dank ihrer Lage am 
Orontes in einer fehr fruchtbaren Ebene in der Nahe des 
Meeres und dank der Tatfache, dag fie zuer[t Refidenz der 
feleuzidifchen Konige, 3 ) dann der romifdien Statth alter von 
Syrien war und unter diefen als eine freie nach eigenen 
Gefetjen lebende Stadt gait, 4 ) rafch emporgebliiht. Sehon der 
Grunder der Stadt, Seleukus I. Nikator, hatte die Juden in 
die Stadt mit vollem Biirgerrecht aufgenommen. 5 ) Audi unter 
den Romern blieben fie im Genufc diefes Rechtes, 6 ) ohne 
aber dadurch das Recht, nach ihren eigenen Gebrauchen 



') Jo{. Ant. 20, 24. Vgl. auch B. J. 2, 19, 2. 4, 9, 11. 5, 2, 2. 3, 3. 

4, 2. 6, 1 und 6, 6, 3. 4. In Jerusalem war ein Palaft der Konigin Helena 
(B. J. 6, 6, 3), ein Palaft des Monobazus (B. J. 5, 6, 1) und ein von 
der Grapte, einer Verwandten des Izates, erbauter Palaft (B. J. 4, 9, 11). 

5. unten. 

2 ) B. J. 6, 6, 2. 

3 ) 1. Mace. 3, 37. 7, 2. 11, 13 f. 

4 ) Plin. 5, 21, 79: Antiochia libera, Epi Daphnes cognominata; 
Oronte amne dividitur. 

3 ) Jof. Ant. 12, 3, 1; c. Apion. 2, 4. Audi in alien andern in Afien 
oder Syrien von ihm gegrundeten Stadten ftellte Seleukus I. in Bezug 
aui das Bflrgerrecht die Juden dem mazedonifchen und griechifchen Teile 
der Einwohner gleich. S. Ant. 12, 3, 1. 

6 ) Jof. Ant. 12, 3, 12. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 269 

leben zu durfen, zu verlieren. Trotj der Klagen der Griedien 
hatte ihnen z. B. Markus Agrippa dies zur Zeit des Auguftus 
beftatigt. 1 ) Dag fie in der Refidenz des romifdien Statthalters 
wohnten, rettete fie zur Zeit des Krieges, als der Judenhafe 
uberall zur gewaltigen Flamme emporfchlug, vor grofceren 
Angriffen. 2 ) Audi Titus fdilug die Bitten der Syrer zu An- 
tiochien, die Juden aus der Stadt zu vertreiben oder wenig- 
ftens die ehernen Tafeln, auf welchen ihre Gerechtjame ge- 
fchrieben waren, 3 ) fur ungiiltig zu erklaren, ab. 4 ) In Da- 
maskus befafcen die Juden mehrere Synagogen 5 ) und hatten 
unter den Frauen viele Konvertitinnen gemadit, aber 10000 
Juden wurden zu Anfang des judifch-romifchen Krieges von 
den Damaszenern ermordet. 6 ) 

Es diirfte die Behauptung Philos nicht iibertrieben fein, Die Juden in 
dag in jeder kleinafiatifchen Stadt viele Juden wohnten. 7 ) Kieinafien 
Denn man weifc von einer ganzen Reihe diefer Stadte, daft und lhre 
die Juden dafelbft Synagogen befa&en. 8 ) Audi Jofephus be- Privile ien - 
zeugt die grojje Verbreitung der Juden in den kleinafia- 
tifchen Stadten. 9 ) Weiterhin gibt es eine grofce Anzahl von 



*) Ant. 12, 3, 2. Vgl. B. J. 7, 3, 3. Zur Zeit des Herodes war der 
reichfte Syrer Saramallas, der fidi audi in den Befit} wichtiger politifdier 
Geheimniffe zu fefyen wugte, ein Jude. B. J. 1, 13, 5. 

2 ) B. J. 2, 18, 5. 7, 3, 3-4. . 

3 ) Vgl. auch Ant. 14, 10, 1. 3. 26. 
*) B. J. 7, 5, 2. Ant. 12, 3, 1. 

5 ) Apg. 9, 2. Ober Damaskus f. unten. 

6 ) B. J. 2, 20, 2. Nach Eleazar von Mafada waren fogar 18000 
mit Weibern und Kindern umgekommen, B. J. 7, 8, 7. 

7 ) Philo, Leg. ad Caj. 33. Vgl. Apg. 2, 9 ff. 
h ) Apg. 13, 14. 14, 1. 18, 19. 19, 8. 

9 ) Ant. 14, 10. 16, 6. Cicero pro Flacco 28 erwahnt, dag jiidifche 
Tempelgelder in Apamea, Laodicea, Adramyttium und Pergamum kon- 
fisziert wurden. Vgl. befonders Schurer III 4 , 12 ff. und in Hastings 1. c. 
p. 93 f. Vgl. noch Chapot, La province romaine proconsulate d'Asie. 
Paris 1904, p. 182-186. Ober die groge Zahl der Juden und ihre ein- 
flugreiche Stellung in den Provinzen Galatia und Afia unter der ro- 
mifdien Herrfdiaft vgl. u. a. Ramsay, The cities and bishoprics of Phrygia 
vol. 1, Part. 2 p. 667676; derf., The bearing of recent discovery on 
the trustworthiness of the New Testam. London 1915 p. 353 369. 
Reinadi Ad. Noe sangarion. Etude sur le deluge en Phrygie et le syn- 
cretisme Judeo-Phrygien RE J, Tome 65 (Paris 1913) p. 161-180; Tome 66 
(P. 1913) p. 1-43 und 213244, befonders p. 214 ss. 



270 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Dekreten Cafars, des Auguftus und anderer, worin den Ju- 
den in Ephefus, 1 ) Sardes, 2 ) Laodicea, 3 ) Tralles, 4 ) Milet, 5 ) 
Pergamum, 6 ) Halikarnaffus 7 ) und andern Stadten 8 ) gro&e 
Privilegien verliehen werden. Namentlidi wird dadurch das 
Recht der Juden, nach ihren eigenen Gebrauchen zu leben 
und fich zu verfammeln, 9 ) die Sabbate und Fefte zu feiern, 10 ) 
Geld zu gemeinfamen Mahlzeiten und Opfern beizutragen 11 ) 
und die Tempelfteuer und die Erftlinge nach Jerufalem zu 
fenden, 4 ' 2 ) anerkannt und ihre Befreiung vom Kriegsdienft 
ausgefprochen. 13 ) In den Dekreten fur die Juden in Sardes 
und Ephefus wird ihnen auch das Redit eines eigenen 
Gerichtshofes, bei weldiem fie ihre Vertrage bekraftigten 
und ihre Streitigkeiten fchliehten laffen konnten, beftatigt. 14 ) 
Die Juden befafcen auch in mandien kleinafiatifchen Stadten, 
z. B. in Ephefus und den jonifchen Stadten uberhaupt, das 
Biirgerrecht. 15 ) 

Das find grofce Privilegien, weldie die nichtjudifche Be- 
volkerung gar nicht gern fah. Denn meift find fie erft er- 
laffen worden, naehdem die Gemeindeverwaltungen den bis- 



') Ant. 14, 10, 12 f. 16. 19. 25; 16, 6, 4 7. 
) Ant. 14, 10, 17 und 24; 16, 6, 6. 
3 ) Ant. 14, 10, 20. 
*) Ant. 14, 10, 20. 

5 ) Ant. 14, 10, 21. Einen kritifchen Kommentar zu einem Teile der 
Texte in Jof. Ant. 14, 10, 821 gibt Walter Judeich, Cafar im Orient, 
Kritifche Oberpdit der Ereigniffe vom 9. Auguft 48 bis Oktober 47. 
Leipz. 1885, S. 119-141. 

6 ) Ant. 14, 10, 22. 
') Ant. 14, 10, 23. 

8 ) Die von M. Agrippa beftatigten Privilegien der Juden in den 
jonifdien Stadten, f. Ant. 16, 2, 3-5. 

9 ) Ant. 14, 10, 23 i. 16, 6, 2. 

10 ) Ant. 14, 10, 20 ff. 16, 2, 3. 16, 6, 2. 

1 ) Ant. 14, 10, 11 f. 16, 2, 3. Von gemeinfamen Mahlzeiten, die wohl 
eine Nadiahmung der Opfermahlzeiten in Jerufalem fein follen, fpridht 
Jof. Ant. 14, 10, 8. 

12 ) Ant. 16, 2, 3. 16, 6, 2. 4 ff. 

") Ant. 14, 10, 11 ff. 

14 ) Ant 14, 10, .17. 19. 

u ) Ant. 12, 3, 2. Vgl. ebd. 14, 10, 17. Nach Jos. c, Apion..2, 4 ift 
es den Juden in Ephefus und in Jonien uberhaupt durch die Diadoehen 
verliehen worden. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 271 

herigen Rediten der Juden entgegengetreten waren. Die 
pqlitifchen und religiofen Intereffen waren in jener Zeit zu 
eng verbunden, als dag nidit immer wieder von feiten der 
Nichtjuden betont worden ware, daft Leuten, welche nicht 
diefelben Goiter wie fie verehrten, auch nicht diefelben Rechte 
zuteil werden konnten. 

3. Die Juden in der Zerftreuung in Agypten und Cyrene. 

In Agypten batten fich fchon zur Zeit des Propheten Judifche 
Jeremias Juden aus Palaftina angefledelt und waren bis Miiitar- 
Pathros, Oberagypten, gekommen: 1 ) Man wugte auch fchon k lomen m 
lange, dag Pfammetich fchon in feinem Feldzuge gegen den gyp en ' 
Konig der Athiopier jiidifche Soldner gehabt hatte und dag 
unter den perfifchen KSnigen von Agypten viele Juden nach 
Agypten verpflanzt wurden, von denen manche in die fejten 
Platje des Landes zum Schutje desfelben gelegt und dort 
als xdiotxoi, d. h. als aktive Soldaten und nicht etwa als Ve- 
teranen angefiedelt wurden. 2 ) 

Eine folche judifche Militarkolonie zum Schutje Oberagyptens gegen 
Nubien gab es im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. auf der Nilinfel Ele- 
phantine in der Feftung Jeb und der auf dem rediten Nilufer unweit 
Elephantines gelegenen Feftung Syene, dem heutigen Assuan. Ober 
diefe und ihre wirtjchaftlichen und religiofen Verhaltniffe und ihre poli- 



!) Jerem. 44, 1. Vgl. 41, 17-18 und c. 42-44. 

2 ) Aristeae ad Philocratem epistula ed. Wendland, L. 1900; deutfdi 
von Wendland in Kautjfdi II S. 1 ff. n. 12 f. und n. 35; englifdi mit 
einer Einleitung von H. Andrews in Charles, The Apocrypha and Pseud- 
epigrapha of the Old Test. vol. II ^Oxford 1913). p. 83-122. Vgl. auch 
Jos. c. Apion 2, 4 und Ant. 12, 1. Jos folgt dem Aristeas. Aus Herod. II 
161 weig man, dag Pfammetich II.. (594589 v. Chr.) einen 'Feldzug 
gegen Athiopien unternommen hat. InantikenRuinenbeidemDorfeEl-Hibe 
in Mittelagypten ift eine Urkunde gefunden worden, worin ein Zug des 
Psammetich II. in feinem vierten Jahre (590) nach Palaftina erwahnt (vgl. 
Griffith, Catalogue of the Demotic Papyri in the John Rylands Library, 
Manchester 1909, 3 Bde IX. Urkunde 14, 6 16, 1) wird. Nach einer geift- 
reichen Vermutung von A Alt, Psammetich II. in Palaftina und in Ele- 
phantine ZAW 1910, 288-297 waren an dem Athiopenzug von 589 
nach Aristeas jfldifche Krieger beteiligt gewefen. Die judifchen Seidner 
hatten aber durch die Entwicklung der Dinge um oder vor 586 keine 
MOglichkeit gehabt, in die Heimat zuruckzukehren, und hatten nun in 
Elephantine Jahwe ein Heiligtum gebaut. Es ift nur eine Vermutung des 
Verfaffers. , . . . ...',: 



272 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

tifchen Beziehungen zu Agypten und der per[ifehen Regierung in den 
Jahren 494-400 v. Chr. find wir durth aus diefer Zeit ftammende in 
Elephantine aufgefundene aramaifche Papyrusurkunden und Ostraken feit 
1906 genauer unterriehtet. 1 ) 

Sie batten das Redit freier Religionsubung, befafcen ein Heiligtum, 
eine Art Tempel mit einem Altar und konnten fich in einem Schreiben 
an den perfifchen Statthalter von Judaa, Bagohi oder Bagoas, 2 ) ruhmen, 
dag der Perferkonig Kambyses, der Sohn des Cyrus, bei einer Er- 
oberung Agyptens (im Jahre 525 v. Chr.) ihr Heiligtum beftehen lieg, 
wahrend er die agyptifchen Tempel zerftorte. 3 ) Dag ein folches Heilig- 
tum augerhalb des Heiligen Landes gegen das Gefetj war, 4 ) ift ihnen 
wohl nidit zum Bewugtfein gekommen, und wenn es der Fall war, wer- 
den fie es mit ihrer Lage in Agypten entfchuldigt haben. Sie nennen es 



') Zehn Originalurkunden aus der Zeit der perfifchen K&nige Xerxes, 
Artaxerxes und Darius (470-411 v. Chr.), die man im Jahre 1904 fand, 
vgl. in Aramaic Papyri discovered at Assuan, ed. by A. H. Sayce with 
the assistance of A. E. Cowley. L. 1906. Vgl. auch W. Stark, Die 
judifch-aramaifchen Papyri v. Assuan (= Lietjmann, Kleine Texte Heft 22/23), 
Bonn, 1906. Nodi bedeutendere Funde brachten Ausgrabungen von 
1906 1908 zu Tage. Vgl. E. Sachau, Drei aramaifche Papyrusurkunden 
aus Elephantine. Abhdlgn. d. A. d. Wiss. Berlin 1907. Neudruck 1908. 
W. Stark, Aramaifche Urkunden zur Gefchichte des Judentums im VI. 
u. V. Jhdt. v. Chr. (Kleine Texte Nr. 32) Bonn, 1908. Lagrange, Les 
nouveaux papyrus d' Elephantine, Rb 1908, 325-349; tUberfetjung nebft 
Commentar. - Eine vollftaridige Textausgabe der Funde von 1906-8 
gibt E. Sachau, Aramaifche Papyrus und Ostraka aus einer judifchen 
Militarkolonie zu Elephantine. Bd. I, Text. Bd. II. 5 Tafeln. Leipz. 1911. 
Kleine Ausgabe von A. Ungnad, Aramaifche Papyrus aus Elephantine, 
L. 1911. Aus der augerft reichen Literatur uber die Funde vgl. u. a. 
J. Levi, La colonie juive d' Assuan au Ve siecle avant 1' ere chre- 
tienne REJ tome L IV. 1907, 3544; ebd. Le temple du dieu Jahou et 
la colonie juive d' Elephantine 1. c. 153 ss.; ebd. Nouveaux Papyrus 
Arameens d' Elephantine 1. c. 161 184. N.Peters, Die judifche Ge- 
meinde von Elephantine Syene u. ihr Tempel im 5. Jahrh. v. Chr. Ge- 
burt. Freib. i. B. 1910. Anneler Ph. Hedwig, Zur Gefchichte der Juden 
von Elephantine. Bern, 1912. Ed. Meyer, Der Papyrusfund von Ele- 
phantine. L. 1912. E. KOnig, Die Elephantinegemeinde u. der Mono- 
theismus. N. Kirchl, Zeitfchr. 1915, 5, 383-402; deff. Religionsgefchichtl. 
Hauptmomente in den Elephantinetexten ZAW 1915, 2, 110-119. Jon. 
Nikel, Das Alte Teftament im Lichte der altoriental. Forfchungen III, 
48-54 (= BZfr III 3 /4) ; MQnfter i. W. 1910. 

2 ) Bei Jof. Ant. 11, 7, 1 heifet er Bagoses. 

3 ) Pap. 1 (bei - Sachau 1907). Ober ihren Tempel vgl. Levi 1. c. 
Lagrange 1. c. 337 ss. Smend, Th. Lz. 1907, 26, 708. Anneler 78 ff. 

*) S. Deut. 12, 1 ff; Nikel a. a. O. S. 54 weift darauf hin, dag nach 
Deut. 12, 1 das Gefetj uber die Einheit des Kultusortes nur fur Pala- 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 273 

,,das Heiligtutn des Gottes Jah6 in der Stadt Jeb." 1 ) Jaho heigt aber 
foviel wie Jahwe, der eine Gott Ifraels. Dag fie im wefentlichen diefen 
verehren wollten, fieht man nicht blog aus diefer Bezeichnung, fondern 
audi daraus, dag:fie Jaho M Gott des Himmels" nennen, 2 ) dag fie Profe- 
lyten aufnahmen 3 ) und fich nach der ZerftOrung ihres Heiligtums im 
Jahre 411/10 vertrauensvoll an den Hohenpriefter und die Juden in Je- 
rufalem wenden. 4 ) Von dort waren fie fruher aufgefordert 5 ) worden, das 
Mazzenfeft vom 15. 21. Nisan zu feiern. 6 ) 



ftina felbft gait und die fortfchreitende Zerftreuung der Juden allmahlich 
die Auffaffung vorbereitete, dag der Wert der augern Anbetung Gottes 
von dem Orte derfelben unabhangig fei. 

>) Pap. 1, 1. 6. 24. Dag der Name des Gottes Jah6, nicht Jahu 
heigt, zeigen die Ostraken, auf denen Clermpnt-Ganneau oft nnv einmal 
nfcCS nrp = Gott der Heerfcharen gelefen hat. Vgl. Lagrange Rb 1908, 
261, 2. So auch Peters, Anneler u. a. 

*) Pap. 1, 15. 27. 28. . 

3 ) Die Jttdin Mibtachja hat, obwohl fie in einem Prozeg kein Be- 
denken trug, bei der agypt. GAttin Sati zu fchwOren (S.. Sayce-Cowley F 5), 
ihren zweiten Gemahl zu ihrer Religion herubergezogen (1. c. Pap. H 
und J). Vgl Schfirer, Th. Lz. 1907, 1, S. 4. 

*) Pap. 1, 1719. Pap. 2, 16. 17. S. u. S. 274. 

& ) Durch den Juden Hanani aus Jerufalem, Sachau, Taf. 6, Pap. 6. 

6 ) Schwierigkeiten hinfichtlich der reinen Gottesverehrung der Juden 
von Jeb ma At befonders eine von Sachau im J. 1911 herausgegebene 
Lifte der Beitrage, welche im Jahre 419 y. Chr. yon den Mitgliedern 
der jQd. Gemeinde zu den Kultuskoften gezahlt wurden. Es heigt am 
Anfange dort: ,,dies find die Namen des jQdifchen Heeres, welches Geld 
gab fQr den Gott Jaho, Mann fflr Mann 2 Sekel Silber" (der Sekel 
= 2 M. 30). Am Sdilug heigt es, dag jich (am 6. Juni 419) in den 
Handen des Oberhauptes der judifchen Gemeinde, Jedonja, 31 Karfch 
(= 310 Sekel) 8 Sekei Silber befanden; ,,darin Mr Jahu 12 Karfch 6 Sekel, 
fur 'Schm bet' el 7 Karfch, fur 'Anat bet' el 12 Karfch.". Es fcheint 
fich fomit noch um andere Gottheiten zu handeln. Die .Schwierigkeit 
dGrfte fich am beften dahin Idfen laffen, dag im w jiidifchen Heere", dejfen 
Mitglieder bald als Juda'er, bald als Aramaer bezeichnet werden (ygl. 
z. B. Smend, Th. Lz. 1912, 389 f. Anneler 44. 45. 55 u. a.), fich auch 
Nichtjuden befanden und das Oberhaupt der Judenfchaft yon der per- 
fifchen Regierung mit dem Einziehen der Abgaben fur Kultuszwecke 
im judifchen Heere auch far die Gottheiten der nichtjudifchen Heeres- 
Mitglieder betraut war. (So z. B. Anneler 83 ff,, die auch fQr andere 
Schwierigkeiten zu vergleichen ift.) Andere anders.. Z B. Smend, Th. 
Lz. 1912, 13, 389 vermutet, n dag die Judaer von Jeb zu einem Teil 
wenigftens von den Koloniften abftammten, die yon Asarhaddon im 
7. Jahrh. auf dem Boden des ehemaligen Nordreichs angefiedelt waren, 
in Bethel ihren Mittelpunkt hatten und hier den Kultus ihrer heimat- 
lichen GOtter mit dem Jahvekultus verbanden (2 Reg. 17, 24-34; 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. Jg 



274 Erfter Abfchnitt. Die politifehe Gefdudite der Juden etc. 

Im Jahre 411/10 ift dies Heiligtum in Elephantine auf Anftiften der 
den Juden feindlidi gefinnten agyptifchen Priefter des Gottes Chnub 
oder Chnubis, wie er bei den Griedien heigt, durdi einen perfifchen 
Unterbeamten zerftdrt worden. Die Opferfdialen aus Gold und Silber und 
andere Koftbarkeiten wurden geraubt. Nadi der Ruckkehr des zur Zeit 
der Zerftorung beim GrogkOnige weilenden Statthalters Arfames wurden 
zwar die Schuldigen geftraft? aber der Tempel nidit wieder erbaut. Bin 
Gefuch der Juden von Jeb an den perfifdien Statthalter Bagohi von 
Judaa und an den Hohenpriefter und die Vornehmen in Jerufalem blieb 
ohne Antwort, 1 ) wohl weil die leljteren den Bau eines Tempels auger- 
halb Jerufalems als ungefetjlich betrachteten. Drei Jahre fpater, 408/7, 
wandten fie fich wieder an Bagohi und diesmal nidit nach Jerufalem, 
fondern an die Sohne (Delaja und Sdielemja) des Statthalters Sana- 
ballat von Samaria.*) Ihr Bote erhielt den mfindlichen Befcheid, man folle 
bei Arfames vorftellig werden, um den Tempel wieder aufbauen und 
dort Speifeopfer und Weihraudi opfern zu kOnnen. 3 ) Von Brandopfern, 
wovon die Bittfteller in ihrem Schreiben ebenfalls gefprochen hatten, 4 ) ift 
keine Rede, vermutlich infolge der Miggunft der Samariter/) 

Ob der Tempel wieder erbaut wurde, wiffen wir nicht. Drei Jahre 
fpater, 404 v, Chr., wurde die perfifdie Herrfdiaft .fiber Agypten befeitigt. 

Der Von einem andern iiidifdien Tempel, der aber viel 

Tempel zu jungeren Urfprungs i|t, wufete man ftets. Namlidbi im zweiten 
Leontopoiis. jahrhimdert v. Chr. gejtattete Ptolemaus VI. Philometor dem 
gleidinamigen Sohn des judifchen Hohenpriefters Onias und 
f einen aus ' Jerufalem vertriebenen Anhangern zu Leonto- 
poiis im Bezirk von Heliopolis fich einen Tempel nach Art 
des falomonifchen zu bauen. Dort ift ein formlicher Tempel- 
kultus eingerichtet gewefen, der fogar bis zum Jahre 73 n. Chr. 
in welchem Jahre der Tempel durch die romifchen Prafekten 



Ezra 4, 2)." Dag die Juden in ihrem Briefe an Bagohi (f. oben) und 
in E 15 und 16 den in Elephantine von den Agyptern hochverehrten 
Chnub als Gott bezeidmen, ift eine Anpaffung an den allgemeinen Spradi- 
gebrauch. Vgl. Peters 23. Anneler 89. 

a ) Papyrus 1, 18-19. 2, 16 f. 

-) Pap. 1 und 2. 

3 ) Pap. 3. 

*) Pap. 1, 21. 25. 28. 2, 20. 24. 26. 

") Vgl. Anneler S. 142 ff., die audi auf Grund von Pap. 5, 10. 11 
ausfuhrt, dag die Juden von Elephantine keine Widder, wenigftens nidit 
den Widder mit ausgebreiteten Hornern (der Gott Chnub oder Chnum 
wurde als ein foldier dargeftellt, f. die Abbildung in Anneler S. 6) 
opferten. Deshalb ift die Annahme vonTSmehd Th. Lz. 1907, 707, das 
Brandopfer, zu welchem audi das Opfer von Widdern gehorte, fei als 
eine Conceffion an die Agypter nicht erlaubt worden, unrichtig. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 275 

gefchloflen wurde, gedauert hat. Die Schliejjung erfolgte auf 
Befehl Vefpafians, damit fidti die emporungsfiiditigen ag v P~ 
tifchen Juden nicht wieder fo leidit zu grofceren Sdiaren 
zufammentun kpnnten.') 

Zu Alexandrien hatte Alexander d. G. den Juden das De Juden in 
gleidie Burgerredit wie den Mazedoniern verliehen. 2 ) Unter Alexandrien 
[einen Naehfolgern, von denen gleidi der erfte, Ptolemaus I. 
Lagi Oder Soter, viele palaftinenfifche Juden nadi Agypten 
zog, 3 J damit fie, wie Jofephus fagt, unvermifcht mit Fremden 
die Reinheit ihrer Lebenswei|e beffer bewahren konnten, 4 ) 
wurde ihnen ,,am hafenlofen Meere in der Nahe des konig- 
lidien Palaftes" 5 ) ein befonderes Stadtviertel angewiefen. 
Dasfelbe lag im Nordoften der Stadt am Strande oftlidi von 



') Vgl. befonders Ant. 12, 9, 7. 13, 3, 1-3. B. J. 7, 10, 2-4. Die 
Oberrefte der Stadt und des Tempels finden fich bei dem heutigen Tell 
el Jehudije (= Hflgel der Juden). Die Stadt war in ihrer augern An- 
lage eine Nachahmung Jerujalems und der Tempel hatte die Proportionen 
des falomonifchen, wie Petrie, Hyksos and Israelite cities, London 1906, 
S. 1927 feftgeftellt hat. Obrigens durften nadi der Mifchna, Mena- 
choth 13, 10, die Priefter des Oniastempels nicht im Tempel zu Jerufalem 
dienen und wurden die dort dargebrachten Brandopfer nicht als wahre 
Brandopfer angefehen. 

) Jos. c. Ap. 2, 4. B. J. 2, 18, 7. Ant. 19, 5, 2. 

3 ) Jof. Ant. 12, 1, 1. Hekataus bei Jos. c. Ap. 1, 22. Die unter 
Ptolemaus (III. Euergetes von 247222) und feiner Gemahlin Berenice 
zu Schedia (etwa 20 Kilometer von Alexandrien entfernt) gebaute Syna- 
goge (uber die dort gefundene Infchrift vnkg pn<SiUo>c Jlroiitnuiov *ai 

/9<Jt/t<icijj<,- Btqevixris ocd'eAgiif? xni yvvvtixos xt T(Sv fixvutv TIJV Tipotitvxijv oi 

'luvdaiof, vgl. Reinach, Sur la date de la colonie. juive d'Alexandrie 
[REJ] Tome XLV 1902, p. 161164) war Jicher nur eine Filiale der 
grojgen Synagoge von Alexandrien. Audi in der nordweltlich von Ale- 
xandrien gelegenen Stadt Xenephyris gab es nach einer aus der Re- 
gierung des Ptolemaus VII. Physkon 143-116 v. Chr. (tammenden In- 
fchrift eine jadifche Niederlaffung und Synagoge. S. PEFQS 1914, Jan., 
p. 45. Reinach, Les Juifs de Xenephyris in REJ 65, 1913 p. 135137. 
Die bis 1909 bekannten Zeugniffe, befonders auch der Papyrus- und In- 
fchriften-Funde, fiber die Verbreitung der Juden in Agypten find von 
Schurer III 4 S. 4051 uberfichtlich zufammengeftellt und gewurdigt. 

4 ) B. J. 2, 18, 7. 

6 ) C. Apion. 2, 4. Der groge Hafen von Alexandrien (der heutige 
Ofthafen, welcher damals den weftlich vom Heptoftadium gelegenen 
Hafen von Eunoftus, den heutigen Haupthafen, an Bedeutung fiberragte) 
lag einem grogen Teil von Alexandrien entlang zwifchen der Landfpi^e 

18* 



276 Erfter Abfdinitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

der Landfpitje Loehias. Denn auf diefer Landfpitje lag, wie 
Strabo x ) fagt, der koniglidie Palaft. Zu Philos Zeiten hie&en 
von den Stadtteilen Alexandriens zwei die judifchen, 2 ) ver- 
mutlidi weil darin die Juden, obwohl fie fchon fiber die 
ganze Stadt zerftreut waren, vorzfiglidi wohnten. Einen wie 
grofcen Prozentfatj fie aber in der damals fiber 500000 Ein- 
wohner zahlenden Stadt gebildet haben mfiffen, ergibt fitfi 
aus die[er Angabe von felbft. 3 ) Zu ihrer Vermehrung in 
Agypten und fpeziell in Alexandrien batten auger den Be- 
gunftigungen der Ptolemaer auch die Zuzfige aus Palaftina 
zur Zeit der Bedrudjungen unter Antiodius Epiphanes bei- 
getragen. 

Zur Zeit der Romerherrfchaft, welehe mit der Eroberung 
Alexandriens nadi der Sdiladit von Actium beginnt, gab es 
in Agypten eine Million Juden, 4 ) woven die meiften in Ale- 
xandrien lebten. Hier befafjen fie viele Synagogen, 5 ) er- 
langten grofce Reidittimer und manche von ihnen foldies 
Anfehen, dajg fie in koniglidie Familien hineinheirateten. 6 ) 
Sie erfreuten fidi, abgefehen von der Kultusfreiheit, grofjer 
Privilegien, 7 ) batten eigene Geriditsbarkeit 8 ) und ftanden 

Loehias im Often und der durch ihren Leuchtturm beriihmten Oftfpitje 
der ehemaligen I.nfel Pharos, welehe mit dem Feftlande durch einen 
P.amm von 7 Stadien (= 1300 m) Lange, das Heptpftadium, verbunden war. 

') Strabo 17, 1, 9. Vgl. das reiche Material u. a. in Friedlander 
SG. 2 6 , S. 148 ff.; \. auch Badecker, Agypten 5 , L. 1902, S. 10 f. mit .zwei 
Planen des alten Alexandria. 

*) Philo in Place. 8. Gemag die[er Stelle wurden die funf Stadtteile 
mit den fiinf erften Buchftaben des griediifchen Alphabets benannt. Nach 
Jos. B. J. 2, 18, 8 hatten die Juden {pater nach der Verfolgung unter 
Flakkus (f. u. S. 278 f.) im Bezirk Delta zufammengewohnt, der ver- 
mutlich dem urfprtinglichen Wohnfi^ der Juden oftlich von der Land- 
fpi^e Loehias entfpricht. Dafur fcheint auch Jos. c. Ap. 2, 4 zu fprechen. 

a ) Nach Diodori Biblioth. histor. 17, 52 wohnten auger den aus dem 
Binnenlande kommenden und fich in Alexandrien aufhaltenden Agyptern, 
Fremden und Sklaven uber 300000 freie Burger in Alexandrien Wie 
die Epist. Aristeae n. 37, vgl. nn. 19 und 12, (vgl. auch Jos. Ant. 12, 2, 
1. 3) fagt, hatte Ptolemaus II. Philadelphus (285-247) 100000 judifche 
Gefangene ireigegeben. 

*) Philo in Place, n. 6. . 

5 ) Leg. ; ad Caj. n. 20. 

6 ) S. o. S 205 f. und S. 214. 

7 ) Ant. 14, 10, 1. B. J. 2, 18, 7. 

8 ) Strabo bei Jos Ant. 14, 7, 2. Vgl. Ant. 19, 5, 2. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 277 

unter einem eigenen Ethnardien, der ihre Handel fdiliditete, 
ihre Vertrage beftatigte und fidi ihrer Angelegenheiten an- 
nahm, als ob er ein felbftandiger Herrfdier gewefen wa"re. J ) 
Neben ihm ftand eine Geroufia, ein Rat. 2 ) Allem Anfcheine 
nach find die vornehmen und reidtien alexandrinifdien Juden, 
Alexander, der Bruder Philos, 3 ) und Demetrius, 4 ) denen der 
Titel Alabarch gegeben wird, 5 ) aueh zugleidi Ethnardien 
gewefen. 

Die Verbindung mit Jerufalem hielten die agyptifchen 
Juden aufredit 6 ) und zahlten auch die Tempelfteuer. 7 ) Sie 
bedienten fidi aber, da fie griediifch fpradien, einer fchon 



l ) Strabo bei Jos. Ant. 14, 7, 2. Vgl. Ant 19, 5, 2. 

z ) Die peroufia ift erft von Auguftus nach dem Tode des damaligen 
Ethnardien eingefetjt worden (Philo in Place. 10), und zwar nidit an 
deffen Stelle, fondern zur Unterftfitjung des Ethnardien in der Sorge fur 
die judifdien Angelegenheiten. Denn Kaifer Claudius fagt ausdrucklich 
(bei Jos. Ant. 19, 5, 2), dag Auguftus' die Wahl eines neuen Ethnardien 
nidit gehindert und diefer letjtere dem Auguftus gehuldigt habe. An 
der Spitje der Qeroufia ftanden Archonten. Vgl. Philo 1. c. n. 10 und 14. 

:i ) Ant. 18, 6, 3. 8, 1. 19, 5, 1. 20, 5, 2. 

4 ) Jos. Ant. 20, 7, 3. 

6 ) Es liegt nahe, den Ausdruck Alabardies als gleidibedeutend rhit 
Ethnardi der Juden zu nehmen, da wenigftens allem Anfdieine nadi, die 
Alabardien in Alexandrien audi Ethnardien gewefen find. Allein es 
kommen audi fonft Ethnardien in Agypten vor (Strabo 17,' 1, 13 p. 798, 
vgl. Marquardt RStV I 2 , p. 455, 4), und es gibt audi anderswo Ala- 
bardien, fo zu Xanthos in Syrien (C. J. Or 4267, audi in Dittenberger, 
Orient, graeci Inscript. 2 n. 570, vgl. Marquardt 1. c. 446, 8). Der ale- 
xandrinifche Alabarch fdieint nadi dem Cod. Juft. 4, 61, 9 befonders den 
Zoll fur Viehtransporte verwaltet zu haben- und war fomit ein vornehmer 
Steuerbeamter. Sdiurer III, 132 und 132, 42 (der.im; God. Juft. 4, 61, 9 
Arabardiiae ftatt Alabardiiae, wie der Codex Cafinas und Kriiger haben, 
f. Marquardt 447, 1, Heft) halt ihn fur den. Qber-Zollpaditer auf der 
arabifdien Seite des Nils, indem er A/9^? . mit ^mySp/j;? identifi- 
ziert. Audi Dittenberger 1. c. 2 zu n. 570, p. 25fr sq. und zu n. 674, 
p. 414 ift derfelben Anficht. Vgl. aber u. a. Marquardt, S. 445 ff., der 
446, 4 darauf hinweift, dag fdion Cicero ad Atf. 2, 17, 3 fdierzhaft den 
Pompejus als einen Alabardien, d. h. als einen Zdllner bezeidinet und 
meint, dag der Name in der Kaiferzeit einen kaiferlicherc Prokurator 
bezeidme. 

6 ) Philo, De monardiia 2, 1. Vgl. Apg. 6, 9. , 

7 ) Philo, De monardiia 2, 3. Audi liegen die agyptifchen Priefter, 
weldie heiraten wollten, den Stammbaum ihrer Frau' in Jerufalem prufen. 
Jos. c. Ap. 1, 7. 



278 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefchichte der Juden etc. 

zur Zeit der Ptolemaer hergeftellten griechifchen Bibeluber- 
fetjung, der Septuaginta, die fowohl zur Bewahrung der 
helleniftifdien Juden im Glauben<wie zur Verbreitung der 
judifchen Religion viel beigetragen hat. 

Verfoigung Das Verhaltnis der fich auch unter den Romern mancher 
der Juden m p r ivilegien erfreuenden Juden zu der ubrigen Bevolkerung 

Aiexandrien Alexandr i ens war keineswegs immer das befte. 1 ) 

zur Zeit des 

Caligula. Mit elementarer Gewalt bradi aber der Hafc der Griedien 

gegen die Juden unter Caligula aus. 

Die Veranlaffung dazu hatte, naturlidi fehr gegen feinen 
Willen, Agrippa durdi fein Auftreten in Aiexandrien im Jahre 
38 n. Chr. gegeben. 2 ) Naeh feiner Abreife trug man einen 
in der ganzen Stadt bekannten Narren Carrabas, dem man 
einen Binfenmantel umgelegt und ftatt einer Krone ein Pa- 
pyrusblatt aufs Haupt gelegt hatte, durdi die zwei Juden- 
viertel, wahrend die Menge, wie frfiher die Juden dem 
Agrippa, ihm ihr Marin! Marin! (d. h, unfer Herr) zubrullte. 
Es kam auch zu allerhand Tatlichkeiten zwifchen den Juden 
und ihren Gegnern. Viel fdilimmer und gefahrlicher war 
aber das Verlangen der Judenfeinde, es jolle in den ju- 
difchen Synagogeri das Bild des Kaifers Caligula, der durdiaus 
feine Gottlichkeit anerkannt wiffen wollte, aufgeftellt werden. 
Solange Tiberius regierte, hatte der Statthalter Agyptens, 
Flakkus, fein Amt zur Zufriedenheit der Juden verwaltet. 3 ) 
Seitdem aber Caligula zur Regierung gekommen war, be- 



J ) Auger politifdien, fozialen und religiOfen Grflnden - die Juden 
galten als avuomt, unheilige, gottlofe Menfdien gab es auch wirtfchaft- 
lidie Grande des alexandrinifdien Antifemitismus, die durdi ihre nicfat 
immer einwandfreie Betatigung im Handel und Gewerbe geftfl^t wurden 
(f. Ulrich Wilcken, Zum alexandrin. Antifemitismus in Bd. XXVII der 
Abhdlgn. d. phil. hift. Kl. der k. fachf. Gef. d. Wiffenfchaften N. 23. L. 1909). 
Sie fanden ihren Ausdruck in der typifchen Warnung: &Une onvrov dno 
rwv 'lovdaiiov, hflte dich vor den Juden (vgl. 1. c. Nr. 23 S. 790.). 

2 ) S. o. S. 199. Vgl. zu folgendem u. a. Bludau, Juden und Juden- 
verfolgungen im alien Alexandria, Mfinfter 1906, S. 66 ff. - Dort wird 
auch fchon auf die in neuerer Zeit bekannt gewordenen Papyrus-Frag- 
mente fiber Verhandlungen vor Kaifer Claudius und anderen Kaifern 
Bezug genommen, wovon die Verhandlungen vor Kaifer Claudius wirklich 
geffihrt fein mOgen. Vgl. die Stucke bei Reinach REJ t. XXXV11, 1898, 
p. 218-22^. Vgl. auch Schurer, I, 65-70 und Bludau, S. 94128. 

3 ) Philo in Place, n. 3. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 279 

gunftigte er die alexandrinifchen Griedien, um durch fie die 
Gunjt des Kaifers zu erlangen. 1 ) Jetjt liefr er nidit nur zu, 
dag man mit Gewalt die Kaiferbilder in den Synagogen 
Alexandriens aufftellte, fondern erklarte audi in einem Edikt 
die Juden als Fremde, wodurdi fie ihrer Privilegien beraubt 
wurden, 2 ) und erlaubte, dajj man die Juden aus der ganzen 
Stadt in eine Ecke des funften Stadtteils zufammentrieb, wo 
fie am Strande lagerten und fich teilweife in den Grabmalern 
und Kloaken aufhalten mu&ten. Vierhundert 3 ) verlaffene 
Haufer der Juden und ihre Kaufladen 4 ) und felbft die an- 
kommenden jiidifchen Sdiiffe wurden gepliindert und manche 
Juden mi&handelt und getotet. 5 ) Ja Flakkus liefe fogar 
38 Mitglieder der Geroufia der Juden im Theater vor ihren 
Feinden offentlidi geifceln. 6 ) Selbft judifche Frauen wurden 
im Theater gezwungen, Sdiweinefleifch zu effen, 7 ) fo dajj es 
alfo zu einer formlidien Judenhetje gekommen war. 

Dem Flakkus felbft nufjte all diefes nichts, denn er wurde 
nodi im Herbfte des Jahres 38, in welchem fidi all diefes 
zugetragen hatte, um die Zeit des Laubhuttenfeftes 8 ) auf 



*) Philo in Place, 3-4. Flakkus war von vornherein als Freund 
des Tiberius bei Caligula nicht gut angefchrieben. Seine Lage ver- 
fdilediterte jich-nodi 1 mehr; nadidem der junge Tiberius Gemellus, Sohn 
des Drufus, dem Tiberius in feinem Teftamente die gleidien AnfprQche 
auf die Nachfolge wie dem Caligula zugefprochen und den Caligula 
bei f einer Thronbefteigung adoptiert hatte, fchon Ende 37 zum Selbft- 
morde gezwungen worden war (Philo, Leg. ad Caj. 45. Sueton. Calig. 
15 und 23. Dio Cass. 59, 1. 3. 8). Audi ein Freund des Flakkus, Makro, 
weldier feit dem Sturze des Sejanus Prafekt der Pratorianer war, wurde 
von Caligula zum Selbftmord getrieben. Philo in Flacc. 3, Leg. ad Caj. 
68. Suet. Calig. 12 und 26. Dio Cass. 59, 10. 

') Philo in Flacc. 68. 

3 ) Philo in Flacc. 11. 

*) Die Kaufladen wurden erbrochen, als fie gerade wegen der Trauer 
um Drufilla, der Schwefter des Caligula, gefchloffen waren (in Flacc. 8). 
DSefelbe ftarb aber im zweiten Jahre des Claudius, alfo im Jahre 38 
(Dio Cass. 59, 10-11). 

5 ) Philo in Flacc. 9. Leg. ad Caj. 19. 

6 ) Philo in Flacc. 10 (weil fie dem Kaifer die von ihm verlangte 
Verehrung verweigerten). Dies gefdiah (1. c.), als man in Alexandrien 
den Geburtstag des Kaifers feierte ,(31.' Augufl. Vgl. Suet. Calig^ 8). 

7 ) Philo in Flacc. 11. 
*) Philo in Flacc. 14. 



2$0 Erfter Abjchnitt. Die politifche Gefdiidit der Juden etc. 

Befehl des Kaifers, fei es nun,, daft er fidi art ihm als dem 
Gegner feiner . Anfpruehe auf den Thron rachen wollte, fei 
es, dafc er von Agrippa zum Einfchreiten gegen ihn be- 
wogen war, gefangen nadi Rom gebraeht und zuerft naeh 
der Infel Andros im Agaifchen Meere verb'annt und .bald 
darauf getotei 1 ) 

Gefandtfch aft Es ging mm noch im Herbfte des Jahres 38 eine jiidifche 
der aiexan- Qefandtfchaft von ffinf Alteften aus Alexandria, an deren 
Spi ^ e der S elehrte Phil foph Philo ftand, zum Kaifer. Allein 
audi die Judenfeinde fchickten eine Deputation an den Kaifer, 
an deren Spitje ein alexandrinifcher Gelehrter, Sdiriftfteller 
und Wander-Redner Apion, deffen Sdimahfehrift gegen die 
Juden f pater von Jofephus bekampft worden i[t, ftand. In 
Rom gelang es den Juden nur, durch einen Beamten dem 
Kaifer eine Befchwerdefchrift, ahnlieh der wie fie ,,vor Kurzem" 
Agrippa in ihrem Namen gefchickt hatte, 2 ) einzuhandigen, 
dann folgten fie dem Kaifer naeh Puteoli, ohne aber eine 
Audienz zu erhalten, Ihre Befflrditungen wurden inzwifdien 
noch durdi die Nadiricht, -d'af Caligula befohlen habe, feine 
Bildfaule im Tempel zu Jerufalem aufzuftellen, vermehrt. 3 ) 
Endlidi, vermutlidi im Herbfte des Jahres 40j 4 ) erhielten fie 



!) Philo in Place. 12-21. 

*) Philo in Place. 12 und Leg. ad Caj. 28.- 

3 ) S. o. S. 178 ff. 

*j Sie machten die Reife wahrend des Winters (Leg. ad Caj. 29). Dag 
dies der Winter 38/39 war, mug deshalb angenommen werden, weil die 
Juden {ich doch nicht er[t bis Ende 39 befinnen konnten, zumal der Fall 
des Flakkus im Herbfte 38 {ie ermuntern mugte. Caligula fah die Ge- 
fandten zuerft auf dem Marsfelde zu Rom (L c. 28) und verfprach, fie 
zu gelegener Zeit zu hOren. Dann folgten fie dem Kaifer nadi Puteoli 
(1. c. 29). Caligula war nun von Herbft 39 bis zum 31. Auguft 40 auf dem 
gallifdien Feldzug abwefend. Im Herbfte des Jahres 40 hOrten die Ge- 
fandten zu Puteoli, wo fich der Kaifer wieder befand (Plin. NH. 82, 1, 4 
bemerkt von Caligula nicht lange'vor feinem Tode, dag er ,,von Aftura 
naeh Antium" zuruckgekehrt fei,\ von dem Befehl des Kaifers wegen der 
Aufftellung feiner Bildfaule im Tempel zu Jerufalem (Leg. ad. Caj. 29) 
Endlidi erhalten fie die Audienz in Rom und berufen fidi dabei darauf, 
dag die Juden Opfer fGr die glflckliche Heimkehr des Kaifers aus Ger- 
manien dargebracht hatten. Vgl. Lewin, Fasti sacri n. 1539 1540. Andere 
fetjen die : Abreife der Gefandten von Alexandrien in den Winter 39/40 
und den Empfang zu Ende 40 (fo z. B. Tillemont, Hist, des empereurs 
Brux. 1732, I, 191 und Note X und Schurer I, 501, 174). Man verfteht 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 281 

zu Rom in Gegenwart ihrer alexandrinifchen Gegner unter 
den demutigendften Umftanden die lange gewunfchte Audienz. 
Sie land ftatt, wahrend der Kaifer mit der Infpektion einer 
Villa befdhaftigt war und von einem Raum zum andern lief 
und den unter den bofen Wi^en Apions und f einer Freunde 
hinter ihm herlaufenden Juden bald zurief, ihre einem andern 
Gott dargebrachten Opfer fur das kaiferlidie Wohl nii^ten 
{einer Gottheit nidits, bald fie fragte, ohne auf eine Antwort 
zu warten, weshalb ihnen verboten fei, Sdiweinefleifcn zu 
effen. Sie mufeten froh fein, dafe der Kaifer, deffen Zorn 
fidi dodi gemildert hatte, fie mit den Worten entlieg: Diefe 
Sciiwadikopfe find mehr zu beklagen als zu tadeln, dag fie 
nidit an meine Gottheit glauben wollen. 1 ) 

So blieb die alexandrinifche Frage einftweilen unent- Wiederher- 
fchieden. Erft Kaifer Claudius ftellte den Frieden wieder her, fteiiung des 
indem er, ,,auf Bitte der Konige Agrippa und Herodes" 2 ) Friedens zu 

A I^vjinfit"i55 

den Juden von Alexandrien alle friiheren Redite nebft der 

unter 

Freiheit, nach ihren eigenen Gewohnheiten zu leben, be- Claudius. 
ftatigte. In dem Dekret wird freimutig von dem Wahnfinn 
des Caligula geredet, der das judifche Volk bedrudct habe, 
weil es ihn nicht als Gott anerkennen wollte. 3 ) 

Schon unter Nero kam es aber wieder bei einer Gelegen- streitig- 
heit im Amphitheater zwifen den Griechen und Juden zu keiten der 

einem gewaltigen Streit und Kampf, fo dag der Stadtkomman- G r ri ^ chen u " d 
& & r v Juden nach 

' der Zeit des 

dann aber nicht, weshalb die Juden erft fo, fpat von. Alexandrien ab- Claudius 
gereift fein follen. Bludau, S. 81 f. verfetjt die Abreife der alexandrin. 
Gefandtfchaft in den Winter 3839 und meint, S. 82: ,,Die Audienzen 
hab'en al[o wohl vor dem germanifchen Feldziig, d. h. vor Herbft 39, 
ftattgefunden." 

J ) Philo, Leg. ad Caj. 44-46. 

") Des Herodes von Chalcis (f. o. S. 205 L). 

3 ) Jos. Ant. 19, 5, 2. Zwei der Hauptgegner der Juden, , Isidorus 
und Lampon (Philo, in Place. 4 und 15-17), find nach Papyrusfrag- 
menten (deren eins in Berlin, das andere in Gizeh iff, vgl. Th. Reinach, 
L'empereur Claude et les antisemites Alexandrins d'apres un nouveau 
papyrus RE J t. XXXI, 1895, p. 161 178) von Claudius zur Verant- 
wortung gezogen und zum Tode verurteilt worden. (Dag fie wirklich 
auch getOtet wurden, wird in einem aus der Zeit der Antonine ftammen- 
den Fragmente, welches in The Oxyrhynchus Papyri P. I,, ed. by B. P. 
Qrenfell and A. S. Hunt, London 1898, n. XXXIII veroffentlicht ift, gefagt. 
Vgl. Th. Reinach. RE J t. XXXVII, 1898, p. 221 - 224.) 



282 Erfter Abfdmitt. Die politifdie Gefdiidite der Juden etc. 

dant Tiberius Alexander das romifche Militar gegen die auf- 
ruhrerifdien Juden fchidcte und den Soldaten geftattete, die 
Juden umzubringen und ihre Haufer zu plundern. Nadi dem 
Berieht des Jofephus follen damals 50000 Leidien in Haufen 
umhergelegen haben. 1 ) Audi nach dem judifdi-romifdien 
Krieg kam es unter den alexandrinifchen Juden zu Unruhen, 
indem dorthin geflohene Sikarier vornehme Juden, weldie 
nidit mit ihnen gemeinfame Sadie gegen die Romer madien 
wollten, angriffen und mordeten, aber nun felbft ergriffen 
und umgebradit wurden. Als Vejpafian hiervon horte, liefe 
er, um weitere Anfammlungen der Juden zu verhindern, den 
Tempel zu Leontopolis fdiliefcen. 2 ) 

Die Juden in ,,Bis an die Grenzen Athiopiens bin" 3 ) gab es damals 
Gyrene. Juden in Agypten. Aber audi im Weften Agyptens, befonders 
in Oberlibyen Oder, wie man damals fagte, Cyrenaica waren 
die Juden verbreitet. Denn wie in der Hauptftadt des Landes 
Gyrene, fo hatte audi in andern Stadten Libyens fdion 
Ptolemaus I. Lagi Judeiti angefiedelt, 4 ) fo daft wir, als Libyen 
im erften Jahrhundert v. Chr. romifdie Provinz war, audi 
Juden unter den Einwohnern Gyrenes finden. 5 ) Die Konige 
von Agypten, denen feit der Zeit des Ptolemaus I. audi 
Libyen untertan war, batten den Juden dafelbft vollige Gleidi- 
bereditigung mit den.ubrigen Bflrgern verliehen. 6 ) Immerhin 
mufete fdion ' Aiiguftus befehlen, dafe die Juden von Gyrene 
an der altherkommlidien Abfendung der Tempelgelder nadi 
Jerufalem nidit gehindert werden follten. 7 ) In Jerufalem 
batten die Juden aus Gyrene mit andern zufammen eine 
Synagoge. 8 ) Von Gyrene ftammen nidit wenige aus der 
Heiligen Sdirift bekannte Perfonlidikeiten. 9 ) Nadi dem jfidi- 



] ) Jos. B. J. 2, 18, 7f. 

") Jos. B. J. 7, 10, 1-2. 4. 

3 ) Philo, in Place. 6. 

*) Jos. c. Ap. 2, 4 Vgl. 1 Mace. 15, 23. 

6 ) Strabo bei Jof. Ant. 14, 7, 2. 

6 ) Jos. Ant. 16, 6, 1. Nadi einer judifdien Infdirift aus dem 1. Jhdt. 
v. Chr. (C. J. Or. 5361 vgl. Sdiurer III, 4, 79 f.) bildeten die Juden in der 
Stadt Berenike in Cyrenaica ein befonderes noUrevnn unter 9 Archonten. 

7 ) Ant. 16, 6, 5. 

8 ) Apg. 6, 9. 

9 ) Manner von Cypern und Gyrene predigten zuerft den Heiden in 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 283 

fdien Kriege veranlajjte der Sikarier Jonathan aus Palaftina 
Unruhen in Cyrene. Diefelben wurden aber von den Romern 
rafch und gewaltfam unterdruckt. 1 ) Um fo furditbarer war die 
Emporung der Juden von Cyrene unter Trajan. 2 ) 

4. Die Juden in Europa, bejonders in Mazedonien, 
Griechenland und Italian, namentlich in Rom. 

Als der heilige Paulus in Mazedonien und Griechenland Juden in 
predigte, traf er wie in Philippi, Theffalonidi und Beroa, fo Mazedonien, 
audi in Athen und Korinth Profeudien und Synagogen der Gne * enland 

den 



T i v . * . , ~ , , T - , , 

Juden an. 3 ) Audi in den Synagogen auf der Infel Cypern hat 

er gepredigt. 4 ) Audi auf Euboa und Kreta 5 ) und den kleinern i n f e in. 

Infeln Delos, Cos, Melos, Paros gab es nadiweislich damals 

Juden, welche fidi alle freier Religionsubung zu erfreuen 

hatten. 6 ) 

In Rom find fchon geraume Zeit v. Chr. Juden anfaffig Verbreitung 
gewefen. 7 ) Allerdings hielten fidi im zweiten Jahrhundert der Juden in 
v. Chr. die Gefandten der Makkabaer, weldie .iinteir dem om ' 
Furften Sinjoii im Jahre 139 einen Senatsbefchlufc . erlangten, 
wodurdi die Selbftandigkeit des judifdien Staates anerkannt 
und dem Hohenpriefter die Jurisdiktion fiber alle Juden, 
audi die aufcerhalb Palaftinas Lebenden, ubertragen wurde, 
nur vorfibergehend dort auf. 9 ) Aber fchon zu Anfang des 



Antiochien. Apg. 11, 20. Auf dem Pfingftfeft waren audi die von 
Cyrene vertreten. Apg. 2, 10. Ober Jafon von Cyrene vgl. 2 Mace. 2, 24; 
fiber Simon von Cyrene Matth. 27, 32 (Marc. 15, 21, Luc. 23, 26); fiber 
Lucius von Cyrene in Antiochien Apg. 13, 1. 
) Jos. B. J. 7, 11, 1-4. Vita 76. 

a ) S. u. VIII. Kap. 

3 ) Apg. 16, 1-3. 17, 1, 10. 17; 18, 4 ff . Vgl. auch Leg. ad Caj. 36. 
S. oben S. 262. 

*) Apg. 4, 36. 11, 20. 13, 4 ff. Vgl. audi fiber die Juden Cyperns 
Jos. Ant. 13, 10, 4. Philo, Leg. ad Caj. 36. 

b ) Philo, Leg. ad Caj. 1. c. Ober Kreta f. auch Ant. 17, 12, 1. 
B. J. 2, 7, 1. Vita 76. 

6 ) Ant. 14, 7, 2 und 14, 10, 15 (Cos); 14, 10, 8. 14 (Delos, Paros); 
Ant. 17, 12, 1. B. J. 2, 7, 1 (Melos). Ffir die frfihere Zeit vgl. 1 Mace. 15, 
23, wofelbft u. a. auch von Juden in Sparta, Samos u. Rhodus die Rede ift. 

7 ) Vgl. u. a. Schfirer III*, 57-66. Bludau, Die. Juden Roms im 
erften chriftl. Jahrhundert. Der Katholik, 1903, I, 113134. 193229. 

8 ) 1 Mace. 8, 1732. 12, 1-4. 16. 14, 24. 15, 1524 Jos. Ant. 13, 



284 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchidite der Juden etc. 

erften Jahrhunderts v. Chr. fcheinen Juden in Rom gelebt 
zu habenj da fdion vor dem Jahre 62 v. Chr. alljahrlich 
Tempelgelder ,,aus Italien" wie aus den ubrigen Provinzen 
nadi Jerufalem gefandt warden. 1 ) Jedenfalls find aber von 
Pompejus, welcher im Jahre 63 v. Chr. Jerufalem erobert 
hatte, viele Juden als Kriegsgefangene nadi Rom gebradit 
und als Sklaven verkauft worden. 2 ) Allein da fie durdiaus 
an den heimifdien Sitten, der Sabbatruhe, dem Genufc reiner 
Speifen u. dergl. fefthielten, 3 ) wurden fie von ihren Herren 
freigelaffen, vermutlidi meift um geringes Entgelt. Diefe Freige- 
laffenen oder libertini bildeten nun den Kern der judifchen 
Einwohnerfchaft Roms. 4 ) Sie erhielten als libertini das 
ihre Wohn- romifche Burgerrecht und wohnten nicht etwa in dem im 
fifje in Rom. Jahre 1887 niedergelegten Ghetto, welches den Juden viel- 
mehr erft durch Papft Paul IV. im Jahre 1556 als Wohnfi^ 
angewiefen war, fondern in Traftevere, d. h. auf dem rechten 
Tiberufer. 5 ) Erft Auguftus hat die Regio Transtiberina als 
XIV. der Stadt Rom einverleibt. Das Judenquartier lag dort 
am Abhange des Vatikans am Hafen von Rom, in einef 
Gegend, in welcher auch die Lohgerbereien, die Salb- und 
Darmfaitenfabriken, uberhaupt die fchmutjigen Gewerbe be- 
trieben wurden und wofelbft die niedrigfte Klaffe der Be- 
volkerung verkehrte und meift auch wohnte. 6 ) 

ihre Begun- Schon Cicero betont im Jahre 59 v. Chr. ihre Einigkeit 
ftigung durch und ihre Gefchaftigkeit. 7 ) Als Cafar am 15. Marz 44 ermordet 

Cafar und 

Aug-uftus 5 8 - 14 ' 8 > 5 ~ ^ m ^ ahre 139 v. Chr. find fremde Juden in Rom, die 
vielleidit zum Qefolge Simons gehorten, durdi den Fremdenprator His- 
palus zur Riickkehr in die Heimat gezwungen worden, Valer. Max. I, 
2, 3. Vgl. Bludau, S. 114-116. 

J ) Cicero pro Flacco 28. Flakkus, von 6261 Statthalter in A[ien, 
war angeklagt, fich felbft der in Afien gefammelten Gelder bemaditigt 
zu haben. Von alien judifchen Niederlaffungen in Italien ift auger Rom 
nur die von Dicaarchia-Puteoli bekannt. Dort waren Juden im Jahre 4 
v. Chr. Vgl. Jof. Ant. 17, 12, 1. B. J. 2, 7, 1. Im Jahre 61 n. Chr. 
fand Paulus dort eine Gemeinde von Chriften. 

2 ) Philo, Leg. ad Caj. 23. Von Gefangenen des Pompejus fpricht 
Jof. B. J. 1, 7, 6. 

s ) Philo 1. C. orrfev Twv nctTQlotv 7ra.(jaxa()ciai fliati&evte?. 

4 ) Apg. 6, 9. Vgl. Tac. ann. 2, 85. 
b ) Philo, Leg. ad Caj. 23. 

6 ) Vgl. Juven. 14, 202. Martial. 1, 108. 6, 93. Vgl. Bludau S. 119. 

7 ) Cic. pro Flacco 28. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 285 

war, haben viele Juden nachtelang an feinem Scheiterhaufen 
geklagt. 1 ) Er hatte es um fie verdient. Denn wahrend er 
fonft alle Vereine aufeer den althergebrachten verbot, hatte 
er den Juden allein geftattet, fich nach ihren hergebrachten 
Sitten und Gebrauchen in Rom zu verfammeln und Geld zu 
gemeinfamen Mahlen und Opfern beizutragen. 2 ) Ganz im 
Geifte Cafars zeigte fich auch Auguftus ihnen wohlwollend. 3 ) 
Zu feiner Zeit hatten fie fich bereits in Rom fo vermehrt, 
daJ5 nach dem Tode des Herodes im Jahre 4 v. Chr. 8000 
romifche Juden fich einer palaftinenfifchen Gefandtfchaft an 
den Kaifer anfchloffen.* 1 ) 

Unter Tiberius wurden fie infolge eines von mehreren inreVer- 
Juden an einer edlen Dame verubten Betrugs aus Rom treibun & von 
vertrieben 5 ) und gezwungen, ihre gottesdienftlichen Gerat- R unter 
fdiaften und Gewander zu verbrennen. 6 ) Da unter ihren 
Privilegien die Befreiung vom Kriegsdienfte am anftofeigften 
war, wurden 4000 waffenfahige Manner nach Sardinien de- 
portiert, um dort gegen die Rauber zu kampfen. 7 ) Die meiften 
liefcen fich aber lieber andere fchwere Strafen gefallen. 8 ) 
Nach dem Tode des Minifters Sejanus im Jahre 31, der ein 
Hauptfeind der Juden war, 9 ) hat Tiberius den Juden die 
ihnen von Cafar und Auguftus gewahrten Rechte wieder 
beftatigt und damit auch die Ruckkehr der Juden nach Rom 
wieder moglich gemacht. 10 ) 



J ) Sueton. Divus Julius 84. 

2 ) Jos. Ant. 14, 10, 8. Vgl. Suet. D. Julius 42: cuncta collegia 
praeter antiquitus constituta distraxit. 

3 ) Ant. 16, 6, 2. Auch von Auguftus wiffen wir: Collegia praeter 
antiqua et legitima dissolvit (Suet. Aug. 32). Allein er hat z. B. den 
Prokonfuln von Afien befohlen, die Juden an der Abhaltung von Syna- 
gogenverfammlungen nicht zu hindern (Philo, Leg. ad Caj. 40). 

*) Ant. 17, 11, 1. 

) Ant. 18, 3, 5. Tac. ann. 2, 85. Sueton. Tiber. 36. 

6 ) Suet. 1. c. 

7 ) Wahrend Jofephus 1. c. und Sueton 1. c. von 4000 Juden reden, 
ipricht Tacitus 1. c. von 4000 Agyptern und Juden. 

8 ) Jos. 1. c. 

) Philo Jagt in dem verlorenen zweiten Buche feiner Gefandtfchaft 
<vgl. Eufeb. Chron. ed. Schone II, 150), die Vertreibung der Juden fei 
auf das Betreiben des Sejanus erfolgt. S. o. S. 173, 1. 

10 ) Philo, Leg, ad Caj. 24. 



286 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Caligula, mit dem Konig Agrippa I. freundfchaftlich ver- 
kehrte, hat niehts gegen die romifdien Juden unternommen, 
ja fogar fie indirekt begfinftigt, infofern als er die Gefelje 
gegen die gefchloffenen Gefellfdiaften (ineia,. sodalitia) 
aufhob. 1 ) 

Vertreibung Sein Nadifolger Claudius, weldier dem Agrippa I. den 
derjudenausThron verdankte und mit dem Alabarchen Alexander, dem 
* rimeren Sadiwalter feiner Mutter, bef reundet war, 2 ) hat auf 
Bitten der Konige Agrippa und Herodes den Juden die 
ihnen von Auguftus gewahrten Privilegien fur das ganze 
romifche Staatsgebiet erneuert. 3 ) Allein gegen Ende feiner 
Regierung, wahrfcheinlidi, wie Orofius fagt, 4 ) im neunten Jahre 
des Claudius, d. h. im Jahre 49/50, befahl er alien Juden, 
fidi aus Rom zu entfernen. 5 ) Veranlaffung zu diefer Aus- 
weifung batten die fteten Unruhen unter den Juden felbft 
gegeben, weldie Unruhen allem Anfcheine nadi eine Folge 
de^ Predigten fiber die Meffiaswurde Jefu waren. 6 ) Da fidi 
aber jdie allgemeine Vertreibung der Juden wegen ihrer 
grojsen Zahl hidit ohne grofeen Tumult durdiffihren liefj, gab 
fidi Claudius fdiliepdi mit dem Verbote der Zufammenkfinfte 
zufrieden, wekhes, da es audi das Verbot der Zufammen- 
kfinfte am Sabbate in den Synagogen in fidi fdilofc, ein Ver- 
bot der Ausfibung des Gottesdienftes war und fomit gewifc 
viele bewog, die Stadt zu verlaffen. 7 ) 



l > Dio Cass. 59, 6. 
') Ant. 19, 5, 1. 
3 ) Ant. 19, 5, 3. S. o. S. 200. 
*) Orofius, Hiftor. 1, 7, 6, 15. 

s ) Apg. 18, 2. Sueton. Claud. 25 fagt etwas ftarker: Judaeos im- 
pulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit. 

6 ) Der Name Chriftus = der Gefalbte konnte von den Heiden mit 
dem bekannten Namen Chreftus = gut, nutjlich leicht verwechfelt werden. 
Tertull. Apol. c. 3 bemerkt, dag der Name Chriften oft unriditig Chreftiani, 
als ob er von dem griediifdien Worte ^/?<jro? herkomme, ausgefprochen 
werde. Vgl. Hug, Einl. in das N. T., 3. Aufl., Stuttg. u. Tub. 1826. II, 391. 

7 ) So fcheint die Nachricht des Dio Cass. 60, 6 (roiJ? re 'lovdaiovs 
TrAtovexflarre? av&ts, ojOrs -/nitnoli; civ uvtv za^a^ij? vnu ro\i o%iov <Jg>wvT//? 
noisoa? fi^d-nvnt, ovx l^ijia^e ftev, TW df dj nar^iw /?t'w j^oWvovc e*e).ev6e 

w 6v*a l ,uRegcu) aufzufaffen zu fein. So auch Sdiurer IIP 62. Wenn 
Bludau S. 128 meint, CJaudius habe zunadift alle Verfammlungen der 
Juden verboten und als trotjdem die Unruhen fortdauerten, die Juden 
vertrieben, fo fpricht woM dageg-en das >'> J ijA*ffe" des Dio Cass. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 287 

Unter dem Nachfolger des im Oktober 54 geftorbenen 
Claudius, dem Kaifer Nero, treffen wir wieder viele Juden 
in Rom, 1 ) fei es, dafc fie dorthin wieder eingewandert waren, 
fei es, dag fie trot* des VerJ>otes, Zufammenkunfte zu halten, 
fidi aus der Sia^t nidit entfernt batten. Von einer Bedrflckung 
der Juden als Juden unter ihm oder den fpatern romifdien 
Kaifern bis auf Hadrian horen wir nichts. Nur trieb Domitian 
die zwei Dradimen, weldie feit Vefpafian ftatt an den Tempel 
in Jerufalem an den Tempel des kapitolinifchen Jupiter zu 
zahlen waren, mit befonderer Strenge ein. 2 ) 

In Rom erfreuten fidi die Juden, deren Religion im Jfidifche 
romifchen Reidie ftaatsreditlidi anerkannt war, naturlidi wie 
uberall anders, der ihnen gewahrten Privilegien, 3 ) al[o der 
Freiheit des Kultus,*) der eigenen Vermogensverwaltung, 5 ) 
der eigenen Gerichtsbarkeit") und der Freiheit vom Militar- 
dienfte. 7 ) Audi nach dem Untergang Jerufalems find ihnen 
diefe Freiheiten geblie|)en. 8 ) Audi jetjt konnten fie fidi wie 
andere retigiofe Genoffenfdiaften fur auswartige Kulte zu 
freien Vereinigungen oder collegia zufammenfdiliefcen und 
fidi felbftandig organifieren. 9 ) Selbftverftandlidi mugten foldie 



') Vgl. Apg. 28, 17 ff. 

2 ) Suet. Dom. 12. Vgl. Bludau, S. 129-134. 

3 ) Vgl. Philo, Leg. ad Caj. 23 fiber das Verhalten des Auguftus zu 
den rdmifchen Juden. 

*) In Rom lagen die Heiligtumer der dort rezipierten fremden Gott- 
heiten bis ins zweite chriftliche Jahrhundert augerhalb des Pomerium. 
Vgl. Marquardt RStV 3*, 36. 

B ) Vgl. Ant. 14, 10, 8; Philo, Leg. ad Caj. 23 und B J. 6, 6, 2 
(fiber die Bewilligungen Cafars, des Augu[tus und der Romer fiberhaupt). 

8 ) Dag die Juden fie tatfachlidi ausubten, fieht man aus Apg. 9, 2. 
22, 19. 26, 11; 2. Cor. 11, 24. Vgl. Apg. 18, 12-16. Auguftus hatte den 
Juden auch nodi das Privileg verliehen, dag fie am Sabbate nicht vor 
Qeridit zu erfcheinen brauditen (Jos. Ant. 16, 6, 2 und 4). Fanden am 
Sabbate offentliche Geld- oder Getreidefpenden ftatt, fo wurden die Juden 
am folgenden Tage beruckfiditigt (Philo, Leg. ad Caj. 23). 

7 ) Jos. Ant. 14, 10, 6. 11-12. 16. 18. 19. Es hing dies Privileg 
damit zufammen, dag die Juden am Sabbate keine Waffen tragen und 
nur einen Sabbatweg weit gehen durften. 

8 ) Ant. 12, 3, 1 f. 
s S. o. S. 285. 



288 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

Gemeinden ihre Kultuskoften und fonftige Laften tragen, 
waren aber in der Vermogensverwaltung ungehindert. 

Wie lange die Juden auf die Wohnungen in Traftevere 
befchrankt geblieben find, lagt fidi riidit feftftellen. Juvenal 1 ) 
entruftet fidi dariiber, dafe man fie auch an der Porta Capena 
am Calius, durdi welches Tor die appifche Strafce nadi 
Capua ging und in deffen Nahe der heilige Hain der Egeria 
lag, traf: 

,,Tempel und Hain mil der heiligen Quelle haben die Juden 
Jetjo gepachtet, die Heu und Tragkorb fuhren im Hausrat." 

Allein es handelt fidi nur um jiidifche Bettler, welche 
gegen eine geringe Abgabe dort ihren Stehplatj nehmen 
durften. Im Laufe der Zeit find verfchiedene alte judifche 
Begrabnisftellen in Rom entdeckt worden, die der Haupt- 
fadie nadi aus dem 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. ftammen. 2 ) 



J ) Sat. 3, 11 ff. Vgl. dazu Reinadi, Textes d'auieurs grecs et remains 
relatifs au Judaisme reunis, trad, et annot. (= Fontes rerum Judai- 
carum I.), Paris 1895, p. 290, 2. Vgl, auch Juven. Sat. 3, 296, wo ein Be- 
trunkener einen Armen fur einen Bettler halt, wie man fie in der Nahe 
von Betplatjen fand: ,,Ede, ubi consistas: in qua te quaero proseucha?" 
Sag', wo du ftehft, an welchem Betplatj ich didi treffen kann. 

2 ) Man kennt fiinf derfelben in Rom. Die altefte, vor der Porta 
Portefe am Monteverde, war fchon 1602 von Ant. Bofio entdeckt worden 
(Vgl. Bofio, Roma Sotteranea, 1. II. c. XXII, Romae 1632 p. 141 sqq.). 
Sie wurde 1740 45 und von Neuem im Jahre 1904 entdeckt. Vgl. R6m. 
Quartalfchr. 1905, 97 und 140-142. Nik. Miiller, Die jfid. Katakombe 
am Monteverde zu Rom, der altefte bisher bekannt gewordene judifche 
Friedhof des Abendlandes (= Schriften, herausgegeben V. d. Gef. zur 
Forderung der Wiff. des Judentums) L. 1912; ders., Die Infchriften der 
jiid. Katakombe am Monteverde zu Rom entdeckt und erklart. Nach 
des Verf. Tode vervollftandigt und herausgegeben von Dr. Nikos A. Bees 
< Schriften etc.) L. 1919. Die Infchriften ftammen der Hauptfache nach 
aus dem 2. bis 4. Jahrhundert, nur ganz wenige find aus dem 1. bezw. 
5. Jahrhundert (vgl Kaufmann i. d. Theol. Revue 1920, S. 280). - Zwei 
andere Friedhdfe liegen an der Via Appia, einer in der Vigna Randanini, 
der andere in der Vigna Cimarra. Hierzu kommt noch das Coemeterium 
an der via Flaminia und die im Jahre 1885 entdeckte Katakombe an der 
via Appia Pigriatelli. In Palaftina find gemeinfame Begrabnisftellen ver- 
haltnismagig wenig in Gebrauch gewefen, da man dort feine Toten lieber 
auf eigenem Grund und Boden begrub. In der Diafpdra war das anders, 
obwohl auch dort die Juden nicht iiberall befondere FriedhOfe hatten. 
Wo das nicht der Fall war, nahm man keinen Anftofj, Juden neben 



' ' VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 289 

Nicht viel anders liegt die Sache hin[khtlich der jiidifchen 
Synagogen, von denen durch Infchriften nieht weniger als 
zehn fur Rom nachgewiefen find. 1 ) Sie fiihren zuni teil 
ihren Namen nach bekannten Perfoneh, 2 ) oder nach dem 
Stadtteil, worin ihre Mitglieder wohnten 3 ) und beweifen, dafc 
wenigftens in der fpateren Kaiferzeit mehrere* felbftandig 
orgaiiifierte Gemeiiiden in Rom beftanden, jede mit eigener 
Synagoge, eigener Geroufia und eigenen Gemeindebeamten. 4 ) 
In analoger Weife mug dies auch von der friiheren Kaifer- 
zeit gelten. 

Die romifchen Schriftfteller die[er Zeit, Cicero, Horaz, Die Verach- 
Seneca, Juvenal, Martial, Perfius u. a. [ind voller Verachtung tun g" der r - 
fiir die romifchen Juden, 5 ) deren Treiben und deren Gewohn- mirdienJuden 

. . . . bei den zeit- 

Heiden zu begraben. Vgl. iiber altere jiid. Friedhofe und die Leichen- jf , .J, .. 
feierlichkeiten im nachbiblifchen Judentum z. B. Jufter, Les- Juifs etc. 1, 
477485 mit reichen Literaturangaben. 

] ) Infchriftlich bezeugt find 10 altjudifche Gemeinden oder Synagogen 
in Rom, die der Auguftefier (Muller, Die jiid Katakomben, Anharig n. 2) 
der Agrippesier (1. c. n. 3), der Bolumnesier (ebd. ri. 4), der Kalkaresier 
(ebd. 5-7), der Hebraer wohl = der hebraifch Redenden (ebd. n. 8-9 
und S. 109 ff.), der Bernaclesier (Bf$va(xtyeato>i' Vernaculorum = derer, 
die fich mit der Sprache des Volkes, unter denen fie lebten, abfanden 
(ebd. 1012 und S. Ill f.). . 

Weiter find infchriftlich bezeugt die Synagoge der Campesier (s. 
Anm. 3) und der Suburesier (s. Anm. 3), der Herodier und der von 
Elaia ( J EAt'a?). Nach Kohl und Watjinger, Antike Synagogen in Ga- , 

lilaa, L. 1916 ift dies die Gemeinde, deren Mitglieder aus Elaia in der 
Aeolisftammen; Schurer III 4 , 84erklart,,nach dem Sinnbild des Olbauines". 
2 ) Zwei derfelben nennen fich nach Auguftus und Agrippa, fei es 
nun, dag diefe Patroneder Synagogengeme^inden waren, fei es, dag. lelgtere 
aus Freigelaffenen der beiden beftanden, fei es, dag maa durch den 
Namen das Andenken diefer um die Juden verdienten Manner ehren 
wollte. Vgl. Schurer 111 4 , 82. Unter Agrippa konnte : ubrigens auch 
Agrippa I oder Agrippa II gemeint fein. S. Muller, S. 108. 

3 ) Das gilt fur die Synagogengemeinden der Kapnijdtoi (nach dem 
Campus Martius) und der ^iftov^dtm (nach der Subura, einer Strage 
zwifchen dem Calius und dem Esquilin, dem belebteften Teile des alten 
Rom, clamosa bei Mart. Ep. 12, 18). .';. ' 

*) Vgl. Schflrer, Gemeindeverfaffung der Juden in Ro^ in der Kaifer- 
zeit nach den Infchriften dargeftellt, L. 1879 und Gefch. des jud: Volkes 
III 4 , 81-91. 

5 ) Eine Zufammenftellung f. in Hausrath III, 383-392; Bludati a. a. O. 
198-202. ' 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 1 9 



290 Erfter Abfchnitt. Die politifche defchichte der Juden etc. 

heiten ihnen als die Verkorperung der bettelhafteften Armut, 
des fchwindelhafteften Sdiacherns und des fdimu^igften Aber- 
glaubens erfchienen. Martial fpottet fiber den judifchen Hau- 
fierer, ,,weldier gelblidie Schwefelfaden eintaufcht fur zer- 
brodienes Glas". 1 ) Er wird durch Judenknaben, von denen 
der eine, von der Mutter belehrt, Bettelkunft ausfibt, der an- 
dere triefaugig Schwefel feilbietet, im Sdilafe geftort. 2 ) Die 
judifchen Bettelweiber nahren fich wie die Zigeunerinnen vom 
Wahrfagen. 

. . . Ihr Heu und den Tragkorb verlaffend, 

Bettelt die zitternde Judin verftohlen ins Ohr dir, 

Die legt aus das Gefetj von Jerufalem, ift auch des Baumes 

Grofce Prophetin und allzeit getreue Botin des Himmels. 

Ihr auch ftillt fich die Hand, doch karglicher. Fur wenig Geld nur 

Wird der Jude verkaufen, wie viel man der Traume begehret." 3 ) 

Allein es waren keineswegs alle Juden Roms arm oder 
ungebildet. Jofephus wohnte als Gunftling der Flavier in 
deren Palaft, 4 ) und Martial fpottet uber den Juden, der ihn 
rezenfiert, aber feine Verfe pliindert, 5 ) und fiber die, welche 
in den offentlidien Badern die beften Pla^e einnehmen, aber 
ihre Abkunft zu verbergen fuchen. 6 ) Wir horen auch von 
einem Juden, der als Schaufpieler den Hof entzfickte. 7 ) 

5. Die rechtliche Lage der Juden in der Diafpora. 
A. Organifation der judifchen Getneinden in der Diafpora. 

Bildung von Es ware fur die Juden im rOmifchen Reiche unmoglieh gewefen, 

Oemeinden. ihre Religion und ihre Sitten zu bewahren, wenn fie fich nicht hatten zu 
Genoffenfchaften oder Gemeinden zufammenfchlieften dQrfen. Das Recht, 
fich zu verfammeln, war an fich fchon mit der Geftattung der freien Re- 
ligionsubung gegeben, wurde aber auch noch ausdrucklich als befonderes 
Privileg gewahrt, als Caefar und Auguftus das Verfammlungsrecht ge- 
fet^lieh regelten. Als Julius Caefar im Jahre 46 v. Chr. alle w Verfamm- 
lungen" (collegia) in der Stadt aus politifdien Griinden verbot 8 ), geftattete 



Mart. I, 41, 3 f. 

2 ) Mart. XII, 57, 13 f. 

3 ) Juven. 6, 541 sqq. 
*) Jos. Vita 76. 

5 ) Mart. XI, 94. 

6 ) Mart. VII, 82. 

7 ) Jos. Vita 3. 

8 ) S. oben S. 285. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 291 

er den Juden, fich nadi ihren hergebrachten Sitten und Gebrauchen zu 
verfammeln und ihre Geldfammlungen zu gemeinfamen Mahlen und 
Opfern zu veranftalten. 1 ) Dies gait nicht etwa blog fur Rom, fondern 
ffir das ganze Reich. 2 ) Als Auguftus ein ahnliches Verbot erlieg, 3 ) er- 
laubte audi er ausdrficklich den Juden, fich zu verfammeln. Die Juden 
feien bei ihrem eigenen Gefelj und ihren herkdmmlichen Einrichtungen 
zu belaffen. 4 ) 

Wo die Zahl es den Juden ermOglichte, fich zu organifieren, haben 
fie es getan. Viele Urkunden und alte Infchriften legen Zeugnis dafiir 
ab. Die Gemeinden heifjen bisweilen nur ,,die Juden" oder ,,das Volk 
der Juden , 6 ) bisweilen n die Burgerfchaft der Juden" 6 ) oder ahnlich. 7 ) 
Am bekannteften und fpater am gebrauchlichften ift die Bezeichnung der 
Gemeinde als n Synagoge", ein Name, der auch z. B. im Neuen Teftament 
nicht blog das Verfammlungslokal der Gemeinde, fondern auch die Ge- 
meinde uberhaupt bezeichnet. 8 ) Es waren, fo verfchieden fie auch von 
einander gewefen fein mogen, wirkliche Gemeinden mit den ftarken 
national-jfidifchen EigentQmlichkeiten. Von den rOmifchen collegia (Vereine) 
unterfcheiden fie fich jchon dadurch, dag man ein Mitglied der judifchen 
Gemeinde durch die Geburt wurde und kein Nicht-Jude dazu gehOren 
konnte. 9 ) Eine folche Gemeinde war eine juriftifche PerfSnlichkeit mit der 
Befahigung, Vertrage fiber Kauf und Verkauf u. dgl. abzufchliegen. 

Genauer find wir fiber die innere Organifation der jfidifchen Ge- Innere 
meinde in Alexandrien und Rom unterrichtet. Von erfterer hOren wir in Organifation 
einer aus dem Anfang des erften Jahrhunderts v. Chr. ftammenden Schrift 
des Pfeudo-Arifteas, welche Jofephus in feinen Altertfimern paraphrafiert 
hat. Es wird darin von der Oberfetjung des judifchen Gefetjes in's 
Griechifche geredet und bemerkt, n die Priefter und die Alteften der Ober- 
feljer und der Angehorigen der Gemeinde und die Oberften der Ge- 



') Ant. 14, 10, 8. 

*) Dag dies der Sinn ift, ergibt fich aus der Verffigung eines 
rOmifchen Beamten an die Stadt Paros 1. c. 

3 ) S. oben S. 285, 3. 

*) Philo, Leg. 40. M. II, 592. Auch die Nachfolger des Auguftus 
haben, wenn wir von der Verfolgung der Juden unter Tiberius abfehen, 
fich hieran gehalten. S. oben S. 285 ff. Jufter 1, 410 ss. 

5 ) Vgl. Schfirer III*, 71. 73 f. Jufter 1, 416 s. 

6 ) TO noliTevpa, z. B. Jos. 12, 2, 12. Vgl. C JG nr. 5361, eine Infchrift 
vermutlich aus dem J. 13 v. Chr., worin fich die Einwohner von Berenike 

fonennen: e3oev rot? ctQ^ovOiv xal TW nokctevtiaTt T<a ev Bepevlxfl 'lovSctiotv. 

Strabo gebraucht bei Jos. 14, 7, 2 den Ausdruck nohreict fur die Gemeinde. 

7 ) ciToiia (Ant. 13, 3, 1 ; 14, 7, 2), d-ideos (Ant f 14, 10, 8), tfv'votfo? 
(z. B. Ant. 14, 10, 17). 

8 ) Apg. 9, 2. Vgl. z. B. die rom. Synagogenangaben oben S. 289, 

9 ) Vgl. Jufter, 1, 418424 (gegen Mommfenu.a ); fiber die rfimifchen 
collegia s. Marquardt RStV. Ill 2 , 137 ff. 

19* 



292 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gejchichte der Juden etc. 

meinde" oder, wie Jofephus kurzer fagt, ,,die Priefter und die Alteften 
der Oberfe^er und die Vorfteher der Gemeinde" hatten das ihnen vor- 
gelefene Werk gebilligt. 1 ) 

An der Spi^e der in Alexandrien fehr zahlreichen und machtigen 
Judenfchaft, die audi dort das voile Bfirgerrecht hatten, ftand, wie Strabo 
berichtet,-) der Ethnarch, der das Volk regierte, richterliche Entfcheidungen 
fallte und fiir die Innehaltung der aus dem Handel entfpringenden Ver- 
pflichtungen und die Beobachtung der Verordnungen forgte , wie ein 
Vorfteher einer felbftandigen Stadt. Als Kaifer Claudius den Juden von 
Alexandrien ihre fruheren Rechte beftatigte, hob er befonders hervor, -) 
dag nach dem Tode des jiidifchen Ethnarchen zur Zeit des Statthalters 
Aquila (11 n. Chr.) Auguftus nicht gehindert habe, dag Ethnardien (auch 
weiterhin) da waren. Er hat namlich durch einen Erlag an den Nach- 
folger des Aquila eine Gerusia, alfo einen Rat fur die Angelegenheiten 
der Juden eingefetjt. *) Ohne Zweifel follte diefe zur Unterfttitjung des 
Ethnarchen dienen, da Claudius von einer Abfchaffung der Wiirde des 
Ethnarchen nichts fagt. Wie viele Mitglieder diefe Gerusia zahlte, wiffen 
wir nicht. Bekannt ift nur, dag der Statthalter Flakkus unter Caligula 
38 Mitglieder der Gerusia offentlieh geigeln lieg. 6 ) Philo fpricht bald 
von Archonten, bald von der Gerusia. 6 ) Wahrfcheinlich find die Archonten 
nicht mit den von Jofephus erwahnten oberften Mitgliedern des Rates 7 ) 
identifch, 8 ) fondern fuhrte jedes Mitglied der Gerusia in Alexandrien 
den Namen ,,Archon". 

In Rom ftand in der romifchen Kaiferzeit an der Spilje jeder Gerusia 
als ihr Haupt und Vorfitjender ein Gerusiarch. 9 ) Daneben kommt 
fowohl in Rom als anderswo 10 ) oft der Titel ,,Archon" vor. Man hat 
darunter ein Mitglied des gefchaftsfuhrenden Ausfchufjes der Gerusie 
verftehen wollen, ") richtiger ift dabei wohl einfach an ein Mitglied der 
Gerusie iiberhaupt zu denken. Denn fonft wurde ein folches fich auf den 



>) Vgl. den Arifteasbrief (ed. Wendland) 310. Ant. 12, 2, 12. 

) Bei Jos. Ant. 14, 1,2. 

3 ) Ant. 19, 5, 2. 

*) Philo, in Flaccum 10. 

5 ) Philo, in Flaccum 10. 

6 ) In Flacc. 10 ed. Marg. II. 528: rwv <xno Ttj? yfgovtiia? ryei? a 
ebd.: rov? ^Vere^ov? ap/ovra?- ebd. 528 sq. roi7? a^ot-ra?, rtjv 

7 ) B. J. 7, 10, 1: ot itQia-cevovcet; Ttjs yfQovtiia.q. 

8 ) Dafiir Schiirer III 4 , 78 f. 

'>) Vgl. N. Mailer, Die jiidifchen Katakomben, Anhang n. 2: 

dvvayiaytjs Avyr>v6Tt}6i<uv S. 1 ! 2 und n. 3: yeg. 6vv. 'Ay^tTiTCi 

10 ) Vgl. Schflrer 1. c. 85 f. Lietzmann S. 128. ZWTh. 1913 (Zur 
altchriftl. Verfaffungsgefchichte [97-153]). 

u ) So Schiirer S. 86, der weiter auf Grund einer falfchlich dem hi. 
Chryfoftomus zugefchriebenen Homilie bemerkt, dag der Ausfchug all- 
jahrlich zum judifehen Neujahr gewahlt wurde. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 293 

romifchen Grabinfchriften gar nicht gekennzeichnet haben,.was doch nicht 
anzunehmen ift. 1 ) Eher konnte ein Archon hoher Ordnung" (alti ordinis) 2 ). 
zu'einem derartigen Ausfchug gehort haben. Nach den Infchriften gab 
es Arehonten, die zweimal, 3 ) und folche, die lebenslanglich die WQrde 
bekleidet batten. 4 ) . 

Zu den jiidifchen Gemeindebeamten gehorte auch wenigftens in Rom 
der Grammateus, der Sekretar der Synagoge oder Gerusie. 5 ) Es ift 
bekannt, dag in den hellenifdien Stadten der ,,Schreiber" des Rates oder 
der Vollverfammlung oder beider zugleich eine bedeutende Rolle fpielte, 
fo z. B. in Ephefus, wo er bei dem durch den Silberfchmied Demetrius 
gegen Paulus erhobenen Aufruhr die Volksmenge befchwichtigte. (Apg. 
19, 35 ff.) 

B. Politifche Rechte der Juden in der Diafpora. 

Es gab, politifch gefprochen, 4 Klaffen von Juden im rOmifchen Reiche, 
die peregrini, die Inhaber des lokalen Bfirgerrechtes einer Stadt, die 
Inhaber des rOmifchen Biirgerreehtes und die Sklaven. 6 ) 

') Vgl. H. Lietzmann S. 128. 

2 ) Der Stifter einer Infchrift L. Maecius L(ucii) filius nennt fich fo. 
Vgl. Muller n. 1 und Stephan Brassloff, Zu den Katakonibeninfchriften 
von Monteverde in den Mitteilungen d. k. deutfchen ardiaolog. Inftituts, 
Rom. Abt., Bd 28, Rom 1913, S. 123 I. Die Infdirift gehort nach der 
Meinung des Herausgebers dem 1. Jhdt. n. Chr. an. 

3 ) Muller n. 6: xaAxa^rftW tTi? a^wv. Vgl. auch Schiirer III*, 86, 40. 

4 ) Muller n. 10: Safhivos did plov BeQwiAqcluv. Andere Beifpiele 
bei Schiirer III*, 86, 42. 

8 ) Vgl. Muller 115 f. ebd. n. 7: ygatt,f*,aTei>c <1rvnyo>yq<; xa 
ebd. n. 12: y^/w^tarei'? 6vvay<i)yfji<: Bepvaxlrigfov. Auch dieTitel 

und idQ%<av kommen vor (vgl. Schiirer I.e. 44 u. Muller n. 9: 
roTr e /9(?0)i'), ebenfo die Namen ayxuv VIJJH.Q? (unmtindiger Archon, vgl. 
Schiirer 88, 44) und VQXOW fieUdezoiv (zukunftiger Archon, vgl. Schiirer I. c. 
und Muller n. 4, wo. ein Kind von 2 Jahren namens Sabinus als 
/ueAAa'p^ojv bezeichnet wird) Aus diefen Infchriften fcheint hervorzugehen, 
dag wenigftens in Rom die Arehonten, fei es nun alle oder ein Teil der- 
[elben, aus beftimmten Familien genommen wurden Vgl. Lietzmann 
S 127 - Die Titel ,,Vater der Gemeinde", deffen Trager (z B. 
in einer jfidifchen zu Caftel Porziano in Latium gefundenen, lateinifchen 
Infdirift, vgl. diefelbe in Jewish Notes, By Jos. Offord PEFQS. 1914, 
p. 46 47 und Jufter I, 429, 1.) vor dem Gerusiachen erwahnt wird, 
fowie der Titel w Mutter der Gemeinde" (vgl. z. B 6 E. Diehl, Latein. 
altchriftl. Infchriften, mit einem Anhang jGd. Infchriften 2 = Kleine Texte, 
Bonn 1913 N. 26-28, Nr. 363 ,,mater synagogarum Campi et Bolumni") 
find ficher Ehrentitel fur befondere Verdienfte um die Gemeinde. (Andere 
Beifpiele bei Schiirer 88 f.) - Nach M filler S. 117 bezeichnet die infchrift- 
liche Bezeugung von Perfonen als tsgev? bezw. einer weiblichen Perfon 
als legits to. die Abftammung von Aaron, nicht etwa den Charakter eines 
geiftlichen Amtes. 

6 ) Vgl. Jufter 2, 1 ss. Schflrer III*, 97 ff. 



294 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefdiichte der Juden etc. 

I Viele Juden befagen nur das Bfirgerrecht ihrer palaftinenfifchen 
Heimat. Das rOmifche Recht betrachtete fie als peregrini d. h n Fremd- 

linge", welche einem mit dem rOmifchen Reiche in Vertrag ftehenden 
Staate angehOrten l ) Die ROmer batten einen folchen Freundfchafts- und 
Bfindnis-Vertrag mit Judas Makkabaus und dem jfldifchen Volke im 
Jahre 160 v. Chr. gefchloffen. 2 ) 

II Juden, welche oft von Geburt her das lokale Bflrgerrecht einer 
be[timmten Stadt befagen. Das war aber der Fall in Bezug auf Antio- 
chien und alle von Seleucus I. Nicanor in Kleinafien und Syrien gegrun- 
dete Stadte 3 ) und die jonifchen Stadte. 4 ) Audi beanfpruchten die Juden 
ein folches Bflrgerrecht in Caefarea 5 ) Es gab eine groge Zahl von 
Juden, welche fur fich perfOnlich ein Bflrgerrecht in einer Stadt erworben 
hatten. Man darf deshalb nicht aus der Tatfache, dag ein einzelner, z. B 
Paulus in Tarfus, das lokale Bflrgerrecht hatte, 8 ) fchliegen, dag alle Ein- 
wohner es hatten. 7 ) 

Ein folches Bflrgerrecht fchlog auch Pflichten ein, namentlich die 
Teilnahme an dem Kult der StadtgOtter. 

Es gab nun griechifche Stadte, welche in Phylen (vvlai, tribus) ein- 
geteilt waren, und folche, wo dies nicht der Fall war. In erfterem Falle 
gehOrte auch der Jude einer folchen an; vielleicht durften die Juden 
eine Phyle fur fich oder eine befondere Abteilung bilden Jedenfalls 
mflffen fie, in Rflckficht auf die fhnen gewahrte Freiheit des Kultes, von 
der Teilnahme an dem ftadtifchen Kult difpenfiert gewefen fein. Eine 
folche Difpens fiel am wenigften in Orten auf, wo keine Einteilung in 
Phylen beftand. 8 ) 

In Alexandrien haben die Juden von der Grflndung der Stadt an 
diefelben Rechte wie die Mazedonier gehabt; 9 ) fie gehOrten hier der 
Phyle an, welche M die Mazedonier" hieg. 10 ) In Gyrene waren die Juden 
fpater als andere zur Bildung einer Phyle gelangt, nachdem eine Anzahl 
jfldifcher Anfiedler von anderen Stadten Libyens aus dorthin gefandt 
worden war (unter Ptolemaus Lagi). So erklart es fieh wohl, dag 
Stiabo die 4 Phylen von Gyrene alfo aufzahlt: Bflrger, Ackerbauer 
Beifaffen (Metoiken), Juden. 11 ) 

a ) S, Mommfen RStR III, 1, 598 f. - Fur griech. Stadte hiegen fie 
evr>,. oder ndpotKot, je nachdem fie das Domizilrecht nicht hatten oder 
es hatten. 

2 ) 1 Mace. 8, 22 ff Vgl. auch 1 Mace. 12, 14; 14, 24; 15, 1524. 

3 ) Jos. Ant. 12, 3, 1; c. Ap. 2, 4. 
*) Ant. 12, 3, 2. 16, 2, 35. 

5 ) B. J. 2, 13, 7; 2, 14, 4-5; 2, 18, 1; Ant. 20, 8, 7-9. 

6 ) Apg. 21, 39. 

7 ) Vgl. Jufter 2, 13. 

8 ) Vgl Ramfay, The Jews in the Graeco-asiatic cities in Expositor 
1902 t. 5 p. 22 ff. Schurer III 4 , 121. Jufter 2, 12 ss. 

9 ) Philo in Place. 44 (M. II 598); Jos c. Ap. 2, 4. B. J. 2, 18, 7. 

10 ) c. Ap. 2, 4. 

1 ) Strabo bei Jos. Ant 14, 7, 2 



VI I. Kap. Die 'Juden in der Diafpora. 295 

Es liegt kein Grund zu der Annahme vor, dag die Juden wegen 
ihrer Nichtteilnahme an dem Kult der Stadt-Gotter weniger politifche 
Redite als die Heiden gehabt batten. Aber gerade diefe Gleidiheit der 
Redite in den ubrigen Angelegenheiten der Stadt machte die Ungleich- 
heit der Pfliditen in religiSfen Dingen um fo deutlidier und fuhrte oft 
genug zu erbitterten Kampfen, fo z B., wie bereits ausgeftihrt wurde, 1 ) 
in Alexandrien. 

III. Die Juden als rSmifche Burger. Im Jahre 63 v. Chr. hatte 
Pompejus viele Juden als Kriegsgefangene nach Rom gebradit und dort 
als Sklaven verkaufen laffen. Diefe wurden durch ihre befonderen Sitten 
ihren rOmifehen Herren unbequem und freigelaffen. Damit erhielten fie 
das rOmifche Burgerrecht, 2 ) welches fie auf ihre Nachkommen vererbten. 3 ) 
Unter Tiberius wurden 4000 rdmifche freigelaffene Juden als Soldaten 
nadi Sardinien gefchickt. 4 ) Audi unter den AngehOrigen der Synagoge 
der Libertiner zur Zeit des Paulus find vermutlich manche aus Rom 
gewefen. 5 ) 

Audi in den Provinzen gab es viele Juden mit rQmifchem Burger- 
redit. Es konnte in mannigfacher Weife erworben werden, fei es, dag 
es einzelnen Stadten und damit auch ihren jiidifdien Einwohnern, foweit 
fie lokales Burgerrecht hatten, fei es, dag es einzelnen Perfonen wegen 
ihrer Verdienfte um die ROmer verliehen wurde. Als im Jahre 49 v. Chr. 
der Conful Lentulus in der Provinz Afia zwei Legionen romifcher Burger 
aushob, befanden fich unter diefen in Ephesus und andern Stadten audi 
viele Juden, 6 ) 

IV. Die judifqhen Sklaven. 7 ) Seit Pompejus im J. 63 v. Chr. 
kriegsgefangene Juden als Sklaven verkaufte, 8 ) hat fidl ein ahnlicher 
Vorgang nodi 5fter wiederholt. Im J. 52 v. Chr. verkaufte C. Caffius 
Longinus gegen 30000 Juden von Taridiea in die Sklayerei; 9 ) ebenfo 
madite er es im J. 44 v. Chr. mit den Juden von Gophna, Emmaus, 
Lydda und Thamna, welche nicht den verlangten Tribut zahlten. 10 ) Im 



!) Vgl. S. 278 ff. Ober die feindfelige Haltung der Heiden gegen 
die Juden in Antioehien, s. Ant. 12, 3, 1. B. J. 7, 3, 3; in Gyrene 
Ant. 16, 6, 1 Und 5; in Caefarea B. J. 2, 13, 7. 2, 14, 4-5. 2, 18, 1. 
Ant. 20, 8, 79. 

? ) Es war allerdings kein vollkommenes, fondern ein zuruckgefetjtes. 
Vgl. uber das zurflckgefetjte Burgerrecht, insbefondere des Freigelaffenen, 
Mommfen RStR III, 420-457. 

3 ) Philo, Leg. od. Caj. 23. 

Vgl. S. 285. 

5 ) Apg. 6, 9; vgl. 2, 10. 

6 ) Vgl. Ant. 14, 10, 13. 14. 16. 18. 19. s. u. S. 298. Vgl. uber das 
rdmifdie Burgerrecht und die Freigelaffenen u. Kap. 25 Nr. 2. 

7 ) Vgl. Jufter 2, 17 s. 
s ] S. o. S. 101. 

9 ) B. J. 1, 8, 9; vgl. Ant. 14, 7, 3.. 
10 ) B. J. 1, 11, 2 Ant. 14, 11, 2. 



296 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

J. 4 y. Chr. eroberte Varus die Stadt Sepphoris; fie wurde in Brand 
gefteckt und ihre Einwohner als Sklaven verkaufi ') Furchtbar war die 
Verfolgung der jiidifch en Burger von Caefarea kurz vor dem Kriege. 
In einer Stunde wurden dort 20000 der letjteren hingefchlachtet. Die 
Fliichtigen lieg Florus aufgreifen und als Gefangene nach den Schiffs- 
werften fiihren, 2 ) Die Gefamtzahl der im jiidifchen Kriege gefangenen 
Juden belief fich auf 97 000. 3 ) 

C. Die Privilegien der Juden. 

Wenn nun auch die politifche Lage dereinzelnen Juden in derDiafpora 
eine verfchiedene war, fo batten fie doch, wo immer fie waren, Anteil an 
den Privilegien, die ihnen in reichem Mage zur Zeit der Rorherherrfchaft 
iiber Palaftina zuerft Caefar und Augustus verliehen batten. Es waren 
namentlich die Freiheit des Kultus; die ffeie Gerichtsbarkeit und in be- 
fchranktem Mage die Freiheit vom Militardienfte. 

Kultus- Dag Julius Caefar bei feinem Verbot der collegia in Rom ausdriick- 

freiheit. lien die jiidifchen ausgenommen und ihre Verfammlungen fowie auch ihre 

Geldfammlungen zu gemeinfamen Mahlen und Opfer geftattet hatte, war 

fur die romifchen Beamten maggebend. So z. B. befiehlt ein rOmifcher 

Beamter der Stadt Paros unter Berufung auf die Verordnung Caefars, 

die Juden nicht zu hindern, nach ihren Gebrauchen zu leben, 4 ) und be- 

fchliegt die Gemeinde von Halikarhag, es ftehe alien Juden frei, die 

Sabbate zu feiern und die Opfer nach jiidifchen Gebrauchen darzubringen. 5 ) 

Wie Caefar verhielt fich auch Auguftus 8 ) und verhielten fich mit nicht 

lange dauernden Befchrankungen und kurzeren Unterbrechungen auch 

feine Nachfolger. Der Gefchichtfchreiber des jiidifchen Krieges, Flavius 

Jofephus, lagt den Kaifer Titus fagen: Wir geftatteten euch, fQr euren 

Gottesdienft Steuer zu erheben und Gaben zu fammeln . . . wir fuchten 

nicht zu hindern, dag ihr, die Feinde, reicher wurden als wir felbft. 7 ) 

Auf Auguftus geht das Privileg zurtick, dag die Juden am Sabbate nicht 

zu Rechtsgefchaften herangezogen werden durften. 8 ) 



') B. J. 2, 5, 1-3. Ant. 17, 10, 9-10. 17, 11, 1. 
) B. J. 2, 18, 1. 

3 ) B. J. 6, 9, 3. - Vgl. auch S. 310 iiber den Verkauf der im J. 
135, nach dem Aufftand des Barkochba, gefangenen Juden. 

4 ) Ant. 14, 10, 8, s. o. S. 290 f. 

6 ) Ant. 14, 10, 23; vgl. auch 14, 10, 10-12. 21. 24 f. 

6 ) Philo, Leg. ad Caj. 23. 

7 ) B. J. 6, 6, 2. . 

8 ) Ant 10, 6, 2 und 4; vgl. 1 Mace. 10, 34 ff. Philo de. Migr. Abra- 
hami 16. M. 1, 450; vgl. Jufter 2, 121 s. Auguftus beftimmte auch, dag, 
wenn die Offentliche Verteilung von Geld oder Getreide durch die Obrig- 
keit am Sabbate ftattfand, den Juden ihr Anteil am darauffolgenden 
Tag gegeben werden folle. Phil. Leg. ad Caj. 23. Jufter 2, 236 ss. 
Ober den Anteil der Freigelaffenen an den Burgerfpenden vgl. Mommfen 
RStR III, 444 ff. 



VII. Kap. Die Juden in der Diafpora. 297 

1m rOmifchen Redit gait der Grundfa^: jeder Burger unterfteht dem Gerichts- 
Zivilrecht des Gemeinwefens, dem er angehort. Das befondere romifche barkeit. 
Redit (jus civile, jus Quiritium) war nur ein Redit fur den rGmifchen 
Burger. Allerdings wurde das romifdie Biirgerrecht immer mehr fowohl 
Einzelnen wie Gemeinden verlieheri, bis im Jahre 212 Caracalla alien 
Gemeinden (alien freien Gemeindeburgern) das rOmifdie Biirgerrecht 
verlieh.') 

In Palaftina felbft befagen die Juden fur Streitigkeiten unter einan- 
der und felbft iiber die auf wirklich judifdiem Boden wohnenden Griedien 
nach romifcher Rechtsanfchauung das Jurlsdictionsredit.*) Audi in der 
Diafpora waren fie durch kein griechifches Oder romifches Redit verhindert, 
bei Streitigkeiten unter einander fich an die von ihnen gewahlten Riditer 
zu wenden und deren Entfcheidung anzuerkennen. 15 ) 

Sie befagen aber audi dort durch Privileg eine befondere Gerichts- 
barkeit. Denn fie batten z. B. in Alexandrien, wo allerdings audi ihre 
politifdie Madit bedeutend war, einen Ethnarchen, der, ihre, Handel 
fdilichtete und ihre Vertrage bekraftigte, als ob er ein felbftandiger 
Herrfdier ware.*) Natiirlirfi konnte er das nidit alles felbft tun. Ef war 
nur der Prafident eines autonomen Geriditshofes fur die Juden. 8 ) Audi 
die Juden, welche in den kleinafiatifchen Stadten das romifdie Burger- 
recht befagen, hatten dasfelbe Privileg. In einem Schreiben vom J. 49 
an die Gemeinde von Sardes beftimmt der Proprator von Afien, 6 ) dag 
die Juden, weldie von Alters her nadi ihrem Gefetje eigene Zufammen- 
kiinfte und einen eigenen Gerichtshof hatten, im ungeftorten Befi^ diefer 
Einriditung zu belaffen feien 7 ) 

Aus der Apoftelgejchichte fieht man, dag eine Jurisdiction in reli- 
giofen Dingen ausgeiibt worden ift. Paulus ging mit Vollmadit des 
Hohenpriefters nadi Damaskus, um dortige Chriften gebunden nach Je- 
rufalem zu bringen. Audi an anderen Orten hat er Judendiriften ein- 
kerkern und durch die Synagoge geigeln laffen. 8 ) Er felbft ift funfmal 
von den Juden gegeigelt worden.' J ) Als die Juden in Korinth den Paulus 
beim Prokonful Gallic verklagten, wies fie diefer vom Richterftuhle fort. 
Hatte es fidi um ein fchlimmes Vergehen gehandelt, wurde er fie ange- 
"hOrt haben. Er wolle aber nich't Richter uber Obertretung ihres Gefetjes 
fein. Da moditen fie felbft zufehen. 1 ") 



1) Vgl. R. Sohm, Inftitutionen. Gefchidite und Syftem des romifchen 
Privatrechtes. 15 L. 1917 S. 201 ff. 

2 ) Jufter 2, 94: La juridiction propre, en matiere civile, est le droit 
commun dans les pays sujets de 1'Empire romain. 

3 ) Jufter 2, 110 s. 

*) Strabo in Ant. 14, 7, 2. 
.) Jufter 2, 111, 1. 
8 ) Ant. 14, 10, 17. 

7 ) Vgl. Juster 2, 111, 4. 

8 ) Apg. 9, 2. 22, 19. 26, 11. 
'-) 2 Kor. 11, 24. 

1C ) Apg 1 ' 18 > 12-17. - Ober die Gerichtsbarkeit der Juden in der 



298 Erfter Abfchnitt. Die politifdie Gefdiichte der Juden etc. 

Befreiung Unter den von J. Caefar den Juden verliehenen Privilegien be- 

vom findet fich audi dies, dag kein ro'mijcher Beamier Oder Feldherr oder 

Militardienft. Legat innerhalb des Gebietes der Juden Hilfstruppen ausheben darf.') 

Caefar ift felbft von den Juden militarifch unterftutjt worden. Von einer 

Befreiung der Juden vom Kriegsdienft ift uberhaupt keine Rede, erft 

recht nidit im Judenlande, welches der Oberhoheit des Ethnarchen Hyrkan 

unterftand. 

Wohl aber hat der Conful Lentulus, welcher zu Anfang des Biirger- 
krieges im J. 49 v. Chr. in der rOmifchen Provinz Afien zwei Legionen 
rOmifcher Burger aushob, 2 ) die rOmifchen Burger aus den Juden dort 
wegen ihrer religiOfen Oberzeugung vom Kriegsdienfte befreit. 3 ) Wahrend 
des Burgerkrieges im Jahre 43 v. Chr. hat dem Feldherrn Dolabella, 
einem Anhanger des Triumvir Antonius, der fich Kleinafiens bemachtigte 
und bis nach Syrien vordrang, 4 ) eine Gefandtfchaft des Ethnarchen Hyr- 
kanus das Gefuch unterbreitet, feine Landsleute vom Kriegsdienfte zu 
befreien, weil fie am Sabbate weder Waffen tragen noch marfchieren 
durften. In einem Schreiben an die Gemeinde von Ephefus hat dann 
Dolabella wirklich M wie feine Amtsvorganger" die Juden von allem Kriegs- 
dienfte befreit. 5 ) 

In den Makkabaerkriegen ift es fur die Juden viel wert gewefen, 
dag fchon gleich am Anfang der Priefter Mattathias ihnen den Zweifel 
benahm, ob fie fich auch am Sabbate gegen feindliche Angriffe verteidigen 
diirften. 6 ) Jofephus fagt, 7 ) daher fei bei den Juden n bis auf den heutigen 
Tag" die Sitte geblieben, auch am Sabbate zu fechten. 

Ein allgemeines Privileg, wodurch die Juden des rOmifchen Reiches 
vom Kriegsdienfte befreit wurden, ift nicht bekannt. Tatfachlich haben 
fowohl unter den Herodianern wie den ROmern viele Juden Kriegsdienft 
geleiftet.*) 

Kaiferzeit handelt fehr ausfiihrlich Jufter, Les Juifs dans L'empire Romain. 
Tome 2. Paris 1914, befonders 93-214. 

') Ant. 14, 10, 6 Vgl. oben S. 105, 5. 

a ) Caefar, B. civ. 3, 4: (Pompeius) legiones effecerat civium Ro- 
manorum .... duas ex Asia, quas Lentulus consul conscribendas 
curaverat. 

) Ant. 14, 10, 13; vgl. auch 14, 10, 14. 16. 18. 19. Das Recht der 
Befreiung ftand dem Lentulus als Aushebungsbeamten zu. VgL H. E. 
Dirkfen, Ober die BehOrden, welche im rom. Reiche Privilegien erteilten, 
in Civilift. Abhandlgn. 1, 243-315, S 273, 80 und 81; bei Jufter 1, 240, 2. 

*) Appian. Civ. III. 78. DiO Cass. XLVII, 29-30 IV, 60. 

5 ) Ant. 14, 10, 12. - Ober das romifche Militarwef en s. a. Kap.XXV,4. 

tt ) 1 Mace. 2, 34 ff. 

') Ant. 12, 6, 2. 

8 ) Der KOnig Antiochus VII Sidetes wartete auf,Bitten des damals 
mit ihm verbundeten Johannes Hyrkanus 2 Tage mit dem Aufbruch des 
Heeres, um das gerade auf den erfteii Tag nach dem Sabbat fallende 
Pfingftfeft abzuwarten, da, wie Jofephus Ant. 13, 8, 4 fagt, die Juden 
weder am Sabbate noch an jenem Fefttag reifen durfen. 



VIII. Kap. Die le^ten vergeblichen Kampfe der Juden. 299 

VIH. Kap it el. 

Die le^ten vergeblidien Kampfe der Juden um ihre 

Freiheit. ' 

1. Die Zuftande in Palajtina. 

Nadi der Eroberung Jerufalems ift Judaa niclit mehr Judaaunter 
durdi Landpfleger verwaltet, fondern in eine imperatorifche fenatonfchen 
Provinz verwandelt worden, 1 ) an deren Spitje, ftatt der frtiheren 
Prokuratoren aus dem Ritterftande, aus dem Senatorenftande 
hervorgegangene kaiferliche Legate ftanden, weldie die zehnte 
Legion und verfchiedene Auxiliartruppen befehligten 2 ) und 
audi einen Prokurator unter fich batten. 3 ) Der erfte diefer 
Statthalter war Vetullenus Cerealis, deffen Truppen dann der 
fdion oben erwahnte Statthalter Lucilius Baflus iibernahm, 4 ) 
dem dann Silva, der Befieger von Majada, folgte. 5 ) 

Der Legat refidierte in Cafarea, 6 ) die zehnte romifche 
Legion aber hatte ihr Standquartier in Jerufalem. 7 ) Natiir- 
lidi brachte die Legion ihren heidnifchen Kultus mit. . Dag 
ficii in der Nahe des Lagers bald audi wenigftens einige 
heidnifdie Anfiedler einfinden wurden, war natiirlidi. Denn 
die Bedflrfniffe der Soldaten fchaffen foldie Anfiedlungen 
von felbft. 



1 ) Aurel. Viet. De Caesar. 9, Epit. 9 

2 ) Jos. B. J. 7, 1, 3. Dio Cass. 55, 23. 

3 ) Vgl. B. J. 7, 6, 6, wonach Liberius Maximus Prokurator des 
Statthalters Lucilius Bassus war. 

*) B. J. 7, 6, 1; f. o. S. 260. 

^ S. o. S. 260. Judaea Oder Syria Palaestina (Ptolem. 5, 16, 1) ift 
nun jahrhundertelang felbftandifche romifche Provinz geblieben. Vgl. 
Marquardt, RStV 1, 419 ff. Zu der von ihm gegebenen Lifte der Statt- 
halter diejer Provinz vgl. audi Liebenam, Forfchungen zur Verwaltungs- 
gefchichte des r6m. Kaiferreiches, 1. Bd. Die Legaten in den r6m. Pro- 
vinzen von Augustus bis Diokletian, L. 1888, S. 239-244. Schurer I, 
643649. In einem aus dem Fajjum ftammenden Diptychon wird fQr das 
Jahr 93 n. Chr. ein bisher unbekannter Sex. Hermetidius Campanus als 
Statthalter von JudSa erwahnt, u. a. bei Mispoulet, Comptes rendus de 
J'Ac. des Inscr. et Belles Lettres, 1910, 795 ff. ZDPV, Bd. 36, 1913 p. 220 ff. 

6 ) ,,Judaea caput" Tac. Hist. 2, 78. 

7 ) S. o. S. 258. 



300 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

juden zu Juden waren zunachft keine mehr in der Stadt, ab- 

Jerufaiem. g e | e hen von einigen armen Greifen, , welche bei der Afche 
des Tempels lagen, und, wie der Verteidiger von Mafada, 
Eleazar, zu feinen Gefahrten fagte, einigen Weibern, welche 
fiir die Luft der Feinde aufbewahrt waren. 1 ) Spater find 
audi von draufcen manche gekommen, um am Tempelpla^ 
zu weinen und zu beten.-) 
Die Rabbiner Mit der Zerftorung des Tempels horte die Darbringung 

zu Jamnia. von Qpfern von felbft auf. 3 ) Audi die Bedeutung des Priefter- 
tums war dahin, um nie wiederzukehren, ebenfo naturlich 
die des Hohen Rates. An Stelle beider traten die Rabbinen 
Palaftinas. Zu Jamnia (Jabne) wie zu Lydda hatte Vefpafian 
fchon im Jahre 68 Juden, die |ich ihm ergeben batten, an- 
gefiedelt. 4 ) In der Folge kamen manche angefehene Leute 
dorthin und bald ftand Jamnia im Rufe, dafc dort die be- 
deutendften jiidifchen Gelehrten wohnten und die befte Be- 
lehrung fiber die Thora gegeben werde. Es wurden nun 
viele Anfragen dorthin gerichtet. 5 ) 

Die Meffias- In das tiefe Dunkel jener furchtbaren Zeit leuchtete diefen 
hoffnung. un( j anderen Mannern die Hoffnung auf beffere Tage, falls 
nur das Volk fich von. Herzen zu Jahwe wende. Troft fpen- 
deten manchen in das Gewand alter Weisfagungen gekleidete 
Werke voll religiojer Glaubens- und Willenskraft, in denen 
die Vernichtung des Adlers, d. h. des romifchen Kaifertums 
und die Ankunft des Mefiias verheifcen wird, der mit dem 
Feuerhauch feines Mundes das gegen ihn zufammengeraffte 
Heer der Heiden vernichten werde. 6 ) 



a ) B. J. 7, 8, 7. 

2 ) Vgl. die Apokalypfe Baruchs 13, 1. 21, 2. 25, 1. 

3 ) B. J. 6, 2, 1. Dasfelbe bezeugt auch Juftin. Dial. c. Tryph. c. 40 
und 46. Vgl. auch Derenbourg, 1. c. p. 480 483. 

*) B. J. 4, 8, 1. 

5 ) Vgl. z. B. Derenbourg, p. 302 ss., 366 ss. Auger Jamnia wird 
in der Mifchna auch Lydda oft als Sits bedeutender Schriftgelehrten er- 
wahnt. Vgl. z. B. Rosch ha-schana 2, 8 9. 4, 12. Sanhedrin 11, 4. 
Aboth 4, 4. Rosch haschana 1, 6. Taanith 3, 9. Jadajim 4, 3. Vgl. 
A. Kaminka, L'Academie de Lydda REJ 60, 1910, p. 259 s. - Spater, 
im dritten und vierten Jahrhundert n. Chr. ift Tiberias der Hauptfitj der 
rabbinifchen Gelehrten gewefen. 

6 ) 4 Esdr. 6, 9. 11, 37 ff. 12, 1 ff. 13, 9 tf. Apoc. Baruch c. 40. 



VIII. Kap. Die letjten vergeblichen Kampfe der Juden. 301 

Die Hoffnung auf den Meffias war eine derUrfachen 
des grofcen judifchen Krieges gewefen 1 ) und auch jetjt wurde 
fie wegen ihrer politifchen Auffaffung wieder mit Veranlaffung 
neuer grower Unruhen. ..'.. 

Den Romern ift diefe Hoffnung nidit unbekannt ge- Verfoigung 
blieben. Denn fie find durch diefelbe veranlafct worden, d e n derAbk0mm ' 
Abkommlingen des koniglichen Gefchledites Davids nach- lmge avids ' 
zufpuren, um fie urns Leben zu bringen. Zuerft hat dies 
fchon Vefpafian getan.*) Audi Domitian hat zwei Enkel des 
Judas, ,,des Bruders Jefu", als Nachkommen Davids nach 
Italien kommen laffen, und fie felbft verhort. Von ihrer 
rauhen Feldarbeit zeugten fchon ihre fchwieligen Hande. 
Was .ihre Meffiaserwartung angeht, fo erklarten fie, kein 
weltlidies und irdifches, fondern nur ein himmlifcries Reich 
zu erwarten, welches am Ende der Welt, wenn Ghriftus in 
feiner Herrlichkeit die Lebendigen und die Toten richten und 
einem jeden vergelten werde nach feinen Werken, kommen 
werde. Darauf wurden fie freigelaffen. 3 ) Aber dennoch ift 
allem Anfcheine nach auch Simeon, der Sohn des Klopas 
und Bifchof von Jerufalem, als Abkommling Davids und als 
Chrift bei dem Statthalter Atticus von Judaa im zehnten 
Jahre des Trajan angeklagt, gefoltert und im Alter von 
120 Jahren gekreuzigt worden. 4 ) 

2. Die Kriege gegen die Juden unter Trajan im Jahre 

115117. 

Wahrend die niedergetretenen Juden Palaftinas in der Kriegerifche 
Trauer um die Stadt und den Tempel und im Studium des Erfolge 
Gefe^es Troft und Hilfe fuchten, war dem romifchen Reiche Tra i ans - 



J ) Jof. B J. 6, 5, 4. 

2 ) Hegefipp bei Euf, HE. 3, 12, der fagt, diefer Befehl fei Veran- 
laffung zu einer grogen Verfolgung der Juden gewefen. Die Nachricht 
mag fich auf die erfte Zeit nach der Eroberung Jerufalems beziehen. 

) Euf. HE. 3, 19-20. 3, 22, 6. 

4 ) Hegefipp bei Eufeb. HE. 3, 32, 6, vgl. ebd. 32, 3 ff. Vgl. auch 
den Art. Simon im Kirchenlexikon 11, 306309. Das Martyrium fand 
nach Euf. HE. 3, 32 [tatt ,,i7ii T^ai'avoiT xatCay ? xa * vnanxuv 
nach Euf. Chron., p. 163 ed. SchOne, im zehnten Jahre des Trajan; rT 
consularis heigt zur Zeit des Eufebius jeder Legat. Vgl. Marquardt 
RStV 1, 420, 1. 



302 Erfter Abfdinitt. Die politifdie Gefchidite der Juden etc. 

in der Perfon des M. Ulpius Nerva Trajanus, den Nerva 
wenige Wodien vor feinem Tode, er ftarb am 27. Januar 98, 
im Jahre 97 adoptiert hatte, ein grofjer, tatenreicher Kaifer 
gegeben worden. Geboren am 18. September 53 in Spanien, 
von Jugend auf an das Kriegsleben und Harte gegen fidi 
felbft gewohnt, war er erft nach Sidierung von Unter- und 
Obergermanien gegen Ende des Jahres 99 von Koln nach 
Rom gezogen, hatte den Senat und das Volk, unter anderm 
anch durch das Verbot, ihn Herr und Gott zu nennen, fur 
fich gewonnen, dann fich Dacien unterworfen und kurz trier- 
nach durch Cornelius Raima auch das Gebiet von Gerafa, 
Boftra, Philadelphia und der Nabataerftadt Petra zu einer 
romifchen Provinz Arabia gemacht. Im Jahre 114 n. Chr. 
brach der Kaifer felbft nach Armenien auf und erklarte auch 
diefes Land zur romifchen Provinz. Hiermit noch nicht zu- 
frieden, ruckte er im Spatherbft des Jahres 114 in Mefopo- 
tamien ein und befetjte bis zum Ende des Jahres 115 das 
ganze Land zwifchen dem obern Euphrat und dem Tigris. 
Im folgenden Jahre fugte er noch das Land jenfeits des 
Tigris, wo er fogar fiegreich in Ktefiphon, die Refidenz des 
Partherkonigs, eingezogen war, als Provinz Assyria dem 
Reiche hinzu. Schon ruftete er eine Flotte aus, um felbft 
Indien der Romerherrfchaft zu unterwerfen. Da horte er, 
daft alle Provinzen hin'ter ihm im Aufftande feien. Er eilte 
zuruck nach Babylonien, wofelbft nun fein Feldherr Lufius 
Quietus das abgefallene Nifibis, in welchem viele an dem 
Abfalle ficher nicht unfchuldige Juden wohnten, wieder er- 
oberte und Edeffa verbrannte. Aber von nun an bis zu feinem 
Tode im Auguft 117 follte der grofce Kaifer nur noch Ent- 
taufchungen erleben. Als er nach Syrien kam, horte er von 
einem furchtbaren Aufftande der Juden von Gyrene. 

Aufftand der Vermutlich ift die Kunde von dem Mifcgefchick des Kaifers 
Juden in die Veranlaffung gewefen, dafc auf einmal die Juden in 

Agypten und Agy p t en un( j Gyrene, ,,wie von einem wilden Geift des Auf- 

yrene. Tu fa s fortgeriffen, fich gegen ihre heidnifchen Landsleute er- 

hoben". 1 ) Im Jahre 115 brach ein Aufftand aus, der im 

Jahre 116 sich zu einem formlichen Kriege auswuchs. 2 ) Dabei 

J ) Euf. HE. 4, 2. 

2 ) Nadi Euf. HE. 4, 2 fing der Aufftand im 18. Jahre des Trajan. 



VIII. Kap. Die le^ten vergeblichen Kampfe der Juden. 303 

zeigten die wie rafend gewordenen Juden 1 ) uberall in Agypten, 
in Gyrene und auf Cypern die ganze Wut eines lange auf- 
gefpeidierten unauslofchlichen Durftes nadi Radie. 

In Agypten konnte nicht einmal die Maeht des Statt- 
halters M. Rutilius .Lupus den fich zufammenrottenden Auf- 
wieglern widerftehen. Nun flohen aber die im Gefecht 
befiegten ,,Griedien" nach Alexandrien, griffen dort mit uber- 
legener Macht die Juden an und liefjen keinen einzigen am 
Leben. 2 ) In den furditbaren Strafcenkampfen wurde die Stadt 
zum Teil zerftort. 3 ) Selbft der heilige Hain, in welchem 
Cafar das Haupt des Pompejus beigefetjt hatte, war zu 
Kriegszwecken niedergehauen worden. 4 ) Mit weldier Wut 
gekampft wurde, fieht man daraus, dag die Juden auch die 
Sehiffe mit Fluchtlingen uberfallen batten. 5 ) 

In Gyrene kamen 220000 Menfchen um. 6 ) Denn die 
Juden maditen alles, was Romer oder Griedie hiefe, nieder. 
Dio Caffius 7 ) erzahlt, fie batten in ihrer damonifchen Wut 
fogar das Fleifch der Erfchlagenen gegeffen, fich die Ein- 
geweide derfelben umgewunden und fich mit ihrem Blute 
beftridien. Andere batten fie von oben nadi unten durch- 
fagt Oder fie wilden Tieren vorgeworfen oder fie gezwungen, 
fich gegenfeitig im Zweikampfe umzubringen. 



(=115) an undwuchs im f olgenden Jahre (=116) zum Kriegean. Vgl. fiber 
das Datum Tillemont, Hist, des Emp. II, 235 und Clinton, Fasti Romani I, 
p. 100, wahrend Mommfen RQ V, 542 das 18. Jahr des Trajan als das 
vorletjte Jahr des Kaifers = 116 faffen will. 

') Quasi rabie efferati. Oros., Hist. adv. Paganos. Rec. C. Zange- 
meister. Vind. 1900. VII, 12, 6. 

*) Euf. HE. 4, 2. 

3 ) Vgl. Euf., Chron. ed. SchOne II, 164 sq., wonach Hadrian das 
von den Juden (nadi Hier. irrtumlidi ,,von den R6mern") zerftOrte Alexan- 
drien wieder herftellte. VOllige Ruhe fdieint er[t unter Hadrian in Ale- 
xandrien wieder eingekehrt zu fein. Denn das Chron. Euf. 1. c. berichtet 
zum erften Jahre Hadrians, diefer habe die zum zweiten (fo die Ober- 
fetjung des Hier.) oder zum drittenmal (fo die armen. Oberfetjung) auf- 
ruhrerifchen Juden unterworfen. 

*) Appian, Bell. civ. 2, 90. 

5 ) Vgl. das Fragment Appians in Mfiller, Fragmenta historicorum 
Qraecorum. Tom. V, 1 (Par. 1870), p, LXV. 

6 ) Dio Cass. 68, 32. 
') Dio Cass. 68, 32. 



304 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

: Zur Bezwingung des Aufftandes fandte nun der Kaifer 
den Feldherrn Marcius Turbo mit einem Heere und einer 
Flotte, dem aber erft nadi langerer Zeit und vielen Gef echten, 
in welchen yiele Taufende Juden von Gyrene und von 
Agypten> fiber weldie ein gewiffer JudeLucuas als ,,K6nig" 
gebot, getotet worden waren, die Niederwerfung des Auf- 
ftandes gelang. 1 ) 

Aufftand der Der Aufftand hatte fieh audi nadi Cypern verbreitet, wo- 
.Juden in ^i^ Artemion der Ahfuhrer der Juden war. Die Stadt Salamis 
yp ern - wurde damals ganz zerftort, 2 ) und es kamen nidit weniger 
als 240 000. Menfdien auf Cypern um. Dio Caffius, der uns 
dies erzahlty fugt hinzu, dafe feit jenem Aufftande kein Jude 
mehr die Infel betreten durfte und jeder, der etwa durch 
einen Sturm dorthin verfchlagen werde, fterben muffe. 3 ) 
Der Feidherr Trajan fiirditete audi die Verbreitung des Aufftandes 
Quietus in nadi Palaftina. Denn nadidem auf Befehl des Kaifers der 
Paiaftma. r Q m jjy ie Feidherr Lufius Quietus die audi in Mefopotamien 
fich anfammelnden aufftandigen Juden aus der Provinz weg- 
gefegt und dabei fehr viele derfelben getotet hatte, wurde 
diefer aus Mauretanien ftammende Berberfurft zum Statt- 
halter von Palaftina ernannt. 4 ) Abgefehen von diefer Er- 
nennung liegt kein Grund zur Annahme vor, daft audi Pa- 
laftina an dem Aufftande unter Trajan beteiligt gewefen ift. 5 ) 
Trajan felbft ftarb am 8. Auguft 117 zu Salinus an der 
cilicifchen Kiifte auf der Reife nadi Rom. 



') Euf. HE. 4, 2. Bei Dio Cass. 68, 32 heigt der Fiihrer der Juden 
Andreas. 

8 ) Euf., Chron. ed. Schone II, 164 sq. Oros. 1. c. VII, 12, 8. 

3 ) Dio Cass. 68, 32. Nadi einer zu Beirut gefundenen lateinifchen 
Infchrift (Comptes rendus etc. 1912 p. 248256; s. audi ZDPV, 1915, 230 1.) 
ift unter andern ein Militartribun der legio VII Claudia, der den Parther- 
krieg Trajans mitgemadit hatte, C.Valerius Rufus, damals mit Truppen 
nadi Cypern gefandt worden. 

*) Dio Cass. 68, 32. Euf. HE. 4, 2. 

5 ) Nur der Biograph Hadrians, Spartian (Scriptores historiae Augu- 
stae, Hadrianus 5) fagt: ,,Lycia denique ac Palestina rebelles animos 
efferebant." Die rabbinifdie Literatur weig nidits von Aufftanden Palaftinas 
in diefer Zeit. Vgl. Derenbourg, p. 405 sq. Sdilatter, Die Tage Trajans 
und Hadrians (= Beitrage' zur Forderung diriftl. Theologie I, 3), Quters- 
loh 1897, S. 88-99, beruft fich fur das Qegenteil (S. 91) auf Midrasch 
rabba zu Efther, Anfang und Mediiltha zu Ex. 14, 13 (in der deutfchen 



VIII. Kap. Die letjten vergeblichen Kampfe der Juden. 305 

3. Kaifer Hadrian und der Aufftand des Barkochba 

132135. 

Trajan ftarb kinderlos. Ihm folgte ein nach faft jeder Charakter 
Richtung menfchlichen Wiffens und Konnens hochbegabter, des Kaifers 
aber audi launifcher und reizbarer Mann. ,,Ernft und Scherz, Hadnan - 
Herablaffung und Strenge, Ausgelaffenheit und Bedachtfamkeit, 
Feftigkeit, Freigebigkeit, Verftellung, Mut und Milde waren 
in ihm geeint. In alien Dingen war er nie derfelbe. Daher 
kam es, dag er alle feine Freunde und Giinftlinge nachher 
als feine Feinde hagte." 1 ) Er pflegte raftlos von einer Provinz 
in die andere zu reifen, die Gegenden und Stadte in Augen- 
fdiein zu nehmen 2 ) und uberall felbft allerhand Einrichtungen, 
namentlieh bezuglich des Baues von Stadten, Tempeln und 
Theatern, Brucken und Stragen zu treffen. 3 ) 

Um den Wirren im Often des Reiches ein Ende zu Quietus wird 
machen, gab er nach {einer Thronbe[teigung Armenien und ermordet. 
Mefopotamien ganz auf. Den Lufius Quietus rief er nicht 
nur aus Palaftina zuriick, fondern lieg ihn fogar zwei Jahre 
fpater unter der Befchuldigung, mit andern die Ermordung 
des Kaifers auf der Ja?d geplant zu haben, umbringen. 

Gewijj konnten nun die palaftinenfifchen Juden in derUrfachen des 
Abberufung des Lujius Quietus eine ihnen erwiefene Gunft Aufftandes 
erblicken. Es mag auch fein, dag [ie fogar die Wiederher- der Juden in 
Jtellung des Tempels von Hadrian erwartet haben. Jedenfalls a ^' t 
haben wir keine glaubwiirdige Nachricht, dag er ihnen die 
Erlaubnis dazu in Ausficht geftellt habe/) Das ware auch da- 



Oberfe^ung der Mechiltha durch J. Winter und A Wunfche, L. 1909, p. 92). 
Vgl. aber zur Erklarung der Stelle Derenbourg, p. 412. 
J ) So Hadrians Biograph Spart. c. 14 und 15. 

2 ) Dio Cass. 69, 8. Tertull. Apologeticum c. 5 nennt den Hadrian 
einen ,,omnium curiositatum explorator". 

3 ) Vgl. Gregorovius, Der Kaifer Hadrian 2 . Stuttg. 1884, S. 62 ff. 
und 468 ff. 

*) Derenbourg, p. 412 ss. halt es fur jieher, dag Hadrian den Juden 
im Jahre 117 vage Ver[prechen, Jerusalem und den Tempel wieder auf- 
^ubauen, gegeben, aber nur das heidnifche Alia und einen fchlieglich dem 
Jupiter Capitolinus gewidmeten Tempel gebaut habe. Infolgedeffen hatten 
fich die Juden emport. Andere reden ahnlidi, fo z. B. Schlatter, Die 
Tage etc., wonach Hadrian den Juden im Jahre 130 den Tempelplatj* 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Aufl. 20 



306 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc. 

mals unmoglidi gewefen, well dodi kein romifcher Kaifer in 
diefer Weife die erft vor 40 Jahren von den Romern ver- 
niditete nationale Selbftandigkeit des jiidifchen Volkes wieder 
anerkennen konnte, was doch mit jener Erlaubnis tatfachlich 
gefchehen ware. 1 ) 

zuriickgab. Nach den Quellen liegt aber die Sadie f olgendermafjen : Im 
V. fibyllinifchen Buch (f. daruber u.), weldies bis auf die Zeit Hadrians 
geht, wird diefer als Friedensfiirft begrugt (5, 46 sq.) und wird die Hoff- 
nung auf einen Priefterfiirft ausgefprochen, der den Tempel zu Jerusalem 
und den Oniastempel in Agypten wieder aufbauen wird (5, 492495, 
501 sq.). Eine fpatjudifche rabbinifche Quelle (Bereschit rabba c. 64; 
vgl. die Stelle in Derenbourg, p. 416 s. und Wiinfche, Der Midrasch 
Bereschit Rabba, L. 1881, S. 307 f ) verfetjt allerdings die von den Romern 
gewahrte Erlaubnis zum Wiederaufban des Tempels in die Zeit des 
R. Josua ben Chananja, der unter Hadrian lebte. Der Bau fei aber un- 
moglidi geworden, weil der Kaifer fich von den Samaritern gegen die 
Juden habe beeinfluffen laffen und deshalb auch in Bezug auf den Bau 
andern Shines geworden fei. Allein es kann hier nach dem Urteil von 
Zunz, Die gottesdienftl. Vortrage der Juden 2 , Frankf. 1892, S. 186 nur 
die von Kaifer Julian gegebene' Erlaubnis gemeint fein. Obrigens lafjt fich 
aus dem erft im 6. Jahrhundert entftandenen Traktat (vgl. daruber Zunz 1. c. 
184 189 und 265267) mit feinen verworrenen Angaben uberhaupt keine 
derartige gefdiichtliche Frage beantworten. Audi der angeblich urn 
117 120 abgefagte Barnabasbrief foil in c. 16, 4 v>~v xnl arm). <,i twv 
e-/&()iav vnrjQimt n.voixnSonrj6ov6tv airov auf den heidnijchen Tempelbau 
in Jerufalem unter Hadrian gehen. Allein der Verfaffer des nadi c. 4 
zur Zeit Nervas abgefagten Briefes fpricht uberhaupt von keinem fteinernen 
Tempel, fondern von einem Tempel in den Herzen der Glaubigen (vgU 
O. Bardenhewer, Qefch. der altkirdilichen Literatur, 1. Bd., Freib. 1902^ 
S. 92-95). Wenn aber Chrys. Orat. adv. Judaeos V, 10 fagt, die 
Juden hatten dreimal verfudit, den Tempel wieder aufzubauen, unter 
Hadrian, Konftantin und Julian (vgl. auch die fpateren Georgius Cedrenus 
ed. Bekker 1, 437 und Niceph. Call. HE. 3, 24, Migne PG. t. CXLV, 
p. 943), fo wird hier auf die EmpOrung der Juden und ihren damaligen 
Verfudi, den Tempel zu bauen, Bezug genommen. Das Chronicon 
paschale ed. Dindorf I, 474 behauptet, Hadrian habe nach Unterdruckung 
des Aufftandes, den es iibrigens irrtumlich ins Jahr 119 n. Chr. fetjt, den 
jiidifchen Tempel zerftort. Epiphan. De mensuris et ponderibus 14 
fagt, Hadrian habe ,47 Jahre nach der Zerftflrung der Stadt, als er auf 
feinen Reifen nach Jerufalem gekommen ware das ware alfo im 
Jahre 117 gewefen befohlen, die Stadt (nicht den Tempel) wieder 
aufzubauen. Wenn das uberhaupt etwas heijgen foil, kann es fich nur auf 
fpatere Reifen Hadrians beziehen, da diefer erft im Jahre 117 zur Re- 
gierung kam. 

) Vgl. Gregorovius I. c. S. 38 f. 



VIII. Kap. Die letjten vergeblichen Kampfe der Juden. 307 

Hadrian hat aber, wahrfcheinlidi ohne es zu wollen, 
durdi zwei Beftimmungen die Juden fo gereizt, daft der Auf- 
ftand erfolgte. Die eine Beftimmung war allgemeiner Art. 
Er befahl namlich, nadidem fchon Domitian die Kaftrierung 
als ein ftrafbares Verbredien erklart hatte, 1 ) diefelbe wie 
Mord zu beftrafen. 2 ) Allein die Befchneidung wurde mit der 
Kaftrierung auf gleidie Stufe geftellt 3 ) und fomit war durdi 
dies Gefetj das Judentum in f einem Beftand bedroht. Es 
ent(prieht diefem Tatbeftande, dafc der Biograph Hadrians 
als Urfache des judifchen Aufftandes das Verbot der Befchnei- 
dung angibt. 4 ) Die andere Beftimmung forderte die Juden 
nodi direkter heraus. Es war der Befehl des Kaifers, der 
auf feinen Reifen durdi das Reich im Jahre 130 nach Pala- 
ftina gekommen war, in Jerusalem eine heidnifche Stadt als 
romifche Kolonie mit einem Jupitertempel zu grunden. 5 ) 
Sieher hat er zunachft an die Bedurfniffe des Legionslagers 
ZH Jerufalem, deffen Veteranen ja bei der Neugriindung zu- 
erft zu berudtfichtigen waren, gedacht und fidi von feiner an 
Jo vielen Orten betatigten Bauluft leiten laffen. 6 ) 

Die Juden hielten fidi aber nur fo lange ruhig, wie Ha- Der Aufftand 
drian in Agypten und Syrien weilte. Sobald er den Often unter der 

Fahrung des 

!) Dio Cass. 67, 2. Sueton. Domit. 7. Barkochba. 

2 ) Vgl. Ulpian, Digest. XLVIII, 8, 4, 2: Divus Hadrianus rescripsit: 
Constitutum quidem est, ne spadones fierent, eos autem, qui hoc crimine 
arguerentur, Corneliae legis [de Sicariis et veneficis] poena teneri. 

3 ) Vgl. Modestinus, Digest. XLVIII, 8, 11: Circumcidere Judaeis filios 
suos tantum rescripto divi Pii permittitur (Antoninus Pius [138 - 161] ift 
der Nachfolger Hadrians, der eben wegen des Aufftandes diefe Ausnahme 
fur die Juden gemacht hatte; fur die Samariter beftand das Gefetj Ha- 
drians noch zur Zeit des Origenes, vgl. Orig. c. Gels. 2, 13), in non 
eiusdem religionis qui hoc fecerit, castrantis poena irrogatur. Vgl. fiber 
die diesbezuglidie Gefetjgebung der ROmer Jufter I, 263271, 2, 194 s. 

*) Vita Hadriani c. 14: moverunt ea tempestate et Judaei bellum, 
quod vetebantur mutilare genitalia. Vgl. Mommfen RG. V, 549. 

B ) Hadrian war im Jahre 130 in Syrien, im November 130 in Agypten, 
danadi alfo 131 wieder in Syrien, wie bereits Eckhel, Doctrina Numorum 6, 
489491, dem die Neueren, auch Clinton, Fasti Romani I, p. 114 sqq. 
zu den Jahren 129 131, folgen, zeigt. Dio Cass. 69, 12, der die Grfin- 
dung von Aelia Capitolina zu Jerufalem und die Errichtung des Jupiter- 
tempels als Grund des Aufftandes angibt, fetjt voraus, dag beim Ausbruch 
des Aufftandes der Bau fdion begonnen hatte. 

6 ) Vgl. Mommfen RG 5, 544 f. 

20* 



308 Erfter Abfchnitt. Die politifche Ciefchichte der Juden etc. 

verliefc 1 ) und fich nadi Athen begab, im Jahre 132, 2 ) brach 
der Aufftand aus, der, da er von den Juden der ganzen 
Welt unterftutjt 3 ) wurde, an Dauer und Furchtbarkeit felbft 
dem unter Vefpafian nicht nachftand. Vergebens fuchte der 
Statthalter Tineius Rufus von Judaa den Aufftand durch Aus- 
rottung ganzer Ortfchaften mit Mannern, Weibern und Kin- 
dern 4 ) niederzutreten. Selbft Jerufalem fiel in die Hande 
der Aufruhrer. 5 ) An der Spitje der Emporer ftand ein durch 
gewaltige Korper- und Willenskraft fidi auszeichnehder Mann 
namens Simon, 6 ) welcher bei den chriftlidien Vatern den 
Namen Kocheba oder gewohnlieher Barkochba, d. h. Stern 
Oder Sternenfohn fiihrt, 7 ) wie fieri denn auch Barkochba 



*) Dio Cass. 69, 12. 

a ) Auch Euf. Chron. ed. Scheme II, 166 sq. fetjt den Aufftand in das 
16. Jahr des Hadrian, alfo 132/133. 
3 ) Dio Cass. 69, 13. 
*) Euf. HE. 4, 6. 

5 ) Dies folgt aus der Angabe Appians (De rebus Syriacis 50), dag 
Hadrian abermals die Stadt Jerufalem zerftorte (vgl. Mommfen RQ 5, 
545, 2), und aus den Mtinzen (vgl. die judifchen Aufftandsmiinzen bei Madden, 
Coins of the Jews, p. 188206 und 230246; vgl. auch Levy, Gefch. der 
jtid. Munzen, S. 83131). Denn man kennt Silber- und Kupfermunzen von 
urfpriinglich romifchem Qeprage, welche auf der einen Seite die Auffchrift 
Simon, auf der andern die ,,lecheruth Jeruschalem" = ,,der Freiheit 
Jerufalems" tragen und fomit die Befreiung Jerufalems auf Simon zuriick- 
fuhren. Vgl. Madden, p. 233-241; Levy, Gefchichte, S. 93-96, 105-108. 
Die verfchiedenen Auffaffungen iiber das Alter der judifchen Aufftands- 
munzen f. bei Schurer I, 765772; vgl. auch Kennedy, art. Money in 
Hastings D. Ill, p. 430 f. 

6 ) Vgl. Anm. 5. 

7 ) So heigt er bei Juftinus Apol. I, 31 und Euf. HE. 4, 6. Euf. Chron. 
ed. Sehone II, 168 sq. nennt ihn Chochebas. In den rabbinifchen Quellen 
heigt er Barkofiba oder Benkofiba = Sohn des Kofiba, fei es nun, dag 
unter Kofiba fein Vater oder feine Heimat verftanden ift. Vgl. Derenbourg, 
p. 423, 3 und Schurer I, 683. Erft in fpaterer Zeit (vgl. den nach Zunz, 
Vortragen, S. 189191 nicht vor der zweiten Halfte des 7. Sakulums 
abgefchloffenen und von Wunfche L. 1881 tiberfetjten Midrafch Echa rabbati, 
S. 100) erklarte man den Namen im Sinne von ,,Sohn der Luge", indem 
man ihn Benkoseba (rCTiS = liigenhaft, vgl. Levy, Neuhebr. WOrterb. II, 
312) nannte. Ein Schriftfteller des 8. Jahrhunderts, Georgius Syncellus, 
Corpus Scr. hist. Byzant. t. I, p. 660 fagt: Der Befehlshaber des Auf- 
ftandes der Juden war ein gewiffer Chochebas, der einzige Sohn, der 
mit Stern" in der Oberfetjung wiederzugeben if 



VIII. Kap. Die le^ten vergeblichen Kampfe der Juden. 309 

felbft ffir einen ,,Stern vom Himmel" ausgab. 1 ) Fiir den 
Aufftand war befonders der beriihmte erfte Gefetjeslehrer der 
damaligen Zeit, der Rabbi Akiba, tatig. Diefer foil audi den 
Simon als den Meffias, den Konig Ifraels bezeidinet haben, 
indem er die Stelle der Heiligen Schrift 2 ) von dem Sterne, 
der aus Jakob aufgehen werde, auf ihn deutete. 3 ) 

Damals erfullte fieri das Wort der Heiligen Schrift: 4 ) ,,Ich 
bin in meines Vaters Namen gekommen und ihr nehmet mien 
nicht an. Wenn ein anderer in feinem Namen kommt, den 
werdet ihr annehmen." Denn ganz Ifrael nahm den Simon 
auf, obwohl er weder davidifchen Gefchlechtes war, nodi 
Wunder tat, 5 ) noch fich durch befondere Frommigkeit aus- 
zeichnete, wahrend die Chriften in Judaa, welche den Pfeudo- 
meffias nicht anerkennen wollten, von ihm mit fdiweren 
Strafen heimgefucht wurden. 6 ) 

Der Aufftand verbreitete fich bald uberall hin, fo dag Derromifche 
fchliefclich ,,die ganze Welt in Bewegung war". 7 ) Hadrian FeidherrJu- 
mugte, um des Aufftandes Herr zu werden, den beften romi- hus Severus 
fchen Feldherrn, Julius Severus, aus Britannien herbeirufen. 
Und auch diefem gelang die Unterdruckung des Aufftandes 



ai; n?, o novoyevtja yysiTo, o? epfievsvero atfriff). Theodor Reinadi, 
Monnaies juives 1888, p. 57, 1 bemerkt zu o novoyevrc n i\ est possible, 
que se cache le mot '/^tfo^o'voyei^'?, descendant des Asmoneens. Clermont- 
Qanneau, Barcochebas o fiovoyevys," Rb 1920, 540555 halt zwar die 
Korrektur palaographifch fiir moglich, will aber felbft ftatt o novnyev*j? 
das eine Wort opotoysvqs oder onoyevfe lefen. Dann ware der Sinn ,,qui 
est de meme race", d. h. die Juden waren befehligt von Barchochba, 
der felbft ein Jude war. 

*) Bus. HE. 4, 6. 

2 ) Num. 24, 17. 

3 ) Jer. Taanith, fol. 68 (deutfdi bei Wiinfdie, Der jerufalemifche 
Talmud, Zurich 1880, S. 157). 

*) Joh. 5, 43. 

5 ) Nach Hier. Contra Rufinum 3, 31 hatte Barkochba auch durch angeb- 
liche Wunder, fpeziell durch Feuerfpeien, die Menge betort (,,Stipulam in 
ore succensam anhelitu ventilabat, ut flammas evomere putaretur 1. c.). Die 
judifchen Quellen fagen von Wundern nichts. Vgl. Klausner, Die meffian. 
Vorftellungen des judifchen Volkes im Zeitalter der Tannaiten, Berlin 
1904, S. 5. 

B ) Justin. M. Apol. I, 31. Bus. Chron. ed. Schone II, 168 sq. 

7 ) Dio Cass. 69, 13. 



310 Erfter Abfchnitt. Die politifche Gefchichte der Juden etc, 

nidit durdi eine grofce Schladit, fondern er mufcte einen Ort 
nach dem andern erobern. Wir lefen von 50 Feftungen, 
weldie genommen, von 985 Ortfdiaften, weldie befetjt wur- 
den, von 580000 Menfchen, welehe in diefem Aufftande um- 
gekommen find. 1 ) Bis zuletjt hielt fidi die ftarke Bergfefte 
Beth-ther, in der Nahe von Jerufalem, 2 ) (das heutige Bittir, 3 ) 
eine Station der Bahn von Jafa nadi Jerufalem, 11 km fud- 
weftlidi von Jerufalem). Audi fie wurde aber im 18 Jahre 
Hadrians, 4 ) im Jahre 135, 5 ) erobert und Barkodiba felbft 
bei der Eroberung getotet. 6 ) 

Faft ganz Judaa war eine Einode geworden. 7 ) Die 
zahlreidien uberlebenden Gefangenen wurden auf offentlidien 
Markten zu geringen Preifen verkauft. 8 ) Aber audi die R6- 
mer batten fo grofce Verlufte erlitten, daft Hadrian in feinem 
Beridite an den Senat die ublidie Eingangsformel, dag er 
und das Heer fidi wohl befanden, wegliefc. 9 ) 

Grundung Nadidem die erfte Griindung einer neuen Stadt auf dem 

von Aeiia Boden Jerufalems dureh den Krieg eine fo blutige Unter- 

Capitoiina. brechung gefunden hatte, liefc Hadrian nach dem Kriege mit 

begrimdeter Hoffnung auf Erfolg die neue Stadt bauen, 

Aelia Capitolina, 10 ) weldie die Verfaffung einer romifdien Kolo- 

nie erhielt. 11 ) Alia hiefj fie zu Ehren Hadrians, deffen Fami- 

lienname Alius war, 12 ) Capitolina zu Ehren des capitolinifdien 



x ) Dio Cass. 69, 13. 14. 

2 ) Euf. HE. 4, 6. 

3 ) Vgl. u. a. Clermont-Qanneau, Etudes d'archeologie orient. I, 141 s. 
*) Euf. HE. 4, 6. Das 18. Jahr Hadrians erftreckt fich vom 11. Auguft 

134 bis 11. Auguft 135. 

B ) Vgl. Anm 4. Aus Anlag der Beendigung des Krieges hat Hadrian 
den Titel n zum zweitenmal Imperator" (hnpferator] II) angenommen, den 
er im Jahre 134 in einem Militardiplom vom 15. September 134 (CJL. Ill, 
p. 878 = CJL. X, n. 7855) noch nicht fQhrt. Vgl. Sdiiller, Gefch. d. r. 
Kaiferz. I, 614, 4; Schurer I, 697, 139.) 

6 ) Euf. HE. 4, 6. 

') Dio Cass. 69, 14. 

8 ) Hier. ad Zachar. 11, 5 (Ed. 2 Vallarsi 6, 885); ad Jerem. 31, 15 
(1. c. 4, 1065). 

8 ) Dio Cass. 69, 14. 
10 ) Dio Cass. 69, 12. 

n ) Vgl. Ulpian, Digest. L, 15, 1, 6: In Palaestina duae fuerunt colo- 
niae, Caesariensis et Aelia Capitolina, sed neutra jus Italicum habet. 

) Euf. HE. 4, 6. 



VIII. Kap. Die letjten vergeblichen Kampfe der Juden. 311 

Jupiter, dem nun auf dem Tempelpla^e felbft ein Tempel 
erriditet wurde. 1 ) Dort ftand audi eine Bildfaule Hadrians. 2 ) 
Die Heidendiriften durften fidi in Alia niederlaffen, wo fie Heiden- 



von nun an unter heidenchriftlichen Bifchofen wohnten. 3 ) Es & T W en in 

A <%1 1 o ' 

mag dies damit zufammenhangen, dafc Hadrian im Verhalt- c& itolina 

nis zu andern Kaijern fidi den Chriften gunftiger erwies und, 

wenn er auch nicht, wie behauptet worden ift, durdi fein 

Edikt an Minucius Fundanus 4 ) den Chriftusglauben geradezu 

freigab, den Magiftratsperfonen doch damit die Moglidikeit 

bot, die Anklagen gegen die Chriften zu erfchweren und 

zuriickzudrangen. 5 ) 



') Dio Cass. 69, 12. In einem Fragment des Hippolytus zu Matth. 
24, 15 f., welches in dem fyrifchen Kommentar des Dionyfius bar Salibi 
in Apocalypsim, Actus et Epp. catholicas (= Corpus script. Christ, 
orient. Scriptores syri. Series II Tom. C I., ed. J. Sedlacek, Paris 1909) 
erhalten ift (vgl. auch den fyrifchen Text in Qwynn, Hermathena, A series 
of papers etc. Dubl. VII, 1890 p. 137150; fodann Hippolytus Werke, 
herausg. von Achelis, L. 1897, I, 2, p. 244 ff.) heigt es nach der latein. 
Uberfetjung von Sedlacek (1. c. Tom. C I, 1910): ,,Et Vespasianus non 
erexit idola in Templo, sed ilia legio quam collocavit Trajanus Quintus, 
vir nobilis Romanorum, erexit ibi idolum, quod vocatur Kore." Nach der 
Oberfeijung von Clermont-Qanneau, Recueil VI (1905) p. 1945 ware zu 
lefen: Quietus, Befehlshaber der ROmer, errichtete dort ein GOtjenbild." 
Dag nicht Quietus, fondern Quintus z. 1. ift, fcheint nach Qwynn, Achelis 
und Sedlacek zweifellos. Schurer hat gemeint, 1, 3. u.4. Aufl., S. 701, unter 
Trajanus Quintus fei der Kaifer Decius verftanden, es liege hier eine 
fpatere Gloffe eines Lefers aus der decianifchen Verfolgungszeit vor. 
Das ift aber nach der Oberfetjung von Sedlacek unnOtig ,,M6glich ift 
auch", wie E, Neftle, Th. Ltztg. 1911, 13 Sp. 397 fagt, ,,mit Annahme eines 
Anakoluths zu uberfe^en: fondern (bei der) Legion, welche Trajan fandte, 
errichtete Quietus ein Bild der Kore." 

2 ) Vgl. Hier. Comm. in Ifai. 2, 9 (Vallarsi 4, 37) und Hier. Comm. 
in Matth. 24, 15 (Vallarsi VII, 194). Auch Chrys. adv. Judaeos V, 11 
fpricht von einer Statue Hadrians. Der Pilger von Bordeaux (Itin. Hier. 
ed. Qeyer, p. 22) fagt allerdings: sunt ibi et statuae duae Adriani. Das 
ift ein Irrtum, wozu er durch die Auffchriften zweier zu f einer Zeit dort 
befindlichen Statuen gekommen war, wovon die eine dem Trajanus 
Hadrianus und die andere dem Aelius Hadrianus Antoninus gewid- 
met war. Vgl. Clermont-Qanneau, Recueil VI, 1905, p. 194. 

3 ) Euf. HE. 4, 6. 

*) Vgl. dasfelbe bei Juftin. M. Apol. I, 69 und bei Euf. HE. 4, 9. 

5 ) Vgl. u. a. Wehofer, Die Apologie Juftins des Philofophen und 
Martyrers in literarhiftorifcher Beziehung zum erftenmal unterfucht 
(=6. Supplem. der R5m. Quartalfchrift), Rom 1897, S. 52 ff.; Callewaert, 



312 Erfter Abfchnitt. Die politifche Qefdiichte der Juden etc. 

Den Juden ift Den Juden war es bei Todesftrafe verboten, uberhaupt 

das Wohnen das Gebiet von Alia zu betreten. 1 ) 

m Aeha Capi- g r ^ j n jpaterer Zeit erlangten die Juden wenigftens die 



tomaver- Vergiinftigung, einmal im Jahre, am Tage der Zerftorung 
der Stadt, diefelbe befudien zu dtirfen. So war es audi in 
der Zeit des Hieronymus, der erzahlt, 2 ) wie damals die Juden 
fur Geld fich die Erlaubnis kaufen mufcten, auf den Trummern 
Jerufalems weinen zu durfen. ,,An dem Tage," fagt er, ,,an 
weldiem Jerufalem von den Romern genommea und zerftort 
wurde, fieht man eine klagende Menge. Abgelebte Frauen 
und alte Manner in Lumpen ftromen zufammen . . ., um fiber 
die Trummer des Tempels zu klagen . . . Aber wahrend 
nodi ihre Wangen feudit von Tranen find urid fie mit aus- 
geftredkten Armen und aufgeloften Haaren beten, erfcheint 
der Soldat und verlangt feinen Lohn dafur, dafc er fie noch 
langer weinen lagt." 

Heutzutage geht kein Jude auf den Tempelplatj, um 
nicht irgendwo auf die Stelle des Allerheiligften zu treten. 
Aber Freitags abends und an hohen judifchen Fefttagen 
kommen fie zu der Klagemauer, traurig die alien Steine 
kuffend, und betend, dafc der Herr fidi Zions erbarme und 
die trofte, welche trauern uber Jerufalem. 



Le rescrit d'Hadrien a Minucius Fundanus. Rev. d'hist. et de litterature 
religieuses, Paris 1903, Tome VIII, p. 152-189. 

J ) Juftin, Apol. I, 47; Dial. c. Tryph. c. 16. Arifto von Pella bei 
Euf. HE. 4, 6 u. a. Unter Zugrundelegung- fchriftlidier Nadirichten und 
aufgefundener alter Refte hat H. Vincent, Jerusalem, Paris 1914, 2, 1-81 
ein grogartiges Bild der romifchen Kolonie Aelia Capitolina gezeiehnet. 

2 ) Hier. in Sophon. 1, 15 sq. (ed. Vallarsi VI, 692). Der Pilger 
von Bordeaux (ed. Geyer, p. 22): ,,Nicht weit von den Statuen (des 
Hadrians) ift ein durchlocherter Stein, den alljahrlich die Juden falben 
und klagend mit ihren Tranen benetjen. Dann zerreigen fie ihre Kleider 
und entfernen fich wieder." Vermutlich ift der 17,7 m lange, 13,5 m 
breite und 1,252 m fiber demBoden fich erhebende Pels in der heutigen 
fog. Omarmofchee oder der Kubbet es Sachra, d. h. dem Felfendom ge- 
meint, auf welchem nach der judifchen Tradition (vgl. z B. Art. Jerufalem 
im Kirchenlexikon 6, 1330 f ) Melchifedech geopfert haben foil, und auf 
welchem wohl der groge Brandopferaltar geftanden hat. 



Z weiter Abfchnitt. 

Die innern fozialen und fittliehen 

Zuftande des jiidifchen Volkes in der 

neuteftamentlichen Zeit. 



IX. Kapitel. 

Die Verfaffung der jiidifchen Stadte Palaftinas. 
Der Hone Rat zu Jerufalem. 

1. Die Verwaltungsbezirke. 

Das Neue Teftament unterfcheidet zwar 1 ) zwifchen Fiecken Fiecken und 
wie z. B. Emmaus, Bethlehem, Bethanien und Stadten Stadte. 
wie z. B. Nazareth, Kapharnaum und Nairn. 2 ) Es ift 
aber keine fcharfe Unterfcheidung , wodurch etwa eine Ver- 
fchiedenheit der Verfaffung hervorgehoben werden foil, fon- 
dern eine populare, fchwankende. 3 ) Geradefo verhalt es fich 
ubrigens auch mit Jofephus, der z. B. die fehr bevolkerte 
und mit Mauern umgebene Ortfchaft Japha in Galilaa einen 
Fiecken nennt. 4 ) 

In Judaa hat es zur Zeit des Jofephus elf Toparchien Die 
Oder Verwaltungsbezirke, die mit unfern Kreifen Ahnlichkeit Topardiien 
haben, gegeben. Es wird namlich von den betreffenden 



x ) S. das Material fchon bei Winer RWB., Art. Stadte *II, 510. 

2 ) Vgl. Luc. 7, 11. 24, 13. Job. 7, 42. 11, 1 etc. In Marc. 1, 38 
wird fogar von xw/*o7ro'A? geredet, d. h. Marktflecken, Orten, die an 
Gr6ge und Einwohnerzahl Stadten ahnlich waren. 

3 ) Z. B. Bethfaida heifct Marc. 8, 23 xoi^, Job. 1, 44 noliq.. 

4 ) Jos. Vita 45. Vgl. auch Ant. 20, 6, 2, wo Lydda ein Fiecken 
heigt, der einer Stadt an GrOge nichts nadigab. Gifchala wird B, J. 4, 
2, 1 ein Stadtdien aotixvri genannt; ebenfo Engaddi B. J. 4, 7, 2, ob- 
wohl es nach B J. 3, 3, 5 wie Lydda Sitj einer Toparchie war. 



3 1 4 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Kreisftadten ausdriicklich gefagt, da& ihre Umgebung ihnen 
untergeordnet gewefen ift. Die Namen der elf Topardiien 
find Jerufalem, Gophna (an der Strafe von Jerufalem nadi 
Neapol s, das heutige Dfdiifna), 1 ) Akrabatta (fudoftlich von 
Neapolis, jetjt Akrabeh), 2 ) Thamna (das heutige Tibne, 
zwifchen Akrabeh und Lydda), 3 ) Lydda, 4 ) Ammaus 5 ) (oder 
Emmaus, fudoftlich von Lydda, das heutige Amwas), Idumaa, 6 ) 
Engaddi 7 ) (am Weftufer des Toten Meeres), Herodeion, 8 ) 
Jericho. 9 ) Weitere Kreisftadte waren in derfelben Zeit im 
Weften Judaas Jamnia JO ) und Joppe 11 ), wahrend fur das 
Gebiet des Konigs Agrippa vier Topardiien erwahnt find, 
Gamala, Gaulanitis, Batanaa und Tradionitis. Vermutlidi hat 



>) Vgl. auch B. J. 1, 1, 5. 2, 20, 4. 4, 9, 9. 

2 ) Vgl. auch B. J. 2, 12, 4. 20, 4. 22, 2; 3, 3, 4; 4, 9, 3-4 und 9. 

3 ) Vgl audi Jos. B. J. 2, 20, 4. 4, 8, 1. Nodi zur Zeit des Eufebius 
zeigte man in Thamna das Grab des .Tofue. Vgl Bus. Onom. ed. Klofter- 
mann, p. 70 und p. 100 und Hier. Ep. 108 ad Eustochium c. 13. 

*) Vgl. auch B. J. 2, 20, 4. S. o. S. 56. 
E ) Vgl. auch B. J. 2, 20, 4. S. o. S. 59 f. 

6 ) JOS. B. J. 3, 3, 5 hat ,,xai 'Annauvs xot IJ&lr] xal 'ISovftctia' 1 . Da 

aber Pella in Peraa liegt, fcheint ein Textverderbnis vorzuliegen und ift 
vielleicht zu lefen xal y Be&kenzriqni>v ev 'Idovftaia. Denn nach B. J. 4, 8, 1 
begab fich Vefpafian von Ammaus ,,lnl ryv Be&lenrijqxuv Tonaqxia.?" 
Diefe ift aber nach dem Zufammenhange 1. c. identifch mit Idumaa. Denn 

6S heiftt alsbald: Ilvql de avrijv re xai TIJV yetrvtoJOav aveAwr, xai let 

TIJ? J It)en;,uata? ipQQVQia, rot? InixalQoit; TOTIOI? eneTel%i6e. 

Se d'vo xtopct? tat; ^6tniTara.q T^? *Idov(ia.ittt; .... ai?ro? . 

ek 'Ani*a.ovvra. Es ware dann auch' B. J. 3, 3, 5 ueyiterai d'e ek Svdexa 

**.*iQovxla<; zu verbeffern in ? di-/.a. etc. Auch Plinius N. H. 5, 14 fagt, 
dag Judaa in 10 Toparchien eingeteilt worden: n Hiericuntem . . . Em- 
maum, Lyddam, Jopicam, Acrabatenam, Qophaniticam, Thamniticam, 
Betholeptephenen, Orinen, in qua fuere Hierosolyma . . . Herodium cum 
oppido inlustri eiusdem nominis." Es find diefelben wie bei Jofephus, 
nur dag hier Engaddi ausgelaffen und Joppe genannt wird. Schurer II, 
230 will an Stelle -Fellas bei Jofephus Bethletepha lefen, welches nach 
feiner Auffaffung von B. J. 4, 8, 1 zwifchen Emmaus und Idumaa gelegen 
habe und vielleicht (Schurer II, 232, 37) mit dem heutigen Bet-Nettif 
identifch fei. An Bethleptepha erinnert das heutige Beth-palet-phelet 
Oftlich von Beerfeba. 

7 ) S. o. S. 52. 

8 ) S. o. S. 130 und S. 110. 

9 ) Vgl. auch B. J. 2, 20, 4. S. o. S. 48. 
") S. o. S. 57 ff. 

") S. o. S. 55. 



IX. Kap. Die Verfaffung der jiidifchen Stadte Palaftinas. 315 

auch vor der hier gefchilderten Zeit des Konigs Agrippa II. 
eine ahnliche Einteilung beftanden, da fchon das erfte Makka- 
baerbuch drei Toparchien von Samaria kennt. 1 ) 

2. Die Ortsbehdrden und Lokalgerichte. 

Sowohl fur die friihefte Zeit der Gefchichte Ifraels wie Die alte f ten 
fur die Zeit der Konige und die nadiexilifche Zeit nennt das 
Alte Teftament M die Alteften der Stadt" als Vertreter de 
Gemeinden 2 ) und als Ortsobrigkeit mit riditerlidier und poli- 
zeilicher Gewalt. 3 ) Deshalb ift es felbftverftandlich , dafc es 
fidi geradefo wenig wie bei den romifchen Senatoren not- 
wendig um an Jahren vorgeriickteren Mannern gehandelt 
hat, fondern dag der Name ,,die Alteften" ein Amts- und 
Ehrenname gewefen ift. 

Fiir die romifdie Zeit hat nadiweislidi ein Rat (Povtf) als Die Ortsbe- 
Lokalbehorde an der Spifce der palaftinenfifchen Gemeinden 
geftanden, weldiem auch die Polizeigewalt zukam. 4 ) Ver- 
mutlieh hat diefer Rat gewohnlich auch die Funktionen des 
im Neuen Teftament 5 ) erwahnten Ortsgerichts oder des Syne- 
driums des betreffenden Ortes ausgeiibt. Schon im Buche 
Deuteronomium wird die Einrichtung von Ortsgeriehten be- 
fohlen 6 ) und macht dasfelbe Buch es klar, dafc die Richter 
eben die Alteften 7 ) oder der Gemeindevorftand gewefen find 
Jofephus umfchreibt die Vorfchrift des Deuteronomiums in 
der Weife, wie fie zu feiner Zeit von den Pharifaern gelehrt 
und ohne Zweifel auch praktifch geiibt wurde. Er fagt nam- 
lich: ,,In jeder Stadt follen fieben tugendhafte und gerechtig- SiebenRich- 
keitsliebende Manner den Gemeindevorftand bilden, welchem ter m j eder 
zwei Leviten als Diener beigegeben werden follen. Die- Gemeinde - 



!) 1 Mace. 11, 28. 

2 ) Deut. 19, 12. 21, 3. 6. 22, 15. 1 Sam. 11, 3. 16, 4. 1 K6n. 21, 
8. 11. Esdr. 10, 14. 2 Mace. 14, 37. 

3 ) Deut. 22, 15 ff., 25, 7 f. Ruth 4, 2 ff. Judith 10, 6. 

*) Vgl. Jos. B. J. 2, 14, 1, der von Raubern redet, die von ihrer 
OrtsbehOrde (vno rf^ na,^ extfTot? ^vA^?) in Gefangnis geworfen wurden. 

5 ) Matth. 5, 22. Vgl. Matth. 10, 17. Marc. 13, 9. 

8 ) Deut. 16, 18. 

7 ) Vgl. Deut. 21, 19. 22, 15. 25, 7. In fehwierigen Fallen follen aber 
die Priefter befragt und ihr Ausfpruch als verbindlich angefehen werden. 
Deut. 17, 8 f. 19, 17. 21, 5. 



316 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

jenigen, die in den einzelnen Stadten Redit fpredien, foil 
man in Ehren halten und deshalb in ihrer Gegenwart weder 
fchmahen, nodi fonft etwas Unziemliches tun." l ) Audi konnte 
entweder von den Parteien appelliert werden oder vom Orts- 
gericlite felbft eine Rechtsfache direkt ,,an die heilige Stadt" 
verwiefen werden und dort ,,der Hohepriefter, der Prophet 
und die Geroufia fidi verfammeln und naeh ihrem GutdiinkeH 
entfcheiden." 2 ) Dem entfpricht es audi, daft, als Jofephus 
Statthalter von Galilaa war, er in jeder Stadt fieben Riditer 
zur Entfdieidung unwiditiger Streitigkeiten einfetjte, die wieh- 
tigeren Angelegenheiten und die peinlichen Falle aber fidi 
felbft und einer Behorde von 70 Alteften vorbehielt. 3 ) 

Fur die fpatere Zeit bemerkt die Mifchna, daft ein Lokal- 
gericht (Synedrium) aus 23 Mitgliedern beftehe. 4 ) Zugleidi 
zahlt fie aber auch eine Reihe von Fragen auf , zu deren 
Entfcheidung drei Perfonen geniigen, z. B. bei Geldprozeffen, 
Drei Riditer. bei Raub und korperlidien Verletjungen. 5 ) Letjteres mag 
audi fchon in fruherer Zeit fo gewefen und dabei an einen 
Riditer mit zwei Beifitjern zu denken fein. Denn wenn 
Jefiis im Gleidmis ermahnt, fidi mit dem Glaubiger auf dem 

) Ant. 4, 8, 14. In Ant. 4, 8, 38 und B. J. 2, 20, 5 wird wohl 
von den 7 Richtern, aber nicht von den Dienern geredet. Dag es (ich 
um Diener und nicht etwa um 2 levitifche Beifitjer, wie z. B. Baudissin, 
art. Priests and Levites in Hastings IV, 97 meint, handelt, ergibt fich aus 
dem Ausdrucke vjttj^srri? (Luc. 4, 20 gebraudit ihn von Synagogen- 
dienern) und aus Siphre Deut. P. 15 (f. 68 ed. Friedmann), wo von Le- 
viten, die mit dem Riemen fchlagen (bei der Geiglung) geredet wird. 
Vgl. H. Weyl, Die judifchen Strafgefetje des Flavius Jofephus in ihrem 
Verhaltnis zu Sdirift und Halacha (Diss.), Berlin 1900, S. 16. 

2 ) Ant. 4, 8, 14. 

3 ) B. J. 2, 20, 5. Er tut allerdings fo, als ob er die ganze Einrich- 
tung iiberhaupt erft getroffen hatte, was von dem Rate der Siebzig fur 
jene Zeit richtig fein mag. In friiherer Zeit hatte einmal der romifche 
Feldherr Gabinius (f. o. S. 102 f.) zu Sepphoris fur Galilaa ein Synedrium 
eingerichtet. Ant. 14, 5, 3. Vgl. B. J. 1, 8, 5. 

4 ) Sanhedrin I, 6. Vgl. Selden, De synedriis et praefecturis juri- 
dicis veterum Ebraeorum libri tres. Ed. nov. Francofurti et Lipsiae 
1734, II, 5. 

5 ) Sanh. I, 1. Vgl. Selden II, 10, 4. Schflrer II, 225 meint hingegen, 
es fei nirgends in der Mifchna gefagt, dag es Ortsgerichte gegeben 
habe, welche aus 3 Perfonen beftanden. .Die kleinften OrtsbehOrden 
hatten aus 7 Perfonen beftanden, wofur er fidi dann auf Jos. Ant. 4, 
8, 14 beruft. Es find aber die verfchiedenen Zeiten auseinanderzuhalten. 



IX. Kap. Die Verfajfung der judifchen Stadte Palaftinas. 317 

Wege zu vertragen, fo redet er von dem Richter, vor den 
fonft der Schuldner gefchleppt werde. 1 ) 

Zur gerichtlidien Feftftellung des Tatbeftandes waren 
mindeftens zwei Zeugen notwendig. 2 ) Audi mufjte dem 
Riditerfpruch eine gerichtliche Unterfuchung und ein Verhor 
vorausgehen. 3 ) 

Zur Zeit Chrifti hatten folehe Lokalgeriehte fogar (in 
erfter Inftanz) fiber fo fdiwere Kriminalfalle wie Mord zu 
entfcheiden. 4 ) 

Gewifc war mit der romifchen Herrfchaft unter den Land- Schommg der 
pflegern zunachft in Judaa, Samaria und Idumaa feit der einheimifdien 
Abfetjung des Archelaus der romifche Landpfleger audi der Behorden 
hochfte Richter im Lande. Allein wie die Romer iiberail 
die Eigentiimlidikeiten der ihnen unterworfenen Provinzen 
fchonten, fo haben fie es befonders auch in Judaa getan. 
Die einheimifdien Gerichte, fowohl die jiidifchen Lokalgeriehte 
wie der oberfte iiidifdie Gerichtshof, das Synedrium oder 
der Hohe Rat in Jerufalem, blieben beftehen, 5 ) wie denn 
iiberhaupt die einheimifchen Behorden in Samaria, in Ca- 
farea und namentlich in Jerufalem ein gropes Mag von 
Rediten behielten. 6 ) 

3. Der Hohe Rat zu Jerufalem. 7 ) 

Eine Behorde von Alteften mit Strafgewalt hat allem Gefchichte des 
Anfcheine nach fchon in der perfifchen Zeit zu Jerufalem be- judifchen 
Rates bis auf 

x ) Matth. 5, 25. Vgl. auch Luc. 18, 5 von dem Richter, welcher Archelaus. 
fchliefclich der Witwe recht gibt, weil fie ihm iiberlaftig ift. 

*) Deut. 17, 6. 19, 5. Jos. Ant. 4, 8. 15. Vita 49. Matth. 18, 16. 

3 ) Deut. 17, 413. 19, 16-20. Jos. Ant. 4, 18, 15. Joh. 7, 51. 

4 ) Matth. 5, 21-22. Auch in der Mifchna wird den Synedrien von 
23 Mitgliedern diefe Kompetenz zuerkannt. S. Sanhedr. 1, 4 und 1, 1. 
Vgl. auch Selden II, 10, 3. 

6 ) Matth. 5, 21. 

6 ) Der Landtag von Samaria (^a^a^ewv -q povkri} wird Ant. 18, 4, 2 
erwahnt. Uber Cajarea vgl. Ant. 20, 8, 7. S. auch Mommfen RQ 5, 511 ff. 

7 ) Die talmudifche Hauptquelle ift der Traktat Sanhedrin, Text und 
lat. Uberf. in Ugolini, Thesaurus antiq. sacrarum Bd. 25. Venetiis 1762. 
S. auch M. Rawicz, Der Traktat Sanhedrin. Ins Deutfche iibertragen und 
mit erlauternden Anmerkungen verfehen. Frankf. a. M. 1892. Andere 
deutfche Oberfe^ungen f. Einl. S. 12. Vgl. das 316, 4 angefiihrte Werk 
von Selden. Langen, Das jtidifche Synedrium und die romifche Prokuratur 



318 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

ftanden. 1 ) Sidier aber exiftierte eine Geroufia, d. h. ein 
oberfter Senat in Jerufalem fowohl in der griediifchen Zeit 2 ) 
als aueh in der Zeit der Makkabaer Judas, Jonathan und 
Simon. 3 ) Als die Konigin Alexandra fchon fchwer erkrankt 
war und ihr Sohn Ariftobul fich der Feftungen bemachtigt 
hatte, gingen die ,,Alteften der Juden" mit Hyrkan, dem 
Hohenpriefter, zur Konigin und erhielten von ihr Vollmaditen, 
alles nadi Gutdunken ins Werk zu fetjen. 4 ) Unter dem 
romifchen Feldherrn Gabinius ift fpater voriibergehend das 
Land in funf voneinander unabhangige Bezirke (ffw&Qia) 
geteilt worden. 5 ) Cafar hob diefes wieder auf und ernannte 
den Hyrkan zum Ethnarchen. 6 ) Unter diefem hat der Hohe 
Rat oder das Synedrium den Herodes wegen feines gewalt- 
tatigen Vorgehens in Galiiaa zur Verantwortung gezogen. 7 ) 
Zwar hat Herodes felbft mit blutiger Gewalt den Hohen Rat 
gefaubert und die Hohenpriefter naeh Belieben ein- und ab- 
gefetst, aber er hat ihn keineswegs unterdriickt. 8 ) 
Der Hohe Rat Nadi dem Tode des Herodes und der Abfetjung des 
zur Zeit Archelaus, als die romifchen Prokuratoren von Cafarea aus 

nd re S ierten > ^ der H he Rat nidlt bl ? als Geridlts - 
> I ndern audl als ober f te Verwaltungsbehorde fo zu An- 
lehen gekornmen, dag Jofephus fagen konnte, 9 ) damals fei der 



in Judaa. Tub. Q Schr. 1862, S. 411463. Kuenen, tiber die Zu[ammen- 
jetjung- des Sanhedrin, Gefammelte Abhandlungen zur biblifdien Wiffen- 
{iiiaft, uberj. von Budde, Freib. i. B. u. L. 1894, S. 49-81. Blum, Le 
Synhedrin ou Grand conseil de Jerusalem, son origine et son histoire, 
Strasbourg 1889. Biidiler, Das Synedrion in Jerufalem und das grojge 
Beth-Din in der Quaderkammer des jerufalemifchen Tempels (IX. Jahres- 
beridit der ifraelitifdh-theol. Lehranftalt in Wien) 1902. 
J ) Esdras 10, 8. 

2 ) Die judifche ye^ovgla wird zuerft unter Antiochus dem Grogen 
erwahnt. Jos. Ant. 12, 3, 3. Vgl. 2 Mace. 11, 27. 1 Mace. 13, 36. 
Der Name awtfytov ift im 2. Jahrh. v. Chr. beglaubigt durch die Sep.tua- 
ginta des Buches der Sprichworter 31, 23. Das im Talmud gebrauchte 
Wort Sanhedrin ift nadi dem Griechifch. geformt und nadibiblifch. 

3 ) Vgl. z. B. 2 Mace. 1, 10. 1 Mace. 12, 6. 13, 36. 
*) Ant. 13, 16, 5. 

5 ) Ant. 14, 5, 4. Im B. J. 1, 8, 5 fteht dafur der Name 

6 ) S. o. S. 105. 

7 ) S. o. S. 107. 

8 ) S. o. S. 116, 

9 ) Ant. 20, 10 am Ende. Vgl. Ant 4, 8, 14. S. u. S. 319. 



IX. Kap. Die Verfaffung der jfidifchen Stadte Palaftinas. 319 

Staat ariftokratifch verwaltet worden, die Auffidit fiber das 
Volk aber dem Hohenpriefter anvertraut gewefen. Es liegt 
darin die Wahrheit ausgefprodien, dafc der Hohe Rat im 
allgemeinen diefelben Befugnifte hatte, welche den Behorden 
der von den Romern als autonom anerkannten Stadte zu- 
kamen. 1 ) Da der Hohe Rat die geiftlidie Vertretung der ge- 
famten Judenfchaft darftellte, die weltlidien Intereffen aber 
namentlidi bei den Juden in Jerufalem mit den geiftlidien aufs 
engfte verbunden waren, konnte das audi kaum anders fein. 

Sdion aus diefer allgemeinen Erwagung ift fur Jerufalem Der Hohe Rat 
an ein Nebeneinanderbeftehen einer judifchen Geroufia oder war Ver ~ 

eines Rates (jSow^), weldier die hodifte politifche Behorde waitungsbe- 
, .. . . , t i_ / 1- -~r T i- horde und 

der Stadt war, und einer andern, weldier das rehgiofe Leben Geridltsno f 

der Bewohner der Stadt und Judaas und den Tempeldien[t ZU gi e ich. 
leitete und etwa aueh als oberfter Geriditshof fungiert hatte, 
nidit zu denken. 2 ) Aber audi im Neuen Teftamente erfdieint 
das Synedrium nicht blofe als der oberfte judifche Geriditshof, 3 ) 
fondern als die oberjte politifche Behorde der Juden iiber- 
haupt, 4 ) wie denn audi Jofephus die Ausdrudce Synedrion 
und Rat ((SouAjf) als gleidibedeutend gebraudit. 5 ) 



') Vg-l. Mommfen RG 5, 511 ff 

2 ) Biichler (f. o. S. 317, 7) will zwifdien der pwM, als der Ver- 
waltungsbeh6rde Jerujalems und feiner Bewohner, dem awedpmv als 
einem Priefterkollegium, welches nur fiber Vergehen, die innerhalb des 
Tempelgebietes begangen wurden, zu entfdieiden hatte, und dem in den 
rabbinifdien Quellen oft erwahnten w grogen Sanhedrin", weldier fiber 
die Ausfuhrung der herrfchenden Anfdiauungen in Bezug auf das Opfer- 
wefen und das religiOfe Leben wachte, unterfdieiden. Lauterbach, Art. 
Sanhedrin in The Jewish Encyclopedia XI, 1905, p. 4144 unterfcheidet 
zwei Beh&rden, das rabbinifche Sanhedrin und die povlrj, der audi die 
nach Bfichler dem GwiSQmv obliegenden Funktionen zukamen. Houtsma, 
Teylers Theol. Tijdfchrift, II. Jaarg. 1904, p. 297316 lagt neben dem 
rabbinifdien Sanhedrin, welches er mit dem griediifdien ffweSytov iden- 
tifiziert, eine bejondere politifdie Behorde Jerufalems (ye^ovdla oder 
povlr.) exiftieren, welche nach ihm aus den vornehmen Prieftern und den 
Alteften beftand. Vgl. dagegen Schfirer II, 246 f. und Smith, Jerufalem I, 
418422. 

3 ) Matth. 5, 22. 26, 59. Marc. 14, 55. 15, 1. Luc. 22, 66. Apg. 5, 
21 ff. 6, 12 ff. 22, 30. 23, 1 ff. 24, 20. Apg. 5, 21 heigt es: gwndlea 

TO Owed yiov xii [=namlidl] i^tSnv rrjv yepovGictv roiv vtMv'ldycoj).. Vgl. U.S. 321. 

*} Joh. 11, 47. Apg. 4, 15. Jofeph von Arimathaa wird Marc. 15, 43 
und Luc. 23, 50 /9ovAei-r/? genannt. 

3 ) Er gebraudit den Ausdruck ewidqiov Ant. 14, 9, 3-5. 15, 6, 2 fin. 



320 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Seine In innerjiidifchen Angelegenheiten war die Kompetenz 

Kompetenz d es Synedriums felbft unter romifcher Verwaltung keineswegs 
augerhaib auf das e i gen tiich e Judaa befchrankt. So z. B. fandte es eine 

itif^xiJiQ ^^ 

Gefandtfchaft an Johannes den Taufer nadi Bethanien, jen- 

feits des Jordans, 1 ) und gab {pater dem Saulus Vollmadit, 

die Chriften auch aufjerhalb Palaftinas in Damaskus gefangen 

zu nehmen und zur Aburteilung nach Jerufalem zu bringen. 8 ) 

Untergang Im judifchen Kriege hat das Synedrium anfangs eine 

des udifchen fuhrende Rolle gefpielt, 3 ) trat aber bald ganz in den Hinter- 

Synedriums. gmndj alg die Zeloten die Madlt bekamen. 4 ) Diefe verhohnten 

den Hohen Rat fogar, indem fie ein machtlofes Scheingeridit 
von 70 Burgern beriefen, um fiber einen vornehmen Mann 
namens Zacharias zu Gerieht zu fitjen. 5 ) Als mit Jerufalem 
der Mittelpunkt des judifchen Nationalwef ens. verfch wand und 
damit eine ganze Anzahl von Privilegien, welche die Romer 
den Juden gewahrt hatten, gegenftandslos geworden war, 
ging audi der Hohe Rat fur immer unter. Das rabbinifche 
Judentum hat fidi zwar f pater, zuerft in Jamnia, dann in 
Tiberias einen neuen Mittelpunkt in den iudifchen Spruch- 
kollegien gefchaffen. Allein diefe waren dodi nur ein Schatten 
des alten Synedriums. 

Drei Kate- Was die Zufammenfetjung des Synedriums zur Zeit Jefu 

gorien von und auc j 1 jpater betrifft, fo war dasfelbe keine blojge faddu- 

MU def 6 zai ^" che Adelsver f ammlun g priefterlichen Charakters, fondern 

Hohen Rates es entm ' e l t auc ^ eine Anzahl pharifaifcher Sehriftgelehrten. 6 ) 

Die Zahl der Mitglieder betrug, den Hohenpriefter einge- 

rechnet, 7 1 7 ) und entfprach damit der Zahl der Alteften, 

welche den Rat des Mofes bildeten. 



20, 9, 1. Vita 12; den Ausdruck pvtf B. J. 2, 15, 6. 2, 16, 2; 2, 17, 1 
fteht povlevrai. Vgl. Ant. 20, 1, 2. B. J. 5, 13, 1. 
J ) Joh. 1, 1928. 

2 ) Apg. 9, 2. 22, 5. 26, 12. 

3) S. o. S. 235. 

4 ) S. o. S. 244 f. In der Vita nennt Jofephus den Hohen Rat nidit 
wie fonft 6wid(>i<>v oder /9ovA^, {ondern faft immer TO Y.OIVOV r<!iv 'Js^o6o- 
IVHITWV (vgl. Vita 12. 13. 38. 49. 70) oder kurzer TO KQIVOV Vita 52. 60. 

5 ) B. J. 4, 5, 4. 

6 ) Vgl. S. 322. 

7 ) Vgl. S. 321. In Galilaa machte JoJ. nach B. J. 2, 20, 5 fiebzig 
Altejte zur hOchften Behorde in Galilaa. Audi die Mifdina gibt die Zahl 
der Mitglieder des Synedriums auf 71 an. Vgl. Sanh. 1, 6. Schebuoth 2, 2. 



IX. Kap. Die Verfaffung der jiidifchen Stadte Palaftinas. 321 

Dem Hphen Rate gehorten als Mitglieder an ,,die Hohen- ,,Die Hohen- 
priefter, die Alteften und die SchriftgelehrtenV) Statt Hohe- priefter." 
priefter fagt die Heilige Sdirift auch ,,die Vorfteher". 2 ) Jo- 
fephus umfchreibt die verfchiedenen Kategorien der Ratsmit- 
glieder durch den Ausdruck ,,die Hohenpriefter und die Vor- 
nehmen" 3 ) oder redet gar von den ,,Hohenprieftern und 
Vornehmen der Juden famt dem Rate", 4 ) ein Ausdruck, der 
an die Apoftelgefchichte 5 ) erinnert, nach welcher der Hohe- 
priejter ,,den Hohen Rat und (d. h. namlich) die ganze Alteften- 
verfammlung der Kinder Ifraels" beruft. Daft es fich nicht 
etwa um zwei yerfchiedene, nur gelegentlich zufammentagende 
Behorden, wovon die eine das Synedrium, die andere die 
Alteftenverfammlung war, handelt, [ieht man daraus, daft 
der Verfaffer der Apoftelgefchichte an einer andern Stelle 
die Hohenpriefter und Sdiriftgelehrten als das Alteftenkol- 
legium bezeidinet. 6 ) Gerade wie die Heilige Schrift aber oft 
kurz, ftatt alle Kategorien des Hohen Rates anzufuhren, von 
den ,,Hohenprieftern und Schriftgelehrten" 7 ) oder von ,,den 
Hohenprieftern und dem ganzen Synedrium" 8 ) redet, fo ge- 
braucht Jofephus dafiir die Ausdriicke ,,die Vorfteher in Je- 
rufalem", ,,die Vorfteher und die Mitglieder des Rates", ,,die 
Vorfteher famt den Angefehenften". 9 ) 

Die erfte Kategorie der Ratsherren ift fomit die der 
Vorfteher" oder der ,,Hohenpriefter". 10 ) Die Hohenpriefter, 11 ) 

1 ) Marc. 14, 53. 55. Vgl. Matth. 16, 21. 27, 41. Marc. 8, 31. 11, 27. 
14, 43. 15, 1. Luc. 9, 22. 20, 1. 22, 66. 

2 ) In Apg. 4, 5. 8 wird von den a'^orrc? neben den n^ee^vT^oi 
und den j^a/u^arit? geredet. 

3 ) B, J. 2, 14, 8. 15, 2. 3. 17, 2. 3. 5. 6. 
f) B. J. 2, 16, 2. 

5 ) Apg. 5, 21. 

6 ) Luc. 22, 66. Apg. 22, 5. 

7 ) Matth. 2, 4. 20, 18. 21, 15. Marc. 10, 33. 11, 18. 14, 1. 15, 31. 
Luc. 22, 2. 22, 66. 23, 10. An andern Stellen heigt es ,,die Hohen- 
priefter und Alteften". Matth. 21, 23. 26, 3. 26, 47. 27, 1. 3. 12. 20. 28, 
11-12. Apg. 4, 23. 23, 14. 25, 15. . :... 

8 ) Matth. 26, 59. Marc. 14, 55. Apg. 22, 30. ...-; 

9 ) B. J. 2, 16, 1 uiid 17, 1. ; X 

10 ) In Luc. 23, 13. 24, 20 .ftehen oi a^^epei? und oi .aexoiKi? neben- 
einander. .....,: .'.":.:..' . -.; ' 

u ) S. die alteren verfchiedenen Erklarungsyerfuche des, Namens bei 
Haneberg, Die relig. Altertumer der Bibel. 2 Munchen 1869, S. 562 ff. 

Felten, Neuteftamentlidie .Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. ,'; " ,v21- - 



322 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

weldie naturlidi von dem Hohenpriefter, der an der Spitje 
des ganzen Kollegiums fteht, zu unterfcheiden find, konnen 
nicht etwa einfach fruhere, abgefetjte Hohepriefter fein, da 
deren Zahl dodi immer eine kleine gewefen fein mug. Es 
ift auch nicht wahrfcheinlich, dag fie Sproglinge oder Ver- 
treter priefterlicher Familien, aus denen feit dem Untergang 
der hasmonaifchen Familie abwedifelnd die Hohenpriefter 
ernannt wurden, waren. Allerdings fpridit Jofephus von den 
,,Gefchlechtern, aus welchen abwedifelnd die Hohenpriefter 
ernannt zu werden pflegten", 1 ) aber erft zur Zeit des jii- 
difchen Krieges, als die Zeloten einen Mann niedriger Her- 
kunft zum Hohenpriefter einfe^ten. Dag aber aueh fchon zur 
Zeit Jefu, fur welehe der Ausdruck ,,Hohepriefter" beglaubigt 
ift, gewiffe Gefchlechter abwedifelnd den Hohenpriefter zu 
ftellen gewohnt gewefen feien, ift damit nicht gefagt. Wahr- 
fcheinlidi find vielmehr unter den ,,Hohenprieftern" die-Haupter 
und Vertreter der 24 Priefterfamilien verftanden, 2 ) welehe, 
um fie von den gewohnlichen Prieftern zu unterfcheiden, 
Hohepriefter im weiteren Sinne des Wortes genannt wurden. 
Jedenfalls waren fie die Vornehmften der Priefterfchaft und 
gehorten wenigftens vorwiegend in jener Zeit, in welcher 
die Hohenpriefter im engften Sinne des Wortes fadduzaifch 
gefinnt waren, der fadduzaifchen Richtung an. 3 ) 
Die Schrift- Die Sdiriftgelehrten 4 ) waren zur Zeit Jefu meift Phari- 
geiehrten. faer 5 ). Sie befafeen als Gefe^eskundige, da eben viele Fragen 
fich auf das Gefets und feine Auslegung und Anwendung 
bezogen, naturgemag einen grofjen Einflug im Hohen Rate. 

' J ) B. J. 4, 3, 6. Sehurer II, 274 ff., welcher wie Kuenen 1. c. meint, 
die a^iepetc feien der fungierende Hohepriefter und die, welehe fruher 
dies Amt bekleidet hatten, fowie die Mitglieder der bevorzugten Fa- 
milien, aus welchen die Hohenpriefter genommen wurden, beruft fich aueh 
auf Apg. 4, 6, wo von folchen, ,,die aus hohepriefterlichem Gefchlechte 
waren," als Richtern fiber Petrus und Johannes geredet wird. Vorher 
werden aber 4, 5 die ayxovief, 7i^s6^vTetJoi und yyapnaTti? erwahnt, und 
fcheint es fich 4, 6 nur um Blutsverwandte des Annas und Kaiphas zu 
handeln. 

2 ) Sie heiften ,,Hohepriefter" 2 Paral. 36, 14, fowohl im hebr. Text 
wie in der Vulgata. In diefem Sinne fteht der Ausdruck aueh wohl 
Jos. Ant. 20, 8, 8 und Vita 5. 38. 39. Vgl. noch Luc. 1, 5. 

3 ) Apg. 5, 17. Ant. 20, 9, 1. 

*) Vgl. fiber fie unten XI. Kap. 

5 ) Apg. 5, 34. 23, 6. Vgl. aueh B. J. 2, 17, 3. 



IX. Kap. Die Verfaffung der jiidifchen Stadte Palaftinas. 323 

Die fchledithin als ,,die Alteften" bezeichneten und da- Die Aiteften. 
durch von den Hohenprieftern wie von den Schriftgelehrten 
unterfchiedenen Mitglieder des Hohen Rates waren Bei- 
fitjer, die zum Teil auch aus priefterlichem Gefchleehte ge- 
wefen fein mogen. Allerdings heigen fie bisweilen auch 
,,die Alte[ten des Volkes". 1 ) Allein an Stammesaltefte ift 
nicht zu denken. Eher diirften es Vertreter alter Adelsfa- 
milien gewefen fein, da die ganze judifche Regierungsform 
keine demokratifche, fondern vielmehr eine ariftokratifche 
war. 2 ) 

Der Vorfifjende des Hohen Rates war ftets der Hohe- Der Vor- 
priefter. Das folgt fowohl aus feiner ganzen Stellung als 
oberfter Richter 3 ) und Auffeher fiber das ganze Volk 4 ) als 
auch aus der durch das Neue Teftament 5 ) wie durch Jo- 
fephus 6 ) bezeugten Praxis, wonach z. B. Kaiphas im Prozefc 
gegen Jefus und Ananias zur Zeit des Paulus als Hohe- 
priefter den Vorfitj fuhrten. Wenn die fpatere judifche Tra- 
dition der Mifchna behauptet, es habe regelmafcig ein phari- 
faifcher Schriftgelehrter den Vorfitj gefuhrt, |o find darin un- 
gefchichtlich im Gegenfatj zu den Tatfachen Verhaltni[Je, wie 
fie nach der Zerftorung Jerufalems exiftierten, einfach in die 
Vergangenheit ubertragen worden. 7 ) 



1 ) Matth. 26, 3. 27, 1. 

2 ) Vgl. Jos. Ant. 20, 10 in fin. d(iiOT<,^a,xia ^v ^ nolirdn. Die Ge- 
fchlechtshaupter nla^n ^Nl bei Esdr. 4, 3 jtanden mit Zorobabel und 
dem Hohenpriefter Jofua unter Cyrus an der Spitje der nadi Palaftina 
zuruckkehrenden Emigranten (Esdr. 2, Nehem. 7). 

a ) Ant. 4, 8, 14; c. Apibn. 2, 23. 

) Ant. 20, 10 fin. 

^ Matth. 26, 3. 57. - Apg. 5, 21. 27. 7, 1. 23, 2. 24, 1. Es ift nur 
eine Ungenauigkeit, dag Annas als friiherer Hoherpriefter Luc. 3, 2 und 
Apg. 4, 6 vor Kaiphas genannt wird. 

6 ) Ant. 14, 9, 3-5. 20, 9, 1. 

7 ) In der Mifdina, Traktat Aboth c. 1 werden die Namen bekannter 
judijcher Gelehrter als Sdiulhaupter angefuhrt, und zwar fiir die Zeit 
vom 2. Jahrh. v. Chr. bis um die Zeit Chrifti paarweife. Es wird nun 
Chagiga 2, 2 behauptet, der erfte eines Paares fei Nafi (NT;), d. h. Pra- 
{ident, der zweite Ab-beth-din (p. JV2 2i<), d. h. Vizeprafident des Syne- 
driums gewefen. Von den folgenden Schulhauptern follen z. B. Gamaliel I. 
fur die Zeit Jefu und Symeon ben Gamaliel fiir die Zeit des jiidifchen 
Krieges Prafidenten des Synedriums gewefen fein, obwohl gerade diefe 

21* 



324 Zweiter Abjchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Kompetenz Was nun die Kompetenz des Synedriums anlangt, fo 
des Hohen war es no fa zur 2eit des Jofephus die oberfte richterliche 

In * tanZ lm ^ JudQnlandQ '^ Vor die f em Gerichte ftanden Je- 
' fus, fpater Petrus und Johannes, dann Stephanus und auch 
Paulus. 2 ) Es konnte in romifcher Zeit Haftbefehle geben 
und vollziehen laffen 3 ) und auch Leibesftrafen, wie die Geifc-: 
lung verhangen. 4 ) Unter den romifchen Prokuratoren konnte 
es zwar ein Verbrechen, worauf nach judifchem Gefetj die 
Todesftrafe {land, unterfudien und [ein Urteil dariiber ab- 
geben, 5 ) allein diefes Urteil bedurfte, um vollzogen zu wer- 
den, von Anfang an, feitdem Judaa unter romifche Ver- 
waltung gekommen war, 6 ) der Beftatigung des romifchen 
Prokurators, 7 ) dem es felbftverftandlich auch zuftand, die Be- 
rechtigung des Todesurteils fowohl vom Standpunkte des 
jiidifchen wie des romifdien Rechtes zu prufen. 8 ) Da diefes 



Manner durch Apg-. 5, 27. 34 bezw. Jos. Vita 38. 39 als bloge Beifitjer 
des Synedriums zu erweifen find. Die Refultate der von Kuenen, Well- 
haufen, Schiirer u. a. hieruber angeftellten Unterfuchungen werden nun 
auch von judifchen Gelehrten als richtig anerkannt. Vgl. z. B. Sack, Die 
altjudifche Religion im Obergange vom Bibeltume zum Ta'lmudismus. 
Berlin 1889, S. 398 f. und Bacher, Art. Sanhedrin in Hastings IV, 397 ff., 
der wenigftens im wefentlichen zuftimmt. 

J ) S. o. S. 316. 

*) Vgl. Matth. 26, 15. Job. 19, 7. Apg. 4 und 5. Apg. 6, 13 ff. 
Apg-. 23. Vgl. Winer RWB. II, 552. 

3 ) Matth. 26, 47. Marc. 14, 43. Apg. 4, 3. 5, 17 f. 

) Apg. 5, 40. 2 Kor. 11, 24. Vgl. B. J. 6, 5, 3. 

5 ) Marc. 14, 64. 

6 ) B. J. 2, 8, 1. Vgl. Artt. 20, 9, 1. Dag dies fchon wahrfcheinlich 
feit dem Jahre 7 n. Chr. (.0 war, fagt Keim, Qefchichte Jefu von Nazara. 
3 Bde. Zurich 186772 III, 350, 2. Die Bemerkung des Talmud (Jer. 
Sanhedrin fol. 24 b): ,,Viefzig Jahre vor der Zerftorung des Tempels 
wurden die Urteile uber Leben und Tod von Ifrael genommen" kann, 
foweit es fich um das Jahr handelt, in keiner Weife als eine gefchicht- 
liche Cberlieferung angefehen werden. 

7 ) Die Juden durften aber felbft Romer, wenn fie die Schranken 
des Vorhofes iibertraten, mit dem Tode beftrafen (B. J. 6, 2, 4). Vermut- 
lich mugten fie jedoch auch dann, wenn ein folch'er Obeltater ergriffen 
wurde, die Beftatigung des Todesurteils durch den Prokuratur nachfuchen. 

8 ) Jefus war wegen Gotteslafterung vom Hohen Rate des Todes 
fchuldig erkannt (Matth. 26, 65. Joh. .19, 7). Vor Pilatus klagten ihn 
aber die Juden politifcher Verbrechen an, er wiegle das Volk auf, ver- 
biete, dem Kaifer Steuer zu zahlen, und behaupte, er fei der Meffias, ein 



IX. Kap. Die Verfaffung der judifchen Stadte Palaftinas. 325 

Redit der Beftatigung dem Prokurator zukam, lag in feiner 
Stellung als Vertreter der Reichsgewalt l ) und wurde auch 
ausdriicklich im Falle Jefu von den Juden anerkannt mit 
den Worten: es ift uns nicht erlaubt, jemand zu toten. 2 ) 

Das Recht, das Synedrium zu berufen, ftand fur ge- Das Recht der 
wohnlich dem Hohenpriefter als Vorfifcenden zu. Allerdings Berufun des 
haben einige gefetjeifrige Juden den Hohenpriefter Ananus, s y nednums - 
der den Jakobus, den Bruder des Herrn, zur Steinigung 
verurteilen Heft, bei dem Landpfleger Albinus verklagt und 
gefagt, es habe dem Ananus nicht zugeftanden, ohne des 
Landpflegers Zuftimmung den Gerichtshof zu berufen. 3 ) Sie 
meinen aber augenfcheinlich, es habe ihm nicht zugeftanden, 
ein ohne Genehmigung des Landpflegers zu vollziehendes 
Todesurteil fallen zu laffen. Aber aus der Tatfache, daft 
der Tribun der Truppen in Jerufalem das Synedrium berief, 
um zu hfiren, welche Anklagen die Juden gegen den im 
Tempel ergriffenen Paulus vorzubringen hatten, 4 ) darf ge- 
fchloffen werden, daft er als Bevollmachtigter und Vertreter 



KOnig (Luc. 23, 2). Als Pilatus keine Schuld an ihm findet, berufen fie 
fich wieder auf ihr Gefetj, welches Jefus durdi Gotteslafterung iibertreten 
haben follte (Joh. 19, 7), Pilatus will inn aber nun formlich freifprechen 
(Joh. 19, 12). Jetjt heben fie wieder die politifche Anklage hervor und 
drohen indirekt, den Pilatus wegen Begunftigung von Hochverrat beim 
Tiberius zu verklagen (1. c.). Nun erft fallt Pilatus fein Urteil gegen 
Jefus (Joh. 19, 13 ff.). Vgl. Rob. von Mayr, Der Prozefc Jefu, in: Archiv 
fur Kriminalanthropologie und Kriminaliftik XX (1905) 269-305; F. Doerr, 
,,Der Prozeg Jefu in rechtsgefchiehtlieher Bedeutung", in : Archiv fur Straf- 
recht und Strafprozeg LV (1908) 12-64; K. Kaftner, Jefus vor Pilatus 
(= Neuteftam. Abhdlgn., herausgegeben von M. Meinertj IV, 23) 1912, 
Munfter i. W. 

') Vgl. Mommfen, Rom. Strafrecht, Leipzig 1899, S. 240 und ,,Die 
Pilatusakten" (Z. f. NTW. Ill, 1902, S. 198-205). 

2 ) Joh. 18, 31. Die Steinigung des Stephanus Apg. 7, 54 ff. kann 
hiergegen nicht angefuhrt werden, da diefelbe ohne eigentlichen Urteils- 
fpruch tumultuarifch erfolgte. Apg. 26, 10 (vgl. auch Apg. 9, 1) fagt 
Paulus, wenn die Chriften hingerichtet wurden, habe er auch feine Stimme 
abgegeben. Wie es fcheint, redet er hier allgemein von der Hinrichtung 
des Stephanus. Aber felbft wenn in jener Zeit der Verfolgung noch an- 
dere Chriften getotet worden find, folgt daraus nicht, dag der Hohe Rat 
das Recht dazu gehabt hatte. 

3 ) Ant. 20, 9, 1. 

4 ) Apg. 22, 30; vgl. 23, 15. 20. 28. 



326 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

des Prokurators in dringenden Fallen das Redit hatte, wohl 
audh dann durch Vermittlung des Hohenpriefters, das Syne- 
drium zu berufen. 

Es ift felbftverftandlich , da an den Sabbaten und an 
hohen Feften keine Gerichtsfitjung abgehalten wurde. 1 ) 
Verfamm- Der Verfammlungsort des Synedriums war naturgemafc 

lungsort. das Rathaus. 2 ) Ober feine Lage wiffen wir, dafe die erfte 
beim Hippikusturm beginnende Stadtmauer von dort bis zum 
Xyftus ging, fich darauf an das Rathaus anfchloJ5 und an der 
weftlichen Halle des Heiligtums endigte. 3 ) Von dem Xyftus 
genannten Platje fiihrte eine Briicke bis an den weftlichen 
Rand des aufceren Tempelvorhofes, wo oberhalb des Xyftus 
ein Tor angebracht war. 4 ) Das Rathaus kann nicht in der 
Oberftadt etwa nahe bei dem Xyftus genannten Platje ge- 
wefen fein, da unmittelbar von jenem Platje die Briicke auf 
den Tempelberg fiihrte und das Rathaus fpater von den 
Romern mit dem Stadtteil Akra und dem Bezirk Ophla ver- 
brannt wurde, ehe fie noch die Oberftadt in Befitj genommen 
hatten. 5 ) Auf dem Tempelberg felbft aujjerhalb des Vorhofes 
war aber augenfcheinlich kein Plat? dafur. Somit lag es im 
Tyropoion nahe dem Tempelberg. 6 ) 



') Vgl. Selden, De Synedriis II, 10, 2. Audi Philo (De migratione 
Abraham! 16) fuhrt unter den am Sabbate verbotenen Dingen das Ge- 
ridithalten auf. 

2 ) Vgl. auch o. S. 71. 

3 ) B. J. 5, 4, 2. Ober den Xyftus f. o. S. 70 f 

*) B. J. 6, 6, 2. An diefem Tore ftand Titus, als er 1 c. zu den 
EmpOrern in der Oberftadt, zwifchen denen und ihm die Brucke lag, redete. 

6 ) B. J. 6, 6, 3. 

6 ) S. o, S. 257. Nach der Mifdina (vgl. die Tractate Middoth 5, 3, 
Pea, 2, 6, Edujoth 7, 4) war der Verfammlungsort des grogen Synedriums 
die Lischkath ha-gasith (IV^~ r?^'?), d. h. ,,die Halle von Quaderfteinen", 
und diefe lag nach derfelben Quelle (vgl. Middoth 5, 3) innerhalb des 
eigentlidien Tempelvorhofes an der Siidfeite. Der Traktat Middoth 5, 
3, 5 fagt ausdrucklich, ,,in der Halle Gasith fag das groge Sanhedrin 
Ifraels", und identifiziert dadurdi die Sanhedrin 11, 2 ,,das groge Beth - 
die in der Quaderkammer" genannte BehOrde mit dem Sanhedrin. 
Schurer II, 263 f. identifiziert die Lischkath ha-gasith mit der povfj des 
Jofephus, meint aber, der erftere Name bedeute nicht Quaderkammer, 
fondern ,,die Halle am Xyftus" ( W IV7$ = tva? wie LXX 1 Chron. 22, 2. 
Amos 5, 11" Schurer II, 264), obwohl fie nach ihm (1. c. S. 263) ,,auf 



IX. Kap. Die Verfaffung der judifchen Stadte Palaftinas. 327 

Es fteht nidits der Annahme entgegen, dag hier audi Wohnung 
die Wohnung des Hohenpriefters zu fuchen ift, fei es nun, desHohen - 
dag fie eben im Rathaufe felbft fich befand oder doch un- pneferb - 
mittelbar mit diefem verbunden war. Jedenfalls hat das 
Synedrium bei der Verurteilung Jefu 1 ) im Haufe des Hohen- 
priefters getagt, Es iff aber naturlich moglich, dag die 
Sitjungen wenigftens ausnahmsweife in feinem Haufe ftatt- 
finden durften, wenngleidi es wahrfcheinlicher ift, dag man 
in einem einzelnen Falle aus Hag gegen Jefus und um 
Auffehen zu vermeiden, uber das Ungefetjliche der Verfamm- 
lung des Hohen Rates augerhalb des eigentlidien Rathaufes 
hinwegfehen mochte. 

Ober das Geriehtsverfahren des Synedriums zu Jamnia Das Gerichts- 
wiffen wir einiges. Es ift zwar nicht fidier, 2 ) aber doch verfahren 
nidit unwahrfcheinlich, dag gerade diefe erfte Behorde zu f l ines J u ^g" 
Jamnia in ihrer Praxis fich im wefentliehen nach den vor- driums na( j, 
handenen Oberlieferungen iiber den Hohen Rat gerichtet jpateren 
hat. Nach den Nachrichten der Mifchna hieruber fagen die Queiien. 
Ratsmitglieder im Halbkreis. 3 ) Zwei Gerichtfchreiber waren 
da, wovon der eine die Reden fur, der andere die Reden 
gegen den Angeklagten auffchrieb. 4 ) In Fragen des Zivil- 
oder des Zeremonialrechtes begann die Abftimmung mit den 
Vornehmften, in Halsfacheri ,,auf der Seite" d. h. bei den 
jiingeren Gerichtsmitgliedern, damit ihre Abftimmung nicht 



dem Tempelberg felbft an deffen weftlicher Grenze" zu fuchen ift und 
Jof. B. J. 6, 6, 2 das dort Gelegene als ,,oberhalb des Xyftus" (ruly tor 
Svatt'iv) bezeichnet. Nach der babylonifchen Gemara (vgl. z. B. Sanhe- 
drin c. 5 fol. 41 a, Aboda zara fol. Sb und andere fchon von Selden II, 
15, 7. 8 mitgeteilte Stellen) hatte das Synedrium in den letjten Jahren 
des judifchen Staatswefens feine Sitjungen von der Quaderhalle in die 
Kaufhalle (chanuth) und fpater von dort in die Stadt Jerufalem verlegt. 
Vgl. u. a. Keim, 1. c. 351, 5 und 352, 1 u. 2. Auch Bacher, Art Sanhe- 
drin in Hastings 1. c. halt diefe Oberlieferung fur im Kerne richtig. Allein 
es fpricht fchon dagegen, dag die Mifchna nichts von diefer angeblichen 
Oberlieferung weig. 

a ) Marc. 14, 53 ff. Matth 26, 57 ff. 

2 ) Bacher, art. Sanhedrin in Hastings IV, 398 meint: What was 
true of the new institution was transferred to the ancient one, and the 
historical picture of the latter was thus essentially changed. 

3 ) Sanhedrin 4, 3. Vgl. Selden II, 6, 1. 

4 ) Sanh. 4, 3. 



328 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

durch die der alteren beeinflufrt werde. 1 ) Bei Verbrechen, 
worauf die Todesftrafe ftand, 2 ) mugten wenigftens 23 Mit- 
glieder als Richter der Verhandlung beiwohnen. Ergab die 
Abftimmung eine Majoritat von blofr einer Stimme fur 
,,fchuldig", fo mufcte die Zahl der Richter um zwei vermehrt 
werden und dies, wenn keine grofcere Majoritat fich land, 
folange bis entweder Freifprechung erfolgte Oder 36 gegen 
35 fich fiir ,,fchuldig" ausfprachen. 3 ) Bin freifprediendes Ur- 
teil konnte an dem Tage, an welchem die Verhandlung be- 
gonnen hatte, ein verdammendes aber erft am folgenden 
Tage gefallt werden. 4 ) Wichtiger war, dafc zum Erweis der 
Wahrheit einer Anklage zwei Zeugen 5 ) nptig waren, und 
nur freie Ifraeliten, aber keine unmoralifch Lebende oder 
notorifche Verbredier u. dgl. zur Ablegung des Zeugniffes 
zugelaflen werden konnten. 6 ) 



X. Kapitel. 

Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 7 ) 

Der Mittelpunkt des geiftigen Lebens der Juden war der Tempel 8 ) 
und der Tempeldienft. Die mit letjterem betrauten Perfonen genoffen 



') Sanh. 4, 2. 

2 ) Es werden 36 folcher Verbrechen aufgezahlt. Auf 17 ftand die 
Strafe der Steinigung, auf 10 die des Verbrennens, auf 2 die der Hin- 
richtung durch das Schwert, auf 6 die der Erdroffelung. Sanhedr. c. 7. 
Vgl. Selden 1. c. II, 13, 5 und II, 13, 4. 

3 ) Sanhedr. 4, 5. 

*) Sanh. 4, 1. 5, 5. Vgl. Selden II, 10, 2. 

3 ) Deut. 17, 6. 19, 15-21. Sanhedr. 4, 5 und 5, 1-4. 

6 ) Jof. Ant. 4, 8, 15. Vgl. Selden II, 13, 11. 

7 ) Lightfoot, Ministerium templi quale erat tempore nostri Salva- 
toris. Opera omnia, Ultrajecti 16991,671758. Joh. Lu.ndius, Die alten 
judifchen Heiligtumer, Gottesdienfte und Gewohnheiten fur Augen geftellet, 
in einer ausfuhrlichen Befchreibung des ganzen levitifchen Prieftertums. 
Hamburg 1701. Ugolinus, Thesaurus antiquarum sacrarum. Vol. IX, 
XII XIII. Venetiis 1748. 1751 sq. Aus neuerer Zeit befonders Ederftein, 
The Temple, its ministry and services as they were at the time of Jesus 
Christ. L. 1874. Haneberg, Die heil. Altertumer der Bibel." Munchen 
1869, S. 508 ff. Van Hoona.cker, Le sacerdoce levitique dans la loi et 
dans 1'histoire des Hebreux. Louvain 1899. 

s ) Audi Baudiffin, Die Gefch. des altteftam. Prieftertums. Leipz. 1889 



X. Kap. Die jfidifche Priefterfdiaft und der Tempeldienft. 329 

wegen der Heiligkeit ihres Amtes das grogte Anfehen. Es war ein alt- 
hergebrachtes Anfehen, denn es ging auf Mofes felbft zurfick. In unferer Der mofaifche 
hyperkritifchen Zeit hat man zwar auch den mofaifchen Urfprung des Le- Urfprung des 
viten- und Prieftertums geleugnet, und die Berichte der aus der Zeit nach Leviten- und 
dem Exil ftammenden Bficher Paralipomenon fiber die alteren gottes- Prieftertums. 
dienftlichen Einriditungen der vorexilifchen Zeit als Zuruckdatierung f pa- 
terer Einriditungen ausgegeben und eine fteigende Bedeutung des Priefter- 
tums nach dem Exil angenommen. Allein die gefchichtliche Wahrheit 
fpricht dagegen. Nach dem Exil haben nicht die Priefter, fondern die 
Schriftgelehrten, von denen wir fchon bei Nehemias l ) lefen, immer mehr 
an Anfehen gewonnen. 2 ) Oberhaupt ift die Einfuhrung eines machtigen, 
auf genealogifcher Grundlage fieh aufbauenden Prieftertums in der Zeit 
des Exils oder am Anfang der nachexilifchen Zeit wegen der damaligen 
armlichen Verhaltniffe der Juden ganz ausgefchloffen. Auf der andern 
Seite ift es bekannt, dag in Agypten fchon vor Mofes eine zahlreiche, 
wohl organifierte Priefterfchaft, die allerdings dem Polytheismus diente, 
beftand. Diefer Umftand macht es auch rein menfchlich erklarlich, dag 
Mofes (nach gottlichem Willen) fur die Erhaltung und FOrderung des 
wahren Kultus durch die Einfflhrung und Organifation der im Buche Le- 
vitikus gezeichneten und in den Bfichern der Chronik verherrlichten levi- 
tifchen Hierarchic Sorge trug, und dag gerade diefe Anordnungen an der 
Spitje der ifraelitifchen Gefchichte ftehen. Das Buch Deuteronomium und 
der Prophet Ezechiel befchaftigen fich nur mit einzelnen Punkten diefer An- 
ordnungen und verandern fie bisweilen den Zeitverhaltniffen entfprechend. 3 ) 

und art. Priests and Levites in Hastings D. IV, 6997 gent von zu fub- 
jektiviftifchen Anfchauungen fiber das Alter und das Verhaltnis der alt- 
teftam. Bficher zueinander aus. Er lagt den nach feiner Anfchauung alte- 
ften Teil des Pentateuchs, den Priefterkodex (Leviticus, Numeri zum 
grogten Teil und Exodus zum grogen Teil) erft gegen Ende der Konigs- 
zeit, etwa in der erften Halfte des 7. Jahrhunderts v. Ghr. entftanden 
fein. S. 274. 

') Nehem. 13, 13. 

' 2 ) Van Hoonacker, p. 635. Auch O. Eissfeldt, Erftlinge und 
Zehnten im Alten Teftament. Ein Beitrag zur Gefchichte des ifraelitifch- 
judifchenKultus (= Beitrage zur Wiffenfchaft vom Alten Teftament, Heft 22), 
L. 1917, der in feinen Unterfuchungen die Refultate der modernen Pen- 
tateuchkritik als gegeben und gefichert anfieht (als chronologifche Schichten 
unterfcheidet er: Gefe^gebung des Jehoviftifchen Buches Deutero- 
nomium - Ezechiel das Heiligkeitsgefetj der Priefterkodex 
Esdras und Nehemias die Chronik die Septuaginta u. s. w. Vgl. 
S. 26, 1), kommt zu Ergebniffen, welche diefer Schule nicht gfinftig find. 
So z. B fagt er zufammenfaffend : ,,Was Umfang und Material betrifft, 
ift bei den uns angehenden Abgaben in dem zwifchen der Jehoviftifchen 
Gefetjgebung und der Chronik liegenden Zeitraum eine wefentliche Ver- 
anderung nicht eingetreten." S. 163 f. Auch die Anfchauungen fiber die 
Vergrogerung des priefterlichen Anfehens und Einfluffes nach dem Exil 
teilt er nicht. (Vgl. S. 166). Er fchliegt fein Buch mit den Worten: ,,So 



330 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

1. Der jadifdie Priejterftand als erbttdier und heiliger 

Stand. 

Der stamm Vor Mofes waren die Erftgebornen jeder Familie Gott 
Levi. geweiht 1 ) und kam es vorzugsweife den Hausvatern zu, 
Opfer darzubringen. 2 ) In den neuen - Verhaltniffen des der 
Abficht nach theokratifchen Einheitsjtaates mit einem Zentral- 
heiligtum fur das ganze Volk wurde nach dem Willen Gottes 
der ganze Stamm Levi, dem Mofes und Aaron angehorten, 
zum heiligen Dienfte beftimmt 3 ) und fo der Zerfplitterung, 



unbedeutend, fo fehr hinter den nadiexilifchen Verhaltniffen zuriickftehend, 
wie das haufig dargeftellt wird, war die Madit und der Einflug der 
Priefterfdiaft vorm Exil keineswegs. Vielmehr werden wir auch in vor- 
exilifcher Zeit das Vorhandenfein einer zahlreichen und einflugreichen 
Priefterfdiaft anzunehmen haben." 

3 ) Vgl. van Hoonacker, Le sacerdoce etc. Der Artikel desfelben 
Verfaffers ,,Les pretres et les levites dans le livre d'Ezechiel" in Rb 
1899, p. 177-205 fteht in Le sace'rdoce etc. p. 184-220. Obrigens ver- 
tritt der Verfaffer den Standpunkt, dag Nehemias im 20. Jahre des Ar- 
taxerxes I., im Jahre 445 444 nach Jerufalem gefandt wurde und dort 
bis zum Jahre 433 blieb, aber fpater noch einmal dorthin zuriickkehrte, 
die Sendung und das Werk des Esdras (f. Esdras VII X) aber erft in 
das 7. Jahr der Regierung des Artaxerxes II. (alfo ins Jahr 398) fallt. 
Vgl. dagegen Nikel, Die Wiederherftellung des judifchen Qemeinwefens 
nach dem babylonifchen Exil, Freib. 1900, S. 146 ff., der wieder fur das 
7. Jahr der Regierrng des Artaxerxes I., d. h. das Jahr 458 eintritt und 
hierzu die Entgegnung von van Hoonacker, Notes sur 1'histoire de la 
restauration juive apres 1'exil de Babylone in Rb 1901, p. 526 und 
175 199. Van Hoonacker nimmt aber an (1. c. p. 175), dag Esdras 
auch wahrend des erften Aufenthaltes des Nehemias von 445-433 in 
Jerufalem gewefen fei. Auch S. Mowinckel, Ezra den Skriftlarde, Kristi- 
ania 1916 lagt den Esdras erft im Jahre 398/7 in Jerufalem auftreten. 
Vgl. Th. Lz 1918, Nr. 6/7, Sp. 7678. - Ober die Frage des zeitHchen 
Verhaltniffes von Esdras und Nehemias vgl. die jungft veroffentlichte 
Unterfuchung von Kugler, Von Mofes bis Paulus. Miinster i W. 1922, S.215 
bis 233. Er zeigt, dag der Zug des Esdras und feine Reform der Ehe 
(Esdras 710) in das 7. Jahr des Artaxerxes I. (458/7 v. Chr.), der 
Mauerbau des Nehemias und die Kultreform des Esdras in das 20. Jahr 
des Artaxerxes I (445 v. Chr.) fallen. 

) Exod. 23, 2. Num. 3, 39 f. 

2 ) Job 1, 5. Vgl. Fr. von Hummelauer, Das vormofaifche Priefter- 
tum in Ifrael. Freib. 1899. - 

3 ) Num. 3, 41-45. Der Name Levi und Leviten wird bisweilen 



X. Kap. Die judifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 331 

wie fie die Eiferfudit der Stamme und Familien hervorrufen 
konnte, vorgebeugt. 

Als Priefter follten aber aus dem Stamme Levi nur Abftammung 
Aaron und feine zwei Sohne, Eleazar und Ithamar, und der Pne f ter - 
deren Nachkommen dem Heiligtume dienen und die iibrigen 
Leviten ihnen untergeordnet fein. Einer der Priefter follte 
als der Hohepriefter einen befonders hohen Rang einnehmen 
und feine Wurde fidi von Aaron auf Eleazar und weiter 
ftets vom Vater auf den Sohn vererben. 1 ) Dem entfpricht 
das fpatere Verhalten der Ifraeliten. Wer nidit den genealo- 
gifchen Nadiweis einer Abftammung von Levi erbringen 
konnte, wurde nicht als Levit, und wer nidit nachweislich 
zum Haufe Aarons gehorte, nicht als Priefter anerkannt. 2 ) 
Deshalb wurden auch die Gefchleditsregifter mit grower Sorg- 
falt gefiihrt und berief man fidi fur feine priefterliche Ab- 
kunft auf foldhe Regifter als ,,6'ffentliche Urkunden". 3 ) 

Nach dem Gefetj durfte ein Priefter nur eine reine Jung- Heiraten der 
frau Oder Witwe, der Hohepriefter nur eine rein ifraelitifche 
Jungfrau heiraten.*) Selbft die Namen der aujgerhalb Pala- 
ftinas z. B. in Agypten und Babylon gebornen Kinder priefter- 



nicht als urfpriinglicher Name einer Perfon und eines Stammes, fondern 
als ein Amtsname aufgefagt. Man leitet dann Levi von der Wurzel ni" 
= fidi an jemand oder an etwas anfchliegen, her und bezieht es, wie 
z. B. Baudiffin, Gefchichte S. 73 f. tut, auf die ,,Begleitung" der heiligen 
Lade, wovon dann der Stamm, dem diefes Gefolge angehorte, feinen 
Namen erhalten habe. Vgl. hiergegen van Hoonacker, p. 287 ss. Bau- 
diflin felbjt halt es in dem art. Priests and Levites, Hastings IV, 68 fur 
wahrfcheinlicher, dag ,,lewi was at first actually a tribal name". 

') Vgl. van Hoonacker, p. 221 ss. Die Wurde kam dem Eleazar 
und feinen Nachkommen zu (vgl. Num. 3, 1 ff. 25, 13). Der Hohepriefter 
Heli [tammte allerdings von dem zweiten Sohne Aarons Ithamar ab 
(vgl. 1 Par. 24, 16. Jos. Ant. 8, 1, 3) und diefe Linie behielt nun die 
hoheprie{terliche Wurde, bis Salomon den Abiathar abfetjte und den Sa- 
dok aus der Linie Eleazars zum Hohenpriefter machte (1 Par. 24, 1-6. 
3 Kon. 2, 26 f. 35). Die Makkabaer, welche zwar aus einer vornehmen 
Priefterfamilie waren (1 Par. 24, 7; 1 Mace. 2, 1) aber nicht von Sadok 
abftammten, wurden nur wegen der Verdienfte des Judas Makkabaus und 
feiner Bruder zur hohenpriefterlichen Wurde berufen. 

2 ) Vgl. Esdr. 2, 61 f. Nehem. 7, 63 f. 

3 ) Jos. Vita 1. 

*) Levit. 21, 78. 13-15. Nach Philo, de monarchia 2, 11 mugte 
die Frau des Hohenpriefters aus priefterlichem Gefchlechte fein. 



332 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

lidier Familien wurden mit einem Stammbaum und der Un- 
terfchrift von Zeugen, welche wohl audr-bezeugten, dafj der 
betreffende Vater als Priefter anerkannt werde, nadi Jeru- 
falem gefandt. Frauen, die kriegsgefangen gewefen waren, 
waren verdaditig, entweiht worden zu fein. Deshalb wurden 
nach den Kriegen von den ubrig gebliebenen Prieftern neue 
Urkunden hergeftellt. l ) 

Einweihung. Die erfte Einweihung der Priefter zu ihrem Amt, welche 
zugleich mit der Weihe des Hohenpriefters ftattfand, 2 ) wie 
auch die der Leviten, 3 ) gait dem Anfcheine nadi zugleidi 
auch fur ihre Nachkommen. Jedenfalls weife man von einer 
Weihe der fpateren Priefter und Leviten nichts. Die Hohen- 
priefter fcheinen aber alle, wie man aus der Salbung des 
Sadok 4 ) fdiliefcen darf, bis zum Exil gefalbt worden zu fein. 
Nadi demfelben geniigte, da das heilige Salbol 5 ) bei der 
Zerftorung Jerufalems verloren gegangen war,, die Weihe 
durdi Einkleidung 6 ), d. h. es genugte, zur Initiation die hohen- 
priefterlidien Gewander anzuziehen. 7 ) 

Freiheit von Aber nicht jeder von Aaron abftammende Priefter konnte 

korperiichen auch gefetjlidi erlaubte Kulthandlungen vornehmen. Blinde, 

Qebrechen. Lahme und andere Brefthafte waren davon ausgefchloffen 

und fomit, wie man nadi dem kanonifchen Redite fagen 



') Jos. c. Ap. 1, 7. Vg-1. Ant. 3, 12, 2. 13, 10, 5 fin. Philo, de 
monarchia 2, 811. 

2 ) Ex. 29, 1-37. 40, 12-14. Lev. 8, 1-36 

3 ) Num. 8, 522. 
*) 1 Par. 29, 22. 
3 ) Exod. 30, 22 ff. 

6 ) Maccoth 2, 6. Megilla 1, 9 etc. Vgl. z. B. Lundius 1, 29 und 
van Hoonacker, p. 351 s. Sfeinraetjer, Das heilige Salbol des Alten 
Bundes (Bibl. Zeitfchr. 1909, S. 1729) meint, man habe bis zum Exil 
die Stelle Exod. 30, 32, wonach das heilige Salbol auf keines Menfchen 
Leib gegoffen und nach feinem Mifchungsverhaltniffe kein Gleiches bereitet 
werden folle, nicht in dem rigorofen Sinne erklart wie fpater. ,,Man 
hielt die Bereitung des heiligen Salbols fiir erlaubt, wenn es fich um 
religiofe Zwecke handelte. Nur zu profanen Salbungen glaubte man das- 
felbe nicht verwenden zu durfen" (1. c. S. 29). Gewohnlich wird das 
Qegenteil angenommen. S. de Hummelauer, Comm. in Exodum et Levit. 
Paris 1897, p. 305. Schegg, Bibl. Archaologie, Freib. 1887, p. 519 u. a. 

7 ) Vgl. iiber des Hasmonaer Jonathan 1 Mace. 10, 21 und Jos. 
Ant. 13, 2, 3 und uber den ebenfalls Jonathan genannten Sohn des Ana- 
nus Ant. 19, 6, 4. Vgl. Haneberg, Relig. Altertumer p. 531. 



Levitifche 
Reinheit. 



X. Kap. Die judifche Priefterfcnaft und der Tempeldienft. 333 

wurde, irregular, ohne aber dadurdi auch des Anteils an 
den Einkiinften des Standes verluftig zu gehen. 1 ) In der 
fpateren Zeit wurden nodi viele andere, nadh rabbinifchen 
Quellen nicht weniger als 142 korperliche Fehler ebenfalls 
als Irregularitaten angefehen. Natiirlich liegt derartigen Be- 
ftimmungen der Gedanke zugrunde, dafc die Heiligkeit des 
Priefterftandes fich auch fchon in der korperlichen Makellofig- 
keit zeigen folle. 2 ) 

Ein ahnlicher Gefichtspunkt verlangt von den Prieftern 
fogenannte levitifche Reinheit. Da aber nach dem Gefetje 
jede Beriihrung einer Leiche verunreinigte, follten fie fich 
iiberhaupt nicht an Trauerfeierlichkeiten, ausgenommen beim 
Tode der nachften Blutsverwandten, beteiligen, der Hohe- 
priefter aber fogar den Feierlichkeiten fur feine eigenen ver- 
ftorbenen Eltern fern bleiben. 3 ) 

Beim Dienjte im Heiligtum felbft durften die Priefter 
keinen Wein oder fonftige beraufchende Getranke trinken 
und mujsten [ich auch wahrend der Zeit des ehelichen Um- 
ganges enthalten.*) 

Auch war ihnen fur die Zeit des Dien[tes eine feiner Die Amts- 
Heiligkeit entfprechende befondere Kleidung, welche mit Aus- 
nahme des Gurtels ganz weijj war, 5 ) vorgefchrieben, wahrend 
lie im gewohnlichen Leben, 6 ) geradefo wie fie jedes ehrbare 
Gefchaft betreiben konnten, auch die Kleidung der gewohn- 
lichen Burger trugen, d. h. ein durch einen Giirtel zufammen- 
gehaltenes Unterkleid, woriiber das Oberkleid geworfen 
wurde, nebft einem Turban als Kopfbedeckung und Sandalen 
Mr die Fufee 7 ) 

Die Amtstracht der Priefter 8 ) umfafjte vier Stiicke. Sie 
trugen ein Bein- oder vielmehr Huftkleid aus Byffus, welches 

a ) Levit. 21, 17 ff. Die hier angegebenen Falle fagte man fpater 
Tiur als beifpielsweife gegeben auf. 

2 ) S. Selden, De successione in Pontificatum Ebraeorum. Francof. 
ad Oderam 1673, L. II. c. 5, p. 211 sqq. Haneberg, S. 532. 

a ) Levit. 21, 1 ff. Vgl Num. : 19, 11 ff. 
4 ) Levit. 10, 8 f. 22, 3 ff. 

b ) Auch die agyptifchen Priefter trugen weifte leinene Gewander. 
Vgl. Herodot. 2,^37. 

6 ) B. J. 5, *5, 7. 

') S. u. Kap. 13. 

8 ) Das Hauptwerk i[t Job. Braun, Vestitus sacerdotum Hebraeorum. 



tracht der 
Priefter. 



334 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

um die Mitte des Leibes gebunden wurde und bis zu den 
Schenkeln hinabreidite, damit audi fur den Fall, dafc fich die 
Priefter am Altare tief biicken mujjten, jede Unanftandigkeit 
vermieden werde. 1 ) Uber diefes Huftkleid trug man einen 
ebenfalls aus Byffus hergeftellten, ungenahten (gewebten), -) 
bis auf die Knochel reidienden langen Leibrock mil engen 
Armeln, der am Halfe durdi Bander zugezogen war. 3 ) Der- 
felbe wurde zufammengehalten durch einen buntgewirkten, 
yier Finger breiten Giirtel, deffen Enden bis an die Knochel 
herabfielen, beim Opferdienft aber zur freieren Bewegung 
um die linke Schulter geworfen wurden. 4 ) Hierzu kam end- 
lidi noch die Kopfbedeckung aus weifcem Byffus, eine Art 
Miitje. 5 ) Diefe Kleider der Priefter wurden im Tempel ver- 
wahrt. Eine Fufcbekleidung trugen die Priefter im Tempel 
merit. ) 

Erft in ganz fpater Zeit haben die beim Tempelgefang 
tatigen Leviten unter Konig Agrippa II. die Erlaubnis er- 
wirkt, ebenfalls bei ihren Dienften die weijge priefterliche 
Kleidung tragen zu durfen. 7 ) 



Ed. 2. Amstelodami 169798. 2 Bde. Vgl. auch die biblifchen Archao- 
logien, z. B. Haneberg 534555. Schegg 543548. 

L ) Exod. 28, 42. 39, 27. Jos. Ant. 3, 7, 1. Der hebr Ausdruck (Lev. 
6, 3. (Vulg. 6, 10) 16, 4) ift ^""5f? = Hullen der Reinheit. Allem An- 
fdieine nadi war Byffus nicht Baumwolle (dafur Haneberg S. 536 ff.), 
fondern Leinen. Vgl. Marquardt, Das Privatleben der Romer II 2 , 483 f. r 
aber ganz befonders Yates, Textrinum antiquorum. An account of the 
art of weaving among the ancients. Part. I. London 1843, p. 267 280 
und Heyes, Bibel und Agypten. Abraham und feine Nachkdmmen in 
Agypten. I. Teil. Munfter 1904, S. 238-242. 

*) Vgl. Exod. 39, 27 (Vulg. 39, 25). 

3 ) Jos. Ant. 3, 7, 2. Vgl. Haneberg 539 und Welte, Art. Priefter 
im Kirchenlexikon 10, 398. 

*) Jof. 1. c. 

5 ) Jos. Ant. 3, 7, 3 unterfcheidet nicht zwifchen der Exod. 29, 9 Mig- 
baah genannten Kopfbedeckung des gewOhnlichen Priefters und der des 
Hohenpriefters, die Exod. 28, 39 Miznepheth heigt. Vermutlich ftimmten 
in der fpateren Zeit beide faft miteinander uberein. Denn dag er die 
eine mit der andern verwechfelt haben foil, ift wohl nicht anzunehmen. 

6 ) Ezech. 42, 14. Jos. B. J. 6, 8, 3. - Vgl. Exod. 3, 5. Jos. 5, 16. 

7 ) Ant. 20, 9, 6. S. o. S. 208. 



X. Kap. Die judifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 335 

2. Die Hohenpriefter. 

Seit den Tagen Aarons war das judifche Hohepriefter- Das 
turn in den Augen des Volkes mit dem ganzen Nimbus der Hohepriefter- 
von Gott eingefe^ten hochften religiofen Wurde auf Erden tum als ! e ~ 
umgeben. Die Tatfache, dag diefe Wiirde eine lebenslang- 
liche und erbliche war, mufcte einerieits das Gefuhl derVer- 
ehrung fiir diefelbe und anderfeits den machtigen Einflufc 
der Hohenpriefter audi in politifchen Dingen fteigern. Nach 
dem Exil mufjte dies bei der verhaltnismajgig grofcen Selb- 
ftandigkeit, deren fich die Juden unter fremder Herrfchaft zu 
erfreuen hatten, noch mehr der Fall fein, bis unter dem Druck 
der fyrifchen Konige das Hoheprieftertum kauflich wurde. 
Anders wurde es wieder, als die Hasmonaer feit Simon die 
Wiirde des Hohenpriefters mit der des Fiirften vereinigten. 1 ) 

Herodes, der feinen vom Volke als Makkabaerfohn Haufiger 
freudig begrufeten Schwager, den jungen Hohenpriefter Ari- Weehfei der 
ftobul, umbringen liejg, ubertrug von da an das hohepriefter- Hohen P ri efter 
liche Amt, ohne Rtickficht auf die Abftammuiig aus hohen- ero es ' 
priefterlichem Gefchtechte und andere vom Gefetj vorgefchrie- 
bene Eigenfchaften zu nehmen, nach Willkur an unbedeutende 
Perfonen, deren Willfahrigkeit er fich verfichert hielt. 2 ) Die 
Romer und diejenigen, denen fie das Recht der Ernennung 
zugeftanden, machten es ebenfo, fo da& Ariftobul bis zur 
Zerftorung Jerufalems 26 Nachfolger hatte. 3 ) 

Selbft die hohenpriefterlichen Gewander wurden zeit- Verwahrung 
weife nicht im Tempel, fondern von den Romern auf der der hohen - 
Burg Antonia verwahrt und nur zum Gebrauch bei hohen 
Fefttagen herausgegeben, bis Vitellius auf die Klagen der 
Juden dies anderte. 4 ) Immerhin war der Hohepriefter auch in 
der romifchen Zeit nicht nur der Vorfitjende des Hohen Rates, 
fondern auch das geiftliche Haupt aller Juden, ob fie nun in 
Palaftina felbft Oder aufjerhalb des Heiligen Landes lebten. 

] ) 1 Mace. 14, 41-45. Vgl. auch Eccli. c. 50 und 45, 7 ff. Zur 
Gefchichte des Hohenprieftertums uberhaupt f. van Hoonacker, Le sacer- 
doce, p. 317382. 

*) Ant. 20, 10. 

") Vgl. unten S 337 ff. 

4 ) Ant. 18, 4, 3. Vgl. o. S. 169. Bei der Eroberung Jerujalems kam 
auch das Prachtgewand des Hohenpriefters an die R6mer (B. J. 6, 8, 3). 



336 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Die Amtstradit 1 ) des Hohenpriefters entfpradi in Bezug 

Amtstracht auf Leibrock, Gurtel und Huftkleid dem der gewohnlichen 

des Hohen- Priefter. Allein fiber den Leibrock trug er ein ganz gewebtes, 

pnefters. a jj Q un g en ahtes, baumwollenes, armellofes Oberkleid, das 

fogenannte Meil, von dunkelblauer Farbe. Es hatte Ofmungen 

fiir den Kopf und die Arme, war aber an den Seiten ge- 

fchloffen. Da es nur bis an die Knie reichte, waren darunter 

die herabhangenden Enden des priefterlichen Gurtels zu 

fehen, gerade wie an den Armen das weifee Priefterkleid 

fichtbar war. Am unteren Saume des Meil waren abwech[emd 

goldene Glockchen und kunftliche farbige Granatapfel aus 

Baumwollfaden angebracht. 2 ) 

Ober diefem Kleide trug er das Ephod, d. h. ein nach 
Art der Megkafeln aus zwei Blattern, von welchen das eine 
Blatt die Bruft, das andere den Riicken bedeckte, beftehendes 
Kleidungsftiick. Es war aus Goldfaden und .bunten Lein- 
wandfaden gewirkt, jedodi iiberwog der Goldftoff. 3 ) 

Vorn auf der Bruft befand fidi am Ephod das C.hofdien 
Oder Behaltnis, das rationale, wie die Vulgata es nennt, ein 



1 ) Exod. 28 und 39. Eccli. 45, 7 ff. 50, 5 ff. Jof. B. J. 5, 5, 7. 
Philo, Vita Mosis 3, 11-14 und de monarchia 2, 56 ( de spec, leg- 
I, 83 sqq. ed. Cohn). 

2 ) Exod. 28, 31 ff. 39, 20 ff. Jos. Ant. 3, 7, 4 ff. B. .1. 5, 5, 7. Der 
Glockchen waren nach dem glaubwurdigen Bericht des Protev. Jacobi 
c. 8 zwolf. (Vgl. auch Juftin. Dial. c. Tryph. 42, 1). Das Gewand war 
ahnlich der Tunika und Dalmatik der Bifchofe. Vgl. Haneberg S. 542 ff., 
der meint (539, 424 und 554 f.), der Trierer ungenahte ,heil. Rock, welcher 
purpurgefarbter Byffus ift, fei ein abgelegter Meil eines Hohenpriefters 
aus der hasmonaifchen Zeit, womit Herodes Chriftum habe bekleiden 
laffen (Luc. 23, 11). : 

: 3 ) Exod. 28, 6 ff ? 39, 2 ff. Jos, Ant., 3, 7, 5 und 7. B. J. 5, 5, 7. 
Ausfuhrlich i handelt uber das Ephod van Hoonacker p. 370 ss. Ober 
das linnene Ephod, welches Samuel, Priefter, und David vor der Bundes- 
lade trugen vgl. 1 Ron. 2, 18. 22, 18. 2 Kon. 6, 14. Ober die Bedeu- 
tung von Ephod in dunklen Stellen wie z. B. Richt. 8, 27 und 1 Kon 1 . 
23, 6 ff., wo es einen feften Gegenftand zu bedeuten fcheint, vgl. u. a. 
\V. R. Arnold, Ephod and Ark. A study in the records and religion 
of the Ancient Hebrews (Harvard Theological Studies III.). Cambridge, 
Mass., 1917. K. Budde, Ephod und Lade. Z. alt. Wiff. 1921, 1-42. Vgl. 
auch H. J. Elhorft, Das Ephod in Z. alt. Wifl. 1910, 259276. Joh. 
Doller, Die Wahrfagerei 'im Alten Teftament (=.Bibl. Zeitfr. X, 11/12) 
Munfter 1923, S. 26-38. . 



X. Kap. Die judifche Priefterfchaft-und der Tempeldienft. 337 

viereckiger Bruftfchild. Es war ahnlich wie die Burfa fur 
die Keldizubereitung ein doppelt zufammengelegtes Quadrat, 
eine Art Tafcbe, und von demfelben Stoff wie das Ephod. 
Auf der Aufcenfeite waren 12 Edelfteine in 4 Reihen von je 
3 Steinen, worauf die Namen der 12 Stamme Israels an- 
gebracht waren, befeftigt. An den 4 Enden hatte es je einen 
goldenen Ring. Die 2 oberen Ringe waren durch goldene 
Kettchen mit den Achfelftiicken des Ephod verbunden, wah- 
rend durch die 2 unteren Ringe blaue Schnure, die mit 
andern goldenen Ringen unter den Armen am Saume des 
Schulterblattes des Ephod befeftigt waren, gingen. 1 ) 

Die Kopfbedeckung 2 ) des Hohenpriefters war wie die 
der Priefter, nur mit dem Unterfchied, dag dariiber noch ein 
purpurblauer Auffatj angebracht war. 3 ) An dem unteren 
Rand diefer Kopfbedeckung war mittels einer purpurblauen 
Schnur eine goldene Platte befeftigt mit der Auffchrift t&'ip 
H'" 1 " 1 = Heilig dem Herrn. 

Am grofcen Verfohnungstage bediente .fieri der Hohe- 
priefter, wenn er in das Allerheiligfte ging, abgefehen von 
der Kopfbedeckung, der gewohnlichen Prieftertracht, fonft trug 
er aber bei der Verrichtung priefterlicher Funktionen die 
Amtstracht. 4 ) Er iibte aber folche Funktionen nur an Sabbaten 
und an den hohen Feften aus. 5 ) 

Die Trager des hohenpriefterlichen Amtes in der hero- 

dianifchen und nachherodianifchen Zeit bis zum Untergange hcher Ober " 
, , ,, r . , , , , B \ blick iiber die 

der Stadt find bekannt. 6 ) Hohenpriefter 

) Exod. 28, 15 ff. Jos. Ant. 3, 7, 5 und 3, 8, 9. Nach Exod. 28,JeitHerodesI. 
30 und Lev; 8, 8 wurden in das Bruftfchild des Hohenpriefters ,,Urim und 
Thumim" gelegt, welche nach dem Exil nicht mehr exiftierten (Vgl. 
Esdr. 2, 63 = Nehem. 7, 65). Worin fie beftanden, ift unbekannt. Hane- 
berg S. 544 ff. identifiziert fie mit den 12 Edelfteinen. Vgl. van Hoon- 
acker p. 380-382; Kirchenlexikon 12, 463 f. Doller a. a. O. 21 -26. 

2 ) Miznepheth. Exod. 28, 36 ff. 39, 30 f. 

3 ) Jos. Ant 3, 7, 6. B. J. 5, 5, 7. Jofephus fpricht Ant. 3, 7, 6 
auch von einer dreifachen goldenen Krone an der Kopfbedeckung des 
Hohenpriefters. Der Pentateuch weig davon nichts. Wahrfcheinlich ift fie 
erft unter den Makkabaern, welche zugleich weltliche Furften waren, hinzu- 
gekommen. So Welte, Art. Hoherpriefter im Kirchenlexikon 6, 169; van 
Hoonacker p. 345. 

*) Lev. 16, 4. Jos. B. J. 5, 5, 7. 
6 ) B. J. 5, 5, 7. 

6 ) Durch Flavius Jofephus. Es gibt viele Zufammenftellungen der 

Fellen, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 22 



338 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Unter den von Herodes I. eingefetjten *) ift der Priefter 
Simon zu Jerufalem, Sohn des Boethus aus Alexandrien, 
zur Ehre und Wiirde des Hohenprieftertums erhoben worden, 
damit Herodes deffen fchone Toditer Mariamme heiraten 
konne. Durch diefe Verwandtfchaft find fpater noch mehrere 
Glieder der Familie des Boethus Hohepriefter geworden. 
Joazar, Sohn des Boethus, ift noch von Herodes kurz vor 
dejfen Tode zum Hohenpriefter gemacht, dann von Archelaus 
abgefetjt worden. Er kam erft nach dem Falle des Archelaus, 
der zuerft den Eleazar, Bruder des Joazar, dann Jefus, Sohn 
der See, zu Hohenprieftern gemacht hatte, a ) wieder in den 
faktifchen Befitj der hohenpriefterlichen Wurde. 3 ) Da er aber, 
allem Anfchein nach wegen Begiinftigung der romifchen 
Schatjung, mit dem Volke in Streit geriet, wurde er von Quid- 
Annas, nius abgefetjt. 4 ) Diefer hat nun die Wurde dem Ananus, dem 
Sohne des Seth, dem aus der Heiligen Schrift unter dem Namen 
Annas bekannten Schwiegervater des Kaiphas, iibertragen. 
Ananus hat die Wurde in den Jahren 6 15 n. Chr. innegehabt 
und ift von dem Landpfleger Valerius Gratus abgefetjt worden. 5 ) 



judifchen Hohenpriefter. Vgl. z. B. Calmet, Dictionnaire historique, criti- 
que etc. de la Bible. Paris 1730, 4 Bde. vol. Ill, p. 275278. Graetz, 
Gefchichte der Juden 111, 6 ) S. 723-754. Schurer II, 267277. Holfcher, 
Der Sadduzaismus, Leipz. 1906, S. 4348. Kellner, Jefus von Nazareth 
S. 169-175. 

*) Er ernannte zuerft den Ananel (f. o. S. 117), dann feinen Schwager 
Ariftobul, dann nach deffen Ermordung (f. o. S. 118) wieder den Ananel 
(Jos. Ant. 15, 3, 3), dann Jefus, Sohn des Phabes oder Phabi (Jos. Ant. 
15, 9, 3), der abgefetjt wurde zugunften des Simon, des Sohnes des Boethus 
(der ungefahr von 24 v. Chr. bis 5 v. Chr. Hoherpriefter war. Vgl. Ant. 
15, 9, 3 mit 9, 1). Diefer wurde aber auch abgefetjt, als feine Tochter 
Mariamme von Herodes verftofcen wurde (Jos Ant. 17, 4, 2. B. J. 1, 30, 7. 
Vgl. oben S. 142). An feine Stelle trat Matthias, Sohn des Theophilus 
(Ant. 17, 4, 2. 6, 4). Da diefer am VerfOhnungstage levitifch verunreinigt 
war, erhielt er fur den Tag einen Stellvertreter in Jofeph, Sohn des 
Ellem (Ant. 17, 6, 4), wurde aber auch abgefetjt (f. o. S. 143) und Joazar 
an feine Stelle gefe^t, (Ant. 17, 6, 4). 

2 ) S. o. S. 161. 

3 ) Vgl. iiber inn o. S. 157, 161 und 170. 

4 ) Vgl. Ant. 18, 2, 1 mit 18, 1, 1. 

B ) Ant. 18, 2, 1 und 2. Vgl. auch Ant. '20, 9, 1 und B. J. 5, 12, 2. 
Vgl. oben S. 171. 



X. Kap. Die judifche Priefterfdiaft und der Tempeldienft. 339 

Mit feinem Amte verier Annas oder Ananus aber keineswegs 
auch feinen Einflujg. Jofephus nennt ihn 1 ) einen der gliick- 
lichften Menfchen, well er fiinf Sohne hatte, welche alle zur 
Wiirde des Hohenprieftertums gelangten. 2 ) Diefelbe Wurde 
erlangte audi fein Schwiegerfohn 3 ) Kaiphas. Wie die Dinge 
damals lagen, ware dies ohne grofcen Reichtum der Familie, 
dem auch vermutlich fchon Annas feine Erhebung zum Hohen- 
priefter zu verdanken hatte, 4 ) unmoglich gewefen. Annas 
fiihrte noch nach feiner Abfetjung feinen Titel weiter 5 ) wie 
wohl alle gewefenen Hohenpriefter 6 ) und befafc noch folches 
Anfehen, daft ihm zuer[t Jefus nach feiner Gefangennahme 
vorgefiihrt wurde und er, um fo fchon dem Gerichte vorzu- 
arbeiten, den Herrn verhorte. 7 ) 

Der Landpfleger Valerius Gratus (1526 n. Chr.), der 
den Annas abfetjte, hat vier Hohepriefter ernannt, 8 ) zule^t 
den Jofeph, genannt Kaiphas, 9 ) den Schwiegerfohn des Annas, Kaiphas. 
vor welchem Jefus ftand, um gerichtet zu werden. 10 ) Er war 

1 ) Ant. 20, 9, i. 

2 ) Sein Sohn Eleazar wurde von Valerius Qratus eingefetjt (Ant. 
18, 2, 2), Jonathan von Vitellius (Ant. 18, 4, 3. 5, 3), Theophilus eben- 
falls von Vitellius (Ant. 18, 5, 3), Matthias von Agrippa I. (Ant. 19, 6, 4), 
Ananus von Agrippa II. (Ant. 20, 9, 1). Jonathan ift von MeuchelmOrdern 
(f. o. S. 222, Ananus wahrend des jtidifchen Krieges (f. o. S. 245) er- 
mordet worden. 

3 ) Joh. 18, 13. 

4 ) Nach fpateren rabbinifehen Quellen jtammte der Reichtum der 
Familie des Annas aus den n Bazars der Sohne Annas", worin gefetjlich 
reine Gegenftande, u. a. auch Tauben, zum Opfer verkauft wurden. Vgl. 
Derenbourg p. 466 - 468. Allein etwas Sicheres lagt fich nicht feftftellen. 

5 ) Luc. 3, 2. Joh. 18, 13-24. Apg. 4, 6. 

B ) Vgl. Jos. Vita 38. B. J. 2, 12, 6. 4, 3, 7. 9. 10. 4, 4, 3. 

7 ) Joh. 18, 1324. GewOhnlich nimmt man, und zwar wohl mit Recht, 
an, 18, 15 fei der Apoftel Johannes gemeint. Einige denken an jemand 
anders, z. B. Belfer, Gefch. des Leidens und Sterbens des Herrn, Freib. 
1913, S. 319 f. an einen vornehmen Jiinger Jefu vom Schlage des Niko- 
demus oder. des Jofeph von Arimathaa. 

. 8 ) Er ernannte zuerft Ismael, Sohn des Phabi, der bald dem 
Eleazar, Sohn des Annas, weichen mufcte, der aber auch fchon nach einem 
Jahre dem Simon, Sohn des Kamith, Pla$ machte. Auch diefer blieb 
nur ein .'ahr im Amte (Ant. 18, 2, 2). 

) Ant. 18, 2, 2. 4, 3. 

10 ) Vgl. Matth. 26, 3. 57. Luc. 3, 2. Joh. 11, 49. 18, 13. 14. 24. 28. 
Apg. 4, 6. Er ift wohl auch der Hohepriefter, welcher weiterhin die Kirche 
verfolgte. Apg. 5, 17. 21. 27. 7, 1. 9, 1. 22* 



340 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

wie die meiften Hohenpriefter diefer Zeit ein Sadduzaer 1 ) 
und, wie fidi aus der Heiligen Schrift ergibt, ein anmafcender, 
gewalttatiger Menfch, der ohne jedes Gefiihl fur Gerechtig- 
keit und religiofe Empfindungen, nadidem die f alfchen Zeugen 
gegen Jefus nichts genutjt batten, diefen befchwor zu fagen, 
ob er ,,der Chriftus, der Sohn Gottes" fei und dann auf die 
klare Antwort Jefu triumphierend ausrief, ,,was brauchen wir 
noch Zeugen, er hat Gott gelaftert." Kaiphas hat das hohe- 
priefterliche Amt wahrend der ganzen Verwaltung des Pilatus 
bekleidet und ift erft von Vitellius nach der Abreife des Pilatus 
zur Ofterzeit, alfo im Jahre 36, abgefetjt worden. 2 ) 

Die beiden von Vitellius eingefetjten Sohne des Annas, 
Jonathan 3 ) und Theophilus, 4 ) haben ihr Amt nidit lange be- 
kleidet. Selbft der judenfreundliche Konig Agrippa I. hat in 
der kurzen Zeit feiner Regierung, von 4144, drei Hohe- 
priefter ein- und abgefefjt. 5 ) Der einzige, der wieder langere 
Zeit das hohepriefterliche Amt inne hatte, namlich von unge- 
fahr 47 59 n. Chr., war der von Herodes von Chalcis 6 ) ein- 
Ananias. gefetjte Ananias, Sohn des Nebedaos. 7 ) Er ift der Hohe- 
priefter, der den angeklagten Paulus auf den Mund fchlagen 
Heft und der vor dem Landpfleger Felix zu Cafarea gegen ihn 
auftrat. 8 ) Bald danach ift er abgefetjt worden, lebte aber 



J ) Apg. 4, 1. 5, 17. Vgl. Ant. 13, 10, 6. 18, I, 4. 

2 ) Ant. 18, 4, 3. 

3 ) Ant. 18, 4, 3. 5, 3. Vgl. 19, 6, 4, wonaeh er die Wahl des Agrippa I. 
auf feinen Bruder Matthias lenkte. Er ift fpater in die Unruhen unter 
Cumanus verwickelt und vom Statthalter von Syrien nach Rom gefchickt 
worden (B. J. 2, 12, 6). Ober fein Ende f. Ant. 20, 8, 5. B. J. 2, 13, 3. 
Vgl. o. S. 222. 

4 ) Ant. 18, 5, 3. Er i[t von Agrippa I. im Jahre 41 abgefetjt worden 
(Ant. 19, 6, 2). 

6 ) S. vorige Anm. Er fetjte zuerft den Simon Kantheras, Sohn des 
Boethus (Ant. 19, 6, 2), dann den Matthias, Sohn des Annas (Ant 19, 
6, 4; 4, 8), dann den Elionaus, Sohn des Simon Kantheras (Ant. 19, 8, 1 
und 20, 1, 3), ein. 

e ) Vgl. fiber ihn o. S. 205. Er fetjte 'zuerft den Elionaus ab und 
den Jofeph, Sohn des Kami (Ant. 20, 1, 3) oder Kamydos (Ant. 20, 5, 2) 
ein [Kamydos = Kamith. Vgl. 339, 8]. 

7 ) Ant. 20, 5, 2. 

8 ) Apg. 23, 1 ff. 24, 1 ff. Vorher war er unter Cumanus in die 
Streitigkeiten mit den Samaritern verwickelt und vom Statthalter Qua- 



X. Kap. Die judifche Priefterfchaft iind der Tempeldienft. 341 

noch langere Zeit und wugte durch feinen Reichtum noch 
grofcen Einflug auszuuben. Er war aber ebenfo habgierig 
wie reidi und nahm z. B. keinen Anftand, die den Prieftern 
gehorigen Zehnten von den Tennen durch feine Knedite 
rauben zu laffen. 1 ) Der Hag gegen ihn verurfachte, dag zu 
Anfang des judifchen Krieges fein Haus in Brand gefteckt 
und er felbft ermordet wurde. 2 ) 

Unter den fechs von Agrippa II. eingefetjten Hohen- Ermordung 
prieftern 3 ) war Ananus oder Annas II., Sohn des aus der des heiligen 
Heiligen Sdirift bekannten alteren Annas, von hef tiger, ge- Jakobus - 
walttatiger Gemiitsart, die fich namentlidi aueh darin bekun- 
dete, dag er in der Zeit zwifchen dem Tode des Landpflegers 
Feftus und der Ankunft feines Nachf olgers Albinus den heiligen 
Jakobus, den ,,Bruder des Herrn", eigenmachtig toten lieg. 
Deshalb wurde er nach nur dreimonatlieher Amtszeit von 
Agrippa II. abgefetjt. 4 ) Er ift fpater im judifchen Kriege von 
den Idumaern erfchlagen worden. 5 ) Audi der Hohepriefter 



dratus von Syrien nach Rom gefchickt (f. o. S. 219), dort aber durch die 
Furfprache des jiingeren Agrippa freigefprochen worden. Ant. 20, 6, 2 
B. J. 2, 12, 6. 

*) Ant. 20, 9, 2 und 4. Es wird hier von ihm als Privatmann ge- 
fprochen. 

') S. o: S. 233. 

3 ) Vor Ananus oder Annas II. war es Ismael, Sohn des Phabi 
(vgl. Ant. 20, 8, 8 und 11). In Ant. 3, 15, 3 wird ein Hoherpriefter Ismael 
zur Zeit der Hungersnot unter Claudius erwahnt, den Kellner 1. c. 173 
mit dem Sohn des Phabi identifiziert. Allein der Sohn des Phabi hatte 
fein Amt unter Nero und diirfte der Ant. 3, 15, 3 erwahnte Ismael = 
Elionaus (f. o. S. 340, 5 und vgl. Wiefeler, Ghronologie des apoftol. Zeit- 
alters, Gott. 1848, S. 159 f.) fein. In B. J. 6, 2, 2 wird von den Sohnen 
eines gewiffen Ismael, der zu Gyrene enthauptet worden war, ge- 
fprochen. Ismael ging mit einer Gefandtfchaft nach Rom und wurde 
dort von der judifchen Profelytin Poppaa zuruckgehalten (Ant. 20, 8, 11). 
Deshalb ernannte nun Agrippa den Jofeph Kabi, Sohn des Hohen- 
priefters Simon Kantheras, der das Amt zur Zeit des Prokurators Feftus 
(61 - 62) bekleidete, nach deffen Tode aber von Agrippa abgefetjt wurde 
(Ant. 20, 8, 11 und 9, 1). 

*) Ant. 20, 9, 1. . Vgl. o. S. 227 f. 

5 ) Mit ihm wurde ermordet (B. J. 4, 5, 2. S. o. S. 245) fein 
Nachfolger im hohenpriefterlichen Amt, Jefus, Sohn des Damnaus, der 
gegen 62-63 die Wiirde bekleidet hatte. Vgl. Ant. 20, 9, 1 und 4. 
B. J. 4, 4, 3 5. Von diefem Jefus, der B. J. 4, 4, 3 der altefte der 



342 Zweiter Abfdhnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Matthias, 1 ) der den Simon, des Gioras Sohn, gegen Johannes 
von Gifchala zu Hilfe gerufen hatte, ift nebft drei Sohnen 
von Simon erfchlagen worden, 2 ) nachdem noch bei feinen 
Lebzeiten die Zeloten einen ganz ungebildeten Mann, Phannias, 
Sohn des Samuel, zum Hohenpriefter beftellt hatten, 3 ) mit 
dem das in feiner Perfon verhohnte jiidifche Hoheprieftertum 
ein Ende nahm. 

3. Die Dienftabteilungen der Priefter. Die Stellung und 
die Pfliditen der Leviten. 

In welchem Alter die Priefter in den heiligen Dienft 
traten, ift niciit ficher, wahrfcheinlidi gefchah es aber im 
zwanzigften Lebensjahre. 4 ) 

Aite Priefter- Schon David hatte die Priefter, damit fidi alle trotj ihrer 
kiaffen. grojjen Zahl in geordneter regelmagiger Weife an der Vor- 
nahme gottesdienftlieher Handlungen beteiligen konnten, in 
24 Klaffen eingeteilt, ?) von denen jede der Reihe nadi je 
eine Woche beim Heiligtuni in Jerufalem den Dienft verfah. 
Sie fuhren im Neuen Teftamente denNamen ,,Tagesklaffen", 6 ) 
im Alten Teftamente heifcen fie allgemein ,,Abteilungen" 7 ) 



Hohenpriefter nadl AnanUS (o tA,troi"Ava.vov yeyaimroi; rolv d(t*/it(}i<av 7 

heigt, i[t fein ebenfalls von Agrippa II. ernannter Nachfolger Jefus, Sohn 
des Gamaliel, zu unterfcheiden. Vgl. iiber ihn Ant. 20, 9, 4. B. J. 4, 3, 9 
und 6, 2, 2. Vita 38. 41. 

*) Er ift von Agrippa II. ernannt worden und heigt Ant. 20, 9, 7 
,,Sohn des Theophilus". Unter ihm nahm der jiidifche Krieg feinen An- 
fang (I.e.). ,,Der Hohepriefter Matthias" B. J. 4, 9, 11 ift wohl identifch 
mit Matthias, des Boethus Sohn, einem von den Hohenprieftern", welcher 
die Burger Jerufalems iiberredet hatte, den Simon, des Gioras Sohn, in 
die Stadt aufzunehmen (B. J. 5, 13, 1). Ob aber, wie Kellner, Jefus von 
Nazareth S. 174, 1 annimmt, Jofephus irrtumlich diefen mit dem alteren 
Matthias, Sohn des Theophilus (f. o. S. 338, 1), ,,zufammengewurfelt 
hat" oder in Ant. 20, 9, 7 die Angabe von B. J. 5, 13, 1 verbefferte, 
wiffen wir nicht. 

2 ) B. J. 5, 13, 1. Vgl. 6, 2, 2. 

3 ) B. J. 4, 3, 6-8. S. o. S. 244. 
*) Vgl. 2 Par. 31, 17. 

6 ) 1 Par. 24, 3 ff. 

6 ) ,,Ephemerien" Luc. 1, 5. 

7 ) nlpr-ntt. Vgl. 1-Par. 28, 13. 21. 2 Par. 8, 14. 23, 8. 31, 2. 

15-16. 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 343 

oder nach ihrem Dienfte ,,WachenV) wahrend Jofephus fie 
bisweilen ,,Vaterhaufer" nennt. 2 ) An der Spitje einer jeden 
Priefterklaffe ftand ein eigenes Oberhaupt. 3 ) Diefe Einteilung 
findet fich audi in der nachexilifchen Zeit und erhielt [ich bis 
ans Ende des jiidifchen Staates. 4 ) 

Daneben gab es aber auch fchon zur Zeit des Esdras 
eine andere Einteilung der Prie[ter in vier Abteilungen, 5 ) 
welche auch noch zur Zeit des Jofephus, der die Zahl der 
Priefter uberhaupt auf 20000 angibt, 6 ) exiftierte. 7 ) 

Natiirlich hatten die Priefter, weil fie meift jedes Jahr 
nur einige Wochen im Tempel befchaftigt waren, gewohnlich 
noch irgend eine andere Befchaftigung. Namentlich waren 
viele als Richter oder Lehrer tatig. 8 ) 

Die Leviten waren nach dem mofaifchen Gefetj vom Amtsantritt 
25. bis zum 50. Jahre dienftf ahig ; 9 ) fpater aber, als der der Leviten. 
Dienft an einem feften Heiligtum leichter war, 10 ) und nament- 



S'f??. Vgl. 2 Par. 31, 16. Nehem. 13, 30. 

2 ) Ant. 7, 14, 7. Vgl. aber auch 1 Par. 24, 4 und 6. 

3 ) 2 Par. 36, 14. Audi in Ezech. 8, 16 ift die Rede vom Hohen- 
priefter und den Vertretern der 24 Priefterklaffen. Vgl. van Hoonacker 
p. 215220 und Knabenbauer, Comm. in Ezech. Paris 1890, p. 94. 

4 ) Nehem. 12, 1 ft; 1 Mace. 2, 1; Luc. 1, 5. Jos. Ant. 7, 14, 7. Vita 1. 
) Vgl. Esdr. 2, 36 ft". Nehem. 7, 39 ff. 

6 ) Jof. ad Apion. 2, 7. Der griech. Text ift verloren. Der latein. 
Text fagt: Licet enim sint tribus quattuor sacerdotum et harum tribuum 
singulae habeant hominum plus quam quinque milia" . . . Nach dem 
Zufammenhang ift gar nicht daran zu denken, dag unter den 5000 Mit- 
gliedern jeder Abteilung auch Leviten oder auch Frauen oder Kinder 
einbegriffen find. Auch ift die Lesart quattuor" nicht zu bezweifeln. 
Vgl. van Hoonacker p. 213 ss. Der Talmud fagt allerdings (jer. Taanith 
iol. 68 a. Vgl. die Stelle auch in Lightfoot, Horae hebr. zu Luc. 1, 5), es 
feien nur 4 Dienftklaffen der Priefter aus dem Exil zuriickgekehrt und nun 
einzelnen Prieftern oder Priefterfamilien die Namen der 20 andern nicht 
zuriickgekehrten Klaffen gegeben worden. Allein dies ift keine Ober- 
lieferung, fondern nur ein Verfuch, biblifche Nachrichten, befonders Esdr. 
2, 36-39 und Nehem. 7, 3942 zu erklaren. 

7 ) Jof. ad Apion. 2, 7. 

8 ) Vgl. 1 Par. 23, 4. 2 Par. 17, 7 ff. 19, 8 ff. 

9 ) Num. 8, 24 ff. In Num. 4, 3 ff. heifjt es vom 30. Jahre, weil 
dort von Verrichtungen, die eine befondere Kraft erforderten, geredet 
wird. Vgl. Welte, Art. Leviten im Kirchenlex. 7, 1867 und de Hummel- 
auer, Comm. in Numeros. Paris 1899, p. 37. 

10 ) 1 Par. 23, 25 ff. 



Leviten im 
weitern und 
engern Sinne. 



Obliegen- 

heiten der 

Leviten im 

engern Sinne, 

befonders 

nach den 

Biichern 

Para- 
lipomena. 



344 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

lich in der nadiexilifchen Zeit, weldie kein beftimmtes Lebens- 
jahr fur den Dienftantritt kannte, vom 20. Jahre an. 1 ) 

Im weitern Sinne nennt die Heilige Schrift alle Nach- 
kommen Levis,-) beziehungsweife als Diener des Heiligtums 
alle Nacbkommen Aarons, 3 ) Leviten, im engeren Sinne verfteht 
fie aber unter Leviten nur diejenigen Stammesangehorigen, 
welche der Familie Aarons nicht angehorten und die Priefter 
in der Verwaltung ihres heiligen Dienftes zu unterftiitjen 
batten. 4 ) Nach der Chronik oder den Bucbern Paralipomena 
gehorte es zu den Obliegenheiten der Leviten in diefem engern 
Sinne, in Palaftina taglich an den Toren des Heiligtums die 
Wacbe zu halten, 5 ) den Tempel zu offnen und zu fchliefcen, 6 ) 
fiir die Reinheit des Tempels und der heiligen Gefafoe zu 
forgen, 7 ) die Schaubrote und das iibrige Opferbackwerk zu 
bereiten 8 ) und iiberhaupt fiir die Tempelvorrate zu forgen/') 
Beim Gottesdienft lag ihnen der Gefang und die Tempel- 
mufik zu. 10 ) Sie unterftiitjten die Priefter beim Schlachten 
und Enthauten der Opfertiere,- 11 ) fingen das Blut der lectern 
auf 12 ) und fchlachteten fiir die unrein gewordenen Perfonen 
die Paffahlammer. 13 ) Audi beaufficbtigten fie etwa notige 
Tempelreparaturen und hielten die Kollekten dafiir ab. 14 ) 



J ) 1 Par. 23, 24 (23, 3 fteht dutch Schreibfehler das 30. Jahr). 2 Par. 
31, 17. Esdr. 3, 8. 

2 ) Exod. 6, 25. Lev. 25, 32. Jof. 3, 3. 

3 ) Deut. 21, 5. Ezech. 44, 614. 2 Par. 11, 14. 13, 9-12 u. a. 

4 ) Num. 3, 6 ff. 18, 3. 8, 19, 22. 18, 6. 

c ) 1 Par. 26, 1219. Vgl. uber die Tempelpolizei S. 350 f. Ober die 
Glaubwurdigkeit der Chronik bzw. der Biicher Paralip. befonders in ihren 
Angaben uber den Stand der Leviten vgl. Kugler, Von Mofes bis Paulus 
S. 122 ff. und S. 234 ff. 

6 ) 1 Par. 9, 27. 23, 32. 26, 12 ff. 

7 ) 1 Par. 9, 28 ff. 23, 28. Vgl. 2 Par. 29, 16. 

8 ) 1 Par. 9, 31 ff. 23, 29. 

'>) I Par. 26, 20 ff. 2 Par. 31, 12 ff. Nehem. 13, 13. 
10 ) 1 Par. 15, 16 ff. 23, 5. 25, 1 ff. 2 Par. 5, 12. 7, 6. Esdr. 3, 10. 
Nehem. 12, 27. 

J1 ) 2 Par. 29, 34. 30, 17. 35, 11. 

12 ) 2 Par. 30, 16. 

13 ) 2 Par. 30, 17. - 
") 2 Par. 34, 9. 12 f. 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 345 

Endlich unterwiefen fie das Volk im Gefetj, 1 ) welches fie nach 
dem Exil in aramaifcher Sprache erklart haben. 2 ) 

Wenn nun diefe vielen und zum Teil wichtigen Obliegen- 
heiten von der Chronik den Leviten zugefchrieben werden, fo 
wird dadurch doch nichts fiber die tatfachlichen Verhaltniffe 
der fpatern Zeit gefagt. 3 ) Vielmehr handelt es fich nur um 
eine Schilderung gefchichtlicher Verhaltniffe auf Grund alterer 
Quellen iiber die Gefchichte der Konige, geradefo wie bei 
der Bemerkung, daft David die Leviten in vier Klaffen, Priefter- 
diener, Tiirhuter, Sanger und Mufiker, Richter und Amtsleut 
einteilte.*) 

In der nachexilifchen Zeit tritt im praktifchen Gebrauch Hervortreten 
der Name Levit immer mehr hinter den Namen, welche ein- der Sanger 
zelne Funktionen der Leviten, wie z. B. Sanger oder Tur- und Turhuter 

, ... . . - i e,\ T\ I-- i~i i j -A nachdemExil. 

hitter, anzeigen, zuruck. ) Das hmg mcnt etwa damit zu- 
fammen, dag z. B. Sanger und Turhuter iiberhaupt nicht 
mehr Leviten waren oder als folche angefehen wurden, fon- 
dern kam daher, dag man zwei Kategorien von Sangern 
und Turhutern unterfdiied, wovon die eine die andere an 



J ) 2 Par. 17, 8 f. 35, 3. 

2 ) Nehem. 8, 7 f. 

3 ) Vgl. van Hoonacker p. 25 ss. 52. 70 ss. 74 ss. 

4 ) 1 Par. 23 ff. (Vgl. van Hqonacker p. 64-70 daruber, dag dies 
fich nicht auf die nachexilifche Zeit bezieht). Vgl. Jo[. Ant. 7, 14, 7. 11, 
5, 1. Ober die Sanger vgl. auch Eccli. 47, 11. 

6 ) Vgl. Eccli. 50, 18. 47, 11. Jos. Ant. 20, 9, 6. Philo, De praemiis 
et poenis 3. Schon unter der Regierung des Konigs Jofias werden ein- 
mal (2 Par. 35, 15) die fonft (1 Par. 23 ff.) zu den Leviten gerechneten 
Sanger und Torhiiter von diefen unterfchieden. Die Bucher Esdras und 
Nehemias machen ebenfalls bisweilen denfelben Unterfchied (Esdr. 2 
40-42. 70. 7, 7. 24. 10, 23 f. Nehem. 12, 4446. 13, 5. 10), aber nicht 
immer (Esdr. 1, 5. 3, 8. 12. 7, 13 etc. Nehem. 8, 13. 10, 34. 38 f. etc.), 
ja nennen fpeziell die Sanger oft ausdrucklich Leviten (Esdr. 3, 10. Nehem. 
li, 15-18. 22 f. 24-29) und behandeln (Nehem. 13, 5) die Qebiihr der 
Torhiiter genau wie die der Sanger (vgl. KOberle, Die Tempelfanger im 
Alten Te[tament. Erlangen 1899, S. 171), wie uberhaupt pen nirgends 
eine Spur davon findet, dag man die Sanger, aber nicht die Torhuter 
zu den Leviten gezahlt habe (vgl. KOberle S. 172). Die Tempeldiener 
(Nethinim = Qegebene, d. h. die Nachkommen von zum Judentum uber- 
getretenen Kriegsgefangenen Esdr. 8, 20), werden auch 1 Par. 9, 2 von 
den Leviten unterfchieden. 



346 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Wurde iiberragte und deshalb auf den Titel Levit in fpe- 
ziellerem Sinne Anfpruch zu haben fchien. 1 ) 

Schwinden Nach dem Exil waren iiberhaupt wenige Leviten zurtick- 
des Anfehens gekehrt. 2 ) Wenn fich deren Zahl auch durch den Zuwachs 
der Leviten m von ( j en j n Palaftina zuruckgebliebenen fteigern mochte, 3 ) 

rru" a -7" * 1 wurden doch die Reehte der Leviten oft den finanziellen 

exihfchenZeit. ' 

Intereffen der Priefter geopfert, 4 ) und wurden die Funktionen 
und damit das Anfehen der Leviten von den Prieftern fehr 
ftark reduziert. Audi die fteigende Bedeutung der Schrift- 
gelehrten mufcte dem Anfehen der Leviten nachteilig fein. 5 ) 
So erklart es fich, daft Jefus Siradi 6 ) voll Begeifterung das 
Verfohnungsfeft und das erfte Makkabaerbuch die Einweihung 
des Tempels befchreibt, 7 ) ohne dafc dabei der Leviten ge- 
dacht wird. Oberhaupt ift in den beiden Makkabaerbudiern 
von Leviten gar keine Rede, wohl aber von Prieftern, welche 
heilige Hymnen fangen. 8 ) Selbft das Neue Teftament fprieht 
nur an zwei Stellen von Leviten. 9 ) 



J ) Vgl. van Hoonacker p. 49 und 210 s. Bekanntlieh zeigen die 
genealogifchen Liften der levitifchen Familien fowohl in der Chronik wie 
in Esdras und Nehemias Verfchiedenheiten und Verwirrung. Diefe ift 
teils auf die Verderbtheit des Textes, teils auf die verfchiedenen Ober- 
lieferungen levitifcher Familien fiber ihre vorexilifchen Anfprflche und die 
dadurch zu verfchiedenen Zeiten notig gewordene Neuordnung diefer An- 
fpriithe zuruckzufiihren. Vgl. van Hoonacker p. 24 s. Baudiffin S. 153; 
Kaulen, "Einl. n. 242 f. 254; de Hummelauer, Comm. in I Paralipomenon 
Paris 1905 p. 4 sqq. 

2 ) Esdr. 2, 4042. 8, 1520. Nehem. 7, 4345. 

3 ) Nehem. 10, 10-14. 11, 15-18. 20. 36. 

4 ) Schon unter Ptolemaus Lagi werden die Priefter nach Hekataus 
bei Jof. c. Ap. 1, 22 als Befitjer der Zehnten dargeftellt. Nach Ant. 20, 
8, 8. 9, 2 waren die Priefter fpater auch unter Agrippa in direktem Be- 
zug der nach dem Gefetj durch die Leviten zu erhebenden Zehnten. Aber 
auch fchon Nehemias klagt, dag trolj des erneuerten Qebotes den Le- 
viten die ihnen fchuldigen Zehntanteile nicht gereicht wurden (Nehem. 
13, 10; vgl. ebd. 10, 37 ff.), und Malachias (1, 7 ff. 13. 2, 1 ff. 8-10) 
klagt fiber die materiellen Intereffen zu fehr hingegebehen Priefter. 

5 ) Vgl. van Hoonacker p. 62 ss 

6 ) Eccli. 50, vgl. ebd. 47, 11. 

7 ) 1 Mace. 4, 36 ff. Vgl. auch 6, 54. 13, 54. 2 Mace. 1, 30. 
10, 7. 38. 

8 ) 2 Mace. 1, 30. - 

) Luc. 10, 32. Joh. 1, 19 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 347 

Am meiften ragen in der letjten Zeit des jiidifchen Ge- Die Sanger in 
meinwefens unter den Leviten die Sanger hervor. Ob uber- der le ^ ten 
haupt die alte nach Jofephus davidifche Einteilung der Le- ^ J r an em 
viten in 24 Dienftklaffen in der nachexilifchen Zeit beftan- des Tempeis. 
den hat, mufc dahingeftellt bleiben. 1 ) Jedenfalls muff en da- 
mals aber die Sanger, weldie nach der Chronik 2 ) fruher in 
24 Klaffen eingeteilt waren, mehrere Dienftabteilungen gehabt 
haben, da taglich wenigftens zwei miteinander tatig waren. 3 ) 
Die Bedeutung der Sanger zeigt fich aueh darin, daft fie von 
Agrippa II. die Erlaubnis erhielten, priefterliche Kleidung 
tragen zu diirfen. 4 ) Cbrigens war ihre Stellung wenigftens 
nach der Mifchna nicht am Altare, zu deffen Seiten nur 
Priefter mit Trompeten ihren Platj hatten, fondern auf den 
15 Stufen, welche aus dem Vorhof der Frauen in den der 
Ifraeliten fuhrten. 5 ) 

Selbftverftandlich wohnten weder die Priefter noch die 
Leviten alle in Jerufalem. Wiffen wir doch, daft der Priefter 
Zacharias im Gebirge wohnte. 6 ) 

4. Einzelne widitige Tempelamter. 

Der Hohepriefter war als oberfter Priefter durch das Der 
Gefe^ nur verpflichtet, alle Jahre einmal am Verfohnungs- Hohepriefter. 
tage unter feierlichen Zeremonien das vorgefchriebene Ver- 



J ) Ant. 7, 14, 7. Vgl. van Hoonacker p. 4144. 

2 ) 1 Par. 25. 

3 ) Nehem. 12, 8. 24. Vgl. Koberle 1. c. S. 66 f. 
*) S. o. S. 208. 

6 ) Middoth 2, 5 f. Sukka 5 f., 4. 

6 ) Luc. 1, 39. Die fpateren Ereigniffe haben die genaue Ausfuhrung 
der Beftimmungen von Num. 35 und Jofue 21 fiber die 48 Stadte, in 
welchen die Leviten wohnen follten, gehindert. Vgl van Hoonacker 
p. 423435. Zur Zeit des Tempeis wohnten die Priefter meift in 
Judaa. Das ift von vornherein wahrfcheinlidi, weil jeder Priefter wenig- 
ftens zweimal im Jahre fich am Tempeldienft beteiligen mugte, lafct fich 
aber auch aus den talmudifchen Nachrichten (vgl. Buchler, Die Priefter 
und der Kultus im le^ten Jahrzehnt des jerufalemifchen Tempeis. Wien 
1895, S. 161 ff. 178 ff.; Sam. Klein, Beitrage zur Geographic und Ge- 
fchichte Galilaas. L. 1909, S. 4 f.) dartun. Nach dem Jahre 70 und dem 
Aufftande des Barkochba haben fich viele in Galilaa niedergelaffen. 
Vgl. befonders S. Klein 1. c. S. 22 .ff. 94 f. 



348 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

fohnungsopfer darzubringen, das Allerheiligfte zu betreten 
und diefes wie das Heilige und den Vorhof durch Blut- 
befprengungen zu heiligen. 1 ) An andern Tagen durfte er 
fich zwar an den priefterlichen Funktionen beteiligen, tat dies 
aber in der nachexilifchen Zeit nur an den Sabbaten, den 
Neumonden und den hohen Feften. 2 ) 

Er hatte aber die Pflicht zu forgen, dag taglich auf feine 
Koften das Speifeopfer fiir die Priefter dargebracht wurde, 
fei es, dafc er felbft opferte oder durch feinen Stellvertreter, :t ) 
der dann ein gewohnlicher Priefter 4 ) aus einer der Klaffen, 
die gerade den Dienft hatte, war. 

Der Einen ftandigen Stellvertreter des Hohenpriefters hat es 

1'ogen. Segan n j c j 1 t gegeben. Allerdings fagt die Mifchna, man habe immer 



der neer. vor ( j em Verfohnungstage ,,einen andern Priefter" 



als Stellvertreter des Hohenpriefters fiir den Fall, dag diefer 
an dem Tage etwa an der Ausiibung feines Amtes verhindert 
fei, beftimmt. 5 ) Diefer Stellvertreter wurde aber eben alle 
Jahre neu beftimmt. Wenn ihn auch bisweilen Archaologen 6 ) 
Segan genannt haben, fo haben fie nur den eventuellen 
Stellvertreter fiir das Verfohnungsfeft, der gar nicht Segan 
hieg, mit dem Segan der Priefter" 7 ) d. h. dem Priefter, 
welcher unter dem Hohenpriefter die befondere Aufficht fiber 
die Priefter und den Priefterdienft hatte, 8 ) verwechfelt. 9 ) 



1 ) Lev. 16. Vgl. auch Lev. 23, 2632. Num. 29, 7-11. Hebr. 
9, 7. 25. Jos. Ant. 3, 10, 3. 

2 ) B. J.. 5, 5, 7. 

3 ) Lev. 6, 1216. Ant. 3, 10, 7. Hierauf bezieht [ich die Bemer- 
kung Philos, des pecialibus legibus III, 23, der Hohepriefter opfere ta'g- 
lich fv-/di; xnl &v6iag. S. auch Eccli. 45, 17. Das Speifeopfer des Hohen- 
priefters beftand aus in 01 gebackenen Mehlkuchen. S. Haneberg, Die 
relig. Altertumer, S. 422. 

*) 4 Ron. 23, 4. Vgl. 4 Kon. 25, 18. Jerem. 25, 24. 

b ) Joma 1, 1. Vgl. Megilla 1, 9. Zwar fagt Philo, de monarchia 
2, 12 ( de spec, legibus I, 113 ed. Cohn), es fei niemand geftattet, im 
Falle der Verunreinigung des Hohenpriefters deffen Dienft zu verfehen, 
jedoch erwahnt Jos. Ant. 17, 6, 4 einen Fall. S. o. S. 338, 1. 

6 ) Z. B. Haneberg S. 558 f. 

7 ) Pirke Aboth 3, 2. 

8 ) Der vollftandige Titel des Segan war c^ron pD=>.P ri efterfurft". 
Vgl. Levy, Neuhebr. und chald. Worterbuch III, 475 und Lightfoot, Mini- 
sterium templi c. 5, 1 p. 687 sq. Das Wort kommt her von 3D eigentl. 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 349 

Ein widitiges Amt war das der Tempelfchatjmeifter, 1 ) DieTempei- 
welchen die Sorge fur die Aufbewahrung und Verwaltung f 
der dem Tempel zufliejjenden Gelder und Wertgegenftande 
oblag. Diefe leijteren wurden in den oft im Alten Tefta- 
mente und bei Jofephus erwahnten Schatjkammern 2 ) im 
inneren Vorhof des Tempels aufbewahrt, wahrend es auch 
Schatjkaften 3 ) gab, in welche Gaben hineingelegt werden 
konnten. An der Spitje diefer Schatjmeifter ftand, wie wenig- 
ftens aus Jofephus hervorzugehen fcheint, der Tempelfcha^- 



viel, grog, vornehm fein. Nach der Mifchna ftand ,,der Segan der 
Priefter" im Range dem Hohenpriefter am nachften. So z. B. ftand, wenn 
letjterer am Verfohnungstage das Los iiber die beiden Bocke zog (vgl. u.), 
der Segan zu feiner Rechten, der Vorfteher der Priefter-Abteilung des 
Tages (vgl. u. S. 354) zu feiner Linken. Joma 3, 9; 4, 1. Vgl. auch 
Joma 7, 1. Sota 7, 7 8. Tamid 7, 3). 

9 ) Vgl. Winer BWB I, 506 f. Welte, Art. Hohepriefter, Kirchenlex. 
6, 170. Buchler, Die Piiefter und der Kultus im letjten Jahrzehnt des 
jerufalemifchen Tempels, Wien 1895, S. 113 f. meint, ftatt des ,,andern 
Priefters" (f. S. 348) fei erft nach 63 v. Chr. der Segan Stellvertreter des 
Hohenpriefters geworden. Aber davon ift nichts bekannt. Vgl. Baudiffin 
in Hastings IV, 96. Schurer, dem fich u. a. auch Buchler . anfchlog, 
halt den Segan fur den Tempelhauptmann. S. S. 351, 8. A. Schwarz, 
Der Segan (Monatfchrift fur Gefch. und Wiff. des Judentums. 64. N. F- 
28. Jahrgang, Breslau 1920, S. 30 55) meint, der Segan fei der von 
den Vorftehern der 24 Wochen-Dienftbeiftande (nftJ/'En ^WX~\ vgl. S. 354) 
aus ihrer Mitte zu ihrem Prafidenten gewahlte Obmann (S. 47) gewefen, 
den fie Segan nannten, urn inn als ,,vornehmen Wurdentrager" der 
landlichen Priefterfchaft zu bezeichnen (S. 53). Dag er dem Range nach 
der Nachfte nach dem Hohenpriefter war, habe darauf beruht, dag er 
,,der eigentliche Vertreter der ganzen Priefterfchaft des Landes war" 
(S. 55). Der bekanntefte Segan war Rabbi Chananja, welcher in den 
talmudifchen Schriften (vgl. z. B. Mifchna Aboth 3, 2; Pesachim 1, 6 etc. 
vgl. Strack, Einl. 3 , S. 121) den Namen c^HDH pD = Segan der Priefter 
fuhrt. Dag er zum ftandigen Vertreter des Hohenpriefters vom Synedrium 
(nach dem Verfohnungstag des Jahres 62 n. Chr. vgl. Schwarz 42 f. 54 f.) 
ernannt worden fei, wie Schwarz vermutet, ergibt fich aus dem Bei- 
namen nicht. 

*) Vgl. Ant. 14, 7, 1. 15, 11, 4. 18, 4, 3. B. J. 6, 8, 3 

z ) Nehem. 12, 43. 13, 5. 9. 12. 13. 2 Mace. 3, 6. 23. 28. 40. 4, 42 
5, 18. Jos. Ant. 19, 6, 1. B. J. 5, 5, 2. 6, 5, 2. 

3 ) Marc. 12, 41. 43. Luc. 21, 1; vgl. Joh. 8, 20. Die Mifchna Sche- 
kalim 6, 5 fagt, es habe im Tempel 13 trompetenartige Schatjkaften 
gegeben. 



350 Zweiter Abjchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jud. Volkes. 

meifter. 1 ) Die oberften diefer Beamten find wohl als Priefter 

anzufehen, 2 ) wofiir fchon die Bedeutung ihres Amtes fpricht. 

Die Mifchna nennt die Schatsmeifter, ob alle oder nur 

einzelne ift nicht recht klar, Gisbarim, 3 ) von welchen fie die 

allerdings nur einmal 4 ) erwahnten Amarkelim unterfcheidet. 

Der Name wird bisweilen aus dem Perfifchen als Zahl- oder 

Redinungsmeifter erklart, 5 ) heifet aber nach dem Hebraifchen 

,,Herr von allem". 6 ) Tatfachlich ftehen die Amarkelim in 

der rabbinifchen Literatur bisweilen hoher als die Gisbarim. 7 ) 

Audi werden in der Mifchna 8 ) noch mehrere andere unter- 

geordnete Tempelbeamte erwahnt, welche wenigftens in den 

Untergeord- letjten Jahren der Exiftenz des Tempels dem Anfcheine nach 

nete Tempei- als [tandige Beamte fiir einzelne Gefchafte, befonders des 

beamte. Opferwefens, z. B. fiir die Anfertigung der Schaubrote und 

das Raucherwerk oder fiir die Leitung des Gefanges 9 ) be- 

ftimmt waren. 



') Er fagt B. J. 6, 8, 3 n o yrxcoipi/Aaf iov 'UQOV <t>iva? tt und nennt 
Ant. 20, 8, 11 den Schatjmeifter Helkias gleich hinter dem Hohenpriefter. 

2 ) Vgl. Anm. 1. 

3 ) Vgl. Pea 1, 6. 2, 8. 4, 8. Schekalim 2, 1. 5, 2. 6 etc. Nach Sche- 
kalim 5, 2 follten ihrer wenigftens drei fein. 

*) Schekalim 5, 2. Ihrer follten wenigftens fieben fein. 

5 ) So fchon Haneberg S. 560. 

6 ) Schabbath jer. 10 c. 13. In Horajoth 13 a wird das Wort her- 
geleitet von rffiD "i^N = alles befehlend. Vgl. Levy, Neuhebr. u. chald. 
Worterbuch I, 103. 

7 ) Vgl. Levy 1. c. Dagegen Schurer II, 327. Die eigentliche Auf- 
gabe der Amarkelim i[t unbekannt. Nach der Tofephta Schekalim II, 15 
(in Ugolini Thes. ant. vol. XVIII p. XIII; ed. Zuckermandel p. 177) hatten 
die fieben Amarkelin (oder Amarkelim, s. Lightfoot 1. c. p. 689 f.) die fiebea 
Schluffel zu den fieben Toren des Vorhofes in Verwahr gehabt. Im jeru- 
falem. Talmud Schekalim fol. 49 a werden noch die (rp^ v ' n p) Katholikin 
als Scha^meifter erwahnt. Vgl. Buxtorf p. 2164 und Lightfoot p. 688 sq. 
Ad. Schwarz, Die Schatjkammer des Tempels in Jerusalem (in Monatsfchr. 
f. Gefch. u. Wiff. des Judentums 63, N. F. 27. Jahrg. Breslau 1919, 
S. 227-252) durfte S. 244 das Richtige mit feiner Bemerkung treffen: 
,,Die Gisbarin waren die Kaffen-Beamten und Scha^ungs-Meijter, die 
Amarkelin waren die eigentlichen Scha^meifter und die Katholiki die 
alien ubergeordneten Revidenten der Schatjkammer." 

8 ) Schekalim 5, 1. 

'>) Die Familien Garmu und Abtinas, von denen erftere die Schau- 
brote, letjtere das Raucherwerk nach Schekalim 5, 1 beforgte, werden 
auch Joma 3, 11 erwahnt. Vgl. auch 1. c. fiber das Amt des Gefangleiters- 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 351 

Zur Ausubung der Tempelpolizei [tanden in der von DieTempei- 
uns gefchilderten Zeit Wachpoften an den Toren des aufceren wachen. 
und den Eingangen des inneren Vorhofes und gingen Wachter 
bei Tag und bei Nadit iiberall im Tempel umher. 1 ) Um alle 
Tore des Tempels zu fchliefcen waren nach Jofephus 200 
Mann erforderlidi, allein 20 fiir das eherne Tor im Often 
des Vorhofes. 2 ) Die Schliiffel wurden von den Prieftern, 
deren Dienftabteilung gerade im Tempel befchaftigt war, ver- 
wahrt und von einer Abteilung am Schlufc ihrer Funktionen 
der jedesmal neu antretenden Abteilung iibergeben. 3 ) Die 
Tore wurden bei Tagesanbruch vor dem Morgenopfer, beim 
OJterf efte aber fchon um Mitternacht geofmet. 4 ) 

In der naehexilifchen Zeit ftanden die Tempelwadien DerTempei- 
unter einem eigenen Tempelhauptmann, dem GTQaTqyog, 5 ) dem hauptmann. 
wieder andere Offiziere unterftanden 6 ) und der auch einen 
eigenen Sekretar batte. 7 ) Bei der Bedeutung des Amtes ift 
anzunehmen, daft er nicht aus der Zahl der Leviten, fon- 
dern der der Priefter genommen war, obwohl dies nicht 
ficher ift. 8 ) 



>) Philo, De praemiis sacerdotum 6 (= De spec, legibus I, 156 
ed. Cohn). Nach Middoth 1, 1 batten die Priefter an 3, die Leviten aber 
an 21 Orten die Wache. 

2 ) c. Apion. 2, 9. - B. J. 6, 5, 3. 

3 ) c. Apion. 2, 7. 

*) Ant. 18, 2, 2. Ahnlich war es am Pfingftfefte B. J. 6, 5, 3. 

6 ) Er ift im Neuen Teftamente Apg. 4, 1. 5, 24 26 erwahnt. Vgl. 
auch B. J. 6, 5, 3. 2, 17, 2. Ant. 20, 9, 3. Einmal (Ant. 20, 6, 2) wird 
er in Verbindung mit dem Hohenpriefter erwahnt. 

6 ) Vermutlich find diefe nebft dem Tempelhauptmann unter dem 
Namen 6r^o,xi\yol bei Luc. 22, 4. 52 gemeint. 

7 ) Ant. 20, 9, 3. 

8 ) Schiirer II, 320 ff. halt den Tempelhauptmann und feine Offiziere 
fur Priefter und identifiziert den erfteren mit dem Segan, der ,,im Rang der 
nachfte nach dem Hohenpriefter war" (1. c. 321). Denn das Wort C*:: 
des Alten Teftamentes werde in der LXX faft konftant durch tfr^ar^/oi 
iiberfetjt (fo Jerem. 51, 23. 28. 57. Ezech. 23, 6. 12. 23. Esdr. 9, 2. 
Nehem. 2, 16. Daniel 3, 2, 27. 6, 8 etc.; es wird aber durch a^ 
wiedergegeben Ifai. 41, 25. Nehem. 4, 13. 5, 7. 7, 5 und durch 

Daniel 2, 48). Weiterhin handle es fich in der Mifchna Bikkurim 3, 3, 
wo es heige, dag den FeftzOgen der Landleute, welche die Erftlings- 
fruchte nach Jerufalem brachten, die rV)~2 [nach Schurer = $>/(>?] und 



352 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jiid. Volkes. 

5. Der Opferdienft im Tempel. 

Aiigemeines Der Opferdienft fand in der Weife ftatt, dafj jede Woche 

uber den von einem Sabbat bis zum andern eine andere der 24 Priefter- 

Opferdienft f am ilien den Dien[t hatte. 1 ) Die einzelnen Dienftverriditungen 



der . wurden durdlg LQS verteilt> 2) D}e dienfttuenden Priefter 

muftten die vorgefchriebene weifte Kleidung tragen und fidi 
wahrend der Zeit ihres Dienftes des Genuffes. von Wein 
oder andern beraufchenden Getranken enthalten. 3 ) Vor An- 
tritt des Tagesdienftes batten fie ein Tauchbad zu nehmen 4 ) 
und alsdann - noch die Hande und Fiifce in dem ehernen 
zwifchen dem Tempelhaufe und dem Brandopferaltar ftehen- 
den Wafchbecken zu wafchen. 5 ) 

Verfchiedene Es werden im Einklang mit den gefetjlichen Beftim- 

Arten von mungen auch von Philo 6 ) und Jofephus 7 ) zwei Arten von 

Opfer. opfer unterfchieden, folche, die fur Privatperfonen, und folche, 

die im Namen des ganzen Volkes Gott dargebraeht wurden. 

Bei beiden kann man blutige Opfer von Rindern, Schafen, 

Ziegen und Widdern und unblutige Opfer d. h. Speife- und 

Trankopfer von Mehl, 01 und Wein unterfdieiden. 

Die unblutigen Opfer waren mit den blutigen Brand- 
und Friedopfern verbunden, wenngleich es auch felbftandige 
Speifeopfer gab. Z. B. wurde ein folches von dem erften 
geerntetenGetreide (Gerfte) am zweiten Oftertag dargebraeht. 8 ) 



2Vv? und %;' entgegenzogen feien, um die vornehmften Priefter. 
Letjteres ift zum wenigften recht zweifelhaft (vgl. Buchler, Die Priefter 
S. 114 f.), und erfteres beweift fiir unfere Zeit nichts. 

') Jos. Ant. 7, 14, 7. diirue re i*,iav naryinv d'taxuvelff&-ai tu &toi eni 
rjnsf)<i<; ur.tiu dno oafjftarov enl ffafijSarov, 

2 ) Luc. 1, 5. Nach Schekalim 5, 1 gab e.s einen befonderen Be- 
amten ,,uber die Lofe", welcher fur die Verlofung der einzelnen Amter 
unter den Prieftern jeder Abteilung zu forgen hatte. 

3 ) Lev. 10, 8 ff. Ezech. 44, 21. Jof. Ant. 3, 12, 2. B. J. 5, 5, 7. 
Philo, De monarchia 2, 7 = De spec, legibus I, 98 ff. ed. Gohn. 

*) Testam. XII Patriarch. Levi 9, 11. Vgl. auch Joma 3, 3. 
5 ) Testam. XII Patr. 1. c.; Philo, Vita Mosis 3, 15. Vgl. Exod. 30, 
17-21. 40, 28 ff. 

8 ) De victimis 3 =- De spec, legibus I, 168 ff. ed. Cohn. 

7 ) Ant. 3, 9, 1. 

8 ) Lev. 23, 10 ff. 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 353 

Soldie Erftlinge gehorten den Prieftern. Dfefen fielen iiber- 
haupt die Speifeopfer zu, 1 ) abgefehen von einer Kleinigkeit, 
weldie verbrannt wurde. 2 ) 

Die blutigen Opfer zerfielen je nach der Veranlaffung in 
drei Klaffen, Brandopfer, bei denen, nachdem das Blut um 
den Altar gefprengt war, das ganze Tier am Brandopfer- 
altar verbrannt wurde, 3 ) Friedopfer (auch Dank- oder Geltibde- 
Lobopfer genannt), bei denen nur die Fettftucke verbrannt, 
das iibrige Fleifch aber teils (namlieh die Bruft und hintere 
Keule) von den Prieftern und ihren Angehorigen, teils von 
den Opfernden verzehrt wurde, 4 ) und endlich Siihnopfer 
(Siind- 5 ) und Schuldopfer, 6 ) bei denen die fetten Teile auf 
dem Altare oder in felteneren Fallen aufcerhalb der Stadt 
verbrannt, die tibrigen von den Prieftern verzehrt wurden. 

Es gab eine grofce Menge von Privatopfern, fowohl frei- 
willigen als durch das Gefetj vorgefchriebenen. 7 ) 

Dazu kamen die Gemeindeopfer, unter denen das tag- Dastagiiche 
liche Brandopfer eine ganz befondere Bedeutung hatte. Das Brandopfer. 
Gefet5 fchrieb fowohl fur den Anbruch als den Sdbluft des 



') Lev. 2,3. 10. 6, 9-11. 7, 9-10. 14. 10, 12-13. Num. 18,9-10. 
Jos. Ant. 3, 9, 4. Dazu gehoren auch die Schaubrote, welche jede Woche 
neu aufgelegt wurden (Lev. 24, 59). 

2 ) Man nannte fie Askarah d. h. Erinnerung (an die Beftimmung 
des Ganzen fur den Altar). Vgl. Haneberg 432 f. 

3 ) Lev. 1> 317: 6, 8-13. 

*) Lev. 3, 1-17. 7, 1121. 7, 2834. 

5 ) Lev. 4, 1-5, 13. 6, 24-30. 

6 ) Lev. 5, 15. 17. 6, 2 f. Bei den Schuldopfern im Unterfchied von 
den Sundopfern handelte es fich um eine mehr wiffentliche, nicht etwa 
blog verfehentliche Obertretung des Gefetjes und dabei um eine folche, 
welche eine Reftitutionspflicht in fich fchlog, 

7 ) Das Gefetj fchrieb Brandopfer fiir die Reinigung der Wochnerinnen 
etc. vor (f. Anm. 5). Freiwillige Brandopfer wurden auch von Heiden 
angenommen. Von hoher politifcher Bedeutung war das kaiferliche Opfer, 
welches aus einem Stier und zwei Lammern beftand und auf Befehl des 
Kaifers Auguftus taglich im Tempel dargebracht wurde. Nach Philo, Leg. 
ad Caj. 23 hatte der Kaifer die Koften des Opfers getragen. Wahrfchein- 
lich ift aber das Opfer fiir den Kaifer und das romifche Volk (Jos. B. J. 
2, 10, 4), wie Jos. c. Apion. 2, 6 fagt, aus den von den Juden erhobenen 
Steuern (ex impensa communi omnium Judaeorum) bezahlt worden. 
Sein eigentiimlicher Charakter bleibt ihm aber. Es wurde erft beim Aus- 
bruch des judifchen Krieges fiftiert. S. o. S. 233. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte. 1. 2. u. 3. Aufl. 23 



354 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Tages einen Gottesdienft vor, bei weldiem jedesmal ein ein- 
jahriges mannliches Sdiaf als Brandopfer geopfert werden 
follte. Zugleidi mufcte ein Speifeopfer, namlidi eine Mifchung 
von etwa 4 Liter (Vio Epha) Mehl und anderthalb Liter 
(V* Hin) f einen Ols und ein Trankopfer, beftehend aus 
anderthalb Liter Wein, geopfert werden x ) und follte mit dem 
Brandopfer das Rauchopfer und die Bedienung des ewigen 2 ) 
Liehtes verbunden fein. Das Abendopfer fand um die neunte 
Stunde d. h. gegen 3 Uhr ftatt. 3 ) 

Die An andachtigen Teilnehmern fehlte es in der letjten Zeit 

Teiinehmer des Tempels bei diefen Gottesdienften nicht. Denn nadi dem 

am tagiichen Beridlt der Mifchna 1 ) war ganz Ifrael entfprediend den 24 

T^nTei" Dienftklaffen der Priefter in fogen. Standmannfdiaften 5 ) von. 

Die stand- Prieftem, Leviten iind Ifraeliten eingeteilt, denen es oblag, 

manner, je eine Wodie lang dabei zu ftehen, wenn die Qpfer dar- 

gebradit wurden. Die Priefter und Levite r n fowie die in Je- 

rufalem wohnenden Laien der betreffenden Standmannfchaft 

taten dies perfonlich, die von Jerufalem entfernt wohnenden 

Laien verfammelten fieh aber in den Synagogen ihrer Stadte 

und lafen die Schopfungsgefchichte. 

DieRitenund Aus dem Mifchnatraktat Tamid ift bekannt, wie wenig- 

Gebrauche [tens in der letjten Zeit des Tempels das taglidie Opfer 

bei der Dar- mor g ens dargebradit wurde. 6 ) Die dienfttuenden Priefter mit 

rl t a^2f en eS den Leviten und Standmannern liejsen fidi abends vorher 

Morgen- Tempel einfchliefeen und fchliefen dort in einem grofeea 

opfers. Gemach. 7 ) Sie wurden frflh im Sommer nachts um 2 Uhr 

*) Exod. 29, 38 ff. und ebenfo Num. 28, 3 ff. 
) S. 355, 6. 

3 ) Ant. 14, 4, 3. Ober die 9. Stunde als Gebetsftunde vgl. Apg-. 3^ 
1. 10, 3. 30. 

4 ) Taanith 4, 14, wofelbft 4, 2 fur diefe Einrichtung auf 4 Mof. 28, 2 
Bezug genommen und diefelbe auf die er[ten Propheten [Samuel und 
David] zuruckgefuhrt wird. 

5) l^u v i^N = Standmanner heigen pe Taanith 4, 3. Nach dem 
Vorgange von Maimonides haben einige Gelehrte (Lightfoot, p. 700 sq.,. 
Lundius 5, 1, S. 922, Schurer II, 338) gemeint, es hatten fidi allw6chent- 
lich bejtimmte Deputierte der Ifraeliten, d. h. der Laien, als Standnjanner 
in Jerufalem eingefunden. Dagegen ift aber Taanith 4, 2; f. o. im Text. 
Vgl. van Hoonacker, p. 42 s. 

6 ) Soldie Befehreibungen nadi dem Traktat Tamid f. audi bei Ligth- 
foot, p. 716 sqq. Lundius 5, 1, S. 919929 u. v. a. 

7 ) Tamid 1, 1. 



X. Kap. Die judifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 355 

geweckt. Nachdem geloft war, wer die Reinigung des Brand- 
opferaltars von der Afche vorzunehmen hatte, und derjenige, 
auf den das Los gefallen war, fich in dem vor dem Altar 
im Freien befindlidien grofjen Wafchbecken gewafchen 1 ) hatte, 
ging diefer an fein Gefchaft, wahrend die ubrigen mit Fak- 
keln in der Hand die Vorhofe muftern gingen. Einige Priefter 
hatten die Oberrefte der Opfer zu entfernen und neues Holz 
auf den Altar zu tragen. 2 ) Nun folgte, nachdem fidi alle 
Priefter in dem Wafchbecken Hande und Fujje gewafchen 
hatten, eine zweite Verlofung iiber die Arbeiten beim Opfer 
felbft. 3 ) War nun die Morgenrote gekommen, 4 ) fo wurde das 
Lamm aus der Lammerkammer und die 93 Dienftgerate aus 
den Nebenkammern des Tempels geholt. 5 ) Dann gingen 
zwei Priefter in den Tempel, um den Raucheraltar fur das 
Raudiopfer zu reinigen und den fiebenarmigen Leuchter herzu- 
richten, 6 ) es wurde das Lamm unter Beobachtung beftimmter 
Vorfchriften 7 ) gefchlachtet und der Tempel geoffnet. Jetjt 
wurde das Blut des Lammes an den Altar gefprengt und 
wurden die einzelnen Opferftucke an den Altar gebracht, 
wobei neun Priefter tatig waren. Nun beteten alle Priefter 
zufammen das Sdima, 8 ) das Morgengebet. Dann legten an- 

J ) Tamid 1, 4. 

2 ) Tamid 2, 3 ff. Nadi Lev. 6, 12 f. follte das Feuer auf dem 
Brandopferaltar ftets brennen. Schon unter Nehemias war deshalb an- 
geordnet, dag alle Ifraeliten in einer durch das Los beftimmten Reihen- 
folge der n Vaterhaufer" Holz fur den Altar zu liefern hatten (Nehem. 10, 
35. 13, 31). Nadi Jos. B. J. 2, 17, 6 (vgl. mit 2, 17, 7 Anfang) gefdiah 
die Lieferung jahrlich am 14. Ab ; nach Megilla Taanith 1 1 (bei Deren- 
bourg, p. 443. 445) befonders am 15. Ab. Vgl. audi Taanith 4, 5. 8. 

3 ) Tamid 3, 1. 
*) Tamid 3, 2. 

& ) Tamid 3, 3 ff. 

6 ) Die Lampen wurden (alle) abends angeziindet und brannten 
uber Nadit (vgl. Exod. 27, 2021. 30, 78. Lev. 24, 3. Num. 8, 14. 
2 Par. 13, 11. Philo, De sacrificantibus = De spec. leg. I, 296, ed. Conn); 
nach Jofephus (Ant. 3, 8, 3) brannten am Tage drei Lampen, in der 
Nadit alle fieben; nach Tamid 3, 9. 6, 1 bei Tag eine, in der Nacht alle 
fieben. Vgl. de Hummelauer, Gomm. in Exodum et Levit. Paris 1897, 
p. 277 sq. . . . n Moysen lampades noctu lucere jussisse, etiam interdiu 
lucere non prohibuisse." 

7 ) Tamid 4, 1 ff. 

8 ) Tamid 4, 13. S. u. Kap. 11, 2. 

23* 



356 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u fittl. Verhaltniffe des .jii'd. Volkes. 

dere Priefter die Opferftticke vollends auf den Altar 1 ) und 
auf das Feuer. 2 ) Dann wurde das Speifeopfer dargebracht 
und im Anfchlug hieran das befondere Speifeopfer des 
Hohenpriefters 3 ) und das Trankopfer. Auf ein Zeichen mit 
der Zimbel*) fangen nun die Leviten den fur den betreffenden 
Tag beftimmten Pfalm, bei deffen Abfchnitten die Trompete 
dem Volke das Zeichen zur Anbetung gab. 5 ) 

Das Rauch- Als die ehrenvollfte Opferhandlung gait die beim tag- 
opfer. lichen Opfer ftattfindende Raucherung auf dem innern Altare. 
Deshalb wurde fie zu gewiffen Zeiten unter denen, welche 
fie noch nicht hatten darbringen konnen, verloft. 6 ) Morgens 
fand das Rauchopfer vor, abends aber nach dem Brandopfer 
ftatt. 7 ) Zu dem Zwecke ging der betreffende Priefter mit der 
Schale, worauf fich das Raucherwerk befand, in -den -'Tern-pel, 
wahrend ein anderer Priefter auf einer goldenen . Pfanne 
vom Brandopferaltar geholte Kohlen trug und fie auf den 
Rauchopferaltar legte. Jetjt legte der erftere Priefter das 
Raucherwerk, wahrend ein anderer Priefter ihm die Schale 
abnahm, auf die Kohlen, betete, wie die iibrigen vor ihm, 
an und ging hinaus. 8 ) Wahrend aber das Rauchopfer ftatt- 
fand, betete draugen das Volk. 9 ) 

DerSegenam Am Schlujg der ganzen Opferhandlung traten die Priefter, 

Sdiiug des namentlich die fiinf, welche bei der Herrichtung des Leuchters, 

Morgen- ^ Qs Raucheraltars und beim Rauchopfer tatig gewefen waren, 

pers. au | jjjg gt u f en dgg Vorhofes und fegneten das Volk mit dem 



1 ) Tamid 5, 2. 

2 ) Fur diefe Reihenfolge fpricht Tamid 3, 1 und 4, 3 (vgl. Lundius 
3, 39 und 5, 1 auf S. 593 und 927 f.). Der Hebraerbrief c. 7, 27 fteht 
damit nicht im Widerfpruch. Vgl. Zill, Brief an die Hebraer, Mainz 1879, 
S. 360 ff., Westcott, The Ep. to the Hebrews, 2 L. 1892, p. 195 L u. a. 

3 ) S. o. S. 348. : , . ' 

*) Sie beftand aus zwei ehernen Becken, welche zufammengefchlagen 
wurden. S. 1 Par. 15, 19. Jos. Ant. 7, 12, 3. 

6 ) Tamid 7, 3. Gefungen wurde nach Tamid 7, 4 am Sonntag (hebr.) 
Pfalm 24, am Mont. Pf. 48, am Dienft. Pf. 82, am Mittw. Pf. 94, am 
Donn. Pf.. 81, am Freitag Pf. 93, am Sabbat Pf. 92. 

6 ) Tamid 5, 2. 

7 ) Joma 3, 5. 

s ) Tamid 5, 46, 3. - . ' ; 

) Luc. 1, 10. Vgl. dazu Lightfoot, 1. c. p. 721 sq. . ( . 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft urid der Tempeldienft. 357 

priefterlichen Segen. 1 ) Ift dies jchon fo zur Zeit Chrifti ge- 
fchehen, fo ift nach dem Evangelium 2 ) anzunehmen, dag der 
Priefterj weldier gerauchert hatte, den Segen fprach. 

Das Aberidopfer fand in ahnlicher Weife ftatt. 3 ) Am 
Sabbate wurde das tagliche Morgen- und Abendopfer yer- 
doppelt 4 ) und an hohen Fefttagen nodi mehr verftarkt 5 ) 

6. Die Einkunfte der Priefter und Leviten. 

Das Einkommen der Priefter fe^te fich hauptfachlich zu- 
fammen aus den Abgaben von Bodenerzeugniffen und der 
Viehzueht, namentlich den Er[tlingsfruditen und den Zehnten, 
fowie aus den Abgaben bei den Opfern und fonftigen be- 
jonderen Anlaffen. 6 ) 

Art fich war die Darbringung der Erftlingsfrudit im Tern- Die Erftiinge. 
pel 7 ) keine eigentliche Steuer, fondern eine fymbolifche An- 
erkennung der Oberhoheit Gottes. 8 ) Sie gefchah durch jeden 
Landwirt, Guts- und Gartenbefitjer von Weizen, Ger[te, 
Trauben, Feigen, Granatapfeln, Oliven und Honig 9 ) unter 
be[timmten im Gefetj 10 ) angegebenen Zeremonien. 

Nach der Mifchna 11 ) wurden die Erftiinge von gewiffen 
Stadten und Flecken Palaftinas gemeinfam dargebracht und 



J ) Num. 6, 22 ff. 

2 ) Luc. 1, 9. 22. 

3 ) Vgl. Lundius 5, 2 (S. 930-934). 
*) Num 28, 9 f 

5 ) Z. B. wurden am erften Tage des Laubhuttenfeftes 13 junge 
Stiere, 2 Widder und 14 Lammer als Brandopfer dargebracht, wozu noch 
die entfprechenden Speife- und Trankopfer kamen (Num. 29, 12-34). 
Daneben gingen dann noch an den Fefttagen (Neumonden, Ofter-, Pfingft-, 
Laubhiittenfep, VerfOhnungstag) befondere Feftopfer (Num. 28, 15. 22. 30. 
29, 5. 11. 28. Levit. c. 16 und 23). 

6 ) Vgl. im allgemeinen auger Num. 18, 8 ff. und andern biblifchen Stellen 
Jos. Ant. 4, 4, 4.; Philo De praemiis sacerdotum (= De spec. leg. 1, 131161, 
ed. Cohn). Vgl. dazu Lundius 4, 3140 (S. 878-914); Haneberg565 -582; 
van Hoonacker, Le sacerdoce, p. 384-423; Schurer 11, 297317. 

7 ) Vgl. Exod. 23, 19. 34, 26. Num. 18, 12 f. Deuter. 26, 1 11. 
Nehem. 10, 36. Vgl. Prov. 3, 9. Tob. 1, 6. 1 Mace. 3, 49. 

8 ) Diefe Erftiinge kamen nicht auf den Altar, fondern wurden von 
den Prieftern verzehrt. Deut. 18, 3 f. Ezech. 44, 30. 

) Deuter. 8, 8. Vgl. Bikkurim 1, 3. 

10 ) Deuter. 26, 1 ff. 

") Traktat Bikkurim = Erftlingsfriichte. (Eine fchone Schilderung 



358 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

fuhrten die Leute an der Spitje ihres Zuges ein Opfertier 
mit vergoldeten Hornern und einem Olivenkranz, Grojjere 
Zuge warden feierlidi abgeholt. Die nahe bei Jerufalem 
Wohnenden braditen das Obft frifch, die andern getrocknet 
dar. Audi aus nidit palaftinenfifdien Landern, nachweislidi 
aus Kleinafien 1 ) und Rom, 2 ) wurden in den letjten Zeiten 
des Tempels die Erftlinge, beziehungsweife die denfelben 
entfprediende Geldfumme, 3 ) nadi Jerufalem gefchickt. 

Die fogen. Nadi den Rabbinen batten audi alle Juden, felbft die 
Teruma. aufjerhalb Palaftinas lebenden, den Prieftern audi nodi die 
fogen. Teruma, 4 ) d. h. einen Teil aller efebaren Erzeugniffe 
des Bodens, fomit nicht blog der oben genannten fieben 
Arten von Friiditen, fondern audi von Gemufearten zu ent- 
riditen gehabt. Dabei riditete man fich nadi dem Grundfatj, 
dag der Grofjmtitige V*o, ein Geiziger 1 /eo feines Einkommens 
gebe, fo dag alfo die Abgabe von Vso die Regel war. 5 ) Ob 
aber diefe Abgabe wirklidi vor der Zerftorung des Tempels 
als verbindlidi angefehen und entriditet worden ift, wiffen 
wir nidit. 

Die Eine andere widitige Abgabe war aber in der gefetj- 

Darbringung lidien Beftimmung, dag der Oder das Erftgeborne, wenn es 

der mann- mSnnlidien Gefdiledits war, Gott geheiligt fein follte, 6 ) ge- 

lichen Erft- grfln( jet. Es ergab fidi namlidi hieraus, da& die mannlidie 

ge ur . Erftgeburt nidit blog von reinen wie von unreinen Tieren, 

fondern audi des Menfdien dargebradit und eventuell einge- 



eines Bikkurim-Zuges gibt Deli^fch, Jiidifches Handwerkerleben zur Zeit 
Jefu. Erlangen 3 1879, S. 66 ff.). Vgl. Philo, De festo cophini in Philonis 
Jud. Opera omnia. Ed. stereot. Lips. 1852. V, 5153 (= De spec. leg. I, 
215233 ed. Cohn). 

l ) Jos Ant. 16, 6, 7 fpricht von den Erftlingen, welche die Juden 
zu Ephefus aus eigenem freien Entfchlug in gottesfurchtiger Gefinnung 
zahlten. 

2 )' Philo, Leg. ad Caj. 23. 

3 ) Philo 1. c. 31. 

4 ) Teruma (~^'1^> eigtl. Hebe, Hebung, Abgabe) bezeidinet audi 
Abgabe im allgemeinen. 

fi ) Vgl. Terumoth 4, 3. S. auch Hier., Comm. in Ezedi. 45, 13-14 
(Op. ed. Vallarsi 5, 565). Vgl. z. B. Haneberg 568 f. Winer BRW I, 
343, 4. 

c ) Exod. 13, 2. 15. 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 359 

16ft werden mufjte. Die Erftgeburt von reinen, d. h. opfer- 
baren Tieren, alfo von Rindern, Sdiafen und Ziegen, mufcte 
in den Tempel gebracht und dort als Friedensopfer behan- 
delt werden, d. h. das Fett wurde auf dem Altare verbrannt, 
das Blut an den Altar gefprengt, die Bruft und das redite 
Sdiulterftflck den Prieftern gegeben, 1 ) wahrend das ubrige 
von dem Darbringer und feiner Familie im Heiligtum ver- 
zehrt werden konnte. 2 ) Bin Tier, welches einen Fehler hatte, 
gehorte aber dem Priefter allein 3 ) und konnte von ihm auch 
an Nichtpriefter verkauft werden. 4 ) Die mannliche Erftgeburt 
von unreinen Tieren, z. B. Efeln und Kamelen, war gegen 
Geld auszulofen, wobei noch V& uber den Schatjungswert 
des Tieres bezahlt werden mufjte. 5 ) Aber am allereintrag- 
lichften war die Einlofung des mannlichen erftgebornen Kin- 
des, 6 ) denn der Lofepreis dafiir betrug 7 ) funf Sekel des 
Heiligtums, d. h. etwa 13 Mark. 8 ) 

Zu den Erfth'ngsabgaben gehorten endlich noch die im Andere 
Gefetj 9 ) vorgefchriebene Abgabe von Brotteig fur den Altar, Erftiings- 
welche Challa hiefc, 10 ) und die Erftlinge von der Wolle bei 
der Schaffchur. 11 ) 

') Levit. 7, 30 ff. 

2 ) S. o. S. 353. Vgl. Num. 18, 17 f. Deuter. 15, 19 f. Nehem. 10, 37. 

3 ) Deuter. 15, 21-23. 

*) Bekhoroth 4, 7 zeigt, dag auch bisweilen aus Eigennutj Tiere 
als untauglich zum Opfer erklart wurden. 

5 ) Num. 18, 15. Levit. 27, 27. 

6 ) Exod. 13, 13. Num. 18, 15 f. Vgl Num. 3, 47 f. Levit. 27, 6. 

7 ) Num. 18, 15 f. 

8 ) Nach Bekhoroth 8, 7 waren die fflnf Sekel nach tyrifchem Gewicht 
zu beftimmen. Danach wird ein folcher Sekel zu ungefahr 2 Mk. 62 Pfg-. 
gerechnet. S. daruber unten. Daft die Lofung im Tempel ftattfinden 
mugte, kann man aus Num. 18, 15 f. (vgl. 3, 47 f. Levit. 27, 61) fchliegen, 
weil die AuslOfung an Stelle der Darftellung trat, welche nach Num. 18, 
15 f. im Tempel erfolgen mugte. Vgl. uber die Darftellung Jefu im 
Tempel Luc. 2, 22 f. 

9 ) Num. 15, 20 f. 

10 ) Nadi dem Mifdina-Traktat Challa 2, 7 hatten Privatleute 1 /2i, 
Backer '/^s vom Ganzen zu geben. Die Abgabe mugte den Prieftern ge- 
geben werden (Jos. Ant. 4, 4, 4), und zwar (nach Philp, De praemiis etc. 
1 = De spec. leg. I, 132 ed. Cohn) als ausgebackenes Brot. Aus 
Challa 4, 8 f. fcheint hervorzugehen, dag man die Challa nicht nach Jeru- 
falem, fondern zu dem nachften Priefter brachte. S. Haneberg S. 572. 

u ) Vgl Deuter. 18, 4. Tob. 1, 6. Jos. Ant. 4, 4, 4. 



360 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u jittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Unter Berufung auf das Gefetj behaupten fowohl Philo 
wie Jofephus wie die Mifchna, es muffe fogar von den zu 
Haufe fur ein gewohnliches Gaftmahl gefchlachteten Tieren 
Magen, Kinnlade und der rechte Vorderfufc den Prieftern ge- 
geben werden. 1 ) Wie weit aber diefe Praxis verbreitet war, 
laftt fich nicht fagen. Obrigens war auch, wenn man von 
den Opfermahlen abfieht, der Genufc von Fleifdi iiberhaupt 
verhaltnismafcig felten. 

Der Zehnte. Die bedeutendfte Abgabe, die der Ifraelit zu leiften 

hatte, war der Zehnte, der auch bei andern alien Volkern, 
befonders den Phoniziern, Athenern und Romern, fur Tern- 
pel und Priefter beftand. 2 ) Bei den Juden ging nun die 
gefetjliche Beftimmung 3 ) dem Sinne nach dahin, daft der 
zehnte Teil von den Haupt-Bodenerzeugniffen, Getreide und 
Obft, an die Leviten gegeben werden muffe. Die Pharifaer 
hatten die Beftimmung aber auch auf Kraufeminze, Anis, 
Kummel und anderes, was nicht zu den Hauptfruchten ge- 
horte, ausgedehnt. 4 ) Es konnte nach dem Gefetj ftatt der 
Abgabe in Frucht u. dergl. der Schatjungspreis und ein Fiinftel 
dariiber gegeben werden. 5 ) 

Ein Viehzehnt von Rindern, Schafen und Ziegen ift wenig- 
ftens in fpaterer Zeit nicht mehr erhoben worden. 6 ) 



') Deuter. 18, 3 wurde nicht auf Opfertiere, fondern auf fonft ge- 
fchlachtete Tiere, d. h. Kinder, Schafe und Ziegen bezogen. Vgl. Philo, 
De praemiis etc. 3 = De spec. leg. I, 147. Jos. Ant. 4, 4, 4 (vgl. mit 
3, 9, 2); Chullin 10, 1. Vgl. auch Haneberg 576 f. und 485 ff. Van 
Hoonacker, p. 416-419. Letjterer meint p. 417: chez les Hebreux 1'immo- 
lation du betail eut toujours un caractere sacre. 

") Vgl. Haneberg S. 573 f. Nach Aristot. Oeconom. 2, 1, 4 (vgl. 
Buhl, Die fozialen Verhaltniffe der Ifraeliten. B. 1899, S. 117, 2) wurde 
auch in Perfien durch die Konige ein Zehnter von den FeldfrQchten 
erhoben. 

3 ) Num. 18, 21. Levit. 27, 30 f. 

*) Vgl. Matth. 23, 23. Luc. 11, 42. 

5 ) Levit. 27, 31. 33. Ober die Tempelfpeicher zur Aufnahrae des 
Abgelieferten f. 2 Par. 31, 4 ff. Nehem. 10, 39. 

6 ) Ein Viehzehnt ift Lev. 27, 32-33 (vgl. 2 Par. 31, 6) vorge- 
fchrieben, aber dem Anfcheine nach fonft nicht, auch nicht Num. 18, 21 32 
(Hoberg, Mof.es und der Pentateuch, Freib. 1905 [= Bibl. Stud. 10, 4], 
S. 63 fchliegt daraus, dag er aufgehoben worden fei), wenngleich Num. 18,21 
,,alle Zehnten Ifraels habe ich den Sohnen Levis zum Befitj gegeben" 
fich darauf beziehen konnte. In nichtbiblifchen Quellen hat ihn vielleich 



X. Kap. Die jiidifche Priefterfchaft und der Tempeldienft. 361 

Die' Leviten mufcten nach dem Gefe^ von dem ihnen zu- DerZehnte 
kommenden Zehnten wieder einen Zehnten, den Zehnt vom Zehnten - 
vom Zehnten", 1 ) an die Priefter abgeben. Es fcheint aber, 
dag wenigftens zur Zeit des Jofephus nur die Priefter den 
Zehnten und zwar direkt vom Volke felbft erhielten. 2 ) 

Eine weitere reiche Einnahmequelle waren die Opfer- 
und die freiwilligen Gaben. Von erfteren fielen, wie bereits 
bemerkt, den Prieftern betrachtliche Teile zu. Bei den fehr 
haufigen Brandopfern erhielten fie wenigftens das Fell 3 ) und 
hatten damit eine befondere grofce Einnahmequelle. 

Die freiwilligen Gefchenke hingen oft mit Gelubden zu- Freiwuiige 
fammen. 4 ) Man konnte z. B. irgend etwas als Korban, d. h. Gefchenke 

ein Opfer dem Tempel weihen. 5 ) Hatte fidi jemand felbft O und andere 

. Einkommen- 

quellen der 
Philo (De humanitate 10, in der Ausgabe von Cohn und Wendland vol. V, p - e er 

203) zu den priefterlichen Einkunften gerechnet, und jedenfalls gefchieht 
dies im Buch der Jubilaen 32, 15. Die Rabbiner haben aber (vgl. Lundius 
4, 38, S. 901904) den Viehzehnt zu dem fogen. ,,Zweiten Zehnten" ge- 
rechnet. Nach Deut. 14, 2226 (vgl. ebd. 12, 6. 11. 17) follte namlich der 
Landwirt den zehnten Teil deffen, was ihm nach der Abfonderung der 
Erftlinge, der Teruma und des erften Zehnten iibrig blieb, zu Opfermahl- 
zeiten in Jerusalem fur fidi und feine Familie verwenden (vgl. iiber die- 
fen Zweiten Zehnt den Mifchna-Traktat Maaser Scheni). Jedes dritte 
Jahr aber follte diefer Zweite Zehnt nach Deut. 14, 28-29. 26, 12 mit 
den Leviten, Fremdlingen und Armen geteilt werden. Dies ift in fpaterer 
Zeit fo verftanden worden, dag auger dem Zweiten Zehnten jedes dritte 
Jahr noch ein weiteres Zehntel zu Mahlzeiten fur Arme, wobei befonders 
die Leviten zu berudcfichtigen waren, gegeben werde (Tobias 1, 78 
(griech. Text; der Codex Sinait. vgl. die Ausgabe von Swete 
fchliegt fich an Deut. 1. c. an, Jos. Ant. 4, 8, 22). Man nannte dies den 
dritten Zehnt oder den Armenzehnt. Vgl. uber diefe Zehntarten Schurer II, 
306, 22, der auch die betreffenden Stellen der Mifchna angibt. 
!) Num. 18, 20 - 32. Nehem. 10, 38 f. 

2 ) Jos. Vita 12. 15. Ant. 20, 8, 8. 9, 2. Vgl. van Hoonacker, p. 401. 
Vielleicht lajfen fich die Stellen aber auch fo auffaffen, dag fowohl die 
Leviten als auch die Priefter ihren Anteil am Zehnten direkt vom Eigen- 
tfimer erhielten. Dag Esdras die Leviten von der Teilnahme am Zehn- 
ten ausgefchloffen und diefen den Prieftern referviert habe, ift nicht richtig. 
Vgl. Nehem. 10, 3739. S. Winer WB'BR II, 724 und Welte, Art. Leviten 
im Kirchenlex. 7, 1868. 

3 ) Lev. 7, 8. Philo, De praemiis etc. 4 (= De spec. leg. I, 151 
ed. Cohn). Jos. Ant. 3, 9, 1. 

*) Vgl. Lev. 27. Deut. 23, 21-23. Jos. Ant. 4, 4, 4. 
B ) Vgl. Matth. 15, 5. 6, 



Beurteilung 
der den 

Prieftern zu- 

ftehenden 

Vergiin- 

ftigungen. 



362 Zweiter Abfchnitt. .Dieinnernfoz. u. fittl. ZuftSnde des jfid. Volkes. 

dem Heiligtum geweiht, fo mufjten von einem Manne 50, 
von einer Frau 30 Sekel den Prieftern zur Auslofung des 
Gelubdes gezahlt werden. 1 ) 

Den Prieftern gehorte namentlidi alles Gebannte, d. h. 
fo als Banngut geweihte, daft es nicht auslosbar war, 2 ) fowie 
der Erfatj fur unrechtmafjig erworbenes Gut, deffen recht- 
mafeiger Eigentumer nieht aufzufinden war. 3 ) 

Im allgemeinen wurden, foweit es tunlieh war, alle Abgaben 
nadi Jerufalem gefandt und dort an die Priefter verteilt. 4 ) 

Die Priefter waren felbft von Abgaben frei. 5 ) 

Gewifc machen alle diefe Vergfinftigungen zunachft den 
Eindruck, daft fie fur die zu leiftenden Dienfte zu grofe waren. 6 ) 
Allein die Einkunfte kamen eben oft nicht ein, da fie zum 
grofcen Teil von dem guten Willen und der religiofen Ge- 
finnung des Einzelnen abhingen. Selbft die Zehnten werden 
zumal bei Mijjernten fchwerlich immer regelmafcig einge- 
kommen fein, zumal das Gefetj weder -cine Kontrolle fur 
deren richtige Ablieferung, nodi eine Strafe fur deren Unter- 
laffung feftgefetjt hatte und fomit die Entrichtung des Zehnten 
eine blo&e Gewiffenspflicht war. 7 ) Naturgemafe vermehrten 
fich die Zehnten nicht mit der fteigenden Zahl der Priefter, 
weil ja die Zahl der zehntbaren Acker eine befchrankte war. 
Oberdies mochte die Ablieferung der Zehnten auch deshalb 
wenig driickend empfunden werden, weil das Land fruchtbar 
war und infolge des Jubeljahres dem Eigentumer nicht auf die 
Dauer verloren ging, die Priefter und Leviten aber, obwohl 
fie an fich Anfpruch auf den dreizehnten Teil des Grund- 
eigentums hatten, nichts davon befafcen. 8 ) Uberdiefc mufeten 
felbftverftandlich von jenen Einkunften der Priefter und Leviten 
auch ihre Familien unterhalten werden. 9 ) Hatten die Priefter 



J ) Lev. 27, 3 f. Jos. Ant. 4, 4, 4. 
*) Lev. 27, 28. Num. 18, 14. Ezech. 44, 29. 
3 ) Num. 5, 6-8. 

*) 2 Par. 31, Il-rl9. Nehem. 12, 43. 13, 5. Malach. 3, 10. Philo, 
De praemiis etc. 4 (= De spec. leg. 1, 152 ed. Cohn). 

5 ) Esdr. 7, 24. Jos. Ant. 12, 3, 3. 

6 ) Vgl. Lundius 4, 35-37. 40, S. 894-901. 908-914. 

7 ) Vgl. Malach. 2, 8. 10. 

8 ) Vgl. Winer BRW-II,' 273, 6. 

) Nur die Speifeopfer, fowie die von den Suhneopfern auf die 



X. Kap. Die judifdie Priefterfdiaft und der Tempeldienft. 363 

und Leviten wirklidi ubermafcig hohe Einkunfte gehabt, fo 
wfirden wir im Laufe der ifraelitifchen Gefchichte davon 
horen. Allein im Gegenteil treten fie uns als Bedurftige 
gegenfiber. 1 ) 

Als Klaffe haben fidi die Priefter, abgefehen von den 
Hohenprieftern, keineswegs fo feindfelig Jefu gegeniibergeftellt 
wie die Pharifaer. Denn fchon bald nach der Himmelfahrt hat 
eine _ grojje Zahl Priefter das Wort Gottes angenommen. 3 ) 

7. Das TempelvermOgen. 

In der nadiexilifchen Zeit beftand das Tempelvermogen, Die Wert- 
abgefehen von foldien Koftbarkeiten wie dem fiebenarmigen fachen. 
Leuchter, dem Schaubrottifch, dem Raucheraltar u. dergl., zu- 
nachft in den heiligen Geraten und dem heiligen Zierat, 
alfo in vielfadi filbernen oder goldenen Becken, Schiiffeln, 
Mifdigefafcen, Leuchtern, Tifchen u. dergl. 3 ) Diefelben waren 
oft als Weihegefchenke, felbft heidnifcher Furften, dem Tern- 
pel verehrt worden. 4 ) Dazu kamen die Vorhange und die 
Gewander und Gurtel der Priefter und die zur Anfertigung 
diefer Dinge beftimmten Vorrate koftbarer Stoffe, 5 ) gro&e 
Mengen von zum Opferwefen gehoriger Dinge, namentlich 
von Mehl, 01 und Wein, von Zimmet, Kaffia und andern 
zum Raucherwerk notiger wohlriechender Stoffe, 6 ) die fur 
die Priefter gelieferten Abgaben und grofce Summen baren 
Geldes. 7 ) 



Priefter fallenden Teile mugten von den Prieftern im Heiligtume felbft 
verzehrt werden. Num. 18, 10. Jos. Ant. 4, 4, 4. 

J ) Vgl. Ant. 20, 9, 2. 

*) Apg. 6, 7. 

3 ) Esdr. 1, 9-11. 8, 26-27. Vgl 1 Mace. 1, 2123. Ant. 14, 4, 4. 
16, 4. 19, 6, 1. B. J. 1, 7, 6. 2, 17, 3. 5, 13, 6. 6, 8, 3. c. Apion. 2, 5. 
Audi hiftorifch wertvolle Alterttimer wurden im Tempel aufbewahrt, z. B. 
hingen um den Tempel herum die fremden VOlkern im Kampfe entriffenen 
Ruftungen (Ant. 15, 11, 3 in fin), und im Tempel oberhalb der Sdia^- 
kammer die goldene, dem Agrippa von Caligula gefchenkte Kette 
(Ant. 19, 6, 1). 

*) 2 Mace. 3, 2. Ant. 14, 16, 4. B. J. 4, 3, 10. 5, 5, 3. 13, 6! 
6, 5, 2. 8, 3. Philo, Leg. ad Caj. 23. 37. 40. 

5 ) B. J. 6, 8, 3. 

6 ) Ant. 14, 4, 4. B. J. 1, 7, 6. 

7 ) Cicero pro Flacco 28, 67 ff. klagt, dag die Juden aus den Pro- 



364 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jxid. Volkes. 

Das Letjtere riihrten teils aus Weihegefchenken und fonftigen 

bare Geld, freiwilligen Gaben, *) teils aus der Tempelfteuer her. Die 
Veranlaffung zu diefer letjteren ift wahrfcheinlich die Erzah- 
lung im Buche Exodus 2 ) von einer einmaligen Abgabe fur das 
Zelt des Zeugniffes gewefen. Auf das darin enthaltene Prin- 
zip, daft das Volk felbft zu den Kultuskoften beitragen folle, 
berief fich fchon Joas, als er eine jahrliche Steuer zur Aus- 
befferung des von Athalia und ihren Sohnen verwufteten 
DieTempei- Tempels ausfchrieb. 3 ) Die Tempelfteuer batten alle fiber zwan- 
fteuer. zig Jahre alten Ifraeliten, auch die aufcerhalb Palaftinas leben- 
den, zu zahlen. Sie betrug zur Zeit des Nehemias J /3 Sekel 
jahrlich, 4 ) wurde aber fpater, als die Bedurfniffe und auch der 
Wohlftand wuchfen, auf einen halben Silberfekel 5 ) oder eine 
Doppeldrachme erhoht, was nach unferm Gelde ungefahr 
1 Mark 32 Pfennige ausmacht. Bei einem fo ftark fich ver- 
mehrenden Volke wie dem judifchen mugte dieje Steuer all- 
mahlich grofee Summen einbringen. Die -Steuer war zwifchen 
dem 15. und 25. Adar (im Marz) zu entrichten 6 ) und zwar 
in althebraifcher oder tyrifcher Wahrung, fo daft man in 
Palaftina, wo Miinzen in romifcher Wahrung im Gebrauch 
waren, das Geld vielfach umwech[eln mujgte. 7 ) Die Steuer 
diente zunachft zur Erhaltung des Gebaudes und zur An- 
fchaffung der fur den Kultus notwendigen Dinge, wie z. B. der 
Opfergerate, Priefterkleider u. dergl., dann aber auch bejonders 
zur Beftreitung der Koften des taglichen Brandopfers. 8 ) 

vinzen fo viel Qeld nach Jerufalem fchicken. Craffus raubte aus dem 
Tempel 2000 Talente in bar und 6000 Talente in Koftbarkeiten. Ant. 14, 7, 1. 
B. J. 1, 8, 8. 

! ) 1 Mace. 10, 39. Das Scherflein der armen Witwe Marc. 12, 41-44. 
Luc. 21, 1-4. 

2 ) Exod. 30, 11 ff. 

3 ) 2 Par. 24, 5 ff. Vgl. van Hoonacker, p. 421 s. 

4 ) Nehem. 10, 32. Nach perfifcher Wahrung war I t 3 Sekel ungefahr 
40 Pfg. Vgl. Meyer, Die Entftehung des Judentums. Halle 1896, S. 210 

5 ) Matth. 17, 24. Ant. 18, 9, 1. B, J. 7, 6, 6. 
) Schekalim 1, 4. 

7 ) Vgl. Matth. 21, 12. Marc. 11, 15. Joh. 2, 15. Nach Bekhoroth 8, 7 
waren alle Abgaben gemafc dem heiligen Sekel in tyrifcher Wahrung, 
welche der althebraifchen entfpricht, zu entrichten, wie auch fonft der Talmud 
als Norm aufftellt, dag alle im Gefetj erwahnten Abgaben in tyrifchem 
Geld zu zahlen find. Vgl. Kennedy, art. Money in Hastings III, 422. 

8 ) Nehem. 10, 33-34. Vgl. Schekalim 4, 1-3. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen tind Schulen. 365 

Wie heidnifche Tempel, z. B. der von Ephefus wegen 
ihrer Heiligkeit von Privatleuten als fichere Qrte zur Aufbe- 
wahrung ihrer Kapitalien erwahlt wurden, fo waren auch im 
Tempel zu Jeru{alem folche Schatje deponiert. 1 ) Natiirlich 
konnten habgierige Machthaber dadurch leicht zur PlGnderung 
des Tempels gereizt werden. Bekanntlich hat Heliodor einen 
Verfuch dazu gemacht, 2 ) wahrend Antiochus Epiphanes tat- 
facblich den Tempel mit Gewalt beraubte. 3 ) Ahnlich machten 
es romifche Feldherren 4 ) und die Landpfleger Pilatus und 
Florus. 5 ) 

Zur Aufbewahrung all diefer oft erneuerten Ko[tbarkeiten Die 
dienten die Scha^kammern im innern Vorhof des Tempels, kammern des 
fiir deren Verwaltung es zur Zeit des Jofephus auger den Tem P els - 
Beamten niedern Ranges, wie Schreiber, Kammerauffeher 
u. dergl., mehrere Scha^meifter gab. 6 ) 

XI. Kapitel. 

Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 

Zur Zeit Chrifti drehte fich das ganze Leben des jiidifchen 
Volkes um das Gefe^ und der grofcere oder geringere Eifer 
fiir dasfelbe charakteri[ierte in den Augen des Volkes den 
mehr oder weniger vollkommenen Juden. Die Gefetjeslehrer 
waren aber nunmehr vorzuglich die Sehriftgelehrten. Es gab 
in und augerhalb Palaftinas Synagogen, in denen von alters 
her das Gefet^ Mofis jeden Sabbat vorgelefen 7 ) und auch 
erklart wurde. Das Gefetj lefen lernte man in den Schulen. 
Somit konnen wir unter diefem Gefichtspunkte hier im Zu- 
fammenhang von den Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen 
fprechen. 



J ) 2 Mace. 3, 10-12. 15. B. J. 6, 5, 2. 

2 ) 2 Mace. c. 3. . 

3 ) 1 Mace. 1, 2123. 

*) Ant. 14, 7, 1..B.-J. 1, 8, 8. - Ant. 17, 10, 2 fin. B. J. 2, 3, 3. 
6 ) Ant. 18, 3, 2. B. J. 2, 9, 4. B. J. 2, 14, 6. 

6 ) S. o. S. 349 f. - 

7 ) Apg. 15, 21. 



366 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

1. Die Sdiriftgelehrten. 1 ) 

Erftes Auf- Der Name Schriftgelehrter im Sinne 8 ) eines Gelehrten, 

tretendesNa-der im Gefetje erfahren ift, begegnet uns fchon im 5. Jahr- 

mens Sdirift- hundert v. Chr. zur Zeit des Esdras und Nehemias. Esdras 

geiehrter. ^ lb ^ wird oft als ^ Schriftgelehrte", der ,,Sopher be- 

zeichnet, 3 ) und er wird gelobt, weil er feine ganze Energie 

darauf verwandte, ,,das Gefetj des Herrn zu erforfchen, es 

zu beobaditen und die Beftimmungen des Gefetjes in Ifrael 

zu lehren." 4 ) In diefer Hinfidit ift er wie fur feine nachften 

Nachfolger, fo audi fur die fpateren Schriftgelehrten vor- 

bildlich gewefen. 

ihre Be- Sdiriftgelehrte hat es ohne Zweifel audi im Exil ge- 

deutung nach geben. 5 ) Da)5 fie aber nach demfelben immer grofcere Be- 
dem Exil. deutung erlangten, hatte mehrere Grunde. Zunachft mugte 
die Wiederbelebung des Intereffes an dem Gefe^e beim 
ganzen Volke 6 ) von felbft zur wiffenfchaftlidien Erforfchung 
und Erklarung des Gefe^es fuhren. Dazu kam aber bei dem 
immer mehr fchwindenden Verftandnis des Hebraifchen, welches 
in und nach dem Exil dem Chaldaifchen gewichen war, 7 ) die 
Notwendigkeit, die heiligen Biicher dem Volke durch fchrift- 
kundige Manner erklaren zu laffen. Endlich brachte aber 
auch die nachexilifche Zeit mit ihren neuen Verhaltniffen 
immer mehr Fragen, befonders praktifcher Art, fur die man 



a ) Vgl. befonders Derenbourg, Histoire etc. Paris 1867; Bacher, 
Die Agada der Tannaiten. 2 Bde. Stragb. 1884-1890. 1. Bd. 2., verb, 
und verm. Aufl. Strafeburg 1903. Sdiurer II, 373-447. Lightley, Les 
scribes. Etude sur leuf origine chez les Israelites. These. Paris 1905 
(ver[teht bereits C'lyiD Jerem. 8, 8 im Sinne einer Klaffe. Vgl. Biblifdie 
Zeitfchrift V, 1. Freib. 1907, 73). 

z ) Vgl. Esdr. 7, 10 f. 

3 ) Esdr. 7, 11 f. 21. Neh. 8, 1. 4. 9. 13. 12, 26. 

*) Esdr. 7, 10. - Der Name n Sopher" kommt ubrigens nadi Aus- 
weis der Lexika im Alten Teftamente oft in einer andern Bedeutung 
vor, z. B. in der Bedeutung n Schreiber" Esdr. 4, 8 f. Pfalm 45, 1. Jerem. 36, 
26. 32. Ezedi. 9, 2. 3. Vgl. Eaton, art. Scribes in Hastings IV, 420. 

6 ) Vgl. Nikel, Die Wiederherftellung des judifchen Gemeinwefens 
nadi dem Exil. Freib. 1900 (= Bibl. Stud. 5, 2 u. 3), S. 23 f. u. 226. 

6 ) Nehem. 8, 1 ff. 

7 ) Nehem. 13, 24. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 367 

eine Antwort im Gefetje fuchte, aber nur durdi juriftifche 
Deduktionen, welche naturgemafc nur von wenigen Gefetjes- 
kundigen gemadit werden konnten, zu finden vermodite. 1 ) 
All die[en Bedurfniffen konnten die Priefter und Leviten 
allein, denen ja zunachft andere Pflichten oblagen, nicht ent- 
fpredien, fo daft fchon fruh audi Laien dafur eintraten. 

Was nun zunachft Esdras angeht, fo war diefer nicht 
blojj Schriftgelehrter, fondern auch Priefter. 2 ) Unter Nehe- 
mias finden wir gelegentlich 3 ) die Leviten mit dem Unter- 
richt des Volkes im Gefetj befdiaftigt. Aber es lafet fidi auch 
fchon damals der Gefetjeslehrer, der weder Priefter nodi 
Levit war, nachweifen. 4 ) 

Trotjdem mujg die Anfchauung der fpateren Talmudiften, 5 ) 
als ob Esdras die fogenannte grojje Synagoge, d. h. eine Die fogen. 
Verfammlung von Schriftgelehrten, welche in der Zeit von grofeeSyna- 
Esdras und Nehemias bis auf Alexander d. G. befonders ins e hat nie 
religiofer Beziehung die hochfte Autoritat fur die Juden ge- 
bildet haben foil, gegrundet habe, als irrig bezeichnet werden. 
Oberhaupt ift die grofee Synagoge nur ein phantaftifches 
Spiegelbild des viel fpateren Hohen Rates, eine bloge Mythe, 
welche das fpatere pharifaifche Rabbinertum verherrlichen foil. 
Sie wird an Nehemias Kapitel 8 10 angeknupft, allein dort 
wird nur von einer einmal fur einen beftimmten Zweck zu- 
fammenberufenen Volksverfammlung geredet. 6 ) 



1 ) Vgl. Montet, Essai sur les origines des partis saduceen et pha- 
risien. Vienne 1883, p. 80 ss. 

2 ) Esdr. 7, 1. 11 u. 6. 

3 ) Nehem. 8, 9. 
*) L. c. 13, 13. 

5 ) Vgl. z. B. jer. Berachot 1, 7 bei Derenbourg 32, 1. Die einzige 
ErwShnung der grogen Synagoge in der Mifdina fteht Pirke Aboth 1, 1 
und 2 und ift, wie fo manches in dem Traktat, weleher 5, 23 auch von 
der Gemara fpricht, jflngeren Datums. Weder das Alte Teftament, noch 
Jofephus, noch Philo, noch die Apokryphen wiffen etwas von der grogen 
Synagoge, fQr welche tibrigens noch Samuel Kraujg, The great Synod, 
in The Jewifch Quart. Rev. vol. X. London 1898, p. 347-377 eintritt. 

6 ) Vgl. befonders Kuenen, Oefammelte Abhandlungen , uberf. von 
Budde, Freib. 1894, S. 125-160 n Ober die Manner der gro&en Syna- 
goge" und Loeb, La chatne de .la tradition dans le I. chapitre de 
Pirke Abot in Bibl. de 1'ecole des hautes etudes, Sciences relig. t. I. 
Paris 1889, p. 307322. Selbie, art. Synagogue the Great in Hastings 
IV, 643 f. 



368 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jfld. Volkes. 

Aiimahiiche Wir haben uns vielmehr die Entwicklung des Schrift- 

Entwickiung gelehrtentums als eine allmahliche zu denken. Hohes Lob 

^eieMeT" wird den Vertretern desfelben von Jefus Sirach gefpendet. 1 ) 

turns Sie haben fich in der Makkabaerzeit, als unter andern auch 

der greife Eleazar zu ihnen gehorte, dureh ihr Eintreten 

fiir die freie Bedbachtung des Gefetjes grofee Verdienfte 

Die sdirift- erworben. 2 ) Zur Zeit Chrifti finden wir fie im Befit* des 

geiehrten zur anerkannten Vorrechtes, dafc ihr Stand dureh eine Anzahl 

ZeitChnfti. Mitglieder im Hohen Rate vertreten ift, ein Vorrecht, welches 

fie wahrfcheinlich der groften Gonnerin der Pharifaer, der 

Konigin Alexandra, zu danken haben. Sachlich war es darin 

begrundet, daft gerade diefe Korperfchaft, der Hohe Rat, auf 

zugleich juriftifch und theologifch gebildete Gelehrte grogen 

Wert legen mugte. Die meiften Schriftgelehrten gehorten 

der Partei der Pharifaer an, obwohl es auch Schriftgelehrte 

der Sadduzaer gab. 3 ) 

ihre Ver- I nr Beruf an fich mujste fie uberall den gefe^eifrigen 

breitung. Juden, namentlich auch fiir Vortrage in der Synagoge, emp- 
fehlen. 4 ) Deshalb finden wir fie nicht nur in Jerufalem, wo 
fie naturgemag befonders zahlreich waren, fondern auch in 
Galilaa, 5 ) und es lagt fich nicht bezweifeln, daft fie auch in 
manchen grogeren Gemeinden der Diafpora fich fanden. 
ihre Ehrfucht. Neben dem Namen ,,Schriftgelehrter" fuhren fie im Neuen 
Teftamente auch die Namen ,,Gefe^esgelehrter" und,,Gefe^es- 
lehrer", 6 ) ohne dag ein fachlicher Unterfchied dazwifchen ge- 
macht wird. 7 ) Sie felbft liefeen fich gern von den Leuten 
mit Rabbi, d. h. ,,mein Herr" oder ,,mein Lehrer", anreden 8 ) 

x ) Eccli. 38, 25-38. 39, 1 ff. 
2 ) 1 Mace. 7, 12 f. 2 Mace. 6, 18 31. 

a ) Denn es heigt z. B. Luc. 5, 30: ,,Die Pharifaer und ihre Schrift- 
gelehrten". Alfo gab es auch andere. 
*) Marc. 1, 22. 
6 ) Matth. 9, 3. Luc. 5, 17. 

6 ) y^uftfiarevg: eigentlich jemand, der fich mit den ypaV^ar, den 
Schriften befchaftigt; VO^MO? kommt Matth. 22, 35. Luc. 7, 30. 10, 25 etc. 
Tit, 3, 13 vor ; KOAtotftrfa'tfxoAo? bei Luc. 5, 17. Apg. 5, 34. ' Tim. 1, 7. 

7 ) Vgl. Luc. 5, 17 mit 5, 21 und Matth. 9, 3. Marc. 2, 6. Jofe- 
phus nennt die Schriftgelehrten bisweilen 6o<pi6rai (B. J. 1, 33, 2. 2, 
17, 8 f.), aber auch H Erklarer der vaterlichen Gefetje" (Ant. 17, 6, 2, 

Vgl. 18, 3, 5) Oder is^ny^annaTtl? (B. J. 6, 5, 3). 

s ) Vgl. Matth. 23, 511 (wofelbft auch die Namen ,,Vater" und 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 369 

und zwar aus Hochmut, wahrend der Heiland feinen Jiingern 
verbot, fich fo nennen zu laffen. 1 ) Audi liebten fie die erften 
Platje bei den Gaftmalern und in den Synagogen 2 ) und den 
erften Grufc auf dem Markte und fuchten fich dadurch von 
andern zu unterfcheiden, dafe fie die ebenfalls von andern 
Ifraeliten getragenen 3 ) aufceren Merkmale des jiidifchen Be- 
kenntniffes, namlich die Tephillin oder Phylakterien, d. h. die 
Gebets-oder Spruchbander, welche jeder Ifraelit beim Ge- 
bete auf der Stirn und am linken Arm, und die blauen 
(hebraifch Zizith genannten) Franfen, welche jeder an den 
Enden des Oberkleides trug, befonders breit und grofe 
batten. 4 ) Diefem Hochmute entfpricht es, daft die Schrift- 
gelehrten von ihren Schulern, wie wenigftens die Mifchna 
fagt, eine grojgere Ehrerbietung als gegen den eigenen Vater 
verlangten. 5 ) 

Da vom Charakter der Schriftgelehrten die Rede ift, 
mu{5 auch ihre Habfucht erwahnt werden. Unter dem Vor-ihreHab[ucht. 
wande langer Gebete faugten fie, wie Jefus ihnen vorwarf, 6 ) 
die Haufer der Wih^en aus. Diefer Umftand macht es fchon 
fehr unwahrfcheinlich, daft ihr Unterricht unentgeltlich gewefen 
ift. Abgefehen davon, daft es fich nicht beweifen laftt, dafc 



= Lehrer vorkommen) und Joh. 1, 38. Obrigens wurde auch 
Jefus 6fter nicht ,,Herr" oder ,,Meifter", fondern ,,mein Herr", ,,mein 
Lehrer" d. h. Rabbi angeredet (vgl. Matth. 26, 25. 49. Marc. 9,5. ll, 21. 
14, 45. ,loh. 1, 38. 49. 3, 2. 4, 31. 6, 25. 9, 2. 11, 8), wie auch der Tauter 
von feinen Jiingern fo genannt wurde (Joh. 3, 26). Leute aus dem Volke 
reden auch wohl den Herrn an mit t/rf/t/oiw unfer Herr (Marc. 10, 51. 
Joh. 20, 16). In der Mifchna ift Rabbi nicht mehr Anrede, fondern 
Titel. Ober den Titel Rabban = unfer Lehrer, der einigen hervorragen- 
den Lehrern gegeben wird, vgl. Buxtorf, Lexicon Chaldaicum etc. 
col. 2176 sq. und Levy, Neuhebr. u. chald. Worterb. IV, 416 f. z. W. 12~ 

') Matth. 23, 7 f. 

a ) Matth. 23, 6-7. Marc. 12, 38 f. Luc. 11, 43. 20, 46. 

3 ) Gernag der Vorfchrift in Exod. 13, 16. Deut. 6, 8. 11, 18. Vgl. 
Num. 15, 37-41. Jos. Ant. 4, 8, 13. 

4 ) Matth. 23, 5. Vgl. ebd. 9, 20. Vgl. uber die Tephillin oder Phy- 
lakterien Kap. 18, 4, fiber die Zizith Kap. 13, 3. Statt des Ausdruckes 
a Hcyaivvvvotv rd x^atftttda" magnificant fimbrias findet fich bei Luc. 20,46 
<vgl. auch Marc. 12, 38) der fur die Heidenchriften verftandlichere 
,,7if(ji7i'tTtlv ev otoAwtf (ezoi-ij ift das Kleid der Vornehmen). 

B ) Aboth 4, 12. 

6 ) Marc. 12, 40. Luc. 20, 47. Vgl. auch Luc. 16, 14. 

-Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Aufl. 24 



370 Zweiter Abfchnitt. Die innern \ oz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

dies grundfatjlich [o fein follte, l ) fprechen audi die Stellen 
des Neuen Teftamentes dagegen, wonach der Arbeiter feines 
Lohnes wert ift 2 ). und der, welcher das Evangelium predigt, 
fich dafiir von denen, weldien er predigt, den Lebensunterhalt . 
geben zu laffen ein Recht hat. 3 ) Allerdings wird nirgendwo 
gefagt, dafe man damals judifchen Lehrern einen beftimmten 
Lohn fur ihren Unterricht gegeben habe, aber man konnte 
doch eine Vereinbarung treffen Oder auf die der Sitte ent- 
fprechende freiwillige Dankbarkeit von Eltern und Schulern 
reehnen. 

Die Gefetjes- Abhangig fiir den Lebensunterhalt war ein Schriftgelehrter 
lehrer viei- allerdings nicht von dem Entgelt fur den Unterricht. Denn 

Hatdwerkl? damals ubten viele neben dem Lehr erberuf Hand- und Hand- 
" werksarbeit aus und verdienten fich dadurch das tagliche 
Brot,*) wie ja auch z. B. der Apoftel Paulus ein Handwerk 
ausgeubt hat. 5 ) Schon dem Lehrer des beruhmten Rabbi Hillel 
Schemaja wird der Spruch zugefdirieben ,,Liebe die Hand- 
arbeit", 6 ) und die fpateren Rabbiner betonen, es fei loblich, 

') Nach M. Nedarim 4, 3 darf ein Priefterf der gelobt hat, einem 
Ifraeliten nichts zunutjen.zu tun, demfelben zwar Halachoth und Haggadoth 
und Midrafch lehren, aber nicht die Schrift (weil man, wie die Kommen- 
tatoren ad I. erklaren, fur erfteres nach Deut. 4, 14 keinen Lohn annahm 
und, indem man es tat, ein Qebot erfiillte, fur letjteres aber einen Loha 
erhielt). Man beruft fich aber auf Aboth 4, 5 : ,,R. Zadok fagte: Mache die 
Gefetjeskunde weder zur Krone, damit zu prangen, noch zum Grabfcheit,. 
damit zu graben. Hillel pflegte zu fagen: Wer [ich der Krone (des Ge- 
fe^es) bedient (zu augeren Zwecken), fchwindet dahin." Allein wann der 
hier erwahnte R. Zadok lebte, ift ungewig. Nach Bacher, Die Agada etc. 
1, 50, 2 find wenigftens zwei Trager des Namens zu unterfcheiden. Der 
altere lebte gegen Ende des erften chriftlichen Jahrhunderts (f. Bacher 
1. c. 43 ff.). Die Verhaltniffe nach der Zerftorung des Tempels find aber 
nicht einfach auf die Zeit vor jener ZerftOrung zu ubertragen. Der Aus- 
fpruch Hillels findet fich aber auch Aboth 1, 13 und ,,s'explique tout aussi 
bien a la couronne de la Loi" qu'a ,,celle de la royaute". Derenbourg 
1. c. p. 182, 2. - Das Wort des Heilandes Matth. 10, 8 ,,umfonft habt 
ihr empfangen, umfonft gebet" bezieht fich auf die Charismata. 

2 ) Matth 10, 10. Luc. 10, 7. 

3 ) 1 Kor. 9, 3-18. 2 Kor. 11, 8 f. Phil. 4, 10-18. 

*) Vgl. Deli^fch, Jiidifches Handwerkerleben zur Zeit Jefu. Erlangen 3 - 
1879. S. 74. 

5 ) Apg. 18, 3. 20, 34 u. 6. 

6 ) Aboth 1, 10. Nach Aboth 2, 5 hat Hillel felbft gefagt: ,,Nicht 
jeder, der feine Gefchafte vermehrt (ausbreitet), wird weife." 



XI. Kap. Die Schrittgelehrten, Synagogen und Schulen. 371 

das Studium des Gefetjes mit irgend einem burgerlichen Ge- 
fchafte zu verbinden. *) Tatfachlich haben auch nach der jiidi- 
fchen Uberlieferung die beriihmteften Rabbiner Handarbeit 
getrieben. Rab Jofeph drehte die Muhle, Rab Schefcheth 
fchleppte Balken, zwei waren Schufter, wenigftens drei Schnei- 
der, R. Ifaak Nappach war ein Schmied, R. Nechemcha Hak- 
kadar war ein Topfer, R. Juda Hanechtom ein Backer u. dgl. 2 ) 

Ubrigens war, wie auch fchon mehrfach hervorgehoben Die dreifache 
wurde, die Tatigkeit der Schriftgelehrten keineswegs blofc Tatigkeit der 
eine unterrichtende. Sie mufc vielmehr im allgemeinen als Schnft - 
eine gefe^geberifche, als eine richterliche, und an dritter eeren - 
Stelle als eine Lehrtatigkeit bezeichnet werden. 3 ) 

In erfterer Beziehung darf allerdings der Zuftand der ge- Das Anfehen 
fetjgeberifchen Tatigkeit nach der Zerftorung des Tempels und ihrer 
dem tatfachlichen Untergang des Hohen Rates, wie er fi( 
im Talmud darftellt, da man eine Sadie einfach ,,vor die Ge- 
lehrten" brachte, die dann entfchieden, 4 ) nicht mit dem der 
friiheren Zeit identifiziert werden. Allein praktifch waren 
auch fchon zur Zeit Chrifti die Ausfpruche und Lehren der 
angefehenften Schriftfteller majggebend. 5 ) Denn damals und 
fchon lange gait der von der Mifchna auf die grofce Synode" 
zuruckgefiihrte Spruch: ,,Machet einen Zaun um dasGefe^." 6 ) 
Um namlich auch unter den neuen Verhaltniffen gegenuber dem 
Hellenismus, welcher ins Volk einzubrechen drohte, jeden 
Bruch des Gefe^es unmoglich zu machen, wurde die treuefte 
Beobachtung zahlreicher teils wirklich alten teils als alt aus- 
gegebenen oder angefehenen Schul-Oberlieferungen, die als 
gleich verbindlich wie das Gefetj felbft erklart wurden, 7 ) ein- 



x ) Vgl. z. B. den Ausjpruch des R. Gamaliel III in Aboth 2, 2: 
,,Jedes Studiurn, weldiem kein Handwerk zur Seite geht, i{t eitel und 
fuhrt zu Vergehen." Andere Stellen in Jos. Simon, L'education et 1'in- 
struction des enfants chez les anciens Juifs. 3. ed. Leipz. 1879, p. 60. 

*) Vgl. die Zufammenftellung bei Delitjfch 1. c. S. 77 f. ' 

3 ) Diefe Unterfcheidung madien Ferd. Weber, Judifche Theologie etc. 
2. Aufl. L. 1897. S. 130 und Schurer II, 381. 

4 ) Vgl. z. B. Bekhoroth 5, 3. 

5 ) Matth. 23, 2 f. 

6 ) Aboth 1, X. 

7 ) Matth. 15, 2 ff. Marc. 7, 5 ff. Aboth 3, 11. 5, 8. 

24* 



372 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

gefcharft, 1 ) welche ganz unabhangig von der Heiligen Sdirift 
waren und alle moglichen Falle des religicifen und biirger- 
licben Lebens autoritativ zu entfcheiden fuchten. In den Fallen, 
in weldien weder Gefeij nodi Oberlieferung ausreichten, er- 
ganzte man beide durch ebenfalls als verbindlidi erklarte 
und angefehene neue Be[timmungen. Die Mifchna geht in 
der Wertfchatjung diefer fo weit, keck zu behaupten: Eine 
Siinde gegen die Ausfpriidie der Schriftgelehrten ift fchlimmer 
als eine foldie gegen die Sdirift. 2 ] 

Bei diefer dem praktifchen Erfolg nach gefetjgeberifchen 
Tatigkeit wurden namentlidi die Gebote, welche fich mit den 
Opfern, dem Sabbat,* dem Faften, den Abgaben an Priefter 
und Tempel, der levitifchen Reinheit u. dgl. befchaftigten, be- 
ruckfichtigt und zwar in einer fehr augerlichen Wei[e, wie 
das Neue Te[tament zeigt. 3 ) So konnte es kommen, daft 
nach diefer Lehre ein mijgratener Sohn feinen Eltern den 
Lebensunterhalt verweigern durfte, wenn er nur Sorge trug, 
letjteren durch ein (naturlich fundhaftes) Gelubde, dem Tempel 
fei alles geweiht, was von ihm, dem Sohne, aus den Eltern 
niitjen konnte, dem Tempel und damit Gott zu weihen.*) Minze 
und Kiimmel und Anis verzehnteten fie und Gereditigkeit, 
Barmherzigkeit und Treue beaditeten fie nicht. Das Augere 
des Bediers und der Schuffel hielten fie rein, inwendig aber 
waren fie voll Raub und Unreinigkeit. 5 ) 

ihre Tatigkeit Obwohl man nidit berufsmagig das Gefetj ftudiert zu 
als Richter. h a b en braudhte, um Richter zu werden, fo waren dodi natur- 
gemafc die Schriftgelehrten wegen ihrer Bildung befonders 
dazu geeignet und ift es ebenfo begreiflich, dafc mehrere von 
ihnen dem Hohen Rate angehorten wie dafe fie in demfelben 
einen grofcen Einflug ausiibten. 6 ) 

ihre Lehr- Was aber die Lehrtatigkeit der Schriftgelehrten angeht, 
tatigkeit. j [ft ^er Sa^ der Mifchna, welche diefe wieder auf die an- 



') Jos. Ant. 13, 10, 6. S. Matth. 15, 3. Marc. 7, 13. Vgl. Aidier, 
Das Alte Teftament in der Mifchna. Freib. 1906 (= Bibl. Studien XI, 4), 
S. 59. 

2 j Sanh. 11, 3. 

3 ) Luc. 18, 12. Matth. 6, 1 ff. 6, 5 ff. 

4 ) Matth. 15, 4 ff. Marc. 7, 9 ff. 

5 ) Matth. 23, 23 ff. 

6 ) Vgl. Apg. 5, 34 ff. S. o. S. 322. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 373 

gebliche grojje Synode zuruckfiihrt, ,,Madiet viele Schiller", 1 ) 
jedenfalls alt und entfpricht auch dem tatfachlichen Verhalten 
der Schriftgelehrten. Wenigftens die beruhmteren unter ihnen 
fammelten viele junge Manner um fich, welche {ie, wie Gamaliel 
den Paulus, in die genauere Kenntnis des Gefetjes einffihrten. 
So machten es z. B. zur Zeit des Herodes Judas und Matthias, 
von denen es heifct: ,,Wem es um wahre Vollkommenheit 
zu tun war, war taglich in ihrem Haufe." 2 ) 

Da das ,,mundliche Gefetj" 3 ) oder die Oberlieferungen der Die Art 
Vorfahren den Hauptgegenftand des Unterrichts der Schrift- ihrer Unter- 
gelehrten bildete, beftand derfelbe in einer fortwahrenden wei f un - 
Wiederholung des Gefagten, bis die Schiller es im Gedacht- 
nis hatten. Mit andern Worten: das gedachtnismafcige Be- 
herrfchen der vielen uberlieferten Vorfchriften war das Ziel 
des Unterrichts. Daher kommt es, dafj bei ihnen ,,wieder- 
holen" foviel hiefc wie ,,lehren", 4 ) und derjenige, der das 
be[te Gedachtnis hatte, der befte Schuler war. Die Mifchna 
nennt den Schuler, welcher leicht lernt und fchwer vergifct, 
weife, 5 ) und der Rabban Jochanan ben Zakkai lobte unter 
feinen Schfilern den Eliezer ben Hyrkanos deshalb am meiften, 
weil er wie eine mit Kalk ausgefugte Zifterne fei, welche 
keinen Tropfen verliere. 6 ) 

Obrigens richtete der Lehrer auch Fragen an die Schuler, 
wie diefe ihrerfeits Fragen an den Lehrer richten konnten. 7 ) 
Dafe die Lehrer felbft fchwierige Fragen in mtindlicher Dis- 
ku[{ion untereinander erorterten, ergibt fich aus manchen 



) Aboth 1,1. 

2 ) Jos. Ant. 17, 6, 2. Vgl. B. J. 1, 33, 2. 

3 ) Philo (Leg. ad Caj. 16) fagt ausdrucklich , die Gewohnheiten 
der Juden Jeien nicht aufgefdirieben ( nulv nydrsfjov zwv itguv vcuwv, xai 

f'n Tdlv ayynqiwv tfrwv, eva voni^etv TcV narsfjot, xal TtoirjT^v rov xoffftov 

t6v). Vgl. Zunz, Die gottesdienftlichen Vortrage der Juden S. 47. 

') ~fi' wiederholen heigt in der damaligen Schulfprache foviel als 
lernen und Mifchna eigentlich Wiederholung = Die Lehre. Vgl. die Be- 
weife in Bacher, Die altefte Terminologie der jiidifchen Schriftauslegung. 
Leipz. 1899, p. 193 ff. 

5 ) Aboth 5, 12. 

6 ) Aboth 2, 8. Auch Josephus Vifa 2 ruhmt {ein Gedachtnis. 

7 ) Luc. 2, 46. Vgl. dazu Lightfoot, Horae hebr. ad 1. Wetftein Nov. 
Test. Graecum. Amstel. 1751. 52. 2 Bde. ad 1. 



374 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Stellen der Mifchna. 1 ) Diefe Disputationen wie aueh die 
Unterweifung der Schtiler fanden zur Zeit der Mifchna in 
befondern, von den Synagogen verfchiedenen ,,Lehrhaufern U:i ) 
ftatt. Zur Zeit Chrifti lehrten aber die Schriftgelehrten zu 
Jerufalem im Tempel, 8 ) d. h. im Vorhof des[elben. Die 
Schuler fafcen auf dem Boden, die Lehrer auf einem erhohten 



Die Haiacha. Schon in der tannaitifchen Zeit der rabbinifchen Gefetjes- 
lehrer laffen fich verfchiedene Difziplinen der mundlichen 
Lehre unterfcheiden. Die erfte ift die Haiacha (eigentl. Gang, 
Wandel, tropifch Gefetj fur den Wandel), wodurch in der 
Schulfprache die aufcermofaifche Satjung Oder geltende Vor- 
fchrift ohne Riickficht auf ihre etwaige Herleitung aus der 
Heiligen Schrift verftanden wird, ob fie nun auf einer Uber- 
lieferung oder einem Befchlufc der Schulen beruht. 5 ) Die 
einzelne Satjung heifet Haiacha, die .Gefamtheit Halachoth. 

Trotjdem die Verbindlichkeit der Haiacha von der heiligen 
Schrift ganz unabhangig ift, ^) wird doch in unferer Mifchna 
oft zu einer Haiacha eine fie beftatigende Schriftftelle beige- 
bracht. 7 ) Es hangt dies aber mit der durch die Ereigniffe 
des Jahres 70 n. Chr. bewirkten Veranderung aller Verhalt- 
niffe zufammen. s ) Denn nach jenem Jahre konnten viele 



') Vgl. z. B. Schabb. 8, 7. Pesachim 6, 2. 5 etc. 

2 ) Bin folches Haus hieg TZh^ij n*2, das Lehrhaus eigtl. das Haus 
der Schriitauslegung, Schriftforfchung.. Vgl. Berakhoth 4, 2. Terumoth 
11, 10. Schabb. 16, I. 18, 1. Pesachim 4, 4 etc. 

3 ) Matth. 21, 23 26, 55. Marc. 14, 49. Luc 2, 46. 20, 1. 21, 37. 
Joh. 18, 20. 

4 ) Luc. 2, 46. Matth. 26, 55. Aboth 1, 4. 

5 ) Vgl. Baeher, Terminologie f. v. riDT>r] S 42 f. Aicher, Das Alte 
Teftament in der Mifchna. Freib. 1906 (= Bibl. Studien XI. 4), S. 63. 
Bisweilen heigt die Haiacha ,,Schematha" (Xrtt>sr) d. h. das Rezipierte 
als Richtfchnur fur die Praxis tatfachlich Angenommene. S. Zunz, Vor- 
trage. S. 44 f. 

8 ) Vgl. z. B. Baba mezia 7, 8: Diejenigen, welche Fruchte hiiten, 
eflen davon nach der Sitte des Landes, nicht aber kraft des Gefetjes. 
Vgl. auch die von Aicher p. 58 ff. angefuhrten Stellen Orla 3, 9. Chagiga 
1, 8. Pea 2, 6 Jadajim 4, 3. 

7 ) Z. B. wird Baba qamma 3, 9 die Haiacha fe{tgefetjt und R. Je- 
buda disputiert dann mit R. Meir, welche Schriftftelle dazu gehore. 

8 ) Vgl. Aicher p. 60 ff. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 375 

Ofoerlieferungen gar nicht mehr beobachtet werden, andere 

waren zweifelhaft geworden, und neue Fragen verlangten 

eine Lofung. Deshalb fammelte man nun mit Fleifc die vor- 

handenen Halachoth und warf fich mit Eifer auf das Studium 

des Gefetjes, welches nunmehr, da die Beobachtung desfelben 

in fo vielen Punkten unmoglich war, als etwas Verdienftliches 

angefehen wurde. Man fuchte die Halachoth durch Schrilt- 

ftellen zu ftutjen und durch logifche Schlugfolgerungen u. dgl. 

aus der Schrift herzuleiten. Die Auslegungen der halachifchen Die 

Teile der Schrift, namentlich der gefe^lichen Teile des Pen- Midrafchen. 

lateuchs, nannte man Midrafchen oder Midrafchoth. Somit 

gehoren die Halachoth und die Midrafchoth als einander 

erganzende Teile des Gefetsesftudiums zufammen. 1 ) 

In der Mifchna iiberwiegt die Halacha; fei es nun, daft Die Haiacha 
es fich um eine fchon ohnehin rechtsgiiltige Halacha handelt, in der Mifchna. 
fei es, da diefelbe hier auf Grund des Majoritatsbefchluffes -) 
der rabbinifchen Gelehrtenkollegien feftgeftellt wird. Dafe im 
Laufe der Zeit rechtsgiiltige Satjungen oder Gebrauche durch 
diefe Autoritaten wieder abgeandert werden, kommt nur in 
Arerhaltnismafcig feltenen Fallen vor. r> ) Wohl aber werden 
bisweilen die verfchiedenen Anfichten der disputierenden 
Lehrer, ohne da eine Entfcheidung gegeben wird, neben- 
einandergeftellt. Hermeneutifche Grundfa^e fur die Ablei- 
tung neuer oder die Entfcheidung ftrittiger Sa^e aus der 
Schrift oder aus andern Halachoths werden zum Teil fchon 
auf Hillel, 4 ) zum Teil auf den R. Ismael zuruckgefiihrt. 5 ) Allein 



') Vgl. Bacher, Die judifche Terminologie S. 34 f. 42. 103 f. Bacher, 
Die Agada der Tannaiten p. 475 ff. 483 zeigt, dag die von Jofua b. 
Nechemja im 4. Jhrdt. erwahnte Dreiteilung der Traditionswiffenfchaft in 
Midrafdi, d. h. die Auslegung des Bibeltextes und zwar befonders der 
gefet5lichen Teile des Pentateuchs, in Haladioth, d. h. fefte, ohne Rfickficht 
auf ihre Herleitung aus der Heiligen Schrift uberlieferte Satjungen und 
in Haggadoth, d. h. die nicht halachifchen Schriftauslegungen und die 
daran fich knupfenden Ausfpruche ethifchen und fon[tigen Inhaltes auf die 
frflhe Tannaitenzeit zuruckgeht. 

2 ) Vgl. Edujoth 1, 5: Die Halacha lautet nur nach dem Ausfpruch 
der Mehrheit. Vgl. auch Schabbath 1, 4. Horajoth 1 und 2. Miqwaoth 
4, 1. Jadajim 4, 1. 3. S. auch Weber S. 135 f. 

3 ) Vgl. z. B, Schekalim 7, 5. Joma 2, 2. Edujoth 7, 2. Vgl. Schurer 
11, 396, 16. 

4 ) Sie find aufgezahlt in der Tofephta Sanhedrin VII, 11 (ed. Zucker- 



376 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

ein nach diefen Grundfatjen eingeriehtetes fy[tematifches Ver- 
fahren lafct fidh nicht nachweifen. 1 ) 

Die Haggada. Im Gegenfatj zur Halacha fteht die Haggada oder 
Agada, 2 ) d. h. die aus der Schrift flieftende Lehre. 3 ) In der 
Schulfprache ift der an fich auch auf halachifche Schrifttexte 
anwendbare und tatfachlich davon in dem entfprechenden 
Verbum, welches lehren bedeutet, gebrauchte Ausdruck fchon 
in friiher Zeit auf die Auslegung der nichtge[e^lichen Bibel- 
texte und ihre Anwendung Oder Verwertung zur Beftatigung 
einer oft fehr phantaftifchen Idee befchrankt worden. 4 ) 



mandel p. 427), in den Aboth de Rabbi Nathan c. 37 und in der Ein- 
leitung zum Buche Siphra in Ugolini Thesaur. torn. XIV p. DLXXXVI1. 
Vgl. diefelben auch z. B. bei Strack, Einl. in den Talmud 5 S. 96-99 und 
Aicher S. 142 ff. Sie lauten: 1) Leichtes u. Schweres, der Schlug a minori ad 
majus und umgekehrt. 2) Gleiche Satjung d. h. der Analogiefchlug. 3) Ein 
Hauptfalj aus einer Schriftftelle, d. h. inhaltlich zufammengehorige Beftim- 
mungen werden aus einer nur bei einer diefer Beftimmungen fich findenden 
Schriftftelle erklart. 4) Ein Hauptfat5 aus zwei Schriftftellen. 5) Allgemeines 
und Befonderes und Befohderes und Allgemeines, d. h. das Allgemeine 
wird durch das Befondere und das Befondere durch das Allgemeine er- 
klart. 6) ,,Dem Ahnliches an einer andern Stelle" d. h. Erklarung einer 
Bibelftelle durch eine andere. 7) ,,Eine Sache, die fich lernt aus ihrem 
Zufammenhang", d h. die nahere Beftimmung lagt fich aus dem Zu- 
fammenhang fchliegen. 

6 ) In den 13 Middoth oder hermeneutifchen Qrundfa^en, welche dem 
R. Ismael zugefchrieben werden (vgl. diefelben in der Einleitung zu 
Siphra 1. c., auch z. B. bei Strack a. a. 0. S. 99 t, Weber S. 109 ff.), 
wird die 3. und 4. Regel Hillels in eine Regel (es ift die 3. des Ismael) 
zufammengezogen, die 5. des Hillel wird auf achtfache Weife fpezialifiert, 
die 6. des Hillel ift ausgefallen. Die 13. Regel ift neu. Sie lautet: 
,,Wenn zwei Verfe einander zu widerfprechen fcheinen, fo mug man war- 
ten, bis der dritte Vers fich findet, der zwifchen ihnen ausgleicht." 

') S Aicher S. 141-149. 

2 ) Der babylonifche Talmud fchreibt meift n~:.~ Haggada, die pala- 
ftinenfifchen Quellen haben aber, wie Bacher, die Agada S. 474 f. fagt, 
die aramaifierte Nebenform (^des urfprunglichen hebraifchen Wortes) ~".*X 
Aggada. Statt deffen fchreibt man aber gewohnlich Agada. 

3 ) Aicher p. 63. 

') Bacher, Die jiidifche Terminologie p. 30 ff. z. Worte ~V.~ und 
ebd. Die Agada derTannaiten, I, 451475. ,,0ber den Urfprung des Wortes 
Haggada (Agada)" tut dar, dag der Ausdruck Haggada von w 2*rcn ~\v: 
oder "w ~*.*;D abzuleiten ift. Diefes zeige in dem Midrafch der Schule 
Ismaels, welcher in manchen Beftandteilen den Sprachgebrauch der alteren 
palaftinenfifchen Bibelexegefe vertrete, an, dag der Schrifttext etwas lehre. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 377 

Wie man die Schrift nicht fo fehr auslegte, als allerhand in 
fie hineinlegte, zeigt die Mifchna. Wenn es z. B. bei Ifaias 
heifct: Und es wird fein von Neumond zu Neumond, von 
Sabbat zu Sabbat kommt alles Fleifch, um fich vor mir zu 
beugen, fpricht der Herr, fo foil dies heifcen von Zeit zu 
Zeit. Aber nach dem R. Akiba beweifen die Worte ,,von 
Neumond zu Neumond", daft das Gericht fiber die Gottlofen 
im Gehinnom zwolf Monate dauert, wah'rend fie nach 
R. Jochanan b. Nuri von Oftern bis Pfingften drinnen bleiben, 
weil es heifjt ,,von Sabbat zu Sabbat". 1 ) 

Die gewohnliche Form der Haggada ift die der vielfach 
mit Legenden und Fabeln vermifchten allegorifchen Erklarun- 
gen oder ganz fubjektiven Ausfiihrungen zu dem Schrifttext 
oder Anwendungen desfelben. Namentlich hat man fich gern 
mit der zukunftigen und himmlifchen Welt befchaftigt, wobei 
erft recht der Phantafie der einzelnen der grofete Spielraum 
fich darbot. 2 ) Von Regeln konnte bei einer folchen Art der 
Auslegung oder Anwendung der Schrift keine Rede fein. 3 ) 

Daft die Juden in der neuteftamentlichen Zeit auch manche Die 
richtige Gefchichtsuberlieferungen hatten, wird niemand leug- Qefchichts- 
nen wollen. Denn auch im Neuen Teftamente finden fieh uber " 
manche Angaben fiber altteftamentliche Dinge und Perfonen, 
welche vielleicht aus verloren gegangenen echten Schriften, 

""ft kommt aber auch bei halachifcher Exegefe vor. Vgl. Bacher, Ter- 
minologie S. 33. Vgl. auch Aicher S. 66 i. 

. l ) Edujoth 2, 10. Aicher, der S. 76 f. die Stelle anfuhrt, gibt S. 67 
bis 107 bezw. 107 140 eine grojge Anzahl von Beifpielen uber die Schrift- 
anwendung bezw. die Schriftauslegung der Mifchna, fowohl die halachifche 
als die haggadifche. 

2 ) Vgl. u. a. Edersheim, The life and times of Jefus the Messiah. 
2. ed. 2 Bde. London 1884. I, 106 ff. Schiirer II, 400 ff., wo manche 
Beifpiele haggadifcher Schrifterklarung angegeben find, ebenfo Aicher 
S. 69 ff. 109 ff. (die haggadifchen Schriftanwendungen und Schriftausle- 
gungen find von ihm mit einem Afteriskus verfehen). 

s ) Es foil R. Eliezer, Sohn des R. Jofe des Qalilaers, 32 folche 
Regeln aufgeftellt haben. Sie find zuerft von Abulvalid Jbn Ganah (um 
1030) zitiert, finden jich in dem Werke Efchkol Hakkofer des Karaers Jehuda 
Hadassi (um 1149) und wurden fpater in den Anhang zum Traktat Bera- 
khoth der Talmudausgaben aufgenommen (vgl. Bacher, Die judifche Ter- 
minologie S. 101, 1). Vgl. uber ihren Inhalt und ihr Verhaltnis zu den 
Regeln Hillels und Ismaels Aicher 1. c. S. 149- 153. Strack 1. c. S.100-108. 



378 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

vielleicht -aber auch aus der miindlichen Uberlieferung ge- 
fchopft find. Dazu gehort, abgefehen von chronologifchen 
Angaben, *) z. B. die, dag das Gefetj von Gott dem Mofes 
durch die Vermittlung von Engeln gegeben wurde, 2 ) dag Pau- 
lus im Hebraerbrief bei feinem Bericht fiber die im Budie 
Exodus erwahnte Bundesweihe auch von Waffer, fcharlach- 
roter Wolle, Hyfop und dem Befprengen des Buches, des 
Zeltes und der 'Gerate des heiligen Dienftes redet, 3 ) dag der 
Erzengel Michael mil Satan iiber den Leichnam des Mofes 
ftritt, J ) dag bei den Martyrien des Alten Bundes auch die 
Zerfagung vorgekommen ift, 5 ) und dag die Zauberer, welche 
fich dem Mofes widerfe^ten, die Namen Jannes und Mam- 
bres fuhrten. 6 ) 

Die Dag man auch damals den Schriftbeweis anzuwenden 

Anwendung wugte, ohne ihn aber in Verbindung mit der Halacha zu 

des Schnft- k rm g en un( j O hne von den fpateren dem Hillel und dem 

imN? I smae l zugefchriebenen hermeneutifchen Grundfa^en beein- 

flugt zu fein, zeigt ebenfalis das Neue Teftament. 
Bedeuten- Die erften bekannten bedeutenderen Schriftgelehrten aus 

dereSchrift- j ener Zeit 7J | ind Hillel und Schammai. An beide fchliegt fich 
gelehrte. 



5 ) Vgl z. B. Luc. 4, 25. Jac. 5, 17 mit 3 Kon. 17, 1 ff. 
1) Vgl. Apg. 7, 38. 53. Gal. 3, 19. Hebr. 2, 2. Deuter. 33, 2. Nach 
Jos. Ant. 15, 5, 3 fagt Herodes, dag die Juden r otftw'zara rwv lv rol? 

ro/u,bi? ()l ayys).o>v 7T(/a TOV &eoi~ lernten. 

3 ) Hebr. 9, 19. 21. Vgl. audi Jos. Ant. 3, 8, 6, der zum Teil die- 
felben Umftande hervorhebt. 

4 ) Jud. 9. 

5 ) Hebr. 11, 37. Vgl. die Ascensio Isaiae c. 5. Juftin M. Dial. 
c. Tryph. c. 120. 

6 ) 2 Tim. 3, 8. Vgl. Targ. Jonathan zu Exod. 1, 15. 7, 11. Num. 
22, 22 und Wetstenii Nov. Test, graecum ad 1. 

7 ) In Aboth 1, 411 werden auger Hillel und Schammai noch vier 
Paare von Schriftgelehrten erwahnt, Jose ben Joeser und Jose ben Jo- 
chanan, Josua ben Perachja und Nittai aus Arbel, Juda ben Tabbai und 
Simon ben Schetah, Schemaja und Abtaljon. Sie werden paarweife auf- 
gefuhrt, weil man fich in den fpateren judifchen Schulen einen Gefahrten 
erwahlte, um mit ihm zu ftudieren. Vgl. u. a. Loeb, La chaine de la 
tradition dans le premier chapitre de Pirke Abot in der Bibl. de Pecole 
des hautes etudes. Sciences religieuses. vol. I. Paris 1889 p. 307322 
(p. 321: Us ne sont pas autre chose qu'une image embellie des couples 
des rabbins qui ont existe plus tard) und Schurer II, 415 ff. S. auch 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 379 

Hillel, 1 ) der bis zum Jahre 5 n. Chr. gelebt haben foil, 2 ) Hillel. 
wird zum Unterfchied von einem im vierten Jahrhundert 
lebenden andern Hillel, auf den der heute noch geltende 
jiidifche Kalender zuriickgeht, der alte (hazzaken) s ) genannt. 
Faft alles, was die Talmudiften von ihm erzahlen, ift Legende. 
Nach ihrem Bericht ftammte er aus einer verarmten Familie 
in Babylonien, welche ihren Urfprung auf den Konig David 
zuriickfuhrte. 4 ) Er kam von dort um das Jahr 50 v. Chr/') 
oder etwas fruher nach Jerufalem und widmete fich hier, 
wahrend er als Taglohner fiir fich und feine Familie den 
Lebensunterhalt erwarb, unter den Schriftgelehrten Schemaja 
und Abtaljon 6 ) dem Studium des Gefetjes. Dafiir mufcte er 
dem Hausmeifter der Schule einen halben Tropaicon (d. h. 
etwa */* Denar, ungefahr 20 Pfennige) zahlen. Als er das 
eines Abends im Winter nicht konnte und deshalb draufcen 
am Fenfter zuhorte, fand man ihn morgens fa[t erfroren dort 
liegen und konnte ihn nur mit Miihe wieder ins Leben zuriick- 
rufen. 7 ) Ein Reformator wie Esdras ift er nicht gewefen, 
wenngleich feine Volksgenoffen an feinem Grabe klagten: 
,,Ach der Sanftmutige, der Fromme, der Schiller des Ezra." 8 ) 
Wohl aber hat er fich nach den jiidifchen Oberlieferungen 
durch groge Gutmiitigkeit, weitgehende Milde und Feindes- 
liebe ausgezeichnet. Als Beweife dafiir wird u. a. angefuhrt, 

er einmal im Tempel einen Ochfen, den er fur fich als 



oben S. 322. Ober Simon ben Schetah finden [idi verhaltnismagig 
viele Nachriditen in der rabbin. Literatur. Er foil ein Bruder der Konigin 
Alexandra gewefen fein. Vgl. liber ihn R. Leszynsky, REJ 1912, 63, 
216-231. 

') Vgl. tiber ihn Derenbourg p. 176 - 192; Delitjfch, Jefus und Hillel. 3 
Erlangen 1879; Himpel, Art. Hillel im Kirchenlexikon 5, 2102 2107; Bacher, 
Die Agada der Tannaiten I 2 p. 1 11. 

2 ) Vgl. Gra$, Gefch. der Juden III 5 S. 206. 

3 ) Schebiith 10, 3. Arakhin 9, 4. 
*) Jer. Taanith IV, 2 fol. 68 a. 

5 ) Joma 35 b. Vgl. Deli^fch S. 9. 

6 ) Pesachim 66 a, jer. Pes. 33 a. Vgl. Grat} 1. c. Unter Schemaja 
und Abtaljon werden bisweilen, fo z. B. von Schiirer II, 422424, die 
aus der Zeit des Herodes bekannten Pharifaer Pollio und Sameas (vgl. 
o. S. 117 und 136) verflanden. 

7 ) Joma 35 b. 

8 ) Jer. Sota 9, 6; b. Sanhedrin 11 a bei Delitjfch S. 39. 



380 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Opfer fchladhten liefc, fiir eine Kuh ausgab, um nidit mit den 
Schulern Schammais wegen einer Gefetjesfrage in Streit zu 
kommen, 1 ) und dafc er lehrte, beim Hochzeitsgejang muffe 
man, wenn audi die Braut nodi fo hafrlich fei, fingen: ,,Ei 
du liebliche anmutige Braut." 2 ) Er kam befonders dadurdi 
zu Anfehen, dafc er, als der Riifttag des Pafchafeftes auf einen 
Sabbat fiel und nun die Frage entftand, ob das Pafchaopfer 
das Sabbalsgebot aufhebe, die Frage im Sinne der echten 
Uberlieferung bejahte, zuerft durch exegetifche Schlufcfolgerung 
aus der Schrift, dann aber unter Berufung auf die Ober- 
lieferung feiner Lehrer. 3 ) Sein Wirken be[tand nidit in einer 
Belebung des Glaubens oder im Antrieb zum wahrhaft reli- 
giofen Handeln, fondern in einer weitern Ausbildung der 
pharifaifchen Satjungen in gemaftigtem Sinne, wahrend 
Schammai und feine Schule gefetyiche Fragen im allgemeinen 
im erfchwerenden Sinne entfchieden. 

s 

Viel bewundert wird befonders die Antwort, welche 
Hillel einem Auslander gab, der das ganze Gefetj lernen 
wollte, wahrend er auf einem Bein ftehe. Zu ihm fagte 
Hillel: ,,Was dir unlieb ift, tue auch deinem Nachften nicht. 
Dies ift das ganze Gefetj. Das Obrige ift nur Erlauterung. 
Gehe bin, dies lerne." 4 ) Allein die Gefetjgebung auf Sinai 



J ) Beza 20 a. Vgl. Deli^fch S. 33: n Er bewegte wedelnd den Schweif 
des Tieres, um deffen Qefchlecht zu verbergen." 

2 ) Kethuboth 16b. 17 a bei Deli^fch 1. c. 

3 ) Pesachim 66a; j. Pesachim 33a. Vgl. Derenbourg p. 177 ss 
und zur kritifchen Beurteilung des aus relativ fpater Zeit [tammenden 
Berichts, worin z. B. Hillel zum Synedrialprafidenten gemacht wird (vgl. 
o. S. 296), Aicher a. a. 0. S. 145 f. 

*) Schabbath 31 a. Der Sa{3 o ^^ei? n^Ssvl 7totij6t,<; {teht fchon im 
Buche Tobias 4, 15 (Vulg. 4, 16). Es ift deshalb nicht verwunderlich, dag 
auch Philo bei Bus. Praepar. evang. VIII, 7 (Rec. Th. Gaisford Oxon. 
torn. II. 1843, p. 255) fagt: r? mtfrtlv B/d-algn, nij nnislv av-cov. Aber 
wie fruher Geiger und Renan (vgl. Delitjfch S, 17) wegen obigen Spruches 
Jefus zum Nachtreter Hillels machen wollen, fo will Bacher, Die Agada etc. 
S. 4, 5 den Apoftel Paulus Gal 5, 14 und Rom. 13, 8 aus Hillel fchopfen 
laffen, deffen Sat} in dem Ausfpruche Jefu bei den Synoptikern (Matth. 
22, 39 f. Marc. 12, 31 f. Luc. 10, 27) eine Erweiterung gefunden habe. 
Es fei noch bemerkt, daft obiger Spruch Hillels gerade wie Tob. 4, 16 
und Philo 1. c. nur eine negative Vorfchrift, niemand etwas zu leide zu 
tun enthalt. Jefus gab aber mit den Worten: ,,alles was euch die 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 381 

war nidit blofe Moral, und eine Sittenregel ohne religiofe 
Grundlage ift hinfallig. Nach dem Gefetje ift vielmehr die 
Liebe Gottes die Summe des Gefetjes, 1 ) und das von Hillel 
angefuhrte zweite Grundgebot der Liebe des Nachften 2 ) be- 
darf als Grundlage des Gebotes der Gottesliebe. Deshalb hat 
auch nicht Hillel, fondern Jefus, der die beiden Gebote mit- 
einander verband, 3 ) den Geift des Gefetjes zur Geltung gebracht. 

Schammai war nadh dem Talmud fo [treng, daft er Schammai. 
jeinen kleinen Sohn am Verfohnungsfefte zum Faften ver- 
pflichten wollte, und am Laubhuttenfefte die Zimmerdecke im 
Gemach feiner Schwiegertochter durchbrechen und das Zimmer 
in ein Laubzelt verwandeln liefc, damit deren eben erft ge- 
borner Sohn die Vorfchrift des Feftes erfullen konne. 4 ) 

Von welchem Geifte beide, Hillel und Sdiammai, erfiillt 
waren, zeigt folgendes Beifpiel. Beide waren dariiber einig, 
dafc ein Ei, welches eine Henne am Sabbate gelegt halte, 
nicht gegeffen werden diirfe. Aber Schammai erlaubte wenig- 
ftens, obwohl er fonft ftrenger als Hillel war, den Genufc eines 
Eies, welches an einem Sabbate ausgetragen und an einem 
unmittelbar darauffolgenden Fefttage, der an Heiligkeit dem 
Sabbate gleichgeachtet wurde, gelegt war. Hillel hielt aber 
iiberhaupt ein Ei, das an einem Sabbat oder Fefttage fertig 
geworden, fur ungefetjlich entftanden und wollte deshalb auch 



Menfchen tun, tut auch ihr ihnen" (Matth. 7, 12) ein pofitives Qebot, welches 
auch die Feindesliebe einfchlog. Vgl. Bifchoff, Jefus und die Rabbiner. 
Jefu Bergpredigt und ,,Himmelreich" in ihrer Unabhangigkeit vom Rabbi- 
nismus (= Schriften des Instit. Judaicum Nr. 33), L 1905. S. 63 ff. 93 ; 
vgl. auch ebd. Strack S. 104107 gegen die Behauptung, Hillel habe 
bereits vor Jejus die univerjale Nachftenliebe fur den Inbegrif! der ganzen 
.judifchen Lehre erklart. Auch in dem Satje Hillels (Pirke Aboth 1, 12): 
,,Liebe die Menfchen und leite fie zur Thorah an" ift das nicht der Fall. 
Denn gemeint find nur Ifraeliten oder folche, die es werden wollen. 
Bifchoff S. 65. 

') Deut. 6, 4 f. 

*) Lev. 19, 18. 

) Marc. 12, 2834. Auch Matth. 7, 12 fteht das Qebot der Nach- 
ftenliebe im Zufammenhang mit dem Vorhergehenden, wo die Liebe 
Qottes zu tins als Vorbild unferer Liebe zum Nachften bezeichnet wird. 
Vgl. iiberhaupt Deli^fch a. a. O. S. 17 ff 

') Tos. Joma c. 4, 1 (Ugolini Thes. t. XVIII p. 18^); Jer. Succa 2, 9 
(ibid. p. 425). 



382 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

nicht erlauben, es an dem unmittelbar folgenden Sabbat Oder 
Fefttag zu geniefren. Man durfe es audi nicht aufheben, und 
damit man nicht in Verfuchung komme, dies doch zu tun, folle 
man es iiberhaupt weder anriihren nodi anfehen. 1 ) Eine andere 
Meinungsverfchiedenheit beider Lehrer betraf die Frage, ob 
das Schandende, wegen deffen der Mann feiner Frau den 
Scheidebrief geben konne, nur, wie Schammai meinte, etwas 
fittlich Schandendes fei Oder irgend etwas, denn nach Hillel 
konnte der Mann feine Frau ,,auch fchon" danri entlaffen, 
wenn fie das Effen hatte anbrennen laffen. 2 ) Sonft find die 
manchen uns noch iiberlieferten Meinungsverfchiedenheiten 
der beiden Lehrer geringfugiger Art. 3 ) 

Die Dem Hillel werden aber nicht blofc manche fehr fchone 

Einrichtung un( } treffliche Spriiche zugefchrieben, z. B. das Wort: ,,Wo 

QS ke ' men Mann ibt ^ { didl an ' ein Mann ZU f ein '" 4 ) 
Er foil auch durch feinen Einflufc die nutjliche Einrichtung 

des fogenannten Prosbol Oder Verwahrungsfcheines durch- 
gefetjt haben. Darunter verfteht man die Ausftellung einer 
gerichtlichen Ermachtigung, jederzeit, alfo auch im Sabbat- 
jahre, die ausftehenden Schulden einfordern zu durfen. Nach 
dem Gefe^ 5 ) follten alle Schulden im fiebenten Jahre er- 
laffen werden. Diefe Beftimmung hatte nun die Folge, daft 
man Anftand nahm, den Armen vor.dem Sabbatjahre Geld 
zu leihen, und gerade diefem den Armen ungiinftigen Be- 
denken follte der Prosbol fteuern. 6 ) 



] ) Beza 1,1. Edujoth 4, 1. Vgl Delitsfch, S. 21 f. 
3 ) Qittin 9, 10. Vgl. Deli^fch, S. 25. 

3 ) Vgl. die Stellen der Mifdina, an welchen Differenzen der beiden 
Schulen von Hillel und Schammai erwahnt find, in Schurer II, 426, 38. 
Vgl. iiberhaupt Ad. Schwarz, Die Erleichterungen der Schammaiten und 
die Erfchwerungen der Hilleliten. Wien 1893. Auch Bacher, Die Agada, 
handelt I, 1122 uber die Schule Hillels und Schammais. 

4 ) Vgl. Kirchenlex. 5, 2103. 
3 ) Deuter. 15, 111. 

6 ) Schebiith 10, 3. Gittin 4, 3. Das Wort Prosbol (hebr. '^p"5) 
wird am beften als gleichbedeutend mit TTQO? ^ovlr, v oder nyns fiovif; von 
dem Orte, wo die betreffende Erklarung hinterlegt werden follte, erklart. 
Schurer II, 428 will das Wort mit Wilcken = lat. adjectio in der Be- 
deutung n Klaufel" Zufat}, Beifa^ erklaren, meint aber felbft 1. c. 428, 46, 
dag die judifche n^<,6^o\ij keine Klaufel in dem Schuldvertrag Jelbft ge- 
wefen zu fein fcheine. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 383 

Ob der aus der Heiligen Schrift bekannte Lehrer des Gamaliel der 
heiligen Paulus, 1 ) Gamaliel, 2 ) ein Enkel Hillels gewefen ift, Alt e- 
ilt zum wenigften fehr fraglich, da es an jedem Beweis da- 
fur fehlt. 3 ) Zum Unterfchiede von feinem eigenen Enkel, 
Rabban Gamaliel II., welcher um das Jahr 100 an der Spitje % 
des Gerichtshofes von Jabne ftand, heiftt er in der Mifchna 
Rabban Gamaliel der alte" 4 ) und wird als die perfonifizierte 
Ehrfurdit vor dem Gefetje ausgegeben. Denn es heifct von 
ihm: ,,Mit dem Tode des Rabban Gamaliel des Alten horte 
die Ehrfurdit gegen das Gefetj auf und mit ihm ftarben auch 
Reinheit und Enthaltfamkeit." 5 ) Die kleine, von der milden 
Gefinnung des grofcen Gefe^eslehrers zeugende Rede, weldie 
uns in der Apoftelgefchichte aufbewahrt ift, 6 ) wurde wohl die 
Veranlaffung, daft man ihn fpater als geheimen Chriften an- 
gefehen hat. 7 ) 



') Apg. 22, 3. 

2 ; Vgl. iiber ihn Derenbourg, p. 239-246 und 480 s.; Qinsbury in 
Smith and Wace, Dictionary of Christian biography t. II, 1880, p. 602-604; 
Bacher, art. Gamaliel in The Jewish Encyclopedia V, 1903, p. 558 560. 

3 ) Denn dag im babylonifchen Talmud Schabbath 15 a zwifchen Hillel 
und Gamaliel ein fonft nirgends erwahnter Simon als Inhaber der Na[i= 
Wurde bezeichnet wird, beweift nicht einmal, dag der Talmud ihn als 
Verwandten beider betrachtete. Manche Gelehrte bezweifeln uberhaupt 
die Exiftenz jenes Simon Vgl. z. B. Schurer II, 429, 47. 

4 ) Orla 2, 12. Rosch haschana 2, 5 Jebamoth 16, 7. Sota 9, 15. 
Gittin 4, 23 

6 ) Sota 9, 15. Nach Gittin 4, 2 ordnete er die Aufftellung des Schei- 
debriefes, damit nicht, falls die Frau fich wieder verheirate, die Legitimitat 
diefer Ehe angefochten werden konne. Auch die Be[timmung, wodurch 
einer Witwe der Bezug der ihr von ihrem Manne im Ehekontrakt ver- 
fchriebenen Summe erleichtert wird (Gittin 4, 3;, und eine andere, wonach 
einer Frau die Erlaubnis zur Wiederverheiratung gegeben wird, wenn 
auch nur ein Zeuge den Tod ihres Ehemannes bekunde (Jebamoth 16, 7), 
werden auf ihn in der Mifchna (1. c.) zurtickgefuhrt. In Orla 2, 12 findet 
fich eine Augerung von ihm fiber die Durchfauerung eines Teiges; in 
Aboth 1, 16 wird ihm der Spruch zugefchrieben: ,,Erwahle dir einen 
Lehrer, damit du das Zweifelhafte vermeideft. Gib deinen Zehnten nicht 
nach blogem Uberfchlag." 

) Apg. 5, 35-39. 

7 ) Clem. Recogn. 1, 65 sqq. Nach dem Bericht des Presbyters 
Lucianus von Jerufalem (vgl. den latein. Text De inventione et trans- 
latione S. Stephani u. a. in Migne, PL. XLI, 807- 818; fiber die fyrifche 
und griechifche Rezenfion und den Bericht uberhaupt vgl. auch die reichen 



Gamaliels 
Sohn Simon. 



Die 

Schriftge- 
lehrten nadi 

der Zer- 

ftorung Jeru- 

falems. 



Die Syna- 
goge und 
Profeuche. 



384 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Sein Sohn Simon beteiligte fich nach Jofephus an den 
Staatsgefchaften in den fchwierigen Jahren 6668 n. Chr. 1 ) 
und wird iiberhaupt als ein kluger und einflufcreicher Mann 
bezeichnet. 2 ) Er foil Urheber des Spruches fein: ,,Ich bin 
unter den Weifen aufgewachfen und habe nichts dem Menfchen 
Befferes gefunden als Schweigen. Nicht die Erklarung des 
Gefetjes, fondern das Halten desfelben ift die Hauptfache. 
Wer viele Worte macht, bringt Siinde." 3 ) 

Nach der Zerftorung des Tempels find die Schriftgelehr- 
ten, 4 ) deren Mittelpunkt zuerft Jamnia oder Jabne, 5 ) dann feit 
der Mitte des zweiten Jahrhunderts Tiberias war, die ein- 
zigen Fiihrer des jiidifchen Volkes geworden. Die Friichte 
ihrer gelehrten Tatigkeit liegen im Talmud und den damit 
verwandten rabbinifchen Schriften vor. 

2. Die Synagogen. 6 ) 

Der im Neuen Teftament fehr oft vorkommende Aus- 
druck ,,Synagoge" bezeichnet an fich eine Gemeinde oder 
die Verfammlurtg der Gemeinde, 7 ) wird aber gewohnlicher 



Literaturangaben bei Schiirer II, 430, 49) iiber die Auffindung der Ge- 
beine des heiligen Stephanus bei Kaphargamala in der Nahe von Jeru- 
falem wurden mit jenen Gebeinen auch die des Nikodemus, Gamaliel und 
feines Sohnes Abibus, die fomit alle als Chriften angefehen wurden, gefunden. 

J ) Jos. B. J. 4, 3, 9. Vita 38. 39. 44. 60. Vgl. Derenbourg p. 270 
bis 272. 474 s 

*) Jos. Vita 38. 

3 ) Aboth 1, 17. 

4 ) Die beruhmteren Tannaiten vgl. S. 9. Eine Lifte der Tannaiten 
uberhaupt f. in Strack 5 S. 119-135. 

5 ) S oben S. 300. 

e ) Vgl. u.a.Vitringa, Desynagoga veterelibritres Franequerae 1696. 
2. Aufl. Leucopetrae 1726. L6w, Der fynagogale Ritus, Monatsfchr. fur Gefch. 
u. Wiff. d. Judent. 1884 (6 Artikel, auch abgedruckt in L. Low, Gefamm. 
Schriften IV. Bd., 1898, S. 1-71). Bacher, art. Synagogue in Hastings 
IV, 636-643. Schiirer *, 497-544; Jufter 1, 456-472 und 497500. 
Antike Synagogen in .Galilaa von H. Kohl und C. Watjinger (29. Wiff. 
Verdffentlichung der Deutfchen Orient-(je{elljchaft). Leipz. 1916. Vgl. auch 
kurz Rucker, Die Synagogenruinen Galilaas, Das Heil. Land Jahrg. 60, 
1916, S. 144155. 

7 ) So z. B. LXX Eccli. 4, 7. 41, 18 (im Hebr. n'i') Apg. 9, 2. - Im 
Aramaifchen wird ."Hi? oder nwayoiytj durch K?.'*ir (bezw. rpr Verfamm- 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 385 

fur den Verfammlungsort der Juden zu religio[en Zwecken 
gebraucht. Bin anderer griechifcher Name fiir Synagoge i[t 
Proseuche, 1 ) den befonders Philo oft anwendet. Er bezeich- 
net aber nicht notwendig ftets ein feftes Haus, fondern kann 
auch im weitern Sinne von einem freien Platje verftanden 
werden. Allem Anfcheine nadi ift der ,,Betort" aufcerhalb 
der Stadt beim Fluffe zu Philippi, den der Apoftel Paulus 
mit feinen Begleitern auffuchte,-) ein foldier Gebetsplatj unter 
freiem Himmel gewefen. Da ein paar jiidifche Frauen, die 
damals die judifche Gemeinde zu Philippi ausmachten, eine 
eigentlidie Synagoge befeffen batten, i[t fchon an fich un- 
wahrfcheinlich. Oberdies hielten auch fonft die Juden ,,ge- 
mafc der Gewohnheit ihrer Vater" in heidnifchen Gegenden 
am Meere Gebete ab, wie wir z. B. von Halikarnaffus in 
Karien wiffen. 3 ) Der Grund dafur lag weniger in der Mog- 
lichkeit, dort am Waffer leichter die gefetjlichen Abwafchungen 
vornehmen zu konnen/) als vielmehr in dem Wunfche, aufter- 



lung) oder vollftandiger durch NiiT^r- ^ (bezw. i"!pj?n fP2) wiedergegeben. 
Diefe beiden letjteren Ausdrucke konnen aber auch den Ort der Verfamm- 
lung bezeichnen (vgl. Levy, Neuh. u. chald. WOrterb. II, 355 f. u. 359 f. 
Bacher 1. c. IV, 636). 

x ) 7iQ6tvy,n iP abgekflrzt von odxo? nQntievxijs. 

2 ) Apg. 16, 13. 16. 

3 ) Jos. Ant. 14, 10, 23 wird den Juden erlaubt, den Sabbat zu feiern, 

Opfer darzubringen tat ra? Tr^otfti'/a? noitl6d-at ^4/0? ri] frnhdnfifi xa-ra TO 

ndTQiov e*.ff. Von einer Synagoge (wie Low S. 168 meint) ift hier keine 
Rede, fondern nur von Gebet im Freien (vgl. zu n^n6evxoi<; nomia&ai 
= Gebete verrichten 1 Tim. 2, 1. Luc. 5, 33. Phil. 1, 4). Ebenfowenig 
bezieht fich die Stelle auf die Abhaltung offentlicher Gebete an den Faft- 
tagen (wie Schurer II, 522, 72 meint). Denn die fanden nach der Mifchna 
nicht in der Synagoge, fondern auf dem Marktplatj ftatt (vgl. Taanith 
2, 1. Meg 3, 1. Sanh. 10, 6), aber natiirlich nur im heiligen Lande 
(Low S. 166168). Wohl aber gingen auch die Juden von Alexandrien 
in ihrer jchwierigen Lage an die Meereskiifte, um dort zu beten V TM 
xad-nQMTdrq) (Philo, in Flacc. 14), d h. an dem von den heidnifchen 
Greueln der Stadt am wenigften beriihrten Ort. Vgl. Mechilta am Anf., 
in der deutfchen Oberf. S. 2. Vgl. Bacher, 1. c. p. 638. . 

'*) Man wufch die Hande vor dem Gebet. Vgl. Judith 12, 7. Arifteas 
ed. Wendland, 305306 Die auf der kleinen Infel Delos. aufge- 
iundene Synagoge lag allerdings am Meere (vgl. A. Plaffart, La syna- 
gogue juive de Delos, Melanges Holleaux, 1913, p. 201215. Jufter 
Felten, Neuteftameiitlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 25 



386 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

halb der durch Gotjendienft entweihten Stadt den ,,reinften",. 

d. h. den vom Gotjendienft am wenigften entweihten und 

deshalb fur das Gebet paffendften Platj zu finden. 1 ) 

Der Wenngleich jiidifche Schriftfteller den Urfprung der Syna- 

Urfprung der gog en auf Mofes zuruckfuhren, 2 ) fo ift iiberhaupt ihr vor- 

Synagogen. ex iijjch er Urfprung unbeweisbar 3 ) und hochft unwahrfcheinlich. 

Allem Anfcheine naeh i[t er vielmehr durch die Schriftgelehrten 

bedingt gewefen und haben die Synagogen mit ihnen eine 

auf[teigende Entwicklung gehabt. 4 ) In dem Sinne diirften fie 



1, 498 s.), allein fiir die rituellen Wafchungen diente im Vorhofe des 
Gebaudes eine Cifterne (vgl. Plaffart 203 und 210; Kohl und Watjinger 
138 und 144). 

') Der Ausdruck n^o6evxn im Sinne von Synagoge findet fich be- 

reits in der aus dem 3. Jahrh. v. Chr. ftammenden Infchrift zu Schedia 

bei Alexandrien (j. o. S. 275, 3; Injchriften, welche n(j6evyni = Bethaujer 

erwahnen, find allein in Unteragypteri wenigftens fiinf gefunden [vgl. 

Strack, Infchriften aus ptolemaifcher Zeit im Archiv fur Papyrusforfchung 

1903, II, 4, 541], darunter eine aus dem Jahre 37 v. Chr., welche fich 

auf die Weihung der Synagoge von Alexandrien bezieht [vgl. Strack 1 c. 

n. 41, S. 559]), dann bei Philo, in Place. 6. 7. 14. Leg. ad Caj 20. 23. 

43. 46. Jos. Vita 54. Jos. wendet Ant. 19, 6, 3 B. J. 2, 14, 4 f. 7, 3, 3 

das Wort away my n an, welches bei Philo nur in Quod omnis probus 

liber 12 fteht. Philo fpricht aber auch Vita Mofis 3, 27 von einem 

Gebetsplatj, 7z^n6tvr^tov, wahrend in einem Edikt des Auguftus bei 

Jos. Ant. 16, 6, 2 der Name Sabbathaus, aappaitiiiv vorkommt. 

2 ) Jos. c. Apion. 2, 17. Philo, Vita Mosis 3, 27; de septenario 6 
= de spec. leg. II, 56 ff. ed. Cohn; Fragm. bei Euseb. Praep. ev. VIII, 7, 
12-13. 

3 ) Deuter. 31, 11 f. fpricht nur davon, daf3 das Gefetj in jedem 
7. Jahre vorgelefen werden folle. In Pfalm 74 (Vulg. 73), 8 heigt es 
allerdings nach dem maforetifchen Text: Sie haben alle Gotteshaufer 
P^"^~^.^) im Lande verbrannt. Da aber doch nicht alle Synagogen wie 
der Tempel als Gotteshaufer bezeichnet werden konnen, liegt vermutlich 
eine Korruption des Textes vor, zumal die LXX o^r gelefen hat (die 
Vulg. hat: quiescere faciamus omnes dies festos Dei a terra). VgL 
Thalhofer, Erklarung der Pfalmen 3 . Regensb. 1871. S. 427 f. Haneberg, 
Altert. S. 349. - LSw will (S. 98 108) die Synagogen der vorexilifchen 
Zeit zufchreiben, weil damals in offenti. Gemeindeverjammlungen und zwar 
in den Munizipalgebauden auch religiofe Belehrung gegeben worden feu. 
Er denkt wohl an 2 Paral. 17, 7-9. Vgl. auch 2 (4) Ron. 4, 23. 

*) Rofenmann, Der Urfprung der Synagoge und ihre allmahliche 
Entwicklung. Berlin 1907 leitet den Synagogen-Gottesdienft aus dem 
Inftitut der Standmannfchaft (f. o. S. 354) ab, indem er meint, fiir die- 
felbe fei ein opferlofer Gottesdienft beim Tempel eingerichtet worden^ 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 387 

zuerft in dem babylonifchen Exil aufgekommen fein, daff da- 
mals mandie fromme, gefetjeskundige Manner nach Moglidi- 
keit wenigftens bei beftimmten Gelegenheiten andere um fich 
fcharten, um das Gefetj zu lefen und gottesdienftliche Obungen 
gemeinfam zu pflegen. Denn an den Ufern der Fliiffe Baby- 
Ions bewahrten viele die Liebe zur Heimat und zu dem Gefetj, 
die einen fo ergreifenden Ausdruck in den Worten fand: 
Wenn ich dein vergeffe, o Jerufalem, fo moge meine rechte 
Hand vergeffen werden; meine Zunge moge an meinem 
Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich 
nicht dieh, Jerufalem, hoher ftelle als jede Freude. 1 ) Zu 
folchen Verfammlungen mugte notwendig, nachdem einmal 
die Schriftgelehrten aufgekommen waren, das Leben in der 
Diafpora uberhaupt drangen. Ahnlich aber lagen die Ver- 
haltniffe in Palaftina, als Esdras und die Schriftgelehrten dort 
ihre Tatigkeit zu entfalten anfingen. 

Der Bau einer Synagoge wurde in Palaftina wie iiber- von wem der 
haupt an Orten, an welchen faft nur Juden lebten, von der Bau unter- 
Gemeinde veranlagt. 2 ) In andern Orten mufcten natiirlich die "ommen 
jiidifchen Einwohner dafiir aufkommen, wenn ihnen nicht wurde - 
jemand, wie z. B. in Kapharnaum der heidnifche Hauptmann, 
die Laft abnahm. 3 ) 

Zur Zeit Chrifti gab es wenigftens in jeder einigermafcen verbreitung 
bedeutenden judifchen Stadt, fo z. B. nicht blofc in Kaphar- der 
naum 4 ) oder Cafarea 5 ) und Tiberias, 6 ) fondern auch in Synagogen. 
Nazareth 7 ) und in Dora, 8 ) Synagogen. In Jerufalem gab es 

der fich allmahlich im Lande Ifrael uberhaupt verbreitet habe. Von einem 
folchen Gottesdienft ift aber nichts bekannt und nicht einmal richtig, dag 
uberhaupt beftimmte Laien-Deputationen nach Jerufalem als Standmanner 
gekommen find. Vgl. o. S. 354, 5. Auch weig man nichts dariiber, 
wann die in der Mifchna erwahnten Standmannfchaften aufgekommen find. 
J ) Pf. 137 (Vulg. 136), 5-6. 

2 ) Megilla 3, 1. Nedarim 5, 5. 

3 ) Luc. 7, 5. 

4 ) Marc. 1, 21. Luc. 7, 5. Joh. 6, 59. Ober die angeblichen Syna- 
gogenruinen dafelbft vgl. Badeker S. 284. 

6 ) B. J. 2, 14, 4-5. 

) Jos. Vita 54. 

') Matth. 13, 54. Marc. 6, 2. Luc. 4, 16. 

8 ) Jos. Ant. 19, 6, 3. Dora nOrdlich von Cafarea in Phonizien ge- * 

horte wenigftens bis auf Pompejus zum judifchen Gebiet. S. Ant. 14, 4, 4. 
B. J. 1, 7, 7. 25* 



388 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Vblkes. 

neben dem Tempel mehrere Synagogen. 1 ) Dasfelbe war 
der Fall in denjenigen heidnifchen Stadten, worin eine grofcere 
Anzahl Juden wohnten, wie z. B. in iAlexandrien, 2 ) Damas- 
kus 3 ) und Rom. 4 ) Audi in Salamis auf Cypern waren zur 
Zeit des heiligen Paulus, der auch in Kleinafien, Mazedonien 
und Griechenland mit den jiidifdien Synagogen in Verbindung 
trat, mehrere Synagogen. 5 ) Hieraus ergibt fidi, daft Philo 
nicht ubertreibt, wenn er fagt, es gebe in jeder Stadt jadifche 
Gebetjtatten. 6 ) 

Die Be[ondere Vorfchriften, wo die Synagoge zu bauen fei, 

Synagogen- fcheint es in der neuteftamentlichen Zeit nicht gegeben zu 

Bauten. haben, 7 ) namentlich auch nicht die fpatere talmudifche Vor- 

fchrift, daJ5 die Synagoge nur .auf dem hochften Punkte der 



') Vgl. Apg. 6, 9. Nach dem Pilger von Bordeaux (Itin. Hier. ed. 
Geyer p. 22) hat es auf dem Sion 7 Synagogen gegeben. Ebenfo fagt 
Epiphan., De mensuris et ponderibus 14. Fur die Obertreibungen des 
Talmud ift es bezeichnend, dag es nach dem einen (bab. Kethub. 105 a) 
394, nach dem andern (jer. Megilla 73d) 480 Synagogen in Jerufalem 
kurz vor dem Untergang der Stadt durch Titus gegeben haben foil. Vgl. 
Bacher 1. c. p. 637. Eine bei Ausgrabungen in Jerufalem gefundene 
Infchrift in grieeh. Sprache aus dem 1. Jahrhdt. n. Chr. macht Mitteilung 
von der Qrundung einer Synagoge ,,fur Fremde", einer Badeanlage und 
eines Gafthaufes. ZDMG, 68, 1914, S. 723. Ober eine Synagoge filr 
Freigelaffene berichtet L. H. Vincent, Decouverte de la ,,Synagogue des 
Affrancnis" a Jerufalem. Rb 1921 r 2, 247-277. 

") Philo Leg. ad Caj. 20. 

3 ) Apg. 9, 20; vgl. 9, 2. 

*) Philo Leg. ad Caj. 23 n^o6&v/,ni. 

5 ) Apg. 13, 5 - vgl. 13, 14. 14, 1. 18, 19. Apg. 17, 1. 10. 
Apg. 17, 17. 18, 4. 7. Ober die groge Synagoge im fyrifdien Antiochien 
f. Jof. B. J. 7, 3, 3. 

6 ) Vita Mosis 3, 27. 

. 7 ) Die Mifchna fagt nieht, dag eine Synagoge nur in einer Stadt 
gebaut werden durfe, wo zehn Batlanim d. h. gefchaftsfreie Manner 
wohnten (die auch Montags und Donnerstags dem Synagogal-Gottes- 
dienfte beiwohnen konnten), fondern fagt nur Megilla 4, 3 und Sanhedr. 
2, 3, dag bei den Gottesdienften zehn Perfonen zugegen fein mtigten, 
und Megilla 1, 3, dag ein Ort, wo zehn Batlanim wohnten, eine Stadt 
fei; wohnten weniger da, fo fei es ein Dorf. Lightfoot, Horaehebr. zu Matth. 
4, 23 (Opera II, 278 sq.) hat diefe Batlanim irrtumlich als Beamte der 
Synagoge angefehen. - Nach Megilla 3, 3 (vgl. ebd. 3, 2) mug felbft 
nach der ZerftOrung einer Synagoge der Ort, wo fie ftand, als heilig 
angefehen und behandelt werden. 



XI. Kap. Die . Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 389 

Stadt gebaut werden folle, 1 ) eine Vorfchrift, die, wenn fie wirk- 
lidi beftand, nur dort verwirklidit werden konnte, wo die Juden 
den grofcten Einflug befafcen. 2 ) Audi der gefchichtliche Wert 
einer alteren talmudifchen Halacha, 3 ) wonadi der Eingang 
der Synagoge wie bei der Stiftshiitte im Often fein folle, ift 
ein geringer. Denn es war zwar allerdings fchon in fruher 
altteftamentlicher Zeit die Sitte verbreitet, das Geficht beim 
Gebete in Palafiina zum Allerheiligften bezw. zum Tempel, im 
Auslande nach dem Heiligen Lande bin zu riciiten. 4 ) Deshalb 
mag fich jene Halacha auf Babylonien Oder andere Lander 
oftlich von Palaftina beziehen, wo fie der Gebetsvorfchrift 
entfprodien haben wiirde. Allein tatfaehlich ift im nordlichen 
Galilaa der Eingang vieler vielleicht aus dem zweiten bis 
vierten Jahrhundert ftammenden Synagogen im Suden, 5 ) 
wahrend fpater die europaifchen Juden die Riickfeite ihrer 
Synagoge nach Often zu richten und den Eingang im Weften 
zu haben pflegten. 

Aus den uns erhaltenen Ruinen alter Synagogen Galilaas 
erkennt man, dafr diefe viereckig und im Innern dureh Saulen 



') Tos. Megilla IV p. 227, 16 sq. ed. Zuckermandel. Andere Stellen 
f. b. Bacher 1. c. p. 638. Vgl. auch L6w a. a. o. S. 215 ff. 

2 ) Die galilaifchen Synagogen (f. u. Anm. 5) halten faft alle eine 
landfchaftlich fchOne Lage, die erwahnte Vorfchrift ift aber in den 11 von 
Kohl und Waljinger befehriebenen Synagogen nur bei 3 erfiillt (vgl. 
dort S. 138). 

3 ) Tos. Megilla IV 22 ed. Zuckermandel, p. 227, 15. Vgl. Num. 3, 38. 
*) 3 Kon. 8, 44. 48. 2 Par. 6, 34. 38. Ezech. 8, 16. Daniel 6, 10 f. 

Berakhoth. 4, 5-6. Vgl. Low S. 305 ff. 

5 ) Zum Beweis des Alters diefer Synagogen kann man fich nicht 
auf eine in den Trummern eines Gebaudes in Kasiun gefundene griechifche 
Infchrift (bei Wa^inger S. 209) aus der Zeit des Kaifers Septimius 
Severus aus dem .J. 197 berufen. Man fah fie irrtumlich als Weiheinfchrift 
einer jiidifchen Synagoge an. Das Oebaude ift aber nach Watjinger 1. c., 
der an die Widmung eines Kranzes oder eines Schildes aus Edelmetall 
denkt, keine Synagoge, fondern vielmehr ein heidnifcher Tempel gewefen. 
Watjinger S. 139 will aus der Tatfache, dag die Fronten der Syna- 
gogen in Galilaa mit dem Haupteingang im Norden nach Siiden, im 
Often nach Weften und weftlich von Jerufalem nach Often fich -wenden, 
alfo alle mit der Front nach Jerufalem orientiert find, fchliegen, dag dort 
die Betenden!mit dem Geficht gegen die Eingangswand geftanden haben. 
Das ift aber wenfg wahrfcheinlich. Auch im, Talmud (vgl. Baba Bathra 25 a. 
Lflw I.e. S. 314 und 322) wird die Anficht vertreteri, dag es gleichgultig 
fei, nach welcher Himmelsgegend man beim Gebete fein Antlitj wende. 



Ob in den 
Synagogen 
die Frauen 

'deren " 
batten. 



Die 
innere Ein- 



390 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

in mehrere Schiffe eingeteilt waren und in der Regel ein 
Hauptportal mit zwei kleineren Seitentiiren batten. 1 ) Somit 
waren es grofce Prachtbauten oder Bafiliken, wie dies wenig- 
{tens nach dem Talmud audi von der grogen Synagogen- 
bafilica zu Alexandrien gilt, welche eine doppelte Saulenreihe 
hatte. 2 ) Natiirlidi mufcte fidi aber der Bau wie die Aus- 
ftattung der Synagoge nach den Verhaltniffen der Gemeinde 
richten, wofiir [ie beftimmt war. 

Im Tempel hat es eine orientalifch ftrenge Scheidung 
d er Manner und Frauen nicht gegeben, da der Vorhof der 
p rauen au fa von ^en Mannern durchfdiritten wurde. Sicher 
w * rc * es ^ tir ^ e damaligen Synagogen nidit anders gewejen 
f em - Allem Anfcheine nach waren die Frauen, welche in 
den neueren Synagogen gewohnlich ihren Platj auf Galerien 
haben, damals weder durch eine Wand noch durch eine 
Bruftwehr noch durch irgend eine andere architektonifche Vor- 
kehrung von den Mannern gefchieden, da im Talmud nichts 
davon erwahnt wird. 3 ) 

In der rabbinifchen Zeit haben die Synagogen folgende 
Einrichtung gehabt, 4 ) die wohl auch der zur Zeit Chrifti be- 
ent fP radl -" Das wichtig[te Stuck war die Tebah, 
Schrein oder Schrank, 5 ) in welchem die in Tiicher ge- 



') Vgl. E. W. G. Mafterman, Studies in Galilee, p. 109-125. Kohl 
u. Wa^inger S. 139 ff. S. auch Badeker S. CXI I, der flbrigens meint, die 
Synagogen Galilaas feien vom 3. bis 6. Jahrh. entftanden. 

a ) Jer. Sukka fol. 55 etc. (vgl. Sukka bab. f. 51 b), deutfch bei Hane- 
berg S. 352 f. Nach Bacher 1. c. p. 639, der fich auf einen Schriftfteller 
des 4. Jhrdts. (Midr. Tehillim fiber Pfalm 93. Vgl. Bacher, Agada der 
pal. Amoraer. 3 Bde. Stragb. 1892 ^-1899, III, 672) beruft, hatte die Syna- 
goge von Tiberias diefelbe Form. 

3 ) Vgl. Low a. a. O. S. 367 ff. 458 ff. Vielleicht find die Emporen 
in den galilaifchen Synagogen fur die Frauen beftimmt gewefen, wie 
Kohl und Watjinger S. 140 annehmen. Bei den Therapeuten war aber 
in der Andachtsftatte das Gemach der Frauen von dem der Manner durch 
eine Zwifchenwand, welche vom Fugboden 34 Ellen hoch reichte, ge- 
fchieden, S. Philo, De vita contempt, c. 4 (in ed. Conybeare p. 69). 

*) Vgl. Bacher in Hastings IV, 639. 

~) ~2*P, griech. X/./S&JTO? (bei Chrys. Orat. adv. Judaeos VI, 7). Die 
Tebah wird Megilla 3, 1, Nedarim 5, 5, Taanith 1, 2 erwahnt. Sie war 
tragbar und wurde bei den Offentlichen Feften getragen. S. Megill. 26 b. 
Taan. 15 a. Edersheim I, 436. 



XI. Kap. Die Scnriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 391 

wickelten 1 ) Biidier verwahrt wurden. In der Mitte der Syna- 
goge war in grofceren Synagogen ein erhohter Plat*, 2 ) wo 
das Gefet5 vorgelefen wurde. Fur die Gemeinde waren Sitje 
angebracht, 3 ) wahrend die Altejten und die Schriftgelehrten 
be[ondere Ehrenfitje, ,,die erften Sitje", inne hatten. 4 ) Ge- 
legentlich wird in der Mifchna auch von dem in den Syna- 
gogen gebrauditen 01 geredet. 5 ) Es .brannten die Ollampen 
dort am Verfohnungstage den ganzen Tag/) 

Der vornehmfte Beamte der Synagoge war der Syna- Die 
gogenvor[teher, 7 ) dem die Sorge fur die Ordnung und den Beamtender 
Gottesdienft in der Synagoge oblag und der deshalb auch vna & en 
beftimmte, wer beim Gottesdienft an die Gemeinde das Wort 
richten follte. 8 ) Bisweilen werden auch mehrere Synagogen- Der 

vorfteher erwahnt. 9 ) Synagogen- 

vorfteher. 



') Kilajim 9, 3. Megilla 3, 1. Kelim 28, 4. Negaim 11, 11. Siehe 
omten fiber den Kanon des Alt. Teft. 

2 ) Schon von Esdras heigt es (Nehem. 8, 4), dag er auf einer hol- 
^ernen Tribune (y^~b~^ ~bl> ; LXX ft^na vhvm>) ftand, als er das Qefetj 
vorlas. In kleineren Synagogen fcheint der Platj in der Nahe der Tebah 
gewefen zu fein. Vgl. jer. Megilla 73d, bab. Megilla 32a. Bacher in 
Haftings IV, 639. Beim Verlefen der Schrift bediente man fich eines 
Lefepultes. Vgl. Kelim 16, 7. 

3 ) Matth. 23, 6. S. o. S. 369. Vgl. auch Jac. 2, 3. Der Talmud (jer. 
Meg. 73d) fpricht von "p^DCC = subsellia (eigentl. niedrige Schemel vgl. 
Levy, Worterb. Ill, 568) oder Sitjplatjen der Qemeinde und auch von m^bp, 
wofiir nach der Emendation von Bacher p. 639 mTttp, d. h. cathedra 
2U lefen i[t. 

') Matth. 1. c. Marc. 12, 39. Luc. 11, 43. 20, 46. Nach der 
Tosephta Succa IV, ed. Zuckermandel S. 198, 20 ff. fagte R. Jehuda, in 
der grogen Synagoge von Alexandrien feien 71 Sitje (x<*erY(jat) von Gold 
gewefen, entjprechend den 71 Alteften. Vgl. Kohl und Watjinger S. 141 f. 
und 180 ff. 

*) Terumoth 11, 10. 

') Pesachim 4, 4. 

7 ) Der dvxrfwayvyos (Marc. 5, 22. 35-38. Luc. 8, 49. 13, 14. Apg. 
18, 8. 17) oder aq%wv rrj? ownywyrjc Luc. 8, 41. Vgl. Vitringa ed. 2. 
p. 580-592, 695-711. Schurer 4 , II, 509-512. 111,88. Jufter 1, 450-453. 

) Apg. 13, 15. 

v ) Apg. 13, 15 von Antiochien in Pifidien (vielleicht auch Marc. 5, 22 
obgleich dort Jairus wohl nur als einer aus der Klaffe der Synagogen- 
vorfteher bezeichnet wird). Die d(f%K?vrdymyin werden Apg. 14, 2 Codex D 
(vgl. Blag, Acta Apoftolorum Ed. philol. G5tt. 1895. p. 157 z. d. St.) von 
den a^oiTe? ToJv'Iuvduiwvt d. h. den Magiftratsperjonen unterfchieden. Der- 



392 Zweiter Abfchnitt. Die innern joz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Wer das Recht hatte, die im Neuen Teftamente erwahnte 

Strafe der Ausfchliejgung aus der Synagoge 1 ) und die Strafe 

der Geifeelung in der Synagoge 2 ) zu verhangen, wird nicht 

ge[agt. Vermutlich aber ftand das Recht dazu dem Alteften- 

kollegium der Gemeinde zu und mag die Gemeinde oft ton- 

mell 3 ) ihre Zuftimmung dazu gegeben haben. 

Der In keiner Synagoge fehlte der Chazzan oder Synagogen- 

Synagogen- diener, 4 ) deffen Aufgabe es auch war, beim Gottesdienfte 

iener- die Heilige Schrift herbeizubringen und wieder fortzulegen. 5 ) 

Der Vorbeter aber, welcher als Vertreter der Gemeinde in 

felbe Unterfchied wird auch auf Infchriften (wie Schurer II, 511, 33 und 
III, 47 ff. zeigt) gemacht. Spater fcheint der Titel dyztcwdywyo? als blofter 
Ehrentitel auch Frauen und Kindern verliehen worden zu fein (vgl. die 
Infchriften bei Schurer II, 512, 37). 

>) Luc. 6, 22. Joh. 9, 22. 12, 42. 16, 12. Auch in der Mifchna er- 
wahnt, Taanith 3, 8. Moed qatan 3, 1 2. Edujoth 5, 6. Middoth 2, 2. 
Die Rabbiner unterfcheiden den Ausfchlug aus der Synagoge als den 
eigentlichen Bann (Cherem) von dem milderen, der "TO genannt wird. 
Letjterer fchlog den Gebannten nur auf 30 Tage von dem offentlichen 
Leben aus. Vgl. Buxtorf, Lexicon talm. et rabb., Basileae 1646, p. 827 sqq, 
1303 sqq. 2466 sqq. Kirchenlexikon -, 1, 1932 f. Ferd. Weber, Judifche 
Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften, L. 1897, 
S. 142 f. Joh Doller, Der Bann (Herem) im Alten Teftament und im 
fpateren Judentum. ZKTh (Innsbruck) 1913, S. 1-24. 

2 ) Matth. 10, 17. 23, 34. Marc. 13. 9. Luc. 12, 11 (21, 12). Apg. 
22, 19. 26, 11. Nach der Mifchna, Makkoth 3, 12 f. beftand die Geifcel aus 
einem Lederriemen und erhielt der zu Beftrafende durch den Chazzan 
der Synagoge (f. Anm. 4) 13 Schlage auf die bloge Bruft und 13 auf jede 
Schulter Nach Deut. 25, 2 f. follte die Zahl der Hiebe nicht 40 iiber- 
fchreiten. Um ficher zu gehen, gab man 39. Vgl. 2 Kor. 11, 24. 

3 ) Aus 1 Kor. 5, 4 la'gt fich das allerdings nicht mit Sicherheit 
fchliegen. 

*) rc:rri "jin oder kurz "i" griech. vn^irti?. Vgl. Levy, WOrterb. 11,29. 
In der Mifchna wird Joma 7, 1 und Sota 7, 7 8 von dem Chazzan der 
Gemeinde im Tempel geredet. In Makkoth 3, 12 erfcheint der Chazzan 
als Gerichtsdiener, der die Geifeelung zu vollziehen hat. Die fpateren 
rabbin. Nachrichten uber ihn f. bei Bacher, art. Synagogue p. 640 f. Epi- 
phanius haer. 30, 11 kennt eine gracifierte Form von Chazzan 'A^avixolv 

titiv nay ai'Tols dictxdvwv .eyju rjvevifievMv i\ vnrjfieTiav. 

5 ) Luc. 4, 20. Vgl. Sota 7, 7-8 und Joma 7, 1. Spater tritt der 
Chazzan als Vorfanger auf. S. Haneberg p. 587. Namentlich in kleineren 
Synagogen wird der Chazzan fchon in alterer Zeit auch die Lektionen 
aus der Heiligen Schrift vorzulefen gehabt haben. Bacher 1. c. -p ; 641 
verweift dafur auf bab. Meg. 25 b. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 393 

der Synagoge laut die Gebete fpradi und ,,Bevollmachtigter 
der Gemeinde" *) heifct, war kein Beamier. Vielmehr unter- 
nahmen einzelne Mitglieder der Gemeinde freiwillig das Vor- 
beten. 2 ) 

Audi die Almofen-Sammler, deren Obliegenheit natur- Die Aimofen- 
gemafc nur vorwurfsfreien Leuten ubertragen wurde, 3 ) waren fammier. 
keine Synagogenbeamten, obwohl fie auch in den Synagogen 
ihres Amtes walteten 4 ) Aber wie nach der Mifchna im Tern- 
pel gottesfiirditige Leute heimlich Geld zur Unterftiitjung der 
Armen ,,in die Kammer der Heimlichkeit" legten, 5 ) fo mag 
auch in den Synagogen eine ahnliche Einrichtung vorhanden 
gewe[en fein. In der rabbinifchen Zeit wurde das Almofen 
von zwei Per[onen gefammelt, aber von drei ausgeteilt. (i ) 

Gottesdienftliehe Verfammlungen 7 ) fanden regelmagig an Die Zeit 

den Sabbaten und den Fefttagen ftatt 8 ) und zwar an den derVer f amm - 

lungen in den 

') "W23 n*b$ , vgl. Berakhoth 5, 5. Rosch ha-schana 4, 9. Synagogen. 

2 ) Sie wurden, da das Qebet fprechen als gleichwertig mit dem 
Opferneines Opfers betraditet wurde, nach einer tannaitifchen Oberlieferung 
dazu mit den Worten aufgefordert: Komm' und opfere (j. Berakh. 8b 2t . 
Vgl. Bacher, art. Synagogue p. 641). 

3 ) nj?T f - ^23 = Almofenfammler. Vgl. Dammai 3, 1. Quiddufchin 4, 5. 
S. Buxtorf p. 375 ad V. "N23. 

4 ) Vgl. Matth 6, 2, wo vom Almofengeben in den Synag-ogen und 
auf den Stragen geredet wird. Vgl uber Armenpflege in der talmudifchen 
Zeit Winer, Bibl. Realworterbuch, Art Almofen, Haneberg 1. c. S. 583 f. 
Bouffet, Volksfrommigkeit und Schriftgelehrtentum. Berlin 1903, S. 30, 1. 

5 1 Schekalim 5, 6. - Von den 13 Opferftocken ([. o. S. 349, 3) waren 
nach Schekalim 6, 5 fieben zur Aufnahme der Tempelfteuer, zur Be[treitung 
der Koften bejtimmter Opfer, zum Einkauf des Holzes, des Weihrauches 
und fur die Koften der beim heiligen Dienft gebrauchten Gefage beftimmt, 
wahrend auf den iibrigen ftand ,,freiwillige Gabe". 

6 ) Pea 8, 7. 

7 ) Ober die Entftehung und Entwicklung des jiidifchen fynagogalen 
Gottesdienftes handelt in anerkannt vortrefflicher Weife Ismar Elbogen 
in dem umfangreichen gelehrten Werke w Der judifche Gottesdienft in feiner 
gefchichtl. Entwicklung" (= Schriften hrsg. v. d. Gef zur FOrderung der 
Wiff. des Judentums), L 1913. 

B ) Auch an den Neumonden kam man nach Megilla 4, 2 zur Lefung 
des Gefeljes zujammen. Auch am Dienstag und Donnerstag jeder 
Woche wurde nach Megilla 3, 6 und 4, 1 (vgl. auch Tos. Taanith 2, 217 u , 
worauf Bacher, art. Synagogue p. 642 verweift) das Gefetj in der Syna- 
goge gelejen. 



394 Zweiter Abfchnitt. Die innern jbz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Vormittagen, 1 ) aber auch an zwei Wochentagen, namlich Mon- 
tags und Donnerstags. 2 ) Schon auf dem Wege zur Synagoge 
pflegte man wenigftens zu Alexandrien eine befondere Hal- 
tung in der Wei[e zu beobachten, dag man die Hande ver- 
borgen hielt, 3 ) vermutlich um dadurch die Ruhe von aller 
Handarbeit anzuzeigen. 4 ) 

Der Qottes- Der Synagogal-Gottesdienft beftand damals wie ubrigens 
dienft. zu a u en Zeiten vorziiglich in der Verlefung und Erklarung 
des Gefetjes. 5 ) Die Mifchna 6 ) erwahnt im einzelnen als Be- 
[tandteile des Synagogal-Gottesdienftes das Schma, das Ge- 
bet, das Vorlejen des Gefetjes und der Propheten und den 
Priefterfegen. Laffen wir die Angaben der Mifchna auch fur 
die Zeit vor der Zerftorung des Tempels gelten, [o erhalten 
wir das folgende Bild. 

Das Schma. Ehe das eigentliche Gebet begann, wurde das Schma, 
welches jeder erwachfene mannliche Ifraelit morgens und 
abends zu beten hatte, 7 ) rezitiert. Es fuhrt feinen Namen 
Schma = Hore! von den Anf angsworten : Hore (Ijrael, der 
Herr unfer Gott ift ein einziger Gott). Es war ein Glaubens- 
bekenntnis. Denn es beftand aus drei kleinen Abfchnitten 
des Pentateuchs, 8 ) in welchen Jahwe als der alleinige Gott 
Ifraels bekannt wird, und wurde von einigen Dankjagungen 9 ) 
eingeleitet und gefchlo[fen. Es war ficher fchon langere Zeit 



') Philo bei Bus. Praep. ev. VIII, 7, 13 fagt, die Verfammlungen 
am Sabbat batten pszyi 6-/tS<lv defies o^/? gedauert. Das bezieht [ich 
auf die lange Dauer des Morgen-Gottesdienftes. Nach Megilla 3, 6 und 
4, 1 fand auch nachmittags Gottesdienft ftatt. 

*) Megilla 3, 6. 4, 1. Vgl. 1, 2. 3 

3 ) ,,Die gewohnte Haltung" war, die Rechte zwifchen der Bru[t und 
dem Kinn zu verbergen, wahrend die linke Hand vom Kleid umhullt an 
der linken Seite herabhing. So Philo, De somniis 2, 18. Nach der Schrift 
De vita contemplativa (ed. Conybeare p. 67) nahmen die Therapeuten 
bei ihren Zufammenkunften am Sabbate diefelbe Haltung an. 

4 ) So Massebieau nach Conybeare, Philo about the contemplative 
Life p. 214. 

5 ) Vgl. Philo, Fragm. bei Bus. Praep. evang. VIII, 7, 1213 und 
De septenario c. 6 (= De spec. leg. II, 62 f. ed Conn). 

6 ) Megilla 4, 3. 

7 ) Berakhoth 1, 1-4 Nach Berakhoth 3, 3 brauchten Frauen, Sklaven 
und Kinder es nicht zu beten. 

) Deuter. 6, 4-9. 11, 1321. Num. 15, 37 41. 
9 ) Berakhoth 1, 4. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 395 

vor Flavius Jofephus im Gebrauch, da diefer feinen Urfprung 
irrtumlidi fogar auf Mofes zuruckfuhrt. 1 ) Hochftwahrfcheinlich 
wurde in den alteften Synagogen fowohl in Palaftina wie in 
Agypten vor dem Schma der Dekalog gebetet, der nach der 
Mifchna 2 ) auch von den Prieftern im Tempel mit dem Schma 
zufammen rezitiert wurde. 

Auf das Schma folgte 3 ) das eigentliche Gebet, bei welchem Das Gebet. 
der vom Synagogenvorfteher dazu Aufgef orderte 4 ) vor die Das 
Lade, welche die Gefe^esrolle enthielt, trat 5 ) und vorbetete, Schmone - 
wahrend die Gemeinde Amen und fonftige Refponforien der 

fprach. 6 ) Nach dem Zeugnis der Mifchna war fchon damals 7 ) 
diefes Gebet das in alien jiidifchen Gebetbuchern ftehende 
Schmone-Esre, d. h. ,,Achtzehn-Bittengebet", s ) welches auch 



') Ant 4, 8, 13. 

'-) Tamid 4, 3 am Ende. 5, 1. Es exiftiert noch ein aus dem zweiten 
chriftlichen Jahrhundert ftammender hebraifcher Papyrus agyptifcher Her- 
kunft, welcher den Dekalog und das Schma, aber ohne die Lobfpriiche 
enthalt. Vgl. Cook in Proceedings of the Society of biblical archaeology, 
L. 1903, vol. XXV p. 3456. Levi, Un Papyrus biblique in REJ, XL VI. 
Paris 1903, p. 212-217. Peters, Die altefte Abfchrift der zehn Qebote, der 
Papyrus Nasch. Freiburg 1905 meint, das Blatt fei urn das Jahr 100 zu 
Gebets- und Unterrichtszwecken gefchrieben worden. Die Sitte, den Dekalog 
vor dem Schma zu beten, wurde nach Levi 1. c. p. 214 bereits vor der 
Mitte des zweiten chriftl. Jhrhdts. abgefchafft, weil, wie jer. Berakhoth 3c 
gefagt wird, die Minim (= die Chriften f. u.) in der Wahl des Dekalogs 
eine Beftatigung ihrer Behauptung fanden, dag nur die zehn Gebote dem 
Mofes auf Sinai offenbart worden feien. 

3 ) Nach M. Megilla 4, 3. Vgl. auch Tamid 5, 1. 

4 ) Vgl. o. S. 391. 393, 2. 

5 ) v gl. Taanith 2, 2, 5. Deshalb nannte man vorbeten ."i?* 1 ?" *:?? ~}2? 
= vor die Lade treten. 

6 ) Vgl. Deuter. 27, 15 ff. etc. (f. Kirchenlex. 2 1, 704 f.); Berakhoth 
5, 4. Taanith 2, 5. 

7 ) Vgl. Berakhoth 4, 8. Rosch ha-schana 4, 5. Taanith 1, 1-2. 2, 2. 

s ) In der jetjt gebrauchlichen Form, welche die babylonifche Rezen- 
pon des Gebetes darftellt (vgl. diefelbe auch bei Schurer II, 539 ff.) 
welche ficher er[t nach der Zerftorung Jerufalems entftanden ift, da diefe 
in der 14. und 17. Bitte vorausgefetjt wird, hat das Gebet nicht 18, 
fondern 19 Bitten, indem die urfprunglich 14. (mefjianifche) Bitte in 
2 Bitten, die 14. und 15., zerlegt ift. Vgl. Emil Schwaab, Hiftorifche Ein- 
ffihrung in das Achtzehngebet (= Beitrage zur FOrderung chriftl. Theo- 
logie 17, 5). Gfltersloh 1913, S. 116 ff. 



396 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

einfadi das Gebet 1 ) heifet, weil jeder 2 ) Ifraelit es dreimal 3 ) 
am Tage, morgens, nadimittags und abends zu beten hat. 
In der erft neuerdings bekannt gewordenen palaftinenfifchen 
Rezenfion 4 ) des Schmone-Esre findet fich auch das von den 
alten Kirchenvatern wiederholt erwahnte Fluchgebet oder die 
Verwunfchung gegen die Chriften, wahrend jeder Hinweis 
auf die Zerftorung Jerufalems fehlt. 5 ) Die Verwunfchung 
bildet die zw61fte Bitte: ,,Den Abtriinnigen fei keine Hoffnung 
und das hochmutige Reich zertrummere in Eile in unfern 



s ) Berakhoth 3, 3. 

3 ) Berakhoth 4, 1. 

4 ) Diefelbe gibt Sehechter Jew. Quart. Rev. X, 1898 p. 654-659 
und Dalman, Die Worte Jefu I., L. 1898, S. 299-301. W. Staerk, Alt- 
judifche liturgifche Qebete (= Kleine Texte, hrsgbn. von Hans Lietjmann, 
Nr. 58), Bonn 1910, S. 1114; die heutige Form ebd. 14-19. 

5 ) Juftin Dial. c. Tryph. 16 fagt, in den Synagogen wiirden die 

Chriften verflucht (urtrapw^evot lv talc tivvayoiyalc V/AMV TOV<; niOTevovtait; 

inl rdv X{*ffTo'r). Vgl. fur die fpatere Zeit Epiphan. haer. 29, 9 und Hier. 
ad Ifai. 5, 1819 ed. Vallarsi 4, 81. Die[e Sitte wird auf einen Befchlug 
einer Synode in Jabne unter Gamaliel II. zuriickgefuhrt (vgl. Berakhoth 
28 b). Die Rabbinen berichten: Simon der Flachshandler ordnete die 
18 Segensfpruche zur Zeit des Rabban Gamaliel nach ihrer Reihenfolge 
in Jabne. Da fprach Rabban Gamaliel zu den Gelehrten : Ift denn jemand 
da, der es ver[teht, eine Beracha gegen die Ke'tjer feftzuftellen ? Da ftand 
Samuel der Kleine auf und ftellte fie feft. (Oberfet5ung nach Schwaab 
S. 22; uber Gamaliel II., der um 90-110 n. Chr. ,,den Juden als hochfte 
Autoritat gait", vgl. Strack 5 , S. 122 f.) Vgl. Schlatter, Die Kirche Jerufalems 
vom J. 70130 (= Beitrage etc. 2, 3), Gutersloh, 1898, S. 17 19. Nach 
Tosefta Chullin 2, 20 und Schabb. 13, 5 (Zu. 503, 13 und 129, 2; deutfch 
bei Schlatter S. 8 u 16) verbot die Synagoge auch Brot und Wein der 
Ketjer (Minim f. u.) zu geniegen. Ihre Schriften follten unterfchiedlos 
verbrannt werden. Ober die Entftehung und den Wortlaut des Schmone- 
Esre Oder der Tephila vgl. E. Schwaab (S. 395, 8) und Elbogen, Der 
judifche Gottesdienft in feiner gefchichtlichen Entwicklung (Schriften hrsgbn. 
v d. Gefelljchaft z. Forderung derWiff. des Judentums), L. 1913, S.27 60. 
Auch er meint, es fei kaum daran zu zweifeln, dag das Fluchgebet fich 
tatfachlich auf die Chriften bezogen hat, es bildete eines der Mittel zur 
vOlligen Scheidung der beiden Religionen, ein Judenchrift habe das 
Gebet nicht beten konnen (S. 36, 38). Vgl. iiberh. die rabbinifchen An- 
gaben uber das Verhaltnis der Juden zu den Chriften bei Schlatter a. a. O. 
S. 7-21 und vorher in Derenbourg 1. c. Ch. XXII p. 347-365. H. Strack, 
Jefus, die Haretiker und die Chriften nach den alteften judifdien Angaben. 
Texte, Oberfetjung und Erlauterungen. L 1910, 21, S. 64. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 397 

Tagen. Und die Nazaraer (=. die Chriften) und die Minim 
( die Ketjer) 1 ) follen plotjlich umkommen; fie follen aus- 
gelofcht werden aus dem Buche des Lebens und nidit mit 
den Gerechten eingefchrieben werden. Gelobet feift du, 
Jahwe, der du zerfchmetterft die Frevler." Nach dem jetjt 
gewohnlichen Texte, welcher auf der babylonifchen Rezenfion 
beruht, heijgt es aber: ,,Und den Verleumdern fei keine Hoff- 
nung; und alle die Bofes tun, mogen fdmell zugrunde gehen, 
und fie alle baldigft ausgerottet werden; und lahme und 
zerfchmettere und ftiirze und beuge die Ubermutigen bald in 
Eile, in unfern Tagen. Gelobet feift du, Herr, der du zer- 
fchmetterft Feinde und beugeft Obermiitige." 2 ) 

In der palaftinenfifchen Rezenfion fehlt ein Hinweis auf 
die Zerftorung Jerufalems, und ift deshalb nicht zu leugnen, 
daJ5 das Schmone-Esre wie in andern Teilen, fo auch in 
Bezug auf das Fluchgebet gegen die Chriften aus der Zeit 
vor der Zerftorung Jerufalems ftammen und fchon damals 
in den Synagogen gebraudit worden fein kann. 8 ) 



') Unter andern identifizieren Weber S. 152 f. Levi, Un Papyrus 
biblique p. 214 und Herford, Christianity in Talmud and Midrasch. Lon- 
don 1903 die Minim mit den Judenchriften, was nach obiger Bitte fur 
das erfte chriftliche Jahrhundert nicht richtig ift. Min, plur. Minim, ift viel- 
mehr der Haretiker, Sektierer uberhaupt, wozu ja allerdings vom Stand- 
punkte der damaligen Juden aus auch die Judenchriften gerechnet wer- 
den konnten. Vgl. u. a. auch Levy, Neuhebr. und chald. Worterb. Ill, 
104 f. z. d. W. i"? und n^S; Hoennicke, Das Judentum im erften und 
zweiten Jahrhundert, Berlin 1908, p. 387-389 (vgl. ebd. iiber den Minais- 
mus uberhaupt S. 381 400); Lagrange, Le Messianisme chez les Juifs, 
P. 1909, p. 290 ss. Noch weniger richtig ift es, die Minim mit Fried- 
lander, Die relig. Bewegungen innerhalb des Judentums im Zeitalter 
Jeju. Berlin 1905, S. 169 ff. zwar nicht als Judenchriften (dagegen 
polemifiert Friedlander felbft S. 196234), aber als judifche Gnoftiker 
anzufehen. Vgl. Levi, Le mot Minim" designe-t-il jamais une secte 
juive de Gnostiques antinomistes ayant exerce son action en Judee avant 
la destruction du temple? in der REJ. t. XXXVIII 1899 p. 204-210. 
Schilrer, Th. Ltrtzg. 1906, 164 f. Hoennicke a. a. O. S. 385 f. Zur Er- 
klarung der 12. Bitte vgl. noch Schwaab, Hift. Einf (inning S. 143 ft. 

-) Vgl. Schiirer II, 540. Bouffet, Die Religion des Judentums im 
neuteftam. Zeitalter, B. 1906, S. 204. 

3 ) Nach der fchon S. 396, 5 erwahnten Berakhoth 28 b (vgl. auch 
Megilla 17b) wurde das Schmone-Esre um das Jahr 100 n. Chr. zu Jabne 
redigiert unter Gamaliel II., Samuel der Kleine fugte aber noch eine 



Die Vor- 
lefung aus 
dem Gefetj. 



Die 

Vorlefung 

aus den 

Propheten. 



398 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Dag man beim Gebete in den Synagogen ftand, ift viel- 
fach ficher bezeugt. 1 ) Audi ift es bemerkenswert, dag nidit 
einmal das Schma nach der Mifchna in hebraifcher Sprache 
gebetet werden mug, [ondern in jeder andern Sprache ge^ 
betet werden kann." 2 ) 

Auf das Gebet folgte die Verlefung von Abfchnitten der 
Heiligen Schrift und zwar zunachft des Gefetjes. Nach Philo 
hat ein Priefter oder einer der Alteften das Gefetj vorge- 
lefen. 3 ) Jedoch fcheint dies nur in der Diafpora Sitte ge- 
wefen zu fein. 4 ) Denn die Mifchna fagt allerdings auch, dag, 
wo ein Priefter oder Levit zugegen fei, diefer den Laien bei 
der Lektion vorgehen folle, 5 ) es wird aber weiter dort be- 
merkt, daft fich am Sabbat fieben, an den Fefttagen fiinf, 
am Verfohnungstage fechs, an den Neumonden und den 
halben Feiertagen, z. B. des Ofterfeftes, vier Perfonen fich 
fo in die Lefung des Gefetjes teilen follten, dag jeder wenig- 
ftens drei Verfe las. 6 ) 

An die Lefung eines Abfchnittes aus dem Gefetj fchlog 
fich am Sabbate die eines Abfchnittes aus den Propheten. 7 ) 



19. Bitte gegen die abtrunnigen Minim hinzu. Bouffet 1. c. 156 meint, 
das fei falfch, da das Qebet gegen die Minim vielmehr in die fchon vor- 
handene 12. Bitte eingefchoben worden fei. Aber das ift nur eine Anficht. 
Schwaab S. 58 ff. fucht zu zeigen, dag das Achtzehngebet ficher in phari- 
Jaifdien, antifadduzaifchen Kreifen entftanden ift. Es ift richtig, dag ein- 
zelne Bitten, z. B. die dritte, welche Qott wegen der Totenerweckung 
preift, einen pharifaifchen Charakter an fich zu tragen fcheinen. Daraus 
folgt aber noch nicht, daJ3 diefe Bitten in der zweiten Halite des letjten 
vorchriftlichen Jahrhunderts entftanden find. Was von den Pharifaern in 
Bezug auf die Bitten gilt, gilt auch von den Frommen iiberhaupt. Es 
ift auch bemerkenswert, dag das Neue Teftament keinen Hinweis auf die 
Exiftenz des Schmone-Esre enthalt. 

') Matth. 6, 5. Marc. 11, 25. Luc. 18, 11. Berakhoth 5, 1. Taanith 2,2. 

2 ) Sota 7, 1. 

3 ) Philo, Fragm. bei Bus. Praep. evang. VIII, 7, 13; rwv it^suiv rfe 



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4 ) Wenigftens fagt j. Megilla IV, 75 a bei Levy, Neuhebr. WOrterb. 
II, 515 a z. W. *i^, dag bei den fremdfprachlichen Juden immer einer die 
ganze Parasche vorlas. 

s ) Gittin, 5, 8. 

6 ) Megilla 4, 24. 

7 ) Luc. 4, 17. Apg. 13, 15. Vgl. Megilla 4, 1-5. In Megilla 3, 4-6 
wird bereits von fur einzelne Tage beftimmten Abfchnitten der Paraschen 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 399 

Der Abfchnitt aus den Propheten konnte frei gewahlt werden 1 ) 
und wurde blofc durch eine Perfon, weldie moglicherweife 
auch das Gebet und das Schma vorgebetet hatte, 2 ) verlefen, 
und zwar ftehend. 3 ) Das Redit, die Perfonen zu. beftimmen, 
welche die Schrift-Lektionen vortrugen, ftand dem Synagogen- 
vorfteher zu. 4 ) 

Da das Hebraifche felbft in Palaftina der Maffe des Die uber- 
Volkes nicht gelaufig war, pflegte man mit der Vorlefung der \ e $ m s der 
Heiligen Sdirift eine Uberfe^ung des Gelefenen in die Lan- kebraifchen 

j r u r> i-w ir j n -TU ,_ Lektionen. 

desjpracne, m Palaftina alfo in das Aramaifche, zu verbm- 

den. Bei der Vorlefung des Gefetjes gefchah dies fo, dafj, 
fobald ein Vers vorgelefen war, alsbald auch die Ober- 
fetjung folgfe. 6 ) Die Perfon, welche in den Synagogen eine 
folche Uberfetjung zu geben hatte, hiefc Targumift oder Me- 
thorgeman 6 ) 

An die Lektion der Heiligen Schrift fchlofe fich eine Er- . Die 

klarung derfelben oder eine Predigt. Da diefelbe jedera Erklarung- 
der Sdirift. 

des Pentateuchs und ebd. 4, 1 ff. von Abfchnitten aus den Propheten 
oder Haphtaren (vgl. uber den Urfprung derfelben Zunz 1. c. S. 6 f.; 
vgl. auch L. Venetianer, ,,Urfprung und Bedeutung der Propheten-Lec- 
tionen" in ZDMQ 63 (1909) S 103 - 170) geredet. Ob man aber fchon 
zur Zeit Chrifti den fpateren im Talmud (b. Megilla 29 b) far Palaftina 
angenommenen Gebrauch hatte, den gesamten Pentateuch in einem drei- 
jahrigen Zyklus zu vollenden, ift ungewig. Vgl. Zunz 1. c. S. 3 ff. 
') Luc. 4, 17 ff. Megilla 4, 4 

2 ) Megilla 4, 5. 

3 ) Luc. 4, 16. Vgl. Jofna 7, 1. Sota 7, 7. 
J ) S. o. S. 391. 

5 ) Megilla 4, 4. 6. 10. Vgl. Zunz, S. 9 ff. Als in jpaterer Zeit 
ein Teil der Juden, die doppelte Vorlefung aus den hi. Buchern abfchaffen 
und ftatt der Vorlefung aus dem hebraifchen Text nur eine nach dem 
Griechifchen einfuhren wollte, widerfe^ten fich dem die iibrigen. Der Streit 
wurde durch die Novelle 146 ne^l 'Es^nimv des Kaifers Juftinian vom 
Jahre 553 dahin entfchieden, dag die Juden, die es wunfchten, die Vor- 
tefung in Hebraifch beibehalten, die iibrigen aber, wo immer es Juden 
gab, das Recht hatten, in ihren Synagogenverfammlungen die Bibelab- 
fchnitte nach dem griechifchen Texte der LXX oder des Aquila, oder in 
irgend einer Sprache je nach dem Orte zu lefen, damit das Vorgelefene 
von alien verftanden werden konnte. Vgl. Jufter 1, 369 ss. 

6 ) Irvl?, )W r ' oder }^^ Vg 1 - uber die Ausfprache Bacher, 
Terminologie 1, 206. Meift gab der Lehrer die Oberfetjung. Nach Me- 
gilla 4, 6 konnte aber felbft ein Minderjahriger dies tun, wenn er dazu 
fahig war Vgl. Bacher, art. Synagogue p. 641. 



400 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Kundigen geftattet war, 1 ) bot fich dadurch dem Heilande und 
den Apofteln die von ihnen oft benutjte Gelegenheit dar, in 
den Synagogen zu lehren. 2 ) Bei die[em Vortrag fag man 
auf einem erhohten Plat}. 3 ) 

Der Schlug- Am Schluffe des Gottesdienftes wurde, wenn ein Priefter 
fegen. zugegen war, der Segen erteilt, worauf das ganze Volk 
antwortete: Amen. 4 ) 

3. Die Schule. 5 ) 

DieVerbrei- Die Tatfache, dag in den Synagogen allgemein das Ge- 

tung der Ele- fetj und zwar keineswegs von Schriftgelehrten, fondern von 

mentarkennt- foi^e^ weldie der Synagogenvorfteher als geeignet anfah, 

vorgelefen wurde, macht es klar, dag zur Zeit Jefu, der felbft 

das Gefetj vorlas und, als die Ehebrecherin zu ihm gebracht 

wurde, etwas auf die Erde fchrieb, auch auger den Ge- 

lehrten manche lefen und, wie man dann weiter fchliegen 

mug, auch fchreiben konnten. 

Der Der Unterricht bezog fich aber hauptfachlich auf das Ge- 

Unterricht im fet3. Bei feinen Vqlksgenoffen, fagt Jofephus, ) feien ,,die- 
jenigen nicht geachtet, die vielerlei Sprachen verftehen und 
nach Schonheit im Ausdruck jagen, weil diefe Kun[t als Ge- 
meingut nicht blog der Freien, fondern auch der Sklaven 
gilt. Nur die gelten bei uns als Weife, welche [ich auf das 



l ) Philo, De Septenario c. 6 (= De spec. leg-. 11, 62 ed. Cohn). 
Ober die Predigt in den Synagogen nach fpateren talmudifchen und rab- 
binifchen Quellen gibt Edersheim 1. c. I, 445450 eine lehrreiche Zu- 
fammenftellung. 

*) Matth. 4, 23. Marc. 1, 21. 6, 2. Luc. 4, 15. 6, 6. 13, 10. Job. 6, 
59. 18, 20. Apg. 13, 15 etc. 

3 ) Matth. 26, 55. Luc. 4, 20. Paulus ftand nach Apg. 13, 16. 

) Vgl. Nehem. 8, 6. 1 Kor. 14, 16. Berakhoth 5, 4. Megilla 4, 3. 
5. 6. 7. S. den Segen felbft Num. 6, 22 ff. Ober den Zufammenhang 
des Synagogenritus mit der chriftlichen Vormeffe vgl. Cabrol et Leclercq, 
Monumenta ecclesiae liturgica. Vol. I. Sect. I. Paris 1902, p. 'XI -XXV. 

5 ) Vgl. Winer BRW Art. Kinder" und M Unterricht"; Jos. Simon, 
L'education et 1'instruction des enfants chez les anciens Juiis d'apres 
la Bible et le Talmud. 3. ed., Leipz. 1879 (p. *25 ss. find willkurlich tal- 
mudifche Angaben auf die fruhere Zeit ubertragen). Schurer II, 491 497. 
Kennedy, art. Education in Hastings I. p. 646652. Fur die talmud. 
Zeit vgl. Krauss, Talmud. Archaologie 3 (L. 1912), 199-239 u. 336-358. 

) Ant. 20, 11, 2. 



XI. Kap. Die Schriftgelehrten, Synagogen und Schulen. 401 

Gefetj verftehen und die Heilige Schrift nach Wort und In- 
halt erklaren konnen." Deshalb wurden fchon die Kinder 
gelehrt, die Gefetje und die Taten der Vorfahren zu kennen, 1 ) 
und von friihefter Jugend auf in der Kenntnis des Gefetjes 
unterwiefen. 2 ) Diefen Unterricht erteilten naturgemafc zunachft 
<iie Eltern. 3 ) Knaben, die fich bei einem Schriftgelehrten dem 
Studium des Gefe^es widmen wollten, erhielten wahrfchein- 
lich befonderen vorbereitenden Unterricht. 4 ) Audi die Sohne 
von Fiirften und andern vornehmen und reiehen Perfonen 
wurden naturlich von befonderen Lehrern unterrichtet. 5 ) 

Eigentliche Elementarfchulen laffen fich aber fur das Zeit- Das 
alter Jefu in Palaftina nicht nachweifen. 6 ) Auch die talmudifche Aufkommen 
Oberlieferung fagt, 7 ) dag erft R. Jofchua ben Gamala = Jefus, 
Sohn des Gamaliel, welcher von 63 65 Hoherpriefter war, 
beftimmt habe, dag in jeder Provinz und in jeder Stadt 
Lehrer angeftellt und die Kinder im Alter von 6-7 Jahren 
zu ihnen gebracht werden follten.*) Wie es fcheint, i(t diefe 
Oberlieferung richtig. Wenigftens finden fich fchon in der 
Mifchna Stellen genug, welche auf die Exiftenz von Schulen 
fchliegen laffen. Befonders wichtig ift die Bemerkung, dag 
der Chazzan am Abend vor dem Sabbat beim Licht einer 
Lampe zwar fehen durfte, welche Gefe^esftelle die Kinder 

*) Jos. c. Apion. 1, 12. 2, 18. 25. 

2 ) Philo, Leg. ad Cajum 16. 31. 

3 ) 2 Tim. 3, 15. 

*) Jos. Vita 2. Vgl. Winer, RWB Art. Unterricht. 

3 ) Jos. Ant. 15, 10, 5. 16, 8, 3. Der Sohn des Jofephus hatte zu 
Rom einen Erzieher. S. Jos. Vita 76. 

) Die vonodidri6xa).oi des N. T. find keine Elementarlehrer, [ondern 
Schriitgelehrte. Vgl. o. S. 368, 3. 

7 ) Bab. Baba Bathra 21 a. Die Stelle Aboth 5, 23, wonach ein 
Knabe von funf Jahren anzuhalten ift, das Gefetj zu lernen, gehort gar 
nicht der Zeit der Mijchna an, da fie auch fchon vom Lernen der Ge- 
mara fpricht. 

fe ) Eine folche Schule heigt im Talmud bezeichnenderweife "l??~ ri'2 
= Schule des Buches d. h. der Bibel bezw. der Thora. Vgl. J. Kethu- 
both 8, 11 (32 c), wofelbft fich die gefchichtlich nicht verwendbare Legende 
findet, Simon ben Schetach, welcher Aboth 1, 8 als Vorganger von Scha- 
maja und Abtaljon der Lehrer Hillels genannt wird, (er lebte zur Zeit 
des Alexander Jannaus und der Konigin Alexandra; vgl. fiber ihn 
R Leszynsky in der REJ 63, 1912 p. 216231) habe befohlen, dag die 
Kinder ,,die Schule des Buches" befuchen follten. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte. I. 2.'u. 3. Aufl. 26 



402 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

zu lefen anfangen follten, felbft .aber nicht mitlefen durfte r 
damit er nicht verfucht werde, das Licht heller zu machen. 
Da aber der Name Chazzan fonft von dem Synagogenauf- 
feher oder Diener gebraucht wird, macht die Stelle 1 ) es 
wahrfcheinlich, dafc die Schule mit der Synagoge verbunden 
oder letjtere als Schule benutjt wurde und der Chazzan der 
Synagoge zugleich Lehrer war. Ein Unverheirateter durfte 
keine Elementarfchule halten. 2 ) 

Das Verbot, einen Sohn griechifch lernen zu laffen, wird 
in der Mifchna in die Zeit des grofeen jiidifchen Krieges mit 
Vefpafian gefetjt. 3 ) 



XII. Kapitel. 

Das judijche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 

1. Die Herodianer. 

Wahrend Jofephus im Beftreben, unter den Juden paral- 
lele Erfcheinungen zu den heidnifchen philofophifchen Schulen 
nachzuweifen, wiederholt von drei Arten philofophifcher Rich- 
tungen unter den Juden redet,*) den Pharifaern, Sadduzaern 
und Effenern, und fie auch mit dem Namen Parteien (aiQ&us) 
bezeichnet, 1 ) fpricht das Neue Teftament nur von den Par- 
teien (alQfaei,g) der Pharifaer und Sadduzaer, 2 ) erwahnt aber 

J ) Schabbath 1, 3. Vgl. dazu Levy, Neuhebr. WOrterb. II, 29. Nach 
einer andern Erklarung, die davon ausgeht, dag IM an {ich ,,Auffeher* 
heigt, und die nahere Bedeutung jich nach dem Zufammenhang richtet, 
bedeutete Chazzan hier Schulauffeher, Schulmeifter. Allein der Zufammen- 
hang entfcheidet in Schabbath 1, 3 nichts, da dort nur fur eine Reihe von 
Fallen gefagt wird, was zu tun fei, wenn es am Sabbatabend finfter 
werde. 

2 ) Qiddufchin 4, 13. In Kethuboth 2, 10 wird davon geredet, was 
ein Erwachfener als Kind in der Schule gefehen hat. 

3 ) Sota 9, 14. Dag in den Grenzftadten Qalilaas manche. Juden 
Griechifch verftanden, brachte der tagliche Verkehr mit den griechifch 
Redenden mit fich (vgl. auch Jos. Vita 9 fiber die griechifche Bildung 
des Juftus von Tiberias). _. 

*) B. J. 2, 8, 2. Ant.* 18, 1, 2-6. 

J ) Ant. 13, 5, 9. 18, 1, 2 ff. Vita 2 fin. 

2 ) Apg. 5, 17. 15, 5. 26, 5. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 403 

neben den Pharifaern als Feinde Jefu auch die Herodianer. 
Wir treffen letjtere nicht nur in Galilaa, 1 ) fondern auch in 
Jerufalem. 2 ) Deshalb haben wir wahrfcheinlich in ihnen nicht 
etwa die befonderen Anhanger des Tetrarchen Herodes Anti- 
pas von Galilaa, fondern die Anhanger der Dynaftie des 
Herodes iiberhaupt zu erblicken, deren Wunfch, die Herrfchaft 
der Herodianer iiber ganz Palaftina wiederhergeftellt zu fehen, 
fur kurze Zeit durch Agrippa I. befriedigt worden ift. Ihre 
Verbindung mit den Pharifaern gegen Jefus weift keines- 
wegs auf eine Ahnlichkeit religiofer oder politifcher Anfchau- 
ungen iiberhaupt hin. Denn beim Tode Jefu finden wir die 
Pharifaer auch mit ihren fadduzaifchen Gegnern verbiindet. 
Die Herodianer mochten eben gern eine Gelegenheit er- 
greifen, die meffianifchen Hoffnungen in ihrem vom Volke 
verehrten Vertreter zu vernichten. 3 ) Eine Volkspartei find 
die Herodianer nie gewefen. Dag es ihnen aber, folange 
die Dynaftie des Herodes noch nicht ausgeftorben war, an 
Einflug bei den Vornehmen nicht fehlen konnte, liegt auf 
der Hand. 

2. Die Pharifaer und Sadduzaer. 

Wenn man die Herodianer als eine politifche Partei be- 
zeichnen mug, fo mug man dies auch von den Sadduzaern 
in der Zeit der Makkabaer fagen. Denn fie waren ihrem 
Wefen nach die Partei des hasmonaifchen Haufes, die da- 
durch eine religiofe Farbung erhielt, dag fich die Hasmonaer 
in einen Gegenfa^ zu den Pharifaern fetjten und dag fie 
felbft wenigftens der Theorie nach ausfchlieglich am Gefe^ 
im Gegenfatj zu den Oberlieferungen fefthielten. Die Phari- Die Pharifaer 
faer hingegen find keineswegs an fich eine eigentlich poli- find keine po- 
tifche Partei und auch nicht eine Sekte im gewohnlichen 
Sinne des Wortes gewefen, welches ja eine Gemeinfchaft 
folcher Leute bezeichnet, die fich zu allgemein angenommenen 
Uberzeugungen und Grundfa^en anderer in Gegenfatj ftellen. 

J ) Marc. 3, 6. 

*) Matth. 22, 16. Vgl. Marc. 12, 13. Es fteht iibrigens nidits der 
Annahme entgegen, dag fich unter den Herodianern auch Sadduzaer be- 
fanden. Vgl. Zahn, Das Evangelium des Matthaus. L. 1903, S. 631. 

3 ) Vgl. o. S. 141. 

26* 



404 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Denn [ie wichen von der Menge der Juden in der nachexi- 
lifchen Zeit im Glauben und Leben nicht ab. Jedodi waren 
fie im uneigentlichen Sinne eine Sekte, infofern als fie nach 
den Weifungen der Schriftgelehrten dem religiofen Glauben 
und Leben des Judentums den vollkommenften Ausdruck 
geben wollten. 1 ) 

a) Urfprung, Gejchidite und Verhaltnis der Pharifaer zu den 
politifchen Machthabern. 

Nach der Riickkehr aus dem Exil hatte fich, wie oben 
ausgefuhrt wurde, der Stand der Sopherim Oder Schriftge- 
lehrten, welche das Studium und die Beobachtung des Ge- 
felges zu ihrer Lebensaufgabe machten, immer weiter ent- 
wickelt. Als nun nach dem Tode Alexanders des Grofcen 
fich die Konigreiche Agypten und Syrien unter den Ptole- 
maern und den Seleuciden bildeten, ftand Judaa zunachft 
unter agyptifcher Herrfchaft und erfreute fich dabei trotj der 
vielen griechifchen Stadte in feiner Umgebung religiofer Frei- 
heit. Aber der Hellenismus trat als ein fowohl die politifche 
wie die religiofe Selbftandigkeit der Juden mit dem Unter- 
gange bedrohender feindlicher Faktor mit furchtbarer Macht 
unter den fyrifchen Gewalthabern auf. Unter dem Konige 
Antiochus IV. Epiphanes kam es dann zu den grofcen Frei- 
heitskampfen der Makkabaer. 

DieAffidaer. Kurz vor diefen Kampfen erfcheinen die Affidaer, ,,die 
Frommen", Ifraeliten, welche fich zum Widerftand gegen den 
eindringenden Hellenismus zufammengefchloffen hatten. 2 ) Ver- 

J ) Vgl. bejonders die Monographien von Wellhaufen, Die Pharifaer 
und die Sadduzaer. Greifswald 1874. Montet, Essai sur les origines des 
partis saduceen et pharifien et leur histoire jusqu' a la naissance de 
Jesus Christ. Paris 1883. Davaine, Le Saduceisme, etude historique 
et dogmatique. Montauban 1888. Lafay, Les Sadducees (These), Lyon 1904. 
(Das Werk von Holfcher, Der Sadduzaismus, eine kritifche Unterfuchung 
zur fpateren judifchen Religionsgefchichte 1906 verwirft ohne hinreichende 
Griinde eine Anzahl hiftorifcher Zeugnijfe und kommt dadurch zu falfchen 
Anfchauungen. Vgl. Schurer II 4 , 488, 43. Theol. Ltrztg. 1907, 200-203). 
Vgl. auch die entfprechenden Artikel von Kaulen im Kirchenlexikon, von 
Eaton in Hastings Diet. S. noch Edersheim, The life and times of Jesus, 
London 1884, I, 310324 und Schurer II*, 447489, der S. 449-452 die 
betreffenden Zeugniffe des Jofephus und S. 452455 die der Mifchna 
zufammengeftellt hat. 

2 ) 1 Mace. 2, 42. 



XII. Kap. Das jiidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 405 

mutlich beftanden fie aus Schriftgelehrten. 1 ) Sie waren nicht 
die erften, welche die Fahne des Aufruhrs gegen die Syrer 
aufpflanzten. Vielmehr taten dies der vaterlicherfeits von 
Asmonaus abftammende Priefter Matthias und fein Anhang, 
dem fich die Affidaer anfchloffen. Diefe letjteren haben fich 
aber allem Anfcheine nach nicht mehr am Kampfe beteiligt, 
feitdem Alcimus, ein Nachkomme Aarons, Hoherpriefter ge- 
worden war, 2 ) weil ihnen damit das gefichert fchien, was 
ihnen am Herzen lag, der Schutj der Religion. Trotjdem 
behauptete Alcimus von ihnen, fie feien die Seele der unter 
Judas Makkabaus hervortretenden Be[trebungen, und Heft 
viele von ihnen hinrichten. 3 ) 

Die Affidaer mag man als die Vorlaufer der Pharifaer 
betrachten, nur darf man fie nicht mit diefen verwechfeln. 

Jof ephus behauptet gelegentlich, ,,ungef ahr um die Zeit" steiiung und 
des Makkabaerfiirften Jonathan habe es fchon unter den La ederPha ' 

Juden drei Sekten, die Pharifaer, Sadduzaer und Eff ener , n ' a6 u 

' d.en Hasmo- 

gegeben, 4 ) aber nach ihm traten die beiden erfteren erft 
unter der Regierung des Johannes Hyrkanus (135 105) 
auf. 5 ) Als diefer in politifcher Hinficht groge Fiirft durch 
gluckliche Kriege die Grenzen des Reiches nach Nord und 
Siid erbreiterte, fiihlten fich die Schriftgelehrten und ihre 
Anhanger ftrengfter Richtung in vielen Beziehungen veriest 
und geftoften. Die Kriegsziige in zum Teil von Nichtjuden 
bewohnte Gegenden, 6 ) das Leben im Felde, das fich natur- 
gema griechifchen Kulturformen mehr oder weniger an- 
paffende Leben am Hofe felbft erfchwerten die genaue Be- 
obachtung des Gefetjes und der Oberlieferung und machten 
fie in manchen Punkten unmoglich. Wahrend die einen nun 



') Vgl. 1 Mace. 7, 12. 

2 ) 1 Mace. 7, 9 ff. 

) 2 Mace. 14, 6. Vgl. Montet 1. c. p. 149 ff., wofelbft die falfchen 
Anfchauungen anderer, als ob damals die Pharifaer die Hauptanhanger 
der Makkabaer und die Sadduzaer dem Hellenismus freundlich gewefen 
feien, zurtickgewiefen werden. Vor ihm hat fchon Wellhaufen a. a. O. 
S 76 ff. dasfelbe getan. 

*) Jof. Ant. 13, 5, 9. 

5 ) Ant. 13, 10, 5 f. Vgl. o. S. 97. 

B ) Johannes Hyrkanus beteiligte fich z. B. an dem Kriegszug des 
Antiochus gegen Parthien (Ant. 13, 8, 4). 



406 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

die politifche Grofce des Landes und die Unterftiitjung der 
darauf abzielenden Plane der Hasmonaer als Ideal betrach- 
teten, glaubten andere in all diefem die Spuren des ins Ju- 
denvolk eindringenden hellenifchen Wefens zu erkennen, wo- 
gegen man die Theokratie fchiitjen miiffe. Dadurch kam es, 
daft damals folche gegenfatjliche Auffaffungen fich aueh au&er- 
lich kundgaben und zwei Parteien, eine politifche und eine 
religiofe auftraten, die Sadduzaer und die Pharifaer, welche 
fpater eine fo bedeutende Rolle fpielten. Es la&t fich auch 
aus diefen Verhaltniffen heraus verftehen, dajj, als die Phari- 
faer zunachft aus religiofen Grunden dem Johannes Hyr- 
kanus entgegentraten, diefer felbft fich der feine Beftrebungen 
billigenden fadduzaifchen Partei zuwandte. 1 ) 

Unter Alexander Jannaus (104 78) kam es fogar zum 
offenen Kampfe zwifchen ihm und den Pharifaern, auf deren 
Seite infolge des graufamen abftofcenden Charakters des 
Fiirften auch die grofce Menge des Volkes ftand. Sterbend 
empfahl er feiner Frau, die Pharifaer zu verfohnen, damit 
fie ruhig regieren konne. Tatfachlich erwies fich die Konigin 
Alexandra als die grogte Gonnerin der Pharifaer, rief aber 
dadurch die fcharffte Oppofition der von ihrem zweiten Sohne 
Ariftobul unterftii^ten fadduzaifchen Partei hervor. Der Krieg 
zwifchen Ariftobul und feinem Bruder Hyrkanus fiihrte dann 
das Eingreifen der Romer und den Untergang der jiidifchen 
Unabhangigkeit herbei. 2 ) 

ihre Lage Herodes ftand im Gegenfatje zu den Sadduzaern, wah- 

unter rend er fich anfangs den Pharifaern freundlich erwies. 3 ) Allein 

Herodes. W enn er auch den Tempel ausbaute, fo konnte er fich felbft- 

verftandlich noch viel weniger als die Hasmonaer ihre Sym- 

pathien erwerben und trat ihnen am Ende feiner Regierung 

in fcharffter Weife entgegen, obwohl auch damals ihr Ver- 

halten gegen ihn nicht durch politifche und eigentlich natio- 

nale, fondern durch religiofe Griinde beftimmt war. 4 ) 

ihre Steiiung Die Stellung der Pharifaer zu den politifchen Machthabern 

nadi den Pfal- iiberhaupt zeigen uns die um das Jahr 48 v. Chr. entftan- 

menSalomos 

1 ) S. o. S. 97. 

2 ) S. o. S. 98 ff. 

3 ) S. o. S. 117. 

* S. o. S. 141 ff. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 407 

denen Pfalmen Salomos. 1 ) Da heigt es: ,,Herr, du bift unfer 
Konig immer und ewig ... lag ihnen erftehen ihren Konig, 
den Sohn Davids, zu der von dir, o Gott, erwahlten Zeit, 
auf dag er herrfche fiber Ifrael, deinen Knecht, und nicht 
vertraut er auf Rog und Reiter und Bogen, nodi hauft er 
Gold fur den Krieg auf, und er fet$t feine Hoffnung nicht 
1iir den Tag des Krieges auf die Menge des Volkes. Seine 
Hoffnung geht auf den Herrn. Wer wird etwas gegen ihn 
vermogen?" 2 ) Man fieht, fie leben in einer geiftigen Welt 
fur fich und finden in den Triibfalen der Zeit Troft in der 
Hoffnung auf den Meffias. Die Triibfale felbft erfcheinen da 
nur als Pnifungen. ,,Gott reinige Ifrael fur den Tag, an 
weldiem er feinen Gefalbten zur Herrfchaft fuhrt." 3 ) 

Weil Gott allein Konig iiber Ifrael und nur ,,der Sohn 
Davids" fein Stellvertreter fein konnte, waren fie wie gegen 
die Herrfchaft der Hasmonaer, fo auch gegen die des Herodes 
gewefen, hatten fie aber als eine Prufung Gottes ertragen 4 ) 
So kam es, dag manche von ihnen, wie fiefriiher dem Herodes 
den Huldigungseid verweigert hatten, 5 ) auch im Prinzip da- 
gegen waren, dag den Romern Zins gezahlt wiirde. 6 ) Auch 
die Fiihrer der Zeloten, welche die Grundfatje der Phari- Die Zeioten 
faer gegen die Romer auf die Spitje trieben, z. B. Judas, f md 
der Galilaer, waren PharifSer, und ihre Anhanger vertraten an f aer - 
deren Meinungen. 7 ) Aus den Pharifaern find die Zeloten 
hervorgegangen. Sie waren nicht etwa 8 ) eine vierte Partei 
neben Pharifaern, Sadduzaern und Effenern, fondern nur 
eine Abart der erfteren. 

Die Sadduzaer horten als politifche Partei mit dem Er- 
lofchen des Hasmonaerhaufes auf zu exiftieren und konnten 



1 ) S. die Ausgabe von O. v. Gebhardt, Die Pfalmen Salomos. 
L. 1896, S. 128 ff. 

2 ) Pfalm Salom. 17, 1. 21. 33. 39. 

3 ) Pf. Sal. 18, 5. 

4 ) Ant. 14, 9, 4. 15, 1, 1. 

5 ) Ant. 15, 10, 4. 17, 2, 4. S. 136. 

6 ) Matth. 22, 17 ff. etc. 

7 ) Ant. 18, 1, 16. Vgl. B. J. 2, 8, 1. Ober ihren Anteil am Kriege 
gegen die Romer [. B. J. 4, 3, 1 ff. 5, 1. 6, 3. 7, 8, 1. Vgl. o. S. 245. 

8 ) Jos. Ant. 18, 1, 6 B. J. 2, 8, 1. 4, 3, 9 befchreibt fie wie eine 
vierte Partei. 



408 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

nur nodi ihren religiofen Unterfchied von den Pharifaern 
betonen, aber fie kamen unter den romifchen Landpflegern 
wieder zu Anfehen, well damals der Hohe Rat, an deffen 
Spitje ein fadduzaifcher Hoherpriefter ftand, 1 ) fiir die Juden 
wieder groftere Bedeutung gewann. Allerdings gehorten dem 
Hohen Rat aber auch Pharifaer an. 2 ) Ihr Anfehen war beim 
Volke fo groft, daft die Sadduzaer fich in Gefetjesfragen 
nach ihnen riditen muftten. 3 ) 

Die Sadduzaer find mit der Zerftorung des Tempels ganz 
verfchwunden, aber die Pharifaer und namentlich die phari- 
faifchen Schriftgelehrten lebten in dem fich immer mehr ent- 
wickelnden Rabbinismus fort und fe^ten fich in der Mifchna 
ein Denkmal ihrer Arbeit und ihres Lebens. 

b) Die Haupteigentumlichkeiten der Pharifaer. 

ihreBeobach- Nach dem Zeugnis des Jofephus galten die Pharifaer 
tung des Qe- v or allem als befonders kundige Erklarer des Gefe^es^) und 
fetjes und der als genaue Reobachter desfelben 5 ) und hielten ,,die Ober- 
lieferuno-en ^ e ^ erun S ^er Vater" iiir geradefo verbindlich wie das mo- 
faifche Gefetj. 6 ) Eben dies fagt auch das Neue Teftament, 
nach welchem fie diefe Oberlieferung in Bezug auf das Wa- 
fchen der Gefafce, auf den Zehnten, die Faften und die Be- 
obachtung des Sabbatgebotes hielten. 7 ) Ja die Oberlieferung 
von Menfchen gait ihnen mehr als das Gefetj Gottes felbft. 8 ) 
Es ergibt fich hieraus, daft fie das, was die Schriftge- 
lehrten lehrten, praktifch iibten und mit diefen im wefent- 
lichen ein und diefelbe Partei bildeten. ) Ihr ganzes Beftreben 
ging dahin, im nationalen, gefellfchaftlichen und privaten Leben 



1 ) Apg. 5, 17. Ant. 20, 9, 1. 

2 ) Apg. 5, 34. 23, 6. 

3 ) Ant. 18, 1, 4. 

*) B. J. 1, 5, 2. 2, 8, 14. Vita 38. Ant. 17, 2, 4. 

5 ) Ant. 18, 1, 3. 

6 ) Ant. 13, 10, 6. 16, 2. 

7 ) Matth. 15, 2. Luc. 18, 12. Matth. 9, 14; 12, 1 ff. etc. 
) Worte Jefu Marc. 7, 8. 

a ) Darauf wei[t auch die HI. Schrift bin, wenn fie z. B. Matth. 5, 20. 
12, 38. 15, 1 etc. Apg. 5, 34. 22, 3 die Verbindung ,,die Pharifaer und 
Schriftgelehrten" fo oft gebraucht. Es gab aber auch Schriftgelehrte, die 
nicht Pharifaer waren. S. o. S. 368, 3. 



XII. Kap. Das jiidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 409 

das Gefetj und die Uberlieferung der Vorfahren zur Geltung 
zu bringen und felbft danach zu leben. So wurde ihre 
Frommigkeit eine ganz gefetjmajgige und, foweit es fich um 
Augerlichkeiten handelte, fkrupulofe und der Pharifaismus 
,,die ftrengfte Richtung" der judifchen Religion ] ) Ihre genaue 
Kenntnis aller Beftimmungen und ihre aszetifche Strenge 
verfchafften ihnen, wenn auch nicht die Nachahmung, fo doch 
die Bewunderung der grogen Menge. 2 ) 

Ihre dogmatiFchen Anfchauungen waren aber die der lm Giauben 
meiften ihrer judifchen Zeitgeno[fen, wenn wir von den wichen fie von 
Sadduzaern abfehen. Sie glaubten an die Unfterblichkeit der den " bri ^ en 
Seele, die Auferftehung des Leibes und die kunftige Ver- nicht ab 
geltung. Es ift nur eine mifcverftandliche, auf philofophifch 
gebildete Lefer beredinete Ausdrucksweife des Jofephus 
wenn er ihnen den Giauben an die Seelenwanderung zuzu. 
fchreiben fcheint. 3 ) So heiftt es auch in den apokryphen 
Pfalmen Salomos, dafe der Gottlofe (de[fen Leben ewiger 
Strafe nicht den Namen Leben verdient) fur immer zugrunde 
geht, die den Herrn furchten, aber auferftehen werden zum 
ewigen Leben. 1 ) 

Auch den Giauben an die Exiftenz der Engel und Geifter 
teilten fie mit den Juden und dem Alten Teftamente uber- 
haupt. 5 ) Dasfelbe gilt vom Giauben an die Allmacht und die 
Vorfehung Gottes und [eine Mitwirkung zu den Handlungen 



') Apg. 26, 5. 

a ) Die Pirke Aboth 2, 6 lajgt den Hillel fag-en: ,,Der Ungebildete 
wird nidit fromm", und bei Job. 7, 49 verfluchen die Pharifaer Jogar den 
,,P6bel, der das Gefe^ nidit verfteht". 

3 ) Jos. B. J. 2, 8, 14, wonach die Pharifaer glauben, dag die 
Seelen unfterblich (ind, aber nur die der Guten nach dem Tode in^einen 
andern Leib iibergehen, wahrend die der Bofen ewiger Strafe anheim- 
fallen, findet feine Erklarung in Ant. 18, 1/3. Hier heigt es namlich, dag 
die Seelen, je nachdem der Menfch tugendhaft oder lafterhaft gewefen, 
unter der Erde Lc-Sn : --der Strafe erhalten, die Lafterhaften wurden aber 
nach pharifaifcher Lehr^ in immerwahrender Gefangenfchaft gehalten, 
wahrend die Tugendhaften die Freiheit behielten, ins Leben zuruckzu- 
kehren. Die von ihm den Pharifaern zugefchriebene Lehre ift einfach die 
von der leiblichen Auferftehung und der zukiinftigen Vergeltung, wie 
fie auch Daniel 12, 2 ausgedriickt ift. 

*) Pf. Sal. 3, 11 ff. 

') Apg. 23, 8. 



410 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

des Menfchen auf der einen und an die Freiheit des menfch- 
lichen Willens und die Verantwortlichkeit des Menfchen fur 
feine Handlungen auf der andern Seite. 1 ) So fagen die 
fchon mehrmals erwahnten Pfalmen Salomos: DCs Menfchen 
Teil ift bei dir, o Gott, abgewogen, und du gibft ihm nicht 
mehr, als du ihm zuerkannt haft, 2 ) unfere Werke find in 
unferer Wahl und unfere Seele hat die Macht, Gerechtes und 
Ungerechtes zu tun durch die Werke unferer Hande. Wer 
Gerechtigkeit ubt, erwirkt fich Leben beim Herrn, und wer 
Ungerechtes tut, macht fich des Verderbens feiner Seele 
fctiuldig. 3 ) 

Die Meffiashoffnung teilten fie mit dem ganzen Volke 
Ifrael. 4 ) 

ihr Name. Die Partei der Pharifaer zahlte um die Zeit des Herodes 

6000 Mitglieder. 5 ) Es hangt diefe verhaltnismafcig geringe 
Zahl ohne Zweifel mit der Schwierigkeit zufammen, welche 
das Volk in der Beobachtung der faft uniiberfehbaren Vor- 
fchriften der Schriftgelehrten fand. Spottifch nannte das Volk 
diefe Legaliften Pharifaer" (Perufchim, aramaifch Perifchim), 6 ) 
d. h. ,,Abgefonderte" oder ,,Auserwahlte", ein Name, der, 
wie es oft bei Parteinamen gefchieht, bald von den Ver- 
fpotteten felbft als Auszeichnung 7 ) gebraucht wurde. Der 
Name bezog fich nicht auf ihre Abfonderung von den Hei- 
den, denn die teilten fie mit den ubrigen Juden, fondern 
auf ihre Abfonderung von dem eigenen Volke, welches nicht 
alle pharifaifchen Vorfchriften beobachtete und deshalb von 
den Pharifaern als unrein angefehen und zum Schutj der 
eigenen gefetjlichen Reinheit gemieden wurde. 

ihre steiiung Eine folche formaliftifche Legalitat war naturgemafc vor 
zur Maffe des a n em e ine mechanifche, welche das Herz nicht veredeln konnte, 

Vgl. Jos. B. J. 2, 8, 14. Ant. 13, 5, 9. 18, 1, 3. Wenn hier von 
i, Verhangnis, gefprochen wird, fo ift das nur ebenfalls eine der 

griechifchen Philo[ophie entlehnte Ausdrucksweife des Jofephus, deren 

Sinn fich aus den genannten Stellen ergibt. 

2 ) Pf. Sal. 5, 4. 

3 ) Pf. Sal. 9, 5. Vgl. Eccli. 11, 14 und 15, 11 ff. 
*) S. o. S. 141 u. o. S. 407. 

5 ) Ant. 17, 2, 4. 

6 ) D^-ns aram. r^15- Vgl. Jadajim 4, 6-8. Chagiga 2, 2. Sota 3, 4. 
Die Stellen auch bei Schiirer II, 452 f. 

7 ) Vgl. Kaulen, Art. Pharifaer im Kirchenlexikon 9, 1991 f. 



Volkes. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 411 

wohl aber zum felbftgefalligen Hochmut und zur Heuchelei 
fuhrte. Deshalb nannte audi der Heiland mil Recht die 
Pharifaer ,,ubertunchte Graber". 1 ) Diefe hochmutige Gefin- 
nung war die Urfache, dafj die Pharifaer das Volk, welches 
das Gefel3 nicht (genau genug) verftand, verfluchten. 2 ) Wie, 
die Mifchna fagt, 3 ) nannten fie alle, welche nicht zu ihrer 
Partei gehorten f 4 n cj? am-ha-arez, eigentl. das Volk des 
Landes, dann das gewohnliche Volk, die Unwiffenden, und 
brauchten fo von ihren eigenen Volksgenoffen einen Namen, 
djen in den Buchern Esdras und Nehemias die Heidenvolker 
im Unterfchiede von den Juden fiihren. 4 ) 

Sich felbft aber nannten fie nach derfelben Quelle 5 ) 
Chaberim (cnsn), d. h. ,,Genoffen" oder ,,Nachfte". Nach 
dem Alten Teftament war jeder Ifraelit ein Nachfter des an- 
dern, nach den Pharifaern waren aber nur die genauen Be- 
obachter des Gefetjes, befonders auch der Reinheitsgefetje, 
wahre Ifraeliten, -mit denen ein Pharifaer umgehen konnte. 
Hieraus erklart es fich, dag der pharifaifche Gefetjeslehrer, 
der den Herrn verfuchte, fich durch die Frage rechtfertigen 
wollte: Wer ift mein Nachfter? 6 ) und dafe die Pharifaer an 
dem Umgange des Herrn mit Zollnern und Siindern folchen 
Anftoft nahmen. Ein Chaber (alfo ein Gefetjeskundigef jm 
pharifaifchen Sinne) durfte einem Am-ha-arez weder etwas 



') Matth. 23, 27. 

8 ) Job. 7, 49. Vgl. auch Luc. 18, 11. 

8 ) Dammai 2, 3. 6, 9, 12. Schebiith 5, 9 = Gittin 5, 9. Teharoth 7, 
4. 8, 5. Die Stellen auch bei Schurer II, 454 f. 

4 ) Vgl. Esdras 9, 1 f. 10,- 2. 11. Nehem. 10, 28-31. An andern 
Stellen bezeichnet der Name das Volk uberhaupt 2 Chron. 23, 13. 20 etc. 
2 Kon. 11, 14. 18-20 etc. Jerem. 1, 18 etc. Ezech. 7, 27 etc. Chwol- 
son D., Beitrage zur Entwicklungsgefchichte des Judentums vor ca. 400 
v. Chr. bis ca. 1000 n. Chr., L. 1910, will unter den Am-Haarez der tan- 
naitifchen und amoraifchen Zeit die Anhanger der fortlebenden faddu- 
zaifchen Richtung innerhalb des Judentums verftehen, aus der fich noch 
fpater die Karaer gebildet haben. Vgl. dagegen die Ausfiihrungen von 
W. Bacher in der Th. Ltztg. 1910, 22, 679 f., wonach Am-Haarez den- 
jenigen bezeichnet, der fich keine Kenntniffe auf dem Gebiete des reli- 
giofen Wiffens und feines Schrifttums erworben hat. 

6 ) Vgl. die in Anm. 3 genannten Stellen, fowie Dammai 6, 6 und 
Bikkurim 3, 12 ebenfalls bei Schurer II, 454 f. 

6 ) Luc. 10, 29. 



412 Zweier Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Trockenes noch etwas Fliiffiges verkaufen, noch Fluffiges von 
ihm kaufen. Audi herbergte ein Chaber nicht bei einem 
Am-ha-arez und beherbergte diefen nicht in feinem eigenen 
Gewande, 1 ) da dasfelbe der Unreinheit verdachtigt war. 

Allerdings haben fich die Pharifaer wie in der Lehre, 
fo auch im Gottesdienft, fei es nun im Tempel oder in der 
Synagoge, von den iibrigen Ifraeliten nicht getrennt und 
waren deshalb keine Sekte 2 ) im ftrengen Sinne des Wortes. 
Allein lie machten doch den vorhandenen Unterfchied auch 
aufcerlich erkennbar, gerade wie die Schriftgelehrten. Denn 
auch fie trugen wie jene 3 ) die religiofen Abzeichen befonders 
auffallig, wie fie auch befonderen Wert auf diejenigen Ge- 
fe^esvorfchriften legten, welche, wie z. B. die Gefetje iiber 
die Sabbatheiligung, befonders in die Augen fielen. Denn 
,,alles tun fie, um von den Menfchen gefehen zu werden". 4 ) 

Das fchlimmfte war, dafc fie infolge ihrer falfchen Schrift- 
erklarung und ihrer blofc aufcern Werkheiligkeit nicht nur 
fich felbft, fondern auch andern das Himmelreich verfchloffen. 5 ) 
Denn trotj ihrer verachtlichen Anfchauung iiber das gewohn- 
liche Volk ftanden fie bei demfelben teils durch ihre auger- 
lich ftrenge dem Gefe^ entfprechende Lebensweife, 6 ) teils 
durch ihre im Verhaltnis zu den Sadduzaern aufeerlich freund- 
lichere Haltung zum Volke 7 ) und ihre Milde als Richter 8 ) im 
grogten Anfehen. So kam es, dag famtliche gottesdienftliche 
Handlungen, Opfer und Gebete nach ihrem Gutdiinken dar- 
gebracht wurden 9 ) und die Pharifaer fogleich Glauben fan- 
den, wenn fie auch gegen Konig oder Hohenpriefter etwas 
fagten. 10 ) 



1 ) Dammai 2, 3. 

2 ) Apg. 15, 5. 26, 5. 

3 ) S. o. S. 369. 

*) Vgl. Matth. 23, 2 ff. 

8 ) Matth. 23, 13. Luc. 11, 52. 

6 ) Ant. 18, 1, 3. 

7 ) B. J. 2, 8, 14 lobt die Eintracht der Pharifaer,- wahrend die 
Sadduzaer fogar gegen ihresgleichen unfreundlich waren. 

8 ) Ant. 13, 10, 6. 20, 9, 1. 
'') Ant. 18, 1, 3. 

10 ) Ant. 13, 10, 5. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwejen in neuteftamentlicher Zeit. 413 

Sie fasten Gott nur als Gefetjgeber und Riditer auf, 
nicht als Vater und die Religion nur als gefetjmaftigen Wan- 
del vor Gott, um jo als Belohnung die Teilnahme an den 
meffianifchen Gutern zu erwerben. Ihnen war der Buchftabe 
des Gefetjes alles und der ein Gerechter, welcher aufjerlich, 
mechanifch, formaliftifch feine Beftimmungen erfiillte. Jefus 
mufcte kommen, um in Ifrael zu lehren, daft die Religion 
die Verbindung des Menfchen mit Gott iff, der uns durch die 
Verdienfte feines Sohnes feine Gnade fchenkt, und dem wir 
uns in lebendigem Glauben und liebevollem Gehorfam hin- 
geben, um das Ziel, die Vollendung der Annahme als Kinder 
Gottes, zu erreichen. Er mugte kommen, um das Verftandnis 
des Gefetjes nach dem Geifte und der Wahrheit zu er- 
fchlieften und zu zeigen, dag das, was den Menfchen wirklich 
verunreinigt, die bofe Gefinnung des Herzens ift. J ) Er lehrte 
wie einer, der Gewalt hat, 2 ) und fagte offen: Wenn eure 
Gerechtigkeit nidit vollkommener fein wird als die der 
Schriftgelehrten und Pharifaer, werdet ihr in das Himmel- 
reich nicht eingehen. 3 ) Offen tadelte er ihre Heuchelei und 
nennt fie blinde Fiihrer, welche die Miicke feihen und das 
Kamel verfchlucken. 4 ) 

Diefer Gegenfatj macht es erklarlich, daft die Pharifaer 
und Schriftgelehrten von Anfang an gegen Jefus eine feind- 
Jelige Haltung einnahmen. Sie ftiefcen fich nicht blofc daran, 
dafc er am Sabbate heilte, mit Zollnern und Sundern um- 
ging 5 ) u. dergl. Um fein Anfehen zu untergraben, befchul- 



') Matth. 15, 11 ff. etc. 

2 ) Matth, 7, 28. 

3 ) Matth 5, 20 

4 ) Matth. c. 23. Vgl. Matth. 16, 6. 12. Der babylonifche Talmud 
(Sota 22 b. Buxtorf, Lexicon col. 1852, vgl. auch Lightfoot, Horae hebr. 
in Ev. Matth. 3, 7 = Opera II. p. 272 sq.) zahlt {ieben Klaffen von Pha- 
rifaern, deren Anmagung und Heuchelei er verfpottet, auf. Nur eine 
Klaffe habe reine Liebe zu Gott und zur Tugend befeffen. 

6 ) Matth. 9, 3. 12, 1 ff. 9, 11 etc. R. T. Herford , Das phari- 
faifche Judentum in feinen Wegen und Zielen dargeftellt, L. 1913 (das 
englifche Original, R. T. Herford, Pharisaism: its aim and its method 
erfchien L. 1912), ein in talmudifcher Literatur bewanderter unitarifcher 
Geiftlicher, will ,,einer [ympathifchen und vorurteilslofen Anerkennung des 
innern Wertes der pharifaifchen Religion zum Durchdringen verhelfen" 
um zu zeigen, ,,was der Phari[aismus dem Pharifaer bedeutete" (S. 268). 



414 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

digten fie ihn des Bundes mit Beelzebub, verlangten ein 
Zeichen vom Himmel und fuchten ihn durch Fragen, wie, 
ob es erlaubt fei, dem Kaijer Zitis zu geben, in Verlegen- 
heit zu bringen. 1 ) Sie felbft mufcten aber bekennen, ,,alle 
Welt geht ihm nach". 2 ) Schlieglich haben fie fich zur Ret- 
tung ihres Einfluffes mit den Sadduzaern verbunden, um ihn 
zu toten. Aber aus ihrer eigenen Mitte follte dann einer der 
grofcten Jiinger Jefu erftehen, der Weltapoftel Paulus. 

c) Der Urfprung und die Gefchichte der Sadduzaer. 

Die Saddu- Die Sadduzaer werden unter dem Makkabaer Jonathan 3 ) 

zaerunterden unc i dann unter Johannes Hyrkanus genannt. 4 ) Aber ihre 

Hasmonaern. Anfange ij egen weiter zuruc k. Sie find wenigftens geiftig 

die Abkommlinge der judifchen Priefter, welche mit dem 

Hellenismus, der 'feit Alexander d. Gr. audi in Palaftina ein- 

gedrungen war, fympathifierten und ihn in Palaftina forderten. 

Als aber die Makkabaer in fo glanzender Weife fiir die 

nationale Unabhangigkeit und die alte Religion tatig waren, 

gewannen fie auch diejenigen, welche friiher hellenifierende 

Tendenzen gezeigt hatten. 



Der Verfajfer macht fich die Sache leicht, indem er das Zeugnis Jefu und 
des Apoftels Paulus liber die Pharifaer ablehnt, weil ihre Religionsauf- 
faffung zu verfchieden gewefen ware (S. 135 f. 142. 154 ff.). Alles was zu 
feiner Religion gehorte, fand der Pharifaer irgendwo in der Thora an- 
gegeben, und es war fein Ergotjen zu lernen, was Qott ihm darin lehrte" 
(161 f.)- Beer hat Recht, wenn er (Th. Ltztg. 1915, 11, 247 f.) fagt: ,,Es 
hat ficher Pharifaer gegeben, die beffer waren als die Theorie des Pharifa- 
ismus [z. B. Nicodemus und Jofeph von Arimathaa] . . . aber nach folchen 
Ausnahmen darf man nicht die Maffe beurteilen . . . Ich kann nicht finden, 
dag Herford uns zu einer richtigeren Anficht iiber den Pharifaismus ver- 
hilft. Wo feine Anficht richtig ift, ift fie nicht neu." 

!) S. u. a. Matth. 12, 24 ff. Matth. 12, 38 f. 16, 1. Matth. 22, 
15 ff. Vgl. ebd. 22, 34 ff. 19, 3. 

2 ) Joh. 12, 19. 

3 ) Ant. 13, 5, 9. 

4 ) Ant. 13, 10, 5 L Vgl. o. S. 96 f. Gegenfa^e zwifchen denen, welche 
die Verbindung mit Fremden begiinftigten, und denen, welche fie ver- 
boten, haben auch fchon zur Zeit des Esdras exiftiert. Vgl. Esdr 9, 
1-2. 10, 15. 914. 16 f. und f. Lafay 1. c. p. 10 ss., welcher aber an 
eine natiirliche Entwicklung der damaligen Qegner des Esdras zu Sad- 
duzaern glaubt. 



XII. Kap. Das jtidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 415 

Johannes Hyrkanus war der erfte Jude, welcher, wie 
wenigftens Flavius Jofephus bemerkt, 1 ) Mietfoldaten hielt 
Er fcheute fieri als Hoherpriefter weder davor, Krieg zu 
fiihren nodi mil den Romern ein Freundfchaftsbundnis ein- 
zugehen. 2 ) Unter ihm erhielt uberhaupt der judifche Staat 
in manchen Dingen ein Geprage wie die benachbarten Staaten. 
Im Gegenfatje zu den Pharifaern, weldie gegen foldie fremde 
Elemente nur um fo mehr einen Zaun um das Gefetj zu 
machen fuchten, waren die Sadduzaer, welche fo als die 
Nachfolger der Helleniften unter den Juden erfcheinen, mit 
diefen Beftrebungen ganz einverftanden und erfcheinen auch 
in der Folge als die treuen Anhanger und Diener des has- 
monaifchen Haufes. Die Pharifaer find nur einmal unter der 
Konigin Alexandra im Vollbefi^ der politifchen Macht ge- 
wefen. Die Sadduzaer haben damals den Ariftobul fur fich 
gewonnen und haben diefen in feinen Kampfen gegen feinen 
Bruder, wie auch in feinen Bemuhungen, die hasmonaifche 
Dynaftie herzuftellen, unterftiitjt, aber dafiir unter Pompejus 
und Herodes fchwer gebufct. 3 ) Nach dem Falle des hasmo- 
naifchen Haufes haben fie noch eine Rolle gefpielt im Hohen 
Rat, da die Hohenpriefter Annas, Kaiphas und andere zu 
ihnen gehorten. 4 ) Bis zuletjt haben fie die Worte des Jo- 
fephus wahr gemacht: Es find zwar nur wenige Manner, 
welche der Sekte der Sadduzaer anhangen, diefe gehoren 
aber zu den vornehmften 5 ) und den reichften. 6 ) 

Ober den Urfprung jdes Namens Sadduzaer gibt es nur Der Name 
Vermutungen. Einige Kirchenvater und neuere Gelehrte 7 ) ,er- Sadduzaer. 
klaren den Namen im Sinne von ,,die Gerechten", fei es 
nun, da& fie diefen Namen wegen ihrer Strenge als Richter 
oder ihrer ausfchlieftlichen Anhanglichkeit an das Gefe^ (im 
Unterfchied von der Oberlieferung) erhalten haben. Allein 



Ant. 13, 8, 4. 

2 ) Ant. a. a. O. 

3 ) S. o. S. 98 ff. 117. 

4 ) Vgl. Ant. 20, 9, 1. Apg. 5, 27. Vgl. Apg. 4, 1. 23, 1 ff. Vgl. o. S. 340. 

5 ) Ant. 18, 1, 4. 

6 ) Ant. 13, 10, 6. 

7 ) Epiphan. haer. 14. Hier. Comm. in Matth. 22, 23 (Vallarsi VII, 
1, 177). S. auch Derenbourg, Edersheim u. a. 



41 6 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

diefe Erklarung i[t etymologifch nicht haltbar. 1 ) Vielmehr ift 
der Name wahrfcheinlich von einem Eigennamen Zadok ab- 
zuleiten. Dabei ift dann aber nicht an ein fonft unbekanntes 
einflufcreiches Mitglied oder Haupt der Partei zu einer nicht 
zu beftimmenden Zeit zu denken, 2 ) fondern vielmehr, wie 
jet5t allgemein als fehr wahrfcheinlich gilt, 3 ) an den zur Zeit 
der Konige David und Salomo in Jerufalem lebenden 
Hohenpriefter Zadok, welcher griechifch Sadduk (Saddovx) 
hiefc. 4 ) In der Linie Zadoks ift feit Salomos Zeiten das 
Hoheprieftertum geblieben. 5 ) Somit ift der Schluft berech- 
tigt, daft man zunachft von gegnerifcher Seite den Familien- 
namen der Sadokiten Oder Sadduzaer der priefterlichen 
ariftokratifchen Partei gab, welche in der griechifchen Zeit 
teils aus Politik, teils infolge ihres haufigen Umganges mit 
den heidnifchen Gewalthabern der griechifchen Bildung zu- 
neigte, dann aber, nachdem das Hoheprieftertum an die 
Makkabaer gekommen war, die Fiirften diefes Haufes unter- 
ftiitjte. Tatfachlich haben auch im allgemeinen in der neu- 
teftamentlichen Zeit alle Familien, welche das hohepriefter- 
liche Amt bekleideten, der fadduzaifchen Partei angehort. 6 ) 
Ihnen lagen die politifchen Intereffen mehr am Herzen als 
die religiofen, und Erziehung, Umgang und Gewohnheit 
halten in ihnen die materialiftifche Lebensanfchauung grofe 



1 ) Aus P^JA (Qerechter) kann nicht Q'jp'PTS entftehen, weil die Um- 
wandlung von i in u nicht zu erklaren ware. Vgl. Montet, Essai etc., 
p. 53 ss. 

2 ) So z. B. Montet 1. c. p. 59. Der aus fpater Zeit ftammende 
Kommentar des Rabbi Nathan uber den Mijchna-Traktat Aboth (Aboth 
de Rabbi Nathan c. 5) enthalt die apokryphe Legende, zwei Schiller des 
Antiochus von Socho, Zadok und Boethus hatten [ich vom Gefetje ge- 
trennt und jeder habe eine Sekte gegriindet, wahrend doch die An- 
hanger des Zadok fich nicht vom Gefetje trennten und die Boethufianer 
nicht bis etwa 200 v. Chr., fondern bis auf Boethus zuruckgehen, deffen 
Sohn Simon unter Herodes Hoherpriefter war. Vgl. u. a. Lafay, p. 8 s. 

b ) So nach dem Vorgange von Qeiger, Schiirer, Kaulen, Eaton etc. 

*) 1 Paral. 15, 11. 16, 39 f. Aus dem griechifchen .^ueMWx erklart 
fich dann das doppelte d in dem Worte Sadduzaer. Diefe Form Sad'd'ov* 
kommt in der LXX oft vor, z. B. Ezech. 40, 46. 43, 19. Esdras 7, 2. 
Nehem. 3, 29. 10, 21. 

5 ) 3 Kon. 2, 35. 

s ) S. o. S. 415. 



XII. Kap. Das jiidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 417 

gezogen, weldie in dem Genuft und dem Vorwartskommen 
in der Welt das Ziel diefes Dafeins fieht. Waren [ie im 
Amte, fo fchloffen fie fich in ihrem amtlichen Leben ge- 
zwungen den Anfchauungen der Pharifa"er aufcerlich an, weil 
das Volk fie fonft nicht ertragen hatte. 1 ) 

d) Die Haupteigentiimlichkeiten der Sadduzaer. 

In bezug auf die Lehre werden die Sadduzaer fowohl ihre reii- 
von Jofephus wie vom Neuen Teftamente mit Recht eine giofen Mei- 
Sekte genannt 2 ) Denn fie leugneten die Auferftehung 3 ) und nun g en 
die Exiftenz der Engel und Geifter. 4 ) Wenn Jofephus aus- 
drucklich behauptet, fie hatten uberhaupt die Fortdauer der 
Seele, fowie die zukunftigen Belohnungen und Strafen ge- 
leugnet, 5 ) fo ift dies fchon daraus erklarlich, dag man damals 
im Judentum die Lehre von der Unfterblichkeit der Seele 
mit der von der Auferftehung des Leibes aufs engfte ver- 
band. 6 ) Es pafct aber aueh ganz zu dem, was die Heilige 
Schrift von ihnen fagt, da fie ja mit der Leugnung der Geifter 
iiberhaupt audi die Unfterblichkeit der Seele leugneten. Aller- 
dings berichtet felbft der Pentateuch viele Engelerfcheinungen 
und erklart fich die Leugnung der Geifter durch die Sadduzaer, 
welche doch die Heilige Schrift annahmen, aus ihrer religiofen 



') Ant. 18, 1, 4. Die f rimer herrfchende, befonders von Geiger, 
Urfchrift und ttberfe^ungen der Bibel, 1854, S. 101-158 und Wellhaufen, 
Die Pharifaer und Sadducaer bekampfte Anfchauung, dag die Sadduzaer 
in erfter Linie nidit die Vertreter des Hellenismus , fondern vielmehr 
iiberzeugte Vertreter der Anfidtt waren, dag nur die Thora als Regel des 
religiofen Lebens anzufehen fei, nicht auch die Oberlieferung der Vater, ift 
von R. Leszynsky, Die Sadduzaer, B. 1912 wieder von Neuem vertreten 
worden. Eine gewiffe Stii^e erhalt fie durch die von Schechter 1910 
herausgegebene Schrift der Sekte des Neuen Bundes im Lande Damaskus 
{S. 419 ff.) und wird als folehe auch von R. Leszynsky verwertet (S. 142167). 
Allein die Mitglieder der Sekte waren keine Sadducaer, wenn fie auch 
deren Anfchauung von der ausfchliejglichen Bedeutung der Schrift teilten. 

*) Apg. 5, 17. B. J. 2, 8, 14 Ant. 18, 1, 2. 

3 ) Matth. 22, 23. Marc. 12, 18. Luc. 20, 27. Apg. 4, 1. f. 23, 8. 

4 ) Apg. 23,8 O?jTe ayyekov nijre nvev/ta). Davaine 1. c. p. 100 f. meint, 
hier fei von der Leugnung der Exiftenz der guten und der b6fen Geifter 
(der Damonen) die Rede. Allein nvevpa, heigt nicht bofer Geift. 

5 ) B. J. 2, 8, 14. 

6 ) S. Langen, Das Judentum in Palaftina. Freib. 1866, S. 347 f. 
Vgl. u. 21. Kap. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 27 



418 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

Gleichgultigkeit und rationaliftifchen Gefinnung. Diefe macht 
es auch gar nicht unglaublich, dafc [ie, wie Jofephus fagt,. 
jeden ubernaturlichen Einflufc Gottes auf das Tun und Laffen 
des Menfchen und fomit die Vorfehung fiir den Menfchen, 
deffen freier Wille allein fein Gefchick beftimme, leugneten. 1 ) 
Somit waren fie Materialiften und Deiften, wie wenig fie fich 
auch fpekulativ mit folchen Fragen befchaftigt haben mogen. 

Es ift eine irrige Annahme einiger Vater, 2 ) daft die 
Sadduzaer wie die Samaritaner von den altteftamentlichen; 
Buchern nur den Pentateuch angenommen batten. Denn, 
nach dem Zeugnis des Jofephus fahen alle Juden 22 alt- 
teftamentliche Bticher als gottliche an. 3 ) Um fo ficherer ift 
aber, daft fie die von den Pharifaern fo hochgeftellte ,,Uber- 
lieferung der Vater" nicht als verbindlich anfahen.*) Wenn. 
die Pharifaer verlangten, dajg alle Tempelgefafje nach jedem 
Fefte purifiziert werden miifoten, fo fragten die Sadduzaer 
ironifch, ob fie nicht auch die Sonne mit Reinigungswaffer 
befprengen wollten. 5 ) Wenn nun auch die Sadduzaer bei 
ihrer Amtsfiihrung auf die Oberlieferungen der Pharifaer,. 
um nicht anzuftofcen, mehr Oder weniger Riickficht nahmen,' 5 )- 
fo gab es doch auch eine Anzahl von Fallen, in welchen die. 
einen das Gefe^ anders auslegten als die andern, 7 ) z. B. 
verlangten die Sadduzaer nieht nur, wie das Gefetj vorfchrieb, 
Schadenerfat3, wenn jemandes Ochs oder Efel Schaden an- 
gerichtet hatte, fondern auch wenn ein Knecht dies getan 
hatte. 8 ) 

Jefus und die Gegen den Heiland find die Pharifaer und Sadduzaer 
Sadduzaer. einig gewefen und da beide vom Herrn, um ihn auf die 



1 ) B. J. 2, 8, 14. Ant. 13, 5, 9. 18, 1, 3. 

2 ) Orig. c. Gels. 1, 49. Comm. in Matth. 22, 31 f. (Ed. Lomma^fdi 
IV, 169). Hieron. Comm. in Matth. 22, 3132 (Vallarsi VII, 1, 179).. 
Vgl. diefe u. a. Texte auch bei Schiirer II, 480, 26. 

3 ) Jos. c. Apion. 1, 8. 

4 ) Ant. 13, 10, 6. 18, I, 4. 

5 ) Chagiga 3, 8; jer. Chagiga 3, 8. Vgl. Montet 1. c. p. 241 sq. 

6 ) S. o. S. 408 und 412. 

7 ) Vgl. uber diefe Meinungsverfchiedenheiten u. a. Montet p. 236245, 
Leszynsky, Die Sadduzaer S. 38 ff. Im allgemeinen haben fie wenig. 
Bedeutung. 

*) Jadajim 4, 7. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 419 

Probe zu ftellen, ein Zeichen vom Himmel verlangten, 1 ) hat 
er das Volk aueh gegen den Sauerteig der Sadduzaer ge- 
warnt. 2 ) Aber bei ihrem geringen Einflufc auf das Volk ge- 
riet er nur felten mit ihnen in Konflikt. Um fo mehr war dies 
aber in feinen letjten Lebenstagen, als er als Sohn Davids 
begriiftt worden war, der Fall. Jetjt verbanden fie fich mit 
den Pharifaern und Schriftgelehrten gegen ihn, 3 ) fragten ihn 
um feine Autoritat 4 ) und fuchten ihn durch die Frage, ob es 
erlaubt fei, dem Kaifer Zins zu zahlen, zu diskreditieren. 5 ) 
Gerade die fadduzaifchen Hohenpriefter nahmen den tatigften 
Anteil an der Verurteilung und Kreuzigung Jefu, augerlich 
,,weil er Gott gelaftert habe", 6 ) hauptfachlich aber, weil fie 
aus feiner wachfenden Anerkennung als Meffias Verwicklungen 
mit den Romern befiirchteten. 7 ) Die Sadduzaer haben auch 
die Jiinger Jefu verfolgt 8 ) und die Steinigung des Jakobus, 
des ,,Bruders" des Herrn, veranlafct. 9 ) Aber an ihnen erfiillte 
fich das Wort: ,,Der Stein, den die Bauleute verworfen 
haben, der ift zum Eckftein geworden. Jeder, der auf diefen 
Stein fallt, wird zerfchmettert, auf wen er aber fallt, den 
wird er zermalmen." 10 ) 

Anhang. 

Die Gemeinde des Neuen Bundes 
(im Lande Damaskus). 11 ) 

Zwei im Jahre 1910 zuerft veroffentlichte, aus dem 10. bzw. dem 11. i n halt 
Jahrhundert n. Chr. ftammende, leider nur fragmentarifrfi erhaltene Hand- 
fchriften, deren Erhaltung wir der Geniza in Cairo verdanken, machen 

) Matth. 16, 1. 

2 ) Matth. 16, 6. 11. 

3 ) Matth. 21, 15 ff. Marc. 11, 18. Luc. 19, 47. 20, 19. 

*) Matth. 21, 23 ff. Marc. 11, 27 ff. Luc. 20, 1 ff. Sie fuchten auch 
durch eine Frage, wem eine fiebenmal verheiratete Frau angehOren werde, 
zu zeigen, dag der QIaube an die Auferftehung unfinnig fei. S. Matth. 
22, 23 ff. Marc. 12, 18 ff. Luc. 20, 27 ff. 

5 ) Luc. 20, 20 ff. 

6 ) Matth. 26, 63 ff. Marc. 14, 61 ff. Luc. 22, 66 ff. 

7 ) Joh. 11, 47 ff. 

8 ) Apg. 4, 1 ff. 5, 1-7 ff. 23, 1 ff. 
y ) Jos. Ant. 20, 9, 1. 

10 ) Luc. 20, 17 f. 

") Vgl. S. Schechter, Documents of Jewish Sectaries, vol. I. Frag- 

27* 



420 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

uns mit einer jtidifchen Sekte bekannt, welche fich felbft den Neuen Bund 
nennt. Zur Zeit eines grogen nationalen Ungliicks ift fie aus Jerufalem 
ausgewandert und in das Land Damaskus gezogen. Die Schrift wendet 
fich oft in fcharfen Ausdrucken gegen das offizielle Judentum. Sie be- 
zwedct die Mitglieder der Sekte vor der Gefahr des Abfalles zu fchutjen 
und uber die Gefchichte der Sekte und ihre Statuten zu unterrichten. Sie 
zerfallt in einen gefchichtlichen und einen gefetjlichen Teil. 

Der Grunder der Sekte ift ein Jude, der den auch fonft oft vor- 
kommenden Namen Sadok fuhrt. Der Name ,,Sohne des Sadok" (4, 3 ff.; 
vgl. Ezedi. 44, 15) wird in der Schrift nicht etwa den Mitgliedern der 
Sekte tiberhaupt, fondern ausdriicklich nur den Auserwahlten, den Sphnen 
der Zukunft am Ende der Zeit gegeben. 1 ) 

Der Grunder heifjt auch einigemale der Gefalbte (2, 12 und 6, 1). 
Durch ihn wurde das feit den Tagen Jofua's verborgene und felbft dem 
David unbekannt gebliebene Gefetj geoffenbart (5, 2 ff.). Allein die 
Juden haben die Lehren des Mofes und diefes Gefalbten verachtet (5, 11). 
Dafur ift die Nation durch den Furften der Konige von Javan (8, 11) 
wohl eine Anfpielung auf die Romer dem Schwerte iiberliefert worden. 



ments of a Zadokite work, ed. from" Hebrew Manuscripts in the Cairo 
Genizah Collection now in possession of the University Library, Cam- 
bridge, and provided with an English translation, introduction and notes, 
Cambridge 1910. (Der Text A befteht aus 8 Blattern oder 16 Seiten; 
Text B aus S. 19 und 20). Zitiert wird nach den Seiten und Zeilen 
diefer Ausgabe und der ihr entfprechenden Ausgabe von Lagrange. 

Aus der reichen Literatur feien erwahnt Ifrael Levi, Un ecrit 
sadduceen, anterieur a la destruction du Temple. REJ 61 (1911) 161 205 
(mit franzofifcher Oberfetjung) und 63 (1912) 119. M. J. Lagrange, 
La secte juive de la nouvelle alliance au pays de Damas. Rb 1912, 
213240 (mit eng an den Text fich anfchliegenden Oberfetjung) und 
321 360. R. J. Charles, The Apocrypha and Pseudepigrapha of the 
old Testament. Oxford 1913 vol. II, 785-834. J. Jufter, Les Juifs 
dans i'Empire Romain I [Paris 1914) p. 2531. Ed. Meyer, Die Ge- 
meinde des Neuen Bundes im Lande Damaskus. Eine judifche Schrift 
aus der Seleukidenzeit (Abh. d. Preufj. Ak. Wiff. 1919. Ph. Hi. Kl.) 
Berlin 1919. W. Staerk, Die judifche Gemeinde des Neuen Bundes in 
Damaskus. Uberfelgung mit Noten. Gtitersloh 1922. 

') Der Name ,,S6hne Zadoks" findet fich auch einmal in einem 
ebenfalls aus der Geniza in Cairo ftammenden, von Ifrael Levi (Document 
relatif a la communaute des fils de Sadoc REJ 1913, 65, 2431) heraus- 
gegebenen Fragment. 

Nach Levi ift es eine Anf rage "uber die Sadokiten und ihre befon- 
deren Gebrauche. Er meint, die Schrift fei die des 10. Jahrhundert. 
Unter den Sohnen Zadoks konnten nicht die Karaer (s. u.) gemeint fein, 
weil diefe nie fo genannt worden wa'ren. Levi will aus dem Alter des 
Dokuments fchlieften, dag die Sekte der Zadokiten noch im 10. Jahrhdt. 
n. Chr. beftand. 



XII. Kap. Das jUdifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 421 

Aber ein kleiner Re{t ift gerettet worden (1, 4. 3, 13). Dies ift der nach 
Damaskus ausgewanderte Teil, deffen Auszug ftattfand, als die Opfer 
noch brannten und das Heiligtum noch offen ftand (6, 11 ff.). 

Gott felbft ift diefen Getreuen durch eine Offenbarung zu Hilfe ge- 
kommen (3, 13 ff.). Er hat die Sekte feft gegrfindet auf den Saulen der 
Gefeijesbiicher, der Verfammlung, den Biichern der Propheten und der 
Unterweifung des Sternes (Num. 24, 17), des Erklarers des Gefetjes 
(7, 15-19), des Lehrers der Gerechtigkeit (1, 11), der nach Damaskus 
kam und, nachdem der kleine Reft der Juden 20 Jahre lang wie Blinde 
im Dunkeln getappt war (1, 8 ff.), fie belehrte. Aber nicht alle horten 
feine Stimme, fondern liefjen fich verfuhren durdi den Mann der Luge 
(1, 14 f. 8, 13. 19, 25 ff. 20, 25) und verfielen nun der Strafe Gottes. 

Der Lehrer der Gerechtigkeit ift nicht der Meffias, von dem er Meffias- 
vielmehr ausdrucklich .unterfchieden wird (20, 1), fondern ift vielmehr hoffnung. 
identijch mit dem Stern, dem einzigen Lehrer (19, 35. 20, 1). Er war, 
als das Werk abgefagt wurde, bereits weggenommen (19, 35). 

Die Sekte, die es fich zur Pflicht machte, fich von den Sohnen des 
Verderbens fern zu halten, den Tag des Sabbates nach feinem wahren 
Sinn zu begehen und die Fefttage und den Fafttag, verbotene Verbindungen 
zu vermeiden und den Heiligen Geift (der in uns ift) nicht zu beflecken 
(6, 147, 4), erwartet die Ankunft des Meffias. Der kommt aber nicht 
etwa aus Juda, aus dem Haufe Davids, wie jedermann erwartete. Die 
Sekte will durchaus nicht, dag man fich weiter in Zukunft dem Haufe 
Juda's anfchliege (4, 11). Der Meffias kommt vielmehr aus Aaron und 
Ifrael (20, 1), d. h. aus der Sekte felbft, die wie das alte Ifrael aus 
Prieftern und Laien beftand (vgl. Lagrange p. 365 u. Rb 1914, 135). 

Im gefetjlichen Teile (von S. 9 an) wird nicht etwa wie in der Mifchna Der gefetj- 
auf die Autoritat von Rabbinen verwiefen, fondern auf die Heil. Schrift. Hche Teil. 
Die Gefetje fiber die Beobachtung des Sabbats find bisweilen ftrenger 
als das rabbinifche Gefetj. So z. B. heifjt es 11, 14: keiner folle ein Tier, 
welches in einen Brunnen oder Graben gefallen ift, am Sabbate heraus- 
ziehen. 

Die Sekte war eine geheime, infofern als ihre Statuten keinem vor 
der Aufnahme mitgeteilt werden diirfen (15, 11). Die Aufnahme erfolgte 
nach einer Priifung (13, 11) und einem feierlichen Eide, ohne Anrufung 
des Namens Gottes (15, 1 ff.). 

Jede Gemeinde foil aus wenigftens 10 und hochftens 1000 Mitglie- 
dern beftehen. Zu jeder mug ein Priefter gehOren, welcher das Buch 
Hegou (= ,,denket daran", fo fing wohl das Statutenbuch der Sekte an) 
kennt. Der oberfte Gerichtsrat befteht aus 10 Mitgliedern im Alter von 
25 bis 60 Jahren, 4 Prieftern und 6 Laien. 

An der Spitje eines jeden Lagers (= Gemeinde) fteht ein Mebaker, 
ein Name, der foviel wie Auffeher bedeutet und an .die episcopi der 
Urkirche und die Curatoren der Essener (B. J. 2, 8, 5) erinnert. 1 ) An 
der Spitje aller Lager fteht ein Oberauffeher, der 30-50 Jahre alt fein 



l ) Vgl. Levi, Un ecrit sadduceen REJ 63, 1912, 7 ss. 



422 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

follte, nadi deffen Urteil jeder feine Stelle im Lager erhalt und mit dem 
jeder feine Klagen und Streitigkeiten befprechen foil (14, 8 ff.). Ihm 
warden aueh die monatlichen Abgaben gegeben, von denen ein Teil zur 
Unterftutjung der Diirftigen dient (14, 12 ff.). 

In dem Buche (20, 13 f.) heigt es, dag feit dem Tage, an welchem 
der einzige Lehrer weggenommen wurde, bis zu der Zeit, da alle, welche 
mit dem Manne der Luge in den Krieg.^ gezogen find, verfchwunden 
waren, ungefahr 40 Jahre verfloffen find. Somit ift die Schrift etwa 40 
Jahre nadi dem Tode des einzigen Lehrers (nachdem bereits die erfte 
Generation der Emigranten geftorben war (8, 1718 = 19, 28 ff.\ der 
felbft etwa 20 Jahre nach dem Kriege ftarb, gefchrieben. J ) 

Sprache. Was das Hebraifche des Schriftfttickes angeht, fo hat bereits der 

Herausgeber eine Anzahl von Ausdrucken und Redewendungen hervor- 

gehoben, welche fich nur in der Mifchna Oder fogar nur in der rabbinifchen 

Literatur aus den erften Jahrhunderten des Mittelalters h'nden- 2 ) 

Die Schrift Unfere Schrift hat mannigfache Beruhrungen mit den apokalyptifchen 

beruhrt fich judifchen Werken des erften vorchriftlichen und des erften nachchriftlichen 

mit apo- Jahrhunderts. 3 ) Auf das Teftament Levi's 4 ; in dem Werke ,,Die Tefta- 

kalyptifchen mente der zwolf Patriarchen" wird (4, 18) ausdriicklich Bezug genommen. 

Werken. Am meiften ift das Buch der Jubilaeri benu^t, welches hier unter dem 

Titel ,,Buch der Einteilungen der Jahreszeiten gemag ihren Jubilaen und 

ihren Wochen" angefiihrt ift (16, 2 f. Vgl auch 3, 1316. 6, 18 f.). 5 ) Wie 

die Jubilaen den Zeitgenoffen vorwerfen, in die Irre zu gehen in Bezug 

auf die Neumonde und die Sabbate und die Fefte und Jubilaen und 

Verordnungen, fo machte es unfere Schrift 3, 14 f. Auch durfte unfer 

Werk, wie aus der Berufung auf die Jubilaen hervorzugehen fcheint, 

gerade wie diefe (vgl. u. Kap. 15) ein Sonnenjahr von 364 Tagen, 30 Tage 

fur jeden Monat und 4 Schalttage, angenommen haben, 6 ) 



') Vgl. Lagrange p. 237, 7. Jufter 1, 29, 3. 

3 ) Schechter p. XI. Auch Landauer, Th. Ltztg. 1912, 9, 263 findet 
ein fehr ernftes Bedenken gegen das hohe Alter der Schrift in der 
Sprache, die in n sklavifcher Abhangigkeit von den Phrasen und dem 
Vokabular der Bibel fteht," fo dag fogar von ,,Lagern u ftatt Gemeinden 
gefprochen wird. Lagrange Rb, 1914, p. 134 fpricht von der Plumpheit 
des Ausdruckes, welche auch eine zu hohe Anfetjung ausfchliegt. 

3 ) Vgl. den Index zu References in Schechter p. LXIII f 

*) Text Levi 14, 5-8 (Ausgabe von Charles). 

3 ) Vgl. damit den Prolog zu Jub. : Dies ift die Gefchichte der Ein- 
teilung des Gefetjes und des Zeugniffes nach den Ereigniffen der Jahre, 
gemag ihrer Einteilung in Jahrwochen und Jubilaen in alien Jahren 
der Welt. 

. 6 ) Vgl. 16, 3; S. Schechter p. XIX ff., der darauf hinweift, dafj 
Kirkisani, einer der fruheren Karaer, fagt (vgl. das Citat bei Schechter 
p. XIX; vgl. ebend. p. LX), die Sadduzaer fetjten fur jeden Monat 30 Tage 
an. Lagrange p. 334 meint, die Autoritat fur feine Meinung fei eben 
unfer Werk gewef en, welches dem Kirkisani noch vollftandig vorgelegen 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 423 

Es ift auch auffallend, dag weder die Jubilaen noch .unfere Schrift 
inen Eigennamen eines Engels anfuhren, wohl aber beide die bofen 
Qeifter Beliar oder Belial und den Mastema kennen. ') Diefen und 
andern Beruhrungspunkten ftehen aber dodi auch wieder Verfdiiedenheiten 
rgegenuber. Befonders wichtig erfcheint, dag in Jub. 31, 13 ff. Levi zwar 
von Juda gefegnet wird, aber nach .Jub. 31, 18 f. der Meffias aus Juda 
hervorgehen wird. In Juda wird das Heil Ifraels gefunden. Auch nach 
den Teftamenten der 12 Patriarchen wird der Meffias aus Juda hervor- 
gehen. 2 ) Ganz anders aber fpricht unfere Schrift. Nicht genug, dag die 
Fiirften von Juda fcharf angegriffen werden (8, 3 ff. 19, 15 ff.), wird aus- 
drucklich gefagt, dag der Meffias aus Aaron und Ifrael hervorgehen 
wird (19, 11). 3 ) 

Leider herrfcht uber die Entftehung der erwahnten 2 Bucher keine Meinungen 
Einigkeit die einen . verfetjen die Abfaffung in die Makkabaerzeit, uber die Ab- 
-andere in das erfte chriftliche Jahrhundert. *) Auch find in unferm Werke, f affungszeit. 
wie das in der apokalyptifchen Literatur Sitte i(t, die Ereigniffe mehr 
angedeutet, als fachlich und chronologifch genau beftimmt. So ift es be- 
greiflich, dag fur die gefchichtliche Wurdigung des Bruchftackes faft das 
Wort gilt: ,,quot capita, tot sensus." 5 ) 



habe. Le^terer habe aus dem von ihm als eine fadducaifche Schrift 
angefehenen Werke auf die Oberlieferung der alien Sadducaer gefchloffen. 

l ) Vgl. Jub. 1, 20 mit 4, 15; 5, 18; 12, 2 und Jub. 10, 8; 11, 5, 11 ; 
19, 28 etc. mit 16, 5. S. Lagrange p. 355. 

) Vgl. Levi 8, 1415. 

3 ) S. o. S. 421. 

*) S. u. zur jiidifchen Literatur Kap. 15 und 16. 

5 ) Levi RE J 1912, 63 p. 3 s. meint, wie die Argerniffe unter den 
Hohenprieftern Jason und Menelaus (S. o. S. 94 f.", deffen Nachfolger 
der gottlofe Alcimus wurde, zur Veranlaffung wurden, dag Onias IV. 
Jerufalem verlieg und zu Leontopolis in Agypten einen Tempel grQndete, 
fo hatte die Profanation des Tempels auch andere Priefter veranlagt nach 
Damaskus zu gehen. Ahnlich E. Meyer (S. o. S. 420), nach deffen 
Meinung das Schisma durch die gegen das Gefetj geriehteten Beftrebungen 
der helleniftifchen Juden unter Fiihrung des Jason und die damit zufam- 
menhangende religiofe Unzufriedenheit der eschatologisch gefinnten 
Frommen entftanden ift. Zur vermeintlichen Stiilje feiner Hypothefe nimmt 
er irrtumlich an, das Buch der Jubilaen und die Teftamente der 12 Pa- 
triarchen ftammten aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. 
Charles (f o.) verfetjt das Auftreten der Sekte in's Jahr 196 (390 Jahre 
nach der Eroberung Jerufalems durch Nabuchodonosor, vgl. 1, 4 ff.). Sie 
jei 20 Jahre fpater nach Damaskus gezogen. Von dort ware fie wie 
Miffionare nach Palaftina zuruckgekehrt. Unfere Schrift fei vor dem Tode 
der SOhne der Mariamme, der Gemahlin des Herodes des Grogen, alfo 
vor dem Jahre 8 v. Chr. gefchrieben. Denn man hatte den Meffias aus 
der Nachkommenfchaft der Mariamme erwartet. Vgl. hiergegen Lagrange, 
Rb 1914, p. 133 136. Nach Gressmann (Zeitfchr. d. Morgenl. Gef. 1912, 



424 Zweiter Abfdhnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Verhaltnis Samaritanifch kann die Sekte nicht gewefen fein, denn dann hatte 

der Sekte zu {ie nicht die Autoritat der Propheten in dem Mage anerkannt, wie es 
andern. von der Sekte gefchieht. Audi ware [ie nicht von Jerusalem nach Da- 
maskus, fondern zum Berge Qarizim ausgewandert. Schechter hat mit 
grogem Scharffinn und mit grower Gelehrfamkeit die Meinung vertreten, 
dag unfere Sekte mit der der Dositheaner identifch gewefen fei, fei 
es nun, dag man glaubt, dag fie aus unferer Sekte hervorgegangen feien 1 ) 
oder dag die Sektierer in irgend einer Weife mit den Dositheanern fich 
verfchmolzen hatten und vielleicht von ihnen abforbiert wurden. 2 ) Wenn es 
auch zwifchen den Dositheanern und unferer Sekte allerhand Analpgien gibt, 
z. B. dag beide das Tetragramm fur Gott durch das Wort Elohim erfetjten 
und verboten, am Sabbate den Tieren zu trinken zu geben, fo ift doch, 
wie viel auch in der Gefchichte der Dositheaner dunkel ift, dies ficher, 
dag fie eine famaritanifche Sekte waren. 3 ) 

Sie find auch keine Pharifaer gewefen, da fie vielmehr deren 
Vertreter, die Rabbiner, jcharf bekampften, und keine Sadduzaer, fo 
wie fie nach der Heil. Schrift und Jofephus waren; denn wie hatten die 
Leute, welche nur die Heil. Schrift des Gefetjes, aber ohne Tradition an- 
nahmen, mit den Sektierern Gemeinfchaft halten follen, welche meinten, 
ihnen habe Gott durch eine befondere Offenbarung die verborgenen 
Dinge, in Bezug worauf ganz Ifrael irrte, kund getan, feine heil. Sabbate 
und feine herrlichen Fefte, feine gerechten Zeugniffe und die Wege feiner 
Wahrheit und das Wohlgefallen feines Willens. 4 ) 

Die Schrift Wie die Sprache fo weift auch der Zufammenhang unferer Schrift 

ift friiheftens mit der judifchen apokalyptifchen Literatur auf eine fpatere Entftehung 

um200n.Chr. hin. Ihr ift eine groge nationale Kataftrophe (20, 13 f.), die durch einen 

gefchrieben. einzelnen, den Mann der Luge, veranlagt ift, vorausgegangen. Wahr- 

fcheinlich ift unter dem Manne der Luge 5 ) mit Lagrange 6 ) an Barkochba 

= Sternenfohn zu denken, der von Rabbi Akiba als der Meffias be- 



3 u. Th. Ltztg. 1912, 17, 541) ftammt das fur die Damaszener- Juden 
gefchriebene Werk eine ,,Jeremias-Elisa-Apokalypse" nicht aus 
fektiererifchen Kreifen. Am wahrfcheinlichften fei als Abfaffungszeit das 
meffiashungrige Zeitalter der Makkabaer anzufetjen. Andere, z. B. Les- 
zynsky, Die Sadduzaer, B. 1912 verfetjen die Entftehung der Schrift in 
die Zeit der Konigin Salome und des damaligen Sieges der Pharifaer 
fiber die Sadduzaer. 

1 ) Schechter p. XXII. 

2 ) L. c. p. XXVI. 

3 ) Levi REJ 1912, 63, p. 10-19. 

) S. 3, 13-16; vgl. 6, 1819 und Jub., 6, 3. 34 ; ff. Vgl. auch 
Schechter p. XXI: The term Zadokites naturally suggests the Sadducees; 
but the present state of knowledge of the latter's doctrines and practices 
does not offer enough points of resemblance to justify the identification 
of them with our sect. 

5 ) Vgl. o. S. 308 f. 

6 ) Rb 1912, 328 ss. 358 ss. 



XII. Kap. Das jiidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 425 

grtigt wurde, der aber auch der einzige heigt und der Fiihrer des Auf- 
ftandes unter Kaifer Hadrian war. Unfe.re Schrift gibt allerdings diefe 
Namen nicht dem Barkochba, fondern dem Lehrer der Gerechtigkeit 
(7, 18. 20, 14 33), vermutlich um gegen die Usurpation diefer dem 
wahren Stern zukommenden Titel fur Barkochba zu proteftieren. Letjterer 
hieg mit feinem eigentlichen Namen Simon. Man hat aus dem ,,erften 
Jahre der Befreiung Ifraels" Miinzen mit der Auffchrift Simon, Furft 
Israels" und andere mit dem Namen ,,Eleafar der Priefter"; die aus dem 
zweiten Jahre der Freiheit Ifraels haben nur noch den Namen ,,Simon" 
oder Jerufalem." ') Lagrange fchliegt daraus, dag nach dem Jahre 135 
der Hohepriefter Eleafar fich von Barkochba trennte und feine Anhanger 
aufhorten, das Feuer auf dem Altare zu unterhalten, Jerufalem verliegen 
und nach Damaskus zogen. a ) Vergleichen wir hiermit die obigen 3 ) 
chronologifchen Angaben uber die Zeit zwifchen dem Tode des einzigen 
Lehrers und der Abfafjung der Schrift, fo kommen wir zu dem Refultat, 
dag die Schrift um das Jahr 200 n. Chr. gefchrieben 4 ) ift, vielleicht aber 
noch fpater entftanden fein kann. 6 ) 

Man wendet gegen eine Anfetjung der Abfaffung der Schrift nach 
der ZerftOrung des Tempels im J. 70 n. Chr. ein, fie fetje vielmehr deffen 
Exiftenz voraus, fo z. B. 5, 7. Allein dort heigt es von den Opfernden, 
(der Vergangenheit), fie hatten das Heiligtum befleckt, indem fie mit 
Frauen, die am Monatsflug litten, verkehrten. 6 ) Wenn aber 6, 11 von 
denen gefprochen wird, welche den Bund gefchloffen haben, nicht in das 



! ) Vgl. uber die Aufftandsmunzen Schurer I 3 u. *, 765 ff., Lagrange, 
Le Messianisme. Paris 1909, p. 317 s. 

2 ) Rb 1912, p. 330. 

3 ) S. o. S. 422. 

4 ) Damit foil aber nicht geleugnet werden, dag die Urfprunge der 
Sekte viel weiter als das Jahr 135 n. Chr. liegen mogen. 

5 ) Aus 1, 6: am Ende des Zornes (vgl. 5, 20 am Ende der Ver- 
wuftung des Landes) ,,390 Jahre, nachdem Gott fie (die Ifraeliten) dem 
KOhige von Babylon, Nabuchodonofor, iiberliefert hatte, gedachte er feines 
Bundes", lagt fich nichts Sicheres zur chronologifchen Beftimmung ent- 
nehmen. Wir kamen 390 Jahre nach der ZerftOrung Jerufalems im J. 58 
auf das Jahr 197/6. Damals ift aber keine nationale Kataftrophe erfolgt. 
Auch keine 490 Jahre nach jenem Ereignis, wie Scnechter zu lefen ge- 
neigt ift. Ebenfowenig pagt die Korrektur 590 (von Jufter 1, 29 X), 
die uns in's Jahr 4 v. Chr. nach dem Kriege des Varus brachte. Die 
Zahl 390 ift dem Ezechiel 4, 5 entlehnt ,,pour marquer un temps d'incer- 
titudes, depuis le jour de la prise de Jerusalem par Nabuchodonosor, 
jusqu' au second cataclysme" meint Lagrange p. 331. 

6 ) Levi p. 181 uberfe^t ,,ils profanent le temple" etc. Zu iiberfetjen 
ift aber: ils ont souille le sanctuaire etc. Vgl. dazu Lagrange, Rb 1914, 
p. 134. Vgl. zur Sache Pfalm Salomos 8, 13, wo den Sadduzaern vor- 
geworfen wird, dag fie des Herrn Altar nach jeder Verunreinigung und 
im Blutflug betreten. 



426 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Heiligtum hineinzugehen, urn das Feuer auf dem Altare zu fchuren und 
welche die Pforte gefchloffen haben, fo hat fchon Lagrange darauf auf- 
merkfam gemacht, dag man auch zur Zeit des Aufftandes unter Hadrian 
Opfer darbrachte. ') Eher konnte man fich vielleicht darauf berufen, daft 
im gefetjlichen Teile (11, 17) Vorfchriften uber die Darbringung von 
Opfern gegeben werden. Allein auch in der Mifchna werden Gefege 
gegeben, als ob fie noch aktuelle Bedeutung hatten. 2 ) 

Der fchon erwahnte Gelehrte fagt: ,,Weder pharifaifch noch faddu- 
zaijch find unfere Sektierer vom reinften reaktionaren Geifte befeelt, der 
durch Apokalypfen unterhalten wurde. Sie glaubten, dem Geifte des 
Gefetjes treuer als die Pharifaer und dem Geifte des Prieftertums treuer 
als die Sadducaer zu fein. Von ihren Urfprflngen her haben fie letjteren 
Titel bewahrt, den die Karaer 15 ) anerkannten und den fie naturlich genug 
mit dem der Sadduzaer der Gefchichte verwechfelten." *) 

3. Die Effener. 5 ) 

a) Ihre Gebrauche und Anfchauungen gemafe den alten Berichten. 

Wahrend die Pharifaer und Sadduzaer auch in der neu- 
teftamentlichen Zeit vielfach einen Gegenfat; zueinander bilden, 
zeigen die Efjener eine auffallende Mifchung jQdifcher und 
fremder Elemente. 

Das Alter der Es gibt allerdings keine fpeziell effenifche Schrift. 6 ) Aber 
Effener. w i r haben doch die Nachrichten des Jofephus iiber fie, der 



1 ) p. 223, 4 und p. 357. 

2 ) L. c. zu 11, 17. Obrigens konnte man fonft auch aus einigen 
Gefet5en der Gemeinde des Neuen Bundes fchliegen, dag bei ihnen die 
Todesftrafe in Geltung war. Vgl. 9, 6; 10, 1 und 12, 2 ff. S. Jufter 
2, 156 ss. und Schechter p. XVIII ff. 

3 ) Die Verwandtfchaft unferer Sekte mit den Karaern Oder Karaiten 
(von K'ra = Schrift), einer judifchen Sekte, welche fich in religiOfen Dingen 
nur an die Heil. Schrift halten will und im 8. Jahrhundert n. Chr. aus 
Oppofition gegen die talmudifche Casuistik und die rabbinifche Hierarchic 
entftand (vgl. Kirchenlexikon 7, 139-144), ift allgemein zugegeben. 

*) Lagrange p. 360. Vgl. auch ebd. 332-335 uber das Zeugnis 
der erften Karaer fur unfere Sekte. 

s ) Vgl. u. a. Bellermann, Gefchichtliche Nachrichten aus dem Alter- 
tum Ober Effaer und Therapeuten. B. 1821. Lightfoot, S. Paul's Epistle 
to the Colossians and to Philemon". L. 1882, p. 82-98. 349-419. Lucius, 
Der Effenismus in feinem Verhaltnis zum Judentum. Stragb. 1881. Henle, 
Koloffa und der Brief des heiligen Paulus an die Koloffer. Munchen 
1887, S. 59-80. Schurer II, 651680. Bouffet, Die Religion des Juden- 
tums, B. 1903, S. 431443. Friedlander, Die religiofen Bewegungen 
innerhalb des Judentums im Zeitalter Jefu. B 1905, S. 114-168. V. Er- 



XII. Kap. Das judifdhe Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 427 

fie aus eigener Anfchauung kannte, und einige nodi altere 
Mitteilungen Philos. 1 ) Audi Plinius erwahnt fie, wenn audi 
nur kurz, 2 ) fo dajg wir wenigftens daruber genau unterriditet 
find, was man um die Mitte des erften diriftlidien Jahrhun- 
derts von ihnen wufcte oder glaubte. 

Die Exiftenz der Effener im zweiten Jahrhundert vor 
Chriftus neben Pharifaern und Sadduzaern 3 ) kann nicht be- 
zweifelt werden. Audi wird beriditet, dafc ein Effener 
namens Judas die Ermordung des Antigonus, eines Sohnes 
des Johannes Hyrkanus I., durch feinen Bruder Ariftobul I., 4 ) 
ein anderer, Manahem, die Erhebung des Knaben Herodes 
zum Konige, 5 ) und ein effenifcher Traumdeuter dem Arche- 
laus, dem Sohne des Herodes, das baldige Ende feiner 



moni, L'Essenisme (R. des Quest, hist. t. LXX1X, Paris 1906, p. 5-27), 
wofelbft p. 5 - 7 reiche Literaturangaben. 

fi ) Dag die apokalyptifche Literatur nicht mit dem Effenismus in 
Verbindung gebracht werden kann, zeigt auch Baldensperger, Die meffia- 
nifch-apokalyptifchen Hoffnungen des Judentums. Strafcb. 1903, S. 196 
bis 203. Der Talmud enthalt allem Anfcheine nach gar keine fich auf die 
Effener beziehende Stelle. S. Lightfoot p. 356370. 

') Jos. B J. 2, 8, 2-14. Ant. 18, 1, 5. Vgl. auch Ant. 13, 5, 9. 
Vita 2. Der hier erwahnte Einfiedler Banus , bei dem Jofephus drei 
Jahre wohnte, war, .wie ausdrucklich (1. c ) bemerkt wurde, kein Effener. 
Philo, Quod omnis probus liber 12-13 und das bei Euseb. Praep. 
evang. VIII, 11 aus Philos n Apologie fur die Juden" mitgeteilte Frag- 
ment. Vgl. dazu Lucius 1. c. S. 13 - 23 und Wendland, Die Therapeuten 
und die philon. Schrift vom befchaulichen Leben, L. 1896 (Abdruck aus 
dem 22. Suppl.-Band der Jahrb. f. klaff. Philologie), S. 702 ff. Fur die 
Echtheit und Zuverlaffigkeit der Berichte bei Philo, Eufebius und Jofephus 
auch R. Treplin, Die Effenerquellen gewurdigt in einer Unterfuchung der 
in neuerer Zeit an ihnen geflbten Kritik. Theol. Studien und Kritiken, 
Gotha 1900, S. 28 - 92. 

2 ) Plinius N. H. 5, 17. Hiermit verwandt ift der auf Plinius be- 
ruhende und nur wenig erweiterte Bericht des Solinus in der 2. Halfte 
des 3. Jhrdts. Collectanea rerum memorabilium (ed. 2 Mommfen) 35, 9 - 12. 
Von den ubrigen Quellen folgen Hippolytus Haer. 9, 18 -28 und Por- 
phyrius, De abstinentia IV, 11-13 im wefentlichen Jos. B. J. 2, 8, 2 ff 
Epiphanius, Haer. 10 u. 19 (f. u. 439, 4) befpricht 2 Sekten, die Offener 
und die Effener, worunter aber ohne Zweifel (vgl. Lightfoot p. 83) die- 
felben Perfonen verftanden find. 

3 ) Ant 13, 5, 9. 

4 ) B. J. 1, 3, 5. Ant. 13, 11, 2. S. o. S. 97. 

5 ) Ant. 15, 10, 4. 



428 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jud. Volkes. 

Herrfchaft vorherverkiindet habe. 1 ) Jedenfalls beweifen diefe 
Stellen, dafc man den Effenern Anfehen bei den Groften 2 ) 
und die Vorausficht zukiinf tiger Dinge zugefchrieben hat. 3 ) 
ihr Name. Wenn nun auch die Effener felbft Anfpruch darauf ge- 

macht haben, die Zukunft vorherzuwiffen, fo liegt diefer 
Anfpruch doch nicht in ihrem Namen, als ob Effener oder 
Effaer/) wie fie auch bisweilen heifcen, gleichbedeutend fei 
mit ,,Seher". Der dunkle Name bedeutet aber weder ,,Seher" 5 ) 
noch auch, wie bisweilen irrig gefagt wird, ,,Arzt", 6 ) noch 
,,Frommer", 7 ) fondern wahrfcheinlich heifjen fie Effener im 
Sinne von ,,die Schweigenden, die fiber Geheimniffe Nach- 
denkenden". 8 ) 



') Ant. 17, 13, 3. B. J. 2, 7, 3. 

2 ) Dag fie diefes wirklich hatten, folgt aus Philo 1. c. 13, wonach 
den Effenern fowohl die graufamen als auch die liftigen und tiickifchen 
Qewalthaber (zu denken ift wohl an Herodes I. und die romifchen Land- 
pfleger) gtinftig gefinnt waren. 

3 ) Jos. B. J. 2, 8, 12 fagt: Es find unter ihnen auch folche, die das 
Zukunftige vorauszufehen unternehmen, nachdem fie fich an heiligen 
Schriften, verfchiedenen Reinigungen und Ausfpruchen .von Propheten 
geiibt haben. Und es ift felten, dag fie jemals bei ihren Verkiindigungen 
fehlgehen." Vgl. Chr. Bugge, Zum Effaerproblem ZNTW 14, 1913, 
145 174, der vielfach von den Qedanken der 1855 erfchienenen fchwedifchen 
Schrift: Prophetarne och Essenarne bland Judafolket Gebrauch macht. 

4 ) Philo nennt fie immer "Etftfatot, Jofephus gewohnlich 'EffGyvoi (fo 
auch Plinius 1. c. Esseni), an mehreren Stellen aber auch 'Eddatot (in B. 
J. 1, 3, 5. 2, 7, 3. 2, 20, 4. 2, 1. Ant. 15, 10, 4. 17, 13, 1). 

5 ) Dafur Holljmann, Neuteftam. Zeitgefchichte 215 f. Allein gegen die 
Ableitung von N*i~ = fehen fpricht, dag ,,in the transliteration of the LXX 
the * is persistently represented by . and the i by <?." Lightfoot p. 353. 

6 ) Von N5$ = heilen, weil die Effener fich nach B. J. 2, 8, 6 auch 
mit dem Studium der Heilkraft von Pflanzen und Mineralien befchaftigten. 
Allein das Studium hatte bei ihnen eine zu untergeordnete Bedeutung, 
als dag es Grund fur ihren Namen geworden ware. Mit den Thera- 
peuten hatten fie aber nichts zu tun. 

7 ) Von dem aram. tf$n plur. "pD" oder status emphat. fc^Ou die From- 
men. Hieraus wiirde fich erklaren, weshalb Philo 1. c. 12 das Wort mit 
ottos heilig zufammenbringt. (Vgl. Lightfoot p. 350.) Auch Ghrys. Horn. 46 
in Acta (Migne LX, 324) erklart den Namen 'Eeoyvoi als identifch mit 
otiioi. Vgl. Neftle, Zum Namen der Effaer, ZfNW. 1903, S. 348. 

& ) Von dem aram. ">t$r] plur. D^Ti d. h. die Schweigenden. Nach 
Schekalim 5, 6 hieg eine der Tempelhallen die der Verfchwiegenen. Vgl. 
Levy, Worterb. II, 122. Es entfpricht die Ableitung der griechifchen Um- 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 429 

Auf Grund der Queilen, unter denen befonders Jofephus, ihre Zahi, 
der die Eflener felbft kannte, Glauben verdient, ergibt fidi Wohnorte. 
nun, da& es fiber 4000 x ) Effener gab, diefe geborene Juden 
waren 2 ) und in Palaftina wohnten, 3 ) und zwar zuerft, um 
den fteten Streitigkeiten der Stadtleute zu entgehen, in 
Dorfern, 4 ) fpater aber auch in Stadten. Sie haben, fagt 
Jofephus, nidit eine Stadt, fondern in jeder Stadt (Judaas 
bezw. Palaftinas) wohnen viele. 5 ) In diefen Niederlaffungen 
waren befondere Beamte angeftellt, um die durchreifenden 
Angehorigen des ,,0rdens", wenn man fo fagen darf, mit 
Kleidung und iiberhaupt allem Notwendigen zu verfehen. 6 ) 
Ohne Zweifel dienten aber {olehe Niederlaffungen audi als 
Verkaufsftellen. In Jerufalem war fogar ein Tor nach den 
Effenern genannt. 7 ) Ihre Hauptniederlaffung fcheint aber am 
Weftufer des Toten Meeres in der Wiifte Engaddi gewefen 
zu fein. 8 ) 

Sie glaubten, dafc die Tugend in der Enthaltfamkeit und ihre Afzefe 

der Beherrfchung der Leidenfchaft beftehe. 'Von der Ehe und ihre Be- 
fchaftigung. 

fchrift (vgl. Lucius, Der Eflenismus S. 90, 1), da das anlautende ~ mit 
folg-endem Zifdilaut im Griediifchen durch iso - wiedergegeben werden 
kann und im afiatifch-griechifchen Gebrauch die Endungen auf ouo? und //vd? 
unterfchiedslos gebraucht werden. Fur diefe Ableitung vgl. Lightfoot 1. c. 
p. 354. Mittwoch, Die Etymologic des Namens ,,Eper", Zeitfchrift fur 
Affyriologie XVII, 1903, 75-82. 

!) JoJ. Ant. 18, 1, 5. Philo 12. Wenn Philo bei Bus. H E. VIII, I 
den Urfprung der Effener auf Mofes zurtickfuhrt und dabei von ,,zahl- 
lofen" (nvqioi) Effenern fpricht, fo mag er an die Zahl in der ganzen 
Zeit von Mofes an gedacht haben. 

2 ) B. J. 2, 8, 2. 

3 ) Philo 12 17 naiaiSTivrj Zvqia. 

*) Philo 1. c. 

B ) B. J. 2, 8, 4. Mia, Je ovx e6rw uvttav TroAt?, aAA. 3 ev Exdarti xaToittovOi 
noU.oi. Spater heigt es,in jeder Stadt des Inftituts (iv txatsttj TtdXei rovrdyfiaroy) 
fei ein Pfleger far die Fremden. Wahrfeheinlich heigt auch an der erften 
Stelle ,,ev IxatfT^'' in jeder Stadt, in welcher das Inftitut eine Niederlaffung 
hatte. Audi Philo fagt bei Euf. 1. c., fie bewohnten viele Stadte und Dorfer 
Judaas xar (fo ift mit Wendland, Die Therapeuten 702, 3 ftatt xi zu 
lefen) fteydiov? nokvav&iioinov? 6(itt.ov<; = in ftarken Genoffenfchaften. 

6 ) B. J. 2, 8, 4. S. Anm. 5. 

7 ) B. J. 5, 4, 2. Vielleicht lag eine Kolonie von Effenern in der 
Nahe des Tores. 

s ) Plinius 1. c. kennt fie nur als eine Gemeinde am Toten Meere. 



430 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

dachten fie gering. Viele hielten es iiberhaupt fur ein Un- 
redit, zu heiraten. 1 ) 

Ihre Hauptbefchaftigung war der Ackerbau. Sie trieben 
aber auch andere friedliche Befchaftigungen. 2 ) Nur Waffen- 
fehmiede und Handelsleute duldeten fie nicht unter fich. 3 ) 
Den Reichtum veraditeten fie 4 ) und waren gegen Geld gleich- 
gultig, und bemfihten fich nur, das zum Leben Notige zu 
haben. 5 ) Seit langen Jahren batten fie eine in jeder Hin- 
ficht vollkommene Gutergemeinfchaft. 6 ) Wer ihnen beitrat, 
mufcte fein Vermogen der Gefamtheit iiberlaffen. Zur Ver- 
waltung diefes gemeinfamen Vermogens, wie auch ihrer 
Einkiinfte und der Feldfriichte erwahlten fie tiichtige Manner, 
Priefter, wegen der Bereitung von Brot und Speifen. 7 ) Von 
Salbungen der Haut mit 01, die in heifcen Gegenden vielfach 
ublich find, wollten fie nichts wiffen und hielten eine rauhe 
Haut fur ebenfo ehrenvoll, als ftets in weijjen Gewandern 
zu gehen. 8 ) Schuhe und Kleider wurden nicht eher ge- 
wechfelt, als bis fie ganz verfchliffen und zerfetjt waren. 9 ) 

] ) B. J. 2, 8, 2. Ant. 18, 1, 5. Philo 12 und ap. Bus. 1. c. Plinius 
fagt 1. c.: gens aeterna est, in qua nemo nascitur. B. J. 2, 8, 13 fagt, 
dag es auch Effener gebe, die fich verheirateten der Nachkommenfchaft 
wegen, aber erft nachdem [ie die Braute auf die Fahigkeit, Kinder zu 
erzeugen, drei Jahre erprobt batten. Vermutlich war diefe 2. Klaffe 
gering, da fonft nicht davon geredet wird. 

' 2 ) Ant. 18, 1, 5. Nach Philo bei Euseb. 1. c. trieben einige den 
Ackerbau, andere Vieh- und Bienenzucht. 

3 ) Philo 12 und bei Bus. 1. c. Sie trugen aber auf der Reife Waffen 
zum Schuhe gegen die Rauber (B. J. 2, 8, 4) und nahmen auch am Kriege 
gegen die Romer teil (B. J. 2, 8. 10. vgl. ebd. 2, 20, 4 und 3, 2, 1). 

*)'_B. J. 2, 8, 3. 

5 ) Philo 12. 

6 ) Ant. 18, 1, 5. B. J. 2, 8, 3. Philo 12 und Fragm. bei Bus. 1. c. 

7 ) B. J. 2, 8, 3. Ant. 18, 1, 5. 'Anodsxra? e rojv nqoOodtav xeiyo- 
rovovCi *at 671060. j yfj vtpoi. avS^aq dya&ovc; iegek, Sid noi^tv 6ir.nv xai 

fowftdTon: Der Sinn fcheint zu fein, dag fie fowohl Verwalter wie auch 
Priefter felbft wahlten. Vgl. Bouffet, Die Religion etc. 438, 2. Vgl. auch 
Philo 12 und bei Bus. 1. c. 

s ) B. J. 2, 8, 3. Jeder Neueintretende erhielt ein weiges Qewand 
1. c. 2, 8, 7. Nach Philo bei Bus. 1. c. hatten fie fur den Winter dichte 
Mantel, fur den Sommer leichte Oberwiirfe. 

') B. J. 2, 8, 4. 



XII. Kap. Das judifehe Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 431 

Sie wohnen nach den Beriditen in eigenen Haufern der 
Genoffenfchaft zufammen, beobachten vollige Stille 1 ) und 
iiben vollkommenen Gehorfam gegen die Obern. 2 ) Audi 
verwerfen fie das Schworen. 3 ) Knechte halten fie nicht, well 
dies die Urfache der Streitigkeiten fei 4 ), und die Sklaverei 
verwerfen fie als eine Verletjung des Naturgefetjes, weldies 
alle Menfchen gleichgeboren werden lafct. 5 ) Gerichtliche Ent- 
fcheidungen werden gefallt, wenn 100 Mitglieder zugegen 
find.") In allem ehren fie das Alter und die Entfcheidung 
der Mehrheit. Sie fpucken nie nach der rechten Seite und 
vor andern iiberhaupt nicht. 7 ) 

Von Sonnenaufgang bis elf Uhr morgens (die fiinfte ihre Tages- 
Stunde) arbeiten fie, dann kommen fie wieder an einem ordnung. 
beftimmten Ort zufammen und wafchen ihren mit einer 
linnenen Schurze als Lendentuch bekleideten Leib in kaltem 
Waffer. Hierauf begeben fie fich in ein befonderes Gebaude 
und betreten dort, gereinigt, als ob fie zu einem Heiligtum 
gingen, den Speifefaal, um gemeinfam das aus Brot und 
einem Gericht beftehende Mahl einzunehmen. Vor und nach 
dem Mahle fpricht der Priefter ein Gebet. Nach dem Mahle 
legen fie ihre Kleider als heilige ab und arbeiten wieder 
bis zur Dammerung. Dann fpeifen fie in derfelben Weife 
zu Abend.' s ) 

Obwohl fie fremde Kinder in zartem, bildungsf ahigem Das Noviziat 

Alter aufnahmen und wie ihre Angehorigen behandelten, 9 ) bei den 
Effenerru 

') PhilO bei EUS. 1. C. oixovtit rf' evautu xatd d-icttiov? izctigictt, xai 6v66izia, 

notovuevoi. B. J. 2, 8, 5 fagt, fie kamen zu den Mahlzeiten zufammen (swladtv) 

? tdiov ol'xrjfta. und oiu)e xyavyq Tiore zov oi.xov oi'rfe &6(}i>(io<; ftoivvei. 

2 ) B. J. 2, 8, 5. 

3 ) B. J. 2, 8, 6. 

*) B. J. 2, 8, 6. Philo 12. Vgl. auch Ant. 15, 10, 4, dag Herodes 
fie nicht zum Eidfchwur zwang. 

5 ) Ant. 18, 1, 8. 

6 ) Philo 12. 

') B. J. 2, 8, 9. Hier heijgt es auch, dag, wer Gott und Mofes 
laftere, mit dem Tode beftraft wiirde. 

8 ) B. J. 2, 8, 5. Wenn Hier. adv. Jovin. 2, 14 fagt, dag fie fich 
ftets von Fleifch- und Weingenug enthalten hatten, fo durfte das nur 
eine Folgerung aus ihrem afzetijchen Leben iiberhaupt fein, da weder 
Philo noch Jofephus dies ausdriicklich behaupten. 

8 ) B. J. 2, 8, 3. 



Ausfchlug. 



Mitglieder- 
klaffen. 



Verhaltnis 

zum 
Judentum. 



432 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

vermehrte {ich ,,die Sekte" hauptfachlich durch den Eintritt 
von Erwachfenen. Diefe erhielten bei ihrem Eintritt eine kleine 
Axt 1 ) (deren fie fidi bedienten, urn an einem entlegenen Platje 
eine Grube zu graben, worin fie ihre Notdurft verrichteten), 
das fchon erwahnte Lendentudi und ein weifjes Gewand und 
mufcten ein Jahr lang wie im Noviziat die Lebensweife der 
Effener fuhren. Nach einem Jahre wurden fie zu der reini- 
genden Wafferweihe und nadi zwei weiteren Jahren zu den 
gemeinfamen Mahlen und damit zum formlichen Eintritt in 
die Genoffenfchaft zugelaffen. Vor der Aumahme mufcten fie 
fich eidlich verpflichten, die Gottheit zu ehren, die Ungerechten 
zu haffen, den Gerediten beizuftehen und befonders die 
Treue gegen die Obrigkeit zu iiben, Diebftahl und unrechten 
Gewinn zu vermeiden und niemals, auch nicht unter den 
grofcten Martern, die Geheimniffe des Ordens zu offenbaren 
und befonders die Bucher der Sekte und die Namen der 
Engel geheim zu halten. 2 ) 

Der Ausfchlujj aus der Genoffenfchaft erfolgte, wenn 
jemand fchwerer Siinden iiberwiefen war. Da ein Ausge- 
fchloffener infolge feiner Eidfchwiire und der Ordensgebrauche 
von Nichtmitgliedern keine Nahrung annehmen durfte, mufete 
er fich von Krautern nahren und mochte, wenn er wirklich 
gewiffenhaft am Effenismus fefthielt und man ihn nicht aus 
Mitleid wieder aufnahm, vor Hunger zugrunde gehen. 3 ) 

Die Mitglieder zerfielen je nach der Lange ihrer Zuge- 
horigkeit zu der Genoffenfchaft in vier Klaffen, zwifchen denen 
ein fo grower Unterfchied beftand, dafe die Alteren, wenn 
fie von den Jiingeren beriihrt wurden, fich wafchen mufcten, 
als ob fie von einem Auslander beriihrt waren. 5 ) 

Nachft Gott verehrten fie am meiften den Namen des 
Gefetjgebers Mofes, deffen Lafterung mit dem Tode beftraft 

') B. J. 2, 8, 7. di-tvdgiov: 1. c. 9 wird fie genauer als ein Spaten 

bejchrieben (tfj 6*a,l.ldi>, toiovtov ydy sdn TO dtduftevov vn avTiav dtvidtov 



2 ) B. J. 2, 8, 7. Vgl. iiber ihren Starkmut auf der Folter B. J. 
2, 8, 10. 

3 ) B. .1. 2, 8, 8, 

4 ) B. J. 2, 8, 10. Aus dem Vergleich mit B. J. 2, 8, 8 ergibt fich 
dag die 1. 3. Klaffe aus denen, welche im 1. bezw. 2. oder 3. Jahre 
der Probezeit waren, beftand. 



XII. Kap. Das jtidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 433 

wurde. 1 ) Den Sabbat hielten fie nodi peinlidier als andere 
Juden, da fie an dem Tage nicht ein Gefafc von der Stelle 
zu riicken wagten. 2 ) In den Tempel fchickten fie zwar Weihe- 
gefchenke, braehien aber keine Opfer dar, weil fie heiligere 
Reinigungen zu haben glaubten. Deshalb war ihnen auch 
der Zutritt zu dem gemeinfamen Heiligtum unterfagt 3 ) 

Mit befonderer Vorliebe ftudierten fie die Schriften der 
Alien, befonders, um daraus zu lernen, was fur Leib und 
Seele heilfam fei. Namentlieh fuditen fie Wurzeln zur Ban- 
nung von Krankheiten und trachteten vermutlich ebenfalls 
aus medizinifchen Grflnden die Eigenfchaften der Steine 
kennen zu lernen. 4 ) 

Philo bemerkt, daft fie unter den philofophifchen Difzi- ihr studium 
plinen befonders die Ethik ftudierten, namentlidi am Sabbate, der 
an weldiem fie zufammenkamen und fich die Bibel vorlefen 
liefeen, deren Dunkelheiten dann ein befonders Erfahrener 
aufhellte. Das meifte erklarten fie aber durdi Symbole. 5 ) 

In dogmatifcher Beziehung glaubten fie, daft der Korper 
verweslich und verganglich fei, die Seele aber, die aus dem Dogmatik. 
feinften Ather ftamme und durch einen nattirlichen Zauber 
aus der Hohe herabgezogen und im Korper wie in einem 
GefSngniffe eingefchloffen fei, nach der Befreiung vom Korper 
ewig fortlebe. Die Guten lebten ewig jenfeits des Ozeans 
an einem von Sdinee und Hitje und Regen nidit belaftigten 
Orte, die Bofen aber in einer finftern kalten Hohle voll 



*) B. J. 2, 8, 9; vgl. ebd. 2, 8, 10. 

2 ) B. J. 2, 8, 9. An dem Tage verrichteten fie ihre Notdurft nicht, 
weil fie fonft mit der Axt ein Loch in den Boden hatten graben miiffen 
(f. S. 432). 

3 ) Ant. 18, 1, 5: eV avrmv ra? frvtsiut; Enire\.ov6i. Der Sinn ergibt 
fich aus B. J. 2, 8, 5, wonach fie ihre Mahlzeiten wie Opfer, ihren Speife- 
faal wie einen Tempel und ihren Vorfteher wie einen Priefter anfahen. 
Auch Philo 12 fagt, dag fie keine Tieropfer darbrachten. B. J. 1, 3, 5 
heigt es, der Effener Judas habe den Fiirften Antigonus (um das Jahr 100) 
durch den Tempelraum fchreiten fehen (nayiovTa did rov ieyov), aber 
nach Ant. 13, 11, 2 fah er ihn vielmehr am Tempel vorb.eifchreiten (KOIQI- 
uvm r6v lefjiiv). Jedenfalls konnte auch ein Effener fich im Vorhofe der 
Heiden aufhalten. 

) B. J. 2, 8, 6. 

5 ) Philo 12. . 

Felten, Neuteffamentliche Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 28 



434 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jfid. Volkes. 

ewiger Qual. 1 ) Von Gott lehrten fie, dag er an allem Guten, 
aber an keinem Bofen fdiuld fei und dag alles von feiner 
Vorfehung abhange. 2 ) Vor dem Aufgange der Sonne fpradien 
fie kein unheiliges Wort und richteten auch an die Sonne 
altherkommlidie Gebete, als ob fie ihren Aufgang erflehen 
wollten. 3 ) Um den Lichtglanz Gottes nicht zu beleidigen, 
verhullten fie fidi und die Grube, weldie fie behufs der Ent- 
leerung gegraben batten, ehe fie fkh entleerten, mit einem 
Mantel und wufchen fich dann, als ob fie fidi verunreinigt 
batten. 4 ) 

b) Urfprung des Effenismus und Wurdigung feines Wefens. 

In der apoftolifchen Zeit haben die Effener, fo wie fie 
uns aus den eben gefchilderten Berichten des Jofephus und 
des Philo gegeniibertreten, auger den jfidifdien Ziigen der 
Verehrung Mofis, der Sabbatheiligung, der Reinigungen u. a., 
in der Verwerfung der Opfer im Tempel, der Geringfchatjung 
der Ehe, der Verehrung, die fie der Sonne zollen, u. dergl., 
foldie Eigentfimlichkeiten, 'dag auch fremde heidnifche Ein- 
fluffe auf fie eingewirkt haben muffen. 

Sie waren Deshalb lagt fidi die Anfchauung judifcher 5 ) und dirift- 

keine biogenjieher 6 ) Gelehrten, der Effenismus fei nur der Pharifaismus 

Phanfaer. j n e j ner na fa d er ftrengen afzetifchen Seite hin gefteigerten 

Form, nicht ; batten. Ebenfowenig wird die Annahme 7 ) den 



O 6 - J- 2 8, 11. Vgl. Ant. 18, 1, 5. Es folgt hieraus, dag fie an 
die Praexiftenz der Seele glaubten und eine Auferftehung der Toten nicht 
annehmen konnten. 

2 ) Ant. 13, 5, 9 und 18, 1, 5. Letjtere Stelle erklart die erftere. 

3 ) B. J. 2, 8, 5. 

4 ) B. J. 2, 8, 9. Vgl. u. S. 437 f. 

5 ) Frankel, Joft, Gratj, Derenbourg, Qeiger. 

6 ) Z. B. Ewald, Hausrath. Schflrer II, 668 ff. meint, der Effenismus 
fei zunachft nur der Pharifaismus im Superlativ; in feinen nicht judifchen 
Zugen berQhre er fich am meiften mit der pythagoraifchen Richtung der 
Griechen. 

') Von Lucius, Der Effenismus S. 75 n> - A. Hilgenfeld vertritt 
in der Zeitfchr. f. wiff/ Theologie, 1900, S. 180211: w Noch einmal die 
Effaer" und 1903 S. 294-315 n Die Effaer ein Volksftamm" die bereits 
von Lundius 4, 15 S. 804 u. a. bekampfte Anficht, M dag die Effaer ein 
von alters her mit Ifrael verwandter (kenitifcher, rechabitifcher) Stamm 
waren, welcher bei allem Anfchlufe an die abfchliegende Geftaltung des 



XII. Kap. Das jQdifdie Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 435 

Tatfadien gerecht, fie feien rein judifchen Urfprungs und 
ftanden mit den Affidaern oder Frommen der erften Makka- 
baerzeit in Verbindung und batten mit dem Opfer- und Audi nicht mit 
Tempeldienft gebrodien, weil fie die Hohenpriefter, audi die den Affidaern 
Hasmonaer, nidit als legitime batten anerkennen konnen. ^"kf*- 
Denn dann verfteht man nicht, weshalb fie Weihegefchenke 
an den Tempel fchickten und die Ehe fo gering achteten. 

Jofephus felbft fagt, fie kamen den dacifchen Stammen, inwieweit {ie 
welche Poliften heigen, am nadiften, und anderswo, ihre den p y tha g- 
Lebensweife fei der der Pythagoraer unter den Griedien raern 5hnlidK 
ahnlich *) Ohne Zweif el gibt es manche Analogien zwifchen 
den Effenern und der orphifch-pythagoraifchen Richtung der 
Griedien. 2 ) Allein diefe erklaren fidi durch den beiden ge- 



Judentums feit Ezra doch feine Eigentfimlichkeit behauptete" (1. c. 1900, 
S. 191). Die Nachkommen des im 9. Jhrdt. y. Chr. lebenden Rechabiten 
Jonadab (2 K5n. 10, 15. 23) batten in einem Orte namens Effa (=Grun- 
dung) weftlich vom Toten Meere gewohnt. Das bei Eufebius mitgeteilte 
Stack von Philo, welches die Ehelofigkeit der Effaer lehre, fei unecht 
(vgl. auch Hilgenfeld 1. c. 1888, 49 ff., 1889, 481 ff., und ebd. Ke^er- 
gefchichte des Urchri[tentums, Leipzig 1884, S. 87149). Allein auch aus 
Jos. B. J. 2, 8, 2 und 13 folgt, dag fie von der Ehe gering daditen. 
Bin Ort Effa lagt fich nicht nachweifen; denn Ant. 13, 5, 3 fteht zwar 
n Effa", ein Ort jenfeits des Jordans; es mug aber nach B. J. 1, 4, 8 
Oerafa heigen. Auch ift Effa in Ant. 13, 5, 3 nicht etwa ein anderer 
Name Mr Geraf a, da Geraf a fo oft bei Jofephus vorkbmmt, fondern eine 
Textverderbnis. Die Rechabiten (vgl. auch die Artikel uber die Recha- 
biten und die Ciniter von Kaulen und Konig im Kirchenlexikon 10, 
846 ff. 3, 366 f.) trieben uberhaupt keinen Ackerbau, dem doch die Effener 
vorzuglich oblagen. 

a ) Ant. 18, 1, 5. 15, 10, 4. 

2 ) Am beften und nachdrflcklichften ift die Analogic zwifchen beiden 
behandelt von Zeller. Vgl. Zeller, Die Philofophie der Griechen III 2*. 
L. 1902, S. 298 bis 384 und ebd. Zur Vorgefchichte des Chriftentums. 
Effener und Orphiker in ZWTh, L. 1899, S. 195-269. Er hat u. a. bei 
DOllinger, Langen und mit gewiffen Einfchrankungen auch bei Schflrer II, 
668 ff. Zuftimmung gefunden. Dagegen hat fich neuerdings u. a. Bouffet, 
Die Religion S. 434436 ausgefprochen. Naher lage es, an einen 
gewiffen Einflug des Parfismus (f. u. S. 437) zu denken, fo dag die 
zoroaftrifchen Ideen, welche fich im rOmifchen Reiche u. a. im Mithras- 
dienft verbreitet haben, auch in die judifche Sekte eingedrungen wSren. 
S. dafflr Lightfoot 1. c. p. 387390. Gegen deffen Anfchauung, dag die 
Effener n a very definite form of dualism" gehabt hatten (p. 387) vgl. 
Henle, Colossae etc. (f. o.) S. 72 ff. Es ift auch vorubergehend die 

28* 



436 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

meinfamen afzetifchen Zug und gerade die Haupteigentum- 
lidikeiten der Pythagoraer, die Seelenwanderung und das 
Zahlenfyftem fehlen bei den Effenern. 

Sine Allem Anfcheine nach haben wir es bei den Effenern 

heiieniftifche iiberhaupt nidit mit einer palaftinenfifch-judifchen oder hebrai- 
Sekte. fche^ fondern einer hellenifcn-jiidifchen Sekte zu tun, weldier 
fidi auch einzelne Palaftinenfer angefchloffen haben mogen. 
Wenn Jofephus betont, dag fie von Geburt Juden waren, 1 ) 
fo lagt er uns ahnen, dag fie es der Sprache nach nidit 
waren. Plinius aber fagt, 2 ) zu ihnen ka'men von weither 
viele, die mude des fchweren Kampfes mit den rauhen Wogen 
des Lebens ihrer Lebensweife fich anfchloffen. Diefer nicht 
palaftinenfifche Urfprung einer Sekte von Juden, die von der 
Sehnfucht erfagt waren, im Heimatlande der Ifraeliten, nament- 
lidi in der Gegend, wo Abraham und Lot gewohnt hatten, 
fich einem afzetifchen Leben'zu widmen, erklart auf der einen 
Seite das hyperjudifche, auf der andern Seite das fremde 
Element des Syftems. 

Die hellenifchen Juden mugten naturgemag von Jugend 
auf fidi begniigen, ihr eigenes Herz, wie Philo fagt, 3 ) Gott 
aufzuopfern und konnten fich auf den Propheten, der von 
dem iiberall aufzuopfernden, reinen Speifeopfer redete, be- 
rufen. Bei ihnen verfteht fich am einfachften, dag fie die 
Darbringung von blutigen Opfern im Tempel unterliefeen, 
ohne dag deshalb eine eigentliche Feindfchaft zwifchen ihnen 

Behauptung aufgeftellt worden, der Buddhismus, deffen M6nditum eine 
Analogic zu dem Leben der Effener darbieten kann, fei auf die Bildung 
des Effenismus von wefentlidiem Einflug gewefen. S. Hilgenfeld, ZWTh 
1867, S. 97 ff., 1868, S. 343 ff. 1871, S. 50 ff. Aber abgefehen von der 
Nachricht fiber einen indifdien Fanatiker, welcher eine von KOnig Porus 
an Auguftus abgefandte Gefandtfdiaft begleitete und fich felbft lebendig 
zu Athen verbrannte (Nikolaus v. Damaskus in Strabo 15, 1, 73 p. 720 
und 15, 1, 4 p. 686. Dio Cass. 54, 9. Das Grab wurde nach Plutarch 
Vit. Alex. 69 zu Athen gezeigt. Auf die Selb[tverbrennung dief.es Fa- 
natikers fcheint Paulus 1 Cor. 13, 3 anzufpielen), werden die Buddhiften 
innerhalb des rOmifchen Reiches, folange es Effener gab, weder bei heid- 
nifchen noch bei chriftlichen Schriftftellern erwahnt, vgl. Lightfoot 1. c. 
p. 390-396. Zeller, Zur Vorgefchichte etc. S. 209-213. 
') B. J. 2, 8, 2. 

2 ) N. H. 5, 17. 

3 ) Philo 12. S. o. S. 433. 



XII. Kap. Das jiidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit? 437 

und den palaftinenfifchen Juden beftand. Ihnen dienten als 
Vorbild fur ihr gemeinfames Leben zunachft die Propheten ihrVorbiid, 
und die Prophet enfchulen, 1 ) denen fie audi in der Verkundi- die 
gung der Zukunft nachfolgen wollten. Vermutlich find fie Pr <>pheten. 
unter den Makkabaerfurften zu einer Zeit der aufcern Sicher- 
heit des Landes und der innern religiofen Begeifterung, 
welche naturgemafc audi auf die aufeerhalb Palaftinas Leben- 
den einwirkte, zuerft aufgetreten. 2 ) 

Einzelnes in ihren Anfchauungen und Gebrauchen er- Erkiarung 
klart fich einfaeh aus ihrem iiberfpannten Begriff des Juden- ihrer Anfchau- 
tums, namentlidi nadi der afzetifchen Seite bin. So z. B. 
ihre Verehrung des Mofes, ihre ftrenge Beobachtung des 
Sabbats und der Reinheitsgefetje, deren ubermagig angftliche 
Beobaehtung angefidits der Gefahr, jeden Augenblick durch 
eine anftreifende Beriihrung einer Frau der levitifdien Ver- 
unreinigung ausgefetjt zu fein, audi zu einer Mifcachtung 
oder Vermeidung der Ehe fiihren konnte. 3 ) Jedenfalls er- 
klart fich aus ihrem afzetifchen Grundzug die Verwerfung 
des Salbols und die Einfaehheit des Mahles. 4 ) Um nicht 
unbedacht zu fchworen, 5 ) vermied man das Schworen iiber- 
haupt 

Unjudifch ift aber Jedenfalls die eigentumliche Verehrung 
der Sonne, wenn fie auch nicht notwendig mit dem Mono- 
theismus unvereinbar gewefen fein mag. Sie fand fich auch 
fonft im Orient 6 ) und ift eine Eigentumlichkeit des Parfis- 
mus. 7 ) Unjudifch waren auch die anthropologifchen Ideen 

J ) Vgl. 1 Kon. 10, 5. 19, 18. 20. 3 Kon. 22, 6. 18, 4 4 Kon. 2, 3. 
5. 4, 1. 38. 

2 ) Friedlander, Zur Entftehungsgefchidite des Chriftentums. Wien 
1894, S. 98-142 will den Effenismus als den ,,auf pala{tinenfifdien Boden 
verpflanzten jiidifchen Alexandrinismus, der hier allerdings ftark gedampft 
erfcheint" (S 7), anfehen. Allein dafur ift der Unterfchied zwifchen den 
Effenern und den Therapeuten (\. u.) zu grog. 

3 ) Vgl. Lev. 15, 18 ff. S. Gra^, Gefchichte der Juden III 5 , 91. Die 
Sitte bei der Entleerung und das Bedecken der Lenden beim Bade er- 
klart fich wohl durch Deuter. 23, 13 f. 

4 ) S. o. 430 f. 

5 ) Lev. 5, 4. 

6 ) Tacit. Hist. 3, 24: Undique clamor, et orientem solem (ita in 
Syria mos est) tertiani salutavere. 

7 ) Vgl. Lightfoot 1. c. p. 387. 



438 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

der Effener, welche fie mit den Griechen teilten und die am 
meiften Ankiange mit dem Platonismus 1 ) haben. 

Im nationalen Leben haben die Effener fdion wegen 
ihrer geringen Zahl und ihrer Zurudcgezogenheit, vermutlieh 
aber auch wegen ihres hellenifchen Charakters keine Rolle 
gefpielt. 

Der Effenis- In fruherer Zeit hat man bisweilen den Effenismus als 
mus und das einen Vorlauf er des Chriftentums darftellen 2 ) und Johannes 
Chriftentum. den Taufer wie j akobus> den Cruder" des Herrn, mit den 

Effenern in Verbindung bringen wollen. 3 ) Aber der Taufer, 
der nidit wie die Effener ein Conobit, fondern ein Einfiedler 
war und audi in Kleidung und Nahrung fich von ihnen unter- 
fchied, hat weder in feinen Lehrfatjen, wie fie in jeiner Bufc- 
predigt an die grofje Volksmaffe zutage treten, noch in feiner 
Tatigkeit der fofortigen Taufe aller, die bugfertig zu ihm 
kamen, Beruhrungspunkte 1 mit den gemeinfam lebenden und 
von der Menge fich abfchliejgenden Effenern. Er hat feine 
Vorbilder nur in den Propheten. Jakobus, der ,,Bruder" des 
Herrn, hatte aber fo wenig mit den Effenern zu tun, dag er 
am Tempel-Gottesdienfte und den taglichen Opfern dafelbft 
teilnahm, geradefo wie es auch die erften Chriften taten. 

Es ift nicht einmal richtig, dag der Effenismus, in deffen 
Syftem von einer meffianifchen Idee oder Erwartung fich 
keine Spur findet, einen Einflug auf die Irrlehre gehabt hat, 4 ) 

J ) Vgl. befonders den Phadrus PJatos. 

2 ) Vgl. Konig, Art. Effener im Kirchenlexikon 4, 91216 und P. 
Chapuis, L'influence de 1'Essenisme sur les origines chretiennes in der 
Rev. de theol. et de philos., Lausanne 1903, t. 36 p. 193-228. Bine An- 
zahl Karmelitermonche des 17. Jahrhunderts hatten die Effener mit den 
Chriften identifiziert und den Karmeliterorden auf den Effenerorden zurudc- 
gefiihrt. Vgl. die Literatur bei Lucius 1. c. S. 8 f. 

3 ) Vgl. z. B. Gralj, Gefchichte der Juden III 5 , 276 ff. 311 ff. In 
Bezug auf den Taufer teilt auch M. Friedlander (der die Anfchauung von 
Gra^, der Effenismus fei nur ein Zweig des Pharifaismus in feinem 
Werke, Die religiofe Bewegung ete. S. 114168 fcharf bekampft) diefen 
Standpunkt, uberfieht aber z. B. ganz, dag der Einfiedler Banus (f. o. 
S. 427, 1) gar kein Effener war. Vgl. dagegen u. a. Lightfoot 1. c. 
p. 397 ff. Zurhellen, Johannes der Taufer und fein Verhaltnis zum Juden- 
tum, Bonn 1903 (Differt.), S. 54 ff. Innhjer, Johannes der Taufer, Wien 
1908, S. 161. 

*) Dafur Lightfoot 1. c. p. 409 und Klopper, Der Brief an die Co- 
loffer, B. 1882, S. 76 ff.; dagegen Henle 1. c. S. 59-93. 



XII. Kap. Das jQdifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 439 

welche fidi in der Kirche zu Koloffa in den Tagen des Apoftels 
Paulus geltend madite, wenngleidi zwifdien jeder Irrlehre, 
einem gnoflifch angehauditen Judaismus und dem.Effenismus 
jich einige verwandte Zuge finden. 

Wie follte audi eine judifche Sekte mit einer fo weit- 
gehenden Sabbatheiligung und einer folchen Anfchauung von 
dem Werte und der Notwendigkeit der Abwafchungen mit 
der Lehre Chrifti, der gerade wegen diefer Dinge fchon mit 
den PharifSern fo oft in Konflikt kam, etwas zu tun haben! 
Er aft und trank und wurde deshalb ein Schlemmer und 
Weintrinker genannt, 1 ) er liefj fieh falben,' 2 ) er wirkte auf 
einer Hodizeit fein erftes Wunder, kurz, er ift in Wort und 
Beifpiel das Gegenteil von einem Effener. Dag der Effenis- 
mus einige Ziige einer hoheren Moral hat, beweift nur das 
natiirliche Wachstum des dem Menfchen angebornen fittlichen 
Sinnes unter Verhaltniffen, welche diefem Wadistum giinftig 
find 3 ) Wie wenig Wert aber auf folche Analogien als Be- 
weife eines inneren Zufammenhangs zu legen ift, zeigt z. B. 
die Gutergemeinfchaft der erften Chriften, welche bei ihnen 
eine ganz freiwillige war und keineswegs das Aufgeben 
jeden Eigentums bedeutete, wie auch ihr gemeinfames Leben 
dem der Effener durchaus nicht ahnelte/) 

l ) Matth. 11, 19. Luc. 7, 34. 

a ) Luc. 7, 46. Vgl. Matth. 6, 17. 

3 ) Lightfoot 1. c. p. 415. 

*) S. Apg. 5, 4. Nach Epip*!ianlus, Haeres. 19, 1 sqq. 20, 3. 53, 1 
(vgl. auch Hippol. Haeres. 9, 13-17 und Origen. bei Euseb. H. E. 6, 38) 
hat wenigftens eine chriftliche Sekte ihren Urfprung aus den Effenern, 
namlidi die der Sampfaer, welche zur Zeit des Epiphanius an den 
Kiiften des Toten Meeres und in Moab exiftierten. Er nennt fie auch 
Offener und Elkefaiten und fagt, fie feien weder Chriften, noch Juden, 
noch Heiden. Auf die Effener kGnnen die bei den Sampfaern ubliche 
Beibehaltung der Befchneidung , des Sabbats und anderer mofaifcher 
Einrichtungen und die oftere Wiederholung der Taufe hinweifen. Vgl. 
Lightfoot 1. c. p. 88 und 374 f. Funk, Art. Elkefaiten im Kirchenlexikon 

4, 404407. W. Brandt, Elchasai ein Religionsftifter und fein Werk. 
Beitrage zur judifchen, chriftlichen und allgemeinen Religionsgefchichte. 
L. 1912, 25 ff. 43. 104 f. 118. Der Standpunkt der Elkefaiten ift im 
wefentlichen auch in den klementinifchen Homilien vertreten (Barden- 
hewer, Qefch. der altkirchl. Literatur I, 354). Ober die in le^teren fich 
findenden Analogien mit den Effenern vgl. Zeller, Zur Vorgefchichte etc. 

5. 217-223. 



440 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

Kein Zu- In der irrtumlichen Meinung, die Therapeuten feien in 

fammenhang Agypten lebende Effener gewefen, ift man auf den Gedanken 
mi ^ d 6 e ^ r n iftl -gekommen, chriitlidi gewordene Effener, die in Agypten ihre 
friihere Lebensweife fortgefetjt hatten, waren fiir die Ent- 
ftehung des agyptifchen Mondislebens von Bedeutung ge- 
wefen, und es beftande zwifchen den Efienern und den chrift- 
lichen Monchen ein Zufammenhang. 1 ) Allein es gibt nur ganz 
naturliche Analogien, wie fie fich auch z. B. bei den Buddhi- 
ften finden. Die Sehnfudit der Menfdien nach einer voll- 
kommenen Vereinigung mit Gott durch Abftreifung alles 
Irdifchen ift eben ein allgemein menfchlicher Zug, der nur 
feine reinfte Auffaffung und vollkommenfte Auspragung im 
chriftlichen Monchsleben gefunden hat. 

4. Die Therapeuten. 2 ) 

Mit den Effenern hat in afzetifcher Hinfieht eine andere 
allerdings aujgerhalb Palaftinas vorkommende Sekte, deren 
Bliite in das erfte chriftliche Jahrhundert fallt und uber deren 
Wefen uns Philo in feiner Schrift vom kontemplativen Leben 
berichtet, Ahnlichkeit. 3 ) 



x ) Wuku, Die Effener nach Jos. Flavius und das MOnchtum nach 
der Regel des heiligen Benedikt, Studien und Mitteilungen aus dem 
Benediktiner- und dem Zifterzienferorden. XL Jahrg. 1890, S. 223 -230. 
Vgl. dagegen Ermoni 1. c. p 25-27. 

2 ) Vgl. Lucius, Die Therapeuten^ und ihre Stellung in der Gefchichte 
der Afzefe. Stragb. 1879." Nirfchl, Die Therapeuten, Mainz 1890. Cony- 
beaie, Philo about the contemplative life, critically edited with a defence 
of its genuiness. Oxford 1895. P. Wendland, Die Therapeuten und die 
Schrift vom befchaulichen Leben in den Jahrbb. fur kla[f. Philologie XXII. 
Supplementbd 1896, 693 ff (auch befonders Leipz 1896). Gut orientiert 
auch Zeck, Die Therapeuten im Kirchenlexikon 11, 15991601. 

3 ) Heyl -ftl'iv &*M$>]Tixr,f, lat. de vita contemplativa. Ausg. Mangey 
II, 471486; Conybeare s. Anm. 2; Ausg. von Cohn, in Philonis Alexan- 
drini opera vol. VI, 32 50. Ober Philo s. u. Die Schrift ift nach dem 
Vorgang von Lucius (f. Anm. 2) von vielen Gelehrten als eine um das 
Jahr 300 n. Chr. verfagte chriftliche Tendenzfchrift, welche das eben erft 
entftehende MOnchtum als eine altere Inftitution darftellen follte, angefehen 
worden. An der Echtheit ift aber nach den Unterfuchungen von Masse- 
bieau (Le traite de la vie contemplative et la question des Therapeutes 
in Revue de 1'hist. des relig. XVI, 1887, 170-198, 284-319 und feparat 
Paris 1888), Conybeare 1. c. p. 258358 und Wendland 1. c. (vgl. auch 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 441 

Nach feiner Darftellung gab es in vielen Gegenden der Therapeuten 
Erde, befonders aber in alien Gauen Agyptens und am im weitem 
meiften bei Alexandrian, Leute, die ihren Befit?, ihre Ver- Smne ' 
wandten und Freunde und ihr Vaterland verliejjen und, urn 
fich der Unruhe, den Sorgen und den Verfuchungen der 
Stadte zu entziehen, die Einfamkeit auffuchten. 1 ) Er fchildert 
aber in feiner Sdirift nur eine Gemeinfchaft von judifchen 
Afzeten oder Therapeuten am mareotifchen See, im Siiden Therapeuten 
von Alexandrien, ,,zu weldier von iiberall her die beften im engem 
uberfiedeln", die fomit als Mufter aller gelten foil. Es fei Sinne - 
gleieh bemerkt, daft diefe Schilderung mit der Anfchauung 
von einer fiber die ganze Welt verbreiteten judifchen Genoffen- 
fchaft unvereinbar ift und deshalb feine allgemeinen Bemer- 
kungen nach der ubrigens gewohnlichen Auffaffung von 
Therapeuten im weiteren Sinne verftanden werden muffen, 
d. h. von Leuten, die eine afzetifeh-myftifche Denk- und Le- 
bensweife hatten wie die Therapeuten am mareotifchen See. 
Vermutlich rechnet aber Philo zu diefen Leuten nicht blofe 
jiidifche Schriftgelehrte, fondern auch griechifche Philofophen, 
wie z. B. die Platoniker und Neupythagoraer. 2 ) 

Sie heigen nach Philo Therapeuten, entweder weil ihre Der Name 
Heilkunft die Seele von ihren durch allerhand Leidenfchaften Therapeuten. 
verurfachten Krankheiten, wie z. B. Unruhe, Furcht, Traurig- 
keit u. dergl. befreit oder weil fie durch die Natur und heilige 
Gefe^e belehrt worden find, Gott als das Seiende, das beffer 



noch Brehier, Les idees philos. et religieuses de Philon d'Alexandrie. 
Paris 1908, p. 321-324) nicht mehr zu zweifeln. Sie bildete nach 
Wendland (S. 720 ff.) wahrfcheinlich die Fortfetjung des bei Bus. Praep. 
ev. VIII, 12 fich findenden Fragments fiber die Effaer und wie diefes 
einen Teil der Schrift n v^e^ 'JoudatW djioh<,yln, die wahrfcheinlich identifch 
ift mit der philonifchen Schrift 'YxH&ertxri (Unterftellungen, d. h. Anklagen 
gegen die Juden), aus welcher andere Fragmente in Euseb. Praep. 
ev. VIII, 6-7 erhalten find. Vgl. auch u. die Erorterung fiber die Schriften 
Philos. Im folgenden ift der Text von Conybeare benutjt, aber nach 
Mangeys Ausgabe, Bd. II, S. 471 sqq., dererf Seitenzahlen fowohl bei 
Gonybeare wie auch bei Richter -u. a. angegeben find, als der verbrei- 
tetften zitiert. 

') Philo in M. I, 474. 

'0 Vgl. Wendland 1. c. S. 733 f. 



442 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. jittl. ZuftSnde des jiid. Volkes. 

ift als das Gute, einfacher als das Eine und urfprfinglicher 
als die Einheit zu verehren. 1 ) 

Die Die Niederlaffung bei Alexandrien beftand aus M&nnern 

Mitgiieder, un( j Frauen, d. h. meift bejahrten Jungfrauen. 2 ) Sie wohnten 
Wohnung, m e jnf a dien,. nidi't weit voneinander entfernt liegenden Woh- 
fdiaftigung nungen. Jede derfelben enthalt ein heiliges Gemach, 8 ) in 
weldiem fie allein die Myfterien des heiligen Lebens iiben. 4 ) 
Dort hinein bringen fie weder Speife nodi Trank, fondern 
nur das Gefetj, die Propheten und Hymnen und anderes, 
wo durdi die Einficht und Gottfeligkeit vermehrt und vollendet 
wird. 5 ) Somit muft die Wohnung wenigftens noch ein zweites 
Gemaeh, in weldiem Nahrung genommen wurde, enthalten 
haben. Im Winter waren die Therapeuten mit einem wolle- 
nen, im Sommer mit einem leinenen Gewand gekleidet. 6 ) 
Zweimal am Tage, namlich morgens und abends, beteten 
fie. 7 ) Den ganzen iibrigen Tag widmeten fie fich der Afzefe 
und zwar dem Studium der Heiligen Schrift, welche fie im 
Glauben, dag der Wortlaut der Heiligen Sdirift einen ver- 
borgenen Sinn in fidi fdiliege, allegorifdi erklarten. Bei 
diefen Studien bedienten fie fich als Vorbilder der ,,Schriften 
alter Manner, welche die Stifter der Sekte waren" und viele 
Denkmale allegorifcher Erklarung hinterlaffen haben 8 .) Audi 
darin, fo fagt Philo, ahmen fie ihnen nach, daft fie in ver- 
fchiedenen Versmafcen und allerlei Melodien mit ernftem 



J ) Philo M. I, 471 sq. &e^anfveiv helfai fowohl n heilen", als audi 
,,verehren, dienen". Wendland 1. c S 735 macht darauf aufmerkfam, 
dag Philo hier den Therapeuten feinen eigenen, ab[trakten Gottesbegriff 
unterfchiebt. 

2 ) Philo M. 476, 26. 482, 3. Vgl. Wendland S. 738. 

3 ) Es heiftt ae/j.vtiov = Heiligtum und ^ovatfr/f^ov, hier ein Zimmer, 
in welchem man allein ift. 

*) M. 475, 1416. 476, 5 f. 

5 ) M. 475, 17 22: vouovs *ai Idyia &e6ni6&ivta, 3ta irgoqirjtuv, xul 

.al Ta AAa [wohl andere Schriften] ol? in 16^^ unl svUEftsm gwav- 
xai- reJiBtnvvTai. Unter den Hymnen find nach philonifdiem Sprach- 
gebrauch die Pfalmen ver[tanden. Vgl. Massebieau, p. 288. Conybeare, 
p. 312. 

6 ) M. 477, 22. 

7 ) M. 475, 25 ff. 

8 ) M. 475, 3443. 



XII. Kap. Das jfidifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 443 

Rhythmus Gefange und Hymnen auf Gott verfaffen. 1 ) Erft 
nach Sonnenuntergang verlaffen fie ihr Heiligtum und nehmen 
je# erft Speife und Trank zu fidi. 2 ) Was fie an gewohn- 
lidien Tagen nahmen, wird nidit gefagt, am fiebenten Tage 
nahmen fie aber nur Waffer, Brot und Salz, welch letjteres 
eiriige mit etwas Hyfop wurzen. 3 ) Einige nahmen nur alle 
drei Tage Nahrung, andere fogar erft nadi doppelt fo langer 
Zeit. 4 ) 

Der fiebente Tag 5 ) wurde feftlich begangen. Nachdem Feier des 
fie namlich fur die Seele geforgt, falbten fie an dem Tage 7-Tages. 
den Leib 6 ) und verfammelten fich im gemeinfamen Heiligtum, 
welches durch eine drei bis vier Ellen hohe Scheidewand in 
zwei Abteilungen, eine fur die Manner und eine fur die 
Frauen, geteilt war. 7 ) Dort fetjten fie fidi nun nach dem 
Alter 8 ) und hielt der Altefte und in den Lehren Erfahrenfte 
einen Vortrag, 9 ) wahrenddeffen die Zuhorer ihren Beifall 
nur durch Augen- und Kopfbewegungen kundtun. 10 ) 

Das grofcte Feft begingen die Therapeuten bei Alexan- Das grogte 
drien am 50. Tage, d. h. wahrfcheinlich am 50. Tage nach 
Oftern, obwohl dies nicht ausdriicklich gefagt ift, alfo am 
Pfingftfefte. 11 ) Am Vorabende, dem 49. Tage, verfammelten 



') M. 476, 1-5. 
2 ) M. 476, 38. 



3 ) M. 477, 79. Dort ift nur von der Speife am 7. Tage die Rede. 
Massebieau, p. 295 sq. meint, nur die, welche uberhaupt blog zweimal 
in der Woche agen, batten fich auf diefe jchmale Koft befchrankt. Jeden- 
falls nahmen andere wenigftens Wein. Denn es heigt M. 483, 4: n in 
jenen Tagen [des Feftes] wird kein Wein hereingebracht." ,,Probablement 
ils ne se reduisaient pas non plus au pain et au sel mele d'hysope", 
Massebieau, p. 295. So auch Conybeare 1. c. p. 246. 

4 ) M. 476, 43 ff. 

5 ) Qemeint ift allem Anfcheine nach der Sabbat, den hier (M. 476, 24. 
477, 2) Philo wie oft (vgl. Wendland, S. 741) spdow nennt. 

') M. 477, 5. 

7 ) M. 476, 8 f. 

8 ) M. 476, 24 ff. 
) M. 476, 14 f. 

10 ) M. 476, 22 f. 

11 ) Vgl. ZU M. 481, 22 nvroi TO f.ikv nyiarov d9-polovcci'- <tl enrri i()3o- 

die trefflichen Ausfuhrungen von Conybeare 1. c. p. 337 f. Vgl. 

M. 481, 25: ton dk n^usi'^ri^ fteyinTrjf; fOyTfji; r^v "evrtjxovTo? ?i/er, 

l <pvdixoiTaxos dfi&no'v etc. Wendland, p. 741 meint, wie fchon 



444 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

fich Manner und Frauen weifcgekleidet zu einem Freuden- 
mahle. Nachdem fie fich an ihre Platje geftellt batten, er- 
hoben fie in Reihen ftehend auf ein Zeiehen des Auffehers 
Augen und Hande zum Himmel und flehtenjzu Gott, es moge 
ihm das Freudenmahl wohlgefallig fein. 1 ) Dann nahmen 
fie Platj und zwar nach der Zeit des Eintritts in die Gemein- 
fdiaft, 2 ) die Manner zur Rechten, die Frauen zur Linken. 3 ) 
Die jungeren Mitglieder bedienten die andern, durften aber 
nicht wie Sklaven, da die Therapeuten die Sklaverei verab- 
fcheuten, aufgefchurzt fein. 4 ) Wein wurde nicht aufgetragen, 
fondern nur Waffer, welches fur die Schwacheren gewarmt 
wurde. Auf dem Tifche ftanden Brot und Salz, welches einige 
mit Hyfop mifchten. 5 ) Wenn nun alle fich zu Tifch gefetjt 
hatten, erklarte einer der Alteften allegorifch eine Schriftftelle 
oder beantwortete eine aufgeworfene Frage. 6 ) Am Schlufc 
klatfchten alle mit den Handen Beifall. Dann ftand einer 
auf und fang einen von ihm oder von einem alteren Dichter 
verfafeten Hymnus auf Gott, dem andere in beftimmter Ord- 
nung folgten, wahrend die ubrigen, wenn fie nicht gerade 
die Schlufeverfe mitfingen mufcten, ruhig zuhorten. 7 ) Dann 
brachten die Diener ,,den vorhin erwahnten Tifch mit der 
heiligften Speife, Brot und Salz gemifcht mit Hyfop, hinein". 
Philo erklart dies aus der Ehrfurcht vor dem heiligen Tifche 



vorher Massebieau, p. 304 ss., die Therapeuten hatten fich alle 50 Tage, 
alfo 7mal (mitunter 8mal)-im Jahre verfammelt, und bringt 741,3 einige 
Stellen zum Beweife, dag , W iir<i iptua#mv" in M. 481, 23 ,,alle50Tage" 
heige. Man kann aber doch nicht 7- oder 8mal neyisrn BOQTJ feiern. Daj^ 
die Therapeuten auch die ubrigen jiidifchen Fefte, fpeziell das Ofterfe[t 
feierten, wird nicht geleugnet. Aber das Ofterfeft wurde in ftiengerer 
Weife gefeiert und das Pfingftfeft, welches Philo" als das grogte Feft an- 
fah (vgl. de Septenario M. 2, 281 und f. Conybeare, p. 101 und 306), 
diente ihm beffer als ein anderes Feft dazu, eine Analogic und zugleich 
einen Kontraft zu den heidnifchen Banquets, die gerade vorher von ihm 
befchrieben worden find, darzuftellen. Vgl. Conybeare, p. 306 ff. 313 f. 

1 ) M. 481, 25 ff. 

2 ) M. 481, 40 f. 

3 ) M. 482, 14. 

4 ) M. 482, 24-483, 1. 
l ) M. 483, 215. 

6 ) M. 483, 16-484, 8. 

7 ) M. 484, 9-21. 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 445 

im heiligen Vorhofe, auf weldiem ungefauertes Brot und 
Salz ohne Gewurz lagen. Denn es fei geziemend, daft die 
reinfien und einfachften Speifen als befondere Belohnung 
fur ihren Dienft der beften Klaffe von Menfchen, den Prie- 
ftern, dargebracht werde. 1 ) 

Nadi dem Mahle begann ,,die heilige NachtfeierV) Es 
fangen namlich zwei Chore, ein Manner- und ein Frauen- 
Chor, jeder unter einem beftimmten Reigenfuhrer, teils zu- 
lammen, teils in Wechfelgefang Hymnen auf Gott und fuhrten 
dabei, zuerft getrennt, dann in einen Chor vereinigt, feier- 
lidie Tanze auf. Philo meint, dies fei zur Nadiahmung der 
Gefange und Tanze nach dem Durchgang durdi das Rote 
Meer 3 ) gefchehen. Erft am Morgen fand die Feier ihr Ende. 
Beim Sonnenaufgang erhoben alle die Hande zum Himmel 
und beteten um einen gliicklichen Tag, um Wahrheit und 
Scharfe des Geiftes. Dann ging jeder in fein Heiligtum 
zurfick. 

Was nun das Urteil fiber die Therapeuten angeht, fo sie waren 
hat Eufebius, 4 ) dem fich die fpateren Sdirift[teller bis zum keine chrift- 
16. Jahrhundert anfchloHen, 5 ) die Vermutung ausgefprochen, lichen 
die Therapeuten feien chriftliche Afzeten gewefen, deren Auf- A f zeten - 
enthalt gerade in Agypten fich durch die Predigt des heiligen 
Markus dafelbft erklare. 6 ) Man hat fie auch mit noch ge- 
ringerer Wahrfcheinliehkeit fur der Hauptfache nach ehemalige 
zum Ghriftentum bekehrte judifche Priefter, welche fich aus 
Furcht vor den Nachftellungen des Hohen Rates von Jeru- 
falem naeh Alexandrien gefluchtet hatten, anfehen wollen. 7 ) 



x ) M. 484, 22-33. 

a ) ncm> x k. M. 484, 33-485, 40. 

3 ) Exod. 15, 1. 10. 

*) Euseb H. E. 2, 16. 17. 

5 ) Vgl. befonders Gonybeare, p. 318-320. 

6 ) 1ft De vita contemplativa, wie Conybeare, p. 276. 290 meint, eine 
altere Schrift des Philo und etwa um 22 oder 23 p. Chr. entftanden, [o 
kann felbftver[tandlich von einer Kenntnis des Chriftentums in Alexan- 
drien um diefe Zeit keine Rede fein. 

7 ) Nirfdil, die Therapeuten, Mainz 1890 hat die Hypothefe des Eufe- 
bius zwar wieder aufgefrifcht, aber durch feine Erklarung ficher nidit ver- 
beffert. Er fagt z. B. alien Ernftes, die angefehenften Mitglieder hatten 
nicht einmal von weitem aus ihrer Zelle hinausgefdiaut, um nicht von 



446 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Allein wenn audi die Wertfdiatjung der Jungfraulidikeit und 
des afzetifdien Lebens an fich auf Chriften hinweifen konnte 
und auch die Beibehaltung einzelner judifcher Gebrauche und 
Sitten bei Chriften, die aus dem Judentum hervorgegangen 
waren, erklarlich ware, fo liegt dodi kein Grund vor, das 
Zeugnis des Verfaffers, welcher den Verein als einen judifchen 
bezeiehnet, zu bezweifeln. 1 ) Eine Anfpielung auf die chrift- 
lidien Agapen lafjt fich in dem Genufc von Waffer und Brpt 
und Salz vermifcht mit Hyfop fdilechterdings nicht erkennen, 
wie audi das ganze Werk vom befdiaulidien Leben keine 
fpeziell diriftlichen Vorftellungen enthalt. Markus ift fruheftens 
in den vierziger Jahren nadi Alexandrien gekommen und 
das Leben des Philo fiel zu friih, als dag er mit den dirift- 
lichen Ideen hatte bekannt werden follen. 

Sie waren F ur den \ e W gewohnlich 2 ) anerkannten judifdien Cha- 

Juden. rakter der Therapeuten fpricht, dajg fie die jJidifchen Schriften 
ftudieren, den Sabbat und die judifdien Fefte feiern u. dergl. 
Auffallend ift allerdings bei einem judifdien Verein die Hoch- 
fchatjung der Jungfraulidikeit. Allein diefe findet fich auch 
fonft bei Philo, der uns allein das Leben der Therapeuten 
fdiildert, bezeugt. 2 ) 

Haben mit Mit den Effenern haben fie, abgefehen von der afzetifchen 
den Effenern Richtung und einigen andern Ahnlichkeiten, nidits zu tun. 4 ) 

nidits zu tun. 

den alexandrinifchen Juden als ehemalige judifche Priefter erkannt zu 
werden (S. 49). Sie hatten fich auch von Philo ferngehalten und inn nur 
fo weit in ihr Religionswefen eingeweiht, dag er die Vorftellung erhielt, 
es handle fich um eine kontemplative jQdifche Sekte (S. 53 f.). Sie hatten, 
um ihren Charakter als eine chriftliche Gemeinde zu verbergen, ihren 
Urfprung auf alte Manner zuruckgefuhrt, daruber aber dem Philo keinen 
weiteren Auffchlufc gegeben (S. 56). 
') Vgl. auch Wendland, S. 756 ff. 

2 ) Nach dem Vorgang der Magdeburger Centuriatoren. Vgl. Cony- 
beare, p. 320 ff. Lucius vertritt in feinem Werke Die Therapeuten 1879 

die Theorie, De vita contemplativa fei eine Tendenzfchrift, eine etwa zu 
Ende des 3. Jahrhunderts unter dem Namen Philos zugunften der dirift- 
lichen Afzefe verfagte Apologie (Lucius S. 198). Vgl. dagegen u. a. 
Conybeare p. .326 ff. Sie darf nach den Darlegungen von Massebieau, 
Conybeare und Wendland als faft ganz uberwunden angefehen werden. 
Vgl. auch Bouffet, Die Religion etc. S. 443, 1. 

3 ) Vgl. Gonybeare 302 ff. 317. Wendland 743 ff. 

*) G. Fayot, Etude sur les Therapeutes et le traite de la vie con- 



XII. Kap. Das judifche Parteiwefen in neuteftamentlicher Zeit. 447 

Ihre Organifation, ihre Stellung zur Arbeit u. a. ift ganz ver- 
fchieden. 1 ) 

Neuerdings ift die Anficht geaufcert worden, 2 ) fie feien Sind keine 
aus den Kreifen der judifchen Schriftgelehrten hervorgegangen, ideaiifierte 
deren Anfchauungen und Gebrauche Philo faft unbewujjt nadi jfldif*e 
den treibenden Gedanken und Motiven feiner eigenen Lebens- " *" 
anfchauung idealifiert habe. Er habe ein Gegenftuck zu einer gee T en ' 
Sdiilderung des Stoikers Chairemon liefern wollen, 8 ) weldier 
in idealifierter Weife das Leben der oberften Klaffen der 
heidnifchen agyptifchen Priefter befchrieben habe. 4 ) Der Name 
Therapeuten fei in heidnifchen Infchriften befonders von fol- 
chen gebraucht, weldie fidi der Verehrung agyptifcher Gott- 
heiten widmeten, und dtirfte fidi der von Philo gefchilderte 
judifdie Verein nach Analogic foldier Kultvereine genannt 
haben. 5 ) Aber trotj diefer feinen Beobaditungen geht's nicht 
an, die Therapeuten als idealifierte judifche Sdiriftgelehrten 
anzufehen. Denn Philo hat fie allerdings als einen judifchen 6 ) Sie waren ein 
Verein, 7 ) aber als einen Verein von Philofophen 8 ) aufgefafet judifdier 
und dargeftellt, und betont zu Eingang feiner Schrift befon- Verein von 
ders ihre hiftorifche Wahrheit. 9 ) Philofophen. 

Dajj die Therapeuten den philonifchen Gottesbegriff, die 

templative, Geneve 1889 fdbreibt das Werk einem im 2. Jhrdt. n. Chr. 
lebenden zum Chriftentum bekehrten alexandrinijchen Juden zu. Es fei 
eine n fiction imitee de la societe essenienne et con9ue d'apres un ideal 
de 1'auteur" (p. 114). Friedlander, Zur Entftehungsgefdiidite des Chriften- 
tums, Wien 1894, S. 59 ff. halt die Therapeuten fur Effener der Diafpora 
und den Verfaffer der Vita contemplativa fur einen alexandrinifdien Juden 
aus dem Zeitalter Philos. 

1 ) Vgl. u. a. Lucius, Die Therapeuten S. 35 ff. 

2 ) Wendland S. 748 ff. 

3 ) Wendland S. 754 ff. 

*) Bei Porphyrius; De abstinentia IV, 6. 7. 
6 ) Wendland S. 735. 

6 ) Vgl. M. 481, 11 oi MoifaEM yvo>eipot. SchQler Mofis; M. 483, 11 
von der allegorifdien Exegefe der Gefetje. Vgl. Wendland S. 744 ff. 

7 ) Derartige Korporationen, welche fich <sta6oi, 6rwSoi oder collegia 
nannten, waren in Alexandrien und im ganzen rOmifdien Reiche verbreitet. 
Vgl. z. B. Massebieau 298 Conybeare 297 ff. 

8 ) Sogar in den Traumen befchaftigten fich die Therapeuten mit n den 
Lehren ihrer heiligen Philofophie". M. 475, 25. Vgl. auch z. B. t 

in 474, 2. 475, 36. 476, 39. 
8 ) M. 471, 5 ff. 



448 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. jittl. Zuftande des jud. Volkes. 

philonifche Geringfchatjung des Sinnlidien haben, daft fie aus 
Furcht vor der anfteckenden Kraft des Bofen die Einfamkeit 
auffuchen u. dergl., 3 ) erklart fidi vielmehr entweder daraus, 
daft die Anfchauungen Philos und der Therapeuten eine ge.- 
meinfame Quelle in der alexandrinifchen jiidifchen Spekulation 
haben, a ) Oder daraus, daft der Verein fich eben unter dem 
Einfluft der philonifchen Lehre gebildet hat und Philo felbft 
demfelben zeitweilig angehorte. Das erftere erfcheint wahr- 
fcheinlicher, allein audi das letjtere ift nicht von vornherein 
abzuweifen. Denn wenn auch Philo in dem Traktate von 
den Schriften alter Manner fpricht, welche Stifter der Sekte 
waren und zahlreiche Denkmale allegorifcher Schrifterklarung 
hinterlaffen haben, deren man fich als Vorbilder bediene, 3 ) 
fo gebraucht er doch, wie fchon zu Anfang gefagt wurde, 
das Wort Therapeuten in einem. weitern und in einem 
engern Sinne. In erfterem find alle Vertreter der am 
mareoritifchen See gepflegten afzetifch-myftifchen Lebensweife 
die Vorvater der dortigen Therapeuten und die hervorragend- 
ften unter ihnen die Stifter. Wenn man aber einen Einfluft 
des Philo auf die Therapeuten und feine Verbindung mit 
diefen annimmt, fo braucht man fich nicht daran zu ftojsen, 
daft er in feiner Vaterftadt Alexandrien Amter und Wtirden 
bekleidet und lange dem Studium griechifcher Philofophen 
und Schriftfteller obgelegen hat. Denn bei der geringen 
Kenntnis, welche wir von feinem Leben befitjen, bleibt die 
Moglichkeit offen, dag er jahrelang ein derartiges zuriick- 
gezogenes Leben wie die Therapeuten gefiihrt hat. 



') Vgl. Conybeare p. 40-42. 51 ff. 260 ff. Wendland S. 735 f. 747. 
Massebieau p. 316 fagt: Le traite de la vie contemplative s'explique done 
a. peu pres d'un bout a 1'autre par les oeuvres de Philon, surtout par 
1' Explication de la loi, mais en partie aussi par le Commentaire alle- 
: gorique. Im letjteren wolle aber Philo, dag man fich erft nach vorher- 
g-egangenem tatigem Leben, wenn man 50 Jahre alt geworden, der vita 
contemplativa widme. (De profugis c. 6. Vgl. auch die bei Conybeare 
p. 269 ff. aus De Profugis angefuhrten Stellen und ibid. p. 275 f.) 

2 ) Dafiir fpricht fich u. a. Massebieau p. 290 f. 305 f. aus, welcher 
die Entftehung der Therapeuten auf die groge Miffionstatigkeit der Juden 
unter den Ptolemaern, womit der Name des Ariftobulus verbunden ift, 
2uruckfuhrt. 

3 ) M. 475, 40 ff. 



XIII. Kap. Das hSusliche und foziale Leben der Juden. 449 

XII!. Kapitel. 

Das hausliche und foziale Leben der Juden. 

Von dem Orientalen ift bekannt, dafc er {ehr am Alt- 
hergebraditen hangt und infolge der hoheren und mehr 
gleichmafcigen Temperatur und der mei[t fflr weite Strecken 
gleidien Bodenbefdiaffenheit zur Veranderung feiner augern 
Lebensweife wenig Veranlaffung hat. Deshalb haben die 
Beobaditungen des jetjigen Lebens im Morgenlande, fpeziell 
in Syrien und Palaftina, felbft fur die neuteftamentlidie Zeit 
nodi einen gro&en Wert. Man darf aber doch bei deren 
Einfcha^ung nidit vergeffen, daft der Islam und die Araber 
den von ihnen beherrfchten Volkern ihren Charakter aufge- 
drfidct haben, dafj in der damaligen Zeit das Volk in Pala- 
ftina uberhaupt auf einer hoheren Stufe der Kultur ftand, als 
dies im allgemeinen jetjt der Fall ift, und daft die griechifdien 
und romifchen Einfluffe wenigftens in den Stadten, die an der 
Kufte oder an grofceren Verkehrsftragen in der Nahe helle- 
niftifcher Orte lagen, mit in Rechnung gezogen werden muffen. 

1. Die Wohnung. 1 ) 

Der Unterfdiied zwifchen einer modernen Wohnung und Modeme und 
einer antiken, wie fie auch heutzutage noch im Oriente antikeWoh- 
fidi oft findet, befteht nadi einer fcharffinnigen Ausfuhrung 
Niffens befonders darin, daJ5 die Alten kein Glas hatten und 
deshalb gezwungen waren, Luft und Licht durdi die Haus- 
tiir oder durch eine Lichtoffnung im Dache und durdi andere 
Maueroffnungen in das Haus eindringen zu laffen. Aller- 
dings ift das anders geworden in der erften Kaiferzeit. Denn 



J ) Vgl. Schegg, Biblifche Ardiaologie. Freib. 1887, S. 21-62. Ben- 
zinger, Hebraifche Archaologie, Freib. u. Leipz. 1894, S. 111133. Warren, 
art. House in Hastings Diet. II, 432. A. Rofenzweig, Das Wohnhaus in 
der MiSnah. B. 1907. J. Krengel, Das Hausgerat in der MiSnah. Frank- 
furt a. M. 1899. Samuel Krauss, Talmudifdhe Archaologie, Band 1, L. 1910 
iiandelt ausfflhrlidi fiber Wohnung und Hausgerat S.I -77 u. 268-416. 
Karl Jagers, Das Bauernhaus in Palaftina mit Ruckficht auf das biblifehe 
Wohnhaus unterfudit und dargeftellt. OOtt. 1912. 

Felten, Neuteftamentlidie Zcitgefdiidite. I 2. u. 3. Aufl. 29 



450 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

1m erften Jahrhundert hat es in Italien Glasfabriken gegeben 
und haben fich die Romer wenigftens bei Prachtbauten und 
in befchranktem Mage auch bei Wohnhaufern des Fenfter- 
glafes bedient. Vorher war man zum Verfchliefcen der Fenfter 
auf Laden Oder Gitter oder auf Fenfterglimmer, der Licht 
einlafct, aber die Sonnenftrahlen abhalt, angewiefen, 1 ) 

Die Wohnung Im Heiligen Lande erforderte das Klima eine Wohnung, 
abhangig i n weldier man einerfeits vor dem Regen, anderfeits vor den 
vom Khma heifcen Sonnenftrahlen gefcnutjt war. Letjtere werden am 
^ r ~ einfachften durch kuhle, kellerartige Raume abgehalten, wah- 

Baumaterial rend man gegen den Rege-n fchon in einer recht einfachen, 
luftigen Wohnung Schutj fand und fidi damit um fo eher 
begnugen konnte, weil faft das ganze Jahr hindurch ein 
Aufenthalt im Freien moglieh war. 

Wie vom Klima, fo v hangt die Wohnung naturgemafc 
uberall vom Baumaterial ab. Palaftina war aber an Bau- 
holz, befonders an Langholz ftets arm, dadurch war man 
gezwungen, Lehmziegel und. in gebirgigen Gegenden, wo 
leidit Kajk[tein gebrochen werden konnte, diefen zu ver- 
wenden. 

Die Haufer Von diefem Gefichtspunkte aus lafjt fidi annehmen, dafe 

der Armeren. die Haufer der Armeren damals wie heute in Palaftina meift 
viereckige, einftodcige, aus gebrannten oder an der Sonne 
getrockneten Lehmziegeln gebaute Hutten gewefen find, 
welche mit einem flaclien Dach von Baumftammen, Zweigett 
und Aften verfehen waren, woruber eine, etwa einen Fug didte, 
feftgeftampfte Erdfchicht lag. Heutzutage enthalten fie nur 
einen Raum, worin der fur die Familie beftimmte Teil zwei 
oder mehr Fujj hoher als der andere fur dias Hausvieh be- 
ftimmte Teil liegt. Fenfter fehlen entweder ganz oder be- 
ftehen nur aus Offnungen in der Mauer. Das Lieht kommt 
durch die Tur, welche zugleich auch Kamin ift. 



l ) S. Marquardt, Das Privatleben der R6mer, 2. Aufl. L. 1886 t 
S. 215 ff. und S. 757 f. Ober Fenfterglimmer, lat. lapis specularis (Plin. 
N. H. 36, 160 ff. u. 6.), griedi. TO <J<a<fve? (vgl. Philo Leg. ad Cajum 
45 fiber Alexandrien) vgl. Marquardt 1. c. p. 757. Die Angaben der 
fpateren talmudifdien Literatur fiber Glaswaren Jtellt Herzfeld, Handels- 
gefdiichte der Juden des Altertums, 2. Ausg. Braunfdiweig 1894, S. 125 f, 
zufammen. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 451 

Im habataifchen Petra und im Hauran hat es auch damals 
zum Teil grofeartige aus vielen Gemachern beftehende Hohlen- 
wohnungen gegeben, wie aus den Reifebefchreibungen ef- 
fiditlich ift. Jedenfalls find aber von den Ifraeliten die vielen 
Hohlen in den Kalkfteinfelfen Palaftinas damals nur voruber- 
gehend, wie z. B. bei der Uberfulle der Herberge in Beth- 
lehem 1 ) oder in Kriegszeiten, 2 ) benutjt worden. Den RSubern 
boten fie aber einen gelegenen Zufluchtsort. 3 ) Audi von 
Zeltwohnungen kann fur diefe Zeit keine Rede fein, weil 
die Ifraeliten fchon lange keine Nomaden mehr waren. 

Die Haufer der wohlhabenden Leute find jetjt vielfadi Haufer der 
fchwere Gewolbebauten, d h. fie beftehen aus mit dicken Vor ~ 
Mauern verfehenen RSumen, deren Dadigewolbe auf grofeen nenmeren - 
maffiven Pfeilern ruhen. Diefe erfordern ein gutes Fundament, 
weil fonft der ftarke Winterregen dasfelbe unterfpult, die 
Erde lockert oder fortfchwemmt und das Gebaude felbft zum 
Wanken bringt. 4 ) 

In neuteftamentlidier Zeit find die grofceren Haufer der 
Vornehmen wohl gewohnlidi mehrftodcig 5 ) gewefen. Es lajjt 
fich annehmen, dag fie regelmafcig aus vier Flflgeln beftan- 
den, welche einen Hof umfchloffen, 6 ) in deffen Mitte fidi ein 
Brunnen oder Wafferbehalter befand. 7 ) In folche HSufer kam 
man von der Strafee her zunadift durdi einen Vorhof oder 
eine Vorhalle, 8 ) in weldier fieh ofter ein Turhuter oder eine 
Turhuterin aufhielt. 9 ) Aus diefem Raum fuhrte eine Tur 
zum Aufgang zu den oberen Stockwerken und das Dach, 
eine andere Tflr in den erwahnten Hofraum. Erft von 
diefem aus gelangte man in die unteren Gemacher. 10 ) Wie 



') Luc. 2, 7. 

8 ) Vgl 1 Mace. 2, 31. 2 Mace. 6, 11. 

3 ) Jos. B. J. 1, 16, 4. 

*) Matth. 7, 24 ff. Vgl. Benzinger S. 116. 

') Apg. 20, 9. 

6 ) Nehem. 8, 16. Matth. 26, 69. 

7 ) Jos. Ant. 12, 4, 11. 

8 ) neoavhov bei Marc. 14, 68; nvliiv Luc. 16, 20. Apg. 10, 17. Ob 
I; bei Joh. 18, 15 der Haushof oder das Haus felbft bezeidinet, ift 

zweifelhaft. 

9 ) Joh. 18, 16. Apg. 12, 13. Jos. Ant. 17, 5, 2. 
10 ) Winer BRW Art. Haus I, 467. 

29* 



Heizung. 



Tafelung. 



Mangel an 
Fenftern. 



Tiiren. 



452 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jQd. Volkes. 

nodi jefct im Oriente werden die hintern Zimmer oder der 
obere Stock den weiblidien Infaffen des Haufes zugewiefen 
gewefen fein. Hier waren audi die Sdilafzimmer, 1 ) wahrend 
in den vorderen Raumen die GSfte bewirtet wurden. 2 ) Arme 
fdhliefen entweder in dem einen gewohnlidien Raume oder 
dodi in einem Zimmer zufammen. 3 ) 

Im Winter konnten die Zimmer durdi ein Kohlenbecken 
mit glfihenden Kohlen oder trodcenen brennenden Sdieiten 
erwarmt werden. 4 ) 

Die Wande der Zimmer waren innen oft mit Mdrtel, 5 ) 
in vornehmen Haufern mit einem farbigen Anwurf beworfen 
und die Zimmerdecke oft getafelt. 6 ) 

Wenn audi, wie z. B. aus den Ausgrabungen von Pom- 
peji bekannt ift und fdion oben erwahnt wurde, 7 ) Glas im 
erften diriftlidien Jahrhundert bekannt und auch bei den 
Wohnhaufern reidier Leute in Italien und anderswo ver- 
wendet worden fein mag, fo begniigte man fidi fidier in 
Paiaftina gewohnlidi mit blofeen Offnungen, weldie mit Git- 
tern 8 ) oder Laden verfehen waren. Heutzutage liegen im 
Orient die Fenfter in der Regel nach dem innern Hof. Allein 
fdion nadi dem Alten Teftamente kamen audi Ausnahmen 
hiervon vor, 9 ) wahrend das Neue Teftament, wenn audi nidit 
in Paiaftina, die Exiftenz grofeer, faft bis auf den Fugboden 
reidiender Fenfter vorausfe^t. 10 ) 

An Privathaufern offneten fidi, wie es fdion wegen der 
Enge der Strafce notig war, die Tfiren gerade wie bei uns 
nadi innen. Tagsuber waren fie gefdiloffen, aber nidit ver- 
fdiloffen. Man meldete fidi durdi einen eifernen, Klopfer 11 ) 
oder durdi Rufen 1 *) an. Wollte man die Tflr verfdiliegen, 



s ) 
s ) 
*) 
8 ) 
) 
7 ) 
8 ) 
9 ) 
10 ) 



ll 



Jos. Ant. 12, 4, U. 

Luc. 22, 12. Apg. 1, 13. 9, 37. 39. 20, 8 f. 

Luc. 11, 7. 

Sdion Jerem. 36, 22 f. Vgl. Schegg. 1. c. S. 39. 

Vgl. Ezech. 13, 10-15. 

Jerem. 22, 14. 

S. o. S. 449 f. 

Vgl. Cant. 2, 9. 'Prov. 7, 6. 

4 KOn. 9, 30 f. Prov 7, 6 f. 

Apg 20, 9. Vgl. 2 Kor. 11, 33. 

Luc. 12, 36 13, 25. Apg. 12, 13. Vgl. Matth. 7, 7. Apoc. 3, 20. 

Apg. 12, 14. Apoc. 3, 20. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 453 

fo fchob man von innen den Riegel vor. 1 ) Um eine Tur 
z. B. bei Gefangniffen, Vorratskammern u. dergl. von auften 
fperren oder offnen zu konnen, bediente man fich Riegel, 
welche von aufcen mit einem Sdiluffel zuruckgefdioben werden 
konnten. 2 ) 

Schon im alien Agypten hat man Tfirfiberfdiriften ge- Tur- 
kannt. 3 ) Daran erinnert die Vorfchrift des Gefefces:*) Du uberfchriften. 
follft diefe Worte 5 ) auf die Pfoften deines Haufes und an 
die Tore fchreiben. Die Rabbiner und vielleicht fchon vor 
ihnen die Schriftgelehrten haben dies wortlich aufgefafjt und 
hefteten, wie es nodi jei?t bei den Juden^Gebraudi ift, ein 
Holzkaftchen mit einem Pergamentblatt, worin die betreffen- 
den Bibelabfchnitte 6 ) aufgefchrieben waren, an den oberen 
Teil der rediteri Turpfofte. 7 ) Allgemein war aber fidier der 
Gebrauch in der .neuteftamentlichen Zeit nidit. 

Die Dadier waren flach, aber mit einer geringen Neigung, Das Da*, 
fo daft das Regenwaffer abfliefcen konnte und, wie das Ge- 
fetj vorfdirieb, 8 ) mit einem Gelander verfehen, welches aber 
nidit notwendig hinderte, dafe man von einem Da die auf 
das andere und fo eine ganze Strafte entlang gehen konnte. 9 ) 
Die engen Strafcen der Stadte und damit der Mangel an 
frifcher Luft und freier Ausficht brachten es mit fich, dag man 
fich in Palaftina viel auf dem Dache aufhielt und audi fdilief, 
zumal man leicht durdi Zelte, Matten u. dergl. eine Art 

) Luc. 11, 7. Vgl. Eccli. 22, 33. Cant. 5, 6. 

2 ) Vgl. z. B. Matth. 16, 19. 

3 ) Vgl. z. B. Wilkinson, Manners and customs of the ancient Egyp- 
tians, L 1842, IP, 102. 123. 

*) Deut. 6, 9. 
) Deut. 6, 4-5. 

6 ) Deut. 6, 49 und 11, 13-21. 

7 ) Die Rolle heigt nr,;^. Vgl. Levy, Worterb. Ill, 63. ttber die 
je^ige Sitte vgl. Mayer, Das Judentum in feinen Qebeten^Qebrauchen, 
Gefe^en und Zeremonien, Regensb, 1843, S. 443 446. Rosenau, Jewish 
ceremonial institutions and customs. Baltimore 1903, p. 107 ff. 

8 ) Deut. 22, 8. 

9 ) Matth. 24, 17. Marc. 13, 15. Luc. 17, 31. Jos. Ant. 13, 5, 3. 
In Chester in England hat man in einigen Strafeen im erften Stockwerk 
der Haufer an Stelle der nach der Strage gewandten Zimmer fortlaufende 
Qalerien oder Arkaden. Diefelben enthalten eine Reihe von Laden, zu 
denen man an den Strafeenecken auf Treppen hinauffteigt. 



454 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuflande des jfld. Volkes. 

Gemach dort herftellen konnte, in dem man ungefehen ver- 
weilte. Auf dem Dache betete Petrus. 1 ) Vom Dache redete 
man bisweilen zum Volke. 2 ) Auf das Dach konnte man zu- 
mal bei einftockigen Haufern auf einer unter freiem Himmel 
in einer Ecke des Hofes oder fonft im Freien vor dem Haufe 
angebrachten Treppe oder auf einer Leiter hinauffteigen. 3 ) 
Ift es doch aus der Zeit Jefu bekannt, dafc einige Manner 
einen Gichtbruchigen hinauftrugen und ihn auf feinem ,,Bett" 
,,durch die Ziegel hinunter" liefcen mitten vor Jefus. 4 ) Die 
Ziegel diirften in diefem Falle auf der fiber das Dach ge- 
legten Erdfchicht 5 ) zum Schu^e gegen den Regen gelegen 
haben. 6 ) 

Das Das audi im Neuen Teftamente erwahnte Obergemach 

Obergemach. war nicht auf dem Dach, fondern war der fiber das ganze 
Haus hingehende Seller oder Saal eines zweiftockigen 
Haufes. 7 ) 

Zimmer- Die Zimmereinrichtung war damals auch in vornehmen 

einnchtung. romifchen Haufern eine einfache und beftand vorzuglich aus 
Sophas und Betten, Tifchen, Banken, Stuhlen, Schranken und 
Kaften. 8 ) In Palaftina gehorte in der alteren Zeit zur Aus- 
ftattung eines Zimmers ffir einen Gaft in einem vornehmen 
Haufe Ruhebett, Tifch, Stuhl und Lampe. 9 ) Wahrend die 
Armeren meift in ihrem Mantel auf einem Teppich oder auf 
blower Erde oder in einem Feldbette, einer Pritfche, die man 
wie einen Klappftuhl zufammenlegen konnte, fchliefen, 10 ) be- 



!) Apg. 10, 9. 

2 ) B. J. 2, 21, 5. Vgl. Matth. 10, 27. 

3 ) Sdiegg S. 31 f. 42. Warren S. 432 
*) Luc. 5, 19. Vgl. Marc. 2, 4. 

8 ) S. o. 450. 

6 ) Vgl. Schegg S. 42. 

7 ) Apg. 1, 13. 9, 37. 39. 20, 8. Jos. .Vita 30. 

8 ) Vgl. Marquardt 1. c. S. 723 ff. 

9 ) Vgl. 4 Kon. 4, 10. 

l6 ) Das Beit der Armeren hieg !()a'y9/9aro?, grabatus, vgl. Marc. 2, 4. 
9. 11. Joh. 5, 8. Apg. 5, 15. 9, 33. ,,Das Belt" worauf der Gicht- 
briichige lag, heifct Matth. 9, 2. 6. Luc. 5, 18 *Uvn (xJUWdW Luc. 5, 19. 24), 
welcher Ausdruck aber auch Marc. 4, 21. 7, 4. Luc. 8, 16 fQr den lectus 
triclinaris, auf welchen man zu Tifche lag (vgl. fiber die Einriditung 
z. B. Marquardt 1. c. S. 302), gebraucht wird. Im Unterfdiied vom Bett 
des Armen fteht Apg. 5, 15 xhvdfjtov fur das des Reidien. Die Mifchna 



XIII.. Kap. Das hausliohe und foziale Leben der Juden. 455 

dienten fidi die Vornehmeren zum Ruhen wie zum Sehlafen 
verfchiedener Arten von Betten und Ruhebetten. Es waren 
dies gewohnlich mil Fuften verfehene holzerne Geftelle, weldie 
mit Gurten befpannt waren. Hierauf wurden Polfter, Decken 
oder Teppiche, Tucher und Kiffen, wie fie befonders von 
Agypten oder Damaskus geliefert wurden, gelegt. 1 ) Der 
Stuhl wird in den Biidiern der Konige wohl erwahnt, 2 ) weil 
die Ifraeliten in der alteren Zeit wie die Agypter zu Tifche 
fafeen. 3 ) Die Lampe, eine Ollampe mit Docht, hing in der 
Mitte des Zimmers und brannte in der alteften Zeit, gerade 
wie heute bei den Fellachen in Palaftina, fortwahrend, und 
wie diefe mit den Worten ,,er fchlaft im Finftern" fagen 
wollen, daft jemand nidit einmal mehr Geld hat, um 01 zu 
kaufen, fo hiefe es damals von jemand, der zugrunde ge- 
gangen war, ,,feine Lampe ift erlofchen."*) Zu diefen not- Haus- 
wendigen Einrichtungsgegenftanden kamen dann Kochge- einrichtung. 
fchirre, Schlauche und Kriige zum Aufbewahren von Fluffig- 
keiten, Korbe, Schalen, Sdiiiffeln und Becher zum Effen und 
Trinken, ein holzerner Laden oder Kaften zum Aufbewahren 
der Kleider 3 ) u. dergl. 

Die Strafcen in den Stadten waren im allgemeinen eng, 6 ) Die stragen. 
wie fie es iibrigens im Morgenlande, wo man Schutj gegen 
die Sonne fucht, noeh immer find. Schon Jeremias fpridit 7 ) 
von einer Backerftrafce, woraus man wohl fchliefjen darf, 



Kethuboth 5, 8 erwahnt fur armere IJraeliten als gebrauchlich ein Bett> 
eine Decke und ein Unterbett. 

J ) Vgl. z. B. Amos 3, 12. Sprichw. 7, 16. 

? ) 4 Kon. 4, 10. 

3 ) S. u. S. 461 f. 

4 ) Vgl. Jerem. 25, 10. Sprichw. 13, 9. 20, 20 etc. Ober die Form 
der Lampen vgl. Porter, art. Lamp in Hastings Diet. Ill, 23 i. H. Hansler, 
Die Lampe, ihre Bedeutung und Entwicklung in Palaftina. Das Heil. Land 
(57) Koln 1913, 219-224. 1914, 13-22. 79-87. 167-175. Vgl. aucn 
Fonck, Die Parabeln des Herrn. Innsbr. 1902, S. 476 f. 509 und Krauss 
1, 68 ff. 201 ff. In fpaterer Zeit brannte man die Lampen nur in der 
Dunkelheit. S. Schabb. 2, 5 und 7 u. 6. Die Wirkung der Ollampe 
wurde vermehrt, wenn man fie auf einen hohen Leuchter fetjte. Vgl. 
Matth. 5, 15. Lee. 11, 33 

5 ) Vgl. Marquardt S. 727. 

6 ) Ant. 20, 5, 3. B. J. 2, 14, 9. 2, 15, 5. 6, 8, 5. 

7 ) Jerem. 37, 21 (hebr. Text). 



456 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

dajj die heutigen Bazarftrafcen, d. h. Strafcen, in weldien be- 
ftimmte Gewerbe betrieben werden, uralt find. Zur Zeit des 
Herodes Agrippa II. i[t Jerufalem mil weijjem Marmor ge- 
pflaftert worden. J ) Vermutlich war aber die Hauptftadt des 
heiligen Landes audi vorher fchon, wenn auch weniger koft- 
bar, gepflaftert. Denn wir lefen, dafc fchon Herodes I. die 
Hauptftrafje von Antiochien mit geglattetem Stein hatte 
pflaftern laffen. 2 ) 

2. Die Nahrung. 

Das Brot. Unter alien Nahrungsmitteln war das Brot das vorzug- 

lidi[te, fo daft in der Heiligen Schrift 3 ) Brot oft fur Nahrung 
uberhaupt dafteht. Man hatte befleres Brot aus Weizen und 
geringeres aus Gerfte. 4 ) Alle Tage wurde frifches Brot ge- 
backen 5 ) und das Mehl dazu von der Hausfrau oder von 
Sklavinnen gemahlen. 6 ) Man bediente fich dazu der audi bei 
den Grieciien und Romern gebrauchten Handmuhle, 7 ) weldie 
noch heute vielfach im Orient im Gebrauch ift. Diefelbe be- 
fteht aus zwei runden Steinen, einem feftliegenden untern 
Stein und einem obern, dem Laufer, welcher eine triehter- 
f ormige Offnung fur die Korner hat und durch einen Griff 



1 ) Ant. 20, 9, 1. 

2 ) Ant. 16, 5, 3. B. J. 1, 21, 11. 

*) Qen. 18, 5. Prov. 30, 8. Jer. 41, I. Welsh. 16, 20. Matth. 15, 22. 
Vgl. auch Ecker, Art. Brotbacken im Freib. K. L. 2, 1316 f. Macalister, 
art. Bread in Hastings I, 315 319. Ober ,,Nahrung und ihre Zube- 
reitung" in der talmud. Zeit vgl. Sam. Krauss, Talmudifche Archaologie 

I, 78-126. 417-516. 

*) Gen. 30, 14. Joh. 6, 9. 13. 

3 ) Matth. 13, 33. Luc. 13, 20 i. Deshalb durfte nach Deut. 24, 6 
die Handmuhle nidit gepfandet werden. Am Sabbate war nadh M. Schabb. 
7, 2 Mehl zu mahlen verboten. 

a ) Vgl. Exod. 11, 5. Isai. 47, 2. Matth. 24, 41. Plinius N. H. 18, 

II, 28 n. 107 fagt: ipsi panem faciebant Quirites, mulierumque id 
opus maxirhe erat, sicut etiam nunc in pluribus 'gentium. M. Ke- 
thuboth 5, 5 heigt es, eine Frau muffe ikrem Manne das Mehl mahlen, 
badcen, wafchen, kochen, ihr Kind faugen, ihm das Bett madien und 
in Wolle arbeiten. Hat fie eine Magd, fo darf fie nicht mehr mahlen, 
backen und wafchen. 

7 ) Vgl. aber die im Altertum gebrauchten Muhlen auch Marquardt 
1. c. S. 421 ff. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 457 

oder eine Kurbel um einen Zapfen gedreht wird. 1 ) Das 
Mehl fiel am Rande des unteren Steines herab und wurde 
in ein Tueh ge[ammelt. Man kannte aber auch in Palaftina 
grofeere, meift von Efeln gedrehte Mfihlen. 2 ) Fur die rab- 
binifdie Zeit ift bewiefen, dafj wenigftens damals das Mehl- 
mahlen bereits ein Gewerbe 3 ) war, wahrend eigene Badser 
fchon lange vor Chriftus in den judifchen Stadten nachweis- 
bar find. 4 ) 

Das Mehl wurde in holzernen Backtrogen 5 ) zu Brotteig 
geknetet und oft mit Sauerteig durchfauert. 6 ) Aus dem Teige 
formte man die einzelnen Laibe Brot mit der Hand und 
zwar in runde, dunne Sdieiben, weldie leicht gebrodien 
werden konnten, 7 ) aber den Brotkuchen die Form fladier 
Steine gaben. 8 ) 

Gebacken wurde das Brot gewohnlich, wie nodi heute 
bei den Felladien Palaftinas, 9 ) in tragbaren, irdenen oder 
fteinernen Backtopfen oder Of en, die ungefahr drei Fujj 
hodi waren und im Innern mit Holz oder mit trockenem . 
Gras 10 ) oder im Notfalle audi mit getrocknetem Dunger 11 ) 
geheizt wurden. 

Aufeer dem Brot ift Milch und damit auch Butter und Milch, Fieifch 
Kafe ftets ein Hauptnahrungsmittel des Landes, welches von und Butter. 
Milch und Honig flofe, gewefen. 12 ) 

Der Genufc von Fleifch war bei den Ifraeliten, wenn 
man von Fefttagen abfieht, felten. Bekanntlich war der Ge- 



a ) Abbildungen z. B. bei Benzinger, Archaologie S. 85 und No- 
wack, Lehrbuch der hebraifchen Archaologie. Freib. und Leipz. 1894, S. 110. 
') Vgl. Matth. 18, 6. 

3 ) Dammai 3, 4. 

4 ) Ofeas 7, 4. 6. Jerem. 37, 21 (hebr.). Jos. Ant. 15, 9, 2. 

5 ) Exod. 8, 3 (hebr. 7, 28). 12, 34. Deut. 28, 5. 17 (hebr.). 

e ) Vgl. Matth. 13, 33'. 16, 6. Marc. 8, 5, Luc. 12, 1. 1 Kor. 5, 6 f. 
Gal. 5, 9. Ober verfdiiedene Arten von Sauerteig f. Plinius 18, 11, 26 
n. 102104. Vgl. auch Fonck, Die Parabeln S. 163 f. Man liejj den 
Sauerteig oft beim Backer machen. M. Challa 1, 7. 

') Matth. 14, 19. 15, 36. 26, 26. Luc. 24, 35. Apg. 2, 42. 20, 11. 

) Matth. 7, 9. Luc. 11, 11. 

9 ) Abbildungen z. B. bei Benzinger S. 86 f. Nowack S. 146 f. 
10 ) Matth. 6, 30. 

) Ezech. 4, 12. 13. 

") Vgl. 2. B. Schegg 84 f. Macalister, art. Food 1. c. p. 36. 



458 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jiid. Volkes. 

nuft des Fleifdies beftimmter Tiere, z. B. der Schweine, die 
als unrein galten, uberhaupt verboten. 1 ) Wie grog der Ab- 
fcheu der Juden vor dem Genufc des Blutes, welches man 
als den Sit; der Seele und des Lebens anfah, 2 ) des Er- 
ftickten und des Fleifches, welches den Gottern geopfert ge- 
wefen, war, ergibt fidi daraus, dag das Apoftelkonzil den 
Heidenchriften in Syrien und Cilicien den Genufc diefer 
Dinge im Interefje ihres Zufammenlebens mit den Juden- 
chriften verbot. 3 ) 

Gemufe und Als Zukoft zum Brot kamen befonders die auch im 
Fruchte. Alten Teftamente erwahnten Bohnen, Linfen, Gurken und 
Melonen in Betracht, 4 ) fowie Knoblauch, Zwiebel und Lauch 5 ) 
und von Fruchten Feigen, Trauben, Datteln und Oliven. 6 ) 
Wie das Alte Teftament, fo kennt auch die Mifchna die Obft- 
kuchen, z. B. Feigenkuchen, welehe aus zufammengeprefctem 
trockenem Obft beftanden. 7 ) 

Der Honig-. Der Honig vertrat bei den Alten die Stelle des Zuckers, 8 ) 
und zwar hatte man fowohl den Bienenhonig 9 ) wie auch 



') Vgl. Lev. 11, 3 ff. Deut. 14, 4 ff. 

2 ) Gen. 9, 4 f. Lev. 17, 11. Deut. 12, 23 ff. Es waren verboten, 
Fleifch mit dem Blute zu effen. S. Gen. 9, 4. Lev. 7, 26 f. 17, 10 ff. 
Deut. 12, 23 ff. 

3 ) Apg. 10, 14. 15, 29. 21, 25. 1 Kor. 8, 1. Vgl. u. a. z. B. Felten, 
Die Apoftelgefchichte, Freib. 1892, S. 46 ff. 300 ff. 

4 ) Vgl. z. B. Gen. 25, 29 ff. 2 Kon. 17, 28. 4 Kon. 4, 39 etc. Vgl. 
M. Salomonski, Gemiifebau- und gewadife in Palaftina zur Zeit der 
Mifdmah. Diss., Tubingen 1911. 

5 ) Num. 11, 5. Die nach Knoblauch .Jtinkenden Juden" wurden von 
den Griechen und Romern verfpottet. S. Ammian. Marcell. 22, 5. Vgl. 
Macalister p. 29. 

6 ) S. o. S. 30 f. 

') 1 K6n. 25, 18. 30, 12. 2 K6n. 16, 1. 4 K6n. 20, 7. Ifai. 38, 21. 
1 Paral. 12, 40. M. Dammai 2, 1. Terumoth 4, 8. Baba mezia 2, 1. Nach 
Kethuboth 5, 8 mufjte jemand feinem Weibe, wenn er nicht felbft mit 
ihr fpeifte, fur eine Woche wenigftens 2 Kab Weizen oder 4 Kab Gerfte 
(I Kab = 2,1870 Liter), l l Kab Hulfenfruchte, V Log 01 (1 Log = 
0,5468 Liter), 1 Kab durre Feigen oder 1 Mine (f. u. Kap. 13, 5) fchwere 
Feigenkuchen geben. 

8 ) Exod. 16, 31. Vgl. auch Schegg S. 102 ff. 

9 ) Matth. 3, 4. Luc. 24, 42. 



XIII. Kap. Das hSusliche und foziale Leben der Juden. 459 

eine Art Fruchthonig, z. B. den Dattelhonig, der an Gute 
dem Bienenhonig nidit viel naehftand. 1 ) 

Fifdie waren ein bei den Juden beliebtes Nahrungs- Fifche. 
mittel. 2 ) In Jerufalem fuhrte das Fifditor feinen Namen von 
einem in der Nahe befindlichen Fifdimarkt. Man kannte audi 
fdion lange die Kunft, Fifche einzufalzen, 3 ) wie in einem 
Lande, deffen Gewaffer, wie z. B. der See Genefareth, fo 
reidi an Fifchen verfchiedener Art waren, 4 ) zu erwarten ift. 

Heufchrecken find von alters her, wie nodi heute in Heufchrecken 
Arabien, fowohl in Palaftina wie fonft im Morgenlande fo- 
wohl geroftet als gekocht gegeffen worden. 5 ) 

Salz gait damals fo fehr als die Wurze jeder Speife, Saiz. 
dafc es ein Symbol der Gaftfreundfchaft wurde und Brot und 
Salz mit jemand effen der Ausdruck fur das Eingehen einer 
engen Freundfdiaft mit jemand wurde. 6 ) Das Salz wurde 
befonders von den weitausgedehnten Salzbergen am Toten 
Meere rein gewonnen. 7 ) Ebenfo bekannt wie das kleinfte 
unter den Samenkornern, das Senfkdrnlein, waren der Senf 8 ) 
und andere Ingredienzen, wie z. B. Minze, Anis und Kummel. 9 ) 

Das gewohnliche Getrank, Waffer, war in dem heifcen Waffer. 
und in weiten Strichen an Quellen und Fliiffen armen Lande 
eine befonders grofce Koftbarkeit. In Jerufalem hatte man 
durch Wafferleitungen und Sammelteidie und durdi Zifternen, 
wie fie jedes Haus hatte, fur Trinkwaffer geforgt. 10 ) Aber 
auch auf dem freien Felde hatte man in ahnlicher Weife 



') Jos. B. J. 4, 8, 3. 

2 ) Vgl. z. B. Matth. 14, 17, Marc. 6, 38, Luc. 9, 13, Joh. 6, 9. 
21, 9 ff. 

3 ) Soph. 1, 10. Nehem. 3, 3. 12, 38. 2 Paral. 33, 14. 

*) Die Stadt Tarichea an der Sudweftfeite des Sees Genefareth 
fuhrte ihren Namen von rd^ixo? (ra^i/svftv = einfalzen, einpOkeln, ein- 
machen). Vgl. o. S. 45. 

5 ) Matth. 3, 4. Marc. 1, 6. Vgl. Schegg S. 108-110. Macalister 
art. Food. 1. c. p. 37. 

6 ) Lev. 2, 13. Num. 18, 19. 2 Paral. 13, 5. Vgl. Esdr. 4, 14. Im 
Tempel gab es eine eigene Salzkammer, worin das Salz zum Opfer 
aufbewahrt wurde. Middoth 5, 3. 

7 ) S. o.-S. 27. 

8 ) Matth. 13, 32. 17, 19. Luc. 13, 19. 17, 6. Kilajim 1, 5. 

9 ) Matth. 23, 23. Schebiith 7, 1 und 2. Maaseroth 4, 5. Dammai 2, 1. 
10 ) S. o. S. 66. 



460 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jQd. Volkes. 

fidi bemiiht, an vielen Orten das Regenwaffer in Zifternen 
zu fammeln. 

Wein. Von fonftigen Getranken ift, von der Milch abgefehen, 

befonders der Wein zu erwahnen. Denn damals war nodi 
Palaftina ein Weinland, 1 ) wie fich aus zahllofen Stellen des 
Alten und Neuen Teftaments und den vielen, noch jetjt er- 
haltenen alten Felfenkellern ergibt. Genannt wurden die 
Weine wie bei uns nach den Urfprungsorten, 2 ) aufbewahrt in 
grofcen Steinkrugen oder Faf|ern und abgezogen in lederne 
Flafchen oder Schlauche. 3 ) Man trank den Wein gewohnlieh 
mit Waffer vermifcht, 4 ) kannte aber auch den mit Gewurzen 
gemifchten Wein, 5 ) wahrend die armen Leute fich oft mit 
einer Mifchung von Weineffig und Waffer begniigten. 6 ) Audi 

Sicera. das fogenannte Sicera, ,,beraufchendes Getrank", welches oft 

in der Heiligen Schrift in Verbindung mit Wein erwahnt 

wird, 7 ) war ein kunftlfcher Wein, iiber deffen Beftandteile 

aber fchon Hieronymus nichts Beftimmtes weife. 8 ) 

Die Mahl- 1 der damaligen Zeit hatte man in Palaftina gewohn- 

zeiten. lich zwei Mahlzeiten, das Mittageffen um zwolf Uhr 9 ) und 



') Vgl. Zapletal, Der Wein in der Bibel (= Bibl. Studien XX, 1). 
Freib. i. B. 1920, S. 1-23. 

*) Cant. 1, 13. Nidda 6, 7. Menachoth 8, 6. 

3 ) Matth. 9, 17. Marc. 2, 22. Luc. 5, 37. Von Faffern redet z. B. 
Menachoth 8, 6. 7. 

*) 2 Mace. 15, 40. Schabb. 8, 1. Pesachim 7, 13. Der Talmud 
Schabb. f. 77 (bei Reland p. 139) ruhmt von dem Wein von Sarona, 
dag er eine Mifchung- mit doppelt fo viel Waffer vertrage. Sonft gait 
das Wort des Plinius N. H. 23, 38: vetus vinum copiosiore aqua mi- 
scetur. Ober die palaft. Weine vgl. auch o. S. 30. 

5 ) Vgl. das Hohelied 8, 2. Marc. 15, 23. Matth. 27, 34. 

6 ) Marc. 15, 36. Man nannte das Getrank bei den Romern posca. 
Vgl. Plautus, Miles Qloriosus 3, 2, 23 : alii ebrii sunt, alii poscam potitant. 
S. Schegg S. 180 f. 

7 ) Z. B. Luc. 1, 15. Vgl. Lev. 10, 9. Num. 6, 3. Deut. 29, 6. 
Mich. 2, 11. 

) Hier. ad Nepotianum 2, 11 (ed. Vallarsi 1, 266): Sicera Hebraeo 
sermone omnis potio nuncupatur, quae inebriare potest; sive ilia, quae 
frumento conficitur, sive pomorum succo, aut quum favi decoquuntur in 
dulcem et barbaram potionem, aut palmarum fructus exprimuntur in li- 
quorem, coctisque frugibus aqua pinguior coloratur." 

9 ) Vgl. Luc. 11, 37 14, 12. Apg. 10, 1 ff. Jos. Vita 54: '^ 



XI 11. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 461 

die wichtigere Hauptmahlzeit um adit Uhr. 1 ) Dajj letjtere 
auf den Abend gelegt wurde, hing mit der Hifje zufammen. 
Diefe Einriditung befteht audi jetjt nodi im Orient und war 
audi bei den Griechen und Romern tiblich. Audi das Friih- 
ftudt war bekannt 2 ) und war ohne Zweifel dem Friihjtudt, 
weldies heutzutage im Morgenland vielfadi aus einer Taffe 
Milch und Butter Oder 01 auf Brot befteht, ahnlidi. 3 ) 

Bei den gewohnlidien Mahlzeiten im eigenen Haufe 
haben fidi ohne Zweifel audi die damaligen Juden, wenig- 
ftens die Armeren, um den Tifdi gefdiart oder wie die 
Beduinen auf den Boden gefetjt. Aber bei feftlicheren Ge- 
legenheiten lag man nach griediifdi-romifdier Weife zu 
Tifdie, 4 ) d. h. man lag auf gewohnlidi fiir drei Perfonen be- 
jtimmten Diwans, in dem man fidi auf den linken Ellbogen 
ftiitjte und den rediten Arm freihielt, um in die Tifchfchuffel 
greifen zu konnen. Dabei waren die Fiifce nach hinten aus- 
geftreckt, 5 ) wahrend man mit dem Kopf gewifjermaften an der 
Bruft des linken Nadibarn ruhte. 6 ) Man aft ohne Meffer und 
Gabel mit den Handen, 7 ) indem man, falls nicht der Haus- 



') Luc. 14, 12. 16 f. 17, 8 u. 6. Die erfte Mahlzeit hieg" a 
die zweite tftlnvov. Vgl. Luc. 14, 12: OTUV ytoifj? u^torov $ dtlnvov. Die 
Stunde des Selnvov ergibt fich aus Jos. Vita 44: %v 3k o"^a wxzo$ jjdq 

, KU&-' r t v tTi'y%at>ov fierd rwv q>i)iiav xai T<av JTaA*ita? TtytoTW i<Sti(a- 

?. Vgl. auch B. J. 1, 17, 4. 

*) Dagegen Eccl. 10, 16: vae tibi, terra, cuius rex puer est, et cuius 
principes mane ("ip.2?) comedunt. 

3 ) Vgl. Macalistef, art. Food in Hastings II, 36. 

4 ) Im A. T. fehlt es an jedem Hinweis, dag man zu Tifche lag, und 
auch im N. T. ift immer erft aus dem Zufammenhang zu erkennen, ob 
der Ausdruck zu Tifche liegen" (z. B. Matth. 9, 10. 26, 7. Marc. 6, 22. 
14, 3 18. Luc. 5, 29. 7, 36 ff. 11, 37. 14, 10. 17, 7. 22, 14. Joh. 13, 27. 28. 
21, 20) ein wirkliches Liegen im griechifch-rOmifchen Sinne bedeutet. Un- 
zweifelhaft ift dies z. B. Luc. 7, 36 ff. 22, 14 ff. Joh. 13, 12 23, 20 der 
Fall. Berakhoth 6, 6 unterfcheidet zwifchen zu Tifche fitjen und um den 
Tifch herum liegen. Aber beim Paschamahl follte nach Pefachim 10, 1 
auch der Armfte nicht davon effen, ehe er fich niedergelegt habe, zum 
Zeichen, dag die Kinder Ifraels aus Knechten, die ftehend ajgen, Freie 
geworden waren. Ober antike Gaftmahler vgl. etwa Th. Birt, Aus dem 
Leben der Antike, L. 1918, 20-47. 

l ) Luc. 7, 38. 

fl ) Joh. 13, 23. 25. 21, 20. 

') Matth. 26, 23. 



462 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

vater die Speifen verteilte, 1 ) ein Stuck Fleifch das Fleifch 
kam fchon gefchnitten auf den Tifch 2 ) ergriff und fich das 
Gemufe auf den Brotkuchen wie auf einen Teller legte oder 
ein Stuck Brot in die Bruhe eintauchte. 3 ) Da man mit den 
Handen aft, wufch man diefe vor und nach dem Effen, woraus 
die Schriftgelehrten eine rituelle Vorfchrift machen wollten. 4 ) 
Tifchgebete. Das Alte Teftament erwahnt wohl das Gebet nach dem 
Effen, aber nicht vor demfelben. 5 ) Wie aber Jefus das Tifch- 
gebet fprach, fo haben auch die Apoftel und erften Chriften 
vor dem Effen gebetet. 6 ) 

Auf die Reife nahm man Brot und Friichte, aber auch 
Wein und 01 mit. 7 ) 

Feftmahlzeiten aus befonderen feftlichen oder freudigen 
Anlaffen fanden z. B. bei der Befchneidung oder Ehefchliefcung 
und dergl. ftatt. 8 ) Ein folches Feft fiihrte bezeichnenderweife 
feinen Namen Mifchteh 9 ) vom Trinken. Man fchlachtete fchon 
fruhmorgens 10 ) und lud kurz vor dem Anfang der Mahlzeit 
durch Sklaven nochmals ein. n ) Die Gafte wurden mit einem 
Kufc empfangen 12 ) und wurden ihnen, wenn fie von auswarts 
kamen, die Fiifee gewafchen 13 ) und ihnen auch Waffer zum 
Handewafchengereicht. 14 ) Auch kamen Salbung desHauptes 15 ) 

1 ) Joh. 13, 26. 

2 ) Esdras 24, 4. 
*) Matth. 26, 23. 

4 ) Matth. 15, 2. 20. Luc. 11, 38. 

5 ) Deut. 8, 10. Vgl. Berakhoth 6, 6 8 etc. 1 KOn. 9, 13 fpricht 
von etwas be[onderem, dem Segnen der Opfermahlzeit durch Samuel. 
Dag aber auch das Gebet vor dem Effen ublich war, erfieht man unter 
anderm aus Berakhoth 3, 3-4. 

6 ) Matth. 14, 19. 15, 36. 26, 26 f. Marc. 8, 6 f. 14, 22 f. Luc. 22, 17 ff. 
Job. 6, 11 (vgl. Margreth, Das Gebetsleben Jefu Chrifti, Munfter 1902, 
S. 134 ff.). Apg. 27, 35. Rdm. 14, 6. 1 Tim. 4, 3 ff. 

7 ) Luc. 10, 34. Joh. 6, 9. 

8 ) Matth. 22, 2. Luc. 1, 58 f. 15, 23 etc. 

9 ) n^i? 7 ? = der Trank, das Trinkgelage, das Mahl von nm> trinken. 
Vgl. Gen. 19, 3 u. a. Von xw/*ot Trinkgelagen fpricht ROm. 13, 13. GaL 
5, 21. 'l Petr. 4, 3. 

10 ) Matth. 22, 4. 

") Matth. 22, 3. Vgl. Esth. 6, 14. Sprichw. 9, 3. 

) Luc. 7, 45. Vgl. Tob. 7, 6. 

13 ) Luc. 7, 38 ff. Joh. 13, 4. 1 Tim. 5, 10. 

") Marc. 7, 3. 

lfi ) Luc. 7, 38. 46. Joh. 12, 3. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juderi. 463 

und Bekranzung mit Blumenkranzen l ) vor. Frauen und 
Manner fafeen ofter zufammen, 2 ) und zwar fafc man dem 
Range nach. 3 ) Die Diwans wurden um den Tifch in Huf- 
eifenform geftellt, fo dajg wie bei den Romern eine Seite fur 
die Diener frei blieb. 4 ) Die Gafte wurden bisweilen aueh 
mit Mufik 5 ) und nadi griechifch-romifcher Sitte durdi das 
Auflreten von Tanzerinnen 6 ) unterhalten. 

Wie noch heute die Araber die Bewirtung von Fremden Gajt- 
als eine Ehre betrachten, fo gait auch damals die Gaftfreund- freundjaaft. 
fchaft, deren Obung das Neue Teftament als eine chriftliche 
Tugend empfiehlt, als eine heilige Pflidit. 7 ) Darauf waren 
die Reifendeh vielfach angewiefen. Allein in der neu- 
teftamentlidien Zeit 8 ) gab es audi im heiligen Lande Her- 
bergen, 9 ) welche den heutigen Chans oder Karawanfereien Herberge. 
entfprochen haben werden, d. h. Gebaude, in weldien fo- 
wohl Reifende als audi deren Reit- und Lafttiere Aufnahme 
linden. Dort konnte man gegen Bezahlung audi Nahrung 
erhalten. 

Von diefen Herbergen ift das Fremdenzimmer 10 ) in 
Privathaufern zu unterfcheiden, weldies befonders in Jerufalem 



') Jos. Ant. 19, 9, 1. Vgl. Weish. 2, 8. Plutarch. Symp. Ill, 1, 3. 
Martialis 10, 20. 

2 ) Luc. 10, 40. 

3 ) Luc. 14, 8. Marc. 12, 39. Jos. Ant. 15, 2, 4. 
') Dies ift Pesachim 7, 13 vorausgefetjt. 

5 ) Luc. 15, 27. 

6 ) Matth. 14, 6. Luc. 15, 25. 

7 ) Die Praxis bezeugt 2. B. fur das A. T. Job 31, 32. Dag aber 
ein Gaft auch allerhand unangenehme Erfahrungen mach en konnte, fieht 
man aus Jef. Sir. 29, 11 ff. Ffir das N. T. vgl. Matth. 10, 40. 25, 35. 
Luc. 7, 44 ff. ROm. 12, 13. 20. 1 Tim. 3, 2 Tit. 1, 8. Hebr. 13, 2. 
1 Petr. 4, 9. 

8 ) In fraherer Zeit hOren wir nuf von n Halteplaen" (hebr. ]ibv, 
vgl. Gen. 42, 27. Jerem. 9, 1 etc.), an welchen die Reifenden ein Zeit 
auffchlugen oder in einer Hdhle lagerten. 

9 ) Uavdoxelor Luc. 10, 34 f. Bei Luc. 9, 52 ift an ein Einkehfen in 
PrivathSufern zu denken. 

10 ) Kardlvfia Marc. 14, 14. Luc. 22, 11. Vgl. auch Luc. 9, 12. 19, 7 
(xaraMetv) und totrdlvfta Luc. 2, 7, welche Stelle fich ebenfalls auf ein 
Privathaus, in welchem Jofeph gehofft hatte, Unterkommen zu finden, 
beziehen kOnnte. (Winer BRW I, 478 und Ewing, art. Inn in Hastings 
Diet. II, 474 erklaren Luc. 2, 7 fo.) Dann mugte man annehmen, dag 



464 Zweiter Abfdmitt. Die innern foz. u. Jittl. ZuftSnde des |ud. Volkes. 

zur Zeit der grofjen Fefte, Oftern, Pfingften und Laubhutten, 
fehr in Anfprudi genommen wurde. Man pflegte zwar nidit 
direkt etwas fiir die Benutjung foldier Raume zu bezahlen, 
allein doch zum Zeichen der Dankbarkeit die Felle der Ofter- 
lammer und die bei den Zeremonien gebrauchten Gefa&e 
zuriickzulaffen. l ) 

3. Die Kleidung.*) 

Das Kleidungsftiicke, weldie im wefentlidien wie nodi heute 

Unterkicid. j m Morgenlande fowohl von Mannern wie von Frauen ge- 
tragen wurden, waren das Unterkleid und das Oberkleid. 
Erfteres 3 ) ift auch ,,der Rode" des Herrn*) und feiner Jiinger 5 ) 
gewejen. Es war ein weites, faltiges, durdi einen Giirtel 
zufammengehaltenes Gewandftiick mit Armeln, weldies bis 
auf die Knie oder die Knochel reidite und wie die Hemden 
an den Seiten zugenaht war. Es gab audi ganz zufammen- 
gewobene Unterkleider, ungenahte Rodce. 6 ) Diefe Unter- 
kleider, deren Stoff meift Wolle Oder Fladisleinwand, bei 



alle Haufer und auch die eigentlidie Herberge wegen der Schatjung flber- 
Mllt gewefen feien. Allein wahrfdieinlich heigt xatAv/i Luc. 2, 7 Her- 
berge, da das Wort auch Exod. 4, 24 als Oberfetjung des hebraifdien 
V^ (f. o. Anm. 8) gebraucht ift. 

') So fagt wenigftens der babylonifdie Talmud Joma fol. 12, 1 und 
Megilla fol. 26, 1 (bei Lightfoot, Horae hebr. et talmud. Opera II, 
185. 697). 

2 ) In der fpateren talmudifchen Erkiarung von M. Sen abb. 16, 4 werden 
nicht weniger als 18 Kleidungsftiicke aufgezahlt (f.Schabb. 120a; jer.Schabb. 
15 d). Allein die Bedeutung vieler dort gebrauchter Ausdrflcke ift zweifelhaft 
(vgl. Edersheim, The life and times of Jesus I, 621, der fich flbrigens 
1. c. p. 621-626 felbft faft blofj auf fpStere rabbinifdie Autoritaten be- 
zieht) und die Quelle felbjt ohnehin fflr unfere Zeit kaum zu verwerten. 
VgL u. a. Kirchenlexikon, Art. Kleider biblifche 7, 757-765. Nowack I. c. 
p. 120 ff. Mackie, art. Dress in Hastings Diet. II, 625. Rofenzweig, 
Kleidung und Schmuck im biblifchen und talmudifchen Schrifttum. B. 1905. 
Schemel, Die Kleidung der Juden im Zeitalter der Mifdinan. Roftbck 1914. 
Fur die talmud. Zeit vgl. auch S.Krauss, Talmud. ArchSologie 1, 126 207. 
516-666. 

*) r\5h?, ^*Tu'r, tunica. .' 

*) Joh. 19, 23. 

5 ) Matth. 5, 40. 10, 10. Marc. 6, 9. Luc. 6, 29. 9, 3. 

') Joh. 19, 23. 



XII 1. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 465 

den Vornehmen aber auch Byffus 1 ) war, warden gewohnlich 
auf dem blofeen Leib getragen, und da man fiber dem Unter- 
kleid nodi das Oberkleid trug, gait fchon derjenige, weldier 
nur das erftere anhatte, als naekt. 2 ) Von dem Unterkleid 
find vermutlich die im Alten Teftament sedinim, 8 ) awdovtg, 
; genannten Gewander zu unterfcheiden, die meift als fein- 
leinene unter dem Unterkleid getragene Hemden angefehen 
werden. 4 ) Man trug aber auch bisweilen zwei UnterRleider 
fibereinander. 5 ) 

Der Gfirtel, weldier bisweilen von Leder, gewohnlich o er cartel. 
aber von Leinen oder Wolle war, war. fo lang und breit, 
daft er mehrmals fibereinandergelegt werden und dann als 
Borfe Oder Tafche dienen konnte. 6 ) 

Es gab zwei Arten von Oberkleidern, 7 ) einmal lange, Das 
lo[e anliegende Roben mit weiten Armeln, welche Priefter, Oberkleid. 
Beamte und Vornehme fiber dem Unterkleid trugen, 8 ) und 
Mantel. 9 ) Der Mantel war ein etwa fieben Fuft breites und 
viereinhalb Fufc langes Stuck Tuch, welches man wie einen 
Plaid oder ein Umfchlagetuch benutjte. Oft hatte man es an 
jeder Seite etwa eineinhalb Fufc eingefalten und diefe Falte 
felbft von oben nach unten bis zur Halfte genaht, damit man 
durch die an beiden Seiten oben gelaffenen Schlitje die Arme 
ftecken konnte. 10 ) Jedenfalls war es ein hochft nfi^liches 

') S. o. S. 333 f. 

8 ) Vgl. 1 KOn. 19, 24. Job 22,. 6. 24, 7. 10. Isai. 20, 2 f. Amos 2, 16. 
Job. 21, 7. Auch die Qriechen vgl. Dionys. Halic. 1, 80; Plutarch. Romul. 
c. 21; Eurip. Rhesos v. 307 ff. nannten den nur mit der */ITMV bekleideten 
rvvviie. Vgl. auch z. B. Virgil Georg. I, 299 vom Landmanne: nudus ara, 
sere nudus, was doch nicht heigt, er folle pflugen und faen ohne jede 
Bekleidung. 

3 ) Im Sing. ^-JD, LXX aivtw. 

*) Rich t. 14, 12. Ifai. 3 23. Sprichw. 31, 24. Vgi. Nowack S. 121. 

5 ) Vgl. Jos. Ant. 17, 5, 7. Matth. 10, 10. Luc. 3, 11. 9, 3. 

6 ) Malth. 10, 9. Marc. 6, 8. 

') Das Oberkleid heif3t inevSitw, nfciftniamv Joh. 21, 7. Hebr. 1, 12. 
s ) Hebr. 5$l? f griech. TroA^f. Vgl. Marc. 12, 38. 16, 5. Luc. 15, 22. 
20, 46. Apoc. 7, 13. 

9 ) Hebr. n^p'27, ludrw, pallium. Vgl. Matth. 9, 20. Marc. 5, 27. 
Luc. 8, 44. Joh. 19, 2. Apoc. 19, 16; im Gegenfa^ zu-*r<uV Matth. 5, 40. 
Luc. >6, 29. Apg. 9, 39. 

10 ) Vgl. Kirdienlexikon 7, 759 f. Mackie 1. c. I, 625. 
Fellen, Neuteflamenflidie Zeilgefdiidile. 1. 2. u. 3. Aufl. 30 



466 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Kleidungsjtiick, welches feinen Trager bei Wind und Wetter 
fchufjte, in der Nadit als Decke diente und deshalb nicht ver- 
pfandbar war 1 ) und bei Tage von Hirten u. a. notigenfalls 
als Transportmittel fur allerlei Utenfilien benu^t werden 
konnte. 2 ) Bei der Arbeit ware aber ein folches Kleidungs- 
ftiick hinderlich gewefen, weshalb man es dabei ablegte oder 
zu Haufe liefr 3 ) 

Gemafe der Vorfchrift des Gefe^es l ) trug jeder. Ifraelit 
auch in der neuteftamentlichen Zeit r> ) zur Erinnerung an die 
Pflicht, das Gefet? Jahwes zu beobachten, an den vier Zipfeln 
feines Obergewandes 6 ) die fogen. Zizith, namlich Quajten 
aus hyazinthblauer oder weifeer Wolle, 7 ) wie fie auch noch 
heutzutage bei den Juden im Gebrauch find.*) 



: ) Exod. 22, 26. Deut. 24, 13. 

2 ) In 2 Tim. 4, 13 wird der <peAov7?? lat. paenula (Reifemantel) des 
Paulus erwahnt, worin Biidier und Pergament eingewickelt waren. Ein 
folcher Mantel wurde von den Romern iiber der Tunika getragen (Sueton. 
Ner. 48) und war mit einer Kapuze verjehen. Cic. pro Mil. 20, 54. Juven. 

5, 78. Seneca Ep. 87, 2. Horat. Epp. 1, 11, 18. Vgl. Winer, RWB I, 664 
und Marquardt, Rom. Privatleben S. 564 f. 

3 ) Matth. 24, 18. Apg. 7, 58. 

*) Num. 15, 38-41. Deut. 22, 12. Vgl. de Hummelauer, Comm. 
in Numeros. Paris 1899, p. 127. 

5 ) Aristeas, ed. Wendland 158. Matth. 9, 20. 14, 36. 23, 5. Marc. 

6, 56. Luc. 8, 44. Onkelos, Targum zu Num. 15, 38 und Deut. 22, 12. 
M. Moed qatan 3, 4. Edujoth 4, 10. Menachoth 3, 7. 4, 1. Aus Matth. 
9, 20 und 14, 36 ergibt fich, dag auch Jejus an feinem Obergewande 
die Zizith, griech. x^dtiTisSnv (vgl. Num. 15, 38 f., wo Zizith durch xpdiiTied'ov 
wiedergegeben ift) trug. Das blutflflffige Weib hatte das Vertrauen, dag> 
wenn fie auch nur die Quafte an einer Ecke des Saumes feines Gewandes 
beruhre, fie geheilt werde. 

6 ) 1m Talmud heijjt diefes Gewand 'J^t?. Vgl. Levy, Neuhebr. und 
chald. Worterb. II, 160. Krauss, Talmud. Archaologie 1, 167 f. 

) TlTS im Plur. nl^S. Nach Num. 15, 38 follte die Farbe der 
Faden hyazinthblau fein. Deut. 22, 12 fagt nichts iiber die Farbe. In 
der Mifchna, Menachoth 4, 1 wird es als geftattet angefehen, blog weige 
oder b'log hyazinthblaue Faden ftir die Zizith zu gebrauchen. Vgl. auch 
Edersheim I, 623. Jetjt find die Faden weif3- Vgl. Hamburger, Real- 
Enzykl. des Judentums, Supplement II., L. 1891, S. 158 f. Rosenau, Je- 
wish ceremonial institutions and customs. Baltimore 1903, p. 62 fagt, 
dag fction in talmudifcher Zeit ,,white was substituted for the purple cord 
owing to the difficulties of procuring the proper shade of purple. Ober 
die Zizith tiberhaupt vgl. u. a. auch Winer BRW Art Saum. Haneberg^ 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 467 

Hofen wurden damals, abgefehen von den Prieftern, 1 ) 
in Palaftina nicht getragen. 2 ) 

Welche Form die Kopfbekleidung der gewohnlichen Kopf- 
Ifraeliten gehabt hat, wiffen wir nicht. Vielleicht i[t lie der bedeckung. 
der heutigen Beduinen ahnlich gewejen, bei denen die Kopf- 
bedeckung aus einem viereckigen, etwa einen Meter langem 
und breitem leinenen oder baumwollenen Tuche von irgend 
einer Farbe befteht, .welches in ein Dreieck zujammengefalten 
fo auf den Kopf gelegt wird, daft die Augen befchutjt werden 
und der eine Tuchzipfel iiber den Nacken, die beiden andern 
aber an den Wangen herunterfallen. Das Ganze wird durch 
eine dicke, mehrmals um den Kopf gefchlungene Wollfchnur 
feftgehalten. Die heutigen Fellachen tragen ein baumwollenes 
Kappchen, um wefthes ein in ein langes Band gefaltenes 
Stuck weifeen Muslins oder griinen Tuches gewunden wird. 3 ) 

Als Fufebekleidung waren Schuhe, wie [ie in dem im Sandaien. 
allgemeinen kalteren Perfien fchon lange ublich waren, 4 ) 

Rel. Altertiimer 592594. Edersheim 1, 623. 626. Johannes, Die Schau- 
faden bei den Juden. Theol. prakt. Monatsfchr. 25 (1915), 565-579. 

s ) Die Zizith werden heutzutage von den Juden nur an zwei vier- 
eckigen wollenen Tiichern getragen, welche bei ihnen auch Tallith heigen. 
Das eine, das kleine Tallith, welches auch ,,das viereckige Tuch", arbah 
kanfoth (niWD 22~iN), vgl. Deut. 22, 12, heifjt, wird auf dem Leibe unter 
dem augeren Gewand getragen und ift ein Stuck Tuch mit einer Oftnung 
in der Mitte, durch die man den Kopf ftecken kann; das andere, das 
grojge Tallith wird beim Qebete in der Synagoge von Mannern und 
Knaben nach dem 13. Geburtstage um den Kopf oder die Schulter ge- 
fchlungen. Eine Abbildung [tent bei Maekie, art. Dress in Hastings D. 
1, 627. Vgl. auch Kennedy, art. Fringes in Hastings D. 11, 6870 unfl 
Mayer, Das Judentum. Regensb. 1843, S. 3639. Rofenau 1. c. p. 59-65. 

') S. o. S. 333 f. 

") Bei den Medern und Perfern wurden fie getragen. Vgl. Herod. 
5, 49. Xen. Cyrop. 8, 3. 13. Strabo 11, 13, 9. In der Mifchna, Traktat 
Sanhedrin 6, 4, heijgt es, dag bei der Steinigung dem Verurteilten 4 Ellen 
vom Orte der Steinigung entfernt die Kleider ausgezogen werden. Ein 
Mann wird vorn verhullt, ein Weib vorn und hinten. Die Acta Pilati 
(Ed. Tifchendorf 1. c. p. 246 und 305) erwahnen, was an fich wahrfchein- 
Jich ift, dag man Jefus> nachdem er feiner Kleider beraubt war, auf der 
Rithtftatte mit einem weigen Linnentuch (fo Acta Pilati A. 10 ne 

Unnov) oder einem fcharlachroten Wolltuch (fo B. 10 tveSv6av 
umgijrtet habe. Vgl. auch Joh. 21, 18. 

3 ) Vgl. z. B. Nowack, S. 126 f. Maekie, p. 626. 

*) Xenoph. Cyrop. 8, 1, 41. Strabo 15, 3, 19. - 

30* 



Schweig- 
tucher und 
Handfdiuhe. 



Fe{t- und 
Trauer- 
kleider. 



Frauen - 
kleider. 



468 Zweiter Abfchnitt. Die innern Joz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

nidit im Gebraudi. Man bediente fich vielmehr aufcerhalb 
des Haufes der Sandalen, welche mit Riemen am Fufee be- 
feftigt waren. ') 

Schweifctiicher, unfern Tafchentiichern ahnlich, werden im 
Neuen Teftamente wiederholt erwahnt. 2 ) Die Mifchna fpridit 
auch von ledernen Handfchuhen, namentlidi von folchen, deren 
man fich bei gewiffen Arbeiten bediente. 3 ) 

Bei befonderen Gelegenheiten, z. B. bei feftlichen Gaft- 
mahlern, Hochzeiten u. dergl. trug man beffere Kleider, die 
fidi durch feineren Stoff und Verzierungen von den andern 
unterfchieden. 4 ) Die Trauerkleider aber, welche man sakkim 
nannte, waren, wie fchon der Name anzeigt, aus Sackzeug, 
d. h. aus grobem harenem Stoff gemacht. 5 ) 

Die Frauen unterfchieden fich zwar von den Mannern 
in der Kleidung, 6 ) aber fie hatten doch auch Unterkleider, 
Gurtel und Oberkleider wie diefe, nur war die weibliche 
Kleidung im allgemeinen langer und auch wenigftens bei 
den Vornehmeren aus befierem Stoffe gemacht und reicher 
verziert als die Kleidung der Manner. 7 ) In den altteftament- 
lichen Schriften wird zwar der Schleier der Frauen oft er- 
wahnt. 8 ) Man darf aber nicht annehmen, dafe die judifchen 
Frauen, felbft die gewohnlichen Standes, ftets verfchleiert aus- 
gegangen feien. 9 ) Denn eine folche ftrenge Abfonderung 
der jiidifchen Frauen hat nie beftanden. 

Die Kleider wurden gewohnlich von Frauen angefertigt. 10 ) 
Das Gefetj fchrieb nur vor, dafe man nicht Wolle und Leinen 
zugleich zu einem Kleidungsftiick nehmen folle. 11 ) 



) Matth. 3, 11. 10, 10. Marc. 1, 7. Luc. 3, 16. 7, 38. 15, 22. Apg. 12, 8. 

2 ) Luc. 19, 20. Job. 20, 7. Apg. 19, 12. 

3 ) Megilla 4, 8. Kelitn 16, 6. 26, 3. 
) Ifai. 3, 22. Luc 15, 22. 

5 ) Gen. 37, 34. Matth. 3, 4. Apoc. 6, 12. 
)' Deut. 22, 5. 

7 ) I[ai. 3, 16 ff. Jer. 13, 22. 26. Nahum 3, 5. 

8 ) Z. B. Ifai. 3, 19 (hebr.). 

9 ) Dagegen fchon Gen. 12, 14. 24, 15 f. Vgl. Art. Kleidung im 
Kirdienlexikon 7, 763 f. 

10 ) Vgl. Apg. 9, 39. 

11 ) Lev. 19, 19. Deut. 22, 11. 



XIII. Kap. Das hausliche und joziale Leben der Juden. 469 

Wie zahlreich und mannigfaltig die Schmuckgegenftande Schmuck. 
fchon der alien Hebraerinnen gewefen find, erfieht man aus 
Ifaias 3, 1623, wofelbft, abgefehen von Ohrringen, Arm- 
bandern und Fingerringen , auch Riechflafchchen, Spiegel, 
Schleierkleider u. v. a. erwahnt find. 1 ) 

4. Die Familie und ihre Sitte. 2 ) 

Bei den alten Hebraern find die Ausdriicke Familie und 
Vater- oder Stammhaus 3 ) zunachft Bezeichnungen fur die 
Abteilungen der Manner gewefen. Der Vater war das mit 
hochfter Gewalt fiber Frau und Kinder ausgeftattete Haupt 
der Familie. 4 ) 

Wie bei den alten Volkern iiberhaupt, fo ift auch bei P Ql yg amie 
den alten Juden Polygamie ofter vorgekommen. 5 ) Selbft ., un . 

, . . r , _ , . ' , f . , , ru- j r> n- Monogamie. 

das mofaifche Gefe^ hat fie zwar durch verfchiedene Beftim- 
mungen erfchwert/) aber nicht verboten.) Die Ausftellung 



') Vgl. Schroeder, De vestitu mulier. hebr. Lugd. Bat. 1745; Hart- 
mann, Die Hebraerin am Putjtifch und als Braut. STeile. Amfterd. 1809 10. 
Rofenzweig f. o. S. 464, 2. G. Beer, Die foziale und religiofe Stellung- 
der Frau im ifraelitifchen Altertum, Tub. 1919. J. DoIIer, Das Weib im Alten 
Teftament (--= Bibl. Zeitfragen, 9. Folge, Heft 7/8), Munfter i. W. 1920. 

2 ) Vgl. L. G. Levy, La famille dans 1'antiquite israelite (These). 
Paris 1904 (handelt ausfuhrlicher p. 123231 fiber Ehe und Eheleben). 
Th. Engert, Ehe und Familienrecht der Hebraer [--. Studien zur altteftam. 
Einleit. u. Gefdiichte. Herausg. von Dr. C. Holzhey, III. Heft], Munch. 1905. 
1m Gegenfatj zu Engert bezweckt Andr. Eberharter, Das Ehe- und Fa- 
milienrecht der Hebraer, Mit Riickficht auf die ethnologifche Forfchung 
dargeftellt, Munfter i. W. 1914 (= Altte[t. Abhdlgn. Herausg. von Prof. 
Dr. J. Nikel) zu zeigen, dag die Anwendung der evolutioniftifchen Grund- 
{a^e auf das gefellfchaftliche Leben der Hebraeir haltlos ift. Jufter, 
Les Juifs 2, 41 61. J. Neubauer, Beitrage zur Gefdiichte des biblifch- 
talmudifchen Ehefchliefjungsrechts (= Mitt, der Vorderafiat. Gefellfchaft 
24. und 25. Jahrg.), L. 1920. 

3 ) ftfflfy und 2$ n*.?. Vgl. die Lexika. 

4 ) Gen. 34, 16. Exod. 21, 7. 22, 17. Deut. 5, 16. 22, 29 
) Gen. 28, 9. 29, 1 ff. 37, 2. 46, 10. 

B ) Z. B durch das Verbot, bei Lebzeiten der Frau deren Schwefter 
als Nebenweib zu nehmen. Lev. 18, 18. (Vgl. Jos. c. Ap. 2; 24.) S. Schegg 
S. 640 ff. i 

7 ) Vgl. Exod. 21, 9 f. Deut. 21, 15 }. Richti 8, ; 3p. Vohi KOnige 
heifjt es Deut. 17, 17, er folle nicht fehr vielb Weibef habeh; tfanlit fein 
Hefz nicht abgelenkt werde. ; " ' 



470 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zu(tande des jtid. Volkes. 

eines Scheidebriefes war wegen der Herzensharte der Juden 
direkt erlaubt. 1 ) Es fdieint aber, daft fich die Ifraeliten ge- 
wohnlich mit einer Frau begnugt haben. 2 ) Sicher ift dies 
nach dem Exil der Fall gewefen, 3 ) wenngleidi nodi Jofephus 
zunachft allerdings mit Bezug auf die Herodeer fagt, 4 ) es 
fei bei den Juden Sitte, dafc ein Mann mehrere Frauen zu 
gleidier Zeit habe. Ware dies auch nur einigermafcen bei 
den Juden zur Zeit Jefu praktifch geiibt worden, fq wiirde 
er, da er fogar dem Weibe, welches einen Scheidebrief er- 
halten hat, verbietet, fieri wieder zu verheiraten, "') erft recht 
gegen die Vielweiberei eingefchritten fein. 

Das mofaifche Gefe<3 hatte einerfeits beftimmte Ehe- 
hinderniffe feftgefetjt, ) anderfeits aber auch ein Madchen 
oder eine Witwe, welche die einzige Erbin der Familie war, 
verpflichtet, in ihrem Stamme und in ihrer Verwandtfchaft 
zu heiraten, damit ihre Giiter derfelben erhalten blieben. 7 ) 
Die Beftimmungen uber die Ehehinderniffe find befonders 
viel von den Herodeern iibertreten worden, s ) erhielten aber 
infofern fpater noch eine Verfcharfung , als die Ehen von 
Juden mit Nichtjuden, welche das Gefetj zunachft nur in Be- 
zug auf Kanaaniterinnen verboten hatte,' 1 ) allgemein verboten 
wurden. 10 ) Die Beftimmung uber die Heiratspflicht einer Erb- 



!) S. u. S. 472 f. 

2 ) Bei den Propheten ijt die Ehe das Sinnbild der Verbindung 
Israels mit Qott. Siehe Ofeas 2 und Ifai. 50, 1. Vgl. Maladi. 2, 14 f. 
Sprichw. 12, 4. 19, 14. 31," 10 f. Pfalm 128. Tob. 1, 11. 2, 19. 

3 ) Sir. 25, 2. 26, 1 ff. Matth. 18, 25. Luc. 1, 5. Apg-. 5, 1. 

4 ) Ant. 17, 1, 2. Anders druckt er fich aber c. Ap. 2, 24 aus: raim/ 
(mit der eigenen Frau) oweivat. del TOV ytjftnrra (tovy. Er [elbft hat zwar 
auch eine Frau entlaffen, um eine andere zu heiraten, aber doch nicht 
mehrere Frauen zugleich gehabt. Vgl. Jos. Vita 75 und 76. Zur Zeit 
des Ju[tinus (vgl Dial. c. Tryph. 134) haben aber judifche Lehrer jedem 
Manne vier oder funf Frauen geftattet. Dafur auch die Mijchna, z. B. 
Kethuboth 10, 1. 4. 5. Vgl. auch Levy, p. 151-155. 

5 ) S. u. S. 472 f. 

6 ) Lev. 18, 6 ff. 20, 11 ff. Deut. 27, 19 ff. Vgl. die Zufammen- 
[tellung bei Schegg, S. 637 ff. 

7 ) Num. 27, 1 ff. 36, 1 ff. 

s ) Jos. Ant. 17, 1, 3. 13, L 18, 5, 1 und 4. Vgl. Matth. 14, 4. 
) Exod. 34, 11. 16. Deut. 7, 3 ff. Vgl. Gen. 24, 3. ; : , 

10 ) Esdr. 9, 2 ff. 10, 3. Neh. 13, 23 ff. Jos. Ant. 11, 8, 2. 12, 4, 6. 18, 9, 5, 



XIII. Kapitel. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 471 

toditer hat eine Analogic in der vom Gefetj vorgefchriebenen 
Levirats- oder Schwagerehe. Danach mufcte namlich der Leviratsehe 
Bruder oder nachfte Verwandte die Witwe des kinderlos 
verftorbenen Bruders oder Verwandten heiraten und der in 
diefer Verbindung erzeugte Erftgeborne gefet5lich als Kind 
des Verftorbenen angefehen werden. Falls fich jemand 
weigerte, diefer Pflicht nadizukommen , fo follte die ver- 
fchmahte Witwe ihm den Schuh vom linken Fujj ziehen zum 
Zeidien, daft er auf ihr Eigentum keinen Fufc fetjen folie, 
und ihm ins Gefidit fpucken. 1 ) 

Vermutlich hatte diefe auch bei andern Volkern 2 ) vor- 
kommende Sitte der Leviratsehe, welche auch noch zur Zeit 
Chrifti als verbindlich angefehen wurde, 3 ) in dem Wunfche, 
den Familienbefitj zu bewahren, ihren Grund. 4 ) Dazu kam 
dann nodi der Wunfch, feinen Namen zu vererben und in 
feinem Nachkommen den Meffias zu fchauen. 

Das Gefetj, 5 ) welches auch zur Zeit Chrifti noch zu Recht Ehebruch. 

Vgl. Tac. hist. 5, 5 von den Juden: alienarum concubitu abstinent. Fur 
die fruhere Zeit vgl. Richt. 3, 6. 14, 3. 1 Kdn. 11, 1 f. 

') Deut. 25, 5-10. Die Mifdina dehnt die Pflicht auch auf den 
verheirateten Bruder aus, fo dag die Leviratsehe bisweilen wirkliche 
Polygamie gewefen ware. Vgl. Jebamoth 4, 11, wonach der uberlebende 
Bruder alle Witwen feiner verftorbenen Bruder, wenn er wollte, nach dem 
Gefetje der Leviratsehe heiraten konnte. Zur Zeit Chrifti ift aber gleich- 
zeitige Polygamie auch bei Leviratsehen nicht gebrauchlich gewefen. Denn 
die Sadduzaer fetjen in ihrer Frage bei Matth. 22, 23 ff. nur voraus, dag 
fieben Bruder hintereinander diefelbe Frau hatten, wahrend, wenn etwa 
der eine oder andere von ihnen zu gleicher Zeit mehrere Frauen gehabt 
hatte, das Argument anders hatte gefagt werden muffen. 

*) Z. B. frflher bei den Indern und Perfern und jetjt noch bei den 
Afghanen u. a. Vgl. Levy 1. c. 193, 1 und mit genaueren Angaben bei 
Winer BRW II, 19 f. 

3 ) Matth. 22, 24 ff. Sehr ausfiihrlich handelt von der Leviratsehe 
der Mifchna-Traktat Jebamoth. 

*) Jos. Ant. 4, 8, 23. 

3 ) Deut. 22, 22. Lev. 20, 10. Fur eine Verlobten (die Verlobung 
war rechtlich von der Ehefchliegung nicht verfchieden f. u. S. 473), die fich 
verging, war die Strafe der Steinigung. Deut. 22, 24. Jon. 8, 5. (Eine 
fchuldige Prieftertochter wurde nach Lev. 21, 9 verbrannt, S. auch Jos 
Ant. 4, 8, 23.) Nach M. Sanhedr. 11, 1 und 6 wurde der, welcher mit 
einer Verlobten Ehebruch ; getriebe hatte, erdroffelt; ebenfo derjenige, 
welcher mit einer bereits in das Haus ihres Mannes heimgefahrten Ehe ; - 
frau Ehebruch trieb. 



472 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande desjud. Volkes. 

beftand, 1 ) beftrafte den Ehebruch einer Frau, falls derfelbe 
gerichtlich bekannt war, mit dem Tode der beiden Sctiuldigen, 

Trotsdem die Ehe gottlicher Einfetjung und ihrem Wefen 
Seheidebrief. na( j 1 unau fioslich war, fo dag der Menfch nicht trennen foil, 
was Gott vereinigt hat, hatte Mofes wegen der Herzensharte 
der Juden geftattet, dag der Mann, deffen Frau in f einen 
Augen keine Gunft mehr fand, weil er an ihr etwas Schand- 
liches entdeckt hatte, ihr einen Seheidebrief ausftelle und 
fie damit aus feinem Haufe frei entlaffe. 2 ) Die Scbule des 
Schammai erklarte den Ausdruck ,,etwas Schandliches" von 
einer fchandlichen Sadie, namentlich der Unzucht, die des 
Hillel aber lehrte, der Mann konne feine Frau verftogen, 
wenn fie auch nur fein Effen anbrennen liege oder verfalze r 
und der Rabbi Akiba fand fchon einen genugenden Grund 
darin, dag jemand eine andere Frau fande, welche fchoner 
als die feinige fei. 3 ) Die Auslegung der Hillelianer ift Halacha, 
' "" d. h. Praxis, geworden. 4 ) Wenn nicht die fittliche Roheit 
diefer Auffaffung, welche fpater auch die Rabbiner durch 
allerhand Beftimmungen iiber die Gultigkeit des Scheidebriefes 
zu mildern fuchten, 5 ) fo ift doch die praktifche Bedeutung 
der Frage der Grund gewefen, dag fie auch dem Heilande 
vorgelegt wurde, der dann uber Mofes hinaus auf die gott- 
liche Einfetjung der Ehe zuruckgriff und die Unaufloslichkelt 



J ) Vgl. Matth. 1, 19. Job. 8, 5. S. auch .Jos. c. Ap. 2, 24, der fagt, 
auf den Mifjbrauch der Frau oder der Braut eines andern ftunde die 
Todesftrafe. Fiir die Haufigkeit des Ehebrudis auf feiten der Manner 
vgl. Rom. 2, 22. Job. 8, 7. S. auch Apg. 15, 20. Gal. 5, 19. Hebr.' 13, 4. 

2 ) Matth. 19, 3 ff. Vgl. Deut. 24, 14 und 22, 13-19. 28-29. 

: ! " 3 ) Gittin 9, 10. S. die Stelle auch bei Lightfoot, Horae hebr. zu 
Matth. 5, 31 (vol. II, 290 sq.). 

4 ) Gittin 1. c. Vgl. Eccli. 7, 21. Auch Jofephus war Jowohl in der 
Praxis (f. Vita 76) wie in der Theorie (f. Ant. 4, 8, 23) Hillelianer. Im 
Seheidebrief follte nach Jos. Ant. 4, 8, 23 der Mann feiner Frau die fchrift- 
liche"'Verficherung geben , dag er kunftig keinen Anfpruch auf eheliche 
Gernernfchaft an {ie, stellen werde [ygdunndt, ^FV ns^l rw uridinort awfi- 
&elv l6xvtii^io&M\ , Dadurd^ i erlarige fie erft die Macht, fich mit einem 

andern zu verehelichen. , i! . : 

':.) : .. .-;;' ob : . : : : :,.. '' . .- - 

v ; . . '") Der ganze Mifchna-Traktat Gittin handelt hiervon. Vgl. L; Blau, 

'ip;i^ i: ifldifdie:.]Stefcheidung und der judifche Seheidebrief, 2 "feile, "Stfag- 
burg 1911. 1912. J 



XI11. Kap. Das hausliche und {oziale Leben der Juden. 473 

der Ehe dem Bande nach ausfpradi. 1 ) Schon die Propheten 
batten geklagt, dafc die Juden ihre alt gewordenen Weiber, 
welche ihnen Kinder geboren batten, ungerechterweife ver- 
ftiefeen. 2 ) Bei den Herodeern kam es aber vor, daft gegen 
das Gefetj fogar Frauen ihren Mannern einen Scheidebrief 
fandten. 3 ) 

Der Heimfuhrung der Frau in das Haus ihres Mannes Veriobnis 
ging bei den Juden fchon von alters her, wie z. B. die Ge- und Ene ~ 
fchichte der Rebekka zeigt, 4 ) das Veriobnis von Braut und f* lie fc un - 
Brautigam vorher, bei welchem der Brautigam dem Vater 
oder beziehungswei[e den Brudern der Braut nach Oerein- 
kunft eine beftimmte Geldfumme zahlte. 5 ) Wahrend aber bei 
den Griechen und Romern das Veriobnis ein bloftes Ehe- 
verfprechen war, gait es bei den Juden der Ehe gleich.* 5 ) 
Die : Braut trat durch das Veriobnis in dasfelbe rechtliche 
Verhaltnis zu ihrem Brautigam wie fonft eine Ehefrau zu 
ihrem Ehemanne, fo dag [ie im Falle der Untreue als eine 
Ehebredierin beftraft wurde 7 ) und der Bra'utigam |ich nicht 
anders von ihr losfagen konnte, als indem er ihr wie ein 
Mann feiner Frau einen Scheidebrief gab. s ) Es lag aber, 

') Matth. 19, 3 ff. Vgl. Matth. 5, 31 f. Luc. 16, 18. In Matth. 5, 32 
find zwei Beftimmungen enthalten, eine allgemeine, namlidh, n wer immer 
eine entlaffene Frau heiratet, begeht Ehebruch", und eine befondere. In 
diefer le^teren wird der Ehemann, welcher feiner Frau einen Scheide- 
brief gibt, nur fur den Fall, dag der Scheidebrief wegen vorausgegangenen 
Ehebruchs gegeben wurde, von der Verantwortlidiheit dafiir losgefprochen? 
da^ fich die Frau wieder verheiratet und dadurch die nodi zu Recht be- 
fteheride erfte Ehe bridit. ; 

' ') Mich. 2, 9. Malach. 2, 11 ff; 

a ) Jos. Ant. 15, 7, 10. Der Herr erklart, Marc. 10, 12, dag das 
Weib, welches ihren Mann verlagt und einen andern heiratet, die Ehe 
bricht'/ ' ' ; : : ' ;; "'; ' : ""' ' ' 

: \-j Qen. 24. ; 

' ' *) Qen. 34, 12; Exod. 22, 16 f. Die Mifchna, Traktat Qidduschin 1, 1 
kenrit drei Arten des VerlObriiffes,. namlich durch-Geldzahlung des 'Br&u- 
tigams, durch fchriftlichen Vertrag und durch copula, welch letjtere' Art 
die fpatereii- Rabbiner unter Strafe verboten. Vgl. Hamburger, Artikel 
Trauung un : d Artikel Veriobnis. ' Mit 

6 ) PhilO, De Spec, leg : 3, 12: dl yap nftolnyiat yauoi? Itiodnvntiofdiv. 
Es entfprach fomit das Veriobnis nicht den sponsalia de future (dem 
Eheverfprechen), fondern den sponsalia de praesenti. 

7 ) Deut. 22, 23 f . ! 

") Jofeph und Maria waren bei der Verkflndigung Verlobte, heifcen 



474 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

zwifchen dem Verlobnis und dem Anfang des Zufammen- 
wohnens oder des Ehelebens der Brautleute meift eine ge- 
wiffe Zeit, 1 ) innerhalb weldier die Braut ihre Vorbereitungen 
machen konnte. Nach der Mifchna dauerte diefe Zeit bei 
einer Jungfrau zwolf Monate.-) Bei diefer Bedeutung der 
Verlobung ift es natiirlidi, dafj wir in dem Alten Teftamente 
nichts von religiofen Zeremonien bei der Ehefchiefcung horen. 
Es fanden eben gar keine ftatt. Vielmehr beftanden die. vor- 
ziiglichften Feierlichkeiten in dem Hochzeitszug und dem 
Hochzeitsmahle. 3 ) 

Bei dem Hochzeitszug holte der mit dem Hochzeitskranz 4 ) 
gefchmiickte Brautigam in Begleitung [einer Freunde 5 ) die 
Braut, welche von ihren Gefpielinnen begleitet wurde, 6 ) aus 
dem Hau[e ihrer Eltern ab und geleitete fie in feierlichem 
Zuge unter den Klangen,der Mufik 7 ) und abends beim Scheine 



aber, noch ehe fie zufammenwohnen, Mann und Frau. Vgl. Luc. 1, 27. 
Matth. 1, 20. 

') Vgl. Deut. 20, 7. 28, 30. Richt. 14, 8. Jer. 2, 2. Matth. 1, 18. 
Ober den Fall der Rebekka und der Michol f. Gen. 24, 6367. 1 Sam. 
'18, 27. 

-) Kethuboth 5, 2. Man ftiitjte fich fur dieje Oberlieferung auf Gen. 
24, 55, indem man 7NW iN Wft* (Vulg. saltern decem dies) mit dem 
Targum als ,,ein Jahr oder zehn Monate" erklarte. Statt ~\WS ift aber 
zu lefen Enn (vgl. de Hummelauer ad 1.), fo daf5 von einem Jahre oder 
einem Monate die Rede ift. 

3 ) Heutzutage wird bei -den Juden die Ehe unter dem Trag- oder 
Brauthimmel augerhalb der Synagoge in Gegenwart eines Rabbiners oder 
deffen Stellvertreters gefchloffen. Diefer legt die Hande der Brautleute zu- 
fammen, deckt uber ihr Haupt den Talith oder Gebetsmantel und fpridit 
einen fiebenfadien Segen. Die Ehe wird dadurch eingegangen, dag der 
Brautigam der Braut einen Ring an den^ Finger fteckt mit den Worten: 
Siehe, du bift mir vermahlt vermittelft diefes Ringes nach dem Gefetje 
Mofis und Ifrael. Vgl. Mayer, Das Judentum. Regensb. 1843, S. 290 bis 
297. Rofenau 1. c. 155 166. Welte, Hochzeit bei den neueren Juden im 
Kirchenlexikon 6, 107109. 

4 )-Hohel. 3, 11. Ezech. 16, 13. Die Mifchna fagt Sola 9, 14, im 
Kriege mit Vefpafian feien die Kranze der Brautigame und die Trom- 
meln, in dem mit Titus die Kranze der Braute abgefchafft worden. 

5 ) 1 Mace. 9, 39. Matth. 9, 15 u. a. 
) Pfalm 44, 15. 1 Mace. 9, 37. 
7 ) 1 Mace. 9, 39. Vgl. Sota 9, 14. 



XIII. Kap. Das hausliche und joziale Leben der Juden 475 

von Fackeln und Lampen 1 ) in fein oder feiner Eltern Haus.^) 

Dort fand auch meift das Hochzeitsmahl ftatt, 3 ) bei welchem 

die Braut in ihrem Brautftaat 4 ) mit dem Brautkranze aufDie Freuade 

dem Haupte 5 ) erfchien. Unter den Gaften oder ,,Freunden des 

des Brautigams" hatte einer eine ahnliche Stellung ais der 

Freund des Brautigams wie bei uns der Brautfuhrer. ) Am 

Schluffe des Hodizeitsmahles wurde von irgend jemand 

ein Segenswunfch iiber die Neuvermahlten gefprochen. 7 ) In 

alterer Zeit dauerten die Hochzeitsfeierlichkeiten eine ganze 

Wodie, 8 ) wie es ubrigens bei den Fellachen in Syrien nodi 

jefct ublich ift. !1 ) 



') Matth. 25, 1 ff. 

a ) Hohel. 3, 6 ff. Jer. 7, 34. 16, 9. 25, 10. 1 Mace. 9, 37-39. 
(Altere Abweichungen f. Richt. 14, 10. Tob. 7, 1517). In der Parabel 
von den 10 Jungfrauen Matth. 25, 1 13 wird der Hochzeitszug mit 
Braut und Brautigam aus dem Wohnorte des Brautigams von Jung- 
frauen abgeholt. Vgl. Fonck, Die Parabeln S. 507 f. 

3 ) Matth. 22, 1-14. Joh. 2, 1 ff. Vgl. Richt. 14, 10. Man pflegte 
viele einzuladen. Vgl. Luc. 14, 8. Joh. 2, 2. 

*) Gen. 29, 22. Pfalm 44, 14 f. Ifai. 49, 18. 61, 10. Jer. 2. 32. 

5 ) Jer. 2, 32. Ezedi. 16, 913. Apoc. 21, 2. 

6 ) Den griech. Ausdruck oi viol [wtt^uivoi; uberfetjt die Vulgata in 
Marc. 2, 19 durch filii nuptiarum, die Kinder des Brautgemaches, d. h- 
die zur Hochzeit gehOrigen; in Matth. 9, 15 und Luc. 5, 34 durch filii 
sponsi. Der Ta'ufer fpricht bei Joh. 3, 29 von J (j-uo? rov wfupiov. Nach 
dem Talmud (Kethub. 12a; jer. Kethub. I, 1, p. 25 a bei Edersheim 1, 
355) follen die viol zov w^ifiuvu? = die Hochzeitsgafte von den iptim 
TOV wftyiov = ,,Freunde des Brautigams", welche den Brautigam ins 
Brautgemach der Braut gefuhrt hatten, verfchieden fein. Le^tere wSren 
zwar in Judaa, aber nicht in Qalilaa, wo einfachere Sitten herrfchten, be- 
kannt gewe[en. Fonck, Die Parabeln S. 214 erklart auf Grund diefer 
Annahme in Anfchlug an Edersheim I, 355, dafj der augerhalb Galilaas 
redende TSufer bei Joh. 3, 29 von einem Freunde des Brautigams rede, 
die Evangeli[ten aber fiir Galilaa (auch bei der Hochzeit zu Kana) nicht 
,,Freunde des Brautigams", fondern Kinder des Brautgemaches = Hoch- 
zeitsgafte erwahnten. Allein es lajgt fich weder aus der fpziten Ouelle 
noch aus dem Ausdruck bei Joh. 3, 29 etwas Zuverlaffiges fur die Zeit 
Jefu entnehmen. Nach Tobias 8, 1 fflhrten die Eltern der Braut den 
Brautigam zu. Vgl. aber noch Tobias 6, 13. 7, 14 f. 

') Vgl. Gen. 24, 60. Ruth 4, 11. Tob. 7, 15. 
*) Gen. 29, 27. Richt. 14, 12. 17. Tob. 11, 21. 
') Wetjftein in der Zeitfdmft fQr Ethnologic, Berl. 1873, S. 287 ff. 
Vgl. auch Nowack, Archaologie, S. 163 f. 



476 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud, Volkes. 

steiiung der Der Frau lag die Fuhrung des Haushaltes ob. 1 ) Sie 
Frau. biiob nach der Mifchna fowohl im Befitj des von ihr in die 
Ehe Gebrachten, 2 ) wie audi des ihr als Erbteil Zugefallenen, 3 ) 
fo daft in beiden Fallen der Mann nur die Nutjniefrung hatte. 
Was "fie aber fonft in der Ehe erwarb, gehorte ihrem Manne 
als Eigentum. 1 ) 

Die Kinder zu haben gait als das grofcte Gliick und nodi 

gefe^Hche Kindeskinder fchauen zu konnen als befonderer Segen Gottes. 5 ) 
Reinigung. Das Qefe^ fur die Wochnerinnen, daft eine Frau 40 Tage 
lang nach der Geburt eines Knaben und 80 Tage nach der 
Geburt eines Madchens unrein fei und nach diefer Zeit zur 
Reinigung ein einjahriges Lamm und eine Taube oder im 
Falle der Armut ein Paar junge Tauben oder Turteltauben 
opfern folle, 6 ) hatte auch einen naturlichen Grund in der 
zeitweifen Ruhebedurftigkeit der Frau und diirfte alter als 
Mofes fein. Es kommt in ahnlicher Form auch bei andern 
Volkern vor. 7 ) 

Die Be- Nach dem Gefetj mugte ein Knabe am achten Tage 8 ) nach 

fchneidung. jeiner Geburt, auch wenn diefer Tag auf einen Sabbat fiel, 9 ) 
befchnitten werden. Es gefchah dies im Haufe, da die Be- 
fchneidung von jedem Ifraeliten, auch von einer Frau, 10 ) vor- 
genommen werden konnte. .Die Befchneidung bejtand fiir 
den Hebraer fchon feit Abraham, dem fie auch zugleich fiir 
feine Nachkommen als Zeichen des Bundes Ifraels mit Gott 
gegeben war. 11 ) Dadurch hatte die auch bei andern Volkern 12 ) 

J ) Kethub. 5, 5. 

''*) Jebam. 7, 12. . 

3 ) Kethub. 6, 1. 
*) L. c. 

5 ) Vgl. Gen. 1, 28. 12, 2. 7. 13, 16. Pjalm 127, 5. 1 Kon. 1, 6. 
Luc. 1, 25. 

6 ) Lev. 12, 18. 

7 ) Vgl. de Hummelauer, ' Comm. in Ex. et Levit. Paris 1897, 
p. 435 sqq. 

8 ) Gen. 17, 12. 21, 4. Lev. 12, 3. Vgl. Luc. 1, 59. 2, 21. Phil. 3, 5. 
;) i Joh. 7, 22. , 

10 ) Exod. 4, 25. 1 Mace. 1, 63. Jos. Ant. 12, 5, 4. 20, 2, 4. Ge- 
wohnlidi gefdiah {ie durch den Vater. Gen. 17, 23. Ober die Befdineidung- 
bei den Ifraeliten in der neweren Zeit vgl. Mayer 230 244. Rofenau, 
p. 131-141. Vgl. auch Schegg, S.V515. .;-j 7 . , ,v 

!') Gen. 17, 9 if. '"' '. ' .^ ' ".-'' "'''''''v.'.:^-.', .-.' ' .::',7-'s" : 

") Nach Herodot 2, 104 war die Befchneidung bei den Agyptefn, 



XIII. Kap. Das hausliche uncTjoziale Leben der Juden. 477 

vorkommende Wegfdineidung der Vorhaut fur den Ifraeliten 
eine religiofe Bedeutung. 

In der neuteftamentlichen Zeit wurde der Name dem Die Namen- 
Knaben nidit fchon gleich nach der Geburt, wie im Alien 
Teftamente, fondern erft am achten Tage mit der Befchnei- 
dung gegeben. 1 ) Denn erft durch letjtere trat der Knabe 
nach ifraelitifcher Anfchauung in den Bund mit Gott. 

Zu dem Eigennamen wird fchon friih noch der Name 
des Vaters hinzugefiigt und fogar diefes Patronymicum als 
Eigenname gebraucht, wie z. B. Barjona, Sohn des Jonas, 2 ) 
Barjefu u. a. In der romifchen Zeit trifft man auch ofter auf 
Zunamen, welche die Heimat oder irgend eine Eigenfchaft 
des Betreffenden ausdriicken. 3 ) 



Kolchern und Athiopiern gebrauchlich und kam von Agypten zu den 
PhOniziern und den Syrern in Palaftina. Jos. c. Ap. 2, 13 bezeugt von 
den agyptifchen Prieftern, dag fie zu feiner Zeit befchnitten wurden. Die 
Sitte der Befchneidung hat aber beim agyptifchen Volke nach den ver- 
fchiedenen Perioden feiner Gefchichte gewechfelt, da, wie Wiedemann, 
Oriental. Lit. Zeit. 6 (1903), Sp. 97 ff. ausfuhrt, die Mumien vieler 
Agypter die Befchneidung erkennen laffen, aber auch viele Agypter, da- 
runter felbft KOnige, trot} ihrer priefterlichen Stellung unbefchnitten ge- 
blieben find. Vgl. noch Heyes, Bibel und Agypten. Miinfter 1904, S. 48 
bis 52, der meint, die Befchneidung habe im Niltale, wenig[tens in fpa- 
terer Zeit die Bedeutung eines Priefterzeichens gehabt. Vgl. iiberhaupt 
iiber die Befchneidung Plog, Gefchichtliches und Ethnologifches fiber Knaben- 
befchneidung in Deutfches Archiv'ffir Gefchichte der Medizin und medizin. 
Geographic VIII (1885), 3, S. 312343, Glagberg, Die Befchneidung in 
ihrer gefchichtlichen, ethnographifchen, religiofen und medizinifchen Be- 
deutung 1896. 

J ) Luc. 1, 59, wobei nach 1, 61 auf die bereits in der Verwandt- 
fchaft vorhandenen Namen Ruck[icht gegeben wurde. Fruher war das 
anders. Vgl. Jakob der Fefthalter, Edom = der Rotliche etc. S. 
Gen. 5, 29. 21, 3-6. 25, 25. 30. 38, 29. 41, 51. Exod. 2, 22. 1 Kon. 1, 
20 etc. Gewohnlich gab die Mutter den Namen. Luc. 1, 31. Vgl. Gen. 
4, 1. 2. etc. Ridit. 13, 24. 1 K6n. 1, 20. 4,;21. Ifai. 7, 14. Ausnahmen 
z. B. Gen. 16, 15. Exod. 2, 22. 2 Kon. 12, 24^ Vgl. Lightfoot, Horae 
hebr. in Ev. Luc. 1, 59: Deus una simulque instituit circumcisionem et 
nomina mutavit Abrahae et Sarae; nine mos nominandi filios cum circum- 
ciderentur. Bei den ROmern erhielt ein Knabe am neunten, ein Madchen 
am achten Tage nach der Geburt den Namen. Macrob. Sat. 1, 16, 36. 
Vgl. Marquardt 1. c. S. 83. 

'0 Z. B. 1 KOn. 22, 9. 23, 6. 30, 7 2 Kon. 8, 17 u. a. 

3 ) Judas von Karioth, Simon Niger etc. 



478 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Lohnarbeiter Die Mietlinge oder Lohnarbeiter, die fich fiir einen Tag 
und Skiaven. verdingten, 1 ) gehorten nidit zur Familie, wohl aber die 
Sklaven, deren Los bei den Hebraern kein eigentlich hartes 
war und fich nidit wefentlich von dem der iibrigen Haus- 
genoffen unterfchied, weldie audi rechtlich der Gewalt des 
Hausherrn unterftanden. 2 ) Es gab heidnifche und ifraelitifche 
Sklaven. Erftere waren entweder Kriegsgefangene, die, wenn 
fie nicht getotet wurden, zu Leibeigenen gemacht wurden, 3 ) 
oder gekaufte Sklaven, 1 ) oder im Haufe des Herrn geborene 
Kinder von Sklaven. 5 ) Das mofaifche Gefetj fuchte ihr Los 
gefetjlich zu regeln und milder zu geftalten. Deshalb be- 
ftimmte es z. B., daft der Sklave, dem fein Herr ein Auge 
oder einen Zahn ausgefchlagen hatte, befreit werden muffe. 6 ) 
Die Freilaffung erfolgte formell dadurdi, daft der Herr feinem 
Sklaven einen Freibrief ausftellte. 7 ) Waren die Sklaven, wie 
das meijt der Fall war, befdmitten,*) fo nahmen fie am 
Oftermahl teil") und feierten audi den Sabbat. 10 ) Kein Sklave, 
der jemand im Heiligen Lande von auswarts zugelaufen 
war, durfte ausgeliefert werden, weil er Anjpruch auf Gaft- 
freundfchaft hatte. 11 ) Im zweiten Jahrhundert v. Chr. war der 
Preis eines Sklaven 120 Drachmen = etwa 80 Mark. 1 -) 

1 ) Lev. 19, 13. Deut. 24, 14 f. Tob. 4, 15. Matth. 20, 8. Man konnte 
aber auch Leute auf ein Jahr mieten. S. Lev. 25, 53. 

2 ) Vgl. Winer BRW, Art. Sklaverei. Schegg, 653 ft. 

3 ) Num. 31, 26 ff. Vgl. Deut. 21, 10- 14. 
*) Gen. 17, 23. Lev. 25, 44. 

) Exod. 21, 4. 

*) Exod. 21, 26 f. Ober die Behandlung fchlediter Sklaven vgl. Sir. 
33, 25. 27 ff. Matth. 25, 30. Luc. 12, 46. 

7 ) Vgl- Qidduschin 1, 3. Nadi Pea 3, 8 konnte es auch durdi ftill- 
fdiweigende Anerkennung gefchehen. Nach Schflrer (III, 18 und 53 f.) 
gefchieht die Befreiung von Sklaven auf den aus dem erften diriftlichen 
Jahrhundert ftammenden Urkunden von Pantikapaum (Kertsch am cim- 
merifdien Bosporus), welche bei Latydier, Inscriptiones antiquae orae 
septentrionalis Ponti Euxini graecae et latinae vol. II. 1890 n. 52 und 53 
gedruckt find, Inl rfjc nQofitv/ts in der Synagoge und wird zwar dem 
Sklaven darin voile Freiheit gefchenkt, aber ,,abgefehen von der Ehrfurcht 
gegen die Synagoge und dem regelmafcigen Be[uche derfelben". 

s ) Gen. 17, 23. 

'') Deut. 12, 12. 18. 16, 11. 19. . 

10 ) Exod. 20, 10. 

1J ) Deut. 23, 15. Vgl. de Hummelauer 1. c. S. 406. . 

12 ) 2 Mace. 8, 9 ff. (90 Juden wurden fiir ein Talent verkauft). Vgl. 
audi Jos. Ant. 12, 2, 3. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 479 

Audi ein Ijraelit konnte Sklave eines andern Ifraeliten 
werden, denn er konnte fich aus Armut felbft in die Knechf- 
fchaft verkaufen. 1 ) Er konnte aber auch durdi gerichtlidien 
Sprudi entweder zum Sklaven des von ihm Beftohlenen, um 
ihm fo Erfatj fiir den Diebftahl zu leiften, 2 ) oder zum Sklaven 
eines Glaubigers, dem er fonft nicht feine Schuld bezahlen 
konnte, 3 ) gemacht werden. Hatte er fich felbft an einen 
Ifraeliten verkauft, fo mufcte er von diefem wie ein gemieteter 
Knecht gehalten 4 ) und famt feiner Familie nach fechs Jahren 5 ) 
oder, falls in diefe Zeit ein Jubeljahr fiel, noch fruher 6 ) frei 
entlaffen werden. Er konnte aber auch natiirHch zu jeder 
Zeit durch Loskauf befreit werden. 7 ) Im Jubeljahre, d. h. 
jedem 50. Jahre, wurden iiberhaupt den Schuldnern die Schul- 
den erlaffen, die leibeigenen hebraifchen Knechte befreit und 
die Acker ihrem vorigen Befitjer wieder zuruckgegeben. 8 ) 

Jedenfalls war durch derartige Beftimmungen eine grofce 
Ausdehnung der Sklaverei bei den Hebraern nicht moglich. 

>) Lev. 25, 39. Vgl. Exod. 21, 2. Deut. 15, 12. 

2 ) Exod. 22, 4. (Da Frauen nicht erwahnt werden, wurde das Ge- 
fetj in praxi auf die Manner befchrankt. Sota 3, 8. Vgl. Winer RWB. II, 
475, 4.) Erft Herodes beftimmte (f. Ant. 16, 1, 1), dag die Diebe auger 
Landes verkauft werden follten. 

3 ) Im Gefetj fteht hieruber nichts. Vgl. aber 4 Kon. 4, 1. Ifai. 50, 1. 
Neh. 5, 5. Matth. 18, 25. 

*) Lev. 25, 40 f. 

5 ) Exod. .21, 1-6. Deut. 15, 1218. Vgl. Jos. Ant. 16, 1, 1. Siehe 
u. iiber das Sabbatjahr Kap. 17, 3. 

6 ) Lev. 25, 40 f. Qidduschin 1, 2. Ob man in der nachexilifchen 
Zeit uberhaupt das Jubeljahr gefeiert hat, ift zum wenigften zweifelhaft. 
S. u. Kap. 17, 3. 

') Lev. 25, 48 ff. Lebte aber ein Ij'raelit bei dem Kaufer mit einer 
Unfreien in ehelicher.*Verbindung und hatte Kinder mit ihr erzeugt, fo 
fah das Gefet> nur die Befreiung des Mannes felbft vor, ftellte es ihm 
aber frei, feiner Frau und Kindern auliebe mit diefen in der Knechtjchaft 
zu bleiben (Exod. 21, 46). Es war aber Praxis, dafj er im Jubeljahre 
mit Frau und Kindern in Freiheit gefetjt wurde (Jos. Ant. 4, 8, 28. Vgl. 
de Hummelauer, Comm. in Ex. p. 215. Nach Qidduschin 1, 2 wurde ein 
ewiger hebraifcher Knecht auch durch den Tod feines Herrn frei). Ein im 
Lande anfaffiger Fremder mugte fiir den etwa bei ihm dienenden Ifrae- 
liten das Redit der AuslSfung anerkennen und den Kaufpreis unter Be- 
riickfichtigung der bis zum Jubeljahre nodi ubrigen Jahre beftimmen 
(Lev. 25, 50. Qidduschin 1, 2).. 
) Vgl.. Lev. 25, 155. Jos. Ant. 3, 12, 3. 



480 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Die voile Lofung der aus der Sklaverei fich ergebenden 
Schwierigkeiten ; braciite allerdings erft das Chriftentum mil 
der Lehre der Beziehungen der Menfchen zu Gott und zu- 
einander. 1 ) Die war der Sauerteig, der allmahlich die ganze 
Welt durchdringen follte. 

Gefeiiige In alterer Zeit trafen Freunde und Bekannte fich, abge- 

Zufammen- fehen von den Feften und ahnlichen Veranlaffungen, am 

kanfte. stadttore a ) und auf dem Lande am Brunnen. 3 ) Gewifc batten 

in der neuteftamentlichen Zeit Theater und Amphitheater in 

Jerufalem foldie Treffplatje werden konnen, aber diefe Bauten 

des Herodes fanden nicht den Beifall der orthodoxen Juden, 4 ) 

und wenngleich das Neue Teftament manche Anfpielungen 

auf griechifche Wettka'mpfe und Spiele enthalt, fo ruhren fie 

doch meift von dem Heidenapoftel her. 5 ) 

Der Grufi. Der neuteftamentlidie Grufc ,,Friede fei mit'dir" oder 

,,gehe in Frieden" reidit in die graue Vorzeit zuriick, da es 
von alters her iiblich war, jemand bei der Ankunft und beim 
Weggang mit einem Segenswunfche zu begriijsen. 6 ) Seine 
voile Bedeutung erhielt er aber erft dureh Chri[tus. 
Tod und Be- Schliefclich fei auch noch das Wefentlidie iiber die Trauer- 
grabnis. gebraudie beim Tode und beim Begrabnis in diefer Zeit 
gefagt. Beim Tode wurden dem Verftorbenen die Augen 7 ) 
und der Mund 8 ) gefrhloffen, dann der Leichnam gewafchen 9 ) 
und ofter gefalbt 10 ) und hernach in ein weifees Tuch gehullt. 11 ) 
In diefes legte 1 -) man Spezereien u. dergl. oder verbrannte 13 ) 



J ) Vgl. den Brief an Philemon und Gal. 3, 26 ff. 

2 ) Sprichw. 31, 23. 31 u. 0. 

3 ) Gen. 29, 3. 

*) Jos. Ant. 15, 8, 1. Vgl. 2 Mace. 4, 14 f. 
s) Z. B. I Kor. 9, 24-27. Gal. 5, 7. Phil. 3, 12-14 u. a. 
") Marc. 5, 34. Luc. 24, 36. Jon. 20, 26. Vgl. Gen. 29, 6. 1 Kon. 
1, 17. 20, 42 etc. 

1) Gen. 46, 4. 50, 1. Jub. 23, 1. 

8 ) Jon. 11, 44. Schabb. 23, 5. 

9 ) Apg. 9, 37. Schabb. 1. c. 

10 ) Marc. 16, 1. Luc. 24, 1. Joh. 12, 7. Verfdiieden hiervon ift ; die 
Gen. 50, 2 ff. 25 erwahnte, bei den alten Agyptern fibliche Sitte der 
Einbal[amierung. Vgl/ Herod. 2,'86-88. 

") Matth. 27, 59. Luc. 23, 53. Joh. 19, 40. Vgl. auch Sir. 38, 16. 

ia ) Joh. 19, 40. Jos. Ant. 17, 8, 3. B. J. 1, 33, 9. 

13 ) Das ift wohl beim Tode des Herodes mit dem grofcten Teil der 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 481 

auch bei den Leichen vornehmer Leute derartige Sadien. 
Hande und Fiijje der Verftorbenen waren mit Binden, der 
Kopf mit einem Schweifttuch verhullt. 1 ) Bei vornehmen 
Perjonen, z. B. Furften, wurden dem Verftorbenen auch 
allerhand Koftbarkeiten mit ins Grab gelegt. 2 ) 

Wahrend bei den meiften Volkern des Altertums, aueh 
bei den Indern, Griechen und Romern eine zweifache Art 
der Beftattung, das Begraben und Verbranntwerden, nach- 
weisbar ift, 3 ) wurden die Toten, wie im Orient iiberhaupt, 
jo auch bei den Juden begraben*) und zwar, wie es nodi 
heute im Orient Sitte ift, am Tage des Todes felbft. 5 ) Eigent- 
liche Sarge waren unbekannt, vielmehr wurden die Toten 
auf einer Bahre die Stadt hinausgetragen. 6 ) Die Begrabnis- 
ftatten befanden fich, abgefehen von denen hoher Perfonen, 
aufeerhalb der Stadte und Dorfer. 7 ) Die Graber waren ge- 
wohnlich entweder Senkgraber wie bei uns Oder, wie z. B. 
aueh in chriftlicher Zeit in den unterirdifchen kellerartigen 
Begrabnisftatten von Kloftern fur die Ordensgenoffenfchaft, 
Schiebgraber, bei welchen eine Leiche fiber die andere in 
offene Seitenwande der Mauern hineingefchoben wurde. s ) 



von 500 Dienern getragenen Spezereien (vgl. Ant. 1. c. B. J. 1. c.) ge- 
fdifehen. Vgl. auch 2 Par. 16, 14. Jer. 34, 5. 

) Job. 11, 44. 20, 67. 

s ) Ant. 13, 8, 4. 15, 3, 4. 16, 7, 1. 

*) Vgl. Marquardt, Das Privatleben etc. S. 374 ff. 

*) Tacit, hist. 5, 5. Selbft die Leichen der Verbrecher wuiden be- 
graben. Vgl. Matth. 27, 58. Jos. B. J. 4, 5, 2. 6, 7, 2. Deut. 21, 23. Jofue 8, 29. 
10, 27. Zu 1 Kor. 13, 3: M wenn ich meinen Leib zu verbrennen gSbe" 
^vgl. Jos. B. J. 7, 8, 7, wonach auch Jofephus wujgte, dag die Inder den 
Leib den Flammen ubergaben. Zur Zeit des Augustus hatte fich in 
Athen ein Inder felbft verbrannt. Vgl. Nikolaus von Damaskus bei 
Strabo 15, 1, 73. Dio Cass. 54, 9. 

5 ) Matth. 27, 57 ff. Joh. 11, 39. Apg. 5, 1^ 11. Vgl. Deut. 21, 22 f. 

6 ) Luc. 7, 14. Apg. 5, 6. Vgl. 2 Kon. 3, 31. 4 K6n. 13, 21. Jos. 
Ant. 17, 8, 3. B. J. 1, 33, 9. Berakhoth 3, 1. Baba bathra 6, 8. Der 
^gyptff* 6 Jofeph war nach agyptifchem Gebrauch in einen Sarg gelegt 
worden, Gen. 50, 25. Vgl. Exod. 13 19. Jos. 24, 32. 

7 ) Matth. 8, 28. Luc. 7, 12. Joh. 11, 30. Vgl. v. Himpel, Art. Be- 
grabnis im Kirchenlexikon 2, 186. Nach Baba bathra 2, 9 mujjten Aas, 
Oraber und Gerbereien 50 Ellen von der Stadt entfernt fein. 

8 ) Matth. 27, 60. Luc. 11, 44. 23, 53. Vgl. v. Himpel 1. c. 187 f. 
Nicol, art. Sepulchre in Hastings IV, 454 ff. 

Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefchidite. I. 2. u. 3. Auf I. , 31 



482 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Familiengraber find auch bei den Juden recht haufig gewefen. 1 ) 
Man hatte aber auch gemeinfame Begrabnisftatten. 2 ) 
Denkmaier. Denkmaier fiir einzelne Perfonen werden fchon in der 
alteften Zeit erwahnt. 3 ) Man legte auch zur Zeit Chrifti 
einen Wert darauf, die Grabdenkmaler der Propheten und 
anderer beruhmter Perfonlichkeiten zu reftaurieren. 4 ) Man 
pflegte die Graber dureh Steine zu verfchlje&en, und diefe 
Steine wurden nach der Regenzeit neu mil Kalk ubertuncht, 5 ) 
um [o die Voriibergehenden aufmerkfam zu machen. Denn 
die Beriihrung eines Grabes verunreinigte. 6 ) Noch jetjt fieht 
man an dem Grabdenkmal der Konigin von Adiabene und 
ihrer Familie, den fogenannten Konigsgrabern, vor dem 
Damaskustor bei Jeru[alem, wie viele Kammern ein folches 
Grab oft enthielt, aber auch den eigenturnlichen Verfchlug;, 
der runden niedrigen Offnung, welche durch einen gewal- 
tigen Stein, der genau in die Offnung pagt, verfchloffen 
werden kann. 

Auj5erungcn Dem Orientalen erfcheint es unnaturlich, die Trauer 
der Trauer. n icht laut werden zu laffen und in [tillem Zuge den Toten 
zu Grabe zu geleiten. Er will der Trauer einen aujgern 
Ausdruck geben. Von den Juden gait das Wort des Jefus 
Sirach: ,,Weine um den Verftorbenen und traure um ihn,. 
damit man nicht bofe von dir fpreche." Sie zerriffen zum 
Zeichen der Trauer und eines Schmerzes, der fich Luft ma- 
chen mufc, oder der Armut, weil man des Verftorbenen, der 
das Leben reich machte, beraubt war, fichtbar vorn an der 
Bruft das Gewand, 7 ) fchlugen fich an die Bruft, 8 ) kleideten 



J ) Vgl. z. B. Gen. 23, 20. Tob. 14, 12. 1 Mace. 2, 70. Die Mifchna 
gibt in Baba bathra 6, 8 Beftimmungen iiber die Anlage von Familiengrabern. 

'-) 4 Kon 23, 6. Jer. 26, 23. Matth/27, 7. 

3 ) Gen. 35, 20. Job 21, 32. 2 Sam. 18, 18. Vgl. auch 1 Mace. 13,. 
27 ff. und Schekalim 2, 5. 

^) Matth. 23, 29 ff. 

5 ) Matth. 23, 27. Maaser scheni 5, 1. Dies Ubertunchen gefdiah. 
nach Schekalim 1, 1 am 1. Adar. Vgl. auch Moed qatan 1, 2. 

f ) Sir. 38, 16 f. Vgl. Num. 19, 1120. 

') Gen. 37, 34. 44, 13. Richt. 11, 35. 2 Sam. 13, 31. Schabb. 13, 3.. 
Vgl. Sir. 38, 17 f. u. 483, 1. 

*) Luc. 18, 13. 23, 48. Vgl. auch Matth. 11, 17. Luc. 8, 52. 23, 27. 
Apoc. 1, 7. 18, 9. Dag folche Ausbriiche des Schmerzes auch bei deni 
Leichenziigen der Romer vorkamen, zeigt Marquardt S 356, 5. 



X11I. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 483 

fidi in ein fackleinenes oder harenes Gewand, 1 ) verhullten 
ihr Haupt, 2 ) um gewifterrnagen das Schrecken einflo&ende 
Ungluck nidit zu fehen, 3 ) und beftreuten es mit Staub und 
Afche 4 ) und fafteten. 5 ) Selbft der Armfte mufcte nach einer 
in der Mifchna erwahnten Anficht den Leidienzug feiner Frau 
durch wenigftens ein Klageweib und zwei Flotenfpieler be- 
gleiten laffen, 6 ) und nidit blofc beim Begrabnis, fondern auch 
fchon im Haufe wurde alsbald nach dem Tode von den 
Freunden und Verwandten und berufsmafcigen 7 ) Klagewei- 
bern oder Klagemannern die Totenklage 8 ) veranftaltet. Die 
Form derfelben beftand zumeift in einer Hervorhebung der 
Eigenfchaften des oder der Verftorbenen, z. B. ,,Ach, du 
junge, ach, du fo friih den Eltern Entriffene" und erinnert 
an die fpateren Leidienreden. 

J ) Gen. 37, 34. 2 Sam. 3, 31. 2 Mace. 3, 19. Lagrange, Etudes 
sur les religions semitiques. 2. ed. Paris 1905, p. 321 geht davon aus, 
dag der Sack urfprunglich eine um die Lenden gehullte Gewandung, das 
Kleid der Armen, war und man durch das Anlegen desfelben ausdrucken 
wollte M qu'on se regarde comme prive, par le depart du defunt, de tout 
ce qui fait le luxe et le bien-etre de la vie". Monseur, La proscription 
religieuse de 1'usage recent in der Revue de Fhistoire des religions 
t. Llll. n. 3 (Paris 1906, p. 290 - 306) fieht darin einen Reft der alten 
Trauerfeierlichkeiten aus der Zeit, in welcher der Hebraer uberhaupt nur 
mit einem Sack bekleidet war, gerade wie die hebraifche Sitte in Trauer 
mit blofcen Fufcen zu gehen (Ezech. 24, 17), zeige, dag die Trauerfitten 
alter feien als der Gebrauch der Sandalen (p. 294 s.). 

2 ) 2 Sam. 15, 30. Efth. 6, 12. Jer. 14, 3. Ezech. 24, 17. 

3 ) Vgl. Lagrange 1. c. 322. 

*) 1 Sam. 4, 12. 2 Sam. 1, 2. 2 Sam. 13, 19. Apoc. 18, 19. Job (2, 8) 
fitjt auf der Afche vor Leid. Stade, Schwally und zuletjt Lods, La cro- 
yance a la vie future et le culte des morts dans 1'antiquite Israelite, 
Paris 1906 fuchen aus den ifraelitifchen Trauergebrauchen zu beweijen, 
dag bei den Juden ein Totenkultus exiftiert habe, Derartige Gebrauche 
kcmnten aber, injoweit [ie urfprunglich mit einem folchen Kultus zufam- 
menhangen follten, auch von andern VOlkern ubernommen fein, ohne dag 
fie in derfelben Bedeutung wie bei jenen ubernommen worden waren. 
Allein die im Texte gegebenen Erklarungen fcheinen den Tatfachen beffer 
und naturlicher zu entfprechen. 

6 ) 1 Sam. 31, 13. 2 Sam. 12, 16 f. 

6 ) Kethuboth 4 ,4. Vgl. fiber die Flotenfpieler Jer. 48, 36. Siehe 
Matth. 9, 23. Jos. B. J. 3, 9, 5. 

') 2 Sam. 3, 31 ff. 2 Par. 35, 25. Amos 5, 16. Jer. 9, 17. Zachar. 12, 
1015. Matth. 9, 23. Marc. 5, 38 f. 

s ) Vgl. Luc. 8, 52. Apg. 8, 2. 

31* 



484 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Wer immer dem Leichenzuge begegnete, ging eine 
Strecke mit demfelben. 1 ) Aus der Sitte, den Trauernden 
Nahrung zu geben, um fie aufzurichten, 2 ) ift vielleidit die 
Sitte des Leichenfchmaufes entftanden, eine Sitte, die bei 
einer fiebentagigen Dauer der Trauer 3 ) bisweilen fehr aus- 
artete. Denn Jofephus berichtet, man fei faft genotigt, die 
Leidtragenden zu bewirten, weil die UnterlaHung als Mangel 
an Pietat gegen den Verftorbenen angefehen werde. 4 ) Audi 
an den Grabern felbft kamen Mi&braudie und aberglaubifche 
Dinge vor, z. B. dafe man, wie der Siracide fpottend erwahnt, 
den Toten Speife und Trank auf das Grab ftellte. 5 ) 

Gewohnlidi dauerte die Trauerzeit fieben Tage. 6 ) Den 
Aaron wie den Mofes batten die Kinder Ifraels fogar 30 Tage 
lang in der Wufte beweint. 7 ) 

5. Mafee, Gewidite, Geld und Kalender. 

Langenmajje. Ausgangspunkt fur alle metrologifdien Syfteme ift das 
Langenmafc. 8 ) Wahrend aber im Abendland meift der Fufe 
als Mafeeinheit gait und zum Teil nodi gilt, ift es bei den 
Orientalen und fpeziell audi bei den Hebraern der Unterarm 
von der Spitje des Ellenbogens bis zur Spitje des Mittelfingers, 



1 ) Jos. c. Ap. 2, 26 fagt, dies fei von Mofes angeordnet. 

2 ) Ofeas 9, 4. Jer. 16, 7. 

3 ) Vgl. Gen. 50, 10; 1 Kon. 31, 13. Judith 16, 29. Eccli. 22, 13. 
Jos. Ant. 17, 8, 5: ,,Archelaus hielt zu Ehren feines Vaters nadi herge- 
brachter Gewohnheit eine Jiebentagige Trauer ein; nach beendeter Trauer 
bereitete er dem Volke ein Mahl." 

*) Jos. B. J. 2, 1, 1. Vgl. Ant. 17, 8, 4. 

6 ) Sir. 30, 18 ff. Vgl. auch Deut. 26, 14 und dazu de Hummelauer, 
Comm. in Deut. Paris 1901, p. 425 sq. 

) Gen. 50, 10. 1 Sam. 31, 13. Judith 16, 29. Sir. 22, 13. Jos. 
B. J. 2, 1, 1. Ant. 17, 8, 4. 

7 ) Num. 20, 30. Deut. 34, 8. Ober die Totengebrauche, Beerdi- 
gung und Trauer bei den Juden vgl. Art. Begrabnis im Kirchenlex. 2, 
184186. 189. Mayer, l)as Judentum, S. 456469. Rosenau, Jewish 
cerem. institutions etc., p. 177 182. 

b ) Hultfch, Griech. und r6m. Metrologie. 2. Bearbeitg. Berlin 1882. 
H. Niffen, Griech/ und rom. Metrologie, Mfinchen 1892. Hultfch, Die Ge- 
widite des Altertums nach ihrem Zufammenhang dargeftellt. L. 1898. 
Welte (Kiel), Art. Mage im Kirchenlex. 8, 968 ff. Kennedy, art. Weights 
and Measures in Hastings IV, 901913. 



X11I. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 485 

d. h. die Elle, gewefen. Diefelbe zerfiel im Orient in zwei 
Spannen von je drei Handbreiten zu je vier Fingerbreiten. 
Diefe naturlichen Magftabe find aber bei den einzelnen ver- 
fchieden. Somit bedurfte es einer , gefepchen Beftimmung, 
um diefe Sadie fur den Verkehr zu regeln. 

Die fogenannte heilige Elle war eine Handbreit grower Die Eiie. 
als die gewohnliche, 1 ) und die beiden verhielten fidi, wenn 
die gewohnliche hebraifche Elle, wie es fonft 5m Orient ub- 
lich war, zu fechs Handbreiten angenommen wird, wie fieben 
zu fechs. Leider fehlt es aber fowohl im Alten Teftament 
wie auch in der Mifchna 2 ) an einer genauen Angabe zur 
Beftimmung der Grofce der Elle nach unferm Mag. Wahr- 
fcheinlich haben die Hebraer ihre Elle aus Agypten entlehnt, 3 ) 
wofelbft die konigliche Elle 525 bis 528 mm, die gewohn- 
liche 450 mm betrug und hat auch wohl die heilige Elle der 
Juden 0,525 m, die gewohnliche 0,450 m betragen. Aber 
etwas Sicheres weifj man fur die altere Zeit nicht. 

Fur die neuteftamentliche Zeit find wir beffer daran. 4 ) 
Zunachft bemerkt die aus romifcher Zeit ftammende Siloa- 
infchrift, die Lange des Siloakanals, welcher nach genauen 
Meffungen der Neuzeit 537,60 m lang iff, 5 ) betrage 1200 Ellen, 
fft diefe Angabe ganz genau und nicht blofe von einer ab- 



') Ezech. 40, 5. 43, 13. Dag der falomonifdie Tempel nach altem 
Ellenmafj gebaut war, folgt aus 2 Chron. 3, 3 und 3 K6n. 6, 2. 

2 ) Aus Kelim 17, 9 f. folgt nur das Vorhandenfein einer heiligen 
Elle. In Baba bathra 6, 8 wird von Grabftatten, die 4 Ellen lang fein 
mugten, geredet, ohne dag fich etwas Weiteres entnehmen lagt. 

3 ) In Babylonien betrug die fogen. kdnigliche Elle, welche bei den 
babylonifdien und affyrifdien Bauten verwandt wurde und 3 Finger breiter 
war als die gewOhnlidie, ungefahr 556 mm, die gewOhnlidie 495 mm. 
Shaw-Caldecott, The linear measures of Babylonia about 2500 B. C., 
with appendix of the biblical cubit, Hertford 1903, zeigt, dafj man in 
Babylonien im 2. Jahriaufend v. Chr. ein metrologifdies' Sy[tem hatte, 
weldies zugleich sexagefimal und dezimal gewefen fei. Man habe eine 
Elle von 3 Handbreiten c. 274 mm, eine von 4 Handbreiten = 366 mm 
und eine von 5 Handbreiten = c. 457 mm gehabt. Vgl. Revue biblique 
1904, S. 141 s. 

4 ) Die Elle wird erwahnt Joh. 21, 8. Apoc. 21, 17. Vgl. auch Matth. 
6, 27. Luc, 12,. 25. 

5 ) Vgl. Guthe, Die Siloahinfthrift, .ZDMG. XXXVI. 1882. S. 744. 
(S. Conder, The Siloam Tunnel in PEFSt. 1882, 122;- 131.] 



486 Zweiter Abfchnitt. Die innern joz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

gerundeten Zahl zu verftehen, fo war damals die Elle unge- 
fahr 0,448 m lang. Jofephus rechnet nach der attifchen Oder 
griediifch-romifchen, 0,444 m langen Elle l ) und f agt nirgend- 
wo etwas davon, dag zwifchen der jiidifchen und der griechifch- 
romifchen Elle im praktifchen Gebraudi ein Unterfchied ge- 
madit wird. 2 ) Es ware moglich, dag die vielleidit urfprunglich 
agyptifche Elle von ungefahr 0,448 m im Laufe der Zeit auf 
0,444 m reduziert 3 ) oder zugunften der griechifch-romifchen 
Elle abgefchafft wurde. Jedenfalls betrug damals zur Zeit 
des Jofephus die Lange der Elle 0,444 m, die Spanne war 
0,222m, die Handbreite - 74 mm, die Fingerbreite 18,5mm. 

Ein Fug war vier Handbreiten*) = 296 mm. 

Das Stadium. Das Stadium ift kein hebraifches, fondern ein attifches 
Langenmag gewefen, welches feit Alexander d. Gr. auch im 
Oriente angewandt wurde. 5 ) Das attifche Stadium, eigentlich 
die Entfernung in tier Rennbahn zwifchen dem Ablaut und 
dem Endziel, betrug 600 griechifche Fug 6 ) oder 400 Ellen 
= 177,6 m. Nach diejer Berechnung wurden, da die romifche 
Meile 7 ) 1000 Paffus 5000 Fug oder 1480 m enthalt, ftreng 
genommen 8 L /3 Stadien einer romifchen Meile entfprechen. 
Gewohnlich wurde aber von den Romern der Bequemlichkeit 
wegen 1 Meile 8 Stadien gefetjt. 8 ) 

') Nadht Ant. 15, 11, 3 hatte der Tempelraum 4 Stadien im Umfang, 
da jede Seite ein Stadium lang war; nach Ant. 20, 9, 7 war eine Seite 
400 Ellen lang. Da nun nach attifchem Langenmag ein Stadium gleich 
400 : : i)>e? oder Ellen gefetjt wird, aber 600 Fug (der romifche-attifche 
Fug war 296 mm lang) hatte, ift die Elle I 1 /* Fug = 0,444 m. 
Ant. 20, 8, 6 heigt es, der Olberg fei von Jerufalem 5 Stadien entfernt 
gewefen. Nach Apg. 1, 12 betrug die Entfernung einen Sabbatweg, 
d. h: (vgl. Exod. 16, 29 und Num. 35, 5) 2000 Ellen. Funf Stadien find 
aber = 3000 griechifche Fug, fomit die Elle = 1 l /-' Fug. Vgl. auch 
Ant. 3, 6, 5 mit Exod. 25, 10. Nach Jofephus 1. c. war die Arche 5 Spannen 
lang, 3 Spannen breit und hoch, nach Exodus 2 ' - Ellen (die Elle hat 
2 Spannen) lang und I' 1 /* Elle breit und hoch. 
!i ' a ) Vgl. Anm. 1: 

3) DafQr ift Kennedy 1. c. p. 908 f. :; . 

") Vgl. Herodot 2, 149. 

') 2 Mace. 12, 9 ff. u. 0. Luc. 24, 13. Joh. 6, 19. 11, 18. Apoc. 14, 
20. 21, 16. 

6 ) 600 griechifche Fug find = 100 Klafter (d ? yv*, vgl. Apg. 27, 28)\ 
Ein Klafter := 4 .aqx*K oder Ellen und. 100 d^yvtd = I aradiuv. 

') Matth. 5, 41. 

*) Strabo 7, 4. S. Niffen 1. c. S. 55 f. Aus der Mifchna Joma 6, 4 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 487 

Die hohlen oder kubifchen Mage der HebrSer 1 ) zerfallen 
in folche fiir trockene und folche fur fliiffige Dinge. Das 
Verhaltnis beidef zueinander ift aus dem Alien Teftamente 
bekannt." 2 ) Bei den Hohlmafcen fiir Trockenes hat 1 Chomer 
oder Kor 10 Epha, 1 Epha 3 Sean, 1 Sean 6 Kab, alfo ift 
1 Chomer oder Kor 10 Epha 30 Seah 180 Kab. :>> ) 
Bei den Hohlmafcen fur Fliiffigkeiten hat 1 Chomer oder 
Kor 10 Bath, 1 Bath 3 Seah, 4 ) 1 Seah 2 Hin, 1 Hin 3 Kab, 
1 Kab 4 Log, alfo ift ein Chomer oder Kor 10 Bath 
30 Seah = 60 Hin 180 Kab 720 Log. Zu der Be- 
ftimmung der Grofce diefer Mafee fehlt es uns fiir die altere 
Zeit nodi an ganz zuverlaffigen Vergleichungsspunkten, fo dafe 
die meiften Gelehrten. erft von den Angaben des Jofephus 
ausgehen, 5 ) ein Verfahren, welches fich ohnehin fiir die neu- 
teftamentliche Zeit empfiehlt. Nach Jofephus ift aber 1 Bath 
72, 6 ) 1 Seah 24, 7 ) 1 Kab 4 Sextaren^ 1 Log - 1 



ergibt fich aber, dag die .Juden jener Zeit auf die Meile nur 7 '/a Stadien 
Oder Ris rechneten. Dabei wird das Stadium wie bei den Hellenen alterer 
Zeit (vgl. Nifjen S. 55) nach Schritten und zwar zu 266 gerechnet, der 
Schritt zu 740 mm Oder 1 "/s kleiner perpfcher Elle. Ober die Unpcher- 
heit des Sprachgebrauchs, wonach die rOmifche Meile bald S'/s oder 8, 
bald 7'/2 oder audh nur 7 Stadien gleidigefetjt wird, vgl. Niffen S. 55 f. 

') Vgl.'.z. B. Nowack, Arehaologie, S. 202 ff. Benzinger, S'^ 181 ff. 
Kennedy, 910 ff. Germer-'Durahd, Mesures de capacite des Hebreux 
au temps de PEvangile, in'Cdrifererices de Saint-Eltienne 1909-1910. 
Etudes palestiniennes et orientales. P. 191'0, p. 89 - 105. 

'-) Vgl. aber auch M. Menadioth 7, 1. Para 1, 1 etc. 

3 ) Der Oberficht wegen ift das Omer oder Issaron, vy.elches '/io Epha 
(= 3,936 Liter f. S. 488) ift (f. 488, 1) und das nur Ofeas 3, 2 erwahnte 
Letech, nach Hier. ad 1. '/2 Kor, ausgelaffen. Bei Ifai,40, 12 und Pf. : 80, 6 
wird das Scholifch (= ein Drittel) enyahnt, welches dem Seah = l jz Epha 
entfpricht. r 

4 ) Der Talmud kennt das Seah auch als ein Mag fur Fluff igkeiten. 
Vgl. z. B. Menachoth 12, 4. :, '. : r 

E ) Vielleicht ift ein anonymes Fragment ne^i nizQmv (in^Hultsch, 
Metrologicorum Serfptorum reliquiae, 2 Bde. 1864 1, 258), welches das' 
phonizifche Kor ~ -30 Seah fe^t und beifugt: Das Seah ift t a / s Mo^ii" 
alfo = 24 -Sextare alter- als Jofephus (f; Kennedy, p; 911). "U 

6 )' Anf. 8^ 2, 9: o de /?do? SiivaTat .^earac; tgdntyxuv-ca "dfo. ' " \\[ 

.. if f) Ant. 9, 4, 5: Ityiei de rd ffdrov (grieich. Ausdruck fflr Seah) sutfio* 
xai.,fi(*iGv 'JTaiiKdv alfo = I'/VJViodii oder rOmifche Scheffel: %' 24 Sextare. 



488 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jttd. Volkes. 

Sextar. 1 ) Da aber 1 Sextar - 0,5468 Liter ift, 2 ) fo erhalten 

wir folgende Oberfidit. Es ift 

1 Chomer (Kor) . 393,666 Liter, 
1 Epha Oder Bath 3 ) = 39,366 
1 Seah (ff<m>*) 4 ) ; = .-13,122 
1 Hin 3 ) .... 6,561 

1 Kab = 2,187 

1 Log : .... 0,546 ) 



J ) 4 KOn. 6, 25 wird gefagt, dag, als Konig Joram in Samaria be- 
lagert wurde, ein Viertel Kab Taubenmift (Man bediente fich desfelben 
ftatt des Salzes. Vgl. Jos. Ant. 9, 4, 4) 5 Mark koftete. Jos. Ant. 9, 4, 4 
fetjt {tatt x /4 Kab 1 Seary?, [omit ift nadi ihm 1 Log = 1 Sextar. Dazu 
pagt, dag er Ant. 3, 8, 3 und 3, 9, 4 das Hin (tiv = 12 Log) 2 attifdien. 
Choen (ein -/ovs ift = "12 attifdien Metretes (f. Anm. 6), alfo 2 Choen 
= . V Metretes = 7 */e Sextaren) = 12 Sextaren gleich fe^t. Allerdings 
heigt CS Ant. 15, 9, 2: ,,o tfe x5^o? di'vara* (teSlnvovg 'Arrmov? dsxct." Alleln 
hier wird der nedinvos, weleher 288 xoTviat enthielt (Nadi Niffen 1. c. 
p. 9 = 58,941 Liter) mit dem um 1 /a kleineren jter^rf/'c, weldier 192 xorvAoce 
hatte, verwechfelt. Denn fonft wiirde das Kor 589 Liter gefagt und damit 
viel mehr als das Zehnfadie des /Jarfo? (Vgl. S. 487, 6. Das Bath ift = 
39 Liter, f. S. 487) betragen ,haben (vgl. auch Nowack, Ardi. S. 203). 
Somit hat er offenbar fagen wollen, das hebraifche Kor fei = 10 attifdien 
Metreten, d. h. = 720 Sextaren. Die einzige nachweislich unrichtige 
Angabe bei ihm ift Ant. 3, 6, 6, wonach das hebr. Issaron Oder Omer 
(LXX yofioQ, Vulg. gomor f. S. 487, 3) 7 attifche Kotylen, d. h. nur c. 3 
Sextaren hatte (nadi Niffen S. 9 ift eine xozvA*/ = 0,2047 Liter). Tat- 
fachlidi ift aber ein Omer = Vi Epha, alfo = 7 1 f& Sextar. Vgl. Epiphan. 
De mens. et pond. 21. 

2 ) So der gewOhnlidie Anfat5. Vgl. Kirchenlexikon 8, 972; Niffen^ 
S. 10 hat 0,5458 Liter. 

3 ) S. Luc. 16, 6. Obrigens wird das Epha nur fur Trockenes, das 
Bath nur fur Fliiffigkeiten gebraudit. 

*) S. Matth. 13, 33. Luc. 13, 21. 

5 ) Das agyptifdie Hin enthielt nur 0,455 Liter Vgl. Clermont- 
Ganneau VII, 294 ss. v Rev. Bibl. 1907, 315. 

6 ) Im Neuen Teftament finden wir einige Namen griediifdi-romifdier 
Mage fur Hausgerate gebraudit, den f&jrjfs oder sextarius bei Marc. 7, 4. 8 
(in der Vulg. urceus, Krug) und den tiaSiog (modius, Sdieffel bei Matth. 
5, 15. Marc. 4, 21. Luc. 11, 33 (f. S. 487, 6). Der ^"W^? (bei Joh. 2, 6) 
entfpradi nadi 2 Par. 4, 5 dem hebrSifdien Bath und fagte fomit ungefahr 
72 Sextar. Unter dem Joh. 12, 3 u. 19, 39 erwahnten tir^o. verfteht man 
meift wohl mit Recht das romifdie Pfund =' 12 Unzen = 327,45 Gramm, 
wahrend einige (Hultfdi und O. Hol^mann, Neuteft. Zeitgefdi.; S. 116) 
unter dem von Maria zu Bethanien gebrauditen Pfunde koftbafer Narden- 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 489 

Die Namen der Gewichte der Hebraer, 1 ) welche fich in Das Gewidit. 
der Heiligen Schrift linden, find Talent, 2 ) Mine, 3 ) Sekel 4 ) und 
Gerah/') Die beiden letjteren find auch Namen von Miinzen. 
Das gebrauchlichfte Gewidit war der Sekel. In der vorchrift- 
lichen Zeit find wenig[tens drei verfchiedene Gewiditsfyfteme 
bei den Hebraern in Gebraudi gewefen, zunachft das baby- 
lonifche, 6 ) dann das fyrifche oder hittifdie 7 ) und endlidi das 
Sy[tem, nadi welchem der jiidifdie Handel im erften chrift- 
lichen Jahrhundert und vermutlich audi in den letjten Jahr- 
hunderten v. Chr. gefiihrt wurde, das phonizifdie. Die Ge- 
wichtseinheit diefes Syftems ift der phonizifdie oder, wie er 
gewohnlich heifct, der makkabaifdie Sekel von durchfchnittlich 

falbe ein von den rOmifchen Arzten fur folche Salben gebraudites durch- 
fichtiges Horngefag verftehen, auf welchem augerlich durch eingeritjte Linien 
die Unzen von 1 12 markiert waren. Dasfelbe fagte 0,27 Liter. In der 
Heiligen Schrift wird noch Apoc. 6, 6 das kleine griechifche Mag /omf 
erwahnt. Ein /otvtf ift = 1 /t8 nedwvo? = 6 xo-rvf.cn = 1,228 Liter. 

') Vgl. Fr. Hultfch, Die Gewichte des Altertums nach ihrem Zufam- 
menhang dargepellt. L. 1898; Kennedy, art. Weights and Measures in 
Hastings IV, 901 ff. 

) Hebr. 1|? wortlich Kreis. 

3 ) Hebr. n;^. 

*) Hebr. ^ d h. Gewicht LXX a/xAo?. 

5 ) n 73 etgentl. Bohne, Korn. 

6 ) Wie die Griechen und Perfer haben auch die Hebraer fchon frQh 
auf die Mine nicht wie die Babylonier 60, fondern 50 Sekel gerechnet 
(fo wenigftens fchon vor Ezechiel. Vgl. Ezech. 45, 12 LXX), fo dag ein 
Talent = 60 Minen = 3000 Sekel war (Gerah war der zwanzigfte Teil 
eines Sekels). Nach der fogen. kOniglichen Norm wog der fchwere Sekel 
16,83 Gramm, der leichte 8,41 (vgl. Lehmann, Das altbabylonifche Mag- 
und Gewichtsfyftem, Leiden 1893, S. 6 ff.); nach der gemeinen babylo- 
nifchen Norm, der die Hebraer folgten, unterfchied man einen fchweren 
Sekel von 16,37 Gramm unH eineh leichten von 8,18 Gramm und dem- 
entfprechend audi fchwere und leichte Minen und Talente. Jos. Ant. 14, 
7, 1 rechnet eine Mine = 2 l /2 rOmifche librae oderPfund = 818,62 Gramm. 
Gemeint ift die Mine zu 50 Sekel, fomit ift ein Sekel = 16,37 Gramm. 
Vgl. Kennedy 1. c. p. 903. 

7 ) Der fyrifche oder hittitifche Sekel ift wenigftens vom 16. bis 
6. Jahrh. v. Chr. in Agypten, Syrien und Palaftina in Gebrauch gewefen. 
Der leichte Sekel wog 10,368 Gramm, der fchwere 20,736 Gramm. Vgl. 
Kennedy 1. c. p. 904 f; uber einige noch erhaltene Gewichtfteine diefes 
Syftems vgl. auch Clermont-Ganneau, Recueil d'archeoi. orient.' IV (1901) 

p. 24 ss. 



490 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

14,55 Gramm. 1 ) 50 folche Sekel (oder 100 leichte Sekel von 
je 7,27 Gramm) maditen eine (fchwere) phonizifche Mine, 
60 Minen ein Talent aus. 

Der Sekel. Das Geld 2 ) wurde urfpriinglich bei den Hebraern nicht 
gezahlt, fondern gewogen. 3 ) Die Werteinheit bildet der 
Sekel. Ein Normalfekel war beim Heiligtum hinterlegt und 
hiefe wohl deshalb der heilige Sekel. 4 ) Da im erften chri[t- 
lichen Jahrhundert die Tempelfteuer ein halber Sekel war, 
diefe Steuer aber auf das Gef etjbuch 5 ) zuriickging, muft fie 
die Halite eines heiligen Sekels gewefen fein. Zur Zeit 
Chrifti bezahlten aber zwei Perjbnen zufammen die fchuldigen 
zwei halbe Sekel durdi einen Stater, 6 ) d. h. durch vier 
Drachmen tyrifcher Wahrung, 7 ) welehe der althebraifchen ent- 

') Vgl. Hultfch, S. 17 f. 25. 34 f. Der phonizifche Sekel ift fchon fur 
die Mitte des dritten Jahrtaufends v. Ghr. nachgewiefen. S. Hultfch, S. 7. 
Vgl. auch Kennedy p. 905 f. Wie es fcheint (vgl. Hultfch S. 43 f. Dai- 
man, Neugefundene Gewichte in ZDPV Bd. XIX [1906] S. 92-94) ift 
diefes Gewichtsfyftem von der alteften gefchichtlichen Zeit an in Palaftina 
in Gebrauch gewefen. .^- In der Mifchna (vgl. Kennedy p. 906) wird die 
dem romifchen Denar gleichgefe^te griechifche Drachme als Gewichts- 
einheit eines fynkretiftifchen Gewichtsfyftems gebraucht. Sie heigt dort 
Sus ("") und hat 6 Maahs oder Obolen. Zwei Sus (odef Denare) machten 
einen Sekel, vier eine Tetradrachme (>"b?), hundert eine Mine (",;?:), 
fechstaufend ein Talent. S. u. S. 494, 2. 

2 ) S. Levy, Gefchichte der judifchen Munzen. Breslau 1862. De 
Saulcy, Numismatique de la Terre sainte. 1874. Erman, Kurze Ober- 
ficht der Munzgefchichte Palaftinas, in ZDPV II (1879) 75 ff: Madden, 
Coins of the Jews, London 1881. .Reinach, Les mbnhaies juives in REJ 
Tome XVI. Paris 1888, p. CLXXXIH GdXIX; Kennedy, art. Money 
in Hastings D. Ill, 417 432. Lambert, Les cfiangeurs et la monnaie 
en Palestine du ier au Hie siecle de 1'ere vulgaire d'apres les textes 
talmudiques in der REJ, Paris 1906. Tome LI p. 217244, Tome LII 
p. 24-42. Vgl. auch Schiirer I, 243-245. 761772. II, 71 76. P. Thorn- 
sen, Kompendium der Palaftinenfifchen Altertumskunde. Tubingen 1913, 
S. 93-101. : * 1 ' -'"' --v:.:;j.. : U.^:??- ; = -.- 

3 ) Jer. 32, l5. ''. - ( - :: - "- : -'- : . ; - : - ; -'^ "'"~ '_-"- ' ' 

4 ) Exod. 30/13. Lev. 27, 25? ' '''" "-' - ' -- ! :: 

5 ) Exod. 30, 13 ff. Ober die Tempelfteuer/ f. o. S.-364. " 

6 ) Matth. 17, 24 ff. Vgl. Jos. Ant. 18, 9, 1; B. J. 7, 6, 6. S. auch 
Ant. 3,,8, 2;; S.-ii. S. 494 f. ; " ^^-.'-_-' ^ ' ' " - 

H 7 ) : Dag die Tempelfteuer, 51 iiberh&upt J die- im ;Alten Teftamente er- 
wahriten Abgabeny: ,,nach dem Sekel des Heiiigtums; der tyrifcheTi (d. ii. 
phOnizifchenj Miinze", bet echnet wufd'en, fagt die Mifchna Bektiorbth ; 8; 7 
ausdrucklich. S. o. S. 364, 7. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. " 491 

fprach. In deutfchem Geld ') machte dies ungefahr 2 Mark 
62 Pfennige. 

Die altefte eigentliche Miinze, deren man fich in Palaftina Die Munz- 
und zwar bald nach der Riickkehr aus dem Exil bediente, pragung in 
war die perfifche Darike, ein von Darius Hyftaspes gepragtes Judaa - 
Goldjtiick im Werte von etwa 21 Mark; die entfprechende 
Silbermiinze, der fogenannte medifche Sekel, betrug dem 
Werte nach etwa ein Zwanzigftel der Golddarike. 2 ) Es find 
dann fpater der Reihe nach die Miinzen Alexanders des 
Grofcen, der Seleuciden und der Ptolemaer in Palaftina ver- 
breitet gewefen. 3 ) Einer der Hasmonaerfiirften, Simon, hat 
auch Silbermunzen pragen laffen. 4 ) Die ubrigen haben nur 
Kupfermtinzen gepragt, 5 ) ebenfo Herodes 6 ) und feine Nach- 
folger. 7 ) 



') Hultfch, Griechifche und romifche Metrologie 2. Aufl. 1882. S. 420. 

'0 Vgl. Schegg S. 305 f. Benzinger S. 194 f. Kennedy, art. Money 
in Hastings III, p. 421 ff. K. Regling, Dareikos und Kroiseios. Klio, 
Beitrage zur alten Gefdrichte. Bd. XIV, 1 L. 1914, 91-112. 

'*) Alexander d. G. und die Seleuciden bedienten fich fur ihre 
Miinzen des attifchen, die Ptolemaer des leichten phSnizifchen Syftems. 
Nach erfterem war eine Silber-Tetradrachme 17,28 Gramm, nach letjterem 
ungefahr 14 Gramm fchwer (s. o. S. 489 !.). Vgl. Kennedy, p. 423 f. 
Niflen S. 44. 

4 ) Das Recht dazu verlieh ihm Antiochus VII Sidetes im Jahre 
139/138 v. Chr. Vgl. 1 Mace. 15, 5 f. Simon hatte aber fchon frQher 
diefes Recht ufurpiert. Denn obwohl er fchon i. J. 135 ftarti, gibt es ihm 
zugehOrige halbe Sekel aus den Jahren 1, II, III, IV und ganze Sekel 
aus dem Jahre V jeiner Regierung. Schurer I, 243-245 und 761765, 
fdwie Kennedy 1. c. p. 424 f. 429 f. fuchen darzutun, daJ5 diefe Miinzen 
er[t in den Jahren 6670 n. Chr. gepragt feien, wahrend, wie Schurer 
1, 765 felbp zugibt, viele Numismatiker dies wegen des altertiimlichen 
Ausfehens jener Sekel fur unmoglich erklaren. S. auch Schegg S. 311. 

') Vgl. z. B. Kennedy, p. 425 f. und Schurer I, 268 f. 275. 284 f. 
"287. 355. " .". ._ . ' '..' " ; " '-.'.." . " . ';.. . 

6 ) -S. o S. 134, 2. , v 

7 ) Vgl. o. S. 160, 5; 182; 195, 2; 203; 208, 2; 212, 3. Es gibt kleine 
Kupfermiinzen, auf deren einen Seite cheruth Zion '(]V < X min) = die Frei- 
heit Sions fteht, wahrend die andere Seite die Jahreszahl II oder 
HI hat. Nach der faft allgemeinen Annahme ftammen diefe Munzen aus 
der Zeit des vefpafianifehen Krieges, f. Schegg S. 312, Schurer 1, 766 f. 
771 f. Ober die jQdifchen Silber- und Kupfermiinzen .aus der Zeit des 
Barkochba f. o. S. 308, 5. 



492 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Wie nun felbft zur Zeit der Makkabaer die Juden ihre 
Silbermunzen aus heidnifchen Prageftatten beziehen mufcten, 
fo erft recht feit dem Anfange der Herrfchaft der Romer. In 
Judaa felbft wurden audi unter den Prokuratoren nur Kupfer- 
miinzen gepragt. 1 ) 

Munzen mit Die Silber- und Goldmimzen aber, welche damals in 

romifdien Palaftina zirkulierten, waren teils fpezififch romifche, teils 

Namen. trugen fie griechifche Namen. Unter den erfteren wurde als 

Goldmunze damals in Palaftina der romifche aureus (nummus) 

Der Gold- gebraucht, 2 ) dem an Wert, wie in Rom, fo audi in Palaftina 

denar. 25 Silberdenare gleich kamen. 3 ) Ejn aureus war in der 

erften Halfte des erften Jahrhunderts nadi unferm Geld un- 

gefahr 21 Mark 73 Pfg. wert. 1 ) Man konnte fur einen Gold- 

denar ein Kor, d. h. etwa vier Hektoliter Weizen kaufen. 5 ) 

Fur zwolf Golddenare jahrlich wurde zu Sepphoris eine Bade- 

Der Silber- anftalt verpachtet. 6 ) Der Silberdenar hatte damals eine Be- 

denar deutung wie bei uns die Mark, fo dajj audi grofje Summen 

nach Denaren geredinet wurden. 7 ) Als der 25. Teil eines 

aureus wurde fein Wert 87 Pfennig betragen haben. Allein 



') S. o. S. 169, 2. Die in einzelnen Stadten wie Samaria oder der 
Dekapolis gepragten Kupfermiinzen, welche fflr die Gefchichte der Stadte 
von groger Bedeulung find, haben im allgemeinen nur eine befchrankte 
Zirkulation gehabt. Vgl. Schurer, Regifter S. 70 f. 

*) Er heigt bei Jos. B. J. 5, 13, 4 wie bei den Griechen iiber- 
haupt zgvtsov? (erarfni), in der Michna 2riT i^. Er war als Goldgeld 
audi in Palaftina fo verbreitet, dag, wenn man ein GoldftQck fur das 
Heiligtum gelobt hatte, man nach Schekalim 6, 6 und Menachoth 13, 4 
(vgl. auch Tofephta, Baba bathra 6, 2) einen aureus zahlen mugte (f Lam- 
bert 1. c. p. 225). 

3 ) Dies ergibt fich z. B. aus Baba qamma 4, 1, wofelbft ein gol- 
dener Denarius = 25 Silberdenare oder Sus gerechnet wird. 

4 ) Der Aureus war von Julius Cafar auf "V libra fixiert (Plinius 
N. H 33, 3, 47), wog aber von Auguftus bis Nero nie mehr als 7*2 libra 
(vgl. Hultfeh, Metrologie S. 309 ff.), d. h. 7,79 Gramm (die libra zu 
327,45 Gramm gerechnet). Das Gramm Gold zu 2 Mark 79 Pfg. ge- 
rechnet, gabe fOr 74-2 libra 21 Mark 73 Pfg. Unter Nero fank nach 
Plinius 1. c. der. aureus auf */ libra = 7,28 Gramm. Die erhaltenen 
aurei aus feiner Zeit find aber fchwerer. Vgl. Marquardt RStV. 11, 71, 1 ; 
vgl. ebd. 11, 26, 5. 

5 ) Baba mezia 5, 1. 

6 ) Baba mezia 8, 8. 

7 ) Matth 18, 28. Marc. 6, 37. 14, 5. Luc. 7, 41. Jon. 6, 7. 12, 5. 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 493 

fein eigentlicher Metallwert bis auf Nero war in deutfdier 
Wahrung nur 70 Pfennig. 1 ) Jedenfalls war damals ein Denar 
ein Tagelohn. 2 ) Ein zur Zeit Chrifti unter Tiberius gepragter 
Denar, womit man damals die Steuer zahlte, 3 ) hatte auf der 
einen Seite das Bild des Tiberius und die Umfchrift Ti. 
Caesar Divi Aug. F(ilius). Auguftus, auf der andern das Bild 
der Kaiferin Julia Livia mit Szepter und Blume und der 
Umfchrift Pontif. Maxim/) 

Die gebrauchlidijte romifche Kupfermiinze war das As, 5 ) AS und Qua- 
welche damals und fchon lange nieht wie urfprtinglich ein drans. 
zehntel, fondern ein fechszehntel Denar 13 ) war und deffen 
Wert nadi unferm Geld ungefahr funf Pfennig betrug. Fur 
ein As erhielt man drei bis funf Feigen, eine Weintraube, 
einen Granatapfel oder eine Melone. 7 ) Ein mit der Viehbe- 
fchauung beauftragter Tierarzt erhielt fur die Infpektion eines 
Hammels vier As, eines Ochfen fechs As. 8 ) Wie das As fo 
wird audi das Zweiasftiick, der fogenannte Dupondius, in 
der Heiligen Sdirift erwahnt; 9 ) ebenfo das Viertel vom As, 
der Quadrans. 10 ) 

Die erwahnten Munzen folgen dem romifchen oder itali- Das jadifche 
fchen Miinzfug, nach welchem damals alle Steuern und Zolle Lepton. 

') Der Denar hatte damals ein Silbergewicht von Vs* libra 
3,89 Gramm. Ein Qramm Silber war = 18 Pfennig.. Unter Nero fank das 
Silbergewicht des Denars auf l /6 libra, behielt aber feinen gefetjlichen 
Wert als '/ss aureus. 

2 ) Matth. 20, 2 ff. 

3 ) Matth. 22, 19. Luc. 20, 24. 

4 ) Abbildung bei Kennedy p. 428, Munztafel n. 13. 

5 ) As, griech. dffaugiov, {. Matth. 10, 29. Luc. 12, 6. Kennedy, art. Money 
p. 429, meint, dag der griechifdh-romifdie Name diico^tnv der volkstumliche 
Name fur den attifchen dichalcus (= J /2 Drachme) war, und das Tarif- 
oder romifche As (in der Mifchna z. B. Qiddufchin 1, 1 issar italki 
"Dbtt^ ID"*}, genannt) den doppelten Wert des dichalcus gehabt habe. 

6 ) Denarius heigt eigentlich decem asses. Sclion feit dem zweiten 
punifchen Kriege (217 v. Chr.) war das As nur VV, Denar. 

') Maajeroth 2, 5 f. 

8 ) Bekhoroth 4, 5. 

9 ) Luc. 12, 6. (Der hebr. pondion, \f^f^.) Vgl. Pea 8, 7. Baba 
bathra 5, 9. In Kelim 17, 12 fteht der Ausdruck ,,i1alifcher Pondion". 

l ) Matth. 5, 26. Marc. 5, 42. Der Sefterz oder das Viertel- 
denar (das Vierasftfick, nach unferm Geld 21,7 Pfennig) ift nicht in der 
hi. Schrift erwahnt; auch nicht das halbe Asftuck, der Semis. 1000 Se- 
fterzen waren == 250Denare 217,3 Mark; 10,000 Sefterzen = 2173 Mark. 



494 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

bezahlt werden mufcten. Nur ganz kleine Summen unter 

einem Denar konnten in der Landesmunze bezahlt werden. 1 ) 

In Palaftina gab es eine derartige Munze, die mit dem ganzen 

romifchen Mtinzfyftem nichts zu tun hat, das Lepton; zwei 

dief'er Geldftuckchen, welehe im Werte je einem halben Qua- 

drans oder einem Aditel As gleidi kamen, warf bekanntlich 

die arme Witwe im Evangelium in den Opferkaften. ? ) 

Munzen mit Es wurden aber in Palaftina audi Silbermimzen mit 

griechifchen griedhifdien Namen gebraucht. Die kaiferliche Miinzftatte zu 

Namen. Antiodiien pragte befonders Tetradrachmen mit griediifcher 

Umfchrift, die zu Cafarea in Kappadozien feit dem Jahre 17 

Die Tetra- n. Chr. befonders Draehmen und Didradimen nadi dem 

drachme. phonizifdien Miinzfufe. 3 ) Allein diefe Munzen diirften nur in 

befdirankter Anzahl nadi Palaftina gekommen fein, wahrend 

um jo mehr Munzen von der grofcen Miinzftatte zu Tyrus, 

namentlich die tyrifche Tetradradime, dorthin kommen mu&- 

ten. 4 ) Die Tetradradime phonizifcher Wahrung ift etwas 

leichter als die attifdie Tetradradime, 5 ) wurde aber im ge- 

wohnlidien Verkehr diefer gleichgefetjt, 6 ) wie man audi 

1 ) Vgl. das Refkript des Germanicus , welcher 1719 n. Chr. 
Oberftatthalter der Frovinzen des Oftens war, in dem Zolltarif von 
Palmyra (der Text ift herausgegeben von Schroder, Neue Palmyrenifche 
Infchriften, S.B. der Berliner Akademie 1884, S. 434). S. Kennedy p. 429. 

2 ) Marc. 12, 42. Luc. 12, 59. 21, 2. Hebraifch heigt diefe Munze 
nttil?. Eine Prutah war nach Qiddufchin 1, 1 und Edujoth 4, 7 der achte 
Teil eines assarius italicus. Die, z. B. Schekalim 1, 7 und Menachoth 
13, 4 genannte Maah war eine kleine SilbermQnze, welehe dem grie- 
chijchen Obolus entfprach = '/n Drachme = I /G Denar. Lambert 1. c. 
p. 231 haM es fur wahrfcheinlich, dag die Maah (f. o. S. 490, 1) die romifche 
Sefterze ([. S. 493, 10) war, die in Palaftina wie in Rom = 4 As gewefen 
fei. Allerdings habe man in Rom auf den Denar 4 Sefterzen a 4 As, 
in Palaftina 6 Sefterzen a 4 As gerechnet. 

3 ) Vgl. Warwick Wroth, Catalogue of the Greek coins [in the Brit. 
Mus.] of Galatia, Cappadocia and Syria, 1899, p. LVIII und p. 158-232 
und p. XXXVI f. und p. 45-93. Vgl. Kennedy p. 427. Barclay V. Head, 
Historia Numorum. A manual of Greek Numismatics. New and enlarged 
edition. Oxford 1911. 

4 ) Exemplare der von 15 v. Chr. bis 57 n. Chr. in Tyrus gepragten 
Tetradrachmen f. in Babelon, Catalogue des monnaies grecques de la 
Bibliotheque nationale. Les Perses Achemenides, Chypre et Phenicie. 
Paris 1893, n. 2093 ss. 

5 ) Hultfch, Metrologie S. 595 f. 

e ) Vgl. Jos. B. J. 2, 21, 2, der als Wert des Tv^ov vofuts^a vier 
attifche Draehmen angibt. 



. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 495 

gewohnlich eine Drachme = ein Denar rechnete. 1 ) Die 

Doppeldrachme wurde darnals felten gepragt. Deshalb zahlten 

gern zwei Perfonen zufammen die Tempelfteuer, bei weldier 

man fich tyrifcher Wahrung bedienen mugte, indem fie eine 

Tetradrachme, die man auch Stater nannte, entrichteten." 2 ) 

Man fprach auch ftatt von Drachme 3 ) oder Denar von einem Der 

Silberling. 4 ) sterling. 

In diefer Zeit [hid auch Talent und Mine nicht mehr Talent und 
Gewicht gewefen. Man verftand unter einem (romifch-atti- Mine 
fchen Talent 5 ) eine Summe von 6000 Denaren oder Drach- 
men. 6 ) Eine Mine 7 ) war der fechzigfte Teil eines Talents, 
alfo = 100 Drachmen. 

Die eigentumlichen Verhaltniffe Palaftinas, wo griechifches Qeidwechfier. 
und romifches Geld nebeneinander kurfierte, die Abgaben 
an den Tempel aber in tyrifchem Geld s ) bezahlt werden 
mufcten und die oft aus entfernten Landern kommenden 
Pilger ihre Miinzforten in Palaftina gegen dort gangbare 
umtaufchen mufcten, machten Geldwechfler notig. Der Name 
Collybiften, den fie im Neuen Teftamente tragen, 9 ) von Col- 
lybos, d. h. Aufgeld, macht es klar, dafc fie fur ihre Dienfte 
ein Aufgeld fordern durften. Es beftand fur einen Sekel in 
einem Obolus (V'si Sekel), d. h. vier Prozent. 10 ) Wahrend 

J ) Bei den Abgaben an die Romer wurde jedodi die Tetradrachme 
zu drei denarii, alfo 1 Drachme =. 3 /* denarius gerechnet. Vgl. Kennedy 
p. 429. 

*) S. o. S. 490 f. 

3 ) Luc. 15, 8. 

4 ) Apg. 19, 19 dgyvQiov nvgiddnc; nivzt. Qemeint find hier wohl 
attifche Drachmen = Denare. Die 30 Silberlinge, wofiir der Herr verkauft 
wurde (Matth. 26, 15. 27, 3 ff.), waren den Umftanden entfprechend 
(f. o. 490, 7) phonizifche Tetradrachmen = 30 X 2 Mark 62 Pfg. = 
78 Mark 60 Pfg. 

5 ) Matth. 18, 24. 25, 15. 

6 ) Hultfch, Metrologie S. 252. 

7 ) Luc. 19, 13-25. 

) VgL Tofephta Kethuboth 13, 3; jer. Qiddufchin 1, 3 (59 d) bei 
Lambert 1. c. p. 223. S. o. S. 490, 7 und 364, 7. 

) Matth. 21, 12. Marc. 11, 15. Joh. 2, 15. - Einmal fteht dafur 
(Joh. 2, 14) xe^otTtflrn'? von xeji^nt '== Scheidemunze (da fie fur grogere 
Stucke Kleingeld gaben) und bei Matth. 25, 27 (Luc. 19, 23) x(>^ne^izt)i; 
von r^a7rC der ( Wechfel-) Tifch. 

lo ) Dies ergibt {ich aus Schekalim 1, 6 und 7, worin gefagt wird, 



496 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz.-u. fittl; Zuftande des jud. Volkes. 

natiirlidi die Wechfler felbft gegen falfches Geld auf der Hut 
fein mufcten, konnte der gewohnliche Mann, dem eine genaue 
Kenntnis der verfchiedenen Miinz[orten, in welche gewechfelt 
wurde, fehlte, leicht zu der Meinung kommen, er werde 
beim Wechfeln iibervorteilt. Da nun aber den Wechflern 
befonders zur Bequemlidikeit der aus fremden Landern 
kommenden Pilger erlaubt worden war, ihre Tifche in dem 
aujgern Vorhof des Tempels aufzuftellen, wurde der Tempel 
felbft oft durch Zank und Streit entweiht. 1 ) 

Bankiers. Die reicheren Wechfler haben aber auch noch eine ganz 

andere Tatigkeit entwickelt, weldie fie auf eine Stufe mit 
unfern Bankiers fetjt. Sie haben namlich auch von folchen, 
welche ihr Vermogen nicht felbft verwalteten, Kapitalien gegen 
geringere Zinfen geliehen, die fie entweder zu hoheren 
Zinfen ausliehen oder zu andern nutjbringenden grofeen 
Unternehmungen, z. B. Handel, Zollpacht u. dergl., verwen- 
deten. Von einem folchen Bankier fpricht Jefus zu dem 
bofen und faulen Knecht: Du hatteft mein Geld den Wechflern 
anvertrauen follen. 2 ) Auch ift wohl der Knecht, der feinem 
Herrn 10000 Talente fchuldete, 3 ) ein folcher Bankier gewefen. 



dag der Preis des tyrifchen Stater ((. o. S. 490), welcher 24 ni2tt oder 
Obolus enthielt, 25 Obolus war. Somit war der 25. Obolus das Agio. 
Vgl. Kennedy, art. Money-changers in Hastings III, 432 f. 
J ) Vgl. Matth. 21, 12 ff. Marc. 11, 15 ff. Job. 2, 13 ff. 

2 ) Matth. 25, 27. Vgl. auch Luc. 19, 23 in der Parabel von deo 
zehn Pfunden. Ober die Bankgefchafte und Handelsunternehmungen 
einzelner oder von Gefellfchaften in der rabbinifchen Zeit vgl. Lambert 
1. c. p. 34-37 und 3742; uber die Bankgefchalte bei den Romern 
Marquardt RStV II, 64 ff. Der normale Zinsfug bei den ROmern, bei 
welchen [eit Sulla die griechifche Sitte aufkam, nicht auf Jahre, fondern 
auf Monate zu leihen (f. z. B. Horat. Epod. 2, 67. Sat. 1, 3, 87), war 
ein Prozent monatlich oder 12 Prozent jahrlich (vgl. Marquardt S. 60). 
In der fruheren Kaiferzeit war aber infolge der Anhaufung groger 
Kapitalien der Zinsfug ein majgiger, {o dag 11 und 12 Prozent als wuche- 
rifche Zinfen galten (1. c. S. 62). Vgl. Billeter, Qefchichte des Zinsfuges 
im griechifch-rOmifchen Altertum bis auf Juftinian. L. 1898. S. 163 ff. 

3 ) Matth. 18, 24. Die altteftamentlichen Zinsverbote (z. B. Exod. 22, 25. 
Lev. 25, 36. Deut. 23, 20 f.) wurden umgangen, indem man nicht Zins 
im ftrengen Sinn des Wortes nahm, fondern entweder beftimmte, dag 
der Schuldner vom Tage der Falligkeit des Darlehens, welcher im Dar- 
lehensvertrag genau angegeben war, den Zins in Form einer Konven- 
tional[trafe zu entrichten hatte, oder am Tage der Ruckerftattung ein 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 497 

Nachdem Judaa direkt unter romifche Herrfchaft ge- Die jfldifche 
kommen war, wurde zwar dafelbft offiziell nadi Jahren der Zeitrechnun &< 
romifchen Kaifer gerechnet, fonft blieb es aber bei der jfidi- 
fdien Zeitrechnung. 1 ) 

Das burgerliche Jahr der Juden beftand aus zwolf Mond- Das jadifche 
monaten von zufammen 354 Tagen 8 Stunden 48 Minuten Jahr. 
38 Sekunden, da ein Mondmonat nur 29 Tage 12 Stunden 
44 Minuten 3 Sekunden hat und fomit nur Monate von 29 
Tagen und foldie von 30 Tagen miteinander abwechfeln 
konnen. 

Zur Ausgleidhung mit dem Sonnenjahr, welches 365 Tage 
5 Stunden 48 Minuten 48 Sekunden, alfo 10 Tage und 21 
Stunden mehr betragt, wurde ungefahr alle drei Jahre ein 
dreizehnter Monat eingefchaltet. Nach der judifchen Ober- 
lieferung felb[t hatten die Juden weder zur Zeit Chrifti noch 
auch fpater bis zum vierten Jahrhundert n. Chr. einen fixierten 
Kalender, fondern fingen auf Grund blofc empirifcher Beob- 
achtung einen neuen Monat an, fobald das Neulicht erfchien. 
Am 30. des Monats wurden die Zeugen, die das Neulicht 
gefehen hatten, verhort, woraufhin der Hohe Rat den Tag 
als Tag des Neumondes erklarte und durch Feuerfignale, 
{pater durch Boten den entlegener Wohnenden den Neu- 
mond anzeigte. Waren keine Zeugen vorhanden, fo gait 
der folgende Tag als Neumond, da der judifche Monat nie 
mehr als 30 Tage hatte. 

In ahnlicher empirifcher Weife ohne Vorausberechnung Der Schait- 
wurde auch im dritten oder zweiten Jahre ein Schaltmonatmonatunddie 

Monate uber- 

haupt. 
gewifles Aufgeld verlangte, weldies die Different des Kaufpreifes der 

Viktualien etc. am Tage, an welchem das Darlehen gegeben, und dem 
Tage, an welchem es zurQckerftattet wurde, dar[tellte. Vgl Hejcl, Das 
alttepamentlidie Zinsverbot im Lichte der ethnologifchen Jurisprudenz, 
Jowie des altorientalifchen Zinswefens (= Bibl. Stud. XII, 4) Freiburg 
1907, S. 82 ff. : : ;, / 

') Ober den judifdien Kalender vgi. Ideler, Handbuch der mathe- 
matifchen und technifcheri Chronologie, zwer Bande; B.i825^-26 : 1, 477583. 
F. K. Ginzel, Handbuch der mathematifcheh und technifcheh Ghfdnologie 
(3 Bde. L. 1906-1914), Bd; 2 (1911)i S. l^il9^EdKK6i%,iKalender- 
iragen im althebraifchen Schrifttum, -ZDMG, Bd, : 6tt '(LJ 1'906)> S. 605- 644 ; 
Jiifter, 1, 362-364, Ed. Mahler, Handbudi ; fler ?judifcheK i 'Qhi;onologie 
<Schriften hrsg. v. d. Qef. zurFOfderung der Wiff. di iJudentums), ^ 
Felten, Neutefiamentlidie Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 32 



498 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

eingefchoben. 1 ) Mafcgebend war dafur, dag unter alien Um- 
ftanden das Pafchafeft, welches am Vollmond des Nifan, am 
14. Nifan, zu feiern war, nach der Friihlings-Tag- und Nacht- 
gleiche fallen mufcte. Merkte man am Ende des Jahres, 
dafc Oftern vor der Tag- und Nachtgleiche fallen wiirde, fo 
fchaltete man einen Monat vor dem Nifan ein. 2 ) 

Die Namen der jiidifchen Monate, wie fie nach dem Exit 
und im Zeitalter Jefu gebrauchlich waren, find Nifan, der 
zum grogen Teil unferm Marz und zum Teil unferm April 
entfpricht, Ijjar, Sivan, Tammus, Ab, Elul, Tifdiri, Marchefchwan,. 
Kislev, Tebeth, Sehebat, Adar. 3 ) Der Sehaltmonat war eine 



') Vgl. Rosch haschana (= Neujahr) 1, 3 ff. 2. 3, 1, 4, 4. S. dazu 
Cafpari, Chronologifch-geographifche Einleitung in das Leben Jefu. Ham- 
burg 1869, S. 10 ff. Qinzel 2, 40-45. Fur das fiinfte Jahrhundert 
v. Chr. beftatigen die Papyri von Affuan, dag die Juden damals ihre 
Monate mit dem Sichtbarwerden des Neumondes begannen. Sie lehren. 
uns weiter, dag die Juden damals nodi keine fefte Schaltungsregel hatten, 
um das judifche Mondjahr mit dem Sonnenjahr in Einklang zu bringen. 
Vielmehr lagt ,,die Abweichung von jedem Syftem darauf fchliegen, dag; 
nur nach Bedarf, d. h. nach der Beobachtung dabei vorgegangen wurde". 
Qinzel 2, 49. Vgl. uber den jiidifchen Kalender nach den erwahnten 
Papyri, Schurer, Th. Lz. 1907, 6569. Ginzel 2,' 45-52 und 3, 375 L 
H. Pognon, Chronologic des Papyrus d'Elephantine. Journ. asiat. 1911,. 
II, 337 365, nach deffen Ausfuhrungen [ich die Schreiber der Papyrii 
des babylonifchen Kalenders bedienten, welcher im 5. Jahrh. v. Chr. der 
offizielle Kalender der den perfifchen Konigen unterworfenen femitifchen. 
Volker gewefen zu fein fcheine. Vgl. Comptes rendus des seances de 
1'Acad. d. Inscript. et B. L., Paris 1911, p. 504 s. 

2 ) Vgl. hierfur das Zeugnis des Anatolius, Bifchofs von Caefarea,. 
im 3. Jhdt. bei Bus. H. E. 7, 32. Vgl. dazu Ginzel 3, 213 und 232 f. 
und Kugler, Von Mof.es bis Paulus S. 23, 1. Die Anfichten uber die. 
Zeit der Einfuhrung des jetjigen judifchen Kalenders gehen auseinander. 
Manche verfetjen fie in das 4. Jahrhundert, andere in eine fpatere Zeit. 
[Vgl. Jufter 1, 363, 5. Ginzel 3, 70 ff. u. 3, 376 f.]. So fucht z. B. A. 
Lorenz, Das Alter des heutigen judifchen Kalenders, Hift. Jahrb. 1905,. 
84-99 zu beweifen, dag er aus dem Jahre 770 n. Chr. ftammt (Dagegen 
Ginzel 2, 70, 2). M Als die atteften judifchen Datierungen nach dem jetjigen 
Kalender gelten gegenwartig diejenigen eines Monuments aus Aden von 
717 n. Chr. und zwei andere Daten von 846 u. 929 n. Chr. Ginzel 2, 72. 

3 ) Die Monate Nifan, Sivan, Elul, Kislev, Tebeth, Sehebat und Adar 
find auch in der HI, Schrift angefuhrt, alle aber in der Megilla Taanith,. 
welche bereits in der Mifehna Taanith erwahnt ift (f. o. S. 18). S. die 
alteften Belege fur die einzelnen Namen bei Schurer I, 746 und Abrahams* 



X11I. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden, 499 

Verdoppelung des Adar und hiefc ,,der zweite Adar". 1 ) Das 
kirdilidie Jahr begann mit dem erften Nifan, 2 ) das burger- 
lidie mit dem erften Tifchri. 3 ) 

. Die Tage der Woche hatten meift keine befonderen Die Woche. 
Namen, fondern warden vom Sonntag an, welcher der erfte 
Tag -der Woche hiefe, 4 ) gezahlt. Der fiebente Tag hatte aber 

art. Time in Hastings IV, 765. Die folgende Lifte enthalt nach dem 
Vorgange von Cafpari, Schiirer, Abrahams u. v. a. in der zweiten Ko- 

lonne die von Jofephus (vgl. u. 16. Kap.) den jfldifchen gleichgeftellten 
mazedonifchen Monatsnamen, in der dritten die entfprechenden Monate 
unferes Kalenders. 

1. Nifan "JD" 1 ; Xanthicus Marz 'April 

2. Ijjar TK Artemifius April/Mai 

3. Sivan ]VC Dafius (Jatgio?) Mai/Juni 

4. Tammus "TOP, Panemus Juni/Juli 

5. Ab 3X Lous (Awo?) Juli/Auguft 

6. Elul W& Gorpiaus Auguft/September 

7. Tifchri *T$P, Hyperberetaus September/Oktober 

8. Marchefchwan llfC'l' 5 Dius Oktober/November 

9. Kislev ibp? Apellaus November /Dezember 

10. Tebeth rQB Audinaus (4vSwalo?) Dezember/ Januar 

11. Schebat 22' Peritius Januar/Februar 

12. Adar TJ& Dyftrus Februar/Marz 

J ) "$0 Tig Megilla 1, 4. 

a ) Jos. Ant. 1, 3, 3 Mofes felbft hat fiber die Form des Jahres, 
die Anzahl der Monate und Tage oder das Schaltverfahren nichts beftimmt, 
trotj der Vorfchriften fflr die Fefte. Vgl. Schegg S. 330. Jos. Ant. 
1, 3, 3 fagt: Mofes fetjte als erften Monat fflr die Fefte den Nifan, der 
fonft Xanthicus genannt wird, feft . . . auch rechnete er von diefem Mo- 
nate an alles, was fich auf den Gottesdienft bezieht, wahrend er fflr 
Kaufe und Verkaufe und die ganze burgerliche Ordnung die Rechnung 
nach dem erften Monat beibehielt (d. h. dem erften Monat der alten 
Ordnung = Tifchri)." 

3 ) Rosch haschana 1, 1, wofelbft ubrigens auch noch der 1. Elul und 
der 1. Schebat als Neujahrstage oder Jahresanfange bezeichnet werden, 
erfterer fur die Beftimmung des Viehzehnten (von, dem Tage an wurde 
fur den Zehnten das Alter des Viehes berechnet), leljterer fur die Baume, 
d. h. fflr den Zehnten von Baumfruchten. Die in Assuan gefundenen 
Papyrusurkunden (f. o. S. 6 u. S. 498, 1) einer dort im 5. Jahrhundert 
v. Chr. lebenden judifchen Familie nehmen in Bezug auf die Datierung 
der Vertrage den 1. Nifan als Neujahrstag an. Vgl. Schflrer, Th. Lz. 
1907 Nr. 1 und 3. Wiener Zeitfchr. fur die Kunde des Morgenlandes 
Bd. XXI, 2 (1907) S. 169. 

, 4 ) Marc. 16, 2. 9. Luc. 24, 1. Apg. 20, 7. 1 Kor. 16, 2. Vgl. 

32* 



500 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

den Namen Sabbat und der Freitag hiefe ,,Zuruftung M1 ) oder 
Vorfabbat. 2 ) 

Die Der religiofe Tag der Juden dauerte vom Sonnenunter- 

Einteiiung gang des einen bis zum Sonnenuntergang des andern Tages. 3 ) 
des Tag-es. D es h a lb nennt ihn Paulus treffend ,,NachttagV) Von alters 
her wurde die Nacht in drei Nachtwachen eingeteilt, 5 ) eine 
Einteilung, die ficfa fur die Tempelwachen vielleicht bis zur 
romifchen Zeit erhaiten hat. 6 ) Jedenfalls beftand aber in 
der neuteftamentlichen Zeit die romifche Einteilung in vier 
Nachtwachen (von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens). 7 ) Markus 
hat fur letjtere die Namen Abend, Mitternacht, Hahnenruf, 
Morgen. 8 ) Wenn man aber den Tag genauer nach Stunden 
einteilte, fo rechnete man diefe von Sonnenaufgang bis zum 
Sonnenuntergang. 9 ) 

6. Handel und Gewerbe. 10 ) 

Der Handel. Die Juden find urfprunglich ein Ackerbau treibendes 
Volk gewefen und in Palaftina dies im wefentlichen auch 
geblieben. 11 ) Zum uberfeeifchen Handel, zu welchem an fich 



SehQrer, Die fiebentagige Woche im Gebrauche der chriftlichen Kirche 
der erften Jahrhunderte. ZNW 1905, S. 1 ff. 

J ) jt a (ja6Y.tr tj Matth. 27, 62. Marc. 15, 42. Luc. 23, 54. Joh. 19, 31. 42. 
Jos. Ant. 16, 6, 2. 

") ruioGa^oiTfjv \. Marc. 15, 42. Judith 8, 6. 

3 ) Vgl/z. B. Lev. 23, 32. Pf. 54 (55), 18. Vgl. Kugler S. 11 f. 

*} Nv/O-iwr 2 Kor. 11, 25. 

) Jer. Klagel. 2, 19. Richter 7, 19. Exod. 14, 24. 1. Sam. 11, 11. 

6 ) In Bab. Berakhoth 1, 1, 6 werden nur drei Nachtwachen gezahlt, 
indem die vierte fchon als Morgenzeit des folgenden Tages aufgefagt 
wird. Vielleicht haben aber die Talmudiften an der Stelle nur der alten 
vorexilifchen Sitte, wie Winer BRW Art. Nachtwache meint, einen Aus- 
druck geben wollen. 

7 ) Matth. 14, 25. Vgl. Apg. 12, 4. 

8 ) Marc. 13, 35: oye, neGovvxnov, dtlexToyofptuvia (vgl. LuC. 22> 60) 

und 7i(jo>i. 

9 ) Vgl. Schegg S. 324 ff. Benzinger S. 203. Ramfay, art. Numbers, 
hours and years in Hastings, Diet. Extra vol. (p. 473484), p. 477. 

10 ) Herzfeld, Handelsgefchichte der Juden des Altertums. Braun- 
fchweig, 2. Ausg. 1894. Deli^jch, ;Judifches Handwerkerleben zur Zeit 
Jeju. 3. Aufl. Erlangen 1879. 

n ) S. o. S. 29. Buhl, Die fozialen Verhaltnijfe der Ifraeliten. 
B. 1899, S. 6593, handelt von den verfchiedenen Berufsarten auf Grund 



XIII. Kap. Das hausliche , und foziale Leben der Juden. 501 

das hohe Meer einlud, fehlte es fchon vor allem an einem 
geeigneten Hafen. Selbft als der Hasmonaerfurft Simon 
Joppe erwarb, 1 ) war nicht viel gewonnen, da der Ort damals 
wie jetjt den Namen eines Hafens kaum verdiente. Beffer 
wurde die Lage aber, nadidem Herodes in Cafarea einen 
guten neuen, wenn audi kleinen Hafen angelegt hatte. 2 ) 
Immerhin fagt nodi Jofephus, 3 ) [daft die Juden keine See- 
kufte bewohnten und den Handel nicht liebten. Allerdings 
fagt er dies, urn zu erklaren, weshalb fie den alten Griechen 
nicht bekannt waren. Es ift ja auch, felbft wenn wir von 
den fruheren glanzenderen Handelszeiten unter den Konigen 
und Propheten abfehen, 4 ) unmoglich, dajj ein zwifchen zwei 
grofcen Handelsvolkern, den Phoniziern und den Arabern 
gelegenes Volk, deffen Gebiet die Briicke zwifchen zwei 
Kontinenten bildete, und durch welches aufjer den an die 
Kufte fflhrenden Strafeen eine grofce Karawanenftrafee ging, 
dem Handel ganz fern geftanden haben foil. Die Juden 
batten fich feit ihrer Zerftreuung in entlegene Lander in 
grogen Handelspla^en, wie z. B. Alexandrien, Rom und 
Antiochien zufammengefchloffen und fowohl die Verbindung 
mit Palaftina und namentlich Jerufalem, wohin fie zu den 
Hauptfeften reiften, wie auch die Verbindung untereinander 
aufrecht erhalten. 5 ) Derartige Umftande muffen aber auch 
auf den Handel in Palaftina eingewirkt haben, zumal das 
Land an Wein, 01, Balfam u. a. fo reich war. 6 ) In der 
Mifchna finden fich eine Menge fremder Artikel, welche nach 
Palaftina importiert wurden, angegeben. 7 ) Der Binnenhandel 



des Alten Teftamentes. Vgl. M. B. Sdiwalm, La vie privee du peuple 
juif a I'epoque de Jesus-Christ. Paris 1910. Das Werk handelt in L. I, 
p^j.l 193 vom n type social du paysan juif"; in L. II, p. 195 ss. fiber 
jL'industrie et les Artisans." Vgl. auch Jufter 2, 291310 von den 
yerfchiedenen Befdiaftigungen der Juden u. dgl. 

] ) 1 Mace. 14, 5..S. o. S. 55. ' 

a ) Jos. Ant. 15, 9, 6. S! o. S. 55 f. , 

3 ) Jos. c. Apion. 1, 12. 

*) Vgl. darfiber z. B. Buhl 1. c. S. 77|ff. ; 

5 ) Vgl. Philo in Flaccum 8, wofelbft von judifdien Rhedern und 
Kaufleuten geredet wird. ', 

) S. o. S. 29. / 

7 ) Vgl. Herzfeld 1. c. S. 88-117. Schiirer II, 76^82. }. 



502 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

wurde fchon durdi die grofeen Wallfahrten zu den drei Haupt- 
feften nadi Jerufalem begiinftigt, da die Vereinigung fo vieler 
Menfehen an einem Orte den Kaufleuten die befte Gelegen- 
heit bot, ihre Waren anzubringen. Zu weldien Auswudifen 
man kommen konnte, zeigt das Beifpiel des Johannes von 
Gifchala, der fidi ein Monopol fiir den Zwifchenhandel 
zwifchen den Olproduzenten Galilaas und den Handlern in 
Cafarea zu verfdiaffen gewufct hatte. 1 ) 

Die Haupt- Schon das Alte Teftament 2 ) zeigt, daft es einzelne Zunfte 
gewerbe. gegeben hat, z. B. die der Salbenhandler und Goldfdimiede, 3 ) 
wie der BaumwOllenweber. 4 ) Die widitigften im Alten Tefta- 
mente erwahnten Handwerkszweige find die der Backer, 5 ) 
Salbenbereiter, 6 ) Weber, 7 ) Walker, 8 ) Topfer, 9 ) Schmiede, 10 ) 
Metallgiefeer, 11 ) Zimmerleute, 12 ) Steinmetjen, 13 ) Bauleute, 11 ) 



>) Jos. Vita 13. B. J. 2, 21, 2. 
a ) Vgl. Buhl 1. c. S. 72 ff. 
8 ) Nehem. 3, 8. 31. 
*) 1 Paral. 4, 21. 

5 ) Jer. 37, 21. 

6 ) Nehem. 3, 8. Eccl 10, 1. Eccli. 49, 1, als Apotheker 38, 3 

7 ) Exod. 26, 1. 28, 32. 1 Kon. 17, 7. Das Weberhandwerk ge- 
horte bei den Juden, wie im Oriente iiberhaupt (f. von Kremer, Kultur- 
gefchichte des Orients II [Wien 1877] 186), unter die geringgefchatjten. 
Das fieht man aus Jos. Ant. 18, 9, 1, wo es als merkwurdig hervorgehoben 
wird, dag damals in Babylonien Manner die Leinweberei erlernten, da 
dies dort nicht fur unpa[fend gelte und dort Manner fogar Wolle fpannen. 
Vgl. aueh Edujoth 1,;3. In Baba qamma 10, 6 wird vorausgefe^t, dag die 
Frauen in Galilaa befonders Leinen machten upd verkauften, die von Ju,daa 
befonders Wolle. (Ober den Wollmarkt in Jerufalem f. Erubin 10, 9. 
Jos. B. J. 5, 8, 1.) Gerade weil das Weben gewohnlich von Frauen 
betrieben wunje, war es gering gefcha^t. 

'*) Isai. 7, 3 wird vorrt Walkerfelde gefprochen. Es war ,,offenbar 
ein freier Plat;, wo die Walker ihr Gewerbe trieben, wufchen und Kleider 
trbdcneten , vielleicht audi wohnten." Dredisler, Der Prophet Jefaia, 
1. Teil, Stuttgart 1845, S. 272. Der hi. Jacobus wurde^ als er riadi der 
Steinigung (Jos. Ant. 20, 9, 1) nodi nicht ganz tot war, von einem 
Walker mit einem Knuttel erfchlageh (f. Heges. bei Bus. h. e. 2, 1 23). 

'>) Jer. 18, 2. 19, 1. etc. Jes. Sir. 38, 29 (Vulg. 38, 32). 

10 ) Isai. 44, 12, Jer. 24, 1. etc. Sir. 38, 29. '; 

1J ) 3 K5n. 7, 13 ff. ( ' ( 

12 ) Isai. 44, 13. 2 Kon. 12, 12. j ; : " ; 

) 2 Kon. 5, 11. ' '' !',' J 

14 ) Pfalm 117, 22 ' 4 K6ri. 12, 12. Diefen und andern Handwerkern 



XIII. Kap. Das hausliche und foziale Leben der Juden. 503 

Maurer, 1 ) Tuncheftreicher, 2 ) Goldfchmiede, 3 ) Graveure 4 ) und 
Barbiere. 5 ) Obrigens fehlte es auch nicht an Gerbern,* 5 ) 
Schreinern, 7 ) Sdineidern, 8 ) Farbern 9 ) u. a. 

Oberhaupt war das Handwerk fo geehrt, dag auch die 
meiften Scbriftgelehrten ein Handwerk trieben, 10 ) und die 
Rabbiner in der Mifchna lehren, jeder folle feinen Sohn ein 
Handwerk lernen laffen. 11 ) 

Einige Handwerke wurden allerdings geringgefcha^t, fei 
es nun, dag fie wie das der Weber von Frauen alisgeubt 
wurden, 12 ) [ei es, dag fie wie die Handwerke der Gerber, 
Walker und Badheizer, die das Handwerk ausubenden Per 
fonen in zu nahe Rerunning mit Unreinem brachten und 
die levitifche Reinheit gefahrdeten. 13 ) 



gaben die Herodeer viele Arbeit, da z. B. Herodes den Tempel, Arche- 
laus die Stadt Archelais, Herodes Antipas Tiberias, der Vierfiirft Philip- 
pus Casarea Philippi erbaute. Am Tempelbau waren (nach Ant. 15, 12, 2) 
10000 Werkmeifter befchaftigt gewefen (f. o. S. 133 f.). 
J ) Sir. 38, 28. 

2 ) Ezech. 13, 11. 

3 ) Ridit 17, 4 u. 5. Dag man zur Zeit der Mifchna falfche, mit 
Gold ausgefullte Zahne kannte, ergibt fich aus Sdiabb. 6, 5. 

*) Sir. 38, 28. Vgl. Jer. 17, 1. 

5 ) Ezech. 5, 1. Cber den Barbier des Konigs Herodes f. Jos. 
Ant. 16, 11, 6. 

) Apg. 9, 43. 

') Baba qamma 10, 10. 

8 ) Ebd. 10, 10. 

) Pefachim 3, 1. 

10 ) S. O. S. 370 f. ;;;. 

") Qiddufchin 4, 14. 

12 ) S. o. S. 502, 7. 

") Megilla 3, 2, Es wurden auch Handwerke als bedenklich an- 
gejehen, welche jemand in zu nahe BerQhrung mit weiblichen Perfonen 
brachten (Qiddufchin 4, 14). 



504 Zweiter Abfehnitl. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

XIV. Kapitel. 

Die Profelyten des Judentums. 

1. Beurteilung der Juden in der griediifch-rdmifchen 

Literatur und Welt. 1 ) 

Die Schilderung der Lage der Juden in der Diafpora, 
wovon in einem fruheren Kapitel geredet wurde, zeigt, wie 
fehr der Jude in- der heidnifchen Welt als ein laftiger Fremd- 
korper empfunden wurde. Dem Haffe, der fich oft in ge- 
waltfamen Kampfen gegen fie geltend'machte, entfprach aber 
die Verachtung ihres Glaubens und ihrer Sitten, wofiir die 
griediifch-romifche Literatur gar viele Beweije enthalt. 
Literarifche Diefe literarifchen Angriffe gehen vielfach auf alexandri- 
Qegner der nifdie und agyptifche Judenfeinde zuruck. Schon der um die 
Juden. Miite des dritten vorchriftlichen Jahrhunderts fchreibende 
agyptifche Priefter Manetho hatte in feiner agyptifchen Ge- 
fchichte allerlei Fabeln fiber den Urfprung der Juden, welcher 
auf in Agypten lebende Ausfa^ige zurudcgefuhrt wurde, zu- 
fammengeftellt. 2 ) Alexandrinifche Schriftfteller, wie Lyflmadius, 3 ) 
Charemon 4 ) und der aus Agypten ftammende Grammatiker 
Apion, haben fpater ahnliche torichte Legenden uber den 
Auszug der Juden aus Agypten verbreitet. 5 ) Die agyptifche 



') Eine bequeme Sammlung der Texte bietet Th. Reinach, Textes 
d'auteurs grecs et remains relatifs au Judaisme. Paris 1895. Vgl. u. a. 
audi Q6{er, Die Beridite des klaff. Altertums aber die Religion der 
Juden. Tub. th. Qu. 1868, S. 565637. Sdieuffgen, Unde-Romanorum 
de Judaeis opiniones completae sunt. P. 1. KOln 1870 (Bedburger Pro- 
gramm).^ BOhl, Die Juden im Urteil der griediifdien und r^raifdien Schrift- 
fteller, Theol. Tijdfdirift XL VIII. Leiden 1914, S. 371-389. 473-498. Eine 
22 Nummern zahlende Lifte der Hauptanklagen gegen die Juden unter 
ftetem Hinweis auf die bezuglichen Fundorte bei heidnifchen und alten 
chriftlichen Schriftftellern gibt Ju[ter, Les Juifs 1, 45-48. Zur Literatur 
vgl. auch Jufter 1. c. 32 ss: 

2 ) Bei Jos. c. Ap. 1, 26-27. 

3 ) Jos. c. Ap. 1, 34. 
*) Jos. c. Ap. 1, 32. 

*) Jos. c. Ap. 2, 12. Vgl. fiber diefe und andere Hterarifche 
Gegner des Judentums auch Sdiurer III*, 529 545. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 505 

Gefchichte des Apion, weldier zur Zeit des Kampfes gegen 
die Juden zu Alexandrien unter Caligula als Gefandter der 
antijudifchen Partei nach Rom kam, 1 ) i[t fo voll der heftigften 
Angriffe gegen die Juden, daft Jofephus fich veranlafct fah, 2 ) 
diefelben in einem eigenen Budie zuruckzuweifen. 

Aber felbft Tacitus 3 ) erzahlt die von den Judengegnern Angebiiche 
aufgebrachten Marchen getreu nach und gibt folgendes als Abftammung 
die von der Mehrzahl feiner Gewahrsmanner 4 ) gehegte An- v n . Aus ~ 
ficht uber den Ur[prung und die Anfange der Juden wieder. a l en - 
Sie feien ausfatjige Agypter, welche vom Konige Bocchoris 
in die Wiifte getrieben und von dort durch Mofes, einen 
Priefter aus Heliopolis, ins judifche Land gefuhrt worden 
waren. Dort batten fie nach Vertreibung der Einwohner 
Stadt und Tempel gegrundet. Mofes habe unter andern 
neuen Gebrauchen auch eingefuhrt, da das Bild eines Efels Efeikuitus. 
im Allerheiligften verehrt und ihm wie zur Verfpottung des 
Ammon Widder und Ochfen gefchlachtet wurden. Er fei 
dazu durch den Umftand veranla^t worden, dag, als die 
Ifraeliten in der Wiifte aus Waffermangel am Verfchmachten 
gewefen feien, er eine Herde wilder Efel zu einem wald- 
befchatteten Felfen habe laufen fehen und fie dort, als er 
ihnen voller Erwartung nachgegartgen fei, im Grafe bei 
Quellen gefunden habe. 5 ) 



') Jos. Ant. 18, 8, 1....S. o. S. 280. 

2 ) Vgl. Jos c. Apion. Ober Jofephus als Apologeten vgl. Fried- 
lander, Gefchichte der judifchen Apologetik als Vorgefchichte des Chriftentums. 
Zurich 1903, S. 328 ff. Vgl, auch uber die Entftehung mancher Vohvurfe 
gegen die Juden Bergmann, Jfidifche Apologetik im neuteftamentlichen 
Zeitalter. Berlin 1908, S. 146 ff. Ober das Werk des Jofephus c. Apionem 
f. u. Kap. 16, 2. 

3 ) Tac. Hist. 5, 2 3. 

*) Vgl. Lyfimachus bei Jos. c. Ap. 1, 26, 34; f. ebd. 1, 32. 33 die 
Erz&nlungen des ChSrenion und des Manetho. 

5 ) Vermutlich hat Apion (Jos. c. Ap. 2, 7) feine Behauptung, An- 
tiochus Epiphanes habe im Tempel zu Jerufalem einen goldenen Efels- 
kopf gefunden, den die Juden anbeteten, aus dem grogen Gefehicbts- 
werk des Pofidonius (Philofoph und Hiftoriker, der nach Suidas Lex. f. v. 
noieido'ivio? noch im J. 51 v. Chr. lebte; feine fcropuu werden von Strabo, 
Plutarch u. a. oft angefflhrt. S C. Mflller, Fragmenta historicorum Grae- 
corum III, 245-296), den Jofephus c. Ap. 2, 7 als Gegner der Juden 
anfuhrt, gefchdpft. Vgl. Scheuffgen 1. c. p. 11. Audi Plutarch fagt Quae- 



506 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Verachtung Gewohnlicher aber wurde gegen die Juden der Vorwurf 

der Cotter, erhoben, fie verachteten die Goiter. Man dachte dabei an 
die Goiter des Staates oder der Stadt, worin fie lebten. Da 
aber gerade diefe Goiter fur die fonftigen Burger des be- 
treffenden Staates oder der Stadt den Inbegriff der Gottes- 
verehrung darftellten, galten die Juden iiberhaudt als a&foi, 
als Gottlofe. 1 ) Denn nach den Anfchauungen der Heiden 
batten fie neben ihrem Nationalgott auch die Goiter ihrer 
Mitburger verehren, oder aber doch wenigftens ihren Gott 
nach heidnifcher Weife und nicht als bilderlofen Gott anbeten 
Das miiffen. So fagt z. B. Tacitus ohne ein Wort der Billigung: 
Unbeftimmte M Die Juden wiffen nur von einer Gottheit und zwar einer 
ihrer bilderlofen. Unheilig waren, die fich aus verganglichem Stoff 
Gottheit. Gottheit nach der Ge j talt der Menfchen machten. 



Jenes hochfte und ewige Wefen fei weder nachahmbar noch 
verganglich. Daher ftellen fie keine Gotterbilder in ihren 
Stadten und noch viel weniger in den Tempeln auf. Nicht 
den Konigen wird diefe fchmeichlerifche Verehrung zuteil, 
nicht den Kaifern diefe Ehre." 2 ) Er berichtet, daft auch Pom- 
pejus das jiidifche Heiligtum bilderlos inania arcana 3 ) 
gefunden habe. Tacitus macht gar keinen Verfuch, den Wider- 
fpruch zwifchen diefer Tatfache und der von ihm epwahnten 
Verehrung eines Efelsbildes im judifchen Heiligtum zu er- 
klaren, bekampft aber die Meinung einiger, 4 ) die Juden ver- 
ehrten den Bacchus. Denn Liber habe feftliche und frohe 
Gebrauche angeordnet, aber ihre Sitten feien abgefchmackt 
und gemein. 6 ) , 



stionum convivalium 1. 4, 5, die Juden beteten einen Efel an. Vgl, 
uberhaupt tiber den angeblichen Efelskult der Juden GOfer 1. c. S. 583 ff. 
und Scheuffgen 1. c. p. 1116. Vgl. auch Bergmann S. 152 154. 

') Vgl. Apollonius Molon (ein im 1. Jhrdt. v. Chr, in Rhodus le- 
bender Rhetor) bei Jos. c. Ap. 2, 14: we dfy&nv? .. . . koidofiti mit Apollo- 
nius Molon (und Posidonius) bei Jos. c. Ap. 2, 6: accusant nos, .quare 
.nos eosdem deos cum aliis npn colimus. .-y- Tac. Hist. 5, 5 j.eontempere 
deos". - Plinius, N. H. 13, 4, 46: Gens contumelia numinum insignis. 

2 ) Tac. Hist. 5, 5. . ,-. ; .'-..'. .'.. 

3 ) Tac. Hist. 5, 9. . ; . . : . 
*) Vgl. die Fabel von der Bacdiusverehrung bei Plutarch, Quaestiones 

convivales IV, 6. : : ., , : 

5 ) Mos absurdus sordidusque. Tac, Hist, 5, 5,,. , j. i , 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 507 

Andere heidnifche Schriftfteller haben aus der Abwefen- 
heit eines Bildes im Tempel zu Jerufalem gefchloffen, die 
Gottheit der Juden fei etwas Unbeftimmtes. 1 ) So will z. B 
Juvenal mit feinem Vorwurf, die Juden beteten anders nichts 
an als Wolken und Himmelsgottheit Nil praeter nubes 
et coeli numen adorant wie fich aus dem Ausdruck ,,Wol~ 
ken" ergibt,' 2 ) das Unbeftimmte ihrer Himmelsgottheit im 
Unterfchiede von den griechifch-romifchen Gottern dartun. 
Petronius, ein Zeitgenoffe Neros, fagt fogar hohnend, wenn 
der Jude auch die Gottheit des Schweines anbete und die 
hohen Ohren des Himmels anrufe, fo muffe er doch, wenn 
er fich nicht befchneiden laffe, als ein Ausgeftofcener zu den 
Stadten der Griechen wandern. 3 ) Auch bei Plutarch wird die 
Frage erortert, ob fich die Juden des Schweinefleifches wegen 
einer dem Schweine erwiefenen gottlichen Verehrung oder 
aus Abfcheu enthalten.^) Juvenal begniigt fich aber, dariiber 
zu fpotten, dafe bei den Juden Schweinefleifch fiir ebenfo 
wertvoll gelte als Menfchenfleifch/') 

Befonderes Auffehen mufjte in der Diafpora die judifche Sabbatfeier 
Sabbatfeier erregen, 6 ) weil die Juden an dem Sabbate keinerlei und Be- 
Arbeiten verrichteten und gerade wegen des Sabbates auch f*neidung. 
vom Militardienft befreit waren. Tacitus halt den Sabbat 
als etwas Althergebrachtes fiir entfchuldbar und fagt, nach 
den einen fei er aufgekommen zur Erinnerung daran, dafj 
die Juden nach fechstagiger Wanderung am fiebenten nach 
Palaftina gekommen waren, nach andern aus Verehrung des 



1 ) Z. B. Lucanus Pharsal. II, 593 fpricht deshalb von einem ,,deus 
incertus". 

2 ) Vgl. J. Bernays, Die Qottesffirchtigen bei Juvenal in <3ef. Ab- 
handlungen II, 79. 

3 ) Fragm. 37 (in Petronii Satirae et liber Priapeorum, ed. Biidieler 3 
Ber., 1882, p. 117): Judaeus licet et porcinum numen adoret Et caeli 
summas advocet auriculas. 

*) Plut. Quaest. conviv. IV, 5. 

5 ) Nee distare putant humana carne suillam. Juv. XIV, 18. Nach 
Tac. Hist. 5, 4 enthielten fich die Juden des Schweinefleifdies in Erinne- 
rung- an den Ausfa, der fie ehedem befleckt habe und dem das Schwein 
befonders ausgefe^t fei ( n Sue abstinent, memoria cladis qua ipsos sca|)ie^ 
quondam turpaverat, cui id animal pbnoxium"). ; . ( . ,. 

6 ) Vgl. Paul Lejay, Le sabbat ju|f et.les ppetes Latins in der, Re,v,ue 
d'histoire et de litterature religieus.es t. VI 1 1 (Paris 1903) p_.,-;30j5.-335. 



508 Zweiter Abjchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Saturn. 1 ) Urn jo mehr verfpotteten aber andere romifche 
Schriftfteller die Sabbatfeier als eine auf Aberglauben be- 
ruhende Form des Nichtstuns. 2 ) Eigentiimlicherweife meinte 
man vielfadi, weil die Juden am Sabbate nicht arbeiten 
durften, fie fafteten an dem Tage 3 ) So hat der Satiriker 
Perfius einen Juden beobaditet, der am Vorabende des 
Sabbates, um nicht gegen das Verbot des Feueranzundens 
am Sabbate zu handeln, die Lichter anzundet und die Ge- 
bete fpricht: ,,wenn des Herodes Tage fich nahen und am 
fchmierigen Fenfter wohlgeordnete Lampen, von Veilchen 
umgeben, verbreiten einen fehr dicken Qualm und die rot- 
liche Schuffel der Thunfifch ganz mit dem Schwanze ausfullt 
und der weifje Krug von Wein ftrotjt, dann bewegft du die 
Lippen und erbleichft ob des judifchen Sabbats." 4 ) 

Neben der Sabbatfeier wurde die judifche Sitte der Be- 
fchneidung von den Heiden viel verfpottet. Allerdings kam 
fie auch bei andern Volkern vor, fo z. B. bei den agyptifchen 
Prieftern. 5 ) Allein den Heiden gait fie doch als das unter- 
fcheidende Merkmal der Juden. Tatfachlich machte fie auch 
in der damaligen Zeit, in welcher die offentlichen Bader und 
Ringfchulen in den Stadten eine fo gro&e Bedeutung hatten, 
den Juden das gemeinfame Leben mit den Heiden, welche 
die Befchnittenen verfpotteten, ganz befonders unangenehm, 
ja faft unmoglich. Daft fie das eigentliche judifche Kenn- 
zeichen fei, fagt z. B. Petronius mit den Worten, wenn ein 



') Tac. Hist. 5, 4. 

x ) Seneca, De superst. Fragm. XII, 41 (bei Aug. De civ. Dei 11). 
Juven. XIV, 105. Ovid, De arte amandi I, 416. 

3 ) Vgl. Petronius Fragm. 37 (ed. Bucheler) v. 6: Non jejuna sabbata 
lege premet. Der Kaifer Auguftus fdireibt an Tiberius: Ne Judaeus qui- 
dem, mi Tiberi, tam diligenter sabbatis jejunium servat quam ego hodie 
servavi (Suet. D. Aug. 76). Vgl. auch Martial 4, 4 (jejunia sabbatariorum) J 
Strabo XVI, 2, 40 und Pompejus Trojus in dem Auszuge des Justinus 
XXXVI, II, 14. Vgl. auch Bludau, Die Juden Roms im erften chrijtlichen 
Jahrhdt. Der Katholik 1903, I, S. 210 ff. 

4 ) Pers. Sat. 5, 180 ff. Die Tage des Herodes, der in Rom als Re- 
prafentant der jfidifchen Religion gait, bedeuten den Sabbat. Das,, Er- 
bleichen" bezieht fich auf das Faften. Ober das Verbot, am Sabbate 
Feuer anzuzunden, vgl. Exod. 35, 3. Vgl. Schabb. 2,6-7. Seneca Ep. 95, 47 r 
Accendere aliquem lucernas sabbatis prohibeamus. 

5 ) Jos. c. Ap. 2, 13. S. o. S. 436, f. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 509 

Jude nicht befchnitten fei, werde er von feinem Volke aus- 
geftofcen, 1 ) und Juvenal fagt von den Profelyten des Juden- 
tums riehtig, daft fie bald auch die Vorhaut fidi wegnehmen 
laffen. 2 ) Daher hiegen die Juden auch einfach die Befchnit- 
tenen, 3 ) und fuchten Juden, welche fich dem Spott der Heiden 
im Bade oder der Palaeftra entziehen wollten, ihre Befchnei- 
dung entweder zu verdecken 4 ) oder fuchten gar durch eine 
Operation 5 ) oder fonftige Mittel 6 ) fich wieder eine Vorhaut 
zu verfchaffen, urn als unbefchnittene angefehen zu werden. 

Aber wie grog auch der Spott und Hohn fein mochte, 7 ) ihr Hag des 
den man fiber die Juden wegen ihrer Enthaltung vom Menfchen- 
Schweinefleifch und wegen ihres Sabbates und ihrer Be- 
fchneidung gelegentlich ausgofc, fo erklaren diefe, da damals 
auch andere fremde Kulte bekannt waren, nicht an fich die 
wirklich feindfelige Stimmung der Heiden gegen die Juden. 
Die beruhte vielmehr auf ihrer angeblichen ,,Gottloiigkeit" 
und ihrem praktifch verwirklichten Beftreben, jede nahere 
Beriihrung mit den Heiden zu vermeiden. Gewifc ging letjtere 
vorzuglich aus dem religiofen Wunfche, die judifchen Rein- 
heitsgefe^e 8 ) zu verteidigen, hervor, allein den Heiden er- 
fchien fie als eine horfimutige Verachtung aller andern Volker 
und Religionen, ja als ein frevelhafter Hag des Menfchen- 
gefchlechts uberhaupt. Schon dem Antiochus Sidetes hatte 
man geraten, das judifche Volk, weil es fich gegen andere 
abfchliejje, auszurotten, 9 ) und Jofephus mufc die Juden auch 
gegen den Vorwurf, fie wollten keine Gemeinfchaft mit an- 
dern, verteidigen. 10 ) Apion ftellte fogar in feinem Werke die 
boswillige Behauptung auf, die Juden fehlachteten alljahrlich 

1 ) Petronius Fragm. 37. 

2 ) Juven. XIV, 99: mox et praeputia ponunt. Vgk auch Tac. H. 5, 5. 

3 ) Vgl. z. B. Mart. XI, 94. Juv. XIV, 104 B verpus". Persius V, 185. 
recutitus. 

*) Bei Mart. VII, 82 heigt es von einem Sehaufpieler: Dum ludit 
media populo spectante palaestra, Delapsa est misero fibula: verpus erat. 

5 ) Celsus, De medicina VII, 25 (Lugd. Bat. 1730). 

6 ) Dioscorides, De materia medica (ed. Wellmann, L. 1906 f.) IV, 157. 

7 ) Vgl. auch o. S. 289 f. 

8 ) S/ Kap. 17, 5. ( 
) Jos. Ant. 13, 8, 3 und Diod. 34, 1. ( 

10 ) Jos. c. Ap. 2, 36. Der Vorwurf war von Apollonius M61on (f. 
S. 506, 1) erhoben. 



5 10 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

einen Heiden und fchworten bei feiner Opferung, gegen die 
Hellenen Feindfchaft zu iiben, 1 ) oder wie es an einer andern 
Stelle heijst, keinem Fremdlinge gut zu fein, am wenigften 
aber einem Hellenen. 2 ) ,,Alles was wir verehren," fagt Ta- 
citus, ,,wird dort (im mofaifchen Gefetj) verabfcheut, und alles 
was wir fur unrein halten, ift ihnen erlaubt 3 ) ... Gegen- 
einander haben fie hartnackige Zuneigung, tatiges Erbarmen, 
aber gegen alle andern feindfeligen Hafc. Sie effen und 
fchlafen nicrit mil andern zufammen und heiraten, obwohl fie 
fonft im hochften Grade zur Sinnlichkeit neigen, keine frem- 
den Frauen. Unter ihnen ift alles erlaubt. Sie haben die 
Befchneidung eingefetjt, um fi'di an diefem Unterfcheidungs- 
zeichen zu erkennen. Die, welche zu ihnen iibertreten, be- 
obachten diefelben Sitten. Zuerft werden fie gelehrt, die Gotter 
zu verachten, das Vaterland aufzugeben und Eltern, Kinder, 
Oefchwifter zu mifcachten." 4 ) Nur eins weifc er an ihnen zu 
loben: 5 ) ,,Sie forgen fur die Vermehrung des Gefchlechtes. 
Denn ein neugebornes Kind zu toten, gilt als Frevel. Sie 
halten die Seelen derer, die im Kampfe oder durdi Strafen 
fterben, fur unfterblich. Daher ihr Verlangen nach Nach- 
kommenfchaft und ihre Todesverachtung." 

Es find Vorwiirfe, die allerdings zum Teil Ahnlidikeit 
mit den gegen die erften Chriften gerichteten 6 ) haben, aber 
auch im einzelnen den Hauptvorwurf des Haffes gegen alle 
Nichtjuden, wie fich Tacitus ausdriickt, 7 ) erklaren. Diefen 
Hauptvorwurf driickt Juvenal in den Worten aus, das jiidifche 
Gefetj verbiete den Juden, Nichtjuden den Weg zu zeigen 
oder Unbefchnittene zur Quelle zu fuhren. 8 ) Selbft Quincti- 
lian, 1 ') der unter Domitian, als das judifche Volk danieder- 



J ) Bei Jos. c. Ap. 2, 7: Et jusjurandum facere in immolatione 
Graeci, ut inimicitias contra Graecos haberent. 

2 ) Jos. C. Ap. 2, 10: n^Sttl evvuijseiv aAAo>i!Aw, /iaAttfra de "JEAA^tfr. 

3 ) Tac. Hist. 5, 4. 

*) Tac. Hist. 5, 5. Das Verbot der Ehen mit Fremden wird Esdr. 
9, 12 ff. 10, 3. Neh. 13, 23 von neuem eingefeharft. Vgt auch u. Kap. 17, 5. 
*) Hist. 5, 5. 

6 ) Vgl. Justin. Apol. I. c. 612. 

7 ) Tac. Hist. 5, 5: n adversus omnes alios hostile odium". 

8 ) Juven. XIV, 103 f. 

a ) Inst. orator. Ill, 7, 21: ,,perniciosam ceteris gentem". 



XIV. Kap. Die Prof ely ten des Judenturris. 511 

geworfen war, fchrieb, nennt es ein den iibrigen verderb- 
liches Gefchlecht. 

Wie ftark nun auch derartige Aufcerungen klingen und Anerkennung 
wie gewichtig fie auch durch die Bedeutung der Schriftfteller, der Jden. 
welche fie anfuhren, find, fo ftellen fie doch nur die An- 
fchauung eines mehr oder weniger grofcen Bruchteiles der 
Bevolkerung dar. Denn batten die Juden viele Feinde, fo 
batten fie, abgefehen von den Gewalthabern, die lie be- 
fchutjten und fiber ihre Privilegien wachten, auch viele Freunde 
und die Verachtung, womit manche fie anfahen, wurde in 
ihren Augen vollftandig iiberwogen durch die Erfolge der 
Propaganda unter den Heiden. 

2. Mittel zur Verbreitung des Judentums unter den 

Heiden. 1 ) 

In einem herrlichen Schriftchen ,,Von dem Zeugnis der DieReinheit 
Seele" 2 ) hat einft Tertullian ausgefuhrt, da& die rnenfchliche und Hoheit 
Seele von Natur Chriftin fei, ,,anima naturaliter chriftiana". ihres Gottes - 
Auch der Heide, fagt er, gibt Tag fur Tag, gewifferma&en be riffs - 
wider Wiffen und Willen in taufend Ausdriicken, ,,wie Gott 
will", ,,vergelt's Gott", ,,Gott fieht alles" u. dergl. von einer 
naturlichen religiofen Erkenntnis Zeugnis, worin fich das 
Bewufctfein des Menfchen um das Dafein und die Einheit 
Gottes, die Exiftenz des Bofen, das Fortleben des Menfchen 
nach dem Tode und die jenfeitige Belohhung oder Beftrafung 
offenbart. Er ruft die einfache, fchlichte, nicht in Akademien 
und attifchen Saulenhallen gefattigte Seele an. Aber nicht 
blofj Leute diefer Art, fondern audr viele andere, welche 
durch die Vielheit der menfchenahnlichen, oft nur dem Lafter 
als Schutjmantel dienenden Gotter fich abgeftofcen fiihlten, 
zog es zu dem jiidifchen Glauben an den einen, allmachtigen, 



) Vgl. Axenfeld, Die jfldifche Propaganda inMiHionswiffenfdi.Studien, 
Feftfdir. fur Warneck, B. 1904, S. 1 ff. Meiner^, Jefus und die Heiden- 
miffion. Miinfter 1908, S. 17 ff. Sieffert, Die Heidenbekehrung im Alten 
Teftament und im Judentum." 1908 (= Bibl. Zeit- und Streitfragen IV, 3). 

*) De testimonio animae. Vgl. Apologeticum c. 17: testimonium 
animae naturaliter christianae. Vgl. dazu Efjer, Die Seelenlehre Ter- 
tullians, Paderborn 1893, S. 166-176 und Bardenhewer, Gefch. der alt- 
kirchl. Literatur II, 355 f. 



51 2 Zweiter Ab'fchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

ewigen Gott, den Schopfer Himmels und der Erde, wie denn 
die Romer jener Zeit iiberhaupt eine Neigung zu fremden 
Kulten an den Tag legen. 

ihr {ittiiches Audi die treue Anhanglichkeit der Juden an ihr Gefetj 
Leben. unc j d er moralifche Wert des Lebens nadi dem Gefetje, ver- 
bunden mit der Einfadiheit des Synagogendienftes, zeigte in 
der Diafpora vielfach noch die ewig wahren, fittlich hohen 
Gedanken des Alien Teftamentes in ihrer fchlichten Groge, 
wie fehr audi in Palaftina die enge Verbindung des religio- 
fen Lebens mit den nationalen Beftrebungen und der Prunk 
des Tempeldienftes mit der pharifaifchen Veraufcerlichung 
des religiofen Lebens zu den aus dem Evangelium bekannten 
Zuftanden gefuhrt hatte. In der Diafpora mufjte auch von 
felbft mandie Anforderung des Gefetjes .wegfallen, mandies 
konnte aber dort auch ein nach Frieden und Wahrheit rin- 
gender Heide um Jo williger auf fich nehmen, je mehr ihn 
das Gefiihl der eigenen Siindhaftigkeit, Hilflofigkeit und Er- 
lojungsbedurftigkeit driickte. Beruhigt fich ja der Menfch ,,am 
leichteften und liebften bei dem Bewujjtfein eines in beftimm- 
ten, ftreng vorgefchriebenen Formen geleifteten Dienftes." ] ) 
Selbft weniger lautere Motive mogen manchem in der Diafpora 
die Annahme des Judentums empfohlen haben, namentlich 
gewiffe politifche und foziale Vorteile, wie z. B. die Freiheit 
vom Kriegsdienfte. 

ihre Propa- Das Judentum, wenigftens das in der Diafpora, hat auch 
ganda. damals feine Bedeutung in der heidnifchen Welt wohl ver- 
ftanden. Zur Zeit Chrifti durchzog man Lander und Meere, 
um einen Profelyten zu machen. 2 ) Wenn das felbft von den 
Pharifaern gait, um wie viel grower mujgte da der Eifer in 
der Diafpora fein, wo fich der Jude erft recht als ,,das Licht 
derer, die in Finfternis wandeln'VO betrachtete. Sagt doch 
Horaz, ,,wie die Juden werden wir dich zwingen, zu unferer 
Schar iiberzutreten." 4 ) 



') DOllinger, Heidentum u. Judentum, S. 628 f. 

2 ) Matth. 23, 15. . . 

3 ) ROm. 2, 19. 

4 ) Horat. Sat. 1, 4, 142 143: ac veluti te - Judaei cogemus in h.anq 
concedere turbam. i: 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 513 

Eine Unterftii^ung erhielten folche judifche Beftrebungen Die 
durch die Septuaginta, 1 ) die bekannte in Agypten entftan- ^g 6 .*^* 6 
dene beriihmte griechifche Oberfe^ung des Alien Teftaments. flb erfetjung. 
Es ift eine durch glaubwurdige alte Schriftfteller bezeugte 
Tatfache, daft der Pentateuch fchon kurz nach dem Jahre 
300 v. Chr. ins Griechifche iiberfe^t wurde. 2 ) Bald folgten 
auch die iibrigen hebraifchen Bucher des Alten Teftaments. " 
Die Uberfetjung war fpateftens um das Jahr 130 v. Chr. 
vollendet. 3 ) Der Text der Septuaginta ift, wie im Neuen 
Teftamente, fo auch von Philo und Jofephus benu^t und 
wurde noch zur Zeit Juftins im zweiten chriftlichen Jahr- 
hundert in den Synagogen gebraucht. 4 ) 

Neben diefer Uberfe^ung hat es auch eine ganze An- Literarifche 

zahl von Bearbeitungen biblifcher, meift aus der Zeit vor dem Be ~ 

_ . , , ,' *. , ,, ' T ,T\, arbeitungen 

Exil entnommener Stoffe gegeben, welche in hellemftifchem b ibiifdier 
Gewande teils in Profa, teils auch dichterifch die Kenntnis der- Stoffe 
felben den Heiden vermittelten. Von diefen Werken Jind uns 
nur Bruchftucke erhalten. 5 ) In Proja behandelten die vorexi- 

1 ) Vgl. Swete, An introduction to the Old Testament in Greek, 
Cambridge 1900. Kaulen, Einleitung in die Heilige Schrift Alten und 
Neuen Teftaments. 4 Freib. 1898. S. 89-94. Hoberg,. Art. .Septuaginta 
im Kirehenlexikon 11, 147159. Vgl. auch A. Thumb, Die griech. Sprache 
im Zeitalter des Hellenismus. Beitrage zur Gefchichte und Beurteilung 
der xotvtj. Stragb. 1901. 

2 ) Vgl. den Brief des Arifteas an Philokrates (Aristeae ad Philo- 
cratem Ep., ed. P. Wendland L. 1900; deutfch von Wendland bei Kautfch, 
Die Apokryphen II, 1 ff. ; englifch von H. Andrews in Charles, The 
Apocrypha II, 83 f. Der Brief ift nach Schurer III 4 , 608616 nicht viel 
fpater als um 200 v. Chr. entftanden. Andere verfe^en ihn allerdings 
in eine fpatere Zeit, z. B. Wendland zwifchen 9693 v. Chr.; Andrews 
p. 87 meint, er habe feine jetjige Form am Anfang der chriftlichen Zeit 
erhalten, ein groger Teil ftamme aber aus 13070 v. Chr.). In dem 
Brief e wird berichtet, dag Konig Ptolemaus II. Philadelphus (283247 
v. Chr ) das judifche Gefelj fur feine Bibliothek in's Griechifche uberfe^en 
Heft. Vgl. auch die Nachricht des jiidifchen Philofophen Ariftobul (S.u. S. 518 f.) 
bei Bus. Praep. evang. XIII, 12 sq. und Philo, Vita Moysis 2, 5-7. 
Juftin M., Apol. I, 31. 

3 ) Um diefe Zeit fchrieb Jefus Sirach im Prolog zu der griech. Ober- 
fetjung des von feinem Grogvater herruhrenden Spruchbuches von den 
Verfchiedenheiten der Oberfe^ung, welche avrog o vd/uo? /.i t 7ioq>^reiai 

r ioiKci roJv pifiMwv haben. 

*) Dial. c. Tryph. 137 Vgl. auch ebd. 72. Juftin. I. Apol., 31. 
5 ) Sie find zunachft erhalten in der Schrift ns^l 'lovdaitov des wahr- 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgerchichte. I. 2. u. 3. Aufl 33 



514 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

lifche Gefdiidite oder Teile derfelben Demetrius, Eupolemus, 1 ) 
Artapanus, Arifteas 2 ) und Kleodemus. Von dem Epiker 
Philo dem Alteren haben wir noeh Bruchftucke fiber Abra- 
ham, Jofeph und die Quellen und Wafferleitungen Jerufa- 
lems; von dem Samaritaner Theodotus ein poetifches Stuck 
fiber Sichem und endlich von dem Tragodiendichter Ezechiel 
ein Fragment fiber den Auszug der Juden aus Agypten. 3 ) 
Die Bedeutung diefer Art Literatur liegt darin, dafe fich darin 
jiidifche, in der Zeit der Makkabaer lebende Schriftfteller be- 
miihen, zu beweifen, daft den Juden die ganze Kultur zu 
verdanken fei. Nach Eupolemus ift Mofes der Erfinder der 
Buchftabenfchrift; 4 ) nach Artapanus begriindete aber Mofes 
uberhaupt die agyptifche Kultur. 5 ) 

Das Zeugnis Daft derartige Schriften oder uberhaupt eigene Empfeh- 
der(judifchen) lungs _ oder Verteldigungsfchriften der Juden viel von den 
1 y e> Heiden gelefen wiirden, konnte man nicht erwarten. Man 
legte deshalb, um fiir das Judentum Propoganda zu machen, 
Empfehlungen, fei es mm des Judentums uberhaupt oder 
einzelner Lehren, bei den Heiden angefehenen Schriftftellern 
oder gar der bei den Heiden fo fehr angefehenen Sibylle, 
welche die gottlichen Ratfchluffe fiber die zukfinftigen Schidc- 
fale der Menjchen und der Reiche weisfagt, in den Mund 
und fuchte fo judifche Gedanken in heidnifchem Gewande an 
den Mann zu bringen. 

So wendet fich die altefte jtidifche Sibylle aus der Glanz- 



fcheinlich um 40 v. Chr. fchreibenden Alexander Polyhistor bei Euseb. 
Praep. evang. IX, 1739 und Clem. Alexandr. Strom. I, 21, 141. 23,. 
153156 (auch Josephus Ant. 1, 15 gibt ein Fragment des Kleodemus 
Malchus unter Berufung auf Alexander Polyhiftor). 

*) Freudenthal, Alexander Polyhistor und die von ihm erhaltenen. 
Refte judifcher und famaritanijcher Gefchichtswerke, Breslau 1874, S. 208 f. 
halt es fur wahrfcheinlich , daf3 auch ein bei Euseb. Praep. ev. IX, 39 
ftehendes anonymes Fragment, worin die Eroberung Jerujalems durch 
Nebukadnezar erwahnt ift, dem Eupolemus angehort. 

2 ) Vgl. das von ihm herruhrende Fragment uber Job bei Euseb. 
Praep. ev. IX, 25. Er ift nicht identifch mit dem S. 513, 2 genannten 
Arifteas. 

3 ) Vgl. iiber die genannten Schriftfteller u. a. Schurer III 4 , 472-482. 
497503. 

*) Eupol. bei Euseb. Praep. ev. IX, 26. 
5 ) Artapanus bei Euseb. Praep. ev. IX, 27. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 515 

zeit der Makkabaer um 140 v. Chr. 1 ) an die Heidenwelt mit 
der Aufforderung, den einen ewigen Gott zu verehren: 

,,Ein Gott ift, ein einiger Gott, unendlich und ewig, 
Herrfcher des Alls, unfichtbar, felbft jedoch alles erblickend; 
Aber er felbft wird nimmer gefehen vcn fterblichen Wefen. 
Ihn, den alleinigen Gott verehrt als Herrfcher des Weltalls, 
Ihn, der allein in Ewigkeit ift und von Ewigkeit her war." 2 ) 

Sie fchreitet dann welter zur Bekampfung des agyptifcheii 

Tierdienftes und des Gotjendienftes iiberhaupt 3 ) und preift 

das Gefchlecht der gerechten Menfchen, der Juden, welches 

fich nicht um die Flugzeidien der Augurn und die Wahrfager, 

Zauberer, Befchworer kummert und nicht aus den Sternen 

die Orakel der Chaldaer fucht, da dies alles nur Trug iff. 4 ) 

Diefes heilige Gefchlecht frommer Manner wird den Tempel 

des grofcen Gottes verherrlichen. Ihnen allein hat der grofce 

Gott verftandigen Rat und Glauben gegeben, die da nicht 

Werke von Menfchen und Bilder holzerner und fteinerner 

Gotter, fondern nur den immer herrfchenden Unfterblichen 

ehren. 5 ) Ober die Volker der Erde werden gottliche Straf- 

gerichte verkiindet und fie werden aufgefordert, Gott zu ver- 

fohnen, den Go^endienft zu fliehen, wahre Sittlichkeit zu 

iiben. 6 ) Dann wird Gott ein (meffianifches) Reich fiir alle 

Zeiten iiber alle Menfchen errichten, Gott, der einft den 

Frommen das heilige Gefetj gab. Von der ganzen Erde 

wird man Weihrauch und Gaben zu dem Haufe des grofcen 

Gottes bringen und es wird kein anderes Haus bei den 

Menfchen der Zukunft fein als das, welches Gott den glau- 

bigen Mannern zu verehren gegeben hat. Man fieht, auch 

hier wird eine einfeitige, dem Pharifaismus entfprechende 

Anfchauung vom me([ianifchen Reiche vertreten. 7 ) 

J ) Im Anfang des dritten Buches der fibyllinifchen Orakel, woruber 
im folg. Kapitel gehandelt wird. 

2 ) Die Oberfetjung ift nach J. H. Friedlieb, Die fibyll. Weisfagungen 
mit krit. Kommentar und metrifcher deutfcher Oberfe^ung. L. 1852, S. 5. 
(In der Ausgabe von Geffcken S. 227 f. 1. Fragm. v. 79 und 1516.) 

3 ) Ed. Geffcken p. 228 ff. Fragm. 1 und 3. 
*) Buch 3, 219 ff. 

6 ) Buch 3, 573 ff. Vgl. auch 3, 702 ff. 

6 ) Buch 3, 767 ff. 

7 ) Vgl. Friedlieb, Das Leben Jefu. Munfter 1887. S. 124. 

33* 



516 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Demjenigen aber, der vielleidit foldien Weisfagungen 
die Schonheit und das Alter des herrlichen Homer gegen- 
uberftellen will, erwidert die Sibylle: 

Aus Chios wird er fidi felber 

Nennen und llions Los befchreiben; doch nicht wie es wahr ift; 
Aber offenbar fich meiner Worte und Verfe bemacht'gen; 
Denn mit den Handen zuerft wird er meine Bucher entfalten.') 

Angebliche . Neben der Sibylle mugte die mythifche Perfon des thracijchen Heros 
orpheifche Orpheus, den die Griechen nicht nur als den Vertreter der alteften reli- 
Zeugniffe. giofen Poefie, fondern auoh als Begriinder des myftifchen Dionyfusdienftes, 
ja uberhaupt als erften Urheber und Anordner der Myfterien anfahen, fur 
die Verbreitung theologifcher Qedanken unter den Heiden als geeignet 
erfcheinen. So erklart es fich, dag man fogar in Verfen den Orpheus 
feinem Sohne Mufaus gegentiber unter ausdrucklicher Widerrufung aller 
ubrigen dem Polytheismus gewidmeten Qedichte den wahren Qott ver- 
kunden und das Judentum preifen lagt. 2 ) 

Gefalfchte Man fcheute aber auch nicht davor zuruck, den alien Klaffikern, dem 

Zeugniffe der Afchylus, dem Sophokles, dem Euripides u. a, gefalfchte Verfe unter- 
alten zufchieben, in welchen von der Erhabenheit Gottes uber alle Kreatur, 3 ) 
Klaffiker. der Einheit Gottes, der Himmel und Erde gemacht hat, der Torheit des 
Gotjendienftes 4 ) und_der Unfichtbarkeit des Allwiffenden 5 ) geredet wird. 
Selbft von der zukunftigen Vernichtung der Welt durch Feuer foil Sopho- 
kles ahnlich wie die jfldifche Sibylle reden. 6 ) Allerdings ift nicht ficher, 

') Buch 3, 423 ff. (nach Friedlieb S. 69). 

") Die Verfe finden fich in Pseudo-Justin De monarchia c. 2 (Ottos 
Corpus apologet. ed. 3 vol. III. p. 132 sq.) und ebenfalls in Pseudo- 
Justin Cohortatio ad Graecos c. 15 (1. c. p. 59 sq.), dann in langerer 
Rezenfion nach Ariftobul bei Bus. Praep. evang. XIII, 12, 5; endlich auf 
Grund einer im wefentlichen mit Pseudo-Justin ubereinftimmenden Rezen- 
fion in Zitaten bei Clem. Alex. Protrept. VII, 74, Strom. V, 12, 78 und V, 
14, 123 127. Vgl die Verfe und Genaueres uber das Vernal tnis der 
Rezenfionen in Elter, De Gnomologiorum Graecorum historia atque 
origine. Pars V. und P. VI, Bonner Univ.-Programm 1894, p. 152-187. 
Vgl. auch Schurer III, 457460. Ober den Verfaffer vergleiche das auf 
S. 517, 2 Gefagte. 

*) Aeschylus bei Pseudo- Justin De monarchia c. 2, Clem Alex. 
5, 14, 131 (Bus. Praep. evang. Xllh 13, 60), an welchen Stellen fich auch 
die folgenden Zitate finden. Vgl. Elter, De Gnomolog. etc. Pars V, 
col. 150. 

*) Sophocles in De monarch, c. ?; Clem. Alex. 5, 14, 113 (Bus. XIII, 
13, 40) und Protrept. VII, 74. Elter col. 151. 

") Euripides bei Clem. Al. Protrept. VI, 68 (bei Pseudo- Justin 
De monarchia c. 2 dem Komodiendichter Philemon zugefchrieben). Vgl. 
Elter col. 152. 

6 ) Sophocles in De monarchia c. 3, Clem. Alex. 5, 14, 121122 
(Bus. XIII, 13, 48). Vgl. Elter col. 187. - Sib. Ill, 63-96. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 517 

wann diefe und ahnliche 1 ), allgemein als unecht angefehenen Verfe ent- 
[tanden find, und ift ihr Urfprung fogar in das 2. Jahrhundert n. Chr. 
gefetjt worden. Allein alle diefe verdachtigen Verfe find uns iiberliefert 
von Pseudo-Juftinus und Clemens Alexandrinus, die beide |aus einer 
gemeinfamen Quelle fchOpften. *) Nach Clemens von Alexandrien war 
diefe Quelle eine Schrift des Pseudo-Hekataus iiber Abraham. 3 ) Pseudo- 
Hekataus lebte urn das Jahr 150 v, Chr. 4 ) Es gibt auch ein dem An- 



') Diefelben finden fich faft alle bei Pseudo-Justin, De monarchia 
c. 3-5 und Clem. Alex. Strom. V, 14, 107-133 (Bus. XIII, 13). Vgl. 
auch Elter p. 187 sqq. und Schiirer III, 460 f. 

2 ) Vgl. Pseudo- Justin, De monarchia c. 2 4 mit Clem. Al. Str. V, 
14, 113133. Vom textkritifchen Standpunkte aus kommt Elter 1. c. 
col. 149 206, der zeigt, dag Pseudo- Justin den beffern Text der Samm- 
lung darbietet, dazu, iiberhaupt die Sammlung dem Verfaffer des Buches 
De monarchia zuzufchreiben und fie in das zweite Jahrhundert nach 
Chriftus zu verfeljen. Der Schlug gent aber wohl zu weit, da fchon der 
beffere Text des Pseudo-Juftin fich aus einer befferen ,Vorlage erklart. 

3 ) Clem. Alex. Strom. V, 14, 113 (Bus. Praep. evang. XIII, 13, 40 
ed. Gaisford) beruft fich fur ein angebliches Wort des Sophokles auf 
die Schrift des Hekataus iiber Abraham. Man mug aber diefen von 
einem Pseudo-Hekataus unterfcheiden. Hekataus von Aberda, ein Zeit- 
genoffe Alexanders des Grogen und des Ptolemaus La^i (f. Jos. c. 
Ap. 1, 22), hat eine Gefchichte Agyptens (Diodor 1, 46, 8) in mehreren 
Buchern (Laertius Diog. 1, 10, vgl. Elter col. 250) gefchrieben, welche 
fich auch mit der Gefchichte der Juden und der Gefchichte Abrahams 
befagte. Vermutlich bildete letjtere den erften Teil der Gefchichte der 
Juden und diefe einen befonderen Abfchnitt des Gefamtwerkes. So 
erklart es fich, dag Josephus, der, wie auch Diodor v. Sicilien (Dio- 
dor, 40, 3 und bei Reinach, Textes etc. p. 1420) das echte Werk des 
Hekataus in Rom benutjte, bald von einer Schrift iiber die Juden, bald 
von einer iiber Abraham redet (Jos. c. Ap. 1, 22 sq. 2, 4. Ant. 1, 7, 2). 
Es hat aber auch eine unechte Schrift des Hekataus ,,iiber die Juden", 
vielleicht eine Erweiterung der echten Schrift gegeben, welche von 
Herennius Philo (bei Orig. c. Gels. 1, 15) im Anfang des zweiten Jahr- 
hunderts n. Chr. als im hochften Grade judenfeindlich bezeichnet wird. 
Ohne Zweifel ift diefe Schrift identifch mit der von Clemens Alexandrinus 
erwahnten Schrift des Hekataus iiber Abraham. 

J ) Schiirer IIP, 596 f. 603-608 meint, Pseudo Hekataus falle noch 
in das dritte Jahrhundert v. Chr., wahrend Elter 1. c., der col. 247-254 
mit Recht den falfchen Hekataus von dem bei Jofephus benutjten unter- 
fcheidet, inn bis in die zweite Halfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. 
hinabdrtidct und .Willrich, Judaica, Gottingen 1900, S. 86130 ihn in 
das erfte chriftliche Jahrhundert verfetjt. Zunachft ift (gegen Schurer 
p. 607) daran feftzuhalten , dag Pseudo-Hekataus keineswegs fchon in 
dem Briefe des Arifteas iiber die griechifche Bibeliiberfetjung erwahnt 
ift. Vielmehr heigt es bei Arifteas nur, Hekataus habe gefagt, ,,die in 



518 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

fcheine nach von einem alexandrinifchen Juden herrQhrendes Lehrgedicht, 
welches in fchOnen Hexametern allerhand fich an das Alte Teftament 
anlehnende Moralvorfchriften allgemeinen Charakters vortragt, die unter 
dem Namen des im 6. Jahrhundert v. Ghr. lebenden griechifchen 
Spruchdichters Phokylides verbreitet wurden. Die Zeit der Abfaffung 
lagt fich aber nicht feftfe^en. 1 ) 

DerPhilofoph Welch eine Verbreitung manche fur die Propaganda des Judentums 

Ariftobul. nicht unwichtige Falfchungen gehabt haben, zeigt uns der in Agypten, 

wahrfcheinlich in Alexandrien, zur Zeit des Kcmigs Ptolemaus Philometor 



ihnen (den jiidifchen Buchern) ausgefprochenen Anfichten find heilig und 
ehrwurdig". Das konnte auch ein Heide wie Hekataus fagen. Josephus 
Ant. 12, 2, 3 hat aber die Stelle des Arifteas, welche er frei wiedergibt, 
unrichtig fo aufgefagt, als ob Hekataus gefagt habe, die griechifchen. 
Dichter und Hiftoriker erwahnten die Heiligen Bflcher der Juden deshalb 
nicht, weil die darin vorgetragene Lehre eine heilige fei. Daraus folgt 
aber nicht, dag er uberhaupt nicht den Hekataus, fondern den Pseudo- 
Hekataus benutjte, denn fonft wiirde er gewig auch deffen Zitate gegen 
Apion verwertet und auch den Widerfpruch zwifchen der Bemerkung 
und der fortwahrenden Erwahnung des Gefetjes durch (angeblich) alte 
Dichter und Philofophen entdeckt haben. Somit lebte Pseudo-HekatSus 
zwifchen Arifteas, der ihn noch nicht kannte und Ariftobul (f. u.), der 
inn benutjte. 

') S. den Text u. a. bei Bergk, Poetae lyrici Graeci ed. 4. L. 1882 II, 
74109. (Ein von einem Chriften uberarbeitetes Stuck des Gedichtes 
fteht auch Sibyll. II, 56-148.) Vgl. befonders Bernays, Ober das Phoky- 
lideische Gedicht, Breslau 1856 (= Gef. Abhdlgn. 1885 I, 192261). - 
Ob der fiebente und (zum Teil) der vierte von neun angeblichen Briefen 
des Heraklit, worin -die hellenifche GOtterverehrung und Sittenlofigkeit 
bekampft werden, jiidifchen oder chriftlichen Urfprunges find, mug man 
mit Bernays, Die heraklitifchen Briefe (mit Text und deutfcher Oberfetjung) 
Berlin 1869, dahingeftellt fein laffen. Vgl auch Schurer III 1 , 624 f. 
Gelehrte, z. B. Harnack, Die Apoftellehre und die judifchen beiden Wege, 
L. 1886, P. Drews, in Hennecke, Neutest. Apokryphen, L. 1904, 184 ff. 
und in Hennecke, Handbuch zu den Neuteftam. Apokryphen 1904, S. 256 ff. 
Seeberg, Die beiden Wege und das Apofteldekret, L. 1906 u. a. haben 
die Hypothefe vertreten, dag der Didache in ihrer Urform ein judifcher 
Profelytenkatechismus zu Grunde liege, der wie die ZwOlfapoftellehre 
(cap. 1 6) Sittenregeln uber die beiden Wege, den (der Gerechtigkeit 
und Liebe) zum Leben oder den zum Tode enthielt. H. Klein, Der 
altefte chriftliche Katechismus und die judifche Propaganda-Literatur, 
B. 1909 will das Judifche in der Urdidache ,,noch klarer" als es bis 
dahin gefchehen war (S. 157) darlegen. Allein es gibt kein augeres 
Zeugnis fur die angebliche Urform der Didache oder eine derartige 
judifche Schrift. Die Didache tragt vielmehr in all ihren T.eilen durchaus 
chriftliches Geprage. Parallelen zu einzelnen Sa^en oder Ausdrucken 
aus talmudifchen oder gar mittelalterlichen Werken wie z. B. der Schrift 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 519 

(181-145 v. Chr.) lebende judifche Philofoph Ariftobul. Derfelbe fchrieb 1 ) 
ftir heidnifche Lefer eine an den genannten Konig gerichtete Erklarung 
der funf Bficher Mofis, worin er, nadi den erhaltenen Fragmented) zu 
urteilen, befonders zeigen will, dag die griechifche Philofophie vom Ge- 
fetje Mofis abhangig ift. 3 ) Er behauptet mit Unrecht, dag fchon lange 
vor der griechifdien Uberfe^ung des Gefe^es unter Ptolemaus Philadel- 
phus der wefentliche Inhalt des Pentateuchs ins Griechifche iiberfetjt ge- 
wefen fei 4 ) und dag daraus namentlich Pythagoras, Sokrates und Plato 
ihre Weisheit gefchopft batten. 6 ) Damit nicht genug, behauptet er weiter, 
dag auch die griechifdien Dichter, namentlich Homer und Hefiod, diefelbe 
Quelle benu^t hatten, 6 ) und fQhrt unter dem Namen des Orpheus, Linus, 
Homer, Hefiod 7 ) und Aratus eine Anzahl meift gefalfchter Verfe an, die 
er vermutlich vorgefunden und in gutem Glauben als edit angefehen 
hat. 8 ) Er felbft zeigt unter anderm in feinem Werke, wie die im Gefe$ 



Orchoth Chajjim (bei Klein S. 101-137) beweifen nichts. Vgl. auch 
O. Bardenhewer, Gefch. der altchriftl. Literatur I', S. 95 f 

') Man nimmt gewOhnlich an, dag er mit dem 2 Mace. 1, 10 
erwahnten Ariftobul, ,,dem Lehrer des Konigs Ptolemaus, der vom 
Gefchlechte der gefalbten Priefter ift", identijch ift, und fomit, dag das 
2 Mace. 1, 10-2, 19 an Ariftobul und die agyptifchen Juden gerichtete 
Sendfchreiben der palaftinenfifchen Juden an inn mitgerichtet ift. 

2 ) Bei Euseb. Praep. ev. VIII, 10 und XIII, 12. Die Echtheit wird 
nach dem Vorgange von Richard Simon, Histoire critique du V. Testam. 
Rotterdam 1681, p. 189, 499 von manchem Neueren, befonders auch von 
Elter, De Gnomologiorum Graec. hist., atque origine Pars V IX(Bonnae) 
Univ. Progr. 1894 col. 152254 und Nachtrage dazu in Ramenta 1897), 
der den Ariftobul fogar ins dritte chriftliche Jahrhundert fe^t, beftritten. 
Fur die Echtheit u. a. Valckenaer, Diatribe de Aristobulo Judaeo, philo- 
sopho peripatetico Alexandrino. Lugd. Bat. 1806 und in Gaisfords Aus- 
gabe von Bus. Praep. ev. IV, 339-458, fodann Schurer III', 512521 
und Oberweg-Heinze, Grundrig der Gefchichte der Philofophie des Alter- 
tums 9, Berl. 1903, 352 ff. Vgl. auch Hundhaufen, Art. Ariftobulus im 
Kirchenlexikon I, 13001303. 

3 ) So fagt Clem. Alex, (der nach Strom. 1, 22, 150 das Werk felbft 
benutjte) Strom. 5, 14, 97. 

*) Bei Bus. 1. c. XIII, 12, 1. 

5 ) Bei Bus XIII, 12, 1. 3. 

6 ) Bei Bus. XIII, 12, 16. 

7 ) Er zeigt die Bedeutung des fiebenten Tages als Ruhetages u. a. 
durch Berufung auf erdichtete Verfe des Hesiod, Homer und Linus bei 
Eus. XIII, 12, 9-16. 

8 ) Vermutlich hat er die Verfe aus der Sammlung des Pfeudo- 
Hekataus, die in den erften Jahrzehnten der Makkabaer entftand, gejchopft, 
f. o. S. 517, 3 u. 4. Valckenaer, Hausrath u. a. meinen, Aristobulus habe 
felber die Verfe erdichtet, Schurer III*, 516 f. vertritt, wie Ewald u. a. 
die Anficht, fie feien in gutem Glauben entlehnt. 



Heiden 



520 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

vorkommenden Anthropomorphismen, z. B. vom Wandeln Gottes u. dgl. 

zu verftehen find '), und lehrt, dag alles durch die Wirkung Gottes gewor- 

den ift. 2 ) Die Vater nennen den Ariftobul einen Peripatetiker. 3 ) Genaueres 

iiber fein philofophifches Syftem ift jedoch nicht bekannt. Er ift aber in 

feiner allegorifchen Interpretationsweife und der Verbindung jiidifcher 

Theologie mit griechifcher Philofophie ein Vorlaufer Philos gewefen. 4 ) 

Anjchauungen Audi Philo und Jofephus haben oft den Gedanken von dem ab- 

Philos und foluten Vorrang der Religion und der Moral des Judenvolkes vor andern 

des Jofephus ausgefproehen, und auch nach Philo haben die griechifchen Philofophen, 

von dem Vor- befonders Zeno 5 ) und Heraklit 6 ), aus Mofes gefchopft. Dasfelbe fagt 

rang der ju- Jofephus von Pythagoras 7 ) und meint uberhaupt, die Juden feien den 

difchen Reli- ubrigen Volkern im grogten und beften, was fie hatten, Fuhrer ge- 

gion u. Moral, wefen. 8 ) 

3. Die Profelyten des Judentums. 9 ) 

Verbreitung Faft geradefo verbreitet wie die Juden felbft find in der 
jiidifcher damaligen Zeit die Anhanger und Freunde des Judentums 

Sitten und gewefen. Zum Beweife dafiir braucht man nur an die Er- 
fahrungen des heiligen Paulus zu erinnern. Zu Antiochien 
m Pifidien redet er neben den Juden auch die frommen 
Neubekehrten an, 10 ) in Iconium predigt er in der Synagoge 
auch den Griechen, 11 ) in Philippi nimmt eine Neubekehrte, 
die Purpurhandlerin Lydia aus Thyatira, ihn und feine Be- 
gleiter in ihr Haus auf, 12 ) in Thenalonich, in Beroa, in Athen, 
in Korinth find es auch Profelyten, welche feine Worte 
glaubig annehmen. 13 ) Und wie hier, fo gab es in Cafarea, 14 ) 

') Bei Bus. VIII, 10. 

2 ) Bei Bus. XIII, 12, 1-8. 

3 ) Clem. Alex. Strom. 1, 15, 72. 5, 14, 97. Bus. Praep. evang. 
VIII, 9. IX, 6, 6. 

*) S. Hundhaufen S. 1301. 

5 ) Philo, Quod omnis probus liber 9. (Mangey II, 454). 

6 ) Philo, Quis rer. divin. heres 43, 214; Legum allegor. lib. I, 
33, 108. 

7 ) Jos. c. Ap. 1, 22. 

8 ) Jos. c. Ap. 2, 41. Vgl. auch Ant. 4, 8, 49. 

'') Vgl. auger den oben S. 511, 1 angefuhrten Werken u.a.Schiirer III, 
150188. Levi, Le Proselytisme juif in der Revue des Etudes juives. 
Paris 1905, tome L p. 1-9, tome LI (1906) p. 1-31, tome LIII (1907) 
p. 56-61. Jean Jufter 1, 253337, befonders 254-259 u. 274277. 

10 ) Apg. 13, 16. 26. Vgl. ebd 13, 43. 50. 

) Apg. 14, 1. 

12 ) Apg. 16, 14. 

13 ) Apg. 17, 4. 10-12 17. 18, 7. 
u ) Apg. 10, 1 ff. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 521 

in Kapharnaum 1 ) und in Antiochien ? ) Leute, welche den 
wahren Gott Ifraels verehrten. Jofephus*) fagt fogar allge- 
mein, daft, wahrend die griechifchen Philofophen in ihren 
Lehren iiber Gott, die Einfachheit des Lebens und die Be- 
ziehungen der Menfchen zueinander dem Mofes folgten,. 
aber dem Anfcheine nach die vaterlichen Sitten beibehielten, 
fich bei der Menge fchon feit langem eifrige Nachahmung 
der jiidifchen Religion finde. ,,Es gibt," fagt er, ,,weder eine 
Stadt bei den Griechen oder Barbaren, noch ein Volk, zu 
welchem nidit die Feier des fiebenten Tages, den wir ohne 
Arbeit zubringen, gedrungen ift und wo nicht das Faften, 
das Anziinden der Lichter 4 ) und viele unferer Speifeverbote 
beobachtet werden." Bei manchen war das allerdings nur 
zeitweife der Fall. 5 ) Andere aber blieben treu und ihre 
Kinder oder Enkel fchloffen fich, wenn der Vater nur einzelne 
jiidifche Lehren und Sitten, fei es aus Aberglaube, fei es aus 
wirklieh religiofem Sinn, angenommen hatte, um fo enger 
an das Judentum an. So fagt z. B. Juvenal, 6 ) dafe, wenn 
der Vater jeden fiebenten Tag untatig verbringe und kein 
Schweinefleifeh effe, er die Schuld trage, daft der Sohn nur 
die Wolken und die Himmelsgottheit verehre und fich bald 
auch befchneiden laffe, blofe das jiidifche Gefetj verehre und 
nur feinen Glaubensgenoffen einen ( Dienft erweife. Seneca 
fagt aber von den Gebrauchen der Juden, befonders vom 
Sabbate, fo ftark fei die Sitte jenes verruchten Volkes ge- 
worden, daft fie faft uberall verbreitet fei; die Befiegten hatten 
den Siegern Gefetje gegeben. Allein jene kannten die Griinde 
ihres Gebrauches, der grofeere Teil des Volkes aber be- 
obadite inn, ohne zu wiffen weshalb. 7 ) Auch ein Freund 

!) Luc 7, 5. 

2 ) Jos. B. J. 7, 3, 3. 

3 ) Jos. c, Ap. 2, 39. 
*) S. o. S. 508. 

5 ) Jos. c. Ap. 2, 10. 
. 6 ) Juv. Sat. 14, 96 ff. 

7 ) Seneca, De Superstitione Fragmenta XII, 42 sq. (Opera III, 427) 
und bei Aug. De civ. Dei 6, 11, der als Veranlaffung zu der Bemerkung 
die ,,sacramenta Judaeorum et maxime sabbata" angibt: Cum interim usque 
eo sceleratissimae gentis consuetude convaluit, ut per omnes jam terras 
recepta sit; victi victoribus leges dederunt ... Hi tamen causas ritus 
sui noverunt; maior pars populi facit quod cur faciat ignorat." 



522 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. ZuftSnde des jud. Volkes. 

des Horaz, Fuscus Ariftius, bekennt mit frohlichem Spott, 
,,die Schwache" zu haben, wie viele andere den Sabbat zu 
feiern. 1 ) 

Verbreitung Befonders die Frauen hingen vielfaeh dem Judentum 
des Juden- afij j o z< B j n Damaskus faft alle Frauen. 2 ) Audi in Rom 
er waren die Frauen allem Anfcheine nach dem Judentum viel 



Frauenweit g un Higer gefinnt als die Manner. Die Gemahlin des Auguftus, 
die Kaiferin Julia, hatte eine judifche Sklavin, namens Akme. :i ) 
Die Gemahlin Neros, Poppaa Sabina, welche fich bei ihrem 
Gemahl fur judifche Priefter verwandte, wird von Jofephus 4 ) 
als M Gottesfurchtige" bezeichnet und ift auch nicht nadi ro- 
mifcher Sitte verbrannt, fondern ,,nach der Gewohnheit aus- 
landifcher Konige" einbalfamiert worden. 5 ) All diefes fpricht 
wenigftens fur .ihre Zuneigung zum Judentum. Als eine 
Judenfreundin darf auch die Schwagerin des Tiberius und 
Witwe des alteren Drufus, Antonia, angefehen werden. ) 
Wir lefen von einer vornehmen Dame Fulvia, deren Mann 
Saturninus mit Tiberius befreundet war, welche das mofaifche 
Gefe^ angenommen hatte, aber von einigen Juden um Pur- 
Bedeutung pur und Gold betrogen wurde. 7 ) Gewife darf man nicht blofc 

der Annahmeaus der gelegentlichen gefchaftlichen Verbindung einer hohen 
judifcher Dame mit einem judifchen Bankier, z. B. der Antonia mit 
Sitten. Alexander von Alexandrien Oder aus der 



Mode gewordenen Beobachtung einzelner judifcher Gebrauche 



l ) HOT., Sat. I, 9, 70-72. Vgl. Tibull. Eleg. 1, 3, 17-18. Ovid, 
Ars amatoria 1, 76 416; Remedia amoris 219 sq. 
") Jos. B. J. 2, 20, 2. 

3 ) Jos. Ant. 17, 5, 7. 7, 1 (18, 6, 4). B. J. 1, 32, 6. Audi Kaifer 
Claudius hatte eine judifche Sklavin. Vgl. Corpus Inscr. Lat. t. X n. 1971 : 
(Cl)audia Aster (Hi)erosolymitana (ca)ptiva. 

4 ) Jos. Ant. 20, 8, 11. Vita 3. 

5 ) Tac. Ann. 16, 6. Der Vetter Domitians, Flavius Clemens, und 
feine Gemahlin Domitilla waren keine Juden, fondern Chriften (Dio 
Cass. 67, 14. Sueton. Domit. 15. Vgl. Lightfoot, The apostolic fathers 
Part I: S. Clement of Ro.me, vol. I. 1890, p. 14103). Audi Pomponia 
Qraecina, die Gemahlin des Konfularen A. Plautius, war nicht dem 
n fremden Aberglauben" (Tac. Ann. 13, 32) des Judentums ergeben, denn 
judifchen Profelytismus kannte man, fondern war eine Chriftin. Vgl. 
auch Bludau 1. c. S. 226. 

6 ) Jos. Ant. 18, 6, 1. 6, 6. Tac. Ann. 3, 3. 

7 ) Jos Ant. 18, 3, 5. S. o. S. 285. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 523 

auf eine Vorliebe fur das Judentum felbft fchliefcen. Nament- 
lidi die Sabbatfeier hatte fich zwar aus dem armen Juden- 
viertel auch in die elegant en Quartiere der vornehmen Welt 
in Rom verpflanzt, allein fie bildete doch nur, wie die Teil- 
nahme an den Myfterien der Ifis, den Feften des Adonis u. a. 
eine Form der Frauenmode und, wenn es hoch kam, des 
weiblichen Aberglaubens. In den Dichterkreifen hat man 
fich teils dariiber amiifiert, wie z. B. Horaz und fein Freund 
FUSGUS Ariftius, 1 ) teils geargert, wie Juvenal, 2 ) teils den Ge- 
brauch zu allerhand Liebesintriguen benutjt, wie Ovid fagt. 3 ) 
Im Grunde des Herzens teilte man die Verachtung der Ju- 
den, wie fie die ernften Romer zeigen. Wenn aber Tacitus 
behauptet, der Wohlftand der Juden fei dadurch gewachfen, 
dafe die fchlechteften unter Mifeachtung der vaterlandifchen 
Religion reidilich Steuer und Gefdhenke nadi Jerufalem 
fchickten,*) fo fpricht er als Hifto'riker von der Zeit vor dem 
Untergang Jerufalems und fucht das Wachstum der Bliite 
der Stadt in fruherer Zeit zu erklaren. 

Wie weit an einer bewufeten und planmagigen Prop a- Propaganda 
ganda des Judentums damals die leitenden Kreife Jerufalems des pa- 
beteiligt waren, wifien wir nicht. 5 ) Von den Schriftgelehrten laftinenpfdien 
und Pharifaern aber fagt der Herr: ,,Weh euch, ihr Heuchler, Judentums - 
da ihr das Meer und das Land durchzieht, um einen einzigen 
Bekehrten zu gewinnen; wenn einer aber es geworden ift, 



1 ) S. o. s. 522. 

2 ) S. o. S. 521. 

3 ) Ovid, Ars amatoria, 1, 75 (wenn du eine Maitreffe fucbft an 
geeigneten Orten: M Nec te praetereat Veneri ploratus Adonis Cultaque 
Judaeo septima sacra Syro." Vgl. ebd. 1, 415 sq.). 

*) Tac. hist. 5, 5: cetera instituta (vgl. o S. 510), sinistra foeda, 
pravitate valuere. Nam pessimus quisque, spretis religionibus patriis, 
tributa et stipes illuc congerebant; unde auctae Judaeorum res etc. 

5 ) Unter Domitian find vier Gefetjeslehrer, R Gamaliel, R. Eleazar 
ben Azarja, R. Josua und R. Akiba im Herbfte von Jamnia in Judaa 
nach Rom gereift. (Dag J'ie auf einem Schiffe waren, berichtet die Mifdma 
Maaser scheni 5, 9. Schabb. 16, 8. Erubin 4, 1 2.) Es find aber nur 
fagenhafte Berichte aus fpaterer Zeit dariiber vorhanden (f. Derenbourg, 
p. 334 340. Gratj, Die jiidifchen Profelyten im Romerreiche unter den 
Kaifern Domitian, Nerva, Trajan und Hadrian. Jahresberidit des jud. 
theol. Seminars Breslau 1884, S. 27 ff. Badier, Die Agada der Tannaiten 1 2 , 
79 ff.) und ift fiber die Dauer des Aufenthaltes nichts bekannt. 



524 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

macht ihr ihn zu einem Kind der Holle, zweifach fchlimmer 
als ihr." 1 ) Bei ihnen war nidit der Glaubenseifer, fondern 
der Wunfch, fich durch die Bekehrten mehr Geld und Ehre 
zu verfchaffen, maggebend. 2 ) Deshalb vernachlaffigten fie 
auch diefe Profelyten, wenn [ie fich einmal dem Judentum 
angefchloffen hatten, und kiimmerten fich um ihre Unwiffen- 
heit und Gottlofigkeit nicht. 3 ) 

Von hervorragenden Profelyten des palaftinenfifchen 
Judentums find nur der Kammerer der Konigin Candace, 4 ) 
die beiden Schwager Agrippas II., Azizus von Emefa und 
Polemon von Cilicien, welche aus politifchen Griinden die 
Befchneidung annahmen, 5 ) dann aber befonders zur Zeit des 
Claudius die Angehorigen des Konigshaufes von Adiabene, 
jenfeits des Euphrats, welches damals in einem Abhangig- 
keitsverhaltniffe zu dem parthifchen Reiche ftand, bekannt. 
In Adiabene war fowohl der Konig Izates wie feine Mutter 
Helena und andere Verwandte zum Judentum iibergetreten. 
Erfterem hatte fein eigener judifcher Lehrer von der Be- 
fchneidung abgeraten. Denn er fiirchtete, felbft in Lebens- 
gefahr zu kommen, wenn die Sadie ruchbar werde. Man 
werde ihn als Lehrer befchuldigen, den Konig zu der Be- 
fchneidung veranlafct zu haben. Der Konig konne auch, ohne 
fich befchneiden zu laffen, Gott verehren, wenn er nur die 
gottesdienftlichen Gebrauche der Juden befolge. Da aber 
ein anderer Jude ihn auf die gefetjliche Vorfchrift hinwies, 
liefc fich Izates befchneiden. 6 ) Er Hefc auch feine fiinf Sohne 

') Matth. 23, 15 f. 

2 ) Gal. 6, 13. 

3 ) Vgl. u. S. 528 ff. Im babylonifchen Talmud wird viermal (vgl. 
Levi, Le Proselytisme juif in REJ tome LI Paris 1906 p. 1) ein Wort 
eines im 3. Jahrhundert in Palaftina wirkenden Rabbiners Helbo zitiert: 
Die Profelyten find wie ein Ausfatj fur Israel (vgl. auch Lightfoot Horae 
hebr. zu Matth. 23, 15 und die Kommentare zu d. St.). Nidda 13b fteht 
das Wort zur Erklarung einer Baraitja: Proselyti et paederastae impe- 
diunt adventum Messiae (Levi 1. c. p. 2. Lightfoot 1. c.). Einzelne 
Rabbiner haben jedenfalls, wie aus dem Worte folgt, Profelyten als 
eine Gefahr fur das Judentum angefehen, obgleich man im allgemeinen 
auch in der talmudifchen Zeit Konverfionen zum Judentum gern fah. 
(S. Levi p. 4 ss.) 

*) Apg. 8, 26 ff. 

5 ) Jos. Ant. 20, 7, 1. 3. S. o. S. 213 . 

6 ) Jos. Ant. 20, 24. S. o. S. 267 f. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 525 

in Jerufalem erziehen, wo die Familie fich auch Palafte er- 
baute, 1 ) und gab zu, dafc feme Mutter dorthin zum Tempel 
wallfahrtete. 2 ) Audi find Konig Izates wie feine Mutter nach 
ihrem Tode in dem von letjterer erbauten Grabmale in 
Jerufalem begraben worden. 3 ) 

Die Gefdiichte des Izates macht es aber klar, dag damals Eigentliche 
wenigftens die ftrengeren Juden nur denjenigen Nichtjuden Pr feiyten. 
als einen wirklich Bekehrten, einen Konvertiten, anfahen, der 
auch formlich durdi Annahme der Befchneidung zum Juden- 
tum iibergetreten war. Im Alten Teftamente bezeichnet der 
Ausdruck Profelyt immer einen Fremden, der in Palaftina 
dauernd wohnt, mag er nun befchnitten Oder unbefchnitten 
fein/) aber im Neuen Teftament bezeichnet Profelyt einen 
durch Annahme der Befchneidung zum Judentum Oberge- 
tretenen. 5 ) Diefe befchnittenen Fremdlinge hatten das ganze 
Gefe^ zu erfullen. 6 ) 

Diefe find die einzigen eigentlichen Profelyten. Von diefen Die ,,Gott- 
mufc eine zweite Klaffe urfprimglicher Heiden ftreng unter- furchtenden" 
fchieden werden, welche fchon die Apoftelgefchichte ,,die Gott- [ md nicht 

iiirchtenden" Oder die ,,Gottesverehrer" nennt und darunter ^ entll * e 

" Konvertiten. 

folche Perfonen verfteht, welche den wahren Gott verehrten, 



] ) S. o. S. 268, 1. 

*) Jos. Ant. 20, 2, 6. 

3 ) Ant. 20, 4, 3. B. J. 5, 2, 2. 3, 3. 4, 2. Das Grabmal ift hOchft 
wahrfcheinlich mit den fog. Qrabern der Konige (f. o. S. 68) identifch. 

*) 71^06?; Auro? hebr. 1;* Porter, art. Proselyte in Hastings D. IV, 
134 f. Vgl. Bertholet, Die Stellung der Ifraeliten und der Juden zu 
den Fremden. 1896, S. 259-261. - Den Sinn von ,,bekehrter Fremd- 
ling" hat 1j? in der Mifchna z. B. Dammai 6, 10, Schebiith 10, 9 etc. Vgl. 
auch Schiirer III, 125, 67 iiber den Sprachgebrauch. Philo verfteht 
das nqoGrtlvrrtQ der LXX in dem Jchon zu feiner Zeit ublichen Sinne von 
Konvertit (f. Bertholet S. 285290), wofiir er aber lieber das Wort 
enr}iv<; (emjlrTt;?, enrjXvroi) gebraucht. Jofephus bezieht fich oft auf 
,,bekehrte Fremdlinge" Oder Profelyten im eigentlichen Sinne des Wortes, 
z. B. Ant. 18, 3, 5 20, 2-4. c. Apion. 2, 31, ohne aber den Namen 
Profelyt" anzuwenden (vgl. Porter p. 133 f.). 

5 ) Matth. 23, 15 Apg. 2, 10. 6, 5. In Apg. 13, 43 ,,ol 
Tcynaijlvrai" ift durch den Zufatj -i e^^evni der Sinn von 
befchrankt. Es handelt fich um diefelben Leute, welche Apg. 13, 16 als 
qpo/Sorjtevot roV &eov bezeichnet find. 

6 ) Gal. 5, 3. 



526 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. flttl. Zuftande des jud. Volkes. 

ohne aber formlich zum Judentume fibergetreten zu fein. 1 ) 
Ohne Zweifel gehoren ihr auch die meiften aus dem Heiden- 
tum hervorgegangenen Anhanger des Judentums an, von 
welchen die griechifchen und romifchen Sdiriftfteller reden. 2 ) 



J ) Es gibt viele Infchriften, welche dem Hochften, dem Hypsistos, 
g-ewidmet find. Vgl. Schurer SB A. Berlin, Bd. XIII (1897) S. 200 f. und 
Cumont, Hypsistos in der Revue de PInstr. publ. en Belgique, XI, 1897. 
Suppl. Derfelbe, Die oriental. Religionen im rom. Heidentum, 2. Aufl. 
Lpz. 1914, S. 75. Es ift nach Cumont (vgl. a. a. O. S. 75 und Revue 
d'histoire des religions, Tome 66, 1912, p. 165) der Name, womit die 
judifch-griechifchen Kolonien der Diafpora und diejenigen Heiden, welche 
mehr oder weniger ihren Glauben angenommen batten, den Gott Ifraels 
bezeichneten und ihm als dem hOchften Gotte einen exklufiven Kult 
widmeten. 

2 ) ol fiefii'/uEvoi oder <pn/3nr/uevoi (mit oder ohne #). Vgl. die 
S. 520 f. aus der Apoftelgejchichte angefflhrten Stellen. Ganz ficher war 
der Hauptmann Cornelius, zu dem ein Jude nicht ins Haus gehen und 
mit dem er nicht fpeifen konnte, ,,ein unbefchnittener Fremdling". Trotj- 
dem heigt er Apg. 10, 2. 22. v /9..i>tvo? tv &edv. Josephus Ant. 14, 7, 2 
erwahnt neben den Juden auch fieponivm, rdv & t nv als Leute, die 
zum Reichtum des Tempels beigetragen haben. Immerhin find die 
Ausdriicke nicht fehr beftimmt. Daraus erklart fich, dag Bertholet, der 
S. 295302 zugibt, dag manche Heiden fich judifchen Anfchauungen und 
Gebrauchen in freierer Form anfchloffen, S. 328334 die fiffto^tv.i oder 
q>Hftnvfitvoi x6v veer fur identifch mit den befchnittenen Profelyten halt. 
Allein auch die alteren rabbinifchen Schriften haben den Unterfehied 
zwifchen den Profelyten der Gerechtigkeit und den Gottesfurchtigen, fiehe 
Mechilta zu Ex. 22, 20 (in der Oberf. von Winter u. Wunfche S. 305) u. a. 
(Vgl. Levi, Le proselyt. p. 56 ss.). S. auch Schurer III *, 172177 u. Porter 
1. c. p. 134 f. - Der Ausdruck n Profelyt des Thores" pi^ti "13) hat mit 
dem tii-finnevos TOV &tnv nichts zu tun, ift vielmehr, wie Schurer klar- 
gelegt hat (III, 127), eine erft feit dem 13. Jahrhundert nachweisbare 
rabbinifche Bezeichnung fiir den in den Toren oder im Lande Ifrael 
wohnenden Nichtjuden. Diefer heigt in der Mifchna 2'fiH 13 = Fremdling 
der Wohnung, im Unterfehied von dem Profelyten, den die Mifchna nur 
13 nennt. Spatere Rabbiner fe^en dafiir zur grogeren Deutlichkeit 
P J - V~ "$ = der gerechte (d. h. das Gefe^ beobachtende) Fremde oder 
der Profelyt der Gerechtigkeit. Auch der ,,Fremdling der Wohnung" 
ift nach der iibrigens nur gelegentlich ausgefprochenen und nicht etwa 
auch in der Praxis verwirklichten juriftifchen Theorie des Talmud (f. Aboda 
zara 64b, vgl. dazu Levi 1. c. p. 57) verpflichtet , die fieben Gebote der 
Kinder Noes, welche nach judifcher Meinung iiberhaupt von der nicht 
judifchen Menfchheit zu beobachten find, zu halten. Nach Sanhedrin 56b 
und Tosephta Aboda zara IX verbieten fie die Widerfetjlichkeit gegen 
die Obrigkeit, die Gotteslafterung, den Gotjendienft , die Blutfchande, 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 527 

Neben der Verehrung des wahren Gottes beobachteten diefe 
,,Gottfurchtenden" gewohnlich auch nodi einzelne Stiicke des 
judifchen Gefetjes, meift das Sabbatgebot und die Speifegefetje. 

In der neuteftamentlichen Zeit erfolgte die Aufnahme Bedingungen 
eines Profelyten in das Judentum durch die Befchneidung. zur form- 
Dag diefem Akte fchon damals bei Mannern ein Bad zum "^^ 
Zwecke der levitifchen Reinigung und, fo lange der Tempel das j uden . 
ftand, auch ein Opfer gefolgt fei, und man erft danach als t um. 
wirklicher Jude gegolten habe, 1 ) i[t fiir jene Zeit nicht wahr- 
fcheinlich, zumal nicht in der Diafpora. In dem Bericht des 
Jofephus 2 ) iiber die Bekehrung des adiabenifchen Konigs- 
haufes ift von Bad und Opfer gar keine Rede, und die nach 
dem Evangelium an Johannes den Taufer abgefandten Boten 
fetjen voraus, daft keiner das Recht zu taufen habe als der 
Meffias Oder Elias oder der Prophet. 3 ) Wahrfcheinlich ift das 
Tauchbad 4 ) oder die Profelytentaufe, welche nicht etwa fchon 



den Raub und den Genug eines noch lebenden Tieres. (Vgl. Weber, 
Syftem der altfyn. Theologie, S. 262 f.) Zur Zeit des Jofephus war 
aber diefe Theorie unbekannt. Denn er fagt c. Apion. 2, 28, dag Mofes 
diejenigen, welche nach den judifchen Gefetjen leben wollen, gern auf- 
nimmt, aber diejenigen, welche beilaufig zu den Juden kommen, nicht 
verpflichtet, die judifchen Sitten anzunehmen. 

') Es heigt in Kerithoth 9a (auch bei Levy, Worterb. I, 266 und 
bei Selden, De synedriis I, 3 p. 23): ,,Wie eure Vater in den ifraeli- 
tifchen Bund (unter Mofes vgl. Selden p. 15 ff.) nur durch Befchneidung, 
Baden und Sprengung des Opferblutes aufgenommen wurden, fo follt 
auch ihr verfahren, namlich bei Aufnahme der Profelyten" und Jeba- 
moth 46a (auch bei Selden p. 23, vgl. auch Levy I, 353 f. v. ")): ,,In 
Ewigkeit ift einer kein Profelyt, wenn er nicht fowohl untergetaucht als 
befchnitten ift, wenn er nicht untergetaucht ift, bleibt er ein Heide .... 
Die Rabbiner fagen, von dem, der befchnitten, aber nicht untergetaucht 
worden fei, habe R. Eliezer gefagt: er ift ein Profelyt; denn fo finden 
wir's bei unfern Vatern, dag fie befchnitten, aber nicht untergetaucht 
wurden. Von einem, der untergetaucht, aber nicht befchnitten worden ift, 
hat R. Josue gefagt, er ift ein Profelyt; denn fo finden wir's bei unfern 
Muttern, dag fie untergetaucht, aber nicht befchnitten wurden. Die 
Gelehrten aber haben fich dahin ausgefprochen, es fei keiner ein Profelyt, 
bis er fowohl untergetaucht als befchnitten fei." 

2 ) Jos, Ant. 20, 24. 

3 ) Jon. 1, 25. 

*) nb^to. 



528 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jud. Volkes. 

in der Mifchna die redet weder hiervon noch von Opfern 4 ) 
wohl aber im fpatern Talmud neben der Befchneidung fiir 
Profelyten vorgefchrieben 5 ) wird, fiir Manner erft nach der 
Zerftorung Jerufalems aufgekommen. 6 ) Wenn aber eine Frau, 
die ja nicht befchnitten wurde, vom Heidentum zum Juden- 
tum ubertrat, war es, da der Heide an fich als unrein gait, 
felbftverftandlich, dafc fie fich zum Zweck der levitifchen Rein- 
heit badete, ohne daft aber damit diefem Bade eine ahn- 
liche Bedeutung wie der Befchneidung zukam. Der mannliche 



*) Schurer HI*, '182:.ff., 82 u. 88 fiihrt fur das Tauchbad Pesachim 
8, 8 = Edujoth 5, 2, fur das Opfer Kerithoth 2, 1 an. Pesachim 8, 8 
heigt es: ,,Von einem Profelyten, der am Ofterabend ein Profelyt geworden 
ift (gemeint ift augenfcheinlich durch die Befchneidung), fagt die Schule 
Schammais, er bade fich und effe fein Pascha am Abend; die Schule 
Hillels aber fagt: Wer fich trennt von der Vorhaut, ift wie jener, der 
fich trennt von dem Grabe." Diefer letjte Abfatj fteht auch Edujoth 5, 2. 
(Wer von einem Grabe kam, mugte nach Num. 19, 16 ff. am 3. und 7. 
Tage mit Reinigungswajfer befprengt werden.) Hier haben wir wohl in 
der Praxis der Schule Hillels den Urfprung der fpateren talmudifchen 
Anfchauung. Das von der Schule Schammais angeordnete Bad bezog 
fich auf eine Wafchung fiir einen fpeziellen Zweck, die Oftermahlzeit. Vgl. 
Jerus. Pesachim 36, 6. Die Hillelianer, fagt z. B. Rabe zu Pesach. 8, 8 
in feiner Ausgabe der Mifchna 2, 130, gingen von der Anfchauung aus, 
dag der Betreffende als Heide noch keiner Verunreinigung fahig gewefen, 
und trafen ihre Beftimmung nur, um.zu vermeiden, dag er im nachften 
Jahre auch erft glaube, es geniige, am Abend ein Bad zu nehmen, auch 
wenn er fich fonft verunreinigt habe. Dag ein Profelyt ein Opfer zur 
Verfohnung darbringen muffe, fagt Kerithoth 2, 1 nicht, erwahnt vielmehr 
nur, dag ein einzelner Rabbiner R. Eliezer ben Jakob wolle, auch ein 
einzelner Profelyt muffe (um Geheiligtes effen zu konnen) ein Sundopfer 
darbringen. 

5 ) S. vorige Anm. 

6 ) Weder Philo, noch Jofephus (Ant. 13, 9, 1.^20, 2, 4, wo er vom 
Ubertritt zum Judentum fpricht), noch Juvenalis Sat. 14, 96 erwahnen 
die Profelytentaufe. Wilh. Brandt, Die jiidifchen Baptismen oder das 
religiofe Wafchen und Baden im Judentum mit Einfchlug des Juden- 
chriftentums (= ZAW, Beiheft XVIII, Giegen 1910) will die Wichtigkeit, 
die diefem Schweigen als Zeugnis gegen das Alter der judifchen Pro- 
felytentaufe innewohnt, nicht anerkennen. Die Taufe der Profelyten fei 
gegen Ende des erften Jahrhunderts gut bezeugt. Nur fei wahrfcheinlich, 
dag fie bis ungefahr zu jener Zeit noch nicht von alien Lehrern oder 
nicht in alien Landern als eine zum Obertritt ins Judentum gehCrige 
Zeremonie betrachtet wurde (a. a. O. S. 58 f.). Es liegt aber doch die 
Sache keineswegs fo, dag fie etwa von vielen Lehrern oder in manchen 
Landern als notwendig angefehen wurde. 



XIV. Kap. Die Profelyten des Judentums. 529 

Heide horte durch die Befchneidung auf Heide und unrein 
zu fein und bedurfte deshalb nach der alien Anfchauung 
ebenfowenig wie ein befdinittenes Judenknablein einer wei- 
teren Reinigung. Es erklart fich aber die Zuftigung des dem 
Judentum fiir levitifche Verunreinigungen ftets bekannten 
Reinigungsbades zur Befchneidung in fpaterer Zeit durch die 
wachfende Abneigung gegen Profelyten iiberhaupt. 1 ) Audi 
fonft lafet fich kein Beweis fiir die Notwendigkeit der Profe- 
lytentaufe neben der Befchneidung fiir die genannte Zeit er- 
bringen. 2 ) Aber ein dogniatifches Interefie hat die Frage 
nach dem Alter der jiidifchen ,,Profelytentaufe" in keiner 
Wei[e, zumal fchon die vielen ,,Abwafchungen" der Juden 
Vorbilder der Johannistaufe und, wenn man will, der Taufe 
Jefu waren. 3 ) 

Die Pflichten der eigentlichen Profelyten entfprechen Die 
denen der gebornen Ifraeliten, infofern, als fie das ganze Pflichten der 
Gefetj zu beobachten 4 ) und mit alien alten Gewohnheiten 
und Verbindungen zu brechen hatten. 5 ) In der Mifchna wird 
Sorge getragen, dafc fie in Bezug auf die Abgaben und die 



') S. o. S. 524, 3. 

2 ) Schurer III*, 184 beruft fich auf den im zweiten chriftlichen Jahr- 
hundert lebenden Arrian und die sibyllin. Bucher. Erfterer fagt Dissertat. 
Epicteti II, 9, 20: Wenn jemand die Laft (TO nri&ot;) des Qetauften und 
Erwahlten auf fich genommen hat, ift er wirklich.und heigt er ein Jude. 
Allein felbft wenn {ich die Stelle auf die Profelytentaufe eines Heiden 
bezieht und nicht etwa Juden und Cnriften hier verwechfelt find, beweift 
die nach der Zerftorung Jerujalems gefchriebene Stelle nichts fQr deren 
Alter. Dasfelbe gilt wegen der fpaten Abfaffung des vierten fibyllinifchen 
Buches (f. u.) von Sib. 4, 164. 

b ) Fiir das hohe Alter der Profelytentaufe (ind in neuerer Zeit 
u. a. eingetreten Edersheim, The life and times of Jesus the Messiah II, 
745747. Schurer III*, 182-185 und Seeberg, Das Evangelium Chrifti. 
Leipzig 1905, S. 98 ff. Dagegen Winer, Bibl. Realworterb. II, 285 f. 
Schegg, Bibl. Archaologie, S. 517. 
*) Gal. 5, 3. 

5 ) Sie haben die vaterlichen Sitten verlaffen (Philo, De sacrificanti- 
bus 10 = De sp. leg. 1, 308 sq.), fich dem Umgang mit ihren Volks- 
genoffen verfchloffen (De justitia 6 = De sp. leg. 4, 178), ihre Bluts- 
verwandten, ihr Vaterland, ihre Sitten, Anfehen und Ehre drangegeben 
(De humanitate 12). Vgl. auchTac. Hist. 5, 5: Transgressi in morem eorum 
idem (circumcidere genitalia) usurpant ; nee quidquam prius imbuuntur quam 
.contemnere deos, exuere patriam, parentes, liberos, fratres vilia habere. 
Felten, Neuteftamentliche Zeiteefchichte. I. 2. u. 3. Aufl. 34 



530 Zweiter Abfchnitt. Die in nern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Leviratsehe nur naeh der wirklichen Zeit der eigenen Zuge- 
horigkeit oder der Zugehorigkeit ihrer Mutter zur judifchen 
Gemeinde beurteilt werden. 3 ) Auch darf man entfprechend 
dem Gefetje Mofes nicht zu dem Sohne eines Profelyten 
ihre [agen: Gedenke der Werke deiner Vater. 2 ) Aber die Rechte 
befchrankten der Profelyten waren doch, trotjdem das Gefet5 das Prinzip 
Rechte. der Gleichberechtigung der Profelyten mit den geborenen 
Ifraeliten ausgefprochen 3 ) hatte, wenigftens nach dem. Unter- 
gang Jerufalems zur Zeit der Mifchna und wahrfcheinlich auch 
fchon fruher in mannigfacher Weife befchrankt. So z. B. 
durfte ein Priefter nicht die Tochter eines Profelyten heiraten, 
es fei denn, dag ihre Mutter aus Ifrael ftammte. 4 ) Allerdings 
nahm man, wenn ein Profelyt oder ein Heide aus fremdem 
Lande ein Brandopfer fchickte, ohne das dazu gehorige Speife- 
oder Trankopfer, die Koften fur diefes letjtere aus der Tempel- 
kaffe. 5 ) Allein auf eine Profelytin bezieht fich das Gefetj 
nicht, dag, wer eine Frau fo fchlagt, dag ihr das Kind ab- 
geht, Schadenerfa^ leiften mug. 6 ) Auch konnte ein Profelyt 
nicht Mitglied eines judifchen Gerichtshofes werden 7 ) und 
ftand im Range hinter einem Baftard und einem Nathiraer. 8 ) 
Tritt eine fchwangere Frau famt ihrem Manne zum Juden- 
tum iiber, fo hat das Kind nicht das Recht, als Erftgeborner 
zu erben, weil es nicht in Heiligkeit empfangen ift. 9 ) Das 

') Pea 4, 6. Challa 3, 6. Chullin 10, 4. - Jebamoth 11, 2. 

2 ) Baba mezia 4, 10 mit Bezug auf Exod. 22, 21. 

3 ) Exod. 12, 49. 

4 ) Bikkurim 1, 5. Vgl. Qiddufdiin 4, 1 und Jebamoth 6, 5. 

6 ) Schekalim 7, 6. 

e ) Baba qamma 5, 4. Hatte jemand einen Profelyten beftohlen^ 
o m ugte er nach Baba qamma 9, 11 nach deffen Tod die Summe und 
ein FQnftel dariiber (\. Num. 5, 7 f.) nicht deffen Erben, fondern als ob 
kein Erbe da ware, dem Herrn geben. Denn ein Profelyt g-alt als einer 
der keinen (?$.?<) Ooel (eigentlich Zurflckfordernden), d. h. keinen Ver- 
wandten hatte. So auch Rabe, Mifchna Bd. IV, S. 32 z. d. St. - Man 
war auch nicht verptlichtet , den Kindern eines Profelyten, die mit ihm 
Juden geworden waren, nach dem Tode des Vaters diefe Schuld. abzu- 
tragen. Schebiith 10, 9. 

7 ) Horajoth 1, 4. 

s ) Horajoth 3, 8 Ober die Nathiraer oder Nethinim vgl. o. S. 345, 5. 

") Bekhoroth 8, 1. Die Augerungen der fpateren Talmudiften 
find den Profelyten noch weniger gunftig, als die der Mifchna. > Vgl. die- 
felben z. B. bei Bertholet S. 340349. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 531 

find gewifc alles Aufoerungen, welche, wenn fie audi fchon 
fiir die neuteftamentliche Zeit Geltung hatten, den formlichen 
Obertritt zum Judentum nicht erleichterten. 

Obrigens find die Profelyten des Judentums fur die Ver- Bedeutung 
breitung des Chriftenturns von gar keinem Nutjen gewefen, der Pr f e ~ 
wie fie auch den Gegenfatj zwifchen Juden- und Heidentum J.f" un j"" 
nicht milderten, fondern vielmehr verfcharften. In ihrer Ge- furchtenden 
fchichte zeigt fidi der Triumph der Engherzigkeit und zugleich fur die Ver- 
des Hodimuts des Pharifaismus. breitung des 

Ganz anders ift es aber mit den ,,Gottfurchtenden" ge- Chriftentums. 
wefen. Weil fie iiberhaupt keine eigentlichen Juden waren, 
hat fich auch die rabbinifche Gefetjgebung mit ihnen nicht 
befchaftigt. Wie fehr fie in den wefentlichen Punkten als 
Heiden angefehen wurden, fieht man klar aus der Gefchichte 
des Cornelius, in deffen Haus Petrus nicht gehen wollte. 
Erft das Chriftentum hat fich deshalb auch mit der Frage 
zu befchaftigen gehabt, wie folche, die aus dem Judentum 
ftammten, mit den aus dem Heidentum ftammenden Unbe- 
fchnittenen verkehren konnten. Immerhin hat aber das 
Judentum eine grofee Aufgabe erfullt, indem es auch den 
Heiden feine Synagogen offnete. 



XV. K a p i t e 1. 

Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit bis 
zur Zerftorung Jerufalems. 

Um ein uberfichtliches Bild uber die literarifcnen Be- 
ftrebungen diefer Zeit und die geiftigen, namentlich die reli- 
giofen Anfchauungen der damaligen Juden zu gewinnen, ift 
ausfuhrlicher von den ganz oder teilweife in der neutefta- 
mentlichen Zeit entftandenen Schrifteh zu handeln. 

Die kanonifchen Schriften, welche unmittelbar diefer 
Periode vorausgingen, haben gewife eine grofce Bedeutung 
fiir die Kenntnis der judifchen Literatur und Theologie, 
fallen aber nicht in den Rahmen diefes Buches und werden 
deshalb nur kurz befprochen, zumal von ihnen in den Ein- 
leitungen zum Alten Teftament gehandelt wird. Es 

34* 



532 Zweitep Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

nahe, die palaftinenfifchen und die helleniftifchen Sdiriften in 
befonderen Kapiteln zu befprechen, da die erfteren im allge- 
meinen mit der moglichft ftrengen Anhanglichkeit an das 
Gefetj eine moglichft fcharfe Abfperrung gegen alles heidnifche 
Wefen verbinden, letjtere aber zwar auch auf dem Boden 
des Gefetjes ftehen, aber der hellenifchen Anfchauungs- und 
Denkweife doch mehr oder weniger grofcen Einflufc ver- 
[tatten. Praktifch lafct fich aber diefer Unterfchied kaum fireng 
durdifiihren, wie z. B. das dritte Buch der Makkabaer zeigt, 
welches trotj feines helleniftifchen Urfprungs im palaftinen- 
fifchen Geifte gefdirieben ift. 

1. Die letjten kanonifchen Sdiriften aus der hellenifch= 

jfldifchen Zeit. 

Das erfte und Die Gefchichte der pala'ftinenfifchen Juden von Antiodius 
zweite Buch Epiphanes an bis zum Tode des Hohenprielters Simon 
der Makka- ^ 75 _i35) hat uns m it e iner auf der Grogartigkeit und Ein- 
heit des Gegenftandes beruhenden, faft epifchen Schonheit ') 
das erfte Buch der Makkabaer gefchildert. Die gro&e 
gefdiichtliche Treue des in hebraifcher Sprache, allem An- 
fcheine nach wahrend der Regierung des Johannes Hyrkanus'-) 
fchreibenden unbekannten Verfaffers ift allfeitig anerkannt. 
Das zweite Buch der Makkabaer ift mehr rhetori[ch und auf 
Erbauung gerichtet, fchildert nur die erften fiinfzehn Jahre 
der{elben Zeitperiode und i[t nach der Vorrede 3 ) ein Auszug 
aus dem Gefchidhtswerk des fonft unbekannten Jafon von 
Gyrene. Letjteres war ohne Zweifel griechifch gefchrieben. 
In diefer Sprache ift auch das zweite Makkabaerbuch ver- 
fafet. Im Anfange desfelben ftehen zwei Briefe, worin die 
palaftinenfifchen Juden ihre Glaubensgenoffen in Agypten zur 
Mitfeier des Tempelweihfeftes einladen. Das erfte Schreiben, 
welches fich als ein Begleitfchreiben zur Oberfendung des 



J ) Westcott, art. Maccabees in Smiths Bible Dictionary 3 vols. L. 1863. 

2 ) Seine Jahrbiicher werden 1 Mace. 16, 23 erwahnt. 

3 ) Vgl. 2 Mace. 2, 20-33. Das 1, 10 erwahnte Jahr 188 der Jeleuci- 
difchen Ara ift = 124 v. Chr. Unter den Kommentaren fei erwahnt Jof. 
Knabenbauer, Commentarius in duos libros Machabaeorum. Paris 1907. 
Vgl. auch Herkenne, Die Briefe zu Beginn des 2. Makkabaerbuches 
(1, 1 bis 2, 18). Freib. 1904 (= Bibl. Stud. VIII, 4). 



XV. Kap. Die jtidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 533 

Auszuges darftellt, ift im Jahre 124 v. Chr. verfafct und fallt 
fomit die Abfaffung des Werkes, welches mit dem Siege 
des Judas Makkaba"us fiber Nicanor im Jahre 160 endigt, 
zwifchen die Jahre 159 und 124 v. Chr. 

Die Weisheit Jefus, des Sohnes Sirachs, oder das Das Buch 
Buch Ecclefiafticus ift ein teils aus einzelnen Spruchen, Je f us Sirach - 
teils aus zufammenhangenden langeren Ausfiihrungen fiber 
die grofcen Manner I{raels, welche Gott in ihrem Volke ver- 
herrlichten, fiber die Grofce Gottes in der Natur, fiber das 
Wefen und den Wert der Weisheit beftehendes Werk. Es 
lehrt befonders, wie der wahrhaft Weife fidi in den Vor- 
kommnifien des Lebens zu verhalten hat, ausgehend von 
dem Grundfatj, dafc der Anfang und das Ende menfchlicher 
Weisheit die Furcht des Herrn i[t. Die menfchliche Weisheit 
ift dem Verfaffer aber ein Ausflufc der gottlichen Weisheit. 
Gerade in der Entwicklung des Begriffs diefer letjteren liegt 
die Hauptbedeutung des Buches. 

Das Werk ift urfprunglich hebraifch gefchrieben. Der 
lange als verloren geltende hebraifche Text wurde zum 
grofceren Teile jungft in einer aus dem Ende des elften 
oder dem Anfang des zwolften Jahrhunderts ftammenden 
Handfchrift wieder aufgefunden und veroffentlicht. 1 ) Das Ori- 
ginal ift aber von einem im Jahre 132 v. Chr. nach Agypten 
gekommenen Nachkommen des Verfaffers ins Griechifche 
fiberfetjt worden. Er nennt in der Vorrede den am Schlufc 
des Werkes genannten Verfaffer Jefus, den Sohn Sirachs, 
aus Jerufalem" o namrog ^ov. Gewohnlich wird dies durch 



] ) Vg-l. Facsitniles of the fragments hitherto recovered of the book 
of Ecclesiasticus in Hebrew. Oxford-Cambr. 1901. Peters, Der jtingft 
wieder aufgefundene hebraifche Text des Buches Ecclesiasticus, unter- 
fucht, herausgegeben, uberfetjt u. mit krit. Noten verfehen. Freiburg 1902. 
Liber Jesu Filii Sirach seu Ecclesiasticus secundum codices nuper repertos 
vocalibus adornatus addita versione latina. Ed. N. Peters, Frib. 1905. 
Peters N., Das Buch Jejus Sirach oder Ecclesiasticus. Oberfetjt und 
erklart (= Exeget. Handbuch z. A. T. Ausgabe von J. Nickel, 25. Bd.) 
Munfter i. W. 1913. Smend, Die Weisheit des Jefus Sirach (hebraifcher 
und deutfcher Text nebft Erklarung). Berlin 1906. Ebd. Griechifch-fyrifch- 
hebraifcher Index zur Weisheit des Jefus Sirach. B. 1907. Vgl. auch 
Herkenne, De veteris latinae Ecclesiastici capitibus I XL1II. Leipz. 1899 
und Knabenbauer, Commentarius in Ecclesiasticum. Paris 1902. 



534 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. [ittl. Zuftande des jud. Volkes. 

mein Grofevater" iiberfetjt und dann die Abfaffung des 
Budies, welches den Hohenpriefter Simon, Sohn des Onias, 
ruhmend erwahnt, 1 ) um das Jahr 190 angefetjt. Der Hohe- 
priefter ift dann Simon II., welcher zu Anfang des zweiten 
Jahrhunderts v. Chn lebte. 2 ) Allein der erwahnte griediifche 
Ausdruck konnte auch allgemein ,,mein Vorfahre" heifcen 
und ware dann vielleicht an den Hohenpriefter Simon I., 
der ebenfalls Sohn eines Onias war und zu Anfang des 
dritten Jahrhunderts v. Chr. lebte, 8 ) zu denken. In letjterem 
wenig wahrfcheinlichen Falle ware die Abfaffung des Buches 
100 Jahre friiher anzufetjen. 

Das Buch der Nodi deutlicher tritt der Begriff der gottlichen Weisheit 
Weisheit. hervor in dem herrlichen Buch der Weisheit. Das Buch, 
fagt ein nichtkatholifcher Schriftf teller, ,,kann man nicht vor- 
urteilslos ftudieren, ohne zu fiihlen, dajj es einen der letjten 
Ringe in der Kette der providentiellen Verbindung zwifchen 
dem Alten und dem Neuen Bunde bildet." 1 ) Es handelt 
von der Weisheit in den erften neun Kapiteln theoretifch, in 
den letjten Kapiteln 10 bis 21 gefchichtlich. Wir werden be- 
lehrt, da die Weisheit und das ihr zugrunde liegende religios- 
tugendhafte Leben die Quelle der Unfterblichkeit, der Leucht- 
itern der Regierenden, die Erklarerin des Weltalls, kurz die 
Fuhrerin des praktifchen und geiftigen Lebens ift, die durch 
demiitiges Gebet erlangt wird. Die Gefchichte der Offen- 
barung von den Tagen der Patriarchen bis zum Auszug der 
Ifraeliten aus Agypten zeigt aber, dag Gott wirklich das Volk 
Ifrael grog gemacht und verherrlicht hat und beftatigt fomit 
die vorhergehenden Bemerkungen und Ermahnungen. Die 
beiden Teile des Werkes ftehen in innerem Zufammenhang 
und riihren, wie die Einheit des Gedankens und der Behand- 
lungsweife fowie die wefentliche Obereinftimmung der Sprache 
zeigt, von einem Verfaffer her. 

Als der Reprafentant, die Verkorperung der Weisheit, 
gait bei den Juden Salomon. Deshalb ift auch durch den 
Inhalt erklarlich, weshalb man dem Buche die griechifche 



')! Eccli. 50, 1-26. 
*) Jos. Ant. 12, 4, 10. 

3 ) Jos. Ant. 12, 2, 4. 

4 ) Westcott, art. Wisdom in Smiths Bible Dictionary. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 535 

Auffdirift ,,Die Weisheit Salomos" gegeben hat. Der wirk- 
liche Verfaffer ift aber unbekannt. Wahrfcheinlich war er 
ein alexandrinifcher Jude, welcher das Buch in der Sprache 
des Griechen, aber im Geifte des Hebraers fdirieb, um feine 
unter Gotjendienern 2 ) in augern Schwierigkeiten 2 ) lebende 
Briider in der Liebe zur Weisheit und zum wahren Glauben 
zu beftarken. Denn der Verfaffer bedient fieri zwar arinlicher 
Ausdrucke wie die alexandrinifchen Philofophen, wendet fie 
aber nicht im heidnifchen Sinne an. 

Deutlicher als in andern Buchern des Alten Teftamentes 
wird in diefem Buche die unerfchaffene, gottliche Weisheit 
von der erfchaffenen menfchlichen Weisheit, die auch oft er- 
wa'hnt wird, unterfchieden und nicht blog als ein wefentliches 
Attribut Gottes, [ondern auch als die perfonliche, gottlidie 
Weisheit, der Logos, 3 ) gefchildert, fo dag der heilige Johannes 
in feinem Evangelium hieran ankniipfen konnte. Der Hoheit 
der Gedanken entfpricht die Schonheit des Ausdruckes, wie 
befonders die herrliche Befchreibung der Weisheit, Kapitel 7, 
22-8, 1 zeigt. 

Dag der Verfaffer vor Philo lebte, ift allgemein zuge- 
geben, ebenfo, dag er nach Jefus Sirach fchrieb. 4 ) 

Bisweilen wird, wie der Urfprung einzelner Pfalmen, fo Andere kano- 
audi der anderer kanonifcher Biicher, namentlich der Biicher ni ^ che Schrif - 
Tobias 5 ) und Judith 6 ), in die Zeit der Makkabaer verfe^t. ie " ' dere " Ab " 

' J fajfung bis- 

weilen in 
') Weish. Cap. 13-15. diefe Zeit 

) Weish. Cap. 2-5, 10 ff. verfetjt wird. 

s ) Weish. 18, 15 f. 

4 ) Von den meiften wird die Abfaffung des Buches in die Zeit von 
15050 v. Chr. verlegt. Vgl. z. B. Feldmann, Textkritifche Materialien 
zum Buche der Weisheit. Freib. 1902, S. 2 und Heinifch, Die griech. 
Philofophie im Buche der Weisheit (= Altte[tamentl. Abhandlungen 1, 4). 
Miinfter i. W. 1908, S. 2. Vgl. auch Heinifch, Das Buch der Weisheit 
iiberfetjt und erklart (= Exeg. Handbuch z. A. T., hrsg. von J. Nickel. 
24. Bd.). Mun[ter i. W. 1912. K. Siegfried, Die Weisheit Salomos in 
Kautjfch, Die Apokryphen u. Pseudepigraphen des A. T. Bd. 1, S. 479. - 
Comely, Comm. in Librum Sapientiae, Paris 1910,- p. 6 sq. meint, das 
Werk fei wahrfcheinlich gegen Ende des 3. Jh'dts. v. Chr. entftanden. 

6 ) So z. B. glaubt Vetter, Das Buch Tobias und die Achikar-Sage, 
Theol. Q. Tub 1904, S 321 ff. 512 ff. 1905, 321 ff. 497 ff., das Buch Tobias 
fei etwa zwifchen 250 und 150 v. Chr. verfagt, jedenfalls nicht vor dem 
3. und nicht nach dem 2. Jahrhundert. Es fei in hebraifcher Spracbe in 



536 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. ZuftSnde des jtid. Volkes. 

Allein die bisher dafur vorgebraehten Griinde find nicht ftark 
genug, um die[en Annahmen die entfpreehende Sicherheit 

der affyrifch-babylonifchen Diafpora gefchrieben und bearbeite ,,eine durch 
die Volksiiberlieferung gebotene und auf wirklichen Tatfachen beruhende 
Familiengefchichte im Intereffe eines didaktifchen Zweckes mil kunftlerifcher 
Freiheit" (1904, S. 538 f.). Das Achfkarbuch wurde nach Vetter in hebrai- 
fcher Sprache zwifdien 100 v. Chr. und 100 200 n. Chr. von einem jfl- 
difchen Schriftfteller verfagt (1905, S. 543 f) und ftellt ,,eine formliche 
Kopie des Buches Tobias, wenigftens nach der formalen Seite hin" dar 
(eb. 1905, S 544). Dies diem docet, man weig jetjt in Bezug auf das 
Alter des Achikarromans, dag derfelbe ficher fchon im 5. Jahrh. v. Chr. 
in Elephantine gelefen worden ift, da Fragmente desselben dort entdeckt 
wurden. (Vgl. Sachau, Aramaifche Papyrus und Ostraka. L. 1911, Taf. 
40-50. Pap. 49 59). Inhaltlich zerfallt das Werk in Weisheitsfprtiche 
und die Erzahlung. Nach dem arabifchen Text gibt Achikar, der weife 
Kanzler des Konigs Sancharib von Affyrien, der keinen Sohn hat, feinem 
Neffen Nadan allerhand gute Lehren. Schliefjlich gibt er ihm feinen 
Befit} und verforgt ihm das Kanzleramt. Da aber Nadan anfangt, den 
Befitj zu verfchwenden, nimmt Achikar ihm denfelben wieder ab und gibt 
ihn einem andern Neffen. Aus Rache verdachtigt nun Nadan den Achikar 
beim Konig, Jo dag Achikar zum Tode verurteilt wird. Der Henker t6tet 
aber jemand anders an Stelle des Achikar, der nun felbft fich in einem 
Keller verborgen halt Als aber der Konig in grofjer Bedrangnis um 
den Tod des weifen Kanzlers trauert, gefteht der Henker die Wahrheit. 
Achikar kommt wieder zu Ehren und hilft dem Konig durch feine Weisheit. 
Nadan aber erleidet den Tod in demfelben Keller, worin Achikar gefeffen. 
In ahnlicher Weife wird die Gefchichte, aber (tets mit vielen Lehrfpruchen 
in andern, befonders oriental. Sprachen erzahlt; auch kurz in den Zufatjen 
zu den drei griech. RecenfiOnen und der Itala des Buches Tobias 
(cap. 1, 21-22; 2, 10; 11, 17-18; 14, 10), wahrend der Vulgatatext, den 
Hieronymus aus dem chaldaifchen uberfetjte, nichts derartiges hat, wohl 
aber in 11, 20 von den zwei consobrini des Tobias, Achior und Nadab 
(im Griech. 'A/in/a^in}, redet und fagt, dafj fie dem Tobias Gluck wiinfchten. 
Fur die Abfaffung des Buches Tobias folgt aus den Zufatjen, die nach 
: 50 und zwifchen 250-150 v. Chr. entftanden fein mogen, nichts. Vgl. 
Schulte A., Beitrage zur Erklarung und Textkritik des Buches Tobias 
(= Bibl. Studien 19, 2) Freib. i. B. 1914, S. 144 f. Nach ihm (vgl. S. 31 ff.) 
hat uns die Vulgata den urfprunglichen Text am treueften bewahrt An 
dem hiftorifchen Charakter (f. S. 35) des Buches ift feftzuhalten. Aus 
der reichen Literatur fei noch erwahnt Schurer III 4 , 247 258, Histoire 
et sagesse d'Ahiqar 1'Assyrien. Par. 1909 und Ahiqar et les Papyrus 
d'Elephantine in Rb 1912, 68-79; F. C. Conybear'e, J. Rendel Harris 
and Agnes Smith Lewis, the Story of Ahikar from the aramaic, syriac, 
arabic, armenian, ethiopic, old turkish, greek and Slavonic versions. 
2 ed. enlarged and corrected, Cambr. 1913. Vgl. auch die in demfelben 
Jahre 1913 in Charles, The Apocrypha II, 715-784 erfchienene englifche 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlidien Zeit. 537 

zu verfchaffen. Fiir den Zweck diefes Buches hat ohnehin 
die Frage, ob ein kanonifches altteftamentliehes Budi vor 
oder wahrend der Makkabaerzeit entftanden fei, keine we- 
fentliche Bedeutung, da dadurch an feiner gefchichtHchen Be- 
deutung als einer Quelle fur die religiofen Anfchauu-ngen der 
Juden nichts geandert wird. 

2. Die Henodibticher und andere Schriften aus der lefcten 
Zeit vor Chrifti Geburt. 1 ) 

In Palaftina find zur Zeit der Makkabaer und unter dem 
Einflufle der damaligen religiofen Erhebung, aber audi der 
erbitterten Kampfe zwifchen den Pharifaern und ihren Geg- 
nern, die fur die geiftige und politifche Garung jener Tage 



Uberfetjung (von Harris, Lewis und Conybeare): The Story of Ahikar. 
Stummen, Der krit. Wert der altaramaifchen Achikartexte aus Elephantine 
(Altteft. Abhdlgn. 5, 5), Munfter i. W. 1914. 

6 ) Fur den Urfprung des Buches in der Makkabaerzeit tritt ein 
Steinmetjer, Neue Unterfuchung uber die Gefchidilichkeit der Judith- 
erzahlung, ein Beitrag zur Erklarung des Buches Judith, Leipz. 1907; 
auch in dem katholifchen Bibelwerk Biblia sacra Veteris testamenti, dat 
is de Heilige Boeken van het Oude Verbond. Deel III, 4. Het Boek 
Judith, met Aanteekeningen voorzien door Dr. Andreas Jansen en 
Dr. A. W. H. Sloet 1906 wird die Abfaffung des Buches, welchem ein 
hiftorifcher Kern zugrunde liege, in die Zeit der Makkaba'er verlegt. 
Vgl. Bibl. Zeitfchr. 1908, S. 18 4f. Auch Joh. Nikel, Das Alte Te[tament 
im Lichte der altoriental. Forfchungen V (= Bibl. Zeitfragen VIII, 5, 6) 
Munfter i. W. 1916, S. 36- 45 neigt zur Anficht, dag die Oberlieferung 
uber das in Judith Erzahlte im 2. Jahrhundert v. Chr. ,,von einem Juden 
in freier Weife zu erbaulichen Zwecken dichterifch verarbeitet worden" ift. 

') Vgl. zur gefamten, im folgenden behandelten judifchen apokryphen 
Literatur Kau^fch, Die Apokryphen und Pfeudepigraphen des Alten 
Teftamentes, 2 Bde., Tflbingen 1900, worinvauch in wertvollen Einleitungen 
die literarifchen Fragen hinfichtlich der einzelnen Schriften erOrtert werden. 
Dasfelbe gilt von dem englifchen Parallelwerke : Charles R. H., The 
Apocrypha arid Pseudepigrapha of the Old Testament in English. Vol. I 
Apocrypha; vol. II Pseudepigrapha, Oxford 1913. Das Werk ift umfang- 
reicher als Kautjfch, da auch z B. der Mifchnatraktat Pirke Aboth, die 
Texte des Achikarromans und fogar die friiheftens um 200 n. Chr. (s. o.) 
entftandenen Schechter'fchen Fragmente einer fadokitifchen Sekte hier 
behandelt werden. Von Szekely Steph., Bibliotheca apocrypha. Intro- 
ductio historico-critica in libros apocryphos utriusque testamenti cum 
explanatione argumenti et doctrinae. 2 Bde., ift der 1. Band: Intro- 
ductio generalis, Sibyllae et apocrypha Vet. Test, antiqua Freiburg 1913 



538 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Zeugnis ablegenden Henochbiicher entftanden. Am Ende. der 
Makkabaerzeit aber entftanden die fogenannten Pfalmen 
Salomons, fchone Dichtungen voll edit glaubiger und natio- 
naler Begeifterung, die aber auch einen Beweis fur die Feind- 
[eligkeit der Pharifaer gegen die Makkabaer darbieten. 

In Agypten trat um die Mitte des zweiten Jahrhunderts 
vor Chriftus, in welcher Zeit das Judentum unter Zuhilfe- 
nahme von Falfchungen heidnifcher Schriftfteller 1 ) eine grojge 
Propaganda-Tatigkeit entwickelte, im Gewande der heidnvfchen 
Sibylle ein Bufce predigender Jude auf, welcher die fiindige 
Welt unter Hinweis auf den Meffias und die nieffianifche 
Zeit zur Einkehr mahnt. 2 ) An ihn fchliefct fich gegen Ende 
des erften vorchriftlichen Jahrhunderts ein anderer jiidifcher 
Sibylli[t an. 

a) Die Henochbucher. 

Unter dem Namen des Patriarchen, der nach der Schrift 

vor Gott wandelte und von der Erde entriickt wurde, wer- 

D.as den in einem merkwiirdigen .Sammelwerke, welches das 

athiopifche athiopi{che Buch Henoch 3 ) heigt, allerhand angebliche 

Buch Henoch, 

Jein An{ehen erfchienen. Der 2. Bd. foil die jungern altteftam. Apokryphen u. famtliche 
Inhalt und Apokryphen des N. T. behandeln. Das Werk bietet eine gekurzte 
Charakter. paraphraftijche Inhaltsangabe, zum Teil mit erklarenden Anmerkungen. 
Es gibt die nadi Anficht des Verfaf[ers wichtigeren Stellen, aber nicht 
den vollfiandigen Text der Apokryphen. Schiirer behandelt die palafti- 
nenfifch-judifche Literatur III*, 188420, die helleniftifch-judifche III 4 , 
420633. Vgl. noch Bardenhewer, Qefchichte der altkirehlichen Literatur, 
2 Bd., Freib. 1903, S. 644-657; Bouffet, Die Religion des Judentums 
im neuteft. Zeitalter, B. 1903, S. 648; Baldenfperger, Die meffianifch- 
apokalyptifchen Hoffnungen des Judentums (= Das Selbftbewujgtfein Jefu 
im Lichte der mejfianifchen Hoffnungen [einer Zeit. Erfte Halfte). StraJ5b. 
1903, S. 10-55. Von jiidifcher Seite M. Friedlander, Qefchichte der 
jiidifchen Apologetik als Vorge(chichte des Chriftentums. Zurich 1903. 
Von alteren Werken fei erwahnt Langen, Das Judentum in Palaftina zur 
Zeit Chrifti. Freib. 1866. S. 34 ff. 
! ) S. o. S. 513 f. 

2 ) S. o. S. 514 f. 

3 ) Athiopifch herausgegeben von Laurence (Libri Enoch versio 
Aethiop! Oxon. 1838), Dillmann (Liber Enoch aethiopice. L. 1851), Flem- 
ming (in Texte u Unterf. z. Gefch. d. altchriftl. Lit. N. F. VII, 1. L. 1902) 
und Charles (The Ethiopic version of the book of Enoch in Anecdota 
Oxon. Semitic Series P. XI. Oxford 1906); deutfch iiberfe^t von Dillmann 
(Das Buch Henoch viberf. u. erklart L. 1853), Beer (in Kautsfch, Apocr. II, 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 539 

Offenbarungen fiber die Geheimnifle des Himmels und der 
Erde, des Paradiefes und der Holle, der Engel und der 
Menfchengefchlechter mitgeteilt. Das urfprunglich hebraifch 
oder aramaifch 1 ) gefdiriebene Buch ift in 108 Kapiteln in 
einer athiopifchen (Jber[e^ung, welche im fiinften oder fechften 
Jahrhundert n. Chr. aus einer griechifchen gemacht wurde, 
und zum Teil auch in einer alteren, fchon den Kirchenvatern 
bekannten griechifchen Uberfetjung erhalt^n. Es ift auch fo- 
wohl von apokryphen Schriften des erften chriftlichen Jahr- 
hunderts, 2 ) wie audi von alteren Kirchenvatern und Kirchen- 
fchriftftellern wie eine Autoritat benutjt worden. 3 ) Sein An- 



236310), Flemming und Radermacher, Das Buch Henoch L. 1901 (= Die 
griechifchen chriftl. Schriftfteller der erften drei Jhrdte. Bd. 5). In letjterer, im 
folgenden benutjten Oberfetjung find die erhaltenen Fragmente des griech. 
(cap. 1, 1-32, 6. 89, 4249) und lateinifchen (cap. 106, 1 -18) Textes 
in der Rec. von Radermacher den betreffenden deutfchen Abfchnitten 
gegenubergeftellt. Eine franzofifche Oberfetjung beforgte F. Martin, Le 
livre d'Henoch. Paris 1906; eine englifche R. H. Charles Jelbft in ,,The 
book of Enoch translated from Prof. Dillmanns Ethiopic text . . . With 
Greek and Latin fragments ... in full." Oxford 1893; die 2. Aufl. erfchien 
Oxford 1912: The book of Enoch or I Enoch. Ihr liegt die athiopijche 
Textausgabe von Charles 1906 zu Grunde. Wie die Textuberfetjung, fo 
ift auch die Erkiarung im Vergleich zu der Ausgabe von 1893 vielfach ver- 
beffert. Die poetifchen Abfchnitte, welche [ich ofter in den als urfprunglich he- 
braifch gefchriebenen Teilen (15; 37104) h'nden als in den auf einem 
aramaifchen Original beruhenden (c. 6 36), find, wie fchon in der athiop. 
Ausgabe von 1906, in Versform gedruckt. Obrigens ift diefe Oberfetjung 
auch in dem von Charles herausgegebenen Sammelwerke, The Apo- 
crypha etc. 1913, II. 188281 enthalten. S. 163-187 geben die Einleitung. 
Vgl. auch Szekely, Bibliotheca apocrypha, Freib. Breisg. 1913> 
p. 169-227. 

l ) Nach Charles, The Ethiopic version etc. Oxf. 1906. Introd. 
p. XXVII ff. find die capp. 1-5 hebraifch, 6-36 aramaifch, 3770 he- 
braifch, 72-82 fehr wahrfcheinlich ebenfalls hebraifch, 8390 hebraifch 
(oder aramaifch), 91 104 hebraifch gefchrieben. 

v ) Es ift befonders von dem Buch der Jubilaen benutjt. S. Charles, 
a. a. O. p. 34 f 

3 ) Vgl. z. B. Ep. Barnabae c. 4, 3. 16, 5. Iren. adv. haer. 4, 16, 2. Tertull., 
de cultu fern. 1, 3. 2, 10; de idololatr. c. 4 und c. 15. Aber fchon Ori- 

genes C. Gels. 5, 54 (sv ral? txxP.^tJt'a/? or ndvv ipepfrcu w? dela. TO. emye- 

yyapMevci roil 'Evwy pipiia.) hielt das Henochbuch fiir apokryph. In dem 
kanon. Brief des Judas heigt es v. 14 irrtjo^revsev . . . 'EVM-/ Uyw xr/. 
Somit wird kein Buch zitiert, fondern nur eine Weisfagung angefuhrt, 



540 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. Jittl. Zuftande des jud. Volkes. 

[ehen verdankte es ohne Zweifel der Tatfache, dafc es im 
Gegenfatj zum Heidentum wie dem verderbten Judentum 
ein Syftem der reinen biblifdien Weltanfchauung und Weisheit 
aufzuftellen verfudite 1 ) und die meffianifchen Hoffnungen des 
Judentums in Anlehnung an altteftamentliche Weisjagungen 
zeichnete. 2 ) 

Das athiopifche Henochbudi befteht inhaltlich aus ffinf 
klar unterfchiedenen Teilen. Der erfte Teil umfafet die Kapitel 
1 bis 36 oder, wenn wir von der ,,Segensworte Henodis" 
iiberfchriebenen Einleitung abfehen, die Kapitel 6 bis 36 und 
enthalt eine legendenhafte Erzahlung des Falles der Engel 
(c. 6 bis 16) und die Himmelsreifen Henodis (c. 17 bis 36), 
welcher von einem Engel gefuhrt und belehrt, alle geheim- 
nisvollen Orte und Gegenftande des Himmels und der Erde 
fieht. 

Der zweite Teil enthalt in Kapitel 37-71 die Bilder- 
reden, deren erfte (38-44) iiber die Gerechten und Heiligen, 
die zweite (45 57) vom B6[en und dem me|fianifchen Ge- 
richt, die dritte (58-69) von der Seligkeit der Gerechten 
und Auserwahlten handelt- Die zwei Kapitel 70 71 fiber die 
Verjetjung Henoehs ins Paradies bezw. feine Himmelfahrt 
bilden einen Anhang. 



die auch aus der miindlichen Oberlieferung gefchopft fein kann. Aber im 
wefentlichen ftimmt die Stelle mit Henoch 1, 9 uberein (vgl. die Zufammen- 
[tellung des athiop., griech. u. lat Textes von Henoch 1, 9 mit Jud. 1415 
bei Zahn, Einl. II, 105). Tatfachlich faffen auch z. B. Tertull. de cultu 
femin. 1, 3 und Hier. de vir. ill. c. 4 (vom Judasbrief fagt er: quia de 
libro Enoch, qui apocryphus est, in ea assumit testimonia, a plerisque 
rejicitur) die Stelle als ein Zitat auf. Naturlich konnte auch ein apo- 
kryphes Buch manches Wahre und auch ein uberliefertes Wort eines 
Patriarchen enthalten. Wie wenig aber der Verfaffer des Judasbriefes 
das Henochbuch, falls es ihm iiberhaupt bekannt war, als eine Autoritat 
anfah, zeigt eine andere Parallele mit Henoch. Wie Henoch 10, 4 ff. 
fpricht namlich auch Judas v. 6 (vgl. auch 2 Petr. 2, 4) fiber die Ver- 
dammung der Engel. Wahrend aber das Henochbuch als Urfache ihrer 
Verdammung angibt, dag fich die Engel fleijchlich mit den Menjchen- 
kindern verfiindigten, gibt Judas als Urfache ihren Stolz an. 

3 ) Vgl. Dillmann S. XIV. 

4 ) Der Meffias heigt hier ,,der Gefalbte" (48, 10. 52, 4), ,,der Ge- 
rechte" (47, 1. 53, 6, vgl. Ifai. 11, 3 ff. Apg. 3, 14 etc.) ,der Auserwahlte" 
(40, 5. 49, 2. 4, vgl. Ifai. 42, 1), ,,der Menfchenfohn" (46, 24, vgl. Dan. 
7, 13. Matth. 9, 6 etc.). 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit, 541 

Der dritte Teil (c. 72-82) ift das aftronomifche Buch oder 
,,das Buch iiber den Umlauf der Himmelslichter" (72, 1) mit 
allerhand aftronomifchen und phy[ikalifchen Belehrungen. 1 ) 

Der vierte Teil (c. 83-90) ift das Buch der Traumge- 
fichte. Das erfte (c. 83 84) handelt von der Sintflut oder 
dem erften Weltgericht, das zweite (85 90) ift eine Gefchichts- 
vifion und zwar iiber die Gefchichte Ifraels bis zum Anbruch 
der meffianifchen Zeit. 

Endlich gibt der ftinfte Teil oder das Buch der Lehr- und 
Strafreden (Weisheitsrede 92, 1) c. 91-105 Ermahnungen 
und Warnungen Henochs an feine Kinder. 

Hierauf folgt noch c. 106108 ein Anhang mit zwei 
Nachtragen, wovon der erfte (c. 106-107) fiber die Bedeu- 
tung Noes handelt, der zweite (c. 108) ein Wort der Er- 
mahnung und Lehre an die Gefetjestreuen und Frommen 
der letjten Zeiten richtet. 

Schon die bunte Mannigfaltigkeit des Stoffes zeigt, daft Beftimmung 
wir es mit einem Sammelwerk zu tun haben. Darin find der Abfaffung 
verfchiedene von verfchiedenen Verfaffern herriihrende Henoch- der einzelnen 

T'rtCIrt /1/^Q 

uberlieferungen zu einem Ganzen vereinigt worden. Henoch 

Mit aller Klarheit heben fich von dem Refte, wie auch f aft buc h es u der 
allgemein anerkannt ift, die Bilderreden c. 37-71 ab. Sie Redaktion 
bilden, abgefehen von einigen eingefchobenen Stucken, ein des Ganzen. 
einheitliches Ganzes und unterfcheiden jich von den iibrigen 
Teilen durch den Gebrauch der Gottesnamen, die Engellehre, 
Eschatologie und Meffiaslehre. 2 ) Den Zufammenhang unter- 
brechen aber c. 65, 169, 25 und erweifen fich durch An- 
fuhrung des Buches der Bilderreden Henochs in c. 68 Vers 1 
als einen Einfchub. Sie fcheinen, wie fich aus ihrem Inhalte, 
einem Gefichte Noes, fchliejgen lafet, einer Apokalypfe Noes 
anzugehoren. 3 ) Es gibt auch noch andere Stucke, die den- 
felben Charakter haben und teils von Noe handeln, teils von 



') Hierhin waren auch beffer c. 17-18 fowie c. 41, 38, c. 43-44 
und c. 59 gezogen. 

2 ) Genaueres bei Charles, The book of Enoch, p. 2932. 106109. 
Vgl. auch Schurer III 4 , 279-281. 

3 ) Leon Gry, La composition litteraire des paraboles d'Henoch. Le 
Museon 1908, p. 27-71 verfucht auger den noachifchen Stucken noch 
andere Quellen diefes Abfchnittes nachzuweifen. Vgl. dariiber Lagrange, 
Le messianisme chez les Juifs, Paris 1909, p. 87, 1. 



542 Zweiter Abjchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud, Volkes. 

ihm herruhren wollen. 1 ) Es lafct fich aber weder fagen, ob 
fie alle aus einem Werke ftammen, nodi in weldier Zeit fie 
entftanden find. 

Kapitel 1-36 und 72-105 pflegt man im Unterfchied 
von den Bilderreden die Grundfchrift zu nennen, mit welchem 
Namen man aber nur fagen. will, daft die Kapitel im allge- 
meinen geiftesverwandt find, ohne aber ihren kompilatorifchen 
Charakter leugnen zu wollen. Die Art der Zufammenftellung 
bietet jedoch viele Ratfel, deren Lofung bis jetjt nidht gelungen 
ift. 2 ) Zur Beftimmung der Abfaffungszeit diefer Grundfchrift" 
hat man nur an der Gefchichtsvifion (c. 85-90) und der 
Schilderung der fittlichen Verhaltniffe in c. 92 105 einen 
Anhalt. 3 ) Erftere redet von 70 Hirten oder Engeln, denen 
Gott die Sorge fur Ifrael je eine Zeitlang anvertraute. 
Diefe 70,, Zeiten" (cap. 89, 59 ff.), fur die ohne Zweifel die 
70 Wochen Daniels vorbildlich waren, find in vier Perioden 
entfprechend den vier Zeitraumen der Heidenherrfchaft ein- 
geteilt. Die erfte geht vom Auftreten Affurs bis Cyrus, die 
zweite bis Alexander d. Or, die dritte beginnt mit der griechifch- 
agyptifchen, die vierte mit der griechifch-romifchen Herrfchaft 
iiber die Juden. Die letjte geht bis zum ,,grofeen Horn" 
(cap. 90, 9 ff.), worunter gewohnlich entweder Judas Makka- 
b&us oder Johannes Hyrkanus (135-105 y. Chr.) verftanden 
wird. Auf jeden Fall fuhrt uns diefe Vifion in die Makka- 
baerzeit. Einen befferen Anhaltspunkt fiir die Beftimmung 
der Zeit des Entftehens der Grundfchrift bietet uns das Buch 
der Lehr- und Strafreden, cap. 91 105. Denn es handelt 
fich in demfelben um einen hochft fchroffen Gegenfatj zwifchen 
einer orthodoxen unterdriickten Partei einer- und jiidifchen 
Freigeiftern und reichen Materialiften anderfeits, welche die Auf- 
erftehung der Toten und Sunde und Gericht leugnen 4 ) und 
an denen am Tage der Vergeltung die Gerechten blutige 



') Noachifche Stiicke pnd nodi c. 6-11; 39, 1. 2a; 54, 755, 2; 
60; 106 und 107. 

'') Einen Verfuch dazu machte neueftens Appel, Die Kompofition des 
athiopifchen Henochbudies (= Beitrage zur Forderung chriftl. Theologie. 
Herausg. von Schlatter und Lutgert. 10. Jahrg. H. 3). Gutersloh 1906. 

3 ) Vgl. befonders Baldenfperger S. 13-16. Vgl. auch Beer S. 230 f. 

4 ) C. 94, 7. 97, 7 f. 98, 7. 100, 10. 102 f. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 543 

Rache nehmen werden. 1 ) Alles pajjt auf erbitterte Kampfe 
zwifchen den Pharifaern und den mit den Herrfchern ver- 
biindeten Sadduzaern. Das Ganze wird aber, da die Kampfe 
fchon eine Zeitlang gedauert haben (c. 94 ff.), am beften nicht 
auf die Zeit des Johannes Hyrkanus, fondern auf die des 
Alexander Jannaus (104 78 v. Chr.) bezogen. 2 ) 

Ungefahr aus derfelben Zeit ftammen allem Anfcheine 
nach audi die Bilderreden (cap. 37 69). Da fie fich fowohl 
in der Chriftologie wie in der Eschatologie vielfaeh mit dem 
Neuen Teftamente berfihren, 3 ) hat man fie ofter entweder 
fur diriftlichen Urfprungs oder fur von Chriften interpoliert 
angefehen. 4 ) Allein zu erfterer Annahme liegt keine Veran- 
laffung vor, da fie keine eigentlich chriftliche Lehre enthalten 
und fich auch in ihnen keine Anfpielung auf die gefchichtliche 
Perfon Jefu findet. Auch wird nur von der Erfcheinung des 
Herrn in feiner Herrlichkeit, nicht in feiner Niedrigkeit ge- 
fprochen. Einige Stellen fprechen aber fur eine gelegentliche 
chriftliche Uberarbeitung. 5 ) Fur die Beftimmung der Zeit der 
Abfaffung ift von befonderer Wichtigkeit, dag nach c. 56, 5 ff. 
nicht etwa von den Romern, die iiberhaupt gar nicht erwahnt 
find, fondern von den Parthern und Medern gefagt wird, 
dag fie in der Endzeit heraufziehen und an der Stadt der 
Gerechten ein Hindernis fiir ihre Roffe finden und fich gegen- 
feitig vernichten werden. Denn von den Parthern, die tat- 



1 ) C. 98, 12 heifjt es von den Ungerechten: Wiffet, dag ihr in die 
Hande der Gerechten werdet gegeben werden, und fie werden euch den 
Hals durchfdineiden und werden euch toten ohne Erbarmen. 

2 ) Vgl. o. S. 98. 

a ) Vgl. z. B. Hen. 37, 5 mit Apoc. 3, 10; 38, 2 mit Matth. 26, 24; 
47, 4 mit Apoc. 6, 10; 61, 10 mit Rom. 8, 38 und Eph. 1, 21; 63, 10 mit 
Luc. 16, 9; 69, 27 mit Joh. 5, 27. 

4 ) Chriftliche Farbung nehmen an Hilgenfeld, Volkmar, Colani r 
Cornill, K6nig. Vgl. Baldenfperger S. 16, 2. Dagegen Langen S. 4249 
und Friedlieb, Das Leben Jefu, 1887, S. 135 f. 

5 ) Als befonders ftarke Beriihrungen fuhrt Lagrange, Le Messia- 
nisme chez les Juifs. Paris 1910, 90, 1 u. a. an: Matth. 19, 28: Wenn bei 
der Wiedergeburt der Menfchenfohn auf dem Throne feiner Herrlichkeit 
fitjen wird; Hen. 62, 5: wenn fie den Menfchenfohn auf dem Throne feiner 
Herrlichkeit fit5en fehen werden. Matth. 26, 24: Es ware gut fur ihn, 
wenn jener Menfch nicht geboren ware; Hen. 38, 2: Es ware ihnen 
beffer, fie waren nie geboren worden. Marc. 12, 25: Sie werden fein 
wie die Engel im Himmel; Hen. 51, 4: alle werden Engel im Himmel fein. 



544 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

f achlich in den Jahren 40 - 38 v. Chr. in Palaftina eingef alien 
find, drohte fchon gegen Ende der Hasmonaerherrfchaft den 
Juden Gefahr. 1 ) Es geht auch nicht an, in der Erwahmmg 
der Farther eine Beziehung auf einen bereits erfolgten An- 
griff zu fehen 2 ) und die Bilderreden in die herodianifche Zeit 
zu verfetjen. Denn unter den oft genannten und mit Ver- 
derben bedrohten Konigen, Machtigen, Hohen, welche die 
Erde befitjen, 3 ) find vom Standpunkte des Hebraers aus 
die letjten hasmonaifchen Konige und ihre Parteiganger, die 
Sadduzaer, verftanden. Mit ihnen ftand die pharifaifche Partei 
im heftigften Streit.*) Es ift auch nicht ficher, dafe die Worte 
Wiirmer werden ihnen zum Lager dienen" 5 ) auf das Ende 
des Herodes anfpielen. 6 ) Denn auch von Antiochus Epiphanes 
wird uns ein ahnlicher Tod berichtet. 7 ) 

Da nun fur die Abfaffung der Bilderreden die Zeit vor 
dem Anfang der Romerherrfchaft fiber Palaftina, genauer die 
Regierungszeit des Alexander Jannaus angenommen wer- 
den mug und wenigftens ein Teil der ,,Grundfchrift" aus 
derfelben Zeit ftammt, wird am beften auch die Zufammen- 
faffung der verfchiedenen Beftandteile des Henochbudies in 
diefe Zeit verlegt. 

Daft das Buch in Palaftina entftanden ift, wird von 
niemand bezweifelt. 8 ) Voll von kraufen Vorftellungen in 
naturwiffenfchaftlicher Hinficht und reich an Phantafiebildern 



J ) Vgl. Charles p. 30 und 108; Beer S. 231. 

2 ) So Schurer III 4 , 279 f. und Baldenfperger S. 19. 

3 ) Vgl. Hen. 38, 4. 5. 46, 4. 48, 8. 62, 1. 3. 6. 9. 63, 1. 12. Aller- 
dings beweift c. 46, 8 nicht, dag pe aus der Gemeindeverfammlung aus- 
geftogen werden und es fich fomit um einheimifche KOnige handelt. Denn 
nach Flemming ift zu uberfetjen: ,,und verfolgen feine (des Herrn der 
Oeifter) Verjammlungshaujer und die Qlaubigen." In 46, 7 wird ihnen 
QOtjendienft vorgeworfen. Charles ad 1. nennt diefen Vorwurf ,,a strong 
expression for the idolatrous tendencies of the Sadducean court." 

*) Auf Alexander Jannaus, der zuer[t ,,das Blut der Gerechten" 
vergog, und feinen bittern Kampf mit den Pharifaern bezieht fich z. B. 
c. 47, 14. 

& ) C. 46, 6. 

6 ) Baldenfperger S. 19. 

7 ) 2 Mace. 9, 5. 9. 

8 ) Baldenfperger S. 23 f. und Beer S. 232 denken befonders an den 
Norden Palaftinas. 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 545 

iiber die altere Gefchichte Ifraels hat die Schrift fur die neu- 
teftamentliche Zeitgefchichte einen hohen Wert. Sie ift ,,ein 
Produkt aus der Ubergangszeit des Judentums zum Chriften- 
tum und Rabbinismus. Daraus erklart fich ihr Doppelantlitj, 
ihre Verwandtfchaft mit dem Evangelium und dem Talmud." 1 ) 

Von dem athiopifchen ift das flavifche Henochbuch zu Dasfiavifche 
unterfcheiden, welches einen weitern Zweig der iippig wu- Henochbuch. 
chernden Henochliteratur darftellt und auf einem griechifchen 
Texte beruht, aber nur im Slavifchen erhalten ift. 2 ) 

In den erften 21 Kapiteln wird die Reife Henochs, eines 
fehr weifen Mannes, durch die fieben 3 ) Himmel befchrieben. 
Im erften Himmel fieht er die Engel, welche die Strome und 
die Senate von Schnee und Tau regieren, im zweiten die 
abgefallenen Engel, im dritten das Paradies und im Norden 
die Holle, im vierten die Bahnen der Sonne und des Mondes 
im fiinften die Wachter, welche fich gegen Gott erhoben und 
deren Briider im zweiten Himmel geftraft werden, im fechften 
die glanzenden Engel, welche die Naturkrafte und den Lauf 
der Sterne ordnen und die Taten der Menfchen niederfchreiben, 
im fiebenten fieht er Gott felbft auf feinem Throne und auf 
jeder der zehn Stufen des Thrones je eine von zehn Scharen 
von Engeln. Sachlich findet fich Ahnliches auch im athiopi- 
fchen Henochbuche, wenngleich diefes die Unterfcheidung von 
fieben Himmeln nicht macht. 4 ) 

1 ) Beer S. 233. 

2 ) Das Werk ift zuerft flavifch von Popov im Jahre 1880 und nach 
einer kiirzeren Rezenfion von Novakovic im Jahre 1884 herausgegeben 
worden; dann deutfch von Bonwetfch, Das flavifche Henochbuch (Abh. d. 
k. Gef. d. W. zu Gottingen. Phil. hist. Klaffe. N. F. Bd. I, n. 3) Berlin 
1896, und Bonwetfch N., Die Bucher der Geheimniffe Henochs, Das fogen. 
jlavifche Henochbuch hrsgbn. (= Texte und Unterfuchungen z. Gefch. d. 
altchriftl. Lit. L. 1922); englifch von Charles, The book of the Secrets 
of Enoch, translated from the Slavonic by Morfill and ed. with intro- 
duction, notes and indices. Oxford 1896. Vgl. noch Charles, The book 
of the Secrets of Enoch in Charles, The Apocrypha 11, 425 469 und 
Schiirer III 4 , 290294. Auf einen griech. Text wcift c. 30, 1 hin, wonach 
Adams Name zufammengefe^t ift aus <zuA>/, t) tut,-, J^.rui-, /tio/^p^ot, 
alfo aus Often, Weften, Norden und Siiden. Auch wird die Chronologic 
der LXX befolgt. S. Charles, The book p. XVI. 

3 ) In c 21, 6 und 22, 6 ift von einem achten, neunten, zehnten 
Himmel die Rede, aber die Verfe find interpoliert. Vgl. Charles p. 27. 

') Vgl. die Stellen bei Charles p. 96. 
Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 35 



546 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl, Zuftande des jtid. Volkes. 

In den folgenden Kapiteln 22 - 38 fchreibt der von Michael 
auf Befehl Gottes mit himmlifcher Herrlichkeit gefchmuckte 
Henoch 30 Tage und 30 Nachte lang die ihm von einem 
Erzengel gegebenen Belehrungen iiber die Geheimniffe des 
Himmels und der Erde und die von Ewigkeit her erfchaffe- 
nen Seelen der Menfchen und ihren zukiinftigen Wohnort 
in 366 Buchern auf. Gott felbft erzahlt dem Henoch die 
Erfchaffung der Welt in fechs Tagen und die Gefchichte der 
Menfchheit bis Henoch und fagt ihm die Sintflut und die 
Errettung Noes voraus und befiehlt dann dem Henoch, 
30 Tage lang auf Erden feine Kinder und Kindeskinder zu 
belehren. 

Henoch unterrichtet wirklich feine Sohne (c. 39- 66) 
iiber alles, was er gefehen, und ermahnt [ie, keinen zu 
fchmahen, ein reines Herz zu bewahren, weder beim Himmel 
noch bei der Erde, noch bei etwas Erfchaffenem zu fchworen 
und mild, verzeihend, barmherzig zu fein. Wiederholt 1 ) finden 
fich Seligpreifungen und Wehrufe, hauptfachlich nach Jefus 
Sirach, der auch fonft oft benutjt ift. Der Verfaffer lehrt auch 
die zukiinftige Dauer der Tierwelt. 2 ) Jeder wird am Ende 
zum Gericht kommen. Dann wird die Zeit aufhoren und die 
Gerechten werden ewig fein. Weder Arbeit noch Krankheit 
noch Schmerz wird fein, fondern ein grofces Licht. Am 
Schlujs wird in c. 67 68 noch die Aufnahme Henochs in 
den hochften Himmel berichtet. 

Fur den jiidifchen Urfprung des Werkes fpricht das darin 
ausgejprochene Lob der Tieropfer, 3 ) womit allerdings ein 
reines Herz verbunden fein foil 4 ), und die Empfehlung des 
Befuches des Tempels, 5 ) wahrend aber eine nicht geringe 
Obereinftimmung der Gedanken und der Form mit dem Neuen 
Teftamente 6 ) es wahrfcheinlich macht, dag das Werk chriftlich 
iiberarbeitet ift. 

Das Werk ift nach dem hier vorausgefetjten athiopifchen 



!) C. 42, 6-14 und 52, 1-15. 

4 ) C. 58, 6. Nadi Job 3, 28 und Jos. Ant. 1, 1, 4 hatten bis zum. 
Falle Adams alle lebenden Wefen diefelbe Sprache geredet. 

3 ) C. 59, 1-2. 45, 12. 

*) C. 45, 3-4. 61, 4. 62, 1. 66, 2. 

5 ) C. 51, 4. 

6 ) Vgl. Charles p. XXI ff. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 547 

Henodibuch, aber als noch der judifche Tempel beftand, fo- 
mit zwifchen 80 v. Chr. und 70 n. Chr. gefchrieben worden. 
Am eheften liijgt fich aber feine Entftehung in der vorchrift- 
lidien Zeit, in welcher uberhaupt die Henodi-Literatur fo 
iippig wucherte, begreifen. 1 ) 

b) Die Pfalmen Salomos. 2 ) 

Einen politifchen Hintergrund, ahnlich wie das athiopifche Die Pjaimen 
Henochbuch, haben auch die achtzehn Pfalmen, weldie wenig- Salomos. 
ftens fdion im fiinften diriftlichen Jahrhundert Pfalmen Salo- 
mos genannt wurden, 3 ) obwohl das Werk gar keinen An- 
fpruch darauf macht, von Salomo herzuriihren. 4 ) Diefe Pfalmen- 
Sammlung i[t eine wahre Perle unter den altteftamentlichen 
Apokryphen, da fie die . Schonheit der an die kanonifchen 
Pfalmen erinnernden Form mit der lebendigen Schilderung 
der Zeitverhaltniffe um die Mitte des erften chriftlichen Jahr- 
hunderts und der begeifterten Hofmung auf den Meffias und 
den Glauben an die Auferftehung verbindet. 

Fur die Beftimmung der Abfaffungszeit des Werkes find 
die darin fich findenden Anfpielungen auf den Bruderftreit 



1 ) Das Buch in feiner jetjigen Form war, wie Charles, The Apo- 
crypha II, 426429 zeigt, urfpriinglich in Agypten, wahrfcheinlich in 
Alexandrien gefchrieben ,- wahrfcheinlich griechifch, obwohl einige Teile 
urfpriinglich hebraifch abgefagt fein mogen. 

2 ) Vgl. Die Pfalmen Salomos, herausg. von O. v. Qebhardt, Leipzig 
1895 (= Texte und Unterfuchungen XIII, 2); die deutfche Uberfetjung 
von Kittel in Kautjfch, Die Apokryphen etc. II, 130-148. Griechifch und 
deutfch mit Einl. und phil.-krit Kommentar ift das Werk wieder heraus- 
gegeben worden von Jakob Ecker in Porta Sion, Lexikon zum latein. 
Pfalter, Trier 1903. Sp. 1870-1931. Eine englifche Oberfe^ung mit 
Einleitung gibt Gray, G. Buchanan, in Charles, The Apocrypha II, 625 652. 
Eine bisher unbekannte fyrifche ttberfetjung veroffentlichte J. Rendel 
Harris, The Odes and Psalms of Solomon, Cambr. 1909, vgl. S. 549, 4. 
Vgl. auch J. Viteau, Les Psaumes de Solomon, texte grec et traduction. 
Avec les principales variantes de la version syriaque par Fr. Martin. 
Paris 1911. Die fyrijche Oberfet5ung beruht auf dem griechifchen Text. 
Vgl. Rendel Harris 1. c. 2. Aufl. p. 2 u. 37 ff. Weitere Literatur z. B. 
in Szekely, Bibliotheca apocrypha I, 422 - 438. 

) In dem dem Codex Alexandrinus vorgefetjten Inhaltsverzeichnis 
heigen fie v a ^ -SoAo^oivroe. Vgl. v. Gebhardt S. 71. 

4 ) Der Name riihrt ficher von einem fpateren Abfchreiber her. 
v. Gebhardt S. 48. 

35* 



548 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

zwifchen Ariftobul und Hyrkanus, infolgedeffen diefer mit 
dem Idumaer Antipater dem Pompejus die Tore der Stadt 
offnete 1 ), und auf den Eroberer Pompejus, welcher zum Altare 
vordrang, an heiliger Statte nicht die Schuhe ablegie, 2 ) die 
Gefangenen ins Abendland fortfuhren lieg, 3 ) aber felbft am 
Gebirge Agyptens, wo fein Leidinam unbeerdigt liegen blieb, 
ermordet wurde, von hochftem Wert. Denn fie zeigen, wie 
man faft ganz allgemein hieraus gefchloffen hat, daft die 
Ereigniffe der Jahre 63 48 v. Chr. bis zum Tode des Pom- 
pejus, welcher am 28. September 48 nach der Schlacht von 
Pharfalus am Berge Cafius in Nieder-Agypten erfolgte, 4 ) be- 
riickfichtigt find und deshalb auch die Abfafjung der Pfalmen 
um jene Zeit anzufetjen ift. Sie find urfpriinglich, wie aus 
dem ftark hebraifierenden Charakter des erhaltenen grie- 
chifdien Textes gefchloffen werden darf, hebraifch abgefafct, 
dem Anfcheine nach in Palaftina. 5 ) 

Der Verfaffer fteht auf dem Standpunkte des glaubigen 
theokratifchen Judentums, genauer des den Hasmonaern, 
welche ein fremdes Gefchlecht genannt werden, welches fich 
mit Gewalt der Herrfchaft iiber Ifrael bemachtigt habe, 6 ) 
feindlichen Pharifaismus. Denn er betrachtet das iiber die 
Stadt und das Volk gekommene Ungliick als ein gerechtes 
Strafgericht Gottes 7 ) und hofft, da nach der Vertreibung 
der Heiden 8 ) (Romer) und der Sunder oder Obertreter 9 ) (die 
Hasmonaer und ihr fadduza'ifcher Anhang) der Meffias, der 
Sohn Davids und Konig Ifraels ein Reich von Gerechten 
und Heiligen in Jerufalem griinden wird. 10 ) Die Gerechten 
find aber folche, welche die (pharifaifchen) Satjungen halten. 11 ) 



') Vgl Pfalm 8 mit Ant. 14, 4, 1. 2. 4. 

2 ) Pfalm 2, 1 f. Vgl. Tac. Hist. 5, 9. 

3 ) Pfalm 17, 12. 

*) Pfalm 2, 26 ff. Vgl. Dio Cass. 42, 3-5. 

6 ) v. Gebhardt S. 70 ff 

') Pfalm 17, 6-9. 

') Z. B. 2, 3 f. 8, 7 f. 8, 25. 9, 1 f. 

8 ) Vgl. 17, 22. 24 f. 45. 

') Vgl. 17. 5 ff. 4, 1 ff. 

10 ) 17, 21 ff. 18, 5 ff. Vgl. auch Pf. 11. 

J1 ) 14, 2 toly Tcopsvopivoiq 6i> dtxaioGvvTj nQo6TnynciT<ov UVTOV (xvyiov). 



6 







XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 549 

Sie werden auferftehen zum ewigen Leben/) des Senders 
Untergang aber i[t ewig. 8 ) 

So ift das Werk eine bedeutfame Kundgebung des jii- 
difchen Pharijaismus in feinen Schwachen, aber auch in 
feinem Glauben und Hoffen kurz vor der Zeit Jefu. Hier 
wird der Meffias ,,der Chriftus" 3 ) genannt. Zu einer An- 
nahme chriftlidier Interpolationen in dem Werke liegt kein 
Grund vor. 4 ) 

c) Die fibyllinifchen Orakel. 

Es ift bereits davon geredet worden, dag die judifche Die heidnifche 
Propaganda fidi in das ehrwiirdige Gewand der Sibylle 5 ) Sibyiie. 



') 3, 12. 14, 3 f. 14, 10. 15, 13. 

*) 3, 11. 13, 9. 14, 6 ff. 15, 8 if. 

3 ) Pf. 18, 5. 

*) Das Hymnenbuch, die Oden Salomos, ift kein judifches, fondern 
ein chriftliches Werk. Friiher kannte man nur 5 in der koptifdien 
ophitifchen Pistis Sophia, welche in der zweiten Halfte des 3. Jahrhun- 
derts in Agypten entftand, erhaltene Oden. Augerdem fand fich ein Zitat 
aus der 19. Ode Salomos in Lactantius (Div. Inst. 4, 12, 3). Das ganze 
aus 42 Oden beftehende Werk wurde zuerft im Jahre 1909 in einem 
fyrifchen Texte von Rendel Harris herausgegeben (J. Rendel Harris, The 
Odes and Psalms of Solomon, now first published from the Syriac version. 
Cambridge 1909; 2. ed. 1911; 3. ed. re-edited by Rendel Harris and 
Alphonse Mingana. vol. I: The text. Vol. II: The translation. Manchefter 
1916. 1920. In diefer Auflage ift auch die gefamte fehr reiche Literatur 
beriickfichtigt in vol." I p. 454 ff. In Deutfchland wurde das Werk zuerft 
eingefuhrt durch A. Harnack, Ein jiidifch-chriftliches Pfalmbuch aus dem 
1. Jahrhundert, aus dem Syrijchen iiberfetjt von Joh. Flemming, bearbeitet 
und hrsgbn. von A Harnack, L. 1910. Dag es fich aber nicht urn ein 
judifches, fondern ein chriftliches Werk handelt, wurde auger von Harris 1. c. 
von Zahn, N. kirchl. Zeitfchrift 1910 Bd. 21, S. 667 ff. 747 ff., Qunkel ZNW. 

1910, Bd. 11, S. 291 ff., J. Labourt et P. Batiffol, Les Odes de Salomon, 
Paris 1911, (von einigen Details abgefehen, auch in Rb. 1910, 483-300; 

1911, 1 59. 161-197. Die Einleitung und der hiftor. Kommentar 
riihren von Batiffol her) feftgeftellt.Auch v. Harnack erklart in der Be- 
fprechung der von ihm als ,,abfchliegende" bezeichneten 3. Auflage 
(Theol. Ltzg. 1921 Nr. 1/2 S. 7), dag er nunmehr Harris beiftimme, ,,dag 
die Oden eine Einheit find und chriftlichen Urfprungs; auch Antiochien 
als Ort der Entftehung hat fehr viel Wahrfcheinlichkeit." Darin hat aber 
v. Harnack Recht, dag fur die Entftehung der Oden nicht blog, wie 1. c. 
Harris will, an das erfte Jahrhundert, fondern auch an die erften Jahr- 
zehnte des 2. Jahrhunderts zu denken ift. 

5 ) Si&vUa vielleicht von ^"to? = Aioq> do? und /3ovUa = /SovA.^' d. h. 
Gottesratfchlug. So Varro nach Lactantius Div, Instit. 1, 6. 



550 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. jittl. Zuftande des jvid. Volkes. 

zu hiillen verftand, um fo defto erfolgreicher zu den Heiden 
reden zu konnen. Die heidnifche Mythologie denkt fidi die 
Sibylle als eine an Gewaffern und in Hohlen fich aufhal- 
tende halbgottifche Nymphe, welche den Ratfchlufc der Gotter 
iiber das Schickfal der Reiche und Lander kannte und den- 
felben in verfchiedener Form, befonders aber als Orakel 
oder als Weisfagung, verkiindet. Die altere Zeit redet nur 
von einer Sibylle, fpater kannte man aber mehrere und 
unterfchied fie teils durch wirkliche Namen, teils nach dem 
Orte, wo fie weisfagten. Die beriihmteften waren die eryth- 
raifche und die kumaifche. Varro, ein Zeitgenoffe Ciceros, 
zahlt aber nicht weniger als zehn auf. 1 ) 

Es gab auch fchriftliche Aufzeichnungen fibyllinifcher 
Orakel. Bekanntlich befafcen ja die Romer folche, welche 
unter der Aufficht eines eigenen Kollegiums ftanden und be- 
fonders bei offentlichen Ungliicken auf Befehl des Senates 
befragt wurden. 2 ) Die Antwort lautete dann gewohnlich 
dahin, daft beftimmte Suhnungen vorgenommen werden 
mujgten. Die Auguren werden haufig genug neue Spriiche 
zu den alten hinzugefiigt haben. Nach der romifchen Ober- 
lieferung follte aber der Konig Tarquinius diefe Orakel von 
der aus Kyme in Kleinafien nach Kuma in Campanien ein- 
gewanderten Sibylle gekauft haben. Als die im Jupiter- 
tempel auf dem Kapitol verwahrte Sammlung mit dem Tempel 
im Jahre 83 v. Chr. verbrannte, wurde fie durch andere in 
Kleinafien, befonders in Erythra gefammelte Sibyllen- Orakel 
erneuert. 3 ) 

Bei der naturlichen Vorliebe fo vieler Menfchen fur das 
Verborgene und Geheimnisvolle und ihrem Verlangen, in 



1 ) Varro 1. c. Erythra lag an der jonifchen Kiifte der Infel Chios 
gegenuber, Kyme = Cumae in Unteritalien. Ober das im Jahre 1891 
auf dem Boden des alten Erythrae entdeckte Sibyllen-Denkmal hat nach 
Burfch u. Reinach von Neuem P. Corssen, Die erythraifche Sibylle, in den 
Mitteilungen d. k d. archaol. Inftituts, Athen. Abt. Bd. XXXVIII, Athen 
1913, S. 1-22 gehandelt. 

2 ) Vgl. H. Diels, Sibyllinifche Blatter. B. 1890 und Blass in der 
Einl. zu ,,Die fibyllinifchen Orakel" in Kautjfch, Die Apokryphen etc. II 
177-217. 

3 ) Dionys. Halicarn. Antiq. Roman. 4, 62, 6. Tacit. Ann. 6, 12. 
Lactant. 1, 6, 14. Vgl. auch Wiffowa, Religion und Kultus der Romer, 
Miinchen 1902, S. 462469. 



XV. Kap, Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 55 1 

die Zukunft fchauen zu wollen, haben nun im Heidentum 
iiberhaupt derartige Sibyllenfpriiche vielen Anklang gefunden, 
zumal die ftoifche Philofophie dafur wie fur alle Arten der 
Mantik eintrat. 1 ) 

Fiir das religiofe Empfinden der helleniftifchen Juden, Das den 
weldie an den groften Gedanken heiliger Propheten genahrt Juden s Y m - 
waren und deren Droh- und Wehrufe fiber Babylon und 
Agypten kannten, mugte die heidnifch-fibyllinifche Literatur 
manches Sympathifche haben. Was z. B. die babylonifche Literatur. 
Sibylle fiber den babylonifchen Turmbau berichtete, entfprach 
im wefentlichen der eigenen Cberlieferung. Anderes erfchien 
als ein Ausdruck der nach Gott diirftenden Seele und als 
eine den Heiden aus der Oberlieferung gebliebene oder 
ihnen fonftwie vermittelte Wahrheit. Solche Spruche mono- 
theiftifch umzuformen und zu erweitern, braucht nicht not- 
wendig ein frommer, auf Profelytenfang beredineter Betrug 
gewefen zu [ein, fondern konnte zunachft blofc fur die eigenen 
religiojen Bediirfniffe gefchehen. Jedenfalls find manche heid- 
nifche Sibyllenfpriiche in der Sammlung von mei[tjudifchen und 
chriftlidien Verfen erhalten geblieben, weldie den Titel fiihrt 
,,die fibyllinifchen Orakel." 2 ) 



') Cicero, De Divin. 1, 18. 5557. Plut. De placitis philosophorum 
5, 1. Dollinger, Heidentum und Judentum, S. 325. 

2 ) Vollftandige Ausgaben find Alexandre, Oracula Sibyllina. 2 voll. 
Paris 18411856 und ^n neuem Paris 1869 (in diefer letjteren Ausgabe 
fehlen die Exkurje der erften); Friedlieb, Die fibyllinifchen Weisfagungen 
mit metrifcher deutfcher Oberfetjung, L. 1852; A. Rzach, Oracula Sibyllina, 
Wien 1891; Qeffcken, Die Oracula Sibyllina, L. 1902. (Nach diefer Aus- 
gabe zitieren wir.) Vgl. auch Geffcken, Kompofition und Entftehungszeit 
der Oracula Sibyllina (= Texte und Unterfuchungen VIII, 1), L. 1902. 
Blag, Die Sibyllinifchen Orakel in Kau^fch, Die Apokryphen II, 177-217 
gibt auger einer Einleitung nur eine Uberfetjung des Prooemium und 
des Buches III V. Grade fo macht es die englifche Ausgabe von 
H. C. O. Lanchester in Charles, The Apocrypha II, 368-406. Szekely, 
Bibl. apocrypha, vol. I (Frib. Brisg. 1913) p. 129168 Vgl. uber die 
Handfchriften und die Oberlieferung der Orac. Sib. Geffcken's Ausgabe 
S. XXI LIU. Uber die aus dem XIV. Jahrht. ftammende .Terufalemer 
Handfchrift, welche urfpriinglich dem zwifchen Jerusalem und dem toten 
Meere gelegenen Klofter Mar Saba angehOrte, vgl. Rzach, Die Jeru- 
falemer Handfchrift der Or. Sibyll. Hermes, 44 Bd., Berlin 1909, S. 
560-573. 



552 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

In den neueren Ausgaben fiillen diefe Orakel, wenn 
man die fehlenden Bucher 9 und 10 mitrechnet, 14 Bucher. 
Sie find teils in den letjten Jahrhunderten v. Chr., meift 
aber in chriftlicher Zeit entltanden und fchliefcen fidi in der 
aufcern Form des griechifchen Hexameters im fogenannten 
homerifchen Dialekt an die heidnifch-fibyllinifche Literatur der 
griediifch-romifchen Welt an. Damit wollen fie wohl fowohl 
ihr hohes Alter wie ihren religiofen Charakter dartun. 

Das in diefen Biichern enthaltene Material ift in einer 

wuften Unordnung, da Altes und Junges, Jiidifches und 

Chriftliches oft ganz willkurlich aneinandergereiht ift. Die 

zwei erften Bucher, welche alles von der Erfchaffung und 

der Sintflut an bis zu den letjten Dingen verkiinden wollen, 

enthalten allerdings neben chriftlichen Stiicken auch judifche, 

find aber wahrfcheinlich erft im dritten chriftlichen Jahrhun- 

dert entftanden und werden auch von den Kirchenfchriftftellern 

Der judifche der drei erften Jahrhunderte nicht benutjt. 1 ) Diefe Vater haben 

Charakter aber um fo mehr aus dem dritten Buche in gutem Glauben 

des dritten an j e j ne apologetifche Beweiskraft und feinen infpirierten 

Charakter gefchopft. 2 ) 

Das dritte Buch enthalt wirklich die alteften jiidifchen 
Stiicke und bietet in Vers 96154 fogar ein Stuck der alteren 
babylonifchen Sibylle dar. 3 ) Auf Grund mancher Unterfuchungen 



Orakel 



') Jiidifch ift darin 1, 1-323 und 2, 133. Der Reft ift chriftlich 
(Friedlieb S. XIV XXII). Vgl. auch Geffcken, Kompofition etc. S. 47-53, 
der die chriftlichen Interpolationen in 1, 1323 und die judifchen in 
2, 154-330 nachzuweifen fucht. Das altefte Zitat, namlich das von 
1, 287 f., fteht bei Euseb. Oratio Constantini ad sanctorum coetum c. 18 
(Migne P. Q. XX, 1285). Ober das 2, 56-148 aus Pfeudo-Phokylides 
eingefchobene Stuck f. o. S. 518. Die Lehre von der hi. Jungfrau 
als Furbitterin ift 2, 312 ff. (vgl. 8, 357 f.) beftimmter formuliert als 
bei Irenaeus adv. haer. 5, 19 (vgl. Friedlieb p. XXI). 

*) Auger Juftin, Athenagoras, Theophilus und Tertullian haben 
befonders Clemens von Alexandrien und Lactanz die Sibyllinen benutjt 
Vgl. Alexandre II, 254-311. S. auch Friedlieb S. 10 f. 

') Vgl Geffcken (Nadir. dKGsdW. zu Gottingen, 1900, S. 88 ff.) 
Kompofition etc. S. 1 f. Das Stuck handelt uber den babylonifchen 
Turmbau und die Sage von Kronos, Titan und Japetos. Im zweiten 
Jahrhundert v. Chr. hatte bereits der Euhemerismus (fo genannt von 
dem Sizilier Euhemerus, um 300 v. Chr.) * mythifche Gotter in Konige 
verwandelt. Somit konnte ein Jude ein derartiges Gedicht, wenn er 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 553 

ift man fich heute daruber einig, dafc abgefehen von einzelnen 
urfprunglich heidnifchen Stucken der ganze Abfchnitt 3, 97 
bis 807 im wefentlichen von einem Verfaffer herriihrt. 1 ) Der- 
felbe war ein in Agypten, vermutlich in Alexandrien lebender 
Jude, a ) der um das Jahr 140 v. Chr. unter dem Konige Abfaffungs- 
Ptblemaus VII. Physcon (145-117 v. Chr.) fchrieb. In diefem zeit des 
langen Abfchnitt fteht auch eine Schilderung der wahren dntten 
Gottesverehrer in der meffianifchen Zeit und am Ende eine c ih ^i;^ , 

uni 



Weisfagung vom Meffias und der meffianifchen Zeit, die mit 140 v . Chr. 
einer Schilderung der Zeichen des Weltendes fchliefct. 3 ) in Agypten. 



ftatt ,,G6tter".,,Gott" fagte, aufnehmen. Dag urfpriinglich ,,Gotter" im 
Texte ftand, ergibt fich aus Alex. Polyhiftor (bei Jos. Ant. 1, 4, 3. Vgl. 
Geffcken, Die Orac. Sib S. 52 f.), der unter Berufung auf die Orakel der 
Sibylle diefelbe Gefchichte erzahlt. Obrigens fagt die Sibylle auch 3, 809 ff., 
fie komme von den hohen Mauern des affyrifchen Babylon und fei weder 
Erythraerin noch Tochter der Kirke (d. h. Kymaerin). Vgl. Blag 1. c. 
S. 179 f. und Bouffet, Die Beziehungen der alteften judifchen Sibylle 
zur chaldaifchen Sibylle (Z. f. neut. Wiff. 1902, 111, 23-49) S. 2629. 
Friedlieb p. XXV11 f. hat in III, 110-153 eine judifche Bearbeitung 
eines heidnifchen Mythus gefehen. Geffcken S. 313 und Bouffet 1. c. 
S. 30 ff. wollen auch noch Stiicke einer perfifchen und erythraifchen Sibylle 
im dritten Buche nachweifen. Es handelt fich aber nur um Vermutungen. 

1 ) Der Abfchnitt zeigt keine Spuren chriftlicher Oberarbeitung, da 
in III, 776 ,,Sohn Gottes" ftatt ,,Tempel Gottes", wie Blag S. 183 fagt, 
,,wohl nur gewohnliche Verderbnis ift". 

2 ) Es wird nicht nur auf den Zug des Antiochus Epiphanes nach 
Agypten Bezug genommen (III, 314 ff. und 611 ff.), fondern auch an 
drei Stellen (III, 191 ff., 316 ff., 608 ff.) gefagt, der Meffias werde unter 
dem fiebenten Konige Agyptens aus hellenifchem Gefchlecht fiber die 
Heidenvolker Gericht halten. Demnach fchrieb der Verfaffer vor dem 
achten hellenifchen Konige Agyptens unter Ptolemaus VII. Physcon 
145-117 v. Chr. 

3 ) Da in Vers 295 und 489 die Sibylle fagt: ,,als ich eben aufgehort 
hatte, da trieb mien von neuem der Gott an", zerfallt der Abfchnitt 
97-807 in drei Abfchnitte 97-294, 295-488 und 489-807. Der erfte 
Abfchnitt enthalt Weisfagungen fiber den Turmbau, die Sintflut und 
Schilderungen des judifchen, mazedonifchen und romifchen Reiches, der 
zweite Weisfagungen meift von Strafe und Ungluck uber verfchiedene 
Reiche, VOlker und Stadte, der dritte zunachft ahnliche Weisfagungen 
(489572), dann die Schilderung der Gottesverehrer in der meffianifchen 
Zeit (573600), dann Ankundigung von Strafe uber die fiindige Welt, 
befonders Hellas (601-651), endlich die Weisfagung vom Meffias und 
der meffianifchen Zeit (652 - 807). 



554 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Ebenfalls jiidifchen Urfprungs find die Verfe HI, 4662, 
welche vom meffianifchen Reich und der Zeit feines Erfcheinens 
handeln, fie nehmen fchon auf das Triumvirat des Antonius, 
Oktavian und Lepidus Bezug 1 ) und find, wie allgemein an- 
erkannt wird, in den Jahren 4030 v. Chr. entftanden. 

Aber die Verfe III, 63 96, in denen vom Ende der 
Welt gehandelt und gefagt wird, dag der Antichrift aus 
Samaria kommt 2 ) und der Meffias wieder erfcheinen wird, 3 ) 
find, wenn nicht ganz chriftlich, mil Chriftlichem gemifcht. 4 ) 

Die urfprungliche Einleitung des Buches, die jetjigen 
Verfe 1 45, ift nur eine fpatere Bearbeitung derfelben, und ift 
uns von Theophilus, einem chriftlichen Schriftfteller des zweiten 
Jahrhunderts, erhalten. Es find 84 herrliche Verfe, welche 
den einen Gott preifen. 5 ) Urfprunglich fchlofc das Buch mit 
den Verfen 808 81 7, 6 ) welche vermutlich von dem Verfaffer 
der Hauptmaffe der Verfe herruhren. Die Verfe 818-829 
find dem Anfcheine nach fpaterer Zufatj. 7 ) 

Entftehung Das vierte Buch der Sibyllinen, welches einen einheit- 

des vierten lichen Charakter zeigt und nur 192 Verfe ohne etwas fpe- 
Buches der z { e |i Chriftliches enthalt, ftammt ganz von einem jiidifchen Ver- 



" 

Unheil gegen Volker Afiens und Europas voraus und mahnt, 



chr t beziehun g swei f e Redaktor ab. Die Sibylle fagt allerhand 



') in, 52. 

2 ) Vgl. Ill, 63 i <?e Se/Snffrrivdiv feet BsUap fttroTtrf&Ev. Nach Qeffcken 

S. 15 kann kaum em anderer als Simon Magus gemeint fein. 

3 ) III, 94 navfr' rnnxtirOovTrti, xt>fi/u.ov 7rdt.iv siSaviovTi. 

.*) Die Verfe III, 6580 von dem Weibe, in deffen Hand fich die 
Welt befindet, fcheinen fich auf Kleopatra zu beziehen. 

5 ) Theoph. ad Autol. 2, 36. In der Ausgabe von Geffcken ftehen 
diefe 84 Verfe am Schlug als Fragment 1-3. Nach Theophilus, der 
das erfte und zweite Buch der Sibyllinen nicht kannte, ftanden fie am 
Anfang der Weisfagung der Sibylle. Dag fie den Anfang des dritten 
Buches bildeten, .bezeugt Lact. 4, 6, 5. Vgl. Schiirer III 4 , 577, 164; 
ebenfo Bleek und Friedlieb S. XXIV. Geffcken S. 15 f. und 69 ff. halt 
aber III, 145 fur edit und die als Fragmente des Theophilus zitierten 
84 Verfe fur eine chriftliche Falfchung. 

6 ) Die Verfe 808-817 find fchon von Lactanz Div. Inst. 1, 6, 13 
und 4, 15, 29 bezeugt. 

') In den Verfen 111, 823 - 827 nennt fich die Sibylle Noes Nymphe 
und von feinem Blute, wahrend fie fich HI, 809 als die babylonifche 
bezeichnet. Vgl. Friedlieb S. XXXVIII und Geffcken S. 16 f. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 555 

Gott zu verfohnen, da er jon[t die Welt durdi Feuer ver- 
nichten werde. Am Schlufc wird auf die Auferweckung der 
Toten und das Weltgericht -hingewiefen. Zwei Verfe aus . 
den Orakeln iiber die heidnifche Vorzeit werden fchon von 
Strabo zitiert. 1 ) Aber die Abfaffung des Werkes beziehungs- 
weife feine Redaktion ift um das Jahr 80 n. Chr. anzufetjen, 
da der Ausbruch des Vefuvs vorausgefetjt wird, 2 ) der nach 
Anficht des Verfaffers die Strafe fur die Zerftorung Jerufa- 
lems durch die Romer ift. 3 ) 

Das fiinfte Buch hat einen mannigfaltigen Inhalt, da von Abfaffung des 
romifchen 4 ) und agyptifchen Dingen, 5 ) von Juden, 6 ) Chal- fflnften 
daern und andern, 7 ) aber auch von dem Kampf der Geftirne, Bucnes der 
wodurch die Welt in Brand gerat, 8 ) geredet wird. In alien ^ 
Teilen des Buches finden fich judifche Anfchauungen. 9 ) Wah- Juden 
rend aber die ubrigen ficher jiidifchen Teile des Werkes der Ende des 
Klage um die Zerftorung Jerufalems, dem Durft nach Rache, zweiten chrift- 
der Sehnjucht und Hoffnung auf die Wiedererbauung der H * en Jahr " 
Stadt einen leidenfchaftlichen Ausdruck geben, wird hier in hunderts - 
Vers 6-51 Hadrian gelobt und Vefpafian blofc der gewal 
tige Vertilger frommer Manner genannt. Da in diefem Ab- 
fchnitt 1-51 auch von den drei Nachfolgern Hadrians ge- 
fprochen wird, fchrieb der Verfaffer des Abfchnittes unter Mark 
Aurel um das Jahr 170 n. Chr. 10 ) Weil die ubrigen [icher 
jiidifchen Teile in Vers 52 531 in den Anfchauungen und im 
Sprachgebrauch ubereinftimmen, darf man wohl fur [ie alle 
einen jiidifchen Verfafjer annehmen. 11 ) Derfelbe hat den 

J ) IV, 97 f. Vgl. Strabo 1, 3, 8 und 12, 2, 4. Juftinus Apol. 1, 20 
bezieht fich auf Sib. IV, 172177. 

2 ) IV, 130-136 

3 ) Vgl. Friedlieb S. XXXIX XLII; Schiirer III*, 579 ff. Geffcken, 
Die Kompofition S. 18-21. 

') V, 1-51. 

8 ) V, 52-199 und 484-511. 

6 ) V, 200-433. 

7 ) V, 434-483. 

8 ) V, 512-531. 

'-) V, 155-178, 200 - 205, 247-255, 260285, 328 332, 397-413, 
414433, 492-511. 

1 ) Vgl. Geffcken, Die Kompofition etc. S. 22 f. und S. 30. 

u ) Vgl. Geffcken 1. c. S. 27. Derfelbe hat im Jahre 1899 die Verfe 
512 531 fur ,,eine gnoftijche Vifion" erklart (Sitjungsber. d. preug. 



556 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. Jittl. Verhaltniffe des jiid. Volkes. 

Untergang des Tempels gefehen, 1 ) lebte in Agypten" 2 ) und 
fchrieb gegen Ende des erften chriftlichen Jahrhunderts unter 
Domitian Oder Nerva. 3 ) 

Die folgenden Bucher kommen fur die neuteftamentliche 
Zeitgefchichte kaum in Betracht. Denn die Bucher fechs bis 
adht, welche im zweiten Jahrhundert n. Chr. entftanden, find, 
abgefehen von dem einen oder andern heidnifchen Stiicke, 
chriftlichen Urfprungs. 4 ) Audi die Bucher zwolf und dreizehn 
riihren von einem chriftlichen Verfaffer her. 5 ) Ob auch das 



Akad. S 698 ff.), diefe Anficht aber 1. c. 27, 4 zuriickgenommen. Es 
gibt aber doch in dem Abfchnitt, abgefehen von der gelegentlichen 
Benutjung alterer hellenifcher Ora'kel, einige wenige chriftliche Inter- 
polationen. Chriftlich ift namentlich V, 256 259 von der Kreuzigung 
,,am fruchtbringenden Holze", ebenialls V, 6271, da in V, 68 der Aus- 
druck &eox<jl6Tov<; gebraucht wird. Vgl. Geffcken, Die Kompofition etc. 
S. 29 f., der auch noch V, 228-246 als chriftlich anfieht. 

J ) V, 398 tlfiuv. Er kennt auch den Tod des Titus, vgl. V, 411. 

2 ) Mit Agypten befchaftigt er fich am Anfange und Ende feiner 
Dichtung. S V, 52 ff. und 484 ff. 

3 ) Das ergibt fich aus den gelegentlichen Beziehungen auf das 
Verhaltnis der Farther zu Rom V, 247 ff. 439 f. Vgl. iiberhaupt Geffcken 
S. 22-30. Das funfte Buch ift von V, 107 an in all f einen Teilen bezeugt 
durch Zitate bei Clem. Alexandr. und Lactanz. S. Friedlieb S. XLVII. 

*) Vgl. Friedlieb S. XL1X - LX und Geffcken, Die Kompofition 
S. 30 - 46. Das fechfte Buch zahlt nur 28 Verfe und enthalt einen Hym- 
nus auf Chriftus nebft einer kurzen Weisfagung gegen Judaa und einen 
Lobpreis des Kreuzesholzes; das fiebente ungeordnete und zum Teil 
nur fragmentarifch erhaltene Orakel fiber Infeln und Lander, die Sintflut, 
den Meffias und den Weltbrand. Der Verfaffer des fiebenten Buches 
war ein im zweiten Jahrhundert lebender Judenchrift. Das achte Buch 
enthalt VIII, 217-250 das beruhmte, fchon dem Eufebius bekannte Akro- 
ftichon auf 'Ir}tof? X^<i5ro'? ^eojj vioi; GwriiQ <Jri'(-</'? (vgl. die Ausgabe 
von Geffcken S. 153 ff.) und im wefentlichen Weisfagungen fiber Rom 
bis auf Hadrian und feine drei Nachfolger. VIII, 65 ff. 133 ff. ift ficher 
wahrend der Regierung des Kaifers Mark Aurel, der im Jahre 180 n. Chr. 
ftarb, gefchrieben, vermutlich auch das fibrige. Es zeigt aber diefes Buch 
einen zufammengefe^ten Charakter. Geftritten wird fiber VIII, 1216, 
welche Verfe bisweilen einem jfidijchen Verfaffer zugefchrieben werden. 
Vgl. aber u. a. Geffcken, Die Kompofition S. 39 ff., der auf3er dem ficher 
heidnifchen Stuck VIII, 160-168 (f. auch Friedlieb S. LV) auch VIII, 
131-138 und 151-159 zu den heidnifchen Stficken zahlt, den Reft aber 
zwei chriftlichen Sibylliften zufchreibt. 

6 ) Vgl. Friedlieb S. LXIII-LXVII/ Geffcken, Die Kompofition etc. 
S. 56-63 fchreibt Buch 12 einem ,,nicht mehr orthodoxen" Juden zu, 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur cler neuteftamentlichen Zeit. 557 

elfte Buch neun und zehn fehlen , lagt [ich bei dem 
farblofen Inhalte, vorzuglich beriickfichtigt es agyptifche Ge- 
fchidite bis Kleopatra, fchwer beftimmen. 1 ) Das vierzehnte 
Buch ift zwar allem Anfcheine nach von einem iibrigens 
recht unwifienden und phantaftifchen Juden gefchrieben, 2 ) 
aber entftand im dritten chriftlichen Jahrhundert. Es beriick- 
fichtigt hauptfachlich die Gefchichte romifcher Herrfcher bis 
ins dritte Jahrhundert und die Verhaltniffe Agyptens. 


3. Die judifchen Schriften aus der nachherodianifchen 
Zeit bis zur Zerftorung des Tempels. 

In diefer Periode entftanden auf palaftinenfifchem Boden 
einige fehr wichtige Targume, das des Onkelos zum Penta- 
teuch und das nur wenig jungere des Jonathan zu den 
alteren und jiingeren Propheten, d. h. zu den an den Penta- 
teuch fich anfchliefcenden hiftorifchen Biichern fowie zu Ijaias, 
Jeremias, Ezechiel und den zwolf kleinen Propheten; eben- 
falls die haggadifche Bearbeitung der Genefis, welche unter 
dem Titel ,,Buch der Jubilaen" bekannt ift. 

Auch diirfte in diefe Zeit der legendarifche Bericht iiber 
das verloren gegangene legendarifche jiidifche Werk iiber 
Jannes und Jambres gehoren. 

Der palaftinenfifcb-apokalyptifchen Literatur gehort ,,die 
Himmelfahrt Mo[is" an, das Werk eines frommen, allem 



der in der Zeit nach Alexander Severus dichtete, die Schrift fei aber 
von einem Chriften uberarbeitet. Das zwolfte Buch befchaftigt {ich mit 
der romifchen Herrfchergefchichte von Augustus bis Septimius Severus 
(geft. 211 n. Chr.); im dreizehnten Buch wird vielfach auf die romifche 
Qefchichte bis Gallienus (geft. 268 n. Chr) Bezug genommen. 

^ In XI, 161 (ed. Geffcken) wird der erft im Jahre 226 n. Chr. 
erfolgte Sturz des Partherreiches als vergangen vorausgefetjt. Qeffcken 
S. 64 66 (vgl. auch Friedlieb LX LXIII) halt einen in Agypten leben- 
den Juden fur den Verfaffer, da in XI, 307 310 der Zufammenfturz des 
agyptifchen Reiches als Strafe fur das Leid, welches Agypten einft dem 
,,frommen" Volke angetan hat, betrachtet wird. So konnte aber auch ein 
Chrift reden. 

2 ) Am Schlug (XIV, 349 f. ed. Qeffcken) heif3t Jerufalem die Stadt, 
die viel gelitten hat und wieder aufgebaut werden foil, und werden die 
Juden ,,das heilige Volk" genannt. Vgl. Geffcken, Die Kompofition, 
S. 66-68. Vgl. auch Friedlieb S. LXVIII-LXX1. 



558 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Parteiwefen abholden Juden, der fehnfuchtig nacii dem An- 
bruch des Reiches Gottes ausfchaut. 

In Alexandrien fchrieb damals als Zeitgenoffe Jefu der 
Philofoph Philo, der die Liebe zum jiidifchen Gefetj mit der 
Liebe zur griechifchen Philofophie verband, deffen praktifcher 
Einflufc auf feine Zeitgenoffen nicht iiberfchatjt werden darf. 
Aueh das dritte Buch der Makkabaer gehort diefer Zeit an. 

a) Das Targum des Onkelos zum Pentateuch und das des Jonathan 

zu den Propheten. 

Der Ausdruck Seit dem funften Jahrhundert v. Chr. wurde namentlidi 
,,Targum". infolge der Riickkehr zahlreicher Juden aus dem babylonifchen 
Exil das Aramaifche immer mehr in Palaftina die Landes- 
fpraehe. Damit wurde es aber auch immer mehr notig, dem 
Volke, .welchem die heilige hebraifche Sprache fremd ge- 
worden war, das an den Sabbaten aus dem Urtext der 
Heiligen Schrift Vorgelefene 1 ) aramaifch zu verdolmetfchen. 
Dies gefchah anfangs mundlich. Spater wurden aber auch 
aramaifche Verdolmetfchungen, die bisweilen mehr oder we- 
niger wortliche, bisweilen aber auch paraphrafierende Ober- 
[etjungen gewefen find, fchriftlich aufgefchrieben. 2 ) Man nannte 
eine folche Oberfe^ung des biblifchen Textes Targum, 3 ) ein 
Ausdruck, der' jede Bibeliiberfe^ung bezeichnete, im Laufe 
der Zeit aber auf die aramaifchen befchrankt wurde. 4 ) 
Onkelos und Unter den erhaltenen Targumim gehoren ihrem Alter 
[ein Targum. nach zwei hierhin, das Targum des Onkelos zum Pentateuch 
und das des Jonathan, des Sohnes Uziels, zu den friiheren und 
fpateren Propheten, namlich zu den Biichern Jofue, Richter, 
den vier Biichern der Konige, Ifaias, Jeremias, Ezechiel und 
den zwolf kleinen Propheten. 5 ) 

a ) S. o. S. 367 f. 

') Zur Zeit Jefu war der Pfalter dem Volke aramaifch bekannt. 
S. Matth. 27, 46. Marc. 15, 34. Die Mifchna (vgl. Jadajim 4, 5 und dazu 
Bacher, Die altefte Terminologie, S. 205, 1) kennt aramaifche Bibeliiber- 
fetjungen. Ein gefchriebenes Targum zum Buche Job aus dem erften 
chri[tlichen Jahrhundert erwahnt bab. Schabbath 115 a. Vgl. Zunz, Die 
gottesd. Vortrage S. 65. Berliner, Targum Onkelos 2. Teil, Berlin 1884, 
S. 8991. 

3 ) n-np: von C/5"!? iiberfe^en, dann auch ,,dem Sinne nach" erklaren. 

*) Vgl. Megilla 2, 1. S. Bacher, Die alte[te Terminologie S. 205. 

5 ) Die beiden Targume [ind feit 1482 und 1494 oft gedrudct, na- 
mentlich auch in den grogen Bibelpolyglotten z. B. der Londoner von 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 559 

Onkelos war nadi dem babylonifchen Talmud ein Pro- 
felyt 1 ) und nadi der alteres rabbinifches Material enthaltenden 
Tojephta 2 ) ein Sdiuler des Rabban Gamaliel des alteren. 
Ift diefe (iberlieferung richtig, dann lebte Onkelos in der 
erften Halfte des erften chriftlichen Jahrhunderts. 

Ein Targum des Onkelos wird im babylonifchen Talmud 
erwahnt, 3 ) wahrend der jerufalemifche Talmud an der ent- 
fprechenden Stelle ein Targum des Profelyten Akylas nennt. 4 ) 

Walton vom J. 1657, vol. I III. Separatausgaben find: Targum Onkelos, 
herausg. und erlautert von A. Berliner, 2 Teile, Berlin 1884 (nadi dem 
Text der Ausgabe von Sabionetta vom Jahre 1557, fiber deffen Mangel 
Kautjfch, Mitteilung uber eine alte Handfchrift des Targum Onkelos, 
Hallefches Ofterprogramm 1893, S. XX f. zu vergleichen ift). De Lagarde, 
Prophetae chaldaice. Lips. 1872. (Weitere Literatur f. z. B. in Dalman, 
Grammatik etc. 2. Aufl. S. 11-15.) Seit 1906 erfcheint eine deutfche 
Uberfetjung des Targum Onkelos in ,,Monumenta Judaica". Pars prima. 
Bibliotheca Targumica. Aramaica. Die Targumijm zum Pentateuch. 
Herausg. v. A. Wunfche, W. Neumann, M. Altfchtiler I. Bd., 1. Heft. 
Wien 1906. (Nach Bacher, Theol. Ltrztg. 1906, Sp. 373-376 voller Un- 
richtigkeiten.) Eine kritifche Ausgabe des Targums des Onkelos ware 
noch immer fehr erwiinfcht. Paul Kahle, Maforeten des Oftens. Die al- 
teften punktierten Handfchriften des Alten Teftaments und der Targume 
herausgegeben und unterfucht (= Beitrage zur Wiffenfchaft vom Alten 
Te[tament herausg. von Rud. Kittel) L. 1913 verbreitet fich u. a. auch 
iiber die fiir eine folche Ausgabe notwendigen Vorarbeiten. Vgl. Rb. 
1914, 451. 

J ) B. Megilla 3 a. 

*) Tos. Sabb. c. 8 u. 6. Vgl. Weber, Jiidifche Theologie, L. 1897. 
S. XVI. 

3 ) B. Megilla 3 a heigt es (vgl. auch Wunfche, Der babylon. Talmud 
in feinen haggadifchen Beftandteilen wortgetreu uberjetjt. Bd. I, L. 1886^ 
S. 487) : ,,R. Jeremja oder wie manche fagen R. Chija bar Abba hat ge- 
fagt: Das Targum zur Thora hat Onkelos, der Profelyt, verfagt und er 
hat es aus dem Munde des R. Eliezer und R. Jofua empfangen." 
R. Eliezer und R. Jofua waren nach Aboth 2, 8 10 Schiiler des Rabban 
Jochanan ben Sakkai und lebten gegen Ende des erften Jahrhunderts 
n. Chr. R. Chija lebte in der zweilen Halfte des dritten Jahrhunderts 

4 ) Jer. Meg. 1, 9 heifjt es (vgl. Schwab, Le Talmud de Jerusalem 
traduit VI, Paris 1883, p. 213): Ein Hiittenbewohner (^^2, nach Levy, 
W6rterb. 1, 203 = Burgbewohner, Hiitteneinlieger; Schwab iiberfetjt 
,,un habitant de huttes") hat fiir fie (die Ifraeliten) die aramaifche Ober- 
fe^ung (n^iiN) nach der griechifchen gemacht. R. Jinnija (vgl. die vorige 
Anmerk.) erwahnte im Namen R. Chija, des Sohnes Abbas: Akylas, der 
Profelyt, uberfetjte das Qefe^ (mmn 1.1" D^py c:,Tn nach Berliner I. c. 
S. 91 pflegt aber das Wort Targum in jener Zeit die aramaifche Uber- 



560 Zweiter Abfehnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Allein auch letjterer fpricht nicht etwa von der griechifchen 
Oberfetjung des Aquila, wie man in neuerer Zeit bisweilen 
fagt, 1 ) fondern zunachft von einer nach dem Griechifchen ge- 
machten aramaifchen Uberfetjung der Gefetjesrolle, jodann 
von der aramaifchen Uberfetjung der Thora durch den Pro- 
felyten Akylas. Akylas ift aber nur eine andere Ausfprache 
des Namens Onkelos. 2 ) Es ift auch unwahrfcheinlich, daft 
der babylonifche Talmud, welcher das Targum des Onkelos 
,,unfer Targum" nennt und es mit den Worten ,,wie wir 
iiberfetjen" anfiihrt, {omit dasfelbe als eine Autoritat an- 
fieht, 3 ) die alte und richtige Kunde von einer Uberfei3ung 
des Alten Teftamentes durch den Profelyten Aquila auf das 
Pentateuch-Targum des Onkelos iibertragen haben foil. Das 
ware noch weniger denkbar, wenn diefes ,,Targum des On- 
kelos" erft, wie bisweilen behauptet wird, 4 )im dritten chriftlichen 
Jahrhundert in Babylonien entftanden ware. Denn dann 
hatten die babylonifchen Talmudiften um fo eher etwas von 
feiner Abfaffung oder Redaktion wiffen miiffen. Wie wollte 
man aber dann fein grojjes Anfehen erklaren! 

Dafc das dem Onkelos zugefchriebene Targum aus 
einer fehr fruhen Zeit ftammt, ergibt fich auch aus dem Cha- 
rakter der (Jberfetjung felbft. Sie ift einfach, faft wortgetreu. 5 ) 
Nur zuweilen ift etwas zur Erlauterung umfchrieben oder 
durch kleine Zufa^e'deutlicher gemacht. Namentlich find aber 



fetjung- zu bezeichnen) vor R. Eliezer und R. Jofue und fie lobten ihn etc. 
Weshalb jemand, der langere Zeit im Jahre eine Art Eremitenleben 
fuhrte und durch feinen Verkehr mit Reifenden auf die Kenntnis mehrerer 
Sprachen angewiefen war, das nicht hatte tun konnen, ift nicht einzufehen. 
(Berliner S 95 will hiei durch eine Textveranderung den Sinn heraus- 
bekommen: ,,Ein Bauer foil ihnen [den Romern] die romifche Sprache 
aus der griechifchen ausgefondert haben!") 

') Z. B. Berliner S. 98 und Schurer I, 150. Auch Lagrange Rb. 1911 
p. 137 meint, dag die talmud. Nachrichten ,,ont probablement voulu parler 
d' une version a la maniere d' Aquila". 

*) Onkelos ift die dunklere Ausfprache von Ankylas und Ankylos, 
nur mundartlich von Akylos verfchieden. 

3 ) S. die Beweife bei Zunz S. 67 und 69 und Berliner S. 112114. 

4 ) Walker, art. Targum in Hastings D. IV, 679: ,,The work, or 
parts of it, may have been first comjpiled during the 2nd or 3rd cent. 
A. D. in Judaea". 

5 ) Zunz S. 66. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 561 

alle Ausdriicke, die zu unwurdigen Auffaffungen von Gott an 
fich oder feiner Offenbarungweifefuhren konnten, umfchrieben. 

Was aber die Spradiform des Targums angeht, fo lagt 
fich daraus wenigftens nidits entnehmen, was gegen feinen 
palaftinenfifchen Urfprung im erften chriftlichen Jahrhundert 
fpridit. Einzelne Gelehrte find allerdings der Anficht, dag 
das Targum zwar fprachlich den altpalaftinenfifchen Charakter 
bewahre, aber audi den Einflufc der babylonifchen Mundart 
zeige. 1 ) Soweit dies richtig ift, erklart es fich durch eine 
etwa im dritten Jahrhundert vorgenommene Revifion des 
Targums. Es mag aber auch feinen Grund darin haben, 
dag es weder in der palaftinenfifchen noch in der baby- 
lonifchen Vulgarfprache, fondern in einer reinen, der Ent- 
wicklung nach den chaldaifchen Stucken von Daniel und 
Esdras naheffehenden gebildeten Kunftfpradie 2 ) gefchrieben ift. 

Von Jonathan ben Uziel 3 ) berichtet der babylonifche 
Talmud, er fei der eifrigfte Schuler Hillels gewefen 4 ) und Das Targum 
habe nach R. Jeremja oder, wie manche fagen, R. Chija bar des Jonathan 
Abba das von ihm verfafrte Targum zu den Propheten aus 
dem Munde des AggSus, des Zacharias und des Malachias 
empfangen. 9 ) Das foil fo viel heifeen, als dag feine Aus- 
legung die uberkommene Deutung wiedergebe. 6 ) Er war 
aber kaum ein direkter Schuler Hillels, fondern gehorte 
wohl nur der im erften chriftlichen Jahrhundert bis zum 
Untergang des Tempels bliihenden Schule der Anhanger 
Hillels 7 ) im weiteren Sinne des Wortes an. Denn er ift dem 
Anfcheine nach bereits mit dem Targum des Onkelos be- 
kannt 8 ) und hat dann wohl erft in der zweiten Halfte des 
erften chriftlichen Jahrhunderts gelebt. 

1 ) Dagegen f. Dalman, Die Worte Jefu I, S. 67. Grammatik S. 13. 

2 ) Vgl. Weber, 1 c. S. XVII. 

3 ) Ober die Ausgaben vgl. S. 558, 5. 

4 ) Baba bathra 134 a und Succa 28 a. 

5 ) B. Megilla 3 a. 

8 ) Vgl. Kaulen, Einleitung in die Heilige Schrift, n. 133. 

') S. o. S. 379 ff. 

8 ) Vgl. die Stellen bei Berliner, Targum Onkelos p. 124, oder 
Walker, 1. c. p. 681 und bei Zunz, Qottesdienstliche VortrSge, Frank- 
furt a. M. 1892, S. 67. Zunz meint, S. 66 f., die Targume fowohl des 
Onkelos wie des Jonathan feien in der erften Halfte des erften Jahr- 
ihunderts angefertigt. 

Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3 Aufl. 35 . 



562 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Fur das Alter des Targums, welches nicht ganz frei ift 
von fpateren Zufa^en, die aber. als .f oldie leicht zu erkennen 
find, fpricht auch die Tatfache, dafc es wie Onkelos den alt- 
teftamentlichen Text einfach im Geifte des Glaubens wieder- 
gibt. Es paraphrafiert aber den Text mehr wie Onkelos, 
befonders in den eigentlich prophetifchen Buchern, wo es 
gait, dem Volke verftandlich zu fein, wahrend es fur die 
Biicher Jofue, Richter, Samuel und Konige im allgemeinen 
mehr eigentliche Uberfetjung ift. 1 ) 

Audi diefes Targum hat fich in der fpateren judifchen 
Literatur eines hohen Anfehens erfreut. Im babylonifchen 
Talmud werden manche Stellen daraus unter dem Namen 
des R. Jofeph bar Chija angefuhrt, weldier Schulhaupt zu 
Pumbaditha war und im Jahre 333 n. Chr. ftarb. Daraus 
darf aber keineswegs gefchloffen werden, diefer habe das 
Targum Jonathan ben Uziel verfafct oder redigiert. 2 ) Denn 
es wird ja auch ausdriicklich gefagt, R. Chija bar Abba habe 
gelehrt, Jonathan fei der Verfaffer des Targums zu den 
Propheten. 3 ) 

Andere fpa- Es gibt noch eine ganze Anzahl anderer Targume, die 
tereiargume. aber alle fpateren Urfprungs find. Alteres Material befindet 
fich befonders in einem aus nachtalmudifcher Zeit ftammen- 
den Sammelwerk alterer und jiingerer haggadifcher Ober- 
lieferungen, welches' ebenfalls ein Targum zum Pentateuch 
ift und feit dem 14. Jahrhundert irrtiimlich dem Jonathan 
ben Uziel zugefchrieben wird. Es wird gewohnlich das Tar- 
gum des Pfeudo-Jonathan oder das Targum Jeruschalmi L 
genannt. Verwandt mit diefem ift ein nur einzelne Verfe 
oder Worte enthaltendes Fragmenten-Targum zum Penta- 
teuch, welches den Namen das Jerufalemfche Targum oder 
auch das Targum Jeruschalmi II ftihrt. Diefes ift in feiner 
jetjigen Form als eine Sammlung von Zuf atjbemerkungen 
zum Targum des Onkelos zu bezeichnen. Vielleicht find diefe 



a ) Vgl. Kaulen 1. c.'ri. 133 und Weber S. XX. 

2 ) Nach dem Vorgange von Qeiger lafct Frankel, Zu dem Targum 
der Propheten, Breslau 1872, S. 10, das Targum des Jonathan erft im. 
vierten Jahrhundert n. Chr. in Babylonien verfafct oder vielmehr redi- 
giert [ein. Ebenfo Sdiiirer I, 149. Vgl auch Dalman, Qrammatik S. 15.. 

3 ) S. S. 561. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 563 

Bemerkungen einem alten vollftandigen Jerufalem-Targum 
entnommen, aus weldiem aueh Pfeudo-Jonathan fdiopfte. 1 ) 

b) Das Buch der Jubilaen, das Martyrium des Propheten Ifaias 
und andere Legendenbucher. 

Das Budi der Jubilaen, 2 ) weldies bei einigen Vatern Bedeutung 
auch die kleine Genefis genannt wird, 3 ) ift der altefte und Ch , a - 

rfiWlcr QG^ 

Vertreter der im fpateren Judentum fo zahlreichen Midra- Jubilaen . 
fchen Oder Kommentare zu biblifchen Buchern. Urfpriinglich buc hes. 
hebraifch gefchrieben, 4 ) ift es nur vollftandig in einer athio- 
pifchen und etwa zu einem Drittel in einer lateinifchen Uber- 
fetjung erhalten, die beide auf eine griechifche Uberfetjung 



1 ) Vgl. uber diefe Targume u. a. Zunz, S. 66 86. Kaulen n. 134. 
Weber S. XX -XXIV, Dalman, Grammatik, 2. Aufl., S. 27-33. Strack, 
Einl. in das Alte Teftament. 5. Aufl., Munchen 1898, S. 185-189. Schurer .1* 
151-156. Walker 1. c. p. 680 683. Gedruckt find Jeruschalmi I und II 
u. a. in der Londoner Polyglotte. Zuletjt hat Ginsburger beide heraus- 
gegeben und zwar ,,Pfeudo-Jonathan (Targum Jonathan ben Uziel zum 
Pentateuch)", 1903, ,,Das Fragmententargum (Targum Jeruschalmi zum 
Pentateuch)" 1899. 

2 ) Der athiopifche Text ift zuerft von Dillmann (Kufale sive Liber 
Jubilaeorum. Aethiopice, Kiel 1859), dann von Charles (The Ethiopia, 
version of the Hebrew book of Jubilees. Oxford 1895 = Anecdota 
Oxoniensia. Semit. Series. Part VIII) veroffentlicht worden. Letjtere 
Ausgabe enthalt auch die zuerft von Ceriani, Monumenta sacra et pro- 
fana, Mediol. 1861, torn. 1, fasc. 1 und dann von Ronfch, Das Buch der 
Jubilaen, L. 1874, herausgegebenen lateinifchen Fragmente. Vgl. auch die 
deutjche Uberfetjung ,,Das Buch der Jubilaen" von Littmann in Kautjfch, 
Apokryphen etc., II, 31 119 und die englifche von Charles, The book 
of Jubilees or the little Genesis, L. 1902 u. wieder in feinem Sammel- 
werke: The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in 
English, II 1-82. Vgl. auch Fr, Martin, Le Hvre des Jubiles. But et 
procedes de 1'auteur. - Ses doctrines. Rb 1911. p. 321344. 502533- 
Riessler, Zur Geographic der Jubilaen und der Genesis. Tub. Th. Q. 
1914, 341 367. (Mit Genesis habe Jubilaen eine gemeinfame Quelle.) 

3 ) Didymus Alex, zu 1 Joh. 3, 12 in Gallandi, Bibl. patr. VI, 300 J 
Epiphanius, haer. 39, 6 (? ientrj rW?), Hier. Ep. 78 ad Fabiolam, mansio 
18 und 24. In dem Decretum Gelasiani wird unter den nicht kanonifchen 
Schriften erwahnt: Liber de filiabus Adae, hoc est Leptogenesis , apo- 
cryphus. 

*) Hieron., 1. c. mansio 18, beruft fich ausdrucklich auf den hebrai- 
fchen Text. 

36* 



564 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

zuriickzufuhren find. 1 ) Man kennt auch Bruchftucke einer 
fyrifchen, direkt auf den hebraifchen Text zuriickgehenden 
Uberfetjung. 2 ) 

Das Werk enthalt eine paraphrafierende Bearbeitung 
des kanonifchen Buches Gene[is mit allerhand legendenhaften 
Zutaten, Auslaffungen und fonftigen Anderungen des Textes 
vom Standpunkte eines die ftrenge Beobachtung des Gefetjes 
erftrebenden Juden. Urn die Autoritat der befonders fur die 
Juden wichtigen Gefetje uber die Befchneidung und den 
Sabbat zu fteigern, lafct der Verf after beide fchon yon den 
Engeln im Himmel beobachten. 3 ) Andere mofaifche Gefetje 
werden wenigftens bis auf die Patriarchen, andere, wie z. B. 
das Gefetj der Reinigung und des taglichen Rauchopfers, fo- 
gar bis auf Adam zuruckgefuhrt. 4 ) Der ganze Bericht zeigt 
grojje Sorge fiir die Feftftellung der Chronologic. Der ganze 
Stoff wird auf Jubelperioden von je fieben Jahrwochen zu 
je fieben Jahren, alfo von je 49 Jahren verteilt. Von jedem 
Ereignis wird der Monat, das Jahr, die Jahreswoche und 
die Jubelperiode angegeben. Aus diefem Grunde fuhrt es 
audi den Titel ,,Jahrwochenbuch", ,,Buch der Jubilaen". 

Die Griechen haben das Werk, obwohl es umfangreicher 
als das kanonifche Buch Genefis ift, ,,kleine Genefis" genannt, 

: ) So alle, zuletjt Charles, The book etc. p. XXVI ff. 

2 ) Veroffentlicht von E. Tifferand, Fragments Syriaques du livre 
des Jubiles. Rb 1921, 5586 und 206232. Die 17 Fragmente find einem 
im 12. Jahrhund. lebenden Chroniften (herausgegeben von Ign. Ephrem II 
RahmHni, Patriarch von Konftantinopel, Chronicon civile et ecclesiasticum 
anonymi auctoris), Charfe (Liban) 1904), entnommen, welcher, wie Tiffe- 
rand zeigt (p. 229232), eine fyrifche auf den hebraifdien Text zuruck- 
gehende Uberfetjung benu^te. Bin Bruchftiick in [yrifdier Sprache unter 
dem Titel n Namen der Weiber der Patriarchen nach dem hebraifchen Buch, 
welches die Jubilaen heigt", war fchon durch Ceriani, Monumenta sacra 
et profana, II, 1, pp. 9 10 und Charles, The Ethiopic version of the 
Hebrew book of Jubilees p. 183 bekannt. Vgl. dariiber Charles p. X 
und Tifferand p. 55 ss. 

3 ) Vgl. Jub. 2, 19-21. .15, 27. 

*) Jub. 3, 8-14, 27. Das Feft der Wochen Oder das Pfingftfeft ift 
im Himmel feit der Erfchaffung begangen worden (6, 1722), ebenfo 
die Fefte der Neumonde (6, 2327). Der Verfohnungstag wurde als 
Faft- oder Trauertag zur Erinnerung an den Tag, an welchem die Nach- 
richt von Jofephs Tode kam, eingefetjt (34, 18-19). Vgl. Charles, The 
book, p. LI ff. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 565 

well fie ihm geringere Autoritat zuerkannten. Unfer Werk 
nennt jenes kanonifche Buch ,,Das erfte GefelsV) beanfprudit 
aber felbft Offenbarungen zu enthalten, welehe ,,der Engel 
des Angefichtes" dem Mofes verkundigt hat 2 ) und weldie die 
Patriardien Henodi, Noe, Abraham, Jakob auffchrieben und 
le^terer dem Levi ubergab. 3 ) 

Wenngleich auch die Philifter, Ammoniter und andere 
Feinde Ifraels in dem Werke behandelt werden, zeigt es 
dodi eine befonders fcharfe Feindfchaft gegen Edom und 
geht darin uber das kanonifche Buch Genefis hinaus. 4 ) ,,Die 
Sohne Edoms," hei&t es, 5 ) ,,find von dem Joche der Knecht- 
fchaft, welehe ihnen die zwolf Sohne Jakobs auferlegt haben, 
bis auf diefen Tag nicht frei geworden." 

Der Verfaffer des Buches war weder ein Effener, denn sein 
er verwirft z. B. die Opfer nicht, noch ein Samariter, denn Verfafjer. 
wahrend der Garizim iiberhaupt nicht erwahnt wird, wird 
von Sion gefagt, dag er in der neuen Schopfung zur Heili- 
gung der Erde geheiligt werde. 6 ) Er war auch weder ein 
Sadduzaer 7 ) noch ein Pharifaer. Denn gegen erfteres fpricht 
z. B. die hier fehr ausgebildete Engellehre, gegen letjteres, 
dag die Lehre von einer Fortdauer der Seele ohne Aufer- 
ftehung des Leibes vorgetragen wird. 8 ) Er war aber auch 
kein Judenchrift, 9 ) denn die Schrift enthalt nichts Chrijtliches 
und ift ftreng iiidifch. 10 ) Wohl aber fcheint die Hervorhebung 
der Bedeutung Levis, der noch vor Juda genannt wird, 11 ) und 



!) Jub. 6, 22. 

2 ) Jub. 2, 1. 

3 ) Jub. 7, 38. 10, 14. 12, 27. 39, 67. 45, 16. 

4 ) Vgl. Jub. 26, 34 mit Gen. 26, 34; Jub. 38, 114 wird ein Kampf 
zwifchen Efau und Jakob am Turme zu Hebron gejchildert, in welchem 
Jakob den Efau totet. 

5 ) Jub. 38, 14. Vgl. auch 26, 34, dag Efau, wenn er das Joch 
Jakobs abfchuttle, eine Todfunde begehe. Vgl. u. S. 570. 

6 ) Jub. 4, 26. 

7 ) Dafur neuerdings Leszynsky, Die Sadducaer. B. 1912. S. 179 - 236. 

8 ) Jub. 23, 31. 

'') Wie Singer, Das Buch der Jubilaen, erfter Teil: Tendenz und 
Urfprung,Stuhlweigenb. 1898, meint. Vgl.Lagrange Rb. IX (1899), 155 -158. 
10 ) Vgl. Langen, S. 84102. Littmann S. 36 f. 
n ) Jub. 31, 13 ff. Vgl. u. S. 569. 



566 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jQd. Volkes. 

deffen Sohne die hier kundgetanen Sdiriften Jakobs und 
die Sdiriften feiner Vater bewahren, 1 ) darauf hinzuweifeo, 
daft der Verf after ein jiidifcher Priefter war. Jedenfalls war er 
ein Anhanger derfelben. Daft er in Palaftina fchrieb, macht 
die Abfaffung des Budies in hebraifcher Sprache, wenn nicht 
gerade ficher, fo dodi wahrfcheinlich. Ubrigens ftimmt der von 
ihm benutjte biblifche Text mehr mit dem der Septuaginta 
als mit dem maforethifchen uberein. a ) 

Ab- Auffallend ift es, daft der Verfaffer fo wenig an dem 

weichungen Text der Heiligen Schrift fefthalt, dafr er fogar gefetjlidie 
des Buches Beftimmungen anfuhrt, welche von der Thora abweiehen. 3 ) 
vonderihora. Anfflhning des 49> j a hres als des Jubeljahres 



fehr befremdlich, da das Gefetj klar und beftimmt das 50. Jahr 
als Jubeljahr bezeichnet. 4 ) Unter diefen Umftanden ift es 
weniger auffallend, da er von den gefetjlichen Vorfchriften 
der Mifchna und den zur Zeit Jefu iiblidien Anfchauungen 
abweicht. So z. B. fagt er, 5 ) das Pafcha muffe im Hofe des 
Heiligtums gegeffen werden, wahrend es zur Zeit Chrifti und 
vorher wie nachher iiberall in Jerufalem gegeffen werden 
durfte. 6 ) Nach der Mifchna durfte z. B. bei der Holzfpende 
fiir den Brandopferaltar kein Holz vom Olbaum zugelaffen 
werden, was hier erlaubt ist, 7 ) u. a. Wie wenig iiberhaupt 



] ) Jub. 45, 16. 

*) Vgl. Charles, The book, p. XXXVIII f. 

3 ) Nach Jub. 16, 22 wird das Laubhuttenfeft durch andere Opfer 
begang-en, als Num. 29, 13-33 vorgefchrieben find. 

*) Lev. 25, 8 ff. Vgl. Nowack, Lehrbuch 2, 166, 2. Charles, The 
book p. LXVII. 

5 ) Jub. 49, 20. 

6 ) Vgl. Exod. 12, 4. Deut. 16, 6-7. 2 Paral. 35, 11 f. Esdr. 6, 19 ff. 
Matth. 26, 17 ff. etc. Jos. B. J. 6, 9, 3. 

') Vgl. Jub. 21, 12 mit Tamid 2, 3. Wenn in Jub. 50, 12 am Sab- 
bate Krieg zu fQhren verboten ift, fo ftimmt dies nicht mit Schabb. 6, 
2. 4 uberein. Denn an letjterer Stelle wird nur das Tragen von Panzer 
und Waffen am Sabbate verboten, wie das Tragen von mit Nageln be- 
fdhlagenen Schuhen. Obrigens kann man nicht mit Charles, The book 
p. LXV das Gefe$ Jub. 50, 12 deshalb ein alteres nennen, weil man in 
den Makkabaerkriegen Krieg am Sabbate anfangs fiir unerlaubt hielt, 
fpater aber den Verteidigungskrieg fiir erlaubt erklarte (1 Mace. 2, 41. 
Jos. Ant. 12, 6,' 2). Denn es ift die'Frage, ob nicht Jub. 50, 12 blofj 
an einen Angriffskrieg gedacht ift. Schiirer III*, 377 (vgl. auch Th. Lz. 
1903, 678 f.) fiihrt noch drei weitere Falle an, in denen das Buch der 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 567 

in dem Budie auf die Praxis Ruckficht genommen wird, zeigt 
am beften der Umftand, daft, gerade wie das Budi Henodi 
em Sonnenjahr von 364 Tagen empfiehlt> fo auch unser Ver- 



Jubilaen ,,eine andere, offenbar altere Halacha vertritt als die durch 
Philo, Jofephus und Mifchna bezeugte." Es bleibt aber in alien drei 
Fallen zweifelhaft, ob die von Jubil. vertretene Halacha die altere ift. 
Es find folgende: 

1) Nach Lev. 19, 24 follen die Fruchte vierjahriger Pflanzungen 
,,zum Lobe fur den Herrn geweiht werden." Jub. 7, 36 erklSrt dies 
dahin, dag das Erfte des Weines und Dies als Erftlingsfrucht auf dem 
Altar Gottes dargebracht werden foil, ,,was iibrig bleibt; follen die Diener 
des Haufes Gottes verzehren." Damit ftimmt aber Philo, de charitate 
21 uberein, der fagt, die Frucht des vierten Jahres folle man nicht 
zum Genufj pflucken, fondern fie ganz und gar Gott weihen. Hingegen 
fagt Jos. Ant. 4, 8, 19, der Eigentiimer folle die Fruchte In die Stadt 
bringen ,,und fie famt den Zehnten von den andern Fruchten mit feinen 
Freunden, den Waifen und Witwen verzehren." Mit ihm ftimmt Sifre 
fiber Num.5, 10 uberein, wo es heigt, dajg die Priefter an den Fruchten 
des 4. Jahres keinen Anteil haben. Vgl. Charles zu Jub. 7, 36, der die 
Echtheit von Jub. 7, 36 bezweifelt und fagt: In any case, the teaching 
of our text does not diverge from that of later Judaism as much as the 
various regulations on this subject in the different codes of the Penta- 
teuch (see Hastings Bible Diet. II, 10-11). 

2) Nach Jub. 32, 15 gehorte der von Lev. 27, 32-33 erwahnte 
Viehzent zu den priefterlichen Einkunften. Allein wenn auch die Rabbiner 
f. pater den Viehzehnt zu dem zweiten Zehnt gerechnet haben, der von 
den Darbringenden verzehrt wurde, fo rechnet ihn doch auch Philo, De 
caritate 10 zu den priefterlichen Einkunften. Vgl. Conn, Die Werke 
Philos, 2. Teil, S. 49 f. Anm. 2. Vgl. auch o. S. 360, 3. 

b) Das jiidifche Feft der Getreideernte oder das Wochenfeft (= Pfingft- 
feft) foil nach Jub. 15, 1 vgl. 44, 4 5 im dritten Monat, am 15. des 
Monats gefeiert werden, 50 Tage nach der Darbringung der erften 
Oftergarbe. Diefe follte aber nach Lev. 23, 11. 15 f. ,,am Tage nach dem 
Sabbat" dargebracht werden. Diefe Beftimmung hat zu groften Meinungs- 
verfchiedenheiten unter den Juden gefuhrt. Gewohnlich verftand man 
zur Zeit Chrifti unter dem Sabbat den erften Fefttag und dann unter dem 
Tage nach dem Sabbat den zweiten Fefttag. So tat's fchon die LXX und 
naturgemafj auch Philo, De Septenario 20 ed. Mang II, 294 (deutfch 
in Cohn, Die Werke Philos 2. Teil, S. 152 Anm.) Vgl. auch Jos. Ant. 
3, 10, 5. Die Boethufaer, die fpateren Sadduzaer, verftanden unter dem 
Sabbat den in die Pafchawoche fallenden Sabbat und unter dem Tag 
nach dem Sabbat den Tag nach diefem Wochenfabbat. Menachoth 10, 3. 
(Vgl. zur Literatur Schurer II, 483 Charles p. 106 f. Leszynsky S. 57 ff.) 
Eine dritte Anficht fafjt den Ausdruck ,,Sabbat" wieder im Sinne von 
Fefttag iiberhaupt, will aber darunter nicht den erften, fond ern den 



568 Zweiter Abfdmitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

faffer zugunften einer bequemeren Einteilung der Fefttage 
und vielleicht aus dogmatifdien Vorurteilen einen auf einem 
Sonnenjahr von 364 Tagen beruhenden Kalender, den weder 
die Juden noch andere Volker je gehabt haben, zu beobaehten 
befiehlt. 1 ) 

Der Verfaffer hat das Budi Henoch-) wie auch das in 
le^terem benutjte Budi Noes 3 ) gekannt und fetjt das Beftehen 
des Tempels voraus. 1 ) 

Emftehungs- Die Abweichungen des Buches von der Thora und der 

zeit - zur Zeit Chrifti und {pater gebrauchlichen Haladia paffen 

geradefo wenig zu einer fruheren Zeit als zu dem erften 

chriftlichen Jahrhundert und beweifen fomit gar merits ffir 

eine friihere Abfaffung des Budies. 5 ) Es fehlt auch an 



fiebenten Fefttag der Pafdiawoehe verftehen. Sie ift fchon bezeugt durch 
die fyrifche Oberfetjung von Lev. 23, 15 (vgl. Charles 1. c.) und wird 
nodi heute von den abeffinifchen Juden praktifeh befolgt (Charles 1. c. 
und Leszynsky, Die Sadduzaer, B. 1912, S. 193, der das Wort Sabbat 
im Sinne von ,,(Fef Wodie" verfteht). Nach diefer Erklarung ware 
der Sabbat der 21. Nifan und der Tag darnach der 22. Nifan. Zahlen 
wir 50 Tage vom 15. Sivan bis zum 22. Nifan, fo ftimmt die Rechnung 
nur, wenn wir ftir den zweiten Monat nur 28 Tage nehmen. 

Ob Jub. 15, \ unter Sabbat den 21. Nifan verfteht, wie auch Charles 
annimmt und Schurer 111, 378 anzunehmen geneigt ift, jedenfalls durfte 
es nicht erwiefen fein, dag das Buch wegen des dargelegten Sachverhalts 
in eine friihere Zeit gehort, in welcher die Auslegung auch in gefeges- 
ftrengen Kreifen noch jthwankend war. 

') Vgl. athiop. Henoch 74, 10. 12. 75, 2 und flav. Henoch 48, 1 (im 
flav. Henoch 14, 1 findet fich die gew&hnliche Rechnung des Sonnen- 
jahres zu 365 V* Tagen) mit Jub. 6, 23-38. Vergl. dazu Charles, The 
book of Enoch p. 189 ff. und The book of Jubilees p. 53 ff. 

2 ) Vgl. Jub. 4, 1723. Charles, The book of Jub. p. 36 f. meint, 
die Stelle bezOge fich auf athiop. Henoch, cap. 6-16. 2336. 7290. 

3 ) Jub. 10, 13 und 21, 10. 

J ) Jub. 49, 20. - Allem Anfcheine nach ift das Werk alter als die 
Teftamente der zwOlf Patriarchen (f. u. XVI. Kap.) und ift in letjterem 
Werke benutjt. Charles 1. c. p. LXXII meint allerdings, fie hatten beide 
unabhangig voneinander aus denfelben Quellen gefchOpft Allein dagegen 
fpricht, dafj Nachrichten des Buches der Jubilaen in dem andern Werke 
erweitert find. Vgl z B. Test. Juda 3-7 mit Jub. 34, 2-8. Test. Jud. 9 
mit Jub. 38, 1013. 

5 ) Vgl. S. 566 f. Fur eine vorchriftliche Abfaffung des Buches haben 
fich ausgefprochen Littmann S. 37; Bohn, Die Bedeutung des Buches der 
Jubilaen (Theol. Studien und Kritiken 1900, S. 167184; er ift fur die 



XV. Kap. Die judifehe Literatar der neuteftamentlichen Zeit. 569 

fidieren politifchen Andeutungen zur Beftimmung derfelben. 
Wenn Levi vor Juda von Ifaak gefegnet wird, fo konnte 
der Grund fchon darin liegen, dafc Levi der altere war, wenn- 
gleidi nidits im Wege fteht, anzunehmen, daft es wegen der 
Bestimmung Levis, Gott in feinem Heiligtum zu dienen, ge- 
fchah. Man darf auch nicht zuviel Gewicht darauf legen, dafc 
es von den Sohnen Levis heifct, fie wiirden Furften und 
Riditer (und Herrfcher 1 ) allem Samen der Kinder Ifraels 
fein. Denn auch der beruhmte Rabbi Jehuda heifct Ha-Nafi, 
,,der Fiirft" und die Namen ,,Fflrsten und Riditer" werden 
gleich im folgenden Satje erklart durdi ihre Tatigkeit als 
Lehrer und als Riditer. Es heifjt namlidi: ,,Das Wort Gottes 
werden fie in Wahrheit verkunden und all fein Geridit in 
Gereditigkeit riditen." Wenn man die erwahnten Titel auf 
die Zeit der Herrfchaft der Makkabaer-Furften beziehen will, 
darf man nicht uberfehen, daft auch nodi nadi derfelben und 
nadi der Zeit des Herodes (vgl. Jof. Ant. 20, 10, der fagt, nach 
dem Tode des Herodes und des Ardielaus fei der Staat 
ariftokratifdi verwaltetworden: /* 6e T^V TOVTWV ^t'kfv 

ev qv r t -nroXiTfta rqv Sf TfQOGTttGiav TOV sfrvovg ol a 

der Hohepriefter und die vornehmen Priefter- 
gefdilediter an der Spitje des Synedriums und damit des 
judifdien Volkes stand. Von Juda aber heifjt es in dem Segen 
Ifaaks: ,,Sei ein Fiirft, du und einer deiner Sohne uber die 
Sohne Jakobs ... in dir fei die Hilfe Jakobs und in dir 
werde das Heil Ifraels gefunden," eine Stelle, die auch da- 
rauf hinzuweisen fcheint, dag der Meffias von Juda abstammen 

Mitte des zweiteu Jahrhunderls v. Chr.); Charles, The book of Jub. 
p. LVIII ff., welcher "pch far die Zeit zwifchen 135 und dem Bruch des 
Johannes Hyrkanus mit den Pharifaern erklart; Boujfet (Theol. Rundfchau 
1900, S. 374-377), welcher fur die Zeit der Alexandra ijt, undJBalden- 
jperger S. 32, der die Abfaffung in die Mitte des letjten vorchriftlidien 
Jahrhunderts feijen will. Sdiurer HI 4 , 371-384, der noch in der 3 Aufl. 
feines grogen Werkes die Abfaffung in das erfte Jahrh. n. Chr. fetjte, ift 
in der 4. Auflage zu dem Refultat gekommen, dag unfer Buch in die 
vorherodianifdie Zeit gehort, in den Zeitraum zwifchen Johannes Hyrkanus 
und Herodes. Martin, Le livre des Jubiles. Rb 1911, 321 meint, es fei 
gefchrieben gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Audi Szekely, 
Bibl. apocrypha p. 355 sqq. halt die Abfaffung in der Zeit der Hasmonaer 
fur fehr wahrfcheinlich. 

') Jub. 31, 15. Die latein. Oberfetjung hat nur principes et judices. 



570 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittL Zuftande des jiid. Volkes. 

wird. *) Zur Zeit der Konigin Alexandra ist das Buch fchwer- 
lich gefdirieben. Denn dann ware es viel pharifaifcher. 

Gewohnlich -wird heutzutage die Abfaffung des Buches 
in die Zeit des Makkabaerffirften Hyrkanus I. (135105) 
oder doch der Makkabaer verfetjt. Immerhin lafct fidi die 
Moglichkeit nicht verkennen, dajg die Abfaffung erft nadi dem 
Ableben des Herodes und der Abfetjung des Ardielaus ent- 
ftand. Dann erklart fidi die Scharfe gegen Edom und die 
in dem Buche zu Tage tretende Furcht und Warnung vor 
dem religiofen Niedergang, den die Herrfchaft des dem 
Heidentum giinftigen Herodes bei manchem hatte begunftigen 
konnen. 

Das Marty- Zu den judifchen Legendenbudiern gehort audi das 

riumdesPro-Martyrium des Propheten Ifaias, welches von dem 

pheten Ifaias. (ftriftlichen, dem heiligen Hieronymus bekannten Bericht fiber 

die Vifion des Propheten Ifaias und feine Himmelfahrt, mit 

der es f pater verbunden worden ift, unterfchieden werden 

muJ5. 2 ) Schon Origenes kannte aber ein judifches Apocryphum, 



J ) Jub. 31, 18 f. Vgl. Charles zu Jub. 31, 18-19. Schiifer S. 377. 

2 ) Eine trefflidie Ausgabe gab Dillmann, Ascensio Isaiae, aethiopice 
et latine. Lips. 1877 heraus. Seit der Zeit veroffentlichten O.v. Gebhardt 
im J. 1878 eine freie griechifche Uberfetjung des urfpriinglichen Werkes 
und Grenfell and Hunt, The Amherst Papyri I. The ascension of Isaiah, 
and other theological fragments, London 1900, ein groges griechifches 
Fragment 2, 4 4, 4. Di'efe, nebft einer von Bonwetfch ins Lateinifche iiber- 
tragenen flavifchen Oberfe^ung, iiberhaupt das gefamte zur Zeit bekannte 
Material liegt jetjt vor in der Oberfetjung von Charles, The ascension 
of Isaiah, translated from the Ethiopic version, which together with the 
new Greek fragment, the Latin versions (d. h. eine lateinifche Oberfeljung 
von cap. 6 11, wozu die altlateinifdien im Jahre 1828 von Mai heraus- 
gegebenen vatikanifchen Fragmente 2, 14 bis 3, 13 und 7, 1 19 kommen) 
and the Latin translation of the Slavonic is here published in full, with 
introd., notes and indices, London 1900. Eine neue Ausgabe des Mar- 
tyrium Jefajas gab Charles, The Apocrypha II, 155-162 1913 heraus. 
Er halt 1, l-2a. 6b-13a. 2, 18. 10-3, 12. 5, lc-14 fur das Frag- 
ment einer urfpriinglich felbftandigen judifchen Schrift aus dem 1. Jhdt. 
n. Chr. Vorher erfchien E. Tifferant, Ascension d' Isaie. Traduction 
de la version ethiopienne avec les principales variantes des versions 
grecque, latines et slave, introduction et notes (= 3 Bd. der von Martin 
veroffentlichten Documents pour 1'etude de la Bible, Apocryphes de 1' A.T.), 
Par. 1909. Audi er halt das Martyrium (2, 13, 12 u. 5, 1 14 nebft 
einigen Verfen des 1. Kap.) fur judifchen Urfprungs und ficher vor dem 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 571 

in weldiem das Martyrium des Ifaias erwahnt war. 1 ) Es ift 
erhalten in eirier aus dem Griediifchen gefloffenen athiopifchen 
(Jberfetjung. 2 ) Sehen wir von den fpateren chriftlichen Zu- 
fatjen ab, 8 ) fo wird uns hier berichtet, dag fich Ifaias, als 



Jahre 100 nach Ghr. entftanden. Vgl. auch Schiirer III, 389 f. Rb 1909, 
478 s. 

Die cap. 1 5 enthalten das Martyrium des Ifaias, mit einigen 
chriftlichen Interpolationen (f. Anm. 3), die cap. 6 11 bilden den chrift- 
lichen Teil. In cap. 6 wird von einer Vifion des Ifaias im 20. Jahre des 
Ezechias berichtet. Der Prophet wird dann von einem Engel durch die 
fieben Himmel gefuhrt und fchaut im fiebenten Himmel den Vater, den 
Sohn und den HI. Geift (cap. 7 8), und kehrt dann zuruck zum Firmament 
(cap. 9-10). In 11, 2-22 werden die jungfrauliche Qeburt Jefu, fein 
Leben, Tod und Auferftehung gefchildert. Der Prophet fieht auch die 
Auffahrt Jefu bis zum fiebenten Himmel und kehrt in feinen irdifchen 
Korper zuruck (cap. 11, 23 ff.). Die friiheften Zeugen fur den chriftlichen 
Teil find Epiphanius, der haer. 40, 2 und haer. 67, 3 ein dvaprtx6v 
'Hsuiuv nennt, und Hieronymus, der Comm. in Isaiam 64, 4 et 5, ed. 
Vallarsi IV, 761, von einem Werke Ascensio Isaiae redet,, Es ift allge- 
mein zugegeben, dag es fich in cap. 15 und cap. 611 um urfprunglidi 
getrennte und erft fpater verbundene Stiicke handelt. Vgl. u. a. Dillmann 
S. IX ff. Schiirer III, 386393. Robinfon, art. Isaiah, Ascension of in 
Hastings D. II, 498501. Beer, Das Martyrium des Ifaias in Kautjfch, 
Die Apokryphen etc. 2, 219 ff. Charles p. XXXVI ff. Skezely p. 456-481. 

') Vgl. Origenes, Ep. ad Africanum c. 9 (de la Rue I, 19 sq.), fo- 
dann zu Matth. 13, 57 und 23, 27 (de la Rue III, 465 und 848), fowie in 
Jesajam horn. 1, 5 (de la Rue 111, 108). 

-) Das grofje griechifche Fragment 2, 44, 4 zeigt, dafj der athio- 
pifche Text genau dem griechijchen folgt. 

3 ) Der Abfchnitt 3, 13-5, 1, welcher den Zufammenhang ftort und 
von den Weisfagungen des Ifaias iiber die Ankunft Chrifti aus dem 
7. Himmel u dgl. redet, ift ein fpaterer Einfchub von chriftlicher Hand. 
Nach Tifferand ftammen 3, 13-4, 19 und 11, 222 aus dem Ende des 
1. Jahrhunderts, zwifchen 88 und 100; die Vifion des Ifaias (6, 1 11 und 
1, 23-40) kann aus den Jahren 100150 fein. Geftritten wird nur, ob 
das erfte Kapitel, in welchem Ifaias dem Ezechias den Abfall feines 
Sohnes Manaffes vorausfagt, fpatere chriftliche Zutaten enthalte (wie 
Charles fchon in der Ausgabe von 1900, p. XXXVI ff. meint) oder, wie 
wahrfcheinlicher ift, ganz von einem fpateren herriihre (fo Dillmann, vgl. 
auch Schiirer 390), zumal es fur die Erzahlung des Martyrertodes des 
Ifaias nicht notig ift Den ganzen Abfchnitt cap. 15 fur ein. juden- 
chriftliches Produkt anzufehen, verbietet Origenes, der ausdrucklich von 
einem judifchen Apokryph fpricht (fiehe o. Anm. 1). Somit umfagte das 
urfprungliche, dem Origenes bekannte judifche Martyrium des Propheten 
Ifaias von dem iiberlieferten Texte cap. 2; cap. 3, 112 und cap. 5, 



572 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

naeh dem Tode des Ezechias deffen Sohn Manaffes zur Re- 
gierung gekommen ift und fidi fehr gottlos zeigt, mit andern 
zuerft nadi Bethlehem, dann in die Berge zuriickzieht. Bin 
Samaritaner, namens Balkira, verklagt nun den Ifaias bei 
Manajfes, dafc er fich fiber Mofes erhebe und gegen Jerufalem, 
den Konig und das Volk weisfage. Darauf lafjt Manaffes 
den Propheten mit einer holzernen Sage zerfagen. 

Der Kern des Berichtes, die Zerfagung des Propheten, 
wird fcnon von Juftinus Martyr wie von Tertullian erwahnt. l ) 
DasBuchuber Bin jiidifches apokryphes Buch iiber Jannes und 
Jannes und Jambres, 2 ) die beiden agyptifchen Zauberer, welche die 
Jambres. ZzifaQn Mofes vor Pharao nachahmten, 3 ) ift verloren. Das 
Budi wird von Origenes erwahnt, 4 ) der fogar meint, der 
heilige Paulus, der im zweiten Brief e an Timotheus die 
Namen der im Pentateuch nicht genannten Zauberer nennt, 5 ) 
habe diefes aus jenem Buche, 6 ) als ob fie nicht geradefo gut 
aus alter jiidifcher Uberlieferung her ihm bekannt fein konnten. 
Deshalb lafct fich, wenngleich die Namen auch fonft fchon im 
erften chriftlichen Jahrhundert bekannt waren, 7 ) keineswegs 
hieraus fchliefcen, dafc das apokryphe Buch iiber Jannes und 
Jambres aus vorchriftlicher Zeit ftammt. Denn es mufcte doch 
zunachft feftftehen, dag erft diefes Buch diefe Namen erfunden 
oder wenigstens verbreitet habe. 



214. Diefen Abfdihitt hat Beer in Kautjfch 1. c. S. 124127 allein 
iiberfetjt. 

') Vgl. Juftin M. Dial. c. Tryph. c. 120. Tertull. De patientia c. 14 
und Scorpiace c. 8. Schon der heilige Paulus fagt aber Hebr. 11, 37: 
andere (Propheten) wurden zerfagt, eine Stelle, die auf den Tod des 
Ifaias zu beziehen ift. Rabbinifche und andere Uberlieferungen des 
Todes des Ifaias f. bei Beer 1. c. S. 122 f. 

2 ) Vgl. dariiber Kirchenlexikon I, 1065 f. Schurer III, 402 405. 
Marshall, art. Jannes and Jambres in Hastings D. II, 548 f. Skezely I, 
483 485. 

3 ) Exod. 7, 8 ff. 

4 ) Origen. zu Matth. 27, 9 (de la Rue III, 916) ,,Jannes et Mambres 
liber". Ob dies dasfelbe Buch ift, wie der im Decretum Qelasianum 
angefuhrte ,,Liber, qui appellatur_Poenitentia Jamnis et Mambre, apocry- 
phus", lagt fich nicht beftimmen. 

b ) 2 Tim. 3, 8. Nach der Vulgata Jannes et Mambres. 

6 ) Orig. zu Matth. 23, 37 (de>la Rue III, 848). 

7 ) Der im J. 79 n. Chr. geftorbene Plinius erwahnt N. H. 30, 1, 1 
Mofes und Jannes unter den berflhmten Zauberern des Altertums. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 573 

Inwieweit in andern altchristlichen bezw. gnoftifchen 
Schriften, weldie fich auch vielfaeh in legendenhaf ter Weife mit 
altteftamentlichen Perfonen befchaftigen, judifche Materialien 
benutjt worden find, lafct fich fchwer feftftellen, und ift deshalb 
bei der Beftimmung des jiidifdien, oder chriftlichen oder gno- 
ftifchen Urfprungs folcher Schriften grofce Vorficht angebradit. 

Befonders zahlreidi find unter den von Chriften ver- Bucher aber 
fasten oder vielleicht nur iiberarbeiteten Werken folche uber Abraham und 

Adnrn- 

Abraham 1 ) und liber Adam und Eva. 2 ) In einem diefer und Eva 
letjteren, weldies von einigen als ein jiidifdies Werk an- 
gefehen wird, 3 ) wird u. a. von der Bufre Adams und Evas 
erzahlt, ein Beridit Evas fiber den Sundenfall gegeben und 
iiber die dem Adam gewahrte Verzeihung, die Beftattung 
Adams und Abels im Paradies und fiber den Tod und das 
Begrabnis der Eva berichtet. Das Werk beriihrt fich aber 
in vielen Punkten, fo z. B. darin, dafc Adam 40 Tage faftete, 
dafe er 40 Tage im Waffer des Jordan verbradite, u. a., fehr 
mit dem Neuen Teftament. 4 ) Oberdies werden fchon von 
Epiphanius 5 ) gnoftifdie Apokalypfen Adams erwahnt, wahrend 
es an ficheren alteren Bezeugungen eines judifchen Adam- 
buclies fehlt. 6 ) 



J ) Vgl. unten cap. XVI im Anhang zur Baruch-Apokalyp)e. 

2 ) Vgl. daruber Movers-Kaulen im Kirdienlex. I, 856!. 1063f. Harnack, 
Gejeh. der altehri{tl. Lit. I, 856 f. Schfirer III, 396399. Preufchen, Die apokr. 
gnoft. Adamfchriften aus dem Armenifchen iiberf. u. unterfucht. Giejgen 1900. 
Audi L. Wells in The books of Adam and Eve in Charles, The apo- 
crypha II, 123 154 fucht zu zeigen, dag das Werk judifchen Urfprunges 
ift und zwifchen 60 300 n. Chr , wahrfcheinlich in den fruheften Jahren 
diefer Periode gefchrieben.wurde. 

3 ) Vgl. Fuchs, Das Leben Adams und Evas (auf Grund eines 
griedrifchen, lateinifchen und altflavifchen Textes) in Kautjfch, Die Apokry- 
phen etc. 2, 506528. Vgl. auch Bouffet, Die Religion des Judentums 
S. 22 f . und Kabifdi, Die Entftehungszeit der Apokalypfe Mofes in Z. f. d. 
neut. Wiff. Giegen 1905, S. 109- 134. - Der griech. Text des Werkes ift 
von Tifchendorf, Apocalypses apocryphae, Lips. 1866, p. 1 23 als Apokalypfe 
Mofis herausgegeben worden; ebenfalls von Ceriani, Monumenta sacra 
et profana V, 1 p. 21 sqq. Vgl. uber die uberlieferten Rezenfionen des 
Textes Fuchs a. a. O. S. 506 ff. 

*) Vgl. Fuchs S. 510, 512, 6 f., 519, 13 und 39. 

5 ) Epiphan. Haer. 26, 8. 

6 ) Das Verzeichnis der Apokryphen des Alten Teftamentes in der 



574 Zweiter Abfohnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 
c) Die apokalyptische Himmelfahrt Mofis. 

Mit diefem Namen bezeichnet man ein nur in einer alt- 
lateinifchen Oberfetjung erhaltenes altes jiidifches Werk, 1 ) in 
welchem fich eine aus der ,,Himmelfahrt des Mofes" in der 
Gefchichte des zweilen Konzils von Nizaa angefiihrte Stelle 2 ) 
findet. Die erften drei Zeilen der einzigen Handfchrift des 
Werkes, welche wohl den Titel enthielten, find unleferlich. 
Am Schlufc bridit das Werk mitten im Satj ab. 3 ) Soweit es 
vorliegt, ist es das Vermaditnis Mofis an Jofue. 4 ) Vermut- 
lich hat fich ein weiterer Abfchnitt, welcher die Himmelfahrt 
Mofis enthielt, hieran angefchloffen. 5 ) 



fogen. Stichometrie des Nicephorus (bei Preufchen, Analecta, Freib. 1893, 
p. 156 158), welches in der fogenannten Synopsis Athanasii wiederholt 
wird, erwahnt gar kein Adambuch, wohl aber fteht es an erfter Stelle in 
einem anonymen Kanonsverzeichniffe, welches von Montfaucon, Pitra u. a., 
und auch von Preufchen, 1. c. p. 158160 herausgegeben ift. Diefes 
letjtere gibt aber alt- und neuteftamentliche Apokryphen nach der chrono- 
logifchen Reihenfolge der darin behandelten Perfonen und beweift fomit 
nichts fur den jiidifchen Charakter des von ihm erwahnten Adambuches. 
*) Veroffentlicht von Ceriani (in Monumenta sacra et profana vol. I. 
fasc. 1 p. 55 64. Mediol. 1861) aus einem Palimpsest des 6. Jahrhdts. 
Die befte Ausgabe, lateinifch und englifch, ift die von Charles, The Assum- 
ption of Moses. London 1897. Vgl. auch Charles, The apocrypha II, 
407-424. Eine deutfche Uberfetjung gibt Clemen, Die Himmelfahrt Mofes 
in Kau^fch, Die Apokryphen 2, 311331. 

2 ) Vgl. Ass. Mos. 1, 14 mit Gelasii Cyziceni, Commentarius acto- 
rum concilii Nicaeni 2, 18 bei Mansi, Sacrorum conciliorum collectio 
t. II. (Flor. 1759) col. 844. 

3 ) Das Werk will nach Kap. 1 , 19 als eine Anfprache Mofis an 
Jofue angefehen fein. Diefe ift aber mit Kap. 12 tatfachlich beendigt 
und deshalb aus inneren Grunden zu fchliefoen, dag fehr wenig fehlt. 
Vgl. F. C. Burkitt, art. Mofes, Assumption of, in Hastings D. Ill, 449. 

4 ) Neben einer 'Avcityyi? Mwtfaw? wird in der Stichometrie des 
Nicephorus, der Synopse Athanasii und in dem oben erwahnten anonymen 
Kanonverzeichnis (f. 1. c. p. 159) auch eine AiaQ-rixri Mo>asi<; erwahnt. 
Vermutlich handelt es fich urn verfchiedene Teile desfelben Werkes. 

5 ) Vgl. Charles I. c. p. XLV L und pag. 105 ff. Eine assumptio 
Mosis ift in Clem. Alex. Adumbr. in epist. Judae (bei Zahn, Forfchungen, 
III. Teil, Supplem. Clement, p. 84) und Didymus, Enarratio in ep. Judae 
(bei Gallandi, Bibl. patrum VI, 307) erwahnt, eine ascensio Mosis bei 
Origenes, De princ. 3, 2, 1 (vgl. diefe u. a. Stellen bei Charles p. 107 f.). 
Origenes 1. c. fieht in dem kanon. Judasbrief v. 9 vom Streit des Erz- 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 575 

Unfer Werk befdiaftigt fich blofe mit der Gefchidite des 
auserwahlten Volkes und nidit mit der perfonlidien Gefchidite 
des Mofes. 

Der Inhalt ift folgender: Mojes fe^t, da die Zeit feines inhait der 
Lebens vollendet ift, Jofue zu feinem Nadifolger ein und Himmeifanr 
ubergibt ihm die Biidier, weldie er an einem ficheren Ort M f es - 
vergraben foil (Kap. 1). Dann gibt er in cap. 3-4 Weis- 
fagungen iiber die Gefchidite des Volkes bis zur Ruckkehr 
einiger Teile der Stamme aus dem Exil. Das Strafgerieht, 
heifct es (cap. 5), wird kommen iiber ihre Konige (die .heid^ 
nifchen Machthaber), aber auch die Juden felbft werden hin- 
fiditlich der Wahrheit uneins fein, und Leute, die nicht Priefter, 
fondern Sklaven und Sklavenjohne find, werden den Altar 
mit ihren Gaben befledcen. Dann (cap. 6) werden Konige 
fiber fie herrfchen, welche im Allerheiligften Gottlofigkeit 
veriiben (die Hasmonaer) und ihnen folgt ein verwegejier 
und gottlofer Menfch, nidit aus priefterlidiem Gefchlechte, der 
fie wie die Agypter bedriicken , und beftrafen wird 34 Jahre 
lang (Herodes). Und Sohne wird er zeugen, weldie kurzere 
Zeit als er regieren werden, und ein ma"chtiger Konig des 
Abendlandes wird in ihr Gebiet einfallen und einen Teil 
ihres Tempels verbrennen. 1 ) Von da ab werden die Zeiten 
zu Ende gehen. Und iiber fie werden verderbliche und gott- 
lofe Menfchen herrfchen, Betriiger, Heuchler, Sdilemmer, die 
Unreines treiben und dabei fagen: Riihre midi nidit an, da- 
mit du midi nidit verunreinigeft (cap. 7). Dann kommt iiber 
fie nodi nidit gewefene Rache. ,,Der Konig der Konige der 
Erde" wird die, weldie fidi befdmeiden laffen, am Kreuz 
aufhangen, ihre Frauen unter die Heiden verteilen und ihren 
Knaben eine Vorhaut iiberziehen laffen, andere aber zwingen, 
offentlich ihre Go^enbilder zu tragen und das Gefe^ zu laftern 
(cap. 8). In jener Zeit wird ein Mann aus dem Stamme 
Levi, namens Taxo, auftreten und feine fieben Sohne auf- 
fordern, lieber drei Tage zu faften und dann in einer Hohle 

engels Michael mit dem Teufel fiber den Leib des Mofes eine Anfiihrung 
der ascensio Mosis. Das ift ficher zu weit gegangen. Vgl. Clemen 
1. c. S. 312. 

l ) Qemeint ift der Statthalter von Syrien, Varus. Vgl. Jos. Ant. 
17, 10, 1 ff. B. J. 2, 3, 1 ff. S. o. S. 168 ft. 



576 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

auf dem Felde zu fterben, als die Gebote des Herrn der 
Herren zu iibertreten (cap. 9). Dann wird das Reich des 
Herrn uber alle Kreatur erfcheinen und der Teufel nicht mehr 
fein. Und der Gefandte, der am hochften fteht, wird fie 
an ihren Feinden radien. 1 ) Die Erde wird erbeben, die 
Sonne keinen Sdiein mehr geben und der ewige Gott die 
Heiden ftrafen und ihre Gotjenbilder vernichten. Ifrael aber 
wird glticklich fein und von Gott bis zum Sternenhimmel 
emporgetragen, von wo es auf feine Feinde auf Erden 
herabfieht (cap. 10). Im vorletjten Kapitel klagt Jofue uber 
den Weggang des Mofes und fagt: Welcher Ort wird dich 
aufnehmen oder welches Denkmal dein Grab bezeichnen 
oder wer wird wagen, deinen Leichnam von hier wegzu- 
fchaffen? Dein Grab ift der ganze Erdkreis. Mofes ermuntert 
aber (cap. 12) den Jofue. Die Kinder Ifraels wiirden zwar 
viel gezuchtigt von den Heiden, konnten aber nicht vollig 
ausgerottet werden. 

Stehen hier die Kapitel 8 und 9 an der richtigen Stelle,-) 
fo wird die Endzeit in Bildern, welche der Gefchichte der 
Verfolgung unter Antiochus Epiphanes entnommen find, 3 ) 
gefchildert und ift der Levite Taxo mit feinen fieben 36'hnen 
ein Abbild der Affidaer, welche fich damals an verborgene 
Orte in der Wufte gefliichtet haben. 4 ) 

DieAbfaffung Die Schrift if-t fehr wahrfcheinlidi um das Jahr 7 n. Chr., 
der HimmeK bald nach der Abfetjung des Archelaus abgefagt worden. 
fahrt faiit um rj a fu r fpricht einerfeits, da& der Tod des Herodes voraus- 
7 n - hr - gefe^t und gefagt wird, daft feine Sohne kiirzere Zeit als 
er regieren wiirden. Das konnte jedermann wahrfcheinlidi 
erfcheinen, als im Jahre 6 n. Chr. Archelaus abgefetjt wurde, 
horte aber fiir die Vierfurften Philippus und Herodes Antipas 
mit dem Jahre 30 n. Chr. auf, wahr zu fein. 5 ) Anderfeits 
l. unten Kap. 22, 2. 



2 ) Charles p. 28 30 will cap. 8 9 zwifchen cap. 5 und cap. 6 
fe^en. Allein cap. 10 pagt be[fer nadi cap. 9 als nach cap. 7. 

3 ) Vgl. Clemen 1. c, S. 313. Burkitt p. 449. 

4 ) S. 1 Mace. 2, 31. Vgl. auch 2 Mace. 6 f. uber Eleazar und die 
Makkabaerin und ihre [ieben Sohne. Uber die verfchiedenen Erklarungen 
des Taxo vgl. Charles p. 35 f., der felb[t The Apocrypta 11, 421 ftatt 
Taxo Taxos lieft und dies = Tngiax = 7)D2n = Eleazar (vergl. 2 Mace. 
6, 18 ff.) fe^t. 

6 ) G. Holscher, ,,Die Entftehungszeit der Himmelfahrt Mofes," ZNw 



XV. Kap. Die judijche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 577 

wird aber fofort nach diefer angeblichen Weisfagung und 
der Erwahnung der Ziiditigung des Landes (durch Varus) 
gefagt (7, 1), da& von da ab die Zeiten zu Ende gehen 
werden. 1 ) 

Der Verfaffer ift kein Effener, da er fur das Schickfal 
des Tempels gro&es Intereffe hat, 2 ) aber auch kein Sadduzaer, 
denn er erwartet ein theokratifches Reich, 3 ) auch kein Phari- 

1916, S. 108127 u. 149158 hat die bereits fruher von einigen Gelehrten 
vertretene Anficht aufgenommen und beffer zu begriinden gefucht, dag 
die Sdirift erft im zweiten Jahrhundert n. Ghr. gefchrieben fei. Er verlegt 
die Abfaffung in das Jahr 131 n. Chr., nodi vor den Ausbruch des Krieges 
unter Hadrian. Sonft werden die Worte in 6, 7 ,,rex .... (Herodes) 
produce! natos qui succedentes sibi breviora tempora dominarent" dahin 
verftanden, dag der Verfaffer vor dem Tode des Antipas und des Phi- 
lippus fchrieb, die tatfachlich la'nger als ihr Vater regierten. Holjcher 
meint, der Verfaffer kOnne auch nur an Archelaus und Agrippa I (4144), 
die in naherer Beziehung zu Jerufalem ftanden, gedacht haben. Auch konne 
in 6, 8-9 nicht an Varus (vgl. Jos. Ant. 17, 10, 9 f. 11, 1. B. J. 2, 5, 1 -3) 
gedacht fein, da der Ausdruck n occidentis rex potens" nur auf einen 
Kaifer paffe. Das war aber auch Titus nicht, als er Jerufalem eroberte. 
Die Erklarung von Taxo in cap. 9, 1 = Eleazar (vgl. Charles S. 576, 4 
und vorher Burkitt in Hastings III, 449), der nach Holfcher identijch fein 
foil mit den auf Munzen aus der Barkochbazeit erwahnten Hohenpriefter 
Eleazar, ift zu wenig wahrfcheinlich. Auch nach Holfcher foil Taxo Verftum- 
melung von Taxes = rag * und diefes Wiedergabe von einem hebraifchen 
TCOn fein, das fich nach der rabbinifchen Gematria in Ti^N auflofe. 
Ober die meffianifche Hoffnung in dem Buche vgl. u. Kap. 22 Nr. 2. 
Auch Ch. Sigwalt, Die Chronologic der Assumptio Mosis. Ein Beitrag 
zur hiftorifchen Wertung der Apokalyptiker. Bibl. Zeitfchr. 1910, 372-376 
meint auf Grund der Chronologic der Schrift ihre Abfaffung ficher da- 
tieren zu kOnnen, fie fei gefchrieben 132 n Ghr. als Aufftandsmanifeft im 
Dienfte des damaligen Meffias. Es ergebe fich dies aus dem in Taxo 
chiffrierten Namen. Taxo = hebraifch lEJnn habe den Zahlenwert 714 
(400-f8-|-300-f 6). Selje man die Zahl 714 wieder in's Hebraifche um, fo 
Icomme man zu Simeon Bar Kosiba ^712 na ]13??2ffi (300-(-40.-f-70-(-6-[-50 + 2 
-j-200+20+6-|-7+104-24-l = 714). Allein es ift doch gar zu unwahr- 
fcheinlich, dag der Kriegsheld des Freiheitskrieges identijch fein foil mit 
dem Leviten Taxo, der iiberhaupt nicht kampfen, fondern fich mit feinen 
Sohnen wahrend der Verfolgung in eine Hohle zuruckziehen will, um fo 
lieber zu fterben als die Befehle Gottes zu iibertreten. 

1 ) So u. a. Charles p. LV ff., Clemen S. 313 f., Burkitt p. 448. Ahn- 
lich Schurer 111, 297, Baldenfperger , Die meffianifch-apok. Hofmungen 
des Judentums. 3. Aufl. 1903 S. 38 f. u. a. 

2 ) Vgl. Ass. Mos. 1, 17. 2, 4. 8. 3, 2. 6, 9. 

3 ) Vgl. Ass. Mos. cap. 10. 

Fellen, Neuteftamentlidie Zeitgefcfaidite. I. 2. u. 3. Auil. 37 - 



578 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

faer, da er die Pharifaer in Kapitel 7 angreift und erft redit 
kein Zelot, da fein Ideal der ftillduldende Levit Taxo iff. Er 
.ift vielmehr einer der Frommen im Lande, 1 ) die fehnfuchtig 
den Anbruch des Reidies Gottes erwarteten und fich von 
alien Parteien fernhielten. 

Die altlateinifche Uberfetjung, in welcher das Werk er- 
halten ift, ift anerkanntermafcen aus dem Griediifdhen ge- 
floffen, 2 ) womit natiirlich nicht gefagt fein foil, dafi das 
Original nicht hebraifch oder aramaifch abgefagt war. 3 ) Der 
den myftifchen Spekulationen und Allegorien der alexandrini- 
fchen Richtung abgewandte Geift der Schrift weift auf einen 
palaftinenfifchen Juden als Verfaffer bin. 

d) Philo. 

Phiios Philo, gewohnlich zum Unterfchied von andern Tragern 

Lebensum- desfelben Namens Philo Judaus genannt, wird von Jo- 

ftande. j epnus 4) a i s M gj n we jt beruhmter Mann, der Bruder des 
Alabarchen Alexander, ein durch und durch gebildeter Philo- 
foph" charakterifiert. In der Tat, wie Jofephus der Hiftoriker, 
fo ist Philo der Philofoph des Judentums im erften chrift- 
lichen Jahrhundert. 

Wie gut wir nun auch uber die Anfdiauungen Phiios 
durch feine eigenen Sdiriften unterrichtet find, fo wenig 
wiffen wir uber die au&eren Umftande feines Lebens. Darin 
gleicht er allerdings fo vielen andern grofeen Gelehrten des 
Altertums. 

Er lebte in Alexandrien und gehorte einer der vor- 
nehmften judifchen Familien der Stadt an. Sein Bruder 
Alexander, der Alabarch, 5 ) ragte nicht nur durch fein Amt,, 

J ) S. Charles p. L1-L1V und Baldenfperger S. 42. Sdiurer 111,300. 
Lagrange, Nofes sur le Messianisme au temps de Jesus Rb 1905, p 486 
meint, wenn man es fdiwierig fande, zu beftimmen, zu welcher judifdien 
Partei der Verfaffer gehOrte, kOnne man mit M. Faye fagen: ,,C'est un. 
patriote et un fanatique." 

2 ) Vgl. u. a. Charles p. XXXVI ff., der p. XXIX ff. fiber den fpracii- 
lichen Charakter und den kritifdien Wert der altlatein. Oberfe^ung handelL 
S. audi Clemen p. 316. 

l ) Charles p. XXXVIII ff. will einen hebraifchen Text als Qrundlage 
des griecfaifdien nachweifen. Sidieres weig man aber nicht. 

*) Ant. 18, 8, 1. Vgl. auch Bus. H. E. 2, 4, 3. 

5 ) Vgl. o. S. 277, 5. 



XV. Kap. Die judifdie Literatur der neuteftamentlidien Zeit. 579 

fondern audi durdi ,,Adel und Reiditum vor alien feinen 
Mitbfirgern hervor". 1 ) Er war der Sadiwalter der Antonia, 2 ) 
der Mutter des Kaifers Claudius und Toditer des M. Antonius, 
und ein Grofjfinanzier, der unter andern dem Herodes Agrippa 
eine grofje Summe Geldes lieh und fpater fogar mit ihm 
verwandt wurde, da Agrippa eine feiner Tochter einem 
Sohne des Alexander zur Frau gab. 3 ) : 

Philo fuhrte aber von Jugend auf ein zuruckgezogenes, 
den Studien gewidmetes Leben und wurde erft im vor- 
geriickten Alter in das Meer der politifchen Sorgen hinein- 
gezogen, 4 ) als man ihn im Jahre 38 n. Chr. an der Spifce 
einer Gefandtfdiaft an den Kaifer Caligula nadi Rom fchickte, 5 ) 
um dort Abhilfe gegen die Bedriickungen feiner verfolgten 
Glaubensgenoffen zu fuchen. Fiir diefe Aufgabe empfahlen 
ihn feine Erziehung und Einficht, wie fein Alter. 6 ) Da er 
naeh feiner eigenen Angabe damals ein Greis war und fo- 
mit fein Alter auf 6070 Jahre gefchatjt werden mug, ift er 
um das Jahr 3222 v. Chr. geboren. Ober die Gefandt- 
fchaft und die unwurdige Behandlung, weldie ihr der Kaifer 
zu teil werden liejg, hat er nicht lange danach, als aber be- 
reits Claudius regierte, einen Beridit verfagt, der nodi er- 
halten ift. 

An authentifchen Nadiriditen iiber fein fpateres Leben 
fehlt es. Namentlich fpridit nichts dafur, dag er zu Rom mit 
Petrus zusammengetroffen und Chrift geworden ift. 7 ) Sein 



) Ant. 20, 5, 2. 

2 ) Ant. 19, 5, 1. Wahrfcheinlich war er Verwalter ihrer vaterlithen 
Gflter in Agypten. Vgl. Massebieau, Chronologie de la vie et des oeuvres 
de Philon in Rev. d'hist. des religions, tome LIU, Paris 1906, p 30. 

3 ) Ant. 18, 6, 3. 19, 5, 1. Vgl. oben S. 206. Alexander war ein 
irommer Jude, der 9 Tore des Tempels in Jerufalem mit Gold und Sil- 
ber bedecken liejg (B. J. 5, 5, 3). Ober feinen Sohn Tiberius Alexander, 
den Statthalter von Agypten, der vom judifdien Glauben abfiel, f. oben 
S. 217 f. 249 f. 

*) Philo, De specialibus legibus 3, 1, 3 ? (ifya. nttayog TUV ev 



5 ) Vgl. o. S. 280 f. 

6 ) Philo, Leg. ad Cajum 28. Er nennt fich audi ebd. 1 einen Greis. 
Die Schrift i{t zwar erft unter Claudius, der von 41 - 54 regierte, abgefafct 
(1. c. 30) aber ficher nicht lange nach den darin gefchilderten Ereigniffen. 

') Eufebius H. E. 2, 27, 1 berichtet, Philo fei zur Zeit des Kaifers 

37* 



580 Zweiter Abfdmitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Leben fiel zu fruh, als dag er mil den chriftlichen Ideen be- 
kannt werden konnte. 
Sein Charak- i n feinen gleich zu befprechenden Schriften erfdieint er 

L^hretnlliiN 818 ein edler ' die Tu S end preifender und liebender Mann. 
gemeinen. Sein von f einen Volksgenoffen felten erreichter fpekulativer 
Geift hat die judifch-alexandrinifche Religionsphilofophie zu 
einer folchen Hohe und verhaltnismagigen Klarheit der Lehre 
erhoben, dag bei denjenigen helleniftifchen Juden, weldie 
ihr anhingen, das Chriftentum manche Anknupfungspunkte 
fand, wodurch fie leichter zur wahren Lehre gefiihrt werden 
konnten. Er bekundet eine genaue und umfaffende Kenntnis 
der griechifchen Literatur und i[t nidit nur tief in die Syfteme 
der griediifchen Philofophen eingedrungen, fondern gehort 
felbft zu ihnen. Allerdings ift er Eklektiker und hat u. a. 
mandie ftoifche und neupythagoraifche Elemente in fein 
Syftem aufgenommen. Vor allem aber verehrte er den Plato, 
den er bisweilen als den Grogen und Heiligen bezeichnet 
und detn er im Ausdruck und der Lehre fo nahe gekommen 
ift, dag nadi dem heiligen Hieronymus die Griedien zu fagen 

pflegten: 2 ) n JlXdrcav <jptA&m f] (fiiXwv TtXarMvilI.fi'. 

Die vielen Widerfpriiche in feinen Lehren mogen fich 
zum Teil aus dem in der Zeitrichtung liegenden Beftreben 
erklaren, widerfprechende und unvereinbare philofophifche 
Lehren miteinander zu vereinigen, zum Teil mogen fie daran 
liegen, dag Philo in fpateren Schriften feine friiheren An- 
fichten modifizierte. 



Claudius zum zweitenmale nadi Rom gekommen und habe dort mil dem 
Apoftel Petrus in freundfchaftlichem Verkehr geftanden. (Vgl. audi Hier. 
de vir. ill. c. 1.) Allein die Nachricht, die mit ioyo? e%ti eingeleitet wird, 
ift fehr unglaubwurdig. Weder Jofephus nodi irgend ein gleichzeitiger 
Schriftfteller weift etwas davon. Dasfelbe gilt auch von der weiteren 
Nachricht (Bus. E. H. 2, 18, 8), Philo folle zu Rom unter Claudius vor 
dem verfammelten Senat und unter deffen Beifall feine Schrift ,,Die 
Gefandtfchaft an Cajus" vorgelefen haben. Das ift fchon deshalb unmOglich, 
weil die Schrift eine fcharfe Verurteilung des Polytheismus ift. Ober 
die irrtumliche Meinung des Eufebius, die von Philo gefchilderten Thera- 
peuten feien chriftliche Aszeten gewefen, s. o. Kap. 12, 4. Dag fich in den 
Werken Philos keine Spur von Chriftentum findet, bemerkt mit Recht 
fchon Auguftinus in Faustum 1. XII c. 39 (Migne PL 42, 274). 
*) Hier. de vir. ill. c. 11. 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 581 

Bei all feiner Begeifterung fur die griechifche Philofophie 
hat er weder den Glauben nodi die Frommigkeit eines wirk- 
lichen Juden verloren. Ihm gait das Alte Teftament, welches 
er in der griechifchen Oberfefcung las, als gottliche Offen- 
barung 1 ) und als die Quelle, woraus die in den philofo- 
phifchen Schriften und Mythen der Griechen enthaltenen Wahr- 
heitsmomente entlehnt waren. 2 ) Allein das Beftreben, als 
wahrgehaltene pythagoraifche, platonifche, peripatetifche und 
ftoifche Gedanken mit dem Alten Teftamente zu verbinden, 
fuhrte ihn nun zu einer weitgehenden allegorifchen Erklarung 
der heiligen Biicher. Wahrend er meinte, fie in ihrem geiftigen 
Sinn aufzufaffen, entleerte er fie ihres Inhaltes. 3 ) Aber er 
will doch auch anderfeits bei feiner allegorifchen Schriftaus- 
legung den Wortfinn nicht vernachlaffigt haben. So z. B. 
fagt er von der Sabbatfeier, fie enthalte den tiefen Sinn, 
dafj Gott allein Tatigkeit (t^fta), dem Menfchen Leiden zu- 
komme, aber fie fei doch ebenfo fehr ein vollgiiltiges Gebot. 4 ) 
Wer an den biblifchen Wundern zweifelt, der kennt Gott 
nicht und hat ihn nie gefucht, 5 ) und das Gefetj ift fur die 
Juden ,,der Anker, auf dem ihr Leben ruht". 6 ) Aber feine 
Lehren werden in Verbindung mit den theologifchen An- 
fchauungen jener Zeit befprochen werden. 

Den zahlreichen Schriften Philos 7 ) ift neuerdings wieder 
viele Aufmerkfamkeit gefchenkt worden und ift eine neue 



J ) Vgl. z. B. Quis rerum div. heres c. 53 (ed. Mangey I, 511) und 
De vita Mosis 1, 1. S. u. S. 584, 587 f. Ober Philos Kenntnis des 
Hebraifchen vgl. Siegfried, Philo von Alexandrien. Jena 1875 S. 144. 
Fitter, Philo und die Halacha. L. 1879, S. 10. 

2 ) S. o. S. 520 

3 ) Vgl. u. a. Drummond, Philo Judaeus or the Jewish Alexandrian 
philosophy in its development and completion. 2 Bde. Lond. 1888 
(Drummond hat auch den Art. fiber Philo in Hastings Diet. Extra vol. 
Edinb. 1904, p. 197208 verfafct) und Brehier, Les idees philosophiques 
et religieuses de Philon d'Alexandrie. Paris 1908. H. Windifeh, Die 
Frommigkeit Philos und ihre Bedeutung fur das Chriftentum. Eine 
religionsgefchichtliche Studie. L. 1909. Kennedy, Philo's Contribution 
to religion. L. 1919. 

*) De migr. Abr. 16 (ed. Mangey I, 450). 

5 ) Vita Mosis I, 38 (M. II, 114). 

e ) In Flaccum 8 (M. II, 525). 

7 ) Die Hauptausgabe war lange Zeit die von Thorn. Mangey, Philo- 



582 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jfid. Volkes. 

kritifche Ausgabe derfelben nodi im Erfdieinen begriffen. 
An der Hand der Arbeiten, welehe fidi mit der Klaffifizierung 
der philonifchen Schriften befchaftigen, 1 ) werden lettfere am 
beften in folgende Gruppen eingeteilt: 2 ) 



nis Judaei opera. 2 voll. London 1742, deren Seitenziffern in den 
ubrigen Ausgaben {lets angegeben werden. Auf derfelben beruht auch 
die handlidie und bequeme Ausgabe von Riditer in adit Bandchen. 
Lips. 1828-1830 und die Lips. 185153 bei Tauchnitj erfchienene Edilio 
stereotypa. In beiden Ausgaben find auch die von Mai 1818 zuerft 
herausgegebenen kleinen Traktate De festo cophini und De parentibus 
colendis und die zuerft von Aucher, Venedig 1822 und 1826 aus dem 
Armenifchen ins Lateinifche uberfetjten Schriften Philos enthalten. Alle 
aiteren Ausgaben werden aber uberholt durch die Ausgabe: Philonis 
Alexandrini Opera quae supersunt. Ediderunt Leop. Conn et P. Wendland. 
Berolini, 6 Bde. 1896-1915 (1. 4. 5 ed. Cohn 1896. 1902. 1906; 2-3 ed. 
Wendland 1897. 1898; 6 ed. Cohn et Sig. Reiter 1915). Eine editio 
minor ohne textkrit. Apparat erfchien 1896 1915 in 6 Banden. Sie bietet 
den Text der kritifchen Ausgabe und ift mit dem 6. Bande abgefchloffen. 
Vgl. die Praefatio zum 6. Bande p. V: operum . . vel deperditorum vel 
armeniace tantummodo servatorum reliquiae et fragmenta nisi in editione 
critica non edentur. Eine Ausnahme machen nur die Fragmenta der 
Hypothetica (Apologia pro Judaeis), welehe im Appendix des 6. Bandes 
189 - 200 gedrudct find. Vgl. fiber die frfiheren Ausgaben Philonis Opera 
vol. I, ed. Cohn p. LXX LXXX. Ober die alte, aus dem vierten Jahr- 
hundert ftammende lateinifche Oberfetjung einiger Werke Philos und die 
fpateren lateinifchen Oberfetjungen (worunter die von Qelenius, Bafel 1554 
hervorragt), vgl. Cohn 1. c; p. LI und LXXXI, fiber die armenijche Ober- 
fetjung ebd. p LII LVI. Von einer deutfchen Oberfetjung mit gelegent- 
lichen Anmerkungen, die Prof. Dr. Leopold Cohn herauszugeben begonnen 
hatte, find 4 Bande erfchienen unter dem Titel: Schriften der judifch- 
helleniftifchen Literatur in deutfcher Oberfetjung. Erfter - vierter Band. 
Die Werke Philos von Alexandrien. Erfter - vierter Teil. Breslau 
1909-1910. 1919. 1923. Der erfte Teil enthalt: Ober die Weltfchopfung, 
fiber Abraham (J. Cohn), uber Jofeph (L. Cohn), .das Leben Mofis 
(B. Badt), den Dekalog (L. Treitel); der zweite Teil: Ober die Einzel- 
gefe^e, Buch 1 - IV (L. Heinemann), die Tugenden (L. Cohn), Belohnungen 
und Strafen (L. Cohn); der dritte Teil: Allegorifche Erklarung des 
heiligen Gefetjbuches, Buch I -III (J. Heinemann), die Cherubim (L. Cohn), 
die Opfer Abels und Kains, die Nachftellungen, die das Schlechtere dem 
Befferen bereitet (H. Leifegang). - Der vierte Teil: Von der Nachkom- 
menfchaft Kain's, von den Riefen, dag Qott unveranderlich ift (H. Leife- 
gang), vom Landbau und der Gewachfezucht Noes. 

l ) Vgl. befonders L. Massebieau, Le classement des oeuvres de 

- Philon in Bibl. de 1'ecole des hautes etudes, Sciences rel. I (Paris 1889) 

p. 191; die Fortfetjung hiervon bildet L. Massebieau et E. Brehier, 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlidien Zeit. 583 

I. Philofophifche Schriften, weldie aus der friiheften Phiiojophifche 
literarifchen Produktionszeit Philos ftammen und im Stil edit Jugendfdirif- 
philonifch, mehr Excerpte aus der philofophifchen Literatur ten Phllos 
als felbftandigeArbeiten find. 1 ) Zu diefen Sdiriften gehoren 
zunachft die Schrift ,,von der Unzerftorbarkeit des Weltalls". 2 ) 
Diefelbe ift allerdings ofter als unecht angefehen worden, 
weil fie von der Ewigkeit der Welt handelt, Philo aber an 
die Erfchaffung der Welt glaubte. Allein der Verfaffer glaubt, 
die Welt fei erfchaffen, aber von Ewigkeit her. Von einer 
andern Jugendfchrift, weldie den Gedanken ausfuhrt, da$ 
nur der Rechtfchaffene frei fei, 3 ) ift die eine Halfte, dajg jeder 
Bofe unfrei fei, verloren gegangen. Das Werk ,,von der 
Vorfehung" ift, abgefehen von einigen griediifdien Fragmenten, 
nur aus dem Armenifchen, worin es zwei Biidier umfafct, be- 
kannt. 4 ) Ebenfalls nur armenifdi erhalten ift die Schrift 

Essai sur la chronologie de la vie et des oeuvres de Philon in Revue 
de 1'histoire des religions. Tome LIII (Paris 1906) p. 25 64 (von p. 55 
an von Brehier redigiert auf Grund des literarifdien Nachlaffes von 
Massebieau), p. 164185 und 267289, worin befonders verfucht wird, 
die relativ fruhere oder fpatere Abfaffungszeit einzelner Schriften Philos zu 
beftimmen; dann Cohn, Einteilung und Chronologie der Schriften Philos 
im Philologus, Zeitfchr. fur das klaff. Altertum. Supplementband VII, 
Heft 3, 1899, S. 387-435. S. auch Schurer III, 633-695. 

2 ) Im folgenden wird der wohl begrflndeten Einteilung von Cohn 
gefolgt, der auch 1. c. p. 431 f. gezeigt hat, dag von den Schriften der 
zweiten Hauptgruppe die Quaestiones fpater als der groge allegorifdie 
Kommentar verfagt find. In der Darftellung der mofaifdien Gefetjgebung 
aber wird auf beide genannte Werke verwiefen. (Vgl. Cohn S. 432 ff.) 

x ) Cohn S. 389. 

a ) fltyi nq>&ct(,6ia,<; *66nov = De incorruptibilitate mundi. Mangey II, 
487516; Cohn, VI, 5185. Vgl. die textkritifche Ausgabe von Cumont, 
Philonis De aeternitate mundi. Berlin 1891, welcher p. II XXIV den 
Nachweis der Echtheit der Schrift erbringt. 

3 ) Fltgi znv ndvTn. GnovSaluv elvctt IkBi'&eQov = Quod Omnis probus 

liber. Mangey II, 445-470, Cohn VI, 1-31. Bin fiber die Effener 
handelndes Stfick daraus auch in Euseb. Praep. evang. VIII, 12. Ober 
die Ecbtheit {. u. a. Massebieau 1. c. p. 79-87 und Krell, Philo nt^l n.,' 
nai-Ti* (Srrordalov tivai ef.tv&etfov. Die Echtheitsfrage. Progr. Augsburg 
1896, fowie Schurer III, 675 f. 

*) I7s(fi n(>tivoin<; = De providentia (in der Tauchni^er Ausgabe VIII, 
1-113 lateinifdi). Ob das erfte Buch echt i[t, ift zweifelhaft. Jedenfalls 
ift es aber, wenn echt, nur in fiberarbeiteter Form erhalten. Massebieau 
p. 87-91 halt das erfte Buch fur unecht, wahrend Wendland, Philos 



584 Zweiter Abfchnitt, Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

,,iiber Alexander (d. h. fiber feine Meinung), dag auch die 
Tiere (in gewiffem Sinne) Vernunft haben", 1 ) wogegen fich 
der Verfaffer mit Entfchiedenheit wendet. 

Phiios Eriau^ 11. Eine zweite Hauptgruppe bilden die zahlreichen 
terungsfchrif- Erlauterungsfchriften zum Pentateuch. Ihr gehoren drei 

tateuch. ..x T-V " , . , , ,, , ^ 

1) Der allegorifche Kommentar zum Pentateuch, 

welcher fchon zur Zeit des Eufebius feine Einheit verloren 
hatte und in viele Einzeltraktate , welche unter befonderen 
Titeln angefuhrt werden, zerfiel. 2 ) Der eigentliche Titel lautet: 
,,Allegorien der auf das Sechstagewerk folgenden 
heiligen Gefetje." 3 ) Deshalb begann das Werk auch erft 
mit dem Anfang des zweiten Kapitels der Genefis. Obrigens 
geht es nur bis zum zwanzigften Kapitel derfelben, alfo bis 
zur Gefchichte Abrahams, welche nicht mehr zu Ende gefiihrt 
wird. Von dem buchftablichen Sinn, der oft als abfurd abge- 
wiefen wird, ift in dem Werke ganz abgefehen und alles 
allegorifch erklart. Selbft die biblifchen Perfonen find hier 
nur als Verkorperungen feelifcher Vorgange aufgefafet und der 
biblifche Text nur zu pfychologifchen und moralifchen Aus- 
fuhrungen benu^t. 4 ) In unfern Ausgaben fuhren den dem 

Schrift uber die Vorfehung, ein Beitrag zur Gefchichte der nachariftotelifchen 
Philofophie 1892, die Echtheit verteidigt. Vgl. auch Schurer III, 683 t. und 
Cohn S. 390. 

*) Eus. H. E. 2, 18, 6 gibt den Titel: 'Ai^avSpo?, $ neqi zoii loynv 
t%eiv id Aoya C<Ja. Hier. de vir. ill. nennt es c. 11 (Ausgabe von Ber- 
noulli, Freib. 1895) De Alexandro et quod propriam rationem muta ha- 
beant. Schurer III, 532 (vgl. dagegen IIP, 685) hielt das Buch fiir eine 
fpatere Schrift Phiios, da an einer Stelle ( 54) der Gefandtfchaft nach 
Rom gedacht werde. Cohn macht aber (S. 391) darauf aufmerkfam, dag 
die Stelle in den Ausfuhrungen Alexanders fteht und fich auf eine Reife 
desfelben bezieht. Im 27 wird das Konfulat des Germanicus im Jahre 
12 n. Chr. erwahnt (Cohn 1. c.) 

*) Euseb. H. E. 2, 18, 1 Cohn S. 391. Mit Ausnahme des Werkes 
De opificio mundi, welches in den Ausgaben zuerft fteht, aber nicht hier- 
hin gehort (f. u.), gehort zu dem allegori(chen Kommentar alles, was 
bei Mangey im erften Band, in den Ausgaben von Richter, Tauchnitj, 
Cohn und Wendland in den drei erften Banden fteht. 

3 ) No/ttfov if()<av dt.i?]yo(jtat r<Hv ftstci zr t v 'fila^'juepov. So nach den 

Handfchriften. S. Cohn S. 392. 

4 ) Massebieau p. 1033 will in dem allegorifchen Kommentar eine 
fortlaufende Gefchichte der menjchlichen Seele fehen, n la description des 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 585 

ganzen Werke zukommenden Titel nur die erften Bucher, 
fo daJ5 man von drei Buchern Allegorien der Gefetje fpricht. 1 ) 
Die folgenden Bucher fiihren Sondertitel. 2 ) Zule^t ftehen in 
diefer Gruppe die beiden Bucher ,,von Traumen". Obrigens 
finden fich mehrere Lucken, fei es, dag Philo uberhaupt nichts 
Allegorifches uber die betreffenden Stellen gefchrieben hat, 
fei es, daft, wie fur Einzelnes feftfteht, die entfprechenden 
Ausfuhrungen verloren find. Zu letjteren gehoren die von 
Philo felbft erwahnten Traktaie M iiber Biindniffe" 3 ) zu Gen. 
6, 13-9, 19 und die ebenfalls von ihm mit dem Namen 
,,iiber Belohnungen" erwahnte 4 ) Erklarung von Genefis 15, 1. 



progres vers la sagesse du nqwonruv, du proficiens, comme 1'appelaient 
les stoi'ciens romains" (p. 12), ift aber nur, wie Cohn S. 393 fagt, ge- 
zwungen, ,,mehr Lucken des Werkes anzunehmen, als man friiher auf 
Grund von Selbftzitaten Philos vermutet hat". Vgl. uberhaupt gegen 
diefe Anficht Cohn S. 392 f. 

J ) Buch 1 und 2 bildeten urfprunglich nur ein Buch und behandeln 
Gen. 2, 13, la. Buch 2 fiber Gen. 3, lb-8a fehlt; ebenfo Buch 4 
fiber Gen. 3, 20-23. Vgl. Cohn S. 393 f. In der Ausgabe von 
Mangey ftehen die drei erhaltenen Bucher Bd. I, 43137, in der von 
Cohn I, 61-169. 

2 ) Vgl. darfiber Schfirer III, 650- 659. Cohn 394-404. Die Sonder- 
titel lauten im Lateinifchen: De Cherubim et flammeo gladio; De sacri- 
ficiis Abelis et Caini (vollftandig erft in der ed. Cohn 1 p. 202 257. 
In den fibrigen Ausgaben fteht ein hierhin gehOriges Stuck in einem 
Traktat De mercede meretricis (bei Mangey II, 264 269), deffen erfter 
Teil aus dem Traktat De victimas offerentibus genommen ift); Quod 
deterius potiori insidiari soleat (vgl. diefe Traktate in Mangey I, 138-225; 
ed. Cohn I, 170-297). Die folgenden ftehen bei Mangey I, 226-472 
und in der ed. Cohn et Wendland und den fibrigen Ausgaben, vol. II: 
De posteritate Caini; De gigantibus; Quod Deus sit immutabilis ; De 
agricultura; De plantatione; De ebrietate (vgl. S. 586, 1); De sobrietate; 
De cenfusione linguarum; De migratione Abrahae. Endlich finden fich 
in Mangey I, 473 ff. und im dritten Bande der fibrigen Ausgaben die 
Stficke: Quis rerum divinarum heres sit; De congressu eruditionis gratia; 
De profugis; De mutatione nominum; De somniis lib. I et II. Nach 
Euseb. H. E. 2, 18, 4 hatte Philo ffinf Bucher De somniis gefchrieben. 
Nach Massebieau p. 31 und Cohn p. 402 find vermullich die erften drei 
Bucher verloren gegangen und find uns das vierte und ffinfte Buch er- 
halten in lib. I et II. 

3 ) Philo, De mutatione nominum 6, 53 ,,ne^l tfia&tjxwv" = de 
testamentis. Vgl. dazu Massebieau p. 23. Cohn S. 397 f. 

4 ) Philo, Quis rer. div. heres sit, am Anfang ,,7i^l fiidzuv". Vgl. 
dazu Massebieau S. 27 f. Anm. Cohn S. 400 f. 



586 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jfld. Volkes. 

Von dem Kommentar fiber Genefis, Kapitel 1819 ift nur 
ein kleines Stuck armenifch unter dem Titel w von Gott" er- 
halten. 1 ) 

2) Das zweite Hauptwerk Philos fiber den Pentateuch 
find Katechefen fiber die zwei erften Bficher des Penta- 
teuchs in Form von Fragen und Antworten, lateinifch 
,,Quaestiones et solutiones in Genesim et in Exodum. 2 ) Schon 
Eufebius kannte nur die katechetifche Behandlung diefer beiden 
Bficher des Pentateuchs durch Philo. 3 ) Derfelbe hat aber 
beabfichtigt, den ganzen Pentateuch in diefer Weife zu be- 
arbeiten. 4 ) Bekannt find vorzfiglich aus dem Armenifchen 
fechs Bficher, 5 ) welche bis Genefis Kapitel 28 gehen, und 
zwei 6 ) Bficher, welche Exodus 12,2-23 und 20, 25-28,38 
behandeln. Gewohnlich wird fowohl eine Erklarung nach 
dem Wortfinne, als auch eine allegorifche gegeben 

3) Das dritte Hauptwerk ift eine hiftorifch-exegetifche 
Darftellung der mofaifchen Gefetjgebung. Der Inhalt, 
die Bedeutung und der Wert der Erzahlungen und der Ge- 
fetje des Pentateuchs werden in einfacher Form, meift ohne 
philof ophifche und allegorifche Erorterungen, mit mannigf altigen 
moralifchen Nutjanwendungen dargelegt. 7 ) Am Anfange fteht 



J ) In der Tauchni^fchen Ausgabe VIII, 16. - Nach Suseb. H. E. 
2, 18, 2 hatte Philo zwei Bucher De ebrietate gefchrieben. Das zweite 
ift aber, abgefehen von einigen Fragmenten, verloren. Vgl. Massebieau 
p. 24 f. Schurer III, 655. 

a ) Tolv t.v PeveGft, xat TOJV ev 'El-ayiityfj ^ijTij^druiv xe xat ivdeoiv 

p t pUa. Vgl. Euseb. H. E. 18, 1 und 5. Das Werk ift aus dem Armen. 
von Aucher, Philonis Judaei Paralipomena, Venetiis 1826, herausgegeben. 
Die lateinifche Oberfeijung Auchers ift abgedruckt in den Ausgaben von 
Richter und Tauchni^ im 6. und 7. Bd. Es ift auch eine Anzahl grie- 
chifcher Fragmente bekannt. 

3 ) Vgl. Bus. 1. c. 

*) Er verweift fchon Quaest. in Gen. IV, 123 auf ^z^ata zu Deute- 
ronomtum, indem er fagt: Quae vero ratio sit istorum, dicetur, cum 
benedictiones examinemus. 

5 ) Die armenifche Oberfe^ung zahlt nur vier Bucher, Buch vier um- 
fagt aber, wie fich aus den Zitaten bei Joannes Damascenus ergibt, 
Buch 4-6. Vgl. Schurer III, 645, 37. 

6 ) Dem Eufebius waren fQnf Bucher bekannt (f. H. E. 2, 18, 5), 
davon ift das 2. und 5. erhalten (vgl. Schurer III, 646, 38). 

7 ) Ober die Einteilung des Werkes vgl. Philo, De praemiis et 
poenis 1 (ed. Mangey II, 408; ed. Cohn V, 336). 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 587 

der Traktat ,,Von der Weltfchopfung", 1 ) welcher auch die Er- 
fchaffung des Menfdhen und den Sfindenfall behandelt. 

Im zweiten Teile follten die Leben der Erzvater als In- 
begriff von Tugend und Weisheit zur Darftellung kommen. 
Erhalten find aber nur die Lebensgefchichten von Abraham 
und Jofeph. 2 ) Wahrend Abraham der Typus der erlernten 
Tugend ift, wie Ifaak der Typus der angebornen und Jakob 
der Typus der durch Ubung erworbenen Tugend, wird an 
der Gefdiichte Jofephs gezeigt, wie der Weife fich unter den 
Anforderungen, welche die menfchliche Gefell[chaft an den 
Poliiiker ftellt, zu benehmen hat. 3 ) 

Der dritte Teil beginnt mil einer allgemeinen Erorterung 
fiber den Dekalog*) und geht dann zu einer Erlauterung 
der zu jedem der zehn Gebote gehorigen fpeziellen Gefet5e 
iiber. Der befondere Titel fiir die vier Bticher fiber diefe 
fpeziellen Gefetje lautet: De specialibus legibus lib. 
I IV. 5 ) Das erfte Buch handelt in fyftematifcher Weife im 
Anfchlujg an das erfte und zweite Gebot fiber den Kultus, 
das Prieftertum und die Opfer. Wenn dies in den bisherigen 
Ausgaben wenig hervortrat, lag dies daran, dag diefelben 
die einzelnen Abfchnitte unter befonderen Titeln gaben. 6 ) Das 



') Ut^l Tijt; Kara Mw<Sea, xotiftoTiouns =.- De mundi Opificio. Der 
Traktat fteht in den Ausgaben zu Anfang der Werke Philos, auch bei 
Gohn I, 1-60, der aber ebd. LXXXV wie auch Philologus S. 406 f. die 
richtige Anjchauung vertritt. 

2 ) Ed. Mangey II, 1-40 und 41-79. Vgl. die Tauchni^er Aus- 
gabe 4, 1-120. Ed. Cohn et Wendland IV, 1-118. 

3 ) Massebieau 1. c. p. 34: Joseph . . . symbolise le politique, c'est- 
a-dire le sage aux prises, avec les necessites de la societe humaine. 
Vgl. De Josepho 7. 

4 ) Der Titel lautet bei Bus. H. E. 2, 18, 5: ne^l rtiv de*a).oyio)v = 
de decalogo (ed. Mangey II, 180 209; in der Tauchnitjer Ausgabe 4, 
267-306; in der ed. Cohn IV, 269-307). 

5 ) Nach Eus. 1. c. ift der Titel: n Ober die zu den betreffenden 
Hauptftficken der zehn Worte gehOrigen fpeziellen Gefetje". Auf Grund 
einer Handfehrift gibt Cohn vol. V, 1 (vgl. ebd. p. XIX) dem Ganzen 
den Titel cftAwvo? nnfl TW ev tiegft 6tmayfttxro)r. Ober die genauen und 
vollen Titel der einzelnen Bficher vgl. Cohn, Philologus S. 410, und in 
feiner Ausgabe vol. V p. XIX ff 

6 ) Vgl. die Abfchnitte in Mangey II, 210264; in der Tauchni^er 
Ausgabe 4, 307 390. Sie fuhren den Titel De circumcisione, De mo- 
narchia lib. I und II (das erfte Buch handelt von der Gottesverehrung, 



588 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes- 

zweite Buch befchaftigt fich mit dem dritten bis fiinften Gebot 

und erlautert die Gefetje fiber die Fefte. 1 ) Im dritten werden 

die zum fediften und fiebenten Gebote gehorigen Spezial- 

gefetje uber Ehebruch, Mord u. dergl. behandelt, 2 ) endlich 

im vierten im Anfchlufc an das adite bis zehnte Gebot die 

Gefe^e iiber Diebftahl, falfches Zeugnis, Enthaltfamkeit 

(Speifegefetje) und endlich am Schlug iiber die Gerechtigkeit. 3 ) 

Einen Anhang zu den Bfichern De specialibus legibus 

bilden die Traktate uber die Tugenden, namlidi den Stark- 

mut, die Philantropie, die Sinnesanderung, worin die Heiden 

aufgefordert werden, fich zum wahren Gott zu wenden, und 

den Adel, worin zugunften der Profelyten gezeigt wird, daft 

der wahre Adel nidit auf der Geburt beruht 4 ) Endlich wird 

das ganze Werk gefchloffen durch einen Traktat iiber die 

Belohnungen, welche Mofes den Guten verfprochen und die 

Strafen, welche er den Bofen angedroht habe. 5 ) 

Leferkreis Die Schriften der erften Hauptgruppe find an einen 

der bisher weiteren Leferkreis gerichtet, die der zweiten, namentlich der 

befprochenen a n e g Or ifche Kommentar zur Genefis und die Quaeftiones et 

chnften. so j ut j oneS) haben gebildete Lefer im Auge. In diefen beiden 



lib. II, 1-3 vom Tempel, II, 4-15 von den Prieftern), De praemiis 
sacerdotum (bei Cohn De sacerdotum honoribus), De animalibus sacri- 
ficiis idoneis deque victimarum speciebus sive de victimis (ein zwifchen 
3 und 4 fehlendes Stuck ift erft von Wendland, Neu entdeckte Frag- 
mente Philos, Berlin 1891, S. 114 veroffentlicht worden\ De victimas 
offerentibus. Vgl. den Lib. I bei Cohn V, 1-84. 

') Das Budi be{teht aus drei Kapiteln: De jurejurando, De Septe- 
nario et diebus festis und De colendis parentibus (Ed. Cohn V, 85149). 

v ) Ed. Cohn V, p. 150-208. Vgl. Ed. Mangey II, 299-334, Taudi- 
nitjer Ausgabe 5, 65117. 

3 ) Das Buch zerfallt in vier Kapitel De furto, De falso testimonio 
et de judicibus, De concupiscentia und De justitia. S. Cohn V, 209265. 
Mangey II, 335374. Ed. Tauchn. 5, 118-177. 

4 ) Vgl. diefe Traktate De fortitudine, De humanitate, De poenitentia 
und De nobilitate in ed. Cohn V, 266-335. Vgl. ed. Mangey II, 375407 ; 
ed. Tauchni^ 5, 178225. 

6 ) Vgl. Bus H. E. 2, 18, 5, demzufolge das Werk (vgl. Cohn 
vol. V p. XXVIII f.) in drei Kapitel: De praemiis et poenis, De bene- 
dictionibus und De exsecrationibus zerfallt. In den Ausgaben wer- 
den zwei Teile unterfchieden: De praemiis et poenis und De exse- 
crationibus (Mangey 11, 408-437; Tauchn. Ausg. 5, 226269. Cohn V, 
336-376). 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlidien Zeit. 589 

Sdiriften richtet fich der Verfaffer an Jiinger Mofis, ohne 
dabei zu unterfcheiden, ob fie judifchen oder griechifchen Ur- 
fprungs find. Sie mtiffen nur hinreichend in die gottlichen 
Myfterien eingeweiht, d. h. hinreichend unterrichtet fein, um 
den Gedanken Philos folgen zu konnen. 1 ) Die Darftellung 
der mofaifchen Gefetjgebung aber ift, abgefehen von dem 
erften Teile, welcher feiner Natur nach allgemeiner gehalten 
ift, befonders fur jiidifche Lefer beftimmt. Das gilt nicht blofc 
von dem zweiten, fondern namentlich auch von dem dritten 
Teile fiber die Gefetje. 2 ) Die Syftematifierung und Erlau- 
terung der Gefetje, welche hier geboten wurde, war auch 
den Juden neu. 

III. Die dritte Hauptgruppe der Schriften Philos wendet Philos hifto- 
fich aber wieder wie die erfte an einen weiteren Leferkreis. nf*-apoioge- 
Sie umfajgt namlich die hiftorifch-apologetifchen Schrif- 
ten, welche heidnifche Lefer fiber die Juden und das Juden- 
tum aufklaren und zu ihren Gunften ftimmen wollen. Hier- 
hin gehoren folgende Werke: 

Das Leben Mofis urfprunglich in zwei, in den jetjigen 
Ausgaben in drei Biichern. 3 ) In dem Werke werden das 
Leben und das Wirken des Mofes als Ftihrer des Volkes, 
als Gefetjgeber, als Priefter und als Prophet befchrieben. 

Bin Hypothetica, genanntes apologetifches Werk ift 
nur in einigen Fragmenten erhalten, 4 ) welche zeigen, dafj es 
gegnerifche ,,Hypothefen" oder Unterftellungen, d. h. Anklagen 
gegen die Juden zuriickweifen wollte. Wahrfcheinlich ift das 
Werk nur ein Teil einer andern, nur in einem Bruchftiick er- 
haltenen Schrift Philos, der Apologie fiir die Juden. 5 ) 

x ) Vgl. Massebieau p. 6 und 11. der auf Quaest. in Gen. IV, 
140, 143 u. a. verweift. Cohn S. 414 f. meint, es feien beide Werke 
nur fiir judifche Lefer beftimmt, welche mit der allegorifchen Methode der 
Bibelerklarung vertraut waren. Es gab aber ficher in Alexandrien auch 
viele fog. ,,gottesfurchtige" Heiden, welche die Synagoge befuchten. 

2 ) Vgl. Massebieau p. 34 und 38, 3. 

3 ) Ed. Mangey 11, 133-179; Ed. Cohn vol. IV, 119268. 

*) Bei Euseb. Praep. evang. VIII, 5-7. Vgl. o. S. 441, 3. Der 
Name durfte am beften mit Schiirer III*, 685, Cohn, Philologus, Suppl. 
VII, 418 durch Unterftellungen" (falfche Meinungen), uber die Juden, 
welche hier zuruckgewiefen werden, ,,gegnerifche Annahmen" erklart 
werden. 

5 ) Bei Euseb. Praep. evang. VIII, 11 (die Schilderung der Effener) 



590 Zweiter Abfdmitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Bin weiterer urfpriinglicher Beftandteil diefer Apologia war 
wahrfcheinlich die beruhmte Sciirift iiber das befdiauliche 
_Le ben, 1 ) welche uns mit den Therapeuten bekannt madit. 
Aus den Anfangsworten ergibt fidi, dafj ihr eine Schilderung 
der Effener vorausging. Beide, die Effener fowohl wie die 
Therapeuten, follten die Fahigkeit des Judentums, Scharen 
heiliger und afzetifcher Manner hervorzubringen, dartun. 

Von grogem Wert auch fur die allgemeine Gefchichte 
find die bekannten zwei Gefdiichtswerke ,,gegen Flak- 
kus" urid ,,die Gefandtfchaft an Cajus". 2 ) Erfteres fchil- 
dert die alexandrinifche Judenverfolgung unter dem romifchen 
Statthalter Flakkus und ift abgefehen von einem vermutlidi 
nidit umfangreidien Stflck am Anfang, weldies auf die Ver- 
folgung der Juden unter Sejanus Bezug nahm, erhalten. 3 ) 
,,Die Gefandtfchaft an Cajus" ift aber der einzige auf uns 
gekommene Teil eines urfprunglich fiinf Bucher umfaffenden 
grofeeren Werkes, weldies, wie Eu[ebius meint, 4 ) ,,ironifch" 
den Titel ,,iiber die Tugenden" fuhrte. Wahrfcheinlidi war 



heigt das Werk j v^rg 7o><5Wv dnoloyia, in Euseb. H. E. 2, 18, 6 nur 
Titfji 'I(ir3ui<,>v. Vgl. Gohn a. a. S. 418 f. , 

1 ) S. o. S. 441, 3. Vgl. nodi Massebieau, Le classement etc. 
S. 5961 und Cohn S. 419 ff. n Die Briefe Philos an Jakobus den 
Bruder des Herrn", welche der Gefchichtfchreiber des Konzils von Nicaa, 
Bifehof Maruta (vgl. Brauri, De sancta Nicaena synodo. Syrifche Texte 
des Maruta von Maipherkat, Mflnfter 1898 = Kirchengefch. Studien IV, 
3 S. 41) erwahnt, find nach der anfpredienden Vermutung Harnaeks, 
Theol. Litrztg. 1899, 2 Sp. 47 mit der Sdirift De vita contemplativa 
identifdi. 

2 ) Adversus Flaccum und De legatione ad Gajum (in M. II, 517 
bis 544 und 545-600; in derTauchn. Ausg. 6, 4485 und 86166). In 
der Ausgabe von Gohn VI, 86188 find die beiden Schriften von S. 
Reiter herausgegeben. Vgl. die franzOfifche Oberfetjung beider in De- 
launay, Philo d'Alexandrie, ecrits historiques, influence, luttes et perse- 
cutions des Juifs dans le monde Romain, Paris 1867. 

s ) Vgl. den Anfang von Contra Flaccum. Mit der legatio ad Cajum 
ift diefe Sdirift nie (wie Sdiurer III, 677 ff. vermutet) verbunden ge- 
wefen, da nirgendwo in der einen Sdirift auf die andere Bezug ge- 
nommen wird und weder Eufebius (vgl. H. E. 2, 18, 8; Chron. II, 150 f. 
ed. Sdioene), nodi die Handfdiriften von einer Verbindung beider zu 
einem Werke etwas wiffen. Vgl. Massebieau 1. c. p. 72 ff. (und iiber- 
haupt p. 6578), dem Cohn 421424 zuftimmt. 

4 ) Bus. H. E. 2, 18, 8. 



XV. Kap. Die judifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 591 

aber der Titel nidit ironifdi gemeint, Jondern nahm auf die 
verfolgten Juden Bezug. 1 ) In dem nodi erhaltenen Teile 
des Werkes wird die Gefandtfchaft an Cajus und ihre Veran- 
laffung, namlidi die Verfolgung der Juden in Alexandrien 
unter Caligula, erzahlt. Das Werk hat einen familiareren 
Ton 2 ) als das, ,,gegen Flakkus", mit dem es fich inhaltlidi 
vielfach beruhrt. 

Eine Sehrift Philos ,,von den Zahlen" 3 ) ift verloren. Veriome und 
Die aber unter feinem Namen gedruckten Werke ,,von der unechte 
Welt", 4 ) ,,Erklarung hebraifcher Namen" 5 ) und ,,biblifche Alter- 
turner" 6 ) find unecht, ebenfalls wie allgemein zugegeben 



J ) Nadi Bus. Chron. ed. Sdioene p. 150 151 waren die Verfol- 
gungen unter Sejanus im zweiten Buch behandelt. 

2 ) Vgl. Massebieau p. 73 s. 

3 ) Vgl. Vita Mos. 3, 11. Wo fie unterzubringen ware, lagt fich nicht 
fagen. S. Cohn 425. 

4 ) De mundo, eine Zufammenfetjung aus Stiicken philonifcher Werke 
(vgl. Cohn, Philonis Opera I p. LI, und Philologus 1. c. S. 425), ge- 
druckt in Mangey II, 601624. 

6 ) Eine ,,Interpretatio nominum Hebraicorum" ift unter dem Namen 
Philos in Philonis Judaei Alexandrini libri etc. Basileae 1527 gedruckt. 
Origenes Comm. in Joa. II c. 27 (Opp. ed. Lommatjfch I, 150) erwahnt 
ein dem Anfcheine nach anonymes Werk fiber diefen Gegenftand; ebenfo 
Eusebius H. E. 2, 18, 7. Hieronymus hat das Werk ins Lateinifche iiber- 
fetjt, es aber ganz uberarbeitet. Er nenrit nicht felbft Philo als Verfaffer, 
fondern bemerkt, Origenes, der das Werk erganzt habe, fage, Philo fei 
der Verfaffer. In der Ausgabe des Hieronymus von Vallarsi (Hier. Opera III, 
337 sqq.) ftehen drei griediifche Schriften, nach der Meinung des Heraus- 
gebers Rezenfionen bezw. Fragmente von Rezenfionen der griechifchen 
Vorlage des hi. Hieronymus (vgl. diefelben auch mit der Schiift des 
hi. Hier. in de Lagarde, Onomastica sacra. GOtt. 1870 u. 1887). Ober 
all diefes berichten eingehend Bardenhewer, Gefch. der altkirchl. Literatur 
11, 1903, S. 146-149, der der Anficht ift, nicht Philo, fondern ein anderer 
habe die in Philos Werken zerftreuten Etymologien zu einem einheit- 
lichen Ganzen zufammengefagt, und Schurer III, 693695, der zu dem 
Refultate kommt, es laffe fich nicht ermitteln, ob der Archetypus des 
Verzeichniffes philonifch war oder nicht. Vgl. nodi E. Tifferand, Un frag- 
ment d'Onomasticon, Rb. 1913, 7681. 

6 ) Liber antiquitatum biblicarum, eine apokryphe Bearbeitung der 
biblifchen Gefchichte von Adam bis Saul, gedruckt nebft den zwei vorher 
erwahnten unechten Schriften lateinifch in Philonis Alexandrini libri etc. 
Basileae 1527. In den antiq. biblicae werden u. a. die Namen von zwOlf 
Sohnen und adit Tochtern Adams, fowie die Namen von Kindern Kains 
und der von ihm erbauten Stadte gegeben. Jephtes Toditer heigt hier 



592 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

wird, die aus dem Armenifchen bekannten Werke w von 
Sampfon" und ,,iiber Jonas". 1 ) 

e) Das dritte Buch der Makkabaer. 

Das dritte Der Name Makkabaer, welcher von Judas, dem Sohne 



Buch der ^ QS Mattathias, auf das ganze Gefchlecht der Hasmonaer, 

A/I nlflfohof^i* 

feini h it d ( * em QT an g enor t e > ubertragen wurde, ift auch iiberhaupt zur 

dieZeitfeinesBezeichnung der Vorkampfer des Judentums gegen die Helle- 

Entftehens. nen gebraudit worden. Dadurdi erklart es fidi, daft diefen 

Namen ein von einem alexandrinifchen Juden griediifch ge- 

fchriebenes Budi tragt, welches in fehr bombaftifcher Weife 



Seila, die Hexe von Endor Sedecla, Mofes war von feiner eigenen 
Mutter Melchiel genannt worden. Der lateinifche Text ift aus dem Grie- 
chifchen gefloffen, wie man fchon aus den vielen griechijchen Ausdrticken 
erfehen kann, beruht aber auf einem hebraifchen Original, wie z. B. an 
der Auslaffung von Cainan zwifchen Arphaxad und Sale Gen. 10, 24. 
11, 12 erfichtlich ift. Jede Anfpielung auf das Chriftentum und den 
Tempel fehlt. Allem Anfcheine nach handelt es fieri um ein nach der 
Zerftorung des Tempels gefchriebenes haggadifehes Werk eines judifchen 
Verfaffers. Vgl. Cohn, An apocryphal work ascribed to Philo of Ale- 
xandria in The Jewish Quart. Review X n 38, London 1898, p. 277332. 

In dem biblicarum antiquitatum liber wird berichtet, dag Gott von 
dem judifchen Volke zu Mofes folgendes redete: n lch weifc, dag fie die 
Bundniffe, welche ich mit ihren Vatern gefchloffen habe, vergeffen werden. 
Aber dennoch werde ich fie (die Ifraeliten) nicht auf ewig vergeffen. 
Denn fie felbft werden in den letjten Tagen wiffen, dag wegen ihrer 
Sunden ihr Same aufgegeben wurde, denn ich bin getreu in meinen 
Wegen." (Bei Cohn, An apocryph. work. etc. 1. c. p. 290.) Die Rede 
Gottes nach der Flut fchliegt mit den Worten: ,,Wenn die Jahre dtr 
Periode (anni saeculi) vollendet find, dann wird das Licht nicht mehr 
fein und die Finfternis wird ausgelOfcht und ich werde die Toten le- 
bendig machen und die Schlafenden von der Erde aufrichten und die 
Holle wird ihre Schuld bezahlen und die ZerftOrung wird zuruckgeben, 
was fie bewahrt (perditio testituet paratecen suam), damit ich jedem 
vergelte nach feinen Werken und nach der Frucht feiner Erfindungen, 
indem ich richte zwifchen Fleifch und Seele. Und Zeit wird nicht mehr 
fein und der Tod wird ausgelofcht und die Holle wird ihren Mund jchliegen 
und die Erde wird nicht ohne Vermehrung (sine foetu) und nicht fur 
ihre Bewohner unfruchtbar fein und keiner, der in mir gerechtfertigt 
worden ift, wird befleckt werden; und es wird eine neue Erde fein und 
ein neuer Himmel als eine ewige Wohnung" (bei Cohn 1. c. p. 323). 

') De Sampsone (in Aucher, Paralipomena Armena. 1826, p. 549 
bis 577) und De Jona (ibd. p. 578-611). 



XV. Kap. Die jiidifche Literatur der neuteftamentlichen Zeit. 593 

einen romanhaften Bericht iiber die Verfolgungen der agyp- 
tifchen Juden unter dem Konige Ptolemaus IV. Philopator 
(221204) enthalt. 1 ) Nachdem diefer den Konig Antiodius 
den Grogen in der Schladit bei Raphia (217 v. Chr.) befiegt 
hat, kommt er nadi Jerufalem und will das Allerheiligfte 
fehen, wird aber auf das Gebet des Hohenpriefters Simon 
durch eine plo^liche Lahmung davon abgehalten. Nadidem 
er zu fich gekommen war, zog er mil heftigen Drohungen 
gegen die Juden ab (1,4 2,24). In Agypten fing er nun 
an, die Juden zu verfolgen, indem er nur denen die gleichen 
burgerlichen Rechte wie den Alexandrinern zugeftehen wollte, 
weldie in die Gemeinfchaft der den Myfterien des Dionyfos 
(Bacchus) Geweihten eintraten. Die ubrigen follten in den 
Stand, der Leibeigenen verfetjt werden. Die Mehrzahl der 
Juden blieb aber treu (2, 25 33). Darauf befahl der Konig, 
alle Juden aus ganz Agypten in eifernen Ketten an ein und 
denfelben Ort zu bringen, damit fie hingerichtet wiirden 
(cap. 3). Alle wurden nun in die Rennbahn nach Alexan- 
drien gefchleppt und zuerft ihre Namen aufgefchrieben. Aber 
nach 40 Tagen mufcfe man wegen der unermeglichen Zahl 
der Juden damit aufhoren, weil kein Papier mehr vor- 
handen war. Jetjt follten 500 trunken gemachte Elefanten 
auf fie in der Rennbahn losgelaffen werden. 

Nach zweitagiger Verzogerung kommt der feftgefetjte 
dritte Tag (cap. 5). Auf das Gebet des Priefters Eleazar aber 
ftellen fich zwei lichtglanzende Engel dem Heere der Feinde 
entgegen; die Tiere wenden fich gegen die koniglichen Truppen 
und zertreten fie (6, 1 21). Nun wendet fich der Zorn des 
Konigs gegen feine falfchen Ratgeber und er veranftaltet in 
der Rennbahn fieben Tage lang ein Freudenfeft fur die 
Juden. Diefe befchloffen, in Zukunft diefe Tage zur Erinne- 
rung an ihre Rettung feftlich zu begehen (5, 22 40). Nach- 
dem fie einen koniglichen Schutjbrief erhalten und mit Er- 

x ) Das Werk ift zuerft im Kanon 85 der apoftolifchen Canones 
(Maxxctpnioiv rpia.) erwahnt und u. a. gedruckt in den Ausgfaben der 
Septuaginta, z. B. bei Swete III, 709 ff.; deutfch mit Einleitung von 
Kautjfch in deffen ,,Apokryphen" etc. 1, 119135; englifch mit Einl. von 
Emmet in Charles, The Apocrypha I, 155 173. Vgl. Fairweather, art. 
Maccabees, book of, in Hastings D. Ill, 192-194 und Bludau, Juden 
und Judenverfolgungen im alten Alexandria. Munfter 1906, S. 6066. 
Felten, Neuteflamentliche Zeifgefchichte. f. 2. u. 3. Auf I. 38 



594 Zweiter Abfehnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

laubnis des Konigs an den abtrunnigen Volksgenoffen blutige 
Rache genommen batten, zogen fie nach Haufe. Zu Ptole- 
mais (wahrfcheinlich das jetjige el-Lahun, fiidweftlich von 
Kairo) *) veranftalteten fie fieben Tage lang ein weiteres Feft 
und befchloffen, in Zukunft aueh diefe Tage als Fefttage zu 
feiern, und errichteten ein Bethaus zu Ptolemais und kehrten 
frei und froh nach Haufe zuriick (cap. 7). 

Wenngleich Philopator wirklich den Antiochus zu Raphia 
befiegte und auch mehrere Monate in Colefyrien und Phoni- 
zien zugebracht hat, 2 ) ift nichts davon bekannt, dafc er Jeru- 
falem befuchte Oder die Juden verfolgte. Wohl aber wird 
an einer nur lateinifch erhaltenen Stelle der Schrift des 
Jofephus gegen Apion gefagt, 3 ) dafc der Konig Ptolemaus VII. 
Physcon (146117 v. Chr.) die alexandrinifchen Juden aus 
Zorn iiber den judifchen Feldherrn Onias, welcher die Sadie 
der verwitweten Konigin Cleopatra vertrat, habe feffeln und 
trunken gemachten Elefanten vorwerfen laffen. Die Tiere 
wandten fidi aber gegen Physcons Freunde und toteten viele. 
Hierauf fah der Konig ein fdireddiches Gefidht, welches ihm 
verbot, den Juden zu fchaden, und bereute fein Vorhaben. 
Zur Erinnerung an ihre Rettung, fagt Jofephus, feiern be- 
kanntlich die alexandrinifchen Juden diefen Tag. 

Bei Jofephus liegt wohl die altere Form der Erklarung 
eines Freudenfeftes, welches die Juden zu Alexandria und 
Ptolemais aus Anlafc der Rettung aus einer Gefahr feierten, 
vor. Der Bericht des dritten Makkabaerbuches gibt dann 
eine jiingere Erklarung, deren koloffale Obertreibungen und 
pfychologifche Unmoglichkeiten ihren unhiftorifchen Charakter 
dartun. 

Vermutlich hat der Verfaffer beabfichtigt, feine Volks- 
und Glaubensgenoffen in Alexandrien in einer ihnen drohen- 
den Gefahr zu ermuntern und zu ftarken. Am erften ift dann 
aber an die Zeit des Caligula zu denken, 4 ) als der romifche 



') Vgl. Kau^fch 1. c. S. 134. 

2 ) Polybius, Historiae V, 87. 

3 ) Jos. c. Ap. 2, 5. 

4 ) Vgi. Ewald, Gefch. des Volkes Ifrael 3. A. Gottingen 1864 ff. IV, 
611 ff. u. a. Motjo .B., Esame storico-critico del III libro del Maccabei 
(in Entaphia in memoria di Emilicr^Pazzi la scuola Torinense di storia 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 595 

Statthalter Flakkus die gewaltfame Aufftellung der Kaifer- 
bilder in den judifchen Synagogen zuliefc und die Juden 
ihrer burgerlichen Redite beraubte. 2 ) 

Jedoch ift die genaue Zeit der Abfaffung un[idier. 3 ) 



XVI. Kap it el. 

Die judifche Literatur von der Zerftorung Jerufalems 

bis zur Zeit Hadrians. 

Die Zerftorung Jerufalems ift auch ein Markftein im ju- 
difchen Geiftesleben und in der judifchen Literatur gewefen. 
Das zeigt fich einerfeits darin, daJ3 man nun immer mehr in 
der einfeitigften rabbinifdi-talmudifchen Anfchauungs- und Be- 
handlungsweife des Gefetjes und der alten phantaftifch aus- 
gefchmuckten Uberlieferungen Troft fur den Untergang der 
Stadt und des Tempels und der Nation fuchte. Es zeigt fich 
aber audi anderfeits in den Klagen iiber diefen Untergang, 
wie fie z. B. bald in ruhigerem, bald in leidenfchaftlicherem 
und rachfuchtigerem Tone das vierte und funfte Budi der 
Sibyllinen ausfprachen, und in dem offenen Hinweis auf das 
beffere Jenfeits. An diefes mahnt das erwahnte funfte Buch. 
Auch der Apokalyptiker des vierten Buches Esdras, der es 
nicht begreifen kann, dafe Gott folche Sunder wie die Romer 
uber die Stadt Gottes fiegen laffen konnte, fucht feine Volks- 
genoffen mit der Zuverficht auf die Erfullung der feligen 
Hoffnungen im Jenfeits zu troften. Eine ahnliche Aufgabe 
hat fich die etwas jungere (fyrifche) Baruchapokalypfe geftellt. 



antica, Turin 1913, p. 209-251) verlegt die Abfaffung vor 30 n. Chr. 
Eine Epifode der inneren Politik des Ptolemaeus Philopator bilde den 
gefdiiditlichen Hintergrund (Bibl. Zeitfdir. 1914, S. 335). 

*) S. o. S. 278 ff. 

3 ) Der Verfaffer zeigt fich nach 6, 6 mit der Gefchichte der drei 
Jiinglinge im Feuerofen, wie fie nur griechifch Daniel 3, 24 ff. erhalten 
ift, bekannt. Es ift unberechtigt, diefe n griechifchen Zufatje zu Daniel" in 
das letjte Jahrhundert v. Chr. zu fetjen und danach den terminus a quo 
der Abfaffungszeit von 3 Makk. beftimmen zu wollen. Vgl. Kaulen n. 395. 

38* 



596 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

Manche der judifchen Sdiriften diefer Zeit, wie z. B. das 
flavifche Baruchbudi und die Abrahamsapokalypfe, find nur 
in chriftlicher Geftalt auf uns gekommen. Bei der Apoka- 
lypfe, welche die Teftamente der zwolf Patriardien heigt, 
laffen fich aber wenigftens manche Stellen fchon aus text- 
kritifchen Griinden als chriftliche Einfchube nachweifen. 

Viel widitiger als diefe und andere Sdiriften find aber 
die des beruhmten judifchen Gefdiiditfchreibers und Apolo- 
geten Flavius Jofephus, deffen Werke iiberhaupt zu den be- 
deutendften Quellen der jiidifchen Gefchichte gehoren. 

1. Apokalyptifche Sdiriften. 

a) Das dritte und vierte Buch Esdras. 

In der lateinifchen Kirche werden die kanonifciien Biicher 
Esdras und Nehemias audi erftes und zweites Buch Esdras 
genannt. Es finden fich in den lateinifchen gedruckten Bibeln 
hinter den kanonifchen Biichern auch einige apokryphe ge- 
druckt: ,,damit fie nicht untergehen, weil fie von einigen 
heiligen Vatern bisweilen angefuhrt werden und fich fowohl 
in einigen ungedruckten wie gedruckten lateinifchen Bibeln 
linden." 1 ) Es find aufcer dem apokryphen Gebet des Konigs 
Manaffes von Juda das dritte und das vierte Buch Esdras. 

,,Das Gebet des Manass.es, des Konigs von Juda, als er in Babylon 

gefangen sass," 

fo lautet der Titel des Gebetes in der lateinifchen Bibel will das Gebet 
fein, auf welches 2 Chron. 33, 18 f. hingewiefen wird. Der KGnig Ma- 
nasses (von 686641 v. Chr.) hat nach dem 2. Buche der Chronik cap. 33 
Juda und die Bewohner von Jerujalem zum GOtjendienfte verfuhrt und 
ift wegen feiner Sunden von den Affyrern in Ketten nach Babylon ge- 
bracht worden. Hier demutigte er fich vor Gott und flehte inbrunftig 
um Vergebung. Er wurde wieder in Freiheit gefetjt und hat nun Jeru- 
falem von alien Spuren des Gotjendienftes gereinigt. 2 ) Das Buggebet 
des Manasses, fo fagt die Chronik (33, 18-19) ausdrQcklich, fei enthalten 
in der Gefchichte der KOnige von Ifrael und in der Chronik des Hosai. 
Das apokryphe Gebet fteht in griechifcher Sprache in mehreren 
Handfchriften der alexandrinifchen Bibeliiberfetjung, aber nicht etwa im 

') S. die Vorbemerkung in den Vulgata-Ausgaben. 

2 ) Julius Africanus in Joannis Damasc. Sacra parallela II, 15 fagt, 
als Manasses fein Gebet gefprochen habe, feien feine eifernen Bande 
gefprungen und er entkommen. 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach Ider Zerftorung Jerufalems. 597 

Buche der Chronik, fondern in einem dem Pfalterium beigefugten An- 
hang von ,,Oden. ai ) 

Es i{t zuerft ganz angefuhrt in den Constitutiones apostolic ae II, 
22, deffen altefte Form in fyrifcher Uberfe^ung erhalten ift. 2 ) Wahrfchein- 
lich ftammt die Textesiiberlieferung, auch die in den Septuaginta-Hand- 
fchriften, die man frtiher fiir urfprfinglicher hielt, aus diefer Quelle. 3 ) Von 
dem Verfaffer der Constitutiones kann das Gebet nicht herruhren, denn 
der judifche Urfprung des Qebetes ift nicht zu bezweifeln. Es fangt 
gleich mit den Worten an: ,,Allmachtiger, himmlifcher Herr, der Gott 
unferer Vater, Abrahams und Ifaaks und Jakobs und ihrer gerechten 
Nachkommenfchaft." Es zeigt keine Spur eines hebraifchen Originals. 
Wahrfcheinlich ftammt das tief empfundene, fchOne Buggebet um Erbarmen, 
welches auch in Gebetbuchern Aufnahme gefunden hat, von einem frommen 
Juden, der zur Zeit offentlicher Drangfal, z. B. zur Zeit der Makkabaer- 
kampfe, fchrieb. 4 ) 

Das dritte Buch Esdras. 

In den Handfchriften der Septuaginta find die iin der Vulgata ge- 
trennten Biicher Esdras und Nehemias wie urfpriinglich in der hebraifchen 
Bibel zu einem Ganzen vereint. 5 ) Sie haben den Namen Esdras B, im 
Unterfchied von Esdras A, worunter die Septuaginta ein ; apokryphes 
Buch verfteht, welches in der Vulgata (im Anhange) das dritte Buch 
Esdras genannt wird. 6 ) Es beginnt mit der Regierung des Konigs Jofias, 
wahrend das kanonifche Buch mit dem Dekret des Cyrus fiber den 
Tempelbau in Jerufalem anfangt. Aur, diefem chronologifchen Grunde 
nimmt'es in der Septuaginta den erften Platj ein. 



J ) Es ift u. a. gedruckt auf Grund von Codex Alex, und dem Purpur- 
Pfalterium von Zurich in Swete, The old testament in Greek. Ed. II. 
Cambridge 1899, III, 824-826. In den latein. Vulgata-Ausgaben fteht 
es im Anhang. Ober andere Oberfetjungen vgl. Ryffel in Kautjfch, Apo- 
kryphen 1, 165 171, deutfche Oberfe^ung mit Einleitung, englifche mit 
Einleitung von Ryle in Charles, The Apocrypha I, 612 624. Vgl. noch 
Neftle, Septuagintafludien III, 1899; IV, 1903. Porter, in Hastings D. Ill, 
229 f. G. Wilkins, The prayer of Manasseh, Hermathena 1910, p. 167178. 
Schurer III, 458-461, Szekely 1, 438-441. 

*) Vgl. Achelis und Flemming, Die fyrifche Didaskalia, deutfche 
Oberfetjung 1904, S. 36 f.; F. Nau, Un extrait de la Didascalie: La priere 
de Manasse. Avec une edition de la version Syriaque |(Revue de 
1'Orient ehretien. 1908, p. 134141). 

3 ) Vgl. Neftle und Nau 1. c. 137 bei Schurer III, 459. 

*) Vgl. Ryffel S. 167. 

5 ) Vgl. Orig. bei Bus. H. E. 6, 25: "fitfcT^a? ^olro? x-d dWrepo? tv 
ivl 'E^a' Hier. Praef. in Esdram et Nehemiam : apud Hebraeos Esdrae 
Nehemiaeque sermones in unum volumen coarctantur.] 

6 ) Es fteht in vielen Handfchriften der Septuaginta und mehreren 
aus diefer gemachten Oberfetjungen , der Itala, der athiopifchen, arme- 



598 Zweiter Abjchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Das apokryphe Buch be[teht hauptfachlich aus Abfchnitten, die mit 
Teilen der Chronik oder Paralipomena und der zwei kanonijchen Bucher 
Esdras und Nehemias dem Inhalte nach iibereinftimmen. 1 ) Es hat nur 
einen ihm eigentiimlichen Abfchnitt, den Wettftreit der Leibwachter des 
Konigs Darius fiber das machtigfte Wort. Der erfte nennt den Wein, 
der zweite den KQnig, der dritte die Weiber, aber iiber alles machtig 
fei die Wahrheit; ihre Kraft dauere bis in Ewigkeit. 

Der Text des Buches ift vielfach, befonders was die Namen angeht, 
verderbt. Audi die Ordnung der einzelnen Abfdinitte, deren Abgrenzung 
und Erklarung auch fur das erfte Buch Esdras groge Schwierigkeiten 
darbietet, 2 ) .ift augenfcheinlich in Verwirrung. 3 ) Was die Quellen des 



nifchen und der fyrifch-hexaplarifchen. Vgl. Skezely p. 362 sqq. Aus- 
gaben z. B. von Swete, The old testament in Greek II, 129 161. Eine 
deutfche Oberfetjung gibt Guthe in Kautjfch, Die Apokryphen 1, 1 13 
und XXVI; eine englifche Cook in Charles, The Apocrypha I, 1-58. 
tJber das vierte und funfte Buch Esdras s. u. Vgl. noch Thackeray in 
Hastings D. I, 758763; J. Fifcher, Das apokryphe und das kanonifche 
Esrabuch, Bibl. Zeitfchr. 1904, 350-364; R. Riessler, Der textkritijche 
Wert des dritten Esrabuches, ebd. 1907, 146158; Schurer III, 444-449; 
Joh. Theis, Gefchichtliche Hterarkritifche Fragen in Esra 1 6 (Altteftam. 
Abhandlungen II, 5) Mtinfter i. W. 1910; Torrey, Ezra Studies, Chicago 
1910 (enthalt die [bei Walde (p. XIII f.) angeffihrten] friiheren Arbeiten 
Torreys und ein Kapitel fiber die Gefchichte des babylon. Exils und die 
Ruckkehr der Juden nach Jerufalem); H. Howorth, Some unconventional 
views on the text of the Bible. IX. Job. In Proceedings of the Soc. of bibl. 
archaeology vol. XXXIII, 1911, p. 26-33 und 53-61 (p. 26-33 handeln 
von 3 Esdras; friihere hierauf bezfigliche Arbeiten des Verfaffers ver- 
zeichnet Schurer III, 446); -E. Bayer, Das dritte Buch Esdras und fein 
Verhaltnis zu den Buchern Esra und Nehemia (= Bibl. Studien 16, 1), 
Freib. 1911; B. Walde, Die Esdrasbucher der Septuaginta. Ihr gegen- 
feitiges Verhaltnis unterfucht (Bibl. Studien, 18, 4). Freib. 1913; Szekely, 
Bibl. apocr. 1, 361-372. 

*) 3 Esdr. 1 entfpricht 2 Par. c. 35-36; der Schlug c. 9, 3755 
dem Buche Nehem. 7, 73-8, 12; 3, 1-5, 6 ift ein 3 Esdras eigentiimliches 
Stuck; die iibrigen Abfchnitte haben ihre Parallele in dem kanonifchen 
Buche Esdras. Vielleicht umfajgte das Buch urfprunglich auch noch 
Nehem. 8, 13-18, wie Walde S. 155 ff. glaubt ,,mit einiger Sicherheit" 
fagen zu konnen. 

2 ) Vgl. Kaulen, Einleitung 248. 

3 ) Kap. 2 lefen wir von der Erlaubnis des Cyrus zur Ruckkehr aus 
der Verbannung (im J. 537), dann 2, 15-25 (= kan. Esdras 4, 724) 
von dem Verbot des Artaxerxes (465-423) weiter am Tempel zu bauen, 
dann 3, 1-5, 6, dag Darius (521 485) dem Zorobabel erlaubt, die 
Exulanten zurflckzufuhren, dann 5, 7-70 (= kan. Esdr. 2, 14, 5) von 
der Wirkfamkeit des Zorobabel und der Unterbrechung des Tempelbaues 
unter Cyrus (559(538) - 529 jedenfalls ift in 2, 1526 ftatt Artaxerxes 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur naeh der Zerftorung Jerufalems. 599 

Buches angeht, fo ift mil den meiften Erklarern zu fagen, dag dasfelbe 
eine direkte Oberfetjung aus dem hebraifch-aramaifchen Original ift. 1 ) Der 
Oberfetjer hat fich trotj einer gewiffen Freiheit in der Wiedergabe des 
Textes enge an feine Vorlage, die im wefentlichen mit dem maforetifchen 
Texte fibereinftimmte , angefchloffen. Audi die Anordnung des Stoffes 
beruht nieht etwa darauf, dag es neben der im kanonifchen Esdras ent- 
haltenen Rezenfion des Originals noch eine andere aus eben demfelben 
erwachfene und hier beriickfichtigte gab, vielmehr hat der Verfaffer unferer 
Compilation die Anordnung des jetjigen Textes ,,vor fich gehabt, und fie 
geandert aus tendenziOfen Griinden, denen 3 Esdras iiberhaupt feine 
Entftehung verdankt." 2 ) 

Der Zweck des Buches wird durch die Unterfchrift der altlateinifchen 
Uberfetjung gekennzeichnet: ,,Hier hort das dritte Buch des Esdras fiber 
die Wiederherftellung des Tempels auf." 3 ) Es will eine Gefchichte diefer 
und der religiofen Verhaltniffe nach dem Exil geben, um den religiOfen 
Sinn der Gegenwart zu ftarken. 4 ) 

Diefer Tendenz foil auch die Aufnahme des Wettftreites der Leib- 
wachter dienen. Nach den einen ift der Abfchnitt ebenfalls Oberfetjung einer 
aramaifch-hebraifchen Vorlage, 5 ) nach den meiften ift er urfpriinglich grie- 
chifch gefchrieben. 8 ) Leljteres erfcheint wahrfcheinlicher, da er fprachlich mit 
dem griechifch verfagten zweiten Makkabaerbuch zufammenhangt. Deshalb 



nach dem Vorgang von Jos. Ant. 11, 2, 1 Kambyfes zu lefen. Sehen 
wir von 3, 1 5, 6 als einem Zufalj ab und fetjen den Abfchnitt 2, 1525 
nach Kap. - 5, fagt Skezely Bibl. apocr. 1, 369, fo ftimmt die Reihenfolge 
der Erzahlungen mit dem 1. Buche Esdras und der wirklichen Gefchichte 
faft iiberein. 

') Vgl. u. a. Fritjfche, Exeget. Handbuch zu den Apokryphen, Teil 1. 
L. 1851; Neftle, Marginalien und Materialien. Tub. 1893, S. 2329. 
Guthe, Fifcher, Schtirer, Theis S. 7 ft"., Walde S. 53 ff. 

2 ) Vgl. Walde S. 53 ff. S. 158. Howorth 1. c. vertritt die Meinung, 
3 Esdras fei der alte Septuagintatext, der auch gegenuber dem kanonifchen 
Esdras, der erft nach Chriftus in die gegenwartige Form gebracht worden 
fei, die altere und beffere Form darftelle. (S. dagegen Schiirer, S. 446 f.: 
wenn fchon der kanon. Esdras an Unordnung leide, fo fei dies noch 
mehr bei 3 Esdras der Fall.) Die jetjt in den griech. Bibeln gelefene 
Uberfetjung des kanon. Esdras fei das Werk des Theodotion (fo auch 
Theis S. 27 ff.) bzw. des Symmachus. ,,Howorth generatim canonem 
et textum Hebraicum ab Aqiba eiusque schola recensitum existimat". 
Szekely, Bibl. apocr. 1, 370. Torrey nimmt an, der kanonifche wie der 
apokryphe Esdras feien aus einem gemeinfamen Original entftanden. 
Vgl. fiber diefe und andere Meinungen Schurer 4*6 f. Skezely 370 f. 

3 ) ,,Explicit Esdrae liber tertius de templi restitutione." 

*) Vgl. Berthold (Einl. Ill, 1011), Fritjfche, Schurer III 4 , 446, Bayer, 
(87 f.), Walde (158 f.). 

5 ) Vgl. befonders Walde 119 f. 

6 ) Fritjfche, SchQrer, Guthe, Skezely u. a. 



600 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

diirfte er aucfa urn diefelbe Zeit wie diefes, vor Ende des zweiten vor- 
chriftlichen Jahrhunderts gefchrieben fein. Jedenfalls ift er in 3 Esdras 
eingefchoben, da er mit der iibrigen Erzahlung in Widerfpruch fteht und 
felbft Widerfpruche enthalt. J ) Er will zeigen, dag der Jude mit feiner 
heiligen Weisheit fo fehr alle ubertrifft, dag felbft der heidnifche Konig 
dies anerkennt und den Juden eine Gunft fich erbitten lagt. Der erbittet 
fur fein Volk den Aufbau des Tempels und erhalt die Erlaubnis dazu.*) 
Mit Sicherheit lagt fich uber die Abfaffung des Buches nur fagen, 
dag es zur Zeit des Jofephus verbreitet und gefcha^t war, da diefer es 
benutjt. 3 ) Der Verfaffer ift unbekannt. 

Zufammen- Von g r 6 er Bedeutung \lt ftir die Kenntnis der die 

fetjung und Zeit nach dem Untergange Jerufalems bewegenden Ideen das 

inhait des vierte Esdrasbuch, welches fich felbft ,,das zweite Buch des 

vierten Propheten Esdras" nennt 4 )undin einer fyrifchen, athiopifchen, 

E u dr es armenifchen und zwei arabifchen Oberfe^ungen, am wort- 

lichften aber in einer lateinifchen (Jberfetjung erhalten ift. 5 ) 



>) Bayer S. 123 ff. tritt fur die Einheitlichkeit des Verfaffers fur das 
ganze Werk ein. Howorth, Torrey, Ewald u. a. betrachten 3, 15, 6 als 
einen urfprunglichen, fpater verloren gegangenen Beftandteil der Ober- 
lieferung der kanonifchen Biicher. Die meiften halten es fur einen Einfchub. 
Vgl. u. a. Walde 3. 120 ff. Laqueur, in der Zeitfchr. Hermes, Bd. 46, 
Bed. 1911, 168-172 diirfte Recht mit feiner Meinung haben, dag die 
urfprungliche Faffung der Erzahlung weder Beziehung zu den Juden 
noch fpeziell zu Zorobabel hatte. 

*) Vgl. Laqueur a. a O. S. 169. 

3 ) Jos. Ant. 11, 1-5. - 

4 ) 4 Esdr. 1, 1: Liber Esdrae prophetae secundus. Clem. Alex. 
Strom. 3, 16 fuhrt 4 Esdras 5, 35 mit den Worten an: "Eadgai; 6 jr^oqujrn? 
Uysi. In der alten Kirche ift das Werk befonders ftark von Ambrofius, 
De bono mortis und De spiritu sancto benutjt worden. Vgl. James 
(f. folg. Anm.) p. XXXII ff. 

) Der altlateinifche Text von L. IV. Esdrae in unfern Vulgata-Aus- 
gaben beruht auf dem im J. 822 gefchriebenen Cod. Sangermanensis 
und enthalt, da aus diefem fchon fruh ein Blatt ausgefchnitten war, 
zwifchen 7, 35 und 7, 36 eine Lucke. Die fehlenden 70 Verfe ftehen in 
den orientalifchen Oberfetjungen und find lateinifch nach einer andern 
Handfchrift des 9. Jhdts. zuerft von Bensly, The missing fragment of the 
fourth book of Ezra, 1875 veroffentlicht worden. Vgl. auch die treffliche 
Ausgabe des lateinifchen Textes: The fourth book of Ezra, The Latin 
version ed. by R. L. Bensly with an introduction by M. R. James, Cam- 
bridge 1895 (= Robinson, Texts and Studies III, 2). Von den orien- 
talifchen Oberfetjungen ift die syrifche die treuefte und wertvollfte. Sie 
ift gedruckt in Ceriani, Monumenta sacra et profana, torn V, fasc. 1, 
Mediolani 1868, p. 41111 (nachdem fchon eine lateinifche Oberfetjung 



XVI. Kap. Die jtidifche Literatur nach der ZerftOrung Jerufalems. 601 

Diefe letjtere zahlt 16 Kapitel, allein die beiden erften und 
die beiden le^ten Kapitel find fpatere Zufa^e von chriftlidier 
Hand, welche fich in den orientalifchen Cberfetjungen nicht 
finden. 1 ) Alle ttberfetjungen find auf einen griediifchen Text 

in den Monumenta 1, 2 (1866), 99124 von Ceriani verOffentlicht war). 
Sie erfchien in photolithographifcher Nachbildung in Translatio Syra 
Pescitto Veteris Testamenti cur. Ceriani 1883 Tom. II, Pars IV, von 
S. 267 r an. Das gefamte Material ift verOffentlicht von B. Violet, Die 
Esra Apokalypse (IV Esra). Erfter Teil, Die Oberlieferung (= Die griech. 
chriftl. Schriftfteller der erften drei Jahrhunderte. Bd. 18). L 1910. In 
diefer werden in 6 Parallel-Kolumnen die Texte der altlat., syr., athiop., 
armenifchen und zweier arab. Oberfetjungen nebft fahidifchen und arabi- 
fchen Bruchftiicken gegeben. Die armenifche, lateinifche, die syr. athiop., 
armenifche etc. in deutfcher Oberfetjung. Vgl. tiber die Textuberlieferung 
Violet S. XIII XLVI. Die Fortfe^ung des Werkes gab B. Violet mit 
Textvorfchlagen far Esra und Baruch von Dr. Hugo Gregmann unter dem 
Titel ,,Die Apokalypfen des Esra und des Baruch in deutfcher Geftalt" 
heraus, L. 1924, (= Die griech. chriftl. Schriftfteller etc., Bd. 32.) 
Eine deutfche Uberfetjung gibt Gunkel in Kautjfch, Die Apokryphen II, 
231401, eine englifche G. H. Box, The Ezra-Apocalypfe, L. 1912 und 
Box in Charles, The Apocrypha II, 542 624. Vgl. noch Thackeray, art. 
Esdras, second book of, in Hastings D. I, 763766, Schurer III, 315335, 
Lagrange, Notes sur le messianisme au temps de Jesus. Rb 1905 (p. 481 
bis 514), p. 486 501, Vaganay, Le probleme eschatologique dans le IV e 
livre d'Esdras (These). Paris 1906 Jos. Keulers, Die eschatologifche Lehre 
des vierten Esrabuches (Bibl. Studien 20, 2 u. 3) Freiburg i. B. 1922. 

J ) Befonders durch Bensly ift es ublich geworden (vgl. Violet p. XIII), 
die Kapitel 1 2 funftes und 15 16 fechstes Buch Esdras zu nennen. 
Eine deutfche Oberfetjung gibt W. Weinel in Hennecke, Neutaftament. 
Apokryphen 1904, 305 318; vgl. auch deffen Erklarungen zu 5. und 6. 
Esdras in Hennecke, Handbuch der neuteft. Apokryphen 1904, 331339. 
Es gibt 2 Rezenfionen des lateinifchen Textes von Kap. 1 2, eine ur- 
fpriinglichere und altere (fpanifche) und eine jiingere (franzofifche). Die- 
felben find nebft Einleitung und Kommentar herausgegeben von M. J. 
Labourt, Le cinquieme livre d'Esdras, Rb, 1909, 412434. 

Die Kap. 15 16 enthalten eine Ankiindigung des Weltuntergangs. 
Sie find anfcheinend als Anhang zu 4 Esdras 3 14 gefchrieben und zwar 
urfpriinglich griechifch. Der griechifche Text von 15, 5759 ift im J. 1909 
unter den Oxyrhynchers Papyri gefunden und mit andern von Grenfell 
und Hunt verOffentlicht worden (Box p. XIII). 

Die meiften Kritiker, die in 5 Esdras zeitgenoffifche Anfpielungen, 
z. B. in 15, 1012 auf die Unruhen in Alexandrien unter Gallienus 
(260268) fehen, zur Zeit, als zwei Drittel der BevOlkerung durch Hunger 
und Peft vernichtet wurden (Bus. H. E. 7, 21. 22), halten die Abfaffung 
um das Jahr 268 (vgl. u. a. A. v. Gutfchmid, Die Apokalypfe des Esra und 
ihre fpateren Bearbeitungen, ZWTh 1860, S.I 24 (= Kleine Schriften II, 



602 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

zurtickzufuhren. 1 ) Allein das eigentliche Werk, Kapitel 3 14, 
war urfpriinglich hebraifch gefchrieben. 2 ) 

210 ff.; James 1. c. p. XXVIII; Thackeray p. 766) fur wahrfcheinlich. 
Allein die dafur vorgebrachten Grunde find nicht durchfchlagend. 

In Kapitel 12 wird (1, 52, 9) dem Volke Ifrael zur Strafe fur 
feinen Unglauben und feine Sunden die Vernichtung angedroht. Die aber 
den Sohn Gottes in der Welt bekannt haben, werden die ewige Rune 
erhalten, denn nahe ift der, welcher am Ende der Welt kommt. Nie 
verlofchendes Licht wird ihnen leuchten in alle Ewigkeit (2, 1047). 

Die 2 Rezenfionen des lateinifchen Textes gehen nicht auf verfchiedene 
Vorlagen zur tick, fonder n die jiingere erklart oder erganzt einzelne 
Stellen Vgl. Labourt p. 419> der auch gegen die herrfchende Meinung 
von dem griechifchen Urfprung der beiden Kapitel die Meinung vertritt, 
fie feien lateinifch abgefagt. 

Das Buch benutjt auch die Offenbarung des hi. Johannes (2, 38 40; 
vgl. Geh. Off. 19, 17; 7, 9), ift aber feinerfeits ftark in der Liturgie der 
rOmifchen Kirche benutjt. Vgl. 2, 35 (lux perpetua lucebit) in Commune 
Mart. temp, pasch. Resp. zur 4. lectio und Ant. zur 3. Noct. und zum 
Magnificat; 2, 34-35 (Requiem aeternam . . . et lux perpetua) im 
Officium defunctorum; 2, 45 (modo coronantur et accipiunt palmas) in 
Comm. Apost. Resp. zur 6. lectio; vgl. auch 2, 3637 (accipite jucundi- 
tatem etc.) im introitus fer. Ill post Pentec. In einem Miffale aus 
dem 11. Jahrhundert, in einer Messe De communi plurimorum martyrum, 
fteht 2, 4248 als Epiftel. Vgl. de Bruyne, Une lecture liturgique em- 
pruntee au quatrieme livre d'Esdras (Rev. Benedictine 1908, p. 358360). 
Vgl. auch Schurer III, 331 und Labourt p. 419. 

Letjterer meint p. 419 s., befonders aus dem Gebrauche des Aus- 
drucks requies fur das gliickfelige ewige Leben in 2, 34 fchliegen zu 
durfen, dag man hochft wahrfcheinlich zu Rom und zwar im 6. Jahrhdt. 
den Urfprung der Kapitel 12 fuchen miiffe. Der Gebrauch fei gothifch- 
gallikanifchen Urfprungs und fei, wie fich aus den romifchen Grabfchriften 
ergebe, erft gegen Ende des 5. Jahrh. der rftmifchen FrOmmigkeit ver- 
traut geworden. Der Verfaffer lebe ganz in der Erinnerung an die Akten 
der Martyrer und die Darftellungen in den romifchen Katakomben und 
Bafiliken. Es ift auffallend, dag die liturgifche Verwendung des 5. Buches 
Esdras sich allem Anfchelne nach auf Rom befchrankt hat (vgl. Labourt 
420). 

Wahrfcheinlich ift die Schrift entftanden in Rom. Von einer eigent- 
lichen Verfolgung ift nicht die Rede. Es heigt von den GekrOnten nur, 
dag fie den Namen des Herrn bekannt haben (2, 45) und tapfer for den 
Namen des Herrn eingetreten find. (Weinel S. 307 meint, das Buch fei 
wahrfcheinlich wahrend des 2. Jahrh. im Abendlande entftanden ; Barden- 
hewer 2, 649 ,,jedenfalls in den Tagen der Martyrer, alfo in vorkonftan- 
tinifcher Zeit;" fiber altere Hypothefen vgl. Labourt 416 s.) 

1 ) Hilgenfeld, Messias Judaeorum, 1869, p. XXXVIII ff. Vgl. dort 
p. 36 ff. die Rekonftruktion des griech. Textes. Vgl. auch Box p. XI ff. 

2 ) S. Wellhaufen, Skizzen und Vorarbeiten. 6. Heft. B. 1899, 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nadi der Zerftorung Jerufalems. 603 

Es enthalt fieben Vifionen, d. h. angebliche Offenbarungen 
eines Engels an Esdras in der babylonifchen Gefangenfchaft. 
In der erften (3, 1 5, 20) antwortet der Engel dem Esdras, 
der dariiber geklagt hat, dafc Ifrael Babylon, welches doch 
fchlimmer als Ifrael fei, unterworfen worden ift, Gottes Wege 
feien unbegreiflich. Ehe das Bofe vergehe, miiffe zuerft die 
Statte der bofen Saat verfchwunden und die Zahl der Ge- 
rechten voll fein. Die noch bevorftehende Zeit werde aber 
nicht langer dauern als die bereits vergangene. Dann werden 
die Zeichen der letjten Zeit angegeben. Auch im zweiten 
Abfchnitt (5, 216, 34) wird auf neue Klagen des Esdras, 
daft Gott jein Volk den Heiden preisgegeben habe, wieder 
auf die Vorfehung verwiefen. Die Schopfung fei fchon uber 
die Jugendkraft hinaus. Dann werden die letjten Zeichen, 
welche dem Ende vorausgehen, geoffenbart. - Als nun 
wieder Esdras klagt, dafc Ifrael nicht die Welt, die ihm ge- 
hore, befitje, hort er, daft wir, ehe wir in das weite Meer 
kommen, zuerft den Plug durchfchiffen miiffen (6, 35 ff.), wo- 
rauf eine Schilderung der meffianifchen Zeit gegeben wird. 
,,Mein Sohn der Gefalbte" wird 400 Jahre herrfchen und 
dann mit alien Menfchen herrfchen. Sieben Tage fpater ftehen 
die Toten auf und folgt das Gericht (7, 26-35). Es erfcheinen 
die Orte der Pein und der Erquickung. Der Gerechten gibt's 
nur wenige, der Bofen viele. Denn das Seltenere ift koft- 
barer. Tro^ ihrer Vernunft handelten die Bofen bofe und 
brachen das ihnen gegebene Gefe^. Es gibt nach dem 
Tode bis zur Erneuerung durch die Schopfung eine fieben- 
faltige Pein der Bofen und eine fiebenfaltige Freude der 
Guten. Am Tage des Gerichtes konnen die Gerechten nicht 
fur die Gottlofen eintreten (7J36-105). 1 ) Das konnen fie nur 
in diefem Leben. Esdras fagt, alles Verderben fei durch Adam 
gekommen. Der Engel weift aber auf die Gottlofigkeit der 
Menfchen bin, die ihr Ungliick felbft verfchulden (7, 106-139).-) 
In Kapitel 8 wird ebenfalls gefagt, dafe viele erfchaffen, aber 
nur wenige gerettet werden (8, 1-62). Dann werden auf 



S. 234-241. Qunkel 1. c. 333. Schiirer, Theol. Ltrztg. 1899, Sp. 366. 
Box p. XIII XIX u. in Charles, The Apocrypha II, 547 ff. 

J ) Die Verfe 7, 36105 ftehen nicht im Texte der Vulgata. 

") Nach der Vulgata find es die Verfe 7, 36-69. 



604 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

die Frage, wann das Ende fein werde, neue Zeichen an- 
gegeben (8, 63-9, 25). - In der vierten Vifion (9, 26- 10, 60) 
fieht Esdras eine Frau, die iiber ihren am Hodizeitstag ver- 
ftorbenen Sohn trauert, die aber plotjlich verfchwindet und 
an deren Stelle eine neu erbaute Stadt erfcheint. Die Frau 
iff Sion. Der Tod ihres Sohnes zeigt den Untergang Jeru- 
falems an. Die neu erbaute Stadt aber ift das himmlifche 
Jerufalem, welches die Stelle des irdifchen einnehmen wird. 
-Nunmehr fieht Esdras (11, 1-12,39) einen Adler (Rom) 
mit zwolf Flugeln und acht daraus wachfenden Gegenfliigeln 
und mit drei Kopfen, welche nacheinander regieren, bis der 
Lowe (der Meffias) iiber den Adler das Urteil fpricht und 
der ganze Leib des Adlers in Flammen aufgeht. In der 
fechften Vifion (13, 1-58) fieht Esdras im Traum aus dem 
Herzen des Meeres einen Mann, den Meffias, auffteigen und 
auf den Gipfel des Sionsberges treten. Der Mann vernichtet 
feine Feinde durch den aus feinem Munde ausgehenden 
Flammenhauch und Feuerftrom, d. h. durch fein bloftes Ge- 
heifc. Er ruft ein anderes friedliches Heer zu fich, namlich 
die verlorenen zehn Stamme Ifraels. Die Stunde feines Kom- 
mens ift aber unerforfchlich wie die Tiefe des Meeres. In 
der letjten Vifion 14, 147 wird dem Esdras befohlen, die 
Gefichte geheim zu halten und fich bereit zu machen, aus 
diefer Zeitlichkeit zu wandern. Auf gottlichen Befehl diktiert 
er, da das Gefetj Gottes verbrannt ift, ffinf Mannern 40 Tage 
lang. Von den 94 l ) Buchern, welche fie in der Zeit fchrieben, 
follen die 24 erften (die kanonifchen Bucher des Alten Te- 
ftamentes) alien, die iibrigen 70, die Bucher der Myfterien, 
nur den Weifen des Volkes iibergeben werden. Und Esdras 
ward entriickt und an die Stattefeiner Genoffen aufgenommen. 2 ) 



J ) So ift nach der fyrifchen, athiopifchen, armenifchen und einer 
arabifchen Oberfe^ung- zu lefen. Der Text der Vulgata hat ducenti 
quatuor, Bensly 1. c. p. 72 und Violet S. 428 DCCCCIII1 = 904. 

a ) Ober den einheitlichen Charakter des ganzen Werkes vgl. u. a. 
Qunkel, S. 350 f. Dag das vierte Buch Esdras verfchiedene Oberliefe- 
rungen enthalt, fo dag bald die Menfchen im allgemeinen, bald das Volk 
Ifrael im befondern in den Vordergrund tritt (vgl. Volz, Judifche Escha- 
tologie von Daniel bis Akiba, Tub. und Leipzig 1903, S. 31 ff.), hangt 
.mit dem Charakter des Verfaffers zufammen, der hinter der nationalen 
Not feines eigenen Volkes die allgemeine Not menfchlicher Siinde und 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 605 

Der innig religiofe, von allem Phantaftifchen und Ober- Bedeutung 
triebenen fidi fern haltende Standpunkt und der reiche, durch- u " d Wert " 
weg an das Alte Teftament, z. B. das Buch Job, fich an- 
lehnende Inhalt des vierten Esdras-Buches rechtfertigen feine 
grofce Verbreitung und Wertfchatjung, wie fie fich fchon in den 
vielen Uberfetjungen kundgibt. Durch das Ganze geht der Ton 
der wehmiitigen, nie in wilde Rachfucht ausartenden Klage 
iiber das Schickfal Ifraels, die geringe Zahl der Geretteten x )und 
den Tod des Meffias und aller mit ihm Lebenden.--) Der 
Verfaffer fteht in feinem univerfaliftifchen Ausblick auf alle in 
Siinde und Elend daliegenden Menfchen, welche alle Gottes 
Gebote haben und alle gerichtet werden, ebenfo hoch da, 
wie in der traurigen und doch wieder troftlichen Zuverficht, 
dag das Gefe^ in feiner Herrlichkeit bleibt, auch wenn Sion 
nicht mehr ift und die, welche das Gefe^ erhielten, wegen 
ihrer Siinden verloren gehen. 3 ) 

Die einzige Stelle des lateinifchen Textes, welche ficher interpolation. 
eine chriftliche Interpolation enthalt, ift 7, 28 f., wo ftatt 
,,Meffias" Jefus fubftituiert ift! 4 ) 

Auf die Zeit der Abfaffung des fchon von Clemens Alexan- Die 
drinus angefuhrten Werkes kann man aus der Bemerkung, Abfaffungs- 
da& diefe Welt mit der Herrfchaft Edoms endigen und die zeit d ^ s y ier - 
zukunftige mit der Herrfchaft Ifraels beginnen werde, nichts 

des Bofen in der Welt uberhaupt erblickt. Aus diefem Grunde find die 
Verfuche, auch in diefem Buche mehrere Quellenfchriften und uberall Ein- 
fchube des Redaktors darzutun (vgl. befonders Kabifch, Das vierte Buch 
Esra 1899; De Faye, Les apocalypses juives, Lausanne 1892; Box, The 
Ezra-Apocalypse XXII ff. und in Charles, The Apocrypha II, 542 u. 549 ff.) 
mit Recht faft allgemein abgelehnt worden. Vgl. Revue des Etudes 
Juives, tome XXXIX (Paris 1899) p. 140. Gunkel 351. Schurer III, 328. 
Keulers S. 41 ff. 

J ) 4 Esdr. 8, 3. 

2 ) L. c. 7, 29. 

3 ) L. c. 9, 27. 

*) 4 Esdr. 13, 31 enthalt Anklange an Matth. 24, 7. Selbft in 
Kapitel 7, wo das Wort ,,Jesus" fich findet, hat man die den Chriften 
doch ficher anftOgige Stelle 7, 28 vom vierhundertjahrigen ftatt des 
taufendjahrigen Reiches ebenfo ftehen laffen, wie in 7, 29 das blog von 
dem athiopifchen Oberfetjer getilgte ,,et morietur filius meus Christus". 
In 12, 34 wird die Parufie als nicht gleichzeitig mit dem Weltgericht 
vorausgefetjt, was naturlich auch den nichtchriftlichen Charakter des 
Werkes beweift. 



606 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Sidieres fchliefeen; Denn unter Edom ift weniger an die 
Herodeer, die iibrigens auch bis gegen Ende des erften 
chriftlichen Jahrhunderts, regierten, als an die Romer zu 
denken. 1 ) Aber in den Bemerkungen, dafc die Mauern von 
Jerufalem niedergeriffen, die Stadt verbrannt, der Tempel 
zerftort, das Volk weggefuhrt fei, 2 ) wird die Zerftorung Jeru- 
falems dureh Titus als bereits gefchehen vorausgefetjt. 

Noch genauer wird die Zeit des Entftehens des Werkes 
in Kapitel elf und zwolf angegeben. Unter dem Bilde des 
Adlers mit drei Hauptern und zwolf Sehwingen, aus denen 
adit Gegen- oder Unterfchwingen wuchfen, ift das romifche 
Kaifertum mit feinen Herrfchern feit Cafar und feinen Thron- 
Pratendenten verfinnbildlieht. 3 ) Die drei Haupter find, wie 
man aus guten Grunden jetjt allgemein annimmt, 4 ) Vefpafian, 
Titus, von dem man allgemein glaubte, er fei von feinem 
Bruder Domitian ermordet worden, 5 ) und Domitian felbft. 
Unter den zwolf Sehwingen verfteht man romifche Kaifer von 
Cafar bis Nero nebft Galba, Otho, Vitellius und den drei 
Ufurpatoren Vindex, Nymphidius und Pifo Licinianus, 6 ) unter 
den Gegen- oder Unterfchwingen 7 ) romifche Generale, welche 



') In rabbinifchen Schriften bezeichnet Edom gewohnlich Rom. Vgl. 
Buxtorf, Lexicon chald., Basil. 1639, col. 29 sqq. Levy, Neuhebr. und 
chald. Worterb. I., L. 1876, S. 29. Langen S. 125 f. 

2 ) 4 Esdr. 11, 42. 12, 44-.- 10, 21. 5, 28. 10, 22. 

3 ) Vgl. die verfchiedenen Erklarungen der Adler-Vision in Schiirerlll, 
318 ff. S. auch Thackeray, p. 765. Gunkel S. 345 und 352. 

*) Vgl. Gfrorer, Das Jahrhundert des Heils, 1838, I, 69 ff. 

5 ) Vgl. zu 4 Esdr. 11, 35 und 12, 28 Aurelius Victor Caes. 10 
und 11, wo ausdrucklich gefagt wird, Domitian habe den Titus vergiftet. 

6 ) Vgl. Schiirer 111, 326 f. 

7 ) Lagrange, Notes etc. p. 497 s. meint, anfangs hatte es in der 
Befchreibung des Adlers nur fechs Fliigel auf der rechten und fechs 
Gegenflugel auf der linken Seite gegeben. Da fich die Anficht des Ver- 
fafjers iiber das Ende der Welt nicht realifiert habe, habe man einfach 
die Zahl der Fliigel verdoppelt und ftatt fechs acht Gegenflugel ange- 
nommen. Auch Vaganay, Le probleme etc. p. 19 ss. meint, da die erfte 
Berechnung durch die Gefchichte felbft als unrichtig bewiefen fei, fei fie 
von einem Lefer des 3. Jhrdts. durch die Zutat der acht Gegenfchwingen 
verandert worden. Allein zu derartigen Vermutungen gibt der Text 
keine Berechtigung. In ahnlicher Weife fuchen Box p. 365 ff. und 
Keulers S. 116 ff. die Vifion zu erklaren. Nach erfterem ftellten die 12 
Fliigel die 6 julifchen Kaifer, Caefar, Auguftus, Tiberius, Caligula, Clau- 



XVI. Kap. Die judifdie Literatur nach der ZerftOrung Jerufalems. 607 

in den Jahren 68 70 Anfpruche auf den Thron machten. 
Da der Verfaffer nun das Ende des dritten Hauptes erft nach 
dem Auftreten des Meffias erwartet, das Ende des zweiten 



dius, Nero dar. Diefe Flugel feien paarweife gerechnet, um ihre grogere 
WQrde und Macht zu fymbolifieren. Die 3 Haupter feien die flavifehen 
Kaifer; die 8 Gegenflugel ftellten Vindex (f 6. Marz 68), Nimphidius (einige 
Monate fpater), Galba, Otho, Civilis (f Juni 69) und Vitellius (f Dez. 69) 
vor. Die 2 kleinen diefer Flugel, weldie das letjte Haupt iiberleben 
follten, bezeidineten wahrfdieinlich romifche Statthalter oder Generale. 
Im J. 120 habe ein Redaktor die Adlervifion mil andern Schriften im 
Esrabuche zu einem Bande vereinigt. Er habe die 3 Haupter mit Trajan, 
Hadrian und Lucius Quietus identifiziert; die 12 Flugel aber mit den 
6 Juliern und Galba, Otho, Vitellius, Vefpafian, Titus und Domitian. 
Eine geniigende Erklarung der 8 kleinen Flugel fehlt, zudem ift die 
Annahme eines Redaktors aus dem Jahre 120 n. Chr. unbewiefen. 
Keulers S. 118 f. 

Keulers felbft gent (S. 116 ff.) zur Beftimmung der Abfaffungszeit 
des Buches von dem Datum 3, 1. 29 n im 30. Jahre nach dem Untergange 
der Stadt" aus. Er verfteht es wortlich vom Jahre 100 n. Chr. Er nimmt 
mit Lagrange an, dag urfprunglich nur von 6 Flugeln und 6 Gegenflugeln 
die Rede war. Die 6 Flugel feien die 6 Julier, die 3 Haupter die 3 
Flavier, die Gegenflugel Galba, Otho, Vitellius, Civilis, Nerva u. Trajan. 
Die 2 Gegenflugel 11, 22 habe der chriftliche Interpolator, der auch in 
11, 1; 12, 14, 16 die Zahl 6 in 12 und in 12, 20 die Zahl 6 in 8 geandert 
habe, eingefchaltet, weil er mit der Verdoppelung der Flugel noch nicht 
ganz auskam. 

Die Schwierigkeit liegt darin, dag der Verfaffer, wenn er die Adler- 
vifion wahrend der Regierung Trajans verfagte, trotjdem noch den 
Meffias vor demTode des 3. Hauptes, des Domitian (8196), erfcheinen 
lagt. Keulers fucht die Schwierigkeit durch die Annahme zu lofen, dag 
man feit Daniel geglaubt habe, es muffe beim Erfcheinen des Meffias an 
der Spitje des Weltreiches ein gewaltiger und graufamer Herrfcher als 
Gegner des Meffias ftehen. Fur die Rolle feien Nerva und Trajan nicht 
geeignet gewefen, wohl aber Domitian. Mit deffen gewaltfamem Tode 
habe das meffianifche Geficht jchon eingefetjt. 

Die Zahl 30 in 3, 1. 29 kann wohl als runde Zahl Gunkel meint, 
es fei eine ungefahre Beftimmung angefehen werden, wie ja auch faft 
alle Erklarer die Abfaffungszeit des Buches aus der Adlervifion zu 
beftimmen fuchen. Keulers S. 120 meint, bei der Annahme, dag unfer 
Buch vor dem Tode Domitians gefchrieben fei, bleibe es unerklarlich, wie 
der Verfaffer erwarten konnte, es wurden nach dem Tode diefes Kaifers 
noch zwei Kaifer regieren. Es find nach 11, 24. 12, 1 f. 29 n die, die der 
Hochfte fur fein (des Adlers) Ende vorbehalt; ihre Herrfchaft wird fchwach 
und fturmifch fein" (12,29). Sie haben fomit eine fymbolifche Bedeutung. 
Vgl. Lagrange p. 497 s.: Les deux derniers ailerons tenus en reserve 



608 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Hauptes aber fchon kannte, 1 ) mufc das Werk unter Domitian 

(81-96) gefchrieben fein. 

Der Zweck Zweck des Buches war, die Juden wegen der Zerftorung 

des vierten Jerufalems und ihrer politifdhen Leiden uberhaupt durdi den 

Buches Hinweis auf die Erfullung der feligen Hoffnungen im Jen- 

Esdras. - ., , .... 

feits zu troften. 

In der Anlage, dem Zwecke und haufig auch in den 
Gedanken ftimmt das vierte Buch Esdras mit der (fyrifdien) 
Baruchapokalypfe iiberein. 

b) Die Apokalypse Baruchs. 

Zufammen- Unter dem Namen des Verfaffers des kanonifchen Budies 

fetjung und Barudi, des Gehilfen des Jeremias, find mehrere Schriften 

^okVTe auf uns ekommen - Die wichtigfte ift die fyrifche Baruch- 

Baruchs apokalypfe, welche ihren Namen davon fuhrt, da)5 fie nur 

in einer fyrifchen Uberfetjung erhalten ift. 2 ) Das Werk be- 

anfprucht, die Offenbarungen mitzuteilen, welche dem Baruch 

unmittelbar vor und nach der Zerftorung Jerufalems durch 

die Chaldaer zuteil geworden waren. Der Verfaffer fpricht 

als Barudi in der erften Perfon. In Kapitel 77 Vers 19 wird 

ein Brief Baruchs an 9*/2 Stamme jenfeits des Euphrats er- 

wahnt, der auch in Kapitel 78 87 3 ) mitgeteilt wird und von 



ne sont peut-etre la que comme une image des troubles que 1'auteur 
prevoyait a la mort de Domitien, comme avant-coureurs de la defaite 
de 1'aigle. II ne pouvait considerer comme un temps miserable les 
regnes de Nerva et de Trajan; apres Domitien il ne voit plus rien de 
distinct. II augurait mal de 1'avenir, parceque la fin etait proche." 

J ) 4 Esdr. 11, 35 ff. 

") Veroffentlicht nach einer Handfchrift des 6. Jhrdts. von Ceriani, 
Monumenta sacra et profana, t. V. fasc. 2., Mediol. 1871, p. 113 180 und 
photolithographifch im letjten Teile der Translatio Syra Pescitto Veteris 
Testamenti. 2 Bde. Mediol. 187683. Eine lateinifche Uberfetjung gab 
zuerft Ceriani, Mon. sacr. 1, 2, Mediol. 1866, p. 7298, eine englifche 
Charles, The apocalypse of Baruch, L. 1896 und Charles, The Syriac 
Apocalypse of Baruch in The Apocrypha II, 470 526, eine deutfche 
Ryffel in Kautjfch, Die Apokryphen II, 404446 und Violet (f. o. S. 600, 5). 
Die Ausgabe von M. Kmosko, Patrologia Syriaca (ed. Graffin) vol. II, 
Paris 1907, col. 10561237 enthalt den fyrifchen Text mit der lateinifchen 
U'berfetjung Cerianis, einer Einleitung und kritifchen Anmerkungen. 
Vgl. auch Szekely, Bibl. apocr. 1, 261-284. 

3 ) Diefer Teil des fyrifchen Textes, cap. 78 87 war fchon u. a. in 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der ZerftOrung Jerufalems. 609 

der Zerftorung Jerufalems und der zukiinftigen Erlofung der 
gefangen Fortgefuhrten handelt und ein Brief an 2 Vs Stamme 
in Babel, weldier aber im jetjigen Texte fehlt. 

Das Budi zerfallt wie das vierte Buch Esdras in fieben 
Abfchnitte. In den erften drei Abfchnitten (Kap. 1 - 12) wird 
von dem Untergang Jerufalems und des Reiches Juda durdi 
die Chaldaer - nieht diefe, fondern Engel zerftoren die 
Mauern der Stadt-und der Wegfuhrung des Volkes, welches 
Jeremias in die Gefangenfchaft begleitet, geredet. Baruch 
weint und wehklagt iiber Jerufalem. Gott fagt ihm (13-20), 
daft auch fiber die Heiden einft das Strafgeridit kommen 
und das Glfick der Bofen und das Ungliick der Guten fchliefc- 
lich ausgeglichen wird. Im fiinften Abfchnitte (Kap. 21-46) 
wird eine Zeit der Drangfale, welche iiber die ganze Erde 
kommen werde, vorausgefagt. Danach wird der Meffias an- 
fangen, fich zu offenbaren, und es wird eine Zeit der Freude 
und Herrlichkeit anbrechen. Dann wird der Meffias in Herr- 
lichkeit (in den Himmel) zuriickkehren und die Gerediten 
werden auferftehen, die Gottlofen aber vor Angft vergehen, 
weil das Ende der Zeit da ift. Im Kapitel 35-40 folgt die 
Vifion vom Walde, dem Weinftock, der Quelle und der 
Zeder. Dem Walde gegenuber wuchs namlich ein Weinftock, 
unter dem eine Quelle hervorquoll, deren Waffer den Wald 
verwiifteten, nur eine Zeder blieb ubrig. Aber auch diefe 
wird entwurzelt und verbrannt. Die Vifion bezieht fich auf 
die vier Weltreiche, deren le^tes (das romifche Weltreich) 
die Herrchaft behalt, bis der Meffias kommt, welcher die 
le^te Zeder des Waldes, den le^ten Regenten, toten wird. 
Des Meffias Herrfchaft aber wird dauern, bis fich die Zeiten 
vollenden. In dem fechften Abfchnitt (Kap. 47-77) erhalt 
Baruch neue Offenbarungen iiber die Drangfale der letjten 
Zeit, aber auch (Kap. 4952) iiber die neue Leiblichkeit der 
auferftandenen Gerechten und ihre Herrlichkeit wie die Qual 
der Verdammten. In einer neuen Vifion (5376) fieht Baruch, 
wie aus einer aus dem Meere auffteigenden Wolke, welche 
die ganze Erde bedeckte, zwolfmal bald fchwarzes, bald 



der Parifer und Londoner Polyglotte gedruckt. Eine neue Rezenfion 
des Textes auf Qrund von 10 Handfdiriften gibt Charles 1: c/ p. 124 167. 

Felten, Neuteftamentliche Zeitgefdiidite. I. 2. u. 3. Aufl. 39 



61 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

belles Waffer auf die Erde herabregnet, bis am Ende nadi 
dem fchwarzen Waffer der helle Blifc kommt, der die Erde 
erleuditet, die Lander heilt und uber die ganze Erde herrfcht. 
Unter den Waffern wird die judifche Gefchichte von Adam bis 
zum Meffias verfinnbildlicht. Das elite fchwarze Waffer bedeutet 
die zur Zeit Barudis eingetretene Triibfal, den Untergang Je- 
rufalems und die babylonifche Gefangenfchaft; das zwolfte helle 
Waffer aber den Wiederaufbau der Stadt und die Wieder- 
herftellung des Gottesdienftes. Das letjte fchwarze Waffer 
zeigt die Zeit der hochften Drangfal an. Die, weldie nidits 
waren, werden fidi der Herrfchaft uber die Macbtigen be- 
machtigen und es kommen grofee Trubfale. Wer all den 
Ubeln entgeht, mag er nun gefiegt haben Oder befiegt 
worden fein, wird den Handen des Meffias iiberantwortet. 
Er ift der helle Blitj, deffen ewige fegensreidie Herrfchaft 
fchliepch (72-74) gefchildert wird. Baruch erhalt nun die 
Weifung, das Volk zu belehren, da& es in der letjten Zeit 
nicht fterben wird. Er ermahnt das Volk. Im le^ten Ab- 
fchnitt, Kapitel 78-87, wird Baruchs Brief an die 9 x /2 Stamme 
mitgeteilt, worin das Gericht Gottes als gerecht erklart, das 
zukunftige Gericht Gottes uber die Bedranger des Volkes 
und deffen einftige Erlofung vorhergefagt und zur Buge 
und zur Treue gegen Gott und das Gefetj ermahnt wird. 
Die Einheit- Ein Grund, die Einheitlichkeit des Buches zu bezweifeln 
lichkeit des un( i an me hrere Quellenfchriften und Bearbeiter desfelben 
Buches. zu denken, 1 ) liegt nicht vor. Denn wenn auch in einzelnen 
Teilen mehr eine optimiftifche, in andern mehr eine peffi- 
miftifche Anfchauung fiber das Gefchick Ifraels in den Vorder- 
grund tritt und an einigen Stellen von Sieg und Segen, an 
andern vom Verderben in der Welt und vom kommenden 
Obel geredet wird, fo ift das doch nichts anderes, als was 
fidi auch im Alten Teftamente findet, welches bald von der 
Herrlichkeit, bald vom Leiden des Meffias redet. 



J ) Nach dem Vorgang von Kabifch und De Faye ift dies am radi- 
kalften von Charles 1. c. p. LIII ff. gefchehen (vgl. auch Charles, art. 
Baruch, Apocalypse of, in Hastings D. I, 250). S. dagegen auch Schurer III, 
312 und Clemen, Die Zufammenfetjung des B. Henoch, der Apok. des 
Baruch und des vierten Buches Esdras, Stud, und Krit., 1898 (S. 211 ff.), 
S. 227 ff. Vgl. auch Ryssel, 407409. 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der ZerftOrung Jerufalems. 611 

Jedenfalls ift die Sdirift nadi der Zerftorung Jerufalems Abfaffungs- 
durdi Titus abgefafct. Denn es wird Kapitel 32, 2-4 ge- zeit - 
weisfagt, dafc Jerufalem nadi der Zerftorung durch Nebukad- 
nezar wieder erbaut, dann aber wieder zerftort werde und 
fo bleibe, bis die Stadt ewig in Herrlichkeit gekront werde. 

Die fchon oben erwahnten BerQhrungspunkte mit dem Verhaitnis 
vierten Buche Esdras 1 ) find fo zahlreidi, da& der Verfaffer zum vierten 
des einen Budies das andere gekannt und benutjt haben s ras ' 

mufc. Aber wenn man fidi audi daruber einig ift, fo ift doch 
die Frage, welches Werk das altere fei, verfchieden beant- 
wortet worden und lagt fich, da es an ausfchlaggebenden 
Grunden fehlt, kaum anders als nach fubjektivem Empfinden 
beantworten, zumal beide Verfaffer auch aus der Oberlieferung 
gefchopft haben. Wahrfcheinlich ift aber das vierte Buch 
Esdras das altere, da der Verfaffer den des Baruchbudies 
an Tiefe und Hoheit des Geiftes weit uberragt und deshalb 
fchwerlich feine Gedanken von ihm geborgt hat. 2 ) 

Da& der fyrifche Text des Baruchbuches aus dem Grie- Die Sprache 
chifchen gefloffen ift, wird in der Oberfchrift gefagt, 3 ) und . des 
ergibt jich auch aus innern Grflnden. 4 ) Vermutlich war es ngma s 
aber urfprflnglich wie das vierte Esdrasbuch hebraifch ge- 
fchrieben. 5 ) 

Das Werk zeigt an manchen Stellen Beriihrungspunkte Beruhrungs- 
mit dem Neuen Teftamente, an manchen ift es direkt durch punkte mit 
dasfelbe beeinflufet worden. 6 ) Befonders auffallend find die dem N ' T ' 

x ) Vgl. Langen, Commentatio qua Apocalypsis Baruch anno supe- 
riore primum edita illustratur. Frib. 1867, p. 6-8. Charles 1. c. 
p. LXVII LXXVI und in Hastings D. I, 251. Ryssel 404 f. 

2 ) Fur die Prioritat des 4. Esdrasbuches find u. a. Langen a. a. O., 
Hilgenfeld, Messias Judaeorum p. LXIII sq., Hausrath IV, 88 f., Qunkel 
a. a. O. S. 351 f., Lagrange, Notes etc. p. 508 ss., B. Violet, Esra Apo- 
kalypse II, LXXXI sqq , fur die des Barudibudies Charles 1. c. p. LXXII f., 
Sdiiirer III, 309 ff. und Ryssel 405 ff. eingetreten. 

3 ) Es handelt fich um die Uberfehrift in einer fyrifchen Handfchrift c. 
Vgl. Charles, The Apocrypha II, 471 f. Bin Fragment der griechifchen 
Uberfetjung wurde von Qrenfell und Hunt entdeckt und in den Oxyrhyn- 
chus Papyri, III, 37 verSffentlicht, darnach auch von Charles I.e. zu 12, 
1-5; 13, 1-2. 11-12; 14, 13. 

*) Charles p. XLIII f. Ryssel 410. 

B ) Vgl. Charles p. XLIV LIII u. in The Apocrypha II, 473. Schulthefe 
in Theol. Ltrztg. 1897, S. 238^241. Ryssel 410 f. 

6 j Vgl. Charles p. LXXVI LXXIX. Er verweift u. a. auf 51, 15 und 

39* 



612 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

vielen Beziehungen auf den Romerbrief, 1 ) Die Ausftihrungen 
in 54, 1419 machen fogar den Eindruck, 2 ) als ob fie gegen 
die Beweisfuhrung des heiligen Paulus im Romerbrief 5, 12 ff. 
gefichtet fein follen. Ebenfalls recht auffallend ift 48, 42 der 
Ausdriick M die erfte Eva", welche vielleicht eine chriftliche 
Gloffe ift, jedenfalls aber an den Gegenfatj zur: Mutter Gottes 
erinnert. 

Es liegt der Gedanke nahe, daft die Baruchapokalypfe 
zu Rom vielleicht von einem der dorthin durch Titus depor- 
tierten Juden gefchrieben ift. Das wurde auch die Bekannt- 

fchaft mit dem Romerbriefe erklaren. 

Die fog. Para- Das fyrifche Baruchbuch ift in einem jungeren Baruchbuch benufrit, 3 ) 

lipomena Je- welches die letjten Schickfale des Jeremias legendarifdi erzahlt und ur- 

remiae, ein fpriinglich griechifch, dem Anfcheine nadi ; im zweiten chriftlichen Jahr- 

jiingeres Ba- hundert gefchrieben ward. In den griechijchen Handfchriften heigt diefe 

ruchbuch. Schrift gewOhnlich ,,Paralipomena des 'Jeremias". So wie fie vor- 

liegt, mug fie aber als ein chriftliches Werk angefehen werden, da fie 

fogar von den zwolf Apofteln redet. ; 

Das Origenes erwahnt 4 ) eine Schrift des Propheten Baruch, in welcher 

griechifche von 7 Welten oder Himmeln gefprochen werde^ Vielleicht ift eine vor 

Baruchbuch. Matth . 16> 2 6; 54, 10 und Luc. 1, 42; 21, 13 und 1 Kor. 15, 19; 49, 2 

und 1 Kor. 13, 35; 52, 6 und Jakobusbr. ,1, 2; 51, 11 und Apoc. 4, 6. 

1 ) Vgl. 17, 3. 23, 4. 54, 15.' 19 mit Rom. 5, 12 ff.; dann 32, 6. 39, 7 
mit Rom. 8, 19; 23, 4 mit Rom. 11, 25; weiter 14, 8 f. 20, 4. 21, 10. 
54, 12 f. 75 mit Rom. 11, 35; dann auch 14, 9. 20, 4. 75, 15 mit Rom. 
11, 33 f. Vgl. den Kommentar zum Romerbriefe von Sanday and Headlam, 
3.. ed. Edinburgh 1898, p. 137 f. 207 f. 335. 340 f. 

2 ) So fagt Edersheim, The life and times of Jesus the Messiah, 
2 ed. L 1884, II, 658. Immerhin fprechen aber die Stellen 17, 3. 23, 4 
und 48, 42 dagegen. 

3 ) Es ift in griechifcher, athiopifcher, armenifcher und flavifcher Sprache 
erhalten. Vgl. Ryssel 1. c. p. 402 f. und befonders Schiirer HI, 393395, 
der das Buch nach feinem in den griechifchen Handfchriften gewohnlichen 
Titel ,,Paralipomena Jeremiae" nennt, und zwifchen dem chriftlichen Schlufj 
und dem urfprunglich jiidifchen Werk unterfcheiden will, weil Kap. 6, 1314 
und 8, 2 auf das ag>o^s<}at der Juden von den Heideh, infonderheit 
den heidnifchen Frauen, Wert gelegt werde. Das konnte aber doch ge- 
wig auch ein Chrift vom Standpunkte des Jeremias oder Baruch aus 
tun. Der griechifche Text ift zule^t veroffentlicht worden von Ceriani in 
Monumenta sacra et profana, V, 1 Mediol. 1868, p. 9 18 und von Rendel 
Harris in The rest of the words of Baruch: a Christian apocalypse of 
the year 136 A. D., the text revised with an introduction. London 1889. 
Ober eine noch unveroffentlichte athiopifche Baruchapokalypfe und 

andere Baruchliteratur vgl. Ryssel S. 403 f. 
*) Orig. De princ. II, 3, 6. 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der Zerft6rung Jerufalems. 613 

einigen Jahren veroffentlichte griechifch gefchriebene ,,Offenbarung des 
Baruch" eine verkurzte Bearbeitung desfelben, 1 ) obwohl hier nur von 
5 Himmeln, welche dem Baruch von einem Engel gezeigt werden, die 
Rede ift. Im erften Himmel fieht er Menfchen mit Kopfen wie Kinder und 
Hornern wie Hirfche. Es find die Menfchen, welche den Turm zu Babel 
gegen Gott bauten. Die, welche den Rat zu dem Bau gegeben haben, 
find im zweiten Himmel und haben Hundskopfe und Hirfchfufce. Dann 
fieht er (Kap. 4-10) den Drachen, deffen Bauch der Hades ift, und den 
Ausgangsort der Sonne und den feurigen Sonnenwagen mit der Sonne 
in menfchlicher Geftalt und den Vogel Phonix, welcher neben der Sonne 
lauft und mit feinen Fliigeln ihre Strahlen auffangt, und den Mond, der 
in Geftalt eines Weibes in einem Wagen von Rindern und Lammern ge- 
zogen wird. 1m vierten Himmel fieht Baruch das Waffer, welches die 
Wolken erhalten, urn es fur die Fruchte der Erde regnen zu laffen, und 
die Ebene, wo die Seelen der Gerechten zufammenkommen. .Der f unite 
Himmel (Kap. 11 16) ift durch ein Tor gefchloffen, welches der Schluffel- 
bewahrer Michael offnet, und Engel kommen mit Korbchen voll Blumen, 
d. h. Tugenden der Gerechten. Andere Engel weinen, weil fie fchlechten 
Menfchen zugewiefen find. Michael verkundet Mr die erfteren Lohn, fur 
die letjteren Strafe. Das Tor wird gefchloffen und Baruch befindet fich 
wieder auf der Erde. 

Das Werk beruhrt fich mit denTflavifchen Henochbuche 2 ) und dem 
fyrifchen Baruchbuche, 3 ) ift aber in feiner jetjigen Geftalt eine chriftliche 
Schrift. Chriftlich ift wohl der ganze Abfchnitt in Kapitel 4 iiber den 
Weinftock als den Baum, durch den Adam verfuhrt wurde, ficher aber 
das Wort des Engels an Noe, dag das vom Weinftock Gewonnene zum 
Blute Gottes werde. Audi wird Jefus Chriftus der Immanuel direkt er- 



*) Herausgegeben von James in Apocrypha anecdota, Second Series 
(= Robinson, Texts and Studies V, 1) Cambridge 1897, p. 83-94. Einen 
Auszug aus dem griechifchen Text bietet die fchon 1886 von Novakovic 
in Agram veroffentlichte flavifche Baruchapokalypfe, welche im 
Jahre 1896 von Bonwetfch (Nachrichten d. Kgl. Gef. d. Wiff. zu Gott. 
Ph. hist. Klaffe 1896, S. 94-101 nebft einer Einleitung 91-94) ins Deutfche 
uberfe^t wurde. Eine englifche Oberfe^ung des flavifchen Textes von 
Morfill fteht in James 1. c. p. 96-102. Ober einen zweiten flavifchen 
Text, den Tichonravon 1894 herausgegeben hat, vgl. W. Ludtke, Beitrage 
zu flavifchen Apokryphen in ZAW 1911 (Jahrg. 31), S. 219-222. Eine 
deutfche Oberfetjung des griechifchen Textes nebft Einl. von Ryssel f. in 
Kau^fch, Die Apokryphen II, 446-457; eine englifche mit Einlage von 
Charles in feinem Werk The Apocrypha II, 527-242. Ryssels Einteilung 
des Textes ift von mir im folgenden zugrunde gelegt. Vgl. noch 
Hilgenfeld, Z f. wiff. Theol. 1897, S. 467-471 und Batiffol in der Rb VII 
(1898), p. 303 s. 

2 ) Vgl. Cap. 7-9 mit flav. Henoch 11-15. 

3 ) Vgl. Ryssel S. 447, welcher fich an Bonwetfch S. 92 f. anfchliegt. 



614 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

wahnt. 1 ) Ebenfalls i[t der Abfchnitt 1316 voll an chriftlichen Anfpielungen. 
So wird z. B. in Kapitel 15 das Wort des Herrn angefuhrt: Uberweniges 
feid ihr treu, uber vieles will ich euch fetjen! Gehet ein zu cures Herrn 
Freude. 2 ) 

Es ware ja mSglich, dag es fich hi Kapitel 4 nur um einen chrift- 
lichen Einfchub in eine judifche Schrift handelt. 3 ) Aber wenn die chrift- 
lichen Stucke aus dem Werke weggenommen werden, bleiben nur einige 
phantaftifche Traumereien iibrig. Wahrfcheinlich handelt es fich um eine 
chriftliche Apokalypfe irgend einer Sekte, und gehOrt die Hauptmaffe der 
Schrift dem zweiten chriftlichen Jahrhundert an, 4 ) hat aber auch fpatefe 
Zufa^e. 5 ) 

Die Apoka- Die Apokalypfen Abrahams, Elias und Sophonias konnen, 

lypfe Abra- foweit fie bekannt find, auch nicht als jiidifche Schriften der neuteftament- 
hams. lichen Zeit angefehen werden. 

Die nur flavifch erhaltene Apokalypfe Abrahams 6 ) enthalt allerlei 
Offenbarungen, welche Abraham bei feiner zeitweiligen Verfetjung in den 
Himmel, namentlich iiber die Gefchichte feines Gefchlechtes erhalten haben 
foil. In ihrer jetjigen Form ift fie aber chriftlich, da von dem gefchmahten 
und gefchlagenen Manne (Chriftus), auf den die Heiden hoffen, geredet 
wird, 7 ) und vermutlich gnoftifch. Immerhin mag ihr eine judifche Schrift 
zugrunde liegen, welche aber fchwerlich in die von uns behandelte Zeit 
hinaufreicht. 8 ) 



*) Harnack, Chronologic 1897, I. S. 566 weift auf Epiphanius haer. 
45, 1 hin. Wir horen dort, dag nach den Severianern der Teufel Schlangen- 
geftalt annahm, fich mit der Erde vermifdite und die Frucht diefer Ver- 
mifchung der Weinftock fei. Der Schlug von Kap. 4 ift abhangig von 
den paulinifchen Briefen. S. Ryssel z. d. St. 

2 ) Vgl. Matth. 25, 21. 

3 ) Vgl. Batiffol 1. c. p. 304. Auch Charles 1. c. 527 meint: Jn its 
present form the work is a composite production, belonging to the 
second century A. D. The Jewish original has been worked over by a 
Christian redactor. 

4 ) James meint p. LXXI: Our book is, in fact, a Christian apoca- 
lypse of the second century. Am 2. Jahrhundert mug man deshalb feft- 
halten, weil wohl das Zitat bei Origenes eine Bekanntfchaft mit unferer 
Apokalypfe vorausfetjt. 

5 ) Vgl. befonders Abfchnitt 13, wo von n in die Kirche gehen" und 
von geiftlichen Vatern gefprochen wird. 

6 ) S. Bonwetfch, Die Apokalypfe Abrahams. Das Teftament der 
vierzig Martyrer, herausgegeben ( Studien zur Gefchichte der Theo- 
logie und Kirche, herausg. von Bonwetfch und Seeberg I, 1) L. 1897. 

') L. c. Cap. 29. 

8 ) Bonwetfch S. 61 f. halt das Werk far judifchen Urfprungs, ebenfo 
Schurer III, 336 f. und Bardenhewer, Gefch. der altkirchl. Literatur Bd. 2 
Freib. 1903, S. 649. Letjterer meint, der eigentliche Kern des Buches 
durfe noch dem 2. chriftl.' Jhrdt. angehort haben, weil derfelbe wahr- 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 615 

In der altkirchlichen Literatur ift audi einigemal von einer Apoka- Die 
lypfe des Elias 1 ) und einer Apokalypfe des Sophonias 2 ) die Apokalypfe 
Rede. In beiden Fallen durfte es fich um eine judifche Schrift oder um des Elias und 
eine Oberarbeitung einer folchen handeln. 3 ) Jedenfalls ftammt eine jungft die des So- 
aus dem Koptifchen veroffentlichte Elias-Apokalypfe 4 ) aus fpaterer Zeit phonias. 
und ift chriftlichen Urfprungs. 6 ) Audi ein erft in allerletjter Zeit bekannt 
gewordenes lateinifches Fragment einer Elias- Apokalypfe 6 ) tragt kein 
Kennzeichen eines jiidifchen Urfprungs an fich. Endlich fcheint auch die 



fcheinlich dem Verfaffer von Clem. Recogn. 1, 32 vorgelegen habe. Nach 
der Rev. des etudes juives 1898, vol. XXXVI, p. 125 kann das Werk 
weder in Palaftina noch in der rabbinifchen Welt entftanden fein. Ober 
andere Schriften unter dem Namen Abrahams f. Schiirer III, 337 ff. 

') S. die Stellen bei Zahn, Gefch. des neut. Kanons II, 801810. 
Die Apokalypfe des Elias foil nach Orig. Comm. ad Matth. 27, 9 (de la 
Rue III, 916; vgl. auch Ambrosiaster, Comm. in ep. Pauli, Migne PI. 
XVII, 205) die Quelle eines vom heiligen Paulus I Kor. 2, 9 angefuhrten 
Zitates fein. Auch foil die Stelle Eph. 5, 14 nach Epiphan. Haer. 42 (ed. 
Dindorf II, 388) 7rp zw 'HUa. ftehen. Dag Paulus, bei dem die Formel 
y&YQctnTnt oder Aayet immer auf kanonifche Schriften hinweift, ein jiidifches 
Apocryphum angefiihrt hat, ift von vornherein zum wenigften recht un- 
wahrfcheinlich. Das erfte Zitat wird auch von Hier. Ep. 57 ad Pam- 
machium c. 9 (ed. Vallarsi I, 314) auf Ifaias 64, 3 und das Zitat Eph. 5, 
14 fchon von Hippolytus De Chrifto et Antichr. c. 65 auf den Propheten 
und in Daniel IV, 56 auf Ifaias (60, 1) zuruckgefiihrt. Ift die Elias-Apoka- 
lypfe, worin die Stellen geftanden haben follen, judifchen Urfprungs, fo 
werden die Zitate durch chriftliche Oberarbeitung in .diefelbe hineinge- 
kommen fein. 

2 ) Sie wird erwahnt in den oben S. 573, 6 angefuhrten Verzeich- 
niffen der Apokryphen und bei Clem. Alex. Strom. V, 11, 77. 

3 ) S. Schiirer III, 361366. 367369. Bardenhewer II, 649-651. 
Zahn 1. c. S. 805 ift geneigt, fur die Apokalypfe des Elias einen chrift- 
lichen Urfprung anzunehmen. 

*) Steindorff, Die Apokalypfe des Elias, eine unbekannte Apoka- 
lypfe und Bruchftiicke der Sophonias-Apokalypfe. Koptifche Texte, Oberf. etc. 
L. 1898 (= Texte u. Unterfuchungen etc. N.F. II 3a). 

6 ) Vgl. Schurer, Theol. Ltrtzg. 1899, Sp. 48, der meint, fie fei in 
der zweiten Halfte des 3. Jahrhdts. n. Chr. gefchrieben, wahrend nach 
Kampers im Hiftor. Jahrb. Bd. XX, 1899, S. 424 ff. der Kern der Elias- 
Apokalypfe in die Zeit der agyptifchen Aufftande zuruckreichen foil. 

6 ) S. dasfelbe in De Bruyne, Nouveaux fragments des Actes de 
Pierre, de Paul, de Jean, d'Andre et de PApocalypfe d'Elie in der Revue 
Benedictine XXVe Annee, Paris 1908, p. 149 160 und daraus von Schurer 
III, 362 f. fowie fchon in der Litztg. 1908, Sp. 615 mitgeteilt. Es ftammt 
aus einem Wurzburger Codex Burchardi aus dem 8. Jhrdt. n. Chr. 
Schurer 1. c. halt dasfelbe fur ein echtes Fragment der alten judifchen 
Elias-Apokalypfe. 



616 Z weiter Abfchnitt. Die innern f oz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

koptifche Sophonias-Apokalypfe, aus welcher unlangft Bruchftiicke ver- 
offentlicht worden find, 1 ) eine chriftliche Schrift zu fein. 

c) Die Testamente der zwolf Patriarchen. 

Die Ober- rj as Werk, welches im griechifchen Texte und einer alien 

lief g r u u ^ s des armenifchen Cberfefcung, deren Text im Verhaltnis zu dem 
griechifchen manche kleine Auslaffungen hat, auf uns ge- 
kommen ift, wozu noch eine fpatere weniger wichtige flavifche 
Uberfetjung kommt, 2 ) war dem Origenes als ,,ein gewiffes 
Buchlein, welches Teftament der zwolf Patriarchen heifct", 
bekannt 3 ) und wird in alteren Verzeichniffen der kanonifchen 



') Vgl. S. 615, 4. 

2 ) Das Werk ift feit dem 13. Jahrhundert in einer lateinifdien, von 
dem Bifchof Qroffetefte nach einer noch zu Cambridge erhaltenen Hand" 
fdirift gemachten Oberfetjung (f. Felten, Robert Groffetefte, Bifchof von 
Lincoln. Freib. 1887, S. 85 f.) bekannt gewefen. Der griechifdie Text ift 
von Grabe, Spicil. Patrum t. I., Oxoniae 1698, p. 145-253, dann von 
Sinker, Testamenta XII Patriarcharum. Cambr. 1869. Appendix ebd. 1879 
und von R. H. Charles, The Greek versions of the Testaments of the 
twelve Patriarchs ed. from nine mss. together with the variants of the 
Armenian and Slavonic versions and some Hebrew fragments. Oxford 
1908 herausgegeben worden. Eine Ausgabe des armenifchen Textes 
beforgte Jofepheanz. Venedig 1896. Den altflavifchen Text gab Tichon- 
rawow heraus. 2 Bde. St. Petersburg 1863. Vgl. die deutfche Oberfetjung 
des Textes von Schnapp, in Kautjfch, Apokryphen II, 458 506, die aber 
fortwahrend etwa mit Bouffet, Die Teftamente der zwolf Patriarchen, Z. 
f. d. neuteftam. Wiff. 1900, S. 141 175. 187209 verglichen werden mug, 
um auf Grund der Textkritik die chriftlichen Interpolationen auszufeheiden 
Preufchen, Die armen. Oberfe^ung der Teftamente der zwolf Patriarchen 
in Z. f. d. neut. Wiff. 1900, S. 106-140 behandelt die zwei Rezenfionen des 
armenifchen Textes und gibt (ebd. 112-126) eine deutfche Oberfetjung 
des Teftam. Levi und (ebd. 137 f.) des 19. Kap. des Teftam. .Tofeph. Vgl. 
auch Conybeare, The testament of Job and the testaments of the XII 
patriarchs, The Jew. Quart. Rev. XIII (1900), p. 111-127, und ebd. The 
testaments of the XII patriarchs 1. c. p. 258-274. Charles, art. Test, of 
XII Patriarchs in Hastings D IV, 721-725 und ganz befonders Charles, 
The Testaments of the twelve Patriarchs translated from the editor's Greek 
text and edited with introduction, notes and indices. London 1908, wo 
auch andere moderne Uberfetjungen angegeben find, kurz das ganze 
Material vorgelegt wird Vgl. auch Charles, The testaments of the twelve 
patriarchs in Charles, The Apocrypha II, 282 295 (Introduction) und 
296-367 (Text). 

3 ) Vgl. Origenes in Josue horn. XV, 6 (de la Rue II, 435): sed 
et in aliquo quodam libello, qui appellatur Testamentum duodecim Patri- 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur naeh der ZerftOrung Jerufalems. 617 

und apokryphen Sdiriften des Alien Teftamentes unter dem 
Titel ,,Patriarchae" angefuhrt. 1 ) 

Diefe pfeudepigraphifche Sdirift enthalt die Vermaditniffe Der inhait 
der zwolf Sohne Jakobs, welche diefe fterbend ihren eigenen der 
Sohnen gegeben haben. In jedem diefer Teftamente find Te f tamente "- 
drei Teile zu unterfcheiden, eine zum Teil legendarifche Selbft- 
biographie des betreffenden Patriarchen, fodann eine langere 
Ermahnung zu der Tugend, wodurch der jedesmalige Patriarch 
fich auszeidinete oder deren Mangel ihm grofces Leid brachte, 
endlich Weisfagungen iiber das Schickfal des Stammes, den 
der Betreffende begrfindete. So z. B. ermahnt Ruben zur 
Vermeidung der Hurerei, Simeon des Neides, Levi 2 ) des 
Obermutes. Er redet aber auch fiber das Prieftertum, Juda 
redet fiber Tapferkeit, Habfucht und Hurerei, Iffachar fiber die 
Einfalt, Zabulon fiber Mitleid und Erbarmen, Dan fiber Zorn 
und Lfige, Nephtali 3 ) fiber die natfirliche Gfite, Gad fiber den 



archarum, quamvis non habeatur in canone, talem tamen quendam sensum 
invenimus, quod per singulos peccantes singuli Satanae intelligi debeant. 

1 ) In der Stichometrie des Nicephorus heigt es,,rfaT^td(i%ai. oz<x., ey' 1 ' 
(5100). Die Verzeichniffe bei Preufchen Analecta 1893 p. 156 ff. 

2 ) Von einer aramaifchen Oberfetjung des Test. Levi haben im Jahre 
1900 Pag und Arendzen, dann 1907 Cowley und Charles in der Jewish 
Quarterly Review Stucke veroffentlicht, die nodi durch griechifche erganzt 
wurden. Vgl. diefelben nun in der Ausgabe von Charles, Appendix III, 
p. 245256 und in englifcher Oberfetjung in Charles, The Testaments, 
Appendix II, p. 228 235. Wir haben es darin nicht etwa mit einer 
andern Oberfeljung oder Rezenfion des griechifchen Appendix II Testa- 
mentum Levi zu tun, fondern mit einem ausfuhrlicheren und felbftandi- 
geren, wenn auch im Inhalte mit dem griechifchen Testamentum Levi fich 
berahrenden Studce. In demfelben 1661 werden die Weifungen des 
Grogvaters Levis, des Patriarchen Ifaak, bezuglich des Opferdienftes 
mitgeteilt. Charles (The Greek versions 21 p. LIU LVII, The Testa- 
ments 23 p. LXVIII-LXXIV) halt fowohl den aramaifchen wie den 
griechifchen Text fur eine Uberfetjung aus dem Hebraifchen und meint, 
fowohl der Verfaffer des Buches der Jubilaen wie der der Teftamente 
hatten daraus gefchopft, wahrend Frankel, Theol. Ltrztg. 1907, Sp. 475 
es fur ,,zweifellos" halt, dag diefe aramaifchen Stucke ,,eine Obertragung 
aus einem griechifchen Original" find, womit fich naturlich ,,die Zeitan- 
fe^ung" diefer Texte ganz wefentlich verfchieben wurde. 

3 ) Von dem Testam. Nephtali ift ein hebraifcher Text zuerft von 
Gafter (dann deutfch in Kau^fch, Die Apokryphen II, 489-492) und jiingft 
auch von Charles, The Greek versions, Append. II, 239244 (und eng- 
lifch in Charles, The Testaments Appendix I. 221-227) veroffentlicht 



618 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Hafc, Afer fiber zwei Geftalten der Bosheit und der Tugend, 
Jofeph fiber die Keufchheit, Benjamin fiber reine Gefinnung. 
Der Text der Um die Herftellung eines zuverlaffigen Textes hat fich 
Teftamente. ^cr ne uefte Herausgeber Charles die grojgten Verdienfte er- 
worben. Aber wenn man auch zwei Textklaffen des grie- 
chifchen Textes unterfcheiden kann, 1 ) fo weichen doch die zu 
derfelben Klaffe gehorigen Handfchriften oft ftark voneinander 
ab, und find die zwei Klaffen keineswegs fcharf zu unter-. 
fdieiden. Audi der armenifche, in vielen Handfchriften er- 
haltene Text, welcher aus dem Griechifchen gefloffen ift, geht 
wieder in zwei Textrezenfionen auseinander. 2 ) Wahrend aber 
der griechifche Text fehr viele augenfcheinlich chriftliche Stellen 
aufweift, die bei der Vorausfetjung einer jtidifchen Grundfchrift 
als fpatere Einfchube zu betrachten find, haben diefe im arme- 
nifchen Text, der fibrigens auch fonft im Verhaltnis zu dem 
griechifchen manche kleine Auslaffungen hat, einen geringeren 
Umfang. Man konnte daraus folgern, dafe die ins Armenifche 
fibertragene Form des Textes diefe Einfchube tiberhaupt nicht 
enthielt, allein da die armenifche Uberfetjung aus dem Grie- 
chifchen gemacht ift und es keine griechifche Handfchrift gibt, 
welche diefe Einfchube nicht enthielte, ift mit der Moglichkeit 
zu rechnen, dafc der armenifche Uberfetjer eine Anzahl der- 
felben abfichtlich ausliefc. Eine Veranlaffung dazu hatte er. 
Denn die armenifche Ubefetjung ift im vierten Oder ffinften 
Jahrhundert gemacht worden. Die Chriftologie der Tefta- 
mente ift aber haretifch, namlich patripaffianifch, 3 ) und weift 
fomit auf das zweite oder dritte Jahrhundert hin. 
ES ift eine Immerhin bleiben eine Anzahl chriftlicher Stellen, welche 
judifche fich fowohl im armenifchen wie im griechifchen Texte finden. 4 ) 

Sehrift mit 

chriftlichen wOr( j en> welcher, wenn er nicht eine freie Bearbeitung- eines griechifchen 
Inter- Textes ift (fo Schnapp bei Kautjfch 1. c. 2, 458 f. und Bd. 1 S. XXXI), 
polationen. jich er nicht das Original des testamentum Nephtali (vgl. Charles, The 
Greek versions p. LI ff.) und nicht alter als der griechifche Text ift. 

J ) Charles, The Greek versions p. XIX ff.; The Testaments p. XXXII ff. 

2 ) L. c. XIV ff. bezw. p. XXV ff. 

3 ) Vgl. Testam. Simeon 6, 5. Issachar 7, 7. Dan 5, 13. Nephtali 
8, 3. Afer 7, 13. Benjamin 10, 8. 

*) Vgl. Charles, The Greek vers. p. XL VIII ff. und in The Testa- 
ments p. LXI ff., der ubrigens manche chriftliche Stellen befonders fiber 
die Gottes- und Nachftenliebe und den religiofen Univerfalismus (The 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 619 

Abgefehen von folchen Stellen find aber die Teftamente mehr 
judifch gehalten, ohne aber, wie es fonft in judifchen Schriften 
und fpeziell auch in den aramaifch-griechifchen Fragmenten 
des Teftamentes Levis gefchieht, 1 ) fich viel mit Zeremonial- 
gefetjen zu befchaftigen. Die Frage, ob fich nicht etwa hier 
ein Judenchrift gefchickt auf den altteftamentlichen Stand- 
punkt geftellt hatte und die ganze Schrift von einem Juden- 
diriften herruhre, ift aber fchon deshalb zu verneinen, weil 
manche Mahnungen, befonders die an die Stamme, fich mit 
Levi und Juda zu einigen, da dem einen das Prieftertum, 
dem andern die Herrfchaft anvertraut fei, fich nicht wohl auf 
die entfernte Gefchichte der Stamme, fondern auf ihren Zu- 
ftand zur Zeit der Abfaffung des Werkes beziehen. 2 ) 

Der neuefte gelehrte Herausgeber des Buehes tritt dafur ob eine he- 
ein, dafe dasfelbe urfprunglich hebraifch abgefafct fei, weil braifche 
das Griechifche ftark hebraifiere und oft erft durch Riickiiber- Gnmdfchnrt 
fe^ung ins Hebraifche verftandlich werde. 3 ) Ja, er geht fo- ^J 6 ^ 
gar fo weit, die nach feiner Annahme vorliegenden zwei r tierte ^ 
Rezenfionen des griechifchen Textes auf zwei verfchiedene n id,t 
Rezenfionen des hebraifchen Originals zuruckzufiihren. 4 ) Le^- 
teres ift fchon aus dem Grunde fchwerlich richtig, weil die 
zwei fogenannten Rezenfionen des griechifchen Textes gar 
nicht fcharf voneinander gefchieden find. Es ift aber auch aus 
den Varianten nicht als richtig zu beweifen, da diefe fich bei 
genauerer Unterfuchung als blofce inner-griechifche Varianten 



Testaments p. XCIU ff.), mit Unrecht einem judifchen Verfaffer zufchreibt 
und fo zu der Anficht kommt, dag die ethifche Lehre diefes Werkes 
,,indefinitely higher and purer than that of the old Testament" (Testa- 
ments p. XVII) fei und die Gedanken und Lehre der neuteftament- 
lichen Schriftfteller und felbft des Herrn beeinflugt habe (L c. und ibd. 
LXXVIII XCI1). Man mugte dann aber doch zum allerwenigften Sicher- 
heit haben, dag diefe Texte in einer vorchriftlidien judifchen Grundfchrift 
geftanden haben. S. Schiirer in der Befprechung, Theol. Litztg. 1908, 
S. 511. Lagrange Rb 1908, p. 345. 

') S. S. 617, 2. 

*) Vgl. Testam. Nephtali 8, 2. Ruben 6, 7. Juda 21, 1-5. Issachar 
5, 78. Dan 5, 4. 

3 ) Charles, The Greek versions p. XXIII -XXXII, The Testaments 
p. XLII-XLV1I. 

*) Charles, The Greek versions p. XXXII XXXIX, The Testaments 
p. XLVI1 L. 



620 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Verhaltniffe des jiid. Volkes. 

dartun. Aber audi die Beweife fur eine hebraifche Grund- 
fchrift iiberhaupt madien es nicht fehr wahrfcheinlich, dag 
eine folche exiftierte. 1 ) 

Theorien Nachdem fdion Grabe die von den meiften neueren 

uber die Q e i e h r t en geteilte Anfidit ausgefprochen hatte, dag das Werk 
der vorArm- von emem J uden gefdirieben, aber fpater von einem Chriften 
lichen Zeit. interpoliert worden fei, hat der verdiente neuefte Heraus- 
geber des Werkes, Charles, es fur ficher erklart, dag, wenn- 
gleieh das Buch im Laufe der Zeit manche Veranderungen 
und Zufatje erfahren habe, der grogte Teil des Werkes, die 
eigentlidie Grundfchrift, von einem Pharifaer der alten Schule, 
einem begeifterten Bewunderer der Hasmonaer und fpeziell 
des Johannes Hyrkanus, unter der Regierung des letjteren, 
zwifchen 109-106 v. Chr. hebraifch gefchrieben fei. Es ent- 
halte auger einigen diriftlichen audi, allerdings nicht viele 
jiidifche Interpolationen aus Pamphleten, welehe fich gegen 
die Genugfucht und die Graufamkeit der Priefter wendeten 
und eine neue Apoftafie und eine neue Gefangenfchaft voraus- 
fagten. Diefe feien gefchrieben, nachdem [ich am Ende der 
Regierung des Johannes Hyrkanus die Begeifterung der 
Pharifaer fur die Dynaftie der Hasmonaer in dauernden 
unverfohnlichen Hag verwandelt habe, und ruhrten aus der 
Zeit vom Jahre 7040 v. Chr. her. 2 ) Im wefentlichen be- 



a ) Vgl. The Athenaeum, 1908 May 2, Nr. 4201 p. 533-5. Schiirer, 
Theol. Ltrztg. 1908, Sp. 509510. 

2 ) Charles, The Greek versions p. XLVI f. und The Testaments 
p. LVII ff. rechnet zu diefen Zufa^en des 1. Jhrdts. v. Chr. die Stellen, 
weldie von der gegenwartigen fchlimmen Zeit reden, die Nation als wieder 
der Apoftafie fchuldig bezeichnen, die Verwuftung- des Tempels und eine 
zweite Qefangenfdiaft fowie eine fchliejpche Erlofung aus derfelben durch 
Qott Oder einen Meffias aus dem Stamme Juda und Riickkehr in ihr 
eigenes Land vorherfagen. Es find Test. Levi 10. 14-16. Jud. 17, 
2-18, 1 (?), 21, 6-23. 24, 4-6. Zabul. 9. Dan 5, 6-7 und 7, 3 (?). 
Nephtali 4. Gad 8, 2. Aser 7, 47. Wie groge Vorficht aber bei einem 
textlich fo verwilderten Buche wie dem unfrigen in diefen Dingen an- 
gebracht ift, fieht man z. B. aus dem Testam. Jofeph, worin fich zum 
Teil widerfprechende Berichte Kap. 1-10, 4 und 10, 518 hintereinander 
ftehen. Hier follte man gewig zunachft an zwei Verfaffer denken. Allein 
die Schwierigkeiten lofen fich faft alle, wenn man die Reihenfolge der 
Kapitel verfchiebt, da nach Kap. 1 Kapitel 10, 1516, dann 2-10, 4, dann 
endlich 17-20 ftehen muffen. . 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 621 

ruhrt fich hierin Charles mit den Gedanken, welche bereits 
Bouffet iiber den Dualismus des Werkes, das begeifterte Lob 
Levis einerfeits und anderfeits den bittern Tadel desfelben 
ausgefprochen hatte, nur hat Bouffet die Abfaffung der Haupt- 
fchrift in die Zeit der Konigin Alexandra oder die erften 
Jahre Ariftobuls verfetjt. 1 ) 

Die Beftimmung der Abfaffungszeit durch Charles unter- 
liegt den ftarkften Bedenken. Wenn auch einzelnes auf ein- 
zelne Makkabaerftirften angewandt werden kann, fo pafet 
dodi das meifte ganz gut auf die Priefterherrfchaft im erften 
chriftlichen Jahrhundert und ift die Unterfcheidung von einer 
hebraifchen Grundfchrift und den hebraifchen Zufatjen, welche 
aus der Zeit der Pfalmen Salomos ftammen und ein ganz 
beftimmtes Ziel verfolgen fallen, nidit bewiefen. Fur die An- 
fchauung, dafe das eigentliche Werk unter Johannes Hyr- 
kanus nach der Zerftorung Samarias, aber vor dem Konflikt 
mit den Pharifaern abgefafct fei und der Verfafler einen 
Meffias erwarte, der ein Sohn Levis (und nicht, wie wieder 
in den Zufatjen vorausgefetjt wird, ein Sohn Judas) fein 
werde, ftiitjt fich Charles vorziiglich auf Levi 8, 14 15. Dort 
heigt es: ,,Der Konig wird aus Juda hervorgehen und ein 
neues Prieftertum errichten (nach der Weife der Volker und 
fur alle Volker) und feine Erfcheinung ift geliebt wie ein 
Prophet des Allerhochften." Allein obwohl, wie Charles felbft 
fagt, alle griechifchen Handfchriften ,,aus Juda" lefen und 
auch der armenifche Text nicht diefe Lesart fordert, 2 ) lieft er 
hier ,,in Juda", um den Text auf Johannes Hyrkanus aus 
dem Stamme Levi beziehen zu konnen, welcher allein in 
in der ganzen jiidifchen Gefchichte mit der Wurde des Konigs 
und Priefters die [des Propheten verbunden habe. 3 ) Seine 



') Vgl. Bouffet 1. c. S. 187 ff. 

2 ) Nach Charles [(Ausgabe p. 44, Oberfetjung p. 45) miiffen wir 
ev rta 'Javda. (tatt f't TOV 'Joi'da lefen ,,unless we take the clause a king 
shall arise from Judah as a Christian interpolation". Der armenifche 
Text lieft '* rot oder ev roi ']. Vor Charles ift fchon Bouffet a. o. 0. 
S. 165 167 und S. 196 fur iv iw 'J. eingetreten. 

3 ) Charles, The Testaments p. L1I and p. 45 beruft fich dafiir auf 
Jos. B. J. 1, 2, 8 und Ant. 13, 10, 7. Von Neueren vertritt auch Szekely, 
Bibl. apocr. in f einen Ausfuhrungen iiber unfer Buch (p. 382-422) die 
Meinung: nobis Salvator Leviticus in libro saepe valde clare asseri 



622 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Erklarung pagt aber auch nidit in den Zufammenhang, denn 
8, 11 fpridit von drei Kategorien des Stammes Levi. Die 
erfte, das Hoheprieftertum, wird in 8, 12, die zweite, das 
Prieftertum, in 8, 13 erwahnt. Somit ware in 8, 14 von den 
Leviten zu fpredien gewefen und diirfte, da dies nidit ge- 
fchieht, 8, 1415, wie Sdiiirer riditig vermutet, 1 ) eine dirift- 
lidie Umarbeitung des Textes fein. Audi fonft lagt fidi keine 
Stelle aus der ,,Grundfchrift" fur die im Gegenfatj zur Hei- 
ligen Sdirift [tehende angebliche Anfdiauung anfuhren, dag 
der Meffias nidit aus Juda hervorgehe und nidit von David, 
fondern von Levi abftamme. 2 ) Es ift audi nidit riditig, dafc 
in Levi 56, 5 von der Zerftorung Samarias (unter Johannes 
Hyrkanus) gefprodien wird, da vielmehr von Sidiem die 
Rede i[t. 

Wir haben es {omit mit einem Werke jiidifchen Urfprungs 
zu tun, weldies diriftlidie Interpolationen enthalt. Ob das 

videtur, non autem ex mera corruptione textus prodire. Der Verfajfer 
des Buches und iiberhaupt die verniinftigen Juden batten nidit gleidi- 
zeitige Hasmonaer-Furften felbft Mr den Meffias gehalten und nidit 
geglaubt, das Meffianifdie Zeitalter fei fdion da (wie Bouffet, Charles 
u. a. glaubten). ,,Sed Messiam quamquam e familia Levitica oriundum, 
tamen ens supernaturale ac demum venturum cogitarunt, Principes 
Hasmonaei nonnisi pro praecursoribus veri Messiae habebantur." 
(Szekely p. 414). 

J ) Theol. Ltrztg. 1908, 610, 1. 

2 ) Charles beruft fidi (The Testaments p. LI und XCVII) auf Ruben 
6, 712, wo er aber in Vers 11 ftatt Judas, von weldiem die Rede ift, 
Levi eingefGhrt hat, fo dag es nun von diefem heigt, er werde fiber die 
VOlker herrfchen. Audi Testam. Levi c. 18 ijt keine Weisfagung eines 
von Levi abftammenden Meffias, fondern ein im wefentlichen diriftlidier 
Hymnus auf einen neuen Priefter (vgl. Lagrange, Le Messianisme p. 74 ss. 
und fruher Rb. 1908, 444, 3). Ebenfalls ift mit Lagrange 1. c. und Le 
Messianisme chez les Juifs p. 73 Judas 24, 1 3 als diriftlidie Inter- 
polation anzufehen. In Dan 5, 10-12 lautet der riditige Text: Und es 
wird eudi aufgehen aus dem Stamme Judas und des Levi das Heil des 
Herrn und er felbft wird gegen Beliar Krieg fuhren etc. Charles hat 
im Texte ,,l* rfj? <fviij? 'IWrf v.al row Atvi" die Worte 'Invdn xat als 
Interpolation in Klammer gefeljt, weil, wenn fie edit waren, <pt'Awv und 
nidit wA.^? daftehen mugte. Geradefo gut konnte man aber, wenn eine 
Interpolation vorliegt, ,,*ai rov Mvi" als Interpolation anfehen. Sdinapp 
fieht in feiner Oberfetjung die Verfe iiberhaupt als diriftlidie Interpolation 
an. Was endlidi Test. Jos. 19, 59 angeht, fo bezieht fidi zunadift die 
Stelle gar nidit auf Levi, fondern auf Juda (f. Vers 8) und ift ubrigens 
chriftlidi. 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 623 

Werk urfprunglich hebraifch oder griediifch abgefagt war, ift 
audi heute nodi nidit fidier klargeftellt. Audi enthalt es 
keine ficheren Spuren, daft es aus der Zeit des Johannes 
Hyrkanus oder der Konigin Alexandra oder den erften Jahren 
des Ariftobulus ftammt. 

Da aber an einzelnen textkritifch unverdachtigen Stellen 
der Untergang des Tempels und die Zerftorung Jerufalems 
vorausgefetjt wird, 1 ) find wir fiir die Beftimmung der Ab- 
faffungszeit auf die Zeit nach dem Jahre 70 n. Chr. hinge- 
wiefen. ttber den jiidifdien Aufftand unter Hadrian darf aber 
nicht hinausgegangen werden, weil nach diefem die Hoffnung 
auf eine Ruckkehr der Juden nach Jerusalem 8 ) nicht mehr 
gehegt werden konnte. 

2, Flavius Jofephus. 

Der namentlich in der Gefchichte des judifchen Krieges Lebensfkizze. 
oft genannte Gefchichtfchreiber und judifche Apologet Flavius 
Jofephus ift zwifchen dem 13. September 37 und dem 15. Marz 
38 geboren. 3 ) Sein eigentlicher Name war Jofephus. Den 
Beinamen Flavius fiihrte er fpater als Freigelaffener des 
Kaifers Flavius Vefpafianus. 

Jofephus, deffen Vater noch beim Ausbruch des judifchen 
Krieges lebte, 4 ) gehorte einer vornehmen Priefterfamilie an. 5 ) 
Sehr talentvoll hatte er fich fchon in ganz jungen Jahren 
vor dem Hohenpriefter und den erften Mannern Jerufalems 
durch feine Kenntnis des Gefetjes ausgezeichnet. Nadidem 
er drei Jahre lang bei einem Einfiedler in der Wufte ein 
afzetifches Leben gefiihrt hatte, fchlog er fich mit 19 Jahren 
der machtigen Partei der Pharifaer an. 6 ) 



') Test. Levi 10 und 15 f. Dan 5, 4. 8. 

2 ) Dan 5, 9 13. 

3 ) Er war geboren im 1. Jahre des Caligula (Vita 1), alfo vor dem 
16. Marz 38. Da er aber in Ant. 20, 11, 2 (am Ende) fein 56. Lebens- 
jahr mit dem 13. Jahre Domitians, welches vom 13. September 93 bis 
zum 13. September 94 ging, parallel fetjt, mug er nach dem 13. Sep- 
tember 37 geboren fein. So fchon Wiefeler, Chronologie S. 98. 

*) B. J. 5, 13, 1. 
6 ) Jos. Vita c. 1. 
6 ) Jos. Vita c. 2. 



624 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Im Jahre 64 befuchte er die Stadt Rom, wo er wohl- 
wollende Aufnahme bei der Kaiferin Poppaa fand. So lernte 
er die Madit des romifchen Reiches aus eigener Anfdiauung 
kennen. 1 ) Es ift deshalb audi ganz glaublich, dajg er, wie 
er fpater behauptete, von Anfang an von dem Kriege gegen 
die Romer abgeraten hatte. 2 ) Aber wie er iiberhaupt bei 
grofeen Geiftesanlagen wenig Charaktertiichtigkeit zeigte und 
fich an die Machtigen, welche fur fein Fortkommen forgen 
konnten, anlehnte, fo ubernahm er auch, als den vornehmen 
Prieftern, wenn fie am Ruder bleiben wollten, nichts anderes 
iibrig blieb, als fich auch am Kriege zu beteiligen, aus Ehr- 
geiz fogar eine hochft fchwierige und verantwortungsvolle 
Stellung. Er liefe fich namlich, ohne fur den Poften irgend- 
wie geeignet zu fein, zum Oberbefehlshaber in Galilaa, der 
den romifchen Angriffen am eheften ausgefetjten Provinz, 
ernennen. Welche Rolle er als folcher fpielte, ift fchon dar- 
gelegt worden. 3 ) 

Auch nach der Einnahme Jerufalems hat er fich dauernd 
der Gunft der Flavier zu erfreuen gehabt. Es ehrt inn, daft 
er fich, als Titus ihn aufforderte, fich in Jerufalem zu nehmen, 
was er wolle, mit einem Exemplar der heiligen Bucher und 
der Befreiung feines Bruders und feiner Freunde und Be- 
kannten, im Ganzen etwa 200 Perfonen, begnugte. 4 ) Titus 
gab ihm aber auch einen Befitj aufeerhalb Jerufalems in der 
Ebene. 5 ) 

Er ging mit Titus nach Rom. Dort wies ihm Vefpafian 
eine Wohnung in feinem eigenen Privatpalaft, den er felbft 
fruher vor feiner Erhebung zum Kaifer bewohnt hatte, an 
und verlieh ihm das romifche Biirgerrecht und eine jahrliche 
Penfion. 6 ) So konnte er nun das Leben eines wohlhabenden 
Schriftftellers fuhren. Aber der Hag feiner Landsleute ver- 



1 ) Jos. Vita c. 3. Vgl. o. S. 225, Anm. 2. 

2 ) Vita c. 4. 

3 ) Vgl. o. S. 235 ff. 
*) Vita c. 75. 

*) Vita c. 76. 

6 ) Vita c. 76. Vgl. Sueton. Vefpaf. 18, der erwahnt, dag der Kaijer 
Vefpafian zuerft ,,e fisco Latinis Graecisque rhetoribus annua centena 
constituit". 



XVI. Kap. Die jQdifehe Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 625 

fchonte ihn audi je# nicht. So z. B. klagte ihn ein gewiffer 
Jonathan, der in Cypern einen Aufftand gegen die Romer 
erregt hatte, bei Titus an, Waffen und Geld fur den Auf- 
ftand geliefert zu haben. Spater verklagten ihn andere Ju- 
den, darunter ein Eunudi, der Erzieher feines eigenen Sohnes, 
bei dem Kaifer Domitian von neuem. Aber jedesmal zogen 
feine Feinde den kurzeren. Titus vermehrte fogar nodi den 
Grundbefi^ des Jofephus, und Domitian madite feinen Befils 
abgabenfrei und lieg den Eunudien hinriditen. 1 ) 

Wann Jofephus geftorben ift, wiffen wir nidit. Er er- 
wahnt aber nodi das 13. Regierungsjahr des Domitian, wel- 
dies mit dem 13. September 93 begann. 2 ) 

Er war ein eitler, felbftgefalliger Mann, der vor allem Charakter 
feine eigenen Intereffen zu wahren fudite. Ware fein Cha- des 
rakter nach feiner Selbftbiographie zu beurteilen, die aber lep 
zur Verteidigung gegen Anklagen, die fur ihn fehr gefahr- 
lidi waren, gefchrieben wurde, fo mufete man ihn fchledithin 
als einen bewufcten Verrater an der Sadie feines eigenen 
Volkes bezeidinen, wahrend er tatfadilidi nur gezwungen 
dem von ihm als hoffnungslos angefehenen Aufftand fidi an- 
fchlofc und deshalb haltlos hin und her fchwankte. Verfohn- 
lich wirkt das flberall in feinen Sdiriften zutage tretende 

') Vita 76. Jofephus hat wenigftens vier Frauen gehabt. Die erfte 
war in Jerusalem wahrend der Belagerung. B. J. 5, 9, 4. Die zweite, 
eine Kriegsgefangene, welche er auf Befehl Vefpafians zu Gafarea hei- 
ratete, verlieg ihn, als er mit dem Kaifer nach Alexandrien zog. Dori 
nahm er eine dritte (Vita 75), trennte fich aber von ihr, weil ihm ihre 
Sitten nicht gen'elen, und nahm nun als vierte Frau eine aus Kreta 
ftammende vornehme Jiidin. (Vita 76.) Zur Zeit der Abfaffung feiner 
Selbftbiographie lebten noch drei feiner S6hne, wovon einer von der 
dritten und zwei von der vierten Frau ftammten (Vita 1 und 76). 

2 ) Ant. 20, 11, 2. Die Regierung Domitians begann am 13. Sep- 
tember 81. Bisweilen nimmt man mit Schurer 1, 88. 598 f. an, Jofephus 
fei erft im 2. Jahrhundert geftorben, da feine Selbftbiographie erft nach 
dem Tode des Agrippa II., den man irrtumlich ins Jahr 100 n. Chr. fetjt, 
gefchrieben wurde. Allein Agrippa II. war bereits im Jahre 94 n. Chr. 
tot. Vgl. oben S. 212, 3. Eufebius H. E. 3, 9 erwahnt, dag man dem 
Jofephus in Rom eine Bildfaule errichtet habe. Vermutlich handelt es fich 
aber nur um die Aufftellung feiner Biifte in einer Bibliothek. S. von Gut- 
fchmid, Vorlefungen uber Jofephus Budier gegen Apion. Kleine Schriften, 
herausg. von Franz Ruhl. 4. Bd. L. 1893. S. 346. 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 40 



626 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jtid. Volkes. 

Beftreben, das judifche Volk zu verherrlidien und deffen. 
Intereffen zu wahren. 

Das diriftliche Altertum, weldies den Wert der Werke 
des Jojephus wohl zu wurdigen wugte, hat uns vier Werke, 
vermutlich alle, weldie er uberhaupt gefchrieben hat, uber- 
Hefert. 1 ) 

J ) Flavii Josephi Opera ed. et apparatu critico instruxit Bened. 
Niese, 7 Bde., Berol. 1885-1895 und ohne kritifdien Apparat 6 Bde. 
Vgl. auch den im 9. oder 10. Jhrdt. angefertigten und fdion von Zonaras 
im 12. Jhrhdt. benutjten griechifchen Auszug Flavii Josephi Antiquitatum 
Judaicarum Epitoma. Ed. Ben. Niese Ber. 1896. Eine kleinere Aus- 
gabe mit felbftandiger Rezenfion gibt Naber, Flavii Josephi Opera omnia. 
6 Bde. Lips. 18881896. Eine fur den praktifchen Gebrauch nodi immer 
empfehlenswerte Ausgabe ift die von Dindorf, Flavii Josephi Opera 
(griech. u. latein.) Paris. 2 Bde. 18451847. Keine der Handfdiriften 
mit Ausnahme der aus dem 10. Jhrdt. ftammenden Palatino-Vatic, n. 14 
ift alter als das 11. Jhrdt. Deshalb haben folgende Werke fur die Be- 
urteilung des Textes Wert: Die alte latein. Uberfetjung der Altertiimer 
und der Biicher gegen Apion, welche auf Veranlaffung Caffiodors im 

6 Jhrdt. abgefagt wurde (f. Cassiodorus, De institutione div. lit. c. 17); 
eine lateinifche Uberfetjung der 7 Bficher fiber den judifchen Krieg, von 
der Kaffiodor (1. c.) fagt, dag die einen fie dem Hieronymus, andere 
dem Ambrofius, wieder andere dem Rufinus zufchreiben. Nach letjterem 
pflegt man fie zu nennen, wohl mit Unrecht. Denn Qennadius De viris 
illustr. c. 17 erwahnt fie nicht. Eine freie lateinifche Bearbeitung der 

7 Biidier, worin manches gekiirzt, abcr auch einiges hinzugefugt ift, tragt 
den Namen Egesippus oder Hegesippus, eine Entftellung des Namens 
Jofephus ( 'Io')6tn7tn?, 'Iwffynos). Die Bearbeitung ftammt' ans der 
Zeit des heil. Ambrofius, den auch manche Gelehrte als Verfaffer anfehen. 
Vgl. aber z. B. Jos. Stiglmayr, Ambrofius und Pfeudo-Hegefippus, ZKTh., 
Bd. 38 (Innsbruck 1914), S. 102- 112. Die -befte Ausgabe des Hegefippus 
ift die von Weber und Caefar, Marburg 1864 (auch abgedruckt in S. 
Ambrosii Opera omnia ed. P. A. Ballerini t. 6 p. 1276. Mailand 1883). 
Ober eine aus dem 6. Jahrhdt. ftammende fyrifche Oberfeljung des 
6. Buches des judifchen Krieges, die in dem grogen photolithographifchen 
Werke von Ceriani, Translatio Syra Pescitto Veteris Testament!. Mailand 
1876-1883 erfchien, vgl. z. B. Schiirer 1, 98; Jufter 1, 9s. Eine 
flavifche Bearbeitung aus dem 13. Jhdt. enthalt Zufatje liber Johannes 
den Taufer, Jefus, die Junger Jefu u. a. Diefe find in deutfcher Ober- 
fe^ung verOffentlicht worden von A. Berents, Die Zeugniffe vom Chriften- 
tum im Slavifchen. De bello Judaico des Jofephus (Texte und Unterf. 
N. F. XIV, 4) 1906. Nach Berents gehen diefe Stvicke auf die im B. J., 
Prooemium 1 und 2, erwahnte erfte, in aramaifcher Sprache gefchriebene 
Darftellung des Jofephus zuruck und find fomit authentifch. Dagegen 
fpricht fchon, dag die ganze iibrige Textuberlieferung nichts von diefen 



XVI. Kap. Die jfidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems, 627 

Das altefte ift das ,,iiber den judifchen Krieg". Es Das Werk 

zerfallt in fieben Budier, deren erftes die jiidifche Gefdiidite Uber den 

vom Makkabaeraufftand bis zum Tode des Herodes erzahlt, e " 
das zweite, Kapitel 1 16, von da bis zum Ausbrudi des 



Stucken weig. Vgl. Schtirer, Th. Lz. 1906, 9, 262266. Audi die Aus- 
fiihrungen von Berents in n Analecta zum flavifdien Jofephus" ZNW, 9, 
1908, S. 4770 beweifen nicht, dag der Verfaffer oder Bearbeiter kein 
Chrift gewefen fein kOnne. (Die Stucke find auch herausg. von S. Klofter- 
mann, Apocrypha III: Agrapha, flavifche Jofephusftucke etc. 2. Aufl. 1911: 
Lie^mann, Kleine Texte Nr. 11, S. 18-24). Frey, Der flavifche Jofephus- 
bericht uber die urchriftliche Gefchichte nebft feinen Para Helen. Dorpat 
1908 ift in feinen kritifchen Unterfudiungen zu dem Refultat gekommen, 
dag die Stucke Zufatje eines urn 73100 fchreibenden Diafporajuden find. 
Sie waren Oberfetjung einer griechifehen Vorlage, die auf einen aramaifchen 
Text zuruckgingen. Allein was hier uber die Auferftehung Jefu, die 
Haltung des Pilatus u, a. gefagt wird, weift auf die Entftehung der Zu- 
falje in chriftlichen Kreifen und die Bekanntfchaft mit den Evangelien 
bin. Vgl. u. a. Steinmann, Th. Revue 1911, 17, 510513. 

Von den deutfchen Oberfetjungen der Werke des Jofephus feien 
genannt die der judifchen Altertumer von Franz Kaulen, K5ln s 1892 und 
von H. Clementj, 2 Bde., Halle 1900, des judifchen Krieges von Kohout, 
Linz 1901, der kleineren Schriften (Selbftbiographie) und ,,gegen Apion" 
von Clemen^, Halle 1901, der Schrift M gegen Apion", Text u. Erklarung 
von J. G. Muller, Bafel 1877. Reiche Literaturangaben f. bei SchOrer 
1, 94106 und im Jahresber. uber die Fortfchritte des klaff. Altertums, 
Bd. CXXVII (L. 1905), S. 156166. Aus der neueren Literatur erwahnen 
wir Brune, Jofephus der Gefchichtfchreiber des heil. Krieges und feine 
Vaterftadt Jerufalem. Wiesbaden, Selbftverlag 1912, und derfelbe, Flavius 
Jofephus und feine Schriften in ihrem Verhaltnis zum Judentum, zur 
griedi. rOmifchen Welt und zum Chriftentum, Gutersloh 1913 (beide Ma- 
terialfammlungen). 

Laqueur R., Der jiidifche Hiftoriker Flavius Jofephus. Bin bio- 
graphifcher Verfuch auf neuer quellenkritifcher Grundlage. Giegen 1920. 
Nach ihm hat Jofephus in der vita hastig und oberflachlich einen urn 
66/7 vor dem Ausbruch des Krieges als Statthalter Galilaas gefchriebenen 
Rechenfchaftsbericht verarbeitet, der im judifchen Krieg benutjt, aber 
tendenziOs umgeftaltet wurde. Die Archaologie ift in den entfprechenden 
Abfchnitten die tendenziofe Zurechtmachung der im jud. Krieg berichteten 
Tatfachen. Vgl. H. Dieckmann in Theol. Revue 1921, Nr. 7/8, S. 143-145. 
W. Weber, Jofephus und Vefpafian Unterfuchungen zu dern judifchen 
Krieg des Flavius Jofephus. L. 1921 weift nach, dag in dem Werke 
eine flavifche Quelle n von groger Einheit und ftark tendenziofer Auf- 
machung" fich erkennen lagt. ,,Sie fe^te mit der Ernennung Vefpafians 
zum Feldherrn ein und endete mit dem Triumph der Flavier" S. 106. 

40* 



628 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Krieges gegen die Romer fortfuhrt. Daran fchlie&t fich die 
eigentlidie Kriegsgefdiidite. 

Das Werk ,,uber den jiidifchen Krieg", wie Jofephus 
felbft es betitelt, 1 ) war von ihni zuerft aramaifch gefchrieben, 
dann aber ins Griediifche ubertragen, um im Gegenfatj zu 
den bereits vorhandenen judenfeindlichen Sdiriften eine ge- 
fchiditlich wahre Darftellung der Ereigniffe zu geben. 2 ) Der 
Verfaffer konnte bei vielem als Augenzeuge reden und fo- 
wohl eigene, fchon im romifchen Lager gemadite Aufzeich- 
nungen wie Nachrichten jiidifcher Uberlaufer 3 ) benutjen. Fur 
die Treue feines Beriehtes beruft er fidi auf das feinem 
Werke von Vefpafian und Titus gefpendete Lob; letjterer 
gab dem Buche durdi eigene Unterfdirift fein Imprimatur. 
Audi der Konig Agrippa bezeugte in 62 an den Verfaffer 
geriditeten Briefen die Wahrheit des Inhaltes. 4 ) Herausge- 
geben wurde das Werk zwifchen 75-79 n. Chr. 5 ) 

Im allgemeinen unterliegt die gefchiditlidie Treue des 
fehr anfdiaulidi und vom kunftlerifdien Standpunkte aus") 
gewandt gefchriebenen Buehes keinem Zweifel, obwohl die 
Riickficht auf die flavifchen Kaifer Vefpafian und Titus, den 
Konig Agrippa II. und die Romer, deren Milde in gutes 
Licht geftellt wird, unverkennbar ift. Die vom Verfaffer ange- 
gebenen Zahlen erfcheinen aber bisweilen iibertrieben hoch, 
und es ift auch zweifelhaft, ob die Hartnaddgkeit des Wider- 
ftandes in Jerufalem wirklich auf eine Anzahl von Zeloten 
und Raubern, welche das Volk terrorifierten, zurtickzufuhren 
ift. Dajg die in dem Werke mitgeteilten Reden von Jofephus 



J ) /7epi TOV 'luvdamof notepov vgl. Ant. 18, 1, 2. 20, 11. Vita 74. 

In den Handfchriften heigt das Werk, weil es mit der Einnahme Jeru- 
falems durch Antiodius Epiphanes beginnt, gewOhnlidi Utfjl ului-nmc;. 

2 ) Prooem. 1 und 2. 

3 ) L. c. und c. Ap. 1, 9. 
*) Vita 65. c. Ap. 1, 9. 

5 ) Es mug vor Juni 79 gefchrieben fein, weil Vefpafian, dem das 
Buch ubergeben worden war (Vita 65; c. Ap. 1. c.) am 23. Juni (f. Sueton. 
8, 24) [tarb, und nach 75, weil es (B. J 7, 5, 7) die Vollendung des der 
Pax geweihten Tempels, der nach Dio Cass. LXVI, 15 im J. 75 vollendet 
wurde, erwahnt. 

6 ) Photius, Bibliotheca cod. 47 lobt die Reinheit der Sprache. Jo- 
fephus verftand zwar Qriechifch (Ant. 20, 11, 2), bediente fich aber bei 
der Abfaffung der ftiliftifchen Beihilfe anderer (c. Apion. 1, 9). 



XVI. Kapitel. Die jiidifche Literatur nach der ZerftOrung Jerufalems. 629 

frei komponiert wurden, entfpridit dem Gebraudie anderer 
alten Gefdiiditfdireiber. 1 ) 

Das zweite Hauptwerk, ,,Die judifdie Ardiaologie," 2 )Die judifchen 
weldies gewohnlidi (Antiquitates Jiidaicae) ,,Judif die Alter- Aitertumer 
turner" genannt wird, i[t Ende 93 Oder Anfang 94 n. Chr. desJofe P hus - 
vollendet worden. 3 ) Es war zwar fdion vor der Gefchidite 
des judifchen Krieges angefangen, aber, namentlich well das 
Griediifche dem Verf after viele Sdiwierigkeiten machte, wie- 
der ins Stocken geraten. 4 ) Der Zweck des grofcen in zwanzig 
Btidiern die jiidifche Gefchidite von Erfdiaffung der Welt 
bis zum Jahre 66 n. Chr. behandelnden Werkes war, die 
griechifch-romifchen Lefer, wofur es gefdirieben war, 5 ) und 



1 ) Der Abrig der judifdien Gefchichte von Judas Makkabaus bis 
zum Ausbruch des Krieges, welcher bisweilen mit der ausfuhrlicheren 
Darftellung derfelben Periode in den judifdien Altertumern wortlich zu- 
fammenfallt, ift wahrfdieinlich vorzfiglich dem oft (z. B. Ant. 13, 8, 4. 

12, 6. 14, 4, 3. 6, 4) angefuhrten Gefdiiditswerk des Nikolaus Damas- 
cenus, eines am Hofe des Herodes lebenden Heiden (\. o. S. 131), ent- 
nommen. Vgl. Thackeray, art. Josephus in Hastings D. V, 463 f. 

2 ) 'Torda'ixrj *Af)%a.in\nyln. 

3 ) Genauer zwifdien dem 13. Sept 93 und dem 14. Marz 94, nam- 
lidi riadi Ant. 20, 11, 2 ,,im 13. Regierungsjahre des Kaifers Domitian 
und im 56. Jahre meines Lebens." Erfteres ging vom 13. Sept. 93 bis 

13. Sept. 94; letjteres begann zwifchen dem 13. September 92 und dem 
16. Marz 93 und endigte fpateftens am 16. Marz 94 ({. o. S. 623, 3). 

*) Ant. 20, 11, 2. Nach dem Prooem. 2 war Jofephus befonders 
durch Epaphroditus zur Vollendung ermiintert worden. Diefem ift auch 
die Archaologie fowie die Selbftbiographie und das Werk c. Apion. ge- 
widmet. Er war ein Jude (c. Apion. 2, 41) und kann fchon deshalb nicht 
mit dem freigelaffenen Epaphroditus, der Sekretar Neros war und von 
Domitian hingerichtet wurde (Tacit, ann. 15, 55. Sueton. Ner. 49. Domit. 14. 
Dio Cass. 63, 29. 67, 14), identifch fein. Wahrfdieinlich i{t der von 
Jofephus erwahnte Epaphroditus identifch mit dem von Suidas, Lexicon 
sub v. 'Ena^Qodiro? erwahnten Grammatiker Epaphroditus , der nach 
Suidas zu Rom bis unter Nerva (} 25. Jan. 98) lebte und bei feinem 
Tode 75 Jahre alt war. Vielleicht bezieht fich auf inn eine zu Rom ge- 
fundene Marmor-Statue, die eine fitjende Perfon darftellt, die in der 
Hand ein Band mit der Infchrift M. Mettius Epaphroditus Grammaticus 
graecus halt. (Vgl. Conn, Epaphroditos n. 5, in Pauly-Wissowa, Real- 
Encycl. V, 2711 f.; Vincent, Chronologie des oeuvres de Josephe in RB 
1911 (N. S. VIII, 366383, p. 377). Vgl. iiber den Epaphroditus Vincent 
(1. c. p 376 ss.). 

') Prooem. 2. 



630 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jfid. Volkes. 

die fremden Volker uberhaupt mil den Juden zu verfohnen 
und den bei mandien tief eingewurzelten Widerwillen gegen 
fie und ihren Gott zu heben. 1 ) 

Im Vorwort 2 ) heifct es, dafc der Verfaffer aus hebraifchen 
Werken gefchopft und das darin Enthaltene, ,,ohne etwas 
wegzulaffen oder beizufugen," grieehifdi dargeftellt habe. Ob 
dies gefchehen, mugte fidh zunachft in dem grofcen Abfchnitt 
von Buch 1, 1 11, 6, in welchem die jiidifche Gefchidite bis 
auf Esdras und Nehemias behandelt wird, zeigen. Allein 
wenn aueh die Heilige Schrift nach dem Texte der Septua- 
ginta mit gelegentlicher Verwertung des hebraifchen Textes 
benutjt ift, 3 ) fo ift doch auch auf die im er(ten Jahrhundert 
unter den Pharifaern ubliche und im wefentlichen in den 
rabbinifchen Midrafchim erhaltene Schriftauslegung Ruckficht 
genommen. 4 ) Dabei wird aus apologetifchem Intereffe man- 
dies, z. B. die Gefchichte des goldenen Kalbes, ausgelaffen 5 ) 
und anders modifiziert 6 ) und werden zur Hebung des An- 
fehens des jiidifchen Volkes manche Legenden mitgeteilt, fo 
z. B. uber die Heldentaten Mofis im Kriege gegen die Athio- 
pier. 7 ) Wieder anderes gent auf jiidifche Cberlieferung zuriick, 
z. B., da& die Toditer des Pharao, welche den Mofes an 
Kindes Statt annahm, Thermuthis hiefe, 8 ) oder auf alexan- 
drinifche oder fonftige Schriftf teller, 9 ) wie Herodot, die ver- 



!) Ant. 16, 6, 8. 

2 ) Prooem. 2 (zu Anfang) und 3 (am Ende). 

3 ) Dag der Verfafler die LXX benu^t, zeigt u. a. fdion die Ver- 
wertung der in der LXX Efther [tehenden Stucke, weldie im Hebraifchen 
fehlen. Im allgemeinen entjpricht der von ihm benutjte LXX Text dem 
im Codex A enthaltenen. Vgl. Mez, Die Bibel des Jofephus. Bafel 1895. 
Thackeray p. 467 f. 

4 ) Vgl. Siegfried, Die hebraifchen Worterklarungen des Jofephus 
in Stade, Zeitfchr. f. d. altteftam. Wiff. 1883, 32-52. 

8 ) Auch Efaus Verkauf feines Erftgeburtsrechtes , die Totung des 
Agypters durch Mofes u. a. ift ausgelaffen, namentlich aber jede Bezug- 
nahme auf den Meffias. 

6 ) Vgl. z. B. Ant. 4, 8, 10. Obrigens fin den fich bisweilen auch rationa- 
liftifche Erklarungen von Wundern, z. B. Ant. 2, 16, 5, oder die entfchuldigende 
Bemerkung, er berichte nach der Schrift, z. B. Ant. 3, 5, 2. 9, 10, 2. 

7 ) Ant. 2, 10. Vgl. anderes bei Thackeray 469 f. 
8 )*Ant. 2, 9, 5. 

'') Z. B. Ant. 10, 11, 7 uber die Erbauung eines herrlichen Palaftes 
durch Daniel zu Ecbatana, welcher als Maufoleum fur die medifchen, per- 



XVI. Kap. Die jtidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 631 

lornen Gefchichtsbucher des Berofus, Hekataus u. a., auf 
weldie er fich bisweilen ausdriicklich beruft. 

Sehr liickenhaft ift die Gefchichte von Esdras und Nehe- 
mias bis zum Anfange der Makkabaerzeit. Fur die letjtere 
bis zum Tode Simons des Makkabaers (135 v. Chr.) bildet 
das erfte kanonifche Budi der Makkabaer und zwar in der 
griechifchen Oberfetjung die Hauptquelle. 1 ) 

In dem Abfchnitte 13, 8-17, 8 wird die Gefchichte der 
Zeit vom Tode Simons bis zum Tode des Herodes (135-4 
v. Chr.) dargeftellt, woran fich 17, 9-13 die Gefchichte des 
Ardielaus anfchliefct. Befonders oft werden hier das nun 
verlorene Gefchiditswerk des beruhmten Verfaffers der Geo- 
graphie, Strabo, 2 ) und das umfangreiche Werk des Nikolaus 
Damascenus angefuhrt. 3 ) Letjterer ftammte aus einer heid- 
nifchen Familie und lebte wenigftens feit dem Jahre 14 v. Chr. 
bis zum Tode des Herodes an deffen Hof als der vertraute 
Freund und Ratgeber des Konigs und begleitete auch den 
Sohn des Herodes, Archelaus, nach Rom. Nach Jo[ephus 
hatte er fein Werk als Panegyriker des Herodes, dem er in 
jeder Weife fchmeichelte, gefchrieben. 4 ) Nikolaus war ein 
Anhanger der peripatetifchen Lehre und fchrieb auch mehrere 



fifchen und parthifchen Konige diente. Ober Zufatje des Jofephus zur 
Bibel, befonders aus rabbinifcher Oberlieferung, vgl. Edersheim, art. Jo- 
fephus in Smith and Wace, Diet, of Christian biography. Vol. III. Lond. 
1882 [p. 441-460] p. 456. Thackeray 469 f. 

x ) Ant. 11, 7 bis 13, 7. In Ant. 12, 3, 3 und 12, 9, 1 wird Poly- 
bius zitiert. 

*) Ant. 13, 10, 4. 11, 3. 12, 6; 14, 3, 1. 4, 3. 6, 4. 7, 2. 8, 3; 15, 1, 2. 

3 ) Ant. 13, 8, 4. 12, 6; 14, 1, 3. 4, 3. 6, 4; 16, 7, 1. - Neben Strabo und 
Nikolaus Damascenus hat befonders Destinon, Die Quellen des Flavius 
Jofephus in der jiid. Arch. Buch XII XVII = Jiid. Krieg Buch 1. Kiel 
1882 als Hauptquelle ein Werk eines Ungenannten und Unbekannten an- 
genommen. Vgl. gegen diefe Annahme Drfiner, Unterfuchungen fiber 
Jofephus. Marburg 1896. Schttrer I, 82 f. Thackeray 465 f. Auch Holfcher, 
Die Quellen des Jofephus fur die Zeit vom Exil bis zum judifchen Kriege. 
Diss. L. 1904 ift gegen die Annahme der ,,Anonymushypothefe", wenn- 
gleich feine eigenen Verfuche, die Vorlagen fur die einzelnen Textftucke 
nachzuweifen, ebenfowenig befriedigen. Vgl. Schurer, Theol. Litztg. 1904, 
S. 649651. Walter Otto, Herodes. Stuttgart 1913, S. XIII f. 

*) Ant. 16, 7, 1. 



632 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des. jiid. Volkes. 

philofophifche Schriften, wovon uns aber nur die Titel er- 
halten find. 1 ) 

In den drei letjten Buchern werden die Nachriditen erft 
wieder ausfiihrlicher mit der Regierung Agrippas I. (41-44 
n. Chr.), fur weldie Zeit dem Verfaffer auch miindlidie Be- 
ridite Agrippas II. zur Verfugung ftanden. 

Grofce Sorgfalt wird in dem Werke auf die Feftftellung 
der Reihenfolge famtlicher Hoherpriefter verwandt. 2 ) Ohne 
Zweifel hat er dafur priefterliche Gefchlechtsregifter, weldie, 
wie er felbjt fagt, 3 ) mit greater Sorgfalt gefiihrt wurden, 
benutjen konnen. 

Befonders wertvoll ift eine ganze Anzahl von Akten- 
ftticken, 4 ) befonders aus der Zeit Cafars und Augustus, zu- 
gunften der freien Religionsiibung der Juden. 

Die Chrono- Was die Chronologie des Jofephus angeht, 5 ) fo haben 

logic des neuere Unterfudmngen die alte, fchon von Petavius vertretene 

Jofephus. An | idlt beftatigt, daft die von ihm im Werke fiber den judi- 

fchen Krieg gebrauchten mazedonifchen Monatsnamen, weldie 

feit dem Anfange der Seleucidenherrfchaft audi in Syrien 

ublich waren, den judifchen Monaten 6 ) gleidigeftellt find, 7 ) 



') Vgl. Suidas, JVo'iaoc z. B. bei Miiller, Hist. gr. Ill, 343 ff. S. uber 
Nikolaus Damasc. Schurer, I, 5057. 84; fiber {eine philofoph. Schriften 
Zeller, Die Philofophie der Qriechen III, 1 (3. Aufl. 1880) 629, 1. 

2 ) Dies wird Ant. 20, 11, 2 betont. 

3 ) c. Apion. 1, 7. 

*) Ant. 13, 9, 2; 14, 8, 5; 14, 10, 12; 16, 6; 19, 5; 20, 1, 2. Zum 
Teil wenigftens ftammen fie aus dem Archiv auf dem Kapitol zu Rom. 
Vgl. Ant. 14, 10, 1 und 26. Schurer I, 85, 19 meint, es batten fich dort 
nur die romifchen Urkunden befunden, die ubrigen feien von verfchiedenen 
Orten zufammengebracht. tJber die offiziellen Aktenftiicke bei Jofephus 
vgl. auch Jufter 1, 132158. 

E ) Vgl. u. a. Deftinon, Die Chronologic des Jofephus. Kiel 1880. 

Niefe, Zur Chronologie des Jofephus. Hermes XXVIII, 1893, 194-229. 

Unger, Die Tagdata des Jofephos (Sitjungsberichte der Munchener 
Akademie, philos.-philol. u. hiftor. Klaffe 1893, Bd. II, 453-492), Zu Jo- 
fephos, II. Die Regierungsjahre der makkabaifchen Fflrften (ebd. 1896, 
S. 357382), III. Regierungsjahre der Kaiferzeit, 1. Kaiferjahre, 2.Furften- 
jahre (ebd. S. 383-397). Schurer I, 756-760. 

o) S. o. S. 498 f. 

7 ) Qanz ficher ift dies in folgenden Fallen: 1) B. J. 5, 3, 1 wird 

das Paffahopfer des J 70 an dem 14. Xanthicus n nach dem Monde" 

dem 14. Nifan gefeiert (vgl. Ant. 3, 10, 5 ,,im Monat Xanthicus, der bei 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 633 

feine Daten auf dem Mondjahr beruhen und eine Sdialtung 
notig ift, um fie mit dem Sonnenjahr in tJbereinftimmung 
zu bringen. Die Regierungsdauer der romifchen Kaifer gibt 



uns Nifan heigt und Jahresanfang ift, am 14. Tage nach dem Monde"). 
Nach dem Paffahfeft find auch die Daten der B. J. 6, 5, 3 erwahnten 
Vorzeichen, namlich der 8. Xanthicus und der 21. Artemisius und das 
Datum des Ausfalls derJuden (B. J. 6, 1, 3), der l.Panemus, beftimmt. 
2) B. J. 6, 2, 1 wird gefagt, dag das tagliche Opfer zu Jerusalem am 
17. Panemus aufhorte. Nach Mifchna Taanith 4, 6 gefchah es am 17. Tam- 
mus. 3) Von vornherein wahrfcheinlich ift auch, dag der Tag des Tempel- 
brandes, der 10. Loos (B. J. 6, 4, 5 und 8), nach judifchem Kalender ge- 
geben ift, weil .Tofephus fagt, an demfelben Tage desfelben Monats fei 
auch der alte judifche Tempel durch Nebukadnezar zerftflrt worden. Das 
gefchah aber nach Jeremias 52, 12 am 10. Ab = 10. Loos = Aug. 5/6. 

2. Kon. 25, 8 nennt den 7. Ab, weil an dem Tage der Brand des Tempels 
anfing. Die einzige Ausnahme fcheint der B. J. 4, 11, 4 als Todestag des 
Vitellius angegebene 3. Apellaus des J. 69 zu machen, da der entfprechende 

3. Kislev = 6. (oder 7.) Dezember ware, Vitellius aber nach Tacitus hist. 
3, 67. 79 f. am 20. Dezember, oder wie Unger (,,Der Todestag des Vitellius" 
1. c. 456 465 und ,,Das Apellaios Datum" 1. c. 491 f.) meint, nach dem 
richtig verftandenen Tacitus am 21. Dezember geftorben ift. Diefes Da- 
tum wurde dem 18. Kislev entfprechen und konnte moglicherweife wie 
Unger (1. c. 491 f.) meint, im Texte fur 18 die Ziffer rf, ir; geftanden 
haben und dies als rp*V^ gedeutet worden fein. Gewohnlich nehmen aber 
auch die Vertreter der Anficht, dag bei Jofephus die mazedonifchen Mo- 
natsnamen fur die entfprechenden judifchen ftehen (z. B. Noris, Annus 
et epochae Syromacedonum I, 3 p. 48 sqq. ed. Florent. 1691 und Ideler, 
Handbuch der Chronologic I, 400 f.) an, dag hier ausnahmsweife Jo- 
fephus nach dem tyrifchen Kalender, nach welchem der 3. Kislev dem 
20. Dezember des julianifchen entfprechen wurde, gerechnet habe. So auch 
Schiirer I, 757, 25. Im Kalender von Tyrus haben die auf einander fol- 
genden Monate Dystrus, Xanthicus, Artemisius, Dasius und Panemus 
31 Tage, die ubrigen nur 30. Das Jahf beginnt mit dem 1. Hyper- 
beretaus = Okt. 19; der erfte Xanthicus ift April 18. Vgl. Kugler, 
Von Mofes bis Paulus. MQnfter 1922, S. 459. Vgl. fiber den tyrifchen 
Kalender Ginzel, Chronologic 3, 29 f. Niefe a. a. O. S. 197-208 hat 
iiberhaupt zu beweifen gefucht, dag der Kalender des Jofephus im Bellum 
Judaicum mit wenigen Ausnahmen ein julianifcher und dem tyrifchen, alfo 
einer Rechnung nach dem Sonnenjahre gleich fei. Schwar^, Chriftliche und 
judifche Oftertafeln (Abhdlgn. d. Gef. d. Wiff. zu GOttingen. Phil.-hift. Klaffe 
N. F. Bd. VIII, 6 Berlin 1905) Cap. IX (und ebd. in Die Aeren von Gerafa 
und Eleutheropolis, Nachrichten d. Gef. d. Wiff. zu Gott. Phil.-hift. Klaffe 
1906 S. 345) fagt fogar, Jofephus habe iiberhaupt ausnahmslos nach dem 
tyrifchen Kalender gerechnet. Diefe Anfchauung ift nicht wefentlich von 
der fchon von Scaliger, Baronius u. a. und neuerdings von Hoffmann, 
De imperatoris Titi temporibus recte definiendis, Marburg 1883, vgl. 



. 634 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud. Volkes. 

Jofephus nadh dem romifchen Kalender 1 ) in Jahren, Monaten 
und Tagen. 2 ) 

Die Seibftbio- 3) Die Selbftbiographie oder das Leben des Jofephus 
graphic des ('iwa^ov piog) enthalt, abgefehen von einigen biographijchen 
Jofephus. Bemerkungen am Anfang und am Sdilufc (1-6. 75-76), 
nur eine Verteidigung des Verhaltens des Jofephus in Gali- 
laa vor dem Beginn des eigentlichen Kampfes mit den R6- 
mern. Die Schrift wurde durch das Erfcheinen eines andern 
Werkes fiber den jiidifchen Krieg hervorgerufen, worin der 
Verfaffer, Juftus von Tiberias, 3 ) ein Mann, der im jiidifchen 
Kriege eine Rolle gefpielt, dann aber zu Agrippa und den 
Romern ubergegangen war, dem Jofephus nicht nur die 
Hauptfchuld der Beteiligung von Tiberias am Aufftande in 
Galilaa zufchrieb, fondern ihn aueh als die Seele des Auf- 
jtandes iiberhaupt darftellte.*) Dies war dem Jofephus in 



auch Schurer I, 757 t, vertretenen verfchieden, dag Jofephus dem tyrifch- 
mazedonifchen Sonnenjahre folge und feine Monate von den julianifchen 
nur durch den Namen verfchieden feien. Vgl. hiergegen befonders Unger, 
Die Tagdata 1. c. S. auch den Beweis einer durchgreifenden Datierung 
der Tagdaten im ,,jud. Kriege" des Jofephus nach dem jiidifchen Kalender 
bei Kugler, Von Mofes bis Paulus. Munfter 1922, S. 459 ff. 

') Unger, Zu Jofephos HI. 1. c. S. 383-397 meint, es gefchehe dies 
im Anfchlug an die von den Kanzleien ausgegangene Zahlung der kaifer- 
lichen Tribunenjahre, wahrend Niefe im Hermes 1. c. 208 ff. der Anficht 
ift, Jofephus habe die Kaiferjahre den judifchen Kalenderjahren in der 
Weife gleichgefetjt, dag er das Jahr immer mit dem 1. Nifan oder 
Xanthicus beginnen laffe. So z. B. rechne er das erfte Jahr des Nero 
nicht vom 13. Oktober 54 (Tacit, ann. 12, 69), fondern vom 1. Nifan 55 
an. Gegen Niefe vgl. auch Schurer I, 605, 16. 

2 ) Er hat die Zahl der Tage und Monate nach dem rOmifchen Ka- 
lender berechnet, weil er die Kenntnis hiervon von den R5mern hatte. Den 
Tag des Regierungsantrittes der Kaifer gibt er nicht an, auch nicht den 
ihres Todes, wenn wir von Vitellius abfehen. Den des leljteren hat er 
datiert, weil von dem Tage an Vefpafian Alleinherrfcher war. Vgl. Unger, 
Die Tagdata etc. S. 476. 

3 ) Vgl. fiber ihn Schurer I, 58 ff. und die dort S. 62 f. angefuhrte 
Literatur. Jufter 1, 13, 5 fiigt nodi H. Luther, Jofephus und Juftus von 
Tiberias. Ein Beitrag zur Gefchichte des judifchen Aufftandes. Diss. 
Halle, 1910 hinzu; Luther mache den Juftus zu einem Freunde der ROmer. 
Man brauche aber nur Jofephus, Vita 9 zu lefen, um zu fehen, wie fehr 
diefe Thefe zur Vorficht mahne. 

<) Das Buch des Juftus war nach Vita 65 fchon 20 Jahre vor feiner 



XVI. Kap. Die jiidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 635 

Rom fehr unangenehm. Deshalb fuchte er fich in dem ,,Leben" 
als Romerfreund darzuftellen. Das Werk ift aber nur ein 
klaglicher Verfuch, unbequeme Tatfaehen das Gegenteil von 
dem fagen zu laffen, was fie dartun. 

Die Schrift bildet einen Anhang oder eine Fortfetjung 
der Archaologie. Am Ende der letjteren fpricht Jofephus die 
Abficht aus, fpater kurz wiederum die Gefchichte des jiidi- 
fchen Krieges und feines eigenen Lebens bis zum 13. Re- 
gierungsjahre Domitians darzuftellen. 1 ) (Jberdies zeigen aueh 
die Einleitungsworte, 2 ) dag fich diefes Werk unmittelbar an 
die Archaologie anfchliegt, zumal auch am Schlug der Vita 
,,das ganze Werk der Archaologie" dem im Vorwort zur 
Archaologie genannten Epaphroditus H ) gewidmet ift. Unter 
diefen Umftanden ift es fchon an fich hochft wahrfcheinlich, 
dag das ,,Leben" unmittelbar nach der Archaologie gefchrieben 
ift und die Abfaffung kaum fpater als in das Jahr 94 n. Chr. 
fallen kann. Dag es vor dem Tode Domitians, der am 
18. September 96 ftarb, abgefagt wurde, folgt aber aus dem 
Schluffe. Dort bemerkt Jofephus, er habe ftets das Wohl- 
wollen der Kaifer befeffen. Er beruft fich dann auf Vefpafian, 
Titus und deffen Nachfolger Domitian fowie deffen Gemahlin 
Domitia, um alsbald mit den Worten f ortzuf ahren : Dies ift 
das, was von mir wahrend meines Lebens getan wurde. 

4) Das Werk ,,gegen Apion" hat diefen ihm gewohn- Das Werk des 
lich 4 ) gegebenen Titel nicht urfprunglich gefiihrt, denn der- Jofephus 

gegen Apion 

VerOffentlichung gefchrieben, eine runde Zahl, wie fie Jofephus liebt 

(vgl. Vincent, Chronologie des oeuvres de Josephe, f?B 1911, 370). 

J ) Vgl. Ant. 20, 11, 2 (ed. Naber IV, 312): xr TT^K^O^V vnn- 
f<vr,6<o Tjcihv toii re noieftov xai ralv 6 v/tpefiyxoToiv tffiiv xrA. Die le^teren 
Worte darf man nicht mit v. Gutfchmid S. 374 und Schurer I, 87 u. a. von 
einer judifchen Gefchichte im Sinne von ,,unferer Erlebniffe" erklaren. 
Denn abgefehen davon, dag fich Jofephus auch fonft oft der erften Perfon 
Pluralis bedient, wenn er von fich redet (z. B. Ant. 6, 15, 3; 12, 5, 2; 
13, 2, 1. 2, 4. 4, 6. 5, 11. 10, 1. 4. 12, 6. 13, 5), gibt er gerade vorher 
den Grund an, weslialb er einiges fiber feine Herkunft und fein Leben 

fagen WOlle (neyl yevovg rnH /iov HOC* nefji ttav xard zdv fliov n^oi^eiav Pga- 

-/ia, dietci&elv}. Die Vita beginnt aber gleich mit der Herkunft des 
Jofephus. 

2 ) 'Efiol di etc. Das de mug fich doch auf vorhergehendes beziehen. 

3 ) Er ftarb vor dem 25. Jan. 98 zu Rom. S. o. S. 629, 4 

*) Nach dem Vorgang des heiligen Hieronymus. Vgl. Ep. 70 ad 
Magnum oratorem c. 3; de vir. ill. c. 13; adv. Jovinianum 2, 14. 



636 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. Jittl. Zuftande des jfid. Volkes. 

felbe ift weder den alteften Kirchenfchriftftellern bekannt, 
nodi iiberhaupt dem Inhalt entfprechend, da Apion erft im 
zweiten Buche des Werkes genannt wird. Der eigentliche 
Titel fcheint vielmehr ,,0ber das hohe Alter des judifchen 
Volkes" gelautet zu haben, den auch Origenes und Eufebius 
geben. 1 ) Die wie die Archaologie und Biographic dem Epa- 
phroditus gewidmete Schrift ift nach der in ihr fchon er- 
wahnten 2 ) Archaologie gefchrieben und ift eine Apologie des 
Judentums gegen feine Bekampfer und Verleumder, unter 
denen Apion hervorragte. Diefer war ein aus Agypten 3 ) 
ftammender Grammatiker und Wanderredner, der befonders 
uber Homer Vortrage hielt 4 ) und in einer agyptifchen Ge- 
fchichte in fiinf Buchern 5 ) die giftigften Angriffe gegen die 
Juden richtete. 6 ) Allem Anfcheine nadi war er ein eitler 
Schwatjer. 7 ) Obrigens war er bei der Abfaffung der Gegen- 
fchrift des Jofephus fchon tot. 8 ) 

In dem erften Buche feines Werkes befchaftigt fich der 
Verf affer 1 , 123 mit dem Nachweis des Alters des judifchen 
Volkes, wobei er auf agyptifche, phonizifche, chaldaifche und 
griechifche Quellenfchriften zuriickgeht, um dann (1, 2435) 
auf die Fabeln fiber den angeblichen Urfprung der Juden 
von agyptifchen Ausfatjigen naher einzugehen. Im zweiten 
Buche weift Jofephus (2, 1 13) die Verleumdungen des Apion 
zuriick und verteidigt den judifchen Kultus und die judifchen 
Gebrauche. Dann will er, um den Vorwurf, die Juden hatten 
nichts zur allgemeinen Kultur beigetragen, zu entkraften, 



J ) flf(>l riy? rtav 'Jovdato)v dgyaioTriToc;, Vgl. Orig. C. CelS. 1 , 6. 

4, 11. Bus. H. E. 3, 9; Praep. evang. ed. Gaisford 8, 7, 21. 10, 6, 15. 
Porphyrius, De abstinentia 4, 11 hat den Titel n^oe ror? a EUijva?. 

*) c. Ap. 1, 1 und 10 u. 2, 40; fiber die Gefdi. des jud. Krieges 
ebd. 1, 9 f. Das Werk ift nidit nach 97 gefchrieben, da Epaphroditus 
Anfang 98 fchon geftorben war. S. o. S 629, 4. 

3 ) Isidore Levy, Apion etait-il Alexandrin? in Notes d'histoire et 
d'epigraphie N. VII (in REJ Tome XLI Paris 1900, p. 188-195) tritt 
der Angabe von Jos. c. Ap. 2, 3, dag Apion nicht in Alexandrien ge- 
boren war, bei. 

*) Seneca Ep. 88, 40. 

5 ) c. Ap. 2, 2. 

8 ) Vgl. auch oben S. 504 f. 

7 ) Jos. c. Ap. 12. Tiberius nannte ihn nach Plinius N. H. Praef. 
25 cymbalum mundi. 

8 ) ,Jos. c. Ap. 2, 13. 



XVI. Kap. Die judifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 637 

(2, 14 ff.) zeigen, dafc Mofes die Quelle fei, aus der die 
griechifchen Philofophen gefchopft batten. Zum Sdilufc (2, 
21-41) wird iiberhaupt die hohe Auffaffung Gottes und des 
Gefetjes bei Mofes mit den unter den Griechen verbreiteten 
unfittlidien Anfchauungen verglichen. 1 ) 

In dem ganzen Werke zeigt der Verfaffer wirklich pa- 
triotifche Gefinnung, grofcen Eifer fur den Glauben und die 
Sitten des judifchen Volkes und keine geringe literarifche und 
polemifche Gefchicklichkeit. 

Am Sdilujj der Archaologie erwahnt Jofephus feine Ab- Ob Jofephus 
fidit, ein Werk in vier Budiern zu fchreiben ,,0ber die An- noch andere 
ficht, welclie wir Juden'von Gott und feiner Wefenheit und als die 
den Gefetjen und dem Grunde, weshalb diefelben das eine 
erlauben, das andere verbieten, haben." 2 ) Vermutlich hat ^6^ nat 
er diefe Abficht fpater aufgegeben. Einiges aber, was in ein 
foldies Werk hinein gehort haben wiirde, hat er in dem 
zweiten Buche gegen Apion behandelt. 

In fruherer Zeit hat man ihn mit Unrecht auch als Ver- 
faffer des fogenannten vierten Makkabaerbuches angefehen. 3 ) 

Seit dem 16. Jahrhundert ift ein lebhafter Streit iiber Der 
die Echtheit der im achtzehnten Buche der Altertiimer fich Streit uber 
findenden Stelle iiber Jefus gefuhrt worden. Sie lautet: ,,In Echtheit von 
diefer Zeit trat Jefus auf, ein weifer Mann, wenn anders Ant- 18? 3> 3- 
man ihn einen Menfchen nennen darf. Denn er tat auffallende 



: ) Vgl. iiber die den Juden gemachten Vorwurfe etc. oben S. 505 ff 
*) Auf das Werk verweift er auch Ant. Prooem. 4. Ant. 1, 1, 1. 
10, 5; 3, 5, 6; 6, 6. 8, 10. 11, 2; 4, 8, 4. 8, 44. Vgl. auch B. J. 5, 5, 7. 
Hatte er feine Abficht ausgeftihrt, fo wiirde fich auch wohl gezeigt haben, 
ob er die Schriften Philos, den er nur Ant. 18, 8, 1 als Fuhrer der Ge- 
fandtfchaft an Caligula nennt, gekannt hat. Man fiihrt fiir eine folche 
Bekanntfchaft wohl einige Stellen an, die an folche Philos anklingen 
(vgl. Thackeray p. 471), aber etwas Sicheres lafct fich daraus nicht ent- 
nehmen. 

3 ) Eufeb. H. E. 3, 10 fchreibt diefes Werk (woruber unten S. 641 f ) 
dem Jofephus zu. Die Schrift ns^i rov navzut; (auch g.enannt ityl T/^? 
Toii navcd<; curta? oder. nt(jl T>]g rov itavcos oi-tfta?), welche in dem dem 
Photius cod. 48 vorliegenden Exemplare dem Jofephus zugefchrieben ift, 
gehort vielmehr dem Hippolytus, der fie Philosophumena 10, 32 als 
feine eigene anfiihrt. Vgl. Lightfoot, The Apostolic Fathers Part I. S. 
Clement of Rome II (L. 1890) p. 395-397. Schurer I, 90 f. Barden- 
hewer, Gefch. der Altkirchl. Literatur II, 517-519. 



638 Zweiter Abfdinitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jiid. Volkes. 

Werke *) (und) war ein Lehrer derer, die freudig die Wahr- 
heit aufnehmen. Und er zog viele Juden und viele aus dem 
hellenifchen Volke zu fich heran. 2 ) Er war der Chriftus. Und 
als ihn auf die Anklage der erften Manner unter uns Pilatus 
mit dem Kreuze beftraft hatte, lie&en die nicht ab, weldie 
ihn 3 ) zuerft geliebt. Denn er erfchien ihnen am dritten Tage 
wieder lebend, nachdem die gottlidien Propheten diefes und 
viel anderes Wunderbare tiber ihn gefagt hatten. Noch bis 
heute hat das Gefchlecht der Christen, die von ihm den Na- 
men haben, 4 ) nicht aufgehort." 

Die Stelle 5 ) wird von den einen fur edit, 6 ) von andern 
fur interpoliert, 7 ) und wieder von andern fiir unecht ange- 
fehen. 8 ) Jedenfalls i[t die aufcere Bezeugung der Stelle eine 



gytav 

2 ) Statt eTirjyaytro Heft Naber IV, 147 VTiyyciyero er ZOg fort. 

3 ) Das ttvrov lagt Niefe aus. 

*) Statt h'voftaSftevwv (xgidzt avoir] haben Niefe und Naber <u 
?) = das von ihm den Namen hat. 

5 ) Vgl. zur Literatur Chevalier, Repertoire des sources hist, du 
moyen age. Nouvelle edition. Vol. II , Paris 1907, p. 2261 ss. Linck, 
De antiquissimis veterum quae ad Jesum Nazarenum spectant testi- 
moniis (= Religionsgejch. Verfuche u. Vorarbeiten 14, 1) Giegen 1913. 

6 ) So nadi dem Vorgang von Natalis Alexander, Tillemont, Pagi, 
Uffer, Cave u. a. von Bole, Flavius Jojephus (iber Chriftus und die 
Chriften, Brixen 1896; Kneller, Fl. Jos. uber Jefus Chriftus, Stimmen 
aus Maria-Laadi. B. LVII (Freib. 1897) 1-19. 161174; Seuj, Das 
Chriftuszeugnis des Jofephus Flavius. Hiftor. Jahrbuch (35, 4) 1914, 
S. 821 831 u. a. Harnack, Der jiidifche Gefehichtjchreiber Jofephus und 
Jefus Chriftus. Internal. Monatsfchrift fiir Wiffenfchaft Kunft und Technik 
1913, 10371068. 

7 ) Z. B. von Gutfchmid, Kleine Schriften, IV, 352-4. G. A. Miiller, 
Chriftus bei Flavius Jofephus, Innsbr. 1895; Tb. Reinad), Josephe sur 
Jesus REJ, tome XXXV (Paris 1897) p. 118. Kohout in Flavius Jo- 
fephus' Jiidifcher Krieg. Linz 1901, S. 5868. 

8 ) Zuerft im 16. Jhdt. von Hubert Gifanus und Lukas Ofiander (vgl. 
G. A. Miiller 1. c. 6), neuerdings Sehurer I, 544-549; Wandel, Der 
jiid. Gefchichtfchreiber Flavius Jofephus und das Chriftentum. N. kirchl. 
Zeitfdirift. 1891, S. 967-987. Niese, De testimonio christiano quod est 
apud Jos. ant. Jud. XVIII, 63 sq. Marburgi, Index scholarum 1893/94 
u. a. Norden, Jofephus und Tacitus iiber Jefus Chriftus und eine meffia- 

. nifche Prophetic, L. 1913 (Sonderabdruck aus Bd. 31 der Neuen Jahr- 
bucher fur das klaff. Altertum S. 637-666). 



XVI. Kap/ Die jQdifche .Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 

einhellige 1 ) und lafct fich nidits aus ftiliftifchen Grfinden gegen 
den jofephinifchen Urfprung des Zeugniffes einwenden. 2 ) Aus 
der Stellung des Abfchnittes in dem betreffenden Kapitel la&t 
fich weder ffir noch gegen die Echtheit ein fidierer Schlufc 
ziehen, zumal in dem Kapitel auch fonft von Pilatus geredet 
wird 3 ) und der Zufammenhang bei Jofephus ofter etwas lofe 
ift Origenes, der das Zeugnis des Jofephus uber den Taufer 4 ) 
anfiihrt, erwahnt das fiber Jefus gar nicht, bemerkt jedoch, 
Jofephus habe nidit an Jefus als Meffias geglaubt, 5 ) was 
aber zunachft nur fagen will, er fei kein Chrift gewefen. 

Die Vertreter der Unechtheit der Stelle berufen fich vor- 
zuglich darauf, dafc es innerlich unwahrfcheinlich fei, dafe ein 
Pharifaer wie Jofephus fo fiber Chriftus geredet habe. Ge- 
wifc vermeidet es Jofephus, von den Chriften und dem Mef- 
fias zu reden. Mufete doch die ganze Meffiashofmung der 
Juden den Romern als toricht und politifch bedenklich er- 
fcheinen. Audi waren die Chriften erft unter Nero verfolgt 
worden. Allein zu Ende des Jahrhunderts waren die Chri- 
ften als eine aus dem Judentum hervorgegangene Relrgions- 
gefellfdiaft bekannt und durfte mancher etwas fiber ihren 
Stifter in einem Werke wie dem des Jofephus erwarten. 
Als aber gegen Ende 93 Jofephus fein Werk fertig ftellte, 
hingen einige Mitglieder der flavifchen Kaiferfamilie, deren 

J ) Die Stelle fteht in famtlichen Handfdiriften und wird zweimal 
von Eufebius angefuhrt H. E. 1, 11 und Demonst. evang. Ill, 3, 105 106 
ed. Gaisford. 

2 ) Vgl. von Gutfchmid S. 352 f. Kneller S. 15. Reinach S. 7 und 
10 gegen die von Niefe gemachten Einwendungen. 

3 ) Vgl. Kneller S. 162 f. 
*) Ant. 18, 5, 2. . 

s ) Orig. in Matth. 13, 55 in De la Rue 111, 463. Das Zeugnis 
Ant. 20, 9, 1 fiber Jakobus den Gerechten erwahnt Origenes nicht (wohl 
aber Bus. H. E. 2, 23, 21), jedoch fiihrt er c. Gels. 1, 47 aus der Archao- 
logie (vgl. 1. c. zu Matth. 13, 55) ein anderes angebliches Zeugnis des 
Jofephus dafur an, dag die Zerftorung Jerufalems die Strafe fur die 
Totung des Jakobus war. Ebenfo Bus H. E. 2, 23, 20. Moglicherweife 
haben beide die Nachricht in ihrem Jofephus ,,uber den romifchen Krieg" 
gelefen, woraus das Chron. pasch. ed. Bonn. I, 463 die Nachricht haben 
will, fo dag fich Origenes nur in der Angabe der Quelle ein wenig ge- 
irrt hatte (vgl. Zahn, Einl. in das Neue left. I, 76 f. und Forfchungen 
zur Gefch. des neut Kanons VI, 301 ff. und dagegen Schurer I, 581, 45). 
Vgl. noch o S. 625, 1. 



640 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des jud Volkes. 

Sdiutjling Jofephus war, namentlidi der Neffe des Vefpafian, 
Flavius Clemens und feine Gemahlin Domitilla dem Chriften- 
tume an. Clemens erfreute fidi damals audi nodi der Gunft 
Domitians, mit dem er im Jahre 95 zufammen Konful war, 
und ift erft Anfang 96 oder Ende 95 auf Befehl des Domi- 
tian getotet worden. 1 ) Daft irgend ein Chrift die Stelle in 
den Text des Jofephus, etwa um jemand fur den diriftlidien 
Glauben zu gewinnen, hineingebradit hat, ift aueh nidit wahr- 
fcheinlidi, da fidi diefer weder bei den Juden nodi bei den 
Heiden eines befonderen Anfehens erfreute. 

An fidi ift es wahrfdieinlicher, dafe ein urfprunglidies 
Zeugnis tiber Chriftus durdi diriftlidie Interpolation in eins 
fur Chriftus verwandelt wurde, etwa dadurdi, 2 ) daft an den 
Rand gefdiriebene Bemerkungen eines Chriften von einem 
fpateren Sdireiber in den Text hineingearbeitet wurden. 3 ) 
Aber audi bei diefer Annahme ift grofce Vorfidit notig. Denn 
die Bemerkung des Jofephus uber Jefus: ,,wenn man ihn 
einen Menfdien nennen darf," 4 ) war vielleidit nur dazu be- 
ftimmt,' die heidnifdien Lefer des Jofephus auf das Aufeer- 
ordentlidie an Jefus hinzuweifen und die Worte: ,,er war 
der Chriftus," mufcten Heiden, weldie von dem Meffias nidits 
wufcten, in dem Sinne: ,,er ift'es, den man unter dem Na- 
men Chriftus kennt, von dem die Sekte der Chriften ihren 
Namen hat," verftehen. Audi ware es bei dem Eklektizis- 
mus des Jofephus nidits Auffallendes, da er der Lehre Jefu, 
namentlidi feiner Sittenlehre, hier ein Lob fpendet. 5 ) 

') Dio Gass. 67, 14. Sueton. Domit. c. 15. Vgl. Lightfoot, Cle- 
ment of Rome I, 1890, p. 14-103. 

2 ) v. Gutfchmid S. 353. 

3 ) In einem angeblichen Zitat aus Jofephus bei Bratke, Das fogen. 
Religionsgefprach am Hofe der Saffaniden (= Texte und Unterfuchungen 
N. F. IV, 3, 1899) S. 36 heigt es: "JdiOmnot; . . . ttV?"* ^*?' Xgrfiot dvd^o? 

dixai.ov xcii dyafroi'-j EA <'/iit? zdyizog dva.dei%d-&vTos ffrjueloig xctl rigatiiv, 

EvegytTovvroq TroAAov'?. Das Zitat wird im 9. Jhdt. von dem pala[tin. Abte 
Anaftafius angefiihrt (Anastasii Sinaitae adv. Judaeos disputatio III. Migne 
PG. LXXXIX, 1248) und wird mit Recht allgemein als eine freie-An- 
fiihrung der Worte des Jofephus angefehen. Vgl. Kneller S. 5 f. Bratke 
felbft neigt S. 223 ff. zu der Anfidit, es fei ein unechter Zufa^ zum Jo- 
fephustext. Sadilich fetjt es aber nichts hinzu. 

*) G. A. Miiller S 14 nennt fie ,,eine verfteckte Anerkennung der 
Gottessohnfdiaft Chrifti." 

6 ) V^- ^ Q Worte 



XVI. Kap. Die jtidifche Literatur nach der Zerftorung Jerufalems. 641 

Die einzige Stelle, welche wirklich den Verdacht einer 
Interpolation nahe legt, ift die iiber die Auferftehung Chrifti 
und die Prophezeiungen. Jofephus hat die auf den Meffias 
gehenden Weisfagungen auf Vefpafian bezogen, und es ift 
nicht anzunehmen, dag er an die Auferftehung Chrifti ge- 
glaubt hat. Audi ift es nicht wahrfcheinlich, dafc die Worte: 
,,denn er erfchien ihnen am dritten Tage lebend," etwa vom 
Standpunkt der Chrifteii aus gefchrieben find und den Sinn 
haben follen: ,,wie die Chriften glaubten". Allem Anfcheine 
naeh find fie eine Interpolation. 

3. Das vierte Budi der Makkabaer. 1 ) 

Dem Umftande, dafe die im zweiten kanonifchen Makka- 
baerbuche mitgeteilte Gefchichte des Martyriums des Eleazar 
und der fieben makkabaifchen Briider in diefem Budie in 
erweiterter Form erzahlt wird, verdankt das Buch feinen 
audi fchon das apokryphe dritte Buch der Makkabaer 2 ) vor- 
ausfe^enden Namen. Die Gefchichte dient aber hier als 
Erklarung des philofophifchen Sa^es, dafc die Vernunft, d. h. 
die nach dem gottlichen Gefeis fich richtende Vernunft des 
Menfchen, unbedingte Herrfchaft iiber feine Triebe hat, na- 
mentlich fiber die Haupttriebe, Luft und Schmerz. Diefer 
Satj bildet das eigentliche Thema unferes Werkes. Der 
aufceren Form nach ift dasfelbe eine Rede, als welche es 



mit Ant. 18, 1, 1, wo es von den Reden des Judas des Gaula- 

niters und des Zadok heijgt: ifdorj; ydg Tr\v a.*Qoa,6iv wv keyoiev ldi%ttvTo 
oi Sv&Qwnoi. 

x ) Das Budi i{t oft in Ausgaben der Septuaginta (z. B. Swete, The 
Old Testament in Greek III , Cambr. 1899) und des Jofephus (z. B. ed. 
Dindorf II Paris 1847), allerdings nicht in der Ausgabe von Nieje ge- 
druckt. Eine alte fyrifche Oberfe^ung des griechifchen Textes mit andern 
auf die makkabaifchen Martyrer beziiglichen Dokumenten (leljtere fyrifch 
und englifch) bietet The fourth book of Maccabees and kindred docu- 
ments in Syriac, first ed. on manuscript authority by the late R. L. Bensly, 
with an introd. and translations by W. S. Barnes, Cambridge 1895. (Das 
vierte B. der Makkabaer ift nicht von Barnes englifch uberfetjt.) Auf 
Grund des vorliegenden Materials ift der von Deigmann, Das vierte 
Makkabaerbuch in Kautfch, Die Apokryphen etc. II, 149-177 verdeutfchte 
Text n konftituiert" (1. c. S. 150). Eine englifche Oberfe^ung mit Ein- 
leitung gibt R. B. Townshend in Charles, The Apocrypha II, 653 685. 

2 ) S. o. S. 592 ff. 
Felten, Neuteftamentlidie Zeitgefdiichte. I. 2. u. 3. Aufl. 41 



642 Zweiter Abfchnitt. Die innern foz. u. fittl. Zuftande des ]Qd. Volkes. 

fich auch im Prolog 1 ) eharakterifiert. Es war zur Verbrei- 
tung unter den Juden beftimmt. Das ergibt fich aus dem 
Schlug, 2 ) wo nur ,,die Nachkommen des Abrahamsfamens, 
Ifraeliten" angeredet werden. Der Zweck des Werkes war, 
die Juden zum treuen Ausharren beim Judentum zu er- 
muntern. 

Der perfonliche Standpunkt des Verfaffers ift der des 
glaubigen Judentums. Die augere Etikette feiner Sehrift ift 
aber durch die griechifche Philofophie, namlidi den Stoizis- 
mus, beeinflugt, infofern der Grundgedanke, die Herrfchaft 
der Vernunft iiber die Triebe, davon entlehnt ift. Nach Eufe- 
bius lautete der Titel der Sehrift ,,ijber die Herrfchaft der 
Vernunft", der jedenfalls zu ihrem Inhalte pafct. Darin irrte 
aber Eufebius {ehr, dag er den Jofephus als Verfaffer der 
Sehrift anfah. 3 ) Denn dagegen fpricht einmal die Verfchie- 
denheit des Stiles, dann aber auch befonders der Umftand, 
dag in dem Werke das zweite Makkabaerbuch jtark benu^t 
ift, wahrend eine Bekanntfchaft des Jofephus mit dem letjteren 
Buche aus feinen echte/i Schriften nicht nachweisbar ift. 4 ) 

Immerhin fcheint die Sehrift in der Zeit des Jofephus 
entftanden zu fein. Wo fie entftand, weig man nicht. 5 ) 



!) Kap. 1,1. 

2 ) is. i. 

3 ) Vgl. Euseb. H. E. Ill, 10, 6, der Mann (Jofephus) habe nodi 
ein anderes Werk edler Art ne^l avroxparo^o? fotyiGftov, o rives Maxxa- 
pa'ixov ensyfjaiuctv gefchrieben. Vgl. aueh Hier. de vir. ill. c. 13: Alius 
quoque liber ejus, qui inscribitur nefjl avTox^droQo? Xoyidfiov, valde elegans 
habetur, in quo et Machabaeorum sunt digesta martyria und c. Pelag 
2, 6: Jofephus Machabaeorum Scriptor historiae. 

*) Vgl. z. B. Townshend p. 656 f. 

a ) Vgl. noch Freudenthal, Die Flavius Jofephus beigelegte Sehrift 
iiber die Herrfchaft der Vernunft. Breslau 1869. Langen, Das Juden- 
tum S. 74-83. Schurer III, 524528. Fairweather, Maccabees books 
of, in Hastings D. Ill, 194 f. 



Abkurzungen. 



BSt = Biblifche Studien. 

BZ = Biblifche Zeitfchrift. 

BZfr = Biblifche Zeitfragen. 

BRW = Biblifches RealwSrterbuch. 

GGN = Gottinger Gelehrte Nachrichten. 

Pauly-Wissowa-Kroll = Pauly's Realencyclopadie der class. Altertums- 

wiffenfchaft. Neue Bearbeitung von G. Wissowa, herausg. von 

Wilh.. Kroll. 

PEF = Palestine Exploration Fund. 
QS = Quarterly Statement. 
Rb = Revue biblique. 
REJ = Revue des etudes juives. 
RG = ROmifche Gefchichte. 
RStR = Romifches Staatsrecht. 
RStV =. Romifche Staatsverwaltung. 
RVV= Religionsgefchichtliche Verfuche und Vorarbeiten. 
SB = Sitjungsberichte. 

SAW = Sitjungsberichte der Akademie der Wiffenfchaften. 
.StML = Stimmen aus Maria Laadi. 
ThLz =-Theologifche Literaturzeitung. 
ThR = Theologifche Revue. 

TU = Texte und Unterfudiungen zur Gefchichte der altchriftlichen Literatur 
TflbQ = Tttbinger Quartalfchrift. 
ZAW = Zeitfchrift fttr altteftamentliche Wiffenfchaft. 
ZDMG == Zeitfchrift der Deutfchen Morgenlandifchen Gefellfchaft. 
ZDPV = Zeitfchrift des deutfchen -Palaftina-Vereins. 
ZKTh = Zeitfchrift fQr katholifche Theologie. 
ZNW = Zeitfchrift fur neuteftamentliche Wiflenfchaft. 
ZWTh = Zeitfchrift fur wifjenfchaftlidie Theologie. 
Bei Verlagsorten ift B. = Berlin, L. = Leipzig bezw. London, P. = Paris 



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Mit liebevollem Verstandnis weiss sich der feinsinnige Bearbeiter hineinzu- 
fuhlen in das Leben und Streben, in das Minnen, Ringen und Sinnen, in 
das Schaffen, Beten und Leiden des jugendlichen Heiligen. Die Sprache ist 
rein und edel, der Satzbau gefallig und wohlklingend. Als gewiegter Ueber- 
setzer hat P. Beda dem Grundsatze gehuldigt: So treu als moglich, so frei 
als notig. Die Auswirkung desselben zeigt sich namentlich bei den Briefen 
des Heiligen recht wohltuend. Mit dem Verfasser wetteifert der ruhrige und 
solide Verlag in dem edlen Bemuhen, Leben und Briefe dieses liebenswiirdi- 
gen Passionistenklerikers zu einer hocherfreulichen Weihnachtsgabe fur Prie- 
ster in der Welt und im Kloster, fur Priesteramtskandidaten, ftir Mitglieder 
marianischer Kongregationen wie fur andere strebsame und hochsinnige 
Katholiken auszugestalten. Ueber dem Ganzen schwebt ein eigener Zauber. 

P. Leo Schlegel S. O. Cist., Mehrerau. 



I 

uon tier sctimarzsianen Junyfrau, PassionistennieriHer (18381862) f 

von P. Germane vom hi. Stanislaus, Passionist. Autorisierte Uebersetzung 
von P. Beda Ludwig, Subprior des Benediktinerklosters Andechs. Mit Titel- 
bild und 11 Textillustrationen. Mit Erlaubnis der Ordensobern und bischofl. 
Druckerlaubnis. Brosch. M. 3.50, geb. M.5.-. Preis in Grundzahl x Schlussel er- W 
gibt den Verlagspreis. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz, Regensburg. I 

Einige Kritikstimmen: | 

Dieses Jugendleben bietet in aszetischer, psychologischer und pa'dagogischer fe 

Hinsicht ausserordentlich Wertvolles und Interessantes. Der von Gott durch so I 

zahlreiche Wunder verherrlichte jugendliche Heilige hat unserer (bes. der stu- 

dierenden) Jugend wahrlidi viel zu sagen. Moge dieselbe den heiligen Gabriel I 

Possenti recht kennen lernen und eifrig verehren! Das sehr empfehlenswerte I 

Buch wird dazu reichlich beitragen. Studienprofessor Karl Kindsmiiller. 

Nun haben auch wir, was schon lange vermisst wurde: eine vollstandige, I 
den Forderungen der Hagiographie entsprechende Lebensbeschreibung des ^ 
,,Aloysius unserer Tage", wie Papst Leo XIII. den liebenswfirdigen, heiligen 
Gabriel Possenti nannte. Der Heilige, der erst vor 60 Jahren gestorben ist, 
und dessen Heiligsprechung am 13. Mai 1920 stattfand, ist wirklich ein Ge- 
schenk der gottlichen Vorsehung fur unsere Zeit und unsere Jugend, ein "5 
Vorbild schonster Art. Dem feinsinnigen Uebersetzer, hochw. Herrn Subprior I 
P. Beda O. S. B. von Andechs, schulden wir herzlichen Dank, dass er das A 
treffliche Werk des P. Germano durch diese wohlgelungene Uebertragung 
ins Deutsche, weitesten Kr-eisen zuganglich gemacht hat. Die Fussnoten, 
sowie die beigegebenen Briefe des Heiligen erhQhen noch ganz wesentlich 
den Wert dieses ausgezeichneten Buches. Dazu kommt eine wiirdige, ge- 
schmackvolle Ausstattung, so dass sich das Werk allseitig bestens empfiehlt. 
Moge es im katholischen Volke, in religiosen .Hausern, vor allem auch bei 
der reiferen Jugend freudige Aufnahme finden! Es hat eine grosse Mission 
zu erfiillen: es soil die Pflichttreue und die Hochachtung vor der Autoritat 
in unsere unbotmassige Zeit bringen. Und der Heilige, der durch sein Wort 
und Beispiel gleich hinreissend wirkt, ist zuverlassiger Fiihrer und liebens- 
wurdiger Berater fur alle jene, die noch guten Willens sind. 

P. Thomas Jiingst O. S. B. in der Rorschacher Zeltung. 




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UNIVERSITY OF CHICAGO