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Der Kampf des Nationalsosiairsmus
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Imprimatur:
G. V. 2785 München, 11. März 1946
Erzbischöfliches Ordinariat
München und Freising
Buchwieser
Gen.-V.
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright by Verlag der Kath. Kirche Bayerns in München.
Zulassung Nr. 6 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung.
Druck: Val. Höfling (Dr. Valentin Mayer), München, Bayerstraße 57/59.
Auslieferung: Pfeiffers Buchhandlung, München 2, Herzogspitalstr. 5 u. Q
78374
GELEITWORT
Wer den „weltanschaulichen" Kampf der beiden letzten Jahr-
zehnte nicht in der Feuerlinie miterlebt hat, kann sich nur schwer
eine Vorstellung davon machen, mit welcher Verlogenheit und Ge-
hässigkeit der Kampf der nationalsozialistischen Bewegung und
Partei gegen die kirchlichen Stellen geführt wurde. Es ging offen-
bar nach dem Grundsatz: Den Hirten schlagen, damit die Herde
sich zerstreue! Der Verfasser der Adventpredigten weiß ein Lied
davon zu singen.
Soweit es sich um persönliche Beschimpfungen und Anrempe-
lungen handelte, konnten die Bischöfe im Geiste des Evange-
liums schweigsam sich schlagen lassen. Soweit aber die Angriffe
auf die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre und kirchliche Ein-
richtungen abzielten und die christliche Tradition unseres Volkes
zu erschüttern drohten, durften die Wächter nicht schweigen. Frei-
lich sind die Kundgebungen der Bischöfe weit zerstreut und schwer
zu sammeln. Bischöfliche Predigten und sonstige Erlasse durften
nicht im Druck verbreitet werden, konnten nur maschinenschrift-
lich für einen kleineren Kreis von Lesern hergestellt werden. In
manchen Gegenden jwurde gegen katholische Lesestoffe seitens der
HJ eine förmliche Treibjagd veranstaltet. In den letzten Jahren
wurden katholische Büchereien beschlagnahmt und verbrannt oder
eingestampft.
Der Verfasser dieses Buches „Kreuz und Hakenkreuz" hat mit
vieler Nachtarbeit die zerstreuten Kundgebungen der Bischöfe ge-
sammelt und verbunden mit Laienstimmen der Abwehr quellen-
kritisch in diesem Buch zusammengestellt. Prälat Johann
Neuhäusler, der Verfasser dieses Buches, war selber mehr .als
vier Jahre im Lager Dachau, hat also die Kampfmethoden der
satanischen Bewegung aus nächster Nähe miterlebt und ist ohne
Zweifel der berufene Mann, der über die nun versunkene Welt
Zeugnis ablegen kann. Die kirchlichen Kreise, die Chronikschreiber
und das ganze deutsche Volk werden dem auch im Ausland an-
gesehenen Prälaten für dieses Buch dankbar bleiben. Also haben
die Bischöfe, die Sendboten der christlichen Wahrheit und Wächter
der sittlichen Ordnung, doch nicht immer geschwiegen, wenn sie
reden mußten, und nicht geschlafen, wenn sie in das Wächterhorn
stoßen mußten. Also können die Chronisten der Zeit, wenn es
ihnen überhaupt um wahre Geschichtschreibung zu ' tun ist, den
Verdrehungen und Lügen der Parteipropaganda nach authentischen
Quellen die Wahrheit entgegenstellen. Also kann man doch nicht
von einer allgemeinen Kollektivschuld sprechen, da mit den Bi-
schöfen auch einzelne Laien gegen die Ungerechtigkeit und Un-
moral und für die persönlichen Rechte gegenüber Staat und Partei
und ebenso für Elternrechte trotz aller Parteidiktatur ihre Stimme
erhoben und beispielsweise das Kreuz in der Schule verteidigt
haben.
Das Buch „Kreuz und Hakenkreuz" ist nicht auf allen Seiten
eine erquickliche und erbauliche Lesung. Es wurden da und dort
Derbheiten und Roheiten der Parteiführer und Parteipresse bei-
behalten, um die Leser des Buches mitfühlen zu lassen, in welchem
Ton der Kampf gegen alles, was uns Christen heilig ist, geführt
wurde und mit welchen Mitteln im letzten Ziel das Christentum
ausgerottet werden sollte. Es ist etwas Unheimliches um das kurze
Gedächtnis der Menschen. Nach kaum drei Jahren können sie sich
„nicht mehr erinnern". Solchen Menschen mit kurzem Gedächtnis
-mag dieses Buch die Wirklichkeit der vergangenen Jahre wieder
ins Gedächtnis rufen. Das Buch erhebt auch nicht den Anspruch,
eine lückenlose Materialsammlung zu sein. Es werden voraussicht-
lich Nachträge erfolgen. Viel wichtiger scheint, daß die Heraus-
gabe dieses Zeitbildes nach authentischen Quellen nicht länger ver-
zögert wird.
Gläubige Leser werden dieses Buch nicht aus der Hand legen,
ohne in dem Gottvertrauen zu wachsen: Der Herrgott, der das
"deutsche Volk aus diesem Abgrund von gestern errettet hat, hat
es gewiß nicht gerettet, um es i^iorgen in einem neuen Abgrund
versinken zu lassen.
Cardinal Faulhaber.
M ü n c h e n , 2L März 1946.
INHALTSVERZEICHNIS
Begleit Worte Sr. Eminenz des.H. H. Kardinals Dr. Michael Faulhaber ,
Vorwort des Verfassers
Erster Teil
Der Kampf des Nationalsozialismus
gegen die katholische Kirche
Seite
A. Die Kirch env erfolg ung im Dritten Reich —
eineTatsache ■. . . . • • H
1. Zeugen und Zeugnisse der Verfolgung ........ 12
a)' Papst Plus XI. . . * • • • 12
b) Der deutsche Episkopat ........... 14
,c). Eine Dokumentensammlung . ... . •: •. . . 15
d) Ein Zeuge aus dem Feindeslager ... . * . . . . . 17
2. Träger, Mittel und System der Verfolgung . ..... . 17
3. Hauptzielpunkte der Verfolgung 22
a) Kampf gegen das Papsttum . « . . 22
■hy Kampf gegen die Bischöfe , , . . 27
c) Kampf gegen den gesamten Klerus . : .... . 38
B. FesselnfürdieKircheGottes . . . .. . . -. 41
1. Fesseln für das Wort Gottes ... ^ ....... . 44
2. Fesseln für den Gottesdienst ........... 61
3. Fesseln für die Seelsorge 73
4. Fesseln für die kirchliche Schultätigkeit 87
a) Kampf gegen die BekeHntnisschule . 88
b) Kampf gegen klösterliche Lehrkräfte und Kloster-
schulen 100
c) Kampf gegen Theologische Hochschulen 104
d) Kampf gegen den Religionsunterricht .... ^ . 105
e) Kampf gegen religiöse Mitarbeit der Lehrer . . . 109
f) Kampf gegen religiöse Lehrmittel w . 110
g) Kampf gegen Schulgebet und Schulkreuz .... 115
5. Fesseln für die katholischen Orden ..... w .. 122
a) Devisenprozesse . » . 127
b) Sittlichkeitsprozesse ,.,.;,.. 133
1) Neue Methoden der Untersuchung 136
2) Tendenziöse Darstellungen und Entstellungen . .137
5
Seite
3) Erwiesene Erfindungen 139
4) Übertreibungen .- 140
5) Verallgemeinerungen 141
6) Einseitigkeit «... 1 142
7) Heuchelei . i . . . . 143
c) Wirtschaftliche Erdrosselung der Orden 145
d) Klosterentvölkerung 146
e) Klosterraub ..... i . 148
f) Eaub von Almosen, Meßstipendien, Kelchen ... 156
g) Klosterraub in Luxemburg und Lothringen .... 156
h) Klosterraub im Elsaß 157
6. Fesseln für die katholischen Vereine s ...... 165
A. Kampf der HJ gegen die katholische Jugend . . 165
B. Kampf gegen alle katholischen Vereine . 188
7. Fesseln für dais kirchliche Schrifttum ..... v . 198
A. Fesseln werden geschmiedet ♦»...•.... 198
B. Fesseln werden angelegt .. i i, ..... ^ 216
8. Fesseln für die wirtschaftliche, Entwicklung der Kirche . 238
C. AntichristohneFesseln » . . 248
1. Antichrists Wüten gegen das Christentum 249
A, Abschied dem alten Gott . . . , , . , 249
B. Der Theologe der deutschen Heiden . » . . 257
2. Antichrists Wüten gegen Heiliges ... i .... i 289
3. Antichrists Wüten gegen das „unwerte Leben" . . . 307
4. Antichrists Wüten gegen das Judentum ...... 316
5. Antichrists Wüten gegen katholische Priester . * » •. 330
6. Antichrists Wüten gegen eine Hochburg katholischen
Glaubens und Lebens 350
D. Antichrists Geheimwaffenschmiede « » . -. 357
1. Geheimanweisung des Reichsleiters Borniann ... * 358
2. Eine der vielen Geheimanweisungen der Gestapo . -. 360
W e 1 1 n o t o r i s c h » < $ . . s » . . . . • i < < -i ■, 383
Richtigstellungen!
Vor die Titel Seite l45, 146, 148 sind statt der Zahlen IV, V, VI die
Buchstaben c, d, e zu setzen,
Namen- und Sachregister folgen im 2. Band.
6
VORWORT
„Stückwerk ist unser Erkennen". Dieses Paulus-
wort (1. Cor. 13,9) kam mir in den Sinn, als ich noch in den letzten
Wochen der Gefangenschaft die ersten Zeilen dieies Buches zu
schreiben begann. Es blieb in meinem Bewußtsein bis zur letzten
Zeile, mochte auch der Stoff im Laufe der Zeit mächtig an-
schwellen. Ich wußte: es bleiben trbtz alles Suchens, Sammeins
und Findens in den meisten Punkten noch große Lücken. Solche
waren ja schon in meiner eigenen Materialiensammlung durch
Kriegseinwirkungen entstanden, ebenso bei Mitbrüdem und Mit-
kämpfern, die seit Jahren wertvolle Dokumente sorgfältig auf-
bewahrt imd geordnet hatten. Eine große Lücke bedeutete es so-
dann, daß ich viereindrittel Jahre in Schutzhaft und Konzen-
trationslager war und so eine lange Spanne Zeit den Kampf zwi-
schen Nationalsozialismus und Kirche nicht mehr unmittelbar er-
lebte und mitmachte. Auch in anderen Diözesen sind viele Auf-
zeichnungen und Archivalien durch Bomben, Brand und Beschlag-
nahmen zugrundegegangen. Der mehr oder minder große Rest ist
bei den derzeitigen Verwahrungsschwierigkeiten und Verkehrs- und
Postverhältnissen noch nicht erreichbar. So mußte es zur Zeit bei
einer Schau aus einem bloßen Winkel Deutschlands, aus einer
kleinen Ecke des Kampffeldes bleiben. Zu alldem fehlte bei der
vielseitigen anderweitigen beruflichen Ansj^annung die Zeit und
Ruhe zur gründlichen Verarbeitung des Materials.
Anderseits mehrten und verstärkten sich von allen Seiten die
Bitten und Aufforderungen, doch möglichst bald eine Darstellung
des nationalsozialistischen Kampfes gegen die Kirche und ins-
besondere des in In- und Ausland noch so wenig bekannten und
noch weniger gewürdigten kirchlichen Widerstandes zu versuchen.
In einer Konferenz von zirka 35 amerikanischen und eng-
lischen Pressekorrespondenten zu Anfang Juni 1945 in
Neapel, zu der der Verfasser auch geladen war, wurde dies wieder-
holt dringendst verlangt.
Aus deutschen Kreisen Roms wurde geschrieben:
„Man scheint sich in Deutschland teilweise gar keine rechte Vor-
stellung machen zu können von der Wucht des Hasses, der gegen die
Deutschen in der ganzen Welt vorhanden ist. Wir sind durch den Hitler-^
1
krieg politisch, wirtschaftlich, kulturell und moralisch völlig erledigt.
Dabei macht man im Ausland wenig Unterschied zwischen Hitlerianern
und Deutschen, Es gibt wohl wenige, die den Deutschen ihr Schicksal
nicht vergönnten, und noch weniger wohl, die etwa Mitleid hätten. Ich
könnte Ihnen da manche wenig erbauliche Dinge auch aus unseren
Sphären erzählen.
Es wäre sehr angezeigt, wenn die deutschen Bischöfe alles Material
über den Widerstand gegen die Hitlerdiktatur, der von katholischer
Seite und vom weltanschaulichen Standpunkt aus geleistet wurde, doku-
mentarisch zusammenfassen würden in einer Art Farbbuch. Darin hätten
aufzuscheinen: Die Hirtenbriefe der Bischöfe von 1933 bis 1945, ihre
Predigten bei verschiedenen Gelegenheiten, die „Gesetze" und deren
praktische Anwendung durch die Hitlerianer, die Übergriffe in die
kirchliche Hoheitssphäre auf den verschiedenen Gebieten, wirksame
Einzelperioden von der Behandlung der Geistlichen, 'Ordensleute und
der Gläubigen, aus denen besonders ersichtlich ist, inwieweit die Gläu-
bigen Widerstand geleistet haben. All das dokumentarisch mit Datum
etc. belegt. Das wäre ein Beitrag zu unserer Ehrenrettung, wenigstens
•bei den katholischen Kreisen. Vergessen Sie nicht, daß man uns nicht
ganz zu Unrecht politische Unreife und Neigung zum Kadavergehorsam
vorwirft, ich meine, den Deutschen im allgemeinen.
Wenn ich sage, daß das wenigstens auf katholische Kreise wirken
müßte, so ist damit nicht gesagt, daß es wirklich wirkt; denn es kom-
men für die Abneigung gegen uns auch Motive in Frage\ für die wir
nichts können. Wir haben es nicht in der Hand, die öffentliche Meinung
des Auslandes entscheidend zu beeinflussen; wir können aber dazu bei-
tragen, im obenerwähnten Sinn und vor allem dadurch, daß bei uns im
Innern unbarmherzig der Hitlergeist ausgerottet wird."
Schweizer Freunde, die in echtem schweizerischen und
christlichen Geiste Hilfsaktionen für die Notleidenden Deutsch-
lands durchführen, baten schon zu Beginn dringend um Material
über die Leiden und Kämpfe kirchlicher Kreise während des
Dritten Reiches.
Ähnliche Stimmen kamen auch von wohlwollenden ameri-
kanischen Kreisen und wurden noch lauter, wenn man in
Gesprächen ein wenig den Schleier lüftete, der noch über manchen
Geschehnissen und amtlichen Schritten der letzten zwölf Jahre
liegt.
Führende Persönlichkeiten des katholischen Deutschlands
äußerten ebenfalls den Wunsch, z. B. Prälat Schreiber-
Münster, zur Zeit Rektor der dortigen Universität, der in einer
ausgezeichneten Denkschrift über die vordringlichsten Zukunfts-
aufgaben des deutschen Katholizismus unter anderem schrieb:
„Es ist dringlich, den Widerstand gegen den Nationalsozialis-
mus literarisch herauszuarbeiten, der bereits vor 1933 und dann später
8
von 1933—1945 gegen die Nazis geleistet wurde. Jedes Detail wäre hier
sorgfältig zusammenzutragen (Hirtenbriefe, Predigten, Vernehmungen,
Bestrafungen, Priester im Kz., Haltung der Kirchenblätter und deren
Unterdrückung, ev. Umfrage bei den Pfarrämtern; wichtig wäre, daß
auch die Orden Material beibrächten)."
Über alldem merkte ich aus Gesprächen mit taien aller
Kreise, daß die meisten keine Ahnung hatten von der Schwere,
dem Umfang, der Hinterlist, der Systematik und Zielstrebigkeit
des Kampfes vom Anfang bis zum Ende: Tarnung und Terror
hatten ja die Wahrheit hierüber wie über so vieles andere während
der ganzen zwölf Jahre unterdrückt.
Aus dieser Unkenntnis erwuchsen dann da und dort sogar schwere
Anklagen „integraler Katholiken" gegen die Kirche und ihre hauptver-
antwortlichen Leiter. Man ging oder ist daran, gelegentliche, anerken-
nende Aeusserungen, vereinzelte zeitnotwendige Zugeständnisse, Erfül-
lung bloßer Anstandspflichten zu sammeln und daraus kirchlichen Per-
sönlichkeiten ' einen Strick zu drehen. Man übersieht aber dabei die
feste, grundsätzlich ablehnende Haltung, wie sie in Hun-
derten von Dokumenten zum Ausdruck kommt.
Endlich gestanden mir auch viele geistlicheMitbrüder,
daß sie aus Besorgnis vor Haussuchungen u. ä. manches Material
vernichten mußten, jedenfalls nicht mehr zur Hand hätten oder
auch schon aus dem Gedächtnis verloren hätten und keinen rechten
Überblick mehr über die lange ^it und all die kirchenpolitischen
Ereignisse besäßen.
So entschloß ich mich trotz aller Bedenken und Unzulänglich-
keiten schließlich doch, einen Aufriß dieses Kampfes zu versuchen,
zumal ich hierfür, wie ich mit ehrerbietigstem Dank bekennen
möchte, eine überraschende und kräftige Unterstützung von höch-
ster kirchlicher Seite empfing.
Meine Arbeit will und kann aber wirklich nur ein roher und
kleiner Baustein sein zu dem großen Werk, das im Interesse der
Wahrheit und Gerechtigkeit und Ehre über kurz oder lang von
viel berufeneren Personen und auf Grund reicheren Materials und
gründlicheren Studiums erstellt werden muß. Kommen dazuwohl-
behauene Bausteine aus der Zeit 1921 — 1933, aus den verschiedenen
Diözesen und Teilen Deutschlands, Österreichs und der kriegs-
besetzten Länder, von den Orden, von den einzelnen führenden
Kämpfern des Priester- und Laienstandes und von den „Stillen im
Lande", ganz besonders aber auch von evangelischer Seite, dann
mag allmählich „die Vollendung kommen und das Stückwerk auf-
hören" (1. Cor. 13,10). Dann m^g mein Baustein, an vielen Ecken
und Kanten und Unebenheiten kräftig behfäuen, nur noch im
kleinsten Format oder bloß mit ein paar Stücklein eingefügt oder
schließlich als Altmaterial beiseitegelegt werden.
Neben dieser Befürchtung des „Zu wenig" schleicht sich aber
auch die Befürchtung eines „Zu viel" ein: Bei der Wiedergabe
mancher Dokumente nationalsozialistischer Aussprüche, Lieder,
Kreuz und Hakenkreuz 2 q
Gotteslästerungen, Fälschungen, Spottgedichte, Verunglimpfungen
höchster kirchlicher Persönlichlceiten, Anleitungen zu unsittlichem
Tun u. ä. wollte sich wirklich die Feder sträuben, . sie in ihrer
ganzen Trivialität, Banalität, Frivolität, Immoralität festzulegen.
Aber Dokumente haben schließlich nur vollen Wert, wenn sie
genau und vollständig sind.
Freilich bei einzelnen Berichten fehlen trotzdem Namen, Orts-
angaben u. ä. Dies darf aber ihrer Wertung keinen Eintrag tun,
erklärt sich eben daraus, daß wegen der ständigen Gefahr von
„Quellenforschungen" der Gestapo und von polizeilichen Durch-
suchungen selbst bischöflicher Amtsräume manches im vorhinein
unerwähnt oder bei -der Abschrift ausgelassen werden mußte, was
irgendwie die Herkunft oder den Verfasser hätte verraten können.
Die Verlässigkeit der Berichte wurde dabei immer festgestellt und
gewahrt.
Als Aufschrift gab ich meinem Baustein die Worte:
„Kreuz und Hakenkreuz".
Dazu veranlaßt mich die Gegenüberstellung dieser zwei Kreuze, wie
sie mehrfach schon in der Zeit des Kampfes als Ausdruck größten
Gegensatzes und schärfsten Widerspruches gemacht wurde., Z. B.
vor zehn Jahren durch Professor Volkmar Hentrich in dem
Worte: „Kreuz und Hakenkreuz sind Symbole einer
kommenden großen Entscheidung" (zitiert in „Nord-
land" vom 27. 1. 1935); ebenso von Seebecker in der Gedicht-
sammlung: „Freiheitsflammen" mit dem Haßausbruch:
„Wem das Hakenkreuz ins Herz gebrannt,
der haßt all' anderen Kreuz e."
Endlich in dem Wort der Trauer, das der große Vor- und
Hauptkämpfer im Heerbann Christi, Papst Pius XI., sprach am
Tage, da Hitler in Rom weilte (1938) und Hakenkreuzfahnen und
-abzeichen die Straßen und Gebäude der Ewigen Stadt verun-
zierten:
„Betrübliche Ereignisse! Und darunter mag die eine Tat-
sache besonders erwähnt werden, daß an dem Festtag .des heiligen
Kreuzes hier öffentlich das Zeichen eines anderen Kreuzes
getragen wird, das nicht Christi Kreuz ist."
Im Geiste der Sühne für die Schmach, die dem Kreuz Christi
vor den Augen des Heiligen Vaters wie so vielerqrts im deutschen
Lande angetan wurde, möchte ich das Wort der Karfreitagsliturgie
sprechen: „Crucem tuam adoramus, Domine."
„Dein Kreuz, o Herr, verehren wi r."
München, 27. Januar 1946.
10
E R S T E R T E I L
Der Kampf des Nationalsozialismus
gegen die katholische Kirche
A. Die Kirchenverfolgung im Dritten Reich - eine Tatsache
Zuvörderst muß die Frage gestellt werden: Gab es wirklich
einen Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche?
Hat Hitler sein eigenes Wort Lügen gestraft, das er in „Mein
Kampf" niedergelegt hat: „Die große Aufgabe der Bewegung ist
nicht die einer religiösen Reformation, sondern einer poli-
tischen Reorganisation unseres Volkes. Sie sieht in beiden
religiösen Bekenntnissen wertvolle Stützen für den Bestand
unseres Volkes"? ,
War das „positive Christentum" des § 24 des Partei-
programms nur eine Larve, die man zur gegebenen Zeit leicht'
ablegen konnte?
War es beispiellose Unaufrichtigkeit und bloße M a -
chiavelli-Diplomatie, wenn Hitler in seiner programma-
tischen Reichstagsrede vom 23. März 1933 dem deutschen Volke und
der ganzen Welt verkündete: „Die nationale Regierung
sieht in den beiden christlichen Konfessionen
wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volks-
tums. Sie wird die zwischen ihnen undden Län-
dern abgeschlossenen Verträge respektieren;
ihre Rechte sollen nicht angetastet werden . . .
Die nationale Regierung wird in Schule und
Erziehung den christlichen Konfessionen den
ihnen zukommenden Einfluß einräumen und
sicherstellen. Ihre Sprge gilt dem aufrichtigen
Zusammenleben zwischen Kirche und Staat"?
Gab es trotz dieser feierlichen Erklärung und ähnlicher fester
Zusagen, z. B. am 17. August 1934 in Hamburg, am 28. August 1934
in Ehrenbreitstein, trotz Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 eine
ernste Bekäriipfung, ja eine förmliche Verfolgung
des Christentums, insbesondere der katholischen Kirche im Dritten
Reich?
Wer Augen hatte zu sehen und Ohren zu hören und einen
Mund zu reden und ein Herz mit Wahrheitsliebe und Mut, der
mußte gar bald au? diese Fragen ein lautes und unein-
geschränktes „Ja" antworten.
^ 11
1. Zeugen und Zeugnisse der Verfolgung.
P a p s t P i u s X I.
a) Schon ein Monat nach der Ratifizierung des Konkordates
(10. September 1933) mußte Papst Pius XL zu Pilgern aus deut-
schen katholischen Jugendvereinen klagen:
„Deutsche katholische Jugend! Deutsch — katholisch — Jugend:
Drei Worte! Jedes davon ein Grund zu einem besonders herzlichen
Willkommgruß! Ihr fühlt es: Es ist so, besonders- in dieser Zeit, in
dieser Stunde, die so historisch ist für Deutschland; aber nicht bloß
historisch, sondern auch hart. Ihr versteht Uns. Wir müssen große
Hoffnungen in unsern Herzen aufrichten. Aber, geliebte Söhne, unsere
Hoffnungen können' nicht jede Gefährdung ausschließen. Ihr wißt es,
daß Wir mit tiefster Besorgnis und wirklichem Schrecken über die
lügend Deutschlands erfüllt sind und daß Wir Furcht hegen wegen der
Religion in Deutschland." • .
Ähnlich sprach dann der Heilige Vater in seiner Osterbotschaft
an die deutsche Jugend uiid in der Audienz für katholische Jugend-
vereinsmitglieder an Ostern 1934 und 1935.
b) Gelegentlich der Eröffnung der Internationalen katholischen
Presseausstellung im Vatikan (1936) stellte der Heilige Vater zum
erstenmal den russischen Bolschewismus und den Nationalsozialis-
mus nebeneinander. Er hielt es für nötig zu betonen, daß Rußland
und Deutschland in dieser Ausstellung niqht beteiligt sein konnten.
Nachdem er zuerst über das Fehlen von Rußland gesprochen hatte,
ging er dazu über, Deutschland mit folgenden Worten zu behandeln:
„Als Zweites ist Deutschland nicht vertreten, da in diesem Land,
entgegen aller Gerechtigkeit und Wahrheit, vermittels einer künstlichen
und absichtlichen Vermengung von Religion und Politik, die. wirkliche
Existenz einer katholischen Presse bestritten wird."
c) Im Jahre 1937 sprach der Heilige Vater so oft von Ver'-
folgung und Bedrückung der katholischen Kirche in Deutschland,
daß er in dieser Beziehung einmal selbst das italienische Sprich-
wort zitierte: „Die Zunge des Kranken muß immer wieder zu dem
Zahn hin, der wehtut."
Abgesehen von vielen kürzeren Anspielungen redete Papst Pius XI.
ausführlicher und deutlicher darüber:
am 14. März in dem großen Weltrundschreiben „Mit brennender
Sorge",
am 19. Mai in einer Audienz von Pilgern aus Münster und Köln,
am 9. Juni zu deutschen Pilgern,
am 16. Juni zu deutschen Neupriestern,
im September wiederum zu einer deutschen Pilgergruppe,
im Oktober in dem Weltrundschreiben über den hl. Rosenkranz,
am 13. Dezember gelegentlich der Ernennung von fünf neuen Kar-
dinälen, wiederum Rußlands und Deutschlands antireligiöse Maßnahmen
in einem Atemzuge nennend,
in der Weihnachtsansprache an ^lie Kardinäle.
Nur aus drei dieser päpstlichen Äußerungen seien einige Worte
als Beleg für die Tatsächlichkeit der Kirchenverfolgung in Deutsch-
land wiedergegeben:
1?
aa) Aus dem großen Weltrundschreiben vom 14. März- 1937:
„Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die Ver-
antwortlichkeit. Er enthüllt Machenschaften, die von Anfang
a n kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskamp f."
„In die Furchen, in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu
pflanzen bemüht waren, streuten andere — wie der inimicus homo in
der Hl. Schrift (Mt 13,25) — die Unkrautkeime des J^^ißtrauens, des Un-
friedens, des Hasses, der Verunglimpfung, der heimlichen und offenen,
aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln arbeitenden grund-
sätzlichen Feindschaft gegen Christus und seine Kirche."
„In dieser Stunde, wo ihr Glaube (der Glaube der katholischen
Gläubigen Deutschlands) in dem Feuer der Trübsal und der versteck-
ten und offenen Verfolgung als echtes Gold erprobt wird, wo
sie von tausend Formen organisierter religiöser Un-
freiheit umgeben sind, wo der Mangel wahrheitsgetreuer Unter-
richtung und normaler Verteidiguhgsmöglichkeit schwer auf ihnen
lastet, haben sie ein doppeltes Recht auf ein Wort der Wahrheit und
der seelischen Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das
inhaltsschwere Heilands wort gerichtet war: ,Ich habe für dich gebetet,
daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine
Brüder!" (Lc 22,22) '
bb) Am 19. Mai 1937 sprach Papst Pius XI. unter anderem:
„Die Deutschen sind uns besonders willkommen im Haus des ge-
meinsamen Vaters, da sie heute einen Kampf bestehen müssen, der
so hart, so ungerecht und so feindselig gegen sie geführt
wird. Gegen das Gewissen, gegen Gott und gegen den christlichen
Glauben haben sich die Mächte dieser Welt in Deutschland verschworen,
und um des Glaubens willen, für die Ehre, der Kirche und für den
Ruhm Gottes müssen die deutschen Katholiken diesen
Kampf aufnehmen und kräftig dawider kämpfen."
Der Hl. Vater fügte hinzu, daß er bereits an die Welt über diesen
Kampf geschrieben habe und daß „Wir noch weiter Uns immer dringen-
der an die Welt wenden und über die deutschen Katholiken
schreiben werden".
cc) In seiner Weihnachtsallokution vom Jahre 1937 wies Papst
Pius XI. auf den schmerzvollen, den größten Kummer erregenden
Tatbestand der religiösen Verfolgung in Deutschland hin,
■weil er nach seinen eigenen Worten die Dinge bei ihrem Namen
nennen wolle und nicht wünsche, daß man auf ihn das Wort des
antiken Geschichtsschreibers . anwenden könne: „Vera etiam rerum
perdidimus nomina".
„Nein," so fuhr Seine Heiligkeit fort, „Gott Dank haben wir die
rechten Bezeichnungen noch nicht verloren und wollen die Dinge beim
Namen nennen.
In Deutschland besteht wirklich eine religiöse
Verfolgung. Seit einiger Zeit wird behauptet und verbreitet, daß
es dort keine Verfolgung gäbe. Wir dagegen wissen, daß sie da ist,
und zwar s c h w e r. Es hat sogar nur in wenigen Fällen eine so schwere,
wahrhaft besorgniserregende Verfolgung gegeben, die so betrübend in
ihren tiefsten Wirkungen ist. Es ist eine Verfolgung, bei der es weder
an der Gewaltanwendung noch an der Bedrückung durch Drohungen
noch an verschlagenen und heuchlerischen Ränken fehlt. Niemand kann
daran zweifeln, daß, wenn der Statthalter Christi von solchen Tat-
13
beständen spricht, die seine Verantwortlichkeit aufs engste berühren,
daß er weniger gut unterrichtet ist oder die Dinge etwa verwechselt."
d) Als dann im Frühjahr 1938 Hitler nach Rom kam, brachte
die Vatikanische Zeitung „L'Osservatore Romano" hierüber keine
Zeile. Dagegen sprach der Papst in einer Audienz zu Castel
Gendolfo;
„Traurige Ereignisse geschehen eben, wirklich traurige, sowohl In
der Ferne wie auch ganz nahe. Ja, wahrhaft betrübliche Geschehnisse!
Und unter diesen mag man wohl die Tatsache erwähnen, daß an dem
Fest des heiligen Kreuzes hier öffentlich das Abzeichen eines anderen
Kreuzes getragen wurde, das nicht das Kreuz Christi ist. Wir werden
genug .gesagt haben, wenn wir Euch sagen, wie notwendig es ist zu
beten, viel zu beten, innig zu beten, daß uns Gottes Erbarmen nicht'
verlorengehe."
e) Gegen Ende des Jahres 1938 sprach der Heilige Vater ein
neues, kräftiges Wort über die religiöse Lage in Deutschland:
„Die Verfolgungen in Deutschland und Österreich werden mit einer
wirklich einzigartigen Keckheit ausgeführt. Und^ sie werden in ihren
Methoden und Härten noch ständig gesteigert. Wir erfahren dies von
Zeugen, die wir hier vor unseren Augen hatten. Diese Verfolgung trifft
den Papst sehr schwer. Seine Betrübnis und Besorgnis sind über alle
Maßen und dies nicht bloß, insofern wir als Papst das Haupt der gläu-
bigen Christenheit sind, sondern auch als Mensch, da die Menschen-
würde so sehr verraten wird, gerade so wie durch Julian den Ab-
trünnigen und durch Judas Ischariot; denn diese Verfolgung er-
streckt sich sogar bis zum letzten Laie n."
Das sei genug des Zeugnisses des berufensten Kenners der
Lage der katholischen Kirche im Dritten Reich!
DerDeutscheEpiskopat.
Gemeinsam und einzeln, in Hirtenbriefen fürs ganze katho-
lische. Volk und in Denkschriften an höchste Stellen, in Predigten,
Kanzelverkündigungen wiesen Deutschlands katholische Bischöfe
immer wieder auf die unaufhörlichen und sich steigernden Be-
drückungen der katholischen Kirche in all ihren Gliedern und auf
allen Gebieten hin und scheuten sich nicht, das Wort Verfol-
gung als den allein richtigen Ausdruck hiefür zu gebrauchen, ja
es noch zu verstärken mit Feststellungen, wie z. B. im Hirtenwort
vom 28. August 1938:
„Sie (= die Angriffe) erstreben die Hemmung und Blutentziehung
des katholischen Lebens; noch mehr: die Zerstörung der katholi-
schen Kirche innerhalb unseres Volkes, ja selbst Ausrottung des
Christentums überhaupt und die Einführung eines Glaubens, der
mit dem wahren Gottesglauben und dem christlichen Glauben an ein
Jenseits nicht das geringste mehr zu tun hat."
Angesicht^ solch deutlicher Worte der Gesamtheit der
katholischen Bischöfe Deutschlands erübrigt es sich, noch Einzel-
zeugnisse derselben anzuführen, zumal im zweiten Teil der Schrift
viele solche wiedergegeben werden. ,
14
EineDokum^ntensammlung.
1940 erschien in London ein umfangreiches Buch mit dem
Titel;
„The persecution of the Catholic .Church in the
Third Reich"
Facts and Documents. Translated from the German.
London 1940
(„Die Verfolgung der katholischen Kirche im Dritten Reich"
„Tatsachen und Dokumente".)
Der Untertitel erweist den Wert dieiser Sammlung, die von
1933 bis 1940 reicht.
Die englische Ausgabe ist längst vollkommen vergriffen. 1942
erschien eine neue Ausgabe im Verlag Longmans, Green & Co, in
New York. Mittlerweile ist auch in Südamerika- eine Übersetzung
ins Spanische erfolgt.
Die amerikanische Ausgabe umfaßt 552 eng bedruckte Seiten,
eine Wolke sicherer Beweise für die Tatsächlichkeit der Kirchen-
verfolgung durch den Nationalsozialismus.
Eine Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses mag die Ausdehnung
der Kanipffront und die Planmäßigkeit des Ansturmes aufzeigen:
1. Teil:
AuthentischeZeugnissefürdietatsächlicheKirchen-
verfolgung in Deutschland :
I. Erweis durch den Vatikan.
IL Erweis durch die deutschen Kirchenfürsten.
2. Teil:
Die Regierung des Dritten Reiches und die Kirche
I. Amtliche Aktion gegen Kirchenregierung und -Ver-
waltung (Eindringen in kirchliche Amtsgebäude; Wegnahme
kirchlichen Eigentums; Schließung von theologischen Hoch-
schulen; finanzielle Maßnahmen).
n. Konflikt mit der Lehrgewalt der Kirche (Maßnahmen
gegen Päpstliche Weltrundschreiben und Hirtenbriefe. Kanzel-
paragraph. Abwürgung der katholischen Presse).
HL Ausschluß der Kirche vom Erziehungswerk:
1. Die Vernichtung der katholischen Jugend. Ihre Erwür-
gung von Anfang an beschlossene Sache. Diffamierung; Be-
kämpfung in der Schule. Wirtschaftliche Erdrosselung. Physi-
scher Terror. Auflösung. '
IV. 2. Die Vernichtung der katholischen Privatschulen u. ä.:
Auch ein Ziel von Anfang an. Vorbereitende Schritte. Zer-
störung des christlichen Charakters. Entfernung der Kreuze.
Aushöhlung der Bekenntnisschulen von innen heraus. Auf-
hebung der Klosterschulen. Vertreibung der klösterlichen Lehr-
kräfte.
V. 3, Die Vernichtung der katholischen Volksschulen
(„Elternabstimmung", Elternzwang. Abschaffung).
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VI. 4. Die Vernichtung des Religionsunterrichtes (Abschaf-
fung. Ausschluß des Geistlichen. Nationalsozialistischer Geist
in der Schule).
VII. Der Kampf gegen die kirchliche. Seelsorge:
1. Die Vernichtung der katholischen Erwachsenen-
Organisationen (Berufsvereinigungen, Katholische Ca-
ritas).
7III. 2. Die Vernichtung verschiedener Apostolischer Werke:
Die Säkularisierung des öffentlichen Lebens. Die Behinderung
rein religiösen Wirkens der Kirche, Amtliche Förderung des
Glaubensabfalles.
IX. Verweigerung des gesetzlichen Schutzes für die
katholische Kirche. (Nichtbeachtung von kirchlichen Protesten.
Kr/euzesfrevel. Katholiken außerhalb des Gesetzes. Angriffe auf
Bischöfe).
X. Angriffe auf die Ehre der Kirche (durch Plakate, Lieder,
Ausstellungen, Theater, Filme, Reden, Presse, -Zeichnungen,
Karikaturen).
XI. Devisen- und Sittlic hk eitsprozesse (Skandalöse
Berichterstattung. Übertreibungen und Verallgemeinerung.
Zweck. Unerhörte Methoden von Polizei und Gericht. Zweier-
lei Maß. Vorwürfe gegen die kirchliche Aufsichtsbehörde).
3. Teil:
Die Nationalsozialistische Partei unddie Kirche
I. Die Parteigliederungen und ihre Veröffentlichungen (Par-
• teizeitschriften und Zeitungen allgemeinen Charakters; die Abtei-
lung „Rassekunde", die SS, die SA, die Ordensburgen).
II. Die Berufsorganisationen und ihre Veröffentlichungen:
NS Deutsche Arbeitsfront, NS Bauernschaft, NS Reichsbund Deut-
scher Beamter, NS Studentenbund, Lager, Kurse.
III. N S J u g endverbände und ihre Veröffentlichungen (HJ und
BDM, Reichsarbeitsdienst, Landjahr).
IV. Amtliche Unterstützung anderweitiger Angriffe auf die
Kirche. (Hetze gegen die Kirche in Büchern und Flugschriften, in
Zeitungen und Zeitschriften, in öffentlichen Versammlungen).
V. Angriffe auf die Kirche und ihre Repräsentanten. (Die
Kirche verleumdet als antinational und antisozial. Beschiihpfung
der kirchlichen Würdenträger).
VI. Angriffe auf katholischen Glauben und Kult
(Katholisches Dogma, katholische Moral, katholische Andachten).
VII. Die neue Moral (Grundzüge der NS Moral. Heidnische Ehe-
moral. Uneheliche Mutterschaft. Ehescheidung. Heidnische
Sexual- Moral. Nacktkultur. Schreckliche Folgen dieser Tendenzen).
VIII. Die Ersatzreligion. (Der Nationalsozialismus will selbst Re-
ligion sein. Neuheidnischer Kult mit Umdeutung. der Feste, der
christlichen Gebräuche und Symbole, mit Ersatz des christlichen
Begräbnisritus, der christlichen Trauung, der hl. Kommunion und
Firmung).
IX. Schlußfolgerung: 1 Ziel: Die Vernichtung der Kirche.
2. Die Verschleierung der Verfolgung.
16 Bilder.
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Ein Zeuge aus dem Feindeslager.
Am 26. Mai 1941 äußerte ein SS-Mann der politischen Ab-
teilung des Konzentrationslagers Sachsenhausen- Oranien-
burg gelegentlich der Aufnahme zu dem Verfasser:
„Wir werden die katholische Kirche und das ganze
Christentum in Deutschland vernichten. Dieser Schwin-
del muß aufhören." Als ich darauf ruhig und bestimmt erwiderte: „Das
ist seit 1900 Jahren schon oft angekündigt und versucht worden, aber
noch nie gelungen", erklärte der SS-Mann entschieden:
„Ja, aber wir werden es fertigbringen. Wir haben einen
Plan, einen klar durchdachten und bis ins kleinste ausgearbeiteten
iPlan. Wir werden die Kirchen kaputt machen."
2. Träger, Mittel und System der Verfolgung-.
Es war tatsächlich Planmäßigkeit und Zielstrebig-
keit im ganzen Kampfe des Dritten Reiches gegen das Christen-
tum. Auf der ganzen Linie und mit allen Mitteln, mit List und
Gewalt, bald vorsichtig, bald getarnt, dann wieder brutal und offen,
immer aber zäh und nachdrücklich, wurde der Kampf vorwärts-
getrieben. Herodes und Pilatus, der gewalttätige Diokletian und
der verschlagenes Julian Apostata fanden sich zusammen und such-
ten in jeder Stadt und in jedein Dorf Judasknechte und Spitzel.
Hauptk ämpf er w ar en :
die Reichsregierung, insbesondere das Innenministe-
rium (Polizeimaßnahmen), das Kultusministerium (beson-
ders gegen das katholische Schulwesen), das Kirchenmini-
sterium (mehr ein Ministerium gegen die kirchlichen An-
gelegenheiten als „für die kirchlichen Angelegenheiten"), das
Propagandaministerium (mit einem Verleumdungsfeld-
zug nach dem anderen gegen Kirche, Klerus, Orden usw.!), das
Justizministerium (Devisen- und Sittlichkeitsprozesse,
Volksgerichtshof!), das Finanzministerium (Steuerschraube
ohne Ende und Steuergesetzesauslegung nachteiligster Art),
die Landesregierungen in all ihren Zweigen,
die Gestapo und der „Sicherheitsdiens t" (SD),
die Partei mit all ihren Gliederungen und in all ihren Orts-
gruppen,
die neuen Ämter, wie Rosenbergausschuß, Reichskulturkam-
mer, Reichspressekammer, Reichsschrifttumskammer usf.
Die kirchliche Freiheit wurde immer mehr eingeschränkt,
die seelsorgliche Tätigkeit, selbst die Verkündigung des
Wortes Gottes und die Sakramentenspendung wurden immer mehr
gefesselt. Wie der Leiter der katholischen Fachschaft in der Reichs-
pressekammer einmal zu dem Verfasser sagte: „Die Maschen werden
immer enger gezogen", so geschah es auf allen Gebieten. Der kirch-
liche Einfluß auf die breiten Massen des Volkes, insbesonders
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auf die Jugend, aber auch auf Kultur, Wissenschaft, Brauchtum
und ähnliches wurde zurückgedrängt und nach Möglichkeit aus-
geschaltet.
Das ganzeöffentlicheLeben wurde „entkonfessionali-
siert" und säkularisiert und nationalisiert (germanisiert),
Das katholische Schrifttum (Zeitungen, Zeitschriften,
Plugblätter und Buchet) wurde unterdrückt, dafür aber das ganze
Reich überschwemmt mit Christentums- und kirchenfeindlichen
Presseerzeugnissen niedrigster Art.
Das katholische Vereinswesen wurde immer mehr
eingeschränkt und größtenteils aufgehoben unter Einzug des Ver-
mögens und der Häuser.
Die konfessionellen Schulen und katholischen
Privatschulen wurden abgeschafft, katholische Lehrschwe-
stern und Kreuze aus den Schulen entfernt, der Religionsunterricht
fortdauernd eingeengt, zuletzt vielerorts ganz beseitigt, die Nach-
schaffung neuer Lehrmittel für die religiöse Unterweisung unter-
bunden.
Theologische Hochschulen wurden ausgehungert und
aufgehoben.
Das Ansehen der christlichen Kirchen, insbeson-
ders des Papsttums, der Bischöfe, des Klerus, der Orden, der katho-
lischen Karitas usw. wurde untergraben.
Die wirtschaftlichen Grundlagen der Kirchen, des
Klerus, der Orden wurden verengt und unterwühlt.
Der' Verkehr zwischen deutschem Episkopat und dem
Heiligen Stuhl wurde dauernd überwacht und gehemmt,
ebenso die Aufklärung des Auslandes über die kirchen-
feindlichen Maßnahmen.
Die Verbindung zwischenVolk undKlerus wurde
zu lockern, das Vertrauen zueinander zu erschüttern versucht.
Der gesetzliche Schutz wurde katholischen Personen
und Einrichtungen immer mehr versagt.
Die Zusammenarbeit der beiden christlichen Haupt-
konfessionen, insbesonders die sogenannte Una-Sancta-Bewe-
gung, wurde verdächtigt und als staatsfeindlich (gegen die geplante
neue Religion gerichtet) bezeichnet.
Kirche nfeindlicheStrömungen aller Art („Deutsche
Christen", „Deutsche Glaubensbewegung", „Ludendorff-Bewegung"),
abgefallene Geistliche und ihre Bücher wurden in jeder Weise
gefördert.
Theater, Kino, Radio, Ausstellungen, Plakat-
säulen und ähnliches wurden in den Dienst der Kirchenhetze
genommen.
Die nationalsozialistische Weltanschauung
wurde im Schrifttum aller Art, in Lehrbüchern und Unterricht, in
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Schulungskursen und Versammlungen, Im Arbeltsdienst und HJ-
Lager verbreitet.
Christliche Grundsätze wurden in der Gesetzgebung
und in der Praxis immer mehr verleugnet (z. B, in Ehegesetz-
gebung, im „Lebensborn", in „Sterilisation" und „Euthanasie" (Be-
seitigung der Geisteschwachen), in Judenverfolgung, in Unter-
drückung der Friedensbewegung u. ».)•
Religiöse Worte wurden ihres Wertes beraubt und für
Weltliches, Völkisches, Natürliches genommen, ebenso wurde Ersatz
für Christentum, Sakramente, christliche Gebräuche und Übungen
gesucht. Blut, Rasse, Volk, Staat, Deutschland, Hit-
ler wurden vergöttert. Die primitivsten Menschen- und
Bürgerrechte wie Gewissens- und Religionsfreiheit, Rede- und
Pressefreiheit, Brief- und Telephongeheimnis, Wahlgeheimnis,
Rechtsgleichheit, richterliche Unabhängigkeit, Rechtsberufung u. ,ä.
wurden aufgehoben, ihr Fehlen im besonderen gegen kirchliche
Personen und Vereinigungen ausgenützt. Geistliche, Laienführer,
politisch Andersdenkende, Juden wurden in Massen verhaftet,
ins Konzentrationslager gesteckt, gequält, gemordet.
Ptanmäßig Schrittfürs ch ritt!
Die kürzeste und beste Darstellung des systematischen Kamp-
fes, seiner fortschreitenden Entwicklung, Verstärkung und Erweite-
rung und des abgrundtiefen, unüberbrückbaren Gegensatzes zwi-
schen Nationalsozialismus und Christentum gab wohl Erzbischof
Gröber- Freiburg in seinem Hirtenschreiben „Rückblick und
Ausschau" vom 8. Mai 1945;
„Die neue Weltanschauung ging wurzelhaft aus von Rasse und
Blut, um zu behaupten, daß von diesen, ja von diesen fast allein, das
gesamte körperliche und geistige Leben und Schicksal der Einzelmen-
schen und der Völker bedingt sei. Unter allen Rassen aber, so hieß es
weiter, nehme die nordische, die germanische, die überragendste
Stellung ein; denn in ihr lägen als ausschließliches Erbgut eine Fülle
so herrlicher Anlagen und so hochzielender Antriebe, daß sie von der
Natur sichtlich berufen sei, über alle anderen, minder wertvollen zu
herrschen. Diese Rasse habe sich nun, so fuhr man fort, vornehmlich,
wenn auch in langsamer Entwicklung, im jetzigen deutschen Volk
vei'körpert, in den Stämmen des nördlichen Deutschland zumal, wäh-
rend in den süd- und südwestdeutschen Menschen viel beigemischtes
anderes Blut ströme. Man blieb bei dieser Höchstbewertung der
Rasse und des Blutes nicht stehen, sondern betrieb sogar den
Kult, also die Verehrung dieses so auserwählten und meistveranlagten
Volkes fast bis zur eigentlichen Vergottung. Zwar sprach man
gelegentlich noch von „Vorsehung" oder einigemale auch noch von
„Gott", aber kein klares Wort verriet, was man eigentlich darunter
verstehe. Nur das eine war offenkundig, daß sich der neue Gottes-
begriff mit .dem christlichen nicht im mindesten decke. Tatsächlich
wurde das Göttliche ins eigene Volk verlegt oder richtiger ausgedrückt,
der ewige, unendliche Gott durch das ewige deutsche
Volkersetzt.
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Mit der Umdeutung des Begriffes "^.Gott" war notwendigerweise
auch der Untergang jeder wahren Religiosität verbunden.
Man behauptete zwar, daß das schon Religion sei, wenn man das rechte
Verhältnis zur deutschen Gemeinschaft besitze, und rühmte als heilig-
sten Gottesdienst den treuen und opferfrohen Dienst am
Volk. Aber das war ein grober Mißbrauch des Wortes Religion. Ohne
einen persönlichen, überweltlichen Gott ist das, was wir Religion nen-
nen, entweder ein Mythos, d. h. eine wandelbare Anschauung je nach
Zeit und Rasse und Blut, ein Glaube, der jeder verpflichtenden Kraft
entbehrt, oder eine lächerliche Selbstanbetung oder die Anbetung
eines anderen Geschöpfes, ob es nun Volk oder Weltall heißt oder einen
anderen klingenden Namen trägt, kurz gesagt, ein Götzendienst,
der das Wesen der Welt und Gottes verkennt.
Im Anschluß an den neuzeitlichen gottlosen Materialismus
wurde auch die Unsterblichkeit der Seele geleugnet und
lediglich das Fortleben der Einzelmenschen in der Sippe und Volks-
gemeinschaft angenommen. Die Aufgabe des Menschen
liege und vollziehe sich, so hieß es in gebundener und ungebundener
Rede, ausschließlich auf dem Boden der Erde, worin auch der
Ursprung des Menschen in seiner Ganzheit, also nach Leib und' Seele,
zu suchen sei. Wenn daneben von Schöpfung die Rede war, so meinte
man damit nur die in ungeheuren Zeiträumen erfolgte Weiterentwick-
lung eines zufällig entstandenen Lebens ohne jede außerweltliche, gött-
liche Ursache'.
Mit alledem erschien das Christentum als für immer er-
ledigt, ganz abgesehen davon, daß man es auch als Judenreli-
gion begeiferte und verwarf. Eine Erlöserreligion, so wurde
zudem behauptet, müsse schon deswegen abgelehnt werden, weil der
Mensch von Natur aus gut sei und darum auch keinen Erlöser und keine
Erlösung brauche. Die Lehre von der Erbsünde sei ein artfremder,
von Osten eingeschleppter und unseren deutschen Vorfahren aufgezwun-
gener Wahn. Es gebe überhaupt nur eine einzige Sünde, die
Sünde gegen Rasse und Volk. Da man weiter behauptete, das
Christentum liege wie ein Hemmschuh an unserem Fortschritt oder wie
ein Fluch auf unserem Volk, wurde auch die ganze deutsche Ge-
schichte von diesem falschen und verfälschenden Gesichtspunkt aus
betrachtet und namentlich in den Schulbüchern verunstaltet.
Wenn man gegen alles das einwirft, daß sich laut Parteiprogramm
„die Bewegung' doch auf den Boden des „positiven Christentums" ge-
stellt und sogar als erste großpolitische Tat ein Konkordat mit
dem Papst geschlossen habe, so ist darauf zu erwidern, daß sich bei-
des später als eine bewußte, zweckdienliche Täuschung
der Öffentlichkeit erwies. Das positive Christentum, das
w i r vertreten, wurde als negatives, als verwerfliches umgedeu-
tet, und das Konkordat, nachdem es seine politische Betörung des
katholischen Volkes und der ganzen Welt erfüllt hatte, als „überholt",
als „ausgehöhlt", als ein „Fetzen Papier", das heißt als nicht mehr
bindend und verpflichtend betrachtet. Schon der Besuch des
katholischen Gottesdienstes oder gar die Teilnahme an einer
feierlichen Prozession galt nun als ein Verstoß gegen die Auffassung
des herrschenden Volksteiles und wurde zur Gefahr für jedeab-
hängige Existenz. Es hieß sogar: Wer auf dem Boden, des neuen
Staates, sei es als Lehrer oder Beamter oder sonst 'als vollwertiger
Volksgenosse stehe, habe die Pflicht, aus der Kirche aus-
zutreten.
Da man Gott und Volk einander gleichsetzte und von einer Gott-
heit über uns keine Rede mehr war, wertete man auch auf dem sitt-
lichen Gebiet in denkrichtiger Entwicklung als gut und verpfiich-
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tend nur das, was dem Volke unmittelbar oder mittelbar nützte, ob
es den alten Gottesgetaoten und dem menschlichen Gewissen entsprach
oder nicht. Das ewige Volk galt als Ziel und Maßstab für
alles. Neu war dieser Grundgedanke insofern nur, als statt der in
Deutschland ] angst schon von sog. Philosophen gelehrten und von vielen
ins eigene Leben umgesetzten Vergottung des Ich nunmehr die Ver-
gottung des Volkes behauptet wurde und in unerbittlichen Forderun-
gen zum Ausdruck kam.
In durchaus unwissenschaftlicher und willkürlicher Berufung auf
altgermanisches Denken und Wesen, das man über zwei Jahr-
tausende hinweg als vorbildlich und verpflichtend auch der ganz anders
gearteten Gegenwart darbot, trat weiter an die Stelle der^ dem Christen-
tum wesentlichen Nächstenliebe die Härte und der Haß, an
die Stelle der Verzeihung und Versöhnung die unblutige
oder blutige Rache, an die Stelle der menschenwürdigen und
ruhigen Überlegung und der vernünftigen Anpassung an die nun ein-
mal gegebenen Verhältnisse der ungezügelte Fana'tismus, d. h.
die Weckung des tierischen Angriffshungers und
Blutdurstes im Menschen, der erst dann gestillt und gesättigt
ist, wenn sich' das Opfer in seinem Blute am Boden windet und röchelnd
verendet. Damit wurden Leidenschaften heilig gesprochen
und als höchste Triebkräfte' empfohlen und befohlen, die der bisherigen
Menschheit als Kennzeichen einer minderen, ans Tierische grenzenden
Entwicklungsstufe galten. Im Dienste des Volkes hielt man alles für
erlaubt, ob es nun Fr eihei t sb er aubun g war oder barbarische
Mißhandlung oder ein mörderisches politisches Attentat
oder die Tötung einzelner oder ganzer Volksteile ande-
ren Blutes oder der Raub fremden Landes. Ach Gott, wieviel
Übles haben wir damit in den vergangenen dreizehn Jahren auf unser
Schuldkonto gehäuft! ....
Von der Wahnidee her, daß die nordische Rasse die vorzüg-
lichste und durch das Schicksal zur Weltbeherrschung be«
stimmte Rasse sei, wurden endlich auch die politischen Ziele
gesetzt und zur Erreichung in systematischen und fast stürmischen
Angriff genommen. Das war überhaupt das Eigentümliche, daß man
nicht in Ruhe warten konnte und reifen lassen wollte, sondern in maß-
losem Hochmut vermeinte; man sei dazu berufen, in einem Jahrzehnt
eine ganz neue Welt als Wundertäter aufzubauen. Man dachte sich die
Entwicklung der Geschichte auf Grund der neuen Weltanschauung
etwa so:
Erste Stufe: Die Erfassung aller Völker unseres Blutes, die etwa
in früheren Jahrhunderten zum Römischen Reiche Deutscher
Nation gehörten.
Zweite Stufe: Die Einbeziehung der germanischen Völker über-
haupt. Damit streckte sich die gierige politische Hand unter anderem
auch nach den längst schon selbständigen nordischen Staaten
aus.
Dritte Stufe: Der europäische Staatenbund unter
autoritärer Führung des neuen Deutschland.
Letzte und höchste Stufe: Die beherrschende Stellung des
deutschen Volkes in der ganzen Welt.
Daß in allen diesen Stufen ähnlich wie im ganzen Wesen der Be-
wegung eine versteckte Kriegsgefahr enthalten war, sei nur nebenbei
bemerkt. Denn das glaubte doch kein Mensch, daß sich alle diese Ziele
nur durch diplomatische Geschicklichkeit ohne Gegenwehr der Bedroh-
ten oder Betroffenen erreichen lassen. Darum auch die geheime und
öffentliche Kriegsrüstung und die Sammlung zum Winter-
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hilf swerk, die kaum je zur Linderung der Armut, sondern fast aus-
schließlich zur Beschaffung von Kriegsmaterial verwendet wurde.
Wir verkennen es nicht: das gesteckte politische Ziel war gewaltig
und höchstgespannt und vorzüglich dazu geeignet, jugendliche Men-
schen, Phantasten, lorbeerlüsterne Generale, Kriegsgewinnler, einseitige
und kurzsichtige Nationalisten, deren Gott die Nation war, und
solche, die die Weltwirklichkeit und die Machtverteilung auf der Erde
nicht genügend kannten, ■ mit seinem trügerischen Schimmer zu be-
rücken. Es war aber, vom Endergebnis aus betrachtet, nur ein fieber-
hafter Wahntraum, aus dem man jetzt, nach kurzem Siegestaumel in
einem trostlosen Elend erwacht und die Augen erschreckt öffnet und
ausreibt, ein Zusammenbruch wie jener unserer Städte nach einem
konzentrischen 'Bombenangriff, der alles in Schutt und Asche legte und
zahllose Menschenleben darunter begrub. Man muß weit in die Ge-
schichte zurückgreifen, um das Beispiel einer ähnlichen, so raschen und
fast restlosen Niederlage zu entdecken. Man denkt dabei an Isaias
14,14 ff., wo es heißt: „Zu Wolkenhöhe steige ich empor und mache mich
dem Höchsten gleich. Nun stürzest du ins Schattenreich, zur allertief-
sten Grube. Die einstens dich gesehen, gespannt sie dich anblicken,
betrachten dich und sagen: Ist das der Mann, der einst die Erde zittern
ließ, in Schrecken Königreiche setzte? Und der die Welt zur Wüste
machte und ihre Städte niederriß, nicht losgab seine Häftlinge nach
Hause?"
, 3. Hauptzielpunkte der Verfolgung.
„Unser Führer Adolf Hitler hat im Gegenteil wiederholt erklärt, die
Partei wird stets so zu führen sein, daß kein Katholik mit seinem Ge-
wissen in Konflikt kommen könne als treuer Anhänger der National-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (,Sehr richtig' bei den NS).
Darnach richtet sich die offizielle Politik, die Führung unserer Partei."
So steht es als Erklärung des Sprechers der Nationalsozialisti-
schen Landtagsgruppe im offiziellen Bericht der 115. Sitzung des
Bayerischen Landtages vom 29. April 1931 (S. 692).
Und die Taten dieser Partei undihres Führers?
Fesseln um Fesseln, Gewissensbedrückung und Gewissens-
vergewaltigung, Unterdrückung von Freiheit, Recht und Menschen-
würde auf allen Gebieten.
Nach der Regel: „Schlage den Hirten, und die Herde wird sich
von selbst zerstreuen" (Zach. 13,7), richtete sich der Hauptstoß des
Nationalzozialismus auf der religiösen Linie zunächst gegen die
kirchiicheObrigkeit.
a) Kampf gegen das Papsttum.
Es ist bezeichnend, daß der Leiter der weltanschaulichen
Schulung des NS, Alfred R o s e n b e r g, im 1. Kapitel seiner
Kampfschrift: „An die Dunkelmänner unserer Zeit" den Sturmbock
gegen den Felsen Petri ansetzen wollte unter dem Titel: „Die an-
gebliche Einsetzung des Petrus bei Matthäus 16,18." Was er da an
seichten Ausführungen, an Deutungen bzw. Mißdeutungen und
Leugnungen vorbrachte, wurde dann von ungezählten „Schülern'*
in Zeitungsartikeln und Vorträgen nachgebetet.
Besonders gern und ausführlich wurde geredet und geschrieben
über die „schlechten Päpste", selbst vor der Jugend. Papst Alex-
22
i
ander VI. wurde als Typus der allgemeinen Schlechtigkeit
der Päpste hingestellt (vgl. „Das Schwarze Korps" vom 17. 12. 1936).
Das Buch von Löhde: „Der Papst amüsiert sich", ein echtes Luden-
dorff-Verlags-Werk, wurde eifrigst in Parteikreisen empfohlen und
verbreitet. Die lächerlichsten und niedrigsten „Papstfabeln", wie
z: B. jene von der „Päpstin Johanna", wurden neu aufgetischt (z. B.
in „Das Schwarze Korps" vom 23. 4. 1936). Sogar eine ganz neue
'Papstfabel wurde erfunden und verbreitet: daß der Jude Ko-
lumbus im Auftrage Roms seine Fahrt nach Amerika unter-
nommen habe, um „die nicht romhörige nordische Kultur Nord-,
amerikas" zu zerstören.
Die Kämpfe zwischen Päpsten und Kaisern und die Religions-
kriege des Mittelalters waren beliebte Themen von Aufsätzen und
Vorträgen, auch Gegenstand nationalsozialistischer Romane und
Bühnenstücke („Heinrich IV," von Kolbenheyer; „Der König reitet"
von Frau Anders).
Wußte man aber gegen das persönliche Leben der Päpste des ,
letzten Jahrhunderts nichts einzuwenden, so hing man ihnen um so
mehr politische Sünden an: Die Päpste seien durchwegs
deutschfeindlich: z. B. habe Papst Benedikt XV. nicht Einspruch
erhoben gegen den Versailler Gewaltfrieden!! Die Päpste seien
überhaupt nicht gegen den Krieg, sobald sie dadurch ihre Macht
und Herrschaft in der Welt ausdehnen könnten. Die Päpste trügen
eine Schuld oder wenigstens Mitschuld an dem Kriege 1870/71,
natürlich auch am Weltkrieg, ebenso an Italiens Krieg gegen
A,bessinien.
Der Vatikan stehe im Bund mit der Freimaurerei
(Goebbels „Der Angriff" vom 21. 6. 38). Mos^kau und Vatikan
verhandelten über ein Konkordat. Die ganze Geschichte des Papst-
tums sei vom Geist des Judentums beeinflußt („SA-Mann" vom
12. 6. 36). Ja, Papst P i u s XI. sei ein H a 1 b j u d e, seine Mutter
sei eine holländische Jüdin gewesen („Judenkenner" von 1935 und
„SA-Mann" vom 9. 9. 38). In Wirklichkeit waren die Vorfahren
des Papstes seit^ vielen Generationen einfache Bauersleute, seine
Mutter war eine geborene Galli aus Desio. Sein Kardinalstaats-
sekretär P a c e 1 1 i sei sogar Volljude. Der „Heidelberger Stu-
dent", das Organ der Heidelberger Gruppe des NS-Studentenbundes,
vereinigte am 4, 5. 35 die Vorwürfe in einem Spottbild, das einen
Freimaurer, Juden und Jesuiten um einen runden Tisch vereint
zeigt, überrascht von einem SA-Mann, der den Vorhang aus-
einanderschiebt. Darunter die Unterschrift: „Sie sind entlarvt".
Natürlich wußten die Nationalsozialisten viel zu erzählen von
der unersättlichen Geldgier der Päpste. Die „Mainfränkische
Zeitung" vom 25. 8. 37 z. B. berichtete: Als Erzberger mit einem
Rundschreiben aufgefordert habe, reichlich für den Peterspfennig
zu geben, damit der Vatikan nicht in einseitige finanzielle Ab-
hängigkeit von den westlichen Ländern gerate, seien aus Deutsch-
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land allein innerhalb der Jahre 1916—18 an die 2 Millionen
Mark als Peterspfennig nach Rom gewandert!!
Auch der im Reichskonkordat feierlichst bekräftigte Wunsch,
„die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich be-
stehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu för-
dern", tat der Papsthetze des NS keinen Abbruch: Schon drei Tage •
nach der Unterzeichnung dieses völkerrechtlichen Vertrages begann
der „Völkische Beobachter" eine Polemik gegen das vatikanische
Organ „L'Osservatore Romano" über die Auslegung dieses Abkom-
mens. — Unter dem Titel: „Das Parteiprogramm und das Reichs-
konkordat" veröffentlichte ein hoher Regierungsbeamter, A. Richter,
in Nr. 8 der Monatszeitschrift „Deutschlands Erneuerung" (1936
S. 464ff.) einen langen Artikel mit der Schlußfolgerung: „Das
Konkordat gilt nur insoweit, als esnicht der
innerenEntwicklungunseresVolkesunddenVer-
ordnungen des nationalsozialistischen Staates
entgegen ist."
Papstfilm verboten.
Als im Jahre 1934 in München mit großem Erfolg ein Film
über Rom und Vatikan mit Aufnahmen vom Heiligen Jahr, von
Pilgerfahrten, Papstaudienzen u. ä. aufgeführt wurde, wurden da-
gegen in üblicher spontaner Weise „Volksdemonstra-
tionen" organisiert und Störungen versucht. Und die Polizei —
stand zu den nationalsozialistischen Radaumachern und tat ihren
Willen mit der Verfügung vom 6. Juni 1934:
Betreff: öffentliche Ruhe und Ordnung.
Beschluß.
Auf Grund § 1 der VO. des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und. Staat vom 28. 2. 33 (RGBl. 1933 Teil I S. 83) wird die öffentliche
Aufführung der Bildstreifen:
a) „Rom, die ewige Stadt" und
b) „Der Vatikan in Kunst und Geschichte"
bis auf weiteres untersagt.
Ein halbes Jahr nach Konkordatsabschluß durfte sich der satt-
sam bekannte Dr. Dinter in der Wochenzeitung: „Die deutsche
Volkskirche" (Februar 1934 Nr. 74) ungestraft folgende Spottergüsse
über den Papst leisten:
a) Der „Heilige Vater" betet: Die diesjährige Weihnachts-
ansprache des Papstes war sehr kurz. Er betonte eingangs, er sehe da-
von ab, auf die einzelnen Ereignisse des abgelaufenen Jahres einzu-
gehen, es sei auch durchaus nicht seine Absicht, eine bedeutsame Rede
zu halten. Er spreche nur, weil er die Erwartung vieler, aus seinem
Munde Ansichten über diese und jene Fragen zu hören, nicht ganz ent-
täuschen wolle. In der Politik würden viele Worte gemacht; aber das
einzige, was er tun könne, sei beten.
Wir haben volles Verständnis dafür, daß der Papst an diesem Weih-
nachtsabend nicht das Bedürfnis hatte, auf „einzelne Ereignisse des ab-
laufenden Jahres" einzugehen; denn dieses ereignisreiche Jahr hat ihm
deutlich genug gezeigt, daß sein Ansehen in der ganzen Welt erschüttert
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ist. Die urkatholischen Länder Spanien und Mexiko haben sich völlig von
ihm losgesagt. In den übrigen katholischen Ländern ist er nur noch
eine Puppe, die man duldet, weil es so zum guten Ton gehört. In die
Politik läßt man ihn nicht mehr hineinreden. Einzig und allein durch
das Konkordat mit dem nationalsozialistischen und protestantischen
Deutschland hat er noch einmal einen Auftrieb erhalten; sonst wäre
seine eingebildete Weltmacht schon im Jahre 1933 für alle Welt sichtbar
zusammengebrochen. Trotz diesem unerwarteten Auftriebe hat der
„Heilige Vater" aber alle Ursache zu Jahwe zu beten; denn er weiß,
daß das neue Jahr 1934 das religiöse Erwachen des Deutschen Volkes
bringen und daß die reine Heilandslehre über Deutschland hinaus die
ganze Welt in Flammen setzen wird. Dann aber ist es mit seiner Herr-
lichkeit vorbei!
b) Winterhilfswerk für den „Heiligen Vate r". Einem
Bericht der jüdisch-römischen „Neißer Zeitung" zufolge machten Mit-
glieder des katholischen Frauenberufsverbandes „Schaffende Frauen"
eine Pilgerfahrt nach Rom. Diese Frauen, die zu den Ärmsten der
Armen gehören, hatten für den Papst vielerlei Geschenke mitgenommep.
So hatten drei Berliner Wäschenäherinnen zwei Dutzend Wäschekragen
genäht, die der „Heilige Vater" mit „sichtlicher Freude" entgegennahm.
Diese Pilgerfahrt armer deutscher Frauen nach Rom und die Be-
schenkung des Papstes durch sie ist symbolisch dafür, daß die Lehren
der jüdisch-römischen Kirche die Umkehrung der reinen Heilandslehre
sind. Wenn der Papst und die jüdisch-römische Kirche nur einen Fun-
ken Heilandsgeist hätten, so würde kein Mensch zu hungern und zu
frieren brauchen. Es genügte ein Bruchteil ihrer Reichtümer, um Not
und Armut zu beseitigen. Statt dessen schwelgen die Jahwepriester im
Überfluß, und ihr Oberpriester läßt sich seine Kragen auch noch von
armen Berliner Frauen schenken."
Eine „Kunstausstellun g ", die von der NS-Kultur-
gemeinde München im Jahre 1935 an verschiedenen Orten Süd-
bayerns veranstaltet wurde, hielt es für einen wertvollen Beitrag
zum kunstgeschichtlichen Unterricht, Spottbilder über das Papst-
tum aus den letzten vier Jahrhunderten zu bringen (vgl. Kardinal
Faulhaber: „Steinwürfe gegen den Thron der Päpste" 1936).
In einer NS- Versammlung in Schlehdorf bei Kochel in
Oberbayern am 12. Novemlaer 1938 nannte der Redner, Dr. Pfann-
müller, leitender Arzt der Heil- und Pjflegeanstalt Eglfing-Haar, den
Heiligen Vater einen „Idioten" und „Erztrottel", Kardinal Innitzer
von Wien einen „Bazi". Gleichzeitig rühmte er sich und seine
Parteifreunde: „Dem Faulhaber haben wir es heute nacht besorgt"
(Sturm auf den Münchener Bischofshof am 11. November 1938).
Auch die unreifen, von der Jugend selbst erzogenen Hitler-
jungen glaubten sich schon am Felsen Petri reiben zu müssen
und schrien mit dem Lied der „Deutschen Glaubensbewegung":
„Der Herbststurm fährt übers Stoppelfeld" durch die Straßen:
„Der Papst hockt in Rom
auf seidenem Thron,
es hocken bei uns seine Pfaffen,
Was hat einer deutschen Mutter Sohn
mit Papst und Pfaffen zu schaffen?"
25
Ein anderes Spottlied auf den Papst, in der HJ zu Düsseldorf
gesungen, lautete;
„Ein schwarzer Götze in weißem Gewand
regiert von Rom aus die Stunde,
regiert auch schon das deutsche Land,
seine Diener sind treue Hunde.
Schlagt tot, schlagt tot, schlagt alle tot!
Schlagt sie nieder, die heuchelnden Geister
mit deutscher Kraft und deutschem Mut,
dann werdet ihr deutsche Meister."
Ein Spottlied richtete sich direkt gegen den regierenden Papst,
mit dem man das Konkordat alpgeschlossen hatte:
„Papst Pius kam geritten
auf .einem Ziegenbock.
Da meinten die Katholiken,
es sei der liebe Gott.
, Sie beteten ihn an
und sangen schöne Lieder,
wie man sich denken kann."
Auf der HJ-Tagung zu Speyer im Jahre 1937 verstieg sich der
Führer der HJ zu dem Ausspruch; „Die höchste Religion
steht über dem Papst und über Luther; man muß nur dorthin
gehen, wo der Führer ruft. Die Priester haben ihren Führer
verkannt, obwohl dieser Prophet, der Führer, sie vor dem Unter-
gärig gerettet hat." (S. „Hochwacht" v. 17. 8. 37.)
Eine „Stürmer"-Tafel vom August 1937 brachte eine Karikatur
des Staatssekretärs Sr. Heiligkeit, Kardinal Eugen Pacelli, aus An-
laß seines Besuches in Paris: „Die 2 Roten". Der Kardinal wendet
sich in dieser Spottzeichnung zu einem Kommunisten um, der ihm
die rote Schleppe trägt, und spricht: „Ich danke Ihnen für diesen
Dienst. Ich werde Ihnen dafür hernach den Segen geben."
Ebenso gemein, verlogen, Papst und Staatssekretär beleidigend
war ein Bild in „Das Schwarze Korps" vom 22. Juli 1937 mit dem
Titel: „Die Frankreich-Reise des Kardinals." Des Papstes Staats-
sekretär legt seine Hand auf die Frau Kommune mit jüdischem
Gesicht und spricht: „Schön ist sie ja nicht, aber sie kann gut
kochen": „Greuellügen" und „Antinazi" „aus der Giftküche Volks-
front".
Daß sich Partei und Presse nach dem Erscheinen des Päpst-
lichen Weltrundschreibens: „Mit brennender Sorge" im März 1937
wie eine aufgehetzte Meute von Hunden auf den Papst stürzten und
allen Respekt und Verstand vergaßen, ist nicht zu verwundern.
Vor der Papstwahl im Jahr 1939 brachte das Organ Goebbels'
„Der Angriff" eine Artikelreihe: „DieMänner, diedenPapst
umgebe n". In mehr als 100 000 Exemplaren wurden diese Artikel,
die voll von gemeinen Unterstellungen und Beleidigungen kirch-
26
licher Würdenträger waren, In einer Flugschrift zusammengefaßt
und unter das deutsche Volk geworfen.
Die schändlichen Spottbilder auf Papst und Priester, die an
Decke und Wänden der Kegelbahn des Kommandanturhauses im
Konzentrationslager Dachau waren, dürften wohl bloß ein Bei-
spiel von dem sein, was in SS-Kreisen mit Vorliebe verhöhnt wurde.
Selbst bei Führungen in St. Peter und in den Vatikanischen
Museen zu Rom, also sozusagen im Hause des Papstes selbst, konn-
ten deutsche Reiseführer es sich nicht versagen, mit Skandal-
geschichten gegen das Papsttum zu hetzen; es mußte erst eine ernste
Verwahrung des Erzbischöflichen Ordinariates München beim Reise-
veranstalter gegen solchen Unflat an heiliger Stätte und gegen
solche Verletzung der Gefühle katholischer Reiseteilnehmer- ein-
gelegt werden (1938), daß hier die einfachsten Anstandspflichten
erfüllt wurden.
b) Kampf gegen die Bischöfe.
Gegen die eigenen Volksgenossen, mochten sie auch die Bi-
schofsweihe haben und in den Augen der Katholiken Nachfolger
der Apostel sein, getraute man sich im Dritten Reich noch rück-
sichtsloser und unverschämter vorzugehen.
In Nr. 36 der nazistischen „Deutsche Volkskirche" vom Jahre
1935 schrieb Dr. Dinter von der Fuldaer Bischofskonferenz als
von „teuflischem Beginpen", „verräterischem Tun dieser Jüdisch-
Römischen Jehova-Priester".
Die „Führerblätter der HJ" nannten im August 1936
Hirtenbriefe der Bischöfe „Sprechtraktätchen", „Fetzen, Sudel-
papier", „Frivolität", „Gemeinheit".
Übertrumpft wurden diese Schmähungen noch von dem Spdtt-
bild, welches „Das Schwarze Korps" vom 6. 5. 37 in Rück-
sicht auf die „Sittlichkeitsprozesse" gegen die katholischen Bischöfe
Deutschlands brachte: Es stellte einen „Oberhirten" mit einer Herde
von Schweinen dar, welche Etiketten trugen: „Vergewaltigung"^
„Sadistische Orgien in Klöstern". „Unzucht wider die Natur in
Gotteshäusern". „Mißbrauch von Kindern und Schwachsinnigen".
Der „Oberhirte" aber sieht von all dem Greuel nichts, weil er eine
Zeitung vor den Augen hat mit der großen Überschrift: „Politik"*
Unter dem Schmähbild aber steht blasphemisch das Herrenwort:
„Weide meine Lämmer!"
Ein paar Monate darauf leistete sich die N S - P a r t e i selbst
eine unerhörte Verhöhnung von katholischen Bischöfen des In- und
Auslandes. Die Parteiamtliche Wandzeitung der NSDAP zeigte am
8. 7. 1937 als Folge 28 der „Parole der Woche" für acht Tage an
allen Orten Deutschlands:
Roms „Alte Männer"
mit folgendem Text:
27
„Der alte Bischoi von Speyer
Dr. Sebastian hat, wie der Frankenthaler Prozeß einwandfrei ergab,
das Konkordat gebrochen und einer auswärtigen Macht verleumderische
Mitteilungen über unseren neuen Staat gemacht. Außerdem betätigt
sich dieser Bischof als anonymer Brief Schreiber mit Worten wie: Lüg-
ner, Lump und Verleumder. Sein Verteidiger erklärt dazu, daß das
,nicht ernst zu nehmende Schreibereien eines alten Mannes' sind.
Der alte Kardinal von Chicago
Mundelein erlaubt sich die unerhörtesten Angriffe gegen das natio-
nalsozialistische Deutschland und seinen Führer.
Der alte Fürst- Erzbischof von Prag
Kaspar hat eine Verfügung erlassen, wonach im gesamten sudeten-
deutschen Sprachgebiet in^ Zukunft nur noch Neupriester tschechischer
Nationalität eingestellt werden dürfen. Diese Maßnahme zielt auf Aus-
rottung des Deutschtums und intensive Tschechisierung hin.
Der alte Bischof von Krakau, Fürst
S a p i e h a ließ demonstrativ den bei der Kirche unbeliebten toten
Nationalhelden Marschall Pilsudski aus seiner bisherigen Ruhestätte in
eine Nebengruft des Wawel überführen. Damit hat er sich in schärfsten
Gegensatz zum polnischen Volk gestellt.
Dieser Bischof ist bel^annt. als eingefleischter Deutschenhasser und
als einer der starrköpfigsten katholischen Geistlichen. Er hat den Plan
gefaßt, auf dem nächsten Posener Kongreß die internationale Geistlich-
keit zu einer Erklärung gegen Deutschland zu veranlassen.
Der alte Bischof von Trier
Dr. Bornewasser kann sich in einem Sittlichkeitsprozeß plötzlich
an nichts mehr erinnern und leistet einen ,objektiven Meineid', wie der
Staatsanwalt festgestellt hat.
Wir haben einwandfreie Beweise dafür, daß alte römische Bischöfe
an Devisenschiebungen beteiligt sind, daß sie angeklagte homosexuelle
Ordensbrüder in Fronleichnamsprozessionen mitmarschieren ließen, daß
sie dem Staat die Aktenherausgabe verweigerten und perversen Ver-
brechern zur Flucht ins Ausland verhalfen.
'Der alte Bischof von Linz
hat jüngst von der Kirche gefordert, sie solle sich nicht zu viel mit rein
religiös-kirchlichen Betätigungen abgeben, sondern vielmehr das
Augenmerk auf weltliche Dinge richten!
»
»ImneuenDeutschland
herrscht nicht das Gesetz des Vatikans, sonder ndas
Gesetz des Volkes'.
Das hat Reichsminister Dr. Goebbels eindeutig ausgesprochen. Die
Weltpolitik des Vatikan wurde zu jeder Zeit und in allen Staaten von
,alten Männern' gemacht. Alte Männer hängen gern an Überliefe-
rungen, Formen und Gebräuchen vergangener Zeiten. Möglicherweise
ist das der Grund, warum dieselben ,alten Männer' sich nur sehr
schwer in die heutige Zeit finden können. Aus einer greisenhaften und
senilen Vorstellungswelt heraus entsteht zunächst auch eine gewisse
Unsicherheit und Nervosität der neuen deutschen Volkwerdung gegen-
über, die zu mancher Unklugheit verleiten läßt. Aber trotzdem glau-
ben wir bei der Häufung der angeführten Fälle nicht an angeb-
lich ,nicht ernst zu nehmende Handlungen alter Män-
n e r'. Durch alle diese Vorfälle zieht sich eine gewisse, planmäßig fest-
gelegte Linie. Für uns bedeuten sie eine Mahnung, auf der Hut zu sein,
und sie sind uns Veranlassung, nur um so näher zusaromenziu'ücken.
28
wir wissen eines!
Auch Gepflogenheiten und Traditionen, die sich scheinbar in Jahrhun-
derten bewährt haben, verlieren ihren Gültigkeitsanspruch in dem
Moment, wo sie am Bestand unseres Volkes zu rütteln wagen.
Ist dieser in Gefahr, so wird die sonst auch bei uns ge-
pflegte Ehrfurchtvor dem Alter uns nicht abhalten,
mit der uns eigenen Energie solchen überalteten und
gefährlichen Strömungen entgegenzutreten.
Die nationalsozialistische Bewegung kennt keine überstaatliche
internationale Bindung, sondern anerkennt nur das ewige Lebensgesetz
des eigenen Volkes. /
Die Wohlfahrt des Volkes, seine Kraft und Gesundheit sind oberste
Richtschnur für seine Führung und Betreuung. Über allem steht:
Das Gesetz des Volkes!"
Seite an Seite mit .diesen Angriffen auf die Gesamtheit der
deutschen Bischöfe ging der Kampf im einzelnen: In ganz
Deutschland ist wohl keinkatholischerBischof, der nicht
von Seiten der Nationalsozialisten auch noch persönliche Verun-
glimpfungen und Verspottungen, Entstellungen und Mißdeutungen
seines Redens und Tuns erleiden mußte.
Umgekehrt suchte man Treuekundgebungen für die
Bischöfe, Ansammlungen treuer Katholiken vor Bischofswohnungen,
Hoch- und Heilrufe bei ihren Abfahrten zu verhindern, photo-
graphierte und verhaftete Leute, die sich solch eines „Verbrechens"
schuldig machten, trieb sie unsanft auseinander etc. Verfasser wurde
nach der Fronleichnamsprozession 1936 eigens zum Polizeipräsi-
denten von München befohlen, um Aufschluß zu geben, warum der
Kardinal nach der Prozession so langsam heimgefahren sei und so
das Volk zu Kundgebungen veranlaßt habe!!
Beschimpfungen und Bedrohungen des Kardinals
von München
Bei Vernehmungen verhafteter Angehöriger des Bischofs
im Polizeigebäude zu München waren gemeinste Beschimpfungen
desselben mit nicht wiederzugebenden Ausdrücken von selten der
Amtspersonen gang und gäbe. Dies ist beispielsweise von zwei
Zeugen protokollarisch festgelegt bezüglich einer polizeilichen Ver-
nehmung am Tag des 25jährigen Bischofsjubiläums Seiner Eminenz:
sozusagen die einzige „Gratulation" einer Amts-
stelle zu diesem Feste !
Immer wieder wurde auch zu durchsichtigem Zweck die alte
Verleumdung aufgewärmt und verbreitet, daß Kardinal Faulhaber
am 8./9. November 1923 Einfluß auf den bayerischen
Ministerpräsidenten Kahr genommen habe, um ihn zum
„Bruch seines Wortes" gegenüber Hitler zu bewegen. Eine Ver-
dächtigung, die gerichtlich als Lüge erwiesen wurde, den.
Nationalsozialisten aber gut genüg war zu neuer Hetze gegen den
hohen Kirchenfürsten, z. B. in der HJ-Zeitschrift: „Wille und
Macht" vom 1. 9. 1937.
29
Die Hetze und Drohungen gegen den Kardinal wurden schließ-
lich so heftig und zahlreich, daß sich das Erzbischöfliche Ordinariat
München zu folgender Vorstellung beim Reichsinnenminister ge-
zwungen sah:
München, den 25. Februar 35,
An das '
Eeichsministerium des Innern
Berlin.
iöetreff: Beschimpfungen und Bedrohungen des H.H. Kardinal Faulhaber.
In der Beilage (B. 1) übersenden wir einen Bericht über Beschimp-
fungen und Bedrohungen, wie sie in letzter Zeit wiederholt gegen Se.
Eminenz den Hochwürdigsten Herrn Kardinal Dr. Michael Faulhaber in
Erscheinung treten.
Wir verweisen insbesondere auf die offenen Mordandrohun-
gen, die in der Versammlung der „Deutschen Schulgemeinde" am 15. ds.
im Bürgerbräukeller laut und aus vieler Mund in den Saal hinein-
gerufen wurden, ohne daß vom Versammlungsleiter oder Versamm-
lungsredner irgendeine Zurückweisung erfolgte oder die zahlreich im
Saal verteilte Polizei, SA und SS sich irgendwie zu einem Einschreiten
veranlaßt sahen. Zu unserem lebhaften Bedauern sind, offenbar durch
die anwesenden, teilweise sogar verhafteten ausländischen Bericht-
erstatter, gerade über diese Bedrohungen Sr. Eminenz Nachrichten in
die ausländische. Presse gekommen und haben dem Ansehen Deutsch-
lands neuen Eintrag getan.
In einem Schreiben an die Polizeidirektiön München (sibhe Beilage,
B. 2) hatten wir schon tags vorher unsere ernsten Befürchtungen ge-
äußert, daß nach einem so aufwühlenden Schulkampf eine unter aus-
drücklichem Gegensatz zu Eminenz einberufene Massenversammlung
schlimme Auswirkungen haben muß, fanden aber leider hierfür keiner-
lei Gehör bei der Polizeidirektion München, die wenige Tage vorher
(9. ds.) schon in einem bloßen, sachlichen Seelsorgerbrief der Münchener
Stadtpfarrer, der unter verschlossenen, adressierten Kuverts nur den
Eltern von Schulkindern ins Haus getragen werden sollte, eine Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit imd Ordnung erblickte und eine Be-^
schlagnahme dieser Briefe verfügte.
Tags darauf, also am 16. ds. Mts., rief das Auswärtige Amt beim
Erzbischöflichen Ordinariat München an und bat um die Ermächtigung,
eine englische Rundfunknachricht über eine Verhaftung oder Belästi-
gung Sr. Eminenz unter Berufung auf das Erzbischöfliche Ordinariat
München dementieren zu dürfen. Dies wurde gern zugestanden, aber
auch zugleich der ernsten Besorgnis Ausdruck verliehen, daß Ver-
sammlungsreden, wie sie tags zuvor gehalten wurden und schwerste Be-
drohungen gegen Eminenz erzeugten, leicht unbesonnene und unbe-
herrschte Elemente zu ähnlichen oder noch schlimmeren Übeltaten rei-
zen könnten, wie dies vor etwa Jahresfrist bereits geschehen sei.
(Schüsse ins Erzbischöfliche Palais!)
Ohne jede polizeiliche Behinderung durfte 5 Tagei darauf in dem
Vortrag des Herrn Dr. Schott von der NS Kulturgemeinde, Gau Ober-
bayern-Isartor und Max-Josef-Platz eine neue Hetze gegen Papst, Kar-
dinal, Priester und Christentum vor sich gehen und neue Beschimpfun-
gen und Bedrohungen Sr. Eminenz hervorrufen. Nachdem unsere Vor-
stellungen bei der Polizeidirektion München keinen Erfolg hatten, sehen
wir uns gezwungen, das Reichsministerium des Innern selbst auf diese
Gefahren aufmerksam zu machen und zu bitten, in Erfüllung des Art, 5
des RK. die zuständigen Stellen entschieden anweisen zu wollen, Bi-
schöfen und Klerus den Schutz des Staates gegen jedermann zu gewäh-
ren, öffentliche Beschimpfungen und Bedrohungen, derselben ernstlich
30
2U verbieten und jeden Versammlungsleiter, der solche Schmähungen,
Drohungen ungeahndet läßt, und jeden Versammlungsredner, der sie
selbst macht oder hervorruft, zur Verantwortung zu ziehen und Organi-
sationen, die solche Sicherheit, Ordnung und deutsches ansehen ge-
fährdende Hetze treiben, solange keine Versammlung mehr zu gewäh-
ren, bis sie wirksame Garantien gegen Wiederholungen solcher Ent-
gleisungen und Gefährdungen geben.
Beilage 1.
Beschimpfungen und Bedrohungen Sr. Eminenz des H.H. Kardinals
Dr. Michael Faulhaber in öffentlichen Versammlungen in München,
I.
Der Auftakt zu einer ununterbrochenen Folge von systematischen
Verleumdungen unseres Oberhirten war das Verlesen der „deutschfeind-
lichen" Predigt des Kardinals in der Versammlung der Deut-
schen Glaubensbewegung Mitte Oktober (im kleinen ebenerdi-
.gen Saal des Museums zu München, Promenadestraße). Als diese Pre-
digt ein paar Wochen später nach Erscheinen im „Blitz" als eine tsche-
chisch-sozialistische Unterstellung öffentlich gebrandmarkt ward, wurde
die Anschuldigung wohl in der nächsten Versammlung der deutschen
Glaubensbewegung widerrufen, aber in einer Form tmd in einem Ton,
daß eine neue Anschuldigung daraus wurde: „Es war begreiflich, daß
wir uns täuschen ließen, weil Ausdruck und Art dieser nichtgehaltenen
Predigt durchaus im Sinne der gehaltenen Predigten des Kardinals
waren." Auch war in der Spanne Zeit, die zwischen der Oktoberversamm-
lung und der Novemberversämmlung lag, immer wieder in den öffent-
lichen Versammlungen und dem Rednerkurs der DGB. auf die anti-
nationale Einstellung des Kardinals Bezug genommen worden. Die
ersten „Pfui"-Rufe, die dem Kardinal galten, dessen Verhalten eine'
„Schmach und eine Schande" seien, sind jedenfalls in der Oktober-
versammlung gefallen, dann häufig an den Dienstagabenden, an denen
die DGB. bis, kurz vor Weihnachten ihre Zusammenkünfte abhielt. Ohne
Übertreibung kann man feststellen, daß kein einziger dieser Abende
ohne unerhörte Schmähungen — auch gegen den Klerus und die Kirche
— verlief und daß für die unglaublichen Anschuldigungen niemals ein
Beweis erbracht wurde, obwohl dieser häufig angeboten wurde. Daß
ganz offen und mit einem gewissen Stolz behauptet wurde, der jüdische
§ 5, der den Mord verbiete (also 5. Gebot Gottes) habe keine Geltung,
wenn das Staatsinteresse die Beseitigung eines „Schädlings am Volks-
körper" fordere, gibt den Schmähreden gegen die Kirche, ihre Priester
und den Oberhirten eine besondere Bedeutung. Es wäre durchaus ver-
ständlich, wenn fanatisierte Menschen, bei denen die Hemmungen von
Glauben und Gewissen auf diese Weise aufgehoben sind, den Plan faß-
ten, diese „Schädlinge voll Habgier, Eigennutz, Machthunger, Feigheit,
Bestechlichkeit, Verlogenheit, Verrat" durch Mord aus der Welt zu
schaffen.
II.
Beim Kampf gegen die Bekenntnischule flammte der offene Haß
gegen den Oberhirten und die Priester auch an einer anderen Steile
auf, in der neugegründeten Deutschen Schulgemeinde. In einer
der 25 Elternversammlungen, die diese am 12, II. 35 einberufen hatte,
im Cafe Viktoria, Maximilianstraße, richtete sich der Redner, Kreis-
schulrat Streicher', mit allem Nachdruck gegen die Kirche, den
Klerus und den Kardinal (allerdings ohne Namensnennung, nur immer
in der Form des „Predigers von St. Michael"), die keine nationale Ein-
stellung hätten und denen die Frage der Bekenntnisschule lediglich
eine Machtfrage sei.
Eine Steigerung der haßdurchtränkten Anfeindungen gegen den
BLardinal vollzog sich dann in der Massenkundgebung im Bürger bräu-
31
keller am 15. Februar 1935. Es wirkte schon aufreizend, daß die Re-
klame für diese Versammlung in Presse, Rundfunk und besonders in
den Plakaten den Gegensatz zu Kardinal Faulhaber in besonderer'Weise
betonte; in riesengroßen Lettern verkündeten z. B. die Plakate: „Unsere
Antwort an Kardinal Faulhaber". Damit fühlten . sich' die Gegner des
Kardinals schon im vorhinein besonders eingeladen. Dazu kam nun, daß
der Redner manche Predigtworte des Kardinals lächerlich und ver-
ächtlich machte und dadurch Entrüstungsstürme und Zurufe entfesselte
wie: „Pfui! Hängt ihn auf! Erschiessd'n! Dachau!" Der Versammlungs-
leiter Sechser hielt es nicht für notwendig, solche Ungehörigkeiten und
Ungeheuerlichkeiten zu rügen und zu verbieten. Der Redner selbst wies
sie ebenfalls nicht zurück. Und die im ganken Saal gut verteilte, etwa
aus 600 SA und SS bestehende Saalordnung, die jeden abführte, der
sich irgendwelche Notizen machte, fühlte sich nicht bemüßigt, irgend
einen dieser Schreier zurechtzuweisen oder festzustellen oder gar zu
verhaften. Man hörte die Drohungen und konnte auch die Rufer recht
wohl sehen, aber man fand nichts dahinter.
Die Inschutzhaftnahme des Schwerkriegsbeschädigten Jesuitenpaters
Rupert Mayer, der sich für die Diskussion nur ein paar Merkpunkte
notierte, löste bei einzelnen Versammlungsbesuchern erst recht .gehässige
Bemerkungen gegen den Klerus aus.
Noch weiter ging die Verhetzung in einer von der NS Kultur-
gemeinde, Gau Oberbayern — Isartor und Max- Josef-Platz-Bezirk ab-
gehaltenen Versammlung am 20. II. 35 im Kreuzbräu zu München. Der
Lichtbildervortrag von Dr. Schott mit dem Thema „Zweierlei Welten"
stellte in Bild und Wort eine Herabwürdigung der katholischen Glau-
bensgüter und eine Verleumdung und Schmähung der Kirche, des Hl.
Vaters, des Kardinals und der Priester dar. — Der Hl. Vater wurde > in
zwei Bildern als Fuchs hingestellt, der „jenseits der Wasserscheide" die
Schalmei blase und auf dessen 'Lockruf die „deutschen Hühner" resp.
„deutschen Hasen" hereinfielen. Für Kardinal Faulhaber wurde eine
große Ähnlichkeit mit dem Teufel des Dürerbildes „Ritter, Tod und
Teufel" gefunden, ebenso mit dem Kardinal- Großinquisitor von EL
Greco, dem die „Stichflamme", an der sich Scheiterhaufen entzünden,
aus den Augen spränge. Der Redner vermied es zwar schlauerweise, bei
dieser Gelegenheit den Namen „Kardinal Faulhaber" selbst zu nennen,
legte aber seine Worte so an, daß dieser Name den Zuhörern von selbst
auf die Zunge kam, bemerkte dann nur, daß er nichts dafür könne,
wenn solche Zwischenrufe kämen. — Die Menschen waren derartig ver-
hetzt, daß außer den lauten Zwischenrufen „Pfui" an den einzelnen
Tischen Bemerkungen gemacht wurden, die auf den Willen zur Beseiti-
gung der „Römlinge" schließen ließen."
Der Heilige Stuhl unterstützte diese Eingabe des Erzbischöf-
lichen Ordinariats München mit einer Note vom 26. 2. 35 und be-
merkte am Schluß:
„Der Hl. Stuhl sieht den diesbezüglichen Feststellungen der
Reichsregierung mit Interesse entgegen sowie der Mitteilung über
die Maßnahmen, die gegen eine so eklatante Verletzung des Art. 5
des Reichskonkordats ergriffen worden sind."
Antwort hierauf: keine!
Maßnahmen dagegen: keine! i
Ungeheuerlich waren die Beleidigungen, welche der Kreisleiter
Dr. F r i t s c h am 28. August 1938 vor etwa 1000 politischen Leitern
des Kreises Freiburg in der Festhalle von Freiburg im Breisgau
32
wider Erzbischof öröber-Freiburg und Bischof Sproll-Rottenburg
aussprach.
Fritsch stellte zuerst die Frage, ob ein Katholik überhaupt
Nationalsozialist, sein könne. Er bemerkte hierauf, er würde einem
solchen zwei Fragen stellen:
1. Wie er sich zum Alten Testament stelle, das jüdisches
Geistesprodukt und zwar das einzige sei.
2. Ob er sich zur Rassenlehre bekenne. Dann sei der Satz:
„Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker!" erledigt.
Das habe auch der „alte Herr" in Rom erkannt. Wir können
nicht mit Zulukaffern und ähnlichem Gesindel die gleiche Welt-
anschauung haben.
Daß der weltanschauliche Kampf in Freiburg so vornehm geführt
werde, sei nur der Disziplin der nationalsozialistischen Partei zu ver-
danken. Ihr verdanke es auch der Erzbischof, daß er noch in seinem
Palais wohnen könne und nicht schon die gebührende Antwort auf sein
Treiben erhalten habe. Dieser „Lumpenbub" verbreitete Lügenmeldun-
gen in der Auslandspresse. Das sei Landes- und Hochverrat. Mit er-
hobener Stimme fuhr der Redner fort: „Ich nenne ihn in aller Öffent-
lichkeit Gauner, Lügner und Vaterlandsverräter. Er soll
mich verklagen, damit wir einmal Gelegenheit haben, ihm vor Gericht
zu sagen, was wir ihm alles vorzuhalten haben."
Dr. Fritsch fuhr fort: „Wir hätten das schon längst von uns aus
getan, aber wir wollten keinen Märtyrerbischof schaffen." Sodann be-
faßte sich Kreisleiter Dr. Fritsch mit der Pressenotiz vom Donnerstag
und Freitag in der „Freiburger Zeitung" und dem „Alemannen", daß
Bischof SproU von Rottenburg seit einigen Tagen sich in Freiburg auf-
halte. Er bemerkte dazu: „Freiburg ist kein Asyl für Vaterlandsver-
räter. Wenn dieser Herr nicht binnen weniger Tage das Weite sucht,
dann werden wir dafür sorgen, daß es ihm hier ebenso ergeht wie in
Rottenburg. Die nötigen Mannschaften werden nicht fehlen. Dann geht
aber der zweite gleich mit. Wenn wir das bisher nicht getan haben, so
nicht deshalb, weil uns etwa der Mut fehlte — um Waschlappen zu ver-
treiben, braucht man keinen Mut — , sondern deshalb, weil wir uns die
Finger nicht dreckig machen wollten an solchen Schweinen."
T ä 1 1 i c h k e i t e n g e g e n B i s c h ö f e.
Von beleidigenden Worten über Bischöfe ging man aber als-
bald auch zu verletzenden Taten über, so schon im Jahre
1934 gegen den BischofvonWürzburg:
Die päpstliche Note vom 14. 5. 1934 berichtet darüber im Anschluß
über Klagen gegen die „Passivität der verantwortlichen höchsten Stel-
len" folgendes:
„Früchte dieser Toleranz von oben und des in gewissen Kreisen
herangezogenen Geistes sind Vorgänge, wie die jüngst erfolgte Demon-
stration -von etwa tausend Mann vor dem Bischofshof in Würzburg, da-
von ein Drittel in der Uniform von Nationalsozialisten und Hitlerjugend.
Der Diözesanbischöf hatte die Feier der Erstkommunion in der Pfarrei
Waldbüttelbrunn abgesetzt, weil der dortige Pfarrer unmittelbar vorher
am Gründonnerstag in Schutzhaft genommen worden war und die Vor-
bereitung der Kinder auf die erste hl. Kommunion nicht mehr vollenden
konnte. Auch in diesem Falle ist an der von einer bestimmten Parteistelle
erfolgten planmäßigen Vorbereitung der Demonstration kein Zweifel. Aus
Kreuz und Hakenki'euz 3 oo
der zusammengebrachten Menge fielen In vorbereiteten Sprechchören
die Rufe: ,Die schwarzen Jugendführer sollen gehängt werden! Der
Bischof soll gehängt werden! Er ist Landesverräter und Volksveräter!
Heraus mit der Politik aus der Kirche!' Der Bischof trat an das Fenster
und sprach: ,Wir tragen die Politik nicht in die Kirche! Wir verteidigen
die Rechte der Kirche!' Darauf wurde mit einem Balken das Haustor
eingerammt. Bei dieser Demonstration ereignete sich auch die schmach-
volle Tatsache, daß die Veranstalter den Osterbrief des Hl. Va-
ter s Satz für Satz verlasen und Satz für Satz von der durch sie auf-
gebotenen Parteimannschaft mit Pfui! beantworten ließen. Abgesehen
von einem örtlichen Demonstrationsverbot für die Zukunft, ist dem Hl.
Stuhl bisher nicht bekannt geworden, welche Genugtuung dem katholi-
schen Volk Würzburgs für diese unwürdige Verletzung seiner religiösen
Rechte und Gefühle zuteil geworden ist. Das Bewußtsein der Recht-
losigkeit und des Ausgeliefertseins an die Instinkte der Straße muß in-
folge' solcher Vorfälle, die frühere Kulturkampfzeiten nie gekannt haben,
wachsen. In diesem Zusammenhang soll nur nebenher erwähnt sein,
daß der gleiche Osterbrief des Hl. Vaters an verschiedenen Orten von
den Kirchentüren abgerissen worden ist. Die Fälle sind der Bayerischen
Staatsregierung zur Kenntnis gebracht worden. Von einem Einschreiten
ist, in Übereinstimmung mit ungezählten sonstigen Fällen, bisher nichts
bekannt geworden. Der Hl. Stuhl kann es verstehen, wenn Se. Eminenz
der Herr Kardinal-Erzbischof von München in seinem Protestschreiben
vom 21. April d. Js. an den Herrn Reichsstatthalter von Epp in schmerz-
licher Bewegung schreibt:
,Die deutsche Reichsregierung hat mit dem Hl. Vater ein Konkordat
abgeschlossen und 'will nach den feierlichen Erklärungen des Herrn
Reichskanzlers die friedlichen Beziehungen zum Apostolischen Stuhle
aufrecht erhalten; Es muß auf die Katholiken des Inlandes und des
Auslandes einen niederschmetternden Eindruck machen, wenn von amt-
licher Seite das Bekanntwerden eines päpstlichen Schreibens unter-
drückt und auf der Gasse ein päpstliches Schreiben verhöhnt wird."'
Frühzeitig begann man auch schon mit Anpöbelungen des
Kardinals Faulhaber selbst:
In der Nacht vom 4. auf 5. Juli 1936 riß man an dem Pfarrhof
von St. Jodok in Landshut, in dem der Bischof wohnte, den
Schmuck herunter.
Direkt gegen die Person des Kardinals richtete sich dann ein
Angriff vor der Kirche Heilig-Kreuz in München am
Christkönigsfest 25. Oktober 1936. „Stoßtruppleute der Deutschen
Glaubensbewegung" riefen dem Kardinal bei seinem Auszug aus
der Kirche haßerfüllt zu: „Nieder! Nieder mit dir! Heil Hitler!",
schlugen schließlich noch mit Fäusten an die Fenster des Autos und
mit einem Stock auf das Dach desselben. Die Straftat der Ermittel-
ten führte zwar zunächst zu einer Verhandlung vor dem Amts-
gericht München, doch' erklärte sich dieses schließlich nicht für zu-
ständig, da „Landesfriedensbruch" in Frage stehe. Eine für 14. Juli
1937 (also acht Monate später!) angesetzte Verhandlung vor dem
Landgericht München wurde am Vorabend abgesetzt, da ein Gesuch
des Verteidigers vorliege, das Verfahren niederzuschlagen. Am
13. November 1937 (also mehr als ein Jahr nach der Missetat) kam
dann folgende Mitteilung des Amtsgerichtes München: „Der Führer
und Reichskanzler hat das Strafverfahren gegen die Angeklagten
34
K. Oberstötter, Karl Geiger, Karl Foltz, Anton Friedrich Büchting
und Ludwig Paul Rahl wegen groben f Unfugs, Beleidigung, Ge-
fangenenbefreiung und Landesfriedensbruch mit Erlaß vom '22. Ok-
tober 1937 niedergeschlagen."
Wie milde konnte doch „der härteste Mann, den Deutschland
seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten hatte" (nach Hitlers
eigenen Worten), sein, wenn es sich um Vergehen seiner Freunde
gegen die Kirche handelte!
Ähnlich ging es auch, als Kardinal Faulhaber während der
Fronleichnamsprozession 193 9, da er das AUerheiligste
trug, laut von einem Balkon herab „Landesverräter" geschmäht
wurde. Auch diese öffentliche schwere Beleidigung blieb ungestraft,
obwohl die Polizei sofort auf den Verbrecher aufmerksam gemacht
wurde und das Erzbischöfliche Ordinariat um Strafverfolgung oder
wenigstens um Namensbekanntgabe zwecks Privatklage ersuchte.
In Eichstätt wurde in der Nacht nach der glänzend ver-
laufenen Papstfeier im Dom (14./15. Februar 1937) in den Brief-
kasten des Bischöflichen Palais* ein Zettel geworfen mit der
Drohung:
Nehmt Euch in acht !
schwarze H.
In der Nacht vom 15. /l 6. Februar wurde durch die
Türspalte des Bischöflichen Palais' ein handgeschriebenes Plakat
geschoben;
DiePfaffen,
die das Kleid des Seelsorgers mißbrauchen, um sich mit rein welt-
lichen Dingen zu befassen, sind die größten Lügner und Vaterlands-
verräter. So wie sie es vor 100 Jahren getrieben haben, wird es
heut nicht mehr möglich sein. Sie tun gut, mit den Juden ein
Bündnis zu schließen, denn ihre Absichten sind miteinander ver-
wandt.
Unterschrift:
E i n H i r t e !
In der gleichen Nacht wurden die Türen des Bischöf-
lichen Palais' verschmiert:
Schurken — Schwarze Brut — Schweinehunde
Am Morgen des 17. Februar konnte man lesen:
Volksverhet^er — Römlinge.
In ganz Deutschland erregte gewaltiges Aufsehen eine Demon-
stration der HJ am 12. Mai 1935 in Hamm gegen den Erzbischof
von Paderborn:
Zusammenstellung aus dem Bericht des Erzb. Ordinariates Paderborn:
„Aus den eidlichen Aussagen einer großen Anzahl von Zeugen stellt
sich folgender Tatsachenbericht zusammen:
Die HJ hat diese Aktion planmäßig vorbereitet und dazu mit als
,streng geheim' gezeichneten Einzelschreiben eingeladen. Auf einer
35
Führerbesprechung wurde der Plan angeregt, auf einem Heimabend die
Durchführung beraten und durch Geheimbefehl den einzelnen Jungen
mitgeteilt. Am Tage selbst wurden Lieder und Sprechchöre eingeübt.
Die Hitler jungen verteilten sich auf dem Bahnsteig, an der Sperre
unter der Menge. Sie hatten den Auftrag, sobald der Erzbischof er-
scheine ,Devisenschieber' und ähnliches zu rufen. Als der Bischof ein-
traf und von der Geistlichkeit begrüßt wurde, demonstrierte die HJ mit
Rufen: .Devisenschieber', ,Unserm Führer Adolf Hitler Sieg Heil!'
Hitler jungen versuchten, den Bischof beim Besteigen seines Wagens zu
hindern. Als der Wagen abfuhr, brüllten sie in den Wagen hinein:
.Devisenschieber', schwangen sich auf das Trittbrett, versuchten in den
Wagen zu spucken, trafen aber Passanten und machten schließlich An-
stalt, den Wagen umzuwerfen. Die Bevölkerung, die den Bischof
schützen wollte, wurde von der HJ sogar mit gezücktem Ehrendolch an-,
gegriffen. Immer wieder drängten sie sich an den Wagen heran und
schrien im Sprechchor: ,Nieder mit dem Bischof!' ,Wer bringt die
Devisen ins Ausland? Die Pfaffen!'
Auf dem St.- Agnes-Kirchplatz angekommen, versammelten sich die
Hitler jungen um ihre Führer und bildeten Sprechchöre: ,Wer hat den
Arbeitsdienstmann Koch ermordet? Die Pfaffen,!' — ,Wir haben nur
einen Führer! Sieg Heil!' Nach vergeblichen Versuchen, die Hitler-
jungen durch gütliches Zureden zum Schweigen zu veranlassen, gingen
die Jungen zum Angriff vor und schlugen wahllos auf die Zivilbevölke-
rung ein. Durch Kriminalbeanite wurde nunmehr das Überfallkom-
mando benachrichtigt. Die Begrüßungsrede auf dem Kirchplatz mußte
abgebrochen werden. Nachdem der Erzbischof die Kirche betreten hatte,
dauerte das Rufen und Toben auf dem Kirchplatz noch fort, ja man
schlug mehrmals gegen die Kirchentür. Als dann das Überfallkom-
mando erschien, verschwanden die Hitlerjungen."
Unter den beteiligten Hitler jungen befanden sich der Oberbann-
führer Bierkämper, der Unterbannführer von der Heide, der
Jungbannführer Meßmacher, alle aus Dortmund, ferner der
Jungbannführer Schiockermann, Lippstadt, sowie eine Reihe
HJ-Führer aus Hamm."
Ähnlich war es mit einer Anpöbelung des Bischofs von
Hildesheim am 3. Juli 1938, wo Polizei unmittelbar vor dem
Kirchenzug des Bischofs die Fahnen vor dem Pfarrhof wegnahm,
SA, HJ und JV (Jungvolk!) mit Hetzliedem durch die Straßen zogen.
Bischof Bornewasser vonTrier wurde am 26. Mai
1935 ebenfalls auf der Firmungsreise von der HJ belästigt und be-
schimpft, B i s c h o f R ä c k 1 v o n E i c h s t ä 1 1 am 11. April 1937.
Tätlich keitengegenBiscHofshöfe.
Der Haß der Partei trieb schließlich auch zu Gewalttätig-
keiten gegenBischofshöfe, so am 9. April 1934 in
W ü r z b u r g, dann wiederholt im Jahre 1938 in Rottenburg:
Am 18. April 1938 waren dort schon Fenster des Palais eingeworfen
worden. Am 23. Juli 1938 aber holte die Partei Nationalsozialisten aus
der ganzen Umgebung von etwa 50 km zusammen Und führte dann an
die 3000 Demonstranten vor ,das Bischoüshaus; dort wuirde Feuerwerk,
Holz entzündet; die Tausende schrien, pfiffen, heulten, riefen einzeln
oder in Sprechchören: „Schwarzer Zigeuner! Volks Verräter! Heraus mit
dem Lumpen!" Dann wurden Fensterläden ausgehoben, Türfüllungen
gesprengt; viele drangen ins Haus ein bis in die Kapelle, wo Erzbischof
36
Gröber von Freiburg zusammen mit Bischof Sproll von Rottenburg vor
dem Allerheiligsten betete. An die 20 Personen blieben dort etwa eine
Viertelstunde lang, teilweise mit brennenden Zigaretten und mit der
Mütze auf dem Kopf.
Keiner der Demonstranten wurde bestraft. Nur — der Bischof
wurde seiner Diözese und des Landes verwiesen bis zum Kriegsende.
Sein Verbrechen war, daß er sich geweigert hatte, einen Wahlzettel ab-
zugeben, mit dem er Kirchenfeinde wie Rosenberg u. ä. hätte wählen
müssen.
Im gleichen Jahr 1938 wurde zwei Tage nach dem Sturm auf
die jüdischen Geschäfte in München ein Angriff auf den Bi-
schof shof des KardinalsFaulhaber gemacht (11. November).
Unter ohienbetäubendem Schreien, Johlen und Pfeifen wurden
Steine (sogar Ziegelsteine) gegen Fenster und Fensterläden, auch
in den ersten Stock hinauf geschleudert, an die 100 Fensterscheiben
zertrümmert, Fensterrahmen verbogen oder zerbrochen. Das Ein-
fahrtstor wurde '^^ mit Balken berannt. Dazwischen Rufe: „Raus!
Raus! Nach Dachau! In Schutzhaft mit dem Hochverräter!" Unter
den Demonstranten waren nicht wenige uniformierte Amtswalter
der Partei, auch der stellvertretende Gauleiter.
Der HaßgegenBischöfetriebnochweitereBl Uten.
Bischof Legge von Meißen (Sachsen) wurde wegen
„Devisenvergehens" (weil er kirchliche Schulden in Holland be-
gleichen wollte) gerichtlich verurteilt und mehrere Monate ins Ge-
fängnis geworfen^
Bischof Ehren fried von Würzburg wurde auf seiner
amtlichen Reise nach Rom im Jahre 1938 an der deutsch-italie-
nischen Grenze festgehalten und durchsucht: alle seine amtlichen,
lateinischen Dokumente wurden photographiert.
Die Bischöfe von Straßburg und Metz wurden beim Ein-
marsch der Deutschen in Frankreich vertrieben.
Ein polnischer Weihbischof und der französische Bi-
schof Gabriel Piguetvon Clermont-Ferrand wurden
ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Bischof Piguet war vor-
her im Lager zu Nazweiler (Elsaß) von einem SS- Wachmann ge-
schlagen worden.
Wenige Tage nach der Bischofskonferenz in Fulda im Jahre
1938 drangen 12 Gestapobeamte in die Druckerei Mischkowska in
Breslau ein, wo, wie sie wußten, das Protokoll der Bischofs-
konferenz gedruckt werden sollte. Sie beschlagnahmten die
Handabzüge und den Rest des Protokollmanuskriptes.
Bischöfliche Amtsgebäude wurden immer häufiger durch-
sucht, so das Ordinariat Berlin schon 1935 zur Fahndung nach
„Mitteilungen des kirchlichen Informationsdienstes"; das Ordinariat
München am 31. August 1938, das zu Limburg 1939 usf.
37.
c) Kampfgegeniden gesamten Klerus.
Die öffentlichen Beschimpfungen und Verdächtigungen des
Klerus in Wort und Schrift lassen sich nicht annähernd wieder-
geben. Das eingangs erwähnte Buch: „Die Verfolgung der Kirche
im Dritten Reich" sagt Seite 430: „Man könnte wirklich ein großes
Buch füllen allein mit der Angabe der Stellen in Naziliteratur, in
welchen abträgliche Bemerkungen über das katholische Priester-
tum zu finden sind."
Immer wieder und in allen möglichen Wendungen wurde dem
Klerus der Vorwurf der Hetze, des Verrates, des „politischen Katho-
lizismus", der Herrschsucht, der Geldsucht (vgl, Bild in „Das
Schwarze Korps" mit Unterschrift: „Eine feste Burg ist unser
Gold! "), der Erbschleicherei, der Volksfeindschaft, des Miß-
brauches der Kanzel, des Beichtstuhls (z. B. 26. 6. 1935 und
1. 7. 1937) usw. gemacht.
Beispielsweise schrieb die Neu-Ulmer-Zeitung am 12. Dezember 1933
u. a,: „Katholische Geistliche haben sich, geschützt durch den Talar, zu
Hütern einer roten, staatsfeindlichen Bewegung gemacht. Das waren
sie schon vor der Revolution offen. Sie sind es heute im geheimen. Sie
sind erklärte Staatsfeinde."
Die Geheime Staatspolizei in Bayern ließ im ganzen Land
polizeilich nachforschen, ob Geistliche Kinder hätten.
Schriften abgefallener Geistlicher Wurden — mehr oder minder
mit Zwang — vertrieben. Die abgefallenen Priester selbst wurden
in wichtige Parteiämter übernommen.
In Schaukästen wurden die Geistlichen verhöhnt, z. B^ war im
Schaukasten der HJ in Rosenheim im Mai 1935 folgender Anschlag
ausgehängt:
Meister der Lüge !
Am Sonntag, den 12. 5. fand in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus,
Rosenheim, eine Männerpredigt statt, in der u. a. folgende Worte fielen:
„ . . . Unsere Altvordern, die Germanen, waren auch nicht unmensch-
licher und menschlicher als die andern Heiden. Sie waren auch nicht
besser und auch nicht schlechter. Nach den Wotanfesten hingen an den
Ästen der Bäume die aufgeschlitzten Leichen von Tieren und Menschen,
denen sogar die Herzen herausgerissen waren. Die Vandalen, die diesen
Namen tatsächlich mit Recht tragen, haben ganze Länder verwüstet,
ganze Völker vernichtet."
Dem haben wir in aller Sachlichkeit zuzufügen: Auf welch hoher
Stufe die vandalisch hausenden Germanen standen, das zeigen die bei-
gefügten Bilder. Diese Kunstschätze wurden schon, ehe ein Bonifatius
nach Deutschland kam, hergestellt. Nebenbei bemerkt: Im alten Hellas
und Rom herrschte vor Jahrtausenden, weit vor Christi Geburt, eine
Höhe der Kultur, die keineswegs erst von den Mönchen erzeugt wurde.
Weiter wenden wir uns in aller Schärfe gegen die Lügen „der Leichen
an den Bäumen". Zur Zeit der alten Germanen gab es noch keine
Jesuiten, die das, was man hier mit bewußter Sicherheit vorzutragen be-
. strebt ist, wirklich gesehen hätten. Heute stellt man es als Tatsache hin,
nur um die unwissenden Kirchenbesucher gegen unsere Vorfahren auf-
zuputschen.
Wohl ist aber geschichtlich bewiesen, aber leider nur
zu wenig bekannt, .daß zur Zeit der Inquisition in Spanien, Frank-
38
reich und in Deutschland Hunderttausende auf Grund der
Urteile von römischen Mönchen gepfählt, verbrannt, ent-
hauptet und lebendig begraben wurden. Herrliche Kulturtaten im Zeichen
der ewig politisierenden Kirche!!! Weitere Beispiele siehe in
Eosenbergs verhaßtem „Mythos des 20. Jahrhunderts". Das Buch
enthält prachtvolle Wahrheiten, die man freilich in gewissen
Kreisen nicht gerne hören will! Wir Icämpfen keineswegs gegen die
Religioh, wohl aber gegen jede Lüge der hundertprozentigen Eiferer,
Wir sind nun auf der Wacht, uns ist das Altgermanentum heilig! Wir
werden auch in Zukunft die versteckten Absichten von Kanzelreden
obigen. Stiles zu entdecken und zu brandmarken wissen.
Noch ärger trieb man es mit der Verspottung der Geistlichen
in öffentlichen Aufzügen, z. B. am 18. August 1935 in
Bruckmühl, am 12. Juli 1936 in Prien. In Prien zeigte einer der
mitgeführten Wagen einen Juden und einen Bolschewisten und
zwischen den beiden einen Geistlichen, darüber die Überschrift:
„Die Staatsfeinde". Der Aufmarsch begann noch während der
Gottesdienstzeit!
In Bruckmühl waren SA und SS von Kolbermoor, Bad Aibling
und Bruckmühl auf vier Wagen. Schandbare Karikaturen von
Priestern und Klosterfrauen und Schilder mit Aufschriften waren
angebracht, z. B.:
1
Bild: Eine sterbende Klosterfrau mit Sterbekreuz in der Hand und
Blumenstrauß, neben ihr ein großer Geldsack.
Aufschrift: „Hast Du kein Geld Dir mitgenommen,
Kannst Du nicht in den Himmel kommen."
Bild: Tod mit Geldsack und obigem Spruch.
Bild: Ein Altar, vor demselben ein recht wohlbeleibter, betender Pfarrer
und daneben ein großes Beil.
Bild: Pfarrer, Juden und Klosterfrauen, gemeinsam einen Geldsack
haltend.
Sodann mehrere Schilder mit Aufschrift allein, wie z. B.
„Paifen nach Rom, Juden nach Palästina, Uns aber Deutschland."
Oder: (mehrfach): „Wenn die den Kampf wollen, können sie ihn haben."
Oder: „Ron) den Pfaffen, — Uns aber Deutschland."
Oder: „Widerstände sind da, um sie zu brechen; wir sind bereit."
Oder: „Willst Du ins Kloster gehen, rnußt Du zuerst das Schieben lernen."
Daneben das Bild: Pfarrer und Klosterfrau mit Rosenkranz und
Geldsack. , '
Die Bevölkerung in Bruckmühl hat dieses traurige Schauspiel
mit eiserner Ruhe nach außen hin, innerlich aber mit tiefer Em-
pörung über sich ergehen lassen.
Noch trauriger war, daß selbst die Hitlerjugend ähnlichen
Spott gegen den Klerus trieb:
Gelegentlich des Hochlandlagers im Jahre 1935 wurde in Leng-
gries ein Umzug gehalten, während dessen die Anführer wiederholt
fragten: „Was tun wir mit den Pfaffen?" Der Chor antwortete:
„Aufhängen! Aufhängen!", Auch ein Brett mit Aufschriften dieses
Inhalts würde mitgetragen.
39
Vom April ab brachte „D as Seh warze Korp s" in
jeder Nummer Bilder und Artikel gegen das
Priestertum. Ganz besonders richteten sich die Angriffe gegen
den Zölibat, dann aber auch gegen die kirchlichen Einrichtungen
für den Priesternachwuchs, gegen die Theologischen Fakultäten an
den Universitäten u, ä.
„Die Brennessel", eine nationalsozialistische Zeitschrift mit Bil-
dern, brachte am 1. Februar 1938 ein „Schwarzes ABC" mit teil-
v/eise nicht wiederzugebenden Zeichnungen und mit nachfolgenden
Spottversen:
SchwarzesABC
A „Anathema!" bedroht den Sünder,
Amtsbrüder zeugen keine Kinder.
B Das Beichten ist ein frommer Brauch,
den Beutel braucht die Kirche auch.
C . Die Christenlehre dient den Seelen.
Es gibt kein Centrum mehr zu wählen.
D ' Das Dogma dienet der Erbauung.
Die Demut fördert die Verdauung.
E Die Ehe darf der Mensch nicht lösen.
Erkenntnis ist ein Werk des Bösen.
F Viel Fratres deutsches Land verließen,
dem Fiskus fehlt es an Devisen.
G Die Geilheit scheut das Licht der Sonne,
doch gottgewollt lebt Mönch und Nonne.
H Auf Hintertreppen ist es glatt,
im Himmel fehlt das KircheniDlatt.
I Der Intrigant zerstört den Frieden.
Intolerant sind Jesuiten.
K Die Keuschheit soll die Jungfrau zieren.
Kapläne re- und absolvieren.
L Im Lateran gibt's Kardinäle,
auch Lucifer hat schöne Säle.
M Die Menschheit muß, sich mischend, mehren.
Der Missionar gibt Wilden Lehren.
N Der Nuntius bringt gesalbte Noten.
Die Nuditä'ten sind verboten.
O Der Obulus ist ein Stück Geld,
non ölet, wenn es Rom erhält.
P Dem Pfaffen ziemen fette Pfründen,
der Pilger büßt für seine Sünden.
Q Der Hölle Quälen schmerzen arg.
Der Quietist nährt sich von Quark.
R Die Reue kann den Reichen läutern.
Das Rindvieh melkt man an den Eutern.
I
S . Soutanen sind kein Damenstrumpf.
Schwarzkittel fürchten nicht den Sumpf.
T Als Taube kam der Heilige Geist.
Die Tröstung frommt den Witwen meist.
40
U Herr Urian war eift Hexenbock.
Die Unschuld wohnt im langen Rock.
V Der Vatikan ist eine Stadt.
Die Venus trägt ein Feigenblatt.
W Das Wunder ist des Glaubens Frucht.
Weh dem, der nach der Wahrheit sucht.
X Mit Xereswein man Mesäp hält.
Aus X wird U, wenn's Rom gefällt.
Y In Yokohama fehlt's an Christen,
Yak heißt der Grunzochs der Buddhisten.
Z Das Zugtier wird zumeist kastriert.
Der Zölibat ist approbiert.
Bischof Buchber ger-Regensburg sagte in einer Predigt
vom 15. November 1936 mit Bezug auf diese Verhöhnung des Klerus
in Wort und Bild:
„InRußländundSpanienerleidenPriesterden
Verlust ihres Lebens; hier in Deutschland aber
suchen dieKirchenfeinde ihnen die Ehre und alles
Vertrauen zu ihnen zu nehmen. Und es gibt viele
Priester, die lieber ihr Leben als ihren guten
Namen verlieren möchte n."
B. Fesseln für die Kirche Gottes.
Bereits am 14. 5. 1934 mußte der Heilige Stuhl in einer Note
an die Reichsregierung feststellen:
„Auf Grund der ihm bis in die- jüngste Zeit hinein zugegangenen
amtlichen Informationen kann der Hl. Stuhl die Feststellung nicht unter-
lassen, daß der katholische Klerus im heutigen Deutschland auch
nicht entfernt das Mindestmaß derjenigen Freiheit
in der Ausübung seines seelsorgerlichen Amtes genießt, ohne die er der
Pflicht der geistlichen Leitung der ihm anvertrauten Seelen nicht ge-
nügen kann.
Ein widriges Spitzeltum umlauert vielfach jeden Schritt
und Tritt, jedes Wort und jede Amtshandlung. Durch Angebertum
, suchen mehr als zweifelhafte Elemente sich als Retter des angeblich
bedrohten Staates bei den Behörden wichtig zu machen. Der Eindruck,
den der Hl. Stuhl aus den diesbezüglichen Unterlagen gewinnt, ist nach-
gerade beschämend."
Bezeichnend ist hiefür die Anweisung, welche einem Orts-
gruppenleiter für die Überwachung aller kirchlichen Wirksamkeit
zuging. Darnach waren zu beobachten mit folgender Bericht-
erstattung:
I)
1. Die Predigten der Ortsgeistlichen; für ihre Abhörung wurden „Ver-
trauenspersonen" aufgestellt. Besondere Beachtung sollte dabei ge-
schenkt werden Aussetzungen an, der Rassenlehre und an der Ge-
schichte der germanischen Vorfahren, dann sympathischen Äuße-
rungen über das Judentum, endlich dem Widerstand gegen de»
Sterilisierungs-Feldzug.
Kreuz und Hakenkreui 6 4J
2. Religiös-seelsorgerliche Kurse, die in der Pfarrei gehalten werden:
dabei sollten möglichst Einzelheiten berichtet werden.
3. Die Exerzitienbewegung: Exerzitienhäuser und Teilnehmer sollten
beobachtet werden.
4. Die Volksmissionen. Dabei ist anzugeben, welchem Orden die Mis-
sionäre angehören, welches der Nattie des Missionsobern ist.
5. Die Sammlungen für die Heidenmission, insbesondere ^Kindheit-
Jesu- Verein und Ludwig-Missions- Verein.
6. Rompilgerfahrten der einzelnen Pfarreien, einzelner Vöreine.
7. Die Errichtung katholischer Schulen, neuer Kirchen, neuer Ordens-
häuser und neuer Orden. ^^
II)
1. Die Haltung des katholischen Klerus gegen das neue Reich.
2. Das Verhalten des Klerus zum neuen „Deutschen Gruß".
3. Der Widerstand gegen staatliche Mäßnahmen.
4. Die Verbreitung von „Greuelnachrichten".
5. Moralische Verfehlungen des Klerus.
6. Benehmen des Klerus an der Grenze.
III)
1. Katholische Vereine.
2. Besonders scharf zu überwachen sind: Katholischer Frauenbund,
Katholischer Caritas- Verband, Katholische Männervereine, Katholi-
scher Jungmänner- Verband.
So wurden also die Priester und Katholiken auf Schritt und
Tritt überwacht, und gär oft wurde die Überwachung zur Fesselung.
Und die schlimmsten Fesseln waren nicht die, welche vielen
Priestern tatsächlich an den Händen angelegt wurden. Viel un-
heilvoller und unerträglicher wurden jedem apostolischen Herzen
die harten Fesseln, die Tausenden von Priestern in ihrer Tätig-
keit, die selbst dem Wort Gottes, dem Gottesdienst, den heiligen
Sakramenten, dem katholischen Unterrichts- und Erziehungswesen,
der außerkirchlichen Seelsorge an Jugendlichen und Erwachsenen,
dem katholischen Schrifttum u. a. angelegt wurden.
Der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
Dr. Kerrl, stellte zwar am 11. Dezember 1937 die Behauptung auf:
„Niemals ist irgendein Priester in der Ausübung seines Amtes
behindert worden, nicht ein einziger Gottesdienst, nicht eine einzige
Messe ist gestört worden." Aber die Tatsachen reden
eineandereSprache.
Die Tatsachen zeigen auch die Knechtung der Gewissensfreiheit
der einzelnen Gläubigen. Ein Beispiel dafür:
Bespitzelung bis auf des Herzens Grund:
1937 bekamen 40 junge Münchener Referendare nachfolgenden
Fragebogen zur Beantwortung:
Religion?
1. Glauben Sie an das Dasein Gottes?
2. Wenn ja, glauben Sie an die Lehre der Kirche, der Sie angehören,
42
oder haben Sie eine andere Vorstellung von Gott und seinen Be-
ziehungen zu den Menschen?
3. Glauben Sie an die Gottheit Christi?
Glauben Sie, daß Christus von einer Jungfrau geboren wurde?
Glauben Sie, daß Christus nach seiner Kreuzigung wieder auf-
erstanden ist?
Oder glauben Sie, daß Christus nur ein Mensch war?
4. Glauben Sie, daß die Bibel das Wort Gottes ist, d.h. daß ihr Inhalt
von Gott denen eingegeben war, die sie schrieben, und daß Gottes
Wille in ihr zu finden ist? '
5. Glauben Sie an ein Weiterleben der Seele nach dem Tode?
6. Glauben Sie an eine göttliche Gerechtigkeit, d. h. daß der Mensch
nach dem Tod belohnt wird für ein gutes Leben und bestraft wird
für Bin schlechtes Leben?
7. Beten Sie zu Gott und glauben Sie, daß Gott das Beten hört?
Glauben Sie, daß Gott sich in seinem Tun durch Gebet beeinflussen
läßt?
8. Glauben Sie, daß die christliche Religion unersetzlich ist als Grund-
lage der Sittlichkeit und als Autorität für menschliche Moral und
Erziehung? Oder glauben Sie, daß ein Glaube an Gott, der nicht
mit der christlichen Lehre verbunden ist, dafür auch genügt? Oder
glauben Sie, daß eine andere Moral- Grundlage dieselbe Autorität
haben kann wie der Glaube an Gott? Und wenn so, welche?
9. Glauben Sie, daß die christliche Lehre einen ewigen und universalen
Wert hat? Wenn nein, glauben Sie dies von irgend einer anderen
Lehre? Wenn ja, von welcher? Oder glauben Sie, daß Religions-
und Sittenlehre verschieden sind nach verschiedenen Zeiten und
Rassen und diesen angepaßt und mit ihnen verändert werden muß?
.10.. Glauben Sie, daß die Seele etwas im Menschen ist, was ein eigenes
Sein hat, d. h. daß der Mensch aus zwei Teilen, aus Leib und Seele
besteht? Glauben Sie, daß Stoff und Geist in der Welt Dinge sind,
die unabhängig voneinander existieren, aber zusammenwirken?
Oder glauben Sie, daß die Seele nur ein Reflex des Leibes ist, d.h.
daß alle geistigen Experimente letzten Endes auf bloß körperliche
Experimente zurückgeführt werden können? Glauben Sie darum,
' daß Stoff das einzige der Welt und Menschen ist? Oder glauben Sie
im Gegenteil, daß alles Stoffliche nur ein Reflex des Geistes sei,
d. h. daß das Körperliche und all seine Energien nur Reflexe geisti-
ger Vorgänge sind? Glauben Sie also, daß Geist das einzige Grund-
elemeht der Welt und Menschen ist?
11. Haben Sie sich schon bisher mit religiösen und philosophischen
Fragen dieser Art befaßt? Oder haben diese Fragen keinen beson-
deren Platz in Ihrem Denken? Wie oft haben Sie nach Ihrer Be-
rechnung in dem letzten Jahr einem Gottesdienst, z. B. der Messe,
beigewohnt?
12. Wollen Sie noch irgend eine besondere Bemerkung machen?
Auf die Frage eines jungen Juristen, ob dieser Fragebogen ein
amtliches Dokument sei, wurde die echt nationalsozialistische
Antwort gegeben: „Jetzt noch nicht."
Genug der Fesseln waren übrigens ^chon anderweitig ge-
schmiedet und angelegt worden.
.43
1. Fesseln für das Wort Gottes.
„Das Wort Gottes Ist nicht gefesselt," konnte der hl. Paulus
seinem Schüler Timotheus (2 Tim. 2,9) noch aus dem Gefängnis
schreiben.
Der Nationalsozialismus versuchte , auch diese Fesselung,
Einzelne Glaubenswahrheiten, religiös-sittliche Lehren sollten
oder durften nach dem Willen der Partei überhaupt nicht mehr
behandelt werden. Als z. B. Kardinal Fgulhaber noch vor
der „Machtergreifung" in der St.-Bonifaz-Kirche zu München für
den „Friedensbund deutscher Katholiken" eine Predigt über den
Frieden hielt, schrieb eine nationalsozialistische Zeitung un-
gefähr folgendes: „Wenn wir an der Macht sind, wird der Herr
Kardinal keine solche Predigt mehr halten können." (Tatsächlich
wurde die genannte katholische Friedensvereinigung schon zu Be-
ginn der NS-Gewaltherrschaft aufgelöst und ihr Leiter, Domini-
kanerpater S t r a t m a n n, ins Konzentrationslager gesteckt, Koope-
r.alor v. S o d e n verfolgt, der Verfasser selbst hierüber 1941 pein-
lich vernommen, M. ä.)
Universitätsprofessor Dr. K r e b s - Freiburg wurde von der
Gestapo, verboten, am 29. November 1934 im Dopa zu Freiburg über
die Erbsünde zu predigen.
Ähnlich waren Predigten über das Alte Testament ver-
pönt. Die Veröffentlichung der Predigten, die Kardinal F a u 1 -
haber im Advent 1933 über die religiösen, sittlichen, sozialen und
messianischen Werte des Alten Testamentes gehalten hat, wurde in
vielen Gauen verboten. Ebenso seine Predigt über die Leichen-
verbrennung im Jahre 1937.
Im Juli 1935 wurden Vorträge des weltbekannten Eugenikers
im Priesterkleid, des Professors Herr mann Muckermann,
in Duisburg verboten, nachdem vorher SA und HJ systematisch
Ruhe und Ordnung gestört hatten. Später erhielt Muckermann über-
haupt volles Redeverbot, auch Predigtverbot.
Selbst kurze Bemerkungen über die Sterilisierungs-
f rage in der alljährlichen Ehebelehrung der Oberhirten begeg-
neten da und dort schon Schwierigkeiten, erst recht Predigtworte
über „Euthanasi e", „Mythos des 20. Jahrhunderts", „Rasse-
kult" u. a. Auch bloße Zurückweisung von Angriffen der NS-Presse
oder einzelner Parteigliederungen auf Glaubenswahrheiten, Kirche,
hl. Sakramente und kirchliche Gebräuche führten des öfteren zu
Beanstandungen, wurden als Herabsetzung und untragbare Kritik
an nationalsozialistischen Einrichtungen gewertet und bestraft.
Ja, schon einzelne, Ausdrücke und Worte durften
nicht mehr im alten Sinn gebraucht werden: z, B, ordnete ein
eigener Erlaß des Reichsinnenministers vom 5. Juni 1935 an, daß
im behördlichen Verkehr das Wort „Mischehe" nur in dem
Sinn zu gebrauchen sei, daß hierunter „eine zu einer Rasse-
44
mischung führende Ehe zu verstehen sei*'. Nun durfte der
Prediger nur noch von einer „religiös- gemischten Ehe" spre-
chen, wenn er auck von seinem Ehercchtstudium her seit Jahr-
zehnten gewohnt war, nur einfach von „Mischehe" zu reden.
Ähnlich wurde im Herbst 1939 der katholischen Presse des
Dritten Reiches verboten, den Titel „Volk" den bloßen Teilnehmern
an kirchlichen Funktionen zu geben; denn das Wort Volk bedeute
für den Nationalsozialismus nicht bloß die Angehörigen einer be-
stimmten Konfession, sondern die gesamte Gemeinschaft, welche all
die versfchiedenen Bekenntnisse in sich begreife.
Ein Kautschukerlaß:
Am 5, April 1935 erließ der kommissarische Oberpräsident der Rhein-
provinz, Staatsrat Terboven, auf Grund des Polizeiverwaltungs-
gesetzes in Verbindung mit der Verordnung zum Schutze von Volk und
Staat vom 28. Februar 1933 eine Polizeiverordnung für Bekämpf^ung
des Mißbrauch s dogmatischer Erörterungen und der
Verstöße gegen die Grundgesetze der nationalsozialistischen Bewegung.
„Wer künftig mit der Behauptung, kirchliche und dogmatis ehe
Grundsätze zu verteidigen, in der Öffentlichkeit gegen die Grund-
sätze der nationalsozialistischen Bewegung in irgendeiner Weise ver-
stößt oder sie herabsetzt, verwirkt die Verhängung eines Zwartgsgeldes
in Höhe bis zu 150 Reichsmark oder ersatzweise Zwangshaft bis zu.
drei Wochen." .
Diese Fessel des Wortes Gottes ließ sich leicht gegen jeden
Priester handhaben. Da nicht wenige Grundsätze der national-
sozialistischen Bewegung (z. B. ,,Gut ist, was nützt," „Rassenlehre',
„Euthanasie" u. a.), „kirchlichen und dogmatischen Grundsätzen"
diametral widersprachen, so blieb dem Prediger nur die Wahl, von
der Verkündigung gewisser Wahrheiten und Sittenlehren abzusehen
und „wie ein stummer Hund zu schweigen" (Js. 56,10) oder Zwangs-
geld bzw. Zwangshaft zu riskieren.
Und dabei hatte man im Schlußprotokoll des Reichskonkordates
ausdrücklich festlegen lassen: „Das den Geistlichen und Ordens-
leuten Deutschlands in Ausführung des Artikels 32 zur Pflicht ge-
machte Verhalten bedeutet keinerlei Einengung der pflichtmäßigen
Verkündigung und Erläuterung der dogmatischen und sittlichen
Lehren und Grundsätze der Kirche."
„Staatsfeindliche" Katechismuslehren.
Am 27. Januar 1937 verbot der badische Kultusminister die
vom deutschen Episkopat herausgegebenen „Katechismus -
Wahrheiten", deren Aufgabe war, die katholische Glaubens-
lehre im Lichte der modernen Probleme und Fragen zu erklären.
Bereits in der Schule verteilte Exemplare sollten zurückgenommen
und zerstört werden.
Als Grund wurde angegeben, daß die Fragen und Antworten Nr. 17,
23, 28 und 34 „staatsfeindlich" wären. Diese lauteten:
Frage 17: Was war die größte Ehre des jüdischen Volkes?
45
Antwort: Die größte Ehre des Jüdischen Volkes war, daß der göttliche
Heiland aus ihm hervorging.
Frage 23: Woher kommt es, daA auch i» der katholischen Kirche schwer«
Sünden geschehen?
Antwort: Daß in der katholischen Kirche schwere Sünden geschehen,
kommt daher, daß viele katholische Christen auf die Kirche
nicht hören und nicht mit ihr leben.
Frage 28: Woran fehlt es dem Menschen, der keine Demut hat?
Antwort: Dem Menschen, der keine Demut hat, fehlt es an der Wahr-
heitsliebe.
Frage 34: Wer allein hat das höchste Hecht über unseren Leib und un-
sere Gesundheit?
Antwort: Das höchste Recht über unseren Leib und unsere Gesundheit
hat Gott allein.
Am 24. Februar 1937 meldet das Bischöfliche Ordinariat Speyeir,
daß diese staatsgefährlichen „Katechismuswahrheiten" an der Kir-
chentüre einer Pfarrei beschlagnahmt wurden.
Auch das Hirtenwort der Bischöfe
wurde gefesselt. So, um nur einige Beispiele zu nennen:
Am 5. Mai 1935 Hirtenbrief der preußischen Bischöfe für den Erziehungs-
sonntag wegen „untragbarer Kritik am Landjahr".
Am 21. Juli 35 Hirtenbrief von Bischof Kaller-Ermland über die Be-
■ * deuturig der katholischen Vereine und ihre gegenwärtigen Be-
drängnisse.
Am 20. August 35 Hirtenbrief der gesamten deutschen Bischöfe. Er
wurde sogar in den Druckereien, Buchhandlxmgen, Pfarr-
häusern, sogar in bischöflichen Amtsgebäuden beschlagnahmt.
Im März 36 Hirtenbrief der deutschen Bischöfe zur Reichstagswahl,
weil darin gesagt wurde, daß auch ein „Ja" nicht notwendig
eine Billigung der mannigfachen Freiheitsberaubungen der
Kirche bedeute.
Im Mai 1936 Verbot (nachträglich) der Veröffentlichung des gemein-
samen Hirtenbriefes über die katholischen Jugendvereine.
21. Juni 36 Verbot des Hirtenbriefes der bayerischen Bischöfe über die ,
Ausweisung der klösterlichen Lehrkräfte.
20. August 36 Konfiskation (nachträglich) des Hirtenbriefes der deut-
schen Bischöfe.
20. September 36 Veröffentlichungs-Verbot des Hirtenbriefes über die
Bekenntnisschule.
13. Dezember 36 Druckverbot des Hirtenbriefes der bayerischen Bischöfe.
Dezember 36 Verbot des Hirtenbriefes von Erzbischof Gröber-Freiburg
gegen die gehässigen und systematischen Angriffe auf die
Kirche.
Februar 37 Verbot des Hirtenbriefes von Bischof Kaller-Ermland; den
Priestern sogar noch beim Vorlesen während der hl. Messe
aus der Hand genommen!
Juni 37 Verbot und Beschlagnahme des Hirtenbriefes deutscher Bischof«
gegen Goebbels' Rede über die Sittlichkeitsprozesse.
46
August 36 Verbot des Hirtenbriefes aller deutschen Bischöfe.
In der Diözese Rottenburg wurde jeder Priester, der ihn ver-
lesen hatte, mit 30 Mark Geldstrafe belegt.
Die Vervielfältigungsapparate, mit welchen er hergestellt
wurde, wurden in mehreren Ordinariaten beschlagnahmt.
1936 Verbot des Regierungspräsidenten von "Westfalen an die Religions-
lehrer von Mittelschulen in den Schulgottesdiensten bischöf-
liche Hirtenbriefe zu verlesen, auch wenn angeordnet sei, sie
in allen Kirchen zu verlesen. Sofortige Entlassung angedroht.
Schon 1935 hatte der Oberpräsident einer diesbezüglichen War-
nung folgenden Wortlaut gegeben: -
Anlage 3 zu Rdschr. 13 Betr.: Schulgottesdienst
Der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Münster, d. 7. 6. 1935
Abteilung für höheres Schulwesen.
An die höheren Lehranstalten meines Amtsbereiches^
Betr.: Schulgottesdienst.
Ein Sonderfall gibt mir Veranlassung aUf folgendes hinzuweisen:
Der Schulgottesdienst ist — auch wenn Erwachsene Zutritt haben —
so eng mit dem gesamten Schulbetrieb, insbesondere dem Religions-
unterricht verbunden, daß er als Schulangelegenheit zu betrachten ist.
Daher ist im Schulgottesdienst — unbeschadet seines religiösen
Charakters — mit besonderem Nachdruck darauf Wert zu legen, daß er
mit den Zielen der nationalsozialistischen Jugenderziehung, die vater-
ländische.s, staatsbürgerliches und soziales Pflichtbewußtsein erstrebt,
in Einklang steht.' Für die entsprechende Ausgestaltung des gesamten
Schulbetriebes ist neben den Lehrpersonen der Leiter der Anstalt ver-
antwortlich. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt vor, wenn in ab-
lehnender oder gar abfälliger Kritik zu Einrichtungen und Maßnahmen
des nationalsozialistischen Staates Stellung genommen oder auch eine
derartige abfällige Kritik wiedergegeben wird; dies
gilt auch für kirchliche Anordnungen einschließlich
bischöflicher Hirtenbriefe. Ich werde gegen derartige Ver-
stöße mit aller Schärfe — gegebenenfalls durch Suspendierung — vor-
gehen. Der zuständigen kirchlichen Stelle habe ich entsprechende Mit-
teilung gemacht. Entsprechend ersuche ich, allen Lehrpersonen von die-
sem Runderlaß Kenntnis zu geben und mir über etwaige Verstöße un-
verzüglich zu berichten. Etwa erforderliche Maßnahmen behalte ich
mir vor.
gez. Lünningk.
Seit 1937 konnten Hirtenbriefe fast nur mehr hekto-
graphiert werden, da jeder Druck und jede Verteilung zur vor-
zeitigen Konfiskation und zu Repressalien gegen Drucker "und Ver-
breiter führen konnte, wie es Reichsminister Kerrl am 4. Okt. 1936
ausdrücklich angedroht hatte. Es kam so weit, daß schon das Per-
sonal von Druckereien sich weigerte, einen Hirtenbrief zu
setzen, wenn darin irgenwelche „bedenkliche Stellen" gefunden
wurden; sie fürchteten, daß der Betrieb geschlossen würde und sie
arbeitslos werden könnten.
Bischöfliche Predigten begegneten dem gleichen
Schicksal, wenn sie nachträglich gedruckt wurden oder werden
sollten: So wurde am 19. Februar 1936 die Papstpredigt des Kar-
dinals Gestein würfe gegen den Päpstlichen Stuhl")
47.
verboten, gleichzeitig auch seine Silvesterpredigt über den „Christ-
lichen Glauben", weil sie als ein Ersatz der Kirchenzeitung be-
trachtet wurde.
1937 wurde die zweite Folge der Kardinalspredigten: „Lei-
denskraft und Tatkraf t", „Das Christentum im
deutschenVol k", „ElternrechteundElternpflich-
t e n" beschlagnahmt.
Ebenso wurde auch die dritte Serie mit der Predigt: „Das
Reichskonkordat: Ja o.der Nein?" beschlagnahmt und
polizeilich vernichtet.
Zu gleicher Zeit, da ein Flugblatt zugunsten der Feuerbestat-
tung ohne jede polizeiliche Behinderung überall verbreitet werden
konnte, wurde die Allerseelenpredigt des Kardinals über: „Christ-
liches Begräbnis oder heidnische Verbrennung?"
im Erzbischöflichen Ordinariat beschlagnahmt.
1936 wurde eine Predigt des Bischofs B u c h b e r g e r, Regens-
burg, über die „Gefährdung des katholischen Glau-
bens" verboten, das „Katholische Sonntagsblatt" von Regensburg
wegen Abdrucks dieser Predigt beschlagnahmt.
Überwachung des Wortes Gottes.
Nicht bloß das Bischofswort, gesprochen oder gedruckt, wurde
überwacht und gar oft gefesselt, sondern auch das Kanzelwort des
kleinsten Dorfes und letzten Kaplans. Neben den amtlichen Auf-
passern von der Polizei waren hiefür im Land noch eine Unzahl
von Spitzeln und Denunzianten beflissen, jedes scharfe oder auch
nur vermeintlich scharfe Preüigtwort an die Partei oder Gestapo
zu melden.
Des öfteren ergingen besondere Anordnungen zur Überwachung
der Prediger an einem einzelnen Tag oder nach besonderen Rück-
sichten. So z. B. am 23. Mai 1936 von der Polizeidirektion München
mit folgendem Wortlaut:
Betreff: Wanderprediger.
Wie mitgeteilt wird, ziehen in letzter Zeit auffallend zahlreiche
Ordensgeistliche, insbesondere auch Jesuiten, als Wanderprediger von
Ort zu Ort. Den Wanderpredigern und auch ganz besonders den Mis-
sionsgeistlichen ist besonderes Augenmerk zuzuwenden. Etwaige Wahr-
nehmungen wollen unter Bezugnahme auf diese Entschließung sofort
hierher berichtet werden. Vor allem ist für einwandfreie Feststellung
der Personalien der Redner und die Sicherung entsprechender Zeugen-
aussagen bei abgehaltenen Predigten zu sorgen.
. I.V. gez. Dr. Stepp.
M. 23. V. 36 Polizeidirektion gez. Mayr.
Dann wiederum am 14. Oktober 1936 aus Anlaß des schlechten
Gewissens, das Staatsminister Wagner und stellvertretender Gau-
leiter Nippold wegen ihrer Reden bei einem Kreistag hatten:
48
Betreff: Kirchenüberwachung.
Auf Weisung des Staatsministeriums des Innern sind die katholi-
schen Kirchen an den Sonntagen bis auf Widerruf insbesondere darauf-
hin zu überwachen, inwieweit von den Predigern zu den anläßlich des
Kreistages von Staatsminister Wagner und stellvertretendem Gauleiter
Nippold gemachten Ausführungen Stellung genommen wird.
Ich ersuche, geeignete Beamte mit der Überwachung zu beauftragen
und sie anzuweisen, über etwaige Ausführungen möglichst, im Wortlaut
zu berichten. ''
War ein Geistlicher auf der „Schwarzen Liste",
so wurde die Überwachung seiner Predigten noch verstärkt.
Für das Abhören der Kardinalspredigten war in der
Regel ein ganzer Stab von Aufpassern abgeordnet. Einmal wurde
sogar die Lautsprecherleitung, mit welcher die Kardinals-
predigt in eine andere Kirche übertragen wurde, von der Mün-
chener Parteileitung „angezapft" und die Predigt auf Schall-
platten aufgenommen, einerseits um den Text ganz sicher fest-
zulegen, anderseits um damit im „Braunen Haus" zu München noch
am gleichen Abend eine Art „Belustigungsvorstellung" geben zu
können, indem man die Schallplatte zur Verzerrung des Bischofs-
wortes das einemal ganz langsam und entsetzlich langweilig, das
anderemal wieder überhudelt schnell ablaufen ließ.
Die JRundfunkpredigten wurden natürlich im vorhinein
streng zensiert und kleinlichst korrigiert, nach wenigen Jahren
(ab 1936) der Naziherrschaft überhaupt aufgehoben, wobei der
katholischen Presse ausdrücklich verboten wurde, darüber irgend-
wie ihr Bedauern auszudrücken. Auch in dieser Beziehung sollte
eben das öfifentliche Leben „säkularisiert" werden. Dagegen durften
nazistische Organisationen, insbesondere die HJ, ihre heidnischen
Morgenfeiern ruhig weiterbringen. Ja, am 28. November 1937 wurde
vom Rundfunk Breslau und seinen Nebenstationeh Gleiwitz und
Görlitz sogar der „Deutschen Glaubensbewegung" eine
neuheidnische Morgenfeier zugestanden.
Im übrigen wurde auch, um den Wirkungskreis von Predigten
bekannter hoher Persönlichkeiten möglichst einzuschränken und
das Wort Gottes auch räumlich zu fesseln, die L a u t -
Sprecherübertragung von Predigten in andere Kirchen
(besonders für Kardinalspredigten in München gedacht) und auf
öffentliche Plätze polizeilich verboten.
Strafen für das Wort Gottes.
Die vielen Spitzel und Aufpasser unter der Kanzel wollten
nicht umsonst angesetzt und zur Berichterstattung aufgefordert sein.
Sie gaben Meldung an die Polizei oder an den Kreisleiter; diese
meldeten weiter an Gestapo oder Gauleitung. Und so regnete es
nach und nach Beschwerden bei den kirchlichen Behörden, Vor-
ladungen, Vernehmungen, Verwarnungen einzelner Geistlicher. An
• 49
einem einzigen Tag übergab die Bayerische Regierung dem Erz-
bischöflichen Ordinariat München eine Liste von 19 katholischen
Geistlichen Bayerns, die »»staatsfeindlich gepredigt'* hätten.
Ein Beispiel: Dr., Michael HöCk, München, wurde zur Rechenöchaft
gezogen, sogar ein paar Tage in der Polizei behalten, Weil er zu Anfang
des Krieges bei einem Elnkehrtäg für Frauen zu Inzell „den Krieg
eine Heimsuchung Gottes'* genannt hatte.
Predigtverbote.
Einzelnen Predigern wurde über kurz oder lang das Predigen
überhaupt verboten. So z. B. dem Jesuitenpater Rupert Mayer
zunächst äußei-halb Münchens, zuletzt dann auch noch in München
selbst.
Stadtpfarrprediger Heinrich Göttl von München-Sankt
Peter wurde ob seiner kernigen, mannhaften Kan2elworte auf
Monate aus der Erzdiözese verwiesen.
Gerichtliche Verfolgung von Predigern.
In steigendem Maße kam es schließlich zu gerichtlichen
Verfolgungen von Predigern. Handhaben hiezu boten der in der
Kulturkampfzeit geschaffene „K a n z e 1 p a r a g r a p h" und ein
neu geschaffenes „Gesetz gegen heimtückische An*
griffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Partei-
Uniform" vom 20. Dezember 1934.
Der „Kanzelparagraph" war § 130a des Strafgesetzbuches für das
Deutsche Reich. Er bestimmte:
„Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung
oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer
Menschenmenge oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen
zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren An-
gelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung
oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu
2 Jahren bestraft.
Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religions-
diener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines
Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen An-
gelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährden-
den Weise zimi Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung ge-
macht sind."
So scharf dieses Schwert war und so vielseitig es angewendet
werden konnte, es war dem Nationalsozialismus noch nicht genug
Sicherung gegen ein freies Wort von der Kanzel. Er brauchte vor
allem auch noch den Schutz für di? Partei und ihre vielfach so
verwundbaren Funktionäre. Darum legte ör sich schon nach drei-
viertel Jahren einen neuen Panzer um, damit ihn das „Schwert des
Geistes, d. i. das Wort Gottes" (Eph. 6,17) nicht verletze:
Das berüchtigte Heimtückegesetzl
Artikel 1 § 1 lautete unter 1:
„Wer vorsätzlich eine wahre oder gröblich entstellte Behauptung
tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des
50 t
Reiches oder das Ansehen der Reichsregierung oder das der national-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen schwer
zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere
Strafe angedroht' ist, mit Gefängnis bis zu 2 Jahren und, wenn die Be-
hauptung öffentlich aufgestellt oder verbreitet wurde, mit Gefängnis
nicht unter 3 Monaten bestraft." /
§ 2 besagte unter 1:
„Wer öi^entlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung
zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates
oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffe-
nen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkeä
zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft."
Man beachte: In § 2 ist nicht mehr bloß die Rede von „un-
wahren oder gröblich entstellten Behauptungen". Straf-
würdig ist es darnach auch schon, Wahres über die Persönlich-
keiten des Staates oder der Partei auszusagen (z. B. über früher*
wirkliche Verfehlungen und gerichtliche Strafen von leitenden Per-
sönlichkeiten der Partei) oder Kritik zu üben an irgendwelchen
Anordnungen der Partei (z, B. der Unterdrückung der Presse oder
Konfessionsschule oder des Sonntagsgottesdienstes in Arbeitsdienst-
lagern u. ä.), wenn dies irgendwie als „gehässig, hetzerisch oder
von niedriger Gesinnung zeugend" empfunden wurde. Und dieses
„Empfinden" brauchte gar nicht bei den Hörern der Äußerungen
entstanden sein, es genügte, wenn Gestapo und nationalsozialistische
Richter so empfanden!!
So wurde P. RupertMayer S.J. in München nicht wegen
„unwahrer oder gröblich entstellter Behauptungen", angeklagt und
verurteilt, sondern gemäß § 2 Absatz 1 dieses neuen national-
sozialistischen Gesetzes.
Als Beispiel dessen, was Nationalsozialisten nicht hören konnten
und wollten, auch wenn es lOOprozentig wahr gewesen ist und nur
zur Verteidigung von Recht und Freiheit der Mitbürger wie der
Kirche gesagt wurde, zugleich aber auch als Beispiel dafür, wie
geradezu jede Predigt eines einzelnen bespitzelt und an die
Gestapo berichtet wurde, sei die Anklageschrift des Staatsanwalts
beim Sondergericht München gegen den Pater wiedergegeben:
CMfentliche Ankla|:e gegen Pater Rupert Mayer
vom Staatsanwalt beim Sondergericht München.
Aktenzeichen: IcJsSo lOO/S*?
Ich erhebe
öffentliche Klage gegen
Mayer Rupert, geboren am 23. Januar' 1876 in Stuttgart, Sohn von Rupert
Mayer und Emilie Wörle, ledig, Jesuitenpater in München,- nicht vor-
bestraft, in dieser Sache vom 5. bis 10. Juni 1937 in Polizeihaft, seitdena
in Untersuchungshaft im Straf Vollstreckungsgefängnis Stadelheim,
welchen ich beschuldige, fortgesetzt öffentlich hetzerische Äuße-
rungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und deren Anordnun-
gen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur
politischen Führung zu untergraben und durch die gleiche Handlung
51
fortgesetzt als Geistlicher in Ausübung seines Berufes In Kirchen vor
mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffent-
lichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand von Erörterungen
gemacht zu haben.
Tatbestand:
Der Beschuldigte P. Rupert Mayer wirkt seit Jahren als Seelsorger
und Kanzelredner in München und seiner näheren und weiteren Um-
gebung. Vor der nationalen Erhebung trat er wiederholt in politischen
Versammlungen auf und kämpfte herzhaft gegen den Kommunismus;
nach der Machtübernahme nahm er eine sich ständig verschärfende ab-
lehnende Stellung gegen den Nationalsozialismus ein, so daß seine Pre-
digten, Reden und Schriften wiederholt polizeilich beanstandet werden
mußten. Am 7. Mai 1936 wurde der Beschuldigte wegen einiger hetzeri-
scher Äußerungen seitens der Staatsanwaltschaft München I verwarnt
(Aktenzeichen: 16a Js So 430/36).
In letzter Zeit, insbesondere seit Beginn des Jahres 1937 hat sich der
Beschuldigte in mehreren seiner öffentlichen Predigten mit dem Schul-
wesen, mit den Strafverfahren gegen katholische G e i s t -
liehe und Ordensangehörige wegen sittlicher Verfehlungen,
mit dem Pressewesen, mit dem Na tionalsozi alismus als
solchem und mit dem nationalsozialistischen Schrif.ttumi
befaßt. Unter anderem wurden von ihm folgende Themen in seinen
öffentlichen Predigten behandelt:
1. Thema: Gemeinschaftsschule:
a) Predigt vom 3. 2. 37 in der St.-Josefs-Kirche in München:
„ Am letzten Montag wurde ein Sieg gefeiert, aber so ein Sieg ist
noch nicht gefeiert worden, solang die Welt besteht! Ich muß schon
sagen, ein Sieg war das, der denen, die ihn gefeiert haben, gewiß nicht
zur Ehre gereicht! Ein Sieg war das, ein Terror! Dieser Sieg war ein
Türkensieg, ein Gewaltsieg!... "
b) Predigt vom 29. 3. 1937 in Ursberg:
In München sind die katholischen Erziehungsberechtigten ge-
gen alles Recht und Gesetz um die katholische Bekenntnisschule ge-
bracht worden. Da haben alle staatlichen und Parteidienststellen zu-
sammengeholfen, mündlich und schriftlich . , ."
c) Predigt vom 11. 4. 37 in Weißenhorn:
„...Ja, habt Ihr noch nichts gehört von Schulkämpfen! Die Menschen
sollen genötigt werden, ihre Kinder in der Schule entkonfessionieren zu
lassen ... Es wurde in den Schulen gelogen, daß sich die größten Balken
gebogen haben , . . Die Sache hat einen ernsten Hintergrund; es kommt
einem gerade vor, als ob die Reichsregierung das Konkordat abgeschlos-
sen habe, um es sabotieren zu lassen von den untergeordneten Stel-
len..."
d) Predigt vom 18. 4. 37 in Kirchheim:
„ . . . Man will die Schule entkonfessionieren, sie darf auch nicht mehr
christlich sein. Man sagt, man habe noch Religionsunterricht; in einem
Jahr hat das Christentum in der Gemeinschaftsschule vollständig auf-
gehört, dann weht ein antikatholischer, antichristlicher Geist... Was
in dem Schulkampf gelogen wurde von untergeordneter Stelle, da wurde
gelogen, daß sich die Balken bogen . . . Wie man es' diesen Menschen
gemacht hat! Sie wurden Volksfeinde und Landesverräter genannt, die
nicht da mittun wollen; das hörte man überall durch. Wenn einer diesen
Staatsbetrug nicht ausüben wollte, dann hat man ihm dieses Schimpf-
wort zugeworfen . . ."
52
e) Predigt vom 23. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„...Wäre ich im Lager unserer Gegner, ich hätte mich über einen mit
so unredlichen Waffen erfochtenen Sieg nicht freuen können. Ich hätte
mich eines solchen Sieges geschämt! Mit roher Gewalt kann man kein
Recht zerstören oder vernichten ... ."
?. Thema: Strafverfahren gegen katholische Geist-
liche und Orden sangehörige sowie Presseberichterstattung
über diese Verfahren:
a) Predigt vom 24. 1. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„Die Zeiten sind vorbei, wo wir geglaubt haben, was in der Zeitung
steht! Was über religiöse Dinge in der Zeitung steht, das glauben wir
grundsätzlich nicht! . . . Glaubt überhaupt keiner Zeitung, wenn sie sich
mit sittlich-religiösen Dingen befaßt! Hört nicht darauf! Lest keine
Zeitungen! Und jetzt, wenn ihr hinausgeht, dann möchte ich, daß eine
religiöse Welle von der Kirche aus sich auf die Straße ergießt und von
der Straße aus in die einzelnen Häuser .. ."
b) Predigt vom 2. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„...Aber, meine Lieben, es ist nicht alles, wahr, was in der Zeitung
steht. Die Art und Weis'e der Darstellung ist so übertrieben und wird
so aufgebauscht, und das, was in den chigstentum- und katholiken-
feindlichen Zeitungen steht, das wird erst recht aufgebauscht und aus-
geweidet. . . Dann lasen wir überall von 1000 Sittlichkeitsverbrechen
von Priestern und Ordensleuten! Die Zahl ist bei weitem übertrieben,
und, soviel ich weiß, sind es höchstens 500 Fälle, von denen ich gelesen
habe, vielleicht sind es aber auch nur 250! . . . Warum liest man das
überhaupt nur bei katholischen und evangelischen Kreisen? ■ Von den
anderen liest und hört man nie etwas! Wer im Glashaus sitzt, soll nicht
mit Steinen werfen!... Wir sind keine Revolutionäre, aber wenn das
so weitergeht, dann werden wir katholischen und evangelischen Geist-
lichen eine ganz gewaltige Stinkbombe hineinwerfen müssen! Wir lacr^
sen uns das nicht mehr gefallen, wir werden jetzt dagegen rücksichts-
los kämpfen! ..."
e) Predigt vom 23. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in Mühchen:
„...aber das ist noch etwas ganz anderes, was man jetzt dem katholi-
schen Volk vorzulügen sucht. Liebe Freunde, was uns wehe tut, das sind
die Berichte über diese Skandalprozesse, Denn da müssen wir das
eine sagen: Wir haben jetzt Beweise in der Hand, die genügen, um uns
jeden Glauben an einen großen Teil der deutschen Presse zu nehmen
und endgültig zu rauben. Wir wußten schon, daß man in diesen Pro-
zessen für katholische Dinge überhaupt kein Verständnis hat. So ein-
seitig, so unwahr und gehässig und so verlogen hat ntian immer über
die katholische Kirche geschrieben . . . Man sagt so gerne zu uns: Ihr
könnt zufrieden sein; denn in Spanien hätte man euch schon längst an
die Wand gestellt! Ich sage aber ganz ruhig: Dem Tod habe ich hun-
dertemale ganz bewußt in die Augen geschaut. Das bin ich gewöhnt.
Das ist nicht so schlimm. Aber wenn man einen Menschen geistig tötet,
wenn man ihn kaputt macht vor der Welt, das ist das Furchtbarste, was
man sich vorstellen kann . . . Darum liebe Freunde, ist es aus und vor-
bei mit dem Glauben an den Großteil der deutschen Presse, wenn sie
berichtet über religiös- sittliche Verhältnisse, über christlich-katholische
Belange..."
3. Thema: Nationalsozialismus. WS Schrifttum.
ia) Predigt vom 26. 1. 37 in der St.-Theresien-Kirche in München':
,; . . . In der Marxistenzeit habe ich viele Hetzschriften gelesen, weil man
das nicht bekämpfen kann, was man nicht kennt! Meine lieben Freunde,
53
ich muß sagen, es löt mir, damals oft der Ekel aufgestiegen und es ist
mir reichlich schwer gefallen, diesen Schmutz zu lesen. Aber das, was
an nationalsozialistischer Literatur heute empfohlen wird, das ist ekel-
erregender denn je!..."
b) Predigt vom 24. Januar 37 in Aichach:
„ ... Es wird heute viel von nationalsozialistischer Weltanschauung ge-
sprochen; darum müssen wir sie mal von unserer Seite aus ansehen.
Ich beschäftige mich seit Monaten mit dem nationalsozialistischen
Schrifttum, doch bin ich mir nicht klar geworden, was .man darunter
versteht. Euch, liebe Freunde, wird es auch so gehen!... Nach diesen
Beweisen ist der Nationalsozialismus der erbittertste Gegner der
Kirche . . . Ihm gegenüber steht die Erklärung der Reichsregierung vom
Frühling 1933, das Konkordat und der Programmpunkt 24. Da kennt
man sich nicht mehr aus, was richtig ist."
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:
Der Beschuldigte Pater Rupert Mayer ist im großen und ganzen
geständig; im übrigen wird der Sachverhalt durch die den fraglichen
Predigten beiwohnenden Zeugen geklärt werden können.
Zusammenfassend erklärte der Beschuldigte P. Rupert Mayer: Er
habe sich nicht darüber de^ Kopf zerbrochen, ob er in seinen Predigten
in Widerspruch geraten würde mit dem Kanzelparagraphen (§ 130a
RStGB.), voii dessen Existenz er wohl wisse, den er aber bisher nicht
weiter studiert habe — oder mit den Bestimmungen des „Heimtücke-
gesetzes"; er würde auch jetzt, nachdem er entsprechend auf-
geklärt sei, trotz dieser Bestimmungenfort fahren auf
Grund des Konkordates die Belange der katholischen
Kirche zu verteidigen, wie er es bisher getan habe; er halte sich
hierzu in seiner Eigenschaft als katholischer Priester für
verpflichtet und nach dem Kpnkordat auch für be-
rechtigt.
Die oben geschilderten Handlungen erfüllen den Tatbestand eines
fortgesetzten Vergehens gem. § 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. 12. 1934 in
Tateinheit mit einem fortgesetzten Vergehen gem. §§ 130a, 73 RStGB.
An den Herrn Vorsitzenden des Sondergerichts München
mit dem Antrag auf Anordnung der Hauptverhandlung, Terminbestim-
mung und Fortdauer der Üntersuchungshafty
München, den 7, Juli 1937.
Der Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergerichte München.
Und ein deutsches Gericht brachte es fertig, diesen Priester
des Herrn, diesen Ordensmann voll Selbstlosigkeit, diesen Männer-
apostel voll glühenden Eifers, diesen Edelmann lauterster Ge-
sinnung, diesen Ehrenmann von der Fußsohle bis zum Scheitel,
diesen Freund aller Armen, diesen schwerverwundeten Veteranen
des Weltkrieges wegen seines Kampfes für Wahrheit, Gerechtig-
keit und Freiheit zu sechs Monaten Gefängnis zu verurteilen und
fünf Monate einzusperren!!
Sein Nachfolger auf der Kanzel von St. Michael in München,
PaterAnton Körbling, wurde zwei Jahre darauf ebenfalls
auf Grund des gleichen Gesetzes auf die Anklagebank gesetzt und
54
zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Als bezeichnendes Beispiel
sei auch die gegen ihn erhobene Anklage wiedergegeben:
Aktenzeichen Ib Js— So 344/39
Anklageschrift
Ich erhebe öffentliche Anklage gegen
Körbling Anton, Jesuitenpater in München, ledig, geboren am 29, 12.
1902 in Kötzting, Eltern: Ignaz Körbling und Maria, geborene Jann,
nicht vorbestraft, den ich beschuldige, durch dieselbe Handlung:
1. öffentlich hetzerische und gehässige Äußerungen über leitende
Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP, über ihre Anordnungen
und die von ihnen geschaffenen Einrichtungen gemacht zu haben, die
geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu
untergraben,
2. als Geistlicher in Ausübung seines Berufes in einer Kirche vor
Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Erörterung gemacht zu
haben.
Sachverhalt:
Der Beschuldigte hielt am Sonntag, den 12. 2. 19^9 In der Michaels-
kirche in München eine Predigt, in der er sich mit dem Satz des Evan-
geliums „Der Same aber ist das Wort Gottes" befaßte. Er stellte ein-
leitend fest, daß der Katholizismus zurückgehe, und untersuchte die Ur-
sachen hiefür. Dabei führte er u. a. dem Sinne nach aus:
Der Same, das Wort Gottes, habe nicht die Schuld; denn das Wort
Gottes sei gut, wenn auch die heutige Zeit es bespitzle und bespöttle,
daß es den Modergeruch der Pharaonengräber an sich habe und all
unfruchtbares, totes Wort dem neuerweckten Germanen untragbar sei.
...Es sei die Pflicht des Pfarrers, dem Volk das Wort Gottes beim
Hauptgottesdienst zu vei'künden. So werden immer Menschen als Sä-
leute Gottes über die Erde wandern müssen aus heiliger Verflichtung,
auch wenn man ihr Tun lästert oder höhnt oder als das von Faulenzern,
die mit Bibelsprüchen durch das Land ziehen, als überflüssige und un-
produktive Beschäftigung abtut. Es wiederholt sich immer wieder die
Szene vom Areopag, da Paulus zu gottesfürchtigen Menschen redet; ein
paar Lebemenschen und Universitätsprofessoren kommen hinzu mit der
Frage: Was will denn dieser Schwätzer?
Die Predigt ist ein schwerer Auftrag . . . Die dritte Schwierigkeit
liegt in der Zeit. Sturm erschwert das Schreiten über das Ackerland.
Der Bauer bleibt vielleicht in solchen Tagen daheim. Dem Prediger ist
der schwere Gang nicht erspart. Es gibt eine Menge von Saatgut, die
nach geltenden Gesetzen und Verordnungen nicht mehr angebaut wer-
den sollte, die aber der Herrgott immer noch nicht von seinem Saat-
plan gestrichen hat. Das gibt notwendigen Konflikt, das wird immer
wieder Gefängnis und Predigtverbot geben; wenn einer schweigen muß,
wird ein anderer auftreten, und wenn Menschen nicht mehr sprechen
können, dann werden die Steine reden. Luk. 20,40.
„Ob gelegen oder ungelegen, kündige das Wort. Es gibt Dinge, die
gesagt werden müssen..." Ebenso selbstverständlich sollte es sein, daß
der Katholik in seinem Glauben sich systematisch weiterbilde, daß er
seine Standespredigten besuche und aus der Verkündigung des Wortes
Gottes die Waffen sich besorge, die zur Verteidigung seiner heiligsten
Güter notwendig sind. Wenn der Unsinn, der heute feilgeboten wird —
ich erinnere nur an die stets wiederkehrende und wiedergeglaubte Ver-
drehung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis — , angefangen
von dem „Mythos" bis zu den Reden in unseren Tagen, von wissende»
55
Katholiken berichtigt Werden würde, es könnte dann nimmer einer
weiterhin so sprechen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Es
sind auch solche Ausführungen nicht geeignet, der deutschen Wissen-
schaftlichkeit einen guten Namen zu erwerben.
Diese Tatsache sei für. die deutsche Wissenschaft etwas Unwürdiges
und dem Ausland gegenüber eine Schande ...
„Wende das Wort auf dich an. Sage nie: ,Heute hat er es ihnen
aber wieder gesagt.' Wir predigen nicht für jene, die nicht da sind,
auch nicht für den Abgesandten der politischen Polizei, der zufällig da
ist. Wir wissen, daß dort für unser Kanzelwort nicht das rechte Erd-
reich gegeben ist und daß ein Samenkorn, das auf das Blatt des Beob-
achters gefallen ist, noch nicht zum Heil aufgegangen ist . . ."
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:
Der Beschuldigte ist geständig.
Die Äußerungen des Beschuldigten erfüllen den Tatbestand eines Ver-
gehens nach § 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 20. 12. 1934, rechtlich zu-
sammentreffend mit einem Vergehen nach §§ 130a Absatz 1. 73 StGB.
Die Strafverfolgung aus § 2 des Gesetzes vom 20. 12. 1934 ist an-
geordnet durch Verfügung des Herrn Reichsministers der Justiz vom
25. 7. 1939 III g 18 647 a/39 (Bl. 11).
Zur Aburteilung ist nach §§ 1, 2 der VO v. 21. III. 33 über die Bil-
dung von Sondergerichten — RGBl I S. 136 — das Sondergericht Mün-
chen zuständig.
Als Beweismittel bezeichne ich:
Zeugen: Müller N., Kriminalsekretär, Staatspolizeileitstelle München.
Urkunden: Strafliste.
An den Herrn Vorstizenden des Sondergerichtes München.
Ich beantrage
1. die Hauptverhandlung anzuordnen und Termin zu bestimmen.
München, den 18. August 1939
Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht München I
als Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergericht München
gez. Resch. gez. Dr. Schnabl,
(gez. Trellinger).
„Unbegreiflich sind — die Gerichte des Dritten Reiches.
Die größte Ungeheuerlichkeit an Fesselung und Bestrafung des
Wortes Gottes im Reich des Nationalsozialismus bedeutete wohl das
Urteil gegen den Karmeliterpater Gebhard Hey den von Neu-
markt (Oberpfalz), geboren am 30. November 1904 zu St. Lorenzen
bei Regensburg. Lassen wir ihn selber erzählen:
Ich war seit September 1942 stationiert auf dem Mariahilf berge
Neumarkt/Opf. Da uns unser Kloster von den Nazi genommen und zur
Hitlerschule umgewandelt war, hausten wir nebenan notdürftig in
einem Waldhäuschen und versahen von dort aus den Gottesdienst in der
Wallfahrtskirche. Am 13. und 16. Juli 1944 predigte ich und wurde
dabei von einem Offizier (ob SS-Offizier, weiß ich nicht genau) be-
spitzelt. Der Offizier war im Lazarett der katholischen Schwestern am
Fuß des Berges. Er steckte mit dem Kreisleiter von Neumarkt, der
ebenfalls am Fuß des Berges eine Villa bewohnte und der vor einem
Jahr sein Amt angetreten hatte und ein echter Preuße war, unter einer
56
Decke. Er war von diesem eigens geschickt, um mich zu überwachen.
Der Kreisleiter scheint schon länger nach einem Anlaß gesucht zu haben,
mich fassen zu können, denn er hielt Leute an, die zu uns in die Kirche
gingen und fragte sie, was sie denn dort oben suchten. Ähnlich be-
merkte er kurz zuvor in einer Rede, daß jetzt auch Prozessionen und
Bittgänge nichts helfen, sondern nur die gepanzerte Faust des deutschen
Soldaten.
Ich wurde am 2 0. Juli 1944 nachmittags 3 Uhr zur Gestapo in
das Polizeigebäude Neumarkt geladen und dort von dem
Gestapo-Beamten ungefähr 3 Stunden verhört. Dieser Beamte, dessen
Namen ich nicht genau weiß, vielleicht dürfte er A 1 1 geheißen haben,
war mit seiner Sekretärin aus Regensburg gekommen. Nach dem Ver-
hör wurde ich sofort in das Amtsgerichtsgefängnis Neumarkt über-
geführt. • V
Nach 5 Tagen wurde ich vom Polizeichef von Neumarkt per Auto
nach Regensburg gebracht. Dort wurde ich im Polizeigebäude
photographiert, es wurden Finger- und Handabdrücke und die üblichen
polizeilichen Feststellungen an mir gemacht, wie sie für Schwerverbre-
cher vorgesehen sind. Gegen Abend wurde ich in das Gerichtsgefängnis
Regensburg überbraqht. Dort wurde mir nach einigen Tagen mein
Ordenskleid genomrhen. Nach etwa 14 Tagen wurde ich von einem
älteren Beamten des gewöhnlichen Gerichts nochmal verhört. Nachdem
ich diesem meine Aussagen dargelegt hatte, meinte der Beamte, daß
er mich an sich freischreiben könnte und möchte. „Aber," sagte er,
„wenn ich Sie auch, freischreibe, so nützt das doch
nichts; denn die Gestapo läßt Sie nicht frei. Ich bin ja
nur ein Werkzeug der Gestapo." Hierauf blieb ich in Untersuchungshaft
zu Regensburg bis Ende November.
Ende November wurde ich als Einzeltransport von einem Polizei-
beamten in das „Z e llengefängnis" Nürnberg überbracht. Dort
wurde ich — warum weiß ich nicht — unter die tschechischen Häft-
linge gezählt. Meine Verhandlung war für den 2 1. Dezember angekün-
digt, wurde aber tatsächlich, ohne daß ich vorher benachrichtigt wurde,
schon am 2 0. Dezember gehalten. So konnten weder Ent-
lastungszeugen noch Freunde meiner Verhandlung bei-
wohnen. Mein Tribunal war der 1. Senat des Volksgerichtshofes Berlin.
Die zwei Sätze, die mir aus meiner Predigt als Verbrechen vor-
geworfen wurden, lauten:
1. „Der Krieg ist ein Strafgericht Gottes für die
Völker und dies ist noch nicht zu End e."
2. „Deutschland muß wieder zu Christus zurück-
kehre n."
Speziell der letzte Satz wurde mir als Hauptverbrechen ausgelegt.
Man deutete meinen Ausspruch dahin, daß ich sagen wollte: Das Be-
kenntnis des deutschen Volkes zum Nationalsozialismus sei ein Irrweg.
Auf diesen Vorwurf antwortete ich: „Soweit der NS Politik ist,
steht es mir nicht zu, zu urteilen; soweit aber der NS Welt-
anschauung sein will, bin ich als katholischer Priester verpflichtet,
dem gläubigen Volk die Wahrheit zu sagen, und da muß ich sagen, daß
das Bekenntnis des deutschen Volkes zum NS als Weltanschauung der
größte Irrweg ist, den das deutsche Volk je gegan-
gen ist."
Auf diese meine Antwort hin entstand eine allgemeine Entrüstung
unter den Richtern. Sie zogen sich zur Besprechung zurück und er-
schienen alsbald wieder, um mit feierlicher Geste mir das Todes-
urteil anzukünden. Es war kein Zeuge bei der Gerichtsverhandlung
anwesend, auch nicht der SS-Offizier, der mich bespitzelt hatte. Dieser
war bezüglich seiner Aussagen gegen mich sehr unsicher geworden und
57
hatte sich von Neumarkt In das Lungensanatorium Donaustauf bei
Regensbürg versetzen lassen. Der Polizeichef von Neumarkt fuhr eigens
zu ihm, um ihn gegen mich wieder scharf zu machen. Ich wurde
also vom Obersten deutschen Volksgerichtshof ohne
ZeugenzumTodeverurteilt.
Während der Verhandlung warf mir der Vorsitzende vor, daß ich
ein Fanatiker der Wahrheit sei. Ich antwortete: „Fanatiker der
Wahrheit bin ich nicht, aber Bekenner der Wahrheit
will ich sei n." Ein anderer Beisitzender des Volksgerichts, der in
Kapitänsuniform dasaß, meinte spöttisch: „Sie wollen uns wohl alle
katholisch machen." Ich antwortete: „Wenn ich es nur könnte!" Ein
weiteres Mitglied des Gerichtshofes in Partei uniform rief mir zu: „Euer
Gott muß aber ein blutrünstiger Gott sein." Ich erwiderte: „Gott braucht
nicht immer mit Blut zu strafen, er hat auch andere Mittel." Wiedeir ein
anderer bemerkte: „Auf den macht es auch keinen Eindruck, Wenn wir
ihn zum Tode verurteilen."
MeinVerteidiger, der mir von Amts wegen beigegeben wurde,
kam erst 10, Minuten vor der Verhandlung zu mir, um sich über meine
Lage noch flüchtig zu informieren. Dementsprechend fiel auch seine
Verteidigungsrede aus, wenn man diese überhaupt so bezeichnen kann.
Auf die Frage, wie der Gesamteindruck meiner Predigt auf das
Volk war, antwortete ich: „Der Gesamteindruck auf das Volk ist' wohl
der einer religiösen Predigt und nicht einer politischen Hetzrede ge-
wesen; Beweis hierfür dürfte sein, daß sehr viele Leute, darunter zahl-
reiche Soldaten, sich nach der Predigt in die Sakristei begaben, um sich
dort in die religiöse Bruderschjaft (Skapulierbruderschaft) aufnehmen zu
lassen und nicht, wie es bei einer politischen Hetzrede zu erwarten
gewesen wäre, zum Kreisleiter hinuntergingen, um diesem die Fenster
einzuwerfen."
Nach der Verhandlung wurde ich gefesselt in das Gefängnis
zurückgeführt und mit noch zwei anderen Todeskandidaten in eine Ker-
kerzelle gesperrt, in der sonst nur ein Gefangener war. Die Behand-
lung von selten der Wachtmeister im Nürnberger Gefängnis war, im
großen und ganzen gesehen, angängig. Was aber die Kerkerhaft er-
schwerte, war der Mangel an Licht und Wasser; dabei war das Klosett
in die Kerkerzelle eingebaut. Die Kost war vor allem seit den schweren
Bombardierungen (Januar bis Februar) sehr . notdürftig und ging mehr
oder minder in eine Hungerkost über; Dotschen und einige Kartoffeln,
eine kleine Ration Brot, das kaum mehr Brot zu nennen war.
Während der schweren Bombardierungen durften wir
politischen Häftlinge in keinen Schutzraum gehen, sondern mußten im
obersten Stockwerk in der Zelle, unmittelbar unter dem Dache, bleiben.
Als die amerikanischen Truppen bereits den Rhein über-
schritten hatten, wurde Nürnberg als Festung erklärt und zur Verteidi-
gung eingerichtet. Alle nicht zur Verteidigung in Frage kommenden
Leute wurden deshalb evakuiert, am Schlüsse auch die Insassen des
Gefängnisses. Ich wurde mit meinen Leidensgenossen am 30. März 1945
(Karfreitag), je zwei zusammengefesselt, in das Zuchthaus Straubing
an der Donau gebracht. Dorthin kamen auch die Häftlinge aus ver-
schiedenen anderen Zuchthäusern, so daß das Zuchthaus Straubing
schwer überfüllt wurde. Dementsprechend war auch die Verpflegung.
Sie war eine ausgesprochene Hungerkost: fast nur angefaulte
und zum Teil gefrorene Kartoffeln samt Schale und Schmutz
als Eintopf gekocht, und zwar scheint diese Kost für einige Tage vor-
ausgekocht worden zu sein, da sie uns oft kalt und in säuer-
lichem Zustand verabreicht wurde.
Der Anfang unseres eigentlichen Leidensweges be-
gann aber erst mit dem 25. April 1945. An diesem Tage wurden wir
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morgens 5 Uhr geweckt mit dem Befehl: „Schlafdecke und Kochgeschirr
mitnehmen!" Wir wußten nicht, wohin es gehen sollte, nur das war uns
einigermaßen klar, daß wir wegen der Nähe des Feindes aus dem Stadt-
gebiet entfernt werden sollten. Wir marschierten gegen 7 Uhr vom
Zuchthaus Straubing weg, Richtung Landshut. Während des Marsches
erfuhren wir von einem Mitgefangenen, der den Wagen unserer ärmi-
lich'bn Verpflegung fuhr, daß es nach Dachau gehen sollte, wo wir unsere
gemeinsame Massenhinrichtung zu erwarten hätten . . .
Was dieser Marsch, der bis zum Abend des 30. April „währte, alles an
Entbehrung, Hunger, Elend, Mißhandlung, Erschöpfung bis zum Tode in
sich schließt, kann kaum wiedergegeben werden. Als der Transport am
1. Mai im Dorf Unterheldenberg bei Landshut von den amerikanischen
Truppen unter lautem Jubel und mit heißem Dank befreit wurde, waren
von 4000 Häftlingen, die von Straubing wegmarschiert waren,, nur noch
etwa 800 — 900 übrig geblieben. Die meisten unserer Mitgefangenen
waren bereits ihrem schweren Schicksal erlegen. Die übrig geblieben
waren, befanden sich in einem Zustand, daß sie das Erbarmen und Ent-
setzen der Leute erregten.
Neben dieser Unbegreiflichkeit deutscher Gerichtsspre-
chung sei noch ein Fall beispielloser Gemeinheit und Hinterlist
nationalsozialistischer Lockspitzelei gegen ptiesterliche Lehrtätig-
keit gesetzt:
Msgr. Lelf ers, katholischer Pfarrer von Rostock, wurde im . Jahre
1935 von einem Universitätsstudenten und 2 Universitätsstudentinnen
aufgesucht, die „seelsorgerlichen Rat" wünschten. Sie wollten angeb-
lich die Ansicht des katholischen Klerus über den Nationalsozialismus
.besser verstehen lernen und insbesondere erfahren. Was von Rosenbergs
„Mythos des 20. Jahrhunderts" zu halten sei. Die Frankfurter Zeitung
vom 17. April 1935 stellte fest, daß die drei „eifrige Verfechter von
Ludendorffs antichristlicher Bewegung" waren und daß sie bei dem
Priester bewußt den falschen Eindruck zu erwecken
suchten, als Wäre es ihnen um geistliche Hilfe zu tun.
„Sie waren gekommen, ihm eine Falle zu stellen." Diesen jungen Leu-
ten, die vielleicht glaubten, etwas Verdienstvolles getan zu haben, sollte
zu Bewußtsein gebracht werden, daß ihr Benehmen schlechter sei als
das jener Zuträger, . welche hohe Parteibeamte mit anerkennenswerter
Festigkeit ständig in vielen öffentlichen Versammlungen zurückgewiesen
. hätten. Aber das Gericht wies diese Judasseelen nicht zurück, nahm
ihre verräterischen Angaben entgegen und zur Grundlage einer An-
klage und eines Urteils:
Msgr. Leffers wurde zu iVz Jahren Gefängnis verurteilt
zum Dank dafür, daß er drei jungen Leuten das Wort Gottes als Weg-
weiser gegenüber nationalsozialistischen Irrlichtern schenken wollte!!
Der Priester und Seelsorger wurde auf Grund des „Heimtückegesetzes"
schwer bestraft. Aber wo war gerade in diesem Fall die
Heimtücke ? !
Neue Fesseln für das Wort Gottes.
Am 23. April 1935 gab die Bayerische politische Polizei in einer
„streng vertraulichen" Anweisung allen Polizeistellen in bezug auf
die Jesuiten neuen Auftrag:
„öffentliche Versammlungen sind mit allen Mitteln zu unterbinden.
Private Versammlungen sind zu überwachen.
Schuldige sind strengstens zu bestrafen.
59
staatsfeindliche Darlegungen sind rücksichtslos mit Schutzhaft zu
ahnden.
Über jedes öffentliche Auftreten von Jesuiten ist sofort anher Be-
richt zu ex'statten."
Noch mehr glaubte im Juni 1934 die Oldenburgische
Staatsregierung tun zu müssen, den „Kanzelparagraph" und
das „Pleimtückegesetz" noch durch eine besondere Verordnung zu
ergänzen:
„Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Februar
1933 zum Schutze von Volk und Staat wird folgendes angeordnet:
§ 1. Geistlichen und anderen Religionsdienern ist es verboten, die
nationalsozialistische Bewegung oder die eine oder andere ihrer Gliede-
rungen oder die Zugehörigkeit zu einer Gliederung als unchrist-
lich oder gefährlich zu bezeichnen. Dies darf auch
nicht in versteckter Form geschehen.
§ 2. Geistlichen und anderen Religionsdienern ist es verboten, un-
mittelbar oder auch mittelbar vor dem Besuch nationalsoziali-
stischer Versammlungen zu warnen.
§ 3. Geistlichen und anderen Religionsäienern ist es verboten, be-
hördliche Maßnahmen als unchristlich oder gefähr-
lich oder gegen die Kirche gerichtet — sei es auch in
versteckterForm — zubezeichnen.
§ 4, Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1 — 3 der Anordnung unter-
liegen den im § 4 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat
angedrohten Strafen."
Auch dem Papst wird das Wort Gottes gefesselt.
Als Papst Pius XL am 14. März 1937 ein Weltrundschreiben
„Mit brennender Sorge" verfaßt hatte, beschlagnahmte die Polizei
nicht bloß alle erreichbaren Druckexemplare, sondern es wurden
Geistliche auch gestraft, weil sie diese Enzyklika pflichtgemäß ver-
Jasen:
Pfarrer Johann Georg Mayer in Arzheim wurde am
30. 6. 37 vom Oberlandesgericht Zweibrücken zu 15 Tagen Gefäng-
nis bzw. 150 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er am 26. März 1937
in Erfüllung des bischöflichen Auftrages das Papstwort von der
Kanzel verlesen hatte.
Ein Religionslehrer an einer höheren Schule wurde sogar seiner
Stellung enthoben, einzig aus dem Grunde, weil er bloß den Ab-
schnitt „An die katholische Jugend" aus diesem Päpstlichen Send-
schreiben seinen Schülern bekanntgegeben hatte.
(Siehe Denkschrift der deutschen Bischöfe an die Reichs-
regierung vom 26. August 1937).
Das Wort Gottes auch im Beichtstuhl gefc^sselt!
Selbst religiöse Beichtzusprüche wurden mißdeutet,
denunziert, als „staatsfeindlich", empfunden und verfolgt,
Kapuzinerpater Johann Nep. Hermann von München-
St. Joseph wurde im Januar 1940 in Schutzhaft genommen, „weil
60
er mit politischer Hetze im Beichtstuhl der Regie-
rung in den Rücken gefallen se i". Und worin bestand
diese politische Hetze? Bloß darin, daß er zu einem Mann gesagt
hätte: „Jetzt (im Kriege) können und müssen wir zeigen, daß wir
die Vaterlandsliebe nicht bloß auf der Zunge haben, sondern im
Herzen tragen und bereit sind, Opfer für andere zu bringen."
„Vaterlandsliebe auf der Zunge tragen" — große Sprüche darüber
machen, das konhte doch nur auf Nationalsozialisten gemünzt sein!!
Also ist § 1 Absatz 1 des Heimtückegesetzes gegeben: „Gehässige,
hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates
oder der NSDAP". Es dauerte etwa einen Monat, bis die Gestapo
sich überzeugen ließ, daß der von ihr behauptete Zuspruch rein
religiös und positiv gemeint war.
Wahrlich, es war nicht leicht, im Dritten Reich das Wort Gottes
zu verkünden, den Paulusauftrag zu erfüllen: „Predige das Wort
Gcttes, tritt dafür ein, sei es gelegen oder ungelegen! Überführe,
weise zurecht, ermahne mit aller Geduld und aller Belehrung!"
(2 Tim 4,2.)
2. Fesseln für den Gottesdienst.
Im Gegensatz zu der schreienden Propaganda, welche für
nationalsozialistische Veranstaltungen aller Art mit Riesenplakaten,
Pressenotizen, Radioansagen, Flugblättern usw. gemacht werden
konnte und immerfort gemacht wurde, hat man die Kirche in der
Ankündigung ihrer Gottesdienste und religiösen Feierlichkeiten
immer mehr eingeschränkt und dieselbe unterbunden.
Den Tageszeitungen wurde die Aufnahme von Notizen über
gottesdienstliche Veranstaltungen verboten. Sie mußten ja „ent-
konfessionalisiert" werden und durften nur Nachrichten bringen,
welche für die Allgemeinheit von Interesse waren.
Die den Zeitungen als Werbemittel so willkommene Gratis-
veröffentlichung von lokalen Gottesdienstordnungen wurde
ebenfalls untersagt.
Die Herausgabe eigener Gottesdienstanzeiger und
Pfarrblätter wurde erschwert, zuletzt ganz verhindert. Nicht wenige
Pfarreien, welche den Ausfall der Gottesdienstbekanntgabe in der
Tagespresse durch einfache gedruckte oder auch nur hekto-
graphierte, gratis in der Kirche aufliegende Handzettel auszuglei-
chen suchten, erhielten von der Reichspressekammer ein Schreiben,
wie folgt:
Der Präsident der Reichspressekammer. Berlin W 35 — d. 27. 8. 38
Geschäftszeichen: A4bWg/Ba. Viktoriastr, 11
An das kathol. Pfarramt Maisach (Obb.).
Betrifft: Einstellung der Herausgabe Ihrer Gottesdienstordnung.
Jede Neugründung auf dorn Gebiet der Presse war nach dem
13. Dezember 1933 — von genehmigten Ausnahmen abgesehen — bis
30. September 1934 überhaupt ausgeschlossen (meine Anordnungen vom
13. 12. 33 und 8. 2. 34).
61
Vom 30. September 1934 ab bestand dieser Zustand weiter bis zur
allgemeinen Regelung über Neugründungen auf dem Gebiet der. Presse
in meiner 10. Anordnung vom 31. Januar 1935.
Nach dieser Anordnung war jede Neuplanung periodisclier Presse-
erzeugnisse anmelde- und genehmigungspflichtig. Dieser Grundsatz wird
in meiner jetzt geltenden Anordnung über verlegerische Neuplanungen
Vom 15. Juni 1938 noch einmal bestätigt.
Die von Ihnen verlegte Gottesdienstordnung, die als inhalts-
beschränktes Pfarreiblatt im Sinne meines Erlasses vom 17. 2. 36 ein
durch Druck oder sonstige mechanische Weise vervielfältigtes periodi-
sches Presseerzeugnis darstellt, ist, wie ich aus Ihrer Meldung ersehe,
erstmalig zu einem zwischen dem 13. Dezember 1933 und dem heutigen
Tage liegenden Zeitpunkt ohne meine Genehmigung erschienen.
Ihr Erscheinen ist daher unzulässig. Ich ersuche,
die weitere Herausgabe sofort einzustellen und die
Fachschaft der katholisch-kirchlichen Presse in der
Reichspressekammer, Berlin W 35, Margaretenstr. 5,
von der erfolgten Einstellung in Kenntnis zu setzen.
Anträge auf nachträgliche Genehmigung sind zwecklos, da ich
sie in diesen Fällen grundsätzlich nicht erteilen kann. Die Tatsache, daß
nach dem 13. 12. 33 veröffentlichte und ohne meine Genehmigung er- '
schienene Gottesdienstordnungen vielfach nachträglich bei der Fach-
schaft der katholisch-kirchlichen Presse angemeldet wurden, begründet
keine Herausgabeberechtigung.
Wer nach dem 13. 12. 33 erstmalig erschienene Gottesdienstordnun-
gen ohne meine ausdrückliche Genehmigung weiter herausgibt oder neu
begründet, setzt sich wegen seines ungesetzlichen Verhaltens der An-
wendung polizeilicher Maßnahmen aus.
L.S. Im Auftrage: Willi
Gelegentlich einer persönlichen Vorsprache des Verfassers bei
obenbezeichnetem Vertreter der Reichspressekammer in Berlin
wurde erklärt, daß auch vorschriftsmäßig und rechtzeitig ein-
gereichte Anträge von Pfarrämtern um Genehmigung besonderer
Gottesdienstanzeigen keine Aussicht auf Erfolg hätten, auch dann
nicht, wenn sie sich verpflichteten, gar nichts weiteres zu bringen
als bloß Zeit und Art der gottesdienstlichen Veranstaltungen. „D i e
Maschen werden immer enger" wurde höhnisch dazu
bemerkt.
Das sollte für die gesamte Seelsorge Geltung bekommen.
Der Krieg bot hiezu neue Möglichkeiten: Schon im ersten
Monat desselben wurde in einzelnen Teilen des Reiches, später aber
allgemein jede außerordentliche Funktion, wie Volksmission, Ein-
kehrtage, Triduen, Religiöse Wochen, Exerzitien verboten. Kein
Tag und keine Stunde sollte der Kriegsrüstung verloren gehen!
Selbst an den kirchlich vorgeschriebenen Feiertagen, die staat-
licherseits ohne jede Fühlungnahme mit der Kirche ganz ab-
geschafft wurden (wie Epiphanie, Maria Himmelfahrt und Aller-
heiligen), oder ebenso eigenmächtig einfach auf den nächstfolgenden
Sonntag verlegt wurden (wie Christi Himmelfahrt, Fronleichnam,
Evangelischer Bußtag), durfte keine vom Werktag abweichende
Gottesdienstordnung sein. Nur mit Mühe und Not durfte in den
62
letzten paar Jahren das kirchliche Privileg der Abendmesse ge-
braucht werden.
Nach mitternächtlichen Fliegeirangriffen durften die Kirchen
nicht vor 10 yhr ' vormittags zur rein freiwilligen Teilnahme an
heiligen Messen und zum Empfang von hl. Sakramenten geöffnet
werden, während alle Arbeiter, Angestellten und Beamten ver-
pflichtet waren, so zeitig wie sonst an ihrer Dienststelle zu er-
scheinen.
In Polen, teilweise auch in Tirol, wurden viele Kirchen dem
Gottesdienst überhaupt entzogen, vollständig geschlossen, in Posen
z. B. sogar die Kathedrale, die doch zugleich Pfarrkirche für 14 000
Seelen war, angeblich „wegen bedrohlicher Bauschäden," die aber
anderseits nicht hinderten, daß darin weltliche Konzerte abgehalten
werden konnten; ähnlich die St.-Magdalena-Kirche, ebenfalls Pfarr-
kirche für 23 000 Seelen. Die wenigen Kirchen, die noch Priester
hatten — ungefähr die Hälfte der Pfarreien der Erzdiözese Gnesen-
Posen hatten keine Priester mehr — sie waren in Gefängnissen
oder Konzentrationslagern oder liquidiert •— , durften nur an Sonn-
tagen, und auch da nur zwischen 9 und 11 Uhr, geöffnet sein. In
dieser knappen Zeit sollten alle hl. Messen gefeiert, die hl. Sakra-
mente (Taufen, Beichten, Kommunion) gespendet und evtl. die
Predigten gehalten werden. Es war in großen Pfarreien einfach
unmöglich, allen Katholiken in diesen paar Stunden Gelegenheit
zur Erfüllung der Sonntagspflicht und zum Sakramentsempfang zu
geben.
Um jede Bezweiflung dieser staatlichen Bevormundung rein
kirchlich-seelsorglicher Betätigung auszuschließen, sei ein amtlicher
Erlaß wiedergegeben:
Geheime Staatspolizei Posen, den 24. Oktober 1940
Staatspolizeileitstelle Posen , Ritterstraße 21
B. Nr. — II B —
An den
General Vikar der Erzdiözese Posen- Gnesen
z, Hd. des Herrn Weihbischofs Dr. Dymek
in Posen
Dominsel
Betrifft: Zeitbestimmung für konfessionelle Veranstaltungen im Gebiet
des Reichsgaues Wartheland.
Vorgang: Ohne.
Der Reichsstatthalter für den Reichsgau Wartheland hat durch Erlaß
vom 3. Oktober 1940 •— A.Z. 1/8 D. 147 — in Abänderung der in dem Er-
laß des Reichsstatthalters vom 24.7.40 festgesetzten Zeiten für konfes-
sionelle Veranstaltungen für die Winterzeit ata 15. 10. 40 folgende Zeit-
bestimmungen getroffen:
1. Gottesdienst an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von
8 bis 11 Uhr.
2. Messen an Werktagen in der Zeit von 8 bis 9 Uhr, Sonnabends untet
Zulassung, an allen anderen Tagen unter Ausschluß der öffentliche
keit.
63
f
3. Beicht- und Kommunionunterricht für Jugendliche" am Mittwoch
nachmittag von 14 bis 16 Uhr.
4. Beichten für Erwa9hsene am Sonnabend von 14 bis 18 Vhv.
5. Für die Icirchliche Betätigung anläßlich . der Eheschließung, der Be-
erdigung und Taufe sowie für Versehgänge werden zeitliche Be-
. Stimmungen nicht auferlegt.
In den Gottesdiensten an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ist die
Predigt zugelassen,
6. Die Veranstaltungen dürfen nur von den Mitgliedern der einzelnen
jeweiligen Kirchengemeinden besucht werden]
Für die deutschen evangelischen Kirchengemeinden sowie für die katho-
lischen Kirchengemeinden, die
a) geschlossen oder überwiegend deutsch sind und in denen
b) ein Geistlicher deutscher Volkszugehörigkeit (im Besitz eines amt-
lichen Ausweises) tätig ist,
gelten diese Bestimmungen nicht.
Ich ersuche, die Ihnen .unterstellten kirchlichen Stellen von dem
Erlaß des Reichsstatthalters vom 3.' 10. 40 umgehend zu unterrichten.
Zuwiderhandlungen gegen die in dem Erlaß festgelegten Bestimmungen
werden durch staatspolizeiliche Maßnahmen geahndet.
**' L. S. gez. B i s c h o f f
Beglaubigt:
E. Troeder
Kanzleiangestellte.
Der Josefinismus weit überboten.
Aber auch in Deutschland selbst gab es viele Fesseln für den
Gottesdienst. Tausenden und oftmals Zehntausenden wurde durch
sonntägliche Pflichtarbeit in Rüstungsbetrieben, durch pflichtmäßige
Appelle, Gemeinschaftsarbeiten, Schießübungen, Ausmärsche, Pa-
raden, Parteitagungen oder -festlichkeiten, durch entsprechende
Tagesordnung in Arbeitsdienstlagern, Land jährdienst usw. der
Kirchenbesuch unmöglich gemacht Zum Beispiel am 20. August 1933
etwa 35 000 Hitlerjungen gelegentlich des Gebietstreffens
in München (Wecken, 5 Uhr früh); ebenso der ganzen Hitlerjugend,
die beim Parteitag in Nürnberg war; wiederum in München am
Tag der Deutschen Kunst: 15. Oktober 1933. Die Jungens
hatten sich da jeweils schon so früh an den Treffpunkten zu sam-
meln (V26 Uhr morgens!), daß eine vorherige Teilnahme am Gottes-
dienst unmöglich war. Alle Versuche und Angebote des Ordinariats,
eine Verschiebung des Appells auf einen späteren Zeitpunkt zu er-
reichen oder in den Unterkunf tslägern selbst einen Gottesdienst
zuzulassen u. ä., wurden abgesehlagen oder sabotiert. Ähnlich ging
es vielerorts, als mit Beginn des Krieges die HJ an Sonn-
tagen zum vormilitärischen Ausbildungsdienst ge-
zwungen wurde. Oberhirtliche Vorstellungen, wie sie im Auftrag
der gesamten katholischen Bischöfe Deutschlands durch Bischof
Wiencken bei der Reichsführung der HJ gemacht wurden^ hatten
nur geringen Erfolg. Es hing schließlich alles von dem guten oder
gar leicht schlechten Willen der örtlichen HJ-Leitung ab.
64
HJ-Führer verbieten undverhindern Teilnahme
an Fronleichnamsprozessionen.
Höhere und niedere „Befehlsgewaltige" der HJ glaubten auch,
etwas Großes leisten zu können, wenn sie der Fronleichnamsprozes-
sion Abtrag tun würden. Sie verboten der HJ die Teilnahme oder
machten es ihr durch Ausmärsche oder Appelle unmöglich, sich
daran zu beteiligen.
Ein paar charakteristische Beispiele:
Zugführer Eder von Bann II Fähnlein 1 des Zuges III der HJ ge-
stand laut Mitteilung vom 7. 6. 34, daß er im Auftrag seines Fähnlein-
tuhrers Peter an dem Heimabend, welcher dem Fronleichnamssonntag
vorausging, allen HJ jede (auch private und nicht uniformierte) Teil-
nahme an der Fronleichnamsprozession befehlsgemäß verboten habe
und daß dieser Befehl von oben gekommen sei. Er gab zu, ausdrücklich
gewarnt zu haben, „daß sich ja keiner erwischen lassen soll". Der Zug-
führer hat, wie er ebenfalls zugab, die Prozession in Befolgung des von
oben gekommenen Befehls kontrolliert und dabei zwei Buben der fünf-
ten Klasse der Ridler-Simultanschule erkannt, am nächsteh Tag zur
Rede gestellt und gesöhimpft. Er warf ihnen vor, daß sie die einzigen
Katholiken (der Schule) waren, „die da mitgemacht haben", langte
ihnen, wie auch Zeugen zugeben, ans Hirn und sagte zu dem einen:
„Du bist ein seltenes Rindvieh, daß Du da mitgegangen bist."
Im nächsten Jahr versuchte man es mit eigenen Anschlägen an den
HJ-Tafeln der Schulen.
1. In der Ridlerschule
„Fähnlein I tritt am Donnerstag um 8 Uhr in der Früh vor der
Schule an. Erscheinen ist Pflicht. Jeder kommt in Uniform. Brotzeit
ist mitzunehmen. Wir kommen bis Mittag wieder nach Hause."
Heil Hitler
1. A. Pickl.
2. In der Guidein schule
„Wer ein wirklicher Pimpf ist, wird sich gegen alle Schwierigkeiten,
die von gewissen Seiten hineingetragen werden, durchsetzen. Angst-
hasen und Muttersöhnchen bleiben zu Hause; dann marschiert lieber mit
der Prozession."
Unterschrift: Schneider. .
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus
bemühte sich auch noch höchst persönlich, der Fronleichnam s-
prozessionFesseln anzulegen. Es schrieb am 5. Juni 1939
den Direktoraten der höheren Schulen:
Betreif: Beteiligung von Schülern und Lehrern an Prozessionen.
Lehrern und Schülern ist die private Anteilnahme an Prozessionen ge-
stattet. Dagegen hat die geschlossene Beteiligung von
Schulen, Schulklassen und Schulabteilungen zu unterbleiben. Damit
die notwendige Scheidung zwischen Schule und Kirche nicht verwischt
werde und nach außen hin nicht der Eindruck entstehen kann, als ob
Schulabteilungen irgendwelcher Art an Prozessionen teilnehmen, kann
ich es aus dienstlichen Gründen nicht gestatten, daß Lehrkräfte
die Beaufsichtigung und Führung von Kindern und
Jugendgruppen bei Prozessionen übernehmen.
I.V. gez. Boepple.
Kreuz und Hakenkx'euz 5 gg
^
Auch gegen die Teilnahme am Frühgottesdienst.
Dem Landesschulrat von Kärnten war die Teilnahme der Schul-
kinder an der täglichen hl, Messe ein Dorn im Auge, wenngleich
'diese an den meisten Orten nur etwa ^/t Stunden vor Schulbeginn
stattfand. Er verfügte darum nach einer Mitteilung des Kreisschul-
rates Wolfsberg vom 27. Januar 1940:
Besuch des Frühgottesdienstes
durch Schulkinder.
An die Direktionen der Hauptschulen und alle Schulleitungen.
Der Landesschulrat hat mit Erlaß vom 19. Jänner 1940, ZI. 757/40
folgendes anher eröffnet:
Auf eine Anfrage über den Besuch des Frühgottesdienstes durch
Schulkinder wird folgendes eröffnet;
Der Besuch des Frühgottesdienstes vor dem Unterricht, insbesondere
zur Winterszeit und in Fällen, in denen ein weiter Schulweg zurück-
zulegen ist, beeinträchtigt jedenfalls die geistige Spannkraft dpr Schul-
kinder und ist dem Unterricht in der Schule abträglich, zumal damit
öfter verspäteter Schulbesuch verbunden ist.
Daher wird ersucht, auf die Schulkinder und ihre gesetzlichen Ver-
treter in geeigneter Weise dahin einzuwirken, daß aus diesem Grunde
vom Besuch des Frühgottesdienstes durch Schulkinder vor dem Unter-
richt abgesehen werde. Ein verspätetes' Erscheinen der Schüler zum
Schulbesuch ist unter keinen Umständen . zu dulden und müßte als
Schulversäumnis bestraft werden.
Die Berichte, in welchem Ausmaß mit dem Stichtag 1. Februar 1940
der Frühgottesdienst von Schulkindern an Ihrer Schule besucht wird,
sowie über die Erfahrungen,' die mit dem Besuch des Frühgottesdienstes
durch Schulkinder vorliegen, sind zuverlässig bis 8. Februar 1940 anher
vorzulegen.
Der Vorsitzende
Beglaubigt Brandstätter e-h.
I
Eine weitere Fessel für den Gottesdienstbesuch bedeutete das
von der Partei besonders für die Amtswalter und von den Partei-
gliederungen für alle Mitglieder erlassene und trotz aller kirch-
lichen Proteste aufrechterhaltene Verbot, in Uniform in die
Kirche zu gehen.
Ein Nürnberger SA-Gruppenbefehl Nr. 35 vom November 1936
befahl z. B.:
Nachdem nach Ablauf weiterer zwei Jahre die Aussichten auf eine
vernünftige Einstellung der verschiedenen Religionsgemeinschaften
gegenüber dem Führer und unserem Reich mehr schlechter als besser
geworden sind, sehe ich mich genötigt, meine im Gruppenbefehl Nr. 27
vom 9, Mai 1934 erlassenen Anordnungen wie folgt zu verschärfen:
1 Ich verbiete mit sofortiger Wirkung das Tragen des SA- Dienst-
anzuges anläßlich von Hochzeiten, Taufen und dergleichen.
2. Ich verbiete die Teilnahme von Standarten, Fahnen, Ein-
heiten und einzelnen Führern und Männern der SA an Beerdigun-
gen, solange Vertreter der Kirche anwesend sind,.
Es ist in Zukunft bei verstorbenen SA-Männern Vorsorge zu treffen,
daß die Beerdigungsfeierlichkeiten so eingestellt werden, daß die
Amtshandlungen eines Kirchenvertreters vor oder nach der Teil-
66
nähme und der Gedenkstunde der SA stattfinden. Der SA-Mann
lehnt in Zukunft jede Gemeinschaft mit welt-
anschaulichen Organisationen ab.
Ähnliches wurde für die SS verordnet, besonders für die in
Kasernen untergebrachte Waffen-SS. Ohne ein förmliches Kirchen-
verbot wurde ihr praktisch der Kirchenbesuch unmöglich" gemacht.
Es bestand nämlich:
1. das Verbot, ohne Uniform dieKasernezuverlassen,
2. das Verbot, in Uniform eine Kirche, zu betreten.
Ebenso erklärte der Leiter der NS-Sportschule von Burg Vogel-
sang in der Eifel: „Die Junker (so hießen die Kursteilnehmer) kön-
nen Gottesdiensten in Zivilkleidung beiwohnen", aber, er fügte
hohnlachend sogleich hinzu: „Freilich, die meisten haben keine
Zivilkleidung dabei." — Nationalsozialistische Ehrlichkeit oder Un-
ehrlichkeit? Je nachdem!
Verschiedenerlei Methoden, aber ein Ziel:
Nicht in die Kirche!
Die gleiche Methode indirekten Zwanges zum Fernbleiben von
Kirchen und Gottesdiensten wurde gebraucht in den vielen L a n d -
Jahrheimen, deren Insassen praktisch nur mit Uniform
ausgestattet waren — Kirchgang i n Uniform aber war verboten!
Die HJ leistete sich bezüglich des Verbotes, in Uniform zum
Gottesdienst zu gehen, noch eine besondere Ungerechtigkeit. Die
offizielle Zeitung der Reichsleitung der HJ vom 18. August 1934
gab bekannt: „daß es der HJ nicht verboten sei, in Uniform dem
Gottesdienst der evangelischen Kirche, der Freikirche und der alt-
katholischen Kirche beizuwohnen". Also ein Ausnahmegesetz
für die katholischen Mitglieder derHJ, die am Sonn-
tag dem Gebot ihrer Kirche Folge leisten wollten.
Bei dieser einseitigen Stellungnahme ist es auch nicht zu ver-
wundern, wenn im März 1934 HJ und B d M von Ulm und Neu-
Ulm einfach geschlossen in den Gottesdienst des prote-
stantischen Domes geführt wurden, so daß die katholische
Jugend nicht bloß gezwungen wurde, einem nichtkatholischen Got-
tesdienste beizuwohnen, sondern auch davon abgehalten wurde, in
Erfüllung ihrer Sonntagspfiicht eine hl. Messe mitzufeiern.
In Arbeitsdienstlagern und Jugend-Ferienlagern und Landjahr-
heimen wurden trotz aller erleichternden Angebote und
dringendster G e s u ch e Gottesdienste nichtzuge lassen.
Ein anderes Mittel, die katholische HJ in Lagern vom Gottes-
dienst abzuhalten, war der Spott durch die „Führer", ferner die
ermüdende Morgengymnastik und entsprechende Gestaltung dei
Tagesordnung, z. B. offizielle Flaggenhissung gerade in der Zeit dos
Gottesdienstes.
67
1
In einem Pfingstlager der HJ in Bayern befahl der tagerleiter
beim Morgenappell: „Jeder, der zur Messe zu gehen wünscht, soll
vortreten." Als dann die Mehrzahl vortrat, setzte der Lagerleiter
eine Kartenieseübung an und zog sie so lange hin, bis die Messe
vorüber war! •
„Kultischer" Heimabend der HJ.
In dem „Informationsdienst", herausgegeben von der Reichs-
jugendführung Berlin NW. 46 vom 28. Oktober 1935, werden u. a.
Versuche unternommen, die Jugend aus den kirchlichen Gottes-
diensten herauszubringen; dazu werden Belehrungen gegeben, daß
der Masse doktrinär und dogmatisch der Nationalsozialismus ein-
geimpft werden müsse; man könne dem Volk die Dogmen nur
nehmen, wenn man ihm andere gebe. Der Heimabend müsse eine
kultische Form erhalten mit regelmäßiger Lesung aus „M ein
Kampf" als der Bibel der Bewegung und aus dem P a r -
t e i p i- o g r a m m als unserem „Neuen Testament" oder
„unseren Zehn Gebote n". Der Stoff, der im Ritus der Kon-
fessionen behandelt werde, sei als unwahr und erlogen erwiesen,
von der Wissenschaft überholt und werde deshalb vom Volk ab-
gelehnt.
ProtestzwanggegenPredigten.
Eine eigenartige Barriere gegen Gottesdienstbesuch errichtete
Reichsstatthalter und Gauleiter Wagner von Baden mit einem Erlaß
vom 26. Mai 1937 des Inhalts: Es sei nicht länger tragbar, daß
Beamte Angriffe auf den Nationalsozialismus aus Versammlungen
und gottesdienstlichen Veranstaltungen, die nicht religiös genannt
zu werden verdienen, schweigend und ohne „gesetzmäßigen und
respektvollen Protest" anhören. In Zukunft würde gegen solche
Beamte, die sich derart gegen Loyalität und Treue verfehlen, diszi-
plinar vorgegangen, eventuell mit Entlassung. Diejenigen, welche
diese Warnung nicht beachten wollten, müßten die Konsequenzen
tragen. Das gleiche gelte auch für Parteimitglieder. — Wieder das
alte Theater: Kein förmliches Verbot, dem Gottesdienst anzuwoh-
nen, aber verkappter Zwang, ihm fernzubleiben! Entweder „in
gesetzmäßiger, . respektvoller Weise" protestieren und denunzieren
oder, um iiicht in diese Zwangslage zu kommen, von der Kirche im
vornherein wegbleiben.
Ein Kirchenerlaß von Heß.
Der Stellvertreter des Führers faßte am 23. Januar 1939 die
mancherlei Einzelverbote für Kirchenbesuch, Übernahme von Kir-
chenämtern und Förderung kirchlicher Belange in folgendem Rund-
schreiben xusammen:
.,In meinen Anordnungen vom 11, November 1937 und 1, Juni 1938
habe ich bestimmt, daß die Partei, ihre Gliederungen und angeschlosse-
68
nen Verbände sich jeglicher Einflußnahme auf innerkirchliche Dinge zu
enthalten haben.
Ich habe erneut Veranlassung, auf die unveränderte Haltung der
Partei in diesen kirchlich-konfessionellen Auseinandersetzungen hinzu-
weisen und gebe im folgenden die Bestimmungen für alle Gliederungen
und angeschlossenen Verbände der Partei noch einmal bekannt.
Es ist notwendig, daß die Partei in ihrer Gesamtheit unbedingt eine
geschlossene Haltung diesen Fragen gegenüber einnimmt. Ein Verstoß
gegen diese Anordnungen wird in Zukunft mit disziplinaren Maßnahmen
geahndet werden und zieht erforderlichenfalls den Ausschluß aus der
NSDAP und aus der Gliederung nach sich.
X. Unterführer der Bewegung (das sind; Politischer Leiter, Führer und
Unterführer der Gliederungen, Walter und "Warte der angeschlosse-
nen Verbände) dürfen kein kirchliches Amt oder Ehrenamt annehmen.
Dasselbe gilt für ein Amt oder Ehrenamt irgendeiner sonstigen reli-
giösen Gemeinschaft, Organisation oder Gruppe. Sollte in dem einen
oder anderen Falle eine Trennung noch nicht durchgeführt sein, so
ist die Trennung sofort zu veranlassen.
2. Ebenso ist Unterführern der Bewegung die Übernahme von Aufgaben
oder Beschäftigungen in irgendeiner konfessionellen oder religiösen
Organisation, Gruppe, Gemeinschaft oder dergleichen, auch soweit es
sich nicht um ein eigentliches Amt handelt, untersagt.
3., Unterführer der Bewegung dürfen keine Aufträge von irgendwelcher
Stelle annehmen, nach denen sich der Betreffende mit konfessionellen
Fragen zu beschäftigen hat. Ausgenommen ist hierfür selbstver-
ständlich der Dienst für Partei und Staat. Ferner diejenigen Fälle,
in denen aus ganz besonderen Gründen von mir ausnahmsweise die
Genehmigung erteilt wird. (Zur Bespitzelung? Der Verfasser.)
4. Darüber hinaus ist es den Unterführern der Bewegung untersagt,
auch ohne Annahme eines Amtes oder ohne Ausführung eines Auf-
trages in der Öffentlichkeit sich im Sinne einer dieser Organisationen
oder Gemeinschaften zu betätigen oder für sie einzutreten.
5. Die Anordnungen Ziffer 1 — 4 gelten nicht für Parteigenossen, An-
gehörige der Gliederungen und angeschlossenen Verbände, die nicht
Unterführer der Bewegung sind. Jedoch ist es diesen untersagt, bei
Betätigungen dieser Art sich auf ihre Zugehörigkeit zur Partei, einer
Gliederung oder eines angeschlossenen Verbandes zu berufen oder
dabei in Uniform aufzutreten oder Abzeichen zu tragen,
6. Jegliche Teilnahme von Parteigenossen, Angehörigen der Gliederun-
gen und angeschlossenen Verbände in Uniform an kirchlichen Ver-
anstaltungen oder an den Veranstaltungen sonstiger religiöser Ge-
meinschaften ist untersagt. Ausnahmen hiervon können bei Beerdi-
gungen, wenn eine Teilnahme in Uniform geboten erscheint, zugelas-
sen werden.
7. Die Tätigkeit von Parteigenossen, Angehörigen der Gliederungen und
angeschlossenen Verbände in den sogenannten Finanzausschüssen, die
in einigen Ländern als staatliche Behörden eingerichtet worden sind,
kann bis auf weiteres ausgeübt werden, Ziffer 5, Satz 2 gilt hiefür
sinngemäß. '
Ich mache in diesem Zusammenhang besonders aufmerksam, daß
von kirchlich-konfessionellen Gruppen wiederholt der Versuch gemacht
worden ist, Parteigenossen in führenden Stellungen für irgendwelche
Organisationen oder Arbeitsgruppen, Arbeitsgemeinschaften usw. zu ge-
winnen, um sie als Repräsentanten von Partei, Staat oder Wirtschaft
herauszustellen. Derartige Versuche müssen selbstverständlich zurück-
69
gewiesen werden. Soweit nach diesen Anordnungen in Zukunft noch
Zweifel au.„reten, ist meine Entscheidung einzuholen."
gez. Heß.
Kirchliche Andachten — verbotene
Versammlungen!
Gestapo und Partei gingen jedoch des öfteren noch weiter; z. B.
wandten sie das für katholische Vereine erlassene Versammlungs-
verbot da und dort auch auf kirchliche A'^d-^rhten und Predigten
an, besonders wenn sie für einzelne Stände '1er Berufe gehalten
wurden. So wurde beispielsweise eine Na '''nittagsan dacht des
katholischen Müttervereins (einer kirchlichen Bruderschaft) in
Scheyern (Oberbayern), die vor ausgesetztem Allerheiligsten statt-
fand, als verbotene Versammlung erklärt,- ähnlich in Wasser-
burg am Inn.
In Münder a. Deiste (Diözese Hildesheim) kam mitten während
der hl. Messe, die mangels einer Kirche in einem Schlafzimmer
gehalten werden mußte, auf Geheiß der Gestapo ein Polizist und
rief laut „Heil Hitler! Der Gottesdienst ist ver-
böte n." Und er blieb auch für lange Zeit verboten.
Die gefährliche Dollfuß-Gedächtnismesse!
Das Katholische Stadtpfarramt St. Anna iri München wurde im
Jahre 1935 von der Gestapo zur Rechenschaft gezogen, weil am
Jahrestage der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß auf Ersuchen
des österreichischen Generalkonsuls eine stille hl. Messe gelesen
worden war. Ursprünglich war für früh 8 Uhr ein Requiem bestellt
und von Reichs- und Staatskanzlei genehmigt gewesen. Am Vor-
abend jedoch (23. Juli 1935) wurde mitgeteilt, daß der Gottesdienst in
dieser Form nicht stattfinden könne und die Sänger abzubestellen
seien. Die als Ersatz gedachte stille hl, Messe wurde dann um eine
Stunde vorverlegt, um jeden Schein einer Provokation zu ver-
meiden und jede Teilnahme fremder Personen hintanzuhalten. Tat-
sächlich kam dann auch nur das Personal des Generalkonsulates
selbst, unauffällig und getrennt. Trotzdem die Vorladung zur
Gestapo und Verweis!
Auch die, Bahnhofmessen müssen verschwinden.
Eine weit mehr einschneidende Maßnahme wurde gegen die den
Tausenden von Sonntagsausf lüglern so willkommenen Morgengottes-
dienste (ab 3.20 — 7 Uhr hl. Messen mit Predigt und Kommunion-
austeilung) im Hauptbahnhof zu München getroffen: Sie wurden
beileibe nicht verboten, aber die bisher so entgegenkommende
Eisenbahndirektion mußte auf einmal den Wartesaal auch für diese
paar Sonntagsmorgenstunden unbedingt benötigen und durfte auch
zu dieser Zeit keinen anderen Raum entbehren können.
Auch die in Bayern so beliebten Primizen mußten ob der
unerwünschten allzu großen Teilnahme des Volkes Fesseln be-
70
kommen; trotz jahrhundertealten Brauches durften sie vielfach
nicht mehr im Freien abgehalten werden, sondern wurden auf die
für solche Massenbeteiligung viel zu kleinen Kirchenräume ver-
wiesen.
Schikanen gegen kirchliche Prozessionen.
Auch kirchliche Prozessionen, selbst die an einzelnen Tagen für
die ganze Welt vorgeschriebenen, wie an Bittagen und am Markus-
tag, wurden immer mehr eingeschränkt. Nur die „alther-
gebrachten" sollten noch sein dürfen, ebenso nur „alther-
gebrachte Wallfahrten", Ein eigener Erlaß des Reichsinnenministers
vom 17. August 1937 erläuterte den Ausdruck ..althergebracht" noch
eigens dahin, daß er nicht etwa so zu verstehen sei, als ob eine
bestimmte Anzahl von Festen, Prozessionen und Wallfahrten er-
laubt sei, sondern die Gesamtumstände müßten altherkömmlich sein,
z B. gleicher Anlaß, gleiche Ausgestaltung und Aufmachung und
gleicher Zweck. Sei eines dieser Merkmale früheren Wallfahrten
gegenüber verschieden, so läge keine althergebrachte Wallfahrt vor.
Der Minister fügte hinzu, daß für „Marienfeierstunden", „Christus-
Feiern" und andere Veranstaltungen mit ähnlicher Bezeichnung, so-
fern sie lediglich ein Ersatz für Wallfahrten seien, die gleichen Vor-
schriften gälten.
Ein Mittel, die Prozessionen auf Nebenstraßen zu verdrängen
und die Wallfahrten zu beschränken, gab dem Reichsinnenminister
am 5. November 1936 der § 33 der Reichsstraßenverkehrs-
ordnung:
„Es hat sich nun gezeigt, daß in verschiedenen Gegenden des Rei-
ches auch religiöse Kundgebungen, Fußgängerwallfahrten, Prozessionen,
besonders Fronleichnamsprozessionen, Leichenbjegängnisse, zum Teil
Verkehrsbehinderungen verursachten (die Fußmärsche, Paraden und
Aufzüge der Partei und Parteigliederungen natürlich nicht!), so daß er-
wogen werden muß, diese Kundgebungen und Züge von den größeren
Verkehrsstraßen wegzuführen, auch dann, wenn sie in althergebrachter
Weise diese Wege bisher benutzten."
Natürlich wurden größere Wallfahrten fest bespitzelt und die
Teilnehmer festgestellt. So verlangte die badische Parteileitung im
Jahre 1937, daß die Namen all der Beamten gemeldet wür-
den, die an der herkömmlichen Wallfahrt nach Birnau teilgenommen
hätten, bei der Erzbischof Gröber gesprochen hatte.
Der Krieg gab dann rechten Vorwand, die Wallfahrten ganz zu
verbieten. Pilgerfahrten nach Rom und ausländischen Gnaden-
orten wurden schon lange vor dem Kriege durch entsprechende
stille, aber zwingende Einwirkung auf Eisenbahndirektion und
Reisebüros unterbunden, ohne daß jedoch Eisenbahnverwaltung und
Reisebüroleitungen sagen, ja auch selbst auf Anfragen zugeben
durften, entsprechende Weisungen von oben zu haben.
Wie die Übertragung von Predigten von Kirche zu Kirche oder
im Freien verboten wurde, so wurde nach ein paar Jahren Nazi-
71
Herrschaft auch die schon lange übliche Lautsprecherübertragung
der Evangelien, Gebete, Lieder und Orgelstücke bei der Münchener
Fronleichnamsprozession verhindert, aber wieder nicht durch ein
offenes Verbot, sondern durch Befehl an die mit der Leitungslegung
beauftragte. Telefunkengesellschaft, Hindernis um Hindernis zu
finden.
öffentliche Musikkapellen, wie jene der Stadt, Post, Feuerwehr,
Sanität, durften bei der Fronleichnamsprozession nicht mehr mit-
wirken. In Freiburg i. Br. wurde eine solche Musik-
kapelle sogar während der Prozession abberufen.
Dafür aber durften Flugzeuge die Prozession längere Zeit auf-
fallend geräuschvoll und niedrig überfliegen!!
Den Lehrern wurde nahegelegt, den Chorregenten- und
O r g a n i s t e n d i e n s t in den Kirchen niederzulegen. Parteimit-
gliedern wurde verboten, ihren Söhnen Ministrantendienste
leisten zu lassen.
Nach einer Mitteilung vom 14, Februar 1937 untersagt der SS-
Reichsführer im Sommer 1936 den SS-Angehörigen jegliches Musi-
zieren in Kirchen, auch das bloße Orgelüben.
Bespitzelung der Exerzitienteilnehmef.
Um von der Teilnahme an Exerzitien (drei- bis viertägige
„geistliche Übungen" in besonderen geistlichen Häusern) abzu-
schrecken oder die Teilnehmer auf die Schwarze Liste nehmen zu
können, wurde im Jahre 1937 der polizeiliche Meldezwang für
Fremdenübernachtung auch auf Exerzitienhäuser ausgedehnt, hie-
für sogar eigens das Meldeformular entsprechend abgeändert.
Fünf Männer der Pfarrei Aufkirchen am Starnberger See, die im
Jahre 1938 an Exerzitien im Hause der Jesuiten auf der Rottmannshöhe
teilgenommen hatten, wurden acht Tage darauf in der Gemeindekanzlei
von Höhenrain vorgeladen und dort vom Kreisleiter von TÖlz, vom
Stützpunktleiter und 'Bürgermeister des Ortes mit schwersten Vorwürfen
überschüttet!!
Die Teilnahme am Eucharistischen Kongreß in
Budapest im Jahre 1938, zu dem sich schon Tausende von
reichsdeutschen Katholiken gemeldet hatten, wurde vollständig
verboten. Selbst die Lichtbilder, welche von diesem Kongreß
herauskamen, wurden beschlagnahmt und vernichtet.
Der Krieg gab, wie zu vielem anderen, auch Anlaß zu ein-
schränkenden Bestimmungen gegen das kirchliche Glocken-
geläute, die wohl nicht bloß zur Vermeidung von Störungen der
Luftüberwachung u. ä. erlassen wurden; z. B., daß jeweils nur eine
halbe Stunde vor Sonnenaufgang und bis eine halbe Stunde nach
Sonnenuntergang geläutet werden dürfe und dann nur in der Dauer
von drei Minuten. Später wurde sogar versucht, alle Kirchen Mün-
chens am Sonntag nur einmal gleichzeitig läuten zu lassen, ohne
.72
Rücksicht darauf, wann in den einzelnen Kirchen die Gottesdienste
begannen.
Dagegen wurde da und dort das kirchliche Glockengeläute
fixr politische oder parteiliche Kundgebungen
verlangt oder erzwungen oder einfach ohne Befragung der Kirchen-
vorstände von fanatischen Pärteileuten selbst ausgeführt (ähnlich
wie anfänglich die Beflaggung der Kirchentürme mit Hakenkreuz-
fahnen).
Gefordert wurde das kirchliche Glockengeläute und bei den in nach-
folgender Liste mit * bezeichneten Fällen schon vor jeder Fühlungnahme
mit den kirchlichen Behörden in das durch Presse und Radio veröffent-
lichte Programm aufgenommen:
* zum Sonnwendfeuer auf dem Starnberger See;
zur Eröffnung des neuen, rein nationalsozialistischen Stadtrates in
München;
zum Probealarm für „Abwehr eines FlugzeugangrifOes";
zum Nürnberger Parteitag;
• zum Tag der Deutschen Kunst in München, bzw., wie das Pro-
gramm zeigt, „zur feierlichen Einholung des Führers" 15. Oktober;
zum Einzug des Führers in Neumarkt (Opf.) am 29. Oktober 1933.
Da es versagt wurde, verlegte man den Einzug auf 12 Uhr mit-
tags und deutete dann das um 12 Uhr stattfindende „Gebet-
läuten" in der Presse als „Glockengeläute von allen Kirchen der
Stadt".
Der Gemeinderat Oberhaching ging sogar so weit, ein Glocken-
geläute von einer halben Stunde Dauer als feierlichen Auftakt zur Volks-
abstimmung für Samstag, 11. Oktober 1933 (8 bis 8.30 Uhr) zu verlangen.
3. Fesseln für die Seelsorge.
„Lehret alle Völker!" hatte Christus den Aposteln aufgetragen.
„Fesselt das WortGottes und seine Verkünder!"
war Parole der Nationalsozialisten.
„Taufet sie!" befahl Christus weiter. „Legt Fesseln
anderSakramentspendungunddemSakramenten-
empfang!" War wiederum die Antwort des Christus hassenden
Nationalsozialismus.
Schon das erste Sakrament,
die Tau f e,
wurde möglichst zu verhindern und durch Hohn und Spott zu ver-
leiden gesucht. Sie war ja nach nationalsozialistischer Auffassung
vollständig überflüssig und verstieß überhaupt gegen „germanische
Anschauungen'". Sie hing ja zusammen mit dem Glauben an die
E r b s ün d e, eine „Ausgeburt orientalischen Geistes und Aber-
glaubens".
„Das Schwarze Korps" vom 28. Januar 1937 brachte einen Artikel
über die Erbsünde: „Der erste Gang einer jungen Mutter nach dem
Wochenbett war zur Kirche. Aber wenn sie ankam, war es ihr nicht
gestattet, den geweihten Raum zu betreten, sondern sie mußte in dem
Kreuz und Hakenkresix i 73
nicht geweihten Vorhäuschen warten, bis sie .gereinigt* wurde. , So ver-
langt es katholischer Brauch ..."
Die Grundforderung des Katholizismus und der Kern seiner Lehre
über die Erbsünde mag in dem Worte zusammengefaßt sein: „Das Leben
selbst ist Sünde, der Tod aber bedeutet Erlösung." Daß diese Lehre die
ganze orientalische Mißachtung der Frau in sich begreift, wird freilich
von römischer Seite nicht zugegeben, am wenigsten in bezug auf
deutsche Frauen; denn deutsche Frauen betrachten die Stunde, in der
sie einem Kind das Leben geben dürfen, als die stolzeste Stunde ihres
Lebens. Sie wissen, daß der Sinn des weiblichen Daseins seine Erfüllung
gefunden hat und danken Gott mit freudigem Herzen für die Gnade,
die er ihnen erwiesen hat. (Bemerkung: Der Artikelschreiber hatte keine
Ahnung davon, daß im ganzen Ritus der sogenannten „Vorsegnung' oder
„Müttersegnung" tatsächlich alles von Freude und Dank klingt, kein
Wort von „Reinigung' vorkommt.)
In der Nummer vom 4. November 1937 leistete sich dann' „Das
Schwarze Korps" einen neuen Angriff auf die Taufe, besonders wegen
der „undeutschen und unhygienischen Zeremonien" der katholischen
Taufe. Dabei erniedrigte es sich zu folgender theologischer Unkenntnis
und banaler Redeweise: „Man sagt, die Taufe sei ein Sakrament, das
von Christus eingesetzt sei. Aber es war doch der hl. Johannes, der sie
zuerst übte, indem er Jesus am Jordan taufte. Weder er noch Christus
ließen die Finger abschlecken noch Salz schlucken. Erst die Priester
führten ,symbolische Handlungen' ein, die weder verordnet noch er-
wünscht waren."
Solch „ungermanische, unhygienische, überflüssige" Handlungen
durfte natürlich kein echter Nationalsozialist an seinen Kindern
vornehmen lassen, insbesonders nicht ein hoher Parteifunktionär
und SS-Mann. Und wenn einer schon gar nicht auf das a:lte Her-
kommen verzichten wollte, dann erwartete man wenigstens, daß er
seinem Kinde nicht einen ungermanischenNamen gab, son-
dern den eines der „Herren des Nationalsozialismus", beileibe nicht
einen christlichen Namen.
Der Reichsführer der SA, V. Lutze, ging da seinen Gefolgs-
mannen mit gutem Beispiel voran. Auf die schriftliche Einladung
des katholischen Pfarrers von St. Bernhard in Berlin, sein neu-
geborenes Kind taufen zu lassen, ließ er nachfolgende grobschläch-
tige Antwort geben und veröffentlichen:
Der Oberste SA-Führer, R/R
Adjutant des Stabschefs.
Briefb. Nr. 9370/36/1/1.
Betrifft: Kindstaufe.
Bezug: dort. v. 16. 9. 1936.
Berlin W, den 30. Sept. 1936.
Voßstraße 1.
Abschrift.
An das
katholische Pfarramt St. Bernhard
Berlin-Dahlem
Königin-Luise-Straße 33.
Sehr geehrter Herr Pfarrer!
Ihr Schreiben vom 16. ds. Mts. lag dem Stabschef vor, und der Stabs-
chef läßt dem katholischen Pfarramt St. Bernhard darauf folgendes er-
widern:
74
Es trifft zu, daß dem Stabschef ein Kind geboren ist, das die Namen
„Adolf Hermann" trägt. Das Kind ist nicht getauft und der Stabschef
beabsichtigt auch nicht, das Kind durch eine der beiden in Deutschland
vorherrschenden Religionseihrichtungen taufen zu lassen. Maßgebend
für den Stabschef sind folgende Erwägungen:
Mit großer innerer Besorgnis verfolgt der Stabschef seit langem die
Ijinie, auf der sich die beiden in Deutschland vorherrschenden Konfes-
sionen seit längerer Zeit bewegen. Die Wahrheit ist mit das höchste Gut
der Menschheit, wie dieses ja auch die christliche Religion in ihren
Schriftisn und in ihrer Lehre mehrfach zum Ausdruck bringt. Mit tiefer
Betrübnis hat der Stabschef als wahrhafter Mensch die vielen zusam-
mengelogenen und gehässigen Angriffe beider Konfessionen gegen den
heutigen Staat zur Kenntnis genommen. Es widerspricht sich doch,
wenn eine christliche Konfession von ihrer Anhängerschaft verlangt,
„sie solle nicht falsch reden wider den Nächsten", und wenn dann
andererseits die beamteten Sachwalter dieser Religion von der Kan-
zel herab „falsch Zeugnis reden wider den Staat". Dies muß jedem
wahrhaften und rechtlich denkenden Menschen unverständlich sein. Die
vom heutigen Staat bezahlten Warte der Religion haben es ja lediglich
dem heutigen Staat zu verdanken, daß ihre Versammlungsorte — in
denen' sie predigen — noch nicht als grausige Fackeln und lUuniination
des nächtlichen Deutschland in Flammen aufgegangen sind und daß sie
selbst von einem roten, Mob nicht in tierischer Weise hingeschlachtet
worden sind, wie dies ja in Spanien, wo der antichristliche Bolschewis-
mus herrscht, in Hunderten von Fällen vorgekommen ist und noch
heute vorkommt.
Wenn man lehrt: „Du sollst Deine Feinde lieben", dann ist es un-
logisch, daß die Religionsverkünder — selbst wenn man von ihnen an-
nehmen würde, daß sie Staatsfeinde Avären — den heutigen Staat be-
kämpfen. Denn selbst als „Feinde" des heutigen Staates müßten sie ihn
doch lieben und man kann nicht schmähen, was man liebt!
Man predigt: „Du sollst keusch und züchtig leben in Worten und
Werken" und von den berufenen Verkündern der christlichen Lehre
wandern Dutzende wegen tierischer Schweinereien auf längere Zeit hin-
ter Gitter: Verlangt man denn das „keusch und züchtig leben nur von
den Anhängern, und findet man die verbrecherischen Ausschweifun-
gen der Prediger für durchaus am Platze?" Man hat doch nachweislich
diese Schweinereien höheren Orts gewußt und geduldet, bis endlich der
Staat das schützende Tuch weggerissen und die übergroße perverse
Triebhaftigkeit der „Diener Jesu" brandmarkte. Es steht nirgendwo in
der Heiligen Schrift, daß die Diener der christlichen Weltanschauung
sexuelle Ausschweifungen begehen dürfen und nach der Heiligen
Schrift regelt siqh doch auch das Leben der Priester.
Die christliche Religion hat es in 2000 Jahren nicht nur nicht er-
reicht, die Menschheit so gut zu machen, wie sie eigentlich auf Grund
der Gebote und der Bibelsprüche sein soll, sondern es ist ihr darüber
hinaus in 2000 Jahren nicht einmal gelungen, die Verkünder zu
guten Menschen zu machen!
Dies wären von den Hunderten von Widersprüchen nur einige, die
hier angeführt worden sind. Man bringt aber junge Menschen, die man
all diesem Widerspruch aussetzt, in einen erheblichen seelischen Zwie«
spalt, der sich nachteilig auf das ganze Leben auswirken muß.
Der Stabschef kann in seiner Gottgläubigkeit diese Verantwor-
tung nicht auf sich nehmen und muß als treusorgender Familien-
vater alle Möglichkeiten ausschalten, die seine Kinder in Gefahr
bringen könnten, daß sie durch sexuelle Lüstlinge im Priester-
kleide unrein werden. Darüber hinaus muß er sie von jeder Be-
rührung mit unwahren Lehren bewahren! Sie werden zu
71
gottgläubigen, reinen Mensche.n ohne Bindung an eine Konfession
erzogen werden.
Daß das katholische Pfarramt St. Bernhard seinen Brief nicht mit
„Heil Hitler" geschlossen hat, wird diesseits lediglich als eine Vergeß-
lichlfeit angesehen.
Heil Hitler!
Der erste Adjutant des Stabschefs,
gez. Reimann, Brigadeführer.
Wo der Stabschef mit so derbem Stiefel voranschritt, da wollten
viele SA-Männer „im Geist mitmarschieren".
Und die SS, die ihre unehelichen Kinder in das Kinderheim
des vom „Winterhilfswerk", von „Mutter und Kind", von „Volks-
wohlfahrt" und ähnlichen nationalsozialistischen „Hilfswerken"
reichlieh unterstützten „Lebensborn" in Steinhöring
(Cberbayern) sandten, duldeten natürlich auch nicht, daß in dem
Hause auch nur eines der Kleinen getauft würde. Eine Mutter, die
dies doch wünschte, wußte sich nur dadurch zu helfen, daß sie mit
ihrem Kind nach ein paar Wochen angeblich zu Besuch bei einer
bekannten Familie ins Dorf ging und dort dann das Kind taufen
ließ. !
Ganz besonders verhaßt War den Nationalsozialisten die
Taufe von Juden. Des öfteren wurden von den bischöflichen
Ordinariaten Statistiken über Judentaufen, ja sogar Bekanntgabe
der Namen solcher Täuflinge verlangt, eine Forderung, die freilich
immer zurückgewiesen wurde.
Die Berliner Polizei stellte sogar dem „Stürmer" amtliches Mate-
rial zur Verfügung, um durch öffentliche Anprangerung und Drohung
von weiteren Judentaufen abzuschrecken. Der wackere Stadtpfar-
re rvon St. Matthias in Berlin protestierte daraufhin am
15. März 1936 in jeder hl. Messe dagegen, daß der „Stürmer" im vor-
ausgehenden Januar photographische Wiedergaben von zwei offiziellen
Schriftstücken dieser Pfarrei betreffs Aufnahme von zwei Juden in
die katholische Kirche veröffentlichte. Er teilte dabei mit, daß 'er auf
eine Anfrage bei der Polizei, wie diese Schriftstücke in den Besitz des
„Stürmers" gekommen seien, keine Antwort erhalten hätte, ebenso die
bischöfliche Behörde nicht. Im Gegenteil: des Pfarres Mitteilung an die-
Polizei, daß er in Zukunft der Polizei keine solchen Meldungen mehr
machen werde, sei amtlicherseits wiederum dem „Stürmer" zum Abdruck
zur Verfügung gestellt worden. Darum erklärte der Pfarrer feierlich
vor seiner Gemeinde: „Euer Pfarrer ist nicht willens, sich
seine tägliche Tätigkeit vom „Stürmer" diktieren zu
lassen, sondern von seinem eigenen Gewissen. Und
dem Gewissen folgend, wird er nicht zögern, Ungläu-
bige jeglicher Ras sein die Kirche aufzunehmen, die
Christus für alle Menschen gegründet hat, solange als er. auf der ande-
ren Seite nicht unehrliche Absichten befürchten muß."
Verdächtigung derBeicht.
Bei der feindseligen Einstellung des Nationalsozialismus gegen
Christentum und Priestertum, gegen Sünde und Sakramente ist es
nicht verwunderlich, daß auch die hl. Beicht, in gehässigster Weise
76
bekämpft wurde. Beispiele dafür sind mancherlei Spottbilder, wie
sie vom „Schwarzen Korps" am 1. 7. 37 und vom „Stürmer" in
Nr. 31/1936 gebracht wurden; ebenso die zahlreichen Verdächti-
gungen, wie sie in dem Buch von E. Thomassin: „Ich war ein
Katholik" ausgesprochen wurden. Die Überschrift, welche „Das
Schwarze Korps" Nr. 23/1937 einem Artikel gab: „Sie lügen! Sie
lügen!" hätte am besten auf all die Ausführungen dieses Blattes
über die Beicht gepaßt, wie sie auch voll zutraf für eine Behaup-
tung des betreffenden Artikels selbst, die da lautete:
„Im Beichtstuhl flüstere man den Frauen ins Ohr, die Nazis wollen
die Kirche abschaffen, sie sollen daher ihren Männern die ehelichen
Freuden versagen, wenn sie dem nationalsozialistischen Kirchenfeind
nicht abschwören."
Wie erlogen diese Anschuldigung war, zeigte sich daraus, daß
eine Aufforderung des Erzbischöflichen Ordinariates München vom
12. Juli 1937 um nähere Angaben unbeantwortet blieb.
BeschimpfungundBehinderung
der hl. Kommunion. .
Es erübrigen sich nähere Ausführungen über die niedrige Rede-
weise von Nationalsozialisten über die hl. Kommunion. In ganz
Bayern war es wohl bekannt, daß Gauleiter und Staatsminister
Adolf Wagner gern einfach von ,, Hostienfressern" sprach.
Überraschender ist wohl, daß nationalsozialistische Stellen auch
staatliche Machtmittel gegen dieses hl. Sakrament einsetzen wollten.
Bezeichnend ist hiefür nachfolgendes Schreiben:
Abdruck zu Nr. IV 33312
NSDAP Gau München -Oberbayern Freising, den 12. Juni 1935
Kreisleitung Freising. ,
Abteilung Kreisleitung. Diktat:- Le/LI.
Vertraulich !
An die Gauleitung Miinchen-Oberbayern, Kanzlei des stellv. Gauleiters
München.
1. Es ist eine allgemeine Erscheinung, daß die katholische Kirche eine
fieberhafte Tätigkeit entwickelt. In den Volksschulen war bisher üb-
lich, daß die Kinder alle 3 Monate beichteten. Nunmehr wurde
monatliche Beichte angeordnet, und zwar Samstag nachmittags, also
am Staatsjugendtag.
2. Ferner fällt auf, daß in diesem Jahr zweimal Kommunion für die
Erstkommunikanten stattfindet, d. h. nach den nunmehr 10jährigen
Kindern werden nun auch die 9jährigen Kinder in den nächsteh
Wochen die Kommunion empfangen. Abgesehen von den wirtschaft-
lichen Opfern, die die Eltern zu bringen haben, dünkt es sonderlich,
daß nunmehr der Zeitpunkt gegeben erscheint, daß Kinder bereits in
der 3. Klasse Volksschule das Sakrament der Kirche empfangen.
3. Es besteht immer noch die alte Schulordnung, wonach Lehrer ver-
pflichtet sind, an sogenannten Bittprozessionen geschlossen mit ihren
Kindern teilzunehmen. Eine Verfügung, die diesen Zwang entkräftet,
ist bisher noch nicht' erschienen.
,77
Alle diese Fragen lege ich der Gauleitung mit der Bitte vor, bei den
zuständigen Stellen Aufklärung zu fordern bzw. Mißstände zu beseitigen.
Heil Hitler!
gez. Lederer, Kreisleiter.
(Bemerkung: Wochenlang forschte ein Jahr später die Gestapo nach,
wie das Erzbischöfliche Ordinariat München Kenntnis von diesem
Schreiben erhalten hatte.)
Auch die hl. Firmung
paßte den lOOprozentigen Nationalsozialisten nicht. Kreisleiter
Endrös von Traunstein z. B. gab sich alle Mühe, die Kinder davon
abzuhalten und ihnen dafür eine andere „Freude und Ehre" zu
bereiten. Am 31. Mai 1939 schrieb er an alle Ortsgruppenleiter:
„Es stehen immer noch die Meldungen derjenigen Kinder durch die
Ortsgruppenleiter aus, die nicht gefirmt werden. Ich beziehe
mich, auf meine wiederholten Ausführungen und ersuche, bis spätestens
11. Juni 1939 diese Meldung namentlich vorzunehmen, da ich, wie be-
reits bekannt, für diese Kinder gemeinsam mit ihren Paten eine Feier-
stunde und einen größeren Ausflug plane. (Besuch der Burg Burg-
hausen und des Geburtshauses des Führers in Braunau)."
Das katholische Ehesakramentund Eherecht
wurden natürlich auch Gegenstand besonderen nationalsozialisti-
schen Hasses und Angriffes.
„Das Schwarze Korps" z. B. polemisierte am 11. Februar 1937
gegen die Päpstliche Ehe-Enzyklika. Am 1. April 1937
und. am 17. Februar 1938 wurde die katholische Lehre von der Ehe
und insbesonders das Dispenswesen angegriffen.. Am 23v März 1939
wandte sich das Blatt in schai-fen Worten gegen den starren Wider-
stand der Kirche gegen die „Mischehen", wie schon am 26. Aug. 1937.
Am 5. März 1936 faßte es die christlichen Grundsätze in bezug auf
das 6. Gebot als „überholte Moral" zusammen.
Dementsprechend wurden auch die unverheirateten
Frauenspersonen aufgefordert, Kinder zu gebären. So
schrieb „Das Schwarze Korps" am 30. Dez. 1937: „Wir können es
uns nicht leisten, die Kinder der Frauen zu verlieren, die, zum
Überschuß gehörig, Mütter \verden können, aber keine Gattinnen."
Der Bürgermeister von Wattenscheid in Westfalen zog daraus die
entsprechende Schlußfolgerung und wurde dafür im „Schwarzen Korps"
vom 6. April 1939 ausdrücklich gelobt, seine Maßnahmen als „nach-
ahmenswert" bezeichnet. Er versprach nicht bloß allen Ehepaaren für
ein gewolltes 4. oder 5. oder 6. Kind das nötige Kapital zum Erwerb eines
eigenen Hauses oder eine moderne, gesunde viei-zimmerige Mietwohnung
zu höchstens 34 Mark Monatsmiete; er versprach weiterhin nicht bloß
für jedes 3. oder 4. oder weitere Kind der Mutter eine Prämie von
100 Mark, sondern er sicherte solche Vergünstigungen auch allen
Frauenspersonen zu;, die vor 1910 geboren und nicht durch ihre eigene
Schuld unverheiratet geblieben seien. Wenn sie über diese herkömm-
lichen Vorurteile hinwegkommen und ihrem Volk Kinder schenken, so
übernehme die Stadt für jedes erste oder zweite Kind die Patenschaft,
78
sie gebe als Geburtstagsgeschenk eine Sparkassenbescheinigung von
500 Mark und werde diesem Kind bis zur Mündigkeit Fürsorge zu-
wenden.
So würden die 2 Millionen Frauenspersonen, deren künftige Män-
ner im Kriege gefallen seien, jetzt aufgerufen, „ihrer natürlichen Be-
stimmung als Frauen Folge zu leisten". Um aber in den Genuß dieser
Vergünstigungen zu kommen, müsse die Absicht, ein Kind zu erzeugen,
vorher den Behörden kundgetan werden', weil ein Kind, das nicht mit
ernster Absicht erzeugt wird, nicht als ein freiwilliger Beitrag für das
allgemeine Wohl betrachtet werden könnte.
DerneueKrieg ab 1. September 1939 gab den biologischen
Zielen der Partei gewaltigen Aufschwung und ließ sie erst recht
über die elementarsten Moralprinzipien hinweggehen. Seit Weih-
nachten 1939 begannen nationalsozialistische Partei und Staat mit
einer systematischen Propaganda:
„Mehr Kinder, um jeden Preis, wenn's nottut, auch ohne Ehe!"
Ausgerechnet in seiner Weihnachtsnummer 1939 veröffentlichte der
„Völkische Beoboachter" in großen, dicken Lettern zwei Briefe unter
dem Titel: , .Rudolf Heß und eine unverheiratete Mutte r".
Der erste Brief ist der eiiies Mädchens, das ein Kind erwartet von Ihrem
Verlobten, der in Polen gefallen ist, und in ihrer Not 'Hilfe beim Stell-
vertreter des Führers sucht. Der zweite Brief ist die Antwort des
Reichsministers Heß an diese Mutter. Er drückt seine Bereitwilligkeit
aus, als Pate für Mutter und Kind zu sorgen. Mutter und Kind würden
durch die Partei genau so behandelt, als wenn die Heirat schon vorher
geschlossen worden wäre. Eine ähnliche Vorsorge werde für alle jun-
gen Mütter gleicher Art. getroffen werden. Denn „jedes neue Leben sei
für die Nation yon größter Bedeutung, besonders in Kriegszeit, die man-
chen jungen Mann als Opfer fordere". Wenn darum junge Männer von
untadeligen rassischen und biologischen Qualitäten zu den Waffen ger
rufen würden und daheim zur Weiterleitung ihres Blutes auf kom-
mende Generationen Kinder ließen, geboren von Frauenspersonen ent-
sprechenden Alters und ähnlicher Eigenschaften, mit denen aber aus
diesem oder jenem Grunde nicht sofort eine Heirat möglich sei, so wür-
den Schritte unternommen, dieses wertvolle nationale Erbe zu bewahren.
Gegenteilige Erwägungen, die in normalen Zeiten ge-
rechtfertigt sein mögen, hätten hier zurückzutreten.
Das Gemeinwohl, das sei das Leben der Nation, habe hier den Vor-
rang vor allen Regeln, welche Menschen ersonnen hätten, vor allen
Gewohnheiten, die der Ausdruck eines anerkannten Brauches, aber
nicht der Moral selbst seien, erst recht vor allen vorgefaßten Ideen.
Der höchste Dienst, welchen eine Frau der Gemeinschaft leisten könne,
sei, beizutragen zur Erhaltung der Nation, indem sie Kindern von ras-
sisch gesundem Stamm aas Leben gebe.
Der Schriftleiter des „Völkischen Beobachters" bemerkt hiezu,
daß der Stellvertreter !des Führers der nationalsozialistischen An-
schauung würdigsten Ausdruck verliehen habe.
Ähnlich äußerte sij;h „Das Schwarze Korps" vom 1. Dezember
1939 und vom 4. und 5{ Januar 1940.
Inzwischen war aufh etwas in die Öffentlichkeit gedrungen von
einem Geheimerlaß dejs Reichsführers SS an die gesamte SS und
Polizei.
79
(Der Erlaß war so geheim gehalten, daß der Münchener Stadtpfarrer
Paul Meisel ins Gefängnis und Kz gesteckt wurde, weil er nicht preis-
geben wollte, woher er Kenntnis von dieser Verordnung erhalten hatte.)
Die Kundgebung lautete:
Der Reichsführer SS und Berlin, den 28. Oktober 1939.
Chef der Deutschen Polizei
im Reichsministerium des Innern,
SS-Befehl
für die gesamte SS und Polizei
Jeder Krieg ist ein Aderlaß besten Blutes. Mancher Sieg der Waffen
war für ein Volk zugleich eine vernichtende Niederlage seiner Lebens-
kraft und seines Blutes. Hierbei ist der leider notwendige Tod der
besten Männer, so bedauernswert er ist, noch nicht das Schlimmste. Viel
schlimmer ist das Fehlen der während des Krieges von den Lebenden
und der nach dem Krieg von den Toten nicht gezeugten Kinder.
Die alte Weisheit, daß nur der ruhig sterben kann, der Söhne und
Kinder hat, muß in diesem Kriege für die Schutzstaffel wieder zur
Wahrheit werden. Ruhig kann der sterben, der weiß, daß seine Sippe,
daß all das, was seine Ahnen und er selbst gewollt und erstrebt haben,
in den Kindern seine Fortsetzung findet. Das größte Geschenk für die
Witwe eines Gefallenen ist immer das Kind des Mannes, den sie ge-
liebt hat.
Über die Grenzen vielleicht sonst notwendiger
bürgerlicher Gesetze und Gewohnheiten hinaus wird
es auch außerhalb der Ehe für deutsche Frauen und Mädel
guten Blutes eine hohe Aufgabe sein können, nicht aus Leichtsinn,
sondern in tiefstem sittlichem Ernst Mütter der Kinder ins Feld ziehen-
der Soldaten zu werden, von denen das Schicksal allein das weiß, ob sie
heimkehren oder für Deutschland fallen.
Auch für die Männer und Frauen, deren Platz durch den Befehl des
Staates in der Heimat ist, gilt gerade in dieser Zeit die heilige Ver-
pflichtung, wiederum Väter und Mütter von Kindern zu werden.
Niemals wollen wir vergessen, daß der Sieg des Schwertes und das
vergossene Blut unserer Soldaten ohne Sinn wären, wenn nicht der Sieg
des Kindes und das Besiedeln des neuen Bodens folgen werden.
Im vergangenen Krieg hat mancher Soldat aus Verantwortungs-
bewußtsein um seine Frau, wenn sie wieder ein Kind mehr hatte, nicht
nach seinem Tod in Sorgen und Not zurücklassen zu müssen, sich ent-
schlossen, während des Krieges keine weiteren Kinder zu erzeugen.
Diese Bedenken und Besorgnisse braucht ihr SS-Männer nicht zu haben.
Sie sind durch folgende Regelung beseitigt:
1. Für alle ehelichen und unehelichen Kinder guten Blutes,
deren Väter im Kriege gefallen sind, übernehmen besondere, von mir
persönlich Beauftragte im Namen des Reichs^ihrers SS die Vormund-
schaft. Wir steilen uns zu diesen Müttern und werden menschlich die
Erziehung und materiell die Sorge für das droßwerden dieser Kinder
bis zu ihrer Volljährigkeit übernehmen, so daß keine Mutter und Witwe
aus Not Kümmernisse haben muß.
2. Für alle während des Krieges erzeugten Kinder ehelicher und
unehelicher Art wird die Schutzstaffel während des Krieges für
die werdenden Mütter und für die Kinder, vfenn Not und Bedrängnis
vorhanden ist, sorgen. Nach dem Kriege wird die Schutzstaffel, wenn
die Väter zurückkehren, auf begründeten Ar,trag des einzelnen wirt-
schaftlich zusätzliche Hilfe in großzügiger Foim gewähren.
SS-Männer und ihr Mütter dieser von Deutschland
erhofftenKinder, zeigt, daß ihr im Glauben an den Führer und
80
im Willen zum ewigen Leben unseres Blutes und Volkes
ebenso tapfer, wie ihr für Deutschland zu kämpfen und sterben versteht,
das Leben für Deutschland weiterzugeben willens seid.
Der Reichsführer SS
gez. H. Himmler.
Es ist klar, wo solche Moralbegriffe herrschten, war kein Platz
für katholische Eheauffassung und Ehepraxis. Da war die Ehe kein
Sakrament, sondern nur ein rein bürgerlich-rechtlicher Akt; da war
die kirchliche Trauung etwas Überflüssiges, etwas Uner-
wünschtes. Darum mußte auch jeder SS-Mann Farbe bekennen:
Bei dem Einholen der Eheerlaubnis auch ausdrücklich die Frage
beantworten, ob er sich kirchlich trauenlas.sen wolle.
Je höher der Rang eines SS-Mannes oder Parteiangehörigen, desto
mehr wurde ihm kirchliche Trauung verübelt.
Der Treuhänder der Arbeit in Bayern, Kurt Frey, wurde im
Jahre 1941 mehrere Wochen lang eingesperrt, weil er ohne ausdrückliche
Erlaubnis der Partei sich hatte kirchlich trauen lassen, ebenso Dom-
vikar Josef Thalhamer- München, weil er diese Trauung vor-
genommen hatte. Verfasser wurde von der Gestapo- Berlin lange mit der
Frage bedrängt, welche kirchliche Trauungen von „Parteibonzen" und
höheren SS-Leuten in der Erzdiözese München stattg(^funden hätten und
wer diese vollzogen hätte. Als er eine Aussage hierüber entschieden
verweigerte, wurde gedroht: „Wenn Sie das nicht sagen, kommen Sie
überhaupt nicht mehr aus dem Gefängnis heraus", worauf die Antwort
natürlich nur lauten konnte: „Gut, dann muß ich' eben herinnen bleiben."
Das „Amtsgeheimnis" wollte man ja kirchlichen Personen überhaupt
nicht mehr zugestehen, wie nachfolgende Presse- Veröffentlichung vom
14. Dezember 1938 zeigt:
Berlin, 14. Dezember 1938.
Kirchlichen Amtspersonen ist bisher von ihren Kirchenbehörden
ein Schweigeversprechen auch für den Fall einer Vernehmung vor welt-
lichen Gerichten abgenommen worden. Reichskirchenminister Kerrl hat
nun verfügt, daß gegen die Abnahme eines solchen Versprechens we-
gen Begünstigung vorgegangen werden soll. Es soll damit einer
Verschleierung der Wahrheit in Strafverfahren entgegengearbeitet
werden.
„Münchener Neueste Nachrichten" vom 15. Dezember 1938.
(Dabei bestand für Partei-Amtswalter ein gleiches „Amtsgeheimhis-
gebot", auch für gerichtliche Vernehmung.)
Schlimmer noch erging es einzelnen katholischen Geistlichen,
wenn sie pflichtgemäß und in rein seelsorglicher Absicht auf
kirchlicheEhebestimmungen aufmerksam machten, z. B.
vor Ehen mit Geschiedenen warnten oder bei Erteilung von Sterbe-
sakramenten forderten, daß vorher die ungültige Ehe getrennt
würde. Dagegen wetterte „Das Schwarze Korps" wiederholt in
schärfster Weise, z. B. am 30, Juni 1938, dann wieder am 2. Februar
1939, und 14 Tage später neuerdings unter Nennung eines Augs-
burger Pfarrers als eines „Beispiels solcher Seelenmasseure und
Engelfabrikanten" und mit der Forderung „strenger Bestrafung".
81
Tragisch, geradezu zu doppeltem Martyrium führend, war der
Fall des Pfarrers Neururer von Götzens (Tirol):
Pfarrer Neururer hatte einem Fräulein seiner Pfarrei, das einen
geschiedenen Mann heiraten wollte, als Seelsorger Aufklärung dar-,
über gegeben, daß eine solche Ehe nach katholischem Recht nicht.
möglich sei. Der geschiedene Mann war aber ein Freund von Gau-
leiter Hofer in Innsbruck und teilte diesem mit, daß ob dieser
Warnung des Pfarrers Neururer seine geplante Heirat nicht zu-
stande komme. Daraufhin wurde Pfarrer Neururer verhaftet, später
nach Dachau und zuletzt nach Buchenwald gebracht. Dort endete
sein Leben sehr rasch auf unerklärliche Weise; er wurde eben
„liquidiert". Seine Leiche wurde verbrannt und die Asche in seine
Heimat geschickt. Seitehs der kirchlichen Stellen wurde von der
Gestapo die Erlaubnis zur Beisetzung der Asche in der Kirche
erwirkt.
Die Todesanzeige wurde im Benehmen mit dem Generalvikar
und Provikar, Prälat Dr. Karl Lambert von Innsbruck (geb.
9. L 94 in Göfis, Vorarlberg), gefertigt und hatte folgenden Wortlaut:
Todesanzeige
Gott hat unsern innigstgeliebten Seelsorger
H.H. Pfarrer Otto Neururer
nach großem Leid heimgeholt in seine Liebe. Er starb am 30. Mai 1940,
fern seiner Seelsorgegemeinde, in Weimar-Buchenwalde. Wir kannten
Herrn Pfarrer Neururer als einen Mann vorbildlicher Pflichterfüllung
und ganzer Hingabe an seine Seelsorgeaufgabe. Sein Leben unter , uns
und sein Sterben werden, wir nie vergessen. Die Beisetzung des lieben
Toten wird später bekanntgegeben.
Hievon gibt in tiefer Trauer Kenntnis
Die Pfarrgemeinde.
Götzens am 3L Mai 1940
bei Innsbruck
Dieser Text wurde durch den Faktor der Buchdruckerei der
Gestapo vorgezeigt. Der Gestapobeamte äußerte: „Wir sind doch
kein Leichenbestattungsinstitut. Das geht uns nichts an." Er be-
haupete später, die Todesanzeige nicht gelesen zu haben. Nach Aus-
sage des Faktors hat er sie aber gelesen.
Bald nach der Beisetzung der Asche wurde Prälat Lambert im
Auftrag des Gauleiters verhaftet mit dem Bedeuten, daß er zu-
nächst auf sechs Wochen in der Haft behalten und dann dem Land-
gericht wegen „Aufwiegelung der Bevölkerung durch die Todes-
anzeige" übergeben würde. Beanstandet wurde dem Vernehmen
nach vor allem die Stelle: „Nach großem Leide", sodann die Angabe
„Buchenwalde", endlich die Bemerkung: „Sein Sterben werden wir
nie vergessen".
In Wirklichkeit wollte man, wie der stellvertretende Gauleiter
von Tirol einmal offen bekannte, in ihm den anderen (den H. Bischof)
treffen, an den selbst man nicht herankönne, solange noch der
82
Befehl des Führers in Kraft sei, daß Bischöfe nur auf seine be-
sondere Anordnung „gepackt" werden dürften.
Am 20. August teilte Gauleiter Hofer dem Propst Wein-
g artner von Innsbruck mit, daß Prälat Lambert auf Anordnung
des Reichsführers SS in den nächsten Tagen in ein Konzentrations-
lager kommen werde. Er wurde dann zunächst ins Kz. Sachsen-
hausen-Oranienburg gebracht, und zwar in die Strafkom-
panie, später ins Kz. Dachau. Am 1. August 1941 freigelassen,
wurde er nach Mecklenburg verbannt, am 4. Februar 1943 neuer-
dings verhaftet, weil er sich von einem Lockspitzel, Ingenieur
Hagen, von deutschen , Geheimwaffen hätte erzählen lassen zu
dem Zwecke, davon den Feind zu verständigen. Am 20. Dezember
1943 wurde Lambert vom Reichskriegsg?richt wegen „Wehrmachts-
zersetzung, Feindbegünstigung, Abhören von Feindsendern" zum
Tod verurteilt, am 8. September 1944 neuerdings in ganz geheimer
Verhandlung wegen „versuchten Landesverrats durch Spionage".
Am 13. November 1944 wurde er dann in Halle hingerichtet.
Welche Scheingründe für diesen Justizmord auch vorgetäuscht
wurden (der Vorsitzende des 1. Gerichtes zog es darum vor, am Tag
vor der Verhandlung Selbstmord zu begehen), derwahreGrund
warLamberts aufrechte Haltung gegen den Natio-
nalsozialismus und seine Treue zum Bischof, ge-
nau so wieNeürurers Tod ein Opfer der Berufs-
treue und der Seielsorgepflicht war.
Ähnlich erging es Pfarrer GeorgHäfner, Pfarrer von Ober-
schwarzach, Diözese Würzburg. Als der Förster von Oberschwarzach,
der in kirchlich ungültiger Ehe lebte, versehen wurde, verlangte
der Pfarrer die vorgeschriebene Erklärung. — Bei der Beerdigung,
an der auch viele Parteiinstanzen teilnahmen, wurde diese Er-
klärung vorgelesen. Seitdem wurde der Pfarrer verfolgt. Er war
zuerst vier Monate im Gefängnis, dann 13 Monate in Dachau. Er
wurde dort mehrmals blutig geschlagen. Am 20. August 1942 starb
er aus Hunger und Herzeleid. Sein Vater und ein Domkapitular
durften nach langen Bemühungen den Leichnam sehen. Ihr Antrag,
den Leichnam zur Beerdigung mit nach Würzburg zu nehmen,
wurde abgelehnt mit der Begründung, daß er verbrannt werden
müsse,- Die Aschenüberreste wurden fünf Wochen später in Würz-
burg feierlich beigesetzt. Der Bischof von Würzburg mit dem Dom-
kapitel und 140 Priestern sowie viele Angehörige der Pfarrei
Oberschwarzach nahmen an der Beerdigung teil.
Behinderung der Seelsorge in Gefängnissen, an
Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitern.
Außer Fesseln bei der Sakramentenspendung wurde von selten
der Nationalsozialisten auch die Seelsorge überhaupt durch
mancherlei Beschränkungen und Behinderungen eingeengt.
83
In den Gefängnissen der Gestapo, in den Polizeigefäng-
nissen und Konzentrationslagern wurde trotz aller mög-
lichen oberhirtlichen Eingaben und Vorschläge keine Seelsorge zu-
gelassen, nicht einmal für Sterbefälle.
Die Seelsorge an den Kriegsgefangenen wurde
sehr erschwert; z. B. durften nur Militärgeistliche ihre Beicht ab-
nehmen.
Erst recht wurde die Seelsorge an den Millionen von
ausländischen Arbeitern mit Verboten und Einschrän-
kungen belegt. Die Polen z. B. durften nicht dem allgemeinen
Gottesdienst beiwohnen; auf jeden Fall mußten sie einen geson-
derten Platz, getrennt von den Deutschen, haben. Ein Sondergottes-
dienst durfte ihnen bloß einmal im Monat gehalten werden. Die
Abnahme der Beicht durfte nicht in polnischer Sprache geschehen,
mußte entweder mit Hilfe des kirchlicherseits herausgegebenen
viersprachigen Beichtspiegels gemacht oder durch die General-
absolution ersetzt werden. Ausgenommen war von diesem Verbot
nur der Sterbefall.
Unbarmherzig auch gegen Fel.dzugsoldaten und
Flüchtlinge!
Ganz unbegreiflich und ungerecht war die behördliche Unter-
bindung der Seelsorge d'es Pfarrklerus an den im Felde
befindlichenPfarrkindern, ebenso an den Flücht-
lingen der eigenen Pfarreien — ein trauriges Zeugnis der geist-
lichen Knechtung, die nicht einmal Rücksicht auf kämpfende und
notleidende Volksgenossen nahm, ihnen herzlos den ersehnten Trost
der Heimat versagte. Der Reichsminister für die kirchlichen An-
gelegenheiten und das Oberkommando der Wehrmacht reichten sich
die Hand zu solcher ,, Heldentat". Ihre erste diesbezügliche Verlaut-
barung war:
Der Reichsminister für die Berlin, 27. Oktober 1939
kirchlichen Angelegenheiten I 24190/39 II
1. An die Evangelischen Landeskirchen
2. An die Herren Erzbischöfe und Bischöfe
Betrifft: Sammlung von Feldpostanschriften und Versendung religiösen
Schrifttums dch. Pfarrämter u. andere kirchliche Stellen
1. '
Im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht weise
ich darauf hin, daß die Sammlung von Feldpostanschriften
zum Zwecke der Versendung religiöse^ Schrifttums aus A b -
wehrgründen unter allen Umständen unterbleiben
muß.
2.
Im übrigen muß ich von allen Kirchenbehörden und sonstigen kirch-
lichen Stellen erwarten, daß sie nur solches religiöse Schrifttum ver-
senden oder durch ihre örtlichen kirchlichen Stellen versenden lassen,
84
das gemäß der zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht einerseits
und dem Evangelischen Preßverband Berlin-Steglitz, Beymestr. 8 bzw.
der katholischen Kriegshilfssteile, Abteilung, Schrifttum, Berlin C 2,
Oranienbui'gerstraße 12, andererseits getroffenen Regelung geprüft
undfür geeignet befunden ist. Es genügt nicht, daß die Listen
des so geprüften Schrifttums den Pfarrämtern nur als „Anregung"
übersandt werden (vgl. Ges.Bl.d.Dt.Ev.Kirche 1939 S. 114). Die Geistlichen
und anderen nachgeordneten kirchlichen Stellen müssen verpflich-
tet werden, nur dieses vorgeprüfte Schrifttum an die Soldaten zu ver-
senden. Religiöse Schriften, die von den Pfarrämtern oder anderen
kirchlichen Stellen für geeignet zur Versendung an Soldaten gehalten
werden, aber noch nicht auf der Liste stehen, sind baldmöglichst zur
Veranlassung des Prüfungsverfahrens und nachfolgender Aufnahme in
die Liste den obengenannten Stellen (Evangelischer Preßverband bzw.
Katholische Kriegshilfsstelle) einzureichen.
gez. Kerrl.
Einige Tage vorher hatte der Reichsverteidigungskommissar
für Wehrbezirk VII, Staatsminister Wagner in Bayern, im gleichen
Betreff einen erweiterten Erlaß hinausgegeben, der in noch schär-
feren Worten die kartei- und listenmäßige Erfassung von
Feldpostanschriften, die Anschriften von Flücht-
lingen durch Geistliche und die organisierte Versorgung
mit Druckschriften aller Art durch Geistliche beider Kon-
fessionen und andere Personen verbot und, falls Ver-
anlassung bestehe, „strenge Kontrolle bei den in Frage stehenden
Geistlichen und Beschlagnahme sämtlicher bisher angefallener
Unterlagen vorbezeichneter Art" anordnete.
Dementsprechend waren dieserhalb schon Haussuchungen und Be-
schlagnahmen von Adressen, Feldpostschreiben und Schreibmaschine (!)
bei Kooperator Daurer von St. Rupert-München (28. 10. 39), im Jugend-
seelsorgeamt der Erzdiözese München, also im Ordinariat selbst,
noch ehe das Ordinariat Kenntnis von obigem Erlaß erhalten und dem
Klerus davon Mitteilung hatte machen können.
Nochmals verstärkte und erweiterte sich diese Schikane gegen
die Seelsorge an unteren Amtsstellen; zum Beispiel verfügte der
Landrat Landshut in Niederbayern:
Nr. 1963 Landrat Landshut Landshut, den 10. April 1940
An die Pfarrämter!
Betreff: Sammlung von Feldpostanschriften und Versendung religiösen
Schrifttums an Wehrmachtsangehörige.
Der Reichsverteidigungskommissär hat aus Gründen- der Reichs-
verteidigung, Spionageabwehr, Überbeanspruchung der Feldpost, Ver-
hütung von Mißbrauch die kartei- und listenmäßige Erfas-
sung von Feldpostanschriften sowie Anschriften von
Flüchtlingen durch Geistliche die organisierte Versorgung
mit Druckschriften aller Art durch Geistliche, konfessionelle Organisa-
tionen und andere Personen verboten. Unter dieses Verbot fällt also
auch die Herstellung und Versendung von hand- und
maschinengeschriebenen Briefen durch Geistliche an Wehr-
machtsangehörige und die Versendung der von den Feldbischöfen frei-
gegebenen Druckschriften durch Geistliche.
85
Die Verteilung religiöser Schriften an Wehrmachtsangehörige darf
nur durch Wehrmachtsgeistliche erfolgen.
Ich ersuche diese Anordnungen zur Vermeidung von Weiterungen
genau zu beachten.
gez.: Unterschrift.
Der Herr Landrat verbot also nicht mehr bloß die Versendung
von Drucksachen, sondern auch von Briefen, mochten sie
hand- oder maschinengeschrieben sein. Man wollte um jeden Preis
verhindern, daß der Pfarrer noch irgendwelchen seelsorglichen Ein-
fluß auf seine Pfarrkinder in der Ferne habe, auch nicht durch
Mittelspersonen oder Vereine.
So kriegswichtig erschien die Sache, daß der Chef des
Oberkomma ndosderWehrmacht und der Reichsminister
für die kirchlichen Angelegenheiten ein halbes Jahr später noch
einmal gemeinsam das Schwert gegen diesen „Feind" zückten und
verfügten:
Der Reichsminister für die Berlin, den 12, April 1940
kirchlichen Angelegenheiten
I 20859/40, II
An die obersten Kirchenbehörden.
Erlaß betreffend Sammlung von Feldpostanschriften.
Es besteht Veranlassung, auf den Erlaß des Reichsministers für die
kirchlichen Angelegenheiten vom 27. Oktober 1939 — I 24190/39, II --
hinzuweisen, wonach die Sammlung von Feldpostanschriften durch
Geistliche oder andere kirchliche Stellen oder konfessionelle Orga-
nisationen aus allgemeinen militärischen Gründen untersagt ist.
Die anderweitige Äußerung des Oberkommandos der Wehrmacht in
einem Einzelfall gegenüber dem Ländeskirch!enrat in München vom
18. Dezember 1939 findet damit ihre Erledigung.
Berlin, den 30. März 1940
Der Chef
des Oberkommandos der Wehrmacht
gez. Keitel.
Der Reichsminister für die
kirchlichen Angelegenheiten
gez. Kerrl.
Z 20623/40 Abschrift des vorstehenden Erlasses übersende ich zur Kennt-
nisnahme und Beachtung. Im Auftrag:
gez. Roth.
Die im Landshuter Erlaß so kräftig betonten Gründe der
„Reichsvertieidigung, Spionageabwehr, Überbeanspruchung der Feld-
post, Verhütung von Mißbrauch," ebenso die im letztgenannten
Gemeinschaftsschreiben von Keitel und Kerrl erwähnten „mili-
tärischen Gründe" waren aber kein Hindernis, daß nationalsozia-
listische Ortsgruppen und Vereinigungen unbehelligt Zehntausende
Kriegsteilnehmer „kartei- und listenmäßig erfassen," ja sogar ihre
Adressen in Vereinszeitschriften veröffentlichen konnten.
Einige Beispiele:
1. „Das Schwarze Korps" vom 21. Dezember 1939, Folge 51, Seite 11,
bringt unter dem Titel „Das feste Band" die tägliche Betreuung der
86
feldgrauen Betriebsangehörigen in Wort und Bild (ein Bild mit der
. großen Kartei der Feldpostadressen der Firma Bewag).
2. ,,Das Schwarze Korps" vom 28. Dezember 1939, Folge 52, berichtet
von 8000 Paketen an die Angehörigen der Wehrmacht aus dem SS-
Abschnitt Main.
3. Der „Völkische Beobachter", Münchener Ausgabe vom 22. Dezember
1939 bringt unter dem Titel „Musterbetrieb — auch im Kriege bei-
spielhaft" „Briefe zvvischen Front und Heimat" eine öfEentli(?he An-
erkennung für eine Münchener Fabrik, deren Betriebsobmann „Kund-
schreiben ins Feld schickt", so daß alle eingezogenen Betriebsmit-
glieder über Leben und Treiben im Betrieb regelmäßig unterrichtet
werden. „Dazu wurde eine Feldpoststelle eingerichtet, ihre Aufgabe
ist es, regelmäßig Liebesgaben an die Gefolgschaftsmitglieder zu
leisten".
4. Die Münchener Turn- und Sportvereine fordern in ihren
Organen zur Einsendung von Feldpostadressen ihrer Mitglieder auf
und bringen zum Teil in ihren Mitteilungsblättern lange Spalten der
eingesandten Feldpostadressen, z. B. „Postsportblatt, Postsportverein
München e.V." Heft 11 vom November 1939 Seite 7 veröffentlicht
gegen 50 eingesandte Adressen von Vereinsmitgliedern.
5. Im 2. Sonderdruck zur Hauptversammlung des D.A.V. in Graz aus
den Mitteilungen des Deutschen Alpen Vereins wird ver-
öffentlicht: „Die Verbindung mit den abwesenden oder im Felde
stehenden Mitgliedern ist ungemein wertvoll und wichtig und soll
mit allen Mitteln gepflegt werden (Nachsendungen der
Zweigvereinsnachrichten, Veröffentlichung von Feldpostanschriften,
Frontberichten, Auszeichnungen). Der Reichssportführer sagt: „Die
Fäden dürfen nicht abreißen".
6. Der Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf. G.m.b.H. Berlin
SW 68, versendet einen Aufruf (25. 11. 1939) des Reichsführers der
SS und Chefs der Deutschen Polizei H. Himmler zur „Patenschafts-
Bestellung" « des „Schwarzen Korps" für die Kameraden der
Front, wozu die Feldpostadressen der Kameraden eingeschickt wer-
den sollen."
7. „Nordland", das „Kampfblatt für gottgläubiges
Deutschtum" bringt seit einer Reihe von Nummern im April/Mai
1940 eine inseratmäßig aufgemachte Aufforderung von Paten-
schaften „für das Nordland" und bittet das entsprechende
Formular für die Feldpostadresse des Soldaten auszufüllen und ein-
zusenden.
8. Die H J hat einen eigenen Betreuungsdienst für die H J-Führer orga-
nisiert, indem die BDM-Mitglieder die regelmäßige Betreuung der im
Felde stehenden Kameraden freiwillig und ehrenamtlich übernahmen.
Zeigt dies zweierlei „Recht nicht das rohe Unrecht, das man
den Soldaten und Flüchtlingen tat, indem man ihnen die Ver-
bindung mit den Seelsorgern und ihren katholischen Vereinen ab-
schnitt? Lag in den berührten Erlassen höchster Stellen nicht eine
ungeheure Heuchelei und Verlogenheit und Gehässigkeit? Galten
„militärische Gründe" wirklich nur für die Geistlichen?
4. Fesseln für Jkatholische Schule und Schultätigkeit.
„Die Beibehaltung und Neueinrichtung katho«
lischerBekenntnisschulenbleibtgewährleistet,*
87
lautete Artikel 23 des am 20. Juli 1933 abgeschlossenen und am
10. September 1933 ratifizierten Reichskonkordates. Diese Garantie
entsprach einer Erklärung, welche Hitler schon zur Abstimmung
über das sogenannte Ermächtigungsgesetz gegeben hatte.
Der Kampf gegen die Bekenntnisschule.
Eineinhalb Jahre später begann aber schon der national-
sozialistische Kampf gegen die Bekenntnisschule und die Propa-
ganda für die „Gemeinschaftsschule", ein Deckmantel für die
„nationalsozialistische Zwangsschul e". Immer lau-
ter und allgemeiner wurde die Parole wiederholt, welche der Mün-
chener Stadtschulrat Bauer gegeben hatte mit den Worten: „E i n
Volk, ein Reich, ein Recht, eine Schule!" Was „Wille
und Macht", das Führerorgan der Hitlerjugend, um die Jahres-
wende 1936/37 schrieb, das war von Anfang an Richtung und Ziel
des Nationalsozialismus:
Der Kampf ist allerdings vereinfacht: nur zwei Fronten — aber
beide mit sehr klaren Erziehungszielen — stehen sich gegenüber; die
eine entschlossen, den Streit im Angriff — entsprechend ihren Grund-
sätzen -r zu entscheiden, die andere überzeugt, daß sie sich nur noch
auf die zähe Verteidigung ihrer Positionen im Rückzuggefecht einrichten
könne.
Der Nationalsozialismus sieht im Leben des einzelnen eine Ver-
pflichtung an das Gesamtvolk. Um diese jedem Glied eines Volkes auf-
erlegten Pflichten erfüllen zu können, muß der einzelne zur Erkenntnis
dieser Verpflichtung geführt werden, daß er die ihm gestellten Auf-
gaben zum Besten der Volksgemeinschaft lösen kann. Das ist Sache der
Schulerziehung.
Die Kirche sieht das irdische Leben als Vorbereiturigszeit für das
Jenseits an. Das Erziehungsziel gilt einer anderen Welt. Der primäre
Zweck der Erziehung ist also nach katholischer Auffassung die Aus-
richtung der seelischen Kräfte auf das Jenseits; dieser Vorbereitung
hat auch die Ausbildung in allen weltlichen Aufgaben z.u dienen. Auch
der Unterricht, dem die Entwicklung der intellektuellen Kräfte über-
tragen ist, hat die Voraussetzungen für das ewige Leben zu schaffen.
Durch den religiösen Erziehungszweck gerät er aber von selbst in das
Gebiet der Religion und — wie die Verhältnisse bei uns liegen — der
Konfessionen. So ergibt sich der Anspruch der Kirche, den die bayeri-
schen Bischöfe in einer Denkschrift vom Juni 1919 niedergelegt haben
(„Münchener Tagblatt" 8. Januar 1937).
Zu Beginn des Jahres 1935 trat der Nationalsozialismus zum
offenen Kampf an.
Durch ungeheure Propaganda, Verbot des katholischen Eltem-
vereinskalenders, Einschränkung der katholischen Elternvereins-
versammlung, Einschüchterung und Terrorisierung der Eltern
wurde bei der Schuleinschreibung am 13. Februar 1935 in München
erreicht, daß statt der bisherigen 84 Prozent nur 65 Prozent der
neu eintretenden Kinder für die Bekenntnisschule gemeldet und
25 Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen verwandelt wurden.
Selbst die von katholischen Ordensfrauen geleitete Schule des
Städtischen Waisenhauses wurde in eine Simultanschule verwandelt.
Soviel Gewalt und Ungerechtigkeit, soviel Beeinflussung durch
88
städtische Schulbehörden geschah, daß Kardinal Faulhaber in seiner
Papstpredigt 1935 feierlichst dagegen protestieren mußte.
Juni 1935 wurde die bisher allgemein übliche Mitwirkung und
Vertretung katholischer Geistlicher in den Schulkommissionen von
einer besonderen staatlichen Genehmigung abhängig gemacht.
Dann wurde eine eigene Kampf Organisation für die staatliche
Einheitszwangsschule gegründet, die „Deutsche Schul-
gemein d e", die sich einerseits durch keinerlei Konkordats-
verpflichtungen gebunden zu fühlen brauchte, anderseits durch Per-
sonalunion ihrer Vorstandschaft mit staatlichen oder städtischen
Schulleitern über großen Einfluß und starke Druckmittel verfügte,
so besonders ihr Leiter in München, der schon genannte Stadtschul-
rat Bauer.
Zur Schuleinschreibung 1936 trat die Deutsche Schulgemeinde
mit nachfolgendem Plakat an die Öffentlichkeit (während natürlich
den Freunden der Bekenntnisschule jede öffentliche Bekannt-
machung oder Aufklärung verboten war!).
„W arum Deutsche Gemeinschaftsschule?
weil der Zweck unseres völkischen Lebens, die Erhaltung der Nation
in ihrer Erziehung zur Gemeinschaft und zu einheitlichem Wil-
len erreicht werden kann,
weil sie die Volksgemeinschaft auch auf dem Gebiete der Erziehung
verwirklicht,
weil sie als christliche Schule den Keligionsunterricht für beide Kon-
fessionen getrennt in vollem Umfange durchführt, aber in ande-
ren Unterrichtsfächern keine Trennung nach konfessionellen
Gesichtspunkten duldet,
weil sie ein wohlgegliedertes Schulwesen ermöglicht und dadurch den
besten Erziehungs- und Unterrichtserfolg verbürgt,
weil die hohe Schülerzahl in vielen Klassen vermieden wird,
weil sie jedem Kinde den Besuch der nächstgelegenen Schule ermög-
licht,
weil der Bau neuer Schulhäuser nur für Gemeinschaftsschulen er-
folgen kann.
Darum, Deutsche Eltern,
heißt am 2. Februar 1936
das Kennwort:
,Deutsche Gemeinschaftsschule!'
Herausgeber:
Deutsche Schulgemeinde."
Hand in Hand mit dieser halbamtlichen Werbung für die
staatliche Zwangsschule ging jene durch die
Partei und ihre Gliederungen,
wie nachfolgende Dokumente zeigen:
Ortsgruppe Siegestor der NSDAP — Giselastraße 29/2
An den Hauswart Herrn
des Hauses Straße Nr
Die Ortsgruppe Siegestor der NSDAP bestätigt Sie vorerst zum
Hauswart obengenannten Hauses, Sie werden demnächst zu einer be-
89
sonderen Besprechung vom Ortsgruppenleiter aufgerufen. Was das Amt
eines Hauswartes bedeutet, wird Ihnen sicher bewußt sein. Sie arbeiten
damit für unseren Führer^ für unser Volle und für unser Vaterland.
Jeder, der in unserer herrlichen Bewegung mitarbeiten darf, hat erhöhte
Pflichten den anderen gegenüber. Sie wollen uns daher treu zur Seite
stehen.
Das beiliegende Rundschreiben wollen Sie sofort lückenlos
ausgefüllt mit der Ein topfliste zurückgeben. In dieseln Falle haben
Sie folgende Punkte genau zu beantworten:
Sie wollen bitte im ganzen Hause sämtliche Eltern erfassen,
die schulpflichtige Kinder besitzen, also solche Eltern, die Kinder bereits
in der Volksschule haben, welche im ersten bis zum letzten Schuljahr
stehen; weiter auch die Eltern, die erst im Frühjahr ein Kind in die
Schule schicken.
Heil Hitler!
gez. Mayer
Ortsgruppenleiter.
Noch deutlicher ist nachfolgendes parteiamtliche Rundschreiben:
München, Februar 1936.
National Sozialisten , und Nationalsozialistinnen !
Sie haben, ganz gleich ob Pg. oder nicht, bei dem Kampf um die
Gemeinschaftsschule durch tatkräftigen Einsatz Ihrer eigenen Person
mit zu dem schönen Erfolg beigetragen, der der Partei in dieser wich-
tigen Angelegenheit zuteil geworden, ist. Seien Sie versichert, daß die
Ortsgruppe Au-Nord auch Ihre Arbeit als die eines unbekannten Sol-
daten Adolf Hitlers dankbar anerkennt und daß wir auch fernerhin auf
Ihre Mitarbeit nicht verzichten wollen. Mit unserem Führer freudig und
opferbereit in das 4. Jahr.
Propagandaleiter: Ortsgruppenleiter:
gez. Dr. Ottmann gez. i. V, Tott
NB. Übergeben an die Blockwartinnen Anfang März.
Die Methode, nach welcher die bekannten und unbekannten
Soldaten Adolf Hitlers den gefahrlosen Kampf für die Gemein-
schaftsschule führen sollten, zeigt nachfolgende
Anvi^eisung für Blockwärterinnen:
„München, 2. Februar 1936
E = Einwände gegen die Gemeinschaftsschule. W = Widerlegung.
E. Die religiöse Erziehung ist in der Gemeinschaftsschule (G.Sch.) nicht
so gesichert, wie in der Bekenntnisschule (B.Sch.).
W. 1.) Die Zahl der Religionsstunden ist die gleiche, auch die Religions-
. lehrer sind häufig die gleichen.
2.) Es wird den katholischen Schülern in der G.Sch. genau die
gleiche Gelegenheit gegeben, an Beichte, Kommunion, Fronleich-
namsprozession, Schulgottesdienst, Abendandachten usw. teilzu-
nehmen, wie den Schülern der B.Schule.
E, Aber wir verlangen eben, daß das • ganze Leben, der ganze Unter-
richt von dem religiösen Bekenntnisgeist durchdrungen ist.
W. Das ist eine übertriebene Forderung, die die Natur des Kindes im
Volksschulalter geradezu vergewaltigt. Denn wenn man das ganze
Leben des Kindes, sein Spiel, seinen Sport, seine Kameradschaft, sein
Lernen, immer wieder mit Gott und den Heiligen, mit Himmel und
90
Hölle ausfüllen wollte, dann wächst ihnen schließlich die Religion
zum Halse hinaus oder wir beicommen scheinheilige Frömmler.
E. Aber im Geschichtsunterricht z. B. wenn die Reformationszeit durch-
genommen wird, muß der Lehrer doch zeigen, ob er mehr katholisch
denkt oder protestantisch, er muß Luther anklagen oder verteidigen.
W. Das muß er eben nicht; er kann das Leben und die Absichten
Luthers schildern, ohne ihn zu beschimpfen und er kann ebenso
seinen Gegnern gerecht werden. Aber jeder deutsche Lehrer muß
deutsche Geschichte geben, auch wenn er in einer B.Schule unter-
richtet; der nationalsozialistische Staat wird auch einem Lehrer der
B.Schule niemals gestatten, das Glaubensbekenntnis des anderen
Volksteils verächtlich zu machen.
E. Die Simultanschule ist aber doch eine Marxistenscliule?
W. Die deutsche Gemeinschaftsschule ist etwas ganz anderes als die
frühere Simultanschule.. Denn:
1.) Haben in ihr die Juden und die Anhänger der Gottlosenbewegung
keinen Platz mehr.
2.) Hat sich die Simultanschule nur deswegen manchmal zur Pro-
letarierschule heruntersetzen lassen müssen, weil im Jahre 1919
Kommunisten und Sozialdemokraten sie für sich in Anspruch ge-
nommen haben.
Deshalb haben viele Eltern, die den roten Terror satt hatten, ihre
Kinder in die B.Schule getan, um sie nicht mit der Göttlosen-
bewegung der Kommunisten in Berührung zu bringen. Diese Angst
ist aber doch heute hinfällig, nachdel-n der Punkt 24 des Partei-
programms heißt: ,Die Partei als solche vertritt den Standpunkt
eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell , an ein be-
stimmtes Bekenntnis zu binden.'
E< Durch das Konkordat ist aber doch den Katholiken das Recht zu-
gestanden worden, die Errichtung von B.Schulen zu beantragen.-
W. Das Recht schon, aber eine Verpflichtung dazu kann weder aus den
10 Geboten Gottes noch aus den 5 Geboten der Kirche hergeleitet
wcj den. Es gibt doch auch sonst Rechte, auf die man gern verzichtet,
weil sie ja gar keinen Vorteil bringen.
E. Die B.Schule bringt aber doch auch keine Nachteile mit sich!
W. Doch manche!
1.) Ist die gl^chmäßige Verteilung der Schüler auf die Schulen der
einzelnen Bezirke sehr erschwert. Wir haben z. B. Fälle erlebt, daß
in einer protestantischen B.Schule in einer Klasse nur 25 Schüler
saßen, in der benachbarten katholischen Bekenntnisschule aber
50.- Daß in einer so großen Klasse die Schüler nicht so gefördert
.werden können; wie in einer kleinen, ist doch klar. Und manches
Kind hat nur deswegen einen so weiten Schulweg, weil in seinem
Wohnviertel eben keine solche Schule ist, die die Eltern wollen.
Haben wir aber einmal eine einzige Schulart, dann kann eine voll-
kommen gleichmäßige VeVteilung erfolgen.
2.) Kann die Stadt doch auch leichter in neuen Wohnvierteln Schul-
häuser bauen, wenn sie nur eine Art zu bauen hat, nicht eine
eigene katholische und daneben eine protestantische.
3.) Eine Trennung nach Konfessionen in den Schulen hält im Volk
doch immer das Bewußtsein wach, daß es zweierlei Deutsche gibt,
und gerade am Einschreibetag wird der Gegensatz besonders le-
bendig, wenn die protestantischen Eltern eines Hauses in diese
Schule, die katholischen aber in eine andere gehen müssen, wäh-
rend sie sonst vielleicht freundschaftlich miteinander verkehren.
91
Für die Einigkeit der Volksgemeinschaft ist eine solche Betonung
der Bekenntnisverschiedenheit unbedingt ein Nachteil.
E. Aber in anderen Ländern kämpft man doch auch nicht so gegen die
B.Schulen, nur in Deutschland.
W. In anderen Ländern z. B. in Frankreich, in der Tschechoslowakei,
, sogar in Österreich kennt man B.Schulen in unserem Sinne über-
haupt nicht; dort ist die G.Sch. die {Regel. Aber auch in den aller-
meisten Ländern Deutschlands, in Baden z. B., hat man seit 50 Jahren
die G.Sch., obwohl dort das Zentrum doch lange Zeit die Herrschaft
hatte. Die geistliche Obrigkeit legt dort den Katholiken nicht die
geringsten Schwierigkeiten in den Weg, wenn sie ihre Kinder in
diese G.Schule schicken. Der Kampf bei der Einschreibung jedes
Jahr ist eigentlich nur mehr in München und Nürnberg. Und wenn
in allen höheren Schulen und in allen Fortbildungsschulen auch hier
in München Katholiken und Protestanten nebeneinandersitzen kön-
nen, ohne daß ihre Religion Schaden leidet, dann besteht diese Ge-
fahr doch erst recht nicht bei den noch jüngeren Volksschülern, bei
denen das religiöse Bewußtsein überhaupt noch gar nicht so ent-
wickelt ist.
E. Wenn wir aber unsere Kinder jetzt auf die G.Sch. überschreiben
lassen, dann müssen sie vielleicht in eine andere Schule und be-
kommen einen anderen Lehrer.
W. Diese Sorge hatten voriges Jahr auch viele Eltern, aber sie war voll-
kommen unbegründet, wie die Eltern, die ihre Kinder für die G.Sch.
einschreiben ließen, ja erfahren haben. Ihre Kinder behielten, ab-
. gesehen von einigen selbstgewoUten Ausnahmen, die gleiche Schule
und den gleichen Lehrer. Gerade wenn die Münchener Eltern ge-
schlossen für die G.Sch. stimmen würden, dann könnten am leichte-
sten große Umwälzungen vermieden werden, nur in den Fällen, wo
weite Schulwege oder eine Überfüllung von Klassen eine Änderung
notwendig machen würden, käme ein Schul- oder Lehrerwechsel in
Betracht. Aber das wäre ja auch den Kindern selbst zum Vorteil."
An' die Seite der Blockwärterinnen stellten sich im, Kampf
gegen die Bekenntnisschule noch die Amazonen der
NS-Frauenschaft.
Sie verfaßten und verteilten folgendes Flugblatt (während den
Verteidigern der Bekenntnisschule jedes Flugblatt verboten war):
NS Frauenschaft
Kreis München München, Prannerstraße 3/3
27. Januar 1936
„Deutsche Mutter!
Am nächsten Sonntag, 8 vormittag bis 12 mittag, findet in sämtlichen
Münchener Volksschulen die
Ein- und Umschreibung
der schulpflichtigen Kinder statt.
Du weißt, wie bedeutungsvoll dieser Tag im Leben Deines Kindes ist.
An diesem Tag gibst Du Dein Kind aus Deiner Obhut in die Erziehung
der Schule; an diesem Tag gibst Du aber auch für Dein Kind, das be-
reits zur Schule geht, der Schule Anweisung, in welchem Sinn es er-
zogen werden soll. Du entscheidest am Sonntag, ob Dein Kind
im konfessionellen Streit oder im Sinne der Volks-
gemeinschaft aufwachsen soll. Entscheide für Dein Kind! Laß
es nicht abseitsstehen, sondern gib es der deutschen Volksgemeinschaft,
92
In der es ja einmal arbeiten uhcl leben soll. Die Schule der Völks-
gemeinscVjaft ist
die Deutsehe Gemeinschaftsschule.
Die Deutsche Gemeinschaftsschule will, daß in der Schule den Kindern
keine konfessionellen Trennungsmauern aufgerichtet werden. Die
Deutsche Gemeinschaftsschule will die Jungen und Mädel christlich —
gut katholisch und gut evangelisch — erziehen.
Die Deutsche Gemeinschaftsschule will die Jungen und Mädel außer in
den Religionsfächern gemeinsam im deutschen Sinn unterrichten.
Das willst Du doch auch, deutsche Mutter! Und das wollen wir alle!
Deshalb schreibe am Sonntag in der für Dein Kind zuständigen Schule
Deine Jungen und Mädel ein in die Deutsche Gemeinschaftsschule!
Heil Hitler!
gez. Luise Rommelt."
„Jugend muß durch Jugend geführt werden", hieß ein oft ver-
kündeter Grundsatz des Nationalsozialismus. Dementsprechend
glaubte auch schon die H J zur Entscheidung über die Art der
Volksschule in Deutschland mit antreten zu müssen. Sie verteilte
in München auch massenhaft ein Flugblatt.
Die Jugend belehrte die Eltern.
Aufruf!
„Der Religionsunterricht wird an den
Gemeinschaftsschulen ebenso gesichert sein
wie an den Konfessionsschulen!"
Das Jahr 1933 war der Anfang zur Verwirklichung des Gedankens
der deutschen Volksgemeinschaft. Es gibt keine Standesunterschiede
mehr — es gibt nur noch Deutsche, zusammengeschworen gegen
alle bedrohende Not! Arbeiter der Stirne und der Faust am Aufbau
des Reiches!
Das Jahr 1936 muß die geschlossene Gemeinschaft der deutschen
Jugend bringen. Die Hitlerjugend lehnt es ab, in Konfessionen und
Konfessionsschulen geteilt zu sein. Sie redet in ihren Reihen nicht von
Religion — das ist Privatsache jedes einzelnen — sie will nicht nur
katholisch oder nur protestantisch sein, sie ist das
Junge Deutschland!
in dessen Reihen jeder marschiert, der den religiösen Glauben des ande-
ren kritiklos respektiert.
So wie der Nationalsozialistische Staat beiden Konfessionen seinen
Schutz angedeihen läßt, so wird die Jugend dieses Staates beide Kon-
fessionen als einzigartige Gemeinschaft in ihren Reihen haben.
Weil wir nun nicht getrennt sein wollen in Katholiken und Prote-
stanten, fordern wir für uns auch die Gemeinschaft an den Schulen!
Wir wollen die
Gemeinschaftsschule,
in der alle zusammenhelfen am Aufbau des Vaterlandes, das uns allen
Brot gibt, das dem Volk gibt, was des Volkes ist, und Gott, was Gottes ist!
Es lebe der Führer und sein Einigungswerk!
Der Führer des Standortes München Der Führer des Jungbannes 1 1
gez. W. Fahrmeier gez. Fritz Steves
93
Noch verwunderlicher als diese Anmaßung der HJ
ist die Einmischung einer für ganz andere Zwecke gegründeten,
angeblich neutralen Organisation, wie des
Reichsluftschutzbundes.
Sein Eintreten für die NS-Zwangsschule deutet nachfolgender
Briefwechsel an:
„München, 11. Februar 1936
Ich hielt den Reichsluftschutzbund für einen jenseits aller welt-
anschaulich-religiösen Fragen stehenden Verein. Das war ein Irrtum.
Das entschiedene Eintreten des Vereins für die Gemeinschaftsschule
widerspricht meiner innersten religiösen Überzeugung. Darum erachte
ich es für ejine Pflicht des Gewissens wie für eine Forderung deutscher
Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, liiemit meinen Austritt aus dem Reichs-
luftschutzbund zu erklären.
Mit deutschem Gruß!
J. Heinzinger."
Die Antwort hierauf lautete:
Reichsluftschutzbund Hauptstadt der Bewegung, den 14. 2. 1936
Landesgruppe Bayern Gr. 1, Abt. I
Bezirksgruppe München Zi/A.
Herrn
Heinzinger
Oberstudienrat i. R.
München
Säbenersti*. 75 .
Die Bezirksgruppe München hat mit größtem Erstaunen von Ihrem
Schreiben vom 11. 2. 1936 Kenntnis genommen.
Es dürfte Ihnen wohl entgangen sein, daß wir seit dein Jahre 1933
in einer anderen Zeit leben, in der das Wort politische Betätigtmg nicht
mehr existiert. Wenn sich der. Reichsluftschutzbund in der Hauptstadt der
Bewegung für eine Aufgabe der Deutschen Jugend, nämlich der Ge-
meinschaftsschule eingesetzt hat, dann deswegen, weil der Gauleiter
und nicht zuletzt der Führer die Genehmigung für den Aufbau der
Gemeinschaftsschule gegeben hat. Es dürfte Ihnen auch nicht unbekannt
sein, daß der Nationalsozialismus auf dem Boden des positiven Christen-
tums steht, so daß durch die Gemeinschaftsschule Ihre religiöse Über-
zeugung oder Ihr Gewissen als Mitglied des Reichsluftschutzbundes nicht
Schaden leiden kann.
• Die Bezirksgruppe erwartet von Ihnen, daß Sie Ihren Austritt aus
dem RLB zurückziehen. Unter Umständen müßte die Bezirksgruppe
München Ihr Sclireiben zur weiteren Veranlassung an die Gauleitung
München-Oberbayeni weiterreichen.
Heü Hitler!
gez. Unterschrift
Adjutant.
Im letzten Satz verschmäht man es also nicht, deutlich mit
Denunziation zu drohen.
Aber nochmals müssen wir weiterfahren: „Noch verwun-
derlicher" als diese Einmischung des Reichsluftschutzbundes in
den Schulkampf ist die Beteiligung einer amtlichen Stelle und
Zwangsorganisation wie der
Ortskrankenkasse München.
94
Sie sandte all
Fragebogen.
ihren Angestellten nachfolgendes Schreiben mit
Anlage 4 zu Rundschr. 32 Betr.: Rundfrage über Zugehörigkeit
zur Staats Jugend und Besuch
der Konfessionsschule,
An alle Berufskameraden
der Allgemeinen Ortskrankenkasse München (Stadt)
Wie uns die NSDAP, Amt für Beamte, Gau München-Oberbayern,
mitteilt,, ist bis spätestens 27. Mai 1936 von allen RDB-Mitghedern
(RDB = Reichsbund Deutscher Beamten) anzugeben, wieviel Kinder sie
besitzen und ob diese bei der HJ bzw. BDM sind und ferner, ob diese
die Gemeinschaftsschule oder Konfessionsschule besuchen.
Nachstehender Fragebogen ist umgehend auszufüllen und an den Ver-
teiler zurückzugeben.
München, den 25. Mai 1936
Heil Hitler!
gez. Ernst Will,
Hauptvertrauensmann
Fragebogen
Vorname
geboren:
SA:
SS;
Alter: HJ:
BDM:
Konfessions-
GemeinschaftS'
schule
schule
Für die Richtigkeit:
gez. Fix, Vertrauensmann
Name
Dienststellung:
Parteimitgliednummer:
RDB Mitgliednummer:
Kinder: Vorname:
Auch das Polizeipräsidium München glaubte ein-
seitig in den Schulkampf eingreifen zu müssen, als die katholischen
Pfarrer Münchens den katholischen Eltern ihrer Pfarrei einen
eigenhändig unterschriebenen und gesiegelten, geschlossenen und
adressierten, also gar nicht flugblattartigen „Seelsorgsbrief" in die
Wohnung zustellen ließen.
Am 27. Januar 1937, abends ca. 6 Uhr, kamen daraufhin zwei
Beamte des Polizeipräsidiums München in das Erzbischöfliche
Ordinariat München und forderten:
1. Auskunft über ein ;,Flugblatt", das vom Erzbischöflichen Ordi-
nariat hergestellt und zu den Pfarrern gebracht worden sein soll.
2. Aushändigung eines solchen „Flugblattes".
3. Sofortige Weisung an die Pfarrer, die Verteilung dieses „Flug-
blattes" einzustellen.
Es wurde ihnen erklärt:
a) Es handelt sich nicht um ein Flugblatt, sondern um einen
Seelsorgerbrief, der im Auftrag des Erzbischöflichen Ordi-
nariates hergestellt wurde und von den Pfarrämtern unter-
schrieben und gesiegelt, in verschlossenen unc
95
adressierten Kuverts an bestimmte katholische An-
gehörige ihrer Pfarrei ausgetragen oder versendet wird. Hiefür
wird unbedingt der Schutz von Art. 4 des RK in Anspruch ge-
nommen. Darum braucht dieser Seelsorgerbrief nicht der Polizei
vorgelegt zu werden und kann nicht von ihr verboten werden
und kann ihr auch jetzt kein Exemplar ausgehändigt werden:
Es gibt keine Vcrzensurfür Ordinariatserlasse
in Sachen des Hirtenamtes. Herr Generalvikar über-
nimmt die volle Verantwortung für diese Seelsorgerbriefe.
b) Die Zumutung, eine Weisung an die Pfarrer zu geben, die
Weitervei'teilung dieses Seelsorgerbriefes einzustellen, wird zu-
rückgewiesen. Bei der Verhinderung jeder sonstigen Auf-
klärung über die Bekenntnisschule und bei der weitestgehenden
Werbung der amtlichen Stelle für die Gemeinschaftsschule kann
auf dieses konkordatmäßige Recht nicht verzichtet werden.
c) Im Falle einer Verletzung dieses Konkordatrechtes wird man
sich an den Führer. und Reichskanzler sowie an den H. H, Apo-
stolischen Nuntius wenden.
Daraufhin wagte sich die Polizei doch nicht weiter vor.
JedesMitteierlaubt!
In der Elternversammlung der Blumenschule am 23. Januar 1937
war von; dem Redner Schweinsdorf erklärt worden: „Für die
Werbung zur Gemeinschaftsschule ist mit Rücksicht
auf die Wichtigli^eit der Volksgemeinschaft jedesMittel erlaubt."
Ein Beispiel für die Skrupellos igkeit dieser Werbung zeigt
nachfolgende Mitteilung des Erzbischöflichen Ordinariats München
vom 10. Juni 1937 an alle Seelsorgestellen der Erzdiözese:
„Betreff. Werbung der deutschen Schulgemeinde
für die Gemeinschaftsschule
Heute, den 10. Juni 193 7, erfahren wir von zuverlässiger Seite
nachfolgendes:
Am nächsten Freitag, den ll.ds. Mts., soll an allen Orten für die
Gemeinschaftsschule geworben werden. Als Plal^at für diese Versamm-
lungen soll dienen ein ,f lammender Protest gegen die Bom-
bardierung des Schiffes „Deutschland" durch dieBol-
schewisten in Spanien.' Nach kurzem Protest in der Versamm-
lung soll dann zum Thema Kirche übergeleitet werden (,Poli tischer
Katholizismus', ,Ultramontan' und ähnliche Schlagwörter!). Wenn dann
die Masse etwas eingestimmt ist, soll der Redner an die Versammlung
Fragen stellen,. zu deren Beantwortung Leute bzw. ein Chor recht-
zeitig aufgestellt werden soll. Unter anderem sollen folgende
FraT;en gestellt werden: *
1. Wer hat den Staat gerettet? — Die bestellten Leute sollen
rufen: Adolf Hitler.
2. Wer sabotiert dauernd die Aufbauarbeit des Führers? — Ant-
wort der Bestellten: Die Kirche.
3. Wer soll in Zukunft die Jugend führen? — Antwort: Nur noch
Staat und Partei.
96
4, Wollt Ihr Eure Kinder in die deutsche Volksschule schicken?
(Das Wort .Gemeinschaftsschule' ist nicht zu gebrauchen!) Antwort:
Ja! (Diese Antwort soll als Zustimmung für die Gemeinschaftsschule
gelten).
5. Wollt Ihr mit uns an der deutschen Volksschule den Religions-
unterricht beibehalten? — Antwort: Ja!
Anschließend sollen Werbezettel der Deutschen 'Schulgemeinde ver-
teilt werden. Eltern, die sich weigern, zu unterschreiben, müssen zu
Hause aufgesucht und es muß ihnen eindeutig zu erkennen gegeben
werden, daß das Nichtunterschreiben Ausschluß aus den Formationen
bedeutet ..." ,
Wäre es nicht um eine so ernste Sache gegangen und wäre es
nicht eine Schande gewesen für deutsche Bürger, sich so am natio-
nalsozialistischen Gängelband führen zu lassen, so müßte man heute
noch über dieses Komödienspiel lachen. Aber es war eher zum
Weinen, ein Schwindel vom Anfang bis zum Ende.
Auch die Lehrer müssen für die Gemeinschafts-
schule we rben.
Der Leiter der Deutschen Schulgemeinde, Stadtschulrat Bauer,
ließ (natürlich nicht „amtlich!") Schulleitern einen Aufruf auf den
Katheder legen, der u. a. sagte:
„In den vergangenen Wochen wurden über die Ziele der deutschen
Schulgemeinde Unwahrheiten verbreitet, die eine Irreführung der öffent-
lichen Meinung bedeuten. So ist es unwahr, daß die Schulgemeinde die
Religion beseitigen oder eine Gottlosenschule einführen will. Sie will
auch keine andere Religion schaffen.
. . . Wir haben die Kirche vor dem Bolschewismus und die Schule
vor Gottlosigkeit bewahrt. Wir werden immer dafür eintreten, daß der
Religionsunterricht in. der gleichen Stundenzahl von den Religions-
lehrern erteilt wird.
Die Schulform in den Landschulen zu ändern ist nicht Sache der
Schulgemeinde, Jenen unverantwortlichen Elementen, welche Lügen
'über die Deutsche Schulgeraeinde verbreiten, geht es auch scheinbar gar
nicht um die Religion. Sie wollen nur Unruhe und Gewissenskonflikte
in die Elternschaft hineintragen und die vom Führer erkämpfte Volks-
gemeinschaft zerstören.
Die oberbayerischen Eltern werden ihnen damit die richtige Antwort
geben, daß sie sich geschlossen zur Schulgemeinde ihrer Kinder be-
kennen und in dieser Erziehungsgemeinschaft mitarbeiten für die Jugend,
welche dereinst das Werk des Führers vollenden soll. In einem einigen,
starken, freien und na.tionalsozialistischen Deutschland!
Heil Hitler!
München, den 4. 7. 1936
Der Leiter
der Deutschen Schulgemeinde
München und Oberbayern
I gez. Josef Bauer
Stadtschulrat."
Neue Tricks! Abstimmungsschwindel!
•Trotz all dieser hemmungslosen Propaganda für die „Deutsche
Gemeinschaftsschule", trotz der Knechtung aller außerkirchlichen
Kreuz und Hakenkreuz 7 97
Werbungen für die Bekenntnisschule war man des Erfolges noch
nicht recht sicher und mußte zu neuen Tricks und ^ Rechts-
verletzungen schreiten:
Die Abstimmung wurde vielerorts mitten in die Arbeitszeit
verlegt, so daß schließlich überhaupt niemand dazukommen konnte,
wenn er nicht Fabrik- oder Feldarbeit verlassen und in die Ge-
meindekanzlei zur Willensäußerung gehen wollte. So war dann
vielerorts der Bürgermeister der einzige, der „abstimmte" — für
die Deutsche Gemeinschaftsschule — und meldete, diesmal aus-
nahmsweise, „wahrheitsgetreu", wenn auch in ganz ungewohntem
Sinn: „Die Gemeinde NN. hat sich einstimmig für die Um-
wandlung der Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule er-
klärt," „Einstimmig" bedeutete freilich hier allzu wörtlich „mit
nur einer Stimme" aus der ganzen Gemeinde, nämlich der des
Bürgermeisters allein. '
Bischof Franz Rudolph von Trier berichtet in seiner
Predigt am 28. März 1937 ein anderes Beispiel seltsamer Volks-
befragung.
„In einem Dorf hat der Ortsbürgermeister am Freitag, also schon
einen Tag, bevor die Abstimmung gehalten wurde, die Gemeinschafts-
schule angekündigt und durch die Ortsstelle bekanntgegeben: ,Es ist
beabsichtigt, auch hier die Gemeinschaftsschule einzuführen. Wer etwas
dagegen einzuwenden hat, kann heute abend um 7 Uhr auf dem
Bürgermeisteramt seine Gründe vorbringen (also nicht etwa seine
Stimme für die Bekenntnisschule abgeben!). Natürlich ist keiner zu dieser
Abendstunde zum Vorbringen seiner Gründe gegen die Gemeinschafts-
schule gekommen. Die Zeitung aber meldete: 100 Prozent haben
fiir d"ie Gemeinschaf tsschule abgestimmt."
Ähnlich ein anderer Fall: „In einem Orte — Ich nenne absichtlich
die Orte nicht — wurde nachmittags um 2 Uhr (werktags nachmittags!)
von der Gemeindebehörde eine Bekanntmachung angeschlagen mit dem
Inhalt, daß mit dem Beginn des neuen Schuljahres hier die Gemeinschafts-
schule eingeführt wird. Wer dagegen ist, muß bis 7 Uhr abends in der
Gemeinde Einspruch erheben." Keiner kam. Nun sofort wieder die posi-
tive Ausdeutung: 100 Prozent haben für die Gemeinschaftsschule ge-
stimmt!
Bischof Sebastian von S^peyer gab in seiner Predigt
vom 11. April 1937 bekannt:
Man hat in manchen Gemeinden, von denen man wußte, daß sie
überwiegend für die Bekenntnisschule stimmen würden, überhaupt
nicht abgestimmt und doch 100 Prozent für die Gemein-
schaftsschule verkündet.
Man hat in anderen Gemeinden die erste Abstimmung, die 100
Prozent für die Bekenntnisschule ausfiel, nicht gelten lassen
und eine zweimalige und dreimalige Abstimmung unter Mas-
senaufwendung von Personen und Druckmitteln vorgenommen, bis end-
lich das gewünschte Ergebnis kam. — Einzelne Werber haben mit ver-
schleiernden und falschen Angaben ahnungslose Frauen getäuscht und
zur Unterschrift gebracht, z. B. mit Angaben: „Es wird in der Schule
nichts geändert." „Es bleibt alles beim altfen." „Es handelt sich darum,
daß der Religionsunterricht in der Schule bleibt."
98
Neben der Werbung mit allen erlaubten und unerlaubten Pro-
pagandamitteln, neben Lug und Trug wurden auch noch Zwang
und Terror benützt, um die Eltern von kirchlichen und konfessio-
nellen Schulen abzuschrecken, Sie wurden mit Entlassung, mit Aus-
schluß vom Winterhilf s werk und ähnlichem bedroht.
So kam z. B. zu dem Verfasser eines Tages ein einfacher Arbeiter
und berichtete tief bekümmert: „4 Jahre bin ich arbeitslos gewesen und
habe mich so gefreut, daß ich endlich wieder Arbeit fand, bei der
Reichspost zum Waschen der Omnibusse verwendet wurde. Und nun
bin ich wieder Knall und Fall entlassen, weil ich meine Kinder noch in
die Schule der Armen Schulschwestern am Anger gehen lasse."
Bischof Sebastian von Speyer führte in . der Predigt vom 11. April
1937 ein anderes Baispiel der Erpressung an: „Ein Arbeiter schreibt:
, Ahnungslos kam ich am Samstag "abends von der Arbeitsstelle heim.
Da wurde ich sofort herausgeholt und auf das Gemeindebüro mitgenom-
men. Dort habe ich sofort erklärt: Ich will die römisch-katholische
Schule. Damit wollte ich wieder fort. Der Zellenleiter und ein Beamter
hielten mich aber zurück und schrieben einen Zettel ' an meine Firma
und erklärten, ich sei somit von der Arbeit entlassen. Ein Gendarm
sagte mir: Wenn ich nicht unterschreibe, könne ich nicht mehr Staats-
ärbeiten bekommen. Man redete mir zu: ,Es kommt ja doch noch. Sie
machen sich nur unglücklich!' In Aufregung und Verwirrung unter-
schrieb ich. Aber niemals, auch heute nicht,' will ich etwas anderes als
die katholische Schule." ,
Anderswo, besonders in Wien, benutzte man einen anderen
Druck, um die Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder in die Be-
kenntnisschule zu schicken: Man ließ die Angehörigen dieser Schule
möglichstweiteWegegehen. In der Großstadt für Kinder
eine große Gefahr!
Mit solchen Mitteln und Methoden „entkonf essionaliöierte" man
im Dritten Reich die Schule und schuf die nationalsozialistische
Einheitszwangsschule. Kultusminister Hipp hatte recht, wenn er
in seiner Verfügung vom 23. Juli 1945 erklärte:
„über diese eindeutige Rechts- und Sachlage, wie sie seit 1933 be-
stand, setzte sich der nationalsozialistische Staat bedenkenlos hinweg,
um seine kirchen- und bekenntnisfeindlichen Bestrebungen auf dem
Gebiet des Volksschulwesens zu verwirklichen. Es entsprach aber seiner
sonstigen Kampfweise, wenn er die geltenden Bestimmungen nicht
änderte oder nicht offen brachte; er suchte vielmehr für seine Rechts-
verletzungen den Schein des Rechtes. Er führte infolgedessen zur Um-
wandlung von Bekenntnisschulen in bekenntnisfreie Schulen Abstim-
mungen der Erziehungsberechtigten herbei. Diese Abstimmungen spra-
chen allerdings jedem Gefühl der Gerechtigkeit Hohn. Die Erziehungs-
berechtigten wurden entweder einem Druck ausgesetzt, dem sie sich
ohne Befürchtungen für ihre Existenz nicht entziehen konnten, oder sie
wurden in für andere Zwecke einberufenen Versammlungen derart über-
rumpelt, daß sie überhaupt nicht wußten, in welch schwerwiegender
Sache sie abgestimmt hatten. Die gesetzlich vorgeschriebene Einholung
des Gutachtens der kirchlichen Oberbehörde unterblieb auch in der
überwiegenden Zahl der Fälle. Auf Grund solcher Machenschaften
konnten die Gauleiter dem Ministerium berichten, daß in ihren Gauen
alle Bekenntnisschulen in bekenntnisfreie Schulen umgewandelt seien,
und das Ministerium sprach den Beteiligten mit M. B. vom 24. Oktober
1938 (Regierungsanzeiger Nr. 300) sein Lob über das Ergebnis aus und
99
stellte fest, daß in Bayier» keine Bekenntnisschulen mehr vorhanden
seien. Schließlich hat das Ministerium den erwähnten Artikel 10 des
Schulbedarf sgesetzes (,daß die Bereitstellung der Mittel zur Errichtung
einer Volksschule eines Bekenntnisses angeordnet werden könne, wenn
in einer Gemeinde oder Ortschaft oder in mehreren im Umkreis von
3,5 km Halbmesser gelegenen Gemeinden, Ortschaften, Weilern oder
Einzelhöfen nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre 50 oder mehr
hauptschulpflichtige Kinder des Bekenntnisses der Minderheit vorhan-
den seien . . .'), bei der Neufassung des Gesetzes vom 11. Januar 1939 aus
dem Gesetz entfernt und nur noch übergangsweise (Artikel 20) erwähnt,
obwohl bei der Neufassung von 1939 sachliche Änderungen unzulässig
waren ... Der durch unsittliche und unerlaubte Mittel
herbeigeführte Zustand ist als rechtsunwirksam an-
zusehen."
Genau so waren zu Anfang 1939 alle Bekenntnisschulen in
Württemberg, Baden, Sachsen, Thüringen, Oldenburg, Saarpfalz,
außerdem in einem großen Teil von Preußen und in ganz Öster-
reich, im ganzen mehr als 10 000 katholische Schulen des „Dritten
Reiches", zwangsweise in nationalsozialistische Gemeinschafts-
zwangsschulen verwandelt.
Die Vertreibung klösterlicher Lehrkräfte.
Gleichzeitig mit diesen Terrormaßnahmen gegen die Bekennt-
nisschule ging der Kampf gegen die klösterlichen Lehrkräfte,
Schulen und Institute.
Auf der Frühjahrsschulung der Erzieher des Traditionsgaues
verkündete Staatsrat Dr. Boepple im Jahre 1936 laut „Völkischer
Beobachter" vom 23. Mai 1936:
„Es würden 300 neue Volksschullehrerstellen für das Land Bayern
geschaffen, von 1600 klösterlichen weiblichen Lehrstellen 600 in welt-
liche umgewandelt. Zweieinhalb Millionen Mark seien bereitgestellt, um
bedürftigen Gemeinden Zuschüsse zu Schulhausbauten und zur Her-
richtung der Lehrerwohnungen zu geben. Die Maßnahmen würden auch
im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Die Umwandlung aller
klösterlichen Lehrstellen in weltliche sei unbedingt
notwendig, da der Staat sein Erziehungswesen zentral in der Hand
haben müsse."
Der wirkliche Abbau der klösterlichen Lehr-
kräfte setzte dann am 1. Januar 1937 ein: 600 Lehrschwestern
wurden in Bayern auf einmal auf die Straße gesetzt. Den national-
sozialistischen Staat kümmerte es keinen Deut, was diese plötzlich
entlassejien Schwestern nun zu tun hätten, wovon sie (ohne Pen-
sion) lebten, wo sie Unterkunft fänden usw.. Trotz des drückendsten
Lehrermangels setzte er die Ausweisung der Ordensfrauen aus der
Schule andauernd fort: Bis Mitte 1938, also in bloß eineinhalb
Jahren, wurden von 1676 Klosterfrauen, welche in bayerischen
Volksschulen tätig waren, 1200, entlassen!
Dazu kam dann noch die Vertröbung der Schwestern aus städ-
tischen und gemeindlichen Kleinkinderbewahranstal-
ten, Kindergärten, Kinderhorten, Nähstuben,
100
Handarbeitskursen, H aushal tun gs schulen und
ähnlichem.
Schließung k 1 ö s t e r 1 i c h e r S c h u 1 e n.
Auch das war den Feinden der Kirche und Orden und Ordens-
schultätigkeit noch nicht genug. Nachdem bereits 1937 den Kin-
dern von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes
der Besuch klösterlicher Schulen verboten worden war, wurde zu
Ostern 1938 durch das bayerische Unterrichtsministerium schlag-
artig auch noch die Schließung oder der stufenweise Abbau
von 84 klösterlichen Lehranstalten (64 weiblichen
und 20 männlichen), die Ordenseigentum waren, angeordnet.
Das war nationalsozialistische Erfüllung des Artikels 9 des
bayerischen Konkordates: „Orden und religiöse Kongregationen
werden unter den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur
Gründung und Führung von Privatschulen zugelassen!"
Das war die Treue zu der in Artikel 25 des Reichskonkordates
eingegangenen Verpflichtung „Orden und religiöse Kongregationen
sind im Rahmen der allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bedin-
gungen zur Gründung und Führung von Privatschulen berechtigt."
Das war die Einlösung des Hitlerwortes: „Was wir versprechen,
das halten wir. "Was wir nicht halten können, versprechen wir
nicht."
Er hätte weiterfahren können: „Was wir letzten Endes wollen,
das sagen wir nicht. Wir haben für alles eine scheinheilige Begrün-
dung, z. B. für die Aufhebung weiblicher Mittelschulen die Besorg-
nis um die Gesundheit der Schülerinnen; denn ,nachgewiesener-
maßen' sind die Lehrschwestern dieser Anstalten vielfach lungen-
krank!" (Eine solche Scheinbegründung wurde tatsächlich ver-
sucht!!)
Raub klösterlicher Schulräume!
Nach der Schließung der klösterlichen Gymnasien, Mittel-
schulen, Lyzeen, Aufbauschulen, Haushaltungsschulen u. ä. kam
der Raub ihrer Räume und Lehrmittel. Ein eigenes bayerisches
Gesetz ermächtigte die Gemeinden, sich erforderlichenfalls in den
Besitz der klösterlichen Anstaltsgebäude und Schulen auf dem
W^ege der Zwangsenteignung zu setzen. Das geschah z. B.
in München selbst ganz ausgiebig: Die erstklassigen Schulgebäude
der Armen vSchulschwestern am Anger, in der Au, ebenso jene der
Servitinnen in der Herzogspitalstraße wurden von der Stadt in
Beschlag genommen. In Straubing wurde außer den Schulräumen
auch noch ein großer Teil der Klausurräume des Ursulinen-
klosters genommen.
Das katholische Volk Bayerns war wie vor den Kopf geschlagen,
als es durch einen flammenden Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe,
der trotz aller staatlichen Verbote am 21. und 28. Juni 1936 von den
101
Kanzeln verlesen wurde, Kenntnis von diesen Zwangsmaßnahmen
gegen Klosterfrauen und Klosterschulen erhielt.
Es ist bezeichnend, was der Stützpunktleiter von Schwanenkirchen
(Nby.) darüber an seine Kreisleitung berichten zu müssen glaubte:
„Stützpunkt der NSDAP Schwanenkirchen, den 8. Juli 1936
Schwanenkirchen
An die
Kreisleitung der NSDAP
Deggendorf
Betreff: Auswirkung des Verlesens vom Hirtenbrief wegen Abbau der
klösterlichen Lehrkräfte
In der hiesigen Pfarrkirche wurde am Sonntag, den 28. Juni, der
Hirtenbrief durch Verlesen bekanntgegeben. Von der Bevölkerung der
hiesigen Pfarrei wurde die Anordnung der Regierung in bezug auf Ab-
bau der klösterlichen Lehrkräfte fast allgemein als ungerecht,
von einem Großteil der Pfarrangehörigen als ausgesprochene
Härte und als direkterAngriffaufdieReligion aufgenom-
men und hat große Mißstimmung und Aufregung, zum Teil auch bei
Parteiangehörigen, verursacht. Diese Regierungsanordnung wirkt sich
im Bereich des Stützpunktes ganz besonders ablehnend aus, da sich hier
eine Klosterschule befindet, deren Lehrkräfte seit jeher ganz beson-
ders eifrig und vorbildlich für die Schuljugend ge-
wirkt haben. Ganz besonders muß lobend, hervorgehoben werden, daß
sich die Schwestern der hiesigen Klosterschule seit jeher große Ver-
dienste erworben haben außer den reinen Schulaufgaben, durch Ein-
lernen aller Arten von Handarbeiten für die Mädchen, die für dieselben
äußerst wichtig und notwendig sind. Keine Mädchenschule der
Umgebung kann ähnliche Erfolge in diesem Fach auf-
weisen. Unter der Bevölkerung wird die Besorgnis laut, weltliche
Lehrkräfte würden sich nicht die Mühe geben mit den Kindern, wie
dies bisher von den Klosterschwestern geschehen ist. D^e hiesige Be-
völkerung verfolgt mit wachsender Besorgnis den von der Regierung
angekündigten Abbau der klösterlichen Lehrkräfte und kann diese Maß-
nahmen nicht verstehen, zumal sich die hiesige Klosterschule, für alle
Schichten der Bevölkerung zum Vorteile ausgewirkt hat. Weiterhin
spielt auch der Umstand eine große Rolle, daß Angehörige seßhafter
Familien von hier als Klosterschwestern irgendwo leben, deren Existenz
durch diese Maßnahmen verlorengehen würde. Durch diese angekün-
digte Aufhebung der Klosterschulen bemächtigt sich der hiesigen Be-
völkerung eine stark gedrückte Stimmung, vielfach auch eine ausdrück-
liche Abneigung gegenüber der Partei. Selbst mehrere Pg. haben mir
offen ihre Bedenken dagegen geäußert. Ich muß berichten, daß diese
Maßnahme von der Bevölkerung absolut nicht verstanden werden kann
und diese nahezu hundertprozentig dagegen eingestellt ist
und daß ferner dadurch das Vertrauen zur Partei erheblich geschwun-
den ist. Ich bin als Leiter des Stützpunktes der NSDAP von der hiesi-
gen Bevölkerung, auch von Pg., wiederholt aufgefordert worden, diese
vorerwähnten Bedenken an Herrn Kreisleiter zu berichten, damit von
dieser Stelle aus im gleichen Sinne an die obersten Parteistellen über
die Einstellung der Landbevölkerung zum geplanten Abbau dieser Maß-
nahmen Bericht erstattet wird. Auch werden jenen Gemeinden, in denen
bisher Klosterschulen bestanden, durch den Bau von Schulhäusern und
Lehrerwohnungen ganz erhebliche Belastungen bevorstehen.
Heil Hitler!
StützpunIcUeiter.'*
102
Wie schwer den Schwestern selbst und den Kindern der Ab-
schied von der klösterlichen Schule fiel, wie rücksichtslos nun aber
nationalsozialistischerseits und behördlicherseits gegen Schwestern
und Kinder vorgegangen wurde, wie man den Schwestern statt
eines Dankes geradezu einen Fußtritt gab, zeigt nachfolgender Be-
richt über Vorgänge in Mühldorf (Obb.) am 24. März 1937, dem
letzten Tag des Schuljahres, das zugleich Schluß der Schultätigkeit
der Schwestern sein sollte:
,tAm Ende der Flaggenehrung um 8 Uhr sangen nicht alle Schwe-
stern bei den Nationalhymnen mit, alle — bis auf eine — erwiesen aber
den Deutschen Gruß. Nach dem Siegheil auf den Führer betrat der
Schulrat Pietsch das Podium und erklärte im heftigen Ton: ,Die Schwe-
stern haben nicht mitgesungen. Die Mühldorf er Jugend marschiert
trotzdem Weiter im Dritten Reich. Nochmals Siegheil auf den Führerl'
Im Auftrag des Schulrates verteilten sich die Lehrer auf die einzel-
nen Mädchenklassen, um für schleunige Entlassung der Kinder zu sor-
gen. Den Schwestern — mit einer Ausnahme — wird erklärt, sie hätten
das Schulhaus sofort oder baldmöglichst zu verlassen.
Die Schwestern erklären, sie hätten noch Zeichnungen etc. zurückzu-
geben. Währenddessen werden vom Lehrer die Kästen etc. nach Gegen-
ständen durchsucht, die die Schwestern vielleicht geschenkt bekommen
hätten. Die aufgeregten Kinder werden von Lehrern teilweise mit Ge-
walt entfernt. Viele lassen sich einfach nicht vertreiben^ sammeln sich
immer wieder und kehren zurück. Die Schwestern versuchen vergeb-
lich, die Kinder zum Heimgehen zu bewegen. Das rücksichtslose Vor-
gehen der Lehrer hat verschiedentlich auch Auseinandersetzungen mit
Schwestern zur Folge. Bezeichnend ist, daß ein Lehrer sogar mit einem
Dietrich erscheint in der Vermutung, eine Schwester könnte sich mit
den Kindern im Schulzimmer eingeschlossen haben. Der Aufforderung,
sofort die Schlüssel zu den Schulzimmern abzuliefern, begegnen die
Schwestern mit der Erklärung, sie müßten die Schulzimmer noch räu-
men. In der 3, Mädchenklasse verlangt der Lehrer ein Blatt mit
Namensunterschriften der Kinder, die bestimmt wären für einen Brief
an den Heiligen Vater, und nimmt das Blatt an sich. Verschiedentlich
werden auf der Straße Kindern die Andenkenbilder, die sie von
den Schwestern erhalten hatten, von Lehrern zerrissen. Ein
Mädchen muß sogar den Schuh ausziehen. Der Hand-
arbeitsschwester wird von einem Lehrer der Handarbeitenkorb durch-
wühlt, einer Frau sogar ihre TasChe.
Das Schulhaus wird geschlossen. Kinder, die Taschen etc. zurück-
gelassen hatten, dürfen das Schulhaus nur mehr betreten mit einem
schriftlichen Ausweis von ihren Eltern oder von Lehrer Krieger, um
die Sachen zu holen, und dann nur unter Aufsicht des Hausmeisters.
Begreiflicherweise herrscht bei der Bevölkerung eine große Erregung!
Um 2 Uhr nachmittags ist die Frau Oberin zum Bürgermeister Goll-
witzer (ehemals protestantischer Pfarrer von Mühldorf, ein paar Tage
bayerischer Landesbischof der .deutschen Christen'!) in das Rathaus ge-
beten, wo der Schulrat, der Schulleiter und andere versammelt sind.
Die Frau Oberin begibt sich mit einer Schwester in das Rathaus. Die
Verhandlungen verliefen in großen Zügen folgendermaßen: Der Bürger-
meister erklärt, sie seien heraufgebeten worden, da am Vormittag Dinge
vorgekommen seien, die nicht in Ordnung gewesen wären. Die den
Schwestern gewährte .Frist, noch 10 Tage im April in
ihrem Hause bleiben zu dürfen, müßte er zurück-
ziehen. Die einzelnen Punkte:
1. Es sei eine staatswidrige, weil gesetzlich verbotene Sammlung
g«lMiUiea worden. — Antwort: Von der Geldsammlung durch dl«
103
Kinder hätten die Schwestern nichts gewußt. Das Geld wird dem
Befehl gemäß noch heute auf dem Stadtrat abgeliefert. (RM. 23.—!)
2. Verhetzung des Volkes: Das wäre heute morgen skandalös
gewesen. Keine Lehrerin hal)e die Kinder angewiesen, dem Befehl
des Schulfates zu folgen. Das sei keine Erzieherart, wie sich manche
Schwestern gebärdet hätten. Lehrer Krieger erklärt^ daß sogar in
den Aborten Kinder zurückgehalten worden seien. Das sei diabo-
lische Verhetzung. Gemeint ist damit die Tatsache, daß zur Zeit des
Tumultes zwei Schwestern mit einigen Kindern damit beschäftigt
waren, eine im Abort befindliche Blumenstellage zu räumen, — Der
Bürgermeister sagt, wenn die Schwestern in dieser Weise die Kinder
und das Volk verhetzen, dann arbeiten sie dem Bolschewismus vor.
Er weist sodann auf Spanien hin und auf die so ganz anderen Ver-
hältnisse in Deutschland.
3. Unterschriften. Die Schwester legt den Sachverhalt genau dar
und sagt, daß die Sache vom Katecheten ausginge. Darauf wird erklärt,
daß man sich in diese Dinge nicht einmische. Als der Schulrat ein-
wendet, warum d^es die Schwester in der Schule nicht sofort erklärt
hätte, erhält er zur Antwort: Bei dem Wort ,Unterschriften* denkt man
heute doch sofort an Unterschriften der Eltern. Erst als der Lehrer die
Kinder genauer fragte, merkte die Schwester, was gemeint sei.
Schluß: Die Frau Oberrin muß in die Hand versprechen, die Schwe-
stern zu beruhigen, jede Sammlung zu verbieten, zu sorgen, daß die
Leute nicht mehr verhetzt werden und vor allem, daß die Schwestern
unauffällig verschwinden (nicht über den Stadtplatz wie eine Wall-
fahrt!), jRichten Sie mir keinen Saustall an!'
Die Schwestern können die 10 Tage noch bleiben.
Der Schulrat erklärte selber: ,Ich habe die Herren in die Klassen
befohlen und da hätte sich niemand zu widersetzen gehabt.'
Der Bürgermeister gab am Vormittag dem Hausmeister Fischer den
strengen Befehl, daß die Schwestern sämtliche Schlüssel sofort abzu-
liefern hätten. Der Schulleiter Vogl änderte das dahin, daß bis abends
die Schlüssel abgeliefert sein müssen. Am Na.chmittag könnten die
iSchwestern noch räumen, aber unter keinen Umständen dürfte eine
Schülerin zu ihnen zugelassen werden.
Über die Durchführung der letzten Maßnahme zu wachen, wird die
HJ (Jungvolk) beauftragt! !"
Deutsche Ritterlichkeit im „Dritten Reic h" !
Und nun die theologischen Hochschulenl
Nach der Beseitigung der Bekenntnisschule, nach dem Abbau
der klösterlichen Lehrkräfte, nach der Liquidierung der kloster-
eigenen Mittel- und Oberschulen ging es an die Strangulierung der
staatlichen und bischöflichen philosophisch-theologischen Hoch-
schulen bzw. Fakultäten, die an den einzelnen bayerischen Bi-
schofstädten der Ausbildung des Priesternachwuchses dienen und
durch bayerisches Konkordat (Artikel 4) und Reichskonkordat (Ar-
tikel 19 und 20) geschützt waren. Sie wurden zunächst sozusagen
„ausgehunger t", indem man die Anstellung neuer Professoren
immer mehr hinausschob bzw. ganz verschob.
Die theologische Fakultät an der Universität München wurde
ün Mai 1939 von Staatsminister Wagner kurzerhand geschlossen,
104
als Kardinal Faulhaber aus „G e Wissens g r ü n"d e h nicht seine
nach dem Konkordat erforderliche Zustimmung zur Übertragung
eines Lehrstuhles an den nationalsozialistisch eingestellten und
tätigen Professor Barion geben konnte.
Gleichzeitig wurde das mehrere Jahrhunderte alte Priester-
semi^iar Georgianum aufgehoben und für andere Zwecke in
Anspruch genommen.
In Österreich wurde im Jahre 1938 als erste theologische Fakul-
tät jene in Innsbruck geschlossen, gleichzeitig auch das Canisianum
mit 37 amerikanischen, 10 englischen, 10 schweizerischen, 8 italie-
nischen, 2 polnischen und je 1 französischen, holländischen und
japanischen Theologen. Sie mußten samt den Patres in wenigen
Tagen das Haus verlassen und in die Verbannung gehen, in die
Schweiz.
„Gauleiter Hof er möchte Hitler als Geburtstagsgeschenk ein juden-
und priesterfreies Tirol präsentieren", schrieb ein aus dem Canisianum
vertriebener amerikanischer Student am 6. Januar 1939 im Universe.
Zwei Monate spater wurde auch die theologisch* Fakultät in
Salzburg . auf gehoben.. . .
Fesseln für den Religionsunterricht.
Jahrelang hatten die Nationalsozialisten in ihrer Agitation
gegen die Bekenntnisschulen mit dem Schlagwort gearbeitet: „In
der Deutschen Gemeinschaftsschule bleibt alles
wie zuvor. Nicht einen Finger soll an der christlichen Religion
gerührt werden. Sie ist in der Gemeinschaftsschule genau so ge-
sichert wie in der Bekenntnisschule." In Dutzenden von Versamm-
lungen, in der ganzen nationalsozialistischen Presse, im Rundfunk,
in Reden offizieller Persönlichkeiten, Minister eingeschlossen, wurde
dieses Versprechen in aller Form gegeben.
„Der Religionsunterricht in den Schulen wird
niemals eine Einmischung erfahre n," erklärte bei-
spielsweise Dr. Kerrl, Reichsminister für kirchliche Angelegen-
heiten, am 24. November 1937 in Fulda, ebenso Gauleiter Bürckel
in seiner Rede an die Auslandsdeutschen im August 1938, mit Nach-
druck betonend: „Wenn auch der Staat in erster Linie für die
Jugenderziehung verantwortlich sei, so könne doch die Kirche
dieser Jugend ihre religiöse Unterweisung geben." '
Aber alle diese Versprechungen des Nationalsozialismus er-
wiesen sich als bloße propagandistische Phrase. Das Ziel stand von
Anfang an fest: Ausschaltung alles Christlichen aus Unterricht und
Erziehung! Der Marsch zu diesem Ziel kannte nur Stationen, kein
Halt. Das Tempo des Marsches mochte da und dort aus Klugheit
verlangsamt werden, aber, sobald die Umstände günstiger er-
schienen, wurde aufgeholt.
Kreuz und Hakenkreuz 8 105
Bischof Galen^Münster gab In seinem Hirtenbrief Vom 21. Dezember
1936 verschiedene Phasen des Kami»fes gegen den Religionsunterricht
bekannt:
Der Religionsunterricht wurde vielerorts abgeschafft, z. B. für die
landwirtschaftlichen Schulen.
In vielen Städten wurden Religionslehrer vorzeitig pensioniert und
nicht mehr ersetzt.
In vielen Orten durfte der Religionsunterricht, selbst in den Be-
kenntnisschulen, nicht mehr während der Schulstunden gegeben wer-
den, sondern nur in der Freizeit.
Lehrer und Schulleiter an Bekenntnisschulen (!) verkünden deri
Schülern immer wieder ausdrücklich, daß keine Verpflichtung bestehe,
dem Religionsunterricht beizuwohnen. Für junge Leute geradezu eine
Aufforderung, ihm fernzubleiben!
Am 10. Oktober 1937 muß Bischof Preysing, Berlin, in
einem Hirtenbrief klagen: Auch auf dem Gebiet der Erziehung hat
es solche Stationen gegeben. Zuerst war die Parole: „Fort mit der
Bekenntnisschule! Die Einheit des Volkes verlangt dies." Dann:
„Die Priester hinaus aus der Schule!" Was wird der nächste Schritt
sein? Wird der Religionsunterricht ganz abgeschafft und antichrist-
iiches Gedankengut den Kindern aufgezwungen werden?"
Zunächst wurde der Religionsunterricht in der Schule zeit-
lichbeschränkt:
In Süddeutschland, seit 1935/36 von vier Wochenstunden auf
drei Wochenstunden, später auf dreimal 45 Minuten.
Im Kölner Gebiet im Mai 1937 in den oberen drei Klassen auf
eine Stunde, 1938 auch noch in weiteren Klassen.
Im Frühjahr 1938 bestimmte der Reichsunterrichtsminister all-
gemein, daß wöchentlich nur noch zwei Religionsstunden sein
sollten, für das sechste Schuljahr nur noch eine. (Turnen und Sport
hatten wöchentlich fünf Stunden!)
Dann ward der Religionsunterricht mancherorts auf recht
ungelegene Stunden verlegt, z. B. in Bayern durch
Ministerialverordnung vom 17. März 1939 auf die erste und
letzte Stunde, damit Nichtteilnehmer entweder den Vorteil hat-
ten, erst später in die Schule kommen zu müssen, oder den Vorteil
genossen, schon früher nach Hause gehen zu dürfen, eine Anreizung
zur Abmeldung der Kinder vom Religionsunterricht.
Ähnlich bestimmte die Schulbehörde von Wien , im Sommer
1939, daß an allen Schulen, in welchen noch Religionsunterricht
gegeben wurde, seine Erteilung entweder nach Schluß des vormit-
tägigen Unterrichts oder erst am Nachmittag erfolgen müsse.
Der badische Unterrichtsminister verfügte ähnliches.
Auch in den Zeugnissen wurde der Religionsunterricht auf
die letzte Rubrik verwiesen, während das Turnen an die erste Stelle
vorrückte. Ja, selbst die Bezeichnung mußte dort geändert wei?den:
Statt „Religion" wurde jetzt der „konfessionelle Unterricht" be-
106
notet. Vielerorts wurde seit 1939/40 der Religionsunterricht über-
haupt nicht mehr im Stundenplan aufgeführt.
In den Berufsschulen wurde er zu Anfang 1940 voll-
ständig abgeschafft. '
In den höheren Schulen wurde er in den Oberklassen
ebenfalls ganz beseitigt, in den Unterklassen bedeutend verringert.
Die Abmeldung vom Religionsunterricht wurde
immer mehr erleichtert, konnte beispielsweise entgegen früheren
Bestimmungen auch während des Schuljahres geschehen.
Die größte Ungeheuerlichkeit aber waren die sogenannten
„Bubenrudel" und „Erzählerkreise".
Da und dort wurden Hitler jungen von ihren „Führern" eigens an-
gewiesen, dem Religionsunterricht trotz innerlicher Ablehnung
weiter beizuwohnen, um ihn zu bespitzeln, zu stören
und fruchtlos zu machen. Nachfolgendes Rundschreiben
spricht iür sich selbst:
Deutsches Jungvolk in der Hitlerjugend.
Geheim! Geheim!
Verteilt an: Jungbannstab Zur Kenntnis an:
Beauftragte des Jungbannführers Gebiet 22
Stammführer Kreisleitungen.
Allgemeine Anweisung!
(folgt L— III.)
Befehl 1/36
Für die Beauftragten:
Betrifft Bubenrudel. Wie ich bereits in der Führertagung
vom 4. und 5. Juli ausgeführt habe, soll zukünftig das Bubenrudel wei-
ter ausgebaut werden, um den Abwehrkampf gegen die Zersetzungs-
arbeit der katholischen Aktion besser führen zu können. Da hierbei
äußerst vorsichtig zu Werke gegangen werden muß, darf in der Aus-
wahl der Führer keine Vorsichtsmaßnahme außer acht gelassen wer-
den. Nur solche Führer, die vom SD überprüft wurden und außerdem,
soweit es sich um Lehrer handelt, vom NSLB als geeignet beurteilt
wurden, können für diese Arbeit verwendet werder^.
Die Arbeit, die ihnen zufällt, ergibt sich aus der Aufgabe:
1. Unmerkliches Überwachen des Religionsunterrichtes, bzw. der sog.
Bibelstunden unter Feststellung der jeweiligen täglichen Tendenz.
2. Gründung sog. Erzählerkreise zur Erfassung derjenigen Alterstufen
(7 — 9jährige), die, durch die Gegenarbeit weltanschaulich am meisten
gefährdet sind. (Freiwillig — Je besser d. Erzähler, desto größer sein
Zuhörerkreis).
3. Entgegenwirken einer Minderwertigkeitstendenz in der
Bibelstunde am Vormittag durch Erzählen- von Anekdoten, Sagen,
Kurzgeschichten aus der Bewegung und der deutschen Geschichte
nachmittags, die in der gleichen Weise heroische Weltanschauung
vertreten.
4. Damit verbunden: Spiele, Bastelarbeit, Singen von Klotzliedern usw.
5. Auftreten als Autoritätspersonen jgegenüber den Eltern als Ausgleich
des Einflusses unseres Gegners. — Deshalb einwandfreie Lebens-
führung und absolutes Vorbild für die Kleinen im Hinblick auf die
107
sphwere Verantwortung. Zwang darf in keiner Weise angewendet
werden.
Die Beauftragten sehen sich um geeignete Leute um, holen über
dieselben bei obenbezeichneten Stellen vertrauliche Beurteilung ein;
Behörden und sonstige Stellen sind unter gar keinen Umständen mit
dieser Sache vertraut zu machen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich anführen, daß alle Beobachtungen,
auch die kleinsten über die Arbeit der katholischen Aktion an mich per-
sönlich unter Umgehung des Dienstweges von allen Führern zu melden
sind. Von mir aus werden sie dann allen in Frage kommenden Stellen
zusammengestellt zugeleitet.
Nur belegte Ereignisse sind brauchbar..;
' Dieses Rundschreiben ist absolut vertraulich
z u b e h a n d e 1 n.
gez. Otto Würschinger . Der Führer d. Jungbannes 306
, Das war wiederum ein Schritt zu der von Bischof Pröysing
genannten Station:. ,,
„Di e P r i e;.s t er h i n a u s a ti s d e r S c h u 1 e"
" In einer M 1 1 1; e Iklasse einerMün che n e r Sc hu 1 e
würdö bei'Eihquartiefüng der SS gelegentlich des Miissoiihibesuches
delr-Schraftk mit eiri^tn N ach Schlüssel geöffnet, beiliegendes Blatt
iri den Katechismus eingelegt und dann der Kasten wiedier versperrt:
, „Die Kinder nicht mit Gewalt verdummen, sondern aufklären •
" über das Werk der Schöpfung! Deswegen gibt es eine deutsche
Nation. Frei vom römischen Ungeist. Frei von Pfaffen- und
Judengeist.
Werdet freie deutsche Frauen und Männer!
ii
Ihr Erzieher glaubt doch hoffentlich nicht an diesen sog. Erzschwindel.
Bitte, handelt als Deutsche!
Religionsunterricht nur mit besonderer staat-
licher Bevollmächtigung!
Ein weiterer Schritt zu dieser Station war die Forderung, daß
der schulische Religionsunterricht durch Geistliche von einer be-
sonderen Erlaubnis staatlicher Stellen abhängig gemacht
wurde. So schon 1936 in Westfalen und im Trierer Land.
In Bayern verlangte eine Regierungsverfügung vom 10. März
1938, daß die Geistlichen für die Erteilung des Religionsunterrichtes
in Volksschulen die Ermächtigung durch den Regierungspräsidenten
habeji müssen. Diese Befugnis sei zu versagen, hieß es dort, wenn
ein Geistlicher Nichtarier, politisch verdächtig oder als Lehrer unr
geeignet sei.
Der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus,
Dr. Hipp, bemerkte in seiner Verordnung vom 23. Juli 1945 zu
obiger Verfügung seines Vorgängers:
108
( ,;Diese Bestimmung richtete sich mit voller Absicht gegen die Geist-
lichen der christlichen Kirchen und gegen sonstige Personen, die auf
Veranlassung einer Religionsgesellschaft an einer öffentlichen Volks-
schule .Religionsunterricht erteilen wollten."
Wie die bayerischen Bischöfe insbesondere beklagen mußten,
wurde nicht wenigen Geistlichen ohneAngabevon Gründen
und ohne jede Möglichk eit einer Veirteidigung
diese Erlaubnis zur Erteilung des lehrplanmäßigen Religionsunter-
richtes versagt oder entzogen.
Außerhalb Bayerns ging man. aber noch einen Schritt weiter:
Man wies den Geistlichen allgemein aus der Schule und übertrug
den Lehrern den Religionsunterricht. Bischof Preysing, Berlin, muß
dies bereits im Hirtenbrief vom 10. Oktober 1937 beklagen. Bischof
Galen, Münster", muß im November 1937 mit ihm bemerken, daß
die Maßnahme ohne jede Fühlungnahme mit dem Bischof und
unter Bruch des Reichskonkordates geschehen, sei. Ähnlich in Würt*
temberg, Ermland, Freiburg,. Trier, Hildesheim und anderwärts.
Wie der Religionsunterricht vieler, Lehrer, die ganz mit national-
sozialistischen Ideen erfüllt waren, . ausfiel, läßt sich. leicht/denken»
Die bayerischen' Bischöfe sahen sich gezwungen, in ihrem HirteiiT
brief vom 13. Dezertiber 1936 zu klagen:. „Es gibt Lehrer, jdie, einen
unchristlichen Geist in den Religionsunterricht bringen und selbst
den Bibelunterricht dermaßen geben, daß die Kinder . an i^hrem
Glauben verwirrt werden müssen". Das galt natürlich in anderen
Ländern genau so.
In Bayern wiederum suchte man überdies- die Volksschullehrer
möglichst davon abzuhalten, noch irgendwie an der religiösen Unter-
weisung der Kinder mitzuwirken. So z. B. versandte im Winter 1938
der Kreisleiter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes von Für-
stenfeldbruck (bei München) allen Lehrpersonen seines Bezirkes
nachfolgenden Fragebogen;
1. Geben Sie noch Eibelunterricht?
2. Wenn ja, warum?
3. Können Sie den Unterricht im Alten Testament in Einklang brin-
gen mit den rassischen Gesichtspunkten?
' 4. Wünschen Sie den Bibelunterricht einzustellen?
5. Versehen Sie noch den Organistendienst?
6. Wenn ja, bestehen dafür besondere Gründe?
7. Wünschen Sie diesen Dienst, aufzugeben?
8. Gehören Sie der Partei an?
Als das Erzbischöfliche Ordinariat von München am 27. April
1939 bestimmte, daß in Rücksicht auf die Kürzung der Religions-
stunden der Religionsunterricht in den oberen Klassen nur
durch Geistliche zu erteilen sei, hielten es die städtischen Schul-
behörden für angezeigt, alle Lehrpersonen aufzufordern, zum Protest
gegen diese „Beschimpfung des Lehrerstandes" den Religionsunter-
richt auch in den unteren Klassen niederzulegen.
109
In vielen Schulen Berlins tat man im Herbst 1937 den letzten
Schritt zu dem schon von Anfang an gesetzten Ziel: Der Religions-
unterricht wurde plötzlich vollständig abgeschafft. Den Eltern ward
mit einem Zirkular mitgeteilt: Wenn sie wünschten, daß ihre Kinder
weiterhin in Religion unterrichtet würden, so könnte dies außerhalb
der Schule geschehen.
„Staatsgefährliche Religionslehrmittel"
Eine neue Fessel für die kirchliche Schultätigkeit, einen neuen
Schritt zur vollen Entchristlichung der Schule bedeutete es, wenn
immer mehr religiöse Lehrmittel ausgeschaltet wurden.
So z. B. verbot die badische Unterrichtsverwaltung am 27. Januar
1937 die Weiterbehandlung der von der Fuldaer Bischofskonferenz
herausgegebenen sogenannten „Katechismus Wahrheiten"
in der Schule, ja ließ sie durch Lehrer den Kindern direkt wieder
abnehmen.
Am 24. Juli 1937 verbot der gleiche badische Unterrichts-
minister die Weiterbenützung der seit Ostern 1936 in den Schulen
der Erzdiöizese Freiburg eingeführten, seit vielen Jahren in der
Erzdiözese Breslau und anderwärts gebrauchten „Biblischen
Geschichte" in den Volksschulen und dehnte dieses Verbot 1938
auch auf die höheren Schulen aus.
Am 29. November 1937 stellte derselbe badische Minister für
Unterricht und Kultus an die kirchliche Behörde sogar die Zu-
mutung, das Alte Testament in den Schulen über-
haupt nicht mehr behandeln zu lassen. Ähnliche For-
derungen hatten rheinländischä Lehrer schon 1936 gestellt
(siehe „Westdeutscher Beobachter" vom 25. Oktober 1936). Der
Regierurigspräsident von Münster hatte schon am 8. Januar 1936
bestimrrit, daß in Rücksicht auf die Kürzung der Religionsstunden
auch eine Stoff kürzung erfolgen müsse, und zwar durch Ausschluß
des Unterrichts über das Alte Testament. Die Regierung von An-
halt verordnete im Januar 1939 neuerdings mit allem Nachdruck,
daß das Alte Testament niqht mehr im Religionsunterricht behan-
delt werden dürfte, Weisungen, welche die mit dem Religionsunter-
richt betrauten weltlichen Lehrer natürlich willig und nicht ungern
befolgten. 1937 legten 37 badische Lehrer den Religionsunterricht
nieder, '
In Bayern unterband man den Neudruck von Katechismus-
büchern, Biblischer Geschichte und DiÖzesangebetbuch mit der Be-
gründung des Papiermangels, der aber für andere Drucksachen
zweifelhaftester Art nicht bestand (1941).
Direkt verboten wurden an kirchlich approbierten Religions-
büchlein:
Dr. Martin: Glaube und Leben, Merkbüchlein für den katho-
lischen Religionsunterricht in den bayerischen Volksschulen;
110
Cohnen- Andres: Die Lehre von der Kirche;
Thoma: Weg, Wahrheit, Leben.
Der nationalfsozialistische Staat brauchte andere Schulbücher,
als solche mit klarer Darstellung der christlichen Wahrheiten und
mit christlichen Gebeten.
Der neue Religionsunterricht:
Als Vorbild würde das Buch Schenzingers: „Hitlerjunge Quex"
im Jahre 1936 da und dort den Schulkindern der fünften und
sechsten Klasse gegeben. Darin war z. B. die nationalsozialistische
Auffassung von „Unsterblichkeit" dargeboten, indem Quex, tief
traurig über den Tod seiner Mutter, gar nicht glauben kann, daß
sie für immer ausgelöscht sein soll, bis er auf einmal die Erlösung
von allem Schmerz erhält durch die Erkenntnis: „Die Mutter
lebt noch in mi r." Ein Buch mit heidnischen Ideen . ; .
Im Sommer 1936 Wurde in Mittelschulen das Buch des Staats-
ministers Dr. Paul Schmitthenner, Universitätsprofessor vor> Heidelberg,
„Führer und Völker" eingeführt. Darin werden Kirche und Papsttum
in den schwärzesten Farben als die Todfeinde des deutschen Volkes ge-
schildert, die wichtigsten katholischen Glaubenswahrheiten als voller
Gegensatz zur deutschen Tradition hingestellt; die Reform von Cluny
als undeutsch, römisch angeprangert, besonders ob des Geistes der Buße
und der Priesterherrschaft, der Forderung des Zölibats usw.; die Kreuz-
züge mit ihren Millionen von Todesopfern werden einseitig verurteilt;
Luther wird als der große Führer des deutschen Volkes und Heros im
Kampf gegen den geschworenen Hauptfeind „in Rom" verherrlicht usw.
In München-Feldmoching benützte ein Volksschullehrer im Jahre
1939 eine Ausstellung, die er mit Knaben der 6. Klasse über „Volks-
gesundheit" in der Schule veranstaltete, unter anderem zu folgender
Darstellung über „Geistiges Gift":
Ein Bild zeigte 6 Figuren: Im Vordergrund waren zwei Juden mit
dem Talmud unter dem Arm; hinter ihnen standen zwei Kommunisten
mit einem toten Mann zu ihren Füßen; "dann sah man zwei Gestalten,
die leicht als katholische Ordensleute zu erkennen waren: eine davon,
ein Mönch in Talar, hielt in der einen Hand einen Stock, in der anderen
eine Buchrolle mit der Aufschrift: „Alle Menschen sind gleich. . Liebet
Eure Feinde!"; die zweite Figur, eine Nonne mit einer Geißel in der
Hand, kniete auf einem Betstuhl, der die Aufschrift trug: „Abtötung,
Verzicht auf die Welt." Vor dem Bild lag der „Völkische Beobachter"
Nr. 43 vom 12. Februar 1939 mit Büdern von Kardinal Mündelein von
Chicago, Eden, einigen Juden u. ä.
Wie weit sich der Ersatzreligionsunterricht von nationalsozia-
listischen Lehrkräften verirren konnte, wie man nicht davor zurück-
schreckte, Hitler neben oder sogar über Jesus zu
stellen, zeigt nachstehendes Diktat, das schon am 16. März 1934
in der dritten Volksschulklasse an der Blumenschule zu München
gegeben wurde: _ j «• • .. i «
^ ^ „JesusundHitle r."
Wie Jesus die Menschen von der Sünde und Hölle befreite, so rettete
Hitler das deutsche Volk vor dem Verderben. Jesus und Hitler wurden
verfolgt, aber während Jesus gekreuzigt wurde, wurde Hitler zum Kanz-
ler erhoben. Während die Jünger Jesu ihren Meister verleugr.jten und
ihn im Stiche ließen, fielen die 16 Kameraden für ihren Führer. Die
Apostel vollendeten das Werk Ihres Herrn. Wir hoffen, daß Hitler sein
111
Werk selbst zu Ende führen darf. Jesus baute für den Himmel, Hitler
für die deutsche Erde.
Wie ernst der Ersatz des christlichen Religionsunterrichtes
durch germanischen „Religionsunte-r rieht" gedacht
und vorbereitet wurde, offenbart nachfolgendes Inserat im „Börsen-
blatt für den deutschen Buchhandel" vom 19. Februar 1935.
GERMANISCHES GOTTGEFÜHL
im christlichen Religionsunterricht
Zwölf Unterrichtsentwürfe von
Hermann Tögel u. E. H. Wohlrab
176 S. Geh. RM. 3.—, gebd. RM. 4.20
Prof. Tögel gibt in seiner „Einführung" die gedankenmäßige Grund-
legung für die unterrichtliche Behandlung des Germanenglaubens in
der Volksschule.
E. H. Wohlrab gibt in Teil II die schulpraktiche „Ausführung" in Ge-
stalt von zwölf Unterrichtsentwürfen: 1. Naturglaube, 2. Wald- und
Baumglaube, 3. Deutscher Frühlingsglaube, 4. Semnonenheim (Zin),
5. Donar, 6. Wodan-Odin, 7. Freia, 8. Nordische Frömmigkeit, 9. Alt-
sächsische f'römmigkeit, 10. Der Götter Untergang — Sieg des Christen-
tums, 11. Die deutsche Weihnacht, 12. An den Externsteinen. Die zwölf
Einheiten sind bereits schulpraktisch erprobt; denn Wohlrab hat sie mit
ministerieller und bezirksschulrätlicher Genehmigung im Winterhalb-
jahr 1933/34 mit 28 Knaben eines 7. Schuljahres an der Volksschule zu
Bad Brämbach in über 40 Religionsstunden durchgearbeitet und
die hierbei gemachten Erfahrungen in sorgfältiger Nachbearbeitung end-
gültig ausgebaut.
Chriistentum- und kirchenfeindliche Märchendeutung.
Selbst unsere schönen deutschen Märchen und Sagen mußten
sich nationalsozialistische Aus- und Umdeutung gefallen lassen und
der Hetze gegen Christentum und Kirche dienen. Wenn nach-
folgende Erklärung vom „Dornröschen" und „Schneewittchen" in
der NS-Lehrerzeitung erschien, so kennt man sofort ihre
Bestimmung: so sollte den deutschen Schulkindern
nationalsozialistisches Märchenverständnis beigebracht werden.
Nationalsoziaiistische Lehrerzeitung Reichstagung 1934 Frankfurt a, M.
8. Heft Ernting 1934 S. 87. '
DornröschensErwachen.
Von H. Paradies, Hude.
Wer es selbst an seinen Kindern erlebt hat, wie dankbar sie, Vater,
Mutter, Großmutter oder Lehrer sind, wenn diese ihnen Märchen er-
zählen, wie da die Augen leuchten, die Wangen glühen, der weiß, welche
Schätze in unseren Märchen verborgen liegen.
Was wollen uns die Märchen sagen? Sind sie nur Dichtungen oder
gar Ausgeburten der Phantasie? Nein, unsere Märchen sind viel mehr.
Sie enthalten altaristische Wahrheiten und Erkennt-
nisse. Die prophetischen oder seherischen Menschen unserer Vor-
fahren wollten in den Märchen altaristische Erkenntnis, altaristisches
Weistum auf die Nachwelt vererben. Da die neue Weltanschau-
112
•« n g, die im Werden ist, ihre Wurzeln in der Weltanschauung
unserer Vorfahren haben muß, müssen wir die Verbindung mit
der Jugendzeit unseres Volkes wiederherstellen und das Weistum un-
serer Väter für die Gegenwart auswerten. „Märchen und Mythen sind
die Fenster in den gewaltigen Bauwerken der Völkerkulturen, Sie
erhellen" den Sinn des Lebens, sie sind ein Teil von unserem Blutstamm,
und selbst die ältesten und sogar primitivsten märchenhaften Überliefe-
rungen strömen wie vorgeschichtliche Bergseen von ungeahnter Schön-
heit und Tiefe im Unterbewußtsein der Lebenden weiter."
Die Kräfte zieht das Märchen aus einer Kulturschicht, die Jahr-
tausende zurückliegt. In den Köpfen des deutschen Bauernvolkes hat
sich dieses Weistum vererbt. Erst die Gebrüder Grimni haben die Mär-
chen gesammelt und aufgeschrieben. Diejenigen unserer Vorfahren, die
das ererbte Gut unverkürzt den Enkeln weitergaben, waren sicher nicht
im Besitze solcher Weisheit, kaum daß sie den tieferen Sinn auch nur
geahnt haben.
Märchen- „Verkalung"
Nach Werner von Bülow liegt der tiefere Sinn der Märchen in den
sogenannten Kennworten verborgen, und diese sind so gewählt, daß sie
sich dem Gedächtnis gut einprägen. So ist das entstanden, was man
später „Verkalung" genannt hat. „Es bildete sich eine Formen- und
Formelsprache heraus, durch die höchste geistige Werte auch von Un-
mündigen und Unverständigen weitergegeben werden konnten, bis ein
Geschlecht heranwuchs, in dem die Keime sich zu neuer Blüte ent-
falten konnten." Diese Zeit ist' da! Der Königs söhn des Mär-
chens, der Dornröschen und Schneewittchen aus dem Grabe erweckt,
ist da.
Die Verkalung, Vertarnung, Verheimlichung war notwendig, um sich
vor Verfolgungen zu retten. Die Verfolgung ging namentlich von der
christlichen Kirche des frühen Mittelalters aus. Wir wissen ja aus der
Geschichte, daß Ludwig der Fromme auf Drängen der daraialigen frem-
den, vielfach nichtdeutschen Priester und Missionare alles verbrennen
und zerstören ließ, was an arischem Kulturgut vorhanden war.
DieKennworte desMärchens.
Kenn Worte sind: Prinzessin, Prinz, Jäger, Stiefmutter, die Magd,
der Jude, Schlange, Wolf, Fuchs, Eule, Taube, Esel, Zwerge, Riesen,
Dornbusch, Fiedler etc. Das Königskind bedeutet im Märchen alle-
mal die menschliche Seele, sowohl die Seele des Einzelmenschen
wie die Seele der ganzen Volksgenieinschaft. Unter einer Prinzessin
stellen wir uns das herrlichste und schönste Mädchen vor, ausgestattet
mit allen Tugenden der Rasse. Was ist das Herrlichste und Schönste
am Menschen? Seine Seele, der göttliche Odem. Das Gegenstück zur
Königstochter ist die böse Magd, sie versinnbildlicht die niederen Triebe
in der Menschenbrust. Ebenfalls ist die Stiefmutter (Sneewittchen,
Aschenbrödel) ein Gegenstück zum edlen Königskind. Die Stief-
mütter sind die bösen Fremdkräfte, die die deutsche
Volksseele zugrunderichten wollen. Prinz und Jäger sind
die Geistesmenschen der Nation, die Führer und Helden, die uns aus dem
unwürdigen Gefängnis befreien wollen. Daß der Jude das Symbol der
Raffgier ist, der Wolf die Gefräßigkeit und Unersättlichkeit versinnbild-
licht, ist jedem Deutschen bekannt. Die Kennworte könnte man beliebig
vermehren, ihre Deutung ist nicht schwer.
„Dornröschen"
Es sollen noch kurz die beiden Märchen Sneewittchen und Dorn-
röschen gedeutet werden. Die Märchen sind verwandt. Beide versinn-
bildlichen die Wiedererweckung des deutschen Volkes
113
zu neuem Leben, (Nationale Wiedergeburt.) Dornröschen, die
deutsche Volksseele, soll von der bösen Fee (die uns feindlichen
Fremdkräfte) getötet werden. Dornröschen soll in der Blüte der
Jahre sterben. Aber eine von den guten Feen (die edlen Rasseeigen-
schaften, die Erberinnerung) kann den vernichtenden Schlag
noch mildern. Dornröschen fällt nur in einen langen, langen Schlaf.
Viele Prinzen, deutsche Geistesmenschen und Helden des Schwertes
(Hermann der Cherusker, Meister Ekkehardt, Luther, Friedrich der
Große, Stein, Lagarde, Bismarck und viele andere) versuchten das
deutsche Volk von fremden Einflüssen zu befreien; aber keinem ist es
restlos gelungen. Erst in unseren Tagen ist der Mann er-
standen, der die deutsche Volksseele wachgeküßt hat:
Adolf Hitler.
„S n e e w i 1 1 c h e n"
Im Märchen vom Sneewittchen wird ebenfalls die Auferstehung
oder besser die Wiedererweckung der deutschen Volksseele versinn-
bildlicht. Die böse Stiefmutter (die feindlichenFremdkräfte:
rote, schwarze und gelbe Internationale) will Sneewitt-
chen, die deutsche Volksseele, vernichten mit dem odembeklemmenden
Schnürriemen, das zweitemal mit einem vergifteten Kamm, zuletzt er-
folgreich mit dem vergifteten Apfel.
Zuerst ward der deutsche Geist in die Schnürriemen fremder
Begriffe eingezwängt. Das fing mit dem römischen Wesen an,
setzte sich in judaisierten Glaubenselementen fort und
gipfelte in allerhand internationalen Schlag- und Trugworten. Sodann
fuhr der scharfe Kamm fremder Willensrichtung uns durch
die Haare. Der römische Imperiumsgedanke lenkte den deutschen Tat-
willen von seinen eigentlichen Zielen ab (Kaiser Friedrich Barbarossa).
Die nach Rom fahrenden deutschen Kaiser verurteilten das deutsche
Königtum zur Ohnmacht im Innern des Reiches. Das römische Reich
unterdrückte deutsche Freiheit. Der materielle Erwerb, zum Selbst-
zweck erhoben, beherrschte schließlich Denken und Trachten vollstän-
dig. (Werner von Bülow.)
Allen drei Versuchen erliegt Sneewittchen. Dem letzten Eingriff
können auch die hilfreichen Zwerge (die sieben Planeten, damals Sonne,
Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) die a r t e i g e n,e n
rassischen Kräfte im deutschen Menschen (die Erb-
erinnerung) nicht wieder gutmachen. Aber der Königssohn naht, der
giftige Apfelbiß fällt aus dem Munde, und Sneewittchen erwacht.
„Altaristisches Mythenweistu m"
Ebenso offenbart sich in den Mythen altaristisches Weistum, altari-
stische Erkenntnis: Antäus, in der griechischen Mythologie der Sohn des
Poseidon und der Gäa', der Mutter Erde, zwingt jeden Fremdling mit
ihm zu ringen. Keiner konnte ihm widerstehen; denn er empfing, so-
lange er die Erde berührte, von dieser seiner Mutter, immer wieder
frische Kraft.
Die Besiegten tötete er und schmückte mit ihren Schädeln den
Tempel seines Vaters Poseidon. Endlich wurde er von einem fremden
Riesen überwunden, der ihn frei in die Höhe hob und ihn so in der
Luft schwebend, ehe er wieder die Erde berühren konnte, erdrückte.
Könnte diese Mythe nicht von einem zeitgenössischen Beobachter
geschrieben sein? Der mit der Erde verwurzelte Riese konnte der
Bauernstand sein, der seine Kraft und Stärke von der Mutter Eirde
hat. Der andere Riese, der ihm sein Geheimnis abgelauscht hat, ist das
Fremdtum, das den Bauern entwurzelt, ihn in die Großstadt zu
locken versucht und ihn hier leicht umbringt,
Haben wir nicht das Gefühl, als wenn wir in dem letzten Jahr dies
alles leibhaftig miterlebt hätten? Ist nicht jetzt plötzlich dem deutschen
114
Volke es v;ie Schupppen von den Augen gefallen, hatAdblfHitler
mit seinem Geisteshauch nicht das deutsche Volk au3
einem langen Schlaf zu neuem Leben erweckt! Haben
wir nicht am 1. Mai 1933 ein herrliches Hochzeitsfest zwischen dem
Prinzen und der Prinzessin gefeiert!
Pas sind die trostreichen Märchen vom Dornröschen und Snee-
wittchen.
So laßt uns die Märchen als besonderes Geistesgut unserer Nation
würdigen und in Ehren halten!
Abschaffung des Schulgebetes.
Eine neue Station auf dem Weg der Entchristlichung der Schule
war die Abschaffung des Schulgebetes und die Entfernung der
Schulkreuze. Dies ging an mit der „Simultanisierung" des
Schi^lgebetes. Ein Beispiel dafür bietet folgender Bericht des Bi-
schöflichen Ordinariates Regensburg vom 22. Dezember 1936: ■
„Wir beehren uns, Abschrift eines Berichtes vorzulegen, über die
Verhältnisse in einer Gemeinschaftsschule mii über 500 katholischen und
nur 35 protestantischen Kindern:
Am Mittwoch, den 9. Dezember 1936 wurde den Kindern der Hans-
Schemm-Schule in Regensburg- Schottenheim in allen Klassen so-
wohl das Kreuzzeichen als auch das Hände falten beim
Schulgebet untersagt. Voller Entrüstung kamen die Eltern in
den Pfarrhof und berichteten darüber.
Auf Befragen bei der Schulleitung, von wem und warum dieses Ver-
bot erlassen worden sei, erklärte der Schulleiter, Hauptlehrer Blank,
folgendes:
V 1.) Das Verbot gehe weder von der Schulleitung noch von der
Stadtschulbehörde noch von der Regierung aus, sondern von der Be-
wegung. Bezirksoberlehrer Wiesend, Kreisamtswalter des NSLB, habe
auf Grund seiner Visitation in der Schule anfangs Dezember nunmehr
dieses Verbot erlassen. Daß Staat und Bewegung dasselbe sei, sei be-
kannt.
2.) Der Grund dieser Verordnung Hege darin, daß nur eine neu-
tral e Gebetshaltung mit dem Wesen der Gemeinschaftsschule verein-
bar sei. Ein Widerstand von selten der Eltern oder der Kinder müßte
sofort an die Kreisleitung gemeldet werden.
Eine Lehrkraft hat sich den Kindern gegenüber, wie die Eltern
berichten, über den Grund noch näher hin geäußert; nur diese neutrale
Gebetshaltung ohne Händefalten und Kreuzzeichen sei eines deutschen
Jungen würdig ..."
Ähnlich wurde am 30. Oktober 1937 in Neumarkt in der
Oberpfalz, alsbald nachdem die Umwandlung der Bekenntnisschule
in eine Simultanschule (14. Oktober 1937) vollzogen war, mit Rund-
schreiben des SchuUeitefs allen Klassen, auch den rein katho-
lischen, verboten, noch weiter das Kreuzzeichen machen und daf
„Vaterunser" beten zu lassen.
Im Oberdonau gebiet wurde das Schulgebet verboten
mit dem Vorwand, daß das „Aufsagen der üblichen Gebete der ver-
schiedenen Bekenntnisse" eine schädlicheEinwirkungauf
115
den wahren völkischen Gemeinschaftsgeist in den
Schuiräumen bringe.
Die nationalsozialistische Gemeinschaftsschule verlangte andere
Gebete, wie z. B. „Gütige Hand des Allrnächtigen, leite die Arbeiten
unserer Schule, sei weit ausgebreitet über unseren Führer und be-
wahre ihn vor jeglichem Bösen. Segne unser Land und unser "Volk!
Sei du ewig unser Gott!"
Entfernung des Schulkreuzes.
Der Kampf gegen das Schulkreuz begann, wie es scheint, zu-
erst in Oldenburg, indem der Minister des Innern und der
Kirchen und Schulen im Lande Oldenburg am' 4. November 1936
verordnete;
„Sämtliche öffentliche Gebäude des Staates, der Gemeinden und
Gemeindeverbände gehören dem ganzen deutschen Volke ohne Rück-
sicht auf das religiöse Glaubensbekenntnis der einzelnen Volksgenossen.
Dies gilt auch für alle Schulgebäude. Es ist daher nicht zulässig, daß
öffentliche Schulgebäude kirchlich eingeweiht oder eingesegnet
werden. Aus gegebener Veranlassung wird darauf besonders hin-
gewiesen.
öifentliche Verwaltungsgebäude des Staates sind von alters \ier mit
konfessionellen Zeichen — z. B.' Kruzifix oder Lutherbild — nicht aus-
gestattet worden. Dies entspricht auch schon deshalb einem sachlichen
Bedürfnis, weil der Staat das ganze deutsche Volk umfaßt. Für alle
öffentlichen Verwaltungsgebäude der Gemeinden und Gemeindeverbände
müssen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein. Schulgebäude des
Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände sind nicht anders zu
behandeln. Auch die Volksschulgebäude machen dabei keine Ausnahme;
denn sie gehören der Gesamtheit . und nicht irgendeiner bestimmten
Glaubensrichtung.
Demgemäß ordnen wir an, daß künftig in Gebäuden des
Staates, der G e meinden undGemeindeverbände kirch-
liche und andere religiöse Zeichen oben erwähnten
oder ähnlichen Charakters nicht mehr angebracht
werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu ent-
fernen.
Über das Veranlaßte ist bis zum 15. Dezember d. J. zu berichten.
I.V. gez. Pauly
Beglaubigt:
Wulff, Verwaltungssekretär."
Einen anderen Versuch, das Kreuz aus der Schule zu entfernen,
berichtete das Bischöfliche Ordinariat Münster am 26. Jan. 1937:
„Am 21. Januar 1937 wurde in der Katholischen Volksschule zu Bis-
lich (Kreis Rees, Diözese Münster in Westfalen) auf Anordnung des
Kreisschulrates das Kreuz von seinem Ehrenplatz entfernt und über
der Türe angebracht. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Kunde
und löste bei der gläubigen Bevölkerung große Erregung aus. Als ich
am 22. Januar in einer Schulklasse Unterricht zu erteilen hatte, saßen
die Kinder laut weinend vor mir, so daß ein Unterrichten
kaum möglich war.
Am Sonntag, den 24. Januar, habe ich in jeder hl. Messe den
Gläubigen diese Tats.ache bekanntgegeben und sie auf^
116
gefordert, mit mir niederzuknien und zur Sühne 5 Vaterunser zu Ehren
der hl. 5 Wunden unseres gekreuzigten Heilandes zu beten.
Am Montag, den 25. Januar, morgens 9 Uhr, kamen 500 Männer
und Frauen auf dem Schulhof zusammen. Der hiesige Polizeiwacht-
meister Wissen suchte unter Hinweis darauf, daß eine Versammlung
nicht angemeldet sei, die Leute zu bewegen, sich Wieder zu zerstreuen.
Auf die Frage des Wachtmeisters, wer die Leute eingeladen hätte, wurde
ihm aus der Menge geantwortet, sie seien aus ieigenem Antrieb gekom-
men. Dann forderte die Menge in immer wiederholtem Sprechchor:
,Wir wollen das Kreuz auf seinem alten Platz haben!'
Dazwischen wurden zwei Strophen des Christkönigsliedes mit
erhobener Schwurhand gesungen. Bei Beginn der Schulpause, 9.15 Uhr,
forderte die Menge im Sprechchor: ,Wir wollen die Lehrer sprechen!*
Darauf erschien der Hauptlehrer und ließ durch den Wachtmeister er-
klären: ,Die Kreuze hängen wieder am alten Platz.' Diese Mitteilung
wurde mit großer Begeisterung aufgenommen, Auf Verlangen der Menge
betrat einer der Männer die Schule, um sich von der Richtigkeit dieser '
Erklärung zu überzeugen. Währenddessen sang die Menge das Lied:
,0 Du hochheilig Kreuz!' Als bekanntgegeben wurde, daß alle
Kreuze wieder auf ihrem alten Platze hingen, stimmte die Menge das
Deutschlandlied an. Im Anschluß daran wurde folgendes Protestschrei-
ben verlesen, das an die Regierung in Düsseldorf gesandt werden soll:
,Am 21. Januar 1937 wurde in der katholischen Volksschule zu Bis-
llch auf Veranlassung des Kreisschulrates Herrn Abel das Kruzifix von
seinem Platz, den es von alters her in der Schule im Blickfeld der Kin-
der hatte, entfernt und an einer Seiteriwand des Schulraumes an-
gebracht. Wir christlichen Volksgenossen der Gemeinde Bislich haben
für diese Maßnahme der .Schulbehörde kein Verständnis und erblickerT
darin den ersten Schritt, ähnlich wie in Rußland und Spanien, das
Kruzifix gänzlich aus dem Schulraum und damit aus dem Gedan-
kenkreis unserer Kinder zu entfernen. Deswegen erheben wir
gegen dieses Vorgehen einmütig allerschärfsten Protest und verlangen,
daß dem Christuskreuz, dem Zeichen unseres Glaubens, der ihm ge-
bührende Ehrenplatz wiedergegeben und daß es davon nicht wieder
entfernt wird. Wir berufen uns dabei auf die uns von höchster Stelle
gegebenen und in heiligen Verträgen verankerten Zusicherungen,
Die Eltern und Einwohner der Gemeinde Bislich.'
Nach Verlesung dieses Schreibens wurden die Anwesenden gebeten,
durch ihre Unterschrift zu diesem Protestschreiben ihre Zustimmung zu
geben. Um eine möglichst schnelle Abfertigung zu erzielen, wurden in
zwei Sälen und außerdem auf der Dorfstraße Tische aufgestellt, auf
denen die Unterschriften gegeben wurden.
Am gleichen Morgen vor der Kundgebung fuhr eine Abordnung von
5 Männern aus Bislich zur Regierung nach Düsseldorf, um Auskunft zu
erbitten, ob die Maßnahme des Schulrates von der Regierung gebilligt
würde. Es wurde ihnen erklärt, daß es nicht der Wille der Regierung
in Düsseldorf und auch nicht der Wille des Herrn Oberpräsidenten sei,
daß das Kreuz von seinem Ehrenplatz entfernt würde. Auf Wunsch der
Regierung fuhren zwei Mitglieder der Abordnung zum Schulrat nach
Wegel, um die Angelegenheit in Güte beizulegen. Zum großen Staunen
der beiden erklärte der Schulrat, daß er dem Hauptlehrer in Bislich
keinen Befehl gegeben habp, das Kreuz zu verhängen, obwohl der Haupt-
lehrer nach wie vor behauptet, er könne mit einem Eide bekräftigen,
daß dieser Befehl ihm vom Schulrat am 21. des Monats gegeben sei.
Außerdem erklärte der Schulrat den beiden unter anderem: ,Die Ge-
meinschaftsschule kommt doch!'"
In der Rheinpfalz kam es in der Pfarrei Frankenholz zu
einem heftigen Kampf um den Vorrang desChristuszei-
117
chens vor dem Führerbild. Ein Hirtenwort des Bischofs
von Speyer berichtet darüber am 14. Februar 1937:
„Liebe Diözesanen! Vor einigen Wochen habe ich Euch von den
wackeren Katholiken in Oldenburg berichtet, die siegreich gegen die
Entfernung des Kreuzes in den Schulen sich gewehrt haben. Nun muß
ich Euch zur gleichen Treue und Standhaftigkeit aufrufen in einem Fall,
der sich leider in der ;Pfarrei Frankenholz' unserer Diözese zugetra-
gen hat:
• Auf Veranlassung des dortigen stellvertretenden Schulleiters wurde
am 25. Januar 1937 während der Mittagsstünden in drei Schulsälen der
katholischen Bekenntnisschule zu Frankenholz das Kreuz von seinem
bisherigen Ehrenplatz entfernt und an seiner Stelle das Bild des Füh-
rers angebracht. Der stellvertretende SchuUeitet erklärte vor den Lehr-
personen und vor dem Pfarrer, daß in der Schulleiterkonferenz zu Hom-
burg am 23. Januar 1937 von dem Vorsitzenden Anweisung gegeben
worden sei, das Pührerbild in das Blickfeld der Kinder
zuhängen. Das Kreuz soll über der Türe seinen Platz erhalten. Viele
Eltern der Kinder waren auf die Nachricht dieser Maßnahme hin sehr
erregt. Denn sie waren sich bewußt, daß das heldenmütige Beispiel des
gekreuzigten Erlösers den Kindern allezeit vor Augen stehen müsse,
wenn sie zu charaktervollen Menschen, zu echten Christen und dadurch
zu wahrhaften Deutschen erzogen werden sollen. Die Haltung der Eltern
war nichi gegen die B^ehörde gerichtet, sondern gegen die Maßnahmen
des stellvertretenden Schulleiters in Frankenholz, weil bekannt wurde,
daß es nui ein örtliches Vorkommnis war. Seit dem 4. Februar wurden
in Frankenholz unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Betstunden
gehalten, um einen guten Ausgang der Kreuzangelegenheit von Christus
dem Gekreuzigten zu erflehen. Eine Abordnung von acht verdienten
Männern wurde am Montag, den 8. Februar 1937, und Mittwoch, den
10. Februar 1937, bei der Regierung des Saarlandes vorstellig, um die
Forderung zu erheben, die Kreuze wieder an ihren alten Platz zu brin-
gen. Erregt über die Vorkommnisse haben 80 Prozent
der Eltern ihre Kinder von der 3. bis 7. Klasse nicht
mehr in die Schule geschickt. Die Lehrerin der beiden
untersten Klassen beließ das Kreuz entgegen der Forderung des
Schulleiters an seinem alten Platz und ließ das Führerbild darunter
anbringen. i
' Der stellvertrende Schulleiter ließ am Montag, den 8. Februar, die
Eltern, welche ihre Kinder am Morgen nicht zur Schule geschickt hat-
ten, im Schulhause versammeln, forderte sie auf, die Kinder wieder in
die Schule zu schicken und machte sie auf die ernsten Folgen eines
Schulstreikes aufmerksam. Die Versammelten ließen den Sprecher fast
nicht zu Worte kommen und unterbrachen seine Ausführungen immer
wieder mit dem Ruf: ,Das Kreuz an seinen Platz!' — Darauf
wurde die Versammlung geschlossen. Das Haus wurde von der Polizei
geräumt. Unterdessen hatten sich vor dem Schulgebäude viele Hunderte
von Leuten jeden Alters und Standes versammelt, um den Ausgang der
Verhandlungen abzuwarten. Auch sie brachten immer wieder durch
stürmische Rufe: ,Das Kreuz an seinen Platz!* zum Ausdruck, daß sie
sich mit den übrigen Eltern solidarisch erklärten. Ihre Versuche, an
der Versammlung teilzunehmen, wurden von der Polizei nicht gestattet.
Am Tage darauf gingen viele Eltern mit ihren Kindern zur Schule. Als
sie aber festgestellt hatten, daß das Kreuz noch nicht an seinem alten
Platz hänge, nahmen sie die Kinder wieder mit nach Hause. Daraufhin
verordnete die Regierung für das Saarland bis auf weiteres Schulferien
für die drei streikenden Schulklassen.
Die Erregung unter der Bevölkerung war groß, als am Donnerstag,
den 11. Februar, bekannt wurde, daß die Lehrerin, die das
118 '
Kreuz an seinem Platz belassen hatte, vorläufig aus
dem Schuldienst entlassen sei. Die Bestürzung war um so
größer, als der Bevölkerung bekannt wurde, daß der Abordnung der
acht Männer von der Regierung in Saarbrücken zugesichert worden
war, daß die Kreuzangelegenheit zur allgemeinen Zufriedenheit bald
beigelegt werde. .
Inzwischen wird die Bevölkerung, die ausnahmslos in abhängiger
Stellung ist, einzuschüchtern versucht durch Drohungen, daß sie wirt-
schaftliche Schädigungen (Entlassungen von der Arbeitsstelle) und
schwere Freiheitsstrafen zu gewärtigen hätte.
Liebe Diözesanen! Einmütig sprechen wir den wackeren Katholiken
von Frankenholz unsere aufrichtige und uneingeschränkte Anerkennung
ob ihres unerschrockenen Eintretens für Christus, den Gekreuzigten, aus.
Wir alle fühlen uns mit ihnen eins und helfen durch unser Gebet zu
einem glücklichen Ausgang des beklagenswerten Vorfalles. Wir wollen
zugleich daraus die Lehre ziehen, immer für die Ehre des Kreuzes Christi
wachsam zu sein und alle Versuche, dieses Zeichen unserer Erlösung
irgendwie herabzuwürdigen, mit Entschiedenheit abwehren.
Die oberhirtliche Stelle hat bei den maßgebenden Behörden des
Saarlandes schärfsten Einspruch erhoben. In dieser entscheidenden An-
gelegenheit betet heute ein Vaterunser und Ave Maria!"
In B ay e rn glaubten Regierung und Partei im Jahre 1941 den
letzten Schritt zur Entchristlichung der Schule machen zu können,
stießen aber auch hier auf allseitigen kräftigen Widerstand. Auch
dafür ein sprechendes Beispiel:
„Im Jahre 1941 setzte durch den Staat der Kampf wider das Kreuz
ein. Die Kreuze in den Schulen wurden entfernt. Affecking (Nieder-
bayern) behielt sein Schulkreuz noch. Wegen der sich durch die Weg-
nahme der Kreuze in vielen Gemeinden ergebenden Unruhen wurde ein
Ministerialerlaß herausgegeben (von Anfang September 1941), wonach
Kreuze aus den Schulzimmern nicht mehr entfernt werden durften.
Nach Vorliegen dieses Erlasses wurde am 9* September durch den
seinerzeitigen Kreisleiter , Dr. Donderer das Kreuz eigenhändig aus
der Schule entfernt und mit nach Kelheim genommen. Auf späteres
Schreiben des Pfarrers, daß das Kreuz sein Eigentum sei, wurde es ihm
ausgehändigt und fand seinen Platz im Pfarrhof.
Die Frauen des Dorfes (darunter viele Kriegerfrauen) waren beun-
ruhigt durch die Wegnahme des Kreuzes; sie wußten auch von dem
Erlaß, wonach, das unstatthaft war. Die Schulen sollten am 10. Oktober
1941 wieder beginnen. Zu Beginn der Schulstunden fanden sich wohl
100 Frauen im unteren Dorfe vor der Schule ein und brachten ein Kreuz
mit, das sie im Schulraum wieder anbringen wollten. Der Lehrer L i n d -
ner ließ i^nen sagen, er habe das Kreuz nicht aus der Schule entfernt
und könne auch keines wieder anbringen, sie sollten sich mit dem Kreis-
leiter auseinandersetzen. Eine der Frauen rief den Kreisleiter an und
sagte ihm, es seien Kriegerfrauen vor dem Affeckinger Schulhaus und
wollten das Kreuz wieder auf seinen alten Platz in die Schule bringen.
Donderers Antwort war: ,Was wollt Ihr sein? Kriegerfrauen? Ihr seid
Kriegerarschlöcher!' (Einem anderen hätte eine solch verächtliche Be-
merkung über Kriegerfrauen zum mindesten Zuchthaus eingebracht.) Sie
hätten sofort heimzugehen, die Polizei käme schon, (Diese war an-
scheinend durch den Lehrer verständigt worden.) Es erschienen zwei
Polizeibeamte (einer war L o i b 1) und befahlen den Frauen, sofort heim-
zugehen; sonst würden sie verhaftet. Pfarrer Rohrmeier hatte an
dem Morgen nach der hl. Messe eine Taufe und kam gerade aus der
alten Kirche.; Er hörte die Bemerkung von der Verhaftung und sagte zU
119
Loibl: jMeine Pfarrkinder lasse ich nicht verhaften; dehn diese sind im"
Recht, da ein Erlaß vorhanden ist, wonach Schulkreuze nicht mehr ent-
fernt werden dürfen. Wenn jemand verhaftet werden soll, dann ich,
nicht meine Pfarrkinder! Ich stehe für sie ein.' Loibl darauf: .Steigen
Sie nur gleich ein!' Daraufhin umringten die Frauen den Pfarrer und
riefen den Polizisten zu: ,Unsern Pfarrer lassen wir nicht verhaften!'
Um die Frauen zu beruhigen, bat Pfarrer Rohrmeier Loibl in den Pfarr-
hof, wo er mit ihm eine längere Auseinandersetzung hatte, in der er
Loibl den Vorwurf machte, daß er -^ entgegen seiner Pfarrer Rohrmeier
in Cham gegenüber geäußerten Aussage — aus der Kirche ausgetreten
. sei. — Am Mittag kam dann die Geheime Staatspolizei von Regensburg,
verhaftete Pfarrer Rohrmeier und nahm ihn mit nach Kel-
heim, wo er bis zum Abend verhört wurde, und dann nach Regensburg
ins Amtsgerichtsgefängnis, später für 4 Jahre ins Kz Dachau ! !
Das war der Beginn einer langen und harten Zeit. Erst nach der Be-
freiung des Pfarrers aus dem Kz am 18. Juli 1945 wurde das Kreuz wie-
der feierlich in die Schvüe getragen. Eine kurze Ansprache, die ein Lob
der Frauen für ihr damaliges tapferes Eintreten für das Kreuz war und
zugleich ein Dank für des Herrgottes gütige Fügung, und die Segnung
des Hauses folgte dann. Nun dürfen Affeclcings Kinder wieder unter
dem Kreuz groß werden!"
Auch das religiöse Lied v er stumm t in der Schule!
Mit Kreuz und Gebet verschwand auch das religiöse Lied aus
der Schule des Dritten Reiches. In Baden wurde es schon zu Ostern
1937 beseitigt.
Statt des religiösen Liedes kamen dann triviale Lieder, wie sie
die HJ gern sang, z. B.:
„Wir sind des Geiers schwarze Haufen."
Oder das Lied
„Schwarze Fahne"
das z. B. vom „deutsehen Jungvolk" Fähnlein 22/2/L als Liederblatt Nr. 2
verbreitet wurde:
1. Schwarze Fahne, halte stand!
Sturmgewitter zieh'n durchs Land,
Landsknechtstrommeln dröhnen gut,
Brüllt sie an die Pfaffenbrut.
:/:Wer sich unserer Fahne verschreibt,
Muß ihr folgen.
Wohin sie auch treibt.
Wer sich unserer Fahne verschwört,
Hat nichts mehr.
Was ihm selber gehört!:/:
2. Wehe Fahne, weh' zum Sturm,
Wer dich anspeit, ist ein Wurm,
Gleich dem Wurm wird er zertreten,
Keine Zeit hat er zum Beten.
:/:Wer sich unserer Fahne verschreibt . . .:/;
3. Schwarze Fahne, halte stand!
Sturmgewitter zieh'n durchs Land,
Landsknechtstrommeln dröhnen gut,
Brüllt sie an die Pfaffenbrut.
:/:Wer sich unserer Fahne versehreibt...:/:
120
Ja, sogar folgendes gotteslästerliche Lied wurde eingeübt und
gesungen:
„Wir sind die fröhliche Hitlerjugend,
Wir brauchen keine c h r i s 1 1 i ch e Tugend,
Denn unser Führer Adolf Hitler
Ist unser Erlöser., ist unser Mittler.
Kein Pfaff, kein böser, kann uns verhindern
Uns zu fühlen als H i 1 1 e r « K i n d e r.
Nicht Christus folgen wir, sondern Horst Wessel.
Fort mit Weihrauch und Weihwasserkessel.
Wir folgen singend Hitlers Fahnen,
Nur dann sind wir würdig unserer Ahnen.
IchbinkeinChristundkeinKatholik,
Ich geh mit SA durch dünn und dick.
Die Kirche kann mir gestohlen werden.
Das Hakenkreuz macht mich glücklich auf Erden.
Ihm will ich folgen auf Schritt und Tritt,
Baidur von Schirach, nimm mich mit!"
In der Singschule, welche die Kreisbauernschaft Ti-aunstein
„zur vermehrten Pflege des schönen heimischen Volksliedes" ver-
anstaltete, wurden für die öffentliche Veranstaltung auch Lieder-
(„Gstanzln") „von ganz eindeutiger Erotik" eingeübt
(Bericht des nationalsozialistischen „Mühldorf er Anzeigers" vom
Februar 1934).
Volksschullehrer Thomas Irrgang von Schlier see in
Oberbayern trug am 30. Juni 1936 seinen Schülern in der vierten
Klasse, also in der Klasse der Erstkommunikanten, auf, binnen acht
Tagen das neuheidnische Lied der „Deutschen
Glaubensbewegung": „Der Herbstwind fährt über das
Stoppelfeld" auswendig zu lernen. Der Text lautet:
„Der Herbststurm weht übers Stoppelfeld,
er weht über Acker und Brache;
Ein neues Jahrhundert beginnt in der Welt;
du, schlafendes Deutschland, erwache!
D er Pap st sitzt in Rom aufsei dnem Thron,
es sitzen bei uns seine Pfaffen.
Was hat einer deutschen Mutter Sohn
mit Papst und den Pf äff en zu schaff en?
Man hat unsere Ahnen als Ketzer verbrannt
der streitenden Kirche zur Ehre,
in Asiens Wüsten, im heiligen Land
verbluteten deutsche Heere.
Rot floß die Aller vom Sachsenblut,
die Stetinger wurden erschlagen;
als Ablaß wurde das Bauerngut
vom Mönch ins Welschland getragen.
Die Zeit verging, der Pfaffe, der blieb. —
Wir brauchen zum Himmel die Mittler nicht,
uns leuchten ja Sonne und Sterne,
und Blut und Schwert und Sonnenrad
sind Kämpfer in jeglicher Ferne."
121
So kam man dem letzten Ziel,
der nationalsozialistischen Weltanschaüungs-
schule,
immer näher.
Professor B ä u m 1 e r, Sektionschef im Stab .Rosönberg, hatte
dies schon 1938 in der Zeitschrift: „Weltanschauung und Schule"
offen ausgesprochen mit der Erklärung, ,',daß die Gemeinschafts-
schule durchaus, nicht eine Schule ohne Bekenntnis sei, weil sie
eben nicht etwa bloß mehr Staatsschule sei, sondern vielmehr
eine Schule für nationalsozialistischen Glau-
b»»
en. . . .
Ähnlich wurde 1939 auf einer der Jubiläumsfeiern des National-
sozialistischen Lehrerbundes als einer der Hauptgrundsätze betont:
„Der Nationalsozialismus hat die Bekenntnisschule nicht abgeschafft,
um sie zu verweltlichen. Er hat sie in eine Schule verwandelt,
welche den nationalsozialistischen Glauben be-
k e n n t." (Also auch eine „Bekenntnis schule", aber neuer,
deutscher, heidnischer Art! Der Verf.)
Am brutalsten umriß das Endziel Stadtschulrat Bauer von
München, als er in einer Versammlung am 14. Juni 1939, die Maske
vollends ablegend, die ihm bei der Propaganda für die Simultan-
schule so dienlich war, offen erklärte: „D er Religionsunter-
richt muß verschwinden aus den Schulen. Wir for-
dern: Unter rieht ü.b er den deutschen Glauben durch
DeutscheinderdeutschenSchule! Wer an die Dogmen
der Kirche gebunden ist, hat von uns in Zukunft nichts zu er-
warten."
Vorbild hiefür sollten die Adolf-Hitler-Schulen sein.
Sie hatten weder einen christlichen Religionsunterricht noch irgend-
eine christliche religiöse Betätigung, nur Unterricht auf der Basis
der Rosenbergideen und Religions geschieht s Unterricht. So
sollten die künftigen „Führer" der Bewegung herangebildet werden
und andere heranbilden.
5. Fesseln für die katholischen Orden.
„Die Ordensgesellschaften, in welchen wir nur eine Ver-
neinung des Lebens sehen und die eine große Gefahr für die Moral des
deutschen Volkes sind, müssen verschwinde n."
(Führerblätter der „HJ" 1936, S.31.)
„Wandelnde Leichname sind alle jene Mönche und Nonnen, die Rom
den Kadavergehorsam geschworen. Sie sind bis in die Seele entdeutscht,
entwurzelt, religiös vernichtet. Wir dürfen die kirchlich-klö-
sterlichen Zwingburgen nicht mehr im Vaterlande
dulden, dürfen nicht lässig zusehen, wie man Zehntausende unserer
Jünglinge und Jungfrauen seelisch entführt, ihnen die deutsche Seele
stiehlt und ihnen die naturhaft heilige Gemeinschaftsreligion nicht er-
laubt. Alle Sekten und Kirchen sind im DBFE (Deutscher Bund für
122
heitsreliglon). Es gibt nur mehr 1 Reich, 1 Religion mit der Reichs-
ministeriellen Spitze.
Unser unbeugsamer Wille zur Volkwerdung lautet:
Durch deutsche Einheitsreligion zum deutschen Einheitsstaat, zum großen
Dritten Deutschen Reich, zum freien Volk auf freiem Grund!"
(Dr. Hompf: „Reich und Religion", Verlag für nationalsozialistisches
Schrifttum, Stuttgart.)
„Die Orden sind der militante Arm der katholischen Kirche. Sie
müssen daher von ihren Einflußgebieten zurückgedrängt, ein-
geengt und schließlich vernichtet werden."
„Für umfassendere Maßnahmen auf dem Gebiete des Ordenswesens
muß der Boden erst propagandistisch noch mehr vorbereitet
werden."
(Geheimanweisung des Reichssicherheitsdienstes v. 15. Februar 1938.)
Äußerungen von drei verschiedenen Seiten, eins in der Z i e 1 -
kundgäbe: Vernichtung der katholischen Orden.
Und das Mittel hiezu: Propagandistische Vorberei-
tungdesBodenSi
Und für diese Propaganda hatte Goebbels längst die Richt-
linien festgelegt mit den Worten:
„Die Aufgabe der Propaganda ist nicht ein Abwägen der v e r -
schie denen Rechte, sondern das ausschließliche Be-
tonen des einen, durch Propaganda zu vertretenden (Rechtes). Sie
hat nicht objektiv die Wahrheit, soweit sie andern günstig
ist, zu erforschen, um sie dann der Masse in doktrinärer Auf-
richtigkeit vorzusetzen, sondern ununterbrochen der eige-
nen zu dienen." So lautete Goebbels allgemeine Anweisung.
Und er wandte sie rücksichtslos und skrupellos gegen die Orden an,
um sie zunächst moralisch zu vernichten; dann konnten
die verschiedenen Organe von Staat und Partei an die tatsäch-
liche und volle „Liquidierung" gehen.
Daß aber diese letztere von Anfang an als Endziel fest-
stand, zeigen nachfolgende Maßnahmen:
Schon eineinviertel Jahr nach Abschluß des Reichskonkordates,
In dem den Orden feierlichst freie Niederlassung und Tätigkeit im
Deutschen Reich zugestanden war, richtete
das Schatzamt der NSDAP
gierig seine Augen auf die Besitzungen der Orden und verfügte am
20. Oktober 1934:
„Streng vertraulich!
An alle Gauämter!
Die Gauämter werden angewiesen, bis zum 15. Dezember 1934 die
Grundstücke und Gebäudekomplexe der in ihren Gau-
Tbezirken sich befindenden Ordens- und Missionsgesellschaften beider
Konfessionen genauestens zu, vermessen und bei den zuständigen Kata-
sterämtern sich die genauen Pläne und Veranschlagungen aushändigen
zu lassen. Vor allem ist auch eine Erhebung zu machen über die in
Händen dieser Gesellschaft sich befindenden Darlehen, Hypothe-
123
k e n und Barvermögen, Die Verwendbarkeit der Häuser
undGrundstückeistgenauanzugeben;
Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß die Erhebungen bis
spätestens 15. Dezember d. J. in Händen des Schatzmeisters sein müssen.
Wert wird vor allem auf amtliche Unterlagen gelegt.
Bis zum gleichen Termin ist ein Bericht über die Tätigkeit der
genannten Gesellschaften an das Kulturpolitische Amt der
NSDAP einzureichen.
Mitgliederzahl, Schulung usw. ist genauestens zu vermerken. Bei
den evangelischen Anstalten auch die religiöse Richtung dieser Mit-
glieder.
Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Diakonissen-r, Dia-
konen-, Nonnen- und Brüderanstalten, die sich mit Kranken- und Wohl-
fahrtspflege beschäftigen. Es wird noch einmal auf die strenge Ein-
haltung des Termins hingewiesen. Die Erhebungen haben
unbemerktvorsichzugehen.
Heil Hitler!
gez. Schwarz
Reichsschatzmeister."
Das Kult urpolitisch eAmt der NSDAP
wollte seinerseits zunächst mehr die Tätigkeit der Orden be-
spitzelt haben und so Vorwände für Maßnahmen gegen sie liefern.
Sie gibt hiefür der Geheimen Staatspolizei entsprechende Winke:
„Zentralleitung der Partei.
Kulturpolitisches Amt der Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiter-Partei.
An die
München, 3. November 1934
Nummer O II 1405/6
Geheime Staatspolizei!
Gegenstand: Ordensschulen, ,
Exerzitien und Schulen. ,
Geheim !
An die 'Geheime Staatspolizei v. Recklinghausen.
Die Überwachung der geistlichen Exerzitien ist durch ein
Dekret des Reichsinnenministeriums nicht vorgesehen. Dennoch hat sich
in den letzten Wochen ergeben, daß die religiösen Orden als
Zentrum der reaktionären Tätigkeit betrachtet werden
müssen, die darauf gerichtet ist, das Programm der Nationalsozialisti-
schen Weltanschauung zu bedrohen. Ihr Werk ist um so gefährlicher,
als sich ihre zersetzende Tätigkeit in aller Stille und unauffällig voll-
zieht.
Es ist für alle Sehenden klar, daß diese Gesellschaft den dich-
testen Gefahrenherd für unsere Arbeit des kulturellen
Wiederaufbaues darstellen; vor allem weil den religiösen Orden
selbst sogar Schulen eingegliedert sind, die zum Teil im Ausland
liegen.
Nun hat dij Geheime Staatspolizei, Kulturpolitisches Amt, die Auf-
gabe, ein genaues Bild der kulturellen Tätigkeit der in ihrem Bereich
befindlichen religiösen Orden zu liefern und ferner zu berichten, was im
Schöße der Orden selbst vor sich geht, besonders hinsichtlich ihrer Be-
ziehung mit a u s 1 ä n d i s c h e n I n s t i t u t i o n e n. Unerläßlich ist eine
124
genaue Darstellung ihres Lehrplabes, Jhres Inhaltes wie auch ihrer Hal-
tung und der politischen Vergangenheit ihrer Lehrer.
Wir bitten, die Nachforschungen mit der größten Verschwiegen-
heit und sobald wie möglich durchzuführen. In den ersten Tagen des
Januar muß die Zentralleitung der Partei das ganze in Betracht kom-
mende Material in Händen haben.
Für die Leitung: Heil Hitler!
gez. Köster gez. von Genner."
Reichsführer SS Himmler
konnte natürlich nicht hinter Reichsschatzamt und Kulturpoli-
tischem Amt der Partei zurückbleiben, vielmehr schon zeitig ver-
sorgen, daß überall geeignete Räuber und Verwalter für
die Klosterbeute da seien, insbesondere aus den Reihen
seiner geliebten SS.
Er gründete darum den „Deutschen Reichsverein
für Volks pflegeu n.d S i e d 1 e r h i 1 f e" e. V. (Welch schöner
Name für Diebe! Ähnlich wie der Name: „Gemeinnützige Transport-
gesellschaft" für die SS- Autos, welche die Geistesschwachen aus den
Heil- und Pflegeanstalten in die Vernichtungsanstalten führten!).
Zweck und Vollmachten dieser neuartigen „Treuhandgesellschaft"
zeigt nachfolgendes Schreiben mit brutaler Offenheit:
„Inspekteur der Sicherheitspolizei Wiesbaden, den 9. April 1940
und des SD in Wiesbaden Gustav-Freytag-Straße 9
Geheim
An das
Hauptfürsorge- und Ver.Amt — SS
Berlin W 15
Kurfürstendamm 217.
BetrefE: Personal für den Verein für Volkspflege e. V.
Vorgang: ohne
Der Deutsche Reichsverein für Volkspfiege und Siedlerhilfe e. V, in
Berlin, dem einzelne Gauvereine unterstellt sind, ist mit Einverständnis
des Reichsführers SS gegründet worden. Er hat die Aufgabe,
Kirchengrundbesitz wie Klöster, konfessionelle An-
stalten usw. den Kirchen zu entziehen und derPartei
undihren Gliederungen zur Verfügung zu stellen.
Durch enge Zusammenarbeit des SD mit der Geheimen Staatspolizei
und dem Regierungspräsidenten in Wiesbaden, als der staatlichen Auf-
sichtsbehörde über kirchliche Stiftungen, ist es bisher gelungen, allein
im Regierungsbezirk Wiesbaden Klöster im Werte von rund 30.000.000
RM der katholischen Kirche zu entziehen und sie der deutschen Volks-
gemeinschaft nutzbar zu machen. Ein Zugriff auf weitere Klöster usw.
wird zum Teil dadurch erschwert, daß keine geeigneten SS-Angehörigen
zur Verfügung stehen, die als Verwalter bei den einzelnen Klöstern
eingesetzt werden können. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des
Gaues Hessen-Nässau — SS-Gruppenführer Heydrich ist mit der Über-
nahme dieses Amtes durch mich einverstanden — wende ich mich des-
halb mit folgender Bitte an Sie:,
Ich bitte zu prüfen, ob nicht ältere SS-Angehörige oder viel-
leicht auch solche zur Verfügung stehen, die infolge einer Verwundung
für den Dienst der Waffen nicht mehr in Frage kommen. Diese SS-
125
Angehörigen könnten In öffentlichen Anstalten des Regierungsbezirkes
ausgebildet und damit in die Lage versetzt werden, Klöster mit ihrem
wertvollen Grundbesitz zu verwalten, schriftlich und mündlich mit den
verschiedenen Dienststellen zu verkehren, Anordnungen über den Be-
trieb der Landwirtschaft zu geben und sich gegenüber den anfänglich
noch in den Klöstern befindlichen Klosterinsassen durchzusetzen. Für
eine solche Ausbildung wird etwa eine Zeit von zwei Monaten not-
wendig sein. Nach erfolgter Ausbildung könnten sie dann nach Bedarf
als Verwalter bei solchen kirchlichen Anstalten eingesetzt werden, die
zusammen mit der Geheimen Staatspolizei an zustän-
digen staatlichen Stellen auf meine Weisung hin den
Kirchen entzogen werden.
Wesentlich ist, daß die in Frage kommenden SS-Angehörigen nicht
ohnejedekirchlicheBildungsind, dasiö wenigstens am An-
fang ihrer Tätigkeit mit kirchlichen Stellen und insbesondere Kloster-
insassen zu tun haben. Um sie in die Mentalität der Kirche einzuführen,
wird beabsichtigt, die SS-Angehörigen nach Abschluß der fachlichen
Ausbildung zu einem mehrtägigen' Lehrgang zusammenzuziehen, um sie
auf diese Weise auf ihre künftige Arbeit auszurichten.
gez. Unterschrift
• SS-Standartenführer."
Das Ziel war also eindeutig und fest.
Als Einzelstationen dieses Weges dürfte vielleicht fol-
gendes genannt werden:
I. In Schrifttum aller Art, in öffentlichen Versammlungen, auf
Schulungskursen u. ä. setzte ein offener und versteckter K^mpf
gegen den Ordensgedanken überhaupt, gegen die
katholischen Ordensgelübde ein.
In allen Tonarten wurde verkündet: Mit der Armut der Klöster
sei es nicht so weit her. Sie seien sehr reich; in ihnen esse und
trinke man gut, arbeite wenig; Ordensleute wären Drohnen der
Gesellschaft. Ehelosigkeit und Keuschheitsverpflichtung seien
etwas Unnatürliches, Gesundheitgefährdendes, bevölkerungspoli-
tisch Schädliches, Anreiz zu geheimen und öffentlichen Exzessen.
Gehorsam und Abtötung seien eines freien Deutschen unwürdig.
Hinter Klostermauem sei überhaupt nicht viel Ideales, sondern
sehr viel Menschliches.
II. Dann verdächtigte man die Wirtschaftsführung der
Orden, setzte phantastische Zahlen über die Menge ihrer Nieder-
lassungen, über den Umfang des im Besitz der „Toten Hand"
befindlichen Grund und Bodens in die Welt, sprach viel von dem
gewaltigen Einnahmenentgang, den der Staat ob der vielfachen
Steuerfreiheit der Orden erleide, ebenso von der Konkurrenz
durch die gewerblichen und industriellen Betriebe der Klöster
(Brauereien, Druckereien usw.).
Und dann sprach und schrieb man viel von den unzeitgemäßen,
weitabgewandten Unterrichts- und Erziehungsmethoden der
klösterlichen Lehranstalten, von gesundheitswidrigen Verhält-
nisssen in geistlichen Instituten, von mangelnder Pflege des
vaterländischen Geistes, erst recht vom Fehlen nationalsozialisti-
126
scher Gesinnung in klösterlichen Schulen usf. Immer offener
und derber trat auch schon in Wort und Lied und Bild der
Spott über das Ordensleben in Erscheinung.
III. Im Sommer 1935 holte man dann zum großen letzten Schlag
gegen die katholischen Orden aus zur gründlichsten Diffa-
mierung. Mittel hiezu waren Devisen- und Sittlichkeits-
prozesse.
a) Devisenprozesse
Zur Finanzierung der Aufrüstung Deutschlands hatte Reichs-
minister Dr. H. Schacht unter anderem auch eine Reihe von
Devisenverordnungen gegeben.
Sie waren so kompliziert, daß selbst Fachleute Mühe hatten,
sich darin zurechtzufinden und sichere Auskunft zu geben, daß
Banken und Großbanken sich dafür eigene Spezialisten nahmen.
Rechtsanwalt Reichling, der Verteidiger der Priester vom Heiligsten
Herzen Jesu in Hiltrup, konnte am 22. Juli 1935 vor Gericht fest-
stellen: „Ich habe erfahren, daß Rechtsanwälte, die sich durch viele
Devisenprozesse durchgekämpft hatten, in privater Unterhaltung
sich geäußert haben, daß nicht Bloß Kollegen (Rechtsanwälte), son-
dern auch Richter und Staatsanwälteintheoretische
Irrt um erbezüglichDevisenangelegenheitenver-
1 e 1 e n.
War es da ein Wunder, wenn Laien sich nicht auskannten?
War es wirklich „Gaunergeist und Verbrechergesinnung", wenn
Ordensleute, besonders Schwestern, in Finanzangelegenheiten zu-
meist unerfahren, den Ratschlägen eines Finanzberaters und der
oftmaligen Versicherung voller Gesetzmäßigkeit von Transaktionen,
wie sie Finanzmann Dr. H o f i u s gab, Glauben schenkten?
Kennte z.B. ein Finanzlaie nicht wirklich meinen, es sei er-
laubt, daß deutsche Schwestern, die in Italien Schulen unterhielten,
von ihren Ersparnissen Schulden ihres Mutterhauses in Holland
zahlten? Aber nach den Devisenvorschriften durften sie dies nicht,
weil sie in Italien keine eigene Ordensprovinz bildeten und darum
nicht finanziell selbständig waren, vielmehr ihr Geld an das Pro-
vinzialmutterhaus in Deutschland senden mußten.
Zweifelhaft konnte es ebenso sein, ob ein deutscher Ordens-
oberer, der nach Vorträgen in der Schweiz mehrere Tausend
Schweizer Franken für die deutsche Ordensniederlassung in
Jerusalem geschenkt erhielt, diese vom Schenker direkt ins
Heilige Land schicken lassen durfte oder aber sie mit nach Deutsch-
land nehmen mußte, um sie der deutschen Reichsbank zur Ver-
fügung zu stellen, und so der Ordensniederlassung in Jerusalem
die vom Schenker beabsichtigte, dringendst benötigte Unterstützung
auf Jahre hinaus nicht zuwenden konnte.
Bezeichnend ist jedenfalls, was die Hiltruper Herz- Jesu-Mis-
sionare in einem Rundbrief vom 18. Dezember 1945 über den Aus-
127
gang des einstmals so groß aufgezogenen Devisenprozesses gegen
zwei ihrer Patres schrieben: „Die äußere Verfolgung des Dritten
Reiches gegen uns Hiltruper Herz-Jesu-Missionare begann mit dem
sogenannten »Devisenprozeß'. Die beiden zu schweren Zuchthaus-
strafen verurteilten Patres Rudolf Wilmsen und Martin Utsch
wurden n ach einem Jahr Haf t wi e der freigelassen,
ohne die Zuchthausstrafen angetreten zu haben,
d a i h r e ü n s c h u 1 d o f f e n b a r w a r. ■*
Ob unter den nachfolgend verzeichneten Personen, die in
Devisenangelegenheiten inhaftiert waren, nicht manche letzten
Endes subjektiv oder objektiv ebenso schuldlos waren wie diese
zwei Missionare?
Verhaftet waren 23. Juni 1935:
a) Männer
2 Generalvikare (Meißen und Hildesheim)
2 Generalsekretäre des Bonifatiusvereins Paderborn
2 Missionare vom Hl. Herzen Jesu (Hiltrup)
10 Redemptoristenpatres (Bonn, Aachen, Heiligenstadt, München)
1 Missionar V. Hl. Geist
i Lazaristenpater
4 Barmherzige Brüder aus Trier
1 Barmherziger Bruder aus Waldbreitbach
2 Angehörige der PaÜottiner (ein Pater und ein Bruder) in -Limburg
1 Stiftspropst aus Lauban
3 Franziskanerpatres aus Schlesien
2 Rechtsanwälte
3 Angestellte der Hofiusbank
Direktor Schneider (Wohlfahrtshaus Berlin)
b) Frauen
2 Missionarinnen vom Hl. Herzen Jesu (Hiltrup)
2 Schwestern U. L. Frau (Mühlhausen und Charlottenburg)
2 Schwe.stern der christlichen Liebe (Paderborn)
1 Arme Schulschwester U. L. Fr.
4 Trebnitzer Borromäerinnen
3 Graue Schwestern aus Breslau
6 Schwestern vom Guten Hirten (Reinickendorf, Beuthen, Münster)
1 Vinzentinerin (Köln-Nippes)
1 Augustinerin
1 Sekretärin vom Bonifatiusverein Paderborn
Wer nicht parier t, w i r d s u s p e n d 1 e r t.
41 Redakt-eure amtsenthoben!
In der berechtigten Sorge, daß diesen angeklagten Geistlichen
und Ordensleuten seitens der deutschen Justiz und der Goebbelschen
Propaganda nicht volle Gerechtigkeit geschehe, veröffentlichte das
Erzbischöfliche Ordinariat Breslau eine vorsichtige Erklärung zu
den Prozessen. Die Redakteure vieler ehemals katholischer Zeitun-
128
gen waren froh, nach all den aufgezwungenen Beschuldigungen und
Beschimpfungen des Klerus und der Orden dieses amtliche auf-
klärende Wort bringen zu können. Sie alle, 41 an der Zahl, wurden
daraufhin amtsenthoben, sollten sogar aus der Berufsliste gestrichen
werden, kamen aber schließlich noch mit einem „blauen Auge",
mit nachstehender „strengster Verwarnung" davon:
Der Reichsminister
für Volksaufklärung und Propaganda Berlin, W 8, den 18. Juni 1935
.'. . , Wilhelmplatz 8/9
An
Sie haben in Ihrer Zeitung eine Erklärung des Erzbischöflichen
Ordinariats Breslau zu den Devisenprozessen veröffentlicht. In dieser
Erklärung wird ausgeführt, daß Übertretungen der Devisenverordnun-
gen auch kirchlicherseits ernstlich mißbilligt würden, wobei die Frage,
ob aus Unkenntnis oder infolge Irreführung seitens dritter Personen
gehandelt ist, der Prüfung der Einzelfälle überlassen bleiben müsse.
Gleiches gelte von der weiteren Frage, ob mildernde Umstände aus dem
pfliehtmäßigen Streben nach Abwendung der sehr schlimmen Notlage
einzelner Klöster herzuleiten seien. Einer späteren Zeit müßte es vor-
behalten bleiben — unbeschadet der Achtung vor den schwebenden ge-
richtlichen Verhandlungen — , ein ruhiges, alle Momente abwägendes
Urteil über die genannten Vergehen in ihrer Gesamtheit zu t>'effen, wo-
bei auch die Absichten der verurteilten Personen, die Irreführung der-
selben von dritter Seite und nicht zuletzt die außerordentlich großen
Verdienste der Orden für Religiosität, Volkswohl und freie Liebsstätig-
keit im Inl und Ausland nicht übersehen werden dürften.
Diese Sätze enthalten eine unhaltbare Beweisführung und einen un-
geheuerlichen Abs(ihwächungsversuch eines gerichtsnotorischen Ver-
brechens. Sie stellen eine offensichtliche Herabsetzung der Würde und
des Ansehens der deutschen Justiz dar, die sich im schroffen Wider-
spruch zu der über die Devisenprozesse in allen Volkskreisen herrschen-
den öffentlichen Meinung befindet (vgl. dazu auch die Erklärung des
Reichs j ustizministeriums).
Sie haben damit gegen die Pflicht verstoßen, Ihrer Zeitung alles
fernzuhalten, was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach
außen und im Innern zu schwächen. (§ 14 Nr. 2 des Schriftleitergesetzes.)
Sie haben ferner gegen die Pflicht verstoßen, die Gegenstände, die Sie
behandeln, wahrhaft darzustellen (§ 13 a. a. O.). Ich verwarne Sie daher
strengstens und erwarte, daß Sie in Zukunft die Gesetze des national-
sozialistischen Staates schärfstens beachten.
Mit der. vorstehenden Verfügung ist Ihre Zurdispositionsstellung
aufgehoben. Ihrer weiteren Schriftleiterbetätigung steht dabei nichts
mehr im Wege.
Heil Hitler!
In Vertretung
gez. Walter Funk.
Es gab gewiß Fälle, wo der Sachverhalt klarer , lag, wo die
gesetzwidrige Geldausfuhr wirklich schwer zu verurteilen war.
Aber mußte es dabei zu dieser Art von Prozeßführung
kommen, wie sie nur im Dritten Reich und auch da nur für
Ordensleute beliebt wurde?
Kreuz und Hakenkreuz t ji 29
Mußte es zu so u n e r h ö r t e n G e f ä n g n i s - u n d Geld-
strafen und Ersatzforderungen (nach Hunderttausenden)
kommen?
Mußte den Verteidigern so wenig Zeit zum Stu-
dium der umfangreichen und schwierigen Akten oder zur Be-
sprechung mit dem Angeklagten belassen werden, daß z. B. der
Vertreter des Redemptoristenpaters Aigner von Gars vor Gericht
klagen mußte: „Eine kurze Frist von drei Stunden, in
welcher etwa 3 Punkte besprochen werden müs-
sen, reicht nicht aus, um den Fall klarzustellen."
Mußte mit so ungleichem Maß gewogen werden? Warum
konnte z. B. manchen Devisensündern aus Industrie- oder Bank-
häusern, besonders aber aus Parteikreisen, Gelegenheit zur außer-
gerichtlichen Wiedergutmachung gegeben oder über
ihre nicht kleineren Vergehen nur mit ein paar Zeilen in
der Presse berichtet werden?
Mußten die Prozesse gerade dann hervorgeholt wer-
den, wenn man sie besonders brauchte zur Aufreizung des Volkes
öder zur Ablenkung von unangenehmen Ereignissen?
Mußte über die Devisenverfehlungen von Ordensleuten in Zei-
tung und 'Zeitungsanschlägen, in Presse und Radio berichtet werden
unter Überschriften wie: „Fromme Gauner gehen ins
Gefängnis", „Millionen Schmuggel von Klöstern",
„Märtyrer und geistliche Devisenschieber" u. ä.?
Mußte über Verurteilungen in breitester Öffentlichkeit ge-
schrieben werden, aber geschwiegen werden über Be-
rufungen und ihren vollen oder wenigstens teilweisen Erfolg?
Mußte deutsche Justiz den Prozeß gegen den Jesuitenpater
NellBreunig im Jahre 1936 absetzen, sobald in Erfahrung ge-
bracht wurde, daß auch holländische Juristen zur Ver-
handlung erscheinen wollten und so Gefahr war, daß die Sache
nicht so einfach abgetan werden konnte, vielleicht gar nicht nach
dem „Regieplan" verlaufen würde, dann aber 1943 (nach 7 Jahren!),
als durch die militärische Überwältigung und Besetzung Hollands
von dieser Seite eine juristische Einmischung nicht mehr zu be-
fürchten war, den „auf Eis gelegten" Akt wieder hervorziehen und
die Anklage wieder aufwärmen? Und wer versteht es, daß der
Pater von einer Verletzung der Devisenvorschriften freigesprochen,
ersatzweise aber wegen „mangelnder nationalsoziali-
stischer Gesinnung" zu drei Jahren Zuchthaus, djarüber
hinaus sein Orden auch zur Zahlung von rund 1 Million Mark ver-
urteilt wurde?
Mußte die Verfehlung einzelner Ordensleute der ganzen
katholischen Kirche in die Schuhe geschoben und auf
130
Firmungsreisen Bischöfen ins -Gesicht geschleudert ^yerden, wie es
in Hamm dem Erzbischof von Paderborn geschah?
Mußte es nebst einseitiger un^ gehässigster Prozeßbericht-
erstattung auch noch zu ärgsten Karikaturen der Ordensleute
kommen, zu Bildern, wie sie „Das Schwarze Korps" brachte, z. B.
mit der Darstellung von zwei abstoßenden Ordenspatres und der
Unterschrift: „Der liebe Gott sieht es, aber Dr. Schacht sieht es
nicht"?
Mußte es veranlaßt und geduldet werden, daß auf allen Gassen
und in allen Lagern Spottlieder auf. „devisenschiebende Ordens-
leute", Vatikan und Papst gesungen wurden, selbst von unreifen
Hitler jungen?
Beispiele dafür:
„KlosterHed (Melodie: ,Eine Seefahrt, die ist lustig')
1. Ja das Leben in dem Kloster,
Ja das Leben dort ist schön,
Ja da kann man, statt zu beten
auch Devisenschieben gehn!
» Holerie, Holero...
2. Pater, Mönch und auch die Nonne,
alle drei sie nehmen an,
beten schnell. ein Paternoster
und dann geht's ans Schieben ran!
Holerie, Holero . . ,
3. Mit Devisen schwerbeladen,
schleicht die Nonne durch das Land,
ihr Gesicht ist fromm und heilig,
deshalb bleibt sie unerkannt.
Holerie, Holero., ,
4. Und sie gibt dem Mönch das Päckchen,
drückt ihm alles in die Hand,
und der schiebt dann lustig weiter
aus dem deutschen Vaterland.
Holerie, Holero . . ,
5. Eines Tages war's zu Ende,
eines Tages war's vorbei,
und das Volk bekam zu hören
von der großen Schieberei.
Holerie, Holero...
6. In des Kerkers tiefen Gründen,
hinter Gittern, welch ein Graus,
ruhen Pater, Mönch und Nonne
vom Devisenschieben aus.
Holerie, Holero . . <
131
Und es sagt die Nonn' zum Pater,
ach, wie war es doch so schön,
als man für den Heiligen Vater
könnt' Devisen-Schieben gehn.
Amen
Am Donnerstag, den 25. Juli 1936, wurde nachfolgendes Devisen-
schieberlied hektographiert beim Eingang in das Sturmheim in der
Aberleistraße zu München vom stellvertretenden Sturmführer jedem SA
überreicht mit der Bemerkung: ,Das muß man auswendig lernen.''
M e lo d i e : ,Als wir nach Frankreich zogen . . .'
1. Ein Mädchen ging ins Kloster,
Ade, du schöne Zeit!
Da hat der Papst geschrieben:
Sie soll Devisen schieben.
Der Vatikan braucht Geld.
2. Als sie nach Holland zogen.
Da waren's ihrer drei,
Ein Pater und zwei Brüder,
Das waren Devisenschieber,
Die Nonn' war auch- dabei.
3. Und als sie weiter schoben.
Da waren's nur noch zwei.
Der Pater saß im Kittchen,
Den hat man am Schlawittchen,
Da war der Spaß vorbei.
4. Njach Brüningschen Gesetzen
Stellt man ihn vor Gericht.
Sein Haupt war kahl geschoren,
Sah aus wie ein Arsch mit Ohren
Schneeweiß war sein Gesicht.
5. Bei all den frommen Heuchlern
Erhob sich ein Geschrei.
Es flehen ihre Liedei*:
Gebt die Devisen wieder
Der armen Klerisei ll
6. Als sie zum Himmel kamen,
Der Papst stand schon dafür: '
Kommt rein, Devisenschieber,
So seid ihr mir noch lieber.
Für Euch steht auf die Tür. ^
7. Mit den scheinheiligen Worten
Da ist es jetzt genug!
Ihr sollt den Nächsten lieben
Und nicht Devisen schieben,
Denn das ist Volksbetrug."
132
b) Sittlichkeitsprozesse
Wir müßten sie eigentlich Sittlichkeits s c h a n d prozesse hei-
ßen, wenn wir sie sofort richtig kennzeichnen wollten.
Denn Zweck dieser Prozesse war ja nicht so sehr die Be-
strafung von Schuldigen, nicht die Ausmerzung von Übeln, nicht
die Beseitigung von Gefahren, nicht die Besserung der Volksmoral,
nicht die Reinigung der Kirche, sondern die Diffamierung des
katholischen Klerus und der katholischen Orden, eine Schändung
des Priester- und Ordenskleides, im besonderen aber eine neue
Waffe im Kampf gegen die verhaßte Kirche, eine Rechtfertigung
der ganzen kirchenfeindlichen Haltung des NS, ein Vorwand für
die Unterbindung der Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der
religiösen Orden, ein beschönigender Grund für die Aufhebung
geistlicher Anstalten und Klöster, ein Schreckschuß gegen die
Ordensabsichten ; junger Menschen, eine Einschüchterung der welt-
anschaulichen Gegner, eine Ablenkung von unangenehmen Tat-
sachen und Kritiken.
Kein Glied oder Freund der Kirche wird leugnen wollen, daß
es da und dort auch bei Weltpriestern und Ordensleuten Mißstände
rind Vergehen gab, besonders in Orden, die nach dem Weltkriege
wegen Mangels an Arbeitskräften weniger streng in der Aufnahme
von Kandidaten gewesen waren. Niemand wird es billigen, wenn
Ordensobere oder auch kirchliche Behörden nicht schon bei Be-
kanntwerden erster Verfehlungen schnell und scharf einschritten.
Niemand in der Kirche wird verlangen oder auch nur erwarten,
daß die Justiz halt mache vor Pfarrhöfen oder Klosterpforten oder
gegen allenfalls schuldige Insassen weniger streng vorgehe als
gegen Laien; eher das Gegenteil!
Aber die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Priester und
Ordensleute waren ja in der Hauptsache gar nicht eine Angelegen-
heit der deutschen Justiz, sondern der deutschen Propaganda.
Der Reichspropagandaminister Goebbels hat in seiner berüch-
tigten Rundfunkrede vom 28. Mai 1937 an die zwanzigmal betont,
daß er, der Propagandaminister, sich von Amts
wegen mit diesen Prozessen beschäftigte, also Propaganda sollte
damit gemacht werden. Und Goebbels setzte den ganzen gewaltigen
Amts apparat der Propaganda in Bewegung, um In- und
Ausland geradezu gruselig zu machen vor dem bodenlosen Abgrund,
in den, er, in seinem innersten Sittlichkeitsgefühl zutiefst verletzt,
rücksichtlos hineinleuchtete, und über den ekelhaften Schmutz,. der
„bis zum Himmel stank".
Und Goebbels befolgte hiebei genau und reichlichst seine
eigene, eingangs erwähnte Anweisung für die Propaganda, daß sie
„nicht objektiv die Wahrheit zu erforschen, son-
dern ununterbrochen der eigenen zu dienen habe."
138
Bezeichnend sind dafür nachfolgende zweiSpezialanwel-
sungen, welche der Reichs justizminister geradezu im Auftrag
des Reichspropagandaministers, teilweise mit dessen eigenen Wor-
ten, hinausgibt:,
„Abdruck
Reichsjustizministerium Berlin) den 9. April 1937
Der Pressereferent
1273 Pr. AUg. 190/37
An die Herren
Leiter der Justizpressestellen.
Betreff: Berichterstattung über Strafverfahren gegen Geistliche und
Ordensangehörige sowie sonstige Verfahren mit fcirchenpoliti-
schem Gegenständ.
Unter Bezug auf meine Verfügg. v. 8. 4. 37 — - 1273 — Pr. Allg. 190/37 •—
In der heutigen Pressekonferenz der Reichsregierung hat der R.,
Minister für Volksauf klärung und Propaganda folgende Richtlinien be-
kanntgegeben, die den Landesstellen durch Fernschreiben zugegangen
sind:
jDurch eine Rundverfügung d. Hr. Min. d. Justiz werden in kurzer
Frist die im vorigen Jahre zurückgestellten Prozesse
gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wegen sittlicher
Verfehlungen usw. nunmehr durchgeführt. Die Berichterstattung
über diese Prozesse wird bis auf weiteres durch von hier getroffene
Einzelmaßnahmen geregelt. Im Einvernehmen mit dem Justizminister
werden die wichtigsten und schwerwiegendsten Fälle herausgegriffen
und zur Berichterstattung freigegeben. Welche Schriftleiter
zu d^en einzelnen Prozessen zugelassen werden, wird
jedesmal einzeln bestimmt. Aus der großen Masse der übri-
gen Prozesse werden den Landesstellen zur örtlichen Berichterstattung
jeweils einzelne interessante (!) Fälle zugeteilt. Die Landes-
stellen können in dieser Beziehung Vorschläge machen, die mit d. R.
Justizministerium geprüft und entschieden werden. Den Zeitungen ist
jetzt schon zu untersagen, Verhandlungsberichte, die nur für einen
Teil der Presse freigegeben werden, willkürlich zu übernehmen. Le-
diglich die ganz schweren und großen Fälle, die im einzelnen noch
mitgeteilt werden, sollten in der gesamten Reichspresse ausführlich
behandelt werden. Über die übrigen Prozesse gibt DNB kurze zu-
sammenfassende Meldungen aus, die die Art der Verbrechen und die
ausgesprochenen Strafen enthalten. Diese Meldungen sind ebenfalls
für die Reichspresse frei'.
Zur Durchführung dieser Sprachregelung teile ich noch er-
gänzend mit:
1. Die Schriftleiter, die über besonders bedeutsame Strafverfahren
berichten sollen, werden in jedem Einzelfall von d. H. R. Min. f. Volks-
aufklärung und Propaganda ausgewählt. Gleichzeitig soll an den Haupt-
verhandlungen über diese Strafsachen ein Vertreter des DNB teilneh-
men. Diejenigen Zeitungen, deren Schriftleiter für die Hauptverhand-
lung nicht zugelassen werden, haben daher den Bericht des
DNB zu übernehmen. Eigene Berichterstattung dieser Zeitungen
hat zu unterbleiben.
Da über sämtliche Strafverfahren gegen katholische Geistliche von d.
Staatsanwaltschaft d. Hr. R. Min. d. Justiz berichtetwerdenmuß,
ist der R.Justizminister in der Lage, die besonders schweren Fälle, die
sich für die Berichterstattung im ganzen Reich eignen, auszuwählen
134
und dem R.Propagandaministerium zur Freigabe vorzuschlagen. Das
schließt jedoch nicht aus, daß die Justizpressestellen in geeigneten Fäl-
len hierher entsprechende Anregungen geben. Die hier ausgewählten
besonders schweren Fälle werden den einzelnen Justizpressestellen
ebenso wie die Namen der ausgewählten Schriftleiter unverzüglich mit-
geteilt. Diese Justizpressestellen haben darauf den Hauptverhandlungs-
termin mit größter Beschleunigung hierher zu berichten. ■>
2. Über Strafverfahren von geringerer Bedeutung, die nur örtliches
Interesse haben, darf nur die örtliche Presse berichten. Um zu ver-
hindern, daß dabei nicht richtig Maß gehalten wird, ist die Bericht-
erstattung über diese Verfahren nur nach vorheriger Genehmigung durch
die Presseabteilung des R.Propagandaministeriums gestattet. Die Ent-
scheidung der Presseabteilung, die im Einvernehmen mit dem Presse-
referenten im R.Justizministerium getroffen wird, wird der örtlichen
Presse rechtzeitig vor der Hauptverhandlung durch die zuständige Lan-
desstelle oder Justizpressestelle mitgeteilt. In diesem Strafverfahren
kann die Justizpressestelle im Einvernehmen mit der Landesstelle bei
mir die Freigabe der Berichterstattung unter Darlegung der Gründe
für die Notwendigkeit der Berichterstattung anregen.
3. In der Pressekonferenz ist die Presse noch ergänzend angewiesen
worden, sachlich, zu berichten, sich jeder Angriffe auf die Kirche als
solche zu enthalten und aus den Berichten alle Einzelheiten der Straf-
taten wegzulassen, die das Sittlichkeitsempfinden verletzen könnten.
4. Die Durchführung der Sprachregelung erfordert eine enge Zu-
sammenarbeit mit der Landesstelle und mit den Staatsanwaltschaften,
Es ist erforderlich, daß !.ich die Justizpressestellen über alle einschlägi-
gen Verfahren unterrichten und ihrerseits die Landesstellen von diesen
Verfahren laufend in Kenntnis setzen. Um die Unterrichtung der Justiz-
pressestellen sicherzustellen, hat der Hr. Reichsjustizmihister die an-
liegende R. V. an die Generalstaatsanwälte und Oberstaatsanwälte
erlassen.
5. Ich ersuche, mir besondere Erfahrungen bei der .Durchführung
dieser Verfügung oder Anregungen zu ihrer Änderung beschleunigt mit-
zuteilen.
gez. Dr. Doerner."
Um . die Unterrichtung der Justizpressestellen sicherzustellen,
gab der Reichsjustizminister noch nachfolgende Verfügung:
„Abdruck.
Der Reichsminister der Justiz Berlin, den 9. April 1937
6010/1 — 111-3 370/37 —
An sämtliche Herren Generalstaatsanwälte,
sämtliche Herren Oberstaatsanwälte,
den Herrn Oberreichsanwalt in Leipzig,
den Herrn Reichsanwalt b. Volksgerichtshof Berlin
Betreff: Strafverfahren gegen Geistliche und Ordensangehörige sowie
sonstige Verfahren mit kirchenpolitischem Gegenstand.
Unter Bezugnahme auf die RV. v. 7. April 1937 Nr. wie oben!
Für die Berichterstattung der Presse über die obenbezeichnetea
Strafverfahren sind besondere Weisungen gegeben worden, die es erfor-
derlich machen, daß die Justizpressestellen über sämtliche einschlägige
Strafverfahren unterrichtet werden. Zu diesem Zwecke bestimme ich,
daß in allen Strafverfahren gegen Geistliche und Ordensangehörige sowie
in sonstigen Verfahren mit kirchenpolitischem Gegenstand ein Durch-
schlag der Anklageschrift beschleunigt der zuständigen Justizpressestelle
135
zu übersenden ist. Dies gilt auch soweit die Anklage bereits erhoben
ist; in den Fällen des Abs. 3 der RV. v, 7. April 1937 jedoch nur, wenn
die Anklage nach Abschluß der vorgesehenen Prüfung aufrecht er-
halten bleibt.
I.A.
gez. Dr. Grohne."
Diese Anweisung läßt erkennen, daß die „Sittlichkeitsprozesse"
gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wie die Devisen-
prozesse auf lange Zeit zurückgestellt oder, wie der Fächausdruck
lautete, „auf Eis gelegt" waren und erst wieder hervorgeholt wur-
den, als die Zeitumstände dies günstig erscheinen ließen oder ver-
langten, daß den „Schwarzen" wieder eins ausgewischt werden
sollte. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Datum des Rund-
schreibens und der neuen Prozeß welle von Interesse: ^/s Monat
nach der Verö»ffentlichung des Päpstlichen Rund-
schreibensüberdieLagederkatholi'schen Kirche
in Deutschland „Mit brennender Sorge". Sein gewaltiger Ein-
druck im In- und Ausland mußte verwischt und verdrängt, das
Interesse der Öffentlichkeit auf andere Dinge gelenkt werden. Und
Unsittliches begegnet ja bei vielen Leuten großem Interesse. Darum
ausführlichste Berichterstattung hierüber, und zwar durch Spezia-
listen, welche Goebbels selbst „jedesmal einzeln bestimmt"!
Und das Ergebnis dieser „Propaganda-Richtlinien" und „Sprach-
regelung" und „Schriftleiterauswahl" war eine Berichterstattung
über die Sittlichkeitsprozesse, auf die Prediger G ö 1 1 1 von Mün-
chen (t) ibit Recht das Wort des Dichters Grabbe in „Scherz, Satire
und Ironie" angewandt hat: „Diehärteste Strafe eines
Ver dämmet en bestünde darin, daß er die ,Abend-
zeitung' und den »Freimütigen' lesen müßteund
sie nicht anspucken dürfte."
Charakteristische Merkmale der „Sittlichkeitsprozesse"
und -Berichterstattung
I.Neue Methoden der Untersuchung:
Im Laufe der Jahre 1936/37 stellte die Geheime Staatspolizei
Nachforschungen in fast allen Klöstern, bischöflichen und klöster-
lichen Seminarien, Mittelschulen und Studienheimen, ja selbst in
Fürsorgeanstalten und in Krankenhäusern an, ob nicht irgend-
welche Spuren sittlicher Verfehlungen zu finden seien. Unter rück-
sichtsloser Außerachtlassung jeglichen Schamgefühls wurden düe
einzelnen Schüler über Möglichkeiten von Verfehlungen befragt,
von denen sie zumeist noch keine Ahnung hatten. In unpsycho-
logischer und unpädagogischer Art wurde manches in sie geradezu
hineingefragt und ihnen ein Anreiz gegeben, sich durch Anschul-
düngen wichtig zu machen (bes. bei Fürsorgezöglingen naheliegend).
Mit Versprechungen, Drohungen, selbst mit Mißhandlungen
wurden Aussagen gegen die Geistlichen und Ordensleute zu ge-
winnen gesucht.
136
Es ist bezeichnend, was ein Fürsorgezögling von Birkeneck bei Frei-
sing nach solch einer Vernehmung äußerte: „Sagst du die Wahrheit, daß
nichts Unrechtes gewesen ist, dann wirst du mit Einsperren bedroht,
lügst du aber schließlich, um endlich Ruhe zu bekommen, und sagst
etwas Unsittliches gegen die Geistlichen aus, dann bekommst du Ziga-
retten." Und so gepeinigt war dieser Junge schließlich von der Schuld,
falsches Zeugnis gegeben zu haben, daß er entlief, nach ein paar Tagen
aber freiwillig zurückkehrte, um die erpreßte Anklage zurückzunehmen,
sowohl vor den Vorgesetzten an der Anstalt wie vor der Oberhirtlichen
Stelle.
Ganz besonderen Wert legte die Gestapo bei diesen Unter-
suchungen in klösterlichen und geistlichen Anstalten darauf, die
Namen früherer Insassen, Schüler,, Kandidaten, Novizen, selbst
von Hausangestellten, die aus eigenem Willen ausgetreten oder
durch die Oberen entlassen worden waren, ausfindig zu machen.
Diese wurden dann ganz besonders „ins Gebet genommen" und
peinlichst ausgefragt, warum sie das Haus verlassen hätten, ob sie
nicht irgendwelche unsittliche Vorkommnisse in der Anstalt ent-
deckt oder gar mitgemacht hätten.
In den Listen der Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder in Pil-
chowitz, Neustadt und Breslau wurden selbst Personen, die vor 1 bis
4 Jahren dort als Patienten gelegen waren, festgestellt, um sie dann zu
Hause über die Brüder zu vernehmen.
In ganz Bayern wurde im Jahre 1937 die PoUzei beauftragt,
nachzuforschen, ob Priester Kinder hätten oder jemals Alimente
bezahlt hätten oder noch bezahlten.
Selbst der Beichtstuhl war nicht sicher vor Anklage und Verleum-
dung: Im Juni 1937 wurde ein altehrwürdiger Priester Münchens, dessen
mehr als 50 jähriges vorbildliches Priesterleben keinen Makel dieser Art
aufwies, in einer Zeitung auf Grund irgendwelcher Kinderaussagen be-
schuldigt, den Beichtstuhl zu mißbrauchen zur Verteidigung von Per-
sonen, die ob ihrer unsittlichen Verfehlungen vors Gericht gehörten.
2. Tendenziöse Darstellungen und Entstellungen.
Bloße Kandidaten und Postulanten, also Personen,
die kein Ordensgelübde gemacht hatten und gar nicht zum Ordern
gehörten, sondern nur zur Probe aufgenommen waren, wurden in
Berichterstattungen über die Sittlichkeitsprozesse schon als
Ordensleute bezeichnet. Ebenso wurden Personen, die längst
aus dem Kloster entlassen waren, noch als „Ordensbrüder"
bezeichnet.
So setzte beispielsweise der Stuttgarter NS-Kurier vom 30. Dezem-
ber 1937 über eine Verhandlung in Ellwangen die Überschrift: „Ein
Laienbruder im Kloster Neresheim 20 Vergehen gegen die öffentliche
Sittlichkeit überführt." Und der Tatbestand? Nur eines dieser Ver-
gehen war im Kloster geschehen. Und gerade wegen dieser einen
Verfehlung war der junge Mann sofort aus dem Kloster entlassen
worden. Alle übrigen 19 Fälle spielten sich außerhalb des Klo-
sters ab, wurden aber von der Zeitung dem „Klosterbruder" beigelegt.
So waren von 14 Alexianerbrüdern, die verurteilt wurden, nicht
weniger als 11 aus dem Orden ausgeschieden. Ein Alexianerbruder, von
Kreuz und Hakenkreuz It jg^
dem die Zeitungen entrüstet berichtet hatten, daß er Ministranten zu-
erst mit Meßwein betrunken gemacht und dann mißbraucht hätte,
mußte als schuldlos freigesprochen werdenl
Selbst Sittlichkeitsdelikte yon bloßen Hausdienern und
Taglöhn ern, die in Klöstern oder Ordensanstalten arbeiteten,
vmrden den Ordensleuten in die Schuhe geschoben, z. B. die Ver-
fehlung eines Handwerkers, der gegen tägliche Entlohnung in der
Mittelschule der Maristenschulbrüder in Mindelhelm tätig war.
Ähnlich war es mit dem Mord von Manage in Belgien, über
den „Das Schwarze Korps" in großer Aufmachung unter dem Titel:
„Es stinkt zum HJmmel" und mit schwersten Vorwürfen und Verdäch-
tigungen gegen die Klöster berichtete und im Anschluß daran fast die
gesamte deutsche Presse. Extrablätter mit diesem Artikel des „Schwar-
zen Korps" wurden gedruckt, in die Briefkästen von München, selbst in
den Fragekasten einer Kirche gesteckt. Sogar ehemals katholische Zei-
tungen, wie die „Kölnische Volkszeitung" vom 4. April 1937 wurden ge-
zwungen, den Bericht der deutschen Nachrichtenagentur unverkürzt zu
bringen.
Und die Wirklichkeit?
1. Das Institut Manage wat gar keine Klo st er schule, sondern eine
Industrieschule, die lediglich Von Barmherzigen Brüdern ge-
leitet wurde.
2. Der Mörder War nicht ein Ordensbruder, sondern lediglich ein erst
kurz eingestellter Hausdiener.
3. Die Ärzte fanden es notwendig, den Verbrecher auf seihen Gei-
steszustand zu untersuchen.
4. , Von mehr als 10 000 Barmherzigen Brüdern Belgiens war kein
einziger eines Sittlichkeits vergebens beschuldigt.
Genau so unl ^gründet war es, als im Sommer 1937 die Ermordung
eines 13jährigen Knaben durch einen 17jährigen Jungen zunächst als
das Verbrechen eines „Laienbruders", dann als das eines Klosterzög-
lings unter schwersten Angriffen auf Zölibat und Keuschheitsgelübde
berichtet wurde. In Wirklichkeit hatte der Obere der Schulbrüder von
Maria Tann den Schuldigen, der den Eindruck eines Geisteskranken
machte, am selben Tag, an dem er Kenntnis von seiner Verfehlung
mit einem Knaben erhielt, in das eine Stunde entfernte Krankenhaus
von Villingen gesandt und hatte sofort den Vater des Schuldigen unter-
richtet und war auch durch dessen inständigstes Bitten nicht zu be-
wegen, den krankhaften jungen Menschen in die Anstalt zurückzuneh-
men, riet ihm vielmehr eindringlichst, den Sohn mit nach Hause zu
nehmen. Dieser tat es leider nicht. So schlich sich der Krankhaftveran-
lagte nach einigen Wochen während der Nacht aus dem Haus in die
Anstalt von Maria Tann und tötete das Opfer seiner Gier. Pfarrer
Ackermann von Rodalben (Rheinpfalz) konnte am Grabe des zu Tode
gemarterten Schülers der Schulbrüder zu Maria Tann konstatieren:
„Von einer Schuld auf selten der Anstalt kann keine Rede sein.
Was menschenmöglich war, ist hier geschehen. Das wurde auch
von der Untersuchungskpmmission anerkannt. Der Mörder war
kein Schulbruder, nicht einmal Klosterschüler zur Zeit der Tat,
sondern befand sich, aus der Klosterschule entlassen, schon einige
Wochen im Krankenhaus zu Villingen. Alle Vorwürfe und An-
klagen, die in der Öffentlichkeit gegen das Kloster erhoben wurden,
weise ich hier öffentlich und mit allem Nachdruck zurück."
138
Tendenziös entstellt waren auch Berichte über Sittlichkeits-
vergehen von
katholischen Theo lo gen undJugendführern.
Der „Theologie studierende" von Saßbach, der eines Sitt-
lichkeitsvsrbrechens bezichtigt wurde, war nichts als Schüler an einer
Unterklasse einer Mittelschule.
Der katholische „T heolo giestuden t" und „Führer der
ganzen katholischen Jugendvereine Baden s", S c h ü 1 1 e,
über dessen Verfehlungen „Das Schwarze Korps" vom 4. Februar 1937
berichtet unter der Überschrift „Von der Blutschande zur Weihe", war
auch bloß Student an einer Mittelschule und hatte lediglich vor zwei
Jahren etwa sechs Monate lang mit Diözesanpräsides des Katholischen
Jungmännerverbandes mitgearbeitet. Vom Empfang irgendeiner Weihe
keine Spur!
Der „Völkische , Beobachter" vom 25. Mai 1937 berichtete unter der
Überschrift. „Drei Jahre Gefängnis für den Gründer einer katho-
lischen Jugendvereinigung" über die Verurteilung eine«
44jährigen Karl; Kr leger. Aber der von ihm gegründete Verein:
„Jugendlust" war gar keine katholische Jugendorganisation. Weder
Krieger selbst noch seine Gründung war den kirchlichen Behörden be-
kannt.
Noch krasser war es, daß ein Abtreibungsvergehen, das sich eine
„Braune Schwester" in Tiengen bei Waldshut hatte zuschulden
kommen lassen, in den Zeitungen als das einer „O r d e n s s c h w e s t e r"
erschien.
3. Erwies eneErfindungen
a) Am 29. Mai 1937 berichtete der „Völkische Beobachter" einen
Artikel: „Über die Grenze mit falschen Pässen". Tags darauf
schrieben über ebendies die' „Münchener Neuesten Nachrichten"
unter dem Titel: „Jesuitenpater fälscht Zeugniss e."
In beiden Fällen handelt es sich um die Strafverfolgung von
Alexianerbrüdern in Bonn. Einer der Angeklagten, Ernist
Walter, ward in dem Artikel erzählt, hätte bekannt, falsche
Papiere (Taufzeugnis usw.) von einem Münchener Jesuiten
Friedrich Schmidt, Am Dom Nr. 5, erhalten zu haben,
um ihm zur Flucht zu verhelfen. Tatsachen:
1. Der Angeklagte hieß Walter R a u p p, nicht Ernst Walter.
2. Weder in ganz Deutschland, noch in ganz Österreich gab
es einen Jesuitenpater namens Friedrich Schmidt.
3. Es gibt keine Jesuitenniederlassung in München „Am
Dom"; ja, es gibt überhaupt nicht einmal eine Straße
dieses Namens.'
4. Das Gericht schenkte darum mit Recht diesen Behaup-
tungen keinen Glauben, aber die Zeitungen gaben sie
wieder als wahr.
b) Gegen Ende 1937 erschien eine „Schmutz- und Schundschrift"
von Schwabe, Hauptschriftleiter des „Westdeutscher Beobachter".
Darin wurden Feststellungen berichtet, die von einem katho-
lischen Priester Fr. Otto Schwab von Bamberg stamme*
139
sollten. ' Weder in der Diözese Bamberg noch in einer anderen
deutschen Diözese gab es einen Priester dieses Namens.
c) Verfehlungen imKlostervonBiberach entbehrten ebenso
offensichtlich jeglichen Fundamentes, , da ja in Biberach über-
haupt kein Kloster besteht.
4. Übertreibungen.
Der Nationalsozialismus war ein Freund großer Worte, großer
Zahlen, großer Massen, großer Bauten. So verwundert es nicht,
wenn auch die Sittlichkeitsverbrechen katholischer Geistlicher und
Ordensleute im Munde der nationalsozialistischen Redner und in
den Zeilen nationalsozialistischer Zeitungen und Zeitschriften sehr
rasch ins Riesenhafte wuchsen, wenn z. B. Reichsinnenminister
Fr ick in einer Rede zu Koblenz im Jahre 1936 sich zu der Be-
hauptung verstieg: „Ordenshäuser, welche Stätten der Betrachtung,
des Gebetes und Gotteslobes sein sollten, haben sich als wahre
Brutstätten des Lasters erwiesen."
Noch weniger verwundert es, wenn der „Meister der Lüge",
Dr. Goebbels, in seiner demagogischen Rundfunkansprache vom
28. Mai 1937 Sätze sprach wie:
„Eine große Zahl katholischer Geistlicher ist wegen Sexual-
verbrec|hien verhandelt worden. Das ist nicht mehr eine Angelegenheit
bedauernswerter Einzelverfehlungen, sondern eine solche allgemein
sittlicher Korruption, wie sie die Geschichte der Zivilisation
kaum jemals gekannt hat. Keine andere Gesellschaftsschicht
hat je solche Verderbtheit zu verbergen gehabt. Es ist kein Zweifel, daß
die Tausende von Fällen, die ans Licht gekommen sind, nur ein
kleiner Bruchteil des ganzen moralischen Sumpfes sind! !"
Eine echt nationalsozialistische Heuchelei und Irreführung aber be-
deutete es, wenn der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
K e r r 1, in einer Rede in Fulda am 24. November 1937 von 7000 Straf-
fällen katholischer Geistlicher seit 1933 sprach, in einer Rede zu Hagen-
Westfalen, am 30. November 1937, Zahlen über die „Sittlichkeits-
prozesse" gab, die den Eindruck von Genauigkeit machen und doch
falsch waren. Er. nannte da als
„verurteilt": 45 Priester,
176 Brüder und Nonnen,
21 Angestellte
insgesamt 242
als „noch in Verhandlung": 93 Priester
744 Brüder und Nonnen,
118 Angestellte
insgesamt 955
' Niemand konnte natürlich nachkontrollieren, wie die Zahl 7000 zu-
stande kam. Auf jeden Fall waren darin alle Vergehen irgendwelcher
Art, welche dorn katholischen Klerus zur Last gelegt wurden, beispiels-
weise auch alle Verfehlungen gegen den „Kanzelparagraphen", gegen
das „Heimtückegesetz", gegen die Befläggungsvorschriften, gegen das
Sammlungsgesetz u. ä., zusammengeworfen mit den „Sittlichkeitsver-
brechen"'.
140
Die „Verlässigkeit" der in Hagen erwähnten Einzelangaben
geht aus folgender Feststellung der deutschen Bischöfe im Juni 1937
hervor:
Von 21 6 41 Weltpriestern Deutschlands sind 4 9 in diese Pro-
zesse verwickelt. Davon sind 21 verurteilt, 28 warten noch auf die
Verhahdlung. Von 4 17 4 Ordenspriestern sind 9 angeklagt. Einer
davon ist bereits abgeurteilt; bei den übrigen 8 steht die Entschei-
dung noch aus. Insgesamt ergeben sich also für 25 634Priester
5 8 Fälle, also rund eineraufSOOPriester!
Bei den Ordensleuten kamen große Zahlen teilweise auch da-
her, daß, wie schon erwähnt, auch alle, die jemals mit einem
Ordenshaus irgendwie in Verbindung standen (Kandidaten, Diener
usw.) einbezogen wurden; ebenso solche, die eigentlich bloß zur
Ausschaltung von ,, Verdunklungsgefahr" eingesperrt waren, ohne
selbst angeklagt zu sein.
So kündigten Zeitungen zu Anfang 1937 an: „2 76 Ordensleute
vor Gerich t." Der Artikel selbst sprach dann nur von 10 6 verhafte-
ten Brüdern. Unter diesen 106 Waren aber 5 6 nur als Zeugen „sicher-
gestellt", ohne daß gegen sie selbst eine Anklage erhoben war. Von den
restlichen 5 gehörte ein Großteil längst nicht mehr zu irgend-
welchen Orden.
J.Verallgemeinerungen.
Wo solche Ü b e r t r e i b u n g e n beliebt werden, ist der Weg
nicht weit zu Verallgemeinerungen. So glaubte „Das
Schwarze Korps" vom 18. Juni 1936 gegenüber Einwänden, • daß
es sich bei den Sittlichkeitsvergehen von Orden?leuten doch um
geistige Verirrungen einzelner handle, behaupten zu können:
„Im Gegenteil: Beinahe ein ganzer Orden hat sich verant-
wortlich erwiesen für unnatürliche Verbrechen an Minderjährigen, nicht
etwa im einen oder andern Haus, sondern in 20 seiner Häuser, die zu-
sammen 500 Mitglieder umfassen, wovon 267 bereits legal überführt
sind."
Der bayerische Unterrichtsminister erklärte am 28. Dezember
1936 die Maristen-Schulbrüder, die Brüder von der Christlichen
Schule, die Augustiner-Eremiten als nicht geeignet zur Aufsicht
von Erziehungsinstituten und entzog ihnen alle diesbezüglichen
Rechte.
Zur Würdigung dieser harten Maßnahme gegen alle Angehörigen
eines Ordens sei der Fall der Maristen näher beleuchtet: Im Schüler-,
heim zu Traunstein war ein einziger Fall passiert. Der schuldige
Bruder war sofort aus dem Hause entfernt und aus dem Orden aus-
gestoßen worden. Drei Fälle, die in der Mittelschule und im Studien-
heim zu Mindelheim geschehen waren, standen in keiner -Ver-
bindung mit Ordensmitgliedern, waren Verfehlungen von
Angestellten. Im Schülerheim der Realschule zu Reichenhall war es
wohl ein Bruder, der sich an einem Knaben vergangen hatte, war aber
am selben Tage aus dem Orden ausgeschlossen wordon. Und für diese
gewiß bedauernswerten Fehler einzelner v/urde der ganze Orden haft-
bar gemacht und seiner acht Anstalten in Bayern beraubt.
141
6. Einseitigkeit.
Einseitig war, daß die Presse soviel wie nichts aus den
Verteidigungsreden für die Geistliciien und Ordensleute,
die irgendwelclier Sittlichkeitsvergehen angeklagt waren, bringen
durfte.
Einseitig war es; daß sie nicht einmal allgemeine
Erklärungsgründe für die traurigen Vorkommnisse geben
durfte. Als spe25iell die Koblenzer Volkszeitung (früher eine katho-
lische Zeitung) auf die unbestreitbare Tatsache hinwies, daß nicht
AVenige Mitglieder der Franziskanerbrüder von Waldbreitbach in
den Orden eingetreten seien während der Zeit der Arbeitslosigkeit,
getrieben von Hunger, ohne inneren Beruf, bekamen sie vom Kreis-
amt des Propagandaministeriums einen scharfen Verweis und eine
Auflagenachricht, „daß viele der Angeklagten bereits um 1900 in
den Orden kamen und erst später Jugendverführer und Jugend-
verderber wurden."
Einseitig war es, daß- mehrere Schriftleiter Westdeutsch- ■
lands mit der Ausstoßung aus der „Schriftleiterliste" bedroht wur-
den wegen ihres „passiven Widerstandes", (d. h., weil sie die ihnen
übermittelten Prozeßberichte nicht uneingeschränkt und nicht un-
gekürzt bringen wollten), daß sie aber über sittliche Verfehlungen
von Parteigenossen, Hitlerjungen, Hitlerjugendführern, SA-
und SS-Männern usw. nichts berichten durften.
Einseitig war es, daß am 1. Dezember 1936 durch besondere
Verordnung allen Amtswaltern der Partei verböten
wurde, ohne besondere Erlaubnis Auskünfte zu geben über An-
gelegenheiten, die unter ihr Amtsgeheimnis fielen, daß aber
eine besondere Anweisung des Reichsinnenministers es als unstatt-
haft bezeichnete, daß kirchlicheOberbehörden den Geist-
lichen Schweigepflicht über amtliche Sachen auferlegen.
Einseitig war . es, daß viele Vergehen, besonders sittliche
Vergehen von Parteimitgliedern, vielfach nur vor geheime
Parteigericht e kamen oder, wenn sie der allgemeinen Ge-
richtsbarkeit unterstellt wurden, nur unter Ausschluß der
Öffentlichkeit verhandelt wurden, während zu den Sittlich-
keitsschauprozessen von Geistlichen und Ordensleuten Zuschauer
und Zuhörer kostenlos aus allen Teilen Deutsch-
lands nach Koblenz herbeigeholt wurden, z. B. laut
•„Völkischer Beobachter" vom 9. Juli 1937: nicht weniger als 150
hervorragende Bürger, Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Ober-
bayerns, laut „Völkischer Beobachter" vom 10. September 1937:
volle 114 andere Personen.
Einseitig war es, wenn über Sittlichkeitsvergehen von Par-
teileuten zwar von der zuständigen Lokalpresse kurz berichtet
werden durfte, weil ja dem Leserkreis derselben der Skandal ohne-
hin längst bekannt war und der Eindruck vermieden werden sollte,
142
als ob Sünden im eigenen Kreis verschwiegen würden, dagegen der
gesamten übrigenPressejede Zeile hierüber untersagt war.
Ein Beispiel dafür: In St&rnberg und Umgebung waren schwere
Sittlichkeitsverfehlungen von leitenden , Parteiangehörigen (darunter
einem geborenen Engländer, der aber jetsJt nationalsozialistischer Amts-
walter war) geschehen. Die Starnberger Presse durfte darüber
einiges Wenige bringen, die Münchener.Presse nicht ein Wort.
Im Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats liegt eine Menge
Material dieser Art: Lauter Sittlichkeitsverbrechen von Nazis und
Nazifunktionären, aber von Partei und Gericht ängstlich vor der
Öffentlichkeit behütet und verdeckt! Den katholischen Bischöfen
machte man Vorwürfe, daß sie die Sittlichkeitsvergehen von Geist-
lichen und Ordensleuten nicht immer In aller Öffentlichkeit und
mit . aller Schärfe verurteilt oder ihrerseits nicht schnell genug
geahndet hätten, und in den eigenen Reihen deckte man die gleichen
Vergehen mit dem Mantel der Verschwiegenheit und schritt durch-
aus nicht immer zur sofortigen Bestrafung, zum Ausschluß aus der
Partei, zur Absetzung von HJ-Pührung usw. (vgl. Röhml)
So muß noch ein 1. Charakteristikum dieser NS-Justiz und
ihrer Berichterstattung genannt werden; sie heißt:
7. H e ü c h e 1 e i.
In der Pressekonferenz vom 9. April 1937 wurde die Presse
noch ergänzend angewiesen, sachlich zu berichten, sich jeder
Angrilfe auf die Kirchen als solche zu enthalten und aus den Be-
richten alle Einzelheiten der Straftaten wegzulassen, die das „Sitt-
lichkeitsempfinden verletzen könnten."
Und die Wirklichkeit? Eine förmliche Pornographie im.
Dienste der Politik und des nationalsozialistischen Kirchenhasses!
Eine Ausführlichkeit- der Berichterstattung bis in schändlichste
Einzelheiten, eine Ausstellung dieser Berichte an Zeitungstafeln
und in Schaukästen für jedermann, auch für Kinder!
„Keine Angriffe auf die Kirchen!" hieß die „wohlwollende"
Anweisung von Goebbels. Und die Wirklichkeit?
Angriffe gegen die katholische Kirche, wie sie
z. B.'der „Völkische Beobachter" am 30. Mai 1937 brachte, mit dem
Thema: „Die katholische Kirche ist korrupt durch und durch und
muß verschwinden!"
A n g r i f f e a u f d i e B i s c h ö f e, als ob sie nicht ihre Pflicht
getan hätten, um solche Vergehen zu verhüten oder sofort ab-
zustellen!
Angriffe auf das katholische Ordenswesen,
„dessen Forderungen wohl Heilige erfüllen könnten, bei gewöhn-
lichen Menschen aber nur eine Scheinheiligkeit erzielten" (HJ:
2. Juni 1936 mit den Worten des Staatsanwaltes Hathingen)!
Angriffe aufdenZölibatals etwas Unnatürliches, mit
Gewalt zu Verbrechen Treibendes, der zum Schutz des Volkes vor
143
weiteren Verbrechen, möglichst bald abgeschafft 'werden müßte
(Flugblätter der Altkatholiken über „Unsittlichkeit in Klöstern")!
Angriffe auf die gesamte katholische Jugend-
erziehungsarbeit, die der Kirche je eher, desto besser ge-
nommen werden müßte!
Angriffe, so gemein, wie sie das schon erwähnte (S. 27) Bild
des „Schwarzen Korps" vom 6. Mai 1937: „Der Oberhirte" brachte!
Und was stand hinter all dieser mächtigen Entrüstung über
die sittliche Verderbnis in Geistlichkeit und Orden der katholischen
Kirche Deutschlands? Wahrer, innerer, sittlicher Ernst, eigene
Makellosigkeit, entschiedener Wille zur Hebung der Moral des
ganzen deutschen Voljses, irgendein sichtbarer Erfolg solcher allen-
fallsiger Bemühungen?
Im Konzentrationslager Sachsenhausen habe ich des öfteren
beobachten können, wie SS-Leute vor vielen anderen mit sicht-
lichem Behagen von Sittlichkeitsverbrechern sich alle Einzelheiten
ihrer Vetfehlungen erzählen und geradezu ausmalen ließen, dann
aber auf einmal Entrüstung und Abscheu heuchelten und mit
Faustschlägen und Fußtritten die Verbrecher traktierten.
So ungefähr war Gesinnung und Gebaren der Herren des
Dritten Reiches:
Zuerst wühlten sie voll Behagen mit beiden Hätiden in jeg-
lichem wirklichen oder vermeintlichen Sumpf und warfen ihn Mil-
lionen vor die Augen, dann aber spielten sie auf einmal die sittlich
Entrüsteten, die von Ekel Gepackten, die Sittlichkeitsrichter, die
Sittiichkeits Wächter und Sittlichkeitspächter.
ynd die Wirklichkeit?
Stieg wirklich das Barometer der Sittlichkeit
unter dem Hakenkreuz?
Im Gegenteil! Die Statistik zeigt ein tiefes Absinken.
Das statistische Jahrbuch des Deutschen Reiches zeigt folgende
Entwicklung bis zur Mitte des Jahres 1938:
Verurteilung von Jugendlichen wegen 'Unsittlichkeit:
1932: 619 1933: 612 1934: 779
1935: 1058 1936: 1465 1937: 2374
Für Verfehlungen a n Jugendlichen werden folgende Zahlen
angegeben:
1934: 478 1937: 1065
Die Zahlen „widernatürlicher Laster" sind:
1934: 121 1937: 973
Ob aber in diesen Zahlen auch die Vergehen sind, die nur ■
hinter den Kulissen des Parteigerichts behandelt wurden,
die Sittiichkeits verbrechen der Parteileute selbst?
144
IV. Die wirtschaftliche Erdrosselung der Orden.
Vereinzelten Orden war schon durch ungeheure Geld-
strafen und Ersatzauflagen für Devisenvergehen beinahe das Exi-
stenzminimum genommen worden.
Allgemein aber suchte der Nationalsozialismus den Orden
den Atem durch andere Maßnahmen zu nehmen, zunächst durch
härteste Besteuerung.
Dabei griff man vielfach auf Jahre zurück. Sodann leistete sich
die Finanzbehörde die Ungeheuerlichkeit, den katholischen Orden,
selbst Krankenpfiegeorden, die „Gemeinnützigkeit und
Wohltätigkeit" abzusprechen, weil sie zumeist in ihren Sat-
zungen als einen Zweck des Ordenslebens auch die „Selbst-
heiligun g", das Streben nach Tugend und Religiosität, genannt
hatten. Damit sei „ein egoistischer Zweck" zugegeben,
also keine „volle Gemeinnützigkeit" mehr vorhanden.
Nach dieser Steuergesetzauslegung und -praxis war also eine Barm-
herzige Schwester, die ihr ganzes Leben dem Dienst armer, lungen-
kranker, krebskranker Menschen widmete, nicht „wohltätig" und
„gemeinnützig", sondern „selbstsüchtig". Die „Braune Schwe-
ster", die sich für jeden Dienst gut zahlen ließ, zahlreiche Zu-
schüsse vom Winterhilfswerk und von der NSV erhielt, schöne
Urlaubsreisen machen konnte usw., sie war „geineinnützig"!
Sodann versuchte man, die Schwestern
arbeitslos, brotlos, wohnungslos
zu machen und auf jede Weise zu zwingen, das Ordenskleid ab-
zulegen und in die Welt zurückzukehren. Wie man die Lehr-
schwestern trotz katastrophalen Lehrermangels aus den Schulen,
sogar aus den eigenen, wies, so nahm man nach und nach Schwe-
stern Hauskrankenpflege, Kinderhorte, Krankenhausdienste u. ä.
Gauamtsleiter Dr. Heßler z. B. verordnete in seinem Rundschreiben
im Jahre 1937 für die Gemeindestationen der „nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt" (NSV): „Die Zuziehung einer caritativen
Schwester darf nur erfolgen, wenn eine NSV-Schwe-
sternicht zur Verfügung steh t."
Die Stadtverwaltung Aachen setzte im März 1941 vertragswidrig
auf einmal die Zahl der in den städtischen Krankenanstalten Aachens
angestellten Elisabethinnen von 90 auf 60 herab, um Platz für „Braune
Schwestern" zu haben. Sodann kündigte sie den seit 1934 gültigen Ver-
trag mit dem Mutterhaus und lud jede einzelne Schwester zu einem
Vertrag selbständiger Anstellung mit günstigen Bedingungen
ein, um nur möglichst viele Schwestern zürn Austritt aus der Genossen-
schaft anzueifern.
Ein ganz besonders bezeichnender Fall von Unwahrhaftig-
keit, Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit
ist die Schließung des Vinzenzkrankenhauses in Duis-
burg, eines der größten und modernst eingerichteten Kranken-
häuser der Stadt. Am 11. Mai 1937 gab der Polizeipräsident durch
das deutsche Nachrichtenbüro bekannt, daß er nach einer sorg«
145
fältigen Prüfung det- GeschäftsfüKrung des St.-Vin:^en2-Kranken-
hauses sich gezwungen sehe, dieses zu schließen. Das Krankenhaus
sei nicht in der Lage, in allen Krankeitsfällen die erfor-
derliche ärztliche Behandlung zu garantieren. Nach ÄTZtllchem Ur-
teil sei es in einem Fall Hauptursache am Tode einer Frau von
Duisburg gewesenll Im Interesse des öffentlichen Wohles könne
daruhi in dem St.-Vinzenz-Krankenhaus keine weitere Kranken-
behandlung mehr stattfinden. Schon am nächsten Tag begann der
polizeilich befohlene Abtransport der nahezu 400 Patienten in
andere Häuser. Vergeblich bat Bischof Galen telegraphisch den
Regierungspräsidenten von Duisburg, wenigstens für eine ordent-
liche Abwicklung Sorge zu tragen» Eine Kanzelverkündigung in
allen Kirchen Duisburgs brachte dann folgende Aufklärung (12. Mai
1937):<.„Das St.-Vinzenz-Krankenhaus ist geschlossen worden, weil
wir In einem acht Monat ezurückllegenden Fall eine
gewisse Operation an einer Frau nicht erlauben wollten, eine Art
von Operation, die wir unter unserem Dache nicht zulassen können,
da sie eine Verletzung des göttlichen Gesetzes ist.
Die Frau wurde daraufhin auf den Rat des zuständigen Arztes in
ein anderes Krankenhaus gebracht und starb dort.» Das ist der
Grund für die Schließung des Krankenhauses. Alle anderen Gründe,
die damit verbunden wurden, sind unwahr." Nach ein paar Mo-
naten wurde das Krankenhaus auf Veranlassung des Reichsinnen-
ministers wieder geöffnet, aber ein paar Stunden darauf auf Befehl
des Bürgermeisters von Duisburg in seiner Eigenschaft als Direktor
des Gesundheitsamtes aufs neue geschlossen!!
So war deutsches Hecht im Dritten Reich, wenn es sich um
Klosterfrauen handelte.
V. KlosteirentviUkerUiig«
Um auch schon die Mutterhäuser der Orden zu leeren, den
Ordensnachwuchs zu unterbinden, erschwerte man schließlich auf
alle mögliche Weise den Eintritt ins Kloster, selbst bei Kranken-
pflegevereinigungen, obwohl verschiedene Reichsministerien sich
für ihre Erhaltung, wenigstens während des Krieges, einsetzten.
Hitler selbst entschied, daß kein 'Ordensnachwuchs mehr auf-
genommen werden dürfe. Drei Reichsminister gaben daraufhin
gleichsam die Ausführungsbestimmungen zu diesem „Gesetz", das
des Führers Wille allein gegeben. Sie verordneten im September
1940 als
Reichsv er Ordnung zur Verhinderung des Kloster-
nach wuchs es.
Der Reichsarbeitsminister, der Reichskirchenminister und der Stell-
vertreter des Führers sind übereingekommen, zur Sicherung der not-
wendigen nationalen Arbeitskräfte folgende^ für das gesamte Reichs-
gebiet verbindliche Regelung zu treffen i
1. Es ist unerwünscht, daß arbeitsfähige Menschen in Orden und Klö-
ster eintreten und so dem Arbeitsprozeß entzogen werden.
146
t. Wer bereits In einem Arbeltsdlenstvefhältnls steht und dieses zu
lösen wünscht, um in einen Orden einzutreten, ist vom Arbeitsamt
zu verständigen, daß die Lösung des Dienstverhältnisses für diesen
Zweclc nicht mehr möglich ist.
S. Wenn Jemand im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber das Dienst-
verhältnis aus dem gleichen Grund zu lösen wünscht, ist darauf zu
dringen, daß es beim Dienstverhältnis bleibt. Kommt es dennoch zu
einer Lösung, hat das Arbeitsamt dem früheren Arbeitnehmer sofort
eine neue Arbeitsstelle anzuweisen.
4. Dieser Erlaß ist auch anzuwenden auf Söhne und Töchter yon Arbeit-
gebern, falls erstere in einem Dienstverhältnis zu letzteren stehen.'
5. Alle Parteistellen sind angewiesen, Fälle, in denen junge Menschen,
die noch in Iceinem Dienstverhältnis stehen, in einen Orden ein-
treten wollen, sofort dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen, damit
dieses dem Ordensanwärter eine Arbeitsstelle zuweist..
Noch nähere Ausführungsbestimmungen gab der Reichsarbeitsmini-
ster mit einem neuen Erlaß:
Der Reichsarbeitsminister Berlin SW 11, 29. 9. 40.
Va 5550/218. Saarlandstr. 98
An die Herren Präsidenten
der Landesarbeitsämter.
Betreff: Beschränkung des Nachwuchses für Orden und Klöster.
Der Bedarf an Arbeitskräften für Aufgaben der Reichsverteidigung
macht es notwendig, jede Gewinnung von Arbeltskräften auszunutzen.
Zudem ist der Berufsnachwuchs verknappt, weil geburtenschwache
Jahrgänge in das Erwerbsleben eintreten. Diese Umstände gebieten vom
Standpunkt des Arbeltseinsatzes, den Eintritt von arbeitsfähigen Deut-
schen in Orden und Klöster zu unterbinden. /
Ich bestimme deshalb im Einverständnis mit dem Herrn feeichs-
minister für die kirchlichen Angelegenheiten und dem Stellvertreter des
Führers folgendes:
1. Gefolgschaftsmitgliedern, die ihr Arbeitsverhältnis (Lehrverhält-
nis) kündigen wollen oder kündigen, um in einen Orden einzutreten
(Kloster), und mithelfenden Familienangehörigen, die in der gleichen
Absicht ihre Beschäftigung aufgeben wollen oder aufgeben, haben die
Arbeitsämter die Zustimmung nach dem § 1, 5 der Verordnung über die
Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels vom 1. 9. 39 (Reg.Blätt I S. 1685)
mit der Begründung zu versagen, daß der Lösung des Arbeitsverhält-
nisses (Lehrverhältnisses) oder der Aufgabe der mithelfenden Berufs-
tätigkeit aus arbeitseinsatzmäßigen Gründen nicht zugestimmt werden
kann.
2. Lösen Gefolgschaftsmitglieder oder mithelfende Familienangehö-
rige ihr Beschäftigungsverhältnis im Einverständnis mit dem Unter-
nehmer, um in einen Orden (Kloster) einzutreten, so haben die Arbeits-
ämter, solche Arbeitskräfte, insbesondere anläßlich einer Meldung, nach
§ 3 der Arbeitsplatzwechselverordnung, wieder einer Berufstätigkeit zu-
zuführen, äußerstenfalls im Wege der Dienstverpflichtung.
3. Erlangen die Arbeitsämter Kenntnis, daß Jugendliche, die noch in
keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, in einen Orden (Kloster) ein-
zutreten beabsichtigen, so haben sie diese einer Berufstätigkeit zuzufüh-
ren, äußerstenfalls im Wege der Dienstverpflichtung. Jedoch sind bei
der Einweisung in Ausbildungsstellen Zwangsmaßnahmen unzulässig,
da die Dienstverpflichtung in ein Ausbildungsverhältnis außer im Falle
des § 3 der Kräftebedarfsverordnung vom 13. 2. 39 (Reg. Blatt I S. 206)
mit , dem Grundgedanken dieser Verordnung nicht zu vereinbaren ist.
147
Muß der Jugendliche im Wege der Dienstverpflichtung einer Berufs-
tätigkeit zugeführt werden, so ist die Dienstverpflichtung dann aufzu-
geben, wenn der Jugendliche bereit ist, in ein Ausbildungaverhältnis zu
treten.
Der Stellvertreter des Führers wird die Ortsgruppen der NSDAP
anweisen, in jedem Falle, in dem sie von einem beabsichtigten Eintritt
eines Volksgenossen in einen Orden (Kloster) Kenntnis erhalten, dies
unverzüglich dem zuständigen Arbeitsamt mitzuteilen.
gez. Dr. Syrup.
Auch zum Arbeitsdienst und in Rüstungsbetriebe
gez w ungen !
Selbst junge Männer und junge Mädchen, welche schon in der
Vorbereitung aufs Ordensleben standen, sei es in der Kandidatur
oder selbst im Noviziat, sollten noch weggezogen werden. Das war
der Hauptzweck, warum man sie, wenn sie noch nicht über das
rentsprechende Alter hinaus waren, trotz aller Gegengründe und
Gegenvorstellungen zu Arbeitsdienstund Pflichtjahr
heranzog und während dieses Dienstes von der Erfüllung ihrer reli-
giösen Pflichten (Sonntagsgottesdienst, Sakramtenempfang usw.)
möglichst abzuhalten und mancherorts in jeder Weise gegen den
Ordensgedanken zu beeinflussen suchte.
Während des Krieges mußten dann nicht bloß die männlichen
Ordensleute (Priester wie Brüder) zum Militär, sondern auch die
SchwesternwurdeninRüstungsbetriebegezwun-
g e n : „Arme Schulschwestern" z. B. durften nicht in Schulen, wo
sie so sehr benötigt gewesen wären, sondern mußten in Fabriken
oder im eigenen Haus Rüstungsarbeiten leisten.
Eine andere Schikane richtete sich
gegen ditOrdenshoehKehulen.
Die in Ordenshochschulen studierenden Theologen wurden,
nicht aufgenommen in die Vergünstigung de« § 25 Ziffer 10 der
Verordnung vom 17, April 1937 über die Musterung und Aus-
hebung, die besagte: „Ein Dienstpflichtiger römisch-katholischen
Bekenntnisses, der sich dem Studium der Theologit widmet, kann
füi die Dauer des Studiums zurückgestellt werden." So mußten
militärpflichtige Ordenstheologen entweder auch schon in Friedens-
zeiten Militärdienst leisten oder sie mußten sich neben der Ordens-
hochschule auch noch an einer staatlichen Hochschule einschreiben
und dafür Gebühren beä;ahlen, eine ©rdensfeindlieh« Maßnahme,
gegen welche die bayerischen Bisehöfe am 14. Mai 1937 schärfste
Verwahrung beim Reichskriegsministerium einlegten, aber ver-
gebens!
VI. Klosterraub.
Ein weiterer Schritt war dieWegnahmeklösterlicher
Räume für Umsiedler, nationalsozialistische Schulen, national-
sozialistische landwirtschaftliche Musterbetriebe u. ä.
148
Gauleiter Hofer von Innsbruck „veranlaßte" die Prämonstra-
tenser von Wüten in Innsbruck, das Kloster an das Land Tirol zu
„verkaufe n".
Später ersparte man sich den Schein eines Kaufes und schritt
zur brutalen Konfiskation:
So z. B. wurde die Seh wachsinnigen- Anstalt E c k s b e r g bei
Mühldorf im Werte von rund einer Million einfach dem Bezirks-
verband Oberbayern geschenkt, wie schon ein paar Jahre vor-
her das Waisenhaus in Mühldorf dem „Katholischen Frauenbund"
entschädigungslos genommen und kostenlos der Stadt übereignet
worden war. — Allein in der Erzdiözese Breslau waren 1941
mehr als 6 Klöster und kirchliche Institute beschlagnahmt.
Wer kann wohl ermessen, wieviel Leid und Not braver Män-
ner und Frauen sich hinter • nachfolgender Liste von Kloster-
aufhebungen und Ausweisungen von Ordensleuten verbirgt, die von
Mitte Dezember 1940 bis Anfang Mai 1941, also in weniger als
einem halben Jahr, geschahen, eine „nationalsozialistische Helden-
leistung" hinter der Frontl
1. Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda
am 14, Dezember 1940
Begründung: Lebensmittel Verfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: 1 Pater in Arbeitsanstalt, Beschlagnahme des Hauses, Gau-
verweisung der Insassen. .
2. Jesuiten-Niederlassung in Luxemburg;
im Januar 1941
Begründung: staatsfeindliche Haltung, Aufnahme von Emigranten
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses (nachträglich auch der öffent-
lichen Kapelle), Ausweisung nach Trier.
,8. RedemptoristenklosterLuxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses; Ausweisung der Insassen.
4. Redemptoristenkloster Di ekirch, Luxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine .
gerichth'ches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Haus war nicht Eigentum der Redemptoristen. Ausweisung
der Patres.
5. Missionshaus der Weißen Väter in Mariental,
Luxemburg
im Jahre 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses. Insassen in zwei Stunden aus-
gewiesen.
149
6. Herz- Jesu-Kloster Fünf brunnen, Luxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses. Sieben Brüder dienstverpflichtet
gegen Lohn.
7. Herz-Jesu-Priester, M.artental belKaisersesch,
am ?
Begründung: keine i
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe; Beschlagnahme. Insassen aus dem Regierungsbezirk Koblenz
ausgewiesen. Wallfahrtskirche einige Tage später frei-
gegeben. '
8. Oblatenkloster St. Karl in Valkenburg, Holland
am ?
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine -
Strafe: Beschlagnahme. Brüder dienstverf lichtet.
9. Oblatenkloster in Hünfeld bei Fulda
am 26. Februar 1941
Begründung: Lebensmittel Verfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme, Gauverweisung der Insassen. 6 Bi^üder
dienstverpflichtet.
10. Benediktinerprior at Meschede i. W,
am 19. März 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 3 Patres
Strafe: Ausweisung der übrigen Insassen.
11. Benediktinerabtei Schweiklberg bei Passau
am 1. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren; nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme, Ausweisung, Kirche geschlossen..
12. Benediktinerinnenabtei Kellenried, Diözese Rot-
tenburg
Einzelheiten unbekannt.
13. Missionshaus St. Wendel, Saar, Diözese Trier
am 10. Januar 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme und Gauverxyeisung der Insassen
14. Benediktinerabtei St. Ottilien, Bayern
am 17. April 1941
150
Begründung: „Das Kloster hat große Suramen dem Nationalvermö-
gen entzogen und für eigene Zwecke verwendet, was
bei der Konzentration aller Kräfte der Nation heute
nicht mehr geduldet werden kann." (Missions verein:
Liebeswerk vom hl. Benedikt, der 50 Jahre als E.V.
bestanden hat.)
Verhaftung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Strafe: Ausweisung von ca. 50 Patres und Brüdern- 7 Patres und
etwa 75 Brüder müssen den Betrieb weiterführen. Kirche
geschlossen.
15. K a n i s i u s h a u s („Stin^nen der Zeit") d er Jesu itenlnMün-
c h e n
am 18. April 1941
Begründung: Vaterlands verrat
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine /
Strafe: Bechlagnahme des Hauses. Alle Insassen persönlich für
schuldlos erklärt.
16. K a n i s i u s h a u s (Provlnzlalat d6r Jesuiten) 1 n K ö 1 n •
am 15. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit, Kanzelverstöße einzelner, teils
früherer Bewohner aus vergangenen Jahren
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses.
17. Noviziat der Jesuiten in Mittelsteine, Glatz;
am 15. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: 1 durchgeführt (4 Monate Gefängnis für
1 Bruder), 2 niedergeschlagen.' Kanzel-
verstöße; alle drei aus früheren Jahren.
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses; 3 Brüder dienstverpflichtet.
18. Kloster der Redemptoristen in Bonn
am 10. April 1941
Begründung: 6 verschiedene Gründe, die jedoch keine Verstöße be-
deuten
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
19. OttlllenkolleginMünchen
am 28. Apriri941
Begründung: weil zu St. Ottilien gehörig (s. Nr, 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Kirche geschlossen.
20. Kolleg der Ottilianer in Dillingen a.d, Donau
am 28. April 1941
Begründung: weil zu St. Ottilien gehörig (s. Nr. 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Kolleg wird unter staatlicher Aufsicht wei-
tergeführt.
ISl
21. KlosterderBenediktinerinneninBonn-Endenicb
Ende April 1941
Begründüng ?
gerichtliches Verfahren ?
Verhaftung ?
Strafe: Insassen abtransportiert. Haus beschlagnahmt.
22. Maristen-Missionshaus in Meppen, Hannover
Mitte Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller Insassen aus 100-km-Zone.
Öffentliche Kirche geschlossen.
23. Benediktinerabtei Münsterschwarzach, Bayern
am 9. Mai 1941
Begründung: keine (siehe Nr. 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 2 Patres; Abt in häuslichem ^Arrest
Strafe: Beschlagnahme. Insassen ins Franziskanerkloster Kreuzberg
in der Rhön abtransportiert. Kirche geschlossen.
24. Missionsbenediktinerinnen in Tutzing
am 9. Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein ■
Verhaftung: keine
Strafe; Beschlagnahme. 31 Schwestern dienstverpflichtet.
25. Benediktinerabtei Siegburg
am 6. Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
26. Abtei und Pfarrei St, Matthias der Benediktiner
i n T r i e r
am 6. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller Insassen, außer 1 Pater.
27. Missionshaus der Miss. v. Hl. Geist, Knechtsteden
am 16. Mai 1941
Begründung: Schlachtverfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung der Insassen aus dem Rhein-
lande.
28. Erzbischöfliches Priesterseminar Bensberg, Köln
Mitte Mai
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller zum Seminarbetrieb ge-
hörigen Insassen. Militärlazarettbetrieb geht weiter.
152
29. Exerzitienhaus der Jesuiten, in H, oh eneichen-
Dresden
am 24. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren; nein
Verhaftung: Der Obere wurde nachträglich verhaftet
Strafe: Beschlagnahme. Räumung. Kapellenraum und Kirchenmobi-
liar nicht freigegeben.
30. Redemptoristenkloster Aachen
am 24. Mai 1941
Begründung: „Wir brauchen ein Altersheim"
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme und Räumung.
31. Maris tenkloster Ahmsen, Kr. Meppen
Mitte Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine . ,
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aus der 100-km-Zone. öffent-
liche Kapelle geschlossen. Seelsorgerstellen unbesetzt.
32. Dominikanerinnenkloster St. Peter in Bludenz,
Vorarlberg
am ? ^ .
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
33. Kapuzinerkloster in Bludenz
. am ?
Begründung: „Haus steht im Wege"
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
34. Stift Kloster Neuburg, Österreich
am 3. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
35. Steyler Missionshaus St. Gabriel, M ö dling b. Wien*
am 6. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
Als Ergänzung hiezu noch das'
Verzeichnis
der im Reichsgau Niederdonau für die Unterbringung Volks-
deutscher Rückwanderer beschlagnahmten Klosterniederlassungen.
1. Benediktinerabtei Seitenstetten
2. Benediktinerabtei Altenburg. (Landkreis Hörn)
3. Benedilctinerabtei Göctweig (Landkreis Krems a. d. D.)
153
4. Zisterzienserabtei Heiligenkreuz (Landkreis Baden bei Wien)
5. Zisterzienserabtei Lilienfeld
6. Prämonstratenserabtei Geras (Landkreis Hörn)
7. Servitenkonvent Gutenstein (Landkreis Wiener-Neustadt)
8. Servitenkonvent L o r e 1 1 o (Landkreis EisenStadt)
9. Dominikanerkonvent Retz (Landkreis HoUabrunn)
10. Kapuzinerkonvent Scheibbs (Landkreis Hörn)
11. Minoritenkonvent Asparn a. d. Zaya (Landkreis Mistelbach)
12. Redemptoristenkonvent Eggenburg (Landkreis Hörn)
13. Salvatorianerkolleg Mistelbach
14. KalasantinerkoUeg Blum au (Landkreis Baden bei Wien)
15. Erzbischöfliches Schloß Kranichberg (Landkreis Neunkirchen)
16. Karmelitinnenkloster Mayerling (Landkreis Baden bei Wien)
17. Redempto'ristinnenkloster Gars am Kamp (Landkreis Hörn)
18. Institiut der Englischen Fräulein Schiltern (Landkreis St. Polten)
19. Institut der Barmherzigen Schwestern (Wien-Gumpendorf) Baden
bei Wien, Weilburgstraße 27—29
20. Institut der Barmherzigen Schwestern Allandim Gebirge
(Landkreis Baden bei Wien)
21. Institut der Barmherzigen Schwestern Bernhardsthal (Land-
kreis Mistelbach)
22. Kongregation der Schulschwestern Vöslau, Bahngasse 6 (Land-
kreis Baden bei Wien)
23. Kongregation der Guten Hirtinnen Obersiebenbrunn (Land-
kreis Gänserndorf)
24. Kongregation der Hartmannschwestern Baden bei Wien, Lees-?
dorfer Hauptstraße 69
25. Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes G a b 1 i t z (Land-
kreis St. Polten) ■
26. Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes Göllersdorf
(Landkreis HoUabrunn)
27 Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes Mitterbach
28. Dominikanerinnenkonvent Göpfritz
29. Kongregation der Töchter der ehr. Liebe v. Hl. Vinzehz v. Paul
Sitzendorf (Landkreis HoUabrunn)
30. Kongregation der Töchter der ehr, Liebe v. Hl. Vinzenz Unter-
tiJllnerbach (Landkreis St. Polten)
31- Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Gainfarn
(Landkreis Baden)
32. "Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Vöslau (Land-
kreis Baden)
33. Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Niederholla-
brunn (Landkreis Korneuburg)
34. Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu St. Reginald
(Landkreis Krems)
35. Kongregation der Steyler Missionsschwestern Stockerau (Pro-
vinzhaus)
36. Kongregation der Steyler Missionsschwestern Wöllersdorf
(Landkreis Wiener-Neustadt)
37. Genossenschaft der Missionsschwestern Königin der Apostel Gau-
bitsch (Landkreis Mistelbach)
154
38. Genossenschaft der Schwestern vom armen Kinde Jesus R o h r -
bach a. d.G Olsen
39. Schwestern der Kongregation der Töchter Maria Unterwalters-
dorf (Landkreis Baden bei Wien)
Als Beispiel, wie roh man bei diesen Beschlagnahmen vorging, sei der
Bericht
über die Beschlagnahme des Dominikanerkonventes
in Retz, Kreis Ho Ilabrunn, Niederdonau (in Liste unter
Nr. 9 aufgezählt) wiedergegeben:
Donherstag, den 12. September 1940, nachmittags, erschien unter
Anführung des Herrn Kreisleiters Schuster aus HoUabrunn eine Kom-
mission aus fünf Personen (darunter der Bürgermeister der Stadt Retz,
Fenk, und der Ortsgruppenführer der NSDAP, Diwisch) und verlangte
die Besichtigung der freien Räumlichkeiten des Klostergebäudes.
Nach eingehender Besichtigung des ganzen Klosters verabschiedeten
sich die Herren, ohne einen Grund dieser Besichtigung angegeben zu
haben.
Freitag vormittag zwischen 10 und halb 11 Uhr kam Herr Gendar-
merie-^ Inspektor Thalhammer ins Kloster mit dem Bescheid, es sei vom
Landrat HoUabrunn der Befehl gekommen, das ganze Kloster müsse
bis abends 6 Uhr des gleichen Tages geräumt sein; um diese Zeit
würden die Schlüssel übernommen; die Insassen mögen schauen, wo sie
unterkommen könnten; die Privatsachen könnten sie mitnehmen. Durch
diesen Befehl wurden 10 Personen, darunter ein 82 jähriger und ein
Schwerkranker mit galoppierender Schwindsucht einfach auf die Straße
gesetzt. Zwei Ordensbrüder befinden sich im Wehrmachtsdienstj auch
ihre Zimmer mußten geräumt werden.
Wir taten das möglichste, um den Befehl auszuführen. Mittlerweile
war von Wien H. H. Provinzial P. Marianus Vetter in Begleitung des
H. H. Exprovinziales P. Angelikus TöfEler angekommen und Wünschte
mit dem Kreisleiter über den rechtswidrigen Vorgang zu sprechen. Sein
Besuch war für abends 6 Uhr angesagt. Der Herr Kreisleiter erschien
jedoch diesen Abend nicht mehr, weswegen sich Provinzial und Proku-
rator P. Albert Häller Samstag vormittag nach HoUabrunn zur Kreis-
leitung begaben, um das Ersuchen vorzubringen, wenigstens für den
Rector Ecclesiae und den Wirtschaftsführer je ein Zimmer zur Ver-
fügung zu stellen. Dies hätte sehr leicht geschehfen können, ohne die
Einheit und Abgeschlossenheit des Lagers zu stören. Dieses Ansuchen
wurde jedoch strikte abgelehnt. Während am Freitag befohlen wurde,
daß sämtliche Möbel in den Räumen zu belassen wären, wurde dann
Samstag angeordnet, daß die Zimmer vollständig zu räumen wären,
weswegen die Räumung auch Samstag nachmittag und zum Teil Sonn-
tag fortgesetzt werden mußte. Die Möbel wurden in einem langen, brei-
ten Gang zusammengestellt und dieser gegen das Lager zu abgemauert.
Infolge der ganz ungesetzlich kurzen Räumungsfrist war nicht zu ver-
hindern, daß manche, zum Teil unter Denkmalsschutz stehende Stücke
Schaden erlitten. Zu bemerken ist weiter, daß bei der Adaptierung von
Seiten der maßgebenden Faktoren so verfahren wurde, als ob kein Haus-
eigentümer mehr vorhanden wäre. Ohne jedes Befragen des Hauseigen-
tümers wurden auf Anordnung der Kreisleitung Uniänderungen in den
Räumlichkeiten vorgenommen, z. B. Herausreißen von Wänden, um einen
größeren Raum zu schaffen.
P, Pius Schreiner O. P,
155
f)RaubvonMeßstipendien, Kelchen
Bei der Beschlagnahme der Missionsklöster Sankt Ottilien,
Schweiklberg, Münsterschwarzach wurde auch das ganze Vermögen
ihres Missionsvereins „Liebeswerk des hl. Benedikt" weggenommen.
Bei der Wegnahme des Franziskanerklosters Hall in Tirol und
des Kapuzinerklosters in Innsbruck wurden sogar die M e ß -
Stipendiengelder mitgenommen.
Am 2. Januar 1941 wurde das Benediktinerstift St. Gallus bei
Bregenz beschlagnahmt. Das Benediktinerstift ist Schweizer Besitz.
Gegen 10 Uhr des 2. Januar 1941 erschien die Staatspolizei und
eröffnete dem Abt, daß die Insassen das Haus bis abends 5 Uhr
geräumt haben müßten und daß der gesamte Besitz beschlagnahmt
sei. Der Abt sagte hierauf, daß er nur der Gewalt weichen könne.
Die Staatspolizei erklärte, daß die Gewalt gegeben sei und sie sich
davor hüten sollten, gegen diese Gewalt widersetzlich zu sein. Das
Kloster wurde dann bis 5 Uhr abends geräumt und auch der ge-
samte geistliche Besitz, das ist Kirchengerät, Paramente
und geweihte Gefäße, Kelcheund Monstranzen in
die Beschlagnahme einbezogen. Das Ziborium, das konse-
krierteHostien enthielt, mußte zur nächsten Kirche über-
tragen, dort entleert und daraufhin wieder zurückgebracht
werden, so daß also auch dieses mitbeschlagnahmt wurde. Soweit
die Patres Schweizer Staatsbürger waren, mußten sie am selben
Tage das Land verlassen. Die übrigen Patres sind in ihre Heimat
zurückgegangen. ■ , ■
Ein Grund für die Beschlagnahmung wurde von den Beamten
der Staatspolizei nicht angegeben.
g) Klosterra üb in Luxemburg und Lothringen.
Was man den eigenen Volksgenossen mitten im deut-
schen Vaterland und unter den Augen der katholischen Bevölke-
rung an Gewalt und Unrecht tat, das getraute man sich natürlich
in noch viel roherer Weise im Ausland zu tun.
Um zu schweigen von der fast völligen Schließung und Be-
raubung der männlichen und weiblichen Klöster in Polen, ebenso
von der fast restlosen Vertreibung und Verschleppung ihrer In-
sassen in Gefängnisse und Konzentrationslager, ging man auch im
Westen auf großen Klosterraub aus, zunächst in Luxemburg,
dann in Lothringen.
Bischof Bornewasser von Trier schrieb hierüber am 20. Mai 1941
ans Reichsinnenministerium:
„In Luxemburg wurden sämtliche Priesterorden aufgehoben und des
Landes verwiesen. Es wurde aufgehoben die dem Hl. Stuhl unmittelbar
unterstellte Benediktinerabtei Clerf; es ,,wurden aufgehoben und des
Landes verwiesen: die Jesuiten aus ihrer Niederlassung in Luxemburg,
die Redemptoristen aus ihren Niederlassungen in Luxemburg und Ech-
ternach; die Franziskaner aus Esch; es wurden aufgehoben die Herz-
Jesu-Priester in Fünfbrunnen und Howald.
156
Von den weiblichen Ordensgenossenschaften wurden alle Klöster,
die das beschauliche Leben pflegen, aufgehoben.
Bei der Auflösung der Klöster bzw. dem Abtransport aus Luxem-
burg wurden die Ordensleute zunächst in die Häuser ihrer Genossen-
schaft in meiner Diözese gebracht, so daß meine Diözesanen es wohl
bemerkten und mit Staunen feststellten, daß in Luxemburg e i n
wahrer Klostersturm begonnen habe. Die Dominikanerinnen
von Limpertsberg z. B. kamen mit 59 an der Zahl in dem armen und
kleinen Dominikanerinnenkloster in Klausen im Bezirk' Trier an, und
zwar nachmittags unangemeldet. Die Bevölkerung Klausens nahm sich
der Schwestern in vorbildlicher Weise an und beherbergte sie zum Teil,
und allgemein fragte man sich: „Was geht nun in Luxemburg vor sich?"
Die Benediktinerinnen von Peppingen wurden zu 45 Schwestern in
Kraftwagen zum Benediktinerinnenkloster Trier-Kürenz abtransportiert.
Die Ankunft der Schwestern erregte in ganz Trier größtes Aufsehen.
Allgemein fragte man sich: ,Was geht in Luxemburg vor?' Die Frage
lag nahe: Wie lange wird es dauern, ehe auch unsere Schwestern das
gleiche Schicksal ereilt?
Den Mutterhäusern der großen caritativen Genossenschaften in
Luxemburg wurde eröffnet, daß nur einige von ihnen in Luxemburg
bleiben dürften und daß alle anderen Genossenschaften sich diesen an-
schließen oder das Land verlassen müßten. Darauf verließen die Bor-
romäerinnen von Trier und die Schwestern vom Hl. Geist in Koblenz
das Land Luxemburg.
Auch diese Maßnahme mußte selbstverständlich in meiner Diözese
bekannt werden und größtes Befremden erregen.
Dazu ist auch in meiner Diözese bekannt geworden, daß in Lothrin-
gen durch Erlaß des Ghefs der Zivilverwaltung sämtliche Kranken-
häuser, die bisher den Schwesterngenossenschaften gehörten, durch eine
einfache Verfügung in das Eigentum der Gebietskörperschaften über-r
führt wurden, was den Tod einer selbständigen katholischen Caritas
bedeutet."
h) Klosterraub im Elsaß.
Zwei Jahre später rüstete man zu einem neuen Beutezug gegen
katholische Klöster:
23KlösterimElsaß
sollten mit einem Schlag ausgehoben und weggenommen werden.
Nachfolgendes Schreiben spricht für sich selbst (die Sperrungen
und sonstigen Hervorhebungen stammen vom Verfasser):
Der Stillhaltekommissar Straßburg, den 2, Juli 1943
für das
Organisationswesen im Elsaß
An den
Reichsschatzmeister der NSDAP
Herrn Reichsleiter Schwarz
Abt. Revision München 33
Betreff: Aktion des Stillhaltekommissars
gegen Klöster und Kongregationen
in Elsaß;
hier: Mitarbeit der Gaurevisionen
Ich habe Ihnen bereits zur Kenntnis gebracht, daß nunmehr Gau-
leiter Fg. Wagner, auf Betreiben von Reichsleiter B o r m a n n, den
157
Stillhaltekommissar beauftragt hat, die Auflösung der Klöster
und Ordensgemeinschaften nunmehr vorerst in Elsaß
beschleunigt durchzuführen.
Die Durchführung dieser Aktion ist jetzt im Elsaß keineswegs mehr
so einfach. Zunächst sollen, wie bei der seinerzeit vor ca. 2 Jahren
erfolgten Aktion in Lothringen und Luxemburg, lediglich die be-
schaulichen Orden und Kongregationen — das sind also
solche, die nur beten und nichts arbeiten — erfaßt werden und in
etwa zwei Monaten die anderen Ordensgemeinschaf-
ten und Kongregationen folgen.
Die Mitglieder der beschaulichen Orden werden, soweit sie nicht in
die Welt zurückzukehren beabsichtigen, nach Württemberg und
Bayern, in entsprechende Klöster — bis zu deren beabsich-
tigten späteren Auflösung — verbracht.
Das Programm der Durchführung dieser Aktion ist wie folgt vor-
gesehen:
Sonntag, den 11. Juli, werden 23 Klöster im Elsaß, (beschauliche
Orden) vom SD besetzt. Der SD sorgt dafür, daß die Insassen der
Klöster die Bevölkerung nicht aufwiegeln können und daß am Mon-
tag gleich nach Sonnenaufgang per Omnibus die in Frage kommenden
Ordensleute an weit entfernte Bahnhöfe mit Schnellzugsver-
bindungen verbracht werden.
Die 23 Klöster müssen nun gleichzeitig von Revisoren des Still-
haltekommissars hinsichtlich Aufnahme von Bargeld-, Wertpapier-
und Viehbeständen erfaßt werden, da bei den Aktionen in Loth-
ringen und Luxemburg Klöster (bei denen noch landwirtschaftliche Be-
triebe angegliedert waren) an besonders bevorzugte Ortseinwohner Vieh,
landwirtschaftliche Maschinen und Vorräte aller Art — auch Kloster-
schätze etc. — verschenkt haben. Mit diesen Verschenkungen sollten
andererseits diese und jene katholischen Männer dafür gewonnen wer-
den, um mit der Ortseinwohnerschaft demonstrierend vor das Kloster
zu ziehen bzw. die behördlichen Maßnahmen zu stören.
Um 23 Klöster auch nur raschest aufzusuchen und die Bargeld- und
Wertpapierbestände aufzunehmen und unter behördlichen Verschluß zu
bringen, sind die beim Stillhaltekommissar in Straßburg noch verbliebe-
nen drei Gaurevisoren (Pgg. Borcers, Groß und Rabe) nicht ausreichend.
Die Revisoren sollen auch die für die Betreuung der, Landwirtschaft
bereits vorgesehenen Verwalter in ihre Tätigkeit sofort einsetzen.
Da auch weitere verwaltungstechnische Maßnahmen und vermögens-
rechtliche Feststellungen vorzunehmen sind, muß je ein Revisor hin-
sichtlich Betreuung bis zu drei Klöster übernehmen.
Der Befehl z,ur Auflösung der Orden sgemeinscha fi-
ten ist von Reichsleiter Bormann zur vordringlichen
Durchführung gegeben worden.
Der Stillhaltekommissar ist nicht in der Lage, mit dem hier vor-
handenen Personal auch nur eine Teilaktiön der 23 Klöster durchzu-
führen. Ich , habe heute nach Rückkehr von einer Reise eingehend mit
Pg. Schmidt gesprochen und bin von dem Genannten gebeten worden,
Herrn Reiehsschatzmeister herzlichst zu bitten, doch auf die Dauer von
5, längstens 7 Tagen die in Klosteraktionen bewanderten,
inzwischen wieder zu ihren Gauen zurückgekehrten Gaurevisoren Pg.
Josef Blauärmel-Moselland, Emil Lorenz-Baden, Josef Kurz-Bäden, Karl
Petzold-Sachsen, zur Verfügung zu stellen. Ich bin der festen Über-
zeugung, daß diese vier Parteigenossen und die mir noch verbliebenen
drei Gaurevisoren in der Lage sind, innerhalb einer Woche die erfor-
derlichen, vermögensrechtlichen Unterlagen fertigzustellen.
, Vertraulich berichte ich Ihnen, daß ohne die Mitarbeit der
Revisoren die Aktion des Stillhaltekommissars gegen die Klöster eine
158
blamable Angelegenheit werden muß, zunial nur noch zwei politische
Referenten bei der Dienststelle Straßburg des Stillhaltekommissars vor-
handen sind und diese für Vermögensaufnahmen ungeeignet erscheinen.
Zufolge plötzlicher Umstellung des Einsatzes SU, ukrainischer und
sonstiger ausländischer Arbeitskräfte bei der ARBED in Luxemburg, hat
Pg. Schmidt heute sofort wieder abreisen müssen, weshalb ich ersucht
worden bin, Herrn Reichsschatzmeister diese Bitte zu unterbreiten.
Ich weiß, daß Revisorenmangel besteht und durch die nunmehr er-
folgte Übernahme des Revisionsapparates der DAF, die Revisionsver-
hältnisse bei den Beauftragten noch ungünstiger werden; trotzdem
bringe ich im Auftrage des Pg. Schmidt diesen Auftrag zur Vorlage,
weil es keinem Zweifel unterliegt, daß ohne Beistand des Herrn Reichs-
schatzmeisters bei der von höchster Stelle befohlenen
Kloster-Aktion im Elsaß es ein furchtbares Durcheinander
geben wird.
gez. Baum Adolf
Reichsstellenleiter.
AbersofeinauchdiesmaldasNetzgesponnenwar,
e s z e r r i ß.
Eben dies vorerwähnte Schreiben des Stillhaltekommissars kam
durch die mutige Tat einer ins Vertrauen gezogenen Person rasche-
stens in die Hand und zur Kenntnis kirchlicher Stellen. Diese han-
delten entschlossen und schlagfertig, soweit sie auch voneinander
entfernt waren, Hand in Hand. Schon nach ein paar Tagen gingen
Telegramme des Erzbischofs von Freiburg an etwa ein Dutzend
höchste Stellen des Reiches, der Partei und der Gestapo und zeig-
ten, daß man von dem „streng geheimen" Plan genaue und sichere
Kenntnis habe, warnte ernstlichst vor dieser Provokation des katho-
lischen Elsaß' und der neuen Bloßstellung Deutschlands vor der
ganzen Welt. Und so blieben SD und Revisoren zu Hause, zer-
brachen sich die Köpfe über die Frage, wie denn die „verdammten
Schwarzen" Wind von der Sache bekommen hätten und hetzten ein
paar Wochen Spürhunde durch Elsaß und Baden usw., um nur
herauszubekommen, wo der Verrat des schönen Planfes geschehen
sei. (Näheres über die Gegenaktion im zweiten Teil.)
Hier sei zur Beleuchtung der niederträchtigen Methoden dieses
systematischen Kampfes gegen die katholischen Ordensleute nur
noch eine Detailschilderung über die Verfolgung des „meistgefürch-
teten und bestgehaßten Ordens", der Jesuiten, wiedergegeben. Doch
sei bemerkt, daß es sich dabei im wesentlichen nur um die Jesuiten
der oberdeutschen Provinz (Süddeutschland) handelt, also
bloß um einen Teil der Gesellschaft Jesu.
DerKampfgegendenHauptfeindunterdenOrden:
die Jesuiten.
Im großen Programm der SS wurden von Anfang an öffentlich als
die Hauptfeinde bezeichnet (Reichsfeinde):
1, Kommunisten, 2. Juden, 3. Freimaurer, 4. Jesuiten.
Tatsächlich begann kurz nach der Machtergreifung der Kampf
gegen die SJ. — Zuerst durch die ständigen „Devisenkontrolle n",
159
sehr viele und oft tagelange Verhöre des P. Rektor von St. Blasien,
H u g g e r , besonders aber des Provinz-Prokurators L e i c h e r , der erst
im September 1935 das Amt antrat, des Provinzials P. Rösch, am
meisten aber des P. Nell-Breuning. — Gesucht, aber nicht er-
reicht wurden, weil in der Schweiz befindlich: P. Hayler (früher Pro-
vinzial), P. Stier, P. Schönenberger, P. Villiger, später
wieder P. Hugger, der 6 Wochen eingesperrt gewesen war, dann frei
wurde ohne Verurteilung und neuerdings gesucht ward.
Im August 1936 sollte der Prozeß Nell-Breuning in Berlin statt-
finden, wurde dann „auf Eis" gelegt, weil er für die Nazi verloren zu
seiri schien. Tatsächlich erfolgte im Jahre 1943 eine objektive Frei-
sprechung des P. V. Neil und der SJ., aber die Verurteilung fand statt
wegen subjektiver Gründe, nämlich „wegen , mangelnder nationalsozia-
listischer Gesinnung."
Im Jahre 1 9 3 7 begannen im großen Maßstab die Haussuchun-
gen und gleichzeitig fing man in der Presse (Zeitungen, Zeitschriften,
Monatsheften usw.) einen Verleumdungsfeldzug gegen die Jesuiten an.
In den Tageszeitungen erschienen Artikel über eine „Paßfälscherzentrale
der Jesuiten". — In Parteiorganen, in Schulungskursen wurde außer-
ordentlich schwer gegen die Gesellschaft Jesu gehetzt. Auch Bücher
wurden gegen sie veröffentlicht.
Im Jahre 1937 wurde dem PJiilosophischen Kolleg in Pullach
die anderen Theologen gewährte Berechtigung entzogen, die Scholasti-
ker bis zur Subdiakonatsweihe vom Militärdienst zurückzustellen.
Persönliche Besprechungen im Kirchenministerium und große Eingaben
hatten zunächst Aussicht auf Wiederverleihung des alten Rechtes; aber
19 3 8 wurde dies „aus grundsätzlichen Erwägungen" endgültig ab-
gelehnt. (Später genau umgekehrt; Entlassung aus dem Militär wegen
„Wehrunwürdigkeit".)
19 3 7: Beginn der Prozesse gegen Patres wegen Predigten usw.
19 3 8: Eroberung Österreichs. — Auflösung der Stella Matutina.
19 3 9: Beginn der Beschlagnahme von Häusern im deutschen Pro-
vinzgebiet (Rottmannshöhe). — Auflösung von St. Blasien. — Anfang
des Kampfes um Pullach.
19 40 (gegen Ende): Eine neue Art der Verfolgung: Zunächst ge-
heime neue karteimäßige Erfassung aller SJ — zur „judenmäßigen Er-
fassung". — Ein Abteilungsleiter in der Gestapo München machte durch
eine Mittelsperson die vertrauliche Mitteilung, daß „im Jahre 1942 keine
Jesuiten mehr im Lande sein werden".
1941: Im Februar sollten alle Adressen der bei der
Wehrmacht befindlichen Mitglieder bei der Gestapo (!)
abgegeben werden. Dies wurde . verweigert mit der Begründung, man
möchte wissen, warum nur die SJ das tun sollten. Es sei gegen das
Konkordat; es gäbe keine Sonderbestimmung für politische Meldungen.
Angeblicher Grund war die Freistellung für die Seel-
sorge. Auf die Entgegnung, das könne doch wohl nicht der Fall sein,
daß ausgerechnet die Jesuiten und nur sie so bevorzugt sein sollten;
auf die Frage, wieso auch die L a i e n b r ü d e r für die Seelsorge in
Betracht kämen, wurde geschwiegen. Es komme alles vom Reichs-
sicherheitshauptamt Berlin. : — Es wurde dem Provinzial mit dem Kz-
Lager Dachau gedroht, wenn er nicht nachgeben würde. Die Listen
wurden nicht abgegeben und die Verhaftung erfolgte auch noch nicht.
Frühjahr 1941 begannen die zwangsweisen Auflösungen und
Vertreibungen aus den Häusern innerhalb 1 — 2 Stunden.
Im Juni 1941 kam dann der ausdrückliche Führerbefehl, daß
alle in der Wehrmacht befindlichen Jesuiten zu entlassen, wehrunwür-
dig zu erklären und als nzv. (nicht zu verwenden) der Ersatzresetve zu
160
überstellen sind. Nun war es. klar, warum man vorher die Adressen
haben wollte. Absicht: Zuerst Diffamierung wie die Juden
und dann Behandlung wie diese.
Mai 1941: Gauleiter Wagner erklärte, in wenigen Wochen werde
er die Jesuiten aus Bayern hinaushaben.
Juli 1941: Vertrauliche, aber ganz sichere Mitteilungen, die am
10. und il. Juli einliefen, sagten, daß am 12. Juli alle in und um Mün-
chen sich befindlichen Häuser aufgelöst und die Jesuiten vertrieben
W'erden sollen. Daraufhin wurde, offen mit SD-Führer in München
gesprochen durch Pater v. Waldbürg-Zeil, der ihn persönlich kannte;
dieser bestätigte die Mitteilung und versprach, er wolle sich nochmals
nach Berlin wenden; man solle in einigen Stunden wieder vorsprechen.
Endergebnis: Bis Ende August unterblieb ^ in , München auf die Vor-
stellungen hin die befohlene Aktion; denn sie mache doch viel Auf-
sehen; aber Ende August seien die Russen besiegt Und die Gesellschaft
Jesu werde ohnehin aufgelöst. So komme es auf die wenigen Wochen
auch nicht mehr an. Der Herrgott hatte wieder geholfen und , es
unterblieben diese Aufhebungen, während in der Niederdeutschen Pro-
vinz und bei anderen Orden geradl*^m 12. Juli Häuserauflösungen er-
folgten.
In den darauffolgenden Zeiten wurde der Rest der ehemaligen Kol-
legien verboten. — Viele Patres wurden wegen ihrer priesterlichen
Tätigkeit, vor allem als Obere oder als Prediger, verhört. — Siehe Liste.
Herbst 19 43: Beginn des Devisenprozesses. Am 23. Dezember
objektiver Freispruch, subjektiv wegen mangelnder nationalsozialisti-
scher Gesinnung verurteilt: p. de Neil zu 3 Jahren Zuchthaus, die beiden
Provinzen zu rund einer Million Reichsmark, „sofort zu zahlen, sonst
Wegnahme von Pullach und anderen Häusern". Die oberdeutsche Pro-
vinz hatte 653 157 Mk, ohne Advokatenkosten zu entrichten, den Rest
die niederdeutsche Provinz.
Das Schicksal der Häuser der oberdeutschen Provinz:
Kolleg „S tella Matutina": aufgelöst; wegen der Verhältnisse zwangs-
verkauft zum größeren Teil.
Exerzitien- und Noviziatshaus Tisis: aufgelöst; beschlagnahmt.
Rottmannshöhe: aufgelöst, beschlagnahmt.
„Stimmen der Zeit": Haus und Zeitschrift: aufgelöst; alles be-
schlagnahmt; weggenommen.
Kolleg und Internat St. Blasien: aufgelöst. Zum größten Teil wurde
es Lazarett; vermietet.
Ein sehr schwerer Kampf war alle die Jahre zu führen um das
Berchmannskolleg in Pullach, das die Partei immer wieder
an sich zu ziehen suchte. Zuerst war 6s als Lazarett für das Militär
vorgesehen, wobei aber der Kommunität der SJ genügend Raum bleiben
sollte. Dann wußte es die Stadt München für ein Hilfskrankenhaus zu
beschlagnahmen unter den gleichen Bedingungen, die aber dann nicht
eingehalten wurden. Die Stadt wollte erzwingen, daß das Objekt als
Ganzes an sie verkauft würde. Dann sollte alles konfisziert werden.
Zudem wollte die Stadt keine Entschädigung zahlen; jahrelang unter-
blieb jede Vergütung. Nach dem großen Brand durch Fliegerangriff
verließ das Krankenhaus überschnell das Kolleg; das Haus war endlich
frei von dem so lästigen, undankbaren und gefährlichen Partner. Die
freien Räume wurden vom Generalkommando gemietet.
Ähnlich wollte der Reichspostminister die Gesellschaft zwingen, das
ganze Besitztum Rottmannshöhe innerhalb weniger Stunden an
die Post zu verkaufen. Verweigert. Zugute kam, daß ja alles bereits
von der Volksdeutschen Mittelstelle (einer SS-Organisation) beschlag-
nahmt war, die auch nichts an Entschädigung zahlte und sicher damit
Kreuz und Hakenkreuz 11 jgj
rechnete bei der Liquidierung der Provinz diesen Besitz für sich zu
behalten. Die Jesuiten sollten die Steuern bezahlen und sogar die Aus-
gaben für Wasser und Licht, das die Behörde im Hause brauchte. Sie
lehnten dies ab, ebenso die Steuerzahlung. Daraufhin sollte gepfändet
werden. Der Provinzial erklärte der zuständigen Gauleitung, er ließe
es auf die Pfändung ankommen. Es sei ja eigenartig, daß der G 1 ä u b i -
g e r vom Schuldner für Nichtbezahlung der Miete gepfändet werde;
aber die Verantwortung für die schlechte Stimmung, die dadurch zumal
bei den Bauern in der Nachbarschaft entstehe, müsse er natürlich ab-
lehnen. Da unterblieb die Pfändung, und die Barausgaben wurden ver-
gütet.
Liste (noch nicht vollständig)
der Jesuiten der oberdeutschen Provinz, die im Laufe der Herrschaft
des Nationalsozialismus nur aus Berufsgründen verhört, zur
Flucht gezwungen, ausgewiesen, polizeilich verhört (Gestapo- Verhöre),
in Schutzhaft genommen, in Konzentrationslager gebracht, gerichtlich
verhandelt, verurteilt, eingesperrt, hingerichtet wurden.
(Bei den Verhören sind jene Mitbrüder nicht bezeichnet, die an-
läßlich ganzer Hausdurchsuchungen oder Vertreibungen verhört wurden.)
NB. Gegen kein einziges Mitglied SJ der oberdeutschen Provinz gab
es ein kriminelles Verfahren.)
Verhöre: PP. Baumann Josef, Bayer, Bleienstein, Borter, Büeb, Dir-
rigl, Dold, Gensert, v. Gumppenberg, de Hahn, Haups, Hubbuch,
Hugger, Inderbitzi, Jung, Koerbling, Knünz, Kraus, Kling, König,
Kreitmaier (Superior), Küble, Lang, Leicher, Manuwald, Mayer
Rupert, Müller Frz. X. (Prov.), Müller Frz. Jos. (Superior), Perzl,
Prinz, Rauch, Rösch (früh. Prov.), Sammer, Spitzauer, Strassenber-
ger, Stricker (Sup.), Waldmann (Sup.), Wiedemann Joh.
Tägelange Verhöre hatten P. Hugger (Rektor), P. Leicher, P. Rupert
Mayer, P. Rösch.
Von den Laienbrüdern wurden verhört: Jehle Otto, Karl Georg,
Moser Paul.
Ausgewiesen aus Deutschland: PP. Borter, Hubbuch (Schwei-
zer), Mariov. Galli (Österreicher).
Verhaftet: 1. Polizeiliche Haft: P. Hugger
2. Schutzhaft:' PP. Baumann Josef, Bueb, Delp, Fritz (Rektor der
Stella Matutina), Grimm, Haups, Huber Hermann, Jung, Kling,
Manuwald, Mayer Rupert, Müller Frz. Jos. (Super.) Perzl, Prinz,
Rösch, Wiedemann Joh. — Brüder Jehle Otto, Karl Gg., Moser P.
Gerichtlich wurden verhandelt bzw. verurteilt:
PP. Baumann Jos. (Gefängnis), Delp (zum Tod verurteilt), Prinz
(vom Sondergericht freigesprochen, dafür ins Kz-Lager), Lang (Ge-
fängnis), Mayer Rupert (Gefängnis, später Kz-Lager, Einzelzelle,
anschließend Klosterhaft Ettal), P. Grimm (zum Tod verurteilt —
hingerichtet).
Steckbrieflich gesucht: P. König (hielt sich auf Befehl des
P. Prov. Rösch verborgen, weil von Gestapo gesucht und schwer
krank), ferner P. Rösch. —
P. Rösch wurde nach der Verhaftung in Dachau eingeliefert, von
da nach Berlin, Reichssicherheitshauptamt, „Lehrter Zellengefäng-
nif" Moabit, wochenlang gefesselt bei Tag und Nacht; nach Angabe
von Dr, Reisert, Rechtsanwalt, geführt in den Listen der bereits
Hingerichteten; war unter den letzten 46, die am 25. April 1945,
18 Uhr, wenige Stunden vor der Eroberung des Gefängnisses durch
162
die Russen, noch frei wurQen. Der Befehl zur „Umlegung" (=.-. Er-
mordung) aller politischen Gefangenen war von Himmler gegeben.
In den letzten Nächten waren von 84 politischen Gefangenen 38 er-
mordet worden.
Näheres zu den gerichlichen Verurteilungen:
P. Baumann Josef, wegen einer Predigt zu 5 Wochen Gefängnis. Die
Verhandlung fand in Bamberg statt; es ist möglich, daß der Richter
sich zu dieser Strafe entschloß, um den Pater vor dem Kz-Lager
zu bewahren — Strafe abgebüßt in Bamberg.
P. Huber Hermann, angezeigt von aufgehetzten Kindern wegen Bemer-
kungen, die er im Religionsunterricht machte und die den Natio-
nalsozialisten mißliebig waren. P. Huber hatte großen Einfluß in
der Stadt, — Verurteilt durch Sondergericht in Ravensburg zu
10 Monaten Gefängnis, abgebüßt in Ravensburg und Ulm.
P. Jung Alois, wegen Predigten, Verbreitung von Bischofspredigten und
Hirtenbriefen. — Verhandlung fand statt unter dem Vorsitz des
berüchtigten „Mordrichters" Rothauge in Nürnberg; verurteilt zu
4 Jahren Gefängnis, abgebüßt in Nürnberg. (Der Pater hat aus
religiösen Motiven gut' gemeinte Unklugheiten gemacht.)
• P. Lang Berthold (bereits über 60 Jahre), wegen Predigten. Er war
schon öfters von der Gestapo verhört und verwarnt worden; die
Verhandlung fand in München statt; P. Lang wurde zu 6 Monaten
Gefängnis verurteilt, die er in Ulm abbüßte. Ein Teil der Strafe
wurde erlassen.
P. Koerbling Anton, wegen Predigten, verurteilt in München zu 6 Mo-
naten Gefängnis. Kam zum Militär und wurde amnestiert.
P. Rupert Mayer (Kriegsinvalide), bereits über 60 Jahre alt, wegen Pre-
digten und seines großen Einflusses zuerst Schutzhaft, dann verur-
teilt zu 6 Monaten; 5 davon abgebüßt in Landsberg, dann kam eine
allgemeine Amnestie. — Später wurde er ins Konzentrationslager
Oranienburg bei Berlin gebracht, Einzelbunker, „weil von einem P.
Rupert Mayer nicht zu erwarten war, daß er das Beichtgeheimnis
verrate." Von Oranienburg in die Klosterhaft nach Ettal (Obb.) ge-
bracht, wo er nicht einmal die Klosterkirche besuchen durfte. Von
dort nach dem Einmarsch der Amerikaner befreit und nach Mün-
chen gebracht.
P. Grimm Alois, von der Gestapo geholt wegen Predigten und seiner
Tätigkeit für Konvertiten; 2 Gestapoleute täuschten Konversions-
willen vor, suchten -ihn mit Gesprächen zu fangen, zeigten ihn an;
er wurde nach Berlin gebracht, vor dem Volksgericht geheim,
d. h. unter Ausschluß jeder Öffentlichkeit verhandelt und zum Tode
verurteilt und in Plötzensee, Berlin, enthauptet (11. September 1944).
P. Delp Alfred, überwacht und bespitzelt wegen Predigten, Vorträgen
religiöser Art, Jugendarbeit. Am 28. Juli 1944 verhaftet, weil sein
Name im Notizbuch von Graf v. York (auch hingerichtet) gefunden
wurde. Aber dies stellte sich als harmlos heraus und wurde nicht
weiter vor Gericht behandelt. Von Beteiligung und direktem Hoch-
verrat freigesprochen, aber zum Tode verurteilt und am 2. Februar
1945 gehängt. Grund: Er habe als Priester, Jesuit, katholischer
Soziologe an Besprechungen für Wiederaufbaumöglichkeiten teil-
genommen. Tatsächlich weil er Jesuit war und nicht aus dem
Orden austrat; denn Jesuit = fe,eichsfeind.
Ein Gedächtnisblatt für einen „Märtyrer":
P. Grimm war früher Professor in der „Stella Matutina" Feldkirc5 ■
(Vorarlberg), nach der Auflösung dieser Schule Professor in St. Blasieij
163
Nach der Schließung dieses Kollegs durch den Nationalsorialismus kam
er wieder nach Feldkirch als Prediger und Schriftsteller (Spezialgebiet
Ambrosiasterforschung). Er nahm sich auch nach Kräften der Jugend
an. Deswegen wurde er von den Nationalsozialisten sehr angefeindet.
Eines Tages erschien ein Soldat und bat um Unterricht, er möchte kon-
vertieren. Später brachte er einen anderen Kameraden mit, der den
gleichen Wunsch habe. Einer ließ ein Kind taufen. Beide stellten im
Unterricht auch Fragen über den Kommunismus, drückten ihre Sorge
aus, wie er überwunden werden könne, daß er auch schon im Lande sei
und ähnliches.
Eines Tages wurde der Pater nach der hl. Messe verhaftet; er solle
mit nach Innsbruck kommen; dann brauche man nicht so viel schreiben
und er könne wieder schneller heim. In der Gestapo Innsbruck sah er
die beiden „Konvertiten" wieder, die ihn „begrüßten" — unabhängig
voneinander — mit den Worten „Da ist er, der Sauhund!" „So muß man
es bei Euch . . . kerle machen, sonst kriegt man Euch ja nicht!" An-
klage gegen den Pater: „Wehrkraftzersetzung". — Das ganze Verfahren
wurde als „Geheime ReicKssache" behandelt und zur Verhandlung durfte
außer dem Advokaten niemand erscheinen. Dieser durfte keine Aus-
kunft über Inhalt und Verlauf des Prozesses geben. Darum ist auch
nicht bis jetzt im einzelnen bekannt, was' nun eigentlich zum Vorwurf
gemacht worden ist. Höchstwahrscheinlich „staatsfeindliche Bemerkun-
gen über die herrschenden Zustände", Der Pater schreibt im letzten
Brief: „Glaubt nicht, daß ich ein Verbrecher sei . . ."
Abschiedsbrie.fvonP. Alois Grimm SJ.
B r i e f a n P. G a 1 1 i. Brandenburg, den 11, Sept. 1944
Lieber Mitbruder!
Die Stunde ist gekommen, daß ich mich rüste zur Heimkehr in die
Ewigkeit. In einigen Stunden stehe ich vor meinem Richter, meinem
Erlöser und Vater, Es ist so Gottes Wille, er geschehe in allem! Seien
Sie, bitte, der Dolmetsch meiner letzten Grüße an alle meine Mitbrüder
und Bekannte! Ich gehe in den Tod als Kind der katholischen Kirche,
als Glied der Gesellschaft Jesu. Ich bitte um Verzeihung aller meiner
Fehler und Ärgernisse, die ich gegeben habe, und danke der Gesell-
schaft und allen Mitbrüdern für alles, was ich Gutes empfangen habe.
Wieviel es ist, fühle ich jetzt in diesem Augenblick, wo ich Abschied
nehme. Trauert nicht über mich, ich gehe heim, Ihr müßt noch aus-
harren. Ich gebe mein Leben für das Reich Gottes, das kein Ende
kennt, und für die Gesellschaft Jesu, für die Jugend, für die Religion
unserer Heimat. Ich bemühe mich, durch mein Sterben den Tod des
Heilandes zu verherrlichen und ihm ähnlich zu werden. Glaubt nicht,
daß ich ein Verbrecher sei, wohl aber bin ich ei* Bettler und Sünder
vor Gott, ein Nichts, das nur auf Gottes Erbarmen sich stützt. Wollen
Sie meinen letzten Dank an meine Obern und Mitbrüder richten.
Letzte Grüße auch an alle Mitbrüder und Bekannte . . . ! Auf Wieder-
sehen im Jenseits! Gelobt sei Jesus Christus!
Alofe. Grimm SJ.
Das Blut dieses und vieler anderer Märtyrer aus dem Ordens-
stande werde auch hier der Samen für neues Wachstum!
164
6. Fesseln für die katholisclieii Vereine.
„In Hunderten nationalsozialistischer Presseerzeugnisse, in
Tausenden von Versammlungen ist seit Jahr und Tag ein konzen-
trischer Feldzug gegen die katholischen Organisatio-
nen geführt worden, der an Schärfe, an Bedenkenlosigkeit, an
geringer Achtung der Gesetze der Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit
und Liebe seinesgleichen suchte. Den von solcher Propaganda er-
faßten Massen ist in dem verzerrenden Hohlspiegel dieser Meinungs-
mache ein Bild von den Zuständen und der Geistesrichtung in den
katholischen Verbänden vorgesetzt worden, das sie naturgemäß für
bekämpfens- und ausrottungswert halten müssen."
Das ist eine Feststellung des Hl. Stuhles in einer amtlichen
Note an die Reichsregierung am 15. April 1934.
Es war ein zäher Kampf, der vom Nationalsozialismus gegen
die katholischen Vereine geführt wurde.
Der erste und schwerste Ansturm galt jeglichem Zusammen-
schluß „Katholischer Jugend" (KJ).
A: Kampf der HJ gegen KJ
In Regensburg war schon 1933 angeschlagen: „Gift für
die Deutsche Jugend sind die Schwarzen Ver-
bände. Deshalb heraus aus ihnen und hinein in die HJ!"
Die HJ von München-Trudering versuchte es mit einer Be-
schwerde beim Innenministerium und brachte dabei
ebenso lächerliche wie lügenhafte Anklagen vor, um die Staats-
regierung gegen katholische Jugendvereine und ihre geistlichen
Leiter scharf zu machen. Die Eingabe bringt 14 Vorwürfe, die
zeigen, wie schwer den Geistlichen durch die HJ von Anfang an
die Arbeit in Schule, Kirche und Vereinen gemacht wurde, ohne
„Achtung der Gesetze der Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Liebe".
Anklage:
1. Der Katechet benotet Angehörige
kath. Jugendvereine bei gleicher
Leistung besser.
2. Die Angehörigen der HJ werden
auch in der allgemeinen Behand-
lung gegenüber den Angehörigen
der katholischen Jugend benach-
teiligt.
3. Der Katechet wendet den deut-
schen Gruß in der Schule nur in
stummer Weise an.
4. Der kath. Jugendverein hält die
an sich verbotenen Heimabende
und Führerbesprechungen nun-
mehr in der Kirche ab.
Erwiderung des Katecheten:
Der Vorwurf ist unberechtigt und
eine grobe Beleidigung und wird
angezeigt.
Dieser Vorwurf entbehrt genau so
jeder Grundlage wie der erste.
Jawohl, der deutsche Gruß wird
von uns entsprechend der Anwei-
sung des Amtsblattes in stummer
Weise geübt.
In den letzten Wochen wurde für
die Angehörigen der kath. Jugend-
vereine wiederholt in der Kirche
ein religiöser Abendvortrag gehal-
ten. Von Besprechungen war da-
bei selbstverständlich keine Rede.
165
5. Die Mitglieder der KJ beachten
nicht das Verbot des Uniformtra-
gens, desgleichen tragen sie katho-
lische Abzeichen in der Schule.
Es kam vereinzelt vor, daß ein
Bub gelegentlich das Blaue Hemd
trug. Der Betreffende wurde dann
vom Präses beauftragt, dies in Zu-
kunft zu unterlassen. Gegen das
Tragen katholischer Abzeichen in
der Schule ist uns ein Verbot nicht
bekannt.
6. Die Präsides haben im Unter-
richt zu verbotenen Betätigungen
der kath. Jugendvereine einge-
laden, z. B. zu Ausflügen, Gelände-
spielen.
7. Die Leitung der kath. Jugend
hat mit großen Schulden ein Ju-
gendheim erbaut und bettelt nun
für dieses Jugendheim in verbo-
tener Weise.
Der Vorwurf ist falschl
8. Für den letzten Sonntag, 22. Ok-
tober 1933, war vom männlichen
Jugendverein ein Ausflug nach
Wasserburg vorbereitet und durch-
geführt.
Der Bau des Jugendheimes ist be-
kannt, über dessen etwaige Ver-
schuldung sind wir dem Führer
der HJ keine Eechenschaft schul-
dig. Das verbotene Betteln be-
stand darin, daß am letzten Sonn-
tag an der Kirchentüre Bausteine
für das Jugendheim verkauft wur-
den.
Es ist für letzten Sonntag ein Aus-
flug weder vorbereitet noch durch-
geführt worden.
9, Die Seelsorger machen den Mit-
gliedern der nationalsozialistischen
Jugendverbände schikanöse Vor-
schriften betreffs Verhaltens in der
Kirche (Kniebeuge, Kreuzzeichen).
10.^ Der Scharführer der HJ be-
schwert sich darüber, von den
katholischen Geistlichen nicht ge-
grüßt zu werden.
11. Die BDM wurden in der Kirche
angesprochen, weil die Mädchen
um 2 Minuten zu spät kamen.
12. Der kath. Jungmädchenverein
beteiligte sich am Michaelifest in
Berg am Laim.
166
Es ist von uns in privater Weise
wiederholt versucht worden, zu er-
reichen, daß Mitglieder der ge-
nannten Jugendverbände (Schul-
kinder) vor dem Aller heiligsten das
Knie beugen und bei der hl. Wand-
lung das Kreuzzeichen machen.
Vergebens!
Wir erwidern grundsätz-
lich jeden Gruß, ganz gleich, von
wem er kpmmt.
Der BDM zog 3 Wochen nach-
einander geschlossen in den
10-Uhr-Schulgottesdienst ein,' zu
einer Zeit, in der der zelebrie-
rende Priester beim Evangelium
war, beim dritten Male erst bei
Beginn der Predigt. Hier wies
dann der Kaplan in ruhiger, sach-
licher Form darauf hin, daß die hl,
Messe um 10 Uhr angeht.
Der Fall ist anderwärts bereits
klargelegt.
13. Das Kath. Pfarramt setzte asn
Christ-Königsfest um 149 Uhr eine
Generalkommunion der katholi-
schen Pf arr Jugend an, obwohl zu
gleicher Zeit ein Fest der HJ statt-
fand.
14. Herr Kaplan Lederer hat die
Führer der HJ gelegentlich eines
Zwischenfalles in der männlichen
Volksfortbildungsschule bele ' digt.
Die Generalkommunion der Pfarr-
jugend ist seit Jahren an diesem
hierfür besonders passenden Tage,
dem Hauptfest der katholischen
Jugendvereine, was auch der HJ-
Leitung hätte bekannt sein sollen.
Eine böswillige Verdrehung einer
Bemerkung gegen das flegelhafte
Benehmen eines Fortbildungsschü-
lers, die dahin lautete, daß ein
solches Benehmen sich nicht für
einen HJ^Buben gezieme und vom
Führer sicher nicht gebilligt werde.
Forderung der Unterbannführer
Einen bedeutenden Schritt weiter im Kampf der Katholischen
Jugendvereine ging schon ein Beschluß der Unterbannführer des
Bannes HJ Oberland auf einer Tagung am 17. Januar 1934.
Es wird aufgefordert zum „passiven Widerstand", der aber in
Wirklichkeit sehr „aktiv", geradezu gewalttätig sein sollte.
, „Am Mittwoch, 17. Januar 1934 ist eine Tagung der Unterbann-
führer des Bannes HJ Oberland 2.
Dabei werde aufgefordert zum .passiven Widerstand' gegen die,
katholische Jugend, besonders gegen die DJK und Pfadfinder.
Es soll dies aber nicht offiziell von der Partei aus befohlen wer-
den, sondern Anweisung unter der Hand gehen.
Des näheren wird aufgefordert:
1. Abzeichen an den Kleidungen sind auf irgendeine Weise zu ent-
fernen, evtl. auchmit Gewalt.
2. Jedes geschlossene Auftreten katholischer Jugend ist zu ver-
hindern, bzw. soll zerstört werden.
3. Über größere Unternehmungen der katholischen Jugend i s t a n
das Innenministerium zu berichten, das versprochen
hat, die Bannführer in jeder Weise zu decken.
4. Es ist jedem Führer verboten, seine HJ geschlossen in die Kirche
zu führen. Er kann höchstens sagen: ,Wenn jemand in die Kirche gehen
will, so kann er es tun'."
Die HJ ließ sich natürlich eine solche Aufforderung zum
„Losschlagen und Dreinschlagen"
auf die „Schwarze Jugend" nicht zweimal sagen. „Schlagfertig"
begannen überall die Überfalle.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München mußte am 26. April 1934
für die Zeit vom 2. bis 25. April dem Bayerischen Staatsministerium
des Innern nachfolgende Angriffe auf katholische Jugend melden:
Regensburg, Schliersee, Bad Reichenhall, Freilassing, Töging,
München: St. Johann Baptist (zweimal), Neuhausen, St. Bonifaz
(zweimal), St. Franziskus, St. Paul, Solln, St. Stefan, St. Rupert,
Jugendheim an der Berlepschstraße.
Selbst Wallfahrten, auch wena sie polizeilich genehmigt
waren, wie' jene des Kath. Jungmännerverbandes der Erzdiözese
167
am 6. Mai 1934 nach Birkenstein und jene der katholischen
Jugend von Oberaudorf und Kiefersfelden nach
Kirchwald am 10. Mai 1934, wurden gestört.
Letztere verlief besonders abstoßend:
Am Ortseingang von Oberaudorf warteten SS-Leute und Hitler-
jungen im Straßengraben und überfielen zuerst die Jungen des Kath.
Jugendvereins, die mit dem Rad kamen. In roher und gewalttätiger
Weise rissen sie den Jungen die Blauhemden und Christuszeichen her-
unter. Der eingerollte Wimpel wurde vom Rad weggenommen und im
Straßenschmutz herumgezogen.
Als dann das Lastauto kam mit 33 Kindern von 8 bis 14 Jahren,
brachten es die' SS-Leute zum Stehen, nahmen den Buben die Blau-
hemden ab, während die BDM-Mädchen den kathohschen Mädchen das
Abzeichen der „Weißen Rose" abforderten. Die SS „eroberte" dann
noch den zweiten Wimpel. Abends war dann gemeinsame Sie-
gesfeier von SS, HJ und BDM mit Verbrennung der blauen
Hemden und Wimpel. """
Ähnlich ging es dem katholischen Jugendverein Wolf-
ratshausen bei einem Ausflug mit Gemeinschaftsmesse: 30 HJ über-
fielen die . „J u g e n d h u n d e" und „P f a r r e r - L e h r b u b e n" und
schlugen mit ihren Schulterriemen auf sie ein.
. In Dorf en bei München drohte man nicht nur immer wieder mit
dem Zaunpfahl, sondern zerstörte auch nächtlicherweile (!) mit einem
Sprengkörper den Pfarrhofzaun (2. Mai 1934).. Auf die Beschwerde des
Pfarrers meint eder Bürgermeister hilflos: „Das Kreuz ist
halt, daß Sie die katholische Jugend nicht in die HJ überführen."
'In größerem Maß s t ab g es ch ah e n G e w alt t a t en
gegen die katholische Jugend von Berlin:
Bischof Preysing schrieb hierüber an die Regierung:
' Am Sonntag, den 25. März 1934 hatte der KJ-Führer von Groß-Ber-
lin die Jungen von 10 bis 14 Jahren zu einem Treffen nach Henningsdorf
gerufen. Etwa 1800 Jungen waren dem Rufe gefolgt. Auf das schmerz-
lichste berührt es mich, daß diese treudeutschen katholischen Jungen
in unerhörter Weise von der Hitler- Jugend angegriffen wurden, daß
sowohl die staatlichen Hoheitszeichen als auch etwa 150 kirchlich
geweihte Banner und Wimpel der Jugend gewaltsam entrissen wor-
den sind.
Neben diesem ,,E i n b 1 ä u e n" mit Schulteirriemen und Faust-
schlägen versuchte die HJ ein andermal wieder mit gütigen Worten
die katholische Jugend zur „Vernunft zu bringen" und zum Aus-
tritt zu bewegen.
Der „Völkische Beobachter" brachte am 16. März 1934 im „Amt-
lichen Pressedienst des Jugendführers des Deutschen Reiches" nach-
folgenden langatmigen, lockenden und drohenden, lobenden und
tadelnden
App eil an die k atholisc he Jugend
Berlin, 15. März 1934.
„Der amtliche Pressedienst des Jugendführers des Deutschen Rei-
ches veröffentlicht folgenden flammenden Aufruf an die katholische
Jugend Deutschlands: '
Laut und vernehmlich, klar und eindeutig haben wir im deutschen
Volke immer und immer wieder das Ziel unseres Kampfes verkündet:
Einheit der Jugend — Einheit des Reiches!
168
In Tausenden und aber Tausenden von Versammlungen, Kundgebungen
und Aufrufen haben wir uns vor dem deutschen Volk zu diesem Kampf-
ziel bekannt. In nimmermüder Arbeit haben wir das junge, einige Deutsch-
land gebaut. Jeder Schritt, den wir in unserem Handeln unternahmen,
sollte uns unserem Ziele näherbringen, jede unserer Taten war be-
stimmt vom Willen zur Nation. Das deutsche Volk weiß heute,
wartfnti wir die deutsche Einheit schaffen und erhalten wollen. Das
deutsche Volk weiß, warum wir so verbissen und rück-
sichtslos unseren Kampf um die Einheit der Jugend und die
Einheit des kommenden Reiches führen, das deutsche Volk weiß es, daß
wir (^afür auch die schwersten Opfer zu bringen gewillt sind.
das deutsche Volk weiß aber noch immer nicht,
warum es trotzdem de utsche Jugend geben kann, die vor
der geschichtlichen Größe dieser Zeit der Volkswerdung
dieAugen verschließt, sich dagegen. auflehnt und um
jeden Preis ihren kleinlichen Standpunkt aufrechterhalten will.
Das deutsche Volk weiß noch immer nicht, warum ein großer
Teil >d er deutschen Jugend am großen Werk der Eini-
gung nicht teilhaben will. Das deutsche Volk weiß noch immer
nicht, wofür es Deine ablehnende Haltung halten soll.
Katholische Jugend, Du läufst Gefahr, in den Augen des deutschen
Volkes einmal als S a b o teur der deutschen Einheit zu
gelten, indem Deine ablehnende Haltung als Eigenbrödelei und
trotzigerEigensinn ausgelegt werden könnte". Noch ist Zeit,
noch steht die Frage offen, die Frage nach dem „Warum" und harrt
ihrer Beantwortung.
Noch sind die Würfel nicht gefallen.
Katholische Jugend! Gib Antwort auf diese Fragen! Denn nur Du
bist dem Volke die Antwort schuldig geblieben. Unsere Gründe sind
den Millionen unserer deutschen Volksgenossen bekannt. Deine
Gründe, Katholische Jugend, kennt das deutsche Volk nicht.
Um der Zukunft derNation willen fordern wir Dich aus dem
Dunkel heraus, in dem Du Dich aufhältst und Deine eigenen Süppchen
braust!! • .
Um der Ehre der deutschen Jugend willen — denn auch
Du gehörst zu ihr — fordern wir Deine Antwort!
Die deutsche Jugend hat ihre Ehre darangesetzt, vor dem Urteil
der Geschichte bestehen zu können als die Schöpferin der Einheit des
Dritten Reiches und als seine Trägerin. Willst Du, katholische Jugend,
auf Deinem Sonderstandpunkt hartnäckig verharren, willst Du i m
Urteil der Geschichte als die verderbliche Kraft ge-
brandmarkt werden, die an der Einheit des Reiches und an der
Gestaltung seiner Zukunft Sabotage getrieben hat?
Noch glauben wir jungen Millionen, noch glaubt unser Deutsches
Volk an Dein deutsches Bekenntnis, das Dir hoch und wertvoll sein
muß, wenn es um die Belange der Nation geht.
Katholische Jugend! Noch glaubt Dein Volk an den Augenblick, da '
Du Dein deutsches Bekenntnis, das Du bisher nur mit den Lippen be-
kannt hast, zur lebendigen Tat werden läßt, da Du Dich zum ewigen
Deutschland bekennst, indem Du Dich in die Reihen der jungen Nation
stellst und jegliche Sonderstandpunkte überwindest.
Katholische Jugend! Das Deutsche Volk wartet auf Deinen
geschichtlichen Schritt, es wartet auf Deine Tat. Die Millio-
nen unseres Volkes wollen aus Deinem Munde hören, warum Du
Dich noch immer nicht zur deutschen Einheit durchringen
kannst.
Kreuz und Hakenkreuz 12 269
Gib Antwort äüfdiöstumme Fragenach d6m Warum,
die in dem wartenden Blick des Deutschen Volkes liegt. Unsere
Fronten sind klar. Unser Ziel und unsere Wege zu diesem Ziel
sind ebenso hell und klar. Aus Deinem Munde, und nur aus Dei-
nem Munde, katholische Jugend, nicht aus dem Munde
Deiner Führer und Sekretäre, die Dich in Deine Sonder-
stellung gedrängt und durch ihre Haltung und Handlungen bewiesen
haben, daß sie für Deutschland und für die Einheit des Reiches kein
Verständnis haben, will unser Volk hören, ob Du noch länger und aus
welchen Gründen Du Dich unserer großen Gemeinschaft fernhalten
willst. Das gesamte Volk soll über Dich sein Urteil
sprechen. Dieses Urteil soll der Geschichte über-
geben werden! Katholische Jugend, heraus mit der
Sprache I
Auch dieser „Flammende Aufruf" erreichte seinen Zweck nicht.
Darum versuchte man es jetzt mit der Polizeigewalt, mit dem
Uniform- und Ab zeichen verbot
Die Münchener Polizeidirektion ging voran, indem sie am 23. April
1934 Verfügte:
„Die Polizeidirektion München teilt mit:
Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher-
heit erläßt die Polizeidirektion folgende ortspolizeiliche Vorschrift:
§ 1.
Das Tragen von einheitlicher Kleidung von uniformähnlichen Be-
kleidungsstücken sowie von Abzeichen, durch welche die Zugehörigkeit-
zu einer katholischen Jugend- oder Jungmänner-Organisation zum Aus-
druck gebracht wird, ist verboten.
§ 2.
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften werden mit Haft bis
zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bestraft.
. § 3.
Die vorstehenden Vorschriften treten mit der Verkündigung in Kraft."
Ein Jjesonders verhaßtes Abzeichen der katholischen Jugend
war das Christusmonogramm mit den zwei ersten grie-
chischen Buchstaben des Christusnamens:
Wo immer Polizei oder HJ dieses altchristliche Symbol sahen,
auf Eannermasten von katholischen Jugendheimen, auf Fahnen-
stangen, an Weihwasserkesseln usw., wurde es beanstandet, weg-
genommen oder zerstört. Ein großes Prozessionskreuz dieser Form,
dsLS bei der Münchener Fronleichnamsprozession 1934 mitgetragen
wurde, ward vom SA-Streifendienst beschlagnahmt.
Ähnlich machte es der „Streifendienst" der HJ, der besonders
an Pfingsten 1934 und 1935 seine Hauptaufgabe darin sah, alle
jugendlichen Ausflügler anzuhalten und auf Abzeichen katholischer
Jugend zu untersuchen und jedes gruppenweise Wandern derselben
zu verhindern oder zur Anzeige zu bringen.
Die Gauleltung Unterfranken überbot dann gar bald
die Polizeidirektion München. Sie versuchte es mit der vollen Auf-
170
lösung der katholischen Jugendverbände, wie nachfolgende Anord-
nung zeigt:
„Kreisbefehl für Schweinfurt-Land:
an alle Bürgermeister, Ortsgruppenleiter und
Stützpunktleiter des Dienstbereiches.
Betreff: Auflösung der katholischen Jugendverbände und Jungmänner-
vereine.
I.Laut Gautaefehl vom 25. April 1934 sind aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zum Schutze von Volk und
Staat sämtliche katholischen Jugendverbände und Jungmännervereine
mit sofortiger Wirkung zu verbieten.
2. Durch den vorstehenden Gaubefehl ist die den genannten Ver-
bänden durch das Reichskonkordat vom 2 0. Juli 1933
unter Vorbehalt erteilte Schutzbestimmung (Art. 31 des Kon-
kordates zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reiche) auf-
gehoben.
3. Durch das Verbot werden sämtliche katholischen eingetragenen
sowie nicht eingetragenen Vereine und Verbände, ferner alle
vereinsähnlichen Gebilde getroffen, die Jugendpflege be-
treiben. Auch Vereine, welche ihrer Satzung nach rein religiöse
Jugenderziehung betreiben, fallen unter den Rahmen dieser
Bestimmungen.
4. Die politischen Leiter sind beauftragt, den in Frage kommenden
Vereins vor ständen die sofortige Auflösung ihrer Vereine zu befehlen,
a) Die Vereinsvorstände haben ihren sämtlichen Vereinsmit-
gliedern die Auflösung des Vereins mitzuteilen. Die
Löschung eingetragener Vereine im Vereinsregister ist zu be-
antragen.
Zusammenkünfte und Veranstaltungen jeder Art, ob sie
in Vereinshäusern oder in Privathäusern stattfinden, sind ver-
boten.
c) Jede fernere Verbindung zwischen den Vereinsmitgliedern, auch
die rein gesellschaftliche Verbindung, ist ver-
boten. Darunter fallen auch der gemeinsame Bezug und die Be-
sprechung von Zeitungen, Zeitschriften und Rundschreiben.
d) Das Tragen von U n i f o r m e n und Abzeichen ist ver-
boten. Als Abzeichen sind alle äußerlich sichtbaren Kennzeichen
zu- betrachten.
e) Alles unbewegliche und bewegliche Vermögen der Vereine
ist, soweit es nicht nachweislich im Eigentum einer Kirchen-
gemeinde oder Kirchenstiftung steht, in den Besitz des poli-
tischen Leiters zu überführen. Die Eigentumsfrage wird von der
Kreisleitung geregelt. Die Auflassung von Immobilien im Grund-
buch sowie die Eintragung des Neueigentümers geschieht aus-
nahmslos nach Rückfrage des politischen Leiters bei der Kreis-
leitung.
5. Die politischen Leiter haben die im Punkt 4 umschriebene Auf-
lösung bei den Vereinsvorständen zu veranlassen, sie mit diesen zu-
sammen durchzuführen und der Kreisleitung über die Durchführung
laufend genauestens Bericht zu erstatten.
6. Sollten sich bei der Durchführung irgendwelche Reibungen er-
geben, insbesondere Widerstände von selten der Geistlichen oder der
Vereinsvorstände bemerkbar werden, so wäre auf dem schnellsten Weg
an die Kreisleitung zu berichten.
' 171
b)
7. Widerständen von selten der Vereinsvorstände oder der Vereins-
mitglieder oder dritter Personen anläßlich der Durchführung der Ver-
einsaul'lösungen wird von der Kreisleitvmg in . Einvernahme mit der
Politischen Polizei imverzüglich und schärfstens entgegengetreten wer-
den. Eigenmächtiges Vorgehen der politischen Leiter oder irgend-
w^elcher Gliederungen ist jedoch verboten.
8. Die Bürgermeister sämtlicher Gemeinden sind beauftragt, den
politischen Leitern bei der Durchführung der Veceinaaivllösungen zur
Seite zu stehen.
9. Alle katholischen Geistlichen und alle Vereinsvorstände der katho-
lischen Jugendverbände und Jungmännervereine innerhalb des Dienst-
bereiches der Kreisleitung Schweinfurt-Land werd(!n ersucht, den vor-
stehenden Kreisbefehl zur Kenntnis zu nehmen und seine reibungslose
Durchführung in Einvernahme mit dem politischen Leiter des Ortes zu
veranlassen.
Für irgendwelche Schwierigkeiten werden die verantwortlichen Per-
sönlichkeiten unweigerlich zur Verantwortung gezogen."
Amtlicher Druck a uf k a th.ol isch e In,t-er n at e !
Der Bayerische Kul t u's minister Hans Seh e m m lud
um dieselbe Zeit (25. April . 1934) die. Leiter katholischer
Ins t i' t Ute Niederbayerns, darunter auch den Direktor des Bi-
schöflichen Knabenseminars Passäu, je einen Pater aus Kloster
Me^en und Schweiklberg, drei Englische, Fräulein zu einer beson-
deren Sitzung in sein Ministerium nach München und machte ihnen
ernste Vorwürfe, weil von verschiedenen katholischen Direktoren
und Präsides nicht genügend Arbeit für den- nationalsozialistischen
Staat geleistet würde. Die Direktoren sollten dafür sorgen, daß die
Jugendlichen in die Organisationen der Partei hineinkämen. Von
dieser Aufforderung ging dann Minister Schemm zur festen Dro-
hung über:
„Wenn gegen uns gearbeitet wird in der Form, wie Sie das gehört
haben, sehe ich mich letzten Endes genötigt, Mittel dagegen zu ergreifen
und ins Feld zu führen, die nicht so aufzufassen sind, als ob wir gegen
die katholische Religion auch hur einen Schritt unternehmen würden —
die Tatsache, daß katholische Kreise dem nationalen Staat negativ
gegenübertreten, die Tatsache, daß allgemein gegen Nationalsozialismus
und Drittes Reich Stellung genommen wird, wird bewirken, daß wir
nun vor das Volk hintreten- in der breitesten Öffent-
lichkeit als Propagandisten der Bewegung und erklären
müssen, daß bestimmte Kreise der katholischen Konfession ihre Glau-
bensangehörigen von Volk und Vaterland wieder entfernen wollen. Und
es kommt die Parole: Um Volk und Vaterland und die Sauberkeit der
katholischen Konfession . des Christentums zu retten, erklären wir, daß
dies Landesverrat und Verrat an der Religion ist. Wenn
wir etwas zurückhaltend waren, wir können auch wieder, wenn es sein
muß, sehr aktiv werden . . . Jene, die sich hemmend in den Weg stellen,
werden vom Nationalsozialismus ütaerrannt werden. Ich bitte Sie
mitzumarschieren, nicht kritisch und nörgelnd und abwehrend,
sondern „Ja" zu sagen .... .
Ich hoffe nicht, daß der Nationalsozialismus gezwungen ist, große
propagandistische Aktionen vorzunehmen, die wir in
jede Familie hineinleiten. — Daß es dann zu noch mehr Zu-
sammenstößen kommt, ist außer Zweifel • . . Handeln Sie nach dem
Schema: Deutschland und Christentum, nicht bloß dogmatisch und kon-
172
fessionell. Sollten die nächsten Tage und Wochen nicht zeigen, daß diese
Besprechung Erfolg gehabt hat, dann zwingen Sie die Bewegung, alctiv
zu werden ..."
,,Aktiv werden" nannte es Sehe mm, was nichts als
brutale Gewalt war. Hohe und niedere HJ-Führer hatten eine
andere wohlklingende Bezeichnung hiefür:
„Die ,D y n a m i k' d e r H J"
Was davon zu halten war, und wie diese hochgepriesene „Dy-
namik" unter der auffälligen ,,harmonia p r ae s t ab ilit a"
zwischen Staatsjugendaktionen und Polizeimaßnahmen (Päpstliche
Note vom 14. Mai 1934) sich auswirkte, deckte der Vatikan der
Reichsregierung in der Note vom 14. 5. 1934 offen auf (in Punkt IX):
„Der Hl. Stuhl müßte ein ganzes Buch füllen, um den Pas-
sionsweg der katholischen Organisationen in den vergangenen Mona-
ten eingehend zu schildern. Es kann vorbehalten bleiben. Wer aber
auch nur einen oberflächlichen Überblick über die traurige Gewalt-
chronik dieser Monate hat, wer weiß, wie die Offensive, das mitleid-
lose Ausspielen der Faust gegen das Recht auf der Seite
der Staatsjugend -und die ..bloße Defensive auf selten der konfessionellen
Verbände war, der kann nur mit einigem Erstaunen von denjenigen
Partien des Promemoina Kenntnis ' nehmen, die in dem behaupteten
nachkonkordatären Anwachsen katholischer • Neugründungen ein auf-
reizendes Moment sehen wollen.- Die Reizbarkeit der sich der Deckung
von oben bewußten Staatsjugend ist augenscheinlich ins Anormale
gewachsen, wenn die bloße Tatsache des Nichtsterbenwollens der
katholischen Verbände und ein gelegentliches lokales Wachstum ihr als
Provokation genügt. Die betreffenden Hinweise des staatlichen Prome-
moria widerlegen sich doch wohl selber durch das von RegierupgssteÜen
bei ihrer Fühlungnahme mit dem Hl. Stuhl angewandte Argument, daß
die katholischen Jugendverbände keine Zul^unft mehr hätten, daß der
Druck und die ,Dynamik' der Staats jugend, von der noch in
den letzten Tagen der Reichsjugendführer öffentlich gesprochen hat, so
stark würden, daß die Lebensfähigkeit der katholischen Jugendorgani-
sationen erledigt und nur noch ein unnütz in' die Länge gezogener
Todeskampf sei. Nachdem diese sogenannte .Dynamik'
sich in Mißhandlungen, Überfällen, Versammlung s -
Sprengungen, Ve rh inderung Marianischer- Prozes-
sionen, Verhöhnungen des Christuszeichens und Zer-
reißen der Ghristusbanner in bekannt ,positiv-
ch ristlichem Sinne' ausgewirkt hat, ebenso wie in
Angriffen gegen Klerus, Episkopat und Kirche, sollte
man wenigstens darauf verzichten, den Lebenswillen katholischer
Jugendlicher, die auch heute noch der Christusfahne ihrer Verbände die
Treue halten, , aufreizend' zu finden."
Ein paar Beispiele dieser „Dynamik" der HJ.
Dii£ päpstliche Note vom 31. Januar 1934 erwähnt, als Beispiele
unberechtigten Vorgehens staatlich geschützter und bevorzugter
Organisationen gegen katholische Vereine folgende zwei bezeich-
nende Vorfälle:
1) eine Kundgebung der Hitlerjugend in Düsseldorf vom 11. Ja-
nuar 1934, wo der Länderbeauftragte des Reichs Jugendführers und Ober-
gebietsführer eine Rede hielt, die mit den konkordatlich festgelegten
173
Vereinbarungen unverträglich ist. In ihr wird auch die welt-
anschauliche Erziehung der Jugend in vollem Umfang als
Staats m onopol reklamiert und der Kirche ihr Recht hierzu be-
stritten. Mit klaren Worten wird der Vernichtungskampf angesagt gegen
alles, was außer der Hitlerjugend bestehe: „Genau wie wir mit
den Parteien fertig geworden sind, werden wir auch
mit den konfessionellen Bün de n, die heute noch nicht
bereit sind, ihr eigenes Dasein aufzugeben, fertig
werden." Vgl. „Köln. Volkszeitung", 11. Januar 1934.
2) Wie man es nicht nur bei der Propaganda beläßt, sondern auch
zu offener Gewalt schreitet, dafür, möge ein Fall hier Erwähnung finden,
der der jüngsten Vergangenheit angehört und typisch ist für den Un-
geist, mit dem teilweise vorangegangen wird: Am Mittwoch, den 17. Ja-
nuar 1934, hielt die Marianische Studentenkongregation
von Würzburg, also eine konlcordatlich geschützte Vereinigung einwand-
freiester Art, in einem gemieteten Saal einen Vereinsabend ab. Sie hätte
dazu die polizeiliche Genehmigung erhalten. Es war eine große Zahl
geladener Gäste anwesend, darunter der Hochwürdigste Herr Bischof
von Würzburg, der General des Augustinerordens, welch lezterem die
geistliche Leitung der Kongregation obliegt, zwei spanische Patres, ein
holländischer Ordensmann, viele Geistliche und die Eltern der Schüler.
Der Abend begann in aller Harmonie. Inzwischen schlichen sich zahl-
reiche Mitgieder der Hitlerjugend ein und nahmen auf der Galerie
Platz. In den Pausen begannen sie Knallerbsen und Stink-
bomben zu werfen; doch konnte eine in Gang befindliche religiöse
Aufführung weitergespielt werden. In der Pause vor derri 5. Akt er-
schien plötzlich der Führer der Hitlerjugend in Uniform vor
dem Podium, um eine Werberede zu halten. Der Leiter des Abends
befragte das Publikum, ob es in einer geschlossen en religösen
Feier eine solche Rede entgegenehmen wolle, was einstimmig ab-
gelehnt wurde. Darauf begann die Hitlerjugend zu lärmen und ver-
suchte die Christusfahne den Kongreganisten zu entreißen. Wegen des
Tumultes mußte der Abend abgebrochen werden. Welch beschämenden
Eindruck die anwesenden ausländischen Gäste mitnahmen, liegt auf ^ef
Hand. Solche Vorgänge, Überfälle und Terrorakte, die in großer Zahl
nachweisbar sind, wären nicht möglich, wenn die Verantwort-
lichen nicht von vornherein ihrer Straflosigkeit, ja
der Unterstützung sicher wären.
Nebst dem Recht der Faust glaubten aber auch schon kleinste
Fähnleinführer der HJ das Recht der „Gesetzgebung"
zu haben. Zum Beispiel machte ein Fähnleinführer von Traunstein
am 5. Juni 1934 folgenden Anschlag am HJ-Brett:
„ . . . Mit Wirkung vom 1. Juni (1934) ist es jedem Jungen des Jung-
volks verboten, mit Mitgliedern aller katholischen Jugendorganisationen
in Uniform zu sprechen und im kameradschaftlichen Sinn mit ihnen zu
verkehren. (Das letzte gilt auch für den, Privatverkehr.)
Es ist jedem Jungen des Jungvolks verboten, in Uniform eine Kirche
zu besuchen. Weiterhin wird kein Geistlicher auf Grund unserer Wert-
einschätzung mit dem Deutschen Gruß begrüßt.
Jeder Junge, der gegen diese Verordnung verstößt, wird zur Be-
strafung herangezogen . . ."
Der Fähnleinführer.
Wie die Faust, so die Sprache
Einem Münchener Kaplan, der am 27. September 1934 eine
Jungmännersitzung hielt, welche die HJ vergeblich zu stören ver-
174
suchte, steckte man einen Zettel mit folgender Notiz in den Brief-
kasten:
„Du jüdischer Sturmscharhäuptling.
Wenn Du schäbbiges Aas uns mal zwischen die Hände
kömmst, drehen wir Dir das Gesicht nach hinten.
218 Knochen hast Du in Deinem schäbbigen Faste-
lovensgeckebalg. Wenn Du sie alle wieder finden
willst, so laß sie Dir von der HJ erst numerieren.
Treu Heil ihr Fastelovensgecke
Die Mordkommission der HJ
Tötenkopf. PX..
Es verrecken
, die morschen
Fastelovensgestelle.
Zur gefl. Kenntnis übersandt an
Kaplan N. N.
M r d a m L e i t e r d e r p J K
Zum wirklichen Mord an katholischer Jugend kam es dann
gelegentlich des „Röhm-Putsches", Anfang Juli 1934. Da wurde der
tüchtige Leiter der ganzen Sportpflege der katholischen Jugend der
„Deutschen Jugendkraft" (DJK), namens Probst, von Heydrich
auf die Liste der „zu Liquidierenden" gesetzt, mit Auto abgeholt
und dann „auf der Flucht erschossen". Was brauchte auch nach
Ansicht der Nazi die katholische Jugend noch eine besondere Lei-
tung für Sport? Sportpflege und gemeinsames Wandern war ihr
überhaupt verboten: Das war nur Sache der HJ.
Ein paar Monate darauf, am 5. November 1934, sprach dann der
Reichsjugendführer Baidur von Schirach im Preußenhaus zu Berlin
das ebenso bezeichnende wie abschreckende Wort; „Der Weg
Rosenbergs ist auch der Weg der deutschen Ju-
gend!" Und da sollte katholische Jugend mitgehen! Da sollten
katholische Bischöfe zustimmen! Unmöglich!
Von vornherein aussichtslos war darum auch der
Sturmangriff und das Trommelfeuer
der HJ gegen die katholische Jugend im März-April 1935 im Gebiet
Ruhr-Niederrhein.
Einer 34 Seiten langen Denkschrift des katholischen Jungmänner-
verbandes entnehmen wir einige Abschnitte:
I.Vorbemerkungen:
„Die Hitlerjugend, Gebiet Ruhr-Niederrhein, führte in der Zeit vom
24. März bis 7. April 1935 eine Frühjahrsoffensive durch mit
dem Ziel, ,aufch den letzten anständig denkenden deutschen Jungen da-
von zu überzeugen, daß er in die HJ gehört.' Diese Offensive richtete
sich nach der Sachlage fast ausschließlich gegen die katholischen
Jugendbünde.
175
• Zu dem vorliegenden Bericht veranlaßt uns nicht die Tatsache der
Offensive als solche, sondern jene andere Tatsache, daß die Art die-
ser Offensive, die Methoden der Werbung die Gesetze
der Wahrhaftigkeit, der Gerechtigkeit und der Ritter-
lichkeit verletzt haben, daß die Ehre der Jugend der
Kirche in aller Öffentlichkeit durch Pressemeldungen, Rundfunk-
nachrichten und Reden aufs schwerste verletzt wurde.
Es sind uns leider heute die Möglichkeiten genommen, der Wahr-
heit und der Gerechtigkeit öffentlich zu ihrem Recht zu verhelfen, und
die unritterliche und verwerfliche Kampfesweise gegen die katholische
Jugend zu brandmarken. Deshalb soll wenigstens durch diesen zusam-
menfassenden Bericht und durch die kurze wahrheitstreue Darstellung
einiger Vorgänge während der Offensive der Wahrheit eine Gasse ge-
bahnt werden."
II. Allgemeines:
Die Offensive brachte die ganze und geballte Kraft der NS-Bewe-
gung in all ihren Gliederungen und mit dem ihr eigenen Propaganda-
apparat zum vollen Einsatz:
Hervorragende Führer der Bewegung (Baidur von Schirach,
Minister Rust, Oberpräsident Terboven -u. a.) traten als Redner auf.
Presse. und Rundfunk standen . täglich zu Diensten, in der
Schule setzte die Lehrerschaft weisungsgemäß ihre ganze Autorität als
Erzieher für die HJ und gegen die katholischen Bünde ein; .
in den Betrieben der Wirtschaft wurde unter Androhung
wirtschaftlicher Schädigung ( Arbeitsstellenverlüst) seitens der Funktio-
näre der Bewegung und der Belegschaften auf die katholischen Jungen
ein beispielloser Druck ausgeübt mit dem Ziel, den Übertritt in die HJ
zu erreichen; viele Arbeitsämter berücksichtigten, in dieser Zeit
der Schulentlassung grundsätzlich nur Mitglieder der HJ bei der Lehr-
stellen- und Arbeitsstellenvermittlung;
die H J selbst veranstaltete in den Schulen und Betrieben
eigene Werbeveranstaltungen, zu denen alle Schüler . bzw.
Jungarbeiter zu erscheinen hatten;
Werbekolonnen mit Transparenten zu Fuß und auf
Lastwagen durchzogen die Straßen, die Mitglieder katholischer Bünde
und ihre Eltern wurden einzeln aufgesucht und bearbeitet;
Flugzettel, Maueranstriche und Transparente sag-
. ten den katholischen Jugendbünden offen den Kampf an;
Beamte wurden da und dort unter Hinweis auf ihren dem Führer
geleisteten Diensteid unter moralischen Druck gesetzt, um
den Übertritt ihrer Kinder in die Staatsjugend zu vollziehen.
Die Angriffe auf die Ehre der katholischen Jugend und ihrer Führer
waren so ungeheuerlich und maßlos, daß sich Generalpräses Wolker, im
Namen der gesamten organisierten katholischen Jugend zu Protesttele-
grammen an den Reichsminister und die Geheime Staatspolizei in Ber-
lin gezwungen sah:
„Wir protestieren gegen fortgesetzte ehrverletzende und volks-
verhetzende Beschimpfung katholischer Jugend in Pressearti-
keln, Plakaten und Mauerbeschmierungen, in Werbeaktionen der
Hitlerjugend und bitten um sofortige durchgreifende polizei-
liche Maßnahmen.
Für die katholische Jugend: Generalpräses Wolker."
Eine Wirkung dieses Protestes war nicht wahrnehmbar.
176
Zu bemerken ist noch, daß die Offensive nicht auf das Gebiet Ruhr-
Niederrhein beschränkt blieb. Ihr Wellenschlag -war auch in anderen
Teilen des Reiches spürbar, da von überall her Ausschreitungen, Tät-
lichkeiten, Jugendheimeinbrüche, Sachschäden üsw. gemeldet wurden
und noch gemeldet werden.
III.
Auszüge aus den Reden maßgebender Führer, z. B. von
Minister Rust und Baidur v. Schirach:
Minister Rust auf einer kulturpolitischen Tagung in Köln, 5. April 1935:
„Ich muß nun heute sagen, daß es nicht mehr angeht, . in diesem
Funkt zweierlei Marschrichtung zuzulassen. Die Forderung, die sie
stellen, ist die, daß ihnen in ihrem religiösen Empfinden und in ihrer
religiösen Zielsetzung von uns keine Schwierigkeiten entgegengestellt
werden. Ich erkenne diese Forderung an. Ich stelle die Gegenforderung:
Für die Jugend unseres Volkes, die einst in eiserner Geschlossenheit,
wenn sie Männer geworden sind, beieinanderstehen soll, muß es heißen:
Eine Jugend steht unter einer Flagge und die sitzt da (wobei der
Minister auf die Hitlerjugend hinwies.) Ich werde in der näch-
sten Zeit 'mit verschiedenen Maßnahmen dieser Ju-
gend auch von mir aus noch stärker unter die Arme
greifen..."
Reichs] ugendführ er Baidur von Schirach in Essen am 31. März 1935:
„Ich frage Euch, meine Kameraden, was hat denn der Sport mit
der Konfession zu tun? Habt Ihr schon einmal einen katholischen oder
evangelischen Sport gesehen, wißt Ihr denn, was, eine katholische Bauch-
welle ist oder ein evangelischer Klimmzug? Das sind die Ausreden und
Ausflüchte derjenigen, die immer gegen Deutschland sind. Es geht ihnen
nicht um die Religion, es geht ihnen um ihren Posten. Sie behaupten,,
sie dienen der religiösen Erziehung, aber sie dienen keinem anderen
Gott als ihrem Bauch . . ."
IV.
Presse und Rundfunk-
standen täglich im Dienste der Offensive. In oft spaltenlangen Artikeln
wurde zu beweisen versucht, daß es bei der Offensive „um die Einheit
der Jugend" und „um eine wahre Volksgemeinschaft" gehe, daß des-
halb derjenige ein Feind des Staates und ein Verbrecher am
Volk sei. der die organisatorische Einheit der Jugend unmöglich mache.
In Schlagzeilen wurde verkündet;
„Gegner der HJ sind Gegner des Staates"
Presse und Rundfunk verbreiteten Meldungen, wonach in ver-
schiedenen Städten „ganze Gruppen katholischer Jugend
geschlossen mit ihren Führern" in die HJ übergetre-
ten sein sollten, so in Essen, Duisburg, Mülheim, Opladen und Kref eld-
Ürdingen. In all den genannten Fällen wurden eingehende Erhebungen
gemacht. In keinem der Fälle konnten die Meldungen
eine Bestätigung finden.
V.
Angriffe der Presse
Aus elf Zeitungen werden Beispiele übelster Hetze, zahlloser Ver-
leumdungen, Verweigerung jedes Nachweises und jeder Richtigstellung
geboten.
VI.
Methode: „Haltet den Dieb"!
In einem Artikel in der „National-Zeitung" Essen vom 31. März 1935
ist unter der Überschrift „Gegner der HJ — Gegner des Staates" zu
lesen: „In Mülheim-Styrum hatten jSturmschärler' an einen Zaun in
177
großen Farben den Satz geschmiert: ,Wir brauchen keinen Hitler mehr!'
Und die Standortführung Essen der HJ bel^am ein Flugblatt zurück-
gesandt, auf dem der Satz geschrieben war: ,Wir bleiben unseren
Pastoren, unseren Eltern und dem Zentrum treu! Wir
von der Sturmschar!'"
„. . . Kann denn überhaupt noch krasser gezeigt werden, in welcher
Richtung die katholischen Sturmscharen gesteuert werden? . . ."
(Merkwürdig und sonderbar ist, daß der Satz: „Wir brauchen keinen
Hitler mehr!" in der „National-Zeitung" nicht besonders herausgestellt
oder in Fettdruck kam...!!)
Vielleicht ist es aber nicht mehr merkwürdig uhd sonderbar, wenn
man folgendes hinzunimmt;
Der Katholische Jungmännerverein Mülheim-Styrum, Sturmschar,
hat unterm 2. April 1935 an die „National-Zeitung" unter Hinweis auf
obige Verdächtigung einen Brief geschrieben und darin u. a. folgendes
bemerkt:
„Wir bedauern sehr, daß Sie die Sturmschar einer solchen
Bubentat fähig halten. Gegebenenfalls möchten wir Sie aber bitten,
so liebenswürdig zu sein und zu zeigen, wo das Geschriebene stehen
soll (wir haben es bislang nicht entdecken können), und, uns wissen
zu lassen, wer — falls überhaupt von dem Geschriebenen etwas
vorhanden ist — bezeugen kann, daß dies die Sturmschärler aus-
geführt haben sollen.
Im Interesse einer Klarstellung wäre dies sicherlich notwendig."
VII.
Druck seitens der Lehrerschaft in den Schulen:
Aus vielen Städten liegen Klagen und Beschwerden von Eltern und
Jungen über Druckmittel und Zwangsmethoden seitens der Lehrerschaft
vor. Die Lehrerschaft hat von übergeordneten Instanzen entsprechende
Anweisung erhalten.
Von übergeordneter Dienststelle wurden die Lehrpersonen aufge-
fordert, in der Zeit der Frühjahrsoffensive t ä g 1 i c h mindestens
10 Minuten lang über die Bedeutung der Staatsj ugend
in den Schulen zu sprechen. In welcher Form das mancher-
orts geschah, zeigen nachstehende Berichte:
Rektor H. erklärt: „Keiner würde eine Stelle erhalten, wenn er
nicht in die HJ ginge — er nennt die Mitglieder katholischer Vereine
Kommunisten oder Funktionäre der KPD — er holt die Kinder
einzeln auf sein Dienstzimmer und setzt ihnen furchtbar zu — schickt
die Kinder mehrmals am Tag nach Hause, um die Zustimmung der
Eltern zu holen — ist bereit, das Eintt-ittsgeld für Aufnahme in HJ
zu bezahlen!"
Lehrerin W. erklärt: ,iWer nicht im BDM ist, wird von mir nicht
mehr beachtet. — Ich verderbe Euch die Zeugnisse und
werde Euch keine Stellen besorgen." — Sie bestellt die Mütter der
Kinder zu sich und. terrorisiert sie,
RektorDr. H. zu einemJungschärler: „Wenn Du kein Inter-
esse am JV hast, ist das genau soviel wie kein Interesse am Staat.
Du wirst SDäter einmal so einer wie Matz Braun! Solche Jungen sehe
ich nicht mehr als Deutsche an."
E. R.: „In der Schule wurde ein außerordentlich starker Druck aus-
geübt. Die Jungschärler wurden in die letzten Bänke gesetzt.
Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie keine Quäkerspeisung und
keine Lehrmittel mehr erhielten." <
178
R. E.: „Der Unterbann ftihrer Seh. hält in der Schule (!)
eine Werbung, wer jetzt nicht käme, würde nicht mehr als
Kamerad betrachtet, sei ein V o 1 k s v e r r ä t e r. Die Rede war so
scharf, daß viele Kinder ganz verschüchtert und weinend nach Hause
kamen. Viele Eltern haben sich beschwerti"
Die Lehrer hatten übrigens noch einen besonderen Grund zur
Werbung:
Der für die HJ freigegebene Samstag:
Die Kinder, welche nicht der HJ angehören, haben 6 Stunden Schule
(morgens 4, nachmittags 2 Stunden). Die anderen Stunden, die sonst
Samstags gegeben wurden, sind auf die anderen Wochentage verteilt
worden.
Die Lehrkräfte, deren sämtliche Kinder der HJ und
dem BDM, angehören, haben nun an- den Samstagen vollständig
frei, die anderen haben 6 Stunden mehr zu leisten und ist der ganze
Samstag dafür in Anspruch genommen. Die Folge davon Ist, daß
manche Lehrkräfte immer wieder fragen: „Bist du jetzt noch nicht bei
der HJ oder im BDM? Jetzt ist es aber höchste Zeit, dazu den Schritt
zu machen. Du wirst schon sehen, was das für Folgen hat, es kann
nur Dummheit oder Trotz sein." So wird wohl weiter gemacht, bis das
letzte Kind in einer dieser Organisationen ist. Es werden nur ganz
positiv gläubig gesinnte und praktizierende Lehrkräfte dieses Kreuz auf
sich nehmen und am Samstag ihre Pflicht ohne lyTurren erfüllen.
vm.
Wirtschaftliche Zurücksetzung und Bedrückung
Aus der großen Zahl der eingelaufenen Berichte geben wir hier nur
einen kleinen Teil wieder. Die überall erfolgte wirtschaftliche Benach-
teiligung und Androhung wirtschaftlich-beruflicher Schädigungen gegen-
über unseren Mitgliedern sind eindrucksvolle Beweise dafür, wie jener
von maßgebenden Führern der Staatsjugend theoretisch formulierte
Grundsatz der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in
der HJ durch die praktische Wirklichkeit des Lebens Lügen gestraft
wird und wie durch Gewährung materieller Vorteile für die Staats-
jugend deutsche katholische Jugend zur Untreue gegenüber ihren kirch-
lichen Bünden veranlaßt werden soll.
IX.
Besondere Vorfälle wie Körperverletzung, Überfall,
schwere Beleidigung, Sachbeschädigung,
Brandstiftung usw.
Aus der Fülle der eingelaufenen Meldungen werden 25 Fälle wie-
dergegeben. 2 Anlagen schildern erschütternde Fälle ausführlicher.
X.
Die Haltung der Polizei während der Offensive ■
Während der Offensive trug die Hauptfront des Polizeipräsidiums
in Essen ein großes Plakat, geschmückt mit dem Hoheitszeichen der
Polizei und der HJ, mit der Aufschrift:
„Die Polizei steht zur Hitlerjugend!"
Diese Inschrift illustriert treffend die Haltung der Polizei während
der Offensive. Bis heute ist in keinem der vielen gemeldeten Überfälle,
in keinem - Fall von Ausschreitungen, Schlägereien, Brandstiftungen,
Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbrüchen, Raub und
Diebstahl bekannt geworden, daß die Täter der verdienten
Strafe zugeführt wurden, soweit diese Täter einwandfrei feststehen
179
oder daß es den Bemühungen der Polizei gelungen ist, unbekannte
T ä t e r z u e r m i 1 1 e 1 n.
In den meisten Fällen wurde seitens der Geschädigten Strafanzeige
erstattet. In vielen Fällen sind die Verfahren „wegen Geringfügigkeit
oder deshalb eingestellt worden, weil die Mitglieder der HJ im Diszi-
plinarweg , bestraft' worden sein sollen."
Die Staatsanwaltschaft hat u. W. in keinem der aufgezählten Fälle
von sich aus Strafantrag gestellt.
Dagegen ist es verschiedentlich vorgekommen, daß Mitglieder
katholischer Verbände in Schutzhaft kamen nur des-
halb, weil sie sich zur Wehr gesetzt hatten!
So standen die Polizei und die Justiz eindeutig auf selten der
Hitlerjugend! Recht und Gesetz wurden bewußt mit Füßen getreten,
und jene Hitlerjungen, die. beim Überfall in Essen- Altendorf bei Alar-
mierung des Überfallkommandos ausriefen: „Polizei hält doch mit der
HJ!", sprachen nur das aus, was traurige Wirklichkeit war.
XI.
Störungen des Gottesdienstes!
Eine größere Zahl unif ormierteir auswärtiger HJ stört die Predig
durch Lachen und halblaute Bemerkungen. Die Stelle des Liedes:
„Christus, Herr der neuen Zeit.. .",
wird von der HJ in der Kirche gesungen:
„Hitler, Herr der neuen Zeit..."
XII.
Gesungene Liedtexte (während der „Frühjahrsoffensive")
„. . . Wir fürchten Sturmschar und den Präses nicht . . ."
„...Die schwarze Front, schlägt sie zu Brei!..."
„. . . Sturmschar, gib acht, daß man dich nicht zum Staatskrüppel
mächt! ..."
„Sturmschar ade, scheiden tut weh, adieu Herr Kaplan!
Nun muß ich fort in die HJ, adieu Herr Kaplan!
Daß ich nun scheiden muß, das macht mir kein Verdruß,
Weil du gelogen hast, adieu Herr Kaplan . . ."
„Wir schlagen die Pfaffen alle tot, trumm, trumm . . . !"
XIII.
Texte aufTransparenten — Maueranschläge —
Farbanstriche
Paßt auf, ihr schwarzen Schatten,
Auch eure Maske fällt,
Ihr seid die ewig Satten,
Doch uns gehört die Welt.
Wir brauchen keine Sturmschar mehr — auch dieHJ geht in die Kirche
HJ marschiert — PX krepiert
Jeder PX^Bonze ist ein Verräter.
An der Saale hellem Strande — steht PXdie Krüppelbande.
Hütet euch, ihr schwarzen Hunde,
Zwiespalt der Jugend — Verrat am Blut.
Christuszeichen am Galgen, dabei diie Worte: „Lebt hoch am Galgen."
„N i e d e r" (etwa 1 Meter große Buchstaben an der Kirche)
Wir können nur meckern (bei einer Karikatur eines Priesters und
einer Ziege!)
180
Die Kirche hat nur zu dienen, nicht zu politisieren!
Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.
Die Memmen aufs Schafott — die Kerle in die HJ!
Deutsche Jugend erwache — hinein in die HJ!
Das Christuszeichen erscheint wiederholt am Galgen (Farben-
anstrich).
XIV.
Text für Sprechchöre.
Wir haben die Kirche nicht nötig.
Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann? (Gegenüber einem
geistlichen Herrn!)
Und nun?
Die Wahrheitüber den Erlolg der „Frühjahrs-
offensive":
" Die sogenannte „Frühjahrsoflensive" der HJ, die nach Presse und
Rundfunk einen Zuwachs von, Tausenden Mitgliedern aus den katho-
lischen Jugendverbänden in die Reihen der HJ gehabt haben soll, hatte
ihre stärkste .Werbeaktion in Essen eingesetzt.
Wir geben darum hiermit das wirkliche Ergebnis der „Frühjahrs-
offensive" in 'Essen nach genauesten und zuverlässigsten Erhebungen
bekannt:
Gesamtergebnis aus 53 Pfarreien Essens:
unter 14 über 14 J.
Aus katholischen Vereinen ausgetreten ■. ■, » 160 22
davon traten zu HJ bzw. JV über . . . ■ . . . . 124r 17
In katholische Vereine neu eingetreten . . . 407 637
davon kamen aus der HJ ...,......,.' . 29 29
Geschlossene Gruppen, Gruppen mit Führern und einzelne Führer sind
in ganz Essen keine übergetreten!
Es ergibt sich nach obigem ein Mit gliedergewinn für die
katholischen Jugendverbände in Essen während der
Oflensive: 862 unter und über 14 Jahre.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß in 31 von 53 Vereinen während der
Offensive eine Neviauf nähme von Schulentlassenen nicht erfolgte.
Die Rache für den Mißerfolg
Der offensichtliche Fehlschlag der ganzen Frühjahrsoffsive trieb
Partei, HJ und Gestapo zu neuer Hetze und Gewalttätigkeit.
Eine Pilgerfahrt katholischer Jugendlicher nach Rom, die den
Teilnehmern ebensoviel Herzens- wie Wissensbereicherung und
seelische Stärkung brachte, die Katholiken. Roms erbaute und den
■Hl. Vater erfreute (siehe zweiter Teil unter Nr. 10), wurde von der
nationalsozialistischen Presse in gemeinster Weise mißdeutet und
verspottet. Ein Beispiel hiefür ist nachfolgender Artikel des „Völ-
kischen Beobachters" vom 26. April 1935:
Eine Zentrumsdemo nstrationmif deutscher Jugend
in Rom
Rom, 25. April.
Ungefähr 2000 deutsche Jungen, die katholischen Jugendverbänden
angehören, weilten während der Ostertage in Rom. Es fiel allgemein
auf, daß in dieser Zeit die katholischen Organisationen in Deutschland
181
es unternehmen, derartige Jugendmassenaufgebote nach Rom zu schik-
ken, wo sie nicht nur das Straßenbild mit ihren Gruppen beherrschten,
sondern schon mit ihren 52 Autobussen und ihrer Tracht als organisierte
Scharen ein Bild boten, das anscheinend den Eindruck erwecken sollte,
als ob diese deutsche Jugend dem Papst mehr zu dienen gewillt sei als
dem eigenen Vaterland.
Dies könnte schon daraus hervorgehen, daß der deutsche Leiter die-
ser Jungen beim Empfang' durch den Papst in seiner Ansprache er-
klärte, daß diese 2000 Vertreter von 300 000 Köpfen organisierter katho-
lischer Jugend Treue und Liebe zur Kirche und zum Vaterlande (Vater-
land an zweiter Stelle) versprochen hätten. Als die Jungen nach einer
Messe aus der Kirche traten und bei Passanten das Hakenkreuz sahen,
grüßten zwar einige mit erhobenen Armen, aber die große Mehrzahl
blickte vgrwirrt beiseite.
Selbst katholische Geistliche sprachen sich dahin aus, daß derartige
Besuche besser unterblieben, da sie nur geeignet seien, den religiösen
Zwiespalt im Deutschen Volke zu verschärfen, da hier in Rom selbst-
verständlich nichts unterbleibe, um diese Jugend für dauernd zu beein-
flussen. •
Sehr bezeichnend in diesem Sinne war die Feier am Ostersonntag
anläßlich des Segens nach der Papstmesse, der vom Balkon der Peters-
kirche vom Papst der draußen harrenden Menge erteilt wird. In vor-
derster Reihe wären sehr demonstrativ diese 2000 deutschen Jungen in
12 Reihen aufgestellt. Beim Erscheinen des Papstes bliesen sie auf ihren
Trpnipieten.
Die katholische Presse schreibt, daß die deutschen und österreichi-
schen Jungen zusammen, eine Ehrenwache um den Beicht-
altar in der Peterskir.che gebildet hätten. Sie hätten mit ihren Gebeten,
Gesängen und Rufen der ganzen Versammlung den Ton gegeben, obwohl
auch Jugend anderer Nationen vorhanden gewesen wäre. In den Län-
dern dieser Jugend stoße die christliche Zivilisation mit einem satani-
schen, gottesschänderischen Atheismus zusammen.
Kein Wunder, wenn nach solcher Pressehetzung der Empfang
der jugendlichen Pilger an der deutschen Grenze sehr unfreundlich
war. SS und andere Polizisten des Dritten Eeiches nahmen ihnen
Kleidungsstücke, Musikinstrumente, Wimpel und Papstandenken
weg.
Druck auf die Beamten
Es dürfte wohl nicht bloß eine Einzelaktion gewesen sein,
was der Kreisamtsleiter des „Reichsbundes deutscher Beamten"
(RDB) von Viersen-Kempen einen Monat hernach zugunsten der
HJ tun zu müssen und tun zu dürfen glaubte, indem er allen Mit-
gliedern nachstehendes Schreiben übermitteln ließ:
Kaldenkirchen, den 10. 5. 1935
An den Bfk. Herrn (folgt namentliche Anschrift)
in .
durch den Ortswalter und Amtsleiter des RDB
Die erste und zugleich grundlegende und umfassende Aufgabe des
deutschen Beamten im Dritten Reich ist im Verhältnis des Beamten
zum Führer begründet. Es erhält für jeden Beamten seinen Inhalt und
seine Form durch den gesetzlichen Diensteid der Treue und des Gehor-
sams des Beamten auf den Führer und somit auf Deutschland, das die
Ehrenhaftigkeit und die Gewissensverpflichtung gegen die Volksgemein-
schaft und gegen sich selbst an die erste Stelle gestellt hat. Der Eid ist
182
ein erhabener und feierlicher Akt des Bekenntnisses, das den Schwörenden
unlösbar bindet. Derjenige Beamte würde danach nicht wahrhaft seinem
Eide genügen, der in ihm nur die Erfüllung gewissenhafter
Diensterfüllung erblickt. Der Eid der Treue und des Gehorsams
auf Führer und Volk fordert mehr. Er schließ't ein die unbe-
dingte Hingabe der ganzen Person des Eidesleisten-
den. Aus dieser Gefolgschaft und Mannestreue folgt, daß besonders
der Beamte und seine Familienangehörigen sich mit
ganzer Person für die Verwirklichung der vom Führer gestellten Auf-
gaben einzusetzen haben.
Zu einer dieser Aufgaben gehört die Einigung der
gesamten deutschen Jugend ih der HJ. Das Ziel der staat-
lichen Jugenderziehung ist die systematische Heranbildung des un-
bewußten jungen deutschen Menschen zum bewußten Staatsbürger und
Träger der Staatsidee, d. h, des Nationalsozialismus. Das wich-
tigste Erziehungsmittel zu diesem Ziele ist die Hitlerjugend als die welt-
anschauliche Erziehungsgemeinschaft des jungen Deutschlands über-
haupt. Derjenige deutsche Beamte, dessen Kinder bewußt außer-
halb der Hitlerjugend (DJ, HJ, BDM) stehen, würde sich in
Gegensatz zu dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialis-
mus stellen. Eine Stellungnahme, die sich mit der beschworenen Gefolg-
schaftstreue nicht vereinen ließe.
Was die konfessionellen (Verbände betrifft, so erklärte
der HeichsjugendfÜhrer kürzlich auf einem Empfangsabend des außen-
politiischen Amtes der NSDAP, daß der konfessionelle. Jugendverband
in seiner heutigen Gestalt ein außerhalb der Jugend des Staates stehen-
der Zusammenschluß derer sei, die d i e Idee des Staa-
tesverneinen. Er bedeute in dieser Gestalt einen Ausläufer aus
der Zeit, des Klassenstaates. Die sozialistische Idee des Dritten Reiches
verlange im Gegensatz zu dem früheren Staat von jedem einzelnen
bedingungslose Unterordnung seines individuellen
Seins unter das sozialistische Sein seines Volkes.
Jeder Jugendverband außerhalb der HJ verstoße gegen den Geist der
Gemeinschaft, der der Geist des Staates sei. Dennoch ,s=ebe es einen
Bezirk, innerhalb dessen der konfessionelle Bund eine Daseinsberechti-
gung besitze, der von der HJ anerkannt und geachtet werde. Es sei
der Bezirk der allein religiösen und seelsorgerischen
Tätigkeit.
Ich hoffe, daß Ihnen diese Ausführungen eindeutig gezeigt haben,
daß jeder deutsche Beamte mit seinem Eid nicht nur die heilige
Verpflichtung übernommen hat, sich selbst zum Nationalsozialisten zu
erziehen, sondern auch seine Kinder Inder HJ zu National-
sozialisten erziehen zu lassen. Ich bitte, mir bis zum
2 0. Mai mitzuteilen, ob Ihre Kinder jetzt sämtlich Angehörige der
HJ (DJ, HJ, BDM, JM) von 10 bis 21 Jahren sind.
Ich bemerke noch, daß die NSDAP eine Körperschaft des öffent-
lichen Rechtes ist und Sie, zumal Sie sich freiwillig in den der NSDAP
angegliederten RDB eingegliedert haben, zur Auskunfterteilung ver-
pflichtet sind.
Heil Hitler!
gez. Müllner (oder Wüllner)
Kreisamtsleiter.
Stempel der NSDAP, Amt für Beamte, Kreis Viersen-Kempen.
Preußischesund bayerisches Verbot für KJ
Am 23. Juli 1935 brachte eine preußische Polizei-
verordnung ein vollies Betätigungsverbot für die konfessionellen
Jugendverbände mit folgendem Wortlaut:
183
„Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum
Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S. 83) in
Verbindung mit § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931
(Gesetzsammlung S. 77) wird für Preußen folgende Verordnung er-
lassen:
§ 1. Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch den für den
Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiö-
ser Art ist, insbesondere eine solche politischer, sportlicher und volks-
sportlicher Art untersagt.
§ 2, Für die konfessionellen Jugendverbände und ihre männlichen
und weiblichen Angehörigen, einschließlich der sogenannten Pfarr-
jugend, gelten folgende Bestimmungen,
Es ist verboten:
1. Das Tragen von Uniformen Oundestracht, Kluft usw.), uniformähn-
licher Kleidung und Uniformstücken, die auf die Zugehörigkeit zu
einem konfessionellen Jugendverbande schließen lassen. Hierunter
fällt auch das Tragen von Uniformen oder zur Uniform gehöriger
Teilstücke unter Verdeckung durch Zivilkleidungsstücke (z.B. Män-
tel), sowie jede sonstige einheitliche Kleidung, die als Ersatz für die
bisherige Uniform anzusehen ist;
2. das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem kon-
fessionellen Jugendverbande kenntlich machen. (PX, DJK, Abzeichen.)
3. das geschlossene Aufmarschieren, Wandern und Zelten in der Öffent-
lichkeit, ferner die Unterhaltung eigener Musik- und Spielmanns-
züge;
4. das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und
Wimpeln, ausgenommen bei Teilnahme an althergebrachten Prozes-
sionen, Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Be-
gräbnissen;
5. jegliche Ausübung und Anleitung zu Sport und Wehrsport aller Art."
Das Bayerische Staatsministerium des Innern
erließ am 30. Juli 1935 eine eigene Verfügung, die besagte:
§ 1. Das Tragen von einheitlicher Kleidung, von uniformähnlichen Klei-
dungsstücken sowie von Abzeichen, durch welche die Zugehörigkeit
zu einem konfessionellen Jugend- oder Jungmännerverband zum
Ausdruck gebracht wird, ist verboten.
§ 2. Den konfessionellen Jugendorganisationen wird jede sportliche, ins-
besondere gelände- und volkssportliche Betätigung verboten.
§3. Zuwiderhandlungen werden nach § 4 der *Verordnung des Reichs-
präsidenten vom 28. Februar 1939 (RGBl. I, S. 83) bestraft.
§4. Die Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft.
Gleichzeitig tritt die oberpolizeiliche Vorschrift der Kreisregierung
über das Uniform-, Abzeichen- und Sportverbot außer Kraft.
Beachte: Diese bayerische Verordnung enthält nicht die in
§ 2 Abs. 4 der Preußischen Polizeiverordnung vorgesehenen Aus-
nahmen des öffentlichen Mitführens von Bannern, Fahnen und
Wimpeln bei Teilnahme an althergebrachten Prozessionen,
Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Begräbnissen.
Es regnet neue Verbote.
Am 29. Juli 1935 würde den K i n d ern der Beamten die
Zugehörigkeit zu konfessionellen Vereinen überhaupt verboten.
184
Dem Verbot des Organs des katholischen Jungmännerverbandes:
„Die junge Front", das schon im März 1935 erlassen worden
war, folgte im Januar 1936 auch die „Liquidierung" der Ersatz-
zeitung „M i c h a e 1". ")iese hatte eine Auflage von mehr als
300 000 Exemplaren gehabt, ein Zeichen, daß viele Hunderttausende
von jungen Deutschen noch immer treu zur Stange hielten.
Dann wurde auch noch sonstiges Schrifttum des Jungmänner-
verbandes, ^Kalender, „Das Grundgesetz der katholischen Jugend",
selbst das „Liederbüchlein" verboten und beschlagnahmt.
Am 15. August 1935 wurde den Religionslehrern an
höheren Schulen di^ seelsorgliche Betätigung in konfessionellen
Jugendverbänden untersagt, erneut am 25. Juni 1936. Am 8. März 1937
entschied dann das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung
und Volksbildung:
„Zu den konfessionellen Jugendverbänd^n im Sinne der Erlasse
vom. 15. August 1935 und 25. Juni 1936 gehören nicht die konfessionellen
Verbände, die sich auf rein religiöse Betätigung beschränken."
Die letzten Stationen des Passionsweges der KJ
Am 6. Februar 1936 wurde dann der Leiter des katholischen
Jugendverbandes, Msgr. Ludwig Wolker, samt seinem Gene-
ralsekretär Clemens und andere Mitarbeiter verhaftet,
monatelang im Gefängnis festgehalten, ohne daß trotz aller pein-
lichen Verhöre eine wirkliche Unterlage für einen Prozeß gefunden
werden konnte.
Am 1. Dezember 1936 geschah dann die Verstaatlichung
der gesamten deutschen Jugend. Die braune Zwangs-
jacke sollte, der gesamten deutschen Jugend angelegt werden.
Der 25. Januar 1938 brachte dann auf Grund eines Befehls der
Gestapo vom 20. Januar 1938 den großen Schlag:
Die Auflösung der katholischen Jugendvereine
Am 26. Januar 1938 veröffentlichte der „Völkische Beobachter"
in München:
Katholische Jugendorganisationen in Bayern
verboten. Staatsfeindliche Betätigung erwiesen.
Auf Grund § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum
Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wurden in sämt-
lichen bayerischen Diözesen, einschließlich der Diözese Speyer, die
katholischen Jungmännervereine, Juhgfrauenkongregationen und
der Neudeutsche Bund aufgelöst und verboten. Die entsprechende
Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung hatte folgenden
Wortlaut:
Auflösung katholischer Jugendvereinigungen.
Bek. d. Staatsmin. d. I. — Referat 19 Nr. 52301/37 II B — vom 31. Ja-
nuar 1938 über die Auflösung katholischer Vereine.
185
Auf Grund § 1 der VO des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. S. 83) werden mit sofortiger
Wirksamkeit folgende katholische Vereine aufgelöst und verboten:
1. Die Marianischen Jungfrauenkongregationen der
bayerischen Diözesen einschließlich der Pfalz mit ihren Unter- und
Nebengliederungen sowie die ihr angeschlossenen Jungfrauenvereine.
2. Die katholischen Jungmännervereine der bayerischen
Diözesen einschließlich der Diözese Speyer mit ihren Unter- und
Nebengliederungen, insbesondere der St.-Georgs-Pfadflnder und
Sturmscharen.
3. Der Bund Neudeutschland — Jüngerenbund (Vereini-
gung von Schülern höherer Lehranstalten) für das Land Bayern,
einschließlich der Pfalz.
Den angeführten Vereinen wird jede Tätigkeit, insbesondere die Er-
richtung von Nachfolge- und Deckorganisationen verboten, Verboten
wird ferner der korporative Eintritt der Mitglieder in eine andere katho-
lische Organisation. Zuwiderhandlungen werden nach § 4 der VO vom
28. Februar 1933 bestraft.
I. V. Frhr. v. Eberstein.
Wie die Bischöfe Bayerns in einem Hirtenwort vom 6. Februar
1938 feststellten, lag das besonders Verletzende dieser Verordnung
darin, daß sie sich auf das Gesetz vom 28. Februar 1933 stützte, das
doch den Untertitel führt: „...zur Abwehr kommunisti-
scher, staatsgefährdender Gewaltakt e"; Darum
schrieben sie: „W ir erheben Einspruch dagegen, daß
man unter Berufung auf diese Verordnung kirch-
liche Vereine auflöst und verbietet, die nicht
kommunistisch, sondern christlich sind, dienicht
staaatsgefährdend, sondern staatsbejahend sind,
die nicht Gewaltakte planen, sondern bestehende
Obrigkeiten anerkennen."
Neben den im Erlaß namentlich genannten /männlichen und
weiblichen Jugendvereinen wurden vielerorts aber auch
andere Vereine aufgelöst, z. B. in der Erzdiözese München
fünf katholische Arbeitervereine, heun katholische Burschenvereine,
fünf katholische Gesellenvereine, vereinzelte Dienstmädchenvereine,
selbst rein religiöse Vereine, wie Müttervereine, Bruderschaften usw.
Das Vermögen all dieser Vereine (Häuser, Heime, Sportplätze,
Sportgeräte, Zelte, Büchereien, Musikinstrumente, Fahnen, Bühnen,
selbst Schott: Meßbuch der katholischen Kirche, „Kirchengebet",
Sparkonten, Bargeld usw.) wurde restlos weggenommen. Auch
Gelder von sogenannten „Pfarrjugendwerke n", die doch
gar keine Vereine waren, sondern nur Mittel für die allgemeine
Jugendpflege der Pfarrei sammelten, wurden mancher-
orts beschlagnahmt (z. B. in St. Ludwig München mehrere Tausend
Mark).
Am 24. August 1938 wurde in ganz Deutschland auch die
Deutsche Jugendkraft (D.J.K.), die innerhalb der katho-
lischen Jugendvereine den Sport gepflegt hatte, polizeilich aufgelöst
und ihr Vermögen beschlagnahmt.
186
Doch die katholisch eJugend blieb trotzflieser
langsamen Hinrichtung am Leben. Die Seelsorgsarbeit
an ihr wurde erst recht verstärkt, mochte sie sich auch ganz ins
Kircheninnere zurückziehen müssen.
Eigene bischöfliche Jugendseelsorgsämter
suchten in allen Diözesen die Arbeit an allen katholischen Pfarr-
jugendlichen zu steigern. Am 31. Januar 1938 verfügte beispiels-
weise das Erzbischöfliche Ordinariat München:
„Bis zur Klärung der Angelegenheit und einer evtl. weiteren Nach-
richt unserseits ruht selbstverständlich jede Arbeit in den aufgelösten
Vereinigungen ... Dagegen geht die kirchliche Jugend-
seelsorgsarbeit nach den bischöflichen Richtlinien weiter, wen-
det sich aber immer an die gesamte katholische Jugend des
Seelsorgsbezirks; z. B. ergeht die Einladung zu einer kirchlichen Jugend-
andacht jeweils an alle katholischen Jugendlichen; die Andacht selbst
führt eine entsprechende allgemeine Öezeichnung (z. B. ,Katho-
lische Jugendandacht', ,Marianische Weihestunde katholischer Jung-
mädchen'.) Auch der Inhalt der Andacht verzichtet auf alles Kongre-
gations- oder Vereinsmäßige. Die Arbeit in den nichtaufgelösten katho-
lischen Vereinen geht natürlich weiter^ hält sich aber, wie bisher, pein-
lich an die bestehenden staatlichen oder polizeilichen Verordnungen."
In Tirol ging man auch noch gegen diese lose und bloße
Jugendseelsorge vor. Die Staatspolizei Innsbruck verordnete zu
Ende des Jahre 1940:
„Jede Tätigkeit von Pfarrjugend und Jügendkongregatiohen ist ver-
boten. Unter die Pfarrjugendtätigkeit fällt jede religiöse Be-
treuung von Jugendlichen unter 18 Jahren beiderlei Ge-
schlechts mit Ausnahme: 1. des zugelassenen Religionsunterrichtes in
den Schulen, 2. des Pirmunterrichtes, für die Firmlinge, 3. der Teil-
nahme an den normalen Gottesdiensten der Erwachsenen. Es fallen
unter das Verbot insbesondere: alle Glaubefns-, Gebets-, Sing-
und Andachtsstunden, Einkehr Übungen, Exerzitien
Usw.
Die Tätigkeit der Ministranten fällt nicht unter das ' Verbot. In-^
dessen sind die in den letzten beiden Jahren zum Teil außerordentlich
stark angewachsenen Ministrantengruppen auf. den Stand vom Fe-
bruar 1938 zurückzuführen.
Das Pfarrjugend- und Jugendkongregationsver-
bot darf vom Klerus in keiner Weise öffentlich ver-
kündet oder behandelt werden, insbesondere nicht von der
Kanzel. Es ist vielmehr den in Frage kommenden Jugendlichen münd-
lich in sachlicher Form zu eröffnen.
Der Stichtag für das Verbot ist der 5. Dezember und für die Mini-
stranten der 1. Jänner 1941. Eine Umgehung durch die Geistlichkeit
oder die Laienhelfer wird bestraft."
Die zuständigen Bischöfe dieses Gebietes, d. i. der Fürsterzbischof
von Salzburg und der Apostolische Administrator von Innsbruck, er-
hoben natürlich feierlichsten Einspruch gegen diese Verordnung. Die
Staatspolizei erklärte jedoch auf das bestimmteste, daß ab S.Dezember
d. J. die Übertretung dieses Verbotes mit Zwangsmitteln geahndet werde.
Das Verbot erstreckte sich auch auf die gesamte Kinderseel-
sorge und stellte somit ein Seelsorgeverbot an der gesamten
jungen Generation dar.
187
So sabotierte man im Dritten Reich nicht mehr bloß Artikel 31
des Konkordates (katholische Organisationen und Verbände be-
treifend), sondern auch den grundlegenden Artikel 1 desselben, der
die Freiheit der Kirche gewährleistete!
B. Der Kampf gegen alle katholischen Vereine
Moloch Nationalsozialismus war von Anfang an mit den
jugendlichen Opfern allein nicht zufrieden. Er streckte
seine gierigen Arme auch nach allen übrigen katholischen Organi-
sationen aus. Es durfte ja im Dritten Reich überall nur noch Einer-
lei geben. Alle myßten in Einheitszwangsstiefeln marschieren.
„Die Reihen fest geschlossen"!
Dies verlangte zunächst einmal die
Gleichschaltung aller Vereine.
Parteimerkblatt Nr. 2 bestimmte unter anderem:
„Gemäß den von der Reichsregierung und der obersten Partei-
leitung der NSDAP herausgegebenen Richtlinien ist die Gleichschaltung
der Vereine derart durchzuführen, daß die Mehrzahl der Vor-
standsmitglie^er der NSDAP angehören oder mindestens
schon seit längerer Zeit der nationalsozialistischen Bewegung nahe-
stehen. Im einzelnen ist hiebei folgendes zu beachten:
Der ersteVorsitzende soll nach Möglichkeit jenen Mitgliedern
entnommen werden, welche schon seit längerer Zeit der NSDAP an-
gehören.
Soweit nicht besondere Verhältnisse vorliegen, ist dem Führer-
prinzip Rechnung zu tragen.
Die neue Vorstandschaft hat in kürzester Zeit Vorschläge für die
Umgestaltung der Vereinsstatuten im nationalsozialistischen Sinn
auszuarbeiten und beschließen zu lassen.
Nach Durchprüfung der Gleichschaltung der einzelnen Vereine
sind an Hand der bestehenden Bestimmungen sowie der oben angeführ-
ten Richtlinien die Vorstände der übergeordneten Ver-
bandsleitungen umzugestalten.
Vereinsmitglieder, die sich der Ausrichtung der Vereine
und Verbände auf das neue Deutschland widersetzen, sind auf Grund
ihres Verhaltens vom Verein auszuschließen.
Anhang zu den Statuten: Die Mitarbeit des Vereins an den Zielen
der nationalen Regierung, zu der sich der Verein durch geistige Aus-
richtung auf das Dritte Reich bereit erklärt, bekundet er durch den
korporativen Anschluß an den Kampfbund für Deutsche Kultur. — Er
verpflichtet sich, für die Bestrebungen des letzteren einen monatlichen ^
Beitrag von mindestens 5 Pfg. pro Mitglied abzuführen.
Meldungsbogenfür die Gleichschaltung,
Name des Vereins
Verkehrslokal .
Anschrift
Der Verein wurde am ...... gemäß den veröffentlichten Richtlinien
gleichgeschaltet. Die Satzungen wurden geändert und am ... .
Vereinsregister gemeldet (nur für e.V.).
188
Das Führerprinzip wurde ...... .durchgeführt. Im Verein befinden
sich noch , Mitglieder jüdischer Abstammung, die Ausscheidung
der Nichtarier erfolgte auf Grundlage des Beamtengesetzes.
Gemäß den derzeitigen Satzungen ist die Aufnahme von Nichtariern
grundsätzlich ^^^ ^^^^ möglich.
Der Verein hat sich am dem Kampf bund für Deutsche Kultur
als Förderer angeschlossen mit einem monatlichen Beitrag von RM
Name der neuen Vorstandschaft auf der Rückseite!
Ort ....... den
Unterschrift.
Dazu noch eigens eine:
Bestätigung
Die Unterfertigten bestätigen, daß Herr nationalsoziali-
stischer Gesinnung ist und Gewähr dafür bietet, daß er den von ihm
vertretenen Verein . im Sinne der nationalen Regierung
leiten wird.
Ort ., den ^
Unterschrift Unterschrift
Mitgl. der NSDAP Nr. Mitgl. der NSDAP Nr "
Es ist klar, daß die katholischen Vereine eine solche
Gleichschaltung nicht mitmachen konnten. Dies scheiterte ja fast
durchwegs schon an der einen Tatsache, daß Vorstand oder
Präses der katholischen Vereine zumeist ein katholischer
Geistlicher war; und von ihnen ließ sich unter tausend kaum
einer „gleichschalten".
Auch die Satzungen waren nicht leicht zu ändern; denn
dies hätte in der Regel nur mit Zustimmung der Oberhirtlichen
Stelle geschehen können. Und die war für nationalsozialistische
Abänderungsvorschläge absolut nicht zu haben.
Dann war man eine kurze Zeitlang gehemmt durch Artikel 31
des am 20. Juli 1933 abgeschlossenen „Konkordates zwischen dem
Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich", das bestimmte:
„Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände, die aus-
schließlich religiösen, rein kulturellen und karitativen Zwecken dienen
und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind, werden in ihren
Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.
Diejenigen katholischen Organisationen, die außer religiösen, kultu-
rellen oder karitativen Zwecken auch anderen, darunter auch sozialen
oder berufsständischen Aufgaben dienen, sollen unbeschadet einer etwai-
gen Einordnung in staatliche Verbände den Schutz des Art. 31 Abs. 1
genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder
politischen Partei zu entfalten."
Doch was waren Verträge für Nationalsozia-
listen! Sie galten nur, solange und wie man sie brauchte,
Artikel 31 war ihnen unbequem. Also sorgte man dafür, daß er
praktisch nicht zur Geltung kam. Ein Jahr lang ließ man Papst
und deutsche Bischöfe darüber verhandeln, welche katholischen
Vereine den Schutz von Absatz 1 oder 2 genießen sollten, verzettelte
189
die Vereinbarungen in einer Reihe von Einzelabsprachen mit ver-
schiedenen Kontrahenten.
Noch während dieser Verhandlungen schuf man rücksichtslos
„vollendete Tatsachen", z. B. die
Auflösung der katholischen Studenten-
verbindungen
Die Totalität des Nationalsozialismus duldete eben nicht, daß
neben dem nationalsozialistischen „Deutschen Studentenbund"
(NSDSTB) noch besondere Studentenkorporationen irgendwelcher'
Art bestanden, am allerwenigsten solche konfessioneller Besonder-
heit. Sie mußten darum „spontan" dem Einheitsideal zum Opfer
fallen. Der Hl. Stuhl äußerte sich auch zu dieser Vergewaltigung
sehr offen in der Note vom 14. Mai 1934:
„Das Wechselspiel der in dem dortigen Promemoria angewandten
Argumentation hat gegen Ende der Ziffer IV Platz für eine Beweisfüh-
rung ganz eigener Art, im Zusammenhang mit der kurz gestreiften
Frage der Organisationen für die katholische akademische Jugend, Als
Beweis für die .ungestüme For m', in der ,der Wille zur volk-
lichen Zusammenfassung' in diesen Kreisen sich durchgesetzt
habe, weist die Denkschrift der Reichsregierung auf das ,spontane
Aufgeben des Konfessionsprinzips gerade seitens
der katholischen Studentenverbände' hin, Selbstverständ-
lich ist der Gedanke volklicher Zusammenfassung in den Kreisen der
katholischen Studentenschaft gerade so positiver Bejahung sicher wie
in anderen Kreisen. Was dieser Gedanke jedoch mit dem Konfessions-
prinzip der bisherigen katholischen Studentenvereinigungen zu tun
haben soll, ist unklar. Wer in der Bejahung des Konfession s-
prinzipsdie Verneinungdes Volksprinzips sieht, mit
dem ist jede Auseinandersetzung aussichtslos. Nichts
ist ungerechter /und beleidigender als die Behauptung ihrer Unverein-
barkeit. Davon aber abgesehen, ist die Genesis der einschlägigen Be-
schlüsse nachgerade so bekannt, daß der Hl. Stuhl hätte erwarten kön-
nen, wenigstens von der Behauptung der ,Spontaneität* dieser
Beschlüsse amtlich verschont zu bleiben. Hätte die Reichsregierung
im vorliegenden Fall nicht den Weg der Ersetzung des Mehrheitswillens
durch das sogenannte ,Führerprinzipi' beschritten und das, was eine Ge-
wissensfrage der vielen war und ist, zu einer Frage der charakterlichen
Widerstandsfähigkeit eines von ihr ausgesuchten, rein äußerlichen Re-
präsentanten gemacht, so wäre das umgekehrte Ergebnis nicht einen
Augenblick zweifelhaft gewesen. Wie gering in diesem Falle die innere
Übereinstimmung war,' hat einer dieser von oben verordneten Führer
mit seinem durch die enttäuschte Gefolgschaft herbeigeführten Rück-
tritt noch jüngst bewiesen. Der Hl. Stuhl weiß, in welchem
Maße heute in Deutschland die Freiheit der Ent-
schließungen eingeschränkt ist durch den Druck, der
vom Wirtschaftlichen und von der Sorge um die nackte Existenz her
auf Beamten, Angestellten, Arbeitern, Gelehrten, ja
selbstin früher freie nBerufen, auf fast allen Staats-
bürgern lastet. Ungezählte derjenigen, mit deren ,frei williger' Zu-
stimmung zur Entkonfessionalisierung die Reichsregierung in einem
diplomatischen Promemoria argumentiert, können ohne Gefährdung
ihrer Existenz nicht öffentlich gegen diese Ausdeutung der Vorgänge
protestieren; sonst wäre der Massenprotest sicher. Der Heilige Stuhl
möchte daher wenigstens vor der Geschichte die Feststellungen nicht
unterlassen, die zur Steuer der Wahrheit notwendig sind."
190
Echt nationalsozialistische Vertragsdeutung
Ende Juni 1934 erklärte der Unterhändler der Deutschen
Reichsregierung, Ministerialdirektor Butt mann, „Artikel 31
des Konk or d at es sei überhaupt noch nicht in
Kraft gesetz t." Im August des Vorjahres aber hatte derselbe
Buttmann die beschleunigte Ratifikation des Konkordates beim
Episkopat und Hl. Stuhl gerade mit dem Argument betrieben, daß
das Reich durch sie erst die Aktivlegitimation erhalte, gegen die
Einzelstaaten, welche der Durchführung des Artikels 31 wider-
strebten, vorzugehen.
Jetzt war das Konkordat längst ratifiziert (10. September 1933),
aber sein Artike] 31 war nach Auffassung der Reichsregierung
„noch nicht geltendes Recht".
Außerdem sollte auf einmal auch die Partei zu etwaigen
Abmachungen zwischen Kirche und Staat über Artikel 31 wie auch
zum Konkordat im ganzen gehört werden, war also die selb-
ständige Ve rhandlungs- und Abschlußfähigkeit
der Staatsbehörde ausgeschaltet. Für den Heiligen
Stuhl aber konnten als Konkordatspartner und folgerichtigerweise
auch als Abschlußpartner für ergänzende und ausführende Ab-
kommen lediglich der Staat und seine bevollmächtigten Unter-
händler existieren. Erklärungen eines Parteivertreters, er wolle
sich dafür einsetzen, daß die Parteiorganisationen die Abmachungen
halten. würden, konnten dem Hl. Stuhl um so weniger genügen, als
von dem gleichen Parteimann sofort einschränkend erklärt wurde:
„V oraussetzung sei, daß überhaupt ein fried-
liches Verhältnis zwischen katholischer Kirche
und Partei besteh e." Das war ja nun eine Bindung" auf Ruf
und Widerruf: Man brauchte ja bloß die Kirche als parteifeindlich
zu erklären — und man war aller Verpflichtungen, ledig. Und die
Kirche war doch „parteifeindlich", wenn sie sich nicht alle Ver-
stöße der Partei oder von Parteimitgliedern gegen religiöse und
kirchliche Grundsätze ruhig gefallen ließ.
Im übrigen verhinderte man alle Klarstellung und Festlegung
durch eine unerhörte und "unanständige Verschleppungs-
taktik.
In einer Note vom 29. Januar 1935 mußte der Hl. Stuhl Klage
führen, daß zehn bzw. neun Noten und Anregungen des Heiligen
Stuhles, angefangen vom 28. Oktober 1933 bis zum 18. Juli 1934,
noch der Erledigung bzw. Beantwortung harrten.
So waren bald weder Einrichtungen noch Tätigkeit der „katho-
lichen Vereine oder Organisationen und Verbände mit ausschließ-
lich religiösen, rein kulturellen und caritativen Zwecken" noch
„Organisationen, die darüber hinaus auch noch sozialen oder berufs-
ftändischen Aufgaben dienten", geschützt.
191
„Neue Fesseln'!"
Eine Hand- und Fußfessel nach der anderen wurde ihnen an-
gelegt:
Man forderte die Namen der Vorsteher, Angaben über
Zahl der Mitglieder, Satzungen ein.
Sodann beschränkte man Tätigkeitsfeld und Tätig-
keit s m a ß der katholischen Vereine: Zuerst verlangte man, daß
jede Versammlung frühzeitig gemeldet werden mußte. Später
war überhaupt erst um die förmliche Genehmigung der Ver-
sammlungen einzukommen. Wieder etwas später wurde eine solche
Genehmigung nur monatlich einmal, nach kurzer Zeit nur
noch alle zwei Monate> gegeben.
Dann ging die Einengung der Versammlungen auch auf den
Baum über: Es wurden nur noch Versammlungen in kirchen-
eigenem Raum gestattet. Wo ein solcher nicht zur Verfügung
stand, war eben eine Versammlung nicht möglich. Und wenn etwa
vorhandene kircheneigene Räume recht klein waren, um so besser.
So konnte das „katholische Unkraut" sich nicht mehr so breit
machen.
Natürlich wurden katholische Vereinsversammlungen durch-
wegs polizeilich bewacht oder wenigstens insgeheim be-
spitzelt.
Was Versammlung war, bestimmte die Gestapo . allein. Sie
ei klärte des öfteren auch rein seelsorgliches . Beisammensein meh-
rerer als Versammlung.
So z. B. eine Unterweisung, welche H. Kurat Beer von Pfarrei
„Königin des Friedens" in München am' 3. und 4. Oktober 1939 in sei-
nem Pfarrheim einigen Pfarrangehörigen bezüglich Verteilung von
Meldemappen zur kartothekmäßigen Erfassung der Pfarrangehörigen
gegeben hatte. Domkapitular N e u h ä u s 1 e r wurde im Dezember 1933
zur Polizei abgeführt und dort eine Nacht festgehalten, weil er als erz-
bischöflicher Presse-Referent Geistliche der Stadt ins Erzbischöfliche
Ordinariat berufen hatte, um sie über die Umwandlung der „Münchener
Katholischen Kirchenzeitung" in ein Diözesänblatt zu unterrichten und
entsprechende Weisungen zur Mitarbeit zu geben. Selbst Vorträge in
Kirchen, wie sie z. B. in der Alten Haidhauser Kirche von P. W a 1 d -
mann S. J. für abgefallene und abgestandene Katholiken gehalten wur-
den (28. — 30. November 1939), wurden beanstandet.
Sogar bloße Pr ob en v on Ki r ch en ch ö r en wurden da
und dort als Vereinsversammlung betrachtet und als genehmigungs-
pflichtig erklärt und auf kircheneigenen Räum verwiesen.
Bibelabende rein religiöser Art, die außerhalb der Kirche
stattfanden, wie es im Winter notwendig war, mußten schon vier
Wochen vorher polizeilich gemeldet werden bzw. später je-
weils zum 25. des laufenden Monats für den ganzen folgenden
Monat,
Nach diesen Einschnürungen katholischen Versammlungslebens
kam dann das Verbot besonderer Lehrkürse innerhalb katho-
192
lischer Organisationen, wie sie z. B. die katholischen, Gesellen-
vereine („Kolpingswerk") seit Jahrzehnten zum Segen des deut-
schen Handwerks betrieb für Stenographie, Kalkulation, Vortrags-
kunst, für Schlosser, Schneider, Schreiner, Friseure, Buchbinder
usw.
Selbst karitative Arbeit von katholischen Vereinsmit-
gliedern wurde beanstandet: z, B. brachte die Anfertigung von Meß-
taschen für Feldseelsorger dem Katholischen Frauenbund wieder-
holt Vorladungen vor die Gestapo. Beim Zweigverein Burghausen
wurde sogar Material hiefür (Kreuze, Meßbücher usw.) beschlag-
nahmt.
Dann probierte man es mit der
Anforderung von Mitgliederlisten.
So wollte man diejenigen, welche man noch nicht als An-
gehörige katholischer Vereine kannte, herausbringen; jene aber,
welche man schon als solche kannte, in Schrecken setzen, auf daß
sie doch schleunigst ihren Austritt erklären sollten. Doch die ober-
hirtlichen Stellen gaben den katholischen Vereinen strenge Weisung,
diesem Verlangen nicht nachzugeben und protestierten bei Regie-
rung und Parteiorganisationen entschieden gegen diese Ausnahme-
behandlung der katholischen Vereine.
. . Kardinal Bertram-Breslau begründete diese Ablehnung noch aus-
drücklich mit einem Schreiben vom 27. Mai 1935
„Zu der Frage:
Ob Mitgliederbestand der katholischen Jugendvereine mit Namen
und Anschrift aller Mitglieder der Polizei zu melden Pflicht ist.
Ähnlich wie früher bezüglich der Teilnehmer an Exerzitien ist jetzt
diese Anmeldung am 20. d. M. an verschiedenen Orten auf Anordnung
der Staatspolizei in Berlin gestellt, in einem Falle mit Ankündigung der
sonst folgenden Verhaftung des Kaplans als Präses. Hiesige Vertreter
der Staatspolizei erbaten zustimmende Äußerung des Generalvikariats.
Diese zu geben ist abgelehnt, weil
1. Die Absicht, dieses Adressen-Material zu besitzen, in Zusammen-
hang stehen wird mit dem an zahlreichen Orten mit größtem Nachdruck
eingetretenen Bestreben, Eltern von Jugendlichen, insbesondere Lehrer,
Beamte, abhängige Arbeiter zu nötigen, ihre Kinder aus dem katholi-
schen Verein herauszunehmen;
2. weil solche und ähnliche Bestrebungen von behördlichen Organen
unvereinbar sind sowohl mit Artikel 31 des Reichskonkordates, wie mit
der wiederholt gegebenen Zusicherung, daß Freiheit der Mitgliedschaft
zu katholischen Vereinen wie zur Hitlerjugend herrschen soll;
3. weil die gesetzliche Unterlage für diese Polizeibefugnis fehlt."
Verbot der „Doppelmitgliedschaft"
Das Adressenmaterial, das man mit Einforderung der Mit-
gliederlisten erlangen wollte, sollte besonders der NS-Arbeits-
front dienen. Dann hätten diese es ja leicht gehabt, ihr Verbot
der Doppelmitgliedschaft strengstens und bis zum letzten
durchzuführen, das heißt, jeden, der sich da noch als Mitglied eines
Kreuz und Hakenkreuz 13 293
katholischen Vereines entpuppte, aus der Arbeitsfront auszuschlie-
ßen, ihn so nicht bloß all der Vergünstigungen der Arbeitsfront und
des Wertes all seiner bisherigen Leistungen zu berauben, sondern
auch noch stellungslos und brotlos zu machen; denn Betriebsleiter
und Arbeiter drangen ja vielfach darauf, daß ihr Betrieb zu hundert
Prozent in der Arbeitsfront war, auch in dieser Hinsicht ein
„Musterbetrieb" war. Entgegen allen Protesten der
Bischöfe unter Hinweis auf Artikel 31 des Reichskonkordates
wurde darum das Verbot der Doppelmitgliedschaft aufrechterhalten,
immer wieder bekanntgegeben und verschärft. Es sollte die Mit-
glieder katholischer Vereine stärkstens schrecken und unbedingt
zum Austritt zwingen.
Terror überall und von allen Seiten!
Neben diesem allgemeinen Druck auf katholische Vereine
wurde aber auch auf die einzelnen Mitglieder drohend
und zwingend eingewirkt.
Reichsminister Frick gab auf dem Parteitag Westfalen den
Auftakt hiezu (13. Juli 1935).
„Es ist fürs ganze Reich die Zeit nicht mehr für katholische Vereine,
weil diese Organisationen immer wieder auf- Gebiete übergreifen, die
sich der NS vorbehalten muß.
Mit Rücksicht darauf muß ich verlangen, daß die Beamten, An-
gestellten, Arbeiter ihre Mitgliedschaft in konfessionellen Vereinen auf-
geben und daß sie ihre Kinder veranlassen, aus solchen Vereinen aus-
zutreten.
Ich beabsichtige keinen Gewissenszwang . . . wer glaubt, nicht ent-
sprechen zu können, muß auf weitere Mitarbeit am Aufbau des Staates
verzichten."
Der Landeshauptmann Dr. Geßner von der Provinz Han-
nover verlangte dementsprechend schon ein paar Wochen später
(Volk. Beob. 7. August 1935) mit einer gewissen zeitlichen Verschärfung
(sofort) von Beamten, Angestellten und Arbeitern,
daß sie sofort ihre Mitgliedschaft in konfessionellen Organisatio-
nen aufgeben und ihre Kinder veranlassen, aus den konfessio-
nellen Jugendverbänden auszutreten. Diese Anordnung sei kein Ge-
wissenszwang; aber wer glaube, nicht entsprechen zu können, müsse auf
die weitere Mitarbeit am Aufbau des Staates verzichten.
Einen Monat später (11, September 1935) gaben die Bayerischen
Staatsministerien bekannt:
„Bis 1, Oktober hat jeder Beamte mit Bezug auf seinen Diensteid
eine Erklärung abzugebenj welchen Beamtenvereinigungen, gleichgültig
ob diese auf berufsethischer, beamtenpolitischer, beamtenwirtschaft-
licher oder konfessioneller . . Grundlage beruhen, er in der Nachkriegs-
zeit angehört hat oder noch angehört.
Die Erklärung wird zu den Personalakten genommen. Folgerungen
. . . werden vorläufig nicht gezogen."
Der Bürgermeister von München sah keinen Anlaß, da-
gegen einzuschreiten, daß seine Angestellten aus der „Deutschen Ar-
beitsfront" ausgeschlossen wurden, bloß weil sie einer rein religiö-
sen Vereinigung, der Marianischen Männerkongregation,
angehörten. Er antwortete auf eine diesbezügliche Beschwerde unterm
18. September 1935 an das Erzbischöfliche Ordinariat:
19^
„über den Ausschluß städtischer Angestellter aus der DAF wegen
Mitgliedschaft bei der Männerkongregation gestatte ich mir mitzuteilen,
daß der Spruchausschuß der DAF diese Ausschlüsse genehmigt hat.
Der Stadtverwaltung stehen Entscheidungen nach der Richtung nicht
zu,"
Unerbittlich wollte die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Ar-
beiter-Partei) der Stadt Dinkelsbühl (Bayern) den Willen von
Dr. Ley durchführen. Sie veröffentlichte am 19. August 1935:
„Auf Grund einer Verfügung des Reichsorganisationsleiters Dr. Ley
bezüglich der Mitgliedschaft von DAF und Mitgliedern der konfessionel-
len Arbeitervereine werden Sie hiemit aufgefordert, Ihren Austritt aus
dem katholischen Gesellenverein zu erklären.
Sollten Sie nicht gewillt sein, der Anordnung des R. Dr. Ley Folge
zu leisten, so haben Sie die Konsequenzen daraus zu ziehen. Es gibt
nur eines: in den NS- Gliederungen organisiert sein oder in einem kon-
fessionellen Verband ein Gegner des Staates zu sein."
Rothenburg ob der Tauber sperrte den Mitgliedern katho-
lischer Jugendvereine die Berufsausbildung:
„Im Kreis Rothenburg wurde zwischen Stellen der Partei und Wirt-
schaft vereinbart, daß in Zukunft nur noch Lehrlinge aus der HJ
eingestellt werden." (3. November 1935.)
Die Stadt Laufen (Oberbayern) dehnte das Verbot der Mit-
gliedschaft bei katholischen Vereinen auch auf die Angehörigen
der bei der Stadt Beschäftigten aus und drohte mit wirtschaftlichen
Maßnahmen:
„Die Beschäftigten der Stadt (Arbeiter, Angestellte, Beamte) und
deren Familienangehörige dürfen nicht Mitglieder eines konfessionellen
Verbandes sein.
Die Stadt Laufen vergibt ihre Arbeiten und Lieferungen in Zukunft
nicht mehr an Geschäftsleute und Handwerker, die nicht Mitglieder
einer NS-Organisation, die (oder deren Angehörige und Arbeiter) Mit-
glieder eines konfessionellen Vereins oder Verbandes sind."
Der Regierungspräsident von Regensburg wollte alle
Beamtenkinder aus den konfessionellen Jugendverbänden herausziehen
und in die HJ drängen:
5. Dezember 1935 erklärte er den Amtsvorständen gegenüber: „Die
Präsidialentschließung, wonach Beamtenkinder keinen konfessionellen
Jugendverbänden angehören dürften, gilt sinngemäß auch für Beam-
tenfrauen. Es wird erwartet, daß mit dieser Anordnung die ent-
sprechenden Konsequenzen gezogen werden. Desgleichen wird erwartet,
daß die Beamtenkinder einer Jugendorganisation der NSDAF an-
gehören."
Die Justiz bekam es auch zu spüren, daß in Deutschland Freiheit
und Recht begraben waren;
Oberamtsrichter Bettinger in Griesbach (Niederbayern) wurde vom
Kreisleiter vorgeladen und in Kenntnis gesetzt, daß seine Frau aus dem
Frauenbund austreten müsse. Sie war Vorsitzende des Zweigvereins
Griesbach. Der Kreisleiter habe von einem „ungeschriebenen Gesetz"
gesprochen. (Ähnlich in Miesbach am 7. JuU 1936.)
Die Kreisleitung Laufen Obb. verlangte, daß' sämtliche Ge-
meinderäte ihre Angehörigen aus allen katholischen Vereinen, auch
rein religiösen, wie es der „Christliche Mütterverein" ist, heraus-
nehmen.
In der Gemeinde Ten gl in g wurden zwei Männer aus dem
Gemeinderat ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, ihre Frauen aus
dem Christlichen Mütterverein herauszunehmen.
195
Sag er Michael, Arbeiter im ReiChabahnausbesse-
rungswerk Freimann, würde zuerst versetzt, dann am 31. Juli
1936 fristlos entlassen „wegen politischer Unzuverlässigkeit", die darin
bestand, daß er zu spät aus dem Katholischen Arbeiterverein aus-
getreten sei. Er war seit 1927 bei der Bahn gewesen.
Maschinenfabrik Hurth, München, verwarnte eine An-
gestellte, daß sie als Angestellte einer Aufrüstungsfirma nicht einer
Kongregation oder einem konfessionellen Verband angehören dürfe.
(23. Februar 1937.)
Ein Straßenbahner wurde gefragt: „Sind Sie noch beim Dom-
chor?" Als er dies bejahte, wurde er von der Beförderung aus-
geschlossen.
Der Pfarrer von Peterskirchen hatte die Fortbildungs-
schülerinnen zum Eintritt in die Marianische Kongregation
eingeladen. Ein paar Tage darauf tobte der Hauptlehrer und Stütz-
punktleiter des Ortes während der Schulstunden fast eine Stunde lang
gegen die Kongregation. Dann mußten die Mädchen einen Aufsatz
schreiben: „Warum gehe ich nicht zum Bund Deutscher Mädchen?"
Jedes Bedenken, das sie äußern wollten, sollte „niedergebügelt", werden.
„So zwang man B auernburschen zur SS!
Ein sehr abstoßendes Zwangsmittel wurde da und dort auf dem
Lande versucht: Gerade die Mitglieder katholischer Jungmänner-
o'der Burschenvereine wurden in die sogenannte SS-Land-
scharen-Auslese gepreßt.
Eine solche Auslese für die SS geschah z. B. vom 16. bis 18, Dezem-
ber 1937 in Pf aflenhofen an der lim:
Unter dem 10. Dezember 1937 erhielten die jungen, ledigen Leute
der verschiedenen Dörfer, vereinzelt auch Verheiratete, nachfolgenden
^.Gestellungsbefehl":
Der Landesbauernführer München, 10. 12. 37
. Herrn . . . ,
Betreit: Landscharen-Auslese.
Zur Auslese für die SS-Landscharen haben Sie sich am ..... .
vormittags ...... in der Knabenschule in Pfaffenhofen einzu-
finden.
Sie werden gebeten, in körperlich sauberem Zustande zu er-
scheinen. Bei etwaiger Behinderung haben Sie Ihren Kreis-
bauernführer sofort unter Angabe des Behinderungsgrundes zu
benachrichtigen.
Sollten Sie Angehöriger der SA, des NSKK oder der Werk-
scharen sein, so ist dieser Einberufung nicht Folge zu leisten,
der Kreisbauernführer jedoch zu verständigen.
F. d. R. Heil Hitler!
Schepperle Der Landesbauernführer:
SS-Untersturmführer. gez. Deininger.
>•
Bei dieser Auslese fanden die Angehörigen der „schwarzen
Gemeinde Scheyern, in der viele Burschen beim Katholischen
Burschenverein waren, eine besondere Behandlung:
Während die Burschen der übrigen Gemeinden ohne weitere Um-
stände das Lokal betreten durften, mußten sich die Scheyrer schon
196
außen in Reih und Glied aufstellen und im gleichen Schritt einmarschie-
ren und wurden hiebei gefilmt. 14, welche aus 30 ausgewählt worden
waren, mußten sich dann vor allen anderen vollständig auskleiden,
wurden genau gemessen, mußten auf- und abmarschieren, Wendungen
und allerlei gymnastische Bewegungen machen; wiederum wurde alles
unter Verwendung von Scheinwerfern gefilmt,
Von ein paar Burschen wurde dann ein Personalakt aufgenommen,
der am Schluß im Kleindruck eine „Verpflichtu ng" ent-
hielt. Zeit zum Lesen wurde den Burschen nicht gegeben. Sie mußten
einfach unterschreiben. Der Eintritt in die SS wurde in den schönsten
Farben geschildert: Sie . hätten es doch dort viel schöner als bei den
Bauern, brauchten nicht zum Arbeitsdienst und zum Militär, kämen
rascher vorwärts im Leben und würden auch viel mehr verdienen.
Und dennochtreu zur katholischen Fahne!
Trotz all dieser Nötigungen hielten Zehntausende und Zehn-
tausende von katholischen Vereinsmitgliedern während der zwölf
Jahre des nationalsozialistischen Zwangsregimes stand, insbesonders
die schwer bekämpften Mitglieder der Katholischen Arbeiter- und
Arbeiterinnenvereine und des Kolpingswerkes (Katholische Ge-
sellenvereine).
Auch da sahen die NS schließlich keinen anderen Ausweg als
die Gewalt, zunächst durch den Druck auf die Vereins-
b 1 ä 1 1 e r : Sie bekamen eine Menge Auf lagenachrichten, sie muß-
ten ihre Titel ändern (z. B. das Organ des Süddeutschen Verbandes
-katholischer Arbeitervereine „Der Arbeiter" mußte den Tiiel
„Kettelerfeuer" nehmen). Und als dies alles nichts half, schritt
man eben zum radikalen Verbot der ganzen Vereine und zur Be-
schlagnahme ihres Vermögens. Die steinreiche „Deutsche Arbeits-
front" schämte sich nicht, auch noch das aus den Pfennigen der
katholischen Arbeiter gesammelte -Vermögen einzustecken, bekam
dabei freilich seitens der kirchlichen Behörde soviel Schwierig-
keiten, daß sie bis zum Kriegsende ihres Raubes nicht froh werden
konnte, ihn überhaupt nur auf dem Papier besaß, niemals wirklich
in die Hände bekam.
Noch w^enigei- gelang der Raubzug gegen das „Kolpings-
w e r k": In der Mehrzahl konnten sich die Katholis che n G e -
sellenvereine und Gesellenhäuser durch die braune Flut
hindurchretten, ähnlich auch der Katholische Frauenbund
(einzelne Zweigvereine desselben wurden freilich aufgelöst) und
insbesonders die
katholischeCaritas.
Wohl wurde die kirchliche Liebestätigkeit seit, dem Jahre 1933
zielbewußt und mit allen Mitteln aus dem öffentlichen Leben zu-
rückgedrängt, Schritt für Schritt:
1. Die katholische Caritas wurde von der Mitarbeit in der
öffentlichen Wohlfahrtspflege fast völlig ausgeschlossen.
Die staatlichen Wohlfahrtsämter bedienten sich nur noch der
197
„Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" (NSV), ' des Winterhilfs-
werkes (WHW), der nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF) u. ä.
2. In der Fürsorge wurde der katholischen Caritas nur die
Betreuung der körperlich und geistig nicht vollwertigen
Menschen überlassen.
3. Auf dem Gebiet der FürsorgefürMutterundKind
wurde die katholische Caritas ganz verdrängt.
4. Ebenso wurde sie vielfach ausgeschlossen von der Tätigkeit
im Pflegekinderwesen, in Kleinkinderanstalten,
in Kindertagesstätten.
5. Die kirchlichen Schwestern-Kongregationen
wurden immer mehr aus Pflegeanstalten aller Art (Kindergärten,
Kinderhorten, Altersheimen, Krankenhäusern, selbst von der Haus-
krankenpflege usw.) verdrängt.
6. Durch neue Steuern drückendster Art sollte kirchlich-
karitativen Anstalten der Atem genommen werden.
7. Die WerbungneuerMitglieder wurde dem Caritas-
Verband sehr erschwert, erst recht die Sammlung von Mitteln. Die
in den ersten Jahren noch zugestandene öffentliche Straßensamm-
lung des „Katholischen Caritas- Verbandes" und der „Inneren Mis-
sion" wurde von Anfang an terrorisiert und gestört. Dann wurde
das „Sammlüngsgesetz" gerade gegen die kirchlich-caritativen
Unternehmungen und Vereine strengstens angewandt, jede Art von
„Bettelei", von Bitten um Weihnachtsspenden usw. unterbunden
bzw. bestraft.
Und was das Winterhilfswerk aus seinen Millionen und Mil-
lionen an die katholische Caritas abgab, war wirklich weniger als
„Brosamen", zuletzt 0,00 Reichspfennig!
7. Fesseln für das kirchliche Schrifttum.
In der „streng vertraulichen" Anweisung der „Bayerischen
Politischen Polizei" vom 23v April 1935 an alle Polizeiämter hieß
es u. a.: „Der katholischen Literatur muß spezielle
Aufmerksamkeit gewidmet werde n."
Worin diese Aufmerksamkeit polizeilicherseits bestand, war im
Reiche des Nationalsozialismus im vorhinein ausgemacht: in der
Bekämpfung und' Ausrottung. Die deutschen Katholiken hatten sich
ja seit dem Kulturkampf eine beachtliche Presse geschaffen: viele
katholische Tageszeitungen, viele erstklassige Zeitschriften fürs
Volk wie für einzelne Stände, katholische Verlage und Buch-
handlungen.
Dem allen galt die staatliche, parteiamtliche, berufsamtliche,
polizeiliche „Aufmerksamkeit" und unerbittlicher Kampf. .
A. Die Fesseln werden geschmiedet.
Dezember 1933 erschien das Schriftleitergesetz, das die gesamte
Presse (mit Ausnahme der bischöflichen Amtsblätter) in die Hände
198
des Staates auslieferte. Jeder Herausgeber, auch der des kleinsten
Lokalblättchens, war gezwungen, Mitglied der „Reichsschrifttums-
kammer" zu werden und ihren Weisungen zu folgen, § 14 z. B. bot
eine reiche Handhabe, jede mißliebige katholische Presseerscheinung
zu beseitigen: Er schloß ja jede Veröffentlichung aus, „d i e g e e i g -
net war, den Willen zur Einheit des deutschen
Volkes und der deutschen Kultur zu schwäche n."
Erste Opfer dieses neuen Schwertes waren
die katholischen Tageszeitungen.
Am 24. April 1935 veröffentlichte die Reichspressekammer, daß
Zeitungen nicht einer Gruppe von bekenntnismäßig ge-
bundenen Personen angepaßt werden dürfen.
Das Innenministerium Oldenburg war diesen Verordnungen
schon einen: Schritt vorausgegangen, duldete auch nicht einmal
irgendeine religiöse Beilage zu Tageszeitungen. Die „Germania"
vom 14. Juni 1934 veröffentlicht hierüber:
Keine religösen Beilagen in Zeitungen
Eine neue Verordnung in Oldenburg
Berlin, 13. Juni
Der Innenminister von Oldenburg, der in letzter Zeit einige bemer-
kenswerte Erlasse über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat er-
lassen hat, gibt eine neue Verfügung heraus, die besagt:
„Die nationalsozialistische Bewegung und der nationalsozialistische
Staat sind und waren immer gewillt, der Kirche zu geben, was der
Kirche ist. Politik und Religion dürfen aber nicht verquickt werden.
Aus diesem Grunde hat Reichsminister Dr. Goebbels in Auslegung des
Schriftleitergesetzes wiederholt erklärt, daß es konfessionelle
Tageszeitungen nicht mehr geben dürfe. Denn jede
Tageszeitung ist eine politische Zeitung. Hieraus folgt
ohne weiteres, daß
Tageszeitungen als politische Schriften keine
religiösen Beilagen bringen dürfen.
Im Landesteil Oldenburg gibt es mehrere Tageszeitungen aus der
Zentrumszeit, die dem noch nicht Rechnung getragen haben. Diese
Verquickung von Politik, Religion und Geschäft hat
zu großen Unzuträglichkeiten geführt. Sie kann unter den gegebenen
Verhältnissen im Interesse unseres deutschen Volkes nicht weiter ge-
duldet werden. Religiöse Angelegenheiten müssen in religiösen Zeit-
schriften behandelt werden.
Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wird für den Landesteil Olden-
burg angeordnet:
§ 1. Tageszeitungen, die im Landesteil Oldenburg gedruckt und
verlegt werden, dürfen keine religiösen Beilagen haben.
§ 2. Zuwiderhandlungen von Druckern oder Verlegern gegen § 1
unterliegen den im § 4 der Verordnung zum Schutze von Volk und
Staat angedrohten Strafen.
199
Es durften also von da an in Zeitungen keine konfessionellen
Gesichtspunkte mehr in Erscheinung treten, z. B. nicht mehr aus-
führliche Berichte über Wallfahrten, katholische Feste und Gottes-
dienste, kirchliche Jubiläen und Persönlichkeiten gebracht werden.
Darum wurde das „Neue Münchener Tagblatt" vom 13./i4.
April 1935 verboten, weil es für Palmsonntag und die Karwoche religiöse
Gedanken dargeboten hatte.
Das „Fränkische Volksblatt" in Würzburg wurde vom
20. bis 27. November 1934 verboten, weil es in einem Korrespondenzartikel
„Knien oder Nichtknien" von „Deutschen Neuheiden" gespro-
chen hatte. Ein Hinweis, daß doch Deutsche selbst sich stolz so be-
zeichnet hatten, half nichts. Der verantwortliche Schriftleiter mußte
verschwinden. Vor dem Verlagsgebäude mußten Hunderte „Empörung"
spielen.
Wie spontan die Einschüchterungs- und Gewaltdemonstration war,
geht daraus hervor, daß die Arbeiter einer Würzburger Konkurrenz-
zeitung statt um 12 Uhr bereits um halb 11 Uhr frei bekamen, um die
„Volksdemonstration" zu unterstützen.
Die „entkonfessiqnalisierte" Tag es presse muß
aber politisch, d. i. nationalsozialistisch, sein!
Noch gefährlicher, war aber die positive Seite dieser „Uni-
formierung" und „Entkonfessionalisierung" der Tagespresse; darum
mußte auch die bisher katholische Presse „zur Stärkung des Wil-
lens der Einheit des deutschen Volkes und der deutschen Kultur"
ihren Raum der staatlichen und parteiamtlichen Propaganda leihen,
z. B. in der breiten Darstellung der „Devisen- und Sittlichkeits-
prozesse", in der Werbung für „Winterhilfswerk", NSV u. ä.
Geheimanweisung gegen konfessionelle, Tages-
zeitungen.
Wie genau die ehemals konfessionelle Tagespresse nach dem
kleinsten Anzeichen konfessionellen Inhalts oder Tones beobachtet
werden sollte, zeigt nachfolgende Geheimanweisung des
„Reichsverbandes der deutschen Zeitungsverleger":
Berhn, den 25. April 1935.
L.V. Nr. 8
An die
Leiter und Geschäftsführer
der Landesverbände des RddZV.
Sehr geehrte Herren!
Streng vertraulich!
Im Anschluß an das L.V..-Rundschreiben Nr. 7 übersenden wir ein
Schema, aus dem sich in kürzester Zusammenfassung die einzelnen Tat-
bestandsmerkmale ergeben, die zu den gegenwärtig vorliegenden Er-
scheinungsformen der konfessionellen Presse führen.
Um das Verständnis dieses Schemas zu erleichtern, sind, wo es zweck-
mäßig erschien, stichwortartig Beispiele erwähnt. Der nachstehende
Aufriß kann selbstverständlich die eigene Arbeit nicht ersetzen; er kann
jedoch eine Hilfe bieten, in einer Zeitung ihren Charakter als konfessio-
nell eingestellte Presse zu erkennen.
200
Die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zu den gegenwärtig vor-
liegenden Erscheinungsformen der konfessionellen Presse führen, er-
geben sieh
A. aus dem Inhalt
I. AllgemeineHinweise.
Beschränkung des konfessionellen Inhalts auf
1. beigefügte konfessionelle Beilagen
2. Schilderungen und Berichte über konfessionelle Ereignisse in
einer Form, die über das Interesse eines konfessionell nicht be-
stimmten oder unbestimmbaren Leserkreises hinausgeht,
a) im politischen Hauptteil
' b) im politischen Landesteil
c) im Lokalteil
d) im Unterhaltungsteil und Feuilleton
e) besondere katholische Rubrik (Kirchennachrichten)
f) Anzeigenteil:
a— ) Anzeigen, die ausschließlich katholische Literatur, Rosen-
kränze, Opferkästen, Heiligenbilder etc. anpreisen;
b— ) Anzeigen, die sich ausdrücklich an die Katholiken des
Verbreitungsgebietes wenden.
g) Gottesdienstordnungen.
II. Besondere Hinweise.
Es ergeben sich meist dieselben Tatbestandsmerkmale wie unter I
aber:
1. in der Form, daß sich die Zeitung durch die Wiedergabe einer
übermäßiger^ Fülle konfessionellen Geschehens ausschließlich an
einen konfessionell bestimmten Leserkreis richten kann;
2. man gebraucht die Taktik, den Leser vom lokal-politi-
schen Geschehen sowie von den politischen Ereignissen des
Landes bzw. des Gaues entfremden,
a) entweder durch Fortlassung eines politischen Landesteils über-
haupt oder
b) durch Überfüllung des Lokalteils mit Schilderungen über kon-
fessionelle Ereignisse auf Kosten von Berichten aus Partei und Bewe-
gung.
3. Man geht mit einer gewissen Verschweigungstaktik vor.
Es wird nur über solche Maßnahmen und Ereignisse berichtet, deren
Zielrichtung der katholischen Kirche genehm ist (Förderung der sozia-
len und volkswohlfahrtlichen Ideen des Nationalsozialismus), während
andere bedeutende und allgemein interessierende Maßnahmen des
Staates konsequent unterschlagen werden (vergl. Verschweigung von
Ereignissen der HJ, NS-Kulturgemeinde, Rassenfrage usw.)
Bei Berichten über nationalsozialistische Maßnahmen, deren Ziel-
richtung der katholischen Kirche genehm ist, beschränkt man sich auf
eine Würdigung aus kirchlichen Gesichtspunkten.
, 4. Das Vorliegen einer Verfälschungstaktik ergibt sich ins-
besondere daraus, daß ^
a) soziale Bestrebungen des Staates ausschließlich unter Zuhilfe-
nahme kirchlicher Gesichtspunkte (z.B. WHW, NSV usw.) behandelt
werden. Man verlangt die Unterstützung solcher Bestrebungen durch
Handlungen der einzelnen Leser; die durch die Kirche unter Berufung
auf die christliche Nächstenliebe, nicht aber unter nationalsozialistischen
Gesichtspunkten gefordert werden;
Kreuz und Hakenkreuz 14 oni
b) man z. B. Gesetzentwurf über das Recht des unehelichen Kindes
mit einer angeblich amtlichen, in Wahrheit aber mit einer zu der amt-
lichen Begründung durchaus in Widerspruch stehenden kirchlichen
Gesichtspunkten Rechnung tragenden Kommentierung veröffentlicht;
c) man Reden von führenden Persönlichkeiten des Staates und der
Bewegung in einzelnen von der katholischen Leserschaft positiv zu be-
urteilenden Punkten besonders hervorhebt, während man andere der
Kirche weniger genehme Teile fortläßt und dadurch solche Reden^ z. B.
sinnentstellt der Leserschaft übermittelt;
d) man rein kirchliche und konfessionelle Bräuche als völkisches
Brauchtum, dessen Pflege sich der Nationalsozialismus besonders an-
gelegen sein läßt, behandelt. Dies wird oft noch durch Überschriften
unterstrichen, die auf das Volkstum Bezug nehmen, während der Inhalt
des Artikels rein konfessionell ist.
5. Man verfolgt totale Isolierungstaktik,
(besonders hervortretend bei Buchbesprechungen, unter allgemein inter-
essierenden Überschriften werden ausschliei31ich konfessionelle Werke
behandelt) derart, daß
a) man das Interesse der Leserschaft durch sensationelle Auf-
machung auf außenpolitische und zentrale Reichsgeschehnisse, die zum
Nationalsozialismus in keiner wesensverbundenen Beziehv^ng stehen,
lenkt, um das politische Bedürfnis zu befriedigen.
Gleichzeitig werden nationalsozialistische politische Geschehnisse
des Gaues, also diejenigen Ereignisse, zu denen der Leser unmittelbar
in Beziehung steht, fortgelassen;
b) man unter Fortlassung bestimmter unter 3) erwähnter Pro-
grammpunkte des. Staates das Interesse der Leserschaft auf kirchliche
Veranstaltungen und Zielsetzungen lenkt, die durch ihre positive Her-
vorhebung geeignet sind, den Leser nationalsozialistischen Einflüssen zu
entziehen (z. B.\ Kolpingsfamilie, aber nicht SA oder DAF, katholische
Jugendorganisationen, aber nicht HJ).
6. Die Zeitung betreibt offene Opposition,
a) durch eigene Stellungnahme,
b) indem sich die Zeitung selbst hinter einer oppositionellen Rede
eines Bischofs oder eines Pfarrers etc., in deren Rahmen zu beanstan-
dende Äußerungen gebracht werden, versteckt,
7. Die konfessionell eingestellte Presse versucht verschleierte
Opposition derart zu treiben, daß
a) man den politischen Teil in geeignet erscheinender Weise mit
konfessionellen Gesichtspunkten und den religiösen Teil mit politischen
Gesichtspunkten tendenziös durchsetzt. Besonders charakteristisch:
Kampf kath. Kirche — Mythos, der im politischen Teil unter konf. und
irn konf. Teil unter ausgesprochen politischen Gesichtspunkten der-
gestalt behandelt wird, daß man die katholische Kirche mit der heimat-
lichen und Volks verbundenen Kultur (nationalsozialistischer Begriff),
Rosenberg aber mit Partei und Staat identifiziert;
b) man dem nationalsozialistischen Staat abträgliche Ereignisse, die
außerhalb der konfessionellen Einstellung der Zeitung liegen (z. B. große
Aufmachung des evangelischen Kirchenstreites) in der katholisch ein-
gestellten Presse besonders hervorhebt und unter zweckbestimmten
spaltenden Gesichtspunkten schildert;
c) taan Schilderungen von außerdeutschen Kulturkämpfen (Mexiko,
Spanien, Rußland) veröffentlicht, für deren Entstehung man ausgespro-
chen oder unausgesprochen dieselben Voraussetzungen verantwortlich
machen will, die zu dem angeblichen Kulturkampf Rosenberg gegen
katholische Kirche geführt haben;
202
d) man den Gedanken propagiert, daß das dogmatische Gebot den
Vorrang vor dem staatlichen Befehl haben soll. (Typischer Satz: „Den
Gedanken der Blutsgemeinschaft darf und muß der Katholik um seiner
Seligkeit willen durchbrechen");
e) man katholische Organisationen (insbesondere katholische Jugend-
ftreinigungen) zur erhöhten Aktivität auffordert.
B. aus der Werbung
Anzeigen- und Bezieherwerbung , werden neben der in der kon-
fessionellen Presse vorhandenen Eigenwerbung durch die Geistlichkeit,
kirchliche Vereine und Organisationen unter Hinweis auf die katholische
Einstellung der Zeitung vorgenommen. Ebenso finden sich in kirch-
lichen Zeitschriften Anzeigen, in denen die betreifende Tageszeitung
als katholisch bezeichnet wird,
C. aus der Anerkennung als deutscher katholischer Tagespresse
derart, daß
1. bestimmte Zeitungen in Aussprüchen des Papstes und der Bi-
schöfe als katholisch oder der katholischen Sache dienstbar bezeichnet
werden. (Beispiel: „Der Heilige Vater segnete besonders die vollzahlen-
den Bezieher der deutschen katholisch eingestellten Presse und damit
auch die- Leser der NN.Zeitung);
2. die katholisch eingestellten Zeitungen sich bei Übernahme von
Berichten gegenseitig als für die katholische Kirche bedeutsame Blätter
erwähnen;
3. bei besonderen Ereignissen, wie z. B. bei der Weltausstellung der
katholischen Presse 1936 auch die deutsche katholische Tagespresse be-
sonders lobend erwähnt und auf ihre Bedeutung hingewiesen wird.
D. Aus der Verbindung mit den gleichen katholischen Maternzen-
tralbüros und katholisch eingestellten Korrespondenzen.
Hierbei ist auf folgendes zu achten:
1. Austausch des Maternmaterials bei Zeitungen, die in getrennten
Verlagen (auch kapitalsmäßig getrennt) erscheinen,
2. Beilagen werden von den gleichen Stellen fertig bezogen,
a) alle interessierenden illustrierten Beilagen usw.,
b) konfessionelle Beilagen.
3. Der Roman wird gleichmäßig von verschiedenen katholisch ein-
gestellten Zeitungen durch die gleichen Korrespondenzen bezogen.
E. Aus konfessionellen Zeichen im Zeitungskopf, aus der Erwähnung
von Beilagen im Zeitungskopf z. B. St. Quirinusblatt.
F. Aus den Persönlichkeiten der Verleger (früher Angehörige der
Zentrumspartei?).
H. Aus der Verlegereigenschaft der Kirche, deren Organisation und
Funktionsträgern,
insbesondere aus der Verlegergemeinschaft natürlicher oder juri-
stischer Personen, die zwar kirchlich nicht beamtet sind, die jedoch
entweder
a) mit kirchlichen oder aus kirchlichen Organisationen herrührenden
Mitteln unterstützt und subventioniert werden;
b) oder bei denen die Handhabung (satzungsmäßig) besteht, daß
Überschüsse aus der Zeitung kirchlichen oder caritativen Zwecken zu-
gute kommen. (Auflösungsbestimmung bei juristischen Personen; oft
fällt das Vermögen der Zeitung im Auflösungsfalle an den Klerus.)
203
K. Aus der Einweisung von Freistücken oder verbilligten Zeitungs-
exemplaren durcli Geistliche oder kirchliche Organisationen und einen
teils konfessionell bestimmten, teils willkürlicli ausgewählten Leserkreis.
Heil Hitler!
Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger
(Herausgeber der deutschen Zeitungen) E.V.
der Stellvertreter des Leiters:
gez. Rienhardt.
Das große Sterben der- katholischen Tagespresse
Natürlich war diese Einschnürung und Belastung alsbald der
Tod der katholischen Presse auf wirtschaftlichem Gebiet. Ihr
Lebensnerv war ja gerade das „Katholische" gewesen. Fiel dieses
weg, so waren sie nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber der von
Seite des Staates und der Partei in jeder Weise propagandistisch
und finanziell geförderten NS-Presse (Inserat, Amtsnachrichten
usw.).
So verschwanden in Baden allein binnen kurzem 20 katholische
Tageszeitungen. So starben u. a. noch vor dem Kriege an katholischen
Tageszeitungen bekannten Namens:
„Fremonia" in Dortmund
„Münsterscher Anzeiger"
„Führer der Gegenwart" in Aachen
„Germania" in Berlin (1. Januar 1939)
das Schwester blatt „Märkische Volkszeitung" etwas später
„Deutsches Volksblatt" in Stuttgart
„Badischer Beobachter"
„Limburger Kurier"
„Trierischer Volksfreund"
„Reichspost" von Wien (1939)
„Linzer Volksblatt"
„Salzburger Zeitung"
„Salzburger Chronik"
Wer kann ermessen, wie viel Leid von Personen, von Ver-
legern und Schriftleitern, von Mitarbeitern, Druckereibesitzern und
-arbeitern, wie viel Gefängnis- und Konzentrationslagerhaft hinter
all diesem Zeitungssterben lag!
Zur Erwürgung der ehemals konfessionellen Tagespresse trug
dann noch eine erpresserisch eWerbu n g für die offiziellen
Naziblätter bei, besonders für den ,, Völkischen Beobachter". Nicht
nur jedem Geschäftsmann. Beamten und Lehrer drängte man ihn
auf mit dem Hinweis, daß man im Falle der Zurückweisung nicht
als „national und zuverlässig" gelten könne, sondern selbst bei den
Geistlichen versuchte man es aufdringlichst, holte sich dabei frei-
lich eine gründliche Abfuhr, wie nachstehende Anweisung des Erz-
bischöflichen Ordinariates München zeigt:
G V 8048 München, 23. Juli 1935
An die
Hochwürdigen katholischen Seelsorgestellen der Erzdiözese
Der Zentralverlag der NSDAP, München-Berlin, schickt zur Zeit an
die katholischen Pfarrämter eine rote Karte, mit welcher er unter Be-
204
rufung auf den Erlaß des Reichsministeriums des Innern vom 30. Okto-
ber 1933 Bericht über den Bezug des „Völkischen Beoboachters" bzw.
sofortige, Bestellung fordert.
Demgegenüber stellen wir fest:
„Was von geistlichen Ämtern als Pflichtorgan zu halten ist, bestimmt
nicht eine Reichsstelle, sondern die oberhirtliche Stelle. Das Reichs-
ministerium des Innern hat gegenüber keiner kirchlichen Oberbehörde
die Forderung erhoben, die katholischen Pfarrämter zum Bezug des
.Völkischen Beobachters' zu verpflichten. Das Erzbischöfliche Ordina-
riat empfiehlt darum, auf . die diesbezügliche Zuschrift des ,Zentral-
verlags der NSDAP' keine Antwort zu geben."
Buchwieser
Generalvikar
Der Feldzug gegen die katholischen Wochen-
blätter
Nach der „Entkonfessionalisierung" und Vernichtung der katho-
lischen Tageszeitungen kamen die katholischen Wochenblätter auf
das Schafott des Nationalsozialismus: Am 17. Februar 1936 wurde
das Henkerbeil auch für sie geschmiedet. Der Präsident der Reichs-
pressekammer verordnete da (in den Hauptpunkten):
Für Diözesanblätter, von einer Diözese herausgegeben und
nur in dieser Diözese vertrieben, gilt das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Veröffentlichung der kirchen-
amtlichen Bekanntmachungen, der Nachrichten aus dem kirchlichen
Leben, religiöser Erinnerungsartikel aus der, Geschichte der Kirche und
der Diözese, der Behandlung dogmatischer Fragen und Fragen der
kirchlichen Ethik, Betrachtungen und Darstellungen aus dem Leben der
Kirche und dem Leben der Heiligen, religiösen Betrachtungen, sonstigen
Betrachtungen, Legenden, der Pflege der Kirchenmusik und Kirchen-
kunst.
Die Aufnahme von Anzeigen, die das religiöse Leben und
das kirchliche Brauchtum betreifen oder nach ihrem Gegenstand sich
zulässigei'weise an die Leser als Angehörige der katholischen Konfessio-
nen wenden, ist gestattet.
Für Pfarreiblätter, die vom zuständigen Pfarrer herausgege-
ben werden, gilt das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Veröffentlichung des Gottesdienst-
anzeigers, der sonstigen p f a r r a mrt liehen Bekanntmachun-
gen, des Nachrichtendienstes über das ortskirchliche Leben (Ehever-
sprechen, Taufen, Todesfälle, Beerdigungen), kirchlicher Nachrichten
und Berichten aus der Icirchlichen Ortsgeschichte, kurzer Betrachtungen
über Ewigkeit, Psalmen und Evangelien, Heiligen- und Legenden-
geschichten.
Für Druclc Schriften, die von konfessionellen Organisa-
tionen oder Verbänden herausgegeben werden, gilt das folgende:
Sie • dienen ausschließlich der Erörterung^ der Angelegenheiten und
Aufgaben ihrer Organisationen. Die 'Aufnahme von Anzeigen,
die das religiöse Leben und das kirchliche Brauchtum betreffen oder
mit den Angelegenheiten und Angehörigen der Organisationen in un-
mittelbarer Verbindung stehen, ist gestattet.
Für Sonntagsblätter und Druckschriften gleicher Art gilt
das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Pflege allgemein-verständlichen reli-
giösen Denkens und Fühlens durch Behandlung religiöser und sittlicher
205
Fragen dergestalt;, daß jeder einzelne Teil des Inhalts seinen Ausgangs-
punkt vom Religiösen nimmt.
Zulässig ist die Veröffentlichung des Gottesdienstanzeigers sowie
von Nachrichten über das Icirchliche Leben,
Für die Aufnahme von Anzeigen gelten die gleichen Bestimmungen
wie für die Diözesanblätter.
Das schaute auf den ersten Blick noch gar nicht so gefährlich
aus, erwies sich aber doch als mannigfache Fessel, Schädigung und
Falle. Deutlicher wurde dies schon durch die „Erläuterung", welche
am 25. März 1936 mit Rundschreiben 8/1936 gegeben wurde. Sie
gab schon mehr „Nichterlaubtes" als „Erlaubtes" kund.
Textlicher Inhalt:
. a) Kurze Erzählungen religiösen Inhalts sind gestattet, Ro-
manenicht.
b) Buchbesprechungen sind zugelassen, wenn sie sich ent-
weder mit religiösen Werken befassen oder die Würdigung von
religiösen Gesichtspunkten aus unternehmen.
c) Filmbesprechungen sind durchweg nicht zugelassen,
doch können in Einzelfällen Filme vom grundsätzlichen religiösen und
kirchlichen Standpunkt aus besprochen werden,
d) Rätsel- und Scherzecken müssen wegfallen.
e) Die Bebilderung darf nicht aktuell politischer Natur sein,
also nicht das den Tageszeitungen vorbehaltene Gebiet abfassen, da-
gegen bestehen auch gegen nichtreligiöse Bilder und Zeichnungen, die
erläuternd oder sinnbildlich zum Inhalt und Zv^^eck der Zeitschriften in
Verbindung gebracht werden, keine Bedenken.
Schon drei Monate später kamen mit Rundschreiben Nr. 16 vom
27. Juni 1936 neue Einschränkungen, insbesondere die Bestimmungen:
Bei der Bebilderung muß jedes einzelne Bild dem reli-
giösen Charakter der Zeitung entsprechen und irgendwie für
sich allein oder in Verbindung mit dem Beitrag, den es erläutert oder
versinnbildlicht, der religiösen Aufklärung oder Erläuterung dienen.
Bilder aus dem Leserkreis können allgemein nicht zugelassen
werden.
Stellenanzeigen dürfen nur insoweit aufgenommen werden, als sie
sich zulässigerweise an die Leser als Angehörige der katholischen Kon-
fession wenden.
Farailienanzeigen sind nicht gestattet.
Keine Verwischung der einzelnen Pressetypen!
Am 17. März 1937 ward daran erinnert, daß „eine Verwischung
der Grenzen zwischen den einzelnen hier genannten Pressetypen"
(Bistumsblätter, Pfarre;blätter, Dekanatsblätter, Verbandblätter,
sonstige Blätter und Druckschriften allgemein katholischen Charak-
ters) als unzulässig angesehen wird. Jede Zeitschrift hiabe sich in
dem ihr durch' die Einteilung zugewiesenen inhaltlichen Rahmen
zu halten. Als Beispiel solcher unzulässiger Inhaltsgestaltung wird
unter anderem aufgeführt, „daß es sich bei vielen Sonntagsblättern
und anderen eingebürgert hat, bei Auseinandersetzungen in Sachen
des Glaubens neben den Bistumsblättern mit eigen. er Stel-
206
lungnahme oder mit Zitaten in Erscheinung zu treten. Da ea
sich hier um die Behandlung dogmatischer Fragen handelt,
ist das Bistumsblatt allein zuständig. Sonntagsblätter sollen —
wie schon der Name sagt — dem friedlichen Charakter
des Sonntags Rechnung tragen. Sie sollen ihn nicht mit Aus-
einandersetzungen anfüllen, sondern der Entspannung des Lesers
durch Pflege allgemein verständigen religiösen Denkens und Führ
lens dienen."
Dann wird in diesem Erlaß drohend an Weisungen vom
17. Februar 1936 erinnert, die da u. a. besagten:
„Der Staat wird immer von der gesamten, in seinem Gebiet er-
scheinemden Presse fordern müssen, daß sie die zu seiner EntwickUmg
notwendigen Maßnahmen in jeder ihr nur möglichen Weise unterstützt.
Er wird die entsprechenden Folgerungen ziehen, v/enn
er bei der Durchführung der als richtig erkannten Planungen auf offe-
nen oder versteckten Widerstand stößt."
„Zu meinem Bedauern muß Ich immer wieder feststellen, daß in
einzelnen Zeitschriften Beiträge enthalten sind, die in Inhalt, Form und
Aufmachung diesem Gesichtspunkt nicht entspreclien. Alan l.eijchränkt
sich nicht darauf, vereinzelte, vom Standpunkt des Dogmas als nötig
erachtete Vorbehalte in zurückhaltender Form zu machen, stellt sie % iel-
mehr heftig und über Gebühr heraus und kehrt dabei bewußtermaßen
das Gegensätzliche hervor. Die religiöse Würdigung derjenigen
staatlichen Maßnahmen und Ausfassungen, gegen die solche Vorbehalte
nicht erhoben werden, werden unterlassen. Die Herausstellung
des Gegensätzlichen wird dadurch nur verschärft, da bei Aus-
einandersetzungen mit religiösen Strömungen der Eindruck erweckt
wird, als wenn diese vom Staat und der Partei vertreten oder gefördert
würden. Durch die Auswahl der Themen, den systematischen Gebrauch
von Vergleichen, sei es lediglich im Ausdruck oder in der inhaltlichen
Gestaltung selbst, durch Offenlassen der verschiedenen Auslegungsmög-
lichkeiten erfolgt eine stimmungsmäßige Beeinflussung gegen Partei
und Staat."
„Beim Abdruck von Hirtenbriefen in Bistumsblättern
habe ich wiederholt den Eindruck gehabt, als ob der sie ver-
öfl'entlichende Schriftwalter oder Schriftleiter sich nicht immer
der völligen Tragweite seiner Handlungen bewußt ist. Der
Schriftwalter und Schriftleiter ist für den gesamten
Text der von ihm geleiteten Druckschrift verantwortlich,
gleichgültig wer hinter' der VeröflPpntlichung steht oder aus welchem
Grunde sie erfolgt."
Im Rundschreiben 9 vom 13. April 1937 ist bestimmt:
„Nach dem Erlaß vom 17.- Februar 1936 ist den katholisch-
kirchlichen Zeitschriften eine Beschäftigung mit politischen
Dingen nicht gestattet. Bei der gegenwärtigen Sachlage mviß die
Veröffentlichung von Gebeten, Artikeln usw. zur
Erhaltung d e f- konfessionellen Schule als Be-
fassung mit Gegenständen von politischer Be-
deutung angesehen werden. Dies gilt insbesondere auch
bei der Veröffentlichung von Mitteilungen, in denen kirchliche
207
stellen über die Ergebnisse der Listeneinzeichnung für die Kon-
fessionsschule berichten."
Fesseln für die Kunstkritik
Im Rundschreiben 1 vom 4. Januar 1938 heißt es:
„In Durchführung der Anordnung über das Verbot der Kunst-
kritik und der dazu vom Herrn Reichsminister für Volksauf klä-
rung und Propaganda erlassenen Bestimmungen wird hiemit darauf
aufmerksam gemacht, daß die Kunstkritik auch in der katholisch-
kirchlichen Presse uneingeschränkt untersagt ist. Ledig-
lich bei kirchenmusikalischen Veranstaltungen kann eine
Ausnahme gemacht werden."
Am. 7. Mai 1938 wird neuerdings klargestellt, daß „das Verbot
der Kunstkritik vom 26. November 1936 grundsätzlich auf jede
ausgesprochen kirchliche Kunst ausgedehnt wird, deren Be-
trachtung also nur den in die Liste der Kunstschriftleiter ein-
getragenen Schriftleitern an katholisch-kirchlichen Zeitschriften
gestattet ist."
Rundschreiben 17 vom 30. Juli 1936 ordnete an, daß der Ab-
druck von Entscheidungen der Erbgesundheitsberichte
und des Erbgesundheitsobergerichtes in Blättern, die der Fach-
schaft der katholisch-kirchlichen Presse angehören, untersagt ist.
F essein für d ie Buch b esp rech ung
Für die Bekanntgabe neu erschienenerguterkatho-
lischer Bücher und für ihr Eindringen in die breite Masse
des katholischen Volkes ist die Bestimmung des Rundschreibens 3
vom 18. März 1938 eine harte Fessel:
„Die Besprechung von Schriften und Büchern, die nicht ausschließ-
lich katholisch-kirchliche bzw. religiöse Gegenstände, Personen und
Themen behandeln, widerspricht dem Erlaß des Herrn Präsidenten der
Reichspressekammer vom 17. Februar' 1936. Dies gilt natürlich auch
für Bücher allgemeinen Inhalts, die von sogenannten katho-
lischen Verlagen herausgebracht werden. Solche Druckwerke — in
der letzten Zeit fanden sich in der katholischen Zeitschriftenpresse oft
Besprechungen z. B. von Bilderbüchern, Reiseführern, Nachschlage-
werken u. a. — dürfen nicht mehr zur Besprechung angenommen wer-
den. Desgleichen sind Hinweise auf weltliche Zeitschriften in der katho-
lisch-kirchlichen Presse unzulässig."
Keine „W underberichte"
Der 22. August 1938 brachte der „Münchener katholischen
Kirchenzeitung" eine neue Schranke, eine Anweisung des Reichs-
propagandaamtes München-Oberbayern, die natürlich auch für die
übrige kirchliche Presse galt:
„Immer wieder erscheinen Berichte über wunderbare Heilun-
gen bei kirchlichen Ereignissen und dergleichen. Soweit die Meldungen
auf Tatsachen beruhen, handelt es sich stets um natürliche Vor-
gänge (wie unfehlbar das Reichspropagandaamt dies zu entscheiden
208
weiß!) und bei ihrer Ausdeutung meist um einen Mißbrauch religiöser
Gefühle. Solche Vorgänge dürfen daher nur berichtet werden, wenn
ihre natürliche Entstehung gewürdigt und zum Ausdruck ge-
bracht wird, daß sie nicht notwendig an religiöse Handlungen geknüpft
sind. I. A. Dr. Werner."
Keine „Gottesurteilberichte"
Noch schärfer zog man die Fesseln gegen die Berichterstattung
über sogenannte „G ottesurteil e", insonderheit über auf-
fallende Unglücksfälle von Gotteslästerern, Januar 1938 wurde dem
Kommissariat der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof H. Wienken,
von dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin erklärt, „daß in
allenFällen, wosolcheM itteilungenüber-,G ottes-
urteil e' gebracht werden, sofort mit Beschlag-
nahme vorgegangen wir d." Ein gleiches teilte das Kirchen-
ministerium mit. Tatsächlich wurde gleichzeitig die Münchener
„Kleine katholische Kirchenzeitung", eine monatliche Neuausgabe
der „Münchener katholischen Kirchenzeitung", von der Gestapo
beschlagnahmt, weil sie folgende Notiz gebracht hatte:
„In der Fabrik des Herrn W, in J. (Bayern) handelte es. sich darum,
ob man am Josefstag, der dort kirchlicher Feiertag ist, arbeiten solle.
Einer der Arbeiter sagte bei der Aussprache darüber: ,Wer heute noch
in die Kirche geht, dem sollten Hände und Füße abfaulen!'
Am gleichen Tage kam sein 17 jähriger Sohn, der gleichfalls in der
Fabrik beschäftigt war, in die Presse und der linke Arm (Vorderarm)
wurde in wenigen Augenblicken zu einem vollständigen Brei auf 3 Mil-
limeter ausgequetscht.
Der Arm mußte im Krankenhaus D. amputiert werden. Wiederholt
besuchte der Vater seinen Sohn im Krankenhaus, und noch am Oster-
montag machte er den weiten Weg von J. nach D. zu Fuß. Plötzlich
stellten sich, beim Vater heftige Fußschmerzen ein. Beide Füße wurden
blau und schwarz. Der arme Mann mußte ebenfalls ins gleiche Kran-
kenhaus. Der rechte Fuß faulte ab und mußte amputiert werden. Jetzt
zählt der Heimgesuchte zu den fleißigsten Kirchenbesuchern."
Die Zwangsjacke des ,,Schriftleitergesetzes"
auch der kirchlichen Presse angelegt!
Eine neue schwere Fesselung der kirchlichen Presse bedeutete
es, daß die Bestimmungen für die katholisch-kirchliche Presse,
welche im Dezember 1933 zwischen dem Reichsminister für Volks-
aufklärung und Propaganda und dem Vorsitzenden der Fuldaer
Bischofskonferenz bezüglich der Nichtanwendung des Schriftleiter-
gesetzes vom 4. Oktober 1933 vereinbart worden waren, in der
zweiten Hälfte des Jahres 1937 praktisch außer Kraft gesetzt
wurden. Dieses Gesetz galt zwar dem Wortlaute nach nur für
Zeitungen und politische Zeitschriften. § 3, 3, besagte:
„Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda kann
bestimmen, welche Zeitschriften als politisch im Sinn dieses
Gesetzes anzusehen sind." Nunmehr legte er auch der kirchlichen
Presse immer mehr die Maßstäbe dieses Gesetzes an. Auch die
209
Bistumsblätter konnten nur noch von Personen redi-
giert werden, welche der Zulassung zum Schrift-
leiterberuf für „würdig" befunden worden waren.
Damit mußten nicht wenige Priester die Feder aus der Hand legen
oder konnten nur noch in untergeordneter Stellung mitarbeiten,
nur noch einem Laienschriftleiter Material sammeln, beratend zur
Seite stehen und in die Hand arbeiten — und liefen selbst da noch
Gefahr, für diese Mitarbeit zur Verantwortung gezogen zu werden
und ein Verbot der betreffenden Zeitschrift herbeizuführen, wie
dies beispielsweise für die „Münchener katholische Kirchenzeitung"
und ihren ehemaligen Schriftleiter Dr. Michael Hock der Fall war.
Ein Prozeß, der deswegen geführt werden mußte, endete zwar mit
vollem Freispruch von Dr. Hock, kam aber infolge Berufung des Staats-
anwaltes und Anforderung der Akten durch die Reichspressekammer
nie zum Abschluß. Aber das Verbot der „Münchener katholischen Kir-
chenzeitung" blieb bis zum endgültigen Prozeßentscheid, also bis zum
Ende der Naziherrschaft, aufrechterhalten und — Dr, Hock kam ins
Konzentrationslager. Deutsche Justiz und Pressefreiheit war nach Goeb-
bels' oftmaligen Äußerungen größer als irgendeine andere in der ganzen
Welt!
Der Präsident der Reichspressekammer, Amann, war ehrlicher,
wenn er in der „Deutschen Presse" Nr. 21 vom 23, Mai 1936 gerade
in bezug auf die kirchliche Presse von einer „sterilisierten Presse*'
sprach. Sie war durch all die Operationen der Reichspressekammer
Wirklichkeit geworden.
Hand in Hand mit dieser inhaltlichen und wirtschaftlichen
Drosselung ging auch jene des U m f a n g s : Mit Beginn des Jahres
1937 kamen die Verordnungen über Papiereinsparungen, die an-
fangs rund 10 Prozent des Ümfangs,^ später 33 Vs Prozent und immer
mehr betragen mußten, bis der Krieg der kirchlichen Presse als
erster die volle Einstellung brachte.
Fesseln für K alen der
Zu dem Schrifttum, das alljährlich in größten Mengen in die
breite Masse des Volkes drang, gehörten die Kalender. Grund ge-
nug . für den Nationalsozialismus, auch hier seinen Totalitäts-
anspruch geltend zu machen und Vorschriften positiver und nega-
tiver Art für die Herausgabe und den Inhalt von Kalendern zu
erlassen.
So schrieb Wilhelm Peters in „Adresse und Anzeige", Jahrgang 3,
Heft 1 vom 15. Februar 1938 unter dem Titel; „Kalender unserer Zeit"
als „Amtliche Richtlinien" für die Inhaltsgestaltung von Kalendern:
„Hiermit ist ein Punkt berührt, der gemeinhin bei der Gestaltung
des Gesamtinhaltes viel zu wenig berücksichtigt wird. Es kommt dar-
auf an," den Kalender in allen seinen Teilen nach heute
geltenden Prinzipien und Gesichtspunkten auszu-
richten. Das heißt nun nicht, daß er nur einem Thema dienen soll — ^
seine .Buntheit ist uns von jeher eine seiner wertvollsten Eigenarten ge-
•v^resen — , es heißt aber Sichtung und Wertung der aufzunehmenden Ar-
210
beiten nach Maßstäben, die in der nationalsozialistischen
Weltanschauung begründet sind. Nichts liegt uns ferner als die
Kalender gesamtinhaltlich zu politisieren. Wir wollen aber, daß
auch der nichtpolitische Teil so ausgerichtet ist, daß er nicht nur natio-
nalsozialistischer Wertung standhält, sondern darüber hinaus auch als
vorbildlich angesprochen werden Icann."
Noch deutlicher und schärfer wurde in der gleichen Zeitschrift
Heinz Haß, indem er schrieb:
„Die Forderung zeitnahen Kalenderschaffens ist
allerdings dort mißverstanden, wo man sie in der formellen Hinzu-
nahme einer Jahresschau oder eines Beitrages über die NSV erfüllt
sieht. Zu ariderem ist sie ebensowenig allein durch eine Vielzahl zeit-
politischer Themen gegeben. Von einem zeitnahen Volkskalender kann
man erst dann sprechen, wenn die Kalenderanlage im gan-
zen vom Geiste der nationalsozialistischen Welt-
anschauung und Gegenwart durchdrungen ist. Bisher
belegen erst wenige Kalender eine so gesehene und aufgefaßte Text-
gestaltung. Nicht selten werden in den politischen Beiträgen über-
zeugend vori^etragene Auffassungen durch den weltanschaulichen Ge-
halt der Erzählungen wieder aufgehoben. So etwa, wenn in einer ^uf
eine Würdigung des Arbeitsdienstes unmittelbar folgenden Erzählung das
Schicksal eines Gefangenen geschildert wird und diese Erzählung im
Grunde nichts anderes ist als eine Interpretation liberalistischer Rechts-
auffassung. Sehr auffällig wird schließlich dieser Mangel an der Sprache
der Beiträge. Nichts ist lästiger und peinlicher, als Beiträge über poli-
tische Gegenwartsfragen zu lesen, die in der Auffassung dieser Gegen-
wart und ihrem Ausdruck nicht über abgestandene patriotische Wen-
dungen hinauskommen. Solche Beiträge verlangen Verfas-
ser, die wahrhaftin unserer Zeit stehen und sie aus
innerem Erlebnis heraus darstellen können. Auf diese
Voraussetzungen hin sollten vor allem die Arbeiten überprüft werden,
die aus dem Leben der Gliederungen der Partei berichten.
Die Ausgestaltung der Kalender mit zeitpolitischen Beiträgen
wird nach den bisherigen Erfahrungen fast durchweg thematisch zu
eng gefaßt. Es ist daher eine Ausweitung der politischen Themen zum
eigenen Nutzen der Kalender dringend geboten. Als Themen soll-
ten neben den aktuellen Problemen des Aufbauwer-
kes des Führers die Grundfragen der nationalsozia-
listischen Weltanschauung stehen, Rassen- und
Völkskunde, Vor- und Frühgeschichte, die Wandlun-
gen des Re'chtsdenkens usw.
Die bisher gestreiften Maßstäbe und Forderungen zeitnaher Kalen-
dergestaltung lassen sich vorbehaltlos an jedem Kalender verwirlclichen,
am allgemeinen Unterhaltungs- wie am Heimatkalender. Auch für
,den religiösen Kalender gelten sie, dessen besonderes An-
liegen innerhalb der auf das Volk gerichteten Zielsetzung verbleibt."
Diese Knebelung der Kalender veranlaßte Bischof Konrad
Preysing von Berlin zu folgender Entschließung vom
13. April 1938: „Die Richtlinien für den pfiichtmäßigen Inhalt der
Kalender, die von den zuständigen Stellen in „Adresse und Anzeige"
Jahrgang 3, Heft 1/1938, veröffentlicht worden sind, veranlassen
mich, da sie für die Inhaltsgestaltung auch der bisher religiösen
Kalender Geltung beanspruchen, von derweiteren Heraus-
gabe des St. -Petrus-Kalenders für das Bistum
Berlin abzusehe n."
211
Umgekehrt glaubte der Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft, Darre, im „Deutschen Bauernkalender 1935",
herausgegeben von der Reichsbauernschaft,
das Muster eines total nationalsozialistischen
Kalenders
bieten zu müssen. Da war alles Christliche und erst recht alles
Katholische vollständig ausgemerzt. Selbst die höchsten Feste des
Herrn, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, waren darin ver-
schwunden. Der 6. Januar, der Tag der Hl. 3 Könige, ist zum
Tag der 3 A s e n geworden. Der 29. Februar als Tag von P e t r i
S t u h 1 f e i e r ist im Bauernkalender das Fest von Thors
Stuhl, Der Aschermittwoch ist der Tag von Wodans
Asche. Der Gründonnerstag, als der Gedenktag der Ein-
setzung des heiligsten Altarsakramentes, soll für den deutschen
Bauern nur mehr der Tag der „W eihe des Nachtlichtöles"
sein. Karfreitag, der Trauertag der ganzen Christenheit über
den Tod des „Menschensohnes" und göttlichen Erlösers, ist im NS-
Bauernkalendel" der Erinnerung an die 4500 Sachsen gewidmet,
die von Karl dem Großen („dem Schlächter") hingemordet wurden,
und „den 9 Millionen anderen Verfechtern des Rechts, Heroen
des Glaubens, Häretikern und Hexen, die gemordet, zu Tode ge-
quält und am Pfahl verbrannt wurden." Ostern, das Fest der
Auferstehung des Herrn, ist von Darre der heidnisch-germanischen
Frühlingsgöttin Ostara geweiht. Der Himmelfahrts-
tag ist der Tag der Rettung von Thors Hammer. Der H e i -
ligeAbendist der Tag der Geburt des LichtgottesBaldur.
Von allen Seiten ob dieser unerhörten Beleidigungen alles
christlichen und katholischen Fühlens angegriffen, suchte Darre in
einer Veröffentlichung vom 26. Februar 1935 alle Schuld auf die
„Herausgeber" abzuwälzen, die trotz der Titelbemerkung: „Heraus-
gegeben von der Reichsbauernschaft" und trotz Ein-
leitungsartikels aus der Hand Darres selbst und trotz seiner
eigenen Namenszeichnung doch nur „P r i v a t a r b e i t" ge-
leistet hatten!
Fesseln für Flugblätter und Kleinschriften
Schon am 29, Juni 1934 hatte der badische Innenminister die
Verbreitung von Flugblättern politischen und religiösen In-
halts verboten,
Anfang 1936 erließen dann Gestapostellen verschiedener Länder
Verbote gegen Gratisverteilung von Hirtenbriefen, apologetischen
Broschüren und religiösen Flugblättern in Kirchenvorräumen und
an Kirchentüren.
Am 22. April 1936 antwortete das Reichskirchenministerium
auf diesbezügliche Beschwerde des Erzbischöflicheri Ordinariats
München: „Nach diesem Erlaß kann, die Verbreitung von Flug-
212
blättern und Flugschriften mit Ausnahme der von staatlicher oder
parteianitlicher Seite herausgegebenen Flugschriften künftig nicht
mehr geduldet werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Inhalt polizeilich zu beanstanden ist oder nicht."
Wollte darum ein Pfarrer seinen eigenen Pfarrangehörigen
irgendeine seelsorgliche Mitteilung machen oder z, B. in jedes Haus
oder in jede katholische Familie eine Einladung zu einer Volks-
mission oder religiösen Woche oder Erstkommunionfeier senden, so
durfte er dies nicht mehr in Form eines Flugzettels tun, sondern
mußte jedes einzelne Schriftstück persönlich unterzeichnen, in ein
genau adressiertes Kuvert stecken und sorgfältig darauf achten,
daß das Seelsorgsschreiben „nicht einer Person oder Familie zu-
geleitet wurde, die entweder überhaupt nicht oder nicht mehr
katholisch war."
Fesseln für das ganze Schrifttum
Die gesamte Buchproduktion stand „im freien Deutschland"
unter strenger Kontrolle, insbesondere unter dem Gesichtspunkt
der „politischen und weltanschaulichen Richtung". Für die Heraus-
gabe neuer Werke waren zwei Prüfungsstellen zu passieren: „Die
ReichsstellezurFörderungdesdeutschenSchrift-
t u m s" und „die parteiamtliche Prüfungskommis-
sion zum Schutze desNS-Schrifttum s." Kam ein neu-
geplantes katholisches Buch glücklich durch die erste Sperre, konnte
es immer noch an der zweiten aufgehalten werden. Die zwei
Prüfungsstellen hatten praktisch nur drei Entscheide: „Positiv",
„Mit Einschränkung", „Negativ".
„Mit Einschränkung" wurden beispielsweise einzelne „Papst-
rundschreiben", dann die Werke des hl. Thomas, des hl. Augustin
zensiert.
„Negativ" wurde verbeschieden: Alois Dempf : „Meister Ecke-
hardt", Hermann Muckermann: „Grundriß der Rassenkunde",
Alfons Erb: „Thomas Morus und Johann Fischer", Jakob Kneip:
„Das Reich Christi".
„Positiv" wurden dagegen gewertet Werke wie: Jam: „Die katho-
lische Kirche, eine Gefahr für den Staat" (1936); Rose: „Rom mordet,
mordet Seelen, Menschen, Völker" (zuerst als „gefährlich und nicht
wünschenswert" beurteilt, dann freigegeben ohne Einschränkung);
Gottschling: „Zwei Jahre hinter Klostermauern" erhielt 1935 sogar den
Preis der Universität Jena für Kunst und Literatur.
Von der „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums"
aber erhielt dies Buch günstigste Beurteilung und Empfehlung, die so-
fort der Propaganda zur Verfügung stand, wie nachfolgendes Reklame-
blatt des Verlages A. F. Koehler-Leipzig zeigt:
Neuerscheinung Februar 1935:
Dr. Erich Gottschling
Zwei Jahre hinter Klostermauern
Aufzeichnungen eines Dominikaners
Über diese hiermit erstmalig angelcündigte Neuerscheinung hat d i e
Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrift-
tums, Berlin, am 2 0. November 1934 folgendes Gut-
achten abgegeben:
213
„Der Mönch hat eine eigentümliche Psyche. Das konnte ich in den
zwei Jahren meines Klosterlebens reichlich erfahren. Um es lange Zeit
oder gar lebenslang unter so gearteten Menschen aushalten zu Icönnen,
muß jemand entweder schon eine ebensolche von der Norm abweichende
psychische Struictur besitzen, oder er muß eine solche im Kloster durch
die .Umformung' erwerben. Ein so Umgeformter ist dann aber für das
normale bürgerliche Leben unbrauchbar geworden."
Hier gibt einer, der zwei Jahre lang Mönch gewesen ist, eine durch
ihre Sachlichlceit erschütternde Darstellung vom Aufbau und Er-
ziehungssystem des Dominilcanerordens; der Dominikanerorden ist, wie
eine Reihe von anderen Orden, exemt, d. h. er untersteht keinem Bischof,
sondern unmittelbar dem Papst selbst.
Gottschling begnügt sich als Quelle nicht mit der allgemein gehalte-
nen offiziellen Literatur über das Ordenswesen, sondern er stützt sich
fast ausschließlich auf eigene im geheimen unmittelbar gemachte Auf-
zeichnungen und auf die Einblicke, die er verschiedentlich in die Ge-
heimsatzungen des Ordens tun konnte. Die Sprache ist frei von jeder
Sensationshascherei; sie überzeugt durch ihre Verbindung von beschei-
dener Vornehmheit und schonungsloser Wahrhaftigkeit.
Das Werk ist eine unersetzliche, aus unendlich vielen Einzelheiten
und dem Außenstehenden niemals erkennbaren Kleinigkeiten aufgebaute
Dokumentensammlung für die Tatsache, daß durch die' Ordens-
erziehung systematisch das Selbstbewußtsein und
das Ehrgefühl des Menschen zerbrochen wird, um ihn
zum willenlosen Werkzeug in der Hand der Ordens-
gebieterzumachen.
Es ist fast unnötig, festzustellen, daß dieser Frevel am Menschen-
tum nichts mit dem katholischen Glauben zu tun hat, der in diesem
Buche in keiner Weise angetastet wird. Im Gegenteil, jeder aufrechte
deutsche Katholik wird diese reinliche Scheidung des katholi-
schen Gedankengutes von solchen Verirrungen ge-
rade im Hinblick auf ein gesundes Verhältnis von
Nationalsozialismus und Katholizismus dankbarst
begrüßen."
Unterschrift des Referenten der Reichsstelle
Kirchliche Fragen stehen augenblicklich im Mittelpunkt der Er-
örterung. Für den Buchkäufer ist es schwer, auf den ersten Blick wert-
volles, neues Material zu erkennen. Wir freuen uns daher, schon bei der
ersten Ankündig ungdes Buches das Urteil, das die maß-
gebende Jleichsstelle abgegeben hat, veröffentlichen zu können.
Groß Oktav, 196 Seiten. In Ganzleinen 4.50 RM.
K. F. Koehler / Verlag / Leipzig.
„Steckbrief" gegen katholische Literatur
In der „streng vertraulichen" Anweisung der bayerischen
politischen Polizei vom 23. April 1935 an alle Polizeiämter, Staats-
polizeistellen usw. hieß es:
„Der katholischen Literatur muß spezielle Aufmerksamkeit
gewidmet werden. Die Bücherstände an den Pilgerorten, an den
Kirchenportaien, auf Eisenbahnstationen wie überhaupt katholische
Buchhandlungen und Verlage sind ständig und gründlich
zu überwachen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf neue Ver-
öffentlichungen katholischer Volks- und Flugschriften zu legen.
Dies bezieht sich besonders auf folgende Büchereien:
2H
.Katholische Flug'blätter über Tagesfragen*, herausgegeben von
der Saarbrückener Druckerei- und Verlags-AG., Saarbrücken;
,Klare Begriffe', herausgegeben von Dr. Heinrich Krone, Berlin,
Wilhelmshaven; ,Die Kirche in unserer Zeit', herausgegeben von
J. P. B a c h e m G. m. b. H., Köln; ,Zur Verteidigung des Glaubens',
herausgegeben von A. H u b e r, München. Alle staatsfeindlichen
Veröffentlichungen sind zu beschlagnahmen."
Kolportageverbot für konfessionelle Druck-
schriften
Auch die Haus- und Wohnungstüre sollte dem konfessionellen
Buch versperrt werden.
Zunächst bezeichnete ein Runderlaß des Reichskirchenmini-
steriums den Vertrieb christlichen Schrifttums durch Reisende und
ambulante Händler als u n e r w ü n s c h t. Am 18. September 1935
aber verfügte ein Erlaß der Gestapo, daß der gewerbsmäßige Ver-
trieb unbeanstandeter (!) konfessioneller Druckschriften aller Art,
wie von Legendenbüchern, Kalendern usw., sowie das Aufsuchen
von Bestellungen hiefür von Haus zu Haus restlas und mit
allen Mitteln zu unterbinden sei. Die Beschwerden von
kirchlicher und buchhändlerischer Seite gegen diese Fesselung der
konfessionellen Presse hatten nur den einen Erfolg, daß die
„Hl. S c h r i f t" kolportiert werden durfte.
Im nachfolgenden einige Dokumente für diese Ausnahme-
behandlung des religiösen Schrifttums:
Erlaß der bayerischen Politischen Polizei vom 8. September 1935
Der gewerbsmäßige Vertrieb unbeanstandeter konfessio-
neller Druckschriften aller Art wie von Legendenbüchern, Kalen-
dern sowie das Aufsuchen von Bestellungen hiefür von Haus zu Haus
ist restlos und mit allen Mitteln zu unterbinden.
München, 29. Februar 1936.
An den Bernreuther-Verlag und Kunsthandlung in München, Goethe-
straße 64.
Auf Grund § 1 der VV des Reichspräsidenten zum Schutze von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. 1933 I, S. 83) ist der Ver-
trieb religiöser Druckschriften, Bilder und Bildwerke (z. B, Figuren,
Kreuze usw.) von Haus zu Haus oder durch Aufsuchen von Bestellun-
gen mit sofortiger Wirksamkeit verboten. Zuwiderhandlungen werden
nach § 4 a. a. O. mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Geld-
strafen von RM. 150.— bis zu RM. 15 000 bestraft.
I.A. Mayr.
Betreff: Vertrieb religiöser Druckschriften, Bilder und Bildwerke.
Dienststelle 512
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer
III/2 9304 Berlin W 8, 23. April 1936
An den Verlag der Ars Sacra, München
Betreif: Ihr Schreiben vom 9. April 1936.
Die ^Maßnahmen der Polizeidirektion München gehen auf einen
Runderlaß des Herrn Reichsministers für (!) die kirchlichen Angelegen-
215
heiten zurück, in dem der Vertrieb cliristlichen Schrifttums durch Rei-
sende und ambulante Händler als unerwünscht bezeichnet wird. Ich
kann Ihnen deshalb lediglich empfehlen, Ihre Verbindungen mit den
Buchhandelsfirmen zum Absatz Ihrer Werke energisch auszubauen.
Der Vertrieb durch Einzelhandelsfirmen, die in die „Stammrolle ge-
nehmigter Buchverkaufsstellen" eingetragen sind, ist durch den Rund-
erlaß nicht eingeschränkt.
Polizeipräsidium München, Dienststelle 519 2. Februar 19'37
Nebenstelle 541
An Verlag Peiffer, München
Vertrieb von religiösen Schriften.
Das Gesuch vom 4. Januar 1937 um Genehmigung zum Reisevertrieb-
von religiösen Druckschriften wurde abgelehnt. Ausgenommen ist nur
die Werbung von Beziehern für bestehende Zeitungen und Zeitschriften,
soweit die Bezieherwerber den vorgeschriebenen Werbeausweis der
Reichspressekammer besitzen.
I.A. gez. Mayr.
„Sterilisation" der kirchlichen: Volks-
bibliotheken
Auch den Büchern der vom bayerischen katholischen Presse-
verein (St.-Michaels-Bund zur Pflege des katholischen Schrifttums
in Bayern e. V.) und vom Borromäusverein gegründeten und sehr
geschätzten Volksbibliotheken sollte das Eindringen in die breiten
Volksmassen unterbunden werden. Sie durften sich überhaupt nicht
mehr „K a t h. V o 1 k s b i b 1 i o t h e k" oder „Volksbücherei"
heißen, sondern nur noch Pf a r r b ib li o th e k; sie sollten* so
schon als etwas „Einstiges", „Konfessionelles", „Frommes" ab-
gestempelt werden. Für das „Volk" durfte ja nur noch der
Nationalsozialismus etwas haben und tun. Und was die neuen
Herren an Büchern nicht hatten, das nahmen sie eben den andern.
Weil die Pfarrbibliotheken doch nur noch Erbauliches, Religiöses
haben sollten, mußten sie alle Bücher- erzählenden Inhalts und all-
gemein belletristischer Art, etwa die Hälfte ihrer Bücherbestände,
an die neu zu gründende gemeindliche „Volksbibliothek", auch an
. Kz.-Büchereien u. ä., abtreten.
B. Die Fesseln werden angelegt.
Mit all diesen Verordnungen und Erklärungen waren genug
Fesseln bereitgestellt und überall ein engmaschiges Netz gezogen.
Da war es nicht mehr schwer, „staatsfeindliche Verbrecher" schrift-
stellerischen Charakters zu fangen und festzuhalten.
Nur einige Beispiele:
Eine Nummer der „Münchener katholischen Kirchenzeitung" wurde
beschlagnahmt, weil sie einen Artikel über den ersten Bischof von
Münster mit den Worten (aus dem Gedächtnis zitiert) eingeleitet hatte:
„Auch der erste Bischof von Münster war schon ein mutiger Kämpfer."
Das war schon ein unzulässiger Hinweis auf den gegenwärtigen mutigen
Inhaber des Bischofsstuhles von Münster, H, A. Galen, der den Dikta-
toren des Dritten Reiches manch entschiedenes Wort sagte.
216
Die „Kleine Münchener Kirchenzeitung" vom März 1937 mußte
einen Artikel tilgen, in welchem berichtet war, wie General von Ziethen
einstmals eine Verspottung des christlichen Glaubens durch den' „Alten
Fritz" entrüstet zurückwies.
Am 24. August 1938 erhielt die Schriftleitung nachfolgendes Schrei-
ben des „Reichsministers für Volksauf klärung und Propaganda": „In
Nr. 27' Ihrer Kirchenzeitung geben mehrere Notizen Anlaß zu scharfer
Beanstandung.
Auf Seite 420 heißt es in dem Artikel „Zeit und Ewigkeit" folgen-
dermaßen:
„Alle Rassen finden sich hier zusammen. Ging da nicht gerade ein
gelber Bischof vorüber? Ein • schwarzer Priester kommt gerade aus dem
Petersdom und ein deutscher Kardinal unterhält sich mit einem fran-
zösischen Prälaten."
Der Roman „Priester der Verbannten" enthält auf Seite 423 folgende
Sätze:
„ . . . der Berufene darf nicht zurückschauen,, nicht nach der Scholle,
auf der er geboren war, nicht nach den Menschen, mit denen er ver-
bunden ist durch den Strom des Blutes; denn wer die Hand an den~
Pflug legt und zurückschaut, ist nicht tauglich für das Gottesreich.
Aber irgendwo, vielleicht auf einer fernen Insel, sind Menschen, die
ihre wunden Hände nach der Liebe ausstrecken, die mit zerrissenen
Lippen nach Hilfe rufen, die mit den toten Augen des Elends nach
einem Heiland ausschauen, der sich niederbeugt zu ihrer Not und ihre
Last auf die eigenen Schultern wirft."
In der Buchbesprechung auf Seite. 425 heißt es u. a.r
„. . . denn sie wußten, daß der Soldat in dem Maße seine nationale
Pflicht erfüllt, als er Christ ist."
Die angeführten Sätze sind geeignet, das Rasse- und Nationalgefühl
des deutschen Volkes zu untergraben, während sie andererseits dem
nichtchristlichen, gottgläubigen Soldaten die Fähigkeit der Pflichterfül-
lung absprechen.
Ich erteile Ihnen daher einen scharfen Verweis und weise Sie mit
Nachdruck auf die Folgen weiterer Beanstandungen hin.
Im Auftrag
gez. Dürr."
Treibjagdim,, Anzeigenfeld"
Wie kleinlich die Vorschriften über die Anzeigen bei
Kirchenzeitungen angewendet werden, zeigt nachfolgendes Schrei-
ben des „Präsidenten der Reichspressekammer, Berlin" vom
16. Juni 1937 an den Verlag der „Münchener katholischen Kirchen-
zeitung":
Betrifft: Anzeigen-Beanstandung.
Im Rundschreiben 7/1937 der Fachschaft der katholisch-kirchlichen
Presse wurde in Punkt 2 in meinem Auftrag darauf hingewiesen, daß
bei allen Verstößen gegen meinen Erlaß vom 17. Februar 1936 ohne
vorherige Verwarnung gegen den schuldigen Verlag eine Ordnungsstrafe
von mir verhängt wird.
Ich habe den Anzeigenteil Ihrer Zeitschrift „Münchener Katho-
lische Kirchenzeitung" von Nr. 18 ab (2. Mai 1937) geprüft und dabei
folgendes festgestellt: '
In Nr. 18 sind unzulässig die Kleinanzeigen Nr. 1492, 1502, 1500,
1493, Scheifel, 1506, Arcisstraße 5, 1499, 1497, 1482. (Diese Wohnungs-
217
gesuche und -angebote haben einen rein wirtschaftlichen Hinter-
grund, sie entbehren ihrer Natur nach des konfessionellen Charalcters,
auch wenn dieser durch Zusätze in sie hineingelegt wird), Stellen-
gesuche: Telefon 22 995, Nr. 1505, Anzeige: Betzl (moderne Damen-
schirme usw.).
In, Nr. 19 beanstande ich die Kleinanzeigen Hiltenspergerstraße 17/1
Nr. 1513, 1509, 1512, Hieber, Fentsch, 1507, 1511, Koller.
Nr. 20 bringt folgende unstatthafte Anzeigen: Nr. 1528, 1516, 1509,
1534, 1523, 1524, 1531, Herrnstraße 22/2 r., Hochhäusl, Waldtrudering,
Florastraße, 1529, 1525, Breisacher Straße 3/2 r., Nr. 1533, Klenzestr.
Nr. 95/2 1., Emma Schweiger, Volkartstraße 71/4, Daxenberger, Drei-
mühlenstraße 18, Stellenanzeigen: Nr. 1515, Kugler, Foto-Geschäft, An-
zeige: Joh. Betzl Ww.
In Nr. 21 sind unzulässig die Anzeigen Keßler, Herzog-Rudolf-
Straße 51, Nr. 1525, M. K. postlagernd Altötting, teilweise F. Reitsamer
& Sohn, Drahtgeflechte und Einfriedungen.
In Nr. 22 sind zu beanstanden die Kleinanzeigen Nr. 1547, 1551,
Andrä, 1546, 1558, Stellengesuche: 1548, 1561, 1554, Joh. Betzl Ww.
Folgende Anzeigen der Nr. 23 sind unstatthaft: Kleinanzeigen Nr.
1589, 1574, 1565 sowie die Anzeigen U, B. Fridrich, München, Sendlinger
Straße 14, Alban Scharner, München, Dienerstraße 11, Jakob Janich,
Reichenbachstraße 12, teilweise Rid & Sohn (im Sonderrundschreiben
der Fachschaft an die Verlage vom 26, Mai 1937 heißt es, daß Firmungs-
anzeigen, in denen Güter des allgemeinen Lebensbereiches entweder
allein oder zusammen mit religiösen Gegenständen angeboten werden,
unstatthaft sind).
Mit Rücksicht auf die große Zahl der beanstandeten Anzeigen setze
ich hiermit gegen den Verlag eine
Ordnungsstrafevon 5 0. — R M
bez. P.Sch. 21. Juni 1937
fest. Der Betrag ist binnen acht Tagen auf das Postscheckkonto der
Reichspressekammer Berlin Nr. 5861 unter dem Aktenzeichen A 4b zu
überweisen.
Ich ersuche, künftig genauestens darauf zu achten, daß in Ihrer
Zeitschrift keine unzulässigen Anzeigen veröffentlicht werden.
Im Auftrage:
gez. Unterschrift"
Ähnlich kleinlich wurde bezüglich des U m f a n g s der „Mün-
chener katholischen Kirchenzeitung" verfahren. Die Beilage eines
längst gedruckten, mit vielen Abkürzungen arbeitenden „Kirchea-
anzeigers" brachte am 22. August 1938 eine besondere Rüge.
Erst recht leicht und oft fand natürlich der Inhalt Beanstan-
dung, wenn er die geringste Kritik an nationalsozialistischen
„Größen" oder eine Abwehr ihrer Angriffe brachte.
Der Verlag „Katholisches Kirchenblatt des Bistums Berlin" erhielt
von der Staatspolizeistelle Berlin am 7. April 1935 nachfolgendes
Schreiben:
„Die Nr. 14 vom 7. April 1935 des Katholischen Kirchenblattes für
das Bistum Berlin wird wegen des auf Seite 13 erschienenen Artikels
„Der Reichs] ugendführer über die katholischen Jugendverbände" gemäß
§ 7 der Verordnung vom 4. Februar 1933 beschlagnahmt."
Wie das Bischöfliche Ordinariat Berlin in einem Rundschreiben an
den Reichsinnenminister unter dem 11. April 1935 darlegte, gab der an-
218
gezogene Artikel zunächst einen Teil der über alle deutschen
Sender gegangenen Rede des Reichs Jugendführers Baidur von
Schirach wieder. Wörtliche Zitate wiesen dann auf einschlägige Be-
stimmungen des Konkordates hin, aus denen die selbstverständliche
Folgerung für die Rechte und Pflichten der hohen Vertragspartner ge-
zogen wird. In schneidendster! Form wurde dann das Urteil über die ,
ungeheuerlichen Anwürfe des Reichsjugendführers dem Leser anheim-
gestellt und zum Schluß die Tatsache einer Beschwerde des Bischofs an
den Führer und Reichskanzler bekanntgegeben. „Der in seiner Gesamt-
haltung und in jedem einzelnen Satz durch stärkste Zurück-
haltung und strengste Sachlichkeit sich auszeichnende Ar-
tikel hatte den Zweck, in erzwungener Abwehr zu der Rede des
Reichsführers im Sinne des Bischöflichen Ordinariates grundsätzlich
Stellung zu nehmen und dadurch aufklärend und beruhigend auf das in
seinem religiösen Empfinden und in seiner Ehre aufs tiefste verletzte
und erregte treukatholische Volk einzuwirken."
Wir betonen dies, um das für den kirchentreuen K&tholiken gerade-
zu Unfaßbare der Beschlagnahme des Katholischen Kirchenblattes
wegen der gesetzlich unantastbaren, nach Inhalt und Form auf das
Mindestmaß beschränkten Notwehr zu kennzeichnen, die weit hinter
der an sich berechtigten und vom Volk erwarteten Abwehr zurück-
bleibt. Wenn die Beschlagnahme aufrechterhalten und der Grund der-
selben dem katholischen Volk bekannt wird, ist eine zur Verbitterung
sich steigernde Entrüstung zu erwarten aus dem allzu berechtigten
Empfinden, daß katholische Kirche und katholisches
Volk bezüglich des Schutzes seiner heiligsten Güter
unter Ausnahmerech tstehe n."
Beschlagnahmen und Verbote:
All die Beschlagnahmen katholischer Bistums-
blätter, Pfarrblätter und Zeitschriften aufzuzählen
würde zu weit führen.
Auch hierfür bloß ein paar Beispiele:
4. Mai 1934: Das Pfarrblatt von Aibling (Oberbayern)
Ende Juli 1934: Das Bonifatiusblatt Nr. 4
Ende des Jahres 1934: Das St. Konradblatt von Freiburg
20. Januar 1935: Das St. Konradblatt von Freiburg
8. März 1935: Das Pfarrblatt von Essen Nr. 10
21. März 1935: Das Pfarrbiatt von Essen Nr. 12
21. April 1935: Das Paulinusblatt von Trier Nr. 17
4. Mai 1935: Die Münchener Katholische Kirchenzeitung
10. Mai 1935: Die Münchener kleine Kirchenzeitung
28. Mai 1935: Leo Nr. 9
21. Januar 1935: Der Johannesbote von Schneidemühl Nr. 26
24. Januar 1935: Der Dortmunder Kirchenanzeiger
14. Juli 1935: Die Münchener Katholische Kirchenzeitung Nr. 28 ,
21. Juli 1935: Die katholische Kirchenzeitung von Ermland (bereits
das sechstemal!)
1. März 1936: Die kleine katholische Kirchenzeitung Münchens
20. März 1936: Die Kölner katholische Kirchenzeitung
Auch die Vatikanische Zeitung „L'Osservatore Romano"
blieb nicht verschont von den NS-Gewalttaten. In steigendem Mai3e
wurden Nummern, die irgendwie etwas für Deutschland Unan-
219
genehmes enthielten, beschlagnahmt bzw. im Auftrag der Gestapo
von der Post zurückbehalten und vernichtet.
Die „Ketteier Wacht" (die frühere „Westdeutsche Zei-
tung"), das Organ der katholischen Arbeitervereine Westdeutsch-
lands, mit ca. 150 000 Auflage, wurde im Frühjahr 1936 verboten.
Wie schon erwähnt, wurde auch die vom Katholischen Jung-
männerverband herausgegebene „Junge Front" mit mehreren
hunderttausenden Auflage verboten, noch vor Ablauf eines Jahres
auch ihr Nachfolger: „M i c h a e 1".
Die „W eltmission derkatholischen Kirch e", Aus-
gabe Aachen, mit rund 300 000 Exemplaren, herausgegeben vom
„Päpstlichen Werk der Glaubensverbreitung", wurde im • August
1937 verboten, „weil sie mit ihrer Verherrlichung fremder Rassen
eine Gefahr für die Rassentheorie, die Basis des national-
sozialistischen Staates, sei."
Das „K 1 e r u s b 1 a 1 1" der katholischen Priestervereine Bayerns
durfte für lange Zeit nicht mehr erscheinen, weil seine Darstellung
kirchlicher Verhältnisse in Rußland im Gegensatz zu dem stünde,
was von d,er deutschen Presse über Rußland ver-
öffentlicht werde und eine kommunistische Propaganda sei. In
Wirklichkeit hatte aber der Artikel das Wiederaufleben des reli-
giösen Lebens in Rußland und seine Triumphe über die Verbote
und Widerstände des Staates und der Parteiorganisationen be-
schrieben.
Die „Stimmen der Zei t", ebenso alt wie wissenschaft-
lich gediegen und in der ganzen Welt geschätzt, wurden verboten,
weil einer ihrer früheren Mitarbeiter, der gottbegnadete Schrift-
steller P. L i p p e r t, sechs Jahre vor seinem Tode in einem Briefe
eine abträgliche Äußerung über den Nationalsozialismus gemacht
hätte. •
Über die Erwürgung der Zeitschrift hinaus wurde auch noch das
ganze Haus der Schriftleitung in München mitsamt der wertvollen
Bibliothek innerhalb zwei Stunden weggenommen. Die Patres
durften nur ihre persönlichen Sachen mitnehmen.
Mit der Auflösung der katholischen Jugendvereine wurden alle
ihre Zeitschriften verboten, so die „ J u n g w a c h t", „D e r
Kran z", „Die Knosp e", „M y r t e".
Ebenso verfielen der polizeilichen Einstellung „M o n i k a", die
Zeitschrift der katholischen Müttervereine, die bereits 71 Jahrgänge
hatte; freilich forderte sie ein ganz anderes Ehe- und Mutterideal
als der Nationalsozialismus.
Auch der in ganz Bayern so beliebte „A 1 1 ö 1 1 i n g e r L i e b -
frauenbote" mußte die nationalsozialistische Rache über sich
ergehen lassen: Sein langjähriger, schreibgewandter, edler Schrift-
leiter, Msgr. Karl Vogl, der ebenso volkstümlich wie entschieden
220
die Irrtümer des NS oft dargelegt hfttte, wurde abgesetzt, später
sogar eine Zeitlang des Landes verwiesen.
Beispiele von Verboten katholischer Kalender sind: Katho-
lischer Elternkalender (herausgegeben von der katholischen Eltern-
vereinigung), Katholischer Familienkalender (herausgegeben vom
Verband süddeutscher katholischer Arbeiter- und Arbeiterinnen-
vereine), Franziskuskalender, Marienkalender.
Selbst Kirchenführer beschlagnahmt!
Eine ebenso große Härte wie Unbegreiflichkeit war die Be-
schlagnahme fast der Hälfte aller Kirchenführer, wie sie der
Münchener „Dreifaltigkeitsverlag" von Dr. Schnell und
Dr. Steiner für zahlreiche, künstlerisch besonders wertvolle Kirchen
herausgegeben hatte. Als Vorwand für das Verbot wurde genommen,
daß einzelne Hefte auf der Titelseite einfach den Namen oder das
Bild des Ortes trugen und damit den Anschein erweckten, als ob
sie eine Geschichte und Beschreibung des ganzen Ortes brächten,
während sie tatsächlich doch nur dessen Kirchen erläuterten.
Der Titel müßte also heißen „Die Kirche von . . ."
Um die fadenscheinige Begründung und den ganzen Umfang
des Verbotes erkennen zu lassen, sei der Beschlagnahmebeschluß
wiedergegeben.
Geheime Staatspolizei
Staatspolizeileitstelle München München, 15. November 1937
B.Nr. 66768/37 II P Be.
I. Beschluß
Auf Grund § 7 der VO des Reichspräsidenten zum Schutze des
Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 in Verbindung mit Artikel 102
des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung vom 18. 8. 79 werden
die im Dreifaltigkeitsverlag in München, Von-der-Pfordten-Straße, in
Broschürenform erschienenen „Kirchenführer", sofern diese nach deut-
schen Städten bzw. Orten benannt sind, beschlagnahmt und eingezogen.
Der Beschlagnahme unterliegen insbesondere die nachfolgenden bis
heute erschienenen Schriften mit Aufdruck:
Altenstadt, Aschaifenburg, Bad Charlottenbrunn, Bad Tölz, Bad Wiessee,
Bayrischzell, Bergrheinfeld, Blaubeuren, Buchau am Federsee, Burg-
hausen a. d. S., Cham in der Oberpfalz, Deggendorf, Dischingen a. d.
Egau, Egern am Tegernsee, Freilassing, Freudenstadt, Fürstenfeldbruck,
Füssen im AUgäu, Ebersberg, Fischbachau, Gauting vor München, Ge-
rolzhofen, Gmünd am Tegernsee, Gößweinstein, Schloß Hohenaschau,
Hohenfurch, Inchenhofen, Indersdorf, Ising am Chiemsee, Kirchweidach,
Köln-Hohenlind, Königshofen, Konnersreuth, Lenggries/Isarwinkel, Lig-
gersdorf/Hohenzollern, Margarethenberg, Marquartstein, Memmingen,
Meßkirch/Baden, Niederaschau, Nußdorf am Inn, Obergünzburg, Ober-
marchtal, Ottobeuren, Pfaffenhofen an der Um, Puch bei Fürstenfeld-
bruck, Reichenau-Mittelzell, Rosenheim, Rot an der Rot, Säckingen
am Rhein, Sandizell, Schussenried, Sigmaringen, Der Staflelberg, Stein-
gaden, Steinhausen, Starnberg am See, Stockach, Tegernsee, Teisendorf
vor dem Untersberg, Tiefenbronn, Tuntenhausen, Vilsbiburg, Volkach
am Main, Waldsassen, Weissenau/Württemberg, Ziemetshausen.
221
Gründe:
Die Benennung der „Kirchenführer" nach deutschen Städten und
Orten und der " Aufdruck der Städte- und Landschaftsbilder auf der
Titelseite läßt den Charakter der Schrift in keiner Weise erkennen und
gibt zu Irreführungen Anlaß. Insbesondere wurde durch diese Tarnung
das Publikum zum Kauf der Schriften angereizt, die es bei Kenntnis des
Inhalts zweifellos nicht erworben hätte. Da die „Kirchenführer" in
dieser Form insbesondere mit den Werbeschriften des Fremdenverkehrs
verwechselt wurden und das unlautere Angebot den berechtigten Un-
willen der Bewerber erregte, war die Beschlagnahme anzuordnen.
II. An den Dreifaltigkeitsverläg Dr. Steiner (Einschreiben)
München, Von-der-Pfordten-Straße 15
I.V.
gez. Beck
Bemerkung: Es hat wohl seinen besonderen Grund, warum die
Strafmaßnahme speziell Dr. Steiner zugestellt wurde. Als ehemaliger
Geschäftsführer der von Dr. Gerlich herausgegebenen Wochenzeitung
„Der gerade Weg" sollte er eben am meisten getroffen werden.
Als Beispiel des „Massenmordes" am katholischen Klein-
schrifttum und seiner fadenscheinigen Begründung eine kleine
Zusammenstellung:
Beschlagnahme von Schriften und ihre Begründung
I.Aus der Sammlung: „Dem Glauben zur Wehr!"
Nr. 7 „Braucht die Kirche einen Papst?" Das Heft darf
nur dann verkauft werden, wenn auf S. 13 die Bemerkung
„um das Jahr 300" (betr. Zölibat) geändert wird in „Jahr 970".
Nr. 8 „War Petrus in Rom?" — Ausführungen S. 9 (Schlechte
Päpste) und S. 13 und 14 (Trennung von Staat und Kirche,
Konkordat) sind teils imwahr, teils irreführend.
Nr. 11 „Kirche und Ehe" — Ausführungen auf S. 11 über Zivil-
ehe und letzte S. (24) über Ehe nach dem bürgerlichen Gesetz
sind irreführend. Bezeichnung „Mischehe" (S. 14 ff) ist heute
nur mehr im rassischen Sinne zulässig (Ehe mit Juden), nicht
aber in diesem kirchlichen Sinn.
Nr. 12 „Kirchliches Bücherverbot" — Die Ausführungen
S. 11/13 über „Duell und Ehre" sind heute überholt und irre-
führend, , da Duell heute ein staatlich anerkanntes
Erziehungsmittel ist (!).
Nr. 18 „W arum die vielen Sekten?" — Ein Heft über Sekten
ist heute überholt und deshalb unerwünscht, da in Deutsch-
land alle Sekten verboten sind.
2. Schriften von A. Worlitscheck :
Das Kritisieren — Ausführungen S. 3 und 5 nicht mehr an-
gebracht.
Spannung — Ausführungen S. 3 nicht mehr angebracht.
Familien brüche — S. 4, Ausführungen über Sozialismus über-
holt.
Mehr Rücksicht — S. 4 (Unwesen der Rücksichtslosigkeit).
Christus und heutige Jugend — überholt.
Wagnis der Ehe — Definition unmöglich, Erbgesundheit und
Rasse fehlen.
222
Weckruf an die Mütter — S. 12 betr. Konfessionsschule.
F ü h r e r i d e a 1 — • S. 11, 16, 28.
Bekenntnisschule — Idealschule — überholt.
Wertbeständiges Christentum — überholt.
Geweckte Mädchen — überholt.
Rettung der Jugendseele — S. 5, veraltete Anschauungen.
Heiligkeit und Nationalität — enthält Hiebe auf das heute
hoch im Kurs stehende deutsche Christentum.
Die Straße — überholte Ausführungen.
In die Kirche gehen? — - schafft auf S. 1 und 2 Verwirrungen.
3. Geusert: LiebeDeineKirche! ^
4. Schleger Fr. Leo: „Das Kleinod der christlichen Mäd-
chen" und „P a r a d i e s a u f Erden" (freilich 2 Büchlein, welche
die „Jungfräulichkeit" anders bewerteten als die Freunde von
„Lebensborn", Rudolf Heß und Heinrich Himmler (in ihren Kund-
gebungen zugunsten unehelicher Mystik).
5. Pribilla F. S.J.: „Fürchtet euch nicht".
Diese und ähnliche „K 1 e i n s c h r i f t e n" dünkten der Gestapo
eine so große Gefahr, daß auch- die letzten Exemplare noch aus
den Bücherständen der Münchener Kirchen geholt wurden, z. B.
im Mai 1936 aus St. Vinzenz in München.
Heft 1: Das Alte Testament nicht ein nationales, sondern ein Mensch-
heitsbuch.
Rasse und Religion.
Germanentum und Christentum.
Jesus kein Arier.
Ist Paulus der Stifter des Christentums?
Klare Begriffe! Gegen den Mißbrauch religiöser Begriffe in
der neuheidnischen Bewegung.
Germanisches Frauentum und Christentum.
Im Kampf um den Gottesgedanken.
Was heißt positives Christentum?
Was beweisen die Sünden der Päpste?
Gemeinschafts- oder Bekenntnisschule?
Zum Streit um Karl den Großen.
Kirche und Ketzer- Verfolgungen.
Seltsame Beschlagnahmebegründung
J. Pfeiffers Verlag hatte im Herbst 1939 begonnen,
packende Bub engeschic h t e n von Kaplan Weiser, Schwaz
(Tirol), herauszugeben, um ein Gegengewicht gegen die damals in
jeder Richtung anders eingestellte Jugendliteratur zu bieten. Sie
hießen kurz „Pfeiffer Bildhefte". Alles riß sich darum. In kurzer Zeit
mußten Neuauflagen gemacht werden. Ein Verbrechen in den Augen
von Gestapo und HJ! So etwas Zügiges zu schaffen, ohne braunes
Kleid und ohne Basse-, Blut- und Volksverhimmelung. Das mußte
doch genau unter die Lupe genommen und mit oder ohne Grund
aus der Welt geschafft werden!
223
Heft
2
Heft
3
Heft
4
Heft
5
Heft
6
Heft
10
Heft
11
Heft
13:
Heft
16
Heft
17
Heft
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Heft 21
Im Frühjahr 1940 das erste Gewitterwölkchen: Die Gestapo
verlangt je ein Exemplar der bis dahin erschienenen Hefte. Im
Juli verfinsterte sich der Himmel noch mehr: es wurden von jedem
Hefte mehrere Exemplare einverlangt. Am 15. August brach das
Gewitter los.
Lassen wir das weitere dem Verlagsinhaber, J. Hafner, selbst
erzählen:
Zur Mittagszeit des 15. August 1940 erschien ein Beamter der Geh.
Staatspolizei und eröffnete mir, daß er den gesamten Bestand der Pf eifler
Bildhefte zu beschlagnahmen hätte. Einen Gruhd hiefür konnte er mir nicht
angeben. Auf meine» Bitte hin, mir doch die Griinde bekanntzugeben, die
zur Beschlagnahme veranlaßten, erklärte er sich bereit, für mich um
diese nachzusuchen. Auch schriftlich habe ich eafum gebeten. Außei*
der Bestätigung über 46 750 Exemplare, die teils bei mir, teils in
der Druclterei mit Lastwagen abgeholt wurden, wurden noch zwei
weitere vorbereitete und gedruckte Auflagen beschlagnahmt. Warum
dieselben nicht aufgefiihrt sind, ob ein Fehler vorliegt oder ob sie vom
Drucker nicht genannt wurden, kann ich, nicht sagen. Der Gesamtver-
kauf swert belief sich auf etwa 20 M a r k. N a c h W o c h e n er-
hielt ich von der Gestapo einen Anruf, in dem mir die- Begründung mit-
geteilt wurde. Der Beamte las mir einen etwa 8 — 10 maschinenzeilen-
langen, in verklausuliertem Juristendeutsch ' abgefaßten Satz vor, den
ich zunächst nicht verstand. Auf meine Bitte hin, mir doch das Ganze
noch einmal langsam vorziilesen, um mir einige Notizen machen zu
können, antwortete die Gegenseite wörtlich: „Legen Sie den Bleistift
weg, Sie dürfen sich keinerlei Notizen mache n." Ich
habe mir trotzdem einige Stichpunkte notiert und das Wesentliche
lautete etwa: „Umfang der Auflage sowie der Inhalt der
Schriften gingen über den Rahmen der erlaubten Be-
tätigung auf dem Gebiete des konfessionellen Schrift-
tums hinau s."- — Ich glaube auch, daß die Art des Vertriebes
beanstandet wurde. Es war kein einziger Satz des Inhaltes
beanstandet; die Höhe der Auflage aber war durch die zu-
ständige Reichsschrifttumskammerstelle genehmigt. Der Vertrieb
erfolgte auf normalem buchhändlerischem Wege. Auf eine Anfrage, wie
ich mich gegenüber zwei Angeboten, betreifend der Übersetzungen ins
Holländische und Ungarische verhalten sollte, ließ mapi mich ohne
Antwort.
BeschlagnahmeundVerbotekatholischerBücher
Der Kampf gegen das katholische Buch forderte als
eines der eisten Vorkämpfer die Adventspredigten von Kardinal
Faulhaber: „Judentuhi — Christentum — Ger-
man entum".
Der deutsche Sturmtrupp Berlin vom 1. April 1934 gab den
Sieg über diesen „Feind" mit folgenden Worten bekannt:
„Das Buch des Kardinals Faulhaber verschwindet!
Die Aktion gegen das Buch des Kardinals Faul-
h a b e r ist nunmehr auch in Mannheim mit. vollem Erfolg durch-
geführt. Das Buch ist aus s ämtliche nBuchhändlungen ver-
schwunden, und die Buchhändler haben sich durch Unter-
schrift verpflichtet, das Buch auch auszugsweise nicht mehr in den
Handel zu bringen."
224
Die tapfere HJ tat auch mit und meldete
triumphierend:
„Das Faulhaber-Buch" aus dem Oberbann
Mittelbaden restlos verschwunden!
„Im Oberbann Mittelbaden ist das Buch des Kardinals
Faulhaber „Judentum — Christentum — Germanentum" vollständig aus
dem Buchhandel zurückgezogen. Der Buchhändlerverband hat auf Ver-
anlassung der Oberbannführung sämtliche Buchhandlungen angewiesen,
die Bücher zurückzuziehen. Selbst ausgesprochen katholische Buch-
handlungen . sind dieser Aufforderung restlos nachgekommen. Die ge-
samte Hitler-Jugend betrachtet das Buch als eine Be-
schimpfung unserer Vorfahren; sie verwahrt sich energisch
dagegen, daß in unserem Staat Bücher dieses Inhalts in der Öffentlich-
keit verbreitet werden."
Auch spätere Predigten von Kardinal Faulhaber, wahre Perlen
von Theologie und Redekunst, fanden nicht Gnade und Gefallen
der „Parteiamtlichen Prüfungskommission" und der Polizei, wie
nachfolgende Erlasse zeigen:
Parteiamtliche Prüfungskommission Berlin W 35, Mathäikirchpl. 7
zuni Schutz des NS-Schrifttums den 26. April 1937
9p/Sch.
Aus gegebener Veranlassung ersuchen wir Sie, uns die bei Ihnen
erschienene Schrift M. v. Faulhaber
„Münchener Kardinalspredigten" Folge 1:
„Unser Papst, unser Bischof, unsere Priester"
unter dem Zeichen P.X. in einem Exemplar vorzulegen. Sie wollen den
Ladenpreis des Buches angeben.
Heil Hitler!
L. S. gez. M. Pabst.
An den Verlag J. Pfeiffer, München 2 M, ^
Herzogspitalstraße 5
Polizeipräsidium München, Ettstraße.
An das Erzbischöfliche Ordinariat,
München, Pfandhausstraße 1
Geschäftszeichen und Tag meines Schreibens
DSt. 512 30. April 1937
Betrifft: Polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung von Druckschriften.
Beschluß :
Gemäß § 6 der VO. des Reichspräsidenten zum Schutze des Deut-
schen Volks vom 4. Februar 1933 (Reichsgesetzblatt I, S. 35) wird
die Broschüre „Münchener Kardinalspredigten"
2. Folge
polizeilich beschlagnahmt und eingezogen.
I. A.: gez. Kriger.
Dem Todesurteil der Gestapo und ihrer Helfershelfer im Pro-
pagandaministerium verfielen auch:
Kreuz und Hakenkreuz _ 35 ppc
Sämtlich eBücher von P. Lippert, die doch zu den
höchststehenden literarischen Werken der letzten Jahrzehnte ge-
hören.
Algermissen: „Germanentum und Christentum", ein Buch,
so gediegen und ansprechend, daß es vom November 1934 bis Juli
1935 sechs Auflagen mit je 12 000 Exemplaren erlebt hatte.
Paffrath: Gottes Licht im Alten Testament.
Generalvikariat Köln: „Zu Rosenbergs Mythus des
XX Jahrhunderts."
D a h 1 : Zum Mythus des XX. Jahrhunderts.
Koch Anton: „Der neue Mythus und der alte Glaube."
Auch der Krieg brachte kein Nachlassen des Kampfes gegen
das katholische Buch. Von Kriegsbeginn bis zum 1. Oktober 1940,
also in 13 Kriegsmonaten, wurden folgende katholische Bücher ver-
boten:
1. Kirchliche Bestimmungen für militärpflichtige
Ordenspersonen, Wien 1940. Druck und Verlag Julius Lichter,
. Wien, Strozziggasse 41.
2. Gesegnete Brautzeit, von Burgmaier. Werkstudentenverlag.
3. Rückständiges Christentum, von Pius Fischer. Verl.,Huber.
4. Eugenik, von H. Muckermann. Dümmler- Verlag, Berlin.
5. Eugenik und Katholizismus, von H. Muckermann. Dümm-
■ ler-Verlag, Berlin.
6. Dein Kind im Gotteskleid, von Brecher, Ebbecke- Verlag,
Leipzig.
7. Altar und Leben, von Abt Heun, S.O.-Cis.-Verlag Schöningh,
Paderborn.
8. Christliche Ehe, Von Erwin v. Kienitz, Hessen- Verlag, Frank-
furt am Main.
9. Katholisch^, oder deutsche Kirche, von Reuß, Verlag
Laumann, Dülmen. 1935.
10. Junge, ich gehe mit Dir, von Andre, Steffenverlag, Lim-
burg. 1927.
11. Blinkfeuer, von Berghoff, Pustet- Verlag, Regensburg. 1930.
12. Christof er, von Msgr. Wolker, Dr, Tillmann, Vestischer Verlag,
Recklinghausen.
13. Schwäbische Bräuche, von Baumann, Keppler- Verlag,
Stuttgart. '
14. Wertphilosophie, von Johannes Hessen.
15. Botschaft vom Leben, von Wilhelm Hünermann, Missions-
druckerei Steyl.
16. Der Geheimbef ehl, Pallottiner- Verlag, Limburg, 1940,
17. Tage der Entscheidung, von Allroggen, Mosella- Verlag.
18. Vita nova, Zürich (alles verboten).
19. Jahrbuch der Matthias-Pfarrei, von Coppenrath, Ger-
mania-Verlag.
20. Heiliges Wissen, von Lux, Ars Sacra- Verlag, München.
21. Umbruch der Zeit, von Johannes Engel, Aderholz- Verlag,
München.
226 ■
22. Familienseelsorge, Kolping- Verlag, Köln.
23. Im Streite zur Seite, Hermann-Joseph Schmitt,' Vestischer
Verlag, Recklinghausen.
24. Die Kirche Christi, von Otto Iserland, Benziger- Verlag.
25. Katholischer Chris t. Waseristundwasernichtist^
von Matthias Laros, Schöningh-Verlag.
26. Maria. Gedanken für die Seelsorge, Verlag „Fahne
Mariens", Berlin.
27. Held im Werktag, von Dr. Menninger, Pallotiner- Verlag,
Limburg.
28. Friedrich Muckermann, sämtliche Werke verboten.
29. Omnibus omnia, von Heinr. Schulte, Pallottiner-Verl., Limburg.
Auf eine Anfrage des Erzbischöflichen Ordinariates München
am 16. Februar 1937 bei den außerbayerischen Ordinariaten über
Schriftenbeschlagnahme gingen unter anderem folgende Antworten
ein:
' DiözeseAachen:
Beim Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer (Diözese Münster) wurden,
wie man uns mitteilte, 150.000 Stück „Zeitfragen" der von den Jesuiten
herausgegebenen Sammlung und 36.000 Stück der von Pfarrer Dr. Ernst
Breit herausgegebenen JHeftchen für Reichsarbeitsdienst, Landjahr,
Landhilfe beschlagnahmt.
Erzdiözese Freiburg i. Br.:
Nach unseren Feststellungen sind aus dem Verlag Herder hier bis-
her verboten worden:
Stimmen der Zeit: Novemberheft 1934
Dezemberheft 1936; die drei ersten Hefte des Jahrgangs 1936 sind
nicht erschienen.
Helmut Meisner: „Pfadfinder zum Volk" (Jugenderzählung, 1934)
Anton Koch S.J.: „Der neue Mythus und der alte Glaube" (1936)
Frz. Schweyer: „Politische Geheimverbände" (1925)
Max Pribilla S.J.: „Fürchtet euch nicht!" (1935)
Paul Simon: „Das MenschUche in der Kirche Christi" (1936)
Von dem 1936 erschienenen Buch von Dr. M. Laros „Neue Zeit und
alter Glaube" ist auf einen persönlichen Wink einer maßgebenden
Stelle eine Neuauflage nicht veranstaltet worden.
Emmy Gruhner: „Feuerseele" (Roman mit dem Thema der religiösen
Mischehe) (1935)
In der Monatsschrift „Bücherkunde" der Reichsstelle zur Förderung
des deutschen Schrifttums sind aus demselben Verlag nachstehende
Schriften negativ beurteilt worden:
J.B.Schuster S.J.: „Die Soziallehre nach Leo XIII. und PiusXI." (1935)
Dr. Anton Stonner: „Die religiös-sittliche Führung Jugendlicher durch
den Priester" (1934)
Hilda Torthof er: „Der fahrende Schüler" (Roman, 1935)
Arthur Kern: „Der neue Weg im Rechtschreiben" (1935)
Fritz Grüninger: „Der Ehrfürchtige." „Anton Brückners Leben, dem
Volk erzählt" (1935)
Johannes Mumbauer: „Die deutsche Dichtung der neuesten Zeit", Bandl
(1931)
Dr. Konrad Gröber: „Einer ist Euer Lehrer, Christus" (1935)
227
Franz Schneller: „Blaubuch eines Herzens" (Roman, 19S5)
Ansgar Vonier: „Christianus" (1935) ,
Icilio Felici: „Unter Wölfen. Pater Linus von Parma, ein Apostel der
Liebe aus neuester Zeit" (1935)
Henriette Fernholz: „Klassenkameraden" (1935)
Dr. Konrad Gröber: „Kirche, Vaterland und Vaterlandsliebe" (1935)
Johannes Lindworsky: „Psychologie der Aszese" (1935)
Dr. Josef Prestel: „Deutsche Literaturkunde" (1935)
Wilhelm Schüssen: „Die Geschichte des Apothekers Johannes" (1935)
Hermann Muckermann: „Kind und Volk" (1934)
Diözese Limburg :
Aus Verlagen in unserm Bistum sind verboten:
1. Fiedler, „Der neue Mensch", Matthias-Grünewald-Verlag, Wiesbaden
2. Weinrich, „Das Xantener Domspiel", St.- Georgs- Verlag in Frankfurt.
Die Begründung ad 1 ist uns nicht bekannt geworden.
Die Begründung ad 2 lautet: „Da ihr Inhalt sich mit den im heutigen
Staate herrschenden Anschauungen und Grundsätzen nicht verein-
baren läßt."
Erzdiözese Paderborn:
Bei der Bonifatiusdruckerei ist für folgende Druckwerke ein Ver-
triebsverbot, ergangen:
F. Walter- „Die Kirche, die Mönche und die Bauern" '
O. Schilling: „Das soziale Evangelium"
Pinsk; ;,Die Kirche Christi als Kirche der Völker"
Die erste Auflage von Schilling darf unter streng einzuhaltenden
Bedingungen ausverkauft werden.
Verbot und Beschlagnahme von Hirtenbriefen
Überraschend schnell, noch ehe zwei Jahre seit dem Abschluß
des Reichskonkordates verflossen waren, begannen die Verbote und
Beschlagnahmen von offiziellen bischöflichen Amtsblät-
tern, insbesondere von solchen, welche Hirtenbriefe ent-
hielten, sei es des gesamten deutschen Episkopates oder einzelner
Bischöfe.
Artikel 4 des Reichskonkordates bestimmt zwar:
„Der Hl. Stuhl genießt in seinem Verkehr und seiner Korrespon-
denz mit den Bischöfen, dem Klerus und den übrigen Angehörigen der
katholischen Kirche in Deutschland volle Freiheit. Dasselbe gilt
für die Bischöfe und "sonstigen Diözesanbehörden für ihren
Verkehr mit den Gläubigen in allen Angelegenheiten ihres Hirtenamtes.
Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter
und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Ver-
fügungen, die von den Kirchenbehörden im Rahmen ihrer Zuständig-
keit (Art. 1 Abs. 2) erlassen werden, können ungehindert ver-
öffentlicht und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der
Gläubigen gebracht werden."
Aber solch eine Verpflichtung band ja nur oder, besser gesagt,
sollte nur solange den Schein einer Rechtsbindung vortäuschen,
solange dies nützlich war; denn „gut ist, was nützlich ist." Aber
nachdem die Zeiten sich geändert hatten, nachdem man mehr den
228
Machtstandpunkt als den Rechtsstandpunkt hervorkehren konnte,
war Artikel 4 des Reichskonkordates ebensowenig eine Fessel wie
die übrigen 33 dieser feierlichen Übereinkunft. Da konnte beispiels-
weise die „Bayerische Politische Polizei" nachfolgende gründliche
und scharfe Anweisung für die allseitige Durchführung des Ver-
botes eines' Hirtenbriefes geben:
Bayrische Politische Polizei
B. Nr. 30 765 I 2
„München, den 4. September 1935
An alle Bezirksämter
Betreff: Hirtenbrief der in Fulda versammelten deutschen Bischöfe
vom 20, August 1935.
Der Hirtenbrief der Fuldaer Bischofskonferenz darf in keiner
Form in der Tagespresse veröffentlicht werden. Ein
Erscheinen in gek Qr zt er F orm ist ebenfalls nicht angängig. Die
Veröffentlichung in Wochen- oder Monatsschriften, in sogen. . Sonntags-
blättern, Sonderdrucken usw. ist gleichfalls unstatthaft.
Die Verbreitung des Hirtenbriefes in jeglicher
Form ist unter allen Umständen zu unterbinden. Unter
die Verbreitung in jeglicher Form fällt sowohl der unentgeltliche als
auch der entgeltliche Vertrieb, jede flugblattmäßige Verbreitung —
auch wenn es sich um kirchliche Amtsblätter handelt -^ die Verteilung
auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, von Haus zu Haus, die
Versendung- durch die Post, die Verbreitung bei Versammlungen und
in Kirchen, sowie jeglicher Verkauf in Buchhandlungen, Zeitungsstän-
den usw. Besonderes Augenmerk ist hierbei den Klöstern, Bücher-
ständen in Kirchen und den Verkaufsstellen an Wallfahrtsorten zuzu-
wenden. Erfaßte Exemplare des Hirtenbriefes sind polizeilich zu
beschlagnahmen und zu vernichten. Von einer Beschlagnahme des
Hirtenbriefes ist lediglich dann abzusehen, wenn es sich um einzelne
von Geistlichen abonnierte bzw. kirchenamtlich an diese gelieferte,
ebenfalls einzelne Amtsblätter handelt.
Bei der Wegnahme von Druckerzeugnissen mit dem Hirtenbrief,
die zur öffentlichen Verbreitung in Kirchen gelangen sollen, ist folgen-
dermaßen zu verfahren: der zuständige Pfarrer oder dessen Vertreter
ist von der Beschlagnahmeverfügung mündlich in Kenntnis zu setzen
und zur Herausgabe der Hirtenbriefe aufzufordern. Bei bereits begon-
nener oder beabsichtigter Verbreitung in der Kirche ist der Verteiler
oder bei Aufliegen der Hirtenbriefe zu persönlicher Entnahme gege-
benenfalls der Kirchendiener vor der Kirche zu bitten. Hier ist der
Verteiler, bzw. der Kirchendiener, auf die Beschlagnahmeverfügung
hinzuweisen und zur Herausgabe der Druckschriften aufzufordern. In
der Kirche verteilte, aufgelegte Blätter sind vom Kirchendiener ge-
gebenenfalls unter Aufsicht eines Beamten einzusammeln und
abliefernzulassen.
In Kirchen selbst darf jedoch nur im äußersten Notfalle und nur
durch Beamte in Zivil vorgegangen werden. Gottesdienstliche Hand-
lungen dürfen in keiner Weise gestört werden. Das Einschreiten in
Kirchen selbst würde sich demnach nur auf die Zeit vor oder nach
gottesdienstlichen Handlungen beschränken.
gez. I.V. Stepp."
Abdruck in /Tagespresse und Kirchenzeitungen, Verteilung von
Sonderdrucken u. ä. waren aber „die bisher üblichen
Formen" gewesen, in denen Hirtenbriefe „zur Kenntnis der
Gläubigen gebracht wurden." Trotzdem das Verbot!
229
'Von 1937 ab konnte überhaupt fast kein Hirte n-
briefmehrgedruckt oder in größerer Auflage dem Volk in
die Hand gegeben werden. Die Gefahr der Beschlagnahme und von
Repressalien selbst gegen die Druckerei, welche die Hirtenbriefe
herstellte, war so groß, daß das Personal derselben in Angst geriet,
sobald in einer bischöflichen Kundgebung eine klare Zurück-
weisung oder Verurteilung nationalsozialistischer Anschauungen
oder staatlicher oder polizeilicher Willkürmaßnahmen enthalten
war. Hirtenbriefe konnten darum zumeist nur noch von den
bischöflichen Behörden inhektographierter Form dem
Klerus bekanntgegeben werden.
Als der deutsche Episkopat im Jahre 1935 eine kirchliche
„Informationsstelle der bischöflichen Behörden
Deutschlands" gründete, damit an einer Stelle (in Berlin)
die kirchlichen Nachrichten aus den Diözesen ganz Deutschlands
gesammelt und von dort wiederum an die einzelnen Ordinariate
weitergeleitet würden, wurde diese Zentrale alsbald von der
Gestapo aus- und aufgehoben, ihr Leiter, Domkapitular B a n a s c h
von Berlin, für mehrere Monate verhaftet, der Generalvikar von
Würzburg auf einige Tage, jener von Passau ebenfalls kurz.
Gipfelpunkt der Rücksichtslosigkeit,
Gewalttätigkeit und Vertragsuntreue
Das Dritte Reich fühlte sich auch durch den ersten Satz
des Artikels 4 des Reichskonkordates nicht gebunden. Die darin
„zugesicherte volle Freiheit" für den Hl. Stuhl
war keiner Beachtung wert, wenn der Hl. Stuhl den „Bischöfen,
dem Klerus und den übrigen Angehörigen der katholischen Kirche
in Deutschland" Unangenehmes, wenn auch noch so Wahres über
den Nationalsozialismus zu sagen hatte, wie es in der Enzyklika:
„Mit brennender Sorge" am 13. März 1937 geschah. .
Da erhob die Gestapo ihren mächtigen Arm, um alle zu ver-
nichten, die es wagten, dieses Papstwort zu drucken und zu ver-
breiten und streckte überall ihre langen Finger aus, um noch
an sich zu reißen, was davon schon irgendwie ins Volk gedrungen
war.
So verfügte beispielsweise die Gestapo in München:
Geheime Staatspolizei München, 27. März 1937
Staatspolizeileitstelle München
Betreff: Päpstliches Eundschreiben über die Lage der Katholischen
Kirche im Deutschen Eeich.
Papst Pius XI. hat an die Erzbischöfe Deutschlands ein Rund-
schreiben über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reiche
erlassen, das bereits am 21. März 1937 von den Kanzeln der Kirche
verlesen wurde und in der Zwischenzeit auch im Druck erschienen ist.
Da das Rundschreiben hochverräterische Angriffe gegen
den nationalsozialistischen Staat enthält, wird folgendes angeordnet:
1. Sämtliche außerhalb der Kirchen und. Pfarrhöfe
greifbaren Exemplare des Kimdschreibens sind zu beschlag-
230
nahmen. Auch die im Besitze von Privatpersonen vorgefundenen
Einzelstücke sind einzuziehen.
Druckschriften, die sich in Händen von Geistlichen befinden, wer-
den von dieser Maßnahme nicht berührt.
2. Sämtliche Personen, die sich mit der Verteilung
der Schriften außerhalb der Kirchen und Pfarrhäuser
befassen, sind, soweit es sich nicht um Geistliche handelt, sofort
festzunehmen und umgehend dem Gericht zur strafrechtlichen Ab-
urteilung zu übersteilen. Ihre Entfernung aus der Partei, ihren Gliede-
rungen und angeschlossenen Verbänden, wie DAF, ferner Handwerks-
kammer, und dergleichen ist sofort zu veranlaßsen.
3. Kirchenblätter und kirchliche Amtsblätter, die
das Rundschreiben abgedruckt haben, sind zu beschlagnahmen
undauf die Dauer von drei Monaten zu verbieten.
4. Druckereien und Verlage, in denen das Rundschreiben
hergestellt bzw. verlegt wurde, sind sofort zu schließen. Die ver-
antwortlichen Personen (Verleger, Drucker, Schriftleiter) sind unverzüg-
lich hieher zu melden, damit von hier aus weitere Maßnahmen gegen
sie ergriffen werden können.
I.V. gez. Dr. Stepp"
Absatz 1 der obigen Gestapoverordnung war schon am Vor-
abend der Verlesung des Päpstlichen Rundschreibens voraus-
genommen worden: über 10 000 Exemplare, die für das Erzbischöf-
liche Ordinariat München nach Lieferung von etwa 35 000 Exem-
plaren noch in der Druckerei waren, wurden beschlagnahmt.
Ganz besonders hart aber wurde Absatz 4 der Polizeiverfügung
durchgeführt. Vergebens versuchte Kardinal Faulhaber den Bann-
strahl der Gestapo von der Firma Höfling (Inh. Dr. V. Mayer), die
in seinem Auftrag die Enzyklika gedruckt hatte, abzuwehren, in-
dem er großmütig alle Verantwortung auf sich selbst nahm mit
dem Schreiben:
„Der
Erzbischof von München und Freising
an .
Herrn Dr. Valentin Mayer
Druckerei Höfling-München
Geehrter Herr Doktor!
Für die strafrechtlichen Verhandlungen über das päpstliche Rund-
schreiben vom 14. März 1937 (Lage der katholischen Kirche im Deut-
schen Reich) erkläre ich, daß der Auftrag zur Drucklegung tmd zur
Verlesung des Rundschreibens in den Kirchen meiner Erzdiözese von
mir gegeben wurde, und das Begleitschreiben an die Seelsorgstellen,
das über die Verlesung nähere Anweisungen erteilte, mit meinem vollen
Namen gezeichnet ist. Damit habe ich diemoralische Ver-
antwortung übernommen, wenn das Rundschreiben wirklich
strafrechtliche Nachspiele haben sollte. In dem Maße, in dem ich diese
Verantwortung übernehme, will ich den Drucker entlasten,
der in gutem Glauben einen Druckauftrag ausführen konnte, weil er
keine polizeiliche Zensurstelle bildet, und der von der Minute ab, in
der ihm das Verbot der Geheimen Staatspolizei bekannt wurde, kein
einziges Stück mehr druckte. Ebenso will ich die braven Ar-
231
beiter entlasten, die sich in keiner Weise bewußt waren, etwas
Unrechtes zu tun und deshalb nach gesundem Rechtsempllnden nicht
gestraft werden können. Ich ermächtige Sie, geehrter Herr Doktor, von
dieser Erklärung jeden Ihnen gut scheinenden Gebrauch zu machen.
München, 3. April 1937
gez. Kardinal Faulhaber
Erzbischof von München"
Die Gestapo ließ sich durch diese Entlastung in ihrem Zorne
auf die Druckerei Höfling nicht beeinflussen, sondern verfügte am
14. Juni 1937:
„B.Nr. 65995/37 — II 1 K — Br.
Betrifft: Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens; hier
Buchdruckerei und Verlag Valentin Höfling in München,
Lämmerstraße 1 (Inhaber; Dr. Valentin Mayer).
Beschluß
Auf Grund des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Einziehung kom-
munistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 (RGBl. X, S. 293)
in Verbindung mit dem Gesetz vom 14. Juli 1933 (RGBl. I, S. 479) über
die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens
und der Min. Bekm. vom 19. Sept. 1933 Nr. 3862 a 133 (St. Anzeiger
Nr. 218), wird hiermit das gesamte Vermögen der Firma
Buchdruckerei und Verlag Valentin Höfling
In München, Lämmerstraße 1, — Inhaber Dr. Valentin M a y e r in Mün-
chen, Potsdamer Straße 5 — unter Bestätigung der Beschlagnahmung
am 11. Juni 1937 auf Grund § 1 der VO des Herrn Reichspräsidenten
zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I, S. 83)
zugunsten: des Landes Bayern eingezogen.
' gez. Christmann"
Am 6. Juli 1937 veröffentlichte der „Reichsanzeiger" diese Ent-
eignung mit dem Zusatz:
„Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel
nicht gegeben."
Besonders zu beachten ist hiebei, daß auch das gesamte Ver-
mögen des Verlags Höfling eingezogen wurde, obwohl dieser
mit der Enzyklika nicht das geringste zu tun hatte, sich auf die
Herausgabe kleiner Druckschriften, besonders kleiner Theater-
stücke für die katholische Vereinsbühne u. ä., beschränkte.
Eine neue Ungeheuerlichkeit bedeutete es, als nach ein paar Wochen
(27. Juli 1937) von der Gestapo entschieden wurde, daß die Schuld
der Firma Buchdruckerei und Verlag Val. Höfling von 25 000 RM. auf
dem Bankkreditkonto bei der Bayerischen Staatsbank in München von
dem Lande Bayern (der Nutznießerin der Vermögensenteignung) nicht
übernommen würde. Also alles, was an Bankgeldern, Postscheckgut-
haben, Büroeinrichtung, Schreibmaschinen, Setzmaschinen, Druck-
maschinen, Schriftmaterial, Verlagswerken etc. vorhanden war, dies
alles wurde restlos und entschändigungslos weggenommen. Belassen
wurden dem bisherigen Inhaber nur die Verpflichtungen, '
außer der genannten Bankkreditforderung auch eine alte Schuld gegen-
über seinem eigenen Vater und seinen eigenen Kindern.
232
Der Gestapo stellte sich dann auch noch die Vereinigung
der Bühnenverleger e, V., Fachverband der Reichstheater-
kammer, rächend an die Seite, indem sie am 11. August 1937 an
Dr. Valentin Mayer schrieb:
„Betrifft: Zulassungsurkunde.
Durch den kommissarischen Treuhänder für die Firma Val. Höfling
bin ich von Ihrem • Ausscheiden aus dem Verlag benachrichtigt worden.
Da hierdurch die vom Herrn Präsidenten der Reichstheaterkammer
ausgefertigte Zulassungsurkunde vom 7. Februar 1936 ungültig gewor-
den ist, ersuche ich um umgehende Rückgabe dieser Urkunde.
Gleichzeitig ersuche ich Sie um Rückgabe des in Ihren Händen
befindlichen Mitgliedsausweises Nr. 1049 des Fachverbandes, da mit
Erlöschen der Zulassungsurkunde auch die Mitgliedschaft im Fachver-
band endet und der Mitgliedsausweis Eigentum des Fachverbandes ist.
Heil Hitler!
Vereinigung der Bühnenverleger e, V^
Fachverband der Reichstheaterkammer
gez. Stadeler."
Die „Reichspressekammer'
stehendem Erlaß:
tat ein gleiches mit nach-
Der Präsident der
Reichspressekammer
Geschäftzeichen :
Dr. Mö./Hn./XII
Herrn
A 2 5092
Berlin W 35, am 27. Aug.
Viktoriastraße 11.
Fernsprecher: 22 Ol 88
1937,
Einschreiben!
mit Rückschein!
Dr. Valentin Mayer
München
Potsdamer Str. 5.
Betr. : Verlag Valentin Höfling, München, Lämmerstraße 1.
Unter Bezugnahme auf den Erlaß des Herrn Reichsministers des
Innern vom 25. Mai 1937 schließe ich Sie hiermit auf Grund des § 10-,
der I. Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes
vom 1. November 19^3 (RGBl. 1/1933 S. 7971f.) wegen mangelnder
Zuverlässigkeit und Eignung mit sofortiger Wirkung aus der
Reichspressekammer aus und untersage Ihnen jede weitere presse-
mäßige Betätigung.
Siegel
Im Auftrage:
gez. Dr. Richter.
Als Dritter glaubte auch noch der Präsident der Reichsschrift-
tumskammer dem Verleger Dr. Val. Mayer einen besonders kräf-
tigen Fußtritt geben zu müssen, indem er ihn nicht bloß aus der
Berufsvertretung ausschloß, sondern ihm auch jegliche buchhänd-
lerische Betätigung untersagte.
Kreuz und Hakenkreuz 16 233
Der Präsident dar Berlin W 8, de» 4. September 37
Reichsschrifttumskammer Friedrichstraße 194/19D
Fernruf: 113043 u. 113044
n B 1.2328.BO.
Einschreiben.
Herrn
Dr. Valentin Mayer
München
Potsdamer Straße 5
Der Herr Reichsminister des Innern hat mit dem Erlaß vom 25. Mal
1937 gemäß dem Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen
Vermögens vom 14. Juli 1933 festgestellt, daß die Druckerei Valentin
Höfling, München, volks- und staatsfeindliche Bestrebungen verfolgt
hat. Da dies unter Ihrer Inhaberschaft und Leitung geschehen ist,
kann ich in Ihrer Person die nach § 10 der Ersten Verordnung zur
Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. 11. 1933 (EQBl.
1933 I S. 797) für die Betätigung als Buchhändler erforderliche Zuver-
lässigkeit nicht mehr als gegeben era%hten. Ich muß Sie deshalb hier-
durch mit sofortiger Wirkung aus meiner Kammer ausschließen. Da-
mit verlieren Sie die Befugnis, sich Irgendwie im Zuständigkeitsbereiche
der Kelchsschrifttumskammer zu betätigen. Im Falle von Zuwiderhand-
lungen würden Sie Sich der Gefahr von Ordnungsstrafen und polizei-
lichen Zwangsmaßnahmen auf Grund von § 28 der genannten Verord-
nung aussetzen.
Sie wollen unverzüglich der Reichsschrifttumskammer — Gruppe
Buchhandel — in Leipzig C 1, Gerichtsweg 26 — bestätigenj daß Sie
jede buchhändlerische Betätigung eingestellt haben.
In Vertretung:
Siegel \ gez. Baur.
Ähnlich wurden zwölf Druckereien und Verlage
Deutschlands wegen Druck des päpstlichen Rundschreibens
cntschUdigungslos weggeinommen, so z. B.:
St.-Otto- Verlag G. m. b. H. in Bamberg,
Druckerei Metz in Aachen,
Regensbergsche Buchdruckerei. In Münster,
Druckerei Emmerich Herzig in Trier,
Hof rat Jägersche Druckerei in Speyer.
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Hildesheim
teilte sehon am 22. Mär2 1037 dem Bischöflichen Öeneralvikariat
Hiidesheüm mit:
„Auf Grund der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom
4. Februar 1933, §§ 7 und 9 — in Verbindung mit § 14 P.V.Bl. vom
1. Juni 1931 (Ges. S. S. 77) ordne ich hiermit die vorläuftge Beschlag-
nahme und Slcherstellung des von Ihnen herausgegebenen und bei dem
Verlage Landespost in Hildesheim gedruckten „Kirchlichen Anzeigers
der Diözese Hildesheim" Nr. 5 vom 17. März 1937 sowie jeder Nach-
folge- oder Ersatzschrift desselbeh, die däS Rundschreiben des Papstes
Plus XI. über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Heieh
bringt, in der gesamten Auflagenhöhe an.
Die Anordnung erfolgt, weil dieses Rundschreiben mit seinen
von mangelndem Verständnis für den.natlonalgoala-
234
listischen Staat zeugenden Äußerungen Angriffe auf
die deutsche Staatsführung enthält und geeignet ist, die
vom Staate bislang gewährleistete Euhe und Ordnung im Deutschen
Reiche zu stören.
Gleichzeitig verbiete ich den Druck und die Herausgabe des
kirchlichen Anzeigers der Diözese Hildeshelm auf die Dauer von
3 M o n a t e n.
Ein Verstoß gegen diese Anordnung zieht die gesetzlichen Folgert
nach sich.
(Siegel) In Vertretung:
gez. Söchting."
Von besonderem Interesse dürfte in dieser polizeilichen Ver-
fügung die „Inanspruchnahme dör Verordnung des Herrn Reichs-
präsidenten vom 4. Februar 1933" sein, die mit den Worten beginnt:
„Auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Reidhaverfassung wird zur
Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Ge-
waltakte folgendes verordnet." Also der Hl. Vater, der wenig«
Tage Vorher ein Weltrundsehreltaen gegen den Kommu-
ni am u» erkäsen hatte, wird von der deutschen Gestapo „kommu-
nistisch staatsgefährdender Gewaltakte" geziehen.
Ein zweites Ist in der Polizeimaßnahme besonders auffallend:
Druck und Herausgabe eines kirchlichen Amtsblattes, das
dem Diözesanklerus die offiziellen kirchlichen Verordnungen und
Mitteilungen übermitteln soll, wird auf V4 Jahr verboten I!
Das war „ungehinderte Veröffentlichung" bi-
schöflicher Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe,
amtlicher Diözesanblätter, wie sie die Reichsregierung in Artikel 4
des Reichskonkordates feierlichst zugesagt hatte.
Das Wort „Fessel n" ist hlefür eigentlich zu schwach, man
muß es schon Ketten nennen.
Der Oegensatsi.
Der Weizen wurde ausgerissen und zertreten oder ins Feuer
geworfen, das Unkraut aber durfte wild wachsen und sich aus-
breiten. Wir schauen gleichsam eine Parade der anti-
christlichen Zeitungs- und Z ei t s c hr if tenf r on t
des Dritten Reiches in nachfolgendem Verzeichnis der
Zeitungen und Zeitschriften, di^ damals in München bei Straßen-
händlern und Zeitungskiosken verkauft wurden (Tageszeitun-
gen sind dabei nicht aufgeführt).
I. Politische Schriften:
1. Braune Post.
2. Der SA-Mann.
3. Das Schwarze Körps.
4. Deutsche Zukunft.
5. Deutsche Wochenschau.
6. Berliner Herold.
1. Neudeutsehe Zeltung.
8. Sonntag-Morgen-Post.
235
IL Antisemitische Schriften:
1. Der Stürmer.
2. Der Judenkenner
3. Der Hammer.
III. Antichristliche (Neu heidnische) Schriften:
1. Der Reichswart.
2. Der völkische Herold.
3. Der Bhtz.
4. Die Drehscheibe. (Verlag Fi'iedr. Oberschilg, Bredenbeck üb. Hann.)
5. Der Durchbruch. (Neue Folge der „Vollendung", früher JVerwolf.
Verlag Karl Gutbrod, Stuttgart-O, Moserstraße 22.)
6. Am hl. Quell. 1
7. Der Brunnen. \ Ludendorlf.
8. Das Wikingerschiff. )
9. Der romfreie Katholik (gegen die katholische Kirche) von Pfarrer
Rüthwohl, Essen, Bernestraße 1.
10. Bunte Wochenschau.
11. Deutsche Volksschöpfung.
12; Die Flammenzeichen. (Schriftl.: Alfred Miller, völk. Blätter, f. nor-
disch-germ. Art in Religion und Kultur, Staat und Wirtschaft, gegen
allen Freradgeist und gegen jede Art Verfälschung. Erscheinen wö-
chentlich. Verlag: Schwertschmiede, LeonbergrStuttgairt.)
13. Nordische Zeitung.
14. Deutsche Freiheit. (Begründet von Dr. Otto Dikas, Augsburg,
Richtung Ludendorff, Verl, Leonberg-Stuttgart.)
15. Deutsche Revolution. (Ludendorff- Richtung.) ■
16. Deutsches Werden. (Leipzig, Zeitschrift für nordische Kultur.)
IV. Militärische Schriften:
1. Der Stahlhelm.
2. Der Frontsoldat.
3. Der Frontkrieger.
4. Der Freiheitskämpfer.
5. Friderikus.
V. Astrologische. Schriften:
1. Weltpolitische Rundschau.
2. Neues Deutschland.
3. Der Seher.
VI, Verschiedene Schriften:
1. Runenforscher.
2. Blick in die Zeit.
3. Kurze Pause.
4. Der Menschenkenner.
Zeitschriften, die in Geschäften auf Bestellung
zu haben sind:
1. Die Deutsche Volkskirche.
(Das Geistchristentum, Monatsschrift zur Vollendung der Reforma-
tion durch Wiederherstellung der reinen Heilandslehre. Herausgeber:
Dr. phil. nat. Arthur D i n t e r. Verlag: Deutsche Volkskirche, Leipzig
O 1, Querstraße 5.) '
2. D i e R a s s e.
(Monatsschrift der nordischen Bewegung. Verlag: B. B. Teubner,
Leipzig C 1, Postschi. 380.)
236
8. Der Norden.
(Monatsschrift der nordischen Gesellschaft. Verlag: Wilhelm Lim-
pert, Dresden A 1, Marienstraße 16.)
4. D i e S o n n e. (Nordische Monatshefte).
Diese Hochflut von christentumsfeindlichen Tages- und Wochen-
blättern genügte aber der Partei noch nicht. Sie gab auch noch
eine eigene „Parteiamtliche Wandzeitung" der NSDAP
heraus und stellte in besonderen Schaukästen zugkräftige und
pikante Artikel und Bilder aus, besonders solche des „Stürmers".
Selbst dieMauerngeweihterFriedhöfe
waren ihr dafür nicht zu heilig; wie nachfolgendes erweist:
Kath, Pfarramt Vachendorf. Vachendorf, am 29. Juni 1936
An das
Hoch würdigste Erzb. Ordinariat in München.
j,Stürmer"-Kasten •
Seit kurzem hat die hiesige Parteileitung einen Schriftenkasten
an der Friedhof mau er am Dorfplatz angebracht, und es sind
schon beim ersten Male verschiedene Spottbilder darin enthalten. ,
Die Friedhofmauer ist Eigentum der Kirche, und ich
habe bei der Ortspolizei Einspruch gegen dieses Vorgehen erhoben
und habe die sofortige Entfernung des Kastens gefordert. Was ist
weiter zu tun, • wenn die Forderung, wie zu erwarten steht, nicht
erfüllt wird? Ich bitte ehrfurchtsvollst um entsprechende Weisung.
Denn ich halte es für alle Fälle richtig, daß dieser Mißbrauch kirch-
lichen Eigentums nicht geduldet werden kann.
Ehrfurchtsvollst!
Joh. Freibergen
Das Erzb. Ordinariat antwortete: 3. Juli 1936.
An das
katholische Pfarramt
Vachendorf
P. Bergen, Obb. 2.
Betreff: „Stürme r".
Wenn die Friedhofmauer sicher Eigentum der Kirche ist, wie
es bei kirchlichen Friedhöfen naturgemäß ist, so ist die Rechtslage
bezüglich der Anbringung eines Zeitungskastens an der Friedhof-
mauer ganz klar: nur der rector ecclesiae hat zu bestimmen, was
an der Friedhofmauer angebracht werden darf.
Darum sollte es unseres Erachtens nur einer bloßen Aufklärung
über diese Rechtslage bedürfen, um die Parteileitung sofort zur
Entfernung des Schaukastens zu bringen.
Falls dies keinen Erfolg hat und auch die' bereits angegangene
Ortspolizeibehörde nicht eingreift, so möchten wir empfehlen, noch-
mals schriftlich von der Ortspolizeibehörde die Entfernung wegen
Eigentumsverletzung unter Angabe einer bestimmten Frist zu for-
dern und zu bemerken, daß nach Ablauf der Frist das Pfarramt
selbst für die Wahrung des Eigentumsrechtes der Kirche Sorge
tragen wird. Die Entfernung könnte dann am besten durch den
Kirchenpfleger in Beisein eines Schutzmanns geschehen.
Schließlich dürfte die Parteileitung auch darauf hingewiesen
werden, daß nicht nur kirchliche Kreise und viele Ortsbewohner,
sondern auch Fremde die Anbringung des „Stürmers" an der Fried-
237
hofmauer für geschmacklos und wenig ehrenvoll für die Partei
halten. Wir möchten meinen, daß man es nicht für zu schwer
halten sollte, den Bürgermeister und die Mehrheit der Bevölkerung
für diesen Standpunkt zw gewinnen und so auf friedlichem Wege
die Frage zu lösen.
Streichers Pornographie hielt man für so wertvoll zur iKinder-
erziehung, daß man jseinen „Stürmer" sogar am Schulhaua
zur Schau stellte. Erweis hiefür:
Kath. Pfarramt Weildorf, den 21. Februar 1937.
Weildorf, Post Straß
bei Teisendorf.
An das Hochwürdigste Erzbischöfliche Ordinariat
München-Freising.
Betreff: Errichtung eines Stürmerkastens am Schulhaus,
Die Gemeinde Weildorf hat im November 1936 einen neuen
Bürgermeister erhalten, erst 35 Jahre alt, aber ganz national-
sozialistisch eingestellt. Seine Hauptaufgabe besteht
darin, das schwarze Welldorf braun zu färben.
Zu diesem Zwecke fand vor acht Tagen durch den K r e i g «
leiter Kämmerer von Laufen die feierliche „Ein-
weihung" eines Stürmerkastens statt. Der Kasten
befindet sich am Schulhaus, ganz nahe beim Ein-
gang, so daß alle Schulkinder, auch die von der Portbildungs-
schule, an demselben vorbeigehen müssen. Unsere guten Eltern
sind darob in großer Sorge und bitten den Unterzeichneten, doch
alles zu versuchen, daß der Stürmerkasten wenigstens vom Schul-
haus entfernt wird.
Der recht gut gesinnte Lehrer von Weildorf teilte dem Unter-
zeichneten mit,- daß eine eigene Bestimmung das Anschlagen unge-
eigneter Schriften und Bilder am Schulhaus verbietet. Aber eine
Eingabe an den Bezirksschulrat Laufen wird nichts helfen, weil
Herr Bezirksschulrat selbst bei der Feier in Weildorf anwesend war.
Der Unterzeichnete bittet die oberhirtliche Stelle um gütige
Angabe von Verhaltungsmaßregeln in dieser schwierigen Lage, ob
eine Entfernung erreichbar ist und an welche Behörde sich die Eltern
wenden sollen.
Einem Hochwürdigsten Ordinariate gehorsamster
Josef Schönberger, Pfarrer.
Wahrlich, vi^er so mit „Stürmer" Sturm sät, kann nur Sturm ernten!
8. Fesseln für die wirtschaftliche Entwicklung der Kirche.
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt" hat der Gründer der
katholischen Kirche in feierlichem Augenblick gesagt (Jo. 18,36).
Aber Gottes Reich ist in dieser Welt. Darum braucht sie auch
Luft und Boden in dieser Welt, um sich entwickeln zu können. Die
Kirche Gottes ist nicht etwas rein Pneumatisches und Übernatür-
liches, sondern etwas Sichtbares und Organisches. Wie ihr Gründer
selbst nicht aller irdischen Mittel entbehren konnte (vgl, Joh. 12,6),
so kann auch die Kirche nicht auf alle materiellen Grundlagen ver-
zichten.
238
Umgekehrt wollte der Nationalsozialismus die Kirche gerade
auch hierin empfindlich treffen, sie wirtschaftlich geradezu er-
drosseln. Rosenberg sagte auf der Reichskulturtagung 1938 unter
anderem: „Wir haben noch ein Druckmittel, und das ist die f i n a n -
z i e 1,1 e Seite. Wir werden hier behutsam, aber desto syste-
matischer vorgehen, um dem nicht zu gewinnenden Klerus die
flnanzielle Ader zu durchschneiden,"
In den Geheimanweisungen des Reichssicherheitsdienstes vom
15. Februar 1938 heißt es: „Da ein großer Teil der Kampfmöglich-
keiten der Kirche einzig und allein auf ihren unbeschränkten
finanziellen Mitteln beruht, sind gerade hier große
Möglichkeiten zur Eindämmung des kirchlichen
Kampfes gegebe n."
Diese Möglichkeiten wurden von Anfang an reichlichst aus-
genützt.
Zunächst wurde der Großteil aller staatlichen Zu-
schüsse für die Kirche gestrichen, obwohl diese letzten Endes
nur einen geringen Ausgleich für den staatlichen
Raub des umfangreichen Kircheneigentums durch die Säku-
larisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts darstellten.
Dem Beispiel des Staates folgend, stellten alsbald auch viele
Stadt- und Landgemeinden ihre althergebrachten Zu-
wendungen an die Ortskirchen ein oder lösten sie eigenmächtig
mit geringen Geldbeträgen ein für , allemal ab. In der Erzdiözese
Freifeurg wurde dieser Ausfall kirchlichen Einkommens auf jähr-
lich etwa 350 000 bis 400 000 Mark geschätzt.
Nach ein paar Jahren stellte der Staat auch die Einziehung
der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter und
bald auch jene auf dem Wege des Lohnabzuges ein, obwohl Hitler
und Goebbels in ihren Reden gar oft diese staatliche,, von der
Kirche bezahlte Arbeitsbeihilfe geradezu als einen wesent-
lichen Teil der staatlichen Finanzleistungen für die
Kirche behandelten und so riesige Zahlen zusammenbrachten als
Beweis für den Edelmut der nationalsozialistischen Regierung, die
trotz aller feindlichen Einstellung von Kirche und Klerus soviel
für sie- gäbe. Natürlich wurde auch in nationalsozialistischen Ver-
sammlungen und Zeitungen entsprechend gegen die Kirchen-
steuer gehetzt und damit, genau wie einst von den Kom-
munisten, der Kirchenaustritt' zu fördern gesucht. Die
„höchsten Herrschaften" ließen sich im übrigen von der rück-
ständigen und laufenden Kirchensteuer befreien, indem sie sich
gleich dem „Führer" selbst Steuerfreiheit zuerkennen ließen.
Dann schränkte der Staat durch das
Sammlungsgesetz
vom 5. November 1934 die freiwilligen Gaben für Kirchen
und kirchliche Wohltätigkeitszwecke sehr ein. Selbstverständlich
239
'war sein Wortlaut allgemein, richtete sich aber praktisch fn
erster Linie gegen die von kirchlicher Seite außerhalb des
gottesdienstlichen Raumes veranstalteten Kollekten. Es besagte:
„Jede öffentliche Sammlung von Geld oder Sachspenden, jede
öffentliche Werbung von Vereinsmitgliedern, jede öffentliche ge-
meinnützige oder mildtätige Veranstaltung, jeder öffentliche Waren-
versand für gemeinnützige Zwecke bedarf einer eigenen Genehmi-
gung."
„Als nicht öffentliche und darum nicht genehmigungspflichtige
Summlungen wurden lediglich diejenigen anerkannt, die sich bloß
an einen nach außen abgegrenzten, unter sich
durch persönliche Beziehungen verbundenen
kleinen Personenkreis wenden zum Versand von Bitt-
briefen an einzelne persönliche Bekannte des Pfarrers oder an
solche, die bisher schon in der Regel für gewisse Pfarrzwecke etwas
gaben, z. B. Erstkommunikantenausstattung."
Ein Nachtrag vom 5. April 1937 machte noch miehr Einschrän-
kungen, ließ Sammlungen außerhalb der Kirche nur noch frei,
„wenn sie nur innerhalb eines begrenzten, zahlenmäßig kleinen
Personenkreises durchgeführt werden, dessen Mitglieder in
e i n e m näheren, eigenbewußten, inneren Zu-
sammenhang zueinander stehen und wenn auch
der Veranstalter zu diesem Personenkreis ge-
hört."
Jedes neuhinzugefügte Wort bedeutete eine neue Fußangel für
Pfarrer, die für diese und jene kirchliche oder karitative Zwecke
Mittel sammeln wollten. Zum Beispiel wurde es schon als eine
„Sammlung außerhalb der Kirche" betrachtet, wenn in
einem Gottesdienst eine Missionspredigt gehalten und dabei zum
Beitritt in das „Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung" auf-
gefordert und Beitrittsformulare verteilt würden, die dann erst
außerhalb der Kirche ausgefüllt und abgegeben werden
sollten. Eine nichtgenehmigungspflichtige Sammlung galt in diesem
Falle nur als gegeben, wenn die Anmeldezettel noch in der
Kirche ausgefüllt und abgegeben wurden!!
Wollte etwa der Pfarrer einer Großstadtpfarrei durch einen
Brief oder durch die Pfarrschwester alle Angehörigen seiner Pfar-
lei zu einer Spende für die Erstkommunikanten auffordern, so war
dies eine verbotene Sammlung, weil der Personenkreis nicht klein,
nicht in- einem eigenbewußten, inneren Zusammenhang stand, viel-
leicht auch nicht jeder Pfarrangehörige dem Pfarrer persönlich
bekannt war.
Selbst Fesselung der eigentlichen Kirchen-
kollekten!
Am 9. Juni 1937 kam eine neue Einschränkung, die schon in
den innerkirchlichen Raum eingriff. Ein gemeinsamer
240
Runderlaß des Reichsministeriums des Innern und des „Reichs-
minisleriums für die kirchlichen Angelegenheiten" bestimmte:
, „1. Aus gegebener Veranlassung weisen wir darauf hin, daß nur
diejenigen Kirchenkollekten, die nach Maßgabe der von den ordent-
lichen vorgeordneten Kirchenbehörden aufgestellten Kol-
lektenplänen in den regelmäßigen Gottesdiensten ver-
anstaltet werden» als genehmigungsfreie Sammlungen im Sinne
des § 15 Ziifer 4 des Sammlungsgesetzes anzusehen sind. Ebenfalls
fallen unter das Verbot des Sammlungsgesetzes alle Kollekten, die
in Sonderg ottesdiensten veranstaltet werden.
2. Künftighin werden nach Maßgabe der §§ 13 und 14 des
Sammlungsgesetzes nicht rechtmäßige Kirchenkollekten strafrecht-
lich verfolgt und die Kollektenerträge eingezogen . . ."
Demgemäß waren nur noch jene kirchliche Kollekten staat-
licherseits genehmigungsfrei, welche entweder von der oberhirt-
lichen Stelle oder von den Kirchen- und Seelsorgvorständen amt-
lich angeordnet und bei den ordentlichen Gottesdiensten in
Kirchen und kirchlichen Versammlungsräumen für kirchliche
Zwecke gehalten wurden. Wollte also beispielsweise ein kirchlicher
Missionsverein bei einer außerordentlichen Missionsfeier in der
Kirche eine Sammlung für die Missionen halten, so konnten schon
Schwierigkeiten entstehen.
Frauenhilf s werk für Priest er b erufe beraubt
und verboten
Irgendeine kleine Verfiehlung einer Ortsgruppe oder ihrer Kas-
sierin gegen das „Sammlungsgesetz" genügte, um einem katho-
lischen Verein, auch einem rein religiösen, das Todesurteil zu brin-
gen. Ein Beispiel dafür ist das „Frauenhilfswerk für Priester-
berufe", das mit Gebet und Opfer die Heranbildung neuer Priester
fördern wollte, freilich auch des großen Verbrechens schuldig be-
funden wurde, einen Namen zu haben; der dem nationalsozialisti-
schen „Frauenwerk" ähnelte und darum Anlaß zu Verwechslungen
geben konnte. Er mußte darum verschwinden. Und Himmler fand
im „Sammlungsgesetz" das Henkerbeil und schlug los:
„Geheime Staatspolizei München, den 11. September 1939
Staatspolizeileitstelle München
. B.Nr. 35676/39 II/B/pf.
Beschluß.
I.
Auf Grund § 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 293) in
A Verbindung mit dem Gesetz über die Einziehung volks- und staats-
feindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 479) und der Min.
Bek. vom 8. November 1938 Nr. IV 2894 wird mit Erlaß des Reichs-
führers SS and Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des
Innern vom 14. August 1939 Nr. 1095/39 das „Frauenhilfswerk für Prie-
sterberufe e. V.'" einschließlich aller Untergliederungen und Neben-
241
gliederungen aufgelöst und das beschlagnahmte Vermögen zu Gunsten
des Landes Bayern eingezogen,
II.
Gründe;
Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Im Reichs-
ministerium des Innern hat mit Erlaß vpm 14. August 1939 —S— PP(IIB)
1095/39 auf Grund des Gesetzes vom 14. Juli 1939 über die Einziehung
Volks- und staatsfeindlichen Vermögens festgestellt, daß zahlreiche Orts-
gruppen des „Frauenhilfswerkes für Priesterberufe" gegen die geltenden
Bestimmungen des Sammlungsgesetzes verstoßen haben. Es war daher
zu entscheiden wie geschehen.
Gegen den Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulSssig.
I.A. gez. Schimmel
Für die Richtigkeit:
gez. Unterschrift.
Po. Sektr."
Da und dort sah die Gestapo sogar in dem ortsüliDlichen Zu-
sammensteuern von unter sich bekannten Pfarrangehörigen oder
einzelner Stände für die gemeinsame Bestellung eines Engel-
amtes im Advent eine verbotene Sammlung und beschlagnahmte
die gesammelten Gelder, die doch letzten Endes Meßstipendien
waren.
Natürlich vi^are» die üblichen Haussammlungen der
Bettelorden vom Nationalsozialismus nicht mehr gestattet.
Ebenso waren alle Sachsammlungen in Kirchen» wie sie
gerade in der letzten Zeit besonders auf Bauerndörfern sehr beliebt
geworden waren, beinahe überall unterbunden. Wie sehr das ge-
samte kirchliche Sammlungswesen überwacht und gesiebt werden
soljlte, zeigt nachfolgender Erlaß des Reichskirchenministeriums:
„Betreff: Staatliche Nachforschung über Kirchen-
sammlungen.
Nach mir zugegangenen Berichten wurden in den Kirchen, ins-
besonders in den katholischen Kirchen, seit einiger Zeit, namentlich
seit Herbst des vergangenen Jahres, Sammlungen aus verschiedenen
Anlässen in großem Ausmaße veranstaltet.
Es ist deshalb zu prüfen, ob , die Sammlungen die öffentlichen
Sammlungen im Interesse der Wohlfahrtspflege schädigen; auch sollen
auf diese Weise Edelmetalle der deutschen Volkswirtschaft entzogen
werden. •
Solche Sammlungen sollen stattfinden einmal zur Befriedigung
besonderer kirchlicher Bedürfnisse, wie Kirchenbau, Kapellenbau,
Kirchturmbauten, Anschaffung von Glocken, von Paramenten der eigenen
Kirchengemeinde oder auch fremder Gemeinden.
Ferner sollen solche Sammlungen erfolgen aus besonderen
Anlässen, wie zur Bekleidung von armen Kommunionkindern oder
zur Bereitstellung von Festen wie Fronleichnamsprozessionen und dgl.
Vielfach sollen die Sammlungen auch regelmäßig stattfinden,
wie an jedem Sonntag und am ersten Freitag des Monats; auch soll ein
Opfergang während der Messe eingeführt sein.
Die Sammlungen sollen sich teilweise auf Geldspenden beschränken,
darüber hinaus sollen sie sich vielfach aber auch auf Lebensmittel, ins-
besondere Fleisch und Eier, und auf Kldider erstrecken. Zumeist sollen
242
cf
Körbe in den Kirchen aufgestellt sein, worin die Gaben von den Spen-
dern gelegt werden. Die Spenden sollen regelmäßig für bedürftige
Mitglieder der Kirchengemeinde bestimmt sein, Es ist aber
auch vorgeliommen, daß eine Eier-, Butter- und Specksammlung für ein
kirchUches Krankenhaus stattgefunden hat.
Darüber hinaus haben OeistliQhe in fremden Gemeinden für die
Bedürfnisse ihrer Gemeinden gepredigt und gesammelt,
Metallsammlungen aollen insbesonders zur Beschaffung von
Kelchen veranstaltet worden sein.
Auf solche Sammlungen ist vielfach durch Anhänge in der Kirche
und durch Aufrufe im Kirehenblatt hingewiesen worden.
Ich ersuche ergebenat um Bericht über den Umfang und den Erfolg
der Sammlungen 'in Ihrem Bezirk, insbesonders auch darüber, inwie-
weit diese Herkommen und Brauch überschreiten vind ob sie den öffent-
lichen Sammlungen Abbruch tun.*'
Die beliebteste Straßensammlung abgeschafft!
Die behördlich -genehmigte und beim Volk außerordentlich
beliebte Straßensammlung zugunsten der katholischen Caritas, von
wirklich freiwilligen Caritashelfern durchgeführt, wurde
wiederholt gewaltsam gestört; ihre opferwilligen Saniml^r und
Sammlerinnen wurden sogar vielfach geschlagen. Ab 1937 wurde
sie überhaupt untersagt, ein Ausfall von Millionen I Als Ausgleich
wurde dem Caritasverband ganz Deutschlands vom Winterhilfs-
werk ein Jahresbeitrag von 600 QOO Mark gegeben, im nächsten
Jahr viel weniger, bald überhaupt nichts mehr!
Selbst die Rechtsfähigkeit
und danait, den Besitz von Grund und Häusern wollte man r e 1 i -^
g i ö s e n Vereinen nehmen.
Durch eine Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofes vom 5. Februar 1934 Nr. 2 I 34 (Reichsverwaltungsblatt 1935
Nr. 4 Seite 81) wurde in Frage gestellt, ob religiöse Vereine
auch weiterhin einen Rechtsanspruch auf Erwerb der Rechtsfähig-
keit (als eingetragener Verein) hätten, wie dies Artikel 124 Abs. 2
der Reichsverfassung unter Aufhebung der im § 61 des BGB. vor-
gesehenen Bestimmung festlegte; denn „der hiernach begründete
Rechtsanspi-uch eines religiöse Zwecke verfolgenden Vereins auf
Erwerb der Rechtsfähigkeit ist durch die mit der nationalsozialisti-
schen Revolution eingeleitete und gegenwärtig noch im Gange be-
findliche Umgestaltung des Verfassungsrechtes hinfällig geworden.
§ 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933, die auf Grund des Art. 48,
Abs. 2, der RVerf. erlassen wurde, hat den Art. 124 RVerf. bis auf
weiteres außer Kraft gesetzt und Beschränkungen des Vereins-
rechtes auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen
Grenzen für zulässig erklärt. Diese Verordnung hat die in der
Reichsverfassüng und im Bürgerlichen Gesetzbuche aufgerichteten
Schranken, die von der Verwaltungsbehörde bei der Handhabung
243
der Vereinspolizei zu beachten waren, beseitigt. Ein Rechts-
anspruch auf die Erlangung der Rechtsfähigkeit
steht einem Verein, der religiöse Zweckever-
folgt, nach dem gegenwärtig geltenden Rechte
n i c h t m e h r z u; ob seine Eintragung in das Vereinsregister durch
Einspruch erhebung zu verhindern ist, hat die Verwaltungsbehörde
nach ihrem freien pflichtmäßigen Ermessen zu beurteilen."
Auch die Steuerfreiheit vieler kirchlicher
Vereine, z. B. auch des „Päpstlichen Werkes der Glaubens-
verbreitung" (Franziskus-Xaverius- Verein, Ludwig-Missions- Verein),
wurde aufgehoben, indem man ihnen, wie den Orden, die Ge-
meinnützigkeit und Wohltätigkeit absprach. So mußte
der Xaverius-Verein 2 Millionen Mark Steuern nachzahlen, der
Ludwig-Missions- Verein über 100 000 Mark.
Um letztwilligeVerfügungen (Testamente) zugunsten
der Kirche oder für katholische Orden und religiöse Wohltätig-
keitsanstalten einzuschränken, evtl. für ungültig erklären zu können,
wurde in das Erbschaftssteuergesetz Artikel 48 § 2 eingefügt mit
dem Wortlaut:
„Eine testamentarische Bestimmung ist nich-
tig, wenn sie sich in irgendwelcher Weise in Gegen-
satz setzt mit dem gesunden Volks empfinden und
der Achtung, die ein Testator vor der Familien-
und Volksgemeinschaft haben mu ß."
Eine Gewaltmaßnahme war auch das Verbot, daß die so-
genannte .„T 1 e Hand" — so nannte man mit einem alten
billigen Schlagwort die Kirche, die doch für alle Hilfswerke eine
offene Hand hat — noch Örund und Boden erwerbe, und sei
es auch so viel, um für eine Neusiedelung eine neue Kirche zu
bauen. Ja, es wurde sogar öfters der Baugrund, der für künftige
Kirchen schon vorhanden war, wieder enteignet. Durch solche Aus-
nahmegesetze sollte der Bau von Kirchen von vornherein unmög-
lich gemacht werden. (Kardinal Faulhaber in Silvesterpredigt 1941.)
Wie sorgfältig man im ganzen Deutschen Eeich jeden entgeltlichen
oder unentgeltlichen Grunderwerb der Kirche verfolgen und verhindern
wollte, zeigt nachfolgender Erlaß:
Abschrift.
Der Reichsminister des Innern Berlin, den 29. Februar 1940
VI c 7066/40 NW 40, Königsplatz 6.
Grundstücke.
Sofort!
Betrifft: Statistik des Rechtserwerbes juristischer Personen.
Zur Vorbereitung einer reichsrechtlichen Rege-
lung'der Beschränkungen des Rech t s er wer bes juri-
stischer Person en (zu vgl. Art. 88 EG., zum RGB.) sollen zunächst
statistische Erhebungen über diesen Rechtserwerb angestellt werdea
244
Die Statistik wird vom Statistischen Reichsamt in Berlin C 2, Neue
Königstraße 27—37, durchgeführt.
Anbei übersende ich ergebenst Vordrucke von Zählkarten, die für
Jeden einzeihen ' Rechtser wer bungs Vorgang ausgefüllt
dem Statistischen Reichsamt zu übersenden sind. Diese Benachrichti-
gungen obliegen den Regierungspräsidenten, beim Fehlen dieser Behörde
der obersten Landesbehörde, in der Ostmark den Reichsstatthaltern (bis
zu deren Einsetzung den Landeshauptmännern).
Der Vordruck 1 bezieht sich auf den entgeltlichen Er-
werb von Grundstücken, der Vordruck 2 auf den Erwerb auf Grund
einer Schenkung oder von Todes wegen, im letzteren Falle
einerlei, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Sachen
handelt. Während hinsichtlich der beweglichen Sachen (Geld usw.) nur
die der Genehmigungserfordernis unterliegenden oder sonstwie' zur
behördlichen Kenntnis gelangenden Rechtsvorgänge erfaßbar sind, ist
bei den Grundstücken die vollständige Erfassung dadurch gegeben, daß
auf Anordnung des Herrn Reichsministers der Justiz vom 13. Februar
1940 —341— IV— b- 195 (Deutsche Justiz S. 211) — die Grundbuchämter
(Grundbuchsgerichte) den für die Ausfüllung der Zählkarten
an
a) die Landesregierungen
(für Preußen: die Regierungspräsidenten,
den Polizeipräsidenten in Berlin),
b) die Herren Landeshauptmänner in der Ostmark
(für Wien: Reichskommissar — Staatl. Verwaltung des Reichs-
gaues Wien — ),
c) den Herrn Reichskommissar für das Saarland
in Zweibrücken,
d) den Herrn Reichsstatthalter im Sudetengau
. in Reichenberg
zuständigen Behörden über jeden nach dem 29. Februar d. J. grund-
buchlich zu behandelnden Fall schriftlich Anzeige zu erstatten
haben.
Von der statistischen Erhebung ist ausgenommen der Rechtserwerb
der öffentlichen Gebietskörperschaften. c
Für die Erhebung gilt als Arifahgszeitpunkt der 1. März d. J.
Die benötigten Zählkartenvordrucke 1 und 2 sind nach Bedarf beim
Statistischen Reichsamt anzufordern.
Im Auftrag
Unterschrift: unleserlich.
Vordruckl
Statistik des Rechtserwerbs "juristischer Personen
Zählkarte Nr
Er wer b, von Grund stücken durch juristische Personen.
a) durch die evang. Kirche oder eine evang.-kirchl. Vereinigung*)
b) durch die katholische Kirche oder eine kath.-kirchl. Vereinigung
(Orden usw.)*)
c) durch eine sonstige juristische Person*).
1. Land (Reichsgau): ; r ^ '. a , i . i s vi : : . i ^ . .
2.' Regierungsbezirk- s i. , t i_ . i ;• l . « . » ■
245
3. Des Erwerbers
a) Name: . . . j 4 s
b) Wohnsitz: ^ -.
4. Des Veräußerers:
a) Name: i t a t t . i .,...-. n . i
b) Beruf: .....,...,..»
c) Wohnsitz; . i . .«...«
5. Bezeichnung des übereigneten Grundstückes:*)
a) ungeteiltem Grundstück mit — ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
b) Teilstück mit •— ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
Acker — Wiese — Weide — Wald — Wasserflächen — Unland —
• • * • . . » i N . i
6. Lage des Grundstückes:
Grundbuchamt (Grundbuchßerlcht): * . . Band . , . Blatt . * s
7. Grundstückgröße ...... ha a qm .....
8. Einheitswert für 19 . . . (soweit bekannt) . . . RM. ,,,,.,,
9. Erwerbspreis: . . . i • « « EM. • 4 b % « . <
10. Genehmigung: erforderlich ja — nein*)
erteilt am: .....««. versagt am: <«.......
11. Beschränkung der Genehmigung (Auflage): s .....*.. .^ •
. i
, . . i k » . ' i> i
12. Grund der Teilgenehmigung: . ^ i . . « « . « . ^ . . . . 1
. ......... ..i«i<-«jit. •..<■..
13. Bemerkungen (z. B. Grundstückstauäch): < s •..«.«.. »
•) Zutreffende! unteratrelehen«
.....i.#>i Qen ..t..iti
(Unterschrift) •
Einzusenden an: Statistisches Reichsamt
Abt. VI, Allg. Wirtschaftsstatistik 8530
Berlin C 2
Neue Könlgstr. 27^37
Abschrift. Vordruck 2
Stätistikdes Rechtserwerbs juristischer Personen
Zählkarte Nr
ZuwendungenanjuriitiBchePersonen.
a) an die evang. iCirehe oder ein© evang.-kirehl, Vereinigung*)
b) an die katholische Kirche oder eine kath.-kirchl. Vereinigung
(Orden usw.)*)
c) an eine jüdische iCultvirvereinlgUng oder eine jüdisch-religiöse Ge-
meinschaft*)
248
d) an eine sonstige Juristische Person*).
1. Land (Reichsgau): «««Bi«
2. Regierungsbezirk: .,<'•«. ^ . u .. v ..».»•••• •
3. Des Gebers
a) Name: •« ti »• n t « t a »««.-«.;.••.•• •
b) Beruf:
c) Wohnsitz: « t; . t • . ^ . . . .
4. Des Empfängers
a) Name: ....... v ..-.:........... «
b) Wohnsitz:
5. Zuwendungen von Geld, sonatigen beweglichen Sachen (genaue An-
gaben):
6. Zuwendung von Grundstücken*):
a) ungeteiltes Grundstück mit — ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
b) Teilstück mit — ■ ohne Gebäude, mit — ohne Inventar.
Acker — Wiese — Weide — Wald — Wasserflächen — Unland — ^
c) Grundbuchamt (Grundbuchgericht): « . . Band .... Blatt ....
d) Grundstückgröße: ha ...... a ..... . qm
7. Wert der Zuwendungen: .!...-.... EM. . ;.
8. Genehmigung: erforderlich ja — nein*)
erteilt am: . s s s . . -. . . versagt am: j « ; b s . . . .
d. Beschränkung der Genehmigung (Auflage): «»»,.$»....
10. Grund der Teilgenehmigung: • . t. ,i . y e « i . » ^ . . . .
*) Zutreffendes unterstreichen.
. . . . . 8 . . ., den
(Unterschrift)
Einzusenden an: Statistischeg Reichsamt
Abt. VI, AUg. Wirtgchaftsetatlstik 8B30
Berlin C 2
Neue KönigBtr. 27—37
Das behutsame, aber desto systematischere Vorgehen, um
„dem nicht zu gewinnenden Klerus die finanzielle
Ader zu durchschneiden"» schritt schließlieh von der
Drosselung der kirchlichen Einnahmen immer mehr zum bru-
talen Raub kirchliche n Vermögens:
Wie schon gezeigt, wurde den meisten kirchlichen Vereinen
ihr bewegliches und unbewegliches Eigentum konfisziert. Viele
katholische Klöster und caritative Anstalten wurden enteignet (ab-
gesehen davon, daß beiden schon länger vorher immer mehr Be-
schäftigung und Einkommen genommen wurde).
Katholische Presseinstitutionen, Druckereien, Verlagsflrmen
und Buchhandlungen Wurden durch die steigenden Verbote und
Beschlagnahme katholischer Bücher oder Verhinderung fast aller
247
Neuerscheinungen auch rein finanziell schwerstens geschädigt, viel-
fach auch ganz weggenommen.
Bez. Klosterraub siehe vorausgehendes Kapitel!
Kirchliche Grundstücke wurden im Bedarfsfall ohne viel Feder-
lesens weggenommenj z. B. der Kirchenstiftung von Reichersbeuern
und dem Kloster Reutberg zur Entschädigung der Bauern, die
Grundstücke hatten abgeben müssen für den Bau der NS- Junker-
schule in Bad Tölz; ebenso der Kirchenstiftung Germering für den
Bau eines „Forschungsinstitutes", dem St.-Josefs-Haus in Percha
(Oberbayern) zur Vergrößerung des städtischen, von Christian
Weber gepachteten Gutes Buchhof.
„Ein Mann fiel unter die Räuber; die plün-
derten ihn aus." (Lk. 10,30.)
C. Antichrist ohne Fesseln.
Heinrich Heine schrieb in der zweiten Vorrede seiner Schrift
über „Religion und Philosophie in Deutschland" im Jahre 1852
„von der Schlange, der kleinen Privatdozentin, die schon 6000 Jahre
vor Hegels Geburt die ganze Hegeische Philosophie vortrug" mit
den Worten: „Wenn ihr vom Baum der Erkenntnis genossen, werdet
Ihr wie Gott sei n,"
Und am Schluß dieser Schrift sagt er: „Das Christentum — und
das ist sein schönstes Verdienst — hat jene brutale germanische
Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht
zerstören. Und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz,
zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten
Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nor-
dischen Dichter so viel singen und sagen. Die alten steinernen
Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt und
reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor
mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die
gotischen Dome."
Mit der Herrschaft und dem Geist des Nationalsozialismus
wurde dieses Heinewort traurige Wahrheit. Menschen dünkten und
gebärdeten sich wie Götter oder verehrten andere wie Götter
und gehorchten ihnen wie Göttern.
Und „die Wildheit der alten Kämpfer" rasselte empor
„mit dämonischen Kräften" und verübte Grausamkeiten und Ver-
brechen, für die die Worte „Berserkerwut" und „barbarisch" noch
viel zu gering sind.
Thor, der altgermanische Kriegsgott, sprang empor mit seinem
heidnischen Göttergefolge und schlug um sich mit seinem Riesen-
hammer, bedrohte die ganze Welt, erschlug ungezählte Menschen,
zerschlug unersetzliche Kulturgüter und schwang in wildem Gottes-
haß den Riesenhammer auch gegen das Kreuz.
„Viele Antichristen traten auf" (1. Jo. 2,18).
24P
1. Antichrists Wüten gegen das Christentum.
„Das Schwarze Korps" vom 8. April 1937 brachte ein großes
Bild mit dem Titel:
„Gott schuf den Menschen nach seinem Gleichnis."
Teufel und Priester reichen sich die Hände mit den Worten:
„Wir sind gut e Freunde. Wir braucheneinan der."
Da ist es zu wenig, zu sagen: „Sie spottetenihrerselbst
und wissen nicht, wie!" Da paßt eher das Wort: „Sie bezich-
tigten sich selbst und wissen nicht, wi e."
Nicht Teufel und Priester, sondern Satanund National-
sozialismus standen im Bunde miteinander:
Satanisch war des Nationalsozialismus' Haß gegen das
Christentum ur^d alles Heilige.
Satanisch ; waren des Nationalsozialismus' Verlogenheit
undÜberhebung!
Satanisch waren des Nationalsozialismus' Kampf- und
Werb e w.eis e !
Satanisch waren des Nationalsozialismus' Gewalttätig-
keit und Grausamkeit!
Satanisch waren schließlich auch des Nationalsozialismus*
Sturz und Ende!
A. Abschied dem alten Gott!
Es lebe der Heidengott, der deutsche Gott!
Die ganze Glut des nationalsozialistischen Hasses gegen
Gott, Gottes Wort, Gottes Sohn, Christentum,
Kreuz, Kirch eundPriestertum sprüht uns entgegen aus
dem nachfolgenden Gedicht von G. Sebecker in „Freiheitsflammen,
Verse und Sprüche für deutsche Heiden":
Wem das Hakenkreuz ins Herz gebrannt.
Der haßt all' andern Kreuze!
Wer« sich in seinem Volk erkannt,
Der lachet der Erlöserkäuze!
Sonntag ist's
Ich sehe viele Deutsche hin zum Kreuze kriechen
Und die dumpfen Hallen der Kirchen füllen.
Wir freien Deutschen hassen diese Seelenkerker!
Mehr noch hassen wir die Priesterhünde,
die das Bibelgift ins Herz des Volkes gießen.
Schlagt sie tot! Die schwarzen Hunde,
die die Seele unseres Volkes schänden
Schlagt sie tot! Die Seelenmörder,
die das Erbbild unseres Volkes töten. —
Hütet euch vor dem, der da spricht:
„Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst!"
Denn was der Nazarener will, ist unser Untergang,
Unser Verderben ...
249
Priesterhunde heulen durch Österreichs Straßen.
Sie zerren, was Deutsch ist, in ihre schmutzigen Gassen,
Sie jagen, was Deutsch ist, hinein in die Arme des völkischen Todes,
Sie töten, was Deutsch ist, zur Ehre des jüdischen Gottes.
Fluch über Rom!
Weh dir, du schwarzer Orden, Weh dir, Weh!
Deine Liebe ist das Morden, Weh dir, Weh!
Dein listiger, feiger Mordbrand
verwüstete das Nordland!
Weh dir, du schwarzer Orden, Weh dir, Weh!
Die Rache kommt aus Norden! Weh dir, Weh!
Die „Baseler Nationalzeitung" bemerkt nach „Reichspost" vom
18. März 1937 zu diesem Haßerzeugnis:
„Im Volke eines Goethe und Schiller kann derlei Schund als Ge-
dicht gedruckt werden! Welche Geistesverfassung gewährt solchen in-
ferioren Produkten Daseinsberechtigung? Dieser haßtriefende „Gedicht-
band" wurde, wie das Schweizer Blatt mitteilt, in einem Heim der
Hitlerjugend aufgefunden.
Leider muß man sagen, daß das Buch nicht etwa nur eine zufällige
Erscheinung, das Erzeugnis eines närrischen Kopfes ist. Es ver-
dolmetscht, so plump und ungefügig seine Sprache ist,
die Lehren, die in den Führer- und Rednerschulen der
Deutschen Glaubensbewegung' unter Mitverantwor-
tung na tionalsozialistischer Parteistellen ins Vc^lk
getragen werden.
Die Freiheit und aktive Unterstützung, deren sich
parteimäßig diese Propaganda erfreut — und wie man
erst in den letzten Tagen erfahren hat, auch von maßgeblichen
Stellen — , steht in krassem Widerspruch zu der Un-
freiheit, der die christliche Volksaufklärung unter-
worfen ist."
Sprachlich ruhiger, aber sachlich ebenso ablehnend gegen alles
Biblische, Christliche und Kirchliche ist nachfolgendes Gedicht aus
den „Flammenzeichen":
Gott.
Wir sehen keinen Gott mit langem Barte
Und einem Stocke in der Hand.
Wir sehen nur das Werk des Schöpfers
In unserm deutschen Vaterland.
Wir sehen keinen Gott der Juden,
Der jenes Volk sich auserwählt.
Wir glauben nicht an Gottverträge,
Wovon die alte Schrift erzählt.
Wir sehen Gott nicht in Verbrechen,
Die sein Volk jederzeit verübt,
Wir sehen Gott in seinem Wirken,
D"as Deutschen Brot und Arbeit gibt.
Wir glauben nicht an Gottes Worte,
Wir glauben nicht an Gottes Schrift,
Wir glauben, daß in seinen Werken
Man Gott am nächsten trifft.
250
„Der neue Gott**
aber, an den deutsche Jugend glauben soll, offenbart sich in nach-
folgenden „Anrufen", die den Kindern in K ö 1 n, Ortsgruppe
R e i n a u, für die Speisung in der NSV beigebracht wurden:
VordemEssen:
„Führer, mein Führer, von Gott mir gegeben,
beschütz' und erhalte noch lange mein LebeH!
Hast Deutschland gerettet aus tiefster Not,
Dir danke ich heute mein täglich Brot.
Bleib lang noch bei mir, verlaß mich nicht,
Führer, mein Führer, mein Glaube, mein Licht!
Heil, mein Führer!"
Nach dem Essen :
„Dank sei Dir für diese Speise,
Beschützer der Jugend, Beschützer der Greise!
Hast Sorgen, ich weiß es, doch kümmert's Dich nicht,
ich bin bei Dir bei Nacht und bei Licht.
Leg ruhig Dein Haupt in meinen Schoß,
bist sicher, mein Führer, denn Du bist groß.
Heil, mein Führer!"
Von solchem Gebet zu Hitler war es nicht mehr weit zum
Altar für Hitler, zum „H a u s a 1 1 a r", den ihm manch hysterische
Frau errichtete, aber auch nicht mehr weit zum förmlichen Kult
für ihn Und seine Helfershelfer. So brannten beispielsweise in dem
Versammlungslokal einer HJ-Gruppe in Baden zwei Kerzen vor
dem Bild von Hitlers „Leibtheologen" Rosenberg, war über-
haupt alles aufgebaut wie ein Altar. „Ihr werdet sein wie Gott.**
'Auf der gleichen Linie lag es schließlich, wenn der schöne
süddeutsche Gruß „Grüß Gott!" mit Gewalt verdrängt wurde
von „H e i 1 H i 1 1 e r", einer Grußart, diewohlin derganzen
übrigen Welt nicht ihresgleichen hatte. Millionen-
mal im Tag mußte es im Feldwebelton geschrien, millionenmal im
Tag am Schluß von Briefen geschrieben werden.
Die Kreisleitung Berchtesgaden der NSDAP und der Fremdenver-
kehrsverein des Berchtesgadener Landes gaben im Olympiajahr 1936
sogar einen Sonderabdruck eines ellenlangen Zeitungsartikels heraus
und versandten ihn massenweise, um nur das verhaßte reaktionäre
„Grüß Gott!" verstummen und das einzig nationale „Heil Hitler" überall
und bei allen Gelegenheiten vim so lauter ertönen zu lassen. Das groß-
sprecherische „Kulturdökument" lautet:
Berchtesgaden, im Olympiajahr 1936
Liebe Volksgenossin!
Lieber Volksgenosse!
Wir wissen, daß Sie jetzt zur Hochsaison vollauf beschäftigt sind
und Ihnen deshalb nicht zugemutet werden kann, täglich die Zeitung zu
lesen, so daß Ihnen wahrscheinlich der im „Berchtesgadener Anzeiger"
erschienene Artikel entgangen ist.
251
^ir übersenden Ihnen daher auf diesem Brief diesen auch für Sie
interessanten Artil^el und ersuchen, Ihrerseits auf die übrigen in Ihrem
Betrieb tätigen Volksgenossen in diesem Sinne einzuwirken.
Heil Hitler!
Es gibt tausend kleine Beweise im Alltag des Lebens, ob wir er-
kannt haben, daß wir gemeinsam nur als Volk vor der Welt bestehen.
Der Kleingeist, der sich einbildet, daß das altvertraute, liebgewordene,
von den Vätern übernommene „Grüß Gott" doch sicher recht freundlich
sei, besonders für Frauen und Mädchen, ist doch ein rechter Tölpel. Wir
wählen gerade dieses Beispiel, weil es weit wichtiger ist, als sich man-
cher rechtschaffene, brave und biedere Bürgersmann das vorstellt.
Es ist nicht wahr, daß es doch gleichgültig sei, ob wir nun „Grüß
Gott" sagen oder unser „Heil Hitler", unter dem wir wieder aufgewacht
sind, vernünftig und anständig geworden sind. Mit dem „freundlichen"
Grüß Gott oder Guten Tag sind wir in die Hölle gefahren, nicht in das
Leben marschiert. „Grüß Gott" kann freundlich vertraut klingen — wer
aber will es abstreiten, daß es zu nichts verpflichtet und daß es, in der
Stadt gesprochen, eine unverbindliche und nichtssagende Grußformel
bedeuten kann und auch für die meisten bedeutet.
Nicht dieses freundliche „Grüß Gott" hat uns gerettet, so freundlich
und vertraut es klingen mag. Der Gruß „Heil Hitler" hat uns zusammen-
geführt, hat uns die Kraft und den entschlossenen Willen gegeben, uns
unser Recht von der Welt zu ertrotzen, die nun ihre Jugend zu uns
schickt. Nicht das „Grüß Gott" hat die Parteien weggefegt, dem Bol-
schewisten den Dolch und den Schießprügel aus der Faust geschlagen,
(die Schieber und Wucherer unschädlich gemacht, dem Arbeiter das Brot,
dem Bauern den Acker zurückgegeben, dem Geschäftsmann Büro und
Laden, dem Industriellen und Handwerker die Werkstatt mit neuem
Leben erfüllt, dem Fremdenverkehr neuen Auftrieb gegeben.
„Heil Hitler" — das war der Gruß der ersten Kämpfer, der ihre
Seele beflügelte und erfüllte, war der letzte Gruß vieler hundert sterben-
der SA-Männer, war der Schreckensruf für alle Verbrecher und Halun-
ken, für alle Schlafmützen und Spießer, der Schreckensruf für diejeni-
gen Völker, die uns für alle Ewigkeit rechtlos zu lassen gedachten.
Dieses „Heil Hitler" des ersten kleinen SA-Mannes hat eine ganze Welt
in Bewegung gebracht. Aber nur ein einfältiger Tölpel kann sich ein-
bilden, daß wir es jetzt gerade deshalb während der Olympischen Spiele
aussphalten müssen, weil „doch jetzt gerade die vielen Ausländer
kommen"!
Als wir kürzlich mit einem Ausländer durch die Straßen gingen,
begegnete uns ein „Grüß-Gottler". Sicher kein „Staatsfeind", auch kein
„Nazifresser", aber halt ein „lieber, herzlicher, netter Grüß-Gottler",
dessen freundlicher Gruß auch gewiß nicht anders gemeint war, als ein
freundlicher Gruß, der so hingesprochen wird. Als er wieder seines
Weges ging, fragte unser Ausländer sehr erstaunt, ob dieser Mann ein
Gegner des Führers sei! ^
Das ist es, worauf wir heute noch einmal hinweisen wollen." Wer
sich in seiner, Gedankenlosigkeit und Undankbarkeit gegen Führer und
Partei schon gefällt, daß er ohne „Heil Hitler" auskommt, der soll wissen,
daß er heute vor dem Fremden, ' der uns aufmerksam betrachtet, als
Gegner des Führers steht und damit als Gegner des Volkes. Wir wün-
schen nicht durch Ausland und Fremde darauf aufmerksam gemacht
zu werden, daß es heute noch Deutsche gibt, die sich nicht zu benehmen
wissen. Diese Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit muß aufhören,
insbesondere hier im Berchtesgadener Land — der Wahlheimat des
Führers — , das auch in den nächsten Wochen von zahlreichen Olympia-
' gasten besucht wird.
252
Es ist auch durchaus unangebracht, wenn umgekehrt ein Gast nait
dem lieben, netten „Grüß Gott" grüßt und man glaubt dann, verpflichtet
zu sein, ebenfalls mit „Grüß Gott" zu grüßen. Im Gegenteil! Der Aus-
gangspunkt für die Gedankenlosigkeit liegt meist bei denen, die den
größten Nutzen von der deutschen Wiedergeburt haben, einem Teil der
Geschäftswelt, der glaubt, einen Hering oder ein Glas Bier mehr ver-
kaufen zu können, wenn er sich devot mit einem „freundlichen" Grüß
Gott vor der „gnädigen" Frau verbeugt.
Schluß jetzt damit und Schluß mit der Weisheit lächerlicher Tölpel,
die glauben, der Ausländer müsse bei einem „Heil Hitler" einen Nerven-
schock bekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Die meisten von ihnen
haben sich' das für sie nicht leicht auszusprechende „Heil Hitler" für
ihre Deutschland- und Olympia-Reise einstudiert und erwidern strahlend
und lachend unseren Deutschen Gruß. Wie beschämend muß es für uns
sein, wenn dann so ein eitler, unterwürfiger und spinnender Tölpel seine
Dummheit unter einem „freundlich lieblichen Grüß Gott" an den Mann
des Auslandes bringt.
Das Ausland will im Olympia-Deutschland keine Grüß-Gottler
sehen, sondern das Volk, die Leute und die Männer, die eine Revolution
zum Segen Deutschlands und der Welt durchführten. Die alten Tanten,
die in Mannskleidung mit „Grüß Gott" durch die Welt dösen, werden
höflichst gebeten, sich in ihre Schlafgemächer und unter den Schutz
ihrer Zipfelmützen zu begeben, ehe wir noch deutlicher werden müssen!
Wir fühlen uns zu dieser deutlichen Attfforderung zum letzten Male
verpflichtet, nachdem uns ein Ausländer, der kein Nationalsozialist und
kein Faschist ist, darüber sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht hat,
daß es überhaupt in Deutschland noch einen Menschen gibt, der den
Gruß „Heil Hitler" schuldig bleibt.
„Wir würden diesen Mann sofort zur Ordnung rufen", sagte uns
dieser Ausländer, und dieser Ausländer ist ein Franzose! Das ist be-
schämend, und deshalb wünschen wir, daß wir verstanden werden, auch
von denen, die ihre Seele um eine Mark Tageskasse mehr verschleudern!
Es ist gewiß Privatsache, wieweit einer käuflich ist, aber wir wün-
schen nicht, von Privatangelegenheiten belästigt zu werden, wünschen
vielmehr, daß sich jeder der Ehre bewußt ist, das nationalsozialistische
Deutschland vor den fremden Gästen aus aller Welt repräsentieren zu
dürfen.
Ein Führer — eine Fahne — und deshalb auch ein Gruß!
Heil Hitler!
Max Kammerer, Kreisleiter.^ Dr. Max Berkmann, Kurdirektor.
Nicht Kreuz und Heiligenbilder, Hitlers Bild in jedes Gastzimmer!
In der gleichen Richtung, wie diese Hilter-Gruß-Großaktionen,
lag, was drei Jahre später im gleichen Kreis geschah:
Die Wirtschaftsgruppe „Gaststätten- und Beherber-
gungsgewerbe" von Berchtesgaden-Lauf en forderte in einem
Zirkular vom Januar 1939 ihre Mitglieder auf, in den Gastzimmern
statt der „Heiligenbilder und ähnliche m" (hinter
diesem „ähnlichen" verbirgt sich wohl verschämt die Anregung,
auch das Kre.uz zu entfernen) das Bild des Führers oder irgend-
eines der führenden Männer Deutschlands aufzuhängen, wie es sich
253
für die „Wahlheimat des Führers * gezieme. Hitler auch hier statt
und vor Gott und seine vorbildlichen Diener!
Wie sehr übrigens die katholische Heiligenverehrung den
Nationalsozialisten überhaupt ein Dorn im Auge war, zeigte ein Artikel
von SA am 26. Februar 1938. Darnach ist die katholische Heiligen-
verehrung „dem Führerideal abträglic h". Gegen diese Idee
sei es auch, wenn die „Katholische Aktion" sich mühe, „neue Hei-
lige auf den Markt zu werfen", wie Kolping, den Gesellen-
vater. „Katholische Feste seien überhaupt nichts als eine Gegenpropa-
ganda zu nationalen Festen. So wie der 1. Mai mit allem Pomp der
,Maienkönigin* geweiht werde, so werde der Sonnwendtag als Fest des
Martyriums des Heiligen Johannes des Täufers gefeiert."
In die gleiche Kategorie des Hasses gegen alles Heilige gehörte es
auch, wenn der Fastenhirtenbrief von Kardinal Faulhaber vom Januar
1940 über die „WafEenrüstung Gottes" (nach Eph. 6,10— 18) von der Ge-
stapo-Berlin beanstandet wurde, weil er als Datumsangabe enthielt:
„Am Tag des Heiligen Sebastian, des Soldatenpatrons, 1940."
Thors Mannen schämen sich dieses bleichen
Gekreuzigten !
Eine „religiöse Betrachtung" des „Schwarzen Korps" vom
8. Juni 1 1939 geht schon mehr aufs Ganze und ereifert sich in einem
Artikel: „Die Natur Gottes" folgendermaßen:
„Wir haben lange über die Frage nachgedacht: Welche christlichen
Lehren stehen in Widerspruch mit den sittlichen Forderungen der ger-
manischen Rasse und müssen darum nach klarem Wortlaut von Art. 24
des Parteiprogramms der NSDAP als unvereinbar mit den Rassebegrif-
fen betrachtet werden? Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß eine
Menge christlicher Anschauungen wirklich unvereinbar ist mit den
unseren.
Diejenigen von uns, die durch deutsche Landschaften reisen und
mitten im Blick auf schneebedeckte Berggipfel oder auf westfälisches
Moorland die Figur des Gekreuzigten antreffen, müssen, wenn sie
sich wirklich ihres Blutes bewußt sind, in der Tiefe des Herzens
sich wahrhaft schämen. Die Götter unserer Vorfahren wa,ren
nicht so. Sie waren wahre Männer, Männer mit dem Schwert in der
Hand. Wie verschieden davon ist dieser bleiche Gekreuzigte!
Seine passive Haltung, der tiefeingegrabene Kummer seiner Gesichts-
züge, Demut und volle Selbstaufgabe ausdrückend: das alles sind
Eigenschaften, die den heldischen, fundamentalen
Eigenschaften unseres Blutbewußtseins widerspre-
che n."
„N e u e E r 1 ö s e r"
„Christus, von dem wir nie wußten, ob die uns dargebotene
Religion seine wahre Lehre war, ist in dem Dunkel der Ge-
schichte versunken. Erst jetzt erkennen wir, daß sein
stellvertretender Bruder, um den sich eine Welt zer-
fleischte, uns nichts zu sagen hat, daß vielmehr der Tod
jener herrischen Streiter für ein Reich der Deut-
schen jene Handlung darstellt, die ein weitzurückliegen-
des Erlösungsmysterium überflüssig machte.
Die Kriegerdenkmäler in deutschen Landen sind Altäre
eines kommenden Volkes. Der ungenannte Soldat des Krie-
254
vges ist gestaltender Wegbereiter des kommenden Reiches, der den
Jesus von Nazareth ablösen soll." („Nordland" 27. Januar 1935.)
„Gott Deutschlan d."
Baidur von Schirach gab der deutschen Jugend einen neuen
Herrgott an Stelle des Christengottes. Er sagte bei der Einweihung
eines deutschen Jugendheimes im April 1939:
„Jedermann muß klar erkennen und zu Herzen nehmen, daß der
Dienst an Deutschland, der auch ein Gottesdienst ist, über
dem Dienst irgendeines Bekenntnisses steht, und unter unserer Jugend
darf niemand sein, der nicht bedingungslos Deutschland
gehör t."
Ähnlich bekundete er vor 45 000 HJ im Juli 1939 vor dem
Dom zu Magdeburg:
„Wenn Leute sagen: ,Die Hitlerjugend sei eine Jugend ohne Reli-
gion und ohne Gott', dann antwortet die HJ.: ,Dieser unser Dienst
an Deutschland ist auch ein Gottes diens t."'
Ein anderes oft zitiertes Wort des Reichsjugendführers Baidur
von Schirach:
„Ich bin weder Protestant noch Katholik, ich glaube nur an
Deutschlan d."
„Unser ist das Reich und die Kraft und die Herr-
lichkeit"
SS-Obergruppenführer Schulz, Pommern, sagt
zwar, daß er keine „Gotteslästerung" begehen wolle, begeht sie
aber tatsächlich, wenn er sagt:
„Ich will mich keiner Gotteslästerung schuldig machen, aber ich
frage: „Wer war größer, Christus oder Hitler? Christus
hatte bei seinem Tode 1 2 Jünger, die ihm aber nicht einmal treu blieben.
Hitler aber hat heute ein Volk von 70 Millionen hinter sich. Wir
können es nicht dulden, daß neben uns eine andere Organisation ent-
steht, die einen anderen Geist hat als wir. Wir müssen sie zerschlagen.
Der Nationalsozialismus erhebt allen Ernstes den
Anspruch: Ichbin der Herr, dein Gott. Dusollstkeine
anderen Götter neben mir habe n."
Schulz vergleicht dann weiter die Einstellung zum Heldentod fürs
Vaterland in Japan und Deutschland. Er fährt wörtlich fort:
„In Japan heißt es über den Heldentod: Ihr werdet sein wie Götter!
Ja, es werden auch Göttertempel errichtet werden, in denen Ihr ver-
ehrt werdet." Aber bei uns rufen die Pfaffen: „Wehe, wehe! Denn es
wird sein Heulen und Zähneklappern."
Er schließt dann seine Rede mit deutlicher Anspielung auf den
evangelischen „Vaterunser"-Schluß nach Mt. 6, 13, das „Dein" blas-
phemisch mit „unser" ersetzend:
„Denn unser ist das Reich und die Kraft, denn wir haben
eine starke Wehrmacht, und die Herrlichkeit, denn wir
sind wieder ein angesehenes Volk, und, so Gott will, ,in Ewigkeit'.
Heil Hitler!"
255
Das deutsche Heidenlied.
(Ein im Jahre 1940 von Nürnberg aus mit Postkarten massenhaft
verbreitetes, stolzes Bekenntnis zum deutschen Heidentum von
Otto Peitsch)
Ereifert ihr euch, ihr Gesalbten des Herrn,
Im christlichen Haß? Wir gönnen's euch gern!
Wir haben die Tat unserer Rettung vollbracht
Und haben uns frei von den Pfaffen gemacht,
Wir deutsehe Heiden!
Der Kampf mit dem Leben ist hart allezeit.
Doch ihr wollt uns machen zum Himmel bereit,
Auf ewige SeUgkeit rechnen wir nicht,
Dem Leben, der Wahrheit schau 'n wir frei ins Gesicht.
Wir deutsche Heiden!
Frei auf uns der Blick und empor das Haupt,
Und weder an Engel und Teufel geglaubt.
Die Demut, ihr Herren, überlassen wir euch,
Und lassen euch gern das himmlische Reich.
Wir deutsche Heiden!
Wir halten nichts mehr von Gebet und Litaneien,
Das Heidentum stärkt, macht uns männlich und frei;
Wir glauben an u n s und unsere Kraft,
An Deutschland und das, was ihm Größe verschafft.
Wir deutsche Heiden. .
Nationalsozialismus und Christentum
sindAntipoden.
Wie gegensätzlich Nationalsozialismus und Christentum emp-
funden wurden, zeigt folgende Gegenüberstellung, welche in der
Wochenschrift „Blitz" vom 10. Januar 1937 stand. Mag sie den
Standpunkt des Christentums vielfach falsch darstellen, es bleibt
die Tatsache, daß der Nationalsozialismus das Christentum so auf-
faßte und darum so wütend bekämpfte.
„Was der National- Was das Christentum
Sozialismus lehrt": lehrt:
Lebensbejahung ...... Lebensverneinung
Selbstbewußtsein Schuldbewußtsein
Stolz Demut
Körperpflege Kasteiung
Ringen um neue Erkenntnisse . Beharren in den Anschauungen
aus den Kindertagen der
Menschheit
Sehendes Wissen Blinden Glauben
Bekenntnis zu Rasse und Volk . Verehrung des Menschheits-
begriffes
Irdische Bewährung Absoluten Vorrang des Religiösen
256
Hingabe an die Volksgemeinschaft Hingabe an das Jenseits
Kraftvolle Erfüllung der Berufs- Völlige Unterwerfung unter die
pflichten kirchlichen Dogmen
Selbstverantwortlichkeit . . . Abhängigkeit von der Gnade
Kampfbereitschaft Friedfertigkeit um jeden Preis
Energische Abwehr des Bösen . Unbedingte Duldsamkeit
Verehrung von Blut und Boden Verleugnung von Blut und Boden
Vollen Einsatz für Volk, Sippe Überordnung des kirchlichen*
und Familie Interesses über alle Ideale
Volkseinheit ........ Glaubenszwiespalt
Rassenpflege . Rassenvermanschung
Ausscheidung der Erbkranken . Gleichberechtigung der Erb-
kranken
Geburtenvermehrung der Wert- Kampf gegen die Geburten-
vollen Vermehrung der Wertvollen
durch den Zölibat
Verwerfung des volksfeindlichen Anerkennung des Judentums als
Judentums des auserwählten Gottesvolkes
Ablehnung des jüdischen Natio- Anbetung Jahwes als des höch-
nalgötzen Jahwe sten Gottes '
Glaubensfreiheit Glaubenszwang
Wirklichkeitssinn ..... Religiöse Spekulationen
Lebensfreude Lebensflucht
Vertrauen in die Meisterung des Mißtrauen des Menschen gegen
Lebens durch eigene Kraft . . sich selbst wegen der angeb-
lichen Erbsündebelastung.
B. Der Theologe der „deutschen Heiden".
„Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten
geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP" war Alfred Rosenberg.
Sein Hauptwerk: „Der Mythus des 20. Jahrhunderts" wurde
geradezu die „Bibel des Nationalsozialismus".
Rosenberg selbst hatte zwar in der Einleitung seines Werkes
ausdrücklich bemerkt:
„Die in dieser Schrift vorgetragenen Gedanken und Schlußf olger un-
gern sind durchaus persönliche Bekenntnisse, nicht Pro-
grammpunkte der politischen Beiwegung, welcher ich an-
gehöre. Diese hat ihre großen Sonderaufgaben und muß sich als
Organisation fernhalten von Auseinandersetzungen
religiöser, kirchenpplitischer Art..."
Auch Regierungs- und Parteimänner wurden nicht müde,
immer wieder zu erklären, daß Rosenbergs „Mythus" ein rein
privates Werk sei.
Kreuz und Hakenkreuz 17 257
Aber die W i r k 1 i c h k 6 i t war anders:
1. Rosenberg schrieb nicht bloß als irgendeine Privatperson,
sondern als der vom Führer bestellte Leiter der
weltanschaulichen Schulung der nationalsozialisti-
schen Partei.
2. Rosenberg durfte und sollte die in seinem Buch nieder-
gelegten Gedanken als „Nation alsoizialistische Welt-
, a n s c h a u u n g" in zahllosen Reden auf offiziellen Partei-
schulungskursen darlegen.
3. Auf dem Parteikongreß in Nürnberg im Jahre 1937 zeichnete
Hitler Rosenberg speziell als seinen Beauftragten für die
geistige Schulung der Partei als allerersten mit dem neuen
„Staatspreis für Kunst und Wissenschaft" aus
und rühmte ihn in dem offiziellen Begleit-
schreiben als den Mann, „der in wissenschaft-
licher u,nd tiefgründiger Weise die festen
Voraussetzungen für ein Verständnis der
geistigenGrundlageridesNationalsozialis m u s
geschaffen hab e".
4. Rosenbergs Bücher wurden durch eine intensive und extensive
Parteipropaganda unterstützt.
5. Die ganze Nazipresse suchte den „Mythus" und die anderen
, Werke Rosenbergs als die für den Nationalsozialismus wich-
tigsten Lehrbücher zu verbreiten („SA-Mann" vom 15. 1. 1938).
Umgekehrt wurde Msgr. Leffers, Pfarrer von Rostock, gerade
wegen abträglicher. Äußerungen über Rosenbergs „Mythus" und
die darin vertretenen Ideen zu eineinhalb Jahren Gefängnis
verurteilt.
6. Der „Mythus" stand in der offiziellen Liste der für
.Lehrer und Büchereien empfohlenen Bücher.
7. In ungezählten Schulungskursen und „L a g e r" - V o r -
trägen wurde der „Mythus" als Gr-undlage des ganzen
Unterrichts benützt. Kursteilnehmer wurden vielfach schon
vorher aufgefordert, den „Mythus" als „ein grundlegendes Werk
über den Nationalsozialismus" mitzubringen (z. B. Lehrer des
Rheinlandes).
8. Der Reichsjustizminister verordnete^ daß Referendare, die sich
auf die Assesso rprüfung vorbereiten, den „Mythus" stu-
dieren und mit seinen grundsätzlichen Lehren vertraut sein
müßten. Rosenbergs Nachschrift zum „Mythus": „An die Dunkel-
männer unserer Zeit" (1935) wurde den Beamten mit aller
Gewaltaufgedrängt.
9. Der Sächsische Erziehungsminister empfahl das
Buch für den offiziellen Schulgebrauch (Ministerial-
blatt vom 15. Oktober 1935).
258
10. Alle volkstümlichen Entgegnungen auf den „My-
thus" wurden beschlagnahmt und verboten.
Die Polizei stand zu Rosenberg.
Das Kath. Pfarramt Schliersee, Erzdiözese München, schreibt am
8. März 1935 an das Erzbischöfliche Ordinariat:
Betreff: Mythus des 20. Jahrhunderts.
Soeben wurde mir folgender Auftrag der Politischen Polizei durch
die hiesige Gendarmeriestation zur Kenntnis gebracht:
„Die Geistlichen sind zu verständigen, daß jede Behandlung des
Werkes .Mythus des 20. Jahrhunderts' in geschlossenen oder öffent-
lichen Versammlungen außerhalb der Kirche zu unterbleiben hat.
Gegen Zuwiderhandlungen ist mit Auflösung vorzugehen.
8. März 1935. gez. Obermayr."
11. Auf einem Kongreß der Leiter von 47 Gauschulungszentren, der
im Januar 1939 zu Erwitte bei. Lippstadt gehalten wurde, ward
als Programm aufgestellt, „noch im laufenden Jahre 60 000
Parteiamtsmänner nach den vertraulichen Richtlinien
von Rosenberg und Ley über philosophische und reli-
giöse Probleme zu schulen".
12. In einem 14tägigen Schulungskurs Mitteldeutschlands im Sep-
tember 1935 erklärte der Leiter unter anderem: „Der National-
sozialismus ist eine Weltanschauung. Und diese Welt-
anschauung ist zu finden in Rosenbergs
»Mythus des 2 0. Jahrhunderts'."
In mehreren dieser Schulungskurse erklärte der damalige
Reichsführer des NS-Studentenbundes, Derichsweiler:
„Die Zeit wird kommen, daß viele Parteimitglieder, die glaubten, für
eine politischeBewegung gekämpft zu haben, enttäuscht merken
werden, daß sie für eine neue Weltanschauung gekämpft
hatten. Solche Leute müßten jetzt schon ihre Entscheidung treffen."
Kein Wunder, wenn bei solcher amtlicher und parteiamtlicher
Propaganda für Rosenbergs Ideen auf einem Schulungskurs für
Bürgermeister in Oberbayern im Jahre 1936 tagelang auf der
Schultafel des Vortragssaales zu lesen war und mehrmals auch
als „Tischgebet" gesprochen wurde:
„Lieber mit Rosenberg in die Hölle,
als mit Faulhaber in den Himme 1."
Kein Wunder, daß bei der Sonnwendfeier des Personals des
Finanzamtes München-Nord am 22. Juni 1938 auf dem Frgimanner
Sportplatz der Steuerinspektor M. H. vor dem Sprung über das
Feuer eben diesen blasphemischen Spruch tat, dann freilich beim
Sprung sich den Fuß brach und mit Auto vom Sportplatz weg-
geschafft werden mußte.
UndRosenbergs letztes Ziel?
Er selbst offenbarte es auf der Reichskulturtagung 1938 mit den
Worten: „Daß die katholische Kirche und mitihr die
259
e V a n g e 1 i s c h e B e k e n n t n.i s k i r. c he in der htutigen Form-
gestaltung verschwinden müssen, darüber bin ich mir —
und ich glaube das auch im Sinne unseres Führers
sagen zu können — vollkommen klar." „Wir sind in der
Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung bereits
bei der deutschen Jugend ein großes Stück weitergekommen.
Die HJ ist ein Saugschwamm, dem niemand widerstehen kann.
Weiterhin ist der Aufbau des Lehrplanes in
allen Kategorien unserer Schule bereits derartig
in antichristlichem, antijüdischem Sinn erfolgt,
daß die aufwachsende Generation vor dem schweren Schwindel
bewahrt bleibt.
Wir haben aber noch ein Druckmittel, und das ist das finan-
zielle. Wir werden hier behutsam, aber desto syste-
matischer vorgehen, um dem nicht zu gewinnenden Klerus die
finanzielle Ader zu durchschneiden."
Rosenbergs Nachbeter.
Rosenberg sprach durch, den Mund vieler. Man könnte wirk-
lich Bände füllen mit Unterweisungen von Schulungsleitern und
Propagandisten, die ganz auf Rosenbergs Ideen aufgebaut waren.
Hier können nur einige Proben aus Schulungskursen verschiedener
Art wiedergegeben werden:
„Rosenberg" an den NSDStB.
Bei einer weltanschaulichen Schulung des nationalsozialistischen
deutschen Studenteribundes (NSDStB) im Jahre 1935 sprach in
einem Vortrag über:. „Unser Blut — Unsere Welt-
anschauung" Gau-Schulungsreferent S c h i n k e :
„Der Führer hat auf dem Parteitag 1933 erklärt: Der Nationalsozia-
lismus ist eine Weltanschauung. Diese Weltanschauung ist im Mythus
des 20. Jahrhunderts von Rosenberg dargelegt. In den Lagern des
NSDStB soll ein Stoßtrupp für Rosenberg zusammengeschweißt
werden für den kommenden, voraussichtlich im Winter einsetzenden
Kampf um die deutsche Seele, und zwar im Reiste und mit Willen des
Führers: .
Es gibt heute drei Weltanschauungen in Deutschland: die christ-
liche, die marxistische imd die nationalsozialistische. Eine schließt die
andere kompromißlos aus. Die germanische Frömmigkeit ist weiter
nichts als eine Ehrfurchtsgeltung gegenüber den Gesetzen der Ger-
manier und des Schönen." Die Menschen, die unseren Glauben nicht
haben oder haben können wegen ihrer rassischen Minderwertigkeit,
müssen ausgeschieden werden, was zum Teil bereits geschieht durch die
Sterilisation, die man ruhig als Mord bezeichnen könne. Die national-
sozialistische Weltanschauung ist nur für die germanische Rasse be-
stimmt, nicht wie das Christentum für alle Rassen.
Der Artikel 24 im Parteiprogramm besagt nur: „Positive Religio-
sität". Da das Christentum die landesübliche Religiosität gewesen ist,
ist der Verständlichkeit halber der Ausdruck Christentum gebraucht
worden."
260
„Wir lehnen nicht nur die hundert verschiedenen Christentümer,
sondern das Christentumansich ab.
Für uns Nationalsozialisten gibt es nur eine Befehlsstelle, auch
gegen Rom und Wittenberg."
Das Wesentliche dieser Ausführung bestand aber darin, daß der
Referent immer wieder betonte, daß das nicht seine Privatmeinung sei,
sondern die offizielle Einstellung der Partei und des Führers.
„Rosenberg" an Landjahrführer.
Ein Teilnehmer an einem Schulungskurs für Landjahrführer
berichtete darüber alsbald nach Ende desselben vertraulich:
Sofort nach dem Eintreffen im Lager war eine Erklärung zu
unterschreiben:
1. Nichts aus dem Lager in die Öffentlichkeit zu bringen,
2. Unbedingt und vorbehaltlos sich auf die Rosen-
bergschen Richtlinien festzulegen — auf etwas Un- .
bekanntes, dessen Inhalt und Bedeutung sich erst im Laufe der
Schulung, und zwar ganz zuletzt vor der Fackel- und Flaggen-
parade, ergab.
3. Unbedingten Gehorsam dem Lagermeister, d6n Leitern und
Helfern zu leisten.
> .
Aus dem Inhalt der rund 80, jeweils 15 Minuten dauernden
Referate der Teilnehmer:
' Nationalsozialismus ist eine Religion, geboren aus Blut und
Rasse, nicht eine politische Weltanschauung. Sie ist die neue, allein
wahreReligion, geboren aus nordischem Geiste und arischer Seele;
die noch bestehenden Religionen müssen schnellstens ver-
schwinden, bzw., wenn sie sich nicht selbst auflösen, voii Staats
wegen beseitigt werden. § 24 ist nur ein eingefügter Köder für die
Schwarzen aller Schattierungen, Nur ein vollständiger Idiot
verläßt sich auf das Programm und das Konkordat mit
Rom. Jedem Einsichtigen ist es klar, daß Nationalsozialismus und
Kirche Todfeinde sind. Die Kirchen sind politische Institutionen und
als solche, weil staatsfeindlich, auszurotten.
Es gibt weder Gewissensfreiheit noch Lehr- noch D e n k -
freiheit. Der Staat in seiner Totalität übernimmt die volle allei-
nige Verantwortung für Lehre und Leben. Anderes Denken ist
staatsfeindlich. Kritik in jeder Form ist vollständig verboten;
weder an dem Führer noch an den Führern bis zum Blockwart her-
unter, noch an deren Meinungs- und Willensäußerungen darf Kritik
geübt werden.
Alleinige Quellen sind:
I.Für die religiöse Seite des Nationalsozialismus: Rosenbergs.
Mythus.
2. Für die politische: das nur bedingt gültige Parteiprogramm.
3. Kulturelle und allgemeine Grundlage: einzig und
allein Rosenbergs Nationalsozialismus; dieser ist die neue
allein berechtigte Religion. Nicht Religionsdiener mit Hemmungen und
Vorbehalten.
Die Erziehung obliegt dem Staat allein. Kirchen- und andere An-
sprüche sind ausgeschlossen. WA der Geburt wird cl«r Mensch Natior
261
nalsozialist, und mit der Geburt beginnen des Staates Rechte. Die Eltern
sind nur Stellvertreter des Staates und nur bedingt zugelassen, solange
sie die Gewähr für nationalsozialistische Erziehung bieten. Wegnahme
der Kinder ist Recht des Staates. Jugend ist Träger der nationalsozia-
listischen Geistesrevolution. Der Zusammenhang mit dem Herkommen
muß restlos zerstört werden. Neue, ganz unerhörte, nie gekannte For-
men! Kein Individual-, nur Gemeinschaftsrecht!
Immer wieder: Wir sind einzig und allein Sozialisten mit unserer
eigenen, aus Blut und Boden geborenen Weltanschauung. Die Arbeit
allein entscheidet und nicht der Geist. Auf den legen wir keinen Wert.
Es kann nur der Führer sein, der sich hemmungslos dem National-
sozialismus hingibt und , als solcher arbeitet. Wer kritisch prüft,
ist schon erledigt. Wer nicht alles Vorgetragene restlos zu lehren
und zu leben bereit ist, muß gehen und schließt sich von selbst von allen
staatsbürgerlichen Rechten für alle Zeiten aus.
Der rechte Nationalsozialist muß mindestens SA-Mann sein. Nicht
früh genug kann mit dieser Ausbildung begonnen werden. Wer aus
körperlichen oder geistigen Gründen nicht mitmachen kann, muß sofort
das Lager verlassen. Der Nationalsozialismus hat das Recht auf den
ganzen Menschen.
DerBesuch von Gottesdiensten artfremder, rassen-
feindlicher, an orientalische Religion gebundener Konfessionen — katho-
lisch oder protestantisch — ist deshalb verboten.
Die orientalisch- jüdischen Lehren sind schuld: 1. am Untergang der
nordischen Rasse, 2. an der Vernichtung Deutschlands, 3. am Aufstieg
des Bolschewismus.
Der Nationalsozialismus hat die Welt vor dem Untergang gerettet,
nicht nur Deutschland.
Wer der^ Totalität des Staates entgegenarbeitet, hat sein Aufent-
haltsrecht verwirkt. Kein Konkordat kann ihn schützen; denn das Kon-
kordat setzt die Allmacht des Staates voraus. Um nicht die Schwarzen
und Rom gegen sich zu haben, bleibt § 24 des Programms vorläufig
bestehen. Nationalsozialismus und Christentum sind Todfeinde.
„Rosenberg" an Land Jahrerzieher
Einen noch deutlicheren Einblick in den ganzen antichrist-
lichen, rosenbergianischen Geist der „Führerkurse" gibt nach-
folgender Bericht über den Führerkurs für Land-
jahrerzieher inD., bei dem seinerzeit aus begreiflichen Grün-
den die näheren Angaben über Ort und Öatum weggelassen werden
mußten, der aber sonst alle Zeichen der Wahrheit in sich trägt.
Chronologische Aufzeichnung über meine dort verbrachte Zeit
vom . . . bis . . .
Sonntag, den ...
18 Uhr mußte alles im Lager sein. Einkleidung, Einteilung in Kame-
° rädschaften und Zuweisung der Betten. Ich schlafe auf Stube . . . Die
anderen Stuben haben interessante Namen: Wittekind, Alf red Rosenberg,
Walter Darre, Frunsberg, Florian Geyer. Ich lese den Spruch: Schmeißt
ihn raus, reines Haus muß ein Landsknecht haben. Aber die Sprache
und der Ton waren bald anders als rein. 19 Uhr sind wir im Rittersaal
versammelt. Vor dem Abendessen singen wir ein Lied, reichen uns die
Hand mit dem Gruß: Heil! Nach dem Essen genau "dasselbe. Es spricht
dann der Vertreter der Partei zu uns. Die Losung der vier Wochen wird
bekanntgegeben: „Gelobt sei, was da hart macht." 80 Leute legen sich
262
um 9.15 zu Bett. Die schlechten Witze sind das Abend-
gebet vieler, die meine Kameraden werden sollen. 11 Uhr nachts
Alarm! Wir springen über Zäune, klettern über Mauern und liegen um
12 Uhr endgültig in der Falle.
Montag, den . . . •
6 Uhr Aufstehen, Frühsport. Wir machen die erste Bekanntschaft
mit Wasser, Morast. Harte Körperschule. Wir lernen das Bettebauen.
Bis Mittag haben wir Arbeitsdienst, bestehend aus Roden und Dränage-
arbeiten. Nachmittags Schulung. Thema: Das Landjahr, sein Erzieher
und dessen Aufgaben. Die Jugend muß revolutionär erzogen werden,
daß sie jedem, der anders will, in die Fresse schlägt. Der Erzieher muß
Nationalsozialist sein und nicht irgendwelchen internationalen und pazi-
fistischen Ideen anhängen oder nachjagen. Wir erziehen den Jungen
zum wehrhaften deutschen Mann, der rassebewußt im Blut und Boden
verwurzelt seinem Vaterland dient. In der Abendrunde werden Lebens-
schicksale erzählt. Wir lernen das erste nationalsozialistische
Abendgebet:' „Ein altes Weib gewesen, krank gewor-
den, gestorben, in die Hö^e gekommen, wieder 'raus
gekommen, warum?, wegen der Hit z." Das beteten Ka-
meraden mit gefalteten Händen. Wir singen jedesmal vor
und nach dem Essen ein Lied und begrüßen uns immer mit dem Gruß:
„Heil!" Andere Gebete kennen wir nicht. Nur eines ist ims heilig, die
Fahne. Jeder muß genügend Flaggensprüche kennen, um sie bei Hissung
oder Herabnahme zu . deklamieren. .Erwünscht sind solche des Inhalts:
„W irbeten nichtzudem, zu dem diePfaffenbeten,
wir glauben, nur anuns selbst, anunsere Fahne,
unsere Idee, unser Schwert. Wir glauben nur an
D e u t s c h 1 a n d , a n s o n s t n i c h t s."
Dienstag, den. ..
Man darf im Lager alles, nur sich nicht i kriegen lassen. Das habe
ich gleich am ersten Tage lernen müssen, als ich keine Bettbezüge hatte
und mir der Lagerleiter sagte, ich solle sie mir nehmen, egal
woher. Alles ist erlaubt. Wir kennen nur eine Sünde:
die Feigheit! Nachmittags haben wir die ersten Ordnungsübungen.
Wir lernen Lieder: Es pfeift von allen Dächern, das Niedersachsenlied!
Schimpfkanonade auf Karl, den Sachsenschlächter. Wir verspotten
diePfaffen. Wirmüssen unseren Jungen beibringen,
alles, was schwarz ist, zu hassen. — Rom ist unser
größter Feind. Wer mit Rom in Verbindung steht, muß
auf der Flucht erschossen werden. Klausner wird er-
schossen', weil er als Leiter derKatholischenAktion
die LinieKöln — München — Rom aufstellte. Ich fange an
zu begreifen, was hier gespielt wird, und mein Grundsatz ist von heute
an, klug sein wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben. — Die
Abendrunde- bringt weitere Lebensschicksale meiner Kameraden an den
Tag. Wir kennen uns schon besser. Die meisten Kameraden sind HJ-
Führer, SA- und SS-Führer. Ein Teil von ihnen ist alte Kampfgarde.
Sie sind Schlosser, Maurer, Dreher, Chemiestudenten, Studienreferendare,
Junglehrer, Bauern, Kauf leute, kurz, sie kommen aus allen Ständen. Dem-
nach ist auch ihr Wissen, ihr Reden, ihr Wesen. Einige Kameraden be-
kennen offen, daß sie einem katholischen Jugendpflegeverein angehörten.
— Heute haben uns weitere 10 Kameraden verlassen.
Mittwoch, den ...
Schlechtes Wetter. Aber wir tun vollen Dienst. Mittags um 3 Uhr
trifft der Landjahrführer N. N. ein. In seiner Begleitung Sturmführer N.
Wir werden auf unsere Rassenzugehörigkeit untersucht. Wir gehen 10
zu 10 Mann auf das Führerzimmer, natürlich nackt, denn es heißt ja
263
Nacktparade. Man beschaut jeden einzelnen. Ich muß einige Kehrt-
wendungen machen und kann abtreten. Meine Rasse ist festgestellt. Ob
ich wohl zur nordischen Rasse gezählt worden bin? — Nachmiitags ist
Vortrag über Nationalsozialismus und Rasse. Der Redner ist zu Ende.
Bravo, Trampeln mit den Füßen. Ich habe den Eindruck, der Mann ist
ein Laie und hat Rosenberg gelesen und versteht es gut, Phrasen zu
klopfen. Ich melde mich zu Wort. Wir dürfen als Nationalsozialisten
kritisieren. Widerspruch hin und her. Ich werfe dem Redner Unkennt-
nis der Sache vor. Man ersetzt jetzt das Nichtwissen durch Schimpfen
über meinen Glauben. Unsere Bischöfe sind Schweine-
hunde, Idioten, Volksverräter, Bas'tarde. Rom ist die
einzige Schmach auf der Welt. Wie wohl tut der Schlaf nach
des Tages Last! Aber ich schlafe nicht. Kann ich verantworten, daß ich
noch länger hier bleibe? Darf ich noch länger schweigen zu diesem
Treiben? Ich beiße die Zähne aufeinander und warte ab. Heute sind
wir noch' 40 Kameraden. Morgen? Unser Lager ist das schönste
Bienenhaus.
Donnerstag, den ...
Die körperliche Schulung bleibt wieder eisenhart. Das Liebste, was
ich tue, bis an die Knöchel im Wasser stehen und Wassergräben ziehen.
Nur nichts hören von nationalsozialistischer Schule. — Wie; froh war ich,
als wir nachmittags wieder Lieder lernen, aber schnell ist die Herrlich-
keit zu Ende. Wir sprechen über die katholische Jugend,
die wir gewinnen müssen. Aber diese Schwarzen, die
inüssen wir in die Fresse hauen, denn nur sie sind
unsere Feinde. Hätte man doch diesen Affen mit dem
Zylinder auf dem Kopf eine Handgranate anden Kopf
geschleudert, daß sie alle krepiert wären!
Freitag, den ...
. Wer keine Achtung hat vor den Mitmenschen, kann auch keine für
sich in Anspruch nehmen. Steillungsautorität kanini auch nicht allein
zum Ziele führen, sie muß Persönlichkeitsautorität sein. Ich bin ein
Intellektualferkel, das hier nicht gebraucht werden kann. Wir wer-
den vor die Wahl gestellt, katholisch zu bleiben und
zu gehen, oder Nationalsozialisten zu werden und zu
bleiben. Frist bis Sonntag. Wir sprechen über die Jüdenfrage.
Sehen ihren zahlenmäßigen Anteil an der Bevölkerung Deutschlands
und den im krassen Gegensatz dazu stehenden Anteil an den Berufen.
AUjuda beherrscht die Hochfinanz und das öffentliche Leben. Gegen
das Judentum können wir uns schon offen wehren —
gegen das Christentum nicht. — Wir sprechen über die
Auswahl der Ju'ngens für das Landjahr. Sie werden vom
Landjahrführer ausgewählt. Wir nehmen nur Jungens aus der
Sturmschar, nur einen kleinen Teil aus der HJ. Die
besten Kräfte stehen noch in der Sturmschar. Denn
wenn wir so weitermachen in der HJ, dann sind wir in 4 Jahren kaputt.
Deshalb müssen wir diese Jungens unbedingt haben. Die Abendstunde
bringt uns heitere Heimatspiele und lustige Lieder.
Samstag, den ...
Wir haben in der vergangenen Nacht praktisch geübt, wie wir es
mit unsteren Jungens zu machen haben. Nachts um 11 Uhr war Alarm.
Nachtübung. Es wird uns gesagt, wir wollen nicht nur von Fronterleb-
nissen reden, sondern es einmal praktisch im kleinen machen. Wir waten
durch Morast, bis an die Knie, wir liegen platt im Wasser. Wir springen
über Stacheldrahtzäune, Wassergräben, klettern über umgehauene Sträu-
cher, Bäume. Unsere Führer machen alles mit. Wir sollen zu dem
Heiligen beten, der dafür sorgt, daß wir keine nassen Füße be-
264
kommen, dann marschieren wir bis an die Knie im Wasser. Man fragt
uns, ob wir keinen Heiligen wüßten, der uns die Füße wieder trocken
werden lasse. — Wir sind müde um 3 Uhr im Schloßhof angekommen
und springen, unsere Führer voran, ,in ,den 4 Meter tiefen Brunnen.
Das Wasser stank entsetzlich, es wurde gesungen: Ich armes welsches
Teufli. Wie Blei so schwer waren meine Glieder, als ich um 7 Uhr auf-
stand. Eine Stunde zu Fuß liegt die Kirche vom Schloß entfernt. Um
10 Uhr ist dort Messe. 9.30 antreten. Zwei Leute mel-
den sich. Ich auch. Wir werden verhöhnt und verlacht.
Die Kameraden singen Lieder des Inhalts: Man soll
den Kirchen und Klöstern den roten Hahn aufs Dach
setzen. Ich verteidige mich. Wenig Erfolg. — Nachmittags ist ver-
schärfte Bettrühe. Ich mache Küchendienst.
Montag, den ...
Ich muß das Lager verlassen. Warum? Ich eigne
michnichtalsLanderzieher.
Man weiß: Ich bin katholisch.
Beurteilung :
Der Führerkurs, an dem ich teilnahm, war zugleich auch ein Aus-
lesekursus. Die Auslese wird in zweifacher Hinsicht getrieben: 1. nach
der körperlichen Seite hin, 2. nach der weltanschaulichen Seite hin.
Ich mußte gehen, weil ich kein Nationalsozialist bin. Ob ich mein
Vaterland liebe, weiß ich selbst am besten. Ich habe den Leuten der
Abendrunde erzählt von den vielen Ordensschwestern, die im Kriege
gefallen sind, die das EK I. und EK II. Kl. erhalten haben, daß die
Studenten, die bei Langemarck fielen, zu 80 Prozent katholisch gewesen
sind, daß mein Vater von 1914 bis 1918 im Felde war. — Aber als Katho-
lik steht man hier auf verlorenem Posten. Der Führerkursus hat den
Zweck, junge revolutionäre Erzieher auszubilden und sie mit den Metho-
den bekanntzumachen, mit denen man eine Jugend heranzüchtet, die
nur an ihr ewiges Deutschland glaubt, die sonst an nichts glaubt. Die
Gegner gehen hierbei — ohne einen offenen Kulturkampf vom Zaune
zu brechen — einen ganz bestimmten Weg.
Der Landjahrführer N.N. sagte uns, er habe im ver-
gangenen Jahr 60 Saarkinder in Erziehung gehabt.
Diese seien nach drei Monaten noch katholisch ge-
wesen, dann nicht mehr. Die Kinder werden nach ihrer Ent-
lassung in die HJ eingegliedert, die besten werden in das nächste Land-
jahr als Kameradschaftsführer einberufen. Das bleiben sie drei Jahre,
kommen dann ein Jahr in RAD und ein Jahr in die Reichswehr. Dann'
werden sie Landjahrerzieher; das bleiben sie vier oder fünf Jahre. Dann
werden sie Versorgungsanwärter, d. h. sie werden als Lehrer bevorzugt
eingesetzt in Volks- und Berufsschule. Zweck: Schon im frühesten
Stadium der Erziehung den Grund für eine gute weltanschauliche
Schulung zu schaffen.
Preußen hat im vorigen Jahr 13 Millionen für das Landjahr aus-
geworfen. Es hat einen großen Erfolg gehabt und ist darum auf das
ganze Reich ausgedehnt worden. Man wartet also ruhig ab
und ist nicht interessiert an der Lösung einer deut-
schen Jugendfrage, das geht ja so viel einfacher. „So
brechen wir das Konkorda t", sagte man uns.
„Bosenberg" an des NS-Lehrer])und.
Dr. Schott, München,
hielt bei einem Schulungsabend des NS-Lehrerbundes am 15. Ok-
tober 1934 einen Lichtbildervortrag über:
Kreuz und Hakenkreuz 18 265
„Der Gott des Alten und Neuen Testamente s."
„Der Scheinheilige und der echte Heilige."
„Kötergeschlecht und Göttergeschlecht."
„Die Schule, wie wir sie wünschen und wie wir sie nicht
wünschen,"
„Dämon und Lichtgestalt."
„Despot und Landesvater."
„Scheinpriester und echter Priester."
„Der Jude und der Deutsche."
Daß bei all diesen Gegenüberstellungen das Dunkle immer durch
das Katholische, das Helle aber durch das Nationalsozialistische
dargestellt wird, verwundert bei der weltanschaulichen Einstellung
des Redners und bei, dem Zweck seines ganzen Vortrages nicht
weiter.
Auch Bauern und Jungbauern mußten in die Schule von Rosen-
berg gehen; so z. B, sagten ihnen in Wasserburg a. I. im Jahre 1935
Pg. König und Pg. Barbisch vor: „Der Nationalsozialist muß
tief religiös sein, aber Rom lehnt er ab; denn durch Rom ist
die germanische Rasse versklavt worden." „Wir knien uns nicht
nieder vor dem Altar, wo das Erlöserblut geflossen ist, um da
Verzeihung der Sünden zu erbeten, sondern wir stehen
um unsem Altar, wo unser Erlöserblut, das Blut von 2 Millionen
Kriegern und 400 Gefallenen der Partei, geflossen ist, stolz und
stark, nicht wie die Devisenschieber und Dunkelmänner."
„Rosenberg" an deutsche Frauen.
a) Schulungskurs im Sommer 1936:
„Eine andere Macht, die eine 2000jährige Tradition hat, faßt die Kin-
der schon mit 8 Jahren, indem sie dieselben zum Tisch des Herrn schickt,
das ist nicht recht! Die Kinder verstehen das in ihrem tiefsten Herzen
nicht. Die Frauenschaft soll sorgen und wird sorgen, daß das in
Zukunft nicht mehr geschehen darf. Der Nationalsozialismus ist dadurch
klug geworden und erfaßt die Kinder schon mit 6 Jahren. — Wir haben
2 Feinde: Den Bolschewismus und die politisierende Kirche, hinter all
dem steht der Jude. — Dem Katholizismus ist es gleich, wer mitgeht, um
seihe Macht zu erhalten, ob Jude, ob Kommunist. Rom kann niemals
lieben und duldet auch nicht die nordische Rasse. Es will nicht, daß
dieise Sieger wird.
Die Kirche lehrt, das Kind kommt ohne Seele zur Welt und muß
durch die Taufe erst die Seele bekommen (!). Wer die wahre Lehre
der Kirche über diesen Punkt nicht kennt, kann zu dem Entschluß
kommen, seine Kinder überhaupt nicht taufen zu lassen. Diesen Ent-
schluß vertraute mir eine Kursgenossin, die bereits ein Kind erwartet, an.
Der 3. Vortrag behandelte die Einstellung des NS zur Einführung
des Christentums bei den alten Germanen.
Die Machtbestrebungen Clodwigs und Karls des Großen waren nichts
anderes, als die Kirche zur Macht zu bringen. Die Einführung des
Christentums ist unserem deutschen Volk derartig fremd gewesen, und
diese Fremde hat einen großen Teil abgestoßen, war aber auch unge-
266
heuerlich anziehend. Der schon damals von Rom eingeführte Prunk, das
bloße Vorlesen der Evangelien (Lesen war den Germanen etwas Frem-
des, noch dazu das Lesen in lateinischer Sprache), die Aufmachung mit
Kerzen und Litaneien. Das alles war den Germanen ganz wesensfremd
und gerade deswegen auch anziehend. Aber was sie nie begreifen woll-
ten, das war der Gedanke an Gnade und Erlösung. Der Germane hat
etwas Schlechtes nicht gelassen, weil es Sünde war, sondern weil es
seinem Stamm gegenüber schlecht war. Also mußte zuerst der Begriff
Sünde gebracht werden, daraus Erlösung und Gnade. Wenn wir unsere
jungen Mädel wieder soweit bringen, daß sie aus einer inneren Verant^
w Ortung heraus ihren Weg gehen, dann sind wir wieder zurückgekehrt
zur Auffassung der damaligen Zeit. — Viele sagen, daß die Frau erst
durch das Christentum das wurde, was sie sein soll, vergessen aber, daß
ein Marienkult eingeführt werden mußte, um die Stellung der Frau
überhaupt zu heben. Die Stellung der Frau hat in der vorhergehenden
Zeit so gelitten, daß dieser Marienkult nötig war. Das soll nicht heißen,
daß es den Marienkült vorher nicht gegeben hat, aber all das, was drum
rum gemacht wurde, daß die Maria Jungfrau war, das ist sehr spät
eingeführt worden.
Die Einführung des Christentums hat verschiedenes gebracht, was
uns heute noch bis in die Seele bewegt, daß so etwas möglich war, die
Hexen Verbrennung.
Thomas von Aquin hat sich mit einigen Jesuiten, die sich
schon damals bildeten, zusammengeschlossen. Es waren entweder Aske-
ten, die jedes natürliche Gefühl der Frau gegenüber verloren hatten,
oder es waren Schweinehunde, die den ,Hexenhammer' geschrieben
haben. Es^ steht fest, daß Zweidrittel der gesamten- Verbrennungen an
Frauen vorgenommen worden sind zwischen 25 und 35 Jahren. Da
wird uns eines klar, daß damals schon eine Methode eingeführt worden
ist, und zwar die Methode, ein Volk im Grunde auszurotten und zu ver-
nichten. Und was am meisten wundert, ist, wie die Männer dazu stan-
den. Nur so begreifen wir, daß die Kreuzzüge waren und dadurch
die besten Männer fortzogen. Nun waren die Frauen mit den Kindern
allein, und sie hatten freie Hand. Wenn wir nach Mainz kommen in die
Wohnung des Bischofs, da ist eine kleine Luke und anschließend dip
Folterkammer der Hexenverbrennung.
Die Kreuzzüge sollten ursprünglich dazu dienen, das Heilige Grab
von den Türken freizuhalten, und wir haben auch dazu eine bestimmte
Auffassung. Die Männer in dieser Zeit glaubten etwas Großes und Heili-
ges zu leisten, denn sonst wären diese deutschen Männer überhaupt
nicht dazu zu bewegen gewesen, Haus und Hof im Stich zu lassen. Wenn
wir es heute objektiv ansehen, unci wenn Christus dieser große Mann
ist, dann müssen wir uns in einer tieferen Gläubigkeit sagen, daß es
diesem Mann gar nichts gemacht hätte, wenn sein Grab in die Hände
der Türken gefallen wäre. Es waren darin nur noch einige Knochen (!!!),
die mit der Person Christi überhaupt keine Beziehung mehr hatten. —
Und wie viele sind da wieder umgekommen vom guten deutschen Volk,
dem Rom methodisch den Garaus machen wollte! Der größte Wahnsinn
aber begann mit den Kinder-Kreuzzügen. Der dann die Kinder-Kreuz-
züge verhüten wollte, ist vom Papst hingerichtet worden.
Der Vatikan als politische Macht:
Die Papstidee fußt auf der Auffassung, daß der Papst der einzige
Herrscher und die Kirche die einzige Macht sei. Mit dem Dogma der
Unfehlbarkeit war die Diktatur des Papsttums gesichert. Das Unfehl-
barkeitsdogma ist die Grundlage der modernen vatikanischen Politik.
Wer es ableugnet, ist ein Ketzer. Alle Staaten sind aus dem Wellkrieg
schwer erschüttert hervorgegangen, nur der Vatikan erlebte einen Auf-
schwung. Es waren nun zwei Ziele erreicht: Die romabträgliche Mon-
267
archie jn. Deutschland beseitigt und der russische Cäsaropapismus, die
Stütze der orthodoxen Kirche, durch die bolschewistische Revolution
vernichtet.
Wenn es um seine Machtseele geht, kennt der Vatikan keine Hem-^
mungen. Der Vatikan schmiedet die letzten großen Klammern um
Deutschland. Der politische Einfluß des Vatikans geschieht meist auf
religiöser Grundlage. Die Beichte ist für den Staat ein völlig Un-
kontrollierbares Einflußmittel der Kirche. Auch Kranken häuser usw.
sind Einflußmittel auf das Volk. — Die Armee des Vatikans besteht in
der römischen Priesterherrschaft. Zahlen darüber erzählen mehr über
den Angriffsplan.
Christ k ö nigsherrscha f t, hinter dieser mystischen Bezeich-
nung verbirgt sich die Weltherrschaft des Vatikans."
b) Schulungst agung des deutschen Frauenwerkes
Gau Pommern in Stettin vom 28. November 1936.
Teilnehmerinnen: Kreis-Fräuenschaftsleiterinnen, Mütterschulungs-
leiterinnen, Organisationsleiterinnen usw.
Notizen über den Vortrag sind nicht erwünscht; das wurde beson-
ders hervorgehoben.
Alle Rednerinnen zeichnen sich durch außerordentliche geistige und
rednerische Gewandtheit aus. Die Hauptsache der Schulung>.war: Welt-
anschauliche Durchbildung: Nachfolgender Vortrag war pro-
grammäßig nicht vorgesehen und auch nicht angekündigt.
1. Rednerin : 600 000 Brävite und Mütter sind durch die Mütter-
schulung gegangen. Mütter Schulung ist das Instrument
zur Verbreitung der neuen Weltans'chauung; denn
über die Frau geht der Weg zur Familie und vonder
Familie ins Volk. Der Frau gegenüber muß die Weltanschauung
verstärkt getrieben werden. An jede Frau, ohne Unterschied der sozialen
Schichtung, muß herangetreterP werden. Kochen lernen und Koch-
rezepte verteilen müssen wir als T r ickanwenden, um
d i e M e n s c h e n h e r a n z u z i e h e n.
2. Rednerin: Gaufrauenschaftsf. Traber-Stettin:
In allen Orten muß von jetzt ab alle 6 — 8 Wochen eine Versammlung
des Frauenwerkes stattfinden. Und diese Versammlung dient der welt-
anschaulichen Schulung.^. Frauen, die noch außen stehen, müs-
sen noch besonders eingeladen werden, Sie betonte dann: Die beiden
Dinge miteinander vertragen sich nicht: Bindung an die Kirche
und unsere Arbeit. Wer in unserer Arbeit, steht, muß sich ent-
scheiden. Es ist uns gesagt worden: Die „Heidin" Fabes ist aus der
Kirche ausgetreten. Ich bemerke dazu: Ich trete noch nicht aus der
Kirche aus, obwohl ich innerlich weiß, wie ich stehe. Ich trete'erst
aus, wenn alle Frauen wissen und mich verstehen,
warum ich austrete. — Die Hauptsache ist bei uns nicht die
Leistung, sondern die Gesinnung. Menschen, denen wir gesinnungsmäßig
nicht trauen können, können wir auch nicht brauchen. In die Führung
gehören nur solche Frauen, die eine zuverlässige Gesinnung haben, für
die es kein Wenn und Aber gibt. Mit Frauen, dienoch dauernd
in die Kirche rennen und Bedenken haben, mußauf-
g e r ä um t werden. „Lügner" können wir nicht brauchen! Die Red-
nerin f-ührte aus, sie habe sehr viel Geduld und Nachsicht mit solchen,
die sich Mühe geben. Aber einmal müssen auch diese zur Entscheidung
kommen. Und wenn eine Mitarbeiterin die neue Welt-
anschauung nicht begreifen kann, dann mußsie ab-
treten. Freilich, viele fühlen sich vor den Kopf gestoßen und sagen,
daß doch früher davon nie die Rede war. Früher kämpfte man
268
um die Macht' und jetzt um die Seele. Die AmtsWalterinneri
müssen bei den Frauen durch beständige Schulung vorbereiten, damit
die alte Weltanschauung von selbst abstirbt. Es darf keine auf-
gefordert werden, aus der Kirche auszutreten. Die Rednerin betonte
dann, daß vom Gau (im Einverständnis von Frau Scholz-Klink) Unter-
lagen gielief ert werden zu Adventfeiern, d. h. Vorweihnachtsfeiern.
Wenn einzelne sieh wundern sollten, daß nicht mehr von Jesus
die Rede ist, müssen sie aufgeklärt werden: Dieser und ähnliche
Namen werden bei unseren Festen nicht mehr gewünscht.
Dem Vortrag folgte ein langanhaltender Beifall,
Auf die Anfrage, ob von diesen Mitteilungen den Mitgliedern gegen-
über Gebrauch gemacht werden dürfe, wurde erklärt: Unter keinen
Umständen dürfe diese Weisung weitergegeben wer-
den. Nur sie selbst sollen daraus lernen und klug vorangehen.
Auch das ländliche Jahr, das Hauptwirtschaftsjahr und die Haus-
wirtschaftslehre wurden behandelt. Bei Auswahl der Hauswirtschafts-
stellen sei man darauf bedacht, daß die Mädels nur an solche Familien
kommen, in denen sie auch weltanschaulich von dem Alten
weggebracht werden. Das deutsche Frauenwerk und die NS-
Frauenschaft muß sich um diese Mädels kümmern und sie . an sich
ziehen. Der Totalitätsanspruch, der aus dem Glauben durch die Kirche
gestellt wird, ist uns hinderlich. An seine Stelle tritt der To t ali t ä t s-
a n s p r u c h d e s S t a a t e s.
Zum Schluß betonte die Rednerin noch einmal, daß sie nicht so
offen gesprochen hätte, wenn es nicht Frau Scholz-Klink gewünscht
hätte. Der Gedanke, daß die Ki n d e r d e n Eltern gehören,
ist falsch. Die Kinder gehören ebenso den Kindern und damit der
Hitlerjugend. Die Eltern sollen mit Fragen der Neuzeit nicht an die
Kinder herantreten, sondern bei den Kindern eigene Ansicht wachsen
lassen ...» .
Wir stehen in weltanschaulicher Verteidigung und nicht mehr in
politischer und wirtschaftlicher. '
Bei den Sondertagungen der nächsten Tage erzählte eine Frau, tfaß
in einem Sehulungslager die anwesenden Katholikinnen jeden Morgen
um 7 Uhr in die Kirche gingen. Darauf wurde der Beginn der Vorträge
auf 7 Uhr festgesetzt. Dann gingen sie schon um 5 Uhr. Daraufhin
w^ußte der Schulungsleiter sich nicht mehr zu helfen. Er überläßt es der
Zeit, auch diese Menschen zu bilden.
„Rosenberg" an die HJ
a) K r e i s 1 e i t e r F r i t s c h, F r e i b u r g i. B r.,
trug der HJ Christentums- und kirchenfeindliche Rosenbergideen
vor mit Worten wie:
„Die katholischen Menschen können ohne den Segen , des Priesters
nicht leben . . . Überall hat eben der Priester seine Hand im Spiele, und
die dummen Menschen glauben dies alles. Aber auch alles, was der
Priester auf der Kanzel sagt, glauben sie, und wenn es der größte
Mist ist." . .
„Die Christen sehen in dem Priester etwas Heiliges, weil sie geweiht
sind. Wir Nationalsozialisten brauchen keine Weihe. Unsere Weihe ist
die Persönlichkeit, der Charakler des Menschen."
„Ebenso blödsinnig wie dieses sind die Dogmen. Wir brauchen
keine Dogmen."
„Als der Führer jetzt nach Rom kam, glaubte der Papst, daß ihn
Adolf Hitler besuchen würde. Aber er wartete vergebens, und zwei
269
Tränen rollten ihm deshalb über die ' Wangen. Wenn der gute Herr
heute noch glaubt, daß Adolf Hitler ihn besuchen würde, dann ist der
Papst 100 Jahre zu spät auf der Welt."
„Die Kirche wird ganz bestimmt untergehen, und wenn es auch nicht
in den nächsten 50 Jahren ist; aber eines Tages wird die Stunde kom-
men, wo nicht mehr das christliche Glaubensbekenntnis gepredigt wird,
sondern wo man erkannt hat, daß wir in Adolf Hitler die Vorsehung
des allmächtigen Gottes sehen."
„Wenn ihr von all dem etwas mitnehmt, dann soll es sein, daß ihr
euch die Frage vorlegt, ob ihr wirkliche Soldaten des Führers sein oder
der Kirche treu bleiben wollt. Bedenkt, daß heute tagtäglich Kirchen-
austritte zu verzeichnen sind. Es sind wirkliche Männer mit Kraft und
Mut, die ohne innere Schwierigkeiten der Kirche den Rücken kehren
und sich als Soldaten des Führers zeigen."
b) Am 13. April 1934 leistete sich ein SS-Sturmführer, der in
Regensburg in der Jugendführung eine besondere Rolle spielen
wollte, bei Jugendlichen folgende Ausführungen:
Den „wirklichen Soldaten des Führers" zeichnet der Schau-
kastendienst der HJ, Gebiet Oberland, Nr. 1 vjom November 1933,
mit den Worten:
„Junge Deutsche haben im Jahre 1914 die Bibel mitsamt der Gram-
matik in den Winkel geworfen und das Gewehr gepackt, haben in Flan-
dern nicht mit der Bibel, sondern mit dem Bajonett das Vaterland ver-
teidigt."
e) Ein SS-Sturm führer aus Thüringen
glaubte am 13. April 1934 in Regensburg versichern zu können:*
„In zehn Jahren gibt es keinen Katholizismus und keinen Protestan-
tismus mehr.
Rosenberg hat recht, wenn er sagt, der Christusgedanke sei nach
2000 Jahren überlebt. Die weltanschauliche Schulung der HJ wird so
durchgeführt, daß in zehn Jahren die neue Religion fertig ist. In der
Zwischenzeit wird die HJ die Klostermauern stürmen; sie sind ja nicht
hoch, und die SA und die SS stehen dahinter. Wehe, wenn ihnen von
den Schwarzen ein Haar gekrümmt wird! . . . Die Jugend gehört und
bleibt uns. Hitler will nur eine Einheitsreligion, und die kommt!"
d) Der Leiter eines HJ-Führerkurses
in Andelsbuch bei Bregenz im Dezember 1940 stieg in Ausdruck
und Inhalt noch tiefer. Zu 42 Jugendlichen von 11 bis 19 Jahren
sprach er zunächst stundenlang über weltanschauliche
Fragen: Der Papst sei ein Erzgauner, die Bischöfe Gauner. Genau
so heute, wie einst im Mittelalter! Nach dem Kriege wird mit
diesen Gaunern aufgeräumt.
Dann gab er ausführliche Aufklärung über sexuelle Fragen.
Insbesonders zeigte er in einem Film die Entwicklung des Kindes
im Mutterschoß, dann äußerte er sich über die Selbstbefleckung in
einer Weise, daß man auch jetzt noch geradezu erschaudert an-
gesichts der Gefahr, in welcher unsere deutsche Jugend in den
Händen solcher Jugendführer war: „Ein Mann kann ohne Selbst-
befleckung nicht leben. Infolgedessen verlange ich auch von euch
270
nicht, daß ihr euch der Selbstbefleckung enthaltet. Im Gegenteil:
Ihr sollt sie sogar üben Nur nicht dreimal am Tag, weil das ein
Übermaß wäre." Gewarnt wurde vor gleichgeschlechtlichen Ver-
gehen unter Androhung strenger Strafen.
In dem Bericht eines Teilnehmers dieses Kurses wird gesagt,
daß die Jugendlichen nach diesen Ausführungen ihres Führers sich
dahin geeinigt hätten, die Selbstbefleckung zweimal im Tage zu
üben.
Wer ist schuld an den „Rosenbergiaden" all dieser national-
sozialistischen Lehrkurse?
Nach Darstellung sicher erwiesener christentumsfeindlicher
Ausführungen auf verschiedenen nationalsozialistischen Lehrkursen
in einer Note vom 14. Mai 1934 fragt der Hl. Stuhl unter Punkf V:
„Wenn in den erzieherischen Institutionen, für die der Staat
auf einen Beitrittszwang hinarbeitet, ein solcher Geist gepflegt
wird, wenn die hier beispielsweise mitgeteilten Dokumente und
Berichte zeigen, wie manche Führer in solchen Staatsinstitutionen
in Wirklichkeit vorgehen, dann ist der Hl. Stuhl wohl berechtigt,
folgende Fragen auf zu werfen:
Gibt es zentrale Anweisungen für die Gestaltung dieser Kurse?
Sind in diesen Anweisungen Winke oder Anleitungen enthalten,
wie die in das Grenzgebiet von Kirche und Staat fallenden Fragen
bzw. die religiösen Fragen selbst zu behandeln sind?,
Wenn ja, wie lauten diese Anweisungen?
Wenn, was vorausgesetzt sein mag, diese zentralen Anweisungen
einwandfrei sind, wie erklärt sich dann, daß in so offener und be-
denkenloser Form darüber hinweggegangen wird?
Wie kommen die Leiter solcher Kurse zu der Überzeugung, mit
der, von ihnen gewählten Gestaltung eines staatlich verordneten
Kurses den Intentionen einer Regierung zu entsprechen, die nach
Ausweis des Konkordatstextes von dem Wunsche geleitet ist, „die
zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden
freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern"?
Wie gedenkt die Reichsregierung die wiederholten mündlichen
und schriftlichen Versicherungen, daß das Rosenbergsche
Buch eine Privatarbeit sei, für die sie jede Verantwortung
ablehne, mit der Tatsache in Einklang zu bringen, daß allseits,
unter Ausnutzung parteiamtlichen und staatlichen Druckes, dieses
Buch an die Jugend herangebracht und ihr als Leitfaden national-
sozialistischer Weltanschauung eingeprägt wird?
Was beabsichtigt die Reichsregierung zu tun, um diesem Miß-
brauch staatlicher Autorität und diesem organisierten Gewissens-
druck ein Ende zu machen?"
271
Bosenbergs Nachschreiber.
Rosenberg sprach nicht bloß durch vieler Mund, er
schrieb auch mit vieler Hand. Als Beispiel ein Auszug aus
dem Buch: „Reich und Religion" von Dr. Hompf . Verlag für
nationalsozialistischesSchrifttum, Stuttgart.
„Zurück zu den germanischen Vätern, zurück zu den deut-
schen Müttern und ihrer naturhaft wahren Religion. Was
kümmern wir uns um das frivole Spötteln der Römlinge, daß ,wir wie-
der zum Wotans- und Baidurkult zurückkehrten.' Als ob diese Wirklich-
keitsanerkennung eines Odin, Baldur, Donar nicht sinnigere und wür-
digere Religionsformen waren, als wenn heute den geistig entmannten
Deutschen in Trier ein alter Judenrock oder in Aachen die angeb-
lichen Windeln Jesu oder der Unterrock Marions zur Ver-
ehrung angeboten wird!
•Wollen wir Deutsche im Dritten Reich wie unvernünftige Schafe
einem welschen Hirten folgen, der uns mit orientalischen
Märchen abspeist, der uns jüdische Vorbilder aufrichtet und das Len-
dentuch des gekreuzigten Juden-Messias zur Verehrung vorsetzen läßt!
Germania, verhülle in Scham dein Haupt vor solchem Götzendienst! Das
erdumspannende Ungeheuer, die Midgardschlange Katholizis-
mus hat so manchen deutschen Helden mit ihrem Gifthauche getötet,
aber unter des deutschen Thonars Hammerschlägen ist sie selbst er-
schlagen hinabgesunken.
Moses, der die Sagen Afrikas und Asiens aus Priestermunde
kannte, stellte zum Sammelpunkt seiner dienstmüden Judenschaft einen
eigenen Nationalgott auf, einen Gott, den er als Rettergott am
Berge Sinai vorfand, schrieb ihm die ganze Welt und Menschen-
schöpfung zu und erklärte ihn zum Vater, Führer, Förderer und Ver-
flucher seines Volkes Israel.
Wenn wir aber nun mit unserem Dritten Reich den vollkommensten
Staat anstreben, so ist dieser doch wohl am sichersten und dauerhafte-
sten begründet durch vollgültige einheits-religiöse Volksgenossen. In
einem 20-Jahres-Pian sind alle Geistlichen Lehrer des Volkes geworden.
Eine strenge Staatskontrolle wird jeden Versuch, unser Volk durch eine
internationale Kirchenlehre zu beunruhigen und unsere Volksgenossen
zu entwurzeln, im Keime vernichten.
Wandelnde Leichname sind alle jene Mönche und Nonnen,
die Rom den Kadavergehorsam geschworen. Sie sind bis in die
Seele entdeutscht, entwurzelt, religiös vernichtet.
Wir dürfen die kirchlich-klösterlichen Zwangsbur-
Sen nicht mehr im Vaterlande dulden, dürfen nicht lässig
zusehen, wie man Zehntausende unserer Jünglinge und Jungfrauen see-
lisch verführt, ihnen die deutsche Seele stiehlt und ihnen die naturhaft
heilige Gemeinschaftsreligion raubt. Alle Sekten und Kirchen sind im
DBFE aufgehoben. Es gibt nur mehr ein Reich, eine Religion und
einen Bund mit der reichsministeriellen Spitze.
Unser unbeugsamer Wille zur Volkswerdung lautet: Durch
deutsche Einheitsreligion zum Deutschen Einheits-
staat, zum großen Dritten Deutschen Reich, zum freien Volke auf
freiem Grunde!
Sucht man, genötigt durch die christlichen Kulturbeschwörer, bei
Jesus nach seinen kulturellen Eigenschaften und
Le i s t u n g e n, so lassen sich solche beim besten Willen nicht ent-
decken, eher stößt man auf das Gegenteil. Hat er denn die Wissen-
schaft gepflegt, die Kunst, die Philosophie? Konnte er sich etwa
mit einem Plato oder Aristoteles messen? Hat er sich
272
um Landbau oder vtm sonstige Tätigkeit gekümmert? Nichts von alle-
dem. Also mit der christlichen Kultur in der Person des jüdischen
Wanderpredigers ist's nichts. Auch bei seinen Schülern und
Aposteln suchen wir sie vergebens. Waren sie doch gerade wegen ihrer
Kulturgeringschätzung bei den Kulturträgern ihrer Zeit selbst gering
geschätzt."
Die deutsche Turne rschaft marschiert auch
hinter Rosenb er g
Als Beispiel dafür, wie der Kampf gegen Christentum und
Kirche auch auf Gebieten, wo man es normalerweise nicht er-
warten möchte, geführt wurde, seien ein paar Auszüge aus der
„Deutschkunde" des Dietwarts der deutsch e n Turner-
schaft, Kurt Münch (Wilhelm-Limpert- Verlag, Berlin 1934),
wiedergegeben:
Deutschkunde
herausgegeben
vom Dietwart der deutschen Turnerschaft: Kurt Münch, 1934.
Wilhelm-Limpert- Verlag, Berlin SW68.
Seite 116: „Glaube und Wesen der Germanen."
Seite 120: „Romkirche erstrebt geistige Unterjochung."
Seite 126/131: „Die überstaatlichen und übervölkischen, volkstum-
feindlichen Mächte im Völkerleben."
Seite 160: „Rompolitische Einflüsse in Österreich."
Seite 175: „Römische, stammesfremde Hierarchie ist abträglich."
Seite 190: „Durch die überstaatliche, erst kaiserliche, dann kirch-
liche Rommacht wurde uns mit List und Trug, Schwert und Scheiter-
haufen, Fremdes aufgezwungen."
Seite 196: „Das römische Kirchentum knechtete den freien Geist, als
es die Leibesübungen als Erfindungen des Teufels verbot."
Seite 198: „Jahn selbst ist uns Beispiel, wie (innerlich aufgefaßt)
Turnen zur Geistesfreiheit erzieht, und daß es unturnerisch ist, das
Jahnsche Turnen mit religiösen Satzungen irgendeines Kirchentums zu
verquicken." — „Geistesfreiheit verträgt sich auch nicht mit der Starr-
gläubigkeit (Orthodoxie)."
Seite 199; „Die Geistesfreiheit wird von den zivilvölkischen Mächten
bedroht, so von jenem Teil der Kirche, der die politische Prie-
sterschaft, von dem Judentum, das die wirtschaftliche
Weltherrschaft, und von der Sozialdemokratie, die die Herr-
schaft des Prolet.ariats anstrebt. Das politische Kirchentum arbeitet
unter dem Schutze der Religion mit dem Glaubens- und Gewissens-
zwang, früher auch mit körperlicher Verfolgung (Inquisition, Hexen-
prozesse usw.), das Judentum mit der Zersetzung des Geisteslebens und
dem geldlichen Einfluß, die Sozialdemokratie mit den Mitteln der
Gewalt."
Seite 102/2: „Die ersten Christen, nicht ihrer religiösen An-
schauungen wegen verfolgt."
Seite 203/10: Ketzerverfolgungen. — Kirchengeschichte nach Rosen-
berg.
Seite 215: Christentum und Judentum.
Seite 221/23: Der Kampf Deutschlands gegen Rom. Los-von-Rom-
Bewegung.
Seite 226: „Es kann kein für alle Menschen gleiches Sitten-
gut sein, so wenig als diese (alle Menschen) sich gleich sind."
273
Seite 263: Judentum: „Diese Engherzigkeit und Selbstüberschätzung
zeigt sich in allen Äußerungen des jüdischen Lebens. Von ihrem eng-^
herzigen Gottestaegrifl, wohl der traurigste, der je aufgestellt wurde, bis
zur vernagelten Unduldsamkeit und Überhebüng gegen alles Nicht-
jüdische."
Seite 278/80: Karl der Franke.
Seite 281/88: Deutsche Geschichte unter der Devise: Rom ist der
Feind.
Wie die Widmung des beiliegenden Buches zeigt, wurde dasselbe
auch Jugendlichen gegeben.
Ob alt oder neu, ob Schund oder Schmutz,
willkommen, v^renn's hilft im Kampf gegen Kirche,
Priesterund Orden!
Als geistesverwandt mit Rosenberg und wertvoll im Kampf
gegen Christentum, Kirche und Priester durften in Deutschland
unter den schützenden Flügeln der Prüfungsstelle der Reichsschrift-
tumskammer alte und neue Bücher zweifelhafter Verfasser und
sehr minderer Qualität flutartig anschwellen, wie die Auflagen-
ziffern einiger derselben im Jahre 1938/39 zeigen.
Otto von Corvin: Pfaffenspiegel (November 1938): 2000000
Otto von Corvin: Die Geißler: 500 000
Das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" empfahl den
„Pfaffenspiegel" in marktschreierischer Reklame unter Hinweis darauf,
daß seine weiteste Verbreitung im Interesse der politischen und geisti-
gen Ziele des Nationalsozialismus und für sein rechtes Verständnis der
deutschnationalen Bewegung wünschenswert sei.
B. Emil K o e n i g : Hexenproz^sse: 230 000
K. Revetzlow: Der Priester und die Frau im Beicht-
stuhl (7. Auflage): 20 000
A ß m u s Burghardt: Jesuitenspiegel: Interessante Beiträge
zur Naturgeschichte der Jesuiten: 60 000
Aßmus B.: Das Schicksal von Nonnen. Interessante Ent-
hüllungen aus Kloster akten:
Aßmus B.: Klosterleben. Enthüllungen über die Sitten-
verderbnis in den Klöstern:
E. u. M. Ludendorff: Geheime Ziele und Macht
der Jesuiten:
E. u. M. Ludendorff: Die Bibel nicht Gottes Wort:
E. u. M. Ludendorff: Erlösung von Jesus Christus:
G r i e s e Frz.: Ein Priester ruft: Los von Rom und Christus:
G r i e s e Frz.: Der große Irrtum des Christentums, nach-
gewiesen durch einen Priester:
L o e h d e : Der Papst amüsiert sich:
Gottschling: 2 Jahre hinter Klosterrhauern (Mit dem
Preis der Universität Jena „für Kunst und Literatur"
ausgezeichnet):
R u g e 1 : Ein Trappist bricht das Schweigen:
274
80 000
115 000
50 000
290 000
52 000
32 000
21 000
17 000
42 000
60 000
All diese und viele andere gleich christentumsfeindliche, lite-
rarisch und geschichtlich und theologisch minderwertige Bücher
und Pamphlete fanden das „Plazet" der Prüfungsstelle der Reichs-
schrifttumskammer und die kräftigste Unterstützung der National-
sozialistischen Partei, ihrer Gliederungen und ihrer Presse.
Rosenbergs Wochenkanzel bei der SS
Hitlers Leibgarde mußte natürlicherweise „weltanschaulich**
am meisten gefestigt werden. Ihr, wurden Rosenbergs Ideen all-
wöchentlich in Himmlers Leibblatt: „Das Schwarze Korps" aus-
giebig gepredigt.
Es tobte darin ein ununterbrochener, zäher Kampf gegen das
Christentum. Zur Veranschaulichung bloß die Titel antichristlicher
und antikirchlicher Artikel einer einzigen Nummer des „Schwar-
zen Korps" (vom ^. Dezember 1936, aus dem Englischen rücküber-
setzt):
1. Klerikaler Kampf gegen die nationale Einheit (gegen ein Schrift-
chen von P. Kassiepe über „religiöse Mischehen").
2. Parasiten der Nachkriegszeit (gegen katholische Orden).
3. Schwärzeste Hintertreppenmoral (gegen katholische Staats- und
Steuer lehre).
4. Katholische Eisenbahner (Spott auf kirchliche Persönlichkeiten).
5. Gedicht: St. Leonhardskapelle.
6. Das Versagen des Christentums und der Sieg der Deutschen Natur-
verehrung.
7. „Was eine Frau vor 220 Jahren schrieb" (gegen die Jungfräulichkeit
der- Nonnen).
8. Wie Schwester Lioba Millionen hinausschmuggelte.
9. „Oh Du mein Österreich! (Bild: Ein Geistlicher segnet den Galgen.
Darunter das Wort: „Der Zweck heiligt die schwärzesten Mittel".
10. Volksfeinde: Eine Bilderreihe von Priestern, Nonnen und Bischöfen.
11. Segnung eines italienischen Tanks durch einen Priester.
12. „Seelenbad" (Spott auf ein frommes Flugblatt, angeblich gefunden
in einem Eisenbahnkabinett).
Rosenberg als „Rattenfänger von Hameln"
HJ läuft und pfeift ihm nach.
Die HJ wollte im Kampf gegen das Christentum hinter der
SS nicht zurückbleiben. -Beispielsweise enthält das Winterschulungs-
programm einer HJ-Gaugruppe im Jahre 1936/37 folgende Skizzen
für Unterricht über Rom:
„Die Kirche verantwortlich für die Zerstörung Deutschlands im Dreißig-
jährigen Krieg.
Katholische Aktion als Fortsetzung politischer Parteien.
Die Mittel, mit denen Völker durch Rom in Unterwürfigkeit gehalten
werden: Beicht, Lehre vom Himmel, vom Lohn im Leben nach dem
Tode, Lehre von der Hölle.
Die brutalen Methoden, mit denen das Christentum nach Deutschland
gebracht wurde.
275
Die Orden der katholischen Kirche naturwidrig.
Der Generalstab von Rom: Die Jesuiten,
Rom tmd Bolschewismus.
Schlußfolgerung: Immer, wann Deutschland einig und stark ist, taucht
Rom auf, es zu zerstören.
Unsere Lebensanschauung im Gegensatz zu jener von Rom:
Ehre, Wahrhaftigkeit, Tapferkeit, entgegengesetzt der Unterdrückung,
, Feigheit, winselnden Furcht, Stolz und Verantwortungsbewußtsein
im Gegensatz zur Versklavung der Seelen."
Die Radiosendungen der HJ zeigten gar oft mehr
heidnischen als christlichen Charakter, z. B. am 7. Juni
1935 vom Sender Breslau über die „Dunkelmänner". Dabei wurde
gesagt:
„Lange haben wir zu ringen mit der Tatsache, daß priesterliche
Heuchelei unser ganzes Leben infizieren kann. Nur Macht allein ist es,
was sie wollen, nicht Gott, sondern sich selbst."
Ähnlich das Oratorium (!): „Der neue Glaube", das im Winter
1935 in Osterrode im Harz aufgeführt wurde.
In einer Rundfunksendung der HJ aus Königsberg, übertragen von
Köln, Wien, Hamburg, Stuttgart, Leipzig und Saarbrücken, Ende Februar
1938, versuchte der Redner den christlichen Glauben an Unsterb-
lichkeit zu zerstören. Mit leidenschaftlichen Worten wandte er sich
gegen die, welche auf Erden Anspruch erheben auf ein besseres Leben
hernach, und stellte dem Glauben an die Unsterblichkeit der einzel-
nen Seele den nationalsozialistischen Glauben an die Unsterblichkeit
des Blutes gegenüber mit den Worten: „Wir glauben an ein fort-
dauerndes Sein nach dem Tode, nämlich an das fortdauernde
Leben in unserem Volk, in.unseren Söhnen und Enkeln."
„Rosenberg" auf der Bühne.
Auch die Bretter, welche die Welt darstellen, wurden in den
Dienst der antikirchlichen Propaganda des NS genommen, z. B.
durch das Drama von Kolbenheyer: „Heinrich IV.", dann Ende 1936
durch das im '„Theater des Staates" zu München öfters aufgeführte
Schauspiel:
DerKönigreitet
von Frau Anders.
Die Verfasserin war früher Kommunistin, zuletzt in leitender
Stellung der „Deutschen Glaubensbewegung".
Das Schauspiel ist eine Allegorie, hat darum zwei Gesichter:
Das eine zeigt den König Lothar von Sachsen und seine Umwelt,
das andere trägt das Gesicht der Gegenwart, zeigt den Weg zur
Macht des Dritten Reiches.
Dem erwählten König Lothar hat „eine in die Überwelt
ragende, aus innerer Sendung handelnde Führerpersönlichkeit",
Konrad von Büren, den Kampf bis zum Ende angesagt, weil dieser
sich in die Hand des Priesters, des Erzbischofs von Mainz, als des
Trägers römischen Machtstrebens begeben hat.
276
Die Parallele ist klar: Lothar = der von starrem Pflicht-
bewußtsein geleitete Reichspräsident Hindenburg; Konrad von
Büren = Führer; Ludwig, Herzog von Bayern == das Bayern vor
dem Umsturz; der Erzbischof von Mainz = leitende Stellen der
Kirche der Gegenwart in Bayern und anderswo. So soll nach
Willen und Meinung der Verfasserin der mehr als 1000 Jahre alte
konflikt zwischen römischem und deutschem Geist aufgezeigt
werden.
Der Erzbischof als Person und Repräsentant der Kirche, speziell
auch des Papstes in Rom, ist mit allen Lastern des Vaterlandsverräters
ausgestattet. Mit allen Mitteln verwerflichster Diplomatie will er die
von Konrad von Büren heiß erstrebte Einigung des deutschen Volkes
hintertreiben und bearbeitet in diesem Sinne vor allem den letzten
Widersacher dieser Einigung, den bayerischen Herzog. Zu diesem geht
er bei Tag und schleicht sich durch Vorhangspalten bei Nacht. Er
Spioniert ihm über die Schulter seinen Brief aus. Er geht in seiner
Vaterlandsverräterei so weit, dem Papst in Rom vorzuschlagen, einen
andern König zu krönen und will dabei die Situation gegen Deutsch-
land ausnützen, welche im deutschen Volk durch den Einfall der Litauer,
die zur Elbe vordringen wollen, große Besorgnis hervorruft. Ludwig von
Bayern wird das Opfer der Zerrissenheit unter den Intriguen des Erz-
bischofs; er wird vom Freunde Konrad ermordet. Auch in Maske (Pur-
pur, Kukulle, Kapuze) und Gesamthaltung ist der Erzbischof die inkar-
nierte Verschlagenheit.
Aus dem Ganzen seien einzelne Äußerungen herausgestellt,
die aber in keiner Weise einen vollständigen Begriff zu machen ver-
mögen von dem niederschmetternden Gesamteindruck, der sich aus dem
unmittelbar zusammenhängenden Anhören der zweieinhalbstün-
digen Schmähung von Kirche und Priestertum ergibt:
Es wird allgemein geredet von „den Priestern", „vom Priester", von
„jenem Priester in Mainz", vom „Erzbischof", vom „Hohenpriester". Aus
dem Zusammenhang erhält hier das Wort „Priester" allein schon die
Bedeutung von etwas Ehrlosem und Gemeinem. „Priester" wirkt hier
immer als Beleidigung.
Einzelne Äußerungen (ohne genauen Wortlaut, aber sinngemäß):
„Er (Erzbischof) hat die Todsünde erfunden, um dann verzeihen zu
können."
„ , . . steht niemand auf, die Macht des Hohenpriesters von Mainz
übers Gebirge zurückzutreiben . . .?"
„Wir sind in die Welt gesandt, um dem Unhold von Mainz .'.., dem
unheiligen Erzbischof und seinen Priestern . . . das Ende zu bereiten,"
„ . . . der Priester ist immer da, ein fluchbeladener Gas t".
„Wir müssen ihn bekämpfen, das ist unser ganzes Gesetz, . . . nicht
mit Heeresmacht. Wir müssen ein Reich bauen, so hoch und weit, daß
es die ganze Nation erfaßt."
„Lothar, die Puppe jenes Herrn aus Rom". „ . . . ein Mann muß auf-
stehen in unserem Reich, der ihm (Lothar) das Totenkleid der Kirchen-
demut abnimmt".
In einem Dialog zwischen dem Erzbischof und Heinrich dem Wei-
fen wird eine Reihe von Sätzen des Erzbischofs hohnlachend immer be-
antwortet mit der Wendung: „Auch das kann eine Lüge sein".
„ . . . steht das in eurem säubern Brevier?"
Der Erzbischof sagt: „Ein Wort (im Sinne der Zusage) kann leicht
wie ein Spinngewebe sein."
„Kein Schwur, den der Priester nicht lösen kann."
„Schweig, du Verräter!" sagt Büren zum Erzbischof.
277
„Der Priester hat kein Vaterland . . . das ist sein Fluch, darum muß
er sterben,"
Die Verwerflichkeit und der Fluch, der von dem Erzbischof ausgeht,
wird dadurch besonders unterstrichen, daß sogar König Lothar, der von
Anfang an auf die Worte des Erzbischofs schwur, vom Erzbischof am
Ende sich abwendet.
Konrad von Büren nimmt Bezug auf den Landesverrat des Erz-
bischofs, der den Einfall der Litauer gegen das Deutsche Reich ini
Dienste Roms ausnützen will. Er sagt u. a. „Wenn der Osten frei ist,
wenn die Gefahr im Osten gebannt ist, dann wehe dem Priester, der
den Verrat zur Sitte aufgerufen hat!"
Kein Wunder, daß die „Deutsche Glaubensbewegung" in ihren
Schulungsabenden dieses Theaterstück eindringlichst empfahl, da
es „ihre Ideen verkörpere", ausgedrückt in den zwei Sätzen: „In
unseremLande istUnfriede. Friede kann nur her-
gestellt werden, wenndie Fremdlinge, die Röm-
linge, beseitigt sin d."
Kein Wunder auch, wenn dies Sti;ck in das offizielle Programm
von „Kraft durch Freude" aufgenommen wurde.
Kardinal Faulhaber bezeichnete darum das Stück in
dem Protestschreiben an den Reichsstatthalter
von Bayern: . . . „von Anfang bis zum Ende in seiner ganzen
Tendenz und in einzelnen Szenen als eine Beschimpfung von Kirche
und Papst und Priestertum. Meuchelmord wird darin durch Über-
tragung einer hohen Stelle belohnt. ' Die Gestalt des Bischofs von
Mainz ist ein Ausbund von Schlechtigkeit und Gemeinheit. Rom
und die Priester sind an allem Unglück schuld und ebenso wie die
Bolschewisten zu vernichten. Das Ganze spielt im Rahmen des
furchtbaren Kulturkampfes, den die Deutsche Glaubensbewegung
von Stuttgart zur Zeit gegen alles Katholische führt."
Rosenberg stellt aus.
Wie das Wort auf der Bühne, so sollte auch das Bild der Aus-
stellungen der nationalsozialistischen Propaganda dienen.
Ein Beispiel, dafür ist die Ausstellung, die vom 15. Dezember
1939 bis zum 21. Januar 1940 in den Räumen des Kaiser-Friedrich-
Museums in Berlin veranstaltet wurde unter dem Titel:
„Frau und Mutter — Lebens quell des Volkes" •
Die Dienststelle des „Beauftragtendes Führers für.
die Überwachung der gesamten geistigen und
weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP" unternahm in Zusammenarbeit mit der Reichs-Frauen-
führung, der Deutschen Arbeitsfront und dem rassepolitischen Amt
der NSDAP diese Ausstellung. Der Stellvertreter des Führers,
Reichsminister Rudolf Hßß, übernahm die Schirmherrschaft.
278 ,
Die kirchenfeindliche Tendenz der Ausstellung kennzeichnet
Bischof Preysing von Berlin in seinem Schreiben vom 13. Februar
1940 an den „Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten" mit
den Worten:
„. , . Die Ausstellung versucht dabei auch, durch bildliche Darstel-
lungen und Texte dem Beschauer einen Eindruck von dem Einfluß
der Kirche und ihrer Lehre auf das von der Ausstel-
lung dargestellte Gebiet „Frau und Mutter — Lebens-
quell des Volkes" zu vermitteln. Hierbei ist das Bestreben
leitend, bei den Besuchern der Ausstellung für die Rosenbergschen
antichristlichen und antikirchlichen Ideen, wie sie
beispielsweise im „Mythus des 20. Jahrhunderts", im „Schwarzen Korps",
in „Schulungsbriefen" ihren publizistischen Niederschlag finden, Propa-
ganda zu machen. So erklärt es sich beispielsweise, daß die Anthro-
pologie der kirchlichen Lehre, die Ordensgeschichte der Kirche, das Wir-
ken der Kirche in den weltlichen Gebieten durch die Ausstellung eine
Darlegung und Auslegung erfahren, wie sie nur ein grundsätzlich
gegen alles Kirchliche und Christliche gerichteter,
'eidenschafUicher Haß, der für objektive Wertung der Tat-
sächlichkeit und der Bedeutung geschichtlicher Fakta keinen Zugang
findet, eingeben kann.
Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß Jugendliche
schullc lassenweise in die Ausstellung geführt wurden, daß Er-
klärungen von Führerinnen in noch kirchenfeind-
licherem Sinn gehalten waren, als die Ausstellung an und für
sich war.
Die Ausstellung, in deren Ausgestaltung sich immer wieder die anti-
christliche und antikirchliche Propaganda geltend macht, stellt eine neue
Form des offenen Vernichtungskampfes gegen Kirche und Christentum
in Deutschland dar.
Kurze Zeit nach Beendigung der Absstellung in Berlin hat mich die
Staatspolizei wissen lassen, daß nunmehr mit scharfen Maßnahmen
gegen kirchliche Kundgebungen vorgegangen werden würde, die geeignet
seien, die Einheit der inneren Front zu gefährden.
Angriffe gegen Christentum und Kirche erfolgen
— ohne Rücksicht auf die Einheit der inner en Front.
Abwehr solcher Arigriffe wird der Kirche unmöglich
gemacht — mit Rücksicht auf die Einheit derinneren
Front!" "
Im folgenden sollen Proben dieser neuen antichristlichen und
antikirchlichen Propagandamethode gegeben werden:
I.
Die Ausstellung versuchte im Besucher den Eindruck zu erwecken,
daß die Kirche eine Feindin der Frau und der Mutter-
schaftsei.
Diesem Zwecke dienen:
a) die falsche, plump kirchenfeindliche Interpretation
kirchlicherBildwerke:
Raum 5: Abbildung der bekannten Statue der „Frau Welt" am Dom
zu Worms. (Dieses Bildwerk stellt bekanntlich eine stattliche Frauen-
gestalt dar, deren Rücken von Kröten und Gewürm entstellt ist: ein
Symbol für den schnöden „Undank der Welt" anihre
Diener.
In der Ausstellung aber war das Bild gedeutet: „Verhöhnung
d e r F r a u d u r c h d i e K i r c h e."
279
Durchgangsraum vor Raum 8: Größe Photographien einer Statue des
hl. Evicharius, der seinen Fuß auf eine unbelcleidete gebärende Frau setzt
(Gesamtaufnahme und Detailaufnahme). Daneben, in großen Buchstaben:
„M ißachtung der Frau durch die Kirch e." „St. Eucharius
setzt seinen Fuß auf eine nackte Frau, die ein Kind gebärt — was die
Kirche verachtet, tritt sie mit Füßen. Diese sonderbare Gruppe steht
in Trier."
(In Wirklichkeit handelt es sich um eine künstlerisch unbe-
deutende, etwa 1,10 m hohe Sandsteinstatue aus dem Jahre 1716 in einer
Giebelnische auf dem alten Gerichtsgebäude in St. .Matthias in Trier.
Die Frauengestalt ist eine allegorische Darstellung des rö-
mischen Heidentums, als dessen Überwinder Eucharius, der erste
Bischof von Trier, fast immer dargestellt wird.)
b) Die wiederholten Ausführungen in dem amtlichen Handweiser
durch die Ausstellung über die „allgemeine Weibesverach-
tung" der Kirche:
Seite 83: „Entscheidend ist ferner die Tatsache, . . . daß diese
Frauenverehrung (des deutschen Rittertums) etwas durch-
aus Un kirchliches war: eine edle menschlich- weltliche Haltung,
die der allgemeinen Weibesverachtung und naturfeindlichen Sündenauf-
fassung der römischen Kirche im Grunde entgegenstand."
Seite 99: „Entsprechend ihrem asketischen Lebensideal sah die mittel-
alterliche Kirche in dem Weibe das Gefäß der Sünde. Welch unersetz-
licher Verlust edlen Blutes ist durch den Zölibat dem deutschen
Volke im Laufe der Jahrhunderte zugefügt worden!"
c) Die offene Verunglimpfung des kirchlichen Zö-»
1 i b a t e s.
Die große Texttafel übefr den Zölibat fand sich neben den oben er-
wähnten Mißdeutungen kirchlicher Bildwerke. Hierdurch wird dem Be-
sucher der Ausstellung suggeriert, daß auch für den „Zwangszölibat" das
Motiv die Verachtung des Weibes durch die Kirche war.
Wandtafel (groß) : „Angehörige der katholischen Kirche
gegen denZwangszölibat: Herrschsucht, Heuchelei, Hochmut
und Eigensinn der kirchlichen Obern, Feigheit des ,niederen Klerus' —
das sind die wahren Gründe. Die Religion wird bloß vorgeschützt! Dar-
um fehlt dem Zwangszölibat aber auch jeder Segen von oben, wie die
Zustände zu allen Zeiten zum Erschrecken beweisen.
Was sagt nun ihr dazu, katholische Eltern? Sagt energisch: Keines
meiner Kinder darf Geistlicher werden! Wenn ihr aber schon einen
geistlichen Sohn oder Verwandten habt, dann bitte ich euch: Habet
tiefes Mitleid mit ihm; denn gewöhnlich macht er Entsetzliches durch.
Habet Mitleid; denn nicht selten ist der Hochwürdige Herr der größte
Sünder in seiner Gemeinde. Beklaget ihn als Opfer eines unmensch-
lichen Systems!"
IL
Die Art und Weise, in der die Hexenverfolgung auf breitem
Raum und mit buntem Bildmaterial dargestellt wurde, mußte im
urteilslosen Besucher der Ausstellung geradezu Empörung hervor-
rufen über die Grausamkeit, deren die Kirche fähig war. Papst
und Jesuiten erscheinen im Gegensatz zur historischen
Wahrheitalsdie eigentlichen Hexenverfolger. Hexen-
verfolgungen durch die staatliche Gewalt und durch
Andersgläubige werden im Ausstellungsmaterial
übergangen.
Raum 5: Ein buntes Bild, das eine Hexen Verbrennung darstellt.
Daneben folgender Text: Überschrift: „Hexen und Jesuiten". Darunter:
„Durch den Hexenwahn • werden in Deutschland zwei Millionen Mäd-
280
chen und Frauen gemordet. Haß und Niedertracht rauben dem Volke
für alle Zeit viele seiner Mütter". (NB. In dem Handweiser steht der-
selbe Satz (S. 102). Hier ist aber nur von „einer halben Million" die
Rede: ein Schlaglicht auf die Genauigkeit in der Wiedergabe von „Tat-
sachen").
Ein anderes Bild: Vor einer kraftlos hingesunkenen Hexe steht ein
Ordensmann in schwarzer Kutte mit Kapuze und Strick. Mit recht
sadistischer Gebärde legt er die Hände auf das Haupt der Frau.
Daneben folgender Text: Überschrift: „Die Tr ä n en p r o be".
Darunter: „Allgemein war der Aberglaube verbreitet, daß Hexen nicht
weinen könnten. Ein Jesuit (!) legt die Hand auf den Kopf der An-
geklagten und spricht die Beschwörungsformel: „Im Falle du unschul-
dig bist, Tränen vergießest; wenn schuldig, nicht!" Weinte die An-
geklagte wider Erwarten, so war es nach Ansicht der unfehlbaren
Kirche teuflisches Blendwerk und sie wurde trotzdem verbrannt."
Bedeutend kirchenfeindlicher als diese Texte waren mündliche Er-
klärungen amtlicher Führerinnen. Eine gab folgende Er-
klärungen, die sinngemäß lauteten:
Die alte Kirche war durch die Reformation in ihrer Machtstellung
geschwächt worden. Auf einer anderen Seite mußte dieser Machtver-
lust wieder wettgemacht werden. Das tat die Kirche durch den Hexen-
wahn. Dadurch wurde das Volk von der Kirche kleingehalten. Weil
die Macht des Volkes (auf Kosten der Macht der Kirche) geschwächt
werden sollte, mußten gerade die Frauen daran glauben, von denen ja
die Zukunft des Volkes und seiner Macht abhing.
Die Jesuiten nahmen Hexenproben vor, aber rein äußerlich, damit
man sagen konnte: „Wir verfahren gerecht."
Man könnte solche Grausamkeit von Geistlichen kaum für möglich
halten, wenn man nicht wüßte, was 1939 in Polen geschah, und daß so-
gar auch da die Kirche dahinterstand. Es wurde eine regelrechte Kopf-
steuer aufgestellt: „Wer . . . (die von der Führerin genannte Zahl war
nicht klar zu hören) Deutsche umbringt, dem werden alle Sünden ver-
geben uc'Z sr kommt in den Himmel."
III.
In den Texten der Ausstellung werden Orden und Klöster als
Schädlinge für das Volk hingestellt.
IV.
Katholische Heilige und Stigmatisierte wurden als sehr fragwürdige
Gestalten hingestellt. Auch Sittlichkeitsverbrecher und Hysteriker wer-
den angeblich von der Kirche als Heilige verehrt.
V.
Die Ausstellung versäumt es schließlich nicht, der Kirche Haß
gegen alles Volkstum vorzuwerfen.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß neben, diesen An-
griffen gegen die Kirche alle wertvollen Leistungen, die die Kirche
und kirchliche Personen als solche zu dem Thema „Frau und
Mutter — Lebensquell des Volkes" als Beitrag darboten, schweigend
übergangen bzw. umgedeutet wurden.
Der Eindruck, den die obenerwähnten Diffamierungen der,
Kirche auf die Besucher der Ausstellung machten, zeigte sich in
offenen Ausrufen der Empörung über die Kirche.
Auch begleitete öfter ein überlegenes, ironisches Lächeln die. an-ti-
281
kirchlichen Erklärungen der amtlichen Führerinnen (vor allem die
über die Hexenverfoigung). Sichtlichen Eindruck auf nicht wenige
der Besucher machte auch die oben geschilderte Darstellung des
hl, Eucharius, sowie die große Texttafel gegen den Zölibat.
„Rosenberg" gründet NS-Spezialschulen.
Der gefährlichste Vorstoß gegen das Christentum war wohl in
den NS-Spezialschulen gegeben. Da waren zunächst die
Adolf-Hitler-Schulen, in denen 12 — 18jährige Hitler jungen
von guter Begabung und rassischer Gesundheit zu Führern heran-
gebildet werden sollten: Natürlich ohne jeden Religionsunterricht,
ohne jede Teilnahme an Gottesdienst, nur mit Unterweisung in
Religionsgeschichte. Nach Arbeits- und Militärdienst und eventuell
Berufsstudium an Universität oder Technischer Hochschule sollten
sie dann auf vier Jahre in eine Ordensburg kommen (Kroningen
in Pommern, Vogelsang in der Eifel, Sonthofen im Allgäu, Marien-
burg in Ostpreußen).
Darüber hinaus sollte eine Auslese noch die „Hohe Schule" von
Chiemsee in Obej^bayern unter der Aufsicht Rosenbergs selbst be-
suchen. Hier sollte sein:
\ ■
1. Die nationalsozialistischfe Akademie.
2. Das Forschungsinstitut mit einer Zentralbibliothek.
3. Das Zentrum für eine alljährliche gründliche geistige
Überholung der Lehrer aller Adolf-Hitler-Schulen und
Ordensburgen für die Dauer von je vier Wochen.
4. Das Muster einer Hitlerschule („Völkischer Beobachter"
vom 24. November 1937).
Aus diesen Schulen sollte der vollendete nationalsozialistische
Mensch kommen, Soldat und Prediger zugleich, eine Wieder-
h.olung mohammedanischen Fanatikers mit Wort und Schwert. Da
sollte ein neuer Orden entstehen, dessen Hauptaufgabe ist, eine
neue Religion zu verbreiten (Dr. Ley).
Die hier aufsteigende Gefahr war zweifellos viel größer als
jene, welche von den direkten Angriffen auf Kirche und Christen-
tum und von den äußeren Verfolgungen kamen. Das sollte der
innere, intensive Kulturkampf sein! Durch ihn hoffte
man in drei Jahren mit dem Restchen Katholizismus, wie er
noch in seinen Organisationen und Vereinigungen lebte, fertig zu
v^erden.
So war die Einlösung des Wortes gedacht, das Hitler am
27. Juni 1934 in einer Audienz mehreren deutschen Bischöfen ge-
geben hat, nämlich, „daß er ausdrücklich Anordnung an die Partei
und an die ,nationalen' Organisationen geben wolle, für die Zukunft
die neuheidnische Propaganda zu unterdrücken."
282
Niemals wurde eine solche Anordnung hinausgegeben. Begreif-
lich! Hitlers eigener Wille stemmte sich ja immer mehr gegen
Christentum und Kirche und steuerte immer gerade auf das Ziel
zu, das der Kirchenhasser Voltaire in die Worte gekleidet hat:
„Ecrasez Vinfäme!"
„Rottet die Infame aus!"
Das Wort mag aus Hitlers Mund nie öffentlich gefallen sein,
aber um so öfter und lauter kam es so oder anders aus dem Munde
seiner Trabanten, so z. B. des Redners, eines Kreisleiters, bei einem
Schulungstag in München-Ramersdorf im Jahre 1939.
„Nur zwei Hauptpunkte kommen für Deutschland in Frage,
alles andere ist nicht wichtig und ergibt sich von selbst.
1. Die Ausbreitung des Deutschen Reiches auf 18mal die Größe,
die es nach 1918 hatte.
2. Die restlose Vernichtung der Kirch e."
Zu letzterem Punkte erklärte er:
„W i r, die wir jetzt leben, müssen noch restlos die
Kirche vernichten, Adolf Hitler und seine alten
Kämpfer. Man sage nicht, es genüge, daß die Jugend Deutsch-
lands ohne Christentum aufwächst. Hitlers Nachfolger könnte mil-
der sein, könnte Mitleid haben, dann würde die Eiterbeule wieder
aufplatzen. Der Nationalsozialismus verhält sich zu den christlichen
Konfessionen wie Feuer zu Wasser. Es ist ganz unmöglich, ein
guter Nationalsozialist und zugleich ein guter Katholik zu sein."
' Auf die Frage eines Zuhörers, warum man denn dann noch zu-
gebe, daß Kirchen gebaut würden, antwortete er: „Laßt sie doch
. ruhig Kirchen bauen; sie wissen ja gar nicht, wozu wir dann
später diese Kirchen benützen. Die Tschechen haben auch Flug-
plätze angelegt, ohne zu ahnen, daß "sivir diese einmal in Ge-
brauch nehmen werden; sonst hätten sie dieselben wohl kaum an-
gelegt."
Auf die Frage eines anderen Zuhörers, warum denn noch so
viele Studenten Theologie studierten, und warum man dies zulasse,
erwiderte der Redner: „Laßt sie doch ruhig Theologie studieren!
Alle diese jungen Leute werden niemals Pfarrer und Priester
werden. Das werden die nicht mehr erleben.
Was ist positives Christentum? Was wir machen!
Was die anderen 2000 Jahre hindurch gepredigt haben,
das tun wir. jetzt, wir Nationalsozialisten!
Wir würden die Kirche nur unter folgenden zwei Voraus-
setzungen noch weiter dulden:
1. Wenn sie allen Besitz hergibt, Grund und Boden,
Gebäude, Geld, usw. Der Besitz der Kirchen ist so groß wie das
Land Thüringen.
2. Wenn die Pfarrer keinen Gehalt annehmen
vom Staate, sondern sich vom Volke durch freiwillige Gaben
283
erhalten lassen; dann können fa die Prediger in Sackleinwand durcK
die Dörfer ziehen und predigen."
Zum Schlüsse wurde aufgefordert, diese Grundsätze des Natio-
nalsozialismus im Volke zu verbreiten.
„Der Führer will die Vernichtung!"
gab Gauschulungsleiter Ruder am 10. November 1940 in einer NS-
Versammlung zu Limburg-Lahn offen kund. Er sprach an
der Hand einer genauen Vorlage über die kirchenpolitische Frage.
Dabei führte er ungefähr folgendes aus: „Die Stellung, die das
Christentum jetzt im Deutschen Reich einnimmt, kann nicht so
bleiben. Die christlichen Kirchen — evangelische
und katholische — haben im neugeordneten
Deutschland keinen Platz mehr. Auch die Klöster
müssen verschwinden. Man sollnicht sagen, das
Beseitigen der Kirchen entspreche nichtdem
Willen des Führers und soll erst recht jetzt in
derKriegszeit nicht vorgenommen werden. Das
ist falsch. Zum Beweis dafür, daß der F ü h rer es haben
will, daß dieKirche n v erschwinde n, brauchen wir nur
auf die Neuordnung im Warthegau zu sehen. Dorthin können ja
Bevölkerungsteile, die angesiedelt werden, einen Geistlichen mit-
bringen. Der wird natürlich nicht mehr besoldet, sondern muß
selbst arbeiten, und zwar nicht in gehobener Stellung. Er muß
niedrige Arbeit verrichten. Die Kindertaufe
fällt weg. Was sich noch religiösbetätigenwill,
muß sich mit dem 2 1. Lebensjahr bei einem Verein
melden u n d sich e i n t r a g e n 1 a s s e n. Vorsitzender dieses
Vereins kann der Pfarrer sein. Daß der Führer das will,
beweist, daß er den Gauleiter des Warthegaues beauftragt hat, so
zu verfahren. Wir müssen rechnen, daß es auch bei
uns so kommt. Wenn das heute gesagt wird, so soll es der
Information dienen. Die Ortsgrupp e n leiterusw! müssen
das Volk darauf vorbereiten; daß es nicht ver-
blüfft ist, wenn der Führer es befiehlt."
„Heraus aus der Kirche!"
Wo so viel Haß gegen Christentum, Kirche und Seelsorge groß-
geworden und großgezogen worden war, konnte er auch nicht halt-
machen vor dem letzten, vor der Förderung des vollen
Glaubensabfalles und förmlichem Kirchenaus-
trittes.
Natürlich wahrte man auch hier von Staats und Partei wegen
das Gesicht, den Schein der Unparteilichkeit, erließ darum keine
offiziellen Verordnungen, ließ aber um so mehr die unteren
Stellen, die Parteigliederungen und Parteiorgane arbeiten und
schenkte ihnen jegliche Unterstützung und Deckung.
284
H a up t f ö. r d e r u n g s m i -fc t e 1 für den Kircheriaustritt waren
neben der ständigen mündlichen und schriftlichen
Hetze gegen die Kirche, ihre Glaubenssätze, Moral, Gesetze, Ver-
treter, Steuern u. a.:
1. In Betrieben und Gliederungen wurde von
Mann zu Mann für den Kirchenaustritt geworben.
So gingen am 7. Juni 1935 im Reichsbahnausbesserungswerk Frei-
mann zwei Partei- und Arbeitsfront-Funktionäre mit einer Liste in einer
Betriebsabteilimg herum, forderten zum Austritt aus der Kirche auf und
erklärten dabei: „Wer nicht austritt, ist kein richtiger Nationalsozialist."
Die 20 Mann, die sich dann eintrugen, wurden mit dem Betriebsauto
unentgeltlich zum Standesamt zwecks Anmeldung ihres Kirchenaustrittes
gefahren.
Noch nachdrücklicher war natürlich das Werben und Drängen
zum Kirchenaustritt in SS-Gliederungen und SS-Kasernen. Ein
Dokument hiefür:
„SS-Reserve-Sturm 2/25 Homberg, den 3. Mai 1936.
Betriff t : Kirchen austritt.
An
scss»ia*2s
Sie haben bis Dienstvormittag 11 Uhr telephonisch zu melden, ob
und wann der Zugführer und die mit der Führung von Trupps beauf-
tragten Unterführer aus der Kirche ausgetreten sind, evtl, bis wann mit
dem Austritt zu rechnen ist. Gegebenenfalls ist die Konfession anzu-
geben.
Die Meldung hat zu d«m genannten Termin an den SS-Rotten-
Stabsscharführer Hartmann in Moers Arbeitsamt (Telephon-Nummer 900
Amt Moers) zu erfolgen.
' Der Führer de's SS-Reserve-Sturmes 2/25
m. d. F. b.
gez. Unterschrift
SS-Hauptscharführer."
Z. Der Kirchenaustritt wurde erleichtert, die Formalitäten
hiefür wurden wenigej:.
3. Der Kirchenaustritt wurde nahegelegt: ^
a) durch entsprechende Fragen in staatlichen und parteiamt-
lichen Fragebogen;
b) durch Versprechungen und Drohungen;
c) durch öffentlich bekanntgegebene Beispiele der
„Höheren" in Staat und Partei.
4. Die öffentliche Meinung wurde zugunsten des
Kirchenaustrittes beeinflußt:
a) Man fand ein schützendes „Feigenblatt" für die Blöße des Glau-
bensabfalles, einen wohlklingenden Namen: „Gottgläubi g".
Das klang doch ganz anders als „ungläubig" oder „heidnisch"
oder „freireligiös", es klang sogar positiv, wenn es auch in erster
Linie negativ gedacht war, nämlich als „nicht Christus gläubig",
„nicht k i r c h e n gläubig". Ein bißchen Positives konnte sich
285
jeder selbst in das „Gottgläubig" hineindenken: „Natur" oder
„das All" oder seinen „Geist" oder „Deutschland" öder „Blut"
oder „Rasse" usw. Darum konnte z. B. Major a. D. Lemke in
der „Kriegsgräberfürsorge" vom 12. Dezember 1939 schreiben:
„Ob sie draußen blieben oder ob sie heimgekommen sind, , sie
sind alle verbunden durch ein unsichtbares Band des-
selben Glaubens: ,Sie glauben alle an Deutschland
alsGottV
Gott sei Dank, daß unsere Krieger nicht bloß in solchem Sinne
„gottgläubig" waren, wie der Nazismus es meinte. Traurig aber, daß
nun der, welcher wirklich an einen lebendigen, persönlichen
Gott, an den von Christus geofifenbarten dreieinigen Gott
glaubte, sich nun nicht mehr als „gottgläubig" bezeichnen durfte,
wenn er nicht durch die Statistik in seiner ]^eligionszugehörigkeit ganz
falsch gewertet werden wollte. Eine der Grotesken und Irre-
führungen im Dritten Reich!
b) Man verbot den Geistlichen strengstens, noch weiter-
hin die Personen öffentlich bekanntzugeben,
welche aus der Kirche austraten. Ja, man betrach-
tete und behandelte es schließlich schon als ein strafwürdiges
Vergehen, wenn ein Geistlicher auch nur privat den An-
gehörigen des Abgefallenen Nachricht über den Kirchen-
austritt gab mit der vermutlichen Absicht, so die Angehörigen
zu veranlassen, Schritte für die Rückkehr des Betreffenden zu
tun.
Der Gegensatz: '
Je mehr Hemmungen der katholischen Kirche (ebenso der
evangelischen Bekenntniskirche) bereitet wurden, ' desto mehr Frei-
heit und Förderung wurden jenen Kirchen zuteil, die sich möglichst
„deutsch" gebärdeten, so der altkatholischen Kirche, die sich
im Jahre 1870 von der katholischen Kirche getrennt hatte und nun
sich vielfach betont „Diekatholisch- deutschnationale
Kirche" nannte und eine Schriftenreihe „Katholisch-
nationale Ki.rchenbewegung" E. V. herausgab.
Welche Kreise hinter der sogenannten „Nationalen
Reichskirche in Deutschland" standen, läßt sich nicht
mii Sicherheit sagen. Von Interesse dürften aber doch die Pro-
grammpunkte dieser „Nationalkirche in Deutschland" sein, weil sie
wirklich charakteristisch sind für die letzten „kirchlichen" Ziele
des Nationalsozialismus, bar jeglichen Christentums.
Die Programm punkte der nationalen Kirche
in Deutschland.
1. Die Nationale Reichskirche (NR) Deutschlands beansprucht mit
aller Deutlichkeit dasalleinigeRecht und die alleinige
Macht über alle innerhalb der deutschen Reichskirche befindlichen
Kirchen. Sie erklärt sie zu nationalen Kirchen Deutschlands.
2. Das deutsche Volk hat nicht vor, der nationalen Reichskirche zu
dienen, sondern die NR dient ausschließlich und allein der Doktri. l
„Volk und Rasse".
286
3. Das Arbeits- und Tätigkeitsgebiet' wird abgesteckt durch die ter-
ritorialen Reichs- und Kolonialgrenzen Deutschlands,
4. Die NR zwingt keinen deutschen Menschen sich ihr anzuschließen;
sie ist aber bereit, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um auch die
letzte deutsche Seele zu erfassen. Andere Kirchen oder kirchenähnliche
Einrichtungen und Verbände, zumal solche, die international gebunden
oder dirigiert werden, kann und wird sie in Deutschland nicht dulden.
5. Die NR ist entschlossen, unabänderlich und mit allen Mit-
teln, die notwendig sind, den in> Unglücks jähr 800 nach Deutschland
importierten und dem deutschen Volk aufgezwungenen, art- und wesens-
fremden christlichen Glauben auszurotten.
6. An den bestehenden Kirchen darf keine grundlegende Bauver-
änderung vorgenommen werden; denn sie stellen deutsches Volksgut
dar, deutsche Kultur und einen Teil des historischen Werdeganges unse-
res Volkes. Sie sind als deutsches Volksgut nicht nur zu werten, son-
dern auch zu erhalten.
7. In der nationalen Reichskirche gibt es keine Schriftgelehrten,
Pastoren, Käpläne und Geistliche, sondern in ihr haben nationale
Reichsredner zu sprechen.
8. Die nationalen Feiern finden immer nur abends und nicht des
Morgens statt, und zwar Sonnabends bei festlicher Beleuchtung.
9. In der nationalen RK sollen deutsche Männer und Frauen,
deutsche Jungen und Mädel sich zu Gott und seinen unvergänglichen
Werten einmütig bekennen.
10. Die NR erstrebt unverrückbar ihre unausbleibliche Ver-
schmelzung mit dem Staate. . Sie hat sich diesem als dienendes
Glied zu unterstellen.
11. Auf Grund dessen fordert die NR die sofortige Abgabe
sämtlichen Territorialbesitzes aller Kirchen und
Konfessionen an den Staat. Sie verbietet auch, daß künftig die
Kirchen sich die kleinste Fläche deutscher Erde aneignen oder daß ihr
solcher wieder abgetreten wird, denn nicht die Kirchen erobern, ver-
teidigen und bebauen deutschen Grund und Boden, sondern ausschließ-
lich das deutsche Volk, der deutsche Staat.
12. Die NR-Redner amtieren als deutsche Staatsbeamte
nach dem Staatsbeamtengesetz.
13. NR-Redner dürfen niemals diejenigen werden, die heute mit
List und Tücke in Wort und Schrift die unbedingte Notwendigkeit und
Aufrechterhaltung der christlichen Lehre in Deutschland betonen; denn
sie belügen nicht nur sich selbst, sondern auch das deutsche Volk, und
zwar in ihrer Stellung um ihres süßen Brotes willen.
14. Die NR fordert die sofortige Einstellung des weiteren
Druckes und Verlegens der Bibel innerhalb Deutschlands,
* sowie weiteren Erscheinens von Sonntagsblättern, Schriften, Lektüren
kirchenschriftlichen Inhalts.
15. Die NR hat mit aller Strenge darüber zu wachen und schärfste
Gegenmaßnahmen zu treffen, daß eine Importierung derBibel
und christlicher Religionsschriften nach Deutsch-
landunmöglichist.
16. Die NR erklärt als ihr und somit unseres Volkes größtes
Dokument das Buch unseres Führers „M ein Kamp f*. Sie ist sich
dabei bewußt dessen, daß in diesem Buch nicht nur die größte, sondern
vielmehr die reinste und wahrste Ethik für das gegenwärtige
Leben unseres Volkes verkörpert ist.
17. Die NR hat sich unbeirrbar die Aufgabe gestellt, ihre ganze
Kraft daranzusetzen, daß „Mein Kampf" so volkstümlich wird und
bleibt, daß jeder Deutsche mit und nach diesem Buch seinen Lebens-
lauf vollendet.
287
18. Die NR fordert, daß Seitenzahl und Inhalt dieses Buches, in wel-
cher Größe es auch erscheinen mag, auch in Zukunft mit der bisher
erschienenen Volksausgabe übereinstimmt,,
19. DieNR räumt von ihren Altären das Kruzifix,
die Bibel und sämtliche Heiligenbilder.
20. Auf den Altären der NR ist dem deutschen Volk und somit
Gott unser allerheiligstes Buch „M ein Kampf" und die-
sem zur Linken das Schwert zu weihen. Die NR-Redner
haben nach bestem Wissen und Können während der Feier dieses Buch
zu erläutern.
21. In der NR gibt es keine Vergebung der Sünden. Sie vertritt
dabei den Standpunkt und wird diesen immer wieder betonen, daß ein-
mal im Leben begangene Sünden unerbittlich gerächt werden, gerächt
durch die ehernen und unumstößlichen Gesetze der Natur, und zwar
auf dieser Welt.
22. Die NR verwirft die Taufe eines deutschen Kin-
des, zumal die mit dem Wasser und dem Heiligen Geist.
23. Die Eltern eines deutschen Kindes (heugeborenen) haben vor
dem Altar das Deut#chgelöbnis abzulegen. Es hat folgenden
Wortlaut: Der Mann: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich
.......... Vater dieses Kindes und nachweislich arischer
Abstammung bin. Als Vater dieses Kindes gelobe ich, es in deutschem
Geist hin zum deutschen Volk zu erziehen."
Die Mutter: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich
■ . . . nieinem Mann ein Kind geboren habe und daß
mein Mann Vater dieses Kindes ist und daß ich die Mutter, nachweis-
lich arischer Abstammung bin. Als Mutter gelobe ich, dieses Kind in
deutschem Geist hin zum deutschen Volk zu erziehen."
24. Nur auf Grund dieses Deutschgelöbnisses darf und muß für den
neuen Staatsbürger das Deutschen-Ursprungsdiplom ausgestellt werden.
25. Die NR hebt die Konfirmation und den Konfir-
mationsunterricht sowie die Kommunion mit dem
Kommunionunterricht auf. Die Erziehungsstätten sind und
bleiben die Familie, die Schule, das deutsche Jungvolk, die Jungmädel-
schaft, die HJ und BDM. Um dem Schulabschluß der deutschen Jugend
einen besonderen feierlichen Charakter zu geben, sind der NR als
Staatsjugendfeiertag, welcher auf den Freitag vor Ostern zu legen ist,
dem Jungvolk, der Jungmädelschaft, der HJ vind dem BDM die Kirchen
zur Verfügung zu stellen bzw. die geeigneten Räume, An diesem Tage
haben ausschließlich und allein nur die Führer dieser Organisationen
zu sprechen.
26. Die Trauung deutscher Männer und Frauen erfolgt nach
Ablegung des Treuschwures bei gleichzeitigem Berühren des
Schwertes mit der Rechten. In der NR darf keine Handlung in un-
würdigem Knien vollzogen werden.
27. Den 10. Tag vor Pfingsten bestimmt die NR zum Feiertag der
deutschen Frau.
28. Die NR lehnt den Landes-Buß- und Bettag ab. Sie
beansprucht ihn aber zur Umwandlung und Verlegung auf den Feiertag
der Grundlegung der nationalen Reichskirche in Deutschland.
29. Die NR duldet keinesfalls die Schaffung eines neuen Zeichens
kirchlich -religiöser Art.
30. Mit dem Tag der Gründung der NR ist in allen Kirchen und
Domen des deutschen Reiches und der Kolonialgrenzen das Chri-
stenkreuz zu entfernen und das einzige, unversiegbare Symbol
Deutschlands, das Hakenkreuz, zu setzen.
288
2. Antichrists Wüten gegen Heiliges.
Die dauernde Hetze gegen Christentum und Kirche erzeugte
vielerorts nicht bloß Glaubensunlust und Glaubenszweifel, religiöse
Gleichgültigkeit und Lauheit, sondern auch glühenden Haß und
Verhöhnung, rücksichtslose. Störung und wütende Zerstörung alles
Heiligen.
Als. Beispiel zynischen Spottes über etwas, was jedem Christen
ehrfurchtgebietend ist, über den Glauben an Himmel, Feg-,
feuer und Hölle, sei wiedergegeben, was die HJ-Zeitung in
der Nummer vom 10. August 1935 schrieb und in ungezählte
deutsche christliche Familien und Kinderherzen hineintru;*:
"o-
„Für einen kleinen Geldbetrag — sagen wir einmal 50.000, — Mk. —
wird die Temperatur des Fegfeuers herabgesetzt. Auf Verlangen
können die Kandidaten der ewigen Seligkeit einige Schauer-Badgüsse
im Laufe des Röstungsprozesses erhalten. Ist aber auch eine gute Aus-
sicht auf die Freuden des Himmels von den billigeren Sitzen aus?
Ist der Himmel auch in telephonischer Verbindung mit der Hölle, wo
aller Wahrscheinlichkeit nach die meisten meiner Kameraden gebraten
werden sollen?"
Das Dollfuß-Gebet
Zu dem EhrAvürdigsten, was die Christenheit der ganzen Welt
als Erbe der Christen der ersten Jahrhunderte besitzt, gehört das
Credo, das Apostolische Glaubensbekenntnis. Es war
eine unerhörte Verletzung der christlichen Gefühle, ein gottesläster-
licher Mißbrauch eines christlichen Gebetes, wenn die National-
sozialisten es zu politischer Satyre umgestalteten. (Man schämt und
fürchtet sich geradezu Sünde, diese Gotteslästerung wiederzugeben;
aber anderseits ist es doch noch notwendig, um das abgrundlos
tiefe Niveau nationalsozialistischer Denk- und Redeweise zu kenn-
zeichnen.)
„Ich glaube an den allmächtigen Vater, Schöpfer der Notverordnun-
gen, an Englbrecht D o 1 1 f u ß, den Kleingeboreneh Sohn unseres Herrn,
der entgangen ist dem Heiligen Geist, erkoren zum Hasse gegen Deutsch-
land, gerne gelitten von den Bonzen, im Rathaus Hahnenschwanz be-
neidet, von den Juden gefeiert, abgeschrieben das Hitlerprogramm, am
dritten Tag wieder gut mit den Roten, er frißt aus den Händen des all-
mächtigen Völkerbundes, von dannen er kommen wird zu richten die
Nazi und Sozi.
Ich glaube an den Lausanner Geist, Gemeinschaft der Juden und
Tschechen und anderer Österreicher, Auferstehung des Habsburger
Reiches und ein schuftiges Leben."
Auf der gleichen Ebene grenzenlosen Zynismus liegt folgendes:
Bei einem Silvester-Gemeinschaftsabend im Lager Dachau hat sich
der Obertruppführer Müller, Inhaber des Blutordens, vom Jungsturm
' „Hitler" als Nonne verkleidet, heilige Lieder und eine Litanei gesun-
gen, wozu die Anwesenden jeweils mit „ora pro nobis" antworteten.
Ein Gleiches ward vom Nürnberger Parteitag berichtet.
Kreuz und Hakenkreuz 19 289
Bei einem anderen Kameradschaftsabend verkleidete Müller sich
als Bischof. Als Mitra benützte er einen Kübel!
Flüche als Mörtel und Nägel
Bei der Hebefeier der HJ-Häuser in der Strub bei Berchtes-
gaden im Winter 1937/38 sagte Kreisleiter Kammerer von Berchtes-
gaden, auf die angetretenen Arbeiter und ihre Arbeitsleistungen
deutend:
„Und da stehen sie alle, — hier die Hilfsarbeiter, da die Maurer, die
Zimmerleut mit ihren Polieren, die Baumeister und Architekten. Es ist
ja bekannt, daß nirgends so viel geflucht wird als auf einem Bau,
und das ist recht so! Der Maurer soll mit seinem Möttel die
Flüche hineinstreichen, daß sie zwischen den Ziegelreihen heraus-
schauen. Der Zimmermann soll mit jedem Nagel, den er in den Balken
schlägt, seine Flüche hineinhämmern. So ist's recht. So wollen wir's.
Je mehr geflucht wird, desto lieber ist es uns!"
Spott über die Heiligen
Die Zeitschrift „Nordland" vom 27. Januar 1935 veröffentlichte
folgendes Gedicht: „Unsere Heiligen" von L. M. Karow:
Unsere Heiligen schlugen sich nicht
Blutig mit Geißel und Strick.
Zerkratzten sich weder Brust noch Gesicht,
Hoffend auf himmlisches Glück.
Unsere Heiligen saßen auch nicht
Demütig auf einer Säule.
Glaubten nicht näher der Gnade Licht
Sich mit Wälzen in Disteln und Fäule.
Unsere Heiligen sind Legion
Und sterben für Heimat und Ehre.
Wir bauen ihnen als schönsten Lohn
In unseren Herzen Altäre!
Auf dem Anger zu Verden, im Stedinger Bruch,
Da fielen durch Kreuzstab und Kutte
Mit bitterem Lachen und lautem Fluch
Unsere Heiligen aus nordischem Blute.
Die „Religion" nationalsozialistischer Kämpfer
„Diese Kämpfer sind keine frommen Kirchengänger und
hingebungsvolle Psalmensänger, weil sie der Meinung sind, daß es
nicht um die Erhaltung sterbender Kirchen und toter
Dogmen geht, sondern um das im deutschen Wesen lebendige
religiöse Fühlen. Sie finden den Gott im Menschen
s e Ivb s t und treten somit für eine Diesseitsreligion ein, in
der ein konstituierter Dualismus (Diesseits-Jenseits) keinen Platz
mehr besitzt, weil der germanische Mensch nur an die
Göttlichkeit des Diesseits glauben kann.
290
Das 20. Jahrhundert bedeutet den Tqd all jener Anschauungen,
welche die christliche Welt mit sich brachte. Das Mysterium
des Blutes ist es, welches die christlichen Sakra-
mente überwindet und einen neuen Glauben schöpferisch
gestaltet. Der Glaube an das Blut und an die Rasse; das Wissen,
im eigenen Blut die Zeichen der natürlichen Offenbarung zu finden."
(Aug. Hot)pe im „Nordland" vom 27. Januar 1935.)
Entweihung religiöser Namen
Die Nazis legten ihrerseits ein Monopol auf manche Worte, wie
„Führer", „Bewegung", „Volk". Niemand durfte diese Worte für
andere Personen oder Sachen in Anspruch nehmen, als die Partei
es festgelegt hatte. Sie scheuten sich aber nicht, den christlichen
Kirch^j jahrhundertealte Namen, zu stehlen und in einem ganz
neuen Sinn für eigene Zwecke zu gebrauchen.
Beispiele hiefür:
.Nürnberg
Nürnberg ist für die Nazis „der Wallfahrtsort des neuen
Deutschlands" und die „Tempelstadt der Bewegung".
In Nürnberg findet der Deutsche „wahre E r b a u u n g".
Die Teilnahme am Nürnberger Parteitag wird die alljährliche
Wallfahrt der Parteigenossen (Kreisleiter Fritsch-Freiburg
am 28. August 1938). '
„Das einzige religiöse Erleben durch den Anblick des
Führers" (ebenfalls Fritsch).
„Gottessohn und Gotteskinder"
„Wir brauchen einen, der so vor uns steht, daß wir wieder unserer
eigenen Gotteskindschaft uns bewußt werden, einen Gottes-
sohn, der seinen Brüdern dieses große Bewußtsein durch Taten offen-
bar werden läßt ...
Denn es hat niemand ein Recht darauf, jene endlich zu einem
Glauben gekommenen Menschen unseres Volkes zu schmähen, die erst
in unseren Tagen ihren Gottessohn und den Vater im Ewi-
gen wieder gefunden haben." (NSKK, Januar 1937.)
„Apostel"
„Das Führerkorps der SA muß im Dienst und außer Dienst so sein,
daß jeder einzelne, ob in Uniform oder Zivil, ein Apostel des Führers
ist („Westdeutscher Beobachter" vom 28. September 1936).
Glauben
„Hier 'in Deutschland darf es nur eine Weltanschauung und einen
Glauben geben: An den Nationalsozialismus und seinen Führer Adolf
Hitler!" (Stabschef Lutze, „Westdeutscher Beobachter" am 28. Sept. 1936.)
„Gottgläubig": Das hieß aber nicht glauben an den persönlichen
Gott, den Herrn Himmels und der Erde, sondern nur an etwas Unbe-
kanntes, dem man den Namen „Gott" gab, „Gottgläubig" sollte nur den
Gegensatz zu „christgläubig" und konfessionell (kirchgläubig) aus-
drücken.
291
Bei der Eröffnung des 4. Reichsberufswettkampfes sprach Ley am
12. Februar 1937: „Der NS ist der alleinseligmachende Glaube
unseres Volkes".
! „Wir alle können uns nicht rühmen, Deutschland gerettet zu haben.
Das ist das unsterbliche Verdienst des Führers! Sein Glaube hat
,Berge versetzt', hat ein ganzes Volk verwandelt,"
„Es lebe Adolf Hitler! Wir glauben an dich, Adolf Hitler, unseren
Führer."
„Feier der ewigen Auferstehung in München". .*
„Unser Erlöser" ist Adolf Hitler.
„Unser Gottesdienst" ist der Appell.
„Unsere Priester" sind die Sturmbannführer. (Dr. Ley: 29. 9. 36)
„Die Lehrer sind die Priester in unseren Schulen" (Streicher,
Nürnberg).
„Von Deutschland aus muß die Erlösung der Menschheit kommen."
(Julius Streicher, 4. August 1936). ^ •
„Die Kraft an allem Txin müssen sie (NS-Schwestern) schöpfen aus
dem Glauben an die NS- Weltanschauung und dem Führer" 20. Febr. 1937.
„...Die NS-'Schwester müsse in erster Linie an ihre ,Berufung*
glauben..." 20. Februar 1Ö37.
Der voreheliche Geschlechtsverkehr ist die „biologische Ehe"
(Informationsdienst der Reichsjugendführung vom 28. Oktober 1935).
„Die Schulung .der Masse soll wenigstens ein über das andere Mal
in kultisch-religiöser Form vor sich gehen . . . Ein bestimmter Ritus der
Heimabend eröffnung und -Schließung mit Gedenken der Toten
(„der Märtyrer") der Bewegung ist notwendig . . ." Eine regelmäßige
Lesung aus „Mein Kämpf" als der Bibel der Bewegung und aus dem
Programm als unserem Neuen Testament oder unsere
10 Gebote. ..♦,4.».. unter Absingen unserer neuen getragenen
Lieder.
Ein Muster nationalsozialistischen Kultus
Auszug aus den amtlichen „Vorschlägen der Reichspropaganda-
leitung zur Nationalsozialistischen Feiergestaltung" (Amtl, Vermerk auf
der Rückseite: „Im Auftrage der Reichspropagandaleitung als internes
Rundschreiben der NSDAP herausgegeben vom Zentralverlag Fr. Eher,
München. Bezug nur durch die Gaupropagandaleitung der NSDAP und
nur für Dienststellen der Partei).
Vorgesehen wird ein ganz bestimmter Ritus, nach dem sich in'
Zukunft jede Weihestunde im Rahmen eines öffentlichen Staats-
kultus gestalten soll. Nur auf dem Wege der Einhaltung einer
bestimmten Gestaltungsgrundiage werden wir erreichen, daß sich
im Laufe der Entwicklung allmählich Feierformen von litur-
gischem Charakter entwickeln, deren Gültigkeitswert sich
dann in die Jahrhunderte erstreckt. Zu der stehenden Form der
NS-Wei bestunden gehört u. a. die im Mittelpunkt stehende
„Verkündigung" („ Feier worte", zehn bis zwanzig Minuten
dauernde, feierliche Ansprache, dichterisch gebundenes Wort), dar-
auf folgt das im Chor gesprochene „Bekenntnis". Anschließend
das „Lied der Verpflichtung" (begleitetes, möglichst von
allen Formationen gesungenes Lied, einstimmig). Ferner der „A n -
292
ruf des Führers" (Siegheilruf mit je einem Vers des Deutsch-
landliedes und des Horst- Wessel-Liedes).
Aus der Verkündigung zum 9. November sind besonders
folgende Sätze bemerkenswert:
\,An diesen Stufen der Feldherrnhalle,
zu denen heute hohe Wallfahrt führt,
erstand einmal das Sakrament des Kampfes.
Und die nur haben Raum in seinem eina'gen Dom,
der heute Deutschland heißt,
die tief in ihre Taten eingehämmert,
was sie bewegt.
Wallfahrer seid ihr,
wenn ihr den Ruhm des Volkes höher traget
als aller Religionen Offenbarung.
Ihr äpüTt die Heiligkeit der Feldherrnhalle,
Was gelten Bittgesänge, Meßgebete,
des Weihrauchs auf geschwankte, blanke Schalen
gegen den dumpfen Rhythmus unserer Trommeln,
wenn unser Führer zu den Stufen tritt.
Der Atem derer, die Ihn seh'n, erlischt;
die Erde, die vom Anmarsch bebet, schweigt;
der Lärm hockt grau am Ende aller Welt.
Der Führer steht.
Der Führer hebt die Hand zum ew'gen Gruß.
Es schlägt sein Herz im Herzschlag seines Volkes.
Des Führers Schreiten heute ist Gebet.
Er steigt und steht, vom Wunder ganz tunhüllt:
erbrennt vom Glauben seiner Kameraden,
Und keine priesterliche Weihe steigt
gewaltiger empor als dieses stumme
und steingewordene Gebet des Mannes,
in dessen Herzen sich ein Volk bewegt.
Der Feldherrnhalle Schwur ist unser Allgebet
zu unserm Schöpfer!
Und Feuer, Qualm und Tod um jauchzen uns,
wenn nur die Fahne — unsere Fahne steht!
Stieg sie hinauf die Stufen bei der Feldherrnhalle,
dann ragt sie auf, der deutsche Hochaltar,
und die Standarten jubeln es ihr zu:
Was ist der Tod, wenn Du da Leben von uns forderst:
Deutschland!
„Die Fahne hoch!"
»
Das Kreuz muß fallen!
f«
Der Haß gegen den „bleichen Gekreuzigten" duldete sein
Zeichen nicht mehr in staatlichen oder gemeindlichen Räumen und
auf öffentlichen Plätzen.
Aus fast allen öffentlichen Gebäuden (Rathäusern, Gerichts-
gebäuden u. a.) wurden die Kruzifixe entfernt, oft in sehr pietät-
293
loser Weise, z. B. in Blaibach (Erzdiözese Freiburg), wo die vier-
zehnjährige BdM-Führerin das Kreuz des Rathauses zunächst ein-
fach in den Papierkorb warf, dann unter Dachsparren versteckte.
In ganz Deutschland geschahen dann in steigendem Maße
Kreüzfrevel aller Art. Man wollte nicht bloß sagen und
schreiben: „Das Kreuzmuß fallen, wenn Deutschland
leben soll"; man handelte auch darnach.
Allein in der Erzdiözese München wurden innerhalb von
ein paar Jahren Kreuzfrevel verübt:
1937 in Glonn bei Grafing, Hohenkammer, Lustheim, Teisendorf,
Dietramszell,
1938 in Eching bei Landshut, Esting, Palling, Übersee, Kirchdorf
am Inn, Buch am Erlbach, Tölz,
1939 in Malching, Dachau, Johanneskirchen, Vagen, St. Emmeram
(München), Lochham.
In Erding und Maria-Eich-Planegg wurde eine Reihe von Sta-
tionen eines Kreuzwegs "^schwer beschädigt.
Ähnlich mußte der Bischof von Speyer im Jahre 1939 bittere
Klage führen über eine zweimalige greuliche Verwüstung der herr-
lichen Marienkirche in Landau und von Kreuzen in Rheinzabern,
von sieben Statuen in Bergzabern, von einem Kruzifix in Linten,
von einer Kreuzigungsgruppe in Kleinsteinfeld.
Die Erzdiözese Freiburgim Breisgau beklagt in einer
Zusammenstellung für die Zeit vom August 1935 bis Ende 1937
nicht weniger als 17 Kreuzfrevel.
Der Bischof von Eichstätt macht in seinen entrüsteten Pro-
testen über zahlreiche Kreuzesschändungen noch auf eine Besonder-
heit aufmerksam: Es wurde mehrfach an Kreuzen die Inschrift:
JNRJ: „Jesus von Nazareth, König der Juden," herabgerissen.
(Die Nazis nahmen also gleich den jüdischen Hohenpriestern (Jo.
19,21) Ärgernis an dieser Aufschrift).
Schließung und Schändung von Gotteshäusern.
Bischof Bornewasser von Trier mußte am 30. November 1941
seiner Klage über den nazistischen Klostersturm in der
Kölner Kirchenprovinz folgende Anklage gegen deutsche Missetat
in Polen anschließen:
„In der Stadt Posen waren 1939 beim Einmarsch der deutschen
Truppen 3 öffentliche Kirchen. Seit 1. Oktober 1939 sind es nur 3, in
denen noch Gottesdienste abgehalten werden. Die anderen sind in
Möbellager, Reitschulen verwandelt worden oder für andere Zwecke ein-
gerichtet. 13 sind verschlossen."
In der ganzen Diözese Posen waren beim Einmarsch 431 öffent-
liche Kirchen, heute noch 4 5. In fast 400 Kirchen ist keine
Messe, kein Altarssakrament, keine Kommunion
mehr! Haben wir nicht allen Grund zu beten: „Herr, bewahre uns
294
vor dem Unglück, daß uns das Brot der Seele, das Altarssakrament,
genommen wird?"
Die Anfänge dieses Hasses gegen die Gotteshäuser mußten wir
auch schon in Deutschland selbst schauen:.
Geschändet wurden z. B. allein in der Erzdiözese München:
Die Altöttinger Kapelle in München,
eine Kapelle in Eberspoint,
die Klosterkirche in Fürstenfeldbruck,
die Heilig-Kreuz-Kirche in München- Giesing,
die St.-Vinzenz-Kirche in München,
die Pfarrkirche in Weyarn.
Die Kirche im Schloß Nymphenburg-Müncher mit den Gräbern vie-
ler Ordensfrauen wurde trotz aller bischöflichen und selbst päpstlichen
Proteste in einen Bibliotheksaal für das neue Jagdmuseum verwandelt.
Selbst zu politischen Zwecken mißbrauchte man die
Kirche, in der Hauptsache wohl, um die Kirchenbesucher zu
ärgern:
so in T e g e r n s e e, wo man für die Reichstagswahl 1936 v^rährend
dreier Nächte (26. bis 28. März) immer wieder Wahlplakate
an der Außenwand der Kirche und zuletzt auch noch i m I n n e rn
der Kirche (natürlich auch am Pfarrhaus und Pfarrgartenzaun)
anbrachte, den Pfarrer, seine Schwester und den Mesner sogar für
kurze Zeit verhaftete, weil er am ersten Tag diese unberech-
tigten politischen Anschläge entfernte!!
In Wolfratshausen (Obb.) hatte man sich wenigstens noch damit
begnügt, solche Wahlplakate an das Haus des Benefiziaten b i s
zuml. Stock hinauf anzubringen. Freilich auch da wurden nicht
die Übeltäter gesucht und gestraft, sondern wiederum der
katholische geistliche Hausbewohner samt seiner Schwester, weil sie
diese unberechtigter und unpassender Weise angepappten Plakate ab-
rissen.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München rief vergebens das
Reichs] ustizministerium gegen solche Mißachtung und Schädigung
fremden Eigentums und kirchlicher Gebäulichkeiten an, .erstmals
schon ihi August 1935.
Das Reichsjustizministerium erwiderte zwar am 5. Nov. 1935,
„daß das Ankleben von Plakaten an Grundbesitz ohne Zustimmung
des Eigentümers im allgemeinen untersagt ist." Aber es fügte noch
bei: „Für besondere Ausnahmefälle sind nähere Vorschriften über
die anordnende Stelle und die Art der Durchführung der Anklebung
in Aussicht genommen. Hierüber behalte ich mir weitere Mit-
teilung vor."
Aber „diese näheren Vorschriften" und „die weitere Mitteilung"
hierüber blieben trotz wiederholten neuen Ersuchens der oberhirt-
lichen Stelle und trotz immer neuer Zwischenfälle dieser Art aus.
Am 9. April 1936 schrieb das Ordinariat München an das
Reichsministerium zusammenfassend: . „Beiliegender Bericht des
katholischen Pfarramtes Tegernsee, der für sich selber spricht, ver-
295
anlaßt uns, unseren Antrag vom 14. August 1935, wiederholt am
26. August 1935, am 21. Oktober 1935, am 13. November 1935 und
am 31. Januar 1936, mit der dringendsten Bitte um recht baldige
und endgültige Erledigung zu erneuern."
Demnach konnte auch ein sechsmaliges Ersuchen
keine Entscheidung herbeiführen, weil eben die heilige Justiz des
Dritten Reiches nicht bloß die Augen, sondern auch die Hände
gebunden hatte von Gestapo und Partei!
So ließ man lieber Polizei und Gerichte im Ungewissen, Ver-
brechen ungesühnt und Unschuldige bestraft!
Wie Gotteshäuser, so wurden auch Gottesäcker ge-
schändet: so z. B. 1938 der Friedhof von München-Berg am Laim
(15 Grabkreuze abgeschlagen); 1939 der Friedhof der Alten Haid-
hauser Kirche zu München (mehrfach Kreuze der Grabdenkmäler
abgeschlagen, Weihwasserkessel umgeworfen oder zerstört).
^ Attentatsversuche gegen zwei Kirchen.
Die ganze teuflische Bosheit und Falschheit,
welcher der Nationalsozialismus fähig war, zeigt der Versuch des
Gauleiters H o f e r, Tirol, zwei herrliche Kirchen der Stadt Inns-
bruck in die Luft zu sprengen (nachdem er schon mehrere Kirchen
geschlossen hatte). Die Sauerstoff-Sprenggesellschaft
m. b. H., Berlin-München, teilte unter dem 2. Juli 1945 dem Erz-
bischöflichen Ordinariat München mit:
„Unsere Gesellschaft war für die Beseitigung von Flieger-
schäden in Bayern und Tirol eingesetzt . . . Dabei stellte der
GauleiteranunsdasAnsinnen, auchzweiKirchen
mutwillig anzusprengen, damit deren völlige Be-
seitigung dann durchgeführt werden könnte. Es
handelt sich um folgende Fälle:
1. Bei Fliegerangriffen vom Dezember 1943 auf Innsbruck
wurde auch das Servitenkloster an der Maria-Theresia-Straße in
Innsbruck beschädigt. Um das Kloster weiterhin benützen zu kön-
nen, mußten einige Gebäudeteile des Klosters, die an die Kloster-
kirche angrenzten, beseitigt werden. Es wurde uns nun völlig un-
erwartet von Baurat Hauser der Auftrag übermittelt, die Ser-
vitenklosterkirche, die völlig unbeschädigt war,
aus Versehen anzusprengen, damit dann diese Kirche
völlig beseitigt werden könnte. Gauleiter Hof er wollte bekanntlich
vom Gauhaus aus einen Aufmarschplatz schaffen,
dem die Servitenklosterkirche im Wege stand. Es wurde uns nahe-
gelegt, die Kirche unbemerkt, ambeste n,inderDunkel-
h e i t, anzubohren und beim Sprengen des völlig zerstörten Neben-
gebäudes auch diese Bohrlöcher zu besetzen und die Kirche so an-
zusprengen, daß ihre Standfestigkeit erschüttert werde. Natürlich
sollte dies für die kirchliche Gemeinde unbemerkt erfolgen. Unser
technischer AußenstellenleiteE, Herr Bauingenieur Hildl, dem
296
dieser Gauleiterauftrag übermittelt wurde, lehnte die Durchführung
ab und erklärte, daß nach der ihm erteilten Dienstanweisung die
Verantwortung dafür der unterzeichnete Betriebsführer selbst trage,
dem er diesen Auftrag vorlegen müsse . . .
2, Bei einem weiteren Angriff aus Innsbruck, bei dem besonders
der Ortsteil Wilten betroffen wurde, erhielt unser Sprengmeister
den Auftrag, die alte Stiftskirche in Wilten anzubohren
und zu sprengen. Derselbe führte die Bohrungen, die an und für
sich völlig unbedenklich für die Kirche sind, durch, und verstän-
digte unseren technischen Außenstellenleiter, Herrn Bauingenieur
Kildl, der wiederum die persönliche Verantwortung für die Spren-
gung ablehnte und verlangte, daß die Genehmigung beim Betriebs-
führer eingeholt werden würde. Die Stadt Innsbruck
sandte auch ein Telegramm an die Zentrale nach
Berlin und verlangte die Sprengung der Kirche; darauf wurde
telegraphisch zurückgeantwortet, daß die Sprengung nur dann
durchgeführt werden könne, wenn ein schriftlicher Auftrag der
Stadt Innsbruck bzw. des Gauleiters vorliege. Wie erwartet, wurde
dieser schriftliche Auftrag nicht erteilt, so daß die Sprengung der
Kirche unterblieb. Uns war bekannt geworden, daß der Gauleiter
aktenkundig nicht mit der Sprengung befaßt werden sollte.
Die Sprengung sollte auch hier wiederum aus Versehen er-
folgen, wobei uns zugesagt war, daß der Gauleiter uns gegen An-
griffe decken würde."
Der Kapellenplatz in Altötting verhöhnt!
Der allen bayerischen Katholiken teure, altehrwürdige Kapellen-
platz des Altöttinger Marienheiligtums wurde verspottet und ent-
weiht durch eine sogenannte DeutscheHochzeit unmittel-
bar vor der Gnadenkapelle, noch dazu ausgerechnet an einem Sonn-
tag, um die anwesenden Wallfahrer möglichst zu ärgern.
Das „Mitteilungsblatt des Kreises München der NSDAP" Nr. 32
vom Jahre 1935 schrieb hierüber:
„In rasselnder Fahrt kletterten fünf dicht mit SA-Männern besetzte
Lastkraftwagen die steile Straße hinauf und hielten in dem weiten Rund
des Marktplatzes. Mächtige Schriftbänder leuchteten links und rechts
an den Wagen:
„Der politische Katholizismus ist der Staatsfeind I. Klasse"
„Es lebe Deutschland" — „Nieder mit den konfessionellen Hetzern!"
kündeten die mächtigen Buchstaben." Ein großes Transparent zeigte die
vergebliche Mühe devisenschiebender Mönche und wühlender Hebräer,
den mächtigen Stamm der deutschen Eiche abzusägen. Die Schar der
SS-Männer, die, Kampflieder singend, tapfer im strömenden Regen auf
den offenen Wagen ausgehalten hatte, bestand aus kernigen Arbeitern
der Faust aus Freimann, die einem ihrer Kameraden, einem Oberschar-
führer und seiner Braut, das Geleite gaben, um in Altötting, einem
Zentrum des hetzenden politischen Katholizisrius, deutsche Hochzeit zu
feiern. Auch dort standen im weiten Viereck die SA-Männer, auch dort
Kreuz und Hakenkreuz 20 997
schwuren vor der Fahne der Bewegung sich ein deutscher Mann und
eine deutsche Frau treues Zusammenhalten im Lebenskampf.
Pg. Nittweger vom Gauschulungsamt nahm die Trauung vor und
sprach von der Notwendigkeit der Befreiung von Volks- und artfremden
Zeremonien bei der Begehung wichtiger Lebensabschnitte. Die Kame-
radschaft sei die Seele der Bewegung und das Unterpfand des End-
sieges unserer Weltanschauung über alle artfrernde Lehre, und darum
ist für Nationalsozialisten die schönste Hochzeitsfeier im Kreise der
Kampfgenossen und angesichts des heiligen Symbols unserer Bewegung,
des sieghaften Sonnenzeichens auf dem roten Banner der Großen Deut-
schen Revolution."
Die garize Ungeheuerlichkeit der Verhöh'ung läßt uns nach-
stehendes Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats München er-
kennen: •>
München, 8. August 1935.
An die Reichsbahndirektion
München..
Sehr geehrter Herr Präsident!
Betreff: Antireligiöse Demonstration.
Wir mußten Herrn Präsidenten bereits unter dem 12. Juni und
3. Juli dieses Jahres über eine starke Kirchenaustrittsbewegung inner-
halb des Reichsbahnausbesserungswerkes München-Freimann berichten.
Leider müssen wir heute einen neuen Fall antireligiöser Hetze mit-
teilen, der vom genannten Werk ausging.
Am Sonntag, den 4. August d. J., nachmittags 5 Uhr, kam ein
Sturm SA (Nr. 26?) auf 5 Lastautos nach Altötting. Die Autos trugen
Leinwandtransparente mit nachfolgenden Inschriften:
„Kampf gegen den Juden, den Freimaurer, den Jesuiten!"
„Wer den Juden kennt, kennt den Teufel, nieder mit den staats-
feindlichen Nonnen!"
„Es lebe die deutsche Frau und Mutter!"
„Nichts für den devisenschieberiden Katholiken,"
„Alles für Deutschland!"
„Der politische Katholizismus ist Staatsfeind erster Klasse."
„Unser Glaube ist Deutschland!"
„Heil und Sieg dem Hakenkreuz, Heil unserm Führer Adolf Hitler!"
„Devisenschieber sind Landesverräter!"
„Nieder mit dem politischen Katholizismus!"
Die Rückwand zeigte:
Eirie Eiche: Links von ihr ein katholischer Geistlicher. Rechts ein
Jude. Darunter der Spruch: Und sind sie noch so fest erpicht, die
deutsche Eiche fällen sie nicht.
Die Autos fuhren in Altötting zunächst auf den Kapellenplatz. Dort
stiegen die zirka 150 SA aus, formierten sich unter Vorantritt von
Trommlern und Bläsern zu einem Zug' über den Kapellenplatz und in
die Adolf-Hitler-Straße, kehrten dann zum Kapellenplätz zurück und
nahmen Aufstellung zwischen Heiliger Kapelle und Marienbrunnen, wo
bei den großen Lichterprozessionen der Wallfahrer regelmäßig der Altar
steht und der Schlußsegen gegeben wird. In der Mitte wurde ein freier
Platz gelassen und die Hakenkreuzfahne aufgestellt, vor die dann ein
Brautpaar zu einer deutschen Trauung hintrat. Ein junger SA-Mann
hielt zunächst eine etwa sieben Minuten lange Rede, sprach dabei davon,
daß man hier auf historischem Boden stehe, daß hier schon die alten
298
Germanen gewohnt hätten, dann aber das Christentum seit zwei Jahr-
tausenden sich ins Volk eingeschlichen habe, daß man aber jetzt wieder
zurüclckehre zum alten Glauben der Väter. Dieser Glaube sei der
deutsche Mensch, das deutsche Blut, der Glaube an Deutschland. „Wir
kümmern uns nicht darum, ob wir zu den Engelein^ in den Himmel oder
zu den Teufeln in die Hölle kommen. Unser Glaube ist Deutschland."
Zum Schluß las er einen Satz aus Hitlers „Mein Kampf" vor, der davon
handelte, daß sie (wohl das Brautpaar gemeint) wachsen und die
deutsche Gemeinschaft vermehren sollten. Dann forderte der Redner
das Brautpaar auf, durch Handschlag vor der Fahne den Treuschwur
zu leisten. Während dann die Fahne über das Brautpaar geschwenkt
wurde, spielte die Musik. Hernach zog alles ab in ein Gasthaus. Um
etwa 8 Uhr abends wurde die Rückfahrt angetreten. Dabei begegnete
ein Wagen einigen Klosterfrauen, die sofort angepöbelt wurden: „Da
sind sie, diese Nonnen! Diese Devisenschieber u. ä."
Hierzu stellen wir fest:
1. Sämtliche 5 Lastwagen waren von der Reichsbahn; sie trugen alle
die Aufschrift: „Deutsche Reichsbahn", und hatten auch die Abzeichen
der Reichsbahn. Damit wurde während der ganzen Fahrt von München
bis Altötting und in Altötting selbst bei allen Zuschauern der Eindruck
erweckt, daß die Protestfahrt mit allen ihren Begleiterscheinungen von
der Reichsbahn ausgehe.
2. Sämtliche Transparentinschriften wurden, wie unzweifelhaft fest-
steht und gegen jede eventuelle Ableugnung durch die Beteiligten auf-
rechterhalten wird, im Reichsbahnausbesserungswerk zu Freimann von
einem Angestellten während der Dienstzeit ange-
f e r t i g-t.
3. Die Fahrt hatte nicht etwa bloß einen Protestcharakter gegen den.
„politischen Katholizismus" und die Devisenschieber, sondern auch gegen
das Christentum und die katholische Kirche und ihre Einrichtungen.
Darum wurde als Ziel gerade der besuchteste katholische Wall-
fahrtsort Bayerns, Altötting, genommen.
Darum wurde in Altötting selbst gerade der Ka pellenplatz zur
Kundgebung benützt. ' Ausgesprochen antichristlichen Charakter zeigte
schließlich die Ansprache und die Trauung.
4. Die Bevölkerung von Altötting, die glücklicherweise ob des
strömenden Regens nur sehr spärlich zugegen war, nachträglich freilich
bald davon hörte, erst recht aber die anwesenden Wallfahrer, waren
über die Inschriften und das Bild, über die Demonstration, Rede und
Trauung sehr empört. Und was besonders beschämend für uns Deutsche
ist, holländische und schweizerische Wallfahrer waren Zeugen all dessen
und schrieben sich die Inschriften ab, photographierten verschiedene
Szenen und erklärten, darüber in ihrer Heimat zu berichten. Ein hol-
ländischer Geistlicher wurde noch dazu von einem SA-Mann angepöbelt.
Wir werden gegen diese Verhöhnung einer katholischen Wallfahrts-
stätte an anderer Stelle vorstellig werden. Herrn Präsidenten möchten
wir aber bitten, alsbald eine Untersuchung darüber anstellen zu wollen,
wie es möglich war, daß:
1. Lastwagen der Deutschen Reichsbahn zu einer solchen Demon-
stration benützt und mit derartigen Hetzinschriften versehen werden
durften;
2. i-nnerhalb des Reichsbahnausbesserungswerkes Freimann von einem
Angestellten innerhalb der Dienstzeit derartige Hetzplakate und ein
solches Spottbild gemacht werden durften.
Wir erwarten, daß diesmal die Reichsbahndirektion energisch durch-
greift, um endlich der antireligiösen Hetze innerhalb des Reichsbahn-
ausbesserungswerkes ein Ende zu machen.
299
Wir hielten es auch für angezeigt, daß die Reichsbahn direktion
öffentlich von dieser bedauerlichen Demonstration abrückt, mit der sie
ohne jeden Zweifel nicht das Allergeringste zu tun hatte, mit der sie
aber von der Bevölkerung und vom Ausland, das Zeuge des Vorkomm-
nisses war, eben wegen der Benützung ihrer Kraftwagen nur zu leicht
in Verbindung gebracht werden könnte.
Genehmigen Herr Präsident den Ausdruck aufrichtiger Hoch-
schätzung, in welcher ich ergebenst verbleibe
Buchwieser, Generalvikar.
In Abschrift:
1. An den Herrn Reichs verkehrsminister Frhr. Eltz v. Rübenach,
2. An das Auswärtige Amt,
3. An das Reichsministerium des Innern,
4. An den Herrn Präsidenten der Deutschen Reichsbahngesellschaft,
Herrn Generaldirektor Dr. Dorpmüller,
5. An Herrn Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp,
6. An das Bayer. Staatsministerium des Innern,
7. An die Kanzlei des Führers der NSDAP.
Eine tausendjährige Kapelle durch NS-Hochzeit entweiht!
Die Kapelle der ehemals kaiserlichen Residenz von AUstädt
wurde entweiht, indem die Trauung des Jungbannführers Camilo
Gärdtner durch den Gauleiter Günter Blum in Gegenwart einer
großen Zahl von HJ-Führern und BdM-Leiterinnen stattfand unter
feierlichem Orgelspiel und den Festklängen der nationalsozialisti-
schen Hymne: „Erde gebiert aufs neue" („Türmer", „Allgemeine
Zeitung" vom 11. September 1935).
Eine NS-Eheweihe.
Ein Muster bombastischer NS-Worte
Die erste SS -Hochzeit in Pfaffenhofen a. Um, Obb.
„Die Hochzeitsfeier des mit der Führung des SS-Sturmbannes
11/92 Standarte beauftragten SS-Hauptsturmführers Kaspar
Schwarzhuber mit Frl. Maria Margarete Fleißner war
eine Weihestunde in tiefstem Sinne und für alle Teilnehmer bleibt
sie ein unvergeßliches Erlebnis. Das sieghafte Banner des National-
sozialismus und das ernste schwarze Fahnentuch der SS schmückten
den Rathaussaal, in dessen Mitte die Büste des Führers stand. Die
in Rot und Grün gehaltene Dekoration verlieh dem historischen
Raum eine sehr vornehme Note. Der Bedeutung des Tages ent-
sprach es, daß zahlreiche führende auswärtige Persönlichkeiten der
SA und SS als Ehrengäste zugegen waren. HJ, BDM, Jungmädel
und Jungvolk bildeten im Rathausinnern die Treppen entlang
Spalier, Kreisleitung, Ortsgruppe, SS-Kameraden von auswärts,
denen Hauptsturmführer Schwarzhuber den Weg zum National-
sozialismus bereitete, SA, SS, die Führer der verschiedenen Unter-
gliederungen, die Ratsherren, die Stadtverwaltung mit den sämt-
lichen Arbeitern, Angestellten und Beamten waren zugegen.
300
Musikalische Darbietungen (bes. mit der aus einer Kirche ge-
stohlenen Orgel! Der Verf.) umrahmten den feierlichen Akt. Trau-
zeugen waren SS-Brigadeführer Diem und SS-Obersturmführer
Friedrich Franz Bauer.
Bürgermeister- Otto Bauer nahm die standesamtliche Trauung
vor; seine von echt kameradschaftlichem Geiste getragenen, tief
wurzelnden Worte lassen wir nachstehend folgen:
Mein sehr verehrtes Brautpaar!
Ihr beide erscheint heute vor mir, dem Bürgermeister und Standes-
beamten der Stadt Pfaffenhofen, in der Absicht, den Bund der Ehe zu
schließen. Die Ehe ist von der Volksgemeinschaft anerkannt. Die Liebe,
Treue und Achtung zueinander sind die Grundpfeiler dieser Lebens-
gemeinschaft. Nur das Gesetz oder der Tod kann diesen Bund trennen.
Pg, Kaspar Schwarzhuber — Kampf genossin Maria Margarete
Fleißner! — Wenn im Reiche Adolf Hitlers Mann und Frau die Ge-
meinschaft für das Leben bauen, dann ist das wie Heimkehr zu den Ur-
vätern- — und wie ein Vormarsch in. des Volkes Zukunft — wie ein
Appell an der ewigen Wache — und wie ein Lagerbau des jungen
Volkes.
Nicht wie in vergangenen Zeiten wünschen wir uns Glück, sondern
wir wünschen uns Kampf mit doppelten Waffen und Ehre mit doppelter
Treue.
Ich stelle Dir Kamerad und Dir Kameradin die Fahne des Führers,
das Hakenkreuzbanner, hierher; legt im Geiste Eure reinen Hände ge-
meinsam an ihren Schaft; diese Fahne der Freiheit ist die neue Zeit, für
die Du Kamerad Schwarzhuber 14 Jahre kämpftest, für die Du gestritten
und gelitten hast. Auch Deine Hand Kameradin Maria Margarete um-
klammert die Fahne, für die Dein Mann gekämpft hat. Dies bedeutet
für Dich höchste Verpflichtung im Kampfe um die Erhaltung unseres
deutschen Volkes. Stehe in schweren und guten Zeiten treu und un-
beirrbar hinter diesem Manne. Blutorden und Ehrenzeichen zeugen, daß
der Mann, der mit Dir nun durch das Leben geht, in Treue und höch-
ster Pflichterfüllung für sein Volk kämpfte. Als sein bester Kamerad
weiß ich, daß er immer bereit war, a^es zu geben und zu opfern für
unsere herrliche Freiheitsbewegung. — Allen, die da glauben, wir hätten
keine Religion, weil wir uns selbst weihen, denen sage ich: „Wer für
Adolf Hitler kämpft, kämpft für Deutschland, und wer für sein Vater-
land kämpft, kämpft für Gott!"
Unsere Fahne ist die neue Zeit und diese Fahne führt uns in die
Ewigkeit.
Und nun wollen wir heimkehren zu unseren Urvätern. —
Sie sind euere ersten Trauzeugen.
Ihr Blut, rein und unverfälscht seit Jahrtausenden, gesund und
widerstandsfähig, meldet sich in dieser Stunde zu neuem Leben. —
Und da werden sie wieder lebendig die Urahnen und die allernächsten,
die noch hier stehen bei uns in stolzer Freude, die fernen, die wir nach
Namen und Aussehen nicht mehr erkennen. —
Alle aber sind deutschen Blutes — alle tragen in den Augen und
auf der Stirn das stolze Leuchten ihrer Rasse — unseres Stammes.
Alle stehen sie hier unter uns im Geiste und fragen uns: „Woher
kommt Ihr? — Wo steht Ihr? — Wohin geht Ihr?"
Und wir Nationalsozialisten antworten mit sieghaftem Glauben:
„Wir kommen aus dem Volke — Wir stejien in unserem Volke — Und
wir gehen heim zu unserem Volke." —
Ob ihr, väterliche und mütterliche Trauzeugen, uns Geld und Gut
oder Not und Soxge vererbt habt, das entscheidet nichts!
301
Aber daß ihr uns das Blut, diesen Quell von ganz eigener Kraft ge-
geben habt, das ist unser Schicksal, unser Glück geworden, — Nicht Ver-
mögen, nicht Kastengeist formt unser Leben, sondern Ihr, die Ahnen,
gestaltet uns und unseres Volkes Dasein, unsere Seele und unseren
Charakter.
Und wenn unser heißgeliebter Führer Adolf Hitler zu uns spricht,
so ist's, als ob ihr Ahnen wieder zu uns zu reden anfinget. Als ob ihr nach
unserem Herzen und Gewissen greifen wolltet. — Alles auf Erden ist
zu bessern. Jede Niederlage kann zur Mutter eines späteren Sieges
werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer späteren Erhebung,
jede Not zur Befruchtung menschlicher Energie — solange aber nur das
Blut rein erhalten bleibt.
Doch aber — verlorene Blutsreinheit allein zerstört das Glück auf
immer — senkt den Menschen auf ewig nieder. —
Väter, Mütter, Ihr seid Zeugen dafür, daß wir SS-Männer Euer Erbe
als tapfere Blutswarte hüten und im Dienste der Volksgemeinschaft
verwalten.
Nicht umsonst tragen wir die Kampfparole der SS in der Tat durch
Deutschland und schwören heute erneut auf sie: „Unsere Ehre heißt
Treue!" —
Treu zu den Urvätern — Treu unserem Blute — Treu unserem hei-
ligen Boden, der in eurem Schweiß gepflügt und von eurem Blut ge-
tränkt wurde. —
Urväter — seid Zeugen des Schwures, den hier zwei deutsche Men-
schen ablegen werden.
Und nun kommen schon die 2. Trauzeugen zu uns.
Die Toten — die Blutzeugen unserer heiligen Bewegung.
Da steigen sie aus den eisernen Sarkophagen am Königlichen Platze,
aus. den Gräbern nahen sie:
Horst Wessel — Herbert Norkus — Allfahrt — Bauriedl — Theodor
Casella — Anton Hechenberger — Karl Laforce — Kurt Neubauer —
Klaus von Pape — Scheubner-Richter — Wilhelm Wolf — alle, alle
kommen sie, um uns zu sagen: „Damit Ihr ein einig Volk werdet, star-
ben wir. — Damit Ihr im großen und kleinen, in Volk, Ehe und Familie
eine Gemeinschaft bauet, fielen wir. Damit Ihr glücklich werdet, blute-
ten wir. Damit Deutschland aufersteht, gingen wir zu Grabe. Seht ihr
sie, die Toten der Bewegung, wie sie in unserem frohen Kreis stehen, mit
tiefgebetteten Augen, bleich, ernst und doch so stolz. Sie sind Zeugen
eines neuen deutschen Lebensbundes. ■ —
Ihre Seligkeit ist das immerwährende Auferstehen in einem jungen
Volke, in Euch, meine beiden Kameraden — es ist, als ob sie auch zu
Euerer Eheweihe versichern wollten: „Umsonst sind wir nicht tot —
wir nicht und nicht unsere Kameraden aus dem großen Kriege, deren
Ehre und Kampfpreis in dem sich erneuernden deutschen Volke erst
lebendig wird." — Und wieder klingt's auf, das ewige Lied von der
Treue, die allein unsere Ehre ist.
Euch, Blutzeugen, wollen wir wieder das Leben geben, weil wir durch
unseren schweren Kampf auf Eure Gräber geschrieben haben: „Auf-
erstanden als Volk"; so wie es Walter Fl ex gesungen hat als Antwort
der Toten der Bewegung auf unsere Frage: „Welches Ehrenmal wir
ihnen bauen sollen" und sie sagten uns:
Wir sanken hin für Deutschlands Glanz;
Blüh, Deutschland, uns als Totenkranz!
Die Mutter, die ihr Kindlein hegt.
Ein Blümlein überm Grab uns pflegt.
Blüh, Deutschland, überm Grabe mein, —
Jung, stark und schon Heldenhain, —
Das war der Wunsch der Toten,
302
Und wiederum sehen wir im Geiste die 3, Reilie, die Euch, mein
liebes Brautpaar, Eideshelfer und Festzeugen sein sollen. Das . nächste
Geschlecht, die Jugend des Dritten Reiches, Sie fordert viel und
Schweres von uns. Sie fordert Treue und Opfer.
Die Jungen müssen ja einmal die Festung halten, an der wir bauen.
Sie müssen ja einmal unsere Erbschaft übernehmen.
Wir hoffen und glauben, daß wir einmal einen besseren Staat in die
reinen Hände der Jugend legen Icönnen, als er einmal in unsere Hände
gegeben worden ist. Sie prüfen einmal unsere Treue zu Deutschland,
sie schauen auf unsere Gemeinschaft im Volke und Elternhause. Sie
wachen über unsere Eide und unsere Treue. Sie stehen mit den Vätern
und IN^üttern, sie stehen mit den Gefallenen hier als leuchtende Stan-
darten, bereit, im Geiste mitzumarschieren, und fordern, daß wir den
, Atem nicht verlieren, daß wir treu bleiben, damit sie auf uns weiter
bauen l^önnen. Junge Zeugen und Kampfgenossen, wir schaffen euch
Raum, wir geben euch Leben und schmieden euch Waffen, wir l^ennen
unsere Schuld an euch und sie heißt: Deutschland.
Unsere liebe Vaterstadt Pfaffenhofen ist heute, und wann immer ein
nationalsozialistischer Kämpfer einer deutschen Frau ^erz und Hand
gibt, nicht so eng und schmal, daß sie nicht Raum bieten würde für das
ganze Volk, das zur Treuzeugenschaft antritt. Keine Ehe kann im
Reiche Adolf Hitlers geschlossen, keine Familie gebaut werden, ohne
daß nicht das ganze Volle es verspürt und keine Ehe vermöchte wahr-
haft glücklich zu sein, verspürte nicht Mann und Frau die Verbunden-
heit und Verpflichtung zum ganzen Volke.
Nicht mehr, wie in den Biedermeier-Zeiten oder in den düsteren
Jahren bürgerlichen Eigendünkels sind hier unsere Familienhäuser ab-
gekapselt vom großen Reiche, von der großen Familie des deutschen
Blutes. Unser Führer, der Deutschland ist, grüßt jedes Haus, jedes
schlichte Heim. Darum lege ich auch in Eure Hände das Kampfbuch
des Führers. Möge Euch dieses Werk als unzerstörbares Bekenntnis zum
Führer und damit zu Eurem deutschen Blute heilig sein. Das ganze Volle
schaut heute auf Euch. Die Mauern des Rathauses weiten sich, Eure
Vaterstadt wird zu ganz Deutschland, alle Standarten und Fahnen der
Bewegung leuchten und wehen herein in diesen Festraum und ein fröh-
liches Volk ruft Euch fordernd und dankend Heil zu. Ihr meine beiden
Kampfkameraden, fühlt die Hände des Führers, der Eure beiden Hände
ineinander schmiedet, Eure Herzen eint, der zu Euch und zu den vielen,
die im kommenden, ewigen Deutschland an Eurem Stamm gedeihen
werden, heute spricht:
. Ihr seid viel tausend hinter mir
Und Ihr- seid ich und ich bin Ihr,
Ich habe keinen Gedanken gelebt.
Der nicht in Eurem Herzen gebebt.
'' Und forme ich Worte,
So weiß ich keins,
Das nicht mit Eurem Wollen eins.
Denn ich bin Ihr
Und Ihr seid ich
Und wir alle glauben, Deutschland, an Dich.
Meine Kampfgenossin Maria Margarete Fleißner,
Mein Pg. Kaspar Schwarzhuber!
Vor diesen beiden gesetzlichen Zeugen, vor den Vätern und Müttern
unseres Blutes, vor den toten Helden unserer herrlichen Bewegung und
303
des großen Krieges, dem jungen Geschlechte und vor Führer und Volk
frage ich Euch nun, nachdem ich Euch an die Wichtigkeit und Verant-
wortlichkeit Eures vorhabenden Schrittes erinnere.
Ich stelle an Dich, Pg. Kaspar Schwarzhuber, die Frage: Ist es Dein
freier und ungezwungener Wille, mit diesem hier gegenwärtigen Fräu-
lein Maria Margarete Fleißner die Ehe einzugehen?
Ebenso frage ich Dich, Kampfgenossin Maria Margarete Fleißner:
Ist es Dein freier und ungezwungener Wille, mit diesem hier gegen-
wärtigen Pg. Kaspar Schwarzhuber die Ehe einzugehen?
Nachdem Ihr nun meine an Euch gerichteten Fragen bejaht habt,
erkläre ich Euch, meine lieben Kampfkameraden, kraft des bürgerlichen
Gesetzbuches für rechtsmäßig verbundene Eheleute.
Anschließend folgte dann durch SS-Sturmführer Schulungsleiter
Dr. Gerhäuser, München, die SS-Trauung, die in ihrer Art einen
feierlichen Akt darstellt, der die Herzen packt. Für beide Sippen
bürgten: SS-U.-Sturmführer Bürgermeister Otto Bauer und SS-
Obersturmführer F. F. Bauer, München.
Es ist kein heidnischer Kult, wie manche zu sagen pflegen; es
ist eine echt deutsche würdevolle Eheweihe von höchster Bedeu-
tung. Das Leuchten vom deutschen Leben strahlt einem entgegen,
das heilige SS-Bekenntnis zur Sippe, zur Familie und zum obersten
Gesetz der Treue. Diese Treue muß für das Brautpaar in der Ehe
ein Schild sein, an dem alle Angriffe zerschellen müssen.
SS-Brigadeführer Diem überreichte dem Brautpaar einen
Ehrendolch und beschloß den eindrucksvollen Akt mit einem
dreifachen Sieg-Heil auf den Führer." („Pfaffenhofener Volksblatt"
vom 14. Juli 1936.)
Gottesdienststörungen.
Wie von Gottes haus und Gottes a c k e r, so machte der natio-
nalsozialistische Christentum- und Kirchenhaß auch vor dem Gottes-
dienst nicht halt. Er schritt auch zu förmlichen Störungen von
religiösen Feiern in Kirchen: So wurde in München einmal die
Bahnhofsmesse im sogenannten Bürgersaal gestört, wobei die Misse-
täter sogar eigens ihr Parteizeichen trugen und mit Brandstiftung
und Bomben drohten. Ähnlich in der Pfarrkirche zu St. Ursula in
München. HJ in München ärgerte sich über die kirchlichen Pfarr-
jugendstunden und suchte sie wiederholt zu stören, z. B. im Jahre
1935 in St. Gabriel, St. Pius, St. Ursula.
Eine besonders drastische Gottesdienststörung geschah im D o m
zu Freiburg i. Br. in Anwesenheit des H. H. Erzbischofs selbst.
Darüber wird berichtet:
„Kanonenschläger"
bei der Treuekundgebung an den Bischof.
Am Sonntag, den 11. Juni- 1941, fand abends im Münster zu Freiburg
eine Treuekundgebung der katholischen Jugend statt. Das große Got-
teshaus war voll von Gläubigen, etwa 5 0, meist Jugendlichen. Die
304
Andacht begann mit Gebeten, gesprochen von einzelnen und von allen.
Dann folgte die Predigt, die ein junger Professor hielt.
Der Herr Erzbischof Gröber befand sich mit Mitra
und Stab am Altar und nahm an der Feier teil. Da auf einmal tat
es einen fürchterlichen Krach, dem eine Rauchentwick-
lung folgte. Die Folg^ davon war eine Panik unter den Anwesen-
den; sie wurden unruhig und drängten sich nach den Ausgängen. Da
forderte der Erzbischof laut rufend auf, die Ruhe zu bewahren und
weiterzubeten. Daraufhin wurden die Leute wieder ruhig. Die Feier
nahm nun ihren Fortgang und ging ruhig zu Ende. Dann ergriff der
Erzbischof das Wort und nahm Stellung zu dem Vorkommnis. Zuerst
bedankte er sich bei der Jugend für diese machtvolle Kundgebung und
dann sagte er etwa folgendes:
„Dieser herrliche Dom steht bereits seit mehreren
hundert Jahren und heute abend fiel der erste Schuß
darin. Ich kann diese sogenannten „deutschen Mensche n",
die diese ruchlose Tat vollbrachten, nur als Verbrecher, Feig-
linge und Verräter brandmarken. Es ist nicht genug, daß
französische und englische Bomben in unseren deutschen Städten Pani-
ken hervorrufen, nein, auch unser herrlicher Dom muß noch mit einem
,Kanonenschläger' entweiht werden, und während wir für unsere tapfe-
ren Soldaten beten, muß eine Panik die Leute verwirren, die leicht zu
einem furchtbaren Unglück hätte ausarten können. Gott sei Dank,
wurde das Schlimmste verhütet. Ich werde dafür sorgen, daß diese
Untat in meiner Diözese bekannt wird und so etwas sich nicht wieder-
holt. Dieser Schreckschuß heute abend ist für viele
ein Weckschuß gewesen, für jetzt und für das Jahr 1941. Meine
lieben Gläubigen! Gebet ihnen die gebührende Antwort am nächsten
Sonntag bei der Fronleichnamsprozession!"
Jedes Wort und jeder Satz des Oberhirten tat den Gläubigen
wohl und wurde mit Bravorufen und Händeklatschen aufgenommen.
Wer war der Täter? HJ-Führer, aufgestellt von unserem
Kreis leiter! Im Beichtchor haben sie den Kanonenschläger
(Feuerwerkskörper = mit Sprengpulver gefüllte Papphülse mit
starkem kanonenähnlichen Knall) gelegt, die Zündschnur mit einer
Zigarette angezündet.
Der Erzbischof sagte noch: „Letztes Jahr platzte auch so ein
„Kanonenschläger" vor der Eingangstür zu meinem Palais,
aber der hat mich nicht so erschüttert wie dieser Schuß heute
abend."
Hatte der Erzbischof von Freiburg gemäß Obenstehendem seine
Diözesanen aufgefordert, „am nächsten Sonntag bei der Fronleich-
namsprozession den Attentätern die gebührende Antwort zu geben",
so taten es die Münchener Katholiken Jahr für- Jahr von selbst: an
die 20 000 bis 30 000 Katholiken, Männer, Frauen und in hervor-
ragender Weise männliche und weibliche Jugend nahmen jedesmal
in würdiger Weise teil, abgesehen von den Zehntausenden, die mit-
betend und mitsingend den Prozessionsweg säumten. Um so mehr
ärgerten sich hierüber die Nazis und sie glaubten ihrem Ärger Luft
machen zu müssen durch Behinderung und Verspottung der Pro-
305
Zession. Dies geschah in ganz besonders abstoßender Weise an
Fronleichnam 1937 in der SS-Kaserne.
Zerrbild einer Fro.nleichnamsprozession
In der SS-Standarte Deutschland, München, Ingolstädter Straße,
zogen am Fronleichnamsfest (27. Mai 1937), nachmittags zwischen
3 und 4 Uhr, 10 bis 15 Männer durch die Gänge dieser Kaserne der
SS-Standarte Deutschland und verspotteten die Fronleichnams-
prozession. >
Vier SS-Männer trugen an vier Zeltbahnstöcken einen aus
einem weißen Leintuch gefertigten Himmel. Unter dem Trag-
himmel markierte ein Mann den Priester, der das AUerheiligste
tiug. Er hatte eine Bischofsmütze aus Papier auf dem Kopf, trug
ein langes, weißes Nachthemd und eine braune Decke um die
Schultern, den Rauchmantel darstellend. In der Hand hatte er ein
Kreuz, die Monstranz versinnbildend, einen Rosenkranz und ein
Gi.'betbuch. Rechts und links von diesem markierten Priester ging
je ein Mann. Diese hatten eine runde Kopfbedeckung aus Papier
und eine braune Decke um die Schultern gehängt. Einer von diesen
befden hatte einen Aluminiumtopf an Ketten oder Schnüren be-
festigt, der das Rauchfaß darstellen sollte. Der andere hatte eine
Fahrradglocke in der Hand. Vor dem Traghimmel ging ein Mann
mit einer Ziehharmonika, der Fronleichnamslieder spielte. In jedem
Gang wurde einige Male gehalten, was die Evangelien bedeuten
sollte. Es wurde gesungen (Dominus vobiscum; Et cum spiritu .tuo
etc.). Die Beteiligten knieten sich hierauf nieder, der SS-Mann, der
den Priester machte, gab mit dem Kreuz den Segen; der eine Be-
gleiter läutete mit der Fahrradglocke und der andere markierte mit
dem Aluminiumtopf die Beräucherung. Dann wurde jeweils wieder
weittrgezogen. Die Zimmerinsassen begaben sich bei dem Vorbei-
zug auf die Gänge und lachten.
Störung der Fronleichnamsprozession
Bei der Münchener Fronleichnamsprozession 1939 schrie ein
Mann vom Balkon eines Gasthauses herab dem Kardinal, der das
AUerheiligste trug, und den Prozessionsteilnehmern mit lauter
Stimme, hörbar für Hunderte von Leuten, entgegen: „Landes-
verräte r". /
Als dann der Schuldige sofort von einem energischen Katho-
liken festgestellt und gestellt wurde, meldeten sich zwar sofort zwei
Gestapoleute, taten aber nichts gegen den Übeltäter, unterhielten
sich vielmehr später freundschaftlich mit ihm und seinem Begleiter!
Man hatte offenbar den Teufel nur bei seiner Großmutter verklagt.
Vergeblich wartete darum das Erzbischöfliche Ordinariat auf die
Bestrafung dieser Gottesdienststörung und öffentlichen Beleidigung
des Bischofs. Vergebens mahnte es nach ein paar Wochen mit nach-
folgendem Schreiben zum polizeilichen bzw. gerichtlichen Ein-
schreiten:
306
München, den 7. Juli 1939.
Das Ordinariat des Erzbistums
• München vmd Freising.
An die
Geheime Staatspolizei ,
Staatspolizeileitstelle
München
Brienner Str. 50.
Betreff: Beleidigung der Katholiken Münchens anläßlich der Fronleich-
namsprozession am 8. Juni 1939.
Während der sonst ohne jegliche Störung verlaufenen Fronleich*
namsprozession in München hat einer von zwei Männern, welche auf
dem Balkon des Spatenbräurestaurants am Max-Josefs-Platz standen,
mit weithin schallender Stimme der Prozessionsgruppe, welche vor, mit
und hinter dem Allerheiligsten ging, zugerufen: „Landesverräter".
Durch schnelles Zugreifen eines Laien konnten die zwei Männer
sofort festgehalten und Beamten der Geheimen Staatspolizei übergeben
werden.
Wir ersuchen
1. uns mitzuteilen, welches das Ergebnis der bisherigen Untersuchung
ist, ob und wie staatlicherseits bereits gemäß der in Artikel 5 des
Reichslconkordats eingegangenen Verpflichtung gegen diese Beleidi-
gung von Geistlichen in Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit und
gegen diesen groben Unfug vorgegangen wurde,
2. Uns. baldigst den Namen des Übeltäters bekanntzugeben, damit Geist-
liche und Laien, denen in aller Öffentlichkeit dieser unerhörte Vor-
wurf gemacht wurde, fristgemäß Privatklage wegen Beleidigung
stellen können.
Eine Antwort auf dieses Schreiben wie auf wiederholte münd-
liche Anfragen war nicht zu erreichen.
3. Antichrists Wüten gegen des „unwerte Leben".
In seinem Fastenhirtenbrief vom Jahre 19 3 4 schrieb H. H.
Kardinal Faulhaber, Erzbischof von München, unter anderem:
„Vor kurzer Zeit ist ein furchtbares Wort gefallen: Jede
Sittenlehre gelte nur eine Zeitlang, und sittlich sei alles, was
dem Wohle des Volkes dient". Die christliche Sittenlehre ist
ein wesentliches Stück des Evangeliums, verpflichtet also alle Völker
vmd alle Zeiten so gut wie die Glaubenslehre des Evangeliums. Sitt-
lich ist, was dem Willen und den Geboten Gottes ent-
spricht. Das wird auf die Dauer immer auch dem Wohle des Volkes
dienen. Eine neue sittliche Ordnung aber, die mit den Geboten Gottes
in Widerspruch stünde, würde Unordnung schaffen und dem Wohle des
Volkes nicht dienen. Da könnte ein F a natiker auf den Wahn
kommen, Enteignung des Kirchengutes, Meineid und
Mord dienten dem Wohle des Volkes und seiendeshalb
sittlich erlaubt. Es könnte ein Arzt auf den Gedanken
kommen, die schmerzlose Tötung der sicher unheil-
bar Kranken, auch der unheilbar Geisteskranken, die
sogenannte Euthanasie, erspare dem Staat große Für-
sorge lasten und diene deshalb dem Wohle des Volkes.
Wirtschaftliche Rücksichten können ein Sitten-
gesetz nicht außer Kraft setzen. Der Vater des Gedankens,
307
alte Leute einzuschläfern, ist der gleiche Nietzsche, der den Staat
ein „Ungeheuer", die Nächstenliebe „das größte Laster" nannte, in des-
sen Augen es die größte Torheit war, den Unterschied zwischen Herren-
menschen und Sklavenmenschen abzuschaffen. Christus hat den ewig
gültigen Grundsatz aufgestellt: „Alles, was ihr wollt, das euch die
Menschen tun, das sollt ihr ihnen auch tun". In der Kehrseite heißt
das: ,Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem an-
dern zu!" (Mt. 7,12.)
Eine warnende, aber nicht beachtete Prophetenstimme!
Das , (furchtbare Wort", das einer vorgesprochen hatte: „Sittlich
ist alles, v^as dem Wohl des Volkes dient" oder, kürzer formuliert:
„Gut ist, was nützlich is t", wurde bald Moral und Parole
der Partei. Ebenso auch die Kehrseite dieser Losung: „Was
nichts mehr nützt, ist lebensunwert, soll be-
seitigt werden, insbesonders, wenn es die Reinerhaltung der
Rasse, das nationale Wohl und die Erhaltung der Volkskraft er-
fordern!"
Erste Auswirkung dieser Moral war die Unfruchtbarmachung
zur Verhütung erbkranken Nachwuchses,
die sog. Sterilisation.
Sie wurde durch tendenziöse Filme niedrigster Art vorbereitet und
propagiert und dann an ungezählten Schwachsinnigen in- und
außerhalb von Anstalten, selbst an Geistlichen, durchgeführt. Dar-
legungen der Bischöfe, wie sie immer wieder geschahen, um zu
zeigen, daß es dem katholischen Gewissen nicht erlaubt sei, solche
Eingriffe für die eigene Person zu gestatten oder für andere zu
beantragen (Kardinal Faulhaber, ebenfalls im Fastenhirtenbrief
1934), wurden nicht beachtet. Spätere energische Proteste der Bi-
schöfe gegen diese Maßnahmen führten zur Beschlagnahme von
Hirtenbriefen. (Siehe Denkschrift der Bischöfe vom 20. August 1935.)
Das Lügenwort und Verbrechen der
„Euthanasie."
Das war der wohlklingende Deckname für die skrupellose, ge-
waltsame Tötung von Menschen, vielleicht von Hunderttausenden!
Auf der Tagung der schlesischen Wohlfahrtspflege in
Bad Salzbrunn vom 25. bis 27. Oktober 1939 sprach Gauleiterstell-
vertreter Bracht das so wenig nach Wohlfahrtspflege klingende
Wort: „Das deutsche Volk muß dazu kommen, immer weniger un-
produktive Kräfte mitzuschleppen."
In Wirklichkeit war dies aber längst nicht mehr ein Zukunfts-
programm des deutschen Volkes oder vielmehr des deutschen
Nationalsozialismus, sondern etwas, was schon seit mehreren Jahren
geradezu ,,am laufenden Band" durchgeführt wurde. Rücksichtslos
und massenhaft beseitigte man bereits landauf, landab „unproduk-
tive Kräfte", so wie man unbrauchbare Werkzeuge wegwirft oder
alte, schwache Tiere tötet.
308
Zunächst wurden von den „Landesfürsorgeämtern" (der Name
„Fürsorge" ward hier wirklich zum Hohn) Meldebögen nachfolgen-
der Art an die einzelnen Heil- und Pflegeanstalten verschickt.
Meldebogenl Ist mit Schreibmaschine
auszufüllen!
Lfde. Nr
Name der Anstalt: ......... 3 .... <
in: «
Vor- U.Zuname des Patienten: ...... geborene:
Geburtsdatum: . . . -Ort: Kreis:
Letzter Wohnort: Kreis:
ledig, verh., verw. od. gesch.: . . . Konf.: . . . Rasse: . . , Staatsang.: . . .
Anschrift der nächsten Angeh.: . . j
Regelmäßig Besuch und von wem (Anschrift):
Vormund oder Pfleger (Name, Anschrift):
Kostenträger: . Seit wann in dortiger Anst.:
In anderen Anstalten gewesen, wo und wie lange:
Seit wann krank: .... Woher und wann eingeliefert:
Zwilling: . ... » > Geisteskranke Blutsverwandte:
Diagnose: . i , , t , . i ^
Hauptsymptome: . t . i . . . .
Vorwiegend bettlägerig? . •. . . sehr unruhig? ... in festem Haus? . . .
Körperl, unheilb. liCiden: * . s . i . . Kriegsbeschäd.:
Bei Schizophrenie: Frischfall . . . Endzustand . . . gut remittierend: . . .
Bei Schwachsinn: debil imbezill: Idiot:
Bei Epilepsie: psych, veränd.: . . . durchschn. Häufigkeit, d. Anfälle: . . . .
Bei senilen Erkrankungen^ stärker verwirrt unsauber
Eingewiesen auf Grund §51, § 42bStrGB. usw durch:
Delikt: .......... Frühere Straftaten:
Art der Beschäftigung: Genaueste Bezeichnung der Arbeit und
der Arbeitsleistung:
Ist mit Entlassung demnächst zu rechnen?
Bemerkungen: -
Ort, Datum:
(Unterschrift des ärztlichen Leiters
oder seines Vertreters.)
309
Diese Fragebögen mußten nach der Ausfüllung wieder an den
Landesfürsorgeverband zurückgeschickt werden, damit dieser für
das weitere sorgen- könne. Als die katholischen Pflegeanstalten den
heimtückischen Zweck dieser Meldebögen sicher erkannten, weiger-
ten sie sich größtenteils, die Meldebogen überhaupt noch .ein-
zuschicken.
Dann kamen ärztlicheKommissionen in die einzelnen
Heil- 'Und Pflegeanstalten und brachten hiebei die ausgefüllten
Fragebogen mit oder ließen sich die zurückbehaltenen ausliefern.
Nur vereinzelt nahmen sie sich Zeit, Patienten selbst zu prüfen.
Der Leiter einer solchen ärztlichen Kommission, Dr. Schm.,
antwortete am 18. November 1937 gegenüber ernstesten Bedenken
und dringendsten Bitten der Oberin einer solchen Anstalt in Ober-
bayern: ,, Machen wir uns doch nichts vor und seien wir aufrichtig
zueinander: Diese Eckensitzer müssen weg!"
Bei der nachfolgenden Durchsicht der Meldebögen machte er
dann bei Schwachsinnigen und Geisteskranken fast durchwegs ein
Kreuzchen auf das freie Rechteck der linken unteren Seite des
Meldebogens (andere machten es zu den Namen auf den mit-
gebrachten Listen). Das Todesurteil für die Bezeichneten!
Darunter fielen auch Pfleglinge, die noch beinahe voll arbeitsfähig
waren, sei es in der Landwirtschaft oder in einem Handwerk, bei-
spielsweise solche, die nur vielleicht ein- oder zweimal im Jahr
einen epileptischen Anfall oder ähnliches hatten.
Auf den Einwand der Frau Oberin obiger Anstalt, daß die
Pfleglinge doch auch arbeiten könnten und durchaus nicht „un-
produktiv" seien, antwortete der Arzt: „Was heißt denn bei euch
arbeiten? Ihr habt ihnen nur einiges eingedrillt; das ist doch keine
Arbeit. Da haben Sie eine falsche Auffassung über Arbeit."
Selbst solche wurden dem Tode geweiht, bei denen es sich um
Folgen von. Kriegsverletzungen handelte!!
Die Todeskandidaten wurden dann aus den caritativen
katholischen oder evangelischen Anstalten zunächst vorsorglich in
staatliche Heil- und Pflegeanstalten verbracht, und zwar unter
dem Vorwand einer „Neuorganisation der Heil- und
Pflegeanstalten" und „zur Erhaltung der Wirt-
schaftlichkeit der Heil- und Pflegeanstalten, in
welchen im Zuge der , Neuorganisation' (wieder ein euphemistischer
Deckname für die Tötung!) eine ganze Anzahl von Betten frei-
geworden sei." Ausdrücklich und schärfstens wurde dabei betont:
„Von einer vorhergehenden Verständigung der
Angehörigen der Kranken ersuche ich unter allen
Umständen im Interesse eines geregelten Abtransportes der Pfleg-
linge abzusehen. Sie erfolgt durch den Landesfürsorgeverband
Oberbayern/'
Nur in diesem letzten Punkte wich eine diesbezügliche Anord-
nung des Reichsstatthalters von Salzburg ab:
310
Der Reichsstatthalter Salzburg, am 17. August 1940.
Br. I/I — RVR (III) 1/40 geh.
Vertraulich.
An die
Versorgungsansta-lt Schernberg
zu Händen der Oberin o. V. i. A.
Schwarzach.
Gegenstand:
Verlegung von Kranken aus Heil- und Pflegeanstalten.
Zur streng vertraulichen Behandlung wird mitgeteilt, daß laut
einem Erlaß des Reichsverteidigungskommissars im Wehrkreis XVIII in
Innsbruck die gegenwärtige Lage die Verlegung einer größeren Anzahl
von in Heil- und Pflegeanstalten untergebrachten Kranken notwendig
macht, um für andere/ Zwecke Betten jederzeit verfügbar zu haben.
Die Kranken werden nebst ihren Krankenpersonalakten und Kran-
kengeschichten in Sammeltransporten verlegt. Der Abgabeanstalt ent-
stehen aus dem Transport keine Kosten; die Benachrichtigung
der Angehörigen über die Verlegung hat durch die
Abgabeanstalt zu erfolgen. Die Abgabeanstalt hat auch 'die
Kostenträger davon in Kenntnis zu setzen, daß weitere Zahlungen über
den Tag der Verlegung hinaus solange einzustellen sind, bis sie von der
Aufnahmeanstalt angefordert werden.
Die notwendig werdenden Verlegungen werden von Fall zu Fall
angeordnet werden.
LA.
gez. Dr. Hausner.
Beglaubigt: Hromadka.
Der Landesfürsorgeverband Schwaben suchte bei dieser Um-
legung der Kranken gleichsam noch ein Geschäft zu machen.
Er beauftragte die caritativen Anstalten, aus denen Pfleglinge in
die staatlichen Anstalten verbracht wurden, allen „Umzulegenden"
(dieses Wort hatte hier eine fatale Doppelbedeutung!) noch
dreifache Leibwäsche, einen Sonntags- und Werktagsanzug mit-
zugeben, reichlich viel für die, welche zumeist schon nach wenigen
Tagen sterben sollten.
Aus den staatlichen Heil- und Pflegeanstalten wurden
dann die „unproduktiven Kräfte" entweder in Eisenbahnwaggons,
meist nachts und auf offener . Strecke, außerhalb eines Bahnhofs
verladen oder in Omnibussen der „Gemeinnützigen Transportgesell-
schaft G. m. b. H." (was doch der Nationalsozialismus für eine Auf-
fassung von „gemeinnützig" hatte!), meist von SS-Leuten gesteuert,
fortgebracht.
Nach einigen Tagen erhielten die Angehörigen eine kurze Nach-
richt über die Verlegung ihrer Patienten, nach ein paar weiteren
Tagen die Todesbotschaft. Durch die mehrmalige Verlegung
sollten die Spuren der Gewalttat verwischt werden.
Als Todesursache wurde schematisch dies und jenes verzeichnet,
darunter des öfteren eine unmögliche Krankheit, z. B. Blind-
darmentzündung bei Personen, die längst keinen Blinddarm mehr
311
hatten, oder Tonsilitis bei Leuten, denen längst die Mandeln heraus-
genommen waren.
Ein paar Beispiele mit kurzen Auszügen aus der amtlichen Mit-
teilung.
1. KrautMagdalena.
Vernichtungsanstalt: Landespflegeanstalt Grafeneck in Württemberg,
„Verlegt 1940 auf ministerielle Anordnung und gemäß Weisung des
Reichsverteidigungskommissars."
„Tod ist als Erlösung aufzufassen."
„Wegen Seuchengefahr sofortige Einäscherung des Leichnams."
„Besuche hier gegenwärtig aus seuchenpolizeilichen Gründen ver-
boten."
2. Lindauer Bert a.
.Vernichtungsanstalt G r a f e n e c k in Württemberg.
„Verlegt am 9. Oktober 1940 auf ministerielle Anordnung gemäß Wei-
sung des Reichsverteidigungskommissars."
„Ihren Tod müssen Sie als eine Erlösung auffassen."
„Tod 22. Oktober^ 1940. Plötzlich und unerwartet an akuter Milliartuber-
kulose."
„Wegen Seuchengefahr ordnete die Polizeibehörde sofortige Einäscherung
des Leichnams an."
£an5c^an(!a(f ßarf^efm
Äor(Mm,ben 13. Juni 1940.
Dlitr £ln3 (Oonou), pef)f(f)lle^a4 £fni 324
Strnruf: aitoocn 9
Maria L i e g 1 ,
MilÄöhen.
RuppreohtB-traBse 15/III
Betr.: Josef Liegl.
Sehr geehrte Frau Liegl !
Ich beehre miöh Ihnen mitzuteiler., daß Ihr Bruder Herr
Josef Liegl, der auf Grund ministerieller Anordnung gemäß
Weisung des Reichaverteidigungskomraissars verlegt werden
nöiöte, hier eingetroffen ist,
, .>'■• ■■"•:.,\ Hell Hitler !
''oorn lO:^
Als Beispiel der amtlichen Heuchelei und Schwindelei, die hier ge-
trieben wurde, zwei Briefe der Landesanstalt Hartheim in Photokopie.
ai2
atihron |hl# onsrten!)
Fräulein
Maria 1 1 e g 1
München
mpprechtstr. 15
Sehr geehrtes Fräulein liegl
Im Nachgang zu unserem Schreiben vom 13. ^uni 19.40 müssen
wir Ihnen zu unserem größten Bedauern mitteilen, . daß Ihr Bru-
der Josef liegl , der sich seit kurzen auf ministerielle Anord-
nung gemäß Weieung des HeichsverteidigungskommiBsars in unse-
rer Ansta5.t befand, unerwartet infolge lüngehahazee'sea ge-
storben ist. Eine ärztliche Hilfe war leider nicht mehr möglich.
Da jedoch bei der Art und der Schwere des Leidens Ihres Bruderß
mit einer Besserung und damit auch mit einer Entlassun« aus
der Anstalt nicht meiir zu rechnen war, kann man seinen, aer ihn
von seinem- Leiden befreite und ihn vor einer lebenslänglichen
Anstaltspflege bewahrte, nur als Erlösung für ihn ansehen;
möge Ihnen diese Gewißheit zum Tröste gereichen.
um einer möglichen Seuchengefahr, die jetzt während des Krie-
ges besonders groß ist, vorzubeugen, mußte der Veratorbene
auf polizeiliche Anordnung hin sofort eingeäschert werden.
Falls Sie die üme mit den sterblichen üb rrosten Ihres Bruders
auf einem bestimmten Friedhof beisetzen lassen wollen, - die
Überführung der Urne findet kostenlos statt - bitten wir Sie,
unter .Beifügung einer Einverständniserklärung der betreffenden
Friedhbfverwaltung um Mitteilung.
Sollten Sie uns innerhalb von 14 Tagen keine diesbezügliche ■
Nachricht zukommen lassen, werden wir die' Beisetzung der Urne
'anderweitig veranlassen.
Zwei Sterbenirkunden, die Sie für eine etwaige Vorlegung hei Be-
hörden sorgfältig aufbewahren wollen, fügen wir 'bei,.
Heil Hitler
Man beachte die Ungenauigkeit: in einem Brief heißt die Schwester
„Fräulein", im andern „Frau". In der Sterbeurkunde Nr. 537 des Stan-
desamtes Hartheim heißt es: „Am 17. Juni 1940 um 8 Uhr 30 Minuten
in seiner Wohnung verstorben. Todesursache; Lungenabszeß."
313
3. RiefHedwig.
„Am 6. Februar 1940 in die Landespflegeanstalt Grafeneck gebracht."
Von dort Nachricht am 13. Februar: „Fräulein Rief ist am 8. Februar
1940 einem Herzschlag erlegen."«
„Mußte auf polizeiliche Anordnung eingeäschert werden."
„Ihr Tod bedeutet Erlösung."
i
Asche kam nach 4 Wochen an das Bürgermeisteramt in Weiler (Heimat).
4. Obermeier Franz.
Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.
„Vor kurzem auf ministerielle Anordnung ... in unsere Anstalt überführt.
„Hier am 11. September 1940 an einer Grippe, die Lungenentzündung
zur Folge hatte, verstorben."
„Alle ärztlichen Bemühungen... blieben ohne Er-
folg"(!!)
„Einäscherung mußten wir auf polizeiliche Anordnung sofort veran-
lassen."
„Von einem schweren, unheilbaren Leiden erlöst und vor lebensläng-
licher Anstaltspflege bewahrt."
5. Frau Henriette Friedrich.
Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.
„Verlegt nach Brandenburg"
„Am 23. September 1940 an einer septischen Angina verstorben, trotz
aller Bemühungen unserer Ärzte, die Patientin am
Leben zu Erhalten."
„Seuchengefahr verlangte sofortige Einäscherung."
6. Auracher, München.
Vernichtungsanstalt: Landes-Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein
über Pirna.
Neu ist in diesem Falle, daß wegen der „Seuchengefahr" auch die
sämtlichen Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände
des Entschlafenen (wiederum ein Hohn: dieses Wort „Entschlafener" für
einen Getöteten) vernichtet werden mußten, so daß wir Ihnen zu
unserem Bedauern nichts zurückgeben können. (In Wirklichkeit wan-
derten diese Kleider nicht in das Krematorium, sondern in Konzen-
trationslager oder vielleicht gap in Privatwohnungen von davon Betei-
ligten.)
7. Von Interesse dürfte besonders auch folgender Fall sein:
Schwester Angela Holtzmann '
aus einem bayerischen Salesianerinnenkloster wegen Geisteskrankheit in
der Anstalt Rottenmünster untergebracht, entging durch besondere Vor-
sichtsmaßnahmen der dortigen Schwestern der Verschleppung und
Tötung, obwohl ihr leibeigener Bruder sich , geweigert hatte,
irgend etwas zur Rettung seiner Schwester zu tun, da er selbst, wie er
erklärte, in Eglflng-Haar bei der „Wegschaffung" der Kranken (meist
nach Hartheim bei Linz) beteiligt war.
8. Frau Klinkowström hatte einen kranken Sohn in der Heilanstalt
in Mauer- ölling. Sie wollte ihn wegtun nach der katholischen Pflege-
314
anstalt Schernberg. Sie wandte sich anFrauGöringin Bad Gastein
mit der Bitte, bei ihrem Mann Fürbitte einzulegen, daß ihr Sohn nicht
einbezogen würde. Frau Göring erhielt von ihrem Mann telegraphisch
die Antwort: „Da kann ich nichts machen; denn das geht von der höch-
sten Stelle aus."
Welch eine Angst und welch ein Terror in den staatlichen An-
stalten herrschte, aus denen die Pfleglinge in die Vernichtungs-
anstalten weggeholt wurden, zeigt der Brief einer Pflegeschwester
vom Oktober 1940:
„ . . . Ich habe nun die Angst in Formen kennengelernt, die mir bis
jetzt neu waren." (Die Todeskandidaten wußten ja großenteils sehr
wohl, wohin die Fahrt mit den Omnibussen der „Gemeinnützigen Trans-
portgesellschaft" ging.)
„Sollte es mir möglich sein, so weiß ich den Weg zu Euch. Im
übrigen unterlassen wir alles persönliche und brief-
liche Verkehren. Unnötig darf man sein Leben nicht der Gefahr
aussetzen und die Sache ist todesernst... Ich bitte Euch sehr, sagt
keinem Menschen von diesem Brief! Schweigen, schweigen! Es ist not-
wendig."
Die Mitwisser dieser „Euthanasie" fühlten sich eben durch ihre
Kenntnis genau so in Lebensgefahr wie jene, die in den Konzen-
trationslagern das Krematorium zu bedienen hatten, die wohl eines
Tages den Entlassungsschein bekamen, aber nur, um dann auf den
Schießplatz geführt und mutidtot gemacht zu werden.
Der Gipfelpunkt der Heuchelei!
Als Gegenstück zu all diesen Zehntausenden von Morden an
Schwachsinnigen eine Zeitungsnotiz, wie sie Ende September 1940
im ganzen deutschen Blätterwald zu sehen war.
, „Zahl der Opfer des Verbrechens von Bethel weiter erhöht."
Die Zahl der Todesopfer, die das ruchlose Verbrechen der Royal-
Air-Force an den weltbekannten Bodelschwing'schen Heilanstalten in
Bethel bei Bielefeld gefordert hat, hat sich auf 12 erhöht, da mehrere
Schwerverletzte ihren furchtbaren Wunden erlegen sind. 11 hilflose,
kranke Kinder und eine Krankenschwester, die ihr Leben der Pflege
dieser unglücklichen Geschöpfe gewidmet hatte, sind dem von Churchill
und der Londoner Mörderclique befohlenen Überfall zum Opfer gefallen.
Das Blut dieser unschuldigen Opfer wird tausendfach gerächt werden."
(Voigtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 28. September 1940.)
Gewiß, jeder Deutsche, jeder Christ, jeder Menschenfreund be-
dauert alle diese 12 Opfer eines Luftangriffes. Aber ist jedes Be-
dauern und jede Entrüstung über den Tod dieser Pfleglinge nicht
eine Komödie und ein Hohn bei Menschen, die vorsätzlich,
kaltblütig und unnötig, nur aus rein wirtschaft-
lichen Gründen' Zehntausende, vielleicht Hun-
derttausende solcher „unwerter Menschen" ge-
tötethaben?
Schreit das Opfer dieser unschuldigen Opfer des National-
sozialismus nicht hunderttausendfältig zum Himmel um Rache?
-. 315
4. Antichrists Wüten gegen das Judentum.
„Wo hätten wir jemals in irgendeiner amtlichen Verlautbarung,
in unserer Betätigung die Offenbarung der Bibel, des Alten und
des Neuen Testamentes abgelehnt? Wir warnen nur davor, daß man
gerade die Geschichte • des alt jüdischen Volkes mit einer größeren Aus-
führlichkeit unserer Jugend näherbringt als die Geschichte, die Sagen-
und Märchenwelt unseres eigenen Volkes."
„Wir haben wiederholt den Beweis dafür geliefert, daß die Rasse
von uns nicht höher gestellt wird als die Religion; aber daß die
Rasse etwas Gottgewolltes ist, wird von uns mit aller Deutlichkeit be-
tont. (,Sehr richtig!' bei den NS; Zuruf von Bayer. Volkspartei: ,Alle
Rassen?') Jawohl! Es muß wohl auch Juden geben, nicht wahr?
Gott wird wissen, warum er auch Juden hat werden lassen."
So wur(^e im Bayerischen Landtag am 29. April 1931 vom
Sprecher der nationalsozialistischen Arbeiterpartei nachdrücklich
verkündet und versichert.
Zwei Jahre später aber, nach der Machtübernahme, gab es für
diese Deutschen nur noch eine gottgewollte, ja geradezu
vergötterte Rasse, die arische, noch näher die nor-
dische, noch besser die germanische Rasse.
Die jüdische Rasse dagegen? Von allen Dächern pfiiff man's, in
allen Sälen brüllte man's, in allen Zeitungen schrieb man's, an alle
Mauern schmierte man's, in den Schulen lehrte man's, auf allen
Kursen verkündete man's als aller Weisheit Gipfelpunkt und als
aller Politik Ausgangspunkt:
„D'er Jude ist der Ausbund aller Schlechtigkeit!"
„Der Jude ist der Auswurf der Menschheit!"
„DerJudeistanallemschuld!"
Die billige, geläufige Erklärung für alles Übel im deutschen
Land und auf der ganzen Welt!
Kein Wunder, daß Judenhaß überall aufloderte und sich in
Wort und Tat Luft machte, z. B. in dem blutrünstigen Lied, das gar
oft auf den Straßen zu hören war, selbst von Gebildeten (bei einem
Geländeübungskurs des SA-Hochschulamtes von Hochschulstudenten
in Memmingen Ende Mai 1934):
1. Wetzt die langen . Messer
Auf dem Bürgersteig!
Laßt die Messer flutschen
In den Judenleib!
:/: Blut muß fließen knüppelhageldick,
Wir scheißen auf die Freiheit der Judenrepublik.
Kommt einst die Stunde der Vergeltung,
Sind wir zu jedem Massenmord bereit, :/:
2. Hoch die Hohenzollern
Am Laternenpfahl!
Laßt die Hunde baumeln,
Bis sie runterfalln!
:/: Blut muß usw :/:
316 ^^-
S. In der Synagoge
Hängt ein schwarzes Schwein.
In die Parlamente
Schmeißt 'ne Handgranate rein!
:/: Blut muß usw.... :/:
4. Reißt die Konkubine
Aus dem Fürstenbett,
Schmiert die Guillotine
Mit dem Judenfett! '
Ui Blut muß fließen.., j/:
Der wilde Trompeter des Antisemitensturmes
Julius Streichers: „Der Stürmer" verkündete in jeder Nummer
und auf jeder Seite, mit Wort und Bild (und welchen!) der Juden
Schlechtigkeit und Schuld. Und an alleti Straßenecken und Tram-
bahnhalteplätzen, in Betrieben und Gastlokalen durfte er seine anti-
semitische Hetze treiben. Ein junger Lehrer Münchens (K.) ließ
im Januar 1937 eine Nummer des „Stürmers" mit besonders
schweren Angriffen auf die Kirche tagelang sogar im Schulzimmer
der achten Volksschulklasse ausstellen.
Es bedurfte sogar da und dort energischer Proteste seitens der
Geistlichen, daß die Anschlagtafel dieses Schandblattes nicht dicht
neben die Anzeigetafel der Gottesdienste, an Friedhofmauem oder
gerade gegenüber dem Kircheneingang angebracht wurde (siehe
Kapitel 7). Für den „Stürmer" war nebst dem Juden selbst auch
jeder deutsche Staatsbürger vogelfrei, wenn er nicht Judenhasser
war oder gar einem Juden irgendetwas Gutes tat. Und ein deut-
sches Gericht gestand ihm dieses „Recht" ausdrücklich zu. So
verkündeten es Riesenplakate von Julius Streicher mit nach-
folgendem Gerichtsentscheid:
Entscheidung des Amtsgerichtes Berlin
Abt. 802 BS. 728/37.
In der Privatklagesache des Rechtsanwaltes Dr. Karl Kikath, Berlin W 50
gegen den Stürmer, Nürnberg,
wird die Privatklage auf Kosten des Privatklägers zurückgewiesen.
Gründe :
Der Stürmer hat die Aufgabe, das Verständnis für den Rassegedan-
ken im Volke zu wecken und zu vertiefen, sowie die Bewegung im not-
wendigen Kampf gegen das internationale Judentum zu unterstützen.
Dieser Aufgabe wird der Stürmer auch dadurch gerecht, daß er in
dem Verhalten einzelner Volksgenossen dem Juden-
tum gegenüber Kritik übt. Dies geschieht dabei nicht, um den
einzelnen zu verunglimpfen, sondern um der Gesamtheit der Deutschen
vor Augen zu halten, wie jeder einzelne sich dem Judentum gegenüber
zu verhalten hat. Der einzelne hat kein Recht, sich gegen
die Kritik seines Verhaltens, soweit sie objektiv
berechtigt ist, zu wehren, da er sonst die notwendige
Aufgabe des Stürmers zum Nachteil der Gesamtheit über Gebühr
stören, wenn nicht sogar gefährden würde. Wenn der Privatkläger trotz '
dieser Erwägungen wegen des Artikels in der Nummer 5 des Jahrganges
317
1937 des Stürmers die Bestrafung des Beschuldigten begehrte, statt seine
eigenen Interessen der großen Aufgabe der Aufklärung des Volkes in
der Judenfi'age unterzuordnen, muß er sich gefallen lassen,
wenn sein Verhalten im Rahmen der Aufgabe des Stürmers einer er-
neuten scharfen Kritik unterzogen würde.
Berlin, den 18, Oktober 1937
Amtsgericht Berlin, Abt. 802
. gez. .Piening, Amtsgerichtsrat,
L.S.
Lest alle den Stürmer Nr. 48
In Versammlungen, auf Kursen, im NS-Schrif ttum wurde immer
lauter und allgemeiner und frivoler die Forderung erhoben, einen
scharfen Strich zu ziehen zwischen Judentum
und Christentum und. aus der christlichen Reli-
gion. Verkündigung und Übung alles „Jüdisch-
Orientalische" zu entfernen, wie dies bereits 1899 ge-
fordert wurde. Auf dem Antisemitentag zu Hamburg, später dann
in dem von den' Nationalsozialisten viel gepriesenen Buch von
Chamberlain: „Die Grundlage des 19. Jahrhunderts", und wieder
ein paar Jahrzehnte später in den Büchern: „Die Sünde wider das
Blut", „Die große Täuschung", „Der falsche Gott".
Die Verachtung des Judentums übertrug sich dann alsbald auf
das Alte Testament.
Wie ein Schwein im schönsten Garten schließlich nur auf den
Komposthaufen losgeht und dort mit Wohlbehagen umeinander-
wühlt, so hatten viele nationalsozialistische Redner auf Versamm-
lungen und Kursen ihr größtes Vergnügen, einiges aufzutischen von
den „Zutreibergeschichten und Viehhändlertricks der jüdischen
Patriarchen" und den „Wuchergeschäften des ägyptischen Josef",
wie der „Führer" selbst sich einmal so geschmacklos geäußert hatte.
Von all den Lichtgestalten des Alten Testaments, von der
Schönheit der Prophetenbücher, der Psalmen, der Weisheitsbücher,
des Buches Job usw. sagten sie nichts, wußten sie wohl auch selber
nichts.
Lehrer scheuten sich nicht, ihre antisemitische und anti-
biblische Einstellung auch den Kindern vorzutragen, weigerten sich,
das Alte Testament überhaupt durchzunehmen, obwohl sie nach der
Schulausweisung der Geistlichen offiziell den Religionsunterricht zu
erteilen hatten und erteilten. Und wie schon im Kapitel von der
Schule erwähnt wurde, mutete das badische Unterrichtsministerium
den kirchlichen Behörden am 13, November 1937 sogar zu, das Alte
Testament in den Schulen überhaupt nicht mehr zu behandeln.
„Unerhörte Provokation."
„Der biblische Moses als heidnisches Vorbild"
Unter dieser Überschrift brachte die „Fränkische Tageszeitung"
Nr, 87 vom 14. April in gi'oßer Aufmachung auf der ersten Seite
in Groß- und Fettdruck folgenden Artikel:
318
Der Streit um das Alte Testament ist seit der Machtergreifung des
Nationalsozialismus in schärfster Heftigkeit entbrannt. Über den Inhalt
wollen wir nicht streiten, darüber ist sich jeder Deutsche im klaren.
Um so eigenartiger wirkt es auf uns, wenn ein ka'tholischer Verlag ein
Buch unter dem Titel „Das Alte Testament und seine Bedeutung für die
Gegenwart" herausbringt, in dem in der Einleitung unter anderem fol-
gendes steht: „Von echtem nationalen Geist erfüllt, ist dies geeignet,
auch den Menschen unserer Tage vaterländisches Denken und Fühlen
zu wecken und zu stärken.
Es führt uns in Moses, in Josua und in den Propheten Führer-
gestalten vor Augen, die sich -um die sittlich-kulturelle Erneuerung des
Staats- und Gemeindewesens unsterbliche Verdienste erworben haben.
Es fordert zu selbstlosem Dienst am Volke, zu bereitwilliger Hin-
gabe an die Volksgemeinschaft, zu entschlossener Brüderlichkeit auf.
Eine stattliche Galerie heroischer Männer und Frauen steht vor unseren
Augen. Echtes Heldentum hat ihnen den Ehrenkranz um die Stirn ge-
wunden ...
Und wie innig fühlt sich das Gottesvolk mit dem heimatlichen
Boden verbunden! So tritt uns im Alten Testament eine einzigartige
Welt von religiösen und sittlichen Lebenswerten entgegen. Die wenigen
Beispiele von »Unsittlichen', die in der Bibel nie als vorbildlich hin-
gestellt werden, fallen dagegen nicht ins Gewicht."
Dem Verlag ist scheinbar nicht bekannt, daß das Alte Testament
nichts anderes als
die außerordentlich bezeichnende Sittengeschichte des jüdischen
Volkes ist, die von Perversitäten geradezu strotzt.
Oft genug haben wir in früheren Zeiten die verderbliche Wirkung
auf Jugendliche feststellen können. Wir wollen, daß unsere Jugend in
Zukunft vor diesem „Heiligen Buch" des jüdischen Volkes bewahrt
bleibt und verbitten uns solche Redensarten, wie sie in der Einleitung .
zu finden sind!
„Nur 2 Fragen"
Kreisleiter Dr. Fritsch gab am 2^. August 1938 etwa 1000. poli-
tischen Leitern des Kreises Freiburg im Breisgau folgende richtung-
gebende Weisung:
„Auf die Frage, ob ein Katholik Nationalsozialist sein könne,
würde ich meinerseits zwei Fragen stellen:
1. Wie der Katholik sich zum Alten Testament stellt, das jü-
disches Geistesprodukt ist, und zwar das einzige.
2. Ob er sich zur Rassenlehre bekennt; dann ist der Satz:
,Gehet hin und lehret alle Völker' erledigt!
Das hat auch der ,alte Herr in Rom' erkannt.
Wir können nicht mit Zulukaffern und ähnlichem Gesindel die
gleiche Weltanschauung haben." (Siehe Kap. A 3.)
Auf Kursen und Tagungen wurde nachfolgendes „Tischgebet"
vorgesprochen und bald höhnisch nachgesprochen:
O Herr, gib uns den Moses wieder,
auf daß er seine Glaubensbrüder
hinführe ins gelobte Land.
319
• " Laß nböh" einmal' Häs Meer 'sich' 't«iI«Ä
und laß die hohen Wassersäulen
feststehn wie eine Felsenwand»
Und wenn ih ^eser Meeresrinne
das ganze Judenvolk istdrinne,
dann mach, o Herr, die Klappe zu
und alle Völker haben Ruh'.
. Bis ins kleinste und -entlegenste Bauerndorf sollten die anti-
semitischen Schriften getragen werden, ^ wie nachfolgendes Rund-
schreiben zeigt:
N.S.D.A.P. Nürnberg, den 3. April 1939
Gauleitung Franken.
■ An
1) , Die Kreisbeauftragten des RPA (= Rassepolitischen Amtes, der Verf.)
2) Die Kreishauptstellenleiter der Presse des RPA.
Rundschreiben Nr. 12/13. Dr. W/BK. —Wo.
Betreff: Schriftenvertrieb.
Zu den Aufgaben der Kreishauptstellenleiter „Press«" des Rassen-
politischen Amtes gehört auch der Vertrieb der Schriften des RPA,
welche nur auf diesem Wege vertrieben werden sollen, d. h. also nicht
durch den Buchhandel. Diese Schriften sollen in keinem
deutschen Haushalt fehlen. Sie bilden ein wichtiges Instru-
ment zur weltanschaulichen Aufklärung des deutschen Volkes und sollen
dazu helfen, das deutsche Volk von der artwidrigen christlichen Weit-
anschauung abzubringen. Nach dieser Richtung hin kann gar nicht
genug getan werden, da mit der Thronbesteigung des neuen Papstes
dieser letzte weltanschauliche Kampf demnächst beginnen wird. Es
wird der größte Kampf aller Zeiten sein und von seinem Ausgang wird
das Schicksal des deutschen Volkes abhängen.
■ Durch Hineintragen unserer Schriften in jeden fränkischen Haushalt
können wir sehr wesentlich, und zwar in positiv aufbauendem Sinn zu
diesem Kampf beitragen, indem wir die Seele des deutschen Volkes all-
mählich mit unserer artgemäßen Weltanschauung erfüllen. Ich bitte
daher die Kreisbeauftragten selbst, vor allem aber die Hauptstellenleiter
„Presse", die größtmöglichste Mühe auf den Vertrieb dieser Schriften
zu verwenden. Der Vertrieb könnte vielleicht in folgender Weise erfolgen:
1. Die Abschnittwarte des RDK organisieren den Vertrieb in jeder
Ortsgruppe. Sie sorgen dafür:
a) daß zunächst jedes Mitglied des RDK die Schriften abnimmt,
b) daß durch die Mitglieder des RDK die Schriften von Haus zu
Haus angeboten werden.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß jeder, der in unserer großen
Zeit weltanschaulich mitkommen will, diese Schriften lesen muß. Selbst-
verständlich darf unter keinen Umständen betont werden, daß diese
Schriften eine Handhabe im Kampf gegen die Kirche
bedeuten.
2. Der Abschnittwart des RDK kann für seine Ortsgruppe auch
einen geeigneten Mann einsetzen, der das Amt de's Schrif twarts über-
nimmt und den ganzen Betrieb für den Bereich der Ortsgruppe allein
besorgt. Geeignet hierzu ist besonders ein Mann oder eine Frau, die
schon im Kolportagebuchhandel beschäftigt waren und sonst durch
320
ihren Beruf gewohnt sind, von Haus zu Haus zu gehen.. Die kleinen
Gewinne, die aus dem Schriftenvertrieb erwachsen, sollen ausschließlich
den Verkäufern selbst zufallen. Es ist jedoch unbedingt darauf zu achten,
daß nur gegen Barzahlung verkauft wird und keinerlei Konten geführt
werden. Ich bitte die Kreisbeauftragten und die Kreishauptstellenleiter
„Presse", den Schriftenvertrieb auf dieser Basis nunmehr mit aller Kraft
in Angrifif zu nehmen. Es können auch andere Wege eingeschlagen wer-
den als die vorgeschlagenen. Die Hauptsache ist, daß der Absatz der
Schriften tatsächlich in größtem Umfang erfolgt. Der Schriftenvertrieb
bleibt nicht auf den Vertrieb der bereits erschienenen Schriften be-
schränkt, sondern wird eine dauernde Einrichtung werden. Durch den
richtigen Aufbau des Schriftenvertriebs schafft sich das RPA und der
RDK eine regelmäßige Verbindung zu allen Volksgenossen, die auch für
andere politische Aufgaben benützt werden kann. Von diesem Gesichts-
punkte aus gesehen, gewinnt die Organisation des Schriftenvertriebes
eine noch viel größere Bedeutung. Darüber wird später Näheres mit-
geteilt werden.
Mit gleicher Post erhalten Sie zunächst je 10 Schriften mit genauer
Angabe des Verkaufspreises und der Gewinnspanne. Ich mache Sie ver-
antwortlich, daß die Schriften unter allen Umständen zu dem fest-
gestezten Preis, also weder teuerer noch billiger verkauft werden. Es
darf nicht vorkommen, daß ein Verkäufer eine Schrift, etwa imter Ver-
zicht auf seinen Gewinn, billiger hergibt, und erst recht nicht, daß er
sie teuerer verkauft. Verschiedene Preise würden das Vertrauen in
unseren Schriftenvertrieb sofort erschüttern und könnten auch peinliche
Folgen für den Verkäufer haben.
Nachbestellungen sind an das RPA, Hauptstelle Presse, Nürnberg,
Marienstraße 12, zu richten.
Heil Hitler!
gez. Dr. Will, Gauamtsleiter.
DerJude — einSatansbraten!
Dr. Eugen Rüge, der berüchtigte Verfasser des Buches: „Ein
Trappist bricht das Schweigen", eines Buches, das dank der un-
geheuren nationalsozialistischen Propaganda von Weihnachten 1938
bis Mai 1939 in 60 000 Exemplaren unter das Volk ging, glaubte für
den größten Hörsaal der Universität München am 2. Mai 1939 ein
besonders würdiges Wort zu sprechen, wenn er unter anderem
sagte: „Einen Juden kann man taufen mit Weih-
wasser oder mit Wagenschmiere — der Jude bleibt
ein Satansbraten."
DerJude — ein Mensch ohne Seele !
Gauredner S t i p p b e r g e r, gleich Rüge auch ein abgefallener
Priester, tat auch fest mit bei der Judenhetze und verkündete als
besondere „Entdeckung": „Der Herr hat Menschen ohne Seelen
erschaffen, die J u d e n." Die haben dort, wo wir eine Seele haben,
eine Rollkassette (Geldkassette). Wir konnten vor 1933 noch
deutsche Mädchen mit Juden per Arm im Englischen Garten sehen.
Da hat man es niemals für nötig gehalten, einen Hirtenbrief
loszulassen.
Kreuz und Hakenkreuz 21 g21
Früher hat man gesagt: „Wir sind auf Erden, um Gott zu er-
kennen . . ." Wir sagen: „Wir sind auf Erden,
um die Art zu wahren."
Und von diesem Stippberger sagte Oberlehrer R. von der F.-
Schule in München: „Rosenberg und Stippberger sind
diegeistigenFührerdernationalenBildung!" Wie
bescheiden waren doch die Ansprüche, welche Nationalsozialisten
an ihre geistigen Führer stellten!
Gemeinschaftsarbeit vieler Personen und Ämter
zur Hetzeausstellung: „Der Ewige Jude".
Wochenlang vorher pries stellvertretender Gauleiter Otto Nip-
pold die für 8. November 1937 im Bibliotheksbau des Deutschen
Museums zu eröffnende Großaussteliung und führte dabei nach
dem Bericht der „Münchener Zeitung" vom 19. Oktober 1937 aus:
Nach den „Prophezeiungen" in der Auslandspresse sollten die
Juden in Deutschland geköpft, gehängt oder ausgewiesen werden;
in einigen Jahren sollte es überhaupt keine Juden mehr in Deutsch-
land geben. In Wirklichkeit sind, so sagte Nippold, die Juden aus
dem Leben des deutschen Volkes, zum mindesten aus dem poli-
tischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben, ausgeschaltet. Sie
können jedoch in einem eigenen jüdischen Kulturkreis
tun und lassen, was sie wollen, vorausgesetzt, daß es nicht das.
Leben der deutschen Nation berührt. Auf diese Weise hat das
nationalsozialistische Deutschland die Judenfrage gelöst.
Von Disraeli, dem bekannten englischen Staatsmann jüdischen
Blutes und Glaubens, stammt der Ausspruch, daß die Judenfrage
der Schlüssel zur Weltgeschichte sei. So will denn auch der Staat,
der an die Lösung der Judenfrage herangegangen ist, Deutsch-
land, die Maßnahmen, die er zum Schutz des deutschen Blutes
und des deutschen Volkes gegen jüdischen Einfluß getroffen hat,
dem Volk gegenüber begründen. Die Geschichte vom anständigen
und unanständigen Juden, die noch in diesem oder jenem Kopf
spuke, wird durch die Ausstellung „Der Ewige Jude" widerlegt
werden.
Was ist ein Jude? Auf diese Frage soll die erste Ab-
teilung der Ausstellung Antwort geben. Damit wird kein reli-
giöses Problem berührt. Alte Reliefs und Bilder sollen das Gesicht
der jüdischen Rasse zeigen; wie es sich aus assyrisch-babylonisch-
chaldäischem Blut geformt hat. Untrennbar verbunden mit dem
Gesicht der jüdischen Rasse ist die jüdische Religion. Tal-
mud und jüdische Religionsbücher selbst sollen Aufschluß geben
über jüdischen Blutritus, Beschneidung, Schächtung und Ritual-
mord. Es wird wohl zum erstenmal auf einer Ausstellung ein
Original des Talmud gezeigt werden und ein Film, der
die grausame Schächtung darstellt (aufgenommen in einem Land,
in dem die Schächtung noch nicht verboten ist).
322
Das römische' und griechische Altertum hat ebenso wie das
christliche Mittelalter und die Neuzeit einen Kampf gegen das Juden-
tum geführt. Im päpstlichen Rom waren die Juden ebenso aus
der Gemeinschaft des Lebens der Christen ausgeschaltet wie in den
deutschen Städten, bis die Juden um die Wende des 19. Jahr-
hunderts in Deutschland und in den meisten anderen Ländern
Europas gleichberechtigte Staatsbürger wurden. Die Ausstellung
„Der Ewige Jude" wird an geschichtlichen Zeugnissen
das Wirken der Juden in England, Frankreich, Ungarn, Polen,
Österreich und Amerika nachweisen.
Es soll, wie der stellvertretende Gauleiter hervorhob, ein Merk-
mal dieser Ausstellung werden, Juden selbst über Juden reden
zu lassen. Die Juden haben von der internationalen
Macht des Judentums gesprochen. Auch darüber wird die Aus-
stellung Beispiele liefern, etwa von der Familie Rothschild, die in
England, in Amerika, in Deutschland ihre Angehörigen hat.
Judenherrschaft in Deutschland bis zur Macht-
ergreifung des Nationalsozialismus bildet einen wesentlichen Teil
der Ausstellung. Diese Abteilung soll den jüdischen Einfluß in der
deutschen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zeigen (Theater,
Revue, Plastik, Malerei, Film und Schallplatten). Der Einfluß des
Juden in der deutschen Rechtspflege wird ebenfalls dargelegt.
Auch die „großen" jüdischen Verbrecher werden gezeigt. Die Aus-
stellung wird dem deutschen Volk auch die jüdische Haltung im
Weltkrieg und in der Novemberrevolution vor Augen führen.
In der Ausstellung „Der Ewige Jude" wird
ein Original-Freimaurer-Tempel
aufgebaut werden, so daß jedermann Gelegenheit hat, den Auf-
enthaltsort einer Freimaurerloge kennenzulernen.
Judentum und Bolschewismus bilden den Abschluß
der Ausstellung. Originaldokumente und Bilder werden lebendiges
Anschauungsmaterial über das Land liefern, in dem das Judentum
zur Herrschaft gelangt ist, das bolschewikische Rußland.
Als befreiende Gegenüberstellung zu diesem Wirken des Juden-
tums wird dem Besucher gezeigt, wie man im nationalsozialistischen
Deutschland das Judenproblem zu, lösen vermochte: Der Jude ist
durch die Nürnberger Gesetze und die Maßnahmen der Partei in
sein kulturelles Ghetto zurückgedrängt, das deutsche Volk
aber auf allen Lebensgebieten von seinen Einflüssen frei geworden.
*
Führende Stellen der Partei und des Staates haben an der
Gestaltung dieser Ausstellung, deren Leiter Gauamtsleiter Wüster
ist, mitgearbeitet. Reichsminister Dr. Goebbels selbst hat mit seinem
Ministerium die Ausstellung gefördert, Reichsleiter Amann hat die
Mitwirkung des Zentralverlags der NSDAP veranlaßt, der Beauf-
tragte für weltanschauliche Schulung in der NSDAP, Reichsleiter
Alfred Rosenberg, hat die Gestaltung der Ausstellung ebenfalls
323
unterstützt. Im Einvernehmen mit dem Reichsschatzmeister
sind an der Durchführung der Ausstellung beteiligt das Zentral-
archiv der NSDAP unter Dr. Uetrecht, das Archiv für
Zeitgeschichte (Sammlung Rehse), das von Julius Streicher
gegründete Stürmer-Archiv in Nürnberg. Wissenschaft-
liche Einrichtungen haben der Ausstellung ihre Unter-
stützung geliehen, so das Institut zum Studium der Ju-
denfrage (Berlin), die Forschungsabteilung Juden-
frage (Berlin); das Reichsinstitut für Geschichte
des neuen Deutschlands, die Antikomintern, das
Institut zum Studium für Judenfrage undBol-
schewismus in Berlin und zahlreiche staatliche und
städtischeArchive. •
Gleichzeitig mit und erst recht nach solch allseitiger, viel-
gestaltiger demagogischer Stimmungsmache konnte man ruhig' •zu
antisemitischen Maßnahmen schreiten.
Politische Entrechtung der Juden.
Punkt 4 des Parteiprogrammes bestimmte:
„Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist.
Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rück-
sichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volks-
genosse sein."
Punkt 5: „Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in
Deutschland leben können und muß unter Fremdengesetz-
gebung stehen."
Punjst 6: „Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates
zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen. Daher fordern
wir, daß jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher Art, gleich ob
in Reich, Land oder Gemeinde, nur durch Staatsbürger bekleidet
werden darf."
Zum Schutz des arischen Blutes wurden strenge Bestimmungen
gegen Rassenschande und Verehelichung mit Nichtariern erlassen.
Nachfolgende „Tabelle zum Blutschutzgesetz" ver-
anschaulicht die Einläßlichkeit der Vorschriften:
Deutsch
V* .
V2
'1*
Jude
Deutsch
+
+
ü
-1
-1
V*
—
—
ü
-1
-!
V2
Ü
g
+
+
+
V4
-1
-!
+
+
+
Jude
r'
«1
+
+
+
+ erlaubt, — verboten, jedoch nicht strafbar,
— I strafbar, g genehmigungspflichtig.
324
Um alle Nichtarier oder Halbarier zu entdecken, wurde zu-
nächst der Stammbaumnachweis gefordert, insbesonders
für jede Heirat.
Die Nichtarier wurden dann ihrer Ämter und Stellungen ent-
hoben und aus den Berufsorganisationen ausgestoßen. Ihre Geschäfte
wurden geschlossen und schließlich weggenommen. Anfangs deckte
man dies noch mit „spontanen Kundgebungen des
Volksunwillen s", wofür aber in Wirklichkeit schön seit Tagen
bestimmte Leute aus einzelnen Betrieben, zunächst aus Banken,
bestimmt waren. Sie wurden auf Autos verladen und vor das in
Aussicht genommene Geschäft geführt. Dort mußten sie dann
„kochende Volkswut" spielen, die Fenster einwerfen usw. Die Juden
mußten dann natürlich vor dieser Gefahr in „Schutzhaft" genommen
werden. Ihre Geschäfte trugen am nächsten Tag die Aufschrift:
„Judengeschäft! Geschlossen!" oder ähnliches.
Die Nichtarier mußten auch ein bestimmtes Kennzeichen, den
Judenstern, tragen und sich alttestamentliche Namen beilegen.
Sie durften nur in bestimmten Geschäften einkaufen, bekamen
kleinere Lebensmittelrationen, mußten manchen Tag ganz in ihren
Häusern bleiben und wurden vielfach überhaupt aus den Wohnungen
gewiesen.
Am 9. November 1938 wurden unter der obersten Leitung von
Dr. Goebbels an unzähligen jüdischen Geschäften ganz Deutsch-
lands die Schaufenster zertrümmert, Wohnungen zerstört, Synagogen
angezündet, viele Juden verhaftet, aus Deutschland ausgewiesen
oder in Konzentrationslager verbracht, insbesonders nach Theresien-
stadt (Sudetengau), Auschwitz und Litzmannstadt. Fürchterliche
Mißhandlungen, Hunger, Kälte, unhygienische Unterkunft, Über-
füllung, Überanstrengungen brachten Hunderttausende zum Tod.
Und nur Gott weiß, wieviele Nichtarier in den Kz. mit voUei: Ab-
sicht getötet wurden. Was die Prozesse in Nürnberg, Dachau usw.
enthüllt haben, ist so schauderhaft, daß man es nur noch als un-
menschlich, tierisch, teuflisch bezeichnen kann.
Ablehnung ärztlicher Hilfe für Juden
Die „Traunsteiner Zeitung" Nr. 275 veröffentlichte am 25. No-
vember 1938 folgendes:
„Der Jude Rosenberg hat eine Zuschrift an die ,New York Daily' in
Amerika gerichtet, in der er vorschlägt, 10 oder 12 lebenslänglich ver-
urteilte berufsmäßige Mörder freizulassen unter der Bedingung, daß sie
Hitler und seine Gesellschaft erledigen.
Diese unerhörte Provokation, die sich gegen das jedem Deut-
schen heilige Leben unseres Führers richtet, hat den
Leiter der ärztlichen Bezirksvereinigung Traunstein und Umgebung ver-
anlaßt, an den bayerischen Landesärzteführer folgendes dringende
Telegramm zu richten:
,Als verantwortlicher Ärzteführer im Bereich Traunstein und Um-
gebung der Reichsärztekammer, der die engere Wahlheimat des Füh-
rers umschließt, bringe ich im Einverständnis mit meinen Beiräten dem
325
Landesäi-^teführer die Bitte vor, als Antwort auf die ungeheuere Provo-
kation arnorilcanischer Juden zu gestatten, daß wir mit sofortiger Wirk-
saiTQkoit jegliche ärztliche Behandlung von Juden, auch
wenn es sich um Nothilfe handelt, ablehnen.' In den Warte-
zimmern sämtlicher Ärzte wird von morgen ab ein Schild angebracht
mit dem Text: ,Ich behandle keine Juden'."
In derselben Nummer der „Traunsteiner Zeitung" stand nach-
folgender Artikel:
„He.lft dem Tier!
München, Wie im Vorjahr war auch heuer wieder der 24. Novem-
ber zum .Deutschen Tierschutztag' bestimmt worden zur Er-
innerung an den Tag, an dem vor fünf Jahren das Reichstierschutzfest,
jenegroßekulturelle T a t desnationalsozialistischen
'Deutschland, der Öffentlichkeit übergeben worden ist.
Aus Anlaß des Tierschutztages unternimmt der Tierschutz der
Hauptstadt der Bewegung und Umgebung einen großen Werbefeld-
zug für den Tierschutzgedanken. An die Bezirksämter, Ge-
meinden, Polizeiwachen, Schulen usw. wurde in diesen Tagen bereits
ein reiches Aufklärungsmaterial, bestehend aus Schriften, Plakaten und
Faltblättern, verteilt. Schule und Rundfunk werden des Tierschutztages
besonders gedenken und vor allem, darauf hinweisen, daß der Tierschutz
wertvolle Vermögensobjekte der Gesamtheit pflegt
und erhält und dadurch in hohem Maße beiträgt, die Volkswirtschaft zu
sichern."
Eines HJ schönster Appell!
Der Haß gegen die Juden der Vergangenheit (einschließlich
ihrer heiligen Bücher) und der Gegenwart wurde auch schon in die
Jugend hineingetragen. Ja, die HJ nahm ihre Mitglieder direkt
zui Judenhetze in Dienst. Bezeichnend ist hiefür nachfolgender
Bericht der Mutter eines Hitlerjungen, der in den Bann 37 in
München eingereiht war:
„In der Nacht vom 11. auf 12. Mai mußte ich wegen Unpäßlich-
keit aufstehen. Es war V2I2 Uhr, Als ich in die Küche kam, war
mein 15j ähriger Bub gerade daran, sich anzukleiden. Auf meine
Frag^ was er denn tue, sagte er mir, daß sie um 12 Uhr nachts
Appefl hätten. Die Mutter vermutete einen Traum und wollte ihn
wieder ins Bett schicken. Doch er weigerte sich entschieden und
pochte a:uf seine Pflicht. Kurz darauf verließ er die Wohnung und
wurde auf der Treppe von einem anderen 14jährigen Burschen er-
wartet. Ich hörte, wie mein Bub gefragt wurde, ob er denn eine
•ätzende Farbe bei sich habe. Als der Bub heimgekommen war
(5 Uhr morgens!), fragte ich ihn sofort, was er denn mit einer
ätzenden Farbe zu tun hätte. Nach längerem Zögern gestand er
mir, daß sie die Schaufenster der Juden bekleben und
beschmieren mußten. Es wurden von jedem Trupp, der so
ungefähr 500 Mitglieder zählt, die 40 Besten zu dieser Aktion
herausgesucht. Um 3 Uhr früh wurden wieder Zettel am Königs-
platz frisch gefaßt, doch war man mit der Aktion schon so ziemlich
fertig. Einige Burschen wurden von der Polizei verhaftet, mußten
aber bald wieder freigelassen werden. Anscheinend wurde die
326
Polizei von der Aktion nicht verständigt. Zu meiner großen Über-
raschung sagte mir mein Bub, daß sie strengen Auftrag hatten, den
Eltern vom Appell und der Aktion nichts zu sagen. Mein Junge,
in seinem kindlichen Unverstand, sagte mir noch freudigen Herzens,
daß dies sein schönster Appell gewesen sei."
Weh dem, der sich derJuden erbarmte!
Unbarmherzig ging man gegen Christen, insbesonders auch
gegen Geistliche und Klöster vor, welche in aufrichtigem Erbarmen
dieser und jener Nichtarief sich annahmen, sie verteidigten, ihnen
Unterstützung, Obdach oder gar Versteck gaben. Was dem Tiere
recht war, durfte dem Juden nicht geschehen!
Auch die getauften N ichtarier mit verfolgt!
Da auch „Kübel von Taufwasser das nichtarische Blut nicht
reinigen und wandeln", wie z. B. in der Kegelbahn der SS im Kz.
Dachau dargestellt und angeschrieben war, machte die Judenverfol-
gung auch vor nichtarischen oder halbarischen Christen
nicht halt.
Immer wieder wurde auch der Versuch gemacht, aus den amt-
lichen Pfarrmatrikeln die Judentaufen zu erfahren, jedoch wurde
die Einsichtnahm.e in dieselben auf Weisung des Ordinariates über-
all versagt.
Umgekehrt fälschte man sozusagen den Taufschein
der Gegner, um sie herabzusetzen und zu verspotten.
Auf einem Ausbildungskurs für Landschuljahrleiter in Grimmen
entblödete ein Redner sich nicht, zu sagen: „DerheutigePapst
ist ein Halbjude von der Loge. Sein ,Schreiber' auch;
Heinrich der Heilige und Ludwig der Fromme sind Vernichter der
germanischen Rasse. Diese Schweine!" (Vatik. Weißbuch H 32 vom
Jahre 1934.)
„M uckermannisteinHalbjude. Di eHälfte aller
Theologen sind Jude n."
Ebenfalls erfand man solch ein Märchen, um Kardinal F a u 1 -
h a b e r in die Judenhetze miteinbeziehen zu dürfen, und im Jahre
1938, zwei Tage nach dem Judenpogrom, auch einen Sturm auf das
Erzbischöfliche Palais in München inszenieren zu können.
Noch häßlicher und gemeiner trieb man es mit
Kardinal Hlond von Posen
Der „Sonntags-Bote" Nr. 45 vom 6. November 1938 schrieb darüber:
„Lügt immer nur drauf los..."
„Lügt immer nur drauf los, etwas bleibt schon hängen", dieses ge-
meine Hilfsmittel haben die Feinde der Kirche schon seit Jahrhunderten
angewandt. Im Zeitalter der gleichgeschalteten Presse von heute braucht
es aber dann keine Erfindungsgabe mehr, da genügt das — Abschreiben.
327
Vor 2J^ Jahren brachte die Ludendorffsche Halbmonatsschrift „Am
heiligen Quell deutscher Kraft" (Folge 24 vom 20. März 1936 — siehe
„Sonntags-Boten" vom 11. Oktober 1938) ein Photo S. Eminenz des Kar-
dinalprimas Hlond vom Eucharistischen Kongreß in Laibach 1935, Jedes
Kind, das bloß einmal den Kardinal gesehen hat, kann sofort erkennen,
daß sein Gesicht durch Retusche an Augenhöhlen, Nase, Mundwinkeln
usw. verzerrt und zurechtgemacht worden ist. Und jeder Photoamateur
stellt fest, daß diese plumpe Fälschung von einem ganz hilflosen Photo-
lehrling gemacht worden ist. Das alles übersieht man natürlich, wenn
man Beweise braucht „für das alte und immer neu bewiesene Bündnis
Juda-Rom". Freudestrahlend stellte damals die Ludendorffsche Reli-
gionszentrale fest: „Der Kardinal sieht wie ein lOOprozentiger Jude aus,"
Auf solche „Beweise" stürzt sich nun die Goebbelsche Propaganda-
maschine, da sie einen neuen Peldzug gegen die Kirche aufzieht. In der
Folge 44 der Wochenschrift „Der SA-Mann" vom 28. Oktober 1938 finden
wir dasselbe Bild mit dem nötigen Begleittext wieder. Dazu wird ge-
druckt: „Es handelt sich um den Kardinal August Hlond, der als Jude
ein hohes kirchliches Amt bekleidet," Selbstverständlich genügt das
noch nicht. Dem Kardinal wird auch noch folgende Rede in den Mund
gelegt, die er in Laibach gehalten haben soll:
„Ich stehe vor Ihnen als der Stellvertreter des Papstes, der Euch
seine Grüße durch mich übermitteln läßt. Nachdem der Papst der
Stellvertreter Gottes ist, stehe ich vor Ihnen ebenfalls als der Stell-
vertreter Gottes. Demnach spricht zu Euch Gott selber!"
' Schon im Jahre 1936 haben mehrere reichsdeutsche Kirchenblätter
diese verlogene Entstellung der Rede des Kardinallegaten richtigge-
stellt. Der Kardinal sagte nämlich wörtlich: „Papst Pius XI, ist in die-
sem Augenblick mit Euch und in der Person seines Kardinallegaten
unter Euch," Trotzdem druckt „Der SA-Mann" diesen Lügenbericht im
Jahre 1938 von neuem. Allerdings schämt er sich für Bild und Text die
■Quelle anzugeben, weil er weiß, daß niemand in Deutschland die
„Mathilde" ernst nimmt.
Na ja, wenn man solche „Quellen" und solche „Beweise" für den
Kampf gegen, die Kirche braucht ...
Das Pikanteste daran ist aber die Tatsache, daß derselbe Kardinal
Hlond von derselben nationalsozialistischen Presse als Vorkämpfer gegen
das Judentum hingestellt wird. Ganz wie man das braucht, — Wir raten
dem „SA-Mann", einmal den „Stürmer" Nr. 20 vom Mai 1936 durch-
zulesen. Das ist doch wohl das „Fachblatt" für den Judenkampf in
Deutschland. (Siehe dazu den „Sonntags-Boten" vom 28. Juni 1936).
Es wird schon allerhand Naivität von den Lesern des „SA-Mannes"
vorausgesetzt . . ."
Abschließend eine Übersicht, welche Der Schulungs-
brief „Volk und Rass e", 4. Folge 1939, herausgegeben vom
Reichsorganisationsleiter der NSDAP, brachte, über die Aus-
schaltung der Juden aus dem deutschen Leben.
7. April 1933: Die Gesetze zur Wiederherstellung des Berufsbeamten-
tums und über die Zulassung zur Rechtswissenschaft beginnen mit der
Bereinigung aller öffentlichen Ämter von Fremdrassigen.
22. September 1933: Das Reichskulturkammergesetz setzt diese Be-
reinigung fort.
28. September 1933: Durch ein Gesetz werden die jüdischen Patent-
anwälte ausgeschaltet.
29. September 1933: Das Reichserbhof gesetz schaltet die Juden als
Bauern aus.
328
12. März 1934: Der Reichswehrminister ordnet an, daß der Arier-
grundsatz auch für die Angehörigen der Wehrmacht Anwendung findet.
21. Mai 1935: Wehrgesetz und seine Ergänzung vom 26. Mai 1936,
wonach jüdische Mischlinge nicht Vorgesetzte in der Wehrmacht
werden können und Voll Juden erst gar nicht zum Wehrmachtsdienst zu-
gelassen werden. .
22. Februar 1936: Der Reichsärzteführer bestimmt, daß kein Jude
oder Judenmischling als Arzt eingestellt werden darf.
26. Januar 1937: Das deutsche Beamtengesetz, ein weiterer Beitrag
zur T^ösung der Judenfrage.
19. März 1937: Ein Gesetz zur Änderung des Arbeitsdienstgesetzes
vom 26. Juni 1935 (siehe dazu auch die zweite Durchführungsverordnung
vom 1. 10. 1935) bestimmt, daß Juden zum Reichsarbeitsdienst nicht zu-
gelassen werden und jüdische Mischlinge nicht Vorgesetzte im Reichs-
arbeitsdienst werden dürfen.
1. Januar 1938: Bei den Ersatzkassen für die Krankenversicherung
werden alle jüdischen Ärzte ausgeschlossen. Insgesamt sind das im
Reich etwa 3000 jüdische Ärzte.
20. Februar 1938: Die Hamburger Textilmesse wird zum ersten Male
ohne Juden eröffnet. Es ist überhaupt die erste Textilmesse, auf der
jüdische Aussteller und jüdische Makler nicht vertreten sind. Trotzdem
waren alle Messestände vermietet.
26. April 1938: Verordnung Hermann Görings als Beauftragten für
den Vier jahresplan über die Anmeldepflicht des jüdischen Vermögens.
(Letzte Anordnung dazu am 21. Febr. 1939 im Reichsgesetzblatt I S. 282.)
7. Mai 1938: Im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers,
dem Reichs- und preußischen Minister des Innern und dem Auswärtigen
Amt hat der Reichserziehungsminister angeordnet, daß Juden deutscher
Staatsangehörigkeit zur Doktorprüfung nicht mehr zugelassen sind. Auch
die Erneuerung ihrer Doktordiplome hat zu unterbleiben.
14. Juni 1938: Eine „Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz"
ergänzt die Begriffsbestimmungen „Jude" und „jüdischer Mischling", in-
dem sie bis ins einzelne festgelegt, was ein „jüdischer Gewerbe-
betrieb" ist. \
20. Juni 1938: Ein Erlaß des Reichswirtschaftsministers Funk ver-
fügt, daß Juden nicht mehr zum Börsenbesuch zugelassen werden.
6. Juli 1938: Die Reichsregierung ändert durch Gesetz die Gewerbe-
ordnung dahingehend, daß die Juden von sechs Gewerbearten mit Wir-
kung vom 31. Dezember 1938 ausgeschlossen sind. Und zwar: Be-
wachungsgewerbe, gewerbsmäßige Auskunftserteilung über Vermögens-
verhältnisse oder persönliche Angelegenheiten, Handel mit Grund-
stücken, gewerbsmäßige Vermittlung für Immobiliarvei\träge und Dar-
lehen und Gewerbe der Haus- und Grundstücksverwalter, gewerbs-
mäßige Heiratsvermittler und Fremdenführergewerbe.
25. Juli 1938: In einer „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz"
werden die Bestallungen jüdischer Ärzte aufgehoben.
30. November 1938: Mit diesem Tage tritt eine „Fünfte Verordnung
des Reichsbürgergesetzes" in Kraft, die die Stellung jüdischer Rechts-
anwälte im alten Reichsgebiet aufhebt. In der Ostmark wird die gleiche
Maßnahme grundsätzlich zum 31. Dezember 1938 durchgeführt. Deutsche
werden wieder vor deutschen Gerichten nur noch durch Deutsche ver-
treten und von deutschen Rechtsanwälten beraten. Für jeden jüdischen
Bevölkerungsteil bleibt, solange er noch vorhanden ist, eine gewisse An-
zahl jüdischer Rechtsanwälte zur Verfügung. Diese Zahl wird für das
gesamte Reich zur Zeit etwa 175 betragen.
Kreuz und Hakenkreuz 22 onq
12. November 1938: Nach dem hinterhältigen jüdischen Mord an dem
deutschen Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath in Paris (am 7. November
1938, gestorben am 9. November 1938) werden weitere entscheidende
Maßnahmen zur endgültigen Ausschaltung des Judentums aus dem
deutschen Leben durchgeführt. (Juden ist u. a. vom 1. Januar 1939 ab
der Betrieb von Einzelhandelsverkaufstellen, Versandgeschäften, Bestell-
kontoren sowie der selbständige Betrieb des Handwerks untersagt. Juden
können ab 1. Januar 1939 nicht mehr Betriebsführer sein, ab 31. Januar
1939 nicht mehr Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker. Juden ist der
Besuch deutscher Schulen nicht mehr gestattet, sie dürfen nur jüdische
Schulen besuchen. Die Juden werden als Träger oder Besucher aller
deutschen kulturellen Veranstaltungen ausgeschlossen. Eine Milliarde
Reichsmark Buße — rund ein Achtel des Vermögens der Juden in
Deutschland — ist an das Reich in bar zu entrichten.
3. Dezember 1938: Eine Verordnung über den Einsatz des jüdischen
Vermögens enthält die gesetzliche Grundlage für die Gesamten tjudung
der deutschen Wirtsche^ft. Besonders wichtig auch für die Entjudung
des Haus- und Grundbesitzes.
5. Antichrists Wüten gegen katholische Priester.
Auf dem Wege über das Judentum sollte dann auch das
Christentum ausgerottet werden. Und das Christentum wollte
man ins Herz treffen in den katholischen Priestern.
Trivial wurde dieses engverbundene Doppelspiel des National-
sozialismus ausgedrückt in dem Spruch, der in der Kantine des
Reichsbahnausbesserungswerkes München-Freimann mit großen
Buchstaben angeschrieben war:
„Wann wird der Menschheit Heil geschaffen?
Wann wird die Welt zum Licht geführt?
Wenn mit dem Darm des letzten Pfaffen
Der letzte Jud erdrosselt wird!"
Etwas ausführlicher und deutlicher konnte die „Reichspost"
vom 18. März 1937 diese Kampfesmethode kennzeichnen, indem sie
berichtet:
„Zuverlässige Zeugen berichten über folgendes Schema für
Christentumshetze, die in den Führer- und Rednerschulen der deut-
schen Glaubensbewegung unter Mitverantwortung nationalsozia-
listischer Parteistellen ins Volk getragen werden:
„Das Judentum ist der Urgrund alles Übels,
Wir können es nicht ausrotten, weil sein Erzeugnis,
das Christentum, mitten unter uns wuchert. Wir
müssen das Christentum ausrotten, um das
Judentum zu besiege n."
„In den Dienst dieser Propaganda ist eine raffinierte Rabbulistik
gestellt, die alle Mittel der Vortragstechnik und geschickter Ge-
schichtsfälschung verwendet."
330
„Dichterische** Ergüsse des Juden-Christenhasses.
„D e u t s c h e L i e d e r r*
Der einheitliche Haß gegen Judentum und Christentum äußerte
sich in manchen Hetzliedern, z. B, in nachfolgenden Gesängen, die
trotz ihrer Roheit und Trivialität von der SA, selbst von jener des
Hochschulamtes, gesungen wurden:
Auf „Judenschande und schwarzes Lumpenpack"!
1. Die alte Judenschande ist endlich ausgefegt,
Die schwarze Lügenbande wühlt weiter unentwegt.
Du, deutsches Volk, sag, muß das sein,
Baß dich bespuckt das schwarze Schwein?
Wenn nicht, so dresche doch darauf,
Daß Funken fliegen hoch hinauf.
Deutsche Männer, deutsche Frauen,
Jetzt ist's genug mit der Faulhaberei.
:/: Deutsche Männer, deutsche Frauen
Haut das schwarze LumpenpackzuBrei!
Und wenn sie Zeter und Mordio schrein,
Haut dann noch einmal fester drein. :/:
2. Wir achten jeden Glauben, ist's auch der unsre nicht.
Doch soll uns keiner rauben, was uns das Höchste ist:
Das deutsche Volk, der deutsche Gott
Steht turmhoch über Pfaffenspott.
Und jeder, der sich daran reibt.
Den hauen wir, daß er liegenbleibt.
;/; Deutsche Männer, . :/:
3. Die Hand dem deutschen Bruder, der ehrlich zu uns kam!
Die Faust in seine Fresse dem schwarzen Hetzkaplan.
Bald wird es Licht, es dämmert schon,
Dann kriegen die Schwarzen ihren Lohn.
:/: Deutsche Männer, :/:
4. An den Galgen, den er längst verdient!
Die Raben warten schon auf ihn.
Erst wenn er baumelt in der Luft,
Sind wir erlöst vom schwarzen Schuft.
:/: Deutsche Männer, :/:
Eine Vollreife Frucht neuheidnischen Geistes und
Hasses ;
„Judenraus. Papsthinaus!"
(Nach der Melodi^: „Vom Barette schwankt die Feder.")
1. Trotzig haben wir gerungen 15 Jahre um die Macht,
und der Sturm ist uns gelungen, wenn auch Rom und Juda lacht.
:/: Juden raus, Papst hinaus, aus dem deutschen Vaterhaus! :/:
2 Nein, wir haben nicht geblutet namenlos und ohne Ruhm,
daß der Deutschen Art verjudet weiter durch das Chri-
[s t e n t u m.
:/: Juden raus :/:
3. Ohne Priester ist begraben worden mancher tote Kamerad,
denn die schwarzen Pfaffen gabeii ihre Gunst dem Weimarstaat.
:/: Juden raus, ....:/:
331
4. Weimarslaat benahm sich christlich, beide Backen hielt er hin.
Feindesliebe lenkt gewißlich Hitlers Kämpfern nicht den Sinn.
:/: Juden raus, . :/:
5. Warum hat. die Christenlehre deutsclie Werte nicht geweiht,
Blut und Boden, Treue, Ehre, Arbeit und Wahrhaftigkeit?
:/: Juden raus, :/:
6. Fort mit eurer Judenbibel, eurer salbungsvollen Art,
Knechtsinn, Demut sind von Übel. Wir sind aufrecht, stolz und hart.
:/.• Juden raus :/;
7. Mag der Christ auch Palästina Jahre weihen, Herz und Hand,
wirsind frei vom BergeSina, deutsch ist unser heil'ges
[Land.
:/: Juden raus, :/:
8. Stedinger und Werdens Mannen ziehn mit uns in Sieg und Tod.
Fremde Lehren wpll'n wir bannen, enden unsre Seelennot.
:/: Juden raus, :/:
9. Papst und Rabbi sollen weichen, Heiden woUn wir wieder
sein,
Nicht mehr in die Kirche schleichen, Sonnenrad führt uns
allein.
;/: Juden raus, Papst hinaus, aus dem deutschen Vaterhaus!!! :/:
Ein Gedicht gleichen Geistes, das im Oktober 1934
in SA-Kreisen zu München verbreitet wurde.
1. Wir sind noch nicht zu Ende,
noch ist der Kampf nicht aus,
zu Fäusten ballt die Hände,
wir gehn noch nicht nach Haus.
Die erste Schlacht gewonnen,
dies war der Anfang nur,
kämpft weiter, Sturmkolonnen,
für Hitlers Diktatur.
2. Solahge noch ein Jude
von seinen Zinsen lebt,
solange noch ein Bonze
an seinem Sessel klebt,
marschieren wir noch immer
in Glauben stark und fest:
vierhundert Tote, Brüder,
die sind noch nicht gerächt.
3. Gedenkt der toten Brüder,
die man zu Grabe trug,
für's Hakenkreuz stürmt weiter,
für das man sie erschlug!
Sie fielen unter Streichen,
getreten und bespuckt,
heut wird das heil'ge Zeichen
auf jeden Schund gedruckt,
4. Solange noch die Pfarrer
von Beichtstuhl und Altar
die deutschen Seelen raffen
als Papstes Streiterschar,
solang die Christenlehre
des Nordens Art verrät,
solang wird deutsche Ehre
vom Judentum geschmäht.
5. Die Reaktion wird munter,
sie meckert frech und frei,
. sie will es noch nicht glauben,
daß ihre Zeit vorbei.
Von anderer Leute Schaffen
sie lebte stets allein:
des deutschen Mannes Arbeit
soll Volksgut immer sein.
6. wie 1.
Gemäß dem oben genannten Schema wandte man nach und
nach alles, was gegen die Juden geschehen war, immer offener und
brutaler auch gegen Christen, insbesonders gegisn die katholische
332 '
Kirche und den katholischen Klerus an. Eine genaue Ermittlung
darüber, was Welt- und Ordensgeistliche ganz Deutschlands an
Maßregelungen seitens der nationalsozialistischen Regierung und
Polizei erlitten haben, ist zur Zeit noch nicht erstellt, unter den
gegenwärtigen Umständen überhaupt noch nicht möglich. Wir
wollen darum gleichsam nur ein paar Durchblicke versuchen,
die schließlich doch geeignet sind, eine Ahnung von dem gewaltigen
Umfang und der bitteren Schwere der Verfolgung des katholischen
Klerus im Dritten Reich zu geben.
A. Ein Blick in die Erzdiözese München:
Über den Klerus der Erzdiözese München und Freising liegen
vorläufig folgende Zahlen vor, ohne daß sie jedoch schon als ab-
schließend bezeichnet werden dürfen
Verwarnungen . .
Geldstrafen . . .
Schulverbot . . .
Ausweisungen . .
Zwangsversetzungen
Schutzhaft . . <
Untersuchungshaft
. Konzentrationslager
Gerichtsverurteilungen
Hinrichtungen . .
Gewaltsame Tötung
N
24
4
85
2
4
10
22
9
12
2
1
B, Ein Blick in die Diözese Würzburg:
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg gibt unterm 5. November
1945 nachfolgenden Überblick über die Drangsalierungen von Bischof
und Klerus, durch die Nazis:
1. Hafner Georg, Pfarrer von Oberschwarzach. Als der Förster von
Oberschwarzach, der in ungültiger Ehe lebte, versehen wurde, ver-
langte der Pfarrer die vorgeschriebene Erklärung.
Bei der Beerdigung, an der auch viele Parteiinstanzen teilnahmen,
wurde diese Erklärung vorgelesen. Seitdem wurde der Pfarrer ver-
folgt. Er war zuerst 4 Monate im Gefängnis, dann 13 Monate in
Dachau. Er wurde dort mehrmals blutig geschlagen.
Am 20. August 1942 starb er aus Hunger und Herzeleid. Sein Vater
und ein Domkapitular durften nach längen Bemühungen den Leich-
nam sehen, ihr Antrag, den Leichnam zur Beerdigung mit nach Würz-
burg zu nehmen, wurde dauernd abgelehnt mit der Begründung, daß
er verbrannt werden müsse.
Die Aschenüberreste wurden 5 Wochen später in Würzburg feierlich
beigesetzt. Der Bischof von Würzburg mit dem Domkapitel und
140 Priestern sowie viele Angehörige der Pfarrei Oberschwarzach
nahmen an der Beerdigung teil.
2. Dum ig Hermann, jetzt Benefiziat in Arnstein, hatte 1940 in einer
Predigt die Unsittlichkeit mancher Soldaten getadelt.
333
Er kam einige Monate in Untersuchungshaft, wurde zu eineinhalb
Monaten Gefängnis verurteilt und nach Abbüßung der Strafe vom
Gefängnis nach Dachau gebracht, wo er 4 Jahre bis Kriegsschluß
wellte.
3. Elsenmann, Pfarrer in Aisleben bei Könlgshofen, hatte wegen
der Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach entsprechende Äuße-
rungen bei der Predigt gemacht.
Er war zuerst einige Monate in Haft und dann über 3 Jahre in
Dachau. Als er nach Kriegsschluß in seine Pfarrei zurückkehrte,
bereitete ihm die Pfarrgemeinde einen überaus festlichen Empfang
mit Prozession. Das ganze Dorf war geschmückt. Alle benachbarten
Gemeinden beteiligten sich, eine sogar mit Musik und Prozession.
4. W G i g a n d Konrad, Pfarrer in Hendungen, hatte gegen die Ent-
fernung der Schulkreuze scharf Stellung genommen und wurde des-
halb nach Dachau gebracht.
Nach 9 Monaten hatte seine Schwester mit ihren 6 im Felde weilen-
den Söhnen ein persönliches Bittgesuch an den Führer gerichtet,
worauf er begnadigt wurde.
Es wurde ihm aber bei der Entlassung mitgeteilt, daß er sofort wie-
der nach Dachau gebracht werde und dann nie mehr entlassen werde,
wenn er irgend etwas Ungünstiges über das Lager Dachau aussage.
Er versieht seitdem wieder seine Pfarrei.
5. Heß P. Salesius OSB. hatte an die Wohltäter der Abtei Münster-
schwarzach einige hundert vervielfältigte Briefe hinausgegeben, in
welchen über die Aufhebung der Abtei und die Beschlagnahme der
Häuser Mitteilung gemacht wurde.
Die Gestapo verlangte nähere Angaben, und als dies verweigert
wurde, brachten sie den Pa'ter nach Dachau, wo er bis Kriegsschluß
weilte, also 3 Jahre.
6. Deppisch Gregor, Pfarrer von Unterhohenried,' sollte im Sep-
tember 1944 Aussagen machen gegen seinen wegen „Abhörens feind-
licher Sender und staatsabträglicher Gespräche" angeklagten Lehrer.
Er verweigerte die Aussage und wurde selbst in Haft genommen.
Im April 1945 sollte er mit einem Gefangenentransport von Ebrach
nach Dachau gebracht werden. Es gelang ihm aber, als die Ein-
richtungen des Dritten Reiches zu wanken begannen, sich bei Strau-
bing unter Lebensgefahr zu flüchten und in Sicherheit zu bringen.
Er tut seit Mai 1945 wieder seinen Dienst als Pfarrer von Unter-
hohenried, nachdem er 9 Monate in Haft war.
Die Gemeinde begrüßte ihn herzlich und feierlich.
In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, daß dem Bischof
Dr. Matthias Ehrenfried dreimal sein Palais mit Gewalt ge-
stürmt wurde, am 7. April 1934 von zirka 1500 Universitätstudenten,
meist von der Universität Erlangen, am 28. April 1934 von etwa 500
jungen Leuten, meist von Würzburg, beidemal hatte die Führung der
spätere Regierungsdirektor Dr. Dengel.
Es sollte die Versetzung des Pfarrers von Waldbüttelbrunn ertrotzt
werden. Die Sache endete mit einem Mißerfolg der Demonstranten.
Am 3. Mai 1938 war die dritte Demonstration, bei der etwa 200 De-
monstranten unter Leitung des Lehrers von Holzkirchenhausen verhin-
dern wollten, daß der Pfarrer von Holzkirchenhausen vom Bischof ab-
gesetzt werde. Obwohl die Türe des Palais mit Gewalt erbrochen
wurde, mißlang die Demonstration.
Dem Bischof wurde verboten, bei den Firmungen mit dem Auto
zu fahren.
334
In Würzburg wurde bekanntgegeben, daß alle, die den Bischof be-
suchen, auf der Treppe des Palais photographiert würden, um dann
bestraft zu werden.
Vom Jahre 1935 an wurde die Fronleichnamsprozession, besonders
der Teil mit den Beamten, an mehreren Stellen mit dem Filmapparat
der Gestapo aufgenommen.
. Als der Bischof die Hirtenbriefe in der Kanzlei des Ordinariates
vervielfältigen ließ,, wurden 5 Schreibmaschinen und 1 Vervielfälti-
gungsapparat von der Gestapo beschlagnahmt.
Die Hirtenbriefe mußten von 1936 ab durch Geheimkuriere den
Dechanten zugestellt werden, um sie vor der Beschlagnahme zu be-
wahren.
Vom Domkapitel waren der Generalvikar sowie ein Domkapitular
in dem Kerker der Gestapo in Berlin sowie ein Domkapitular und zwei
Domvikare einige Wochen im Gefängnis.
Domkapitular Harth ist an den Folgen der Aufregung vorzeitig
gestorben.
Vom Diözesanklerus sind zwei Pfarrer im Gefängnis blutig geschla-
gen worden, 141 Priester warenim Gefängnis, einer fast
iy> Jahre lang, die anderen einige Wochen, 78 Priester hatten Schul-
verbot.
Die meisten Priester hatten gelegentlich Konflikte mit den Partei-
instanzen.
C. Blick in zwei Ordensstatistiken:
Die „Gesellschaft vom Göttlichen Wort" (Steyl)
meldet:
In Konzentrationslagern starben: 25 Priester und Theologen und
1 Bruder (einschließlich polnische Mitglieder). Davon wurde einer er-
schossen, einer erhängt,, 2 vergast, 2 totgetreten.
Die Pallottiner (Limburg a. d. Lahn) schreiben:
Von 368 Priestern und 330 Laienbrüdern der deutschen Pallottiner-
provinz wurden
2 Priester enthauptet,
2 Priester in Dachau ums Leben gebracht, .
2 weitere Priester in Dachau gefangen,
dazu weitere 50 — 60 verhaftet und bis zu 2 Jahren
gefangen gehalten.
Regierungsrat Roth, Leiter der kirchlichen Abteilung der Gestapo-
Berlin, sagte zum Rechtsanwalt der Pallottiner: „Wir haben in ganz
Deutschland die Erfahrung gemacht, daß die Menschen, die dem Geist
der Pallottinerpatres erlegen sind, unfähig wurden für die national-
sozialistische Weltanschauung."
Ein besseres Zeugnis als dies aus Feindesmund hätte den Pallot-
tinern nicht ausgestellt werden können.
D. Blicke ins Konzentrationslager:
1. Geistliche Häftlinge aus bayerischen Diözesen:
Erzdiözese München-Freising:
Aigrier Korbinian, Pfarrer 5 Jahre
Hock Dr. Michael, Schriftleiter .... 4 Jahre
Meisel Paul, Stadtpfarrer 4K Monate
Muhler Dr. Emil, Stadtpfarrer ..... 8 Monate
335
INTeuhäusler Joh., Domkapitular • . . . 4 Jahre
Mayer P. Rupert S.J. . . 8 Monate
Müller P. Josef S.J 4 Monate'
Pies P. Otto S.J. i i s 5 . . . . . 4J^ Jahre
Spitzauer P. Josef S.J 4 Monate
Wiedenmann P. Johann S. J 3 Monate.
Erzdiözese Bamberg:
Diözese Augsburg:
Burkhard Joh., Pfanc.- 3 Jahre
Heinzmann Bernhard, Pfarrvikar . . . IH Jahre
Mayr Max, Pfarrer 4% Jahre
Diözese Eichstätt:
Diözese Regensburg:
Hofmeister Korbinian, Abt von Metten . 1 Jahr
Landgraf Johann, Pfarrer 3 Jahre
Rohrmeier Martin, Pfarrer 3% Jahre
Spießl Ludwig, Benefiziat 5% Jahre
Diözese Speyer:
Quack Hermann, Pfarrer ....... 3 Jahre
Römer Heinrich. . 4% Jahre
Seitz Friedrich, Pfarrer .5 Jahre
Diözese Würzburg:
Deppisch Gregor, Pfarrer 9 Monate
Dümig Hermann, Benefiziat 4 Jahre
Eisenmann, Pfarrer . 3 Jahre
Hafner Georg, Pfarrer 13 Monate
Weigand Konrad, Pfarrer 9 Monate
Heß P. Salesius OSB ' . . 3 Jahre
(Gefängnis ging bei fast allen voraus, sogar öfters, wie z. B.
bei Stadtpfarrer Dr. Emil Muhler, P. Mayer usf.)
2. Eine „Geistlichen-Parade" im Kz. Dachau
nach der Liste eines geistlichen Konzentrations-
lagerhäftlings
Der Franziskanerpater Petrus Mangold, kommissarischer
Provinzial vom Sudetengau im Kloster Mährisch-Trübau, hat kurze
Zeit vor seinem Tode im Jahre 1943 nach zwei Jahren Lager-
gefangenschaft ein Verzeichnis der Welt- und Ordensgeistlichen,
das er zusammen mit Pf. Emil Thoma von Eppingen im Kz. Dachau
gefertigt hatte, an Bekannte herausgeschickt. Es ist durchaus nicht
vollständig, bemerkt vielmehr bei einzelnen Gruppen: „Viele in
anderen Blocks" oder ähnliches. Und doch gibt es auch schon in
336
seiner Unvollständigkeit einen Einblick in das viele Leid, das der
katholische Klerus von fast ganz Europa durch den National-
sozialismus zu erdulden hatte (das Verzeichnis reicht bis 3. Mai 1942).
1, Diözese Aachen (Rheinland).
1. Gilz Suitbert, Kaplan in München-Gladbach: in Haft 5. 4. 37 bis
8.1.39; 3.5.39—16.2.41; 11.4.41 gef. in Düsseldorf, seit 16.6.41 in
Dachau.
2. Brasse Theo, Kaplan in Stolberg; in Haft 7. 5. 41 in Berlin; 16. 8. 41
in Dachau.
3. Rindermann Hans, Kaplan und Rektor in Aachen-Forst: in Haft
15.9.41; in Dachau seit 7.1.41.
4. Keller Fritz, Pfarrer in Stolberg: in Haft 15. 11. 41; in Dachau seit
5. 12. 41.
5. Berger Hubert, Pfarrer in Otzenrath: in Haft 22.9.41 in Düssel-
dorf; in Dachau 26. 2. 42,
6. Jansen Nikolaus, Domkapitular in Aachen: in Haft Juli 1941 in
Aachen; in Dachau 26. 12. 41.
2. Diözese Augsburg (Bayern).
1. S e 1 z 1 e Erich, Kaplan in Lechbruck: in Haft 28. 12. 37 in Friedrichs-
hafen; Welzheim 1. 6. 39; Dachau 27. 9. 39; Mauthausen 5. 12. 40;
Dachau 6.3.41.
2. Mayr Max, Pfarrer in Schiltberg: in Haft 25.3.40 in München;
12. 7. 40 in Dachau; 18. 8. 40 in Gusen bei Linz; 18. 12. 40 in Dachau.
3 Heinzmann Bernhard, Pfarrer a. D. in lUerbeuren-Kronburg: in
Haft 6. 1. 41 in Augsburg; 11. 41 in Dachau.
4. P. Dr. theol. Wagner Albrecht (Friedrich), Benediktiner, Kloster
St. Ottilien: in Haft 23. 12. 41.
3. Diözese Berlin.
1. Noleweika Adolf, Pfarrer in Demmin (Pommern): in Haft 20. 9. 40
in Stettin; in Dachau 3. 1. 41.
2. A d a m u s Paul, Pfarrer in Swinemünde (Pommern): in Haft 19. 3. 41
in Stettin; in Dachau 13. 6. 41.
3. Eudenbach Heinrich (Br. Hermann), Ordensbruder der Christ-
königsgenossenschaft in Berlin: in Haft 5. 5. 41 in Berlin; in Dachau
11.7.41.
4. von Sty p-Reko wski Josef, Rektor in Berlin: in Haft 11.9.39;
in Sachsenhausen 23.9.39; in Dachau 14, 12. 40.
4. Erzbistum Breslau.
1. Jorek Otto, Pfarrer in Sommerfeld: in Haft 4.11.38; in Berlin
31.5.39; in Sachsenhausen 14.12.40; in Dachau 26.2.41.
2. Kopera Amand, Pfarrer in Queissen: in Haft 12.9.40 in Liegnitz;
in Dachau 18. 12. 40.
3. Lehmann Georg, Kaplan im General vikariat Breslau: in Haft
3.4.40 in Breslau; 3.2.41 in Liegnitz; in Dachau 11.4.41.
4. Lachawietz Paul, Kaplan in Neusalz/Oder: in Haft 8. 4. 41 in
Liegnitz; in Dachau 4. 6. 41.
5. Scholz Reinhold, Erzpriester, Pfarrer in Ackerfelde: in Haft
27. 4. 40 in Berin; in Dachau 20. 12. 40.
337
6. Bujakowski Georg, Pfarrer in Groß-Schmograd: in Haft 16. 8. 41
in Breslau; in Dacliau 20. 12. 41.
7. K a 1 i g a Johannes, Kaplan in Senftenberg: in Haft 10. 8. 36—12. 2. 41
in Ratitaor; 26.3. in Oppeln; 27.4.41 in Auschwitz; 4.5.41 in Dachau.
5, Diözese Brunn (Mähren).
1. Haunstein Peter, Dechant, Pfarrer in Sitzgras: in Haft 21.7.39
in Wien; 25.11.39 in Sachsenhausen; in Dachau 14.12.40.
2. Wallouschek Josef, Administrator von Auspitz: in Haft 7.7.41
in Wien; in Dachau 11.9.41.
6. Diözese B u d w e i s (Böhmen).
1. Thema Johann, Administrator in Schüttwa: in Haft 15.2.41 in
Karlsbad; in Dachau 11. 7. 41.
2. Klima Leopold, Monsignore, Archidiakon (Erzdechant) : in Haft
19. 6. 41 in Karlsbad; in Dachau 29. 8. 41.
3. Bio Chi Engelbert Franz, Zisterzienserkloster Hohenfurth, Pfarrer
in Priethal: in Haft 17.8.40 in Lienz; 21.12.40 in Garsten; 17.8.41
in Linz; in Dachau 3. 11, 41.
7. Diözese . Burgenland (Nieder-Donau).
1. Schmalzl Johann, Pfarrer in Kirchfidisch: in Haft"9. 12. 41 in
Graz; in Dachau 31.1.42.
3. P. Wolf Richard Peter, Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz
(Wien), Pfari-er in Mönchhof: in Haft 8.9.41 in Wien; in Dachau
3. 11. 41.
8. Diözese Eichstätt (Bayern).
1. Breitenberger Franz, Kapuzinerbruderkandidat, Kloster Eich-
stätt: in Haft 7. 2. 41 in Nürnberg; in Dachau 5. 6. 41.
9. Diözese Feldkirch (Vorarlberg).
1. Schelling Georg, Benefiziat in Bregenz: in Haft 21. 3. 38— 3L 5, 38
in Dachau; 26. 9. 39 in Buchenwald; in Dachau 6. 12. 40.
2. Knecht Alois, Pfarrer in Meiningen (Vorarlberg): in Haft 10.10.39
in Bregenz; 27. 1. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
10. Diözese E r m 1 a n d (Ostpreußen).
1. Szudzinski
2. Czechowski Hubert, Pfarrer in Schellen: in Haft 1.11.41 in
Allenstein (Ostpr.); in Dachau 5.1.42.
3. Olsche wski Leo, Propst in Tilsit: in Haft 25.8.41; in Dachau
15,12.41.
4. Pruskowski Robert, Kuratus in Wengoyen: in Haft 29. 7. 40 in
Alienstein; 25.9.40 in Dachau; 11.12.40 in Buchenwald; in Dachau
5. 9. 41.
5. Dresbach, Kaplan in Allerstein (Priester der Erzdiözese Köln):
in Haft in Dachau Juli 1941.
11. Erzbistum Freiburg (Baden).
1. Schneider Richard, Pfarrer in Beuggen: in Haft 7.9.40 in
Waldshut; in Dachau 22. 11, 40.
2. Bernhard Adolf, Pfarrer in Hondingen i. R.: in Haft 3.4.40 in
Villingen; in Dachau 21. 3, 41.
338
3. Kiesel Emil, Kaplan in Pforzheim, St. Franziskus: In Haft in
Dachau 14.12.40.
4. T r ü b y Josef , Pf arrer a. D. in Rippoldsau.
5. Maurath Ferdinand, Kaplan in Karlsruhe: in Haft 2.5.41 in
Karlsruhe; in Dachau 28.4,41,
6. Köhler Wilhelm, Pfarrer in Görwihl: in Haft in, Dachau Aug. 41.
7. Thoma Emil, Pfarrer in Eppingen: in Haft 2.7.41 in Heidelberg;
in Dachau 10.9.41.
8. Hahn Hermann, Pfarrer in Riedböhringen: in Haft 2.9,41 in Kon-.
stanz; in Dachau 3. 10. 41.
9. Hemmer Friedrich, Pfarrer in Wiesenbach: in Haft 20,- 8. 41 In
Heidelberg; in Dachau 10. 10, 41,
10, Riesterer Albert, Pfarrer in Mühlhausen bei Konstanz: in Haft
1.7,41 in Konstanz; in Dachau 14.4.41.
11, Schwall Johann, Pfarrer in Raithaslach-Freiburg: in Haft 9.10.41
in Konstanz; in Dachau 12.12.41.
12, Lal?:omi, Herz- Jesu-Priester, Freiburg.
12, Diözese Fulda (Hessen-Nassau),
1. Vogt Gustav Albert, Pfarrer in Deuna, Kreis Gorbis (Sachsen):
in Haft 4,10,40 in Erfurt; in Dachau 25,5,41.
2. T r a g e r : in Haft Mitte Dezember 41 in Dachau; gestorben Mitte
Januar 42.
3. Huth Dr. jur. Heinrich, Kaplan in Weyhers (Rhön): in Haft 1940
in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
4. Albinger Josef, Kaplan' in Hanau a. Main: in Haft 8.11.41 in
Frankfurt a. M.; in Dachau 6.2.42.
5. AvereschP. Josef, Redemptorist in Heiligenstadt (Eichsfeld) : in
Haft 6.2.41 in Erfurt; 19.7.41 in Buchenwald;, in Dachau 19.9.41.
6. Schmitt P. Karl, Salesianer in Kassel-Bettenhausen: in Haft
19. 10. 39 in Kassel; 7. 3. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
7. B r u n k e P. Thaddäus (Wilhelm) Guardian, Franziskaner, Kloster
Frauenberg: in Haft 14.12,40 in Fulda; 26.12.40 in Breitenau; in
Dachiau 16,5,41.
13. Diözese Gurk in Klagenfurt (Kärnten).
1. Singer Stefan, Dechant, Ehrendomherr in Kappel a. d. Drau: in
Sachsenhausen im Bunker; in Dachau im Bunker.
2. Kutaj Anton, Pfarrer in St, Michael-Bleiberg: in Haft Juni 1940
in Dachau; 16. 8, 40 in Mauthausen; 8. 12, 4Ö in Dachau; gestorben
in Dachau Mitte Februar 1941.
3. G e r a m b Dr, Stadtpfarrer in Ferlach,
4. Pollak, Pfarrer in St, Kanzian,
5. Hornböck Johann, Dechant in Mies: in Haft 11.4.41 in Prävali;
16. 4. 41 in Klagenfurt; in Dachau 21, 7. 41,
6. L'hoste Klaus, Pfarrer in Mörtschach: in Haft 26.3.39; in Lienz
(Osttirol);' 6. 5. 39 in Klagenfurt; 9.9,39 in Dachau; 27,9.39 in Flos-
senbürg (Opf.); 2.3.40 in Dachau; 16,8,40 in Mauthausen-Gusen;
in Dachau 18, 12. 40.
7. Leeb Marzellus, Pfarrer Zedlitzdorf: in Haft Mai 1940 in Dachau;
16.8.40 in Mauthausen-Gusen; gestorben 1.12.40 in Gusen.
8. Kasimir P, (Benediktiner), Olivetaner der Abtei St. Josef auf
Tanzenberg bei Maria-Saal: in Haft in Dachau Sommer 1940; jetzt?
339
9. Zwacka, Kaplan in Obervellach: Gestorben 8.12.41 im Abort des
Transportzuges von Gusen nach Dachau.
10. Schuster Dr. Otto, Pfarrer in Vorderberg im Geibtal: in Haft
seit 1939 Klagenfurt, Garsten; in Dachau 17, 4. 1942.
14. Diözese Hildesheim (Hannover).
1. Jäger Johannes, Kaplan in Goslar: in Haft 29. 4. 41 in Goslar, in
Dachau 13. 6. 41.
2. Hacke tal Christoph, Pfarrer in Bad Harzburg: in Haft 18. 4. 41
in Hallendorf, in Dachau 8. 8. 41.
3. K ö 1 1 e r Heinrich, Kaplan in Duderstadt-Laggenbeck: in Haft
3. 10. 41 in Duderstadt; 31. 10. Libenau a. d. W.; in Dachau 5. 12. 41.
15. Diözese Innsbruck (Tirol).
1. Steinkelderer Jos. Dr., Katechet in Innsbruck: in Haft 1939 . . .
2. Wiirl Siegfried, Pfarrer a. D.: in Haft 22. 9. 1939 in Innsbruck,
7. 11. in Sachsenhausen-Oranienburg bei Berlin; in Dachau 15. 12. 40.
3. Lampert Karl, Generalvikar in Innsbruck; in Haft Sept. 1940 in
Innsbruck, in Dachau 12. 12. 40.
4. S e i t z Josef, O.-Prämonstr. Chorherr Stift Wilten, Gries in Hall ein
(Tirol): in Haft 5. 12. 41 im Auffanglager Reichenau, 8. 12. 42 in
Dachau.
5. Neuruhrer, Pfarrer in Göttbus b^i Innsbruck: in Haft 1938 in
Dachau, gestorben 1940 in Buchenwalde.
16. Diözese Kattowitz (Oberschlesien).
Viele in anderen Blocks.
17. Erzbistum Köln (Rheinland).
1. Doppelfeld Franz, Pfarr-Rektor in Neuß-St. Elisabeth: in Haft
12. 5. 41 in Düsseldorf, in Dachau 22. 8. 41.
2. Theißen Alois, Rektor, Deutsch-Seelsorger in Haarlem (Holland):
in Haft 20. 9. 40 in Amsterdam und Berlin, in Dachau 20. 6. 41.
3. Kilinski.
4. D r e s b a c h (s. Ermland ^r. 5).
5. Rohling P. Engelbert, Oblaten-Priester in Essen-Borbeck: in Haft
28. 10. 41 in Münster, in Dachau 26. 12, 41,
6. Werhahn Hermann Josef,- Kaplan in Essen-Margarethenhöhe,
Rektor z. hl. Familie: in Haft 6. 10. 39 in Essen, 9. 12. 39 in Sachsen-
hausen, 14. 12. 40 in Dachau.
18. Diözese Königgrätz (Böhmen).
1. Bradler Wenzel, Pfarrer in Michelsdorf bei Landskron: in Haft
21.5.41 in Troppau; in Dachau 25.8.41.
2. Linhart Erich, Administrator in Bassek (Diöz. Leitmeritz) und
Kaplan von Rochlitz: in Haft 23. 5. 41 in Hohenelbe, in Dachau
29. 8. 41.
3. Fischer P. Joseph, Pallottiner, Kloster Vallendar-Schönstatt
(Trier), Pfarradministrator in Großstiebnitz: in Haft in Dachau
18. 4. 41 und 6. 6, 41.
19. Diözese Kulm (Westpreußen).
1. Juchta Josef, Kaplan in Wielle: in Haft 27. 10. 39 in Stutthof,
Sachsenhausen, Dachau.
340
20. Diözese Leitmeritz (Böhmen).
1. Bochnia Hieronymus, Pfarrer in Podersaneka, R.B. Karlsbad: in
Haft 25, 10. 40 in Karlsbad, in Dachau 27. 1. 41.
2. Langhans Alois, Stadtkaplan in Kaaden: in Haft 19. 10. 40 in
Karlsbad, 13. 12. 40 in Dachau, Überst. 9. 4. 42, wieder in Dachau
24. 4. 42
3. Schneider Frz., Pfarrer von Sebastiansberg (ehem. Salvatorianer).
4. Schierling Hans, Administrator in Brunnersdorf bei Kaaden:
in Haft 22.8.41 in Karlsbad; in Dachau 17.10.41.
5. Ullrich Franz, Kaplan in Lobenau: in Haft 20. 12. 41 in Warns-
dorf ; 28. 1. 40 in Reichenberg; in Dachau 13. 2. 42.
6. Franzen Robert, Pfarrer in Rosendorf: in Haft 22. 4, 41 in Te-
schen; 27. 8. 41 in Sachsenhausen; in Dachau 13. 2. 43.
7. Bioly Peter, Pfarrer in Seltsch bei Saaz; seit 18.4.1940 verhaftet.
(Leitmeritz — Waldheim Karlsbad — Dachau.) 3. 5. 42 auf Invaliden-
transport geschickt, unbel^annt wohin.
21, Diözese L e s 1 a u (Warthegau).
Viele in anderen Blocks. Darunter Weihbischof K o z a 1.
22. Diözese Limburg. (Hessen-Nassau).
1. Hurm.
2. Breithecke r.
3. S p i X P. Walter, Superior und Vize-Provinzial im Kloster Arn-
stein [Lahn]: in Haft 19,11,41 in Limburg; in Dachau 30.1.42,
4. Michel P. Justus (Karl), Guardian, Franziskaner, Kloster Hada-
mar: in Haft 1, 3. 39 in Freiendietz/Limburg; 4. 1. 40 in Sachsen-
hausen; in Dachau 14. 12. 40.
23. Linz (Ober-Donau).
1. Mager Johann (Altmann), reg. Chorherr des Stiftes Schlägl, Prä-
monstra tenser; in Haft 4. 1. 39 in Linz; in Dachau 28. 10. 40.
2. Becker P, Gottfried, Trappist, Kloster Engelszell: in Haft 28.7,39
in^ Linz; 10. 8. 39 in Ried; in Dachau 20, 11, 40,
3. Ohnmacht Dr. Franz: in Haft 13, 3, 38 in Linz; 17, 6, 38 in
Dachau; 26, 9. 39 in Buchenwalde; in Dachau 7. 2. 40,
4. Just P, Konrad, Zisterzienser v. Stift Wilherring: in Haft Juli 38
Buchenwalde; in Dachau Dezember 40,
5. Moosbauer Josef, Pfarrer in Waldhausen: in Haft 21,4.39 in
Wels und Linz; 22,6,40 in Dachau und Mauthausen.
6. Steiner Heinrieh, Pfarrer in Steinerkirchen: in Haft 4. 10, 39 in
Wels und Linz; in Dachau 9. 12. 40.
7. Rohrmoser Josef, Geistl. Rat Pfarrer i. R. in St. Wolfgang: in
Haft 20. 10. 39 in Linz; 17. 5. 39 in Garsten; 21. 10. 40 in Linz; in
Dachau 13. 12, 40,
8. Spitzig P. Dr, Gustav (Makarius) 0,S.B, in St, Ottilien: in Haft
27,7,39 in Linz und Ried; in Dachau 3,2.41,
9. Grabmayr Johann, Pfarrer in Prambachkirchen: in Haft 24.1.41
in Linz; in Dachau 3. 3, 41.
10, Mayr Franz, Pfarrer in Cutau: in Haft 8,5,40 in Linz, Garsten;
in Dachau 3. 3. 41.
11, Arthofer Leopold, Pfarrer in Kronsdorf: in Haft 11. 2. 41 in
Linz; in Dachau 28. 4, 41.
341
12. Wöß Franz, Pfarrer 1. R. in St. Peter am Wimberg: in Haft 2.5.38
in Linz; 3. 7. 38—19. 11. 38 in Dacliau; in Freilieit bis 29. 7. 41; in Haft
in Linz; 23.9.41 in Dachau.
13. FankhauserP. Bernhard, O.F.M.; in Dachau 16. 9. 41.
14. H e i n z e 1 P. Josef S. J. in Linz: in Haft 30. 10. 41 in Linz; in Dachau
14.12.41.
15. Muris P. Leopold, Salesianer in Linz, Don-Bosco-Pfarrei: in Haft
10. 2. 40 in Linz; 14. 6. 40 Garsten; 30. 9. 41 in Linz; in Dachau
13.12.41.
16. Unzeitig P. Engelmar (Hubert) C.M.M. (Mariannliiller) in Maria-
Anna- Höhe in Riedegg b. Linz: in Haft 24. 4. 41 in Linz; in Dachau
3. 6. 41.
17. Kagerer Hermann: in Haft 16.11.40.
18. Spanlang Matthias: gestorben 1940.
19. S o m m e r : in Haft November 1940.
20. K a g e r : gestorben
21. Grub er Dr. Johannes: in Haft 16. 8. 40 in Linz; in Dachau 6. 4. 41.
22. Steinboclc Johann, Kooperator in Steyr-Vorstadtpfarr.: in Haft"^
15. 9. 41 in Linz; in Dachau 26. 1. 42.
24. Litzmannstadt ^Warthegau).
Viele in anderen Bloclcs.
25. Luxemburg.
Einige auf anderen Blocks.
26. Diözese Mainz (Rheinhessen).
1. Ott Adam, Stadtpfarrer und Dekan in Mainz, St. Ignatiuskirdhe:
in Haft 23. 8. 41 in Mainz; in Dachau 24. 10. 41.
2. Brantzen Hans, Kaplan in Heusenstamm bei Offenbach; in Haft
17. 9. 41 in Darmstadt; 7. 11. 41 in Dachau.
3. U r b a n Paul, Kaplan in Gernsheim am Rhein: in Haft 11. 9. 40 in
Darmstadt; 18. 9. 40 in Dachau; 17. 12. 40 in Buchenwalde; in Dachau
15. 11. 41.
4. Rodach Benedikt, Kaplan in Ruhlkirchen: in Haft 20. 1. 41 in
Gießen; 18. 2. 41 in Darmstadt; 7. 5. 41 Mauthausen; in Dachau
11. 8. 41.
5. Montwe P. Hugo, Kapuziner, Kloster Dieburg: in Haft in Dachau
18. 4. 41.
6. Zöhren P. Dionys, Kapuziner, Kloster Gernsheim-Rhein: in Haft
20. 3. 41 in Darmstadt; in Dachau 2. 6. 41.
7. S a u e r P. Evarist, Kapuziner, Kloster Dieburg: in Haft 10, 3. 41 in
Darmstadt; in Dachau 18. 4. 41.
27. Diözese Marburg (Steiermark).
1. Meßner Johann, Pfarrer und Dechant in Mahrenberg: in Haft
15. 4. 41 in Mahrenberg; 22. 4. 4l' in Marburg, Reichenberg, Marburg,
Ankenstein; in Dachau 16. 11. 41. ,
28. Diözese Meißen in Bautzen (Sachsen).
1. Scholze Benno Dr., Pfarrer in Pirna: in Haft 15. 1.41 in Dresden;
in Dachau 4. 4. 41.
2. Ziesch Johannes, Pfarrer in Großpostwitz i, S.: in Haft 13.12.40
in Dresden; in Dachau 4. 4. 41.
342
3. Scholze Aloys, Pfarrer in Leutersdorf /Sachs.: in Haft in Dachau
5.6.41; 2.8.41.
4. Pies Otto, S.J.
5. Remy Fritz.
6. Rothe Hans, Kaplan in Altenburg: in Haft 3.10.39 in Altenburg,
Thür.; 9.12.39 in Altenburg, Weimar; 7.2.40 Sachsenhausen; 1940
in Dachau.
7. Scheipers Hermann, Kaplan in Hubertusburg- Wermsdorf: in
Haft 4. 10. 40 in Leipzig; in Dachau 28. 3. 41.
8. Duschak Alfons, Kaplan in Dresden- Hof propsteikir che: in Haft
in Dachau 19. 5. 41. ,
9. W e n s c h Bernhard, Jugendseelsorger in Berlin: in Haft 12. 7. 41 in
Sachsenhausen; in Dachau 7. 11. 41.
10. Andritzki Aloys, Kaplan in Dresden-Propstei: in Haft 21.1.41;
in Dachau 9.10.41.
11. Zimmermann Johannes, Kaplan in Freital b. Dresden: in Haft
27. 5. 41 in Dresden; 5. 7. 41 in Maltheuern b. Brüx; in Dachau
18. 8. 41.
29. Erzdiözese München 'und Freising.
1. Aigner Korbinian, Pfarrer in Hohenbercha.
2. Neuhäusler Johann, Domkapitular, München: in Haft 4.2.41;
in Sachsenhausen 24.5.41; in Dachau seit 12.7.41.
3. Hock Dr. Michael, Pf arrkurat, München: in Haft 23. 5. 41; in
Dachau 12.7.41.
30. Diözese Münster' (Westfalen).
1. Hennen Heinrich, Kaplan, Münster Hl. Geist: in Haft 20. 11. 41 in
Münster; in Dachau 30. 1. 42.
2. Stammschröer Hermann, Pf arr-Rektor in Gelmer; in Haft
31. 7. 41 in Münster; in Dachau 10.10.41.
3. Reukes Josef, Pfarrer in Gronau, Westf.: in Haft 3.3.41 in Mün-
ster; 9. 6. in Sachsenhausen; in Dachau 10. 10. 41.
4. Schumann P. Emil, M.S.C., Herz- Jesu-Missionar in Hiltrup: in
Haft 20. 9. 41 in Münster; in Dachau 5. 12. 41.
5. Fresenborg Heinrich, Pfarrer in Neuschattel: in Haft 18.9.41
W-hauen; in Dachau 28. 11. 41.
6. Engels Gottfried, Pfarrer in Peheim: in Haft 1.9.39 in Peheim;
in Dachau 13. 12, 40.
7. Markötter Josef O.P.M., Franziskaner in Warendorf bei . Mün-
ster: in Haft 4. 6. 40 in Münster; 15. 1. 41 in Sachsenhausen; in
Dachau 26.9.41.
8. Meyer Willy, Kaplan.
9. Friedrichs Reinhold, Studienrat in Münster: in Haft in Dachau
12. 9. 41.
10. Barkholt Werner, S.J., Kaplan in Essen: in Haft 8. 8. 41 Bochum.
11. Hessing P. Augustin, O.S.B. (Heinrich), Kloster- Abtei St. Josef
Gerleve: in Haft 1. 8. 41 in Münster; in Dachau 10. 10. 41.
12. Klumpe Johannes, Vikar in Stadtlohn: in Haft 28.10.41 in Mün-
ster; in Dachau 26. 10. 41.
13. P o e t h e r Bernhard, Kaplan in Bottrop: in Haft 22. 9. 39 in Bottrop;
1.3.40 in Sachsenhausen; in Dachau 18.4.41.
14. Leisner Karl, Diakon.
15. Benninghaus August, S.J.
343
31. Erzdiözese Ol mutz (Mähren).
1. S m o 1 i k Johann N., Konsist.-Rat und Pfarter in Neu-Lubitz
(Sudetenland): in Haft 29. 4, 41 in Troppau; in Dachau 7. 7. 41.
2. Müller Franz, Pfarrer in Wickstadt.
3. Otzipka Aloys, Pfarrer in Schildberg: in Haft 2. 7. 41 in Troppau;
in Dachau 25. 9. 41.
4. Schammel Karl, Seminardirektor in Freudenthal: in Haft 7. 7. 41
in Troppau; in Dachau 16. 11. 41.
5. H i 1 1 e r P. Ludwig (Paul), Salvatorianer, Kloster Jägerndorf-Burg-
berg: in Haft 22, 5. 41 in Troppau; in Dachau 25. 8. 41.
6. Mangold P. Petrus (Karl), Franziskaner, kommiss. Prbvinzial im
Sudetengau, Kloster Mährisch-Trübau: in Haft 29. 3. 41 in Troppau;
in Dachau 6. 6. 41.
32. Diözese Osnabrück.
1. Wiemker Leopold, Viliar in Schwerin-Mecklenburg: in Haft
19.2.39—28.9.40; 27. 12. 40 in Dachau.
2. Gförsmann Gustav, Pfarrer i. R. in Köln, Rochstr. 65: in Haft
27.6.41 in Osnabrück; in Daphau 3.10.41.
3. Wüste Bernhard, Pastor in Hollenstede: in Haft 19,5.41 in Osna-
brück; 12. 7. 41 in Sachsenhausen; in Dachau 30.1.42.
33. Erzdiözese Paderborn (Westfalen).
1. Oberhaus Wilhelm, Pfarrvikar in Bockwitz (Sachsen): in Haft
26. 2. 41 in Halle an der Saale; in Dachau 10. 10. 41.
2. Hoffmann Karl, Vikar in Stendal (Altmark): in Haft 11. 9. *0 in
Stendal; 1. 11. 40 in Dachau'; 11. 12. 40 in Buchenwalde; in Dachau
3. 10. 41.
3. Bahrenberg Hans Dr., Vikar in Lichtenau: in Haft 29.10.40 in
Bielefeld; 6. 7. 41 in Harsewinkel; 29. 10. 41 in Bielefeld; in Dachau
9. 1. 42.
4. Günnewich Otto, Pfarrvikar in Salvey: in Haft 12,7.41 in Dort-
mund; 15.8.41 in Bochum; in Dachau 21,11.41,
5. Schamoni Wilhelm, ohne Anstellung, Pfarrvikar in Oynhausen
über Steinheim: in Haft 29, 12. 39 in Buchenwalde u. a.; in Dachau
11. 10. 40.
6. F.arwer Eduard, Pfarrer in Alsleben (Saale): in Haft 20.1.38 in
Halle; 19. 1. 40 in Naumburg; in, Dachau 18. 4. 41,
7. König Heinrich, Vikar in Geisenkirchen: in Haft 30. 9. 41 in Gei-
senkirchen; in Dachau 5. 12. 41.
8. Becker Heinrich, Pfarrer in Haaren: in Haft 9. 10. 39 an ver-
schiedenen Orten; in Dachau 16. 1. 42.
9. Riepe P. Franz, S;V.D., Missionshaus Bad Driburg: in Haft 20.2.41
in Bielefeld; in Dachau 9. 5, 41.
10. Ketzlick P. Bernhard M.S.C. (Herz- Jesu-Missionar), Kaplan in
Hamm: in Haft 31. 7. 41 in Hamm; 1. 8. 41 in Dortmund; 15. 8. 41 in
Bochum; in Dachau 30. 1. 41.
34. Passau (Bayern).
1. Mauerer Ottmar Dr. theol., Kooperator in Haus: in Haft 15. 5. 38
in Deggendorf; in Dachau 5.4.41.
2. H o p p e r Josef, Benefiziat in Wallersdorf: in Haft 25. 2. 41 in Karls-
bad; in Dachau 19. 7. 41.
344
35. Erzdiözese Posen-Gnesen.
1. Wierbinski Thaddäus, Propst in Gembitz: in Haft 10. 8. 41 in
Posen ; in Dachau 30. 10. 41,
2. Pietrowski Anton, Pfarrer in Treskan (Posen): in Haft 6. 10. 41
in Posen; in Dachau 30.10.41,
3. Koszewski Marian, Pfarrer in Chwalkow (Posen): in Haft
6.10.41 in Posen; in Dachau 30,10.41.
4 Racwski Casimir, Pfarrer in Hürschdorf: in Haft 7, 10, 41 in
Posen; in Dachau 30.10.41.
5. Kwia + I^owski Milanus, Vicarus substit, in Schmiegel und Lan-
genbruck: in Haft 6. 10. 41 Posen; 30. 10. 41 in Dachau,
6. Matysiak Gratian, Pfarrer in Neusiedeln (Posen): in Haft
6.10.41; in Dachau 30.10.41.
7. K u r e k Paul (Hubert) P. Franziskaneir- Guardian, Kloster Stor-
chennest: in Haft 7.10.41 in Posen; in Dachau 30.10.41.
8. Koranecki Adam, Propst in Skulsk, Dekan: in Haft 6.10.41;
in Dachau 30 10,41.
9. Ryglewicz Stephan, Pfarrer in Duninow (Diöz. Plock).
36. Erzdiözese Prag (Böhmen).
1. Womes Joh. v. Nep., Pfarrer in Böhm. Domaschlag: in Haft
20.8.40 in Karlsbad; in Dachau 21,3.41.
2 PI eil Franz, Pfarrer in Vittma-Schönthal: in Haft 10, 10, 41 in
. Karlsbad; in Dachau 5.12.41,
3 Lauber Dr. Robert, Pfarrer in Nürschan: in Haft 17, 6, 41 in
Karlsbad; in Dachau 8. 8. 41,
4. Bohr Josef (ehedem S. J,), Pfarrer in Neudorf: in Haft 7,5.41 in
Karlsbad; in Dachau 27.6.41.
5. Hirschfe). der Gerhard, Kaplan in Habeischwert: in Haft 1. 8. 41
in Glatz; in Dachau 27. 12. 41,
6. S c h m i d I Johann, Dr, theol,, Uni vers, -Lektor, Rel.-Prof. in Prag:
in Haft 6. 1, 41 in Prag; 20. 10. 41 in Theresienstadt; in Dachau
21.11.41. ^ .
7. S r a m e k, Vorsitzender der tschech. kath, Volkspartei,
8. Kovarik, O.S.B., Prag-S, Emaus.
38, Diözese Regensbu r g.
1. Rohrmaier Martin, Pfarrer in Kelheim: in Haft 10,10,41 in
Regensburg; in Dachau 13. 12. 4l.
2. Spieß. 1 Ludwig, Pfarrer.
38, Diözese Rottertburg,
1, Geiger Franz, Pfarrer in Kirchhausen.
39. Erzdiözese Salzburg.
1. Rieser Andreas, Kooperator in Stumm (Zillertal): in Haft 23.6.38
in Salzburg; 3, 8. 38 in Dachau; 27. 9. 39 in Buchenwalde; 6. 12. 40 in
Dachau.
2. Berchtold Alfred, Kaplan in Salzburg-St. Blasius: In Haft
« 13.5.38 in Graz; 2. 7.38 in Dachau; 27.9.39 in Buchenwalde; in
Dachau 8.12.40,
3. G r e d 1 e r Felix, Fürst-Erzb. Rat, Dechant und Pfarrer in Alten-
markt: in Haft 27.9,40 in Salzburg und Innsbruck; in Dachau
18, 8, 41,
345
4 Summereder Heinrich, Koop. in Mattsee: in Haft 28.10.38 in
Salzburg; 27. 1. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
5. Dirnberger Andreas, Kooperator in Goldegg: in Haft 3. 8. 39 in
Linz; Lager Rodgau (Hessen); Linz; in Dachau 30.3.41.
6. Sparber Walter, Kaplan in Goldegg: in Haft 7.9.39 in Salzburg;
19. 2, 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
40. Diözese St. Polten (Nieder-Donau).
1. Burger Anton, Kaplan in Steinakirchen a. Forst: in Haft 25.4.39
in St. Polten und Göllersdorf ; in Dachau 8. 2. 4L
2. S tan gl Josef, Pfarrer in Großau b. Raabs a. d. Thaya: in Haft
21.9.40 in Znaim; 12.11.40 in Wien; in Dachau 30.11.40.
41, Prälatur Schneidemühl (Pommern).
1. Binder Leo, Pfarrer in Großdammer, Kreis Mesenitz: in Hiaft
12.9.39 in Kottbus; 14.9.39 in Sachsenhausen; in Dachau 13.12.40.
2. V. S t y p - R e k k s k i (siehe Diözese Berlin).
3. G e i k e Richard, B'eneflziat in Kitzingen (Würzburg) (geb. in Mese-
ritz): in Haft 3.11.37 in Würzburg; 13.9.39 in Nürnberg; 11.8.41 in
Polizei-Feste; in Dachau 17.8.41.
42. Diözese S e c k ä u - Graz (Steiermark).
1. Allmer Johann, Pfarrer in Glashütten: in Haft etc. 1938 in Graz,
Gusen-Mauthausen ; in Dachau 1940; t Aschermittwoch 1941.
2. Lenz Johann, Mar. S. J. in Wien XXV, Missionskloster St. Gabriel:
in Haft 5.12.38 in Wien; 9.8.40 in Dachau; 10.8.40 in Gusen; in
Dachau 6. 12. 40.
3. Seewald Alexander, Pfarrer in Mürzsteig: in Haft 16. 1. 40 in
Graz; 22.4.40 in Dachau; 16.8.40 in Gusen; in Dachau 8.12.40.
4. HornauerP. Josef, Herz- Jesu-Missionar in Graz: in Haft 8. 11. 39
in Graz; 29,2.40 in Sachsenhausen; in Dachau 14.12.41.
5. Sin dl er Alois, Pfarrer in'Ranten: in Haft 12. 12. 38 in Leoben,
Graz; in Dachau 29.3.41.
43. Diözese Speyer.
1. Seitz Fritz, Pfarrer in Schallodenbach: in Haft 16. 3. 40 in Neu-
stadt/Weinstraße; 16.8.40 in Gusen; in Dachau 8.12.40.
2. Römer Heinz Robert, Kaplan in Ludwigshafen-St. Sebastian: in
Haft 20.12.40 in Neustadt/ Weinstraße; in Dachau 21.2.41.
3. C.aroli Wilhelm, Pfarrer a. D., Kottenheim: in Haft 14. 10!41 in
Koblenz; in Dachau 18.2.42.
44. Diözese Trier.
1. Zilliken Josef, Pfarrer in Wasenach: in Haft 27.5.40; in Dachau
13. 12. 40,
2. Schulz Johannes, Pfarrer in Nickenich üb. Andernach: in Haft
27. 5. 40 in Koblenz; 31. 7. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
3. Schlick er Peter, Kaplan in Niedermending: in Haft 9.1.41 in
Koblenz; in Dachau 7. 1. 42.
4. Schmitt Johann, Pfarrer in Niedaltdorf/Saar: in Haft 16. 3.<»40
in Berlin; 1. 8. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
5. Bettendorf.
6. Z i e g 1 e r Jakob, Pfarrer in Koöhem-Kondt: in Haft 8. 8. 41 in Kob-
lenz; in Dachau 12. 12. 4L
346 '
7. Neunzig Heinrich Josef, Pfarrer in Halver (Paderborn): in Haft
23.7.41 in Dortmund;. in Dachau 17.10.41.
8. Münch F. Maurus (Jakob), Benediktiner der Abtei St. Matthias
Trier: in Haft 18.11.40 in Trier; in Dachau 10.10.41.
9. E i s e F. Albert, Pallottiner in Schönstatt: in Haft 4. 8. 41 in Koblenz;
in Dachau 14. 11. 41.
10. Pfeil Hugo, Pfarrer in Humes/Saar: in Haft 20. 9. 39 in St. Wen-
del/Saar; in Dachau 14.12.40.
11. B e c h t e 1 Peter Josef, Pfarrer in Niedermedig: in Haft 9. 1. in Kob-
lenz; in Dachau 7. 2. 41.
12. K e n t e n i c h P., Pallottiner in Schönstatt.
45. Tschenstochau (Teil im Warthegau).
Viele in anderen Blocks.
i
, 46. Erzdiözese Wien.
1. Allmer Franz (OSB., Kapitular des Stiftes Admont), Pfarrer in
Paulfau: in Haft September 1938 in Graz, Oktober frei; August 1939
in Wien; September Buchenwalde; in Dachau 1940.
2. K a r a s Friedrich, Hausgeistlicher in Meyerling: in Haft 30. 6. 41
in Wien; August 1941 in Dachau, entlassen 24. 1. 42, gestorben im
Frühling 1942 auf Invalidentransport.
3. Trompeter P. Ernst, SDS., Katechet von Margarethen a. M.: in
Haft 8.9.41 in Wien; in Dachau 16.11.41.
47. Diözese Würzburg.
1. Weigend Konrad: Entlassen Januar 1942.
2. Eisenmann August, Pfarrer in Aisleben: in Haft 4. 7. 41 in Würz-
burg; in Dachau 29.8.41.
3. Hafner Georg, Pfarrer in Oberschwarzach: in Haft 31. 10. 41 in
Würzburg; in Dachau 12. 12. 41.
4. D ü m i g.
5. Heß P Johann (Salesius), Dr. phil., Benediktiner in Münster-
schwarzach: in Haft 31,5.41 in Würzburg; in Dachau 12.9.41.
48. Evangelische Geistliche.
1. Frischke Edmund, Pfarrer in Radom, Gen.-Gouvernement: in
Haft 21. 9. 39 in Radom; 21. 12. 39 in Sachsenhausen; in Dachau
14. 12. 40.
2. Wildfang Klaas, Pfarrer in Rysum bei Norden: in Haft 7.2.41
in Dachau; überstellt nach Hannover April 41, von dort entlassen
wegen Haftunfähigkeit infolge Schlaganfalls.
3. Gabriel Walter, Pfarrer in Halle/S., St. Laurentius: in Haft 9. 1. 41
in Halle/Saale; in Dachau 7. 2. 41.
4. Thurmann' Horst, Hilfsprediger in Euskirchen/Eifel: in Haft
11.3.40 in Bonn (Köln); in Dachau 2.6.41.
5. Berendt Ernst» Pfarrer in Baden-Baden: in Haft 21. 12. 40; in
Dachau 21.5.41.
6. Kaiser Walter, Pfarrer in Dresden: in Haft 26.3.41 in Dresden;
in Dachau 30.5.41.
7. Schief elbein Erich, Pfarrer in Troisdorf bei Köln: in Haft
15. 4. 41 in Aachen; in Dachau 30. 5. 41.
8. Sylten Werner, Pfarrer, in Berlin-Köpenik: in Haft 27.2.41; in
Dachau 30.5.41.
347
9. Zippel Friedrich, Pfarrer in Großgrebe bei Mühlhausen: in Haft
April 1941; in Dachau Juni 1941.
10. R e y e r Christian, Pfarrer in Stieglitz/Netz-Kreis: in Haft 28. 4. 41
in Schneidemühl; in Dachau 1. 7. 41.
11. Wagner Johannes, Pfarrer in Chemnitz: in Haft 12. 2. 41 in Chem-
nitz; 15.3.41 in Sachsenhausen; in Dachau 12.9.41.
12. Hoffmann Fritz,- Pfarrer in Wegensted: in Haft in Dachau
12.9.41; entlassen 12.3.42.
13. G r ü b e r Heinrich, Pfarrer in Berlin- Käulsdorf : in Haft 19. 12. 40
in Sachsenhausen; in Dachau 21. 12. 40.
14. G all in Ernst, Pfarrer in Falkenrehde: in- Haft 19.8.41 in Pots-
dam; in Dachau 21. 11. 41.
15. Theek Bruno, Pfarrer in Ludwigslust: in Haft 2.10.41; in Dachau
2. 1. 42.
16. Richter Paul, Pfarrer in WilsdrufE b. Dresden: in Haft 10 11.41;
in Dachau 27.3.42.
17. Husar, Pfarrer in — b. Chemnitz.
18. Niemöller Martin, Berlin-Dahlem (über 7 Jahre!).
Begleitschreiben von P. Petrus Mangold (t) zu vorstehender Liste:
Reverendissimo Conventui O.F.M. Monacensi
R, i. Ch. o Pater Guardian!
Has quatuor thecas tibi tradendas curavi, simul petens, ut eas asser-
ves, et SUD tempore tradas ei, qui contentum in thecis recte describit.
Ceteroquin, Reverende Pater, humiliter peto Tuas orationes pro
me meisque confratribus sacerdotio ddnatis et libertate privatis, ut
digne id agamus quod Deus a nobis postulat et B. M. Virgine inter-
cedente sanos nos conservet et libero servitio Christi reddat.
Pro te quoque tuoque conventu orans salutat Te in Domino unus
ex 225 sacerdotibue Germanicis Dachoviae captis.
P.P.
De ceteris Rev. mo Patri Michaeli Archiepiscopo et per eum Ap.
Nuntio de prohibitione sacrificii missae, solatii nostri per organas in-
feriores his in castris et de translatione circa 100 sacerdotum poloni-
corum in locum incognitum ut „invalidorum" id est fame et labore
defatigatorum fere carte moribundorum nece turpissima euthanasiae
notitiam praestare petimus. Grate etiam pro nobis sine intermissione
quia etiam duo ex nostro sie dicto „Block" idem perpessi sint et fames
instat.
In corde Jesu et Mariae salutat vos
quidam.
(Übersetzung des Vorstehenden.)
An den Hochwürdigsten Franziskaner-Konvent in München.
In Christo verehrtester Pater Guardian!
Ich ließ Dir beiliegend 4 Kuverts übergeben mit der Bitte, sie auf-
zubewahren und zu gegebener Zeit dem auszuhändigen, der den Inhalt
dieses Kuverts richtig angibt.
Im übrigen bitte ich Dich, Ehrwürdiger Vater, demütig um Dein
Gebet für mich und meine priesterlichen Mitbrüder, die der Freiheit
beraubt sind, damit Wir würdig den Willen Gottes erfüllen und er uns
durch die Fürbitte der seligen Jungfrau Maria gesund erhalte und dem
freien Dienste für Christus zurückgebe.
348
, Auch für Dich und Dekie Ordensgemeiftde betend, grüßt Dich im
Hefrn einer und 225 deutsche Priester, die in Dachau gefangen sind.
'P.P. Im übrigen bitten wir, dem Hochwürdigsten Herrn Erzbischof
Michael und durch ihn dem Apostolischen Nuntius Nachricht zu geben
über die Einstellung des heiligen Meßopfers, unseres Trostes, durch
untergeordnete Organe dieses Lagers und über die Verlegung von zirka
100 polnischen Priestern an einen unbekannten Ort: Es sind Invalide,
d. h. durch Hunger und Mühsal Erschöpfte, die wohl sicher durch die
schändliche Euthanasie werden sterben müssen. Betet auch ohne Unter-
laß für uns, weil auch 2 aus unserm (deutschen) Block schon dasselbe
erlitten haben und der Hunger vor der Türe steht.
Im Herzen Jesu und Maria grüßt Euch
3. Eine Gesamtschau:
einer.
Für 15, März 1945 werden an katholischen Priestern im Kz. Dachau
insgesamt genannt:
1493
Davon waren aus 144 Diözesen und 25 Nationen:
Deutsche . . .
Polen rund . .
Franzosen . . .
Tschecho-
slowaken . .
Österreicher .
261 Holländer . . .
791 Belgier ....
122 Italiener . . .
Jugoslawen . .
73 Volksdeutsche
64 Luxemburger . t
38 Ungarn . . .
34 Schweizer
29 Engländer .
19 Amerikaner
19 Russen . . .
8 Verschiedene
Kirchlicher Rang der geistlichen Häftlinge:
Erzbischof .... 1
Archimandriten 2
Bischof 1
Äbte 2
Generalvikare * 2
Prälaten
Domherren . . .
Universitäts-
professdren . . 11
Ordensprovinziale 3
Pfarrer 482
4 Kapläne ....
11 Religionslehrer
Militärpfarrer
Ordensleute .
ohne Angabe .
4
2
1
1
1
30
342
176
30
328
98
Der Zahl nach waren besonders stark folgende Diözesen vertreten:
Münster 24 Freiburg i. Br. . 17 Mainz 13
Linz 1 22 Breslau 17 Limburg 13
Trier * 14
Jesuiten .
Pallottiner
Ordensleute:
26 Benediktiner . . 17 Karmeliter ... 10
18 Franziskaner . » 11 aus versch. Orden 246
4. Ein Blick des Heiligen Vaters
„Je mehr sich tatsächlich die Schleier lüften, die bisher den schmerz-
vollen Leidensweg der Kirche unter der nationalsozialistischen Herr-
schaft verdeckten, um so mehr offenbart sich die oft bis zum Tode un-
verbrüchliche Festigkeit ungezählter Katholiken und der ruhmvolle An-
teil, den in diesem edlen Wettkampf der Klerus gehabt hat. Wiewohl
Wir noch nicht im Besitz erschöpfender statistischer Angaben sind, kön-
nen Wir doch nicht umhin, die eine oder andere Mitteilung zu machen;
sie sind Uns reichlich zugegangen von Priestern und Laien, die als Inter-
nierte im Lager Dachau gewürdigt wurden, um des Namens Jesu willen
Schmach zu dulden (Apg. 5, 41).
An erster Stelle stehen der Zahl und harten Behandlung nach die
polnischen Priester. Von 1940 bis 1945 wurden in dem angegebenen Lager
2800 Geistliche und Ordensleute jener Nationalität gefangengesetzt, unter
349
ihnen der Weihbischof von Wloclawek, der dort ah Typhus gestorben ist.
Im vergangenen April waren davon nur noch 816 übrig, während alle
anderen gestorben sind jnit Ausnahme von 2 oder 3 in andere Lager
überführten. Für Sommer 1942 wurden als dort eingebrachte 480 Kult-
diener deutscher Zunge ausgegeben, von denen 45 Protestanten und alle
anderen 'katholische Priester waren. Trotz des ständigen Zugangs von
neuen Internierten, besonders, aus einigen Diözesen Bayerns, des Rhein-
lands und Westfalens, w;ar ihre Zahl infolge der starken Sterblichkeit zu
Beginn dieses Jahres nicht über 350. Es können auch nicht mit Still-
schweigen die Geistlichen übergangen werden, die den besetzten Ländern
angehören: Holland, Belgien, Frankreich (unter den französischen Prie-
stern der Bischof von Clermont), Luxemburg, Slowenien, Italien, Viele
von diesen Priestern und Laien haben um ihres Glaubens willen unsäg-
liche Leiden erduldet. In einem Fall ging der Haß der Gottlosen gegen
Christus so weit, daß sie an einem internierten Priester mit Stacheldraht
die Geißelung und Dornenkrönung unseres Herrn nachäfften.
Die hochherzigen Menschen, die zwölf Jahre hindurch, von 1933 an,
in Deutschland für Christus und seine Kirche das Opfer des persönlichen
Besitzes, der persönlichen Freiheit und des eigenen Lebens gebracht
haben, erheben zur Sühne ihre Hände zu Gott, Möge der gerechte
Richter sie annehmen zur Wiedergutmachung so vieler Verbrechen, die
gleicherweise gegen die Menschheit wie zum Schaden der Gegenwart
und Zukunft des eigenen Volkes, besonders seiner unglücklichen Jugend
begangen wurden, und möge auf sein Geheiß hin der Würgengel endlich
den Arm sinken lassen."
6. Antichrists Wüten
gegen eine Hochburg katholischen Glaubens und Lebens.
Um den Umfang dieser Darstellung nicht gar zu groß werden
zu lassen, mußte davon Abstand genommen werden, in ausführlicher
Weise auch kirchlich-religiösen Ausvrirkungen des Nationalsozialis-
mus außerhalb des Altreiches nachzugehen. Es konnte
nur hin und wieder ein flüchtiger Seitenblick über die Grenze
geworfen werden.
Nun aber seien zwei Dokumente wiedergegeben, die geeignet
erscheinen, in aller Kürze, aber auch in voller Klarheit eine Gesamt-
schau auf ein nahes, heiß umstrittenes Kampffeld zu gewinnen und
tief zu beeindrucken.
„Imheil'genLandTirol",
Virie der Volksmund es so gern nennt (vgl. „Andreas-Hofer-Lied"),
wütete Antichrist mit besonderer Gehässigkeit und Eile. Es ist, als
ob man dort im Sturm nachholen wollte, was man im Altreich
während der vorausgegangenen fünf Jahre Schritt für Schritt an
Boden gewonnen hatte.
Partei und Gestapo hatten nun schon eine gewisse Erfah-
rung im Kirchenkampf. Und dann war man auch schon im vollen
Besitz der Macht, brauchte nicht mehr Rücksicht auf weite Kreise
des Volkes, auf Papst usw. zu nehmen, war auch nicht gebunden
durch irgendwelche Konkordatsfesseln. Das öster-
reichische Konkordat galt für die neuen Herren nicht, da es
350
von der „reaktionären Regierung abgeschlossen war; das Reichs-
konkordat verpflichtete nicht gegenüber Österreich, weil es zu
eineir Zeit zustandegekommen, da die „Ostmark" noch nicht zum
Reich gehörte. Und schließlich war der Absperriegel um
„Großdeutschland" so verstärkt worden, daß das Ausland wenig
von dem erfahren konnte, was da zwischen den Bergen von Tirol
geschah.
Es ist ein Bild von erschütternder Tragik, aber auch von denk-
würdiger Treue, was zwei offizielle kirchliche Denkschriften aufzeigen.
Bischof Rusch, Innsbruck, berichtet;
(Auszug)
I.
Übersicht. .
I. Schließung von Kirchen und Kapellen
Geschlossen sind:
1. Konsekrierte Kirchen .*..... 5
2. Kapellen 24
Davon entfallen auf Innsbruck allein
konsekrierte Kirchen 4
Kapellen •..,-. s 10
IL Maßnahmen gegen den Klerus
l.'In Anhaltelagern sind Priester s . . . * -. 3
2. Interniert wurden
a) Seelsorgspriester ....,....•.- 40
b) Ordensangehörige 15
3. Ausdrückliches Schulverbot haben Seelsorgspriester ... 48
4. Keine Erlaubnis zur Erteilung des Religionsunterrichtes
haben zirka 100 Priester
5. Die staatliche Beihilfe wurde entzogen 93 Priestern
III. Maß>n ahmen auf dem Gebiet der Schule
1. Schulen ohne Religionsunterricht sind 52
2. Katholische Schulen: geschlossen wurden
a) Theologische Fakultät 1
b) Mittelschulen . 8
c) Haupt-, Volks- und Ünterschulen 20
d) Von Ordensschwestern betreute Kindergärten .... 35
e) Von Ordensschwestern geleitete Nähschulen . . . . . • 12
76
3. Die Zahl der geschlossenen katholischen Konvikte und
Erziehungsanstalten beträgt 18
4. Die Zahl der katholischen Ordenspersonen, welche vom
Schuldienst entlassen resp. pensioniert wurden, ist . . . 215
IV. Orden und Klöster
1. Durch verschiedene Maßnahmen wurden Klöster und
Ordensniederlassungen aufgehoben 7
2. Für nichtkirchliche Zwecke wurden verwendet, und zwar:
a) für Militärzwecke 9
b) für Hilfspolizei . 1
c) für Militärlazarette 2
d) für Schulzwecke 7
V. Aufgelöste Stiftungen 5
351
VI. AufgelösteVereinc
1. Gesellenvereine 8
davon hatten Häuser 5
2. Katholische Arbeitervereine 37
davon hatten Häuser 5
3. Katholischer Arbeiterinnenverein 1
4. Beschlagnahmte und eingewiesene Kinder- u. Jugendheime 11
5. Eingewiesene Ferienheime 5
6. Aufgelöste Hochschulkorporationen 9
VII. Maßnahmen auf dem Gebiete der katholischen
Caritas
1. Aufgelöster Caritasverband 1
2. Aufgelöste Vinzenzvereine 16
3. Aufgelöste Elisabethenvereine 2
4. Aufgelöster Krankenfürsorgeverein .' . . 1
VIII. Maßnahmen auf dem Gebiet des religiösen
Schrifttums und der. Presse
1. Aufgelöste katholische Pfarr- und Vereinsbüchereien . . 150
2. Zahl der nicht mehr erscheinenden religiösen Zeitschriften 8
Ihre Auflage beträgt über . 100 000
3. Es erscheint nicht mehr das katholische Tägblatt .
und das katholische Wochenblatt mit einer Auf-
lage von zirka . . . ... . . •. . . . . . 20000
4. Katholische Verlagsaristälten wurden umgebildet .... 2
Ein paar Einzelangaben zu vorstehender Übersicht:
Die geschlossenen konsekrierten Kirchen sind : In
Innsbruck die Stiftskirche in Wilten, die Servitenkirche in der Maria-
Theresien-Straße, die Hofkirche am Renn weg, die Kirche im theologi-
schen Konvikt, jene im Canisianuitn und in Martinsbühel bei Zirl die
dortige Kirche.
Auf gehobene Orden und Klöster:
Das Stift Stams durch Maßnahmen der Geh. Staatspolizei, das Ser-
vitehkloster in Innsbruck durch Einweisung an das Land Tirol, das Stift
Wilten durch einen Kaufvertrag mit dem Land Tirol, welcher der Lei-
tung des Stiftes Wilten nahgelegt wurde, das Jesuitenkollegium in Inns-
bruck mit dem dazugehörigen Zenzenhof durch Einweisung an das
Iiand Tirol, die Benediktinerniederlassung in Volders durch Einweisung,
die Benediktinerniederlassung in Innsbruck durch Verkauf an eine Ge-
sellschaft, die Benediktinerniederlässung in Martinsbühel durch Ein-
weisung an das Land Tirol.
Auf gelöste Stiftungen :
Auf Grund der Verfügungen des Stillhaltekommissars für Vereine,
Organisationen und Verbände wurden alle nichtkirchlichen
Stiftungen aufgelöst oder mit Abänderung der Stiftungssatzungen
an Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder Gliederungen der Par-
tei eingewiesen.
Aufgelöste Vereine:
1. Von der Geheimen Staatspolizei wurden sämtliche katholische
Ges'elleny er eine in Tirol aufgelöst. Im Bereich der Apostolischen
Administratur gilt dies für die Gesellenvereine in Innsbruck, Hall,
Schwaz, ötz, Landeck, Wattens, Reutte, Lienz. Die Vereine in Inns-
bruck, Hall, Schwaz, ötz und Lienz hatten Immobilienbesitz im Werte
von RM. 25a 000.— .
352
2. Die katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenver-
e i n e wurden vom Stillhaliekommissar für Vereine, Organisationen und
Verbände aufgelöst und die Vermögenswerte der Deutschen Arbeits-
front eingewiesen.
3. Die katholischen Jugendvereine hatten nicht selten in
einem Verein, wie es z. B. der Verein „Jugendhilfe" ist, ihren wirt-
schaftlichen und finanziellen Stützpunkt. Der Verein „Jugendhilfe"
bestand in Innsbruck, dem das Jugendheim in Innsbruck-St. Nikolaus,
das Ferienheim in Mutters und ein Grundbesitz im Ausmaß von 6000 m-
gehörte, außerdem in Jenbach (Hausbesitz), in Ehrwald (Hausbesitz) und
in Inzing (Hausbesitz). Die Vermögenswerte wurden vielfach der NSV
oder anderen Gliederungen der Partei eingewiesen. Dazu kommen noch
verschiedene Jugendheime, die zunächst beschlagnahmt und später ein-
gewiesen wurden, und zwar: das Jugendheim in Innsbruck-Pradl mit
Haus-, Grund- und Waldbesitz, das Burschenvereinshaus in Rum mit
Heimbesitz, das Jugendheim zum „Riesen Haymon" in Innsbruck-
Wilten, das Pfadflnderheim in Lienz (Heimbesitz). Ferner sind die Ver-
mögenswerte des Bundes der. Jungtircier mit den Ferienheimen am
Achensee, Haiming, Tarrenz und Absam eingewiesen worden, ebenso der
große Besitz des Seraphischen Liebeswerkes in Fügen und des Vereines
der katholischen Kinderfreunde in Martinsbühel und Volders.
Aufgelöst ^'urden schließlich sämtliche katholische Hochschulkor-
porationen, von denen die Austria und Leopoldina Hausbesitz hatten.^
Vn. Maßnahmen auf dem Gebiete der caritativen
Einrichtungen
.1. Der Tiroler'Caritasverband wurde auf Grund einer
Verfügung des StillhalteKommissars vom 30. November 1939 aufgelöst
und die Vermögenswfcrle in die NSV eingewiesen. Der Caritasverband
besaß in Innsbruck ein Haus in der Erlerstraße im Werte von über
RM 80 000. — ; ein Haus in St. Johann in Tirol im Werte von zirka
20—30 000.— RM. und das Heim der Unheilbaren in Girlan in Südtirol,
welcher Besitz mit einer Million Lire zu bewerten ist.
2. Sämtliche Vihzenzvereine und Vinzenzkonfe-
r e n z e n sowie die Elisabethenvereine wurden gleichfalls
über behördliche Anordnung aufgelöst und deren Vermögenswerte Glie-
derungen der Bewegung eingewiesen.
II. 1940.
I.Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kirche
und Staat
Der neueste Erlaß der Geheimen Staatspolizei Innsbruck vom 2. De-
zember d. J. (= 1940) hat folgenden Wortlaut: Jede Tätigkeit von
Pfarrjugend und Jugendkongregationen ist verboten. Unter die Pfarr-
jugendtätigkeit fällt jede religiöse Betreuungvon Jiigend-
lichenunter 18 Jahren beiderlei Geschlechts mit Ausnahme:
1. des zugelassenen Religionsunterrichtes in der Schule, 2. des Firm-
unterrichtes für die Firmlinge, 3. der Teilnahme an den normalen Got-
tesdiensten der Erwachsenen. Es fallen unter das Verbot insbesondere:
alle Glaubensstunden, Gebets-, Sing- und Andachtsstun-
den, .Einkehrübungen, Exerzitien usw.
Die Tätigkeit der Ministranten fällt nicht unter das Verbot. In-
dessen sind die in den letzten beiden Jahren zum Teil außerordentlich
stark angewachsenen Ministrantentgruppen auf den Stand vom Februar
1938 zurückzuführen.
Das Pfarrjugend- und Jugendkongregationsverbot darf vom Klerus
in keiner Weise öffentlich verkündet oder behandelt werden, insbe-
Kreuz und Hakenkreuz 2'.5 oco
sondere nicht von der Kanzel. Es ist vielmehr den in Frage kommen-
den Jugendlichen mündlich in sachlicher Form zu eröffnen.
Der Stichtag für das Verbot ist der 5. Dezember und für die Mini-
' stranten der 1. Januar 1941. Eine Umgehung durch die Geistlichkeit
oder die Laienhelfer wird bestraft.
Die B edeutung dieser Verordnung
liegt darin, daß nunmehr erstmals Seelsorge und innerkirchliches Leben
gegen alle vorausgehenden Zusagen unter ein staatliches Verbot gestellt
werden. Im besonderen ist darauf hinzuweisen, daß durch diese Ver-
ordnung nicht nur, wie es scheinen möchte, die Jugendseelsorge
betroffen wird, sondern auch die Kinderseelsorge: Wie in per-
sönlicher Besprechung avvf der Staatspolizei Innsbruclc ausdrücklich
gesagt wurde, sind auch die Kinderseelsorgestunden und der Erstkom-
munionunterricht außerhalb der Schule verboten. Hierzu ist noch zu
berücksichtigen, daß in zahlreichen Schulen überhaupt kein Reli-
gionsunterricht stattfindet und dort, wo er noch stattfindet, doch
nur ein reines Lernfach darstellt, vom Katecheten selbst aber die
Verbindung zwischen Religionsunterricht und religiösem Leben des
Kindes laut neuesten Anordnungen niclit mehr hergestellt werden darf.
Das Verbot stellt somit einen erschütternden Schlußpunkt einer Ent-
wicklung dar, die bereits früher eingeleitet wurde.
D lese Entwicklung
verlief in folgenden Abschnitten: Zunächst wurde das religiöse Leben
auf den kirchlichen Raum beschränkt, zahlreiche Prozessionen wtirden
verboten, geistliche Schulen und Lehranstalten wurden aufgehoben,
viele Priester erhielten Schulverbot, die Stundenzahl des Religionsunter-
richtes wurde in vielen Klassen auf eine Wochenstunde herabgesetzt,
die oberen Klassen der höheren Lehranstalten sowie die Berufsschulen
haben überhaupt keinen Religionsunterricht mehr, in zahlreichen
Schulen wurden die Kreuze entfernt. Eine besondere Beachtung ver-
^ ^ das Schicksal des Priesterseminars,
das zunächst in Innsbruck war. Das Gebäude des Priesterseminars
wurde nämliqh staatlich angefordert, das nach erfolgter Anforderung
neu geschaffene Priesterseminar in Volders bei Innsbruck wurde ebenso
von staatlichen Stellen besetzt, das 3. wiederum geschafiiene Priester-
seminar in Matrei bei Innsbruck für den Arbeitsdienst angefordert,
nach Abzug des Arbeitsdienstes jedoch beschlagnahmt. Hiezu wurde'
unter der Hand bekanntgegeben, daß ein Priesterseminar im Gau Tirol-
Vorarlberg nicht geduldet werde.
Es folgte sodann '
eine große Verhaftungswelle,
so daß die Gesamtzahl der seit März 1938 inhaftierten Priester nunmehr
sich auf rund 110 beläuft. Gründe für die Verhaftung waren folgende:
Übertreten des Kanzelparagraphen (z. B. ein Priester sagte in der Pre-
digt: das Erwecken der vollkommenen Reue sei besonders für den
Soldaten sehr wertvoll, der ja in plötzliche Todesgefahr kommen könne,
so etwa bei der Torpedierung eines Schiffes. Wegen dieses auf der
Kanzel gesagten Satzes wurde er in Haft genommen, weil das Beispiel
eine Beunruliigung der Bevölkerung darstelle.) Übertreten des Sammel-
verbots (z. B. wenn Gläubige dem Priester zum Zweck einer Kirchen-
renovation Geld in das Pfarrhaus brachten). Nichteinhalten
der Jugendschutzverordnung (z. B. wurde ein Priester verhaftet, der
Jugendliche von einer Glaubensstunde bei Anbruch der Dämme-
rung entließ). Abhalten von Gottesdiensten an abgeschafften Feier-
tagen (z. B. wurde ein Priester in Haft genommen, der am Fronleich-
354
namstag nach 8 Uhr einen Gottesdienst abhielt). Weitere Verhaftungs-
gründe waren, allgemein gesagt, das Nichteinhalten von staatlichen Vor-
schriften, die aber im Grenzgebiet zwischen Kirche und Staat sehr rigo-
ros ausgelegt wurden. So wurde ein Priester in Haft genommen, der
ein katholisches Mädchen darauf hinwies, daß eine mit einem geschiede-
nen Manne eingegangene Ehe nicht gültig sei. Diesen Priester ereilte
die Strafsentenz auf Konzentrationslager, von wo er nicht mehr zurück-
kehrte. Es erübi-igt sich zu sagen, daß manche Verhaftungsfälle ihren
Grund in einem Vergehen des Priesters hatten, z. B. in einer im Unmut
gemachten unfreundlichen Aussage gegen den Staat.
Es erfolgte sodann
die Auflösung von zahlreichen religiösen Vereini-
gungen,
so u. a. auch des Caritasverbandes, deren Vermögen jeweils beschlag-
nahmt wurde. Und zugleich setzte die Beschlagnahmung von Klöstern
und Stiften ein, welche Beschlagnahmung sich besonders in der Zeit '
des Krieges fortgesetzt und vermehrt hat. Eine ganz besondere Härte
stellt dabei folgender Umstand dar: Von den im Kriege beschlagnahm-
ten Klöstern waren jeweilen mehrere oder auch viele Mitglieder unter
den Waffen und an der Front. So z. B. befanden sich von dem im Sep-
tember 1940 aufgelösten Kapuzinerkioster in Innsbruck 22 Angehöi'ige
'an der Front. Grund der Auflösung des letztgenannten Klosters war
die Verhaftung eines Ordenspriesters, der jedoch 3 Tage nach Beschlag-
nahme des Klosters vom Gericht wieder freigegeben v/urde mit der
Begründung, daß ein besonderer Verhaftungsgrund nicht vorlie|5e. Im
Zusammenhang mit dieser Aufhebung der Klöster steht auch die
Schließung mehrerer Seelsorgskirchen. So wurden in Innsbruck allein
6 öffentliche Kirchen, die vom Volk sehr zahlreich besucht waren, ge-
schlossen.
Als vorläufiger Abschluß im Gefolge all dieser Maßnahmen erfolgte
nun das Verbot der Seelsorge selbst,- und zwar der Seelsorge an der
jungen Generation.
2. Wirkung auf die Bevölkerung
Sogleich nach der Eingliederung Österreichs in Deutschland war
die Stimmung in der Bevölkerung äußerst gut zu nennen. Der dama-
lige Leiter der Geheimen Staatspolizei in Innsbruck bestätigte uns dies.
Als jedoch das Prozessionsverbot erfolgte und die Entfernung der
Kreuze in vielen Schulen, wandelte sich allmählich das Stimmungsbild.
In mehreren Orten Tirols wurde ein Schulstreik inszeniert, d. h.
die Eltern erklärten, daß die Kinder nicht in die Schule kämen, solange
das- Kreuz entfernt bleibe. Auf diese Schulverweigerung hin erfolgten
strenge staatspolizeiliche Maßnahmen. Die Bevölkerung selbst sah in
Zukunft bei Schwierigkeiten von solchen Gehorsamsverweigerungen ab, ,
sie zeigte jedoch durch Abordnungen, die bei den verschiedenen
Regierungsstellen vorsprachen, lebhaft ihren Unwillen über
solche und ähnliche Anordnungen. Besonders lag der Bevölkerung die
Abhaltung des Religionsunterrichtes durch den Priester sehr am Her-
zen. Zahlreiche Bittschriften und Vorsprachen bei Regierungs-
stellen geben hievon Zeugnis. Wie dann noch die Verhaftungswelle
einsetzte, war die Stimmung bei der Bevölkerung so geworden, daß die
Angelegenheit zu einer offenen Aussprache bei der Staatspolizei in
Innsbruck führte. Wiederum gab der damalige Leiter der Staatspolizei
den Vertretern der Bischöflichen Behörde darin recht, daß die anfäng-
lich gute Stimmung der Bevölkerung durch die inzwischen vorgenom-
menen Maßnahmen verschiedener Regierungsstellen, nicht aber durch
die Schuld der Kirche, sich so verschlechtert habe. Einen ganz beson-
deren Eindruck machte auf die Bevölkerung die Verfolgung dea
355
P r i e s t e r s e m i n a r s. Die Landbevölkerung hängt nämlich sehr
stark an den zukünftigen Priestern, so daß sie sehr bitter davon getrof-
fen ist, daß ein Priesterstudent nicht mehr im eigenen Land sich dem
Studium widmen l^ann, sondern in einen anderen Gau gehen muß, um
studieren zu können.
Die weitgelaende Beschränkung religiöser Feiertage
hatte eine weitere Verschlechterung des Zustandsbildes im Gefolge.
Zahlreiche Kinder erschienen an solchen aufgehobenen Feiertagen nicht
in der Schule. Als dann an diesen Tagen auch die Abhaltung des Fest-
gottesdienstes um 8 Uhr oder später verboten wurde, erweckte das ein
überaus großes Befremden. Die Landbevölkerung arbeitete an diesen
Tagen nicht.
In der gleichen Richtung wirkte
dieAufhebungvonKlöstern.
Verschiedene Orden sind besonders bei der Landbevölkerung sehr be-
liebt. Ein Zeichen für diese Wirkung ist z. B. folgendes: Verschiedene
Tiroler Schützen weigerten sich zu dem sonst in Tirol sehr beliebten
Landesschießen zu gehen, nachdem die Aufhebung des Kapuziner-
klosters bekannt wurde.
Ungesucht und unverlangt erhalte ich als Bischof entweder brief-
lich oder mündlich z.B. auf Firmungsreisen zahlreiche Nachrichten, die
einen Einblick in diese Stimmung der Bevölkerung geben. Hiefür fol-
gen nun einige Zeugnisse. Ein Bauer sagte: „In dieser Zeit, wo man
uns Tirolern den Glauben nehmen v/ill, möchte ich am liebsten nicht
mehr leben." Eine Mutter, die früher sehr für den Anschluß an Deutsch-
land gearbeitet hatte, sagte: „Wenn ich diese Bekämpfung der Religion
vorausgewußt hätte, wäre ich nie für den Anschluß gewesen." Ein
Familienvater: „Wir haben kein Vertrauen mehr, weil die uns gegebe-
nen Ver.sprechungen nicht eingehalten wurden."
In Hötting bei Innsbruck wurde durch den Streifendienst der HJ
ein Gottesdienst gestört und mußte abgebrochen werden, und zwar han-
delte es sich um eine Totengedenkstunde. Die Bevölkerung war dar-
über sehr empört und beschwerte sich auch bei der Staatspolizei Inns-
bruck. Der Pfarrer, der den Gottesdienst notgedrungen hatte abbrechen
müssen, wurde jedoch von der gleichen Staatspolizei zur Verantwor-
tung gezogen und bestraft, weil er Aufsehen bei der Bevöl-
kerung gemacht habe. Im Sommer 1939 wurden katholische
Jugendliche beim Nachhausegehen von einer Feierstunde in der Kirche
von der H.J tätlich angefallen und mit Faustschlägen und Fußtritten
traktiert. Das war für die Bevölkerung das Zeichen, daß sie offen von
einer Verfolgung der Kirche zu sprechen begann. Und wer nun die
Wirkung des neuen staatspolizeilichen Verbotes, wonach die Jugend-
stunden abgebrochen werden müssen, auf die Jugendlichen selbst sah
und ihre todtraurigen Gesichter beim Nachhausegehen beobachten
konnte, der weiß ganz genau, wie zerstörend dieser Erlaß bei den jun-
gen Menschen gewirkt hat, die demnächst zum Heeresdienst einbei*ufen
werden sollten.
Damit komme ich auf die wehrpsychologische Wirkung
dieser Maßnahmen zu sprechen: Ein junger Offizier schrieb von
Norwegen; „Bewahren Sie uns in der Zeit, in der wir für Deutschland
kämpfen, das Heiligste, was wir in der Heimat haben, nämlich den
katholischen Glauben." Als er dann zum Urlaub zurückkam und die
Zustände sehen mußte — es' war damals gerade der Generalvikar, der
den Text der Todesanzeige für den im Konzentrationslager verstorbenen
Priester mitverfaßt hatte, ins Konzentrationslager gebracht worden — ,
war er tief erschüttert. Er sagte, er könne nun nicht mehr mit der
gleichen Kraft kämpfen -wie früher. Oft kommen briefliche Anfragen
356
von der Front zu mir, wie es zu Hause der Kirche ergehe. Daraus
ersehe ich die Sorge der Frontkämpfer für das kirchenpolitische Ge-
schehen in der Heimat. Wenn alle diese in Urlaub kommen, erfahren sie
immer wieder von neuen Verboten, neuen Kirchenschließungen und Be-
schiagnahmungen von Klöstern. Sie alle gehen freudlos wieder an die
Front hinaus.
Zwei im Soldatendienst stehende Mitglieder des Kapuzinerordens
kamen wenige Tage nach Aufhebung des betreffenden Klosters in Ur-
laub. Wie sie glaubten, sie seien nun zu Hause angekommen und an
der Klosterpforte läuteten, mußten sie erfahren, daß sie kein Zuhause
mehr hatten. Während sie an der Front ihr Leben für ihr Land ein-
setzten, war ihnen ihre Heimat weggenommen worden. Und wenn nun-
mehr an der Front stehende Familienväter von den Müttern zu Hause
erfahren müssen, daß es ihren Kindern verboten worden sei, einer Seel-
sorgestunde in der Kirche beizuwohnen, dann vermag ich die Wirkung
dieser Nachricht wohl noch nicht abzuschätzen, aber positiv kann sie
nicht sein.
Gerade hierzu möchte ich folgendes bemerken: Einer unserer Prie-
ster wurde zu Ostern dieses Jahres in Haft genommen, weil er in einem
Brief an die Front mitgeteilt hatte, daß die in diesem Orte bisher
übliche feierliche Fronleichnanasprozession verboten worden sei. Es wurde
ihm vorgeworfen, daß diese Nachricht einen wehrzersetzen-
den Einfluß habe. Ich habe mir daraufhin erlaubt, bei der Staats-
polizei folgende Gegenvorstellung zu erheben: Von Ihnen gehen zahl-
reiche Verbote aus, die die freie Religionsübung beschränken. Diese
Verbote, deren Kundwerden also eine wehrzersetzende Stimmung im
Gefolge haben, werden durch die Urlauber an der Front im Nachhinein
doch immer bekannt. Wenn nun der Priester, der die Nachricht an die
Front gegeben hat, Strafe verdient, wie ist dann die ganze Sache für Sie
selbst zu bewerten, die Sie doch nicht nur eine Nachricht hinausgeben,
sondern das Verbot selbst erlassen haben? Darauf erhielt ich keine
Antwort.
In dem neuesten Erlaß des Seelsorgeverbotes an Jugend und
Kindern werden nunmehr sogar die Verfassungsgrund-
gesetze des Deutschen Reiches, nach denen freie Religionsübung
vorgesehen ist, in ihrem innersten Wesen getroffen. Im Dienste der
Volksgemeinschaft selbst kann ich hierzu nicht schweigen. Denn
die Volksgemeinschaft wird ebenso in ihrem Wesen getroffen, wenn
ihre Grundgesetze keinen Bestand mehr haben. Und je mehr ich
die Gefährdung der Stimmung unserer Frontkämpfer erkenne,
• desto weniger kann ich hierzu schweigen im Dienst eben der
gleichen Volksgemeinschaft in der Zeit des Krieges. In diesem
Sinne bitte ich die vorausgehende Darlegung zu verstehen.
D. Antichrists Geheimwaffeiischmieden.
Nur wie durch ein Schlüsselloch können wir vorläufig in die
Werkstätten schauen, in denen der Nationalsozialismus seine ge-
heimen Waffen für den Kampf gegen das Christentum und die
Kirchen schmiedete. Einiges zeigte sich davon schon im Voraus-
gehenden. Ein paar Schlaglichter leuchten auf aus den zwei folgen-
den Dokumenten:
357
1. Eine Geheimanweisung des Reichsleiters Bormann,
des Nachfolgers von Rudolf H e ß in der Parteileitung, ein Rund-
schreiben an Gauleiter und Reichsstatthalter im Herbst 1941:
„BetrelT: Verhältnis von Nationalsozialismus und
Christentum
Nationalsozialistische und christliche Auf-
fassungen sind unvereinbar. Die christlichen
Kirchen bauen auf der Unwissenheit der Men-
schen auf und sind bemüht, die Unwissenheit möglichst weiter
Teile der Bevölkerung zu erhalten; denn nur so können die christ-
lichen Kirchen ihre Macht loewahren.
Demgegenüber beruht der Nationalsozialismus auf
wissenschaftlichen Fundamenten. Das Christentum hat
unveränderliche Grundsätze, .die vor fast 2000 Jahren gesetzt
und immer mehr zu wirklichkeitsfremden Dogmen erstarrt sind. Der
Nationalsozialismus dagegen muß, wenn er seine Aufgabe auch weiter-
hin erfüllen soll, stets nach den neuesten Erkenntnissen der
wissenschaftlichen Forschung ausgerichtet werden.
Die christlichen Kirchen haben die Gefahren, die ihrem Bestand
durch die exakten wissenschaftlichen Erkenntnisse drohen, seit jeher
erkannt und sich daher bemüht, durch eine Scheinwissenschaft, wie es
die Theologie ist, die wissenschaftliche Forschung durch ihr Dogma zu
unterdrücken oder z^i verfälschen. Unser nationales Weltbild aber steht
weit höher als die Auffassungen des Christentums, die in ihren wesent-
lichen Punkten vom Judentum übernommen worden sind. Auch aus
diesem Grunde bedürfen wir des Christentums nicht.
Kein Mensch würde etwas vom Christentum wissen, wenn es ihm
nicht in seiner Kindheit von den Pfarrern eingetrichtert worden wäre.
Der sogenannte liebe Gott gibt das Wissen von seinem Dasein den jungen
Menschen keineswegs von vornherein mit auf den Weg, sondern über-
läßt dies trotz seiner Allmacht erstaunlicherweise den Bemühungen der
Pfarrer. Wenn also unsere Jugend künftig einmal von diesem Chri-
stentum, dessenLehren weit unter den unsern st eh e n ,
nichts mehr erfährt, wird das Christentum von selbst verschwinden.
Verwunderlich ist auch, daß den Menschen vor Beginn der heutigen
Zeitrechnung nichts von diesem Christengott bekannt war und daß auch
seit diesem Zeitpunkt der bei weitem größere Teil der Erdenbewohner
nie etwas von diesem Christengott erfahren hat und daher nach der recht
anmaßenden, aber christlichen Auffassung von vornherein verdammt ist.
Wenn wir Nationalsozialisten von einer Gottgläubigkeit
sprechen, dann verstehen wir unter Gott nicht, wie die naiven
Christen und ihre geistlichen Nutznießer, ein menschenähnliches
Wesen, das irgendwo in den Sphären herumsitzt. Wir müssen viel-
mehr den Menschen die Augen offnen, daß es neben unserer kleinen,
im großen Weltall höchst unbedeutenden Erde noch eine unvorstell-
bare große Zahl weiterer Körper im Weltall gibt, noch unzählige
Körper, die wie die Sonne von Planeten und diese wieder von
kleineren Körpern, den Monden, umgeben werden.
Die naturgesetzliche Kraft, mit der sich alle
diese unzähligen Planeten im Weltall bewegen,
nennen wir Allmacht oder Gott. Die Behauptung, diese
358
Weltkraft könne sich um das Schicksal jedes einzelnen Wesens, um
jeden kleinsten Erdenbazillus kümmern, könne durch sogenannte
Gebete oder andere erstaunliche Dinge beeinflußt werden, beruht
auf einer gehörigen Dosis Naivität oder aber auf einer geschäftigen
Unverschämtheit.
Demgegenüber stellen wir Nationalsozialisten uns die Forde-
rung, möglichst natürlich, d. h. lebensgesetzlich, zu leben. Je ge-
nauer wir die Gesetze der Natur und des Lebens erkennen und
beachten, je mehr wir uns an sie halten, desto mehr entsprechen
wir dem Willen der Allmacht. Je mehr wir den Willen der All-
macht einsehen, desto größer werden unsere Erfolge sein.
Aus der Unvereinbarkeit nationalsozialisti-
scher undchristlicher Auffassungen folgt, daß
eine Stärkung bestehender undjede Förderung
neu entstehender christlicher Konfessionen von
uns abzulehnen ist. Ein Unterschied zwischen den
christlichen Konfessionen ist hierbei nicht zu
machen. Aus diesem Grunde ist daher auch der Gedanke auf
Errichtung einer evangelischen Reichskirche unter Zusammenschluß
der verschiedenen evangelischen Kirchen endgültig aufgegeben
worden, weil die evangelische Kirche uns genau so feindlich
gegenübersteht wie die katholische Kirche. Jede
Stärkung der evangelischen Kirche würde sich
lediglichgegenunsauswirken.
Es ist ein geschichtlicher Fehler der deutschen Kaiser im Mittel-
alter gewesen, daß sie immer wieder im Vatikan in Rom Ordnung
schufen. Es ist überhaupt ein Fehler, in den wir Deutsche leider allzu
oft verfallen, daß wir bestrebt sind, Ordnung zu schaffen, wo wir ein
Interesse an der Zersplitterung und Uneinigkeit haben müßten. Die
"üohenstaufen hätten das größte Interesse an der Zersplitterung der
i^-irchlichen Machtverhältnisse haben müssen. Vom Standpunkt des
jfleiches aus wäre es das Günstigste gewesen, wenn nicht ein Papst, son-
dern mindestens zwei, wenn möglich sogar noch mehr Päpste bestanden
und sich gegenseitig bekämpft hätten. Statt dessen haben die deutschen
Kaiser und insbesondere die Holienstaufen bei der Kirche immer wieder
für Ordnung gesorgt, einem Papst zur Macht über alle übrigen Konkur-
renten verhelfen mit dem Erfolg, daß die Kaiser, sobald der Papst wieder
stark genug dazu war, von „ihrem" Papst die ersten Nackenschläge er-
hielten. Die Kirche aber hat zur Stärkung ihrer eigenen Machtposition
immer wieder den Partikularismtis der Fürsten und später der Parteien
ausgenützt und nach Kräften geschürt.
In früheren Generationen lag die Volksführung ausschließlich in den
Händen der Kirche. Der Staat beschränkte sich darauf, Gesetze und Ver-
ordnungen zu erlassen und vor allem zu verwalten. Die eigentliche Volks-
führung aber lag nicht beim Staat, sondern bei der Kirche. Diese übte
über die Pfarrer stärksten Einfluß auf das Leben des einzelnen Men-
schen, der Familie und auf die Gesamtheit aus. Alles, was den Kirchen
nicht paßte, wurde mit beispielloser Rücksichtslosigkeit unterdrückt.
Jahrhundertelang lieh sich der Staat durch die verschiedensten Zu-
wendungen die kirchliche Einflußmöglichkeit. Es hing von der Kirche
ab, ob sie dem Staat helfen oder sich gegen ihn stellen wollte. Der Staat
war auf die Hilfe der Kirche angewiesen, er war von ihr abhängig. Der
359
Kampf der deutschen Kaiser gegen den Papst mußte im Mittelalter und
auch in der Neuzeit immer wieder scheitern, weil nicht der Kaiser, son-
dern die Kirche die Volksführung in der Hand hatte. Diese weltanschau-
Lche Abhängigiceit des Staates von der Kirche, die Uetaerlassvmg der
Volksführung an die Kirche, waren zur Selbstverständlichkeit geworden,
so daß niemand wagte, ernsthaft hiergegen anzugehen. Dies nicht als un-
umstößliche Tatsache von vornherein in Rechnung zu ziehen, galt noch bis
vmmittelbar vor der Machtübernahme als absurde politische Dummheit.
Zum erstenmal in. der deutschen Geschichte
hatderFührerdieVolksführungbewußtundvoll-
ständig selbst in der Hand. Mit der Partei, ihren Gliede-
rungen und angeschlossenen Verbänden hat der Führer, sich und da-
mit der deutschen Reichsführ.ung ein Instrument geschaffen, das ihn
von der Kirche unabhängig macht." Alle Einflüsse, welche die durch
den Führer mit Hilfe der Nationalsozialistischen Partei ausgeübte
"Volksführung beeinträchtigen oder gar schädigen könnten, müssen
ausgeschaltet werden. I mmermehrmuß das Volk den K i r-
chen und ihr e n Organen, den Pfarrern, entwunden
werden. Selbstverständlich werden und müssen, von ihrem
Standpunkt betrachtet, die Kirchen gegen diese Machteinbuße sich
wehren. Niemals aber darf den Kirchen wieder ein
S in.fluß auf. die Volk sführung eingeräumt werden.
Dieser muß ^restlos'. und endgültig gebrochen werden.. Nur die
Reichsführung "und" in ihrem Auftrag die Partei, ihre Gliederungen
und "angeschlossenen Verbände, haben ein Recht zur Volksführung.
Ebenso wie die schädlichen Einflüsse der
A s t f ol'og eh, Wah fsäger und sonstigen Schwindler
ausg es ch al t e t un d dur ch den Staat unterdrückt
werden,, muß auch die Einflvißmöglichkeit der
Kirche restlos beseitigt werden. Erst wenn dies ge-
schehen ist, hat die Staatsführung den vollen Einfluß auf die ein-
zelnen Volksgenossen. Erst dann sind Volk und Reich für alle Zu-
'iunft in ihrem Bestand gesichert.
"Wir würden die Fehler, die in den vergangenen Jahrhunderten
dem Reich zum Verhängnis wurden, wiederholen, wenn wir nach
dem Erkennen der weltanschaulichen Gegnerschaft der christlichen
Konfessionen jetzt noch irgend zur Stärkung einer der verschiedenen
Kirchen beitragen würden. Das Interesse des Reiches
liegt nicht in der Überwindung, sondern in der
Erhaltung und Verstärkung des kirchlichen
P a r t i k u 1 a r i s m u s."
2. Eine der vielen Geheimanweisungen der Gestapo:
„SICHERHEITSDIENST des RFSS
Oberabschnitt Süd- West.
Geheime Reichssache!
1. Dies ist ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 88 RSTGBL. in der
Fassung des Gesetzes vom 24. 4. 1934 (RGBL. I S. 341 ff.).
360
2. Nur von Hand zu Hand oder an persönliche Anschrift in dop-
peltem. Umschlag gegen Empf angsbecheinigung.
3. Beförderung möglichst durch Kurier oder Vertrauensperson,
bei Postbeförderung als Wertbrief (Wert 1050 RM.).
4. Vervielfältigung jeder Art sowie Herstellung von Auszügen ver-
boten.
5. Empfänger haftet für sichere Aufbewahrung.
Verstoß hiergegen. zieht schwerste Strafen
nachsich.
SA: 69.
Sicherheitsdienst RFSS S D — R F S S, 15. Febr. 1938
Oberabschn. Süd-West Unterabschn. Wttbg.-Hohenz.
II 113 /■ Lt / Hl / 105 / 38 Eingang Nr. Br. B. N. 19/38 11/113
Geheime Kommandosache!
An den
Sicherheitsdienst RFSS Unterabschn.
Württemb erg
Baden / Pfalz / Saar.
Betr.: Arbeitsanweisungen für II 113 / Vorg. ohne / Anlg. 1
Zur Aktivierung der Arbeit 1938 werden die auf der Tagung
der Ober- und Unterabschnittsreferenten vom 18. 7. 1937 gegebenen
Arbeitsanweisungen schriftlich in Erinnerung gebracht. Es wird
besonders auf die Zerschlagung des konfessionellen Vereinswesens,
auf den Aufbau des V-Männer*)-Netzes und auf die Errichtung von
KA-Außenstellen an den Sitzen der Bischöflichen Ordinariate hin-
gewiesen.
Die Arbeitsanweisungen sind von sämtlichen Unterabschnitts-
referenten von II 113 genauestens durchzuarbeiten.
Der SD Führer des SS-Oberabschnittes Süd- West
i. A. der Leiter der Hauptabteilung II
(folgt Unterschrift)
SS-Hauptsturmführer.
*) VM = Verbindungsmänner. Der Verf.
Geheim- Kommandoiaehe!
Arbeitsausschuß 1937/38 für II HS.
1. Nächste Zielsetzung in der Bekämpfung der konfessionellen Gegner.
2. Richtlinien für die Erörterung der höheren und niederen Geitfe
lichkeit.
3. Bekämpfung des katholischen Ordenswesens.
Kreuz und Hakenkreuz 24 ggj
4. Die Zerschlagung der konfessionellen Organisationen:
a) Katholischie Vereine
b) Evangelisclie Vereine.
5. Katholizismus und Wissenschaft.
6. Die Deutsche Evangelische Kirche.
7. Weltprotestantismus, ÖIcumene und Oxford-Bewegung,
8. Richtlinien zvir Bekämpfung des Sekten wesens.
9. Die neueste Lage der völkisch- religiösen Gruppen.
10. Illegalität der Kirche.
11. Die finanzielle Macht der Kirchen.
Nächste Zielsetzung in der Bekämpfung
der konfessionellen Gegner
Wenn auch die gegenwärtige Lage sowohl auf katholischem
Gebiet als auch auf evangelischer Seite innerhalb kürzester Zeit in
ein akutes Stadium treten kann und wir bei unserer Arbeit auf
plötzliche schnellste Entscheidungen und einschneidende Maßnahmen
gefaßt sein müssen, so ist doch für den Gesamtarbeitsplan die Ein-
haltung eines langsameren Tempos notwendig, da alle Maßnahmen,
die der weltanschaulichen Entwicklung des deutschen Volkes zu
weit vorauseilen, zu einem plötzlichen, nur dem Gegner nützenden
Kulturkampf führen müssen. ,
Im einzelnen ergeben sich zunächst folgende Arbeiten:
a) Die sachlicheErfassung des Gegners muß auf Grund
der von hier herausgegebenen Leithefte, z. B. kirchliches Hand-
buch von Krose, evangelisches kirchliches Adreßbuch, Schema-
tismen usw., zum Abschluß gebracht werden.
Mit dieser sachlichen Erfassung muß Hand in Hand die Aus-
wertung der alten Akten für die Sachkartei und die Aufstellung
entsprechender kartographischer Übersichten für das Oberabschnitts-
gebiet gehen.
Nur wenn dieses Gerippe in allen Oberabschnitten vorliegt, ist
die schnellste Beantwortung von Anfragen zentraler oder örtlicher
Dienststellen möglich. Innerhalb eines halben Jahres muß diese
Aufgabe durchgeführt sein.
b) Innerhalb dieses Vierjahresplanes besteht die
besondere Möglichkeit, den wirtschaftlichen
Überfluß der Kirchen wieder allgemeinen
Zwecken der deutschen Volkswirtschaft zu-
zuführen. Da ein großer Teil der gegenwärtigen Kampf-
möglichkeiten der Kirchen einzig und allein auf ihren un-
beschränkten finanziellen Mitteln beruht, sind gerade hier große
Möglichkeiten- zur Eindämmung des kirchlichen Kampfes ge-
geben. Neben den dauernd laufenden Einzelanweisungen auf
diesem Gebiet müssen die ausführlichen Sonderaufträge mit
362
höchstem Verantwortungsgefühl durchgeführt werden, da von
diesen Sonderaufträgen einschneidendste Maßnahmen der Re-
gierung mit abhängen.
c) Ganz besonderer Wert ist in nächster Zeit auf dieErfassung
der führenden Persönlichkeiten sämtlicher
konfessioneller Gruppen zu legen. Zu dem Zweck
ist erforderlich, daß die Ober- und Unterabschnittsreferenten
genau das Arbeitsgebiet, die Einflußmöglich-
keiten, die Fähigkeiten, die charakterliche Ver-
anlagung, die Verbindungen und die persönlichen
Schwächen und Leidenschaften der maßgeblichen
Persönlichkeiten der konfessionellen Gegner ihres Gebietes
kennen. Es ist klar, daß die zentrale Bearbeitung eines Bischofs
oder sonstigen wichtigen Kirchenführers nicht dem Außenstellen-
leiter der betreffenden Stadt überlassen bleiben darf, sondern
durch den Ober- und Unterabschnittsreferenten selbst durch-
geführt werden muß.
d) Es gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben unserer nächsten
Arbeit, überhaupt zu den Voraussetzungen für jede künftige
Arbeit, daß das V. - M. - N e t z mit größter Intensität ausgebaut-
wird. In jeder maßgeblichen Organisation und Einrichtung
sämtlicher konfessionellen Gegner sowie in der Umgebung ihrer
maßgeblichen Führer muß ein VM eingebaut werden.
e) Auf dem Gebiet des Vereins- und des Ordenswesens
kommen zentrale Aktionen zur Zeit nicht in Frage. Für um-
fassendere Maßnahmen auf dem Gebiet des
Ordens Wesens muß der Boden erst propagan-
distischnochmehrvorbereitetwerden. Im Kampf
gegen das Vereinswesen wird der Angriff von unten her durch-
geführt. Es muß danach getrachtet werden, den Block der katho-
lischen und evangelischen Vereine möglichst durch schlagkräftige
Aktionen zu zerreißen und so das ganze konfessionelle Vereins-
wesen zu durchlöchern und restlos aufzurollen. Die diesem Ziele
dienenden Aktionen sind im engsten Einvernehmen mit den zu-
ständigen Staatspolizeistellen und nur unter Zustimmung des
SD-Hauptamtes durchzuführen. Die Verantwortung für die
Durchführung der Aktionen als staatspolizeiliche
Exekutivmaßnahmen liegt bei den zuständigen Staats-
polizeistellen. Die Auswertung liegt bei dem Sicherheitsdienst.
f) Auf dem Gebiet des Protestantismus besteht zur Zeit
ebenfalls keine Veranlassung, den Kampf irgendwie zu be-
schleunigen. Eine hinhaltende Verteidigung ist hier
zur Zeit die beste Methode.
g) Eingehende Maßnahmen müssen dagegen im Kampf gegen das
Sektenwesen vorbereitet werden, da Sekten heute nicht
bloß mit bolschewistischen Methoden arbeiten, sondern gleich-
363
zeitig auch vielfach Sammelbecken ehemaliger Marxisten sind
und durch die Sekten weiterhin ungeheure Zersplitterung in
die Kreise unseres Volkes gebracht wird. Da ferner unter dem
Einfluß der Sekten ein beträchtlicher Teil deutscher Menschen
zu minderwertigen Werkzeugen orientalischen Geistes herab-
gewürdigt werden und die Sekten schließlich noch im A-Fall
eine direkte Volksgefahr darstellen, ist hier für die nächste Zeit
ein planmäßig vorbereiteter Kampf unbedingt erforderlich.
Harmlose Sekten ohne den voi'stehend geschilderten Einschlag
können jedoch zunächst ohne Bedenken bestehen bleiben, da
grundsätzlich selbstverständlich kein Interesse daran besteht,
die auf kirchlich-religiösem Gebiet bestehende Zersplitterung
irgendwie zu beseitigen. Auf dem Gebiet der völkisch-religiösen
Gruppen muß sich stärkste Zurückhaltung mit genauester Be-
obachtung verbinden.
Richtlinien für die Er örterung der höheren und
n i e d e r e n G e i s 1 1 i c h k e i t
,1. Der Kampf der konfessionellen Gegner ist wesentlich von der
Stärke ihrer Führer abhängig. Jeder Ober- und Unterabschnitts-
referent muß deshalb ein klares Bild über die Arbeits-
weise, die Fähigkeiten, die charakterliche und
p ersö'nl i ch e H alt ung, die Vorzüge und Seh wa-
chen derKirchenführerseinesGebieteshäben.
Jeder Referent muß im Bereich seines Ober- und Unter-
abschnittes der erste Spezialist auf diesem Gebiet sein und
muß deshalb" die einzelnen Kräfte in der Führung der kon-
fessionellen Gegner genauestens kennen.
2. Am Sitz der Bischöflichen Kurie ist jeweils in der Betrachtung
die gesainte Lage der Diözese in eine Reihe von Einzelreferaten
aufgeteilt. Diese sachlichen Aufgabengebiete der einzelnen Mit-
arbeiter der .Bischöflichen Ordinariate müssen den Ober- und
Unterabschnittsreferenten völlig klar sein.
3. Neben dieser allgemeinen Aufgabenverteilung ist an den ein-
zelnen Ordinariaten das K r äf t e v e rh ältnis von General-
vikar, Weihbischof, Domdekan, Dompropst usw. sehr ver-
schieden. Ebenso ist das Verhältnis der einzelnen Würdenträger
zum Bischof sehr vielfachem Wechsel unterlegen. 'Die Ober-
abschnittskartei muß über diese Kräfteverteilung restlos Aus-
kunft geben können.
4. Katholische höhere und niedere Geistliche sind außerhalb des
normalen kirchlichen Apparates tätig. Ihre offiziellen und in-
ternen Aufgabengebiete müssen genauestens festgestellt werden.
5. Die Dekane oder Erzpriester stellen nach kirchlicher Formu-
lierung das Auge und Ohr des Bischofs dar. Sie haben das
364
ganze Leben in ihrem Dekanat sorgfältig zu beobachten und
dem Bischof laufend Bericht zu erstatten. Die Beobachtung und
Überwachung der Dekane oder Erzpriester ist deshalb be-
sonders wichtig.
6. Von großer nachrichtendienstlicher Bedeutung sind vielfach
die personellen und verwandtschaftlichen
Beziehungender einzelnen Geistlichen. Gleich-
zeitig ergeben sich dadurch für sie vielfach weitgehende Ein-
flußmöglichkeiten. Diese personellen und verwandtschaftlichen
Beziehungen sind deshalb sorgfältigst festzustellen und zu über-
wachen.
7. Zahlreiche Geistliche verfügen über umfangreiche Aus-
land sbeziehungen. Mit diesen gehen vielfach Beziehun-
gen zu Staatsfeinden Hand in Hand. In Zusammenarbeit mit
den übrigen zuständigen Abteilungen sind diese Verbindungen
zu überwachen.
8. Für die Benachrichtigung ihrer Dienststellen hat die Kirche
einen umfangreichen Kurierdienst eingerichtet. Einen
großen Teil dieser Kuriere stellt der katholische Klerus selbst.
Alle Geistlichen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem
kirchlichen Nachrichtendienst stehen, sind besonders zu er-
örtern.
9. Die weltanschauliche Auflockerung macht sich
bereits in erheblichem Maße auch innerhalb der katholischen
Geistlichkeit geltend. Mit den katholischen Geistlichen, die im
gegebenen Augenblick von der Kirche losgesprengt werden
können, ist durch Mittelsmänner Verbindung aufzunehmen, sie
sind in ihren Bestrebungen zu bestärken und nachrichten-
dienstlich entsprechend anzusetzen. Bei diesen Fühlungsmaß-
nahmen ist jedoch größte Vorsicht am Platze, da dadurch die
Möglichkeit besteht, daß solche Geistlichen lediglich Agenten
der Kirche sind.
10. Vor direkter Zusammenarbeit mit charakterlich und moralisch
nicht einwandfreien Geistlichen wird gewarnt.
Bekämpfung des katholischen Ordenswesens
Die Orden sind der militante Arm der katholischen Kirche.
Sie müssen daher aus ihren Einf lußg eb i et en zu-
rückgedrängt, eingeengt und schließlich ver-
nichtet werden. Beim Kampf gegen die Orden muß auf
Eigenarten Rücksicht genommen werden, die sich im Laufe der
Entwicklung bei den einzelnen Ordensgesellschaften herausgebildet
haben. Nur dann werden sie wirksam bekämpft werden können.
Daher ist nötig:
1. Die Orden und ihre Niederlassungen, ebenso auch die Brüder-
genossenschaften und ihre Niederlassungen, nach ihren Eigenarten zu
365
beobachten und dabei Besonderheiten, die zum Arbeitsgebiet eines
bestimmten Ordens öden einer Niederlassung gehören, herauszustellen.
z. B. Bibliotheken, Archive, Gewerbebetriebe, landwirtschaftliche Be-
triebe usw.
Eine Reihe von Orden haben sich ganz besonders der Seelsorge
zugewandt. Sie sind oft Träger von Wallfahrtsstätten,, Wallfahrtskirfchen
und der Veranstaltungen, die dort vonstatten gehen. Ihre Beteiligung
am Wallfahrtswesen ist im Rahmen der Anweisungen über die Beob-
achtungen vor Wallfahrten festzustellen. •
2. Für die Feststellung, gegebenenfalls auch für. die Sicherstellung
von Material in den Bibliotheken, Archiven usw. ist genaue Orts-
kenntnis notwendig. Es sind daher Skizzen' von Ordensgebäuden in der
Lage zur zugehörigen Landschaft und Ortschaft, insbesondere zur
Grenze anzufertigen.
3. Nicht selten sind die Ordensniederlassungen Unterschlupf für
Ordensangehörige, die sich irgendwelcher Vergehen schuldig gemacht
haben. Durch die Aufnahme von Ausländern können sie zu Brutstätten
von Greuelpropaganda werden. . ■
Zweifellos sind sie aber die ' Schulungsstätten oft wissenschaftlicher
Art, an denen das Rüstzeug für den Kampf gegen den Nationalsozialis-
mus geschmiedet wird. Es ist daher , notwendig, die Ordensnieder-
lassungen auf ihre Insassen hin zu prüfen, insbesondere auch auf den
Bestand an Ausländern, was gerade für die in der ^ Nähe der Grenze
gelegenen Niederlassungen gilt. Bei den polizeilichen Meldeämtern sind
dank der auch für Klosterinsassen bestehenden Meldepflicht deren
Namen feststellbar. Bei kirchlich gebundenen Behörden ist Vorsicht
geboten.
4. Aus den oben angeführten Gründen müssen die an den Grenzen
gelegenen Ordensniederlassungen besonders scharf überwacht -^werden.
Es sind vor allem Postverkehr (zunächst auf seinen Umfang, gege-
benenfalls auf seinen Inhalt hin) und die Bankverbindungen zu kon-
trollieren.
5. Für die Bekämpfung derjenigen Orden und Genossenschaften,
die sich der Schularbeit zugewendet haben, sind entsprechende beson-
dere Aufgaben zu stellen. Die von Orden oder Genossenschaften unter-
haltenen Schulen sind bezüglich des Unterrichtsbetriebes zu überprüfen.
Dabei sind alle Einzelheiten über Form und den Inhalt wichtig. Ferner
muß die Schülerschaft und ihre Herkunft festgestellt werden.
6. Im engen Zusammenhang hiermit stehen die Feststellungen über
diejenigen Jugendlichen, die in Ordensjuvenate und Noviziate eintreten.
Hierbei sind auch die Gründe zu ermitteln, die den Eintritt herbei-
geführt haben.
7. Bei der Feststellung der Herkunft der Schülerschaft i^nd bei Er-
mittlung der treibenden Kräfte für den Eintritt in Klosterschulen, Juve-
nate oder Noviziate muß besonderer Wert auf die Ermittlung und Er-
örterung solcher Personen gelegt werden, die in einem Beamten- oder
Angestelltenverhältnis zum^ Staat, zu Kommunalbehörden oder zur Par-
tei stehen oder die Angehörige der NSDAP oder ihrer Gliederungen sind.
Ebenso sind einzelne Mitglieder von Orden festzustellen.
8. Einen breiten Raum in der Arbeit der katholischen Orden und
Genossenschaften nimmt die Caritas in ihren verschiedenen Möglich-
keiten ein. Die verschiedenen Einrichtungen der Caritas, die unter der
Leitung oder dem Einfluß von Orden, Genossenschaften oder Mitgliedern
derselben stehen, sind zu untersuchen auf:
Art der Beeinflussung allgemein — Pflichtversäumnisse — Stellung
zum Personal — Sittliches Verhalten — hygienische Verhältnisse —
Ausbeutung der Pfleglinge — Verhalten zur NSV — Sabotage an der
Arbeit der NSV.
366
9. Mit dieser Arbeit hängt ferner zusammen die Beobachtung der
Orden und ihrer Mitglieder mit Bezug auf Übertretung der Verord-
nungen zum Sammlungs-Gesetz, zur Wandergewerbeordnung, zur Ge-
werbeordnung, zum Vermögens- und Grunderwerb.
10. Nicht selten hat ein Orden die geistige Führung des katholischen
Lebens in seinem Wirkungsbereich in der Hand; das kommt vielfach
durch Beteiligung an der Herausgabe von Zeitschriften, Sonntagsblättern
u. ä. zum Ausdruck, auch in der Herausgabe von Broschüren und ört-
lichen Gelegenheitsschriften. Dieser Einfluß der Orden ist ebenfalls
genauestens festzustellen.
11. Neben der Beobachtung der Orden und Ordensgenossenschaften
als Gesamtheit muß, die Ueberwachung der einzelnen Mitglieder dieser
Gesellschaften stehen, vor allem, wenn sie sich durch besondere Seel-
sorgetätigkeit herausstellen. Das erfolgt meistens als Prediger und Beicht-
väter, die sich vielfach besonderer Beliebtheit erfreuen. Oft sind sie auch
Leiter örtlicher Vereine oder solcher Gruppen. Diese Ordensgeistlichen
sind besonders zu überwachen.
12. Für die Bekän>pfung des Ordenswesens ist es von -großer Wich-
tigkeit, daß es nicht weiter anwächst und seinen Einfluß weder geistig
noch räumlich weiter auszudehnen vermag. Daher sind alle Versuche zur
Neagründung von Ordensgenossenschaften oder Filialen sofort zu mel-
den. Auch die Umsiedlung von bestehenden Genossenschaften und die
Verlegung einzelner Anstalten von Orden und Ordensgenossenschaften
müssen beobachtet und gemeldet werden.
Die Zerschlagung der konfessionellen
Organisationen
a)KatholischeVereine:
1. Die Auflösung der katholischen Organisationen ist auf dem
Teilgebiet der Jugendverbände durch die gebiets-
weisen Verbote bereits soweit vorgetrieben, daß die völlige
Vernichtung dieser Verbände bis zum Ende der Winter-
arbeit unbedingt erreicht sein muß. Die Oberabschnitte werden
angewiesen, das Verbot und die Auflösung der Jugendverbände
für die bis jetzt noch nicht betroffenen Gebiete durch Be-
schaffung ausreichenden Verbotsmaterials
mit aller Energie zu betreiben.
2. Der Kampf gegen das katholische Vereinswesen hat sich aber
nicht nur ausschließlich auf die Jugendorganisationen zu be-
schränken, sondern sich mit gleicher Intensität auch gegen
andere Gruppen, gegen die Standes-, Berufs- und
sonstigen Vereine zu richten. (Die restlose Beseiti-
gung der Beamtenvereinigungen auf Grund des Gesetzes vom
20. Mai 1937 steht bevor, bis jetzt sind bereits die Michaels-
bünde, der katholische Lehrerinnen- Verband und die Religions-
lehrerverbände verboten bzw. aufgehoben worden.)
3. Es hat sich gezeigt, daß bei aufmerksamer Beobachtung der
Vereine sich immpr wieder eine illegale Betätigung feststellen
läßt, insbesondere kommen Verstöße gegen die Verordnung der
Gestapo vom 2 8. Juni 1935 (Verbot weltlicher Ver-
367
anstaltungen) und gegen die Verordnung vom 23. Juli 1935
(betr. konfessionelle Jugendverbände) in Frage.
Bei der Durchführung von Veranstaltungen, die nicht rein carita-
tiven oder religiösen Chaial^ter tragen und nicht in kircheneigenen
Räumen stattfinden, sind die Verordnungen unbedingt in Anwendung
zu bringen. Selbstverständlich werden auch religiöse Veranstal-
tungen in kircheneigenen Räumen von diesen Verordnungen be-
troffen, wenn z. B. gegen einzelne Bestimmungen, wie Uniformver-
bot etc. verstoßen wird. Ebenso sind nachrichtendienstliche Tätig-
keit, Verteilung illegalen Schrifttums, Kanzelhetze und sonstige Ver-
stöße gegen das Heimtückegesetz, sittliche Verfehlungen, hygienische
und sonstige volksgesundheitsschädliche Mißstände in Internaten
und caritativen Heimen, Mißbrauch nationalsozialistischer Symbole,
Beschimpfungen von Angehörigen der NS-Formationen oder von
Staatsbeamten, Widerstand gegen parteiamtliche oder staatliche Or-
gane, Beschädigungen von Eigentum des Staates und der Partei, Be-
hinderung oder Störung von Heimabenden, Versammlungen und
nationalen Feiern, Fachschulung oder politischer Schulung, z. B. der
pfarramtlichen Arbeitsstellen, in Vereinsabenden, bei Führertagungen
und Wallfahrten (u. a. weist auch der neue Arbeitsplan der Kolping-
familie auf diese Möglichkeiten hin) ohne weiteres zum Anlaß eines
Verbotes zu nehmen.
4. Die Verbote haben ,sich — wenn irgend möglich — aus
gegebenem Anlaß auf größere Gebiete zu erstrecken. Der
Nachweis einer allgemeinen Anweisung der Dekanate bzw.
Diözesanleitungen zu Verbotswidrigkeiten oder die sonstige
Beteiligung höherer Instanzen an der illegalen Betätigung der
Untergliederungen und Organe rechtfertigen in den meisten
Fällen eine gebietsweise Auflösung der Verbände.
5. Bei Durchführung der Auflösung und der Verbotsmäßnahmen
ist der Vermögensbesitz der Verbände in jedem Fall zu
beschlagnahm.en, und zwar mit der Begründung, daß er zur
Durchführung der volks- und staatsfeindlichen Betätigung be-
stimmt war oder zumindestens dafür verwendet wurde.
6. Die Oberabschnitte werden noch einmal nachdrücklich auf die
SD-mäßige Ausv/ertung des bei Durchführung der Aktionen
beschlagnahmten Materials hingewiesen. Auf die Sicherstellung
bzw. Erfassung von Personalkarteien, Korrespondenzen, Vereins-
akten, Unterlagen über das Finanzgebaren, Bibliotheken, Ar-
beits- und Organisationspläne (u. a. für Nachrichtendienste,
Kuriere etc.), Tagungsprotokolle, Beweismaterial für die Ein-
flußnahme der Orden auf die Vereinigungen ist besonderes
Augenmerk zu richten.
7. Nach erfolgter Zerschlagung der Vereine ist der Verbleib der
Mitglieder \md insbesondere die Bildung von Nachfolge-* oder
Auffangorganisationen genauestens zu überwachen. Als solche
Auffangorganisationen treten jetzt schon die ideellen Vereine,
Gesinnungsgemeinschaften, Gebetsvereine und Laienapostolate
in Erscheinung. (Besonder« Auimerksamkeit verdienen die
368
Meßdiener und Pfarrjugendgruppen, die junge Familie und die
Männerkongregationen.) Auch die Zentralorgane konstituieren
sich neu, z. B, für die Jugendarbeit die bischöflichen Jugend-
seelsorgeämter, für die Männer- und Frauenapostolate die auf
bischöfliche Anweisung errichteten pfarramtlichen Arbeits-
stellen. Noch vor dem vollendeten Ausbau dieser Organisationen
und Institutionen müssen alle SD-mäßig wichtigen Unterlagen
erfaßt sein, um den Angriff auch auf diese letzte Verteidigungs-
linie führen zu können.
8. Im Kampf gegen die katholischen Organisationen ist die lau-
fende und genaue Überwachung ihrer Betätigung unerläßliches
Erfordernis. Als Sofortmaßnahme ist daher der Einbau von
V-Männern umgehen(lst und umfassend in Angriff zu nehmen
bzw. zu vollziehen.
9. Wesentliches Mittel zum Abbau des katholischen Vereinswesens
ist die Lahmlegung der Verständigungsorgane:
der Presse, Zeitschriften, Broschüren und des sonstigen Schrift-
tums der Verbände. Die Beobachtung des Schrifttums hat
genauestens mit dem Ziel der Einschränkung durch Verbote zu
erfolgen.
10. Die Erfassung des Vermögens und der Mitglieder (notfalls Be-
schaffung der Mitgliederlisten durch polizeiliche Verfügung
unter Hinweis auf das Urteil des Preußischen Oberverwaltungs-
gerichtes vom 26. November 1936, Zeitschrift der Akademie für
Deutsches Recht, Jahrgang 1937, Heft 10) ist mit Nachdruck
durchzuführen. Die ehemals politisch hervorgetretenen Partei-
gänger des Zentrums sind, soweit sie in den Organisationen, in
Staats- oder Parteistellen oder sonst wichtigen Stellungen sitzen,
zu ermitteln (eine Möglichkeit hierzu bietet die Auswertung
der alten Akten). Die Verbindungen, Wirkungsmöglichkeiten
und Einflußgebiete der wichtigsten Persönlichkeiten sind auf-
zudecken, die entscheidenden Aktivisten zur Strecke zu bringen.
11. Über das katholische Vereinswesen ist laufend unter Beifügung
aufschlußreichen Bildmaterials und von Originalunterlagen an
das SD-Hauptamt zu berichten.
12. Die Oberabschnitte haben dafür Sorge zu tragen, daß alle
Dinge, die zur lokalen und im Reichsmaßstab durchgeführten
propagandistischen Auswertung geeignet sind, entsprechend
vorbereitet und vorgelegt werden.
13. Bei Beginn einer Aktion ist sofort Meldung an das SD-Haupt-
amt zu erstatten und die einwandfreie Zusammenarbeit zwi-
schen SD und den Staatspolizeistellen zu gewährleisten. Ebenso
ist auf die enge Fühlungnahme mit den Verbindungsstellen der
NS-Gliederungen (z. B. HJ-Gebietsführung, NSV-Gauleitung
usw.) bedacht zu sein.
369
14. Bei den Meldungen über die laufenden Aktionen ist unbedingt
die Angabe des Umfanges des zu erwirkenden Verbotes zu
machen bzw. über das erzielte Ermittlungsergebnis ausführlich
zu berichten.
15. In allen Fällen ist Abschlußbericht über den Verlauf der Aktion
und die erfolgte Auflösung zu erstatten.
b) Evangelische Vereine:
I. Übersicht: Auf dem Gebiete des evangelischen Vereinswesens ver-
dienen insbesondere die Männer-, Frauen- und Jugendvereine schärfste
Beobachtung. Gerade die evangehschen Jugendvereine versuclaen in
letzter Zeit wieder an Einfluß zu gewinnen.
Es gibt zwei große Gruppen der Jugendarbeit in der Deutschen
Evangelischen Kirche:
1. Die konfessionellen Verbände, vgl. CVJM, Christliche Pfadfinder,
Jungenwacht, Mädchenbibelkreise usw.
2. Das Jugendwerk der DEK, deren Mitglieder nur lose und gemeinde-
weise zusammengefaßt sind. Die Mitgliedschaft bei diesem Jugendwerk
setzt die Zugehörigkeit der HJ voraus, während Mitgliedschaft in den
■ konfessionellen Verbänden den Angehörigen der HJ verboten ist. Es
wird in diesem Zusammenhang nochmals auf die Verfügung des Reichs-
jugendführers und die hiesigen Rundschreiben hingewiesen.
Jungmänner- und Jungmädchenwerk, das landschaftlich gegliedert ist.
II. Arbeitsanweisungen: ,
1. Engste Fühlungnahme mit den Verbindungsstellen der HJ-
Gebietsführung und der Staatspolizei.
2. Eventuelle organisatorische, führungsmäßige oder finanzielle Ab-
hängigkeit des Gemeinde-, Kreis- oder Landes Jugendwerkes von kon-
fessionellen Verbänden ist durch V-Männer bei den Kirchenregierungen
festzustellen. Die Unterrichtung -der Gebietsführungen ist zum Erlaß
des Verbotes der Doppelmitgliedschaft notwendig. Die HJ ist durch die
Ausführungsbestimmungen zu den Verfügungen der RJF auf engste Zu-
sammenarbeit mit dem SD hingewiesen.
3. Feststellen, ob der Veranstalter des von der HJ gemeldeten Lagers
ein konfessioneller Verband ist. Das Geheime Staatspolizeiamt wird in
Zukunft von sich aus jedes Lager der evangelischen-konfessionellen
Verbände verbieten.
4. Es ist festzustellen, ob sich auch bei Veranstaltungen des Jugend-
werkes der DEK die Lagertätigkeit nur auf rein religiöse Übungen
beschränkt. Leichte Freiübungen und Baden sind erlaubt. Hier ist der
Erlaß des Geheimen Staatspolizeiamtes vom 23. Juli 1935 heranzuziehen.
5. Auf eventuelle sittliche Verfehlungen in den evangelischen Jugend-
verbänden ist schärfstens Obacht zu geben.
6. Weiterhin ist über alle anderen evangelischen-konfessionellen
Vereinigungen und Verbände alles belastende Material zu sammeln, um
hier eine systematische Aufrollung vorzubereiten.
Es kommen hier vor allem in Frage: das Männerwerk, Frauenwerk und
Frauenhilfe.
Das Ziel im Kampf gegen die evangelischen Vereine ist deren all-
mähliche Vernichtung durch Einschränkungen und örtliche Verbote.
Katholizismus und Wissenschaft
Die für die Ausbildung der katholischen Geistlichen bestimmten
Studienanstalten sind die Schulungsstätten des weltanschaulichen
370
Gegners. Die aus den katholisch-theologischen Fakultäten der
Universitäten, an den philosophisch-theologischen Hochschulen, an
den Priesterseminaren wirkenden Lehrer und Dozenten sind die
geistigen Führer, Träger und eigentlichen Aktivisten der kultur-
politischen Opposition.
Diese Opposition wird vor allem auf denjenigen Wissenschafts-
gebieten spürbar, die dem Wandel der Weltanschauungen und den
Veränderungen des Zeitgeistes in erster Linie ausgesetzt sind.
Dies sind die geisteswissenschaftlichen Fächer und diejenigen Lehr-
gebiete der Naturwissenschaften, die eine weltanschauliche Grund-
haltung zu ihrer Bearbeitung erfordern, also z. B. Biologie, Erb-
lehre, Medizin u. a.
Die Ausrichtung des völkischen kulturellen Lebens wird durch
den katholischen Wissenschaftsbetrieb gefährdet. Für den SD er-
gibt sich darauf die Aufgabe, zunächst einmal ein Bild von dem
Aufbau dieses Wissenschaftsbetriebes und seiner namhaftesten Ver-
treter zu gewinnen. Aus diesem Grund müssen die Institutionen
und die führenden Köpfe der- katholischen Wissenschaft erfaßt
werden.
Da die katholische Wissenschaft den weltanschaulichen Aufbau
und die planmäßige Schulung des nationalsozialistischen Staates
immer wieder zu verhindern sucht, kommt dieser Aufgabe erhöhte
Bedeutung zu.
Es sollen daher an Hand von besonderen Fragebogen die katho-
lischen theologischen Fakultäten der Universitäten, die philo-
sophisch-theologischen Hochschulen und die Priesterseminare er-
örtert werden. Die an diesen Instituten lehrenden Professoren
werden mit Hilfe eines zweiten Fragebogens erfaßt. Die Erörterung
der Professoren soll sich nicht nur auf die Vertreter der rein
theologischen Fächer beschränken, sondern auch auf die kirchlich
gebundenen Wissenschaftler in anderen Fakultäten erstrecken. Nach
Abschluß dieser Ermittlungen wird es dem SD möglich sein, den
anfragenden Stellen umgehend erschöpfende Gutachten zur Ver-
fügung zu stellen.
Der katholische Wissenschaftsbetrieb spielt sich nicht nur in
den genannten Instituten ab. Organisationen, wie der katholische
Akademikerverband, die Görresgesellschaft usw. tragen wesentlich
zur Belebung der katholischen Kulturbestrebungen bei. Die Tagungen
und Maßnahmen dieser Organisationen müssen daher ständig über-
wacht .werden.
Einer größeren Öffentlichkeit wird die geistige Arbeit der
katholischen Wissenschaftler zugänglich in den katholischen Zeit-
schriften wie „Hochland", „Gral", „Stimmen der Zeit" usf. Die
hinter diesen Zeitschriften stehenden Mitarbeiterkreise verdienen
besondere Beachtung. Das SD-Hauptamt wird den Oberabschnitten
371
eine Aufstellung der wichtigsten Mitarbeiter zur Beobachtung in
die Hand geben.
Besondere Aktivität auf kulturellem Gebiet wird von einigen
Ordenshäusern der „Gesellschaft Jesu" und den „Benedik-
tinern" entfaltet. Über die bekanntwerdenden neuen Veröffent-
lichungen der Ordensangehörigen soll daher jeweils berichtet
werden.
Die in den Randstaaten befindlichen Bollwerke gegen das
„Neuheidentum", die als Hochburgen katholischer Wissenschafts-
arbeit anzusehen sind (z. B. Salzburg, Lille, Päpstliche Akademie
usw.), sollen im Auge behalten werden.
Zur Durchführung der gestellten Aufgaben werden sich die
Oberabschnitte zweckmäßigerweise mit den örtlichen Dienststellen
des NS-Stud.-Bundes soweit möglich — des NSD-Dozentenbundes
in Verbindung setzen, von dort her genaue und sachdienliche Aus-
künfte zu erlangen.
Die Deutsche Evangelische Kirche
I. Übersicht:
Im deutschen Protestantismus ringen zur Zeit zwei große Gruppen
um die Macht, Deutsche Christen und Bekenntnisfront. Eine einheithche
Leitung des deutschen Protestantismus besteht seit Uebertrilt des R.K.A.
nicht mehr. Die Leitung der Verwaltung obhegt z. Zt. dem von Reichs-
minister Kerrl beauftragten Juristen Dr. Werner, dem die Verwaltungs-
ämter der einzelnen Landeskirchen unterstellt sind. Die geistliche Lei-
tung wird von den kirchlichen Gruppen und den Bischöfen ausgeübt.
Die Reichsbewegung Deutsche Christen — reformatorische Reichs-
kirche (gemäßigte Richtung DC) ist gegenüber dem Bund für Deutsches
Christentum (radikale Richtung DC) außerordentlich zurückgefallen. Der
Leiter ist Studienrat Rehm. Der Bund für deutsches Christentum um-
faßt alle Radikalen Gruppen der DC. Führende Männer sind: Leffler-
Weimar, Hossemfelder-Berlin, Schulz-Schwerin und Reichsbischof Mül-
ler. Die Stellung beider Richtungen zum Staat als politisches System ist
positiv. Die beiden Richtungen der DC haben untereinander keine Ge-
meinschaft Die Einstellung der gemäßigten Richtung zur national-
sozialistischen Weltanschauung ist negativ. Die radikale Richtung macht .
den krampfhaften Versuch, eine Synthese zum Nationalsozialismus zu
schaffen. Beide Richtungen sind schärfste Gegner einer
Trennung von Kirche und Staat.
Die Bekenntnisfront ist in der Frage der Stellung zum Staat als poli-
tisches System gespalten. Die radikale oder reformierte Richtung (Pfarrer
Niemöller) lehnt jeglichen Eingriff des Staates in die äußere oder innere
Ordnung der Kirche ab, die gemäßigte (lutherische) Richtung (Landes-
bischof Marahrens) vermeidet im Interesse der Kirche und z. T. auch
vom Bekenntnis her, die gleiche gegnerische Haltung -dem Staat gegen-
über einzunehmen. Z. T. haben sich die beiden Gruppen wieder geeinigt
und lehnen in gemeinsamen Kanzelabkündigungen und Entschließungen
die Anordnungen des Staates ab. Die Bekenntnisfront umfaßt weitaus die
größte Mehrheit der protestantischen Theologen und ebenso auch die
Mehrheit des gläubigen Kirchenvolkes. Aehnlich wie der Katholizismus,
mit dem enge Verbindungen persönlicher und geistig-religiöser Art be-
372
stehen, versucht auch heute der Protestantismus Einfluß auf die einzel-
nen Lebensgebiete zu gewinnen. Es zeigen sich die Bestrebungen,
Ergebnisse der Rassen-, Volkskunde- und Vorgeschichtsforschung
umzubiegen und das Auslandsdeutschtum im Kampf zwischen Staat und
Kirche für sich zu gewinnen.
Das Hauptaugenmerk richtet der Protestantismus heute auf die Er-
haltung der Bekenntnisschulen, auf die Heranbildung von Laien als
Religionslehrer, auf die Verlängerung der Vorbereitungszeit zur Kon-
firmation auf 2 Jahre und auf die Durchführung von Bibellagern.
Größten Einfluß auf den Menschen besitzt die protestantische Kirche
durch die Wohlfahrtspflege. — Besondere Beachtung verdient ferner die
Missionstätigkeit der Kirche im Heer, im Arbeitsdienst, in der Land-
jahrjugend, beiden Reichsautobahnlagern usw. Ein eigener Nachrichten-
dienst sorgt für die Erfassung aller Vorfälle in Partei und Staat und
verwendet sie entsprechend.
II. Arbeitsanweisungen:
1. Der OA muß versuchen, in die Kreise der VKL und des Luth. Rats
durch V-Männer einzudringen.
2. Es ist Aufgabe der Oberabschnitte, in alle Landes- und Provinzial-
kirchen, wie auch in die in ihrem Gebiet liegenden 2;entralstellen von
Vereinen und Organisationen V-Männer einzubauen.
3. Die Oberabschnitte müssen über die namentliche Besetzung der
Landes- und Provinzialkirchen jederzeit orientiert sein.
4. Das Kräfteverhältnis der .einzelnen Gruppen ist möglichst zahlen-
mäßig festzustellen.
5. Durch gelegentliche Kontrolle der Teilnahme am Gottesdienst ist
die Beteiligung des Volkes am kirchlichen Leben zahlenmäßig festzu-
stellen.
6. Jeder Oberabschnitt und Unterabschnitt muß im Besitz des Kirch-
lichen Adreßbuches, Verlag: Evgl. Preß verband für Deutschland, Berlin-
Steglitz, sein. Zur Information soll jeder Sachbearbeiter des OA und UA
die Zeitschrift: „Junge Kirche", Erscheinungsort Göttingen, die kirch-
lichen Amtsblätter und die wichtigsten Sonntagsblätter durcharbeiten.
7. Die einzelnen theologischen Fakultäten (siehe Kirchl. Adreßbuch)
sind auf ihre kirchenpolitische Einstellung, auf ihre Einflußnahme auf
den übrigen Professorenapparat und auf die Einstellung der einzelnen
Professoren zur Partei und Staat zu erörtern.
8. Rundfunk, Theater und Film sind auf evtL Einflüsse des Prote-
stantismus zu beachten.
9. Die OA müssen über die in ihrem Gebiet liegenden Anstalten der
Inneren Mission und der kirchlichen Vereine unterrichtet sein. Evtl.
unhygienische Zustände in Krankenhäusern usw. sind in Zusammenarbeit
mit der NSV aufzudecken.
10.. Die Konvikte, Studentenheime, Bekenntnisseminare (siehe Kirchl.
Adreßbuch) und die evangelischen Internate sind zu erörtern (z. B. auf
politische Haltung, evtl. Vorkommnisse bezügl. § 175 usw.).
11. Die kirchlichen Methoden zur Erfassung der Arbeitsdienstangehö-
rigen usw. sind zu beobachten.
Weltprotestantismus, Ökumene und Oxfordbewegung
I. Übersicht:
Unter Weltprotestantismus werden alle die Kirchen zusammengefaßt,
deren Bekenntnis auf eines der reformatorischen Bekenntnisse zurück-
geht. Die Hauptaufgabe sieht der Weltprotestantismus in der Welt- oder
Äußeren Mission.
373
Die Ökumene stellt den politisch internationalen Protestantismus
dar. Diese Bewegung ist ohne den Hintergrund der liberal-demokrati-
schen Welt nicht denkbar. Sie trägt einen marxistischen, pazifistischen
und jüdischen Charakter. Der Einfluß der ökumenischen Bewegung auf
das deutsche Kirchenleben ist sehr groß.
Die Oxfordbewegung stellt einen neuen Versuch des internationalen
Christentums dar, den Totalitätsanspruch Christi auf allen Lebensgebic-
ten zum Durchbruch zu bringen. Sie arbeitet interkonfessionell, ihr Ein-
fluß, der in Deutschland im Beginnen ist, erstreckt sich im besonderen
auf weite kirchliche Kreise. Die katholische Kirche steht ihr mit auf-
fallender Sympathie gegenüber. Die Gruppe ist im Ausland sehr marxi-
stisch beeinflußt, während sie sich in Deutschland politisch vollkommen
einwandfrei verhält. Durch ihre Offenbarungsmethode sind ausländischen
Nachrichtendiensten gute Informationsquellen gegeben. Ihre Taktik geht
zur Zeit dahin, in Parteikreise einzudringen.
II. Arbeitsanweisungen:
1. Zur Ökumene:
a) Der OA Süd- West hat die Aufgabe, einen V-Mann in die ökumeni-
schen Vereinigungen, deren Sitze sämtlich in Genf sind, hereinzu-
bringen.
b) Die Verbindungen und Reisen deutscher Theologen und Laienführer
nach dem Ausland müssen festgestellt werden.
c) Evangelische Persönlichkeiten, die wiederholt solche Reisen unter-
nehmen, sind durch periodische Postüberwachung und andere Mittel
besonders eingehend zu beobachten.
d) Pressenotizen in- und ausländischer Zeitungen, wie auch Berichte in
Kirchenblättern und kirchlichen Zeitschriften, sind gesammelt und
geordnet von Zeit zu Zeit einzusenden.
e) Die Ökumene stellt für den Vatikan ein weiteres Mittel zur Wieder-
vereinigung im Glauben dar. Daher ist die Zusammenarbeit zwischen
den beiden Konfessionen auch im Hinblick auf die Ökumene ge-
nauestens zu beobachten.
f) V-Männer der OA im Ausland sind auf die Beobachtung der Be-
strebungen der ökumenischen Vereine hinzuweisen.
III. Zur Oxford-Bewegung.
a) Besonderes Augenmerk ist auf die Beschaffung von belastendem
Material zu richten, also auf evtl. Einflüsse des Pazifismus, Marxis-
mus, Judentums usw.
b) Jeder OA (Oberabschnitt) hat durch Rundfrage die Gruppenkreise in
seinem Gebiet festzustellen.
c) In jede festgestellte Gruppe ist ein V-Mann einzubauen.
d) In Verbindung mit der Rundfrage ist die Zahl der Anhänger, deren
Veranstaltungen, wie auch der Beruf, die politische Vergangenheit,
die Auslandsaufenthalte und die Verbindungen zum Ausland der
Anhänger festzustellen.
e) Nach sorgfältiger Durchsiebung ist vorsichtige Telefon- und Brief-
überwachung bei den wichtigsten und genaue Beobachtung bei den
übrigen Mitgliedern zu veranlassen.
f) In- und ausländische Zeitungen und kirchliche Zeitschriften sind
auf Nachrichten über die Bewegung genauestens durchzusehen.
g) Der Einfluß der Oxford-Bewegung in Staats- und Parteikreisen ist
zu beobachten.
h) Die V-Männer der OA im Ausland sind auf die Beobachtung der
Oxford-Bewegung hinzuweisen.
374
Richtlinien zur Bekämpfung des Sektenwesens
Die Gefährlichkeit des Sektenwesens liegt in folgenden Tatsachen
begründet:
1. Erziehung der Anhänger zu egozentrischen Auffassungen und Gleich-
gültiglieiten gegenüber allen Fragen, die Volk und Staat betreffen.
2. Zersetzung mit Marxisten und Kommunisten.
3. Freimaurerische, |üdische und ' internationale Bindungen.
4. Verweigerung des Eides und des deutschen Grußes.
5. Ablehnung der allgemeinen Wehrpflicht.
6. Ablehnung der Übernahme von Ämtern in Organisationen des Staa-
tes und der Bewegung (DAF, Luftschutz, NSV, WHW usw.).
7. Verweigerung der Teilnahme an Betriebsappellen und der Mitarbeit
in der Rüstungsindustrie.
8. Gesundheitsbeterei.
9. Ausbeuterei und Volksverdummung.
10. Ablehnung der nationalsozialistischen Rassentheorie.
Für die Bearbeitung und Bekämpfung des Sektenwesens durch den
SD hat sich die Einteilung in folgende drei Hauptgruppen als zweck-
mäßig erwiesen und soll deshalb auch zukünftig beibehalten werden.
I. Jüdisch-christliche Sekten.
II. Freimaurerisch gebundene okkultistische und
spiritistische Sekten.'
III. Außerchristliche Sekten.
Ein ausführliches Verzeichnis, aus dem die Numerierung und die Auf-
teilung aller Sekten in diese drei Gruppen hervorgeht, wurden OA be-
reits zugesandt. Darin noch nicht aufgeführte, bzw. neu auftretende
Sekten sind dem Hauptamt zu melden. Von dort aus wird dann über
deren Einfügung in die Liste entschieden. Nur so ist notwendige dau-
ernde Einheitlichkeit für das ganze Reich gewährleistet.
Erfassung, Bearbeitung und Überwachung jeder einzelnen Sekte so-
wie die Zusammenstellung von Berichten hat zukünftig nach folgenden
Punkten zu erfolgen:
1. Übersicht über Ideengut und geschichtliche Entwicklung.
2. Organisation und Satzungen. — Statistik. — Finanzielle Mittel, Ver-
mögenswerte (Grundstücke, Gebäude) usw.
3. Verbreitungsgebiet. Internationale Bindungen (mit Angabe der Zen-
trale, falls diese sich im Ausland befindet).
4. Leitung, Prediger, führende Personen. — Zahl der Mitglieder bzw.
Anhänger und deren frühere politische Einstellung.
5. Brauchtum, Rituale, Feste, Feiern. — Symbole.
6. Verhalten zur Kirche, — Verbindungen zu Freimaurerei und Judentum.
Marxistische und kommunistische Einflüsse.
7. Versammlungs- und Erziehungstätigkeit.
8. Verhalten zu NS-Idee und Staat.
9. Kulturelle Einflüsse.
10. Kriminalität, Polizeiliche Erlasse. — Auflösung, Verbot.
Die- Befolgung dieser Richtlinien und die sorgfältige Bearbeitung der
Fragebogen ist für die zukünftige Arbeit der OA und Kleinarbeit der
UA und Außenstellen erforderlich.
Um die Bekämpfung der Sekten möglichst wirkungsvoll zu gestalten,
sind für die Durchführung der Bearbeitung folgende Punkte besonders
zu beachten:
375
1. V-Männer:
In jeder Sekte muß mindestens ein V-Mann eingebaut sein, der
laufend über Personalveränderungen, Versammlungen und Literatur
Bericht erstattet. Bei der internationalen Bindung dieser Sekten ist es
unerläßlich, daß sich auch V-Männer im Ausland befinden und inter-
nationale Tagungen und Kongresse überwachen.
2, Zusammenarbeit mit Staats- undParteistellen:
Reichhaltiges Material ist zu bekommen z. B. durch die Verbindung
mit der DAF (Amt Information) und NSV (Anmerkung: zahlreiche Sek-
ten sind Mitglieder der „Reichsarbeitsgemeinschaft für das WHW des
deutschen Volkes", die der NSV untersteht.)
Auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Parteileitungen SA, SS,
HJ, Arbeitsdienst usw. bietet Gelegenheit zur Beschaffung von wichtigen
Meldungen.
Bei den Ortspolizeibehörden und Staatspolizeistel-
len sind über viele Sekten bereits Akten vorhanden, die zweckmäßiger-
weise photokopiert werden.
Durch Teilnahme an Aktionen , der Staatspolizei kann der Sach-
bearbeiter die Person des Gegners selbst kennenlernen und direkt
Aufschluß über seine Arbeitsmethoden, geistige Einstellung usw. er-
halten. Den Berichten der Oberabschnitte ist nach Möglichkeit Bild-
material beizufügen. Dieses ist bei der geplanten Aufklärung des Vol-
kes über das Sektenwesen in Vorträgen, Zeitschriften und Zeitungsauf-
sätzen ein unentbehrliches Hilfsmittel.
Das Ziel dieser Arbeit kann in folgenden Punkten zusammengefaßt
werden:
1. Eine einjährige, restlose Erfassungsaktion, die einheitlich im ganzen
Reich durchgeführt wird.
2. Eine entsprechende Materialsammlung zur Vorbereitung staatspoliti-
. scher Maßnahmen.
3. Die parteiliche und staatliche Aufklärung zum Zwecke der restlosen
Vernichtung des staatsfeindlichen Sektenwesens in Deutschland.
4. Erhaltung harmloser Sekten, die zum Zerfall staatsfeindlicher anderer
Bekenntnisse und Zersplitterung im kirchlich-religiösen Gebiet führen.
Die neueste Lage der völkisch religiösen Gruppen
Im großen und ganzen zeigt der völkisch religiöse Kampf heute fol-
gende Erscheinungen:
1. Die Mitgliederzahl der deutschgläubigen Gruppen steigen nur schlep-
pend und stehen teilweise in sehr schwachem Verhältnis zu dem Ruf
dieser Gruppen.
2. Maßgebliche wissenschaftliche Kräfte (Rasse- Vorgeschichtsforscher
und Religionswissenschaftler usw.) stehen außerhalb der Organisa-
tionen.
3. Die NSDAP betont in den einzelnen Gauen mehr oder weniger stark
eine Distanzierung von den deutschgläubigen Organisationen, damit
hängt zusammen, daß
4. die Partei selbst in ihren Gliederungen angriffsfreudiger wird und
heute in starkem Maße Trägerin der Kirchenaustrittsbewegung ist.
5. Die deutsch- christlichen Gruppen und frei-religiösen Organisationen
zeigen eine ständige Entwicklung zum reinen Deutschglauben.
Die deutsche Glaubensbewegung zeigte am 1. Januar 1937
zirka 22 000 Mitglieder, hiezu kamen zirka 5000 fördernde Mitglieder.
Die Führerstreitigkeiten der letzten Jahre scheinen zu einem
gewissen Abschluß gelangt zu sein, offenbar gelingt es dem jetzigen
376
Leiter B. Wiedenhöft als geschmeidigem, Rechtsanwalt, sich sicher durch
, das .Intrigenspiel zu winden.
Im April 1937 gründete die deutsche Glaubensbewegung eine Arbeits-
gemeinschaft, die in folgende Arbeitskreise unterteilt ist:
a) Arbeitskreis zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Gottfrage
im deutschen Raum, Leiter Prof. Hermann Schwarz in Darmstadt.
b) Arbeitskreis zur" Erforschung der Zusammenhänge zwischen Glaube
und Recht, Leiter Rechtsanwalt von .der Becke. ■ •.. ■ .
.c) Arbeitskreis zur Erforschung des deutschen Glaubensgutes in deut-
schen Volksliedern . und Märchen, Leiter Magistratsrat Artur Lahn.
. d) Arbeitskreis zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen biologi-
schen Leistungen eines Volkes und seiner Religion, Leiter Max Kerkes.
Die Unterredung zwischen dem Führer und General Ludendorff hat
■für das Haus Ludendorff eine vollkommen neue Lage geschaffen. Das
Reichs- und Preuß. Ministerium des Innern verfügte mit Erlaß vom
. 23. April 1937, daß in Zukunft den ehemaligen Tannenbergbündlern aus
der Tatsache ihrer früheren Zugehörigkeit zum TB keine Nachteile er-
, wachsen sollen.
Durch Erlaß der Gestapo vom 11. Mai 1937 sind -dem Haus Luden-
dorff geschlossene Mitgliederversammlungen mit geladenen Gästen in
gleicher Weise wie allen anderen deutschgläubigen Organisationen ge-
stattet. General Ludendorff gründete am 19. Juni '19i37"den Bund für
„Deutsche Gotterkenntnis" (Ludendorff) e. V. Vom Hause Ludendorff
drohen nach wie vor zwei Gefahrenmomente:
1. Reaktion: Auf Gi-und der Entwicklung werden es stark reak-
tionäre Keime sein, die ihr politisches Nörglertum in die Ludendoi'ff-
bewegung tragen.
2. Deutschgläubiges Dogma: Wenn der General an seinem
70. Geburtstag gegenüber Reichswehroffizieren äußerte: „Das devitsche
"Volk kann nur durch die Gotterkenntnis meiner Frau selig werden",
wenn der -General weiterhin in seiner Zeitschrift meinte, daß nur eine
Frau — heute also seine Frau — wirklich schöpferisch sein kann —
wenn der General darauf hinwies, daß man auf dem internationalen
Philosophenkongreß in Paris die Nennung des größten heutigen Philo-
sophen — nämlich Mathilde Ludendorff — vergaß oder übersah, so zeigt
das mit aller Klarheit, daß vom Haus Ludendorff tatsächlich die Her-
ausbildung eines deutschgläubigen Dogmas droht. Trotzem kann nicht
übersehen werden, daß dieser Anspruch der Einmaligkeit mit seiner
Totaiitäts.forderung in einem gewissen Grade auch negative Erfolge
zeitigt.
Die Astrologie ist, soweit im einzelnen Gefahr für die national-
sozialistische Weltanschauung besteht, zu beobachten.
Dagegen ist auch der Nacktkultur, deren gesunde Richtung im
„Bund für Freikörperkultur" organisiert ist, Aufmerksamkeit zu schen-
ken. Es bestehen hier ideelle und personelle Verbindungen zu den
deutschgläubigen Organisationen.
Die Statistiken zeigen, daß in der Kirchenaustrittsbewe-
gung die Parteimitglieder führend sind. Auf Grund einer Rundverfü-
gung des Reichsministers der Justiz vom 14. April 1937 werden in Zu-
kunft in den norddeutschen Oberländesgerichtsbezirken amtliche Stati-
stiken erhoben.
Aufgabe des Sicherheitsdienstes muß sein, sämtliche Schwierig-
keiten aus dem Wege zu räumen, die immer noch von kirchlichen oder
kommunalen Stellen gemacht werden.
377
Arbeitsanweisung:
1. Das V-Männersystem ist gründlich auszubauen. Da die völkisch-reli-
giösen Gruppen zum großen Teil positiv zum nationalsozialistischen
Staat stehen, muß erreicht werden können, daß in den Leitungen
sämtlicher Organisationen V-Männer sitzen.
2. Nachrichtenmäßig sind zu erfassen:
a) Mitgliederlisten, b) Satzungen, c) Absplitterungen oder Neubildun-
gen, d) Eindringen marxistischer oder reaktionärer Kreise, e) Verbin-
dungslinien zwischen den völkisch religiösen Gruppen und der Nackt-
kulturbewegung. . , •
3. Zeigen sich bei der -Neubildung deutschgläubiger Gruppen sektiere-
rische Neigungen oder geschieht Neugründung offensichtlich aus Er-
werbsgründen der leitenden Personen, so ist die Neubildung nach
Möglichkeit von vornherein zu unterbinden.
4. Die Astrologie ist genau zu betrachten, ob und inwieweit sie als Ge-
werbe mit kaufmännischen Mitteln und Zielen oder mit politischem
Hintergrund betrieben wird. Verbindungen zur Anthroposophie und
Theosophie sind wichtig.
5. Die Kirchenaustrittsbewegung ist zu beobachten, größere, Hemmnisse
sind zu melden.
6. Ernstere Mißstimmigkeiten zwischen Partei und deutschgläubigen
Gruppen sind zu melden.
Illegalität der Kirchen.
Infolge der ständig zunehmenden Verschärfung i des Kampfes
zwischen Kirche und Staat hat sich der Katholizismus in Deutsch-
land vor allem nach dem Verbot der Enzyklika „Mit brennender
Sorge" gezwungen gesehen, illegale Wege zur Erreichung seiner
Ziele zu beschreiten.
Zum Zwecke des Nachweises, daß die katholische Kirche, ohne
daß sie dazu ' gezwungen gewesen wäre, die Nachsicht des Staates
mißbraucht und Mittel für ihre Zwecke eingesetzt hat, die dem
geltenden Gesetz, den bestehenden Verordnungen und der sittlichen
Haltung des deutschen Menschen im Dritten Reich zuwiderlaufen,
muß der SD beweiskräftiges Material sammeln.
Der Begriff der Illegalität, unter dem alle
hieher gehörenden Meldungen laufen sollen, ist
s OjW eit zu fassen, daß darunter nicht nur die Ver-
stöße gegen staatliche Gesetze oder gegen Ab-
machungen des Konkordates fallen, sondern auch
alle die Pläne und Maßnahmen, welche die Kirche
innerhalb ihres eigenen Bereiches ungestraft
vornehmen kann, die aber, würden sie im öffent-
lichen Leben vollzogen, als unerlaubt im Sinne
der weltanschaulichen Grundsätze der NSDAP
verhindert werden würden. Es gehören also unter das
Kennwort „Illegalität" auch alle die Fälle, in denen die Kirche auf
Grund der ihr noch zustehenden Eigenmächtigkeit nicht rechtlich
belangbar ist, die aber außerhalb des für alle geltenden Gesetzes
378
liegen. Durch Beibringung entsprechender Fälle soll der Nachweis
erbracht werden, daß die Kirche in ihren eigenen Institutionen
und Organisationen nach anderen als den zur Zeit in Deutschland
gewohnheitsmäßig geübten Rechten handelt.
Da dem Katholizismus eine Beeinflussung der öffentlichen
Meinung durch die Presse, durch Amtsblätter und dergleichen weit-
gehend unmöglich gemacht worden ist, versucht der Klerus an
Stelle der Einflußnahme mit Hilfe von Druckerzeugnissen die
mündliche, private oder öffentliche Beeinflussung zu setzen. Kanzel-
hetze wird immer häufiger zu verzeichnen sein. Eine syste-
matische Predigtübe rwachUNng muß demgemäß
durchgeführt werden. Schwieriger festzustellen ist, wie
weit sich die Pfarrer für die direkte Mundpropaganda einsetzen.
Hier sollen nach Möglichkeit beglaubigte Zeugenaussagen erlangt
werden, aus denen der Inhalt der Unterlagen zu ersehen ist.
Bei den Fällen von Kanzelhetze handelt es sich erfahrungs-
gemäß nur selten um spontane Einzelaktionen, sondern um ein von
autoritärer kirchlicher Stelle angezetteltes . Vorgehen, das meistens
durch einen aktuellen Anlaß bedingt ist. Die OA-Referenten müssen
über die jeweilige Lage so genau orientiert sein, daß sie imstande
sind, mit einiger Sicherheit wesentliche Kanzelverlautbarungen
vorauszusagen.
Den höheren und niederen Geistlichen gehen Informationen
und Richtlinien durch Geheimboten zu. Ein geheimer Kurier-
dienst vermittelt nicht nur den Verkehr zwischen den Bischöfen,
sondern auch zwischen den ihnen unterstellten Geistlichen. Wenn
es gelingt, die Kurie rwege festzustellen und die Kuriere
zu beobachten, so ist damit jederzeit die Möglichkeit gegeben, die
Informationen zu unterbinden bzw. rechtzeitig in den Besitz der
Vorhaben und Pläne zu gelangen. Dies ist eine der wesentlichsten
Aufgaben für die nächste Zeit.
Die Nachrichtenübermittlung beschränkt sich nicht auf das In-
land. Häufig wurden deutschfeindliche Presseorgane über Zwischen-
fälle unterrichtet, die sich im deutschen kirchlichen Leberi zu-
getragen haben. Um die Quellen derartiger Informationen fest-
zustellen, soll künftighin bei Ermittlung über einen Zwischenfall
immer in Betracht gezogen werden, wer an dem betreffenden Ort
für eine Orientierung der Auslandspresse in Frage
kommen kann, bzw. welche Leute Verbindungen zu Mittelsmännern
aufrechterhalten könnten, die diese Nachrichten dann weiterleiten.
Besonders bei dem Kampf um die Jugend äußerte sich die
staatsfeindliche Haltung der Geistlichkeit in illegalen Maßnahmen.
In den Kämpfen um die Konfessionsschule geht die Kirche mit
allen Mitteln vor, in der wandernden Kirche, im Arbeitsdienst, in
der Wehrmachtsseelsorge, im Landjahr versucht die Geistlichkeit
ihren zersetzenden Einfluß geltend zu machen und läßt sich dabei
nicht selten zu illegalen Reden und Handlungen hinreißen.
379
Es können unmöglich alle vorhandenen Fälle von Illegalität
von vornherein angegeben werden. Wesentlich ist, daß es sich in
den meisten Fällen um Maßnahmen handeln wird, durch die sich
die Kirche außerhalb der Grenzen des lür alle geltenden Gesetzes
stellt.
Aufgaben für den SD: aus allen übrigen Vorgängen das unter
BetretT „Illegalität" fallende Material dem Hauptamt gesondert
einzureichen. Hierunter sind in diesem Zusammenhang
alle Maßnahmen und Handlungen des politischen Katholizismus
und seiner Träger zu verstehen, die
a) im Widerspruch zu den geltenden Gesetzen und Verordnungen
stehen,
b) außerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes vor-
genommen werden,
c) geeignet sind, die weltanschaulichen Fundamente des Dritten
Reiches zu zerstören.
Besondere Feststellungen:
1. Feststellung eines Nachrichtendienstes überhaupt.
2. Ermittlung der Kurierwege und Zentralen.
3. Beobachtung der Grenzsekretariate und Anlaufstellen.
4. Ergründung der Nachrichtenübermittlung und der Nachrichten-
- mittel.
5. Ausländische Verwaltungs- und Verbindungsmänner.
6. Flüchtlingshilfe und Hilfskomitees für Rückwanderer für ent-
. lassene Sträflinge usw.
7. Beachtung aller Fälle von Emigranten wichtiger Katholiken.
8. Stoßtruppbildung.
9. Revolutionäre Bewegungen, Bewaffnung.
Die finanzielle Macht der Kirchen
Die Kirche ist neben dem Staat der größte Grundeigen-
tum, e r Deutschlands. Unter Herbeiziehung statistischer Unter-
lagen wurde der gesamte Grundbesitz der katholischen und evan-
gelischen Kirche auf insgesamt eine Million Hektar, das sind
4 000 000 Morgen, geschätzt. Das entspricht etwa der Größe des
Landes Thüringen. Wollte man den Quadratmeter mit RM. 1. —
veranschlagen, so würde sich der Wert dieser im Eigentum der
Kirchen befindlichen land- und forstwissenschaftlich genutzten
Flächen auf 10 Milliarden Reichsmark beziffern.
In Köln besitzt die katholische Kirche und die ihr angeschlos-
senen Organisationen 55 Kirchen und 416 Gebäude. Der Wert der
Gebäude ist grundbuchamtlich mit über 23 000 000 RM. verzeichnet.
380
Neben dem Grundbesitz verfügt die katholische Kirche ins-
besondere über erhebliche Einnahmequellen. So brachte
beispielsweise die Caritassammlung 1934 über RM. 300 000. — .
An Zuschüssen des Staates werden an die Kirchen beider Kon-
fessionen jährlich RM. 100 000 000. — gezahlt, und die Höhe der ver-
einnahmten Kirchensteuer läßt sich auf RM. 200 000 000. — veran-
schlagen.
Diese Zahlen, über die nur selten etwas in der Öffentlichkeit
verlautet, bezeugen, daß die katholische Kirche über einen erheb-
lichen Finanzapparat verfügt.
Die Unabhängigkeit der katholischen Kirche mit diesen Vermögens-
massen von dem nationalsozialistischen Geschehen in Deutschland
beweist die Tatsache, daß in Krisenzeiten ab 1929, einer Zeit, in der die
Arbeitslosigkeit in Deutschland am größten war und die Konkurse deut-
scher Unternehmen am zahlreichsten waren, ausgerechnet von der katho-
lischen Kirche am meisten Kapital in Deutschland investiert worden ist.
Die Gründe dafür sind darin za sehen, daß in dieser Zeit der politische
Einfluß des Zentrums für die Sicherheit und Förderung der katholischen
Kirche die notwendige Garantie anbot. So ist nicht verwunderlich, daß
nach der nationalsozialistischen Revolution, d. h. 'nach Verschwinden des
politischen Einflusses des Zentrums kirchlicherseits eine Kapitalverschie-
bung nach dem Ausland betrieben wurde, die in zahlreichen Devisen-
prozessen ihren Ausdruck fand.
Im Rahmen der Erzeugungsschlacht und den Aufgaben des Vier-
jahresplanes ist es unmöglich, daß derartige gewaltige Vermögensmassen
unabhängig von dem nationalwirtschaftlichen Geschehen in Deutschland
unter Sonderrechten und abseits allen Geschehens bestehen bleiben
können. Deshalb ist es notwendig, daß zunächst eine Übersicht über die
verschiedensten Vermögensarten, wirtschaftlichen Betätigungszweige und
Einkommenquellen der Kirche verschafft wird.
Eine besondere Beachtung bei der Bearbeitung der wirtschaftlichen
Verhältnisse und Betätigung der Kirchen- verdienen die verschiedenen
Arten wie kirchlicherseits Tarnungen von Vermögensmassen vorgenom-
men werden.
Um Vermögensträger zu sein, ist für die verschiedensten Organi-
sationen erforderlich, sich entweder in bürgerlich-rechtliche oder han-
dels-rechtliche Formen zu kleiden.
Es ist verschiedentlich festgestellt worden, daß sich die Vermögens-
verwaltung kirchlicher Organisationen unter rein weltlichen Bezeich-
nungen verbergen, die nicht ohne weiteres als kirchliche Vermögens-
träger erkennbar, sind.
Beispielsweise verbirgt sich hinter den rein weltlichen Namen wie:
Böhmer & Co., GmbH., Mecking Hovenner Grunderwerbs- und Bau-
gesellschaft AG., Aachener Immobilien AG., Stadthalle AG., Osnabrück,
die Vermögensverwaltung der Dominikaner, Franziskaner, Jesuiten und
des Bischöflichen Stuhles Osnabrück.
Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen verdienen dann die
verschiedensten wirtschaftlichen Betätigungszweige der Kirchen Be-
achtung, sei es, daß die Ordensgenossenschaften ein Gewerbe betreiben
oder daß es sich um eigens gegründete Erwerbsgesellschaften handelt,
die mit kirchlichen Geldern betrieben werden und deren Gewinne den
Kirchen bzw. ihren Organisationen zufließen, wie z. B. Bonifatiusdr uckerei,
die Leo-Film-AG., Kath. Volkshilfe, gemeinnützige Versicherungs AG.
usw. Die wirtschaftliche Betätigung der Kirchen bildet insbeson-
dere deshalb eine lästige Konkurrenz für die anderen Gewei-bezweige,
381
weil die ersteren einerseits mit billigen Arbeitskräften, wie Erholungs-
bedürftigen, Krüppeln und Ordensangehörigen, arbeiten und anderei--
seits unter dem Vorwand, daß es sich um gemeinnützige mildtätige und
kirchliche Zwecke handelt, in weitestem Maße steuerliche Befreiungen
in Anspruch genommen werden.
Besondere Aufmerksamkeit verdient noch der internationale Ver-
mögensverkehr insbesondere der katholischen Kirche. Wenn in einem,
einzigen Fall von einer Person eine Million Rentenmark innerhalb kür-
zester Zeit aus Deutschland herausgeschoben werden konnte, so ist
allein dies ein Beispiel dafür, wie notwendig die Überwachung des
internationalen Vermögensverl^ehrs der katholischen Kirche ist.
Gleiche Beachttmg muß die innerkirchliche Vermögensverschiebung
finden, insbesondere kurz vor Auflösung von kirchlichen Organisationen,
damit eine Übertragung des Vermögens an andere Stellen verhindert
werden kann.
Das Sammel- und Kollektenwesen der Kirche, das auch heute noch
einen wesentlichen Bestandteil der kirchlichen Einkünfte ausmacht, ist
zu beobachten, damit in Fällen, in denen noch Umgehungen des Samm-
lungsgesetzes vorliommen, entsprechende Änderungen der gesetzlichen
Bestimmungen von hier aus angeregt werden können.
Arbeitsanw eisung:
Im wesentlichen wird die Feststellung des kirchlichen Ver-
mögensbesitzes im Rahmen des „Sonderauftrages T.H." durch-
geführt. Daneben ist noch folgenden Punkten besondere Beachtung
zu schenken:
1. Nachdem durch den Reichsarbeitsminister die Stellenvermittlung
durch kirchliche Organisationen grundsätzlich verboten ist, ist
über die Tätigkeit der stellenvermittelnden Organisationen im
Rahmen der noch gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten für
nicht Vollerwerbsfähige zu berichten.
2. Die Feststellungen über die Kirchenneubauten nach 1933 sind
weiter zu treffen. Anfang 1938 ist über die Kirchenneu- und
-umbauten seit dem Erlaß des Beauftragten für den Vier jahres-
plan zu berichten, wonach Kirchenneubauten, bei denen mehr
als 2 Tonnen Baueisen Verwendung finden, genehmigungs-
pflichtig sind.
3. Bei geplanten Auflösungen von kirchlichen Organisationen sind
die Vermögensverhältnisse vorher eingehend zu prüfen, damit
innerkirchliche Verschiebungen vermieden werden.
4. Über Umgehung des Reichssammlungsgesetzes bezüglich der
Kollekten ist in berichten, damit gegebenenfalls entsprechende
Gesetzesänderungen angeregt werden können.
5. Die Transferierung kirchlicher Gelder nach derai Ausland ist zu
beobachten, und festgestellte Fälle (wenn auch mit Genehmi-
gung) sind zu berichten.
6. Das katholische Siedlungswesen verdient weiterhin besondere
Beachtung.
7. Bei Einzelfeststellungen über kirchlichen Haus- und Grundbesitz
sind von besonderer Bedeutung die Höhe der Belastungen und
die Gläubiger.
382
\
„Weltnotorisch!"
Trotz Geheimhaltung, Tarnung, Absperrung und
Ableugnung
Diese „Arbeitsanweisungen" des SD (Sicherheitsdienstes) waren
ganz geheim.' Und Tausende solcher Anweisungen ebenso! Alles
sollte getarnt sein, ein schönes Mäntelchen und irgendeine Schein-
begründung haben, vor In- und Ausland verborgen bleiben, im
Notfall abgeleugnet werden können.
Dr. Joseph Eberle schreibt in seinem Schriftchen: „Das Los der
christlichen Presse im Dritten Reich" (Ruß, Bregenz, S. 11):
„Der Nationalsozialismus hat das Reden in bisher nicht gekannten
Ausmaßen und Lautstärken geübt. Daneben aber betrieb er eine noch
fast größere und wirksamere Arbeit des Verbergens und Verschweigens.
Nie wurden die Menschen so mit Propaganda überschüttet; nie aber
wurden sie auch bezüglich zahlreicher Vorgänge so im Dunkel gehalten
wie von diesei^ Bewegung. Man erfuhr bezüglich vieler Dinge kaum
von dem, was in der nächsten Nachbarschaft vorging. Und was man
erfuhr, .war so unbestimmt, daß man nie wußte: Ist das Gerücht oder
ist das Wahrheit?"
Trotzdem brachte auch hier die Sonne manches an den Tag
und hatten auch hier Lügen schließlich kurze Beine, auch wenn
es jene von Goebbels waren.
Der Heilige Stuhl konnte in seiner Note vom 14. Mai 1934 vieles
„W eltnotorisch" nennen, was die Nationalsozialisten ver-
bergen oder verleugnen wollten.
Feststellungen des Hl. Stuhles
„ W eltnotorisch ist, daß die Kirche im heutigen
Deutschland diejenige Freiheit nicht mehr hat, die sie beanspruchen
muß.
Weltnotorisch ist, daß die frühere katholische
Presse^ zum großen Teil eingegangen ist, daß die noch ver-
bleibende, wie in dem staatlichen Promemoria zugegeben und so-
gar verteidigt wird, sich nicht mehr katholisch nennen und keine
normale Mitgliederwerbung betreiben darf.
Weltnotorisch ist, daß die Freiheit der katholischen
Presse selbst in der Verteidigung katholischer Lehr- und Lebens-
grundsätze behindert ist.'
Weltnotorisch ist, daß der Klerus in der Ausübung
seiner Seelsorge von Hemmungen und Gefährdungen umgeben ist,
die er früher nicht gekannt hat.
Weltnotorisch ist, daß zahlreicheMitglieder
des geistlichen Standes längere oder kürzere Zeit in
Schutzhaft genommen wurden: in vielen Fällen aus Gründen,
383
die man auch bei mildester Beurteilung als berechtigt nicht an-
sehen kann, sehr oft lediglich wegen pflichtmäßigen Widerstandes
gegen gewissenswidrige Zumutungen von dieser oder jener staat-
lichen oder staatlich gestützten Seite.
Weltnotorisch ist, daß selbst die Mitglieder des
Episkopats in der lehrmäßigen Verteidigung katholischer
Glaubens- und Lebensgrundsätze, in der üblichen Veröffentlichung
von Hirtenbriefen gehindert sind, daß sie im partei- und organi-
sationsamtlichen Schrifttum Schmähungen und Angriffen aus-
gesetzt sind. Unter konstruierten Vorwänden wird selbst rein reli-
giöses Eintreten für pflichtmäßige Belange ihres Amtes als „Politik"
bezeichnet und von der Presse der herrschenden Partei beschimpft.
Weltnotorisch ist, daß einzelne Päpstliche Ver-
lautbarungen nicht in der Presse veröffentlicht werden dür-
fen und daß ein Papstbrief an die schwer leidende katholische
Jugend von Uniformträgern auf offener Straße verhöhnt werden
konnte."
Dieser kräftigen Feststellung des Hl. Stuhles vom Jahre 1934
sei als Abschluß und Zusammenfassung alles Vorhergehenden nur
noch die Feststellung Papst Pius XH. in seiner Ansprache an das
Kardinalskollegium vom 2. Juni 1945 angefügt:
„Tatsächlich hat sich der Kampf gegen die
Kirche immer mehr verschärft: Zerstörung der
katholischen Organisationen, fortschreitende
Auflösung der blühenden öffentlichen und pri-
vaten katholischen Schulen;, gewaltsame Tren-
nung der Jugend von Familie undKirche! Ver-
gewaltigung der Gewissen der Staatsbürger, be-
sonders der Beamten; systematische V e r 1 e u m -
düng der Kirche, des Klerus, der Gläubigen, ihrer
Einrichtungen, ihrer Lehre, ihrer Geschichte
durch eine verschlagene und straff aufgebaute
Propaganda; Schließung, Aufhebung, Einziehung
von Ordenshäusern und anderen kirchlichen In-
stituten; Vernichtung der katholischen Presse
und Buchproduktio n."
So löste Hitler sein Wort in der Reichstagsrede vom 23. März
1933 ein:
„Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Kon-
fessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums.
Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Ver-
träge respektieren; ihre Rechte sollen nicht angetastet werden . . .
Die nationale Regierung wird in Schule und Erziehung den
christlichen Konfessionen den ihnen zukommenden Einfluß ein-
räumen und sicherstellen. Ihre Sorge gilt dem aufrichtigen Zu-
sammenleben zwischen Kirche und Staat"!!
384
KREUZ
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Der Kampf des Nationalsosiairsmus
gegen die katl^olTscbe KiVckje
und
der ki'rcVjircl^c Wi'derstand
Zwci'ier Teil
D
von
Dol^ann Neul^öusler
Vcrlog-Kotl^oli'scl^G Kirch)c Bayerns
4946
Imprimatur:
G. V- 2785 München, 11. März 1946
Erzbischöfliches Ordinariat
München und Freising
Buchwieser
Gen.-V.
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright by Verlag der Kath. Kirche Bayerns in München.
Zulassung Nr. 6 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung.
Druck: Val. Höfling (Dr. Valentin Mayer), München, Bayerstraße 57/59.
Die Zeichnungen sind von Anton und Franz Neuhäusler in München.
Auslieferung: Pfeiflers Buchhandlung, München 2, Herzogspitalstr. 5 u. 6
EIN GELEITWORT GOTTES
1. Ueber seine Widersacher
„Uebermut ist ihr Halsgeschmeide.
Wie ein Gewand umhüllt sie Gewalttat,
Wie aus fettem Grund schießt ihre Sünde auf.
Maßlos sind ihres Herzens Lüste.
Sie höhnen, und voll Bosheit ist ihr Wort.
Sie drohen mit Gewalt von oben her.
Sie setzen an den Himmel ihren Mund,
und ihre Zunge schreitet durch die Welt.
Deshalb wendet sich das Volk dorthin
und schlürft mit vollen Zügen ihrer Lehre Wasser . . .
Doch Du (Gott) stellst sie hin auf schlüpfrigen Boden,
lassest sie zum Trümmerhaufen werden.
Wie sind sie doch im Nu vernichtet worden!
Sie sind dahin; ihr Elend war voll Schrecken."
(Ps, 72, 9-10, 18, 19)
„Ach, idi höre so viele raunen:
.Zeigt ihn an!
Jawohl, wir denunzieren ihn.'
All meine Vertrauten lauern auf einen Fehltrift von mir:
.Vielleicht läßt er sich verleiten.
Dann haben wir ihn in der Hand.
Dann können wir unsere Rache an ihm kühlen.*
Doch mit mir ist der Herr als ein starker Held.
Darum werden meine Verfolger straucheln und nicht obsiegei
Ewig wird ihre Schande dauern und nicht vergessen werder
(Jer. 20, 10 ff)
3
2. An seine verfolgten Getreuen
, Zieht nicht mit den Ungläubigen an einem Joch!
Denn was haben Gerechtigkeit und Gottlosigkeit
miteinander zu tun?
Was haben Licht und Finsternis gemeinsam?
Wie stimmen Christus und Belial zusammen?
Was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen?"
(2 Cor, 6, 11 ff.)
„Es ist doch besser, wenn es Gottes Wille ist, um des Guten
willen zu leiden als wegen des Bösen." (i. Petr. 3. 17)
„Keiner von Euch soll als Mörder, Dieb, Verbrecher oder Auf-
ruhrer zu leiden haben.
Hat aber einer zu leidfen, weil er ein Christ ist,
so schäme er sich dessen nicht,
sondern preise Gott um seines Namens willen!"
(iPetr. 4, 25 ff.)
„Gedenket der früheren Tage!
Da habt ihr nach eurer Erleuchtung so manchen Leidens-
kampt bestanden,
bald als Schauspiel von Schmähungen und Bedrängnissen,
bald als Genossen von solchen, die zum Schauspiel geworden.
Aber wir gehören nicht zu denen, die sich zurück'
ziehen und zugrunde gehen,
wohl aber zu denen, die glauben, um ihre Seele zu retten."
(Hebr 10. 32, 33. 39)
4
I N H A LT S VERZEICHNIS
Ein Geleitwort Gottes
Zweiter Teil
Der Widerstand der katholischen Kirche
gegen den Nationalsozialismus
Seite
A. Der kirchliche Widerstand eine Tatsache 9
B. Kr af t zent r en d es kir chli ch en Wi d e rst an d es 26
1. Der Fels Petri 26
Reichskonkordat 26
Päpstliche Noten 27
Weltrundschreiben Papst Plus' XI. vom 4. März 1937 . . 34
Antwort auf die Beschwerde der Reichsregierung ... 42
2. Der einmütige deutsche Episkopat 50
a) Gemeinschaf ts h i r te n b r i e f e der Icatholischen Bi-
schöfe Deutschlands . 50
b) Gemeinsame Denkschriften der kathohschen Bi-
schöfe Deutschlands . 71
aa) Denkschrift der deutschen Bischöfe an den Führer
zur religiös-kirchlichen Lage im Jahre 1935 ... 73
bb) Denkschrift der deutschen Bischöfe an das Reichs-
ministerium für kirchliche Angelegenheiten am
13. Januar 1937 94
c) Ein Freundschaftsecho aus Noi-damerika 98
3. Der einmütige bayerische Episkopat 100
a) Eine deutliche Sprache schon im ersten Jahr .... 100
b) Ein Beispiel geschlossenen Widerstandes .102
c) Eine ernste Jahresrückschau ' ... 113
d) Zur Steuer der Wahrheit über die Sittlichkeitsprozesse 115
e) Die Auflösung des katholischen Jungmännerverbandes 117
f) Protest gegen den Religionskrieg mitten im Weltkrieg 117
4. Wächter, Rufer und Streiter Gottes: Kardinal Faulhaber . 119
Eine Christenlehre über Rechte und Pflichten des Staates
und der Staatsbürger 119
Die Sittenlehre der katholischen Kirche 122
Ein Posaunenstoß für die Freiheit der Kirche 124
Der Glaube, ein dreifacher Segen 128
Abwehr von Steinwürfen gegen den Päpstlichen Thron 129
Lehramt, Priesteramt und Hirtenamt 133
5
Seite
Leidenskraft und Tatkraft in der christlichen Lebens-
anschauung 135
Deutschsein und Christlichbleiben 136
Elternrechte und Elternpflichten 137
Das Reichskonkordat — Ja oder Nein? 140
Aus der Kirche austreten? Dreimal Nein! ...... 143
Ein Hirtenwort, vom Kardinal selbst verlesen 145
5. Epaphroditus, mein Bruder, Mitarbeiter und Mit-
kämpfer ..,,,.., 149
a) Bischof Michael Rackl, Eichstätt 150
b) Bischof Clemens August von Galen, Münster .... 158
c) Bischof Franz Rudolf Bornewasser, Trier 159
d) Bischof Konrad Graf von Preysing, Berlin 162
6. Verbundenheit von Oberhirten, Hirten und Herde . 163
a) Kardinal Faulhaber stellt sich vor seinen Männer-
apostel 163
b) Bischof Rackl von Eichstätt stellt sich vor seinen
Dompfarrer 168
c) Dompfarrer Kraus von Eichstätt stellt sich vor seinen
Bischof . 170
d) Bi.<5chof Rackl von Eichstätt stellt sich vor einen Land-
pfarrer 174
e) Bischof Galen von Münster stellt sich vor verbannte
Domkapitulare, Ordensleüte, rechtlos Vetfolgte, Ge- ,
fangene i 177
f) Ein Laie stellt sich vor den Priester, Gelehrten,
Jesuiten 180
g) Die „Katholische Aktion" stellt sich vor 2wei verfolgte
Priester 181
.7. . „Treue Söhne und Töchter" ........... 181
In langer, harter Leidensschule 185
Betreuung des Bundes deutscher Mädchen 192
C. Hauptpunkte des kirchlichen Wider Standes 198
1. „Hütet Euch vor den Götzen, Kläffern, Pfuschern!" 198
a) Abwehr von Rosenbergs Neuheidentum 199
b) Abwehr der Heuchelei vom „positiven Christentum" 202
c) Abwehr der „falschen Propheten" im „gottgläubigen"
Schafskleid .208
d) Abwehr des „falschen Propheten" im Feldherrnmantel 210
e) Abwehr der Kreuzfrevel . . , . 212
f) Abwehr der NS-Kirchenaustritts-Propaganda .... 213
2. Der kirchliche Widerstand im Schulkampf . ^ ... 216
a) Deutliche Papstworte 216
b) Beharrlicher Widerstand der Bischöfe ....... 220
- c) Beispiel dieses bischöflichen Widerstandes ..... 223
6
Seite
3. Die katholischen Orden \ **.... 250
a) Der Papst fordert Gerechtigkeit ...,».... 250
aa) Der Papst zu den Devisenprozessen 251
bb) Der Papst zu den Sittlichkeitsprozessen .... 255
b) Deutsche Bischöfe erheben ein Flammenschwert ge-
gen die Klosterstürmer 257
c) Die Orden wehren sich auch selbst ...... i . 271
d) Wider Goebbels' Diffamierung der Orden . i ... 276
Bischöfliche Feststellungen ....*. 277
Ungenannte und unbekannte Verteidiger 282
e) Ein hochherziger amerikanischer Anwalt der deutschen
Orden und Katholiken: Kardinal Mundelein .... 288
4. Die katholischen Vereine 292
a) Die Verteidigung der katholischen Jugendvereine 292
aa). Der Papst schätzt und schützt sie 292
bb) Deutschlands Bischöfe kämpfen gleicherweise für
die katholische Jugend 298
cc) Die Jugend selbst wehrt sich gegen den Zwang . . 305
b) Der Kirche Sorge und Kampf für die katholischen
Standesvereine 309
aa) Kampf um die Auslegungsgrundsätze RK. Art. 31 310
bb) Wirtschaftliche und moralische Gleichberechtigung
für die katholischen Arbeiter ........ 311
cc) Klare Feststellungen von Kardinal Faulhaber . . 315
5. Das katholische Schrifttum 318
a) Beschwerden und Forderungen des Hl. Stuhles ... 318
b) Beschwerden und Forderungen der deutschen Bischöfe 326
c) Kampf um Artikel 4 des Reichskonkordates .... 327
aa) Kampf gegen die rechtswidrige Beschlagnahme
bischöflicher Amtsblätter und Bischofspredigten 328
bb) Kampf gegen Verbot und Beschlagnahme religiö-
ser Flugschriften und Seelsorgsbriefe 332
cc) Kampf gegen Behinderung des Bistumsblattes in
Erfüllung seiner Wesensauf gäbe . . . . . . , 341
d) Abwehr antichristlichen Schrifttums 343
> aa) Front gegen die kirchenfeindliche Hetze der SS-
Zeitung „Das Schwarze Korps" 344
bb) Front gegen den „Pfaffenspiegel" 349
6. Schutz von Leib und Leben Schuldloser .351
a) Kampf gegen die Verstümmelung Schuldloser .... 352
b) Kampf gegen die Tötung Schuldloser 354
aa) Klarer prinzipieller Standpunkt 354
bb) Bischöfliche Proteste bei den höchsten Reichsstellen:
Erzbischof Conrad-Freiburg 356
Gesamtheit der katholischen Bischöfe Deutschlands 357
Kardinal Faulhaber-München . . ' 359
Bischof Hilfrich-Limburg 363
7
Seite
cc) öffentlichß Anklagen auf amtlichen Mord .... 364
Bischof Galen-Münster * . . . . 364
Bischof Bornewasser-Trier 371
Kai'dinal Faulhaber-München 373
Gesamtheit der deutschen Bischöfe ...... 373
dd) Das mutige Schreiben und edle Angebot einer
Ordensfrau .375
7. Die Gleichberechtigung der Rassen 377
a) Schützende Worte 377
aa) Papstworte 377
bb) Bischofsworte 381
cc) Kirchenamtliche Worte 385
dd) Priesterworte 386
b) Schützende Taten 389
aa) Rundschreiben des „Raphaelvereins" vom Jahre
1936 an die Bischöflichen Ordinariate und Caritas-
stellen Deutschlands 390
bb) Bischöfliche Anordnung 392
cc) Eine Brücl^e über den Ozean für die verfolgten
Nichtarier • 392
8. Ein Kampfbericht über zwei Monate 399
D. Schlußwort:DasKreuzsteht! 405
Personenverzeichnis 412
Sachverzeichnis 419
8
ZWEITER TEIL
Der Widerstand der katholischen Kirche
gegen den Nationalsozialismus
A. Der kirchliche Widerstand — eine Tatsache.
„Du aber gürte die Hüften!
Auf! Verkünde ihnen, was ich dich heiße!
Erschrick nicht vor ihnen!
, Sonst will ich dich schrecken durch sie.
Ich aber — ich mache dich heute zur festen Burg,
Zur eisernen Säule,
Zur ehernen Mavfer wider das ganze Land,
Wider Judas Könige,
Wider seine Großen,
Wider seine Priester
Und wider des Landes Volk.
Bekriegen werden sie dich,
Doch nicht dich bezwingen.
Denn ich steh dir zur Seite." (Jer. l,17ff.)
So lautete Sendungsbefehl und Verheißung für einen Gottes-
boten des Alten Bundes. '
„F e st e B u r g", „E iserne Sau 1 e", ,,E h e r n e Mauer":
lauter Bilder stärkster Widerstandskraft und zähesten Widerstands-
willens und unerschütterlicher Widerstandszuversicht.
Der Neue Bund fügte noch ein neues Bild hinzu: „F eis,
Kirche auf dem Felsen, selbst von den Pforten der
Hölle nicht zu überwältigen" (Mt. 16,18).
War nun . Widerstands kraft, Widerstands willen, Wider-
stands Zuversicht solcher Art in der Kirche Gottes, in ihren
Sendboten und Gläubigen?
Als die dämonischen Mächte des Nationalsozialismus aus der
Unterwelt emporstiegen,
als Despoten, mächtiger denn die ,,K ö n i g e Judas" und
grausamer denn die Kaiser Roms, aufstanden und das Schwert
gegen die Welt, den Hammer gegen die Altäre schwangen.
als Verbrecher, „mit einem Maul voll hochtrabender und gottes-
lästerlicher Reden" (Oifb. 13,5), voll Lug und Trug, über Nacht xu
„G r o ß e n" wurden,
als Rosenberg, Ley, Baidur v. Schirach u. a. zu ,,P r i e s t e r n*
des Antichrists; wurden und von allen Dächern eine neue WeWi-
anschauung predigten,
Kreuz und Hakenkreuz 2 Bd. II g
als mehr denn 10 Millionen, wohl vielmal mehr denn „des
Landes Volk" zu Jeremias' Zeiten, „groß und klein, reich und
arm, frei und unfrei dazu gebracht wurden, ein Zeichen zu tragen'
(OiTb. 13,16), das nicht Christi Zeichen war,
war da Widerstand wie Fels und Eisen und Stahl
undMauer?
So zweifelhaft erschien das alles, daß bei einer ameri-
kanisch-englischen Pressekonferenz zu Anfang Juni 1945
in Neapel, an der der Verfasser zusammen mit Pastor Niemöller
teilnahm, des öfteren nachdrücklichst gefragt wurde:
„W o war denn der Widerstand gegen den
Nationalsozialismus?"
Jetzt, nachde^n die Mauern gefallen sind, welche, das- Dritte
Reich an seinen Grenzen aufgerichtet hatte, hat dieganzeWelt
das Recht, Antwort zu heischln auf diese Frage.
Soweit aber hiebei nach dem' Widerstand mit Waffengewalt
und Bombenattentaten, mit Verschwörungen und Sabotageakten,
mit Revolution und Volksaufständen u. ä gefragt wird, mögen
andere darauf antworten.
Hier steht nur der weltanschaulich-religiöse
W i d e r s t a n d in Frage.
Und d a kann laut und entschieden geantwortet werden:
„Der Widerstand war da."
Der Widerstand war da während all der 12 Jahre der national-
sozialistischen Diktatur und auch schon in dem Jahrzehnt, da Hitler
noch um die Macht kämpfte (1923—1933). i
Der Widerstand war kräftig und zäh, bei hoch und
nieder, bei Papst und Bischöfen, bei Klerus und Volk,
bei Einzelpersonen und ganzen Organisationen.
Der Widerstand war da gegen Führer und Regierung," gegen
Partei und Parteigliederungen, gegen Willkür und Parteilichkeit,
gegen Gewissenszwang und Erpressung, gegen Wortbruch und Ver-
tragsuntreue, gegen Unglaube und Unrecht, gegen Entrechtung und
Enteignung, gegen Entchristlichung und Entkonfessionalisierung,
gegen neuheidnische Weltanschauung und Zwangseinheitsschule,
gegen Orden- und Judenverfolgung, gegen Presseknechtung und
Fressehetze, gegen Sterilisierung und Euthanasie.
Der Widerstand konnte freilich nicht immer s o geleistet werden,
wie ihn manche Heißsporne erwarteten oder wünschten, vielleicht
auch selbst leisteten oder wie ihn Außenstehende, vielleicht im
sicheren Ausland Wohnende, ohne Sachkenntnis und Verantwortung
rieten oder kommandierten.
10 .
Der Widerstand konnte auch nicht in jedem einzelnen
Falle und nicht in jedem Augenblick offen und mäch-
tig zutagetreten und sich zu lauten Protesten vor In-^ und Ausland,
inner- und außerhalb der Kirchenmauern verdichten.
Schwierigkeiten des Widerstandes
Es fehlte ja letzten Endes im Reich der Diktatur schon jeg-
liches Organ zu öffentlicher Aufklärung und
Verwahrung. Es war ja weder Pressefreiheit noch Redefreiheit
noch Versammlungsfreiheit; Artikel 117 — 118 der Verfassung des
Deutschen Reiches waren von Anfang an aufgehoben und blieben
es bis zum Schluß (Verordnung vom 28, Februar 1933).
Zeitungen durften nie ein Wort gegen Partei und Regierung
bringen, überhaupt nichts Unliebes, Ungünstiges, „Defaitistisches"
aufnehmen. Alle mußten unisono heulen, mit Goebbels verdammen
und verhimmeln oder verstummen und verschwinden.
Dr. Joseph E b e r 1 e bemerkt in seiner Broschüre: „Das Los der
christlichen Presse im Dritten Reich" mit Recht:
„Die Zeitungen waren nicht dazu da, die wichtigeren Tat-
sachen zu berichten, sondern Werbung für die Partei zu betrei-
ben. Es gab eigentlich Berichte nur über das, was geeignet war, gute
Stimmungzumachen; was beunruhigen konnte: z. B. der Aufbau
und das Arbeiten der Rüstungsindustrie, Naturkatastrophen, Unglücks-
fälle, die meisten Verhaftungen und Justizaburteiluhgen, später die Wir-
kungen von Luftangriffen, wurde verschwiegen. Diejenigen, denen es als
Mitbeteiligten oder Augenzeugen nicht verborgen werden konnte, wur-
den unter Androhung schwerster Strafen zum Schweigen verhalten. (Im
Jahre 1944 wurden Menschen aus Wiener-Neustadt ins Gefängnis gewor-
fen, weil sie ihren Arbeitskollegen in Wien von den Fliegerschäden in
Wiener- Neustadt genauer berichtet hatten!)
. Gerade langjährige Publizisten mit vielen Verbindungen wie ich,
hätten eigentlich auf dem laufenden sein müssen — aber wir waren es
in vielem nicht."
Freilich manche ,, Allesbesserwisser" und „hundertfünfzig-
prozentige" Kritiker und „Entweder-oder-Politiker" sind schnell
fertig mit dem Urteil: Unter solchen Umständen, bei solchem nega-
tiven und positiven Zwang mußte jeder anständige Journalist die
Feder weglegen und vollen passiven Widerstand leisten oder viel-
leicht — ins Ausland gehen, dort als „freier Mensch" leben und
schreiben, die Welt über das Dritte Reich aufklären und dagegen
aufrufen.
Dr. Joseph Eberle (a. a. O.) gibt meines Erachtens auch darauf die
rechte Antwort, wenn er sagt:
„Es ist keine Kunst, zu schweigen oder auszuwan-
dern. Kunst und Aufgabe ist, in der Heimat möglichst
lange auszuhalten u n d weiterzukämpfen.
Arbeit, wenn auch nur mehr Dreiviertelarbeit, ist besser als
keine. Abstinenzpolitik treiben heißt freiwillig die Waffen weg-
n
werfen. Das ist allmählich der beste Dienst für die Gegner. Es ist
nach Thomas von Aquin nicht notwendig, jeweils alles zu sagen. Man
darf auch zu vielem schweigen. Wichtig ist nur, daß das, was gesagt
wird, in Ordnung geht."
Nach dieser Norm handelte Eberle selbst gleich vielen andern katho-
lischen Redakteuren und Verlegern mit seiner Zeitschrift: „Schönere Zu-
kunft". Freilich muß er klagen: „Die Haltung der Schöneren Zukunft
wurde weder früher noch jetzt von allen Lesern verstanden. Die Taktik
konnte ja nicht in der Öffentlichkeit begründet werden. Das Blatt,
das früher so kämpferisch und freimütig gewesen war, erschien ange-
sichts des Schweigens zu manchen Vorgängen, des Verzichtes auf direkte
Polemiken, etwas kleinlaut geworden. Weder das Inland noch viel weni-
ger das Ausland hatten eine genaue Vorstellung von dem ungeheuren
Druck, der im deutschen Gebiet auf der Presse lag. Erst die spätere
M i 1 i t ä r z e n s u r in vielen Ländern während des Krieges ließ dann
wohl manche Herrschaften ahnen, was es heißt, als Publizist unter einem ■
Diktator zu leben."
Auch Aufklärung durch Flugschriften
s V i e 1 w i e u n m ö g 1 i c h !
Diktator Nationalismus legte aber nicht bloß Zeitungen
und Zeitschriften tausenderlei Fesseln an und Lasten auf,
sondern unterband auch jegliche freie Meinungsäußerung im
sonstigen Schrifttum, in Flugschriften, Flugblättern,
Plakaten u. ä.
Und wenn das eine oder andere Flugblatt, gedruckt oder hekto-
graphiert, ,,s c h w a r z" erschien und mit Interesse von Hand zu
Hand weitergegeben wurde (z.. B. der „Offene Brief" von ,, Michael
Germanikus" an Goebbels wegen der Sittlichkeitsprozesse oder das
Flugblatt: ,, Hakenkreuz oder Seelenheil", „mit Ratschlägen für gute
Katholiken im Gewissenskonflikt"), dann war die Gestapo monate-
lang fieberhaft auf der Suche nach Urhebern und Verbreitern und
nahm ungezählte Spitzel und Provokateure dafür in Dienst. Und
wehe, wenn nur e i n Schuldiger, ein Glied der Kette gefunden
v/urdel Es folgten dann Verhaftungen, Erpressungen, Verurteilungen
am laufenden Band.
Auch bischöfliche Amtsblätter unter Zensur!
Auch kirchliche Amtsblätter wurden auf jede Zeile geprüft
und mußten der Polizei vorgelegt werden. Dazu kam, daß in jeder
Druckerei ein ,, Spitzel" saß, ein Arbeiter oder ein Angestellter
verpflichtet war, der Gestapo schon während des Setzens und
Drückens Nachricht von allem zu geben, was erscheinen sollte. Die
Beschlagnahme, zeitweilige Schließung und volle Enteignung
mehrerer Druckereien wegen Herstellung der Enzyklika ,,Mit
brennender Sorge" führte dazu, daß das Personal von Druckereien
sich des öfteren in aller Form weigerte, eine Bischofspredigt oder
ein bischöfliches Amtsblatt mit „gefährlichem Inhalt" zu setzen
und zu drucken.
12
Ein hoher Zeuge der Unfreiheit:
Kardinal Mundelein von Chicago hat richtig ge-
sehen, wenn er in seiner Rede am 18. Mai 1937 in Quigley sagte:
„Niemals vorher war die Kirche in Deutschland so hilflos, wie
sie heute ist — nicht einmal in den Tagen des Kulturkampfes. Da-
mals hatten sie die Zentrumspartei im Parlament; damals hatten sie
eine katholische Presse.
Heute hat die Kirche kein Sprachrohr. Wenn die
Bischöfe sprechen, so werden ihre Worte übertönt von dem Spek-
takel der fürchterlichen Propagandamaschine der Regierung."
Auch die mündliche Aufklärung und Abwehr
erschwert
Jedes Wort von Mund zu Mund lief Gefahr, denunziert und
als „Greuelpropaganda" oder ,, Heimtücke" verfolgt oder gar als
„Wehrmachtszersetzung" mit dem Tode bestraft zu werden.
Nochmals müssen wir Kardinal Munde.lein als Zeugen an-
rufen. In seiner obengenannten, vom nationalsozialistischen Deutsch-
land schwerstens angegriffenen Rede führte er auch aus:
„Ihr werdet vielleicht fragen, wie eine Nation von sechzig
Millionen Menschen, intelligenten Menschen,
sich in Furcht und Knechtschaft einem Aus-
länder unterwerfen kann, einem österreichi-
schen Tapezierer, und — wie mir gesagt wird — einem
schlechten dazu, und einigen Verbündeten, wie Goebbels
und Göring, die in einer Zeit der Preissteigerung und Erhöhung
der Lebenskosten einer ganzen Nation sagen können: ,Die Löhne
können nicht erhöht werden.'
Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir in einem Lande
leben v/ürden, in dem jede zweite Person ein Spion
der Regierung ist, wo bewaffneteMächte in die
Häuser dringen und private Bücher und Zei-
tungen ohne gerichtliches Verfahren beschlag-
nahmen, wo der Vater seinen Buben nicht mehr
strafen kann aus Furcht, derselbekönnte ihn zvir
Anzeige und ins Gefängnis bringen, wo persön-
liche Ersparnisse und wertvolle Sicherheiten
beschlagnahmt und verkauft werden, um den
Goldvorratzuerhöhen.
Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn
wir in einem Lande leben würden, in welchem
Briefe geöffnet und gelesenwerden, wie man es
in Kriegszeiten nur mit de'r Korrespondenz der
Feinde mach t."
13
Sperrzonen im eigenen Land
Ob dieser Knebelung der Presse und Bespitzelung des Brief-
verkehrs und sogar der privaten Unterhaltung ward auch die Ver-
ständigung zwischen den einzelnen Diözesen und Landesteilen
immer schwieriger. Man wußte im Süden vielfach nicht, was im
Norden oder Osten geschah.
So berichtet der ehemalige Provinzial der Jesuiten, P. Rösch:
„Als die bayerischen Klöster angegriffen wurden, übernahmen P,
König und ich die Aufgabe, auch in diesem Kampf für die Bischöfe
die Kurierdienste zu besorgen. Wir fuhren nach Berlin zum Nun-
tius, zu Bischof von Preysing, zu Bischof Wiencken: Niemand wußte
etwas vom bayerischen Klosterkampf. Von Berlin ging es nach
Breslau — aber auch da war nichts bekannt. Anderseits erfuhren
.wir hier erst, daß in der dortigen Erzdiözese über 60 Klöster und
andere kirchliche Institute gefaßt worden waren. Davon hatte nie-
mand im übrigen katholischen Deutschland eine Ahnung."
Ähnlich war es mit der Beseitigung der Geisteskranken. Alles
geschah heimlich, getarnt, verschwiegen und auf Umwegen. Um
einigermaßen sichere Unterlagen für den Protest vqn Kardinal
Faulhaber beim Reichs justizminister zu bekommen, mußte ein Mit-
glied des Münchener Domkapitels nach Württemberg, Salzburg,
Linz usw. reisen und einzelnen Fällen nachspüren, bei kirchlichen
Stellen, in Pflegeanstalten, bei - Angehörigen von verstorbenen
Pfleglingen nachforschen.
Die Gestapo, so mächtig sie war und so gewalttätig sie zumeist
vorging, suchte doch in vielem „das Gesicht zu wahren" und ge-
traute sich für manches nicht die Verantwortung vor der Öffent-
lichkeit zu übernehmen. Sie verbot den kirchlichen Behörden dies
und jenes, verbot aber zugleich bekanntzugeben, daß das
Verbot von ihr ausgehe, z. B. fügte die Staatspolizei Innsbruck
ihrem Verbot „jeder religiösen Betreuung von Jugendlichen unter
18 Jahren beiderlei Geschlechtes" die Bestimmung an:
„Das Pfarrjugend- und Jugendkongregationsverbot darf vom
Klerus in keiner Weise öffentlich verkündet oder behandelt werden,
insbesonders nicht von der Kanzel. Es ist vielmehr den in Frage
kommenden Jugendlichen mündlich in sachlicher Form zu eröffnen."
(Siehe 1, Teil S. 187.).
Auf das Dritte Reich konnte man wirklich das Bibelwort
(2, Mos. 10,28) anwenden: „Tiefste Finsternis entstand in
ganz Ägypten, drei Tage lan g". Freilich die deutsche
Finsternis dauerte viel länger als die ägyptische: 12volleJahre,
und dank Gestapoterror und Goebbels' Nachrichtenlenkung wurde
die geistige „Verdunkelung" immer stärker, „so daß man sie greifen
konnte" (10,21) und „keiner den andern sah" (10,23), erst recht
keiner dem andern helfen konnte.
14
„Chinesische" Ma'uern um das Dritte Reich
Noch mehr waren die Tore ins Ausland verrammelt und
versperrt. Jegliche Korrespondenz dorthin wurde überwacht, jeg-
liche Nachricht ausländischer Zeitungen oder privater Post nach
der Quelle verfolgt.
Kamen ausländische Korrespondenten ins Reich,
so verbot die elementarste Klugheit, ihnen gegenüber den Mund auf-
zumachen, weil man ja nie wußte, wie weit sie nicht von Regierung
oder Gestapo geschickt und bezahlt waren, überhaupt nur ob ihrer
Willfährigkeit gegenüber dem Nationalsozialismus hereingelassen,
im Lande herumgeführt und gastfreundschaftlich behandelt wurden.
Selbst private Äußerungen, die im Ausland gegenüber gut-
gesinnten Personen gemacht wurden, liefen Gefahr, durch wohl-
gemeintes Weitererzählen zu Ohren der Gestapospitzel zu kommen
und nach ihrer Herkunft erforscht zu werden.
Zwei Zangen für den Prediger
Auf der Kanzel durfte über die meisten Dinge nichts ge-
sagt werden, es begegnete trotz gegenteiliger Konkordatssicherung
(Schlußprotokoll zu Artikel 32) selbst die Verkündigung mancher
Glaubens- und Sittenlehre schon Schwierigkeiten. „Kanzel-
paragraph" und „H e i m t ü c k e g e s e t z" waren zwei Zangen,
die den Prediger umklammerten.
W e h e s ch o n d em W i s s e n d e n !
Ja, es war im Dritten Reich schon gefährlich, auch nur ein
Wissen um gewisse geheime Dinge zu offenbaren, z. B. durch
eine Beschwerde bei einer Amtsstelle. Sofort wurde erpresserisch
nachgeforscht, woher diese Kenntnis eines Amtsgeheimnisses,
einer vertraulichen Anweisung, einer geheimen Gerichtsverhand-
^iung über einen Parteiamtswalter oder ähnliches stamme, und
§ 353b und c des Strafgesetzbuches' angewendet, der lautete:
„Ein Beamter oder früherer Beamter, der unbefugt ein ihm bei Aus-
übung seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheim-
nis offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet,
wird mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren bestraft; hat der Täter mit der eingetretenen Gefähr-
dung fahrlässig nicht gerechnet, so ist auf Gefängnis bis zu zwei Jahren
oder auf Geldstrafe zu erkennen.
Einem Beamten steht eine für eine Behörde tätige Person gleich,
die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Dienstpflicht durch Hand-
schlag oder zur Verschwiegenheit besonders verpflichtet worden ist.
Der Versuch ist strafbar ...
Wer, abgesehen von dem Fall des § 353b, unbefugt ein amtliches
Schriftstück, das als geheim oder vertraulich bezeichnet worden ist,
oder dessen wesentlichen Inhalt ganz oder zum Teil einem anderen
mitteilt und, dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird
mit Gefängnis bestraft.
15
Ebenso wird bestraft, wer unbefugt einem anderen eine Mitteilung
weitergibt, zu deren Geiieimhaltung er von einer zuständigen Stelle
besonders verpflichtet worden ist, und dadurch wichtige öffentliche
Interessen gefährdet.
In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn
Jahren ..."
Verwertete also beispielsweise eine oberhirtliche Stelle ge-
heime oder vertrauliche Amts- oder Parteianordnungen und -plane
zu entsprechenden Weisungen oder Mitteilungen an, den Klerus, so
riskierte sie 'durch diese Weitergabe eines „Amtsgeheimnisses" bis
zu zehn Jahren Zuchthaus. Und trotz dieser Gefahr
geschah es im Interesse von Klerus und Laien des öfteren.
Widerstand in Festigkeit und Klugheit!
Aber wenn auch Papst, Bischöfe und Priester ungeachtet aller
Fesseln und Sperren, persönlicher und sachlicher Gefährdungen
und übler Auswirkungen immer entschlossen waren, gegen Gott-
widriges mit Johannesmut ein entschiedenes „Es ist dir nicht er-
laubt" zu sprechen, dann war es doch oft noch eine Frage der
Klugheit, wann und w i e sie dies tun sollten, phne gerade
die gegenteilige Wirkung zu erreichen. Bei der ganzen Art des
Terrors, der Rechtlosigkeit und Rücksichtslosigkeit, Gewissenlosig-
keit und Hartherzigkeit des Nationalsozialismus war ja nur zu
leicht Gefahr, daß von Widerstand und Protesten vielfach keine
Besserung, sondern nur eine Verschlimmerung kam,
daß z. B. bei Verwahrungen gegen die Mißhandlung einzelner Ge-
fangener nur um so strenger und unbarmherziger gegen sie vor-
gegangen wurde. Richter und Gestapobeamte des Dritten Reiches
ließen tatsächlich nicht selten Schritte, die für eines ihrer Opfer
getan wurden, eben dieses Opfer büßen, verurteilten oder behan-
delten es noch härter, ließen es auch nach Verbüßung der Gefäng-
nisstrafe nicht frei, sondern schickten es ins Konzentrationslager.
Demoristrationen boten der Staatspolizei willkommenen
Anlaß zu Verschärfungen der Vorschriften und zu allgemeinen
Terrorakten gegenüber Personen, Vereinigungen, Kirchen.
Darum mußte z. B. Kardinal Faulhaber nach der Verhaftung von
P. Rupert Mayer S. J. (1937) eindringlichst vor Kundgebungen und
Äußerungen des Unwillens warnen. „Wir könnten der Staatspolizei
keinen größeren Gefallen tun, als ihr Gelegenheit geben, mit Gummi-
Icnütteln und Verhaftun^sausweisen gegen die katholischen Männer von
München aufzutreten in ihrem Haß gegen alles Katholische, der größer
ist als der Haß gegen den Bolschewismus."
,,Amboß, nicht Hammer!"
So hat auch Bischof Clemens August von Galen, Münster,
der doch anerkanntermaßen einer der mutigsten Vorkämpfer der
katholischen Kirche war, in seiner Predigt vom 20. Juli 1941 die
Weisung christlichen Duldens und Gehorch ens gegeben.
16
„Wir Christen m a ch e n' k e i n e Revolution. Wir
werden weiter treu unsere Pflicht tun im Gehorsam gegen Gott
und aus Liebe zu unserem Vollce und Vaterland. Gegen den Feind
im Innern ' bleibt nur e i n Kampfmittel: Starkes, zähes,
hartes Durchhalten. Hart werden! Fest bleiben!
Wir sind in diesem Augenblick nicht Hammer,
sondern Amboß. Aber seht einmal zu in der Schmiede, fragt
den Schmiedmeister und laßt es euch von ihm sagen: Was auf dem
Amboß geschmiedet wird, erhält seine Form nicht nur vom Ham-
mer, sondern auch vom Amboß. Der Amboß kann nicht und
braucht auch nicht zurückzuschlagen, er muß nur
fest, nur hart sein! Wenn er hinreichend zäh, fest, hart ist,
dann hält meistens der Amboß länger als der
Hammer. Wie heftig auch der Hammer zuschlägt, der Amboß
steht in ruhiger Festigkeit da und wird noch lange dazu dienen,
das zu formen, was neu geschmiedet wird."
Blind, taub oder stumm?
Freilich sagt inan jetzt: In einem Punkt hätte es in Deutsch-
land und insbesdnders bei den Kirchen Deutschlands nie beim
bloßen passiven Widerstand, beim bloßen ,,Amboß-
s e i n" oder gar beim , .Blindsein" und ,, Täubsein" und ,, Stumm-
sein" bleiben dürfen: Gegenüber all den Scheußlich-
keiten undUnmenschlichkeiten in den Konzen-
trationslagern und besetzten Gebieten, gegenüber
all dem geradezu Dämonischen, was nach den sicheren Ermitt-
lungen der Prozesse in Belsen, Dachau, Nürnberg u. ä. innerhalb
und außerhalb der Grenzen Deutschlands geschah. Hier hätte das
ganze deutsche Volk sich zornig und entsetzt aufbäumen
müssen. Hiegegen hätten vor allem katholische und evangelische
Kirche einmütig und todesmutig auftreten müssen.
,,Jedes schweigende Mit wissen machte hier zum
Mitschuldigen"
,,W a s siehst du den Gottlosen zu und schweigst,
wenn Böse die B e sseren verschli ng e n ?" (Hab. 1,13) .
.,D i e Wächter sind. blind und nehmen allesamt
nichts wahr! Sie alle sind stumme Hunde und
können nicht b eil e n !" (Is. 56,10)
Aber die Frage ist:
War denn im Dritten Reich alles wahrzunehmen, was an Unrecht
geschah?
Drang auch nur ein größerer Bruchteil an die Öffentlich-
keit von den entsetzlichen Greueln in Konzentrationslagern, von
dem Elend deportierter . Zwangsarbeiter, von dem Massensterben
auf Gefangenentransporten, von den Unmenschlichkeiten bei Ver-
17
nehmungen, von den Grausamkeiten in besetzten Gebieten, von
dem Sadismus der Wachleute usf.?
Wir werden in den nachfolgenden Kapiteln sehen, wie mutig
und entschieden Päpste, Bischöfe und Priester gegen jedes Unrecht,
von dem sie erfuhren, protestierten, in diplomatischen Noten, in
gemeinsamen und einzelnen Hirtenbriefen, in flammenden Predig-
ten, in ausführlichen Denkschriften u. ä. Das legt schon im vor-
hinein die Vermutung nahe, daß sie gegen obengenannte Greuel
nur deswegen keine Vorstellungen erhoben, weil sie eben davon
keine Kenntnis hatten. Und ebensowenig oder noch weniger
wußten andere Leute von diesen Missetaten.
Dies läßt sich im einzelnen noch näher begründen und erweisen:
Acht Jahre lang habe ich alles gesammelt, was an national-
sozialistischen Gesetzen, Verordnungen, Polizeimaßnahmen, Nach-
richten über Ungerechtigkeiten, Gewalttätigkeiten, Schändlich-
keiten, Verbrechen, Gotteslästerungen, Kirchenverfolgung, Mord
usw. zu erfahren war. Hunderte von Seiten des eingangs erwähnten,
im Jahre 1940 erschienenen Buches „The persecution of the
catholic church" stammen aus meiner Sammlung. Um so beweis-
kräftiger mag es sein, wenn ich versichere: ,,Uber Greuel in den
Konzentrationslagern und über Verbrechen in den besetzten Ge-
bieten konnte ich soviel wie nichts erfahren und weiterberichten."
Ich kam im Konzentrationslager Dachau mit Engländern
(Stevens, Mac Grath), mit Franzosen (Bischof Gabriel Piguet
von Clermont-Ferrand, General Delestraint), mit Italienern
(z. B. General Santo Garibaldi, Colonello Ferrero, Minister Cini
und Tamburini u. a.), mit Holländern (ehem. Kriegsminister
van Dyk), Belgiern (Louis), Polen (Graf Zamoiski), Nor-
wegern (Byörn Hanson, Schiffsreedereibesitzer, Klaveness), Bul-
garen (Redakteur Tomalesky), Jugoslaven (Popovic) und
anderen Ausländern zusammen. Die meisten konnten uns nur
weniges berichten, vielfach nur, wie es ihnen selbst im Gefängnis
und in anderen Lagern gegangen war; über Geschehnisse in ihrem
Lande sprachen sie sehr wenig. Bischof Piguet berichtete uns
meines Erinnerns nur die. traurige Tatsache, daß von einem Trans-
port von zirka 2000 Franzosen, der im heißesten Sommer bei ver-
schlossenen Fenstern von Compiegne nach Dachau ging, nuf etwa
800 in Dachau lebend angekommen seien. Oberst Ferrero er-
zählte uns von Repressalien, die gegen seine eigene Familie in
Italien ergriffen worden seien, und davon, daß in . Triest aus den
Leichen ^er Hingerichteten Seifen bereitet worden seien. Ein
.anderer Italiener, Tamburini, schilderte uns die fürchterliche Rache,
welche die SS trotz aller gegenteiligen Versprechen an einem Dorfe
bei Arezzo nahm, als ein paar SS-Leute von fremden Partisanen
(also nicht von Dorfleuten) erschossen bzw. verwundet worden
waren. Das war im großen und ganzen so ziemlich alles, was uns
diese Angehörigen der von den Deutschen besetzten Länder an
18
Untaten größeren Maßstabes berichteten; und sie hätten uns gewiß
mehr erzählt, wenn sie selbst mehr gewußt hätten; denn sie wuß-
ten, daß sie uns, c^ie Wir gerade wegen unserer antinazistischen Ge-
sinnung und Betätigung gefangen waren und ihnen Gutes taten,
wo und wie es ging, voll vertrauen konnten.
Ich darf also wohl die Schlußfolgerung ziehen: „Wenn w i r
trotz dieser guten Beziehungen zu den verschiedensten Ausländern
so wenig von den Greueln in den Okkupationsländern erfuhren,
wieviel weniger werden die Leute außerhalb des Lagers
davon gehört haben!"
Schweigen über das Konzentrationslager
Ähnlich erging es> uns übrigens bezüglich der Vorgänge im
Konzentrationslager selbst. Auch da wurde ängstlich
darauf geschaut, daß möglichst viel geheim blieb. Und jeder, der
entlassen wurde, mußte einen Revers unterschreiben, daß er über
das Lager nichts aussage. So ist es verständlich, daß vor meiner
Verhaftung im Jahre 1941 recht wohl einige wenige aus dem Kon-
zentrationslager Entlassene zu mir ins Büro kamen, aber nicht um
Informationen zu geben, sondern fast durchwegs nur, um eine
Unterstützung zu erhalten. Man merkte, wie ihnen jede Frage nach
den Verhältnissen und Erlebnissen im Lager unangenehm war. Man
war aber auch selbst in Verlegenheit, wenn einzelne von sich aus
etwas zu erzählen begannen. Wußte man ja nicht, ob sie nicht von
der Gestapo aus als Spitzel geschickt wurden. Der Gestapo war
ja kein Mittel !zu schlecht, um Mißliebige in ihr Netz zu bekommen
und wie Freiwild zu erlegen.
Neben dem tragischen Fall des Generalvikars von Innsbruck,
Msgr. Lambert (s. I. Teil, S. 82), mag dies nachfolgender Brief,
den ich am 12. 11. 1935 erhielt, beleucljten:
„Sehr geehrter Herr Prälat!
- Diese Zeilen schreibt ein Mensch, dem von »höchsten' Stellen
Großes genommen wurde und der deshalb gewillt ist, auszuwandern.
Bevor er das tut, möchte er der katholischen Kirche Mitteilung
von ;fntimitäten ,höchster Stellen und der Führerstelle' machen, die
für eine Geschichtsschreibung und für andere Zwecke sehr dienstbar
zu machen sind. Denn diese Dinge, die nur ich weiß und die ich mit
Photographien belegen kann, werden die Nachwelt und 'die heutige
Bevölkerung Deutschlands veranlassen, die ,Führung' zu verfluchen
und zu verdammen wegen der Moralität dieser Menschen.
,Ich werde mir gestatten, Sie, Herr Prälat, in diesen Tagen ein-
mal anzurufen unter der Namensnennung ,Muckermann' und bitte
dann kurz um Mitteilung, ob Sie für diese Dinge Interesse haben.
Als Gegenleistung verlange ich RM. 6000. — , die ich nur verwenden
will für meine in Deutschland ihre letzten Tage verlebende Mutter.
Sie soll einen gesicherten Lebensabend haben.
Da Sie beim SD, Dienst der SS und bei anderen Stellen mit ein
gehaßter Mann sind, liegt es auch in Ihrem Interesse, wenn Sie diesen
Brief nach Kenntnisnahme verbreiJiuen.
19
Wenn ich' diesen Brief mit Maschine schreibe und keinen Namen
nenne, so bitte ich dies wegen der Unsicherheit, mit der heute Briefe
an Stellen wie Sie behandelt werden, zu entschuldigen."
Da ich natürlich Grund hatte, zu vermuten, daß der Brief
mit Wissen und Willen der Polizei als Lockspeise gesandt sei, über-
gab ich ihn sofort der Polizei. Und der Erfolg? „Muckermann"
meldete sich daraufhin nicht mehr! Die Falle hatte nicht geklappt.
Angesichts solcher Spitzelgefahr hätte man also Nachrichten
über Dachau und ähnliches eigentlich nur von ganz verlässigen
Bekannten entgegennehmen können. Solche gab es aber im
kleinen Kreis verhältnismäßig nur wenige, erst recht ganz wenige,
die nach kürzerer Zeit wieder aus einem Lager herauskamen. Und
schließlich waren auch diese v/enigen sehr vorsichtig und zurück-
haltend im Erzählen, weil sie eben fürchteten, es könnte ihr Bericht
irgendwie weitererzählt oder seitens der bischöflichen Behörde zu
einer Beschwerde benützt und ihnen dann verhängnisvoll werden.
Jeder wußte, was er bei der Entlassung aus dem Lager hatte unter-
schreiben müssen. Und selbst wenn er sich über diese erpreßte
Schweigepflicht unschwer hätte hinwegsetzen können, so sperrte
ihm doch die Besorgnis, in die „Hölle von Dachau wieder zurück-
zukommen", den Mund.
Ein hoher Kirchenfürst sagte mir erst vor wenigen Tagen, daß
er des öftern einen Priester F., der im Kz. gewesen sei, im
Krankenhaus besucht habe. Aber wenn er nur ein Weniges bezüg-
lich des Kz. gefragt hätte, wäre der Häftling immer in Angst ge-
raten und hätte gesagt: „Ich darf und kann darüber nichts sagen."
Der Brotfahrer B r a n d 1 von der Bäckerei HuUer in München
wurde von einer Bekannten wiederholt gebeten, ihr doch zu sagen,
wie es in Dachau ausschaue. Er antwortete nur kurz: „Frau E., ich
will nicht nochmals nach Dachau. Ich kann es Ihnen mit bestem
V/illen nicht sagen."
Dr. Hans v. B o m h a r d, Chirurg an der ,,Deckerschen Klinik"
iii München, bezeugt unter dem 7. Februar 1946:
,, Mehrere Patienten meiner Sprechstunde, welche ich nach
ihrer Entlassung aus dem Kz. eindringlich über die dortigen .
Zustände befragt habe, verweigerten mir strikte jede
noch so g*eringfügige Auskunft mit dem Hinweis,
daß dies sonst für sie üble Folgen hätte."
Ein österreichischer Pfarrer, der nach seiner Ent-
lassung aus Dachau zu Hause erzählt hatte, daß ein benachbarter
Geistlicher die berüchtigten 25 Stockschläge ei-halten hätte, mußte
es schwer büßen; die Gestapo bekam Kenntnis von dieser Nach-
richt — und der Pfarrer kam wieder ins Kz,
Am 15. August 1945 berichtete mir Graf Spreti, daß er
von 1935 bis 1938 in Indien gewesen sei und dort auch Juden
getroffen habe, die in Dachau waren. Selbst so weit außer Schuß,
20
hätten sich diese größtenteils noch nicht Näheres über Dachau zu
erzählen getraut. So groß war selbst noch im fernsten Ausland die
Angst, von Geheimspitzeln der Gestapo verfolgt zu sein und da-
durch entweder sich selbst oder die zu Haus gebliebenen An-
gehörigen in Gefahr zu bringen.
Man braucht ja schließlich nur an den Fall des Oberregierungs-
rates Frommknecht von München zu denken, um mit solcher
Möglichkeit zu rechnen. Er hatte sich in Sizilien gegenüber zwei
Holländerinnen offener über die kirchenfeindliche Haltung des
Nationalsozialismus ausgelassen. Die Damen erzählten dies ohne
Arg und böse Absicht weiter, die Gestapo erfuhr davon, ging der
Quelle nach, fand Frommknecht als JErsterzähler heraus, nahm ihn
gefangen und ließ ihn schwer verurteilen.
„V ernebelung" des Konzentrationslagei's
Wie gut es übrigens der Lagerleitung in Dachau gelang, vieles
geheimzuhalten, mag aus Nachfolgendem hervorgehen: Der Jesuiten-
pater Lenz aus Linz wollte gelegentlich des im November-
Dezember 1945 geführten Dachauer Prozesses ein paar Tage nach
seiner Zeugenvernehmung dem amerikanischen Gericht eine schrift-
liche Erklärung folgenden Inhalts abgeben, die er mir selbst zur
Begutachtung vorlegte: „Ich war an die sieben Jahre in verschie-
denen Konzentrationslagern. Und ich glaubte offene Augen gehabt
und alles beobachtet zu haben, was vorging. Aber der Prozeß hat
mir jetzt Dinge enthüllt, von denen ich keine Ahnung hatte, z. B.
die Abnahme von Menschenhaut, um daraus Handschuhe, Lampen-
schirme u. ä. für die SS anzufertigen, Ist es da zu verwundern,
wenn man außerhalb des Lagers von diesen und anderen
Dingen keine Kenntnis, ja nicht einmal eine Ahnung hatte? Wäre
es also nicht ein Unrecht, das ganze deutsche Volk für die Scheuß-
lichkeiten und Verbrechen verantwortlich zu machen?"
Auch ichselbst hörte im Lager kein Wort von dieser Schän-
dung von Leichen. Aber selbst wenn man im Lager von diesem und
jenem „Unerhörten" hörte, wußte man nicht immer leicht zu, ent-
scheiden, ob es Wahrheit oder bloße Lagerparole, sogenanntes
„Latrinengerücht" war.
Ich konnte z. B. bis heute noch nicht Sicherheit darüber ge-
winnen, ob von dem berüchtigten Dr. Rascher in Dachau auch
Versuche mit Beinabreißen gemacht wurden. Zunächst glaubte
ich, dies wirklich als Tatsache hinnehmen zu müssen, da die Quelle
und die besonderen Umstände der Mitteilung sehr für ihre Wahr-
heit sprachen, so unglaublich die Sache selbst an sich war. Mit uns
war nämlich eine Zeitlang SS-Hauptsturmführer Osterhus als
Gefangener im Bunker. Nach seiner Entlassung kam^ er noch ein
paarmal zu uns. Dabei erzählte er einmal, daß er im Gefängnis der
SS-Kaserne in Fi^eimann Dr. Rascher getroffen und sehr nieder-
geschlagen gefunden hätte. Rascher hätte ihm gesagt, er fürchte,
von Himmler „liquidiert" zu werden, weil er die von Himmler
21
kommandierten Versuche mit Phlegmoneansteckung, Kaltwasser,
Beinabreißen usw nicht mehr weitermachen wolle. Ich machte so-
fort die Zwischenbemerkung: „Was soll denn das mit dem B e i n -
abreißen sein? Davon haben wir ja bisher noch nichts gehört."
Osterhus antwortete: „Nun daß durch eine besondere maschi-
nelle Vorrichtung Beine abgerissen und Knochen abgebrochen
wurden, um zu sehen, welche Wunden dabei entstünden und wie
sie am besiten geheilt würden." Ich fragte später wiederholt einen
Gefangenen, der viel im Lager, herumkam, Wilhelm V i s i n t a i -
n e r, genannt „Kohlenklau", ob denn tatsächlich solche Versuche
gemacht worden seien. Visintainer bejahte es und sprach
des näheren von einer Maschine, die ruckweise gearbeitet hätte.
Dr. Rascher selbst hätte ihm erklärt, daß er diese Versuche im
Auftrage von Himmler vornehme, um neue Heilverfahren für solche
Verletzungen und Brüche bei der Wehrmacht ausfindig zu machen.
Er (Visintainer) selbst hätte zweimal solche Versuche gesehen, als er
im Garten der Versuchsstation gearbeitet hätte. Die Chefärzte des
Kz hätten freilich davon nichts gewußt, hätten überhaupt ohne
besondere Erlaubnis von Himmler keinen Zutritt zur Versuchs-
station gehabt. So sagte Visintainer auch beim Dachauer Prozess
als Zeuge aus. Andere Häftlinge aber (Ullmann, Lenz, Carls), die
ich ebenfalls nach der Tatsächlichkeit dieser Versuche fragte, die
sogar im Revier tätig waren, also am ehesten etwas davon wissen
konnten, hatten keine Kenntnis davon, hielten die Sache überhaupt
für unwahrscheinlich. Was stimmt nun? Wer hätte sich von die-
sen Versuchen außerhalb des Lagers zu reden getraut? Hätte eine
kirchliche Behörde, wenn sie je davon erfahren hätte, trotz dieses
Widerspruches einen amtlichen Schritt tun können?
Wie man im Lager auch" sonst selbst „Ungefährliches" absolut
geheimzuhalten suchte, mag daraus hervorgehen, daß man in den
ersten Monaten von uns drei ersten Sonderhäftlingen
(Pastor Niemöller. Dr. Hock und Verfasser) nichts bekanntwerden
lassen wollte. Zu Untersuchungen ins Revier wurden wir trotz
unserer* vollen Gesundheit in vollständig mit Decken geschlossenen
Krankenwägen gefahren, • kein Gefangener durfte in der be-
treffenden Abteilung des Reviers sein, wo wir vom Arzt und Zahn-
arzt untersucht wurden. Wir wurden in den Kartotheken des Re-
viers nur mit Anfangsbuchstaben oder Decknamen geführt.
Wir waren zuerst an der Stirnseite des langen Bunkerbaues
untergebracht. Schon ein paar Wochen hernach wurden wir ans
äußerste Ende verlegt, weil man fürchtete, daß wir am Eingang des
Bunkers zu viel sähen. Und so oft im Nachbarhof Erhängungen
geschahen, mußten wir vom Hofe herein und wurden in den sonst
geöffneten Zellen eingeschlossen. Dabei war gar keine Gefahr, daß
wir von der Erhängung etwas gesehen hätten; denn es war zwischen
den zwei Höfen eine hohe Mauer. Aber wir sollten eben gar keine
Ahnung von solchen Geschehnissen haben, erst recht nichts davon
weitergeben können.
22
Die Krematoriumskommandos, die an den Leichen
sahen, wer ,, liquidiert" worden war und wie grausam manche ent-
stellt waren, wurden von den anderen Häftlingen vollständig ab-
gesondert, damit sie ja nichts weitererzählen konnten. Sie wu?:den
außerhalb des allgemeinen Lagers im sogenajnnten „Bunker" separat
untergebracht, jeden Morgen dort von einem SS-Mann abgeholt
und abends wieder dorthin gebracht und, wenn ihr Wissen im
Laufe von einigen Monaten gar zu reich geworden war, ebenfalls
„liquidiert".
Auch im Bunker selbst bekamen einzelne Gefangene zur Ver-
heimlichung ihrer Persönlichkeit ,, Decknamen", z. B. der Engländer
Stevens, der am 10. November 1939 zusammen mit M. Best von'
SS über die holländische Grenze geschleppt worden war; er durfte
im Lager nur der Herr „Fuchs" sein. Der berüchtigte Bürger-
bräu'attentäter, Schreinergeselle Eiser, hieß für das Lager
nur Eller. Und es wäre uns wohl nicht gut bekommen, wenn wir
verraten hätten, daß wir recht wohl wußten, welches sein wahrer
Name war und wer hinter ihm steckte. Als man keine Aussicht
mehr hatte, ihn zu einem Schauprozeß gegen den Secret Service
von England verwerten zu können, mußte er, der über fünf Jahre
lang ,,auf besondere Anordnung des Führers" bevorzugt behandelt
worden war, nach Ostern 1945 auf einmal vom Abendtisch weg für
immer „verschwinden".
Im Intejesse der absoluten Geheimhaltung gewisser Dinge und
Vorfälle im Lager wollte die Gestapo sogar auf die Durchführung
von Prozessen verzichten. Ein gutgesinnter Staatsanwalt in
München gab uns im Jahre 1939 den Wink, den Geistlichen zu raten,
falls sie ihrer Sache sicher seien, unbedingt den Wahrheitsbeweis
anzubieten, z. B. für Behauptungen, die sie über irgendwelche
Greuel oder Ungerechtigkeiten gemacht hätten. In diesem Falle
dürfte der Prozeß nicht ohne spezielle Erlaubnis des Justizministe-
riums durchgeführt werden. Dies wurde auch im November des
Jahres 1945 bei der Vernehmung des ehemaligen Gestapobeamten
Hollweck bezüglich des Falles Muhler bestätigt. Hollweck erklärte:
„In der Sache Dr. Muljiiler haben langwierige Verhandlungen mit
Dr. Muhler und Dr. Warmuth stattgefunden, ob der Wahrheitsbeweis
angetreten werden sollte oder nicht, Muhler wollte es, sein Verteidiger
Warmuth hat das abgelehnt. Wenn der Wahrheitsbeweis angetreten
worden wäre, hätten wir Schwierigkeiten bekommen; es waren damals
schon Greueltaten in Dachau vorgekommen und unsere Vorgesetzten
wollten deshalb nicht, daß der Wahrheitsbeweis angetreten wird."
Freilich hätte ein Verzicht auf den Prozeß noch lange nicht
Straffreiheit bedeutet; statt eines Gerichtsurteils oder Gefängnisses
wäre das Kz. um so sicherer gewesen.
Auch durch die sogenannten Arbeitskommandos, die
in den letzten Jahren immer mehr in Rüstungsbetrieben eingesetzt
wurden und da auch mit Zivilleuten in Berührung kamen, drang
weniges aus den Lagern an die Öffentlichkeit; denn die Häftlinge
23
wußten, daß sie sehr vorsichtig sein mußten, weil doch in jedem
Betrieb ,, Spitzel" waren, abgesehen davon, daß sie auch daran
dachten, daß auch ein wohlgemeintes Weiterverbreiten von Be-
richten durch die Zivilleute leicht zu einer Katastrophe für sie, die
Häftlinge, werden konnte.
So war ja auch ich selbst im Februar 1941 nicht wegen eige-
n e r Weitergabe von Nachrichten ins Ausland verhaftet worden,
sondern nur, weil eine andere Person etwas mir nie Genanntes
an das katholische Presse-Büro in Breda-Holland gemeldet und an-
geblich sich zum Erweis der Verläßlichkeit der Nachricht auf mich
berufen haben soll.
Mißglückte Aufklärung über Dachau
Dachauberichte waren erst recht verfemt. Eine Nummer des
Eisturnsblattes von Speyer, ,, Der christliche Pilger", wurde im Jahre
1937 beschlagnahmt, als darin ein Artikel ,, Häftling von Dachau"
erschien.
Zvv^ei katholische geistliche Häftlinge von Dachau, Caritasdirektor
Carls von Wuppertal-Elberfeld und Rektor Theissen-Aachen, mußten
es schwer entgelten, als sie etwa im Jahre 1943 versuchten, Nach-
richten bezüglich der Versuche von Professor Schilling (Malaria-
ansteckung) und Dr. Rascher (Phlegmoneansteckung u. ä.) aus dem
Lager bringen zu lassen. Der Brief wurde aufgefangen und beide
Geistliche wurden schwer bestraft: Carls als Verfasser des Briefes
wurde trotz schwerer Zuckerkrankheit zweimal wochenlang in den
Bunker gesperrt; Rektor Theissen, der aus der Schreibstube des
Reviers die statistischen Angaben angefertigt hatte, kam drei Wo-
chen in Dunkelzelle und „Stehbunker". Und was noch schlimmer
war, sämtliche geistliche Häftlinge wurden auf Be-
fehl der Gestapo Berlin aus allen wichtigen Stellungen
des Lagers, aus den Schreibstuben, aus dem Revier, kurz aus allen
Plätzen, wo sie etwa Einblick in die Lagerverhältnisse bekommen
konnten, entfernt. Die Entfernung aus dem Revier hatte die miß-
liche Folge, daß den Kranken die von nicht wenigen gewünschte
tägliche heilige Kommunion, den Schwerkranken nicht einmal mehr
die heiligen Sterbsakramente gespendet und der letzte Beistand
geleistet werden konnten. Der Versuch der Information der Außen-
welt mußte also teuer bezahlt werden.
So ähnlich war die Lage in manchen Fällen: Es mußte ernst-
lich überlegt werden, ob die mißlichen Folgen von Gegen-
vorstellungen und Gegenmaßnahmen nicht größer waren als viel-
leicht zu erwartende Vorteile. Es mußte darauf geachtet wer-
den, daß die verlogene, mächtige Propaganda von Reich und Partei
es nicht zu leicht hatte, die Schuld für neue Spannungen oder
gar für einen vollen Bruch ganz der Kirche zuzuschieben. Es
mußte auch geprüft werden, ob der Zeitpunkt und Anlaß zu einem
Appell an das ganze katholische Volk geeignet war, es in seiner
24 ' ■
Mehrheit mitzureißen. Nur wer all diese Momente unparteiisch,
unvoreingenommen und leidenschaftslos beachtet, wird den tat-
sächlichen Widerstand kirchlicher Obrigkeiten und weiter kirch-
licher Kreise gerecht beurteilen können.
Selbstverständlich soll und will damit nicht gesagt sein, daß
in jedem Fall und von jedermann immer der allein rich-
tige Standpunkt gewahrt, der nötige Abstand gehalten, der ge-
nügende Widerstand geleistet worden ist. Menschen sind eben nicht
unfehlbar. Was im einzelnen Stadium des Kampfes das Richtige
war oder gewesen wäre, ob öffentliches Protestieren und offenes
Kämpfen oder stilles Arbeiten und geduldiges Schweigen, ob
Christus selbst da und "dort gegen den Antichrist „National-
sozialismus" laute Klage erhoben hätte wie gegen Pharisäer und
Sadduzäer (Mt. 23; Jo. 7 und 8 usf.), oder ob er auch da des öftern
geschwiegen hätte wie vor Herodes und teilweise auch vor Pilatus,
wir wissen es nicht. Wir kurzsichtige Menschen wollen darurn
nicht vorschnell Ankläger und Richter über solche spielen, die es
mit Kirche und Volk gut und ehrlich meinten und gern bereit
waren, ihr eigen Gut und Blut zu opfern. Selbstverständlich soll
damit nicht eine ^ehrliche Überprüfung eigenen und fremden
Redens und Tuns abgewiesen, erst recht nicht dem Urteil der
Geschichte vorgegrilTen werden.
Denen aber, die außerhalb der Feuerzone des Kampfes standen
und draußen seelenruhig die Nachrichten über den Kampf der
Kirchen im Dritten Reich entgegennahmen und mehr oder minder
übel kommentierten, darf vielleicht gesagt werden: ,,Habt Ihr eine
Ahnung, wieviel Mut, Opfergeist und Einsatzbereitschaft dazu ge-
hörte, Euch diese Informationen antinazistischen Inhalts zukommen-
zulassen?"
Das eingangs erwähnte Buch „Die Verfolgung der katholischen
Kirche im Dritten Reich" zählt weit über 500 Seiten im Kleindruck
und enthält eine Unmenge von Dokumenten und Tatsachenberichten.
Wohl wenige können ermessen, wie oft Geistliche und
Laien wortwörtlich ihren Kopf riskierten, um all
dieses ,, staatsgefährliche" Material auf verschiedensten Wegen dem •
Ausland zur Kenntnis zu bringen. Wieviele haben ob solcher Auf-
klärungsarbeit tatsächlich Freiheit und Leben verloren!
Wir haben Achtung vor den Soldaten, die ihr Leben einsetzten
in schweren Gefechten. Ich glaube: Wir müssen auch Achtung
haben vor diesen stillen Kämpfern im Lande, die während eines
zwölfjährigen Krieges gegen einen unerbittlichen und grausamen
Feind im Innern des Reiches ihr Leben einsetzten für die Rechte
Gottes und der Menschen, für Wahrheit und Gerechtigkeit, für
Freiheit des Volkes und der Kirche, für Überwindung von Tyrannis
und Gottlosigkeit.
Abschließend darf wohl gesagt werden:
Mag auch vielen vorgehalten werden müssen, daß sie im
Kampfe nicht bis aufs Blut widerstanden haben (Hebr. 12,4), so ist
25
doch in die Annalen fast jeden Tages dieser zwölf Jahre geradezu
mit Biut eingeschrieben:
„Der Widerstand war da!"
Und mit Märtyrerblut ist auf viele Blätter der Geschichte der
katholischen Kirche Deutschlands in diesen zwölf Jahren
geschrieben:
„Der Widerstand war auch kirchlicherseits da!"
*
B. Kraftzentren des kirchlichen Widerstandes.
' ' 1. Der Fels Petri.
Am mächtigsten war katholischerseits die Gegenwehr gegen
den antichristlichen Nationalsozialismus an der höchsten Stelle der
katholischen Kirche, am Felsen Petri. Freilich versuchte der
Hl. Stuhl zunächst die schlimmen Geister des Nationalsozialismus
mit einer „feierlichen Übereinkunft" zu bändigen.
Reichskonkordat vom 2 0. Juli 193 3,
ratifiziert am 10. September 1933
Die Gründe für diesen Versuch gab der Hl. Vater Pius XII.
selbst in seiner Ansprache an das Kardinalskollegium am 2. Juni 1945
bekannt:
„Solange noch nicht jeder Hoffnungsschimmer geschwunden war, '
daß jene Bewegung eine andere und weniger verderbliche Richtung
einschlagen könne — sei es durch Einlenken ihrer gemäßigteren Ver-
treter, sei es durch tatkräftigen Widersand des nicht einverstandenen
Teiles des deutschen Volkes — , solange tat die Kirche, was in ihrer
Macht lag, um dem , Überhandnehmen jener ebenso zerstörerischen
wie gewalttätigen Lehren einen starken Damm entgegenzusetzen.
Im Frühjahr 1933 ersuchte die deutsche Regierung den
Hl. Stuhl um den Abschluß eines Konkordats mit dem Reich; der
Gedanke fand die Zustimmung auch des Episkopats und wenigstens des
größeren Teiles der deutschen Katholiken. Tatsächlich schienen weder
die mit einzelnen Ländern bereits .abgeschlossenen Sonderkonkordate
noch die Weimarer Verfassung ihnen genügend Sicherung und Gewähr
zu bieten für die Achtung ihrer Überzeugungen, ihres Glaubens, ihrer
Rechte und ihrer Betätigungsfreiheit. Unter solchen Umständen konn-
ten diese Sicherungen nur erreicht werden durch eine Abmachung mit
der Reichsregierung in der feierlichen Form eines Konkordats. Da zu-
dem sie selbst den Vorschlag gemacht hatte, wäre im Fall der
Ablehnung die Verantwortung für alle üblen Folgen
aufden Hl, Stuhlzurückgefallen.
Nicht als ob die Kirche ihrerseits sich von übertriebenen Hoffnun-
gen hätte täuschen lassen, auch nicht, als ob sie mit Abschluß
des Konkor d-a ts die Lehre und die Ziele des National-
sozialismus hätte gutheißen wollen, wie damals ausdrück-
lich erklärt und dargelegt wurde (vgl. „L'Osservatore Romano" Nr. 174
vom 2. Juli 1933). Immerhin muß man zugeben, daß das Konkordat in
den folgenden Jahren verschiedene Vorteile brachte oder wenigstens
26
größeres Unheil verhütete. Trotz aller Verletzungen, denen
es ausgesetzt war, ließ das Konkordat tatsächlich den Katholiken doch
eine rechtliche Verteidigungsgrundlage, eine Stellung, in
der sie sich verschanzen konnten, um von da aus, solange es ihnen mög-
lich war, der ständig steigenden Flut der religiösen Verfolgung sich zu
erwehren. ...
. . . Inzwischen vervielfachte der Hl. Stuhl seinerseits ohne Zögern
bei der Deutschen Regierung seine Vorstellungen und seine Einsprüche,,
indem er sie nachdrücklich und klar auf die Achtung und Einhaltung
der schon aus dem Naturrecht sich ergebenden und durch das Konkor-
dat bekräftigten Pflichten hinwies. Die wache Aufmericsamkeit
des Hirten mit der geduldigen L a n gm ut des Vaters vereinend,
erfüllte Unser großer Vorgänger Pius XI. in jenen kritischen Jahren
mit Kraft und Unerschrockenheit seine Sendung als Haupt der Kirche."
Es ist zur Zeit unmöglich, eine erschöpfende Darstellung dieser
jahrelangen, mit allen Mitteln geführten Abwehr zu geben.
Da waren zunächst ungezählte mündliche und schrift-
lichfe Vojrstellungen, päpstliche Noten und Pro-
m e m o r i a s des Kardinalstaatssekretärs Sr. Heiligkeit bei der
deutschen Botschaft am Hl. Stuhl und ebenso des Apostolischen
Nuntius Exz. Orsenigo in Berlin bei der deutschen Reichsregierung.
In drei Weißbüchern des Hl, Siuhles vom 25. September 1933 bis
26. Juni 1936 sind auf 330 Seiten nicht weniger als 34 Noten an
die deutsche Reichsregierung, 5 Promemoriae,
3 Aide-Memoires, 6 Schreiben mit Vorsehlägen
und Entwürfen, 6 sonstige Schreiben abgedruckt:
wahrhaftig eine grelle Beleuchtung und ein deutlicher Erweis für
das erschütternde Wort, das der Verfasser einmal aus dem Munde
S. E. des Kardinalstaatssekretärs Pacelli, des jetzigen Hl. Vaters
Pius XII., als Antwort auf eine Danksagung bekam: „Ja, es ist
wahr: Deutschland macht mir mehr Arbeit als die
ganze andere Wel t." Man bedenke: Mehr als Italien, Frank-
reich, Spanien, Portugal, Polen, Nord- und Südamerika und viele
andere Länder zusammen!
Zu diesen diplomatischen Vorstellungen kamen aber noch viele
diesbezügliche Ansprachen des Hl. Vaters vor dem Kar-
dinalskollegium, Weisungen an die deutschen • Bischöfe,
Winke an Einzelpersonen bei Privataudienzen, Hinweise bei
Empfängen von deutschen Pilgerzügen, endlich eine Un-
menge von Artikeln in der Vatikanischen Zeitung
„L'Osservatore Romano", ebenso ungezählte Klagen und Anklagen
des Vatikansenders über die Irrlehre des Nationalsozialismus,
über Rechtsverweigerungen, Zwangsmaßnahmen, Gewalttätigkeiten,
Presseunterdrückung, antikirchliche Reden in Versammlungen und
auf Schulungskursen, Konkordatsverletzungen, Kreuzschändungen,
Gottesdienststörungen, Gotteslästerungen, Neuheidentum, Verhaf-
tungen und Verurteilungen von Geistlichen und ^Bischöfen, Lug
und Trug bei Abstimmungen über Bekenntnisschule, Beschlag-
nahme von bischöflichen Amtsblättern und Hirtenbriefen, Sterili-
sation und Tötung von Geisteskranken usf.
27
Die Kritiken des „L'Osservatore Romano" wurden den Herren
des Dritten Reiches so unangenehm, daß viele Nummern den deut-
schen Beziehern, selbst den Bischöfen, nicht ausgehändigt wurden.
Die Sendungen des Vatikanischen Rundfunks wurden mit Beginn
des Krieges unter die verbotenen „a u s 1 ä n d i s c h e n S e n d e r"
gerechnet.
Aus der Fülle einer einzigen Note des Hl. Stuhles:
Ein paar Ausschnitte aus einer einzigen Note des Hl. Stuhles
an die deutsche Reichsregierung (vom 4. Mai 1934) mögen zeigen,
wie vielerlei Beschwerden vorgebracht wurden, in aller
Offenheit und Deutlichkeit, vielfach mit schneidender
Schärfe, immer infeinerSprache und geistigerübe r-
legenheit, stets auf sicherer Rechtsgrundlage und mit
ebenso festem Willen zum Frieden wie gegebenenfalls zum un-
nachgiebigen Widerstände.
a. DerPapst verlangt Gleichberechtigung
der Katholiken Deutschlands
„Der katholische Volksteil, gleich welcher politischen Richtung er in
einer früheren Zeit folgte, ist gleichberechtigter Bestandteil des gesamten
deutschen Volkes. Ei hat den Anspruch, nicht unter Ausnahmerecht und
Ausnahmemißtrauen gestellt zu bleiben. Er hat dieses Recht mindestens
in demselben Maße wie die ungezählten früheren Anhänger marxistischer
Richtungen, die heute in deTTIleiHen der herrschenden politischen Partei
"und '"damit "des Staates nicht nur normale Zulassung, sondern an vielen
Stellen sogar Funktionen gefunden haben, die Katholiken anderer Rich-
tungen verweigert werden."
b. Der Papst rechtfertigt den kirchlichen
Widerstand
„Der Hl. Stuhl kann seine oberstkirchlichen Erwägungen und Urteile
nicht von irgendwelchen parteipolitischen Rücksichten beein-
flussen lassen. Seine Mission ist das Heil der unsterb-
lichen Seelen. Er befaßt sich mit po 1 i t i s c h e n Fragen insoweit,
als sie in den Bereich eingreifen, in dem sich die H e iPmi s s i on der
Kirche an den Menschenseelen vollzieht. In diesem Bereich ist die Kirche
verpflichtet, die ihr nicht von irgendwelcher irdischen Gewalt, son-
dern von Gott überkommene Heilsmission in ihren Grundlagen und
Zielen, in ihren notwendigen und dienlichen Mitteln zu wahren. Wenn
sie staatlichen Eingriifen in diesen ihren Rechts- und Wirkungs-
bereich ihr ,Non possumus' (,Wir können nicht') entgegenhält, dann
tut der Staat ihr und ihren gläubigen Anhängern unrecht, wenn er das
vom christlichen Gewissen und der Achtung vor dem Gotteswort gebo-
tene ,N o n possumus' umdeutet in ein von menschlichen oder partei-
politischen oder gar staatsgegrierischen Gesichtspunkten inspiriertes
,N n V o 1 u m u s' (, Wir w o 1 1 e n nicht').
Hier liegt der grundlegende Irrtum, den das staatliche Promemoria
sowohl in der Rückschau auf die jüngere Vergangenheit wie in der
Beurteilung der Gegenwart begangen hat. Aus diesem Grundirrtum und
der ihm folgenden Wahl des Blickpunktes heraus sieht das Promemoria
der Reichsregierung sowohl Vergangenes als Gegenwärtiges in schiefem
28
und täuschendem Winkel. Aus dieser verfehlten Sicht erwachsen dann,
ohne daß man sich augenscheinlich dessen bewußt wird, Fehlurteile be-
denklichen Ausmaßes und noch tragischerer Auswirkung. Hier liegt der
Ausgangspunkt für so vieles, noch immer sich fortsetzendes und steigern-
des seelisches Leid des katholischen Volksteils, Von hier erwachsen
steigender Gewissensdruck und fortwährende Charakterkonflikte gerade
für die Besten und Treuesten — zum Schaden für das innere Einswer-
den, das gemeinschaftsfrohe Zusammenwachsen der Staatsbürger aller
Richtungen, das menschlich nur möglich und vollziehbar ist, wenn alle
wissen und es in der Erfahrung des täglichen Lebens spüren, daß dieser
Staat und die ihn gestaltende Führung sich der Grenzen bewußt bleiben,
welche das am göttlichen Recht geformte Gewissen jedem amtlichen
Handeln und Fordern, jeder irdischen Autoritätsbeanspruchung zieht.
Das Promemoria der Reichsregierung vereinfacht die Be-
weisführung dadurch, daß es den Gewissenswiderstand des deut-
schen Episkopats und bestimmter, hauptsächlich aus Katholiken be-
stehender politischer Richtungen der Vergangenheit gegen bedenkliche,
vom christlichen Standpunkt aus abzulehnende Einstelkmgen des natio-
nalsozialistischen Programms oder der nationalsozialistischen Führer-
und Anhängerschaft lediglich als Ausfluß parteipolitischer
Überlegungen und parteipolitischer Interessiertheit
bezeichnet. Die hierdurch erreichte Vereinfachung der Beweisfüh-
rung geht auf Kosten der Tatsachen. Die von dem deutschen Episkopat
erhobenen Bedenken gegen manche programmatische und faktische Stel-
lungnahmen des Nationalsozialismus vor der Machtergreifung waren von
pflichtmäßigen religiösen undseeisorgerlichen Ge-
sichtspunkten diktiert. Ihnen andere Motive zu unterschieben,
ist unberechtigt. Ebenso war der tiefste und wesentlichste Grund, aus
dem die Katholiken Deutschlands, den Weisungen der Bischöfe folgend,
die Unvereinbarkeit gewisser Betätigungsformen mit christlichem und
katholischem Denken herauszustellen bestrebt waren, die ehrliche Be-
sorgnis, daß diese weltanschaulich-religiöse Gegensätzlichkeit sich mit
innerer Folgerichtigkeit weiter entwickeln werde. Diese Katholiken heute
noch wegen ihres damaligen Gehorsams gegen die Weisungen der
Bischöfe zu tadeln und darüber hinaus rechtlich und faktisch,
politisch und wirtschaftlich zu schädigen und die Exi-
stenz vieler geradezu zu vernichten, kann niemals als Postulat echter
Staatsnotwendigkeit und Gerechtigkeit begründet werden."
c. Der Papst weist die „falsehverstandene
Totalität" desStaateszu rück
Im Kampf gegen den erzieherischen Totalitätsanspruch des
Dritten Reiches sagt die Päpstliche Note:
.,Wie Seine Heiligkeit Papst Pius XI. in Seinem Schreiben vom
26. April 1931 darlegt, ist hinsichtlich des Begriffes der .Totalität' des
Staates eine wesentliche Unterscheidung zwischen richtig und falsch
verstandener Totalität vonnöten, wenn nicht verhängnisvolle Begriffs-
verwirrungen eintreten sollen. Wird die Totalität so verstanden, daß
in all dem, was gemäß dem eigentlichen Daseinszweck des Staates
der staatlichen Zuständigkeit angehört, die Gesamtheit aller Staatsbür-
ger ohne Ausnahme dem Staat und der ihn lenkenden rechtmäßigen
Regierung Untertan sei (subjektive Totalität = Totalität des
staatsunterworfenen P e r s o n e n 1< r e i s e s), so ist das zweifellos zu be-
jahen. Gleiches läßt sich jedoch keineswegs sagen, wenn man darunter
eine sogenannte objektive Totalität (Totalität der Sach-
gebiete) verstehen ' will und behauptet, die Gesamtheit der Staats-
29
bürger unterstehe auch in der Gesamtheit dessen, was ihr persön-
liches, familienmäßiges, geistiges und übernatür-
liches Leben beinhalte, dem Staate oder — was nofch falscher
wäre — dem Staate gar allein oder vornehmlich. Unter Beschränkung
auf das, was im vorliegenden Zusammenhang in vorderster Linie steht,
kann mit dem genannten Papstbrief nur nachdrücklich darauf hinge-
wiesen werden, daß ,eine Totalität des Regimes und des
Staates, die auch das übernatürliche Lebensgebiet um-
fassen wollte, schon in der Vorstellung eine offenbare Sinn-
losigkeit (assurditä) sein würde und — in die Tat übersetzt — eine
wirkliche Ungeheuerlichkeit (mostruositä),'
Der erzieherische Totalitätsanspruch des Staates
ist demnach nicht nur in thesi falsch, sondern auch in praxi auf die Dauer
selbstmörderisch. Die Geister, die er auf den Wegen einer kon-
fessionsfreien und konfessionsfeindlichen Staatserziehung heranzieht,
werden in ihrer religiösen Entbundenheit seine Feinde von morgen sein.
Es gibt keine wahre Volks- und Staatswohlfahrt ohne
Religion. Nur zuchtvolle Kraft ist wahren Auf baus fähig. Zucht-
entwöhnte physische Kraft wird in Zerstörung enden. Zucht ist un-
denkbar ohne Norm. Menschliche Norm ist undenkbar
ohne Verankerung im Göttliche n."
d. Der Wolf soll nicht das Schaf anklagen!
Energisch wendet sich der Hl. Stuhl in seiner Note vom
14. Mai 1934 gegen den Versuch, den Katholiken, auch Bischöfen
und Priestern, die Abwehr von Angriffen zu verbieten, jegliche
„Defensive" als „Offensive" zu mißdeuten:
„Die. Verkümmerung der Gewissens- undBekenntnisfrei-
h e i t der Katholiken Deutschlands geht so weit, daß man neuerdings in
immer zunehmendem Maße ihnen auch die berechtigte Abwehr des
von anderer Seite vertretenen, halbamtlich geförderten Neu-
heidentums unmöglich zu machen suchte. Immer mehr häufen sich
die Fälle, in denen es der katholischen Presse, selbst Kirchen- und Sonn-
tagsblättern verargt wird, wenn sie gegen diese Bewegung Front machen.
Die Regierung ist sich der aufreizenden Inkonsequenz dieser Handlungs-
weise augenscheinlich nicht hinreichend bewußt. Auf der einen Seite
wird Herr Rosenberg zum Privatmann erklärt, auf der anderen
Seite wird der berechtigte und notwendige Kampf gegen das von diesem
Privatmann vertretene Neuheidentum als Kampf gegen den
neuen Staat charakterisiert und verfolgt. Die Offensive
des Neuheidentums wird erlaubt. Die Defensive der gläubigen Chri-
sten verboten. Der F-t i e d e ist doch nicht dadurch herzustellen, daß
man auf die Verteidigungverzichtet, sondern nur dtirch A u f -
hören der Angriffe. Im Interesse der Wahrheit und des Friedens
kann nur dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß diese aus der
Vergangenheit hergeleiteten Argumente möglichst bald aus dem Verkehr
/sezogen werden. Wenn selbst die pflichtmäßige, im Konkordat ausdrück-
lich geschützte lehramtliche Stellungnahme und der öif ent-
liche Widerst a nd der Bischöfe gegen den Unglauben, der
in einem halben Dutzend von Spielarten nach dem neuen Staate greift
und ihn seinen feierlich übernommenen Verpflichtungen entziehen will,
darauf gefaßt sein muß, als ,Z e n t r u m s r e d e n' und als ,V e r -
wechslung der Kanzel mit der Parlamentstribüne' be-
zeichnet zu werden, und zwar von den zentralsten parteiamtlichen'
Presseorganen, dann sind die Dinge auch bei mildester Beurteilung an
einem Punkte angelangt, der schwerlich überboten werden kann."
30
e. Keine Ausflüchte! Ro senbergs „Mythus" ist
nicht Qualitätund nicht Privatarbeit!
In dem Promembria vom 14. März 1934 hatte die Reichs-
regierung eine „Mohrenwäsche" an Rosenberg versucht, erhielt aber
vom Hl. Stuhl folgende klare Antwort:
„Der Hl. Stuhl ist nicht in der Lage, die auf das Rosenberg'sche
Buch und die Person seines Verfassers bezüglichen Teile des staatlichen
Promemoria irgendwie überzeugend zu finden. Nicht, was Herr Rosen-
berg erklärt, sondern was er tut, bzw. was andere — sei es auf
seine Anweisung als Schulungsleiter, sei es ohne sie — mit seinem
Buche und der in ihm vertretenen kirchen- und christentumsfeindlichen
Weltanschauung tun, ist für die kirchliche Betrachtungsweise maß-
gebend. Das wissenschaftliche Niveau dieses Buches ist selbst
nach dem Geständnis maßgebendster Parteigenossen des Verfassers so
tief anzusetzen, daß darüber nicht gesprochen zu werden, braucht. Im
Zusammenhang mit dem durch das Reichskonkordat anerkannten Ge-
samtverhältnis zwischen katholischer Kirche und Deutschem Reich
interessiert den Hl. Stuhl konkordatsrechtlich die immer deutlicher in
Erscheinung tretende Tatsache, daß die den Staat tragende, herrschende
Partei und teilweise der Staat und staatlich bevorzugte
Organisationen selbst ihre Einflußmacht zu einer, wenn nicht
amtlichen, dann mindestens offiziösen Massenverbreitung
dieses Buches benutzen, die zu den Beteuerungen des rein privaten
Charakters der Schrift in unversöhnbarem Gegensatz steht. Was be-
deuten solchen Tatsachen gegenüber gutgemeinte, aber der harten Rea-
lität der Dinge nicht gerecht werdende, im Promemoria übrigens auch
nicht vollständig wiedergegebene Äußerungen des Herrn Bayerischen
Staatssekretärs D a u s e r ! Was bedeutet die Einzelstimme eines an der
Peripherie stehenden Mannes gegenüber der umfassenden Funktion des-
sen, der als Leiter der weltanschaulichen Schulung der
nationalsozialistischen Partei und aller von ihr ab-
hängigen Organisationen auf tausendWegen seine
unchristLichen Anschauungen in die Massen zu pres-
sen weiß, dem insbesondere auch auf - dem Umweg über die Schule
und die vielgestaltigen Zwangsorganisationen ein
Einflußbereich ausgeliefert worden ist, der sich nie und nimmer unter
die Rubrik des Privaten unterbringen läßt! Kann man sich wundern,
wenn das katholische Volk gerade in der Betreuung dieses kämpferi-
schen Christentumsfeindes mit dem Amt des Schulungsleiters einen
symbolischen Akt sieht, gegen den alle Wortargumente nicht an-
kommen, weil die dieser Ernennung folgenden Tatsachen eine
Sprache reden, die jeder versteht? Der an anderer Stelle mitgeteilte
Berichtstext über die Zustände in gewissen Ausbildungslagern zeigt, wie
die amtliche und halbamtliche ,Empfehlung' des Rosen-
berg'schen Buches in den unteren Führerschichten verstanden und ge-
handhabt wird. Über den Druck, mit dem das Buch in alle
möglichen Bibliotheken, einschließlich der Volks-
und Schulungsbibliotheken hineingepreßt wird, hat
der Hl. Stuhl sich schon früher ausgesprochen. Neuerdings macht
man das Buch bereits zum amtlichen Geschenk bei
Trauungen, von den direkten Anweisungen zu schweigen, die seine
Verbreitung unter Ausnutzung der Parteidisziplin zu erzwingen suchen,
und von denen dem Hl. Stuhl mehrfache Originaltexte vorliegen.
In klar erkennbarer Steigerung nimmt der organisationsamtliche
Druck zugunsten des Rosenbergbuches vor allem auch im National-
sozialistischen Lehr erb und zu, dem alle Lehrer und Lehre-
rinnen angehören müssen. Mit welchen Methoden diese Unterdruck-
setzüng der Lehrkörper betrieben wird, dafür sei als ein noch ganz
31
neuer Beleg aus einer rein katholischen Gegend angeführt das folgende
Rundschreiben eines rheinischen Ortsgruppenleiters des NSLB:
,An alle Mitglieder der Ortsgruppe! Auf Anregung des Obmanns
des Kreises im NSLB, Pg. . . ,, muß in der Folge mit der intensiven
weltanschaulichen Schulung im Geiste des vom Führer beauftragten
Alfred Rosenberg begonnen werden. — Sein Geist ist in seinem Buche:
jMythus des 20. Jahrhunderts' festgelegt.
Das Buch muß selbstverständlich im Besitz eines
jeden Lehrers sein, denn nur so ist er in der Lage, seinen inne-
ren dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen.
In nächster Zeit wird außerdem ' ein diesbezügliches Thema in der
Ortsgruppentagung besprochen werden und wird einem jeden Gelegen-
heit geboten, Sinn und Geist Alfred Rosenbergs willig oder unwillig
aufzunehmen.
Ich bin für die Durchführung genannter Schulung verantwortlich
und werde in der nächsten Tagung feststellen, in welchem Umfange
meine Anregungen befolgt worden sind.
Nach diesem Erlaß. ist also auch für den katholischen Lehrer
dasvon der Kirche verboteneBuch Voraussetzung dafür,
,seinen inneren dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen.' Der Zweck
der Organisationstagung ist, ,Sinn und Geist Rosenbergs willig oder
unwillig aufzunehmen.'
An Hand solcher Tatsachen kann nur erklärt werden, daß die zum
Zwecke der amtlichen Entlastung geschriebenen Darlegungen des staat-
lichen Promemoria jedweder Beweislcraft entbehren."
f. Der Papst beklagt die starken a.ntich ristlichen
Strömungen inn erhalb der Partei
„Als Kernursache aller dem Aufgabengebiet des Hl. Stuhles
angehörigen oder naheliegenden Schwierigkeiten und Spannungen"
benennt die päpstliche Note vom 14, Mai 1934 in Punkt IV:
„In steigend emMaße bemächtigen sich kirchen-
feindliche Strömungen der Macht- und Einfluß mittel
des Staates zu einem teils getarnten, teils offenen
Kampf gegen die sachlichen, seelischen, erzieheri-
schen und rechtlichen Vorwerke des christlichen Ge-
dankens in Deutschland. In wachsendem Maße wissen sie die
geistigen Kraft- und Autoritätszentralen mit Angehörigen ihrer Richtung
zu besetzen. In immer erkenntlicherer Klarheit okkupieren sie den Staat
und die dem Staatseinfluß .zugänglichen Positionen und führen von
dort auf tausend Wegen und Schleichpfaden einen
Kampf ge gen Chris tu Sgl aub en und Kirche, wie er
in den kritischsten Zeiten des Freidenk er t um sim
eigentlichen staatlichen Einfluß- und Machtbereich
nie geführt werden konnte. Das Material, das dem Hl. Stuhl
darüber zugänglich geworden ist, stellt ein geradezu erschütterndes Be-
weismittel für dasjenige Maß von offiziösem Kampf gegen die katholische
Kirche dar, das unbeschadet und neben den amtlichen Erklärungen der
obersten Regierungsstellen gewagt wird. Die Deutsche Reichsregierung
wird es nicht erstaunlich finden können, wenn die im obigen geschilderte
steigende Spannung zwischen amtlicher und faktischer Haltung, zwischen
Konkordatsvorschrift und konkordatswidriger Wirklichkeit allmählich
einen Grad erreicht, wo die Kritik an diesen Zuständen von
der beginnenden Bezweiflu n g selbst des amtlichen
Konkordatserfüllungswillens nicht mehr allzu weit
entfernt ist. Angesichts einer Regierung, die wie keine ihrer Vor-
32
gängerinnen sich als autoritäre und machtgetragene Regierung fühlt und
bezeichnet, der Einflußmöglichkeiten und physische Gewalt in einem
früher nie gel^:annten Maße zur Verfügung stehen, weiß der gesunde Sinn
des Volkes, dessen das Promemoria wiederholt Erwähnung tut, sich
nicht zu erklären, wie das Bestehen und die ungestörte, die Staatsautori-
tät mißbrauchende Tätigkeit solcher Kreise möglich sein soll ohne die
Gewißheit der stillschweigenden Deckung oder allermindestens der Un-
gestraftheit. Immer deutlicher meldet sich, selbst von solchen Seiten, die
anfänglich einer sehr viel arideren Auffassung waren, die für das An-
sehen und die moralische Autorität der Regierung zersetzende Hypothese
einer befremdlichen Begünstigung dieser Kreise, wenn nicht durch die
Regierung direkt, dann jedenfalls durch Stellen, die angesichts der pri-
mären Stellung der NSDAP innerhalb der Staatsorganisation und Staats-
gestaltung mit den formellen Inhabern der Staatsgewalt an effektivem
Einfluß gleichgestellt werden müssen. Durch die äußere und immer
'drastischere Apparenz der Dinge sieht sich der Heilige Stuhl jedenfalls
in die Notwendigkeit versetzt, die Deutsche Reichsregierüng mit noch
stärkerem Nachdruck als bisher zu bitten, mit dem Ernst, welcher der
Bedeutung der Sache und den im Konkordat übernommenen Verpflich-
tungen entspricht, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. Es ist höchste
Zeit, den jenigen die Autorität des Staates zum Be-
wußtsein zu bringen, die das, was der Staat in feier-
licher Vereinbarung' gewährleistethat, zum Spiel-
ballihrerprivatenSonderauffassungenundkir'chen-
feindlichen Endpläne zumachen suchen.
Nicht mit der Vergangenheit braucht der Staat sich aus-
einanderzusetzen, wie es in seinem letzten Promemoria reichlich ge-
schieht, sondern mit der Gegenwart. Seine Feinde stehen nicht
jenseits, wo er sie anscheinend sucht, sondern innerhalb sei-
ner eigensten Reihen. Sie setzen sichaus denjenigen
z u s a-ni m e n, die, aus liber a listisch e r, _jnaj: x i s tj,^ c h^ r
und, k o m m u_n i_s t i_s c ITeT^ L e,ßÄ01öÄ""CO. s_s.u n^^^ k o m nie n'd,
o H h e Irfn e r e n G e s In h ü n gswandel — mindestens ohne Tüm-
reichende Gewähr dafür -—_übej|den Na yojLa^^^^ zu
E i n f 1 u ß i nl_S .t_a_a t e g ^1 alTgT^i^n d! Die GrolSzügigkeit 'gegehüber
dei: einen Seite wirkt neben "dei: betonten Exklusive gegenüber Angehö-
rigen gläubig-katholischer Richtung besonders beziehungsvoll. Die eine
Tatsache steht jedenfalls fest und könnte mit zahlreichen typischen Bei-
spielen belegt werden: daß die so eingeströmten und als Ziflernzuwachs
begrüßten Anhänger der geschilderten Weltanschauungen innerhalb der
Bewegung, der von ihr abhängigen oder kontrollierten Organisationen,
ja innerhalb der Staatsmaschinerie selbst auf kultureller^ Gebiete Be-
tätigungsmöglichkeiten im Sinne ihrer. früheren und eigentlichen Grund-
einslellung finden, die sie gewiß nicht zu erhoffen gewagt hätten. Viel-
fach entlader^ Personen der bezeichneten Art heute
gegen Kirche und 'Geistliche die Haß.komplexe, die sie
als Sendlinge des Bolschewismus früher in sich ge-
sammelt habe n."-
Als aber alle noch so kräftigen diplomatischen Vor-
stellungen nichts nützten, da trat der Heilige Vater an die
Öffentlichkeit und sprach zur ganzen Welt über seine ,, brennende
Sorge, über die Lage der katholischen' Kirche im Deutschen Reich."
Schon in der Note vom 21. Januar 1936 hatte der Hl. Stuhl der
Reichsregierung andeuten und bedeuten müssen, daß er es auf die
Dauer nicht bei bloßen internen Auseinandersetzungen zwischen
kirchlichen und staatlichen Stellen belassen könne, zumal das Reich
Kreuz und Hakenkrei.iz 3 Bd. II gg
seinerseits gegenteilig handle, z. B. öffentlich eine „groß aufgemachte
Aktion gegen den angeblichen Mißbrauch des geistlichen Amtes zu
politischen Zwecken" ankündige (Erlaß vom 17. Juli 1935). „Es be-
clarf keines Zweifels, daß ohne die Gewährleistung loyaler Gegen-
seitigkeit dieses in dem Charakter des Konkordatsregimes begrün-
deten offenen und freimütigen fair play der Heilige Stuhl bei der
"Wahl der für ihn künftig in Frage konimenden Abwehrmaßregeln
gegen Beeinträchtigungen des konkordatlichen Kechtszustandes
volle Freiheit beanspruchen muß." Doch auch diese Warnung fand
seitens der deutschen Reichsregierüng und der NSDAP keine Be-
achtung. 5o mußte es wirklich zum Schritt in die Öffentlichkeit
kommen. Es geschah am 14. März 1937 mit der Enzyklika:' „M i t
brennender Sorg e."
Dieses einzigartige Papstwort mag wohl den meisten deutschen
Katholiken bekannt sein, aber wegen der Beschlagnahme tausender
von Abdrucken vielen nicht in die Hände oder mittlerweile wieder
aus der Hand und auch aus dem Gedächtnis gekommen sein. Darum
sei es hiep wenigstens auszugsweise wiedergegeben, upa einen Über-
blick zu geb^n und seinen mächtigen Eindruck zu erneuern.
Weltrundschreiben Papst Pius' XI.
vom 4. März 1937
über die Lage der katholischen Kirche
im D eu tsch en R eich
t
Einleitend betont der Hl. Vater, daß er „mit brennender Sorge
und steigendem Befremden seit geraumer Zeit den Leidensweg der
Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat
treubieibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes
und des Volkes beobachte, dem St. Bonifatius einst die Licht- und
Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht habe."
Konkordatsentwurf schon alt*)
„Als Wir, Ehrwürdige Brüder, im Sommer 1933 die Uns von d^r
Reichsregierung in Anknüpfung an einen jahrealten früheren Entwurf
angetragenen Konkordatsverhandlungen aufnehmen und zu Euer aller
Befriedigung mit einer feierlichen Vereinbarung abschließen ließen,
leitete Uns die pflichtgemäße Sorge um die Freiheit der kirchlichen
Heilsmission in Deutschland und um das Heil der'ihr anvertrauten Seelen
— zugleich aber auch der aufrichtige Wunsch, der friedlichen Weiter-
entwicklung und Wohlfahrt des deutschen Volkes einen wesentlichen
Dienst zu leisten."
Warum K onk ordat?
„Trotz mancher schwerer Bedenken haben Wir daher Uns damals
den Entschluß abgerungen, Unsere Zustimmung nicht zu versagen. Wir
wollten Unsern treuen Söhnen und Töchtern in Deutschland im Rahmen
des Menschenmöglichen die Spannungen und Leiden ersparen, die an-
dernfalls unter den damaligen Verhältnissen mit Gewißheit zu erwarten
gewesen wären."
*) Titel und Unterstreichungen sind vom Verfasser.
34
Warnung vor Vertragsuntreue
„Wir haben alles getan, um die Heiligkeit des feierlich gegebenen
Wortes, die Unverbrüchlichkeit der freiwillig eingegangenen Verpflich*
tungen zu verteidigen gegen Theorien und Praktiken, die — falls amtlich
gebilligt — alles Vertrauen töten und jedes au!ch in Zukunft gegebene
. Wort innerlich entwerten müßten."
Und doch dauernde Vertragsverletzung!
„Jeder, dessen Geist sich noch einen Rest von Wahrheitsempfin'den,
dessen Herz sich noch einen Schatten von Gerechtigkeitsgefühl bewahrt
hat, wird dann zugeben müssen, daß in diesen schweren und ereignis-
vollen Jahren der Nachkonkordatszeit jedes Unserer Worte und jede.
Unserer Handlungen unter dem Ge^setze-'der Vereinbarungstreue standen.
Er. wird aber auch mit Befremden und Innerster Ablehnung feststellen
müssen, wie von der anderen Seite die Vertragsumdeutung, die Vertrags-
umgehung, die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder
öffentliche Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns
gemacht wurden."
Nach diesen Grundgedanken der Einleitung legt der Hl. Vater
den Finger auf die brennenden Wunden des Volkskörpers und legt
dar, daß die Gesundung von all diesen Krankheiten nur durch die
Rückkehr zum reinen Glauben und zur gottbezpgenen Sittlichkeit
kommen könne. Jeder Satz ist kostbar" und „auf der Waage der
Wahrheit und zugleich der Liebe abgewogen." Doch können hier
nur die wichtigsten Gedanken wiedergegeben werden, die in be-
sonderer Klarheit eine Zurückweisung nationalsozialistischer Ideen
und Praktiken bedeuten:
1. Reiner- Gottesglaube
„Habet acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der Gottesglaube,
die erste und unersetzbare Grundlage jeder Religion, in deutschen Lan-
den rein und unverfälscht erhalben bleibe. Gottgläubig ist nicht,
wer das Wort Gottes rednerisch gebraucht, sondern nur, wer mit diesem
hehren Wort den wahren und würdigen Gottesbegriif verbindet. /
Wer •'in pantheistischer Verschwommenheit Gott mit
dem Weltall gleichsetzt, Gott in der Welt verweltlicht und die Welt in
Gott vergöttUcht, gehört nicht zu den Gottgläubigen.
Wer nach angeblich altgermanisch- vorchristlicher Vorstellung das
düstere unpersönliche Schicksal an die Stelle des persön-
lichen Gottes rückt, leugnet Gottes Weisheit und Vorsehung, die „kraft-
voll und gütig von einem Ende der Welt bis zum andern waltet" (Weish.
8,1) und alles zum guten Ende leitet. Ein solcher kann nicht beanspru-
chen, zu den Gottgläubigen gerechnet zu werden.
Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die
Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere
Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung — die innerhalb
der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz
behaupten — aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur
höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit
Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und
gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem
Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauf-
fassung entfernt.
Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, vpi
einem national^en Gott, von einer nationalen Religion
35
zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer
aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe
die Nationen Idein sind wie Tropfen am Wassereimer (Is. 40,15),, in die
Grenzen eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen
Rasse einkerkern zu wollen.
Wir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern, und all den
Gläubigen, die in der Verteidigung der Majestätsrechte Gottes gegen
angriffslüsternes, von einflußreicher Seite leider vielfach begünstigtes
Neuheidentum ihre Christenpflicht erfüllt haben und erfüllen."
2. Reiner Christusglaube
Kein Gottesglaube wird sich auf die Dauer rein und unver-
fälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an
Christus. „Niemand kennt den Sohn außer dem Vater, und niemand
kennt den Vater außer dem Sohn, und wem es der Sohn offenbaren
will" (Mt. 11,27) Es darf also niemand, sagen: Ich. bin gottgläubig, das
ist mir Rehgion genug. Des . Heil'ands Wort hat für Ausflüchte dieser Art
keinen Platz. „Wer den Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer
den Sohn bekennt, hat auch den Vater" (1 Joh. 2,23).
In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, ist die Fülle
der göttlichen Offenbarung erschienen. Die heiligen Bücher des
Alten Bundes. sind ganz .Gottes Wort, ein organischer Teil Seiner
Offenbarung. Nur Blindheit und Hochmut können ihr Auge vor den
heilserzieherischen Schätzen verschließen, die das Alte Testament birgt.
Wer die biblische Geschichte und die Lehrweisheit des Alten Bundes
aus Kirche und Schule verbannt sehen will, lästert das Wort Gottes,
lästert den Heilsplan des Allmächtigen, macht enges und beschränktes
Menschendenken zum Richter .über göttliche Geschichtsplanung. Er ver-
neint den. Glauben an den wirklichen, im Fleische erschienenen Christus,
der die menschliche Natur aus dem Volke annahm, das
ihniansKreuzschlagensollte.
Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhe-
punkt de-r Offenbarung ist verpflichtend für immer.
Diese Offenbarung kennt keine Nachträge durch Menschenhand, kennt
„Offenbarungen",
aus dem soge.^
leiten wollen.
■ Wer in sakrilegischer Verkennung der zwischen Gott und
Geschöpf, zwischen dem Gottmenschen und den Menschenkindern klaf-
fenden Wesensunterschiede irgendeinen Sterblichen, und wäre
er der größte aller Zeiten, neben Christuszu stellen wagt,
oder gar über ihn und gegen ihn, der muß sich sagen lassen, daß er ein
Wahnp::ophet ist, auf den das Sprichwort erschütternde Anwendung
findet: „Der im Himmel wohnt, lachet ihrer" (Ps 2,4),
3. Reiner Kirchenglaube
„Der Christusglaube wird sich nicht rein und unverfälscht erhalten,
wenn er nicht gestützt und umhegt wird vom Glauben an die Kirche,
„die Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1 Tim. 3,15).
Unter ihrem Kuppelbau, der wie Gottes Firmament die ganze Erde
überwölbt, ist Platz und Heimat für alle Völker und Sprachen,
ist Raum für die Entfaltung aller von Gott dem Schöpfer und Erlöser
in die Einzelnen und in die Volksgemeinschaften hineingelegten beson-
deren Eigenschaften, Vorzüge, Aufgaben und Berufungen.
36
Das Mutterherz der Kirche ist weit und groß genug, um in der gott-
gemäßen Entfaltung solcher Eigenarten und Eigengaben mehr den
Reichtum der Mannigfaltigkeit zu sehen als die Gefahr, von Absonderun-
gen. Aber sie weiß auch, daß dieser Freiheit Grenzen gezogen sind
durch die Majestät des Gottesgebotes, das diese Kirche in allem Wesen-
haften als untrennbare Einheit gewollt und gegründet hat.
Die göttliche Sendung der Kirche, die unter Menschen wirkt und
durch Menschen wirken muß, mag schmerzlich verdunkelt werden
durch das Menschlich-Allzumenschliche, das zu Zeiten
immer und immer wieder als Unkraut unter dem Weizen des Gottes-
reiches durchwuchert. Wer des Heilands Wort über die Ärgernisse und
die Ärgernisgeber kennt, weiß, wie die Kirche und wie jeder einzelne
über das zu urteilen hat, was Sünde war und Sünde ist. Wer aber über
diesen verurteilehswerten Abweichungen zwischen Glauben und Leben,
zwischen Wort und Tat, zwischen äußerer Haltung und innerer Gesin-
nung bei einzelnen — und wären es ihrer auch viele — die Unsumme
von echtem Tugendstreben, von Opfersinn, von Bruderliebe,
von heldenhaftem- Heiligkeitsdrang vergißt oder gar wissentlich ver-
schweigt, der enthüllt eine bedauernswerte Blindheit und Un-
gerechti g k e i t. Wenn dann vollends erkennbar wird, daß er den
harten Maßstab, den. er an die gehaßte Kirche anlegt, in demselben
Augenblick vergißt, wo es sich um Gemeinschaften anderer Art handelt,
die ihm aus Gefühl oder Interesse nahestehen, dann offenbart er sich
in seinem angeblich verletzten Reinlichkeitsgefühl als verwandt mit
denen, die nach des Heilands schneidendem Wort über den Splitter im
Auge des Bruders den Balken im eigenen Auge übersehen. So wenig
rein aber auch die Absicht derer ist, die aus der Beschäftigung
mit dem Menschlichen in der Kirche einen Beruf, viel-
fach sogar ein niedriges Geschäft machen, und obgleich die
in Gott ruhende Gewalt des kirchlichen Amtsträgers nicht abhängig ist
von seiner menschlichen und sittlichen Höhe, so ist doch keine Zeit-
epoche, kein Einzelner, keine Gemeinschaft frei von
der Pflicht ehrlicher Gewissenserforschung, unerbitt-
licher Läuterung, durchgreifender Erneuerung in Gesinnung und Tat."
Kir^chenaustritt
„In Euren Gegenden, Ehrw. Brüder, werden in immer stärkerem
Chor Stimmen laut, die zum Austritt aus der Kirche aufrufen. Unter
den Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stellung
den Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und die
damit verbundene Treulosigkeit gegen Christus den König
eine besonders überzeugende und verdienstvolle Form
des Treubekenntnisses zu dem gegenwärtigen Staate
darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Ein-
schüchterungen, Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürger-
licher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken
und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamter unter einen
Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie mensch-
lich unwürdig ist. 'Unser ganzes väterliches Mitgefühl un# tiefstes
Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um
so hohen. Preis bezahlen müssen. Aber — hier ist der Punkt erreicht,
wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung öder Untergang geht, und
wo infolgedessen dem Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes
der einzige Weg des Heiles ist.
Solchen aber, die vermeinen, sie könnten mit äußerlichem Kirchen-
austritt das innere Treueverhältnis zur Kirche verbinden, möge des
Heilands Wort ernste Warnung sein: „Wer mich vor den Menschen ver-
leugnet, den werde auch ich vor meinem Vater verleugnen, der im
Himmel ist." (Lc.,12,9.)
37
4. Reiner Glaube an den Primat
„Der Kirchenglaube wird nicht rein und unverälscht erhalten, wenn
er nicht gestützt wird vom Glauben an den Primat des Bischofs von
Rom... Wenn Leute, die nicht einmal im Glauben an Christus einig
sind, Euch das Wünsch- und Lockbild einer deutschen Natio-
nalkirche vorhalten, so wisset: sie ist nichts als eine Verneinung
der einen Kirche Christi, ein offenkundiger Abfall von dem an die ganze
Welt gerichteten Missionsbefehl, dem nur eine Weltkirche genügen und
nachleben kann."
5, Reine Begriffe und Worte
„Ein besonders wachsames Auge, Ehrw. Brüder, werdet Ihr haben
müssen, wenn religiöse Grundbegriffe ihres Wesensinhaltes beraubt und
in einem profanen Sinne umgedeutet werden.
Offenbarung im christlichen Sinn ist das .Wort Gottes an die
Menschen. Dieses gleiche Wort zu gebrauchen für die ,Einflüslerungen
von Blut und Rasse, für die Ausstrahlungen der Geschichte eines Vol-
kes' ist in jedem Fall verwirrend. Solch falsche Münze verdient nicht,
in den Sprachschatz eines gläubigen Christen überzi;|^ehen.
Glaube ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott ge-
offenbart hat und durch die Kirche zu glauben vorstellt: ,die feste
Überzeugung vom Unsichtbaren' (Hebr. 11,1). Das freudige und stolze
Vertrauen auf die Zukunft seines Volkes, das jedem teuer ist, bedeutet
etwas ganz anderes als der Glaube im religiösen Sinne.
Unsterblichkeit im christlichen Sinn ist das Fortleben des
Menschen nach dem irdischen Tode als persönliches Einzel-
wesen — zum ewigen Lohn oder zur ewigen Strafe, Wer mit dem
Worte Unsterblichkeit nichts anderes bezeichnen will als das kollek-
tive Mitfortleben im Weiterbestand seines Volkes für
eine unbestimmt lange Zukunft im Diesseits, der verkehrt und ver-
fälscht eine der Grundwahrheiten christlichen Glaubens, rührt an die
Fundamente jeder religiösen, eine sittliche Weltordnung fordernden
Weltanschauung.
Demut im Geist des Evangeliums und Gebet um Gottes Gna-
denhilfe sind mit Selbstachtung, Selbstvertrauen und heldischem
Sinn wohl vereinbar. In seinem seichten Gerede über christliche Demut
als Selbstentwürdigung und unheldische Haltung spottet der widerliche
Hochmut dieser Neuerer seiner selbst.
Gnade im uneigentlichen Sinne mag alles genannt werden, was
dem Geschöpf vom Schöpfer zukommt. Gnade im eigentlichen und
christlichen Sinne umfaßt jedoch die übernatürlichen Erweise göttlicher
Liebe. Die Gleichsetzung der übernatürlichen Gnade mit den
Gaben der Natur ist ein Eingriff in den durch die Religion geschaffe-
nen und geweihten Wortschatz." '^
6. Sittenlehre und sittliche Ordnung
„Auf dem wahren und rein bewahrten Gottesglauben ruht die
Sittlichkeit der Menschheit. Alle Versuche, die Sittenlehre und die
sittliche Ordnung vom Felsenboden des Glaubehs abzuheben und auf
dem wehenden Flugsand menschlicher Normen aufzubauen,
führen früher oder später einzelne und Gemeinschaften in moralischen
Niedergang.
Die Auslieferung der Sittenlehre an subjektive, mit den Zeit-
strömungen wechselnde Menschenmeinung, statt ihrer Verankerung im
heiligen Willen des ewigen Gottes, in Seinen Geboten, öffnet zersetzen-
den Kräften Tür und Tor."
38
7. Anerkennung des Naturrechtes
„Im verhängnisvollen Zug der Zeit liegt es, wie die Sittenlehre so
auch die Grundlegung des Rechtslebens und der Rechtspflege vom
wahren Gottesglauben und von den geoffenbarten Gottesgeboten mehr
und mehr abzulösen. Wir denken hier besonders an das sogenannte.
Naturrecht, das vom Finger des Schöpfers selbst in die
Tafeln des Menschenherzens geschrieben würde (Rom. 2,15 f.). Mensch-
liche Gesetze, die mit dem Naturrecht in unlösbarem Widerspruch
stehen, kranken an einem Geburtsfehler, den kein Zwangsmittel, keine
äußere Machtentfaltung sanieren kann. Mit diesem Maßstab muß auch
der Grundsatz: ,Recht ist, was dem Volke nützt', gemessen
werden. Zw.ar kann dem Satz ein rechter Sinn gegeben werden, wenn
man unterstellt, daß sittlich Unerlaubtes nie dem wahren Wohle des
Volkes zu dienen vermag. Indes hat schon das alte Heidentum erkannt,
daß der Satz, um völlig richtig zu sein, eigentlich umgekehrt werden und
lauten muß: ,Nie ist etwas nützlich, wenn es nicht gleichzeitig sittlich
gut ist. Und nicht weil nützlich, ist es sittlich gut, sondern weil sittlich
gut, ist es auch nützlich.' (Cicero, De officiis 3,30.) Von dieser Sittenregel
losgelöst würde jener Grundsatz im z w i s c h "e n,s t a a 1 1 i c h e n Leben
den ewigen Kriegszustand zwischen den verschiedenen Nationen bedeu-
ten. Im innerstaatlichen Leben verkennt er, Nützlichkeits- und
Rechtserwägungen miteinander verquickend, die grundlegende Tatsache,
daß der Mensch als Persönlichkeit gottgegebene Rechte besitzt,
die jedem auf ihre Leugnung, Aufhebung oder Brachlegung abzielenden
Eingriff von s6iten der Gemeinschaft entzogen bleiben müssen."
8. Recht freier Religi-onsübung
„Der gläubige Mensch hat ein unverlierbares Recht, seinen Glauben
zu bekennen und in den ihm gemäßen Formen zu ^betätigen. Gesetze,
die das Bekenntnis und die Betätigung dieses Glaubens unterdrücken
oder erschweren, stehen im' Widerspruch mit einem Naturgesetz,
Gewissenhafte, ihrer erzieherischen Pflicht bewußte Eltern
haben ein erstes und ursprüngliches Recht, die Erziehung der ihnen von
Gott geschenkten Kinder im Geiste des wahren Glaubens und in Über-
einstimmung mit seinen Grundsätzen und Vorschriften zu bestimmen.
Gesetze oder andere Maßnahmen, die diesen naturrechtlich gegebenen
Elternwillen in Schulfragen ausschalten oder durch Drohung und
Zwang unwirksam machen, stehen im Widerspruch zum Naturrecht und
sind im tiefsten und letzten Kern unsittlich.
Die Kirche, die berufene Hüterin und Äuslegerin des göttlichen
Naturrechtes, .kann daher gar nicht anders, als die im Zustand noto-
rischer Unfreiheit erfolgten Schule i,n Schreibungen der jüng-
sten Vergangenheit ais ein Zwangsproduk't zu erklä-
ren, dem jeglicher Rechtscharakterabgeh t."
9. AndieJugend
„Von tausend Zungen wird heute vor euren Ohren ein Evangelium
verkündet, das nicht vom Vater im Himmel geoffenbart ist. Tausend
Federn schreiben im Dienst eines Scheinchristentums, das nicht 'das
Christentum Christi igt. Druckerpresse und Hadio überschütten euch Tag
für Tag mit Erzeugnissen glaubens- und kirchenfeindlichen Inhaltes
und greifen rücksichts- und ehrfurchtslos an, was euch hehr und heilig
sein muß.
Wir wissen, daß viele von euch um der Treue zu Glauben und
Kirche, um der Zugehörigkeit zu kirchlichen, im Konkordat geschützten
Vereinigungen, willen düstere Zeiten der Verkennung, der Beargwöh-
nung, der Schmähung, der Verneinung eurer vaterländischen Treue, viel-
35
facher Schädigung im beruflichen und gesellschaftlichen Leben ertragen
mußten und müssen. Es ist Uns nicht unbeltannt, wie mancher un-
genannte Soldat Christi in euren Reihen steht, der trauernden Herzens,
aber erhobenen Hauptes sein Schicksal trägt und Trost allein findet in
dem Gedanken, für den Namen Jesu Schmach zu leiden, (Apg. 5,41.)
Wer das Lied der Treue zum irdischen Vaterland singt,
darf nicht in Untreue an seinem Gott, an seiner Kirche,
an seinem ewigen Vaterland zum Übei-läufer und Verräter wer-
den. Man redet zu euch viel von heldischer Größe — in bewuß-
tem und unwahrem Gegensatz zur Demut und Geduld des Evangeliums.
Warum verschweigt man euch, daß es auch ein Heldentum gibt im sitt-
lichen Kampf?
Man redet euch viel vor von den menschlichen Schwächen in
der Geschichte der Kirche. Warum verschweigt man euch die
Großtaten, die ihren Weg durch die Jahrhunderte begleiteten, die
Heiligen, die sie. hervorbx'achte, den Segnen, der aus der lebendigen
Verbindung zwischen dieser Kirche und eurem Volke für die abend-
ländische Kult;urwelt floß?
Man redet zu euch viel von sportlichen Übungen. Mit Maß
und Ziel betrieben, bedeutet die körperliche Ertüchtigung eine Wohltat
für die Jugend. Ihrem Betätigungsraum wird jetzt aber vielfach ein
Umfang gegeben, der weder der harmonischen Gesamtausbildung von
Körper und Geist noch der gebührenden Pflege des Familienlebens noch
dem Gebot der Sonntagsheiligung Rechnung trägt."
10. An die Priester und Ordensleute
„Ein besonderes Wort der Anerkennung, der Aufmunterung, der
Mahnung richten Wir an die Priester Deutschlands, denen in Unter-
ordnung unter ihre Bischöfe in schwerer Zeit und unter harten Um-
ständen die Aufgabe obliegt, der Herde Christi die rechten Wege zu
weisen in Lehre und Beispiel, in täglicher Hingabe, in apostolischer
Geduld. Bewähret euch Tag für Tag in makellosem Wandel vor Gott,
in unablässiger Selbstzucht und Selbstvervollkommnung, in erbarmen-
der Liebe zu allen euch Anvertrauten, insbesondere zu den Gefährdeten,'
den Schwachen und Schwankenden. Seid die Führer der Treuen, die
■Stütze dter Strauchelnden, die Lehrer der Zweifelnden, die Tröster der
Trauernden, die uneigennützigen Helfer und Berater aller!
Diese verstehende und erbarmende Liebe zu den Irrenden, ja selbst
zu den Schmähenden bedeutet allerdings nicht und kann nicht bedeuten
irgendwelchen Verzicht auf die Verkündigung, die
Geltendmachung, die mutige Verteidigung der Wahrheit und ihre frei-
mütige Anwendung auf die euch umgebende Wirklichkeit.
All denen, die ihren Bischöfen die bei der Weihe versprochene Treue
gehalten, all denen, die wegen Ausübung ihrer Hirtenpflicht
Leid und Verfolgung tragen m'ußten und müssen, folgt —
für manche bis in die Kerkerzelle und das Konzentrationslager hinein —
der Dank und die Anerkennung des Vaters der Christenheit.
Den katholischen O.rdensleuten beiderlei Geschlechtes
gilt ebenfalls Unser väterlicher Dank, verbunden mit inniger Anteilnahme
an dem Geschick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von
ihnen aus segensreicher und liebgewonnener Berufsarbeit herausgerissen
hat. Wenn einzelne gefehlt vmd sich ihres Berufes unWürdig erwiesen
haben, so mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen nicht
die Verdienste der gewaltigen Überzahl, die in Uneigennützigkeit und
40
freiwilliger Armut bemüht war, ihrem Gott und ihrem -Volk mit Hin-
gabe zu dienen."
11. An die Getreuen aus dem Laienstande
„Vor Unserem Auge steht die unübersehbar große Schar treuer Söhne
und Töchter, denen das Leid der Kirche in Deutschland und ihr eigenes
Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache Gottes, ' nichts
von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von
ihrem . Gehorsam gegen Bischöfe und Priester, nichts von ihrer freudigen
Bereitschaft, auch in Zukunft — komme, was da wolle — dem treu zu
bleiben, was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe er-
worben haben. Ihnen allen senden Wir aus gerührtem Herzen Unseren
Vatergruß.
Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände,
die tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die
Treue hielten und sich nicht bereit fanden, die Rechte preiszugeben, die
ein feierliches .Abkommen der Kirche und ihnen nach Treu und Glau-
ben gewährleistet hatte.
Ein besonders inniger Gruß ergeht an die katholischen Eltern.
Ihre gottgegebenen Erzieherrechte und Erzieherpfiichten stehen gerade
im gegenwärtigen Augenblick im Mittelpunkt eines Kampfes, wie er
Schicksals voller kaum gedacht werden kann. Die Kirche Christi
kann nicht erst anfangen, zu trauern und zu klagen,
wenn die Altäre verwüstet werden, wenn sakrile-
gische Hände die Gotteshäuser in Rauch und Flammen
aufgehen lassen. Wenn man versucht, den Tabernakel der
durch die Taufe geweihten Kindesseele durch eine christusfeindliche
Erziehung zu entweihen, wenn aus diesem lebendigen Tempel Gottes die
ewige Lampe des Christusglaubens herausgerissen und an ihrer Statt das
Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt werden soll, der mit dem Glauben
des Kreuzes nichts mehr zu tun hat — dann ist die geistige Tem-
pelschändung nahe, dann wird es für jeden bekennenden Christen
Pflicht, seine Verantwortung von der der Gegenseite klar zu scheiden,
sein Gewissen von jeder schuldhaften Mitwirkung an solchem Verhäng-
nis und Verderbnis freizuhalten.
Und je mehr die Gegner sich bemühen, ihre dunklen Absichten
abzustreiten und zu beschönigen, um so mehr ist wachsames Mißtrauen
am Platze und mißtrauische, durch bittere Erfahrung aufgerüttelte Wach-
samkeit.
■ Die formelle Aufrechterhalt ung eines, zudem von Un-
berufenen kontrollierten und gefesselten Religions-
unterrichtes im Rahmen einer Schule, die in anderen Gesinnungs-
fäöhern planmäßig und gehässig derselben Religion entgegenarbeitet,
kann niemals einen Rechtfertigungsgrund abgeben, um einer solchen,
religiös zersetzenden Schulart die freiwilligö Billigung eines
gläubigen Christen einzutragen. Wir wissen, geliebte katholische Eltern,
daß von einer solchen Freiwilligkeit bei euch nicht die Rede sein kann."
Eine zweifache B et euer ung
„Er, der Herz und Nieren durchforscht (Ps. 7,10), ist Unser Zeuge,
daß wir keinen innigeren Wunsch haben als die Wiederherstellung
eines wahre,n Friedens zwischen Kirche und Staat in
Deutschland.
Wennaber — ohneUnsere Schuld. — derFriedenicht
sein soll, dann wird die Kirche Gottes ihre Rechte und
Freiheiten verteidigen im Namen des Allmächtigen,
dessen Arm auch heute nicht verkürzt ist."
Kreuz und Hakenkreuz 4 Bd. II ^j
Eine lahme Antwort der Reichsregierung
Eine kräftige Zurückweisung durch den Hl. Stuhl'
Das Deutsche Reich legte unter dem 12. April 1937 beim
'HL Stuhl Protest gegen das Päpstliche Weltrundschreiben vom
14. März 1937 ein. Die Haupteinwände dieser Verwahrung ersehen
wir aus der umfangreichen Antwort des Hl. Stuhles vom 30. April
1,937. Er brauchte hiebei nicht ein Wort der Enzyklika zurück-
zunehmen oder auch nur zu mild e.r n, sondern konnte im
Gegenteil die Ausführungen derselben noch kräftig unterstreichen
und mit Einzelheiten belegen.
Als wertvolle Ergänzung des Weltrundschreibens selbst, als
Erweis wahrer Hirtenliebe und lauterer Hirtensorge, als Kund-
gebung überragender Gesichtspunkte und festen Standpunktes, als
Beispiel unerschrockener und deutlicher, aber immer sachlicher
und vornehmer Sprache sei es vollständig wiedergegeben:
Aus dem Vatikan, den 30. April 1937.
Euere Exzellenz!
In Beantwortung der unter dem 12. d. M. überreichten Note beehre
ich mich, folgende Fest- und' Ri chtigstellungen*) zu machen:
1. Die genannte Note geht offenbar von der unbewiesenen und un-
beweisbaren Voraussetzung aus, daß der Heilige Stuhl sich bei seinem
bisherigen Verhalten und insbesondere bei der Veröffentlichung der En-
zyklika „Mit brennender Sorge" von feindseligen Einstellun-
gen gegen das d e u tsche Volk oder den deutschen Staat habe
leiten oder beeinflussen lassen. . ,
Der Heilige Stuhl ist es seiner eigenen Würde wie auch der Wahr-
heit schuldig, solche Ausdeutungen zurückzuweisen. Jeder Schritt
des deutschenVolkes auf dem W^ege zu wahrer Wohl-
fahrt, jede Zielsetzung und Handlung seiner Regie-
rung, die diesem Ziele dient, ist der verständnisvol-
len Zustimm ungund der moralischen Unterstützung
des Heiligen' Stuhles sicher. Wer die von lauterer Sorge ■ und
leidenschaftsloser Sachlichkeit getragenen Worte Seiner Heiligkeit in
allen ihren Teilen auf sich wirken läßt, wird auch in denjenigen Stel-
len, welche das Werden der heutigen Mißstände und den Umfang der
Krise festlegen, nur die unvermeidliche Diagnose eines Kranlcheitsbildes
sehen, die kein anderes Ziel kennt als das baldiger, gründlicher und
gesicherter Heilung. Die freimütige Feststellung solcher Schäden schließt
nicht die Anerkennung für Leistungen aus, die der Wohlfahrt des deut-
schen Volkes dienen. Gerade die Deutsche Regierung, die bezüglich der
Grenzziehung zwischen religiösem und politischem Bereich ihre eigenen
Auffassungen hat, wird es dem Hl. Stuhl nicht verargen können,' wenn
er sich in der Eällung von politischen Werturteilen, die nicht durch
religiöse Notwendigkeiten bedingt sind, Zurückhaltung auferlegt.
2. Wenn das Päpstliche Rundschreiben außer an die Erzbischöfe und
Bischöfe auch an die „anderen Ober hirten, die in Frieden und
Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben"' gerichtet wurde, so,
entspricht diese Anschrift der üblichen Formel bei Enzykliken an ein-
zelne Nationen.
Die kirchenrechtlichen Sachbearbeiter der Note vom 12. d. M. haben
vergessen, daß in Deutschland außer den Erzbischöfen und Bischöfen der
•*=) Unterstreichungen ,sind vom Verfasser.
42
Pr^latus nullius von Schneidemühl, die erzbischöflichen Generalvikare
von Katscher und Glatz, der interimistische Administrator Apostolicus
für die Militärseelsorge nebst anderen zu den Ordinarie;i im Sinne des
can. 198 § 1 CJC gehören. Auf Grund einer solchen ■ Überschrift das
Rundschreiben als „Politisches D o I? u m e n t" zu charakterisieren
oder vollends gar den Schluß zu ziehen: „Es wird also der Versuch ge-
macht, die Welt gegen das neue Deutschland aufzurufen", ist ebenso ab-
wegig wie bezeichnend für die Geisteshaltung, aus der die für diesen
Teil der Note verantwortlichen Stellen an die Wertung der Enzyklika
herangegangen sind. Im, ' übrigen, haben die Deutsche Regierung
und die sie tragende Partei auch in weltanschaulichen Fragen ihrer
Propaganda nie geograph i s che Grenzen gezogen. Es ist
daher doppelt unverständlich, wie sie durch eine aufklärende Abwehr
der Kirche sich beschwert fühlen können.
3. In Fortsetzung des gekennzeichneten Fehlschlusses behauptet die
Note vom 12. d. M.: „Die politischen Gegner des Reiches, und zwar auch
solche, die gleichzeitig auch Gegner der katholischen Kirche sind, haben
diesen Aufruf denn auch verstanden, freudig begrüßt und dadurch
neuen Antrieb zu ihrem politischen Kampf gegen das Reich erhalten."
Der Heilige Stuhl glaubt demgegenüber betonen zu dürfen: Für
jeden, der ohne Voreingenommenheit die Enzyklika auf sich wirken
läßt, ist ihre r e 1 i g i ö se, allen politisch e n Tendenzen
ferne Zielsetzung eindeutig und einleuchtend. Viele Auslands-
stimmen haben gerade dies mit Nachdruck hervorgehoben. Hieran ver-
mögen tendenziöse Mißdeutungen anderer nichts zu ändern. Daß der
Hl. Stuhl niißbräuchliche politisierende Ausdeutungen seiner Amtsver-
lautbarungen und Amtshandlungen leider nicht verhindern kann, dafür
bietet die unter ministerieller Kontrolle und Leitung stehende und trotz-
dem sich peinlicher Verdrehungen schuldig machende Presse Deutsch-
lands fortdauernde Beweise. Der Heilige Stuhl ist nicht ge-
wohnt und nicht willens, bei lehramtlichen Verlaut-
barungen sich von anderen Gesichtspunkten leiten
zu lassen als der Überzeugung von ihrer seelsorger-
lichen Not wendigkeit. • Er hat bei solchem Vorgehen
keine andern Bundesgenossen ais die Wahrheiti Sein
Ziel war auch im gegenwärtigen Fall alles andere ^als irgendeine, sei
es direkte, sei es indirekte Schädigung des deutschen Volkes. Seine
• Absicht war und ist die Ausmerzung der Schäden und die Überwindung
der Störungen, die in den^ gegenwärtigen Deutschland dadurch ent-
stehen, daß öffentliche Gewalten und die den Staat tragende Bewegung
in eine steigende Verstrickung mit Ideen, Kräften, Richtungen und
Weltanschauungsgruppen geraten sind, deren eingestandenes oder tat-
sächliches Ziel die Versklavung der Kirche und die Vernichtung des
christlichen Glauben^ ist. Dadurch, daß Träger der Staatsgewalt und
führende Vertreter der den Staat tragenden politischen Bewegung sich
bis heute nicht dazu entschließen konnten, die verhängnisvolle Symbiose
zu beenden, die sie den geschilderten anticßristlicHen sFförnüngen geistfg
verhaftet und dienstbar macht, ist der tragische Zustand erwachsen, der
— nach langem Abwarten — mit unentrinnbarer 'Notwendigkeit eiE
klarstellendes und richtungweisendes Wort der obersten kirchlichen
Stelle forderte. Wenn die Note vom 12. d. M. die nichtdeutschen Presse-
äußerungen zu der Enzyklika in ihrer Gänze würdigen wollte, so wür-
den ihr diejenigen Auslassungen nicht entgangen sein, welche neben
der Klarheit der Feststellungen zur Konkordatsgeschichte und der lehr-
amtlichen Darlegungen des Rundschreibens seine bewußt auf Frieden
und Verständigung gerichtete AUgeraeintendenz erkannt und gewürdigt
haben.
4. Die Note Eurer Exzellenz vom 12. d. M. behauptet, das Rund-
schreiben „Mit brennender Sorge" habe „insbesondere die Wirkung, der
43
kurz. zuvor erlassenen päpstlichen Enzyklika gegen den Kommunis-
mus zerstört und der gerade für die katliolische Kirche so sehr er-
strebenswerten Abwehrfront gegen die Weltgefalir des Bolschewismus
einen gefährlichen Stoß versetzt."
Auch dieser Gedankengang stellt ein bedauerliches Fehlurteil dar.
Der Hl. Stuhl verkennt nicht die große Bedeutung, welche die Bildung
innerlich gesunder und lebensfähiger politischer Abwehrfronten gegen die
Gefahr des atheistischen Bolschewismus besitzt. Sein aus seelsorgerlichen
Motiven kommendes, mit geistigen Mitteln arbeitendes Bemühen um die
Überwindung dieser Irrtümer hat seine eigenen Gesetze und Wege. Er
■ weiß aber, daß gegen die offenen und geheimen, auf illegale Gewalt-
anwendung abgestellten Machenschaften, des Umsturzes den auf der Seite
der Ordnung stehenden staatlichen Gewalten sowie ihrem planmäßigen
Zusammenschluß zur Geltendmachung auch äußerer Machtmittel gegen
die bolschewistische Gefahr eine wesentliche Sendung und Aufgabe zu-
kommt. So wie er zu einer Zeit, wo heutige sehr laute Gegn-er
des Bolschewismus bewußt oder unbewußt dessen
Schrittmacher waren, mit nie ermüdender Energie die nicht nur
religiösen, sondern auch kulturellen' und sozialen Gefahren dieses Systems
freimütig entlarvt hat, so hat er bis in die jüngsten Tage hinein keine
Gelegenheit vorübergehen lassen, die geistige Abwehrfront der Gläubi-
gen gegen den atheistischen Bolschewismus zu festigen und auszubauen.
Der Würde und pflichtmäßigen Unparteilichkeit seines 'obersten Hirten-
amtes ist der Heilige Vater es jedoch schuldig, über der Verurteilung
des bolschewistischen Wahxi- und Ümsturzsystems das Auge nicht zu
verschließen vor solchen Irrtümern, die sich in anderen politischen imd
weltanschaulichen Richtungen einzunisten und nach der Herrschaft zu
drängen anheben. Die Tatsache, daß solche Irrtümer sich
auch innerhalb politischer Abwehrfronten finden,
die eine antibolschewistische Gesamtrichtung au fr-
weisen, kann kein Freibrief sein für ihre Duldung
oder I g n orierung seitens des obersten kirchlicheft
Lehramtes. Eine solche vor dem christlichen Gewissen unverant-
wortliche Parteilichkeit würde sich letzten Endes zum Unheil auch derer
auswirken, die heute — wie es in der deutschen Note geschieht — in
kurzsichtiger Selbsttäuschung von der Kirche eine Solche Haltung bean-
spruchen und ihre Nichtgewährung als deutschfeindlichen Akt anzu- '
sprechen belieben. Für den inneren und äußeren Zusammenhalt und die
auch schweren Belastungen gewachsene Lebensdauer einer Abwehrfront
gegen die Weltgefahr des atheistischen Kommunismus wäre nichts ver-
hängnisvoller als der Irrglaube, diese Abwehr lediglich auf äußere
Macht stellen und in ihr den geistigen Mächten den Platz vorenthalten
zu können, der ihnen zukommt. Nichts ist abwegiger, als unter den
geistigen Mächten der Welt dem Christentum und den ihm eigenen
Wahrheits- und Lebenswerten ihre Wirkungsmöglichkeiten zu verengen
und die Kirche daran zu verhindern, in ihr die ruhenden und einsatz-
bereiten Kräfte zur geistigen Überwindung der im Bolschewismus ent-
haltenen Irrtümer und Irrwege zum Segen der Völker voll zu verwirk-
lichen. Gerade diesem Irrtum und der aus ihm' erwachsenden Fehl-
haltung sind führende Kreise des gegenwärtigen Deutschlands in seinem
besorgniserregenden Umfang verfallen. Nicht nur, daß die freien Wir-
kungsmöglichkeiten des Christentums immer mehr gehemmt werden —
darüber hinaus führen unter den Augen und mit Duldung und Förde-
rung amtlicher Stellen ein gewisses Schrifttum, eine begünstigte Presse,
ein vielfältiges Organisationswesen gegen Christentum und
Kirche einen planmäßigen Kampf, der in Anlage und
Methode, in Gehässigkeit und Böswilligkeit an Vorbilder gerade aus dem
Lager erinnert, das man zu bekämpfen erklärt. Da die Deutsche Regie-
rung Presse, Schrifttum und Organisationsw;...en in einer früher nie
gekannten Konzentration zusammengefaßt hat und infolgedessen aus der
44
täglichen Amtserfahrung die Einzelheiten dieses trüben Bildes besser
kennen muß als der Heilige Stuhl, dessen dokumentarische Unterlagen
Bände füllen, kann hier auf nähere Darlegungen verzichtet werden. Die
eine FeststelKmg jedoch kann wahrheitsgemäß nicht unterbleiben:
Zwischen der offiziellen Programmatik der antibol-
schewistischenAbwehrfront und der geschilderten
Praxis bestehen Kontraste, die ebenso beredt wie
peinlich sind. Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche ,die
Hand auf diese offene Wunde gelegt und in ehi*licher Sorge um die
von hier der Wohlfahrt des deutschen Volkes drohenden Gefahren Seine
Stimme erhoben hat, so war nicht Bloßstellung und Anklage, sondern
Heilung und Rettung' Sein einziges und pflichtmäßiges . Ziel. In diesem
Licht betrachtet, bedeutet die Behauptung der deutschen Note, die En-
zyklika „Mit brennender Sorge" habe „der Abwehrfront gegen die Welt-
gefahr des Bolschewismus einen gefährlichen Stoß versetzt", eine Ver-
kennung der Wirklichkeit und eine Selbsttäuschung, von der man im
Interesse des deutschen Volkes nur wünschen kann, daß sie bald einer
gerechten und leidenschaftslosen Würdigung weichen möge. '
5. Die Note Euerer Exzellenz bezeichnet es als „unannehmbar, daß
der kirchliche Konkbrdatspartner, wider alle diplomatischen Gepflogen-
heiten und mitten in noch schwebenden Auseinandersetzungen über eine
keihe schwieriger Konkordatsfragen, sich über die für die Verhandr-
lungen über Meinungsverschiedenheiten zuständigen Stellen hinweg
unmittelbar an die katholischen Staatsbürger wenr
d e t uhd diese gegen ihre eigene Regierung aufruft.
Diese Behauptung und der in ihr erhobene Vorwurf ist hur erklär-
lich aus dem Munde eines staatlichen Vertreters, der entweder die Zeit-
folge der internen Verhandlungen zwischen Heiligem Stuhl und Deut-
scher Regierung nicht kennt oder sich über eine etwa vorhandene
Kenntnis mit befremdender Unbekümmertheit hinwegsetzt. Der Heilige
Stuhl glaubt die sich aus den diplomatischen Gepflogenheiten ergeben-
den Rechts- und Taktpflichten ebenso gut beurteilen zu können wie
irgendeine andere Stelle. Es würde ihm ein leichtes sein, aktenmäßig
nachzuweisen, wie er in den vier Nachkonkordatsjahren mit einer nie
ermüdenden Sorgfalt und mit einer Geduld, die von vielen als zu weit-
gehend empfunden wurde, jede echte Möglichkeit einer verantwortbaren
Verständigung zu nutzen böstrebt war, auch dann, wenn Verhandlungs-
methoden und Praktiken staatlicher Unterhändler ihm dieses Abwarten
mehr als einmal erschwerten und negativ lohnten.
Angesichts der Ignorierung ganzer Serien von einzel-
ne.n und kollektiven Eingaben und Vorstellungen des
Episkopats,
angesichts der von staatlicher Seite zu veranworten-
den Ergebnislosigkeit mehrfacher persönlicher Füh-
lungnahme zwischen kirchlichen und staatlichen Vertretern in
Deutschland,
angesichts der „wider alle diplomatischen Gepflogenheiten" im Ge-
schäftsverkehr des Dritten Reiches üblich gewordenen vielfachen
Nichtbeantwortung von Noten des Heiligen Stuhles,
eine Nichtbeantwortung, die bereits früher einen im diplomatischen
Verkehr mit anderen Mächten ungekannten Umfang erreicht und in
der allerletzten Zeit in wichtigsten Schulangelegenheiten ein bewußt
unhöfliches Maß angenommen hatte,
angesichts der wiederholten v ergeblichen Anrufung des im
Konkordat vorgesehenen und deshalb pflichtmäßigen Einigungsartikels 33
durch den Heiligen Stuhl,
'45
angesichts der n ach \v eis baren planmäßigen Ver-
schleppungen der Verhandlungen und der sowohl dem Apostoli-
schen iNuntius wie der> Vertretern des Episkopats gegenüber beliebten
Hinausschiebung der Konkordatsfragen erster Ordnung zugewandten
Besprechungen, *
ist es ein befremdliches, diplomatisch unmögliches Öe-
sinnen, die aus dieser Gesamtsituation heraus gewachsene Enzyklika
eine konkordatswidrige, von politischen Zielsetzungen eingegebene oder
we°higstens von solchen beeinflußte Stellungnahme des Heiligen Stuhles
zu nennen und den aussichtslosen Versuch zu machen, sie als solche
vor der Weltöffentlichkeit zu charakterisieren.
Wenn die Note Euerer Exzellenz von Verletzung diplomatischer Ge-
pflogenheiten und von „noch schwebenden Verhandlungen" zu sprechen
beliebt, vergißt sie die viel näher liegende Anwendung, die sich lür das
Verhalten der staatlicher! Stellen ergibt. In diesem Zusammenhang
drängt sich die Frage auf: Entspricht es den „diplomati-
schen Gepflogenheiten" und der Achtung vor ,;noch
schwebenden Verhandlunge n", wenn _ der staatliche Partner
— trotzdem er über die abweichende Auffassung des kirchlichen Kon-
kordatspartners amtlich unterrichtet war — • durch einseitige Gesetzfes-
und Verwaltungsmaßnahmen den vereinbarlich umschriebenen Rechts-
bereich der Kirche einschränkt, wenn er aui dem bequemen,
aber vertragswidrigen Wege der Schaffung vollendeter Tatsachen den
rechtlichen und faktischen Status der katholischen Kirche
verletzt, wenn er in den zentralen Fragen der' christlichen Er-
ziehung und der konfessionellen Schule sich überdie Freiheits-
rechte derg laubigen Eltern durch al^tenmäßig beleg-
bare Einschüchterungen tmd Schi im meres hinweg-
setzt und dann von der Kirche erwartet, daß sie in solchen, auf so
unmögliche Weise und mit so verwerflichen Methoden herbeigeführten
.Trugergebnissen Tatsachen anerkenne, die konkordatsrechtlich unbean-
standbar seien? Die Frage stellen, heißt sie beantworten; heißt aber
auch feststellen, daß die an den Hl. Stuhl gerichteten Anklagen jeder
sachlichen Grundlage entbehrend
. 6. Die deutsche Note vom 12. d. M. will einen „Verstoß gegen die
elementarsten Grundsätze des Konkordats" sehen in dem Verhalten des
Heiligen Stuhles bezüglich der Abfassung, Veröffentlichung und Ver-
lesung des Rui^dschreibens „Mit* brennender Sorge". Die Note schreckt
selbst nicht vor dem seltsamen Schluß zurück: „Die Tatsache, daß
Druck und Verb reitung des Rundschreibens nfiit groß-'
t e r H.e imlichkeit betrieben wurde, beweist, daß sich die für
die Abfassung und Verbreitung verantwortlichen kirchlichen Stellen
der Unrechtmäßigkeit ihres Vorgehens und der Verletzung ihrer staats-
bürgerlichen Pflichten sehr wohl bewußt waren."
- Der Heilige Stuhl weist diese Unterstellung mit Nachdruck zurück.
Er verwahrt sich gegen die Behauptung rechtswidrigen Handelns; E r
kennt keinen Kohkordatsartikel, welcher' für die Ab-
fassung von Enzykliken das öffentliche Verfahren
vorschreibe. Soweit die von der Note beanstandete „Heimlichkeit"
des Dl-uckes und der Verbreitung zutrifft, bieten die in seinem Besitz
befindlichen Unterlagen keinen Anhalt für die Verletzung einer presse-
gesetzlichen .Vorschrift. Dieselbe Staatspolizei, die kircheiqifeind-
liche Veröffentlichungen in weitestem Maße duldet und begünstigt, hatte
in - der Behandlung der Hirtenbriefe deutscher Bischöfe seit langem
einen Weg beschritten, der gleichbedeutend war mit der Versagun^
konkordatlich geschützter Rechte. Angesichts dieser fort-
gesetzten Mißbräuche einer schikanösen und offenbar parteiischen Poli-
zeipraxis kann aus dem Vorgehen der Hochwürdigsten Herren Bischöfe
Deutschlands lediglich das eine gefolgert werden, daß sie bemüht waren,
46
das aufklärende, richtunggebende und bei aller Freimütigkeit wohlwol-
lende Hirtenwort des Pap'stes vor dem Schicksal zu bewahren, das viele
Hirtenbriefe ungerecht gefunden hatten. Wenn die Geheime Staats-
polizei die Verlesung in den Kirchen nicht behindert hat, so doch wohl
auch deshalb, weil sie von Anfang an sachliche Unrichtigkeiten im Text
des Päpstliclien Rundschreibens nicht feststellen konnte. Es ist dem Heili-
gen Stuhl unverständlich,, wie. die Deutsche ■ Regierung nachträglich den
Vorwurf vertreten will, das Päpstliche Rundschreiben stelle „seinem
Ton und Inhalt nach eine so offene Kampfansage an d i e
deutsche Staatsführung, Justizpflege, Scliul- und
Pressepolitik dar, daß die Deutsche Regierung es nicht mit ihrer
Würde' und Souveränität für vereinbar hält, auf Einzelheiten des Rund-
schreibens einzugehen."" Die in dieser Bemerkung angewandte Methode
erleichtert' der Deutschen Regierung zwar wesentlich die Beantwortung
oder genauer gesagt das Ausweichen vor einer Beantwor-
tung und Widerlegung der Enzyklika; sie nimmt ihrer
Stellungnahme aber auch jede Beweiskraft. Es ist dies die Fortsetzung
jener Praxis, die auch in der Vergangenheit in ungezählten Fällen der
sachlichen Erörterung ausgewichen ist und damit an der Versteifung
der Beziehungen zwischen Kirche und Staat einen entscheidenden An-
teil hat. Der Heilige Ötuhl sträubt sich dagegen, anzunehmen, daß die
deutsche Staatsführun^, die deutsche Justiz, die deutsche Schule und die
deutsche Presse ein Interesse daran haben könnten, sich mit den offen-
baren Entgleisungen und Mißbräuchen zu identifizieren, die in der En-
zyklika andeutungsweise zur Sprache gekommen sind. Solange die Re-
gierung das nicht tut, hat sie keine Veranlassung, sachliche Erörterun-
gen dieser Mißbrauche als gegen sich gerichtet zu betrachten. Die Form
dieser Erörterungen in der Enzyklika und das von anderer Seite nicht
unbemerkt gebliebene Bestreben des Hl. Stuhles, die von ihm pflicht-
mäßig beanstandeten Fehlentwicklungen nicht mit dem Staat als sol-
chem oder mit der den Staat tragenden Bewegung endgültig gleichzu-
setzen, hätten für jeden, der die Enzyklika als einheitliches Ganzes nahm
und die in ihr enthaltenen oder angedeuteten positiven Wegweisungen
leidenschaftslos zu würdigen suchte, Anlaß sein müssen, ohne Vorein-
genommenheit und ohne unangebrachte Empfindlichkeit zu prüfen, wie
aus den Wirrnissen der jüngsten Vergangenheit und der bedrohlichen
Versteifung der Gegenwart ein Weg ins Freie gefunden werden könnte.
Damit würde den Intentionen Seiner Heiligkeit des Papstes wie auch
der Wohlfahrt, dem Frieden und dem Aufstieg des deutschen Volkes
und Staates besser gedient worden sein als mit den gereizten, lediglich
nagativ eingestellten und damit naturnotwendig ins Leere greifenden
und ins Leere führenden Mißdeutungen, die der Note vom 12. d. M. ihr
Gepräge geben.
7. Den Hinweis der Päpstlichen Enzyklika auf „Machenschaften, die
von, Anfang kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf",
beantwortet die Deutsche Regierung mit einer Reihe von Einzelfest-
s^tellungen, aus denen ihre ' positive Haltung zur
KirchegefolgertwerdensoU.
Eine genaue Nachprüfung des Enzyklikatextes wißd die Regierung
davon überzeugen, daß lediglich das Vorhandensein solcher Machen-
schäften festgestellt war, ohne daß die Staatsführung als solche damit
gleichgesetzt, wurde. Es genügt, das Schrifttum und die Rhetorik ge-
wisser führender Persönlichkeiten und Organe der nationalsozialistischen
Bewegung und von ihr begünstigter Meinungsgrup'pen zu kennen, um
die bedauerliche Feststellung zu machen, daß die Erklärung der En-
zyklika der Wirklichkeit entspricht. Diesen Mißstand abzustellen, liegt
in der Hand der Regierung, wie Äußerungen höchstgestellter Persön-
lichkeiten der Staatsführung kirchlichen Vertretern gegenüber beweisen.
Sie hat von dieser Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht.
47
Zum Erweis ihrer positiven Haltung gegenüber der Kirche bedient
sich die Note „des Hinweises auf die auch vom Hl. Stuhl anerkannte
Tatsache, daß die katholische Kirche Deutschlands durch
den Nationalsozialismus vor dem bolschewistischen Chaos
gerettet worden is t". Der Heilige Stuhl verkennt nicht, daß die
heutige Deutsche Regierung den Kommunismus als öffentliche Organisa-
tion erfolgreich beseitigt hat. Wie weit der deutsche Kommunismus zur
Zeit der Machtergreifung des Nationalsozialismus eine 'unmittelbare
Gefahr bedeutete, deren Überwindung mit anderen Mitteln ausgeschlos-
sen war, stellt eine Tatsachenfrage dar, die der Heilige Stuhl von sich
aus nicht zu entscheiden hat. Auf alle Fälle würdigt er jedes ehrliche
Bemühen um Ordnung und Frieden.
Die Note vom 12. d. M. weist hin auf „das von der Deutschen Re-
-gierung durch Wort und Tat bewiesene große Entgegenkommen gegen-
über der katholischen Kirche bei Festlegung der materiellen Kon-
kordatsbedingunge n". In diesem Zusammenhang darf daran er-
innert werden, daß das von der gegenwärtigen Regierung abgeschlossene
Reichskonkordat keine finanziellen Neufeststellungen enthält und ledig-
lich das bestehen läßt, was frühere Regierungen ver-
einbart hatten. Daß Entsprechendes gilt für außerkonkordatliche
Leistungen auf Grund von früheren Gesetzen, für die Erhebung von
Kirchensteuern, für die Gründung neuer Seelsorgsbezirke usf., ist der
Reichsregierung bekannt.
Ebenso wird sie nicht leugnen können, daß wesentliche Her-
absetzungen vorgenommen worden sind. Darüber hinaus ist fest-
zustellen, daß durch eine Reihe von Maßnahmen der Gesetzgebung und
Verwaltung den kirchlichen Instituten und Vereinigungen schwerste
Vermögens- und Einkommenschäden erwachsen sind, deren
statistische Feststellung vorbehalten bleibt. Im übrigen darf der Heilige
Stuhl in diesem Zusammenhang, ohne Mißverständnisse befürchten zu
müssen, darauf aufmerksam machen, daß für ihn die hier von der
Reichsregierung in den Vordergrultd geschobenen Fragen nicht In-
teressenfragen, sondern Rechtsfragen darstellen und daß
eine richtige Würdigung der in Deutschland bestehenden Regelung die-
ser Fragen ohne Zurückgr(äifen auf die aus der Säkularisation und ande-
ren Tatsachen herzuleitenden Rechtstitel unmöglich ist. Es bedarf so-
dann keines Hinweises, daß der Kirche ihre Freiheit in der
Erfüllung ihrer Heilsmission an erster Stelle steht
und daß keinerlei mate.rielle Interessen sie davon abhalten
können, von jedem Staate, welches auch seine verfassungsmäßige Form
im einzelnen sein mag, diese Freiheit nicht als ein Almosen
zu erbitten, sondern — auch im Interesse des Staates und Volkes
selbst alsihrGottesrechtzufordern.
■ 8. Wenn die Note vom 12. April d. J. . den Heiligen Stuhl daran
erinnern zu müssen glaubt, daß „der autoritäre deutsche Staat auf allen
Gebieten des öffentlichen Lebens, der Staatsführung, der Justizpflege,
der Schul- und Pressepolitik, mi t den Auffassungen und
Methoden, der liberalistisch-parlamentarischen De-
mokratie endgültig gebrochen. ha t", so verkennt sie die Ab-
sichten der Päpstlichen Enzyklika in ungewöhnlicher Weise.
Nicht hier liegen die wirklichen oder möglichen Konfliktquellen
zwischen katholischer Kirche und Deutschem Staat. Der Hl. Stuhl,
der freundschaftliche, korrekte oder wenigstens erträgliche Beziehungen
hat zu Staaten der einen wie der anderen verfassungsmäßigen Form und
Richtung, wird niemals sich in die Frage einmischen,
welche konkrete Staatsform ein bestimmtes Volk als
die seinem Wesen und seinen Bedürfnissen entspre-
chendste ansehen will. Diesem seinen Grundsatz ist er auch
Deutschland gegenüber treugeblieben und beabsichtigt es weiter zu tun,
48
Die Papstenzyklika hat lediglich den Grundsatz aufgestellt,
daß jede staatliche Rechtssatzung unter dem Gottes-
gesetz steht. Wenn dieser Grundsatz von der deutschen Staats-
führung im Prinzip anerkannt und in der Praxis gehandhabt wird, sind
Konflikte zwischen der Gewissenspflicht des Christen und der Treue-
pflicht des Staatsbürgers ausgeschlossen. Eine Staatsführung jedoch, die
sich dieser fundamentalen Forderung jeder sittlichen Rechts- und Ge-
meinschaftsordnung grundsätzlich oder praktisch entziehen wollte,
schafft bewußt oder unbewußt Spannungen und Gegensätze, die das
Werden der von ihm angestrebten und auch von der Kirche mit allen
erlaubten Mitteln geförderten Gemeinschaftsgesinnung unmöglich
machen.
9. Zusammenfassend stellt der Hl. Stuhl als Kerntatsache fest: -Die
Note vom 12. d. M. hat keine einzige der in der Enzyklika
„M it brennender Sorge" enthaltenen Feststellungen
sachlich widerlegt. Sie hat mit politisierenden Miß-
deutungen sowohl des Inhalts des Rundschreibens als auch der
Absichten Seiner Heiligkeit des Papstes die in Deutschland vor-
gekommenen und vorkommenden Konkordatsverletzung e n
dadurch zu überdecken gesucht, daß sie behauptet, die ge-
nannte Enzyklika stelle eine Konkordatsverletzung dar. Eine er-
staunlichere Umkehrung aller Grundbegriffe des
Vertragsrechtes ais die hier in einem diplomatischen
Aktenstück versuchte ist schwer denkbar. Nach vier
langen Jahren vergeblichen Mahnens zu korrekter Konkordatserfüllung,
nach wiederholtem vertraulichem Hinweis, daß der
Heilige Stuhl bei weiterem Fortgang der regierungsseitig geübten Taktik
zu öffentlicher Stellungnahme genötigt werde,, nach
zahlreichen Versuchen, an die Stelle der im Juni 1934 von staatlicher
Seite versuchten Konkordatsverschlechterung eine für beide Seiten ver-
antwortbare Lösung bezüglich der katholischen . Vereinigungen zu setzen,
nach wiederholten Bemühungen, durch mündliche Fühlungnahmen von
Vertretern des Episkopats mit hohen Staatspersonen die eingetretene
Versteifung zu lockern, nach mehrfacher ergebnisloser' Anrufung der in
Art. 33 vorgesehenen Einigungsinstanz gegenüber den sich überstürzen-
den einseitigen Regierungsmaßnahmen auf dem schulrechtlichen Gebiet
und in verschiedenen anderen wichtigen Fragen — hat Seine Heiligkeit
der Papst das Oberhirtliche Wort gesprochen, das Seine amtliche Pflicht
und Sein vertragliches Recht war. In Seinem hohen Auftrag habe ich
die Pflicht, die diesem Seinem Rundschreiben in der Note vom 12. d. M.
zuteilgewordene ungerechte Beurteilung und darüber hinaus die Form
dieser Beurteilung zurückzuweisen. Nach der sachlichen Seite muß ab-
schließend geltend gemacht werden, daß der grundlegende, die gesamte
Betrachtungsweise der Deutschen Regierung verschuldende Sehfehler
der ist, die Ursache der bestehenden Konflikte auf politischem Gebiete
zu sehen und in politischen Strömungen und Strebungen auf deutscher
kirchlicher Seite. Je schneller und endgültiger die Deutsche Reichs-
regierung sich entschließen kann, diesen Bestandteil journa-
listischer Polemik aus den amtlichen Erwägungen und dem
Verhandlungsverkehr mit dena Hl. Stuhl auszuschalten, um so eher wird
die Atmosphäre entstehen können, in der, wie die Note vom 12. d. M.
sagt, „von beiden Teilen, Staat und Kirche, am Wohl des deutschen
Staatsvolks und Kirche.nvolks gearbeitet werden kann". Die erste und
wesentliche Bedingung für die Erreichung dieses im beiderseitigen Inter-
esse erstrebenswerten Zieles ist die Lösung der Staatsführung und
der den Staat tragenden Bewegung aus der steigenden Um-
klammerung und Durchdringung mit den weltan-
schaulichen und antichristlichen Strömungen, die
vom Kampf gegen die Kirche leben und aus diesem
Kampf ein Lebensgesetz und eine Lebensvoraus-
49
Setzung für den deutschen Staat ihrer Prägung and
ihres Geistes machen wollen. Diese Diagnose der Konflikts-
lage wird hier nicht zum erstenmal dem Staat nahegebracht. Sie wird
nur mit der durch die Erfahrungen bedingten, beschwörenden Eindring-
lichkeit wiederholt. Am deutschen Staate und an seiner Führung ist es,
wenigstens jetzt die Entschließungen zu treffen, denen bisher immer
wieder aasgewichen worden ist. In diesem Sinne hat der Staat und
nicht der Heilige Stuhl es in der Hand, darüber zu entscheiden, wie sich
in Zukunft das Verhältnis zwischen Kirche und Staat gestalten soll.
Mit dem Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung habe ich
die Ehre, zu verbleiben
Euerer Exzellenz
ergebenster ,
gez. E. Card. Pacelli.
Sr. Exzellenz
Herrn Dr. Diego von Bergen
Botschafter des Deutschen Reiches
beim Hl. Stuhl in Rom. ' . • '
Weitere Beispiele und Dokurhente Päpstlicher Noten werden
in den nachfolgenden Kapiteln wiedergegeben werden.
2. Der einmütige deutsche Episkopat.
„Die Aktensch ranke, der beteiligten Ministerien
un d B ehö r den sin d notorisch voll von fortlaufenden
Beschwerden der kirchlichen Stellen. Es gibt gewiß
imganzen Reich keine Diözese und wohl kaum eine
Pfarrei, in der die Spuren und Wunden dieses Kampfes
nicht offenbar wäre n." (Päpstliche Note vom 29. Januar 1936 ^än
die deutsche Reichsregierung.)
a. Gemeinschaftshirtenbriefe der katholischen Bischöfe Deutschlands.
Wenige_Wochen nach d er Macht ergreifung durch den National-
sozi^Tlsnius und der ersten feierlichen Regierungserklärung ver-
ölTentlichten die deutschen Bischöfe gehieinsam eine Kundgebung.
Wesentlich ist dabei, daß die allgemeinen Verbote und
Warnungen gegen den Nationalsozialismus nur
beschränkt und bedingungsweise aufgehoben
v/ erden: , "" 1 "-
„Die Oberhirten der Diözesen Deutschlands haben aus triftigen
Gründen, die wiederholt dargelegt sind, in ihrer pflichtmäßigen Sorge
für. Reinerhaltung des katholischen Glaubens und für Schutz der un-
antastbaren Aufeaben und Rechte der katholischen Kirche in den letzten
Jahren gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine ablehnende
Haltung durch Verbote und Warnungen eingenommen, die so-
lange und insoweit in Geltung bleiben sollten, wie diese Gründe fort-
bestehen.
Es ist nunmehr anzuerkennen, daß von dem höchsten Vertreter der
Reichsregierung, der zugleich autoritärer Führer jener Bewegung ist,
öffentlich und feierlich Erklärungen, gegeben sind,
durch die der Unverletz;lichkeit der katholischen Glaubenslehre und den
unveränderlichen Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung". getragen
sowie die vollinhaltliche Geltung der von den einzelnen deutschen Län-
dern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge durch die Reichs-
50
regierung ausdrücklich zugesichert wird. Ohne die in unseren früheren
Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher
Irrtümer aufzuheben," glaubt daher der Episkopat, das Vertrauen
hegen zu dürfen, daß die vorbezeichneten allgemeinen Verbote und
Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen.
' In Gerrü'"ng'''b'l"elbt' die so oft in feierlicher , Kundgebung an
alle Katholiken ergangene Mahnung, stets wachsam und opfer-
freudig einzutreten für den Frieden und die soziale Wohlfahrt des
Volkes, für Schutz der christlichen Religion und Sitte, für Freiheit und
Rechte der katholischen Kirche und Schutz der konfessionellen Schule
und katholischen Jugendorganisationen.
In Geltung bleibt ferner die Mahnung an die politischen
und ähnlichen Vereine und Organisationen, in Gotteshaus
und kirchlichen Funktionen aus Ehrfurcht vor^ der Heiligkeit derselben
zu vermeiden, was als politische oder parteimäßige Demonstration er-
scheinen und dahqr Anstoß erregen kann.
In Geltung bleibt endlich die so oft und eindringlich ergangene
Aufforderung für Ausbreitung, und Wirksamkeit der katholischen
Vereine, deren Arbeit so überaus segensreich ist für Kirche, Volk
und Vaterland, für christliche Kultur und sozialen Frieden, stets mit
weitblickender Umsicht, und mit treuer opferwilliger iJinigkeit ein-
zutreten." (29. März 1933.)
Auch die gleichzeitig erlassenen Pastoralen Anweisun-
gen des bayerischen Episkopates an den Klerus halten die Rechte
der Kirche und ihrer Seelsorger voll' aufrecht, an die Spitze den
allgemeinen Grundsatz stellend: „Die Grundsätze der
Pastoral werden von den Umstellungen des poli-
tischen Lebens nicht berührt."
Im einzelnen bestimmten die Anweisungen in den Leitsätzen:
„1. Außerordentlich eGottesdiens'te können nur von den
kirchlichen Oberbehörden angeordnet werden.
2," Ein besonderer Go tt es dien st für einzelne Vereine
oder Verbände innerhalb der Kirche oder im Freien kann nur dann an-
gesetzt werden, wenn die gleichen Voraussetzungen erfüllt sind, die bis-
her bei solchen Gottesdiensten für die Wehrmacht oder für große Gau-
tage oder Katholikentage gegeben waren.
3. Das Läuten der Kirchenglocken anläßlich einer staat-
lichen oder politischen Feier darf nur auf Anordnung oder wenigstens
mit Erlaubnis der oberhirtlichen Stelle geschehen.
4. Dei: Besuch des Gottesdienstes in Uniforin und ge-
schlossener Kolonne soll nur unter folgenden Voraussetzungen gestattet
werdep: Die Kirchenparade darf nicht zu einer Störung des Gemeinde-
gottesdienstes für die übrigen Angehörigen der Pfarrei ausarten . . . Für
jeden Fall bleibt der Pfarrer als Hausherr der Kirche ^ür die Kirchen-
ordnung verantwortlich.
5,. Das Mitbringen von Fahn,en, die kirchlich nicht geweiht
sind imd kein religiöses Abzeichen tragen, widerspricht dem Her-
kommen der Vorkriegszeit.
6. Für die Zulassung von Nationalsozialisten zu den
heiligen Sakramenten gelten die gleichen kirchlichen Vorschriften
wie für jeden anderen Katholiken.
7. Ebenso gelten für die kirchliche Beerdigung von Natio-
nalsozialisten die gleichen kirchenrechtlichen Grundsätze wie für andere
Katholiken... Das Begräbnis darf nicht zu einer politischen Demon-
51
stration mißbraucht, die liturgische Feier am Grabe nicht durch poli-
tische Reden gestört werden.
8. In der Frage „Nationalsozialismus und katholische Vereine" bleibt
für den Seelsorger der Grundsatz, daß sowohl die rein kirchlichen Ver-
eine als auch die Standesvereine und Jugendorganisa-
tionen als solche keirie politischen, sondern weltanschauliche
Vereinigungen sind und bleiben müssen . . . Die weltanschaulichen Grund-
lagen der katholischen Vereine dürfen nicht erschüttert werden . . .
9. Sollten auch weiterhin Pfarrhöfe, Klöster und andere
kirchliche Gebäude nach Waffen durchsucht werden, so möge der
Pfarrer oder Rektor immer zunächst den Ausweis fordern und über den
Hergang und das Ergebnis der Durchsuchung ein kurzes Protokoll auf-
nehmen ... Die Beflaggung der Kirchen darf nur aus kirch-
lichen Anlässen und in kirchlichen Farben erfolgen.
10. Bei dieser Gelegenheit sprechen die Bischöfe von Bayern dem
Hochwürdigen Klerus herzlichen Dank und volle Anerken-
nung aus für die musterhafte Disziplin, die er in schwerster Zeit
gegenüber den Anweisungen der Bischöfe vom Februar 1931 geübt hat.
Wir haben zu unserem Klerus das Vertrauen, daß er auch weiterhin
m i t a po stolischem Freimut für die unbeugsame katho-
lische Glaubenslehre und für die Grundsätze der kirch-
lichen Disziplin eintritt.
Wir bleiben der früheren bayerischen Staats-
regierung unauslöschlichen Dank schuldig, die im letzten Jahr-
zehnt den drohenden Kommunismus und Bo Ische vi^is-
m u s von unserer Heimat abgehalten und für die religiös-sittliche
wie für die sozial-wirtschaftliche Gesundung unseres Volkes sich
eingesetzt hat.
Wir müssen nach wie vor Irrtum nennen, was Irrtum ist,
Unrecht, ■ was Unrecht ist, und kulturpolitische An-
schauungen ablehnen, die nach der Überzeugung unseres Ge-
wissens für unser Volkstum den größten Schaden brächten. Wir
können auch einzelne Ausschreitungen von Unterbehörden
nicht gutheißen und zu den gewalttätigen Sonder aktionen
nicht ja und aiyien sagen, die gegen den Willen der obersten Reichs-
sl eilen von nachgeordneten Stellen durchgeführt wurden.
Wir vertrauen zu unserem Klerus, daß er in Wort und Be-
nehmen, in Predigt und Grabrede alles vermeide, was als'
Mißachtung der Staatsregierung oder auch als
würdelose Verbeugung gedeutet werden könnte,
München, 5. April 1933.
Der gemeinsame Hirtenbrief der deutschen
Bischöfe^///?
vom Juni 1933 fl^^pfin'^a
nahm in freimütiger Weise Stellung zu den verschiedensten aktu-
ellen Fragen.
Keine Überspannung des Nationalbewußtseins!
•Verbundenheit mit anderen Völkern!
„Wir deutschen Katholiken brauchen deswegen auch keine Neuein-
stellung dem Volke und Vaterland gegenüber, sondern setzen höchstens
52 ( . '
■1 ■■ ...J7.^.(lÄ:,^ :^V---^^-^^'>^^.{/^-;^,•■^^^•-Ä■^
bewußter und betonter fort, was wir bisher schon als unsere natürliche
und christliche Pflicht erl^annten und erfüllten. Freilich vergessen wir
über unserer Liebe zum Volke und Vaterland die natürliche und
christliche Verbundenheit mit den andern Völkern
und Völkef-familien nicht, sondern denken an das große, welt-
weite Gottesreich auf Erden, das der Heiland dazu berief, alle Menschen
OhneUnterschiedderSpracheundderZeit, derNation
und Rasse erlösend zu erfassen. (1 Tirn. 2,5) Wir entziehen damit
der Liebe zu unserem Volke nichts von ihrer iirsprünglichen Wärme
und Kraft, sondern verbinden mit ihr nur die Gerechtigkeit und die
allumfassende,' christliche Liebe, die mittelbar wieder den Frieden und
die Sicherheit unseres eigenen Volkes verbürgen."
Keine Überspannung des Au t o r i t ä t s g e dan k en s !
„Wir dürfen erwarten, daß die staatliche Autorität nach dem Vor-
bild der Autorität innerhalb der katholischen Kirche die menschliche
Freiheit nicht mehr beschneide, als es das Gesamtwohl
verlangt, sondern sich mit der Gerechtigkeit schmücke und damit
jedem Untertanen das Seine, sei es Eigentum, Ehre oder Frei-
heit gebe und lasse. Jeder Mißbrauch der Autorität führt zu ihrer
eigenen Schwächung und Auflösung und jedes Unrecht, das die staat-
liche Autorität durch Überspannung oder durch Duldung von
Übergriffen untergeordneter^ oder unbefugter Eindringlinge
am Volksganzen begeht, rächt sich sowohl an ihr als am Volksganzen."
Kein Imperialismus und Militarismus!
„Nach Jahren der Unfreiheit unserer Nation und der Mißachtung
und schmachvollen Verkürzung' unserer völkischen Hechte muß unser
deutsches Volk jene Freiheit und jenen Ehrenplatz in der Völ-
kerfamilie wieder erhalten, die ihm auf Grund seiner zahlenmäßigen
Größe und seiner kulturellen Veranlagung und Leistung gebühren . . .
...Wir reden aber auch nicht einer un ehr i s t li chen
Rachepolitik oder gar einem kommenden Kriege das
Wort, sondern verlangen nur Gerechtigkeit und Lebensraum im Inter-
esse des allgemeinen Friedens, wie es auch unser Heiliger Vater des
öftern feierlich betonte."
Keine üb er tr ieb ene Kör p er p f 1 ege !
„Wir Katholiken tragen deswegen gerne dazu bei, daß zumal
unsere Jugend durch Icörperliche Ertüchtigung erstarke und im
Arbeits dienst ihre Kraft zum Nutzen des Volksganzen und zur eige-
nen sozialen Einführung und Einordnung verwerte. Nur müssen wir als
,Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes' (1 Cor. 4,1 f.)
dringend verlangen, daß dabei nicht die Seele über dem Körper not-
leide, der Sonntag der Mißachtung und Entweihung verfalle oder
das katholische Glaubensleben durch gemeinsame, inter-
konfessionelle Gottesdienste mit Umgehung -der pflichtmäßi-
gen hl. Messe in Verwirrung gerate oder endlich sittenlose Ele-
mente die Guten und Unverdorbenen verführerisch bedrohen. Des-
gleichen darf die staatliche Autorität bei der Förderung der Volksgfesun-
dung nicht zu Gesetzen und Verfahren greifen, die sie vor Gott, dem
alleinigen Herrn alles Lebens (Rom. 14,8), nicht verantworten kann."
Keine Überspannung von Blut- und Rassekult!
„Ausgehend von der katholischen Einheit bedauern wir jegliche Ge-
spaltenheit und Zerklüftung, weil sie dem Geiste Gottes widersprechen
und die Volkskraft nach außen und innen verhängnisvoll lähmen. Nur
glauben wir, daß eine Volkseinheit sich nicht nur durch die Bluts-
53
g 1 e i c h h e i t, sondern auch durch die Gesinnungsgleichheit
verwirklichen läßt und daß bei der Zugehörigkeit zu einem Staatswesen
die ausschließliche Betonung der" Rasse und des Blu-
tes zu Ungerechtigkeiten führt, die das christliche
Gewissen belasten, vor allem, wenn sie Mitmenschen treffen, die
in Christus durch das hl. Sakrament der Taufe wiedergeboren sind, und
,ein neues Geschöpf in ihm wurden (2 Cor. 5,11). Was bisher für jede
Volksgemeinschaft galt, daß die Gerechtigkeit die Grundlage
aller Volkswohlfahrt sei, muß erst recht bei der Neuordnung
des deutschen Volkswesens gelten. Diese Gerechtigkeit darf
auch dem bisherigen Feinde gegenüber nicht ver-
sagen, sondern muß, zUmal bei. seiner Verurteilung und Bestrafung,-
weniger an die rücksichtslose Ausmerzung der Men-
schen als ari ihre Besserung und Wiedergewinnung für die Volks-
familie denken. Den politisch Andersgesinnten aber wird
diese Gerechtigkeit, sofern er aufrichtig entschlossen ist, im neuen Staate
ehrlich und opferwillig zu dienen,' nicht einem ungewissen Schicksal,
trotz aller bishez'igen, oft überaus großen, vaterländischen Verdienste,
hartherzig überliefern, sondern seine Mitarbeit wiederum ermöglichen.
Nicht die Menschen der leichten Anpassung und die
Ausbeuter einer günstigen Zeitlage sind die besten eines
Volkes, sondern jene, die Überzeugung und Charakter besitzen und sich,
wenn auch manchmal erst nach starkem, innerem Ringen, zu einer Sache'
mit ihrem Gewissen und ihrer ganzen Hingabe bekennen."
Freiheit für die Kirche! '
„Die Kirche selber kann nur dann ihre Kräfte entfalten, wenn ihr
jene Freiheit gewährt wird, die sie auf Grund ihres Wesens und
ihrer Aufgabe braucht und verdient. iErst dann ist sie in der Lage, den
Völkern und Staaten ihren ganzen mütterlichen Segen zu vermitteln,-
wenn sie ihre segnende Hand ohne Hemmung erheben kann. Die Lenker
unseres Staatswesens handeln darum im Interesse unseres Staates selbst,
wenn sie die katholische Kirche nicht als eine dienstpflich--
t i g e Magd betrachten, sondern als eine Gottesmacht auf Erden vei:-
ehren, die die Menschen an Gott und damit auch mit ihrem Gewissen
an die Bürgerpflichten bindet, gemäß jenem Worte des Herrn: , Gebet
Gott, was G-ottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist!' Die Ge-
schichte selber lehi-t es an einer Fülle von Beispielen, daß alles
Staatskirchentum nicht bloß das kirchliche, sondern auch das .
staatliche Leben verhängnisvoll lähmt und langsam zum Zusammen-
bruch führt."
Freiheit für kirchliches Leben außerhalb der
Kirchen, mauern!
„IJie Uneingeschränktheit der Kirche darf sich nicht nur auf das
kirchliche Leben im engen Sinne beziehen. Es genügt nicht, daß die
Kirche nur innerhalb der Kirchp, d. h. des Gotteshauses, und bei der
Spendung der Sakramente frei ist.. Es liegt in ihrer, Aufgabe, das
ganze Leben des Menschen, das private und öffent--
liehe zu durchdringen. . . . Erst dann empfängt ein Volk den
Charakter eines christlichen, wenn es christlich denkt und strebt, er-
trägt und entsagt und aus seinen christlichen Zielsetzungen und An-
trieben handelt und lebt. Es ist deswegen auch im Interesse des Staates
gelegen, die konfessionelle Schule und konfessionelle
Lehrerbildung zu schützen."
Freiheit für die Jugend- und Standesvereine! ,
„Wollte die Kirche den reifenden oder schon erwachsenen Menschen
religiös sich selber überlassen, so würde sie damit ihre eigene seelsorger-
54 .
liehe Aufgabe und das Wesen des Menschen verkennen. Aus diesen
Erwägungen heraus sind unsere Jugendorganisationen ent-
standen. Wer den Bestand derselben in ihren vielfachen Verzweigungen
verwirft, dient damit dem Staatswesen schlecht, weil er die religiösen
Kräfte verschmäht, die durch keine anderen ersetzt werden können.
Wenn man einwendet, daß wenigstens der jugendliche Sport mit
Religion und Kirche nichts zu tun habe, so verkennt man damit, daß
. Christentum und Kirche das gesamte Leben des Menschen umprägen
und der körperlichen Ertüchtigung einen ganz anderen Charakter ver-
leihen, als der rein natürliche Sinn es vermag.
Was dann die Standes- und Berufsvereine angeht, so
wäre es auch hier verkehrt, in ihpen lediglich weltliche, vom Religiösen
unabhängige Organisationen zu erblicken. Die Religion ragt in den
Beruf lebensvoll hinein; denn sie ist es zuletzt, die in ihm nicht etwas
durch den Volksorganismus Bedingtes, sondern von Gott Gewolltes und
nach seinem .Willen zu Erfüllendes erkennt."
Freiheitfürdie Caritas!
„Die caritativen Vereine bilden die naturgemäi^e Verkörperung
des christlichen Geistes. Es Wäre die Gleichschaltung und Ver-
staatlichung der christlichen Wohlfahrtspflege ein unersetzlicher
Verlust für den Staat selbst, ganz abgesehen davon, daß das deutsche
Volk damit seine seelischen Kräfte verlieren würde, auf die ein christ-
liches Kulturvolk niemals verzichten darf." .
i
Freiheit für die Presse !
„Soll die Kirche im neuen Staat ihre Freiheit genießen, so, wird sie
auch berechtigt sein müssen, eine katholische Presse zu be-
sitzen. Wir meinen damit jene, die mit den Tagesbotschaften den katho-
lischen Geist in,' die Seelen ihrer Leser leitet und die Ereignisse des
Menschenlebens und. Weltgeschehens am Maßstab des Christentums mißt
und im Spiegel der Ewigkeit beschaut. Die Kirche kann auf
dieses modernste Seelsorgemittel auf keinen
Fall verzic^hten und muß dafür' Jenes Maß von Freiheit
verlangen, das ihre segensreiche Wirksamkeit ermöglicht, wenn sie
nicht wahrnehmen will, daß sich die im gottesdienstlichen Leben ge-
sammelten und in den katholischen Organisationen vertieften Kennt-
nisse und Entschließungen in der Flut einer ' religiös unbestimmten
Tagespresse verwässern."
Ein Beispiel unerschrockenen kirchli'C henWider-
s tan des gegen nationalsozialistischen Terror und Unglauben ist
derHirtenbrief der deutschen Bisch.öfe
a m 2 0. A u g u s t 1 9 3 5. '
Der Kampf des Nationalsozialismus war ja mittlerweile schon,
viel offener und heftiger entbrannt. 'Die H. H. Bischöfe aber parier-
ten jeden Schlag:
Gegen die Glaubensfeinde und Glaubensschmäher:
„Die Zahl der Feinde des christlichen Glaubens und der
katholischen Kirche ist Legion geworden. Jugendliche Geister,
die niemals oder nur oberflächlich den Katechismus der Glaubenslehre
kennen -lernten, fühlen sich berufen, über alles Katholische zu Gericht
zu sitzen. Männer und Frauen, die niemals die Schönheit unserer Litur-
gie und den Seelenfrieden nach einer hl. Kommunion empfunden haben,
machen sich daran, mit allen Mitteln der Propaganda zum Austritt
55
aus der Kirche und zum Abfall vom Christentum aufzurufen.
Schriftsteller, die niemals Kirchengeschichte und. Kirchenrecht
aus reinen Quellen studierten, verwirren mit großen Worten urteilslose
Geister. Die H e,i ligen Schriften des Alten Bundes und sogar die
Evangelien und Paulusbriefe sollen nicht mehr gelten. Jesus Chri-
stus, unser Herr und Heiland, soll nicht mehr der Weg, die Wahrheit
und das Leben sein, und mit dem von Christus eingesetzten Primat
soll jede Verbindung gelöst und dafür eine sogenannte romfreie
National kir che errichtet werden. Unter sich sind diese Todfeinde
des Christentums in Gegensätze gespalten wie die Völker beim babylo-
nischen Turmbau. Nur darin sind sie einig, daß es ihnen nicht mehr
um einzelne Glaubenswahrheiten geht wie in früheren
Glaubenskämpfen, sondern um das Wesen und die Fundamente der
christlichen Religion, und auch darin stimmen sie überein, daß i h r
Vernichtungskampf in erster Linie sich gegen Rom und den
römisch-katholischen Glauben richtet.
. In dieser ernsten, entscheidenden Stunde unseres Volkes ermahnen
wir unsere geliebten Diözesanen: ,Steht fest im Glauben!' (1 Kor. 16,13.)
,Brüder, werdet stark im Herrn! Legt die Rüstung Gottes an!' (Ephes.
6,10 15.). Stehet fest im Glauben an Gott, den allmächtigen Vater, den
Schöpfer des Himmels und der Erde, den obersten Herren aller Völkej;^
und aller Menschen! Im Glauben an den eingeborenen Sohn des Vaters,
den wahren und einzigen Erlöser der Welt! Im Glauben an den Heiligen
Geist, der die Kirche regiert und die Gnade der Erlösung den einzelnen
Seelen zuwendet. ^
Man hat aus allen Winkeln der bald 2000jährigen Kirchengeschichte
Schatten und Sünden kirchlichefPersonen zusam-
mengetragen, die katholische Kirche aber, die Mutterkirche des
Erdkreises, bleibt, trotz menschlicher Armseligkeiten an Haupt und Glie-
dfcrn, das größte Wunder der Weltgeschichte. Wir wissen, wem wir
glauben."
Gegen die glaubensfeindliche Presse :
„Nun versteht ihr, ' geliebte Diözesanen, warum wir Bischöfe euch
nicht gestatten dürfen, Zeitungen und Bücher zu lesen und Ver-
sammlungen zu besuchen, in denen unser Glaube und unsere Kirche
geschmäht und Gotteslästerungen gegen alles, was dem religiösen Men-
schen heilig ist, ausgestoßen werden. Nicht jeder erkennt sofort, wieviel
Irrtum hinter diesen Worten steckt, und mancher wurde durch das
Lesen solcher Zeitungen und durch den Besuch solcher Versammlungen
vom Glauben an Christus und seine Kirche abgezogen oder wenigstens
in seiner Glaubensfreude erschüttert. Auf der anderen Seite ist es
doppelt geboten, Äie kirchlichen Predigten zu be, suchen und
anzuhören — ,'Wie kann man an Gott glauben, wenn man nicht von ihm
gehört hat' (Rom. 10,14) — und aus anderen Quellen der religiösen Fort-
bildung zu schöpfen. Ai^ßerhalb der Kirchen dürfen zur Zeit Versamm-
lungen mit religiösen Vorträgen nicht mehr gehalten werden. Die
Freiheit der Presse ist, was wir mit tiefem Schmerz feststellen,
so weit eingeschränkt, daß die früher katholischen Zeitungen
religiöse Artikel nicht mehr bringen dürfen und zuweilen zur Auf-
nahme von Artikeln gezwungen werden, die den^ katholi-
schen Leser verletzen. Da ist es zum Ersatz doppelt notwendig, zu Hause
treuer als sonst im hl. Evangelium zu lesen, um dem Heifand innerlich
nahe zu bleiben, und fleißiger als sonst die kirchlichen Predigten zu
besuchen. Ihr müßt gerüstet sein, über euren Glauben Rede und Ant-
wort zu geben. ,Legt die Rüstung Gottes an!'"
Gegen die Feinde christlicher Sitte:
„Stehet fest im Glauben! Dieser Glaube ist die Grundlage der
sittlichen Weltordnung. Die heidnische Weltan schau -
§6
u n g , die ohne Gottes Gebot, ohne Gottes Gnade die Welt ordnen will,
bietet für eine Volksgemeinschaft keinen sittlichen Halt. Ohne Gottes-
glauben müssen Gewissenhaftigkeit und Edcjmenschentum, Gemein-
schaf issinn und GiDf ergeist, soziale Gerechtigl'ieit und Liebe mit der Zeit
verkümmern.
Der christliche Glaube verkündet ein objektives, göttliches
Sittengesetz, das in den zehn Geboten Gottes den kürzesten Aus-
druck gefunden und dem Wechsel der Zeiten und der Willkür der Völ-
ker entrücltt ist. Im vierten dieser zehn Gebote wird die Ehrfurcht vor
der staatlichen Obrigl<;eit und der Gehorsam gegen ihre Gesetze gefor-
dert. Wenn aber die Gesetze des Staates mit dem Natur-
recht und den GebotenGottes in Widerspruch gera-
ten, gilt das Wort, für das die ersten Apostel sich
geii3eln und in den Kerker werfen ließen: ,Man muß
Gott mehr gehorchen als den Menschen,' (Apg. 5,29.)"
Gegen den Pharisäismus der Devisen- und Sittl'ich-
keitsprozesse:
„Wir verurteilen alle Vergehen gegen zu Recht bestehende Staats-
gesetze. Wir verurteilen aber auch mit dem Evangelium jenen phari-
säischen Hochmut,- der immer nur auf andere Menschen
Steine wirft und die Balken im eigenen Auge nicht sieht, der bei
Gesinnungsgenossen alles mit dem Mantel des Schweigens zudeckt, bei
anderen Menschen aber alles an die große Glocke hängt. Wir verurteilen
es, wenn mit dop p c Iten Maßen gemessen wird und die Ver-
gehen von einzelnen Katholilcen der Gesamtheit der deutschen Katho-
liken angerechnet werden."
Gegen die, nationalsozialistische Entwertung der Ehe:
„Der Prüfstein für den Hochstand oder Tiefstand der Volksmoral ist
die E h e m r a 1. Die Ehegesetze der katholischen Kirche, wie das Ver-
bot der Ver'wandtenehen oder das Verbot der wilden Ehescheidungen,
waren für die Reinerhaltung des Blutes und der erbgesunden Familie
ein unendlicher Segen. Es wäre sittlich verhängnisvoll, wenn im Gegen-
satz zu den christlichen Ehegesetzen die Ehe einzig unter dem Gesichts-
punkt der Reinerhaltung der Rasse betrachtet würde. Es wäre
eine furchtbare Belastung der deutschen Ehre vor der ganzen Welt, wenn
das alte Schlagwort desKommunismusvon der Gleich-
heit der ehelichen und unehlichen Mutterschaft wie-
der aufgegriffen und ins Volk geworden werden dürfte: Es sei gleich
ehrenhaft, ob ein deutsches Mädchen innerhalb oder außei-halb der Ehe
Mutter werde. Es ist also eine Unwahrheit, wenn man behauptet,
die christliche Sittenlehre habe die Frau entwürdigt
und den Niedergang der deutschen Kultur zur Folge gehabt. Auch das
langsame Sterben eines Volkes durch Rückgang der Gebur-
ten wird nur durch die sittlichen Kräfte der christlichen Religion, nicht
durch polizeiliche Maßnahmen aufgehalten; Jeder Versuch einer Volics-
erneuerung imd Volkserziehung wird an der Kirche und ihren Gnaden -
mittein den besten Bunde.sgenossen haben. Ganz unmöglich aber. wird
es. sein, eine sittlich gesunde und starke Jugend ohne die Richtlinien und
Gnadenmittel der christlichen Religion heranzuziehen."
Gegen die Anschuldigung des „politischen
Katholizismus" :
„Geliebte Diözesanen! Es ist unmöglich, in einem einzigen Hirten-
brief alle Vorwürfe einzeln zurückzuweisen. Auf einige Kampflosungen
aber müssen wir eine kurze Antwort geben. Stehet fest im Glauben,
wenn man euch sagt: Religion' habe mit Politik nichts zu tun, da:um
57
müsse der politische Katholizismus ausgerottet wer-
det. Wir icönnen nicht alles wiederholen, was wir früher gegen diesen
marxistischen Grundsatz darlegten: .Religion sei Privatsache'. Wohl mUß
die christliche Religion zuerst und zunächst die einzelne Seele
in Verbindung mit Gott bringen und das Reich Gottes in der ' einzelnen
Seele aufbauen. Dann aber soll das Reich Gottes auch im Gemein-
■schaftsleben aufgebaut werden. Man Icann nicht zu Hause im
Kämmerlein ein Christ und auf der Straße ein Heide sein. Man Icann
nicht als Privatmann mit Christus sammeln und als Staats-
beamter gegen Christus zerstreuen, wenn man nicht ein charakter-
loser, zwiespältiger Mensch sein will. Die neue Kampflosung
vom .politischen Katholizismus', der Vorwurf, die
Katholiken kümmerten sich zuviel um staatsrecht-
liche Dinge, kann nur auf urteilslose Menschen Eindruck machen.
Nur auf Menschen, die nicht fragen, warum man soviel von den Die-
nern der Religion spricht, die angeblich in das staatliche Gebiet über-
greifen, und so wenig von denPolitikern, die auf das reli-
giöse kirchliche Gebietübergreifen. Es gibt eine Reihe von
Rechtsfragen, die sowohl eine staatliche wie eine religiös-sittliche Seite
haben, wie die Schulfrage und das Eherecht. Für diese sogenannten
gemischten Fragen wurde im Reichskonkordat die friedliche Zu-
sammenarbeit von Kirche und Staat vereinbart. Denlcende Menschen
werden fragen, was man denn überhaupt unter politischem Katholizis-
mus verstehe und worin sich der vom religiösen Katholizismus
unterscheide. Es könnte sonst einem Übereifrigen einfallen, in jeder
Prozession, in jedem Priestertalar auf der Straße eine Herausforderung
zu erblicken und jedes Glockengeläute als eine Störung der öffentlichen
Ruhe zu verbieten. Die Losung vom politischen Katholizismus könnte
gar zu leicht ein Generalpaß werden für jede Willkür
gegen die Katholiken überhaupt und /eine Handhabe, um ii'igend-
einen mißliebigen Priester ins Gefängnis zu bringen, Ordensleute ohne
gerechte Untersuchung in die Verbannung zu, schicken und die Leiden-
schaften der Gasse gegen irgendeinen treukatholischen Privatmann auf-
zupeitschen."
1
Gegen die Verweltlichung des öffentlichen Lebens:
„Stehet fest im Glauben, wenn die Entkonfessionalisie-
r u n g des öffentlichen Lebens, gleichbedeutend mit der Entchrist-
lichurig des öffentlichen Lebens durchgeführt werden soll.
In dieser neuen Losung liegt ein Widerspruch mit dem Reichskonkordat,
das gleich im Anfang ,die öffentliche Ausübung der katholischen Reli-
gion gewälirleistet'. Es wäre ein unverantwortlicher Widerspruch das
öffentliche Leben zu entchristlichen, jedes Bekenntnis und Be-
kenntniszeichen des Christentums im öffentlichen Leben zu ver-
bieten imd gleichzeitig die öffentlichen Feindselig-'
keiten gegen das Christentum zu dulden. Darum hat die
Bischofskonferenz an den Führer und Reichskanzler eine Denk-
schrift gerichtet und darin auf die Gefahr des Mißbrauches der neuen
Kampflosungen und auf andere Einschränkungen der kirchlichen Frei-
heit und Bedrückungen des christlichen Gewissens hingewiesen."
Für die Bekenntnisschule:
„Katholische Väter und Mütterl Ihr werdet vor die Frage gestellt
werden, ob ihr eure Kinder in die Bekenntnisschule oder in die
Gemeinschaftsschule schicken wollt. In der Bekenntnisschule lebt in
allen Schulstunden der Geist des Elternhauses. In dieser
Schule sind Lehrer und Schüler Geist vom gleichen
Geiste und werden alle Anlagen und Fähigkeiten
58
des Kindes ausgebildet, die Anlage zu Kenntnissen und
technischen Fertigkeiten, die Anlage zur sittlichen Reife des
Charakters, die Anlage zur religiösen Reife des ,Vollalters Christi'
(Ephes. 4,13). Die Bekenntnisschule ist also die wahre Einheits- und
Charakterschule. Das kirchliche Gesetz (can. 1374) verpflichtet euch,
euere Kinder, solange es nur möglich ist, in die Bekenntnisschule zu
schicken. Laßt euch nicht irre machen durch den Hinweis auf die Volks-
gemeinschaft! Die Kinder der Bekenntnisschule werden der Volksgemein-
schaft nicht weniger dienen und die Volksgenossen anderen Glaubens
nicht weniger achten als die Kinder der Gemeinschaftsschule. Im Reichs-
konkordat hat die Deutsche Reichsregierung auf Ehrenwort und Unter-
schrift ,Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnis-
schulen gewährleistet' (Art. 23)."
Für die katholischen Jugendvereine v
„Katholische Eltern 1 Viele von euch stehen vor der Frage, ob sie
ihre heranwachsenden Söhne und Töchter in Jugendverbände schicken
sollen; Von zuständigen Staatsstellen wurde wiederholt erklärt, der Ein-
tritt in, die staatlichen Verbände solle ein freiwilliger, nicht ein
erzwungener sein. In jedem Fall ist es für euch eine heilige "^ Pflicht,
euere Kinder nur in solche Verbände zu schicken, in denen die
religiöse Überzeugung geachtiet, die sittliche Rein-
heit nicht bedroht, zur Erfüllung der Sonntagsj^flicht
grundsätzlich und tatsächlich Gelegenheit geboten, das katholische
Ehrgefühl nicht durch Schmähungen gegen kirchliche Personen oder
durch Fälschungen der Kirchengeschichte verletzt und die Freiheit
des Gewissens gewahrt wird.
Stehe fest im Glauben, katholische Jugend! Eine Freude ist es uns
Bischöfen, den Mitgliedern der katholischen Jugendverbände Lob und
Anerkennxmg auszusprechen. Durch den Eintritt in diese Verbände haben
sie ein tapferes Bekenntnis abgelegt und trotz bitterer Vorkommnisse
sind sie ihrem Verband treu geblieben. Wir Bischöfe haben das Ver-
trauen: Diese katholische Jugend wird auch weiterhin vorbildlich blei-
ben in der Ehrfurcht vor der elterlichen Autorität, vorbildlich in der
Treue zur Kirche, in der Treue zu ihrem Verband, vorbildlich in der
sittlichen Reinheit und in der gesamten Lebensführung und damit ab-
rücken von jenem ehrfurchtslosen, vorlauten Wesen, das befehlen will,
bevor es gehorchen lernte."
Ma h n u n: g a n d i e H J :
,,Mit der ganzen Hirtenliebe unseres Herzens Wenden wir uns auch
an die katholische Jugend in den staatlichen Verbänden. Am Tag ihrer
ersten heiligen Kommunion und nochmals am Tage ihrer Firmung haben
diese > Jugendlichen dem Heiland und seiner Kirche Treue geschworen.
'Für deutsche Menschen ist die Treue kein leerer Wahn. Deutsche Jung-
männer stehen zu dem Wort, das sie der staatlichen Obrigkeit gegeben
haben. Deutsche Jungmänner dürfen aber auch dem
heiligen Gelöbnis ihres Firmungs tages nicht untreu
, we r d e n. T r e u e ist es, an die Wahrheiten der Offenbarung zu glauben
und den Weg der Gebote Gottes zu wandeln. Untreue ist es, die
Spottreden über Glaubenswahrheiten mitzumachen oder auch nur an-
zuhören und an den Geboten Gottes zu freveln. Treue ist es, seine
Gebete nicht zu vergessen, die Sönnta^spflicht zu erfüllen und in den
heiligen Sakramenten der Buße und des Altares seine Seele rein und
stark zu ' erhalten. Mit großer Sorge beobachten wir die
kiffchenfeind liehe Haltung mancher Jugendführer
und Jugendzeitschriften. Und doch liegt mehr Heldenmut
darin, vorzutreten und. sich z;un Kirchgang zu melden, als darin, über
die Kirchgänger zu spottw."
59
Bürger 2. Klasse?
„Deutsche Katholiken! Bewahret Ruhe und Ordnung! .Vergeltet
nicht Böses mit Bösem! Soweit es auf euch ankommt, lebt mit allen
Menschen in Frieden!' (Rom. 12,171) Ihr habt in den letzten Wochen
oft gefragt: M.üssen denn wir Katholiken uns im eigenen
Vaterland alles gefallen lassen? Dürfen wir als Lan-
des- und Volksverräter gescholten werden, nachdem wir
im Weltkrieg ein gerütteltes Maß von Blutopfern brachten? Es ist euch
nicht verwehrt, ja, es kann Pflicht werden, mit ruhigem, festem Wort
von euerem Glauben Rechenschaft zu geben (1 Petr. 3,15) und_zu fragen:
jWarum schlägst du uns?' Der Geist Christi kämpft nach anderen Ge-
setzen und kommt mit anderen Waffen zum Siege als der Geist der Welt.
Ihr dürft nicht Feuer vom Himmel rufen! Ja, ihr müßt verzeihen und
für euere Feinde beten. ,Laßt euch nicht vom Bösen überwinden', von
Zorn und Rachsucht! ,Überwindet das Böse durch das Gute!' (Rom.
J.2,21.) Katholiken machen keine Revolte und leisten keinen gewalt-
tätigen Widerstand. Das ist so bekannt, daß sich von jeher solche, die
einen leichten Sieg gewinnen wollen, gerade auf die Katholiken stürzten."
Einigundtreu!
„Mit Paulus, ,dem Gefangenen im Herrn', ermahnen wir euch weiter;
.Ertraget einander in Liebe und bestrebt euch [in den eigenen Reihen]
die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens' (Ephes.
4,1 — 3). Der Geist der Einheit und Seelengemeinschaft ist ein tiefer Zug
des katholischen Wesens."
Treu zum Papst!
„Wahret die Einheit des Geistes mit dem Heiligen Vater in Rom!
Man hält euch -entgegen, man könne katholisch sein, ohne römisch
zu sein. Wir Bischöfe sagen euch: ,Wenn ihr nicht mehr
römisch-katholisch seid, seid ihr nicht mehr katho-
lisch.' Die Lehre vom Primat ist ein Glaubenssatz, und in Glaubens-
sätzen gibt es keine Kompromisse."
Treu zum Bischof !
„Wahret die Einheit des Geistes mit euerem Bischof! In vollkom-
mener Einmütigkeit haben die deutschen Bischöfe am Grabe des heiligen
Bonifatius sich beraten und gleich den fünf Aposteln im Galaterbrief
(Gal. 2,9) den Handschlag der Gemeinschaft wiederum getauscht. So
dunkel die Zeit ist, leuchtet doch ein Licht im Dunkel, die unzer-,
reiß bare Verbindung der deutschen Bischöfe mit dem
Heiligen Vater in Rom und die Tatsache, daß die deutschen
Bischöfe ein Herz und eine Seele sind."
„Die Einheit des Geistes bleibe gewahrt zwischen dem Bischpf und
seinem Klerus. Im Kulturkampf der 70er Jahre versuchte man einen
Keil des Mißtrauens zwischen Bischof und Klerus zu treiben, indem
man den Geistlichen vorredete: ,Die Unnachgiebigkeit euerer Bischöfe
ist schuld daran, daß man den Geistlichen den Brotkorb höher hängt.'
Auch das neueste Schlagwort, man müsse zwischen den höheren und
niederen Geistlichen unterscheiden, darf kein Mißtrauen auf-
kommen lassen. Die wenigen traurigen Abfälle im Klerus haben das
,Band des Friedens' nicht um einen Zwirnsfaden gelockert."
Treu zum Priester!
„Die Einheit des Geistes bleibe gewahrt zwischen Klerus und
Volk. Ob man versucht, den Priester vom Volk zu trennen oder das
Volk vom Priester, es ist immer die gleiche Taktik, den Hirten zu schla-
60
gen, um die Herde zu zerstreuen. (Mark. 14,27.) Wahret die Einheit des
Geistes!"
Deutschland darf nicht heidnisch werden!
„Wir sind nicht in Sorge um unsere Kirche. Wir sind aber in
großer Sorge um unser Volle und Vaterland. Unsere
Kirche hat das alte Heidentum überwunden und wird auch vom
neuenHeidentum nicht überwältigt werden. Wohl aber
kann von einzelnen Ländern, die in der Stunde der Prüfung versagen,
der Leuchter des Glaubens weggerückt werden (Of£b. 2,5). Darum seid
beharrlich im Gebete fürunserVolk!"
Im nächsten Jahr, 1936, richteten Deutschlands katholische
III " *— " " " " " —
Bischöfe schon im ersten Monat erneut ein ernstes Hirtenwort an
"~3!^ljläubigen.
Darin hieß es mit einem offenen Hinweis auf eine
ernste Denkschrift:
„Wie es schon in den mannigfachen Sorgen des vergangenen Jahres
der Fall war, so haben wir auch nach dieser Gesamtkonferenz dem
Herrn Führer und Reichskanzler feine eingehende Denkschrift zu-
geleitet. Wir haben darin in aufrichtiger Volles Verbunden-
heit und christlicher S t aa ts tr e^ie, aber auch in deut-
scher Ehrlichkeit und Offenheit auf die zunehmenden
schmerzlichen Störungen und Abschnürungen des reli-
giösen und kirchlichen Lebens, auf all die unverdienten Verall-
gemeinerungen und schweren Beschuldigungen, auf all die
Kränkungen des Hl. Vaters, der Bischöfe, der Priester und der
Ordensleute hingewiesen . . .
Wir beanspruchen im neuen Staat keine Ausnahmegesetze
und Vergünstigungen, sondern nur jene Bewegungsmöglichkeit und
Freiheit, die unsere Gegner sich alltäglich im Übermaß heraus-
nehmen "
„Unbegreifliches" im nationalsozialistischen Reich:
„Von diesen unwiderleglichen Gedankengängen aus können wir
deutschen Bischöfe es um so weniger begreifen, daß man auch
in unserem Vaterland und Volk den Einflußkreis des Christentums und
der Kirche immer mehr verengt und zuletzt nur noch auf den
Kirchenraumbeschränkt.
Wir können es nicht begreifen, daß man unsere katholi-
schen Vereine in ihrer segensreichen Tätigkeit immer noch behindert
oder gar deren Weiterbestand überhaupt in Frage stellt. Wir können
es nicht begreifen, daß man die Doppelmitgliedschaft den Mit-
■ gliedern der kirchlichen Vereine bis zu den Jungfrauenkongregationen
immer wieder verbietet und sogar da und dort damit droht, brave
Familienväter und ihre Angehörigen ums tägliche Brot zu bringen, wenn
sie ihre bisherigen Beziehungen zu den katholischen Vereinen nicht
lösen.
Wir können es nicht begreifen, daß man den mildtätigen,
segnenden Arm der Caritas immer mehr verkürzt und die katholi-
schen Schwestern von den Krankenbetten und aus den Kinderhorten
verdrängt.
Wir können es nicht begreifen, daß die katholische
Presse, bis zur rein kirchlichen und religiösen einschließlich, durch
Verordnungen eingeschnürt wird, die beim. Volke den Anschein er-
wecken, als bezwecken sie den Untergang der katholischen Presse
überhaupt.
61
Wir können es nicht begreifen, daß man die heranwach-
sende deutsche Jugend den christlichen Einflüssen häufig
entzieht, um sie auf christusfeindliche Ideen festzulegen oder durch
interkonfessionelle Vermischung um die Lebenskraft ihrer katholischen
Überzeugung zu bringen.
Wir können es nicht begreifen, daß man in einzelnen
deutschen Ländern die konfessionellen Schul,en und die pri-
vaten katholischen Schulen zu beseitigen versucht oder durch Volks-
entscheide beseitigt, obgleich das deutsche Konkordat deren Beibehal-
tung und Neueinrichtung oder wenigstens, was die Privatschulen
betrifft, deren Berechtigung und Führung durch Orden und Mi-
giöse Kongregationen gewährleistet. Wir Katholiken wollen doch wahr-
lich nichts anderes, als von den Grundsätzen unseres Glaubens her am
Wohle des deutschen Volkes mitwirken...."
'Noch vor Ende desselben Jahres 1936 erschien ein neues Hirten-
wort der deutschen Bischöfe. Daraus möchten wir entnehmen:
Keine Politik der Bischöfe!
„Den Bischöfen liegt es ferne, die Religion in das poli-
tische Gebiet zu tragen oder gar zu einem neuen Krieg aufzurufen.
Wir sind und bleiben Sendboten des Friedens und reden als
solche auch religiösen Menschen ins Gewissen, an der Abwehr der gro-
ßen Gefahr mitzuwirken mit den Mitteln, die wir die Waffen der
Kirche nennen."
Vielfache Sorgen der deutschen Bischöfe:
„Wir beobachten mi't Sorge das beständige Miß-
trauen, das in jedem kirchentreuen' Katholiken einen versteckten
Staatsfeind und sogar in der rein religiösen Marianischen ^Kongregation
einen Bund von Verschwörern vermutet.
Wir beobachten mit Sorge die aufdringliche Werbearbeit
der sogenannten Deutschen Glaubensbewegung, die den
Christusglauben und das Christentum aus dem öffentlichen Leben unse-
res Volkes ausrotten und an die Stelle des Christentums eine aus Fleisch
und Blut gewachsene Naturreligion setzen will. Diese Glaubensbewe-
gung hatte in der letzten Zeit für ihre Werbetätigkeit und Presse, über-
haupt für ihren Angriff auf das Christentum mancherorts mehr Frei-
heit und mehr behördlichen Schutz, als die kirchlichen Stellen für seine
Verteidigung hatten.
Wir beobachten mit Sorge einen Schulkampf, der die'
im Reichskonkordat gevi^ährleistete Bekenntnisschule in eine Gemein-
schaftsschule umwandeln und die klösterlichen Lehrkräfte abbauen will.
Wir bedauern ein Schulgesetz und eine Schuldiktatur, die in
•einigen Ländern den Willen der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder
mehr oder minder ausschalten und durch solche Einschränkung der'
heiligsten Elternrechte' lähmend auf die Kinderfreudigkeit der deutschen
Familien einwirken. Die Bedrückung der Elterngewissen
in der Schulfrage hat unerträgliche Formen angenommen. Wir Bischöfe
können niemals einen Religionsunterricht anerkennen, der aus
den jugendlichen Seelen den Glauben an Christus mehr ausreißt
als einpflanzt und von Lehrpersonen erteilt wird, die nicht mehr
auf dem Boden der katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehen.
Wir beobachten mit Sorge, daß die heranwachsende
Jugend dem Seelsorger und der Kirche entfremdet wird und in vielen
Arbeitslagern nicht einmal ihfe Sonntags pflich-t erfüllen
kann, ohne dem Spott ,der Kameraden zu verfallen.
62
Wir beobachtenmit Sorge, wie die Ehrfurcht vor der
christlichen Religion zerstört ,wird, wie • Gotteslästerungen und
Verhöhnungen katholischer Glaubenslehren und Einrichtungen verbreitet
werden, wie überhaupt in der öffentlichen Aussprache ein
Ton einreißt, der für das Aufbauwerk des Führers keine Hilfe und für
den deutschen Namen keine Ehre bedeutet.
Wir beobachten mit Sorge, wie planmäßig zum Austritt
aus der Kirche. gehetzt wird, wie im besonderen auf die kirchen-
treüen Beamten und Angestellten der Bewegung mit allen
Mitteln, sogar durch wirtschaftlichen Druck eingewirkt wird, ihre Kin-
der aus der Bekenntnisschule zu nehmen und selber aus der Kirche
auszutreten und so am Gelöbnis ihres Firmungstages zum Verräter zu
werden. ^^ ,
Wir verstehen, daß der Freiheit Grenzen gezogen werden müs-
sen dort, wo sie zu staatsfeindlichen Unternehmungen oder nach dem
biblischen Wort (1 Petr. 2,16) als »Deckmantel der Bosheit' mißbraucht
wird.
Wir können aber nichtver stehen, warum die Freiheit des
Gottesdienstes ui;id derSeelsorge, die Freiheit der kirch-
lichen Predigt, die kirchliche Vers^mmlungs- und Presse-
freiheit eingeschränkt werden, sollen.
Wir Katholiken werden bereit sein, trotz des Mißtrauens, das man
uns entgegenbringt, dem Staate zu geben, was das Staates ist und den
Führer in der Abwehr des Bolschewismus und 'seinen anderen Aufgaben
zu unterstützen. Wir müssen aber verlangen, daß der Jugend und
dem Volk nicht mehr vorgeredet wird, nach" Überwindung des Bol-
schewismus, des ersten Staatsfeindes, werde die katho-
lische Kirche als zweiter Staatsfeind an die Reihe kom-.
men. Wir müssen für das kirchliche Rechts- und Arbeitsgebiet jene
Freiheit fordern, die im ersten Artikel des Reichskonkordates- für
die ,öffentliche Ausübung der katholischen Religion gewährleistet' wurde.
Wir werden von den Wahrheiten unseres heiligen
Glaubens kein Jota preisgeben und für die unver-
äußerlichen Rechte unserer heiligen Kirche immer
einstehen!"
2 8 katholische Bischöfe undBischofs-
stellvertreter klagen den NS neuerdings
öffentlich an:
^ Am 28. August 1938 ließen Deutschlands katholische Bischöfe
(viederum ein Hirtenwort von allen Kanzeln verlesen. Daraus
folgendes: ,
Ein Gruß ah die gleicherweise leidende Kirche
Österreichs !
„Wir entsenden sodann einen brüderlich-herzlichen Gruß dem Hst.
Episkopat und allen Glaubensgenossen der bisher österreichischen Lande.
Leider ist es der gleiche weltanschauliche Kampf, der dies-
seits und jenseits der früheren Grenzen offen und im Verborgenen wogt,
und das gleiche Kampfziel, das unsere Gegner drüben und hüben
erstreben, wie auch die angewandten Mittel und Kampfweisen
sich gleichen." >
BlutentziehungdeskathoIischenLebens!
„Wir katholischen deutschen Bischöfe haben dieses uns aufgezwun-
gene Ringen schon in früheren Hirtenschreiben mit warnenden und
63
mahnenden Worten gekennzeichnet. Auch heute müssen wir wieder aus
mancherlei Erfahrungen feststellen, daß die Angriffe nicht gemäßigter
und erträglicher, sondern noch feindseliger und heftiger, da-
mit freilich aber auch noch zielklarer geworden sind. Sie erstreben die
Hemmung und Blutentziehung des katholischen
Lebens; noch mehr: die Zerstörung der katholischen
Kirche innerhalb unseres Volkes, ja selbst Ausrottung des
Christentums überhaupt und die Einführung eines'
Glaubens, der mit dem wahren Gottesglauben und dem <2hristlichen
Glauben an ein Jenseits nicht das geringste mehr zu tun hat."
EinBischofver trieben!
„Was die neueren Hemmungen des katholischen Lebens betrifft, so
brennt Tausenden von katholischen deutschen Menschen in ihrer reli-
giösen Not die Frage auf den Lippen, ob sie denn, ungeachtet der Volks-
gemeinschaft und Staatstreue, nicht mehr des gleichen Rechtes wie die
übrigen Volksgenossen seien und bei Anschuldigungen weder Gehör
noch Glauben, weder Verteidigung noch Sühne verdienen. Wenn man
an einen deutschen Bischof sogar mit der unbegreiflichen Zumutung
herangetreten ist, seine Diözese zu verlassen, und ihn nach seiner pflicht-
gemäßen Rückkehr, ohne das verhindernde Eingreifen der öffentlichen
Organe, mit beispiellos häßlichen Aufläufen und Gewalttaten immer
wieder bedrängte, so kann sich das katholische Volk wohl kaum der
Befürchtung entziehen, daß wir Bischöfe überhaupt in absehbarer Zeit
solch planmäßig aufgebotenen Massen ausgeliefert werden."
DerPapstverunglimpft!
„Zu unserem größten Bedauern haben wir sogar erfahren und er-
lebt, daß die persönliche Ehre des Heiligen Vaters in über-
aus verletzender Weise angetastet worden ist. Wir deutschen Bischöfe
und Katholiken teilen die Entrüstung der ganzen katholischen Welt.
Wir stehen um so geschlossener und getreuer hinter ihm, als er unsert-
wegen leidet und bitteren Undank für jahrzehntelanges, auf-
richtiges Wohlwollen erntet. Eine ruhigere, für die Wahrheit
und Gerechtigkeit zugänglichere deutsche Zukunft wird es einwandfrei
feststellen, daß alle Maßnahmen und Kundgebungen des Papstes nur
von der pflichtgemäßen Absicht getragen waren, den katholischen Teil
des deutschen Volkes in seinem Glauben zu schützen."
Z er s tör un g d es ka tholi sehen Gl a üb ens !
„Aber gerade das ist es, was man in der Gegenwart mancherorts
mit allem Nachdruck und immer ungehemmter erstrebt: die völlige
Zerstörung des katholischen Glaubens in Deutsch-
1 a n d. '
Man werfe nicht ein, das sei eine unbegründete Furcht oder gar
ein verleum.derischer Vorwurf aus volkswidriger Gesinnung. Maßgebende
Persönlichkeiten haben es ja selber in breitester Öffentlichkeit verkün-
det, im Untergang des deutschen Katholizismus liege
ihr weltanschauliches Ziel.
Man halte dem nicht entgegen, daß doch der katholischen gottes-
dienstlichen Übung kein Hemmnis in den Weg gelegt werde. Das trifft
wohl im großen und ganzen noch zu. In Wirklichkeit jedoch strebt man
immer mehr danach, namentlich der Jugend und in den Lagern
den Kirchenbesuch zu verleiden und zu verwehren, alles
Bekenntnis mäßige als yolksspaltend zu verurteilen und
alles Kirchliche aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.
Ein Katakombenschicksal wird uns damit zugedacht, das der
Anfang vom Ende sein soll. Zur Begründung und Rechtfertigung dafür
64
wird in der Geschichte unserer Kirche (sogar in den Lehrmitteln
der Schule) das Große und Heilige übersehen oder unter-
d r ü c k t oder rassisch umgedeutet, das Tadelnswerte und
Schlechte aber- ans helle Licht gezogen und aufgebauscht, ohne daß die
vorurteilsfreie Wissenschaft befragt und der natürlichen Gerechtigkeit
genügt wird. Oder verdienen die im Tode wehrlos und stumm geworde-
nen Menschen, und Zeiten weniger Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit als
der noch wahrhaft Lebendige? Bei dieser geschichtlichen Ausbeutung
sind sogar Bücher und Schriften . willkommen und zur weitesten Ver-
breitung zugelassen und empfohlen, über die sowohl die deutsche Wis-
senschaft als jeder belesene und sachlich denkende Mann genugsam
Bescheid weiß.
Das katholische Buch- und Schriftwesen hingegen
unterliegt nicht selten der strengsten Überwachung bis zum Verbot, zur
Beschlagnahmung und Vernichtung.
Daneben spürt man andauernd und überall, oft unter Anwendung
von zweifelhaften Mitteln und Werkzeugen, etwaigen sittlichen
Vergehen der Geistlichkeit und Ordensleute in Einseitigkeit nach
und stellt längst fällige gerichtliche Verfahren immer wieder zurück.
Innerhalb der deutschen Grenzen werden Kirchenaustritts-
bewegungen eingeleitet und gefördert und wirtschaftliche
Schädigungen gegen treukatholische Beamte, Angestellte und Ar-
beiter und die katholischen Studierenden der höheren und Hochschulen
in wachsendem Maße , angedroht oder gar mit Harte vollzogen.
In der Ehegesetzgebung wurde eine grundsätzliche Auffas-
sung vertreten, die wir ohne gemeinsamen feierlichen Protest nicht hin-
zunehmen vermögen.
In der Begründung zum Gesetz über die Testamentserrich-
tung wurde sogar von .der „geldgierigen Erbschleicherei der Geistlich-
keit unter schimpflicher Ausnützung der Todesnot gesprochen".
Unbeugsam! *
„Das aber sei für jetzt und alle Zeit in aller Bestimmtheit erklärt,
daß wir deutschen katholischen Bischöfe das Wohlwollen oder auch nur
das Geduldet- und Unbehelligtsein weder durch Abstriche an unserem
religiösen Glaubensgut noch durch ^Preisgabe der kirchlichen Rechte
noch durch Einbuße an persönlichem Mut und Charakter erkaufen."
Der Kampf geht ums ganze C h ristentum!
„Daß aber nicht nur gegen die Kirche, sondern gegen das Christen-
tum als solches der Kampf geht, haben wiederum eindeutige Kund-
gebungen bewiesen. Schon die Ablehnung des Alten Testamentes
liegt in dieser Linie. Dazu hat man das Christentum als greisenhaft ver-
kalktes Überbleibsel einer überwundenen Zeitperiode und als völlig
wertlos und ohnmächtig in der Gegenwart bezeichnet.
Abgesehen davon, wurde von Rasse und Blut her behauptet, die
Persönlichkeit und das Leben Jesu Christi widersprächen der Ar-
tung des deutschen Menschen, wie auch die Hauptlehren des von ihm
verkündeten Glaubens, insonderheit das Dogma von der Erbsünde und der
Erlösung, vom Lohn und der Strafe nach dem Tode, vorderasiatischer
Aberglaube seien, den man den germanischen Stämmen aufgezwvmge^^
habe, indem man sie hinterrücks überfiel.
Auch die sittlichen christlichen Grundsätze und VorschriftiT;
werden als rückständig und kraftlos verfehmt."
^ JCreuz und Hakenkreuz 5 Bd. 11 ß'i
DerSturm gegen Christi Kr e.uz
„Von solcherlei Anschauungen getrieben, gingen, in einzelnen Gegen-
den namentlich Jugendliche dazu über, die Kreuze, gleichgültig ob sie
hohe Kunst 'A'erte enthielten oder nicht, als die Wahrzeichen der christ-
lichen Religion aus dqr Öffentlichkeit zu entfernen oder gar zum bit-
teren Schmerz dos christlichen Volkes zu z e r s t ö r e n. Ob diese Frevler
denn nicht wufJten, daß sie ihre eigenen christgläubigen Ahnen da-
mit schmähten und mit schimpilichem Undank die vielen Hundert-
tausende belohnen, die in überzeugtem Kreuzesglauben üür. unser Volk
und Vaterland kämpften und das Eiserne Kreuz auf der taptci'en Brust
tragen oder unter den zahllosen kleinen Kreuzen unserer Heldeni'ried-
höfe schlummern?
In einzelnen Ki'cisen unserer Gegner möchte man sogar — wie
schmerzt es uns, davon zu reden! — die überzeugten C h r i s t u s b e k c n -
n e r, die ;Gott mehr gehorchen als den Menschen', aus der Volks-
g<^meinschaft' verstoßen oder als ,poUtisch unzuverlässig'
brandmarken mit all den peinlichen Folgen, die sich daraus ergeben.
Verkennt man in seiner Leidens,chaft violleicht, daß der Kampf
um das Christentum bereits jetzt schon eine beängstigende Zerklüftung
. des deutschen Volkswesens erzeugt, die das Gegenteil von Volks-
gemeinschaft bedeutet' und alles eher als aufbauend wirkt?
Man hat den K o n f e s s i o n e n j den Vernichtungskampf angesagt,
weil sie, wie man vorgibt, durch die Spaltung der deutschen Volks-
seele die Kraft des deutschen Wesens vermindern, Glaubt man im
Ernst daran, daß ein vei'schärfter Gegensatz zwischen Christen und
christusfejndlichcn Volksgenossen sich als weniger volksschädlich er-
weise als die etwaigen Auseinandersetzungen der Konfessionen?"
Eine Musterkar tevon deutschen Gottesbegriffen
„Es hat sich im^ Laufe der Jahrhunderte imrner wieder bewahrheitet^!
daß der Abfall vom'Christentum und von der Kirche auch den Abfall vom
wahren Gott vorbereitet. Das trifft auch für die Gegenwart zu. Man
spricht zwar von der , Gottgläubigkeit', die dem deutschen Volk gewahrt
bleiben soll. Wenn man aber diese , Gottgläubigkeit', auf ihren Inhalt
und Wert untersucht, so fällt ohne weiteres auf, daß dieser ,Gott' selber
von einem Neuzeitlichen so, vom andern anders gedacht wird, so daß
sich eine ganze M u s t e r k a r t e von deutschen G o 1 1 e s b e g r,i f-
f e n ergibt, die sich oft so unversöhnlich entgegengesetzt sind, .wie das
Wasser dem Feuer,
Man will den Christengott verdrängen und einen ,deut suchen
Gott' an seine Stelle setzen. Aber was heißt das zuletzt: ,Ein deutscher
Gott'? Ist dieser Gott etwa verschieden vom Gott der anderen Völker?
Vv^enn ja, dann gibt es sovielo Götter als Rassen und Völker, also im
Grunde genommen keinen. Denn der wahre Gott ist nur Einer,
das vollkommenste und geistigste aller Wesen, der unumschränkte Herr
aller Völker und Zeiten, der ewige Schöpfer aller Dinge und die letzte
Sehnsucht alles dessen, was unstoffli6h und gottähnlich ist und nach der
Seelenheimat strebt, wie die wandernden Wasser nach dem Meer.
Wenn der christliche Gottesbegriff preisgegeben ist, treten damit
auch die Bezweiflung und völlige Leugnung eines Lebens nach
d e mT d e und einer Verantwortung vor einer letzten, sittlichen Macht'
zutage. _ ■ .
Aus dem Bewußtsein unserer Verantwortlichkeit erheben wir darum
gegen die auschließllche Verdiesseitlgung des Menschen und die Leug-
nung , eines Fortlebens der Seele nach dem Tode laut unsere Stimme,
/ um unser deutsches Volk vor solchen verhängnisvollen Irrlehren zu be-
v/;ihren und vom Niedergang zu retten. Auch hier wiederi^olen wir e.s:
66 . .
NichtgegenVolkundStaatgehtunserKampf, sondern,
für den Staat und das Volk und darum gegen jene, die wir mit
dem Mute des apostolischen Charakters als Feinde unseres Volkes kenn-
zeichnen müssen. Man wird ,uns dafür verkennen und schmähen. Es
gibt aber eine Gerechtigkeit, die kein geräuschvolleres Schlagwort zu
übertönen und kein Übermut zu bezwingen vermag. Ein jeder von uns.
spricht mit St. Paulus: , Wer mich richtet, ist der Herr.' (1 Kor. 4,4.)"
Ungestüm über fast ganz Europa stürmend, glaubten, die Nazis
doch den Krieg gegen Christentum .und Kirchen nicht abbrechen
zu müssen, sondern im Gegenteil noch verstärken zu können. So
sahen sich die deutschen Bischöfe aufs neue zur Gegenwehr ge-
zwungen und appellierten am 6. Juli 1941 ans gläubige Volk:
,,. . . Nicht nur der Krieg, auch andere Zeitereignisse, die das reli-'
giöse Gebiet berühren, bewegen Euch, von Euren Bischöfen ein Wort
der Aufklärung zu erbitten. In Erfüllung unserer oberhirtlichen Pflicht
wollen wir Eurer Bitte und Erwartung entsprechen. Ihr sollt wissen,
daß Eure Bischöfe in diesen aufgeregten Zeiten auf dem
Posten sind und für die Belange unseres hl. Glaubens in voller
Einmütigkeit miteinander mit allen erlaubten und
rnöglicheri Mitteln eingetreten sind und eintreten.
Immer wieder haben die Bischöfe ihre berechtigten , Forderungen und
Beschwerden bei den zuständigen Stellen erhoben. Seid versichert: Die
Bischöfe reden offen, weil sie als Lehrer des Glaubens und als
Verteidiger der Rechte der Kirche die heilige Pflicht dazu in
sich fühlen...
Die Zeitereignisse, i die wir meinen, sind Euch allen längst bekannt
und Gegenstand Eurer und unserer ernsten Sorge. Es
sind die Beschränkungen und Beengungen, die der freien
Glaubensverkündigung und dem religiös-kirchlichen
Leben in, der letzten Zeit bereitet wurden.
. . . Aber wir verstehen es nicht und sind mit großem Schmerz dar-
über brfüllt, daß manche Maßnahmen getroffen wurden, die tief in ^das
kirchliche Leben eingreifen, ohne daß sie durch Kriegsnotwendigkeit
begründet wären. Wir erinnern nur an die Einschränkungen auf dem
Gebiet der religiösen Erziehung, des religiösen Schrifttums, der
außerordentlichen Seelsorge in Exerzitie n und Einkehrtagen,
der Seelsorge in öffentlichen Krankenanstalten, des Gottesdienstes und
der kirchlichen Feiertage . . .
Mit tiefem Schmerz hören wir die Kunde, daß die katholischen
Kindergärten, die als Ergänzung der religiösen Familienerziehung
vom katholischen Volk mit besonderer Liebe gepflegt wurden, nunmehr
trotz alle? Proteste der Bischöfe in weiten Gebieten des Reicl;ies besei-
tigt werden."
' Der gemeinsame Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom Jahre
19 4 2 betont den Mut der Kirche als Trägerin und Ver-
künderin der, Wahrheit Christi:
,,,,, Unsere heilige Kirche ist die Trägerin und Verkünderin . der
Wahrheit Christi auf dem ganzen Erdkreis geworden. Siö hatte auch
immer den Mut, diese Wahrheit zu künden wider alle Unwahrheit, wider
allen Irrtum und wider alle Verkehrung des von Christus gewollten
christlichen Lebens.
Sie hat den Mut zur Wahrl^eit im Kampfe wider den weltanschau-
lichen Liberalismus, seine Überbetonung der Einzelpersönlichkeit
und seine Verkürzung der Rechte der Gemeinschaft.
67
Sie hat den Mut 7x\r Wahrheit in der Bekämpfung eines wider-
christlichen Kollektivismus in jeder Form.
Sie hat den Mut zur Wahrheit im Kampr um die G e w i s s e n s -
Freiheit, um die Würde des Menschen und um die Freiheit in der
Ausübung der von Gott und der Natur dem Menschen gegebenen Reclite.
Sie hat den Mut zur Wahrheit im Kampfe um das Krongut der
menschlichen Gssellschai't, die Einheit, Reinheit und Unaul'lösiichkeit
der einmal gültig geschlossenen E h e."
Das Hirtenwort der deutschen Bischöfe vom 29. August 19 4 3
ruft ein ernstes „Kehre zurück zum Herrn, deinem
Gott!"
1. DenGottlosen:
„Der Ruf ergeht an alle jene, die den einen, wahren, lebendigen
Gott, den Schöpfer, Vater und Richter aller Menschen verlassen, haben,
die sich um keinen Herrgott, um kein Gebot Gottes mehr kümmern, die
an die Stelle der Liebe den H aß, an Stelle von Recht und Gerech-
tigkeit die Gewalt, an Stelle der Sittlichkeit die Nützlich-
keit zum Lebensgesetz der Menschheit ei'heben wollen."
2; Den Anbetern der Götzen „Nation u,n d Rasse":
„Auch an jene ergeht der Ruf, welche sich einen Gott zurechtrichten
nach ihrem eigenen Denken, Leben und Handeln oder einen eigenen
Gott, der nur für ihre Nation und Rasse da ist und für sie zu
sorgen hat. An sie hat der Hl. Vater Plus XI. das mahnende Wort ge-
richtet: ,Nur oberflächliche Geister können der In'lehre verfallen, von
einem nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen, kön-
nen den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den
König aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen
am Wassereimer (Is. 40,15) in die Greinzen eines Volkes, in die bluts-
mäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.
i(t
3. D e n E 1 1 e r n u n d E r z i e h e r n :
„Ihr habt als Eltern und Erziehungsberechtigte das Recht, zu fordern,
daß eure Kinder, auch in den Lage'rn, die Möglichkeit haben, sonn-
tags der hl. Messe beizuwohnen und religiösen Unterricht nach den
Lehi-en unseres heiligen Glaubens zu erhalten. Kämpfet für dieses
Recht und ruhet nicht, bis es euch gewährt ist!"
4. Den Religionsfeinden:
„Leider müssen wir mit tiefem Bedauern feststellen, daß der
Kampf gegen Christentum und Kirche immer noch fort-
geht, daß Unterricht und Schulung in weitem Umfange in den Dienst
der Entchristlichung des Volkes, besonders der Jugend gestellt wird;
daß landverschickten, in Lagern, Heimschulen und Schülerheimen unter-
gebrachten Kindern und Jugendlichen der Gottesdienst und Sakramen-
tenempfang vielfach sehr erschwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht
u'ird; daß auf viele Christen immer noch ein schwerer Gewissensdruck
ausgeübt wirji, der im Warthegau einer fast völligen Unterdrückung
der christlichen Religion gleichkommt. Wir müssen es aufs schmerz-
lichste bedauern, daß^an manchen Orten auch heute noch die Abhaltung
von Gottesdiensten verhindert wird, daß der Gottesdienst nach
nächtlichem Fliegeralarm unter Ausnahmegesetz
steht und daß an kirchlichen Hochfesten sogar die rein kirchliche
Feier drückenden Beschränkungen unterliegt. Gebe Gott der Herr, daß
bald alle Bedrückung von Kirche und Christentum aufhöre und daß
68
uns Not und Gefahr wieder zu einem einigen, geschlossenen deutschen
Volke, machen!"
Gottes Gebote vom Berge Sinai waren für die Nationalsozialisten
etwas Veraltetes und Verachtetes, etwas Jüdisches, Ungermanisches.
Demgegenüber erwies der gemeinsame Hirtenbrief der deutschen
Bischöfe vom 12. Septemberl943 „die 10 Gebote als Lebens-
gesetz der Völker":
I-
„Achte d i e K r n r e c h t e Gottes!"
Zum 1. Gebot: „...Fremde Götter, das sind aber nicht nur
die groben, handgeschnitzten Götter der kulturlosen Naturvölker, son-
dern auch die feinen Phantasie-Götzen der wahrheits-
überdrüssigen Kulturmenschen. Diese Wahn- und Wunsch-
bilder ihres mythischen Dichtens nennen sie dann ,das Göttliche', um
nicht an den wirklichen, persönlichen Gott glauben zu müssen und doch
den Schein der Gottgläubigkeit wahren zu können. ,Unser Gott', sagt
der Hl. Vater Pius XI., ,ist der persönliche, übermenschliche, allmäch-
tige, unendlich vollkommene Gott, Schöpfer alles Geschaffenen, der Herr
und König und letzte Vollender der Weltgeschichte, der keine fremden
Götter neben sich dulden kann.' Dieser unser Gott hat die alten Hei^den-
götter entlarvt, kein Volk darf sie in irgendwelchen neuen verfeinerten
Formen wieder auf den Thron erheben wollen. Kein Volk darf sich
selbst zum Abgott machen, als ob _ sein Wille und nicht der
Wille Gottes die Quelle der Sittlichkeit und alles Rechtes sei."
Zum 2. Gebot: „Es stellt mit dem, E i d das öffentliche Gemein-
schaftsleben unter die Aufsicht und den Schutz Gottes, wehrt dem Be-
streben, die Religion aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Die
Religion ist wahrlich nicht eine Privatsache für das verriegelte
Privatkämmerlein des Einzelmenschen, sondern die öffentlichste Größe,
die es gibt — zufolge der Allgemeinheit und Allverbindlichkeit ihrer
Wahrheit, Sittlichkeit und Gnade. Der Mensch darf nicht bloß in seinem
verschwiegenen Innern ein Christ, im Äußern aber ein Heide
sein, nur in den vier Wän^den seines Hauses ein Katholik, auf seiner
Arbeitsstätte aber ein Gottloser. Das öffentliche Recht, das
durch die Auferlegung des Fahnen-, Amts- und Verfassungseides Gott,
den Herrn, immer und immer wieder in feierlichster Form .zum Zeugen
und Bürgen anlaufen läßt, kann nicht gleichzeitig die Rechte Gottes im
Gemeinschaftsleben dadurch verneinen, daß es die Religion zur unver-
bindlichen Privatsache erklärt."
Zum 3. Gebot: „. . . Heilige den Tag'des Herrn! Darum
darf in keinem Volk und zu keiner Zeit der Sonntag grundsätzlich
.und allgemein zum W e r k t a g gemacht werden, d:-irum darf b:;sonders
die heranwachsende Jugend nicht so für and'jre Dinge bean-
sprucht werden, daß für die andächtige Teilnahme am Sonnlagsgottes-
dienst und für die Pflege des christlichen Familienlebens Ic.ein Platz mehr
bleibt. Darum darf auch für die Erwachsenen der Dienst Gottes
nicht ohne -Not durch den Frondienst des rein irdischen Schaltens ^'er-
drängt werden. Auch für die Volksgemeinschaft gilt: ,Wenn der Herr
das Haus nicht baut, bauen die Bauleute vergebens' (Ps. 126,1).
II.
Verkürze nicht die Menschenrechte!
Das Elternrecht (4. Gebot): „Die öffentliche Jugenderziehung
darf der Autorität der Eltern keinen Abbruch tun. darf
mit dem gottverantwortlichen Gewissen der Eltern nicht in Konflikt
kommen, indem sie etwa in Schulen und Lagern durch unchristliche
69
und unkirchliche Beeinflussung auf dem Gebiete des Glaubens oder der
Sitte die Herzen der Kinder den Vätern entfremdet" (Lulc. 1,17).
D a s L e b e n s r e c h t (5. Gebot): „Darum darf Ic eineirdische
Macht in das Recht des Herrn über Leben und Tod willkürlich
eingreifen und das Leben eines Unschuldigen frevelhaft
verletzen und vernichten. ,Elnen Unschuldigen und
einen, der im Recht ist, sollst du nicht töten' (Exod. 23,7).
Wer ein solches Leben angreift, greift Gott selbst an, stößt eine gött-
liche Ordnung um, verletzt das göttliche Recht. Wohl trägt die welt-
liche Obrigkeit, das Schwert, um als ,Dienerin Gottes', wie der Apostel
sagt (Rom. 13,14), schwere Verbrechen Schuldiger zvt bestrafen und un-
gerechte Angriffe auf das Vaterland mit Waffengewalt abzuwehren.
Sonst aber gilt für sie wie für jede Privatperson: Du
darfst nicht töten, du darfst ' Leib und Leben eines unschuldigen
Menschen nicht direkt verletzen und vernichten. Die Begründung dafür
gibt der Heilige Vater Plus XI.: ,Die Obrigkeit hat über die Organe
ihrer Untertanen keine direkte Gewalt. Wo keine Schuld und damit
kein Grund für eine körperliche Bestrafung vorliegt, kann sie die Un-
versehrtheit des Leibes weder aus eugenischen noch irgendwelchen
anderen Griinden direlct verletzen und antasten.'
Tötung ist in sich schlecht, auch wenn sie angeb-
lich im Interesse des Gemeinwohls verübt würde: An
schuld- und wehrlosen Geistesschwachen und -kran-
ken, an unheilbar Siechen und tödlich Verletzten,
an erblich Belasteten und lebensuntüchtigen Neu-
geborenen, an unschuldigen Geiseln und entwaffneten Kriegs-
oder Strafgefangenen, an Menschen fremder Rassen
und Abstammung. Auch die Obrigkeit kann und darf
nur wirklich todeswürdige Verbrecher mit dem Tode
bestrafen.
jJenseits von Gut und Bös' ist auf der Landkarte eines menschen-
würdigen Lebens kein einziger . . . ; die Sterne des Gewissens leuchten
in allen Breitegraden des Menschenlebens; kein Streifen daran ist Aus-
land für das Gewissen (für das in ihm widerleuchtende göttliche Gesetz),
auch die Politik nicht, auch der Handel nicht, auch das ganze öffent-
liche Leben nicht (A. Giesler, Der 2. Schweizer Katholikentag 1907, 70ff.).
Das Gemeinwohl darf nur mit sittlich erlaubten
Mitteln angestrebt und verwirklicht werden. Schon der Heide
Cicero wendet sich gegen die Verkehrung der Sittlichkeit zur bloßen
Nützlichkeit: ,Nichts ist wahrhaft nützlich, was nicht zugleich sittlich-
gut ist. Und es ist etwas nicht, gut, weil es nützlich,
sondern es ist nützlich, weil es gut ist. Man zerstört die
ganze Lebensgrundlage der Natur, wenn man den Nutzen von der Sitt- .
lichkeit trennt. Der Nutzen hat sich nach der Sittlichkeit zu richten'"
(de off. in, 28—30).
Das Eherecht (6. Gebot): „Auch die sogenannte rassische
Mischehe (die der Nationalsozialismus so leicht scheiden läßt) hat,
sofern sie nach göttlichem und kirchlichem Gesetz gültig geschlossen ist,
den vollen Anspruch auf den göttlichen Schutz des sech-
sten Gebotes, auf die darin verbrieften Segensgüter: Einheit, Heiligkeit
und Unauflöslichkeit, auf ihre natürliche Frucht der Nachkommen-
schaft."'
Das Eigentumsrecht (7. Gebot). (Hier zitiert "der Hirten-
brief das Papstwort: Weihnachten 1936): „Die Persönlichkeitswürde des
Menschen erheischt also das persönliche Nutzungsrecht an den Gütern
dieser Erde als normale und naturgemäße Lebensgrundlage. Dem ent-
spricht die grundsätzliche Förderung des Privateigentums,
70
soweit möglich für alle. Die positiv-rechtlichen Bfistimmungen zur Re-
ßelung de.s Privateigentums mögen wechseln und eine mehr oder weniger
gebundene Nutzung gestatten. Wollen sie jedoch ihre Friedensaui'-
gabe im Dienste der Gemeinschaft erfüllen, so haben sie zu, verhmdern,
cltil,'. der arbeitende Mensch, -der gegenwärtige und zukünftige
, F a m i l'i e-n V a t e r einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, oder Unfrei-
heit verfällt, die mit seinen Persönlichkeitsrechten vinvereinbar sind. Ob
diet'.e Unfreiheit von der Übermacht des Privat kapitals oder
der öffentlichen Macht ausgeht, ist für die Wirkung selbst ohne
Belang., Im Gegenteil, unter dem Druck eines Staates, der alles
beherrscht und das Gesamtgeblet des öffentlichen und privaten
Lebens regeln will bis hinein selbst in den Gesinnung s-,
Überzeugungs- und Ge Wissensbereich, könnte diese Un-
freiheit noch viel schwerer wiegende Folgen zeitigen, wie die Erfahrung
lehrt und bezeugt."
Das Recht auf Wahrheit und Ehre (8. Gebot): „Ein Ge-
meinwesen, das sich nur auf den Schutz der physischen und materie'.len
Güter seiner Bürger beschränken, aber ihre idealen Rechtsgüter, ihr
Recht auf ihre Ehre und guten Namen, auf Glaube und Vertrauen, auf
Wahrheit und Ehrlichkeit für vogelfrei erklären wollte, würde in
einem Hauptpunkt eine wesentliche Aufgabe der Rochtsv/ahrung und des
' Rechtsschutzes versäumen und verleugnen. Die Lüge — von w e m
sie auch ausgeht — zerstört Glaube und Vertrauen unter den
Menschen und untergräbt damit die menschliche Lebens-
gemeinschaft. Wie die falsche Münze, von Falschmünzern in Um^
lauf gesetzt, auch die echten verdächtig macht und so das Vertrauen
zum Geld überhaupt untergräbt . . ., so fälscht die Lüge gleich'^am das
Umlaufsmittel des geistigen Verkehrs; die falsche Rede macht aucli die
wahre verdächtig, und das Ende wäre ein allgemeines Mißtrauen."
b. Gemeinsame Denkschriften der katholischen Bischöfe
Deutschlands.
Hatten die gemeinschaftlichen Hirtenbriefe der deutschen Bi- .
schöfe den Zweck, die Katholiken Deutschlands wachzuhalten
gegenüber den Gefahren und Lockungen der Zeit, aufzurufen zu
geschlossentem Widerstand gegen Unglauben, Unrecht und. Unmoral,
zu festigen in der Treue gegen Christus und Kirche, kurz alles zu
künden, was der Hefrr gebietet (Jer. 1,17), so wollten gemeinsame
Denkschriften des Episkopates den höchsten Stellen des
Reiches offen, nachdrücklich und ausführlich die Klagen und For-
derungen zur Kenntnis bringen, welche zur Wahrung der Rechte
Gottes und der Kirche, der Menschenwürde und Gewissensfreiheit
u. a. erhoben werden mußten. Diese Denkschriften dürften bisher
dem In- und Ausland zumeist noch nicht bekanntgeworden sein,
seien darum vollständig wiedergegeben.
Zunächst sei aber ein Auszug des Begleitschreibens voraus-
geschickt, das Kardinal Faulhaber der Denkschrift beifügte.
' Es zeigt ja,' wie umfassend die Sorgen der 27 deutschen Erzbischöfe,
Bischöfe und Prälaten waren und wie offen sie darüber zum Führer
als dem höchst verantwortlichen Mann des Reiches sprachen. Da
heißt es unter anderem:
„Wir haben in. der Denkschrift den Nachweis erbracht, daß viele
hervorragende Mitkämpfer der Bewegung und noeh mehr eine Reihe von
71
Zeitungen den religiösen Streit mit der völkischen Bewegung ver-
quicken und entgegen Ihrem bestimmten Wort, Kulturkämpi'er müßten
aus den Reihen der Bewegung entfernt werden, immer wieder den Ein-
druck erwecken, als ob der Feldzug gegen Christentum und
Kirche von Staat und Partei amtlich unterstützt
w e r d e. Im besonderen haben wir den Nachweis erbracht, daß
innerhalb der Partei die wider oh ristlichen Anschauungen des
Herrn Schulungsleiters Rosenberg mit der nationalsozialistischen
Weltanschauung gleichgesetzt und^'daß die Bücher von Alfred Rosenberg,
obwohl sie als Privatarbeiten und persönliche Bekenntnisse erscheinen,
durch die Empfehlungen der parteiamtlichen Presse verbreitet werden.
Dabei haben wir festgestellt, daß, während , die Propaganda für das
Heidentum mit dem ganzen Apparat neuzeitlicher Sprachrohre arbeitet,
den Vertretern des Christentums das Recht der Abwehr außerlialb der
Kirche überhaupt genommen und die Freiheit des Wortes im Dienste
der religiösen Wahrheit außerordontlicli eingeschränkt wird. Wir ver-
langen in der Staatsgemeinschaft keine Vorrechte, wir wehren uns
aber gegen Ausnahmegesetze und gegen den Vorwurf, j oder
Katholik stehe im voraus im Verdacht des Vo 1 k s - und
Landesverrates und müsse mit Vorsicht und Mißtrauen behandelt
werden.
Im Zusammenhang mit diesen Fragen der sittlichen Ordnung haben
die Bischöfe auch auf das natürliche und göttliche Recht der Ge-
wissensfreiheit hingewiesen, auf das Recht der Gewissensfreiheit
der Eltern, ihre Kinder in die Bekenntnisschule zu schicken, auf das
Recht der Gewissensfreiheit der k a tholischen Staatsbeamten,
ohne Gewissensdruck den Treueid zu leisten, auf das auch im Kon-
kordat verbriefte Rechtder Bischöfe, unbehindert in ihren Hirten-
briefen zu ihren Diözesanen zu sprechen, auf 'das Recht der Gewissens-
freiheit der katholischen Schriftsteller und Buchverlage.
Mit großer Sorge haben die Bischöfe auch die neue Kampflosung
gegen den ,Politischen Katholizismus' vernommen, und, da
sie wissen, mit welchem Übereifer die Unterbehörden die Losungen
höchster Reichsstellen aufgreifen, müssen sie fürchten, es werde die
Losung gegen den ,Politischen Katholizismus' wie ein Freibrief betrach-
tet werden, um auch das religiöse Leben des religiösen Katholizismus
zu unterdrücken, und als eine Blanko-Vollmacht, um auch ohne rechtlich
begründeten Anlaß gegen die Bischöfe und alle Katholiken strafrechtlich
vorzugehen.
Auf der Linie dieser Gedankengänge bitten die Bischöfe, das Miß-
trauen gegen die Katholische Aktion abzulegen, die mit dem
sogenannten .Politischen Katholizismus' nichts zu tun hat, und der
hemmungslosen Hetze einer großen Zahl von Zeitungen einen Damm
zu setzen, deren aufpeitschende Artikel nicht bloß den wildesten-
Kulturkampf, sondern auch die blutigste Kirchen- und
Priesterverfolgung vorbereiten. ■
Des weiteren haben die Bischöfe in der Denkschrift auf den Ver-
nichtungskampf gegen die katholischenVereine hin-
gewiesen und auf das Trommelfeuer von Verordnungen, das in den
letzten Wochen über die katholischen Vereine niederging. Einerseits
wird der Eintritt in die HJ. als freiwilliger erklärt, andererseits wird
durch neue Verordnungen auf die Beamten und Angestellten in den
Betrieben ein schwerer Gewissenszwang ausgeübt, ihre Kinder in die
HJ. zu schicken.
Wir richten an den Führer die Bitte, die kirchenfeindliche
Einstellung ^d-eTr staatlichen Jug en d verb ände zum
Schweigen zu bringen und ein autoritatives Wort zu sprechen,
auf daß an Sonn- und Feiertagen denen, die sich aus der Staats Jugend
72
freiwillig zum Gottesdienst melden, grundsätzlich und wirklich Ge-
legenheit dazu gegeben werde."
Zum Schluß nehmen die Bischöfe noch Stellung zur Kampflosung
der ,,Entkonfessionalisierung des öffentlichen Le-
bens", die den ersten Artikel des Reichskonkordates durchbreche: „Das
Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit der öffentlichen Aus-
übung der katholischen Religion."
„Wir Bischöfe haben nicht aus Freude am Kritisieren geschrieben,
nicht aus machtpolitischen Absichten. Wir haben geschrieben in pflicht-
mäßiger Sorge um die Rechte der Kii'che in kirchlichen Dingen, in
Sorge um die Freiheit der Gewissen und in dem festen Vertrauen, daß
die friedliche Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche beiden Teilen
bessere Dienste leiste als ein Kulturkampf."
aa. Denkschrift der deutschen Bischöfe an den
Führer' und Reichskanzler Adolf Hitler
zur religiös-kirchlichen Lage. Au gus t 1J9_3 5^
„Die in Fulda zur herkömmlichen Jahreskonferenz versammelten
Bischöfe senden dem Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches
den Gruß treuer Gesinnung mit der Ehrfurcht, die wir nach göttlichem
Gebot dem Inhaber der höchsten staatlichen Macht und Würde schuldig
sind, und mit dem Freimut, den wir unserem Amt als Nachfolger der
Apostel schulden. Es sei uns gestattet, vertrauensvoll und offentierzig
Euerer Exzellenz die schweren Sorgen vorzutragen, die uns bewegen
angesichts der kulturellen Entwicklung in Deutschland, angesichts der
immer lauter gegen Christentum und Kirche gerichteten Angriffe, an-
gesichts der jünsten Vorkommnisse und Verordnungen, die das fried-
liche Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu stören drohen.
Angriffe gegen Christentum und Kirche
Die Deutsche Glaubensbewegung- unter Führung von Hauer und
Genossen, die Nordische Glaubensbewegung, der Ludendorff-Kreis und
andere Systeme heidnischer Prägung haben dem Christentum wegen
seiner angeblich deutschfremden und deutschfeindlichen Art den Kampf
angesagt. In diesen Kreisen wird offen erklärt, die christlichen Bekennt-
nisse müßten mit der Zeit verschwinden, weil sie dem deutschen Volk
nichts Positives zu geben hätten, die christliche Religion sei überhaupt
eine Staatsgefahr, die Dogmen des Evangeliums und der Kirche, im be-
sonderen das Do^ma von Erbsühde und Erlösung, seien ebenso abzu-
lehnen wie der ganze Apparat von Liturgie und Sakramenten. Neben
diesen ausgesprochen heidnischen Bewegungen gibt es eine Reihe von
Reformern, darunter Artur Dinter mit seiner Deutschen Volkskirche,
die das Christentum nicht abschaffen, aber bis in die Fundamente hinab
umbauen und germanisieren, die Reformation des 16. Jahrhunderts zu
Ende führen und auf den Trümmern der beiden christlichen Bekennt-
nisse eine neue, wie sie sagen, reine Jesusreligion aufrichten wollen,
die aber von dem Chri'stentum Christi kaum noch den Namen hat.
Andere Vorwürfe der neuen Glaubensstifter und Religionsnihilisten
sind Euerer Exzellenz bekannt.
Wir bitten Sie, Herr Reichskanzler, bei Ihrer Liebe zum deutschen
Volk, diesen planmäßigen Vei'suchen, das deutsche Volk zu entchristlichen,
mit der in Deutschland einzigartigen Autorität Ihrer Person ein Ende zu
machen. Ihre Regierung hat mit fester Hand die Gottlosenverbände der
früheren Zeit aufgelöst, kann also nicht dulden, daß die alten Freidenker
und Gottlosen in diesen neuen heidnischen und halbheidnischen Be-
wegungen neu auftauchen. Ihre Regierung hat in einer Kundgebung des
Herrn Staatsminister^Hans Schemm vom 28.3.33 feierlich erklärt: „Kein
Kind ohne nationale und christliche Erziehung", „Christentum und
Kreuz und Hakenkx'euz 6 Bd. II no
Deutschtum die obersten Gesetze eines jeglichen Unterrichts", Ihre
Regierung kann also folgerichtig dem Heranwachsen einer heidnischen
Jugend nicht ruhig zusehön und den Christuslästerungen nicht ruhig -zu-
hören. Wie im staatlichen Leben der Grundsatz der starken
Führung sich bewährte und die einzelnen Völksgenossen einer Autorität
sich fügen müssen, können auch im religiösen Leben die einzelnen
ihre subjektiven, millionenfach schillernden Auffassungen nicht an die
Stelle der göttlichen Offenbarung und der kirchlichen Autorität setzen,
muß also auch hier die Autorität der Bibel und der Kirche anerkannt
werden. Die Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts hat dem deutschen Volk
in der Folge auch in nationaler Hinsicht eine tiefe Wunde geschlagen. Wir
bedauern die Tatsache der Glaubenszweiheit in Deutschland, auch im
Hinblick auf die Gefahr für den' inneren Frieden in unserem Volk. Wir
müssen aber offen aussprechen: Das viele Reden über die konfessionelle
Zerklüftung unseres Volkes entspricht nicht der Wirklichkeit, und
jedenfalls wird durch menschliche Klugheit die Glaubenszweiheit nicht
aus der Welt geschafft. Es wäre ein wahnsinniger Gedanke, durch
staatliche Gewaltmittel eine einheitliche deutsche
Nationalkirche schaffen zu wollen. Durch die obengenannten
neuen Glaubensbewegungen wird unsere Volksgemeinschaft noch mehr
zerrissen und die bisherige Glaubenszweiheit versechsfacht und ver-
zehnfacht.
Wir berufen uns, Herr Reichskanzler, auf Ihre eigenen Worte: „Dem
politischen Führer haben religiöse Lehren und Ein-
richtungen seines Volkes i mm" er unantastb a r zu sein,
sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Re-
formator werden, -wenn er, das Zeug hierzu besitzt!
Eine andere Haltung würde vor allem in Deutschland
zu einer Katastrophe führen" (Mein Kampf, S. 127). „Ich
stehe nicht ah, zu erklären, daß ich in den Männern,
die heute dieVölkischeBewegungindieKrisereligiö-
-ser Streitigkeiten hineinziehen, schlimmere Feinde
ttieines Volkes sehe, als im nächstbesten internatio-
n'a 1 eingestellten Kommunisten" (S. 631). Daß nicht alle Mit-,
kämpfer Ihrer Bewegung an diese programmatischen Worte sich hielten
und die völkische Bewegung mit religiösen Streitigkeiten belasteten,
haben Sie in Ihrem Buch S. 631 selber festgestellt und verurteilt. In
gleicher Weise haben die deutschen Bischöfe die Gefahr einer religiösen
Verwirrung durchschaut und. 1931 gegen den Nationalsozialismus ihre
warnende Stimme erhoben, nicht' gegen seine wirtschaft-
1 i c h' e n und politischen, sondern gegen seine reli-
gionsfeindlichen Ziele : „Solange und soweit er kulturpolitische
Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar
sind." Dann habqn Sie als Führer in weltgeschichtlicher Stunde, in der
großen Reichstagsrede vom 23. 3. 33 erklärt, die' Reichsregierung erblic.ke
im Christentum die unerschütterliche Grundlage ihrer Aufbauarbeit und
werde die freundschaftlichen Beziehungen zum Hl. Stuhl weiterpflegen
und ausgestalten. Mit diesen Worten haben Sie "vor aller Welt als der
oberste Leiter der Reichspolitik die Rechte und Aufgaben der christ-
lichen Bekenntnisse anerkannt. Auf diese Erklärungen hin haben die
deutschen Bischöfe fünf Tage später, am 28. 3, 33, ihre früheren Be-
denken 'gegen die Kulturpolitik der Bewegung zurückgestellt und im
gemeinsamen Hirtenbrief Pfingsten 1933 nochmals öffentlich die deut-
schen Katholiken zur freudigen Mitarbeit aufgerufen: „Wir wollen dem
Staate um keinen Preis die Kräfte der Kirche entziehen... Ein ab-
wartendes Beiseitestehen oder gar eine Feindseligkeit der Kirche gegen-,
über dem Staat müßte Kirche und Staat verhängnisvoll treffen"... Fest
verwurzelt im deutschen Boden, aber nicht minder fest verankert im
Felsen Petri und vmserer Kirche, . reithen wir deutschen 'Bischöfe und
74
Kktholikfen auch unseren anderen Brüdern die Hand, um mitzuhelfen
am Wiederaufbau des Volkes."
Es ist also eine Unwahrheit, zu sägen, die deutschen Bischof e hätten
denn^eueh "Staat' niemals änerkariht,. niemals die Mitarbeit im Erneue-
rungswerk des neuen Staates zugesagt. Jenen Männern aber, die mit den
Kebehflüssendes Liberalismus und Marxismus in die Bewegung eingemün-
den waren und mit den alten Schlagwörtern gegen den „Ultramontanimus"
und damit gegen die katholische Kirche ankämpfen wollten, haben Euere
Exz. in Ihrem Buch S. 631 im voraus die Abführ erteilt mit den Worten:
„Es werde immer die oberste Pflicht der Leitung der nationalsozialistischen
Bewegung sein, gegen jedenVer.such, diese Bewegung in
den Dienst solcher Kämpfe (gegen den Ultramontanismus) z u
stellen, sc härfstens Front zu machen und die Propa-
gandisten einer solchen Absicht augenblicklich aus
den Reihen der Bewegung zu entferne n.". Die feierlichste
Erklärung aber, daß- Sie keinen Kulturkampf wollen und kulturpolitische
Nebenregierungen nicht dulden werden, ^war der Abschluß des
Reichskonkordates mit dem Hl. Stuhl, eine Großtat ohne-
gleichen in der deutschen Geschichte und ein olferieg~Bekenntnis, daß
'Si'e' mit starker Hand alle Hemmungen ausräumen wollen, die dem
vollfen Einsatz der im Katholizismus ruhenden Kräfte entgegenstehen.
Damit war ein gegenseitiges Vertrau e n s v e r h ä_l tn i^ _zwi-
schen dein Oberhaupt der Kirche und der Deutschen JReichsregie^^
hergestellt, das in der Folge allerdings durch die heidnische Giaübens-
bewegung und durch kulturpolitische Nebenregierungen vom Geiste des
alten Liberalismus bald wieder gelockert wurde.
Es kann Ihrem scharfen Auge nicht entgehen, Herr Reichskanzler,
daß diese heidnischen und liberalen Kämpfe gegen Christus und seine
Kirche im Inland weite Volkskreise, die treu am Glauben ihrer Väter
hängen, kopfscheu und mißtrauisch machen und nur allzu-
sehr geeignet sind, in der seelischen Auswirkung auch das Vertrauen zu
den volkswirtschaftlichen und politischen Zielen der Regierung zu zer-
stören. Ebensowenig kann es Ihnen entgangen sein, daß solche Angriffe
auf die Grundlagen des Christentums, dessen 1900jährige Mission das
Angesicht der Erde erneuert hat, auch im Ausland das Ansehen
des deutschen Volkes aufs schwerste schädigen und in christlichen Län-
dern, besonders in England und Amerika, ein Mißtrauen erwecken, das
sich fürihre aufrichtigen jßemühungen um frieden
undVerständigung der Völkerverhängnisvoll auswirkt.
Zum Beweis dafür verweisen wir nur auf eine Stimme, auf die Erklä-
rung des Erzbischofs Lang von Canterbury in Manchester Guardian vom
6 Juni 1935: Dort erklärt der Erzbischof mit großer Bewunderung Ihre
Friedensrede (vom 21. Mai 1935) als tragfeste Grundlage für den Welt-
frieden, fährt aber dann fort, man dürfe die Augen nicht verschließen
vor der Haltung des Deutschen Staates gegenüber den christlichen Kir-
chen. Die Reden und Schriften eines Herrn Rpsenberg seien eine Be-
drohung des Christentums, „das allein die letzte Sicherheit gibt für jene
Grundsätze, auf denen der Weltfriede aufgebaut werden und Bestand
haben kann".
At^tliche Duldung und Unterstützung des Kampfes gegen Christentum
und Kirche?
In dem Promemoria an den Vatikan vom 15. 1. 34 hat Ihre Regierung,
Herr Reichskanzler, erklärt: „Der Nationalsozialismus er-
strebt nicht die Schaffung einer neuen Glaubens-
bewegung."
In Ihrem Buche S. 124' haben Sie geschrieben: „Dem politi»
sehen Führer haben religiöse Lehren und Einrich«
75
tungen seines Volkes unantastbarzu sein. Wer «über den
Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation
kommen zu Ivönnen glaubt, zeigt nur, daß ihm auch jeder Schimmer
vom Werden religiöser Vorstellungen oder gar Glaubenslehren und
deren kirchliche Auswirkungen abgeht." Auf dem Ehrenbreitstein Ende
August 1934 haben Sie nochmals Ihr Wort gegeben: „D er Na t i on al-
sozialismus steht auf dem Boden eines wirklichen
C h r i s t e n u m s."
Trotz dieser feierlichen eindeutigen Erklärungen von höchster Stelle
erwecken die Reden und Versammlungen der Deutschen Glaubens-
bewegung und ihr^r Abarten den Eindruck, es handle sich um einen
amtlichen Feldzug von Staat und Partei gegen das
Christentum. „Wir Nationalsozialisten," schreibt Artur Dinter in
seinem bekannten Stil, „kämpfen g^gen ,den jüdisch-römischen Wahn-
glauben', der als Weltanschauung ebenso verschwinden müsse, wie der
Marxismus nicht bloß als Partei, sondern auch als Weltanschauung
überwunden wurde" (Die religiöse Revolution Nr. 32 Juli 35). Der Mythus
von Alfred Rosenberg, der nach d^r Erklärung der höchsten kirchlichen
Lehrautorität „alle Dogmen der katholischen Kirche, ja sogar die Fun-
damentalwahrheiten der christlichen Religion auszur,otten versucht",
wurde wiederholt als nichtamtliche, private Arbeit erklärt. Dabei
wird der Mythus in der Parteipresse über alles gelobt und auf amt-
liche Anweisung hin in den Lehrgängen und Schulungskursen wie ein
Evangelium der nationalsozialistischen Weltanschauung zugrundegelegt,
t^ber den wissenschaftlichen Wert dieses Buches, besonders in den ge-
schichtlichen Avisführungen, haben Fachmänner der geschichtlichen
Wissenschaft ein vernichtendes Urteil gesprochen. Trotzdem werden
durch dieses Buch viele Menschen ohne tiefere Bildung und ohne
eigenes Denken' auf den Aberglauben gebracht, die Abkehr von Christus
und seiner Lehre werde einen Fortschritt für das Deutsche Volk bringen,
und dadurch, daß seitens der Partei für Rosenberg eine ungeheuere
Propaganda entfaltet wird und zahlreiche Parteistellen und Partei-
genossen für die von Rosenberg verkündete widerchristliche Welt-
anschauung eintreten (Beispiele und Namen folgen),- obgleich der Mythus
in der Literaturgeschichte dem deutschen Namen keine Ehre machen
wird, muß die breite Öffentlichkeit auf den Gedanken kommen, .die
neuheidnische Bewegung sei mit der nationalsozia-
listischen identisch. Dabei weiß kein Mensch, ob in diesem
oder jenem Fall Rosenberg als Privatmann spricht oder als der amt-
liche Schulungsleiter der nationalsozialistischen Weltanschauung. Im
deutschen Volk und noch mehr im Ausland festigt sich mehr und mehr
die Auffassung, der nationalsozialistische Staat sei Trä-
ger und Schutzherr des neuen Heidentums und der
neuen Reformation. Wenn bei solchen neuheidnischen Versamm-
lungen hinter dem Rednerpult das lebensgroße Bild des Fiihrers auf-
gestellt wird, wenn zu solchen Versammlungen die SA und HJ in ge-
schlossenen Kolonnen anmarschieren (München 13. 6. 35), wenn die
Redner so sprechen, als ob die Führung des Dritten Reiches hinter ihnen
stünde, müssen die Zuhörer den Eindruck gewinnen, es handle sich, im
Gegensatz zu den feierlichen Bekenntnissen des Führers zum Christen-
tum, ura eine amtliche Befürwortung des Heidentums. Nehmen wir
dazu die amftich geduldeten täglichen Beschimpfungen des Christen-
tums in deutschen Zeitungen, die Reden und das Gebaren amtlicher
Organisationen, die Drohungen amtlicher Stellen, so müssen wir mit
tiefem. Schmerz feststellen, Gotteslästerung und Gottesverachtung, Be-
schimpfung und Verleumdung des Christentums und seiner Bekenner
dürfen frei und offen zutage treten und ungehindert öffentlich in Wort
luid Schrift verbreitet werden.
Als der Staatssekretär des Heiligen Vaters wiederholt und besonders
in der Denkschrift, die am 31. 1. 34 dem Deutschen Botschafter über-
76 ■
reicht wurde, unter Anführung zahlreicher "Belege, seiner Sorge Ausdruck
gab, weil unter den Augen der Deutschen Regierung die kirchenfeind-
liche Bewegung s.olchen Umfang annahm und das Schrifttum von Rosen-
berg parteiamtlich solche Verbreitung fand, antwortete die Reichsregie-
rung am 14. 3. 34, Rosenberg habe „persönliche Bekenntnisse,
nicht Programmpunkte der politischen Bewegung
vorgetragen". Er habe mit der jedem Privatmann zustehenden
Freiheit seine eigenen religiösen Meinungen, es sei aber ihm und
anderen Mitgliedern der Partei „um des konfessionellen Friedens willen
nicht gestattet, die Partei als solche mit religiösen
Streitigkeiten zu belaste n".
Angesichts der Ereignisse der letzten Monate müssen wir heute die
Frage stellen, ob jene feierliche Erklärung der Reichsregierung vom
14. 3.- 34 heute noch gelte und den höheren und niederen Parteidienst-
stellen bekannt sei. Viele Parteistellen und Parteigenossen tragen heute
kein Bedenken, an der Seite von Rosenberg das Christentum zu be-
kämpfen und so fortwährend „die Partei mit religiösen Streitigkeiten
zu belasten". Als Rosenberg den Versuch unternahm, in einer neuen
Schrift „An die Dunkelmänne r" seinen schriftstellerischen Ruf,
der durch die wissenschaftliche Kritik an seinem Mythus schwer ge-
fährdet war, zu verteidigen, wurde er wiederum von parteiamtlicher
Seite unterstützt. Diese neue Schrift bietet nicht, wie der Verfasser
von dem Mythus behauptet, einen Plan für den geistigen Wiederaufbau,
sondern ist eine einzige Polemik gegen Christentum und Kirche, gegen
Gottes- und Erlöserglauben, gegen das Dogma vom römischen Primat.
Wir geben aus der neuesten Zeit Belege dafür, daß die von der Reichs-'
regierung am 14. 3. 34 geforderte Trennung zwischen Rosen-
berg als Wortführer des geistigen Kulturkampfes und
zwischen der Partei nicht m eh r beste h t.
Die neue Schrift wurde von den parteiamtlichen „Nationalsozialisti-
schen Monatsheften" (Heft 61, April 1935) schon vor ihrem Erscheinen
angekündigt und empfohlen mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es bei
der Zurückweisung der historischen und religiösen Behauptung Rosenbergs
durch seinen Kritiker „gar nicht um Rosenberg allein, sondern ganz grund-
sätzlich um Sein oder Nichtsein der nationalsozialistischen
Weltanschauung überhaupt geht". Hier wenden also die Christen-
tums- und kirchenfeindlichen Anschauungen Rosenbergs, die ausschließ-
lich in der neuen Schrift zum Ausdruck kommen und welche Rosenberg
in ihr verteidigt, als zum Bestand der nationalsozialisti-
schen Weitanschauung gehörig h i.n'g e s t e 11 1 . Ist es den
„Nationalsozialistischen Monatsheften" erlaubt, die Partei als solche mit
religiösen Streitigkeiten zu belasten?
Dieselbe. Art der Anpreisung der Schrift Rosenbergs findet sich in
dem parteiamtlichen Organ der Reichsführung der Schutzstaffeln der
NSDAP. „Das Schwarze Korps", 9. Folge, voni 1. Mai 1935. Ebenso in
der NSBZ Nationalsozialistischen Beamtenzeitung, Zentralorgan des
Hauptamtes für Beamte der Reichsleitung der NSDAP Nr. 11 vom
26. Mai 1935.
Sogar der unreifen Jugend wird die neue Kampfschrift Rosenbergs
gegen das ererbte Christentum parteiamtlich empfohlen. Die „HJ",. amt-
liches Organ der Reichs Jugendführung der NSDAP (Folge 20 vom 18. Mai
1935) behauptet kühn, daß dite Gegner des angeblichen „wissenschaft-
lichen Ernstes" des Mythus mit ihrer Kritik beabsichtigen, „die Grund-
lagen der Nationalsozialistischen Weltanschauung überhaupt
anzugreifen und zu unterhöhlen". Sogar „Die Kameradschaft", das offi-
zielle Hilfsorgan für Heimabendgestaltung in der HJ (21. Maiausgabe
1935, Folge 10), empfiehlt die Kampfschrift Rosenbergs den HJ-Führern,
auch den christlichen, den katholischen, mit der Begründung, daß sie
gegen jene gerichtet sei, welche „gegendie Fundamente natio-
77
.nalsozialistischer Weltanschauung" Sturm laufen. Die
Auseinandersetzung mit den religionsfeindlichen Ansichten Rosenbergs
wird also auch hier parteiamtlich als Angriff auf die „Fundamente
Nationalsozialistischer Weltanschauung" hingestellt. Heißt das nicht ent-
gegen der von der Reichsregierung dem Hl. Stuhl gegebenen Versicherung
„die Partei als solche mit religiösen Streitigl^eiten belasten", ja die Feind-
schaft gegen das Christentum zu einem Grundprinzip des National-
sozialismus zu machen?
t
Dieselbe Behauptung von der grundsätzlichen Übereinstimmung der
christentumsfeindlichen Haltung Rosenbergs und der nationalsozialisti-
schen Weltanschauung wird in zahlreichen parteiamtlichen Verlaut-
barungen zur Empfehlung der neuen Kampfschrift Rosenbergs aus-
gesprochen.
Als Beleg für diese Anklage zitieren wir wörtlich:
1. Das Schreiben des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler an all^
. Gauobmänner des Bundes, Berlin, -den 9. Mai 1935. „Die heute noch vor-
handenen Gegner unserer nationalsozialistischen Welt-
anschauung verbergen sich leider sehr oft hinter religiösen Organi-
sationen. Eines der Hauptgebiete, auf dem der Kampf gegen die n a t i o -
nalsozialistische Bewegung geführt wird, betrifft die Stellung-
nahme zu der im »Mythus des 20. Jahrhunderts' von Alfred Rosenberg
niedergelegten Philosophie . . Die Antwort auf alle diese unter dem
Deckmantel des Christentums erscheinenden Gegenschriften zur natio-
nalsoziallstischenBewegung hat in einer soeben erschienenen
Broschüre Alfred Rosenberg herausgegeben (,An die Dunkelmänner
unserer Zeit') . . . Der deutsche Buchhandel wird darauf hingewiesen, daß
diese Broschüre in den nächsten Tagen und Wochen in besonders großem
Ausm^ von sämtlichen Gliederungen der Partei verlangt
werden wird. Die von den verschiedensten Stellen herausgehenden Rund-
schreiben und Anordnungen werden auf die Schrift »Dunkelmänner'
hinweisen. Der Bund hält es für seine Pflicht, Sie (davon zu verständigen,
damit alle Ortsobleute sich unverzüglich in der Zusammenarbeit mit den ,
Gliederungen der Bewegung, insbesondere mit den Schulungs-
ämtern in Verbindung setzen .. ."
2. Das Rundschreiben der Gauamtsleitung der NS-Frauenschaft West-
falen-Nord, Münster, den 14: Mai 1935:
„Alfred Rosenberg hat in seiner Schrift ,An die, Dunkelmänner
unserer Zeit' den Feinden unserer nationalsozialistischen
Weltanschauung geantwortet. • Im Einvernehmen mit dem Gau-
leiter Pg. Dr. Meyer hat das GaUschulungsamt den Vertrieb
der genannten Schrift übernommen . . . Wir verbinden damit auch von
uns aus die dringende Bitte, dafür Sorge zu tragen, daß diese Schrift in
den weitesten Kreisen der NS-Frauenschaft Verbreitung findet, da sie
uns eine gute Hilfe sein wird in der Antwort auf die Einwände der
gegnerischen Seite."
3. Das Schreiben des Reichsbundes der Deutschen Beamten, Gau
Westfalen-Nord, Münster den 17. Mai 1935:
„Betr. Alfred Rosenberg, eine Antwort an die Dunkelmänner unserer
Zeit ... Es ist erforderlich, daß die Schrift weitgehendst verbreitet wird.
Eine größere Anzahl ist von, der Gau Verwaltung bestellt und wird
den Kreisen umgehend zugesandt . . . Ich bitte Sie, sich sofort recht rege
und energisch für den Vertrieb einzusetzen."
4. Das Schreiben der NSDAP, Ortsgruppe' Münster-Mitte, an alle
Amtsleiter, Amtswalter und Amts warte der Gliederungen, Münster, den
20. Mai 1935:
„Betr. Alfred Rosenberg: Eine Antwort an die Dunkelmänner unserer
Zeit. Das Gauschulungsamt der NSDAP hat für das gesamte
78
Gaugebiet den Vertrieb obiger Schrift übernommen . . . Die Lehrer- und
Beamtenschaft bezieht die Schrift durch ihre Fachorganisatipn
direlft . . . Gerade hier in Münster müssen wir dafür sorgen, daß diese
Schrift weitesten Volksl?:reisen zugänglich gemacht wird, da sie die beste
Antwort an die Feinde unserer Weltan^schauung ist. Ich er-
warte daher, daß die Schrift mindestens von jedem Partei-
genossen bezogen wird." In Hinsicht auf das zuletzt zitierte Schrei-
ben hat man, als christliche Parteigenossen sich darüber beschwerten,
daß man parteiamtlich die Anschauungen Rosenbergs über das Christen-
tum mit der nationalsozialistischen Weltanschauung gleichsetze, am
23, Mai 1935 erklärt, daß die Anordnung auf einem Mißverständnis be-
ruhe und daß weder ein parteiamtlicher Vertrieb der Schrift Rosenbergs
noch ein Zwang zu ihrer. Beschaffung bestehe. Aber wir fragen: Wie
konnte ein solches „Mißverständnis" , entstehen und mindestens vom
9. bis 21. Mai bestehen, ohne daß die führenden Parteistellen eingegrifEen
haben? Jedenfalls haben die Dienststellen der NSDAP, resp. ihre Leiter,
welche solche Schreiben herausgaben, die Auffassung gehegt und bei den
Mitgliedern der Parteigliederungen vorausgesetzt, daß die Bekämpfung
der christentumsfei nd liehen Einstellung Rosenbergs
gleichbedeutend sei mit einer Gegnerschaft gegen die national-
. sozialistische Weltanschauung und daß die Parteimitglieder
in den Gegnern ' von Rosenbergs „Mythus" „Feinde unserer Welt-
anschauung" sehen. Sie und ihre Gesinnungsgenossen sind es also,
welche nach den Worten Euerer Exzellenz durch das Hineinziehen der
Völkischen Bewegung in die Krise religiöser Streitigkeiten sich als
Feinde unseres Volkes erweisen und die als Propagandisten einer solchen
Absicht augenblicklich aus den Reihen der Bewegung zu entfernen sind!
Wir und die Iieidnisclie Bewegung.
Während der Propaganda des Heidentums der ganze parteiamtliche
Apparat 'zur Verfügung steht, wird uns Katholiken das Recht der
Abwehr in Versammlungen und öffentlichen Verlautbarungen nicht
zugestanden. Wir dürfen außerhalb der Kirche keine Versamm-
lungen mit religiösen Themen halten und auch nicht in kleineren Krei-
sen, etwa in' Jugendschulungsstunden, auf die Vorwürfe und Verleum-
dungen der Gegner des Christentums antworten. Das Wort des Führers,
uferlose und unfruchtbare KHtik körinen im Dritten Reich nicht ge-
duldet A^erden, haben wir nicht vergessen. Hier aber handelt es sich
nicht umi unfruchtbare Kritik, hier handelt es sich um die Freiheit
des Wortes im Die.nsteder religiösen Wahrheit und um
die Abwehr unwahrer Angriffe auf Religion und Kirche, Das Volk muß
verwirrt und unruhig werden, wenn die Gegner der Kirche überall ihre
Kanzeln aufschlagen, überallhin ihre Zeitungen werfen, während den
, Katholiken das Recht außerkirchlicher VersaiTimlungen mit polizeilichem
. Saalschutz und die Freiheit der katholischen Presse verweigert werden.
Das Buch von Rosenberg „An die Dunkelmänner" wird für 20 Pfennig
ins Volk geworfen, während das Buch von Dr. Algermissen „Germanen-
tum und Christentum" in der 6. Auflage verboten wurde mit der Be-
gründung, es polemisiere gegen Rosenberg. Der Bauernkalender 1935
durfte ungestört den christlichen Bauernfamilien das nackte Heidentum
predigen, während der Elternkalender 1936 von der Münchener Polizei
beschlagnahmt wurde, weil er, wie die Polizei neben anderen Gründen
schreibt, aus dem Rundschreiben von Papst Plus XI. Zitate über katho-
lische Erziehungsgrundsätze brachte. Wir erheben Einspruch gegen diese
unter amtlichem Schutz geübte Verführung des katholischen Volksteiles,
im besonderen der innerlich unfertigen Jugend, und fordern die Freiheit
der Abwehr solcher Angriffe auf Christentum und Kirche,
Das Reichskonkordat hat in Artikel 4/5 die Freiheit der
Verkündung der Glaubens- und Sittenlehre unserer
79
Kirche unter staailichon Schulz gestellt, un(jl das Promemoria der
Deutschen Reich.^'regicrun!^ an den Hl. Vater vom 14.3.34 hat neuer-
dings versichert, die Deutsche Regierung sei „gewillt, die Freiheit der
Verkündigung der Lehre zu gewährleisten". Wir erfüllen nicht bloß
eine amtliche Pflicht als Hüter dos christlichen Glaubensgutes, wir er-
füllen auch eine vaterländische Pflicht, wenn wir in Liebe zu unserem
Volk und in Sorge um das Gelingen Ihres Erneuerungswerkes um ent-
schiedene Gegenmaßnahmen gegen die hemmungslose heidnische Pro-
paganda bitten. Euere Exzellenz haben beim gesamten Empfang der
drei Bischöfe, die als Vertreter des gesamten Episkopates am 27. 6. 34
die Ehre hatten, bei Ihnen vorzusprechen, die Zusage gegeben, die Amts-
träger des Staates und der Partei mit bestimmten Weisungen gegen die
neuheidnische Propaganda zu versehen. Es ist also von unserer Seite
nicht politischer Machthunger., sondern Ausübung
einer Amts- und G e w i s s e n s p f 1 i c h t , wenn wir die Freiheit
des Wortes fordern, um für die unveräußerlichen Majestätsrechte Gottes
gegenüber den falschen Göttern einzutx'eten, die ewigen Wahrheiten der
Offenbarung und die Tatsache der Erlösung im Blute Christi zu ver-
künden, die Ehre und die Rechte der Kirche auch im Gemeinschafts-
leben zu verteidigen und die Versuche, unser Volk zu entchristlichen,
zurückzuweisen. Wir verlangen als Katholiken -keine Vorrechte, wir
wehren uns aber gegen Ausnahmegesetze und fordern das Recht, katho-
lische Deutsche zu sein.
Fragen des Sittengesetzes und Gewissens.
Die gleiche Verpflichtung und Verantwortung wie gegenüber der
Glaubenslehre tragen v/ir Bischöfe gegenüber dem christlichen
S i tj; e n g e s e t z. Euere Exzellenz haben in weltgeschichtlicher Stunde
am '23. 3. 33 das aufreißende Wort gesprochen: „Wir werden eine durch-
greifende moralische Erneuerung in unserem Volkskörper vornehmen",
und das andere Wort: „Die Reichsregierung erblicke ira Christentum
die unerschütterlichen Fundamente der moralen Sittlichkeit des Volkes."
Der Nationalsozialismus hatte tatsächlich und tatkräftig begonnen, mit
manchen Schändlichkeiten , im Volksleben aufzuräumen, besonders mit
Nacktkulturbetrieben und schamlosen Druck-Erzeugnissen. Wir vertrauen
heute noch, daß hohe und höchste Polizeibehörden, die in der letzten
Zeit ihre Aufmerksamkeit auf die Überwachung harmloser Jugendspiele
und katholischer Gottesdienste verwendeten, ihre Wachsamkeit wieder
den im deutschen Volk zurückgebliebenen oder wieder aufkeimeriden
sittlichen Mißständen zuwenden. Dann wird die Sittenpolizei auch nach-
sehen, ob wirklich, wie eine private Feststellung behauptet, die Ver-
käufer von empfängnisverhütenden Mitteln heute mancherorts bessere
Geschäfte machen als jemals. Der Nationalsozialismus darf felsenfest
davon überzeugt sein, daß er in diesem Kampf gegen das Laster, positiv
gesprochen, m der Schulung der Gewissen an der Kirche die aller-
beste Bundesgenossin haben wird.
Es wäre eine heillöse Blutsvergiftung für das deutsche Volk, wenn
wenn seine Ehern oral, die bekanntlich der sicherste Maßstab ist für
den sittlichen Hoch- oder Tiefstand eines Volkes, die sittliche Ein-
schätzung der Ehe verlassen und zur nackten Rassenzucht herabsinken,
oder wenn das alte Schlagwort der Kommunisten von der sittlichen
Gleichheit der ehelichen und unehelichen Mutterschaft wieder aufge-
griffen und von Ernst Bergmann wiederholt wird: Es sei gleich ehren-
haft, ob ein deutsches Mädchen innerhalb oder außerhalb der Ehe Mutter
werde (Erkenntnisgeist und Muttergeist S. 404), wenn also die deutsche
Frau nur nach ihrem Züchtungswert eingeschätzt würde. Die Statistik
über die Zahl der Kinder in katholischen und nichtkatholischen Kreisen
hat festgestellt, daß auch der Geburtenrückgang im deutschen Volk
nicht ohne das christliche Sittengesetz aufgehalten werden kann.
80
Die Vorwürfe, die christliche Sittenlehre habe den moralischen
Niedergang des deutschen V o llc e s zur Folge gehabt und die
deutsche Frau entwürdigt, weisen wir als geschichtliche Unwahrheit
ebenso zurück wie jene "Willkür, die wegen menschlicher Schwächen
einzelner Personen in der bald 2000,iährigen Kirchengeschichte über die
Gesamtkirche den Stab bricht oder wegen sittlicher Verfehlungen ein-
zelner Geistlichen und einzelner Ordenspersonen auf die Gesamtheit
der Katholiken Steine wirft. Wir vertrauen, daß nach dem Wort des
Führers die deutsche Regierung auch fernerhin im Christentum das
stärkste Fundament der Sittlichkeit des Volkes erblickt und in Treue zu
ihrem Programm, das ölTentliche Leben sauber zu erhalten, Bühnen-
stücke und Filme, die dem christlichen Sittengesetz Hohn sprechen, von
den Spielplänen absetzt. Wir sind nach dem 4. Gebot zum Gehörsam
gegen die staatliche Obrigkeit verpflichtet. Es gibt aber ein objek-
tives, ewiges, göttliches Sittengesetz, das die Gewissen
der Katholiken bindet, und wo eine solche Bindung der Gewissen vor-
liegt, müssen wir eine Diktatur über die Gewissen ablehnen/imd die Auf-
fassung eines Ortsgruppenleiters zurückweisen, der eine Gewissensfrage
für eine Parteifr§ige erklärt, „die Außenstehende nichts angehe" (Orts-
gruppenleiter Bickel, Borghorst i. W.). Ebenso weisen wir mit Entrüstung
das Wort von Dr. Groß zurück, jeder Widerstand gegen ein Staatsgesetz
schaffe den Tatbestand des Hochverrats (Nationalsozialistische Monats-
hefte, Heft 64, Juli 1935, S. 601), auch wenn es sich um ein Staatsgesetz
handelt, das im Widerspruch mit den kirchlichen Gesetzen und mit dem
Gewissen steht.
Wir halten es für unsere Pflicht, Herr Führer und Reichskanzler, mit
Freimut , und Vertrauen auf die Gewissensnöte jener katho-
lischen Eltern hinzuweisen, die einerseits durch Kirchengesetz (can.
13,74) und noch feierlicher durch das Weltrundschreiben von Papst
Pius XL über die christliche Erziehung der Jugend vom 31. Januar 1929
im Gewissen verpflichtet sind, ihre Kinder in die Bekenntnisschule zu
schicken, anderseits durch den neuen Schulkampf um die Gemein-
schaftsschule im Gegensatz zur Bekenntnisschule in ihrem Gewissen sich
bedrängt fühlen. In Ihrer weltgeschichtlichen Rede im Reichstag 23. März
1933 haben Sie Ihr Wort gegeben, „in Schule und Erziehung den christ-
lichen Konfessionen den ihnen zukomnaenden Einfluß einzuräumen". Im
Reichskonkordat hat die deutsche Reichsregierung in Art. 23 „die Bei-
behaltung und Neueini'ichtung katholischer Bekenntnisschulen gewähr-
leistet." Da das RK. zugleich Reichsgesetz ist, stght die Bekenntnisschule
auf reichgesetzlichem Boden, und es ist unbegreiflich, wie in einem
Rechtsstaat die Eltern und Lehrkräfte, letztere als Staatsbeamte, di-^ für
eine reichsgesetzlich geschützte Schulart eintreten, als Volksfeinde ge-
scholten werden können. Die Deutsche Schulgemeinde -hat unter Führung
von Oberstadtschuldirektor Josef Bauer in offener Kampfgemeinschaft
mit den Parteistellen für die Schuleinschreibung in München 13. Februar
1935 einen Kampf gegen die Bekenntnisschule geführt, der in seinem
leidenschaftlichen und brutalen Ton die Anhänger der Bekenntnisschule
öffentlich als Verräter an der Volksgemeinschaft beschimpfte und einen
Gewissensterror ohnegleichen auf die Eltern ausübte, ohne sich zurück-
halten zu lassen durch die Erwägung, daß die Simultanschule von jeher
das Schul ideal des freisinnigen Liberalismus war und in den letzten
15 Jahren vom Marxismus als Übergang zur weltlichen Schule gefordert
wurde. Das Staatssekretariat Seiner Heiligkeit hat in einer diplomati-
schen Note vom 20. März 1935 gegen diese Verletzung des RK und diese
Bedrückung der Elterngewissen Einspruch erhoben. Der bis zum Über-
druß wiederholte Vorwurf, nur die Gemeinschaftsschule erziehe zur
Volksgemeinschaft, wurde am schlagendsten widerlegt von den Saar-
ländern, die niemals eine andere als die Bekenntnisschule besucht hatten
und doch am 13. Januar 1935 das überwältigende Bekenntnis zum deut-
schen Mutterland ablegten. Bei einer Besprechung im Bayerischen Staats-
81
ministerium für Unterricht und Kultus am 2, April 1935 wurde festge-
stellt, daß trotz aller Werbetätigkeit für die Gemeinschaftsscluüe die
Melurzahl der Eltern für die Bekenntnisschule abstimmte und daß, bevor
im Widerspruch mit dem Reichskonkordat durch einen Gewaltstreich der
Verwaltungsbehörden die Bekenntnisschulen in Bayern in gemischte
Schulen umgewandelt werden, die Entscheidung des Führers
eingeholt werden solle, ob er einem solcheh Vorgehen in Rücksicht auf
die allgemeine Politik zustimmen könne. Darum bitten wir Bischöfe
heute den Führer, diese Zustimmung zur Fortsetzung des Kampfes gegen
Belvenntnisschule und Reichskonlcordat zu versagen und das Gewissen
der katholischen Eltern nicht weiter unter so schweren Druck zu setzen,
überhaupt die Schulfrage als Gewisser^ssache, nicht als politische Partei-
frage behandeln zu lassen. • -
Eine überaus ernste Gewissensfrage bleibt' für uns die Frage des
Eides. Schon am 1. 3. 34 hat Kardinal Schulte von Köln im ,;Kirch~
liehen Anzeiger" auf Anfragen aus der Erzdiözese erklärt: „Laßt Euch
nicht beunruhigen und irremachen durch die, welche öffentlich zu sägen
wagten, eine Vereidigung verpflichtet zu einer Änderung der religiösen
Überzeugung. Für den Christen ist jede Eidesleistung zunächst und vor
allem eine feierliche Anerkennung der Majestätsrechte des allheiligen
Gottes. Sie kann deshalb niemal zu etwas verpflichten, was gegen Gottes
Gebot und Gesetz ist". Es ist und war von jeher katholische Lehre, daß
ein Eid als feierlicher Akt der Gottesverehrung unter Anrufung des
göttlichen Namens niemals eine Lästerung Gottes und eine Verunehrung
des göttlichen Namens werden darf, das heißt, daß er mit der Treue zur
Wahrheit und mit einem Gebote Gottep nicht in Widersprüche geraten
und nicht zu einer Leistung oder Unterlassung, verpflichten darf, die nach
katholischer Glaubens- und Sittenlehre einem Gebot Gottes wider-
sprechen würde. Die Zusage, Gott durch eine Sünde zu beleidigen, kann
also überhaupt nicht Gegenstand eines Eides sein. Die deutschen Staats-
beamten müssen und können' ruhigen Gewissens den Eid schwören: „Ich
werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu
un^ gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflicht
gewissenhaft erfüllen." Nach Erlaß des Herrn Reichsministers für Wis-
senschaft, Erziehung und Volksbildung vom 12. 7. 35 ist dieser Eid ohne
Vorbehalte und ohne Einschränkung zu leisten. Für den katholischen
Christen bedarf es nach dem oben Besagten keiner Vorbehalte und
keiner Einschränkung. Für sein Gewissen ist der Treueid eine heilig-
ernste Bindung vor Gott, wobei selbstverständlich nur solche Verpflich-
tungen übernommen werden, die mit Gottesgesetz im Einklang stehen.
Die Treue, mit der auch die katholischen Soldaten des Weltkrieges ihren
Fahneneid gehalten haben, gibt wahrhaftig keinen Anlaß, heute gegen
den Eid der katholischen Staatsbeamten mißtrauisch zu sein.
Im Namen der Gewissensfreiheit dürfen wir das Verständnis Euerer
Exzellenz auch dafür annehmen, daß viele katholische Beamte und Ärzte
in die schwersten Gewissenskonflikte gestoßen werden, wenn sie das .
Sterilisierungsgesetz durchführen müssen, weil sie im Weige-
rungsfall Gefahr laufen, ihre Stelle zu verlieren und samt ihren Familien
in die bitterste Armut zu geraten. Hier handelt es sich doch um Beamte,
deren Gewissenhaftigkeit ebenso in ihren übrigen Amtspflichten zutage
tritt, also um wertvolle Kräfte im Staatsdienst. Wir geben die Hoffnung
nicht auf, daß auch in dieser Frage eine friedliche Lösung sich finden
lasse. Etwa dadurch, daß solche Beamte und Ärzte, die nach ihrer all-
gemeinen Qualifikation für den Staatsdienst erhalten bleiben sollen, in
jenen Fällen, in denen sie aus Gründen des Gewissens bei der Durch-
führung des Sterilisierungsgesetzes nicht mitwirken können, eine Ver-
tretung erhalten, ohne im übrigen ihre Stelle aufgeben zu müssen. Wer-
tet man diese Frajge. nicht als Machtfrage des totalen Staates, sondern
als Gewissensfrage einer staatstreuen Beamtenschaft, wird sich eine
Lösung finden, ohne daß man viel in der Öffentlichkeit davon spricht.
82
Im Zusammenhang mit den Fragen der sittlichen Freiheit erheben
die Bischöfe einmütig Einspruch gegen die Diktatur der Ge-
heimen Staatspolizei, die fortwährend Bistumsblätter
und religiöse Drucke in Buchform beschlagnahmt, Seelsorger-
briefe unter die verbotenen Flugblätter rechnet und die persönliche Frei-
heit der religiösen Schriftsteller in einer Weise einschränkt, die eines
Kulturvolkes nicht würdig ist. Auch ohne Angabe von Gründen, . einzig
nach dem „Gesamteindruck" werden Bücher verboten (Bayer. Politische
Polizei, München 1. 7. 35). Für alle rechtlich Denkenden wird es ein Rät-
sel bleiben, wie etwa das Buch von Dr. Algermissen „Germanentum und
Christentum", ein so tiefgrabendes, wissenschaftliches Werk, von der
Staatspolizei unterdrückt werden konnte, weil es gegen die „Privat-
arbeit" von Rosenberg sich 'Oi^endete. Sie als Schriftsteller, Herr Reichs-
kanzler, verstehen unsere Klage über die Unfreiheit der früher katholi-
schen Zeitungen, sowie der katholischen Verlage, und unsere Teilnahme
für' solche Schriftsteller, die wegen ihrer Grundsatztreue oder wegen'
Abdruck eines kirchlichen Erlasses ,samt ihren Familien auf die Straße
gesetzt werden. Im besonderen bitten wir den Führer, den Bischöfen die
im Art. 4 des Reichskonkordats zugesagte Freiheit des Bischöf-
lichen Lehramtes zu gewähren, um „Anweisungen, Verordnungen,
Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter und sonstige, die geistliche Leitung
der Gläubigen betreffende Verfügungen" unbehindert zur Kenntnis der
Gläubigen zu bringen. Sollte sich einmal ein Zweifelsfall ergeben, dann
bitten wir, die Entscheidung darüber, ob Hirtenbriefe der Bi-
schöfe in den Kirchen vorgelesen werden dürfen oder nicht, einzig
dem neuen Kirchenminister vorzubehalten und uns üBischöfe in der
Ausübung unseres Lehramtes nicht im Widerspruch mit Art. 4 des
Reichskonkordates der Staatspolizei auf Gnade und Ungnade zu über-
lassen. Auf den Dörfern entsteht immer eine große Beunruhigung, nicht
zum Vorteil des Ansehens staatlicher Behörden, wenn Telephon oder
Gendarm Sonnabend in der Nacht oder Sonntag in aller Frühe das Ver-
bot' überbringen, ein Hirtenwort dürfe nicht verlesen werden. Wieder-
holt wurde ein Verbot auch für Hirtenbriefe überbracht, die dem Pfarr-
amt ganz unbekannt oder gar nicht zum Vorlesen bestimmt waren. Wir
urteilen hier nicht über die Diktatur als Staatsform., Die Diktatur in
religiösen Fragen ist immier auch eine Diktatur über die Gewissen.
Seh mä hungengegenPapst,Bischöfeundalles
Katholische
Verehrter Führer und Reichskanzler! Es sei uns weiterhin gestattet,
Ihr Augenmerk auf die immer mehr anwachsenden Schmähungen gegen
lapst, Bischöfe und alles Katholische zu lenken. Alfred Rosenberg hat
dem Papst Schimpfnamen beigelegt, die auch im Auslande helle Empö-
rung hervorgerufen haben. Qeist vom Geiste Rosenbergs und Ludendorffs
ist es, wenn Zeitungsschreiber dritten Grades Tag für Tag in Presse-
artikeln, deren Gedanken und Wortprägungen zum Teil aus alten kom-
munistischen Lügenquellen geschöpft sind, oder Dichterlinge in Spott-
liedern, wie in einem der neuen Devisenlieder, "cias Ansehen des
Papsttums herunterreißen und für eine romfreie Kirche Stim-
mung machen. Es wird uns versichert,, in manchen Arbeitsdienstlagern
würde über kein Thema so viel gesprochen wie über die Sünden der
Päpste, und auch außerhalb der Lager werde die schamlose Lüge ver-
breitet, der Papst habe den Siebziger Krieg und den Weltkrieg in Szene
gesetzt, um mit dem Blut der Millionen ein Geschäft zu, machen.
. Wir haben zu Ihnen, Herr Reichskanzler, das Vertrauen, daß
Sie dieser Hetze gegen das Papsttum ein Ende machen. Mit Ihnen hat
Papst Pius XL als erster Souverän des Auslandes durch das Reichskon-
kordat den Handschlag des Vertrauens getauscht. Ihnen hat Papst Pius XI.
am 13. März 1933 im Konsistorium vor aufhorchenden Vertretern anderer
83
Nationen das hohe Lob ausgesprochen, daß Sie als erster Staatsmann mit
Ihm vom Bolschewismus abrückten. Millionen im Ausland, Katholiken-
wie Nichtkatholiken, haben aui' diese Vertrauenskundgebungen des
Papstes hin das anfängliche Mißtrauen überwunden und Vertrauen zu
Ihrer Regierung gefaßt.
Unter diesen Verhältnissen ist es schwer verständlich, wie gegen das
Konkordat von deutscher Seite Schmähschriften geschrieben werden
• konnten wie die von Dr. Armin Roth im Verlage Ludendorff. Wer
behauptet, im Reichskonkordat sei Deutschland der nur gebende und
bezahlende Teil, der Papst der gewinnende Teil gewesen, wer also das
Konkordat nur nach seinen finanziellen Verpflichtungen beurteilt wie
einen Handelsvertrag, hat keinen Blick dafür, daß durch einen Vertrag
mit dem Heiligen Vater, in dessen Einleitung von den, „zwischen dem
Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen
Beziehungen" die Rede ist, das moralische Ansehen Ihrer
Person und Ihrer Regierung in einzigartigerweise
begründet und gehoben wurde. Es wäre für das deutsche Volk
ein Verhängnis von unabsehbarer Tragweite, wenn die friedliche, im
Konkordat verbürgte Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in den
sogenannten gemischten Rechtsfragen wieder abgebrochen imd durch
förmliche oder tatsächliche Aufkündung des Konkordates dieser ein-
zigartige, weltgeschichtliche Erfolg Ihrer Regierung im Vergleich mit
unseren westlichen Nachbarn und anderen Ländern wieder preisgegeben
würde. Herr Reichskanzler, Sie dürfen das Vertrauen des Pap-
stes nicht enttäuschen und das Reichskonkordat, dies©'' erste
außenpolitische Großtat vor Ihren Priedensreden, nicht zerbrechen. Sie
dürfen auch die Ehre Ihres Vertragspartners nicht in den Staub ziehen
lassen. Am 31. Jvili 1935 brachte der „Völkische Beobachter" unter der
Überschrift: „Moskau und Vatikan betreiben die Restauration der Habs-
burger, der Heilige Stuhl verhandelt mit den Bolschewisten über ein
Konkordat", sowie die ganze übrige Presse wohl als • Zwangsauf läge in
großen Schlagzeilen und sogar in Maueranschlägen die Meldung: „Ver-
handlungen über ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der
Sowjetregierung, Litwinow und der Papst arbeiten an der Rückführung
der Habsburger."- Eine Welle des Hasses und des Hohnes wälzte sich
auf diese Meldung- hin durch ganz Deutschland, Am 4. August 1935 er-
klärte der „Osservatore Romano" obige Meldung als den „Gipfel jour-
nalistischer Erfindungen, die offenbare, mit welchen grptesken Methoden
von gewissen Kreisen in Deutschland die öffentliche Meinung gegen den
Heiligen Stuhl aufzupeitschen versucht werde." ,Bis heute hat die
deutsche Presse nicht so viel Wahrheitssinn aufgebracht, obige Falsch-
meldung gegen den Papst richtigzustellen.
Wie gegen den Papst, so werden auch gegen die Bischöfe in
Wort und Druck Schmähungen und Verdächtigungen geschleudert, die
schon in ihrer Form, in Schimpfnamen wie „Zentrumsbischof", und in
Schlagwörtern aus dem Wortschatz des Liberalismus und Bolschewismus
die einfachsten Gesetze des öffentlichen Anstandes außer acht lassen.
„Frevelhafte Phantasien eines Erzbischofs" überschreibt der „Blitz" vom
30. 6. 1935 seine Schmähartikel über eine sachlich ruhige, wissenschaft-
liche Arbeit des Erzbischofs von Freiburg. „Unverschämte Herausforde-
rung von Partei und Staat durch den Bischof von Münster" verkündet
in großen Schlagzeilen der „Völkische Beobachter" vom 8. 7. 1935. „Freche
Verschleierungsmanöver des Erzbischöflichen Ordinariats Breslau" steht
am Kopf des Völkischen Beobachters vom 4. 6. 1935. Erzbischof Klein
von Paderborn wurde in Hamm auf der ■ Fahrt zur Kirche von HJ in
einer Weise angepöbelt, die an die Straßenszenen . der französischen Re-
volution erinnert. Bischof Bornewasser von Trier wurde am 26. 5. 1935
in ähnlicher Weise nach der Firmung in Kreuznach wieder von HJ be-
lästigt und beschimpft. Wie die Bischöfe vielfach auch sonst auf ihre
84
Beschwerden entweder gar keine Antwort oder eine nichtssagende
Empfangsbestätigung erhalten, hat sich auch der Reichs Jugendführer,
an den die Beschwerde des Bischofs von Trier ging, bis heute weder
durch die Gesetze des Anstandes noch durch die Gesetze der Gerechtig-
l^eit verpflichtet gefühlt, eine Antwort zu geben. In München wurde in
einer Versammlung der Deutschen Schulgemeinde am 15. 2. 35 (Redner
Stadtschulrat Bauer), ebenso in einer Versammlung der Deutschen Glau-
bensbewegung am 17. 5. 35 (Redner Landesleiter Backofen), ebenso in
einer Versammlung des Ludendorff-Redners Dr. Engel am 13. 6. 35
wiederholt und stürmisch zur Ermordung des Erzbischofs von München
aufgefordert, und in gleicher Weise wurde die Nennung irgendeines
Bischofsnamens mit den Zwischenrufen begleitet: „Hängt ihn auf! An die
Wand mit ihm!", Die Bischöfe mögen tun, was sie wollen, durch Kir-
chenbauten Arbeit beschaffen, Saarkundgebungen erlassen, das Winter-
hilfswerk empfehlen, alles wird als Ausdruck staatsfeindlicher Gesin-
nung oder als Heuchelei verdächtigt. In einer Rede haben Sie, Herr
Reichskanzler, " einmal ein erschütterndes Wort gesprochen: „Was ich
auch .mache, es wird alles mißdeutet. Was soll ich überhaupt noch
machen!" Wir Bischöfe fühlen uns manchmal in der gleichen Lage. Die
Rücksichtslosigkeit, mit der die Geheime Staatspolizei Hirtenbriefe der
Bischöfe verbietet und die Gründe, die sie für solche Maßnahmen an-
gibt, müssen Ehr- und Rechtsgefühl tief verletzen.
Auch unser Klerus wird mit ewigem Mißtrauen beobachtet
und wie in den schlimmsten Zeiten des siebziger Kulturkampfes über-
wacht. Für die Predigten sind Horchposten aufgestellt, junge Menschen, '
die über religiöse Fragen gar kein Urteil haben und ihre ganze Anklage
oft auf einzelne falschverstandene Wörter aufbauen. Auf deren An-
gebereien hin wird der Geistliche verurteilt oder auf die Schwarze Liste
gesetzt, ohne daß ihm Gelegenheit gegeben wird, aus seinem Predigt-
manuskript den Wortlaut des Gesagten und das Gesamtthema festzu-
stellen. Die Geistlichen müssen sich in Zeitungen und auf der Gasse als
„Schwarze Hunde", als „Schwarze Bande", als „Halunken" beschimpfen
lassen, ohne daß ihnen ein staatlicher Schutz zuteil wird. In der Nähe
des Jugendlagers bei Lenggries war seitens der oberhirtlichen Stelle von
München ein Altar für die freiwillig zum Gottesdienst sich Meldenden
aufgerichtet worden. Eines Tages war der Altar mit Inschriften be-
schmiert: „Pfaffen an die Wand! Hängt die Pfaffen, die Devisenschieber!"
Eine behördliche Untersuchung wurde nicht vorgenommen. Das Volk
aber erkannte die Täter, als kurz darauf HJ aus dem gleichen Lager
durch das Dorf Lenggries einen Umzug hielt mit dem Sprechchor: „Was
tun wir mit den Pfaffen? — Aufhängen, aufhängen!" Hier werden
Schrittmacher des Bolschewismus gezüchtet, hier wird eine Saat gesät,
die zwangsläufig auf eine blutige Ernte hinausläuft.
Es hat zuweilen den Anschein, als hätten die Katholiken in
Deutschland überhaupt keinen Anspruch mehr auf Ehrenschutz und
Gerechtigkeit. „Überstaatliches Gesindel" konnte „Der Heidelberger
Student" in der Nummer 4. Mai 1935 die Katholiken beschimpfen. „Kir-
chenmoi'al mit doppeltem Boden" durfte „Das Schwarze Korps" die
Nummer vom 12. Juni 1935 groß überschreiben. „Der große Schwindel
vom jüdischen Eingottglauben" war im „Morgenrot" vom 1. Juli 1935 zu
lesen. „Jude und Christ sei gleich" meinte Dr. Engel in einem Vortrag
am 2. Juli 1935. In einer großen Zahl von Tages- und Wochenzeitungen
werden die Katholiken fast in jeder Nummer mit einer Flut von Un-
wahrheiten und Verleumdungen Übergossen.
Mit Entrüstung weisen wir besonders auf die Versuche der aller-
jüngsten Zeit hin, einen geistigen und politischen Zusammenhang?
zwischen den deutschen Katholiken und den russi-
schen Bolschewisten herzustellen. Deshalb, weil ein ein^
zelner marxistische Schriften verteilte, kann doch ein solcher Zusammeftü
85
hang nicht behaupte^ werden. Deshalb, weil eine Moskauer Jugendzeit-
schrift bei unserer katholischen Jugend sich anbiedern will oder ein
kommunistisches Flugblatt in einer recht plumpen und verdächtigen
Weise sich an die Katholiken wendet, kann doch den Katholiken, die auf
derartige Annäherungsversuche in keiner Weise eingehen, eine Gesiri-
nungsgemeinschaft nicht nachgesagt werden. In aller Welt kann man
doch nur den Verfasser eines Briefes oder Flugblattes und den Ver-
teiler, nicht den Empfänger für den Inhalt des Machwerkes verantwort-
licii machen. Wir weisen also Zeitungsartikel und Maueranschläge mit
der Überschrift „Moskau schürt den politischen Katholizismus" zurück
und erblicken in solchen Kundgebungen einen planmäßigen Versuch, im
deutschen Volk Stimmung für einen K u Iturkampfzu machen.
Was ist politischer Katholizismus?
Kundgebungen von höchsten Regierungsstellen in der letzten Zeit .
zwingen uns, auch die Frage des politischen Katholizis-
mus zur Sprache zu bringen. Herr Ministerpräsident Göring hat ii;i
seinem Erlaß vom. 18. 7. 35 den neuen F-eldzug gegen den politischen
Katholizismus damit begründet, der politische Katholizismus wolle dem
nationalsozialistischen Staat „im Kampf entgegentreten". Herr Reichs-
justizminister Dr. Gürtner hat hiezu die Strafverfolgungsbehörden unter
Hinweis auf verschiedene Gesetze, darunter auf das Gesetz „gegen
Neubildung von Parteien" verpflichtet, gegen den politischen
Katholizismus „Strafen zu beantragen, die nach dem Rechtsempfinden
des Volkes der . Gefährlichkeit dieser Staats- und volksfeindlichen Um-
triebe und der Gewissenlosigkeit der Täter "Entsprechen". Der politische
Katholizismus soll also als besonders gefährlicher, staatsfeindlicher, ge-
wissenloser Um trieb mit einer nur in der Klassenjustiz bisher üblichen
Formel „nach dem Rechtsempfinden des Volkes" gestraft
werden. Soll dadurch der katholische Volkst^il nicht der , Willkür aus-
geliefert und das Vertrauen auf deutsche Rechtssprechung erschüttert
werden, ist es unerläßlich, vor allem über das Wesen des politischen
Katholizismus sich klar zu werden und eine klare Scheidung zwi-
schen dem' politischen und dem nichtpolitischen
katholizis m u s zu vollziehen? Ist es politischer Katholizismus, wenn
ein Katholik der Auffassung ist, die Bekenntnisschule stehe auf dem
Rechtsboden des Konkordats, also auf reichsgesetzlichem , Boden, könne
also von jedem Staatsbeamten als Recht erklärt werden? Ist es politi-
scher Katholizismus, wenn man die katholische Jugend, auch die Staats-
jugend, an das .Gebot der Kirche erinnert, an jedem Sonn- und Feiertag
die hl. M^sse zu besuchen? Ist es politischer Katholizismus, wenn man
sagt, der Staat habe nach göttlichen Geboten kein Recht, altersschwaches
Leben einzuschläfern oder Kirchengut zu enteignen? Wir haben schon
bisher schmerzlich erlebt, daß mit diesem Schlagwort aus der liberalen
Zeit alles, aber auch alles, was ein Bischof in pflichtmäßiger Ausübung
seines Lehr- und Hirtenamtes tut, als, politische Kundgebung und als
machtpolitisches Streben verdächtigt werden kann. Wir kön-
nen nicht glauben, daß der Herr Ministerpräsident sich die Auffassung
einiger Stellen der Geheimen Staatspolizei zu eigen macht, die jede
Genera l.kommunion der Jugend, jede Wallfahrt, jede Abend-
feier in der Kirche, sogar den sakramentalen Segen eines Bischofs bei
einer Abendandacht, auch die Einführung des Ewigen Gebetes als
Demonstration des politischen Katholizismus erklärt.
Nach dieser Auffassung könnte die neue Kampflosung gegen den politi-
schen Katholizismus ein Freibrief werden, um auch den religiösen
KathoHzismus rechtlos und schutzlos unter Staatsaufsicht zu stellen, und
eine Blankovollmacht an die Polizei, um den Katholiken alle möglichen
Staats- und volksfeindlichen Umtriebe ohne jeden Beweis aufzubürden
, und die Bischöfe als Führer des politischen Katholizismus zu verdäch-
86 ^
tigen und „ohne Rücksicht auf die Person und Stellung des Täters"
anzuklagen.
, Um eine Antwort auf die Frage, wo der religiöse Katholi-
zismus aufhört und der politische Katholizismus an-
fängt, müssen wir die Gesetzgeber um so lauter bitten, als Herr Staats-
minister Adolf Wagner am 13. 7. 35 den SA-Führern in Erding erklärte,
es gehe in der nächsten Zeit überhaupt nicht gegen die Kommunisten,
sondern gegen die Katholiken unter der Losung: „Entweder deutsch oder
katholisch". Die Definition, die „Das Schwarze Korps" vom 24. 7. 35 vom
politischen Katljolizismus gibt, öffnet der Willkür in der Justiz alle Tore.
Der politische Katholizismus, -schreibt diese Zeitung, lasse eingeschmug- '
gelte Hetzschriften gegen den nationalsozialistischen Staat verteilen, ver-
sorge die reichsfeindliche Presse mit politischen Tendenzmeldungen,
stehe in Verbindung mit Freimaurern, und Kommunisten, treibe die
Gläubigen durch Hirtenbriefe, im Beichtstuhl, durch konfessionelle
Vereine in Gegensatz zum Nationalsozialismus. Es gehe ihnen um die
politische Macht, um den Abfall im 16. Jahrhundert wieder wettzu-
machen und das Mittelalter wieder heraufzuführen und „die schmutzigen
und verräterischen Geschäfte des Zentrums fortzusetzen". Solche Ver-
brechen dürfen über die Kathpliken > ohne jede Spur von Beweis be-
hauptet werden. Dann folgen in der gleichen Zeitung, wieder ohne jeden
peweis, Schimpfnamen wie klerikale Dolchstößler, Hochverräter in der
Priesterkutte usw. Ähnliche Auslassungen, die selbst in der kommuni-,
stischen Rätezeit im Kampf gegen ,die Kirche nicht übertroffen wurden,
Anden sich auch in der Zeitschrift „Deutsche Volksschöpfung" 1935
Folge 12, wo das Christentum ein greisenhaftes Ungeheuer, eine Mischung
aus Dummheit und Irrwahn, der Schwindel einer herrschsüchtigen
•Priesierschaft genannt wird, und so geht es Tag für Tag in Zeitungen
und Zeitschriften weiter. Herr Reichskanzler! Darüber dürfen sich die
verantwortlichen Stellen nicht täuschen, daß durch solche Hetzartikel unter
der Flagge „gegen den politischen Katholizismus" iri Zeiten politischer
Hochspannung nicht bloß der wildeste Kulturkampf, son-
dern auch die blutigste Kirchen- und Priesterverfol-
gungvorbereitetwird.
Wenn der Gegensatz zum Staafoder einem Staats-
gesetz das Kennzeichen des politischen Katholizismus sein soll, ist
nicht einzusehen, warum die Deutsche Glaubensbewegung
nicht auch als politische Bewegung erklärt wird. Die Reichsregierung
betont feierlich, sie stehe auf christlichem Boden, die Deutsche Glau-
bensbewegung dagegen lehnt das Christentijm ab. Die Reichsregierung
verbürgt im RK. den Fortbestand der theologischen Fakultäten, die
Glaubensbewegung erklärt im Gegensatz zur Reichsregierung: Wir wer-
den nicht ruhen, bis die theologischen Fakultäten aus den Hochschulen
verschwunden sind (Backofen, München 17. Mai 1935). Trotz dieses
Gegensatzes zu staatlichen Gesetzen und Gründsätzen erhebt niemand
gegen die Deutsche Glaubehsbewegung den Vorwurf, sie. sei eine poli-
tische Bewegung, während die Katholiken, die das Heidentum und die
Gewissensdiktatur der kulturpolitischen Nebenregierungen ablehnen, so-
fort mit dem Vorwurf des politischen Katholizismus bedacht werden.
Überall, wo der Geist von Rosenberg, dem Schulungsleiter der national-
sozialistischen Weltanschauung, herrscht, wird jeder katholische Christ,
er mag tun, was er will, schon in seinem Dasein als Staats- und Volks-
feind betrachtet werden. Nur so erklären sich viele Maßnahmen von
behördlichen und parteiamtlicl>en Stellen, die jede Bekundung dogmen-
treuen Christentums im voraus mißtrauisch beol^achten und ohne richter-
liche Beweisaufnahme verurteilen. In den Augen dieser Behörde gelten
im voraus christlicher Glaube und Treue zur Kirche als unvereinbar mit
der Treue zum Staat. In dieser Atmosphäre haben auch die in ganz
Deutschland verbreiteten Plakate der letzten Wochen „Deutsches Vollt:,
87
horch auf" eine neue Sturzwelle des Hasses gegeri die Katholiken auf-
gewühll, ohne daß die MilHonen Leser sich darüber klar waren, was
politischer und was religiöser Katholizismus sei.
Es Itann unmöglich die Absicht der Staatsregierung sein, mit dem
neuen Stichwort vom politischen Katholizismus die Katholiken von dem
inneren Miterleben der Wende in unserem Volk und von dem äußeren
Mitwirken in der Staatsgemeinschaft auszuschließen. Erst recht nicht
die Biscliöfc, die den Bischofseid des RK. Art. 16 schwören, „pflicht-
mäßig um das Wohl und Interesse des deutschen Staatswesens besorgt
zu sein". Es gibt eine Reihe von Fragen, die sowohl eine politische
.Seite haben, die also, wie dieses Wort sagt, zum Rechtsgebiet des Staates
gehören und Gegenstand eines staatlichen Gesetzes sein können, und zu-
gleich eine religiöse Seite haben, also für das religiös-sittliche Leben
bedeutsam sind und Gegenstand eines göttlichen oder kirchlichen Ge-
setzes sein. Ivönnen. Für die sogenannten gemischten Fragen wurde im
RK. die friedliche Zusammenarbeit der kirchlichen
und staatlichen Kräfte vereinbart. Die Mitarbeit in diesen
Fragen kann also nicht von dem Vorwurf des politischen
Katholizismus getroffen werden. Zu Art. 32 des RK., dessen nähere
Bestimmungen „für die Geistlichen und Ordensleute die Mitgliedschaft
in politischen Parteien vmd die Tätigkeit für solche Parteien aus-
schließen", gibt, das Schlußprotokoll des RK. in verbindlicher Form die
Erklärung, das „bedeute keinerlei Einengung der pflicht-
mäßigen Verkündigung und Erläuterangderdogma-
tischen und sittlichen Lehren und Grundsätze der
Kirche". Wo immer also diese Sittenlehren und Grundsätze der Kirche,
auch solche, die sich auf das Gemeinschaftsleben eines Volkes beziehen,
im staatsbejahenden Sinn verkündet und erläutert werden, kann von
einem staatsfeindlichen politischen Katholizismus nicht die Rede sein.
In diesem Zusammenhang ersuchen wir, Herr Reichskanzler, Ihre
Regierungsstellen, endlich einmal das Mißtrauen gegen die Ka-
tholische Aktion abzulegen und die neue Kampf losung gegen den
politischen Katholizismus nicht auf diese rein religiöse Sache zu über-
tragen. Die Katholische Aktion ist nicht „getarnte hinterhältige Politik",
sondern eine vom Papst für die ganze katholische Welt angeordnete seel-
sorghche Einrichtung, die nach strenger Weisung des Heiligen Vaters
unter der Verantwortung der Bischöfe jeden politischen Nebengedanken
ausschließt und eine größere ' Aktivität der Laien zu rein religiösen
Zweclcen erwecken wül. Die sogenannte Pf arr j ugend, die im Erlaß
des Herrn Reichsführers Himmler vom 23. Juli 1935 erwähnt wird, hat
mit den bisherigen Jugendvereinen nichts zu tun, ist vielmehr eine auch
in andern katholischen Ländern längst bestehende Einrichtung der
Katholischen Aktion zu dem Zweck, die gesamte katholische Jugend
einer Pfarrei ohne Rücksicht darauf, ob sie sonstwie organisiert ist oder
nicht, zu religiösen Weihestunden, zu liturgischen Sprechchören . oder
Gesängen oder sonstigen rein religiösen Veranstaltungen zusammenzu-
fassen. Es wäre wirklich an der Zeit, diese Angst vor der Katholischen
Aktion wie vor einem Gespenst abzulegen.
Konfessionelle Vereine, besonders Jugend- und Arbeitervereine
In den letzten Wochen ist eine Flut von Erlassen über die kon-
fessionellen Vereine ergangen. Der Herr Reichsminister des
Innern hat am 20. Juli 1935 die Landesregierungen angewiesen, den kon-
fessionellen Verbänden das Tragen von Uniformen und das öffentliche
Auftreten mit Fahnen und Abzeichen sowie jeden Geländesport zu ver-
bieten. Herr Reichsführer Himmler hat am 23. Juli 1935 in gleichem
Sinn in positiver Weise die Betätigung der Verbände auf das r?in kirch-
lich-religiöse Gebiet beschränkt. Unterbehörden sind auch "hier auf
eigene Faust weit über die Verordnungen der obersten Reichsbehörden
' 88 •
hinausgegangen, indem sie außerdem dasVermögenvonJugend-
gruppen beschlagnahmten und katholische Verbände ' nicht
bloß auf das rein religiöse Gebiet beschränkten, sondern vollständig
auflösten. So das Bezirksamt Wasserburg in Oberbayern bereits am
19. Juli 1935 und der badische Innenminister am 23. Juli 1935 in bezug
auf die Deutsche Jugendkraft. Solches Vorgehen ist mit Art. 31 des RK.
nicht ■ vereinbar, weil dort unter bestimmten Voraussetzungen, die bei
diesen Vereinen erfüllt waren, der staatliche Schutz zugesagt wurde.
Auch die Beschlagnahme des Vereinsvermögens ist unvereinbar mit
Ihrem feierlichen Wort, Herr Reichskanzler, am 21. Mai 1935, im Dritten
Reich werde das Privateigentum im Gegensatz zum russischen Bolsche-
v/ismus geachtet. Andere Stellen, unter den ersten der Herr Regierungs-
präsident von Niederbayern und die Bürgermeister von Duisburg und
Würzburg, haben die Beamten und Angestellten ihres Amts-
bereiches verpflichtet, ihre Kinder aus den konfessionellen Jugendver-
bänden herauszunehmen. Wieder andere haben eine Erklärung an Eides-
statt abgefordert, daß weder sie selber noch jemand aus ihrer Familie
einem konfessionellen Verband angehören. Die ausführenden Organe
haben da und dort sogar die Mitgliedschaft bei Marianischen Kongre-
gationen, bei Bruderschaften und dem III. Orden festgestellt und Mit-
gliederverzeichnisse abgefordert, ohne sich darum zu kümmern, daß im
1. Absatz des Art. 31 diesen rein religiösen Vereinen und Bruderschaften
der staatliche Schutz sogar bedingungslos gewährleistet ist. Dieses
Vorgehen brachte für die Beamten und Angestellten einen unerträglichen
Gewissenzwang und einen Widerspruch mit der wäederholten amt-
lichen Erklärung, die HJ sei' eine freiwillige Organisation und der
Beitritt zur Staatsjugend müsse ein freiwilliger bleiben und dürfe nicht
erzwungen werden (so der Reichs Jugendführer vor ausländischen Presse-
vertretern nach Dnb. 4. April 1935).
Der gegenwärtig gegen diekatholischen Vereine to-
ben d,e Vernichtung.s kämpf steht im Widerspruch mit dem
Reichskonkordat und im schreienden Widerspruch rnit Ihrem Brief, Herr
r Reichskanzler, an. Herrn Kardinal Bertram vom 28. 4. 33: „Ich darf
Ihnen, Herr Kardinal, versichern, daß, insoweit solche
X Verbände keine parteipolitischen, dem 'je tilgen Re-
giment feindlichen Tendenzen pflegen, auch keine
Absicht besteht, sie aufzulöse n". Wir Bischöfe, auf deren
Gewissen die Aufsicht über die katholischen Vereine liegt, verbürgen
uns, daß diese katholischen Verbände keine politischen oder gar, was
Wahnsinn wäre, dem jetzigen Regiment feindlichen Tendenzen pflegen.
Nur ein Voreingenommener kann in diesen Vereinen Überreste vergan-
gener Parteien und getarnte Zentrumspolitik erblicken. Die Vorstände
der kirchU.chen ^Verbände geben uns nach genauer Umschau und Um-
frage^'nüchmals die~ Erklärung ab: „Die katholischen kirchlichen Ver-
bände werden dem d'eiTf&chBiT Volk und Vaterland im nationalsozialisti-
schen deutschen Staat stets in Opfermut und Treue dienen. Wir lehnen jede
staatsfeindliche Haltung oder Handlung von Mitgliedern strengstens ab.
Wir enthalten uns auch strengstens jeder politischen Tätigkeit." Ebenso
erklären die Vorstände der katholischen Jugendverbände gegenüber den
verhetzenden Artikeln der letzten Zeit: „Es ist nie und nirgends an
katholische Jugendverbände ein Bündnisangebot kommuni-
stischerJugend oder sonst von kommunistischer Seite gerichtet
worden, und es ist selbstverständlich für uns als Katholiken und als
deutsche Staatsbürger, daß jeder derartige Versuch sofort zurückgewie-
-sen und gerichtlicher Verfolgung übergeben würde." Die Bedingungen
Euerer Exzisllenz in dem Schreiben an Herrn Kardinal Bertram sind
also erfüllt, und wir bitten, daß nun auch der dort zugesicherte Schutz
den katholischen Verbänden gewährt werde
Wir verstehen nicht, wie Regierungsstellen so tief unter die staats-
männische Linie herabsinken können, daß sie über die Farbe von Hemd
89
und Hose der Jungmänner strenge Vorschriften ei'lassen und den jungen
Menschen, denen unser Hcj'rgott eine schöne Hciinut und gesunde Glie-
der gab, das gemeinsame Wanclern und Singen in ihrer Heimat, das
Spielen und Turnen mit ihren ticsunden Gliedern verbicitcn wollen.
.Solche Vei^bole greifen an ein Naturreeht. Trotzdem verpilichtcn wir die
katholische Jugend, sich an diese .staatlichen Unit'ormverbote zu halten,
bis eine weitere Regelung getroffen wird. So aber, wie heute noch der
Geist in den s t a a 1 1 i c h e n J u g e n d o r g a n i s a t i o n e n u n d
J VI g e n d 1 a g e r n i s t, bei diesem HalÜ gegen Christentum und Kirche,
bei diesen Vorurteilen gegen alle l^atholischen Altersgenossen, können
wir katholische E 1 1 e r n n i c h t v e r p J: 1 i c h t e n, ihre Kinder
in die staatlichen Jvigendorganisationen zu schiclcen. Ja wir müssen die
katholischen Eltern warnen, ihre Söhife solchen Führern anzuver-
trauen, die planmüßig und zielbewußt das Christentum und seine Ver-
tz-eter als Widerspruch mit dem deutschen Wesen verächtlich machen
und so die Jugend in ihrem Glauben erschüttern und in ihrem Gewissen
belasten. Katholische Eltern haben uns erklärt; „Solange das Wort des
Reichsjugendlührers vom 5. 11. 34 im Preußenhaus zu iSerlin: ,Der Weg
Rosenbergs ist aucli der Weg der deutischen Jugend' nicht zurückgenom-
men wird, solange die Staatsjugend auf Tagungen und in Lagern nicht
grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen Gelegenheit zum Gottesdienst er-
hält, solange dort, solche Feindseligkeit in religiösen- Fragen und solcher
Haß gegeii alles Katholische an die Jugend herangetragen werden, so-
lange unsere Söhne also nicht mitmachen können ohne Gefahr, ihren
Glauben zu verraten und ihr Gewissen zu verwirren, solange können
wir Eitern unsere Kinder nicht in die Staatsjugend schicken."
In der Zeit der Parteienherrschaft war es notwendig, in den Vereinen
parteipolitische Fragen zu, behandeln und die Mitglieder gegen die mar-
xistische Agitation ihrer Arbeitskollegen zu schützen. In dieser Be-
ziehung haben die berufsständischen Organisationen einen vaterländi-
schen Dienst geleistet. Heute, da eine autoritäre Regierung die Parteien
abgelöst hat, fällt die Notwendigkeit einer besonderen parteipolitischen
Schulung fort, besteht also für unsere Vereine kein Bedürfnis mehr und
kein' Verlangen nachi parteipolitischer Schulung. Wer heute in das
Vereinslefoen parteipolitische, regierungsfeindliche Strömungen leiten
wollte, müßte unnachsichtlich aus dem Verein entfernt' werden. Wir
leiden schwer darunter, daß trotz dieser politikfernen Haltung die Vereine
in ihrer Tätigkeit unterbunden und womöglich noch vor Abschluß der
Verhandlungen zu Art. 31 des RK., zu deren Fortsetzung wir
jederzeit bereit sind, zum Absterben gebracht werden sollen.
Es müßte doch möglich sein, in den staatlichen Verbänden die kir-
chenfeindliche Einstellung :^um Schweigen zu brin-
gen, die Roheiten in sittlicher Beziehung abzuschaffen, die Freiheit
der Gewissen zu wahi'en, den Besuch des Gottesdienstes an Sonn- und
Feiertagen grundsätzlich uhd tatsächlich zu ermöglichen' und nur geistig
und charakterlich ernste Führer vor die Front zu stellen. Ohne Bürg-
schaft dafür, daß diese Voraussetzungen erfüllt werden, kann über eine
friedliche Zusammenarbeit der staatlichen und katholischen Jugend-
organisation-en überhaupt nicht gesprochen werden. Vor Diplomaten und
ausländischen Pressevertretern äußerte sich der'Reichsjugen'dführcr am
2. 5. 35 in Berlin dem Sinne nach folgendermaßen: Ich habe nichts da-
gegen, daß die konfessionelle Jugend Deutschlands in konfessio-
nellen Verbänden organisiert ist mit rein religiösem
Streben, Nach einer' solchen Beschränkung auf rein religiöse Er-
ziehungsarbeit ita Sinne konfessioneUer Seelsorge v/ürde ich bereit sein,
das Verbot der Doppelmitgliedscha'ft für HJ und konfessionelle Ver-
bände aufzuheben. , .' Herr Führer! Um. das Ziel zu erreichen, das in
diesen Worten von ferne gezeigt wird, muß allerdings nach unserer
Überzeugung ein persönliches Eingreifen Ihrer alle
90
Nebenführer überragenden Autorität erfolgen. Unsere
Jugendvereine sind bereits auf rein religiöse Aufgaben eingestellt unter
Ausschluß aller politischen Nebenziele. Das Icann aber nicht bedeuten:
Sie sind in die Sakristei eingesperrt. In unseren Augen ist es ein
Naturrecht der Jugend, unter freiem Himmel in .jugendtümlicher Frei-
heit und Frohheit Spiel und Sport (ohne militärische Formen,- also ohne
Wehr- und Geländesport) zu treiben.
Für die Arbeiter- und Arbei terihn en ver e'ine,wurde
das Verbot der Doppelmitgliedschaft von Herrn Reichs-
organisationsleiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, in den
Erlassen vom 27. 4. 34 und 22. 7. 35 aufrechterhalten, bei der Veröffent-
lichung durch die ., Nationalsozialistische Parteikorrespondenz" wird aber
amtlich beigefügt; „Zugehörigkeit zu konfessionellen
kirchlichen Organisationen und' Verbänden, die aus-
schließlich religiösen,' kulturellen oder caritätiven Zwecken dienen, ist
selbstverständlich auch für die Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront
gestattet und gilt nicht als Doppelmitgliedschaft im vor-
stehenden Sin n". Die katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnen-
Vereine, deren Mitglieder, bis 95 vom Hundert der Deutschen
Arbeitsfront angehören, hatten sich schon vor dem Erlaß des
22, 7. 35 durch neue Statuten und neue Namen unter Ausschluß aller ge-
.werkschaf tlichen und berufsständischen Ziele auf r^in religiöse, kultu-
relle und caritative Aufgaben umgestellt. Trotzdem wurde und wird in
vielen Betrieben das Verbot der Doppelmitgliedschaft, teilweise mit An-
drohung dar Entlassung, durchgeführt und werden die Arbeiter gezwun-
gen, entweder aus der. Arbeitsfront oder aus ihrem religiösen Verband
auszutreten. Auch hier bitten wir den Führer, ein autoritatives
Wort zu sprechen, daß diese Arbeiter und Arbeiterinnen nach wie
vor bei der Deutschen Arbeitsfront bleiben dürfen, ohne von ihrem auf
rein religiös-kulturelle Aufgaben beschränkten Verband sich abwenden
zu müssen. Ebenso bitten wir, daß durch die Vorträge bei der Arbeits-
front und sonstige Darbietungen die religiöse Überzeugung der katho-
lischen Arbeiter nicht verletzt und daß ihr Vereinseigentum samt den
wirtschaftlichen Rechten, die sie sich pfennigweise in der vergangenen
Zeit erworben haben, nicht angetastet werde. Wir Bischöfe übernehmen
auch hier die Bürgschaft, daß die neuen Sjatzungen, die alle parteipoli-
tischen und gewerkschaftlichen Ziele ausschalten, streng eingehalten
werden.
Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens
Eine harte, aber unabweisbare Pflicht ist es uns Bischöfen, Ihnen,
Führer, und Reichskanzler, noch folgende Erklärungen abzugeben: Im
gläubigen Volksteil, nicht bloß im katholischen, droht eine große Beun-
ruhigung einzureißen, weil das Vertrauen auf die Wahrheit
der B e r i c h-t e in Zeitungen und Sendern und, was noch' schwerer in
die Waage fällt, das Vertrauen auf die unparteiische
Rechtspflege erschüttert zu werden droht. Das Volk versteht nicht,
warum den Vertretern der Kirche fortwährend „Einmischung in
politische Dinge" als Verbrechen angerechnet wird, während die
Politiker unbeanstandet in rein Icirchliche Dinge und sogar in dogrpa-
tische Fragen zwischen Himmel und Hölle eingreifen. Das Volk versteht
nicht, warum die Religion nicht mit der Politik, wohl aber die Politik
mit der Religion fortwährend verquickt werden darf. Warum über-
eifrige Behörden den (nicht kolonnenmäßigen) Kirchgang der Ju-
g e ii d zu einem Gottesdienst ' für eine Störung der öffentlichen Ruhe
halten können, während die Umzüge der SA-Kolonnen mit den gröbsten
Schmähtmgen gegen „Pfaffen und Juden" keine Störung der öffentlichen
Ruhe sind. Warum die Zeitungen und Sender Tag für Tag in großer
Aufmachung von Devisenverbrechen einzelner Ordenspersonen
91
und von den ..Sitilichen Vei-brechen der Barmherzigen Brüder" („Völ-
ki.-xhor Bcobachler" 31. Juli 1935) berichten, während die Sittenstaüstik
der Parieigcnossen mit dem Mantel des Schweigens zugedeckt wird.
Warum den Salesianern in Endorf Bayern das B ü h n e n s t i^i c k „D e r
Weinberg des Herr n", das die Eucharistie verherrlicht, also ganz
unpolitisch ist, verboten wird, „wegen einseitig konfessioneller Tendenz"
(2Ü. Juni 1935), während das Drama „Pfarrer Peder", das „die seelischen
Folgen des Zölibats" bckandelt, für die kommende Spielzeit Emgekündigt
wird, und eine Theatergruppe der „Kraft durch Freude" als Wander-
gruppe Theaterstücke aufführt mit Titeln wie „Die Liebesbeicht" und
„Kreuzlschreitaer". In letzterem Stück wird nicht bloß das Dogma von
der Unfehlbarkeit des Papstes verspottet, es wird auch der ganze
Bauernstand als Analphabetenherde („Kreuzlschreiber") dem Spott preis-
gegeben, ausgerechnet in einer Zeit, in der Sie, Herr Reichskanzler, "d a s
Standesbewußtsein undAnsehen des Bauernstandes
gehoben haben. Wir erinnern an die Rede in Königsberg 4. März 1933,
an die Rede 11. März 1933 und besonders an die Rede im Reichstag
30. Januar 1934, wo der Bauernstand der starke Rückhalt der Nation
genannt wird. Das Volk versteht nicht, warum in dem in Aussicht ge-
nommenen N r m a 1 k a 1 e n d e r des Reichsinnenministeriums jene Per-
sonennamen weniger Hausrecht haben sollen, die zwar biblischen, also
nichtdeutschen Ursprungs sind, wie die Namen der Engel und Apostel,
die aber durch Kirchengeschichte und Liturgie dem Volke lieb gewor-
den sind, wie die Namen der Märtyrer und späteren Heiligen, auch aus
anderen Völkern, und mit denen die Chroniken der deutschen Familien
und die großen Stunden der deutschen Geschichte unlöslich verbunden
sind. Ihr persönliches Feingefühl für Volkspsychologie, Herr Reichs-
kanzler, wird uns nachfühlen, wie stark das Vertrauen und die innere
Ruhe des Volkes durch solche Dinge erschüttert werden. Die Unter-
drückung der Pressefreiheit hat eine zweifache traurig'e Wir-
kung: Die einen halten sich Auslandsblätter und hören di^ oft
unwahren Meldungen von Auslandssendern " — ein unnatürlicher und
grotesker Zustand! Und im Volke bilden sich, gerade weil -die früher
katholischen Zeitungen dieser Volkskreise unterdrückt wurden, wilde
Gerüchte und Auffassungen, die eine freudige und vertrauensvolle
Mitarbeit ungünstig beeinflussen. Wir gestatten uns, dieser Denkschrift
Euerer Exzellenz den Hirtenbrief nachzusenden, den wir gleich-
zeitig an Klerus und Volk richten und worin wir vor diesen Gerüchten
warnen, nachdem wir zuvor gegenüber der Propaganda des Heidentums
zur Treue im Glauben ermahnt, den unendlichen Wert des Gottesglau-
bens für die sittliche Weltordnung dargelegt, das Recht der christlichen
Familie auf Bekenntnisschule betont und ein besonderes Wort an, die
Jugend gerichtet haben.
Unruhe und Mißtrauen im katholischen Volk werden noch größer
werden, wenn der Aufruf des Herrn Reichsministers Dr. Frick in Essen
(Dnb. 4. August 1935) zur Entkonfessionalisierung des
öffentlichen Lebens sich auswirkt. So wie erfahrungsgemäß
Untertaehörden in ihrem Haß- gegen alles Katholische die Aufrufe der
obersten Reichsstellen ausführen, ohne daß ihnen von dorther Einhalt
geboten wird, müssen wir gefaßt sein, daß zur Entkonfessionalisierung
oder, wie bereits gesagt wurde, zur Entrümpelung des öffentlichen Lebens
jedes Feldkreuz, jedes Marienbild an der Außenwand alter Bürger-
häuser, jede von einem Heiligennamen übernommene Bezeichnung von
Dörfern und öffentlichen Plätzen, am Ende sogar jede Kirche und Ka-
pelle an öffentlicher Straße als konfessionelle Demonstra-
tionen aufgefaßt werden.
Zu dieser Frage „Freiheit des Kultes" mögen sie uns, Herr Führer
und Reichskanzler, noch gestatten, zu einer anderen Verordnung der
jüngsten Zeit vom kirchenrechtlichen Standpunkt aus^ Stellung zu neh-
92
men. In Konzentrationslagern und Untersuchungsgefängnissen wird seit
etwa dreiviertel Jahren den Gefangenen der Empfang des
Büß Sakramentes verweigert. Nicht einmal in der österlichen
Zeit, in der das Kirchengetaot zum Empfang der hl. Sakramente streng
verpflichtet, wurde es ilinen zugestanden. Die Verwaltung der hl. Sakra-
mente aber, also auch die Zulassung zur Beicht, ist eine rein kirchliche
Angelegenheit und dem Befinden des weltlichen Richters entzogen. Die
für die Gefangenen bestellten Geistlichen werden selbstverständlich
nicht in das Gebiet des Untersuchungsrichters eingreifen, vielmehr den
Sträfling zur absoluten Wahrhaftigkeit und Anerkennung der staatlichen
Obrigkeit verpflichten und so zur inneren Umstellung und Besserung
der Gefangenen mithelfen. Wir 'Bischöfe bitten Sie, Herr Reichskanzler,
das grausame, eines Kulturstaates unwürdige Beichtverbot auf-
zuheben und jene, die freiwillig nach den Sakramenten verlangen, in
den Lagern und Gefängnissen zu den hl. Sakramenten einschließlich der
Beicht zuzulassen. Ebenso bitten wir, auch den zum Tode Verurteilten
auf deren Wunsch den priesterlichen Beistand vor dem Vollzug des
Urteils zu gewähren. Was die Franzosen als Feinde unserem tapferen
Schlageter gestatteten, möge von deutschen Richtern nicht verweigert
werden.
Sehr geehrter Herr Reichskanzler! Die deutschen Bischöfe haben mit
allem Freimut, aber auch mit allem Vertrauen, Ihnen, dem Führer, mit
dem tiefen Bewußtsein der Verantwortung vor Gott (Reichstagsrede
21. Mai 1935) die heutige Lage der katholisdhen Kirche im Dritten Reich
geschildert und Ihnen aus den Sorgen heraus, die uns angesichts der
kulturpolitischen .Entwicklung der letzten Zeit auf der Seele lasten, die
Bitte vorgetragen, das Unglück eines neuen Kulturkampfes von unserem
Volk fernzuhalten. Wir versichern nochmals, wir haben nicht aus
Frevide an der Kritik, geschrieben und nich^t aus macht-
politischen Atasichten. Wir haben es für unsere Pflicht ge-
halten, 'Männer mit Namen zu nennen, die, um Ihr eigenes Wort zu ge-
brauchen, „die völkische BcAvegung in die Krise religiöser Streitigkeiten
hineinziehen" („Mein Kampf" S. 631). — Wir wollten aber dabei sachlich
bleiben- und nicht Personen anklagen, auf daß diese irgendwie benach-
teiligt oder im Gegenteil befördert würden. Wir haben geschrieben in
pflichtmäßiger Sorge um die Rechte der Kirche in kirchlichen Dingen,
in Sorge um die Gewissensfreiheit der deutschen Katholiken, in der
Überzeugung, daß die Entchristlichung unser Volk in namenloses Un-
glück stürzt, und in dem festen Vertrauen, daß der Führer persönlich
die friedliche Zusammenarbeit von Staat und Kirche und nicht den
Kulturkampf will. Wir halten uns an Ihr Wort: „Ein Angriff gegen
die Dogmen (der Kirche) gleicht sehr stark dem Kampf
gegen die allgemeinen gesetzlichen Grundlagen des
Staates." („Mein Kampf" S. 293). Wir sind nach wie vor gewillt und
Entschlossen, in bejahender Einstellung zum Staat mit den unvergleich-
lichen moralischen Kräften der katholischen Religion dem deutschen
Volk zu dienen und^ Ihr Erneuerungswerk zu unterstützen. Wir hoffen
nur, als Bischöfe und'als treudeutsche Männer, daß diese Mitarbeit nicht
durch staatliche Gesetze und Forderungen gehemmt werde, die einem
göttlichen Gebot und damit unserem Gewissen widersprechen. Wir bitten
den allmächtigen Gott,' daß Er das Leben' unseres Führers und Reichs-
kanzlers in Seinen Schutz nehme und zu Ihren großen staatsraännischer
'Zielen, im besonderen zur Beschaffung von Arbeit, zur Erhaltung de;
europäischen Friedens, zur Festigung der inneren Einheit unserer Volles-
gemeinschaft, Seinen allmächtigen Segen gebe.
Mit dem Gruß der Ehrfurcht
Fulda, 20. August 1935.
Adolf Cardinal Bertram, Erzbischof von Breslau.
Michael Cardinal Faulhataer, Ei-zbischof von München.
9$
\
Carl Joseph Cardinal Schulte,' Erzbischof von Köln.
Jakobus, Erzbischof von Bamberg.
Kaspar, Erzbischof von Paderborn.
Konrad, Erzbischof von Freiburg.
Sigismund Felix, Bischof von Passau.
Joseph Damian, Bischof von Fulda.
WilhelKi, Bischof von Osnabrück. l
Ludwig, Bischof von Speyer.
Franz Rudolf, Bischof von Trier.
Matthias, Bischof von Würzburg.
Johannes Baptista, Bischof von Rottenburg.
Michael, Bischof von Regensburg,
Antonius, Bischof von Limburg.
Joseph, Bischof von Augsbui'g.
Maximilian, Bischof von Ermland,
Joseph, Bischof von Aachen.
Konrad, ernannter Bischof von Berlin, zugleich für Elchstätt,
Petrus, Bischof, von Meißen.
Clemens August, Bischof von Münster.
Joseph Godehard, Bischof von Hildesheim.
Albert, ernannter Bischof von Mainz.
Franziskus Hartz, Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl.
Prälat Dittert, Generalvikar des Preuß, Anteils der Erzdiözese Prag.
Prälat Nathan, Generalvikar des Preuß, Anteils der Erzdiözese Olraütz.
bb. Denkschrift der deutschen Bischöfe an das
Reichsministerium für die kirchlichen
Angelegenheiten am 13, Januar 1937
Eine Antwort auf die ernste Denkschrift der Gesamtheit der
deutschen katholischen Bischöfe vom Jahre 1935 ist nie erfolgt.
Die kirchen- ujnd christentumsfeindlichen Maßnahmen gingen un-
verändert weiter, ja verstärkten sich andauernd. So salien sich
Deutschlands katholische Kirchenfürsten gezwungen, eine neue
Denkschrift zu Händen des Reichskirchenministers aus-
zuarbeiten.
Pflichtgemäß und nachdrücklich auf die großen Wider-
sprüche zwischen dem Reichskonkordat und der Wirklichkeit
hinweisend, wiederholen die deutschen Bischöfe nicht weniger als
siebzehnmal die Formel: „Nach dem Reichskonkordat" „In '
Wirklichkeit". Es sind wirklich 17 Keulenschläge verant-
vi/ortlicher Wahrheitskünder voll apostolischen Freimutes, die wert
sind; auch heute noch in ihrer Wucht wiedergegeben zu wWden.
Fulda, den 13. Januar 1937..
Die deutsche Bischofskonferenz in Fulda an das
Reichs m i nisterium für kirchliche. Angelegenheiten
inBerlin,.
Die deutschen Bischöfe halten es für ihre Pflicht, auf die großen
WidersprüchezwischendemReichskonkordatundder
94
W 1 r k 1 1 c hic e 1 1 mit allem ernsten Nachdruck hinzuweisen. Insbeson-
dere seien folgende Feststellungen gemacht:
l.Das Rcichskonkordat (RK.) gibt in seiner Einleitung als Zweck an:
„Die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich be-
stehenden Freundschaft liehen Bez;iehungen zu. festi-
gen und /SU fördern" und „das Verhältnis zwischen der katho-
lisciion Kirche und dem Staat für den gesamten Bereich des Deut-
schen Reiches in einer für beide Teile befriedigenden Weise dauernd
'/M regeln".
In W i r k 1 1 c h k e i t werden die Beziehungen zwischen dem
Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich dauernd von fast der ge-
samten parteiamiliehen PresiJe, von parteiamtlichen Rednern und
Leitern, in, Kursen und Schulungslagern aufs schwerste g e s t ö r t und
erschüttert. Der Heilige Stuhl wird als überstaatliche Macht
neben den Juden und Freimaurern erklärt und behandelt und eine
romfreie Kirche als unerläßliche Forderung für ein fx'eies und einiges
Deutschland' aufgestellt. Eine befriedigende Regelung des Verhält-
hiöses zwischen der' katholischen Kirche und dem Staat wird dadurch
völlig und absichtlich unmöglich gemacht. Es wird auch schon offen
ausgesprochen, daß die katholische Kirche in Deutschland keinen
Plat^ mclir habe und deshalb verschwinden müsse. Wir verweisen
insbesondere auf die Gesamthaltung und viele Einzelbeiträge der
Blätter der SS (Das Schwarze Korps), der, SA (Der SA-Mann), des
NSLB, des Reiclisschulungsomtes und der Deutschen Arbeitsfront
(der Schulungsbrief) mit einer Auflage von 1 Million 340 Tausend,
dos NSD-Stucientenbundes (Die Bewegung), der nationalsozialistischen
Jugend (Wille und Macht), der HJ und des BDM, die alle auf den
Kampf gegen die k^itholische Kirche, ja sogar gegen das Chri-
tentum überhaupt eingestellt sind. Den „Stürmer" wollen wir
unter den anderen Blättern gar. nicht nennen, weil er nach
unserer Ansicht dem Ansehen des • deutschen Volkes ' noch viel
mehr schadet als dem Ansehen der. Kirche und des geistiic'hen Stan-
des. Aber mit ebenso bitterem Schmerz wie männlichem. Freimut stel-
len wir nochmals fest, daß das parteiamtliche Schrifttum dos Dritten
Reiches an der Entchristhchung Deutschlands und dem Untergang
der Icatholischen Kirche arbeitet. Eine Folge davon ist eine weit-
gehende Verwirrung und Verbitterung, namentlich unter der Jugend,
und die immer zunehmende, mit parteiamtlichem Druck vielfach ge-
. förderte Kirchenaustrittsbewegung.
■ >■
2. Artikel I des RK. „gev/ährleistet, die- F r e i h e j t des Bekennt-
nisses und der öffentlichen Ausübung der Icatholischen
Religion."
In W i r li 1 i c h k e i t ist die katholische Kirche in Deutschland in der
Freiheit des Bekenntnisses und der Ausübung der Religion kaum je
mehr gehindert gewesen als jetzt. Außerhalb der Kirche und
kirchenoittenen Gebäuden werden Vori;ammlungen und Kundgebungen
überhaupt verboten. In der Kirche seibst Priester aufs schärfste ülDor-
wacht, da und dort wird sogar schon der Gottesdienst selbst; einge-
schränki;. Jede Abwehr von Angriffen aus gottlosen und antichrist-
lichen Kreisen auf Kirche und Christentum wird als Kampfstellung
gegen Staat und Regierung gedeutet, so daß viele Staat und Regierung
mit der Christentums- und larchenfcindlichen Bewegung zu identifi-
zieren scheinen. Vv^ährend so die Gegner des Christentums und der
Kirche auch für die gehässigste und verlogenste Bekämpfung freies
Wort und freie Feder haben, während kirchen- und christentums-
foindliche Blätter und Bücher vielfach parteiamtliche Empfehlungön
erhallen und von Partei wegen verbreitet werden, wird der Kirche
^dio Abwehr von Unrecht und Unwahrheit und die Aufklärung gOHoa-
über völliger Entstellung ihres Wesens und ihrer Geschichte versagt.
95
/
\
3. Nach Artikel 4 des RK. „genießen die Bischöfe und sonstigen Diö-
zesanbehörden für ihren Vei'l^ehr mit den Gläubigen in allen An-
gelegenheiten ihres Hirtenamtes volle Freiheit. Anweisungen,
Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter und sonstige die
geistliclie Leitung der Gläubigen betreffende Verfügungen, die von
den kirchliclien Behörden im Rahmen . ihrer Zuständigkeit erlassen
werden, können ungehindert veröffentlicht und in den bisher üblichen
Formen zur Kenntnis der Gläubigen gebracht werden."
In W i r Ic 1 i c h k e i t wurden Hirtenbriefe wiederholt be-
schlagnahmt und ihre Verlesung, ja sogar die Drucklegung im
Amtsblatt verboten (so der Hirtenbrief dec^ bayerischen Bischöfe vom
13. Dezember 1936). Von ungehinderter Veröffentlichung der Hirten-
briefe und freiem Verkehr zwischen Bischöfen und Gläubigen kann
demnach kein Ende sein. Die Veröffentlichung der Hirtenbriefe und
Ansprachen der Bischöfe wurde in Bistumsblättern (Kirchenblättern)
direkt verboten. Sogar den Hirtenbrief gegen den Bolschewismus, der
doch im Anschluß an die Besprechung mit dem Führer auf Ober-
salzberg iuid nach dem Sinne desselben erlassen wurde, hat die
Staatspolizei in München unter Sicherheit genommen.
4. Nach Artikel 5 des RK. „wird der Staat gegen Beleidigungen
der Person der Geistlichen oder ihrer Eigenschaft als Geist-
liche sowie gegen Störungen ihrer Amtshandlungen nach Maßgabe
der allgemeinen staatlichen Gesetzgebung vorgehen und im Bedarfs-
fall behördlichen Schütz gewähren." '
In Wirklichkeit werden die Geistlichen in ihrer Person und in
ihrer Eigenschaft als Geistliche in kaum noch zu übertreffender Weise
beleidigt und verächtlich gemacht in parteiamtlichen
Blättern, so im „Stürmer", im „Schwarzen Korps", in den „Führer-
blättern der ,HJ" usw. Anstatt die Geistlichen vor Beleidigungen zu
schützen, wird der geistliche Stand von Organen und Blättern, die
im Dienste der Partei stehen, aufs schwerste verletzt.
5. Nach Artikel 7 des RK. „bedürfen Geistliche zur Annahme einer An-
stellung oder eines Amtes im Staate das nihil obstat ihres
Diözesanbischofs sowie des Ordinariats des Sitzes der öffentlich-recht-
lichen Körperschaft",
In Wirklichkeit ist im Reichsministerium für Kirchenangelegen-
heiten selbst ein Geistlicher angestellt, der das nihil obstat weder
von seinem Diözesanbischof noch von dem zuständigen Ordinarius hat.
6. Nach Artikel 15 des RK. „unterliegen Orden und religiöse Genossen-
schaften 'n bezug auf ihre Tätigkeit in der Seelsorge, im Unterricht,
in der Krankenpflege und caritativen Arbeit keiner besonderen
Beschränk un g".
In Wirklichkeit wird die Tätigkeit' der Orden und religiösen
Genossenchaften im Unterricht, in der Krankenpflege und caritativen
Arbeit immer mehr eingeschränkt, werden ihnen Arbeits-
gebiete entzogen, welche sie seit Jahrhunderten in opfervollster und
erfolgreichster Weise gepflegt . haben, und es tritt immer deutlicher
die Absicht hervor, die Orden wie auch die freie katholische Liebes-
tätigkeit ./überhaupt aus ihrem Arbeitsfeld zu verdrängen.
7. Nach Artikel 17 des RK. „wird das Eigentum mit anderen Rech-
.ten der Verbände der katholischen Kirche an ihrem Vermögen
nach Maßgabe der allgemeinen Staatsgesetze gewährleistet".
In Wirklichkeit sind wiederholt Eingriffe in dieses
Eigentumsrecht gemacht und Einsprüche dagegen nicht weiter
beachtet worden, obwohl es sich um offenkundige Rechts- und Eigen-
tumsverletzung handelte.
96
8. Nach Artikel 21 des RK. „ist der katholische Religions-
unterricht in den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und
höheren Lehranstalten ordentliches Lehrfach und wh^d in
Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirclie er-
teilt, Den kirchlichen Oberbehörden wird Gelegenheit gegeben, im
Einvernehmen mit der Schulbehörde zu prüfen, ob die Schüler Reli-
gionsunterricht in Übreinstimmung mit den Lehren und Anordnungen
der Kirche erhalten".
In W i r l'T 1 i c h k e i t werden der Kirche in der ordentlichen und
pflichtmäßigen Erteilung des Religionsunterrichtes an den genannten
Schulen vielfache Schwierigkeiten und Hindernisse be-
reitet und manche Lehrkräfte erteilen den Bibelunterricht nicht in
Übereinstimmung mit den Lehren und Anforderungen der Kirche,
benützen ihn sogar zum Kampf gegen die Kirche, insbesondere zum
Kampf gegen das Alte Testament.
9. Nach Artikel 23 des RK. „bleibt die Beibehaltung und Neueinrich-
tung katholischer Bekenntnisschulen gewährleistet.". .
In W i r k 1 i c •• k e i t tobt ein gewaltiger, auch von parteiamt-
lichen Organen geförderter Kampf gegen die katholische
Bekenntnisschule und werden alle Mittel der Agitation, des Druckes
und moralischen Zwanges angewandt, um auf die Eltern einzuwirken,
dal3 sie ihre Kinder aus der Belcenntnisschule herausnehmen.
10. Nach Artikel 21 des RK. „werden an den katholischen Volksschulen
nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören
und Gewähr bieten, den besonderen Erfordernissen der Be-
kenntnisschule zu entsprechen".
In Wirklichkeit sind in diesen Schulen auch Lehrer angestellt,
welche ganz offen gegen ihre Kirche auftreten und sie be-
kämpfen, ja sogar Lehrer, welche aus der katholischen Kirche aus-
getreten sind oder ihr überhaupt nie angehört haben.
11. Nach demselben Artikel werden im Rahmen der allgemeinen Berufs-
ausbildung der Lehrer „Einrichtungen geschaffen, die eine Ausbil-
dung katholischer Lehrer entsprechend den besonderen Er-
fordernissen der katholischen Bel^enntnisschule gewährleisten".
In Wirklichkeit waren alle Bemühungen der Bischöfe um Durch-
führung dieser Konkordatsbestimmung erfolglos.
12. Nach Artikel 25 des RK. „sind Orden und religiöse Kongregationen
im Rahmen der allgemeinen Gesetze und gesetzlichon Bedingungen
zur Gründung und Führung von Privatschulen berechtigt".
In Wirklichkeit werden die klösterlichen Privat-
schulen zum Teil überhaupt aufgehoben oder wird doch deren
Weiterführung so erschwert, daß sie von selbst aufhören müssen.
13. Nach dem gleichen Artikel des RK. „gelten für Angehörige von
Orden oder religiösen Genossenschaften hinsichtlich der Zulassung
zum Lehramt und für Anstellung an Volksschulen, mittleren oder
höheren Lehranstalten die allgemeinen Bedingur!£;en".
In Wirklichkeit werden diese Orden von Anstellung an
Volksschulen jetzt überhaupt ausgeschlossen.
14. Nach Artikel 31 des RK. „sind diejenigen katholischen Orga-
nisationen und Verbände, die ausschließlich religiösen, rem
kulturellen und caritativen Zwecken dienen und als solche der kirch-
lichen Behörde unterstellt sind, in ihrer Einrichtung und in .-hrer
Tätigkeit geschützt".
In Wirklichkeit wird es Beamten, Lehrern und Angestellten
vielfach unmöglich gemacht, noch weiter solchen Organisatio-
nen anzugehören, es wird der Austritt auch direkt und unter .\n-
Kreuz und Hakenkreuz 7 Bd. II nrj
drohung von schweren Nachteilen verlangt, das sogar von einer so
ausschließlich religiösen Vereinigung wie der Lehrerinnenlcongre-
gation.
15. Nach dem gleichen Artikel „sollen auch jene katholischen Organisa-
tionen, die außer religiösen, kulturellen oder caritativen Zwecken
noch anderen, darunter auch sozialen oder berufsständi-
gen Aufgaben dienen, den gleichen Schutz genießen, sofern sie
die Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen
' Partei zu entfalten". Die Feststellung der Organisationen und Ver-
bände, die unter die Bestimmung dieses Artikels fallen, bleibt verein-
barlicher Abmachung zwischen der Reichsregierung und dem deut-
schen Episkopat vorbehalten.
In Wirklichkeit haben diese Organisationen, auch wenn sie sich
verpflichteten, ihre Tätigkeit außer jeder politischen Partei zu entfal-
ten, nicht nur keinen Schutz, sondern die größten Schwierigkeiten
gefunden, so daß sie durch den auf sie ausgeübten Druck und mora-
lischen Zwang vielfach zum Erliegen gebracht wurden. Die
Vereinbarung zwischen Reichsregierung und Deutschem Episkopat
wird von dem letzteren seit mehr als drei Jahren erbeten, bisher
ohne jeglichen Erfolg.
16. Nach Artikel 33 des RK. „soll bei Meinungsverschieden-
heiten wegen der Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung
des RK. in gemeinsamen Einvernehmen zwischen dem HI. Stuhl und
Deutschem Reich eine freundschaftliche Lösung herbeigeführt wer-
den".
In Wirklichkeit hat die Reichsregierung in solchen Fällen
keine freundschaftliche Lösung herbeigeführt, sondern
ist ganz einseitig vorgegangen.
17. Das R K. wird nicht nur in einigen seiner Bestimmungen verletzt,
sondern auch als Ganzes bekämpft. Es wird als überholt erklärt
und von manchen auf gleiche Stufe gestellt mit dem Versailler Ver-
trag, obwohl es sich bei letzterem um ein Gewaltdiktat handelt, beim
Konkordat aber um einen völlig freien Vertrag. Da die katholische
Kirche in Deutschland ein Recht hat auf Durchführung des Konkor-
dates und da sie auch selbst an dessen Bestimmungen gebunden ist,
ersuchen wir, mit allem Nachdruck Verletzungen und eine Bekämp-
fung desselben künftig hintanhalteri zu wollen.
c. Ein Freundschaftsecho aus Nordamerika.
Unter dem 18. November 1937 richtete der nordamerikanische
Episkopat nachfolgendes Schreiben an Deutschlands katholische
Bischöfe (veröffentlicht im „L'Osservatore Romano" vom 27. No-
vember 1937):
„Wir, die wir mit der deutschen Hierarchie verbunden sind
durch das Band des heiligen Glaubens und durch viele
andere Bande, fühlen innig mit. Familien deutschen
Blutes, dasin denAdernvielerunsererMitbürger'
fließt, haben in derTat zurBlüte des katholischen
und nationalen Lebens unseres Landes bei-
getragen. Wir amerikanischen Bischöfe wünschen daher, Zeug-
nis unseres Gemeinschaftsgefühls mit Euch, verehrte Brüder in
Deutschland, in dieser Stunde zu geben. Und wir b.estätigen Euch
98
aufs neue unsere aufrichtige Sympathie, unsere echte Bewunde-
rung, unsere tiefe Zuneigung."
Unter Hinweis auf den schmerzlichen Konflikt spricht das
Schreiben aus, daß der amerikanische Episkopat die
Entwicklung der Verfolgung in Deutschland vier
Jahre lang verfolgt hat und überzeugt ist, daß die Gegner
der übernatürlichen Religion, indem sie in ihrer verhängnisvollen
Tätigkeit fortschreiten, „wahrlich umsichtiger gewesen sind als die
Söhne des Lichts". Ausgehend von gelinden Einschränkungen
sind die Urheber des so wohl durchdachten antireligiösen Planes
heute bei der Unterdrückung angelangt. Heute wird das
Gefühl der Gläubigen in der ganzen Welt beleidigt
durch die Ideen und die Taten des Neuheidentums und durch
die Tätigkeit seiner Führer, die auf die Zerstörung des Christen-
tums und auf das Schwinden jeder wahren Kenntnis des Gesetzes
Gottes und der Liebe zu ihm aus dem Gewissen des deutschen
Volkes gerichtet ist.
Eine unanfechtbare Pest Stellung dieser verhängnis-
vollen Ziele findet sich in der Enzyklika vom 14. März, dem
„neuen feierlichen Beweis der großen Liebe
Pius' XL für Deut seh Tand." Dort zeigt der Hl. Väter die
Verteidigung der Kultur gegen den Bolschewismus, den auch
Deutschland bekämpft, „in dem Grundgesetz der katholischen
Moral". Aber das Neuheidentum leugnet mit den Gütern dieser
Kultur und Moral auch jene anderen ruhmvollen Schätze der deut-
schen christlichen Nation; es leugnet die Erlösung, nimmt der
Kirche Chriöti das Ansehen, bekämpft ihr sichtbares Haupt, wür-
digt das katholische Priestertum herab. Die Mittel selbst, mit
denen der Kampf geführt wird, beweisen die Absicht, die inan
auf alle Weise daiiiit verfolgt: die Ehrenrührigkeits-
prozesse — deren Durchführung in Amerika „das gerade Gegen-
teil" erzeugt — , die hauptsächlich unter der Jugend betriebene
Propaganda mit schändlichen Beschuldigungen
in Zeitschriften, Zeitungen, Büchern und Radioübertragungen; der
ausgeübte Druck zur Verleitung zum Glaubens-
abfall al? Zeichen der Loyalität gegenüber dem Regime, während
man eine entsprechende Verteidigung stört oder unterdrückt, all
das erweckt den Eindruck, „daß den Katholiken und allen übrigen
deutschen religiösen Gruppen, die an eine übernatürliche Religion
glauben, die Mittel einer gesetzmäßigen Verteidigung verweigert
werden, die einem jeden freien Volk gewährt sind."
Ungeachtet des scharfen planmäßigen Konfliktes schließt jedoch
das Schreiben mit Worten festen Vertrauens: „Der Glaube
lebt noch und wird immer leben und am Ende
triumphieren. Gott sei Dank, daß die Zahl der Starken be-
ständig wächst und daß das Beispiel ihrer Tugend immer mehr
geschätzt wirä; sie sind die Hoffnung des deutschen Volkes, sio
99
sind ein Vorbild für die gläubige Welt. Es ist Euer ruhmreiches
Vorrecht, sie zu ermutigen und zu stützen. Die Kirche
Amerikas, die l^atholische Welt und alle Gläu-
bigen sind mit Euch brüderlich in Christus ver-
bünde n."
3. Der einmütige bayerisclie Episkopat.
Die acht Bischöfe Bayerns haben alljährlich eigene Konferenzen
zur Beratung der besonderen kirchlichen Angelegenheiten' ihres
Landes Im Anschluß an solche gemeinsame Beratungen verötl'ent-
lichen sie des öfteren eigene Hirtenbriefe. Auch in den Jahren 1933
bis 1945 geschah dies fast Jahr für Jahr.
a) Eine deutliche Sprache schon im ersten Jahr.
Kraftvoll ist der ^Widerstand, der sich auch hier zeigt, bereits
im Mai 1933:
Zweck des Hirtenwortes:
„Die letzte Zeit hat in unserem bayerischen und deutschen Vater-
lande die Verhältnisse völhg umgestaltet und eine ganz neue Lage ge-
schaffen, die auch für das religiös-sittliche und für das kirchliche Leben
überaus bedeutsam ist. Die Geister sind vielfach noch sehr erregt. Un-
klarheit herrscht in manchen wichtigen. Angelegenheiten; viele Gemüter
sind voll Unruhe und Sorge. Daher wollen wir bayerischen Bischöfe an
Euch ein Hirtenwort richten, das beitragen soll zur Klärung und Be-
ruhigung, zur Wiederkehr • des inneren Friedens, der brüderlichen Ge-
sinnung und christlichen Liebe."
Dem Staat, was des Staates, der Kirche, was der Kirche
ist!
„Der Staat ruht auf dem Fundament des christlichen Glaubens und
der christlichen Sitte: er hat Recht, und Pflicht, darüber zu wachen, daß
diese seine Grundlage nicht erschüttert wird. Aber das Reich des
Glaubenslebens und der kirchlichen Ordnung selbst
muß der Kirche überlassen bleiben. Ein Übergr-eifen
des Staates in den Wirkungs- und Rechtsbereich der
Kirche mag noch so gut gemeint sein, es muß trotzdeln zum Unheil
führen. Sc notwendig und segensvoll die harmonische Zusammenarbeit
zwischen Staat und Kirche ist, so verhängnisvoll wirkt es sich nach dem
Zeugnis der Geschichte aus, wenn mit Machtmitteln des Staates in das
Leben der Kirche eingegriffen, wenn Kirche und Staat verschmolzen
werden, wenn die Kirche zur Dienerin des Staates herabgewürdigt wer-
den soll. Wir sind dankbar für die Erklärung des Reichskanzlers, daß
,die Rechte der Kirche nicht geschmälert, ihre Stel-
lung zum Staate nicht geändert werden wir d.'"
Keine National- oder Einheitskirche!
„Der Versuch, gewaltsam eine National- oder Einheits-
kirche herbeizuf ühi-en, ist damit von vornherein verurteilt. Daß die
katholische Kirche nicht zu einer National kirche gemacht
werden kann, sagt schon ihr Name. Das Programm einer Nationalkirche
bedeutet für den Katholiken einen Abfall von seinem Glauben. Die Ver-
suche, eine deutsche Nationalkirche zu gründen, haben jedesmal kläg-
lich geendet. Das wird uns aber nicht hindern, im Sinne einer leben-
digen Verbindung zwischen Christentum und Volks-
100
t u m zu arbeiten in der Überzeugung, daß, wie die Erneuerung des Vol-
kes nur aus den Quellen unseres hl. Glaubens kommt, so auch das
Christentum mit den Lebenstiei'en des Volkes innig verwachsen sein
soll."
Gerechtigkeit, nicht Mach'tprinzip!
„Nach einem alten Wort ist die Gerechtigkeit die Grundlage der
Staaten. Nicht nach dem heidnischen Machtprinzip, sondern
nach dem christlichen Prinzip der Gerechtigkeit und Liebe muß
das Verhältnis der Staaten untereinander und das gegenseitige Ver-
hältnis der Glieder ein und desselben Staates geregelt und geordnet sein.
Der Rechtsstaat gewährleistet allen seinen Angehörigen Gleich-
heit vor dem Rechte. Weil aber die Staatsregierung die Aufgabe hat,
über das Gemeinwohl zu wachen, kann sie nicht dulden, daß das Recht
des Einzelnen zum Schaden der Allgemeinheit werde. Daher kann sie
auch nicht tatenlos zusehen, wenn einige wenige wirtschaftlich starke
Kräfte immer weiter Wirtschaft und Handel fast für sich
allein in Beschlag nehmen und die Schwächeren vollständig er-
drücken. Es ist. durchaus im Sinne des Wirtschaftsprogramms unseres
Hl. Vaters, wenn die Staatsregierung die Volksgemeinschaft vor völliger
Vermachtung durch einzelne Kreise schützt und wenn sie auch die
Handhabung des Rechtes auf Sondereigentum abstimmt
auf die Erfordernisse des Gemeinwohl s."
Gleiches Recht für alle!
„Wir hoffen, daß die Reichsregierung nicht die Bestrebungen und
das Vorgehen jener billigt, die grundsätzlich einen verschie-
d e n en Rechtsmaßstab anlegen oder das Wort , Gleichschal- .
tung' in einer Weise anwenden wollen, die der Versicherung des Herrn
Reichskanzlers widerspricht, daß er ,die Gleichheit vor dem Rechte allen
zubillige, die mit für die Nation eintreten und die der Regierung ihre
Unteistützun';i nicht versagen.' Wie wir für unsere deutschen Brü-
der in fremden Ländern Gleichberechtigung fordern und Aus-
nahmegesetze verurteilen, so müssen wir gegenüber Angehö-
rigen des eigenen Staates jede Rechtsverletzung und
Rechtsungleichheit grundsätzlich ablehnen. Wir sind
verpflichtet zu Gerechtigkeit und Liebe gegen alle Menschen."
Ein unleugbares Recht der Eltern
„Wir haben stets mit allem Nachdruck Bekenntnisschulen
gefordert, in denen die Erziehung auf dem Glauben aufgebaut wird und
der Seelsorger kein Fremdling ist. Die jährlichen Erklärungen der
Eltern bei der Schuleinschreibung geben Zeugnis dafür, daß der Wille
der Eltern sich mit dem Willen der K.irche deckt. Nachdem der Herr
Reichskanzler versichert hat, das Konkordat mit dem Hl. Stuhl zu
achten, halten wir durch dieses sein Wort auch die im Konkordat fest-
gelegte Bekenntnisschule für gesichert. Zu einer, allgemeinen
Gemeinschaftsschule in irgend einer Form könnten
wir nie und nimmer unsere Zustimmung gebe n."
Einalt esRechtderKirche
„Lange, bevor andere sich um diese Jugend angenommen haben,
hat die Kirche sie gesammelt in unpolitischen katholischen
Vereinen, welche die körperliche und seelische, die religiös-sittliche
und berufliche Ertüchtigung zum Ziele haben und insbesondere auch
Heimats- und Vaterlandsliebe pflegen. Rund eine und eine halbe
Million Jugendliche sind in diesen Vereinen zusam-
mengeschlossen. Mit unendlichen Mühen vmd Opfern arbeiten
katholische Geistliche und Laien an ihrer Weiterbildung und Erziehung;
101
der gute Geist und die vortrefflichen Leistungen der Mitglieder dieser
Organisationen sind allgemein anerkannt. Auf dena Gebiete der
sozialen Gesinnung und Einrichtungen stehenmanche
unerreicht da. So bietet z. B. der Katholische Gesellen-
verein seinen Mitgliedern in seinen '439 Gesellenhäusern im ganzen
deutschen Vaterland und auch in der Fremde ein Heim. Auch auf dem
Gebiete der körperlichen Ertüchtigung stehen die katholischen
Jugendvereine nicht hinter anderen Vereinigungen zurück. Dies gilt ins-
besondere von der Deutschen Jugendkraf t."
Das Recht auf Meinungsfreiheit
„Wir verteidigen auch nicht eine- Kritik, die alle staatliche Auto-
rität bekämpft und herabsetzt, die im Wühlen und Untergraben ihre
Aufgabe sieht, die das Volk verwirrt und verführt und von dieser Zer-
störungsarbeit lebt. Aber der Mißbrauch darf doch nicht zur Unter-
drückung der freien Meinung und des freien Wortes
überhaupt führen, besonders auch nicht in der Tagespresse. Die
Wichtigkeit der katholischen Presse wurde so oft von höchster Warte
aus betont, daß wir sie jetzt nicht im Stich lassen dürfen."
Das Recht der Vergewaltigten
j.Wie die übrigen deutschen Bischöfe, so haben auch wir uns bei der
Reichsregierung verwendet für jene Männer, die in stürmischer Über-
gangszeit von ihrer Stelle entfernt wurden, obwohl sie stets treu ihre
Pflicht erfüllt und dem Vaterland n(iit Einsatz ihrer ganzen Kraft ge-
dient haben."
b) Verteidigung wehrloser Ördensfrauen, zugleich ein Beispiel
geschlossenen Widerstandes des bayerischen Klerus.
„Alle klösterlichen Lehrerinnen sollen aus unseren öffentlichen
Volksschulen in Stadt und Land entfernt und schon in den nächsten
Monaten soll mit dem Abbau von 600 klösterlichen Lehrkräften begonnen
werden. Die übrigen sollen im Lauf von 3 Jahren folgen."
Diese Notiz der Tagespresse veranlaßte die bayerischen Bischöfe
zu einem neuen Hirtenbrief, der am 21. Juni 1936 von der Kanzel
verlesen werden sollte.
An die Spitze stellen die Bischöfe die zwei Sätze:
„UnsereFrauen-undSchulorden, dieseitJahr-
hunderten so treu, opferfreudig und segensvoll
dem Staat, dem Volke und der Jugend gedient
haben, sollen demnach aus unseren Volksschulen
verbannt werden, und das in größter Eile und in
härtester For m."
„W ir können es kaum glauben, daß man heute
im z' eichen der neuen Volksverbundenheit ein so
hartes, ja erdrückendes Ausnahmegesetz gegen
deutsche Frauen im Ordenskleid erlassen wil 1."
Der HirtenlDrief rühmt zunächst mit wärmsten Worten die Ver-
dienste der Ordensfrauen um die deutsche Mädchenschulbildung
und Mädchenerziehung, nennt hiefür die Benediktinerinnen,
Englischen Fräulein, die Ursulinen, die Servitin-
102
n e n in München, die Zisterzienserinnen in Landshut,
Klarissinnen und Dominikanerinnen in Regensburg,
die Armen Schulschwestern, die sicli besonders der Kinder
der „kleinen Leute" und der Jugend auf dem Lande angenommen
hätten, dabei sagt er:
„Erst der Orden der Armen Schulschwestern und der Opfersinn
vieler geistlicher und anderer Jugendfreunde ermöglichten es der baye-
rischen Regierung, die allgemeine Schulbildung durchzufüh-
ren ... Es ist nicht so, als ob die Ordensfrauen Unterricht und Er-
ziehung an sich gerissen und anderen weggenommen hätten, nein, Re-
gierung und Gemeinde haben sie gerufen und gebeten zur Übernahme
der Schule . . , Die Ordensfrauen haben in unseren Schulen seit hun-
dert Jahren so segensvoll und erfolgreich gewirkt, daß sie sich
überall die Herzen der Kinder, das Vertrauen der Eltern, die Hoch-
achtung des ganzen Volkes und die Anerkennung des Staates erobert
haben ... König Maximilian II. erließ einen Befehl an die Schul-
behörden des ganzen Landes, ,daß die Verbreitung der Schulschwestern
von der Staatsregierung möglichst gefördert werden solle', weil sich ihre
Einführung in den Gemeinden überall ,in der wohltätigsten Weise be-
währt habe' ...
In den Archiven der staatlichen Schulaufsichtsbehör-
den liegen Hunderte von amtlichen Prüfungsprotokollen aus alter und
jüngster Zeit, die ein unwiderlegliches Zeugnis dafür ablegen, daß
die klösterlichen Schulen in ihren unterrichtlichen und erzieh-
lichen Leistungen zu den besten SchulendesLandes gehören.
Wer kann es da verstehen und einen Grund dafür finden, daß jetzt
dieses segensvolle Wirken gelähmt und in das herzliche Verhältnis zwi-
schen Eltern, Jugend und Ordensschwestern mit so rauher Hand ein-
gegriffen werden soll? Und das mit solcher Eile, daß die Klöster kaum
daran denken können, wie sie die von der Schule verstoßenen Lehrerin-
nen weiterhin beschäftigen ■ und ernähren können.
Jeder Dienst böte ist geschützt gegen sofortige und
grundlose Entlassung — sollen unsere Ordensfrauen,
die so viele Jahre dem Staat und der Jugend mit größter Aufopferung ge-
dient haben, denen wirklich immer Gemeinnutz vor Eigennutz ging, einen
solchen Schutz nicht genießen? Eine so harte Behandlung
hochverdienter Frauen hält das Volk nicht bloß für einen schwarzen
Undank, sondern auch für ein Unrecht und einen U n s e g e n.
Wir halten es für ein
Unrecht,
weil die Ordensschwestern ebenso wie die weltlichen Lehrer Kinder
u n seres deutschen Vaterlandes sind mit den gleichen Rech-
ten wie alle anderen, weil sie die gleiche Berufsausbildung
genossen haben wie ihre weltlichen Berufsschwestern, weil sie die staat-
lichen Prüfungen in Ehren bestanden haben und weil ihre schulischen
Leistungen immer als vorzüglich anerkannt wurden sowohl
von den Schulbehörden wie von den Eltern. Wenn be-
mängelt wurde, daß die Ordensfrauen keine Turn- und Schwimmlehre-
rinnen für die Kinder machen können, so richtet sich ein solcher Vor-
wurf im Urteil des Volkes von selbst. Wenn ihnen Mangel an vater-
ländischer Gesinnung vorgeworfen wird, 'so fragen wir, ob ein so treues,
hingebungsvolles, zu jedem Opfer bereites, ganz im Beruf aufgehendes
Wirken im Dienst des Volkes und der Jugend nicht ein besserer Beweis
vaterländischer Gesinnung ist als bloße Worte und Äußerlichkeiten? . . .
Das Recht der Ordensfrauen auf die Tätigkeit in
der Schule und auf die Erziehung der Kinder ist im B a y e -
103
r i s c h e n Konkordat und im R e i c h s k o n k o r d a t ausdrücklich
gewährleistet. Nach Artikel 2 5 des Reichskonkordates gelten lür An-
gehörige von Orden oder religiösen Genossenschaften hinsichtlich der
Zulassung zum Lehramt und für die Anstellung an Volksschulen, mitt-
leren und höheren Lehranstalten die allgemeinen B e d i n g u n -
g e n, also keine A vi s n a h m e n, keine anderen Bedingungen wie für
die weltlichen Lehrer und Lehrerinnen. Was kann dieser Artikel noch
für einen Sinn haben, wenn die Ordensfrauen vom Lehrberuf und von
der Anstellung an Volksschulen überhaupt ausgeschlossen werden? . . .
Wie könnte man die Ordenslehrerinnen aus der Schule verdrängen
ohne offenen Bruch des Konkordates? Wie müßte das
deutsche Volk und das Ausland denken über deutsche Vertrags-
treue?
Eine Entfernung unserer Ordensschwestern halten wir auch für einen
U n s e g e n.
Schon deswegen, weil jedes Unrecht auch zum Unsegen ■^^ird, wenn
nicht augenblicklich, dann sicher mit der Zeit. Zunächst ist sicher, daß
die Verdrängung der Ordensfrauen aus unseren Schulen dem Staat
und den Gemeinden neue große Lasten aufbürdet . . . Aber
uns scheinen andere Folgen noch schwerer und schlimmer zu sein. Wir
erblicken in der Beseitigung der Ordensfrauen aus den öffentlichen
Volksschulen einen weiteren
Schrittzur Einführung der Gemeinschaftsschule.
Wird aber die Gemeinschaftsschule eingeführt, dann werden die katholi-
schen Kinder auch solchen Lehrpersonen übergeben, die selber
nicht katholisch sind. In bestimmten Fällen könnte die Kirche
nicht einmal gegen die Anstellung von solchen Lehrern und Lehrerinnen
ihre Stimme erheben, die überhaupt nicht mehr auf dem Boden des
Christentums stehen. Kirche und Eltern können sich nicht mehr wehren,
wenn einzelne Lehrpersonen ihren eigenen Unglauben
auf die Kinder übertragen. Heute schon werden Kinder in
ihrem Vertrauen auf Kirche und Priester erschüttert. Was soll erst
werden, wenn die Bekenntnisschule ganz beseitigt ist und die Kinder
von Lehrpei'sonen, die selber nicht mehr katholisch sind oder niemals
katholisch waren, ohne Rücksicht auf das religiöse Leben des Eltern-
hauses in der Gemeinschaftsschule unterrichtet und erzogen werden
sollen?
Wir Bischöfe sehen diese Entwicklung der Dinge mit größ-
ter Sorge und tiefstem Schmerz. Würden wir nicht unsere
warnende Stimme erheben, würden wir nicht die Eltern mahnen und
beschwören, mit dem ganzen Ernst unserer Verantwortung und mit der
ganzen Hirtenliebe, die wir ihnen und ihren Kindexm schuldig sind, dann
würden wir unsere Pflicht aufs schwerste verletzen. Wir werden das
niemals und um keinen Preis tun.
Wir werden lieber in Kerker und Tod gehen, als unserer Pflicht
untreu werden."
Der Hirtenbrief wurde, um ihn möglichst lange geheim zu
halten und eine Beschlagnahme vor der Verlesung zu verhindern,
durch Boten zu den Dekanaten und durch diese den Seelsorgestellen
zugeleitet. Das Ordinarat München gab zum Hirtenbrief noch
folgende
Anweisungen:
„1. 'Vorhandensein, Inhalt und Vorlesungsanordnung des Hirten-
briefes ist bis Sonntag, 21. Juni, streng vertraulich zu behandeln.
104
2. Der Hirtenbrief ist beim Hauptgottesdienst — nicht früher. — und bei
eventuell weiteren stark besuchten Gottesdiensten (z. B. bei Spätmessen,-
wenn Predigt damit verbunden ist, eventuell auch bei Abendandachten)
vorzulesen.
3. Entsprechend seiner großen Bedeutung soll der Hirtenbrief in
würdiger, ernster, nachdrucksvoller, allen verständlicher Form vor-
getragen werden, so. daß jeder einzelne Satz in sinngemäßen Absätzen,
jedes Wort in der richtigen Betonung gesprochen wird und zur vollen
Geltung kommt. Wo an einer Kirche mehrere Geistliche wirken, möge
derjenige zur Vorlesung aufgestellt werden, der über das klangvollste
Organ und den besten Vortrag verfügt. .
4. Der Hirtenbrief soll nach Kenntnisnahme — vor der Vorlesung —
an einem sicheren Platz der Kirche aufbewahrt werden.
5. Jede eigene Beifügung ist zu unterlassen.
6. Über die Aufnahme des Hirtenwortes an Orten, wo klösterliche
Lehrkräfte wirken, und ebenso über etwaige Verbots- oder Störungs-
versuche ist sofort an die oberhirtliche Stelle zu berichten."
Regierung und Polizei verbieten,
der Klerus gehorcht seinem Bischof.
Samstag, den 20. Juni 1936, nachmittags 2 Uhr, telephonierte
Polizeirat Garns von der Bayerischen Politischen Polizei an Dom-
kapitular Neuhäusler: „D i e B a yerische Staatsregierung
hat d en Hi rt enb r i ef d e r bayerischen Bischöfe
über den Abbau der klösterlichen Lehrkräfte
beschlagnahmt und seine Verlesung verboten."
Neuhäusler antwortet: „W as vonder Kanzel verlesen
wird, bestimmt nicht die bayerische Staats-
regierung, sondern der Bischo f."
Polizeirat: „Ganz gleich, wir werden die Verlesung jedenfalls
zu verhindern wissen."
Neuhäusler fuhr alsbald zu dem gerade auswärts befindlichen
Generalvikar Ferdinand Buchwieser — H. Kardinal war gerade auf
Firmungsreise an einem sehr entfernten Ort der Diözese — und
begrüßte ihn mit den Worten: „Nun entscheidet es sich, ob die
bayerischen Bischöfe noch weitere Hirtenbriefe herausgeben sollen
oder nicht.
Bayerische Staatsregierung und Politische Polizei haben vereiat
die Verlesung des Hirtenbriefes verboten.
Geben wir jetzt nach, so ist jeder weitere Hirtenbrief über-
flüssig. Die Gestapo wird dann in Zukunft ohne Bedenken jeden
ihr nicht genehmen Hirtenbrief verbieten.
Bleiben wir aber jetzt fest, dann wird die Gestapo es sich
ein andermal wohlweislich überlegen, eine neue Kraftprobe zu
machen."
Der Generalvikar erklärte sofort mit aller Bestimmtheit: ,J c h
bleibefest!"
Kreuz und Hakenkreuz 8 Bd. II j^Qg
Und lapidar und klar lautete der Befehl, der alsbald schriftlich
niedergelegt wurde:
„Das Ordinariat des Erzbistums München, den 20. Juni 1936
München und Freising
An die Hochwürdigen Seelsorgsstellen der Erzdiözese.
Betreff: Verlesung des Hirtenbriefes.
Der für 21. Juni erlassene Hirtenbrief ist
unter allen Umständen von der Kanzel zu
verlesen.
Buchwieser, Generalvikar."
Neuhäusler fuhr mit dem so kurzen und doch so wichtigen und
entscheidenden Manuskript nach München zurück. Am Eingang des
Ordinariates begegnete ihm ein Gestapobeamter und übergab ihm
ein Schreiben: das schriftliche Verbot der Verlesung des,
Hirtenbriefes,
Gleich darauf rief der Generalvikar einer anderen baye-
rischen Diözese an und teilte mit: „Der Hirtenbrief ist beschlag-
nahmt, seine Verlesung ist verboten. Die Geistlichen, die ihn verlesen,
werden verhaftet!" Es war schwer, darauf zu antworten, da ja selbst-
verständlich mit der Überwachung des Ordinariatstelephons zu rechnen
war, an diesem Tag und zu dieser Stunde mehr als je.
Neuhäuslers Antwort lautete darum nur kurz: „Was die Bischöfe be-
fehlen, ist und bleibt Befehl: Apostelgeschichte 5,29." — „Ich
verstehe", erwiderte der Generalvikar.
Das angezogene Bibel wort enthielt ja die Norm, welche die ersten
Bischöfe gegeben haben, als die jüdischen Hohenpriester namens des
Hohen Rates ihnen vorhielten: „Wir haben euch doch streng verboten,
in diesem Namen zu lehren." Da erwiderten Petrus und die anderen
Apostel: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Men-
sche n."
Wenige Minuten darauf rief der H. H. Bischof einer anderen Diözese
an, erhielt die kurze Antwort: „Exzellenz, ich schicke Ihnen sofort einen
Boten mit der klaren Antwort!"
Dann ging es fieberhaft an die Arbeit: Schreibpersonal wurde
zusammengeholt (Samstag nachmittag!).
Geistliche aus Kirche und Beichtstuhl gerufen un(d gebeten,
sich und ihr Auto für eine Nachtfahrt- zur Verfügung zu stellen.
Ein Gasthaus in einem Außenbezirk der Stadt wurde ihnen als
Treffpunkt für nachts 9 Uhr gegeben.
Die Weisung des Generalvikars an die Seelsorgestellen wurde
in rund 1000 Exemplaren hektographiert, fast ebensoviele Adressen
der Seelsorgsstellen gefertigt. Dann wurden die Sendungen für die
einzelnen Pfarrer nach Dekanaten zusammengerichtet, die Dekanats-
pakete geordnet nach den Fahrtrichtungen der einzelnen Autos.
106
Um 9 Uhr abends wurden sie dann acht verschiedenen geist-
lichen Boten am bezeichneten Treffpunkt übergeben. Die ganze
Nacht hindurch fuhren diese dann zu den einzelnen Dekanen, über-
gaben die Pakete für die zuständigen Seelsorgsstellen, dazu den
schriftlichen Auftrag des General vikars:
„Beiliegendes Zirkular ist noch heute abends oder morgen vor 8 Uhr
durch Boten an sämtliche Seelsorgsstellen des Dekanats zu überbringen.
Über den Vollzug der Verlesung und den Verlauf derselben im gan-
zen Dekanat ist binnen drei Tagen auf sichere Weise an die oberhirt-
liche Stelle zu melden. Buchwieser, Generalvikar."
Und keiner der Dekane weigerte sich auch nur
einen Augenblick, den Befehl noch in der Nacht
auszuführen. Sie holten ihr eigenes Auto oder baten einen
Autobesitzer der Pfarrei oder einige Radfahrer, um die oberhirt-
liche Anordnung noch während der Nacht bis in die entlegensten
Dörfer zu bringen.
Alles funktionierte so gut und alle folgten so willig, ja geradezu
freudig, daß die zirka 8 Seelsorgestellen bis auf wenige Aus-
nahmen vor Beginn des Sonntagsgottesdienstes (21. Juni, 8 Uhr
morgens) verständigt waren.
Wohl waren am Samstag nachmittag die Gendarmen schon in
alle Pfarrhöfe gekommen und hatten die Herausgabe des Hirten-
briefes verlangt und bekanntgegeben, daß der Hirtenbrief nicht
verlesen werden dürfe und daß sie jeden Geistlichen, der ihn trotz
des Verbotes verlese, sofort verhaften müßten. Einige Polizisten
wiesen, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen oder auch, um
sich für den ihnen selbst harten Befehl gleichsam zu entschuldigen,
auf den telegraphischen Regierungsauftrag hin.
Der lautete:
„S t a a t s t e I e g r a m m.
20. VI. 1936 um 21 Uhr.
Morgen, Sonntag, Verlesung des Hirtenbriefes aller bayerischen
Bischofs über die Aufhebung der Klosterschulen usw.
Hirtenbriefe sofort beschlagnahmen! Verlesung polizeilich verbieten!
Geistliche vom Verbot verständigen! Gottesdienste überwachen! Wird
Hirtenbrief trotz Verbot verlesen, dann Geistliche nach Gottesdienst
zur Vermeidung von Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in
Folizeihaft zu nehmen. Ist dies der Fall, bis spätestens abends mit
Eilbrief ausführlich an Bayerische Politische Polizei zu berichten! Bei
besonderen Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit sofort fern-
mündlich an Bayerische Politische Polizei berichten!
Regg.-Präsident . . ."
Die Geistlichen nahmen das Verbot ruhig auf und verweigerten
die Auslieferung des Hirtenbriefes, ebenso die Auskunft, wo sie
ihn versteckt hätten. Nur bei ganz wenigen wurde er bei einer
Haus- und Sakristeidurchsuchung gefunden. Die meisten hatten
gemäß Punkt 4 der „Anweisungen" für eine ganz sichere Auf-
107
bewahrung Sorge getragen. Einzelne hatten ihn sogar dem Heiland
im Tabernakel anvertraut, andere hatten ihn in einem nahen Korn-
feld oder in einer Scheune versteckt. Einer hatte sich die Mühe
gemacht, den ganzen Hirtenbrief noch eigens abzuschreiben, um
die Kopie eitler Frau zu geben mit der Weisung, zu Beginn des
Gottesdienstes an dfer Treppe der Kanzel zu stehen und ihm die
Abschrift zu übergeben. Er wollte um jeden Preis eine Reserve
haben.
Und als dann während der Nacht oder am frühen Morgen die
klare und bestimmte Weisung der oberhirtlichen Stelle kam, da
atmeten alle Priester freudig auf: nun wußten sie klaren Bescheid,
wie sie dran seien. Nun waren sie sicher, daß sie von ihrem Bischof
gedeckt und aile einig seien. Und „Einigkeit macht stark".
Noch vor dem. Gottesdienst kam mancherorts der Schutzmann
zu dem Pfarrer und bat ihn geradezu flehentlich, doch von der Ver-
lesung des Hirtenbriefes abzustehen. Es wäre ihm fürchterlich,
wenn er seinen eigenen Pfarrer verhaften müßte. Die Antwort
lautete zumeist ruhig: „Tun Sie Ihre Pflicht und ich tue die
meine!"
• Während der Predigt spielte sich da und dort eine bewegte Szene
ab: Als sich z. B. in St. Heinrich in München ein Beamter der Politi-
schen Polizei dem Ambo (Predigtpult) näherte,- dem Geistlichen seinen
Ausweis vorwies und zuflüsterte, sofort mit der Verlesung des Hirten-
briefes aufzuhören, da er verboten sei, eilten die Leute aus den Kirchen-
stühlen zu dem Predigtpult, drängten den Polizeibeamten weg und- stell-
ten sich schützend um den Priester mit der Bitte: „Wei t erlesen !"
Anderwärts erklärte der Priester nach der Verlesung: „Liebe LeuteT
Ich habe nun meine Pflicht getan. Es ist mir gesagt worden, daß ich
dafür nach dem Gottesdienst verhaftet werde. In Gottes Namen
und für Gottes Ehre gehe ich in das Gefängnis. Da ich
aber nicht v/eiß, ob und wann ich wieder zurückkehren werde, muß ich
die heiligen Hostien zu mir nehmen und, da dann der Heiland nicht
mehr in der Kirche ist, das ,Ewige Licht' auslöschen. Bleibt dem Herr-
gott treu und kommt fleißig in die Kirche zum Gebet!" Und so tat er
dann nach der heiligen Kommunion und Hunderte in der Kirche
begannen zu weinen.
Einem anderen Geistlichen, der am Schluß der hl. Messe ähnliches
erklärte, drängten die Männer in die Sakristei nach, um
sich von ihm noch segnen zu lassen und um ihn zu schützen.
Wieder an einem anderen Ort hielten die Männer und Jung-
männer der Pfarrei den ganzen Tag Wache vor dem Pfarr-
hof, um' die Verhaftung ihres Pfarrers zu verhindern.
In Stadtpfarreien Münchens kam nach jedem Gottesdienst, während-
dessen der Hirtenbrief verlesen wurde, ein Gestapobeamter in die
Sakristei und verlangte den Namen des Priesters, der das Bischofswort
verlesen hatte. Auf Mitteilung hierüber und auf die Frage, was in dieser
bedrohlichen Situation weiter zu tun sei, wurde seitens des Ordinariates
die kurze Weisung gegeben: „Bei jeder weiteren heiligen
. Messe den Hirtenbrief neuerdings verlesen; Und wenn
ein Priester verhaftet werden sollte, soll sofort ein
anderer Priester den Hirtenbrief verlesen!"
• 108
Aber, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, kam es
nicht zu Verhaftungen bzw., wo eine solche geschehen war, wurde
sie alsbald wieder aufgehoben.
Was war geschehen?
Das Staatstelegramm vom 2 0. Juni 1936 war
am 2 1. Juni morgens durch ein neues Staatstele-
gramm aufgehoben worden. Dieses lautete:
„Staatstelegramm:
21. VI. 1936 um 10 Uhr
1. Geistliche unter keinen Umständen verhaften!
2. Keine Hirtenbriefe beschlagnahmen!
3. Jede Gewaltanwendung unterlassen!
4. Namen jener Geistlichen mitteilen, die Hirten-
briefe trotz Verbot verlesen haben.
Regg.-Präsident ..."
Festigkeit und Einigkeit hatten gesiegt!
Als Bayerische Staatsregierung und Politische Polizei von dem
entschlossenen Widerstand der bischöflichen Behörden und Geist-
lichen erfahren hatten, da wichen sie zurück; denn die Zeit
für eine Massenverhaftung der Geistlichen eines ganzen Landes
und für eine entscheidende Kraftprobe schien ihnen noch nicht
gekommen. So konnten sie lediglich an die 4000 — 5000 Namen von
Geistlichen, Welche den Hirtenbrief verlesen hatten, in ihre Regi-
stratur aufnehmen. Das Pulver war umsonst verschossen! Man
konnte sich lediglich an den Wehrlosen, an den armen Lehr-
schweslern der Orden rächen, und ihre Ausweisung aus den Schu-
len noch beschleunigen.
Die bayerischen Bischöfe aber gingen noch einen Schritt weiter:
Sie gaben Auftrag, daß der Hirtenbrief an allen Orten, an welche
die Weisung vom 20. Juni nicht mehr rechtzeitig hatte gelangen
können oder wo der Hirtenbrief gewaltsam weggenommen worden
war, unter allen Umständen am kommenden Sonntag verlesen
werde. Ein so entschiedenes und beharrliches und tausendstimmiges
„Nein !" hatten Regierung und Polizei bisher wohl noch
nie erhalten.
Ein deutliches Bischofswort auch an die Regierung.
Die bayerischen Bischöfe beschränkten sich aber in dieser
Sache nicht auf den Appell an das katholische Volk.
Sie erhoben unter dem 31. Oktober 1936 auch feierlich Protest
bei den verschiedensten Regierungsstellen:
beim Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
109
beim Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Er-
ziehung und Volksbildung,
beim Reichs- und Preußischen Minister des Innern, Berlin,
beim Staatsrat Dr. Boepple im Bayerischen Staatsministerium
für Unterricht und Kultus, München.
„Die acht Bischöfe in Bayern halten es einstimmig. für
ihre Pflicht, gegen diesen Abbau der klösterlichen Lehrkräfte
an den Volksschulen Bayerns neuerdings Verwahrung
einzulegen und diesen Einspruch wie folgt zu begründen:
1. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist mit dem Art. 5 § 7 des
Bayer. Konkordates und dem Art. 25, Abs. 2 des Reichs kon-
kordates nicht vereinbar.
2. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte bedeutet eine Aus-
schaltung des Elternwillens und eine Entrechtung des
Elternrechtes.
3. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist eine rechtlich nicht
zu begründende Ausnahmebestimmung gegen deutsche
Frauen, die ebenso deutsche Staatsangehörige sind und die gleiche
Berufsausbildung für den Schuldienst nach den staatlichen Bestim-
mungen erlangt haben wie ihre weltlichen Kolleginnen, und nun rück-
sichtslos ohne Schuld in Massen entlassen werden sollen, einzig aus dem
Grunde, weil sie sich in ihrem religiösen Idealismus einem Schulorden
angeschlossen haben.
4. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist ein Verstoß gegen
die sozialen Pflichten in der Volksgemeinschaft, insofern die
Ordensfrauen, die als Lehrerinnen an den Staatsschulen auf Grund des
Dienstverhältnisses nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte haben,
nunmehr ohne hinreichenden Grund aus ihrem ,Beruf hinausgeworfen
werden und ihre wirtschaftliche Basis für die Zukunft verlieren.
5. Der Abbau der klösterlichen Lehi-kräfte ist trotz der gegenteiligen
Behauptung des Herrn Staatsrates Boepple eine gegen die Kirche
gerichtete Maßnahme und eine schwere Störung des friedlichen
Verhältnisses zwischen Staat und Kirche. Während im Reichskonkordat
Art. 25 das Deutsche Reich der Kirche die Zusicherung gibt, die Zu-
gehörigkeit zu einem Orden sei kein Hindernis für die Zulassung zur
Tätigkeit im Schuldienst, erklärt die Kundgebung vom 13. Oktober, der
nationalsozialistische Staat (der gleiche, der das Reichskon-
kordat geschlossen hat) könne klösterliche Lehrerinnen
nicht länger im Schuldienst behalten.
6. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte bedeutet eine schwere
finanzielle Mehrbelastung der Kirche. Wir Bischöfe er-
heben öffentlichen Einspruch dagegen, daß die Kundgebung vom 13. Okt.
verschweigt, daß jene Millionen Mehrausgabe im staatlichen Schulhaus-
halt durch Kürzung der staatlichen Leistungen für
kirchliche Zwecke eingespart werden und daß, zum Teil für
diesen Zweck, die Zuschüsse des Bayer. Staates für kirchliche Zwecke
bereits um viereinhalb Millionen gekürzt wurden.
7. Wenn der Staat als Grund für den Abbau der klösterlichen Lehr-
kräfte geltend macht, daß sie für andersgläubig eEltern und
Kinder nicht mehr tragbar seien, so können wir feststellen, daß an
zwei Drittel der in Betracht kommenden Schulen überhaupt keine nicht-
katholischen Kinder, und an den übrigen unter hundert höchstens drei
sind. Es sind uns keine Klagen nichtkatholischer Eltern bekannt, daß
ihre Kinder von Schulschwestern irger).dwie gegen ihre Glaubensüber-
110
Zeugung beeinflußt worden Agaren. Wir können mit viel melir Recht
darauf verweisen, daß füi katholische Eltern und Kinder
Lehrer und Lehrerii/inen untragbar sind, welche ihren
eigenen Unglauben auf die Kinder übertragen, die Kin-
der durch Beispiel und Unterricht gegen ihren katholischen Glauben
einnehmen und die daher, nach Art. 5 des Bayerischen Konkordates,
an katholischen Schulen nicht wirken dürften, weil sie
weder geeignet noch bereit sind, im Geiste des katholischen Glaubens
zu erziehen."
Keiner der vier Adressaten würdigte die acht Bischöfe Bayerns
auch nur einer Zeile Erwiderung auf diese Verwahrung.
Im Gemeinschaftshirtenbrief vom 13. Dezember desselben
Jahres (1936) äußern die baye^isßlhpn Bischöfe noch einmal ihr tiefes
Mitgefühl mit den verstoßenen klösterlichen Lehrkräften, indemi
sie sagen:
„Nach dem Bayerischen Konkordat wird ,die Übertragung eines
Lehramtes für Angehörige von Orden und religiösen Kongregationen an
keine anderen Bedingungen geknüpft als für Laien'. Trotz dieser ver-
traglichen Abmachung werden nun die Ordensschwestern aus
den staatlichen Volkss oh uien ausgeschlossen. Bereits,
auf Weihnachten, mitten im Schuljahr und mitten im Wi n.-
ter, müssen mehrere hundert Schwestern ihr gewohntes und geliebtes
Arbeitsfeld verlassen, obwohl ihnen niemand die geringste Schuld vor-
halten kann, vielmehr jedermann . das Zeugnis treuester und
uneigennützigster Pflichterfüllung ausstellen muß. Viele
dieser Schwestern haben jetzt kein Obdach und kein Brot. Darunter
sind Schwestern, die bereits 20, ,30 und noch mehr Jahre im Schul-
dienst gestanden sind . . . Dankbare Menschen suchen für sie wenigstens;
für den Winter ein Asyl, da die Mutterhäuser unmöglich auch nur für
die einfachste Unterbringung so vieler Schwestern sorgen können . . .
Wir danken ihnen auch für die Treue, die sie ihren Orden und
ihren Gelübden in so vorbildlicher und heroischer Weise gehalten
haben, obwohl vielen derselben eine Lehrstelle in der Schule angeboten
wurde, wenn sie nur aus dem Orden austreten würden."
Gewissenspfiicht und ernste Sorge um d.ie Jugend, aber
auch aufrichtiges Erbarmen um weit mehr als
1200 aus gestoßene Ordensfrauen
drängten die bayerischen Bischöfe, sich noch einmal (4. Sept. 1938)
mit einem ausführlichen Hirtenwort über den fortschreitenden Ab-
bau der klösterlichen Lehrkräfte und Klosterschulen an das katho-
lische Volk zu wenden. Sie stellten fest und beklagten laut:
„Zu den bittersten Heimsuchungen und Verfolgungen, die unsere
Kirche in unserm deutschen Vaterlande erleiden muß, gehört die Ver-
drängung der katholischen Orden aus dem Erziehungs- und Unterrichts-
wesen. Mit unheimlicher Geschwindigkeit schreitet von Monat zu Monat
der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte fort und hat bereits ein solch
erschreckendes Ausmaß erreicht, daß die völlige Beseitigung
aller Ordensschulen nicht mehr ferne ist. Weite Kreise
unseres Volkes sind freilich über diese unheilvolle Entwicklung kaum
oder nur ungenügend unterrichtet.
• Wir Bischöfe fühlen uns darum im Gewissen und vor unseren Diö-
zesanen verpflichtet, noch einmal unsere Stimme zu erheben und im
111
Namen der Gerechtigkeit und des religiösen Friedens vor einer Entwick-
lung noch in letzter Stunde zu warnen, deren Ziel kein an-
deres ist als die'Verdrängung der Kirche und des Chri-
stentums aus der Erziehung unserer deutschen Jugend . . .
Es ist wohl niemand, der den klösterlichen Lehrerinnen ein persön-
liches Verschulden zur Last legen oder ihre bewährte Berufstreue und
Berufstüchtigkeit anzweifeln möchte. Nur eines wird ihnen zur
La st gelegt, daß sie das Ordenskleid tragen und durch
hl. Gelübde sich dem Dienste Gottes und der Jugend in
besonderer Weise geweiht und verpflichtet haben . . .
Über 1200 Ordensfrauen sind auf diese Weise in einem Zeit-
raum von eineinhalb Jahren, seit 1. Januar 1937, atis dem öffentlichen
Schuldienst entlassen worden.
Dazu kommt noch diie von Monat zu Monat wachsende Zahl jener
Ordensschwestern, die aus den Kleinkinderbewahranstalten,
aus Kindergärten undKinderhorten ausgewiesen wer-
den, weil selbst aus diesen Stätten frühkindlichen Wachsens der fromme
Hauch christlicher Erziehung verbannt werden soll.
Dazu kommen weiterhin, jene Ordensschwestern, denen nicht mehr
gestattet wird, die junge Mädchenwelt in Nähstuben, Hand-
arbeitskursen und Ha ushaltungsschulen für ihren Icünf-
tigen Beruf als Hausfrauen und Mütter vorzubereiten. Wie soll ein
solches Vorgehen im Zeichen der neuen Volksverbundenheit verstanden
und gerechtfertigt werden?"
Neben Ausweis aus 'Staats- und Gemeindeschulen auch
Vertreibung aus den eigenen Ordensschulen!
„Zu Ostern . d. J. aber ist durch das bayerische Unterrichtsministe-
rium mit einem Schlage die Schließung oder der stufenweise
Abbau von 8 4 klösterlichen Schulen, 64 weiblichen und 20
männlichen höheren Lehranstalten, angeordnet und eingeleitet
worden, die durchwegs im Eigentum der Orden stehen. Schon seit
geräumer Zeit hat man den vernichtenden Schlag vorbereitet durch
Maßnahmen, die den Klöstern Lasten über Lasten und Kränkung über
Kränkung aufgebürdet, gleichwohl aber ihre Pflichttreue nicht erschüt-
tert und ihren Opferwillen nicht beeinträchtigt haben. So ist im Vor-
jahr den Kindernvon Beamten undAngestellten des öffent-
lichen Dienstes durch staatlichen Erlaß der Besuch dieser klösterlichen
Schulen verboten Worden . . . Wiederum fragen wir, wie eine solche
Entrechtung sich mit den sittlichen Grundsätzen der Gerechtig-
keit und Billigkeit vereinbart . . . - .
Es ist vor kurzem öffenlich erklärt worden, daß man weder gegen
die persönliche Ehrenhaftigkeit und die beruf liehe Tüchtigkeit der ab-
gebauten Ordensleute noch gegen die Leistungen ihrer Schulen in der
Vergangenheit etwas einwenden könne. Aus dem h e u t i g e n Unter-
richts- und Erziehungswesen aber müßten sie — so erklärt man — des-
wegen ausgeschaltet werden, weil sie infolge ihrer Ordens-
gelübde die weltanschaulichen Forderungen des heu-
tigen Staates an die Jugenderziehung nicht erfüllen
können.
Die Kirche und ihre Orden haben sich in der Jugend-
erziehung immer und überall von dem Gebote des Herrn leiten lassen:
jGebt dem Staate, was des Staates ist, und Gott, was Gottes
ist!' Getreu diesem Gebot halben sie in Schule und Erziehung alle For-
derungen gewissenhaft erfüllt, die der Staat berechtigterweise im Inter-
esse des Gemeinwohles und der völkischen Gegenwartsaufgaben an di«
deutsche Jugenderziehung stellt.
112
Im Reichskonkordat hat das Deutsche Reich versichert, die friedliche
Zusammenarbeit mit der Kirche besonders auf dem gemeinsamen Ar-
beitsgebiet der deutschen Jugenderziehung dauernd zu erhalten und zu
befestigen und zu diesem Zweck ein dreifaches Versprechen, ein Ver-
sprechen auf Treu und Glauben gegeben. Nämlich
1. daß die Orden der katholischen Kirche wie bisher im "Rahmen der
allgemeinen Gesetze zur Gründung und Führung von Pri-
vatschulen berechtigt sein sollen; und
2. daß diese klösterlichen 'Schulen die gleichen Be-
rechtigungen wie die staatlichen Schulen geben, soweit sie die
staatlichen Vorschriften erfüllen, und
3. daß für die Zulassung der Ordensangehörigen zum
Lehramte und für ihre Anstellung an Volksschulen, mittleren und
höheren Lehranstalten die allgemeinen Bedingungen, also
keine Ausnahmegesetze gelten.
Indem wir an dieses feierliche Vertragsversprechen
nach dem Wortlaut des Artikels 25 des Reichskonkordates erinnern, fra-
gen wir Euch, geliebte Diözesänen, ob die Massenentlassung
von über 1200 Ordensschwestern aus unseren Volks-
schulen, der Abbau sämtlicher höheren männlichen
und weiblichen Ordensschulen, die Ausweisung der
Ordensleute aus allen Erziehungs- und Unterrichts-
anstalten — angefangen von den Kindergärten — vereinbar
sind mit diesem eindeutigen Konkordatsversprechen,
vereinbar sind mit deutscher Vertragstreue, mit dem
Wohle des deutschen Volkes, mit dem Rechte der
Kirche und der Eltern auf eine christliche Erziehung
derJugend?
Im Bewußtsein unserer Pflicht und Verantwortung vor Gott, vor
Mitwelt und Nachwelt fordern wir noch einmal Gerechtig-
keit für unsere Orden und Frieden und Freiheit für ihr Wirken
im Dienste der christlichen Jugenderziehung."
c) Eine ernste Jahresrückschau
Der Kampf des Nationalsozialismus gegen alles Katholische,
der unentwegt weiterging und sich andauernd verschärfte, zwang
die bayerischen Bischöfe im schon erwähnten Hirtenbrief am Ende
des Jahres 1936 (13. Dezember) auch noch zu anderen Fragen und
Sorgen Stellung zu nehmen, z. B.:
KampfgegendieKonfessionen, StrebennachEinheits-
kir che
„ . . . Unser Führer und Reichskanzler hat in feierlicher Stunde und
Kundgebung die hohe Bedeutung der beiden christlichen
Konfessionen für das Staats- und Volksleben in überaus dankens-
werter Weise anerkannt und sie seines Schutzes versichert. Leider wird
in schroffem Gegensatz dazu von maßgebenden Männern und Organi-
sationsleitern nunmehr jede Konfession oder, wie sie sich aus-
drücken, jederKonfessionalisums grundsätzlich und planmäßig
bekämpft. Sie wollen eine Einheitskirche, wobei das Glaubens-
bekenntnis keine Bedeutung hat. Sie wollen vor allem die katho-
lische Kirche aus dem deutschen Volk völlig verdrängt wissen,
weil sie ein Fremdkörper im Deutschen Reich und Volke sei."
113
Kampf gegen das Papsttum
„...An die Stelle der von den beiden Vertragsteilen gevvuiT^chien
Fesliguag des Freundschaftsbandes tritt durch die Gegenarbeii ivatholi-
kenfeindlicher Kräfte immer mehr der schärfste Kampf gegen das
Papsttum, ein Kampf, der in Schriften und Reden, in
Büchern und Kursen, in Organisationen, Schulen und
Schulungs lagern geführt wird. Dadurch wird in bewußter
und gewollter Weise Abneigung und Haß gegen ,Rom' in -^as deutsche
Volk getragen, selbst schon in die Kinderherzen, und der Versuch ge-
macht, die Katholiken vom Oberhaupt und Mittelpunkt der katholischen
Kirche loszulösen, eine ,romfreie' Kirche' zu begründen . . . Treue
Katholiken werden von dieser Seite ständig auf harte Probe- gestellt,
vielfach wie Fremdlinge im deutschen Volk behandelt, in verletzender
Weise gekränkt und zurückgesetzt. Wer aber seiner Kirche die Treue
bricht, der wird von ihnen als vertrauenswürdig und verlässig betrachtet
und bevorzugt."
Kampf gegen die katholischen Vereine
„ . . . Den katholischen Organisationen und Verbänden ist im Konkor-
dat der Schutz ihrer Einrichtungen und ihrer Tätigkeit zugesichert wor-
den. Aber an die Stelle dieses Schutzes ist eine .Unterdrückung ihres
Vereinslebens getreten mit dem ausgesprochenen Zweck, den Fort-
bestand der katholischen Vereine auf die Dauer unmöglich zu machen.
Es wird mitunter sogar der Austritt aus rein religiösen Vereinen
und Bruderschaften verlangt,, ein Eingriff in das innerkirchliche Leben,
wie es bisher noch niemals vorgekommen ist."
Kampf gegen den Klerus
„Nach dem Reichskonkordat wird der Staat gegen Beleidigun-
gen der Geistlichen vorgehen und im Bedarfsfall dem Geistlichen
behördlichen Schutz feewähren. Aber wo bleibt dieser Schutz
angesichts der unaufhörlichen groben Beleidigungen
des geistlichen Standes in Reden, Schriften, Blättern
und Bildern? Wo bleibt der staatliche Schutz der Priesterehre
gegenüber Spottbildern, die auf öffentlichen Tafeln, vor den Augen jedes
Kindes, bis in das letzte Dorf hinaus angeschlagen werden? ... Es wird
uns berichtet, daß ein Lehrer ein gemeines Spottbild gegen den geist-
lichen Stand im Schulzimmer vor den Augen der Kinder anschlug und
auch auf Bitten des Pfarrers, der dort Religionsunterricht gab, nicht
entfernte.
Wann sind je Hirtenbriefe der Bischöfe sogar in Blättern, die
für Jugend bestimmt sind, so mitHohnund Spott Übergossen
worden wie jetzt? . . .
Es gibt Lehrkräfte, die ihren Unterricht in unchristlichem'
Geiste geben, sogar den Bibelunterricht so erteilen, daß die Kinder
im Glauben völlig irre werden müssen. Zu dieser unkirchlichen Ein-
stellung werden sie auch angeregt durch Kurse und Blätter, welche die
Grundlagen und Wahrheiten des christlichen Glaubens untergraben und
zerstören.
In letzter Zeit werden sogar ,Bubenruder gebildet, welche den
Religionsunterricht und die Bibelstunden unmerklich zu
überwachen und die , jeweilige tägliche Tendenz' festzustellen haben.
Den Eltern gegenüber sollen die Rudelbuben als ,Autoritätspersonen'
auftreten, ,um den Einfluß des Gegners auszugleichen'. . . Es ist ein Er-
zählerkreis zu bilden, der ,durch Erzählen von Anekdoten, Sagen
und Kurzgeschichten' dem Bibelunterricht entgegenwirken soll."
114 '
SchwerePflichtderBisGhöfe
„Es ist uns Bischöfen schwer genug, immer wieder zu klagen und
zu warnen, aber die strenge und heilige Pflicht gegen Kirche und Vater-
land fordern; daß wir nicht schweigen, wo so viel auf dem Spiele steht
und in Gefahr ist. Auch wenn wir für unseren Freimut wieder die
schwersten Angriffe zu erwarten haben, wird uns nichts abhalten von
der treuesten Pflichterfüllung bis zum Tode."
d) Zur Steuer der Wahrheit über die „Sittlichkeitsprozesse",
Die Sittlich keits Prozesse
bzw. die skandalöse Berichterstattung und die propagandistische
Ausschlachtung derselben zwangen die bayerischen Bischöfe fünf
Monate später (9. Mai 1937) schon wieder zu einer öffentlichen
Kundgebung. Die Hauptsätze derselben waren:
„1. Es verstößt gegen Wahrheit und Gerechtigkeit, wenn
immer wieder der Vorwurf erhoben Wird, die deutschen Bischöfe
hätten diese Sittlichkeitsverfehlungen von Priestern und Ordensleuten
nicht verurteilt...
V
2. Die Kirche selbst ist bereits in den Fällen, in denen es eine ab-
schließende Untersuchung möglich machte, mit kirchlichen Stra-
fen vorgegangen und wird es noch weiter tun . . .
3. Mit allem Nachdruck müssen wir uns wenden gegen die Art
und den Umfang, die Tendenz und 'die Einseitigkeit
der Berichterstattung, soweit sie die Prozeßfälle ausbeutet zu
einer systematischen und zielbewußten Aufhetzung gegen die Kirche
selbst, gegen ihre Lehre und Diener.
Wir wollen nichts verheimlicht, • vertuscht oder beschönigt haben.
Aber wir legen feierliche Verwahrung ein gegen Übertreibungen
und Verallgemeinerungen. Nur ein geringer Bruchteil
der in die Untersuchung Eingezogenen sind Priester, und diese bilden
wiederum nur einen kleinen Bruchteil ihrer Standesgenossen, der über
25 000 Pi'iester in Deutschland.
Ungerecht ist es, wenn nur die sittlichen Vergehen von Prie-
stern und Ordensleut e n in voller Öffentlichkeit ver-
handelt werden und von der gesamten Tagespresse in solcher Aus-
führlichkeit berichtet werden müssen, während die nicht wenigen,
schweren Verfehlungen gleicher Art aus anderen
Volkskreisen größtenteils hinter verschlossenen Türen
abgeurteilt und in Presse und Rundfunk totgeschwiegen werden.
Wir verstehen auch nicht — und wir wissen uns hier einig mit wei-
ten Volkskreisen — , wie man einerseits als Anwalt der Volkssittlichkeit
auftreten will, anderseits aber vergißt, daß durch Veröffentlichung be-
denklicher Einzelheiten dem sittlichen Empfinden nament-
lich der Jugend schwerster Schaden- erwachsen muß.
4. Das katholische Volk, das in all seinen Schichten den
Priesternachwuchs stellt und tagtäglich seine Priester beobachtet, weiß,
was es an diesen seinen Priestern im Leben und Ster-
ben hat. Das katholische Volk erfährt es tagtäglich, wieviel Opfer-
geist, Religiosität und Seeleneifer in Welt- und Ordensklerus zu fin-
den sind.
115
Millionen deutscher Volksgenossen kennen aus Krieg und Frieden
die über jedes Lob erhabene Pflege und Hilfe durch
Angehörige katholischer Orden.
5. Völlig abwegig und böswillig wäre es, mit den Berichten über diese
Priester- und Klosterprozesse unsere heilige Kirche selber
treffen zu wollen, vielleicht sogar unter Ausnützung dieser traurigen
Vorkommnisse zum Kirchenaustritt aufzufordern.
Oder will man gar mit solchen Berichten den Rufdes Papstes
und der deutschen Bischöfe für Christentum und Gewissens-
freiheit in unserem deutschen Vaterland übertönen? Ist es ein Zu-
fall, daß die kirchenfeindliche Auswer-tung der seit Monaten zusammen-
geballten Prozesse durch die Presse, auch über Fälle aus früheren Jah-
ren und aus dem Ausland, gerade nach der Verlesung des
päpstlichen Rundschreibens vom 14. März dieses Jahres
wieder eingesetzt hat?
Zugleich müssen die Berichte über diese Prozesse den V o r w a n d
abgeben, der Kirche das Recht auf Mitwirkung in der Erziehung
der deutschen Jugend abzusprechen."
Das Ordinariat München fügte den bischöflichen Worten noch eine
interessante Statistik bei:
Wir stellen an gerichtlich verfolgten
Sittlichkeitsdelikten von Geistlichen und Ordens-
leuten.
für den Zeitraum 1. Januar 1936 bis heute (8. Juni 1937) fest:
1. Von 1398 Weltgeistlichen in der Erzdiözese
A) an Angehörigen der Erzdiözese selbst:
a) vor 1. 1. 1937: 1 verurteilt zu IV2 Jahren Gefängnis
b) nach 1. 1. 1937: 1 verurteilt zu 2 Jahren Gefängnis
1 Verfahren noch schwebend •
B) an Angehörigen fremder Diözesen, aber hier wohnend:
a) vor 1. 1. 1937: —
b) nach 1. 1. 1937: 1 Geistlicher aus der Diözese Trier, verurteilt
zu IV3 Jahren Gefängnis
2. Von 354 O r d e n s g e i s 1 1 i c h e n :
Von 1182 Ordensbrüdern (einschließlich Klerikern u. ä.) in unse-
rer Erzdiözese:
a) vor 1. 1. 1937: 2 Maristen-Schulbrüder (Traunstein u. Rei-
chenhall), davon 1 verurteilt zu 2 Jahren
Gefängnis
1 Verfahren noch schwebend
b) nach 1. 1. 1937: 3 Barmherzige Brüder (2 von Attel und 1
von Nymphenburg)
alle 3 Verfahren noch in Schwebe.
4. Von 8302 Ordensschwestern:
116
e) Die Auflösung des Katholischen Jungmännerverbandes,
der Ma lianischen Jungfrauenkongregationen, der Studentenbünde
„Neuöeutschland" und „Quickborn" veranlaßte die bayerischen
Bischöfe vor dem ganzen katholischen Volk Bayerns zu feier-
lichstem Protest gegen diese Vergewaltigung der segens-
reich wirkenden katholischen Vereine (6. Februar 1938).
Einige bezeichnende Sätze daraus:
„ . . . Wir Bischöfe haben bei der zuständigen Behörde gegen die
Verfügung der Geheimen Staatspolizei feierlichen Einspruch erhoben
und um Rücknahme des Verbotes gebeten. Aber auch in der Öffentlich-
keit erheben wir feierlichen Einspruch gegen die Maßnahme der Polizei,
die tief in die Rechte und Pflichten der Kirche eingreift und sie ver-
letzt. . .
Wir Bischöfe empfinden es als bitteres Unrecht und schwere Krän-
kung, daß ausgerechnet mit Berufung auf eine Verord-
nung zur Abwehr kommunistischerGewaltakte der
Jungmännerverband, Neudeutschland und die Marianischen Jungfrauen-
kongregationen aufgelöst worden sind. Wenn man .kommunistische,
staatsgefährdende Gewaltakte' abwehren will, muß man nicht die A u f -
1 ö s u n g der kirchlichen Vereine verlangen, sondern deren Erhaltung
und S chutz . . .
In Artikel 31 des Reichskonkordates hat das Deutsche Reich
die Rechtsauffassung der katholischen Kirche, wonach die religiösen
Verbände als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind, in vollem
Umfang anerkannt. Darum erklären wir Bischöfe kraft der uns über-
tragenen apostolischen Vollmachten und kraft der durch das Reichs-
konkordat anerkannten Rechtsordnung: Die Marianischen Jung-
frauenkongregationen sind für den kirchlichen
Rechtsbereich nicht aufgelö'St und nicht verboten . . «
Liebe katholische Jugend! Bei allem Schmerz dürft Ihr doch das
stolze Bewußtsein haben: Ihr seid Eurer heiligen Sache bis
zuletzt treu geblieben. Ihr weicht nur der obrigkeit-
lichen Gewalt.
Wir danken aber auch Euch allen, liebe Jungmänner und Jungmäd-
chen, für so manche Opfer, Zurücksetzungen oder gar
S c h mäh u.n gen, die Ihr tapfer erduldet habt wegen der Zugehörig-
keit zu Euren Verbänden. Was Euch lieb und heilig war. Euer Banner
und Euer Verband, sind Euch durch höhere Gewalt genommen. Was
Euch noch mehr lieb und heilig ist, C hr istus und seine
Kirche, können sie Euch durch keine Gewalt nehme n."
• • v--'>
f) Protest gegen den Religionskrieg mitten im Weltkrieg. ^^
„ W ir können unmöglich schweigen von dem,
was wir gesehen und gehört habe n", erklärten Petrus
und Johannes vor dem Hohen Rat (Apg. 4,20). So war auch die
Seelenverfassung der Nachfolger der Apostel in den Jahren der
nationalsozialistischen Herrschaft. Freilich, die Apostel meinten mit
ihrem Wort, daß sie reden mußten von den Großtaten und
Guttaten ihres Herrn und Meisters. Ihre Nachfolger
aber mußten immer wieder ihre Stimme erheben gegen all das
Unrecht, das sie überall gegen die Kirche des Herrn sehen und
117
hören mußten. So öffnete den Bischöfen Bayerns die religiöse Not
auch am 17. August 1941 wiederum den Mund zu lauter Klage:
„Mit schmerzlichem Bedauern sehen wir Zeiterscheinungen, die das
Testament der toten Helden umstoßen und die Grenzsteine verrücken-
wollen, welche die Väter gesetzt haben.
Im ganzen katholischen Volk zittert schmerzlich verhaltenes Weh,
daß die Bittprozessionen nicht mehr gehalten werden durften,
, wie sie seit Jahrhunderten in deutschen Landen gehalten wurden, da das
Volk betend und singend mit fliegenden Fahnen durch die Fluren wall-
fahrtete, um den Segen des Allerhöchsten herabzuflehen auf Wiesen und
Felder.
Tief unglücklich ist unser Volk und will es nicht verstehen, daß
man ihm Feiertage nehmen will, an denen es mit ganzer Seele hängt.
An den Feiertagen werden die größten Geheimnisse unserer Religion
festlich begangen. Ein Feiertag ist immer ein Hoclifest katholischer
Freude; und schmerzlich empfinden wir es, wenn in dieser Freude ein
Mißton mitklingt, der die Feiertagsstimmung verdirbt...
Nicht verstehen können wir Bischöfe und nicht verstehen kann es
das katholische Volk, daß, ausgerechnet in der Kriegszeit in den baye-
rischen Schulen, in den Volksschulen wie in den höheren Schulen, das
Schulgebet abgeschafft werden muß.
Noch einen Punkt müssen wir Bischöfe berühren, die Entfer-
nung des Kräuzes aus den Schulen, die zum Teil schon durch-
geführt wurde, zum Teil in den gegenwärtigen Schulferien geschehen
' soll. Ohne Übertreibung können wir sagen: Überall dort, wo die Maß-
nahme bekannt oder durchgeführt wurde, ging ein Schrei des Ent-
setzens durch unser Volk, Eltern und Kinder, jung und alt. Es haben
sich Szenen abgespielt, die an die Zeiten der ersten Ghristenverfolgun-
gen erinnern. Schon das Verbot des Schulgebetes, aber noch mehr die
Entfernung des Kreuzes wird nicht bloß als Schmerz, sondern auch
als Schmach empfunden, weil das Kreuz Sinnbild der christlichen
Religion ist. Jede Entehrung des Kreuzes ist auch eine Mißachtung der
christlichen Religion ..."
„Das Oberkommando der Wehrmacht
hat. über die Bestattung der Kriegsgefallenen außerordentlich erfreuliche
und pietätvolle Anweisungen gegeben, die ihren Höhepunkt erreichen
in der Forderung:
,Für jeden ein Kreuz mit Namen und näheren An-
gaben oder ein gemeinsames großes Kreuz, dazu eine
Tafel, auf der diese Angaben aufgezeichnet sind!'
Von ganzem Herzen danken wir und mit uns wohl das ganze deutsche
Volk der Wehrmacht für diese feinfühlige christliche Pflege der Ruhe-
stätte der toten Kameraden.
Damit ist aber auch ein. Vorwurf entkräftet, der vielleicht gegen
uns Bischöfe erhoben werden möchte. Vielleicht liegt dem einen oder
andern die Frage auf der Zunge: ,Warum legt ihr dem Volk so
schicksalsschwere Fragen vor in einer' Zeit, da die
deutsche Wehrmacht den furchtbaren Kampf gegen den Bolschewismus
kämpft?' Darauf antworten wir: Wir tun es u n d m ü s s e n e s t u n ,
weil uns das Schicksal unseres Volkes und unserer
Soldaten zu tiefst am Herzen liegt. Das Kreuz auf den
G r äbern unserer Soldaten hätte keinen Sinn, wenn es nicht
auch im Leben der Soldaten der beherrschende Gedanke, der An-
fang und das Ende gewesen wäre. Daß wir im gegenwärtigen Augen-
blicke reden müssen, daran sind nicht wir Bischöfe schuld,
118
l
Wir haben den Im Krieg doppelt notwendigen Burgfrieden stets mit
ängstlicher Gewissenhaftigkeit gehalten. Das ist ja gerade das Er-
schreckendste der ganzen Frage, daß man jetzt während des
Krieges in der Heimat in den Schulen das Beten ver-
bieten will, während Väter und Brüder der Schulkinder darauf
vertrauen, daß sie vom Gebet der Heimat ih solchen Zeiten dem Schutz
des Allerhöchsten anbefohlen werden. ,
Geliebte Diözesanen, betet, daß die Kruzifixe nicht aus den
Schulen entfernt werden! Sorget aber auch dafür, daß in den Woh-
nungen der Familien das Kreuzbild nach der Sitte der Väter heilig
gehalten werde. Der Herrgottswinkel und das Kreuz, mit Blumen
geschmückt, müssen als der Hochaltar des häuslichen Lebens neu zu
Ehren kommen."
4. Wächter, Rufer und Streiter Gottes.
„Rufe aus voller Kehle! Halte nicht an dich!
VvMe eine Trompete erhebe deine Stimme! Tu kund
meinemVolkseineSünden!"
Diese Gottesworte an den Propheten Isaias (58,1) hat
Erzbiscliof Faulhaber von München
einst zum Vorspruch der Predigt genommen, dje er, seine Firmungs-
reise unterbrechend, im Dom zu München gegen die Aufführung
des Schauspiels „Der Weibsteufel" von Schönherr hielt. .
Nach diesem Gottesbefehl und getreu , seinem bischöflichen
Wahlspruch: „Vox temporis • — Vox Dei" = die Stimme der Zeit —
die Stimme Gottes — handelte Kardinal Faulhaber auch angesichts
des versteckten und offenen Ansturms des Antichrists „National-
sozialismus" wider das Gottesreich.
Feinhörig und feinfühlig hörte er da auch schon frühzeitig
die „Stimme der Zeit" und sprach mit Prophetenmut und Propheten-
wucht die „Stimme Gottes". Als treuer Wächter sah er, „wie weit
die Nacht war" (Js. 21,11), sah das Gute und das Böse, die Bedürf-
nisse und die Nöten, die Schwächen und die Sünden der Zeit,
nannte sie beim rechten Namen und fand in den ewigen Ge-
setzen und Worten des Herrn die Heilmittel für alle Wunden,
„kämpfte, ohne der Wunden zu ächten, arbeitete, ohne Ruhe
zu suchen" (Gebet des hl. Franz Xaver um Großmut), und litt mit
allen „als wackerer Streiter Christi" (2. Tim. 2,3).
Man braucht nur die „Christenlehre" zu lesen, die Kardinal
Faulhaber in seinem Fastenhirtenbrief vom 10. Fe-
bruar 193 2, also unmittelbar am Vorabenddernation a 1-
sozialis tischen Machtübernahme, über
„die JRechte und Pflichten des Staates gegenüber dem Staatsbürger
und über die Pflichten und Rechte des Staatsbürgers gegenüber
dem Staat"
gehalten hat. Man hat das Gefühl, daß hier ein „Wächter der Zeit
und des Heiligtums" schon alldie Irrlehren und Irrwege
119-
der nächsten zwölf Jahre geradezu voraussah und
in letzter Stunde bannen wollte, in heiliger Liebe zu Gott und ehr-
licher Sorge um sein Volk.
Fast hinter jeden seiner lapidaren Sätze könnten wir jetzt rück-
schauend schreiben, wie unheilvoll er vom Staatsgötzen „National-
sozialismus" geleugnet oder mißächtet wurde. Und an den Schluß
des ganzen Hirtenbriefes möchte man angesichts der Trümmer und
des Elends, welche uns der Nationalsozialismus zurückgelassen hat,
das Heilandswort setzen: „O daß du es doch erkannt hättest, was
dir zum Heile ist!" (Lk. 19,42). Hättest du doch dieser Stimme,
einer wahren Stimme Gottes, mehr gelauscht als den "schreienden
Großsprechereien und Lügen hochmütiger und hochstrebender
Menschen, niedrigstdenkender und tief stgesunkener Hetzer
und Ver-Führer!
Titanen dünkten sie sich und gegen den Himmel stürmten
sie. Zwerge waren sie und wie L u z i f e r stürzten sie.
Hören wir nachträglich einige Sätze dieser Christenlehre über
die staatliche Rechtsordnung!
Grundsätze der christliche n'Staatslehrc
„Der erste Grundsatz der christlichen Staatslehre lautet: Der
beste Ausweis der Staatsgewalt ist der Name Gottes.
Der Staat ist nicht unmittelbar von Gott gegründet wie die Kirche.
Doch entspricht die staatliche Gemeinschaft mittelbar dem Willen
Gottes, da der Mensch von Natur aus die Anlage hat, solche Gemein-
schaften zu gründen und nur durch Gemeinschaftsarbeit die Kultur der
Erde erreicht. Papst Leo XIII. sagt: ,Die göttliche Vorsehung hat es so
gefügt, daß der einzelne in eine häusliche und bürgerliche Gemeinschaft
hineingeboren wurde.' Durch diese Fügung der Vorsehung ist der ein-
zelne auf Heimat und Vaterland, auf Volk und Staat verpflichtet.
Von Gott stammt das Recht des Staates, in staatlichen Dingen
souv^erän zu entscheiden, Gesetze zu geben, Gerichte aufzustellen, Ge-
horsam von den Untertanen zu fordern ,um des Gewissens willen'. E i n
Staat ohne Gott oder gar gegen Gott hat den besten Ausweis
seiner Autorität weggeworfen, auf die religiöse Bindung des staats-
bürgerlichen Gewissens verzichtet und damit die Axt an die Wur-
zel seines Bestandes gelegt. Der Geist der Verneinung, der
dem Allerhöchsten den Gehorsam aufkündigt, wird früher oder
später zur Empörung gegen die staatliche Autorität sich auswachsen.
Aus Gründen der Selbsterhaltung müssen also die Staats-
männer von heute dem Treiben der Gottlosen wehren und ihre Grenzen
gegen die russische Los-von-Gott-Bewegung abriegeln.
Ein zweiter Grundsatz der christlichen Staatslehre: Die
sicherste Richtlinie des Staatsrechtes. ist die sittliche
Ordnung. Es gibt eine objektive sittliche Weltordnung, aufgebaut auf
dem Naturrecht und den Gesetzen der Olfenbarung, unabhängig von
jeder subjektiven Willkür, unabhängig auch von Volksabstimmungen
und Parlamenten. Jedes Staatswesen ist auf die Gebote des Natur-
rechts und, soweit es sich um einen christlichen Staat handelt, außer-
dem auf die Gesetze des Evangeliums verpflichtet. Wenn das Natur-
recht fordert, einen rechtmäßigen Vertrag zu halten, darf der
Staat einen Handelsvertrag oder Kirch envertrag nicht
einseitig durchbrechen. Wenn das Evangelium die ' Ehe für
120
unaufl(')?lich erklärt, kann der Staat nicht trennen, was Gott verbun-
den hat.
Die gleiche sittliche Ordnung, die den einzelnen ver-
pflichtet, verpflichtet auch das staatliche Gemeinschaftsleben:
Wenn der einzelne nach dem 1. und 3. Gebot verpflichtet ist, am
Tag dos Herrn den Gottesdienst zu besuchen, kann eine staatliche Be-
hörde für die Stunde, des Gottesdienstes keinen Geiandesport anset/.en.
Wenn der Untertan nach dem 4. Gebot gegenüber der Obrigkeit
sittliche Pflichten hat, hat auch die Obrigkeit solche Pflichten gegen-
über den Untertanen.
Wenn der einzelne nach dem 7. Gebot soweit als möglich seine
Schulden bezahlen muf,), darf auch der Staat nichtneu eAusgaben
für li e e r e s r ü s t u n g ansetzen, solange er nicht den Enterbten der
Inflation, in erster Ptcihe den Armen und Alten, wenigstens eine Rente
ihres dem Vaterland geopferten Kapitals zuwendet.
Wenn der einzelne im Privatleben nach dem 8. Gebot nicht lügen
darf, müssen auch Volksvertretung und Staatsregierung bei der Wahr-
heit bleiben.
Der Egoismus d e s S t a a t e s kann nicht , heilig' sein, wenn der
Egoismus des einzelnen häßlich ist.
Der K o c h m u t eines ganzen Volkes kann nicht gut sein,
wenn für den einzehien die Demut ein Gebot des Evangeliums ist.
Ein dritter Grundsatz der christlichen Staatslehre: Das höchste
Ziel der Staatsregierung ist die Obsorge für das G e s a m t w o h 1.
Die Staatsrsgierung darf Privateigentum enteignen, aber nur dann und nur
insoweit, als das Allgemeinwohl es erfordert. Gesetzgebung und Ver-
waltung müssen die Wohlfahrt des Volkes gegen die Selbstsucht einzel-
ner Schichten verteidigen. Der staatliche Schutz für Gesundheit und
Eigentum, für Ehre und Freiheit der Bürger muß sich in gleichem Aus-
maß den Besitzlosen wie den Besitzenden zuwenden. Die öffentlichen
Schulen dürfen nicht bloß den Kindern reicher Leute offen stehen. Die
staatlichen Gerichte müssen ohne jede Parteiwirtschaft und Klassen-
justiz ihr Urteil sprechen."
Aufgaben des christlichen Staates
„Ein Rechtsstaat hat die Aufgabe, Recht und Gerechtigkeit
zu pflegen. Die Gerechtigkeit verpflichtet die Obrigkeit, die Staats-
ämler nach bestem Wissen und Gewissen zu besetzen, die sozialen Lasten
in ausgleichender Gerechtigkeit auf alle tragfähigen Schultern zu ver-
teilen, die Frevler des Gesetzes ohne Ansehen der Person durch einen
unabhängigen Richtersland zu strafen. Es wäre Unrecht, wenn die
Güter der Erde in wenigen Händen sich aufhäuften, während Millionen
von Mitmenschen Hunger litten. Es wäre Unrecht, wenn aufrechte
Katholiken als national nicht verlässige Staatsbürger zweiter Klasse be-
trachtet und bei Besetzung von Staatsämtern wegen ihrer religiösen
Überzeugung zurückgestellt würden.
Ein Kulturstaat hat die Aufgabe, .für sittliche Ordnung zu
sorge n. Jeder Staat geht darauf aus, in Ausübung seines Münzrechtes
den Falschmünzern das Handwerk zu legen. Mit der gleichen Schärfe
müßte der christliche Staat darüber wachen, daß die sittlichen Werte im
Volke nicht gefälscht, nicht falsche Begriffe von Kamerad-
schafts-Ehe und Mutterschaft in Umlauf gesetzt werden.
Ein Wohlfahrtsstaat hat- die Aufgabe, die öffentliche Für-
sorge zu pflegen.
Ein christlicher Staat wird die Rechte der Kirche achten.
Beide Rechtsgebilde, Staat und Kirche, sind selbständige Gesellschaften,
121
beide in ihrem Rechtsbereich souverän. Die Kirche mischt sich
nicht in rein staatliche Fragen und beansprucht keine Vor-
lierrschaf t über den Staat. Anderseits wehrt sich die Kirche
gegen Übergriffe des Staates in reinlcirchliclie Gebiete und
weist jede Art der Bevormundung zurüclc. Nun aber gibt es ge-
mischte Fragen, die gleichzeitig das staatliche wie das kirchliche
Gebiet berühren, zumal der gleiche Mensch im Staat sowohl wie in der
Kirche beheimatet ist. In solchen Fragen mu3 eine friedliche Zusam-
menarbeit von Kirche und Staat einsetzen, die ihren feierlichsten Aus-
druck in den Konkordaten findet.
Ein christlicher Staat wird die Rech teder Familie achten.
Die Grundrechte der Familie sind dem Staat gegenüber mit dem Siegel
Gottes besiegelt. Auch die Verfassung des Deutschen Reiches hat in
Artikel 120 die Erziehung der Kinder als natürliches Recht
der Eltern anerkannt. Noch strenger hat die Kirche den Eltern die
Erziehung der Kinder auf das Gewissen gebunden. Kein Schul-
gesetz darf also den katholischen Eltern eine Schule
aufzwingen, die gegen ihr Gewissen ist.
Ein christlicher Staat wird die Rechte anderer Staaten ach-
ten. Der einzelne Staat kann sich von den durch Natur- und Völker-
recht geordneten Beziehungen zu anderen Staaten, besonders zu den
Nachbarstaaten, nicht absperren. Im besonderen muß er heute an der
Doppelaufgabe mitarbeiten, die weltwirtschaftliche Notlage
zu überwinden durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit und den
.Weltfrieden zu sichern durch den überstaatlichen Völkerbund.
Angesichts der Tatsache, daß der neuzeitliche
Krieg eine V ernichtungs t echniic in unmenschlichen
Ausmaßen entfaltet, müssen die Lenker der Staaten
Staat, der im voraus einenfriedlichen Ausgleich an-
strebt, muß den Sieg gewinnen über den Machtstaat,
der mit blutigen Waffen sein Recht sucht, aueh wenn
er darüber zugrunde geht."
Pflichten des christlichen Staatsbürgers
„Wenn der Staat eine soziale Notwendigkeit ist und in der gött-
lichen Weltordnung einen Platz hat, also nicht eine Erfindung des Teu-
fels ist, dann müssen wir den Staat bejahen. Dann werden die
Beziehungen zwischen Staat und Staatsbürger eine Sache des Ge-
wissensundderVerantwortung.
Geistig reife Menschen werden den Staat als Rechtsordnung
anerkennen, als Volksgemeinschaft unterstützen, als Vater-
land lieben.
Der Katechismus sagt zum 4. Gebot: ,Wir sind der weltlichen Obrig-
keit Ehrfurcht und Gehorsam schuldig.' Ehrfurcht und Ge-
horsam bedeuten aber nicht sklavisches Verstummen oder
byzantinisches Allesloben. Der Gehorsam, den der Katechis-
mus verlangt, ist der Gehorsam eines freien Menschen, der niemals an
gewaltsamen Empörungen und Umwälzungen teilnimmt, dabei aber die
Unordnung nicht Ordnung und den Wahnsinn nicht Wahrheit heißen
kann.
Die meistgenannte Pflicht des Staatsbürgers ist das Steuer-
zahlen. Christus hat die Steuermünze anerkannt.
Für den Staatsbürger ist es eine Gewissenspflicht, andenöffent-
lichen Wahlen teilzunehmen. Die Gegner der. Kirche halten
122 . ^
uns immer wieder das falsch verstandene und verstümmelte Wort von
Papst Leo XIII. aus dem Jahre 1890 entgegen: ,Der Kirche sei es in
hohem Maße zuwider, an Parteibestrebungen teilzunehmen oder ihr An-
sehen den Strömungen einer veränderlichen Politik unterzuordnen.'
Die Kirche wird niemals sich einer einzelnen Partei,
verschreiben. Die einzelnen Katholiken aber haben
als Staatsbürger die Pflicht, im öffentliche nLeben
Farbe zu bekennen und an den Wahlen sich zu beteili-
gen. Papst Pius XL hat für unsere Zeit erklärt: ,Die Katholiken sind
verpflichtet, mit allen Kräften darnach zu trachten, daß das Gesamtleben
der Republik mit den christlichen Grundsätzen im Einklang stehe.'
Die Staatsregierung ist auf die Mitarbeit der Staatsbürger angewie-
sen, um die Aufgaben eines Rechts- und Kulturstaates zu erfüllen . . ;
Die Katholiken wollen aus ihrem katholischen Gewissen heraus an den
staatlichen Aufgaben mitarbeiten. ,Auch an den höchsten Staatsangele-
genheiten', sagt das leoninische Rundschreiben. Nicht als,Staats-
katholiken', die vor lauter Staatsfrömmigkeit von ihrer Kirche sich
abwenden, sondern als Bekenner, die trotz aller Zurücksetzungen nicht
staatsmüde und staatsverdrossen werden. Auch dem Priester
kann die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte nicht
verweigert werden, die jedem Staatsbürger mit Aus-
nahme der Verbrecher zuerkannt werde n."
Der erste Fastenhirtenbrief Kardinal Faulhabers in der Zeit
der NS-Herrschaft (1934) behandelte
die Sittenlehre der katholischen Kirche.
Zunächst nannte er vier Tatsachen, auf welchen die sittliche Ord-
nung des Christentums ruht:
„1. Tatsache: ,Es gibt eine Sittenlehre mit bestimmten
Gesetzen, die entweder auf den Tafeln des menschlichen Herzens
als natürliches Sittengesetz aufgeschrieben sind oder als über-
natürliches Gesetz auf den Tafeln von Sinai, auf den Blättern
des Neuen Testamentes und im Gesetzbuch der Kirche.
2. Tatsache: Es gibt ein Gewissen, eine feinfühlige Natur-
anlage der Seele, das Gute und Böse voneinander zu unterscheiden.
3. Tatsache ist die Freiheit des menschlichen Gewissens. Das
Tier lebt am Leitseil der Naturtriebe, der Mensch, größer als das Tier,
soll unter der Führung sittlicher Gesetze stehen und über die Natur-
triebe herrschen.
4. Tatsache: Um ein sittlich geordnetes Leben zu führen, sind wir
auf die Gnade Gottes angewiesen. Auch eine Volkssittlich-
keit läßt sich ohne Gottes Gnade nicht aufrichten." ,
Sodann unterstrich und erläuterte der Kardinal noch einzelne
Forderungen der katholischen Sittenlehre.
„Als Gebote Gottes sind die sittlichen Gesetze ewige souveräne
Majestäten, der Willkür der Menschen entzogen. Da können die
Menschen nicht neben die von Gott gegebenen Gebote eigene Satzungen
stellen, die den Geboten Gottes widersprechen. Lichter, die von Men-
schen angezündet wurden, können von Menschen wieder ausgelöscht
werden. Die ewigen Sterne Gottes aber, die nicht von Men-
schenhand angezündet wurden, können von Menschen auch nicht aus-
gelöscht werden. Gewohnheiten und ,Sitten', wissenschaftliche Lehren
und technische Verkehrsmittel blühen und vergehen wie die Blumen des
123
Feldes, die Gi'undge setze der Sittenlehre aber sind
ü b e r z e • I 1 1 c h und ü b e r v ö 1 l<c i s c h , ewig und s o u v e r ä n.
Vor kurzer Zeit ist ein 1; u r cii t b a r e s W o r t gefallen: Jede
Sittenlehre gelte nur eine Zeitlang und sittlich sei
alles, ;W a s dem Wohle des V o 1 k e s d i e n f. Die christliche
Sittenlehre ist ein wesentliches Stück des Evangeliums, verpflichtet also
alle Völker imd alle Zeiten so gut wie die Glaubenslehre des Evan-
geliums. Sittlich ist, was dem' Willen und den Geboten
Gottes entspricht. Das wird, auf die Dauer immer auch dem
Wohle des Volkes dienen. Eine neue sittliche Ordnung aber, die mit den
Geboten Gottes im Widei-spx'uch stünde, würde Unordnung schaffen und
dem Wohle des Volkes nicht dienen.
Da könnte ein Fanatiker auf den Wahn kommen, Enteignung
des Kirchengutes, Meineid und Mord , dienten dem Wohle des Volkes'
und seien deshalb sittlich ei-iaubt.
Es könnte ein Arzt auf den Gedanken kommen, die
schmerzlose Tötung der sicher unheilbar Kranken,
auch der unheilbar Geisteskranken, die sogenannte
Euthanasie, erspare dem Staat große Fürsorgelasten
und , diene deshalb dem Wohle des Volkes.'
Der Vater des Gedankens, alte Levite einzuschläfei-n, ist der gleiche
Nietzsche, der den Staat ein , Ungeheuer', die Nächstenliebe ,das
größte Laster' nannte, in dessen Augen es die größte Tor-heit war, den
Unterschied zwischen Herrenmenschen und Sklavenmenschen aufzu-
heben und die Sklaverei der Arbeiter abzuschalten . . .
Die Bischöfe haben in früheren Jahren wiederholt ihre Stimme er-
hoben gegen staatliche Gesetze und Verordnungen, die eine mar-
xistische Staatsschule oder die E n t e i g n'u ng des Privat-
eigentums forderten ... In einem Hirtenbrief habe ich im .Namen
des christlichen Sittengesetzes das Maigesetz von 1926 verurteilt, das
den Mord an üngeborenen Kindern nahezu für straf-
frei erklärte. So müssen immer wieder die Bischöfe ihre
Stimme erheben, wenn das Sonntagsgebot oder andere Gebote des Sit-
tengesetzes mißachtet werden."
Gegen das NS-Sterilisierungsgesetz
„Die Lehre der katholischen Kirche in der Frage der Unfrucht-
barmachung ist für alle Völker im Weltrundschreiben des Hl. Vaters
Plus' XI. vom 31. Dezember 1930 ausgesprochen: ,Es sei der gesunden
VernVinft nicht zuwider, heilsame Ratschläge zur Erziehung einer starken
und gesunden Nachkommenschaft zu geben. Es sei aber nicht
erlaubt, durch ärztlichen Eingriff die natürliche
Fähigkeit wegzunehmen.' Danach ist es dem katholischen Ge-
wissen nicht erlaubt, solche Eingriffe für die eigene Person zu gestatten
oder für andere zu beantragen ...
Die Abwehr d^s ,weißen Todes', das Vei-bot der Verwandten-Ehen
und die anderen Ebegesetze der katholischen Kirche sind die beste
E u g e n i k für die Zukunft eines Volkes. Eine Pt ü c k w ä r t s e n t -
vv i c k 1 u n g der öffentlichen Moral ist immer auch eine Abwärts-
entwicklung der Kultur."
Ein Posaunenstoß für die Freiheit der Kirche
v/SiY die Predigt von Kardinal Faulhaber bei der Papstfeier am
10. Februar 1935 Sie verrät schon deutlich, daß der Kampf des
Nationalsozialismus gegen die Freiheit, der Kirche mächtig ent-
brannt ist. Es heißt da unter anderem:
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Freiheit öffentlicher Gottesverehrung!
„Das Reichskonkordat vom Juli 1933 beginnt im allerersten Artikel
mit dem wuchtigen Satz: ;Das Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit
des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katho-
lischen Religion.' Unser Gottesdienst kann also nicht, wie in anderen
Ländern, auf das Innere der Kirche eingeschränkt und in die Salu'i-
stei eingesperrt werden. Wir haben nacli dem Konkordat, also nach
völkerrechtlich feierlicher Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich
und dem Apostolischen Thron, die Freiheit der öffentlichen Aus-
übung der katholischen Religion. Es wäre ein Verstoß gegen den ersten
Artikel des Konkordates, wenn religiöse Veranstaltungen außerhalb der
Kirchen verboten würden, etwa der Gottesdienst vor einer Waldkapelle
oder eine Messe im Stadion vor den Wettspielen oder sonst ein Gottes-
dienst im Freien, wie wir ihn im Felde in aller Einfachheit, aber mit
seelischer Ergriffenheit abhielten. ,Das Deutsche Reich gewährleistet
die Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der I^atho-
lischen Religion.' Auch wenn das Konl<:ordat schweigen würde, würde
das Evangelium reden. Hier lesen wir: ,Geh' in dein Kämmerlein
und bete im Verborgenen!' (Mt. 6,6.) Wir lesen aber aucl'i: ,Bekennet
mich vor den Menschen!' (Lk. 12,8). , Gehet hinaus in alle Welt!' (Mk.
16,15). ,Predigt von den flachen Dächei-n herab!' (Mt. 10,27), Wie in der
Urkirche sollen auch heute die Feuer zungen des Hl. Geistes im öffent-
lichen Leben reden und leuchten!"
Freiheit zur V er Ic ü n d i g u n g der katholischen
Religion I
„Im Artiicel 4 des Reichskonkordates wird den l^irchlichen Behörden
in Deutschland das Recht zuerkannt und verbürgt, »Anweisungen,
Hirtenbriefe und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen
betreffende Verfügungen u n g e li i n d e r t zu veröffentlichen
und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der Gläubigen zu
bringen.' Darum liegt es heute wie ein schwerer
Druck auf dem katholischen Volk und wird es wie ein
geistlicher Belagerungszustand empfunden, daß ein
gemeinsamer Hirtenbrief der deutschen Bischöfe
i in m e r noch verboten ist. Der Apostel Paulus lag im Ker-
k e r zu Rom und schrieb im gehindert seine Hirtenbriefe
an die Gemeinden in Kleinacien und schrieb dazu: .Ich bin gefesselt wie
ein Übeltäter, das Wort Gottes aber läßt sich nicht in
Fesseln schlagen' (2. Tim. 2,9)."
Im Artilcel 5 des gleichen Konlvordates ist für die Seelsorge aus-
gesprochen: ,,In Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit genießen die
Geistlichen den Schutz des Staates." Mit diesem Artikel läßt sich nicht
vereinbaren, wenn von unberufenen Geistern die Predigten der
Geistlichen belauert werden, ähnlich wie die Predigten
Christi von den Pharisäern bespitzelt wurden, und auf Grund von fal-
schen Nachschriften oder Naclierzählungen D e n ii n z i a t i o n e n übel-
ster Art gemacht werden. Wir wollen doch nicht in die Zeiten des
Kaisers Joseph II. von Österreich zurüclrfallen, der 1783 eine Gottes-
dienstordnung aufstellte und verfügte, wieviel Kerzen am Altare bren-
nen dürften. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. V/o Knechtung
ist, ist nicht der Geist des HeiTn."
Freiheit zur Verteidigung der katholischen Religion!
„Was wird heute in Zeitschriften und Büchern, in öffentlichen und
privaten Reden an Verleumdungen gegen Kirche und
Papsttum zusammengetragen! Wir stellen nicht in Abrede, daß auch
in der Geschichte der Kirche menschliche Untaten und Mißstände vor-
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gekommen sind. Wir erblicken gerade darin die Hand Gottes, dessen
Allmacht auch mit der Schwäche hinfälliger Menschen die Kirche durch
die Zeiten führt. Wenn aber all die Verleumdungen, die im ,Mythus'
gegen Kirche und Papsttum ohne Quellenangabe zusammengetragen sind,
nur zur Hälfte wahr wären, wäre die Kirche längst vom Erd-
boden verschwunden. Nun ist die wissenschaftliche Abwehr
der Geschichtsfälschungen im ,Mythus' den Quellen nachgegangen und
hat über den wissenschaftlichen Quellenwert des ,Mythus' ein ver-
nichtendes Urteil gesprochen. Lesen Sie doch einmal die
»Studien zum Mythus' oder das Heft ,Schönere Zukunft' vom 10. Februar
1935 Seite 503 f und die anderen Gegenschriften!"
Freiheit zur Beantwortung von Gewissensfragen!
„Die Gewissensfrage, die heute den katholischen Eltern auf der Seele
brennt, ist die Frage dei" Schuleinschreibung am nächsten
Mittwoch, den 13.. Februar, die Frage, ob sie ihre Sechsjährigen für die
Bekenntnisschule, früher Konfessionsschule genannt, einschrei-
ben oder . für die Deutsche Gemeinschaftsschule, die fortan
an die Stelle der bisherigen christlichen Simultanschule treten soll.
Auch für jene Kinder, die bereits in der Bekenntnisschule sind, sollen
die Eltern entscheiden. In öffentlichen Versammlungen macht man auf-
dringliche Propaganda für die Gemeinschaftsschule.
Die katholischen Eltern stellen an ihren Bischof die Gewissensfrage:
Was müssen wir tun?
Die Bekenntnisschule ist jene Schule, die dem katholischen Kind
und der katholischen Familie die katholische Schule, dem evangelischen
Kind und der evangelischen Familie die evangelische Schule gibt. Jene
Schule, worin nicht bloß die eine oder andere Religionsstunde in
der Woche erteilt, sondern der ganze Unterricht, also auch das
Lesebuch unfä der Geschichtsunterricht, auf eine religiös-sitt-
liche und vaterländische Grundlage gestellt wird. Jene
Schule, worin auch der Lehrer in religiösen Fi-agen, namentlich über
Christus und die Kirche, die gleiche Gesinnung hat wie die Eltern der
Kinder und nicht, wie es in diesen Tagen geschah, öffentlich erklärt, es
sei ihm: gleichgültig, ob er in die Hölle oder in den Himmel
komme.
Katholische Eltetn, hört die Antwort Eures Bischofs auf Eure Frage:
Es ist für Euch Gewissenspflicht, EureKinder für die
Bekenntnisschule anzumelden und für jene Kinder, die be-
reits in der Bekenntnisschule sind, zu erklären: ,Mein Kind bleibt, wo
es ist\"
Wir bekennen uns zur Bekenntnisschule im Namen der
deutschen Treue
„Der Artikel 23 des Reichskonkordates sagt wörtlich: ,Die Beibehal-
tung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewähr-
leistet'."
Wir bekennen uns zur Bekenntnisschule im Namen
des natürlichen Elternrechtes
„Daa erste unveräuiierliche Recht auf die Kinder und ihre Erziehimg
steht bei den Eltern. Die erste Schule der Kinder ist und
bleibt das Elternhaus. Eine andere Auffassung, Staatsrecht
breche Elternrecht, wäre marxistischer Wahnsinn.
Unsere öffentlichen Schulen sind Staatsschulen, in der ganzen Welt
rühmlich bekannt. Zusammen mit den Eltern und dem Staat hat aber
auch die Kirche ein Recht, die als geistige Mutter die Kinder
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am Taufstein zu Gotteskindern wiedergeboren und damit die Pflicht
übernommen hat, sie als Gotteskinder zu erziehen.
Die Eltern haben ein Recht, zu verlangen, daß die im Elternhaus
begonnene Erziehung im gleichen Geist in der Schule fort-
gesetzt wird. Die Schule darf also nicht niederreißen, was das Eltern-
haus bis zum sechsten Lebensjahr aufgebaut hat. Die Schule ist nicht
bloß Unterricht und Anhäufung von Wissensstoff, die Schule ist zu-
gleich Erziehung. Kein denkender Mensch wird leugnen, daß i n
der christlichen Glaubenslehre und im Kirchenjahr
von Weihnachten bis Allerseelen unschätzbare Erziehungswerte
und ebenso in der christlichen Gnadenlehre, besonders in den
heiligen Sakramenten, unschätzbare Erziehungskräfte enthalten
sind.
Wohl hat die Gemeinschaftsschule auch den bekenntnismäßigen E, e"l i-
g i o n s u n t e r r i c h t. Wer bürgt aber dafür, daß in den übrigen Unter-
richtsstunden die biblische Geschichte nicht als jüdisches Märchenbuch
bezeichnet oder die Person unseres Herrn und Heilandes mißachtet wird,
weil seine Wiege und sein Kreuz im Judenlande standen?
Im Namen des natürlichen Elternrechtes .erhebe ich deshalb
öffentlichen Einspruch dagegen, daß man den katho-
lischenElternvereinigungenjede Versammlungpoli-
zeilich verboten, daß man einen Brief der Seelsorger an
die Eltern, der kein Flugblatt ist, beschlagnahmt und sogar
-den Aufruf zu einer Betstunde unterdrückt hat."
Wir bekennen uns zur Bekenntnisschule im Namen
der Volksgemeinschaft
„Gerade unter diesem Stichwort sucht man katholische Eltern für
die Gemeinschaftsschule zu gewinnen mit den gleichen ab-
genutzten Redensarten, mit denen der Liberalismus in
den verflossenen Parlamenten für die Simultanschule Stimmung machte.
Es ist eine Unwahrheit, wenn man sagt, die Bekenntnisschule
wolle die Recht edes Staates kürzen oder gar eine K i r c h e n---
schule an die Stelle der Staatsschule setzen. Auch die Bekenntnis-
schule will die Kinder, wie es Gottes Gebot ist, zur Ehrfucht vor der
staatlichen Obrigkeit, zu Vaterlandsliebe und staatsbürgerlichem Gemein-
sinn erziehen. Auch in der Bekenntnisschule sind die Lehrbücher staat-
lich genehmigt, der Charakter der Staatsschule bleibt also durchaus
gewahrt. Auch in der Bekenntnisschule werden den Kindern die Schön-
' heiten ihrer Heimat und die großen Stunden und Gestalten der deutschen
Geschichte in geschichtlicher Wahrheit vor Augen gestellt. Auch in der
Bekenntnisschule sollen die Kinder zu aufrechten und voll-
wertigen deutschen Menschen- erzogen werden.
Es ist eine Unwahrheit, wenn man sagt, durch die Bekenntnis-
schule würden die Kinder auf die Glaubensspaltung in unserem Volk
hingewiesen und zum religiösen Unfrieden erzogen. Die Tat-
sache der Glaubenszwei heit, die wir in christlicher Bruderliebe
hinnehmen müssen, wird auch durch die Gemeinschaftsschule nicsmals
aus der Welt geschafft. In den Simultanschulen werden die Kinder
stärker auf diese Tatsache gestoßen als in den Bekenntnisschulen. Wenn
man doch aufhören wollte, die Kinder schon in den jungen Jahren mit
dem Zwiespalt der Bekenntnisse oder gar mit Parteilosungen zu be-
fassen! Die gläubigen Kreise ■ der beiden alten Bekenntnisse leben in
religiösem Frieden. Der Unfriede und die Spaltung der Volks-
gemeinschaft kommen heute nicht von den (fJlaubensverschiedenheiten
zwischen dem katholischen und protestantischen Bekenntnis. Die kom-
men heute von dem Gegensatz zwischen Christentum
undHcldentum. Dabei werden wir die Sorge nicht los, die Gemein-
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Schafts schule solle den Weg zur Gemeinschafts k i r c h e frei machen.
Mit den gleichen Gründen, mit denen bei uns die Gemeinschaftsschule
gefordert wird, wird anderwärts im Namen der Volksgemeinscliaft die
einheitliche Deutsche N a t i o n a llc i r c li e gefordert."
Als der Verfasser nach dem Fronleichnamsfest 1936 zum Mün-
chener Polizeipräsidenten Freiherrn v, Eberstein gerufen wurde,
lag auf dessen Tisch ein Exemplar der Predigt, welche der Herr
Kardinal am Dreifaltigkeitssonntag (7. Juni 1936) zum Abschluß
der Männerprozession gehalten hatte:
„Der Glaube ein dreifacher Segen."
Nicht wenige Stellen waren da dick mit rotem und blauem
Stift angestrichen, ein Zeichen, daß sie ,,v e r 1 e t z t" hatten. Die
Wahrheit erregt ja immer leicht Anstoß. Plier waren es besonders
die Worte:
(S. 3 :) „W das Wort Gottes keinen Kredit mehr hat,
da wird auch das Wort der Menschen im Werte sinken,
da werden auch Treue und Glauben im Volksleben erschüttert werden.
Wer seinen F i r m'u ngseid gebrochenhat, gibt mir keine
Sicherheit dafür, daß er nicht eines Tages auch seinen
Fahneneid bricht. Eid ist Eid. Eidestreue ist Eidestreue, ob es sich
um den Firmungseid oder Fahneneid, um den Beamteneid oder Priester-
eid handelt. So sage ich: Die Männer, die an Gottes Wort glauben und
diesen Glauben ölfentlich zu bekennen den Mannesmut haben, sind ein
Segen für ihr Volk, weil sie Treue und Glauben im Volke stützen durch
ihren Glauben an Gottes Wort, weil sie selber auf dem Felsenboden der
Wahrheit stehen und darum Unwahrheit und Zweizüngig-
k e i t und das c h a r a k t e r 1 o s e ,b a 1 d Ja, b a 1 d N e i n' ablehnen."
(S. 4:) „Man kann beobachten: In dem Maße, in dem der Glaube
a b n i m m t, nimmt bei manchen Menschen der Aberglaube zu, und
während das Wort Gottes nicht mehr glaubwürdig sein soll, hält man
sich blind an alle Einfälle der menschlichen Phantasie. Solche Men-
schen glauben an den Einfluß der Sterne, sehen Gespenster in allen
Ecken, hören Waffen klirren von allen Seiten.
Es ist ein Schlagwort gefallen: Jugend, werde nur von
Jugend erzogen. Wie war es nur möglich, daß ein so ober-
flächliches Wort i'uhig hingenommen wurde? Jugenderziehung ist
Jugendführung, Jugendführung aber setzt, wie jede Führung, ein gei-
stiges Überlegensein, eine Autorität voraus. U n r e i f e k a n n nur von
Rolfe überwunden werden. Der Glaube mit seinen
f e 1 s e n h a r t e n Grundsätzen panzert gegen die Dikta-
tur der Schlagwörte r."
(S. 5:) „Auf einen Gegenwartssegen des Glaubens für eure Seele muß
ich noch hinweisen. Ich weiß, es liegt wie ein schwerer Druck auf eurer
Seele die Erinnerung an die gewalttätige Art, wie bei der letzten
Schuleinschreibung in München die Eltern sogar mit wirtschaft-
lichen Drohungen von der Bekenntnisschule zur Gemeinschafts-
schule gedrängt wurden. Zuweilen in einer Weise, daß man von einer
Freiheit des Elternwillens nicht mehr sprechen konnte. Und jetzt kommt
die amtliche Mitteilung: ,In den nächsten Monaten sollen 600 klö-
sterliche Lehrerinnen und mit der Zeit alle klösterlichen Leh-
rei'innen an den öll'entlichen bayerischen Schulen abgebaut wer-
den. Lehrerinnen mit den besten Prüfungsnoten und Zeugnissen, die im
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Dienste der Jugenderziehung nach den staatlichen Schulplänen ihr
Bestes geleistet haben, sollen ihre wohlerworbenen Rechte gegenüber
dem Staat und das Recht auf Ausübung ihres Berufes verlieren. Da
fragt sich das Volk: ,SinddennwirKatholikenrechtlosund
vogelfrei? Und soll der Wille der Eltern für die Erziehung der Kin-
der nichts mehr' gelten'?"
Zu diesem Druck von aiißen kommt nun ein schwerer Druck von
innen, die Meldungen von sittlichen Verfehlungen von Or-
densbrüdern, die in der Presse und noch mehr im Volksmund zu
einer Hetze gegen alle Ordenspersonen und gegen alle Katho-
liken ausgeschlachtet werden. Niemandvonunswillin Schutz
nehmen, was schlecht ist. Niemand kann diese zum Himmel
schreienden Frevel am sittlichen Gesetz schärfer verurteilen als die
Kirche selber. Glaubt mir, das kirchliche Gericht wird n\it aller Strenge
diese unfaßlichen, ekelhaften Greuel an heiliger Stätte untersuchen und
nach kirchlichem Strafrecht dagegen einschreiten.
Die Aufpeitscher der öffentlichen Meinung aber seien
an das Evangelium erinnert, wo Christus auch .einmal als Richter in
einer Freveltat gegen das 6. Gebot angerufen wurde. Er aber schaute
den Anklägern, den Pharisäern, in die Seele und sprach: „Ihr wollt diese
Ehebrecherin steinigen? Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den
ersten Stein auf sie!" Im einfachen Volk fragt man, ob denn in an-
deren Schichten unseres Volkes lauter sittliche
Musterknaben seien. Für den jetzigen Fall, der auf kirchlichem
Boden spielt und ein furchtbares Ärgernis im Volke, besonders in der
Jugend anrichtet, gilt das strenge Wort des Herrn; „Wehe dem Men-
schen, durch den Ärgernis kommt!"
Steinwürfe gegen den Päpstlichen Thron abzuwehren
war der Zweck der Kardinalspredigt in Müpchen-St. Michael am
9. Februar 1936. Es regnete ja damals im nationalsozialistischen
Deutschland Steine gegen Papsttum und Papst. Da erhob Kardinal
Faulhaber als treuer Gefolgsmann Christi und Petri den Schild der
Wahrheit und sprach:
„Seit dem letzten Papstsonntag hat der Kampf gegen Rorq,
gegen das Papsttum im allgemeinen und gegen die Päpste der letzten
Zeit im besonderen Formen angenommen und Töne angeschlagen, zu
denen wir nicht schweigen können. Das Ausland soll nicht sagen, in
Deutschland dürfe das Oberhaupt der Kirche in Zeitungen und Zeit-
schriften und ganzen Büchern, auch in Jugendzeitungen beschimpft wer-
den, ohne daß die Katholiken sich dagegen wehren. Die Ehren-
rettung des Papstes wird alsozugleich eine Ehren-
rettungunseresVolkes.
Erster Einwurf und Steinwurf gegen Rom:
,Die Päpste seien deutschfeindlich'
Die Päpste, sagt man, hätten seit Jahrhunderten, ja seit Bonifa tius,
eine deutschfeindliche Stellung eingenommen. In den Schulungslagern
und bei jeder Gelegenheit wird das der Jugend voi-geredet. Dieses Vor-
urteil führt die Freidenker und Kommunisten der alten Zeit mit den
Romhassern der neuen Zeit unter einem neuen Namen zu einem sehr
gemischten Chor zusammen.
Hat man denn vergessen, daß in den Jahren der Hungers-
not, als die Sperre über Deutschland verhängt war, Papst Benedikt XV.
1919 einen Aufruf an die Kulturvölker erließ, .,dem in äußerste Nc-t
Kreuz und Hakenkreuz 9 Bd. II ton
geratenen deutschen Volk eilige Hilfe zu leisten'. Der päpstliche Aufruf
war besonders nach Nordamerika gerichtet und ist dort auf guten
Boden gefallen. Der gleiche Papst hat durch die Hand der deutschen
Bischöfe viele Hunderttausende von Lire den deutschen
Kindern, den deutschen Studenten und anderen Not-
Le i d e n d e n z u k o m ni e n 1 a s s e n.
Hat man denn vergessen, daß der jetzige Papst Pius XI. (Januar
1923) in der Zeit der Ruhrbesetzung einen besonderen Legaten
abordnete, der in seinem Auftrag für die ausgewiesenen oder gefangenen
oder verurteilten Deutschen im besetzten Gebiet eine Reihe von Milde-
rungen erwirkte?
Am 9. Februar 1926, also auf den Tag genau heute vor zehn Jahren,
hat Reichspräsident von Hindenb u r g dem Staatssekretär
des Hl. Vaters brieflich- gedankt ,für die unermüdliche und
wirksame Sorge zugunsten der deutschen Militär-
und Zi vilkr i eg sgef angen en und besonders für die unablässi-
gen Bemühungen, um in den Grenzen des Möglichen die Leiden der
Kriegsgefangenen und das große Elend zu lindern, das sich nach dem
Krieg in Deutschland einstellte'. In diesem Dankbrief versicherte Reichs-
präsident von Hindenburg, ,diese caritative l'ätigkeit werde
im Gedächtnis des deutschen Volkes unaufhörlich
weiterlebe n'. - Leider hat ,die deutschfreundliche Caritas
des Papstes Benedikt XV. im Gedächtnis des deutschen Volkes
nicht lange weitergelebt. Sonst könnte man nach zehn Jahren
nicht von deutschfeindlichenPäpsten sprechen.
Wer hat die Stirn, dem jetzigen Hl. Vater Pius XI. eine deutsch-
feindliche Gesinnung vorzuwerfen? Er hat Deutschland wiederholt be-
sucht, er spricht und schreibt wie selten ein Ausländer unsere Mutter-
sprache, er hat deutsche Klassilcer gelesen wie nicht viele Deutsche, er
hat in Mailand freie Sonntage geopfert und die Seelsorge für die dortige
Kolonie der Deutschen übernommen, er ist als Präfekt der berühmten
Bibliothek Ambrosiana in Mailand mit vielen deutschen Gelehrten,
Katholiken und Nichtkatholilcen, in persönliche Beziehung getreten, und
viele haben ihm ein dankbares Andenken bewahrt.
Ein zweiter Einwurf und Steinwurf gegen Rom:
,Der Papst habe gegen denVersailler Gewaltfrieden
nicht Einspruch erhoben'
,Hier müssen wir im voraus alle Redner und Zeitungen dringend
ersuchen, mit deutscher Ehrlichkeit und Gründlichkeit päpstliche
Worte nur im genauen Wortlaut und unter Angabe der Quelle
anzuführen. Eine part^iamtliclie Zeitung (Das Schwarze Korps, 24. Juli
1935) beruft sich auf einen Brief, den Papst -Benedikt XV. (die Zeitung
schreibt Benedikt X.) an Kardinal Amette in Paris gerichtet hat, und
gibt dafür sogar die Quelle an, offenbar von einem Hof theologen be-
raten. Es handelt sich um den Brief,, der mit dem Datum 7. Okt.' 1919,
also dreieinhalb Monate nach Abschluß des Versailler Gewaltfriedens,
zur Einweihung der Herz-Jesu-Kirche auf dem Montmartre in Paris
geschrieben wurde, und folgende Stelle, enthielt: ,Möge unser Herr ...
von diesem erhabenen Throne..aus, den Ihr zur Ehre seiner Liebe erbaut -
habt, nicht bloß Frankreich, sondern das ganze Menschengeschlecht er-
fassen und erwärmen, so daß, was auf der Versailler Konferenz neulich
menschliche Klugheit begonnen hat, auf dem Montmartre die göttliche
Liebe veredeln und vollenden möge!' Die Feinde des Papsttums erblicken
in dieser Stelle eine Anerkennung des Versailler Vertrages. In
. Wirklichkeit ist es eine Verurteilung dieses Gewaltfrie-
dens. Es ist nicht gleich, ob der päpstliche Brief sagt: ,Von Frank-
reich aus möge sich Gottes Gnade über , die ganze Welt ergießen', wie
die deutsche Ze^itung ungenau übersetzt, oder ob es heißt: ,Von die-
130
sem erhabenen Thron aus (der Herz- Jesu-Kirche) möge unser
Herr nicht bloß Frankreich, sondern das ganze Menschengeschlecht er-
fassen und erwärmen^' Der HL Vater stellt die ,m e n s c h 1 i c h e K 1 u g-
heit'.der Diplomaten und ,die göttliche Liebe', die auf dem
Montmartre politikfern gefeiert wurde, einander gegenüber: ,Was
auf der Versailler Konferenz menschliche itlugheit begonnen, möge auf
dem ,Montmartre die göttlichie Liebe veredeln und vollenden'. In den
Augen des Papstes war also der Versailler Vertrag etwas Unedles, das
jVeredelt' werden, etwas Unvollendetes, das ,vollendet' werden muß,
etwas, was einer Ergänzung und Verbesserung bedarf, etwas, worüber
noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. In der diplomatischen Sprache,
die in Frankreich auch verstanden wurde, ist damit eine Überprü-
fung und Ergänzung des Versailler Vertrages gefor-
dert.
Heute vor acht Tagen hat der Münchener Stadtschuldirektor
am Reichssender München, also vor der weitesten Öffentlichkeit und vor
dem Ausland, das Versailler Diktat mit dem Reichskon-
kordat in Vergleich gesetzt: So wie durch die Unterzeichnung des
Versailler Vertrages, sagte er, die deutschen Vertreter sich nicht grund-
sätzlich zu den darin enthaltenen Forderungen bekannt hätten, so hätte
auch der nationalsozialistische Staat durch Art. 23 des Reichskonkordates
(,D'ie Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen
bleibt gewährleistet') sich nicht grundsätzlich zur Bekenntnisschule
bekannt. Das Entsetzen schüttelt uns, wenn der Versailler
Gewältfriede mit dem Reichskonkordat in Verbindung gebracht, wenn für
diese beiden Verträge das gleiche sittliche Recht behauptet und der
Heilige Vater als Partner des Reichskonkordates mit
demPartner des VersaillerGewaltfri edenszusammen-
gestellt wird. Was für einen furchtbaren' Eindruck wird diese
Schmähung gegen den Papst und dieses Abrücken von der sittlichen
Verpflichtung des Konkordates im Ausland machen, und was werden
die verantwortlichen Stellen zu dieser unverantwortlichen Kundgebung
am Reichssender sagen?' '
Ein dritter Einwurf und Steinwurf gegen Rom:
,DiePäpsteseien überhaupt nicht gegeA den Krieg,
wenn sie dadurch ihre Herrschaft und Macht in der Welt ausdehnen
könnten. Päpste trügen eine Schuld oder wenigstens eineMitschuld
am 70er -Krieg, am Weltkrieg und jetzt am abessinischen
Krieg.' '
Mir will das Wort im Halse stecken bleiben, wenn ich diese himmel-
schreienden Lügen und Verleumdungen gegen die Stellvertreter des
Friedensfürsten an dieser Stätte wiederhole. Sie werden aber so laut
und aufdringlich in tmser Volk hineingeschrien, daß wir in Kürze dazu
Stellung nehmen müssen.
^ Der Hl. Vater muß im Streit der Staaten die überstaatliche,
u n p arteiische Höhenlinie einhalten. Er ist das Oberhaupt
der Weltkirche, der Vater der großen Gottesfamilie vom Aufgang der
Sonne bis zum Niedergang. Wo immer Völker in blutigem Kampf
einander gegenüberstehen, befindet sich der Papst in der Lage eines
Familienvaters, dessen Söhne in Streit geraten sind. Sagt der Familien-
vater dem einen Sohn, dem Max, ein gutes Wort, meint der andere Sohn,
der Moritz, ,der Vater habe für seinen Bruder Partei genommen. Und
sagt er dem Moritz ein gutes Wort, glaubt der Max, der Vater habe für
seinen Bruder Partei genommen. Wir haben es während des Krieges
und nach dem Kriege erlebt, daß die gleiche päpstliche Kund-
g e b uoi g von den Deut sie hen alsfranzosenfreundlich, von
den Franzosen als deutschfreundlich gekennzeichnet
131
wurde. Schon deshalb muß der Hl. Vater die unparteiische Höhenlinie
einhalten, um zur rechten Stunde die streitenden Völker auf den Weg
des Friedens leiten zu Icönnen.
Es ist eine Unwahrheit zu sagen, der P a p st sei am 70er Krieg
mitschuldig gewesen. Es ist geschichtliche Tatsache: Papst
P i u s IX. hat vor dem Ausbruch des 70er Krieges an König Wilhelm
von Preußen und an Kaiser Napoleon einen Brief geschrieben, um in
letzter Stunde einen friedlichen Ausgleich zu versuchen.
Es ist eine himmelschreiende Verleumdung zu sagen, der Papst
sei am Weltkrieg mitschuldig'gewesen. Papst P i u s X. ist
im ersten Monat des Weltkrieges. August 1914, gestorben, niedergebeugt
von dem schweren Kummer, weil es nicht möglich war, den mörderi-
schen Kampf zwischen Millionen zu verhüten.
Sein Nachfolger, Papst Benedikt XV., hat bereits am 28. Juli 1915
einen Friedensgrußan die streitenden Völker gerich-
t e t'. Ströme von Menschenblut wären erspart geblieben, und statt des
späteren Gewaltfriedens mit seinen furchtbaren Folgen wäre auf der
Grundlage der Gleichberechtigung ein wirklicher und gerechter Friede
gekommen, hätten die Völker auf diesen und die späteren Friedensrufe
des Papstes gehört (1. August 1917) und wenigstens nach dem Friedens-
schluß, der nur eine Fortsetzung des Krieges war, nach dem Wort des
Papstes zuerst den Haß abgerüstet (28. Juni 1919; 23. Mai 1920).
In den vorausgehenden 14 Jahren seines gottgesegneten Pontiflkates
hatte der Hl. Vater Pius XI. immer wieder seine Stimme für den Frie-
den der Völker erhoben, getreu seinem Wahlspruche: ,Der Friede
Christi im Reiche Christi'. Es ist nicht möglich, im Rahmen
einer Predigt all die Kundgebungen von Pius XI. für den Frieden auf-
zuzählen. In der • Weihnachtsansprache 1934 wandte sich der Hl. Vater
gegen dfen Grundsatz: ,Wenn du den Frieden willst,
rüste den Krieg!' Als am internationalen Himmel die dunklen
Wolken der politischen Spannung immer dichter heraufzogen, richtete
er einen Aufruf nach dem anderen an die Völker . . , Am 27. August 1935
erklärte er bei einem Kongreßempfang in Castel Gandolfo: ,Wir wün-
schen den Frieden. Wir beten zum lieben Gott, daß wir vom Krieg ver-
schont bleiben . . . Wir bitten Gott, daß er das Bemühen segnen möge',
in aufrichtiger Absicht einen Krieg fernzuhalten (Oss. Rom. 29.8.35).
Am 4. September 35 kam er bei einem Empfang der Frontkämpfer in
St. Paul in Rom wieder auf die Frage des Friedens zu sprechen: Die
ganze Welt sehne sich nach Frieden in Erinnerung an den Weltkrieg,
Er wünsche, daß der Friede als ,Friede der Gerechtigkeit, der Wahrheit,
der Liebe' erhalten bleibe (Oss. Rom. 8. 9. 35). Die meisten Bemühungen
des Papstes sind im einzelnen nicht bekannt. Es ist nicht die Art der
Päpste, alles, was sie tun, an die große Glocke zu hängen , . .
Nun haben wir -auch die Antwort auf die Frage, die manche Geister
in Unruhe versetzt: .Warum hat sich der Hl. Vater nicht der Friedens-
kundgebung des Erzbischofs von Canterbury gegen den abessinischen
Krieg angeschlossen?' Antwort: ,Weil der Hl. Vater schon vorher seine
Kundgebungen für den Frieden erlassen hatte. Man hätte also eher er-
wartet, daß sich die anglikanischen Bischöfe den früheren Kundgebun-
gen des Papstes anschließen würden.'
Weitere Einwürfe u n d Steinwürfe gegen Rom:
. . . ,Ich rede heute nicht von' den Fälschungen der Papstgeschichte.
Ich kann aber hier in München nicht dazu schweigen, daß die NS-
Kulturgemeinde München gegen Ende des Jahres 1935 in süd-
bayerischen Orten, im November auch in Freising, eine Kunstaus-
stellung veranstaltete, die neben vielen kunstgeschichtlich und volks-
erzieherisch wertvollen Nachbildungen aus dem 16. und 19. Jahrhundert
rpehrere Spottbilder über das Papsttum zeigte, so ein
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Spottbild über den Ablaßhandel mit der Unterschrift, ^Um Geld ist dem
Papst alles feil', ein anderes Spottbild, auf dem der Papst Geld zusam-
menrafft und durch seine ,Knechte' das Volk wie Schafe scheren läßt . . .
Es bedeutet für den deutschen Namen keine Ehre, wenn gerade jetzt
diese Spottbilder ,die unersättliche Geldgier' früherer Päpste vor Augen
stellen, nachdem die letzten Päpste für die Hungersnot der deutschen
Kinder und Studenten, für Sanatorien und Anstalten viele Hundert-
tausende von Lire gespendet haben. Am 8. April 1921 wurden für Kinder-
not in Bayern vom Papste 500 000 Lire gespendet, im gleichen Jahr für
deutsche Studenten 100 000 Mark, 1922 200 000 Lire Kurbeihilfe für kranke
Studenten. Am 11. Februar 1922 durch die Hand der bayerischen Bischöfe
200 000 Lire (im Gegenwert 2,5 Millionen Mark), im gleichen. Jahre
600 000 Lire für deutsche Not im allgemeinen. Und jetzt soll diese groß-
zügige Nothilfe der letzten Päpste durch Spottbilder über ,unersättliche
Geldgier' früherer Päpste öffentlich bedankt werden? ...
Die persönlich gehässigste Unwahrheit gegen den Hl. Vater PiusXI.
wurde zum ersten Tag dieses Jahres dem deutschen Volk von einer
deutschen Zeitung (Deutsche Volksschöpfung, Düsseldorf 1. 1. 36) vor-
gesetzt: Der Papst sei Halbjude, seine Mutter sei eine hollän-
dische Jüdin gewesen. Ich sehe, meine Zuhörer fahren vor Entsetzen
zurück. Diese Lüge ist besonders geeignet, in Deutschland das An-
sehen des Papstes dem Gespött preiszugeben. Diese Lüge war schon
früher durch ausländische und inländische Zeitungen gewandert (vgl.
Katholik 5. 1. 1936), und nun durfte zum neuen Jahr der Haß gegen Rom
nochmals einen der größten Päpste aller Zeiten samt seiner Mutter dem
Spott der Gasse überliefern. Im Taufbuch von Desio, der Heimat
Pius' XI., ist neben dem Namen seines Vaters der Name seiner Mutter
eingetragen. Theresia, geborene Galli aus Saronno. Die Heimat seiner
Mutter lag also 4 Stunden nordwestlich von Mailand (M. Bierbaum,
Pius XI., S. 67). .
Durften wir am Papstsonntag diesen Lügenfeldzug gegen das
Papsttum abwehren? Wir durften nicht bloß, wir mußten es tun
aus Liebe zur Wahrheit, aus Liebe zum Oberhaupt unserer Kirche, auch
aus Liebe zu unserem Volk, das in der Welt und vor der Geschichte als
ein Volk der Wahrhaftigkeit dastehen soll. De^* Tiefpunkt religiöser Un-
freiheit aber wäre es, wenn es nicht mehr erlaub't wäre, am Papstsonn-
tag die Schmähungen auf das Papsttum zurückzuweisen, die das ganze
^ahr ungehindert verbreitet werden dürfen. ' Die Lüge ist nicht bloß
"durch das 8. Gebot Gottes verboten, sie ist auch durch das Gesetz der
inneren Sauberkeit und durch das Gesetz des öffentli-
chen Anstandes verboten. Die kirchenfeindlichen Lügen in den
Jugendzeitschriften zerstören die Ehrfurcht der Jugend. Wehe
dem Volk, dessen Jugend keine Ehrfurcht mehr hat! Darüber soll man
sich nicht täuschen: Die Jugend, die heute die Ehrfurcht vor der kirch-
lichen Obrigkeit verloren hat, wird übermorgen auch die Ehrfurcht vor
der staatlichen Obrigkeit, verlieren. Von den Katholiken aber verlangt
das katholische Ehrgefühl, daß sie entgegen diesen Unwahrheiten Zeug-
nis geben und keine Zeitungen halten oder lesen, in denen
derartige Unwahrheiten über Papsttum und Papst verbreitet werden."
Auch in seinem Fastenhirtenbrief 193 6, der in Rück-
sicht auf sein 25 jähriges Bischofs Jubiläum vom
Lehramt und Priesteramt und Hirtenamt
der katholischen Bischöfe handelt, spielt Kardinal Faulhaber des
öfteren auf die Zeitverhältnisse, auf nationalsozialistische Schmäh-
und Wühlarbeit an, z. B.:
(S. 17.) „Höret auf die Stimme eurer Bischöfe! Höret
nicht auf die Christus- und Kirchenhasser, die im Ton
133
der Unfehlbarkeit auch in religiösen Fragen alles besser wissen wollen
als eure Bischöfe, obwohl sie niemals Glaubenswissenchaft studiert
haben, ja nicht einmal den Katechismus der Schulliinder kennen. Ein
• Hunger nach dem Worte Gottes ist über unser Volk gekommen. Ein
Aufhorchen, wenn ein Hirtenbrief des Bischofs vorgelesen wird."
(S, 20.) „Der Bischof hat eine heilige Sendung in allem, was religiös-
sittlich bedeutsam 'st, oder, wie es in der Hl. Schrift heißt, ,in dem, was
s^ch auf Gott bezieht', auf die Ehre Gottes und die Ehrfurcht vor dem
Göttlichen, auf die Offenbarung Gottes und die Haltung seiner Gebote,
auf das Reich Gottes und die Rechte seiner Kirche, auf die Gestaltung
des Gottesdienstes und die Bildung der Gewissen. Für diese Aufgaben
soll er sich opfern, frei und ungeteilt, nicht gebunden, nicht geteilt
durch Rücksichten auf Familie und Verwandtschaft. Der Bischof hat
keine Sendung in rein weltlichen oder rein staatsrechtlichen Frageh.
Man kann also nicht von ihm verlangen, daß er in seinem Hause eine
Armenpflege oder Stellenvermittlung oder Darlehenskasse einrichte.
Wenn nun ein Bischof von seinem guten Recht Gebrauch macht, in
dem, was sich auf Gott und das religiöse Leben bezieht, Anordnungen
zu treffen, wenn er die Reinheit des Glaubens gegen Unglauben tmd
Irrlehre verteidigt, wenn er pflichtmäßig die Lehren und Grundsätze
der Kirche verkündigt, wenn er für die, sittliche Ordnung sich einsetzt,
wenn er die katholischen Grundsätze für Schule und Erziehung darlegt,
dann ist das nicht politisches Machtstreben, nicht
Herrschsucht, sondern Dienstam Volk und Ausübung
eines gutenRechtes » .■."
Das Jubiläumsgeschenk von Erzbischof Dr. M. Faulhaber api
25. Jahrestag seiner Bischofsweihe (19. Februar 1936) ^n seine
Diözesanpriester war eine Predigt über das Thema:
„DerBischofund sein Kler u^s".
Gewaltiges Aufsehen machten daraus die Sätze des vierten
Hauptpunktes, die Klage führten 'gegen die niedrigen Fälschungen
und Schmähungen in „Roseribergs Mythus":
„Die Verbundenheit zwischen Bischof und Klerus ist in der Wur-
zel eine Seelen gern eins chaft, im Stamm eine Gebets- und
Arbeitsgemeinschaft, in der Krone eine Leidensgemein-
schaft. So ist es in allen Zeiten gewesen, so wird es zu allen Zeiten
bleiben: Wo gegen die ewigen Wahrheiten der Offenbarung der Kampf
geführt wird, wird sich der Ansturm auch gegen die Prediger dieser
"Wahrheiten wenden. Wo es erlaubt ist, die Person Christi zu lästern,
•das Opfer des Neuen Bundes mit dem Mithraskult in Verbindung zu
bringen,, die heiligen Sakramente als ma'gische Zauberformeln zu miß-
achten, die Kirche als deutschfeindlich hinzustellen, da wird der Haß
von selber auch gegen den Verkünder und Ausspender dieser Geheim-
nisse sich richten. Der Hl. Vater sagt in seinem Weltrundschreiben:
,Am verbissensten hassen jene das katholische Priestertum, die Gott
hassen.' Wenn irgend etwas fehlgeht oder eine Ablen-
kungnötigwird, müssen wlralsSündenbockherhalten.
Der Verfasser fles Mythus hat dem Erzbischof von München seine Hoch-
achtung abgesprochen. Der Erzbischof von München müßte sich in den
Boden schämen, wenn ihm von dieser Seite die Hochachtung zugespro-
chen würde. (Die ganze Zuhörerschaft gab da unwillkürlich laut Beifall.)
Schmach und Schande dem Priester, der als Überläufer im Sold der
Kirchenfeinde steht und von Kirchenfeinden sich loben läßt! Am Ende
gar in Zeitungen oder Versammlungen, wo gleichzeitig Papst und BIt
schöfe und die ehemaligen Mitbrüder dieses Geistlichen geschmäht wer-
■ 134 ,
den! Wir verzichten auf das Lob der Christus- und
Kirchenhasser!"
„Leidenskraft und Tatkraft in der cKristlichen Lebensanschauung.
Das Thema der Allerseelenpredigt Kardinal Faul-
habers am 8. Novemher 1936 war eine Abwehr der Vor-
würfe, welche die Anhänger dei: nationalsozialistischen Welt-
anschauung gegen „die passiven Tugenden (ies
Christentum s", gegen Geduld und Leidensergebung, Sanftmut
und Demut, gegen das „Selig sind die Armen im Geiste, Selig sind
die Trauernden, Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtig-
keit willen." Der Bischof von München, der das Schwert des Geistes,
das ist das Wort Gottes (Eph. 6,17), so gut zu handhaben weiß, ant-
wortete darauf:
„Das Dogma von der leidenden Kirche ist unserer I^eit ' ein
hartes Wort. Die germanische Lebens anschauung will ein
.tatenfrohes, ein männliches, ein heldisches Geschlecht er-
ziehen, und Predigten vom Leiden nicht hören. Sie will Kämpfer,
nicht Kreuzträger;. Helden, nicht Märtyrer. Man ging so
weit, die Frage überspitzend, das Passionsspiel von Ober-
amme r g a u, das Spiel vom Leiden und Sterben des Herrn, als das
Mysterium der christlichen Lebensanschauung in Gegensatz zu
stellen zu den olympischen Spielen in Berlin, den Schau-
spielen sportlicher Kraft, dem .Mysterium, germanischer Lebensauffas-
sung' . . . Man spottet heute wieder über das vGebet: ,Zu dir rufen wir
weinend in diesem Tale der Tränen'. Man redet der Jugend vor: ,Bei
uns gibt 'es keine Sünde.' Aber, wenn wir sagen, wir haben
keine Sünde, betrügen wir uns, selbst.' (1 Joh. 1,8.) Wir würden damit
sagen, auch die giftige Saat 'der Sünde, das Leiden und Sterben, habe
aufgehört, und aus allen Winkeln der :^rde und allen Wohnungen der
Menschen würde es widerklingen: ,Ihr betrügt euch selbst.' Die Ju-
gend, gesund und taten<^urstig, lausch tder neuen Bo, tschaft
vom Tat menschen im Gegensatz zum Leidens menschen. Sie weiß
noch nichts oder nur wenig von deni Heer von Krankheiten und seelischen
Leiden, die den Menschen überiallen, von den bitteren Erlebnissen, die
wie Stacheln sich ins Herz bohren, noch wenig von wirtschaftlichen
Sorgen und Leiden aller Art.
Das Christentum predigt aber nicht bloß die nüchterne Tat-
sache vom Erdenleid, es erschließt auch heilige Quellen
der Leidenskraft. Man kann die leidgeprüften Menschen in drei
Klassen einteilen:- Die einen knirschen und fluchen unter dem Kreuz
und sprechen: ,Ich muß leiden!' Die anderen fassen es mit, christlicher
Gesinnung und sprechen: ,In Gottes Namen, ich soll leiden!' Die
Heiligen aber, die großen und seltenen Menschen, sprechen: ,Ich darf
leiden!' Wer Augen hat zu sehen, kann nicht leugnen, die Religion
hat Quellen der Leidenskraft aufgeschlossen ...
Übrigens lautet' die Frage gar nicht so schroff auf ,Entweder — Oder.
Entweder Tatmensch und Kämpfer oder Leidensmensch und Dulder.
Entweder Hammer oder Amboß.' Auch das geduldige Ertragen
von Leiden ist eine Tatlei-s tung, ein stilles, aber echtes
Heldentum. Es kann sogar in einem tapferen Erdulden und Sterben
mehr Kraft und M u t liegen als in einer frischfröh-
lich e n T a t. Es kann an der Palme des Märtyrers mehr Heldentum
leuchten als am Lorbeer des Feldherrn ... In der christlichen Welt-
anschauuung schließen sich also Tatkraft und Leidenskraft nicht aus
135
wie zwei Gegensätze, sie sind vielmehr wie zwei Palmen ineinander
verschlungen.
. Das lebendige Vorbild und Gesetz für diese Verbin-
dung ist Christus selber. ,Ich muß die Werke dessen tun, der
mich gesandt hat, solange es Tag ist. Es kommt die Nacht, in der nie-
mand mehr wirlven kann.' .Christus hat durch das größte
Leid die größte Tat vollbracht, das Reich Gottes aufgerichtet,
in dem die Sonne nicht mehr untergeht. Er hat durch die größte Nieder-
lage den größten Sieg errungen, der größte Wundertäter und
größte Leidens mann in einer Person. Es wäre eine Fäl-
schung des Christusbildes des Evangeliums, wollte man den Heiland als
einen Kämpfer darstellen. Wohl ist er gekommen, ,das Schwert zu
bringen', weil, wie der Zusammenhang deutlich erkennen läßt, der Gegen-
satz für Christus und wider Christus sogar die Familien trennen wird.
Wohl hat er auch den Strick genommen, um das Haus seines Vaters von
Schändern zu reinigen; im Gesamtbild der Evangelien aber war Jesus
nicht Kämpfer, sondern Heiland und Erlöser, dessen An-
gesicht zeitlebens auf das Kreuz gerichtet war."
Abwehr der inneren Christusfeinde
in Deutschland
war das Ziel der Silvester predigt Kardinal Faulhabers am
31. Dezember 1936.
Die Anlässe hiefür sind in der Einleitung mit folgenden Worten
gegeben:
„ ... Es hat eine Propaganda eingesetzt, die mit allen Mitteln,'
auch mit wirtschaftlichem Druck, das öffentliche Leben unseres Volkes
entchristlichen und möglichst viele zum Austritt aus
der Kirche drängen will. Die Propaganda wendet sich besonders
an Beamte und leitende Stellen der Bewegung und solche Berufe, die
wirtschaftlich abhängig sind. Es ist die Stunde gekommen, die Christus
angekündigt hat: ,Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Wei-
zen siebt' (Lk. 22,31). Die Zahl der aus der Kirche Ausgetre-
tenen ist, wenigstens beim katholischen Volksteil, nicht so groß, wie
es mit fanatischer Übertreibung angegeben wird. Immex'hin bedeuten
auch kleine Zahlen eine große Sorge. Wir haben schon einmal eine
solche Abfallbewegung erlebt vor 16 und 17 Jahren, als die Marxisten
in München eigene Büros einrichteten, um die Abmeldungen aus der
Kirche zu erleichtern mit der Begründung: ,Dann bi;auchst du keine
Kirchensteuer mehr zu zahlen.' Heute kann man zur Begründung
hören: Das Christentum sei wegen seiner He'rkunft aus
demMorgenl an d, wegen seiner biblischen Unterlagen,
wegen seiner römischen Oberleitung mit der neuen
Weltanschauung nicht vereinbar. Auch dort, wo es nicht
zum förmlichen Austritt aus der Kirche kommt, ist doch in weiten Krei-
:;en eine Entfremdung, teilweise sogar eine Gegnerschaft, vereinzelt ein
satanischer Haß gegenüber der Kirche zu beobachten."
„Deutschsein und Christlichbleiben
ist kein Widerspruch. Die Christusreligion ist seit, mehr als
einem Jahrtausend mit dem deutschen Volk verbunden und soll auch
für die Zukunft mit dem deutschen Volke verbunden bleiben . . .
Entchristlichung unseres Volkes wäre Entartung, Christ-
werdung war keine Artzerstörung, Entchristlichung aber wäre Ent-
artung. Nicht bloß die Kultur des deutschen Volkes würde ins Mark ge-
troffen. Bei der solidarischen Gemeinschaft des deutschen Volkes mit
136
dem ganzen Abendland würde der Abfall unseres Volkes vom Christen-
tum unheilvoll auf das ganze Abendland zurückwirken. Entchrist-
lichung wäre Entseelung des deutschen Volkes.
Ein großes Volk kann eine tauser^djährige Tradition
nicht einfach verleugnen und das Erbgut einer so langen Vergangenheit
nicht einfach verschleudern. Wenn es eine Sünde wider das Blut gibt,
gibt es auch eine Sünde wider die Geschichte eines Vol-
kes. Abfall vom Christentum wäre eine Sünde wider die Geschichte
des deutschen Volkes.
Unzertrennlich ist mit Christus das Kreuz verbunden, das Feld-
zeichen und Wahrzeichen der christlichen Religion. Hierzuland hat das
Kreuz seinen Ehrenplatz im Herrgottswinkel der Familienwohnungen,
in den Schulen und auf den Denkmälern der gefallenen Soldaten. Soll
mit der Entchristiichung und Entkirchlichung des öffentlichen Lebens auch
das Kreuz, das Wahrzeichen des Christentums, verschwinden? Die
Zeitung der Deutschen Glaubensbewegung (Durchbruch Folge 31) hat das
furchtbare Wort geschrieben: ,Das Kreuzmuß fallen, wenn Deutsch-
land leben will', und in einer späteren Folge (Folge 34): ,Nehmt Ab-
schied, Deutsche, von dem Christusbild.' Wenn Deutschland
leben will, muß der sittliche Aufstieg mit dem völkischen Aufstieg
Gleichschritt halten, und das Kreuz ist die Standarte sittlicher Kraft.
Noch steht das Kreuz auf deutscher Erde, noch ist es in dep Schulen,
und die ersten Versuche, die Frevlerhand an das Banner des
Christentums legten, wurden zurückgewiesen. Wir Deutsche neh-
men nicht Abschied vom Christusbild. Herr, bleib bei uns,'
es will Abend werden."
. Den Irrtümern und Fehlern der nationalsozialisti-
schen Jugenderziehung rückt Kardinal Faulhaber zu Leibe
in seinem Fastenhirtenbrief 1937:
„Elternrechte und Elternpflichten.*'
Hauptleitsätze sind dabei:
„Die Erziehung des Kindes, sagt das Weltrundschreiben des Hl.
Vaters, ist nicht die Arbeit eines einzelnen, sondern Gemein-
schaftsarbeit zwischen drei Erziehungsfaktoren, die
voneinander verschieden und doch wieder von Gott harmonisch mitein-
ander verbunden sind, zwei Gemeinschaften der • natürlichen Ordnung,
Familie Und Staat, während der dritte Erzieher, die Kirche,
der übernatürlichen Ordnung angehört.
Das erste und heiligste Recht auf die Erziehung der Kinder steht
nach der natürlichen und göttlichen Ordnung bei den Eltern der
Kinder. Es wäre eine Umkehr der naturrechtlichen Ord-
nung, wenn unter denen, die in der Frage der Erziehung ein bestim-
mendes Wort mitzureden haben, die Eltern nicht an erster
Stelle genannt würden, wie das auch in amtlichen Erlassen ge-
schah . . . Der gesunde Menschenverstand entsetzt sich über die wahn-
sinnige Familienmoral des Kommunismus, der die Kinder
aus der Familie herausnehmen und in Kinderlagern des Staatskommu-
nismus gemeinsam erziehen will.
Der Staat hat ein wirkliches Eigenrecht auf die Er-
z i e hu n g d e r S t a a t S b ü r g e r, da er die Aufgabe hat, das diesseitige
Gemeinwohl zu fördern, und jeder zugeben muß, daß die allgemeine
Schulpflicht der Kinder und die berufliche Ausbildung der Jugend das
Kreuz und Hakenkreuz 10 Bd. II -i on
' \
Wohl der Volksgemeinschaft in einem wichti'gen und wesentlichen
Punkt berühren ...
Der Staat muß die Grundrechteder Familie aner-
kennen, da das Kind zuerst in die Familie hineingeboren wird, da
nach der göttlichen Weltordnung die Familie zeitlich zuerst vorhanden
war und erst aus der wachsenden Zahl der Familien die staatliche Ge-
meinschaft sich bildete, da also die Familie auf die Erziehung des
Kindes zwar auch kein absolutes, aber doch ein moralisches Vor-
recht besitzt. Der Staat kann also die Erziehungsarbeit der Familie
auf das Gemeinwohl hinordnen, er kann aber das gottverbriefte
Recht der Familie nicht einfach entrechten. Er kann den
Willen der Eltern in einer Erziehungsfrage nicht einfach ausschalten und
an dessen Stelle -das Ermessen der staatlichen Schulbehörde setzen.
Auch durch das Gesetz der Verstaatlichung der ge-
samten Jugend vom 1. Dezember 1936 sind die Rechte
der Familie nicht ohne weiteres auf den Staat über-
gegangen.
Die Kirche hat ein überragendes Erziehungsrecht,
das nach dem Päpstlichen Rundschreiben in der Hauptsache auf zwei
Glaubenstatsachen beruht: 1. auf dem ausdrücklichen Lehrauftrag
des göttlichen Heilandes an die ersten Sendboten der Kirche:
jGehethin und lehret alle Völker!' Daß sich dieser Lehrauftrag auch auf
die Kinder, nicht bloß auf die Erwachsenen bezieht, ergibt sich aus dem
Vi^eiteren Auftrag Christi an das Oberhaupt der Kirche: ,Weide meine
Lämmer.' Mit diesem Auftrag ist deutlich unter dem Gleichnis
der Lämmerweide den Hirten, und 'Oberhirten der Kirche die religiöse
Unterweisung der Kinder und die religiöse Führung
der Jugend auf das Gewissen gebunden und der immer
wieder auftauchende Vorschlag, man solle den Kindern ei'st im 12. oder
gar erst im 18. Lebensjahr von Gott und Religion sprechen, als Wider-
spruch mit dem Geiste Christi gekennzeichnet. Das Rechi derKirche
• auf die Mitarbeit im. Werk der Erziehung ruht
2. auf der Tatsache, daß die Kirche diese Kinder durch die
Taufe, das Sakrament der Wiedergeburt, zum übernatürlichen Leben
wiedergeboren hat."
Gegen HJ-Geist in der Erziehung:
„...Aus gegenseitiger Achtung wird der Vater das Ansehen der
Mutter, die Mutter das Ansehen des Vaters jederzeit in iSchutz nehmen
und nicht dulden, daß in Gegenwart der Kinder, von Verwandten und
sonstigen Gästen das Ansehen des andereiji Elternteiis geschädigt werde.
Freilich dürfen dann die Eltern auch das nicht dulden, daß in ihrem
Familienkreis das Ansehender geistlichen und weltlich e n
Obrigkeit in den Staub gezogen werde, das ebenfalls unter dem
Schutz des 4. Gebotes steht. Heute sind die Tage dfes Evangeliums ge-
kommen, in denen der Sohn gegen den Vater, dife Tochter
gegen die Mutter mit der Kritik an Religion und Kirche
sich erheben und die eigenen Hausgenossen Feinde
werden.' Die Eltern, die über den Einklang der Seelen in ihrer Familie
auch in religiösen Fragen zu wacheiji haben, werden das ehrfurchtslose
Reden über Geistliche und kirchliche Maßnahmen nicht dulden und ihre
Wohnung nicht entweihen lassen durch Lästerungen über Gott und die
Ptlrche ... . -
Erziehen kann nur der, der selber erzogen ist. Wir lehnen des-
halb das neue Schlagwort ab: Jugend könne nur von
j'ugend erzogen werden. Das kameradschaftliche Zusammensein
mit Altersgenossen kann gewiß auch in günstiger Weise einwirken. Im
138 •'' ' '
allgemeinen jedoch ist Jugenderziehung, Jugend führung, Jugend-
führung aber setzt wie jede Führung eine geistige Überlegenheit vor-
aus, eine Autorität, die selber die Unreife überwunden hat.
Unsere Regierung hat ein' besonderes Augenmerk auf die Fami-
lienforschung gerichtet und damit den Sinn für die Tradition der
Familie geweckt. Dieser Sinn für Familienkunde kann wie für die
Seelsorge, so auch für die Familienerziehung von Bedeutung wer-
den .. . Wenn die Vorfahren den katholischen Glauben in früheren
Glaubensstürmen bewahrten, dürfen die Nachkommen von heute
diese Tradition ihrer Familie nicht durch Austritt aus der Kirche ver-
raten. Die Vorfahren würden sich, wie man sagt, im Grabe umdrehen,
wenn die Nachkommen so leichthin das heilige Erbe des Glaubens
verschleudern würden. Hier gilt es, die Stimme des Blutes
zu hörenund der Verantwortung gegenüber den Vor-
fahren wie gegenüber den Nachkommen sich bewußt ;
zuwerden. In diesem Sinn kann auch die neuzeitliche Familienfor-
schung die Erziehung unterstützen . . . ■
Das kirchliche Rechtsbuch hat mit besonderem Ernst den katho-
lischen Eltern die Pflicht der religiösen Erziehung verkündet ... Je wei-
ter die deutsche Schule der Gegenwart vom bekenntnismäßigen Chri-
stentum und seinen Erziehungsgrundsätzen abrückt, je mehr der
R.eligionsun t err icht in der Schule von den übrigen Schul-
fächern isoliert und durch den kirchlichkalten Geist der übrigen
Schulstunden abgeschwä^cht wird, auch wenn vorerst die' gleiche
Zahl von Religionsstunden ,genau so wie bisher' gewährleistet ist, um so
ernster wird die Pflicht des Elt-ernhauses, den Religionsunter- \^
rieht der Schule von/ der Familie aus zu unterstützen
und durch die Gewöhnung an das religiös-kirchliche
Leben zu ergänzen. Im besonderen werden christliche Eltern dar-
auf bestehen, daß an den Sonntagen ihre Kinder vom Besuch des
Gottesdienstes in keiner Weise zurückgehalten wer-
den ....
Wenn gar in Jugendzeitschriften über Erbsünde und Sünden-
bewußtsein überhaupt gespottet wird, muß das Elternhaus diesen
Spott über eine Glaubenslehre zurückweisen.
Die Sendung für den katholischen Religionsunterricht kann nur vom ■
Bischof, von sonst niemandem erteilt werden. Wer über Religion nach
dem Katechismus oder nach der Biblischen Geschichte unterrichten' will,
ob Priester oder Nichtpriester, muß die kanonische Sendung des
Bischofs besitzen und selbstverständlich an die Glaubenslehren
des- Katechismus und an die göttliche Eingebung der Biblischen Bücher
des Alten und Neuen Bundes selber glauben. Sollten Zeiten kommen,
in denen der Biblischen Geschichte das Heimatrecht in der deutschen
Schule bestritten und der Religionsunterricht nicht mehr in Überein-
stimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche erteilt wird . . .,
dann werden unsere katholischen Eltern ihre Kinder zu dem Religions-
unterricht schicken, der ...außerhalb der Schule eingerichtet werden
müßte ...
Habtach t,* Chris t licheElter n, daßaneurenKindern
kein Gottesraub begangen werde! Es ist der Wille eures
Vaters im /Himmel, daß auch nicht eines von diesen Kindern verloren-
gehe. Wer die Jugend dem Gottesglauben entfremdet, vom Gottesdienst
zurückhält, die Kommunionfeiern der Jugend erschwert, . hat einen Got-
tesraub an deutscher Jugend begangen. Der vollendete Gottesraub aber
wäre der Austritt aus der Kirche,- die Trennung von der Gnadengemein-
schaft der Erlösten, der Gang in die Nacht, wie es von Judas, dem Ver- ''
räter, heißt, als er den Abendmahlsaal und den Meister verließ: Es war
Nacht! ..."
Das Reichskonkordat —4 Ja oder Nein?
war das Thema der Predigt des H. H. Kardinals Faulhaber am
Jahrestag der Papstkrönung 1937,
Im ersten Teil: „Wie das Reichskonkordat zustande kam durch
ein gemeinschaftliches Ja von Kirche und Staat", erinnert der
Prediger an das Wort Adolf Hitlers in der Reichstagsversammlung
vom 23. März 1933:
„Die Sorge der Regierung gilt dem aufrichtigen Zusammenleben
von Kirche und Staat... Ebenso legt die Regierung, die im Christen-
tum das unerschjAtterliche Fundament- des sittlichen und moralischen
Lebens unseres Volkes sieht, den größten Wert darauf, die freund-
schaftlichen Beziehungen zum. Hl. Stuhl weiter zu
pflegen und auszubauen."
Am 20. Juli 1933 war dann der Abschluß, des Reichskonkordates
zwischen Papst Pius XI. .und der .deutschen Reichsregierung.
Später wurde es als Reichsgesetz erklärt und im Reichsgesetzblatt
vom 18. September 1933 verkündet.
Aus den Konkordatsbestimmungen ergeben sich auch als Folgerun-
gen mancherlei Verpflichtungen:
, . . Wenn Artikel 1 die Freiheit der öffentlichen Ausübung der katho-
lischen Religion gewährleistet, ist die Fronleiclmamsprozession samt den
anderen herkömmlichen Prozessionen nicht zu verbieten,
auch nicht aus Gründen der Verkehrsordnung, und das Schlagwort von
der ■ Entkonfessionalisierung des ölSentlichen Lebens nicht aufrechtzu-
erhalten.
• Wenn in Artikel 5 der Staat den Geistlichen gegen Beleidigungen
Schutz gewährt, dürften Schmähartikel gegen die Geistlichen in der
Presse nicht geduldet werden.
Wenn Artikel 17 der katholischen Kirche die Vermögensrechte und
Stiftungen gewährleistet, kann eine Säkularisation oder eine
sonstige Enteignung kirchlichen Eigentums nicht in Frage kom-
men. In all dem hat sich das bestimmte „Ja" von Kirche und Staat
beim Abschluß des Reichskonkordates ausgesprochen.
Das Reichskonkordat heute umkämpft im Ja und N-ein
derGeister!
„Von Christus, dem Sohne Gottes, hat der Apostel das schöne Wort
gesprochen: ,Er war nicht Ja und Nein zugleich. Bei ihm gab es nur ein
Ja.' Wie schade, daß dieses charaktervolle, der deutschen Treue so see-
lenverwandte Ja in der Durchfiihrung des Reichskonkordates ver-
stummte! Wie schade, daß d e m Üeichskonkordat geg^enüber
heute ein Ja, und Nein zugleich, sogar mehr ein Nein
als ein Ja zum Ausdruck kommt! Das Reichskonkordat
will geregelte Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem -
Reich. Tatsächlich sind ungezählte Geister am Werk, das deutsche
Volk zu entchristlichen und die katholische Kirche im deutschen Raum
zu vernichten.
Das Reichskonkordat gewährleistet die Freiheit des Be-
kenntnisses. T a tsächlich werden ununterbrochen Angriffe auf
kirchliche Einrichtungen und Dogmen gerichtet, unter Aufgebot aller
Sprachrohre der öffentlichen Meinung, während es der Kirche nicht
möglich ist, diese Angriffe in der gleichen Reichweite abzuwehren.
Nach dem Reichs konkordat soll der R e 1 i g.i o n s u n t e r -
rieht in Volksschulen und Berufsschulen ,in Übereinstimmung mit
/
140
äen Grundsätzen der katholischen . Kirche' erteilt werden. Tatsäch-
lich steht da und dort die Erteilung des Bibelunterrichtes, zumal über
das Alte Testament, im Wi<äerspruch mit der kirchlichen Glaubenslehre.
Nach dem Reiehskonkordat sollen für Ordenslehrerin-
nen zwecks Zulassung zum Lehramt und zur Führung von Volksschulen
und höheren Lehranstalten die gleichen Bedingungen gelten
wie für die weltlichen Lehrkräfte. Tatsächlich werden Lehrkräfte
im Ordenskleid heute von den Volksschulen und sogar von Privatschulen
ausgewiesen.
Besonders schwer wird das religiöse Leben getroifen durch die
Einschränkung der Lehrfreiheit, durch das Verbot der Son-
derdrucke von Hirtenbriefen, durch das Spjtzeltum unter den Kanzeln.
Die Kirche muß frei sein in ihrer Liturgie und Spendung
der hl. Sakramente, in der Handhabung der Disziplin ihrer Geistlichen,
in der Besetzung der Kirchenämter, vor allem aber in der Verkündigung
der Glaubens- und Sittenlehre.
Der Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe, der am 13. De-
zember 1936 in den Kirchen verlesen wurde, wurde danach poli-
zeilichverboten, und das Reichsministerium für kirchliche An-
gelegenheiten hält das Verbot aufrecht.
Der Hirtenbrief der gesamten deutschen Bischöfe,
der am 3. Januar 1937 verlesen wurde mit dem Thema: , Wir müssen den
Führer in der Abwehr des Bolschewismus unterstützen', wurde eben-
falls, hier in München ■ zuerst polizeilich .sichergestellt' und dann be-
schlagnahmt und verboten.
Predigtmanuskripte, die von erfahrenen Predigern, wie
Pater L i p p e r t, für die katholische Morgenfeier am Reichssender Mün-
chen eingereicht wurden, wurden wie die Aufsätze von Schulknaben
schulmeisterlich bekritelt und zur Verbesserung zu-
rückgegeben.
Wenn diese Einschränkung der Lehrfreiheit und die Unterdrückung
des freien Wortes überhaupt so weitergehen, geraten wir in eine
Knechtschaft des geistigen Lebens, die vor der Geschichte
nicht bestehen kann.
Die religiösen B ekenntni sse sind die einzigen, die
den Mut haben, fürdie religiöse Freiheit, und damit
für die Geistesfreiheit ihre Stimme zu erheben, wäh-
rend die berufenen Vertreter der Wissenschaft ver-
stummtsind.
Bei der Schuleinschreibung in München vor wenigen
Wochen wurde für die Gemeinschaftsschule eine ungeheure Propaganda
entfaltet und gegen die Bekenntnisschule ein ungeheue-
rer Kampf entfacht. Das war Widerspruch mit dem Reichskon-
kordat, dessen 23. Artikel die Bekenntnisschule gewährleistet, Wider-
spruch auch mit dem feierlichen Wort des Führers vom 23. März 1933:
,Die nationale Regierung wird in Schule und Erziehung den christlichen
Konfessionen den ihnen zukommenden Einfluß einräumen und sicher-
stellen.' Durch die Drohung vom weiten Schulweg und andere
Drohungen wurde die freie Entschließung der Elter'n unterdrückt. Die
Angabe, es bleibe in der Gemeinschaftsschule , alles
wie bisher', ist eine Irreführung. In der Bekenntnisschule
ist die Lehrkraft vom gleichen Glauben wie das Schul-
kind, in der Gemeinschaftsschule kann die Lehrkraft auch anderen
Glaubens, auch eines christenfeindlichen Glaubens sein. In der Be-
kenntnisschule k Önnen die anderen Schulfächer dem Reli-
gionsunterricht nicht entgegenarbeiten, in der Gemein-
schaftsschule werden, wenn nicht jetzt im Übergang, aber später, die
anderen Schulstunden niederreißen, was der, Religionsunterricht auf-
141
I
gebiaut hat. Wenn es zu spät ist, werden die Eltern er-
kennen, daß in der Gemeinschaftsschule nicht alles
wiebisherbleibt.
Für die Ausführung des Reichskonkordates ist es lehrreich, auf das
Konkordat Italiens mit dem Hl. Vater am 11. Februar 1929, auf
die sog. Lateranverträge, hinzuweisen. Durcfi diese Verträge
wurde in Italien die Souveränität des Papstes anerlc an n t
und ein Attentat gegen den Papst wie ein Majestätsverbrechen bestraft ■
(Trattato Art. 2 und 8). Bei uns durfte bis in die letzte Zeit der Papst'
in Wort und Bild bescliimpft und die Papstgeschiqhte nach l^kandalen
durchwühlt werden. . ;
Durch das italienische Konkordat wurde eine Reihe von
kirchlichen Feiertagen für das staatliche und schulische Leben
neu eingeführt, darunter Dreikönig, St. Josef, Peter und Paul,
Maria Himmelfahrt (Art, 11). Bei uns wurde ei'ne Reihe von
Feiertagen abgeschafft, die dem Volke überaus vertraut und
mit den Vollcsbräuchen tief verbunden waren.
Durch das italienische Konkordat wurde in Volksschulen
und' Mittelschulen der Religionsunterricht als
Pflichtfach neu eingeführt, wo er vorher nicht war (Art. 36).
Bei uns wird der RU.- in Schulen, wo er bisher war, da und dort den
Geistlichen abgenommen . und in seiner erzieherischen Kraft abge-
schwächt.
Nach dem italienischen Konkordat muß dem Jungvolk
'andderBalilla an Sonn- und Feiertagen Gelegenheit gegeben wer-
den, die religiösen Pflichten zu erfüllen (Art. 37), weshalb dort ' für
Jungvolk und Balilla eigene Kuraten aufgestellt sind. Bei uns ist'
bisher jede Seelsorge in den Jugendlagern unmög-
lich gewesen."
Die Zukunft des Reichs konkordates
„Wie wird das Morgen des Reichskonkordates sich gestalten? Wird
es seine Rechtskraft verlieren? Wird es von der deutschen Ver-
tragstreue aufrechterhalten werden?
Die erste Antwort ist .
ein Nein von zwei verschiedenen Breiten,
von kirchen feindlicher und kirchen freundlicher Seite.
In kirchen feindlichem Sinn hat ein hohei: Reichsbeamter das
Reichskonkordat als ,überholt und r e vi s^ionsbedür f tig' be-
zeichnej; (,Deutschlands Erneuerung', August 1936, S. 364) und. damit die
Auffassung weiter Regierungskreise zum Ausdruck gebracht. In der
Sprache des Volkes heißt das: ,Wir haben 1933 das Reichskon-
kordat gebraucht, um. Wurzel zu fassen im Volke und
das Vertrauen des Volkes zu, gewinnen. Heute ist die Entwicklung
weitergegangen, heute brauchen wir das Reichskonkordat nicht mehr'.
Solche Rede ist mit den einfachsten Begriffen deutscher Treue nicht ver-
einbar. Es wäre so, wie wenn einer mit einer Ausländerin einen Ehebund
einging und später, als gegen das Ausland Mißstimmung herrschte, sie'
fortschickte und eine Inländerin heiratete. Das wäre erstens m o s a i -
sches Eherecht, das gestattete, der Frau den Abschiedsbrief zu
geben, und zweitens wäre es eine Meintat gegen deutsche
Treue, ein Jawort auf Widerruf zu geben. Treue ist Treue,
Untreue ist Untreue.
Ein zweites Nein kommt von kirchen freundlicher Seite. Man
kann von Laien und besonders von Geistlichen hören: ,Das Reichskon-
kordat wird doch nicht gehalten, es wird doch fortwährend
durchbrochen, es hat also keinen Zweck, es noch weiter aufrechtzuerhal-
142
ten. Was nicht zusammen kann bestehen, das tut am besten, sich zu
lösen. Mit Konkordat werden wir gehängt, sagen sie, ohne
Konkordat werden wir wie die englischen Märtyrer zuerst zu
Tode geschleift, und dann noch gehängt und gevier-
teilt.'
Antwort: Solange die beiden Vertragspartner das Konkordat
nicht auflösen; solange die deutschen Bischöfe sich bemühen,
durch schriftliche Vorstellungen und persönlicheVer-
handlungen immer wieder die Spannungen auszu-
gleichen, manchmal mit einem ,HofEen ohne Hoffnung', solange mögen
Geistliche und. Laien in dieser Frage mit. ihrem Urteil zurückhalten!
Nach dem Syliabus Pius' IX. hat das Konkordatsverhältnis zwischen
Kirche und Staat den Vorzug vor der Trennung von Kirche und Staat,
und als Frankreich sein Konkordat auflöste, hat Pius 'X. am 11. Februar
1906 gegen das Trennungsgesetz Einspruch erhoben und auch dadurch
die kirchliche Auffassung zum Ausdruck gebracht.
Die Kirche würde ohne K onkordat manche -Rechte verlieren,
sie würde aber nicht zugrunde gehen. Die Kirche würde die Zu-
schüsse d^s Staates zu ihrem Haushalt verlieren, die in Bayern im
Grunde nichts anderes sind als eine kleine Verzinsung der vom Staate
säkularisierten Kirchengüter. Für uns ist aber das Konkordat keine
Finanz- oder Gehaltsf r a g e, für uns handelt es sich um höhere
Gesichtspunkte. Die Kirche . würde im Falle der Trennung wahrschein-
lich ihren öffentlich-i'echtlichen Charakter verlieren
und dem allgemeinen Vereinsgesetz untergeordnet werden. Die Feiertage
würden nicht bloß zum Teil, sondern total abgeschafft, der Geistliche
würde aus der Schule ausgewiesen wie in Frankreich, die theologischen
Fakultäten würden aus den staatlichen Hochschulen verdrängt, und der
Staat hätte es ohne Artikel 7 des Reichskonkordates leichter, abgefallene
Priester in Ehrenämter einzuweisen.
Alles in allem bekennen wir uns mit einem treuen und
ehrlichen Ja zumWeiterbestehen des R,e ichskonkor-
d a t e s, vorausgesetzt, daß es nicht auf dem Papier stehen bleibt und
nicht wie ein Fetzen Papier behandelt wird. J a s a g e n'und N e i n t u n
wäre keine Vertragstreue ...
In der Einleitung zum Reichskonkordat ist von einer dauernden,
also auch für morgen weitergeltenden Regelung der Beziehungen zwi-
schen Staat und Kirche die Rede . . .
Was im Namen Gottes durch feierlichen Vertrag verbunden wurde,
soll nicht im Spiel mit dem Ehrenwort leichtfertig wieder zerrissen wer-
den. Die deutsche Treue soll ihren reinen Klang in der Welt bewahren.
Was eine reine Rechtsfrage ist wie dieser feierliche Vertrag, soll
nicht zu einer Machtfrage umgebogen werden."
Die deutsche Reichsregierung erhob gegen diese Kardinals-
. predigt Protest beim Hl, Stuhl!!
, „Aus der Kirche austreten?
D r e i m a 1 N 6 i n !"
antwortet darauf Kardinal Faulhaber in seiner Silvesterpredigt 1941.
Einleitend klagt er:
„. . . Zwischen Bekenntnis ,und Bekenntnis ist Friede. Sonst aber
herrscht in der Heimat der wildeste Unfriede, der
unnötigste und traurigste aller Kriege, der Kulturkampf gegen
die Kirche. Während die katholischen Soldaten an der Front Schul-
ter an Schulter mit den anderen deutschen Männern stehen, mit
143
gleichen Lasten und gleichen Leistungen, mit heldenmütigen Blutopfern,
während die Katholiken in der Heimat die gleichen Opfer bringen, an
den gleichen Sammlungen sich beteiligen, an den pflichtmäßigen wie
an den freiwilligen, besonders in diesen Tagen an der Sammlung von
warmen Wintersachen für unsere Soldaten im Felde, wird die Kirche
in der Heimat mit ständigem Mißtrauen behandelt,
von Spionen umlauert, mit Ausnahmebestimmungen
bedrückt, werden kirchliche und klösterliche Räume
ungleich mehr als Privatwohnungen beschlagnahmt.
Schon im vergangenen Jahr gipfelte der Kulturkampf in
der Forderung, aus derKirche auszutreten. Deutliche An-
zeichen sprechen dafür, daß diese Forderung im neuen Jahr mit ver-
mehrtem Druck erhoben werde und noch lauter die Frage wieder-
kehre: , Werden' Sie aus der Kirche austreten oder auf Ihre Stellung
verzichten?' Auf diese Frage soll die Silvesterpredigt die Antwort geben:
jNein und dreimal nein, ich werde nicht aus der Kirche austreten.'"
Schlagfertig bekämpft dann der Kardinal die von den National-
sozialisten neu aufgewärmten
Schlagwörter der Kommunistenzeit:
„Wer aus der Kirche austritt, braucht keine Kirchensteuer
mehr zu bezahlen."
„Die Kirche ist international, richtiger gesagt übej^ational und
damit für ein Volk mit nationalem Bewußtsein überlebt.'
„Das Gerede vom politischen Katholizismu s."
Dann wendet sich der Prediger gegen die neuen Gewalt-
maßnahmen, das Christentum auszurotten.
Solche Gewaltmaßnahmen richteten sich.''
Gegen den Religionsunterricht in den Schulen: „Der Religionsunter-
richt wurde als das mindeste Fach der Schule gewertet. Die
jReligionskunde' wurde in den Schulzeugnissen an der letzten Stelle auf-
geführt und später (im Schulzeugnis ganz unterdrückt und auf ein Son-
derblatt verwiesen.
Schulverbote wurden über Geistliche verhängt, ohne daß die
oberste Schulbehörde sich verpflichtet fühlte, von Fall zu Fall den be-
troffenen Geistlichen zu verhören oder ihm auch nur den Grund der
Strafe anzugeben.
Für den Neudruck des Katechismus, des Religions-
büchleins für die Kleinen, derBiblischen Geschichte,
des Diözesangebetbuches. soll kein Papier bewilligt
werden. Zuerst wurden Kirchenzeitungeri und Sonntagsblätter, Mis-
sionszeitschriften und religiöse Literatur fast ganz unterdrückt, und jetzt
sollen für den Religionsunterricht auch der Katechismus und die anderen
Religionslehrbücher nicht mehr erscheinen dürfen. Die Wirtschaftsstelle
des Deutschen Buchhandels erklärte es als eine Kriegsnotwendigkeit, an
Papier zu sparen/ Gleichzeitig können kirchenfeindliche
Kampfschriften in Riesenauflagen erscheinen. Ein
Büchlein erhebt die grundsätzliche Forderung, die 2000jährige christliche
Tradition bis auf die Wurzeln auszurotten und ist in mehr als einer
halben Million verbreitet. Ein Buch richtet die gemeinsten
Schmähungen gegen das Papsttum und wurde immer wieder neu ge-
druckt. Nur für Religionsbücher, wie Katechismus und Gebetbuch, ist
kein Papier vorhanden.
In den 'oberen Klassen der höheren Schulen wird überhaupt kein
Religionsunterricht mehr gegeben. Früher war- es ein Welt-
144
rühm der höheren Schulen in Deutschland, daß sie eine gediegene geistige
Bildung vermittelten. Auch heute noch wäre es folgerichtig, wenn die
Schüler an den höheren Schulen, deren Wissen in den allgemeinen
/Fächern über den Durchschnitt der Volksschule sich erhebt, auch im
religiösen Wissen eine höhere Bildung erhielten.
Als eine Wohltat für die Erziehung der Jugend wurde eine poli-
zeiliche Verordnung ,Zum Schutz derJugend' vom 9. März
1940 begrüßt, derzufolge der Jugend verboten -war, sich in den Abend-
stunden nach der 'Verdunkelung auf der Straße ,herumzutreiben'. Nun-
mehr aber wird diese Verordnung mit Gewalt herbeigezogen, um den
Besuch von abendlichen Glaubensstunden zur religiösen
Unterweisung in der Kirche oder in kircheneigenen Räumen z u
verbieten. Da die Jugendlichen untertags beruflich beschäftigt sind,
bleibt für diese jungen Menschen — es sind herrliche Gestalten unter
ihnen — nur eine Abendstunde übrig. Ihre Altersgenossen dürfen bis
21 Uhr Lichtspieltheater und Varietes besuchen, nur der Besuch von
religiösen Unterweisungen in d'er Kirc,he soll verboten sein.
Solche Gewaltmaßnahmen können nur den Zweck haben, die Jugend
planmäßig der Kirche zu entfremden und so den Austritt aus der Kirche
vorzubereiten."
„. . . Der Bischof fühlt es tief in der Seele mit, wie schwer die Ent-
scheidung für die Beamten, besonders" für Familienväter und
andere abhängige Berufe ist. Das Gewissen kann aber nicht
dadurch betäubt werden, daß man sagt: ,Ich trete nur
äußerlich ausundbleibe innerlich dochbeiderKirche,
Auch die alten Christen haben nicht sprechen dürfen: Ich opfere nur
äußerlich den Weihrauch vor dem Götzenbild und bleibe innerlich ein
Christ. Hier kann nur gelten: Kalt oder warm. (Offb. 3,15).'"
Kardinal Faulhaber
liest in seiner Kathedrale
persönlich
eün Hirtenwort vor, um ihm um so mehr Nachdruck zu geben und
um keinen seiner Priester zu gefährden (22. März 1942).
Es lautete:
H i r t en wort
\iberdie Lage der katholischen Kirche
in Deutschland
Liebe Diözesanen! Seit Jahren tobt in unserem
Vaterland ein Kampf gegen Christen^tum und
Kirche. Sogar im Krieg, wo doch der Burgfriede immer selbst-
verständlich war, geht der Kampf weiter, ja, er nimmt an Schärfe
und Bitterkeit immer noch zu und liegt wie ein schwerer Alpdruck
auf dem deutschen Volk, von dem sich 95 Prozent, in Bayern sogar
98 Prozent bei der letzten Volkszählung als Christen bekannt haben.
In Fortsetzung meinet Silvesterpredigt bringe ich folgende ' Punkte
zur Sprache:
L
Der katholischen Kirche gab die Reichsregierung im Konkordat
1933 die Zusicherung staatlichen Schutzes zur freien Entfaltung
145
ihres Lebens. Tatsächlich aber wurden diese Zusicherungen nicht
gehalten.
1. Versprochen und verbürgt war „die Freiheit des
Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung
der katholischen Religio n."
Tatsächlich aber wird auf solche, die von staatlichen oder
Parteistellen abhängig sind, vielfach ein Druck ausgeübt, der si6
zur Verheimlichung oder Verleugnung ihres katho-
lischen Bekenntnisses oder sogar zum Austritt au^ der Kirche
nötigen soll. Die öffentliche Ausübung der katholischen
Religiori ist durch zahlreiche Verordnungen- und Verbote ein-^
geschränkt. Es ist, als wenn das Zeichen Christi, das
im Jahre 312 aus den Katakomben glorreich in die
Öffentlichkeit treten durfte, in die Katakomben
wieder zurückgedrängt werden solle.
Sogar die Übung der Religion im Innern der Gottes-
haus e r ist vielfach beschränkt und unterdrückt. Nichtwenige
Gotteshäuser, besonders in der Ostmark, in den neuerwor-
benen Gebieten, aber auch im Altreich, sind zwangsweise
geschlossen und sogar für profane Zwecke ver-
wendet. Der Erwerb von Grundstücken zur Errichtung
neuer Kirchen wird unmöglich gemacht. Stellenweise hat man die
Abhaltung von Seeiso rgsstunden für Kinder und
Jugendliche, sogar in kircheneigenen Häusern, verboten und
durch Bestrafung geahndet.
2. Die katholischen Eltern und die katholische Kirche haben
das natürliche und göttliche Recht, ihre Ki nvd e r
n a,ch den Gründsätzendes ehr i.s t'l i chen Glaubens-
und Sittengesetzes und nach den Forderungen ihres eigenen
Gewissens religiös zu erziehen. Den christlichen Eltern ist
durch Konkordat ihr Einfluß auf Schule und Erziehung ausdrück-
lich zugesichert.
Tatsächlich aber werden die Rechte der Eltern und der
Kirche immer mehr eingeschränkt und unwirksam gen!iacht. Die
Jugend wird in staatlichen Jugendorganisationen,
in Landjahrheimen und Arbeitsdienstlagern, vielfach sogar in den
Schulen und Heimen der erweiterten Kinderlandverschickung i n
widerchristlichem Sinne beein'flußt und von /der Teil-
nahme an Gottesdienst und religiösen Veranstaltungen ferngehalten.
In den neuen staatlichen Heimschulen (z. B. Lehrerbildungsanstal-
ten, nationalpolitischen Erziehungsanstalten u. a.) ist jede christlich-
religiöse Beeinflussung grundsätzlich ausgeschlossen.
3. Die katholische Kirch/C und ihre Priester
haben das Recht und die Pflicht, die Glaubenswahrheiten
und Sittenlehren der christlichen Religion frei. und unbehin-
dert in Wort und Schriftzu verkünden und zuver-
146
(^
t eidigen. Den Geistlichen ist für die Ausübung ihrer Amts-
pflichten staatHcher Schutz vertraglich zugesichert worden.
Tatsächlich aber werden die katHolischen Priester in Ausübung
ihres Lehr- und Seelsorgsamtes beständig mißtrauisch über-
wacht, wurden Priester ohne Nachweis einer Verfehlung aus
ihrem Amtsbereich und ihrer Heimat verbannt, ja sogar ihrer Frei-
heit beraubt und bestraft, weil sie treu und gewissenhaft ihre
Priesterpflichten erfüllt haben.
Es ist untragbar, daß Seelsorgsgeistliche mit
Landesverweisung oder Internierung im Kon-
zentrationslager bestraft werden, \ohne voraus-''
gehendes entsprechendes gerichtliches Verfah-
ren und ohne jede Fühlungnahme mit der kirchlichen Obrigkeit,
während doch die Verständigung mit der bischöflichen Behörde
zur Aufklärung von Mißverständnissen ^oder Abstellung von Miß-
griffen hätte führen können.
Die Abhaltung von Exerzitien und Einkehr-
tagen ist fast unmöglich gemacht. Die kirchliche Presse
ist" fast restlos vernichtet. • Der Neudruck christlich-
religiöser Schriften, sogar der Katechismen, Schulbibeln
und Diözesangebetbüchern wird nicht genehmigt, während christen-
tumsfeindliche Schriften in Massenauflagen gedruckt und verbreitet ■
werden dürfen.,
4. Es ist vertraglich festgelegt und verbürgt: „Orden und
religiöse Genossenschaften unterliegen in bezug auf
ihre Tätigkeit in der Seelsorge, im Unterricht, in der Kranken-
pflege und caritativen Arbeit, in der Ordnung ihrer Angelegen-
heiten und der Verwaltung ihres Vermögens staatlicherseits
keiner besonder e a Beschränkun g."
- Tfitsächlich hat man die katholischen Orden aus dem
Unterricht fast völlig, aus ihren sonstigen Tätigkeiten in immer
steigendem. Maße verdrängt, ihr Eigentum und ihre An-
stalten zum großen Teil ihnen genommen, viele durch das Verbot
des Eintritts arbeitsfähiger Menschen zum Aussterben verurteilt.
IL
Ein Bischof hat aber nicht nur für die religiösen kirchlichen
Rechte in äer Volksgemeinschaft einzutreten, sondern auch für die
gottverliehenen Menschenrechte. Ohne Achtung für
diese Menschenrechte muß die ganze Kultur zusammenbrechen.
1. Jeder Mensch hat das natürliche Recht auf per-
sönliche Freiheit innerhalb der Grenzen, die der Dienst
Gottes, die Rücksicht auf die Mitmenschen und das Gemeinwohl
und die Pflicht des Gehorsams gegen die gerechten Gebote der
rechtmäßigen Obrigkeit ihm ziehen. Euer Erzbischof er-
hebt Einspruch gegen jede Mißachtung der per-
I 147
sönlichen Freiheit. Wir verlangen gerichtliche
Nachprüfung aller Straf maßnahmen und Frei-
lassung aller Volksgenossen, die ohneNachweis
einer Straftat ihrer Freiheit beraubt sind.
2. Jeder Mensch hat zweitens dasnatürlicheRechtauf
das Leben und die zum Leben notwendigen Güter. Der lebendige
Gott, der Schöpfer alles Lebens, ist allein Herr über Leben und Tod.
Mit tiefem Erschrecken hat das christlich-deutsche " Volk es
vernommen, daß auf Anordnung staatlicher Stellen
Zahlreichegeistes k rankeMensche n, diedenHeil-
und Pflegeanstalten anvertraut waren, als so-
genannte „unproduktive Volksgenossen" um s
L e b e ngebrachtwurden. Zur Zeit wird durch einen behörd-
lich empfohlenen Film, der die Bedenken der Gewissen durch Er-
weckung von Mitleid beschwichtigen will, für die Freigabe der
Tötung unheilbarer Kranker in weitesten Kreisen Pro-
paganda gemacht. Euer E^rzbischof wird nicht nach-
lassen, geg\en die Tötung Unschuldiger Verwah-
rung einzulegen. Niemand ist seines Lebens sicher, wenn
das 5. Gebot nicht anerkannt wird: „Du sollst nicht töten!"
3. Jeder Mensch hat drittens das natürliche Recht auf
den Besitz und Gebrauch rechtmäßig erworbenen
Eigentums und auf den staatlichen Schutz des Privateigentums
gegen willkürliche Eingriffe. Dennoch wurden in den letzten Jahren
kirchliche Besitzungen genommen und anderen
Zwecken zugeführt, nicht kriegswichtigen Zwecken. Es wurden
sogar Gotteshäuser enteignet und profaniert.
Euer Erzbischof legt namens des katholischen Volkes, dem
unsere Ordensleute entstammen, gegen diese Verletzung
des natürlichen EigentumsrechtesVerwahrung
ein und verlangt die Rückgabe des widerrecht-
lich beschlagnahmten und vielfach eingezogenen
Gutes. Wir erheben Einspruch dagegen auch um des Gemein-
wohls willen und als Verteidiger der Grundlagen der von Gott
gewollten Sozialordnung. Was heute dem kirchlichen Besitz wider-
fährt, kann morgen jedem rechtmäßigen Eigentum widerfahren. ■
4. Jeder Mensch hat viertens das natürliche Rechtauf
Schutz seiner Ehre gegen Lüge und Verleumdung.
An der Front wie in der Heimat stehen die glaubenstreuen Christen
in der Erfüllung ihrer vaterländischen Pflichten hinter keinem
Volksgenossen zurück. Dennoch werden katholische Priester
und Laien argwöhnisch überwacht, heimlich verdächtigt, sogar
öffentlich als Volksverräter und Landesfeinde
bezeichnet, nur weil sie für die Freiheit der
Kirche und für die Wahrheiten des katholischen
Glaubenseintreten. •
148
Die katholischen Orden sleute haben in Feld und Heimat,
auch im Kriege heldenmütig ihre Pflicht getan, wie vielfach durch
die Verleihung von Kriegsauszeichnungen anerkannt ist. Dennoch
hat man vielen von ihnen die klösterliche Heimat genommen. Wir
Katholiken fordern wirksamen Ehrenschutz für jeden Volks-
genossen, auch für die glaubenstreuen Katholiken und katholischen
Ordensleute.
Seit Monaten geht, ungeachtet der Kriegsnot, eine wider-
christliche Propagandawelle, getragen von Partei-
versammlungen und Parteidruckschriften, durch das Land mit dem
klar eikennbaren, auch euch klaren Ziel, die Lebenskraft der katho-
lischen Kirche in deutschen Landen zu ersticken, womöglich
das Christentum in Deutschland zu vernichten,
und zwar noch während des Krieges, noch bevor die Soldaten in
die Heimat zurückkehren. Die große Mehrheit des deut-
schenVolkes fühlt sich durch solche Angriffe auf das Christen-
tum in ihren heiligsten Empfindungen verletzt und erwartet mit
Recht, daß dieser Kampf gegen Christentum und Kirche eingestellt
werde.
Meine lieben Diözesanen! Heute am Passionssonntag wollte ich
euch teilnehmen lassen an meinen schweren Sorgen. Unterstützt
alle Bemühungen um den religiösen Frieden und die religiöse Frei-
heit durch euer Gebet und durch eure unerschütterliche Treue
und weiset alle Versuche, euch im Glauben wankend und abtrünnig
zu machen, entschieden und kraftvoll zurück. Gott segne unser
Vaterland und unsere heilige Kirche! Gott gebe der Kirche und
dem Vaterland einen ehrenvollen glücklichen, dauernden Frieden!
München, am Passionssonntag 1942.
Michael, Kardinal Faulhaber,
Erzbischof von München.
*
5. „Epaphroditus, mein Bruder, Mitarbeiter und Mitkämpfer."
Kardinal Faulhaber war sozusagen ein Herzog im großen
Heerbann deutscher Katholiken, die immer wieder unerschrocken
gegen Hitler und seine Trabanten, wider alle ihre Gotteslästerungen
und Intrigen, Lügen und Fälschungen, Verleumdungen und Schmä-
• hungen, Wortbrüche und Vertragsuntreuen, Gewalttätigkeiten und
Morde zu Felde zogen.
, Er war aber kein „einsamer Rufer in der Wüst e".
Auf jedem deutschen Bischofsitz war ein „Epaphroditus, ein
Bruder, Mitarbeiterund Mitkämpfer" (Phil. 2,25).
Und es wäre wert, auch ihrer aller Stimme zu hören. Aber es
ginge einem fast wie dem vierten Evangelisten, der bekennen muß:
„Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wollte man
dies im einzelnen niederschreiben, so könnte, glaube ich, die ganze
Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müßte." (Jo. 21,25.)
"149
Es kann darum nur eine ganz kleine Auswahl gemacht werden,
zunächst hier in einem kleinen Sonderkapitel und dann bei der
nachfolgenden Behandlung einiger Sonderthemen.
a) Bischof Dr. Michael Rackl-Eichstätt:
aa. Aus der Predigt vom 2 4. Mai 1936 in Ingolstadt:
ZeugenderWahrheit
„. . . Wir deutschen Bischöfe, wir haben in den letzten Monaten und
Wochen oftmals ernste Hirtenworte an^ die Gläubigen unserer Diözesen
erlassen, und vielleicht ist nicht immer der Geist der Liebe, der aus
diesen Worten leuchtet, so voll und ganz verstanden worden. ^
. Bas war nicht eine Politik der Nadelstiche, das w-ar nicht eine
Politik der Verhetzung, sondern, das glaube, ich im Angesichte des
göttlichen Heilandes vor diesen Tausenden von Menschen sagen zu dür-
fen, das war die Politik der Liebe, der Hirtensorge und Verant-
wortlichkeit, das war das, was das Bürgerliche Gesetzbuch heißt: ,Wah-
rungb er echtigterinter essen'.
In meinem ganzen Leben habe ich mich an den Grundsatz gehalten,
den ein alter deutscher Dichter zum Ausdruck gebracht hat: ,Vor allem
eins, mein Kind, sei wahr und treu, laß nie die Luge deinen Mund ent-
weih'n!' Und ich darf hier, gerade im Hinblick auf manche Schmach,
die uns deutschen Bischöfen und auch rnir angetan worden ist,_ an ein
Wort erinnern, das der göttliche Heiland gesprochen hat; als ihm vor
dem Hohen Rat einer der Diener einen Faustschlag ins Gesicht gab, da
hat der göttliche Heiland gesagt: ,Habe ich unrecht geredet, dann be-
weise mir das Unrecht! Habe ich aber recht geredet, warum schlägst
du mich? . . .' ,^
Wenn ein Hirtenwort von eurem Bischof kommt, dann dürft ihr über-
zeugt sein, da ist jedes Wort genau überlegt, jedes Wort auf
seine Richtigkeit geprüft, und insbesondere prüfe ich auch immer sehr
gewissenhaft, ob nicht vielleicht jemand .ungerechtfertigterweise sich
verletzt fühlen könnte. Aber eines wird mir immer wieder dann ^zum
Bewußtsein gebracht, daß ich mit dem göttlichen Heiland davon über-
zeugt sein muß: ,Ich bin dazu gekommen und dazu geboren' und ich bin
dazu Bischof geworden, ,daß ich Zeugnis . ablege für die Wahrheit!'
(Jo. 18,37). ... '
Ein wahrer, ernster Kulturkampf i
,Wir leben in einer furchtbar ernsten Zeit, und die meisten Menschen
haben es noch nicht begriffen, daß die Axt an die Wurzel gelegt ist, daß
die Fundamente der hl. katholischen Kirche untergraben werden sollen.
Es werden viele unter euch sein, die die neueste Literatur kennen, und
werden wissen, wer das Wort gesprochen hat: ,Wir müssen die
katholische Kirche aushöhlen.' Im- Kulturkampf der
70er Jahre wollte man das Volk ohne Priester haben und —
Ich weiß wieder, was ich sage — inderGegenwartmöchteman
Priester ohne Volk.'
Weltanschauungskämpfe
,. . . Im vorigen Jahr ist die Parole ausgegeben worden: ,Die politische
Revolution ist vorbei, und nun beginnt die Revolution der W'elt-
anschauun g'. Es handelt sich also jetzt nicht um Politik, es handelt
sich um Weltanschauungskämpfe, und in diesem Weltanschauungskampf,
der entbrannt ist, sind wir . Katholiken, wir katholischen Priester und
Bischöfe angegriffen. Ihr wißt, wie man vor einigen Jahren gesagt hat:
150
,Die Geistlichen, die Priester sollen sich nicht mit der Politik befassen!'
Und man hat den ,politischen Katholizismus' aufs schärfste bekämpft.
Ich kann sagen, die Bischöfe und Priester haben sich mit dieser Parole
ganz leicht abgefunden und .schließlich waren wohl die allermeisten
Priester froh, daß sie mit Politik nichts mehr zu tun hatten . . .*
Was ist wirkliche Weltanschauung?
,Aber nun ging es weiter. Nun kommt auf einmal die Frage der
Weltanschauung. Das heißt: mit welchen Augen schaue ich die Welt an?
Schaue ich bloß, immer auf den Erdboden, bloß immer
auf das Diesseits, m u ß ich vielleicht äuchmanchmai
hinaufschauen zum Himmel? Muß ich mich auch manchmal
fragen: Was war denn vor dieser Welt und was wird denn n a c li dieser
Welt sein? Gibt es einen Schöpfer dieserWelt oder gibt es
keinen? Ist meine Aufgabe mit dem Diesseits erledigt, oder gibt
es auch ein Jenseits? Wie steht die allerheiligste Dreifaltigkeit, wie"
Christus, wie die katholische Kirche zu dieser Welt? . . .'
Falsche Religion !
Nach meiner Auffassung — und das ist die katholische Auffassung —
ist das Volk etwas Großes, etwas Hohes und ist das Vaterland
— ich getraue mir auch den Ausdruck zu gebrauchen — etwas Heili-
ges, aber das Allerhöchste ist der Gott, der die Nation
geschaffen hat, der Gott, der die Völker geschaffen hat, dem infolge-
dessen auch die Nationen und Völker dienen müssen. Und deswegen
versteht ihr ohne weiteres, wenn ich sage: Der Satz .Poliiik ist
Religion' ist falsch! »Gewiß, die Politik muß getragen sein von
der Religion, muß herauswachsen aus der Religion, sie muß sich die
Wege weisen lassen von den Grundsätzen des Gewissens, wie sie in der
hl. Religion sind.
. Man hat aber nun in der Gegenwart diesen Grundsatz wahr ge-
macht, man hat getan, als ob Politik die. Religion ersetzen könnte. Man
hat den Satz aufgestellt: ,Die Liebe zum Volk ist die Reli-
gion!' Noch einmal sage ich es, die Liebe zum Volk wächst
aus der Religion heraus, ist eine Frucht der Religion, eine Folge
der Religion, ist aber nicht identisch mit der Religion.
Und deswegen wäre es auch falsch, wenn man etwa meinen würde, der
Politiker habe zu entscheiden, wie die Religion sein muß. Nein, das hat
nicht der Politiker zu entscheiden, sondern der Theologe. Es mag jetzt
vielleicht der Ausdruck etwas hart pointiert klingen, aber es ist richtig:
Wenn die ,politisierenden Geistlichen' keine Berechtigung
haben, dann- ist doch die Frage erlaubt, haben denn die theolo-
gisierenden Politiker eine Berechtigung? Ist das nicht
unsere Domäne? Haben nicht die Priester, die Bischöfe zu entscheiden,
was Religion ist und was nicht Religion ist? Haben nicht wir zu ent-
scheiden, was wahre Weltanschauung ist und was falsche Weltanschau-
ung ist?
jEuch die Religion — uns das Volk!*
Wer die neue Literatur kennt, der weiß, wie im vorigen Jahr oft
gesagt worden ist zu den Priestern: ,Euch die Religion und uns das
Volk!' Man trennt also Volk und Religion; man tut, als ob die Religion
etwas wäre, was über und außer den Menschen wäre, was die Menschen
nichts angeht. Man will trennen und hat getrennt die Religion vom
öfCentlichen politischen Leben, das heißt, 'man sagt eben, unsere Politik
ist für uns selbst Religion und eure Religion hat mit Politik
nichts zu tun. Deswegen hat man nun zunächst in der Presse
das Religiöse vollständig ausgeschaltet in der politischen
Tagespresse. Diese ist geradezu verpflichtet worden, nichts
151
Religiöses zu bringen. Leider Gottes aber bringt sie oft genug
etwas gegen die Religion. Und wir dürfen dann in dieser Tages-
presse keine Verteidigung bringen für die Grundsätze und
Wahrheiten unserer Religion.
Am allerdeutlichsten brennt uns jetzt die Frage der Konfessions-
schule n auf den Fingern. Wieder ist es das Schlagwort E n t k o n -
fesisionalisierung, wieder ist es das Schlagwort ,Der Deutsche
hat keine andere Religion als Deutschland'. Wieder sage
ich: Gewiß, gerade aus religiösen Beweggründen liebe ich mein deut-
sches Vaterland mit der letzten Faser meines Herzens und bin genau
so bereit, wie für meinen katholischen Glauben auch für mein heiß-
geliebtes deutsches Vaterland mein Leben hinzugeben. Aber das hin-
dert mich nicht daran, festzustellen, daß es falsch ist, zu
sagen: »Unsere Religion ist Deutschland!'
jEntweder-— Oder!'
Ihr seht nun aber, worauf es in der Gegenwart ankommt. Für uns
Katholiken heißt die Frage: ,Will ich der katholi-
schen Weltanschauung folgen oder der nichtkatholi-
schen?' Und der Bischof fühlt sich verpflichtet, zu sagen: Der Katho-
lik, der der nichtkatholischen Weltanschauung folgt, der muß wissen,
daß er sich von selbstaußerhalb der katholis chen Kirch e
gestellt hat. Wenn einer eine Weltanschauung vertritt, die nicht
katholisch ist, dann ist er eben nicht mehr katholisch, dann hat er seinen
Glauben verleugnet, dann ist er das, was man im religiösen Sinne
einen Apostaten heißt. Ich möchte nun doch ganz entschieden
sagen, liebe Katholiken, seid doch auch da wahr, auch da gibt es doch
nur einEntweder — Oder.
Ich sehe furchtbare Gefahren; denn die Religion ist das
Fundament unseres Staates, unseres Volkes. Wer unserem Volk die Reli-
gion aus dem Herzen rauben will, der raubt ihm alles. Unsere Vorfahren
sind christlich geworden, weil sie gesehen haben, die christliche Religion
ist viel mehr als die alte germanische Religion; sie haben gesehen, wie
die katholische Religion die Menschen stärk macht, treu macht, opfer-
bereit macht. Wer die alte Literatur kennt, der weiß, wie immer der
Gedanke, der starke Gott, der heilige Gott,-der getreue Gott im Vorder-
grund steht, und deswegen sage ich es blutenden Herzens — und ich
bitte alle, die hier sind, nun nicht etwa morgen mir andere Beweggründe
unterzuschieben — ich sage es blutenden Herzens: ,Rettet die hei-
lige katholis-che Religion und rettet damit unser ge-
ll e b t e s d e u t s c h e s V a t e r 1 a n d !'"
bb. AusderPredigtvom?. Juni 1936:
Gegen die neuheidnische nationalsozialistische
Weltanschauung
„. . . Wenn eine solche Weltanschauung auftritt, die nicht katho-
lisch ist und nicht katholisch sein will, dann muß der Katholik
wissen: Wenn ich dieser Weltanschauung beitrete, bin ich nicht mehr
katholisch; denn ich habe eben meinen katholischen Glauben verleugnet.
Da- hilft es nicht zu sagen: ich bin auch katholisch. Da hilft nur ein Ent-
weder — Oder. Der Bischof hat lange, und alle Bischöfe Deutschlands
haben lange mit sich gerungen, haben lange zugesehen, haben lange ge-
schwiegen, aber es würde allmählich Verrat an unserer katholischen
Sache werden, wenn wir schweigen würden. Und es muß auch einmal
autoritativ vom Bischof gesagt werden:
Rosenbergs Buch ,Der Mythus des 3 0. Jahrhunderts' ist
vom Hl. Vater auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt worden, und
zwar deswegen, weil er die Fundamente des Christentums darin unter-
152
gräbt. Wer deswegen dieses Buch liest, liest ein Buch, das die Funda-
mente der katholischen Religion und des Christentums untergräbt; und
wer andere dazu verpflichtet, dieses Buch zu lesen, verpflichtet sie dazu,
daß sie etwas lesen, was gegen ihre katholische Weltanschauung ist; und
wer sich auf den Standpunkt dieses Buches stellt, steht auf einem Stand-
punkt, der nicht katholisch ist."
cc. Aus der Predigt vom 2 7. Juni 1936 in Ingolstadt:
„Herr, mach uns frei!"
Ein Notschrei der Christen Deutschland
s
„Ein Mann, der ein freies, offenes Wort spricht, wird nie
eine Gefahr für die Gesellschaft, für Staat und Kirche. Gerade das
deutsche Volk hat für die Freiheit immer ein so großes Verständnis ge-
habt. In den letzten Jahren sind tms zwei Worte geradezu eingehämmert
worden, die beiden Worte: .Deutschland, erwache !' und ,H e r r,
m a ch u n s f r ei !' Es hat mit ergriffen, als bei der letzten Wahl die
Parole ausgegeben wurde, das deutsche Volk solle durch die geschlos-
senste Einmütigkeit in die Welt hinausschreien: ,Herr, mach uns frei!'
Da dürfen wir aber nicht vergessen, daß die höchste und edelste Form
der Freiheit ist die Religionsfreiheit, Bekenntnisfreiheit,
G e w i s s e n s f r e i'li e i t. Das Deutsche Reich hat in seinem Reichskon-
kordat feierlich zugesichert: ,Das Deutsche Reich garantiert — ■ der
Ausdruck ist gebraucht — garantiert der katholischen Kirche Reli-
gionsfreiheit und öffentliche Ausübung des katholischen Bekenntnisses.'
Es wäre keine Religionsfreiheit, wenn es den katholischen
Bischöfen verboten würde, in Hirtenbriefen zum katho-
lischen Volk frei zu sprechen. Es wäre eine Unterdrückung der
Gewissensfreiheit, wenn dem katholischen ^ Volke etwas zu-
gemutet würde, was gegen das katholische Gewissen ist. Der göttliche
Heiland hat gesagt: ,Die Wahrheit wird euch frei machen.' Daraus
ergibt sich, daß wir immer wieder die Wahrheit verkünden und nach
dem Grundsatz des Heilandes handeln müssen: ,Dazu bin ich geboren
und dazu bin ich in die Welt gekommen, um der Wahrheit Zeug-
nis zu geben.' Leider Gottes kann ich es nicht verschweigen, daß
doch in den letzten Jahren oft dem katholischen Volke etwas
zugemutetwurde, wasgegendaskatholischeGewissen
ist. Der Hl. Vater in Rom hat erklärt, daß das Buch ,Der Mythus
des 2 0. Jahrhunderts' dem Katholiken zu lesen verboten ist, weil
es die Fundamente der katholischen und der christlichen Religion über-
haupt untei'gräbt. Wer dieses Buch liest, verletzt den Gehorsam gegen-
über der obersten kirchlichen Autorität. Wer sich zu diesem Buche be-
kennt, der hat eine Weltanschauung sich zu eigen gemacht, die nicht
katholisch ist, hat sich also außei-halb der katholischen Gemeinschaft
gestellt. Und wer einen Katholiken zwingt, sei es physisch
oder moralisch, dieses Buch zu lesen, der vergewaltigt ihn in
seinem Gewissen und verletzt die Gewissensfreiheit.
Man darf es uns nicht übel nehmen, wennwirauchsagen: ,Herr,
m a c h u n s f r e i !' Die katholische Kirche betet seit Jahrzehnten nach
der hl. Messe: ,Erhöre gnädig die Gebete, die wir für die Freiheit und
Erhöhung der hl. Mutter, der Kirche, an dich richten.' Und deshalb
fürchtet nicht den Freimut der katholischen Kirche! Ich erinnere an das
Wort des Führers: .Deutschland ist das freieste Land der
Welt.' Muß dann nicht auch die katholische Kirche in
D'e utschland so frei sein wie in keinem Land der Welt?
Und daher halte ich es für falsch, wenn man uns immer wieder sagt:
,Was wollt ihr doch eigentlich? Schaut auf Rußland, Spanien, Mexiko!'
Ich sage: ,DeutschlandistnichtRußland, nicht Spanien,
nicht Mexiko. Deutschland soll sein das freieste Land der Welt und
153
deshalb kann man es einem deutschenMannnichtverübeln,
wenn er auch hinausschreit um Religionsfreiheit,
Bekenntnisfreiheit, Gewissensfreiheit.' Deutschland ist
nicht mehr das freie Volk der Germanen, wenn der deutsche Mann nicht
in Freiheit sein) Glaubensbekenntnis ausüben kann.
,Vor dem Sklaven, der die Kette bricht,
vor dem freien Mann erzittert nicht!'
Der freie Mann, der offen, frei und ehrlich seine Mei-
nung sagt, ist kein Feind des Staates, gar nicht ein Feind des
deutschenStaates, des ,freiesten Staates der Welt'. Wenigstens
fühle ich mich als freier Sohn meiner freien deutschen Heimat. Ich
würde todunglücklich sein, wenn ich dieses höchste Gut der Freiheit, der
Religionsfreiheit, Bekenntnisfreiheit, Gewissensfreiheit nicht mein eigen
nennen dürfte."
dd. Aus der Predigt vom 14. Sept. 193 6 in Bergen
bei Neuburg :
„D a s K r e u z m u ß f a 1 1 e n !"
„Das Kreuz muß fallen, wenn Deutschland leben soll!" „Dieses furcht-
bare Wort' stand n i c h t in einer bplschewistischen russischen
Zeitschrift, n i c h t in einer kommunistischen spanischen Zeit-
schrift, nicht in • einer bolschewistischen mexikanischen
Zeitschi'ift, sondern dieses furchtbare Wort stand in einer deut-
schenZeitschrift, in einer Zeitschrift des Landes, in dem man doch
immer wieder sagt, man wolle den Bolschewismus niederkämpfen. Und ich
muß es zu meinem schmerzlichsten Bedauern sagen, diese Zeitschrift
darf ruhig verbreitet "vverden, darf überall ausgehängt werden. Keine
Zensur, k e ine Polizei nimmt dagegen Stellung. Aber wenn wir
Bischöfe unser Wort ergehen lassen "an unsere, Diözesanen, dann dürfen
unsere Hirtenbriefe nicht überallhin verbreitet werden. Wo stehst du
denn, deutsches Volk?"
„StelltdieSchwarzenandieWand!".
„Jüngst stand in den Zeitungen in einer Schlagzeile: ,Mos,kau
funkt: Tötet die Priester!' Es ist noch nicht lange her, da hat
man auch in unserer Gegend immer und immer wieder gesungen ,Stellt
die Schwarzen an die Wand!' Ist da ein großer Unterschied zwischen
dem Worte: ,Tötet die Priester!' und dem anderen Wort: ,Stellt die
Schwarzen an die Wand!' Das durfte überall öffentlich, gesungen werden,
und es hat viele Proteste gebraucht, bis endlich das Lied verboten wurde. .
Da müssen wir uns die ernste Frage vorlegen: .DeutschesVolk,
wohin gehst du? Wir dürfen nicht mehr meinen, daß es sich nur um
einige nebensächliche Dinge handle. Wir müssen wissen: wenn der furcht-
bare Satz ,Das Kreuz muß fallen, wenn Deutschland leben soll', einmal
in einer weitverbreiteten Zeitschrift niedergelegt werden darf, dann geht
es um das Allerwichtigste, um das Allerheiligste, um die Fundamente
unserer. heiligen Religion. Es kommt eine furchtbare Zeiten-
wende, eine fvirchtbar ernste Entscheidung: Entweder christlich oder
nicht christlich. Und wir sind immer berechtigt zu sagen — wenn man
das auch nicht zugeben will — : Nichtchristlich ist soviel wie heidnisch,
und deswegen heißt doch die wichtige Frage: Entwed er christlich
oder heidnisch !
. . . Man sagt nun oft: ,DieKreuzesreIig'ionistetwasfür
das deutsche Volk W-e sensfremdes. Artfremdes.' Man
hat oft in den letzten Jahren die Religion des Kreuzes als eine n e g a -
154
/
tive Religion bezeichnet und hat dann gemeint, ihr* gegenüber
müsse man aufstellen eine Religion der Kraft, die Religion des
Heroischen, die Religion des Heldischen, Die Religion vom ster-
benden Heiland sei etwas für ein sterbendes Volle, für eine
sterbende Menschheit, aber nicht für ein Volk, das leben will.
Da ist nun die Frage: Haben wir deutsche Katholil?;en
ein Recht, am heutigen Fest ,Kreuz-Erhöhung' uns im Gotteshaus
einzufinden, haben^ wir ein Recht, da? Kreuz mitten hineihzu-
stellen in das deutsche Volk, mitten hinein in unsere Glottes-
häuser, in unsere Familien, in unsere Fluren und Felder, in unsere
Schulen und Kirchen? Dürfen wir immer wieder das Kreuz aufrichten
und dürfen wir uns immer wieder am Kreuze aufrichten? Kreuz-
erhöhung — das heißt: das Kreuz in die Höhe richten, das Kreuz auf-
richten!
Wann ist je ein Mensch so heroisch, so heldisch gestorben wie Chri-
stus am Kreuze? Hat nicht ein Hauptmann der römischen Weltarmee,
der Christus so sterben sah, ausgerufen: ,Dieser Mann war wirklich Got-
tes Sohn!' (Mc 15, 39.) So heroisch, so heldisch hatte er noch
keihen Soldaten auf dem Schlachtfelde sterben ge-
sehen.
Wenn unserem deutschen Vaterland die Gefahr droht, daß der hei-
lige katholische Glaube, das Christentum in seinen Fundamenten er-
schüttert wird, dann fühle ich die Pflicht, immer' wieder das
deutsche Volk auf diese große Gefahr aufmerksam zu machen,
immer wieder zu mahnen und zu bitten auf der Hut zu sein: ,Hütet euch
vor den falschen Propheten!* Dann bin ich-kein Vaterlands-
feind, kein Reichsfeind, im Gegenteil! Dann bin ich der wärmste
Freund der deutschen Heimat, der aufrichtigste Freund der deutschen
Heimat, des heißgeliebten deutschen Vaterlandes. Es ist in der heutigen
Zeit nicht immer leicht, diesen Mut aufzubringen; aber
wenn jemand diesen Mut hat, dann hat man auch die Verpflichtung,
diesenMut zu respektieren, der du'rch ein offenes
Wort dem Vaterland nützen will." '
ee.'Aus der Predigt vom 2 9. Sept. 1936 in Buxhetmj
Vernichtungskampf gegen die katholische Religion!
„. . . Ich brauche es euch nicht zu sagen, in welch furchtbar ern-
ster Zeit wir leben. Ihr habt euch nicht gewundert, wenn in den letzten
Monaten Hirtenbrief um Hirtenbrief ersc,hieneA ist. Ihr
habt es verstanden, daß die Bischöfe jetzt in heiligler Verantwortung
reden müssen und nicht schweigen dürfen. Ihr habt es verstanden, daß
in einer Zeit, da es um die Grundfesten eurer heiligen Religion geht,
die. Hüter des Heiligtums auf den Plan treten undl
reden müssen.
Kardinal Bertram, Fürsterzbischof von Breslau, richtete vor einiger
Zeit im Namen der Fuldaer Bischofskonferenz ein Schreiben an
die Reichsregierung. Er spricht darin von einem Vernich-
tungskampf gegen die katholische Religion und fügt hinzu: jWenn
ich von einem Vernichtungskampf spreche, so ist das nicht etwa nur
Schwarzseherei, sondern es ist eine klare Erkenntnis, die sich aus der
Lektüre zahlloser Zeitschriftenartikel ergibt.' Und der Kardinal bemerkt
weiterhin — fast überlege ich mir, ob ich es an dieser heiligen Stätte
wiederholen soll; aber da der überaus scharfe Ausdruck an die
Reichsregierung gegeben und somit kein Geheimnis
ist, mag er hier ausgesprochen werden. — Der Kardinal erklärte: ,D i e
Hetzegegen die katholische Kirche nimmt eine Form
an, dieweitüberdashinaus geht, wasmanvon Rußland
155
her gewohnt ist!' Das mag sehr scharf klingen, doch muß ich auf
Grund eigener Erfahrungen bestätigen: Ich selbst habe viel Zeitungen
und Zeitschriften der Gegenwart gelesen, von dieser heiligen Stätte aus
sei es gesagt, im Bewußtsein meiner schweren Verantwortung, um euch
vor falschen Propheten zu warnen: »Tatsächlich nimmt die
Hetze gegen die katholische Kirche, gegen den Hl. Va-
ter, die Bischöfe und Priester vielfach Formen an, die
weit über das von Rußland Gewohnte hinausgehe n.'
Kein ,Ewiges Deutschland' garantiert!
,, . , Ich liebe mein deutsches Vaterland von ganzem Herzen und bin
bereit, für dieses heißgeliebte Vaterland Gut, Blut und Leben hinzu-
geben. Doch weiß ich auch: Zur Kirche und nicht zu einem ein-
zelnen Land hat Christus die Worte gesprochen: ,Auf einen Felsen
will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht
überwältigen.' Dieses Wo rt ist nicht zu Deutschland ge-
sagt. Darum ist es falsch, von einem ,ewigen Deutsch-
land' zu reden. Und ebenso sage ich noch einmal: Wenn ich auch mein
Vaterland li,ebe aus dem tiefsten Grund und mit jeder Faser meines
Herzens, und wenn ich immer wieder die Liebe zur Heimat und zum
Vaterlande, den Gehorsam gegen die Obrigkeit predige, m u ß i c h d o c h
mit aller Entschiedenheit klarstellen: der Satz: ,Unser e
Religion f s t D eu ts chl an d!', di es er Satz ist falsch! Ge-
wiß, unsere Liebe zu Deutschland wächst heraus aus der Religion, ist
eine Frucht der Religion; doch die Religion selbst wurzelt in Gott, dem
Herrn, der ,Gott auch über Deutschland, Herr auch des deutschen Vol-
kes ist . . ,'
,Deutsche Glaubensbewegung'
,. . . Die Seele des deutschen Volkes ist durch und durch religiös.
Man spricht in der Gegenwart von einer .Deutschen Glaubensbewegung'.
Jedoch, was hier als , Glaubensbewegung' bezeichnet wird, ist, vom reli-
giösen Standpunkt aus gesehen, eine Bewegung des Unglau-
bens und etwas ganz und gar Undeutsches. .Deutsche Glau-
bensbewegung' ist — das getraue ich mir vor jedem Forum zu ver-
treten — jUndeutsche Unglaubensbewegung'. Das Wort
.Glaube', das '^a immer gebraucht wird und in aller Mund ist, ist nichts
anderes als Verneinung des Glaubens an die heilige
katholische Kirche. Was man hier ,Glaube' nennt, ist nur Glaube
an Deutschland. Nun weiß jeder: Glaube im religiösen Sinp ist Glaube
an Gott. So kann also Glaube an Deutschland kein religiöser Glaube
sein. Das sage ich trotz meiner großen Liebe zum deutschen Vaterland,
trotz meiner großen Ehrfurcht vor der deutschen Heimat und vor un-
serer deutschen Geschichte. Glaube an Deutschland kann niemals Glaube
im religiösen Sinne sein. In der Religion ist- Glaube ein Glaube an Gott:
,Ich glaube alles, was Gott geoffenbart hat und durch seine heilige
katholische Kirche zu glauben vorstellt.' Man soll doch den Be-
griffen ihren alten Sinn lassen!"
ff. Au s der Predigt vom 2 6. F^ebruar 1938
in Eichstätt, St. Walburg:
„Zentnerschwere Sorgen"!
„Zentnerschwere Sorgen lasten auf dem Bischof. Man hat sich oft
gefragt: Können und dürfen wir sagen, daß in Deutschland ein
Kulturkampf herrscht? Ich meine, man darf den Kampf heißen,
wie man will, ob Kulturkampf oder anders; niemand, der aufrichtig die
Wahrheit sagt und der Wahrheit ins Antlitz schauen will, wird leugnen
156
können, daß ^wir in Deutschland in einem furchtbaren
Religions krieg leben, daß zwei Weltanschauungen einander gegen-
überstehen und sich auf Leben und Tod belcämpfen. Jetzt soll dieser
Kampf hineingetragen werden in jedes Dorf, in jedes Haus,
in jede Familie, in jedes Herz. Auf der einen Seite steht
Christus, auf der anderen Seite eine Weltanschauung, die gegen Christus
ist, die man deswegen in der Sprache der Hl. Schrift als" Anti-
christenbezieichnenkönnte.
Was nun diese schweren Kämpfe in der Gegenwart ganz be-
sonders gefahrdrohend macht, ist dies, daß man dort, wo man das
Christentum bekämpft, sagt, man wolle dem Christentum
nichts tun. Immer und immer wieder wird gesagt, das Christentum
verdanke seine Rettung der neuen Bewegung und deswegen müsse man
dankbar sein, daß die neue Bewegung das Christentum ge-
rettethabe.
,W e n n N e i n N e i n i s t . . ."
Wenn man die eigentlich maßgebenden Schriften der Gegenwart
liest, dann sieht man, daß alles, was christlich ist, all6s, was
katholisch ist, auf Leben und Tod bekämpft wird. Ich
glaube wohl, daß in den einzelnen Orten und in den '^einzelnen Dörfern
die führenden Kräfte die letzten Folgerungen gar nicht kennen und gar
nicht wollen, A^er eines würde ich dankbar begrüßen, wenn man die
Ehrlichkeit aufbrächte, die ein Philosoph des vorigen Jahrhunderts ge-
habt hat, David Friedrich Strauß, der einmal dem deutschen Volk
die Frage vorgelegt hat: ,,Sind wir noch Christen?' Auf diese Frage
hat David Strauß geantwortet: ,Wenn wir ehrlich sein wollen, wenn ja
ja ist und nein nein, dann müssen wir sagen: Wir sind keine
Christen mehr!' Dieses Bekenntnis war ehrlich und, wie gesagt,
ich würde mich freuen, wenn die. Anhänger der neuen Weltanschauung
dieses aufrichtige 'Bekenntnis auch an die Spitze stellten und erklärten:
,Wenn wir ehrlich sein wollen, wenn ja ja ist und nein nein, dann
müssen wir sagen, daß wir keine Christen mehr sind.' Dann würde das
einfache, schlichte gläubige Volk sich nicht immer wieder
in die Irre, führen lasse n>. dann würde das christliche Volk
sagen: ,Wir aber sind Christen und wollen Christen bleiben. Wir sind
katholisch getauft worden und wollen katholisch sterben, und deswegen
lehnen wir alles ab, was diesem Glauben widerspricht.''
,,Sittliche Voraus'^ etzungen für Kinderbeihilfe,'
Zunächst möchte ich doch einmal vor aller Öffentlichkeit sagen, daß
ein solches Verfahren ungerecht ist: In einer. Pfarrei hat ein kinder-
reicher Familienvater sich 'gegen die Gem'einschafts-
schule entschieden und das betreffende Finanzamt hat ihm d i e
gesetzliche Kinderbeihilfe versagt mit der Begründung, daß
bei ihm die sittlichen Voraussetzungen fehlen, die für
eine solche Unterstützung notwendig vorhanden sein
müssen. Ich habe mich daraufhin an die höchste Landesbehörde ge-
wendet und die Frage gestellt, ob das auch die Auffassung der höchsten
Behörde sei; denn es gelte doch noch das Reichskonkordat und das
Bayerische Landeskonkordat, und beide stellten den Satz auf: „Die Er-
haltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt ge-
währleistet." Ich stellte die Frage, ob es denn wahr sei, daß bei einem
katholischen Bürger die Voraussetzungen für eine Unterstützung fehlen,
wenn er sich auf Grund des Reichskonkordates für die Bekenntnisschule
entschied. Die höchste Landesbehörde hat mir Recht gegeben und er-
klärt: ,,Ich billige die Anschauung des Finanzamtes nicht und habe den
Auftrag gegeben, daß dem betreffenden Mann die Kinderbeihilfe ge-
währt werde,*
157
,Gold und Silber,habe ich nicht!*
,Es hat mir tief weh getan, als ich hörte, daß eine katholische Frau
aus der Umgebung, als die Abstimmung über die Schule war, in der
Eisenbahn sagte: ,I?ie Pfarrer und der Bischof, die geben
uns nichts.' Man hat- ja oft in den letzten Wochen auf die Unter-
stiAtzungen des Winterhilsfwerkes hingewiesen, hat das, was der Bischof
aus religiösen Gründen empfohlen hat, dazu benützt, um gegen die
Kirche zu arbeiten. Man hat gesagt:., Ihr bekommt keine Unterstützung
mehr vom WHW, wenn ihr euch nicht für die Gemeinschaftsschule ein-
schreibt . . .*
Es ist wahr, der Bischof ist kein Grpßkapitalist und kann deswegen
nicht immer Geld austeilen, wohin er kommt. Obwohl ich wirklich gern
alles, was ich habe, den Armen gebe, muß ich doch schließlich mit dem
hl. Petrus sagen: ,Gold und Silber habe ich nicht; was ich
habe, gebe ich dir.' Und ich meine, Bischof und Priester geben dem Volk
den Segen Gottes, und an Gottes Segen ist alles gelegen. Christliche
Mütter, habt ihr nicht oft schon erfahren, daß alles, nichts hilft, wenn
der Segen Gottes fehlt? Nicht bloß wenn man ein Haus baut, gilt das
Wort: ,Wenn der Herr das Haus nicht baut, bauen die Bauleute umsonst',
sondern imnier, und überall gilt das Wort: ,An Gottes Segen ist alles
gelegen.' Und was die katholische Kirche vom ersten Augenblick des
Lebens, vom hl. Sakrament der Taufe an bis zum letzten Atemzuge den
einzelnen Gläubigen gibt an Seele und Leib, ich meine, da kann man
nicht sagen: ,Die Priester geben uns nichts! Die Kirche gibt
uns nichts.' Ich würde mich an einem solchen Wort nicht stoßen, wenn
ich nicht wüßte, daß eine katholische Frau es gesagt hat. Schließlich
sind Geldunterstützüngen nicht das Allerwichtigste. Schließlich kommt
ein Augenblick, von dem man immer sagt: ,Da kann man nichts mehr
mitnehmen.' Nur die guten Werke imd die Gnade und die Segnungen
der heiligen katholischen Kirche folgen ihnen nach.
Ebenso hat es mich tief betrübt, daß christliche Eltern, als ich am
1. Dezember die Gläubigen noch einmal zur Wachsamkeit in der Schul-
frage ermahnen Heß, aus der Kirche kamen und sagten: ,Der Pfarrer
sagt so und die heraußen sagen so! Da weiß man überhaupt nicht mehr,
wem man glauben soll.' Meine Lieben! Haben denn die Gläubigen den
Wahrheitsauftrag der katholischen Kirche verges-
sen? Glauben denn die Gläubigen, daß wir in der
Kirche die Unwahrheit sagen? Glauben sie denn nicht mehr
an das Wort: ,Wer euch hört,- der hört mich; und wer euch verachtet,
verachtet mich'?"
b) Clemens August von Galen,
Bischof von Münster,
ist in der ganzen Welt bekannt geworden ob seines unerschrockenen
Auftretens wider den Nationalsozialismus und seine vielerlei Ver-
leumdungen und Gewalttätigkeiten. Ein Beispiel davon sei hier
wiedergegeben (weitere siehe im Kapitel B 2 und 5).
In der Predigt vom 9» Februar 1936, bei der Weihe des Altares
der hl. Märtyrer von Xanten, verband er mit der Ehrung der Mär-
tyrer der christlichen Frühzeit ein Gedenken an die Verfolgten der
Gegenwart:
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und verfolgen und
lügenhaft alles Böse euch nachsagen um meinetwillen. Freuet euch und ,
frohlocket; denn euer Lohn wird groß sein im Himmel."
158
Ja, freut euch und frohlocket! Ihr wißt es, die Zeit ist da, wo nicht
wenigen von uns solches Los zuteil wird. Wie wird die heilige Kirche,
der Papst, die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute, wie werden treue
Kinder der Kirche heute in Deutschland öffentlich und ungestraft ver-
unglimpft, verlästert und verhöhnt! Wieviele Katholiken, Priester und
Laien sind in Zeitungen und Versammlungen angegriifen und be-
schimpft, aus Beruf und Stellung vertrieben und ohne Gerichtsurteil
gefangengesetzt und mißhandelt worden! Der Leiter der
bischöflichen Informationsstelle in Berlin, Dr. Banasch,
schmachtet seit Monaten schon im Kerker, und man hat
seinen Auftraggebern, den Bischöfen, nicht einmal mitgeteilt, wessen man
ihn beschuldigt. Der von den Bischöfen bestellte Führer der Jung-
männervereine, Msgr. Wolker, ist vor drei Tagen verhaftet
worden, und wie lange wird es dauern, bis er vor einem unab-
hängigen d e u tschen Gericht seine Unschuld beweisen kann?
Es gibt in deutschen Landen frische Gräber, in
denen dieAsche solcher ruht, die das katholischeVolk
für Märtyrer des Glaubens hält, weil ihr Leben ihnön das
Zeugnis treuester Pflichterfüllung für Gott und Vaterland, Volk und
Kirche ausstellt und das Dunkel, das über ihrem Tod gebreitet ist,
ängstlich gehütet wird. Und wie lastet vielfach schwerster Gewis-
sensdruck auf Beamten und Angestellten, Eltern und
Lehrern, die vor die Frage gestellt werden, zu wählen zwischen der
Treue gegen Gott und ihrem christlichen Gewissen und dem Wohl-
gefallen und der Gunst derer, von denen ihre Stellung und gar ihr
Lebensunterhalt abhängt.
Wundert euch, nicht, daß der gütige Gott solche I^rüfungszeit über
euch kommen läßt. Unsere hl. Kirche ist die Kirche der Märtyrer." -
c) Bischof Bornewasser von Trier.
Am 22. und 23. November 1941 sprach ein hoher Staatsbeamter
als Hauptredner in großen öffentlichen Versammlungen in Trier
und Koblenz und erging sich dabei in schauerlichen Gottesläste-
rungen. .
Bischof Bornewasser von Trier stand wider ihn auf mit einer
Predigt am 30. November 1941 im Dom zu Trier und gab darüber
hinaus vor all seinen Diözesanen in einer feierlichen Protest-
erklärung seinem Abscheu und Schmerz Ausdruck:
„Mit den an Zahl wachsenden Versammlimgen geht bittere Ent-
täuschung durch das Land. Nach den bisherigen Feststellungen dienen
viele dieser Versammlungen dazu, den seit Jahren gegen Christentum
und Kirche geführten Kampf zum eigentlichen Thema werden zu lassen,
auch da, wo der Kampf gegen die Juden in den Vordergrund gestellt
wird. In unserer Diözese haben wir es am 22. November in Trier, am
23. November in Koblenz erfahren. Auf beiden war derselbe hohe Staats-
beamte der Hauptredner ... -'
Ich habe zunächst Einspruch erhoben gegen die Läste-
rung des heiligen Namens Gottes. Im Verlauf der Rede sagte
der Hauptredner das blasphemische Wort: ,Jehova, es ist Feier-
abend! Jehova, du hast ausgespielt! Jehova, es ist aus!'
Der Redner scheint ja das Alte Testament besonders gut zu kennen.
Dann muß er auch wissen, daß die gottestreuen, frommen Israeliten sich
in einer fast ängstlichen Ehrfurcht scheuten, den Namen ,Gott' auszu-
sprechen. Sie gebrauchten deshalb das Wort ,Jahwe', d. h. ,Er, der ds
ist'. Als Jehova ist dieses Wort in die deutsche Literatur und Kunst ein-
gegangen und bedeutet den einen, ewigen, wahren, persönlichen Gott,
159
den Gott des Neuen christlichen Bundes ebenso wie den der alttesta-
mentlichen Offenbarung.
Diesem einen, ewigen Gott, vor dem die ganze christliche "Welt an-
betend ihr Knie beugt, gibt der Redner den Abschied: ,Du hast aus-
gespielt! Es ist aus!' Gibt es eine schlimmere Verhöhnung dessen, der
uns das heiligste Erdengut ist?
Wer Gott den Abschied gibt, gibt auch den 10 Geboten den Ab-
schied, wie der Redner es tat mit den Worten: ,Nur die Natur-
gesetze sind für uns maßgebend, nicht die 10. Gebote.'
,Die 10 Gebote mit ihren Biestereien', so meinte er, ,m ö g e n ja für
die Judenschweine gut gewesensein, aber nicht für
uns.'
Die hl. 10 Gebote gab einst Gott, der Allmächtige, der Herr der Welt,
der Lenker aller Menschheitsgeschichte, für alle Zeiten und alle Men-
schen. Zur Festlegung der Rechte Gottes unter den Menschen, zur Wah-
rung der Menschenrechte, zur eijizig möglichen Grundlage der sozialen
und sittlichen Ordnung der Welt. Wo man die ehernen Gottestafeln von
Sinai zerbrochen und zerschlagen, da hat man die 'Ordnung, den Frieden
auf allen Gebieten, die echte Sitte und das wahre Glück der Menschen
zerschlagen und zerbrochen.
Tief schmerzlich war für alle Christen in dieser Rede die Ver-
höhnung des Gebetes des Herrn. Daß ein hoher Staatsbeamter
in einer öffentlichen Versammlung, wie in Koblenz, sagt: ,Wer betet,
jVater unser, unser tägliches Bot gib uns heute!' der ist ein Sklave...
Um Brot bettelt man nicht, darum kämpft man,' so ist
das eine Herabsetzung des heiligsten christlichen Gebetes,, die jeden
Christgläubigen tief schmerzt.
Wir Christen kennen den Sinn dieser so einfachen, rührenden und
doch so ernsten Bitte. Die Bitte um das Brot ist uns der Inbegrifl: alles
dessen, was wir zum Lebensunterhalt notwendig haben. Wie es schon
im Alten Bunde der Weise betete: ,Herr, Armut und Reichtum gib mir
nicht, gib mir nur, was ich brauche, mich zu nähren!' Armut und Reich-
tum, beide haben ihre G^^fahren für die Seele. Auch der Reiche muß
beten. Der Weg vom Palaste bis zur Hütte, vom Reich-
tum zur Armut ist oft nur ein kurzer Weg. Der Weltkrieg
hat's gezeigt, und dieser Krieg wird's vielleicht noch mehr
zeigen.
Der Redner sagte in Koblenz, das ,Va terunser' sei das min-
derwertigsteGebet. Geliebte! Für uns ist das , Vaterunser' das
Gebet des Herrn. Es ist das Gebet, das Jesus Christus, der Herr, selbst
verfaßt hat und seinen Jüngern mit den Worten gab: ,So sollt ihr beten!'
Die Verhöhnung des hl. Sakramentes derTaufe ge-
schah unter einem Bilde, das an heiliger Stätte wiederzugeben ich mich
schäme. Ich muß annehmen, daß der Redner vom Wesen der Taufe-
keine Ahnung hat. Höchstens scheint er zu wissen, daß die Taufe das
Eingangstor zum Christentum ist, und verwirft sie deshalb, wie- er das
wahre Christentum scheinbar selbst verwirft. Oder weiß er doch, daß
die Taufe das von Jesus Christus eingesetzte, für den Menschen not-
wendigste Sakrament ist, ohne das er nicht selig werden kann?
Nicht verwundert, aber tief erschüttert hat mich das Wort des Red-
ners:
,Ich leiste für Deutschland jeden Meineid und, wenn es sein muß,
jeden Tag 50!'
Ob nicht wahrhaft christliche Männer und Frauen am liebsten auf-
gestanden wären und ob einer solchen Ungeheuerlichkeit unter Protest
den Saal verlassen hätten! Ob der Vorsitzende der Versammlung den
160
Redner zur Ordnung gerufen hat? Ja? Ich weiß es nicht. Aber das weiß
ich aus einem Bericht, daß bei dieser Stelle ,allgemei.ner Beifall
des Publikums' kam.
,Arme Jugend, die du hingehen und die du das erleben mußtest!
Armes Deutschland, w o h i n g e h s t du? Ist denn das Rechts-
empfinden in deiner Seele schon so zerstört? Weißt du denn nicht, daß
durch eine solche Herabwürdigung der Heiligkeit des Eides jede ge-
ordnete Rechtspflege untergraben und das Vertrauen auf
die deutsche Rechtsprechung vernichtet wird? Vor Gericht muß der
Richter jeden Zeugen auf die lieiligkeit des zu leistenden Eides aufmerk-
sam machen. Und hier wurde in aller Öffentlichkeit von einem hohen
Staatsbeamten die Bereitwilligkeit zum Meineid für
Deutschland offen ausgesprochen.. Auch für Deutschland darf
ich keinen Meindeid leisten. Deutschland bedarf keines Mein-
eides. Deutschland lehnt den zu seinen Gunsten abgelegten Meineid als
unmoralisch ab und als seiner unwürdig. Abgesehen von der Unsittlich-
keit und schweren Sündhaftigkeit auch dieses Meineides, wird der vor
Gericht geleistete Meineid nach dem deutschen Strafgesetzbuch sogar
mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft.'
Der heilige Zeugniszwang des Bischofs
,,. . . Diese Predigt war für mich heute heilige Pflicht. Wer in meinem
hohen Alter steht, weiß, daß das Ende seines Lebens nicht mehr ferne
ist. Ich muß bald vor meinem Richter erscheinen. Deshalb habe ich
auch jüngst die drei großen Predigten über die ernsten Zeitfragen ge-
halten. Ich will vor meinem Schöpfer mit reinem Gewissen stehen und
ihm sagen können : Ich habe für die Wahrheit gekämpft und die Wahr-
heit den Meinen verkündet, ob es gelegen war oder nicht, solange meine
Kraft reichte, — ich habe um deines Namens willen Schmach und Ver-
leumdung schweigend und geduldig ertragen — , ich habe die Meinen,
die du mir anvertraut, als treuer Hirt bis ins letzte und kleinste Dörf-
lein hinein mehr als einmal besucht, ihnen das Wort Gottes verkündet,
ihnen, die hl. Firmung und den Hl. Geist gespendet, sie gestärkt und
getröstet in schweren Zeiten. Ich habe sie geliebt bis zum Ende, auch
wenn ich nicht mehr für sie arbeiten und nur noch für sie beten und
opfern und leiden konnte'."
Neben dieser feierlichen Verwahrung des Bischofs in beson-
derer Predigt wurde aber noch in allen Kirchen der ganzen Diözese
nachfolgender Protest verlesen:
Erklärung des Hochw. Herrn Bischofs von Trier
Am Sonntag, 30. November 1941, in den zwei letzten heiligen Messen
zu verlesen.
Am Samstag, den 22. November 1941, hat in einer öffentlichen Ver-
sammlung in der Tonhalle zu Trier, zu der die ganze Bevölkerung
durch die Presse und öffentlichen Bekanntmachungen an den Anschlag-
> Säulen, eingeladen war, der Redner in seinen Ausführungen
die Person Gottes, des Herrn, aufs schwerste beleidigt und Einrich-
tungen und Lehren der christlichen Religion, wie die heiligen von
Gott gegebenen 10 Gebote, das Gebet des Herrn, die Heiligkeit des
Eides und das Sakrament der Taufe
in schmachvoller Weise herabgesetzt und lächerlich gemacht. Im Nameir
des christlichen Volkes, das sich durch diese Ausführungen in seiner?
heiligsten Gütern angegriffen fühlt, und als Beschützer der Rechte Got^-
• Kreuz und Hakenkreuz 11 Bd. 11 jßi
tes und der Kirche, erhebe ich als Bischof hierdurch feierlich und
öffentlich vor dem katholischen Volke unserer Stadt Einspruch
gegen die Lästerungen des hl. Namens Gottes,
gegen die Herabsetzung der hl. 10 Gebote des Herrn,
gegen die Verspottung des hl. Sakramentes der Taufe,
gegen die Verhöhnung des Gebetes des Herrn, des „Vaterunsers",
gegen die Herabsetzung des Eides, die so weit ging, daß der Redner
mit besonderem Nachdrucke erklärte, er leiste für Deutschland jeden
Meineid, ja täglich 50 Meineide, wenn es sein müsse.
Gegen den Redner habe ich bei dem Herrn Oberstaatsanwalt
von Trier S t r a f a n z e i g e e r s t a 1 1 e t. Da ich weiß, daß eine solche,
Versammlung auch in Koblenz am 33. November stattfand und der
" Redner ähnliche Reden geführt hat, habe ich Abschriften dieser
Anzeige auch an den Herrn 'Reichsjustizminister in Berlin und an
den Heirn Generalstaatsanwalt in Köln gesandt.
< Gegeben zu Trier, am 28. November 1941. , '
gez. Frz. Rudolf, Bischof von Trier.
\
d) Bischof Dr, Konrad Graf von Preysing
beleuchtete am 5. Dezember 1937 in ausführlicher Weise die Span-
nung zwischen Kirche und Staat: '
„. . Die ernste Lage det katholischen Kirche in Deutschland, die
Papst Pius XL in 'seiner Enzyklika ,Mit brennender Sorge . . .*' uns, auL-
g'ezeigt hat, hat sich im Laufe des Jahres noch verschärft. Eine kirchen-
feindliche Maßnahme löst die andere ab. Der dem Christentum feind-
liche Geist beherrscht die Öffentlichkeit in zunehmendem Maße, die Ge-
wissensnot wächst ... V ,
So wie man den Hl. Vater in Zeitungen, Zeitschriften und Reden
immer wieder verdächtigt, als ob er mit seinen Kundgebungen poli-
tischen Zielen diente, so wirft man auch uns Bischöfen voj;, daß wir die
Grenzen unseres Amtes überschreiten und die Kirche in unsex'em Vater-
lande zu politischen Zwecken mißbrauchen. Eine Reihe von Maßnahmen
des Staates und der Partei, soll — so wird uns versichert — nur den
Zweck verfolgen, die politisierende Kirche wieder in wahrhaft
religiöse Gemeinschaft umzuwandeln. T a t s ä c,h 1 i p h richtet sich dieses
Vorgehen gegen das wesensgernäße Wirken der Kirche, Da-
bei sucht man das deutsche Volle glauben zu machen, daß bei uns Kirche
und Christentum frei und ungehindert ihre Tätigkeit entfalten können . . .
Jede Abwehr der hem.mungslo s en, die Sittlichkeitspro-
zesse ausschlachtenden Propaganda wi rd unterbunden. Bro-
schüren, die hierin der Wahrheit dienen, werden beschlag-
nahmt. Dagegen dürfen Schriften erscheinen, deren sittengefährden-
der, unwahrer Inhalt nicht bestritten werden kann. Die Bekennt-
nisschule wird durch Gewaltmaßnahmen oder Zwangsabstimmun-
gen beseitigt. Abwehrmaßnahmen werden durch geistigen und Xvirt- I
schaftlichen Druck unterbunden ...
Ihr selbst seht täglich die Auswirkungen des antikirchlichen und
antichristlichen Geistes in der Öffentlichkeit. Es genügt, an einem
Zeitungskiosk auf der Untergrund- oder Stadtbahn stehenzubleiben
und sich die Auslagen anzusehen. In Bild, Karikatur, Schlagzeile, Pro-
pagandaplakat, Broschüre, mitiallen Mitteln-. publizistischer
Beeinflussung wird eine Einwirkung auf das deutsche Volk er-
strebt, die zumal in den Seelen der Jugendlichen jede Achtung und
Ehrfurcht vor Christentum und Kirche zum Erlöschen bringen muß.
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Man kennzeichnet nur die wahre Lage der offenbarungsgläubigen Chri-
sten in unserem Vaterlande, wenn man feststellt:
,Der gläubige Katholik steht in Deu.tschland unter
Ausnahmerecht. Er muß Spott und Hohn, Unfreiheit und Be-
drängnis für seinen Glauben dulden, ohne sich verteidigen zu können,
während die K'irchenfieinde Fi^eiheit des Wortes, de.s
AngriffesunddesSpottesgenießen.'
Man hört und liest demgegenüber: ,Eure Kirchen sind ja noch ge-
öl^net. Eure Priester können ja noch die hl. Messe lesen und die Sakra-
mente spenden. Die Kirche hat ja noch das Recht, Kirchensteuern zu
erheben und erhält noch Zuschüsse vom Staat . . .*
Ich antworte mit den Worten des Hl. Vaters aus seiner Enzyklika,
in denen er seine Sorge über die Auswirkungen einer antichristlichen Er-
ziehung der Jugend ausdrückt und die auf die Gesamtlage der Kirche
in Deutschland zutreffen: ' •
. ,Die Kirche Christi kann nicht erst anfangen, zu trauern und zu
klagen, wenn die Altäre verwüstet werden, wenn sakrilegische Hände
die Gotteshäuser in Rauch und Flammen aufgehen lassen. Wenn man
versucht, den Tabernakel der durch die Taufe geweihten Kindesseele
durch eme christusfeindliche Erziehung zu entweihen, wenn aus diesem
lebendigen Tempel Gottes die ewige Lampe des Christusglaubens her-
ausgerissen und an ihrer Statt das Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt
werden soll, der mit dem Glauben des Kreuzes nichts mehr zu tun hat,
dann ist die geistige Tempelschändung nahe, dann wird es für jeden
bekennenden Christen Pflicht, seine Verantwortung von der der
Gegenseite klar zu scheiden, sein Gewissen von jeder schuldhaften Mit-
wirkung an solchem Verhängnis und Verderbnis freizuhalten'
,< «
6. Verbundenheit von Oberhirten, Hirten und Herde,
Mitten im langen, zermürbenden Kampf des Antichrists fehlte
den Getreuen Christi nicht der Geist ihres Meisters, der gesprochen
hat: „Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die Meinen,
und. die Meinen kennen mich. Ich gebe mein Leben
'für meine Schafe." (Je. 10,14.)
Bischöfe stellten sich schützend vor gefährdete Priester,
ebenso standen an die 25 000 Priester treu in allen Gefahren und
Beschwernissen zu ■ ihren Oberhirten. Laien aller Stände ver-
dienten sich das Lob, das ihnen Papst Pius XI. im Weltrund-
schreiben „über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen
Reich" spendete, daß „ihnen das Leid der Kirche und ihr eigenes
Leid nichts geraubt hat . . . von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe
und Priester." Kampf und Leid schloß und schmiedete sie erst
recht zusammen. und steigerte ihre Liebe und gegenseitige Ein-
satzbereitschaft.
Auch dafür ein paar Beispiele:
a) Kardinal Faulhaber stellt sich vor seinen Männerapostel.
Anfang Mai 1937 wurde dem Jesuitenpater
RupertMayer,
dem todesmutigen Felclseelsorger von 1914/18, dem unerschrockenen
Vorkämpfer gegen den Kommunismus, dem Männerapostel Mün- ■
163
chens, durch die Geheime Staatspolizei verboten, noch weiterhin
in Versa m m 1 u n g e n zu reden.
Am 28. Mai 1937 wurde ihm auch untersagt, in der Kirch 6
zu predigen. Drei Tage darauf erhob Kardinal Faulhaber
beim R e i c h s m i n i s t e r für die kirchlichen Angelegenheiten
Einspruch gegen diesen Eingriff in kirchliche Rechte und gegen
diese Entelirung eines hochverdienten Mannes' und tadellosen Prie-
sters. Ordensleitung und Kardinal billigten den Entschluß
P. Mayers, dem widerrechtlichen Verbot der
Gestapo nicht Folge zu leisten gemäß dem apostolischen
Grundsatz: ,,M;an muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."
Der Provinzial P. Rösch begleitete persönlich P. Mayer zu der
nächsten Predigt. Acht Tage darauf, am 5. Juni 1937, wurde Pater
Rupert Mayer verhaftet.
Am 9. Juni 1937 richtete das Erzbischöfliche Ordinariat Mün-
chen ein schaTfes Protestschreiben
an den Reichsminister des Innern,
an das Auswärtige Amt,
an den Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten,
an die Geheime Staatspolizei München,
an den Reichsstatthalter in Bayern,
an den Bayerischen Ministerpräsidenten.
"Eskam von keiner Stelle auch nur eine Zeile'
Antwort.
Am 30. Juni 1937 besuchte Kardinal Faulhaber
persönlich den Pater im Gefängnis von Stadelheim in München,
,,um unserem lieben Präses zu sagen, daß der Bischof und die
katholischen Männer und das katholische Volk
in München ihn nicht vergessen haben."
Am 4. Juli 1937 benützte dann der Kardinal den ersten Kon-
vent der Münchener Männerkongregation nach der Verhaftung, um
selbst die Kanzel zu besteigen, von der herab sonst allmonatlich
P, Mayer zu seinen Männern gesprochen hatte. Eminenz unter-
brach hierfür eigens seine Firmungsreise und achtete nicht der Er-
müdung, welche die vormittägige fünfstündige Einweihung der
Rosenkranzkirche in Rosenheim hervorgerufen hatte.
Er wollte ,,die erste feierliche Gelegenheit benützen, um öffent-
lich zu erklären, mit welcher Bestürzung und Entrüstung, ja mit
welcher Verbitterung die katholischen Männer Münchens die Ver-
haftung von ■ P. Rupert Mayer am 5. Juni vernommen haben und
wie schwer die Fortdauer der Haft auf den Katholiken lastet".
,;Es ist Zeit zu reden", denn
„Flammenzeichen rauchen".
. „ . . . Pater Rupert Mayer ist als Volksmann mit dein Charisma des
Wortes in . Versammlungen und Reden dem Kommunismus ent-
164
gegengetreten... er hat als Charakter vom Stil des hl. Johannes
des Täufers auch den Großen der Erde die Wahrheit ins Gesicht gesagt.
Er hätte längst frei werden können, wenn er unterschriftlich sich ver-
pflichtet hätte, außerhalb von München nicht mehr zu predigen. Als
Charakter konnte er aber den katholischen Grundsatz nicht verleugnen:
,Das Wort Gottes läßt sich nicht in Fesseln legen' (2 Tim. 2,9). Er er-
klärte: ,Ich kann das nicht unterschreiben' und blieb in Haft . . .
Man wird sagen, P. Rupert Mayer habe Politik auf die
Kanzel gebracht. Wie oft hat er dieses erlogene Schlagwort vom
politischen Katholizismus zurückgewiesen! Der Führer hat in seinem
Buch und immer wieder erklärt, er wolle kein religiöser Reformator sein
und steht heute noch zu diesem Wort. Es sind aber andere starke Kräfte
am Werk, die aus der politischen Bewegung durchaus eine zweite
Reformation machen, die entgegen dem Wort des Führers das Chri-
stentum und jedes christliche Bekenntnis auf deutschem Boden aus-
rotten wollen, und gegen diese führte P. Rupert Mayer das Schwert des
Geistes, wie das Wort Gottes im Epheserbrief genannt wird. Der Führer
hat selber erklärt: ,Das Christentum war mit -dem deutschen Volk tau-
send Jahre- verbünden. Diese Tatsache kann man doch nicht einfach ab-
leugnen.' Und ich füge hinzu: ,Was tausend Jahre so innig miteinander
verwurzelt und verwachsen war wie das Christentum und das deutsche
Volk, kann man nicht auseinanderreißen, ohne daß beiderseits tiefe
Wunden gerissen werden. Wer also die christliche Glaubens- und
Sittenlehre im Volksleben verteidigt, hat auch der
Volks- und S t a a t s g e m e i n s c h af t einen Dienst erwie-
s e n.' Schon unter diesem Gesichtspunkt war die Tätigkeit von P. Rupert
Mayer auch eine vaterländische, nicht bloß eine religiös-kirchliche
Tätigkeit.
Als Bischof gebe ich, zur Verhaftung von P. Rupert Mayer fol-
gende grundsätzliche Erklärung ab:
Der Staat hat kein Recht, einem Geistlichen die
Predigttätigkeit im Kirchenraum zu verbieten, wenn
dieser Geistliche die Anforderungen des Konkordats erfüllt und von
seinem Bischof (wenn er Ordensmann ist, auch von seinen Ordensobern)
die Sendung zur Predigttätigkeit erhalten hat. Predigt ist ein wesent-
liches Stück der Seelsorge. Die Seelsorge aber ist eine rein innerkirch-
liche Angelegenheit. Im Reichskonkordat Artikel 32 heißt es: Der Geist-
liche soll keine parteipolitische Tätigkeit entfalten. Dazu wurde, zwischen
Reichsregierung und Vatikan vereinbart: , Das den Geistlichen und Ordens-
leuten Deutschlands in Ausführung des Art. 32 zur Pflicht gemachte Ver-
halten bedeutet keinerlei Einengung der pflichtmäßigen Verkündung und
Erläuterung der dogmatischen und sittlichen Lehren und Grundsätze der
Kirche.' Der Staat hat also kein Recht, einem Geistlichen, dem der
Bischof die Sendung zur Predigt gab, das Predigen zu verbieten
und ihn im Weigerungsfall zu verhaften. In diesem Fall
würde eine Stunde der Apostelgeschichte schlagen. Im Kapitel 4 und 5
können Sie es nachlesen: ,Als die Apostel zum ersten Male ins Gefängnis
geworfen wurden wegen Verkündigung des Wortes Gottes, versammelte
sich, so erzählt die Apostelgeschiclite, der Hohe Rat der Juden: ,Man
führte sie vor und fragte sie:. Mit welcher Vollmacht und in wessen
Namen habt Ihr das getan?' Die Apostel antworteten: ,Im Namen Jesu,
des Gesalbten von Nazareth, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, den
aber. Gott von den Toten' auferweckt hat.' Dann verboten sie ihnen, je
wieder den' Namen Jesus zu predigen und zu lehren. Die Apostel aber
erwiderten: ,0b es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf
Gott, das möget ihr selber urteilen.'
Katholische Männer! Die Verhaftung von P. Rupert Mayer hat außer
der persönlichen zugleich eine überpersönliche Bedeutung.
165
Diese Vei'haftüng ist ein Zeichen, daß der Kulturkampf zur Ver-
nichtung der katholischen Kirche in Deutschland ' in einen neuen Ab-
schnitt eingetreten ist. Es naht die Entscheidung. Der Menschensohn
hat die Wurfschaufel in die Hand genommen, um Weizen und Spreu zu
sondern. Es rauchen Flammenzeichen und eines «tüieser Flam-
nienzeichen ist die Verhaftung unseres Münchener Männerapostels.
In der gi'oßen Rede von Fürstenfeldbruck (des Gauleiters Wagner)
wurde die Verhaftung des P. Rupert Mayer mit der gesamten kirchen-
jDolitischen Lage von heute in Verbindung gebracht. Dort wurde gesagt:
,Ich muß mit Bedauern feststellen, daß es heute noch eine Kraft und
eine Macht gibt, die sich störend in unserem völkische'n Leben bemerk-
bar macht. Diese Kraft sind die Kirchen! Hören wir recht? '
Diese Kraft sind nicht die Freimaurer, nicht die Kommunisten, nicht die
Bolschewisten! Diese letzte staatsfeindliche Macht, die jetzt noch nieder-
geschlagen werden muß, sind die Kirchen! Die sind ,die einzigen', die
sich nicht in die Volksgemeinschaft einfügen. Dieses Wort hat uns wie
ein Flammenzeichen vezicündet, wo wir stehen. Es ist noch nicht lange
her, da nannte man den Bolschewismus als .Staatsfeind ' Nummer 1'.
Heute wird von diesem Staatsfeind gar nicht mehr gesprochen. Nun ist
wenigstens Klarheit geschaffen.
Ohne hier auf alle einzelnen Angaben der Rede von Fürstenfeld-
bruck einzugehen, mache ich, ,in der Rede selbst' herausgefordert, nur
diese kurzen Bemerkungen; Es wurde dort^ von den Zuschüsse'n des
Staates a,n die Kirche und von den Gehältern" der Bischöfe ge-
sprochen. Das haben wir in der marxistischen, Zeit oft gehört und in den
Zeitungen der Kommunisten oft gelesen. Wir vermissen nur, daß in der
Rede nicht auch über die Gehälter und Dispositionsgelder
d e r. M i n i s t e r genaue Angaben gemacht wurden. Darüber wird man
sich keiner Täuschung hingeben, daß diese Frage, die hier angeschnitten
ward, die Frage der Gehälter und Ausgaben, in weiten Volkskreisen, be-
sonders in Arbeiterkreisen weitergeführt wird. Noch mehr vermissen
wir, daß dem Volk, das gegen die Kirche gereizt werden soll, nicht ge-
sagt wurde: Diese Zuschüsse des bayerischen Staate^ an die katholische
Kirche und die konkordatsmäßigen Gehälter der Bischöfe sind
nur eine Abschlagszahlung für das, was der bayerische
Staat in der Säkularisation den geistlichen Füi-stentümern und
den Klöstern weggenom me n h a t. Der bayerische Staat gebe der
Kirche die Grundstücke und Gebäude und besonders die ausgedehnten
Waldungen zurück, die er in der Säkularisation der Kirche geraubt
hat, und wir verzichten auf alle sta'atlichen Zuschüsse
und alle Gehälter.
Die Rede in Fürstenfeldbruck hat in einer frommen ' Anwandlung
auf die Gleichheit der Menschen vor Gott und vor dem Gesetz hingewie-
"sen. Wer will behaupten, daß' heute in der öffentlichen Beri^cht-
erstattung über- die' Vergehen von geistliche^ Per-
sonen und von Parteigenossen der Grundsatz der
Gleichheit durchgeführt sei? Daß die Abwehr der Angriffe gegen
die christlichen Bekenntnisse in der gleichen Reichweite erfolgen, könne
durch Sender und- Presse wie die Angriffe selber?
,,Die Flammenzeichen rauchen!"
Woche für Woche dürfen in deutschen Zeitungen und Zeitschriften
in Wort und Bild gegen katholische Bischöfe, gegen Dogmen und Ein-
richtungen der Kirche die gemeinsten Schmähungen und
Verleumdungen gebracht werden, ohne daß wir die Möglichkeit
haben, am Sender, durch ein Korrespondenzbüro oder auch /hur durch
die Kirchenzeitung die Unwahrheit als Unwahrheit bezeichnen. Wir sind
im Gewissen verpflichtet, die staatliche Autorität zu ächten und müssen
es erleben, daß die staatliche Autorität ruhig zusieht, wenn Woche für
166 ^
Woche die kirchliche Autorität mißachtet und in den
Schmutz getreten wird. Es gibt Reden und Zeitungsartikel, die;
in der seelischen Auswirkung eine A u i' i; o r d e r u n g zur blutigen
Beseitigung der römischen ,Volksschädlinge und
S taat stein de' gleichkommen. Eine Zeitung durfte die deutschen
Bischöfe in Bausch und Bogen als Hochverräter bezeichnen. Die F r o n-
leichnamsprozessio.n, das öffentliche, rein religiöse Bekenntnis
zum zartesten Glaubensgeheimni.s, durfte als staatsfeindliche
Kundgebung hingestellt werden. Der ,Dui'chbruch' durfte über den
Abschluß der Fronleichnamsprozession dieses Jahres in München Hetz-
artikel bringen, und zum Beweis zwei Bilder wiedergeben, die aus einer
früheren Zeit stammen und verlogenerweise als Aufnahmen von der
diesjährigen Fronleichnamsprozession ausgegeben werden.
Ich habe gestern aus Holland einen Brief mit verstellter Schrift er-
halten, wodurch die G r e n z - u n d B r i e f p o 1 i z e i auf eine Zusam-
menarbeit zwischen Katholizismus und jüdischem Bolschewismus und
auf eine Verschwörung von katholischen Meuchel-
mördern aufmerksam gemacht werden sollte. ,Den mündlichen Be-
richt . des Pater Egidius', heißt es in diesem Schandbrief, ,nahmen wir
mit großem Interesse entgegen . . . Von der jüdisch-deutschen Vereini-
gung werden wir ihnen die nächsten Schritte brieflich mitteilen. Das
von Ihnen gewünschte Gift, welches bei Gebrauch in kleiner
Dosis mindestens Wahnsinn bringt, können wir Ihnen aus Indien wohl
verschaffen. Wir raten Ihnen das Giftmittel aber einstimmig ab. Den...
in Berlin kriegen wir auch so zu packen . . . Außerdem hat sich uns ein
entschlossener Mann zur Beschickung gestellt, dem an diesem irdischen
Jammertal nichts gelegen mehr ist. Unser gemeinsamer Plan wird und
muß gliicken.' Als Unterschrift ein unbeholfen gezeichneter Sowjetstern.
Die Fälschung schaut aus jeder Zeile heraus, und doch wird es bei uns
Menschen geben, die solchen verbrecherischen Wahnsinn für möglich
halten.
So nenne ich auch die Verhaftung von P. Rupert Mayer
ein Flamraenzeichen der Zeit. Als ihm verboten wurde, außer-
halb der Kirchen in VersammKmgen zu reden, hat er sich an
dieses Verbot gehalten. Ich stelle das ausdrücklich fest: Er hat in
außer kirchlichen Versammlungen nicht mehr gere-
det. Als ihm aber verboten wurde, in der Kirche zu
predigen, konnte er in seinem Gewissen an dieses Ver-
bot sich nicht halten. ,Es ist eine Zeit z\.i schweigen und eine
Zeit zu reden.' ,Man muß Gotf mehr gehorchen als den Menschen.'
In Regierungskreisen war man darüber entrüstet, daß die Verhaf-
tung von P. Rupert Mayer in a vi s ländischen Zeitungen gehiel-
det imd dabei mein Schreiben an das Kii'chenministerium erwähnt
wurde. Ich gebe grundsätzlich keine Meldung an aus-
ländische Zeitungen und habe noch in diesen Tagen die Ant-
wort auf eine fernmündliche Anfrage aus London und andere Versuche,
mich auszufragen, abgelehnt. Ich kann aber doch ein großes Erstaunen
nicht unterdrücken, wenn ich höre, daß man sich über die Auslands-
meldungen über unleugbare Tatsachen mehr entrüstet als über die Tat-
sachen selber, in unserem Fall über die Verhaftung von P. Rupert Mayer.
Die Verhaftung am 5. Juni wurde überall in München lebhaft bespro-
chen. Die Berichterstatter der ausländischen Zeitun-
gen in München müßten ja blind und taub sein, wenn sie von
all diesen Dingen nichts erfahren würden."
Der Schluß der mannhaften Predigt lautete:
. „Wenn die Flammenzeichen rauchen,
wird die Stunde Männer brauchen,
nur am Kreuze wachsen sie."
167
b) Bischof Rackl von Eichstätt stellt sich vor seinen Dompfarrer.
Nach der Ausweisung des Dompfarrers (12. April 1937 im Dom
zu Eichstätt.)
„Wohl selten wird ein Bischof von Eichstätt in solch gedrückter,
trauriger Stimmung aui' die Kanzel seiner Kathedrale gegangen sein
wie heute ich. Wahrhaftig in Ölbergstimmung! Meine Seele ist betrübt
bis zum Tode.
Ihr alle wißt, warum wir hier versammelt sind! Die Kathedrale, die
mir bei der Ernennung zum Bischof von Eichstätt als besondere Wir-
kungsstälte vom Hl. Vater übertragen worden ist, soll ihren Dompfarrer
verlieren! Heute vormittag ist durch Gendarmerie dem Dom-
pfarrer mitgeteilt worden, daß er innerhalb 24 Stun-
den den Bezirk der Diözese Eichstätt zu verlassen habe. Ich habe
heute Telegramme geschiclct:
an den Stellvertreter des Führers,
an den Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten in Berlin,
an den Reichsstattlialter in Bayern,
an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus,
an die Politische Polizei in München.
In allen Telegrammen habe ich Verwahrung und Berufung eingelegt,
habe um den Schutz des Führers, um den landesherrlichen
S c h u t z, um den Ivonlvordatlichen Schutz gebeten, habe
ersucht, daß ein ordnungsgemäßes Disziplinar- oder Gerichtsverfahren
eingeleitet werde und habe allen Behörden mitgeteilt, daß ich dem Dom-
pfarrer den dienstlichen Befehl gegeben habe, seine Pfarrei nicht zu
verlassen (stürmischer Beifall).'
U n d a n Ic und Unrecht
,Was mir und was euch allen wehe tut, ist dies: daß man einem
hochgeachteten, arbeitsfreudigen, und allseits beliebten Priester das Recht
kündigt, in seiner nächsten Ht;imat zu weilen. In der Heimat, für die
er als Soldat und Offizier in viele Schlachten des Weltkrieges gekämpft
und schließlich sein Herzblut vergossen hat. Unsere Zeit hat die glor-
reiche Erinnerung an die großen Tage des Weltkrieges wieder mehr ver-
standen und hat auch verstanden, was es um die Ehre des Soldaten und
um die Ehre des Offiziers ist . . .
Ich glaube, wir dürfen nicht bloß dem ,unbekannten Soldaten' ein
Denkmal setzen, sondern, wir müssen vor allem dem bekannten Sol-
daten ein Denl^mal der Dankbarkeit und Liebe setzen (Tosender Beifall).
Und deswegen hat es mir zu tiefst wehe getan, daß man über einen
Offizier eine Strafe verhängt, die früher die Polizei nur über Zuhälter
verhängt hat, und daß man über diesen Offizier eine S t r a f e ver-
hängte, ohne ein Ehrengericht einzusetzen! Jedem Angeklag-
ten wird das Recht zugebilligt, daß nicht bloß der Ankläger gehört wird,
sondern auch der Verteidiger, nicht bloß Belastungszeugen,
sondern auch die Entlastungszeugen. Der ganze Offiziers-
stand wird es als eine Schmach empfinden, wenn man einem seiner An-
gehörigen die Selbstverständlichkeit eines Ehrengerichtes versagt. Dem
Angeklagten ist nicht einmal schriftlich mitgeteilt wor-
den, was gegen ihn vorliegt, sondern nur mündlich das Strafurteil mit-
geteilt worden. Ich muß dann als Bischof mein Befremden darüber zum
Ausdruck bringen, daß man es in keinem Stadium der Verhandlungen
der Mühe wert gefunden hat, der geistlichen Behörde, dem
Bischof oder dem Ordinariat auch nur eine Zeile mitzuteile ti^
daß irgend etwas gegen den hochgeachteten Priester vorliegt.' •
168
Gegen den staat marschiert?
,Wenn ich nun frage: Was ist eigentlich das Vergehen, das der Dom-
pfari-er begangen hat?'' dann l^ann ich nur sagen: ,Sein Vergehen war
das, was für jeden Soldaten und Offizier, auch für den Soldaten und
Offizier Jesu Christi das Höchste ist: Sein Vergehen war Treue!
Gewissenhafte Pflichterfüllung bis zum Äußersten.'
Wir erinnern uns noch, daß zu Beginn des Weltkrieges ein deutscher
Offizier aus dem Fernen Osten telegraphierte: ,Einstehe für Pflicht-
erfüllung bis zum Äußersten!' Vor diesem Offizier hat sich das ganze
deutsche Volk in Ehrfurcht geneigt. Und ich meine, wenn heute ein
junger Offizier Jesu Christi sagt: ,Einstehe für Pflichterfüllung bis zum.
Äul:{ersten', dann kann ich nicht begreifen, daß ein deutscher Mann vor
solch einem Pflichtbewußtsein sich nicht in Demut beugen soll. Aber
heute haben wir in einer Zeitung ein Wort gelesen,' das gestern gespro-
chen worden ist, und das lautet: ,Leider gibt es in Eichstätt immer noch
Kreise, die meinen, gegen den Staat marschieren zu könne n."
Im Lichte der heutigen Kriegserklärung — wenn ich so sagen darf —
bekommt dieses Wort doch eine eigentümliche Färbung! Ich muß an-
nehmen, daß man habe sagen wollen: , Insbesondere der Dom-
pfarrer gehöre zu jenen, die gegen den Staat mar-
schieren !' (Pfui-Rufe, stürmisch!). Meine Lieben! Noch einmal weise
ich darauf hin: ,Wer im Kriege vier Jahre lang an der Front gestanden
ist, an der vordersten Front für Deutschlands Ehre und Wohl, der ist
nie gegen den deutschen Staat marschiert und kann nicht gegen den
deutschen Staat marschieren (lauter Beifall). Und wenn dann ein Offi-
zier des Vaterlandes noch Offizier der katholischen Kirche, ein Offizier
Gottes geworden ist, dann ist die Treue auf seine Fahne geschrieben,
auch die Treue gegen Staat und Vaterland. Und so treu liebt niemand
sein Vaterland wie der katholische Priester.*
Ich habe immer allen Behörden gegenüber in den letzten Jahren
den Grundsatz vertreten: ,Wer sich wirklich gegen das wahre Wohl des
Staates versündigt, der soll vom Staat bestraft werden, und ich bin der
letzte, der vom Staat verlangt, daß er nicht auch gegen den Priester die
Strafgesetze anwende. Aber eines muß verlangt werden:
Recht und Gerechtigkeit! Was dem einen recht ist, ist dem
andern billig. Aber wir haben oft das Empfinden, als ob gegen den
katholischen Pfarrer alles erlaubt wäre.'
; N i e ! N i e I
,Ich habe gar oftmals auf den Ernst der Zeit aufmerksam gemacht
und immer betont, daß der Kampf nicht ein politischer ist, und
daß wir eigentlich nicht bestraft werden, weil wir gegen die Politik des
Staates irgend etwas unternehmen wollen. Ich glaube, der Staat
weiß, daß der Dompfarrer kein Revolutionär ist. (Bei-
fall!) Der Kampf geht um zwei Weltanschauungen, die
einander gegenüberstehen wie Feuer und Wasser. Und in diesem Kampfe
merkt nun die Kirche, welch furchtbaren Gegner sie
am Staat hat. Wir sind immer loyal gewesen und wollen dem Staat
treuen Gehorsam leisten bis zum Tod (großer Beifall). Aber eines lassen
wir uns von keiner Macht der Erde rauben: Unseren heiligen katholi-
schen Glauben! Nie! Nie! Ihr habt vorhin spontan gesungen: Chri-
stus, mein König, Dir allein schwör ich die Treue bis in den Tod! Und
dieses Gelöbnis wollen wir halten.'
Die Kirche keine bloße Dienerin des Staates!
• ,Die Kirche würde sich versündigen, wenn sie die staatlichen Rechte
nicht anerkennen würde; und der Staat würde sich versündigen, wenn
Kreuz und Hakenkreuz 12 Bd. II ioq
er die kix'chlichen Rechte nicht anerkennen wollte. Nun sehen wir leider
Gottes immer wieder,, daß man die Kirche alsDienerin des Staates
in dem Sinne behandeln will, als ob sie sich einfach allen willkürlichen
Gesetzen beugen müßte. Wir haben es erfahren, wie die Kir.che, d i ,e
Religion, die Religion der allerheiligsten Dreifaltigkeit und des Kreu-
zes mehr und mehr aus deni öffentlichen Leben heraus-
gedrängt wird, aus der Presse hinausgedrängt wird, mehr und
mehr aus der Schule hinausgedrängt werden soll. Bisher hat man
gesagt: ,Wir lassen die Geistlichen in der Kirche hantieren, .wie sie
wollen.' Jetzt aber merkt man, wie die Geistlichen mehr und
mehr aus der Kirche weggenommen werden. Ich habe'
voriges Jahr in einer vielbeachteten Predigt in Ingolstadt gesagt, daß
man im Kulturkampf der 70er Jahre dem Volke die Priester nehmen
wollte. Damals wollte man ein Volk ohne Priester. Jn
unseren Tagen hat man von der Aushöhlung der Kirche gesprochen.
Man \Vollte zunächst das Volk wegziehen vom Priester, so daß schließ-
lich der Priester allein in der Kirche wäre. Man wollte Priester
ohne Volk. Und weil das nichts geholfen hat, weil man, sah, daß das
Volk immer mehr in die Kirche hineinströmt (großer Beifall), jetzt
kommt wieder der alte Schlachtruf des Liberalismus der 70er Jahrs;
,Ich will den Hirten schlagen, dann wird sich die Herde von selbst zer-
streuen.' Und deswegen, katholisches, christliches Volk, muß Du es wissen,
worum es geht. EshandeltsichnichtumeinenEinzelfall!
Ich könnte aus unserer Diözese mehr Beispiele anführen! (Pfui-Rufe).
Deswegen, katholisches Volk, erinnere ich Dich hier, am Grabe des
hl. Willibald, der uns vor mehr als tausend Jahren den hl. katholischen
Glauben gebracht hat, dessen Gebeine hier ruhen, dessen Geist lebendig
unter uns wohnt: Wir wollen vor diesem unseren Glaubensboten und
dem im hl. Sakramente des Altares gegenwärtigen Heiland verspre-
chen, daß wir. in unserer Treue gegen den katholischen
Glauben und' gegen das Priestertumder katholischen
Kirche uns nie wankend machen lasse n.'" (Lauter Beifall.)
c) Dompfarrer Kraus von Eichstätt stellt sich vor seinen BiscUof.
Predigt' im Dom'zu Eichstätt 30. Januar 1938,
„Das ne.ue Jahr ist nun heraufgezogen und siehe, kaum hatte es
begonnen, da zogen auch schon unheilschwangere Wolken herauf, der
Sturm fegte durch • die Diözese, und im schai-feh Zusanimenprall . der
Meinungen erscholl wilder Kampfruf. Der Name des B i s oh o f.s wurde
mit leidenschaftlicher Erregung in den Tageskampf gezerrt, schwere Vor-
würfe wurden gegen ihn erhoben, die sich schließlich zu der unfaßbaren-
Anklage zusammenballten : ,Bischof Michael hintertreibt den
Religionsunterricht'
Da ist es wohl an der Zeit, den Blick yon der schwankenden Tages-r
meinung hinweg auf die ewigen Wahrheiten zu . richten und ein f rei-
mütiges und aufrichtiges Wort zu sprechen.
Ich wende mich dabei an jene, die im Bischof den Vater und Hirten
ihrer Seele sehen und darum • an jeder Kränkung,, die dem Bischof
vViderfährt, mitleiden und mittragen. Ich wende mich auch an jene
anderen, die dem Bischof ablehnend gegenüberstehen und die schwersten
Vorwürfe gegen ihn erheben. Und Ihr dürft mir glauben; die Worte, die
ich diesen zu sagen habe, werde ich mit besonderer Sorgfalt auf der
Waage der Gerechtigkeit und Liebe wägen. Ich will ja nicht zerreißen,
was noch irgendwie verbunden ist; ich möchte einen, was getrennt ist.
— Ich will den Abgrund überbrücken, aber nicht die Kluft noch tiefer
aufreißen Ich will hinüberrufen zum andern Ufer, daß wir zusammen-
kommen, und unser Volk, das heute durch weltanschauliche Kämpfe
zerrissen wird wie noch nie, zur Einheit führen, zur siegverbürgenden
170
Einheit aller in Christus Jesus. Und mag' man nmir hundertmal die Frie-
densgesinnung absprechen, ich werde mich xiicht erbittern lassen und
das Böse nicht nachtragen, ich will tragen und dulden, glauben und
hoffen. Nicht mitzu hassen, mitzulieben bin ich da.
Ihr kennt alle den erbitterten Kampf, 'der sich seit Jahr und
Tag um die Schule, um die katholische, Schule erhoben hat. Ihr
habt diesen Kampf ja selber miterlebt und mit tiefem Schmerz mit-
ansehen müssen, wie vielfach mit Gewalt und Drohung die Gemein-
schaftsschule erzwungen wurde, so daß Kardinal Faulhaber sich genötigt
sah, bei der Reichsregierung Antrag auf Ungültigkeitserklärung der Ab-
stimmung zu stellen. ■
Die Bekenntnisschule wurde als Schädling der Volksgemeinschaft
öffentlich gebrandmarkt, ihre Anhänger als Feinde des Staates einge-
schüchtert; Arbeiter, Angestellte, Beamte mit dem Verlust von Arbeit
und Brot bedroht; armen Eltern wurde die Unterstützung aus dem
Winterhilfswerk verkürzt oder entzogen. Um katholischen Eltern, die
in schwerster Gewissensnbt waren, die Gemeinschaftsschule
schmackhaft zu machen, hat man die Schlagworte in das Volk geworfen:
,Es bleibt alles beim -alten'; das Kreuz werde nicht aus der Schule
entfernt, die Pfarrer würden auch fernerhin den Religionsunterricht
geben. Und in den letzten Wochen hat man als Krönung des Ganzen
die Lehrer unterschriftlich verpflichtet, daß sie den Religionsunterricht
auch weiterhin erteilen.
Mitten in diesen Schulkampf hinein platzte eine Zeitungsnotiz des
,Eichstätter Anzeigers':
,Bischof Michael hintertreibt den Religions-
unterricht.'
Ich brauche wohl kein Wort wegen dieses Vorwurfes zu verlieren.
Er ist so ungeheuerlich und so unsinnig, daß kein vernünftiger Mensch,
geschweige denn ein denkender Katholik auf ihn hereinfallen konnte.
Aber vielleicht ist es gut, wenn auch ihr wißt, wie es
zu diesem Vor w u rfgekommenist.
Am 11. Januar 1938 hat. Bischof Michael an die katholischen Lehr-
kräfte im Bezirk Feuchtwangen geschrieben: ,Der katholische Religions-
unterricht wird im Namen und Auftrag der katholischen Kirche erteilt
und muß herauswachsen aus dem Glauben an die Wahrheit der katho-
lischen Kirche. Die kommxende Gemeinschaftsschule steht bewußt und
gewollt auf einem weltanschaulichen Standpunkt, der nicht katholisch
ist. Wer deswegehinnerlich auf dem S tan dp unkt' der
neuen Gemeinschaftsschule steht, löst sich innerlich
vom katholischen Glaubensstandpunkt und kann in-
folgedessen nicht mehr katholischen Religionsunter-
richt geben. Ich glaube, die katholischen Lehrer sind mir dankbar,
wenn sie von dem innerlichen Zwiespalt erlöst werden. Ich halte mich
deswegen für verpflichtet, den katholischen Lehrern, denen ich für bis-
herige wertvolle Mitarbeit im Religionsunterricht aufrichtigst und her-z-
lichst Dank sage, zu erklären, daß der Bischof den kirchlichen
Lehrauftragfür die Lehrerzurückziehenmüßte, wenn
die Gedanken der neuen Weltanschauung in der
Schule durch die Lehrer verwirklicht würden.'
Den klaren, folgerichtigen Ausführungen des Bischofes ist kein Wort
hinzuzufügen. Um so unverständlicher und imbegreiflicher erscheint es,
daß man dem Bischof den Vorwurf machte, er hintertreibe den Reli-
gionsunterricht. Wäre man wenigstens so ehrlich gewesen, zu schreiben!
jBischof Michael hintertreibt einen R elig i ons un t erri-cht;
der bewußt und g e'^w olltun katholischist.'
Eis ist Aufgabe vmd Pflicht der Bischöfe dafür zu sorgen, daß ei(ii
v/ahrhaft katholischer Unterricht gegeben werde. Von dieser Aufgate'
171
kann niemand den Bischof entbinden; denn diese Aufgabe ist ihnen von
Jesus Cliristus selbst durch die Apostel gegeben worden.
Bevor der Heiland in den Himmel aufgefahren ist, ist er zu seinen
Aposteln getreten und hat gesagt: ,Mir ist alle Gewalt gegeben im Him-
mel und auf Erden; darum gehet hin und lehret alle Völker, taufet
sie . . . Und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe.' Zu wem
hat der Heiland dieses Wort gesprochen? Er hat es gesagt zu seinen
Aposteln und in den Aposteln zu den Bischöfen, den Nachfolgern
der Apostel. Er hat es nicht gesagt zu den Staatsmännern,
n i c h t zu den politischen Amtswaltern, nicht zu den staatlichen
L e^'h r k r ä f t e n.
In Kraft dieses göttlichen' Auftrages müssen die Bischöfe die Gläu-
bigen lehren; in Kraft dieser göttlichen Vollmacht können sie diesen Auf-
trag an aridere weitergeben, freilich ihn auch wieder zurücknehmen.
Und die Bischöfe müssen den kirchlichen Lehrauftrag
zurückziehen, wenn der Lehz'ende, sei er Priester oder Laie, von
den Lehren der Kirche, die die Säule und Grundfeste der Wahrheit ist,
abgewichen wäre. Das ist göttliches Gesetz, das ist kirch-
liches Gebot, das ist auch staatliches Recht. In Art. 22
des RK. heißt es: ,Lehrer, welche wegen ihrer Lehre oder sittlichen
Führung vom Bischof zur Weitererteilung des Religionsunterrichtes für
tmgeeignet erklärt worden sind, dürfen, solange dieses Hindernis besteht,
nicht als Religionslehrer verwendet werden.'
5 F r a gen
Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen lege ich ein paar Fragen
aus dem Reich der Tatsachen vor, und ich glaube, keinem von euch
wird es schwer fallen, eine klare und beste Antwort zu geben.
1. Frage: Kann, die Kirche, können. die Bischöfe den
Lehrern, welche seinerzeit die Prüfung in der Religionslehre abgelegt
und die kirchliche Sendung empfangen haben, ohne weiteres und
allgemein axich für dieZuktinft die kirchliche Sen-
dung lassen? — Die Frage ist unbedingt zu verneinen.^
'In weitem Umfang werden Klagen laut, daß Lehrer christliche
Glaubenswahrheiten ablehnen oder bei einzelnen Glaubenssätzen Vor-
behalte machen; daß sie das Alte Testament ganz verwerfen oder ein-,,
zelne Tatsachen in Zweifel ^ehen und vor den Kindern lächerlich
machen.
Ein Lehrer, der solchermaßen mit der katholischen Wahrheit zer-
fallen ist, kann keinen kirchlichen Religionsunterricht mehr geben; und
der Bischof darf einem solchen Lehrer den kirchlichen Lehrauftrag nicht
mehr lassen. Ja, der Bischof würde pflichtvergessen handeln, wenn er
den kirchlichen Lehrauftrag nicht zurückzöge.
2. Frage: Kann und darf ein katholischer. Lehrer
Biblische Geschichte oder den Katechismusunterricht
noch geben, wenn Staat und Partei ihn zwingen wollen,
den Unterricht in einem Geiste zu geben, der den kirch-
lichen Bestimmungen schnurstracks widerspricht?
Die Antwort lautet klar und eindeutig: Wenn der Lehrer kein
Heuchler, sondern ein aufrechter deutscher Mann ist, dann wird er
keinen Religionsunterricht geben, der seiner innersten Überzeugung
widerspricht. Der Bischof darf einem solchen Lehrer den kirchlichen
Lehrauftrag nicht mehr lassen. Ja, der Bischof würde pflichtvergessen
handeln, wenn er den kirchliche» Lehrauftrag nicht zurückzöge.
3. Frage: Haben staatliche Stellen von Lehr Perso-
nen schon einen Religionsunterricht verlangt, der
172
den kirchlichen Bestimmungen widerspricht? — Ja-
wohl, das ist geschehen! In Württemberg hat der Kultusminister erklärt:
.Gewisse Teile des Alten Testamentes könnten für den Religionsunter-
richt nicht in Frage kommen, andere müßten in den Hintergrund, treten.'
Der Anhaltische Staatsminister Freyberg hat Richtlinien für den
Religionsunterricht herausgegeben, in denen es heißt: ,Der Religions-
unterricht ist undogmatisch zu geben' (also ohne bindende
Glaubenssätze). ,Das Alte Testament ist in vorsichtiger Auswahl heran-
zuziehen. Der Kirchengeschichtliche Unterricht befaßt
sich mit' der Geschichtedes deutschen Glaubens....' ,Der
Unterricht des Katechismus in zusammenhängender Form bleibe dem
Konfirmandenunterricht der Kirche überlassen!'
Wenn ein katholischer Lehrer nach . diesen Richtlinien den Unter-
richt in der Bibel oder im Katechismus gibt, kann der Bischof ihm den
kirchlichen Lehrauftrag nicht mehr lassen. Ja, der Bischof würde pflicht-
vergessen handeln, wenn er den kirchlichen Lehrauftrag nicht zurück-
zöge. >
4. Frage: Muß man fürchten, daß auch bei uns ein-
mal eine Verfügung des Kultusministers kommt, die
einen derartig zurechtgestutzten Unterricht ver-
langt?
Antwort: Ja, und zwar dann, wenn das Volk dazu reif gemacht ist.
Der Württembergische Kultusminister hat nämlich erklärt, er äehe vor-
erst von einer ins einzelne gehenden stofflichen Regelung für den Reli-
gionsunterricht ata, da heute dafür der Zeitpunkt noch nicht gekom-
men sei.
Wenn aber dieser Zeitpunkt dafür gekommen ist — so können ■ wir
fortfahren und ergänzen — , kann dann der Bischof noch den Lehrern
den kirchlichen Lehrauftrag lassen? — Nein! Der Bischof ' würde sogar
pflichtvergessen handeln, wenn er ihnen den kirchlichen Lehrauftrag
nicht entzöge.
5. Frage: Zeigen sich auch innerhalb der national-
sozialistischen Bewe g'u ng Strömungen, die den Leh-
rer veranlassen und drängen wollen, einen unkirch-
lichen Religionsunterricht zu geben?
Ja, solche Strömungen zeigen sich in erschreckender Deutlichkeit.
Der , ,Schlesische Erzieher' , Zeitschrift des NSLB, Gau Schlesien, vom
5. September 1937 schreibt: ,In unserer Schule soll die religiöse Er-
ziehung nicht nur Sache eines Unterrichtsfaches sein, sondern er hat die
Gesamtarbeit der Schule zu begleiten und zu durchdringen.'
Ihr werdet denken: ,Das ist ja eine alte katholische Forderung; das
ist es ja, was auch wir immer, verlangt haben, das ist es ja, warum wir'
nie aufgehört haben, die Bekenntnisschule zu fordern.' Aber das dickere
Ende kommt nach. Es heißt nämlich weiter: ,,Wi.e unsere Jugend
erzogen wird, dafür sind nicht die Kirchen und die Geist-
lichen einer Konfession, sondern einzig und allein der deutsche
Erziehe r.selbst dem Staat und dem' Volk, unserm eige-
nen Gewissen und auch Gott gegenüber verantwortlich.
Es handelt sich nicht darum, daß katholische Lehrer katholische Kin-
der, protestantische Lelirer protestantische Kinder, deutschgläubige Leh-
rer deutschgläubige Kinder erziehen, sondern darum, daß der Lehrer
alle Kinder nach seiner religiösen Überzeugung
bildet'
Wie diese religiöse Überzeugung gedacht ist, geht aus einem andern
Beitrag des Sonderheftes hervor. Es heißt da — wohlgemerkt in einer
clfiziellen Lehrerzeitschrift: ,Das Alte Testament ist nicht bloß entbehr-
173
(
lieh, sondern schädlich.' — Wir haben die in den Kindern vorhandenen
religiösen Keime zur Entfaltung zu bringen, und zwar
in Richtung auf den deutsch geschauten Gott hin. —
Es muß unserem deutschen Gewissen überlassen bleiben zu entscheiden,
ob wir ein Wort der Bibel als ein Wort Gottes an uns anerkennen
können oder nicht. — Sakramente, in dem Sinne zauberhafter Hand-
lungen, durch die wir in eine mystische Vereinigung mit dem erhöhten
Christus versetzt werden, kennen wir ebensowenig, wie Jesus Christus
sie kennt.*
Genügen diese Proben, zu zeigen, daß unsere Bischöfe das Recht, ja
die Gewissenspflicht haben, Vorsorge zu treffen, daß nicht einmal Lehrer
vor die Kinder hintreten und einen Religionsunterricht geben, ^ der
niederreißt, was eine gläubige Mutter ins Herz ihres Kindes gesenkt
und die heilige Mutter Kirche aufgebaut hat?
Dem katholischen Lehrer, der offen erklärt und zu seinem Worte
steht: ,Ich bin katholisch und werde den Religionsunterricht im Geiste
der Kirche geben', einem solchen Lehrer wird der Bischof niemals den
kirchlichen Lehrauftrag vorenthalten oder entziehen.
Einem Lehrer aber, der innerlich mit der Kirche zerfallen ist, äußer-
lich aber das Band mit der Kirche nicht löst, vielleicht, um i n der
Kirche besser gegen die Kirche arbeiten zu können, einem solchen
Lehrer kann der Bischof den kirchlichen Lehrauftrag nicht lassen, noch
weniger geben. Ja, der Bischof würde pflichtvergessen handeln, wenn
er ihm den kirchlichen Lehrauftrag nicht entzöge."
d) Bischof Rackl von Eichstätt stellt sich vor einen Landpfarrer.
Predigt in Ochsenfeld am Fest Christi Himmelfahrt 1937.
Vorbericht:
Vor 'acht Wochen erhielt Pfarrer Heinloth von Ochsenfeld bei
Eichstätt durch die Geheime Staatspolizei München mündlich und
ohne Angabe eines Grundes den strikten Befehl, seine Pfarrei und
das Gebiet der Diözese Eichstätt innerhalb zweier Tage zu ver-
lassen. Bischof und Ordinariat wurden davon bis
heute in keiner W.eise verständigt. Seitdem muß die
Pfarrei des Seelsorgers und jeden Gottesdie^istes entbehren . . . Das
AUerheiligste wurde aus den Kirchen der Pfarrei entfernt, und das
Ewige Licht ausgelöscht. Durch wiederholte Abordnungen ver-
suchten die Pfarrangehörigen bei den zuständigen staatlichen
Stellen den Ausweisungsbefehl der Geheimen Staatspolizei
rückgängig zu machen, doch jedesmal ohne Erfolg, Kummer
und Entrüstung steigerteii sich, als am 3. Mai ein Todesfall eintrat,
da der Bischof für die Vornahme der Beerdigung auf der I^ckkehr
des Pfarrers bestand und diese erneut verweigert wurde. Darauf-
hin entschloß sich der Bischof, die Beerdigung
selbst vorzunehmen. Die Nachricht davon verbreitete sich
'Sehr rasch in der ganzen" Gegend, Unter ungewöhnlich großer Be-
teiligung nahm der Bischof am Feste Christi Himmelfahrt persön-
lich die Aussegnung und Beerdigung vor und sprach darnach zu
den Angehörigen der verwaisten Pfarrgemeinde väterlich tröstende
Worte, um sie zu weiterem, treuem Ausharren in ihrer schweren
und unverschuldeten Lage zu ermutigen.
174 ,
Predigt :
„In christlicher Trauer Versammelte!
Die liebe Verstorbene, deren irdische Überreste wir soeben der hei-
ligen Erde übergeben haben, habe ich nie näher kennenlernen l^önnen;
nur eines wfeiß ich von ihr, daß sie eine treubesorgte, edle, gute Mut-
ter war. Als die Verhandlungen wegen der Beerdigung sein mußten
und sich -aus den allseits bekannten Umständen Schwierigkeiten er-
gaben, da haben die Angehörigen das schöne Wort gesprochen, das mich
zutiefst ergriß'en hat:
,Da~shatunser-eMutternichtverdient."
,AusLiebezurMutter'
Ich lag, da ich dieses Wort vom Herrn Qeneralvikar hörte, selbst
krank zu Bette, das Bild meiner Mütter vor mir. Da dachte ich: ,In
Gottes Namen, aus Liebe zur Mutter, aus Liebe zur himmlischen
Mutter Maria, die die Namenspatronin der Verstorbenen war, aus Liebe
zu meiner Mutter, aus Liebe zu dieser edlen, treubesorgten Mutter, an
der ihre Kinder mit ganzem Herzen hingen, aus Ehrfurcht vor der
^VTutterwürde und aus Liebe und Dankbarkeit, die der Bischof gegen die
Mütter seiner Diözese hat, soll diese Mutter vom Bischof
selbst begraben werden. Es soll am Feste Christi Himmelfahrt
dieses Begräbnis der Mutter ein Trost und eine Freude sein für all die
Armen und Kranken, und namentlich für die Mütter und die alten Leute,
die in den letzten Wochen so oft den Trost unserer heiligen Religion ent-
behren mußten!'
. . . Wenn ich rede von der Mutter und von der Mutterliebe und
Müttertreue und Muttersorge, dem Mutterleid und der Mutterfreude,
dann denke ich in diesem Augenblick an die andere Mutter, die heilige
Mutter, die katholische Kirche. Kein Name wird von der Kirche
mit Bezug auf sich selbst lieber angewandt als der Name ,Sancta mater
ecclesia'. ,Die heilige Mutter', die Kirche, ist eine Mutter der Liebe, eine
Mutter der Sorge, eine Mutter, die uns nie vergißt im Leben und im
Sterben. Der Vertreter dieser heiligen Mutter, der katholischen Kirche,
ist der Priester. Da denke ich an ein Wort,, das einmal mein Vater ge-
sagt h£^t; es war damals die Rede davon, daß mein Heimatpfarrer auf
Reisen gegangen ser, und da klagten die Leute darüber, daß der Pfarrer
fort sei. Ich sagte dann: ,Warum vergönnt ihr denn dem Pfarrer nicht
auch eine Reise? Es gehen ja auch andere fort.' Da hat mein Vater das
Wort gesprochen, das ich in meinem ganzen Leben nie vergessen kann
und das ich oft den jungen Primizianten als Regens des Priesterseminars
ans Herz gelegt habe': , Der Pfarrer ist die Mutter der Pfarrei. Es ist
nichts, wenn die Mutter nicht daheim ist, und es ist
nichts, wennderPfarrernichtdaheimist.'
Aus Liebe zur verwaisten Pfajrrei
,Meine lieben Pfarrang^hörigen von Ochsenfeld und Biesenhardt!
Ich weiß, welch schweres Leid euch 'drückt, und ihr diirft überzeugt
sein: Mit euch leidet der Bischof (lautes Schluchzen). Der Heilige Vater
hat am Palmsonntag eine Enzyklika herausgegeben, die mit den Worten
beginnt: ,Mit brennender Sorge.' Mit diesen tief erschütternden Worten
möchte auch ich das zum Ausdruck bringen, was in den letzten langen,
langen acht Woöheh um euch mein Herz bedrückt hat. ,Mit brennender
Sorge' habe ich oft an euch gedacht. Ja, die Sorge brennt nicht bloß
euch ums Herz, die Sorge brennt auch dem Bischof ums Herz. Mit
brennender Sorge bin ich deswegen auch heute zu euch gekommen, um
einmal als Bischof ein Wort hoherpriesterlicher, väterlicher Liebe zu
euch zu sprechen . . .
' 175
Es ist mir ein großei' Trost zu wissen, daß die Pfarrei Biesenhardt
fsst einstimmig, Oclisenfeld mit überwältigender Melirheit sich schirift-
licli dafür eingesetzt liat, daß der Pfarrer wieder zurüclckommt. Gott
vergelte euch diese Liebe! Gott vergelte euch diese treue Anhänglich^
keit an den Priester der katholischen Kirche!
Meine Lieben! Ihr werdet in den letzten Wochen, wo ihr des Prie-
sters entbehren mußtet, euch auch manchmal gefragt haben: ,Ja, könnte
denn der Bischof die Sache nicht auch anders machen?' Da muß ich
euch nun sagen: ,Ich kann beim besten Willen nicht, anders, so leid es
mir tut und so sehr ich mit brennender Sorge und väterlicher Liebe an
euer Leid denke.' Ich muß als Bischof der katholischen
Kirche auch die gr.oßen Interessen der ganzen, heili-
gen k a t ho lisch en Kirche im Auge behalten. Und ich bitte
auch euch — ich hoffe ja, daß die Verbannung des Pfarrers bald ein
Ende findet, ich hoffe sehr bald — , aber ich bitte euch:, Haltet stand in
Gottes Namen, nicht mit Murren, nicht mit zorniger Anklage, sondern
mit betender Liebe, mit betender Liebe!'
Acht Wochen sind es her, daß euer Pfarrer den Ausweisungsbefehl
aus der Diözese erhalten hat. Und ich muß auch an diesem offenen
Grabe, umgeben von den Gräbern eurer lieben Toten, in der Nähe eures
heimatlichen Gotteshauses es sagen:
,Der Bischof weiß heute noch nicht, warum'
Es ist mir imd dem bischöflichen Ordinariate nichts, aber auch gar
nichts mitgeteilt worden, was der Pfarrer für ein Vergehen begangen
haben soll. Ich kenne die Verteidigungsschrift des Herrn Pfarrers, die
er im vorigen Jahre anfangs Oktober beim Bezirksamt eingereicht hat
und worin er sich gegen gewisse Vorwürfe verteidigt. Da muß ich nun
sagen: , Alles, was gegen den Pfarrer vorgebracht worden ist, scheint auf
Mißverständnissen zu beruhen.' Er hat im vorigen Jahre eine Predigt
gehalten über das Evangelium: ,Hütet euch vor den falschen Propheten!'
Und da ist in seiner Predigt etwas hineingelesen oder herausgelesen oder
herausgehört worden, was der Pfarrer nicht hineingelegt hat. Mehr kann
icli nicht sagen. Ich weiß' nui: noch, daß einzelne Pfarrangehörige auch
schriftlich für den Pfarrer eingetreten sind. Das ist der Tatbestand, der
dem Bischof bekannt ist.
Und da meine ich nun wieder, gerade angesichts des ewigen Richters,
sagen zu dürfen, es ist eine .furchtbare Strafe über den Pfarrer verhängt
worden, ohne daß ein förmliches Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet
worden ist. Der Bischof hat das Recht und die Pflicht, die Ehre, die Frei-
heit und die Rechte der katholischen Kirche zu schützen. Sollte der
Pfarrer wirklich ein Verbrechen begangen haben, so bin ich der aller-
letzte, der ein Verbrechen wegleugnen will. Ich bin immer für offene,,
ehrliche, gerade Wahrheit, wo es sich um Priester handelt. Aber das,
was über den Pfarrer verhängt worden ist, ist das, was man früher ge-
heißen 'hat: jemand in Acht und Bann legen, jemand ächte»,
jemand aus der Gesellschaft und Gemeinschaft seiner näheren Heimat
ausschließen.
Und ich frage euch, insbesondere euch, Bauern: „Würdet ihr
verstehen können, wenn man euch von Haus und Hof
vertreiben würde, ohne daß man euch gericfitHch ein
Verbr.echen nachgewiesen hat? Und deswegen sage ich und
bitte ich alle, alle, wie ich alle Behörden gebeten habe, ich bitte auch
alle Pfarrkinder:
S teilt euch hinter die Ehre und Rechte euer es Pfar-
re r s !
Der Segen Gottes ist immer dort, wo Recht und Gerechtigkeit
walten.'"
176
e) Bischof Galen von Münster
stellt sich vor verbannte Domkapitulare, Ordensleute,
vor rechtlos Verfolgte und Gefangene."
In einer gewaltigen Predigt am 13. Juli 1941, erhob Bischof
Clemens August von Galen in Münster feierlichsten Einspruch
gegen die Vertreibung von Ordensleuten und gegen die Willkür
und Gewalttätigkeit der Gestapo. Darin sagte er u. a.:
,, Schon mehrfach und noch vor kurzer Zeit haben wir es erlebt, daß
die Gestapo unbescholtene, hochangesehene deutsche
Menschen ohne Gerichtsurteil und Verteidigung ge-
fangensetzte, ihrer Freiheit beraubte, aus der Heimat auswies und
irgendwo internierte.
In den letzten Wochen wurden sogar zwei Mitglieder meines
engsten Beirates, des Domkapitels unserer Kathedralkirche, von
der Gestapo plötzlich aus ihrer Wohnung geholt, aus Münster ab-
transportiert, in weitentlegene Orte verlDannt, die ihnen als
Zwangsaufenthalt angewiesen wurden. Auf meine Proteste beim Reichs-
minister habe ich seit den vergangenen Wochen eine Antwort nicht er-
halten. Aber soviel konnte durch telephonische Nachfrage bei der
Gestapo festgestellt werden, bei keinem der Herren Domkapitulare liegt
der Verdacht oder die Anklage einer strafbaren Handlung vor. Sie
sind'völlig ohne jede eigene Schuld, ohne Anklage und die
Möglichkeit der Verteidigung durch Verbannung bestraft.
Und warum? Weil i c h etwas getan habe, das der ^eichsregierung
nicht genehm war. Bei den vier Besetzungen von Domherrenstellen in
den letzten zwei Jahren hat die Regierung in drei Fällen mir mit- '
geteilt, daß ihr die Ernennung nicht genehm sei. Weil nach
den Bestimmungen des preußischen Konkordates von 1929 ausdrücklich
ein Einspruchsrecht der Regierung, ausgeschlossen ist, habe ich in zwei
von jenen vier Fällen die Ernennung dennoch voll-
zogen. Ich habe damit kein Unrecht getan, ich habe nur mein ver-
brieftes Recht ausgeübt. Ich kann das jederzeit beweisen.
Man möge Aich vor Gericht stellen, wenn man glaubt, daß ich
gesetzwidrig gehandelt habe.
Ich bin sicher, kein unabhängiges deutsches Gericht wird mich
wegen meines Vorgehens bei Besetzung der Domherrenstellen verurteilen
können.
jSchutzlos und wehrlos der Gestapo ausgeliefert'
..Ist es deswegen, daß man nicht ein Gericht, sondern die Gestapo
eingesetzt hat, deren Maßnahmen im Deutschen Reich einer gericht-
lichen Nachprüfung leider nicht unterliegen? Der physischen
Übermacht der pestapo steht jeder deutsche Staats-
bürger schutzlos und völlig wehrlos gegenüber! Völlig
wehrlos und schutzlos! Das haben viele deutsche Volksgenossen im Laufe
der letzten Jahre an sich erfahren, so unser lieber Religionslehrer
Friedrichs, der -ohne Verhandlung oder Gerichtsurteil gefangen-
gehalten wird, so die beiden Herren Domkapitulare, die in der Verban-
nung weilen; so erfahren es jetzt unsere Ordensleute, die gestern und
heute plötzlich aus ihrem Eigentum, aus Stadt und Land vertrieben
werden.
177
Keiner von uns ist sicher,
und mag er sich bewußt sein, der treueste, gewissenhafteste Staats-
bürger zu sein, mag er sich völliger Schuldlosigkeit bewußt sein, daß
ernicht einesTages aus seiner Wohnun'g geholt, seiner
Freiheit beraubt, in denKellern undKonze^ntrations-
lagerniäer Gestapo eingesperrt wird.
Ich bin mir darüber klar, das kann auch heute, das kann auch eines
Tages mir geschehen. Weil ich dann nicht mehr öffentlich sprechen
kann, darum will ich heute öffentlich sprechen, will ich heute öffent-
lich warnen , vor dem Weiterschreiten auf diesem Wege, der nach
meiner festen Überzeugung Gottes . Straf gericht auf die Menschen herab-
ruft und zu Unglück und Verderben für unser Volk und Vaterland
führen muß.
Strafrecht, nicht Strafgewalt!
Wenn ich gegen diese Maßnahmen und Bestrafungen der Gestapo
protestiere, wenn ich öffentlich die Beseitigung dieses
Zu Standes und die gerichtliche Nachprüfung oder
Zurücknahme aller Maßnahmen der Gestapo fordere,
dann tue ich nichts anderes, als was auch der Generalgouverneur und
Reichsminister Dr. Frank getan hat, der im Februar dieses
Jahres in der Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht geschrieben
hat: ,Wir wollen jene solide Ausgeglichenheit der inneren Ordnung, die
da's Strafrecht nicht umkippen läßt, in die absolute Autorität
staatsanwaltlicher Verfolgungsmacht gegenüb.er
einem von vornherein verurteilten und jeglicher
Verteidigungsmittel beraubten Angeklagten. Das Recht
muß dem einzelnen die legale Möglichkeit zur Verteidigung, zur Auf-
klärung des Tatbestandes und damit zur Sicherung gegen Willkür und
Unrecht bieten . . . Sonst sprechen wir besser nicht von S t r a f r e,_c h t,
sondern von Strafgewalt.'
Meine Christen! Die Gefangensetzung vieler unbescholtener Per-
sonen ohne Verteidigungsmöglichkeit und Gerichtsurteil, die Freiheits-
beraubung der beiden Herren Domkapitulare, die Aufhebung der Klöster
und die Ausweisung schuldloser Ordensleute, unserer Brüder und
Schwestern, nötigen mich, heute öffentlich- an die alte, niemals er-
schütterte Wahrheit zu erinnern: ,Justitia est fundam^ntum regnorum..
Die Gerechtigkeit ist das einzig tragfeste Fundament aller Staatswesen!'
Das Rechtauf Leben, auf Unverletztheit, auf Freiheit-
ist ein unentbehrlicher Teil jeder sittlichen Gemein schaftsordnung.
Wieviele deutsche Menschen schmachten in Polizeihaft, in Konzen-
trationslagern, sind aus ihrer Heimat ausgewiesen, die niemals von einemr
ordentlichen Gericht verurteilt worden sind oder die nach Freispruch
vor Gericht oder nach Verbüßung der vom Gericht verhängten Strafe
erneut von der Gestapo gefangengenommen sind und in Haft gehalten
werden! Wieviele sind aus ihrer iteimat und aus dem Ort ihrer Berufs-
arbeit ausgewiesen!
Ich erinnere erneut an den ehrwürdigen Bischof von
Rottenburg, Johann Baptist Sproll, einen Greis von siebzig
Jahren, der vor kurzem sein 25 jähriges Bischofsjubiläum fern seiner
Diözese feiern mußte, Weil ihn die Gestapo vor drei Jahren aus
seinem Bistum ausgewiesen hat. Ich nenne nochmals unsere
beiden Domkapitulare, die H, Herren Vor merk und Echelmayer.
Ich gedenke unseres verehrungswürdigen Herrn Religionslehrers Frie-
drichs, der im Kz.-Lager schmachtet. Weitere Namen zu nennen, will
ich mir heute versagen."
178
Der katholische Bischof gedenkt rühmend des
evangelischen Pastors Niem jller:
„Der Name eines e v a ng elischen Mannes, der im Weltkrieg
als deutscher Offizier und Unterseebootkommandant sein
Leben für Deutschland eingesetzt hat und nachher als evangeli-
scher Pfarrer auch in Münster gewirkt hat und der jetzt schon
seit Jahren seiner Freiheit beraubt ist, ist euch allen be-
kannt, und wir haben alle die größte Hochachtung vor
der Tapferkeit und dem Bekennermut dieses edlen
deutschen Mannes.
jWir fordern Gerechtigkeit'
An diesem .Beispiel seht ihr, meine Christen, daß es nicht ein
konfessionell- katholisches Anliegen ist, das ich heute
öffentlich vor euch bespreche, wohl aber ein christliches, ja ein
allgemein menschliches und nationales, religiöses An-
liegen ist. ,Die Gerechtigkeit ist das Fundament der Staaten'. Wir
beklagen es, wir beachten es mit größter Sorge, daß wir sehen, wie
diesesFundamentheuteerschüttertwird, wie die Gerech-
tigkeit, die natürliche und christliche Tugend unentbehrlich für den
geordneten Bestand jeder menschlichen Gemeinschaft, nicht für alle un-
zweideutig erkennbar gewahrt und hochgehalten wird. Nicht nur um
der Rechte der Kirche willen; nicht nur um der Rechte der
menschlichen Persönlichkeit willen, sondern auch aus
Liebe zu unserem Volke und in ernster Sorge um unser Vater-
land erbitten wir, verlangen wir, fordern wir: Gerech-
tigkeit! Wer myß nicht fürchten für den Bestand eines Hauses, wenn
er siehty daß die Fundamente untergraben werden?'
Bei den Anordnungen von Strafverfügungen der Gestapo ist die
Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen. Da wir alle keinen Weg
kennen, der für eine unparteiische Kontrolle der Maßnahmen der
Gestapo, ihrer Freiheitsbeschränkungen, ihrer A u f e n t ~
haltsverbote, ihrer Verhaftungen, ihres Geiangen-
h a 1 1 e"n s deutscher Volksgenoss e n im K z. - L a g e r gegeben
wäre, so hat bereits in weitesten Kreisen des deutschen Volkes ein Ge-
fühl der Rechtlosigkeit, ja feiger Ängstlichkeit Platz
gegriffen, das die deutsche Volksgemeinschaft schwer schädigt.
Die Pflicht meines bischöflichen Amtes, für die sittliche Ordnung
einzutreten, die Pflicht meines Eides, in dem ich vor Gott und dem
Vertreter der Reichsregierung gelobt habe, nach Kräften jeden Schaden
zu verhüten, der das deutsche Staatswesen bedrohen könnte, drängen
mich, angesichts der Taten der Gestapo diese Tatsache öffentlich aus-
zusprechen. I ,
Man wird mir . vielleicht den. Vorwurf «lachen, mit dieser
offenen Sprache schwäche ich jetzt im Kriege die innere
Front des deutschen Volkes. Demgegenüber stelle ich fest: ,Nicht ich
bin die Ursache einer etwaigen Schwächung der inneren Front, son-
dern jene, die ungeachtet, der Kriegszeit, ungeachtet
der augenblicklichen Not, ja jetzt hier in Münster zum Ab-
schluß einer Schreckenswoche schauriger Feindangriffe,
schuldlose Volksgenossen ohne Gerichtsurteil und Verteidi-
gungsmöglichkeit in harte Strafen nehmen, unsere Ordensleute,
unsere Brüder und Sch^yestern ihres Eigentums berauben, auf die Straße
setzen, aus dem. Lande jagen! Sie zerstören die Rechtssicherheit,
sie untergraben das .Rechtsbe w u ßtsein, sie vernichten das!
Vertrauen aufunsere Staaatsführung.
' . 179
Und darum erhebe ich im Namen des rechtschaff,enen
deutschen Volkes, im Namen der Majestät der Gerechtig-
keit, im Interesse des Friedens und der Geschlossenheit der
inneren Front m e i.n e Stimme, darum rufe ich laut als
deutscher Mann, als ehrenhafter Staatsbürger, als Vertreter der christ-
lichen Religion, als katholischer Bischof:
,Wir fordern Gerechtigkeit!'
Bleibt dieser Ruf ungehört und unerhört, wird die
Herrschaft der Königin Gerechtigkeit nicht wieder hergestellt, so wird
unser deutsches Volk und Vaterland trotz des Heldentums
unserer Soldaten und ihrer ruhmreichen Siege an innerer Fäulnis
und Verrottung zugrundegehe n."
(Der Protest des Bischofs gegen die Verbannung der Ordensleute
folgt unter C 2.)
f) Ein Laie stellt sich vor den Priester, Gelehrten, Jesuiten.
Am 3. Februar 1935 brachte die „Germania", Berlin, folgenden
Brief:
Ein bedauerlicher Vorfall an der Münchener Uniyersität.
Sehr geehrter Herr Hauptschriftleiter!
Als ich Ihren prachtvollen Artikel „Vertrauen um Vertrauen''' las,
habe ich nicht gedacht, daß ich schon am andern Tag eine deutliche
Illustration dazu erleben sollte. Am Montag s(511te im Rahmen eines Vor-
tragsabends des Vereins „Akademisch-Gebildeter Katholiken" der be-
kannte Philosoph Pater Erich Przywara (sein Vortrag auf dem
Prager Philosophenkongreß ist noch in lebhafter Erinnerung) im großen
Hörsaal der Universität München über das „Christlich-Heroische" spre-
chen. Es kam jedoch nicht dazu. Ein Teil der Besucher, etwa 40 an der
Zahl, meistens Angehörige des staatlichen Kameradschaftshauses, stör-
ten den Redner durch Trampeln, Zwischenrufe, und ließen ihn kaum
zu Wort kommen. Man warf mit faulen Eiern nach dem Pult, so daß
der Vortrag nach wenigen Minuten abgebrochen werden mußte. An-
schließend kam es dann noch zu Schlägereien. Der Führer der Studenten-
schaft, Sigwart G o e 1 1er, war ebenfalls anwesend, ohne aber irgendwie
einzugreifen und die Ruhestörer zur Ordnung zu mahnen.
War eine derar.lge Provokation — und um eine solche handelt es
sich doch offenkundig — wirklich nötig? Wir wollen nicht an die Volks-
gemeinschaft appellieren; . wir wollen auch nicht an die vorbildliche
nationale Haltung der Katholiken in der Saarfrage erinnern, die erst
diesen glänzenden Sieg der deutschen Sache ermöglicht hat. Wenn
irgend etwas dazu führen könnte, die Katholiken ins Getto zu treiben
und in ihnen das- Gefühl zu überzeugen, als ob sie im heutigen Staat nur
geduldet wären, so sind es derartige Zwischenfälle. Es widerspricht dem
klaren Willen des Führers, daß irgendein Teil der deutschen Volks-
gemeinschaft in dem Rechte benachteiligt wird, seine weltanschaulichen
Grundsätze öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Eine Hochschule er-
scheint zu allerletzt als der geeignete Boden, um geistige Auseinander-
setzungen mit anderen als geistigen Mitteln zu führen. Es wäre daher
dringend zu wünschen, daß derartigen Vorfällen in Zukunft vorgebeugt
wird und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Den Nutzen
hat die Reaktion, den Schaden der Nationalsozialismus. Darauf hinzu-
weisen, halte ich als Leser der „Germania" für meine Pflicht: Vertrauen
um Vertrauen!
■" Mit deutschem Gruß
Max Eisner, München^
180
g) Die „Katholische Aktion" stellt sich vor zwei verfolgte Priester.
Der „Regensburger Anzeiger" vom 9. Mai 1933 brachte in
großer Aufmachung nachfolgende Veröffentlichung:
An di e B ay er ische S t a a t sr egi e r ung )
Das katholische Volk bittet um sofortige Freilassung seiner
inhaftierten Priester.
Auf die gestern gemeldete Verhaftung zweier katholischer Priester
der Diözese Regensburg hin hat der Katholische Aktionsaus-
schuß st'olgendes Protestschreiben an die Bayerische Staatsregierung
zu Händen des Herrn Ministerpräsidenten S i e b e r t und Innenministers
Wagner gerichtet:
Zwei kathoUsche Priester der Diözese Regensburg, die Hochwürdigen
Herren Dr. Bauer, Pfarrer von Schwarzhofen, und Beneflziat B r e u
von Pösing, wurden auf Veranlassung eines örthchen Funktionärs in
Schwandorf in Schutzhaft genommen. Es handelt sich also nicht um ein
Vorgehen von Gerichten etwa wegen strafbarer Handlungen, sondern
um einen Akt der politischen Verwaltung. Wir bitten um sofor-
tige Aufhebung dieser Maßnahme untergeordneter
Stellen, um Absetzung und scharfe Maßregelung der
Verantwortlichen und um öffentliche Genugtuung
für die öffentlich zugefügte Unbill. Reichsregierung und
Staatsregierung haben wiederholt kundgegeben, daß Sonderaktionen
nachgeordneter Organe künftig zu unterbleiben haben; wenn trotzdem
sich derartige Ausschreitungen wiederholen, so wird es rücksichtslosen
Zugreifens der Staatsregierung gegenüber den verantwortlichen Per-
sonen bedürfen, um der katholischen Bevölkerung das Bewußtsein zu
geben, gegen Willkürakte künftig unter allen Umständen geschützt zu
sein. Wir bitten die untergeordneten Stellen insbesondere anzuweisen,
daß Gewalttätigkeiten nicht bloß dadurch begegnet werden kann, daß
der Angegriffene in Schutzhaft genommen wird, sondern daß in
einem Rechtsstaate die Staatsgewalt ihre Stärke und ihren Willen zum
Schutze der Ordnung in erster Linie durch energisches Zugreifen
gegenüber dem Angreifer und Ruhestörer zu bewähren hat.
Das Bischöfliche Ordinariat Regensburg wird nach Abschluß der
Erhebungen in kürzester Frist eingehender Stellung nehmen; das katho-
lische Volk bittet für seine Priester um sofortige Ver-
fügung der dringendsten Maßnahmen.
Regensburg, 8. Mai 1933.
Im Auftrag der Katholischen Aktion
gez. Michael Höfner, gez. Dr. Armin Schlegl,
Bischöflicher Stadtkommissar, Dompfarrer. 1. Vorsitzender.
7. „Treue Söhne und Töchter."
„Vor unserem Auge steht die uhübersehhar große Schar
treuer Söhne undTöchter, denen das Leid der Kirche
in Deutschland und ihr eigenes Leid nichts geraubt hat von
ihrer Hingabe an die Sache Gottesj nichts von ihrer zärtlichen
Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von ihrem Gehor-
sam gegen Bischöfe und Priester, nichts von ihrer freudigen Bereit-
schaft, auch in Zukunft — komme, was da wolle — dem treu zh
181
bleiben,, was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe
erworben haben. Ihnen allen senden Wir aus gerührtem Herzen
Ünsern Vatergruß."
(Aus Enzyklika: „Mit brennender Sorge".)
\ Schon im Vorwort wurde betont, daß zur vollen Schilderung
und Würdigung des nationalsozialistischen Kampfes und des kirch-
lichen Widerstandes auch noch Berichte von Einzel-
personen, von den „Stillen im Lande" kommen müßten,
die zu Hundei'ttausenden zäh kämpften und Schwerstes erduldeten,
nicht etwa bloß im Gefängnis oder Konzentrationslager, sondern
auch in der Fabrik, im Geschäft, in der Amtsstube, in der Schule,
beruflich und außerberuflich, allein oder mit Frau und Kindern
und Verwandten.
Ihre Schar war wirklich, wie der Hl. Vater in obigem Wotte
sagt, groß und unübersehbar, manchmal vielleicht nicht
sichtbar, aber überall spürbar.
Ihr Eifer, ihre Opferbereitschaft, Mitarbeit und Treue war ein
gewaltiges Kraftzentrum des kirchlichen Widerstandes.
Da waren Zehntausende katholischer Eltern in den
Großstädten und Hunderttausende auf dem weiten Land, die'
Dutzende von lockenden und drohenden Werberji der Simultan-
schule abwiesen und immer wieder offen ihre Kinder .für die
katholische Bekenntnisschule anmeldeten, ihnen nach Kürzung
oder Wegfall' des schulischen Religionsunterrichtes selbst den Ka-
techismus erklärten, mit ihnen zur Festigung des religiösen Lebens
tagtäglich Morgen- und Abendandacht hielten usw.
Da waren Söhne und Töchter,- jüngsten und vorgeschrit-
tenen Alters, die ebenso treu zum Kreuz Christi wie zur Fahne
eines katholischen Vereins hielten und anderen Stütze und An-
eiferung wurden. ,
Da waren katholische Lehrer und besonders Lehre-
r i n n e n, die auch in der Zwangsjacke der staatlichen Einheits-
schule noch ganz im Geiste der Konfessionsschule weiterarbeiteten
und unter besonderen Umständen auf dringendes Bitten von Eltern
selbst die Betreuung der HJ oder des BDM übernahmen, um die
Jugend nicht durch „Jugend führen und verführen zu lassen",
^ sondern dem treu zu erhalten, ,,was sie geglaubt und von ihren
Voreltern als heiliges Erbe erworben haben".
Da waren einfache, Arbeiter und Arbeiterinnen, die
in dem jahrelangen Konflikt zwischen „Arbeitsfront", und Katho-
lischen Standesvereinen lieber auf alle Vorteile der „Arbeitsfront"
und von „Kraft durch Freude" usw. verzichteten und selbst die
Entlassung aus der Arbeitsstätte riskierten oder tatsächlich auf
sich nahmen, als daß sie ihrem, katholischen Verein untreu
wurden.
182 -
Da waren in staatlichen und gemeindlichen
Ämtern genug Katholiken, die jahrelang Zurücksetzung um
Zurücksetzuhg hinter jüngeren, minder qualifizierten Kollegen er-
trugen, ja schließlich ihren Dienst quittierten, weil sie ihre katho-
lische Haltung und Betätigung nicht aufgeben wollten.
Da waren Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte u. ä.,
die trotz aller Gefahr den kirchlichen Behörden wichtige Rat-
schläge, Nachrichten und Warnungen zugehen ließen, ebenso
Wachtmeister in den Gefängnissen, welche Priestern
und Laien die heilige Kommunion in die Zelle brachten, wie es
dem Verfasser selbst wiederholt als größter Trost geschah.
Da waren k a t h 1 i's c h e V e r 1 e g e r und B u c h d r u c k e r,
denen durch Beschlagnahmen und „Sicherstelliingen" ihrer Druck-
sachen Schaden nach Zehntausenden von Mark zugefügt wurden,
die aber doch auch weiterhin nur katholische Werke druckten und
herausgaben.
Da waren katholische Abgeordnete, die ruhig mehr-
mals ins Gefängnis oder Kz. gingen und sich doch nicht wandelten.
Da waren katholische Geschäftsleute und In-
dustri.eile, welche den aus der Schule vertriebenen katholischen
Ordensfrauen in ihren Wohn- und Geschäftshäusern Obdach, Be-
schäftigung und Lebensunterhalt boten, ja sogar eigene geschlossene
Betriebe für sie eröffneten.
Da waren Tausende von Katholiken, die immer wieder
Treuekundgebungen für ihren Bischof wagten aus
ehrlichem Verlangen, ihrem Oberhirten Genugtuung zu leisten für
nationalsozialistische Schmähungen und Verleumdungen. Und als
die Bischöfe sie baten, von „Heir'-rufen u. ä. um ihrer Sicherheit
willen abzusehen, gehorchten si^, wenn auch schweren Herzens,
und grüßten schweigend.
- Und Jahr für Jahr gingen Beamte und Professoren weiter mit
bei der Fronleichnamsprozession, mochten sie auch da-
bei photographiert und alsbald als „Schwarze" auf die „Schwarze
Liste" gesetzt werden.
Und solange der k atholischen Caritas noch eine öffent-
liche Straßensammlung gestattet war, hatte sie es nicht zu schwer,
freiwillige Sammler und Sa mm 1 e rinnen zu finden:
Tausende erklärten sich freudig bereit, stundenlang mit der Sam-
melbüchse zu gehen und dabei von Nationalsozialisten Schmä-
hungen, sogar Gewalttätigkeiten einzustecken.
Und was redete, betete, kämpfte und duldete manche Frau,
um ihren Mann davon abzuhalten, dem von Partei oder Gestapo
oder einer nationalsozialistischen Gliederung ausgeübten Druck
zum Kirchehaust ritt zu widerstehen und lieber Not
und Entbehrung, Verspottung, Strafversetzung u. ä. zu leiden!
183
In Großstädten vereinigten sich Hunderte zum Paulus-
diakonat oder einem sonstigen religiösen Bildungswerk, um
sich während eines ganzen Jahres oder noch länger in wöchent-
lichen Unterweisungen über katholische Glaubens- und
Sittenlehre, Kirchengeschichte und -recht u. ä. das Rüstzeug zu
holen, als Laienapostel an der Seite der Priester zu arbeiten,
in Hausbesuchen, in der Fabrik, von Mann zu Mann usw.
In München ward durch Laien das „S a u 1 u s d i a k o n a t" anr
geregt und mitgetragen, um religiös Abgestandene, vom Glauben.
Abgefallene, aus der Kirche Ausgetretehe, in wilder Ehe Lebende
usw. aufzusuchen, in stundenlangen apologetischen Gesprächen
wieder' aufzurütteln und zu besonderen Abendvorträgen in eine
Kirche zu bringen. Wie oft wurde Herr Pf. deswegen zur Gestapo
geladen, wochenlang eingesperrt — , arbeitete aber, kaum frei ge-
worden, doch wieder weiter!
Jungmänner und Jungmädchen kamen vor Antritt des Ar-
beitsdienstes zur bischöflichen Behörde oder zum Seelsorger,
um sich Konkordatsbestimmungen und staatliche Zusicherungen
für die Freiheit des Gottesdienstbesuches zu beschaffen und damit
sich und anderen im Lager das Recht zu erzwingen, sonntags
in die Kirche zu gehen.
Laien, Männer und Frauen, brachten jahrelang das Opfer, regel-
mäßig in die Versammlungen der Deutschen Glaubens-
bewegung, zu Ludendorff- Vorträgen, in Streicher-Schulungskurse
usw. zu gehen, dort entgegen Verboten und Schikanen Notizen zu
machen, noch zu mitternächtlicher Stunde sie zu Hause nieder-
zuschreiben und schon in den ersten Morgenstunden dem Erz-
bischöflichen Ordinariat zu bringen.
Einzelne fuhren ins Ausland, nach Österreich, Belgien,
Holland, Italien, in die Schweiz, um dortigen kirchlichen Kreisen
oder der katholischen Presse ein wahrheitsgetreues Bild
über die Kirc h^e nverfolgung und-bedrückung im.
Dritten Reich zu geben, ihnen zu berichten über neue Verhaftungen
von Geistlichen, neue Enteignungen von Klöstern, neue Schlie-
ßungen von Kirchen, neue Gewaltmaßnahmen gegen katholische
Vereine, neue Rechtsbeugungen im Schulkampf usw., sie riskierten
dabei wortwörtlich ihr Leben, und einzelne verloren hiefür tat-
sächlich den Kopf.
Für jeden dieser Sätze ließen sich Beispiele anführen, auch für
den letzten Teil des letzten Satzes. Ihnen allen gebührte ein eigenes
literarisches Denkmal.
Hier aber kann nur ein charakteristisches Beispiel heraus-
gegriffen und ausführlicher dargestellt werden, nachdem es in allen
Einzelheiten nachgeprüft, größtenteils aber selbst mitbeobachtet
wurde. Es mag zeigen, unter welchen fortdauernden großen
Schwierigkeiten einzelne Laien im Dritten Reich arbeiten mußten,
184
ja sogar da und dort äußerlich dabei sein mußten und doch ganz
und gar, vorn Anfang bis zum Ende, innerlich dagegen waren
und dagegen arbeiteten.
In langer, harter Leidensschule.
Der Nationalsozialismus begnügte sich nicht damit, die katho-
lischen Ordensfrauen aus den pri\taten und öffentlichen
Schulen zu entfernen — sein Kampf galt auch den
katholischen weltlichen Lehrkräften,
die sich nicht ,, umstellten", sondern weiterhin nach christlichen
Grundsätzen in der Schule arbeiteten.
Am schlimmsten wirkte sich dieser Kampf in den kleineren
Landgemeinden aus, wo die Lehrkräfte häufig allein waren
und dauernd von nationalsozialistischen Bürgermeistern, Orts-
gruppenleitern, Schulleitern oder Kollegen, HJ-Führern usvv'. be-
obachtet wurden.
Zuerst wurden die Mitglieder der Marianischen Lehre-
rinnenkongregation, wie sie in München und in ver-
schiedenen Bezirksgruppen Bayerns bestand, aufs Korn genommen.
Auf dem oft auszufüllenden Fragebogen stand ausdrücklich auch
die Frage nach der Mitgliedschaft in der Kongregation. Und es kam
vor, daß man vom Schulrat zitiert und mit wohlmeinenden Grün-
den oder mit Drehungen zum Austritt aufgefoirdert wurde.
Ebenso war der Kirchen besuch und Sakramenten-
e mi p f a n g, die Beteiligung an religiösen Feierlichkeiten, Prozes-
sionen usw. nicht selten Anlaß zu heftigen Vorwürfen von selten
des Schulrates. Manche katholische Lehrkräfte sahen sich schließ-
lich gezwungen, sonntags den Dienstort zu verlassen und an einem
Ort, an dem sie unbekannt waren, der Sonntagspflicht zu genügen.
Erst recht war es für eine katholische Lehrkraft in diesen
Jahren geradezu ein Wagnis, einen Pfarrhof zu betreten.
Es ^ab nicht leicht eine Schultagung, auf der nicht dieses Thema
berührt und festgestellt wurde, daß nur ,,ganz charakterlose, im
heutigen Staat unmögliche Leute noch in Verbindung mit dem
Ortsgeistlichen stehen könnten."
Mit besonderer Vorliebe ließen übereifrige nationalsozialistische
Schulräte die katholischen Lehrkräfte durch HJ-
Führer und sonstige eifrige Mitglieder der HJ überwachen.
13- bis 16jährige Buben konnten so darüber urteilen, ob die Lehr-
kraft des Ortes ,,national verlässig" oder „u n v e r 1 ä s s i g"
war, ob sie befördert oder straf versetzt werden sollte. Dagegen
wurden Lehrkräfte, die trotz ihrer früheren religiösen Haltung sich
„umstellten" und aus ihrer antireligiösen und antikirchlichen
Einstellung kein Hehl machten, offen bevorzugt und immer wieder
als Beispiele genannt.
185
Schulungstage — Kampftage
An Stelle der früheren Konferenzen, die der Bezirks-
schulrat hielt, traten jetzt die „S chu lu n gs t ag e", die von'
den Kreisamtsleitern des NSLB (Nationalsozialistischer
Lehrerbund) durchgeführt wurden. ■ Für ihre Ernennung entschied
nicht berufliche Tüchtigkeit, sondern der echt nationalsozialistische
K ä m p f e r g e i s t. Das Niveau dieser ,, Schulungen" war auch
meistens dementsprechend. Die berufliche Fortbildung nahm den
geringsten Platz ein. Vorherrschend war immer der „weltanschau-
liche" Teil der Schulung. Ein Schulrat z. B. konnte nicht oft genug
öffentlich betonen: „Es ist doch ganz gleich, ob die Kinder etwas,
mehr oder weniger lernen — die Hauptsache ist, daß der Lehrer
ein Kämpfer ist — und in erster Linie geht dieser Kampf gegen
die Pfaffe n." Die gemeinsten Verleumdungen gegen Papst, Bi-
schöfe und Ordensleute, das Auftischen pikanter Pfarrhausgeschich-
ten usw.-^waren der Hauptinhalt seiner ..Schulungen". Der gleiche
Schulrat, der, wenn es über beruflich-wissenschaftliche Dinge ging,
kaum einen Satz sprechen konnte, wurde zum gewandten Redner,
Wenn er bei „seinem Thema" angelangt war; „Kampf gegen die
Pfaffen!"
Gelegentlich dieser Schulungen wurde auch weidlich über die
mißliebigen „schwarzen Lehrkräfte" gespottet. (Es wurde z. B. die
Todesanzeige der Mutter einer Lehrerin vorgelesen, in der stand, •
daß sie am Abend eines Herz-Jesu-Freitags gestorben sei. Der
Schulrat sagte dazu: „Das muß eine saubere Gesellschaft sein!"
Ähnlich wurde über Kolleginnen, die im. Krankenhaus lagen und
dort an einer Maiandacht teilnahmen, gespottet und geschimpft.
Schulungslager — ihr Neben- o d e r H aup t.z i el
Nervenzermürbend war die Teilnahme an einem „S c h u -
lungslage r". Die sehr gute Verpflegung, der Sport und die
Ruhe waren sicher eine willkommene körperliche Erholung. Aber
die Vorträge der Lagerführerin und der Spezialreferentin ließen
mehr oder weniger verschleiert erkennen, daß ein Hauptziel dieser
Schulungslager war, diekatholischenLehrkräfteihrer
Kirche zu entfremden. Religiöses und Katho-
lisches herabzusetzen und den „Schwarzen" Angst um ihr
berufliches Vorwärtskommen zu machen.
Von allen Lagern hörte man, daß. gerade der Samstagabend
meistens bis Mitternacht mit -Verpflichtungen belegt war. Der
Grund dafür war sehr eindeutig. Man wollte den katholischen
Lehrkräften die Lust nehmen, zum Sonntagsgottesdienst zu gehen.
Trotzdem gab es immer so „unkameradschaftliche Leute", die schon
• früh V26 Uhr aufstanden und so die anderen störten, „bloß damit
sie in die Kirche laufen konnten".
186
\
Nach Polen: Auszeichnung oder Strafe?
Als man für Polen deutsche Lehrkräfte brauchte, erging ein von
Idealen Sprüchen triefendes Rundschreiben des Reichserziehungsmini-
steriums an die Schulleitungen. Man wollte zuerst freiwillige Mel-
dungen und setzte zur „Bedingung", daß „nur politisch ganz ein-
w a ndfreie, verlä.ssi'ge Lehrkräfte, nur solche, die dem Na-
tionalsozialismus Ehre machten, für die wichtige deutsche Angelegenheit
sich bewerben".
Von der Wichtigkeit dieser vaterländischen Aufgabe waren aber an-
scheinend sehr wenige Lehrkräfte überzeugt.. Es kamen nur wenige
freiwillige Meldungen. Man mußte darum zu amtlichen Berufungen
schreiten. Dabei konnte man die Beobachtung machen, daß Schulräte
gerade solche Lehrkräfte, die ihnen mißliebig waren, nach Polen ab-
schoben, vor allem „schwarze".
Der zuständige Kreisamtslei^er des NSLB im Kreis Laufen gab
an- einem Schulungstag sogar- bekannt, daß er dafür sorgen würde, Lehr-
kräfte, die sich immer noch nicht umstellten und immer noch in die
Kirche liefen, weiterzuschaffen. „Für diesen Zweck" (Abschiebung nach
Polen) würde er alle „Schwarzen" für „national zuverlässig" erklären.
Wofür Schulräte und Kreisbeauftragte warben!
Es gab Schulräte, die mehr oder weniger offen dafür warben,
daß Lehrerinnen ohne Rücksicht auf religiöse Bindungen für
ledige Kinder sorgen sollten. Ein Schulrat" (St. in Tr.) gab in
einem besonders „geschmackvollen" offiziellen Schreiben an die
Schulleitungen sogar die Anregung, Lehrerinnen und Geistliche
sollten da zusammenhelfen. Den Geistlichen versprach er, daß er
sie dapn wieder „als Männer" betrachten würde. Rühmend gedachte
er in diesem Rundschreiben einiger Lehrerinnen des Bezirkes, die
in' diesem Sinn schon „vorbildlich wirkten". '
Durch alle diese Jahre zog sich auch die beständige Werbung
unter den katholischen Lehrkräften für den Austritt aus der
Kirche. Lehrkräfte, die diesen Schritt taten, durften sich der
ganz besonderen Bevorzugung der. Schulräte erfreuen und erhielten
Vertrauensposten, z. B. den des Kreisbeauftragt e n. Einer
dieser Kreisbeauftragten' stellte in einer sehr eindeutigen und ge-
radezu bedrohlichen Weise fest, daß ,, jetzt endlich alle Brücken zu
früheren Bi.ndungen gebrochen werden müßten, i^ücksichts-
los" — und der Schulrat ergänzte diese Ausführungen mit der sehr
bemerkenswerten Feststellung: „Diejenigen 'unter uns — wir kennen
sie — , die nicht alle Beziehungen zur alten V/eltanschauung brechen'
wollen, sollen wenigstens so anständig sein und um ihre Entlassung
nachsuchen. Es ist nicht angängig, sich vom Staat zahlen zu lassen,
wenn man nicht im Sinne des Staates arbeitet." Einige wollten
dies daraufhin tatsächlich tun, erhielten aber von berufener geist-
Ucher Seite den Rat: „Unter keinen Umständen um Entlassung
nachsuchen! Diese Herrschaften sollen den Mut haben, katholische
Lehrerinnen mit dieser Begründung selbst zu entlassen!"
187
Totschweigen!
Eine besonders heimtückische Art gegen katholische
L e h r k r äf t e vorzugehen war, die guten Leistungen dieser Seite
herabzusetzen oder totzuschweigen.
Ein paar Beispiele: 1940 wurde die erste Heilkräuter-Samm-
lung der Schulen durchgeführt. Das Ergebnis der Schule einer katho-
lischen Lehrerin stand weit über dem Ergebnis aller anderen Schulen —
wie der Leiter dieser Sammlung ausdrücklich sagte — , und zwar quali-
tativ und quantitativ. Bei dem in der Zeitung erscheinenden Bericht
konnte man zwar nicht umhin, wenigstens den Namen der Schule
mit dem besten Sammelergebnis zu nennen. Aber auf ausdrückliche An-
ordnung des Schulrates durfte der Name der ,;schwarzen Lehrerin" nicht
genannt werden.
Ähnlich war es, als die gleiche Lehrerin an einen anderen Ort kam.
Auch hier hatte sie die besten Sammelergebnisse. Die Sammelleiterin
schrieb ihr zwar: „Ihr Sammelergebnis ist sowohl nach Menge als nach
Güte über alles Lob erhaben und kann mit anderen Schulen gar nicht
verglichen werden. Am liebsten würde ich die Sendung auf einem Wagen
von Schule zu Schule fahren . . ." usw. Aber öffentlich durfte diese
Anerkennung nicht ausgesprochen werden. Im Gegenteil, bei einer Kreis-
ausstellung waren die Berichte und Statistiken direkt iireführend. Die
Schule mit dem besten Ergebnis durfte keine einzige Zeichnung zur Heil-
kräutersammlung öffentlich zeigen. Auf der ausgestellten Statistik über
das Ergebnis wurde der Name der Schule rot unterstrichen, welche
lediglich die Statistik gefertigt, selbst aber ein ganz schlechtes Sam-
melergebnis hatte. Die Leute mußten so glauben, daß die rot unterstii-
chene Schule den besten Ertrag eingebracht hätte.
Selbst die Kinder der katholischen Lehrkraft merkten die Ungerech-
tigkeit und sagten ihr: „Fräulein, wir wissen es schon: Wenn du nicht
so katholisch wärst und wenn du bei der Partei wärst, dann hätten sie
es schon gesagt, daß wir die besten sind."
NationalsozialistischeUnehriichkeitundHinterhäl-
t i g k e i t !
Ganz auffallend und in wirklich empörender Weise kam diese Ein-
stellung zum Ausdruck bei einer Kreisausstellung 194 4. Das
ganze vorausgegangene Jahr schon kamen Schreiben vom Schulrat und
NSLB und Kreisleitung am laufenden Band, daß jede Schule auf das
strengste verpflichtet sei, Beiträge für diese Ausstellung (Zeichnungen,
Bastelarbeiten . . .) zu liefern. Es war sehr unsympathisch, für eine Par-
teiveranstaltung, wie ein Kreistag immer war, in der Schule zu ar-
beiten; doch sprach für die Mitarbeit 1. die Rücksicht auf die Schule,
die wegen ihrer „Schwarzen Lehrerin" verrufen war und deshalb immer
nur über die Achsel angesehen und abfällig beurteilt wurde, hier nicht
versagen durfte; 2. die Rücksicht auf die armen Kinder, die einen
Anteil an den vom Kreisleiter in Aussicht gestellten Geldpreisen sehr
wohl brauchen konnten. 3. Es ließen sich Zeichnungen über alte, zum
Teil religiöse Volksbräuche anfertigen, die dem Nationalsozialismus nicht
das geringste Zugeständnis machten, für die Kinder aber sehr lehrreich
.waren.
Die fertigen Arbeiten mußten zuerst in einer „Ortsausstellung"
gezeigt werden. Eine Kommission sollte diese alle besuchen, Preise ver-
teilen und eine Auswahl für die Kreisausstellung treffen. Der Herr.
Kreisleiter kam zwar in die Nähe der „Schwarzen Schule", aber er fuhr
schließlich doch nicht dorthin, „weil es so weit war". Die Lehrerin aber
mußte drei Jahre lang täglich den gleichen Weg in die Schule machen;
188
ihr du'rfte es nicht zu weit sein. Dfe ganze Gemeinde — vom Bürger-
meister bis zu den kleinsten Schulkindern — hatte recht gut verstanden,
warum es dem Kreisleiter zu ihnen „zu weit" war!!
Nun wählte die Lehrerin selbst einen Icleinen Teil aus 52 Arbeiten
aus und schickte ihn ein. Die Ausstellung war in den Ferien. Am Er-
öffnungstag wurde sie schon vom Kreisleiter, Schulrat und anderen
hellen Herrn besichtigt. Drei Tage später fuhr die Lehrerin eigens nach
dem Kreistagungsort, um die Ausstellung zu sehen. Im Zug erfuhr sie
schon, daß alle Schulen ausgestellt hätten, „nur die Schwarze Lehrerin
hat natüi^lich wieder nicht mitgetan und nichts gemacht, obwohl es Vor-
schrift gewesen ist". Als sie in die Ausstellung kam, mußte sie sich über-
zeugen, daß von ihren Arbeiten keine einzige zu sehen war. Die
„Kollegen", welche die Veranstaltung betreuten, erschraken sichtlicli, als
sie die „Schuldige" kommen sahen, der eine verschwand sofort durch
die Hintertür. Als die Lehrerin den zweiten zur Rede stellte, warum von
ihrer Schule keine Arbeit ausgestellt sei, meinte er zuerst: „Ja, da wer-
den Sie schon nichts eingeschickt haben." Als ihm aber bewiesen wurde,
daß die Arbeit bestimmt und persönlich abgegeben worden sei, hatte er
tausend Ausflüchte: „Nicht geeignet für die Ausstellung, zu l^lein usw."
Das war nun doch zu stark; denn die Arbeiten entsprachen be-
stimm't allen Anforderungen: sie waren alle sehr groß, farbig, deutlich.
Kein Strich an ihnen war von jemand anderem als den Kindern selbst.
Das Urteil dieses „Kollegen" war um so ungerechter, als von anderen
Schulen je 40 und 50 Arbeiten ' ausgestellt w,aren, die den Anforde-
rung e n i nk e i n er Weise entsprachen, zum Teil nur die Größe
von Schulheftblättern hatten, auch auf den ersten Blick die Hilfe von
Erwachsenen verrieten. Die Lehrerin verlangte nun den Schlüssel zum
Lagerraum der Ausstellung — , einem Schulzimmer. Dort konnte nun
festgestellt werden, daß ihre Arbeiten buchstäblich unter die Bank
geworfen waren! Und das getraute man sich, obwohl es w e i t -
ausdiebestenArbeitenwar,en!
Eine als Nationalsozialistin und Freundin Adolf Hitlers bekannte
Person, die gleichzeitig die Ausstellung besuchte, hatte die Auseinander-
setzung mit dem aufsichtführenden Kollegen beobachtet und äußerte laut
ihre Empörung über diesen „Schwindel", der nicht einmal vor den Ar-
beiten von Schulkindern haltmäche. In ihrer Gegenwart zwang die
Leiirerin den aufsichtführenden Kollegen, vier Arbeiten ihrer Schule
noch an gut sichtbarer Stelle unterzubringen. Die anwesenden zahl-
reichen Ausstellungsbesucher stimmten ihr lebhaft zu und äußerten Ab-
scheu über das Verhalten der Ausstellungsleitung. Das Urteil in der
Gemeinde war allgemein: „Es darf doch nicht sein, daß die Schulkinder
einer ,Schwarzen Lehrerin' weita'us bessere Leistungen haben als die
Kinder anderer Schulen mit nationalen Lehrkräften."
Zurücksetzungen und Versetzungen:
Im Sommer 1941 gab der Schulrat bei einer Schulung bekannt,
daß im Herbst eine Hauptschule errichtet würde, für die er
zwei geeignete Lehrkräfte vorschlagen solle. Er sagte: ,,Ich als
Schulrat kann natürlich nur s o 1 c he Lehrkräfte vorschlagen, die
dieser neuen Aufgabe gewachsen sind als Lehrkräfte. Was aber
der Regierungsschulrat Streicher zu meinen Vorschlägen sagen
wird und ob er damit einverstanden sein wird, das ist eine andere
Frage. Sie wissen, da spielen andere Dinge herein." Unter den
drei vorgeschlagenen weiblichen Lehrkräften war auch die katho-
lische, aber politisch verfemte Landschullehrerin. Diese kam aber
nicht an die Hauptschule, obwohl Lehrkräfte und Eltern der
189
'Provinzstadt dies dringend gewünscht hätten — ihnen, war sie aus
der Zeit einer Aushilfeleistung bekannt — Sqhulrat Streicher war
nicht einverstanden mit ihrer „schwarzen'' Art.
Da und dort haben Schulbehörden es sehr gut verstanden,
„schwai'z" angeschriebenen Lehrkräften möglichst viel, Arbeit auf-
zubürden, irri Krieg vor allem solche von einer Aushilfe zur
.anderen zu schieben Katholische Lehrkräfte mit IS^und 20
Dienstjahren mußten auf Kriegsaushilfe. Viel jüngere national-
sozialistische Kolleginnen aber wurden nie zu einer Aushilfeleistung
herangezogen. Als gelegentlich einer Schulung der Schulrat eine
junge Lehrerin für eine Aushilfe bestimmte, widersprach diese
heftig: „Kommt gar nicht in Frage, da bin ich so weit weg vom
Verkehr, da kann ich meinen Bräutigam nicht mehr treffen . . ."
Der Sehulrat hatte nicht den Mut, entgegen diesen Gründen die
junge Lehrerin einfach für diese Schule zu bestimmen. Nun wies
er der älteren ,, schwarzen" Lehrerin diesen Posten an. Als sie es
wagte, in höflicher Form zu widersprechen, da sie eben erst von
einer Aushilfe an ihren Dienstort zurückgekehrt war, hatte er aber
sehr wohl den Mut, ihr zu sagen: „Bitte, keinen Widerspruch! ' Sie
wissen, daß Sie froh sein nwssen, wenn Sie im Dienst belassen
werden!"
Wie man mit antinazistischen Lehrkräften, die noch dazu „schwarz"
waren, umgesprungen ist, zeigt auch folgendisr Fall. Im Oktober 1941
wurde eine katholische, politisch „unzuverlässige" Lehrerin von ihrem
WJrkungsort weg an die verrufenste Schule des -Kreises befohlen. Der
dortige 'Pfarrer War auf Anzeige der Schulleiterin eingesperrt, die Leh-
rerin versetzt worden, eine junge Aushilfe war davongelaufen, seit
14 Tagen- fand kein Unterricht mehr statt, die Disziplin in der Schule
war vollständig verwildert, das Schriftwesen in skandalösem Zvistand.
Der Schulrat fügte der Anweisung bei, er brauchte die Lehrerin not-
wendig für diese Aushilfe. Es sei sehr schwierig, und er wisse sonst
niemand, der dieser Aufgabe gewachsen sei. Der Bürgermeister und
Gemeindesekretär boten ihr an, zur Einführung und zu ihrem Schutz
mit in die Schule zu gehen; Dafür dankte sie aber. Es war eine äußerst
mühevolle, nervenaufreibende Arbeit, hier wieder Ordnung, zu machen.
Aber bei vollem Krafteinsatz war in der vom Schulrat angekündigten
Zeit der Aushilfe (Oktober bis Juli) Erfolg zu erwarten. Doch nach etwa
5 Wochen, da bereits erträgliche Zustände in der Schule herrschten,
stand eines Tages ein junger Hilfslehrer, der das Examen noch nicht
abgelegt hatte, vor der Türe mit der mündlichen Mitteilung von Re-
gierungsschulrat Streicher, daß er sofort diese Aushilfe anzutreten habe '
und daß die Lehrerin zu anderer Aushilfe sich zur Verfügung stellen
müsse. Grund: Seine Braut, war Ladnerin in einem Ge-
schäft des Ortes, deshalb bildete er sich die Schule .ein und des«
halb konnte man eine „Schwarze Lehrerin" ohne weiteres wieder vor
die Türe setzen.
Gefährliches Lob
Parteiredner (Kreisleiter u. a.) haben bei Reden an die Lehrer-
schaft gern zum. Ausdruck gebracht, daß die Lehrerschaft
verantwortlich ist für die politische Stimmung
in einer Gemeinde, für die. Opferbereitschaft der Leute bei Samm-
190
limgen, für den Besuch der Parteiversammlungen usw. Besonders
in den letzten Kriegsjahren, wo die Stimmung allmählich immer
schlechter wurde, war die Lehrperson „verantwortlich" dafür. Ein
Kreisamtsleiter des NSLB (zugleich Schulrat) bezeichnete eine
katholische Lehrerin als das retardierende Moment in der Ge-
meinde. Er machte sie verantwortlich für den schlechten Besuch
bei Parteiversammlungen; sie war schuld an schlechten Sammel-
ergebnissen; sie war schuld, daß in HJ und BDM nichts zusammen-
ging. „Wenn eine Lehrerin von den schwarzen Bauern so gelobt
wird wie Sie, dann habe ich schon gleich genug."
Als gelegentlich des Vorgehens des Schulrates gegen
sie eigens ein Vertreter des Landrates an d^n Dienstort kam und
eine ganze Reihe von Persönlichkeiten des^ Ortes einzeln über sie
vernommen wurde, sprachen sich alle positiv für die ,,politiscii
Unzuverlässige" aus. Die Folge davon war, daß der Schulrat noch
wütender auf sie war. „Ein schlechteres Zeugnis hätte Ihnen diese
schwarze Gemeinde gar nicht geben können, als daß sie alle zu
Ihnen helfen."
Als- sie in der Folgezeit dann wiederholt um Versetzung nach
München bat, bedeutete man ihr immer wieder, daß bei ihrer „Ein-
stellung" das nicht in Frage kommen könne.
Verleumdet!
Infolge eines schweren Nervenzusammenbruches und einer
Kopfgrippe mußte sie sich Anfang Februar 1939 in Krankenhaus-
behandlung begeben. Dort ließ sie der Schulrat nicht bloß dauernd
von Kolleginnen und Braunen Schwestern bei Tag und Nacht be-
spitzeln, sondern benützte auch ihre Abwesenheit vom Schulort,
den dortigen Schulleiter gegen sie aufzuhetzen. Diesem hatte sie
monatelang alle schwierigen Arbeiten abgenommen; aber trotzdem'
gab er sich jetzt zum Judas her und machte gege|i die kranke
Lehrerin vierzehn Aussagen, die sie schwer belasten und ihr das
Genick brechen sollten. Diese Aussagen waren nahezu
alle erfunden, z. B. daß sie Auslandssender höre — sie hatte
aber gar kein Radio. Daß sie von Haus zu Haus gehe und „dunkle
Gerüchte verbreite". Sie war aber pflichtverbunden grundsätzlich
nur zu kranken Schulkindern zu Besuch gekommen.
Auf Grund dieser Anklagen, die an die Behörden geleitet wur-
den, erfolgte ein Verhör nach dem. anderen in der Provinzstadt,
einmal sogar mitten in den Ferien, am Maria-Himmelfahrts-Tag,
eine vierstündige Vernehmung. Andere ,, Verbreche n", die ihr
bei diesen Verhören vorgeworfen wurden: Sie habe Knaben, die
studieren wollten, vorbereitet. Sie hätte ehemalige Schüler, die im
Priesterseminar waren, besucht und sich weiter um sie gekümmert.
Sie sei beim Sakramentsempfang gesehen worden. Sie sei Abonnent
von religiösen Zeitschriften usw. Alles in allem: sie sei „rom-
hörig".
191
Von Kollegen und Kolleginnen geächtet!
Wie sie in dieser Zeit von Kollegen und Kolleginnen behandelt
wurde, ist ein Kapitel für sich. Man grüßte sie nicht und dankte ihr
nicht lür ihren Gruß. Wenn sie bei einer Schulung sich einen Platz
suchte, standen die anderen auf und suchten sich. einen anderen Platz
oder blieben stundenlang stehen, vun sich nicht neben eine solche „Staats-
verbrecherin" setzen zu müssen; ähnlich im Eisenbahnabteil.
Mehrere Monate schwer leidend im Krankenhaus-, erhielt sie einen
einzigen ehrlichen Besuch von einer Kollegin in dieser Zeit, und diese
getraute sich nicht zu setzen und ging schnell wieder, um ja nicht ge-
sehen zu werden. Alle anderen Besuche, die gekommen waren, hatten —
als ausgesprochene Spitzel — dem Schulrat zu berichten. Man spürte
überall: Sie hatten Angst, ein Gespz'äch niit der verpönten Kranken oder
das geringste Sichabgeben mit ihr könnte eine Belastung für sie selbst
sein !
Das Schönste und Tröstlichste in dieser furchtbaren Zeit war
die Treue der guten Leute in der Gemeinde, Bürgermeister und
Ortsgruppenleiter eingeschlossen. Die beiden letzteren haben ihret-
wegen viel Schikane von selten der Kreisleitung auf sich nehmen
müssen; sie hatten ihr ja alle nur mögliche Unterstützung geschenkt.
Als nach langer und nervenzermürbender Verfolgung endlich der
Schlußstein kam, die „Berufung" (Strafversetzung sagte der Schul-
leiter) in einen anderen Kreis, da veranstaltete die Gemeinde eine
große Abschiedsfeier. Der Bürgermeister und der Stützpunktleiter
stellten in ergreifenden Worten fest, daß sie ihr ewig dankbar da- .
für seien, daß sie trotz aller Widerstände die Kinder christ-
lich erzogen habe. Gerade so wollten die Eltern ihre Kinder
erzogen haben.
Und zu dieser Erziehungsarbeit der katholischen Lehrerin ge-
hörte hierorts auch die
Betreuung des Bundes deutscher Mädchen.
Das mag im ersten Augenblick überraschen, ist eben nur aus
den örtlichen Verhältnissen zu erklären. Es war eine Angelegen-
heit, die vielen katholischen Landlehrerinnen schwerste seelische
Konflikte, Schwierigkeiten mit den nationalsozialistischen Behörden
und den Schul behörden und ungeheure Opfer an Mehrarbeit neben
der ohnehin bedeutenden Überbelastung mit Arbeit brachte — und
jetzt bei der politischen Überprüfung in nicht seltenen Fällen die
Entlassung aus dem Schuldienst.
Wenn aber das Gift der nationalsozialistischen Irrlehren vieler-
orts nicht in weite Kreise der Landbevölkerung eindringen konnte,
wenn vor allem die ländliche heranwachsende Jugend vor schwer-
sten seelischen und auch körperlichen Schäden bewahrt wurde,
dem Glauben treu blieb, ohne Furcht ihren religiösen Übungen
nachkam und die Ehrfurcht vor Kirche und Priestern hochhielt, so
ist das nicht zu einem geringen Teil das Verdienst von Land-
leb rerinnen, die unter ungeheuren Schwierigkeiten, exponiert, be-
spitzelt und verfolgt von allen Seiten, notgedrungen und mit
192 "^
innerem Widerstreben die Führung der Jungmädelschaft (JM) und
des Bundes deutscher Mädchen (BDM) in die Hand nahmen, um
Übel zu verhindern und die Jugend auch unter der neuen
Flagge im alten Geiste, im christlichen Geiste, zu erziehen.
a)DieNotbeiJMundBDM:
So geringes Verständnis die eigentliche Landbevölkerung dafür
hatte, daß die Kinder auch außerhalb der Schule noch gesammelt
und beschäftigt waren (bei dem dauernden Mangel an landwirt-
schaftlichen Arbeitskräften leicht verständlich) — das Dorf konnte
noch so klein sein, daß nicht einige Beamte, Angestellte, Geschäfts-
leute, die selbst Pg. waren, dagewesen wären, die unbedingt glaub-
ten, daß auch ihre Kinder nationalsozialistisch organisiert sein
müßten, auch schon i.n der Zeit, in der die Mitgliedschaft noch frei-
willig war.
In den meisten Orten war es nun so, daß BDM und Jungmädel-
gruppen gegründet wurden und daß die Führerinnen aus
den Reihen der Mädel selbst aufgestellt wurden — die
Lehrerstochter, Gendarms- oder Wirtstochter z. B., auch wenn sie
noch so ungeeignet waren, rissen sich um diese Ehre.
Sehr bald, oft schon nach einigen Wochen, stellte sich heraus,
daß diese „Führerinnen" sehr notwendig selbst noch eine Führung
gebraucht hätten. Die Unzufriedenheit kam vor allem aus den
Reihen der Mädeln selbst, die — eine bekannte pädagogische Er-
fahrung — am allerwenigsten gleichalterigen Kameradinnen sich
fügen und , folgen mögen. Unzufrieden wurden vielfach auch die
Eltern, wenn sie sahen, daß diese jugendlichen „Führerinnen" nicht
selten ein schlechtes Beispiel gaben, nicht unparteiisch waren,
,,nach bewährter Anleitung" in ihren Schulungsbriefen und Schu-
lungskursen die elterliche Autorität untergruben, die Mädeln gegen
Kirche und Priester aufhetzten, bei Tagungen nicht für die Er-
füllung der Sonntagspflicht sorgten, bei dringenden landwirtschaft-
lichen Arbeiten rücksichtslos und ohne Verständnis für die Bauern
ihre Appelle durchführten, mit Vorliebe am Abend Appelle hielten
und nicht Rücksicht nahmen auf die weiten Wege der Kinder usw.
Die Leute • scheuten sich dann auch nicht, ihre Unzufriedenheit
darüber am Biertisch auszudrücken. Die Mädeln fingen dann selbst
an, den Appellen fernzubleiben, zahlreiche Eltern verboten es ihren
Kindern, noch teilzunehmen — und da kam es nicht selten vor,
daß „Führerinnen" eines Tages keinen Appell mehr hielten und
erklärten: „Ich mag nicht mehr, die Mädeln folgen mir nicht!"
Nun stockten die regelmäßigeBeitragseinzahlung
und. die vorgeschriebenen Berichte; es kamen Klagen der Unter-
gauführung, daß ■ der „Läden nicht mehr klappe", schließlick'
Drohungen an den Ortsgruppenleiter bzw. an die Gemeinde, ddc'
Kreuz und Hakenkreuz 13 Bd. II j^nq
eine hauptarntliche Führerin aus dem Untergau geschickt werden
inüßte, wenn nicht die Gemeinde selbst eine geeignete Persönlich-
keit aufstellen und einen geordneten Betrieb durchführen, könne.
Diese ortsfremden Führerinnen, vom Untergau ge-
schickt, waren nun sehr gefürchtet; sie waren sich meistens ihrer
„Würde" sehr bewußt, hatten einen anmaßenden Ton. Mit großer
Rücksichtslosigkeit und ohne jedes Verständnis für die örtlichen
Gepflogenheiten, vor allem ohne jedes Verständnis für die katho-
lische Bevölkerung und die religiösen Bedürfnisse und Wünsche
der ansässigen Leute,- führten sie den ,, Dienst" durch und übten
häufig einen denkbar schlechten Einfluß auf die Mädeln aus.
b) Das Drängen der Eltern
Lassen wir uns hierüber von der katholischenLehrerin
selbst berichten:
„In dieser Not kamen nun- alle an der . Jugend interessierten
Leute zur katholischen Lehrerin: Bürgermeister und Gemeinderäte,
Ortsgruppenleiter und Frauenschaf tsführerinnen. Sie hatten alle
entweder selbst Kinder, die sie zwar aus irgendwelchen „Rück-
sichten" beim BDM und JM sehen wollten, für die sie aber eine
gute Führung wünschten, oder sie standen unter dem Druck der
Eltern, die nicht bei der Partei waren und die damit drohten, alle
. Kinder aus der Organisation zu nehmen, wenn nicht die katholische
Lehrerin die Führung in die Hand nähme. In vielen Fällen kam
sogar der Ortsgeistliche selbst zur Lehrerin mit der dringen-
den Bitte, au? Liebe zur Jugend und zur Kirche dieses
Opfer zu bringen und die Führung in die Hand zu nehmen. Ein
Pfarrer, der mich monatelang in diesem Sinn bearbeitete, sagte
schließlich: „Ihre religiöse Einstellung ist nicht viel wert, wenn Sie
diese Opferbereitschaft nicht aufbringen können." Dieser Vorwurf
beeindruckte mich nicht sonderlich. Als aber am gleichen Tage
eine brave katholische Mutter mit acht Kindern kam und sagte:
„Fräulein, wenn Sie nicht die Führung übernehmen, möchte ich
am liebsten alle meine Kinder eigenhändig erschießen.. Lieber sie
tot wissen, als von dieser Bande sittlich verdorben!" — wurde ich
doch wankend. y ■
Die Bitten der Eltern verstärkten und mehrten sich dann noch,
als die Mitgliedschaft zur' HJ Pflicht für die ganze Jugend wurde.
Doch ich suchte immer noch einen Ausweg für mich und für die
Gemeinde, indem ich den Eltern riet, mit aller Bestimmtheit zu
erklären: Die Lehrerin will die Führung des BDM nicht über-
nehmen. Einer anderen vertrauen wir aber unsere Kinder nicht an.
Unter dem Druck von oben suchte auch die Gemeinde einen
neuen Ausweg und sie beauftragte mich geradezu amtlich, die
„Betreuung" der BDMpflichtigen Jugend solange zu über-
194
nehmen, bis die Gemeinde selbst eine geeignete Führerin habe.
Nun konnte ich nicht mehr widerstehen. Freilich, ich wußte, die
Gemeinde und die Eltern hatten die stille , Hoffnung, daß sich recht
lange „keine geeignete Führerin" finden würde, daß ich also wohl
oder übel ' die Betreuung der Jugend behalten' würde. Ich teilte
dieses auch der Untergauführerin mit und erhielt von derselben
dann folgende Mitteilung: „Es ist nicht notwendig, daß D u (!) uns
mitteilst, daß Du nicht Führerin werden Willstl Wir wollen
Dichgarnicht alsFührerin. Wir werden Dich mit Deiner
Einstellung gar nicht als Führerin anerkennen, weil wir wissen,
daß Du es nur deshalb tun würdest, damit die Mädeln in Eurem
schwarzen Dorf keine echte nationalsozialistische Führerin be-
kommen. Du brauchst deshalb auch keinen Vorteil davon haben
und bekommst keinen Ausweis." Dieser Vorwurf berührte, mich in
keiner Weise. Ich war und blieb entschlossen, die Jugend nach
meinem Sinn und Gewissen zu führen."
c) Eine Betreuung des BDM, die alles andere als
nationalsozialistischwar!
„Den ,D i e n s t' füjirte ich grundsätzlich nur am Nach-
mittag durch, für BDM am Sonntag, für die Jungmädeln ah
einem Nachmittag der Woche. Wir lernten alte Volkslieder
(kein einziges Kampflied!), strickten fürs WHW, zeichneten,
spielten, turnten. Ich erzählte den Kindern von alten christ-
lichen Volksbräu C'hen (naCh dem Büchlein von Rathgeber
,Im Schatten d6s Dorfkirchleins'). Wenn in der Umgebung eine
sogenannte ,Frauentagüng' war (Standespredigt und Andacht),
machten wir eine Wanderung und nahmen daran teil. Wir be-
suchten die historisch interessanten. und wertvollsten alten Kirchen
aller nahen Orte.
Wenn wir bei schlechtem Wetter im Ort blieben, war Dienst
von 1 — V24' Uhr. Von ^U2 Uhr bis VsS Uhr war Pause, damit alle,
die wollten, an der Nachmittagsandacht teilnehmen
konnten. (Es waren meistens alle!) Als wir an einem Kreistag in der
Prov'inzstadt teilnahmen, gingen wir zuerst geschlossen zur
heiligen Messe in die Klosterkirche. Wir wurden beobachtet.
Zur ,Strafe' dafür wurde .uns beim nächsten Kreistag die freie
Fahrt auf der Eisenbahn entzogen. . — Wir nahmen deshalb • an
keinem weiteren Kreistag mehr teil! Niemand war unglücklich
darüber! ' '
Wir hatten in all den Jahren kein einziges Abannement
für die illustrierte Zeitschrift des BDM. Werbe-
schriften habe ich regelmäßig sofort verbrannt. Die Kinder be-
kamen kein einziges ,S c h u 1 u n g s h e f t' in die Hand, überhaupt
nie etwas , Gedrucktes', das von der Untergauführerin zugeleitet
wurde.
195
Ich schickte nie ein Mädel in ein Schulungslager — nur
zwei, deren Eltern es wünschten, nahmen einmal an einem Lager
teil.
An Veranstaltungen der Partei abends im Gasthaus nahmen
wir nie geschlossen teil.
Ich hielt nie einen Werbeabend oder sonst eine öffent-
liche Veranstaltung, an der auch Eltern hätten teilnehmen können.
Die jährliche Weihnachtsfeier, die immer rein
katholisch war (von der Herbergsuche bis zur Anbetung der hl. 3
Könige), hielt ich immer als S c h u 1 1 e i t e r i n --- es war immer
eine ausgesprochene Schulfeier."
Zufriedenheit der Eltern — Mißfallen der Partei
u n d d e s „B u n d e s"
Es ist begreiflich, daß die katholische Elternschaft mit dieser
„Betreuung" der BDMpfiichtigen Jugend sehr zufrieden war. Nicht
zufrieden war aber damit der Untergau. Man ließ uns dieses auch
bei jeder Gelegenheit fühlen: Es bekam nicht bloß ich keinen
Mitglieds- bzw. Führerinnenausweis; auch die Mädeln, die zum
Teil sehr darauf gewartet hatten, erhielten jahrelang keine Aus-
weise.
Bei Verteilung yon kostenlosen Turngeräten (Schlagbällen
usw.) wurden wir fast immer übergangen, ebenso bei der Ver-
teilung von Uniformstücken (Blusen, Röcken), die die Mädeln
besonders zu Kriegsbeginn sehr gern gehabt hätten.
Nach der Teilnahme an einer auswärtigen religiösen „Frauen-
tagung" wurden wir vom dortigen BDM verklagt. Ich erhielt einen
'gehässigen Brief, und bei der Verteilung von Gutscheinheften für
den Besuch von Jugendherbergen wurden wir zur Strafe wieder
übergangen.
Einmal war ich bei einer Lehrerinnenschulung. Die Mädeln
keimen an diesem Tage allein zusamrnen. Diese Situation wurde
vom Untergau ausgenützt. Die Mädeln erzählten am nächsten Tag,
wie sie von derselben „gehunzt" und „traktiert" wurden und wie
dieselbe über den ,,Saustair' in unserer Gruppe und vor allem! über
meine Person geschimpft hätte.
Eines Tages kam zur Visitation des Stützpunktes der Kreis-
leiter. Alle Parteiorganisationen mußten erscheinen. Ich hatte
mehrere Tage vorher dem 'Stützpunktleiter erklärt, daß BDM und
JM nicht teilnehmen, weil ich es nicht verantworten könne, daß die
Kinder spät abends dann die weiten Wege allein heimgehen müssen,
und weil ich es. vom pädagogischen Standpunkt aus nicht richtig
fände, .daß die Kinder überall bei den Erwachsenen seien. Der
Stützpunktleiter hieß meinen Standpunkt gut. Er selbst übernahm
den Bericht über unsere Gruppe und stellte fest, daß alles „wunder-
196
bar klappe", daß die Eltern sehr zufrieden seien und die Kinder
gern schickten usf.
,. Zu gleicher Zeit gab es in den BDM-Gruppen benachbarter
Orte dauernd Schwierigkeiten, Klagen der Eltern über die Führer
und die späten Abendappelle, an einem Ort sogar schwere sittliche
Entgleisungen innerhalb dieser Organisationen und HJ. Eltern und
Gemeinden gingen beschwerdeführend zur Kreisleitung und zum
Untergau und beriefen sich immer wieder darauf, daß es in X.
doch ganz anders söi, daß dort die Kinder immer ihre Sonntags-
pflicht erfüllen könnten, daß es dort keine Abendappelle gäbe.
Angesehene Eltern einer Nachbarortschaft stellten den Antrag, ihre
Kinder den eine Stunde weiten Weg zu mir schicken zu dürfen,
weil in ihrer Gruppe untragbare Zustände wären. In den Wirts-
häusern wurde natürlich viel darüber gesprochen und unsere Leute
waren so unklug, mit den Verhältnissen bei uns zu prahlen-.
Verklagt
Die ganze Angelegenheit endete schließlich
beim Bezirksschulrat. Eine BDM-Führerin der näheren
Umgebung, die schwer belastet war, klagte dem Schulrat ihr .Leid
und stellte fest, daß ich allein die Ursache wäre, weil ich mit
meiner Art der „Führung" überall Ärgernis geben würde. Statt
diesem sechzehnjährigen Mädchen klarzumachen: es habe sich
selbst als Führerin so zu .benehmen, daß es sich die Achtung der
Bevölkerung sichere, gab er ihm das Versprechen, es mit allen
Mitteln zu unterstützen, damit es das Ziel erreichen könne: „Das
schwarze Mistvieh muß weiter!"
Das Versprechen zu dieser zweifelhaften Unterstützung gab
der gleiche Schulrat, der nicht lange vorher meine Schule visitiert
und festgestellt hatte, daß sie eine seiner" besten sei, daß er schon
lange in keiner so guten Schule mehr gewesen sei — der dpn
Kindern und mir das größte Lob für die schulischen Leistungen
ausgesprochen hatte.
Damit war der Auftakt gegeben zu einem jahrelangen Kampfe
(Sommer 1938), in dessen Verlauf ich persönlich und beruflich ver-
folgt und gequält wurde und der erst ein Ende" nahm, als im Mai
1945 die ersten Amerikaner den Boden unseres Dorfes betraten."
Eine Stimme für Hunderte!
Viele katholische Lehrerinnen könnten ja
von sich ähnliches berichten.
UndungezählteBeamte, Angestellte, Arbeiter,
Geschäftsleute, Gesellen, Dienstmädchen usw.
desgleichen!
Wir grüßen sie alle in Hochachtung, „alle, die ihr Knie nicht
beugten vor Baal" (3. Kg. 19,18).
197
C, Hauptpunkte des kirchliclien Widerstandes.
So wenig erschöpfend auch die vorstehende Darstellung der
Kraftzentren des kirchlichen Widerstandes war,_
so mag sie doch schon überzeugen, daß Papst, Bischöfe, Priester
und Gläubige dem nationalsozialistischen Ansturm auf Christentum'
und Kirche auf der ganzen Linie entgegentraten und all seine
Fesseln zu sprengen suchten.
Aber einzelne, besonders heiß umkämpfte Frontabschnitte ver-
langen doch noch ausführlichere „Sonderberichte", die freilich auch
wieder bloß von einer verhältnismäßig kleinen Warte aus gegeben
werden können unci darum noch viele Ergänzungen von' anderer
Seite benötigen.
1. Hütet Euch vor den Götzen, Kläffern und Pfuschern!
(1. Jo. 5.21) (Pliil; 3,2)
„Habet acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der
G o ttesglaube, die erste und, unersetzbare Grundlage jeder
Religion, in deutschen Landen rein und unverfälscht , erhalten
bleibel" (Enz. „Mit brennender^ Sorge".)
Das war die erste Mahnung des Nachfolgers dessen, zu dem
der Herr gesprochen hat: „Ich habe für dich gebetet, daß dein
Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine Brüder."
(Lk. 22,32.) .
Wenige Zeilen später schrieb der HL Vater:
„W ir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern
und all den Gläubigen, die in der Verteidigung der Majestätsrechte
Gottes gegen ein angriffslüsterhes, von einflußreicher Seite leider
vielfach begünstigtes Neuheidentum ihre Christenpflicht erfüllt
haben und erfüllen. Dieser Dank ist doppelt innig und mit an-
erkennender Verbundenheit für diejenigen verknüpft, die in Aus-
übung dieser Pflicht gewürdigt wurden, um Gottes willen irdische
Opfer und, irdische Leiden auf' sich nehmen zu dürfen."
Damit wurde vor aller Welt anerkannt, daß Deutschlands
katholische Bischöfe, Priester und Gläubige in dem schweren An-
griff gegen feinen Gottes- und Christusglauben auf der Wache
standen und mutig Schwert und Schild erhoben gegen den Anti-
christ Nationalsozialismus. Hirtenbriefe, Denkschriften, Bischofs-
predigten, kirchenamtliche Erlasse haben uns dafür schon genug
der Beweise und Beispiele erbracht.
Aber auch die deutsche katholisch eWis,senschaft
trat trotz aller Fesseln immer offener auf den Plan und kreuzte die
Klingen mit den Mannen Thors und Verfechtern der national-
sozialistischen Weltanschauung, besonders mit ihrem Vorkämpfer
A. Rosenberg, „dem Beauftragten des Führers für die Über-
198
wachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung
der NSDAP."
Zwar hatte der Papst das Hauptwerk dieses „Theologen der
Nationalsozialisten", den „Mythus des 20. Jahrhunderts", bereits am
7. Februar 1934 gebrandmarl^t und verfemt, indem er es an
diesem Tage in das amtliche „Verzeichnis verbotener
Bücher" aufnahm und damit jedem ehrlichen Katholiken verbot,
dieses Buch ohne besondere Erlaubnis zu lesen, aufzubewahren, zu
leihen oder auszuleihen (can 1998).
Aber die parteiamtliche und amtliche Förderung dieses Mach-
werkes ging ununterbrochen weiter und verstärkte sich vielfach
zum schwersten Druck, so daß der Hl. Stuhl in einer Note , an die
Reichsr'egierung am 29. Januar 1936 feststellen mußte:
„Die Darlegungen der Note zu der Frage Rosenberg usw. weichen
den Erörterungen des Häuptproblems sichtlich aus, nämlich dem der
amtlichen und halbamtlichen Durchdringung des ge-
samten Schulungswesens mit dem kirchenfeindlichen und anti-
christlichen Geist, der in den Schriften dieses einflußreichen Amtsträgers
der den Staat tragenden Partei kämpferisch vertreten ist. Nicht die Ab-
wehr der 'Bischöfe, sondern der allseits eingesetzte amtliche und halb-
amtliche Druck, der die genannten- Schriften zur Grundlage staatlicher
Schukmgs- und Erziehungsveranstaltungen machte und macht, hat sie
zu der Verbreitung kommen lassen, die sie- gefunden haben. . Diese vom
Hl. Stuhl bereits früher dargelegte und bewiesene Tatsache dauert un-
vermindert fort mit all den unerträglichen Auswirkungen, die sie' für
d6n inneren Frieden, die Gewissen der Gläubigen, die Erziehung der
jungen Generation haben. Aus dieser Quelle träufelt Tag für Tag
das Gift der Verhetzung und Verächtlichmachung der
Kirche, ihrer Geschichte und Einrichtungen, ihrer Diener und Leiter
bis zur höchsten Spitze, dem Papsttum und seinem jetzigen Träger."
a) Abwehr von Rosenbergs Neuheidentum!
„H üt e t' E u c h V o r d e n P f u s c h e r n !"
(Phil. 3,2)
Gegenüber dieser fortdauernden Propaganda für Rosenbergs
Werk und seiner Auswertung in allen Gliederungen, Parteiblättern
und Schulungskursen war es notwendig, dieses Buch auch innerlich
zu überwinden, seine ganze Hohlheit und Haltlosigkeit, . Verlogen-
heit und Verbogenheit aufzuzeigen. Und das war Aufgabe der
katholischen Wissenschaft Deutschlands.'
Zu anderen Zeiten wäre dies gar keine schwere Sache gewesen
— das Werk stand ja auf ganz tönernen Füßen, war wirklich
nur unwissenschaftliches Sammelsurium von Dilettantismus, Über-
treibungen, Fehlschlüssen, Verleumdungen und^ Schmähungen — ;
aber in der Zeit der nationalsozialistischen Knechtung der Wissen-
schaft, des Wortes und Schrifttums war es ein Wagnis und Kunst-
stück.
Die ^Entgegnung mußte als „Kir ch li ch es Am tsblatt"
erscheinen, um einigermaßen gegen sofortige Beschlagnahme ge-
199
sichert zu sein. Darlegung und Widerlegung der Irrtümer mußte
vorsichtig formuliert werden, um der Gestapo nicht so leicht einen'
Vorwand zum Verbot zu geben. Druck und Verbreitung mußte
schlagartig und heimlich über ganz Deutschland geschehen. Die
Verfasser mußten ungenannt bleiben und sich dafür „Dunkel-
männer" schmähen lassen, wenn sie nicht riskieren wollten, alsbald
ihrer Hochschullehrstühle verlustig zu gehen und ins Konzen-
trationslager zu wandern.
Aber trotz all dieser Erschwernis gelang der Gegenstoß: Im
Oktober 1934 erschienen als „Kirchliches Amtsblatt" von Köln,
Münster usw. die
„Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts."
In streng wissenschaftlicher Weise wurde hier von katholischen
Fachleuten zu allen von Rosenberg aufgeworfenen wichtigen Fragen
Stellung genommien, zuerst zur Geschichte der Kirche in
Altertum, Mittelalter und neuer Zeit, dann zu Rosenbergs Kritik
an der Hl. Schrift (besonders am Alten Testament), endlich
zum E c k h a r d t - P r o b 1 e m. Trotz aller Beschlagnahmegefahren
gaben alle Diözesen Deutschlands ihrem Klerus und interessierten
Laien diese gründliche Widerlegung des „Mythus". In der Regel
wurde die Erlaubnis zum Lesen des ,, Mythus" nur noch gegeben
gegen die Verpflichtung und das Versprechen, auch diese Gegen-
schrift: „Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts" zu lesen.
Rosenberg spie zwar Gift und Galle gegen diese Schrift und
ihre Verfasser und schrieb gegen sie eine neue Schrift: „Die
Dunkelmänner unserer Zeit" (1935), die mit allen natio-
nalsozialistischen Propaganda- und Druckmitteln weitestens ver-
breitet, Beamten geradezu amtlich aufgezwungen wurde.
Anton Koch gab trotz aller Verbotsgefahr (das Verbot ließ
tatsächlich nicht lange auf sich warten) 1934 eine Broschüre heraus:
.,,Der neue Mythus und der alte Glaub e", die als Amts-
blattbeilage dem ganzen Klerus der Erzdiözese u. a. gegebeifi wurde.
Als dann der
„Deutsche B a u e r n k a 1 e n d e r 1935"
es wagte, die antichristlichen Gedanken Rosenbergs auch ins Bauernhaus
zu tragen (siehe I.Teil unter „Kampf gegen das katholische Schrifttum"),
da erhob z. B. der Bischof von T r i e r laut seine Stimme dagegen.
Die „Germania" berichtet darüber am 7. Februar 1935:
,.Im , Kirchlichen Amtsanzeiger für die Diözese Trier' nimmt jetzt der
Bischof von Trier Stellung zu dem ^Deutschen Bauernkalender 1935",
herausgegeben vom Reichsnährstand. Der Bischof ist erstaunt und bis
ins tiefste erschüttert, daß der Reichsnähz-stand, in dem alle deutschen
Bauern und Bäuerinnen vereinigt sind, dem christlichen deutschen
Bauernstand diesen Kalender anbietet. In das Haus Icatholischer Bauern
und Bäuerinnen gehört dieser Kalender wirkhch nicht hinein, d a e r
jedes christkatholische Empfin'den auf das tiefste
verletzt. Das Selbstbewußtsein des katholischen Bauern und der
Icatholischen Bäuerinnen wird sich eine solche Mißachtung ihres Glau-
bens und ihrer heiligen Kirche auf das entschiedenste verbitten."
200
Diese und ähnliche Versuche der Popularisierung der
Rosenbergideen macht;en noch ergänzende, zur Massen-
verbreitung geeignete wissenschaftliche Verteidigungsschriften
katholischen Glaubens nötig.
So nahm der Paderborner Neutestamentier Karl Pieper
im Juni 1935 in einer Broschüre: „Die angebliche Ein-
setzung des Petrus?" (Schöningh, Paderborn) Stellung gegen
das 1. Kapitel der „Dunkelmänner"-Schrift, gegen die negative
Bearitwortung der „Kernfrage, mit deren Behandlung
jede Darstellung der römischen, Kirche ihren
Anfang nimm t."
P. Th. Paffrath O.F.M. wandte sich 1936 in einer Schrift:
„Das •Gotteslicht im Alten Testament" gegen die von
Ptosenberg beliebte Verunglimpfung und Mißdeutung des Alten
Testamentes (bald verboten!).
Gegen Ludendorffs Streitschrift: ,,Das große Ent-
setzen — die Bibel nicht Gottes Wort" und ihre gröb-
lichen Irrtümer und Fehlschlüsse schrieb Dr. Karl Pieper,
Pcxderborn, auf Veranlassung des Erzbischöflichen Ordinariats Mi^n-
chen eine Broschüre: ,;D i e Bibel — Gottes Wort", die. in
weit über 100 000 Exemplaren in ganz Deutschland verbreitet
wurde.
In ganz Deutschland aber wurde die nationalsozialistische Hetze
gegen die Bibel mit einer Mehrung der Bibelpredigten,
mitgesteigerterWerbungf.ürBibelerwerb, Bi b,e 1-
lesung und Bibelkurse erwidert. Die Ausgaben des
Neuen Testamentes von P. Dr. Konstantin Rösch (Schöningh-
Verlag), ebenso jene von Dr. Peter Ketter (Keppler-Verlag)
nahmen um Hunderttausende zu. In Stuttgart erstand die „K a t h o-
lische Bibelbewegun g", welche sich rasch über alle Diö-
zesen Deutschlands ausbreitete.
Gaben die gemeindlichen Standesämter den Brautleuten Hitlers
„Mein Kampf" als Hochzeitsgeschenk, so schenkte ihnen die Kirche
vielerorts eine schön ausgestattete Bibel. Das „Katholische Bibel-
apostolat München" z. B. erwarb hiefür auf einmal über 7000 Exem-
plare der „Familienbibel" von Dr. Peter Ketter (Keppler-Verlag).
Im Jahre 1937 trat dann
Erzbischof Dr. Konrad Gröber von Freiburg
mit einem scharfen Schwert in die Arena, mit dem 600 Seiten
starken Buch:
„Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen"
(Verlag Herder, Freiburg).
Den Zweck seiner Schrift umreißt der hohe Verfasser selbst
in dem Vorwort mit den Sätzen:
Kreuz und Hakenkreuz 14 Bd. II
201
„Den gegenwärtigen Mißverständnissen unseres Glaubens und
der Verkennung unserer heiligen Kirche ' gegenüber will dieses
Buch zunächst in den eigenen, von Verwirrung bedrohten Reihen
das wirkliche Wesen und Leben der Kirche bezeugen und über den
Auftrag, mit dem sie als der auf Erden fortlebende Christus auch
"in unser deutsches Volk gesandt ist, Rechenschaft geben. Seine
Fragestellung ist überall,- auch dort, wo Geschichte und biologische
Gegenstände gestreift werden, die theologisch-wissenscha;Etliche,
seine Grundhaltung die Seelsorge."
Mit umfassendem Wissen und schreibgewandter Feder behandelt er
in alphabetischer Reihenfolge die verschiedensten aktuellen Fragen, teil-
weise in längeren Sonderaufsätzen, vor allem solche Punkte, die vom
Nationalsozialismus besonders angegriffen, entstellt. oder geleugnet wur-
den, z. B. Ablaß, Abstammungslehre, . Ägyptischer Joseph, Altes Testa-
ment, -Arier, Artgemäßes Christentum, Aszese, Autorität, Bauernkriege,
Caritas, Christianisierung der Germanen, Demut, Deutsch-religiöse Be-
wegung, Dogma, Eckhart, Ehe, Ehre, Eid, Eigentum, Erbsünde, Erlösung,
Erziehung, Eugenik, Frau, Freimaurerei, Gebet, Gebot, Gebräuche (heid-
nische und religiöse), Gemeinschaft, Germanentum, Gesetz, Gottesglaube,
Gottesdienst, Heiligkeit und Heiligenverehrung, Hexen, Humanität, Jen-
seits, Jesuiten, Jesus, Index, Inquisition, Judentum, Internationalismus,
Kapitalismus, Karl der Große, Katholische Aktion, Ketzerverfolgung,
Keuschheit, Kirche, Kommunismus, Konfession, Konkordat, Körperkultur,
Lebensrecht (Euthanasie, Sterilisation), Leid, Liberalismus, Marxismus,
Mittelalter, Moral, Mystik, Mythus, Nationalkirche, Nietzsche, Offen-
barung, Orden, Papsttum, Paulus, Politischer Katholizismus, Priestertum, ■
Rasse, Recht, Sakrament, Säkularisation, Schule, Staatskult, Sünde, Tal-
mud, Todesstrafe, Totalität, Tugend, Vaterland, Vererbung, Volk, Welt-
anschauung, Zölibat Tjsf.
Ein verlässiger Kömpaß auf dem Ozean von Irrtümern, auf welchen
der Nationalsozialismus groß und klein trieb!
b) Abwehr der Heuchelei vom „positiven Christentum**.
Punkt 24 des Programms der NSDAP lautet: „Die Partei als
solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christen-
tums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu
binden."
Noch ein volles Jahr nach der Machtübernahme wagte es der
Heiaüsgeber der Zeitschrift „S e e 1 e",
Dr. Alois Wurm,
die ganze Le'ere undVieldeutig k'e it dieses Satzes
aufzuzeigen. In Nr. 6 des Jahrganges 1934 schrieb er:
„Von' positivem Christentum'
Der bayerische Ministerpräsident Siebert sprach 'jüngst in
einem Sinne, der das' ernste Ringen mit den religiösen
Pioblemen um Nationalsozialismus und christliche Kirchen zu er-
mutigen schien. Ein solches steckt in Punkt 24 des Programmes
der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Als religiöse
Zeitschrift haben wir Anlaß, dieser Frage auf den Grund zu gehen.
202
Punkt 24 des Programmes der NSDAP lautet: ,Die Partei als
solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne
sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden'.
'Was galt bisher als ,positives -Christentum'?
Der Glaube an Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer
Himmels und der Erde und an Jesum dhri^tum seinen ein-
gebornen Sohn, der, Mensch geworden aus Maria, der Jung-
frau, die sündigen Menschen durch seinen Liebestod am
Kreuze erlöst hat, am dritten Tage von den Toten auferstanden,
in den Himmel aufgefahren ist und einst kommen wird, zu richten
die Lebendigen und die Toten; und an Gott, den Heiligen
Geist, der die aus allen Völkern sich bildende K'i rche Christi
durchwaltet. Und in ihm an die Gemeinschaft der Heiligen, Nach-
laß der Sünden, Auferstehung der Toten und ein ewiges Leben.
Das war der Glaube des Christentums^ seit den Zeiten der
Apostel und ist es geblieben bis auf den heutigen Tag bei allen,
die auf positiv christlichem Boden stehen.
Ist es nun nötig, eine einzige dieser christ-
li(;hen Grundwahrheiten zu glauben, um der
NSDAP oder der SA oder einer sonstigen NS-Organisation an-
zugehören?
Nein, eä ist nicht nötig. ,Ein jeder kann nach seiner
Fasson! selig werden', erklären Minister Goebbels und A. Rosen-
berg: ,Wir kämpfen nicht mehr um Dogmen, dieser Kampf ist zu
' Ende.* Selbst Ministerpräsident Siebert, der den ,Glauben an Gott*
das ,Größte und Herrlichste' nennt, sagt, daß »dagegen das Dogma
immer Menschenwerk' gei.
Eine zweite Frage: Kann man der NSDAPoder der SA
usw. a n g eh ö r e n, wenn man auf ausgesprochen nicht-
christlichem Boden steht, ja einer Organisation angehört,
in der weite Kreise wie in der ^Deutschen Glaubensbewegung' das
Christentum als ungermanische Fremdreligion grundsätzlich ver-
werfen?
J a, m an k a n n e s. Denn die Tatsachen beweisen es. . Es wird
nur nicht, wie einzelne Vorfälle dartun, geduldet, daß germanisch-
freidenkerisch gerichtete u. ä. Vereine oder Organe tun, als ob der
Führer des NS-Staates auf eine deutsche Religion in ihrem Sinne
hinarbeite. Man läßt auch in den eigenen Reihen Artikel, und
Bücher wirken, wie die indizierten von Ernst Bergmann (,Die
deutsche Nationalkirche') und von dem offiziellen Weltanschauungs-
dezernenten der Partei, A. R o s e n b e r g, die alle fundamentalen
christlichen Dogmen leugnen oder bekämpfen, ja,, die Partei macht
Rosenbergs ,Mythus des 20. Jahrhunderts' neben A. Hitlers ,Meiii
Kampf' zur geistigen Grundlage für das nationalsozialistische Werk
jKraft durch Freude', von dem jüngst auf der Münchener Tagung
203
vom 12. und 13. Mai der Reichsorganisationsleiter der Partei und
der deutschen Arbeitsfront, Claus Selzner, sagte: ,Die NS-Gemein-
scha.ft Kraft durch Freude , wird das ganze Volk total umfassen.
Kampf gegen die Gottlosigkeit?*) •>
Man wird darauf verweisen, daß die NS-Bewegung den
Atheismus bekämpft. Das trifft für den Atheismus mar-
xistischer Herkunft zu. Aber extreme Nationalisten, die wie Ernst
Bergmann die ,Idee eines außerweltlichen und votweltlichen
Geistes- und Schöpfergottes' für , kindlich und widersinnig' erklären
(Die deutsche Nationalkirche,, S. 26) und nur an ,das Göttliche
i n u n s' glauben, und das sind ,wir selbst und unser heiliger Wille'
(ebenda, S. 15), solche Vertreter , deutsch-nordischen' Wesens (und
sie sind nicht vereinzelt) sind zugelassen und haben Einfluß. Und
veranlaßt durch die Besorgnisse der deutschen Glaubensbewegung
hat ja der Stellvertreter des Führers die Gewissensfreiheit ver-
bürgt, und Rosenberg vertritt sie emphatisch.
Wird man den Sinn: jenes Wortes also dann darin suchen
müssen, daß die NS-Bewegung zwar nicht auf dem Boden der
christlichen Lehre stehe, aber die christliche Tat verlange?
Manche Äußerungen NS-Führer scheinen diese Lösung nahezulegen.
Aber kommt nicht die christliche Tat aus christlicher Überzeugung,
d. h. aus der Ergriffenheit über die Liebestat Gottes an den Men-
schen in der Erlösung durch Jesus Christus?
Oder welche Taten sind gemeint?
Reichsminister Goebbels wird, ähnlich wie Rosenberg in seiner
Königsberger Rede, konkret, wenn er dem Streit in der protestan-
tischen Kirche vorwurfsvoll die christliche Tat der NS-Reichs-
regierung entgegensetzt, die 320 Millionen für die Winter-
hilfe aufgebracht habe.
Die NS-, Winterhilfe' ein Ausfluß undErweis
,positiven' Christentums?
Es bedarf wirklich unserer Anerkennung dafür nicht, daß es
der NS-Regierung, allerdings nicht ohne tatkräftige Unterstützung
der beiden christlichen Kirchen, gelungen ist, soviel mehr für die
Winterhilfe aufzubringen, als es ihre Vorgängerinnen vermocht
haben.
Aber , Winterhilfe' hieß, einen namhaften Teil des deutschen
Volkes vor Hunger und Frost schützen, und wenn die Vplkswohl-
f ahrt eine natürliche Aufgabe jeder Regierung ist
und als solche seit langem anerkannt ist, dann ;fällt die Beseitigung
oder wesentliche Herabminderung ihrer ärgsten Hemmungen —
*) Die Überschriften sind zur Verdeutlichung vom Verfasser ein-
gefügt.
204
hier ist auch die Arbeitslosigkeit zu, nennen — nicht außerhalb
dieses natürlichen Rahmens.
Man stieß auch in der von der NS-feewegung betriebenen
Winterkampagne in der Tat auf kein Motiv christlicher
Caritas (solche verwandte die Kirche), sondern immer nur auf
das natürliche Motiv der Volksverbundenheit.
Es war nicht die Rede von der gemeinsamen absoluten Bettler-
schaft vor Gott, von der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Gott, von
der Verbundenheit durch Taufe und im Herrenmahl, von denviEleich
Gottes? und seinem heiligen Geist der Liebe, von der Bruderschaft
Christi> von dem ,Alles, was ihr dem Geringsten getan habt, habt
ihr mir getan', von der Heilserfahrung unermeßlicher Erbarmung
Gottes, die von selbst zur Erbarmung mit dem Nächsten wird usw.,
sondern nur davon, daß einer dem andern helfen
müsse, weil er dessen Volksgenosse ist. Das ist gewiß
ein gutes Motiv und wie alles natürlich Gute (um dies wiederholt
zu sagen) von der christlichen Kirche anerkannt. Aber es
bleibt eben doch im Rahmender natürlichen Ethik-
wie alle sittlichen Begriffe des Nationalsozialis-
mus v,' i e Liebe zum Volk und Volkstum, Ehre, Mut,
männlicher Geist, kämpferischer Sinn^usw. Um
diese zu lehren, ist der Sohn Gottes nicht Mensch geworden. Dazu
bedurfte es also kfeines Christentums.
Das Ziel der NS-Partei rein irdisch-politisch!
Das ergibt sich ja auch klar aus dem Ziel der Partei. Der
Nationalsozialismus will das deutsche Volk in jeder Hinsicht geeint
sehen, damit es, innerlich erstarkt, groß und königlich im Kreis
der Völker dieser We\t sich durchsetze und erscheine — : eine nicht
geringe politische Aufgabe, aber keine. religiöse
oderreligiösbegründete.
Es dreht sich um Wohlfahrt, Macht und stolze
Größe in der We^t (und das liegt in der natürlichen Ziel-
richtung jedes Staates), nicht um ein Kleinsein vor Gott, nicht um
ein wachsendes Freiwerden in dem begnadigten Lichtkreis der gött-
lichen Liebe, nicht um den Dienstwillen am Bruder aus der Er-
grifl'enheit von Gott her, nicht um demütige Bereitschaft (denn
Hochmut läßt es nie dazu kommen), als Volk das Einmalige darzu-
stellen, das in Gottes Willen die Berufung jeder einzelnen Nation ist.
Das alles könnte nur von Gott und von Christus her mit Hilfe
der Kirchen in Bewegung gesetzt werden. Aber es spricht wenig
dafür, daß die Partei ein wirkliches inneres Verhältnis dazu hätte.
Sie müßte ja sonst die Einflußsphäre der Kirchen, insbesondere auf
die Jugend, eher erweitern als einengen, auch wenn der ns. Staat
im Rahmen seiner weltlichen Aufgabe verbliebe. So ist auch von
da aus der positive Kern jenes Programmwortes
205
nicht zu finden, sofern man den Begriff des Christlichen in
dem wahren und hohen Sinn nimmt, den es von Christus her hat.
Soviel hat sich also bis. jetzt ergeben: Mit Punkt 24 des
Parteipro grammes soll eine positive Bindung an
irgendein christliches Grunddogma (der Trinität, In-
karnation, Erlösung, Auferstehung usw.) nicht ausgesprochen
sein. Ein über das Natürliche hinausgehendes s p e z i f i s c h -
christliches Ethos wird 'gleichfalls nicht gefordert. Viel-
mehr ist das positiv Treibende der Bewegung nicht
Erf ülltheit von Christi Wort und Tat, sondern Bestimmtheit
durch die natürlichen Gegebenheiten: Boden,
Blut, R a s s e. und ihre charakterliche Auswirkung. M'b t i v e
und Ziele der Bewegung sind, gleichviel wie man sie be-
wertet, s am tlichnatürlicherOrdnung.
Religiöses Hauptziel: Einheitliche deutsche
Gotteserkenntnis und deutsche Natiofialkirche
Also wieder nicht .Positives Christentum'
Aber ein Hauptziel ist die Einheit der Nation. Diese
aber ist konfessionell gespalten. Diese Spaltung zu beseitigen ist
immanentes Verlangen der NS-Bewegung. Gewaltsamkeit aber
könnte das Übel -möglicherweise verschlimmern. So nimmt auch
G. Feders Programmerklärung zu Punkt 24 Rücksicht auf' die der-
zeitige Gegebenheit, ohne freilich die Möglichkeit auszuschließen,
daß das .deutsche Volk dereinst einmal eine neue
Form finden wird für seine G'o tteserkenntnis und
sein G 1 1 e r 1 e b e n'. Andere nicht unbeträchtliche Kreise ar-
beiten schon gegenwärtig auf das Ziel der .deutschen Natio-
nalkirche' hin. ■ Und selbst Baidur von Schirach, der
sich jüngst einen ,positiven Christen' nannte, aber
•keinesfalls evangelisch ' oder katholisch sein will, sieht den tiefsten
Sinn der NS-Bewegung darin, ,daß sie in der kämpferischen Ge-
meinschaft das konfessionelle Bekenntnis überwindet und a n
Stelle der kirchlichen Überzeugung die völkische
setzt' (5; Oktober 1933 in Frankfurt a. O. nach der .Oderzeitung'
vom 6. Okto'ber 1933). Aber auch er trug in seiner Rede vom
19. März in ^Halle der realpolitischen Lage mehr Rechnung. ,
Der Sinn der Formelvom .Standpunkt
despositivenChristentums'
ist also, je nach der realpolitischen oder ideologischen Einstellung
verschieden: -
1. In realpolitischer Hinsicht: es sollen die
gegebenen christlichen Bekenntnisse nicht ge-
waltsam beseitigt, sondern eher, soweit sie sich positiv zur
NS-Bewegung stellen, dafür ausgenutzt werden.
206
Aus dieser realpolitischen Einsicht heraus schließt der Staat
auch sein Konkordat mit dem Hl. Stuhl und führt das
Kultusbudget weiter, wie es gewisse deutsche Länder vor-
her getan haben. Dies war im Zeichen der liberalistischen Auf-
fassung geschehen. ,
Ein „christlicher Staat" war damit nicht begründet. Natürlich
wird er auch durch das wesentlich gleiche Verfahren der NS nicht
begründet, wenn auch der mit Brünings Verbot der Gottlosen-
bewegung anhebende, vom NS energisch geführte Kampf gegen
die marxistisch bestimmte Gottlosigkeit wie auch gegen
Schmutz und Schund von kirchlichen Instanzen hoch-
gewertet wurde. Eine christliche Grundlegung des Staates ist da-
mit schon deshalb nicht gemeint, weil, wie wir sahen, eine Gott-
gläubigkeit in christlich-dogmatischem Sinn nicht von der den
Staat tragenden Partei gefordert ist und die sittliche Staats-
gebarung nicht aus christlichen, sondern rassisch-völkischen Prin-
zipien hergeleitet wird. ■
Der Sinn des Wortes vom ,positiven Christentum* ist also
realpolitisch der, daß die bestehenden christlichen Konfes-
sionen vom NS-Staat anerkannt sind in der Erwartung, daß sie
sich in den Dienst der NS-Staatsidee stellen, ohne daß der Staat
selber christlichen Dogmen, christlichem Ethos, christlichem Geiste
seine Zielsetzung, seine Richtlinien, seine Handlungsweise ent-
nähme.
2. Neben der realpolitischen Betrachtung, in gewissem Sinn
auch gegen sie, steht die ideologische. Sie geht aus von der
Frage nach dem Inhalt der Formel. Die' Antwort lautet zunächst
nach der negativen Seite, ^aß das ,positive Christen-
t um' nicht identisch sein will mit dem offiziellen
evangelischen oder katholischen Bekenntnis. Was
der positive Inhalt sein wird, vermag derzeit keiner der
I'ührer zu sagen. Es wird als Ergebnis eines geistigen Prozesses
im deutschen Volk erwartet. Doch ist schon jetzt zu sagen, daß es
wohl keines der alten christlichen Dogmen als verbindlich erklären
vvird. Man rechnet indessen mit irgendeinem christlichen
Niederschlag, dergewiß germanisch durchtränkt
sein wir d." -
Einein.facherLa'ndpfarrer
wagte in gleicher Sache folgenden Brief an den allgewaltigen Verfasser
des Parteiprogramms: *
Vom katholischen Pfarramt Perasdorf. Perasdorf, 15. April 1Ö35
Herr Reichskanzler und Reichspräsident!
Betreff: Beeinträchtigung der religiösen Rechte.
Was daspositive Christentum ist, das kann nicht der
Staat bestimmen. Hier spricht allein die Kirche.
Noch weniger ist es die Sache irgendwelcher einzelner Per-
sönlichkeiten, den Inhalt des Gottesglaubens nach eigenem Gut-
207
dünken maßgebend zu bestimmen. Das Vergnügen ihrer privaten Mei-'
n.Ling soll ihnen unbenommen bleiben. Wenn aber ein Rosenberg, ein
Baidur von Schi i'ach und noch mancher andere ihrer Art mit auHallen-
der Angelegentlichkeit ihren Glauben an Gott öffentlich beteuern, so
muß ein solches Bekenntnis dem Angehörigen irgendeiner positiven, d. h.
kirchlichen Form des Christentums notwendigerweise äußerst gleich-
gültig sein.
Der Katholik kann sich oft des unwillkürlichen Eindruckes nicht
erwehren, daß der tonangebende Zeitgeist nicht ebenso besonders viel,
dagegen einzuwenden hätte, wenn vom deutschen Volke eine Geistes-
richtimg Besitz ergreifen würde, welche der gläubige Christ moder-
nes Heidentum nennen müßte, wenn sie auch gleich nur schaler,
hohler Rationalismus ist.
Rosenbergs „M y t h u s", diese neue Sammlung alter ratio-
nalistischer Irrtümer, ist eine religiöse Kriegserklärung. Kaum einmal
wird eine politische Rede ' gehalten, welche nicht durch Angriffe
auf die Konfessionen ^entstellt wäre. Manche derai'tige Leistung
ist geradezu unerhört, '^s wäre nicht gut, wenn sich die Gegensätze so
lange zuspitzen würden, bis die Lage unerträglich würde.
Wenn wir amtliche Vertreter des positiven Christentums ferner noch
ernst genommen werden wollen, werden wir in absehbarer Zeit jeden
öffentlichen Angriff auf die Religion ebenso öffentlich und bestimmt ab-
weisen müssen.
Schließlich täte uns positiven Christen — Katholiken wie Protestan-
ten — wieder eine strengere Kirchenzucht not. Man hat sie ja schon
gehabt. Auch in nicht mehr konfessionellen Schulen müßten die Kir-
chen auf diese W e ise ihre natürlichen Rechte wahren.
Als zufällige Probe blinder Gehässigkeit liegt ein Flügblatt bei, wel-
ches jüngst im katholischen Straubing verbreitet worden ist. Empörend
waren allerlei Vorgänge bei der katholischen Caritassammlung in Mün-
chen. Wenn sich die Polizei nachträglich in starken Worten gefiel, so
hat sie sich damit vor der breitesten . Öffentlichkeit bloß selbst ins Un-
recht gesetzt.
gez. Witt, Pfarrer.
c) Abwehr der „falschen Propheten" im „gottgläubigen" Schafskleid
Ana 20. Juli !1937 verordnete das Erzbischöfliche Ordinariat
München nachfolgende Kanzelverkündigung:
„Der Reichsminister des Innern hat am 26. November 1936
neue Bezeichnungen für die Religionszugehörigkeit angeordnet.
Demgemäß unterscheiden die staatlichen Ämter in Zukunft folgende
drei Gruppen:
1. Angehörige einer Religionsgemeinschaft oder einer Welt-
anschauungsgemeinschaft,
2. Gottgläubige, «
3. Glaubenslose.
Zur Verhütung jeglichen Irrtums sei hiezu folgendes bemerkt:
Die Katholiken sind Angehörige einer Religionsgemeinschaft,
nämlich der katholischen Kirche. Sie bezeichnen sich daher bei
jeder Fersonenstandsauf nähme, vor jedem Standesamt, auf jedem
Fragebogen als »Katholisch' oder als »Angehörige der katholischen
Religionsgemeinschaft', niemals aber als ,gottgläubig'. Denn dieses
208
Wort besagt im Sinne der genannten staatsamtlichen Verordnung,
daß jemand n u r an ein höheres Wesen irgendwelcher Art glaubt,
nicht aber an den dreieinigen Gott, nicht an die Er-
lösung du rch Christus, nicht an die von Christus
gestiftete Kirche, nicht an die von Christus ein-
gesetztenSakramente.
Katholiken! Seid daruhi auf der Hut! Laßt euch nicht täuschen
durch das Wort ,gottgläubig'.. Laßt euch nicht irreführen durch
andere Erklärungen und Ausdeutungen! Laßt euch nicht ein-
schüchtern durch irgendwelche Drohungen! Bei auftauchenden
Zweifeln oder Schwierigkeiten wendet euch sofort an den Seel-
sorger!
Steht in dieser Stunde der Entscheidung fest zum Glauben
eurer Väter und bekennt ihn offen und unerschrocken! Gedenkt
des ernsten Heilandswortes: ,Wer mich vor den Menschen bekennt,
den werde auch ich vor meinem Vater bekennen, der im Himmel
ist. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch
ich vor meinem Vater verleugnen, der im Himmel ist'!"
Abfall vom Glauben, und Austritt aus der
Kirche gelten seit apostolischen Zeiten als größte Schmach
und als schwerste Sünde. Umgekehrt erfleht die Kirche die
Barmherzigkeit Gottes für hinscheidende Seelen gerade mit dem
Hinweis auf ihre Glaubehstreue, indem sie spricht:
,, Erfreue, o Herr, diese Seele mit Deinem Anblick! Mag sie
auch, gesündigt haben, so hat sie doch den Vater und den Sohn und
den Heiligen Geist nicht verleugnet, sondern an sie geglaubt."
Zum Ausdruck unseres Glaubens an den dreieinigen Gott im
Leben und Sterbea laßt uns nun stehend miteinander das alte
apostolische Glaubensbekenntnis beten: ,,Ich glaube an Gott ..."
Zur Stütze dieser Kanzelverkündigung wurden auc]i noch an
allen Kirchentüren mehrere Plakate angeschlagen, die in
kurzen Worten Aufklärung über die neue ,, Gottgläubigkeit" boten
und zum Festhalten am alten katholischen Glauben mahnten.
Außerdem wurden Hunderttausende von Handzetteln ähn-
lichen Inhalts bei Sonntagsgottesdiensten verteilt. Erst recht wurde
in Predigten dargelegt, was der Glaube, den die Apostel vom
Herrn überkommen und uns überliefert haben und die Kirche uns
lehrt, beinhalte und bedeute im Gegensatz zu dem, was die sinn-
leere Etikette ,, Gottgläubigkeit" für „irgendein mehr oder minder
willkürliches Gebilde menschlichen Suchens und Sehnens" vor-
täuscht. Mit aller Deutlichkeit und Eindringlichkeit wurde iminer
wieder dargelegt: „Unser Gott ist der persönliche, übermenschliche,
allmächtige, unendlich vollkommene Gott, einer in der Dreiheit
der Person, dreipersönlich in der Einheit des göttlichen Wesens,
der Schöpfer alles Geschaffenen, der Herr und König und letzte
Vollender der Weltgeschichte, der keine Götter neben sich duldet
i;ioch dulden kann" (Aus der Enzyklika „Mit brennender Sorge").
209
d) Abwehr des „falschen Propheten" im Feldherrnmantel.
„HütetEuchvordenKläffern!"
(Phil. 3,2)
Wir haben schon im ersten Teil dieses Kapitels gesehen, wie
energisch die katholische Kirche gegen die- unsachlichen, unwissen-
schaftlichen und unfeinen Angriffe Ludendorffs und seiner
Gattin Mathilde auf die Bibel reagierte. LudendorlTs Haß und
Kampf gegen Christentum, Kirche und Priestertum erfreute sich
aber immer größerer Freiheit, parteiamtlicher und polizeilicher
Unterstützung, 'je mehr er mit Hitler politisch zusammenging.
Pilatus und Herodes wurden auch hier Freunde in ihrer gemein-
samen Gegnerschaft zu Christus.
Beim Tode Ludendorffs boten darum Reichsregierung, National-
sozialismus und Militarismus alles auf, um ihn noch mächtig zu
ehren. Die Kirche aber blieb fern und still, selbst in
München, wo der General gestorben war und sein feierlicher
Leichenzug nach Tutzing begann.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München gab hierfür
folgende Weisung:
„An die Hochw. katholischen Seelsorgestellen der Erzdiözese.
Die deutschen Bischöfe haben in Ausübung ihrer amtlichen Vollmacht,
■ die auch im Reichskonkordat gewährleistet ist, für ihre Kirchen und ihre
Geistlichen einstimmig angeordnet, daß aus Anlaß des Todes von General
Ludendorff die Kirchen, kircheneigenen Gebäude und die Wohnungen
von kirchlichen Dienststellen nicht zu beflaggen sind.
Zur Begründung dieser Anordnung geben wir nachstehende Er-
klärung. Diese Erklärung ist vorerst nicht zum Verlesen auf der Kanzel
bestimmt, kann aber bei einem amtlichen Verhör oder sonstigen Anlaß
sachlich und ruhig, ohne Polemik verwertet werden.
Erklärung, warum wir unsere Kirchen nicht beflaggen.
Die kirchlichen Behörden verstehen es durchaus, wenn staatliche,
parteiamtliche und militärische Stellen ' in dem verstorbenen General
von Ludendorff nur den Feldherrn im Weltkrieg sehen und seine Bei-
setzung mit höchsten Ehren umgeben. Die kirchlichen Behörden . aner-
kennen die Verdienste, die der verstorbene General mit vielen anderen
•Führern im -Weltkrieg sich erwarb, mußten aber mit tiefem Schmerz
feststellen, daß General Ludendorff nach dem Weltkrieg sein Kriegs-
talent und seine ganze Energie zum leidenschaft-
lichen Kampf gegen , Chris ten tum und Kirche ein-
setzte.
Wir erinnern an die Gotteslästerungen, wenn General Luden-
dorff den dreimal heiligen Gott der Offenbarung den Götzen der Natur-
völker gleichsetzte oder als Stifter einer neuen Weltanschäuungsgemein-
schaft »Deutsche Gotteserkenntn i's' dem deutschen Volk einen
deutschen Gott aufdrängen wollte. .
Wir erinnern an die Christüslästerungen, wenn er die
These seines Hauses sich zu eigen machte, man müsse das deutsche Volk
,von Christus, dem Juden, erlösen'.
Wir erinnern an die lästerliche Sprache über die Bibel,
die er eine ,Fälschung', ,ein trügerisches Menschenwerk für die Juden,
für Roms vind für herrschsüchtiger Priester Herrschaft'' nannte, *
210
an die Schmähungen kirchlicher Lehrsätze und Ein-
richtungen, die in Wort und Bild in den Schaukästen des Verlags
dem Volk vor Augen gestellt wurden,
an die Schmähungen gegen Papst und Papsttum,
an den 'Spott über die Mutter Gottes unter Hinweis auf ein von
einem Neger geschnitztes Madonnenbild,
an die Lästerungen über das zarteste Geheimnis unserer Liturgie,
über das Altarssakrament,
an den nicht mehr menschlichen Haß gegen Priester und
Ordensleute, im besonderen gegen die Jesuiten und gegen den
hl. Alfons V. Liguori, wobei er auch davor nicht zurückschreckte,
zur Verhöhnung der christlichen Sittenlehre aus trüben Quellen, wie aus
dem Schmähbuch Graßmanns, zu schöpfen und allgemein ,vc)m Unheil
der Christenlehre' zu reden. •
In ungezählten Artikeln hat Ludendorff die katholische Kirche als
eine ,überstaatllche Macht' mit allen staatsfeindlichen
Mächten auf die gleiche Stufe gestellt.
Mit einer Kühnheit, bei der die Phantasie alle Beweisgründe er-
setzen mußte, hat er oftmals die himmelschreiende Unwahr-
heit behauptet, der Papst habe aus Haß gegen Deutschland den
vierjährigen Weltkrieg angeschürt, der das Blut von Mil-
lionen kostete, und plane jetzt schon wieder neue Kriege. In der Bro-
schüre ,Hitlers Rompolitik im Dienste der päpstlichen Kriegshetze',
Seite 8, steht der furchtbare Satz: >Nahezu alle unsere Kriege sind
Kriege der römisch-jüdischen Kirche gegen uns ge-
wesen.'
Mit diesen und vielen ähnlichen Aussprüchen hat General. Luden-
dorff in uferloser Gehässigkeit den Kampf gegen Christentum und Kirche
geführt und diesen unrühmlichen Kampf bis in die letzten Monate fort-
gesetzt.
Die Bischöfe des Deutschen Reiches haben deshalb aus deut-
schem Ehrgefühl und ai^s christlicher Selbstachtung in
geschlossener Einmütigkeit die Anordnung erlassen: ,Z urBeisetzung
von General Ludendörff dürfen Kirchen, kirchen-
eigene Gebäude, Wohnungen von kirchlichen ^D ienst-
stellennichtbeflaggtwerden.' ^
Wir würden durch Beflaggung vor unserem Volk Ärgernis geben.
Wir würden ui;isere Sittenlehre' in den Verdacht bringen, der Grundsatz
der Ehre sei uns unbekannt. Wie könnten wir unsere Kirchen zur Ehre
eines Mannes beflaggen, der das sakramentale Geheimnis dieser Kirche
in gehässigster Weise verlästert hat? Auch im Reichskonkordat ist uns
Bischöfen das Recht gewährleistet, für unsere Kirchen und unsere Geist-
lichen-Anordnungen zu erlassen.
Wir weisen im voraus alle kirchenfeindlichen .Mißdeutungen dieser
Anordnung zurück. Wir handeln nicht aus Rachsucht und un-
christlicher Feindschaft über das Grab hinaus. Wir fühlen uns im Ge-
wissen verpflichtet, unsere heilige Religion gegen die in den Wer-
ken des Generals fortwirkende Todfeindschaft zu
schützen. Wir werfen nicht Steineaufdas Grab eines deutschen
Soldaten. Wir erheben den Schild zur Abwehr unrühmlicher An-
griffe auf unsere innerste Überzeugung, gegen die General Ludendörff
als Anführer einer 'Kulturkämpferschar ins Feld rückte.
Die Anordnung, kirchliche Gebäude nicht zu beflaggen, nachdem wir
bei vielen anderen Anlässen beflaggten, ist kein böswilliger Un-
gehorsam gegendas Flaggengesetz. Die Reichsregierung hat
Viäederholt die religiöse Freiheit verkündet und kann in Fragen des
Gewissens keine Gewissensdiktatur beabsichtigen.
' 211
Ebensowenig wollen wir mit der obigen Anordnung uns von der
V 1 k s g e m e i n s eil a i; t a b s o n d e r n oder gar eine feindselige Ein-
stellung gegen die deutsche Wehrmacht zum Ausdruck bringen. Beim
Tode des Generall'eldmarschalls und Reichspräsidenten vonHinden-
b u r g und bei anderen Gelegenheiten haben die Bischöfe ihre Verbun-
denheit mit dem Volk und ihre Achtung vor der deutschen Wehrmacht
unter Beweis gestellt. Heute können wir uns nicht an der Ehrung eines
Generals beteiligen, der seit Abschluß des Krieges seine Lebensaufgabe
in der Todfeindschaft gegen vuisere Religion erblickte.
Der Kulturkampf von General Ludendorlf wurde auch dadurch nicht
in Schranken gehalten, dafi die vom Feindbund geforderte Ausliefe-
rung des Kaisers und seiner Generäle, d a r vi n t e r auch
General Ludendorffs, nur durch die diplomatischen
Schritte des päpstlichen Staatssekretärs, Gasparri
v e r h ü t e t w r d e n w a r. Diese geschichtliche Tatsache widerlegt fiir
sich aliein die Hauptthese Ludendorffs, die Päpste seien grundsätzlich
und bei all ihrem Tun und Lassen von einer deutschfeindlichen Gesin-
nung geleitet worden.
• Vorstehende Aufklärung soll bei allen, die guten Willens . sind, die
Anordnung der Nichtbefiaggung rechtfertigen und gegen gehässige Miß-
deutung im voraus in Schutz nehmen. Die Verantwortung für die Nicht-
befiaggung und für obige Auf klärung übernehmen die deutschen Bischöfe,
nicht die einzelnen Seelsorgsgeistlichen.
Der allmächtige Gott schütze Vaterland und Kirche
vor ihren Feinden!
Für das Erzbistum München : der Erzbischof von München
M. Kard. Faulhabe r."
e) Abwehr der Kreuzfrevel
„Christus, der Gekreuzigte, für die Heiden
eine Torheit!" (1. Cor. 1,23)
Sehr peinlich war der Gestapo in München nachstehende Ver-
öffentlichung und Weisung des Erzbischöflichen Ordinariates Mün-
chen, die ihren Weg über die ganze Welt fand. Die Gestapo ver-
demütigte sich damals sogar zu einer Bitte, nämlich in Zukunft
statt solcher Bekanntgaben ihr sofort Mitteilung der -Vorkomm-
nisse zu machen; sie werde dann sofort Nachforschungen und
Ahndungen vornehmen. Aber soviel Mitteilungen auch oberhirt-
licherseits geschahen, die polizeilichen Fahndungen
hatten nie Erfolg. Begreiflich! Denn nur „wer suchet, der
findet". Die Gestapo aber wollte die nicht finden, noch
weniger bekanntgeben und strafen, die letzten Endes ganz in ihrem
Sinne arbeiteten, weil ihnen allen das Kreuz eine Torheit und ein
Ärgernis war. Echte Neuheiden!
Der Erlaß des „Amtsblattes der Erzdiözese München und Frei-
sing" vom Jahre 1937, S. 140/141, lautete:
Kreuzfrevel
Leider mehren sich nunmehr auch in unserer Erzdiözese die
Kreuzfrevel:
212
In der Nacht vom Pfingstmontag auf -dienstag (17./18. Mai 1937)
wurde in der Pfarrei Glonn bei Ö-rafing ein. 130 Jahre altes Feld-
ivreuz umgerissen und ein Pflug dar aufgelegt.
In der Nacht vom 12. /13. Juli 1937 wurde ein Feldkreuz in der Pfarrei
H h e n k a m m e r angebohrt, mit Gewalt umgerissen und (wahrschein-
lich mit Auto) fortgeschafft.
In der Nacht vom 24. /25. Juli 1937 wurde von dem gegenüber dem
Kircheingang befindlichen, iVn Meter hohen Kreuz in Lustheim,
Pfarrei Oberschleißheim, der Christuskörper heruntergerissen, vollstän-
dig zertrümmert und in den Schloßkanal geworfen.
In der Nacht vom 27. /28. Juli 1937 wurde von einem Kreuz in T e i -
s e n d r f bei Traunstein ebenfalls der Christuskörper herabgenommen
und verschleppt, so daß er bis heute nicht auffindbar ist.
Wir möchten aus Liebe zum gekreuzigten Heiland und im Interesse
der Ehre und des Wohles unseres Vaterlandes dringendst wünschen, daß
solche Frevel in Zukunft unterbleiben.
Sollten sie sich traurigerweise wiederholen, so ist folgendes zu
beachten:
1. Jede Kreuzschändung ist sofort unter genauer Benennung der
Personen, welche den Frevel zuerst bemerkten, der Polizei
zu melden, noch ehe irgendeine Änderung an dem Befund
des Kreuzes vorgenommen wird. Sehr zweckdienlich für die
Nachforschung können photographische Aufnahmen sein.
2. Umgehend ist ein ausführlicher und verlässiger Bericht an
das Erzbischöfliche Ordinariat zu richten (ev. unter
Beilage einer Abschrift der Anzieige, etwaiger schriftlicher Zeu-
genbekundigungen und Photos).
3. Am Freitag oder Sonntag; die auf den Kreuzfrevel folgen, ist in
der Kirche eine feierliche Sührieandacht (Predigt
und Kreuzwegandacht) zu halten. Alle Kruzifixe in der Kirche
oder eventuell das Hauptkreuz daselbst mögen dabei würdig mit
Blumen und Kerzen geschmückt werden. Passend und anregend
wäre es auch, alle Feldkreuze der betr. Pfarrei zur Sühne
schön zu zieren, gegebenenfalls auch zu restaurieren.
Des weiteren sind die Familien der Pfarrei anzueifern, zum
Ersatz der dem Heiland geschehenen Unbill das Kruzifix
im „Herrgottswinkel" der Wohnstube zu schmücken
und davor während einer Woche allabendlich gemeinsam den
schmerzhaften Rosenkranz oder den Kreuzweg zu beten.
5. Baldmöglichst ist die Neuerrichtung des geschän-
deten oder zerstörten Kreuzes anzustreben und seine
Einweihung feierlieh zu gestalten.
f) Abwehr der NS-Kirchenaustrittspropaganda.
„Du hast den Glauben an mich nicht verleugnet."
(Offbg. 2,13)
Als ein. Beispiel mutiger Abwehr der aufdringlichen, mit Ver-
sprechungen und Drohungen arbeitenden Werbung für Kirchen-
213
/
austritt durch die Nationalsozialisten sei einiges wiedergegeben
aus einem Artikel des St. -Gabriel-Boten (für den Pfarr-,
bezirk St. Gabriel in München) vom März 1937: ^
„Der Hochwürdigste Herr Kardinal sagte in seiner Silvesterpredigt:
,Das Christentum im Deutschen Volk': Es hat eine Propaganda ein-
gesetzt, die mit allen Mitteln, auch mit wirtschaftlichem
Druck, das öffentliche Leben unseres Volkes entchristlichen und mög-
lichst viele zum Austritt aus der Kirche drängen will. Die PropagE^nda
wendet sich besonders an Beamte und leitende Stellen der Bewegung
und solche Berufe, die wirtschaftlich abhängig sind. Es ist die Stunde
gekommen, die Christus angekündigt hat: ,Satan hat versucht, euch zu
sieben, wie man den Weizen siebt'. (Luk. 22,31)."
„Die Zahl der aus der Kirche Ausgetretenen ist,
wenigstens beim katholischen Volksteil, nicht so groß, wie e? mit
fanatischer Übertreibung angegeben wird. Immerhin bedeuten auch
kleine Zahlen eine große Sorge. Wir haben schon einmal eine solche
Abfallsbewegung erlebt, vor 16 bis 17 Jahren, als, die Marxisten in Mün-
chen eigene Büros einrichteten, um die Abmeldungen aus der Kirche zu
erleichtern mit der Begründung: ,Dann brauchst dukeineKirchen-
steuern mehr ^u bezahlen.' Heute kann man zur Begründung
hören: Das Christentum sei wegen seiner Herkunft aus dem Morgen-
land, wegen seiner biblischen Unterlagen, wegen seiner römischen Ober-
leitung mit der Deutschen Weltanschauung nicht vereinbar."
Herzlich bittet Euch, liebe Pf arrkinder, ,Euer Seelsorger, sich ja nicht
durch diese Propaganda verführen zu lassen.
Es Wäre eine gr o b e'^Un d ankb ar kei t und eine, schmäh-
liche Untreue, unwürdig eines Deutschen, gegen die heilige Mutter,
die Kirche. Ja, wie die allerbeste Mutter nur kann, hat sie sich um Dich
angenommen. Niemand kann Dich besser ti'östen in Trübsal und Leid
als Deine heilige Mutter, die Kirche. Niemand kann Dir mehr Mut und
Kraft verleihen in jeder Lebenslage als Deine hl. Mutter Kirche durch
die übernatürliche, göttliche Kraft, die sie Dir im Gebet, im hl. Meß-
opfer und in den hl. Sakramenten vermittelt. Schon um Deines Glük-
kes willen wärest Du töricht, wenn Du Dich von Deiner Mutter, der
Kirche, trenntest.
Du wendest mir vielleicht ein, durch den Glauben meiner Kirche
bin ich behindert ein echter Deutscher z,u sein. Doch das ist nicht
wahr. Das steht vielmehr fest, wenn es drum und drauf ankommt, sind
die besten katholischen Christen auch die besten Deutschen.
Du fürchtest zeitlichen Nachteil für Dich, Verspottung und
Verfolgung, Zumcksetzung oder gar den Verlust Deines Berufes und
Deiner Arbeit. Das istw.ohl leidermöglich. Aber sei versichert, '
■daß Dein lieber Herrgott, wenn Du ihm in schwersten Stunden die Treue
hältst. Dich nicht verlassen wird, und bedenke es wohl: Noch ein größe-
res Unglück als zeitlicher Schaden wäre es, wenn Deine Seele zugrunde
ginge, ■' ■ ■
Und wenn Du von Deiner Kirche Dich losmachst, von Deinem
Herrgott kommst Du nicht los. Und ihm gegenüber mußt Du diesen
Schritt einmal verantworten. Ob Du das kannst? Und ob Dich doch
nicht manchmal Dein Gewissen und die Furcht vor dem göttlichen Rich-
ter beunruhigen werden?
Du wendest mir ein: Ich bleibe ja trotzdem religiös. Ja, religiös
heißt man heute auch, wenn man Führer und Vater-
land liebt. Gewiß gehört das auch zur Religion. Aber vor allem ist
auch notwendig, Gott den Überweltlichen, Dreieinigen-Persön-
214 ,
liehen, den Herrn und Schöpfer und Erhalter der Welt, Gott, Deinen
, Heiland, Erlöser und Richter zu lieben und ihm zu dienen von ganzem
Herzen, ihm zu dienen, wie er in seiner göttlichen Einrichtung, der
Kirche, es lehrt und verlangt,
Seitast wenn Du religiös bleiben willst, losgetrennt von Deiner Kirche,
_ kannst Du Pich gerade im Tiefsten und Wesentlichen der
Religionnicht betätigen: in dem Streben nach .Gottverbunden-
heit, wie es durch die hl, Sakramente geschieht, denn Du. bist ausge-
schlossen vom Empfang der hl. Sakramente. Nicht einmal in der Sterbe-
stunde dürfen sie Dir gespendet werden, wenn Du nicht zugleich reu-
■' mutig zuriickkehren willst. Ob Dir auf Deine Treulosigkeit hin der liebe
Gott noch einmal die Gnade schenkt?
Du nimmst all die Einwände nicht so ernst, denn Du willst ja, um
Dir Unannehmlichkeiten zu ersparen, nur äußerlich den Schritt
des Austrittes tun, innerlich, der Gesinnung nach, dabei bleiben.
Ich ;will einmal absehen, daß Du Dich eben doch dadurch von -den
Sakramenten ausschließt, nicht losgesprochen werden kannst, oder daß
Du ungültig sakrilegisch beichtest und kommunizierst, wenn Du die
Sünde des' Kirchenaustrittes verschweigst.
Der Austritt aus der Kirche ist ein öffentlicher Akt, ist ein
öffentlicher Abfall von der K.i rche, ist eine öffent-
liche Erklärung der XJntreuewider Deipe hl. Mutter
und zugleich wider den Heiland, der gesagt: „Wer die Kirche
nicht hört, der sei Dir wie ein Heide und öffentlicher Sünder!" Diese
öffentliche Erklärung ist ebenso unmöglich für jemand, der noch Katho-
lik "bleiben will, wie das Weihrauchopfer zu Ehren der Götzen für die
ersten Christen, Der Abfallvon der Ki r c h'e und dem Glau-
ben wu r d e damals überaus hart bestraft. Sind auch heute Kir-
chenbußen dafür nicht mehr so groß und schwer, auf jeden Fall muß
die Kirche Deine Treue und Dein Bleiben in ihr fordern, und
wenn Dir die größten Nachteile drohten. Sie muß das,
weil Gott es fordert. Brüder, Schwestern! Seid auf der Hut, steht fest
im Glauben. P. Alexius.
D a r a u f h i n k a m f 1 g e n d e s S c h r e i b e n
V o n G e b b e 1 s ' A m t :
Der Reichsminister für Volksauf klärung Berlin W8, 5. April 1937
und Propaganda
Gesch.Zeich. IV 4003/15. 3. 37/104—3 /
An den Herrn Schriftwalter der Zeitschrift
„St. Gabrielsbote für den Pfarrbezirk St. Gabriel" in Müncnen:
In der Nr. 3 Ihrer Zeitschrift vom März 1937 haben Sie auf der 2. Seite
unter der Überschrift „Kirchenaustritt" Ausführungen veröffentlicht, die
ernstlich zu beanstanden sind. Es finden sich in diesem Aufsatz folgende
Sätze vor:
„Der Austritt aus der Kirche ist ein öffentlicher Akt, ist ein öffent-
licher Abfall von der Kirche, ist eine öffentliche Erklärung der Untreue
wider Deine hl. Mutter und zugleich wider den Heiland, der gesagt hat:
,Wer die Kirche nicht hört, der sei Dir wie ein Heide und öffentlicher
Sünder.'
Wenn' es der Kirche auch unbenommen werden soll, sich gegen
Kirchenaustritte zu wenden, so hat das doch ohne Beleidigungen der
Ausgetretenen zu geschehen. In diesen Ausführungen aber' sehe ich eine
Beschimpfung andersdenkender Volksgenossen, denen
allgemein ,Abfair und Untreue ,am Heiland' vorgeworfen wird, wenn sie
215
aus der Kirche austreten, obwohl diese damit vielleicht der Lehre Christi
getreuer sein wollen, als ihnen dies nach ihrer Ansicht innerhalb der
Kirche möglich ist."
Ich erteile Ihnen wegen der Veröffentlichung die-
serAusführungeneineVerwarnung.
Beglaubigt:
Im Auftrag gez. Berndt. gez. Mets, Regierungsinspektor.
2. Der kirchliclie Widerstand im Schulkampf.
„Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret es ihnen
nicht!" Dies Heilands wort verpflichtete die Diener der Kirche, sich
um keinen Preis die Sorge um die Kinder, ihre christliche Unter-
weisung und Erziehung wehren zu lassen.
a) Deutliehe Papstworte.
D er Pap st selbst
griff wiederholt mit starker Hand in den Kampf ein.
Am 11. Februar 1935 übei;gab Kardjnalstaatssekretär Pacelli
dem Botschafter des Deutschen Reiches beim Heiligen Stuhl nach-
folgende Note:
Staatssekretariat Sr. Heiligkeit. Aus dem Vatikan, den 11. Febr. 35.
Nr. 477/35. „Euere Exzellenz!
Darf icii ergebenst bitten, Nachstehendes telegraphisch zur Kenntnis
der Deutschen Reichsregierung zu bringen:
Nach zuverlässigen amtlichen Meldungen vollzieht sich zur Zeit
unter den Augen und mit unverkennbarer Unterstützung der Bayeri-
schen Staatsbehörden im Zusammenliang mit der Schuleinschreibung
zum 13. des Monats eine umfassende Kampfbewegung gegen die Kon-
fessionsschule und für die Simultanschule oder die sogenannte Gemein-
schaftsschule-
Staatliche Schulbeamte treten in Versammlungen und in Flugschrif-
ten, die — übrigens in Widerspruch zu einem. Erlaß des Reichsministers
des Innern — durch die Fachschaften des Nationalsozialistischen Lehrer-
bundes in cjen Schulen zur Verteilung gelangen, gegen die im Konkordat
geschützte Konfessionsschule auf. Amtliche Presseorgane der NSDAP
ergreifen ebenfalls offen Partei gegen die Konfessionsschule.
Auf der anderen Seite werden die Versammlungen der katholischen
Elternvereinigungen durch die Münchener Polizeidirektion verboten.
Rundschreiben des katiiolischen Pfarrklerus, deren Inhalt durchaus ein-
wandfrei ist, werden von der politischen Polizei unter dem Vorwand der
Gefährdung" der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bqschiagnalimt.
Denjenigen also, die bisher für die Erhaltung der von Liberalismus und
Marxismus bekämpften Bekenntnisschule erfolgreich eingetreten sind,
niacht der Staat die Werbung für ihre religiöse Überzeugung gerade in
dern Augenblick unmöglich, wo die. Gegner der Konfessions-
schule unter behördlichem Schutz und mit behörd-
licher Unterstützung den offenen Kampf gegen ein
konkordatlich gewährleistetes Recht der bayerischen
Katholiken in ein akutes Stadium treten lassen.
'Der Hl. Stuhl kann nicht umhin, gegen die offenbare Verletzung des
Bayerischen Konkordates Art. 5 und des Reichskonkordates Art. 2 und 23
216
feierlich Protest zu erheben und die Deutsche Reichsegierung um un-
verzügliches Eingreifen bei den Münchener Behörden zu ersuchen.
Mit dem Ausdruclc besonderer Wertschätzung verbleibe ich
Euer Exzellenz
ergebenster gez. E. Card. Pacelli,
Sr. Exzellenz Herrn Dr. Diego von Bergen,
Deutscher Botschafter beim Hl. Stuhl, Ptom, Deutsche Botschaft."
Zu Beginn des nächsten Jahres führte der. Hl. Stuhl all das
Unrecht des ' Nationalsozialismus auf dem Gebiet der
Schule und Erziehung noch viel ausführlicher und nach-
drücl^licher aus, indem er der Deutschen Reichsregierung schrieb:
Aus dem Vatikan, den 5. Januar 1936
„Euere Exzellenz!
Ungeachtet mehrfacher Vorstellungen seitens des Hl. Stuhles und
anderer kirchlicher Stellen geht die konkordatswidrige Umwandlung
von Bekenntnisschulen in Simultanschulen in Deutschland weiter. Neuer-
dings ist auf Antrag des Herrn. Oberbürgermeisters von München durch
die Regierung von Oberbayern die Umwandlung der katholischen Be-
Irennlnisschule in München-Englschalking, beginnend mit dem
neuen Schuljahr 1936, in eine konfessionell gemischte Schule verfügt
worden. Den pflichtmäßig eingelegten Einspruch Seiner
Eminenz des Herrn Kardinal-Erzbischofs von München-Freising hat das
Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus verworfen.
In der Sitzung des Münchener Stadtrats und in der Presse wurde die
Erbauung einer Gemeinschaftsschule öffentlich verkündigt.
Zur Beurteilung der Größe des Unrechts, das mit einem sol-
chen Akt den in Frage kommenden katholischen Bürgern Münchens
geschieht, genügt es nach der tatsächlichen Seite darauf hinzuweisen,
daß in dem Schulbezirk München-Englschalking 91,6 Prozent der
Schulkinder dem katholischen und kaum 9 Prozent anderen Be-
kenntnissen angeboten.
Nach der rechtlichen Seite ist die voin Staatsmini^terium in seiner
Antwort auf den Einspruch des Herrn Kardinals vertretene Auffassung
unhaltbar. Der Hl. Stuhl hält nach wie vor daran fest, daß das Vor-
gehen der staatlichen. Stellen in unvereinbarem Gegensatze zu den Ga-
rantien steht, welche der Besitzstand der katholischen Bekenntnisschule
in Art 6 des Bayerischen Konkordates und in Art. 23 des Reichskon-
kordates gefunden hat. Er verzichtet vorerst daravif, die in dem Ent-
scheid der Staatsregierung angegebenen Gründe an dieser Stelle' im ein-
zelnen zu widerlegen, möchte jedoch nicht unterlassen, auf eines auf-
merksam zu machen: der dort vertretene Grundsatz, daß bei Aus-
legung und Anwendung der für die Fragen der Konfessionsschule gel-
tenden Rechtsnormen auch der „Bedeutungswandel" berück-
s i^c h t i g t werden müsse, der für diese Rechtsnormen seit der
Machtübernahme des Nationalsozialismus eingetreten sei, ist für ihn un-
annehmbar. Da es sich um eine Materie handelt, in der zwischen Kirche
und Staat mehrfache Abmachungen bestehen, ist vom Standpunkt der
Vertragstreue und der korrekten Vertragserfüllung
nach Wortlaut und Geist der Abmachungen für die Auslegung der frag-
lichen Bestimmungen alles das unerheblich, was durch einseitigen' staat-
lichen Akt geschehen ist und geschieht. In Anbetracht der zentralen
Stellung, welche den Abmachungen über Schulfragen in dem Gesamt-
rahmen der kirchlich-staatlichen Vereinbarungen zukommt, kann der
Hl. Stuhl nicht darauf verzichten, gegen die fortgesetzten Min-
derungen des katholis'Chen Reichsstatuts feierlich
EinspruchzuerÄeben.
217
Er muß dies um so mehr tun, als die von den deutschen Gesetzen
ebenso wie durch die' Konltordate geschützte freie W i 1 1 e n s b e s t i m-
mung und Willens liundgebung der katholischen
Elternscha^ftin offenbarster und ärgerlichster Weise
eingeschränkt und praktisch zunichte gemacht wird.
Wo aber diese erste und wesentlichste Voraussetzung der konkordatlich
verbrieften Garantie fortgesetzt verletzt wird, ist die Ungesetzlich-
keit des staatlichen Vorgehens offensichtlich.
Konkordatswidrigistes, wenn:
1. den Anhängern der Bek^enntnisschule jede
Versammlungstätigkeit seit Januar 1935 polizeilich ver-
boten, den Anhängern der Simultanschule Versammlungen
unbeschränkt erlaubt sind^
2. den „katholischen Ell te^rnve rein igungen" jede
Betätigung polizeilich verboten ist, dagegen der Kampforganisation
für die Gemeinschaftsschule, die im Januar 1935 durch den Mün-
chener Stadtschulrat Bauer und den obei;bayerischen Regierungs-
schulrat Streicher unter dem Namen „Deutsche Schul-
gemeinde" gegründet wurde, nicht bloß freie Betätigung; son-
dern wärmste Ernpfehlung und Förderung durch die
amtlichen Stellen eingeräumt wird;
3. wenn die staatlichen Schulbehörden selbst die
Simultanschule als die allein förderungswürdige,
die Bekenntnisschule als die zufolge des Konkordates lediglich zu'
duldende Schulart bezeichnen; ^
4. wenn von den Parteistellen erklärt wird, daß es ihre
Aufgabe sei, durch Kampf die Bekenntnisschule zu
beseitigen, weil der Staat infolge des Reichskonkordates sie
auf dem Wege der Gesetzgebung nicht beseitigen könne (vgl. Schul-
fall in Weißenburg);
5. wenn an särntliohen katholischen Bekenntnis-
schulen Münchens während des Schuljahres- 1935/36 die Eltern-
schaft jeden Monat zu Schul elternabenden versammelt
wurde, und zwar durch Verfügung der Regierung von Oberbayern
vom 6. März 1935, und bei diesen schulamtlichen Elternabenden
ihnen gesagt wurde: „Wenn ihr eure Kinder im nächsten Schuljahr
von der Bekenntnisschule nicht abmeldet, dann stellt ihr euch in
Gegensatz zu Staat und Partei, schädigt die Volksgemeinschaft und
das Aufbauwerk des Führers";
6. wenn Arbeiter, Angestellte und Bea^mte des
öffentlichen Dienstes von ihren Vorgesetzten unter Androhung
v/irtschaf tlicher Schädigung in dringendster Form aufgefor-
dert werden, ihre Kinder nicht in Bekenntnisschulen ein-
schreiben z;u Igssen;
7. wenn der von den katholischen Elternvereinigungen Bayerns
seit fünfzehn Jahren herausgegebene „Katholische Eltern-
218
kalen'der" durch Verfügung der Bayerischen Politischen Polizei
vom 30. Juli 1935 wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung" polizeilich beschlagnahmt und eingezogen
wurde, wenn die in diesem Kalender • abgedruckten Stellen aus der
Erziehungsenzyklika Papst Pius' XI. beanstandet wurden, während
zwei Monate später die „Deutsche Schulgefheinde" einen
„Ober b-a yeri sehen Elternkalender" herausgeben
durfte und das Bayerische Staatsministerium für
Unterricht und Kultus durch Ministerialbekanntmachung vom
28. September 1935 die Propaganda und den Verkauf dieser Werbe-
schrift für die . Simultanschule genehmigte und ausdrücklich
empfahl;
8. wenn weiterhin das Bayerische Staatsministerium
für Unterrieht und Kultus die Werbung für die Gemein-
schaftsschule durch Verbreitung von Druckschriften (der
Zeitschrift „Deutsche Schulgemeinde" und der Zeitschrift „Eltern-
abend") durch besondere Ministerialbekanntmachung allen
Schulen ausdrücklich empfiehlt;
9. wenn die gesamte Lehrerschaft Münchens von
ihren Vorgesetzten in zwingendster, Weise aufgefor-
dert wird, in der Kampforganisation für die Gemeinschaftsschule
mitzukämpfen, wenn ' die Schulleiter sämtlicher katholischer
Bekenntnisschulen von Stadtschulrat Bauer in zwingendster
Weise aufgefordert werden, die örtliche Führu.ng dieser
Kampforganisation zu übernehn^en, mit , der An-
drohung, daß sie im Weigerungsfalle die Konsequenz zu tragen
»haben; i
10. wenn die k a t h o 1 i s c h e n Geistlichen, die auf der
Kanzel den katholischen Eltern die Grundsätze der päpst-
lichen Erziehungsenzyklika verkünden, die Rechte und
Pflichten der katholischen Eltern in der ßchülf rage nach den gelten-
den staatlichen Gesetzen und den Bestimmungen des Reichskonkor-
dates darlegen, in schulamtlichen Elternversammlungen als „p o 1 i -
tlsierendePfaffen" verunglimpft werden;
11. wenn jedeBehajidlung derSchulfrage im Sinne
der kirchlichen Grundsätze und der Bestimmungen des Reichs-
konkordates durch Druckschriften, katholische Kirchen- und Sonn-
tagsblätter, als „Beunruhigung der Bevölkerung" von
den Polizeibehörden verhindert wird;
12. wenn, wie schon oben angedeutet, die katholischen Er-
ziehungsberechtigten des Münchener Vorortbezirkes München-
Englschalking durch das Eingreifen der Bayerischen Politischen
Polizei vom 21. September 1935 an der Ausübung des ihnen in
Art. 6 des Bayerischen Konkordates und Art. 23 des Reichskonkor-
dates gewährleisteten Antragsrechtes verhindert
wurden; ^
219
13. wenn also jede Willensäußerung- von katho-
lisch e n E 1 1 e r n, L e h r e r n u n d Geistlichen für die Bei-
behaltung der katholischen Bekenntnisschule als Sabotage der
Volksgemeinschaft und staatsfeindliche Gesinnung gebrandmarkt
und durch Androhung wirtschaftlicher und rechtlicher Schädigung
untei'bunden wird.
Da der Heilige Stuhl seinerseit nichts unterlassen
möchte, um den A/"ersuch einer Klärung der auf diesem wichtigen
Gebiete eingetretenen Störungen zu unternehmen, hat er den
Apostolischen Nun^tius in Berlin angewiesen, bei
der Deutschen Reichsregierung unter Hinweis auf die Münchener
Vorgänge und die binnen kurzem in Aussicht stehenden Schul-
einschreibungen in München, Nürnberg und Weißenburg den Art.
23,2 des Reichskonkordates anzurufen. Bis zum Abschluß des Eini-
gungsverfahrens betrachtet er die Sistierung der in München
in Aussicht genommenen Maßnahmen für unerläßlich.
Indem ich bitte, das Vorstehende beschleunigt zur Kenntnis
der Reichsregierung bringen zu wollen, verbleibe ich mit dem Aus-
druck ausgezeichneter Wertschätzung
Euer Exzellenz ergebenster gez. E. Card. Pacelli.
b) Beharrlicher Widerstand der Bischöfe.
D'i e Bischöfe ganz Deutschlands
erachteten es als. ihre Pflicht, alles zu tun, um die katholische
Bekenntnisschule und die kirchlichen Belange in der' gesamten
Jugenderziehung zu retten.
Schon 1933 erklärten die bayerischen Bischöfe in ihrem Hirten-
brief vom 5. Mai vor aller Öffentlichkeit;
„Wir haben stets mit allem Nachdruck Bekenntnisschulen gefordert,
in denen die Erziehung auf dem Glauben aufgebaut wird und der Seel-
sorger kein Fremdling ist. Die jährlichen Erklärungen der Eltern bei
der Schuleinschreibung geben Zeugnis dafür, daß der Wille der Eltern
sich mit dem Willen der Kirche deckt. Nachdem der Herr Reichskanzler
versichert hat, das Konkordat mit dem Hl. Stuhl zu achten, halten wir
durch dieses sein Wort auch die im Konkordat festgelegte Bekenntnis-
schule für gesichert. Zu einer allgemeinen Gemeinschafts-
schule in irgendeiner Form könnten wir nie und nim-
mer unsere Zustimmung gebe n."
1935 mahnten dann sämtliche katholische Bischöfe einmütig
und einstimmig:
„Katholische Väter und Mütter, ihr werdet vor die Frage gestellt
v/erden, ob ihr eure Kinder in die Bekenntnisschule oder in die Gemein-
schaftsschule schicken wollt. In der Bekenntnisschule lebt in.
allen Schulstunden der Geist des Elternhauses. In die-
ser sind Lehre^: und Schüler Geist vom gleichen Geiste und wer-
den alle Anlagen und Fähigkeiten des Kindes ausgebildet, die Anlage zu
Kenntnissen und technischen Fertigkeiten, die Anlage zur sittlichen Reife
220 ■
des Charakters, die Anlage zur religiösen Reife des „Vollalters Christi".
Die Bekenntnisschule ist also die wahre Einheits- und
C h a r a k t e r s c h u 1 e. Das kirchliche Gesetz verpflichtet euch, eure
Kinder, solange es nur möglich ist, in die Bekenntnisschule zu schicken.
Laßt euch nicht irre machen durch den Hinweis auf
die Volksgemeinschaft! Die Kinder der Bekenntnisschule wer-
den der Volksgemeinschaft nicht weniger dienen und die Volksgenossen
anderen Glaubens nicht weniger achten als die Kinder der- Gemein-
schaftsschule. Im Reichskonkordat hat die Deutsche Reichsregierung auf
Ehrenwort und Unterschrift ,die Beibehaltung und Neueinrichtung
katholischer Bekenntnisschulen gewährleistet'."
InderDenkschriftvomAugustl935
an den Führer und Reichskanzler selbst legen die deutschen Bi-
schöfe auch den Finger auf die schwere Wunde, welche Partei-
funktionäre, Staatsbeamte in ihi-em Eifer für die Gemeinschafts-
schule brutal dem Gewissen der Eltern und dem. Rechte der Kirche
schlugen:
„Wir halten es für unsere Pflicht, Herr Führer und Reichslcanzler,
mit Freimut und Vertrauen auf die Gewissensnöte j ener katho-"
lischen Eltern hinzuweisen, die einerseits durch Kirchengesetz
(can. 1374) und noch feierlicher durch das Weltrundschreiben von Papst
Pius XI. über die christliche Erziehung der Jugend vom 31. Januar 1929
im Gewissen verpflichtet sind, ihre Kinder in die Bekenntnisschule zu
schicken, andererseits durch den neuen Schulkampf um die. Gemein-
schaftsschule im Gegensatz zur Bekenntnisschule in ihrem Gewissen
sich bedrängt fühlen.
In Ihrer weltgeschichtlichen Rede im Reichstag 23. März 1933 haben
Sie Ihr Wort gegeben, ,in Schiile" und Erziehung den christlichen Kon-
fessionen den ihnen zukommenden Einfluß einzuräumen.'
Im Reichskonkordat hat die deutsche Reichsregierung in Art. 23 ,die
Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen ge-
währleistet.' Da das RK. zugleich Reichsgesetz ist, steht die Bekenntnis-
schule, auf reichsgesetzlichem Boden, und es ist unbegreiflich, wie in
einem Rechtsstaat, die Eltern und Lehrkräfte, letztere als Staats-
bearnte, die für eine reichsgesetzlich geschützte Schul-
art eintreten, als Volksfeinde gescholten^ werden
können. Die Deutsche Schulgemeinde hat unter Führung von Ober-
Stadtschuldirektor Josef Bauer in offener Kampfgemeinschaft mit den
Parteistellen für die Schuleinschreibuns in München am 13. Februar 1935
einen Kampf gegen die Belcenntnisschule geführt, der in seinem leiden-
schaftlichen und brutalen Ton die Anhänger der Bekenntnis-
schule öffentlich als Verräter an der Volksgemein-
schaft beschimpfte und . einen Gewissensterror ohneglei-
chen auf die Eltern ausübte, ohne sich zurückhalten zu lassen durch
die Erwägung, daß die Simultanschule von jöher das Schulideal des
freisinnigen Liberalismus war und in den letzten 15 Jahren vom Mar-
xismus als Übergang zur weltlichen Schule gefordert wurde.
Das Staatssekretariat Seiner Heiligkeit hat in einer diplomatischen
Note vom 20. 3. 1935 gegen diese Verletzung des RK. und diese Bedrük-
kung der Elterngewissen Einspruch erhoben. Der bis zum Überdruß
wiederholte Vorwurf, nur die Gemeinschaftsschule erziehe zur Volks-
gemeinschaft, wurde am schlagendsten widerlegt von den Saarlän-
dern, die niemals eine andere als die Bekenntnisschule besucht hatten
• 221
und doch am 13. 1. 35 das überwältigende Bekenntnis zum deutschen
Mutterland ablegten. ' \
Bei einer Besprechung im Bayerischen Staatsministerium für Unter-
richt und Kultus am 2, 4. 35 wurde festgestellt, daß trotz aller Werbe-
tätigkeit für die Gemeinschaftsschule die Mehrzahl der Eltern für die
Bekenntnisschule abstimmte und daß, bevor im Widerspruch mit, dem
Reichskonkordat durch einen Gewaltstreich der Verwaltungsbehörden
die Belienntnisschul^n in Bayern in gemischte Schulen umgewandelt
werden, die E n tscheidung des Führers eingeholt werden solle,
ob er einem solclien Vorgehen mit Rücksicht auf die allgemeine Politik
zustimmen Icönne. Darum bitten wir Bischöfe heute den Führer, diese
Zustimmung zur Fortsetzvuig deä Kampfes gegen Bekenntnisscliule und
Reiclisl^onkordat zu versagen und das Gewissen der katholischen Eltern
nicht weiter unter so scliweren Druck zu setzen, überhaupt die Schul-
frage als Gewissenssache, nicht ais politische Partei-
frage behandeln zu lasse n."
1936 führen die katholischen Bischöfe im Januar-Hirtenbrief
unter deji Unbegreiflichkeiten im Nationalsozialistischen Reich auch
diese auf:
„Wir können es nicht begreifen, daß man in einzelnen deutschen
Ländern die konfessionellen Schulen und die privaten katho-
lischen Schulen zu beseitigen versucht oder durch Volksentscheide be-
seitigt, obgleich das deutsche Konkordat deren Beibehaltung und Neu-
einrichtung oder wenigstens, was die Privatschulen betrifft, deren
Berechtigung und Führung durch Orden und religiöse Kongi-ega-
tionen gewährleistet. Wir Katholiken wollen doch wahrlich nichts ande-
res, als von den Grundsätzen unseres Glaubens her am Wohle des deut-
schen Volkes mitwirken ..." ,
Zu Ende des Jahres 1936 ergriffen die deutschen Bi-
schöfe noch einmal das Wort, um. ihrem bedrückten Herzen Luft
zu rnachen und besonders auch ihre Kümmernisse über den Schul-
kampf auszudrücken:
„Wir beobachten mit Sorge einen S c h u 1 k a m p f, /der die im
Reichskonkordat gewährleistete Bekenntnisschule in eine Ge-
meinschaftsschule umwandeln und die klösterlichen Lehr-
kräfte abbaufen will. Wir bedauern ein Schulgesetz und eine.
S c h u 1 d i k t a t u r, die in einigen Ländern den Willen der Eltern in der
Erziehung ihrer Kinder mehr oder minder ausschalten und. durch solche
Einschränl^uhg der heiligsten Elternrechte lähmend auf die Kinderfreu-
digkeit der deutschen Familien einwirken. Die Bedrückung der
Elterngewissen in der Schulfrage hat unerträgliche Formen an-
genommen, wir Bischöfe können niemals einen Religionsunter-
richt anerkennen, der aus den jugendlichen Seelen den Glauben an
Christus mehr ausreißt als e in pflanzt und von Lehrper-
sonen erteilt wird, die nicht mehr auf dem Boden der katholischen Glau-
bens- und Sittenlehre stehen."
1937 stellt die deutsche Bischofskonferenz in F u 1 d a in einer
Denkschrift an das Reichsministerium für kirchliche Angelegen-
heiten auch die vielfachen Verletzungen des Reichskonkordates in
222
bezug auf Schule und Erziehung fest, indem sie unter Punkt 8 — 11
erklärt:
8. NachArtikel21 desRK. „ist der katholische Rehgionsunter-
richt in 'den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren
Lehranstalten ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit
den Grundsätzen der katholischen Kirche erteilt. Den kirchlichen Ober-
behörden wird Gelegenheit gegeben, im Einvernehmen mit der Schul-
behörde zu prüfen, ob die Schüler Religionsunterricht in Übereinstim-
mung mit den Lehren und Anordnungen der Kirche erhalten."
In Wirklichkeit werden der Kirche in der ordentlichen und
pflichtmäßigen Erteilung des Religionsunterrichtes an den genannten
Schulen vielfache Schwierigkeiten und Hindernisse bereitet und manche
Lehrkräfte erteilen Bibelunterricht nicht in Übereinstimmung mit den
Lehren und Anforderungen der Kirche, benutzen ihn sogar zum Kampf
gegen die Kirche, insbesondere zum Kampf gegen das Alte Testament.
9. Nach Artikel 23 desRK. „bleibt die Beibehaltung und Neu-
einijichtung katholischer Bekenntnisschulen gewährleistet."
In Wirklichkeit tobt ein gewaltiger, auch von parteiamtlichen
Organen geförderter Kampf gegen die katholische Beicenntnisschule und
werden alle Mittel der Agitation, des Druckes und moralischen Zwanges
angewandt, um auf die Eltern einzuwirkeh, daß sie ihre Kinder aus der
Bekenntnisschule herausnehmen.
10. Nach Artikel 24 des RK. „werden an den katholischen
Volksschulen nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche
angehören und Gewähr bieten, den besonderen Erfordernissen der katho-
lischen Bekenntnisschule zu entsprechen."
In Wirklich l^eit sind an diesen Schulen auch Lehrer angestellt,
welche ganz offen gegen ihre Kirche auftreten und sie bekämpfen, ja so-
gar Lehrer, welche aus der katholischen Kirche ausgetreten sind oder
ihr überhaupt nie angehört haben.
11. Nach demselben Artikel werden im Rahmen der allgem"einen
Berufsausbildung der Lehrer „Einrichtungen geschaffen, die eine Ausbil-
dung katholischer Lehrer entsprechend den besonderen Erfordernissen
der Ivatholischen Bekenntnisschule gewährleisten."
In Wirklichkeit waren alle Bemühungen der Bischöfe um
Durchführung dieser Konkordatsbestimmung erfolglos, (diehe B 2 b.)
c) Beispiel dieses bischöfirchen Widerstandes.
- 14 Kanzel V er kün digungen u. ä. innerhalb
kürzesterZeit
Die einz einen deutsch en B is chöfe
ergriffen so oft das Schwert des Geistes für die Erhaltung der
Bekenntnisschule, für die Weiterführung des schulischen Religions-
unterrichtes, für die Wahrung der kirchlichen Erziehungsrechte
u. ä., daß es unmöglich ist, all ihre tapfere Abwehr der national-
sozialistischen Angriffe darzustellen.
' Lediglich als Ergänzung zu all dem vielen, was . der Oberhirte
der Erzdiözese München,
KardinalFaulhaber,
zur Verteidigung der kirchlichen Rechte in -Schule und Erziehung
von der Kanzel sprach odeir als Hirtenwort verlesen ließ (z. B. im
223
Fast.enhirtenbrief vom 10. Februar 1933, bei der Papstfeier im,
Jahre 1935, im Fastenhirtenbrief 1937, in der Papstpredigt 1937,
in der Silvesterpredigt 1941, im Hirtenwort vom Passionssonntag
1942, siehe oben unter B 4: ,, Wächter, Rufer, Streiter Gottes"), sei
erstens das Telegramm wiedergegeben, das Eminenz im Januar
1936 an den „Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten"
sandte:
„Zur Zeit in München Anstui-ni auf Bekenntnisschule, obwohl Reichs-
konkordat gewährleistet. Schulbehördenleitung, Stadtschulrat Bauer und
Lehrkräfte üben unerhörten Terror auf Eltern für Gemeinschaftsschule
gegen Bekenntnisschule. Staatsbeamte also im Kampf gegen Staats-
gesetz! Eltern in schwerster Gewissensnot! Ersuche dringend Schutz
der Gewissensfreiheit und schriftliche Antwort auf meine Fragen dritten
Januar. Kardinal Faulhaber."
Zv/eitens sei zusammengestellt, was im Auftrag und unter
Führung des Kardinals
das Erzbischöfliche Ordinariat München
im Laufe von 2V2 Jahren an vielerlei Einzelgefechten für die katho-
lische Schule bestand.
Es mag auch dies wiederum nur ein Beispiel für das treue
Mitkämpfen aller Diözesanbehörden njit ihren Bischöfen sein, zu-
gleich ein Zeichen dafür, wie scharf und heimtückisch der NS-
Schulkampf war, wie mutig und zäh die Kirche bis zum letzten
den Auftrag des Herrn erfüllte, die Rechte der Eltern und die
Gewissensfreiheit verteidigte, ungeachtet ' des größten Terrors und
der skrupellosesten Lügenpropaganda.
Eine Serie von Kanzelverkündigungeri und
Seelsorgsb riefen
aa) Um die Jahreswende 1935/36 ergihg folgende
Kanzel v'erkündigung:
„Die oberhirtliche Stelle sieht sich veranlaßt, heute schon zur be-
vorstehenden Schuleinschreibung den katholischen Eltern
folgende Aufklärungen zu geben:
Bereits in der letzten Woche sind über die Schuleinschreibungen
irreführende Behauptvmgen und einschüchternde Drohungen
verbreitet worden, durch die sowohl katholische Eltern als auch katho-
lische Lehrkräfte unserer Bekenntnisschulen im Gewissen schwer be-
unruhigt' werden.
1.
Man sagt, die Bekenntnisschulen würden über kurz oder lang
allgemein abgeschafft werden. Es sei darum zwecklos, wenn die
Ellern weiterhin an der Bekenntnisschule festhielten und ihre Kinder
bei der nächsten Schuleinschreibung wieder für die Bekenntnisschule
anmeldeten.
Diese Behauptung ist völlig falsch. Wahr ist vielmehr, daß die
katholische Bekenntnisschule in Deutschland bestehen bleibt. 97 Prozent
aller Volksschulen sind in den beiden größten Ländern Deutschlands,
nämlich in Preußen und in Bayern, Bekenntnisschulen. Führer und
224
Reichsregiei^ing haben im Reichs konkordat vor der ganzen Welt
das feierliche Versprechen abgelegt: ,Die Beibehaltung und
Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschvilen bleibt gewährleistet.'
Dieses Versprechen ist ein völkerrechtlicher Vertrag und ist geltendes
.|deutsches Reichsrecht.
Wer trotzdem gegenteilige Behauptungen verbreitet, der
erschüttert den Glauben an die alte deutsche Vertragstreue, der verletzt
die Ehre der hohen deutschen Vertragspartner, der schädigt das An-
sehen von Regierung und Stqiat. Also: Die Beibehaltung und Neuein-
richtung von Bekenntnisschulen bleibt auch in München gewährleistet.
Weiterhin sagt man den Eltern: Alle städtischen und staat-
lichen Beamten, Angestellten und Arbeiter würden aus
dem Dienst entlassen und würden also brotlos werden, wenn sie
ihre Kinder in Bekenntnisschulen schicken.
Katholische Eltern! Bedenket, daß Hunderttausende von staatstreuen
Beamten und Angestellten in ganz Deutschland ihre Kinder in
Bekenntnisschulen schicken. Niemand in ganz Deutschland verwehrt
es ihnen, niemand in ganz Deutschland droht ihnen mit Entlas-
sung, Warum sollten ausgerechnet die Eltern Münchens Anstel- *
lung und Brot verlieren, wenn sie ihre Kinder nach wie vor in Bekennt-
nisschulen schicken? Katholische Eltern! Laßt Euch durch solche ebenso
törichte wie böswillige Drohungen in gar keiner Weise einschüchtern!
Die maßgebende Stelle der Stadtgemeinde hat vor wenigen Tagen
den Vertretern" des Erzbischöilichen Ordinariates ganz eindeutig ver-
sichert, daß kein Vater beruflich oder wirtschaftlich geschädigt wird,
wenn er seine Kinder auch weiterhin in die staatlich gewährleisteten Be-
kenntnisschulen schickt.
3.
Sämtliche Schulleiter und Lehrkräfte der 81 Bekenntnisschulen in
München sind in den letzten Tagen in zwingendster Form aufgefordert
worden, Elternabende zu halten imd den Eltern der B,ekenntnis-
schulen zu sagen: Ihr sollt Eure Kinder aus der Bekenntnisschule heraus-
nehmen und für die Gemeinschaftsschule anmelden.
Katholische Eltern! Diese von den Schulleitern unserer Bekenntnis-
schulen einberufenen und durchgeführten Werbeversammlungen sind
wider alles Recht und Gesetz. Die einschlägige schulrechtliche
Vorschrift verlangt ausdrücklich: ,Die Lehrer haben sich jeder Beein-
flussung der Erziehungsberechtigten hinsichtlich ihrer Willenserklärung
zu enthalten.' Wir wissen und beklagen aufs schmerzlichste, daß Hun-
derte von staatstreuen und gewissenstreuen Lehrkräften . durch die An-
ordnung in die größte Gewissensnot gedrängt werden. Die oberhirtliche
Stelle hat bereits die maßgebenden Behörden dringend um Abhilfe ge-
beten.
Katholische Eltern Münchens! Die oberhirtliche Stelle hat, wie Ihr
wißt, keinen anderen Weg als die Kanzel, um die Eltern über
diese ernsten Gewissens- und Elternrechtsfragen aufzuklären. Den An-
, hängern der Bekenntnisschule ist, wie Ihr wißt, jede öffentliche Aufklä-
rung durch Versammlung oder Druckschrift untersagt. Um so drin-
gender rufen wir Euch darum auf: Stehet fest zu Eurem Recht! Laßt
Euch in den nächsten Tagen durch keine Propaganda, auch nicht durch
die erwähnten Elternabende irre machen oder einschüchtern!
Kältet in diesen entscheidungsvollen Tagen unserer Bekenntnisschule
in München wie bisher unentwegt die Treue! Sie war die Schule
Eurer eigenen Kindheit; sie ist das Erbe unserer Voreltern; sie muß un-
seren eigenen Kindern und den kommenden Geschlechtern erhalten blei-
ben durch unsere Bekenntnistreue und unseren Bekenntnismut zum
Segen für unser geliebtes christliches deutsches Volk."
Kreuz und Hakenkreuz 15 Bd. II 225
bb) Ein paar Wochen darauf sah sich das Erzbischöfliche
Ordinariat München zu einer neuen Kanzelverkündigu'ng
mit nachfolgenden Feststellungen genötigte
„In aller Öffentlichkeit ist gegen die Oberhirtliche Stelle der Vor-
wurf erhoben worden, daß sie durch Entstellungen, falsche Behaup-
tungen und Verdrehung der Dinge und Tatsachen die deutschen Eltern
in der Schulfrage bewußt irreführe. Wir sehen uns dadurch zu folgender
Feststellung gezwungen:
1.
Wir sollen gesagt haben, daß die Propaganda für die
deutsche Gemeinschaftsschule ungesetzlich und gegen die Bestimmungen
des Konkordates sei. Wahr ist, daß wir gesägt haben, daß die von
Schulleitern unserer Bekenntnisschulen einberufenen und durch-
geführten Werbeversammlungen wider alles Recht sind, weil nach den
geltenden schvürechtlichen Bestimmungen die Lehrer sich jeder Beein-
flussung der Erziehungsberechtigten hinsichtlich ihrer Willenserklärung
zu enthalten haben.
Wir sollen gesagt haben, daß in Deutschland 97 Pro-
zent aller Schulen Belcenntnisschulen seien. Wahr ist, daß wir gesagt
haben, daß 97 Prozent aller Volksschulen in den berden größten
Ländern Deutschland, nämlich in Preußen und in Bayern, Be-
kenntnisschulen sind, und das ist eine unanfechtbare, durch amtliche
Statistik festgelegte Tatsache.
Wir sollen dem- katholischen Volke den Artikel 146 der Reichs-
verfassung vorenthalten haben, wonach die Gemeinschaftsschule die
einzige Schulform sei. In Wirlclichkeit garantiert gerade Artikel 146
den Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses und er-
klärt ausdrücklich, daß der Wille der Erziehungsberechtigten möglichst
zu berücksichtigen sei.
4.
Wir sollen durch unser .Eintreten für die Bekenntnisschulen die
Volksgemeinschaft gefährden. Wir glauben, daß zu echter
Volksgemeinschaft auch die Duldsamkeit gehört. Und Duldsamkeit
wird am besten dann geübt, wenn man jeder Konfession die von ihr
gewünschte und ihr gesetzlich gewährleistete Bekenntnisschule läßt.
5.
in dieser Treue zur Bekenntnisschule lassen wir uns auch nicht be-
irren, wenn man zur Zeit einen abgefallenen katholischen
Priester von Versammlung zu Versammlung schickt, um gegen die
Bekenntnisschule zu reden. Katholische Eltern brauchen sich
über ihre Rechte und Pflichten nicht von einem abtrünnigen Priester
belehren lassen.
6.
Wir erklären noch einmal, daß wir nichts anderes wollen, als daß
den katholischen Kindern ihre katholischen Lehr-
kräfte erhalten bleiben, daß jede Schule eine wirkliche Einheit dar-
stelle, in der die Kinder nie, auch nicht beim Religionsunterricht, aus
der Klasseneinheit herausgerissen werden, wie das in der Gemeinschafts-
schule jede Woche ein paarmal geschieht.
Daß der Segen der' Bekenntnisschule den Kindern erhalten bleibe,
ist unser aller Wunsch und Gebet. Dies soll besonders zum; Ausdruck,
kommen in den Elternstunden, die in dieser Woche in den Pfarr-
226
kircheil Münchens gehalten werden, und wo^u alle katholischen Eltern
dringend eingeladen werden."
cc) Durch die katholischen Pfarrämter der Stadt ließ
dann die oberhirtliche Stelle allen Eltern, welche isin Kind in
die Schule einzuschreiben "hatten, einen '
„S e e 1 s r g s b r i e f "
persönlich aushändigen. Dieser mußte vom zuständigen Pfarrer
persönlich gezeichnet sein, damit er nicht als „Flugblatt" betrachtet
und so als unter das polizeiliche „Flugblattverbot" fallend erachtet
wurde. Desgleichen mußte zuvor eine genaue Nachforschung an-
gestellt werden, welche Kinder neu in die Schule eintreten sollten
und ob ihre Eltern katholisch waren; denn eine Aushändigung des
Seelsorgsbriefes an Nichtkatholiken bot der Polizei sofort einen
Vorwand zur Beschlagnahme. Das, wäre ja nach Auffassung der
Polizei nicht mehr Seelsorge an den Katholiken der
Pfarrei, sondern allgemeine, öffentliche Werbung,
und diese war doch nur der Partei' und den Freunden der Gemein-
' Schaftsschule erlaubt, auch mit Flugblättern!
Dei* Seelsorgsbrief lautete:
Katholisches Pfarramt ... München, ini Januar 1936
Liebe Eltern!
„In den nächsten Tagen wird ein Kind aus Ihrer Familie zum
ersten Male in die Schule eingeschrieben werden. Für Eltern und Kind
ein wichtiges Ereignis! Sechs Jahre haben die Eltern allein in gewissen-
hafter Sorge und Liebe die Entwicklung des Kindes geleitet. Von nun
an soll die Sorge um die Erziehung des Kindes die gemeinsame Aufgabe
von Eltern, Lehrern und Seelsorgern sein.
Aus diesem Anlaß erlaubt^ sich Euer Seelsorger, ein wohlgemeintes
Wort an die Eltern der lieben Schulanfänger zu richten. Lassen Sie
Ihr Kind in die katholische Bekenntnisschule ein-
'Schreiben!
Die katholische Bekenntnisschule ist die bewährte Erziehungsschule
für Eure Kinder. Sie war die Schule Eurer eigenen Kindheit. Sie ist das
segensvolle Erbe unserer Voreltern. Sie hat uns fürs Leben ausgerüstet
nicht bloß mit nützlichen Kenntnissen und Fertigkeiten; sie hat uns die
Liebe zu Glaube und Heimat, die Treue zu Kirche und Volk, die Ver-
bundenheit mitvGott und Vaterland ins Herz gesenkt. »Zuerst gehörst
Du Deinem Gott, ihm zunächst der Heimaterde', das' ist das Leitwort
dieser Schule. Nur in katholischen Bekenntnisschulen werden Eure
Kinder nicht bloß in den Religionsstunden, sondern' in allen Schul-
stunden und in allen Schulklassen von katholischen Lehrkräften unter-
richtet und erzogen in Übereinstimmung mit ihrer Familie und Kirche.
Der schöne Dreiklang von ,Elternhaus, Schule und Kirche', der aus
unserer Jugendzeit nachklingt durchs ganze Leben, soll auch Eure
Kinder begleiten durch die Jahre der Erziehung.
Darum, verehrte Eltern, laßt Euch nicht beirren durch
Schlagworte! Ihr seid selbst in katholischen Schulen erzogen
worden und könnt darum selbst urteilen, was von solchen Schlagworten
zu hallen ist. Gereifte Erfahrungen gelten mehr als S'chlagworte. Ver-
geblich berufen sich die Gegner der Bekenntnisschule auf den Willen
des Führers und Reichskanzlers. Dieser hat seinen Willen hinsichtlich
. 227
der deutschen Volksschule In einem feierlichen Vertrage niedergelegt,
dessen Bestimniungen" allgemein geltendes Reichsgesetz sind. In Artikel 23
des Reichskonkordates hat er erklärt: ,Die Beibehaltung katho-
lischer Bekenntnisse h/U len bleibt gewähinleistet'.
Dieses Wort dürft Ihr allen sagen; die Euch von der Er-füllung Eurer
elterlichen Pflicht und der Ausübung Eures staatsbürgerlichen Rechtes
abhalten wollen. Und dazu das andere Wort: Die letzte Verant-
wortung für die Erziehung unserer Kinder liegt bei
uns Eltern!
Wer sein Kind in die katholische Bekenntnisschule schickt, der
handelt also in voller Übereinstimmung mit der geltenden staatlichen
Rechtsordnung, der braucht also keinerlei rechtlichen Nachteil zu be-
fürchten. Die erdrückende Mehrheit der Icatholischen Eltern Münchens
hat bis heute ihre Kinder den katholischen Bekenntnisschulen Münchens
anvertraut.
Liebe Eltei'n! Eui-e Seelsorger vertrauen auf Euch, daß Ihr aus Liebe
zu Euren Kindern, aus Verständnis für bewährte Erziehungsgrundsätze,
^us Verantwortungstreue und Bekennermut am kommenden Schul-
einschreibungstage erldären werdet: ,
Unser Kind soll in die katholischeBekenntnisschule
eingeschrieben werden.
Möget Ihr an Euren Kindern dereinst viel Freude und Dankbarkeit
erleben!
Mit diesem Segenswunsch und priesterlichem Gruße
.Euer Seelsorger . . ."
dd) Die aufdringliche Werbung der „Deutschen
Schulgemeinde" veranlaßte das Erzbischöfliche Ordinariat
München i m M a i 19 3 6 zu einer neuen
*
Kanzel-Bekanntmachung :
Betreff: Aufklärung der katholischen Eltern über die
„Deutsche Schuigemeinde"
„Die katholischen Eltern unserer schulpflichtigen Kinder werden z. Z.
von den Schulen aufgefordert, der Organisation der sog. ,Deutschen
Schulgemeinde' als Mitglieder beizutreten gegen einen Monätsbeitrag von
10 Pfennig. Da viele Eltern im unklaren sind, wie sie sich zu dieser Auf-
forderung verhalten sollen, wird ihnen folgende Aufklärung gegeben:
Die jDeutsche Schulgemeinde' ist nach den öffentlichen Erklärungen
ihrer Führer eine Kampf Organisation. Sie will die katho-
lische Bekenntnisschule bekämpfen und bes ei t i g e n.
Sie ist im Kampf gegen die katholische Bekenntnisschule
in München in vorderster Linie gestanden. Den katholischen
Eltern verbietet es daher das religiöse Gewissen, dieser Kampf-
organisation als Mitglieder beizutreten. Die katholischen Eltern halten
getreu dem Gebot ihrer Kirche an der katholischen Bekenntnisschule
fest. Im Reichskonkordat (Art. 23) hat der Staat feierlich versprochen:
,Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen
bleibt gewährleistet.'
Auch das staatsbürgerliche Gewissen verbietet es den
Eltern, dieser Kampforganisation beizutreten. Denn die katholische Be-
kenntnisschule ist eine gesetzlich anerkannte öffentliche Einrichtung des
Staates. Wer aber eine solche öffentliche Einrichtung des Staates be-
228 ,
kämpft, der verletzt damit den öffentlichen Frieden und schadet der
Volksgemeinschaft. Unser Staat und Volk brauchen heute zum Aufbau
im Innern und zur Selbstbehauptung nach außen vor allem Frieden und
Eintracht und nicht Kampf, am allerwenigsten den Kampf gegen die
katholische Schule, die seit Jahrhunderten die bewährte Erziehungsschule
der deutschen Kinder und das Erbe unserer Eltern und Voreltern ist."
(5. Mai 1936.)
ee) Am 21. Juni 1936 bestand dann die oberhirtliche Stelle die
große Kraftprobe mit der Gestapo. Gegen deren ausdrück-
liches, mündlich und schriftlich mitgeteiltes Verbot, das Hirtenwort
der bayerischen Bischöfe über die geplante Auflösung der klöster-
lichen Volksschulen in. Bayern zu "verlesen, gab das ErzbischöIIiche
Ordinariat München seinen kürzesten, aber inhaltsschwersten und
gewagtesten Erlaß im Schulkampf heraus:
„Der für 21. Juni erlassene Hirtenbrief ist unter allen Um-
ständen von der Kanzel zu verlesen." (Siehe Kapitel B 3.)
Auf Weisung des Ordinariates forderten dann die Pfarrer
der Orte, wo klösterliche Lehrkräfte waren, die Eltern zu einer
Willenserklärung für die Beibehaltung dieser klösterlichen Lehr-
kräfte auf.
Ein Beispiel:
„An die Eltern unserer Schülerinnen!
Der Vertreter des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kul-
tus hat erklärt: Alle klösterlichen Lehrerinnen sollen aus unseren Öffent-
lichen Volksschulen in Stadt und Land entfernt werden. Schon in den
nächsten Monaten soll mit dem Abbau von 600 klösterlichen Lehrkräften
begonnen werden.
Nach Artikel 24 Abs. 2 des Schulbedarfsgesetzes steht den Eltern
ein Recht zu, ihre Stimme gegen die Entfernung der klösterlichen Lehr-
kräfte geltend zu machen. Wenn Sie nun, liebe Väter und Mütter, ein-
gedenk all des Guten, das die Schwestern an unserer Schule den Kindern
getan haben, sich für das Verbleiben der Schwestern an unserer Schule
einsetzen wollen, so unterschreiben Sie beiliegende Erklärung. Wir wer-
den uns dann im Namen aller Unterzeichneten an die Regierung von
Oberbayern wenden und alles aufbieten, damit die Schwestern unserer
Schule erhalten bleiben.
Mit treuem Seelsorgsgruß: gez. A. Weinsteiger,
Erklärung: Die unterzeichneten Eltern erklären, daß es ihr drin-
gendster Wille ist, daß die klösterlichen Lehrkräfte an der hiesigen
Mädchenschule bleiben. ' '
Haag, Obb., den 3. JuJi 1936."
ff) die rechtswidrige Umwandlung von 44 Bekenntnisschulen
in Gemeinschaftsschulen im August 1936 rief die oberhirtliche
Stelle München neuerdings auf den Plan mit nachfolgender Er-
klärung:
„Kanzelverkündigung zur Aufklärung über die Lage
der katholischen Bekenntnisschule.
Wir sind von neuem gezwungen an die Katholiken, besonders an die
katholischen Eltern, von der Kanzel ein Wort der Aufklärung über
229
katholische Bekenntnisschule zu richten, nachdem uns —
wie allgemein bekannt ist — außerhalb der Kirch^ jede Äußerung zu
dieser Gewissensfrage noch immer verboten ist.
Die Zeitungen haben in den letzten Tagen die Ausführungen des
Leiters des Münchener Schulwesens in der Sitzung der Ratsherren mit-
geteilt, wonach 44 München er Bekenntnisschulen trotz der
Beschwerde des Eyzbischöf liehen Ordinariates und 'mit nachträglicher
Genehmigung der Regierung in Gemeinschaftsschulen, früher
Simultanschulen genannt, umgewandelt worden sind.
Dabei wird behauptet, daß diese Massenaufhebung von katholischen Be-
kenntnigschulen auf Grund des Verlangens der Mehrheit der Münchener
Eltern und nach dem Ergebnis der letzten Schul'einschreibung erfolgt sei.
Es wird aber dabei völlig verschwiegen, auf welche Weise dieses Schul-
einschreibungsergebnis zustandegekommen ist und wogegen sich die Be-
schwerde des Erzbischöflichen Ordinariates gerichtet hat.
Dazu haben wir folgendes festzustellen:
Das letzte Schuleinschreibungsergebnis ist auf eine völlig un-
gerechte und ungeusetzliche Weise zustandegekom-
men. Das ist den betroffenen Eltern Münchens aus bitterer Erfahrung
allgemein bekannt, und das ist in der Beschwerdeschrift, des Erzbischöf-
lichen Ordinariates an Hand eines umfangreichen Tatsachenbeweises
unwiderleglich nachgewiesen worden< Tausenden von Eltern ist die
freie Anmeldung der Kinder für die Bekenntnisschule gegen alles'
Recht und Gesetz infolge eines beispiellosen Terrors einfach unmöglich
gemacht worden. Der gesamte schulamtliche Apparat ist
von dem Leiter des Münchener Schulwesens aufgeboten worden, um die
Anmeldungen für die -Bekenntnisschule zu verhindern. Die ' gesamte
Lehrerschaft ist von ihren Vorgesetzten amtlich beauftragt worden,
für die Gemeinschaftsschule zu werben. Alle Werb e m ittel der
Partei, die Tagespresse, Tausende von Flugblättern und Hunderte von
Versammlungen, selbst der Luftschutzbund und der amtliche
Rundfunk sind eingesetzt worden, um die Bekenntnisschule
als Schädling der Volksgemeinschaft öffentlich zu brand-
marken und ihre Anhänger als Feinde des Staates zu schmähen und
einzuschüchtern. Arbeiter, Angestellte und Beamte sind mit
wirtschaftlichen Nachteilen, mit dem Verlust von Arbeit und
Brot bedroht worden, damit sie ihre Kinder von der Bekenntnisschule
abmelden und für die Gemeinschaftsschule anmelden. Armen Eltern sind
die Unterstützungen aus dem Winterhilfswerk ver-
kürzt oder entzogen worden. Ein eigener parteiamtlicher
Schlepp- und Kontrolldienst ist dazu eingerichtet worden, um
von Haus zu Haus auf die Familienväter und Familienmütter einen un-
widerstehlichen Zwang auszuüben. Zugunsten der Bekenntnis-
schule durfte dagegen außerhalb der Kirche kein aufklären-
des Wort verbreitet werden, ohne daß es als Störung der öffent-
lichen Ordnung mit Gewalt unterdrückt wurde. Selbst ein Seelsorger-
brief der Münchener Pfarrämter an die katholischen Eltern ist polizeilich
beschlagnahmt worden.
Alle diese erschütternden Tatsachen hat das Erzbischöfliche Ordi-
nariat in seiner Beschwerdeschrift den verantwortlichen staat-
lichen Stellen unter Protest unterbreitet und, daran die Frage ge-
knüpft: Wb in aller Welt wird ein Abstimmungsergebnis, das durch
solche Ungesetzlichkeit, durch solche Erdrosselung der freien Selbst-
bestimmung, durch solche Vergewaltigung der Gewissensfreiheit und des
Elternrechtes zustandegekommen ist, als rechtsgültig und als eine freie
Willenserklärung der Eltern anerkannt? Wo immer man noch Recht und
Gerechtigkeit v^d die freie Selbstbestimmung in einer Gewissensfrage
230 '
achtet, da muß ein solches Schuleinschreibungsergebnis für null und
nichtig erkannt werden.
Wenn trotzdem in München nunmehr unter Berufung auf dieses
Schuleinschreibungsergebnis 44 Bekenntnisschulen aufgehoben wurden, s o
s i n d das Recht, die Gerechtigkeit vind die Gewissens-
freiheit der Eltern mit Füßen getreten worden.- Gerech-
tigkeit und Gewissensfreiheit aber gehören zu den höchsten Gütern einer
Volksgemeinschaft. Wer sie mißachtet, der fügt der Volksgemeinscha'ft
den schwersten Schaden zu.
In den Zeitungsberichten wird weiterhin gemeldet, daß trotz des
Rechtseinspruches des Erzbischöflichen Ordinariates in den drei Mün-
chener Vorortsbezirken Kirchtrudering, Waldtrudering und Freimann die
Bekenntnisschulen aufgp hoben worden sind. Wiederholt hat
der Heilige Vater auf Grund des Konkordates dagegen feierlichen Ein-
spruch erhoben, daß durch einseitige staatliche Verfügungen katholische
Bekenntnisschulen aufgehoben werden, weil der Staat in Art. 23 des
Reichskonkordates durch einen völkerrechtlichen Vertrag die G a r a n -
tiepflicht übernommen hat, daß er ,die Beibehaltung und
Neueinrichtung katholischer- Bekenntnis schule nge-
w ä h r 1 e i s t e f. Der Pleilige Vater hat die Reichsregierung im Interesse
des Friedens wiederholt gebeten, in freundschaftliche Verhandlungen
einzutreten, damit diese Vertragspflicht entsprechend durchgeführt
werde. Diese Einigungsverhandlungen sind eingeleitet, aber noch nicht
zum Abschluß gekommen. Wenn trotzdem vor Abschluß dieser Verhand-
lungen katholische Bekenntnisschulen aufgehoben werden, so bedeutet
diese Maßnahme eine Verletzung der in der ganzen Welt anerkannten
Grundsätze des Vertragsrechtes und damit eine schwere
Schädigung des deutschen Namens und der deutschen -Ehre.
Wir versichern den katholischen Eltern, daß wir unsere Bemühungen
pflichtgemäß fortsetzen werden, um in der so ernsten Gewissens-
ir age der katholischen Schule endlich jenen Frieden der
Gerechtigkeit herbeizuführen, nach dem sich alle kirchentreuen
und staatstreuen katholischen Eltern sehnen. Von den 'katholischen
Eltern aber dürfen wir gewiß* erwarten, daß auch sie pflichtgemäß und
beharrlich mit alien gesetzlich erlaubten Mitteln ein-
treten für die Durchführung der feierlichen Konkordatsvereinbarung,
diö da lautet:
,Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen
bleibt gewährleistet'."
gg) Durch besonderen Kurierdienst gab das Erzbischöf-
liche Ordinariat dem Gesamtklerus Kenntnis von dem
Protestschreiben der bayerischen Bischöfe
gegen- den „Abbau der klösterlichen Lehrkräfte an den öffentlichen
Volksschulen in Bayern".
An die Hochwürdigen Dekanalämter der Erzdiözese.
Beiliegende Abschriften einer Eingabe der bayerischen Bischöfe
betr. Abbau der klösterlichen Lehrkräfte sind umgehend den
einzelnen Seelsorgsstellen zuzuleiten. Der Klerus der Erzdiözese
soll dadurch Gelegenheit bekommen, sich über diese wichtigen
Fragen zuverlässig zu imterrichten.
/ Zugleich sind alle Hochw. Herrn Pfarrer und Kuiraten zu be-
auftragen, mit tunlichster Beschleunigung alle Fälle zu berichten,
231 .
in, denen Lehrkräfte, sei es innerhalb der Schule oder sei es in der
Öffentlichkeit, sich gegen die Bibel oder gegen katho-
lische Glaubenswahrheiten in einer Weise geäußert
haben, die sich mit dem Geist der B e k e n n tnisschu-le nicht
verträgt. Nur sicher beglaubigte Tatsachen sind zu melden.
„Der Auftrag ist streng vertraulich zu behandeln. Empfangs-
anzeige möge binnen acht Tagen durch die H. H. Dekane anher-
geleitet werden.
Vertraulich! Nicht für die Öffentlichkeit!
Die bayerischen Bischöfe München, den 31. Oktober 1936
an den Herrn Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Er-
ziehung und Volksbildung,
an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister des Innern, Berlin,
an Herrn Staatsrat Dr. Boepple im Bayer. Staatsministerium für Unter-
richt und Kultus, München.
Betreff: Abbau der klösterlichen Lehrkräfte an den. öffentlichen Volks-
schulen in Bayern.
„Im Mai dieses Jahres hat Herr Staatsrat Dr. Boepple in öffentlicher
Lehrerversammlung die Entfernung aller klösterlichen Lehrerinnen aus
dfen öffentlichen Volksschulen in Bayern und den Abbau von 600 klöster-
lichen Lehrkräften , schon in den nächsten Monaten' angekündigt. In
einer Erklärung am 13. Oktober des Jahres hat der gleiche Staatsrat
aufs neue den Abbau der 1676 klösterlichen Lehrkräfte an den Volks-
schulen in Bayern in Aussicht gestellt. Tatsächlich wurde in den letzten
Oktobertagen von den Kreisregierungen den einzelnen Mutterhäusern
mitgeteilt, daß sie mi^t der Entfei-nung aus den mit Namen aufgezählten
Volksschulen ab 1. Januar 1937 rechnen müßten. Die 8 Bischöfe in Bayern
halten es einstimmig für ihre Pflicht, gegen diesen Abbau der klöster-
lichen Lehrkräfte an den Volksschulen Bayerns neuerdings Verwahrung
einzulegen und diesen Einspruch wie folgt zu begründen:
1. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist mit dem Art. 5 und 7
des Bayerischen Konkordates und dem Art. 25 Abs. 2 des
Reichskonkordates nicht vereinbar. Bei der Auslegung, die
Herr Staatsrat Boepple diesen Konli:ordatsbestim-
mungen gibt, wäre es sinn- und zwecklos gewesen,
solche Bestimmungen überhaupt in das Konkordat
aufzunehmen.. Eine solche Auslegung widerspricht dem gesunden
Rechtsempfinden und dem gegenseitigen Vertrauen, das bei Abschluß
eines so feierlichen Vertrages, wie es ein Konkordat ist, die beiden
Partner beseelte. In jedem Fäll konnte der staatliche Partner nicht ein-
seitig Konkor datsartiliel in dieser Weise auslegen, ohne sich mit dem
kirchlichen Partner in Verbindung zu setzen. Wir verweisen zu dieser
Frage auf unsere Zuschrifl; vom 1. September. 1936.
2. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte bedeutet eine Aus-
schaltung des Eltern willens und eine Entrechtung. des
Elternrechts. Das Recht der Eltern in bezug auf die Erziehung ihrer
Kinder in der Schule war bisher durch den Artikel 24 des Schul-
bedarf sgesetzes gesetzlich geschützt, demzufolge die klösterlichen
Lehrerinnen hur dort aus der Schule entfernt werden dürfen, wo das
von der Mehrheit der Eltern beantragt wird, und selbst der marxistische
Unterrichtsminister von 1919 fühlte sich in seinem Streben, eine staat-
liche Schuldiktatur aufzurichten, durch dieses Gesetz gebunden. Das Vor-
232
gehen von Staatsrat Boepple war zu einer Zeit, da der Art. 24 des Schul-
bedarfsgesetzes noch Gesetzeskraft hatte, um so offensichtHcher ein Un-
recht, da ihm die unterscliriftlichen Anträge der Eltern für Beibehaltung
der Ivlöste.rlichen Lehrerinnen mit einer Stimmzahl von 90 bis 99 vom
Hundert bekannt sein mußten.
Die amtliche Erklärung sagt: Es widerspreche den Grundsätzen des
nationalsozialistischen Staates, die Entscheidungen über derart wichtige
schulorganisatorische Fragen von Abstimmungen der Eltern .abhängig zu
machen. In Wirldichkeit haben noch in letzter Zeit Kreisregierungen
dort, wo eine Abstimmung zugunsten der Umwandlung einer Be-
kenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule ausgefallen
war, sich selber auf den Elternwillen berufen. Wir erbliclcen in der Auf-
hebung des Art. 24 des Schulbedarfsgesetzes eine Entrechtung der Eltern
in bezug auf die schulische Erziehung ihrer Kinder und einen Eingriff
in das Elterngewissen.
3. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist eine rechtlich nicht
zu begründende Ausnahmebestimmung gegen deutsche
Frauen, die ebenso deutsche Staatsangehörige sind und die gleiche
Berufsausbildung für den Schuldienst nach den staatlichen Bestimmungen
erlangt haben wie ihre weltlichen Kolleginnen, und nun rücksichtslos
ohne Schuld in Massen entlassen werden sollen, einzig aus dem Grunde,
v/eil sie sich in ihrem religiösen Idealismus einem Schulorden angeschlos-
sen haben.
Es handelt sich nicht um ,gefühlsmäßige Überlegungen', es wider-
spricht vielmehr dem gesunden Rechtsempfinden, wenn eine Staats-
behörde, die das herrliche Ziel verfolgt, allen Volksgenossen Arbeit und
Brot zu verschaffen, diesen hundert und hixndert klöster-
lichen Lehrerinnen Stelle und Gehalt ohne Pension
entzieht, obwohl ihnen die staatlichen Aufsichtsbehörden selber die
allerbesten Zeugnisse über ihre berufliche Wirksamkeit ausgestellt haben
und ihnen nicht die geringste Schuld im Dienste nachgewiesen ist. Die
deutschen Abendsender des 15. Oktober 1936 haben sich mit Recht ent-
rüstet, daß in der Tschechoslowakei sudetendeutsche Beamte ohne jede
Schuld ihrer Stellen enthoben wurden.
4. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist ein V e r s t o ß gegen
die sozialen Pflichten in der Volksgemeinschaft, insofern die
Ordensfrauen, die als Lehrerinnen an den Staatsschulen auf Grund des
Dienstverhältnisses nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte haben, nun-
mehr ohne hinreichenden Grund aus ihrem Beruf hinausgeworfen wer-
den und ihre wirtschaftliche Basis für die Zukunft verlieren.
Die Erklärung vom 13. Oktober spricht nur davon, daß das Wirken
klösterlicher Lehrerinnen an den staatlichen Pflichtschulen
mit den nationalsozialistischen Grundsätzen nicht vereinbar sei. Die Tat-
sache aber, daß außerhalb Bayern auch klösterliche Privat-
schulen abgebaut, in Bayern die Ordensschwestern aus Kinder-
gärten vertrieben, neue Kindergärten nicht mehr genehmigt und
andere Gebiete der Erziehung ihnen verschlossen werden, läßt keinen
Zweifel darüber, daß den Ordensfrauen auch die privaten Foi-men er-
zieherischer Arbeit schrittweise verboten werden sollen. Damit ist eine
Reihe von Klöstern und Ordenshäusern ohne weiteres dem wirtschaft-
lichen Untergang geweiht. Ohne den Gehalt der Lehrerinnen müssen
diese Schulorden wirtschaftlich zusammenbrechen, zumal dort, wo auch
schon die staatlichen Zuschüsse für die höheren Mädchenschulen ent-
zogen wurden.
Die Orden selber haben den aus der Ordensgemeinschaft Austreten-
den durch eine Abfindungssumme den Unterhalt für die nächsten Mo-
nate gesichert und nun sollen sie selber ohne Pension, am Ende gar ohne
eine Abfindungssumme aus ihrem ehrlichen und gemeinnützigen Beruf
Kreuz und Hakenkreuz 16 Bd. II poo
in die Arbeits- und Mittellosigkeit verstoßen werden. Nicht einmal
in der Säkularisation hat man die Ordensmänner und
Ordensfrauen aus ihrenKlöstern vertrieben, ohne
wenigstens für ihren künftigen Unterhalt zu sorgen.
Würde ein Privater gegen seine Arbeiter oder Angestellten so vor-
gehen wie jetzt der Bayerische Staat gegen die Ordensfrauen, von denen,
viele jahrzehntelang im Schuldienst standen, dann würde er mit Recht
durch staatliche Maßnahmen zur Erfüllung seiner sozialen Pflichten an-
gehalten werden. Was aber ein Rechtsstaat seinen Untergebenen als
strafbares Unrecht auslegt, kann er ohne Schaden für sein Ansehen nicht
selber tun.
5. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte ist trotz der gegenteiligen
Behauptung des Herrn Staatsrates Boepple eine gegen die Kirche
gerichtete Maßnahme und eine schwere Störung des friedlichen
Verhältnisses zwischen Staat und Kirche.
Während im Reichskonlcordat Art. 25 das Deutsche Reich der Kirche
die Zusicherung gibt, die Zugehörigkeit zu einem Orden sei kein Hinder-
nis für die Zulassung zur Tätigkeit im Schuldienst, erklärt die Kund-
gebung vom 13. Oktober, der Nationalsozialistische Staat (der gleiche,
der das Reichskonkordat geschlossen hat), könne klösterliche Lehrerin-
nen nicht länger im Schuldienst behalten.
Dabei vex'wickelt sich die Kundgebung in einen unglaublichen
Widerspruch, wenn sie sich bereit erklärt, die gleiche bisher
klösterliche Lehrerin in den Schuldienst zu über-
nehmen, sobald sie aus ihrem Orden ausscheidet. Tatsächlich ist man
auf Lehrerversammlungen und in Privatgesprächen an jüngere Or-
denslehrerinnen herangetreten mit dem Ansinnen, sie sollten zu
den weltlichen Lehrerinnen überlaufen. Die Zvimutung; sich durch Un-
treue gegenüber den Ordensgelübden den Weg zu einer weiteren Ver-
wendung im Schuldienst zu öffnen, muß auf kirchlicher Seite als eine
feindselige Einstellung zur Kirche empfunden werden.
6. Der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte bedeutet eine schwere
finanzielle Mehrbelastung der Kirche. Der amtliche Erlaß
vom 13. Oktober sucht die Tatsache, daß die Einstellung weltlicher Lehr-
kräfte an Stelle der klösterlichen für den staatlichen Haushalt eine jähr-
liche Mehrausgabe von mehreren Millionen mit sich bringt, mit dem
Hinweis zu rechtfertigen, daß der heutige Staat, ,der nicht dem Mate-
rialismus huldigt' , in solchen Grundfragen nicht nach finanziellen Rück-
sichten entscheide und daß der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte
,keinen Steuerzahler zu schrecken brauche'.
Wir Bischöfe erheben öffentlichen Einspruch dagegen, daß die Kund-
gebung vom 13. Oktober verschweigt, daß jene Millionen Mehrausgabe
im staatlichen Schulhaushalt durch Kürzung der staatlichen-
Leistungen für kirchliche Zwecke eingespart werden
und daß, zum Teil für diesen Zweck, die Zuschüsse des Bayerischen
Staates für kirchliche Zwecke bereits um 4% Millionen gekürzt wurden.
Die Behauptung, das brauche keinen Steuerzahler zu schrecken, stimmt
nicht zu der Tatsache, daß infolge der Kürzung der staatlichen Zu-
schüsse an vielen Orten die Ortskirchenumlagen erhöht werden müssen,
daß also doch in anderer Weise der Steuerzahler zum großen "peil dafür
aufkommen muß.
Wir weisen deshalb auch die hämische Bemerkung zurück, kirch-
liche Stellen hätten sich besorgt geäußert übet neue finanzielle Lasten
des Staates. Da nach dem Gesagten die Mehrausgabe für weltliche
Lehrkräfte den bisherigen Zuschüssen für kirchliche Zwecke entnommen
werden, ist es begreiflich, wenn kirchliche Stellen sich um die neuen
finanziellen Lasten Sorge machen.
234
Auf alle Fälle ist der Staat verpflichtet, jene freiwllHgen
Leistungen zurückzugeben, die von Geistlichen und Laien für
Schulen unter der Bedingung oder in der Annahme gemacht wurden,
daß diese Schulen klösterliche Lehrkräfte erhalten und be-
halten. Wir setzen voraus, daß die Rechtsverhältnisse im einzelnen im
Benehmen nnit den Ordensleitungen geprüft werden.
7. Wenn der Staat als Grund für den Abbau der klösterlichen Lehr-
kräfte geltend macht, daß sie für andersgläubige Eltern und
Kinder nicht mehr tragbar seien, so können wir feststellen, daß an zwei
Drittel der in Betracht kommenden Schulen überhaupt keine
nicht katholischen Kinder und an den übrigen unter hundert
höchstens drei sind. Es sind uns keine Klagen nichtkatholischer Eltern
bekannt, daß ihre Kinder von Schulschwestern irgendwie gegen ihre
Glaubensüberzeugung beeinflußt worden wären.
Wir können mit viel mehr Recht darauf verweisen, daß für katho-
lische Eltern und Kinder Lehrer und Lehrerinnen untragbar sind, welche
ihren eigenen Unglauben auf die Kinder übertragen, die Kinder durch
Beispiel und Unterricht gegen ihren katholischen Glauben einnehmen
und die daher nach Art, 5 des Bayerischen Konkordates an katholische
Schulen nicht wirken dürften, weil sie weder geeignet noch bereit sind,
im Geiste des katholischen Glaubens zu erziehen.
Im Namen und Auftrag der Bischöfe in Bayern.
gez. Kardinal Faulhaber."
hh) Um den .Jahreswechsel 1936/1937 setzte iii München der
Kampf gegen die Bekenntnisschule wieder in voller Schärfe und
Heimtücke ein. Das Erzbischöfliche Ordinariat München übergab
darum den katholischen Pfarrämtern Münchens einen neuen
„S e e 1 s r g s b r i e f"
zur "Weiterreichung an die katholischen Eltern:
Liebe Eltern! München, im Januar 1937.
„In tiefster Sorge wende ich mich als Ihr verantwortlicher Seelsorger
an Sie, um Ihnen zum Tag der Schuleinschreibung ein wohlgemeintes
Wort zu sagen. Es geht diesmal um den Bestand der Bekenntnisschule
in München. Die Bekenntnisschule, im rechten Geiste geführt, ist für
die Kinder ein Stück Heimat./ Das religiöse Familienleben mit seinem
ganzen Geiste, mit all seinen Festen und Pflichten findet seine harmo-
nische Fortsetzung in der Schule. Die Lehrkräfte sind einer Glaubens-
überzeugung mit Eltern und Kindern und können die unerschöpflichen
Erziehungskräfte, die im Leben Jesu Christi und der Heiligen liegen, in
der Schule einsetzen. Schule und Haus sind ein Ganzes.
Die Bekenntnisschule hat — Sie selbst haben sie ja besucht und kön-
nen es bezeugen — die auf sie gesetzten Erwartungen vollauf erfüllt. Sie
hat fast alle Helden des Weltkrieges erzogen; aus Tausenden von Feld-
briefen spricht noch heute die wundervolle Kraft religiöser Überzeugung
zu uns, die sie aus Elternhaus und Schule geschöpft haben; sie hat die
Heldenmütter erzogen, die schwersten Heimatdienst geleistet, die das
Bki topf er ihrer Kinder gebracht und gegen den Umsturz von 1918 so
erfolgreich sich für die Bekenntnisschule eingesetzt haben. Sie hat sich
zu allen Zeiten ehrlich bemüht, die ihr anvertraute Jugend zur Wahr-
heit und Treue, zur Reinheit, zur Liebe zu Heimat und Vaterland und
zum Gemeinsinn zu erziehen. Noch bis vor kurzem besuchte der Groß-
teil aller Münchener Kinder die Bekenntnisschule, und die Ergebnisse der
dort geleisteten Erziehungs- und Unterrichtsarbeit, wie sie alljährlich
235
durch Prüfungen sichergestellt war, gereichen nach dem Urteil aller
Kundigen der Bekenntnisschule nur zur Ehre.
Trotzdem soll sie jetzt der Gemeinschaftsschule weichen müssen.
Aber selbst wenn auch die Gemeinschaftsscliule, wie versichert wird,
wirlilicli cliristlich bleiben sollte, wenn auch nicht, wie es da und dort
schon gescliehen ist, die Kreuze avis der Schule entfernt, Kreuzzeichen
und Händefalten verboten, die Heilige Schrift vor den Kindern verächt-
licli gemaclit, Spottbilder auf Kirche und Priester in der Schule auf-
gehängt werden, — die tiefere Einheit der Erziehung, die
höchste, vertrauensvollste Zusammenarbeitzwischen
Schule und Elternhaus, wie sie aus der Religion erwächst, ist
in der Gemeinschaftsschule nicht mehr möglich. Der Religions-
unterricht bildet dort nicht mehr den Mittelpunkt des
gesamten Unterrichtes, sondern wird nur bewertet wie ein
Fach neben anderen Fächern; der Lehrer, der selbst in einer Klasse mit
lauter Ivatholisclien Kindern anderen Bekenntnisses sein kann, darf nicht
mehr seine ganze Persönlichkeit einsetzen, es darf außerhalb des Reli-
gionsunterrichtes nicht mehr die Rede sein von der hl. Messe, von der
Muttergottes, vom Schutzengel, von den kirchlichen Festtagen; der ganze
Reichtum katholisclier Bildungswerte kann somit nicht mehr ausgebrei-
tet und wirksam gemacht werden. Die Einheit der religiösen Erziehung
ist zerstört, unersetzliche Erziehungskräfte sind aus der Schule verbannt.
Katholische Eltern, können Sie das wirklich für Ihre Kinder, die Ihnen
ans Herz gewachsen sind, ertragen?
Aber noch haben Sie die Entscheidung in der Hand. In feierlichem
Vertrage, der die Unterschrift der Reichsregierung trägt, ist die Bei-
behaltung und Neueri-ichtung von Bel^enntnisschulen gewährleistet. Sie
haben als ^Katholiken ein staatlich verbürgtes Recht darauf. Melden Sie
daher Ihr Kind unter allen Umständen für die Bekenntnisschule an, und
zwar die Schulneulinge am Samstag nachmittag, die übrigen Kinder am
Sonntag zur festgesetzten Stunde. Alle vor diesen Terminen abgeforder-
ten und in der Schule abgegebenen Unterschriften sind rechtsungültig.
Lassen Sie sich nicht einschüchtern durch Drohungen, die wider alles
Recht atxsgesprochen werden! Lassen Sie sich nicht beeinflussen durch
die billige Ausrede: Andere schicken ja ihre Kinder auch in die Gemein-
schaftsschule! Sie sind persönlich und ganz allein verantwortlich für
Ihr Kind!
Als Ihr Seelenhirte, getrieben von der Verantwortung vor Gott und
der Sorge um die Jugend, habe ich Ihnen diesen Brief geschrieben. Sie
werden mir das Recht nicht atasprechen, in der Lebensfrage katholischer
Erziehung als Ihr Berater aufzutreten. Ich habe keine Machtmittel; ich
kann Sie nicht zwingen. Ich kann nur als Ihr Seelsorger an Ihre gläu-
bige Überzeugung, an Ihre aufrichtige Liebe zu Ihren Kindern appel-
lieren; ich kann Sie nur im Namen Jesu bitten, Ihren Kindern den Segen
der Bekenntnisschule zu erhalten.
Am nächsten Freitag, um 8 Uhr abends, halten wir in diesem An-
liegen eine eigene Elternstunde in der Pfarrkirche ab. Hierzu ladet Sie
dringend ein
mit priesterlichem Segenswunsch Ihr Seelsorger . . . !"
ii) Um die Gesamtheit der Katholiken Münchens
über die Gemeinschaftsschule aufzuklären, verordnete das Erz-
bischöfliche Ordinariat im Januar 1937 eine neue
Kanzelverkündigung:
..Katholische Eltern! In letzter Stunde vor der Schuleinschreibung
wenden sich Eure Seelsorger noch einmal an Euch und mahnen und
236
bitten Euch: Laßt doch Eure Kinder in die Bekenntnisschule ein-
schreiben!
Die Bekenntnisschule ist die beste Form religiöser Er-
ziehung. In ihr kommt das katholische Kind zu katholischen Lehr-
kräften. In ihr wird das Werk, das die katholische Mutter an ihren
Kindern begonnen, am sichersten v/eitergeführt.
Die Bekenntnisschule ist die Schule wahrer G e m e i n s c h a f J;.
In ihr werden die Kinder niemals, auch nicht in den Religionsstunden,
voneinander getrennt. In ihr findet die erzieherische Kraft der Religion,
die für Millionen von Deutschen schon Lebenslicht und Lebenstrost ge-
wesen ist, ihre segensreichste Entfaltung.
Die Bekenntnisschule ist die Schule des konfessionellen
Friedens. Die beiden großen christlichen Bekenntnisse Deutschlands
haben stets an der Bekenntnisschule festgehalten. Denn der Gewissens-
freiheit wird am besten gedient, wenn jedes Bekenntnis die ihm anver-
traute Jugend in geschlossener Einheit erziehen kann. Die Gemein-
schaftsschule hebt die konfessionelle Verschiedenheit in Deutschland
nicht auf. Im Gegenteil, gerade durch das ständige Auseinanderreißen
der Klassen im Religionsunterricht bringt die Gemeinschaftsschule den
Kindern die konfessionellen Unterschiede immer wieder und wieder zum
Bewußtsein.
Die Bekenntnisschule ist die Schule wahrhaft vaterlän-
discher Erziehung. In ihrem Vertrag mit der Reichsregierung hat
sich die Kirche feierlich dazu verpflichtet, die Jugend zu vaterländischem,
staatsbürgerlichem und sozialem Pflichtbewußtsein zu erziehen. Sie kann
ihr Wort nirgend besser einlösen als in der Bekenntnisschule, wo sie in
einheitlicher Erziehungsarbeit ihre Grundsätze von Treue und Opfer-
wille,' von Heimat- und Nächstenliebe den Kinderherzen einprägen kann.
Die Bekenntnisschule ist staatlich verbürgtes Recht. Die
Deutsche Reichsregierung hat sich in einem feierlich abgeschlossenen
Vertrag mit Gesetzeskraft dazu verpflichtet, nicht nur die bestehenden
katholischen Bekenntnisschulen beizubehalten, sondern auf Antrag der
katholischen Eltern auch neue Bekerintnisschulen zu errichten. Angriffe
auf den Fortbestand der Bekenntnisschulen richten sich darum letzten
Endes auch gegen die staatliche Autorität, die ihre Rechtsgeltung ga-
rantiert.
Die Bekenntnisschule hat Millionen deutscher Kinder, hat auch Euch
und Eure Väter und Mütter erzogen. Die Millionen deutscher Helden,
die in treuer Kameradschaft für ihr Vaterland Blut und Leben eingesetzt
haben, sind durch die Bekenntnisschule gegangen. Warum sollen ihre
treuen Dienste heute auf einmal nicht mehr genügen?
Darum, katholische Eltern, ist es für Euch ernste Gewissenspflicht,
festzustehen zu Eurem klaren Recht!
Laßt Euch nicht einschüchtern, wenn es heißt: Man wird
Euch Brot und Stellung nehmen. In keinem Rechtsstaat der
ganzen Welt kann ein Bürger Beruf imd Stellung deswegen verlieren,
weil er von einem staatlich verbürgten Rechte Gebrauch macht. Und
wir haben das ausdrückliche Wort maßgebender Behörden, daß keinem
Vater und keiner Mutter, auch nicht ihren Kindern, irgendwelche Nach-
teile entstehen dürfen, wenn sie sich für die Bekenntnisschule ent-
scheiden.
Laßt Euch nicht einschüchtern, wenn es heißt: Eure
bisherige Schule wird Gemeinschaftsschule und Eure
Kinder werden an eine weitentfernte Schule abgeschoben. Vergesset
nicht, Ihr selbst seid es, die über den künftigen Charakter der Schule
zu entscheiden haben. Wenn Ihr so treu wie im Vorjahre zur Bekennt-
nisschule steht, dann wird auch nicht eine von unseren 76 Bekenntnis-
schulen in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt werden.
237
Laßt Euch auch nicht Irre machen, wenn man Euch in
den letzten Tagen unter irgendeinem Vorgeben eine Unterschrift
h e r a u s g e 1 clc t hat. Der Tag der Schuieinschreibung ist der 2. Fe-
bruar. Unterschriften, die in den Häusern gesammelt wurden, haben
keine rechtliche Gültigkeit.
Laßt Euch auch nicht irre machen, wenn man Euch sagt:
Wer gegen die Gemeinschaftsschule ist, deristeinFeind des Vol-
kes und des Staates. Wir Katholiken wissen, daß wir unser Vater-
land liebhaben, so warm und so treu wie nur irgendjemand in der Welt.
Es ist eine unerhörte Verleumdung, uns Feindschaft gegen Staat und
Volk vorzuwerfen, nur, weil wir uns auf ein gesetzliches Recht berufen,
das die Untersclirift der Reichsregierung trägt.
Laßt Euch auch nicht irre machen, wenn Eure eigenen
Kinder mit Forderungen zu Euch kommen, die von außen
her mehr oder weniger zwangsweise in sie hineingetragen wurden. Die
Behörden selbst haben verfügt, daß Kinder auf keinen Fall in den
Schulkampf hereingezogen werden dürfen. Denn wo in aller Welt dür-
fen Kinder ihren Eltern befehlen, wie sie erzogen werden wollen?
Laßt Euch auch nicht kontro 11 leren durch Leute, die
kein Recht dazu haben. Privatpersonen gegenüber seid Ilar selbstver-
ständlich zu keiner Ausicunft verpflichtet, auch nicht zur Ausfül-
lung der aufgenötigten Kontrollkarten. Laßt Euch ferner
nicht einschüchtern durch den zu diesem Zwecke eigens eingerichteten
Schleppdienst. Das Gesetz garantiert die völlig freie Abstimmung
der Eltern. In der einschlägigen Gesetzesvorschrift heißt es ausdrüclc-
lich: Die Lehrer haben sich jeder Beeinflussung bei der Erklärungs-
abgabe im Schulzimmer oder sonst zur Anmeldung bestimmten Räume
zu enthalten.
Somit kommt den katholischen Eltern am Lichtmeßtag die dreifache
Aufgabe zu:
1. Eltern, die einen Schulanfänger haben, melden ihr Kind persönlich für
die Bekenntnisschule an.
2. Eltern, deren Kinder die Bekenntnisschule schon besuchen, schicken
lediglich ihre Kinder am Lichtmeßtage in das Schulzimmer ihrer bis-
herigen Lehrlcraft, sie selbst aber bleiben am Einschreibtag zu Hause
und lassen sich durch keinen Vorwand zur Umschreibung in die Schule
. locken.
3. Eltern, deren Kinder bisher die Gemeinschaftsschule besucht haben,
gehen an diesem Tage in die Schule und lassen ihre Kinder um-
schreiben in die Bekenntnisschule.
Katholische Eltern! Wir wissen, daß wir ein schweres und
ernstes Bekenntnis von Euch verlangen. Aber die Kirche
kann und darf hier nicht schweigen. Das wäre eine Pflichtverletzung
und ein Verrat an dem katholischen Elternrecht. Solange deutsche Kin-
der Schulen besuchen, ist immer die Religion das Licht gewesen, das
über dem ganzen Schulleben leuchtete. Die heranwachsende Jugend zur
Ehrfurcht vor Gott, zur Liebe Jesu Christi, zur Treue gegen Kirche und
Vaterland zu erziehen, hat in der Bekenntnisschule immer als höchstes
Lehrziel gegolten.
Jetzt soll mit einem Male der Religionsunterricht nur noch ein Fach,
etwa wie Rechnen oder Turnen, sein. Also nicht mehr das feier-
liche Licht der Welt, das das ganze Schulleben überstrahlt, son-
dern nur noch eine kümmerliche Kerze, die ein paar Scliul-
stunden in der Woche erhellt. Eine solche Entthronung der Religion
können wir nicht schweigend geschehen lassen.
Wir müssen unsere Stimme erheben, nicht aus Machtpolitik, wie
man uns unterschiebt, sondern aus Sorge um die Jugend und um die
Zukunft unseres Vaterlandes. Denn alle Völker leben aus der Religion.
288
Freilich wir Icönnen gegenüber der maßlosen Propaganda für die
Gemeinschaftsschule nichts anderes tun als aufklären und mahnen, bit-
ten und beten. Eure Sache, katholische Eltern, ist es, zu Eurem Rechte
zu stehen und Euren Kindern den vollen Segen religiöser Schulerziehung
zu retten.
Das Fest Maria Lichtmeß erinnert uns an das Licht der Welt, an
den unermeßlichen Segen von Friede und Gnade, Trost und Kraft, Rein-
heit und Güte, der von Christus aus über die ganze Welt gegangen ist.
Erhaltet diesen Segen in seiner ganzen Fülle Euren Kindern und stimmet
für die Bekenntnisschule! Gott segne Euch und Euere Kinder für Euer
Bekenntnis und Euere Treue in entscheidungsvoller Stunde!"
kk) Acht Tage darauf nötigten Entstellungen der letzten Kanzel-
erklärung zu neuen, öffentlichen Feststellungen von
derKanzelaus:
An die H. H. Stadtpfarrer und Pfarrkuraten Münchens.
Betreff; Schuleinschreibung 1937.
Nachstehender Schriftsatz ist am Sonntag, den 31. Januar, bei allen
Vormittags- Gottesdiensten zur Verlesung zu bringen. Auf nachdrucks-
vollen Vortrag ist besonderes Gewicht zu legen.
„Zur Schuleinschreibung haben die Seelsorger Münchens aus dem
Gebot der Stunde heraus noch folgende letzte Erklärung abzugeben:
Gegen Behauptungen der Kanzelerklärung vom letzten Sonntag ist
der Vorwurf sachlicher Unrichtigkeit und Unwahrheit erhoben worden.
Wir hatten gesagt, daß in einer Gemeinschaftsschule in Regensburg
das Kreuzzeichen ixnd H ä ndefalten verboten worden sei.
Wir stellen neuerdings fest, daß am 9. Dezember 1936 den Kindern der
Hans-Schemm-Schule in Regensburg-Schottenheim in allen Klassen das
Kreuzzeichen und Händefalten beim Schulgebet verboten wurde. Auf
Beschwerden hin erklärte der Schulleiter, daß dieses Verbot von der
Kreisleitung ausgehe und daß er jeden Widerstand dorthin zu melden
habe.
Wir hatten gesagt, daß da und dort das Kreuz aus den Schu-
len entfernt wurde. Wir erinnern nur an die Vorgänge in Olden-
burg; dasselbe geschah in Waibstadt in Baden, und es ist auch in unserer
eigenen Diözese vorgekommen, daß man Kreuze von ihrem Ehrenplatz
entfernt und in eine Ecke gehängt hat.
Wir hatten gesagt, daß von verantwortlicher Stelle aus die Grund-
wahrheit des Christentums lächerlich gemacht worden sei.
Wir stellen fest, daß bei der .Schulungstagung der Lehrerschaft Münchens
am 12. Dezember 1936 von der verantwortlichen Stelle des Münchener
Schulwesens tatsächlich gesagt wurde: Wir sind auf Erden zur
Erhaltung der Art. Des weiteren fuhr der Redner fort: Das ist
etwas ganz anderes, als wenn in der ersten Religionsstunde der Koope-
rator den kleinen Sepperl mit der Frage belästigt: ,Wozu sind wir auf
Erden?' und der Kleine dann hersagen muß: ,Wir sind auf Erden, um
Gott zu erkennen, ihn zu lieben und ihm zu dienen und dadurch selig
zu werden', wobei dieser Satz unter dem Gelächter der Versammlung in
leierndem Schulton aufgesagt wurde. In derselben Versammlung war
übrigens auch die Rede von der ,Lehre des Zimmermannssohnes von
Nazareth' und die katholische Kirche wurde mit dem Bolschewismus auf
eine Stufe gestellt.
Wir verwahren uns auch feierlich gegen den ungeheuerlichen Vor-
wurf, als ob durch die Bekenntnisschule die deutsche
Volksgemeinschaft zerstört würde, wie es besonders stark im
239
R u n d f u n k g e s p r ä c h Donnerstag mittags zum Ausdruck kam. Wenn
durch die Bekenntnisscliule die deutsche Volksgemeinschai't zerstört
würde, dann hätte sicherlich der Präsident des Deutschen Reiches nie
und nimmer die Beibehaltung und Neuerrichtung von Bekenntnisschulen
in feierlichem Staatsvertrag gewährleistet. Wahi'hat'tig, wir nehmen Gott
und Euch selbst zu Zeugen, daß durch die Bekenntnisschule nicht zer-
rissen v/ird, was Gott zu einem Volk und einem Schicksal verbunden hat.
Wir wollen nur, daß Haus und Schule, Lehrkräfte und
Kinder unter dem Segen desselben Bekenntnisses stehen
und so die volle Erziehungskraft unserer heiligen Religion offenbar
werde.
Wir hatten nun gehofft, daß die Abstimmung dieses Jahres vielleicht
doch eine freie Gewissensentscheidung der katholischen Eltern sein
würde. Allein unsere Erwartung ist bitter enttäuscht worden. Für die
•Gemeinschaftsschule wurde mit allen Mitteln gewor-
ben: durch Versammlungen, durch Aufgebot des gesamten amtlichen
Schulapparates, durch Einsatz von Parteistellen, durch Hereinziehung
der Schulkinder, durch ständigen pruck auf Beamte und Angestellte des
Staates, der Gemeinde und Privatbetriebe, durch Zeitungsaufrufe, Pla-
kate und Flugblätter, durch Rundfunk imd schließlich durch wieder-
holten Einsatz der höchsten staatlichen Autorität, kurz mit allen
Mitteln einer schrankenlosen Werbung, wobei insbeson-
dere die gesetzliche Bestimmung tausendfach verletzt wurde, daß sich
die Lehrer jeder Beeinflussung der Erziehungsberechtigten hinsichtlich
ihrer 'Willenserklärung zu enthalten haben.
Demgegenüber waren wir, abgesehen von der Kanzelverkündigung,
jeder Möglichkeit einer wirlvungsvollen Aufklärung der Eltern in der
Öffentlichkeit völlig beraubt. Jede Tätigkeit unserer Eltern vereini-
gungen blieb nach wie vor verboten. Man ist sogar mit dem
Ansinnen an uns herangetreten, einen Seelsorgsbrief
an die Eltern zu unterbinden, obwohl nach Art. 4 des RK. dem Verkehr
der Diözesanbehörden mit den Gläubigen in allen Angelegenheiten ihres
Hirtenamtes volle Freiheit garantiert ist. Ordinariat und Pfarr-
häuser wurden Tag und Nacht zwecks Verhinderung einer Ausliefe-
rung dieses Seelsorgsbrief es polizeilich überwacht, ein Teil
wurde beschlagnahmt, s o g a r Kirche n-b esucher auf dies-
bezügliche Schriftstücke untersucht. Außerdem hat man
vor aller Öffentlichkeit nachweisbare Feststellungen, die wir gemacht,
als sachliche Unrichtigkeit und Unwahi'heit bezeichnet, und zwar von
höciister Staatsstelle aus. .
Angesichts all dessen halten wir dafür, daß die Voraussetzun-
gen für einen freien Willensentscheid der Eltern
nicht mehr gegeben sind. Katholische Eltern können zwar auf
ein durch Gesetz und Konkordat verbürgtes Recht nicht verzichten, aber
wir müssen feststellen, daß es den Eltern unmöglich gemacht ist, unter
dem auf ihnen lastenden Druck dieses Recht in wahrer staatsbürger-
licher Freiheit auszuüben. So bleibt uns nur noch ein letzter Weg: Wir
werden gegen diese Abstimmung,, die -man unter den ge-
schilderten Umständen vielmehr als S c h e i n a b s t i m m u n g bezeich-
nen könnte, bei den höchsten zuständigen Reichsbehörden
Rechts Verwahrung einlegen. Zwang schafft kein neues Recht,
und -so hört auch das Recht auf die Bekenntnisschule
11 i e m a 1 s a u f .
Wir halten uns für verpflichtet, dies den katholischen Eltern mit-
zuteilen zugleich mit der Bitte, nun erst recht alle Kräfte einzusetzen
für die katholische .Erziehung der Jugend. Die Seelsorger Mün-
chens geloben feierlich, in unermüdlicher Sorge alles
zii tun, um die katholische Jugend imGeisteJesu
240
Christi zu aufrechten, opferwilligen und treuen Men-
schen zu erziehen. Euere und unsere Sorge aber stellen wir unter
den Schutz des allmächtigen Gottes, der zwar die Seinen prüft, aber
ihnen auch Hilfe sendet zur rechten Zeit. Amen."
Selbstverständlich bedeutete auch eine rein praktische Notstands-
m a 1:1 n a h m e, die nach dieser Abstimmung in Müncheji getroffen wer-
den mußte, keinerlei Änderung des grundsätzlichen kirchlichen
Standpunktes: Da nämlich nur noch etwa 16 Prozent der schulpflichtigen
Kinder für die Bekenntnisschule gemeldet waren und die Stadtschul-
behörde die Bekenntnisschulen mit voller Absicht möglichst ungünstig
im Stadtgebiet- verteilte, hätten einzelne, für die Bekenntnisschule ge-
meldeten Kinder einen ungewöhnli ch weiten und bei den städti-
schen Verkehrsverhältnissen gefahrenreichen Schulweg ge-
habt. Für Kinder, bei denen solch ein Notstand gegeben war, wurde
dann vom Erzbischöflichen Ordinariat der Besuch einer nähergelegenen
GemeinschaJjtsschule gestattet.
11) Wie schon im Kapitel: „Kampf gegen katholische Schule
und Schultätigkeit" dargestellt wurde, ließ Gauleiter Wagner im
Juni 1937 in Oberbayern für die Gemeinschaftsschule „abstimmen".
Der Ausdruck „Abstimmung" war hier freilich ein Hohn. Tatsäch-
lich war ja alles Zwang und Betrug, Dies yeranlaßte die oberhirt-
liche Stelle, eine neue, von Kardinal Faulhaber selbst gezeichnete
Aufklärung und Mahnung zu geben:
O b e r hir tli che Erklärung
zur Abstimmung über die Gemeinschaftsschule
Um den 11. Juni 1937 wurde in Oberbayern, mit Ausnahme der
Stadt München, mit dem Aufgebot des parteiamtlichen Apparates, eine
Z u s t im m ung der Eltern zur Gemeinschaftsschule oder,
wie sie jetzt heißt, zur deutschen Volksschule, eingeholt.
Schulbeamte übersandten den Eltern durch die Schulkinder
Flugblätter-, auf denen die Gemeinschaftsschule als die allein rich-
tige Schule angepriesen wurde. Lehrer gingen von Haus zu
Haus, um die Unterschriften der Erziehungsberechtigten für die Ge-
meinschaftsschule einzuholen. Versammlungen wurden unter ganz
anderen Titeln einberufen, um durch eine pauschale Abstimmung,
woran auch Nichtverheiratete sich beteiligten, ein für das ganze Dorf
gültiges Gesamtergebnis zu erlangen. Am Reichssender Mün-
chen wurde in entscheidender Stunde ein Aufruf der höchsten staat-
lichen Schulbehörde mit schwersten Ausfällen gegen die Kirche und die
Bekenntnisschule bekanntgegeben. Darum sollen noch einmal die katho-
lischen Grundsätze über Schulerziehung in der Frage
Bekenntnisschule oder Gemeinschaftsschule zusammengestellt werden im
Anschluß an einige Flugblätter, die den Eltern zugeteilt werden.
Es ist eine Unwahrheit, wenn man sagt, die Bekenntnisschule,
das heißt -die. katholische Schule -für katholische Kinder, werde von der
Kirche aus politischen Ab sichten und aus machtpolitischen An-
sprüchen gefordert. Die Frage, Bekenntnisschule oder Gemeinschafts-
schule, ist nicht eine Frage der Politik, sondern eine Frage des katho-
lischen Gewissens und der deutschen Treue.
Wieso eine Frage des katholischen Gewissens? Im Kir-
chenrecht wird den katholischen Eltern auf das Gewissen gebunden, ihre
Kinder, solange es möglich ist, in eine Bekenntnisschule zu schicken.
Wieso eine Frage der deutschen Treue? Durch feierlichen
Vertrag hat die Deutsche Reichsregierung im Reichskonkordat Juli 1933
241
dem Hl. Vater die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Be-
kenntnisschulen gewährleistet.
Katholische Eltern haben also nicht bloß vor Gott und ihrem Ge-
wissen die heilige Pflicht, ihre Kinder in Bekenntnisschulen zu schik-
ken, sie haben auch dem Staate gegenüber nach Artikel 23 des Reichs-
konkordates ein helliges Recht, die Beibehaltung oder Wiedererrich-
tung einer katholischen Volksschule zu fordern.
Solange es noch eine deutsche Vertragstreue gibt,
solange deutsche Unterschrift und deutsches Ehrenwort noch etwas gel-
ten, solange haben katholische Eltern im Deutschen
Reich ein Recht auf die Bekenntnisschule.
Da das Reichskonkordat zugleich deutsches Reichsgesetz ist,
kann es dem Lehrer oder einem anderen Reichsbeamten nicht als un-
gesetzliches und staatsfeindliches Verhalten ausgelegt werden, wenn er
zu der gesetzlich gewährleisteten Bekenntnisschule sich bekennt.
Man kann auch nicht sagen, die B e k e n n tnisschule habe
den religiösen Unfrieden gebracht, die Gemeinschaftsschule
werde den religiösen Frieden bringen. Wir haben in der Zeit der Be-
kenntnisschule den schönsten religiösen Frieden gehabt. Wenn alle Kin-
der einer Schule vom gleichen Glauben sind, ist viel weniger Anlaß zu
religiösen Streitigkeiten als in der Schule, in der die religiösen Bekennt-
nisse gemischt sind. Erst als die .Kampf Organisation' zur Ein-
führung der Gemeinschaftsschule gegründet wurde, mußte man ihr das
Wort des deutschen Dichters entgegenhalten: ,Die wilde Zwietracht und
den Klang der Waffen rufst du in dieses friedgewohnte Tal.'
Flugblätter erinnern, geschichtlich etwas weit zurückgreifend, an die
unendlich traurigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges.
Die Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert war ein furchtbar großes Un-
glück in der Geschichte unseres Volkes. Wir Christen des 20. Jahrhun-
derts tragen keine Schuld daran und können diese Tatsache nicht aus
der Welt schaffen. Die christlichen Bekenntnisse müssen sich gegenseitig
ertragen, im Glauben getrennt, in der Liebe zum gemeinsamen Vater-
land geeinigt.
Es ist eine Unwahrheit, wenn man heute dem Volke von end-
losen Streitigkeiten zwischen den beiden christ-
lichen Bekenntnissen erzählt. Wenn wir die Bekenntnisschule
fordern, so fordern wir ebenso für die evangelischen Kinder die evan-
gelische Schule wie für die katholischen Kinder die katholische' Schule.
Die Bekenntnisschule wird also nicht aus Abneigung und Streitsucht
gegenüber dem anderen Bekenntnisse gefordert.
Wo von den Neuheiden Christus und sein Evangelium
verleugnet, wo überhaupt die biblische Offenbarung als morgen-
ländisches Märchen bezeichnet, wo Erbsünde und Er-
lösung aus dem Credo gestrichen werden, da wird die Axt
ebenso an die Wurzeln des katholischen wie des protestantischen Be-
kenntnisses gelegt. Auch aus diesem Grund hat die Bekenntnisschule
keine feindselige Einstellung gegen das andere christliche Bekenntnis.
Die Gemeinschaftsschule wird den Eltern besonders mit dem Hin-
weis auf die deutsche Volksgemeinschaft aufgedrängt. Die
deutsche Volksgemeinschaft ist ein herrliches Ziel des Führers. Wir wol-
len hoffen,' daß es ebenso glücklich erreicht werde, wie das große Ziel
der Arbeitsbeschaffung erreicht wurde. In der Bekenntnisschule wird
der Sinn für Volksgemeinschaft nicht weniger gepflegt. als in der
Gemeinschaftsschule. Auch in der Bekenntnisschule wurden die Kinder
nicht nach arm und reich, nicht nach Name und Stand getrennt.
Man kann aber das an sich schöne Wort .Gemeinschaft' auch
überspitzen. In früheren Zeiten haben die Bischöfe sich dem Staats-
242
kommunismus widersetzen müssen, der die Kinder aus den Familien
. neiimen und in Gemein achai'tslagern erzleiien wollte.
Kathollsclie Eltern! In Wort und Druck wird eucli vorgehalten:
Ein Führer, ein Volk, eine Schule I ,Ein Führer und ein
Volk' ist, wie die Volksgemeinschaft selber, ein herrliches Ziel. Wenn
man aber daraus die Einheit der Gemeinschafts schule ataleiten will,
Jcann man mit dem gleichen Unrecht auch die Einheit der Kirche
ableiten. Wenn man die Gemeinschaftsschule so begründen will: ,Unsere
Kinder spielen miteinander, sie stehen später beieinander im Arbeits-
dienst, in der Armee; warum sollen wir sie in den Schulen trennen',
dann kann man mit den gleichen Gründen auch üür die einheit-
liche deutsche Nationalkirche werben. Wir behaupten niclit,
die Wortführer der Gemeinschaftsschule wollten alle bewußt der deut-
schen Gemeins^haftskirche eine Gasse brechen. Es kann aber niemand
leugnen, es sind in unserem Volk starIce Kräfte am Werk, die heute
schon in dieser Richtung arbeiten: Ein Führer, ein Volk, eine Schule,
ein Glaube. Viele haben die Erklärung für die Gemeinschaftsschule
unterzeichnet, ohne sich über die^e weitere Entwicklung bis zur Ver^^
nichtung der christlichen Belcenntnisse Gedanken zu machen.
Denlcenden Menschen muß es auffallen, daß die abgefallenen
Priester fanatisch für die Gemeinschaftsscliule eintreten. Jene trau-
rigen Gestalten, deren Zahl man an den Fingern einer Hand abzählen
kann, bel<:unden heute ihren Apostatenhaß gegen die Kirche besonders
durch ihr Eintreten für die Gemeinschaftsschule. Das muß doch zu den-
ken geben.
In allen Tonarten wird versichert, auch in der Gemeinschaftsschule
werde ,der Religionsunterricht in derselben Stundenzahl, von den gleichen
Religionslehrern, nach Bekenntnissen getrennt, wie bisher gegeben.' Nie-
mand hat beliauptet, in der Gemeinscliaftsschule werde kein Religions-
unterricht mehr gegeben. Wohl aber setzen wir ein großes Fragezei-
chen hinter di'e Behauptung, der Religionsunterricht
werde in der Gemeinschaftsschule ,wie bisher' in der
Bekenntnisschule gegeben. Bisher war in der Bekenntnis-
schule der Lehrer vom gleichen Glauben wie die Schulkinder und deren
Eltern. Der Lehrer baute also im Religiösen auf dem Grunde weiter, den
das Elternhaus gelegt hatte. In der Gemeinschaftsschule kann
der Lehrer auch anderen Glaubens sein, er kann deutsch-
gläubig sein, er kann Heide sein, er kann die Biblische Ge*
schichte lächerlich machen, er kann Christus, unsern Hei-
land, lästern, wie es Woche für Woche in deutschen Zeitungen ge*
schiebt, er kann das Evangelium für ininderwertig erklä-
re n im Vergleich mit den Heldengeschichten der deutschen Vergangen-
heit, er kann das Christentum als ein Unglück und eine Ent-
artung des deutschen Volkes hinstellen und so das nieder-
reißen, was die paar Religionsstunden in den Kindern aufzubauen ver-
suchten. Das ist doch nicht mehr der Religionsunterricht ,w i e b i s -
h e r'. Da wird ein Zwiespalt In die Seele des Kindes ge-
tragen, wenn in der Religionsstunde die Biblische Geschichte von der
Erschaffung des Menschen erklärt, in einer anderen Schulstunde die Ab-
stammung des Menschen vom Affen gelehrt wird oder \wenn den Kin-
dern das schon hundertmal widerlegte Lügenmärchen von der Päpstin
Johanna aufgetischt wird.
Flugblätter und Sender haben den Eltern das amtliche Versprechen
gegeben, der Religionsunterricht werde ein ordentliches Unterrichtsfach
im Lehrplan der Gemeinschaftsschule wie bisher bleiben. Dagegen wird
in der Zeitschrift ,Weltanschauung und Schule' (Berlin, März 1937,
S. 295), herausgegeben von Professor Baeunaler, Hauptstellenleiter beim'
Beauftragten des Führers, offen erklärt: ,In der Tendenz der Zeit
liegt die deutsche Volksschule bei privater religiö-
243
ser Unterweisung der Kinder durch die Religions-
gesellschaften.' Der nach Bekenntnissen getrennte und in den
Lehrplan eingebaute Religionsunterricht werde vorläufig noch beibe-
halten, später aber müßten die Kuxhen die religiöse Unterweisung selber
übernehmen. Hier wird alöo erklärt: Späterhin wird die deutsche Volks-
schule keinen christlichen Religionsunterricht mehr erteilen. Hebt euch
deshalb die Flugblätter gut auf, um später ihre Versicherungen nach-
prüfen zu können!
Auf eine wichtige Frage geben die Flugblätter keine Antwort, auf
die Frage: Bleiben die Kreuze in den Schulen? Das Reichs-
kirchenministerium hat in einem Erlaß vom 23. Dezember 1935 den Bil-
derstürmern Einhalt geboten: ,So lange wir noch Bekenntnisschulen
haben, solange darf das Kreuz nicht aus der Schule entfernt werden.'
Solange wir noch Bekenntnisschulen haben! Angesichts der Arbeit für
die Gemeinschaftsschule, angesichts des furchtbaren Frevels an dem
Feldlvreuz bei Glonn erhebt sicli neuerdings die Frage: Werden die
Kreuze in den Schulen bleiben? Es gibt in Deutschland christliche
Simultanschulen, \y^o es den Kindern verboten ist, beim Schulgebet außer
dem Religionsunterricht das Kreuzzeichen zu machen aus Rücksicht auf
andersgläubige Mitschüler. An einzelnen Münchener Gemeinschafts-
schulen düi-fen zwar die Kinder das Kreuzzeichen machen, aber sie
düi'fen nicht mehr laut dabei sagen: Im. Namen des Vaters und des Soh-
nes und des Heiligen Geistes. Sohatesbeg o n nen, undwiewird
esenden?
Wenn die Eltern vor Gott die Pflicht haben, ihre Kinder im katho-
lischen Glauben zu erziehen, haben sie auch das Recht, zu erwarten, daß
in den staatlichen Schulen der Glaube der Kinder nicht erschüttert
werde. So habe ich vor 23 Jahren das gute Recht der Eltern auf christ-
liche Erziehung in Schutz genommen, als die Freidenker den reli-
gionsfreien Unterricht forderten, und vor 18 Jahren, als die marxi-
stische Schulbehörde in Bayern die Bekenntnisschule zerschla-
gen wollte.
Es wäre ein Unrecht, wenn die Freiheit der elterlichen Abstimmung
durch Drohungen oder wirtschaftlichen Druck ein-
geschränkt würde. Wir machen den Männern und Frauen keine Vor-
würfe, die unterzeichnet haben, um nicht stellenlos und brotlos zu wer-
den. Wir erheben aber Anklage gegen alle jene, die das Elterngewissen
in diese Zwangslage versetzt haben. Wie damals bei der Abstimmung in
München werden wir auch jetzt bei der Abstimmung im übrigen Ober-
bayern die Fälle, in denen nachweisbar wirtschaftlicher Druck auf die
Eltern ausgeübt wurde, den höchsten staatlichen Schulbehörden vor-
legen.
Die amtliche Kundgebung schreibt: ,Wäre es nicht besser, wenn die
Kirchen nach Rußland und Spanien schauen würden?' Ge-
rade weil wir nach Rußland und Spanien schauen, wehren wir uns da-
gegen, daß das allgemeine Menschenrecht, seinen Glauben bekennen zu
dürfen, und das allgemeine Elternrecht, die Kinder im Glauben der
Eltern erziehen zu lassen, verkümmert werde. Es wäre auch gut, wenn
die Staatsmänner nach Frankreich schauen würden, wo
zwar Juden und Freimaurer in der Regierung sitzen, wo man
aber den Eltern die freie Walil läßt, ihre Kinder sogar in eine
klösterliche Bekenntnisschule zu schicken.
Die nächste Frage wird nun sein, ob den Eltern das
im Reichs konkordat verbürgte Recht, katholische
Vollcsschulen zu fordern und zu beantragen, auch
wirklich zuerkannt wird.
Mit einem wahren Entsetzen haben die Eltern den Grundsatz des
Herrn' Stadtschulrates Bauer vernommen, das Kind gehöre in
244
erster Linie dem Staat. Es kann niemancj in Abrede stellen:
Die Familie hat geschichtlich und naturrechtlich in der Frage des
Kindes ein Vorrecht vor dem Staate. Die Kinder wurden zu-
erst in die Familie hineingeboren und erst, als aus einer Mehrzahl von
Familien eine Staatsgemeinschaft sich gebildet hatte, auch in diese ein-
gegliedert. Der Heilige Vater Pius XI. sagt in seinem Rundschreiben
über die christliche Erziehung vom Jahre 1929: ,Die Familie hat un-
mittelbar vom Schöpfer den Auftrag und daher auch das Recht auf Er-
ziehung ihrer Kinder, ein Recht, das vor dem Recht der Volks- und
Staatsgemeinschaft den Vorrang hat und gegenüber jeder irdischen
Macht heilig ist'.
Auf den Versammlungen der Kinderreichen wird
immer wieder verkündet, die Regierung werde dvirch Ehestandsdarlehen,
durch erhöhte Gehaltsbezüge, durch Erleichterungen in Schulgeld und
Steuersätzen, durch Kinderbeihilfen die kinderreiche Familie
unterstützen und fördern. Dieser weitschauende Plan, im Wesen von
bevölkerungspolitischen Absichten getragen, wird aber nicht zum Ziele
kommen und die Kinderscheu nicht überwinden, wenn nicht eine sittlich
hohe Auffassung von Ehe und Familie im Hintergrund steht und die
Eltern nicht aus ihrer religiösen Weltanschauung heraus die Kinder als
ein Geschenk und einen Segen Gottes betrachten/. Auf die Kinderfreudig-
keit der Eltern wird es hemmend zurückwirken, wenn heilige,-
gottgegebene Rechte der Eltern auf ihre Kinder von
staatlicherSeiteeingeschränktwerden.
An dem Tage, an dem in München eine Mutter, um die Stellung
ihres Mannes nicht zu gefährden, ihr Kind für die Gemeinschaftsschule
anmeldete, kam sie nachher auf das Pfarramt und mit einer gellenden
Stimme fluchte sie dem Tag, an dem sie dieses Kind geboren habe. Bei
der Abstimmung für die Gemeinschaftsschule auf dem Lande sprach eine
gläubige Mutter: ,Herr Pfarrer, wenn es keine Sünde wäre, ich würde
den Herrgott bitten, daß er meine vier Buben an einem Tag sterben
ließe.' Die katholische Kirche hat von jeher die kinderreiche und kin-
derfreudige Familie glücklich geheißen, und es bleibt dabei. Was ich
sagen will, ist dieses: Es ist ein Widerspruch, auf der einen Seite durch
steuerliche Erleichterung und wirtschaftliche Beihilfen die kinderreiche
Familie zu unterstützen und auf der anderen Seite durch Einschrän-
kung der Elternrechte die Kinderfreudigkeit wieder herabzudrückeri.
Wir wissen, daß wir Euch zu einem ernsten und schweren Bekennt-
nis aufrufen. Aber wir müssen es tun, weil wir uns der Verantwortung
bewußt sind, die wir mit Euch für die religiöse Erziehung der Kinder
tragen. Darum stehet treu in dieser entscheidenden Stunde zu Eurer
Kirche. Euch und Eure Kinder empfehlen wir dem Schutze des all-
mächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes. Amen.
München, den 14, Juni 1937.
gez. M. Card. Faulhaber, Erzb. v. M."
mm) Die schwindelhafte „Abstimmung", die amtlicherseits im
Juni 1937 allenthalben zugunsten der Gemeinschaftsschule gema,cht
worden war, legte nahe, den wirklichen Willen der
katholischen Eltern kirchlicherseits zu erforschen. Da sich
hiebei, wie erwartet, sofort ein ganz anderes Bild ergab, als die
,",öITentliche Abstimmung" vorzutäuschen versucht hatte, gab das
Erzbischöfliche Ordinariat München sämtlichen Seelsorgestellen den
Auftrag, „konkordatsmäßigen Antrag auf Beibehal-
tung bzw. Neueinrichtung katholischer Bekennt-
nisschulen zu stellen". Die Vez^fügung lautete:
245
Konkordatsanträge auf Einrichtung katholischer
Bekenntnisschulen
„In der Anlage geben wir dem Diözesanklerus in Abschrift die
R e c h t s V e r w a h r u n g gegen die Aufhebung der Bekenntnisschulen
im Regierungsbezirk Oberbayern zur Kenntnis. Nunmehr soll auch das
andere Rechtsmittel eingelegt werden, das in Art. 6 des Baye-
rischen Konkordates und Art. 23 des Reichskonkordates den Erziehungs-
berechtigten eingeräumt ist, nämlich die Antragstellung auf Bei-
behaltung bzw. Neueinriclitung katholischer Bekenntnisschulen an allen
betroffenen Schulorten.
Für die Anträgstellung kommen insgesamt 955 Schulorte (Schul-
sprenge] ) im Regierungsbezirk Oberbayern in Betracht. Von diesen ge-
hören 680 zur Erzdiözese München.
Nach dem bisherigen Berichtstand liegen uns für rund
500 Schulsprengel Abstimmungsergebnisse für die Antragstelkmg gemäß
Art. 6 des Bayerischen Konkordates vor. Diese vorläufigen Abstimmungs-
ergebnisse betragen in 160 Schulorten über 75 Prozent,
in 150 „ „ 50—74 Prozent
im Rest unter 50 Prozent der Gesamtzahl der volks-
hauptschulpfiichtigen Kinder. Um die Antragstellung für die ge-
samte Diözese einheitlich und in der rechtlich vorgeschrie-
benen Form durchführen zu können, ist die Mitarbeit aller
Seelsorgsstellen nach folgenden Weisungen erforderlich:
1. Von allen Seelsorgsstellen, soweit noch nicht geschehen, ist die
Unterschriftensammlung für den Konkordatsantrag entsprechend den
bereits ergangenen Weisungen durchzuführen. Zur Unterzeichnung des
Konkordatsantrages ist jeder der beiden Elternteile berechtigt. Indessen
kann die Erklärung der Mutter durch eine nachträgliche Erklärung des
Vaters widerrufen werden. Deshalb soll möglichst die Unterschrift der
Väter eingeholt werden. Die für' die Unterschriftensammlung verwen-
deten Formulare (siehe Beilage L, S. 3) müssen nach den pressegesetz-
lichen Vorschriften den Vermerk über den Herausgeber und Hersteller
enthalten. Sie können vom Ordinariat bezogen werden.
2. Von allen anderen Seelsorgsstellen wollen die Bemühungen fort-
gesetzt werden, die bereits erzielten Ergebnisse zu verbessern. Mancher-
orts sind nach dem Erscheinen der Regierungsentschließung (betr. Ein-
führung der Gemeinschaftsschule) die Unterschriftensammlungen abge-
brochen worden in der Annahme, sie hätten keine rechtliche Bedeutung
mehr. Diese Annahme ist irrig. In anderen Gemeinden hat man von der
Unterschriftensammlung jene Eltern ausgeschlossen, die am 10. Juni und
den folgenden Tagen die sogenannte ,Freiwillige Erklärung' für die
Gemeinschaftsschule unterschrieben haben. Zu Unrecht! Alle Eltern
von katholischen volkshauptschulpflichtigen Kindern dürfen und sollen
den Konkordatsantrag, unterschreiben. In den .Freiwilligen Erklärungen'
ist ja mit keinem Wort die Beseitigung der Bekenntnisschule und die
Einführung der Gemeinschaftsschule erwähnt worden. Von vielen Eltern
ist der Ausdruck .deutsche Volkssc'hule', der in diesen Er-
klärungen unter Vermeidung des Wortes Gemeinschaftsschule ausschließ-
lich verwendet wird, von der bisher bestehenden Volksschule verstan-
den worden, und das mit Recht, weil die katholische Volksschule alle
Erfordernisse erfüllt hat, die in den Erklärungen besonders hervorgeho-
ben werden.
3. Auf Grund der erzielten Unterschriftsergebnisse ist der Konkor^
datsantrag für jeden Schulsprengel (nicht für den Seelsorgs-
sprengel), für den bisher eine katholische Bekenntnisschule eingerichtet
war, gesondert nath beiliegendem Musterbeispiel (Beilage 2) zu stellen
und beim Erzbischöflichen Ordinariat in zweifacher Ausferti-
gung einzureichen. Den Anträgen sind die schriftlichen Willenserklärun-
246
gen der beteiligten Erziehungsberechtigten vollzählig beizulegen (bzw.
die Nachträge), damit das Ordinariat die Richtigkeit der Angaben be-
glaubigen l^ann. Diese Belege bleiben bei den Alcten des Ordinariates.
Den staatlichen Behörden werden also nicht die Namen, sondern nur die
Zahl der Antragsteller berichtet.
Bei S c h ^1 1 sprengein,, die sich aus verschiedenen Seelsorgssprengeln
zusammensetzen, müssen demnacli bei Ermittlung der Abstimmungs-
ergebnisse die beteiligten Seelsorgsvorstande zusammenwirlten. Noch-
mals sei darauf hingewiesen, daß für die Antragstellung nur die volks-
hauptschulpflichtigen Kinder zu zählen sind.
Auch für die zahlreichen einklassigen Volksschulen mit weniger als
50 Sc'liülern sollen die Konkordatsanträge eingereicht werden.
4. Vorsorglich legen wir über das bereits berichtete Abstimmungs-
ergebnis deri einzelnen Seelsorgsstellen eine Aufstellung bei.
5. Mit der Einreichung der Konkordatsanträge und der Unterschrif-
tenbelege (durch Boten, nicht durch Post) wolle zusammenfassend be-
richtet werden über folgende Fragen:
a) Gesamtschülerzahl der Volkshauptschule;
b) Zahl der nichtkatholischen Schüler;
c) Zahl der volkshauptschulpflichtigen Kinder, für die der Konkor-
datsantrag unterzeichnet wurde;
d) Wieviel Prozent der Gesamtzahl der katholischcnSchüler
sind das?
e) Besondere Bemerkungen.
6. Äußerster Termin für die Erledigung des Auftrages ist der 15. Sep-
tember 1937.
Anlage 1
Die Eltern (Erziehungsberechtigten) des schulpflichtigen Kindes
Name ....... Schulklasse .... Wohnung . . , a s s
beantragen auf Grund Art. 6 des Bayerischen Konkordates für obiges
Kind eine katholische Bekenntnisschule und beauftragen das zuständige
katholische Pfarramt mit der Vertretung dieses Antrages.
Datum Unterschrift der Eltern (Erziehungsberechtigten)
Anlage 2 Musterbeispiel
Katholisches Pfarramt , den .... 1937
Durch das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising
an die Regierung von Oberbayern, München
Betreff: Anträge der Erziehungsberechtigten auf Grund Art. 6 des Baye-
rischen Konkordates.
Im Schulsprengel , Bez.-Amt haben die Er-
zieliungsberechtigten für volkshauptschul-
pfiichtige katholische Kinder die Beibehaltung bzw. Neueinrichtung der
katholischen Bekenntnisschule auf Grund von Art. 6 des Bayerischen
Konkordates durch schriftliche Willenserklärung beantragt und das
unterzeichnete Pfarramt mit der Vertretung dieses Antrages beauftragt.
.Pfarramtssiegel: ' Unterschrift.
Die Richtigkeit obiger Angabe wird beglaubigt.
München, den 1937.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München und Freisinn,
Siegel. ' Unterschrift:
247
nn) Der „Eid aufden Führer , der da und dort auch von
den Geistlichen verlangt wurde, wenn sie weiterhin Religions-
unterricht an öfPentlichen Schulen erteilen wollten, gab dem
Erzbischöflichen Ordinariat Anlaß zu folgender Weisung an den
Klerus:
„Das Ordinariat des Erzbistvims München, 21. Juli 1937
München und Freising
Gen.-Vik. Nr. 9288
An die Hochw. Dekanalämter der Erzdiözese.
Betreff: Treuegelöbnis,
Dem Hüch'würdigen Dekanalklerus ist in einer demnächst ein-
zuberufenden Konferenz folgendes mitzuteilen:
In der Diözese Rottenburg wurde den Geistlichen, die in öffentlichen
Schulen Religionsunterricht erteilen, die Leistung eines Treuegelöbnisses
auf den Führer auferlegt.. Hiebe! kam es mehrmals zu' Schwierigkeiten,
da durch vei'pflichtende Beamte wiederholt der Wortlaut des Gelöbnisses
in einem mit dem Gewissen der Geistlichen nicht vereinbaren Sinne
interpretiert wurde.
Um etwa ähnlichen Schwierigkeiten auch bei uns von vorneherein
zu begegnen und eine einheitliche Linie festzulegen, bestimmen wir:
Sollte evtl. auch von unserem Diözesanklerus ein staatliches Treue-
gelöbnis irgendwelcher Art abverlangt werden, so ist vor Leistung des-
selben der Wortlaut unverzüglich der oberhirtlichen Stelle mitzuteilen,
die das weitere veranlassen wird.
gez.: Buchwieser, Generalvikar."
oo) Auch die günstigsten Ergebnisse der kirchlicherseits veran-
laßten Abstimmung änderten nichts an der Sache. Gewalt ging
eben vor Recht. Und Verträge galten nur „rebus sie
stantibus", solange die Sachlage so war, auf deutsch: solange
man die Verträge brauchte.
Sc war es auch mit der Verpflichtung, die man in den Werbe-
versammlungen für die Gemeinschaftsschule, z. B. in München am
11! Juni 1937 eingegangen war, indem man auf die Frage des Red-
ners, ,,Wollt ihr mit uns an der deutschen Volksschule den
Religionsunterricht beibehalten?" chorweise ant-
worten ließ: „Ja!" (s. Band L S. 97).
Sc sollten zunächst nur alle Bedenken ängstlicher Gemüter
gegen die neue Einheitszwangsschule beseitigt werden,
Zvv^ei Jahre darauf, als man sich schon in sicherem Besitz der
,,entkonfessionalisierten Schule" wußte, um die Jahreswende
1939/40, konnte der Schafspelz ruhig abgeworfen werden, konnte
der Wolf Nationalsozialismus gierig ein neues Opfer seines Kirchen-
hasses verschlingen:
den Religionsunterricht an den Berufsschulen.
Kardinal Faulhaber legte hiegegen in einem Hirtenwort
vjsm 4. Februar 1940 von allen Kanzeln der Erzdiözese feierlichen
Einspruch ein und sorgte zugleich für eine andere Form der so
248
notwendigen religiösen Unterweisung der männlichen und weib-
lichen Jugend nacli Abschluß der Volksschule.
I-Ii r t e n w o r t !
Die Abschaffung des Religionsunterrichtes an den Berufsschulen, zu ver-
lesen bei allen Gottesdiensten am Sonntag Quinquagesima, 4. Febr. 1940:
„Geliebte Diözesanen!
Die Ordinariate der baj'erischen Bischöfe haben zur Jahreswende
die Mitteilung erhalten, daß im Auftrag des Bayerischen Staatsministe-
riums für Unterricht und Kultus und im Vollzug eines Erlasses des
Eeichserziehungsministeriums der Religionsunterricht an den
Berufsschulen mit sofortiger Wirksamkeit entfällt. Unter
Berufsschulen — bisher Fortbildungsschulen genannt — sind jene Schu-
len zu verstehen, zu deren Besuch die männliche und weibliche Jugend
nach dem Abschluß der Volksschule allgemein verpflichtet ist. An allen
diösen Schulen, sowohl den gewerblichen und kaufmännischen als auch
den hauswirtschaftlichen und ländlichen Berufsschulen, soll also in Zu-
kunft kein Religionsunterricht mehr erteilt werden. Die bis-
her dem Religionsunterricht zur Verfügung gestellte Zeit soll — wie die
Anordnung lautet — ,tür die fachliche und nationalpolitische Erziehung
verwendet werden'. Weiterhin soll diese Neuregelung zur Folge haben,
daß künftig ,die Berufsschüler nicht mehr von der Schulaufsichtsbehörde
verpiiichtet werden ''können', den allgemeinen, von der Kirche eingerich-
teten Religionsunterricht zu besuchen.
Mit tiefem Schmerze bringt Euer Erzbischof diese für die christ-
liche Jugenderziehung folgenschwere Maßnahme
seinen Diözesanen zur Kenntnis. Ich teile das insbesondere den Eltern
mit, denen die Sorgepflicht für die heranwachsende Jugend am meisten
am Herzen liegt. Ihr wißt, daß gerade diejungen Me n s c h e n
nach cTer Entlassung aus der Volksschule, in den Ent-
wicklungsjahren die erzieherischen Werte der Reli-
gion am allernotwendigsten brauchen. Wer von den
Jugendlichen in diesen kritischen Jahren der seelischen und körperlichen
Reife sittliche Selbstzucht und Charakterbildung fordert, der d-arf ihnen
die tiefsten Beweggründe und die stärksten Antriebe nicht vorentealten,
die der Religionsunterricht zvir Verfügung stellt.
Eingedenk unserer Gewissenspflicht rmd aus vaterländischem Ver-
antwortungsgefühl haben wir Bischöfe gegen die Abschaffung des Reli-
gionsunterrichtes in den Berufsschulen Einspruch erhoben.
Wir haben die Landesregierung auch daran erinnert, daß in Art. 7
des Bayerischen Konkordates das feierliche Versprechen . ge-
geben wurde: ,An allen Volksschulen bleibt der Religionsunter-
richt ordentliches Lehrfach'. Volksschulen im damaligen Begriff sind
alle Schulen, die zur Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht, d. i. der
Volksschul- und Berufsschulpflicht, eingerichtet sind.
Und in Art. 21 des Reichskonkordates steht der Satz: ,Der
katholische Religionsunterricht in den Volksschulen, Berufsschulen, Mit-
telschulen und höheren Lehranstalten ist ordentliches Lehrfach und wird
in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche er-
teilt'. Wir haben ferner nicht vergessen, daß bei der Einführung der
Gemeinschaftsschule den Eltern feierlich versprochen wurde, es werde
der Religionsunterricht auch in den Gemeinschaftsschulen, also
auch in den Fortbildungs- oder Berufsschulen, ordentliches Lehrfach
bleiben und mit derselben Stundenzahl gegeben werden.
Unsere dringende Bitte um die Beibehaltung des Religionsunter-
richtes ist ohne Erfolg geblieben. Der Religionsunterricht ist in den
249
letzten Wochen in sämtlichen Berufsschulen aus dem Schulplan entfernt
worden.
Geliebte Diözesanen! -Euer Erzbischof und Eure Seelsorger können
nicht länger mehr die Verantwortung tragen, daß , die berufsschul-
pflichtige Jugend ohne einen geregelten und ihrem geistigen Wachstum
entsprechenden Religionsunterricht aufwTächst. Wir haben uns darum
entschlossen, in Fortsetzung des bisherigen schulischen Religionsunter-
richtes in allen Pfari'gemeinden e i n e n Ic i r c h 1 i c h e n U n t e r r i c h t
für die Berufsschulpflichtigen einzurichten. Wir
knüpfen dabei an das Vorbild der Christenlehrpflicht an, die bekanntlich
früher allgemein eingeführt war und heute noch in vielen Gegenden
segensreich fortbesteht, und erklären hiemit:
,Für die männliche und weibliche Jugend besteht nunmehr allgemein
nach Entlassung aus der Volksschule die kirchliche Christenlehrpflicht
neben der staatlichen Berufsschulpflicht' . . ."
14 Kanzelverkündigungen und Erlasse, Richtigstellungen und
ProtiBste einer einzigen bischöflichen Stelle zu einem ein-
zigen Punkte (Bekenntnisschule), jedesmal laut verkündet von
zirka 80 Seelsorgsstellen der Stadt München bzw. zirka 800 Seel-
sorgsstellen der Erzdiözese München, teilweise in „Seelsorgsbriefen"
hineingetragen in Tausende von Familien, befolgt von Zehn-
lausenden katholischer Väter und Mütter!
Gewiß, hier war zä bester Widerstand! /
*
3. Die katholischen Orden.
a) Der Papst fordert Gerechtigkeit.
„Den katholischen Ordensleuten beiderlei Geschlechts gilt ebenfalls
unser väterlicher Dank, verbunden mit inniger Anteilnahme an dem Ge-
schick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von ihnen aus
segensreicher und liebgewonnener Berufsarbeit herausgerissen hat. Wenn
einzelne gefehlt und sich ihres Berufes unwürdig erwiesen haben, so
mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen nicht die Ver-
dienste der gewaltigen Überzahl, die in Uneigennützigkeit und freiwil-
liger Armut bemüht war, ihrem Gott und ihrem Volk mit Hingabe zu
dienen. Der Eifer, die Treue, das Tugandsfrsban, die tätige Nächstenliebe
und Hilfsbereitschaft der in Seelsorge, Krankendienst und Schule wir-
kenden Orden sind und bleiben ein ruhmwürdiger Beitrag zur privaten
und öffentlichen Wohlfahrt, dem zweifellos eine spätere, ruhigere Zeit
mehr Gerechtigkeit wird widerfahren lassen als die aufgewühlte Gegen-
wart. Wir haben das Vertrauen zu den Leitern der Ordensgen^ossen-
schaften, daß sie die Schwierigkeiten und Prüfungen zum Anlaß nehmen,
um durch verdoppelten Eifer, vertieftes Gebetsleben, heiligen Berufs-
ernst und echt klösterliche Zucht von dem Allmächtigen neuen Segen
und neue Fruchtbarkeit auf ihre schwere Arbeit herabzurufen."
(Enz. V. 14. 3. 37.)
Das waren wahrhaft väterliche Worte, Anerkennung und
Dank verbindend mit Bedauern. und Mahnung.
Eben dieser gütige Vater und gerechte Richter griff aber von
Anfang an unerschrocken' in den Kampf um die Orden ein und
250
hielt seinen Schild über die vielen . Ordenspriester, -brüder und
-Schwestern, die in den Devisen- und Sittlichkeitsprozessen in
Bausch und Bogen zusammen mit den wenigen Schuldigen ver-
urteilt ui^d durch eine unerhörte Berichterstattung vor der ganzen
Welt verdächtigt und bloßgestellt wurden.
aa) Der Papst zu den Devisenprozessen.
In der Note vom 14. Mai 1935 widmet der Hl. Stuhl längere
Ausführungen den Mißdeutungen und Mißgriffen bei den Devisen-
prozessen. Vor allem wendet er sich gegen
die skandalöse, amtlich beeinflußte Bericht-
erstattung. 1
„Die Note der Reichsregierung vom 16. Dezember v. J. räumt in
ihren Ausführungen den sogenannten Devisenprozessen katholischer
Weltgeistlicher und Ordensangehöriger einen besonderen Platz ein und
benützt diesen Anlaß zu Ausführungen, die dem Hl. Stuhl deshalb
'nicht neu sind, weil er sie in ähnlicher, wenn auch gröberer Form
und mit gleicher Tendenz in der amtlichen Presse der den Staat
tragenden Partei seit geraumen Monaten zu finden gewohnt war. An-
gesichts • der in Deutschland durchgeführten Uniformierung der
Presse und ihi:er gedanklichen Leitung und Beherr-
schung durch ein besonderes Ministerium hat' er die teil-
weise geradezu empörenden, für die Kirche \md ihre Gläubigen tief
beleidigenden, jeder Wahrhaftigkeit und .Würde
widersprechenden Kommentare in der behördlich in-
spirierten, teilweise zum Ausdruck direkt gezwungenen
Presse nicht als rein journalistische Entgleisungen betrachten und
dementsprechend werten können. Sie sind ihm vielmehr ernste und un-
erträgliche Symptome für den Geist der Kirchenfeindschaft,
der von maßgebenden Persönlichkeiten unter Nichtachtung,'
Duldung oder gar Förderung verantwortlicher Stellen in die amtliche
Presse, in die staatsbevorzugten Organisationen und in die den
Staat beherrschende Partei hineingetragen wird. Die .dagegen er-
hobenen kirchlichen Vorstellungen sind, von einzelnen anerkennens-
werten Fällen abgesehen, nicht imstande gewesen, die obersten Staats-
stellen zu der ihnen jederzeit möglichen Sistierung dieses Vorgehens zu
veranlassen." ■
Kirchenbehördliche Untätigkeit?
„Hätte die Reichsregierung, wie- es an sicli nahelag, sofort nach
Kenntnisnahme der behaupteten staatsfeindlichen Wirtschaftsbetätigung
kirchlicher Persönlichkeiten und Organisationen sich mit ihm (= dem
Hl. Stuhl) in Verbindung gesetzt uijid ihm die Möglichkeit einer zu-
verlässigen Einsicht in die erweisbaren Tatbestände gegeben, so würde
es an dem gewünschten Einschreiten nicht gefehlt haben. Der nunmehr
angedeutete Vorwurf kirchehbehördlicher Untätigkeit
ist mindestens unverständlich. Ein amtliches Eingreifen des Hl. Stuhles
hätte sich ohne die Ermöglichung solcher Einsichtnahme lediglich auf
Zeitungsberichte stützen können, allenfalls auf Darstellung betroffener
Personen und Organisationen, deren . erschöpfende Einvernahme jedoch
durch staatliche Maßnahmen meistens unmöglich gemacht wurde. Ein
initiatives Vorgehen des Hl. Stuhles auf Grund 1 ü c k e n -
haft erBeweis mittel hätte weder dem kirchenrechtlich unabding-
baren Grundsatz der O bjektivität und Unparteilichkeit ent-
sprochen, noch wäre es vor dem Vorwurf des Eingriffs in inner-
deutsche staatliche Angelegenheiten sicher gewesen."
251
Der Hl. Stuhl urteilt ohne Rücksicht auf Person,
allein nach dem katholischen Sitteng6setz
„Grundsätzlich sei zunächst vorausgeschickt, daß bei der Beurteilung
von wirklich nachgewiesenen Vergehen die Person des Schuldi-
gen für den Hl. Stuhl wie für jeden, dem es um die Gej-echtigkeit zu
tun ist, außer Betracht bleibt. Ebensowenig wie er es verstehen
würde, daß im sogenannten höheren Staatsinteresse die Ver-
folgung von Gesetzesübertretungen unterbleibt, lediglich des-
halb, weil sie der in dem jeweiligen Staatswesen herrschenden
Richtung angehören oder in ihr f ü h r e n d e S t e 1 1 e n b e k 1 e i -
den, ebensowenig wird er je für wirklich schuldige Angehörige des
geistlichen Standes die Nichtanwendung strafender Gerechtigkeit er-
warten. Diese seine Stellungnahme ergibt sich zwangsläufig aus den
Prinzipien der katholischen Sittenlehre, die Grundlegung und Norm für
die Gewissensbildung der Kirche in Haupt und Gliedern ist.
Wie selbstverständlich auch diese Feststellungen sind, und so ent-
behrlich sie in Zeiten waren, wo der Verteidigung der Wahrheit auch
in der Presse und breiten Öffentlichkeit dieselben Rechte und Möglich-
keiten eingeräumt waren, wie dem Irrtum und der Irreführung, so not-
wendig erscheinen sie heute und für die gegenwärtige deutsche Wirk-'
lichkeit. Gewisse Bemerkungen in Reden von Staatsanwälten
und anderen Amtsträgern, hetzerische Artikel in der der Zen- ■
sur und Leitung der Reichsregierung unterliegenden Presse haben mehr-
fach unbeanstandet die gegenteilige Auffassung verbreitet und gehen
darauf aus, die Katholiken als solche in Fragen der Nation und
Volksgemeinschaft und in Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten als
minderwertigundunzuverlässighinzustellen. Ganz ab-
gesehen von dem praktischen Nachweis der Vaterlands- und Volksliebe,
den katholisches Volk, Klerus und Ordensgesellschaften in Krieg und
Frieden, unter größten persönlichen und materiellen Opfern erbracht
haben, werden Verdächtigungen der genannten Art schon allein durcfi
die klar vorliegende Lehre der Kirche in Fragen dieser Art, widerlegt.
Angesichts dieser Tatsachen ist es unerfindlich, wie die Reichs-
regierung in Widerspruch zu ihrem oft betonten Ziel der Volksver-
söhnung und der Überbrückung der Gegensätze es zulassen konnte, daß
im Anschluß an die Devisenprozesse und nach offensichtlich einheit-
lichen Stichworten in einer beispiellosen Hetze gegen Klöster, Klerus
und Kirche die katholische Sittenlehre, also eine ihrer wich-
tigsten volksbiJdenden Betätigungen, i n jn aßloser Weise an-
gegriffen, verdreht und geschmäht wurd e."
Propaganda gefährdet die Objektivität des Gerichts!
„Diese nicht genug zu bedauernde Beeinflussung der öffentlichen
Meinung ist wegen der durch sie geschaffenen Atmosphäre für die Ob-
jektivität der Rechtsfindung in den in Rede stehenden Verfahren ein
schwerwiegendes Gefahrenmoment, weil die beteiligten Amtspersonen
selbst bei ehrlichem Streben nach Objektivität sich der Suggestion
und dem Druck der propagandistisch geschafffenen
öffentlichen Meinung nicht entziehenkönnen. Das nicht
selten auffallend jugendliche Alter der zur Anklagevertretung beord- .
neten Herren konnte ihre innere Unabhängigkeit gegenüber der durch
die amtliche Propaganda geschaffenen Gesamtatmosphäre nicht ver-
stärken. Die nianchmal geradezu peinlich sich offenbarende Fremdheit
der staatsamtlichen Organe gegenüber Leben und Idealen der Menschen,
über die sie zu befinden hatten, schloß ebenfalls die Gefahr schwerer
Fehlbeurteilungen in sich. Daß diese Gefahr Wirklichkeit geworden ist,
ergibt sich aus der Tatsache, daß die Reden gewisser Staatsanwälte in
Ausdrucksweise, Tendenz und Wertungen sich als weitgehendes, un-
252
kritisches Echo der oben geschilderten Pressekampagne darstellen. Wenn
ein Staatsanwalt beispielsweise in seiner Anklagerede sogar die in
Deutschland bestehende Butterknappheit in ursächlichen
Zusammenhang mitden Devisenvergehen kirchlicher
Personen zu bringen wußte, so zeigt das einen beschämenden
Tiefstand forensischer Selbstzucht und eine schwer zu überbietende Ab-
hängigkeit amtlicher Personen von den Argumenten und Instinkten der
Straße . . ."
Abstoßendes Bild des Untersuchungsverfahrens.
' „War durch die geschilderte Beeinflussung der öffentlichen Meinung
von vornherein die Objektivität der Rechtsfindung ernsthaft gefährdet,
so gilt dies nicht minder für die Art der Behandlung der An-
geklagten im Verlauf der Untersuchungsverfahren. Aus den zur Zeit
verfügbaren, begrenzten, aber zuverlässigen Teilmaterialien ergibt sich
für den HL Stuhl ein denkbar ungünstiges und abstoßen-
de s B i 1 d.
Die mehrfach harte und ungehörige Form der Untersuchungen und
Beschlagnahmungen in den kirchlichen Anstalten, die willkürliche Aus-
dehnvmg der Beschlagnahmungen auf interne, dem Gewissensbereich und
der privaten Sphäre angehörige Schriftstücke, .die Art und Weise der
Vernehmungen von Geistlichen, Ordensmännei-n und Ordensfrauen, die
vielfach mit erschreckender Rücksichtslosigkeit auf Erschöpfung und
Quälung der Beschuldigten ausgehende Gestaltung der Verhöre, die ver-
letzenden und tiefbeleidigenden Äußerungen staatlicher Autoritätsträger
bei ihren Amtshandlungen: alles dies sind Tatsachen, an denen
auch für diejenigen, die außerhalb der durch die Zwangsmaßnahmen der
Geheimen Staatspolizei geschaffenen Zone des Schweigens stehen, kein
Zweifel möglich ist.
In einigen Fällen hat die rohe Art der Behandlung zum Tod von
Verhafteten und in nicht wenigen Fällen zu schwerster ge-
sundheitlicher Schädigung geführt, und dies ausgerechnet in
Fällen, wo sich nachher die relative Geringfügigkeit der Anschuldigungen
klar ergab. Die Absperrung der Verhafteten ging soweit, daß man ihnen
monatelang nicht einmal die Möglichkeit der sakramentalen
Beichte bei dem amtlichen Gefängnisseelsorger gab.
Avich der Verkehr mit dem Verteidiger wurde teilweise durch die
Art der Überwachung bis zum Augenblick der förmlichen Anklage-
erhebung und damit in nicht wenigen Fällen bis unmittelbar vor der
Gerichtsverhandlung zu einer für das Verfahren fast wertlosen An-
gelegenheit. Die durch solche Methoden herbeigeführte seelische Zer-
mürbung und geistige Depression der Häftlinge hat ihre Aussagefähig-
keit bei Verhören und bei der Verhandlung oft sehr ungünstig beein-
flußt. Daß dann Staatsanwälte und eine gewisse Presse ein leichtes Spiel
hatten, einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Ausdrücke und Aus-
sagen der Beschuldigten gegen sie und gegen die von ihnen bekannte
Religion- und .Kirche auszvimünzen, ist leider Tatsache, aber sicherlich
nicht geeigr^et gewesen, einei- objektiven Rechtsfindung zu dienen.
Gerade tiei den Devisensachen kam der seelischen Verfassung, der Auf-
nahme- und Verteidigungsfähigkeit der Angeschuldigten prozessual eine
besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um ein sehr verwiclceltes Stoff-
gebiet, das durch die intensive Gesetzgebung und Verordnungstätigkeit
der gegenwärtigen Reichsregierung selbst für den Durchschnitts-
juristen undurchsichtig geworden , ist. Zur Feststellung der
Legalität und Illegalität gewisser finanzieller Handlungen bedarf es
nachgerade ausgesprochener Spezialisten. Selbst unter ihnen sind die
Meinungen nicht konform.
Wenn der deutschen Justiz verhältnismäßig viele Verfahren gegen
kirchliche Personen und Organisationen überwiesen wurden, so erklärt
253
sich diese auf , den ersten Blick befremdliche Tatsache bei der oben ge-
schilderten Sachlage unschwer dadurch, dal? diese Klasse von Beschul-
digten eben nicht mit dem. .Raffinement der Methoden', nicht ,mit gut
eingespielten Organisationen' und nicht so .planmäßig' vorgegangen war^
wie es die Note der Reichsregierung hinstellt. Es spricht vielmehr alles
dafür, daß, wie es bei anormal komplizierten Gesetzesvorscliriften zu
sein pflegt — um bei dem Sprachgebrauch der Reichsregierung zu
bleiben — , die eigentlich .Raffinierten', die wohl mehr i n
anderen Kreisen zu suchen sind und die die technischen Finessen
der Gesetzesumgehung gewohnheitsmäßig besser beherrschen, nicht oder
nur selten gefaßt werden." , ■ . .
Wirtschaftli.c he Schädigung?
So fest dieBehauptung, so zweifelhaft die Tatsache!
„Bei dem in der Note erhobenen Vorwurf ,des planmäßigen Angriffs
auf das Wirtschaftsleben ihres Vaterlandes und ihres schwer um seinen
Wiederaufbau ringenden Volkes' vermißt der Hl. Stuhl den bei einer so
weitti-agenden und auch nach der Gesinnungsseite ehrenrührigen Be-
hauptung doppelt notwendigen Beweis. Wie die Gutachten uninteres-
sierter Sachverständiger dartun. ist die Klärung dieser Frage keineswegs
'mit summarischen Pauschalsätzen zu erreichen, wie die Note sie ent-
hält. Da es sich hier nicht um die moralische Wertung der Gesetzes-
übertretung als solche handelt, sondern vm eine wirtschaftliche Tat-
sachenfrage, so > ist für ihre Bejahung oder Verneinung das wirt-
schaftliche Endergebnis maßgebend; und nichts als dieses.
Gerade in solcher Richtung sind aber dem Hl. Stuhl vorliegende Gut-
achten von .Fachleuten keineswegs so zuversichtlich wie die Reichsregie-
rung in ihren diesbezüglichen Auslassungen,
Diese Fachleute weisen darauf hin, daß der Abbau von Schulden
und Zinslasten nicht nur privatwirtschaftlich den Schuldner stärkt, son-
dern auch volkswirtschaftlich einen Gewinn darstellt. Wenn
zudem Schuldner, die als caritative und volksbildende kirchliche Ein-
richtungen auch öffentlichen Interessen dienen, durch möglichste Ab-
stoßung der Schulden wirtschaftlich gesunden, so werden sie damit auch
für ihre die öffentliche Hand entlastenden Aufgaben
leistungsfähiger und können als zahlungsfähige Arbeitgeber be-
lebend auf den einheimischen Arbeitsmarkt wirken.
Es ist daher, um nicht mehr zu sagen, mindestens voreilig, wenn
ohne umfassende Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte die Schä-
digung der deutschen VoUcswirtschaftskraft und darüber hinaus sogar
die planmäßige Tendefnz hierzu so unbekümmert als feststehende Tat-
sache ausgegeben wird, wie es in der Note' geschieht.
Durch die Art der Strafverfolgung und publizistischen Aufmachung
der bisherigen Prozesse ist neben dem Kredit der in Frage kommenden
Personen und Einrichtungen nach sachverständigem Urteil auch der
allgemeine Kredit Deutschlands im Ausland geschädigt wor-
den. Die beispiellosen hohen, neben Zuchthaus und Gefängnis einher- .
laufenden Geldstrafen und Beschlagnahmungen bedingen, gewollt oder,
ungewollt, einen in seinen Fernwirkungen noch nicht überrechenbaren
volkswirtschaftlichen Schaden, der einer unvergleichlich höheren Größen-
ordnung angehören dürfte, als das dem Angeklagten vorgeworfene und
vorgerechnete volkswirtschaftliche Minus. Die innerdeutsche Schwächung
der betroffenen Orden und Einrichtungen wirkt sich automatisch auch
auf die außer deutschen Institute aus und bewirkt, daß von
letzteren die sonst zu erhoffenden Zuschüsse an außerdeutschen Zah-
lungsmitteln immer mehr zum Versiegen kommen.
Rechnet. man diese nicht auf die Gegenwart beschränkte Wirkung
ein und überlegt dabei, daß in nicht wenigen. Fällen durch kirchliche,
insbesondere missionarische Organisationen ungleich mehr ausländische
Zahlungsmittel ins Reich eingeführt wurden, als durch die behaupteten
Verstöße gegen die Devisfengesetze dem Reich entgangen sind, so gelangen
zuverlässige Fachleute zu der Feststellung, daß — alles in allem ge-
nommen und alle Tatbestände zusammen betrachtet — die von der
Reichsregicrung behauptete wirtschaftliche Schädigung sich zwar als
feststehende These ergibt, aber wohl nicht mehr als eine starke ten-
denzielle Einsprengsel aufweisende und mehr als bestreitbare Hypothese
ist ...»
Zweifaches Maß !
„Der Heilige Stuhl kann in besonderer Beziehung auf die Devisen-
prozesse nicht unerwähnt lassen, daß nach zuverlässigen Nachrichten in
gewissen Fällen umfassendster Verletzungen der deutschen Devisen-
gesetze durch nicht kirchliche Personen — und zwar in einem
Ausmaß, mit dem die überhöhten Schätzungen der Anklagebehörde'n in
den Devisenprozessen gerade gegen katholische Geistliche und Ordens-
leute keirien Vergleich aushalten — auf ein Strafverfahren verzichtet und
die in der Devisengesetzgebung vorgesehene Möglichkeit einer außer-
gerichtlichen Regelung angewandt worden ist. Auch in Prozessen wegen
anderer Straftaten ist die deutsche Justiz selbst bei sehr zuverlässigen
und unterrichteten Gewährsleuten von der Feststellung nicht frei-
geblieben, daß sie ein zweifaches Maß kenne und in gewissen, Staat und
Partei persönlich interessierenden Fällen nichts von der Härte erkennen
lasse, die sie anderen gegenüber unter Bezugnahme auf die Gleichheit
aller Staatsbürger vor dem Gesetz für geboten erkläre . . ."
bb) Der Papst zu den Sittlichkeitsprozessen.
Die Ungeheuerlichkeiten der sogenannten Sittlichkeitsprozesse
und ihrer ekelhaften propagandistischen Ausbeute veranlaßten den
Keiligen Stuhl zu telegraphischen Protesten nachfolgender Gestalt:
„Aide-Memoir,e des Hl. Stuhls, überreicht an Se. Exzellenz den Bot-
schafter des Deutschen Reichö beim Hl. Stuhl, Herrn Dr. von Bergen.
Aus dem Vatikan, den 30. Mai 1936.
Aus der Presseberichterstattung übet den in Koblenz begonnenen
Prozeß gegen eine Reihe von Ordensbrüdern (unter Einschluß auch be-
reits entlassener Ordensangehöriger) geht mit peinlicher Deutlich-
keit die Absicht hervor, die zur Verhandlung und Aburteilung kommen-
den Verf ehhmgen in tendenziöser Weise gegen die Kirche und die
Ordensgönossenschaften auszunützen.
In einer für die öffentliche Sittlichkeit höchst bedenklichen und für
die Ehre der schuldlosen Mitglieder der betreffenden Genossenschaften
tief verletzend enWöise werden Vergehen der öffentlichen Er-
örterung und Schilderung preisgegeben, in deren Verurteilung kirchliche
und staatliche Stellen zugleich mit allen Wohlgesinnten einig sind.
Nun ist aber dem Heiligen Stuhl zuverlässig bekannt, daß in zahl-
reichen Fällen, wo gleiche oder ähnliche Vergehen, in anderen, der den
Staat tragenden Partei und ihren Organisationen angehörigen Kreisen
vorgekommen sind, falls überhaupt gerichtliche Ahndung eintrat, mit
allen Mitteln der Öffentlichkeit die Zugehörigkeit zu den genannten Ge-
meinschaften vorenthalten wurde.
Darüber hinaus ist es sogar vorgekommen, daß die Anzeige solcher
Vergehen durch in ihrem Gewissen beunruhigte Katholiken zu einer
Maßregelung der letzteren führte, statt zu einer gerichtlichen Bestrafung
des Schuldigen.
'255
Der Hl. Stuhl kann von sich aus selbstverständlich nur wünschet^,
daß wirkliche Vergehen ihre Ahndung finden, obwohl angenommen wer-
den kann, daß unter den" Angeklagten auch Unschuldige sind. Er muß
aber ebenso erwarten, daß die' für die deutsche Rechtspflege und die
Berichterstattung maßgebenden Stellen nicht ein Au s^i a h m e r e c h t
zu Ungunsten k a t h o 1 i,s ch e r Orden schaffen, das weder mit
den Grundsätzen der Wahrhaftigkeit noch mit den Forderungen der
öffentlichen Sittlichkeit vereinbar ist. Er ersucht um telegraphische
Übermittlung dieses seines Einspruchs."
Telegraphisiihe Antwort, überreicht durch den Botschaftsrat Herrn
Dr. Klee, an Seine Exzellenz Erzbischof Pizzardo, Sekretär für die außer-
ordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, am 8. Juni 1936.
T e 1 e g r a ni m.
Vatikanisches Pro Memoria vom 30. Mai entbehrt jeder sachlichen
Begründung. Pressebericht hält sich im Rahmen üblicher Berichterstat-
tung über Kriminaiprozesse von begreiflichem öffentlichem Interesse, un-
geaclitet Tatsache, daß es sich hier um besonders schwere, unter Miß-
brauch Aufsichtsgewalt- und Abhängigkeitsverhältnisses begangene
Verbrechen von Männern in Ordehskleid handelt. Die im Pro Memoria
enthaltene unerhörte Insinuation, daß zahlreiche ähnliche Verbrechen in
Parteikreisen vorkommen und hier nur in Ausnahmefällen geahndet, auf
alle Fälle immer vertuscht werden, muß aufs schärfste zurückgewiesen
werden.
Rom, den 8. Juni 1936.
Aide-Memoire des Hl. Stuhles, überreicht durch Se. .Eminenz Kar-
^dinal Eugenio Pacelli, Staatssekretär Sr. Heiligkeit, an den ersten Sekre-
tär der Deutschen Botschaft beim Hl. Stuhl, Herrn Dr. Budde, am
13. 6. 36.
„Der Hl. Stuhl hat die Antwort der Reichsregierung auf das Aide-
Memoire vom 30. V. M. bezüglich der Presseberichterstattung über Sitt-
lichkeitsprozesse mit Befremden zur Kenntnis genommen und weist den
• Versuch zurück, seine Vorstellungen als sachlich unbegründet erscheinen
zu lassen.
In Übereinstimmung mit den Vorschriften des kirchlichen Rechtes
verurteilt und ahndet die geistliche Obrigkeit Verfehlungen der genann-
ten Art, soweit sie einwandfrei nachgewiesen sind, mit dem ganzen'
Ernst, den die Schwere der Fälle jeweils verlangt. Sie weiß aber auch,
daß der öffentlichen Erörterung gerade im Interesse der Sittlichkeit wie
auch der Ehre schuldloser Mitglieder verdienter Gerheinschaf ten Gren-
zen gezogen sein müssen. Die Überschreitung dieser Grenzen seitens des
Staates ist um so peinlicher, wenn sie den Charakter bewußter und ge-
wollter Unterschiedlichkeit, an sich trägt.
Der Zweck der Aide-Memoire vom 30. v. M. war, diese Unterschied-
lichkeit festzustellen und die Reichsregierung um Abhilfe zu ersuchen.
Angesichts der Antwort vom 8. d- M. erneuert der Hl. Stuhl die Fest-
stellung, daß in Fällen, wo parteiangehörige Persönlich-
keiten — auch unter Mißbrauch des Aufsichtsgewalt- und des Ab-
hängigkeitsverhältnisses — sich schwere Verfehlungen der bewußten
Art zuschulden kommen ließen, die maßgebenden behördlichen Stellen
keinerlei Bestreben gezeigt haben, die angeblich „übliche Berichterstat-
tung über Kriminalfjrozesse von begreiflichem öffentlichem Interesse"
. zuzulassen oder gar von sich aus in Gang zu setzen. Der
Vorwurf ungleicher Behandlung ist demnach keineswegs, eine „unerhörte
Insinuation". Er gründet auf einer bedauerlichen Wirk-
lichkeit., j
256
Der Heilige Stuhl vermißt in der ihm ' zugestellten Antwort vom
8. d. M. selbst die Bereitwilligkeit, der Gleichheit der Staatsbürger vor
dem Richter und der amtlichen Gerichtsberichterstattung wenigstens in
der Folge Rechnung zu tragen.
Er verzichtet darauf, sich auf dem amtlichen Schriftwege mit einer
Geisteshaltung auseinanderzusetzen, die, wie beim Verfasser des ge-
nannten Schriftsatzes, elementare Forderungen der Rechtsgleichheit und
Wahrhaftigkeit nackten Nützlichkeits- und Kampfabsichten opfert.
Das ihm zur Verfügung stehende Material ist bis zur Stunde unver-
wertet geblieben, weil er auf Grund anderwärts gemachter Erfahrungen
besorgen mußte, daß die strafende Energie gewisser maßgebender Stel-
len sich eher gegen die Informatoren als gegen die Schuldigen richten
werdei.
Er kann aber nicht unterlassen, sich schon jetzt gegen die maßlose,
offenbar Propagandazwecken dienende Entstellung des wirklichen Sach-
verhalts zur Wehr zu setzen, die sich Oberstaatsanwalt Hattingen gleich
zu Begiitn seines. Plädoyers zuschulden kommen ließ, wenn er behauptet,
„daß von den 5.00 in Deutschland ansässigen Brüdern nicht weniger als
276 wegen Sittlichkeitsdelikte unter Anklage gestellt werden mußten" —
und die der Pressebericht 'liegeht, wenn er gleich unter der Schlagzeile
„Riesenprozeß in Koblenz gegen entsittlichte Ordensbrüder" schreibt:
„276 Verbrecher sehen ihrer Bestrafung entgegen" (Nationalblatt Amt-
liche Gauzeitung. Ausgabe Trier, 27. und 28. Mai).
Nach beachtlichen, dem Hl. Stuhl zugegangenen Informationen soll
die Zahl der Angeklagten etwas über 40 betragen, wovon aber die Hälfte
unschuldigt seien, während von den übrigen die Mehrheit schon lange
nicht mehr dem Orden angehören. • S
Der Hl. Stuhl behält sich vor, gegebenenfalls in geeigneter Weise für
Klarstellung zu sorgen.
Zum Schluß legt der Hl. Stuhl gegen die Art, in der die hohe Per-
son Seiner Heiligkeit selbst ohne jede prozessuale Notwendigkeit in den
Verhandlungen Erwähnung fand, schärfste Verwahrung ein.
Vatikan, den 12. Juni 1936.
b) Deutsche Bischöfe erheben ein Flammenschwert gegen
die Klosterstürmer.
Als im Jahr 1941 der offene und volle Kampf gegen männliche
und weibliche ' Ordensleute begann uhd sich zur Enteignung vieler
Klöster und Verbannung ihrer Insassen verdichtete, erstand ihnen
vor allem in •
Bischof Galen von Münster
ein mächtiger Herold, mitfühlender Schützer und gewaltiger Vor-
kämpfer. Immer wieder bestieg er die Kanzel und immer schnei-
dender wurden seine Worte und immer kräftiger seine Hiebe. Den
Auftakt gab seine Predigt am 13. Juli 1941. Darin sagte er u. a.:
Zwei Orden a vi s g e w i e s e n :
„ . . . Noch steht ganz Münster unter dem Eindruck der furchtbaren
Verwüstungen, die der äußere Feind und Kriegsgegner in dieser Woche
uns zugefügt hat. Da hat gestern, zum Schlüsse dieser Woche, am 12. Juli,
die Geheime Staatspolizei die beiden Niederlassungen dei
Gesellschaft Jesu in unserer Stadt, Haus Sentmaring an der Wqm«
1er Straße und das Ignatiushaus an der Königsstraße, bes c.h !<»({••
n a h m t , die Bewohner aus ihrem Eigentum vertrieben.
Kreuz und Hakenkreuz 17 Bd. IT
257
die Patres und Brüder genötigt, unverzüglich noch am gestrigen Tage,
nicht nur ihre Höuaer, nicht nur unsere Stadt, sondern auch die Pro-
vinz Westfalen und die Rheinprovinz zu verlassen.
Und das gleiche harte Los hat man ebenfalls gestern den Schwestern
-der Steinfür terstraße bereitet, Auch ihr Haus wurde beschlag-
nahmt, die Schwestern sind aus Westfalen ausgewiesen und müssen
Münster bis heute abend 6 Uhr verlassen. Die Ordenshäuser und
Besitzungen samt Inventar wurden zu Gunsten der
GauleitungWestfalen -Nordenteignet.
So ist also der K 1 o s t e r s t u r m, der schon länger in der Ostmark,
in Süddeutschland, in den neuerworbenen Gebieten Warthegau, Luxem-
burg, Lothringen und anderen Reichsstellon wütete, auch hier in
Westfalen ausgebrochen.
Weshalb? Man sagte mir; „...aus staatspolitischen Grün-
den!" Weitere Gründe wurden nicht angegeben! Kein
Bewohner dieser Klöster ist eines Vergehens oder Verbrechens beschul"
digt, vor Gericht angeklagt oder gar vex'urteilt!
Ich frage euch, vor deren Augen die -Patres Jesuiten, die Imma-
kulataschwestern seit Jahren ihr stilles, ni^r der Ehre Gottes und dem
Heil der Mitmenschen geweihtes Leben geführt haben, ich frage 'euch:»
„Wer hält diese Männer, und diese Frauen eines strafwürdigen Ver-
gehens schuldig. Wer es wagt, der mag seine Behauptung beweisen!"
Nicht einmal die Gestapo hat solche Anlclage erhoben, geschweige denn
ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft!
Ich bezeuge es hier öffentlich als Bischof, dem die
Überwachung der Orden amtlich zusteht, daß ich die größte Hoch-
achtung habe vor den stillen, bescheidenen Missionsschwe-
Stern von Wilkinghege; die heute vertrieben werden.
Ich bezeuge es als deutscher' Mann und als Bise ho f,
daß ich vor dem Jesuitenorden, den ich seit meiner frühen
Jugend, seit 50 Jahren aus nächster Beobachtung kenne, die größte
Hochachtung und Verehrung empfinde, daß ich der Gesell-
schaft Jesu, meinen Lehrern, Erziehern und Freunden bis zum letzten
Atemzug in Liebe und Dankbarkeit verbunden bleiben werde.
So begrüße ich heute von dieser Stelle aus, auch irri Namen
der treuen Katholiken der Stadt Münster und des Bistums Münster,
diese von Christus Erwählten, von der Weif Gehaßten,
in inniger Liebe bei ihrem Auszug in die unverdiente Ver-
bannung.
Meine lieben Diözesanen! Um der schweren Heimsuchung willen,
die durch die feindlichen Angriffe über uns gekommen ist, wollte ich
zunächst in der Öffentlichkeit, schweigen über andere kürzlich erfolgte
Maßnahmen der Gestapo, die meinen 'öffentlichen-
Protest geradezu herausfordern. Aber wenn die Gestapo keine
Rücksicht nimmt auf jene Ereignisse, durch die Hunderte unserer Mit-
bürger obdachlos geworden sind, wenn sie gerade in diesem Augenblick
fortfährt, schuldlose Mitbürger auf die Straße zu werfen, des Landes
zu verweisen, dann darf ich auch nicht mehr zögern, meinen berech-
tigten Protest und meine ernste Warnung öffentlicli auszusprechen."
„Himmelschreiendes Unrecht" fortgesetztund
gesteigert!
Acht Tage später, am 20. Juli 1941, mußte Bischof Galen
neuerdings die Kanzel besteigen und laute Klage führen wider
nationalsozialistische Ungerechtigkeit, Hartherzigkeit und Gewalt-
258
tat. Blutenden Herzens verkündete er in der Liebfrauenkirche zu
Münster:
„Am vorigen Sonntag habe ich es öffentlich beklagt und als himmel-
schreiendes Unrecht gebrandmarkt, daß die Gestapo die Ordensnieder-
lassüngen der Immakulataschwestern in Wilkinghege und der Jesuiterj.
in Münster aufgehoben, Häuser und Inventar beschlagnahmt und die
Bewohner auf die Straße gejagt, aus der Heimat vertrieben hatte.
Auch das L urdesklosteran der Frauenstraße ist für die Gaur-
leitung beschlagnahmt. Ich wußte damajs noch nicht, daß am gleichen
Tage, am Sonntag, -den 1 3. Juli, die Gestapo das
Kamillus-Kolleg in Mauritz-Sudmühle und
unsere Benediktinerabtei St. Josef in Gerleve bei Coes«
feld besetzte, beschlagnahmte und die Patres und Brüder von dort ver-
ti'ieb. Sie mußten' am gleichen Tage Westfalen verlassen.
Am 1 5. Juli wurden auch die Benediktinerinnen von der
Ewigen Anbetung in Vinnenberg bei Warendorf auggetrieben und
über die Provinzgrenzq gejagt.
Am 1 7, Juli mußten dieKreuzschwestern im Haus Aspel
bei Bees ihr Besitztum und den Kreis Eees verlassen. Hätte nicht cbrigt-r
liehe Liebe sich all dieser Obdachlosen erbarmt, so wären sie, zumal all
diese wehrlosen Frauen, dem Huhger und den Unbilden der Witterung
überlassen.
Vor 'wenigen Stunden bekam ich auch noch die Trauernachricht,
daß gestern, am 1 9, Juli, zum Abschluß dieser zweiten Schreekenswoche
für unser Münsterland die Gestapo auch das deutsehe Provinzialhaus
der Missionare vom hl, Herzen Jesu, das euch allen wohl-
bekannte große Miaslonskloster in H i 1 1 r u p besetzt, besehlagnahmt und
enteignet hat. Die dort noch wohnenden Patres und Brüder muß'
ten bis gestern abend 8 Uhr ihr Heim und ihren Besitz verlassen. Auch
sie sind aus Westfalen und wiederum auch aus^der Rheinprovinz au?"
gewiesen."
Der Dank des Vaterlandes
„Die dort noch wohnenden Patres und Brüder, ich sage das
mit besonderer Betonung: denn aus den Reihen der Hiltruper Missionäre
stehen z. Z., wie ich zuverlässig erfuhr, 161 Männer als deutsehe
Soldaten im Felde, teilweise direkt vor dem Feinde!
53 Patres von Hiltrup sind als Sanitäter im Dienst der verwundeten
Soldaten tätig, 42 Theologen und 66 Brüder dienen als Soldaten mit der
Waffe dem Vaterland, sind teilweise schon mit dem Eisernen Kreuz,
dem Sturmabzeichen und anderen Auszeichnungen geschmückt.
Ähnlich ist es bei den PP, Kamillianern von Sudmühle, bei
den Jesuiten von Sentmaring und bei den Benediktinern von
St, Josef in Gerleve. Während diese deutschen Männer, in treuer Käme-'
radschaft mi>t den anderen deutschen Brüdern unter Einsatz ihres Lebens,
gehorsam ihrer Pflicht, für die Heimat kämpfen, wird ihnen im
Vaterland riiclcsichtslos und ohne jeden Rechtsgrund die Heimat ge-
nommen, das klösterliche Elternhaus zerstört! Wenn sie,
wie wir hoffen, siegreich wieder kommen, finden sie ihre Klosterfamilie
von Haus und Hof vertrieben, ihre Heimat von Fremden, von Feinden
besetzt! >
Was soll das? Wie soll das enden? Es handelt sich nicht etwa darum,
für obdachlose Bewohner von Münster eine vorübergehende
Unterkunft zu schaffen. Die Ordensleute waren bereit und entschlossen,
ihre Wohnungen für solche Zwecke änts äußerste einzuschrän-
ken, um gleich anderen Obdachlose aufzunehmen und zu verpflegen.
Nein,, darum handelt es sich nicht. Im Immakulatakloster in
259
Wilkinghege richtet, sich, wie ich höre, die Gaufilmstelle ein.
Man sagt mir, in. der B c n e d i k t i n e r a b t e i St. Josef werde ein
E n 1 b i n d II n g s h c i m i' ü r uneheliche Mütter eingerichtet. Was
in Senlmaring und Sudmühle und im Kloster Vinnenberg eingezogen ist,
habe ich noch nicht erfahren; ich bin ja überhaupt oline amtli,che
B c n a c h r i c h t i g u n g gelassen. iJnd keine Zeitung hat bis-
her b e r i c li t e t von den l'reilich gefahrlosen Siegen, die in
diesen Tagen die Beamten der Gestapo über wehrlose Ordensmänner
und schutzlose deutsche Frauen errungen haben, und von den E r 6 b e -
•r u n g e n, die die G a u 1 e i t u n g in der Heimat am Eigentum
deutscher Volksgenossen gemacht ha t."
Vergebens
sind alle mündlichen u n.d telegraphischen Proteste!
,,I c h bin am Montag, den 14. Juli, persönlich beim Herrn Re-
gierungspräsidenten gewesen und h a b e i h n um Schutz für die Frei-
heit und das Eigentum schuldloser deutscher Menschen ge-
be t e n. Er hat mir erklärt, daß die Gestapo eine völlig selbständige
und von der Regierung unabhängige Behörde sei, in deren Maßnahmen
er nicht eingreifen könne. Er hat mir aber versprochen, meine Be-
schwerden und Bitten sofort dem Herrn Oberpräsidenten und Gauleiter
Dr. Meyer vorzutragen.
Es hat nichts genützt!
Am gleichen Montag, den 14. Juli, habe ich an die Reichskanz-
lei des Führers in Berlin ein T e 1 e g r-a m m gesandt mit
folgendem Wortlaut: »Nachdem seit dem 6. Juli. die Kriegsgegner die
Stadt Münster in furchtbaren Nachtangriffen zu zerstören ' versuchten,
hat die Gestapo am 12. Juli begonnen, die Klöster und Ordenshäuser in
Stadt und Umgebung zu beschlagnahmen und samt Inventar zu Gun-
sten der Gauleitung zu enteignen. Die Bewohner, schuldlose Männer
und Frauen, ehrenhafte Mitglieder der deutschen Familien, deren An-
gehörige zum Teil als Soldaten für Deutschland kämpfen, werden ihres
Heimes und ihres Eigentums beraubt, auf die Straße gejagt, aus der
Heimatprovinz verbannt. — Ich bitte den Führer und Reichskanzler im
Interesse der Gerechtigkeit und der Geschlossenheit der inneren Front
um den Schutz der Freiheit und des Eigentums deutscher Menschen
gegen die Willkür der Oestapo und gegen Beraubung zu Gunsten der
Gauleitung!' -
Ähnliche Bitten habe ich telegraphisch:
dem Reichsstatthalter für Preußen, Reichsmarschall Hermann Gö-
r i n g, dem Reichs kirchenminister und schließlich noch dem
Oberkommando der Wehrmacht unterbreitet. Ich hatte gehofft, .
daß, wenn nicht Erwägungen der Gerechtigkeit, so doch wenigstens die
Erkenntnis der Folgen für die Geschlossenheit der inneren Front jetzt
im Kriege jene Stellen bewegen würden, dem Vorgehen der Gestapo
gegen unsere Brüder und Schwestern Einhalt zu tun, und daß man
schuldlosen deutschen Frauen ritterlichen Schutz nicht versagen werde.
Es war vergebens.
Das Vorgehen wurde fortgesetzt, und es ist bereits eingetreten, was ich
schon lange vorausgesehen und am vorigen Sonntag gesagt habe: Wir
stehen vor den Trümmern der inneren Volksgemein-
schaft, die in diesen Tagen rücksichtslos zerschlagen wurde.
Ich habe den Regierungspräsidenten, die Herren Minister, das Ober-
kommando der Wehrmacht eindringlich darauf hingewiesen, wie die
Gewalttaten gegen unbescholtene deutsche Männer, wie diese
260
Roheit gegenüber wehrlosen deutschen Frauen, die aller Ritterlich^
keit Hohn spricht und nur aus einem abgründigen Haß gegen die christ-
liche Religion und gegen die katholische Kirche entspringen kann: wie
diese Machenschaften geradezu als Sabotage und Sprengung
der Volksgemeinschaft wirke n."
Keine Volksgemeinschaft mit den Klosterstürmern!
„Volksgemeinschaft mit den Männern, die unsere Ordensleute, unsere
Brüder .und Schwestörn ohne Rechtsgrund, ohne Unter-
suchung, Verteidigungsmöglichkeit und Gerichts-
urteil wie Freiwild aus dem Lande hetzen?
Nein! Mit ihnen und allen dafür Verantwortlichen ist mir keine Ge-
meinschaft in Fühlen und Denken mehr möglich.
Ich werde nicht hassen, ich wünsche von Herzen, daß sie
zur Einsicht kommen und sich bekehren — wie ich auch sofort ein für-
bittendes Gebet zum Himmel gesandt habe für die Seele des am 5. Juli
plötzlich verstorbenen MinisterialdirigentenRoth. Er war
katholischer Priester der Erzdiözese München, war seit Jahren ohne Er-
laubnis und gegen den Willen seines Bischofs Beamter des Reichs-
k i r c h e n m i n i s t e r i u m s und hat gar viele, die Rechte der Kirche
verletzende, die Würde der Kirche Ic rank ende Schriftstücke
für den M i n i.s t e r K e r r 1 verfaßt und unterzeichnet. Jetzt ist er
bei einer Bootsfahrt auf dem Inn verunglückt und im reißen-
den Strom ertrunken. Gott sei seiner armen Seele gnädig!
So wollen wir nach dem Gebot des Heilandes beten für alle, die uns
verfolgen und verleumden. Aber solange sie sich nicht ändern, solange
sie fortfahren. Unschuldige zu berauben, aus dem Lande zu treiben, ein-
zukerkern, solange lehne ich jede Gemeinschaft mit
ihnen ab !"
Gemeinschaft mit solchen Unritterlichen?.
Ich müßte mich schämen!
„Nein, die Gemeinsamkeit in Gesinnung und Streben
in unserem Volk ist gegen unsern Willen, ungeachtet unserer Warnun-
gen, ist unheilbar gestört. Ich kann mir nicht vorstellen, daß
unsere alteingesessenen Bürger und Bauern, Handwerker und Arbeiter,
daß unsere Väter, Brüder und Söhne, die jetzt an der Front ihr Leben
für Deutschland einsetzen, mit den Verfolgern und Vertreibern unserer
Ordensleute irgendwie Gesinnungsgemeinschaft pflegen werden. Wir
werden ihnen gehorchen, soweit sie als Vertreter der rechtmäßigen Ob-
rigkeit uns Befehle zu erteilen haben. Aber G e s i n.n u n g s g e m e i n-
Schaft, ein Gefühl innerer Verbundenheit mit diesen Kirchen Verfol-
gern, mit diesen Klosterstürmern, die wehrlose Frauen und Mädchen,
Kinder imserer besten Familien, unsere Schwestern, aus ihrer klöster-
lichen Heimat 'jagen, wo sie, teilweise seit Jahrzehnten, in Arbeit und
Gebet nur Gutes unserem Volke getan haben, das kann es für uns
nicht geben!
Ich müßte mich schämen vor Gott und vor euch, müßte mich
schämen vor unseren edlen deutschen Vorfahren, vor meinem
ritterlichen seligen Vater, der meine Brüder und mich mit unerbitt-
lichem Ernst zu zarter Hochachtung vor jeder Frau und jedem Mädchen,
zu ritterlichem Schutz aller unschuldig Bedrängten, besonders jener, die
als Frauen Abbilder unserer eigenen Mutter, ja der lieben Gottesmutter
im Himmel sind, 'ermahnt, erzogen und angeleitet hat — wenn ich Ge-
meinschaft halten würde mit jenen, die schutzlose Frauen aus Heim urld
Heimat vertreiben und obdachlos, und mittellos aus dem Lai^^o- jagen.,
2<n
Gewiß, wir Christen machen keine Revolution! Wir
werden weiter treu unsere Pflicht tun im Gehorsam gegen Gott, aus
Liebe zu unserem deutschen Volle und Vaterland.
Gegen den Feind im Innern, der uns peinigt und
schlägt, können wir nicht mit Waffen kämpfen. Da bleibt nur ein
Kampfmittel: starkes, zähes, hartesDurchhaltenl
. Hart werden! Fest bleiben!
Wir sehen und erfahren jetzt deutlich, was hinter den neuen Lehren
steht, die man uns seit einigen Jahren aufdrängt, denen zuliebe man die
Religion aus der Schule verbannt, unsere Vereine unterdrückt hat, jetzt
die Kindergärten zerstören will: abgrundtiefer Haß gegen das
Christentum, das man ausrotten möchte.
Wir sind in diesem Augenbliclc nicht Hammer, sondern Amboß.
Andere, meist Fremde und Abtrünnige, hämmern auf uns, wollen mit
Gewaltanwendung unser Volk, und selbst unsere Jugend neu formen,
aus der geraden Haltung zu Gott verbiegen.
Wir sindAmboß und nicht Hammer
Aber seht einmal zu in der Schmiede, fragt den Schmiedmeister und
laßt es euch von ihm sagen: was auf dem Amboß geschmiedet, wird,
erhält seine Form nicht ' nur vom ■ Haminer, sondern auch vom Amboß.
Der Amboß kann nicht und braucht auch nicht zurück-
schlagen, er m u ß 'nur fest, nur hart sein! Wenn er hin-
reichend zäh, fest, hart ist, dann hält meistens der Amboß länger als
der Hammer. Wie heftig auch der Hammer zuschlägt, der Amboß steht
in ruhiger Festigkeit da und wird noch lange dazu dienen, das zu for-
men, was neu geschmiedet wird.
Was jetzt geschmiedet wird, das sind die ungerecht
Eingekerkerten, die schuldlos Ausgewiesenen und
Verbannten. Gott wird ihnen beistehen, ^aß sie Form und Haltung
christlicher Festigkeit nicht verlieren, wenn der Hammer der Verfolgung
sie bitter trifft und ihnen ungerechte Wunden schlägt.
Was in diesen Tagen geschmiedet wird, sind unsere
Ordensleute, Patres, Brüder und Schwestern. Ich habe vorgestern
einen Teil der .Vertriebenen in ihren provisorischen Unterkünften be-
suchen können und mit ihnen gesprochen. Ich habe mich erbaut
und begeistert an der tapferen Haltung der braven Männer, der wehr-
losen, schwachen Frauen, die man roh und rücksichtslos aus ihrer Klo-
sterheimat, aus der Kapellp und der Nähe des Tabernakels verjagte, die
erhobenen Hauptes im Bewußtsein ihrer Schuld. -
losigkeit in dieunge wisse Verbannung gehen, vertrauend
auf jenen, der die Vögel des Himmels speist und die Lilien des Feldes
kleidet: ,Selig seid ihr, wenn' euch die Me'nschen hassen und verfolgen
um meinetwillen! Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß
im Himmel!' Wahrhaftig, diese Männer und. Frauen sind Meister-
werke der göttlichen Schmied e w er k statt!
Was in dieser Zeit geschmiedet wird zwischen Hammer und Amboß,
ist unsere Jugend, die heranwachsende, die noch unfertige, dia
noch bildungsfähig weiche Jugend! Wir können sie den Hammerschiägen
des Unglaubens, der Christentumsfeindlichkeit, der falschen Lehren und
Sitten nicht entziehen. Was wird ihnen voi'getragen und aufgedrängt in
ihren Heimabenden und den Di ens tstun den jener Jugend-
vereinigungen, denen sie, wie man sagt. Unter Zustimmung ihrer Eltern
»freiwillig' beigetreten sind? Was hören sie in den Schulen, in die
262 /
heute alle Kinder ohne Rücksicht auf den Willen der Eltern
h in ei ngez wu'ng.en werden? Was lesen sie in den neuen
Schulbüchern? Laßt euch doch, christliche Eltern, die Bücher
zeigen, besonders die Geschichtsbücher der höheren Schulen I Ihr werdet
entsetzt sein, mit welcher Unbekümmertheit um die geschichtliche Wahr-
heit dort versucht wird, die unerfahrenen Kinder mit Mißtrauen gegen
Christentum und Kirche, ja mit Haß gegen den christlichen Glauben zu
erfüllen! In den bevorzugten staatlichen Lehranstalten, deri Hitler-
schulen und den neuen Lehranstalten für kühftige Lehrer und Lehre-
rinnen wird jeder christliche Einfluß, ja jede kirchlich religiöse Betäti-
gung ausgeschlossen.
Und was geschieht mit den -im letzten Frühjahr unter Hinweis auf
die Luftgefahr in ferne Gegenden verschickten Kin-
dern? Wie steht es mit dem Religionsunterricht für sie und mit der
Übung der Religion? Christliche Eltern, um all das müßt ihr euch küm-
mern, sonst versäumt ihr eure heiligsten Pflichten, sonst Icönnt ihr, nicht
bestehen vor eurem Gewissen und jehem, der euch die Kinder anver-
traute, damit ihr sie auf dem Weg zum Himmel führt.
Wir sind Amboß, nicht Hammer! Ihr könnt eure Kinder,
das edle, aber noch ungehärtete und ungestählte Rohmetall, leider den
Hammerschlägen der Glaubertsfeindlichkeit, der Kirchenfeindlichkeit
nicht entziehen. Aber auch der Amboß formt mit. Laßt eu6r
Elternhaus, laßt eure Elternliebe und -treue, laßt euer vorbild-
liches Christenleben den starken,, zähen, festen, unerschütter-
lichen Amboß sein, der die Wucht der feindlichen Schläge auffängt,
der die noch schwache Kraft der jungen Menschen immer wieder stärkt
und befestigt in dem hl. Willen, sich nicht verbiegen zu lassen aus der
Richtung zu Gott!
Was in dieser Zeit geschmiedet wird, seid fast alle ohne Ausnahme
ihr alle. Wieviele sind abhängig durch Pensionen, Staatsrenten, Kin-
derbeihilfen u. ä. 'Wer ist denn heute noch u n abhängig und
freier Herr in seinem Besitz oder Geschäft? Es mag sein, daß, zumal im
Kriege, eine starke Überwachung und Lenkung, Zusammenfassung und
Zwangssteuerung von Produktion, Wirtschaft, Erzeugnis und Verbrauch
notwendig sind, und wer wird das nicht aus Liebe zu Volk und Vater-
land willig tragen? Aber damit ist auch eine Abhängigkeit jedes ein-
zelnen von vielen Personen und Dienststellen gegeben, die nicht nur die
Freiheit des Handels beschränken, sondern auch die freie Unabhängig-
keit der Gesinnung in schwere Gefahr und Versuchung bringen, wenn
diese Personen und Dienststellen zugleich eine christen-
tumsfeindliche Weltanschauung vertreten und bei den von
ihnen Abhängigen durchzusetzen suchen. Erst recht ist solche Abhängig-
keit gegeben bei allen B'eamten, und welcher Mut, welcher
Heldenmut mag für manche Beamte dazu gehören, sich
trotz allen Druckes noch immer als treue Katholiken zu beweisen
und öffentlich zu bekennen!
Wir -sind zur Zeit Amboß und nicht Hammer! Bleibt stark und fest
und unerschütterlich wie der Amboß bei allen Schlägen, die auf uns
niedersausen! In treuestem Dienst für Volk und Vaterland, aber auch
stets bereit, 'in äußerstem Opfermut nach dem Wort zu handeln: ,Man
muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!'
Gehorchet stets unweigerlich der Stimme des Gewissens! Nehmt
euch zum BeispieL und Vorbild jenen preußischen Justizminister der
alten Zeit — ich habe ihn schon früher einmal erwähnt — •, dem einst
sein König' Friedlich der Große das Ansinnen ^teilte, er solle ein gesetz-
mäßig gefälltes Gerichtsurteil nach dem Wunsche des Monarchen um-
stoßen und abändern. Da hat dieser echte Edelmann,' ein Herr von
Münchhausen, seinem König die prachtvolle Antwort gegeben: ,Mein
263
Kopf steht Euer Majestät zur Verfügung, aber nicht
m e i n G e w i s s e n.' p
Ist idas Geschlecht solcher Edelleute, die so gesinnt sind und han-
deln, sind die preußischen Beamten dieser Art ausgestorben? Gibt es
nicht mehr Bürger und Bauern, Handwerksmeister und Ai'beiter von
gleicher Gewissenhaftigkeit und gleichem Edelmut? Das kann und will
ich nicht glauben!
Und darum noch einmal: Werdet hart! Werdet fest! Bleibt stand-
haft! Wie der Amboß unter den Hammerschlägen! Es k a n,n sein,
daß der Gehorsam gegen Gott, die Treue gegen das Gewissen m i r
öder euch das Leben, die Freiheit, die Heimat kostet.
Aber: ,Lieber sterben als sündigen!'
Möge Gottes Gnade, ohne die wir nichts vermögen, euch und mir
diese unerschüttei'liche Festigkeit geben und erhalten!"
14 Tage später neuer Klosterraub, ne'uer Protest!
Am 3. August 1941 hatte Bischof Galen Veranlassurig, in einer
Predigt in der Lambertikirche zu Münster, die traurige Liste der
Klosterbeschlagnahmen und Ordensausweisungen fortzusetzen:
„Am Mittwoch, den 30. Juli, hat die Gestapo das Provinzial-
Mutterhaus der Genossenschaft der Schwestern U. L. Frau
in M ü h 1 h a u s e n, Kr. Kempen, das früher zum Bistum Münster ge-
hörte, besetzt und für aufgehoben erklärt. Die Schwestern, von
denen viele aus dem Bistum Münster stammen, wurden zum größten
Teil ausgewiesen und mußten noch am gleichen T.age den
KreisKem penverlassen.
Nach glaubwürdigen Nachrichten ist am Donnerstag, den 31. Juli,
das K Lo s t e r der Patres Missionäre von Hiltrup in Hamm
ebenfalls von der Gestapo besetzt und beschlagnahmt worden. Die dort
weilenden Patres sind ebenfalls ausgewiesen.
Ich habe bereits am 13. Juli in der Lambertikirche hier nach Ver-
treibung der Jesuiten und Missionsklarissen aus Münster öffentlich
festgestellt: ,Keiner der Bewohner dieser Klöster ist eines Ver-
gehens oder Verbrechens schuldig, vor Gericht angeklagt oder gar ver-
urteilt worden.' Wie ich höre, werden jetzt in Münster Gerüchte ver-
breitet, daß diese Ordensleute, insbesondere die Jesuiten, doch wegen
gesetzwidriger Verfehlungen, ja sogar wegen Lan-
desverrats angeklagt und sogar überführt seien.
Ich erkläre: Das ist eine gemeine Verleumdung deut-
scher Volksgenossen, unserer Brüder und Schwestern, die wir
uns nicht gefallen lassen.
Gegen einen Burschen, der vor Wochen es wagte, derartiges zu be-
haupffen, habe i\C h bereits Strafanzeige bei dem Herrn
Oberstaatsanwalt gemacht. Ich spreche die Erwartung aus, daß
der Mann schleunigst zur Verantwortung gezogen wird, und daß un-
sere Gerichte noch den Mut haben, Verleumder, die es
wagen, unbescholtene deutsche Volksgenos'sen, nach-
dem ihnen schon ihr Eigentum genommen wurde, auch
noch die Ehre zu rauben, zur Verantwortung zu ziehen
u n d z u bestrafen.
Ich fordere alle meine Zuhörer, ja alle anständigen Mit-
bürger a u f, von heute an, falls in ihrer Gegenwart solche Anschuldi-
gungen gegen die aus Münster ausgewiesenen Ordensleute ausgesprochen
264
werden, sofort den Namen und die Wohnung des Anklä-
gers und der etwa anwesenden Zeugen festzustellen.
Ich hoffe, es gibt hier noch Männer, die den Mut haben, zur gericht-
lichen Klarstellung solcher, die Volksgemeinschaft vergiftender Beschul-
digungen durch offenes Eintreten mit ihrer Person, ihrem Namen, nöti-
genfalls mit ihrem Eide mitzuwirken. Diese bitte ich, falls vor ihnen
solche Beschuldigungen gegen unsere Ordensleute ausgesprochen wer-
den, alsbald bei ihrem Pfarrer oder auch beim bischöflichen General-
vikariat das zu melden und zu Protokoll zu geben.
Ich bin es der Ehre unserer Ordensleute, der Ehre
unserer hl. Kirche, auch der Ehre unseres de u t sehen
Volkes schuldig, daß ich durch Strafanzeige bei der Staatsanwalt-
schaft für die gerichtliche Klarstellung des Tatbestandes für die Be-
strafung gemeiner Verleumder unserer Ordensleute Sorge
trag e."
Nach der Klage vor dem Volke
Klagen bei den höchsten Ämtern
Am 14. Juli 1941 hatte Bischof Galen telegraphisch Verwahrung
gegen die Klosterenteignungen eingelegt,
bei der Reichskanzlei, '
bei ReichsmarschaÜl Hermann Göring,
beim Reichsinnenminister,
beim Reichskirchenminister,
beim Reichs justizminister,
beim Oberkommando der Wehrmacht,
- Nur eine einzige Stelle würdigte ihn einer Antwort: Die Reichs-
kanzlei! Von den übrigen erhielt er nicht einmal eine Empfangs-
bestätigung.
Die Reichskanzlei, beschränkte sich aber auch auf die Mit-
teilung, daß das Telegramm dem Reichsführer SS und ,Chef der
Deutschen Polizei zum weiteren Befinden zugeleitet worden sei.
Dazu bemerkt Bischof Galen in einem Brief vom 22. Juli 1941
an Heirn Reichsminister Dr. Lammers, Chef der Reichskanzlei:
„Gerade gegen die unter der Leitung des. Herrn
Himmler stehende Staatspolizei hatte ich um Schutz
für Freiheit und Eigentum schuldloser deutscher
Volksgenossen gebeten. Wenn nunmehr derselbe Herr Himmler
über das Schicksal der gegen das Vorgehen der Geheimen Staatspolizei
beim Führer und Reichslcanzler erhobenen Beschwerde ,zu befinden'
hat, dann ist es schon von vorneherein sicher, daß mein Eintreten für
Freiheit und Gerechtigkeit, mein Bemühen um Erhaltung der inneren
Front ohne jedes Ergebnis bleiben wird. Dann ist ja der Auftrag-
geber der Geheimen Staatspolizei, also der für ihr Vorgehen
hauptsächlich Verantwortliche,
zum Richter in eigener Sache
gemacht! Dann wird also die Schreclvensherrschaft der Geheimen
Staaispolizei auch weiter als furchbarer Drucli auf allen Voll^sgenossen
lasten.
Dann wird sio rjuch in Zukunft willkürlich über die Freiheil und
das Eigentum, ja auch über Isörperliche Unverletztheit und selbst das
Kreu2 und Hakenkreuz i8 Bd 11 ORS
Leben deutscher Volksgenossen verfügen. Dann wird sie auch in Zu-
kunf l nicht gehindert werden, aus niemals näher erklärten
,staatspolizeilichen Gründen' ihr mißliebige, vielleicht von
irgendeinem feigen Denunzianten verleumdete ehrenwerte
Männer und Frauen zu enteignen, aus der Heimat zu verbannen,
in ihren Kellern und Konzentrationslagern gefangen zu halten oder auch
zu töten."
Gegen die Vereinigung aller Macht in Hitlers Hand
„Sehr geehrter Herr Reichsminister! Es muß jedem Verständigen
klar sein, daß der Führer, Reichskanzler und Oberste Befehlshaber der
Wehrmacht so sehr mit außenpolitischen und militärischen Dingen, be-
faßt ist, daß er nicht imstande ist, alle Eingaben und Beschwerden, die
an ihn gesandt werden, selbst zu bearbeiten und zu erledigen. In dieser
Voraussicht habe ich mich seinerzeit nicht entschließen können, bei der
diesbezüglichen Volksabstimmung für die Vereinigung der beiden Ämter
des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers meine Stimme abzugeben.
Ich wußte ja: Adolf Hitler ist nicht ein göttliches Wesen, das, über jede
geschöpfliche Beschränktheit erhaben, imstande wäre, alles zu gleicher
Zeil im Auge zu behalten und zu dirigieren. Zu den damals von ihm
übernommenen Aufgaben ist später noch das Amt des Obersten
Befehlshabers der Wehrmacht hinzugekommen, das
allein heute auch den genialsten Feldherrn schon
über alles Maß voll beschäftigen und in Anspruch nehmen
würde."
Ernste Warnung und Ankündigung
„Wenn es aber infolge Geschäftsüberhäufung des verantwortlichen
Führex's dahin kommt, daß die Geheime Staatspolizei
ungehindert jetzt mitten im Kriege die innere Front
des deutschen Volkes zersprengt dadurch, daß im deutschen
Vaterland, während unsere Soldaten für Deutschland kämpfen, die Ge-
heime Staatspolizei gefahrlose Siege über wehrlose deutsche Männer,
über schutzlose deiitsche Frauen erringt und die Gauleitung am leicht
eroberten Gut deutscher Volksgenossen sich bereichert; wenn so, ohne
Eingreifen der zum Schutze der Rechtsordnung verpflichteten Stellen
die Rechtssicherheit zerstört, das Rechtsbewußtsein untergraben und das
Vertrauen auf die Staatsführung vernichtet wird, dann weiß ich mich
als deutscher Mann, als berufener Vertreter und Verteidiger deut-
schen Rechts und deutscher Freiheit, als verantwortlicher Bi-
schof über fast zv/ei Millionen deutscher Katholiken
aufgerufen und verpflichtet, ungeachtet der Folgen,
die daraus für mich persönlich entstehen mögen, laut
meine Stimme zu erheben, anklagend gegen die inneren
Feinde, die Volk und Vaterland zugrunde richten, warnend, u m d a s
Volk und seine Regierung zurückzurufen von einem Wege,
der nach den Erfahrungen der Geschichte und nach seiner naturnot-
wendigen Konsequenz dahin führen wird, daß unser deutsches Volk und
Vaterland trotz des Heldentums xmserer Soldaten und ihrer ruhmreichen
Siege an innerer Fäulnis und Verröttung zugrunde
gehen wir d."
i'fi
Bischof Bornewasser von Trier trat mit gleicher
Un er s ch rockenh ei t gegen den Klostersturm
im Westen auf.
Seine diesbezügliche Predigt vom 31. August 1941 stellt er
bezeichnenderweise unter das Pauluswort: , .Predige das Wort. Tritt
266
dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen. Überführe, rüge, ermahne
in Geduld und Belehrung" (2, Tim. 4,1 ff.). Und er sagt notgedrungen
viel „U n g e 1 e g e n e s" :
„Ich predige zunächst heute als katholischer Bischof. Der
Kampf gegen die hl. Kirche Jesu Christi hat in unserem Vaterland, mit-
ten im Kriege, ja wie es scheint, .bewußt, bevor der Krieg zu Ende
geht und die Männer heimgekehrt sind, einen Umfang und Formen an-
genommen, die jedem Rechte und jeder Gerechtigkeit, ganz zu schwei-
gen von der Liebe, direkt ins Gesicht schlagen. Es ist deshalb Not-
wehr, die uns katholische Bischöfe zwingt, sehr ernst
zu sprechen. Wenn andere den Krieg benützen — ja man darf das
Wort anwenden: mißbrauchen — , um ihre Christus- und kirchenfei'nd-
lichen Ziele zu ei-reichen, dann ist das Wort der Verteidigung Christi
und seiner hl. Kirche gebotene und verpflichtende Notwehr jedes katho-
lischen Bischofs. Dann muß für ihn das Wort der Schrift gelten: ,Kämpfe
aus allen Kräften für die Gerechtigkeit, kämpfe für die Gerechtigkeit
bis in den Tod!' (Ecclesiasticus 4,33)
Keine Antwort!
,Wir deutsche hBischöfehabenseitJahren in Predigten
in Einzelschreiben, in gemeinsamen Hirtenbriefen immer und immer
wieder darauf hingewiesen, welch furchtbare Schäden dem
deutschen Volke, der deutschen Volksgemeinschaft, dem Deutschen Reich
zugefügt werden durch den unausgesetzten wüsten Kampf gegen Christus
den Herrn, gegen Christi heilige Kirche, gegen Christus- und kirchen-
treue Volksgenossen, selbst gegen die von der Regierung feierlich garan-
tierten kirchlichen Einrichtungen.
Man hört nicht auf uns oder will nicht auf uns hören. Es geht
uns deutschen Bischöfen so wie dem hl. Paulus, der im 1. Korintherbrief
(4, 9) schreibt: ,Wie mir scheint, hat Gott unsApostel in
die letzte Reihe gestellt, wie zum Tod Verurteilte.' Wir
Bischöfe bekommen heute auf sehr ernste Beschwerden bei den in Be-
tracht kommenden Berliner Stellen meistens noch nicht einmal
eine Empfangsbestätigung. Trotzdemwerden wir fort-
fahren, aufGrund unserer Pflicht Kirche und Staat gegen-
über unsere Stimme zu erheben, wenn dem Staate und der
Kirche Gefahren drohen, von welcher Seite sie auch kommen mögen.'
Gegen den Klostersturm in Lothringen, Luxemburg:
,Im August 1940 begann, wie das den Trierer Diözesanen als Nach-
barn bekannt ist, in Lothringen der große Klostersturm,
der Sturm gegen Bischof, Klerus und kirchliche Institute, Der Bischof,
6 von 8 Domherren, 270 Priester — heute sind es mehr — waren am
21. November 1940 ausgewiesen. Das gleiche Los traf die Familien, Män-
ner, Frauen und Kinder von rund 70 Ortschaften. Sie verloren ihr Hab
und Gut. 100 RM. und 50 kg Gepäck durften sie mitnehmen. Mit einem
Federstrich hob man sämtliche Männerklöster auf. Eben-
so nahm man Ordensfrauen Arbeit und Brot. Die überaus
schmerzlichen und für den deutschen Namen tief bedauerlichen Einzel-
heiten, die dabei vorgekommen sind, hier aufzuzählen, muß ich mir ver-
sagen. Wir Stadttrierer wissen auch, daß in Luxemburg alle
Männerklösteraufgehoben sind; und als die wehr- und schutzr
losen Klosterfrauen der beschaulichen Orden in Luxemburg
aus Heimat und Eigentum vertrieben, mit ein paar Mark und ihren
kleinen persönlichen Habseligkeiten in Trier und .Klausen abgeliefert
wurden, hat das Volk in rührender Sorge sich der armen Schwestern
angenommen; sonst hätten sie auf der Straße gesessen, weil das kleine
Klösterlein dort sie nicht aufnehmen konnte. Daß man aus dem
267
von deutschen Truppen besetzten Frankreich die Dirnen
ausgewiesen hätte, die viele Männer und Jungmänner an Leib und Seele
verpesten und dadurch unsägliches Leid über deren Familien bringen,
davon habe ich bis heute noch nichts gehört.'
Gegen den Klostersturm in Deutschland, Ostmark,
.Warthegau:
„Ich bin mit Erlaubnis der deutschen Behörde kurz vor Weihnachten
1940 nach Metz gefahren — es gehörte ja früher zum Erzbistum Trier,
vun zu erfahren, ob denn all das Furchtbare wahr sei. Leider muß ich
sagen : Ich war tief erschüttert, als ich an Ort und Stelle
erfuhr, daß es schlimmer war, als man mir berichtet
hatte. Als mir dann aber ein alter deutschfreundlicher Herr erklärte,
man habe ihm gesagt, genau so würde es bald der Kirche
und den l^irchlichen Einrichtungen im Altreich er-
gehen, sah ich ihn ungläubig an und fragte ihn: ,Mitten im Kriege?
Das glaube ich nicht, das halte ich für unmöglich'.
Wie habe ich mich getäuscht! Aus dem Sturm in Luxem-
bvirg und Lothringen (auch im Elsaß) ist in Deutsch-
lan-d ein Orkan geworden. Ich spreche nur von dem kleinen
Ausschnitt in Devitschland, vom Westen, weil ich über ihn genau unter-
richtet bin; in anderen Teilen Deutschlands, besonders in der
Ostmark undim Wartheg au, ist es vielleicht noch schlim-
m e r. In der Kölner Kirchenprovinz, zu der wir Trierer gehören, sind
bis jetzt 47 Abteien, Mutterhäuser, Klöster aufgehoben,
,s i c h e r g e s t e 1 1 1', wie das die Gestapo nennt, oder enteignet. In
25 Kirchen und Kapellen ist das Ewige Licht er-
loschen. Jesus Christus, der menschgewordene Gottessohn im aller-
heiligsten Sakrament, wurde aus ihnen verjagt und vertrieben. Als ich
das las, habe ich meine Hände gefaltet und gebetet: ,Herr Jesus Christus,
strafe nicht an deinem treuen, gläubigen Volke, was himmel-
schreiende Untreue dir angetan!'
Auch hier himmelschreiendes Unrecht!
.,Ist das alles nicht furchtbar? Hochangesehene deutsche Männer,
die zum größten Teile im Felde stehen, zahlreich mit dem Eisernen
Kreuze geschmückt sind, verwundet vmd Icrank in den Lazaretten liegen,
soweit sie nicht schon den Heldentod gestorben sind — wehrlose
Frauen aus edlen deutschen Familien, deren Väter und Brüder auf den
russischen Schlachtfeldern kämpfen und bluten und sterben — wehrlose
Frauen, die daheim als Schwestern, betend und opfernd, helfend tmd
arbeitend, ihr ganzes Leben Gott und dem deutschen Volke gewidmet
haben — diese Männer und Frauen, die wir hochachten und lieben,
werden in wenigen Stunden ihrer Klosterheimat, ihres Eigentums und
dazu oft noch ihres guten Namens beraubt, indem man als Grund
für die Austreibung angibt, sie seien volks- und
staatsfeindlich. Denen, die sich erl<:ühnen, solches zu sagen, sage
ich: .Das katholische Volk kennt besser seine Ordens-
priester, seine Ordensfrauen als ihr, die ihr sie ver-
trieben und verjagt habt zum Schaden für das
deutscheVolkundVaterland'.
Alle diese traurigen, für den deutschen Namen in der
ganzen Welt schmerzlichen Dinge zerstören das
R e c h t s g e f ü h 1 im Volke und sind geeignet, die innere Volksgemein-
schaft, die uns doch gerade heute im Schicksalskampf so bitter nottut,
zu zerreißen.
Hai übrigens wirklich einer von ihnen staatsfeindliche oder
gar landesverräterische Handlungen begangen —
26y
Worte, mit denen man heute in sträflichem Leicht-
sinn schnell bei der Hand ist — , gut, dann stelle man ihn vor
Gericht und strafe den wirklich Schuldigen nach Recht und Gesetz!
Aber darf man denn Hunderte seiner schuldlosen Brü-
der oder Schwestern entrechten, ihnen Heimat, Haus und
Herd nehmen? Wird man vielleicht auch einer kinderreichen
deutschen Familie, die einen unglücklichen Sohn hat, der vom
Gerichte bestraft oder von dem auch nur etwas Unrechtes gegen den
Staat behauptet wurde — wird man dann deshalb der schuldlosen
kinderreichen Familie Haus und Hof nehmen,' sie auf die Straße setzen
und dem Hunger preisgeben? In der Frage liegt schon die Antwort!''
Scharfer Seitenhieb auf Jugenderziehung,,
Sterilisation, Tötung von Schwachsinnigen
,Ich sehe in dieser Stunde im Geiste vor mir all die treuen Ordens-
männer und Ordensfrauen, die aus ihrer Ordensheimat rechtlos und
wehrlos vertrieben sind. Auch das neue Deutschland wird
einmal euer bedürfen zu seinem Nutz und Frommen;
dann, wenn die Früchte einer unchristlichen, ja wider-
christlichen Jugenderziehung, wenn die Früchte
einer dem Naturrecht und göttlichen Recht wider-
sprechenden Sterilisation einmal reifen, dann, wenn die
Tötung sogenannter .unproduktiver', unwerter, aber
doch schuldloser Menschen zum Himmel um Rache
schreit, wenn die durch Kriegs- und Zeitverhältnisse gesunkene
christliche Moral und die schwerbetroffene christliche Kultur ihre Auf-
erstehung feiern müssen, damit das Reich bestehen kann.'
Dank des Bischofs an die Vertriebenen:
,Euch aus St. Wendel vertriebenen SteylerMissions-
patres und Missionsbrüder, die ihr nicht nur Befehlen Christi folgtet,
das Reich Gottes in alle Welt trugt und die Menschen aus der Finsternis
des Heidentums zum Lichte des Christentums führtet, sondern auch
durch eure Volksschulen, Gymnasien und Universitäten in Übersee die
besten Träger des Deutschtums seid und den deutschen Namen zu hohen
Ehren brachtet,
euch, ihr treuen Ursulinen, die ihr in Marienberg-Boppard,
Saarbrücken und. Trier so viele Tausende junger Mädchen zu frohen,
sittenreinen, echten Christen, zu tüchtigen Menschen tmd treudeutschen
Frauen und Müttern erzogen habt;
euch, ihr meine lieben Benediktiner von St. Mat-
thias, die ihr in Treuen das Apostelgrab behütetet, Tag und Nacht das
Gotteslob im Chore sänget, euere Pfarrgemeinde so eifrig betreutet u.na
für das ganze Triererland in seelsorgerlicher Liebe gearbeitet und dabei
fast alle eure jungen Theologen und Brüder ins Feld gesandt habt;
euch, ihr treuen H e r z - J e s u. - P r i e s t e r, die ihr dem alten
Eifelwallfahrtsort Martental wieder neues Leben gabt und in der neuen,
so trauten Wallfahrtskirche viele tausend Pilger in ihren Sorgen zum
Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter führtet;
euch allen sende ich "meinen Dank, meinen Gruß und meinen Segen.
Auch euch, den um die Kirche, das Volk und Vaterland
hochverdienten Jesuiten, Franziskanern, Redempto-
r i s t e n — den Kreuzschwestern, den Elisabetherinnen und anderen, die
ihr im' Kölner- und Münsterland eure Verjagung aus der Klosterheimat
erdulden mußtet.
Bei euch allen geht einmal wieder das Heilandswort in Erfüllung':
,Wie sie mich verfolgt haben, so werden sie auch euch verfolgen.' Aber
269
ihr kennt auch das andere Heilandswort: ,Selig seid ihr, wenn euch die
Menschen hassen und verfolgen um meinetwillen. Freuet euch und froh-
locket, denn euer Lohn ist groß im Himmel.' Darum geht ihr als auf-
rechte deutsche Männer und tapfere deutsche Frauen,
die da wissen, daß die ,Leiden dieser Welt in keinem Verhältnis stehen
zur künftigen Herrlichkeit' (Rom. 8, 18), den harten Weg eueres Leides,
des großen Leides, das euch nicht auswärtige Feinde an-
taten, sondern deutsche Volksgenossen in der eigenen
Heimat. Wir tragen die harte Prüfung mit, die unseren Brüdern und
Schwestern auferlegt wurde, und wir vergessen sie nicht in unserem
Gebet."
*
In Triers Nachbardiözese Köln
wurde auch eine Reihe von Klöstern aufgehoben und ihre In-
wohner wurden verjagt. Besonders erschütternd war die Beraubung
und Ausweisung stiller, zum Teil betagter Anbeterinnen des AUer-
heiligsten mitten im Krieg und Winter. Der Kapitularvikar der
Erzdiözese stellte sich schützend und anklagend vor die armen
Klosterfrauen und schrieb unter dem 29. März 1942 an den Reichs-
minister des Innern:
„Am 11. dieses Monats erhielten die kirchlicherseits der Aufsicht
des Erzbischofs von Köln unterstellten Benediktinerinnen von der Ewigen
Anbetung von Bonn-Endenich ein vom 6. Februar d. J. datiertes Schrei-
ben des Herrn Regierungspräsidenten von Köln, in dem das Kloster der
genannten Ordensfrauen mit dem gesamten lebenden und toten Inventar
als zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen erklärt wird. Die Ein-
ziehung wird damit begründet, daß der Herr Reichsminister
des Innern festgestellt habe, ,daß das Vermögen, des Vereins der
Benediktinerinnen zur Ewigen Anbetung, Eingetragener Verein, in Bonn-
Endenich, volks- und staatsfeindlichen Zwecken ge-
dient hat und daß die Bestrebungen der Insassen des
obigen Hauses volks- und staatsfeindlich gewesen sind'.
Zwecks der zur Zeit mir obliegenden Wahrnehmung der kirchlichen
Interessen im Gebiete der Erzdiözese Köln sehe ich mich genötigt, aus
dem durch die genannten Maßnahmen geschaffenen Tatbestand folgende
Momente hervorzuheben:
1. Die von der Maßnahme Betroffenen sind etwa 150 wehrlose
und zum Teil hochbetagte deutsche Frauen, die durch die Einziehung
des Klosterbesitzes ihrer Existenzgrundlage beraubt und zum Teil von
nun an für ihren Lebensunterhalt auf private Wohltätigkeit angewiesen
sind.
2. Diese deutschen Frauen werden der Volks- und
Staatsfeindlichkeit bezichtigt und als Volks- und Staatsfeinde
bestraft, ohne daß man ihnen trotz ihrer monatelangen Bemühung um
Gehör Gelegenheit gegeben hätte, sich wegen dieser tiefkränkenden
Anschuldigungen zu verantworten, ja ohne daß man ihnen oder ihren
kirchlichen Vorgesetzten auch nur mitgeteilt hätte, auf welche
Tatsachen die Anschuldigungen sich stützen.
3. Der ganzen Bevölkerung von Bonn ist bekannt, daß von jeher
einziger Lebensinhalt der Benediktinerinnen von Bonn-Endenich der
Gottesdienst und die unter größten persönlichen Opfern und Ent-
behrungen geleistete Unterstützung notleidender Volks-
genossen gewesen ist. Zudem ist den Benediktinerinnen von Bonn-
Endenich auch noch neuerdings für ihre Einsatzbereitschaft im vater-
270
ländischen Dienste von hoher militärischer Seite Lob ge-
spendet worden.
Der durch die Maßnahme gegen die Benediktierinnen geschaffene
Zustand wiederspricht alio derart den Grundforderungen des Rechtes
und insbesondere auch dem Sittlichlceitsempfinden des deutschen Volkes,
daß für jeden um Ehre und Ansehen des deutschen Staates besorgten
Menschen die Vorstellung unerträglich ist, es seien durch das Schreiben
des Herrn Regierungspräsidenten die Akten in der Angelegenheit
Endenich endgültig geschlossen.
Ich erhebe deshalb unter Bezugnahme auf meine früheren Vor-
stellungen in gleicher Sache erneut Einspruch gegen die Ein-
ziehung sverordnung und beantrage ihre Aufhebung.
Sollten Bedenken gegen die sofortige Zurücknahme der Anordnung be-
stehen, so beantrage ich, mir oder den Benediktin^rinnen wenigstens
von den Anklagen, auf die sich der Vorwurf der Staats- und Volks-
feindlichkeit stützt, Mitteilung zu machen. Da ich überzeugt bin, daß
diese Anklagen ihren Ursprung nur in böswilliger Verleum-
dung haben können, so beantrage ich jetzt schon, gegen die
Urheber der Verleumdung, die in so empörender Weise sich an
der Ehre und der Existenz von wehrlosen und unbescholtenen deutschen
Frauen vergangen haben, in entsprechender Weise vor-
zugehen.
Der 'Kapitularvikar der Erzdiözese Köln
gez.; David."
*
c) Die Orden wehren sich auch selbst.
Der Exprovinzial der Jesuiten (oberdeutsche Provinz), Pater
Augustin Rösch, auch in diesem religiösen Krieg gleichsam ein
Kompanieführer wie einst im Weltkrieg, gibt uns ein wenig Ein-
blick in diesen zähen Kampf, bei welchem auf der einen Seite
infernaler Haß und jegliches Machtmittel, auf der anderen Seite
das Recht und die geistige Überlegenheit war.
Nach der Darstellung der bereits früher kurz gestreiften
Gewalttätigkeiten gegen P. Neil Breunig (Devisenprozeß) und
F. Rupert Mayer (Kanzelparagraph und Heimtüekegesetz) fährt
P. Rösch fort:
„In derselben Zeit (1937) war im ,Völkischen Beobachter', München,
eine schwere Anklage gegen die Jesuiten, daß sie ,eine Paßfäl-
scherzentrale' hätten. Ich ging daraufhin mit P. Leicher zum Re-
dakteur der Zeitung, wies nach, daß das unmöglich sein konnte, weil es
den genannten Pater in der ganzen. Gesellschaft gar
nicht gebe, verlangte Widerruf, der zugesagt, aber nicht in der
Zeitung geleistet Wurde. Im Gegenteil, statt dessen erschien in den
,Münchener Neuesten Nachrichten' ein entsprechender Anklageartikel.
Alle Versuche, bei der dortigen Redaktion etwas zu erreichen, schlugen
fehl. Der Redakteur sagte mir zum Trost nur: ,Das ist eine Gemein-
heit und eine Sauerei, wie man es Ihnen macht. Wenn ich
aber widerrufe, dann wird meine Zeitung sofort be-
schlagnahmt, und dann haben Sie auch nichts davon'.
Ich fuhr nach Berlin an das Propagandaministerium, wurde wider
alles Erwarten meiner Berliner Freunde und des HH. Bischofs v. Prey-
sing nach vielen Versuchen vorgelassen, bewies das ganze Unrecht und
bekam wieder einen Widerruf zugesagt. Ich wies darauf hin, daß alle
Provinzen außerhalb Deutschlands auf Grund der gemein-
271
samen Kataloge den Schwindel der deutschen Presse
nachweisen Icönnen und daß das wohl im Ausland einen nicht
erwünschten Eindruck machen werde.
Aber uns Jesuiten begannen sie immer mehr zu hassen. Am selben
Tag, wo ich in Berlin war, wurde dann P. Rupert Mayer ver-
haftet. Kvu'z darauf war ich in der Gestapo wieder vorgeladen und
ganz zusammenhanglos wurde ich plötzlich gefragt, was ich von
Minister Goebbels hielte, der nicht lange vorher am Radio ge-
sprochen und ungemein gegen die Katholiken losgezogen hatte. Meine
Antwort war: ,Wenn ein deutscher Minister vor der ganzen Welt so das
Heiligste angreift wie er (er hatte gegen Christus im allerheiligsten
Sakrament geredet), dann ist er für mich ein für allemal er-
ledigt.'
Bald darauf wurden unsere Häuser in München (Ignatius-
haus, ,Stimmen der Zeit' , St. Michael, Pullach) zur selben Morgenstunde
von zusammen fast 100 Gestapoleuten überfallen, alles durchsucht,
die Patres aus den Zimmern weggeschickt. Man wollte Material finden.
,Die Aktion geht nicht so sehr gegen den einzelnen, als gegen den gan-
zen Orden.' Was sie uns alles weggenommen haben, bekamen wir nie
wieder trotz aller Zusicherungen.
Inzwischen waren auch in anderen Häusern Überfälle
gewesen, die Kollegien in Feldkirch, St. Blasien, das Exerzitienhaus
und Novitiatshaus in Tisis (Vorarlberg) aufgelöst, die Rottmannshöhe
(Exerzitienhaus) beschlagnahmt worden. Hier wohnten die Mit-
brüder i n f r irh eren Werkstätten und im Stall. Eminenz
meinte, wir sollten doch nachgeben und freiwillig das Haus räumen.
Wir erklärten: ,Nein, das können wir nicht. Es handelt sich nicht so
sehr um das eine oder andere Haus, sondern um das Prinzip, daß
wir uns die Häuser nicht widerrechtlich nehmen las-
sen dürfen, zumal wir Jesuiten auch da wieder die ersten sind, bei
denen es versucht wird.'
Außerdem waren unterdessen eine Reihe Pa.tres wegen
Predigten verhört, angeklagt, eingesperrt worden. Mit
Ausnahme von P. Grimm konnte ich alle im Gefängnis wenigstens ein-
mal besuchen, bei den Verhandlungen dabei sein und hatte deswegen
viele Besprechungen mit den Gestapostellen in den verschiedensten
Städten. So war ich auch da sehr bekannt geworden.
Als nun 1941 die vielen bayerischen Klöster angegriffen wurden —
die ,Stimmen der Zeit' innerhalb 2 Stunden aufgelöst! nur das soge-
hannte Privateigentum durfte mitgenommen werden (ohne Betten usw.) — ,
übernahmen P. König und ich die Aufgabe für die Bischöfe, auch in
diesem Kampfe die Kurierdienste zu besorgen. Wir fuhren nach
Berlin zum Nuntius, ferner zu Bischof von Preysing, zu Bischof Wienk-
ken. Niemand wußte etwas vom bayerischen Klosterkampf. Von Berlin
ging es nach Breslau — und auch da war nichts bekannt. Anderer-
seits erfuhren wir hier erst, daß in der dortigen Erzdiözese
über 60 Klöster und andere kirchliche Institute gefaßt
worden waren. Davon hatte niemand im übrigen katholi-
schen Deutschland eine Ahnung. Es war also klar, was die
Nazis planten.
Zunächst wurde die „Superioren-Vereinigung (Vereinigung der ver-
schiedenen Ordensgesellschaften Deutschlands) als ziviler Verein offiziell
aufgelöst, um zu verhüten, daß durch das Vorgehen gegen einen Orden
alle anderen solidarisch gepackt wurden. Dafür wurde beschlossen so-
genannte , unverbindliche Zusammenkünfte' zu halten (Berlin — Köln —
München — Wien). Die Führung in München wurde mir anvertraut.
Dann gab ich Richtlinien, wie man sich am besten bei Beschlag-
nahmungen und Auflösungen wehren und verhalten- solle, um der
272
Gestapo alles zu erschweren. Auch davon hat die Gestapo manches
eri'ahr'in, nicht durch Verrat, sonderen durch die praktische Betätigung.
Endlich wollten wir Mitglieder der Vereinigung erreichen, daß der
deutscheGesamtepiskopat den Orden die Weisung
geben solle, immer nur der Gewalt zu weichen mit Be-
ruf u n g a u f d i e s e W e i s u n g.
Das konnte nicht erreicht werden; es ergaben sich mancherlei
Schwierigkeiten bezüglich der Exemption. Dagegen haben dann d i e
Predigten des Bischofs von Münster nach dem Kloster-
sturm in Rheinland-Westfalen im Juli 1941 so gut gewirkt, daß im
August eine wesentliche Pause eingetreten ist.
Am 10. Juli 1941 nach der Rückkehr von der 400jährigen Feier der
Gelübdeablegung des sei. P. Faber in Regensburg "hörte ich, es gehe das
Gerücht, am Samstag, den 12. Juli sollten alle Münchener Häu-
ser der Gesellschaft Jesu von der Gestapo aulgelöst werden.
Gauleiter Wagner hatte bereits in einer Rede im Mai erklärt, in wenigen
Wochen werde er die Jesuiten aus Bayern entfernt haben. Am 13. Juli
verdichtete sich das Gerede immer mehr. Die Mitbrüder wußten noch
nichts davon. Eine Erkundigung beim SD-Führer durch eine Mittels-
person ergab, daß die Sache tatsächlich so geplant sei. Wiederholte Vor-
stellungen (sehr viele Verdienste hatte dabei P. Waldburg-Zeil) erreich-
ten, daß in Berlin einerseits auf die große Aufregung hingewiesen
wurde, die das Vorgehen der Gestapo in München haben werde, an-
dererseits dann wirklich der Sturm unterblieb mit der .Begründung',
Ende Augustsei derRussenfeldzugohnehin gewonnen,
dann würde mit den Jesuiten Schluß gemacht und so
komme es auf die wenigen Wochen auch nicht mehr a n."
Ein teuflischer Plan der Gestapo wird verraten
und zunichtegemacht
In diesen Rahmen gehört auch die Rettung sämtlicher
Ordenshäuser und Klöster in Elsaß-Lothringen
i m J u n i 19 4 3.
Ich gebe hier nur die Skizze:
Mittwoch, den 12. Juni: 21.30 Uhr, Anruf von Klinik Lebsche:
„Pater Provinzial, sind Sie zu Hause?' Können Sie in die Klinik
kommen?" — „Ja". Meine Vermutung ist, ein Schwerkranker
wünsclie mich. Fahre sofort hin. Es wartet dort auf mich Stadt-
pfarrer Dr. M u h 1 e r, zeigt den ganzen zweieinhalb Seiten
(Großformat) langen Auflösungsbefehl für sämtliche
„beschaulichen Klöster" von Elsaß-Lothringen
aus der Kanzlei Bormann. Große Bestürzung meinerseits!
Ausführung angesetzt für die Nacht von Samstög auf Sonntag
(15. auf 16. Juni 1943).
Meine erste Frage: ,,Ist der Befehl echt oder ist das Ganze eine
große Falle? Wenn eine Falle., und wir arbeiten dagegen, wird
mein ganzer Orden aufgelöst " -— „Er ist echt." „Wer weiß davon?"
„Herr Generalvikar." „Warum zeigen Sie es mir?" — „Die Jesuiten
sind nach Ansicht des Herrn Generalvikars und Seiner Eminenz
die einzigen, die noch helfen können." — „Gut, geben Sie mir,
bitte, den Erlaß!" (Es war natürlich eine Abschrift.)
273
Ich suchte gegen Mitternacht den Herrn Generalvikar auf und
fand alles bestätigt. „Was wollen Sie tun,- P. Provinzial?" — „Ich
weiß es noch nicht, werde aber Nachricht geben unter dem Stich-
namen und Decknamen "
In der Nacht überlegte ich, rief am Morgen P. König, beriet mit ihm
die Sache, bestellte ihn dann zum Nachtschnellzug Karlsruhe an die
Bahn, in Zivil, einfach, eher ärmlich.
Absicht war, zuerst nach Freiburg i. Br. zu Erzbischof Dr. Grö-
ber zu reisen. Änderung der Absicht zwischen Stuttgart und Karls-
ruhe: „Wir müssen vorher wissen, wie es im Elsaß steht, ob man vom
Sturm etwas weiß, was dagegen geplant ist" usw. Ankunft 24 Uhr in
Straßburg.
Wir wollen telephonieren, werden gewarnt, Gestapo mache Razzia.
Versuch ins Haus vom Bischöflichen Sekretär zu kommen — er selber
verreist, Hausinwohner flüchten in Keller — öffnen nicht — fürchten
Gestapo (wie wir hernach hörten). Nun zu P. Studer! Haustor zu, Glocke
abgestellt! .Letzte Möglichkeit: zu einem bekannten Priester in einem
Krankenhaus! Weg verfehlt! Sorge vor jedem Polizisten!
Glücklicherweise wird in dem Krankenhaus, zu dem uns ein Be-
trunkener noch führen konnte, eine schwerkranke Frau eingeliefert;
man sieht uns als Angehörige an. So unerkannt hineingekommen, den
Priester geweckt, ihm alles vorgelesen, erzählt, ihn gefragt, was bekannt
sei, ob etwas dagegen geschehen könne! — Äußerste Erregung! Aber
Endergebnis: „In Elsaß-Lothringen istnichts mehr zu
machen und zu retten. Man müsse alles über sich erlgehen las-
sen. Aber sehr große Dankbarkeit für unsere Bemühungen." •
■ Nach Freiburg i. Br.
Wir zwei Patres legen uns angekleidet für etwa eineinhalb
Stunden auf Luftschutzbetten, reisen mit dem ersten Arbeiterzug
(zweite Nacht) nach Freiburg, gehen sofort zum H. Erzbischof, der,
gottlob, im Palais ist, lesen den Befehl vor. Exzellenz wird (Gott
sei Dank) sehr empört über diesen neuen Krieg der Partei. Was
zu tun?
Unsere Antwort: „Der letzte Satz im Befehl heißt: ,Es muß
unter allen Umständen alles vermieden werden, daß vor Beginn
der Aktion irgend etwas an die Öffentlichkeit kommt.' — Also
der Partei zeigen, daß man den Befehl kennt!"
„Fahrt nach Straßburg und schaut, wie es dort steht!" „Wir
waren schon dort. Nichts zu machen in Straßburg."
„Was schlagen Sie vor?"
„Telegramme des Inhalts: Genaue Kenntnis
vom geplanten Klostersturm — dieser untragbar
für Deutschland und Kirche und Elsaß-Lothrin-
gen — darumalles zu tun, daß er unterbleib e."
„An wen die Telegramme?"
„An Hitler, Bormann, Himmler, Reichssicher-
heits-Hauptamt Berlin, Gestapostellen: Berlin,
München, Karlsruhe, Straßburg, Metz, an die Gau-
le i t e r d e r z u s t ä n d i g e n L ä n d e r."
274
„Habt Ihr schon die heilige Messe gelesen?" — „Nein." — „Tut
es und dann kommt wieder. Ich will überlegen."
Bei der Rückkehr von der Kirche erhalten wir bereits die erste
Mitteilung, daß die Telegramme schon laufen.
Dann ließ Erzbischof Gröber auf unseren Vorschlag Priester
aus dem Elsaß (Kolmar) kommen, auf daß im ganzen Land
die Leute am Samstagabend vor die Klöster und
die Klosterkirchen gingen. Alles soll mobil ge-
machtwerden.
Herr Erzbischof sagt: „So, jetzt geht mit mir heim zum Essen."
„Nein, Exzellenz, wir werden mit Ihnen photographiert." — Auf
anderen Wegen getrennt in sein Palais — Mittagessen. ,
Wir fragen: „Exzellenz, wenn nun doch der Sturm käme,
wollen Sie so gut sein und dann öffentlich darüber predigen, damit
weitere Stürme unterbleiben?" usw. usw. „Ja, wenn die Bischöfe
von Speyer und Trier auch mittun!"
Also Reise dahin (dritte Nacht) — beide einverstanden — in
dei vierten Nacht zurück nach München!
Vorgeschichte des Ganzen
Etwa 3 — 4 Wochen vorher hatte das Münchener Ordinariat
alle hiesigen Ordensleitungen aufgefordert mitzuteilen, wieviel Patres,
Brüder, Schwestern in den einzelnen Klöstern untergebracht werden
können — es handle sich nach Gestapo-Mitteilung um
ausgebombte Ordensleute, die unterzubringen seien.
Welche Liebe! — Unser Verdacht, da ist wieder etwas Schlechtes los!
Meine Erklärung ans Ordinariat: „Ich gebe keinen Platz an'; ich
traue der Gestapo nicht." ,Ich schickte sofort je einen Pater nach Trier,
Köln, Münster (die damaligen Bombengebiete). Niemand wußte etwas
von „ausgebombten Ordensleuten". Jeder Bischof erklärte: „Die bleiben
bei uns, auch wenn sie das Unglück haben, weil wir ja Not an Ordens-
leuten haben." — Tatsächlich hatte die Gestapo durch das Ordinariat
Quartier machen lassen wollen für die Patres und Schwestern, die sie
aus dem Elsaß und Lothringen vertreiben wollte.
'^ SiegüberGestapogeheimtücke
Endergebnis: Die Telegramme haben eine fürch-
terliche Verwirrung angerichtet — der ganze
Sturmunterblieb.
Die Gestapo hat wochenlang mit großem Aufgebot in Baden,
Elsaß-Lothringen, Rheinpfalz nach denen gesucht, die das Ganze
„verraten" hätten. Wäre der Sturm geglückt, so sollte einige
Wochen darauf Belgien undHolland, dannFrankreich,
dann das übrige Reichsgebiet das. Opfer sein.
Eine der ersten Fragen unmittelbar nach meiner Verhaftung und
unterwegs zum Gefängnis war: „Wann waren Sie zum letztenmal beim
Erzbischof von Freiburg? Wann vorher? Wie oft bei ihm? Warum?
usw." —
275
Pater König und ich haben Gott herzlich gedankt, daß wir Werk-
durften zur Rettung vieler Klöster. Aber wir mußten
schweigen.
Geächtet! Wehr unwürdig!
Unmittelbar vor Beginn des Russenkrieges hatte ein aus-
gesprochener „Führerbefehl" die Jesuiten als wehr-
unwürdig erklärt; wie die Juden es schon waren; darum war
jeder, der als SJ bekannt war oder wurde, auch auf Denunziation
hin, zu. entlassen mit dem Vermerk: nzv (,, Nicht zu verwenden",
wie die Juden).
Absicht war, zuerst zu diffamieren und zu entlassen,
dann, wie die Juden, nach dem Osten usw. zu brin-
gen. („Spätestens im Jahre 1942 werden die SJ in Lager nach
dem Osten geschafft." — So Regierungsrat S c h i m 1 von der Mün-
chener Gestapo, der durch Mittelspersonen dies sagen und warnen
ließ, um sich noch etwas vorsehen zu können.)
Nun war klar, warum die Gestapo bereits im Februar 1941 sämtliche
Anschriften der Jesuiten beim Militär haben wollte. Ich hatte die Her-
ausgabe verweigert (die 2. Weigerung gegen das Reichssicherheitsamt
Himmler). — Ich wurde etwa zwölfmal vorgeladen — es wurde mit
Dachau gedroht — man versuchte auf allen Umwegen (scheinbar durch
Frontpakete usw.) die Anschriften zu bekommen.
Wen man fand, der wurde entlassen, aber nur, wenn es an der
Front gut ging. Viele Kommandeure führten den Befehl nicht aus —
andere dagegen waren sehr rigoros, und so kam eine ganz verschiedene
Handhabung. Wir überließen die Entscheidung im Laufe der Zeit den
einzelnen. Mit ganz geringen Ausnahmen war die Haltung der Soldaten
eine ganz ausgezeichnete; sie waren zu allem bereit, vor allem auch
dazu, im Interesse der Existenzmöglichkeit des ganzen Ordens in Deutsch-
land beim Militär zu bleiben, wenn sie auch persönlich gerne heim-
gegangen wären.
d) Wider Goebbels' Diffamierung der Orden.
Die schwerste Belastung für die religiösen Orden Deutschlands
waren die „Sittlichkeitsprozesse" und die skandalöse Berichterstat-
tung hierüber. Die Bischöfe Deutschlands verurteilten die wirk-
lichen Verfehlungen einiger Ordensleute aufs schärfste und gingen
mit schwersten kirchlichen Strafen vor, bis zur Auflösung einzelner
religiöser Genossenschaften. Aber sie erklärten (so die Bayerischen
Bischöfe zusammen am 9. Mai 1937):
„Mit allem Nachdruck müssen wir uns wenden gegen die Art und
den Umfang, die Tendenz und die Einseitigkeit der Be-
richterstattung, soweit sie die Prozeßfälle ausbeutet zu einer
systematischen und zielbewußten Aufhetzung gegen die Kirche
selbst, gegen ihre Lehre und Diener.
Wir wollen nichts verheimlicht, vertuscht oder beschönigt haben.
Aber wir legen feierliche Verwahrung ein gegen Übertrei-
bungen und' Verallgemeinerungen. Ein weitverbreitetes
Presseorgan verstieg sich sogar soweit, von 1000 Geistlichen, d. h. ge-
weihten Priestern zu reden, gegen die ein Verfahren schwebe. Das ist
276
irreführend. Nur ein geringer Bruchteil der in die Untersuchung Ein-
gezogenen sind Priester, und diese bilden wiederum nur einen kleinen
Brucliteil ihrer Standesgenossen, der über 25 000 Priester in Deutschland.
Es wäre gegen alle Gerechtigkeit, das Verbrechen der
Schuldigen den Tausenden von unschuldigen Priestern aufzubürden,
geradeso wie es ungereclit wäre, das Verbrechen des einen Judas dem
ganzen Apostellcreis zur Last zu legen.
Ungerecht ist es, wenn nur die sittlichen Vergehen von
Priestern und Ordensleuten in voller Öffentlichkeit verhandelt wer-
den und von der gesamten Tagespresse in solcher Ausführlichkeit be-
richtet werden müssen, während die nicht wenigen schweren
Verfelilungen gleicher Art aus anderen Volkskreisen
größtenteils hinter versclilossenen Türen abgeurteilt und in Presse und
Rundfunlc totgeschwiegen werden.
Wir verstehen auch nicht . — und wir wissen uns hier einig mit
weiten Volkskreisen — , wie man einerseits als Anwalt der Volkssitt-
lichlceit auftreten will, andererseits aber vergißt, daß durch Veröffent-
lichung bedenklichster Einzelheiten dem sittlichen Empfinden nament-
lich der Jugend schwerster Schaden erwachsen muß.
Das katholische Volk, das in all seinen Schichten den Priesternach-
wuchs stellt und tagtäglich seine Priester beobachtet, weiß, was es an
diesen seinen Priestern im Leben und Sterben hat. Das
katholische Volk erfährt es tagtäglich, wieviel Opfergeist, Religiosität
und Seeleneifer in Welt- und Ordensklerus zu finden sind.
Millionen deutscher Volksgenossen l^ennen aus Krieg und Frieden
die über jedes Lob erhabene Pflege und Hilfe durch Angehörige katho-
lischer Orden . . .
Völlig abwegig und böswillig wäre es, mit den Berichten über diese
Priester- und Klosterprozesse unsere hl. Kirche selber treffen
zu wollen, vielleicht sogar unter Ausnützung dieser traurigen Vorkomm-
nisse zum K i r c h e n a u st r i 1 1 aufzufordern.
Oder will man gar mit solchen Berichten den Ruf des Papstes
und der deutschen Bischöfe für Christentum und Gewissensfreiheit in
unserem deutschen Vaterland übertönen? Ist es ein Zufall,
daß die kirchenfeindliche Auswertung der seit Mo-
naten z VI sa mm engeballten Prozesse durch die Presse,
,auch über Fälle aus früheren Jahren und aus dem Aus-
land, gerade nach der Verlesung des Päpstlichen
Rundschreibens vom 14. März dieses Jahres wieder
eingesetzt hat?
Zugleich müssen die Berichte über die Prozesse den Vorwand ab-
geben, der Kirche das Recht auf Mitwirkung in der Er-
ziehung der deutschen Jugend abzuspreche n."
Das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising fügte diesen
Hirtenworten noch folgende Statistik an:
„In der Erzdiözese München und Freising gibt es 1444 Diözesan- und
415 Ordenspriester, Von all diesen sind uns während der letzten vier
Jahre drei Verurteilungen wegen Sittlichkeitsdelikte bekannt geworden,
also wiederum pro Jahr nicht 1 aus tausend. Das ist gegenüber
den üblich gewordenen Verallgemeinerungen die nüchterne Sprache der
Zahlen." (23. Juni 1937)
Noch ausführlicher und kräftiger wies
Bischof Preysing von Berlin
die schamlose Heuchelei derer zurück, die mit den Sittlichkeits-
prozessen ihre dunklen Geschäfte machen wollten. Er wandte sich
277
mit einem 17 Seiten langen Schreiben unmittelbar a n
denAufpeitscherderganzenProzesse, an den Reichs-
minister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Goebbels,
und riß ihm die Larve des Sittlichkeitswächters vom Gesicht.
Einleitend zeigt Bischof Preysing sofort, daß er den Urheber
der einheitlich propagandistischen Berichterstattung über diese
Sittlichkeitsprozesse recht wphl kenne:
Berlin, 27. Mai 1937.
„In Sachen der bereits gerichtlich erledigten Sittlichkeitsvergehen
und -verbrechen katholischer Priester und Ordensangehöriger und zu
den noch schwebenden Verfahren gegen solche erschienen am 29. April
1937 in der Berliner Tagespresse und in Provinzzeitungen, die eine Ver-
tretung in der Reichshauptstadt haben, Leitartikel. In einem Teil der
mir vorliegenden Zeitungen erschienen die entsprechenden Artikel erst
am 30. April 1937.
. Die Hauptgedanken dieser Artikel laufen in gleicher Rich-
tung und enthalten Angaben tatsächlicher Art, die die Schlußfol-
gerung unwiderlegbar machen, daß die Leitartikel
von amtlicher Seite angeregt und in ihrem wesent-
lich enGehaltinspiriertsind.
Somit geben die Veröffentlichungen vom 29. April 1937 bzw. vom
30. April 1937 einen Einblick in die Motive und Ziele, die die für
die Bildung des öffentlichen Urteils maßgeblichen politischen
Instanzen des deutschen Volkes zunächst bei der pressemäßi-
gen Behandlung der Sittlichkeitsprozesse habe n."
Bischof Preysing behandelt dann
I. Die Anklagen, die in der Öffentlichkeit gegen die
katholische Kirche erhoben werden:
Die Breite und Ausführlichkeit in der Berichterstattung über die
Sittlichkeitsprozesse bis zur Wiedergabe widerlichster Einzelheiten wird
dem deutschen Volk vor allem durch vier Anklagen gegen die katho-
lische Kirche begründet, die eine rückhaltlose, offene Berichterstattung
erfordern sollen:
1. Anklage: Die Prozesse werden als Teile eines Kampfes gegen die
katholische Kirche hingestellt.
2. Anklage: Die Schwere und der Umfang der Sittlichkeitsverbrechen
werden von der katholischen Kirche vertuscht und verharmlost.
3. Anklage: Die Sittlichkeitsverbrecher werden von der Kirche als
politische Märtyrer hingestellt.
4. Anklage: Die kirchlichen Vorgesetzten versagen in der Ausübung
ihrer Aufsichtspflicht.
Im einzelnen bemerke ich zu den Anklagen, für die dem deutschen Volk
entweder überhaupt keine oder nur eine ungenügende Begründung ge-
geben wird, folgendes:
ZuAnklagepunktl:
„Dazu stelle ich fest, daß die katholischen Bischöfe Deutschlands im
September 1936 von allen deutschen Kanzeln ausdrücklich erklärt haben,
daß die deutschen Gerichte nur ihre Pflicht erfüllen, wenn sie gegen die
Sittlichkeitsverbrechen der katholischen Ordensangehörigen (es handelte
sich damals besonders um Waldbreitbach) vorgehen. Der deutsche Epis-
kopat faßte sein Urteil über die Tätigkeit der Gerichte vor den gläubigen
278
Katholiken — der Zugang zu einer weiteren Öffentlichkeit wird ihm
unterbunden — in folgende Worte:
,Wir verurteilen sie (die Taten der Waldbreiter Brüder) nicht weni-
ger streng als die weltlichen Gerichte, denen durchaus kein Vorwurf zu
machen ist, wenn sie nach Recht und Gesetz handeln . . . Das Gericht
ist an diesem Schaden (kirchenfeindliche Auswertung der Prozesse) un-
schuldig; denn es hat nach alter Tradition das Bestreben gehabt, daß
über so peinliche Vorkommnisse mit Rücksicht auf die Allgemeinheit
und besonders auf die Jugend möglichst kurz und zurückhaltend be-
richtet werde.'
Jedenfalls kann es nur als eine bewußte Irreführung be-
zeichnet werden, wenn der Eindruck erweckt wird, daß eine maßgebliche
kirchliche Instanz in Deutschland die Prozesse als solche als Teile eines
Kampfes gegen die katholische Kirche hingestellt hat.
Von dem ordentlichen Gerichtsverfahren gegen einen Verbrecher
unterscheidet .sich aber wesentlich die propagandistische Aus-
nutzung eines Gerichtsverfahrens. Diesen Unterschied haben die
Bischöfe klar und deutlich auch in ihrem Hirtenbrief vom September
1936 gemacht."
Zu den Anklagepunkten 2 und 3:
„Welche verantwortliche kirchliche Instanz, welche kirchliche Zeit-
schrift, welcher Hirtenbrief, welche Kanzelvermeldung im deutschen
Reich hat zum Beispiel die als schuldig erwiesenen Waldbreitbacher
Brüder oder die mit Grund verurteilten Geistlichen als politische Mär-
tyrer hingestellt?"
Zum Anklagepunkt 4:
„Der deutsche Episkopat hat nicht nur gegenüber seinen Gläubigen
eine klare eindeutige Verurteilung der geschehenen ' Verbrechen ausge-
sprochen, sondern auch für den inneren kirchlichen Verwaltungsbereich
in einer ganzen Reihe von nachgewiesenen Sittlichkeitsvergehen und
Verbrechen kirchliche Strafen verhängt. Wenn sich diese
wiederholt als unwirksam erwiesen haben, so ist dabei, nicht zu, ver-
gessen, daß die Straf- und Disziplinmittel der Kirche beschränkt sind
und der Wesensart der Kirche Rechnung tragen müssen und daß bei
ihrer Anwendung menschlicher Irrtum und menschliche Unzulänglich-
keit wie bei jeder Obrigkeit nicht ausgeschlossen sind. Es wird auch
der Reichsregierung und den verantwortlichen Parteistellen auf Grund
ihrer vielfachen Erfahrungen nicht unbekannt sein, wie schwierig bei
aller grundsätzlichen Verurteilung eines geschehenen Verbrechens die
Behandlung der Person des Verbrechers sich oft gestaltet.
Es ist kein Geheimnis, daß die nationalsozialistische
Bewegung, die ständig Härte und Rücksichtslosigkeit als eines er
Grundgesetze hervorhebt, in der Personalsphäre unter öe-
stimmten Voraussetzungen rücksichtsvoll gegen
Fehlende verfahren is t."
IL Die zunächst angestrebten Ziele der propagandisti-
schen Auswertung des Prozeßverlaufes und der Prozeß-
ergebnisse:
„Für den Kenner der deutschen Presseverhältnisse steht es außer
Frage, daß das unablässige Trommelfeuer der Prozeßberichte auf die
weiteste Öffentlichkeit des deutschen Volkes bestimmten tak-
tischen Zielen der die deutsche Presse leitenden politischen
Kreise dienen soll. Außer dem allgemeinen klar erkennbaren
279
Ziel, die katholische Kirche zu diffamieren, heben sich
noch drei besondere Zwecke heraus:
1. Die publizistische Wirkung der Papstenzyklika ,Mit bren-
nender Sorge . . .' vom 14. März 1937 soll möglichst abgeschwächt werden.
2. Der Widerstand der Kirche in der Frage der Gemein-
schaftsschule und der christentumsfeindlichenJugend-
e r z i e h u n g soll überwunden werden,
3. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kirche und Gläu-
bigen im allgemeinen, insbesondere das Vertrauen der Eltern und Lehrer
zu den Priestern und Ordensleuten soll zerstört werden."
III. Unwahrheiten in der propagandistischen
Auswertung der Prozeßberichte:
„1. Die verantwortlichen Stellen, auf deren Veranlassung und unter
deren Förderung die Schmutzflut sich seit Wochen über das deutsche
Volk ergießt, haben ihr Vorgehen auch damit vor der deutschen Öffent-
lichkeit zu rechtfertigen gesucht, daß sie es als einen Grundsatz des
Nationalsozialismus hinstellten, rücksichtslos die Wahrheit zu
sagen. .,Es ist ein offenes Geheimnis, daß der nationalsozia-
listische Staat mit Vorbedacht und größter Konsequenz Sittlichkeitsver-
brechen- und andere Straftaten, die in. seinen eigenen Reihen
vorkommen, der Öffentlichkeit vorenthält. Von diesem
Grundsatz weicht er nur ab, wenn die Straftaten nicht mehr verheim-
licht werden können. Auch dann beschränkt er die Veröffentlichung
auf einen möglichst kleinen Kreis und wählt solche Formulierungen, die
entweder die Verbindung mit der Partei vollständig ver-
schweigen oder wenigstens das Ansehen und die Autorität der Partei
nach Möglichkeit verschonen.'
Gegen die katholische Kirch-e wendet er die ent-
gegengesetzte Methode an. Angesichts eines solchen Verhaltens
klingt es wie ein Hohn, wenn das ,, Hamburger Fremden blatt' vom
29. April 1937 mit Emphase verkündet: .,Der Nationalsozialismus kennt
diese Rücksicht nicht, weil er sich zu dem Grundsatz gleicher Rechte
tind Pflichten für alle Bürger bekennen muß, ob sie nun das
Ordensgewand tragen oder nicht."
2. Der deutschen Öffentlichkeit wird .ununterbrochen eingehämmert,
daß es sich bei den abgeurteilten Verbrechen und den noch schweben-
den Verfahren nicht um Einzelfälle handle, sondern um ein
System sittlicher Verdorbenhei t."
In einer V ausführlichen Statistik, zeigt Bischof Preysing, daß es
falsch und verlogen ist, wenn die Propaganda von
einem „System sittlicher Verdorbenheit" spricht.
Von 25 635 Welt- und Ordensgeistlichen ganz Deutschlands sind
58 Geistliche in die Prozesse verwickelt, also nur 0,23 Prozent.
Abschließend bemerkt Bischof Preysing:
„Die Sittlichkeitsvergehen und -verbrechen katholischer Priester
und Ordensangehöriger geben für die nationalsozialistische' Bewegung
das zielbewußt ausgenutzte Mittel ab, um die bereits durchge-
führten kirchen feindlichen Maßnahmen zu recht-
fertigen, die in Fluß befindlichen zu begründen und
weitere vorzubereiten. Diesem Ziele müssen alle Mittel der
Propaganda dienen. Von der riesigen Schlagzeile auf der ersten
Sei te bis zu der Eltern und Lehrerschaft ermöglichten
Anwesenheit bei den Prozessen,' wird ein unabläs-
280
siges Tr om m elf eu er ' s ei t' W'och'en gegen die l<jatliolische
Kirche auf devitsciiem Boden losgelassen. Daß die Parleipresse und das
ciinlüclie DNB. dabei in vorderster Front.stelien, versteht sich nach dem
Kampjplan von selbst. \
Diese Propaganda wird die antichristlichen und antil-^ivchlichen In-
stinkte in weiten Kreisen des deutschen Voll^es steigern. Breite Ar-
beit e r m a s s e n, die vor der,. Machtergreifung des Nationalsozialismus
jahrzehntelang durch die christentumsfeindliche Schule des Marxismus
gegangen sind, werden mit Befriedigung die Prozeßberichte in sich auf-
nehmen. Große Teile des liberalen Bürgertums, das mehr
den Antiklerikalismus der .Guten Stube' pflegt, werden, soweit der In-
halt der Berichterstattung nicht ihr ästhetisches Empfinden beleidigt,
nicht ungern zu den 'Zeitungen greifen. In den Kreisen der Partei,
denen schon seit Jahren das Wort vom ,schwarzen Feind' eingehämmert ,
worden ist, wird der Haß gegen das offenbarungsgläubige Christentum
zur Weißglut gebracht werden. Das bedeutet die Erreichung
des Zieles, das der Propaganda gestellt wurde.
Ich möchte darauf hinweisen, daß die Aussaat des Hasses
gegen das Christentum und besonders gegen die katholische Kirche, die
schon seit Jahren betrieben wird, bereits ihre Früchte reifen lassen. Ich
erwähne die Zertrümmerung von Kreuzenin den Diözesen
Freiburg und Rottenburg, das Attentat auf Kardinal Faul-'
h a b e r, Beschimpfung und deft Angriff auf ihn beim Verlassen eines
Gotteshauses in München, den zweimaligen Sturm auf das
bischöfliche Palais in Würzburg, die Schändung einer
Christusf ahne, die De molierung eines Fronleichnam salta-
r e s in E i c h s t ä 1 1 bis zur jüngsten B e s ü d el u n g d e r neu zu
w e i h e n d e n K i r c h e.. i n W a n d 1 i t z s e e.
- Ich habe nicht die Hoffnung, daß eine Bitte, begründet durch
die Schäden an den Lebensinteressen dqr Kirche in Deutschland, den
Staat veranlassen wird, den P r o p a.g a n d a f e 1 d z u g gegen,
die Kirche in der Öffentlichkeit einzustellen. Ich möchte vielmehr
annehmen, daß in konsequenter Auswirkung der Seiner Eminenz dem
Herrn Kardinal unter dem 7. April 1937 mitgeteilten Argumente gegen
die Wahrheit der Päpstlichen Enzyklika noch die propagandistische Aus-
wertung zweier weiterer Prozeßwellen gegen die katholische Kirche
kommen Wird: " .
1. Auswertung der Devisenprozeßwelle.
2. Auswertung der Welle der politisclien Prozesse.
Trotz dieser klaren Erkenntnis möchte ich doch versuchen
zu erreichen, daß die S,.c h m u t z f 1 u t, die sich durch die Publizi-
stik aus den Sittlichkeitspi'ozessen in die deutsche Öffentlichkeit ergießt,
eingedämmt wird. Bei dieser Bitte habe ich jetzt vor allem die
gesamte deutsche Jugend im Auge. Es ist nicht abzusehen, was
an seelischen Werten schon vernichtet ist. Wenn die S c h^'m^u t z f 1 u t
sich in diesen breiten Strömen weitei'hin wochenlang über ganz
Deutschland, in jede Stadt, jedes Do r f, in jedes Haiis er-
gießen kann, so wird der Schadennoch ungeheuerlich
wachsen. ^
Ich bitte Rücksicht auf das Wohl des Volkes walten zu lassen und
sofort die prtjpagand istische Auswertung der Sittlich-
keitsprozesse einzustellen.
gez. Dr. Konrad Graf v. Preysing,
Bischof von Berlin."
Abschließend sei noch die Abwehr angeführt, die ein ein-
facher Hilfspriester (Michael Pf.) eines oberbayerischen
281
Bauerndorfes für die verfolgten und verlästerten Orden leistete und
alsbald mit eigener Verfolgung seitens der Gestapo büßen mußte.
Er sagte in seiner Predigt am 11. August 1935:
„ . . . Solch einzelne, unglücklich veranlagte Menschen aus dem
Priester- und Ordensstand kommen vor Gericht, und zwar mit Recht,
und ihre Verfehlungen werden groß gedruckt in den Zeitungen. '
Was aber unzählige andere Ordensleute im stillen und Verborgenen für
Opfer bringen, Opfer an Gesundheit und Lebenskraft,
das wird sehr klein gedruckt oder kann man vielmelir überhaupt
nicht lesen, weil es im V^erborgenen geschieht."
„ . . . Und wenn dann diese Klosterfrauen in jahrelanger, hinbpfern-
der Pflege von kranken Menschen duruh Ansteckung und Überarbeitung
sich den Todeskeim holen, dann bekommen diese Schwestern kein
Eisernes Kreuz und keineRetturigsmedaiUe und keinen
Blutorden, obwohl sie vielleicht alle drei verdient hätten. Ihre
Orden und Ehrenabzeichen stehenauf Schwestern-
friedhöfen in langen Reihen von scnwarzen Kreuzen,
und darauf stehen kurz und schlicht die Namen dieser Helden im
Ordensgewand." -,
Ungenannte und unbekjinnte Verteidiger
Im „Linzer Volksblatt" vom 31. Mai 1937 (Deutsche mußten ja
in ausländischer Presse schreiben, wenn sie ein „Wörtchen" mit,
der Partei oder Regierung reden wollten) schrieb ein Miinchener:
„Der Reichspropagandaminister hat für den Fall, daß neuerliche
Zweifel gegenüber dem deutschen Justizverfahren irgendwo in der Welt
laut würden, mit der Anwendung ,weit drastischerer Mittel*
und mit der Zitierung ,sehr hoher Personen des Klerus-
vor Gericht gedroht, wo sie dann unter Eid Rede und Antwort
stehen müßten. Wie soll eine Justiz, für dife doch nur sachliche, prozes-
suale Gründe, nicht aber politische Z\yecke in Betracht kommen dürfen,
mit derartigen Ankündigungen, des Ministers für politische 'Parteipropa-
ganda Ansehen und Vertrauen gewinnen können? Gerichtliche Einver-
nahmeri ,sehr hoher Personen' nur zum Zwecke einer Press i-on auf
das In- und Ausland sind eine Neuerung, mit der man der deutschen
Justiz keinen guten Dienst erweist.
Die jüngste Aktion des Nationalsozialismus hat das zweifelhafte Ver-
dienst, die deutsche Sittlichkeit, die öfter, als es für den deut-
schen Ruf in der Welt gut war, das Weltgespräch gebildet hat —
man braucht nur an das Buch .,Aus einer kleinen Garnison' und an
Namen wie Eulenburg und Rohm erinnern — wieder zum Objekt inter-
nationaler Betrachtung und Wertung gemacht zu haben. -Denn daß
es ausgerechnet nur im Klerus zu üblen Erscheinun-
gen gekommen sein soll, glaubt auch der lärmendsten
Propaganda kein Mensch. In deutschen Kreisen fragt man sich
besorgt, ob das heutige Deutschland wirklich so stark und so glück-
lich ist, daß es eine, Herausforderung der 400 Millionen
starken katholischen Gemeinschaft rislcieren kann.
Die Budapester Blätter berichteten in großer Aufmachung über die
Rede des deutschen Reichsministers Dr. Goebbels in der Deutsdhland-
halle und bezeichnen sie als eine ,große politische Entglei-
sung'. Nur das nationalsozialistische Blatt ,Uj Magyarorszag' sieht '
von der Veröffentlichung der Rede ab, der es aus Gründen der ungari-
schen Innenpolitik nicht beipflichten kann, und die es aus Rücksicht auf
das Dritte Reich nicht kritisieren Will. ,Nemzeti Ujsag' nennt es ,ünver-
282
7,elhlich und verblüffend', daß ein Mitglied der deutschen Regierung ,i n
einem Ton sprach, den das gesamte gesicherte Europa
mit Entrüstung zurüclc weisen muß''. Der AngrifJ; in der
Deiitsclilandhalle auf die kath. Kirche sei niedriger, als das
zivilisierte Europa bisher erlebt habe.
Das in 120 000 Exemplaren erscheinende Blatt ,tJj Nemzedek' befaßt
sich in einem Leitartikel mit der Rede Goebbels', indem es einleitend
sagt: ,Wer sich noch g^r Hoffnung hingab, daß der Vertreter
des amtlichen Reiches oe n verschiedensten Verleumdun-
gen gegen das Christentum ernst und würdevoll entgegen-
treten wird, hat sich nun. getäuscht. Gestern hat das Dritte
Reich alle jene Aufsätze amtlich gutgeheißen, in denen die katholische
Kirche bisher in erschreckender Weise verunglimpft und verleumdet
wurde. Nun kann es keine Ausrede mehr geben: Selbst der sachliche
Beobachter und der aufrichtige Freund des deutschen Volkes wird nun
zugeben müssen, daß die Verleumdungsoffensive gegen die deutsche
Kirche nicht das persönliche Werk einzelner Unterfüh-
rer ist, sondern daß sie von der amtlichen^Autorität des
Nationalsozi'alismus gedeckt wird.'
In ähnlichem Sinn sind die übrigen ungarischen Blätterstimmen ge-
halten. Die Rede h,a t der deutschen Sache in Ungarn
einen sehrschlechtenDiensterw lesen; sie wird die Reihen
der Freunde Deutschlands weiter lichten und den Gegnern des Dritten
Reiches neuen Wind in die Segel treiben."
M i c h a e 1 G e rm a n i k u s
zeichnete ein anderer Verteidiger der Orden, ebenso sachkundig
wie sprachgewandt. Sein offener Brief an Goebbels ging in ganz
Deutschland von Hand zu Hand, brachte freilich auch viele ins
Gefängnis. Er lautete:
„Der bekannte greise Deutschenfreund und große Wohltäter ■ des
ausgehungerten Deutschlands der Nachkriegszeit, S.' Eminenz Kardinal
Georg Mundelein von Chikago, hat vor 500 Priestern seiner Diözese sich
anläßlich der Sittlichkeitsprozesse über die deutsche Justiz aus-^
gelassen. In diesen Ausführungen haben Sie (Goebbels) die von Ihnen
lange ersehnte Gelegenheit wahrgenommen, die von den deutschen Ge-
richten willfährig und wirkungsvoll nach russischem Vorbild aufgezoge-
nen Schauprozesse gegen katholische Priester und Mitglieder kath.
religiöser Genossenschaften in großer Propagandaaufmachüng in der
Deutschlandhalle am 28. 5. 37 vor. einem gut präparierten
Parteipöbel hemmungslos auszuwerten.
Sie haben zwar, Herr Minister, nicht einmal vor diesem kritik-
losen Publikum so wenig wie vorher der gleichgeschalteten deutschen
Presse gegenüber den Mut gefunden, klipp und klar mitzuteilen,
was Kardinal Mundelein eigentlich gesagt hat. Aber Sie brauchen ja
trotzdem nicht zu fürchten, daß jemand in Deutschland Sie mit der
Frage nach dem .Inhalt jener Rede in Verlegenheit bringen könnte. S i e
sind ja im Besitz der Macht! Freilich hat dieser Besitz das
Regime nicht vor der unglaublichen Blamage gerettet, die es mit seinem
mißglückten Einspruch beim Apostolischen Stuhle sich holte.
Wenn Ihre Angaben wahr sind, Herr Minister — und wir möchten
es ausnahmsweise- glaviben — , so hat Kardinal Mundelein den Vorwarf
erhoben, daß in Deutschland Recht und Gesetz zu eigen-
nützigen Zwecken gebraucht werden! Diesen Vorwurf glau-
ben Sie nun mit Ihrer Rede widerlegt zu haben. Die Zergliederung ge-
rade dieser Rede zeigt indes einem denkenden Menschen, daß der dem
Braunen Regime gemachte Vorwurf voll und ganz zu Recht besteht.
• 283
. 1. Es ist in allen wirklichen Rechtsstaaten Bravich, daß Ver-
brechen abgeurteilt werden, wenn sie entdeckt sind und Rechts-
brecfier sich in den Händen der Gerichtsbehörden befinden. In Deutsch-
land macht man es — genau so übrigens wie in Rußland — nicht so,
sondern man läßt die Rechtsbrecher zunächst ungeschoren oder ver-
wahrt sie einstweilen in Schutzhaft. Man legt also wirkliche oder
angebliche Strafsachen auf Eis, um sie bei passender Gelegen-
heit herabnehmen, serienweise zusammenzulassen und schlagartig für
die Bedürfnisse der Parteipro p a»^" anda nutzbar ma-
ch e n z u k ö n n e n. .
Eine solch ,passende Gelegenheit' schien nun bei den Strafsachen
katholischer Priester und Religiösen die Verkündigung des Päpstl. Rund-
schreibens vom 21. 3. 1937 abzugeben. Oder wollen Sie wirklich der Welt
weismachen, daß die propagandistische Aufmachung
schon längst fälliger Prozesse nur zufällig unmittelbar nach
Verlesung des Päpstl. Rundschreibens in Gang kam? Nein, Herr Goeb-
bels! Es ist zwar nach dem Wort des Herrn Hitler, unsere Menschheit,
d. h. das deutsche Volk, von einer , granitenen Dummheit' (A.
Hitler, Mein Kampf, Volksausgabe, S. 412); aber trotz ,Gebt mir vier
Jahre Zeit!' ist dieses Volk noch nicht so verblödet, um nicht zu mer-
ken, daß in Deutschland Justizvorgänge zu Zwecken der
Staatspropaganda herhalten müssen. Es ist ja immerhin
schon viel, daß wenigstens die Durchführung solcher Prozesse sogenann-
ten Justizbeamten überlassen wird.
2. Nach Ihrem eigenen, sehr unvorsichtigen Geständnis wird das
, amtliche Material' dieser Prozesse im Propagandamini-
sterium (!) beruflich und amtlich verarbeitet. Herr Goebbels,
es ist ein Skandal sondergleichen, daß die Grenzen zwischen
Justiz und P. ropagandaministerium des Reiches auf solche
Weise verwischt sind! In Deutschland hat also das,. Justizministe-
rium für einen artfremden Bereich zu arbeiten! Und da wagen Sie es,
Herr Minister, zu behaupten, es sei Verleumdung, wenn man Ihnen vor-
wirft, daß in Deutschland Recht und Gesetz zu eigennützigen, d. h. zu
Parteizwecken mißbraucht wird?
Sie haben sich aber noch Unglaublicheres in Ihrer Rede geleistet!
Sie haben nämlich angedroht, daß Sie, ,wenn noch einmal von einer in
Betracht kommenden Stelle in Deutschland oder außerhalb des Reiches
die Wahrheit der Sittlichkeitsprozesse' angezweifelt'
wird, sehr hohe Personen des Klerus vor die Notwendigkeit stellen, vor
Gericht unter Eid Rede und Antwort zu stehen. Herr Goebbels! Empfan-
den Sie wirklich nichtf wie sehr Sie vor aller Welt mit dieser Ankündi-
gung die deutsche Justiz in nicht wieder gutzumachen-
der Weise bloßgestellt haben? Es ist also nach Ihrer eigenen
Angabe die Sache in Deutschland so, daß der Propagandaminister pro-
zessuale Handlungen nach Bedarf von einem gefügigen Gerichts- '
apparat in Gang bringen lasssen kann.
3. Sie haben, Herr Minister, um noch eine Bemerkung zu beleuchten,
von .Amtlichem Aktenmaterial' gesprochen. Welches Material haben Sie
eigentlich damit gemeint? Etwa das Anklagematerial, das — ein
offenes Geheimnis in ganz Deutschland! — mit Hilfe der Partei
und ihren Kreaturen den G..e richten für diesen Zweck
(geliefert' wurde? Wenn ja, dann müßten wir Ihnen sagen, was
Gerichtsbeamte des Reichsgerichtes in Leipzig gelegentlich der von Ihnen
in Ihrer Presse 1933 etwas zu voreilig angekündigten, aber nie abge-
wickelten HochveiTatsprozesse ausgesprochen haben: ,Das Material,
das uns von Parteistellen geliefert wird, ist entweder
wertlos oder Fälschung!'
Oder haben Sie vielleicht das bei den Verhandlungen selbst angefal-
lene, vielfach aus Aussagen vöriKindern und Halbidioten
284
«»
geformte Beweismaterial gemeint? Herr Goebbels, was hat
denn dieses Material in Ihren Händen zu suchen? Haben etwa Sie den
Richtern Anweisung zu geben, in welchem Sinne Sie das Beweismaterial
zu wüi-digen und das Urteil zu fällen haben?
Oder haben Sie,. Herr Minister, Material von jener Sorte gemeint,
mit dem Sie in Ihrer den ., sadistischen Sexualmord im Kloster Manage
in Belgien' ,bewiesen' haben? Nicht einmal die Ihnen in Ihrer Skrupel-
losigkeit so gesinnungsverwandte kommunistische Auslandspresse hat es
gewagt, die in Belgien geschehene Tat eines Schwachsinnigen Kloster-
leuten in die Schuhe zu schieben (Siehe 1. T. S. 138). Übrigens haben
Sie die Sache ja schon einmal widerrufen müssen. Herr Goebbels! Sie
haben sich dieser Aufgabe in einer recht eigenartigen Weise entledigt
und übrigens den alten Kohl von neuem aufgefrischt.
4. Sie haben, Herr Goebbels, einerseits die Behauptung aufgestellt,
daß ,in Deutschland unzählige Geistliche und Ordensleute gegen das
Gesetz verstoßen haben und daß zahllose dieser. Priester und
Ordensgeistlichen im Beichtstuhl tätig sind und' durch ihre krankhafte
Veranlagung unzählige gesunde Menschen verderben'; in der glei-
chen Rede haben Sie dann andererseits wieder im Namen von
Tausenden anständigen Geistlichen gesprochen, die, wie ,unzählige
Briefe an mich beweisen, schmerzerfüllten Herzens den tiefen Fall und
Verfall der Kirche sehen'.
Herr Goebbels! Ganz abgesehen davon, daß man die Geistlichen und
Ordensleute ganz gut zählen kann, ist hier noch die Frage am Platz:
Ist nun die 1. oder die 2. Ihrer Behauptungen eine Auf-
schneiderei? Wir wollen Ihnen die Antwort geben: Beide sind
e.s ! Weder haben u n z ä h 1 i g e Geistliche und Ordensleute gefehlt, noch
haben Sie von Tausenden von Geistlichen unzählige Zustimmungs-
briefe erhalten. Herr Minister, wenn Sie schon flunicern, dann flunkftrn
Sie doch wenigstens im Rahmen rechnerischer Wahrscheinlichkeit und
Möglichkeit!
Es Icommt aber noch schlimmer: Sie wagen zu- behaupten, daß die
,zahllosen Priester und Ordensleute', die gefehlt haben, daß ,die tausend
imd aber tausend Fälle, die zur Kenntnis der Jusitz gekommen sind,
nur einen Bruchteil des wahren Umfanges der sittlichen Verwil-
derung darstellen und nur ein Anzeichen für den Gesamtverfall be-
deuten!'
Herr Goebbels, man weiß wirklich nicht, soll man mehr staunen
über Ihre massive Plumpheit, mit der Sie in Ihrem zelotischen
Fanatismus aufschneiden, oder über die abgrundtiefe Scham-
losigkeit, mit der Sie ohne Spur eines Beweises eine derartig verall-
gemeinernde, verleuinderische Behauptung aufstellen. Was bleibt denn
eigentlich, Herr Goebbels, von Ihren Tausenden anständiger
Geistlicher noch übrig? Wir fordern Sie auf, Herr Mini-
ster: Heraus mit Ihrem dokumentarischem Material! liegen Sie es, bitte,
in großen, faksimilierten Aktenbänd'en der Welt zur
Überprüfung vor!!! Das Propagandaministerium vei-fügt ja über Geld
in Hülle und Fülle aus den Groschen der Rundfunkteilnehmer, die das
Glück haben, Ihre Reden und Auslassungen Tag für Tag zu genießen.
Sie haben, Herr Minister — das ist der zweite Hauptgedanke Ihrer
Rede gewesen — , die Behauptung aufgestellt, daß die. Bischöfe die
priesterlichen und klösterlichen Rechtsbrecher gedeclct haben.
Sie wissen selbst, Herr Minister, daß diese Behauptung unwahr ist! Die
Bischöfe haben, soweit sie zur Kenntnis solcher Dinge .innerhalb des
kirchlichen Rechtsbereiches kamen (und daraxif kommt es
an!, denn eine Kenntnis aus dem Gewissensbereich, namentlich aus dem
sakramentalen, können und dürfen die Bischöfe nicht auswerten), mit
jenen Mitteln eingegriffen, die ihnen zur Verfügung standen. Daß sie
285
dabei ,ein Hecht in Gnaden' (cum misericordia Judicium •«- CIG c22J4§2 ^)
walten ließen, entspricht kirchlicher Tradition. Die von ihren dienst-
gefälligen Staatsanwölten zuj? Schau getragene Entrüstung war daher
ziemlich überflüssig. . •
Sie haben, Herr Minister, für die Art, wie man Verbrecher i m
eigenen Hause zur Kechenschaf t ziehen müsse, die Führung der
NSDAP den Bischöfen als erbauliches Vorbild empfohlen und gesagt;
,Die Partei hat hier ein klares und deutliches Beispiel gegeben. 1934
wurden über 60 Personen, die in der Partei dieses Laster zu züchten
versuchten, kurzerhand erschossen, Darüber hinaus hat die Partei die
Nation in aller Öffentlichkeit über dieses Vorkommen aufgeklärt.'
Herr Goebbels!* Wenige Behauptungen Ihrer Rede werden in der
Welt und bei den denkenden Deutschen soviel Aufhorchen verursacht
haben, als diese unvorsichtige Erinnerung an den 30. Juni 1934. Zu-
i-^äehst, Herr Goebbels, sind Sie sehr im Irrtum, wenn Sie sogar
heute, nach drei Jahren, noch meinen, eine solche kurzhändige
, J u s t i z', wie die am 30. 6. 1934 und, wie wir hören, zuweilen auch heute
noch geübte, würde irgend jemand auf der Welt imponie-
ren! Das Regime zeigt damit nur seine Schwäche. Es
hat nicht den Mut, die Angeklagten zum Wort kommen
zulassen! Mit formlosen Erschießungen wird nicht Justiz ge-
übt, sondern Parteistunk vertuscht!
Weiter! Wir müssen Ihrem Gedächtnis ein wenig nachhelfen. Nach
der Rede, die Herr Hitler vierzehn Tage nach der Parteireinigung vom
30. 6. 1934 im Reichstag am 13. 7. 1934 hielt, waren es nicht 80, sondern
71 Parteiangehörige! Drei Opfer endigten durch »Selbstmord'. Hierbei
sind alle übrigen Personen (z. B. Beck, Edgai- Junk, Dr. Gerlich, Dr. Klau-
sener, Dr. v. Kahr, Willi Sehmld usw.), 'welche Herr Göring, indem er
seine , Auf gäbe erweitert' hat,, ermorden ließ, gar nicht mitgezählt!
Und Sie wollen, Henr Goebbels, das Volk über den 30. Juni auf-
geklärt haben? Sie werden doch nicht so naiv sein zu glauben, daß die
• Romanze Hitlers im Reichstag bei irgend jemanden ernstlich Glauben
gefunden hat. Sie bestätigen nun mit Ihrer Behauptung in der Deutsch-
landhalle, daß Röhm.und Konsorten nicht zwar wegen Staats-
v errat hingerichtet wurden; Sie beweisen aber auch nicht, daß sie
wegen Homosexualität hingerichtet wurden! Die schon längst in
der Partei und in aller Welt bekannte Homosexualität wurde erst dann
ein Verbrechen, als Röhm und Konsorten politisch unbequem wurden
und als das Volk mit wirksamem ,Abscheu* vor den Vßrbrechei'n erfüllt
werden mußte! ...
Hören Sie Herrn HitlerüberRöhm: ,. . . ich (hatte) jahre-
lang mit meiner Person diesen Mann in unerschütter-
licher, treuer Kameradschaft gedeckt.' An Neujahr 1934
hat Herr Hitler seinen Duzfreund Böhm durch ein Handschreiben
noch besonders ausgezeichnet! Die nackte Wahrheit ist also die: Herr
Hitler — und mit -ihm dieganzePartei — haben eingestandener-
maßen all die Schweinereien Röhms und -einer Menge an-
derer SA- und SS-Führer sehr wohl gekannt und
jahrelanggedeckt.!
Sie haben übrigens auch noch andere Kleinigkeiten gedeckt, z. B.
die Fememorde des Edmund Heines und bestialische Morde an Partei-
gegnern (Potempa! usw.). Wir fügen hinzu: DleParteidecktüber-
haupt grundsätzlich jeden Sumpf inihren Reihen zu,
solange nicht irgendwelche Unbequemlichkeiten daraus entstehen.
Sie haben sich, Herr Goebbels, in Ihrer Partei vom 1. 12. 1933 ab in
fortschreitendem Maße eine eigene Parteigerichts' bar keit
einiger ich t et, die nach zahlreichen Erfahrungen aus ganz Deutsch-
land nur dazu da ist, die braunen Rechtsbrecher der ordentlichen Ge-
286
richtsbarkelt zu entziehen und innerhalb des Parteigerichtes alles schön
vertuschen zu können! Sie haben sich, wenn es je einmal brenzlich
wird, den famosen Ausweg geschaffen, daß Sie im Interesse
des sogenannten Staatswohls alle für die Partei unangenehmen Dinge i n
legalerWeisestillerledigen können.
Meinen Sie denn, Herr Goebbels, es ist den Augen der Schärfer-
sehenden entgangen, daß, die Reichsregierung am 1. 12. 193i5 auf unter-
tänig gehorsamsten Vor.schlag desHerrnDr. Gürtnerhinein
Gesetz über die Vernehmung der Leiter der NSDAP
. I und ihrer Glieder ungen
verabschiedet hat? In diesem Gesetz ist verfügt, daß Unterführer der
NSDAP und ihrer Gliederungen, die die Amtstätigkeit einep Stützpunkt-
leiters, eine dieser gleichstebenöen oder eine höhere Amtstätigkeit aus-
üben, für Aussagen als Zeugen oder Sachverständigen über die Um-
stände, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, der Genehmigung be-
dürfen. In den Erläuterungen zu diesem Gesetz ^Ist gesagt, daß
die Genehmigung versagt werden muß, wenn das Wohl
des Reiches in Frage steht, und daß aus der Einheit von Partei
und Staat folge, daß das Wohl der Partei .dem Wohl des
Reiches gleichzuachten ist! Wissen Sie, was das heißt, Herr
Minister? Das heißt: Großzügige Korruption zugunsten der Partei In
juristischer Verkleidung!
Ja, Herr Goebbels, es ist freilich nicht zum Wohl der Partei, wenn
das Volk einmal Einblick bekäme in den abgrundtiefen Partei-
s u m p f , wenn es einmal erführe von den Millionenerpressun-
gen von Parteigenossen durch wohlwollende Mithilfe der Behörden in
Düsseldorf und anderen Städten, wenn es erführe von den Riesen-
unterachlagungen in Lübeck, wenn es hörte vori den Unterschla-'
gungen beim Winter hilf s werk, von den sexuellen Ausschweifun-
gen in Landjahrheiraen und . HJ-Lagern, wenn es erführe von
der oberfaulen Lager m oral, wenn es eine Statistik erhielte von den
Mädchenunterl4undl6Jahren, die gelegentlich von HJ- und
BDM-Trßff en an Leib und Seele ruiniert und als ,.iunge' Mütter' zu ihren
Eltern heimkommen, wenn das Volk ahnen würde den unerhörten
Luxus in den Villen, Wohnhäusern, Autos, Jachten usw. der Führer
einer sogenannten , Arbeiterpartei', Ja, Herr Goebbels, solche Dinge unter
das Volk zu bringen, ist freilich nicht zum Wohl der Partei, Danken
Sie Gott, daß Sie in der glücklichen Lage sind, alles iii
,1 egaler' Weise vertuschen zu können!
Herr Goebbels! Sie hätten besser getan für Ihre Partei, wenn Sie
auch weiterhin in der von Ihnen in Ihrer Rede gepriesenen , Sphäre des
Schweigens' verharrt hätten.
Sorgen Sie sich nicht um die Kirche! Die Katholische Kirche
wird unwürdige Elemente in ihren Reihen zu beseitigen wissen, und sie
wird reformieren, was reformbedürftig ist. Sorgen Sie sich um Ihre
Partei !.Dort herrscht — wie aus Ihren eigenen Verlautbarungen
hervorgeht — die Verderbnis aus Grundsa'tz! Und im
Dienste dieser gesetzlichen Verderbnis steht gegen-
wärt igdiedeutscheJustiz!
Das ist nun einmal eine gerade ^us IhrerRede sich ergebend«
Tataache, und diese Tatsache ist es, worüber alle wahren deutschen
Männer und Frauen und alle Freunde des deutsehen Volkes
in der Welt entsetzt sind. Herr Kardinal Mundelein von Chikago
kann mit Ihnen zufrieden sein, Herr Goebbels! Dyrch Ihre Redf^
haben Sie den durchschlagenden Beweis geliefert
daß das Entscheidende seiner Anklage zu Recht be-
steht.
Michael Germanicus."
287
e) Ein hochherziger amerikanischer Anwalt der deutschen Orden
und Katholiken.
H H. K a r d i n a 1 M u n d e 1 e i n - C h i c a g o
zum dankbare«! Gedächtnis!
„Sie haben zwar nicht den Mut gefunden, klipp und klar mit-
zuteilen, was Kardinal Mundelein eigentlich gesagt hat," schrieb
der unbekannte Verfasser des vorausgehenden „Offenen Briefes"
an Dr. Goebbels.
So sei diese, den Deutschen bisher fast unbekannte Rede wenig-
stens nachträglich zur Kenntnis gebracht, auf daß sich jedermann
selbst ein Urteil bilden kann, wie ungerechtfertigt die Vorwürfe
des Ministers Goebbels waren.
Zugleich sei die Wiedergabe noch ein verspäteter Dank an den
gießen Freund des deutschen Volkes, dem im Jahre 1927 der
deutsche Reichskanzler einen Nußbaumbücherschrank mit hundert
schönen, in Schv/einsleder gebundenen, auserlesenen Büchern als,
„Ehrengabe der Deutschen Regierung" widmete mit dem Wunsch:
„Mögen Eure Eminenz diesen. Bücherschrank, mit seinem literari-
schen Inhalt als äußeres Zeichen der großen, aufrichti g e n ~
Dankbarkeit ansehen, welche das deutsche Volk Ihnen
schuldet, weil Sie in den schweren Nachki'iegs jähren mit echter
christlicher Nächstenliebe ein so unermüdliches Interesse be-
zeigten für die leidenden Volksmassen in Deutschland und besonders für
die hungernden deutschen Kinder.
Einer meiner Amtsvorgänger hat schon, im Januar 1923, Ihnen den
Dank des deutschen Volkes ausgesprochen. Es ist mir ein dringendes
Bedürfnis, die Wiederholung dieses Dankes auszusprechen und densel-
ben auszudehnen auch auf ' die darauffolgende Zeit, in welcher Eure
Eminenz sich in wahrhaft hochherziger Weise bemühten um die Linde-
rung der deutschen Not.
Mögen diese Bücher aus Deutschland, die ernstes deutsches Wissen
enthalten, denjenigen, die sie sehen und lesen, kundtun, daß das
deutsche Volk stets jener, eingedenk sein wird, die im
Dienste der Liebe seine Leiden und Nöten gelindert
haben."
Zehn Jahre später übergössen die Deutsche Reichsregierung
und die deutsche Presse und Tausende von Versammlungsrednern
denselben Kardinal Mundelein mit Hohn und Spott. Wir können
ihm nicht mehr Abbitte leisten. Aber wir wollen wenigstens
seine Ehre vor dem ganzen deutschen Volk wieder herstellen
und Unrecht nach Möglichkeit wieder gutmachen, die Dankbar-
keit gegen ihn wieder w^ken und stärken, i wohl wissend, daß er
auch mät seiner Kritik an. der Deutschen Regierung und an der
Nationalsozialistischen Partei letzten Endes nur uns deutschen
Kctholiken und dem ganzen deutschen Volk aufrichtig
11 ützenundhellenwollte.
Wir bringen darum den Bericht des „Katholischen Wochen-
blattes" Nr 21 vom 20. Mai 1937:
288
Kardinal Mundelein wendet sich in scharfen
Worten gegen Nazipropaganda
Seine Eminenz George Kardinal Mundelein, Erzbischof von
Chicago, wandte sich in scharfen Worten gegen die deutsche Nazi-
regierung und ihren höchsten Vertreter und protestierte energisch
gegen die antikatholische Propaganda der Nazis und die Unter-
drückung der Katholiken in Deutschland.
De:«' Kardinal sprach vor mehr denn 500 Prälaten und Priestern
gelegentHch der vierteljährlichen Diözesankonferenz des Klerus,
die am Dienstag, den 18. Mai. 1937, im Quigley Vorbereitungs-
seminar stattfand. Der hohe Kirchenfürst, dem alle Katholiken
ohne Unterschied der Nationalität für seine mannhaften Worte
^herzlichen Dank zollen werden, führte ungefähr folgendes aus:
„Während und nach dem verflossenen Krieg hat sich die deutsche
Regierung bitter beschwert über die Greuelpropaganda der
Alliierten, die den deutschen Truppen alle möglichen Schandtaten zur
Last legte. In einem mir bekannten Fall protestierte der Kanzler des
Deutschen Reiches in meinem Büro offiziell gegen Anschuldigungen die-
ser Ai-t, die in einem Buch' enthalten waren, das von einem Priester
dieser Diözese veröffentlicht wurde.
Die jetzige deutsche Regierung macht nunmehr aber von dersel-
ben Art von Propaganda Gebrauch gegen die katholische Kirche.
Sie läßt durch den verschrobenen Propagandaminister
massenweise Geschichten über Unsittlichkeit in religiösen In-
stituten verbreiten, denen gegenüber die Kriegszeit-Propaganda wie
Kindermärchen aussieht.
Ihr und ich zeigen dafür Interesse als einer Sache, die uns selber
angeht; denn Leute, die außerhalb der' Kirche stehen und vielleicht auch
Lauwarme unter unseren eigenen Leuten, welche ständig diese Dinge
lesen, werden zur Schlußfolgerung kommen: ,Sie sind alle gleich.' Etwas
von dem Schlamm wird sich an unsere eigenen Hemden hängen.
Dieselben religiösen Orden, welche die Propagandisten
attackieren, haben wir hier. Sie sind seit vielen Jahren in unserer Mitte.
Keine Kommunität hat sich um die Diözese soviele Verdienste erworben
als die Franziskanerpriester, die praktisch alle Deutsche
sind und sich freiwillig für nahezu jede leibliche und geistige Arbeit
der Barmherzigkeit zur Verfügung steljten, die ohne Entschädigung in
Gefängnissen und Zuchthäusern und Armenhäusern dienten und dem
Wink und Ruf der Priester und Laien zu jeder Stunde des Tages und
der Nacht folgten.
Wir haben die A 1 e x i a n e r - B r ü d e i', welche die Kranken und
Geistesgestörten für nahezu dreiviertel Jahrhundert in unserer Stadt
pflegen.
Wir haben die Kommunitäten oder Schwestern, die von Deutsch-
land kamen, von deren Mitgliedschaft verschiedene in deutschen Ge-
fängnissen schmachten.
Sicher hätten diese verächtlichen Dinge, deren diese lautmauligen
deutschen Propagandisten die Ordensleute beschuldigen, nicht über
Nacht in Deutschland kommen können, ohne daß eine Erschütterung
auch in unserer Mitte fühlbar gewesen wäre.
Und warum wird diese schmutzige Wäsche vor aller Welt gp-
waschen? Was ist in einem Wort das Motiv zu alldem?
Kieuz und Hakenkreuz 19 Bd. II
289
Ich will einen von einem amei'ikanischen Korrespondenten in Ber-
lin, einem Nichlkatholiken, gezeichneten Artikel lesen, der vor einer
Woche in einer New Yorker Tageszeitung erschienen ist:
,Die öffentliche Reaktion auf die ungeheuere Publizität, welche die
Sittlichkeilsprozesse gegen Mönche und Laienbrüder der katholischen
Kirche umgibt, ist eine dreifache:
Viele loyale Katholiken sind überzeugt, daß die Anklagen
falsch und die Prozesse ein Gewebe böswillig erfundener Anklagen
sind.
Eine andere Gruppe von Katholiken und Protestanten kritisiert im
geheimen die Ausnützung der Prozesse für antilcatholische
Propaganda, welche manchmal den Charakter einer offenen antichrist-
lichen Propaganda annimmt.
Diejenigen nationalsozialistischen Enthusiasten, weiche die katho-
lische Kirche als eine .ausländische Institution' hassen, jubeln natürlich
über deren Mißgeschick und machen aus den Prozessen, soviel sie nur
können. So sind z. B. viele neuheidnische Zeitschriften angefüllt mit
Spottbildern sehr zweifelhaften Charakters und giftigen Leitartikeln, in
welchen die Schriftleiter ihre Schadenfreude nicht zu verbergen ver-
mögen.'
Die unmittelbare Veranlassung, welche die Wiederaufnahme der
Prozesse brachte, war der Kampf um die Schulfrage. Die Regie-
rung gab dem katholischen Klerus vor- einem Jahr eine Probe der schäd-
lichen Folgen solcher Prozesse, stellte dieselben aber vor den Olym-
pischen Spielen ein. Das Beweismaterial wurde viel früher ent-^
deckt, als die Klöster in Verbindung mit den Devisenprozessen durch-'
sucht wurden.
Während dieses Damoklesschwert über den Köpfen der katholischen
Bischöfe hing, fuhr die Regierung letzten Herbst und Winter fort, zwei
wichtige Bollwerke des Katholizismus anzugreifen — die Konfes-
sionsschulen und die katholischen Jugendorganisa-
tionen. I
Die Konfessionsschulen wurden unterdrückt in Württem-
berg, im Saargebiet und in der Pfalz. Die Schulabstimmungen in Hessen
endeten sehr zu Gunsten des Regimes, ebenso diejenigen in verschiede-
nen bayerischen Städten, besonders in München und Nürnberg.
Ein staatliches Jugendgesetz zerstörte inzwischen die
noch bestehenden katholischen Jugendorganisationen, indem alle Kna-
ben und Mädchen gezwungen wurden, den Braunhemden der Hit-
ler-Jugend beizutreten.
Der katholische Klerus, das Damoklesschwert ignorierend,
ging zur .Attacke über. Er stellte die Schulabstimmung
als Schwindel dar und führte an, daß in den Städten des Saar-
gebietes und der Pfalz am Nachmittag Bekanntmachungen erlassen wur-
den, welche besagten, daß in dem Ort die Gemeinschaftsschule ein-
geführt werde und daß jeder, der dagegen protestieren wolle, solches
vor 7 Uhr abends im Rathause zu tun habe. Als keiner den Mut zuxh
Protest aufbrachte, wurde die Stadt als hundertprozentig für die neue
Schule registriert.
Hirtenbriefe wurden jeden Monat veröffentlicht und in denselben
gegen die Schulkampagne als Konkordatsbruch protestiert.
Schließlich kam die Päpstliche Enzyklika am Palmsonntag, welche
bis jetzt die drastischste Herausforderung an die Nazis
darstellte.
Der Waffenstillstand war gebrochen. Die Regierung zerrte alle
Sittlich 1? ei tsprozesse gleichzeitig vor die Gerichte und mobili-
sierte ihre fürchterliche Propagandamaschine, um densel-
ben das Höchstmaß der Publizität zu verleihen.
290
Dei* Ursprung der gegenwärtigen Kampagne läßt erkennen, welchen
Verlust der Katholizismus zu erwarten hat, sollte der Staat erfolgreich
sein. Eine Statistik für das ganze Reich ist nicht erhältlich. Allein in
Preußen befinden sich unter 1,737,000 katholischen Kindern im schul-
pflichtigen Alter deren 1,612,000 in katholischen Elementarschulen.
Andere 500,000 bis 700,000 Kinder waren in katholischen Schulen in
anderen Teilen des Reiches.
,Diese 2 Millionen oder mehr Kinder stellen die
augenblickliche Streitfrage dar. Die Presse verhehlt nicht
die Hoffnung der Regierung, daß die Prozesse bedeutend dazu beitragen
werden, den Glauben der Öffentlichkeit in katholische Erziehung zu er-
schüttern,'
Hier habt Ihr die Geschichte in einer Nußschale und es besteht keine
Garantie dafür, daß die Schlachtfront nicht eines Tages auf unser Land
ausgedehnt wird.
,Hodie mihi, cras tibi. Heute mir, morgen dir!' Der Kampf geht
darum, die Kinder uns fortzunehmen. Wenn wir jetzt kein Interesse für
die Sache bekunden, wenn wir die Achseln zucken und munkeln: .Viel-
leicht ist etwas Wahres daran', oder ,Es ist nicht unser Kampf, wenn
wii' nicht hinter dem Heiligen Vater stehen, dann werden wir auch allein
zu kämpfen haben, wenn die Reihe an uns kommt.
Ihr werdet vielleicht fragen, wie eine Nation von 60 Millionen
Menschen, intelligenten Menschen, sich in Furcht und
Knechtschaft einem Ausländer unterwerfen kann,
einem österreichischen Tapezierer, und — wie mir gesagt
wird — einem schlechten dazu, und einigen Verbündeten wie
Goebbels und Göring, die in einer Zeit der Preissteigerung und Er-
höhung der Lebenskosten einer ganzen Nation sagen können: ,Die Löhne
können nicht erhöht werden.'
Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir in einem Lande leben
würden, in dem jede zweite Person ein Spion der Regie-
rung ist, wo bewaffnete Mächte in die Häuser dringen
und private Bücher und Zeitungen ohne gerichtliches
Verfahren beschlagnahmen, wo der Vater seinen Bu-
ben nicht mehr strafen kann ausFti^rcht, derselbe
könnte ihn zur Anzeige und ins Gefängnis bringen, wo
persönliche Ersparungen und wertvolle ,Sicherhei-
ten' beschlagnahmt' und Verkauftwerden, um den Gold-
vorratzuer höhen.
Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir in
einem Lande leben würden, in welchem Briefe geöff-
net und gelesen werden, wie man es in Kriegszeiten
nur mit der K'o rrespondenz der Feinde macht; wo das
junge, zärtliche Mädchen von der Mutter Seite gerissen und in ein
Arbeitslager gesandt wird, um mit dem Abschaum der Straße zu leben;
wo die Kandidaten für religiöses Leben nicht nur in Arbeitslager, son-
dern auch in Militärlager gesandt werden.
Niemals vorher war die Kirche in Deutschland so
hilflos, wie sie heute ist — nicht einmal in den Tag'en
des Kulturkampfes.
Damals hatten sie die Zentrumspartei im Parlament; damals hatten
sie ihre Führer, Laien sowohl als Klerus; damals hatten sie eine katho-
lische Presse.
Heute hat die Kirche kein Sprachrohr. Wenn die Bi-
schöfe sprechen, so werden ihre Worte übertönt von dem Spektakel der
fürchterlichen Propagandamaschine der Regierung.
Das wenigste, was wir für die Kirche in Deutschland
tun können, ist die Bezeugung unserer offenenSy m p a t h i e
291
in dieser Stunde der Prüfung. Und noch mehr, unser Gebet — wir
wollen beten für die Kirche in Deutschland und l'ür das deutsche Volk.
Wir schulden ihnen etwas; sie haben beigetragen
7. u m Aufbau unserer Kirche in den Vereinigten Staa-
ten in der Vergangenheit und wir können ihnen jetzt helfen. Ver-
einigtes Gebet unseres Volkes wird sich letzten Endes als machtvoller
und ertolgrcichor erweisen als das Gewicht der heimtückischen Pro-
paganda, die vom Dritten Deutschen Reich ausgeht."
Nun liegt's an uns Deutschen, dem toten Freund und Wohl-
täter nachzurufen:
„Wir schulden Ihnen etwas: Schulderkenntnis und -bekenntnis,
Bedauern und Abbitte, Dankbarkeit und Verehrung!"
* *
*
4. Die katholischen Vereine.
Dem , .Vatergruß", welchen Papst Plus XL in seinem Weltrund-
schreiben vom 14. März 1937 aus gerührtem Herzen den „treuen
Söhnen und Töchtern" aus dem Laien stände sandte, fügte er
noch eine besondere Widmung hinzu:
„Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die
tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die
Treue hielten und sich nicht bereitfanden, die Rechte preiszugeben,
die ein feierliches Abkommen der Kirche und ihnen nach Treu
und Glauben gewährleistet hatte."
Aus dieser Wertschätzung der katholischen Vereine heraus
hatte der Hl. Vater schon von Anfang an seinen mächtigen Schild
über sie gehalten, ganz besonders über die katholischen
J u g e n d V e r -e i n e.
Mit ihm stellten sich Deutschlands Bischöfe, Priester, Eltern
und Laienapostel schützend und kämpfend vor diese Kernscharen
dej katholischen Phalanx.
a) Die Verteidigung der katholischen Jugendvereine.
aa) Der Papst schützt und schätzt sie
In den schv/eren Verhandlungen über das Reichskonkordat
und in den langen Nachverhandlungen über seine Auslegung und
Ausführung, sei es direkt in Rom oder indirekt durch Vertreter
des Episkopates in Deutschland, verfolgte der Heilige Stuhl ein
doppeltes Ziel:
L Weiterbestand und freie Betätigung der katholischen
Jugend vereine,
IL Schutz der religiösen Rechte der von staatlicher
und parteiamtlicher Seite betreuten Jugend
gemäß Absatz 4 des Artikels 31 des Reichskonkordates:
..Insov/eit das Reich und die Länder sportliche oder andere
Jugendorganisationen betreuen, wird Sorge getragen werden, daß
292
deren Mitgliedern die Ausübung ihrer kirchlichen Verpflichtungen
an Sonn- und Feiertagen regelmäßig ermöglicht wird imd sie zu
nichts veranlaßt werden, was mit ihren religiösen und sittlichen
Überzeugungen uiid Pflichten nicht vereinbar wäre."
Posi^tive Forderungen für katholische
Jugendpflege
In einem Schreiben vom 23. Juli 1934 an Ministerialdirektor
Buttmann, den Vertreter der Reichsregierung in den Konkordats-
nachverhandlungen, betont der Hl. Stuhl nachdrücklichst:
,,Es kommt darauf an, den katholischen Jugendvereinen ihre
Eigentümlichkeit, freudige Entwicklung, An-
ziehungskraft und Werbe kraft zu erhalten, damit
sie nicht verkümmern und von selbst untergehen.
Gewiß ist dem Staat zu geben, was er in Ausübung eines ver-
nünftigen, seinen Aufgaben entsprechenden Rechtsanspruches for-
dert. Dabei ist aber zu unterscheiden zwischen der systematischen
Körper- und Sportschulung als Hauptziel und Selbstzweck, die in
erster Linie der militärischen Ausbildung dienen soll, und dem-
jenigen Maß an körperlichen Übungen, welches
als Hilfsmittel der religiösen Erziehung und
Schulung notwendig ist.
Erzieherisch ist es eben unmöglich, Jugend religiös heran-
zubilden, ohne ihr auch jugendgemäße Erholung und Gesundheit
zu bieten.
Für die Herausgabe gemeinschaftlichen Schrifttums, Schulung
von Leitern, Abhaltung von Kursen, Schaffung von Heimen und
caritativen Institutionen wurde die Beibehaltung bzw. Schaffung
überdiözesaner Einrichtungen nachdrücklichst gefor-
dert. Die Entscheidung hierüber muß beim Episkopat liegen."
, Zur Erfüllung der in Absatz 4 des Artikels 31 des Reichs-
konkordates übernommenen Verpflichtungen sollte der Jugend-
führer des Deutschen Reiches einen Verbindungsmann zur
katholischen Kirche ernennen.
So schien etwa ein Jahr nach Konkordatsabschluß alles in
Ordnung — auf dem Papier.
In Wirklichkeit geschah seitens der NSDAP und insbesonders
seitens der HJ alles, um alle Abmachungen zu sabotieren und das
alte Ziel zu verfolgen: Ein Deutsches Reich, eine deutsche
Jugend.
In dem schweren Kampf, den nun die katholische Jugend zu
bestehen hatte, suchte ihr der Heilige Vater nebst ständigen neuen
Vorstellungen bei der Deutschen Reichsregierung auch Trost und
Ermutigung zu geben.
293
Er erwies der katholischen Jugend Deutschlands eine ganz
besondere Auszeichnung, schickte ihr zu Ostern 1934 eine eigene
Osterbotschaft
, . . . Mit tiefer Anteilnahme und mit großer Genugtuung
nehmen Wir die Versicherung kindlicher Ergebenheit gegen den
Stellvertreter Christi und unentwegter Treue zur heiligen Kirche
entgegen, die Ihr uns übermittelt habt. ,Mit tiefer Anteil-
nahme', sagen Wir; denn Ihr steht in vorderster Reihe derer, die
bereits Opfer gebracht haben für' ihre religiösen Ideale
und sie täglich weiter bringen.
,Mit großer Genugtuung* ob des tapferen Zeugnisses,
das Ihr gegeben habt, und ob des wahrhaft übernatürlichen Geistes,
der Euch beseelt. Ungeachtet alles Ungemachs, durch das Euch die
Vorsehung führt, und trotz aller Werbung, Lockung und Erpressung
für einen neuen Lebensweg, der von Christus weg
zum Heidentum führt, habt Ihr die Liebe und Treue nicht
aufgegeben, welche Ihr unserm Erlöser und seiner Kirche ge-
schworen habt.
Aus eben diesem Grunde steht Ihr fester denn je zu Euerem
Volk und Vaterland, dem Ihr, wie in vergangenen Tagen, in engster
Verbundenheit und Selbstvergessenheit dienen wollt.
Unsere Hirtensorge und Verantwortung hat Uns angetrieben.
Uns in ständiger Fühlung mit der Lage der katho-
lischen Jugend Deutschlands zu halten. Und das ist
auch, wie Wir wissen, die große Sorge und Besorgnis eurer Bischöfe.
Eure Vereinigungen dürfen- auf jeden Fall versichert sein, daß
Ihre Interessen auch die Unsern sind.
Mit väterlicher Liebe führen Wir Euch zu den Füßen des
Kreuzes, dessen Abzeichen auf Euren Bannern leuchtet. Und von
Herzen erteilen Wir Euch als eine Quelle der Kraft und un-
verbrüchlicher Glaubenstreue den erbetenen Apostolischen Segen'."
Dieser Ostergruß des Hl. Vaters wurde in allen Kirchen verlesen -
und an allen Kirehentüren angeschlagen, von HJ- und Parteifanatikern
aber vielerorts abgerissen, bei einer nationalsozialistischen Demonstra-
tion vor dem Bischofshof in Würzburg Satz für Satz lächerlich ge-
macht (s. Bd. I, S. 34).
Papst Pius XI. grüßte und ehrte deutsche katho-
lische Jugend auch in seinem Haus
Am Ostermontag 1934 empfing der Hl. Vater Hunderte von
Vertretern katholischer Jugendvereine Deutschlands in besonderer
Audienz und hieß sie in äußerst herzlicher Weise willkommen:
„Das Schauspiel, das sich vor Uns entfaltet, ist wahrhaft so schön,
Öaß es uns unmöglich scheint, etwas an anderer Schönheit hinzuzufügen.
Was Wir gehört haben, war so schön, so erhaben, war der Ausdruck so
erhabener Gefühle, geliebte Söhne, geliebte Kinder in Christo. Diese
294
Gefühle^ die Sie zu uns geführt haben aus allen Teilen Deutschlands in'
diesen so schönen, herrlichen Tagen, haben solch schönen Ausdruck
vor Uns gefunden. Wir danken Ihnen, geliebte Söhne; Wir danken mit
väterlicher Dankbarkeit, daß Sie dem betagten Vater eine so schöne
Stunde bereitet haben.
Und jetzt sollen Wir auch eigentlich danken für ein so schönes, so
schön gedachtes Geschenk! Bevor Wir zu Ihnen kamen, haben Wir
dieses A u t o, das Sie Uns schenken, gesehen. Wir werden dadurch den
Missionen und Missionaren Freude bereiten, und Wir danken
herzlich dafür. Wir mußten mit diesem Danke anfangen, weil Unser
hieiliger Ambrosius so schön und richtig gesagt hat, daß keine Pflicht
EO dringend ist wie die Pilicht der Dankbarkeit.
Geliebte Söhne, schon Ihre Anzahl, Ihre verschiedenen
Gruppen sagen Uns so vieles. Dies haben Wir schon verstanden im
Glanz der Basilika der heiligen Apostel mit dem weiten und breiten
Platz. Es war so schön, Sie zu sehen, und so schön, Sie zu hören,
Ihre feurigen Grüße, Ihre erhabenen Gesänge.
Diese Freude haben Sie Uns heute nicht nur erneuern, sondern auch
vermehren wollen. Vermehren wollen, sagen Wir, weil Sie Uns diese
Freude nicht mehr im Glanz der Basilika, nicht mehr auf dem weiten
Petersplatz, sondern nun im Innern des väterlichen Hauses
bereiten. Als gute Kinder und gute Söhne, die Sie Ihren Vater zu be-
suchen gekommen sind, haben Sie Uns diesen Besuch im väterlichen
Hause machen wollen, und. Wir danken Ihnen, geliebte Söhne, für diesen
so kindlichen, guten Gedanken.
Seid also alle willkommen und ganz besonders willkom-
men, geliebte Söhne! Sturmschar, Katholischer Jung-
m. ännerverb a.n d und Neudeutschland, Sankt-Georgs-
Pfadfinder! Alle, alle willkoxnnien, herzlichst willkommen, und mit
Ihnen auch willkommen alle die, die mit Ihnen im Geiste und mit dem
Herzen gekommen sind, diese Hunderte, Hunderttausende, die
mit Ihnen unter denselben schönen Fahnen, mit denselben schönen Ab-
zeichen dem gütigen Gott, der Kirch© und dem Vaterland dienen, ja
dienen wollen!
Ja, so ist es, so haben Sie es Uns gesagt. Sie lieben Ihr großes
Vaterland, Sie wollen ihm dienen in Treue und Liebe, und so muß es
sein, geliebte Söhne. Denn Sie wissen es, daß auch wir
Deutschland und Unsere deutschen' Söhne lieben, ja
Wir können sagen, Wir lieben die ganze Welt, und Unsere Liebe gilt,
Wir können sagen, his qui prope, his qui longe — denen, die nah und
fern.
Ja, geliebte Söhne, es freut uns innerlich in der Tiefe des Herzens,
was Sie Uns so oft gesagt und bestätigt haben. Wir sagen .bestätigt';
denn Wir wußten schon. Wir waren schon davon überzeugt, daß Sie die
Vertreter der ganze nkatholischendeuischenJugendsind,
die sie in dieser ganz besonderen, in dieser so wich-
tigen, so schweren, trüben undfürUnsauchso schmerz-
vollen stunde vertreten, diese Jugend, die die beste
Reserve für den Widerstand und für den Bestand des
Christ katholischen Lebens in Deutschland ist. Denn,
geliebte Söhne, schwere Stunden kommen und können so schwer sein,
wie sie jetzt sind. Schwere Stunden können auch noch immer kommen.
Es kann alles zweifelhaft werden, alles vielleicht in Gefahr kommen.
Aber, geliebte Söhne, etwas ist ganz sicher, ja ganz sicher, ganz un-
zweifelhaft: der gütige Gott, der allmächtige Gott wird
mituns, nichtgegenunssein!
Der auferstandene Erlöser .sagt uns allen und Ihnen ganz besonders,
was ER den betrübten, furchtsamen Aposteln gesagt hat, geliebte Söhne:
295
,Nicht Furcht noch Zweifel soll Euch bedrücken; denn Ich werde immer
bei Euch sein.'
Geliebte Söhne! Mit solchen Gedanlcen, mit solchen Gefühlen wollen
Wir Ihnen den
väterlichenSegen
erteilen, den zu suchen Sie hierher gekommen sind.
Einen großen Segen wollen Wir Ihnen erteilen; denn das soll
nicht nur für Sie alle, für einen jeden, der hier zugegen ist, genügen,
sondern es soll Unser Segen auch allen gelten, die im Geiste mit Ihnen
gelvommen sind.
Wir sehen Sie alle vor Uns in einer großartigen, wahrhaft apokalyp-
tischen Vision. Ein prachtvolles geistiges Schauspiel!
Diese ganzp Jugend, die ganze katholische deutsche
Jugend, die ganze deutsche Jugend. Und Wir wollen alle,
alle, alle und jeden segnen.
Alle, die mit Uns sind, auf daß sie immer mit Uns bleiben!
Alle, die nicht mit Uns sind, auf daß Unser Segen allen zuteil werde,
wie Sic es wünsclien: Ihren Familien, Verwandten, Freunden, allen,
denen Sie wünschen, daß sie mit Ihnen gesegnet werden.
Einen ganz besonderen Segen — Wir sind sicher, daß Wir Ihren
Gefühlen Stimme verleihen — erteilen Wir Ihren verdienten Prie-
stern u n d P r ä 1 a t e n, die sich mit Ihnen so besonders beschäftigen,
die mit Ihnen stellen, mit Ihnen leben und für Ihre so schönen Organi-
sationen so Wertvolles und Wichtiges leisten.
Wir wollen Ihre Banner ganz besonders segnen; denn diese
Banner sagen Uns so vieles, sie vertreten die ganze Organisation; ihnen
also ganz besonderen Segen!
Aber noch einen bedevitungsvollen Segen, geliebte Söhne, wollen Wir
Ihren Bischöfen widmen, die voll väterlicher Liebe auf Sie schauen
und die eine so große, glühende, so versprechende Hoffnung auf Sie
setzen. Ja, Wir icönnen in Ihrem Namen bestätigen, was Sie Uns so oft
gesclirieben und gesagt haben: ,Sie haben Ihre Bischöfe nicht
enttäuscht, Sie haben auch den Vikar Christi nicht
enttäuscht.' Wir wissen, geliebte Söhne, was Sie geleistet und ganz
besonders der Katholisclien Alvtion geleistet liaben, was Sie noch immer
leisten werden. Dafür einen ganz besonderen Segen!
Wir bitten den gütigen, allmächtigen Gott, ER möge geben, daß
Unser Segen auf Sie herabkommc, auf alle und auf jeden, und mit Ihnen
bleibe. Dieser Segen bleibe nicht nur bei Ihnen für diesen l^urzen römi-
schen Aufenthalt. — Auch der römische Aufenthalt sei der angenehmste
und fruchtbarste. Wenn ein Besucher in seiner Jugend nach Rom Icommt,
dann ist das immer etwas Einschneidendes im ganzen Leben, im gei-
stigen Leben. — Bleibe also Unser Segen mit Ihnen nicht nur, solange
Sie mit Uns hier in Rom weilen, sondern begleite SJe auch bei Ihrer
glücklichen Heimkehr in Ihr Vaterland und Ihre Familien!
Dann, geliebte Söhne, bitten Wir den gütigen Gott, daß Unser Segen
allezeit mit Ihnen bleibe durch das ganze Leben, das noch vor
Ihnen liegt. Dieses ganze Leben, welches für uns Alte schon hinter uns
liegt als durchschrittener Weg, liegt vor Ihnen noch als unbegangener
Pfad. Denn Ihr Leben steht vor Ihnen noch als Zukunft!
Komme also Unser Segen zu Ihnen herab und bleibe immer mit
Ihnen! Sie haben Uns ein so schönes Geschenk bringen wollen, und so
freut es Uns, daß auch Wir Ihnen etwas geben können, zwar eine kleine.
Sache, kleine Medaillen, unscheinbar zwar, aber sie passen zu allem
296
und "jedem, zu der so schönen Stunde. In der Erwartung, daß Wir Ihnen
einst eine Kolpingsmedaille geben l<:önnen, geben Wir Ihnen
jetzt die Medaijle des italienischen Kolpi ng, des heiligen Don
B o s c 0. Wie Sie sehen, geben Wir sie eigenhändig dem Prälaten (Gene-
ralpräses Wolker), damit sie an alle verteilt werden und damit jeder
sagen darf und soll, er habe die Medaille aus der Hand des gemein-
samen Vaters erhalten."
So ehrte das Haupt der katholischen Kirche die
katholische deutsche Jugend — und Deutschland? Deutsch-
land empfing sie wie Staatsverbrecher, nahm ihr an der
Grenze die Musikinstrumente, Kleidungsstücke, Wimpel und selbst
die Don-Bosco-Medaillen ab: Ein Faustschlag ins Gesicht
dessen, der diese Jugend damit beschenkt hatte!
PapstPiusXI. erklärt:
Religiosität ein Erziehungsziel, aber nicht das
einzige Erziehungsmittel!
In der Note vom 14. Mai 1934 wendet sich der Hl. Stuhl noch-
mals mit aller Entschiedenheit gegen jegliche Einschränkung der
katholischen Jugendarbeit, verlangt vielmehr volle Betäti-
gung smöglichkeit der katholischen Jugendorganisationen:
„Die staatlicherseits verlangte Beschränkung auf ,rein religiöse Be-
tätigung' ist leider beireits zum Schlagwort geworden. Abgesehen davon,
daß dieser sehr mißbräuchliche Begriff keineswegs etwas Neues dar-
stellt, sondern ein altes Requisit aus dem Wort- und Pro-
pagandaschatz liberalistischer Kirchenkämpfe einer
noch sehr erinnerlichen Vergangenheit, auf dessen Ent-
leihung die nationalsozialistische Staatsführung keinen übermäßigen
Wert legen sollte, enthüllt sich dieser Begriff bei näherer Prüfung als
eine Zweideutigkeit, mit der praktisch nichts anzufangen ist. Die
Religiosität der Zielsetzung ist ein Prinzip, das die Kirche
ohne weiteres als für sie verpflichtend und grenzziehend anerkennt.
Wenn man aber darüber hinausgehend die Kirche auch auf die An-
wendung rein religiöser Mittel beschränken will, so muß sie
das als ,societas perfecta' nachdrücklich ablehnen. Auch die rein religiö-
sen Zielen dienende Erziehung der heranwachsenden Generation im Geiste
des. christlichen Glaubens kann nicht auf die Anwendung be-
stimmter, den jugendlichen Bedürfnissen angepaßter
Hilfsmittel verzichten, auch wenn sie ihrer Natur nach nicht
rein religiös sind. Das der religiösen Erziehung als Ziel gesetzte
religiöse Leben im Geiste christlichen Glaubens erschöpft sich
nicht in Gottesdienst und .Wortverkündigung'. Ihr Ziel ist der
ganze religiöse Mensch. Zu seinem stufenweisen Werden, Wach-
sen und Reifen sind Gottesdienst und Wortverkündigung gewisse wesent-
lichste und primärste, keineswegs aber die einzigen erzieherisch not-
wendigen Mittel. Wer der Kirche solche Mittel verweigert,
verletzt ihr gottgegebenes Recht und verurteilt sie
zu einer H a Ib - E r z i eh u n g, deren letzter Schadensträger der
lätaat selbst sein wird. Jede Lücke, jeder Riß in der religiö-
sen Erziehung und inneren Mündigmachung eines Men-
schen ist naturnotwendig ' auch eine Lücke, ein Riß in der sitt-
lichen Fundanientierung seiner Staatsbürgergcsin-
n u n g."
Ki'euz und Hakenkreuz iO Bd. ri 90^
Papst Pills XL
sorgt sich mit den deutschen Katholiken
um die gefangenen katholischen Jugendführer.
Als zwei Jahre später der Generalpräses des katholischen
Jungmännerverbandes, M s g r. L. W o 1 k e r, und Generalsekretär
C 1 e m e.n s verhaftet wurden, wandte sich der Hl. Stuhl mit einer
besonderen Note um Aufklärung an die Reichsregierung.
N. 1425/36 Aus dem Vatikan, den 23. April 1936.
Euere Exzellenz!
Gelegentlich der durch die Geheime Staatspolizei erfolgten Verhaf-
tung der beiden katholischen Jugendtührer Msgr. Wolker und General-
sekretär Clemens ist in aller Öffentlichkeit die Beschuldigung erhoben
worden, daß die Betreifenden sich der staatsfeindlichen Zusammenarbeit
mit dem Kommunismus schuldig gemacht hätten. ,
Angesichts der Schwere dieser Beschuldigung in Ver-
bindung mit ihrer Ung laubwürdig keit für alle diejenigen, welche
das Wirken und die Gesinnung der beiden genannten Priester kennen,
wie auch angesichts der auffällig lang sich hinziehenden
Untersuchung und der damit verbundenen Haft darf ich Euere
Exzellenz imbesondereeunddringlichenAuftragSeiner
Heiligkeit des Papstes ergebenst bitten, durch Rüclcfrage bei der
Reichsregierung mich möglichst beschleunigt in die Lage zu
versetzen, dem Hl. Vater zuverlässigen und eingehenden
Bericht über die Feststellungen erstatten zu können, die behördlicherseits
in der vorliegenden Angelegenheit gemacht worden sind.
Mit dem Ausdruck vollkommener Wertschätzung verbleibe ich
Euerer Exzellenz
ergebenster
iE. Card. PACELLI.
Seiner Exzellenz
Herrn Dr. Diego von Bergen,
Deutscher Botschafter beim Hl. Stuhl
Rom \
bb) Deutschlands Bischöfe kämpfen gleicher-
weise für die katholische Jugend
Deutschlands Oberhirten gedachten der katholischen Jugend
und ihrer Vereinigungen fast in allen gemeinschaftlichen Hirten-
briefen. Einiges sei daraus nochmals kurz wiederholt.
Wenige Tage nach der Machtübernahme durch den NS betonten
die deutschen Oberhirten nachdrücklichst:
„In Geltung bleibt die so oft in feierlichen Kundgebungen an
alle Katholiken ergangene Mahnung, stets wachsam und opfer-
freudig einzutreten für den Frieden und die soziale Wohlfahrt des
Volkes, für Schutz der christlichen Religion und Sitte, für die Frei-
heit und die Rechte der katholischen Kirche und Schutz der kon-
fessionellen Schule und der katholischen Jugendorgani-
sationen." (29. März 1933.)
298
Im gemeinsamen Hirtenbrief vom Juni 1933 führen Deutsch-
lands Bischöfe diese Forderung noch mehr aus, indem sie sagen;
„Wollte die Kirche den reifenden oder schon erwachsenen Men-
schen religiös sich selber überlassen, so würde sie damit ihre eigene seel-
sorgerliche Aufgabe und das Wesen des Menschen verkennen. Aus diesen
Erwägungen heraus sind unsere Jugendorganisationen entstan-
den. Wer den Bestand derselben in ihren vielfachen Verzweigungen
verwirft, dient damit dem Staatswesen schlecht, weil er die religiösen
Kräfte verschmäht, die durch keine anderen ersetzt werden können.
Wenn man einwendet, daß wenigstens der jugendliche Sport
mit Religion und Kirche nichts zu tun habe, so verkennt man damit,
daß Christentum und Kirche das gesamte Leben des Menschen
umprägen vmd der körperlichen Ertüchtigung einen ganz anderen
Charakter verleihen, als der rein natürliche Sinn es vermag."
Im Hirtenbrief vom Jahre 1935 hören wir das Echo der deut-
schen Bischöfe auf die Alarmtrommel der „Frühjahrsoffensive der
Hitler- Jugend": Es wird den Eltern ernst, wenn auch in vorsich-
tigen, aber für jeden Kenner deutlichen Worten ins Gewissen ge-
redet, ob sie vor Gott es verantworten können, ihre Kinder in die
Jugendorganisationen der Partei zu senden:
„Katholische Eltern! Viele von euch stehen vor der Frage,
ob sie ihre heranwachsenden .Söhne und Töchter in Jugendverbände
schicken sollen. Von zuständigen Staatsstellen wurde wiederholt erklärt,
der Eintritt in die staatlichen Verbände solle ein freiwilliger, nicht
ein erzwungener sein. In jedem Fall ist es für euch eine heilige Pflicht,
euere Kinder nur in solche Verbände zu schicken, in
denen die religiöse Überzeugung geachtet, die sitt-
liche Reinheit nicht bedroht, zur Erfüllung der Sonn-
tagspflicht grundsätzlich und tatsächlich Gelegen-
heit geboten, das katholische Ehrgefühl nicht durch
Schmähungen gegen kirchliche Personen oder durch
Fälschungen der Kirchengeschichte verletzt und die
Freiheit des Gewissens gewahrt wir d,"
Der katholischen Jugend selbst sagen die Bischöfe:
„Stehe fest im Glauben, katholische Jugend! Eine Freude
ist es uns Bischöfen, den Mitgliedern der katholischen Jugendverbände
Lob und Anerkennung auszusprechen. Durch den Eintritt in diese Ver-
bände haben sie ein tapferes Bekenntnis abgelegt, und trotz bitterer
Vorkommnisse sind sie ihrem Verband treu geblieben. Die katholische
Jugend wird auch weiterhin Selbstbeherrschung und Disziplin üben und
nicht nach jugendlicher Art Gewalt gegen Gewalt setzen. Selbstver-
ständlich wird sie sich denstaatlichen Anordnungen in
bezug auf uniformähnliche Einheit st rächt und ge-
schlossenes öffentliches Auftreten fügen, bis eine an-
dere Regelung getroffen wird.
Wir Bischöfe haben das Vertrauen: Diese katholische Jugend wird
auch weiterhin vorbildlich bleiben in der Ehrfurcht vor der elter-
lichen Autorität, vorbildlich in der Treue zur Kir(;he, in der Treue zu
ihrem Verband, vorbildlich m der sittlichen Reinheit und in der ge-
samten Lebensführung, und damit abrücken von jenem ehr-
furchtslosen, vorlauten Wesen, das befehlen will,
bevoresgehorchenlernte.
Auch den übrigen katholischen Vereinen, den Männer-
und Frauenvereinen, wird von den Bischöfen dankbare Anerkennung
299
ausgesprochen. Ihre Mitglieder haben ihre religiöse Überzeugung im
Feuer erprobt. Sie haben große Opfer gebracht in Treue zu ihrem
\'ereni und haben auch dem Staat gegenüber ihre staatsbürgerlichen
Pflichten erfüllt. In den letzten Wochen wurden die katholischen Ver-
bände, besonders die J u g e n d v e r b ä n d e, mit kommunisti-
scher Jugend in Verbindung gebracht. Man hat ihnen
u n r e c h t g e t a n. Die katholischen kirchlichen Verbände sind dem
deutschen Volk und Vaterland in Opfermut und Treue ergeben. Sie
lehnen jede staatsfeidliche Haltung oder Handlung von Mitgliedern ab.
Niemals istan katholischeJugendverbändeein Bünd-
nis a n g e b o t kommunistischer Jugend oder sonst von
kommunistischer Seite gerichtet worden. Selbstverständ-
lich wäre jeder derartige Versuch sofort zurückgewiesen worden."
Gleichzeitig mit diesem Appell an die Öffentlichkeit ging ein
ernstes Bischofswort an den Führer und Reichs-
kanzler zugunsten der katholischen Jugend. (Denk-
schrift der deutschen Bischöfe zur religiösen kirchlichen Lage,
August 1935.) Wir wiederholen einige besonders kräftige Stellen:
„Wir verstehen nicht, wie Regierungsstellen so tiefvmter
die staatsmännische Linie herabsinken können, daß
sie über die Farbe von Hemd und Hose der Jungmänner
strenge Vorschriften erlassen und den jungen Menschen,
denen unser Herrgott eine schöne Heimat und gesunde Glieder gab, das
gemeinsame Wandern und Singen in ihrer Heimat, das Spie-
len und Turnen mit ihren gesunden' Gliedern verbieten wollen. Solche
Verbote greifen an ein Naturrecht. Trotzdem verpflichten
wir die katholische Jugend, sich an diese staatlichen Uniformverbote zu
halten, bis weitere Regelung getroffen wird.
So aber, wie heute noch der Geist in den staatlichen
Jugendorganisationen und Jugendlagern ist, bei diesem
Hal5 gegen Christentum und Kirche, bei diesen Vorurteilen gegen alle
katholischen Altersgenossen, können wir katholische Eltern
nicht verpflichten, ihre Kinder in die staatlichen Jugendorgani-
sationen zu schicken. Ja, wir müssen die katholischen El-
tern warnen, ihre Söhne solchen Führern a n z'u v e r -
traue n, die planmäßig und zielbewußt das Christentvim und seine Ver-
treter als Widerspruch mit dem deutschen Wesen verächtlich machen
und so die Jugend in ihrem Glauben erschüttern und in ihrem Ge-
wissen belasten. Katholische Eltern haben uns erklärt: ,Solange das
Wort des Reichsjugendführers vom 5. 1. 1934 im Preußenhaus zu Berlin:
,Der Weg Rosenbergs ist auch der Weg der deutschen
J u g e n d' nicht zurückgenommen wird, solange die Staatsjugend auf
Tagungen und in Lägern nicht grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen
Gelegenheit zum Gottesdienst erhält, solange dort solche Feindseligkeit
in religiösen Fragen und solcher Haß gegen alles Katholische an die
Jugend herangetragen werden, solange unsere Söhne also nicht mit-
machen können ohne Gefahr, ihren Glauben zu verraten und ihr Ge-
wissen zu verwirren, solange können wir Eltern unsere Kinder nicht
in die Staatsjugend schicken'."
In dem Begleitschreiben, welches Kardinal Faulhaber zu
der Denkschrift gab, hieß es:
„Des weiteren haben die Bischöfe in der Denkschrift auf den Ver-
nichtungskampf gegen die katholischen Vereine hin-
gewiesen und auf das Trommelfeuer von Verordnungen, die in den letz-
ten Wochen über die katholischen Vereine niedergingen.
300
ö
Einerseits wird der Eintritt in die HJ als freiwilliger erklärt,
anderseits wird durch neue Verordnungen auf die Beamten und An-
gestellten in den Betrieben ein schwerer Gewissenszwang aus-
geübt, ihr-e Kinder in die HJ zu schicken.
Wir richten an den Führer die Bitte, die kirchen feindliche
Einstellung der staatlichen Jug e n dverbände zum
Schweigen zu bringen und ein autoritatives Wor^ zu sprechen, auf daß
an Sonn- und Feiertagen denen, die sich aus der Staatsjugend freiwillig
zum Gottesdienst melden, grundsätzlich und wirklich Gelegenheit dazu
gegeben werde."
Im Hirtenbrief 1936 sprachen die deutschen Bischöfe kurz, aber
deutlich genug über die Glaubens- und Sittengefährdung der
Jugend, wenn sie sagten:
„Wir können es nicht begreifen, daß man die heranwachsende
deutsche Jugend den christlichen Einflüssen häufig entzieht, um sie auf
christusfeindliche Ideen festzulegen oder durch interkonfessionelle Ver-
mischung um die Lebenskraft ihrer katholischen Überzeugung zu brin-
gen."
Diebayer^ischenBischöfe
nannten in ihrem ersten Hirtenwort unter der nationalsozialistischen
Herrschaft (vom 5. Mai 1933) die Samrhlung und Betreuung der
Jugend in besonderen Vereinen
„e i n a 1 1 e s Recht der Kirche"
„LangebevoranderesichumdieseJugendangeno m-
men haben, hat die Kirche sie gesammelt in unpolitischen
katholischen Vereinen, welche die körperliche und seelische, die religiös-
sittliche und berufliche Ertüchtigung zum Ziele haben und insbesondere
auch Heimat- und Vaterlandsliebe pflegen, Rund eine und eine
halbe Million Jugendliche sind in diesen Vereinen zusammen-
geschlossen. Mit unendlichen Mühen und Opfern arbeiten katholische
Geistliche und Laien an ihrer Weiterbildung und Erziehung; der gute
Geist und die vortrefl'lichen Leistungen der Mitglieder dieser Organi-
sationen sind allgemein anerkannt.
Auf dem Gebiete der sozialen Gesinnung und Einrich-
tungen stehen manche unerreicht da. So bietet z.B. der Katho-
lische Gesellenverein seinen Mitgliedern in seinen 4 3 9 Ge-
sellenhäusern im ganzen deutschen Vaterland und auch in der
Fremde ein Heim. Auch auf dem Gebiete der körperlichen Er-
tüchtigung stehen die katholischen Jttgend vereine nicht hinter ande-
ren Vereinigungen zurück. Dies gilt insbesonders von der Deutschen
Jugendkraf t."
„Rollt die Fahnen ein und gebt sie ins Heiligtum!"
Als aber die dräuenden Wolken nationalsozialistischen Hasses,
Zwanges und Raubes immer dichter und dunkler wurden, „eine
Flut von Erlassen" über die konfessionellen Vereine erging, gab
das Erzbischöfliche Ordinariat München am 30. Juli 1935 nach-
folgende Anordnung:
,.Betreff: Aufbewahrung der katholischen Vereinsfahnen.
Die Verfügung der Bayerischen Politischen Polizei vom 12. 6. 1935
betreffs Beteiligung katholischer Vereine an der Fronleichnamsprozes-
301
slon, die Rede des Herrn Reichsministers Dr. Frick am 7. 7. 1935 in Mün-
ster, der Erlaß des Preußischen Ministerpräsidenten Göring vom 18. 7.
1935, die Anweisung des Herrn Reichsinnenministers vom 20. 7. 1935 an
die Landesregierungen, den konfessionellen Jugendverbänden das Tragen
von Uniformen sowie das geschlossene öffentliche Auftreten mit Wim-
peln und Fahnen zu verbieten, die Erneuerung des Doppelmitglied-
schaftsverbotes durch den Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr.
Ley, am 22, 7. 1935, endlich die Anordnung des Reichsführers SS Himm-
ler, stellv. Chefs und Inspekteurs der preuß. Geheimen Staatspolizei und
politischen Polizeikommandeurs der übrigen Länder, vom 23. 7. 1935 füh-
ren dazu, daß die katholischen Jugend- und Jungmännervereine ihre
Fahnen und Wimpel überhaupt nur mehr bei rein religiösen Anlässen,
und Festlichkeiten mittragen dürfen.
Staatstreu und gehorsam, auch wenn es harte Opfer bringen heißt,
rollen wir darum die geweihten Fahnen der Katholischen Jugend-, Jung-
männer- und Jungmädchenvereine (auch Gesellen- und Burschenvereine)
ein und geben sie als ein Votivgeschenk der katholischen Jugend
in das Heiligtum der Kirche, so wie Krieger ihre Ehrenzeichen an Wall-
fahrtsorten u. ä. niederlegten."
„B i s z u 1 e t z t t r e u !"
Diese Vorsorge war zeitig, aber* berechtigt; denn den ver-
einzelten Fällen der Wegnahme von Vereinsf ahnen und Vereins-
vermögen folgte am 20. Januar 1938 die Auflösung des ganzen
Katholischen Jungmännerverbandes und' all seiner Untergliede-
rungen, ebenso der Marianischen Jungfrauenkongregationen und
des Bundes „Neudeutschland", dazu die Beschlagnahnie ihres
ganzen Vermögens.
Die Bischöfe Bayerns nahmen diesen polizeilichen Gewaltakt
nicht stumm und tatenlos entgegen, sondern führten laute Klage
bei den Regierungsstellen und vor dem ganzen Volk (siehe S. 117:
Hirtenbrief vom 6. Februar 1938). Besonders legten sie Verwahrung
ein gegen die unerhörte und ungerechte Begründung der Verfügung,
die sich auf die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz
von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 zur Abwehr kom-
munistischer, staatsgefährdender Gewaltakte
stützte. Mit warmen Worten sprachen sie den verfolgten Mitgliedern
dieser Vereine ihre volle Anerkennung aus für ihre Treue," ihren
Glauben, ihre Tätigkeit, ihren Märtyrergeist:
„Ihr seid Eurer heiligen Sache bis zuletzt treu geblieben. Was
Euch lieb und heilig war, Euer Banner und Euer Verband, sind
Euch durch höhere Gewalt genommen. Was Euch noch mehr lieb und
heilig ist, Christus und seine Kirche, können sie Euch
durch keine Gewalt nehmen."
„In all dem bleiben wir siegreich !'* (Rom. 8,37)
Die katholische Jugend blieb diesem Liebsten und Heiligsten,
Christus und seiner Kirche, auch weiterhin treu: im Herzen und
vor den Menschen. „Weder Herrschaften noch Gewalten konnten
sie trennen von der Liebe Gottes" (Rom. 8,38f.). So oft sie auf-
gerufen wurde zu einer Generalkommunion, zur Adventsandacht,
302
Passionsfeier, Glaubenskundgebung (Dreifaltigkeitssonntag), Fron-
leichnamsprozession, Michaelsfeier, Christkönigsweihe u. ä., immer
erschien sie zu Tausenden, so daß die größten Kirchen Münchens
sie nicht fassen konnten. Und mochten Hitlerjungen während der
Andacht an den Fahrrädern der in der Kirche betenden katho-
lichen Jugend die Reifen zerschneiden, die katholischen Jung-
männer und Jungmädchen kamen nächstesmal doch wieder zur
kirchlichen Jugendfeier.
Am Fronleichnamsfest feierten sie zuerst auf dem weiten Dom-
platz das hl, Meßopfer mit und bereiteten dem Heiland eine wür-
dige Wohnung in ihren Herzen, dann zogen sie mit ihm zu vielen
Tausenden durch die Straßen der Stadt, singend und spielend und
betend. Statt der bunten Banner mit dem alten Christuszeichen
trugen sie nun blumengeschmückte Kruzifixe.
„Ich habe nbch andere Schafe, die nicht aus dieser
Hürde sind" (Jo. 10,16)
Der Bischöfe Sorgen ging aber unvermindert auch
weiterhin auf die, welche indie staatliche Jugend und
zvi ihren Veranstaltungen gezwungen wurden. In
immer neuen Eingaben ah die verschiedensten Stellen, insbesonders
an die HJ-Leitung und an das Reichsministerium für die kirch-
lichen Angelegenheiten, drangen sie darauf, daß der HJ und dem
BDM der Besuch des Gottesdienstes gestattet imd ermöglicht werde.
Immer wieder protestierten sie gegen das Verbot, in Uniform am
Gottesdienst teilzunehmen; denn dieses Verbot machte die Beteili-
gung am Gottesdienst praktisch unmöglich, so z. B., wenn dem
Gottesdienst zum Schulbeginn sofort die feierliche Fahnenhissung
folgte, wobei die HJ in Uniform zu erscheinen hatte. Ähnlich war
es bei den sommerlichen Lagern, im Gau Oberbayern „Hochland-
lager'' genannt. Jungens und Mädels mußten hiezu in ihrer Uniform
erscheinen, durften aber in dieser nicht zur Kirche gehen. Im Lager
selbst wurde ja trotz aller Gesuche und Angebote kein Gottesdienst
zugelassen, Sondergottesdienste, die in der Nähe abgehalten wurden,
begegneten zumeist ebenfalls größten Schwierigkeiten. Oft wurde
der Lagerdienst so angesetzt, vielfach im letzten Augenblick, daß
die jungen Leute überhaupt nicht aus dem Lager konnten oder nur
unter größten Opfern (abgesehen von Verspottung usw.). Mit
Schreiben vom 16. Juni 1936 mußte das Erzbischöfliche Ordinariat
München bei der Leitung der HJ im Gebiet Hochland nicht weniger
als acht Beschwerdepunkte wegen religiöser Verstöße im Lager
Lenggries im Jahre 1935 vorbringen.
Als all diese Schritte bei der HJ-Leitung nichts oder wenig
nützten, wandten sich die Bischöfe in einem eigenen Kanzelwort
vom 31, Mai 1937 an die katholischen Eltern selbst mit
der Mahnung:
303
„Katholische Eltern! Schärft Euren Kindern eindringlichst ein, daß
sie auch im Hochlandlager Sonntag für Sonntag der hl. Messe beiwohnen
und sich durch nichts von der Erfüllung dieser Pflicht abhalten lassen.
Ermuntert sie, sich offen zum Besuch des Gottesdienstes zu melden
und gegebenenfalls auch dafür das Opfer früheren Aufstehens oder eines
kleinen Marsches zu bringen.
Gebt Euren Kindern auch das Nötigste an Zivilkleidern mit, da nach
yei-ordnung der HJ- Gebietsleitung die Kirche nicht in HJ-Üniform be-
treten werden darf!"
Zu diesem .Kanzelwort hinzu wurden die Seelsorger am
2. Juni 1937 noch verpflichtet, die Hitlerjungen, die ins Hochland-
lager gehen wollten, einzeln zu mahnen, ihre religiösen Pflichten
auch weiterhin und trotz Schwierigkeiten zu erfüllen; außerdem
sollten sie die Eltern aneifern, ihren Kindern ein kurzes Schreiben
mitzugeben, in dem sie ihren Willen kundgäben, daß ihre Kinder
regelmäßig den Gottesdienst besuchen.
Bischöfliche Warnung vor dem „Deutschen
Jungvolk"
Das Jahr vorher hatten sich die Bischöfe bereits in einem
anderen Anliegen an die katholischen Eltern gewendet in der Frage,
ob sie guten Gewissens ihre zehn- bis zwölfjährigen Kinder in das
„Deutsche Jungvolk" eintreten lassen könnten. Kardinal
Faulhaber ließ am Weißen Sonntag 1936 von allen Kanzeln
verkünden:
„,., Somit werden viele Eltern vor die Gewissensfrage ge-
stellt werden, ob sie ihre Kinder freiwillig in das ,Deutsche Jungvolk'
schicken wollen. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, deutlich aus-
zusprechen, daß von der Reichsjugendführung heraus-
gegebene Schriften, wenn und solange sie in der gleichen Weise
wie vielfach bisher Aufsätze und Beiträge veröffentlichen, die die Grund-
lagen der christlichen Religion zu untergraben oder die katholische
Kirche und ihre Einrichtungen verächtlich zu machen geeignet sind, z u
jenen Schriften gehören, diezu lesen und aufzubewah-
ren vor dem christlichen Gewissen und durch das verbindliche Gesetz
der katholischen Kirche verboten sind.
Katholische Eltern, die freiwillig ihre Kinder der Führung solcher
Personen unterstellen, die ihre Gesinnung, ihr Sprechen und ihr Han-
deln nach den gekennzeichneten, in dem genannten . Schrifttum hervor-
tretenden, dem katholischen Christentum feindlichen Auffassungen ge-
stalten, werden es vor Gott verantworten müssen, wenn
ihre Kinder dadurch dem katholischen Glauben und
dem ehr i s 1 11 che n L e b e n entfremdet werden sollten.
Gewissenhafte Eltern werden daher die zur Aufnahme in das Jung-
volk erforderliche Zustimmung nur dann geben, wenn und so-
lange sie sicher sind, daß jene Führer, denen sie ihre Kinder anver-
trauen, diese nicht in. dem voi-bezeichneten für Glaubensfreude und
Christustreue gefährlichen Sinne beeinflussen werden . . ."
Daß die Freiheit der Eltern, die Entscheidung über den Eintritt ihrer
Kinder in das Deutsche Jungvolk ohne Zwang und nach eigener Ge-
wissensentscheidung zu treffen, nicht beschränkt werden soll, hat der
Führer des Jungvolks im Gebiet Westfalen bei der Werbung für den
304
Eintritt in der Presse am 4. März 1936 erneut ausdrücklich betont, indem
er schreibt:
„Abschließend sei gesagt, daß fiär uns bei der Eingliederung der
zehn-, eil'- und zwölfjährigen Jungen das Prinzip der unbeding-
ten Freiwilligkeit gilt! Es wäre niemals im Sinne des Führers,
wollten wir nun etwa mit Hilfe der Lehrerschaft einen Druck auf alle
Jungen, die noch nicht in unseren Reihen sind, ausüben."
Leider wurde aber das hier und anderwärts so stark betonte
„Prinzip der unbedingten Freiwilligkeit" tausendfach verleugnet
und tatsächlich stärkster Druck auf die Kinder und Eltern aus-
geübt, bis dann überhaupt die HJ und ihre Gliederungen einfach
zur Staatsjugend erklärt wurden und so praktisch nur noch e i n
Jugendzwangsverein bestand.
cc) Die Jugend selbst wehrt sich gegen den Zwang.
Die Jugend bäumte sich ebenso gegen diesen Organisations-
druck wie gegen den religiösen, vielfach antireligiösen Geist der
HJ auf und sprach immer entschiedener ein
„Nun erst r e ch t^ ni ch t !"
Schon während der langwierigen Verhandlungen des Heiligen
Stuhles und des deutschen Episkopates mit der Reichsregierung
über das Weiterbestehen der katholischen Jugendorganisationen
hatten diese von. sich aus eine mächtige Aktion gegen die Unter-
drückungsversuche und Verleumdimgen in Szene gesetzt, eine
,,Ostergabe für den Heiligen Vater und die deutschen Bischöfe".
Ein Aufruf hiefür ist wohl wert, hier voll wiedergegeben zu werden:
Katholische Deutsche Jugend!
Wir wenden uns an alle, die bis heute mit uns unseren Führern in
den katholischen Verbänden trotz mancher Schwierigkeiten die Treue
gehalten haben.
Wir vertrauen fest darauf, daß jeder katholische Junge, dem auch
in Zukunft dtese Treue heiligste Verpflichtung bedeutet, den Mut hat,
seine Haltung zu bekennen.
Katholische Deutsche Jugend!
Du weißt, wie sehr man sich trotz der Verhandlungen zwischen dem
Heiligen Vater und der Reichsregierung schon heute bemüht — und zwar
auf eine uns katholische Jungen tief verletzende Weise — , unseren Ver-
bänden die Betätigungsmöglichkeiten zu nehmen. Wir haben es erlebt,
daß Jungen weinend von uns gehen mußten.
Du weißt, mit welchen Vorwürfen man unsere priesterlichen Führer
überschüttet. Erst jüngst wieder behauptete man, die katholischen
Jugendverbände beständen nur wegen des „konfessionellen
Eigensinnes" der Führer.
Du weißt, daß durch das lange Schweigen über das, was aus uns
werden soll und durch die dauernden Anfeindungen vielfach eine Un-
sicherheit über der Arbeit der Verbände liegt.
305
Katholische Deutsche Jugend!
Wir wollen wieder Mut haben im Glauben an die große Aufgabe,
die uns gesetzt ist.
Darum sind in Deutschland' katholische Jungen aufgestanden und
haben ihren Führern eine Erklärung, von allen unterschrieben, in die
Hände gelegt mit dem Versprechen, bis zur endgültigen Entscheidung
des Hl. Vaters die Treue zu halten und sich dann restlos seinen Weisun-
gen zu unterwerfen.
Wir schicken diese Erklärung in die deutschen Lande, damit alle
es uns gleich tun und durch ihre eigenhändige Unterschrift bekunden,
daß sie sich nicht unter einem „moralischen Druck" fühlen, sondern
aus eigenste rund freiester Entscheidung zu unseren
Verbänden stehen.
Wir wollen diese Aktion durchführen als die geschlossene
katholische Jugend. Darum helft alle mit aus dem Jungmännerverband
und seinen Unterorganisationen, aus dem Neudeutschen Bunde, den
Jünglings-Sodalitäten der Marianischen Kongregation, aus dem Gesellen-
verein, dem JKKV*), der Deutschen Jugendkraft, und aus allen anderen
männlichen Jugendorganisationen, die unter geistlicher Führung stehen.
Wir haben von dieser Erklärung je einen Abzug an den Hwst. Herrn
päpstlichen Nuntius, an alle deutschen Bischöfe und an die Zentralen
der verschiedenen Verbände geschickt.
Wir möchten, daß sich unsere geistlichen Führer nicht
an dieser Aktion beteiligen, damit in keiner Weise der Anschein eines
moralischen Druckes erweckt werden kann.
Um die technische Durchführung möglichst schnell zu erledigen —
die katholischen Jugendverbände Heiligenstadts haben alle Vorberei-
tungen selbständig und ohne jede Hilfe getroffen — , schicken wir die
Erklärungen an die Diözesanleiter des Jungmännerverbandes, die sie an
einen zuverlässigen und tüchtigen Jungführer jeder Pfarrei weitergeben.
Es bekommt jeder Jungführer für eine Pfarrei einen Abzug der
Erklärung und des Begleitschreibens.
Wir bitten die mit der Durchführung betrauten Jungführer, diese
Aktion sofort in Gang zu setzen.
Es mögen dann die Mitglieder aller Verbände, an die sich unser
Aufruf wendet, und auch alle sonstwie interessierten Jungen auf einem
Bogen (möglichst Dinformat) der von uns nicht mitgeliefert werden
kann, ihre eigenhändige Unterschrift setzen. (Die Unterschrift soll unter
allen Umständen freigestellt werden.)
Dann sollen diese Erklärungen mit den Unterschriften
direkt an das Jugendhaus Düsseldorf gesandt werden.
Die Unterschriften gehen zu treuen Händen, und es wird mit ihnen
kein Mißbrauch getrieben. -, Wir wünschen nur, daß einmal die Wahr-
heit klargelegt wird und wollen ihr offen ins Auge sehen. Die Unter-
schriften sollen nur feststellen, wie die katholische Jugend denkt, und
stellen keine Bindung dar.
Diese Kundgebung hat in keiner Weise den Charakter eines Kampfes.
Unsere Parole kann niemals Kampf lauten, sie heißt Aufbau.
Und nun bitten wir Euch alle: Greift mutig zu! Wir möchten, daß
Ihr alle den Beifall und die Begeisterung gesehen hättet, die uns Jun-
gen erfaßte, als wir am 13. März diese beiliegende Erklärung unseren
geistlichen Führern als Treue versprechen überreichten, und bitten Euch,
daß Ihr mit derselben Selbstlosigkeit alle zeitlichen und auch die kleinen
finanziellen Opfer bringt, vor denen auch die Jugend Heiligenstadts nicht
zurückgeschreckt ist.
•) Jugend kath. kaufm. Vereine.
306
Wir bitten Euch, liebe Freunde, dafür zu sorgen, daß diese Unter-
schriften bis zum 29. März (Gründonnerstag) im Jugendhaus zu Düssel-
dorf eingelaufen sind.
Es wäre ein machtvolles und großartiges Bekenntnis der katholischen
deutschen Jugend, wenn wir diese Erklärung als Ostergabe in
die Hände unseres Heiligen Vaters und unserer deutschen Bischöfe
legen könnten.
Für den Führerring der katholischen Jugendverbände Heiligenstadts.
Reinhold Heißenberg, Heiligenstadt (Eichsfeld),
Lindenallee 21.
Im nachfolgenden die vorgeschlagene
„Erklärung der katholischen Jugend".
Nach einer Erklärung der Korrespondenz des Reichsjugend-
führers scheitert die Eingliederung der katholischen Verbände
nicht an der Überzeugungstreue ihrer Gefolg-
schaft, sondern lediglich an den höheren Führern.
Durch die Hitlerjugend müsse ferner die katholische Jugend
erst wieder deutschden kenlernen.
Hierzu erklärt die katholische Jugend in freier, von ihren
Führern unbeeinflußter Entscheidung:
1. Mit Stolz und in dankbarer Verpflichtung stehen wir z u
unseren priesterlichen Führern. Wir lassen uns in
der Treue von niemandem übertreffen.
2. Die katholische Jugend kennt ihren Weg und ihre Aufgabe. Sie
ist bereit, diesen Weg auch unter schweren und schwersten
Verhältnissen zu gehen und ihrer Aufgabe treu zu bleiben. E s
ist nur Ausdruck ihres eigenen Willens, wenn sie
in dieser schweren Stunde von ihren Führern nicht aufgegeben
wird.
3. Die katholische Jugend braucht nicht erst wieder
deutsch denkenzulernen. Aus unserem Katholisch-
sein ergibt sich als Selbstverständlichkeit die richtige
Wertung des Nationalen.
4. Wir wollen dem Staate geben, was des Staates ist, aber auch
der K i rche, was der Kirche ist. Neben der organi-
satorischen Jugenderziehung des Staates besteht eine ent-
sprechende der Kirche nach göttlichem Recht. Die katho-
lische Jugend lehnt die Ausschließlichkeit des
Entweder — Oder grundsätzlich, ab. Es ist uns un-
verständlich, daß man bei den kirchlichen Organisationen den
für jede Gemeinschaft notwendigen Lebensraum als überflüssig
verw^eigert, ohne den man die staatlichen Organisationen selbst
nicht aufbauen zu können behauptet.
Staatspolitische Vorträge allein schaffen nie eine
lebendige Staatsjugend; religiöse Vorträge
307
allein aber ebensowenig eine lebendige junge Kirche
als Träger der katholischen Aktion. Diese braucht für ihre gewiß
nicht minder wichtige Aufgabe ebenso wie die Staatsjugend die
hohen erzieherischen Werte des Gemeinschafts-
lebens und der Gemeinschaftsarbeit. Das zu ver-
kennen und zu hemmen, heißt die Arbeit für Gott und die
Kirche geringer schätzen als die Arbeit für den Staat.
5. Besonders unentbehrlich ist diese katholische
Jugenderziehung trotz aller Bestreitung gerade i n
heutiger Zeit. Allzusehr hat der offene, selbst an die Jugend
herumgetragene Kampf gegen die christlichen Konfessionen im
heutigen Volk und in der heutigen Jugend Verwirrung und
Unsicherheit geschaffen. Um so fester muß dagegen die katho-
lische Jugend stehen, um so straffer ihre Organisation sein.
6 Die katholische Jugend erklärt hiemit feierlichst: Sie läßt
nicht von ihren Organisationen und ihren Füh-
rern aus Treue. Wir bedauern aufs tiefste jeden Versuch,
durch Druck oder Gewalt die Überzeugungstreue und den Be-
kennermut, zwei der unersetzlichsten und wichtigsten Güter
unseres deutschen Volkstums, zu brechen. Wir wollen
lieber eine ehrliche und mutige Überzeugung
inEhrenalsfeigesundüberzeugungslosesKon-
junkturschwenkertum. Die katholische Jugend braucht
sich zudem ihrer Vergangenheit nicht zu schämen und hat nichts
zu verleugnen.
7. Wir sind der Überzeugung, daß wir durch diese Haltung, gerade
weil wir rückhaltlos zu unserer Kirche stehen, auch unserem
deutschen Vaterlande am besten und für die Dauer dienen.
(Ort), am ... . 1934.
Ganze Schul klassen streiken gegen HJ-Zwang
Ein interessantes Parallelstück bietet ein Bericht über ein
Vorkommnis in der Ludwigs-Realschule zu München, bei dem
leider das Jahresdatum fehlt:
„Vor den Weihnachtsferien verlas der Turnlehrer 3 — 4 Strophen des
Liedes, das nach dem Erlaß des Kultusministers in Zukunft beim
Fahnenhissen und Einzug gesungen und darum bald auswendig gelernt
werden sollte. Die Oberklassen aber streikten sofort. In der Pause
ließen mehrere Klassen durch ihre Vertreter dem Klassenführer von 6a
zur Weitergabe an den Professor sagen:
1. Wir sind keine kleinen Kinder, die Verslein aus-
wendiglernen.
2. Wir beten keinen Tuch fetzen an, auch wenn er
HJ-Fahneist.
Auf den Einwand, . daß es doch eine Verordnung sei, die befolgt
werden müsse, wurde erklärt: ,Dann zahlen wir kein Schulgeld mehr
und treten überhaupt aus'."
308
Allzu straff gespannt bricht der Bogen!
Auf der deutschen Jugend wurde in den Jahren des National-
sozialismus viel herumgehämmert. Aber viele ließen sich dadurch
nicht „breitschlagen", sondern formten sich erst recht unter diesen
Kammerschlägen.
Bischof Galen von Münster drückte dies klassisch aus mit den
Worten, die verdienen, hier wiederholt zu werden: „Wir sind
Amboß, nicht Hammer! Ihr könnt eure Kinder, das edle, aber noch
ungehärtete und ungestählte Rohmaterial, leider den Hammer-
schlägen der Glaubensfeindlichkeit, der Kirchenfeindlichkeit nicht
entziehen. Aber auch der Amboß formt mit. Laßt euer Elternhaus,
laßt eure Elternliebe, laßt euer vorbildliches Christenleben der
starke, zähe, feste, unerschütterliche Amboß sein, der die Wucht
der feindlichen Schläge auffängt, die noch schwache Kraft der
jungen Menschen immer wieder stärkt und befestigt in dem heiligen
Willen, sich nicht verbiegen zu lassen aus 'Üer Richtung zu Gott."
b) Der Kirche Soijge und Kampf für die katholischen Standesvereine.
Neben der wertvollen Vorhut und Edelgarde der katholischen
Vereine, den katholischen Jugendvereinen, vergaß die
Kirche keinen Augenblick das große Heer ihrer in den religiösen,
kulturellen, berufsständischen und caritativen Vereinen gesammelten
Elite. Für sie hatte sie
Artikel 31 des Reichskonkordates
durchgesetzt:
Diejenigen katholischen Organisationen und Ver-
bände, die ausschließlich religiösen, rein kulturellen und caritativen
Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind,
werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit
geschützt.
Diejenigen katholischen Organisationen, die außer religiösen, kul-
turellen oder caritativen Zwecken auch anderen, darunter auch so-
zialen und berufs ständischen Aufgaben dienen, sollen un-
beschadet einer etwaigen Einordnung in staatliche Verbände, den Schutz
des Artikels 31 Absatz 1 genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre
Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten.
Die Feststellung der Organisationen und Verbände, die unter die
Bestimmungen dieses Artikels fallen, bleibt vereinbarlicher Ab-
machung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat
vorbehalten.
Insoweit das Reich und die Länder sportliche oder andere Jugend-
organisationen betreuen, wird Sorge getragen werden, daß deren Mit-
gliedern die Ausübung ihrer kirchlichen Verpflichtun-
gen an Sonn- und Feiertagen regelmäßig ei-möglicht wird und sie zu
nichts veranlaßt werden, was mit ihren religiösen und sittlichen Über-
zeugungen und Pflichten nicht vereinbar wäre.
309
aa) Kampf um die Auslegungsgrundsätze
R K. A r t. 3 1
In zähem Ringen erreichte die. Kirche am
18, Juli 1934 fürArtikelSl folgendeAuslegungs-
g r u n d s ä t z e :
„Die katholischen Organisationen und Ver-
bände, die in Abs. 1 aufgeführt sind, sollen ihr Eigen-
leben völlig in sich führen können. Der Staat hat ihnen gegen-
über keine weitergehenden Einmischungsbefugnisse, als sie sich
aus der allgemeinen Treuepflicht der Staatsbürger gegenüber dem
Staat an sich ergeben.
Die katholischen Organisationen, die in Abs. 2 aufgeführt sind,
können, müssen aber nicht in staatliche Verbände (Dach-
organisationen) eingeordnet werden. Die Einordnung darf nicht
ihr Vereins- und verbandsmäßiges Eigentum und
Eigenleben, d. h. den katholischen Charakter und die Selb-
ständigkeit in der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben ein-
schließlich der Führung der bisherigen Vereihs-
tracht, der Abzeichenund Banner bei öffent-
lichem Auftreten ausschließen. Sie sollen also ihre
bisherigen Satzungen beibehalten, es sei denn, daß in diesen
Satzungen Zwecke vorgesehen wären, die dem neuen Staat an sich
zuwiderlaufen. Ihr Vorstand soll nach den bisherigen
Vereinssatzungen bestellt werden. Soweit nicht die etwaige Ein-
gliederung in staatliche Verbände die Befolgung von Vorschriften
notwendig macht, die sich aus der Einordnung an sich ergeben, soll
von Eingriffen in das Vereinsleben abgesehen
werden.
Die Mitglieder der katholischen Organisatio-
nen dürfen irgendeinen rechtlichen Nachteil in
Schule und Staat aus ihrer Zugeh örigkeit nicht
erfahren.
Die Reichsregierung setzt voraus, daß die katholischen Organi-
sationen bei einer Eingliederung sich mitihren kirchlichen
Behörden ins Einvernehmen setze n."
Dementsprechend verordneten die deutschen
Bischöfe:
„Die Zentralverbände der katholischen Jugend melden, daß in
Deutschland eine ganze Reihe von Pfarrern und Vereinspräsides
auf Grund von Verfügungen untergeordneter Regierungsstellen oder
Organen der SA oder HJ die eigenen katholischen Vereine auf-
lösen, das Eigentum preisgeben oder eine Gleichschaltung vor-
nehmen lassen.
Um weitere Schäden von den katholischen Verbänden fern-
zuhalten, wird unter Bezugnahme auf den Artikel 31 des Reichs-
310
konkordates und die zwischen dem Reichsministerium und den
Bischöfen vereinbarten Auslegungsgrundsätze .daran erinnert, daß
die bestehenden katholischen Organisationen in ihrem Bestände zu
erhalten sind und kein Pfarrer oder Präses befugt ist, ohne aus-
drückliche bischöfliche Genehmigung einen Verein aufzulösen oder
ihn gleichschalten zu lassen. Nach den Auslegungsgrundsätzen des
Artikels 31 wird auch von selten des Staates ausdrücklich erwartet,
daß die katholischen Organisationen bei ihrer Eingliederung sich
mit ihrer kirchlichen Behörde ins Einvernehmen setzen."
bb) Wirtschaftliche und moralische Gleich-
berechtigung für die katholischen Arbeiter!
Als dann im Laufe des Jahres 1935 ijeben den Katholischen
Jugend vereinen die Katholischen Arbeiter- und Ar-
beiterinnenvereine in die Feuerzone einrückten, richteten
BayernsErzbischöfe am 4. Juni 1935 ein besonderes Hirten-
wort an sie. Darin wandten sie sich besonders gegen das Verbot
der sogenannten „Doppelmitgliedschaft":
„Der schwerste Stoß gegen den im Konkordat zugesagten Rechts-
schutz liegt in der Anordnung des Leiters der Deutschen Arbeitsfront,
Dr. Robert Ley, vom 28. April 1934:
,Es besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß Mitglieder ander-
weitiger Berufs- und Standesorganisationen, insbesondere konfessionel-
ler Arbeiter- und Gesellenvereine, nicht Mitglieder der Deutschen Ar-
beitsfront sein liönnen. Wo Doppelmitgliedschaft bei der
Deutschen Arbeitsfront und einem der oben genannten Vereine besteht,
ist die Mitgliedschaft zur Deutschen Arbeitsfront sofort zu löschen.'
Im Namen aller deutschen Bischöfe hat damals Eminenz Dr. Bertram
am 3. Mai 1934 beim Reichsinnenminister Verwahrung gegen diese An-
ordnung eingelegt, sie als unvereinbar mit Artikel 31 Abs. 2 des Reichs-
konkordates bezeichnet und um ihre Aufhebung ersucht.
Wenige Tage später, am 12. Mai 1934, gab Bischof Bares von Berlin
der Auffassung der deutschen Bischöfe Ausdruck mit der
Aufforderung an die Mitglieder der katholischen Organisationen : J e d e
Zumutung zum Austritt aus den katholischen Orga-
nisationen mit männlichem Mute abzulehnen.
Trotz dieser Erl^lärungen des deutschen Episkopates und trotz der
Zusicherungen zur Frage der Doppelmitgliedschaft ist eine Entspannung
der Lage nicht eingetreten.
Nach all dem mußte es auf alle rechtlich Denkenden und vaterlän-
disch Gesinnten einen tiefschmerzlichen Eindruck machen, als der Leiter
der Deutschen Arbeitsfront am 25. April 1935 neuerdings und in brei-
tester Öffentlichkeit die Erklärung abgab:
,Nicht zuletzt wollen wir die letzten Überreste konfessioneller Ge-
sellenvereine zerschlagen! . . . Wir wollen — vmd das verstößt nicht im
geringsten gegen das Konkordat oder sonstige Verträge — die Deutsche
Arbeitsfront freihalten von Hader und Zersetzung. Deshalb möchte ich
bei dieser Gelegenheit betonen, daß meine Anordnung, wonach Ange-
hörige konfessioneller Gesellen- und Arbeitervereine 'nicht der Deut-
schen Arbeitsfront angehören können, d. h. sie von einer Doppelmit-
gliedschaft ausgeschlossen sind, heute genau so weiter Geltung hat wtC
damals, als ich sie traf."
311
Widerspruch gegen das Konkordat
„Wenn der Leiter der Deutsciien Arbeitsfront öffentlich erklärt,
sein Vorgehen verstoße^! nicht im geringsten gegen das Konkordat, sei
also rechtmäßig, so stellen wir Bischöfe nochmals fest: Nach unserer
übereinstimmenden Aulfassung widerspricht das Verbot der
Doppel mitgliedschaft dem Wortlaut und dem Sinn des
R e i c h s k o n k r d a t e s.
Unsere Pflicht ist es nach wie vor, die im Reichskonkordat feierlich
verbrieften Rechte zu wahi'en und den im Artikel 31 zugesagten Schutz
auch wirklich zu fordern.
In den Augen der Bischöfe ist es ein schweres Unrecht,
den Mitgliedern katholischer Vereine wegen ihrer Treue
zv\ ihrer Kirche und den kirchlich anerkannten Vereinen jene Ehren-
rechte und wirtschaftlichen Rechte zu verweigern,
die in der Arbeitsfront anderen Volksgenossen gewähi-t werden. In der
schon genannten Aussprache zwischen Reichsregierung und deutschen
Bischöfen vom 18. Juli 19^ wurde ausdrücklich vex'einbart: ,D i e Mit-
glieder der katholischen Organisationen dürfen
irgendeinen rechtlichen Nachteil in Schule und Staat
aus ihrer Zugehörigkeit nicht erfahren.'
Mit unseren Ai'beitern und Arbeiterinnen legen wir Bischöfe noch-
mals Verwahrung dagegen ein, daß deutschen Männern und
Frauen einzig und allein wegen ihrer treu katholi-
schen Gesinnung die wirtschaftliche und moralische
Gleichberechtigung mit ihren Berufsgenossen abge-
sprochen werdensoll.
Wenn der Leiter der Deutschen Arbeitsfront öffentlich erklärt, der
Führer habe die Deutsche Arbeitsfront als die ein-
zige Vertreterin aller schaffenden deutschen Men-
schen bestimmt, so berufen wir Bischöfe uns ebenfalls
mit allem Nachdruck auf ein Wort des Führers im Schreiben an
Herrn Kardinal Bertram vom 28. April 1933, wo es heißt: ,Ich darf
Ihnen, Herr Kardinal, versichern, daß, insoweit solche Ver-
bände keine parteipolitischen, demjetzigen Regiment
feindlichen Tendenzen pflegen, auch keine Absicht
besteht, gegensievorzugehen.'
Der Katholische Arbeitei'- und Arbeiterinnen verein pflegt ,keine par-
teipolitischen, dem jetzigen Regiment feindlichen Tendenzen'. Die Be-
dingung des Führers ist also erfüllt.
Der Katholische Arbeiter- und Arbeiterinnen verein bietet, wie das
Reichskonkordat fordert, die Gewähr, daß er seine Tätigkeit außerhalb
jeder politischen Partei entfaltet. Die Bedingung des Konkordats ist
also ebenfalls erfüllt.
Die Behauptung, die Arbeitervereine seien überrestliche oder ge-
tarnte Zentrumsorganisationen, ist eine Unwahrheit, die
auch durch Wiederholung nicht Wahrheit wird.
Die rein religiös-sittlichen, kulturellen und caritativen Aufgaben der
den deutschen Bischöfen unterstellten Arbeiter- und Arbeiterinnen-
verbände sind niedergelegt in folgenden
neuen Satzungen :
1. Erziehung des katholischen "Werkvolkes zu religiös-sittlicher
Lebensführung.
2. Pflege eines wahrhaft christlichen Familienlebens.
3. Unterweisung in der katholischen Gesellschaftslehre auf der Basis
der beiden sozialen Weltrundschreiben von Leo XIII. und Pius XL
312
4. Religiös-ethische Vertiefung der Arbeits- und Berufsauffassung.
5. Anleitung zur aufrichtigen Mitarbeit an der VoUcsgemeinschaft
aus echt christlichem und echt deutschem Geist.
6. Bildung von Herz und Gemüt aus den Quellen christlich-deut-
schen Volkstums und Heimatsinnes.
7. Leistung gegenseitiger, zusätzlicher Hilfe im Sinne christlicher
Hebestätigkeit, z. B. durch Krankenhilfe, Erholungsfürsorge,
Sterbeunterstützung.
In diesen neuen Richtlinien sind also, wir wiederholen, alle par-
teipolitischen und gewerkschaftlichen Ziele grund-
sätzlich ausgeschlossen und die katholischen Arbeiter- und
Arbeiterinnenvereine in jene Gruppe von Organisationen mit rein reli-
giösen, kulturellen und caritativen Aufgaben eingereiht, denen in Arti-
kel 31 Absatz 1 des Reichskonkordates der staatliche Schutz zu-
gesagt wurde.
Damit ist auch der Grund zu einem Verbot der Doppelmitglied-
schaft weggefallen, weil die Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine nicht
als gewerkschaftliciie und berufsstähdische Nebenorganisationen neben
der Arbeitsfront erscheinen."
DreiForderungen:
Nach diesen Klärungen, Erklärungen und Verwahrungen stell-
ten die zwei bayerischen Erzbischöfe drei Forderungen:
„Selbstverständlich setzen wir als e r s t e F o r,4 e r u n g bei diesen
Vorschlägen und Verhandlungen voraus, daß den katholischen Arbeiter-
und Ai'beiterinnenorganisationen Eigentum" und wirtschaftliche
Rechte gewahrt bleiben, die sie sich in den finanziellen Ein-
richtungen ihrer Organisationen unveräußerlich erworben haben.
Ebenso setzen wir als zweite Forderung voraus, daß die Vor-
träge bei der Arbeitsfront und deren Veranstaltungen dem katholischen
Arbeiter nichts zumuten,, w a s seine religiöse Überzeugung
gefährdet,, sein Gewissen belastet und sein inneres Verhältnis zur
Kirche erschüttert, daß also z. B. die Teilnahme am Sonnlagsgottes-
dienst, die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession und anderen
kirchlichen Veranstaltungen seiner Pfarrei nicht erschwert werde.
Ebenso müssen wir die dritte Forderung erheben, daß die
Veranstaltungen der Arbeitervereine in keiner Weise durch terroristische
Unruhestifter gestört werden dürfen und wirklich den im Konkordat
vei^bürgten staatlichen Schutz genießen."
In der Denkschrift vom August 1935 geben die deutschen
Bischöfe eine feierliche Garantie für den unpolitischen
Charakter der katholischen Vereine:
„Wir Bischöfe, auf deren Gewissen die Aufsicht über die katho-
lischen Vereine liegt, verbürgen uns, daß diese katholischen
Verbände keine politischen oder gar, was Wahnsinn wäre, dem
jetzigen Regiment feindlichen Tendenzen pflegen. Nur ein Vorein-
genommener kann in diesen Vereinen Überreste vergangener Par-
teien und getarnte Zentrumspolitik erblicken." (S. 26 der Denk-
schrift.)
Im Hinblick auf diese verbürgte unpolitische Haltung der
katholischen Vereine fordern die Bischöfe erneut die Zurücknahme
des Verbotes der Doppelmitgliedschaft.
313
Auch der öffentliche Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom
Jahre 1935 gedenkt mit ehrenden Worten der gesamten katholischen
Vereine, „ihrer im Feuer erprobten Mitglieder".
Das gemeinsame Hirtenwort 1936 schlägt wieder schär-
feren Ton an, wenn es bezüglich der Knechtungs- und Aus-
rottungsversuche an katholischen Vereinen sagt:
„Von diesen unwiderleglichen Gedankengängen aus können \vir
deutschen Bischöfe es um so weniger begreifen, daß man auch in un-
serem Vaterland und Volk den Einflußkreis des Christentums und der
Kii'che immer mehr verengt und zuletzt nur noch auf den Kirchenraum
beschränkt.
Wir können es nicht begreifen, daß man unsere katholischen Ver-
eine in ihrer segensreichen Tätigkeit immer noch behindert
oder gar deren Weiterbestand überhaupt in Frage stellt.
Wir können es nicht begreifen, daß man die Doppelmitglied-
schaft den Mitgliedern der kirchlichen Vereine bis zu den Jungfrauen-
kongregationen immer wieder verbietet und sogar da und dort damit
drolit, brave Familienväter und ihre Angehörigen ums tägliche Brot zu
bringen, wenn sie ihre bislierigen Beziehungen zu den katholischen
Vereinen nicht lösen ..."
Neben diesen allgemeinen öffentlichen Verwahrungen
gegen die Entrechtung der katholischen Vereinsmitglieder pro-
testierten die kirchlichen Stellen auch noch bei einzelnen
öffentlichen Institutionen und Privatbetrieben
wider die Gesinnungsschnüffelei und den Gewissenszwang bei
katholischen Angestellten und Arbeitern, z. B. beim Fern-
sprechamt München am. 30. September 1936, das daraufhin
seine Verfügung zurücknahm.
Unter den 17 „Keulenschlägen", welche die deutschen Bischöfe
in ihrer Denkschrift von 1937 an das Reichskirchenministerium der
nationalsozialistischen Vertragsuntreue versetzten, waren auch zwei
gegen die Mißachtung von Artikel 31 des Reichskonkordates. Beide
seien hier nochmals in Erinnerung gebracht.
14.
„Nach Artikel 31 des RK. sind diejenigen katholischen Orga-
nisationen und Verbände, die ausschließlich religiösen, rein kulturellen
und caritativen Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Behörde
unterstellt sind, in ihrer Einrichtung und in ihrer Tätigkeit geschützt."
„In Wirklichkeit wird es Beamten, Lehrern und Angestellten
vielfach unmöglich gemacht, noch weiter solchen Organisationen anzu-
gehören, es wird der Austritt auch direkt und unter Androhung von
schweren Nachteilen verlangt, das sogar von einer so ausschließlich
religiösen Vereinigung wie die Lehrerinnenkongregation."
15.
„Nach dem gleichen Artikel sollen auch jene katholischen
Organisationen, die außer religiösen, kulturellen oder caritativen Zwecken
noch anderen, darunter auch sozialen oder berufsständischen Aufgaben
dienen, den gleichen Schutz genießen, sofern sie die Gewähr dafür
bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten.
Die Feststellung der Organisationen und Verbände, die unter die Be-
314
Stimmung dieses Artikels fallen, bleibt vereinbarlicher Abmachung
zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat vorbe-
halten."
„In Wirklichkeit haben diese Organisationen, auch wenn sie
sich verpflichteten, ihre Tätigkeit außer jeder politischen Partei zu ent-
falten, nicht nur Iceinen Schutz, sondern die größten Schwierigkeiten
gefunden, so daß sie durch den auf sie ausgeübten Druck und morali-
schen Zwang vielfach zum Erliegen gebracht wurden.
Die Vereinbarung zwischen Reichsregierung und Deutschem Episko-
pat wird von dem letzteren seit mehr als 3 Jahren erbeten,
bisher ohne jeglichen Erfol g."
cc) Klare Feststellungen von Kardinal Faulhaber
Abschließend sei noch ein Rundschreiben von Kardinal Faul-
haber vom 30. Juli 1935 an den Diözesanklerus wiedergegeben, das
die damalige Lage der katholischen Vereine umreißt und die staat-
lichen und parteiamtlichen ÜbergrilTe und rechtswidrigen Absichten
entschieden zurückweist, freilich auch zeigt, wie man damals natio-
nalsozialistischerseits in manchen Punkten noch nicht die letzten
Ziele aufdeckte und noch nicht die letzten Schritte wagte, vielmehr
noch etwas Rücksicht und Vorsicht walten ließ, um dann ein paar
Jahre später im vollen Besitz der Macht brutal alles Nichtnational-
sozialistische niederzutreten und zu erwürgen.
Nach Bekanntgabe verschiedener neuer staatlicher Anord-
nungen und parteilicher Kundgebungen gegen die katholischen
Vereine fährt der Kardinal fort:
Wir stellen fest:
1. Der Reichs- und Preußische Minister des Innern hat die
Landesregierungen angewiesen, Tragen von einheitlicher
Kleidung, Abzeichen und dergleichen zu verbieten. Er hat aber
keine Anweisung gegeben, die konfessionellen
Vereine aufzulösen. Alle diesbezüglichen Anordnungen der
Unterbehörden, die auf Auflösung der Vereine abzielen, gehen also
über die Anweisung der höchsten Reichsstelle hinaus.
2. Verfügungen, daß die Beamten und Angestellten
aus konfessionellen Vereinen austreten und ihre Kinder zum Aus-
tritt zwingen müssen, bedeuten trotz der beigefügten Klausel einen
Gewissenszwang, während nach wriederholten Erklärungen
von amtlichen Stellen der Beitritt zur HJ und anderen staatlichen
Organisationen ein freiwilliger und nicht ein erzwungener sein soll.
3. Das Verbot der Doppelmitgliedschaft von
Dr. Ley enthält am Schluß die Bestimmung:
„Zugehörigkeit zu kirchlichen Organisationen und Verbänden,
die ausschließlich religiösen, kulturellen oder caritativen Zwecken
dienen, ist selbstverständlich auch für die Mitglieder der Deutschen
Arbeitsfront gestattet und gilt nicht als Doppelmitgliedschaft im
vorstehenden Sinne."
315
Zeitungen und amtliche Verfügungen haben in unbegreiflicher
Weise diesen v/ichtigen Abschnitt unterdrückt. Schon durch den
Wortlaut der Ausdrücke: „die ausschließlich religiösen, kulturellen
oder caritativen Zwecken dienen" ist hier auf Art. 31, Abs. 1, des
Reichskonkordates Bezug genommen. Nun aber ist im Hirtenwort
der Erzbischöfe von München und Bamberg vom 1. Juli 1935 fest-
gestellt:, daß die katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine
unter Ausschaltung aller parteipolitischen und gewerkschaftlichen
und berufsständischen Ziele nach ihren heutigen Satzungen nur
mehr rein religiöse, rein berufsethische, rein
kulturelle und c a r i t a t i v e Aufgaben sich gesteckt
haben. Auf diese Tatsache muß im Zusammenhang mit dem Schluß-
wort von Dr. Ley mit allem Nachdruck hingewiesen werden.
Auch der Reichsjugendführer hat den katholischen Jugend-
vereinen das Recht des Fortbestandes zuerkannt unter der Be-
dingung, daß sie sich auf rein religiös-kirchliche Aufgaben be-
schränken; z. B. erklärte er am 2. M a i 1 9 3 5 auf einem Empfang
des außenpolitischen Amtes der NSDAP vor zahlreichen An-
gehörigen des Diplomatischen Korps und ausländischen Journalisten:
„Ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß die konfessionelle
Jugend Deutschlands, mag sie nun viele oder wenige Mitglieder
umfassen, in konfessionellen Bünden organisiert .ist, deren Führung
und Tätigkeit uns alle von ihrem rein religiösen Streben überzeugt.
Nach einer solchen Beschränkung der konfessionellen Jugend auf
das Feld rein religiöser Erziehungsarbeit im Sinne konfessioneller'
Seelsorge, würde ich bereit sein, das Verbot der Doppelmitglied-
schaft der Hitler-Jugend aufzuheben, weil die Gefahr gebannt
wäre, daß sich angeblich religiöse Vereinigungen mit Aufgaben
befassen, für deren Stellung und Lösung der Staat allein zuständig
bleiben muß."
Wenn nun durch den Erlaß des Reichsführers Himmler die
katholischen Jugendvereine ganz auf das vom Reichsjugendführer
zugegebene Betätigungsfeld beschränkt werden und sich in Gehor-
sam beschränken, so ist kein Grund und Recht dazu gegeben, die
Beamten zu zwingen, ihre Kinder aus den katholischen Jugend-
vereinen herauszunehmen.
Katholische Jugendvereine wie Arbeitervereine genießen somit
den im Art. 31, Abs. 1 des RK. gewährten Schutz. Wo das Verbot
der Doppelmitgliedschaft durchgeführt wird, kommt das praktisch
einer Auflösung des Vereines gleich.
4. Wenn einzelne Stellen fordern, Mitgliederverzeich-
nisse der katholischen Vereine einzuliefern, so ver-
stoßen sie gegen § 3 des Reichsvereinsgesetzes vom 18. April 1908.
In den Anordnungen der höchsten Reichsstellen ist von Einreichutig
der Mitgliederverzeichnisse keine Rede. Die Erfahrung zeigt, daß
durch solche Anforderungen ein gewisser Druck auf die Mitglieder
316
der Vereine ausgeübt werden soll, während, wie oben gesagt, der
Beitritt zu staatlichen Verbänden ein freiwilliger sein soll.
5. Wir stellen fest, daß in den Anordnungen der höchsten
Stellen auch von Beschlagnahme des Vermögens keine
Rede ist. Der Führer hat in seiner großen Reichstagsrede vom
21. Mai 1935 im Gegensatz zum russischen Staatskommunismus das
Privateigentum im Dritten Reich für heilig erklärt.
6. Wir stellen fest, daß obige Maßnahmen nicht im Einklang
stehen mit dem feierlichen Wort des Führers in einem
Schreiben an Herrn Kardinal Bertram vom 28. April 1933:
„Ich darf Ihnen, Herr Kardinal, versichern, daß, insoweit
solche Verbände keine parteipolitischen, dem jetzigen Regiment
feindlichen Tendenzen pflegen, auch keine Absicht besteht,
gegen sie vorzugehen,"
7. Wenn gar die Ablieferung der Vereinsfahnen und
Banner gefordert werden sollte, stellen wir fest, daß kirchlich
geweihte Fahnen nicht profaniert werden dürfen.
Solche Fahnen sollen als Votivgabe der Pfarrkirche übergeben und
mil den übrigen Kirchenfahnen als Eigentum der Kirche verwahrt
werden.
III.
Und dann erhebt der Kardinal feierlichen Protest gegen mehr-
faches Unrecht der verschiedenen Verordnungen und Kundgebun-
gen und erklärt:
„1. Wir erheben Einspruch , dagegen, daß in einigen Anord-
nungen in dieser Frage wie in dem Erlaß des Herrn Regierungs-
präsidenten von Niederbayern eine unwahre, nicht begründete all-
gemeine Anschuldigung gegen den gesamten Klerus
erhoben wird, der im Gegensatz zu der in Art. 32 des Konkordates
übernommenen Verpflichtung ,in abträglicher und gehässiger Weise
politisiere'. Die kirchlichen Behörden halten streng darauf, daß
die im Konkordat übernommenen Verpflichtungen auch wirklich
eingehalten werden, daß also Geistliche und katholische Vereine
sich jeder politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit enthalten.
Was das Deutsche Reich im Schlußprotokoll zu Art. 32 des RK. zu-
gesagt hat, daß nämlich die ,pflichtmäßige Verkündigung und Er-
läuterung der dogmatischen und sittlichen Lehren und Grundsätze
der Kirche' nicht eingeengt werden solle, kann nicht als politischer
Katholizismus bezeichnet werden. Die Führer der katholischen
Vereine sind nicht Männer der alten politischen Parteien, sondern
jugendliche Priester, die zumeist den Krieg mit Auszeichnung mit-
gemacht haben.
2. Wir erheben Einspruch dagegen, daß polizeiliche Verord-
nungen gegen katholische Vereine sich vielfach auf die V e r o r d -
317
nung vom 2 8. Februar 1933 stützen, die seinerzeit gegen
kommunistische Unruhestifter erlassen wurde, daß
also hier unsere katholischen Vereine mit politischen, staatsfeind-
lichen Vereinigungen auf gleiche Stufe gestellt werden.
3. Wir erheben Einspruch dagegen, daß der katholischen Jugend
die schwere Verleumdung entgegengeschleudert wird, siö sei
bolschewistisch durchseucht. Eine Notiz in der kom-
munistischen Jugendzeitschrift ,Internationale der Jugend', die
ohne Wissen und Willen unserer Jugend erfolgte, kann nicht als
Beweis für bolschewistische Durchseuchung angenommen werden
(,Völk. Beobachter' Nr. 207 und 208 vom 26. und 27. Juli 1935).
Wir bedauern und verurteilen alle Zusammenstöße zwischen HJ
und katholischer Jugend, wir ^Verden aber derartige Zusammen-
stöße aus dem jugendlichen Drang, nicht aus bolschewistischer
Roheit erklären, w&der bei der katholischen Jugend noch bei den
zehnmal häufigeren Überfällen seitens der HJ.
M. Kardinal Faulhaber,
Erzbischof von München."
*
5. Das katholische Schrifttum.
Widerstand gegen Pressehetze und Presse- ^
knechtung
»
Eines der Grundrechte des freien Menschen und deutschen
Staatsbürgers ist das der freien Meinungsäußerung „in Wort,
Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise".
Der Diktator Nationalsozialismus hat durch die Aufhebung der
Artikel 117/118 der Verfassung des Deutschen Reiches auch dieses
Grundrecht für die ganze Dauer seiner Herrschaft beseitigt. So
hemmungslos er selbst die Druckerschwärze gegen alles Christliche
verspritzte, so despotisch legte er der konfessionellen Presse Fessel
um Fesselan und vernichtete sie Stück, um Stück.
Aber auch gegen diese Tyrannei wandte sich der kirchliche
Widerstand mit aller Kraft.
a) Beschwerden und Forderungen des Hl. Stuhles.
Schon in einem Promemoria vom 19. Oktober 1933, also schon
40 Tage nach der Ratifikation des Reichskonkordates. (10. 9. 1933),
mußte der Hl. Stuhl die Reichsregierung u. a. hinweisen auf
„die planmäßige Lahmlegung, die wirtschaftliche
Vernichtung sowie auch die meinungsmäßige Knechtung
der katholischen Presse, letzteres selbst in solchen Fragen, wo
es sich um die pflichtmäßige Geltendmachung katho-,
li scher Glaubens- und Lebensgrundsätze handelt. Selbst
die Bezeichnung „Katholische Presse" ist, jedenfalls ver-
318
einzelt, verboten worden. Die Entziehung amtlicher Nach-
richten, Inserate und Publikationen, der ZwangzurHaltung
nationalsozialistischer Blätter, die Drohung wirt-
schaftlichen Boykotts oder anderer schwerwiegender Nachteile
gegen die Abonnenten katholischer Blätter werden aus den verschieden-
sten Orten mit solcher Gleichmäßiglceit berichtet, daß von zufälligen
Exzessen einzelner nicht gesprochen werden kann. Mancherorts sind
Zeitungsverleger sogar wegen der Veröffentlichung bischöflicher Hirten -
schreiben in schwerster Weise gemaßregelt worden."
Acht Tage darauf suchte der Vatikan in
„Vorschlägen betreff Konkordatsführung"
von der Reichsregierung folgende Zugeständnisse zu erreichen:
„Die Verkündigung und Erklärung der kirchlichen Grundsätze für
die verschiedenen Bereiche des Öffentlichen Lebens, z. B. für
die sozialen Fragen, fällt nicht unter den Begriff der Partei-
Politik.
Die kirchliche Oberbehörde kann sich zu Kundgebungen
an die Gläubigen der katholischen Presse und jedes anderen ihr zur
Verfügung stehenden Mittels bedienen.
Zur katholischen Presse zählen alle die Presseorgane, die von der
kirchlichen Oberbehörde als katholisch anerkannt werden.
Die katholische Presse darf sich als solche bezeichnen. Die katho-
lische Presse wird keinen wirtschaftlichen und rechtlichen
Sonderbestimmungen unterwerfe n."
In einer neuen Note vom 31. Januar 1934 mußte jedoch der
Hi. Stuhl einen besonders langen Abschnitt der
„Unfreiheit der katholischen Presse"
widmen und darüber schreiben:
„Über diese Unfreiheit brauchen keine weiteren Worte verloren
werden, da sie f f e n k u n d i g z u t a g e t r i 1 1.
Der Hl. Stuhl meint hier, um Mißverständnissen von vornherein zu
begegnen, nicht die politische Uniformierung der Presse in solchen Din-
gen, die ausschließlich zum Zuständigkeitsgebiet des Staates gehören. Er
bat diejenige Unfreiheit im Auge, die der Entfaltung der
religiösen Mission der Kirche entgegensteht und ihr die
Anwendung derjenigen Mittel versagt, deren sie zur wirksamen Aus-
übung dieser Mission bedarf.
Zunächst ist hier das Verbot zu nennen, sich überhaupt als
katholische Zeitung oder als Zeitung für Katholiken zu nennen.
Der Hl. Stuhl ist im Zweifel, ob die ganze Tragweite eines solchen Ver-
botes denen bewußt gewesen ist, die dasselbe erlassen haben oder ver-
teidigen. Die Kirche bedarf, ebenso wie jede andere geistige Bewegung,
der Presse als eines unentbehrlichen Mittels zur Betätigung und Ent-
faltung ihrer geistig-sittlichen Kräfte. Wer der katholischen Presse in
den Geisteskämpfen der Gegenwart und im Ringen gegen die Mächte
des Umsturzes und der Verneinung durch Verfügungen der oben bezeich-
neten Art die Führung ihres Namens untersagt, verletzt damit nicht nur
das öffentliche Bekenntnisrecht des katholischen Volksteiles, sondern
mindert damit auch die Kampfkraft derer, die im Zeichen Christi gegea
das wachsende An ti ch r i s t en t um aus innerer Über-
zeugung und nicht bloß aus äußerer Opportunität an-
kämpfen.
310
Die mit schwersten wirtschaftlichen Schäden ver-
bundenen Maßregelungen katholisclier Blätter haben in dem an sicli
schon harten Daseinslcampi" dieser Unternehmen die Folge gehabt, daß
die katliolisclie Presse ohne Verbotsrisilco nicht wagen darf, pflichtmäßige
Verlautbarungen der Bischöfe zu veröffentlichen.
Der Erlaß des Bischofs von Trier über die katholische Presse
konnte von keiner Zeitung", außer denen des Saai'gebietes, gebracht wer-
den. Ebenso liat keine es wagen Ivönnen, ein Wort über die Silvester-
predigt desselben Bischofs zu bringen. Von seiten der Geheimen Staats-
polizei ist sogar der Versuch gemaclit worden, das Manuskript der Pre-
digt zur Einsicht zu erhalten.
In München durften die Adventspredigten Seiner Eminenz des
Herrn Kardinals von Faulhaber in gegnerischen Zeitungen, darunter
die amtliche Bayerische Staatszeitung, angegriffen
werden. Eine von dem Herrn Kardinal dem Herrn Chef der St»ats-
k a n z 1 e i zugesandte Berichtigung wurde von letzterem zurück-
gereicht mit der Erlvlärung, er sei nicht in der Lage, diese Erwiderung
an die Schriftleitung der Bayerischen Staatszeitung weiterzugeben, da es
sich um keine amtliche Verlautbarung handle; der Herr Kardinal l^önne
die Berichtigung direlct an die S c h r i f 1 1 e i t u n g einsenden, die dann
nacli dem Reichspressegesetz prüfen werde, inwieweit sie die Richtig-
stellung aufnehmen wolle. Am gleichen Abend erging dann aber, von
dem gleichen Herrn Staatsminister Esser gezeichnet, die Anord-
nung, daß die bayerische Presse l<;eine Berichte über die
Adventspredigten bringen dürfe. Die Reichsregierung wird es ver-
stehen, wenn Vorkommnisse der bezeichneten Art nicht geeignet sind,
das Zutrauen der kirchlichen Behörden in die sachliche Haltung einzelner
Staatsbehörden zu stärken.
Zu der Behinderung der katholischen Presse in der Veröffentlichung
von Dingen, die absolut im Rahmen des Aufgabengebiets von Kirche
und Religion liegen, kommt die erschwerende Tatsache, daß diese Presse
durch direkten Befehl oder indirelcten Druck von behördlicher oder
behördlich gestützter Seite auf dem Wege sogenannter ,A u f 1 a g e n'
gezwungen wird, Veröffentlichungen aufzunehmen,"^ die mit der reli-
giösen Überzeugung von Verlag und Leserschaft in
d i r e k t e m W i d e r s p r u c h s t e h e n.
So wurde das Verbot der Veröffentlichung der bischöflichen
Verlautbarungen über die Sterilisation ergänzt durch den
erzwungenen Abdruck von bebilderten Propagandatexten
für die Durchführung des Sterilisationsgesetzes, die von der
nationalsozialistischen Volkswohlfahrt herausgegeben werden und in
G.ffenem Gegensatz zu den Erlclärungen des Hl. Stuhles und des Episko-
pats stehen. Solche Vorgänge (vgl. die , Augsburger Postzeitung' vom
19. Januar 1934) stellen einen Gewissensdruck dar, den der
Kl. Stuhl nicht ohne nachdrückliche Verwahrung und ohne Forderung
nach wirksamen Gegenmaßnahmen hinnehmen darf.
Alles in allem genommen, wird man zur Abstellung dieser Schäden
und zur Vermeidung anderer in Zukunft nicht umhin können, zwischen
Kirche und Staat zvu' Festlegung genauer, bindender Grundsätze zu ■
gelangen, welche die Freiheit der katholischen Presse des nähern um-
schreiben und vor EingTift'en schützen. Der Hl. Stuhl behält sich ein
neuerliches Eingehen auf diesen wesentlichen Punkt für die mündlichen
Verhandlungen vor, da auch er in Übereinstimmung mit der Deutschen
Reichsregierung der Auffassung ist, daß eine beschleunigte und sach-
gemäße Verständigung hierüber leichter auf diesem Wege zu erreichen
ist als auf dem des schriftlichen Notenaustausches."
320
Der nächste Abschnitt (Nr. X) der gleichen Note vom 31. 1. 1934
behandelte sodann ebenso freimütig das
„Neuaufleben religions- und kirchenfeindlicher
Bewegungen".
„In offenem G e g e n .s a t z zu den Erklärungen des
Herrn Reichskanzlers, daß die Regierung im Christentum die
unerschütterlichen Fundamente des geistigen und morahschen Lebens
des deutschen Volkes sehe und daß sie den größten Wert darauf lege,
die freundschaftlichen Beziehungen zum Hl. Stuhl weiter zu vertiefen
und auszugestalten, stehen die vor dem Konkordat schon vorhandenen
und seit seinem Abschluß nicht geringer, sondern eher stärker
v/erdenden Ausfälle gegen Christentum, Kirche und
Hl. Stuhl seitens solcher Kreise, die in engstem Zusammenhang mit
der Reichsregierung stehen, sich auf diesen ihren Zusammenhang be-
rufen und den Anschein zu erwecken suchen, als ob die von ihnen ver-
tretene Richtung sich der inneren Zustimmung und des äußeren Schutzes
der Reichsregierung gewiß halten könne.
Sowohl in dem Schrifttum der viele Millionen umfassenden
deutschen Arbeitsfront wie auch der mit staatlichen Monopol-
rechten ausgestatteten Hitlerjugend einschließlich der politi-
schen Parteipresse tritt in wachsender Stärke ein Geist zutage,
der als die Verneinung gläubigen Christentums und als ein unverhüllter
Angriff gegen die Kirche bezeichnet Averden muß.
Der von der Arbeitsfront in vier Millionen Exemplaren heraus-
gegebene Kalender f ü r 1 9 3 4 vertritt eine Geschichtsauffassung, die
eine offenkundige Beleidigung der katholischen Kirche darstellt.
In Heft 1 1934 der Zeitschrift ,D a s kommende Reich', Führer-
zeitschrift der saardeutschen Jugend, finden sich folgende Sätze: ,Un-
glück und Zerrissenheit des deutschen Volkes ist es, keine solche
geschlossene Weltanschauvmg zu besitzen. Es klafft noch in unzähligen
Gruppen und Grüppchen auseinander, es ist immer noch in Katholiken,
Protestanten, Lutheraner, Methodisten usw. zersplittert. Erst dann kön-
nen wir von einem deutschen Volk sprechen, wenn die
geschlossene Einheit im Glauben errungen ist... Es
bedarf wohl keines Beweises, daß diese Glaubenseinheit nicht auf
dem Boden des Christentums erkämpft werden kann;
denn Christentum und Deutschtum scheiden sich wie
Wasser und Feuer.'. Darauf folgt als Zitat aus Rosenberg , Mythus
des 20. Jahrhunderts' : ,Hier ist aber unsere Seele jüdisch
verseucht worden; das Mittel dazu waren die Bibel
und die Kirche Roms.' Dann fährt der Artikel fort: ,W i r freie,
junge Deutschen, die wir diesem ewigen Glaubenshader den Gar-
aus machen wollen, müssen uns auf einer anderen Ebene
als der des Christentums zusammenfinden. Eine neue,
eine deutsche Gotteserkenntnis soll die Einheit von
Blut, Glauben, Kultur, Recht und Wissenschaft ver-
wirklichen. Solange wir noch glauben, unsere religiöse Sehnsucht
in Vorstellungen, die unserem angeborenen Empfinden widersprechen,
befriedigen zu können, solange uns noch ein andei-es Land als unser
deutsches Vaterland .heilig' ist, ist für uns nicht unser Ziel der Volks-
werdung erreicht.'
Am 14. Januar 1934 erklärte Gauleiter Grohe: , Alfred Rosenberg
hat vor einigen Tagen mit treffender Deutlichkeit darauf hingewiesen,
daß der Nationalsozialismus durchaus nicht den totalen Staat
wolle und herbeiführe, daß er vielmehr die Anerkennung der tatsäch-
lichen Totalität der nationalsozialistischen Welt-
anschauung wolle und fordere . .'
Kreuz und Hakenkreuz 21 Bd. II 32^
Im Anschluß an diese Rede und eine andere des Reichsführers der
deutschen Arbeitsfront schreibt der .Westdeutsche Beobachter',
Nr. 14 vom 15. Januar 1934: ,Nur' Narren und Toren können behaupten,
der Nationalsozialismus erschöpfe sich im Politischen, im Wirtschaft-
lichen und Sozialen. Nein, dieser Kongreß und die Reden Dr. Leys und
Grohes kreisten nicht mehr um Probleme der Tagespolitik; sie waren ein
unerhört kühner, leidenschaftlicher Vorstoß ins Weltanschau-
liche, Seelische, ins Religiöse. Die deutsche Seele ist erwacht
und beginnt um die arteigene, aus dem eigenen Blut, aus dem
eigenen Volkstum herausgewachsene Gestalt vi ng
ihrer religiösen Sehnsucht zu ringen. Weltanschauungen
kennen keine Kompromisse, im Kampf der Weltanschauungen gibt es
nur sie oder Vernichtung.'
Solchen Äußerungen, die beliebig vermehrt werden könnten, halte
man die Regierungserklärung des Memorandums gegenüber, daß der
Nationalsozialismus nicht die Schöpfung einer neuen Glaubensbewegung
erstrebe. Wie sollen angesichts der sich von Tag zu Tag häufenden Pro-
klamationen solcher Art auch die staatstreuesten deutschen Geistlichen
davon überzeugen, daß ihre religiösen Sorgen und Befürchtungen nach
dieser Richtung unberechtigt sind?
Es genügt, Äußerungen dieser Art mit den amtlichen Erklärungen
zu vergleichen, um sich ihres unerträglichen Kontrastes bewußt zu wer-
den. Selbstverständlich denkt der Hl. Stuhl nicht daran, die Reichs-
regierung für einzelne Entgleisungen direkt haftbar zu machen. Leider
handelt es sich aber nicht um Einzelentgleisungen, sondern um das Fort-
schreiten einer Gesamteinstellung, die ohne zentrale Beeinflussung un-
erklärlich ist.
Der Hl, Stuhl sieht als Ausgangspunkt solchen Geistes die Gesamt-
haltung der gegenwärtigen Führung der Hit-lerjugend und anderer
großen Organisationen an und nicht zuletzt die Duldung, ja die
Begünstigung eines Schrifttums, dessen religions-
undkirchenfeindlicheEinsteilungaußerjedemZwei-
f e 1 s t e h t.
Hierher gehören die Veröffentlichungen der sogenannten Deut-
schen Glauben sbewegung, des Kreises um den Grafen von
Reventlow, um General Ludendorff, vor allem aber das kul-
turpolitische Schrifttum von Dr. Rosenberg.
Das ol^en den Kampf gegen jede geoffenbarte Religion prokla-
mierende, auch in seiner Form höchst beleidigende Buch
,Der Mythus des 2 0. Jahrhunderts'
ist wiederholt von Regierungs- und nationalsozialistischer Parteiseite als
reine Privat arbeit bezeichnet worden, für die Regierung und
Partei keinerlei Verantwortung tragen. Hiermit steht im Widerspruch,
daß dieses Buch durch die zum amtlichen Zentralorgan erklärte Zeitung
,Völkischer Beobachter' dauernd als Grundlage aller poli-
tischen und weltanschaulichen Schulung im neuen
Deutschland, vor allem auch für die Jugend, empfohlen wird. Einwand-
frei ist festgestellt worden, daß dieses Buch zur Grundlage von
Kursen und Übungen in Arbeitslagern, Jugendheimen und
sonst gemacht wird. Ebenso steht fest, daß mit allen Mitteln sein Ver-
trieb an öffentlichen Büchereien, Schul- und Lehrer-
bibliotheken auch von behördlicher Seite .aus unterstützt wird. So-
gar über die Grenzen des Reiches hinaus, in Danzig, ist nach amtlichen,
dem Hl. Stuhl vorliegenden Mitteilungen durch Verfügung der zustän-
digen Senatsstelle die Einstellung dieses Buches in öffentlichen Biblio-
theken in die Wege geleitet worden, - wogegen der Diözesanbischof mit
Recht Protest erhoben hat.
322
Im Reiche selbst stellt sich somit folgende Lage heraus: Unter Dul-
dung, ja mit Unterstützung parteiamtlicher und Regierungsstellen wird
trotz des Konkordates und im Gegensatz zu ihm ein alle Vorstellungen
überschreitender Kampf gegen Glauben, Christentum und Kirche geführt.
Die Kirche selbst aber und die ihr treu ergebenen Kreise werden durch
die Maßnahmen der Regierung bzw. untergeordneter Stellen daran ge-
hindert, sich in wirlcsamer Weise in einer dem Umfang und der Wucht
des Angriffs entsprechenden Art zu verteidigen und ihre Mitglieder auf-
zuli:lären, obschon es im ureigenen Interesse des Staates gelegen wäre,
diesen unter .dem Deckmantel einer völkischen Religion auftretenden
Atlieismus vom deutschen Volk fernzuhalten, der, wenn auch un-
gewollt, eine geistige Wegbereitung zum Kommunismus in sich schließt."
Wenige Tage später,. am 11, Februar 1934, versuchte der Heilige
Stuhl neuerdings praktische
„Vorschläge betreffs Freiheit der katholischen
r ess e ,
und legte der Deutschen Reichsregierung nachfolgende Grundsätze
nahe:
„1. Die Deutsche Reichsregierung erkennt an, daß es unter den
deutschen Zeitungen Organe gibt, die das öffentliche Leben auch im
Lichte der katholischen Glaubens- und Sittenlehre betrachten.
Organe dieser Art sind berechtigt, diese ihre Eigenart in entspre-
chender Weise kenntlich zu machen.
2. Diese Organe, denen loyale Grundhaltung zum deutschen
Staat selbstverständlich Pflicht und Aufgabe ist, genießen dieselben
Rechte und Freiheiten wie die übrige staatlich anerkannte deutsche
Presse.
3. Diese Organe haben das Recht zur öffentlichen Darlegung
und Erklärung der dogmatischen und sittlichen Lehren und Grund-
sätze der katholischen Kirche und zu ihrer wirksamen Verteidigung
gegen irrige Darstellungen oder Angriffe von anderer Seite.
4. Diese Organe haben insonderheit das Recht, die Verlaut-
barungen des Hl. Stuhles und der deutschen bischöflichen Behörden
zu veröffentlichen.
■ 5. Die lehramtliche Beurteilung der religiös-sittlichen Haltung
von Zeitungen, Zeitschriften sowie des sonstigen Schrifttums ist
Sache der katholisch-kirchlichen Oberbehörden.
6. Glaubt die staatliche Behörde zur Beanstandung des Ver-
haltens eines Schriftleiters in kulturell-kirchlichem Bereich Ver-
anlassung zu haben, so wird sie den Fall der zuständigen geist-
lichen Behörde vorlegen, die bejahendenfalls die entsprechenden
Maßnahmen ergreifen wird.
^ 7. Die Mitarbeit des Klerus an der Presse unterliegt — neben
den einschlägigen Bestimmungen des kirchlichen Gesetzbuches —
den Vorschriften, die in Artikel 32 des Reichskonkordäts sowie in
dem zugehörigen Schlußprotokoll festgelegt sind.
323
8. Bei sogenannten Aufjagenachrichten, die sich auf das reli-
giös-kirchliche Gebiet beziehen, haben die Redaktionen der unter
Ziffer 1 gekennzeichneten Blätter das Recht, zu prüfen, ob die-
selben kirchlich anerkannten Grundsätzen entsprechen. Auf alle
P'älle steht den hier in Frage kommenden Organen frei, die Her-
kunft solcher Auflagen anzugeben."
Eine schlechte Eröffnungsbilanz:
Zu Beginn des Jahres 1936, nach 3 Jahren nationalsozialistischer
Herrschaft, zog der HI. Stuhl folgendes Fazit:
„Die katholische Tagespresse ist vernichtet und mit unwürdigen
Mitteln zur Hergabe ihrer Verlagsrechte gezwungen worden. Die
katholische Publizität steht unter einer gehässigen, den Angriff auf
die Kirche schützenden, die Verteidigung knebelnden Zensur. Hir-
tenbriefe der Bischöfe werden beschlagnahmt oder an der Verbrei-
tung gehindert.'"' (Note vom 29. Januar 1936.)
Keine Bevormundung der Auslandspresse!
In der gleichen Note weist der Hl. Stuhl mit allem Nachdruck
den Versuch der nationalsozialistischen Reichsregierung zurück, den
Vatikan verantwortlich zu machen für Kritiken, welche auslän-
dische katholische Blätter an Äußerungen, Verordnun-
gen, Geschehnissen, Gewalttätigkeiten, Ungerechtigkeiten, Devisen-
und Sittlichkeitsprozessen u. ä. des Dritten Reiches- übten.
„Eine Konkordatsbestimmung", die ihn zur Verhängung der
Zensur über außerhalb des deutschen Staatsgebietes . erscheinende
Zeitungen verpflichtete, ist dem Hl. Stuhl nicht geläufig. Er wäre der
deutschen Reichsregierung dankbar, wenn sie die rechtlichen Grundlagen
näher darlegen wollte, kraft deren er für den Inhalt solcher Blätter,
beispielsweise des in Holland erscheinenden Wochenblattes „D e r
Deutsche Weg", verantwortlich gemacht werden kann. Soviel be-
kannt ist, besteht in Holland Pressefreiheit. Der Versuch, holländische
Staatsbürger oder solche, die holländischen Gesetzen unterstehen, in dem
Genuß der ihnen zustehenden bürgerliehen Rechte zu behindern, und
zwar auf ein mit dem deutschen Reichskonkordat begründetes Ersuchen
einer fremden Macht hin, steht für den Hl. Stuhl außerhalb jeder mög-
lichen Erörterung.
Im übrigen ist ihm seitens der zuständigen Obern des Hochw. P.
E' r i e d r i c h M u c k e r m a n n auf Anfrage folgende verbindliche Er-
klärung abgegeben worden: ,.P. Muckermann ist weder Herausgeber noch
Schriftleiter der Wochenschrift ,Der Deutsche Weg', noch irgendwie für
sie verantwortlich. Es ist dem Pater von seinen Ordensobern streng ver-
boten, sich an dem Unternehmen zu beteiligen." Wie der Heilige Stuhl
die Unwahrheit und Roheit überall verurteilt, sei es in der deutsclien,
sei es in der nichtdeutschen Presse, so würde er selbstverständlich für
den Fall der Tatsächlichkeit von Verstößen dieser Art mit einer Miß-
billigung nicht zurückhalten.
Er weist jedoch auf einen doppelten Umstand hin, der in 'iesem Zu-
sammenhang sich der Erwägung aufdrängt. Die totale Vernich-
tung der katholischen Tagespresse in Deutschland,
die zwangsmäßig durchgeführte Gleichschaltung der
324
übrigen Presse in Verbindung mit der Unterdrückung
jeder Kritik in einzelnen, das Gewissen der gläubigen Christen ver-
letzenden Dingen innerhalb der deutschen Landesgrenzen hat augen-
scheinlich nach einem, der Jetzigen Staatsführung naturgemäß unan-
genehmen, aber natürlichen Gesetz diese Kritik und die in der Heimat
unmögliche Abwehr in andere Kanäle verdrängt. Diese Nebenprodul<;te
äußerer Gewalteinwirl^ung sind unvermeidlich. Selbst wenn der Heilige
Stuhl es rechtlich könnte, würde er faktisch nicht in der Lage sein, die
deutsche Reichsregierung von dieser gewiß peinlichen, aber auch zvir
Nachprüfung der getroffenen Zwangsmaßnahmen mahnenden Folge-
wirkung zu befreien."
„W er selbst im Glashaus sitzt, soll auf andere nicht
mitSteinenwerfen!"
Zum zweiten darf darauf hingewiesen werden, daß dieEmpfind-
samkeit der Reichsregierung gegenüber Beschimp-
-.f u n g e n durch die Presse dem Hl. Stuhl die Hoffnung gibt, daß sie in
Zukunft den gleichen Maßstab für andere gelten läßt.
Sie wird in Verwirlclichung dieses Grundsatzes ihre unbezweifelbare
Macht einsetzen, um der unter ihren Augen und ihrer Direk-
tivestehenden deutschen Presse, in erster Linie derjenigen,
welche parteiamtliche ist oder sich als besonders berufene Wortführerin
und Sinndeuterin nationalsozialistischen Denkens darstellt, die Fort-
setzung einer Haltung unmöglich zu machen, die mit normalen Beziehun-
gen zwischen Kirche und Staat, geschvs^ige denn mit einem Konkordats-
regime unvereinbar ist.
Wenn die Reichsregierung Wert darauf legt, Fälle „erstaunlicher
Sachunlcenntnis, aber desto stärkerer Überheblichkeit" (vgl. Note vom
18. Dezember v. J., Seite 13) kennenzulernen, so wird s\e bei der Nach-
prüfung auch nur der letzten Monate bis in die jüngsten Tage hinein ein
überreiches Material finden und feststellen müssen, daß die unter inten-
sivster Staatsaufsicht erscheinende, sich zum Nationalsozialismus be-
kennende Presse — einschließlich der diesen letzteren Umstand beson-
ders betonenden Blätter der verschiedenen kämpferischen Glaubens-
bzw Unglaubensbewegungen — in unterbrochener Serie die
Gefühle des katholischen Volkes aufs schmählichste
verletzen, dieEinricht^mgen der katholischen Kirche
in abstoßendster Weise verächtlich machen, die Ge-
schichte der katholischen Kirche in einer an Porno-
graphie grenzenden Form ungestraft verzerren und
besudeln, die Maßnahmen und Absichten auch des
gegenwärtigen Oberhauptes der Kirche, der zugleich ein
mit dem Deutschen Reich ,in freundschaf^ichen Beziehungen' (Proömium
des Reichskonkordates Absatz 1) stehender Souverän ist, in bös-
artigster und unwahrhaftigster Art mißdeuten und beschimp-
fen dar f, ohne daß — verschwindende, aber deshalb doch nicht un-
gewürdigte Fälle ausgenommen — die dazu berufenen deutschen Be-
hörden sich entschließen können, die ihnen straff unterstellte deutsche
Presse von diesen Niedrigkeiten und Roheiten zu befreien.
Wenn die deutsche Reichsregierung nach D u r c h f ü h r tt n g oder
wenigstens nach wirksamer und umfassender Inangriffnahme dieser
Reinigungsprozedur an den Hl. Stuhl heranträte, um mit ihm über die
Normalisierung der öffentlichen Presseauseinandersetzungen zu verhan-
deln, dann würde solcher Meinungsaustausch in einer ganz andei-en
Atmosphäre und unter ganz anderen Erfolgsaussichten stattfinden können.
Es liegt in der Natur der Sache, daß die Beendigung eines Kampf zustan-
des mit der Einstellung der Angriffe beginnen muß, nicht mit dem Ver-
zicht auf Verteidigung.
325
b) Beschwerden und Forderungen der deutschen Bischöfe.
Es müßte hier vieles wiederholt werden, was schon oben aus
Hirtenbriefen und Denkschriften der deutschen Bischöfe von ein-
zelnen Bischöfen in Predigten über Schikanen und Gewalttätig-
keiten gegen die katholische Presse gesagt worden ist. Wir wollen
nur einiges Wenige daraus wiederholen, z. B. was die bayerischen
Bischöfe in ihrem Hirtenbrief vom 5. Mai 1933 betonten:
„Der, Mißbrauch darf nicht zur Unterdrückung der freien
Meinung und des freien Wortes überhaupt führen, besonders auch
nicht in der Tagespresse. Die Wichtigkeit der katholischen Presse
wurde oft und von höchster Warte aus betont, daß wir sie jetzt
nicht im Stiche lassen dürfen."
Und ganz Deutschlands Bischöfe forderten einen Monat später
(Juni 1933):
„Soll die Kirche im neuen Staat ihre Freiheit genießen, so wird es
auch berechtigt sein müssen, eine katholische Presse zu be-
sitzen. Wir meinen damit jene, die mit den Tagesbotschaften den katho-
lischen Geist in die Seelen ihrer Leser leitet und die Ereignisse des
Menschenlebens und Weltgeschehms am Maßstab des Christentums mißt
und im Spiegel der Ewigkeit b^chaut. Die Kirche kann- auf
dieses modernste Seelsorgsmittel aufkeinen F a 11 ver-
zichten und muß dafür jenes Maß von Freiheit ver-
langen, das ihr eine segensreiche Wirksamkeit ermöglicht, wenn sie
nicht wahrnehmen will, daß sich die im gottesdienstlichen Leben ge-
sammelten und in den katholischen Organisationen vertieften Kenntnisse
und Entsdiließungen in der Flut einer religiös üxibestimmten Tagespresse
verwässern."
Aus dem Hirtenbrief vom 20. August 1935:
„. . . Nun versteht Ihr, geliebte Diözesanen, warum wir Bischöfe auch
nicht gestatten dürfen, Zeitungen und Bücher zu lesen und
Versammlungen zu besuchen, in denen unser Glaube und unsere Kirche
geschmäht und Gotteslästerungen gegen alles, was dem religiösen Men-
schen heilig ist, ausgestoßen werden. Nicht jeder erkennt sofort, wieviel
Irrtum hinter diesen Worten steckt, und mancher wurde durch das Lesen
solcher Zeitungen und durch den Besuch solcher Versammlungen vom
Glauben an Christus und seine Kirche abgezogen oder wenigstens in
seiner Glaubensfreude erschüttert. Auf der anderen Seite ist es doppelt
geboten, die kirchlichen Predigten zu besuchen und anzuhören. ,Wie
kann man an Gott glauben, wenn man nichts von ihm gehört hat' (Rom.
10,14) und aus anderen Quellen der religiösen Fortbildung zu schöpfen.
Außerhalb der Kirche dürfen zur Zeit Versammlungen mit religiösen
Vorträgen nicht mehr gehalten werden. Die Freiheit der Presse
ist, was wir mit tiefem Schmerz feststellen, so weit eingeschränkt, daß
die früher katholischen Zeitungen religiöse Artikel nicht mehr
bringen dürfen und zuweilen zur Aufnahme von Artikeln
gezwungen werden, die den katholischen Leser verletzen. Da ist
es zum Ersatz doppelt notwendig, zu Hause treuer als sonst im heiligen
Evangelium zu lesen, um dem Heiland innerlich nahe zu bleiben und
fleißiger als sonät die kirchlichen Predigten zu besuchen. Ihr müßt ge-
rüstet sein, über Euren Glauben Rede und Antwort zu geben. ,Legt die
Rüstung Gottes an'!"
326
In der
Denkschrift an Hitler selbst
im August 1935 erheben die deutschen Bischöfe mehrfach ernste
Vorstellungen gegen die Knechtung der Presse, besonders der kirch-
lichen Presse:
„Im Zusammenhang mit den Fragen der sitt-
lichen Freiheit erheben die Bischöfe einmütig
Einspruch gegen die Diktatur der Geheimen
Staatspolizei, die fortwährend Bistums blätter
und religiöse Drucke in Buchform beschlag-
nahmt, Seelsorgsbriefe unter die verbotenen
Flugblätter rechnet .u,nd die persönliche Frei-
he^it der religiösen Schriftsteller in einer Weise
einschränkt, dieeines Kulturvolkesnicht würdig
ist . . ."
c) Kampf um Artikel 4 des Reichskonkordates.
Nebst Artikel 31 gehörte wohl Artikel 4 des Reichskonkordates
zu den meistumstrittenen Punkten dieser „feierlichen- Überein-
kunft" zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich,
Der Artikel lautete: ;
. „Der Heilige Stuhl genießt in seinem Verkehr und seiner Korrespon-
denz mit den Bischöfen, dem Klerus und den übrigen Angehörigen der
katholischen Kirche in Deutschland volle Freiheit. Dasselbe gilt für die
Bischöfe und sonstigen Diözesanbehörden für ihren Verkehr mit den
Gläubigen in allen Angelegenheiten ihres Hirtenamtes.
Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter
und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen' betreffende Ver-
fügungen, die von den kirchlichen Behörden im Rahmen ihrer Zustän-
digkeit (Artikel 1, Absatz 2) erlassen werden, können ungehindert ver-
öffentlicht und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der Gläu-
bigen gebracht werden."
Das war eine der gefährlichen
„Nietstellen**
des Reichskonkordates. Die kleine einschränkende Beifügung in
Absatz 2: ,,im Rahmen ihrer Zuständigkeit" fand im
Zusammenhang mit dem Klammerzusatz (Art. 1, Abs. 2) eine
solche Auslegung, Ausweitung und Ausführung durch Reichs-
regierung, Partei und Gestapo, daß praktisch fast alle Zugeständ-
nisse des ganzen Artikels 4 aufgehoben wurden.
Artikel 1, Absatz 2, anerkannte ja bloß „das Recht der katho-
lischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle
geltenden Gesetzes ihre Angelegenheiten selbständig zu
ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zustän-
digkeit für ihre Mitgliedef" bindende Gesetze und Anordnungen
zu erlassen."
327
„Innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes" und
„im Rcihmen ihrer Zuständigkeit": das waren die zwei Handfesseln,
mit welchen man die kirchliche Bewegungsfreiheit immer wieder
einzuschränken suchte.
War beispielsweise ,,ein für alle geltendes Gesetz", daß das
Briefgeheimnis aufgehoben sei, so galt dies nach national-
sozialistischer Auffassung und Vertragsauslegung a u ch für den
Verkehr und die Korrespondenz der Bischöfe und
Gläubigen mit dem Hl. Stuhl. Es wurden darum trotz
Absatzes 1 des Artikels 4 alle amtlichen Schreiben des Bischofs
von Würzburg auf seiner Reise nach Rom im Jahre 1938 an der
Gienze kontrolliert und photokopiert.
Ebenso wurden die amtlichen Schreiben der bischöf-
lichen Behörden an vSeelsorger und Gläubige unter Beobach-
tung gestellt, Hirtenbriefe und amtliche Diözesanblätter mit der
Zeit beinahe ebenso streng der polizeilichen Zensur unterworfen
wie Tageszeitungen und Zeitschriften, Weil es eben in Deutschland
„für alle geltendes Gesetz" war, daß es keine Pressefreiheit gab. ■
Ein Flugblattverbot konnte zwar für Partei, deutsche
Schulgemeinde usw. eine Ausnalime zulassen, war aber sonst so
sehr ein ,,für alle geltendes Gesetz", daß es auch keine ,,Seel-
sorgsb riefe" zuließ, auch wenn sie von den kirchlichen
Behörden (Ordinariat oder Pfarramt) ,,im Rahmen ihrer
Zuständigkeit" zur „pflichtmäßigen Verkündigung und Er-
läuterung der dogmatischen und sittlichen Lehren und Grundsätze"''
der Kirche" (siehe Schlußprotokoll des Reichskonkordates zu
Art. 32) und „in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der
Gläubigen gebracht wurden."
„Gegen diese Vertragsumdeutung, Vertrags-
umgehung, Vertragsaushöhlung, schließlich mehr oder
minder öffentliche Vertragsverletzung" (Enzyklika ,,Mit
brennender Sorge", Einleitung) führten nebst dem Hl. Stuhl die
Bischöfe ganz Deutschlands einen zähen und entschlossenen Kampf.
Sie wehrten sich insbesonders gegen die rechtswidrige B e -
sc'hlagnahme von bischöflichen Amtsblättern
und Bischofspredigten, aber auch gegen das Verbot
religiöser Flugschriften und Werbeblätter, wie gegen
die Knechtung und Fesselung ihrer Bistumsblätter in der elemen-
tarsten Darlegung und Verteidigung ,,der dogmatischen und sitt-
lichen Lehren und Grundsätze der Kirche",
C!
aa) Kampf gegen die rechtswidrige Beschlag-
nahme von bischöflichen Amtsblättern und
Bischofspredigten
Als imi Juni 1936 die Predigt von Kardinal Faulhaber: ,,Der
Glaube, ein dreifacher Segen" samt dem Amtsblatt, dem der
Predigtabdruck als Beilage beigefügt war, polizeilich ,,sicher-
328
gestellt" wurde, wandte sich das Erzbischöfliche Ordinariat
München mit nachfolgendem energischen Protest an das Reichs-
kirchenministerium, der wiederum nur als ein Beispiel für viele
ähnliche Schritte bischöflicher Stellen wiedergegeben sei:
G.V. 6097
Das Ordinariat des Erzbistums München, den 15. Juni 1936
München und Freising Pfandhausstr. 1
An das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten
in Berlin, Leipziger Straße 3.
Betreff : Polizeiliche Sicherstellung des Amtsblattes Nummer 16.
Am 13. ds, wurde Amtsblatt Nr. 16 der Erdzdiözese München und
Freising samt der Beilage sowie ein Sonderdruck dieser Beilage durch
die Polizeidirektion München sichergestellt. Wir gestatten uns, Amts-
blatt und Beilage anzufügen.
Wir erheben Einspruch gegen diese neuerliche
Verletzung des Art. 4 des Reichs konkordats und der im
Schlußprotoltoll des Reichs l^onliordats zu Art. 32
gegebenen Zusicherung.
Eine schriftliche Begründung der Sicherstellung ist uns bis jetzt
von der Polizeidirektion München noch nicht zugegangen. In einer per-
sönlichen Unterredung von zwei Vertretern unseres Ordinariats mit dem
Herrn Polizeipräsidenten Friedrich Karl Freiherrn von Eberstein
wurden hauptsächlich nachfolgende Stellen der Kardinalspredigt vom
7. Juni beanstandet, denen wir einige kurze Erläuterungen beifügen
wollen.
1. „Es ist das Schlagwort gefallen: Jugend wird nur
von Jugend erzöge n."
Wir glauben besondere Ausführungen über die Haltlosigl^eit dieses
Schlagwortes uns wirklich ersparen zu können. Jeder Pädagoge wird
diesen Satz ablehnen, wenn anders sein Name ernst genommen werden
soll. Se. Eminenz selbst Iiat mit wenigen Worten die Zurückweisung
dieses Schlagwortes begründet: ,
„Jugenderziehung ist Jugendführung; Jugendführung aber setzt, wie
jede Führung,, ein geistiges Ütaerlegensein, eine Autorität voraus. Un-
reife Icann nur von Reife überwunden werden."
2. „Ich weiß, es liegt wie ein schweizer Druck auf eurer Seele, die Er-
innerung an die gewalttätige Art, wie bei der letzten Schulein-
schreibung in. München die Eltern sogar mit wirt-
schaftlichen Drohungen von der Bekenntnisschule zur Ge-
meinschaftsschule gedrängt wurden. Zuweilen in einer Weise, daß man
von einer Freiheit des Elternwillens nicht mehr sprechen konnte" usw.
Wir verweisen zur Beleuchtung dieser Worte
a) auf das Schreiben vom 20. 3. 1936 und die Denkschrift gleichen Da-
tums über die Bekämpfung der katholischen Bekenntnisschule in
München. Wir legen beides noch einmal bei;
b) auf beiliegende Ataschrift eines Fragebogens des RDB (Reichsbund
der Deutschen Beamten);
c) auf ein fast unglaubliches Vorkommnis in allerletzter Zeit: Ein
Famihenvater hatte nach 4 Jahren Arbeitslosigkeit zu Anfang d. J.
Anstellung in einem staatlichen Betrieb in München gefunden. Vor
wenigen Tagen erhielt er , einen eingeschriebenen Brief, mit wel-
chem ihm die fristlose Entlassung mitgeteilt wurde, weil „die Kreis-
leitung der NSDAP gegen seine Verwendung Bedenken politischer
. Kreuz und Hakenkreuz 22 Bd. 11 229
Art habe". Als er dann zum Ortsgruppenführer der NSDAP ging,
um zu fragen, welche politischen Bedenken die Kreisleitung gegen
ihn habe, wurde ihm als Grund angegeben, „daß er seine drei
Kinder bei der Konfessionsschule habe einschrei-
ben lassen. Wenn er sich schriftlich verpflichte, seine Kinder
nächstes Jahr in die Gemeinschaftsschule zu schicken, könne viel-
leicht die Scharte wieder ausgewetzt werden";
d) auf die Tatsache, daß die Ankündigung des Abbaues von 600 klö-
sterlichen Lehrerinnen in diesem Jahr und von sämtlichen klöster-
lichen Lehrerinnen im Laufe der Zeit, in einer öffentlichen Ver-
sammlung und in Gegenwart der Schulschwestern selbst geschah,
ohne daß es für nötig befunden worden wäre, vorher mit den
kirchlichen Stellen oder den Ordensobern auch nur mit einem
Worte in Verbindung zu treten; daß weiterhin über die Konkor-
/ datssicherungen von Artikel 5, § 7 Bayer. K. bzw. Art. 25, Abs. 2
RK. sowie über die Vorschrift des Art. 24 des Bayerischen Schul-
bedarfsgesetzes, wonach eine Abberufung klösterlicher Lehrkräfte
nur mit Zustimmung der Mehrheit der Erziehungsberechtigten ge-
schehen könne, einfach hinweggegangen wird, als wenn sie gar
nicht mehr bestünden.
Ist da die von Eminenz erwähnte „Frage des Volkes" nicht be-
greiflich: „Sind denn wir Katholiken rechtlos und
vogelfrei?" Wie der in Art. 24 des Bayerischen Schulbedarf s-
gesetzes angezogene Wille der Erziehungsberechtigten tatsächlich
ausschaut, zeigt die Unterschriftensammlung, welche sämtliche Er-
ziehungsberechtigte in Glonn (Obb.) aus eigener Initiative für die
Beibehaltung der klösterlichen Lehrkräfte machten. Sie ergab
unseres Wissens 100 Prozent.
Zum Verständnis der im Volk oft gehörten Frage: „Sind denn
wir Katholiken rechtlos und vogelfrei?" gestatten wir uns noch
auf folgende Tatsachen hinzuweisen:
aa) Auf die gerade i n M ü n c hen so häufige Beschlag-
nahme des bischöflichen Amtsblattes, selbst ob
Abdrucks von gemeinsamen Hirtenworten, die in anderen
Amtsblättern ohne jede Beanstandung erscheinen dürfen. .
bb) Auf die wiederholte Beschlagnahme der Münchener
Katholischen Kirchenzeitung aus ganz gering-
fügigen Ursachen, z. B. ob des einen Satzes in Nr. 10 vom
8. März 1936: „In diesem Zusammenhang möchten wir hin-
weisen, daß gerade in den letzten Wochen .eine Legion' An-
griffe gegen unsei'en vielgeliebten Oberhirten erfolgt sind";
dabei ist es eine unwiderlegbare Tatsache, daß gerade auch
in jener Zeit in Versammlungen und in der Presse schwerste
Angriife gegen den Herrn Kardinal erfolgt sind. Den Katho-
liken ist also nicht einmal die Konstatierung einer solchen Tat-
sache erlaubt. Ähnlich verhält es sich mit der Beschlagnahme
der Kirchenzeitung wegen Artikel, die in ganz Deutschland
ungehindert abgedruckt werden durften (z. B. Nr. 28 vom
14. Juli 1935, wegen des Artikels „Westfälischer Gradsinn").
Das Volk stellt dieser außerordentlich strengen Zensur von
bischöflichen Anitsblättern und Kirchenzeitungen die fast un-
beschränkte Freiheit gegenüber, mit welcher Blätter vom
Schlage des „Durchbruch", „Die Stimme", „Nordland", „Der
Blitz", „Der romfreie Katholik", aber auch „Der SA-Mann",
„Das Schwarze Korps", „Die Bewegung", „Die HJ" usw. die
schwersten Angriffe gegen Papsttum, Bischöfe, religiöse Ein-
richtungen der katholischen Kirche usw. schreiben dürfen. Wir
sind jederzeit in der Lage, dafür Beweise zu erbringen, waren
330
auch schon wiederholt gezwungen, darob an das Reichs-
ministerium zu schreiben.
cc) Auf di? vielfach, ohne Angabe von Gründen erfolgte Be-
schlagnahme von religiösen Broschüren in
Bücherständen der katholischen Kirchen Münchens, z. B. am
11. Mai d. J. die Beschlagnahme von Schriften aus der Samm-
lung „Katholische Volksschriften zu Tagesfragen" (Saarbrücker
Druckerei und Verlag). Darunter ist z. B. das Schriftchen „Was
beweisen die Sünden der Päpste?" Das Volk vergleicht wiede-
rum die Unterdrückung dieser katholischen Verteidigungs-
schrift mit der Duldung der gemeinsten Angriffe auf das Papst-
tum in verschiedenen Wochenzeitschriften und ganz besonders
mit der Duldung des „Pfaffenspiegels" von Corvin, der im.
Reichsbahn-Ausbesserungswerk München-Freimann auf einem
Plakat sogar auf gleiche Stufe mit dem Werk des Führers
„Mein Kampf" gestellt wurde und durch den Aufdruck des
Stempels „Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahn-Aus-
besserungswerk München-Freimann" auch eine Art amtliche
Empfehlung erhielt.
„Die Aufpeitscher der öffentlichen Meinung aber
seien an das Evangelium erinnert, wo Christus auch
einmal als Richter in einer Freveltat gegen das
6. Gebot angerufen wurd e."
Wir wissen recht wohl, daß die Tageszeitungen im großen und
ganzen sich an die offenbar vorhandene Weisung höherer Stellen
halten, aus den Prozessen, die zur Zeit in Koblenz stattfinden, keine
Sensation zu machen und sie besonders nicht zu Angriffen allgemeiner
Art auszunützen. Aber es wirkt schon die ungewöhnlich ausführliche
Berichte^rstattung aufpeitschend. Außerdem möchten wir auf folgende
Tatsachen hinweisen:
a) Für sonstige Gerichtsverhandlungen besteht seit Jahr und Tag die
Vorschrift, daß der Stand des Delinquenten nicht angegeben
werden darf, damit nicht aus dem Vergehen eines einzelnen ein
Schatten auf seinen ganzen Stand falle.
Das Volk fragt: „Warum macht die Presse nur bei Vergehen des
Klerus eine Ausnahme von diesem Verbot?"
b) Einzelne Blätter benützten tatsächlich die betrüblichen Vorfälle
zum Aufpeitschen der öffentlichen Meinung und auch zu allgemei-
nen Angriffen auf die katholische Kirche und die katholische
Moral. Z. B. überschreibt das Kampfblatt „Durchbruch", Folge 23
vom 5. 6. 36, einen Artikel auf der 1. Seite mit „Römische Sittlich-
keit" und schreibt u. a. folgende Stellen:
„Und was wird in dieser Zahl noch nicht erfaßt sein? Und wie
wird es in all den anderen über 100 Orden und ordensähnlichen
Gebilden aussehen? Und wie in dem Treiben der zölifcstären
römischgläubigen Priesterschaft überhaupt?"
„Denn das ist es, was wir uns immer wieder im Zusammenhang mit
dem Aufgehen solcher Eiterbeulen vergegenwärtigen müssen: es
handelt sich in diesen und ähnlichen Prozessen nicht um Einzel-
erscheinungen, um Fehltaten, wie sie vom einzelnen immer mög-
lich sind, sondern eben um die volkszersetzenden Auswirkungen
einer Glaubenslehre, die in ihren Grundanschauungen, ja sogar in
dem, was sie als ihre ,Moral' ausgibt, nichts als Unmoral ist,
jedenfalls für germanisches Moralgefühl."
„Deutsche Vollendung hat darum dieses zu ihrer Voraussetzung:
1. daßdasChristent umradikal — bisandieWiir-
zel gehend — überwunden werde und
331
2. daß deutsche Sittlichkeit voll ins Bewußtsein der deutschen
Menschen trete!"
c) Der „Blitz" Nr. 24 vom 14. 6. 36 stellt die Frage: „Entgleisungen
einzelner Priester und Brüder? Das steht fest: Käme alles das ans
klare Licht des Tages, was auf das Konto der von der Romkirche
als besonders verdienstvoll hingestellten Ehelosigkeit der Priester,
Mönche und Nonnen zu setzen ist, ein Schrei des tiefsten Ab-
scheues und grausigsten Entsetzens ginge durch die Welt und
machte dem naturwidrigen Spuk schnell ein Ende."
„Das Schwarze Korps", 24. Folge vom 11. 6. 36, bringt eine häß-
liche Karikatur von Franziskanern mit sarkastischer Unterschrift
und entsprechendem Text.
4. „Im einfachen Volk fragt man, ob denn in anderen
Schichten unseres Volkes lauter sittliche Muster-
knaben seie n."
Es ist Tatsache, daß das Volk diese Frage sehr oft stellt; denn das
Volk weiß recht wohl, daß auch in anderen Kreisen allerhand Ver-
fehlungen vorkommen, ohne daß die Presse auch nur ein Wort dar-
über veröffentlichen darf. Wir könnten dafür Beispiele anführen.
5. „U n d jetzt konnte man an den Straßenecken in
großen Buchstaben am Kopf der Zeitung lesen: ,Sie
beten um Hitlers Tod!' Wir fühlen uns beleidigt
durcli diese Verdächtigung unserer Staatsgesin-
n u n g."
Darauf haben wir nur zu antworten: Es wäre traurig, wenn wir uns
durch eine solche Verdächtigung nicht beleidigt fühlten. Wir müssen es
mit aller Entschiedenheit ablehnen, daß man uns in den Schuh schiebt,
was irgendein uns vollständig unbekannter Ausländer schreibt. Welches
Gebet wir für den Führer verrichten, ist nach jedem Sonntags-Gottes-
dienst in jeder Pfarrkirche Deutschlands zu hören, wie es auch Eminenz
bei der Predigt selbst gezeigt hat.
Wir finden darum auch keinen gerechten Grund zu einer Sicher-
stellung oder gar Beschlagnahme des Predigtabdruckes Sr. Eminenz und
möchten darum die baldigste Freigabe desselben erwarten.
Wie man dazu kommen konnte, auch das Amtsblatt Nr. 16, das nur
Erlasse von kirchlicher Natur enthält, sicherzustellen, ist uns ganz un-
erfindlich. Wird die Freigabe verweigert, so sehen wir uns gezwungen,
die Angelegenheit als einen Konkordatsfall grundsätzlicher Natur zur
Vorbescheidung an die Kontrahenten des RK weiterzuleiten.
gez. Euchwieser
General Vikar
In Abschrift
an die Polizeidirektion in München.
gez.: Thalhammer.
bb) Kampf gegen Verbot und Beschlagnahme
religiöser Flugschriften und Seeiso rgsbriefe
Ebenfalls nur als Beispiel zähen kirchlichen Widerstandes gegen
nationalsozialistische Presseknechtung sei ausführlich der Schrift-
wechsel zwischen dem Erzbischöflichen Ordinariat München und
Regierungsstellen bez. des Verbotes religiöser Flug- und Werbe-
schriften bekanntgegeben, wie er am 2. Mai 1936 dem gesamten
Diözesanklerus mitgeteilt wurde.
332
Das Ordinariat des Erzbistums
München und Freising.
An das
Mühchen, den 30. März 1935.
Reichsministerium des Innern
Berlin.
B e t r e f i: : Verbot rein religiöser Flugschriftverteilung.
Die Expositur Kirchseeon bei München hat ab 7. April gemäß can.
1349 CIC eine sogenannte „Volksmission" (religiöse Woche für den gan-
zen Seelsorgsbezirk) durch Redemptoristenpatres. Zur Vorbereitung der-
selben wollte der Expositus, wie es seit Jahrzehnten üblich ist, beiliegen-
den „Missionsboten" in die Häuser der Katholilcen seiner Expositur
tragen lassen und erbat sich hierfür die Erlaubnis des Bezirksamtes
Ebersberg gemäß § 2 der Bayerischen Ministerialverordnung vom 8.5.29:
„Plal<;ate, Flugblätter und Flugschriften sind mindestens 24 Stun-
den, ehe sie an vind auf öffentlichen Wegen,- Straßen und Plätzen an-
geschlagen, ausgestellt, verbreitet oder sonst der Öffentlichiveit zu-
gänglich gemacht werden, der Bezirkspolizeibehörde, in Städten mit
Polizeidirektionen der Polizeidirektion zur Kenntnisnahme vorzulegen."
Das Bezirksamt antwortete hierauf:
„Eine Verteilung der ,Werbeblätter zur Volksmission' auf öffent-
lichen Wegen oder Plätzen oder von Haus zu Haus kann nicht ge-
stattet werden."
Auf Ersuchen des Herrn Expositus rief das Erzbischöfliche Ordi-
nariat beim Bezirksamt Ebersberg an und bat um Auskunft, warum der
anderswo, z. B. in München, nicht beanstandete „Missionsbote" in seinem
Bezirk nicht verteilt werden dürfe. Herr Otaerregierungsrat Kummer
erklärte, daß nicht der Inhalt des „Missionsboten" Grund zur Beanstan-
dung gegeben hätte, sondern daß eine Anordnung der Bayer. Polit. Poli-
zei vom 6. 4. 34 jegliche Verteilung von Flugblättern auf öffentlichen
Plätzen oder von Haus zu Haus verbietet. Die Bayer. Polit. Polizei (Ober-
inspektor Schmeling), die daraufhin von uns sofort angerufen wurde,
gab die Auskunft, daß das Verbot auf eine Weisung der Geheimen
Staatspolizei von Berlin zurückgehe. Auf den Einwand, daß der uns be-
kannte Erlaß der Bayer. Polit. Polizei vom 14. 11. 34 doch nur das Ver-
teilen von Flugblättern politischen oder kirchenpolitischen Inhalts ver-
biete, wurde geantwortet: Der Inhalt spiele keine Rolle; jegliche Art von
Flugblättern sei untersagt.
Es erheben sich nun folgende Fragen:
1. Besteht tatsächlich ein von der Geheimen Staatspolizei Berlin er-
lassenes allgemeines Verbot für die Verteilung jeglicher Art von Flug-
blättern auf öffentlichen Wegen oder Plätzen oder von Haus zu Haus,
ohne jede Rücksicht auf ihren Inhalt und ohne die Möglichkeit, in
• Rücksicht auf die Unbeanstandbarkeit des Inhalts und des Zweckes ~
von der Polizei auf Antrag die Erlaubnis zu bekommen?
2. Will ein evtl. allgemeines Flugblattverbot tatsächlich auch die aus
rein seelsorglichen Gründen von amtlicher Seite angeordnete Ver-
breitung einer rein religiösen- Druckschrift, wie es der fragliche
„Missionsbote" ist, einbezogen haben?
3. Wenn nach der ständigen Praxis und nach wiederholt mündlichen
Erklärungen der Politischen Polizei und nach ihrer Verfügung vom
14. November 1934 von einem solchen Flugblattverbot „die Druck-
schriften, die von staatlichen oder Parteidienststellen verbreitet wer-
den" ausgenommen sind, ist dann ein Verbot von kirclilichen Flug-
blättern mit dem Reichskonkordat, Abs. 2, Art. 1, vereinbar? Das hielt
333
der Kirche zuerkannte „Recht, innerhalb der Grenzen des für alle
geltenden Gesetzes ihre Angelegenheiten zu ordnen", schließt unseres
Erachtens ein Ausnahms- oder Verbotsgesetz aus, welches die katho-
lische Kirche schlechter stellt als andere juristische Personen.
Da die Volksmission in Kirchseeon bereits am 7. April beginnt, die
Einladung und Aufmunterung der Katholiken, gerade auch der am Sonn-
tag nicht in die Kirchen kommenden Katholiken, zur Teilnahme an der
Volksmission unbedingt in den nächsten Tagen erfolgen muß, wären wir
dem hohen Reichsministerium für eine umgehende Auskunft und evtl.
Weisung an das Bayerische Staatsministerlum des Innern sehr verbunden.
gez.: Buchwieser, jGen.-Vic.
IIa
Polizeidirektion München München 6, den 18. Februar 1936
Gegen Pöatzustellungsurkunde!
An den Verlag P. Scherzi, München, Kaulbachstraße 47.
Betreff: Polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung.
Beschluß
Tm Verlag P. Scherzi sollte eine als Flugblatt gedachte Druck-
schrift „Missionsbote Nr. 3" herausgegeben werden. Die Verbreitung
von Flugblättern wird grundsätzlich nicht mehr gestattet. Gemäß § 7
der VO. vom 4. 2. 33 ist daher die Druckschrift „Missionsbote" Nr. 3
sowie die ebenfalls als Flugblatt gedachte Druckschrift; „Wer hilft?
Missionsbote der iledemptoristen (3)", die sich inhaltlich mit dem „Mis-
sionsboten Nr. 3" deckt, zu beschlagnahmen.
I. A. gez.: Mayr.
Bemerkung des Erzbischoflichen Ordinariates:
Mündlich war die Beschlagnahme bereits am 13. Februar durch zwei
Beamte der Polizei ausgesprochen worden.
.IIb
G. V. 1283 München, den 14. Februar 1936
Das .Ordinariat des Erzbistums
München und Freising
An das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten
Berlin
Leipziger Straße 3.
Betreff: Verbot rein religiöser Flugschriftenverteilung.
Am 30. März 1935 richteten wir beiliegendes Schreiben an das Reichs-
ministerium des Innern, bekamen aber, wohl infolge der Übernahme der
kirchlichen Angelegenheiten durch das neue Reichsministerium, keine
Antwort.
Da nunmehr die angeschnittene Frage wiederum sehr akut geworden,
speziell in Hinsicht auf die Vorbereitung von Volksmissionen in mehre-
ren Stadtpfarreien Münchens für März ds. Js. und die vorläufige Ein-
ziehung des „Missionsboten Nr. 3" In der Stödtpf arrei St. Rupert, Mün-
chen, bitten wir um beschleunigte Prüfung und Entscheidung der An-
gelegenheit.
334
Wir möchten in besonderer Weise noch auf nachfolgende Punkte hin-
weisen:
.1. In großen Stadtpfarreien von 20 000 bis 25 000 Seelen ist eine Benach-
richtigung sämtlicher Pfarrangehöriger nur durch Seelsorgerbrief oder"
Flugschrift möglich.
2, Die Vorbereitung und Einladung zu den „Volksmissionen", die nach
can, 1340 CIC in sämtlichen Pfarreien wenigstens alle 10 Jahre ab-
zuhalten sind, geschieht seit Jahrzehnten durch Verteilung eigenef
Flugschriften in sämtlichen katholischen Familien, gehört also gewiß
zu „den bisher üblichen Formen", in welchen kirchliche Behörden —
in diesem Falle Pfarrämter — im Rahmen ihrer Zuständigkeit „eine
die geliStliche Leitung der Gläubigen betreffende Verfügung zur Kennt-
nis der Gläubigen bringen" (Reichskonkordat Art. 4, Abs. 2). — Eine
Behinderung dieser üblichen Benachrichtigungsform würde, insbeson"
derä ih der Gt-oßstadt, eine ganz wesentliche Behinderung der gesam-
ten Seelsorge bedeuten.
3. Eine inhaltliche Beanstandung des „Missionsboten Nr. 3" steht
nach den bisher gewordenen Informationen nicht in Frage. Wir legeil
ein Exemplar desselben zur gefälligen Einsichtnahme bei.
gez.: Buch wieser, Gen.- Vikar.
Illa
Einladung des katholischen Pfarramtes St. Bonifaz München an die
Frauen der Stadtpfarrei zu einer Abendandacht auf 13X21 cm großen,
hektographierten Zetteln:
Kath. Frauenund Mütter derPfarrei St. Bonifaz!
Euer Seelsorger lädt Euch alle herzlich ein zu einem großen
Frauenabehd in unserer Pfarrei, der am 2 7. Febr. 1936,
abends 7. 3 Uhr, in der Basilika stattfindet.
1. Predigt: „Die Frau im Leben der Pfarrei" (P. L. Rid).
2, Segensandacht.
Recht viele Frauen hofft an diesem Abend zu sehen
gez.: Ludger Rid O. S- B.
Stadtpfarrer und geistl. Rat.
Bitte: Für den am Freitag, den 28. Febr., abends 7,30 Uhr,
stattfindenden Männerabend wird nicht schriftlich eingeladen.
Die Frauen werden gebeten, die Männer darauf aufmerksam zu
machen.
Hersteller: Pfarrkanzlei St. Bonifaz.
Illb
Polizeidirektion München München 6, den 3. März 1936
Fernsprecher 1 43 21 Ettstraße 2.
Gegen Postzu stell ungsürkunde.
An das Katholische Pfarramt St. Bonifaz, München, Karlstr. 34.
Betreff: Polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung.
Beschluß
Das von der Pfarrkanzlei St. Bonifaz hergestellte Flugblatt an die
katholischen Frauen und Mütter der Pfarrei St. Bonifaz zur Teilnahme
335
an einem Frauenabend am 27. Februar 1936 wird auf Grund § 7 der VO.
vom 4. 2. 33 polizeilich beschlagnahmt und eingezogen, weil jede Flug-
blattpropaganda grundsätzlich verboten ist.
I. A. gez.: Mayr.
IIIc
Das Ordinariat des Erzbistums München, den 27. Februar 193Ö
München und Freising
An das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten
Berlin, Leipziger Straiße 3.
Betreff: Verbot rein religiöser Druckschriften und gottesdienstlicher
Bekanntmachungen von PfaxTämtern an ihre Pfarrangehörigen.
Mit Schreiben GV. 1283 vom 14. ds. erhoben wir unter Beilage einer
unter dem 30. März 1935 an das Reichsministerium gerichteten Anfrage
" Vorstellung gegen die Anwendung eines „Flugblatf'-Verbotes der Baye-
rischen Politischen Polizei vom 6. 4. 34 auf rein ;L-eligiös-pastorelle Druck-
schriften oder sogar bloße gottesdienstliche Bekanntmachungen I<;irch-
licher Behörden an die ihrer geistlichen Leitung unterstehenden Kon-
fessionsangehörigen. Die erwähnte Verordnung Icennt nvir -Ausnahmen
für Flugblätter von Staats- und Parteistellen.
Es sind zwar seit unserer Anfrage erst zwölf Tage verflossen, aber
die Verhältnisse zwingen uns, das Reichsministerium neuerdings um be-
schleunigte Prüfung der Angelegenlieit zu bitten. Die Schwierigkeiten
häufen und steigern sich ja von Tag zu Tag.
Heute wurde von der Polizeidirektion Mühchen eine bloße Einladung
des Stadtpfarramtes St. Bonifaz an die Frauen der Stadtpfarrei zu einer
Standespredigt, die durch Vertrauenspersonen persönlich unter Kuvert
zugestellt wurde, als unerlaubt erl^ilärt und beschlagnahmt.
Das Stadtpfai'ramt St. Rupert, München, dessen „Missionsbote Nr. ,3"
gemäß unserer Mitteilung vom 14. ds. beschlagnahmt wurde, ist in größ-
ter Verlegenheit, wie es die bereits am 22. März zu beginnende Volks-
mission den Pfarrangeliörigen zur Kenntnis bringen soll. Eine Verschie-
bung der Volksmission ist aber unmöglich, weil die hierfür bestimmten
Patres für die "kommenden Monate längstens für andere Pfarreien be-
stellt sind. Es besteht also nach Aussage des Missionsleiters Gefahr, daß
die von dem Pfarrklerus seit Monaten mit viel Mühe und mancherlei
Kosten vorbereitete Volksmission direkt ausfallen muß und eine strenge
Vorschrift des Ivirchlichen Rechtes (can. 1349) wegen polizeilicher Be-
hinderung ihrer Bekanntmachung nicht erfüllt werden kann.
So sei uns die erneute Bitte um raschestes Eingreifen des Reichs-
ministeriums gestattet.
Zur vollen Beleuchtung der Sache 'stellen wir als wichtigste Punkte
zusammen:
1. In Frage steht nicht die öffentliche Verteilung von wirklichen
Flugblättern an die Allgemeinheit auf Straßen und auf öffentlichen
Plätzen, sondern lediglich die Zustellung seelsorgerlicher Drucicschriften
oder Bekanntmachungen an einen geschlossenen Personenkreis (Katho-
liken) innerhalb eines genau umgrenzten Bezirkes (Pfarrei).
2. Die Übermittlung geschieht entweder durch die Post oder durch
Vertrauenspersonen, sei es mit adressierten Kuverts oder auf Grund
einer Liste, die nur die katholischen Pfarrangehörigen der einzelnen
Häuser angibt.
336
3. Der Inhalt der Druckschriften oder Vervielfältigungen ist rein
religiös-pastorell, sei es eine religiöse Belehrung oder gottesdienstliche
Bekanntmachung.
4. Die Mitteilungen werden „von den kirchlichen Behörden (erz-
bischöfl. Ordinariat oder Pfarramt) im Rahmen ihrer Zuständigkeit er-
lassen" (Abs. 2 des Art. 4 des RK).
5. Diese gedi'uckten oder vervielfältigten diözesanen oder pfarramtlichen
Belehrungen und Bekannimachungen .gehören zu „den bisher üblichen
Formen", in welchen Verfügungen kirchlicher Behörden den Gläubigen
zur Kenntnis gebracht werden.
6. Große Stadtpfarreien wie überhaupt größere Pfarreien haben kein
anderes Mittel, an die Gesamtheit der Gläubigen heranzukommen, als
das gedruckte oder vervielfältigte Wort. Eine Behinderung dieser Be-
nachrichtigungsform würde in vielen Pfarreien zu einer Lahmlegung
eines Großteils der Seelsorge führen.
IV.
Flugblatt zur Verbreitung der Mission (München-Ebersberg).
Mündliche Auskunft des Referenten des Reichskirchenministeriums;
Am 4. März 1.936 sprach H. H. A. Lang, Generalsekretär des Ludwig-
Missions-Vereins München, in Missionsangelegenheiten bei H. H. Studien-
rat (jetzt Ministerialrat) Josef Roth im „Reichsministerium für die kirch-
lichen Angelegenheiten" \/or. Dabei trug Herr Studienrat dem Herrn
Geneialsekretär auf: „Sagen Sie Herrn Generalvikar Buch wieser und
Herrn Domkapitular Neuhäusler: Das Schreiben (vom 14. und 27. Fe-
bruar ds.) ist begutachtet in dem Sinne, daß diese Zettel nicht als Flug-
blatt im allgemeinen Sinne zu betrachten sind, sondern unter Art. 4
RK. fallen und unter den gewönlichen schriftlichen Verkehr zwischen
Seelsorger und Volk fallen.
Diese Begutachtung ist an die Gestapo weiterzugeben, mit dem Er-
suchen, die Bayerische Politische Polizei zu verständigen."
Va
Bezirksamt Bad Tölz Bad Tölz, den 15. März 1936
An das Katholische Stadtpfarramt Bad Tölz.
Betreff : Verbreitung von Flugblättern und Flugschriften.
Die Verteilung von Druckschriften von Haus zu Haus anläßlich der
Volksmission sowie überhaupt jede flugblattmäßige Verbreitung, sei es
gegen oder ohne Entgelt, ist unzulässig und muß daher künftig unter-
bleiben.
gez.: Fergg.
IVb
Das Ordinai'iat des Erzbistums München, den 20. März 1936.
München und Freising.
An das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten
Berlin, Leipziger Straße 3.
Betreff: Verbot pfarrlicher Druckschriften.
Zu unserem Bedauern müssen wir nochmals zurückkommen auf die
bereits im Schreiben vom 14. und 27. Februar 1936 mitgeteilte Schwie-
rigkeit, welche der Herausgabe rein seelsorgerlicher Druckschriften und
Bekanntmachungen von Pfarrämtern an ihre Pfarrangehörigen bereitet
wird.
Wiederum sollte in einer Pfarrei, in Bad Tölz, zur Vorbereitung auf
die am 22. ds. beginnende Volksmission der amtlich in keiner Weise be-
337
anstandete „MlssionsbotG" durch Vertrauenspersonen den einzelnen
katholischen Familien zugestellt werden.
Es wurde zunächst mündlich beim Bezirlcsamt angefragt, ob die Ver-
teilung geschehen dürfe. Das Bezirksamt gab dann die Erlaubnis. Ein
paar Tage darauf kam aber beiliegendes Schreiben. Auf mündliche An-
frage wurde mündlich erklärt, es sei in Erinnerung gekommen, daß
voriges Jahr ein allgemeines Verbot herausgekommen sei, jedwelche
Flugblätter zu verbreiten.
So entstehen fast täglich neue Schwierigkeiten und Hindernisse für
die notwendigsten Seelsorgsarbeiten. Das Volk, dem soviel gedruckte und
vervielfäl^tigte Flugblätter der Partei und ihrer Gliederungen zugehen,
versteht nicht, warum ihm rein religiöse Mitteilungen und Belehrungen
der Pfarrämter nicht mehr zugestellt werden dürfen. Und wie wir schon
manchen schriftlichen und mündlichen Erklärungen von Laien entneh-
men mußten, empfinden viele dieses Verbot rein seelsorgerücher Druck-
schriften als eine kirchenfeindliche Maßnahme. Bedauerlicherweise wird
so in vielen Orten und in weiten Kreisen eine starlce .Erbitterung hervor-
gerufen.
Wir möchten darum das Reichsministerium erneut und dringendst
bitten, sich um die baldigste Aufhebung dieses Verbotes bei der Ge-
heimen Staatspolizei bzw. bei der Bayerischen Politischen Polizei be-
mühen iu wollen.
gez.: Buchwieser.
VI.
Telephongespräch zwischen Domkapitular Neuhäusler und Studien-
rat Roth vom Reichskirchenministerium:
Am 22, April 1936 hatte Herr Domkapitular Neuhäusler ein Fern-
gespräch mit Studienrat Roth vom Reichsministerium für die kirch-
lichen Angelegenheiten in Sachen: „Sicherstellung des Amtsblattes
Nr. 11 der Erzdiözese (Hirten wort; Werbung für den Eintritt in das Jung-
volk)". Im Anschluß daran stellte Neuhäusler die Frage: „Wie steht es
denn mit der Flugblattangelegenheit?" Darauf der Studienrat: „Die
Sache hat eine Schwierigkeit. Ich habe wohl seinerzeit in dem Herrn
Lang mitgeteilten Sinne an die Gestapo hinübergeschrieben bzw. hin-
überschreiben lassen. Allein die Gestapo hat zurücltgeschrieben, daß sie
an ihrer Auffassung festhält, solche Volksmissionsblätter und Einladun-
gen für Flugblätter halte und darum unter das allgemeine Flugblatt-
verbot einbeziehe". Als Neuhäusler neuerdings auf Abs. 2 im Art. 4 des
RK. Verweist, sagt Roth, daß die Geötapo erkläre, dieser beziehe sich nur
auf amtliche Verfügungen kirchlicher Behörden. Neühäusler er-
widert: „Mit dieser Erklärung der Gestapo könne man es doch nicht be-
wenden lassen. Das Reichskirchenministerium muß doch zu seiner ur-
sprünglichen, einzig richtigen Auffassung stehen und diese verteidigen.
Kirchlicherseits wird man sich damit jedenfalls nicht abfinden lassen."
VII.
Der Reichs- und Preußische Minister Berlin, W 8, den 22. April 1936
für die kirchlichen Angelegenheiten. Leipziger Straße 3.
G II Nr. 1793
An das Ordinariat des Erzbistums München
in München,
Betrifft: Blätter zur Verbreitung der Volksmission.
Auf die Schreiben vom 14. und 27. Februar und 20. März 1936
— G. V. Nr. 1280, 1669 und 2453. —
Im Benehmen mit dem Geheimen Staatspolizeiamt teile ich auf
Ihre eben benannten Schreiben mit, daß die Verbreitung der Missions-
338
blätter der VolksmlsBion auf Grund des Runderlasses des Pol. Pol. Komm,
der Länder vom 1. Juni 1934 — I 1 A/831/34 untersagt worden ist. Nach
diesem Erlaß kann die Verbreitung von Flugblättern und Flugschriften
— mit Ausnahme der von staatlicher oder parteiamtlicher Seite heraus-
gegebenen Flugschriften — künftig nicht mehr geduldet werden, wobei
es nicht darauf ankommt, ob der Inhalt polizeilich zu beanstanden ist
öder nicht. Aus grundsätzlichen Erwägungen kann für die flugblatt-
artige Verbreitung der hier in Frage kommenden Missionsblätter keine
Ausnahme geschaffen werden.
Der Runderlaß vom 1. Juni 1934 steht nicht im Gegensatz zu den
Bestimmungen des Reichskonkordats. Art. 4 Abs. 2 gibt den kirchlichen
Öehörden lediglich das Recht, amtliche Anweisungen und Verfügungen
ungehindert den Gläubigen zur Kenntnis zu bringen. Unter den Sch\jtz
dieser Bestimmungen fallen die Missionsblätter nicht. Die Bayerische
Politische Polizei berichtete, daß in Bayern mit dem Zeitpunkt der Zu-
rückdrängüng de.«: Konfessionellen aus der Tagespresse die Verbreitung
von konfessionellen Druckschriften von Haus zu Haus einen derartigen
Umfang angenommen habe, daß ein polizeiliches Vorgehen im Interesse
der, Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung unbedingt erforderlich
und die Unterbindung der Flugblattpropaganda sowohl aus staatspoli-
tischen als auch präventivpolizeilichen Gründen notwendig war.
Die Auffassung, daß durch den Erlaß vom 1. Juni 1934 die katho-
lische Kirche unter Ausnahmegesetz gestellt sei, vermag ich nicht zu
teilen. Der Erlaß gegen die Flugblattpropagarida wird in Bayern ganz
allgemein angewandt. Nach Art. 1 Abs. 2 des Reichskonkordates sind
der Kirche bei Ordnung ihrer Angelegenheiten durch „das für alle
geltende Gesetz" Grenzen gesetzt. Votj einem Ausnahme- oder
einem Verbotsgesetz zu reden, weil der Staat seine eigene Plugblatt-
propaganda oder die von Parteidienststellen nicht beanstandet, ist ab-
wegig.
Es muß äarum bei der Durchführimg des Erlasses vom 1. Juni 1934
Verbleiben.
I. A. gez.: Herm. v. Vetten.
VIIL
Das Ordinariat des Erzbistums München, den 2, Mai 1936
München und FreiSlng.
Ah das Reichsministerium
für die kirchlichen Angelegenheiten
Berlin, Leipziger Straße 3
Betreff: Anwendung des Plugblattverbotes auf pfarramtliche Be-
kanntmachungen und Seelsorgsbriefe.
Zum jenseitigen Schreiben G II Nr. 1793
vom 22. April 1936.
Im Besitz der Antwort des Reichsministeriums auf unsere Anfragen
vom 14. und 27. Februar und 20. März 1936 gestatten wir uns zu er-
widern:
1. Wir können nicht der Anschauung der Bayerischen Politischen Polizei
beipflichten, daß seit Zurückdrängung des Konfessionellen in der Tages-
presse die Verbreitung von konfessionellen Druckschriften von Haus
zu Haus einen derartigen Umfang angenommen habe . . . Nach unserer
Kenntnis der Verhältnisse gilt vielmehr das Gegenteil.
Bis 1933 hatten beispielsweise fast sämtliche Münchener Stadtpfar-
reien eigene wöchentlich erscheinende „Pfarrnachrichten", die ent-
339
weder in alle katholischen Familien der Pfarrei getragen oder an alle
Kirchenbesucher abgegeben wurden. Auf unsere Veranlassung wurden
diese „Pfarrnachrichten" am 31. Dezember 1933 fast durchwegs ein-
gestellt.
Ebenso wurden von jeher zur Vorbereitung der kirchlich vorge-
schriebenen Volksmissionen in allen größeren Pfarreien eigene Flug-
blätter in alle Häuser verteilt; so z. B. bei der Volksmission sämtlicher
Stadtpfarreien Münchens i. J. 1919 fünf Wochen lang je ein vierseiti-
ges Blatt: „Friedensbote", so bei der nächstfolgenden Volksmission
i. J, 1926 sechs Nummern einer ebenfalls vierseitigen Flugschrift: „Der
Friedensengel". Wir legen je eine Nummer dieser 2 Serien bei (Nr. 5
des „Friedensbote" und Nr. 6 „Der Friedensengel". Redakteur dieser
.Blätter war der damalige Generalvikar der Erzdiözese und jetziger
Bischof von Regensburg, Herausgeber das erzbischöfiiche Stadtkom-
missariat der Stadt München.
Wir erachten darum den Absatz 2 des Artikels 4 RK. für voll und
ganz gegeben: es handelte sich tatsächlich um „die geistliche Leitung
der Gläubigen betreffende Verfügungen, die von den kirchlichen Be-
hörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen" und „in den bisher
üblichen Foi-men zur Kenntnis der Gläubigen gebracht werden".
2. Wir müssen nach wie vor den Flugblattcharakter solcher Seelsorgs-
briefe und -Schriften bestreiten; sie wenden sich nicht an die Öffent-
lichkeit und Allgei-neinheit, sondern nur an einen lokalen (Pfarr-
bezirk) und personell (Katholiken) genau bezeichneten Kreis.
3. Wir erblicken in einer Behinderung solcher, besonders für Großstadt-
verhältnisse unbedingt notwendigen seelsorglichen Maßnahmen einen
Eingriff in die vom Deutschen Reich durch Konkordat gewähr-
leistete Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu
verwalten. (Art. 1 RK.)
4. Wir können einen Erlaß, der Tausende von Amts- und Parteistellen
ausnimmt, wie es der Erlaß vom 1. Juni 1934 tut, nicht als „ein für
alle geltendes Gesetz" erachten. Nach diesem Erlaß kann in
jeder Gemeinde der Bürgermeister, der Stützpunktleiter der NSDAP,
der Ortsgruppenführer der .SA, die NS-Frauenschaft, die „Arbeits-
front", die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude", die Leitung von
HJ und BDM, die NS-Volkswohlfahrt, die Deutsche Schulgemeinde
usw. Flugblätter in beliebiger Zahl herausgeben; das katholische
Pfarramt dai-f es nicht, selbst nicht in seinem ureigensten Auf-
gabenkreis und bei dringendster Notwendigkeit,' wie eine solche ge-
geben ist für Großstadtpfarreien von nahezu 30 000 Seelen, die auf
andere Weise (z. B. durch Hausbesuche der Geistlichkeit) überhaupt
nicht mehr von einer pfarrlichen Veranstaltung verständigt oder für
dieselbe geworben werden können.
5. In der Antwort des Reichsministeriums vermissen wir jedes Eingehen
auf einen wichtigen Punkt unserer Vorstellungen, nämlich auf die
Frage der amtlichen Bekanntmachungen von Pfarrämtern
durch Versand oder Zustellung von kurzen Vervielfältigungen oder
Drucksachen, wie es bei dem in unserem Schreiben vom 27. 2. 1936 er-
wähnten Fall von St. Bonifaz in München gegeben war. Wir fragen
an, ob das Reichsministerium auch solche amtliche Gottesdienst-
einladungen in das Flugblattverbot einbezieht.
Falls Reichsministerium und Geheime Staatspolizei wirklich auf dem
im Schreiben vom 22. April 1936 dargelegten Standpunkt beharren und
für pfarramtliche Bekanntmachungen und Seelsorgsbriefe nicht defi
Schutz des Artikel 4 RK. gewähren zu können glauben, sehen wir keinen
anderen Ausweg, als gemäß Abs. 2, Art. 33 RK. diese wichtige Seelsorgs-
340
sngelegenheit dem Helligen Stuhl zur Behandlung mit der Reichsregie-
rung zu unterbreiten.
gez. Buchwieser, Gen.-Vikar.
cc) Kampf gegen Behinderung des Bistumsblattes
in Erfüllung seiner Wesensaufgabe
Als ein Beispiel nationalsozialistischer Pressebevormundung
besonderer Art und entschlossener Abwehr sei ein Artikel /aus dem
„Katholischen Kirchen blatt Berlin" (vom 20. 3. 1938)
und ein sich daran anschließender Briefwechsel zwischen dem
Reichspropagandaministerium und dem Bischof
von Berlin wiedergegeben.
Der Artikel der „Berliner Kir chenzeitung":
„Zahlen, die zu denken geben."
Zunächst ein paar ernste Zahlen. Im Jahre 1936 gingen von allen
Katholiken, die eine Ehe schlössen, 19,14 Prozent eine konfessionsver-
schiedene Ehe ein, also fast jeder fünfte Katholik, der heiratete. Dazu
kommt noch die traurige Tatsache, daß sich von diesen konfessionsver-
schiedenen Paaren — im Durchschnitt der letzten zehn Jahre — nur
37,94 Prozent katholisch trauen ließen. Und von diesen listzteren wieder-
um ließen nur 58,15 Prozent, also kaum die Hälfte, ihre Kinder katho-
lisch taufen. — Diese wenigen Zahlen reden eine deutliche Sprache.
Viele Zebntausende von Gläubigen und deren Nachkommen gehen all-
jährlich der Kirche durch die konfessionsverschiedenen Ehen verloren.
Kann man es nicht aus diesem Grunde schon verstehen, daß unsere
Bischöfe so eindringlich vor den konfessionsverschiedenen Ehen warnen,
und nur dann,' und zwar ungern, die Erlaubnis zu solchen Ehen geben,
wenn sie vom katholischen Priester eingesegnet werden und wenn von
den Brautleuten die verpflichtende Zusichei-ung gegeben ist, daß. ihre zu
erwartenden Kinder katholisch getauft und erzogen werden."
(Aus dem „Katholischen Kirchenblatt für das Bistum Berlin", Nr. 12
■vom 20. März 1938, Seite 8.)
Die ministerielle Zurechtweisung
Der Reichsminister Berlin W 8, den 14. Aprü 1933
für Volksaufklärung und Propaganda. Wilhelmsplatz 8, 9.
Geschäftszeichen: IV 4003/6. 1. 38/102—1
An die
Schriftwaltung der Zeitschrift
„Katholisches Kirchenblatt für das Bistum Berlin"
in Berlin.
In Nr. 12 Ihres Kirchenblattes vom 20. März 1938 veröffentlichen Sie
auf Seite 8 unter der Überschrift „Zahlen, die zu denken geben" u. a.
im 3. Absatz eine Notiz über die konfessionsverschiedenen Ehen. Ich
weise Sie darauf hin, daß diese Notiz, die einer Verewigung der konfes-
sionellen Aufspaltung der deutschen Bevölkerung das Wort redet, im
Widerspruch zu den bevölkerungspolitischen Bestrebungen des national-
sozialistischen Staates und den Erfordernissen wahrer Volksgemein-
schaft steht.
Im Auftrag, gez. Dürr.
341
Die bischöfliche Abwehr
Der Bischof von Berlin. Berlin, den 24. Mai 1938.
— J. Nr. 4593 —
B e t r i f f t : IV. 4003/6. 1. 38/102-rlr-
An den
Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda
Dr. Joseph Goebbels
Berlin W 8,
Die Nummer 12 meines Bistumsblattes, des „Katholischen Kirchen-
blattes für das Bistum Berlin", vom 20, März 1938 veröffentlichte auf
Seite 8 einen Artikel mit der Überschrift „Zahlen, die zu denken geben".
In ihm finden sich 18 Zeilen, die sich mit den für das religiöse Leben
verderblichen Folgen der konfessionsverschiedenen Ehen beschäftigen.
Auf Grund von Zahlenmaterial wird darin festgestellt, daß diese Ehen
für den gläubigen Katholiken sehr oft zum Anlaß werden, die sakramen-
tale Konstituierung seiner Ehe zu unterlassen, daß sie das eigene reli-
giöse Leben gefährden und die Nachkommenschaft der Kirche entfrem-
den. Abschließend wird kurz die Stellungnahme der für das religiöse
Heil der Gläubigen verantwortlichen Bischöfe zu den konfessionsver-
schiedenen Ehen dargelegt.
Diese Veröffentlichung in meinem Bistumsblatt erfuhr durch den
Herrn Reichsminister für Volksauf klärung und Propaganda in seinem
Schreiben vom 14. April 1938 — IV — 4003/6, 1. 38/102—1— folgende Be-
urteilung: Er sieht in ihr das Bestreben, die konfessionelle Aufspaltung
der deutschen Bevölkerung zu verewigen; ferner stellt' er darin einen
Widerspruch zu den bevölkerungspolitischen Bestrebungen des national-
sozialistischen Staates fest und beurteilt schließlich die Ausführungen
als im Gegensatz zu den Erfordernissen wahrer Volksgemeinschaft
stehend.
Zu diesen grundsätzlich bedeutsamen Erklärungen des Herrn
Reichsministers stelle ich folgendes fest:
Der Hinweis des Herrn Reichsministers hat den Zweck, den Schrift-
leiter des Katholischen Kirchenblattes daran zu verhindern, Veröffent-
lichungen mit einem Inhalt, wie ihn die beanstandete Notiz hat, künftig-
hin zu bringen. Diese Einschränkung ist um so auffälliger, als der
Gegenstand der fraglichen Notiz einen eminent religiösen Cha-
rakter hat. Es widerspricht dem Sinn und dem Wesen
einer katholischen Zeitschrift, ihr die Behandlung
solcher Fragen zu verwehren; denn der Zweck der katholi-
schen Zeitschriften besteht darin, der Erhaltung und Pflege des religiö-
sen Lebens zu dienen.
Daß die beanstandete Notiz sich auch innerhalb der für die katholi-
schen Zeitschriften maßgeblichen Bestimmungen hält, ergibt sich aus
den Erlassen und Verlautbarungen staatlicher Stellen über den Inhalts-
umfang konfessionell kirchlicher Zeitschriften.
So heißt es in dem Artikel des Herrn Präsidenten der Reichs-
pressekammer „Ed gibt nur eine deutsche Presse" im Zeitungsverlag
vom 27. 4. 1935: „Wenn einer Tagespresse, die nur für Volk und Staat
arbeitet, jeglicher konfessionelle Inhalt fehlt, so leidet die Pflege kon-
fessioneller Fragen darunter keinen Schaden. Sie obliegt der kirchlich-
konfessionellen Presse".
In der Anordnung des Herrn Präsidenten der Reichspressekammer
vom 17. Februar 1936 werden als katholische Zeitschriften solche erklärt,
„deren Inhalt religiöser Aufklärung, Erbauung oder der
342
Veröffentlichung kirchlicher Anweisungen, Verord-
nungen, Hirtenbriefe und sonstiger Veröffentlichungen dienen soll." In
dem Schreiben des Herrn Ministers für Volksaufklärung und Propaganda
an den Herrn Kardinal Bertram von Breslau vom 24. März 1937 — IC
1441/.7. 9. — heißt es: „Die Anordnungen des Präsidenten der Reichs-
pressekammer stellen keinerlei Eingriffe in die Freiheit der kirchlichen
Lehrverkündigung dar, die allein der Kirche überlassen ist. Entsprechend
ihrer inhaltlichen Gestaltung sind die Zeitschriften auch keinerlei Ein-
engungen ausgesetzt, wenn sie sich unter selbstverständlicher Wahrung
der politischen Grenzen auf den Zweck beschränken, der allein ihre
Herausgabe rechtfertigt, also den der kirchlich-seelsorglichen Betätigung
mit ausschließlich religiösen, religiös-kulturellen, religiös-sittlichen und
caritativen Angelegenheiten."
Mit allein Nachdruck stelle ich weiterhin fest, daß, wie ich eingangs
dargelegt habe, der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Pro-
paganda das Bestreben des „Katholischen Kirchenblattes für das Bis-
tum", einem zentralen Problem der katholischen Seelsorge in Deutsch-
land zu dienen, dahin beurteilt, daß das Bistumsblatt dadurch einer
Verewigung der konfessionellen Aufspaltung der deutschen Bevölkerung
das Wort redet, daß er dieses Bestreben meines Blattes als einen Wider-
spruch gegen fundamentale Auffassungen des nationalsozialistischen
Staates kennzeichnet. Damit behauptet der Herr Reichsminister von sich
aus die Unvereinbarkeit der Grundsätze der katholischen Kirche mit
denen des nationalsozialistischen Staates. Es handelt sich hier um die
Frage:
Hat die katholische Kirche noch das Recht, für ihre Existenzgrund-
fragen, wie hier im Falle der konfessionsverschiedenen Ehen, in ihrem
Schrifttum einzutreten?
Die Ausübung dieses Rechtes hat der Herr Minister für Volksauf-
klärung und Propaganda der Kirche sogar in einem Bistumsblatt
abgesprochen.
Somit läßt das Schreiben des Herrn Ministers und die darin gegebene
Begründung den Plan einer höchsten Reichsstelle erkennen, die christ-
lichen Bekenntnisse, hier die katholische Kirche,
unter dem Motto: „Beseitigung der konfessionellen Aufspaltung, bevöl-
kerungspolitische Bestrebungen, Erfordernisse wahrer Volksgemeinschaft"
zubeseitigen.
gez. Dr. Konrad Graf von Preysing,
Bischof von Berlin.
d) Abwehr antichristlichen Schrifttums:
Nebst dem Sturmbock: Rosenbergs „Mythus des XX. Jahr-
hunderts", der .überall gegen die Kirche angesetzt wurde, und
SGinenn Nachtragswerk: „An die Dunkelmänner unserer Zeit"
machte besonders die Zeitung der SS, „Das Schwarze Korps", und
der massenhaft verbreitete „Pfaffenspiegel" eine besondere Abwehr
nötig. Daß man auch hier zu scharfen Gegenhieben ausholte, dafür
ein paar Beispiele:
343
aa) Front gegen die kirchenfeinliche Hetze
der SS -Zeitung „Das Schwarze Korps"
Aus den zahlreichen Protesten, die gegen die ungezählten lüg-
nerischen und beleidigenden Artikel des Himmler-Leibblattes er-
hoben wurden, nur ein paar bezeichnende Beispiele:
„Das Schwarze Korps", Folge 17/1935:
„Pikanterien im Beichtstuhl"
In Württemberg erscheint eine Schrift, die sich „Weg zum Ziel"
nennt., sich mit der seelischen Genesung des deutschen Volkes befaßt
und deren Schriftleitung von einem Herrn Krupka in Vaihingen a. Fu-
dern betreut wird.
In der Nr. 18/1935 finden wir einen Artikel, der berechtigtes Auf-
sehen ei'regt und als ein nicht mehr zu überbietendes Kulturkuriosum zu
werten ist. Der Verfasser, der kein anderer als Krupka selbst ist, läßt
ihn unter der Spitzmarke: „Anfechtung und Versuchung ringsum" star-
ten und ergeht sich in scheinheiligen Betrachtungen über den sittlichen
Verfall des neuen' Deutschland.
„. . . Besonders erfolgreich , arbeitet' in der Gegenwart die Fleisches-
lust. Ich habe den starken Eindruck, daß sich ein Geist der Unrein-
heit über unser Volk ergießt. Es kommt vor, daß in den Städten hin
und her Dirnen einer, besseren Regung folgen und den Versuch machen,
ein anderes Leben zu beginnen. Dabei liefern sie ihren Seelsorgern
die Listen ihrer ,Kunden' aus, und wenn man diese Listen zur Kennt-
nis nimmt, ist man getroffen bis ins Mark. Es sind Namen darauf,
deren. Träger führend sind und als Ehrenmänner geachtet werden.
Als man einer solchen Dirne den Rat erteilte, doch eine Stelle an-
zunehmen, sagte sie: ,Es ist dies in unserer Stadt ganz unmöglich. Ich
würde ja in jedem Hause bei Gesellschaften frühere Kunden von mir
treffen . . ,'
Anfangs meinten wir, die Sittlichkeit würde sich im Dritten Reich
heben — heute erweist sich diese Hoffnung mehr und mehr als trü-
gerisch. Die Menschen sind Fleisch und wollen sich vom Geiste Got-
tes nicht mehr strafen lassen . . .
Wir sind heute wie gestern allzumal Sünder, die Erlösung brau-
chen; und diese Erlösung bringt uns nur der Mann von Golgatha. Übet
Christus und sein Werk wird die Menschheit nie hinauskommen; auch
die Botschaft über Rasse, Blut und Boden bleibt, so wertvoll und wahr
sie teilweise ist, hinter Christus zurück. Das bringe ich mit der größten
Ruhe zu Papier."
Und was stellte sich heraus?
Nachfolgender Briefwechsel spricht für sich selbst:
Das Ordinariat des Erzbistums 4. Juli 1935.
München and Freising. >
Azi das
Kath. Pfarramt Vaihingen bei Stuttgart (Wttbg.).
In der Zeitung „Das Schwarze Korps" Folge 17, S. 5 (26. Juni 1935)
ist ein Artikel erschienen mit dem Titel „Pikanterien im Beichtstuhl".
Wir legen eine Abschrift des wesentlichen Teiles desselben bei.
Wir ersuchen um alsbaldige Auskunft über folgende Punkte:
1. Wer ist Krupka? Laie? Katholik?
344
2. Welche Bewandtnis hat es mit der Schrift „Weg zum Ziel"? Im
Zeitungskatalog ist sie überhaupt nicht angegeben. Hat sie, falls
Krupl<a überhaupt katholisch ist, kirchliche Approbation? Könn-
ten wir ein Exemplar der Nr. 18/1935 haben?
3. Falls Ihnen Krupka persönlich bekannt ist, wäre es von Interesse,
von ihm folgende Auskunft zu erhalten: ^
a) Sind ihm wirklich Falle oder ist auch nur e i n Fall bekannt,
daß einem Seelsorger solche Listen ausgehändigt wurden?
b) Wollte er überhaupt sagen, daß solche Listen irgendwie mit
dem Beichtstuhl zu.sammenhängen?
Nehmen Sie die Angelegenheit im Interesse der Ehre des katholi-
schen Klerus und geben Sie uns baldigste Antwort.
Kath. Pfarramt Vaihingen a. F. (Wttbg.), Vaihingen a. d. F., 6. Juli 1935.
An das
Hochwürdigste Ordinariat des Erzbistums München und Freising
Betreff: Artikel „Pikanterien im Beichtstuhl".
Auf die Anfrage des Hochwürdigsten Herrn Generalvikars teile ich
mit, daß Krupka evangelischer Konfession ist. Er ist ein Tochtermann
des bekannten evangelischen Pastors Modei'sohn und gibt ein Blättchen
für evangelische Dienstboten heraus, das in Württemberg den Titel
„Weg zum Ziel", im übrigen Deutschland den Titel „Die Wahrheit" trägt.
In Nr. 18/1935 hat Krupka katholische Priester, und das katholische
Beichtinstitut gar nicht erwähnt. Der Schmähartikel kam auch in ver-
schiedenen württembergischen Zeitungen. Ich habe bei Krupka vor-
gesprochen und eine von ihm unterschriebene Erklärung erhalten, „diTß
es sich um evangelische Dirnen handle, die ihre , Kundenlisten' trium-
phierend ihren evangelischen Seelsorgern ausgehändigt haben, womit sie
sagefn wollten, daß sie nicht allein so schlecht seien. Es handle sich nicht
um katholische Priester und ein Mißbrauch des Beichtsiegels komme
auch nicht in Frage. Diese Erklärung habe ich an das Hochwst. Bischöf-
liche Ordinariat nach Rottenburg eingesandt. Ich erlaube mir, die Rich-
tigstellung in^der gestrigen Nummer des hiesigen „Filderboten" und eine
Erwiderung im Stuttgarter kath. Sonntagsblatt beizulegen.
gez. Erwin Scherrmann
Pfarrer.
Gen. Vic. Nz'. 7543 München 2 M, Pfandhau.=;str. 5, den C. Juli 1535.
„ Ruf -Nr. 12 801
Das
Ordinariat des
Erzbistums München und Freising
An die
Redaktion der Zeitung: „Das Schwarze Korps"
Berlin SW 68, Zimmerstraßo 88
In der 17. Folge Ihrer Zeitung (26. Juni 1935) brachten Sie einen Ar-
tikel „Pikanterien im Beichtstuhl". Derselbe beschäftigt sich mit einem
Aufsatz von H. Krupka, Vaihingen.
Wir gestatten uns, darauf aufmerksam zu machen, daß der Artikel
von ganz falschen Voraussetzungen ausgeht und dadurch zu Unrecht zu
Schlußfolgerungen kommt, welche die Ehre des katholischen Klerus
schwer verletzen und im katholischen Volk nachweisbar große Entrüstung
hervorgerufen haben.
345
Die bischölliche Abwehr
Der Bischof von Berlin. Berlin, den 24. Mai 1938.
— J. Nr. 4593 —
B e t r i f f t : IV. 4003/6. 1. 38/102'-lr-
An den
Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda
Dr. Joseph Goebbels
Berlin W 8,
Die Nummer 12 meines Bistumsblattes, des „Katholischen Kirchen-
blattes für das Bistum Berlin", vom 20. März 1938 veröffentlichte auf
Seite 8 einen Artikel mit der Überschrift „Zahlen, die zu denken geben".
In ihm finden sich 18 Zeilen, die sich mit den für das religiöse Leben
verderblichen Folgen der konfessionsverschiedenen Ehen beschäftigen.
Auf Grund von Zahlenmaterial wird darin festgestellt, daß diese Ehen
für den gläubigen Katholiken sehr oft zum Anlaß werden, die sakramen-
tale Konstituierung seiner Ehe zu unterlassen, daß sie das eigene reli-
giöse Leben gefährden und die Nachkommenschaft der Kirche entfrem-
den. Abschließend wird kurz die Stellungnahme der für das religiöse
Heil der Gläubigen verantwortlichen Bischöfe zu den konfessionsver-
schiedenen Ehen dargelegt.
Diese Veröffentlichung in meinem Bistumsblatt erfuhr durch den
Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda in seinem
Schreiben vom 14. April 1938 — IV — 4003/6, 1. 38/102— 1— folgende Be-
urteilung: Er sieht in ihr das Bestreben, die konfessionelle Aufspaltung
der deutschen Bevölkerung zu verewigen; ferner stellt' er darin einen
Widerspruch zu den bevölkerungspolitischen Bestrebungen des national-
sozialistischen Staates fest und beurteilt schließlich die Ausführungen
als im Gegensatz zu den Erfordernissen wahrer Volksgemeinschaft
stehend.
Zu diesen grundsätzlich bedeutsamen Erklärungen des Herrn
Reichsministers stelle ich folgendes fest;
Der Hinweis des Herrn Reichsministers hat den Zweck, den Schrift-
leiter des Katholischen Kirchenblattes daran zu verhindern, Veröffent-
lichungen mit einem Inhalt, wie ihn die beanstandete Notiz hat, künftig-
hin zu bringen. Diese Einschränkung ist um so auffälliger, als der
Gegenstand der fraglichen Notiz einen eminent religiösen Cha-
rakter hat. Es widersprichtdem Sinn und dem Wesen
einer katholischenZeitschrift, ihr die Behandlung
solcher Fragen zu verwehren; denn der Zweck der katholi-
schen Zeitschriften besteht darin, der Erhaltung und Pflege des religiö-
sen Lebens zu dienen.
Daß die beanstandete Notiz sich auch innerhalb der für die katholi-
schen Zeitschriften maßgeblichen Bestimmungen hält, ergibt sich aus
den Erlassen und Verlautbarungen staatlicher Stellen über den Inhalts-
umfang konfessionell kirchlicher Zeitschriften.
So heißt es in dem Artikel des Herrn Präsidenten der Reichs-
pressekammer „E3 gibt nur eine deutsche Presse" im Zeitungsverlag
vom 27. 4. 1935: „Wenn einer Tagespresse, die nur für Volk und Staat
arbeitet, jeglicher konfessionelle Inhalt fehlt, so leidet die Pflege kon-
fessioneller Fragen darunter keinen Schaden. Sie obliegt der kirchlich-
konfessionellen Presse".
In der Anordnung des Herrn Präsidenten der Reichspressekammer
vom 17. Februar 1936 werden als katholische Zeitschriften solche erklärt,
„deren Inhalt religiöser Aufklärung, Erbauung oder der
342
Veröffentlichung kirchlicher Anweisungen, Verord-
nungen, Hirtenbriefe und sonstiger Veröffentlichungen dienen soll." In
dem Schreiben des Herrn Ministers für Volksaufklärung und Propaganda
an den Herrn Kardinal Bertram von Breslau vom 24. März 1937 — IC
1441/.7. 9. — heißt es: ,,Die Anordnungen des Präsidenten der Reichs-
pressekammer stellen keinerlei Eingriffe in die Freiheit der kirchlichen
Lehrverkündigung dar, die allein der Kirche überlassen ist. Entsprechend
ihrer inhaltlichen Gestaltung sind die Zeitschriften auch keinerlei Ein-
engungen ausgesetzt, wenn sie sich unter selbstverständlicher Wahrung
der politischen Grenzen auf den Zweck beschränken, der allein ihre
Herausgabe rechtfertigt, also den der kirchlich-seelsorglichen Betätigung
mit ausschließlich religiösen, religiös-kulturellen, religiös-sittlichen und
caritativen Angelegenheiten."
Mit allem Nachdruck stelle ich weiterhin fest, daß, wie ich eingangs
dargelegt habe, der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Pro-
paganda das Bestreben des „Katholischen Kirchenblattes für das Bis-
tum", einem zentralen Problem der katholischen Seelsorge in Deutsch-
land zu dienen, dahin beurteilt, daß das Bistumsblatt dadurch einer
Verewigung der konfessionellen Aufspaltung der deutschen Bevölkerung
das Wort redet, daß er dieses Bestreben meines Blattes als einen Wider-
spruch gegen fundamentale Auffassungen des nationalsozialistischen
Staates kennzeichnet. Damit behauptet der Herr Reichsminister von sich
aus die Unvereinbarkeit der Grundsätze der katholischen Kirche mit
denen des nationalsozialistischen Staates. Es handelt sich hier um die
Frage:
Hat die katholische Kirche noch das Recht, für ihre Existenzgrund-
fragen, wie hier im Falle der konfessionsverschiedenen Ehen, in ihrem
Schrifttum einzutreten?
Die Ausübung dieses Rechtes hat der Herr Minister für Volfcsauf-
klärung und Propaganda der Kirche sogar in einem Bistumsblatt
abgesprochen.
Somit läßt das Schreiben des Herrn Ministers und die darin gegebene
Begründung den Plan einer höchsten Reichsstelle erkennen, d i e g h r i s t-
lichen Bekenntnisse, hier die katholische Kirche,
unter dem Motto: „Beseitigung der konfessionellen Aufspaltung, bevöl-
kerungspolitische Bestrebungen, Erfordernisse wahrer Volksgemeinschaft"
zubeseitigen.
gez. Dr. Konrad Graf von Preysing,
Bischof von Berlin.
d) Abvi'ehr antichristlichen Schrifttums:
Nebst dem Sturmbock: Rosenbergs „Mythus des XX. Jahr-
hunderts", der .überall gegen die Kirche angesetzt wurde, und
seinem Nachtragswerk: „An die Dunkelmänner unserer Zeit"
machte besonders die Zeitung der SS, „Das Schwarze Korps", und
der massenhaft verbreitete „Pfaffenspiegel" eine besondere Abwehr
nötig. Daß man auch hier zu scharfen Gegenhieben ausholte, dafür
ein paar Beispiele:
343
aa) Front gegen die kirchenfeinliche Hetze
der SS -Zeitung „Das Schwarze Korps"
Aus den zahlreichen Protesten, die gegen die ungezählten lüg-
nerischen und beleidigenden Artikel des Himmler-Leibblattes er-
hoben wurden, nur ein paar bezeichnende Beispiele:
„Das Schwarze Korps", Folge 17/1935:
„Pikanterien im Beichtstuhl"
In Württemberg erscheint eine Schrift, die sich „Weg zum Ziel"
nennt., sich mit der seelischen Genesung des deutschen Volkes befaßt
und deren Schriftleitung von einem Herrn Krupka in Vaihingen a. Fil-
dern betreut wird.
In der Nr. 18/1935 finden wir einen Artikel, der berechtigtes Auf-
seilen erragt und als ein nicht mehr zu überbietendes Kulturkuriosum zU
werten ist. Der Verfasser, der l^ein anderer als Krupka selbst ist, läßt
ihn unter der Spitzmarke: „Anfechtung und Versuchung ringsum" star-
ten und ergeht sich in scheinheiligen Betrachtungen über den sittlichen
Verfall des neueri" Deutschland.
„. . . Besonders erfolgreich .arbeitet' in der Gegenwart die Fleisches-
lust. Ich habe den starken Eindruck, daß sich ein Geist der Unrein-
heit über unser Volk ergießt. Es kommt vor, daß in den Städten hin
und her Dirnen einer, besseren Regung folgen und den Versuch machen,
ein anderes Leben zu beginnen. Dabei liefern sie ihren Seelsorgern
die Listen ihrer .Kunden' aus, und wenn man diese Listen zur Kennt-
nis nimmt, ist man getroffen bis ins Mark. Es sind Namen daraut,
deren Träger führend sind und als Ehrenmänner geachtet werden.
Als man einer solchen Dirne den Rat erteilte, doch eine Stelle an-
zunehmen, sagte sie: ,Es ist dies in unserer Stadt ganz unmöglich. Ich
würde ja in jedem Hause bei Gesellschaften frühere Kunden von mir
treffen , . .'
Anfangs meinten wir, die Sittlichkeit würde sich im Dritten Reich
heben — heute erweist sich diese Hoffnung mehr und mehr als trü-
gerisch. Die Menschen sind Fleisch und wollen sich vom Geiste Got-
tes nicht mehr strafen lassen...
Wir sind heute wie gestern allzumal Sünder, die Erlösung brau-
chen; und diese Erlösung bringt uns nur der Mann von Golgatha. Über
Christus und sein Werk wird die Menschheit nie hinauskommen; auch
die Botschaft über Rasse, Blut und Boden bleibt, so wertvoll und wahr
sie teilweise ist, hinter Christus zurück. Das bringe ich mit der größten
Ruhe zu Papier."
Und was stellte sich heraus?
Nachfolgender Briefwechsel spricht für sich selbst:
Das Ordinariat des Erzbistums 4. Juli 1935.
München and Freising. >
An das
Kath. Pfarramt Vaihingen bei Stuttgart (Wttbg.).
In der Zeitung „Das Schwarze Korps" Folge 17, S. 5 (26. Juni 1935)
ist ein Artikel erschienen mit dem Titel „Pikanterien im Beichtstuhl".
Wir legen eine Abschrift des wesentlichen Teiles desselben bei.
Wir ersuchen um alsbaldige Auskunft über folgende Punkte:
1. Wer ist Krupka? Laie? Katholik?
344
2. Welche Bewandtnis hat es mit der Schrift „Weg zum Ziel"? Im
Zeitungskatalog ist sie überhaupt nicht angegeben. Hat sie, falls
Krupka überhaupt katholisch ist, kirchliche Approbation? Könn-
ten wir e i n Exemplar der Nr. 18/1935 haben?
3. Falls Ihnen Krupka persönlich bekannt ist, wäre es von Interesse,
von ihm folgende Auskunft zu erhalten: , ^
a) Sind ihm wirklich Fälle oder ist auch nur e i n Fall bekannt,
daß einem Seelsorger solche Listen ausgehändigt wurden?
b) Wollte er überhaupt sagen, daß solche Listen irgendwie mit
dem Beichtstuhl zusammenhängen?
Nehmen Sie die Angelegenheit im Interesse der Ehre des katholi-
schen Klerus und geben Sie uns baldigste Antwort.
Kath. Pfarramt Vaihingen a. F. (Wttbg.). Vaihingen a. d. F., 6. Juli 1935.
An das
Hochwürdigste Ordinariat des Erzbistums München und Freising
Betreff: Artikel „Pikanterien im Beichtstuhl".
Auf die Anfrage des Hochwürdigsten Herrn Generalvikars teile ich
mit, daß Krupka evangelischer Konfession ist. Er ist ein Tochtermann
des bekannten evangelischen Pastoi's Modersohn und gibt ein Blättchen
für evangelische Dienstboten heraus, das in Württemberg den Titel
„Weg zum Ziel", im übrigen Deutschland den Titel „Die Wahrheit" trägt.
In Nr. 18/1935 hat Kiaipka katholische Priester, und das katholische
Beichtinstitut gar nicht erwähnt. Der Schmähartikel kam auch in ver-
schiedenen württembergisehen Zeitungen. Ich habe bei Krupka vor-
gesprochen und eine von ihm unterschriebene Erklärung erhalten, „daß
es sich um evangelische Dirnen handle, die ihre ,Kundenlisten' trium-
phierend ihren evangelischen Seelsorgern ausgehändigt haben, womit sie
sagen wollten, daß sie nicht allein so schlecht seien. Es handle sich nicht
um katholische Priester und ein Mißbrauch des Beichtsiegels komme
auch nicht in Frage. Diese Erklärung habe ich an das Hochwst. Bischöf-
liche Ordinariat nach Rottenburg eingesandt. Ich .erlaube mir, die Rich-
tigstellung inider gestrigen Nummer des hiesigen „Filderboten" und eine
Erwiderung im Stuttgarter kath. Sonntagsblatt beizulegen.
^ez. Erwin Scherrmann
Pfarrer.
Gen. Vic. Nr. 7543 München 2 M, Pfandhau.=;str. j , den C. Juli 1335.
j^^g Ruf-Nr. 12 801
Ordinariat des
Erzbistums München und Freising
An die
Redaktion der Zeitung: „Das Schwarze Korps"
Berlin SW 68, Zimmerstraße 88
In der 17. Folge Ihrer Zeitung (.26. Juni 1935) brachten Sie einen Ar-
tikel „Pikanterien im Beichtstuhl". Derselbe beschäftigt sich mit einem
Aufsatz von H. Krupka, Vaihingen.
Wir gestatten uns, darauf aufmerksam zu machen, daß der Artikel
von ganz falschen Voraussetzungen ausgeht und dadurch zu Unrecht zu
Schlußfolgerungen kommt, welche die Ehre des katholischen Klerus
schwer verletzen und im katholischen Volk nachweisbar große Entrüstung
hervorgerufen . haben.
345
Wir stellen fest:
1. Der Aufsatz von Krupka in seiner Zeitschrift „Weg zum Ziel" sagt
überhaupt kein Wort davon, daß die Auslieferung der fraglichen Kun-
denlisten irgendwie mit dem Beichtstuhl zusammenhängt; das ist ganz
' Ihre eigene Zutat.
2. Der Aufsatz .redet auch gar nicht von katholischen Geistlichen,
sondern nur allgemein von Seelsorgern, was für den Unvoreingenom-
menen ebenso auf evangelische wie katholische Pastoren gehen konnte.
Durch Ihre Bemerkungen über Beichtstuhl, „Beschworenes Beicht-
geheimnis" u. ä. lenken . Sie den Verdacht eindeutig auf den katho-
lischen Klerus.
3. Krupka ist selbst nicht katholisch, sondern evangelisch. Auch die von
ihm herausgegebene Zeitschrift „Weg zum Ziel" ist für evangelische
Christen, des näheren für evangelische Dienstboten bestimmt. Das
könnte jedem, der seinen Aufsatz mit der pflichtgemäßen Sorgfalt eines
Schriftleiters prüft, sofort naheliegen, daß Krupka seine Erfahrungen
aus evangelischen Kreisen habe.
4. Krupka hat dem katholischen Pfarrer von Vaihingen unterschriftlich
bestätigt, „daß es sich um evangelische Dirnen handle, die ihre Kun-
denlisten triumphierend ihren evangelischen Seelsorgern ausgehändigt
haben, womit sie sagen wollten, daß sie nicht allein so schlecht seien".
5. Katholischen Geistlichen ist es durch can. 888 des kirchlichen Gesetz-
buches ausdrücklich und strengstens verboten, einen Beichtenden
irgendwie nach dem Namen eines Mitschuldigen zu fragen. Noch viel
weniger wird ein Beichtvater, der seine Pflicht kennt, sich eine gro߀
Liste von Mitschuldigen geben lassen oder gar die Beichtenden „aus-
quetschen" und ihnen „gewissermaßen den Passierschein in den Him-
mel verweigern, wenn sie , nicht vorher ihr gewissenhaft geführtes
jKassenjournar vorlegen".
Angesichts dieser wesentlichen Irrtümer und der daran geknüpften
schweren Vorwürfe und des Ärgernisses, das dadurch in weitesten
Kreisen erregt wurde, dürfen wir wohl eine umgehende Berichtigung
erwarten.
Buchwieser, Gen.-Vikar,
In Abschrift an die Reichsführung der SS
und an das Reichspropagandaministerium.
BISCHÖFLICHES ORpiNARIAT Rottenburg a. N., den 9. JuH 1935
Nr. A 6070
An die Staatsanwaltschaft
Tübingen.
Unter Bezugnahme auf die in den Beilagen unter „Pikanterien im
Beichtstuhl" (Zeitung „Das Schwarze Korps" vom 26. Juni 1935) und
„Mißbrauch des Beichtsiegels" . (Rottenburger und Horber Nachrichten
vom 28. 6. 1935 und Tübinger Chronik vom 28. Juni 1935) enthaltenen
Artikel stelle ich hiemit gegen die Verfasser und alle Verbreiter dieser
Artikel, insbesondere die verantwortlichen Schriftleiter des „Schwarzen
Korps", der „Rottenburger und Horber Nachrichten", der „Tübinger
Chronik", der „Württembergischen Landeszeitung", des „Leonberger Tag-
blattes" und des Vaihinger „Filderboten", welche Ende Juni den Arti-
kel „Mißbrauch des Beichtsiegels" gleichfalls gebracht haben, gemäß
§ 194 und 196 StGB, im eigenen Namen und namens der mir unterstell-
ten katholischen Geistlichen der Diözese Rottenburg
Strafantrag wegen Beleidigung
im Sinne von § 185, 186 und 187 StGB, und beantrage die Erhebung der
ÖfEentlichen Anklage.
346
Vermutlich ist der Artikel „Mißbrauch des Beichtsiegels" auch noch
in anderen Zeitungen des Landes erschienen.
Ich lege zugleich das von Ernst Krupka, Vaihingen a. D. heraus-
gegebene Blatt „Die Wahrheit", Folge 18/1935 vor, dessen Abhandlung
„Anfechtung und Versuchung ringsum" zum äußeren Anlaß der schweren
Anwürfe gegen die katholischen Geistlichen in den bezeichneten Artikeln
benützt worden ist, Anwürfe, die um so schwerer wiegen, als darin von
katholischen Beichtvätern, katholischen Beichtgeheimnissen, dem Beicht-
siegel und seiner Verletzung die Rede ist und gerade das Beichtgeheim-
nis dem katholischen Geistlichen den Mund zu seiner Verteidigung ver-
schließt. Dabei bietet die ganze Abhandlung nicht einmal einen Anhalts-
punkt zu solchen Angriffen gegen die katholischen Geistlichen; denn
in der Abhandlung ist nur von Seelsorgern (es können dies auch nicht-
katholische Seelsorger sein), nicht aber von katholischen Geistlichen, ge-
schweige denn von in der Beichte anvertrauten Geheimnissen die Rede.
Die Art und Weise aber, wie hier auf erdichteter Grundlage gegen die
katholischen Geistlichen angegangen wird, „die auf Neuigkeiten" — der
erwähnten Art — „in den Beichtstühlen lauern", „die mit perverser
Lüsternheit ein sentimental gewordenes Freudenmädchen ausquetschen
und ihm gewissermaßen den Passierschein in den Himmel verweigern,
wenn es nicht vorher sein gewissenhaft geführtes „Kassen Journal vor-
legt", die sich in den Beichtstühlen mit „Protistuierten über den Geist
der Unreinheit unterhalten und Schwarze Listen anlegen, aus denen
sorgfältig die Namen jener gestrichen werden, deren Stimme während
des sonntäglichen Hochamtes am lautesten zum Himmel schallt", „die
Schwarze Listen von Dirnenkunden anlegen und also das beschworene
Beichtgeheimnis verletzen", liefert einen erschreckenden Beweis für die
Bösartigkeit und Gehässigkeit der Urheber und Verbreiter der Artikel,
die in jeder ihnen beliebender Weise in der Öffentlichkeit mit der Ehre
ihrer Mitmenschen und der katholischen Priester umspringen zu können
glauben,
gez. Dr. Sproll, Bischof.
„Das Schwarze Korps", Folge 17/1936, brachte einen Artikel:
„Lieber Vatikan, bitte etwas mehr Entrüstung."
Dies veranlaßte das Erzb. Ordinariat München zu folgendem Schreiben:
Ordinariat des Erzbistums München München, den 4. Mai 1936.
und Freising.
Betreff: Papstfeindlicher Artikel An das
in „Das Schwarze Korps". Reichsministerium für die kirch-
lichen Angelegenheiten
Berlin,
Leipziger Straße 3.
Die Folge 17 der Zeitung: „Das Schwarze Korps" vom 23. April 1936
brachte auf Seite 10 einen Artikel: „Lieber Vatikan, bitte etwas mehr
Entrüstung".
Ziel des so spöttisch betitelten Artikels ist, zu zeigen, daß der Vati-
kan viel zu zurückhaltend sei in der Zurückweisung des Bolschewismus,
seiner Verspottung alles Religiösen wie des Papstes selbst, seiner Ver-
folgung von Priestern und des Katholizismus überhaupt, weil er sich
eben innerlich mit dem Bolschewismus verwandt fühle und da und dort
auch schon mit ihm zusammenarbeite.
347
Dabei versteigt sich der Verfasser des Artikels zu den Sätzen:
„Unverständlich bleibt dem Abendland die Duldsamkeit Roms gegen
den alles vernichtenden Bolschewismus, der im Kreml systematisch ge-
führt wurde."
„Man marschiert getrennt, um gemeinsam den größten Feind ihrer
grundsätzlichen Theorien zu schlagen, den Nationalsozialismus."
„Nie hat sich noch die katholische Aktion dem Bolschewismus näher
gefühlt als heute."
„Ob Jude oder Inder, Hottentotte ode.r Angelsachse, so sie sich zur
Kirche Roms bekennen, sind alle gleich und jenes Himmels würdig, zu
dem irgendein auf demokratischer Grundlage erwählter Papst die
Schlüssel besitzt."
Der Gipfelpunkt der Entstellung wird aber erreicht mit den Sätzen:
„Mögen die Bolschewisten Priester in den Waschküchen zusammen-
schießen: Rom schweigt. Sind es doch nur Soldaten, die geopfert wer-
den müssen. Plakate, die den Papst als Zuhälter, Verbrecher und Mäd-
chenschänder hinstellen? Man lächelt dazu im Vatikan?"
Und wie man den Teufel mit Beizebub austreiben möchte, gibt man
zur Illustrierung des letzten Satzes russische Bilder wieder, versieht sie
aber mit deutschen Unterschriften, die den Eindruck des Einverständ-
nisses mit der von den Bolschewisten beabsichtigten Verhöhnung er-
wecken müssen und sie sogar zu verstärken geeignet erscheinen.
Die deutsche Unterschrift unter dem Bild der Päpstin Johanna
läßt nicht erkennen, daß es sich um eine von jedem ernsten Historiker
längst abgelehnte Fabel handelt, sondern redet davon wie von einer
geschichtlichen Tatsache:
„Päpstin Johanna, die während einer Prozession auf offener Straße
ein Kind gebar."
Und wie wenn man nichts davon wüßte, daß in jeder Kirchen-
geschichte die Haltlosigkeit dieser Fabel dargelegt wäre, fügt man hinzu:
„Darüber schweigt der politische Katholizismus."
Wenn aber diese Beifügung vielleicht sagen möchte: „Über diese
bolschewistische Darstellung der genannten Fabel schweigt der
politische Katholizismus", dann müßten wir erwidern: „Immer noch
besser, hierüber zu schweigen, als darüber so zu schreiben, wie es der
Verfasser des Artikels tut und dadurch den Eindruck erzeugt, daß man
der Verspottung des Papsttums mehr zustimmt als sie zurückweist."
Genau so . verschlimmert man die Wirkung der bolschewistischen
Karikatur von Papst Alexander VI.," indem man der Bemerkung: „Rus-
sische Darstellung des Papstes Alexander VI. als Esel" geradezu einen
rechtfertigenden Kommentar beifügt: „Das Tier wurde zum Symbol für
seine Sinnlichkeit gewählt, da er nachgewiesenermaßen mit der
Hetäre Vanozza drei Kinder zeugte und mit seiner eigenen Tochter Lu~
krezia Borgia ein Verhältnis unterhielt."
Diese Bloßstellung des Papsttums gefiel dann der NSDAP-Ortsgi-uppe
in Obermenzing bei München so gut, daß sie diese Seite. des „Schwarzen
Korps" im „Stürmerkasten", bei der Landshüter kleinen Unterführung
aushing, zum Ärgernis weiter Kreise, die besonders die Wirkung solcher
Bilder auf die Kinder bedauerten und sich beschwerdeführend an uns
wandten.
Die katholische Kirche verheimlicht und beschönigt nicht, was ein-
zelne, sehr vereinzelte Päpste gefehlt haben, aber sie erachtet es als
ebenso unrecht, das Papsttum nach einigen unwüi'digen Vertretern dar-
zustellen oder zu beurteilen, als es .unrecht wäre, den Nationalsozialis-
mus nach einigen unwürdigen Mitgliedern, die ausgestoßen werden
348 '
müßten, zu beurteilen oder daraus Greuelnachrichten mit den ent-
sprechenden Illustrationen zu machen.
Der Verfasser des Artikels scheint auch nichts zu wissen öder will
nichts wissen, daß unser HL Vater last in jeder seiner großen Konsisto-
riumsansprachen der letzten Jahre die bolschewistischen Christen vei-fol-
gungen vor aller Welt an den Pranger stellte und verurteilte, das letzte-
mal erst im Dezember 1935.
Der Verfasser weiß nichts oder will nichts wissen, daß das Organ
des Hl.- Stuhles, „L'Osservatore Romano", wie keine andere Zeitung der
ganzen Welt, seit Jahren und fast Woche für Woche Artikel über den
Bolschewismus, seine grauenhaften Methoden, seine erschrecklichen Fol-
gen in Jugendverwilderung, Ehezerrüttung, wirtschaftlichem Ruin und
Hungersnot, seine grausamen Einkerkerungen und Zwangsarbeiten im
eisigen Norden, die Hunderttausende von Erschießungen, endlich über
die unheimliche Propaganda des Bolschewismus in der ganzen Welt
brachte.
Der Verfasser, weiß nichts oder will nichts wissen, daß ein Schwestern-
blätt des „Schwarzen Korps" „Die. Hitlerjvigend" erst vor 6 Wochen
(Folge 12 vom 21. März 1936) zur Schilderung des Jugendelendes in Ruß-
land nichts Besseres zu. finden wußte, als einen Artikel des „L'Osserva-
tore Romano" zu kommentieren mit den Worten: „Davor hat Adolf Hit-
ler Deutschlands Jugend bewahrt. Grauenhaftes Bild des
„L'Osservatore Romano" von der Jugend Sowjetruß-
. 1 a n d s."
Der Verfasser weiß nichts oder will nichts wissen von der Auf-
klärung, welche wir in Amtsblatt Nr. 17 vom 7. November 1933 bezüg-
lich der „illegalen kommunistischen Druckerei in einem katholischen
Lehrerseminar in München" gegeben haben und bringt in dem einen
Satz beinahe soviel Unrichtigkeiten als Worte.
Der Verfasser verfehlt sich unseres Erachtens gegen das Schriftleiter-
gesetz, dessen § 13 lautet: „Schriftleiter haben die Aufgabe, die Gegen-
stände, die sie behandeUi, wahrhaft darzustellen und nach ihrem besten
Wissen zu beurteilen."
Er verfehlt sich gegen § 14 des gleichen Gesetzes, der da in Ziffer 4
sagt: „Schriftleiter sind insonderheit verpflichtet, aus den Zeitungen
fernzuhalten, was die Ehre oder das Wohl eines anderen widerrechtlich
verletzt, seinem Rufe schadet, ihn lächerlich oder verächtlich macht."
Wir sind der An.sicht: Was hier gegen eine Einzelperson untersagt
wird, kann erst recht nicht erlaubt sein gegen den Hl. Stuhl, um so
mehr als zwischen ihm und dem Deutschen Reich „freundschaftliche Be-
ziehungen bestehen" und durch feierliche Übereinkunft „gefestigt und
gefördert" werden sollten. (Präambel vom RK.)
Wir legen gegen diesen Artikel und gegen seine tendenziöse Ilju-
strierung mit schärfstem Nachdruck Protest ein und erwarten, daß Vor-
sorge getroffen wird, daß in Zukxmft derartige Entgleisvmgen im
„Schwarzen Korps" wie in anderen Zeitungen hintangehalten werden.
gez. Buchwieser, Gen.- Vikar.
bb) Front gegen den „Pfaffen Spiegel"
Als dieses anti christliche Schund- und Schmähbuch nach bloß
viermonatigem Verbot (29. Januar bis 8. Mai 1934) die volle Un-
terstützung der, nationalsozialistischen Kreise
erhielt, mancherorts zusammen mit ,,M ein Kampf" oder
,,M y t h u s" geradezu um die V/ette angeboten wurde, gab def
Erzbischöfliche Ordinariat München nachfolgende Weisung an d«sr.
Diözesanklerus:
349
G.V. 2197 München, den 25. 2. 1937.
Das Ordinariat
des Erzbistums München und Freising.
An die
Hochwürdigen Seelsorgsstellen der Erzdiözese!
B e,t r e f f : Seelsorgliche Anweisungen. Pfaffenspiegel.
Sicheren Nachrichten zufolge wird in einzelnen Gegenden den Leuten
ohne Bestellung massenhaft der „Pl'affenspiegel" zugesandt. An einem
einzelnen Ort des Chiemgaues kamen drei Postsäcke dieses Inhalts an.
Dies gibt uns Veranlassung anzuordnen, daß nachfolgende Erklärung
am kommenden Sonntag, den 28. Februar, bei sämtlichen Vormittags-
gottesdiensten verlesen wird.
Wo die Agitation für den „Pfaflenspiegel" besonders stark ist, möge
noch etwas eingehender über die Minderwertigkeit und Verwerflich-
keit dieses Buches gesprochen werden. Wir verweisen hiefür auf unsere
Bekanntmachung Nr. 121 in Amtsblatt 18/1936 und auf das in Amtsblatt
Nr. 4 angezeigte Buch von Dr. Josef Schneider: „Wider den Pfaffen-
spiegel".
Kanzelverkündigung gegen den Pfaffenspiegel
am 2 8. Februar 19 3,7.
Mehrfachen Berichten zufolge schickt zur Zeit ein Buchverlag vielen
Leuten ohne Bestellung das berüchtigte Buch: „Pfaflenspiegel" zu. Dies
zwingt uns zu folgender öffentlicher Erklärung und Warnung:
1. Der „Pfaffenspiegel" ist eines der traurigsten Machwerke
des Christenhasses, ein Buch voll Skandalgeschichten, eine
Sammlung von gröbsten Verleumdungen und Schmähungen gegen
Kirche und Priesterstand.
2. Otto von Corvin-Wierzbitzki, der dies Buch vor 90 Jahren
aus kirchenfeindlichen Schriften aller Art zusammengetragen hat, war
ein Abenteurer und Revolutionär (Barrikadenkämpfer in Paris), ein
Freimaurer und D eutschenhasser, ein Freund der ' Juden
und Marxisten und Kommunisten.
Juden machten mit seinen Büchern ein gutes Geschäft, Marxisten und
Kommunisten erachteten und verbreiteten sie als ein zügiges, Werbe-
material für ihre verderblichen Ideen.
3. Dieses Buch war wegen seiner Minderwertigkeit, Unwahrhaftigkeit
und Anstößigkeit nicht weniger als achtmal gerichtlich
beschlagnahmt und ist heute noch kirchlicher seits für jeden
Katholiken verboten, weil es ebenso die Sittlichkeit gefährdet, wie die
Ehrfurcht vor Kirche und Priesterstand und jegliches Autoritätsgefühl
zerstört.
4. Niemand ist vex'pflichtet, ein unbestellt zugesandtes Buch anzunehmen
pder zu bezahlen.
Das beste ist,- eine solche Zusendung sofort zurückzuweisen und mit
dem Vermerk „Annahme verweigert" zurückgehen zu lassen.
Wurde aber das Buch ohne Bestellung in Unkenntnis des .Inhalts der
Sendung zunächst angenommen, so ist man auch dann noch nicht zur
Zahlung und Rücksendung verpflichtet, sondern nur gehalten, das
Buch ordnungsgemäß zu verwahren, bis es abgeholt oder für eine
Rücksendung das Porto bezahlt wird.
5. Katholische Eltern! Verschließt Euer Haus einem solchen
Buch, das Eure heilige katholische Kirche und Eure Priester schmäht!
350
Weist jedem Agenten, der Euch solch ein Buch anzubieten wagt, mit
Entschiedenheit die'Türe, mag er l?;ommen, woher er will!" Weist jede
unbestellte Zusendung dieses Buches von Anfang an zurüclc!
Beschmutzt Eure Hände nicht mit einem solchen Werk! Gefährdet Euch
selbst und erst recht Eure Kinder nicht mit solchen S.chmutzgeschich-
ten!
Verwendet das Geld, das Euch ein geschäftstüchtiger Verlag für dieses
Schmähbuch abknöpfen will, lieber zum Kauf eines guten Buches, aus
dem Ihr Euren Glauben festigen, Eure Liebe zu Christus und Kirche
mehren. Euren Sinn erheben und Euer Herz erfreuen könnt! Erwerbt
die Hl. Schrift, ein Evangelienbuch, eine „Nachfolge Christi", eine
„Handpostille", eine Heiligen-Legende und ähnliche Bücher, wie sie
Väter und Mütter Jahrhunderte her besaßen und schätzten und lasen
und zur Unterweisung ihrer Kinder benützt haben. Fragt Eure Seel-
sorger, wenn Ihr Bücher kaufen wollt!
Ein einziges schlechtes Buch im Haus kann mehr Unglück anrichten
als ein Zündholz in Kinderhand. Ein gutes Buch kann ein Quell reich-
sten Segens werden für eine ganze Familie. Vom schlechten
Buch gilt: „Hütet Euch vor den falschen Propheten!" Vom guten
Buch gilt, was Gott dem jungen Augustinus sagen ließ: „Nimm
u n d 1 i e s !"
Um dann der aufdringlichen Propaganda für nationalsozialistisches
kirchenfeindliches Schrifttum und der Beseitigung allen „katholischen
Schriftgutes" aus den öffentlichen Büchereien entgegenzuarbeiten, ließ
das Erzbischöfliche Ordinariat München am 7. Dezernber 1939 60 000 Ver-
zeichnisse „Gute Bücher unter dem Christbau m" in allen
Pfarreien Münchens und größerer Orte verteilen.
6. Schutz von Leib und Leben Schuldloser.
„Alle Versuche, die Sittenlehre und die sittliche Ordnung vom Fels-
boden des Glaubens abzuheben und auf dem wehenden Flugsand mensch-
licher Normen aufzubauen, führen früher oder später einzelne und Ge-
meinschaften in moralischen Niedergang.
V
. . . Die Auslieferung der Sittenlehre an subjektive, mit den Zeit-
strömungen wechselnde Menschenineinung, statt ihrer Verankerung im
heiligen Willen des ewigen Gottes, in seinen Geboten, öffnet zersetzenden
Kräften Tür und Tor."
Diese "Worte aus dem Päpstlichen Rundschreiben „Mit bren-
nender Sorge" vom 14. März 1937 bewahrheiteten sich in traurigster
Weise an der nationalsozialistischen Weltanschauung und Moral.
Der Nationalsozialismus verwarf das zehnfache „Du sollst!" ,und
„Du sollst nicht!" des „jüdischen Gottes vom Berg Sinai" und baute
seine Sittlichkeitslehre auf dem Prinzip auf: „Gut ist, was nützlich
ist". Das Ergebnis war; Tür und Tor war zersetzenden Kräften
geöffnet. Der Zaun des 5. Gebotes war niedergerissen: Verstüm-
melung und Tötung von Hunderttausenden und
Millionen du roh Zwangssterilisation, Euth anasie,
MordallerArtwardieFolge.
Die katholische Kirche aber sprach auch hier immer wieder ihr:
„Es ist dir nicht erlaubt" und wehrte den Mördern, wie sie nur
konnte.
351
a) Kampf gegen die Verstümmelung Schuldloser
Die Reichs regier u n g versuchte zwar in einer Note vom
4. März 1934 ihren Standpunkt zu rechtfertigen und Teilzugeständ-
nisse ins Feld zu führen:
„In der Frage des Sterilisierungsgesetzes sieht sich die Reichsregie-
rung außerstande, den Ständpunkt des Hl. Stuhles, daß dieses Ge-
setz ,allersctiärfsten sittlichen Bedenken' 1? e g e g n e t,
zu teilen. Sie ist vielmehr der Überzeugung, daß die religiös-sittlichen
Bedenken, die seit jeher aucli von Ivirchlicjaer Seite gegen die Ei-zeugung
erbkranken Nachwuchses geltend gemacht wurden und werden, bei der
Schwäche der menschlichen Natur nicht ausreichen, um die Betroffenen
zur völligen Enthaltsamkeit zu veranlassen und so den beiderseits als
sittlich gerechtfertigt anerkannten Erfolg zu erzielen. Sie bedauert die
Verschärfung der Gegensätze, vertraut aber darauf, daß der
Hl. Stuhl diese Gründe würdigen wird, aus denen die Reichsregie-
rung entschlossen ist, auf dem einmal als richtig er-
kannten Wege fortzuschreiten. Die Gesundung des Vollcskör-
pers wird sicherlich auch der seelischen und geistigen Gesundung
djenen.
Die grundsätzliche Auffassung der Reichsregierung und der katho-
lischen Kirche ist insbesondere in der Besprechung am 3. November 1933
zur Geltung gebracht worden. Hiei-bei ist auch die Notwendigkeit erör-
tert worden, beim Vollzuge des Gesetzes nach Lösungen zu suchen, die
das friedliche Zusammenwirken von Staat und Kirche zu fördern ge-
eignet sind. Die Reichsregierung hat daher durch Art. 1 der Durch-
führungsverordnung zum Sterilisierungsgesetz (Reichsges. Bl. I S. 1021)
vorgesehen, daß bei Anstältsverwahrung eine Sterilisa-
tion nicht stattfindet, ferner daß die Unfruchtbarmachung bei
mangelnder Fortpflanzungsfähigkeit oder bei Gefahr für das Leben des
Erbkranken nicht erfolgen darf und damit dem Gedanken der »clausula
salva vita' Rechnung getragen. Der gleiche Artikel verbietet die Un-
fruchtbarmachung vor Vollendung des zehnten Lebensjahres. Schon
durch diese Bestimmung entfällt ein großer Teil der an sich nach dem
Gesetz vorzunehmenden Eingriffe. Darüber hinaus hat die Reichsregie-
rung in Artilcel 6 der gleichen Durchführungsverordnung entgegenkom-
mend' die Möglichkeit eröffnet, der Unfruchtbarmachung durch Auf-
nähme in einer geschlossenen Anstalt zu entgehen. Art. 5 derselben
Verordnung enthält Bestimmungen über die Auswahl der beim Ver-
fahren der Unfruchtbarmachung mitwirkenden chirurgischen Anstalten,
die die Durchführung des Gesetzes vuiter Berücksichtigung des
kirchlichen Standpunktes erleichtern. Der Reichsminister des Innern
und der Reichsminister, der Justiz haben in ihren Ausführungserlassen
an die Länderregierungen hinsichtlich der bei dem Verfahren beteiligten
Ärzte und Richter dem katholischen Standpunkt durch die Weisung
Rechnung getragen, nur solche Personen zur Mitwirkung zu bestimmen,
die innerlich auf dem Boden des Gesetzes stehen.
Es muß bei dieser Sachlage Befremden erregen, daß der deutsche
Episkopat glaubte, bereits vor endgültiger Klärung der durch das
Gesetz entstandenen Fragen, am zweiten Sonntag nach Epiphania öffent-
lich von allen Kanzeln den katholischen Gläubigen vom liirchlichen
Standpunkt aus Verhaltungsmaßregeln einschärfen zu müssen. Die Her-
ausstellung des gegensätzlichen kirchlichen Standpunlctes, die als Auf-
forderung zum Ungehorsam gegen das Reichsgesetz von den Gläubigen
verstanden werden mußte, ist um so unverständlicher, als dem deutschen
Episl^opat die Bereitwilligkeit der Reichsregierung zu entgegenkommen-
der Prüfung vorgetragener Bedenken bekannt war. So hat Seine Emi-
nenz der Hochwürdigste Herr Erzbischof von Breslau, Kardinal Bertram,
352
sich noch unter dem 12. Februar 1934 mit verschiedenen dies-
bezügliclien Anregungen an die Reichsregierung gewandt, die zur Zeit
geprüft werden. So unbedingt die Reichsregierüng auch gewillt ist, die
Freiheit der Verkündigung der Lehre gemäß dem Vertrage zu gewähr-
leisten, so glaubt sie doch, daß es dem Grundgedanken des Konkordates
besser entsprochen hätte, wenn der deutsche Episkopat den Ataschluß der
zwischen ihm und der Reichsregierung gepflogenen Verhandlungen ab-
gewartet hätte, bevor er seine Bedenken von allen Kanzeln verkünden
ließ."
Die Kirche bleibt bei der Ablehnung
Kurz, aber entschieden führt die päpstliche Note vom
14. Mai 1934 hiei^zu aus:
,,Die der Frage der Zwangssterilisation und dem diesbezüglichen
deutschen Reichsgesetze gewidmeten Teile des staatlichen Promemoina
offenbaren eine so weitgehende grundsätzliche Ge-
gensätzlichkeit der beiderseitigen Standpunkte, daß
der Heilige Stvihl eine prinzipielle Erörterung für unergiebig erachten'
muß. Seine eigene, im göttlichen Recht begründete
Stellungnah meist unabänderlich.
Hinsichtlich des lehramtlichen Verhaltens des Episkopats kann nur
auf die Ausfühiamgen des Promemoria vom 31. Januar. d. J. Ziffer VIII
verwiesen werden. Nachdem das Gesetz veröffentlicht war und die Ver-
handlungen über die Ausführüngsbestimmungen klar ergeben hatten,
daß die erreichten Einzelmildei'ungen das grundsätzliche Urteil über das
Gesamtgesetz nicht wesentlich ändern konnten, haben die Bischöfe
Deutschlands mit der von ihnen beschlossenen Verlautbarung lediglich
ihre Pflicht getan. Auch der an dem Zeitpunkt der Verlautbarung
geübten Kritik kann der Hl. Stuhl eine Berechtigung nicht zuerkennen.
Einmal war dieser Zeitpunkt eine seelsorgerliche Notwendigkeit. Des
weiteren \yürde, rein praktisch gesehen, ein längeres Abwarten, wie der
heutige Stand der Sache einwandfrei beweist, kein Verhandlungsergebnis
gezeitigt haben, das zu einer Tolerierung, geschweige denn zu einer Bil-
ligung des Gesetzes durch die Kirche berechtigt hätte."
Begründung der kirchlichen Ab 1 e h n u n g
de r Sterilisation
Die schon im Promemoria der Reichsregierung und in der
päpstlichen Erwiderung erwähnte entschiedene Ablehnung der
Zwangssterilisation durch den deutschen Episkopat wurde Jahr für
Jahr in dem Hirtenwort über die Ehe aufs neue verkündet und
bekräftigt, des näheren dann noch erläutert von Erzbischof Gröber,
Freiburg, in seinem Werk „Handbuch der religiösen Gegenwarts-
fragen", S. 381, wo es heißt:
„Zum Lebensrecht gehört das Recht auf den Leib und seine
Anlagen und insbesondere auf die Unversehrtheit seiner Glieder.
Der Mensch ist in keiner Weise unumschränkter Herr seines Leibes,,
sondern in dessen Gebrauch an Gottes Gesetz gebunden. Wie die
Selbst- und Fremdtötung, so ist auch die- Selbst- und Fremd-
verstümmelung zunächst sittlich unerlaubt; sie beraubt selbst-
herrlich ein leibliches Organ (z. B. der Fortpflanzung) der Befähi-
Kreuz und Hakenkreuz 2:i Ed. 11 ■ . 353
gung zur Erfüllung seines Zweckes. Wenn dies auch bei der Opera-
tion zu Heilzwecl<:en gescliielit, so ist in diesem Fall das er-
strebte Ziel die Heilung, während' die Zerstörung leiblicher Anlagen,
nur als unbeabsichtigte Folge der Erstrebung der Heilung auftritt.
Ebenso steht eine Vernichtung leiblicher Anlagen als Strafe
für ein entsprechendes Vergehen durchaus im Einklang mit der
sittlichen Ordnung. Wo aber keine Schuld und damit keine Ursache
für körperliche Bestrafung vorliegt, da kommt auch der Obrigkeit
keine direkte Verfügungsgewalt über die körperlichen Ogane
ihrer Untertanen zu. Sittlich erlaubt ist nur die für das Gemein-
wohl notwendige Behinderung, z. B. der im wesentlichen
Maße erblich Belasteten, an der zur Fortpflanzung führenden In-
gebrauchnahme der Geschlechtsorgane, wie sie z. B. durch die für
die ganze Dauer der Fortpflanzungsfähigkeit durchgeführte An-
sta'ltsbewahrung dieser Menschen erreicht wird."
h) Kampf gegen die Tötung Schuldloser.
aa) Klarer prinzipieller katholischer Standpunkt
Katholischerseits setzte der Kämpf gegen die Euthanasie schon
ein, ehe noch ein Jahr nationalsozialistischer Herrschaft um war.
Damals schon wies
Kardinal Faulhaber
in seinem Fastenhirtenbrief vom 1. Februar 1934 darauf hin, daß
die vom NS in allen Wendungen propagierte Lehre: „Gut ist,
was nützlich ist", die furchtbare Konsequenz haben müßte,
unheilbar Kranke und Geistesschwache zu töten. Seine geradezu
prophetischen Worte sind es wert, hier wiederholt zu werden.
„Vor kurzer Zeit ist ein furchtbares Wort gefallen: Jede Sittenlehre
gelte nur eine Zeitlang und sittlich sei alles, was dem Wohle des
Volkes dien t." Die christliche Sittenlehre ist ein wesentliches
Stück des Evangeliums, verpflichtet also alle Völker und alle
Zeiten so gut wie die Glaubenslehre de^ Evangeliums. Sittlich ist, was
dem Willen und den Geboten Gottes' entspricht. Das
wird auf die Dauer immer auch dem Wohle des Volkes dienen. Eine
neue sittliche Ordnung aber, die mit den. Geboten Gottes im Widerspruch
stünde, würde Unordnung schaffen und dem Wohle des Volkes nicht
dienen.
Da könnte ein Fanatiker auf den Wahn kor^^men, Enteignung des
Kirchengutes, Meineid und Mord „dienten dem Wohl des Volkes" und
seien deshalb sittlich erlaubt.
Es könnte ein Arzt auf den Gedanken kommen, die
seh mcr ziose Tö t ung der sicher unheilbar Kranken,
auch der unheilbar Geisteskranken, die sogenannte
Euthanasie, erspare dem Staat große Fürsorgelasten
und „diene deshalb dem Wohle des Volkes-."
Als dann nach ein paar Jahren nationalsozialistischer Herr-
schaft die Frage der „Euthanasie" immer aktueller wurde, da
o
54
und dort schon auf Versammlungen und liehrkursen, in Zeitungen
und Büchern demagogisch behandelt wurde, da nahm - ^
Erzbischof Gröber von Freiburg
in seinem „Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen" (1937) auch
dazu Stellung und gab den katholischen Standpunkt mit aller Deut-
lichkeil kund. Im Kapitel „Lebensrecht" unter II: ,{Das unantast-
bare Leben des Nebenmenschen" Punkt 3: „Euthanasie und Ver-
nichtung lebensunwerten Lebens" schrieb er:
„So wenig wie die Einwilligung des zu Tötenden können
irgendwelche besondere Motive und Umstünde die wesenhaft
schlechte Handlung je einwandfrei machen. Die Tötung aus
Mitleid in den verschiedenen Formen der Euthanasie bleibt eine ob-
jektiv unsittliche Handlung, mag sie auch subjektiv und
psychologisch zu verstehen sein. Wo die Euthanasie nach Qualität
und Quantität der verabreichten Mittel nur auf Schmerzlin-
derung eingestellt ist, ist sie einwandfrei; das Aktive an ihr ist ja
nicht Bewirkung des Todes, selbst für den Fall, daß gegen Berechnung
und Voraussicht einmal doch eine Verkürzung des Lebens damit ver-
bunden wäre (reine Euthanasie). Wo aber durch die Injektion nach
Qualität und Quantität der Dosis der Tod kausal beabsichtigt
und bewirkt wird, liegt eine echte Tötungshandlung vor, mag
das subjektive Motiv noch so gut und die besondere Lage des Falles
noch so eigenartig sein.
Dies gilt erst recht von der »Vernichtung lebensunwerten
Lebens', wo das Weiterleben für den Lebensträger selbst und für die
Gesellschaft angeblich jeden Wert verloren hat, wie bei unheilbar Irren
und Verblödeten.
Wollte man den subjektiven Mitleidscharakter der Handlung und
die Umstände, die im konkreten Fall den Tod des Kranken wirklich
wünschenswert machen, über den Wesensgehalt der Handlung stellen
und Euthanasie in irgendeiner Form der wirklichen Todesbewirkung
für einwandfrei halten, sowärendieWirk u n gen solcherPra-
xis eben wegen ihrer Wesenswidrigkeit gar nicht ab-
zusehen. Es ist eine lebensfremde Täuschung, wenn man meint, die
bewußte Lebensvernichtung ließe sich dann auf jene Fälle und auf das
Motiv des Mitleids einschränken; denn es gibt in der fast unendlichen
Vielgestaltigkeit des Lebens auch andere, für den einzelnen und die
Gesellschaft noch wichtigere Gründe und auch andere edelste Motive.
Die Vertreter der Euthanasie und der Freigabe der Vernichtung
,lebensunwerten Lebens' sind ja selbst schon von ihrem Standpunkt aus
dazu gedrängt worden, auch an die halben, Viertels- und
Achtelsarbeitskräfte zu denken. Es ließe sich konsequent
dann auch die Euthanasiegewährung; nicht an die Voraussetzung binden,
daß der betreifende Lebensträger vorher frei das Verlangen nach Eutha-
nasie geäußert haben müßte. Denn wenn er diesen Willen sittlich äußern
kann und wenn man ihn daraufhin töten darf, dann ist nicht einzusehen,
warum man ihm die ,Sterbehilfe' nicht auch gegen seinen Willen geben
dürfen sollte, wenn er unvernünftigerweise am Leben festhält. Das
falsche Prinzip wird sich mit Macht auswirken. Der
Gang des Lebens wird die Konsequenzen ziehen.
Umgekehrt sind die Opfer, die eventuell auch die Gesamtheit für
die ,Ballastexistenzen' bringen muß, wenn ihre Beseitigung un-
zulässig ist, durchaus nicht nur .unproduktiv'. Durch nichta
wird die Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens deut-
licher dargetan, als wenn die Allgemeinheit, der ein leichtes Mittel zur
355
Beseitigung der ihr zur Last fallenden Mensehen zu Gebote stände, die-
sen den Lebensunterhalt von sich aus gewährt. Diese absolute
Achtung vor dem Leben des Menschen v^^ird von großem
Segen sei n."
o
bb) Bischöfliche Proteste bei den höchsten
Reichsstellen:
Als dann um 1939/40 systematisch Geisteskranke aus den Pflege-
anstalten weggeschafft und kurz darauf von irgendwoher als, „ge-
storben" gemeldet wurden, ward es bald offenes Geheimnis, daß
Wegtransport und rascher Tod miteinander in ursächlichem Zu-
sammenhang standen, daß die nationalsozialistische Nützlichkeits-
moral auch das Mittel der Tötung heiligte.
Nun setzte der Widerstand der christlichen Kirchen mit aller
Entschiedenheit ein, zunächst in ernsten Vorstellungen bei der
Reichsregierung.
Katholischei-seits wandte sich als erster
Erzbischof Konrad von Freiburg
an die Reichskanzlei mit den Worten:
1. August 1940.
Exzellenz,
Hochverehrter Herr Minister!
Wir beehren uns, Ew. Exzellenz Nachfolgendes als dringende An-
gelegenheit vorzutragen:
Aus den Reihen des Volkes, sowohl Württembergs als Badens, sind
wir davon unterrichtet worden, daß in den letzten Wochen schon eine
sehr große Anzahl von Geisteskranken und Geistesschwachen in den
staatlichen wie auch in den privaten Anstalten der Euthanasie verfallen
sind. Namentlich die Angehörigen der Verstorbenen, denen nur die
Aschenurne überlassen worden ist, unter Mitteilung einer auffälligen
Todesursache, der wenig Glauben geschenkt wird, sind tief erschüttert.
Viele der Verstorbenen waren durchaus arbeitsfähig, so daß sie keine
Belastung für den Staat gebildet haben.
Wir fühlen uns im Gewissen verpflichtet, Ew. Exzellenz dringend zu
bitten, doch Ihren weitgehenden Einfluß geltend zu machen, damit das
durch das Naturrecht imd christliche Gesetz verbotene Verfahren ein-
gestellt werde. Wir denken dabei aus patriotischen Gründen auch an die
Wirkting, die das Bekanntwerden obiger Vorgänge in der ganzen kulti-
vierten Welt hervorrufen müßte.
Wir erklären uns bereit, auf caritativem Wege für alle die
Unkosten a uf zu k omnien, die dem Staat durch die Pflege der
zum Tod bestimmten Geisteskranken erwachsen.
Wir weisen endlich darauf hin, daß der Krieg mit den Opfern, die
er an das Volk stellt, die ungeeignetste Zeit ist, um das Volksgemüt
durch die Maßnahmen der Euthanasie zu belasten. Ew. Exzellenz wer-
den verstehen, wie sehr uns diese Angelegenheit auf dem Gewissen liegt
und wie herzlich und dringend darum unsere .Bitte ist, es möchte un-
verzüglich diesen Dingen ein Ende bereitet werden.
Mit dem Ausdrucke vmserer ganz besonderen Verehrung und Wert-
schätzung
* Conrad, Erzbischof von Freiburg
Dr. Kottmann, Generalvikar von Rottenburg.
356
Die Gesamtheit. der katholischen Bischöfe
Deutschlands
beauftragte ihren Vorsitzenden
K a r d i n a 1 B e r t r a m
bei der Reichskanzlei vorstellig zu werden gegen die Tötung
,Jeb"ensunwerter Geisteskranker". Dies geschah mit folgendem
Schreiben:
Der Vorsitzende Breslau, den 11. August 1940.
der Fuldaer Bischofskonferenz
C, A. 5231
An die Reichskanzlei
z. H. des Herrn Reichsministers Dr. Lammers
in Berlin.
Der Episkopat der Diözesen Deutschlands erachtet es als seine Pflicht,
die Reichsführung auf schwere Besorgnisse in der Bevölkerung
aufmerksam zu machen, die uns. als verantwortlich für die seelsorg-
lichen Aufgaben bekannt geworden sind, zumal auf Grund von Beobach-
tungen und daran sich knüpfenden Befürchtungen ernste Beunruhi-
gungen in weiteren Kreisen des Volkes wach geworden sind und sich
weiter verbreiten, die allgemeine Bedeutung gewinnen und sehr Be-
achtung erheischen. Es handelt sich darum, daß staatliche Stellen ver-
anlassen, daß unheilbare, sogenannte „lebensunwerte" Geisteskranke
getötet werden oder auch zur Erprobung neuer Heilver-
fahren für andere Krankheiten unter Gefährdung ihres
Lebens benutzt werden. Die Erörterung über das damit bezeichnete Pro-
blem ist nicht neu, wie sich aus folgendem ergibt.
Schon bei den Vorberatungen über Neugestaltung des Picichsstraf-
gesetzbuches haben wir dieser Erörterung in eingereichten Gutachten
Rechnung getragen. Wir erwähnen daraus folgendes:
Unter den Anträgen, die der Episkopat zur Neugestaltung des Deut-
schen Strafrechts 19 3 4 beim Reichsjustizministerium eingereicht hat,
befindet sich bezüglich „S t e r b e h i 1 f e u n d Vernichtung 1 e'b e n s-
unwerten Lebens" folgendes: „Die Euthanasie ist mit dem
christlichen Sittengesetze, mag das Mitgefühl noch
so stark für eine Ablcürzung des Leidens eines Ster-
benden sprechen, unvereinbar. Das gleiche gilt von einer
D. S. 87 zwar nicht empfohlenen, aber offenbar gebilligten evtl. Anord-
nung der Vernichtung .lebensunwerten' Lebens, d. h. der Tötung
unheilbarer Geisteskranker durch amtliche Organe."
II.
Die Kömmission, die mit der Empfehlung des Episkopats beim
Deutschen Caritasverband zur gutachtlichen Äußerung über
die die Caritas berührenden Fragen bei der Neugestaltung des Deutschen
Strafrechts gebildet war, hat 1934 in ihrer Denkschrift folgende Ent-
schließung der amtlichen Strafrechtskommission eingereicht (S. 41 der
Denkschrift) :
„Was für die Euthanasie gesagt ist, gilt in ganz wesentlichem Sinne
von der Vernichtung des sogenannten lebensunwerten Lebens, bei der
357
nur das Moment der Erleichterung sut)jektiver Leiden wegfällt. Wir sind
der Ansicht, daß der Begriff der Heil- und Pflegeanstal-
ten nichtdadurch in sein Gegenteil verkehrt werden
darf, daßinihnenwehrloseundbewußtseinsloseMen-
schengetötetwerden. Wir haben auch stärkste Bedenken nament-
lich in der Richtung, daß durch die Zulassung einer solchen Tötung die
Abneigung gegen die Unterbringung eines Kranken in
einer öffentlichen Anstalt bei den Angehörigen und bei dem
vielleicht in diesem Augenblicke jioqh entscheidungsfähigen Kranken in
einer Weise verstärkt würde, die für die Einleitung von Heilmaßnahmen
und für das Gesamtwohl nur verhängnisvoll sein könnte."
III.
Das Werk „Das kommende deutsche Straf recht" (Beson-
derer Teil. Bericht über die Arbeit der amtlichen Straf rech tskommission;
herausgegeben von Dr. Gürtner, Reichsjustizminister; 2. Auflage, nach
den Ergebnissen der zweiten Lesung neu bearbeitet, 1936, Verlag Franz
Vahlen in Berlin) enthält in dorn von Prof. Dr. Graf v. Gleispach in
Berlin bearbeiteten Abschnitt „21, Tötung" auf S. 375 folgenden Bericht:
„Eine Freigabe der Vernichtung sogenannten
lebensunwerten Lebens kommt nicht in Frage. Der
Hauptsache nach handelt es gich um schwer Geisteskranke oder Voll-
idioten. Der nationalsozialistische Staat sucht dem Entstehen solcher
Ehtartungen im Volkskörper durch umfassende Maßregeln vorzubeugen,
so daß sie immer seltener werden müssen. Aberdie Kraft der
sittlichen Norm des T'ötungs verbo tes darf nicht da-
durch geschwächt werden, daß aug bloßen Zweck-
mäßig k e itsgründen Ausnahmen für die Opfer schwe-
rer Erkrankungen oder Unfälle gemacht werden, mögen
auch diese Unglücklichen nur durch ihre Vergangenheit oder äußere Er-
scheinung dem Volkskörper verbunden sein."
Nach diesen Vorgängen, insbesondere auf Grund der Stellungnahme
der amtlichen Strafrechtskommission hoffte der Episkopat, daß den Be-
strebungen auf Vernichtung „lebensunwerten" Lebens mindestens jede
staatliche Förderung versagt werden würde, erst recht irgendwelche
staatliche Maßnahmen in diesem Sinne ausgeschlossen seien.
Im Hinblick auf die eingangs erwähnten Wahrnehmungen hält der
Episkopat nun aber sich für verpflichtet, nochmals aufdie unbe-
dingte Unerlaubtheit derartiger Handlungen und auf
ihre verhängnisvollen Folgen hinzuweisen, um seinerseits vorbeugend
alles getan zu haben, was in seiner Möglichkeit steht.
Nach Gottes Offenbarung, insbesondere nach der Lehre Christi und
seiner Kirche, sind derartige Handlungen strengstens ver-
boten; das ist nicht nur Glaubens" und Sittenlehre der katholischen
Kirche, das ist auch gläubig-sittliche Überzeugung aller Christen über-
haupt. So • urteilt offenbar auch das gesunde Empfinden des deutschen
Volkes und insbesondere auch der deutschen Ärzteschaft im ganzen.
Zur Anerkennung dieses unbedingten Verbotes
drängt auch vernünftigerweise eine umsichtige, kom-
promißlose, von kurzsichtige r>, gelegentlichen Nütz-
lichkeitserwägungen sich frei haltende Betrachtung
der Natur der Sache: Die Anerkennung des unersetz-
lichen Wertes der menschlichen Person im mensch-
lichenGemeinschaftsleben. Nicht nur , der Glaube anGott
als den Herrn über Leben und Tod jedes Menschen, sondern auch die
dauernde Wohlfahrt jedes irdischen Gemeinschaftslebens, ins-
besondere des staatlichen Lebens, das elementar notwendige
Vertrauen der Menschen untereinander, zur Ärzteschaft,
358
z\x den Krankenpflegeanstalten, zu den gesundheitlichen Maßnahmen des
Stpiates und seiner sittlichen Autorität .fordert, daß die Unverletzlichkeit
des Lebens des einzelnen, nicht entsprechend schuldhai't straffälligen
Volksgenossen, auch unter schwersten wirtschaftlichen und beruflichen
Opfern der betreffenden Gemeinschaften und Berufe als unbedingter
Grundsatz gilt. Gerade in der unverbrüchlichen Ausnahmslosigkeit der
Erhaltung und des Schutzes des Lebens der einzelnen schuldlosen Person
liegt die erforderliche Kraft dieses Vertrauens, die sich durch Opfer
der anderen Volksgenossen und der Gemeinschaft in den Fällen, in denen
vielleicht Nützlichkeitserwägungen dagegen zu sprechen scheinen, erst
richtig bewährt.
"Würden nun diesem Grundsatz erst einmal, wenn auch zunächst eng
begrenzte Ausnahmen nach dem Grundsatz der gelegent-
lichen Nützlichkeit zugelassen, so würden nach aller Lebens-
erfahrung nach und nach und schließlich auch von einzelnen aus selbst-
süchtiger Zweckmäßigkeit weitere Ausnahmen gemacht werden. Statt
des elementar notwendigen Vertrauens würde .mehr und mehr Mißtrauen
um sich greifen und die Volksgemeinschaft, insbesondere die ärztlichö
Berufstätigkeit, Krankenpflege und wichtige staatliche Gesundheitsmaß-
nahmen verhängnisvoll schädigen. Auch würde dadurch bei der Festig-
keit des Grundsatzes von der Heiligkeit des Lebens schuldloser Per-
sonen in aller Welt auf Grund des natürlichen sittlichen Gefühls der
Menschheit und der christlichen Überzeugung der Ruf des deutschen
Volkes als eines Kulturvolkes empfindliche Einbuße erleiden.
Der Episkopat bittet, diese seine Darlegungen, die ebenso aus der
Verantwortung unseres religiösen Pflichtbewußtseins wie aus heißer
Liebe zum deutschen Volke, insbesondere auch seiner irdischen Wohl-
fahrt erfolgen, wohlwollend aufzunehmen und, soweit erforderlich, dafür
Sorge tragen zu wollen,.' daß die eingangs erwähnten Besorgnisse und
Gerüchte keinerlei Begründung in entsprechenden Tatsachen finden,
gez. A. Card. B,ertram,
Ex'zbischof von Breslau,
„Der Wächter und Rufer der Zeit" auf dem Bischofsstuhl von
München
M Kardinal Faul habe r
erhob ebenfalls seine Stimme gegen den amtlichen Mord an Schuld-
und Wehrlosen und schrieb an den verantwortlichen Rechtswahrer
des Reiches:
Der Erzbischof München, den 6. November 1940
von München und Freising
An
^ Herrn Reichsjustizminister Dr. Gürtner
Berlin.
Es ist heute trotz aller Absperrungen und Bedrohungen öffentliches
Geheimnis, daß über die Insassen der Heil- und Pflegeanstalten, ihr
Alter, ihre regelmäßigen Besuche, die Dauer ihrer Krankheit Meldebogen
angefordert, die Gezeichneten in der Nacht mit der Bahn oder in Auto-
bussen gruppenweise in andere Anstalten verbracht, nach Grafeneck in
Württemberg, nach Hartheim bei Linz an der Donau, nach Sonnenstein
In Thüringen, und nach ungefähr acht Tagen von dort den Angehörigen
als plötzlich verstorben gemeldet werden. Gleichzeitig wird den ' An-
359
gehörigen mitgeteilt, „auf Grund polizeilicher Anordnung" oder „aus
gesundheitspolizeilichen Gründen" sei die Leiche eingeäschert worden.
Die Angehörigen wenden sich in ihrem Schmerz und ihrer Verbitterung
an die kirchlichen Behörden unter Vorlage der schriftlichen Mitteilungen
und bitten um ein kirchliches Begräbnis. Die deutschen Bischöfe ge-
währen, ohne ihren grundsätzlichen Standpunkt gegenüber der Feuer-
bestattung zu ändern, in diesen. Fällen das kirchliche Begräbnis, weil die
Einäscnerung ohne den Willen des Vormundes oder der Angehörigen und
gegen deren religiöse Überzeugung erfolgt ist. Aus den Kreisen des
Volkes wird aber laut und immer lauter nach einem Wort der deutschen
Bischöfe zu dieser Tatsache „Amtliche Beseitigungvon kran-
ken Volksgenossen" geru Pen.
Die in Art. 16 des Reichskonkordates vereinbarte Formel des Treu-
eides verpflichtet die Bischöfe, „in der pflichtmäßigen Sorge um das
Wohl und Interesse des deutschen Staatswesens jeden Schaden zu ver-
hüten, der es bedrohen könnte". So fühlt sich der Erzbischof von Mün-
chen auch durch das Reichskonkordat, nicht bloß durch die Gebote
Gottes, die unerschütterlichen Grundlagen jeder öffentlichen Ordnung,
vind nicht bloß durch den Notschrei des Volkes im Gewissen verpflichtet,
vor Ihnen, Herr Reichsjuslizministex-, Klage und Anklage da-
gegen zu erheben, daß seit Monaten Pfleglinge der Heil- und Pflege-
anstalten in Massen hinter den Anstaltsmauern auf dem Wege der
Euthanasie beseitigt werden.
Den christlichen Standpunkt in fieser Frage haben die deutschen
Bischöfe in einer Zuschrift an das Reichsjustizministerium bereits 1934
ausgesprochen, als der Entwurf zum neuen Deutschen Strafrecht vorlag
und darin auch von „Sterbehilfe und Vernichtung unwerten Lebens" die
Rede war. Die deutschen BischöEe haben damals die Unvereinbarkeit der
Euthanasie mit dem christlichen Sittengesetz festgestellt mit dem Zusatz:
„Das gleiche gilt von der Tötung von unheilbaren Geisteskranken." Ein
Gutachten, das von den deutschen Bischöfen zu dieser Frage veranlaßt
war, hat im gleichen Jahr 1934 in einer Denkschrift an die amtliche
Strairechtskommission diesen Standpunlvt näher begründet. Im Jahre
1936 erschien die zweite Auflage des von Ihnen, Herr Reichsjustiz-
minister, herausgegebenen Werkes ,,Das kommende deutsche Strafrecht"
(Verlag Franz Vahlen in Berlin) und darin findet sich, wie in der neuen
Eingabe der deutschen Bischöfe vom 11. August 1940 angeführt wird, in
einem von Professor Dr. Graf von Gleispach beai''beiteten Abschnitt,
Seite 375, die Erklärung:
„Eine Freigabe der Vernichtung sogenannten lebensunwerten
Lebens kommt nicht in Frage. Der Hauptsache nach handelt es sich
vim schwer Geisteskranke oder Vollidioten. Der nationalsozialistische
Staat sucht dem Entstehen solcher Entartungen im Volkskörper
durch umfassende Maßregeln vorzubeugen, so daß sie immer seltener
werden müssen. Aber die Kraft der sittlichen Norm des Tötungs-
verbotes darf nicht dadurch geschwächt werden, daß aus bloßen
Zweckmäßigkeilsgründen Ausnahmen für die Opfer schwerer Er-
krankungen oder Unfälle gemacht werden, mögen auch diese Un-
glücklichen nur durch ihre Vergangenheit oder äußere Erscheinung
dem Volkskörper verbunden sein."
Nach dieser Erklärung durfte der Episkopat annehmen, den Be-
Bestrebungen auf Vernichtung lebensunwerten Lebens werde eine ge-
setzliche oder sonstwie staatliche Förderung versagt werden. Die Ent-
wicklung der letzten Monate, die ein Massensterben der Pfleglinge der
Heil- und Pflegeanstalten brachte, hat diese Hoffnung enttäuscht und
den Vorsitzenden der Fuldaer Konferenz, Herrn Kardinal Bertram von
Breslau, veranlaßt, im Namen und Auftrag der deutschen Bischöfe in
einer Zuschrift an die Reichskanzlei z. H. des Herrn Reichsministers
Dr. Lammers vom 11. August 1940 noch einmal die warnende Stimme zu
360
erheben. Ich nehme an, diese Zuschrift der deutschen Bischöfe vom
11. August 1940, der ich die obigen Angaben über ihre Vorgeschichte
entnehme, ist dem Herrn Reichs] ustizminister im Wortlaut belcannt.
Der unveräußerliche und unverjährbare Paragraph der natürlichen
sittlichen Ordnung „Du sollst nicht töten" ist ohne Abstrich auch
in den christlichen Sittenkodex übernommen. Die Stunde des Ab-
lebens zu bestimmen, ist Gott, dem Schöpfer des Lebens, dem Herrn über
Leben und Tod, vorbehalten. Eigenwillige Vernichtung des
Lebens, des eigenen Lebens durch Selbstinord, frem-
den Leloens durch Tcitung, ist durch Gottes Gesetz als
verbrecherischer Eingriff in die sittliche Ordnung
gebrandmarkt.
Das natürliche wie das christliche Sittengesetz gibt der staatlichen
Obrigkeit das Recht, die waffenfähigen Männer zur Verteidigung
des Vaterlandes bis zum Opfer des Lebens einzusetzen. Die staat-
liche Obrigkeit führt außerdem als „Anordnung Gottes" „nicht innsonst
das Schwert" und hat das Recht, ,V erbrechen gegen die sittliche
Ordnung von besonderer Schwere mit dem, Tode zu bestrafen. In der
christlichen Weltordnung wird aber ein weitergehendes Recht, etwa das
Recht, auf dem Wege der Sterbehilfe unwertes Leben
zu vernichten, aus euthanasischen oder gar aus volkswirtschaft-
lichen Gründen, nicht anerkannt. Auch wenn ein Staatsgesetz die
Straffreiheit solcher HandKmgen aussprechen würde, könnte einem sol-
chen Gesetz die innere Berechtigung innerhalb der christlichen Welt-
ordnung nicht zvigesprochen werden.
. Nach christlicher Lebensauffassung hat auch das kranke und
leidende Menschenleben, nicht bloß das kämpferisclie vmd
volkswirtschaftlich arbeitende, noch einen Beruf im Volks-
ganzen zu erfüllen, der allerdings nur im gläubigen Aufblick zur gött-
lichen Vorsehung erkannt wird. Auch der kranke Mensch hat ein Recht,
nicht ausschließlich nach seinem Nutzwert für die
Volkswirtschaft eingeschätzt zu werden. Übrigens be-
finden sich, da bekanntlich gerade die mit der höchsten geistigen Spann-
kraft Arbeitenden in der Gefahr der geistigen Überarbeitung schweben,
unter denen, die auf dem Wege der Sterbehilfe zu Tode gefördert wer-
den, leicht auch solche, die in ihrem früheren Leben hervorragend für
das Gemeinwohl gearbeitet haben, und solchis, die im letzten Weltkrieg
Nerven und Verstaiidesklarheit verloren haben.
Der Kulturstaat hat, auch wenn er sich nicht als reinen Fürsorge-
staat betrachtet, in der Schule des Christentums für die Rettung des
kranken Lebens in großzügiger Weise gesorgt. Er hat die Ärzte
ausgebildet, Krankenhäuser und Heilanstalten erbaut und gerade im
deutschen Volk eine für andere vorbildliche Krankenfürsorge ins Leben
gerufen. Es wäre ein furchtbarer Widerspruch zur Ver-
gangenheit unseres Volkes, wollte man heute dem Staat das
Recht zusprechen, Kranke aus dem Wege zu räumen, einzig deshalb, weil
die Pflege dieser Kranken wertvolle Pflegerkräfte von der Arbeit am
Volksganzen ablenkt oder die Häuser der Kranken, wie es im vorliegen-
den Falle begründet wird, für rückgeführte Volksgenossen freigemacht
werden sollen. Wir können nicht glauben, daß Männer der medizinischen
Wissenschaft, die sich den hohen Beruf gewählt haben, krankes Leben
zu retten und zu erhalten, denärztlichenBerufsoinsGegen-
teil verdrehen, daß sie zur Vernichtung kranken Lebens die Hand
bieten. Noch weniger können wir glauben, daß die staatliche Rechts-
pflege eines ihrer höchsten Rechte, das Recht zum Tode zu verurteilen,
den Männern der Heilkunst überläßt.
Bei den Opfern der Euthanasie handelt es sich nicht um ver-
brecherische, sondern um kranke Menschen. Die Geiste»-
krankheit kann in einzelnen Fällen durch Alkoholismus, durch sexuelJi:
Kreuz und Hakenkreuz 2-i Bd. II og|
nur das Moment der Erleichterung subjektiver Leiden wegiällt. Wir sind
der Ansicht, daß der Begriff der Heil- und Pflegeanstal-
ten nichtda durch in sein Gegenteil verkehrt werden
darf, daßinihnenwehrloseundhewußtseinsloseMen-
schen getötetwerden. Wir haben auch stärkste Bedenlcen nament-
lich in der Richtung, daß durch die Zulassung einer solchen Tötung die
Abneigung gegen die Unterbringung eines Kranken in
einer öffentlichen Anstalt bei den Angehörigen und bei dem
vielleicht in diesem Augenblicke poch entscheidungsfähigen Kranken in
einer Weise verstärkt würde, die für die Einleitung von Heilmaßnahmen
und für das Gesamtwohl nur verhängnisvoll sein könnte."
III.
Das Werk „Das kommende deutsche Strafrecht" (Beson-
derer Teil. Bericht über die Arbeit der amtlichen Strafrechtskommission;
herausgegeben von Dr. G ü r t n e r, Reichsjustizminister; 2. Auflage, nach
den Ergebnissen der zweiten Lesung neu bearbeitet, 1936, Verlag Franz
Vahlen in Berlin) enthält in dem von Prof. Dr. Graf v. Gleispach in
Berlin bearbeiteten Abschnitt „21. Tötung" auf S. 375 folgenden Bericht:
„Eine Freigabe der Vernichtung sogenannten
lebensunwerten Lebens kommt nicht in Frage. Der
Hauptsache nach handelt es sich um schwer Geisteskranke oder Voll-
idioten. Der nationalsozialistische Staat sucht dem Entstehen solcher
Entartungen im Volkskörper durch umfassende Maßregeln vorzubeugen,
so daß sie immer seltener werden müssen. Aber die Kraft der
sittlichen Norm des T'ötungs ver bo tes darf nicht da-
durch geschwächt werden, daß aus bloßen Zweck-
mäßigkeitsgründen Ausnahmen für die Opfer schwe-
rer Erkrankungen oder Unfälle gemacht werden, mögen
auch diese Unglücklichen nur durch ihre Vergangenheit oder äußere Er-
scheinung dem Volkskörper verbunden sein."
Nach diesen Vorgängen, insbesondere auf Grund der Stellungnahme
der amtlichen Strafrechtskommission hoffte der Episkopat, daß den Be-
strebungen auf Vernichtung „lebensunwerten" Lebens mindestens jede
staatliche Förderung versagt werden würde, erst recht irgendwelche
staatliche Maßnahmen in diesem Sinne ausgeschlossen seien.
Im Hinblick auf die eingangs erwähnten Wahrnehmungen hält der
Episkopat nun aber sich für verpflichtet, nochmals aufdie unbe-
dingte Unerlaubtheit derartiger Handlungen und auf
ihre verhängnisvollen Folgen hinzuweisen, um seinerseits vorbeugend
alles getan zu haben, was in seiner Möglichkeit steht.
Nach Gottes Offenbarung, insbesondere nach der Lehre Christi und
seiner Kirche, sind derartige Handlungen strengstens ver-
boten; das ist nicht nur Glaubens- und Sittenlehre der katholischen
Kirche, das ist auch gläubig-sittliche Überzeugung aller Christen über-
haupt. So • urteilt offenbar auch das gesunde Empfinden des deutschen
Volkes und insbesondere auch der deutschen Ärzteschaft im ganzen.
Zur Anerkennung dieses unbedingten Verbotes
drängt auch vernünftigerweise eine umsichtige, kom-
promißlose, von kurzsichtigen, gelegentlichen Nütz-
lichkeitserwägungen sich frei haltende Betrachtung
der Natur der Sache: Die Anerkennung des unersetz-
lichenWertes der menschlichen Person im mensch-
liehen Gemeinschaftsleben. Nicht nur. derGlaubeanGott
als den Herrn über Leben und Tod jedes Mensehen, sondern auch die
dauernde Wohlfahrt jedes irdischen Gemeinschaftslebens, ins-
besondere des staatlichen Lebens, das elementar notwendige
Vertrauen der Menschen untereinander, zur Ärzteschaft,
358
zw den Krankenpflegeanstalten, zu den gesundheitlichen Maßnahmen des
Staates und seiner sittlichen Autorität .fordert, daß die Unverletzlichkeit
des Lebens des einzelnen, nicht entsprechend schuldhai't straffälligen
Volksgenossen, auch unter schwersten wirtschaftlichen vmd beruflichen
Opfern der betreffenden Gemeinschaften und Berufe als unbedingter
Grundsatz gilt. Gerade in der unverbrüchlichen Ausnahmslosigkeit der
Erhaltung und des Schutzes des Lebens der einzelnen schuldlosen Person
liegt die erforderliche Kraft dieses Vertrauens, die sich durch Opfer
der anderen Volksgenossen und der Gemeinschaft in den Fällen, in denen
vielleicht Nützlichkeitserwägungen dagegen zu sprechen scheinen, erst
richtig bewährt.
Würden nun diesem Grundsatz erst einmal, wenn auch zunächst eng
begrenzte Ausnahmen nach dem Grundsatz der gelegent-
lichen Nützlichkeit zugelassen, so würden nach aller Lebens-
erfahrung nach und nach und schließlich auch von einzelnen aus selbst-
süchtiger Zweckmäßigkeit weitere Ausnahmen gemacht werden. Statt
des elementar notwendigen Vertrauens würde .mehr und melir Mißtrauen
um sich greifen und die Volksgemeinschaft, insbesondere die ärztlichö
Berufstätigkeit, Krankenpflege und wichtige staatliche Gesundheitsmaß-
nahmen verhängnisvoll schädigen. Auch würde dadurch bei der Festig-
keit des Grundsatzes von der Heiligkeit des Lebens schuldloser Per-
sonen in aller Welt auf Grund des natürlichen sittlichen Gefühls der
Menschheit und der christlichen Überzeugung der Ruf des deutschen
VoUtes als eines Kulturvolkes empfindliche Einbuße erleiden.
Der Episkopat bittet, diese seine Darlegungen, die ebenso aus der
Verantwortung unseres religiösen Pflichtbewußtseins wie aus heißer
Liebe zum deutschen Volke, insbesondere auch seiner irdischen Wohl-
fahrt erfolgen, wohlwollend aufzunehmen und, soweit erforderlich, dafür
Sorge tragen zu wollen,.' daß die eingangs erwähnten Besorgnisse und
Gerüghte keinerlei Begründung in entsprechenden Tatsachen finden.
gez. A- Card. B^ertram,
Ex'zbischof von Breslau.
,,Der Wächter und Rufer der Zeit" auf dem Bischofsstuhl von
München
■' K a r d i n a 1 F a u 1 h a b e r
erhob ebenfalls seine Stimme gegen den amtlichen Mord an Schuld-
und Wehrlosen und schrieb an den verantwortlichen Rechtswahrer
des Reiches:
Der Erzbischof München, den 6. November 1940
von München und Freising
An
^ Herrn Reichsjustizminister Dr. Gürtner
Berlin.
Es ist heute trotz aller Absperrungen und Bedrohungen öffentliches
Geheimnis, daß über die Insassen der Heil- und Pflegeanstalten, ihr
Alter, ihre regelmäßigen Besuche, die Dauer ihrer Krankheit Meldebogen
angefordert, die Gezeichneten in der Nacht mit der Bahn oder in Auto-
bussen gruppenweise in andere Anstalten verbracht, nach Grafeneck in
Württemberg, nach Hartheim bei Linz an der Donau, nach Sonnenstein
In Thüringen, und nach ungefähr acht Tagen von dort den Angehörigen
als plötzlich verstorben gemeldet werden. Gleichzeitig wird den * An-
359
gehörigen mitgeteilt, „auf Grund polizeilicher Anordnung" oder „aus
gesundheitspolizeilichen Gründen" sei die Leiche eingeäschert worden.
Die Angehörigen wenden sich in ihrem Schmerz und ihrer Verbitterung
an die kirchlichen Behörden vmter Vorlage der schriftlichen Mitteilungen
und bitten um ein kii-chliches Begräbnis. Die deutschen Bischöfe ge-
währen, ohne ihren grundsätzlichen Standpunkt gegenüber der Feuer-
bestattung zu ändern, in diesen. Fällen das kirchliche Begräbnis, weil die
Einäscnerung ohne den Willen des Vormundes oder der Angehörigen und
gegen deren religiöse Überzeugung erfolgt ist. Aus den Kreisen des
Volkes wird aber laut und immer lauter nach einem Wort der deutschen
Bischöfe zu dieser Tatsache „Amtliche Beseitigung von kran-
ken Volksgenossen" geru l'en.
Die in Art. 16 des Reichskonkoi'dates vereinbarte Formel des Treu-
eides verpflichtet die Bischöfe, „in der pflichtmäßigen Sorge um das
Wohl und Interesse des deutschen Staatswesens jeden Schaden zu ver-
hüten, der es bedrohen könnte". So fühlt sich der Erzbischof von Mün-
chen auch durch das PJeichskonkordat, nicht bloß durch die Gebote
Gottes, die unerschütterlichen Grundlagen jeder öflentlichen Ordnung,
und nicht bloß durch den Notschrei des Volkes im Gewissen verpflichtet,
vor Ihnen, Herr Reichsjuslizminister, Klage und Anklage da-
gegen zu erheben, daß seit Monaten Pfleglinge der Heil- und Pflege-
anstalten in Massen hinter den Anstaltsmauern auf dem Wege der
Euthanasie beseitigt werden.
Den christlichen Standpunkt in dieser Frage haben die deutschen
Bischöfe in einer Zuschrift an das PtCichsjustizministerium bereits 1934
ausgesprochen, als der Entwurf zum neuen Deutschen Strafrecht vorlag
und darin auch von „Sterbcliilfe und Vernichtung unwerten Lebens" die
Rede war. Die deutschen Bischöfe haben damals die Unvereinbarkeit der
Euthanasie mit dem christlichen Sittengesetz festgestellt mit dem Zusatz:
„Das gleiche gilt von der Tötung von unheilbaren Geisteskranken." Ein
Gutachten, das von den deutschen Bischöfen zu dieser Frage veranlaßt
war, hat im gleichen Jahr 1934 in einer Denkschrift an die amtliche
Strafrechtskommission diesen Standpunlvt näher begründet. Im Jahre
1936 erschien die zweite Auflage des von Ihnen, Herr Reichsjustiz-
minister, herausgegebenen Werkes ,,Das kommende deutsche Strafrecht"
(Verlag Franz Vahlen in Berlin) und darin findet sich, wie in der neuen
Eingabe der deutschen Bischöfe vom. 11. August 1940 angeführt wird, in
einem von Professor Dr. Graf von Gleispach beai"beiteten Abschnitt,
Seite 375, die Erklärung:
„Eine Freigabe der Vernichtung sogenannten lebensunwerten
Lebens kommt nicht in Frage. Der Hauptsache nach handelt es sich
um schwer Geisteskranke oder Vollidioten. Der nationalsozialistische
Staat sucht dem Entstehen solcher Entartungen im Volkskörper
durch umfassende Maßregeln vorzubeugen, so daß sie immer seltener
werden müssen. Aber die Kraft der sittlichen Norm des Tötungs-
verbotes darf nicht dadurch geschwächt werden, daß aus bloßen
Zweckmäßigkeitsgründen Ausnahmen für die Opfer schwerer Er-
krankungen oder Unfälle gemacht werden, mögen auch diese Un-
glücklichen nur durch ihre Vergangenheit oder äußere Erscheinung
dem Volkskörper verbunden sein."
Nach dieser Erklärung durfte der Episkopat annehmen, den Be-
Bestrebungen auf Vernichtung lebensunwerten Lebens werde eine ge-
setzliche oder sonstwie staatliche Förderung versagt werden. Die Ent-
wiclclung der letzten Monate, die ein Massensterben der Pfleglinge der
Heil- und Pflegeanstalten brachte, hat diese Hoffnung enttäuscht und
den Vorsitzenden der Fuldaer Konferenz, Herrn Kardinal Bertram von
Breslau, veranlaßt, im Namen und Auftrag der deutschen Bischöfe in
einer Zvischrift an die Reichskanzlei z. H. des Herrn Reichsministers
Dr. Lammers vom 11. August 1940 noch einmal die warnende Stimme zu
360
erheben. Ich nehme an, diese Zuschrift der deutschen Bischöfe vom
11. August 1940, der ich die obigen Angaben über ihre Vorgeschichte
entnehme, ist dem Herrn Reichs] ustizminister im Wortlaut bel?;annt.
Der unveräußerliche und unverjährbare Paragraph der natürlichen
sittlichen Ordnung „Du sollst nicht töten" ist ohne Abstx'ich auch
in den christlichen Sittenkodex übernommen. Die Stunde des Ab-
lebens zu bestimmen, ist Gott, dem Schöpfer des Lebens, dem Herrn über
Leben und Tod, vorbehalten. Eigenwillige Vernichtung des
Lebens, des eigenen Lebens durch Selbstmord, frem-
den Lebens durch Tötung, ist durch Gottes Gesetz als
verbrecherischer Eingriff in die sittliche Ordnung
gebrandmarkt.
Das natürliche wie das christliche Sittengesetz gibt der staatlichen
Obrigkeit das Recht, die waffenfähigen Männer zur Verteidigung
des Vaterlandes bis zum Opfer des Lebens einzusetzen. Die staat-
liche Obrigkeit führt außerdem als „Anordnung Gottes" „nicht umsonst
das Schwert" und hat das Recht, ,V erbrechen gegen die sittliche
Ordnung von besonderer Schwere mit dem, Tode zu bestrafen. In der
christlichen Weltordnung wird aber ein weitergehendes Recht, etwa das
Recht, auf dem Wege der Sterbehilfe unwertes Leben
zu vernichten, aus euthanasischen oder gar aus volkswirtschaft-
lichen Gründen, nicht anerkannt. Auch wenn ein Staatsgesetz die
Straffreiheit solcher Handlungen aussprechen würde, könnte einem sol-
chen Gesetz die innere Berechtigung innerhalb der christlichen Welt-
ordnung nicht zugesprochen werden.
. Nach christlicher Lebensauffassung hat auch das kranke und
leidende Menschenleben, nicht bloß das kämpferische und
volkswirtschaftlich arbeitende, noch einen Beruf im Volks-
ganzen zu erfüllen, der allerdings nur im gläubigen Avifblick zur gött-
lichen Vorsehung erkannt wird. Auch der kranke Mensch hat ein Recht,
nicht ausschließlich nach seinem Nutzwert für die
Volkswirtschaft eingeschätzt zu werden. Übrigens be-
finden sich, da bekanntlich gerade die mit der höchsten geistigen Spann-
kraft Arbeitenden in der Gefahr der geistigen Überarbeitung schweben,
unter denen, die auf dem Wege der Sterbehilfe zu Tode gefördert wer-
den, leicht auch solche, die in ihrem früheren Leben hervorragend für
das Gemeinwohl gearbeitet haben, und solchis, die im letzten Weltkrieg
Nerven und Verstahdesklarheit verloren haben.
Der Kulturstaat hat, auch wenn er sich nicht als reinen Fürsorge-
staat betrachtet, in der Schule des Christentums für die Rettung des
kranken Lebens in großzügiger Weise gesorgt. Er hat die Ärzte
ausgebildet, Krankenhäuser und Heilanstalten erbaut und gerade im
deutschen Volk eine für andere vorbildliche Krankenfürsorge ins Leben
gerufen. Es wäre ein furchtbarer Widerspruch zur Ver-
gangenheit unseres Volkes, wollte man heute dem Staat das
Recht zusprechen. Kranke aus dem Wege zu räumen, einzig deshalb, weil
die Pflege dieser Kranken wertvolle Pflegerkräfte von der Arbeit am
Volksganzen ablenkt oder die Häuser der Kranken, wie es im voi'liegen-
den Falle begründet wird, für rückgeführte Volksgenossen freigemacht
werden sollen. Wir können nicht glauben, daß Männer der medizinischen
Wissenschaft, die sich den hohen Beruf gewählt haben, krankes Leben
zu retten und zu erhalten, denärztlichenBerufsoinsGegen-
teil verdreh e n, daß sie zur Vernichtung kranken Lebens die Hand
bieten. Noch weniger können wir glauben, daß die staatliche Rechts-
pflege eines ihrer höchsten Rechte, das Recht zum Tode zu verurteilen,
den Männern der Heilkunst überläßt.
Bei den Opfern der Euthanasie handelt es sich nicht um ver-
brecherische, sondern um kranke Menschen. Die Geisteii-
krankheit kann in einzelnen Fällen durch Alkoholismus, durch sexuelJc
Kreuz und Hakenkreuz 24 Bd. H 3gj
Ausschwelfungen und sonstwie selbstverschuldet sein. In den meisten
I'i'.llen aber gilt das Wort: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt.
Es handelt sich auch nicht immer um Vollidioten und anderes gänzlich
unwertes Leben. Es sind solche darunter, die, wie die Epileptiker, zeit-
weise in Feld und Garten, auch in der Werkstatt arbeiten. Es handelt
sich auch nicht bloß, wie den kirchlichen Behörden gegenüber behauptet
wurde, um Pfleglinge von staatlichen Anstalten. Es wurden nachweisbar
auch Pfleglinge von rein cai-itativen Anstalten auf dem Umweg über
staatliche Anstalten zu Tode gebracht und vorgemerkt.
Geehrter Herr Reichsjustizminister! Es ist nicht meine Absicht, die
alte Fi'age avif zurollen, ob der Staat die alleinige Rechtsquelle ist und
ob mit dem Stichwort: „Recht ist, was dem Volke nützt" eine menschen-
würdige Rechtsordnung aufgebaut werden kann. Ich halte mich aber
verpflichtet, noch, darauf hinzuweisen, daß es unserem Volk nicht nützen
würde, wenn in weiten Volkskreisen — die Pfleglinge der Anstalten sind
aus allen Gauen und allen Volksschichten zusammengezogen — der
Glaube an das Wort staatli,cher Beamten aufhören müßte.
Dieser Glaube ist heute durch das Vorgehen der Sterbehilfe schwer er-
■ schüttert. Kein Mensch glaubt daran, der Pflegling sei wirklich plötzlich
an einer Krankheit gestorben, an einem Herzleiden oder an einer Blind-
darmentzündung. Kein Mensch glaubt daran, daß die Leiche „aus ge-
sundheitspolizeilichen Gründen" und „wegen Ansteckungsgefahr" ein-
geäschert werden mußte. Diese Angaben werden einer späteren Nach-
prüfung, die man in einem Rechtsstaat erwarten darf, nicht standhalten.
In früheren Mitteilungen sprach der Beamte den Angehörigen gar noch
seine Teilnahme aus. Man kann sich denken, mit welchen Glossen der
Volksmund soLche „Teilnahme" begleitet.
.. Es kann unserem Volke nicht nützen vmd nicht recht sein, wenn
durch ein solches Vorgehen der staatlichen Gesundheitspflege der Wert
des einzelnen Menschenlebens und das Recht überhaupt zu leben so
herabgesetzt und damit die Volksmoral bis ins Tiefste er-
schüttert wird. Es wird immer Menschen geben, die aus falschem
Mitleid von einer „Erlösung" der unheilbar Kranken sprechen, Sie wer-
den aber sofort kleinlaut, wenn man sie daran erinnert, daß sie selber
durch Krankheit oder Unfall in die gleiche Lage kommen können, auch
wenrn sie heute noch gesund sind. Sollte einer aber gar auf Nietzsche
sich berufen, auf den Mann, der das Mitleid und die pflegende Liebe für
Unsinn erklärte, so würden wir ihm sagen müssen, daß Nietzsche selber
in seiner späteren Geisteskrankheit auf die dienende Liebe angewiesen
war und daß Nietzsche, der Mann, der in seinen Büchern wiederholt
über das deutsche Volk unerhörte Schmähungen ausgesprochen .hat, uns
in sittlichen Fragen keine Autorität bedeutet. Wie muß die Volksmoral
erschüttert werden, wenn nach dem Vorbild der Sterbehelfer das ein-
zelne Menschenleben in der Familie derart entwertet und entrechtet
wird!, Oder wenn der einzelne aus nacktem Materialismus auf den Ge-
danken käme, eine Erbtante, einen Vormann auf dem Erbhof oder sonst
einen Mitmenschen zu beseitigen, um sich selber Raum oder sonst einen
Nutzen zu verschaffen!
Es kann unserem Volke nicht nützen, wenn durch die Beseitigung
von Schwerkranken, die man als Volksschädlinge betrachtet, das Ver-
trauen zu den Ärzten und vollends zu den Kranken-
anstalten im Volke zerstört wird. Die Volksgenossen geben ihre
Kranken auf Treu und Glauben in die staatlichen und caritafiven An-
stalten, die körperlich Kranken in die Krankenhäuser, die Geisteskran-
ken oder Geistesschwachen in die Pflegeanstalten. Die staatliche oder
caritative Gesundheitspflege hat diese Kranken auf Treu und Glauben
übernommen. Niemand, der offene Augen und offene Ohren hat, kann
leugnen, daß heute in unserem Volk eine große Unruhe eingetreten ist,
weil das Massensterben, der Geisteskranken überall besprochen wird
362
und leider auch über die Zahl der Toten, die Art des Todes und anderes
die sinnlosesten Gerüchte auftauchen. Die Geheimnistuerei im ganzen
Vorgehen — die Kranken werden in tiefer Nacht abgeholt, in Wagen
iTfiit verhängten Fenstern an den Bestimmungsort gebracht, sie dürfen
nicht besucht werden — ist allerdings nicht geeignet, die Gerüchte zum
Schweigen zu bringen. Die Panik hat bereits auch auf Altersheime und
die Sanatorien von Lungenkranken übergegriffen.
Ich brauche nicht zu versichern, Herr Reichs justizminister, daß ich
obige Darlegungen nicht aus Freude am "Widerspruch gemacht habe. Ich
habe in dieser sittlich-rech-tlichen, nichtpolitischen Frage es als Ge-
wissenspflicht empfunden, zu reden, weil ich als katholischer
Bischof nicht schweigen kann, wenn es sich um die Erhaltung der sitt-
lichen Grundlagen jeder öffentlichen Ordnung handelt, und weil ich als
deutscher Bischof nach Art. 16 des RK mitverpflichtet bin, einen nach
meiner Überzeugung bedrohlichen Schaden von unserem Volke fernzu-
halten und unserem Volk den Ruf einer Kulturnation zu wahren. Wir
verstehen, wenn in Kriegszeiten außerordentliche Maßnahmen getroffen
werden, um die Sicherheit des Landes und die Ernährung des Volkes
sicherzustellen. Wir sagen dem Volk, daß es bereit sein muß, in Kriegs-
zeiten auch große Opfer, auch Blutopfer, in christlichem Opfergeist auf
sich zu nehmen, und begegnen mit Ehrfurcht im Straßenbild der Stadt
den Trägerinnen des schwarzen Schleiers, die für das Vaterland
das Opfer eines, teueren Lebens gebracht haben. Die unveräußerlichen
Grundlagen der sittlichen Ordnung und die Grundrechte des, einzelnen
Menschen dürfen aber auch in Kriegszeiten nicht außer Kraft gesetzt
werden.
Ich bitte, Herr Reichsjustizminister, um eine Antwort auf die obigen
Darlegungen, wenn nicht inzwischen auf die gemeinsame Eingabe der
deutschen Bischöfe und einige Einzeleingaben eine Antwort erfolgte.
gez. Kardinal Faulhaber
Erzbischof von München.
Sehr deutlich gab
der Bischof von Limburg
der Reichsregierung die Wirkung dieser amtlichen Morde auf die
Bevölkerung zur Kenntnis:
Der Bischof von Limburg. Limburg/Lahn, den 13. August' 1941.
An den Herrn Reichsminister der Justiz
Berlin.
Stempel und verschiedene handschriftliche Vermerke.
Bezugnehmend auf die von dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofs-
konferenz, Herrn Kardinal Dr. Bertram, eingereichte Denkschrift vom
16. Juli (sub IV. Seite 6/7) halte ich mich verpflichtet betr. Vernichtung
sogenannten „lebensunwerten Lebens" das folgende als konkrete Illustra-
tion zu unterbreiten.
Etwa 8 km von Limburg entfernt ist in dem Städtchen Hadamar
auf einer Anhöhe unmittelbar über dem Städtchen eine Anstalt, die
früher zu verschiedenen Zwecken, zuletzt als Heil- und Pflegeanstalt
gedient hat, umgebaut bzw. eingerichtet worden als eine Stätte, in der
nach allgemeiner Überzeugung Euthanasie seit Monaten — etwa seit
Februar 1941 — planmäßig vollzogen wird. Über den Regie-
rungsbezirk Wiesbaden hinaus wird die Tatsache bekannt, weil Sterbe-
363
Urkunden von einem Standesamt Hadamar-Mönchberg in die betreffen-,
den Heimatgemeinden gesandt werden.
Öfter in der Wociie kommen Autobusse mit einer größeren Anzalil
solcher Opfer in Hadamar an. Sciiulkinder der Umgegend l^ennen
diese Wagen und reden: „Dal?:ommt wieder die Mordkist e."
Nach der Ankunft solcher Wagen beobachten dann die Hadamarer Bür-
ger den aus dem Schlot aufsteigenden Rauch und sind von dem stän-
digen Gedanken an die armen Opfer eivschüttert, zumal wenn sie, je
nach der Windrichtung, durch die widerlichen Düfte belästigt werden.
Die Wirkung der hier getätigten Grundsätze: Kinder, einander
beschimpfend, tun Äußerungen: „Du bist nicht recht gescheit, du kommst
nach Hadamar in den Backofen" ; s^olche, die nicht heiraten
wollen oder keine Gelegenheit finden: „Heii-aten, nein! Kinder in die
Welt setzen, die dann m den Rex-Apparat kommen !" Bei alten
Leuten hört man die Worte: „Ja in kein staatliches Kran-
kenhaus! Nach den Schwachsinnigen kommen die Alten als
unnütze Esser an die Reihe."
Alle gottesfürchtigen Menschen empfinden diese Vernichtung hilf-,
loser Wesen als himmelschreiendes Unrecht. Und wenn dabei
ausgesprochen wird, Deutschland könne den Krieg nicht ge-
winnen, wenn "es noch, einen gerechten Gott gibt, so
kommen diese Äußerungen nicht etwa von Mangel an Vaterlandsliebe,
sondern aus einer um unser Volk tiefbesorgten Gesinnung.
Es ist der Bevölkerung unf aßiich, daß planmäßig ^Handlungen
vollzogen werden, die nach § 211 StGB, mit dem Tode zu be-
strafen sind! Die obrigkeitliche Autorität als sittlicher Begriff er-
leidet durch die Vorgänge eine furchtbare Erschütterung. Die amtlichen
Mitteilungen, daß N. N. an einer ansteckenden Krankheit gestorben sei
und deshalb die Leiche hätte verbrannt werden müssen, finden keinen
Glauben mehr, tmd es wird durch solche nicht mehr geglaubte amtliche
Mitteilungen der ethische Wert des AutoritätsbegrilTs noch weiter be-
einträchtigt.
Beamte der Geheimen Staatspolizei suchen, wie man hört, das
Reden über die Hadamarer Vorgänge mit strengen Drohungen zu
unterdrücken. Es mag im Interesse der öffentlichen Ruhe gute Absicht
sein. Das Wissen und die Überzeugung und Entrüstung
der Bevölkerung werden damit nicht geändert; die Überzeugung wird
um die bittere Erkenntnis vermehrt, daß das Reden mit Drohun-
gen verboten wird, die Handlungen selbst aber nicht
strafrechtlich verfolgt werden.
Facta loquuntur.
Ich bitte Sie ergebenst, Herr Reichsminister, im Sinne der Denk-
schrift des Episkopates vom 16. Juli d. J. weitere Verletzungen des
fünften Gebotes Gottes verhüten zu wollen.
gez. Dr. Hilfrich.
Abschrift überreiche ich dem Herrn Reichsminister des Innern und
dem Herrn Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten. D. O.
cc) Öffentliche Anklagen auf amtlichen Mord!
Flammende Bischofsworte!
Am 3. August 1941 trat Westfalens großer Bischof
Clemens August von Galen
auf die Kanzel der St.-Lamberti-Klrche in Münster, verlas das
Evangelium Lukas 19,41 — 47: „Als Jesus Jerusalem nahe kam und
364
die Stadt sah, weinte er über sie." Und er gab seinem tiefsten
Schmerz und Abscheu Ausdruck über den in Deutschland gang
und gäbe gewordenen
Mord an Unschuldigen.
Nach kurzer Einleitung sprach er über folgende Tatsachen:
Eine furchtbare Lehre und Praxis!
„In dem am 6. Juli 1941 in allen katholischen Kirchen Deutschlands
verlesenen gemeinsamen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom
26. Juni 1941 heißt es unt6r anderem: , Gewiß gibt es nach der katho-
lischen Sittenlehr-e positive Gebote, die nicht mehr verpflichten, wenn
ihre Erfüllung mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden wäre. Es
gibt aber auch heilige Gewissensverpflicht vi ngen, von
denen uns niemand befreien kann und die wir erfüllen
müssen, koste es uns selbst das Leben. Nie, unter keinen Um-
ständen darf der Mensch — außerhalb von der gerechten Not-
wehr — einenUnschuldigentöten,'
Ich hatte schon am 6. Juli Veranlassung, diesen Worten des gemein-
samen Hircentariefes folgende Erläuterungen hinzuzufügen: Seit einigen
Monaten hören wir Berichte, daß aus Heil- und Pflegeanstalten für
Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger
krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt
werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit
die Mitteilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannnt, die
Asche könne abgeliefert werden. Allgemein herrscht der an Sicherheit
grenzende Verdacht, daß diese zahlreichen, unerwarteten Todesfälle von
Geisteskranken nicht von selbst eintreten, sondern absichtlich herbei-
geführt werden, daß man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man
dürfe sog. ,lebensunwertes Leben' vernichten, also unschvü-
dige Menschen töten, wenn man meint, ihr Leben sei für Volk und Staat
nichts mehr wert. Eine furchtbare Lehre, die die Ermor-
dung Unschuldiger rechtfertigen will, die die gewalt-
sameTötungdernichtmehr arbeitsfähigen Invaliden,
Krüppel, unheilbar Kranken, Alterschwachen grund-
sätzlichfreigibt!
Wie ich zuverlässig erfahren habe, werden jetzt auch in den Heil-
und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen Listen aufgestellt von solchen
Pfleglingen, die als sog. , unproduktive Volksgenossen' abtransportiert und
nach kurzer Zeit ums Leben gebracht werden sollen. Aus der Anstalt
Mariental bei Münster ist im Laufe dieser Woche der erste Transport
abgegangen."
Ungesetzlich!
„Deutsche Männer und Frauen! Noch hat Gesetzeskraft der § 211
des Reichsstrafgesetzbuches, der bestimmt: ,Wer vorsätzlich
einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit
Überlegung ausgeführt hat," wegen Mordes mit dem
Tode bestraft.'
Wohl um diejenigen, die jene armen, kranken Menschen, Angehörige
unserer Familien, vorsätzlich töten, vor dieser gesetzlichen Bestrafung
zu bewahren, werden die zur Tötung bestimmten Kranken aus der Hei-
mat abtransportiert in eine entfernte Anstalt. Als Todesvirsache wird
dann irgendeine Krankheit angegeben. Da die Leiche sogleich verbrannt
wird, können die Angehörigen und auch die Kriminalpolizei es hinterher
nicht mehr feststellen, ob die Kraiakheit wirkhch vorgelegen hat xmd
welche Todesursache vorlag.
365
Es ist mir aber versichert worden, daß man im Reich s-
ministerium des Innern und auf der Dienststelle des
Reichsärzteführers Dr. Conti gar kein Hehl daraus
mache, daß tatsächlich schon eine große Zahl von
Geisteskranken in Deutschland vorsätzlich getötet
worden ist und in Zukunft getötet werden soll. Das
Reichsstrafgesetzbuch bestimmt aber in § 139: ,Wer von dem Vor-
haben eines Verbrechens wider das Leben . . . glaub-
hafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde
oder den Bedrohten hievon zur rechten Zeit Anzeige
zu. machen, wird . . . bestraft'."
Antrag bei der Staatsanwaltschaft
„Als ich von dem Vorhaben erfulir. Kranke aus Mariental abzutrans-
portieren, um sie zu töten, habe ich am 28, Juli bei der Staatsanwalt-
schaft, beim Landgericht in Münster und bei dem Polizeipräsidenten in
Münster Anzeige erstattet durch eingeschriebenen Brief mit fol-
gendem Wortlaut: ,Nach mir zugegangenen Nachrichten soll im Laufe
dieser Woche (man spricht vom 31. Juli) eine große Anzahl Pfleglinge
der Provinzheilanstalt bei Mariental in Münster als sog. ,unproduktive
Volksgenossen' nach der Heilanstalt Eichberg überführt werden, um dann
alsbald, wie es nach solchen Transporten aus anderen Heilanstalten nach
allgemeiner Überzeugung geschehen ist, vorsätzlich getötet zu werden.
Da ein derartiges Vorgehen nicht nur den göttlichen und natürlichen
Sitterigesetzen widerstreitet, sondern auch als Mord nach § 211 des
Reichsstrafgesetzbuches mit dem Tode zu bestrafen ist, erstatte ich ge-
mäß § 139 des RS trGB. pflichtgemäß Anzeige und bitte, die bedrohten
Volksgenossen unverzüglich durch Vorgehen gegen die den Abtransport
und die Ermordung beabsichtigenden Stellen zu schützen und mir von
dem Veranlaßten Nachricht zu geben.'
Nachricht über ein Einschreiten der Staats-
anwaltschaft und der Polizei ist mir nicht zugegangen.
Ich hatte bereits am 26. Juli bei der Provinzialverwaltung der Pro-
vinz Westfalen, der die Anstalten unterstehen, der die Kranken zur
Pflege und Heilung anvertraut sind, schriftlich ernstesten Einspruch
erhoben. Es hat nichtsgehützt. Der erste Trarjsport der schuld-
los zum Tode Verurteilten ist von Mariental abgegangen. Und aus der
Heil- und Pflegeanstalt Warstein sind, wie ich höre, bereits 800 (acht-
hundert) Kranke abtransportiert.
So müssen wir damit rechnen, daß die armen, wehrlosen Kranken
über kurz oder lang umgebracht werden. Warum? Nicht weil sie ein
todeswürdiges Verbrechen begangen haben, nicht etwa, weil sie ihren
Wärter oder Pfleger angegriffen haben, so daß diesem nichts anderes
übrigblieb, als daß er zur Erhaltung des eigenen Lebens in gerechter
Notwehr dem Angreifer entgegentrat. Das sind Fälle, in denen neben
der Tötung des bewaffneten Landesfeindes im gerechten Krieg Gewalt-
anwendung bis zur Tötung erlaubt und nicht selten geboten ist."
Häßliche Vergleiche!
„Nein, nicht aus solchen Gründen müssen jene unglücklichen Kran-
ken sterben, sondern darum, weil sie nach dem Urteil irgendeines Arztes,
nach dem Gutachten irgendeiner Kommission ,lebensunwert' geworden
sind, weil sie nach diesem Gutachten zu den .unproduktiven
Volksgenossen' gehören.
• Man urteilt, sie können nicht mehr Güter produzieren, sie sind w i e
eine alte Maschine, die nicht mehr läijft; sie sind wie ein
366
altes Pferd, das unheilbar lahm geworden ist; sie sind wie eine
Kuh, die nicht mehr Milch gibt. Was tut man mit einer solch alten
Maschine? Sie wird verschrottet. Was tut man mit einem solch lahmen
Pferd? Mit einem solch unproduldiven Stück Vieh? —
Nein, ich will den Vergleich nicht zu Ende führen, so furchtbar
seine Berechtigung ist und seihe Leuchticraft. Eshandeltsichhier
nicht um Maschinen, nicht um Pferd oder Kuh, deren ein-
zige Bestimmung ist, den Menschen zu dienen, den Menschen Güter zu
produzieren; man mag sie zerschlagen, mag sie schlachten, sobald diese
die Bestimmung nicht mehr erfüllen.
Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mit-
menschen, unsere B r ü d er und Schwestern — arme Men-
schen, kranke Menschen — ,unproduktive Menschen' meinet-
wegen. Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast
du, habe ich nur solange das Recht zu leben, als wir produktiv sind,
solange wir als produktiv von andern anerkannt werden?"
Wenn Fundamente wanken .. .
„Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, daß man den
,unproduktiven Menschen' töten darf, dann wehe uns allen, wenn
wir alt und altersschwach werden!
Wenn man die ,unproduktiven Menschen' töten darf, dann wehe
den Invaliden, die im Produktionsprozesse ihre Kraft, ihre
gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben!
Wenn man die ,unproduktiven Menschen' gewaltsam beseitigen darf,
dann wehe unseren braven Soldaten, die als S c h w e r -
kriegsverletzte, als Krüppel, als Invalide in die Heimat
zurückkehren!
Wenn einmal zugegeben wird, daß Menschen das Recht haben, ,un-
produktive Menschen' zu töten, und wenn es jetzt zunächst aucti nur
arme, wehrlose Geisteskranke betrifft, dann ist grundsätzlich der
Mord an allen unproduktiven Menschen, also an den un-
heilbar Kranken, den arbeitsunfähigen Krüppeln, den Invaliden der
Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn
wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freige-
geben.
Dann braucht nur irgend ein Geheimerlaß anzuordnen, daß das bei
Geisteskranken erprobte Verfahren auch auf andere ,Unproduktive' aus-
zudehnen ist, daß es auch bei den unheilbaren Lungenkranken,
bei den Altersschwachen, bei den Arbeitsinvaliden, bei
den schwerkriegsverletzten Soldaten anzuwenden sei.
Dann ist keiner von uns seines Lebens noch sicher. Irgend eine Kom-
mission kann sie auf die Liste der ,Unproduktiven' setzen, die nach ihrem
Urteil ,lebensunwert' geworden sind. Und keine Polizei wird ihn
schützen, und kein Gericht wird seine Ermordung ahnden, den
Mörder seiner verdienten Strafe übergeben.
Wer kann da noch Vertrauen haben zu einem Arzt? Viel-
leicht meldet er den Kranken als ,unproduktiv' an und erhält die An-
weisung, ihn zu töten. Es ist nicht auszudenken, welche Verwilderung,
der Sitten, welch allgemein gegenseitiges Mißtrauen bis
in die Familien hineingetragen wird, wenn diese furchtbare Lehre
geduldet, angenommen und befolgt wird!
Wehe den Menschen, wehe unserm deutschen V o 1 k e, wenn
das heilige Gebot Gottes ,Du sollst nicht töten!', das der Herr unter
Donner und Blitz verkündet hat, das Gott, der Schöpfer, von Anfang an
in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten,
sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und un-
gestraft ausgeübt wird!"
367
Ein Beispiel für T a u s e n d e !
„Ich will evich ein Beispiel sagen von dem, was jetzt geschieht. In
Mariental war ein Mann von ungefähr 55 Jahren, ein Bauer aus einer
Landgemeinde des Münsterlandes, ich könnte euch den Namen nennen,
der seit einigen Jahren unter Geistesstörungen litt und den man daher
der Provinzialheil- und Pflegeanstalt Mariental zur Pflege anvertraut
hat. Er war nicht ganz verrückt. Er konnte Besuche empfangen und
freute sich immer, so oft seine Angehörigen kamen. Noch vor 14 Tagen
hatte er Besuch von seiner Frau und von einem seiner Söhne, der als
Soldat an der Front steht und Heimaturlaub hatte. Der Sohn hängt sehr
an seinem kranken Vater. So war der Abschied schwer. Wer weiß, ob
der Soldat wieder kommt, den Vater wieder sieht; denn er kann ja im
Kampf' für die Volksgenossen fallen. Der Sohn, der Soldat, wird den
Vater wohl sicher auf Erden nicht mehr sehen; denn er ist auf die Liste
der .Unproduktiven' gesetzt. Ein Verwandter, der den Vater in dieser
Woche , in Mariental besuchen wollte, wurde abgewiesen mit der Atis-
kunft, der Kranke sei von hier auf Anordnung des Ministerrats für
Landesverteidigung abtranspoi,'tiert, wohin könne nicht gesagt werden. —
Wie wird diese Nachricht lauten? Wieder so wie in anderen Fällen?
Daß. der Mann gestorben und die Leiche verbrannt sei, daß die Asche
gegen Entrichtung einer Gebühr abgeliefert werden könne. — Dann wird
der Sohn, der im Felde steht und sein Leben für die deutschen Volks-
genossen einsetzt, den Vater hier auf Erden nicht wieder
sehen, weil deutsche Volksgenossen in der Heimat ihn
umsLebengebrachthaben!
Die von mir hier ausgesprochenen Tatsachen stehen fest. Ich kann
die Namen des kranken Mannes, seiner Frau, seines Sohnes, der Soldat
ist, nennen und die Orte, wo sie wohnen."
Du sollst nicht töten!
„Gott hat dieses Gebot in das Gewissen der Menschen geschrieben,
längst ehe Staatsanwaltschaft und Gericht den Mörder verfolgten, längst
ehe ein Gesetzbuch den Mord mit Strafe bedrohte. Kain, der seinen
Bruder erschlug, war ein Mörder. Lange bevor es Staaten vmd Gerichte
gab! Und er bekannte, gedrängt von der Anklage seines Gewissens:
, Größer ist meine Missetat, als daß ich Verzeihung finden könnte.
Jeder, der m ichfindet, wird m icheine nMördernennen'
(Gen. 4,1).
,Du sollst nicht töten!' Dieses Gebot Gottes, des einzigen
Herrn, der das Recht über Leben und Tod hat, war von Anfang an in
die Herzen der Menschen geschrieben, längst bevor es Gott den Kindern
Israels am Berge Sinai mit jenen lapidaren, in Stein gehauenen kurzen
Sätzen verkündet hat, die uns in der Hl. Schrift aufgezeichnet sind, die
wir als Kinder im Katechismus auswendig gelernt haben.
,1 c h bin der Herr, dein Gott.' So hebt dies unabänderliche
Gesetz an. ,Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!' Der ein-
zige, ewige, ütaerweltliche, allmächtige, allwissende, unendlich heilige
und gerechte Gott hat diese Gebote gegeben. Unser Schöpfer und ein-
ziger Richter! Aus Liebe zu uns hat er diese Gebote unsern Herzen
eingeschrieben und sie uns verkündet. Sie entsprechen dem Bedürfnis
unserer Natur. Sie sind die unabdingbaren Normen eines
vernunftgemäßen, eines gottgefälligen, eines heil-
bringenden und heiligenGemeinschaftslebens.
Gott, unser Vater, will mit diesem Gebote uns, seine Kinder, sam-
meln, wie die Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt. Wenn
wir Menschen diesen Befehlen, Einladungen, diesem Rufen Gottes fol-
gen, dann sind wir behütet, beschützt vor Unheil und bewahrt, wie die
Küchlein unter den Flügeln der Henne. — .Jerusalem, wie oft wollte
368
ich deine Kinder sammeln wie die Henne ihre Küchlein unter ihre
Flügel sammelt, aber du hast nicht gewollt.' Soll das aufs neue
wahr werden an unserem deutschen Vaterland, in unse-
rer westfälischen Heimat, in unserer Stadt Münster?"
Eine heuchlerische Antwort voll giftigen
Geifers?
„Der Ruhr-Arbeiter" (Jahrgang 10, Nummer 38,
4. September 3941) glaubte den mutigen Worten und konsequenten
Schlußfolgerungen des Bischofs von Münster entgegentreten zu
müssen — und fand nur Beschimpfungen und Drohungen. Ein
Beispiel, was sich Kirchenfürsten, Prediger der Wahrheit und Ver-
teidiger des Rechtes, im nationalsozialistischen Deutschland gefallen
lassen mußten.
„Der Ruhr-Arbeiter" schrieb:
„Wir haben uns in Nachstehendem mit einer Angelegenheit zu be-
schäftigen, die nicht erst seit einigen Stunden zur Debatte steht, sondern
die schon seit geraumer Zeit die Bevölkerung unseres Gebietes in Un-
ruhe versetzen könnte, wenn diese nicht so ruhig und besonnen wäre
und diese nicht genau wüßte, daß der Sieg nur dann errungen werden
kann, wenn auch die Heimatfront fest und unerschütterlich mitkämpft.
Es ist dem deutschen Volk hinreichend bekannt, daß der E r z -
bisch of von Canterbury, ein Engländer, für den Sieg jenes
Bolschewismus gebetet hat, der bis zum Jahre 1939 30 Millionen Men-
schen ermordet und zu Tode gefoltert hat und der augenblicklich die
furchtbarsten Greueltaten verübt Wir erinnern nur an die Massakres
von Lemberg usw. Wenn der ErzVjischof von Canterbury nicht etwa nur
für das Seelenheil dieser bolschewistischen Bestien betet, sondern
für ihren irdischen Sieg, für ihr System, dann könnte man meinen,
daß sich hier immerhin einige Konflikte mit dem Christentum dieses
Erzbischofs ergeben müßten. Es soll das seine Sache sein. Mildernde
Umstände aber muß man diesem englischen Bischof zubilligen, wenn
man weiß, daß er als Engländer im Augenblick Interesse daran haben
könnte, daß der ,Bundesgenosse' siegt. In dieser Hinsicht müssen wir
schon sagen : ,Hut ab vor dem Nationalbewußtsein des
Erzbischofs von Canterbury!'
Was soll man aber zu einem Manne sagen, der angibt, ein Deut-
scher zu sein und der als Bischof Clemens August von
Münster dran und drauf ist, die Rolle zu spielen, die der Landes-
verräter Erzberger 1917 spielen konnte: den Feinden einzureden, das
deutsche Volk sei unruhig? Es lohne sich deshalb den Krieg zu ver-
längern.
Was ist geschehen? Der Bischof von Münster unterläßt
alles, was unserem Siege nützen könnte. Er verzichtet
darauf, als Abwehr gegen die Gebete des Erzbischofs von Canterbury
für den Sieg des deutschen Volkes und gegen den Bolschewismus zu
beten. Dafür hat er nicht geruht, bis ihm eine Scheußlichkeit
eingefallen ist, aus der er nun einen Dolch machen
möchte, um ihn der Front in den Rücken zu stoßen. Er
beunruhigt mit seinen Predigten und Hirtenbriefen unsere schaffenden
Volksgenossen. Er nimmt den Müttern, die ihre Söhne an der Front im
schweren Kampf wissen, die Ruhe. Er regt sie auf und ängstigt sie.
Er lügt ihnen vor, der Führer würde einst die schwerverwundeten Sol-
daten dieses Krieges umbringen lassen, weil sie ja unproduktiv seien.
369
Man stelle sich so etwas einmal vor: Während der nationalsozia-
listische Staat dabei ist, eine großzügige Altersversorgung auszubauen,
während er alles tut, um den Verwundeten zu helfen, ihnen in den
modernsten Lazaretten jede nur denkbare Erleichterung zu gewähren,
behauptet einermitgeradezuviehischerPhantasie: Jene
Männer, die für das Vaterland ihre gesunden Knochen hingegeben
hätten, würden noch von diesem Vaterland beseitigt werden.
Obwohl wir sonst nicht um Worte verlegen sind, wir müssen schon
sagen, daß es uns hier an Ausdrücken mangelt, die ein solches Ver-
halten des Bischofs von Münster kennzeichnen könnten. Keine Mutter
wird solche Gemeinheiten glauben wollen und können. Sie wird aber
erschüttert darüber sein, daß ein Mensch überhaupt einen solchen bol-
schewistischen Gedanken wie die Ausrottung der Schwerverwundeten
fassen kann.
Es ist uns aber ganz klar, warum ein Mann wie der Bischof von
Münster in solcher Weise den Kampf des deutschen Vol-
kes umsein e Freiheit sabotieren will. Er regt sich nur
pro forma darüber auf, daß einigeKlösterinden luftgefähr-
deten Gebie ten zwangsweise geräumt wurden, weil die
Insassen dieser Klöster von selbst nicht soviel Anstand aufbrachten, um
ihre geräumigen Etablissements mit den Evakuierten zu teilen. Dabei
sind in den Kellern dieser Klöster verdorbene Lebensmittel in
Hülle und Fülle gefunden worden; das ist nun recht aufschluß-
reich: Man gab zum Nachtisch 1>2 Pfund Weintrauben pro Person — das
Pfund zu 3,80 RM. — und was man nicht aufessen konnte,- das stellte
man nicht etwa • der NSV zur Verfügung, sondern ließ es lieber ver-
schimmeln und verfaulen.
Wir hätten Beispiele genug! Wir können auch über die sittlichen
Zustände in den verschiedenen Klöstern, deren Insassen nun etwas
bescheidener, aber immerhin noch sehr solide an anderer Stelle unter-
gebracht worden sind, berichten. Es liegen ja auch noch immer die
Akten über die Waldbreitbacher Prozesse unveröffentlicht da.
Es sind auch noch genügend polizeilich und ärztlich festgestellte Ver-
fehlungen von solchen ,Jugenderziehern' vorhanden, die alle von Leuten
wie dem Bischof von Münster in Schutz genommen werden.
Wenn es der politische Katholizismus durchaus haben will, dann
können ja diese Dinge dem deutschen Volke einmal mitgeteilt werden.
Es besteht kein Zweifel darüber, welches Urteil dann über jene Herren
gefällt würde.
Wenn aber der Bischof von Münster und seine Helfershelfer Lügen
und Beschwerden an das deutsche Volk heranbringen wollen, dann geht
es ihnen ja nicht um das Christentum, es geht ihnen nicht einmal um
ihxe katholische Lehre. Sie sind die politischen Beauftragten einer In-
stitution, die gege-n uns ist.
Warum sollen wir nicht den Mut haben, das auszusprechen: Der
politische Katholizismus will niclit, daßDeuts c h 1 a n d
siegt! Er will nicht, daß in unserem Volke freie und glückliche Men-
schen leben. Er will, daß in Mitteleuropa eine armselige gedrückte und
geschundene Bevölkerung vegetiert. Diese, so meint er, wäre dann die
beste Voraussetzung zur Erfüllung seiner politischen Machtbestrebungen.
Darum allein jammert auch der Bischof von Münster darüber, daß
man die Insassen der Idiotenanstalten aus den luft-
gefährdeten Gebieten abtransportiert hat! Er hätte sie zu gerne in
seinem Bereich behalten, vielleicht hat er mit ihnen etwas Besonderes vor
und will sie womöglich noch als die von Gott besonders Geliebten hin-
stellen. Man male sich einmal aus: In eine Idiotenanstalt würde einmal
eine Bombe hineinkrachen, würde Tür und Tor öffnen und diese un-
glücklichen, aber oft tierisch grausamen Geisteskranken in Freiheit
370
setzen. Der Bischof von Münster wäre dann nicht in der Lage, sie zur
Sanftmut zu überreden.
Als diese Machenschaften des Bischofs von Münster, über die jetzt
in einer Reihe von Betriebsappellen u. a. GauobmannJohlitzund
GaustabsleiterFischerzu den schaffenden Männern und Frauen
sprechen — als diese landesverräterischen Machenschaften des Bischofs
von Münster bekannt wurden, hörten wir mehr als einen Zwischenruf
von unseren Artaeitskameraden, der schärfste Maßnahmen yerla'ngt:
, Warum greift hier die Polizei nicht ein?' — ,Wer die Heimatfront
sabotiert, ist ein Landesverräter; er verdient den
Tod! — Der nationalsozialistische Staat greift in diesem Falle deshalb
nicht ein, weil er dem August von Münster nicht zu einem
billigen Heiligenschein verhelfen will. Er soll sich nicht
als Märtyrer aufspielen können. Er mag sich nun auch den Mund ver-
brennen. Wir hören hin und zeigen mit dem Finger auf ihn, sonst nichts:
Ein Wolf im Schafspelz!
. Wir aber wollen weiter arbeiten, unsere Pflicht tun, damit wir uns
vor denen nicht zu schämen brauchen, die im Kampf gegen den Bolsche-
wismus, gegen die Mobilisierung der Unterwelt und der Barbarei bereit
sind, alles herzugeben, was ein Mensch nur opfern kann: wenn es sein
muß, das eigene Leben! Sie mögen erst zurückkehren, gesund und ehr-
lich, bei ihnen sind unsere Herzen: Bei den Soldaten und bei
d e m F ü h r e r !"
H. H. Bischof
Bornewasser von Trier
sah ebenfalls in der „Euthanasi e", dem geradezu blasphemischen
Ausdruck für „TötungvonunwertemLeben" eine Lebens-
frage. Und er wich als „Zeuge der Wahrheit" der Antwort auf
diese Frage nicht aus, so gefährlich dies auch unter national-
sozialistischem Terror war. Im zweiten Teil seiner Predigt vom
14. September 1941 sprach er:
„ W ie steht der gläubige Christ zu der Tötung des
sog. ,unwerten' oder, wie man heute schon sagt,
,unproduktiven' Lebens?"
„Am Sonntag, den 6. Juli 1941, ist auch ein Hirtenbrief der am
Grabe des hl. Bonifatius in Fulda versammelten deutschen Bischöfe ver-
lesen worden. Darin stand der Satz: ,Es gibt heilige Gewissenpflichten,
von denen uns niemand befreien kann und die wir erfüllen müssen,
koste es uns selbst das Leben ... nie darf der Mensch außerhalb des
Krieges und der gerechten Notwehr einen Unschuldigen töten. Die
Wahrheit dieses Satzes entspricht dem Naturgesetz, dem göttlichen Ge-
setz und dem § 211 des Reichsgesetzbuches. Deshalb haben wir Bischöfe
auf Grund einer Besprechung in Köln am 28. August ds. Js. folgendes
Schreiben an den Reichsinnenminister gesandt:
,Seit einigen Monaten erhalten wir Gerüchte, daß aus den Heil- und
Pflegeanstalten für Geisteskranke auf staatliche Anordnung Pfleglinge,
die schon längere Zeit krank sind, zwangsweise durch eine von Polizei-
kräften begleitete sog. ,Gemeinnützige Transportgesellschaft' abgeführt
werden. Nach kurzer Zeit erhalten dann die Angehörigen die Mitteilung,
der Kranke sei gestorben, die Leiche sei auf polizeiliche Anordnung ein-
geäschert, die Asche könne abgeliefert werden. Allgemein verbreitet ist
die Überzeugung, daß diese zahlreichen unerwarteten Todesfälle von
Geisteskranken nicht von selbst eintreten, sondern vorsätzlich herbei-
371
geführt werden. Obgleich nach § 211 des Reichsstrafgesetz-
buches die vorsätzliche und überlegte Tötung eines
Menschen s t r a f r e c h 1 1 i c h zu verfolgen i s t, wird bisher
gegen die den Abtransport und die Tötung der Geisteskranken aus-
führenden Personen ein Strafverfahren nicht eingeleitet und durch-
geführt.
Die Nachrichten über die straflose vorsätzliche Tötung von Geistes-
kranken haben erhebliche Beunruhigungen in der Bevölkerung hervor-
gerufen, nicht nur bei den Angehörigen der Geisteskranken, sondern bei
allen, die erkennen, daß mit der Straflosigkeit und der Zulassung der
vorsätzlichen Tötung von ,unprüduivtiven Volksgenossen' der Grundsatz
preisgegeben wird, daß die vorsätzliche Tötung Unschuldiger über die
anerkannten Ausnahmefälle der Tötung im gerechten Krieg und der
Tötung des ungerechten Angreifers im Falle der Notwehr hinaus durch-
aus verboten und strafwürdig ist, ein Grundsatz, der als sittliche Norm
jedem unverbildeten Gewissen selbstverständlich ist und der von allen
Kulturvölkern, auch vom deutsciien Volke, soweit wir seine Rechtsauf-
fassung kennen, seit uralten Zeiten festgehalten ist. An diesem Grund-
satz, als einem von Gott, dem Schöpfer, dem Gewissen , eingeschriebenen
und überdies in übernatürlicher Offenbarung mitgeteilten Gebot, muß
und wird die katholische Kirche und jeder Christ wie bisher, so auch
jetzt und in alle Zukunft festhalten . . . Wir müssen daher in der
oben angeführten vorsätzlichen Tötung schuldloser, , unproduktiver'
Geisteskranker einen Abfall von den Grundsätzen menschlicher Sitt-
lichkeit und die radikale Abkehr von den Grundforderungen des Chri-
stentums erkennen und erheben dagegen als berufene Ver-
treter und Verkünder der christlichen Moral ent-
schieden Einspruch. Wir sehen uns genötigt, zur Aufklärung
imd Belehrung des katholischen Volkes auch öffentlich dagegen
.Stellung zu nehmen, damit unser Volk nicht an den
Grundsätzen der wahren Sittlichkeit irre wir d."
Das habe ich hiermit getan. Kein Staat, keine Regierung
hatdas Recht, die Tötung sogenannter „lebensunwerter", „unproduk-
tiver", schuldloser Schwachsinniger oder Geisteskranker anzuordnen,
und kein Arzt hat das Recht, an einer solchen Tötung mitzuwir-
ken. Er verginge sich auf das schwerste am Natur- und göttlichen
Gesetz. Die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menscjien, auch
wenn er ein ai'mer Geisteskranker ist, ist und bleibt unerlaubt.
Daran ändern auch nichts die geschmacklosen und jedes menschliche
Feinempfinden auf das peinlichste verletzenden Filmvor-
f ü h r u n g e n mit den mehr oder weniger geistlosen Reden, die dabei
geführt werden. Es ist sehr traurig, daß gedankenlose Menschen sich
durch solche unwürdige Propagandafilme mit den Bildern armer miß-
gestalteter Menschen und durch billige Redensarten von dem
schönen schmerzlosen Tod und von dem Sparen von Millionen
seitens des Staates verwirren und betören lassen.
Hat man denn schon das gewaltige Gottesgebot „Du sollst nicht
töten!" vergessen? Weiß man denn nicht, daß die Menschen durch das
Gottesgebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" diesen
Ärmsten aller Armen ihre Sorge zuzuwenden verpflichtet sind? Das
haben doch selbst vom rein natürlichen, humanitären Standpunkt aus
alle zivilisierten Staaten anerkannt, indem sie bisher Heil- und
Pflegeanstalten für diese armen Menschen einrichteten, nicht
aberTötungsinstitute.
Ich stelle deshalb die Frage: Gilt denn das deutsche Reichsstraf-
gesetz nicht mehr mit seinem § 211, der da sagt: „Wer vorsätzlich einen
Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausgeführt
hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft?" Gilt das nicht mehr, dann
soll man den Mut haben, es dem Volke zu sagen, weil es sich um die
372
Aufhebung eines Paragraphen des öffentlich bekanntgegebenen Reichs-
strafgesetzbuches handelt*).
Und wenn es aufgehoben ist und man sich sogar eines Propa-
gandafilms bedient, um die furchtbare Lehre der Tötung
Unschuldiger vor dem Vollce zu rechtfertigen, dann wissen
wir wohl, wo heute eine solche, allem Naturrecht und Gottesrecht
widersprechende Lehre anfängt, aber nicht, wo sie auf-
hört. Denn es gibt auch noch andere sogenannte „lebensunwerte" oder
„unproduktive" Menschen, als da sind, die nicht mehr arbeitsfähigen
Invaliden, Krüppel, unheilbare Kranke, Altersschwache und viele andere.
„Du sollst nicht töten!" Das ist das gewaltige, die unschul-
dige Menschheit auf der ganzen Erde schützende Gottesgesetz, hinein-
geschriebsn in das menschliche Gewissen, längst bevor es ein Straf-
gesetzbuch gab. Gilt es für deutsche unschuldige Menschen, auch wenn
sie „unproduktiv" und nach der Auffassung gewisser Volksgenossen
„lebensunwert' sind, gilt das für deutsche Menschen nicht mehr?
Dann wehe dir, armes Deutschland! "Wie sagt die Hl.
Schrift: „Täuschet euch nicht: Gott läßt seiner nicht spotten. Was immer
der Mensch säet, das wird er ernten." (Gal. 6,7.) Und wie sagt ein deut-
scher Dichter?
„Der Schwerter letztes hält Gott in seiner Han d."
K a r d i n a 1 F a ulh a b e r
protestierte in dem Hirtenwort, das er am Passionssonntag 1942
persönlich von 'der Domkanzel verlas, neuerdings gegen die „Eutha-
nasie" und sprach:
Mit tiefem Erschrecken hat das christlich-deutsche Volk es ver-
nommen, daß auf Anordnung staatlicher Stellen zahlreiche geistes-
kranke Menschen, die den Heil- vmd Pfiegeanstalten anvertraut
waren, als sogenannte „unproduktive Volksgenossen" ums
Ijcben gebracht wurden. Zur Zeit wird durch einen behördlich empfoh-
lenen Film, der die Bedenken der Gewissen durch Erweckvmg von Mit-
leid beschwichtigen will, für die Freigabe der Tötung unheilbarer Kran-
ker in weitesten Kreisen Propaganda gemacht.
Euer Erzbischof wird nicht' nachlassen, gegen die
Tötung Unschuldiger Verwahrung einzulegen. Niemand
ist seines Lebens sicher, wenn das 5. Gebot nicht anerkannt wird: „Du
sollst nicht töten."
Die Gesamtheit der deutschen Bischöfe
erhob im Hirtenbrief, vom 12. September 1943 über die „Zehn Ge-
bote als Letaensgesetz der Völker" neuerdings ihre warnende und
verurteilende Stimme gegen die Tötung Unschuldiger und ver-
kündete dem deutschen Volke:
„ . . . Keine irdische Macht darf in das Recht des Herrn über Leben
und Tod willkürlich eingreifen und das Leben eines Unschuldi-
gen frevelhaft verletzen und vernichten. .Einen Unschuldigen
und einen, der im Recht ist, sollst du nicht töten' (Exöü.
23,7).
*) Nach einer Mitteilung, die mich am Tage nach der Predigt, am 15. Septem-
ber, traf, ■ ist der § 211 tatsächlich insofern abgeändert, als wegen
Mordens niu- bestraft wird, wenn besonders schiverwiegende, hauptsächlich in
der Geginnung liegende Umstände vorliegen. Liegen diese nicht vor, so wird,
,,wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, als Totschläger mit lebensläng-
lichem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft".
373
Wer ein solches Leben angreift, greift Gott selbst an, stößt eine gött-
liche Ordnung um, verletzt das göttliche Recht.
Wohl trägt die weltliche Obrigkeit das Schwert, um als
, .Dienerin Gottes', wie der Apostel sagt (Rom. 13,14), schwere Ver-
brechen Schuldiger zu bestrafen und ungerechte Angriffe
auf das Vaterland mit Waffengewalt abzuwehren. Sonst aber gilt für
sie wie für jede Privatperson: ,Du darfst nicht töten! Du darfst Leib
und Leben eines unschuldigen Menschen nicht direkt verletzen und
vernichten.'
Die Begründung dafür gibt der Hl. Vater PIUS XL: ,Die Obrigkeit
hat über die Organe ihrer Untertanen keine direkte Gewalt. Wo keine
Schuld und damit kein Grund für eine körperliche Bestrafung vorliegt,
kann sie die Unversehrtheit des Leibes weder aus eugenischen noch
irgendwelchen anderen Gründen direkt verletzen und antasten.'
Tötung ist in sich schlecht, auch wenn sie angeblich im Interesse des
Gemeinwohles verübt würde: an schuld- und wehrlosen Geistes-
schwachen, an Geisteskranken, an unheilbar Siechen und
tödlich Verletzten, an erblich Belasteten und lebensuntüchtigen
Neugeborenen, an unschuldigen Geiseln und entwaff-
neten Kriegs- oder Strafgefangenen, an Menschen
fremder RassenundAbstammung.
Auch die Obrigkeit kann und darf nur wirklich todeswürdige
Verbrecher mit dem Tode bestrafen.
,JenseitsvonGut und Bös ist auf der Landkarte
eines menschen würdigen . Lebens kein einziger...;
die Sterne des Gewissens leuchten in allen Breite-
graden des Menschenlebens; kein Streifen daran ist
Auslahd für das Gewissen (für das in ihm Widerleuchtende
göttliche Gesetz), auch die Politik nicht, auch der Handel nicht,
auch das öffentliche Leben nicht!' (A. Giesler, Der 2. Schweizer
Katholikentag 1907, 70 ft.) '
Das Gemeinwohl darf nur mit sittlich erlaubten Mitteln angestrebt
und verwirklicht werden. Schon der Heide Cicero wendet sich- gegen
die Verkehrung der Sittlichkeit zur bloßen Nützlich-
keit: jNichts ist wahrhaft nützlich, was nicht zugleich sittlich gut ist.
Und es ist etwas nicht gut, weil es nützlich, sondern es ist nützlich,
weil es gut ist.' Man zerstört die ganze Lebensgrundlage der Natur,
wenn man den Nutzen von der Sittlichkeit trennt. Der Nutzen hat, sich
nach der Sittlichkeit zu richten." (de off. HL 20—30.)
Als kleiner Nachtrag darf vielleicht noch angefügt werden,
was allein
das Erzbisch öflic he Ordinariat München
t
sich abmühte, in das Dunkel dieser traurigen Machenschaften
hineinzustoßen.
Ein Mitglied des Domkapitels reiste deswegen eigens nach
Württemberg, um einerseits über die Vernichtungsanstalt Grafen-
eck Erkundigungen einzuziehen, dann in verschiedenen Pflege-
anstalten nachzufragen, ob, auf welche Weise und wieviele Pfleg-
linge schon weggekommen seien, was man nach dem Abtransport
von ihrem weiteren Schicksal erfuhr usw. Ähnlich reiste derselbe
374
Münchener Domkapitular eigens nach Linz a. D., um Sicheres zu
erfahren über die Mordzentrale H a r t h e i m.
Das Resultat dieser Nachforschungen wurde H. H. Bischöfen
zugeleitet, damit sie für ihre „Schritte" feste Unterlagen hätten.
Sc darf abschließend wohl gesagt werden: Es geschah
alles,, was unter der schweren Diktatur mit ihrer Knechtung
jeglichen Rechtes, ihrer Fesselung der Wort-Gottes- Ver-
kündigung, ihrer Unterdrückung von Wort und Schrift im Inland
und nach dem Ausland überhaupt nur geschehen konnte.
Es geschah bestimmt viel mehr, als die Öffentlich-
keit jemals erfuhr.
Es geschah mehr, als hier aus einem kleinen Gesichtswinkel
hat gesagt werden können.
Es geschah vieles unter großer Gefahr für Freiheit und Leben:
Bischöfe gaben Weisungen an kirchliche Pflegeanstalten, die Per-
sonalbogen nicht einzureichen;
Anstaltsleitungen erboten sich, die Geisteskranken auf eigene
Kosten zu behalten;
die Gesamtheit der deutschen Bischöfe wandte
sich mit ernsten Worten an die höchsten Stellen, freilich ohne
jemals auch nur eine Zeile Antwort zu erhalten;
Bischöfe träten vor das ganze Kirchenvolk, verkündeten wie
mit Posaunen das „amtliche Verbrechen" und erhoben Anklage
ä u f M o r d.
Als alles Bitten und Beschwören, Anklagen und Verdammen
nichts nützte, suchten einzelne Personen diese Verbrechen, die nach
dem Willen von Regierung und Gestapo strengstes Geheimnis blei-
ben sollten, dem Ausland zur Kenntnis zu bringen, um von
außen her das Gewissen, die Ehre, die Scham wecken zu lassen
und von der Fortsetzung des Verbrechens abzuschrecken. Was das
Ausland auf diese Mitteilungen antwortete, wissen wir dank der
nationalsozialistischen Nachrichtensperre heute noch nicht. Aber
jedenfalls dürfen Deutschlands katholische Bischöfe diesbezüglich
ruhigen Gewissens fragen:
„W as hätte ich noch tun sollen, und hätte es
nicht getan?" (Is. 5,4).
Als Letztes, aber, nicht als Geringstes:
dd) Das mutige Schreiben und edle Angebot einer
Ordensfrau!
Salzburg, 23. August 1940.
Betreff: Verlegung von Krankerl aus Heil- und Pflegeanstalten.
An den Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis XVIII
Innsbruck.
Die Oberin der Versorgungsanstalt Schernbergbei Schwar-
zach St. Veit erhielt dieser Tage die Mitteilung, die sie mir als
375
ihrer Vorgesetzten weitergab, daß Kranke der Anstalt in Sammel-
transporten abgeholt und in andere Anstalten übergeführt würden.
Es ist nunmehr schon ein offenes Geheimnis, welches
Los diese abtransportierten Kranken erwartet; denn nur zu oft
gelangt " kurz nach ihrer Überführung die Todesnachricht vieler
dei'selben ein.
Bedenken Sie, Herr Reichsverteidigungs-
kommissar, die Folgen dieses Vorgehens:
Unsere siegreich heimkehrenden Krieger, die Blut und Leben
fürs Vaterland gewagt haben, werden vielleicht Vater oder Mutter
oder sonst einen nahen Verwandten nicht mehr vorfinden; wie
werden sie sich dazu stellen?
Und bringt es nicht eine große Unruhe und Unsicherheit unter
das Volk, das gerade heutzutage mehr denn je geeint und ver-
trauensvoll dastehen sollte, wenn ein jeder sich sagen muß: ,,Was
wird noch mit mir selbst geschehen? Denn ein jeder von
uns, auch Sie und ich, wird einmal hilfsbedürftig
werden oder durch Krankheit oder Unfall der Gemeinschaft
keinen aktiven Dienst mehr leisten können. ■"
' Was wird auch das Ausland von uns denken, wenn ein so hoch-
stehendes Kulturvolk, das die größten Siege der Weltgeschichte er-
ringt, mitten in seinem Siegeslauf beginnt, sich selbst zu ver-
stümmeln?
Müssen Sie nicht auch fürchten, daß die Seelen all dieser
Armen — denn sie haben eine unsterbliche Seele wie Sie und ich —
Sie vor dem Richterstuhl Gottes anklagen werden, vor dem wir
alle erscheinen müssen, ob wir es glauben oder nicht? Und was
dann?
Die göttliche Vorsehung; die unser Führer immer
wieder vertrauensvoll nennt, v/ird auch andere Mittel haben, das
beabsichtigte Ziel zu erreichen, und ich erlaube mir, folgenden Weg
vorzuschlagen: .
Vv''enn Sie uns zusagen, uns unsere Pfleglinge in Schernberg zu .
belassen, so sind wir bereit, bis zum Ende des Krieges und
der Rückkehr zu Friedensverhältnissen auf den s.taatlichen
Beitrag zur Erhaltung der Kranken (die Kopfquote
des Gaufürsorgeverbandes) zu verzichten und einzig auf
Kongregationskosten d i e Anstalt imjetzigen Zu-
stande weiter zu erhalten.
Wir rechnen dabei auf den Segen der göttlichen Vorsehung.
Das dadurch dem Gau eingesparte Geld kann dann leicht ver-
wendet werden, um die ,, notwendigen, jederzeit verfügbaren Betten"
zu beschaffen.
Sollte aber aus irgendeinem Grunde der Vorschlag nicht an-
genommen werden, so bitte ich Sie, nicht auf unsere Mit-
376
liilfe beim Abholen und Transpoi't der Kranken
zurechnen.
Für die Kongregations- Vorstehung:
gez.: Bertha Grfn. Königsegg, Visitatorin.
Für diesen mannhaften Brief und ihr hochherziges Angebot
schickte Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar H o f e r die
Frau Provinzoberin in den Kerker.
Da.s Gericht freilich war von ihrer edlen Gesinnung so beein-
druckt, daß es sie nach ein paar Wochen freiließ.
„Wo war der Widerstand?"
Ist die Antwort hierauf noch schwer?
*
7. Die Gleicliberechtioimjr der Rassen.
Kirchlicher Kampf gegen den Antisemitismus.
a) S eil ü t z e n d e W o r t e :
„Zum ersten Male vielleicht, seit es eine Menschengeschichte
gibt, ist in diesem Land die Erkenntnis dahin gelenkt worden, daß
von allen Aufgaben, die uns gestellt sind, die er-
habenste und damit für den Menschen heiligste die Erhaltung
der von Gott gegebenen blutgebundenen Art ist."
,,Also sprach" — Hitler in seiner Reiehstagsrede vom 30. Ja-
nuar 1937. Eineinhalb Monate später, am 14. März 1937, verkündete
PapstPiusXI.
in seiner Enzyklika über „die Lage der katholischen Kirche im
Deutschen Reich" der ganzen Welt in lapidarer Kürze:
aa) P a p s t w o r t e
„Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Slaatsform,
die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Ge-
meinschartsscstaltnni? — ' die innerhalb der irdischen Ordnung einen
wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten — aus dieser
ihrerir dischenWertskalahe raus lös t, siezurh ochsten
Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie
mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht
die gottgeschaffenc und gottbelohlene Ordnung der Dinge.
Ein solcher ist weit von v/ahrem Gottesglauben und einer solchem
Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt."
Das war die ebenso klare wie schlagende Antwort des „Wäch-
ters der Stunde" und des „Herolds der Wahrheit", des Oberhauptes
der Kirche, die sich die katholische, die allgemeine nennt und
allen Völkern und Rassen das Evangelium Christi und das Heil in
Christo anbietet, getreu seinem Auftrag: „Geht hinaus in alle
Welt und lehret alle Völker und taufet sie . . .!"
377
Der deutschen Reichsregierung gegenüber hatte Papst
Pius XL schon drei Jahre früher in der Note vom 14. Mai 1934 die
Rasse- und StaatavergÖtterung verurteilt:
„Menschliche Norm ist undenkbar ohne Verankerung im Göttlichen.
Diese letzte Verankerung kann nicht liegen in einem gewillkürten
jGöttlichen'' der Rasse, nicht in der Verabsolutierung'
der Nation. Ein solcher ,Gott' des Blutes und der Rasse
wäre weiter nichts als das selbstges'chaffene Wider-
bild eigener Beschränktheit und Enge, eine Vergöt-
terung kollektiven Stolzes, aber nicht das gläubige und
demütige Anerkennen eines alles Geschöpfliche überragenden höchsten
Seins, in dessen Vaterhand die ganze Menschheit geborgen ist als in
ihrem Schöpfer, ihrem Erhalter und Ijenker.
Die von manchen Kreisen gepredigte Rückkehr zu einer ,N a t i o -
n a 1 r e 1 i g i o n' wäre nicht nur ein .Sündenfall' im übernatürlichen,
sohdern auch ein Rücklall im natürlich-kulturellen Sinne, Die Kirche
als Hüterin. des Glaubenserbes Christi kann nicht widerstandslos zu-
sehen, wenn der Jugend, der Trägerin der kommenden Generationen,
statt der Frohbotschaft der Lehre Christi die Trutz- und Trug-
botschaft eines neuen Materialismus der Rasse gepre-
digt wird und staatliche Institutionen hierzu mißbraucht werden.
Die Kirche weiß um die Rasse als biologische Tatsache
und leugnet in gewissen, von unwissenschaftlichen und unhistorischen
Übertreibungen sich fernhaltenden Grenzen die Lebenswerte und Kul-"
turantriebe nicht, die in ihr ruhen. Sie weiß aber auch, daß die Ver-
absolutierung des Rassegedankens und vor allem seine
Proklaniation als Religionsersatz ein I i" r w e g ist, dessen
Unheilsfrüohte nicht auf sich warten lassen werden. Aus solchen Ziel-
setzungen wird nie eine Jugend erwachsen können, die den gewaltigen
Belastungsproben der schweren Gegenwart und Zukunft gewachsen ist."
„V ö 11 i g i r r i g e Li e h r s ät z e !"
Im Auftrag dieEes J^postoüschen Zeugen der Wahrheit und un-
bestechlichen Wahrers göttlicher und menschlicher Rechte rief dann
die oberste kirchliche Leitung der Priesterseminare und katho-
lischen Universitäten der Weltkirche am 13. April 1938 die Pro-
fessoren auf, mit allen Kräften und auf allen zuständigen Gebieten
die völlig abwegige Lehre des Rassismus und die Rassenvergötzung
zu bel^ampfen.
Am Vorabend des Hochfestes der Geburt unseres Herrn hat unser
erhabener Oberpriester und glorreich regierender Papst vor den erlauch-
ten Kardinälen und Prälaten der römischen Kurie mit traurigem Ernst
über die schwere Verfolgung der Katholischen Kirche in Deutschland
gesprochen.
Insbesondere trifft es das Herz unseres Heiligen Vaters so außer-
ordentlich schmerzvoll, daß man zur Entschuldigung dieses
Unrechtes schamlose Xi äster ungen anführt und durch
die weite Verbreitung höchst verderblicher Lehren unter
dem Deckmantel einer Scheinwissenschaft die Geister
irrezuführen und die wahre Religion auszurotten trachtet.
Unter diesen Umständen spornt die Kongregation die Universitäten
und katholischen Fakultäten an, ihr besonderes Augenmerk auf die Ver-
teidigung der Wahrheit gegen die fortwuchernden Irrlehren zu richten.
Darum müssen die Hochschullehrer mit allen geistigen Kräften der Bio-
378
logie, Geschichte, Philosophie, Apologetik, Rechts- und Sittenlehre die
Waffen entlehnen, um folgende völlig irrige Lehrsätze
schlagend und sachkundig zu widerlegen.
1. Die Menschenrassen differenzieren sich in ihrer eingebore-
nen und unveränderlichen Art so sehr, daß die niedrigste Men-
schenrasse von der höchsten weiter entfernt ist als von der höch-
sten t i e r i s c h e n R a s s e.
2. Die Kraft der Rasse und die Reinheit des Blutes muß auf
alle mögliche Weise behütet und gefördert werden; alles, was
diesem Ziel dient, ist in sich selbst bereits gut und erlaubt.
3. Aus dem Blut, in dem die Art der Rasse eingeschlossen liegt,
erfließen als der wesentlichsten Quelle alle geistigen und sitt-
lichen Eigenschaften des Menschen.
4. Das wichtigste Ziel der Pädagogik ist die Förderung der
Entwicklung der Rassenart und die Entmündung des Geistes
zu brennender Liebe für die eigene Rasse als das höchste bestehende
Gut. ^ ,
5. Die Religion ist dem Gesetz der Rasse untergeordnet
und muß diesem angepaßt werden.
6. Die erste Quelle und der höchste Maßstab aller
Rechtsordnung ist der Rasseninstinkt.
7. Es gibt nur einen Kosmos oder ein Universum; alle Dinge, mit
Inbegriff des Menschen sind nichts anderes als verschiedene Er-
scheinungsformen des lebenden Univers v^nis, Erschei-
nungsformen, die sich in langen Zeiträumen entwickeln,
8. Die Individuen existieren allein durch den Staat; alles
ihnen zukommende Recht erhält seine Kraft aus der Tatsache der Ver-
leihung durch den Staat.
Jedermann kann diesen gefährlichen Theorien leicht weitere hinzu-
fugen. Unser Hl. Vater, der Präfekt dieser Kongregation, ist überzeugt,
daß Sie, hochwürdigster Herr, nichts unversucht ' lassen werden, um das,
was durch die Heilige Kongregation ir} diesem Schreiben zur Sprache
gebracht wird, zu vollem Erfolg zu führen.
Der Papst selbst spricht gegen den „Rassismus"
„M an vergißt heute, daß das •Menschen-
geschlecht nur eine einzige große umfassende
allgemeine Rasse ist''
In diesem Satz gipfelte die Re^e, die Papst Pius XL am
15. Juli 1938 vor den Schülern der Propaganda Fide hielt, also
gerade der päpstlichen Hpchschnle, in welcher Angehörige fast
aller Nationen der Welt studieren.
Wie sehr dieser „Blitz" von höchster Stelle einschlug, merkt
man aus dem noch nach 3,4 Tagen nachhallenden „Donnerrollen"
im „Völl?isehen_^ Beobachter" vom 2. August 1938, wo man grollte
und schimpfte:
„Der Vatikan hat die Rassenlehre von Anfang an
abgelehnt. Teils deshalb, weil sie- vom deutschen Nationalsozialis-
mus zum erstenmal öjEfentlich verkündet wurde, und weil dieser die
ersten praktischen Schlußfolgerungen aus der .Erkenntnis gezogen hat;
denn zum Nationalsozialismus stand der Vatikan in politischer Kampf-
379
Stellung. Der Vatikan m u ß t e die Rassenlehre, aber auch ablehnen,
weil sie seinem D o g m a \' o n der Gleichheit aller Men-
schen widerspricht, das v/iederum eine Folge des katholischen
Universalitätsanspruchs ist und das er, nebenbei bemerkt, mit Liberalen,
Juden und Kommunisten teilt.
Daß sich jetzt auch das faschistische Italien, sozusagen
das Wirtsvolk des vatikanischen Kleriker-Staates, auf Grund eigener
Forscluingsarbeit (?) auf italienischem Boden zu einer praktischen Ras-
senpolitik anschickt, mußte nach dem Gesagten dem Vatikan unsym-
pathisch sein. Die päpstlichen Presseorgane haben denn auch die ersten
faschistischen Äußerungen in dieser Richtung sogleich mit einem leisen
Donnergrollen beantwortet. Jetzt aber kam der große Blitz — die Rede
des Papstes vor den Schülern der ,Propagande fide'.
Die vatikanische Diplomatie, die unauffälligere Methoden liebt, \yird
in der jüngsten Zeit von einer Krise in die andere gejagt durch ihren
greisen Chef Pius XL, der mit seinen 82 Jahren keinen Sinn mehr für
diplonnatische Rücksichten hat und auch bei anderen Anlässen wieder-
holt mit der Tür ins LIaus gefallen ist. Es lohnt sich nicht, die These
des Hl. Vaters zu widerlegen, daß die ganze Menschheit ,eine einzige
tmiversale katholische Rasse' darstelle. Es lohnt sich deshalb
nicht, weil schließlich rund zwei Milliarden Andersgläubige darüber nur
lächeln werden. (Daß das Wort , katholische' hier nicht im religiösen
Sinn gemeint war, sondern einfach ,allgemeine' bedeutete, merkte der
(Völkische Beobachter' nicht. D. V.).
Wir wollen auch nicht bei dem ungeschickten Trick verweilen, die
römischen Faschisten dadurch gegen die Rassenlehre aufzuhetzen, daß
man diese als eine , schändliche Imitation Deutschlands'
bezeichnet, ,die Italien nicht nötig habe'. Darauf hat Mussolini gestern
schon eine so klare und energische Antwort gegeben, wie sie sich der
alte Herr im Vatikan wohl nicht träumen ließ.
Viel interessanter finden wir den Versuch, den Vorstoß gegen die
Rassenlehre mit einem neuen Dogma (!) über die Katholische
Aktion, zu verbinden. Wer die Katholische Aktion — das heißt den
politischen Katholizismus — angreift, so sagt Papst Pius, trifft den
Papst selbst. Und er warnt ernstlich vor einer solchen Schandtat, im
väterlichen Interesse für den Angreifer; denn ,Qui mange du pape, en
meurt'.
Der Vatikan hat seit einiger Zeit eine ausgesprochen unglückliche
Hand. Das mag, wie gesagt, zum Teil an dem hohen Alter des Heiligen
Vaters liegen. Es gibt aber so viele gläubige Katholiken in der Welt,
daß man den Verantwortlichen am päpstlichen Hofe nur ernstlich raten
kann, sich erstens nicht um wissenschaftliche Angelegenheiten zu küm-
mern, bei denen sie sich aus dogmatischen Gründen mit der gott-
gegebenen Natur in Widerspruch setzen müssen, und zweitens alle poli-
tischen Seitensprünge auf jene Gefilde zu unterlassen, die auch nach
einem Christuswort den Herren dieser Welt gehören."
Der Papst selbst schreibt gegen den „Rassismus"
Die angeblich „unglückliche Hand" des Papstes «chrieb alsbald
noch einen persönlichen Brief an König E m a n u e 1 von
Italien und an Mussolini ob des den katholischen Grundsätzen
widersprechenden antisemitischen Ehegesetzes. Goeb-
bels „Angriff" vom 17. November 1938 griff daraufhin den Hl. Vater
persönlich in der niedrigsten Weise an und kündigte an, daß er in
380
Zukunft vom Papst Pius dem XL nur noch als von dem „Juden-
p R pst" sprechen werde.
bb) Bischofsworte.
Der Erzbischof von München'
spricht gegen denRassismus
„Wenn die Rassenforschung, an sich eine religiös-neutrale
Sache, zum Kampf gegen die Religion sammelt und an den Grund-
lagen des Christentums rüttelt, wenn die Abneigung gegen die
Juden von heute auf die heiligen Bücher des Alten
Testamentes übertragen und das Christentum wegen seiner
ursprünglichen Beziehungen zum vorchristlichen Judentum ver-
dammt wird, wenn Steine gegen die Person unseres
Herrn und Erlösers geworfen werden in einem Jahr, in dem
wir das Jahrhundertgedächtnis seines' Erlösungswerkes feiern, kann
der Bischof nicht schweigen. Darum halte ich diese Advents-
predigten über das Alte Testament und seine Er-
füllung im Christentu m."
Es war an den vier Adventssonntagen und am Silvesterabend
des ersten Jahres der nationalsozialistischen Herrschaft (1933), daß
Kardinal Faulhaber fünfmal die Kanzel der größten Kirche Mün-
chens bestieg und zu einer gewaltigen Zuhörerschaft sprach, die
sich neben St. Michael auch noch in zwei durch Lautsprecher an-
geschlossenen Kirchen versammelt hatte.
Mit solidester Fachkenntnis (er hatte ja an der Universität den
Lehrstuhl für die Heilige Schrift des Alten Testamentes inne-
gehabt), mit gewohnter Meisterschaft des Wortes und mit zündender
Glut des Herzens sprach er über
die religiösen Werte des Alten Testamentes,
die sittlichen Werte des Alten Testamentes und ihre Auf-
wertung im Evangelium,
die sozialen Werte des Alten Testamentes,
den Eckstein zwischen Judentum und Christentum,
da& Christentum und Germanentum.
(In Druck erschienen bei A. Huber, München, Neuturmstraße.)
DiereligiösenWertedesA. T.
Dilettanten des Wissens und Demagogen des Wortes, Leute, die
kaum jemals eine Hl. Schrift in der Hand noch viel weniger ge-
lesen oder studiert hatten, wagten es damals landauf, landab in
Versammlungen und auf Schulungskursen, in Zeitungen, Broschüren
und Büchern das Alte Testament anzugreifen und abzutun und zu
fordern: „Fort mit dem Alten Testament! — Ein Christentum, das
an den Schriften des Alten Testamentes noch festhält, ist einC'
jüdische Religion, mit dem deutschen Wesen nicht vereinbar."
381
Diesem nationalsozialistischen Sprechchor trat Kardinal Paul-
haber entgegen und erwies zunächst als „ewig-religiösen Wert" des
Alten • Testam entes
1. den „reinen und erhabenen Gottesgedanken, das
Biblischeste an der Bibel, die Offenbarung von Jahwe, dem
Seienden, von Gott Sabaoth, dem Herrn der Heerscharen, dem
einzigen, Gott, der keine fremden Götter neben sich duldet, von
dem überweltlichen, persönlichen Gott";
2. den Erlösungsgedanken, „die Frohbotschaft von der
ewigen Erlösung", so himmelhoch erhaben über die Religions-
bücher der indischen Gottsucher, die am Ende im Nirwana, in
der Botschaft der Verzweiflung, ausklingen.
Mit eindringlicher Mahnung zu heiliger Ehrfurcht betonte der
hohe Prediger:
„Die Kirche hat auch über die Schriften des Alten Testamentes die
schützende Hand gehalten, die 45 Schriften des Alten Testamentes und die
21 Schriften des Neuen Testamentes zu einem Buch zusammengefaßt
und auch alttestamentliche Texte in ihre Liturgie aufgenommen. Das
Christentum wurde durch Übernahme dieser Bücher keine jüdische
Keligion. Diese Bücher sind nicht von Juden verfaßt, sie
sind vom Geiste Gottes eingegeben und darum Gottes
Wort und Gottesbücher. Diese Geschichtsschreiber waren
Schreibgriffel Gottes; diese Sänger von Sion waren Har-
fen in der Hand G o 1 1 e s , diese Propheten waren Laut-
sprecher der Offenbarung Gottes und darum bleiben diese
Bücher glaubwürdig und ehrwürdig auch für spätere Zeiten."
Die sittlichen Werte des A. T.
In der zweiten Predigt ließ Kardinal Faulhaber zunächst „d i e
Lichter alttestamentlicher Sittenlehre" auf-
leuchten:
Die oberste Regel des sittlichen Handelns ist der Wille
Gottes (nicht der Nutzen, wie es der NS verkündete).
„Das Zehngebot auf den Tafeln von^ Sinai ragt
in seinem sittlichen Werte himmelhoch über alle
Gesetze des außerbi^blischen Altertums empor."
„Ein zweiter großer Vorzug liegt darin, daß im Zehngebot nicht
bloß die äußere Bosheit in Worten und Werken ver-
boten wird, daß auch die innere Gesinnung geordnet
und dem Willen Gottes untergeordnet wird."
„Es entspricht dem innersten Wesen der Bibel, des Buches der
Wahrheit, daß darin die sittliche Tugend der Wahr-
heit so stark betont, und alle Lüge, alles zwiespältige und
zweizüngige Wesen so stark abgelehnt wird."
Helle Lichter der alttestamentlichen Sittenlehre leuchten aus
dem Buch der „Sinnsprüche" und den übrigen „W eisheits-
bü ehern", z. B. „Das Bild einer Frau nach dem Wohl-
gefallen Gottes"' (Spr. 31,10—31) und der „Ewige Beicht-
382
Spiegel für die Manne r", Wie ihn Kapitel 31 , des Buches
Job gibt.
Wegweiser der sittlichen Ordnung sollten sogar die Speise-
gesetze des Alten Bundes sein.
„Lichter altbiblischer Sittlichkeit leuchten, heller als aus
trockenen Paragraphen, aus einzelnen lebendigen Bildern sittlicher
Größe."
Als Schatten der alttestamentlichen Sitten-
lehre nennt der Kardinal: „ein zu starkes Hervortreten des L o h n -
ni 1 i V e s, einzelne sittlich anstößige Erzählungen und Texte,
Fluchpsalmen und Rachelieder, Sünden biblischer Gestalten."
Die Losung unserer Tage: „Los vom Alten Testament!" kann
also für uns nur bedeuten: „Los von den Schatten des
Alten Testamentes! Los von allem, was Cham und
O n a n und T h a m a r waren! Los von dem Pharisäismus!
Los von den Fluch- und Racheliedern des Alten Testa-
mentes! Rachsuchtist Rückfallin die jüdische Vor-
zeit!
Die sozialen Werte des A. T.
Der Kardinal stellt die Predigt hierüber unter das Motto: „D i e
PJL Schrift des AltenTestamentes, ein Geschenk
vom Geiste der Gerechtigkeit und Liebe und so
eine Vorschule der sozialen Ordnun g."
Er beliandelte dann
das altbiblische Armen recht (Armenpflege, Armenzehent, litur-
gisches Armenopfer),
das altbiblische Privatrecht (Schutz des Privateigentums, der
Menschenrechte, Familienpflege),
die altbiblische Rechtspflege (unbestechliche Gerechtigkeit
in öffentlicher Rechtspflege, im
Geschäftsleben, Strafrecht),
das altbiblische Arbeiterrecht (Würde und Entlohnung der
Arbeit),
die altbiblische Wirtschaftslehre und Wirtschafts-
ordnung (gegen wucherischen
Großgrundbesitz, Überschuldung,
Wucherzins),
den religiösen Unterbau der sozialen Ordnung
„Der Reiche und der Arme begegnen sich. Der Herr hat sie beide
erschaffen." (Spr.222.)
„Der Eckstein
zwischen Judentum und Christentum"
„Auch vor der Person Christi hat diese reli-
giöseRevolutionnichthalt gemacht.
383
Einige wollten Christus durch einen falschen Geburts-
schein retten: Er sei überhaupt kein Jude, er sei ein
Arier gewesen, weil in Galiläa Arier gewohnt hätten. Solange aber
Geschichtsquellen mehr gelten als Mutmaßungen, solange ist an der
Tatsache nicht zu zweifeln: Das erste Kapitel des ersten Evan-
geliums gibt den Stammbaum Jesu mit der Überschrift: ,Stamm-
baum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams'. Jetzt
aber rufen andere Stimmen: ,Dann müssen wir ihn erst recht ab-
lehnen, wenn er ein Jude war'."
Gegenüber dieser Schreier der Gasse (das Wort „Rufer"
ist ja zu gut für sie) stellt der Kardinal fest:
I. „Christus ist das Omega des AltenBundes,
die Erfüllung und Erlösung des Alten Bundes,
der' einzige Ȇbermensch', der Weltgeschichte,
der Erlöser für alle Welt,
für die vor- und nachchristliche Menschheit."
*
IL „Christus ist das Alpha des Neuen Bundes".
Grundgesetze des neuen Gottesreiches, im Evangelium
der Kindheit Christi verkündet, sind: das Gesetz des kleinen
Anfanges, der wachstümlichen und prunklosen Entwicklung,
Grundwahrheiten des Christentums, im Evangelium von
Christi öffentlichem Wirken verkündet, sind: Gottheit
Christi, Verbindung von Menschlichem und Göttlichem, Sendung
der apostolischen Kirche, Hl. Schrift und Überlieferung als Glau-
bensquellen, gute Werke, Gebet.
Arr Jahresschlußtag 1933 gab Kardinal Faulhaber seinen bib-
lischen Predigten noch einen hochaktuellen Abschluß mit einer
Predigt über: Christentum und Germanentum.
Anlaß hiezu war:
„Im deutschen Volk sind Geister an der Arbeit, um neben den
beiden christlichen Bekenntnissen eine nordisch-germa-
nische Religion aufzurichten."
Aber ,,ein Abfall vom Christentum, ein Rückfall in das Heiden-
tum wäre der Anfang vom Ende des deutschen Volkes".
Zur Verteidigung des Christentums beantwortet der Kardinal
dann die vier Fragen:
1. Wie es bei den alten Germanen in ihrer vorchristlichen Zeit aus-
gesehen hat.
2. Wie das Christentum bei den alten Germanen eingeführt wurde.-
3. Wie sich das Christentum zur germanischen Rasse stellt.
4. Wie sich das Christentum zu den germanischen Volksgebräuchen
stellt.
384
Und die Schlußfolgerung aus allem:
„Wir werden unter dem Kreuze Christi Wache stehen.
Wir lassen seinem Namen nicht Hohn sprechen.
Wir lassen an die Stelle des Kreuzes keine Donareichen pflanzen.
Wir geloben dem Heiland unseres Volkes die alte deutsche
Mannestreue und Gefolgschaft."
Groß war die Erbitterung und Schmähflut der unentwegten
Parteiieute und Ahnenverehrer, Neuheiden und Judenhasser über
diese Adventpredigten, aber dieKatholikenganzDeutsch-
1 a n d s waren von Herzen dankbar, daß der Erzbischof von Mün-
chen auch hier wiederum aus der „Stimme der Zeit" die „Stimme
Gottes" hörte und trotz allen Ärgernisses und ungeachtet aller Wut
und Steinwürfe der braunen Pharisäer und Fanatiker dieser jahr-
tausendalten Stimme Gottes so klaren, wahren und schönen Aus-
druck gab.
cc) Kirchenamtliche Worte
Zahlreiche oberhirtliche Stellen wehrten auch bibel- und juden-
feindliche Angriffe des BDls/L ab, so nach Vorgang des Erzbistums
Köln auch das Erzbischöfliche Ordinariat München mit einer Wei-
sung vom 25. Februar 1937 an alle Seelsorgestellen:
„Die Blätter für Heimabendgestaltung im ,Bund Deutscher Mädel',
,D i e M ä d el s ch af t', Berlin, Januarausgabe 1937, bringen auf Seite 7
und auf Seite 11 ff. Ausführungen, daß die Frömmigkeit und die
Sittlichkeit der Heiligen Schrift der Frömmigkeit
und Sittlichkeit des deutschen Menschen widerstrei-
ten.
Die Worte des hl. Paulus, mit denen er im 13. Kapitel des Ftömer-
brief es zum Gehorsam vor der weltlichen Obrigkeit auf-
fordert, werden als typisch jüdische , Angst vor Strafe' hingestellt. Die
Strafworte Gottes an das sündig gewordene erste Menschen-
paar werden als Ausfluß einer typisch jüdischen »Verachtung des
Bodens' und einer typisch jüdischen Auffassung von dör ,Arbeit als
Fluch' ausgelegt. — Das Wort des hl. Paulus, daß die Frau in der
Gemeinde schweigen solle, wird unter der Überschrift gebracht:
,Mißachtung der Frau / Der Jude sieht die Frau lediglich als ein Wesen,
das ihm dazu dient, seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen.' — Das Wort
des hl. Petrus: ,Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht,
ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk . . .' wird mit Stellen aus
dem Alten Testament und dem Talmud als ein Beweis angeführt, daß
die Juden Weltherrschaftspläne haben!
Auf der letzten Seite wird mitgeteilt (S. 32), daß die Abschnitte des
Heftes aus verschiedenen Werken, darunter aus W u 1 f S ö r e n s e n, ,Die
Stimme der Ahnen', genommen seien. Diese letztere Schrift ist dadurch
charakterisiert, daß sie die Loslösung von dem ,Gift von Sinai' und von
dem ,Gift von Nazareth' fordert!
Da es sich im vorliegenden Falle um ein Blatt handelt, das al3
Grundlage für die Gestaltung von Heimabenden dienea
soll, so ist leider damit zu rechnen, daß unseren Jugendlichen und Kin-
dern die Hl. Schrift in der oben mitgeteilten Verzerrung dargelegt wird
Die Pfarrer werden angewiesen, die Eltern auf diese Gefahr aufmerk»
Kreuz und Hakenkreuz 25 Bd. II 285
sam zu machen, und je nachdem in geeigneter Weise durch das Eltern-
haus und die Christenlehre den Kindern den wahren Sinn der oben
mitgeteilten Worte der Hl. Schrift auszulegen und sie darüber zu unter-
richten, daß die in der Hl. Schrift niedergelegten sittlichen Forderungen,
insbesondere die Zehn Gebote, nicht Ausfluß des Blutes eines
Volkes, in diesem Falle des jüdisclien Vollces, sondern Ausflußdes
heiligen Willens Gottes sind und darum für alle Menschen und
Völker gelten."
dd) Priesterworte
Stadtpfarrer Dr Emil Muhler, München, legte im Jahre 1937
in einem für die Münchener Katholische Kirchenzeitung gedachten
Artikel den christlichen Standpunkt zur Rassenf rage dar. Alles
war schon gesetzt, aber im letzten Augenblick ergaben sich Schwie-
rigkeiten gegen die Veröffentlichung. Nun kann, was damals bloßer
Fahnenabzug der Druckerei blieb, endlich an die Öffentlichkeit
treten.
Religion und Rasse.
Von Stadtpfarrer Dr. Emil Muhler.
ErsterGedan kenkreis :
„Das Blut ist die stärkste Macht der Wel t".
„Das Blut ist urgegebene Wirklichkeit".
„Blut bindet stärker als Wasser."
„Blut ist stärker als der Geist".
Zweiter Gedankenkreis:
Die christliche Religion ist nicht deutschem Blut entsprungen.
Die christliche Religion ist daher, artfremd.
Die christliche Religion' ist ein semitisches Gewächs.
Das Christentum hat die Stimme des deutschen
Blutes mehr als tausend Jahre unterdrückt.
Dritter Gedankenkreis:
Wir müssen dem deutschen Blut wieder freie Bahn
geben.
Wir m^üssen das deutsche Volk befreien von der „asiatischen Ver-
nebelung".
Das Christentum liegt im Sterben.
Die Zeit des Christentums ist vorbei.
(Den Schriften der .Deutschgläubigen entnommen.)
Solche und ähnliche Gedanken schwirren heute im deutschen
Volke herum und werden bewußt unklar und ver-
schwommenverkündet.
Was sagen wir als gläubige Christen dazu?
Schon auf den ersten Blick drängt sich uns die Frage auf:
Wo bleibt hier die Logik?
Wenn das Blut die stärkste Macht der Welt ist, wie konnte
dann das Blut unterdrückt werden? Wenn aber wirklich, wie man
386
sagt, das deutsche Blut vom „artfremden" Christentum überwunden
wurde, wenn also die stärkste Macht der Welt von einer noch
stärkeren Macht überwunden wurde, dann muß ja im Christentum
eine Kraft aufgebrochen sein, die nicht von dieser Welt stammt,
dann muß das Christentum etwas Übernatürliches, etwas Göttliches
sein. Das wäre logisch.
Man könnte aus dem Gedankenkreis eins und dem Gedanken-
kreis zwei — immer vorausgesetzt, daß sie überhaupt richtig sind
— doch viel eher schließen: Also müssen wir alle Christen werden,
weil hier noch eine stärkere Macht als das Blut uns begegnet. Es
ist unlogisch zu sagen, also stirbt das Christentum, weil es stärker
ist als das deutsche Blut. Hier scheint der Wunsch der Vater des
Gedankens gewesen zu sein, nicht die Logik. Jedenfalls stimmt in
dieser Rechnung etwas nicht. Warum überhaupt dieser Aufwand
an Propaganda und dieses Verschanzen hinter der weltlichen Macht,
wenn die Stimme des Blutes so stark ist, stärker als alles in der
Welt? Esscheint, alsobdieAposteldesBlutesnicht
ganz überzeugt wären von der Macht des Blutes.
Wenn man tiefer hineinschaut in den Zusammenhang dieser
Dinge, so erkennt man bald, daß der springende Punkt offenbar die
Frage nach dem Verhältnis von Rasse und Religion ist.. Von der
Beantwortung dieser Frage hängt alles Weitere ab. Bei der Debatte
■über das heißumstrittene Thema Religion und Rasse ist heute
Dichtung und Wahrheit in gleichem Maße vertreten.
Wahres und Falsches in der Bewertung der Rasse
Es kann gar kein Zweifel sein, daß die Rasse eine ungeheuer
große Rolle spielt im Leben der Menschen und der Völker, viel
größer als frühere Zeiten es geahnt haben. Das ist das Wertvolle
und Berechtigte an der Begeisterung, die heute allenthalben auf-
gebrochen ist für die Rass^. Das Blut und die Stimme des Blutes,
der Instinkt und die Zusammensetzung des Blutes, die Art sind ein
wichtiger Faktor im menschlichen Leben. Aber wohlgemerkt, nur
ein Faktor, nicht der einzige. Man erweist der Rassentheorie einen
schlechten Dienst, wenn man die Rasse und das Blut als die einzige
Ursache alles Geschehens hinstellt. Wir wollen doch nicht in den
Fehler verfallen, den die Marxisten begangen haben, die bekannt-
lich in der Materie, genauer gesagt in den wirtschaftlichen Ver-
hältnissen, die erste und letzte und einzige Ursache alles Ge-
schehens gesehen haben. Selbst begeisterte Anhänger der Rassen-
theorie haben wiederholt in letzter Zeit auf die Gefahr hingewiesen,
die darin steckt, wenn man die Rasse allzu stark vermaterialisiert.
Solange die Rassenlehre sich beschränkt auf ihr ureigene«
Gebiet, auf die Biologie, ist vom Standpunkt der Religion gar
nichts gegen sie einzuwenden. Da sind überhaupt keine Berührungs-
punkte da. Auch alles das, was man unter Rassenhygiene versteht;
387
kann nur begrüßt werden nach dem alten Grundsatz: In einem
gesunden Leib wohnt a^uch eine gesunde Seele.
Ja, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen:
Auch für. die Religion selbst ist dieRass.e nicht
ohne Bedeutung, Die Gestaltung der Religion, das was wir
gewöhnlich Religiosität nennen, die. Formen der Religion sind weit-
hin von der Rasse beeinflußt. Auch das haben wir bisher zwar
schon gewußt, aber zu wenig beachtet. 'Nur eines muß abgelehnt
Vv'erden, damit wir nicht auf ein irriges Gleis geraten. Wenn
manche behaupten, daß die Wahrheit einer Reli-
gionvonderRasseabhängt, dannkönnenwirnicht
mehr mitgehen. Die W-ahrheit hängt
1. überhaupt nicht von uns Menschen ab, sondern von Gott,
der ewigen Wahrheit, und
2. soweit die Menschen überhaupt dabei beteiligt sind, nämlich
insofern, als wir ja sagen oder nein sagen zur Wahrheit, entscheidet
wiederum nicht - das Blut, sondern unser Wille und unser
Verstand.
Daß es dabei der einen Rasse vielleicht schwerer fällt als der
anderen, ja zu sagen, mag sein, ist aber durchaus kein Ruhmestitel
für diese Rasse. Das letzte Wort jedenfalls hat hier in der Zu-
stimmung oder Ablehnung der Wahrheit nicht das Blut, sondern
der Wille, der vom Verstand erleuchtet und von der Gnade unter-
stützt wird.
Wer je einmal in seinem Leben einem italienischen Gottes-
dienst beigewohnt hat, wird bald feststellen können, daß hier
manches ganz anders in Erscheinung tritt als etwa in einem nord-
deutschen oder englischen Gottesdienst. Südliche Lebhaftigkeit,
nordische Kühle, französische Eleganz, österreichische Gemütlich-
keit, orientalische Farbenfreudigkeit — lauter wertvolle Eigen-
heiten — verleihen dem gleichen katholischen Gottesdienst ein ganz
verschiedenes Gepräge. Selbst Menschen, die durch die gleiche
Schule gegangen sind und die von der gleichen Tradition zehren,
wie unsere katholischen Ordensschwestern, weisen in ihrem Lebens-
stil und in ihrer äußeren Haltung große Verschiedenheiten auf. —
Ich war einmal in einem Frauenkloster in Syrien. Ja, da ist
alles ganz anders als bei unseren deutschen
Schwestern und doch, die Religion ist die gleiche.
Warum? WeildieWahrheitdiegleicheist, Esgibt
kqine deutsche Wahrheit und keine orientalische
Wahrheit, so wenig, wie es eine deutsche Sonne
odereinejüdischeSonnegibt.
9Leitsätze
Unsere Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Rasse
und Religion lautet daher:
388
1. Es gibt überhaupt keine reinen Rassen mehr.
2. Die Rasse bildet einen, aber nur einen, allerdings sehr wich-
tigen Faktor für die k ö r p e r 1 i c h e Entwicklung des Menschen.
3. Rassenlehre im Sinne von Rassen h y g i e n e ist nicht nur nicht
abzulehnen, sondern zu begrüßen.
4. Gegen eine Rassentheorie, die auf das Gebiet der Biologie
sich beschränkt, ist vom Standpunkt der Religion aus nichts ein-
zuwenden.
5. Es besteht heute eine große Gefahr, daß die Rassenlehre zu stark
vermaterialisiert wird.
6. Ob und inwieweit die Rasse auch, einen Faktor bildet für die
Entwicklung des Geistes, ist bis heute noch nicht ge-
klärt.
7. Die Religionen aller Völker und aller Zeiten sind in dem
Innersten ihres Wesens, in ihrem Kern, gleich. Die Rasse
hat füi' das tiefste und innerste Wesen einer
Religion keine ent s ch e i d e nd e B e d e.u t u ng.
8. Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang
z w i s c h e n R a s s e u n d R e 1 i g i n.
9. Es ist möglich, daß die verschiedenen Ausprägungen
der Religionen rassisch bedingt sind.
b) Schützende Taten.
,,Die Liebe erweist sich durch die Tat"
Darum beschränkte man sich katholischerseits im Kampf gegen
den Antisemitismus nicht auf bloße theoretische Auseinander-
setzungen, Verteidigungsworte und Richtigstellungen, sondern
schritt auch zu praktischer Hilfe:
Schon 1933 unterstützte man die Gründung eines ,,ReichS"
Verbandes christlich-deutscher Staatsbürger
n.ichtari scher oder nicht reinarischer Abstam-
mung", später. kurz: „Reichsverband der nichtarischen Christen
E. V." genannt, ab 1937 „Paulus-Bund,- Vereinigung
nichtarischer Christen E. V." umbenannt.
Als dann der Zwang zur Auswanderung für Nichtarier immer
stärker wurde, übernahm es der katholische St. -Raphael-
Verein unter der Leitung von Bischof Berning, Osnabrück, die
nichtarischen Katholiken aber auch manch deutschen Juden bei der
Auswanderung zu beraten und zu unterstützen.
Drei Dokumente und eine kurze Geschichte sollen diese „Liebe
durch die Tat" erweisen:
389
aa) Rundschreiben des „Raphaelvereins" vom Jahre 1936
an die Bischöflichen Ordinariate und Caritasstellen
Deutschlands:
Kirchliche Arbeit für katholische Nichtarier ■
Durch die deutsche Nichtariergesetzgebung sind nicht nur mosaische
Juden, sondern auch große Zahlen von katholischen Nichtariern im
Siniie des Gesetzes aus Beamtenstellungen, teilweise aus freien Berufen
und Ängestelltenposten herausgedrängt worden und verlangen aus
christlicher Nächstenliebe Hilfe, um entweder auf erlaubte Berufe und
Arbeit sich umzustellen oder durch Auswanderung ihre Situation zu
verbessern. — Abgesehen von den Erwachsenen ist für die Caritas der
Kirche noch dringlicher das Problem der von der Gesetzgebung getrof-
fenen christlichen nichtarischen Jugend, , da sie nur zu einem ganz
geringfügigen Prozentsatz in die gebildeten Berufe hineingelassen wird
und andererseits bei der bisherigen Entwicklung des Gesetzes auch in
die übrigen Berufe in Deutschland nur sehr schwer hineinkommen
dürfte. Um dieser Jugend die Verbitterung zu ersparen, um ihnen ihre
katholische Religion zu erhalten und sie in ihrer deutschen Mutter-
sprache und ihrem Verwachsensein mit deutscher Kultur zu schützen,
müssen Fürsorgemaßnahmen ins Werk gesetzt werden, — Bisher konnten
in bezug auf Unterbringung dieser Leute in Stellungen in Deutschland
manche Erfolge erzielt werden durch das Caritas-Notwerk, Im
europäischen und überseeischen Ausland bemühte sich der Raphael-
verein als anerkannte Beratungsstelle für Auswanderer um die
Unterbringung im Ausland und um die Auswanderung von Erwachsenen
und Jugendlichen.
Da das Problem der Jugend sehr dringlich ist, unterstützte Exzellenz
Bischof Dr. Berning beim Reichserziehungsministerium einen Antrag,
besondere Schulungseinric'htungen für christliche
nichtarische Jugend zu genehmigen, die die Aussiedlung
dieser Jugend zum Zwecke haben. Dieser Antrag ist unter dem
8. August 1935 vom Reichserziehungsministerium unter besonderen Be-
dingungen genehmigt worden, — Darüber hinaus hat der Herr Reichs-
erziehungsminister verordnet, daß in den Volksschulen die nichtarische
Abstammung festgestellt werden soll und jüdische und nicht-
arische, also auch christliche Kinder, in besonderen Schulen
zusammenzufassen seien, — Es ist nunmehr also an der Zeit,
nach Billigung der staatlichen Stelle für gewisse Hilfseinrichtungen
kirchlicherseits ein Programm festzulegen. Im folgenden wird ein sol-
ches Programm für die allernächste Zeit kurz skizziert:
I, Fürsorge für erwachsene christliche Nichtarier
1, Das Caritasnotwerk, das in Berlin beim Deutschen Caritasverband
besteht und bisher wesentlich arische katholische Persönlichkeiten in
der Stellenvermittlung erfolgreich unterstützt hat, wird künftig im
Rahmen der schmalen Möglichkeiten, die noch verbleiben, auch nicht-
arischen Katholiken in der freien Wirtschaft, besonders in kleineren
Betrieben, Stellungen zu besorgen suchen. Dazu ist eine Dezentralisation
der Arbeit, besonders auf die einzelnen Diözesan-Caritasverbände not-
wendig,
2. Der St.-Raphael-Ver6in, der mit seinen Nebenstellen im Lande
amtlich anerkannte Auswandererberatungsstellen besitzt, ist bemüht, wie
bisher einzelne erwachsene Nichtarier im europäischen oder
überseeischen Ausland in ihren Berufen oder in anderen Stellungen
unterzubringen.
390
II, Fürsorge für die christlichenichtarische Jugend.
1. Auf Grund der Bestimmungen des Erlasses des Reichs-Erziehungs-
ministeriums vom 8. August 1935 werden zunächst zweikatholische
Umschulungs.einrichtungen mit dem Zweck der Aussiedlung
vorgenommen. Es wird je eine Einrichtung für Knaben und Jünglinge,
und eine für Mädchen und Jungfrauen geschaffen. Für die Knaben ist
an eine Ordensschule gedacht, die landwirtschaftliche und handwerk-
liche Einrichtungen bieten kann, wie etwa die Benediktiner von Sankt
Ottilien und die Salesianer. Für die Mädchen ist Verbindung
aufgenommen mit den Ursulinen in Haselünne (Westhannover),
die durch ihre überseeische Tätigkeit in Kanada für die beabsichtigte
Schulungstätigkeit schon vorgebildet erscheinen. Christliche nichtarische
Eltern können diesen beiden Schulen ihre Kinder zuführen, und zwar
ist die Finanzierung zunächst durch die Pensionszahlung der Eltern
zu erwarten. Der Lehrplan wird auf die spätere Tätigkeit der Jugend-
lichen in Übersee, vornehmlich in Landwirtschaft und verwandten Be-
rufen, Rücksicht nehmen. Technische und sprachliche Schulung wird
darum mit im Vordergrund stehen. Nach der ministeriellen Bestimmung
werden Kinder nichtarischer Frontkämpfer und Jugendliche aufgenom-
men, bei denen ein Elternteil oder bis zu zwei Großelternteile nicht-
arischen Blutes sind. — Nach Festlegung der Pläne, der Lehrkräfte und
des arischen Leiters wird die Genehmigung der Behörden für die beiden
Schulen angefordert. Als Träger ist ein- Kuratorium gedacht, das kirch-
liche Stellen bilden. Sobald Unterstützungsmittel vorhanden sind, wer^
den auch mittellose christliche nichtarische Schüler
in die Schule aufgenommen. Der Zweck der Schule ist ausdrücklich, alle
Schüler nach Übersee umzusiedeln.
2. Den Schulungseinrichtungen werden Möglich-
keiten zur Überseesiedlung entsprechen. Zunächst wird
mit einem Aufwand von einigen tausend Mark seitens des Volks-
vereins von Parana auf dem Gebiet der Parana Plantation im
Norden des Staates Parana eine Musterfarm begründet, in der ein
arischer, katholischer, verheirateter Landwirt, der auf eigenem Boden
wirtschaftet, als Leiter die Absolventen der Umschulungskurse annimmt
und in die Landwirtschaft von Brasilien einführt. Die Finanzierung
der Niederlassung des Einzelnen trägt der Auswanderer selber. Erst
später kann auch an die Auswanderung Mittelloser gedacht werden. Er-
wachsene christliche Nichtarier können sich um die Musterfarm herum
mit eigenen Mitteln ansiedeln. Die Jugendlichen selber können, wenn
sie nach einigen Jahren soweit sind, ihre Eltern nachkommen lassen.
Es steht nichts im Wege, daß Absolventen der Umschulungskurse auch
in anderen geeigneten Siedlungen Brasiliens unterkommen. Dabei ist
zu vermeiden, daß sie in reichsdeutschen Siedlungen sich ansetzen. Da
man aber auch damit rechnen muß, daß manche, vor allem Inte;lligenz-
1er zur bäuerlichen Tätigkeit nicht taugen, wird die Stellenver-
mittlung des Raphaelvereins in Sao Paulo bemüht sein,
solche Elemente in der S t a d t in Arbeit zu bringen. — Andere Ansied-
lungsmöglichkeiten, die u. a. auch Palästina berücksichtigen, müssen noch
studiert werden. —
Bei der Siedlung in Brasilien wird nach Möglichkeit vermieden
werden, den nichtarischen Charakter hervorzuheben.
III. Vorläufige Einleitung der Fürsorge.
Da in Anbetracht der großen Spannungen auf dem Gebiete des Nicht-
ariertums vor der Anerkennung der Lehrpläne dieser Umschulungsein-
richtungen eine Erfassung der christlichen nichtarischen Kreise auf dem
Wege der kirchlichen Amtsblätter und Kirchenzeitungen nicht tunlich
erscheint, wird die Arbeit auf folgendem Wege eingeleitet werden:
391
Mitte Oktober werden die Teilnehmer der Zentralratssitzung des
Deutschen Caritasverbandes in Referaten über die Umschulungseinrich-
tung, Stellenvermittlungshilfe, geplante Überseesiedlung etc. genauestens
unterrichtet. Die Caritasselvretäre werden alsdann im Herbst auf Deka-
natskonferenzen an die einzelnen Pfarrer und Seelsorgsgeistlichen prak-
tische Informationen geben. Diese wiederum können dann die christ-
lichen nichtarischen Eltern auf die Schulungseinrichtung und die Aus-
wanderungsmöglichkeiten hinweisen.
Wenn die erwähnten Maßnahmen sich eingespielt haben, wird es
dann an der Zeit sein, der Frage der Erfassung weiterer christlicher
nichtarischer Ki'eise näherzutreten und vor allem die Wege zu klären,
auf denen finanzielle Mittel aus kirchlichen und privaten Quellen ge-
wonnen werden können,
bb) Bischöfliche Anordnung
Katholische Nich tarier
1. Unter der Autorität der deutschen Bischöfe bemüht sich seit ge-
raumer Zeit mit Wissen der zuständigen staatlichen Stellen ein Hilfs-
ausschuß, katholischen Nichtariern vor allem auf dem Wege der Aus-
wanderung eine Existenz zu ermöglichen.
Die Pfarrämter ersuchen und beauftragen wir hierdurch, aüswande-
rungswillige geeignete katholisclie Nichtarier festzustellen und ihnen
anheimzugeben, sich beim St.-Raphael- Verein in Hamburg 5, Große
Allee 42, zu melden.
2. Durch Verfügung des Herrn Picichs- und Preußischen Ministers
für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 10. Dezember 1936
wurde ein Antrag des hochwürdigsten Herrn Bischofs Dr. Wilhelm B e r -
n i n g vom 10. Februar 1936 genehmigt, der eine Umschulung von männ-
lichen Nichtariern christlichen Bekenntnisses für '"die Ansiedlung in über-
seeischen Ländern vorsieht.
Die Pfarrämter wollen hiervon den betroffenen Familien in geeigneter
Weise Kenntnis geben und feststellen, ob sich unter ihnen geeignete
männliche Jugendliche (15 bis 25 Jahre) finden, die an einer Auswande-
rung nach Übersee und an der beabsichtigten Umschulung Interesse
nehmen. Da die Eröffnung der Schule zu einem nahen Termin in Aus-
sicht genommen ist, mögen Adressen beschleunigt an den, St.-Raphael-
Verein, Hamburg 5, Große Allee 42, eingesandt werden.
(Breslauer Kirchl. Amtsblatt v. 28. 1. 37 und anderswo.)
cc) Eine Brückeüber den Ozean für die verfolgten
Nichtarier
Ein Zeugnis engster Zusammenarbeit amerikanischer und deut-
scher Katholiken zur Hilfe für politisch verfolgte Deutsche, be-
sonders nichtarische, ist nachfolgendes Organisations- und Arbeits-
programm:
Vertraulich! NichtfürdiePresse!
Programm der Versammlung des Catholic Episcopal Committee
in New York im „Leohaus" am 12. Juli 1937
Übersetzt und übersandt von Rev. T i m p e, George, PSM.
Das Komitee für katholische Emigranten •
ausDeutschland
Dies Komitee wurde auf der jährlichen Versammlung der National
Weifare Catholic Conference am 18. November 1936 in Washington ge-
392
bildet zu dem Zweck, um mit der Hierarchie in Deutschland in der
Fürsorge für katholische Emigranten, die später beschrieben und ein-
geteilt werden, zusammenzuarbeiten.
Das Komitee für katholische Emigranten aus Deutschland wurde auf
der Jahresversammlung der National Catholic Weifare Conference in
Washington im November 1936 in Übereinstimmung und auf Empfehlung
einer Gruppe von Bischöfen ins Leben gerufen, die vom Verwaltungsrat
damit beauftragt waren, das Problem zu studieren.
Das Komitee besteht hauptsächlich aus einer Gruppe von Bischöfen
und Erzbischöfen, die zu ihrer Unterstützung eine Anzahl Mitglieder aus
dem Priester- und Laienstande aus verschiedenen Teilen der Vereinigten
Staaten von Amerika heranziehen, von denen sie annehmen können, daß
sie Verständnis, Mitgefühl und Fähigkeit besitzen, an der Lösung des
Problems mitzuarbeiten.
Mit gütiger Zustimmung S. E., des Kardinal-Erzbischofs von New
York, wurde diese Stadt als der bestgeeignete Platz für die Errichtung
eines Büros der Organisation bestimmt. Das Büro arbeitete schon in-
offiziell seit Januar 1937. Auf den 12. Juli 1937 wurde die erste Ver-
sammlung eines allgemeinen Komitees unter der Leitung des Vorsitzen-
den des Bischöflichen Komitees zusammenberufen. Auf dieser Ver-
sammlung wurde der folgende Plan der Organisation vorgelegt imd an-
genommen:
Plan der Organisation
Zweck des Komitees.
Art. I : Das Komitee für katholische Emigranten aus Deutschland hat
einen dreifachen Zweck:
1. katholischen deutschen bona fide Emigranten zu helfen, sei es,
daß sie hier im Lande, sei es, daß sie auswärts sind. Die Hilfe soll sich
auf materielle, berufliche und geistliche Unterstützung und Rechts-
beratung beziehen.
2. Geldmittel aufzubringen für sofortige materielle Unterstützung
der katholischen Emigranten sowie für deren Unterbringung in anderen
Ländern.
3. Die freigebige Unterstützung der amerikanischen Katholiken auf-
zurufen durch eine zuverlässige Berichterstattung über die Lage der
katholischen Kirche in Deutschland und die Nöte der deutschen Katho-
liken.
Art. II: Bona fide Emigranten sind gemäß der Festlegungen der
18. Jahresversammlung der Bischöfe im November 1936 die
folgenden:
1. a) Katholiken, die Deutschland wegen der Gesetze verlassen müs-
seri, die es Nichtariern, d, h. solchen, in deren Adern seit vier Gene-
rationen jüdisches Blut fließt, unmöglich machen, eine höhere Aus-
bildung, einen gelehrten Beruf zu erreichen und eine politische Stellung
in Deutschland zu erlangen.
b) Katholiken, die aus Gewissensbedenken Deutschland verfassen,
z. B. weil sie sich nicht den Sterilisationsgesetzen unterwerfen wollen.
c) Katholiken, die aus Deutschland verbannt sind wegen früherer
politischer Tätigkeit, besonders in Verbindung mit dem Zentrum.
2, Diese Einteilung kann wieder in folgende Gruppen eingeteilt
werden:
a) solche, die Deutschland schon verlassen haben und sich schon in
den Vereinigten Staaten befinden und in irgendeiner Weise Hilfe nötig,
haben,
Kreuz und Hakenkreuz 26 Bd. II ggg
b) solche, die Deutschland verlassen haben und jetzt in Holland oder
anderen Ländern sind, die sie aber verlassen müssen, weil sie auf Grund
von Ortsgesetzen oder Bestimmungen keine Stellung oder Arbeit finden
konnten,
c) solche, die jetzt oder in der nächsten Zukunft aus den genannten
Gründen Deutschland verlassen müssen.
Organisation und Bestimmungen der Geschäfts-
ordnung
Die Geschäftsstelle soll von einem Geschäftsführer geleitet werden,
der unter dem Bischöflichen Komitee arbeitet und in enger Fühlung mit
dem ausführenden Komitee, dem Schatzmeister und dem Schriftführer,
die alle ehrenamtlich ihre Dienste zur Verfügung stellen.
Der Geschäftsführer soll einen amtlichen Schriftführer, einen Für-
sorger und die erforderliche Schreibkraft zur Verfügung haben.
Der amtliche Schriftführer soll die Probleme der Emigranten hier
in den Vereinigten Staaten behandeln und den Briefwechsel mit den
fremden Ländern führen bezüglich Einwanderung und Niederlassung —
alles unter der Leitung und Aufsicht des Geschäftsführers.
Der Fürsorger soll unter Leitung des Geschäftsführers und des amt-
lichen Schriftführers alle notwendigen Erkundigungen, Verbindungen
und Ermittlungen zur Beschaffung von Beschäftigung von Emigranten
in den Vereinigten Staaten unternehmen und in jeder ^eise die Ziele
der Organisation zu fördern bestrebt sein.
Das ausführende Komitee soll aus nicht weniger als zwölf Personen
bestehen, die aus katholischen Priestern und Laien ausgewählt und vom
Bischöflichen Vorsitzenden des Komitees bestätigt werden sollen.
Das ausführende Komitee soll sich unter dem Geschäftsführer an
jedem ersten Montag im Monat um 4.30 Uhr und zu anderen Zeiten auf
Einladung des Geschäftsführers zu einer Sitzung versammeln.
Auf diesen monatlichen Versammlungen soll . der Geschäftsführer
einen ausführlichen Bericht über die Arbeit und die Aufgaben der Or-
ganisation zur Beratung und Genehmigung vorlegen.
Per Geschäftsführer soll die Vollmacht haben, in dringlichen, unter-
suchten Notfällen eine notwendige Unterstützung zu geben oder den
amtlichen Schriftführer damit zu beauftragen; er ist aber in keinem
Fall berechtigt, mehr als 10. — Dollar wöchentlich einer Einzelperson
oder 15. — Dollar wöchentlich einem Ehepaar oder einer Familie zu
geben.
Zuschüsse oder Darlehen an Einzelpersonen oder Familien zum
Zwecke der Auswanderung oder Niederlassung dürfen nur nach Unter-
suchung durch das Büro und nach Genehmigung durch das Ausführende
Komitee in 'einer Monatsversammluhg oder in einer für diesen Zweck
einberufenen Versammlung gegeben werden.
Es wird erwartet, daß die Mitglieder des Ausführenden Komitees
einzeln und zusammen in jeder Weise mit dem Geschäftsführer und den
anderen Beamten der Organisation zusammenarbeiten, um die In-
teressen und die Absichten der Organisation in Übereinstimmung mit
dem Bischöflichen Komitee zu festigen und zu fördern.
Finanzfragen
1. Die notwendigen Geldmittel zum Betrieb des Werkes der Organi-
sation sollen in der Weise aufgebracht werden, wie das Bischöfliche
Komitee, das von der Hierarchie durch die National Catholic Weifare
Conference mit der Verantwortlichkeit für das ganze Projekt beauftragt
wurde, sie bestimmt und gutheißt.
394
2. Außer den Fonds, die unter, der unmittelbaren Autorität der ein-
zelnen Bischöfe in ihren Diözesen aufgebracht werden sollen, dürfen
durch Aufrufe an und durch katholische Organisationen (wie der Central-
Verein, die Staatsverbände und die Staatsligen, die katholischen Frauen-
bünde und verwandte oder angeschlossene Vereine) gerichtet werden.
3. Der Geschäftsführer darf auch Hilfsaufrufe und Bitten um Geld-
geschenke an Privatpersonen richten, bei denen man Teilnahme und
guten Willen kennt oder annimmt.
4. Alle Geldbeträge sollen an und durch den Schatzmeister der
Organisation gehen; dieser soll ein Bischof sein, der vom Bischöflichen
Komitee dafür ernannt worden ist.
5. Um die Tätigkeit des ausführenden Komitees zu erleichtern, soll
der Geschäftsführer ermächtigt werden und ist hierdurch ermächtigt,
ein Guthaben im Namen „The Committee for Catholic Refugees from
Germany" zu eröffnen. Er soll dort alle Gelder anlegen, die er monat-
lich vom Schatzmeister nach einem zwischen beiden vereinbarten Budget
erhält.
6. Der Geschäftsführer soll einen monatlich geprüften Bericht über
alle Einnahmen, Ausgaben und Darlehen und die Bedingungen, unter
' denen sie gegeben wurden, dem Schatzmeister vorlegen. Eine Abschrift
dieses Berichtes soll auch an den Vorsitzenden des Bischöflichen Komi-
tees geschickt werden.
7. Der Geschäftsführer soll auch einen halbjährig geprüften Bericht
über die Einnahmen, Ausgaben und Darlehen vorbereiten, der an alle
Mitglieder des Bischöflichen Komitees gehen soll. Dieser Bericht soll
die Abschnitte vom 1. Oktober bis zum 31. März und vom 1. April bis
zum 30. September behandeln.
8. In Übereinstimmung mit den Richtlinien des Bischöflichen Komi-
tees dürfen keine Überweisungen oder Darlehen an Einzelpersonen
gemacht werden, die in fremden Ländern wohnen; außergewöhnliche
Fälle sollen zur Entscheidung und Gutheißung an den Bischöflichen
Vorsitzenden berichtet werden. In solchen Fällen sollen wenigstens drei
Abschriften des Berichtes übersandt werden.
9. Darlehen. Mit Ausnahme jener Darlehen, die Schü-tzlingen in
Notfällen für ihren augenblicklichen Lebensunterhalt bewilligt werden,
sollen alle Unterstützungen, die den Betrag von Dollar und
mehr überschreiten, als Darlehen angesehen und ausgefertigt werden,
die zurückgezahlt werden müssen, sobald der Klient ein monatliches
Einkommen von mehr als 100.— Dollar, hat. Diese Darlehen sollen als
Schuldscheine, rückzahlbar in zwölf Monaten, vom Tag der Ausgabe
gerechnet und mit Zustimmung des Arbeitskomitees verlängerbar, aus-
gefertigt werden. Es soll die Pflicht des amtliche.n Schriftführers sein,
diese Darlehen zu buchen und ihnen nachzugehen. Alle Darlehen müssen
die Zustimmung des Arbeitskomitees haben, wie unter 2, 5 angegeben.
Allgemeine Richtlinien*
Außer finanzieller Hilfe sollte die Organisation auch behilflich sein,
Einwanderungs-Affldavits*) zu vermitteln, Beschäftigung zu verschaffen
und Studenten und studierten Berufen Weiterstudium und Weiteraus-
bildung zu ermöglichen und schließlich auch für religiöse und gesell-
schaftliche Anpassung ihrer Klienten zu sorgen.
A) Einwanderungsangelegenheiten und Affidavits sollten an das
Einwanderungsbüro der N.CW.C. weitergegeben und in Zusammenarbeit
mit diesem erledigt werden.
*) =: Eidesstattliche Erklärung oder Bürgschaft, welche die Einreise in die
Vereinigten Staaten Nordamerilcas ermöglichte.
395
B) Beschäftigung soll verschafft werden:
a) für Gelehrte durch die Universitäten, Colleges und wissen-
schaftlichen Institute, vornehmlich katholische,
b) für Ärzte und Pflegepelrsonal durch Hospitäler und Sanatorien
in den Vereinigten Staaten, wiederum vornehmlich katholische,
c) für Hausangestellte durch „Domestic Contracts" für Arbeit
in Häusern und Heimen, über die man sich vergewissert hat,
d) für alle anderen, nach ihrer Ankunft, durch Priester
und Laien. ■
C) Weiterausbildung und Weiterstudium für studierte Berufe und
Studenten sollten in Verbindung mit Erziehungsanstalten und anderen
Stellen, privaten und öffentlichen, die hierin ihre besondere Aufgabe
sehen, unternommen werden. In besonderen Fällen darf das Arbeits-
komitee die notwendigen Mittel zur Ausführung dieses Punktes des
Programms bewilligen.
D) Religiöse und gesellschaftliche Anpassung sollte durch und unter
Mitwirkung eines besonderen Unterausschusses der Organisation aus-
geführt werden.
E) Alle anderen Aufgaben caritativer und sozialer Art, einschließlich
der Sorge und Unterbringung der Kinder oder von Kindern, deren
Eltern zur Zeit verhindert sind, in die Vereinigten Staaten zu gelangen,
sollten in Verbindung mit örtlichen Caritasstellen und anderen an-
erkannten Hilfsquellen unternommen werden.
F) Es soll die feste Grundlinie der Organisation sein, keinen einzigen
Fall aufzunehmen, wenn ^^er Betreffende oder die Familie nicht ge-
nügende Empfehlungen beibringen oder wenigstens zwei oder . mehr
verantwortliche Personen nennen kann,, von . denen solche .Empfeh-
lungen beschafft werden können. Wo es sich um Emigranten handelt,
die noch in Deutschland oder Holland oder in einem anderen euro-
päischen Lande sind, werden Empfehlungen vom Raphaelver^in ver-
langt oder von einem Emigrantenkomitee, das in dem betreffenden
Lande tätig- ist. Diese Maßnahme ist durchaus notwendig, um die
Organisation gegen Betrug, Schwindeleien und falsche Vorspiegelungen
zu schützen..
Allgemeine Zusammenarbeit
a) Die Organisation sollte allgemeine Zusammenarbeit mit anderen
Hilfsstellen pflegen sowie mit Einzelpersonen (einschließlich der Pfarrer),
Diözesan- und Caritasbüros, katholischen Unterrichtsanstalten, Kranken-
häusern und Klöstern, katholischen Wohnungsvermittlungen und Komi-
tees für Emigranten, wie auch mit Personen, die geneigt sind, vorüber-
gehend Unterkunft und Beköstigung für Ankömmlinge, die ohne Freunde
und Verwandte in den Vereinigten Staaten sind, zu gewähren.
b) Solche Zusammenarbeit sollte auch mit katholischen und nicht-
katholischen Komitees und Stellen gepflegt werden, die in diesem Land
oder in anderen Ländern; gebildet wurden, um für Emigranten aus
Deutschland zu sorgen, besonders in Deutschland, Holland, Prankreich,
Schweiz und England.
c) Fühlungnahme wegen Emigranten in Deutschland sollten vor-
nehmlich mit dem St.-Raphael-Verein und dem Caritasverband unter-
nommen werden, da diese Organisationen von der Hierarchie in Deutsch-
land für diesen Zweck - bestimmt wurden.
Niederlassung: Das Komitee für katholische Emigranten aus
Deutschland soll die Niederlassung in anderen Ländern, vorzugsweise
Brasilien und Venezuela, zu fördern suchen, wenn die katholischen Emi-
granten in diese Länder gehen wollen oder in die Vereinigten Staaten
nicht einwandern können.
396
. Zusammenarbeit mit anderen Komitees für Emigranten, die ähn-
liche Zwecke von Niederlassung in anderen Ländern verfolgen, soll
unter der Leitung des Arbeitskomitees gefördert werden.
Besondere Ausschüsse
Um die Tätigkeit des Bischöflichen Komitees zu erweitern und zu
erleichtern, wird vorgeschlagen, unter den Mitgliedern des Allgemeinen
Komitees eine Anzahl von Sonderausschüssen zu bilden, deren Mitglieder
ehrenamtliche Dienste verrichten. Für den Augenblick sollen folgende
Ausschüsse gebildet werden:
A) Finanzen: Der Finanzausschuß besteht aus einer Anzahl Prie-
ster und Laien, die es übernehmen, Geldmittel für die Organisation auf-
zubringen durch Fühlungnahme mit freundlich gesinnten Vereinigungen
und Personen. Diese Werbungen sollen der Leitung und der Zustimmung
des Geschäftsführers unterstehen. Wenn es sich um Werbungen in Pfarr-
kirchen oder Pfarrvereinen handelt, soll die Erlaubnis des Bischofs und
des Pfarrers eingeholt werden.
Alle durch den Finanzausschuß gesammelten Gelder sind an den
Bischöflichen Schatzmeister zur Einlage in den Generalfonds zu über-
weisen.
B) Der Ausschuß für gesellschaftliche Anpassung
sollte Mittel und Wege suchen, für katholische Emigranten und Emi-
grantenfamilien gesellschaftliche Fülilungnahme zu finden, die ihren Be-
rufen und ihrem Lebensstandard entspricht. Der Zweck solcher Fühlung-
nahme ist es, den Emigranten ihre Last leichter zu machen und ihnen
die Möglichlceit zu verschaffen, sich in das ihrem Stand und ihrem Beruf
entsprechende Leben hineinzufinden. Hierfür werden vorgeschlagen: Ein-
führung bei Privatpersonen und Vereinen, Empfänge in Privathäusern,
Sorge für geeignete Zerstreuung und Vergnügungen usw.
C) Der Wohnungsausschuß wird sich damit befassen, ge-
eignete kostenlose Wohnungen zu finden, in denen katholische Emigran-
ten oder Familien zeitweilig untergebracht werden können, bis die Or-
ganisation genügend Zeit hat, ihre besonderen persönlichen Probleme zu
lösen. Ähnliche Vorsorge soll für kostenlose Beköstigung getroffen
Werder^.
D) Der Ausschuß für Arbeitsbeschaffung wird sich be-
mühen, geeignete Beschäftigung für die Klienten der Organisation zu
finden, sei es auf Büros oder Fabriken, sei es in verschiedenen Unter-
nehmungen oder Privathäusern. Diese Aufgabe verlangt eine genaue
Untersuchung der Arbeitsplätze, damit die Organisation über die Unter-
bringung ihrer Klienten sicher sein kann.
E) Der Presseausschuß will Katholiken und die weltliche .
Presse mit allen Informationen versorgen, die das Werk der Organisa-
tion fördern können,. Der Ausschuß wird in ständiger Verbindung mit
dem Pressebüro der N.C.W.C. stehen. Alle für den Druck bestimmten
Sachen müssen dem Geschäftsführer zur Begutachtung und Gutheißung
vorgelegt werden.
F) Der Recht sausschuß soll alle gesetzlichen: Fragen studie-
ren, die auftauchen mögen, besonders die Bedingungen und Folgerungen
aus den Affidavits, die für die Garantie notwendig sind, daß ein Ein-
wanderer während der ersten fünf Jahre oder bis er ein Bürger des
Landes geworden ist, nicht der öfCentlichen Wohlfahrt der Vereinigten
Staaten zur Last fällt.
G) Der Ausschuß für freiwillige Bürohilfe wird eine
Liste von zuverlässigen Bürohelfern aufstellen und auf der Höhe halten,
397
damit das Büro in Zeiten besonderen Andrangs oder im Notfall auf sie
rechnen kann und die Unkosten der Organisation herabgemindert wer-
den können.
Monatliche Versammlungen
Einladungen für die monatlichen Versammlungen sollen acht Tage
vor dem Datum der Versammlung ausgeschickt werden. Die Tagesord-
nung der monatlichen Versammlungen ist wie folgt:
1. Eröffnungsgebet.
2. Verlesen der letzten monatlichen Niederschrift.
3. Berichte des Geschäftsführers.
4. Berichte der Unterausschüsse:
a) Finanzausschuß,
b) Ausschuß für gesellschaftliche Anpassung,
c) Wohnungsausschuß,
d) Ausschuß für Arbeitsbeschaffung,
e) Presseausschuß, - ;
f) Rechtsausschuß,
g) Ausschuß für freiwillige Bürohilfe.
5. Berichte anderer Ausschüsse.
6. Mitteilungen und neue Fälle.
7. Empfehlungen des Geschäftsführers.
8. Schlußgebet.
Beschlossen wurcje noch: ,
Hauptversammlung:, Es sollen in jedem Jahr wenigstens
zwei allgemeine Versammlungen sein, eine Ende April, die andere im
November; die Daten werden vom Bischöflichen Komitee bestimmt.
Zum Schatzmeister wurde Weihbischof Donahue von New York
vom Bischöflichen Komitee ernannt.
Es sollen im ganzen 364 Fälle seit Gründung des Büros im Januar
behandelt worden sein.
Die Namen der Erzbischöfe und Bischöfe, die dem „Bischöflichen
Komitee" angehören, wurden durch den Pressedienst der N.C.W.C. unter
dem 16. Juli 1937 bekanntgegeben, ebenso die Namen der Mitglieder des
Ausführenden Ausschusses. Vorsitzender des Bischöflichen Ausschusses
ist Erzbischof Dr. Joseph Franz Rummel von New Orleans, bekannt
durch seine Tätigkeit in der Notzeit nach dem Krieg. Er präsidierte auch
der Versammlung am 12, Juli im Leohaus.
U n d e s b 1 i e b n i c h t b 1 o ß b e i m P r o g r a m m !
Verfasser hatte im Jahre 1938 persönlich Gelegenheit, in New
York die Arbeitsweise dieses Komitees zu beobachten und mit
seinem Geschäftsführer, Pfarrer Ostermann, mancherlei Hilfs-'
möglichkeiten und Dringlichkeitsfälle zu besprechen.
Die Seele dieser Hilfsaktion für die katholischen Nichtarier
blieb in Deutschland Pallottinerpater Größer, Generalsekretär
des Baphaelvereins in Hamburg. Er wurde schließlich auch ein
Opfer dieser Arbeit. Von der Gestapo viele Monate lang ein-
gesperrt, brach ihm kurz nach der Freilassung das Herz.
398
Tat eines einzelnen, aber nichts Vereinzeltes
Wieviel mitleidige Herzen zu Hause sich einzeln um ein-
zelne Nichtarier annahmen, wer kann dies ermessen? Ver-
fasser hat schon Hunderte von bestens bezeugten Fällen berichtet
erhalten. Nur einer sei hier für viele angeführt:
In der nächsten Umgebung Münchens sollte eine katholische
Nichtarierin, eine Beamtensgattin, Mutter von fünf Kindern, ihrer
Schwester und ihrem Bruder, die bereits in Auschwitz vergast
worden waren, und ihrer Mutter, die in Theresienstadt verhungert
war, folgen. Schon war der Tag für ihren Abtransport nach
Theresienstadt bestimmt, der 20. Februar 1945. In ihrer entsetz-
lichen Not ging sie zur Oberin eines kleinen Klosters. Und diese
half ihr in mutiger Weise und schlug ihr vor: ,, Sobald in den näch-
sten Tagen Luftschutzalarm ist, fliehen Sie aus Ihrer Arbeitsstätte
(einer Färberei) in unser Klösterlein, ohne auch nur Ihrem Mann
oder einem der Kinder ein Wort davon zu sagen. Diese sollen bei
den kommenden Nachforschungen der Gestapo -unbefangen sein
und v/irklich über ihren Verbleib nichts wissen. Es wird hart sein
für die Ihrigen, wie für Sie selbst, aber es ist der einzige Weg der
Rettung für alle. Für das weitere lassen Sie mich sorgen!"
Und so geschah es dann auch. Ein paar Tage darauf kam die
arme Frau, ward liebevoll aufgenommen, zur Vorsicht sogar in ein
Ordenskleid gesteckt und drei Monate lang verborgen gehalten, bis
die Herrschaft des Nationalsozialismus aus war. Ihr Mann kam des
öfteren ins Kloster, sich Trost, Rat und Hilfe zu holen. Ohne daß
er es wußte, sah ihn seine Frau des öftern vom ersten Stock herab,
wehen und frohen Herzens. Aber das Geheimnis blieb gewahrt bis
zur Stunde der Befreiung im Mai 1945.
Es war ein Risiko für die Oberin und fürs ganze Kloster, aber
es war eine christliche Tat und Rettung eines Lebens!
8. Ein Kampfbericht über zwei Monate.
Um dem Diözesanklerus ein wenig Einblick in die mancherlei
Kämpfe der oberhirtlichen Stelle zu geben und Mut und Vertrauen
einzuflößen, veröffentlichte das Amtsblatt der Erzdiözese München
und Freising im Oktober 1935 nachstehende „Kirchliche Mit-
teilungen":
„Wir haben im Laufe der letzten Monate nachstehend bezeichnete
Schritte in aktuellen, den Klerus interessierenden Fragen unternommen:
1. Beim Bayer. Staatsministerium des Innern:
7. Aug.: Gegen die Verteilung von 2 Devisenschietaerliedern bei offi-
ziellen SA- Appellen in München.
8. Aug.: Zur Klärung der Frage, ob in Bayern das Uniform-, Abzeichen-
und Sportverbot des Bayer. Staatsministeriums vom 30. 7. 35
oder die Anordnung des Reichsführers SS Himmler vom 23. 7. 35
gilt, welch letztere das Mitführen und Zeigen von Bannern,
399
Fahnen und Wimpeln bei Prozessionen, Wallfahrten, Primizen,
Begräbnissen usw. gestattet, — Die Antwort des Slaatsmini-
steriums vom 27: August erklärte, es gelte die Bayer. Verord-
nung: .Hinsichtlich des Mitführens von Fahnen und Abzeichen
bei Wallfahrten, Prozessionen usw. bleibt es bis auf weiteres
bei der bisherigen Übung..'
23. Aug.: Gegen die Verteilung eines gedruckten ,Devisenschieberliedes'
bei der Propagandafahrt der SA in Freising,
2. Beim Reichsministerium für kirchliche
Angelegenheiten:
3. Sept. : Gegen die Überfälle auf Mitglieder kath. Vereine und Geist-
liche in Wolfratshausen.
3. Sept.: Gegen die blasphemische Äußerung eines Versammlungsred-
ners in Reichenhall: ,Die Entgegnung, Christus sei auch ein
Jude gewesen, erledige sich ja auch durch das Dogma von der
unbefleckten Empfängnis von selbst, es sei denn, der Hl. Geist
sei auch ein Jude gewesen.'
3. Sept.: Gegen die öffentliche Verteilung des Flugblattes der ,HJ-Zei-
tung' in München, beginnend mit den Worten:, ,Fort mit den
Gottlosen und Bilderstürmern!' und gegen n^hrere antireli-
, giöse Auslassungen dieser Jugendzeitung.
7. Sept.: Gegen die Beschlagnahme von ,Pfarrnachi:ichten' der ,Mün-
chener Katli. Kirchenzeitung' wegen Abdruclies einer kurzen
Stelle aus dem Hirtenbrief der deutschen Bischöfe.
7. Sept.: Gegen die maßlose Herabsetzung des genannten Hirtenbriefes
durch Mühldorfer Zeitungen.
7. Sept.: Gegen die Inschutzliaftnahme von Personen, welche den Hir-
tenbrief weitergegeben hatten zu einem Zeitpunkt, wo er noch
nicht beschlagnahmt war.
7. Sept.: Gegen den Ausschluß von Mitgliedern der Marianischen Män-
nerkongregation aus der Deutschen Arbeitsfront bei der ,Be-
triebsgemeinschaft Stadt, ßetriebe, München-Rathaus' wegen
,Doppelmitgliedschaft'.
9. Sept.: Gegen die Dienstentlassung eines städt..; Angestellten wegen
,Störung des Friedens' durch die Verteilung des Hirtenbriefes,
ebenfalls zu einer Zeit, wo die Beschlagnahme noch nicht er-
folgt war.
11. Sept.: Gegen die Abforderung der Mitgliederkartothek des kath,
Jugendvereins zu Rosenheim.
23. Sept.: Gegen Ausführungen auf einem Schulungskurs des National-
sozialistischen deutschen Studentenbundes in Darmstadt.
23. Sept.: Gegen das Vorgehen der Stadt Laufen, wo vom Herrn Bürger-
meister den städt. Beamten die Zugehörigkeit zu konfessio-
nellen Vereinen verboten und mit Disziplinarverfolgung be-
droht wurde, außerdem Geschäftsleute und Handwerker von
städtischen Arbeiten und Lieferungen ausgeschlossen werden,
wenn sie oder ihre Angehörigen oder ihre Arbeiter Mitglieder
.eines konfessionellen Vereines sind.
3. Okt.: Erneute Vorstellung wegen des Ausschlusses von Mitgliedern
der Marianischen Männerkongregation aus der Deutschen Ar-
beitsfront.
3. Okt.: Gegen den Erlaß der Handwerkskammer von Oberbayern,
demzufolge ab 1936 Lehrverträge grundsätzlich nur noch ge-
nehmigt werden, wenn der Lehrling der HJ oder das Lehr-
mädchen dem BDM angehört.
400
4. Okt.:. Gegen die Vereinbarung der Bannführung der IJJ und der
Untergauführung des BDM im Werdenf eiser Land mit den
Kreiswaltern der DAF, den Kreisamtsleitern der NS-Hago, den
Kreishandwerksmeistern und Kreisbauernführern, dahin zu
wirken, daß in Zukunft nur noch Angehörige der HJ in die
Betriebe aufgenommen werden.
4. Okt.: Gegen die Anordnung des Bezirksamtes Berchtesgaden, auf
dem Firmenschild einer Buchhandlung das Wort ,Katholisch'
zu übermalen.
4. Okt.: Erwiderung auf die Entscheidung betreffs ,Abf orderung der
Mitgliederkartothek des kath. Jugendvereins in Rosenheim'.
5. Okt.: Gegen Lieder mit dem vez-letzenden Refrain:
,Treibt die Juden aus dem Land,
Stellt die Schwarzen an die Wand!'
3. Beim Reichsministerium der Justiz:
14. Aug.: Anfrage wegen des .Plakatanschlages an Privathäusern und
kirchlichen Amtsgebäuden.
26. Aug.: Wiederholung dieser Anfrage.
30. Aug.; Bericht über neue unberechtigte Plakatans'chläge,
4. Bei der Gebiets leitung der HJ, GebietHochland:
5. Aug.: Betreffs ungenügender Bekanntmachung des Gottesdienstes im
Hochlandlager und Belästigungen von Gottesdienstteilnehmern.
8. Aug.: Gegen die Verteilung des Liedeä der ,Deutschen Glaübens-
bewegung' (,Der Herbstwind geht übers Stoppelfeld') im Hocn-
» landlager.
Am 13. August antwortete die Gebietsführung: ,. . . Eine
■ Verteilung von derartigen Hetzliedern im Hochlandlagef wurde
durch die Lagerleitung nicht vorgenommen un'd wird schärf-
stens mißbilligt. Die Lieder können nur von den Jungen ins
Lager gebracht worden und von Hand zu Hand weiter-
gegeben v/orden sein.'
20. Aug.: Gegen die Verteilung des vorgenannten Liedes und eines
Devisenschieberliedes im Höchlandlager durch einen J u n g -
bannführe r.
8. Okt.: Gegen die fortgesetzte Verteilung vorgenannten Liedes in
Stamm 3 (Jungvolk), München-West.
5. Bei verschiedenen Stellen:
8. Aug.: Bei der Bäyeiischen Politischen Polizei wegen Beschlagnahme
von Jugendvereinsfahnen in Bad Reichenhall.
8./9. Aug.: Gegen die antichristliche Demonstration und Deutsche Hoch-
zeitsfeier einer Münchener SA-Gruppe vor der Gnadenkapelle
in Altötting:
Bei der Kanzlei des Führers der NSDAP,
bei der Reichsbahndirektion München (wegen Verwendung
von Autos des Reichsbahnausbesserungswerkes München-
Freimann);,
beim Reichsverkehrsministerium,
beim Herrn Präsidenten der Deutschen Reichsbahngesellschaft,
beim Auswärtigen Amt (wegen Belästigung von Ausländern),
beim Reichsinnenministerium,
beim Herrn Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp,
beim Bayer. Staatsministerium des Innern.
401
13. Aug.: Beim Bayefi,schen Staatsministerium für Unterricht und Kultus
wegen antireligiöser Artikel in der - HJ-Presse, insbescrnders
gegen die zwei Artikel in ,HJ -Zeitung': ,Wir bieten freibleibend
an': Die neueste .Seelenbuchhaltung' und ,Ehre, Ruhm, Preis
sei Dir, Alfonsa!' mit verletzendem Spott über Himmel und
Fegfeuer.
16. Aug.: An das Bezirksamt Wolfratshausen wegen der Überfälle auf
katholische Vereine und Geistliche dortselbst.
17.' Aug.: Nachtrag zu dem Protest vom 8./9. August wegen der .Deut-
schen Hochzeit in Altötting' unter Beilage eines diese Hochzeit
verherrlichenden Artikels im ,Mitteilungsblatt des Kreises
München der NSDAP' Nr. 32; der Nachtrag wurde sämtlichen
obengenannten Ämtern und Personen zugesandt.
17. Aug. : An die Regierung von Oberbayern wegen , Ausnahmemaß-
nahmen des Bezirksamtes Laufen gegenüber katholischen
Vereinen' (Einforderung von Angaben über Namen, Mitglieder-
zahl usw. auch von rein religiösen Vereinen).
17. Sept.: An den Herrn Oberbürgermeister von München wegen der
Fragebögen, in welchen die städtischen Beamten und A.n-
gestellten auch über ihre Zugehörigkeit zu rein religiösen
Vereinen und über Teilnahme ihrer Kinder an der Pf arr Jugend
gefragt Wurden.
23. Sept.: An die Regierung von Oberbayern wegen des Antrages des
Herrn Oberbürgermeisters von München auf Umwandlung der
konfessionellen Volksschule in Englschalking in eine kon-
fessionell gemischte Volksschule.
Beschwerde beim Bayer. Staatsministerium für Unterricht und
Kultus gegen den vorstehendem Antrag zustimmenden Be-
schluß der Regierung vom 20. September 1935 ist in Vor-
bereitung.
8. Okt.: Vorstellung beim Bayer. Staatsministerium für Unterricht und
Kultus wegen Überlassung des Festsaales der Luitpold-Kreis-
Oberrealschule für Veranstaltungen der ,Deutschen Glaubens-
bewegung, Kreisgem. München'."
(Bemerkung: Soviel Abwehrkämpfe in einem einzigen
Kampfabschnitt! Wiewiele auf der ganzen deutschen
Innenfront!) ^
Ein solcher „Gefechtsbericht" konnte später nicht mehr er-
scheinen. Es paßte der Gestapo und anderen Regierungs- und Par-
teistelien nicht, daß ihnen so in aller Öffentlichkeit ihre Sünden
vorgehalten wurden. Aber die Beschwerden und. Anklagen seitens
des Ordinariates selbst gingen natürlich weiter.
Der Bericht umfaßt nur den Zeitraum von zwei Monaten. Wie
lang würde die Liste all der Vorstellungen und Verwahrungen sein,
welche im Laufe der zwölf Jahre nazistischer Gewaltherrschaft an
Länder- und Reichsregierung, Gestapo und Polizeipräsidium, Partei
und Parteigliederungen gerichtet wurden!
Und würde man all diese Protestschreiben in vollem Um-
fang wiedergeben, welch dickes Buch würde daraus entstehen!
402
Und nähme man gar alle Einsprüche der 25 deutschen
Diözesen zusammen, dann würde sich Wohl ein Berg von Ver-
wahrungen ergeben!
Dazu kamen aber noch viele m ü n d liehe Verhand-
lungen und Beschwerden bei allen möglichen hohen und
höchsten Stellen!
Verfasser selbst war wiederholt bei Staatsminister Siebert, Wagnei%
Esser, bei Vizekanzler von Papen, bei Ministerialdirektor Buttmann, bei
Ministerialdirigenten Roth, bei Polizeipräsident von, Eberstein, bei den
verschiedensten Beamten der Gestapo in München und Berlin u. a. Und
es ging oft heiß her bei diesen Unterredungen. Wer nationalsozialistische
Verhandlungsmethoden oder gar Gestapogepflo^enheiten kennt, der kann
sich leicht eine Vorstellung davon machen.
Es geschah freilich nicht selten, daß in bezug auf diese münd-
lichen und schriftlichen Proteste in den eigenen Reihen gesagt
wurde: „Schade für Gang und Worte, für Papier und Tinte!"
Gewiß, es v/ar auch für uns selbst nicht ermutigend, soviele
ausführliche hieb- und stichfeste Proteste zu machen und zumeist
überhaupt keine Zeile oder nur eine oder zwei ablehnende Zeilen
Antwort zu erhalten.
Und doch erfuhren wir immer wieder auf Umwegen, wie un-
ang-enehm dei Partei und den Regierungsstellen diese kirch-
lichen Berichte über neue Verfehlungen, der HJ, neue Gewalttätig-
keiten von Parteileuten, neue Blasphemien in Versammlungen, neue
Rechtsbeugungen, neue „Vertragsumdeutung, Vertragsumgehung,
Vertragsaushöhlung, Vertragsverletzungen" u. ä. waren. Nahmen
sie auch in echt nationalsozialistischer „Unfehlbarkeit" und Un-
beugsamkeit fast nie etwas zurück, so zögerten sie doch oft, zum
mindesten eine Zeitlang, einen weiteren Schritt zu tun.
Selbst der brutale Christian Weber, der entgegen allen kirchlichen
Beschwernissen und staatlichen Weisungen die herrliche Kirche im
Schloß • Nymphenburg dem Institut der Englischen Fräulein wegnahm^
um sie zu einem Bibliotheksraum für sein Jagdmuseum zu machen, ge-
stand später in vertrautem Kreise: „Mit der Kirche will ich nichts mehr
zu tun haben. Da regnet es Einsprüche und Beschwerden, Schwierig-
keiten und ,Nasen' von allen Seiten."
■ Ein Regierungsrat des Polizeipräsidiums München, der dem Erz-
bischöflichen Ordinariat München sehr viel zu schaffen machte, gestand
einmal dem Verfasser: „Wenn ich an das Erzbischöfliche Ordinariat
schreibe, dann überlege ich es mir sehr. Ich weiß: Wenn ich mir nur
die geringste Blöße gebe, sticht das Ordinariat kräftig hinein."
Im übrigen: Auch wenn so manche Beschwerde von Bischöfen
und bischöflichen Ordinariaten keiner Antwort gewürdigt wurde
und keinen augenblicklich sichtbaren Erfolg hatte, eine Wirkung
hatte sie sicher:
Sie zeigte den nationalsozialistischen Herrschaften immer
wieder, daß es auch im Dritten Reich noch Stellen und Personen
gab, die es wagten „nein!" zu sagen und die Dinge beim rechten
^ 403
Namen zu nennen; die es wagten, Reichsniinister, Gauleiter, Gestapo
u. a. ins Antlitz zu widersprechen und in dieser oder jener Form
zu erklären:
„Was du tust, ist unrecht!
Was du sagst, ist falsch!
Was du vertuschest, ist schon bekannt!
Was du anordnest, ist Kirchenverfolgung, Kulturkampf!
Was du beschönigst, ist Verbrechen und Mord!
Was du befiehlst, ist gegen Gottes Gebot und menschliches
Gewissen!"
W i r können und werden Gottes Rechte nie durch Staats-
recht und Staatsgewalt brechen lassen.
Wir erachten das Reichskonkordat und die Länderkonkordate
als noch voll und ganz geltendes, innerdeutsches Recht und wer-
den gegen jede Verletzung derselben Verwahrung einlegen.
Wir werden auch die Rechte der Eltern wie der Einzel-
persönlichkeit bis zum letzten verteidigen.
V/ir werden, wie es Aufgabe unseres gottgegebenen Lehr-,
Priester- und Hirtenamtes ist und durch das Schlußprotokoll des
Reichskonkordates zu Artikel 32 ausdrücklich zugestanden ist,
„keinerlei Einengung der pflichtmäßigen Ver-
kündigung und Erläuterung der dogmatischen
und sittlichen Lehren und Grundsätze der
Kirche" widerspruchslos hinnehmen und dulden, vielmehr
immer wieder und in jeder Hinsicht die im Naturrecht begründete
und in Artikel 1 des Reichskonkordates gewährleistete „Freiheit
des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen
Religion" verlangen.
Denn
„M an muß Gott mehr gehorchen, als den
Menschen" (Apg. 5,29).
,,Habe ich unrecht geredet, so beweise es mir!
Habe ich aber recht geredet, war um schlägst
d u m i c h ?" (Jo. 18,23).
„Dazu bin ich (gleich meinem Gründer) geboren
und in die Welt gekommen, der Wahrheit
Zeugnis zu geben" (Jo. 18,37).
Trotz all deiner Machtmittel wirst auch d u noch erfahren, wie
wahr der Apostel gesagt:
,,Wir können nichts ,gegen'die Wahrheit, son-
dern nur ,für' die Wahrheit" (2. Kor. 13,8).
Wir Bischöfe, Priester und gläubige Christen halten uns jeden-
falls an das Gebot und die Verheißung des Herrn:
„Kämpfe für das Recht bis zum Tod! Gott, der Herr, wird für
dich streiten!" (Sir. 4,28).
404
D. Das Kreuz steht!
Nach langem Dunkel
Wieder ein Licht.
Nach langem Schweigen
W i e d e r e i n W r t.
Einerspricht:Freunde,
Vieles ging verloren,
Eins aber ist gerettet
Aus N a c h t u n d N o t :
DasKreuzISehtesan'
AmMorgenundamAbend!
Vergeßt nie das Leid!
Aber verzweifelt auch nicht
Am Sieg der Liebe!
Horst Stankowski
im „Jahr der Jugend" 1946.
Der Kampf ist zu Ende, der Weltkrieg mit seinen tausenderlei
Mordwaffen, der Kulturkampf mit seinem Ansturm gegen Gott,
Christus und Kirche, mit seiner Menschenvergötterung, Menschen-
versklavung und Menschenvernichtung. Leichen und Ruinen be-
decken das Feld.
Was nun ?
Eine treffliche Antwort auf diese Frage gab Erzbischof Gröber
von Freiburg in seinem Hirtenbrief vom 8. Mai 1945, aus dem
bereits im 2. Kapitel des ersten Teiles einiges wiedergegeben wurde.
„Was nun?" fragt da auch Erzbischof Gröber und fährt dann
fort: ■
„Die Antwort auf diese Frage scheint uns nach den vorausgegangenen
Darlegungen nicht schwer zu sein. Als Wichtigstes wird wohl gelten
müssen, daß wir mit dem gründlich aufräumen, was wir eben als die
geistige Ursache unserer Niederlage erkannten. Die n e u e
Weltanschauung hat sich in ihrer Auswirkung selber das Urteil
gesprochen. Es trat ein, was tiefere Kenner der Verhältnisse längst
schon voraussagten: daß sie wohl zu einem Höhepunkt führen könne,
aber dann an ihren Folgerungen zusammenbreche; denn ihre
Grundlagensindfalsch.
Esistfalsch, daß der nordische Mensch auf Grund seiner
Veranlagung alle anderen Menschen wesentlich überrage und damit zur
Weltherrschaft berufen sei. Die Gegenwart straft diese stolze Behaup-
tung Lügen, ohne daß wir verkennen, daß das deutsche Volk große Vor-
züge und Verdienste auf einzelnen Gebieten besitzt.
Es ist falsch, die Rasse und das Volk zu vergotten
und zu verewigen und den persönlichen Gott zu leugnen, den wir- auch
wissenschaftlich zu erkennen vermögen. Wie klein war doch neben dem
Allmächtigen dieser deutsche, eingebildete Gott, und wie jämmerlich
und unbarmherzig hat der Krieg ihn entthront und ins erbärmliche
Elend geworfen!
Es istfalsch, denGlauben an ein Leben im Jenseits
zu bestreiten und ihn aus den Herzen der Menschen zu reißen.
Gerade jetzt, wo wir fast nichts mehr besitzen als unseren himmlischen
Erbarmer'und unsere bittere Not, wird der Mensch nur dann sein
405
Schicksal ertragen können, wenn seine Seele an den ewigen und all-
mächtigen Gott sich klammert ]xnd in ihm ihre Kraft, ihren Trost und
ihr letztes Ziel- wieder erkennt. Ob nicht auch jene einst so Stolzen und
Machtvollen, die nun flüchtig wie der Brudermörder Kain weiß Gott wo
herumirren, um der Gefangenschaft und der verdienten Strafe zu ent-
gehen, an den Christengott sich erinnern, vielleicht ehe sie ihren Revol-
ver aus Verzweiflung selbsmörderisch an ihre pochende Schläfe setzen?
Es ist falsch, das Christentum als Judentum zu
brandmarken, wo doch jeder wissen konnte, wie sich die Juden zu
Christus und seiner JLehre und zu den urchristlichen Gemeinden in
Feindseligkeit stellten.
Es ist falsch, einem extremen und erbarmungs'-
losen Antisemitismus zu verfallen, um ein Volk auszurotten,
das in seiner ihm aufgezwungenen Abwehr uns noch gefährlicher wurde
als die größte feindliche Armee.
Es ist falsch, daß das Christentum uns Deutschen
als artfremd erscheinen müsse, wie ich es , in einer beson-
deren Abhandlung in einem Gang durch unsere Geschichte vor kurzem
noch ausführlich bewies.
Es ist falsch, zu behaupten, daß der Mensch von Natur
aus gut sei und daß es nur eine Sünde gebe, die Sünde gegen
das Volk. Durch diesen Satz, der jeder Selbsterkenntnis widerspricht
und die Herrschaft des Bösen und der Sünde in der Welt übersieht, hat
in V/irklichkeit die Sünde bis ins Furchtbar- Verbrecherische überhand
genommen, und es fällt unseren Besiegern leider nicht mehr schwer,
unsere Schande dokumentarisch und photographisch in fast ganz Europa
nachzuweisen.
Es ist falsch, wenn man behauptet hat, der deutsche
Mensch brauche nur seine Hände zu rühren und sich
tapfer zu wehren, um ohne Herrgott und Gebet über alle widrigen
Mächte Herr zu werden. Jetzt, wo wir geschlagen sind wie kaum je
ein Volk, kann uns- nur die Rückkehr zu Gott und zur christlichen Ge-
dankenwelt retten, wie sie in unserem Glauben niedergelegt ist und uns
dazu verpflichtet, auf die Stimnie unseres Gewissens zu hören und die
Gottesgebote^im Gedanken an die Verantwortung vor einem Ewigen und
Allwissenden zu, befolgen.
Das ist die allererste Pflicht in der jetzigen dunklen Stunde:
Umkehr durch Verchristlichung!
Das Rad der Zeit können wir freilich nicht zurückdrehen, aber
Zeitideen können wir ausmerzen, die sich als verhängnis-
voll und mörderisch erwiesen. Und sie müssen ausgerottet werden,
in der Jugend zumal, die man, ob männlich oder weiblich, damit
systematisch sowohl in der Schule als auch in den Organisationen ver-
darb.
Wenn wir aber diese Heimkehr zu Christus nicht brauchen, weil
wir immer treu waren unserem Gott Und seiner Kirche, dann muß uns
der herrliche Gedanke trösten und mit neuer Schaffensfreude erfüllen,
daß wir mit dem verlorenen Krieg zwar unendlich viel an natür-
lichen Gütern einbüßten und noch m-hr vielleicht durch Nach-
kriegslasten opfern müssen, aber- daß doch unser tiefster und zuletzt
einzig wahrer und dauernder Reichtum uns blieb und bleiben wird:
unser Glaube und die unvergleichlich großen G n-a den
unserer heiligen Religion.
Sagen wir Gott für diese UnVergänglichkeiten, die niemand uns
rauben kann, demütig frohen Dank auf den Knien! Wie arm sind hin-
gegen die anderen, deren ganzeWelt in Trümmern liegt!"
406
Müssen wir nicht ebenso erschüttert vor diesen „geistigen
Trümmern" und seelischen Zusammenbrüchen
stehen, wie vor unseren ausgebrannten oder zusammengestürzten
Häusern und Kirchen?
»Mich erbarmt des Volkes" hat der gesprochen, dessen
Kreuz wir verehren, und er sprach es zu den Leuten des Volkes,
das ihn gekreuzigt hat. Und von seinem Kreuze herab hat er noch
für dieses Volk gebetet, „Ich habe euch ein Beispiel gegeben"
(Jo. 13,15).
Gewiß, wir dürfen nicht in Weichheit und Kurzsichtigkeit auf
die Gerechtigkeit vergessen und dürfen Verbrechen nicht
ungesühnt lassen, aber wir dürfen und sollen handeln nach dem
Worte des hl. Augustinus: „Ich verabscheue den Irrtum, liebe
aber die Irrende n".
Haben sie einst in Blindheit, Torheit und Haß 'frevelnd ge-
sprochen:
„Das Kreuz muß fallen, wenn ■ Deutschland leben soll",
so wollen wir ihnen nach dem Fall Deutschlands und nach der
Zertrümmerung des Hakenkreuzes sagen:
,,Das Kreuz, Christi Kreuz, muß wieder auf-
gerichtet, geehrt und gläubig umfangen werden,
wenn Deutschland leben soll, wenn aus den Trüm-
mern der Häuser, des Volkes und der Herzen etwas
Neues und Besseres erstehen sol 1."
Und, Gott sei Dank, es erwacht da und dort auch schon denen,
die jahrelang das Hakenkreuz getragen haben, Erkenntnis und
Sehnsucht nach Christi Kreuz.
Ein Beispiel dafür steht in einem Brief, den der verantwort-
liche Arzt eines SS-Lazarettes in Bayern, Sturmbannführer N., am
6. Juli 1945 an den Erzbischof von München, Kardinal Faulhaber,
geschrieben hat:
„. . , Nun stehen die meisten unserer jungen Menschen da und kön-
nen es nicht , glauben, daß ihre verantwortliche Führung sie verließ;
noch weniger aber, daß das Dritte Reich ein Haus gewesen sein sollte,
das auf Sand gebaut war und nun nicht mehr ist und auch nicht wieder
erstehen wird. Es ist nun schwer, alles das wiederzugeben, was sich in
der Seele dieser jungen Menschen, die hier von ihrer Verwundimg und
Krankheit genesen, abspielt.
Da ich ihnen in dieser Seelennot nicht Arzt sein konnte,, bat
ich nach der Übergabe des Hauses an die Amerikaner den katholischen
und protestantischen Stadtpfarrer, die Seelsorge meines Lazarettes • zu
übernehmen, welches beide Herren bereitwilligst und mit großer Freude
taten.
Meine Gedanken, die mich zu diesem Entschlüsse führten, gingen
dahin, daß wir uns im Kampf gegen Christentum und
Kirche sc hwerversündigthabenundnundenWegzum
Kreuz Christi wieder zurückfinden müssen, soweit
wir ihn nicht schon gefunden haben.
407
Es ist der einzige, aussichtsreiche Weg für uns selbst und für unser
Volk, wieder eine einigermaßen aussichtsreiche Lebensbasis zu finden.
Außerdem wird es auch die einzigste Möglichlceit sein, durch den christ-
lichen Glauben der Liebe den Haß und die Rachsvicht unserer Feinde
zu mildern und vielleicht auch die Möglichl^eit herbeiführen, eine Hand
zu finden, die in die unsere einschlägt.
So möchte ich Eure Eminenz bitten, die SS-Männer in Ihre Seel-
sorge einzuschließen; denn ich glaube, sie sind es wert, daß man sich
um sie kümmert, daß sie auf den rechten Weg geführt werden und ihrem
Volk nicht verloren gehen.
Von den , Gottgläubigen', die aus der Kirche ausgetreten sind, haben
viele den Wunsch, in diese zurückzukehren.
Ich bitte Sie, Eure Eminenz, den Männern diese Möglichkeit zu
geben, da es sich meist um sehr junge Menschen handelt, die diesen
Schritt in jugendlicher Unreife getan haben.
In der Geborgenheit der Kirche und von den Vertretern der Kirche
umsorgt, dürften dann diese Menschen gefeit sein gegen alles, auch
gegen das Gift des Kommunismus."
Ein Wort aus diesem Briefe sei nochmals aufgegriffen: ,,
„Meine Gedanken gingen dahin, daß wir uns im Kampf gegen
Christentum und Kirche schwer versündigt haben und nun den
W e g 2 um Kreuz Christi wieder zurückfinden
müsse n."
Jawohl: Vom Hakenkreuz zurück zu Christi Kreuz!
Denn in Christi Kreuz allein ist E r 1 ö s u n g.
„Ecce lignum Crucis, in quo salus mundi pependit!"
In Christi Kreuz allein ist Heil und Heilung.
„Crux Christi nos salvet!"
In Christi Kreuz allein ist Hoffnung und Zuversicht.
,,0 crux ave, spes unica!"
In Christi Kreuz allein ist Kraft und Schutz,
„Crux est fortis armatura
Et protectio secura
Conterens daemonia" (Bonaventura)
In Christi Kreuz allein ist Sieg über alles Dämonische.
„In hoc signO'Vinces."
Das Kreuz ist die Standarte des „Herrn der neuen Zeit":
„Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat."
Christi Kreuz wird nie fallen!
Ich schreibe diese Worte am Tage des hl. Johannes
Chrysostomus (27, Januar).
Wie einzig schön hat er in schwerster Stunde, vor seinem Gang
in die Verbannung, die siegesbewußte Zuversicht und Ruhe ge-
schildert, die ihn im Schatten des Kreuzes trotz aller Verfolgung
und Bedrohung erfüllte und die jeden Kreuzesnachfolger in gleicher
408
cder noch schlimmerer Lage erfüllen kann und nicht bange werden
läßt für die Zukunft der Kirche, auch wenn alle Macht der Welt
und die Pforten der Hölle sich miteinander verbünden.
Ich möchte diese Abschiedsworte des großen Kämpfers wider
Staatskirchenoberhoheit (Cäsaropapismus) und Sittenlosigkeit hie-
her setzen in Dankbarkeit für die Aufrichtung; die sie mir selbst
des öftern in der Gefangenschaft gaben. Ich möchte sie aber auch
wiederholen mit dem Wunsche, daß sie auch recht vielen anderen
Stärkung geben, wenn sie verzagt in die dunkle Zukunft schreiten
und selbst für die Kirche Gottes fürchten möchten:
„Viele Wogen, furchtbare Stürme ! Aber wir fürchten nicht, daß
wir zugrunde gehen; denn wir stellen auf einem Felsen.
Das M e e r, mag es toben, diesen Felsen wird es nicht zerstören.
Der Stur m, mag er heulen: Christi Schiff wird nicht versenkt
werden!
Und wahrhaftig, was .sollten wir fürchten? Den Tod? .Christus
ist mein Leben, und Sterben mein Gewinn' (Phil. 1,21).
Die Verbannung? ,Des Herrn ist die Erde und was sie erfüllt'
(Psalm 25,1).
Den Verlust der Güter? ,Wir haben nichts in die Welt ge-
bracht, wir werden auch nichts aus ihx' hinausnehmen.' (1 Tim. 6,7.)
Was die Welt Schreckliches hat, ich verachte es.
Was die Welt Reizendes hat, ich spotte dieser Dinge.
Ich zittere nicht vor der Armut, ich verlange nicht nach Reich-
t u m, ich bebe nicht vor dem Tod e, ich hänge nicht am Leben, es sei
denn um eurer Seelen willen.
Niemand wird uns losreißen von unserer Liebe zueinander. Was
Gott vereint hat, werden die Menschen nicht trennen.
O Sterblicher, der du die Kirche bekämpfst, strecke
deine Waffen, damit du nicht deine eigene Kraft vernichtest!"^ Was
du tust, das heißt gegen den Himmel anstürmen.
Kämpfst du gegen Menschen, so ist der Sieg zweifelhaft. Greifst
du aber die Kirche an, so is er unmöglich.
Alle Erden macht wird unendlich überragt von der Allmacht
Gottes. ,Er schaut die Erde an — und sie erzittert'.
Fester ist die Kirche als Erde und Himmel; denn ,Him-
mel und Erde werden vergehen', von der Kirche aber ist gesagt: ,Die
Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.'
Hörst du nicht den Herrn sprechen: ,Wo zwei oder drei in
meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.' Und
wo eine solche Schar vei-eint ist, vereint durch die Bande der Liebe,
da sollte er fehlen?
Baue ich vielleicht auf die eigene Kraft? Nein! Ich besitze
die Verheißvmg -des Herrn: Ich trage seine Handschrift bei
mir, auf diese stütze ich mich wie auf einen Stab. Mag der ganze Erd-
kreis erschüttert werden, ich halte den Schutzbrief meines
Herrn in der Hand; ich lese seinen Inhalt, der mir eine Mauer und
ein unbezwingbarer Schutzwall ist. Soll ich euch den Schutzbrief meines
Herrn vorlesen? ,Ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende
der Zeiten.'
Christus ist bei mir! Wen soll ich fürchten?
409
Mögen die Wogen heranbrausen, mag das ganze Meer sich mir ent- '
gegehtürmen, mag der Zorn der Herrscher entbrennen: das alles
fürchte ich weniger als Spinnengewebe. Mein Wahl-
spruch bleibt: ,Herr, dein Wille geschehe!' ' \
Will Gott meine Verbannung, ich bin bereit.
Will er, daß ich hier bleibe, auch dafür danke ich ihm,
,Wie immer er es fügt, stets sage ich ihm Dank'."
Vielleicht ist mancher beim Lesen dieser Worte versucht, vieles
davon noch nachträglich den „Tyrannen und Titanen" des Dritten
Reiches nachzurufen und ihre Vermessenheit zu verdammen.
Wichtiger aber ist, daß. er sie wie ein Senkblei in sein
eigenes Herz dringen und dort das Innerste aufwühlen läßt
mit der Frage:
Habe i c h den Kampf gegen diese „Himmelsstürmer" ehrlich
mitgekämpft und mannhaft bestanden, vom Anfang bis zum
Ende? .
Habe ich bis aufs Blut dieser Sünde widerstanden?
(Hebr. 12,4).
Oder habe ich feige die Waffen gestreckt und ,,H e i 1" dem
zugerufen, der ein Fluch war für die Welt, für sein Land und
sein Volk?
Habe auch ich das Hakenkreuz statt Christi Kreuz ge-
tragen und mit den Wölfen geheult, sei es still oder laut?
Habe ich um meiner bürgerlichen Ruhe willen oder zur
Wahrung meiner Stellung oder zur Erlangung einer Gehalts-
vorrückung oder zu geschäftlichen Vorteilen oder
aus Angst vor Drohungen oder aus Besorgnis vor Benach-
teiligungen oder aus Furcht vor Verspottung meine Über-
zeugung zurückgehalten oder gar verleugnet und das Knie gebeugt
vor Baal (3, Kön, 19,18)?
Bin ich so mitschuldig geworden an der Entfaltung und Ver-
massung dieser gottwidrigen Macht und ihrer scheußliehen Ver-
brechen?
Wie auch der einzelne hierin sich selbst anklagen und schuldig
bekennen muß, eines wollen -wir alle zusammen tun, gleich Jo-
hannes Chrysostomus:
Gott danken!
Ja, Gott danken, daß wir befreit sind
von dieser Höllenmacht,
von Gotte.shaß und Menschenvergötterung,
von völkischer Überhebung und Kriegsfurie,
von Gewissenszwang und Verlogenheit,
von Kirchenverfolgung und Kreuzesverachtung,
410
von Menschenentrechtung und Menschenentwürdigung,
von tausend Fesseln und Ketten,
von dem „Drachen, der alten Schlange,
die der Teufel, der Satan ist" (Offbg. 20,2)!
„Alleluja! Das Heil, die Herrlichkeit und die Macht
gehören unserna Gott. Wahrhaftig und gerecht sind seine Ge-
richte. Er hat das Gericht vollzogen an der großen Sünderin, die
durch ihr Buhlen die Erde verdarb, fcr hat gerächt das Blut seiner
Knechte, das an ihrer Hand klebt" (Offbg. 19,1 ff.).
„Stat crux, dum volvitur orbis."
„Es steht das Kreuz, wenn auch der Erdkreis sich drehtl"
411
PE RSONEN VERZE ICHNIS
Arabische Zahlen ohne römische bedeuten den 1. Teil, mit und nach II den 2. Teil
Abel, Kreisschulrat ' 117
Ackermann, Pfr., Rodalben 138
Aigner Korbinian, Pfr. 335
Alexander VI. 23, 11/348
Algermissen, Germanentum u.
Christentum 226
Amann, Reichspressekammer 210
Anders: „Der König reitet" 23, 276 ff.
Aßmuß Burghardt:
Jesuitenspiegel 274
Schicksal von Nonnen 274
Klosterleben 274
Auracher, München 314
Bachem, J.P., Köln 215
Bäumler, Stab Rosenbergs 122
Barbarossa, Kaiser 114
Bares, Bischof von Berlin 11/311
Bauer J., Stadtschulrat 97
Barbisch, Pg., Wasserburg 266
Barion, Professor 105
Baum Adolf 159
Baumann Josef S. J. 162 f.
Beck, Gestapo München 221 f.
Beer, Kurat, München 192
Benedikt XV. 23
Bergen Dr. Diego, Botschafter 11/50
11/298
Bergmann Ernst 11/203
Berkmanp, Dr. Max, Berchtes-
1 gaden 251 ü.
Berning, Bischof, Osnabrück
11/389 ff., 11/392
Bernreuther-Verlag 215
Bertram, Kard. v. Breslau
Mitgliederlisten 193
Kath. Verbände 11/312
Presse 11/342 f.
Sterilisation 11/352 f.
Euthanasie 11/357 ff., 11/363
Best M. 11/23
Bettinger, Oberamtsrichter 195
Bischöfe Deutschlands
Jugend 11/298, 11/299, 326 •
Aug. 1935 Denkschrift 11/313
11/327
1935/36 Hirtenwort 11/314
11/400
5. 9. 1936 Sittlichkeitsproz. 11/278
1937 Denkschrift 11/314 f.
Juli 1937 Aussiedlung der
Nichtarier 11/392
1941 11/67, 11/67, 365, 371
1942 11/67
412
1943 August 11/68
12. 9. 1943 11/69, 301
Bischöfe Bayerns
Abbau der Klosterschulen 101 f.
102 ff.
Religionsunterricht 109
Angriffe 143
Ordenshochschulen 148
Keine Staatskirche 11/100
Verschiedenes 11/113
Sittlichkeitsprozesse 11/115
Vereine 11/117, 301 f.
Religionskrieg 11/117
Orden 11/276
Jugend 11/301
Arbeitervereine 11/313
Presse 11/326
Bischof von Metz 37
Bischof von Straßburg 37
Bischoff, Gestapo Posen 63 f.
Blank, Schulleiter, Regensburg 115
Blauärmel J., Gaurevisor - 158
Blum, Gauleiter 300
Boepple 65, 100
Bomhard, Dr. Hans 11/20
Borcers, Gaurevisor 158
Bormann, Reichsleiter 157 f., 358
II/273ff.
Bornewasser, Bischof von Trier
28, 36
Schulabstimmung 98
Klosterraub 156
Kirchen in Polen 294
11/159, 11/200
Klostersturm 11/266
Klöster Elsaß 11/275
kathol. Presse 11/320
Silvesterpredigt 11/320
14. 9. 1941 Euthanasie 11/371
Don Bosco 11/297
Bracht, Gauleiter, Euthanasie 308
Breitenberger Franz, Kaplan 338
Brandl, Brotfahrer 11/20
Büchting Anton 35
Bülow, Werner von 113 f.
Bürckel, Gauleiter 105
Buchberger, Dr. Mich., Bischof
von Regensburg 41, 48
Buchwieser, Generalvikar,
' München 300
11/105 f£.
11/332, 334 f., 337
341, 346, 350
Burgmaier, Gesegnete Brautzeit 226
Burkhard Joh. 336
Buttmann, Ministerialdirekt. 11/403
Byörn Hanson, Norwegen 11/18
Carls 11/22
Cicero 11/374
Cini, Minister 11/18
Clemens, Generalsekretär 185
11/298
Conti, Reichsärzteführer 11/366
Corvin, Pfaffenspiegel, Die
Geißler 274, 11/331
11/350 ff.
Cohnen- Andres:
Die Lehre von der Kirche 111
Dähl, Zum Mythus des 20. Jhdt. 226
Darre, Bauernkalender 212
Dauser 11/31
David, Kapitularvik., Köln 11/270 f.
Delestraint, General 11/18
Delp P. Alfred, S. J. 162 f.
Dempf AI., Meister Eckehardt 213
Deppisch Gregor, Pfr. 334, 336, 347
Diem, SS-Brigadeführer 304
Dr. Dinter (Die Deutsche Volks-
kirche) 24, 27
Doerner Dr., Justiz-Presseref. 134 f.
Dollfuß- Gedächtnis-Messe 70
Gebet 289
Donahue, Weihbischof v. New-
York 11/398
Donderer, Kreisleiter 119
Dorpmüller Dr., Generaldirekt.
der Reichsbahn 300
Dümig Hermann, Benefiziat 333 f.
336,347
Dürr, Propagandaministerium 11/341
Dyck van, holl. Kriegsminister 11/18
Dym'ek Dr., Weihbischof Posen 63
Eberle Dr. J., „Das Los der
Christi. Presse im 3. Reich" 383
. II/ll f.
Eberstein, Friedr. Karl, Frhr. v. 186
11/329, 11/403
Ehrenfried Dr. M., Bischof von
Würzburg, Demonstration 33
Grenzkontrolle 37, 11/328
Beerdigung Hafner 83
Mar. Kongregation 174
Bedrängnis des Bischofs . 334 f.
Eisenmann, Pf. in Alsleben 334
336, 347
Elser-Eller 11/23
Eisner Max n/180
Eltz V. Rübenach 300
Emanuel, König von Italien 11/380
V. Epp, Reichsstatthalter . 34
300, 11/401
Endrös, Kreisleiter ■ 78
Erzberger 23
Canterbury, Erzbischof von 11/369
Esser, Staatsminister 11/320, 403
Eucharius hl. 280
Eulenburg, Sittlichkeitsproz. 11/28^2
Faulhaber, Dr. Mich., Kardinal
„Steinwürfe" 25
Beschimpfung 29
Spottbild 32
Anpöbelung 34 f.
Bischofshof 37
Adventspredigten 44, 11/320
Predigt, beschlagn. 47 f., n/328 ff.
Predigtüberwachung 49
Theol. Hochschule 105
Judentum, Christentum, Ger-
manentum 224 f.
Val. Mayer 3. 4. 1937 231 f.
Waff enausrüstimg 254
im Tischgebet 259
Fronleichnam 1939 306
Euthanasie 307, n/14, 354, 359
Judenhetze 327
Rupert Mayer n/16,163
Denkschrift, Begleitschr. 11/71
Hirtenbriefe 11/119
Silvesterpredigt 11/244
Attentat 11/281
Kath. Vereine 11/300
Staatsjugend 11/304 f.
Klerus 11/315
Fahrmeier W., HJ 93
Fergg, Bad.Tölz 11/337
Ferrero Colonello 11/18
Fischer, Gaustabsleiter 11/371
Fleißner M., Trauung 300 ff.
Foltz Karl 35
Freiberger Joh., Pfarrer 237
Frey Kurt 81
Frick, Reichsminister 140, 194
11/302
Friedrich Henriette 314
Friedrichs Reinh., Münster 11/177 f.
Fritsch Dr., Freiburg, Rede 321
269, 291, 319
Frommknecht, München 11/21
Funk Walt., Reichswirtschafts-
minister 129, 329
„Fuchs" Stevens II/18, 23
Gärdtner Camillo 300.
v. Galen, Bischof von Münster
Hirtenbrief 1936 106
Religionsunterricht - 109
Krankenhaus Duisburg 146
Kirchenzeitung München 216
Amboß n/16£, 262, 309
413
Klostersturm 11/177, 257 ff., 273
Anklage: Mord 11/364 ff.
Beschimpfung 11/369
Garibaldi Santo, General H/18
Geiger Karl 35
Gerhäuser, SS-Sturml,
Trauung" 304
Gerlich Dr., „Der gerade Weg" 222
Geßner, Dr., Hannover 194
Geusert, Liebe Deine Kirche!
Verbot 223
Gieispach Dr., Euthanasie 11/360
Goebbels Dr. 23, 28
Hirtenbrief gegen Rede 46
Propaganda-Aufgabe 123
Devisenprozesse 129
Sittlichkeitsprozesse 133 ff.
140, 11/12, 11/278
Tageszeitungen 199
Justiz und Presse 210
Kirchensteuern 239
Judenpogrom 325, 11/13, 11/272
Diffamierung der Orden 11/276
Rede Deutschlandhalle 11/282 f.
11/291
Kirchenblatt Berlin 11/342
Gie'sler A., Der 2. Schweizer
Katholikentag 11/374
Göring H., Meldepflicht jüd.
Vermögens 329, 11/13
Münster Klostersturm 11/260
11/265
18. 7. 1935 11/302
11/291
Göring Frau. ~ 315
Göttl Heinrich 50, 136
Gottschling, „Zwei Jahre . . ."
213 f., 274
Griese Franz
Ein Priester ruft: Los von
Rom und Christus ' 274
Irrtum des Christentums 274
Grimm P. Alois, S. J. 162 f., 11/272
Gröber, Freiburg
Hirtenbrief 19
Beleidigung (Fritsch) 33
Hirtenbrief-Verbot 46
Wallfahrt Birna 71
Klosteraktion Elsaß 159 ff.
„Einer ist Euer Lehrer" 227
„Kirche, Vaterland, Vater-
landsliebe" 228
Kanonenschläger 304 ff., 11/201
Klostersturm IX/274 ff.
Sterilisation 11/353
Euthanasie 11/355 f.
Hirtenbrief 11/405
Größer P., Gen.-Skr., Raphael-
verein 11/398
Grohe, Gauleiter
11/321
Grohne, Dr.
135 f.
Groß, Gaurevisor
158
Gürtner
11/287
„Das kommende
deutsche
Strafrecht"
11/358
Euthanasie
n/359 ff.
Hafner Georg, Pfr. 83, 333, 337, 347
Hafner J., Verlagsinhaber 224
Hagen, Ingenieur 83
Harth, Domkapitular, Würzbg. 335
Hartmann, SS 285
Hattingen, Oberstaatsanwalt 143
, 11/257
Haß Heinz: „Adresse und An-
zeige" (Kalender) • 211
Hausner Dr., Salzburg: Eutha-
nasie 3,11
Hayler P., S. J. - 160
Heine Heinrich: Religion und
Philosophie in Deutschland 248
Heinrich der Heilige 327
Heinzinger J., München 94
Heinzmann Bernh., Augsburg 336
Hermann P. Joh. Nep. 60 f.
Heß, Kirchenerlaß 68
Weihnachtserlaß 79
Heß P. Salesius OSB., Münster-
schwarzach 334, 336, 347
Hey den P. Gebhard 56 ff.
Heydrich, SS 125, 175
Hildl, Bauingenieur 296 f.
Himmler
SS-Befehl 80 f.
Orden 125
Befehl zur „Umlegung" 163
Volks-staatsfeindl. Vermög. 242
Klöster Westfalen 11/265
Klöster Elsaß 11/274
276
Vereine 11/302, 11/399
Hindenburg, Reichspräsident 277
Hipp, Kultusminister 99
Hitler 11
in Rom 13, 22, 270
Geburtstagsgeschenk 105
— und Jesus Ulf., 255
— als Märchenprinz 115
— bild 118, 251, 253
— in Liedern 121, 180
■— schulen , 122, 282 f.
— und Ordensnachwuchs 146
— Herr der neuen Zeit 180
— und Kirchensteuern 239
— Rosenberg 258
— Altar 251
— Gebet 251
— = Konrad v. Büren 277
— Audienz v. Bischöfen 282
414
T- und Voltaire
283
— Erlöser
292
— und Konkordat
384
Denkschrift an ilin
11/71 ff.
Christentum und Kirche 11/73 ff.
Mordplan 11/167
nicht göttl. Wesen 11/266
Klöster Elsaß 11/274
Mein Kampf 11/284
13. 7. 34 Parteireinigung 11/286
Mundelein 11/13, 291
Kath. Verbände 11/312
Reichstagsrede 11/377
Hlond, Kardinal, Posen 327 f.
Hock, Dr. Mich. 50, 210, 335, 11/22
Höfner Mich. 11/181
Hofer, Gauleiter 105, 149, 296 f.,
11/375 ff.
Hofius Dr.: Devisenprozesse 127
Hofmeister Korb., Abt v. Metten 336
Hollweck, Gestapobeamter 11/23
Holtzmann, Schw. Angela 314
Hompf, Dr., „Reich u. Religion"
123, 272
Hoppe Aug. 291
Huber A., München 215, 11/381
Huber P. Hermann S. J. 162 f.
Hugger P. S. J. 160
Jam, Kath. Kirche, eine Gefahr
für den Staat , 213
Johannes Chrysostomus 11/408 f.
Irrgang Thomas, Lehrer,
Schliersee 121
Johlitz, Gauobmann 11/371
Jung P. Alois S. J. 162 f.
Kahr, Ministerpräsident 29
Kaller-Ermland: Hirtenbrief 46
Kammerer, Kreisl. 238, 251 ff., 290
Karl der Große 223, 263, 266
Kaspar, Fürsterzbischof Prag 28
Keitel, Feldpostanschriften .86
Kerrl Dr.:
„Priester unbehindert" 42
Druck 'der Hirtenbriefe 47
Feldpostanschriften 84 f., 86
Religionsunterricht 105 f.
Sittlichkeitsprozesse 140
Ordensnachwuchs 146 ff.
Ausstellung Frau u. Mutter 279
Evangel. Kirche 3721
Klöster in Münster 11/260 f., 11/265
Ketter Dr. Peter 11/201
Kienitz E. v., Christi. Ehe 226
Kikath Dr. Karl, Berlin 317
Klaveneß, Norweger 11/18
Klein, Erzbischof, Paderborn 35, 131
Klinkowström, ■ Pflegeanstalt
• Mauer-Ülling 314 f.
Klausner, Leiter d. Kath. Aktion 263
Kneip, „Das Reich Christi" 213
Koch Anton: „Der neue My-
thus u. der alte Glaube 226 f.
11/200
Koehler- Verlag A. F. 213 f.
König, Pg., Wasserburg 266
Koenig Emil, Hexenprozesse 274
König P. S. J. 162, 11/14, 11/272,
274 ff.
Königsegg, Berta, Gräfin v. 11/375 ff.
Körbling P. Anton 54 ff., 162 f.
„Kohlenklau" s. Visintainer n/22
Kolbenheyer, Heinrich IV. 23, 276
Kolping 11/297
Koluhibus 23
Kottmann, Generalvikar, Rot-
tenburg 11/356
Kraus, Dompf., Eichstätt 11/168
11/170
Kraut Magdalena, Grafeneck 312
Krebs, Dr., Freiburg 44
Krieger Karl 139
Kriger (im Polizeipräsidium
München) 225
Krone Dr. H., Die Kirche in
unserer Zeit 215
Krupka 11/344 ff.
Kummer, Ebersberg 11/333
Kurz Josef, Gaurevisor 158
Lambert Dr. Karl, Gen.-Vikar
821, 11/19
Lammers Dr., Reichsminister
11/265, 11/357, 11/360
Landgraf Joh., Pfr. 336
Lang A., Ludwig-Missions-V. 11/337
Lang P. Berthold S. J. 162 f.
Lebsche-Klinik, München 11/273
Lederer, Kapl., Mü.-Trudering 165 1
Lederer, Kreisleiter 771
Leffers Msgr. 59, 258
Legge, Bischof von Meißen 37
Leicher P. S. J. 160, 11/271
Lemke, Major a. D. 286
Lenz Joh. Mar. S. J., Wien 346
11/21 1
Leo XIII.
Weltrundschreiben: Gesell-
schaftslehre 11/312 f.
Ley:
Richtlinien 259
Hitlerschulen 282
Sturmbannführer = Priester 292
Vereine 11/302
Arbeitsfront Doppelmitglied-
schaft 11/311 ff., 3151, n/322
11/400
Liegl Josel Hartheim 312 1
Lindauer Berta, Grafeneck 312
415
Lindner, Lehrer, Affecking 119
Linz, Bischof von 28
Lippert P. 220
Bücher beschlagnahmt 226
Loehde, Der Papst amüsiert sich 274
Loibl, Alfecking 1191
Lorenz Emil, Gaurevisor, Baden 158
Louis, Belgier 11/18
Ludendorff E. u. M.
. Bibel nicht Gottes Wort 274
Erlösung v. Jesus Christus 274
Geh. Ziele u. Macht der Je-
suiten 274
Am heiligen Quell ... 328
Deutsche Gotterkenntnis 377
Papstschmähung II'83
Deutsche Glaubensbewegg. 11/322
Ludwig der Fromme 113, 327
Luther 26, 111
Lutherbild 116
Lutze, Reichsführer SA 74
NS Glaube 291
Mac Grath 11/18
Machens J., Bischof, Hildesheim 36
Mangold P. Petrus 336 ff., 344, 348 f.
Marahens, Landesbischof 372
Martin Dr., Glaube und Leben 110
Mayer Joh. Gg. 60
Mayer, Ortsgruppenleiter 90
Mayer P. Rupert 32, 50, 51 ff., 162 f.
336, 11/16, 11/163, 11/271 f.
Mayer, Dr. Valentin
Weltrundschreiben 231 ff.
Mayr, Polizeidir. München 48
216, 11/334
Mayr Max, Pfarrer 336
Meisel Paul, Stadtpfarrer 335
Meyer Dr., Gauleiter Münster 11/260
11/266
Michael Germanikus
Offener Brief 11/12, 11/283 ff.
Muckermann Hermann 44
Vorträge 44
„Grundriß der Rassenkunde" 213
Eugenik 226 •
Eugenik u. Katholizismus 226
Sämtliche Werke 227
Kind und Volk 228
Halbjude 327
Spitzeldeckname 11/19 f.
Der Deutsche Weg 11/324
Müller, Reichsbischof 372
Müller .N., Krim.-Sekr., Münch. 56
Müller Franz Josef S. J. 162, 336
Müllner, Kreisan>tsleiter 183
Münch Kurt, Deutschkunde 273
Muhler Dr. Emil, Stadtpfarrer 335 f.
Wahrheitsbeweis 11/23, 11/273
Religion und Rasse 11/386 ff.
Mundelein, Kardinal 28, 111, 11/13
11/98, n/283, 287 ff.
Mussolini 108, 11/380
Neil Breunig S. J. 130, 160, 11/271
Neuhäusler, Domkapitular 17, 192
336, n/22, 24, 105 ff., 183, 337 f.
Neururer 82 f.
New- York, Erzbischof u. Kard.
11/393
Niemöller Martin 348, 372, 11/22, 179
Nietzsche, Euthanasie 308, 11/124, 362
Nippold, Gauleiter , 48 f., 3221
Nittweger Pg., Trauung 298
Nuntius Apostolischer 96, 11/14,
25, 11/27, 306
Obermayr, Schliersee 259
Obermeier Franz, Brandenburg 314
Oberstötter 35
Ochsenfeld 11/174
Orsenigo, Ap. Nuntius 96, 11/14,
25, 27, 306
Osterhus, SS-Hauptsturmf. 11/21 f.
Ostermann, Pfr. New- York 11/398
Ottmann Dr., München 90
Paffrath, Gottes Licht im Alten
Testament 226, 11/201
Papen, Vizekanzler , 11/403
Paradies H., Dornröschens Er-
wachen 112
Pauly, Minister, Oldenburg,
Schulkreuz 116
Peitsch Otto, Heidenlied 256
Peters Wilhelm, „Adresse und
Anzeige" (Kalender) 210
Petzold Karl, Gaurevis., Sachs. 158
Pfandmüller' Dr., Chefarzt 25
Pfeifler- Verlag 216, 223 ff.
Pies P. Otto S. J. ' • 336
Piguet Gabriel, Bischof v. Cler-
mont-Ferrand . 37, 11/18
Pieper Karl 11/201
Papst Pius XL 11 ff.
.,Halbiude" 23, 327
Weltrundschreiben 60, 230
Empfang d. deutsch. Jugend 181
Konkordat 11/27
Verunglimpfung 11/64
Osterbotschaft an Jugend 11/294
Euthanasie 11/374
„Judenpapst" 11/381
Pius XII.
Pacelli „Volliude" 23, 327
Spottbild 25
Legat in Frankreich 26
Ansprache vom 2. 6. 45 11/26
Popovic, Jugoslave 11/18
416
Preysing, Bischof von Berlin
Hirtenbrief 1937 106, 109
HJ 168
Kalender 211
Ausst. „Frau und Mutter" 279 f.
Klosterkampf 11/14
Kirche und Staat 11/162
Jesuiten 11/271 f.
Sittlichkeitsprozesse 11/277 ff.
Bistumsblatt 11/342 f.
Prinz P. S. J. 162
Probst, Sportleiter der DJK 175
Przywara Erich 11/180
Quack Hermann, Pfarrer 336
Quex, Hitler junge 111
Rabe, Gaurevisor 158
Rackl, Dr. Mich., Eichstätt 35 f., 294
Kreuzfrevel 11/150 If., 168 ff.,
170 ff., 174 ff.
Kahl Ludwig Paul 35
Rascher Dr., Dachau 11/21 f.
Rath Ernst v., Ermordung 330
Raupp Walter 139
Resch, Landgericht München 56
Reventlow 11/322
Revetzlow K., Priester u. Frau
im Beichtstuhl 274
Richter A. 24
Richter Dr., Reichspressekamm. 233
Rief Hedwig, Grafeneck 314
Röhm
Sittlichkeitsprozesse 143, 11/282
-Putsch 175, 11/286 f.
Römer Heinrich 336
Rösch P. S. J. 160 ff., 11/14, 11/164
201, 11/271 ff.
Rohrmeier Martin, Affecking 119 f.
336
Rommelt Luise, München 92 f.
Rose: Rom mordet ... 213
Rosenberg: Weg der Jugend 175, 239
Theologe 257 ff., 322
Rattenfänger 275
Ausstellung: Judentum 323 f.
11/72, 76 ff., 126; 134, 152, 198 ff, 300
Dunkelmänner 22, 258, 276
Mythus 20, 39, 202, 257 ff ., 279
11/29 f., 126, 134, 152, n/199 f., 322
Roth, Regierungsrat 86, 335, 11/261
n/337 f., 11/403
Rothaüge, „Mordrichter" in'
Nürnberg . 163
Ruder, Gauschulungsleiter 284
Rummel Dr. Jos. Franz 11/398
Rust, Minister 176, 177
Sager Michael, Kath. Arb.-Ver. 196
Sapicha, Bischof, Krakau 28
Kreuz und Hakenkreuz 27 Bd. II
Schacht Dr. H., Devisenproz. 127, 131
Schemm Hans, Kultusminister 172 f.
Schenzinger, Hitler junge Quex 111
Scherrmann Erwin, Pfarrer 11/345
Scherzi P., Redemptorist 11/334
Schimmel, Gestapo München
Regierungsrat 241 f., 11/276
Schinke, Gau-Schulungsref. 260
Schirach Baidur v. 175 ff., 183, 219
255, 11/300, 11/316
Schleger Fr. Leo, Schriftenver-
bot 223
Schlegl Dr. Armin 11/181
Schmeling, Bayer. Pol. Pol. 11/333
Schmidt Friedrich (S. J. ?) 139
Schmidt, Pg. 159
Schmitthenner Dr. Paul,
Führer und Völker 111
Schnabl Dr., Oberstaatsanwalt 50
Schneider Dr. Josef . 11/350
Schnell Dr., Kirchenführer 221 f.
Schönberger Jos., Pfr. in Weil-
dorf 238
Schönenberger P. S. J. 160
Scholz-Klink, Frauenführerin 269
Schott Dr. 32, 265 ff.
Schülle, „Theologiestudent" 139
Schulte, Kard., Köln 11/82
Schulz, SS-Obergruppenführer 255
Schwab Fr. Otto, Bamberg (?) 139
Schwabe, „Westdeutscher Beob-
achter" 139
Schwarz, Reichsschatzmeister
1231, 157, 324
Schwarzhuber K., SS-Hauptstf.
300 ff.
Schweinsdorf . 96
Sebastian hl., Soldatenpatron 254
Sebastian, Bischof v. Speyer 28, 98,
1181
Sebecker G., Freiheitsflammen
249 ff.
Seitz Friedrich 336
Seitz Jos., Präm.-Stift Wüten 340
Selzle Erich, Kaplan 337
Siebert 11/403
Soden von Karl Oskar, Frhy. 44
Söchting, Gestapo 2341
Spießl Ludwig, Benefiziat 336
Spitzenauer P. Josef S. J. 336
Spreti, Graf 11/20
Sproll-Rottenburg :
Beleidigung 33
Verbannung 11/64, 178
Beichtsiegelmißbrauch 11/346 f.
Stankowski Horst 11/404
Steiner Dr., „Kirchenführer" 221. 1
Steinkelderer Dr. Jul., Innsbr. 340
Stepp Dr., Polizeidir. München 48
229, 230 1
417
Stevens „Fuchs" Engländer 11/18, 21
Steves Fritz, Führer des Jung-
bannes 93
Stier P. S. J. 160
Stippberger, Gauredner 321
Stonner Dr. Anton, . . . Führung
Jugendlicher 227
Stratmann O.P. 44
Streicher 31, 76, 237 f., 292, 317 f., 324
Tamburini 11/18
Terboven, Staatsrat 45, 176
Thalhamer Josef 81, 11/332
Thoma Emil, Ffr., Eppingen 336
Thoma, Weg, Wahrheit, Leben 111
Thomas von Aquin 267, 11/12
Timpe Gg. PSM. 11/392 f.
Tögel Prof. Hermann
Germanisches Gottgefühl 112
Tomalesky, Redakteur 11/18
Trott, Ortsgruppenleiter 90
Traber, Stettin, Frauenschafts-
leiterin 268 f.
Trellinger (Landger. München) 56
Ullmann, Kz. Dachau
Utsch P. Martin, Hiltrup
11/22
128
160
Villinger P. S. J.
Visintainer Wilhelm
„Kohlenklau" 11/22
Vogl, Schulleiter, Mühldorf 104
Vogl Msgr. Karl, „Altöttinger
Liebfrauenbote" 220
Voltaire 233
Wagner Adolf, Staatsminister 48 f.
Feldpostanschriften 85
Theol. Hochschule 104 f.
Jesuitenkampf 161
Wagner Dr. P. Albr., St. Ottilien 337
Wagner, Gauleiter, Baden 68
Elsaß 157
Waldburg-Zeil P. S. J. 161, 11/273
Waldmann P. S. J. 192
Warmuth Dr. Jos. 11/23
Weber Christian 11/403
Weigand Konrad, Pfr. 334, 336
Weingartner, Propst, Innsbruck 83
Weiser, Bubengeschichten ,223
Werner Dr. 372
Wiedenhöft B., Deutsche Glau-
bensbewegung 376 f.
Wiedenmann P. Joh. S. J. 336
Wiencken H. 64, 209, 11/14, 11/272
Wiesend, Kreisamtswalter 115
Will Ernst, München " 95
Will Dr., Nürnberg 321
Willi (Reichspressekammer) 62
Wilmsen P. Rudolf, Hiltrup 128
Wohlrab E. H., „Germanisches
Gottgefühl" 112
Wolker, Generalpräses 176, 226
11/159, 11/297 f.
Worlitschek A., Schriften- Ver-
bot 222 f.
Würl Siegfried, Pfarrer 340
Würschinger, Jungbannführer 108
Wurm Dr. Alois 11/202
York, Graf von
Zamoiski, Graf, Polen
163
11/16
418
SACHVERZEICHNIS
Arabische Zahlen ^ohne römische bedeuten den l. Teil, mit und nach II den 2. Teil
Aachen, Krankenanstalten 145
Beschlagnahmte Bücher 227
Druckerei Metz 234
6 Priest, d. Diöz. in Dachau ' 337
Abbau klösterl. Lehrkräfte
Hirtenbrief 46
Vollzug 100 ff.
ABC, schwarzes 40
Abstimmung, Schule 97, 99
Abwehrbeschränkung 11/79
Abzeichen, Tragen verboten 168,
170 f., 184, 11/315, 399
Aide-Memoires : drei 11/25
Adolf-Hitler-Schulen 122, 282f.,
11/263
Adventfeiern, weltliche 269
Affecking (Ndb.), Schulkreuz 119
Affidavits, Einwanderungs-
Affidavits . 11/395
Aichach, Predigt P, Mayer 54
Akademikerverband, kath. 371
Aktion, katholische 108, 254, 275,
n/72, 88, 181, 296, 305, 380
Alexianerbrüder 137f., 139
in Amerika 11/289
Aller, Schlacht an der — 121
Allstädt, Residenzkapelle 300
Alpenverein, Deutscher 87
Altes Testament 110, 223, 266,
318 f., n/36, 56, 65, 173, 201, 381
Altkatholiken 283
Altötting, Heiden-Hochz. 297, 11/401
Altöttinger Liebfrauenbote 221
Amtsblätter, bischöfl. 198 f., 235,
379, n/12, 328 ff., 332, 338, 391
Amtsgeheimnisse 11/15 f.
Andachten, kirchliche Verbote 70
Angestellte:
Doppelmitgliedschaft 11/315
„Angriff", Goebbels-Blatt 11/380
Anstaltsverwahrung n/352
Antichrist ohne Fesseln 248
Wüten gegen Christentum 249
gegen Heiliges 289
gegen unwertes Leben 307
gegen Judentum 316 ff.
gegen Priester 330 f.
in Tirol 350 ff.
Antisemitismus 316 ff., n/377 ff.,
405
Anzeigen in Zeitungen 217
Apostaten:
Schriften 38
Fühlungnahme 365
„Apostel des Führers" 291
Arbeitervereine 186
Auflösung 197
-recht 11/71
Doppelmitgliedschaftsverbot
n/91, 311 ff.
Arbeiterinnenvereine 11/312 f.
Arbeitsämter und Ordensnach-
wuchs 146 ff.
Arbeitsdienstpflicht 148, 373, 379
Arbeitsfront, Deutsche 11/311,
n/321, 11/340, 11/400 ff.
Arbeitskommandos in Kz. 11/23
Arme Schulschwestem 99, 101 ff.,
128, 146, 154, n/103
Ars Sacra- Verlag 215 f.
„Heihges Wissen" 226
Arzt und Euthanasie 11/82, 11/354,
n/362, 367, 372
— eines SS-Lazaretts 11/407
Assessor-Prüfung s. Referen-
dare 258
Astrologen 360, 377 f.
Atheismus der völkischen Re-
ligion 11/323
Aufklärung, sexuelle 270 ff.
Auflagen in Zeitschriften 11/320,
324
Augsburg, Diözese:
4 Priester in Kz. 336 f.
Augustiner-Eremiten 141
Augustinerin 128
Auschwitz 11/399
Ausland. -Seelsorge 84
Presse 379, 11/167, 324
Nachrichtensperre 11/375
Urteil 11/376
Verbindung 379, 11/17
Zeitungen n/167
Auslese:
Führer 265
Hitlerschulen 282
Ordensburgen 282
Ausnahmegesetz :
11/61, 11/72, 11/163, n/334, 339
Aussiedlung d. Nichtarier 11/390 ff.
Ausstellung:
Frau und Mutter 278 ff.
Schulsammlung 11/188
Der Ewige Jude 11/323
Austritt aus der Kirche 20, 239,
270, 284 ff., 377
Dreimal Nein 11/143
419
Auswanderung der Nichtarier
11/390 fl.
Autorität, Überspannung 11/53
Bad Aibling, SA-Umzug 39
Bad Tölz, ^reuzfrevel 294
Flugschriften 11/337 f.
Bad Reichenhall, Fahnen 11/401
Baden, Gemeinschaftsschule 100
Verbot bibl. Geschichte 110
Kreuzverbot 120
Ballastexistenzen 11/355 ff.
Bamberg, St.-Otto-Verlag 234
Banner-Verbot 184, 11/302, 399
Barmherzige Brüder: ,
Breslau u. a. 137
Manage in Belgien 138
Bahnhofmessen 70
Bauern-Schulung, NS 196, 266
Stand 11/92
Kalender 11/200
Bayerische Staatsregierung:
Entfernung klösterlicher Lehr-
kräfte 100 ff., 11/105 ff.
Auflösung der Vereine 185
Doppelmitgliedschaft 194
BDM von Ulm 67, 87
München-Trudering 168
Oberaudorf 168
Gottesdienstbesuch 11/303
Lehrmädchen - 11/400
Betriebe 11/401
Beamten:
Wallfahrt 71, 95
Druck auf die — 182, 193
Mythus 258
Beamtengesetz betr. Juden 329
Amtsgeheimnisse 11/15 1.
Treueid 11/72, 82
Gewissensfreiheit 11/72
Abhängigkeit 11/263
Doppelmitgliedschaft 11/315 .
Fragebogen 329, 11/402
Beerdigung 66, 11/51
Beflaggung 140, 11/52
Begräbnis u. Feuerbestattung 48
Begräbnis und Fahnen 11/400
Beicht- Verdächtigung 601, 77,
137, 268
Verbot in Gefängnissen
und Kz. 11/93
Beichtstuhl, Pikanterien 11/344
Bekenntnisschule 46, 88 ff., 207
n/28 f., 62
11/601, 64, 97, 101, 126 ff.
141, 152, 162, 290, 3291
Evangelische 260, 3721
Bekenntnisseminare (ev.) 373
Belsen 11/17
420
Benediktiner:
17 Mitglieder Kz. 349
Abtei St. Josef, Gerleve 11/259 f.
St. Matthias, Trier 11/269
Clerf 156
Dillingen 151
Kellenried (Rottenburg) 150
Meschede 150
München ' 151
Münsterschwarzach 152, 156
St. Ottilien 150, 156
Scheyern 196 1
Schweiklberg 150, 156
Siegburg 152
Trier 152
Altenburg, Bregenz 156
Göttweig, Seitenstetten 153
Benediktinerinnen :
Bonn-Endenich 152, 11/270
Kellenried 150
Tutzing 152
Peppingen 157
Vinnenberg b. Warendorf
11/259 1
Berchtesgaden, Hitlergruß 251 ff.
Strub bei B. 290
Schild „katholisch" 11/401
Berlin, Ordinariat:
Kirchenblatt 218
Diözese, 4 Priester Kz. 337
Klöster 11/271 f.
Berufsschulen: Religions-
unterricht 107 f.
Beschlagnahme:
Bistums-, Pfarrblätter, Zeit-
schriften 219
Kirchenzeitung, Münchener 216
Bücher 223 ff.
Druckerei Höfling u. a. 231 ff.
Predigten 11/328, 332
• Katholische Presse 11/327 if.
Broschüren 11/330
Bestimmungen, kirchliche, für
militär. Ordenspersonen 228
Bethel, Bodelschwingsche Heil-
anstalten 3X5
Bewegung, Die
NS-Zeitschrift 11/330
Bibel: Anmeldung v. Kursen 192
— „gift" . 249
— und Deutsche 270, 287
— der Bewegung („Mein
Kampf") 292
— Gottes Wort 11/201
— lesung 11/326
Biberach, Kloster (?) 140
Bibliothek:
„Sterilisation" 216
Mythus des 20. Jahrh. 11/322
Biblische Geschichte:
Unterrichtsüberwachung 107
Lehrerfragebogen 109
Verbot 110
Biologie der Rasse 11/378 ff.,
11/389
Birkeneck, Zögling von 137
Bischöfe:
Schmähungen 11/84 ff., 11/114
Bischofseid 11/86
Lehrfreiheit 11/96
Gehälter 11/186
Widerstandszentren 11/198
Bischöfliche Amtspflicht 11/80,
11/88, 11/104, 11/115, 11/118,
11/133 f., 11/150, 11/155, 11/161
Bischöfl. Informationsstelle 11/159
Bislich/Westfalen:
Schulkreuz 116 f.
Bistumsblatt — Behinderung
11/341
St. Blasien 160, 11/272
Blitz, NS Wochenschrift 236, 256,
11/330, 332
Blockwärterinnen, Werbimg für
Gemeinschaftsschule 90
Bludenz, Vorarlberg:
Dominikanerinnenkloster 152
Kapuzinerkloster .152
Blutschutzgesetz, Tabelle 324
Blut- und Rasse- Vergötterung
11/3781, 386 ff.
Bolschewisten 39, 96, 104
Bolschewismus 266
— und Judentum 323
11/33, 44 f., 48, 52, 63, 85, 11/348
Bonifatiusdruckerei 381
Bonifatiusverein Paderborn:
Devisenprozesse 128
Bonn-Endenich:
Benediktinerinnen ir/278J.
Borromäerinnen 128,' 157
Brasilien, Nichtarische Um-
siedler 11/391, 396
Brauchtum, völkisches ' 202
Braune Schwester 139,145
Brennessel 40
Breslau, Erzdiözese:
Druckerei beschlagnahmt 37
Bibl. Geschichte 110
Ordinariat: Devisen 128 f.
60 Klöster beschlagnahmt 149f
11/14, 272
7 Priester Kz. Dachau 337 f., 349
Nichtarier 11/392
Briefgeheimnis aufgehoben 11/328
Broschüren, religiöse,
beschlagnahmt 11/331
Bruckmühl, SA-Aufzug 39
Bruderschaften 186
Kreuz und Hakenkreuz 28 Bd. II
Brunn, Diözese:
2 Priester Kz. Dachau 338
Bubenrudel 107, 11/114
Buch am Erlbach, Kreuzfrevel 294
Budapester Blätter über
Goebbels 11/282
Buchbesprechung 208
— verbot 216, 11/29 f., 11/304,
11/322, 11/324, 327
Budweis, Diözese
3 Priester Kz. Dachau 338
Bücher, beschlagnahmte 225 ff.
Bühnenstücke 23, 276 ff., 11/92
Bürgerbräukeller 31 f.
Eller-Elser 11/23
Bürgerrechte aufgehoben 19, 11/60
Bulgaren im Kz. 11/18
Bund deutscher Mädchen 11/182,
11/192, 11/340
Burgenland, Diözese
2 Priester Kz. Dachau 338
Burschenvereine 186, 196 f., 11/302
Canisianum, Innsbruck 105
Caritas 197 f.
in Tirol 3521
Bekämpfung 366 f.
Sammlung 381
Freiheit 11/55, 11/61
-verband, deutscher 11/357,
11/390 ff.
-Notwerk 11/390
Überseesiedlung 11/392
Chorregenten, Organisten 72
-proben 192
Christentum und NS-Antipoden
256 fl, 261, 283
Bormanns Geheimerlaß 358 ff.
öffentliches 11/58, 157
positives 11/202
Christentum: Deutschtum
11/321 ff., 11/384 ff., 11/405
Christentumsbekämpfung 11/68
11/72, 11/73 n., 11/75 ff., 11/136
gegen Deutschtum 11/321, 11/386
Christus,
Omega des Alt. Test.,
Alpha des Neuen Test. 11/384
-fahne, Schändung ' 11/281
Christuszeichen, PX Tragen
verboten 170, 180, 184, 11/303
Comittee for Catholic Refugees
from Germany 11/394 ff.
Dachau, Kz., Spottbilddr
Silvesterabend
Kreuzfrevel
Kegelbahn Kz.
Kz.-Statistik
Prozeß n/17, 21, 22
421
27
289
294
327
349
Häftlinge 11/18, 24
Berichte 11/24
Dämon und Lichtgestalt, Licht-
bildeirvortrag • 266
DAF, Deutsche Arbeitsfront 195,
197, 202, 278, 375, 11/311 f., 11/401
Danzig, „Mythus" in Biblio-
theken n/322
Darmstadt, Studentenbund 11/400
DBFE, Deutscher Bund für Ein-
heitsreligion 122, 272
DC, Deutsche Christen 18, 372 ft.
Dekane, Überwachung 365
Dekanatskonferenzen 11/392
Demonstration 34, 11/294, 401
Demut n/38
Denkschrift Deutscher Bischöfe
60, 11/71, 94, 300
Despot und Lahdesvater,
Lichtbildervortrag 266
Deutsche Arbeitsfront 195, 197,
202, 278, 375, 11/311 f., 401
Deutsche Christen, DC 18, 372 ff.
Deutsche Glaubensbewegung
18, 25
Morgenfeier 49
Lied der — 121, 278
Theaterstück 278, 376 ff., 11/62,,
73, 87, 156, 322, 386, 401
Deutsche Gotterkenntnis,
Bund für — 377
Deutsche Jugendkraft 11/301
Deutsche Schulgemeinde 31
Deutsche Volkskirche (Dinter) 24
Zeitschrift 236
Deutsche Volksschule, s. Ge-
meinschaftsschule 97
Deutscher Bäuernkalender 11/200
Deutscher Gott 11/66,
11/136, 11/206
Deutsches Jungvolk 11/304
Deutschgelöbnis der Eltern 283
„Deutschland" (Schiff), Bom-
bardierung \ 96
Deuts'^.hland ~ Gott 255,
II/15Ö, 160
Deutschlandlied 293
Devisen-Prozesse 16, 39
-Vergehen ~ 37
-Kontrolle der SJ. 159, 161
-Presseberichte 200, 381,
11/290 3^4
-Schieberlied 132, 11/399' 401
Diakonissen, Diakonissinnen 124
Dienstmädchenvereine 186
Dietramszell, Kreuzfrevel 294
Diffarnierung der Orden
11/276 ff., 324
DJK., Deutsche Jugendkraft 167
422
Ermordung Ihre? Leiters
Probst 175, 18.6
Dinkelsbühl, gegen katholische
Vereine 195
Diplomatische Gepflogenheiten,
des Deutschen Reiches 11/45 f.
DNB, Deutsches Nachrichten-
büro 134, 138
Diözesangebetbücher, Druck-
verbot 110
Dogma in der Presse 207
Dogma der Unfehlbai-keit 267
„Unsinn" 269, 290
,<Scheinwissenschaft" 358
deutschgläubiges • 377
Dokumentensammlung 15
Domchormitwirkung, Hindernis
"für Beförderung 193
Dominikaner in Retz, Nieder-
donau 154 ff.
Gottschling . . 213
. Deckname 381
Dominikanerinnen in Bludenz 153
in Klausen (Triet) 157
in Limpertsberg 157
Domkapitel"' , 11/177
Doppelmitgliedschaft 193 f.,
11/61, 11/302, 11/313 ffl, n/400
Dorfen b. München, HJ 168
Druckschriften, religiöse
H/334 ff., 339
Düsseldorf, HJ-Kundgebung 173 f.
■ Jugend.haus 11/306 f.
Duisburg, Krankenhaus-
schließung . , 145
Dunkelmänner, „An die — " 22,
258, 276
Durchbruch, NS Zeitschr. 11/330 f.
Dynamik der HJ 173 f.
Ebersberg, Oberreg.-R. Kum-
mer 11/333, 337
Echfng b. Landshut, Kreuz-
frevel 294
Ecksberg-Enteignung 149
Ehe 78—82
— biologische 292
-weihe, NS 300 ff.
-Entwertung n/57
-gesetz IJ./65, 380
Misch-, rassische 11/70
-moral H/80, 121, 12 i
Ehre: Recht 11/71, 11/148 '
Eichstätt (Bischofshof) 35
Beschimpfung 36
Kz, Dachau, Kap. Kand. 338
Fronleichnamsaltar 11/281
Eichberg, Heilanstalt 11/366
Eid 11/69, n/72, 11/82, n/128
Eigentum, -recht. n/70, n/148
Einheitskirche 11/100, 11/113, 11/128
Einkehrtage: Fesseln 11/67, 11/147
Einwanderungs-Affidavits,
USA. 11/395
Elendsmarsch v. Straubing 58
Elisabetherinnen, Triei^ 11/269
Elisabetliinnen, Aachen 145
Ellwangen, Sittlichkeitsprozeß 137
Elsaß, Klosterraub 157 ff., 11/273 ff.
Eltern: . ■
„Staatsstellvertreter" 262
-Wille in Schulfragen 11/39 f.,
' 62, 11/194
-rechte und -pflichten 11/68 f.,
72, 101, 122, 127, 137, 146, 299,
303 f., 329,
Pfaffenspiegel 11/350 f.
Elternvereinigung, kath. 11/127
England, Emigranten 11/396
Engländer im Kz. ^ 11/16
Englische Fräulein in Schilfern,
Niederdonau 154
Entkonfessionalisierung des
öffentl. Lebens 11/38, 11/73, 11/91
Entwicklung, wirtschaftliche,
der Kirche 238 ff.
Enzyklika, s. Weltrundschreiben
Episkopat, Gemeinschaftshirten-
briefe 11/501—61
Jugendpflege 11/293
Erbgesundheit, Berichte 208
Erbschaft, s. Testament 244 f. ,11/65
Erbsünde ^ 73, 257
Erlöser, neue 254
Erlösung durch Deutschland 292
-gedanken im Alt. Test. 11/382
Ermland, Religionsunterricht 109
5 Priester Kz. Dachau 338
Erzählerkreise 107
Erziehung, NS 261 f.
Fesseln 11/67, 122, 127
durch Jugend 11/128
— und Sittlichkeitsprozesse
11/116, 137 ff.
Esting, Kreuzfrevel 294
Euthanasie , - 19, 44, 307 ff .,
11/14, 70, 124, 146, 11/269
Kampf gegen — 11/354 ff.
Evangelische Kirche 260, 284
18 Geistliche Kz. Dachau 347 f.
Reichskirche 359
Überwachung durch SD 362,
372 ff.
Exerzitien: Teilnehmer 72
Überwachung 124
verboten 187
Fesseln 11/67, 147
Fahnen (f. religiöse Zwecke) 184,
11/51, 11/301 f.
Schändung d. Christus ■
- 11/281
„Schwarze Fahne"
120
Hissen d. HJ-Fahne
11/308
religiöse
11/400 f.
Fegfeuer
289
Feiergestaltung, NS 269, 292
Feiertage, Abschaffung kirch-
licher 62, 11/118, 11/142
in Tirol 356
. Feldbischöfe 85
Feldkirch, Diözese:
2 Priester Kz. Dachau 338
Jesuiten-Kolleg 11/272
Fernsprechamt München gegen
kath. Vereine 11/314
Feuerbestattung: Begräbnis 48
Filderbote, Vaihingen 11/346
Filme yber Euthanasie 11/372
Firmung 78
. Flaggen-Parade 261
-Sprüche 263
-hissung ' 11/303
Flammenzeichen 11/164
Fliegeralarm: Gottesdienst 11/68
FlugblätterT Verbot 95, 212, 214 f.,
11/12, 11/327
Flugschriften, religiöse 11/12, 332 ff.
334 f.
von Parteistellen 11/3331, 11/400
Flüchtlinge:
Seelsorge 84
Hilfe 380
Comittee for Catholic Refugees
from Germany 11/395 f.
Frankenholz (Pfalz): Schul-
kreuz 117
^ Franlcreichi, Emigranten 11/396
' Franziskaner (Devisen) 128
in Esch 156
Frauenberg in Fulda 149
München 348 f.
Kz.-Häftlinge - 349
Decknanie 381
Trier 11/269
in Amerika . 11/289
Franziskanerbrüder :
Waldbreitbach 128, 142, 11/278^.
Karikatur 11/333
Frau u. Mutter, Ausstellung 278 ff.
Frau, Tag der deutschen 288
Frau Welt a. Dom zu Worms 279 f.
Frauenbund, kath. 193, 195, 197
Fraüenhilfswerk f. Priester-
berufe 241
Frauenschaft, NS 92
Beiträge in Kalendern 211
Frauen-Schulungskurse 266 f.
Freiburg, Erzdiözese:
Religionsunterricht 109
Bibl. Geschichte ii.0-
423
B/5schlagnahmte Bücher 227
Kreuzfrevel 294
Kanonenschläger 304
12 Priester Kz. Dachau 338 f., 349
Klostersturm 11/274 ff.
Freiheit der Kirche,
Posaunehstoß 11/124, 11/141, 153
Freiheit der Person . 11/147
„Freiheitsflammen",
G. Sebecker "9:491.
Freimaurer 23
' -tempel . 323
Sekten 375
Corvin 11/350
Friede 11/122
Friedensbewegung 19, 44, 11/122
Friedensbund deutscher Katho-
liken 44
Fronleichnam:
Altar, Eichstätt 11/281
Prozession München (1939) 35
Kreuz beschlagnahmt 170
Zerrbild (1937) 306
Störung (1939) 306 f.
Staatsgefahr (1937) 11/167
Fahnen 11/311 f.
Jugend 11/302
Vereine 11/313
Front, Die junge, Organ des
Jungmännerverbandes 185
Frühjahrsoff ehsive derHJ
175 ff., 11/299
Fürsorge:
Mutter und Kind 198
Altersheim 198
Fürstenfeldbruck:
Fragebogen d. Lehrerbund.' 109
Kirchenschändung 295
Fulda, Diözese:
Franziskanerkloster 149
7 Priester Kz. Dachau , 339
Gebet zu Hitler 251
im Landjahrführer-Kurs 263 ff.
um Hitlers Tbd^ 11/332
Gebote Gottes:
n/69, n/160, n/351, n/368,
n/373,, n/382, 11/386
Gefangenen-Seelsorge 83 f., n/93
Geheimanweisung:
für Orden 124
für Presse ' 200
an Landjahrführer 261
Sicherheitsdienst 360 ff.
„Geheimbefehl, Der" (Buch)
Pallottiner 226
Geheimwaffenschmieden 357
424
Gemeinschaftshirtenbriefe der
deutschen Bischöfe;
29. März 1933 11/50 f.
5. April 1933 11/51
Juni 1933 11/52
20. August 1935 n/55 ff.
Januar 1936 11/61
28. August 1938 11/63 ff.
Gemeinschaftsschule:
P. R. Mayer . 52
Schulgebet 116, n/97, 101,
104, 126,- 171
Gemeinwohl n/70
Geiselnmord " 11/70, 11/374
Geistesschwachenmord, siehe
Euthanasie " 11/70
Geistlichkeit, Bekämpfung 364 f.
siehe Priester
Georgianum: Aufhebung 105
Gerechtigkeit - 11/101
Staatspflicht 11/121, n/178, 11/179
Gerleve bei Coesfeld,
Benediktinerabtei
St. Josef 11/259
Germania, über Zeitungen 199, 204
Germanisches Denken 21
Geschichte, Vor- und Früh-
in Kalendern 211
Gesellenvereine 186, 193, 197,
202, n/301 f., 311
Gesellschaftslehre, kath. 11/312 f.
Gesetze:
Zum Schutz von Volk und
Staat 28.2.1933: 184, 186, 199,
232, 243, n/312
Geheime Staatspolizei (Gestapo)
17, 57, 124 ff., 136 ff., 159
Bayern 198 f., 214, 215, 221,
224 ff., 229, 230 ff., 239, 241,
3531, 360 ff., n/16, 83, 105
177, 257 ff., 265 ff., 274 ff., 333 ff.
Gewissen 11/70, 123
Gewissensfreiheit n/68, n/72,
n/81, n/123, 11/126, n/153
Glaube:
Bedeutungswandel 11/38
— , dreifacher Segen 11/128
Verleugnung n/169
Gottesglaube 11/198
Glaubensstunden,
Behinderung 11/145
Gleichschaltung der Vereine 188 f,
Glockengeläute 721, n/511
Glonn b. Grafing, Kreuzfrevel 294
Klosterschule 11/330
Gnade, ..Bedeutungswandel n/38
Görresgesellschaft 371
Götzen 11/69
Gott:
Blut, Rasse n/38, 3781, 386 ff.
Deutschland
255, 11/152
Nation, Volk
11/68, 11/151
neuer —
251
pantheistischer
11/35 f.
Weltkraft
358 f.
Gottesbegriffe, deutsche 11/66,
11/152
Gottesdienst:
Anweisungen 11/51 f.
-anzeiger 61 f.', 201, 205
-besuch, artfremder 262
im Lager 265, 11/62, 301, 303
-einladung 11/340
-fesseln 61 ff.
— nach Fliegeralarm o 11/68
— vor Schule 66
-Störungen 304 fl.
-Verschiedenheit 11/388
Gotteslästerungen 11/63, 11/159
Gottessohn 291, 11/36
Gottesurteile 209
Gottgläubig 87, 285, 291, 358,
11/208, 407
Gottlosen, Kehre zurück 11/68
Grafeneck, Württ. 11/359, 11/374
Gral, Zeitschrift 371
Graue Schwestern 128
Grundstücks-Erwerb 244
-Wegnahme 248
Gurk, Diözese
10 Priester im Kz. Dachau 339 f.
Hadamar bei Limburg 11/363 f.
Hakenlcreuz 249, 288
Hamm (Paderborn) ;35 f.
Klosteraufhebung 11/264
Handarbeitskurse, klösterl. 101
Handbuch der religiösen Gegen-
wartsfragen von Erzbischof
, K. Gröber 11/201
»Handel und Gewissen 11/70
Handwerkskammer, Lehrver-
träge 11/400
Hartheim b. Linz 312 ff.,
n/359, 375
Haselünne, Ursulinen 11/391
Haushaltungsschulen, klösterl. 101
Heeresrüstung 11/121
Heidenlied, deutsches 256
Heil- und Pflegeanstalten, Neu-
organisation 310 f.
Heiligenstadt, Jugendver-
bände n/305 ff.
Heilige und Scheinheilige 266
Ausstellung 281
Spotf 290
Heiligenverehrung 254
Gebet zu — 264 f.
Heiliges, Antichrists Wüten ^
gegen — 289 ff.
Heilkräutersammlung 11/188
Heimabend, kultischer 68
Heimabend, Ritus 292, 11/262, 385
Heimschulen (Lehrerbildungs-
Erziehungsanstalt) 11/146
Heimtückegesetz 501, 140, 368,
n/13, 15
Fakultät, kath., Theologisch 104 f.,
148, 351, 371
Evangelische 378
Heldentum 11/135
Herbstwind, Der — fährt über
das Stoppelfeld 121
Herz-Jesu-Kloster Fünf-
brunnen ' 150, 156
Herz-Jesu-Priester Martental 150
11/269
Hexenwahn 267, 274
-Verfolgung 280 f.
Hildesheihi, Diözese:
Religionsunterricht 109
Generalvikar 128
Päpstl. Rundschreiben 234 f.
3. Priester Kz. Dachau 340
Hiltrup, Herz-Jesu-Missionäre
1271, 11/259, 264
Himmel 289
HJ:
Spottlieder 25, 120
Gebietstreffen 64
Umzug 39
Fronleichnamsprozession 65
Gottesdienstverbot 67
,Lager-Gottesdienst 67
-Führer 87
Organ 88
als Kontrolle 104
als Bubenrudel 107
Hitler junge Quex 111
Lieder 120
Sittlichkeit 142 f.
Kampf der HJ 165 fl.
Oberaudorf, Gewalttaten 168
Frühjahrsöifensive 175, 11/299
Mordkornmission 174
Samstag 179
Verschweigung v. Ereignissen 201
Faulhaberbuch 225
„Flammenzeichen" 250 f.
Neuer Gott ' 255
Saugschwamm 260
Klosterstürmer 270
Rattenfänger . . , 275 f.
Radiosendungen 276
Kanonenschläger 304 ff.
Nachtappell (Juden) 326
Kirchenfeindlichkeit ' 11/72, 89,
128, 142, 147, 299, 301, 303
Presse 11/321 f.
Zeitschrift, Die HJ n/330, 11/400
425
Hirtenbriefe d. deutschen Bischöfe:
29. März 1933, Jugend 11/298
Juni 1933 11/299, 326
August 1935, Denkschrift 11/313,
11/327
1935/36, Hirtenwort 11/314, 11/400
Sept. 1936, Sittlichkeitsprozeß
11/278
1937, Denkschrift 11/314 f.
Juli 1937, Aussiedlung der
Nichtarier . .11/392
1941 11/67, 365, 371
1942 11/67.
1943, August n/C8
2.Sepi 1943 . n/69, 301
Hirtenbriefe beschlagnahmt 46,
11/83, 125, 141, 228 ü.
Verbreitung bestraft 163
Auch Drucker verantwort-
lich 207
Hochland, Zeitschrift 371
Hochlandlager 265, n/62, 301fE.,
304, 401
Hochschulen, Theologische 104 f.
Ordens- 148
in Tirol 351
Überwachung 371
Hochzeitsfeiei- 300, 11/401 f.
Höfling, Druckerei 231 ff.-
Hölle 289
Hohenkanamer, Kreuzfrevel 294
Holland, „Der Deutsche Weg",
Wochenblatt 11/324
Emigranten 11/396
Homosexualität 11/286
Jenseitsglaube
n/405
Jesuiten
23, 38
Wanderprediger
48
Auftrag an Gestapo
59
Pässe
139, 160
Hoheneichen-Dresden
152
Köln
151
Luxemburg 149, 156
Mittelsteine, Glaz 151
München, Kanisiushaus 151
Kampf gegen SJ 159 ff.
Pullach 160 f.
St. Blasien 160
Rottmannshöhe 161
Generalstab von Rom 276
Hexen Verfolgung 280
Kz. Dachau, 26 Mitglieder 349
Überwachung vom SD 372, 381
Münster n/257 ff., 264
Trier n/269
Selbstwehr 11/271 ff.
Münchner Häuser 11/272 f.
Feldkirch, St. Blasien, Tisis,
Rottmannshöhe - 11/272
Wehrunwürdig ' 11/276
Jesus Christus, artwidrig 11/65
Jesus-Name 269
und Kultur 272 f.
Johanna, Päpstin 11/348
JKKV., Jugend kath. kaufmän-
nischer Vereine 11/306
Illegalität der Kirchen 378, ff.
Immakulataschwestern,
Münster 11/258 ff.
Jndex:
' Mythus 11/29 ff,, 11/199
Jugendschriften 11/304
Innsbruck, Theol. Hochschule 105
Cani^anum 105
Wüten „Verkauf" 149
. Kinderseelsorge . 187
Kirchensprengung 296 f.
Diözese, 5 Priester Kz.
Dachau 340
Jugendseelsorge 11/12
Reichsverteidigungskommissar '
(Euthanasie) 11/375 f.
Inquisition 38 f.
Internate, kath. 172 f.
Internationale, rote, schwarze,
gelbe 114
Italien, faschistisches 11/380
Josefinismus ' 64f.
Judenverfolgung 19, 23, 39
Taufe 76
Schule , 91
Verspottung 111
in Märchendeutung 113
Juden — Jesuiten 161
Judentum, Germanentum . . . 224
antisemitische Zeitschriften 236
jüdische Lehren 262
-frage im Lager 264
Der — und Deutsche 266
Wüten gegen d. Judentum 316 ff.
Ausstellung: „Der Ewige Jude"
322 ff.
Pogrom 325 f.
Gesetze gegen — 328 ff.
„Judenschande ..." 331
„Juden raus" 331
in Lagern im Osten 11/276
Juden aus dem Land 11/401
Jugend, katholische:
Audienz in Rom 12
und Rosenberg 271
Papstworte (Enzyklika) 11/39
Bischof Bornewasser 11/269
Bischof V. Preysing 11/281
-erziehung 144, 11/329
-frage — Lösung, NS 265
-heim, Berlepschstr. Münch. 167
-lager 11/62, 301 ff.
-pflege 11/293 f.
426
Jugendseelsorge, Tirol 353 ff., 357
-seelsorgeamt 85, 187
-vereine: Hirtenbrief 46
„Jugendvereinigung" 139
Wolfratshausen 168
Presseberichte 202 f.
Zeitschriften 220, 11/52,
, 56, 59, 290, 292 f. 300 ff.
-Werk, Pfarr- 186
Jugoslaven im Kz. 11/16
Jungfrauenlcongregation 185 f., 196,
11/61, 302
Jungmädchenvereine 11/302
Jungmännervereine 11/302
Jungmännerverband: Auflösung
11/295, 11/302
Jungvolk, Deutsches 11/304
Justizministerium 17, 128 ff.
s. Reichs- 133 ff.
Justizpflege *^ 11/47, 11/282
Kard. Mundelein 11/283 ff.
Parteizweclce der Justiz 11/283 ff.
Kinder-Beihilfe 11/157
Bewahranstalten 100, 198 •
-gärten 198, 11/67, 112
-horte 100, 198
-Landver'schiclcung 11/263
-tagesstätten 198
Kinder : "
Geistliche 38
Mehrung 78 ff.
Zahl nach Bekenntnis 11/291
Kirchdorf am Inn, Kreuzfrevel 294
Kalender 210 ff., 215
Verbote 221, 11/92, 321
Kamillu's-Kolleg, Mauritz-Sud-
mühle (Westfalen) 11/259 ~
Kampf gegen das Christentum
n/68, 11/99, 11/114 ff., 11/117 ff.,
11/145, 11/149, n/155
Kampf, Hitlers Mein — 287 f..
292, 299, 11/331, 349
Kampf bericht: '
Kirchliche Mitteilungen 11/399
Kanonenschläger, Freiburg 304 ff.
Kanzelparagraph 50, 54, 140, 11/15
Kapuzinerkloster Bludenz 152,
Scheibbs, Niederdonau . 154 •
Innsbruck 156, 357
Karmeliter, 10 Kz. Dachau 349
Karlsruhe 274
Katechismus n/144 ,
Katechismuslehren, staatsfeind-
liche . 451, 110
kein Papier 11/144
Katholiken:
Beschimpfungen n/85
Katholik, Der romfreie, NS
'Zeitschrift 11/330
Katholische Aktion:
Kontrolle 103
neue Heilige 254
Politische Partei 275, 11/72,
88, 181, 296, 305, 380
Katholische Bibelbewegung 11/201
Katholische Jugendvereine 46, 139,
168, 202 f., 220, n/52, 56, 59, 77,
117, 290, 2921, 300 ff.
Katholische Vereine 11/72,' 11/88,
unpolitisch 11/90,
n/961, n/97, n/101, n/ii4
Katholizismus, politischer 38, 96,
n/571, 62, 72, 86, 162, 165
Kattowitz, Diözese, viele Priester
Kz, Dachau 340
Kautschukerlaß 45
Ketteier Wacht beschlagahmt 220
KJ., Katholische Jugend 165 ff.
Romfahrt 181
Auflösung 185
Kirchenministerium, Reichs- 42,
47, 84 ff., 1051, 146, 209, 2421,
279, n/2601, 265, 303, 314, 329,
334, 337 ff., 364, 400 1
Kirchenaustritt 20, 239, 270,
284 ff., 377, n/37, 55 1, 63, 65,
116, 136, 143, 187, 277
• Kirchenbau • 382, 11/146
Kirchenblatt Berlin 218
Kirchenführer beschlagnahmt 221
Kirchengläube n/36 f.
Kirchenkollekten 240 f., 382
Kirchenschändung 294 ff.
Kirchenschließung 63, 351, 11/146
Kirchenüberwachung 49
Kirchenverfolgung 11/155
Kirchenverhöhnung 279 ff.
Kirchenzeitung, Münchener,
kath. 192, 209 1, 216 ff., n/229 1
Kirchenzeitungen: nichtarische
Ansiedler 11/391, 400
Kirchheim, Predigt P. Mayer 52
Kirchseeon, Flugblatt 11/333 1
Kleinschriften-Verbot 222 1.
beschlagnahmt ^ 223°
Klerus:
Kampf gegen — 38
Überwachung 41 f _
Maßnahmen gegen — 35 {
Anerkennung 11/52
Beschimpfungen n/85,' 96, 114
Verfolgung 11/147, 154, 170
Sittlichkeit 11/277
Presse-Mitarbeit 11/323
Verkehr mit Behörden 11/327
Klerusblatt 220
Klösterliche Lehrkräfte 46, 100 ff.,
Vertreibung 11/102
427
Protest an Regierung 11/109,
11/111, 11/141, 11/330
Klösterliche Schulen 11/97, 11/102,
n/112
Klosteraufhebung 352, 356, 11/267
-entvölkerung 146
-erdrosselung, wirtschJaftl. 145
-lied 131
-raub 148
in Niederdonau 154
Lothringen und Luxemburg 156
Elsaß 157
Diözese Münster 11/257
-zwang 272
Koblenzer Prozesse 142
Köln, Erzdiözese:
6 Priester Kz. Dachau • 340
Klostersturm der Kirchen-
provinz 11/268
der Diözese 11/270, 272
. Ordensleute - 11/275
Königgrätz, Diözese
3 Priester Kz. Dachau 340
Kolbermoor 39
Kollekten 240 f., 382
Kollektivismus: Bekämpfung 11/68
Kolportage- Verbot 215 f.
Komitee für kath. Emigranten
aus Deutschland 11/392 ff.
Kommunion 77, 288
im Gefängnis 11/183
-kinder, Ausstattung 240^ 242
Erst- 266
Kommunismus:
Bündnisangebot an Jugend 11/87
Enzyklika 11/44 f., 52
Gefahr 26, 375, 11/57, 300,
323, 407
Gewaltakte, 4. 2. 1933 235
Vermögen, 26. 5. 1933 und
14. 7. 1933 und 19. 9. 1933 232
Konfessionen abgelehnt 359, 11/66,
113
Konfessionsschule, s. Bekenntnis-
schule
Konfirmation 288
Kongregation:
Jungfrauen 185 f., 196, 11/61, 302
Lehrerinnen 11/185
Männer 194, 369, 11/400
Studenten 174
Kongreß, Eucharistischer:
Budapest 72
Laibach 1935 328
Konkordat, Bayerisches:
Idösterliche Schulen 101
Priesternachwuchs 104
Konkordat 11/122
Konzentrationslager :
Geistlichenparade 336 ff.
Schweigen über — II/191f.
Korrespondenz, kirchl. Behörden
ri/327 ft.
Kraftzentren d. Widerstandes 11/26
Krankenhäuser ^ 11/362
Kreisbeauftragte 11/187
Krematorium-Kommando
Kz. Dachau 11/23
Kreuzentfernung 293 f.
-frevel . 212, 293 f., 11/281
Kreuz: Hakenkreuz 288
Sieg 11/407 f.
Kreuz in der Schule 116 ff.
— in Gaststätten 253
— in Landschaften 254
— auf NS-Altären ,288
Kreuzzeichen- Verbot 115
Kreuzschwestern, Haus Aspel
bei Rees 11/259
Trier II/269
Kreuzeshaß 11/66, 11/118, 11/119,
■ n/137, 11/154
Kreuzzüge mißdeutet 111, 121, 267
Krieg:
Vorbeugen 11/122
und Kulturkampf ' 11/119
Kriegsgefangenenmord 11/70
Kritik verboten 261 f.
Kroningen, Ordensbtirg in
Pommern 282
Kulm, Diözese
1 Priester Kz. Dachau 340
Kulturgemeinde, NS-Kunstaus-
stellung 25
Verschweigung v. Ereignissen 201
Kulturkampf 282, n/60,' n/72,
11/150, n/156, n/166, 11/291, 11/404
in Deutschland 11/13
in Mexiko 202
in Rußland 202
in Spanien 202
Kulturpolitisches Amt, NSDAP
imd Orden ' 124
— Anschauungen 11/52
Kultus, NS 292 f.
Kultusfreiheit n/95, 11/125, n/140,
^ n/146
Kunst und Wissenschaft,
Staatspreis 258
■ Kunstkritik 2Ö8
Kurierdienst überwacht 365j 379 f.
Lager-Vorträge 258
Gottesdienstbes. n/62, 68, 136, 322
Laienapostel 11/181
Laienstand: Papstworte (Enz.
„Mit brenn. Sorge" 11/41, 11/292
Landesb. Gollwitzer, Mühldorf 103
Landes-Buß- und Bettag 288
Landes-Fürsorgeämter 309
428
Landesverrat:
Vorwurf f. Kath. 11/66, 11/72
Landjahrführer 261
Kritik am Landjahr: Hirten-
brief • 46
Schulungskurs 261 ff., 379
-Heime, Sittliclikeit 11/287
Landshut, St. Jodok 34
Langemarcl^, Studenten 265
Lauban, Stiftspropst (Devisen) 128
Laufen Obb. 195
Kreisleiter Kammerer 238
konf. Vereine 11/400, 402
Lazaristen 128
Leben, lebensunwertes, siehe
Euthanasie
Lebensborn 19, 76
Lebensrecht 11/70, n/148
Lehranstalten, klösterl. 101
Lehrer, Bücher 258
Altes Testament 318
Lehrer(innen) 11/97
unchristl. Unterricht 11/114, 11/172
11/185 f.
Lehrerbildung 11/54
Lehrerbund:
NS-Bekenntnisschulen 122
Rosenberg - 265
Mythus 11/31 f.
Lehrerzeitung NS 112
Lehrfreiheit 11/125
Lehrmittel, staatsgefährlich 110
-freiheit als Zwang zu HJ 178
Lehrsätze, irrige 11/378 ff.
Lehrverträge 11/400
Leidenskraft 11/135
Leipzig, Reichsgericht 11/284
Leitmeritz, Diözese 7 Priester
Kz. Dachau 341
Lenggries, Hochlandlager 39, 11/303
Leo-Film-AG. 381
Leslau, Üiözese viele Piiester
Kz. Dachau 341
Liberalismus, Bekämpfung 11/67
Lieder, religiöse u. HJ 120 f.
der Frühjahrsoffensive 180
Limburg:
Ordinariat 37
Beschlagnahmte Bücher 228
Diözese 4 Priester Kz. Dachau 341
349
Linz, Diözese
22 Priester Kz. Dachau 341 f., 349
Linzer Volksblatt 11/282
Liquidierung im Kz. 11/23
Literatur, katholische 198 ff.
Steckbrief 214 f.
Litzmannstadt, Diözese, viele
Priester Kz. Dachau 342
"Lochham, Kreuzfrevel 294
L'Osservatore Romano
beschlagnahmt 219 f.
Artikel n/27 f., n/349
Lothi-ingen:
Klostersturm 156, 11/267 f., 273 ff.
Ludendorff-Bewegung 18, 377, n/73
Lüge n/71
Lünningk, Westfalen: Hirten-
brief-Verbot 47
Luftschutzbund (Reichs.) und
Bekenntnisschule 94
LiUstheim, Kreuzfrevel 294
Luxemburg: Jesuitenkloster 149
Redemptoristen 149
Weiße Väter 149
Herz-Jesu-Kloster 150
Klosterraub * 156
Diözese: PrieisterKz. Dachau 342
Macht der Kirchen 380 ff,
Mädelschaft, Die
■ Blatt des BDM 11/385
Männerkongregation 194, 369, 11/400
Märchendeutung „Verkalung" 112
Mainz Diözese, 7 Priester Kz.
Dachau , 342, 349
Maisach, Gottesdienstordnung 61
Malching, KreuzfreveJ 294
Manage, Kloster Belgien 11/285
Marburg Diözese, 1 Priester Kz.
Dachau 342
Marian,ische Kongregation 11/185
siehe Kongregation
Marienburg, Ordensburg 282
Marienkult 267
Mariental bei Münster, Pflege-
anstalt 11/366, 11/368
Märtyrer des Glaubens 11/159
Märtyrer poHtische 11/279
Marxismus 11/281, 387
Marxisten 375
Materialismus der Rasse 11/378 f.
387, 389
Meineid für Deutschland 11/160
Meinungsfreiheit 11/102
Meißen, Generalvikar 128
Diöz. 11 Priester Kz. Dachau 342 f.
Metten, Kloster 17a, 336
Meuchelmord 11/167
Michael, Zeitschrift der kathol.
.Jungmänner 135
beschlagnahmt 220
Miesbach, Frauenbund 195
Militarismus n/53
Ministranten 72, 187
Mischehe, rassische 44 f., 11/70
Missionare v. hl. Herzen Jesu
Hiltrup 127 1, n/259, 264
Missionare v. Hl. Geist 128, 152
Missionen, kathol. 241 295
429
Missionsbote, Werbeblatt für
kath, Volksmissionen 11/333 ü.
Missionsklarissen Münster 11/264
Missionstätigkeit, evangel. 373
Mitgliederlisten 193, 369, 11/316, 400
Mittel und Zweck 11/70
Modersohn, Pastor:
Dienstbotenzeitschrift: „Weg
zum Ziel" 11/345 ,
„Monika", Zeitschrift beschlagn. 220
Moral, germanische 11/331 f., 11/351
Mord — Sterilisation 260
Euthanasie 11/357 ft., IIJ269
Mühldorf Schulabbau 103
-er Anzeiger 121
Waisenhaus ,149
Zeitung 11/400
Mühlhausen, Kr, Kempen,
Schwestern U. L, Frau 11/264
Mühlheim-Styrum HJ u. KJ 177 f.
München: Ludw.-Realschule 11/308
Luitpold-Oberrealschule 11/308
Obermenzjng 11/348
München, Pfarreien:
St. Bonifaz 11/335 f., 340
St. Emmeram 294, 11/402
St. Gabriel ^ 304
St. Joh. B. Haidhausen 167, 296
St. Joh. B. Solin > 167
St. Josef 52
Hl. Kreuz, Giesing 34, 295
St Ludwig 186
St. Michael Berg am Laim 296
St. Paul 167 •
St. Peter 50
St. Peter u. Paul, Feldm. 111
St. Peter u. Paul, Trudering. 165 f.
St Pius 304
St. Rupert 85, 167, 11/334 f.
St. Stephan 167
St. Theresia 53
St. Ursula 304
St. Vinzenz 223, 295
München. Ordinariat:
Durchsuchung 37
Religionsunterricht 109
HJ-Angriffe 167
Jugendseelsorge 187
üb. „Volk. Beobachter" 204
ScHriftenbeschlagnahme 227
Vachendorf 237
Schliersee 259
Kirchenbeschädigungen 295
Freimann- Altötting 298 ft.
Gestapodruck 11/105 ft.
Fronleichnamsprozession 306 f.
Amtsblatt 11/329 ff.
Flugschriften 11/332 f.
Schwarzes Korps 11/344 ff.
430
Bücherverzeichnis 11/351
Vernichtungsanstalten . 11/374 f.
Münchener Referendare 42
Münster:
Ordinariat Schulkreuz
Regensberg'sche Druckerei 234
Diöz., 15 Priester Kz. Dachau
343, 349
Klosterraub 1941 11/257 ff.
Fliegerangriffe 11/257 ff.
Vereinsfahnen 11/301
Lagergottesdienst 11/303
Ordensleitungen 11/275
Sittlichkeitsprozesse 11/277
'Mütterverein Scheyern 70, 186, 195
Mundelein-Rede 11/13, 289
Mutter (Begräbnis) 11/175
Mutterschaft, uneheliche 78 ff., 202
Ausstellg. „Frau u. Mutter" 279 f.
Mythenweistum 114
Mythus des 20. Jahrhunderts:
20, 39, 202, 257 ff,, 279, 11/29. f., 126
134, 152, 1991, 200, 322, 349 ff.
Index II 29 ff., 11/199
Der neue Mythus u. der alte
Glaube 11/200
Nacktkultur - 377
Nacktparade 264
Nähstuben- Schließung 101
Namengebung 74, 291
Nationalbewußtsein 11/52 f.
National Catholic Weifare Con-
ference ' 11/392 ff.
Nationalgott • 11/68
Nationalkikhe NR 286 ff., 11/56, 100
^ 113, 128
Nationalreligion 11/378
N.C.W.C. National Catholic
Weifare Conference 11/392 ff.
Neapel, Pressekonferenz 11/10
Neuburg (Österreich) Stift 152
„Neudeutschland" 185 f., 11/302, 295
Neuheidentum 11/76, 11/99, 11/152
Neumarkt-O. 56 ff.
Schulgebet-Verbot ' 115
New- York, Nichtarier JI/392
Nichtarier 11/390 ff. .
Nirwaria 11/382
Nordamerikanische Bischöfe 11/98
Nordische Rasse 21
Frömmigkeit 112
Glaubensbewegung "^ 11/73
Monatsschriften 236 f.
R. und Rom 266
Vergötterung 316
Weltherrschaft 11/405
„Nordland" 87, 250, 290
NS Zeitschrift 11/330
Norweger im Kz. 11/18
Note, Päpstliche:
31. Januar 1934 1731, 11/319 ff.
11. Februar 1934 11/323
15. April 1934 165
14. Mai 1934 41, 190, 173, 371,
383, 11/32, 297, 353, 378
29. Januar 1935 191, 11/324
26. Februar 1935 32
18. Dezember 1935 11/325
21. Januar 1936 11/33 f.
29. Januar 1936 11/50, 324
9 Noten ohne Antwort 191
34 Noten im „Weißbuch" ,11/27
NR, Nationale Reichskirche 286 f£.,
. 11/56, 100, 113, 128
Nationalsozialismus u. Christen-
tum 256 n.
NSD = Nationalsozialistischer
Dozentenbund 372
NSDStB = Nationalsozialistischer
deutscher Studentenbund 260 f.
NSF = Nationalsozialistische
• Frauenschaft 198, 11/340
NSLB = Nationalsozialistischer
Lehrerbund 122
NSV = Nationalsozialistische • ■
Volkswohlfahrt 145, 198
Presse-Werbung 200 f.
„Anrufe" bei der Speisung 251,
369, 375, 11/340
Nürnberg, Zellengefängnis 57 f.
Parteikongreß 1937 253
Parteitag 1933 260
„Wallfahrtsprt" 291
Prozesse 11/17
Nützlichkeitsethik 11/70, 11/124
Nymphenburg, Klosterkirche 11/403
Oberkommando d. Wehrmacht
Münster, Klostersturm' 11/260, 265
Oblatenkloster Valkenburg 150
Hünfeld 150
Ökumene • 373 f.
Österreich:
Hochschulen 105
Kampfgleichheit 11/63
Offenbarung
Bedeutungswandel 11/38
Offener Brief an Goebbels 11/283 ff.
Okkupationsländer, Greuel in
n/18 f.
Oldenburg, Regierung 30
Gemeinschaftsschule 100
Schulkreuz 116
Tageszeitungen 199
Olmütz, Diözese
6 Priester Kz. Dachau 344
Orden, Fesseln 122 ff.
Gemeinnützigkeit fraglich 145
Besteuerung 145 f., 198
Nachwuchs 146 ff., 198
' Hochschulen 148
Art. 15 RK. 11/96
Schulorden 11/102
Münster, Vertreibung 11/177
Diffamierung 11/276
Anwalt: Kard. Mundelein 11/288
Ordensleute:
Wanderprediger 48
P. Mayer: Predigt ' 53
Verspottung 111
Militärdienst (Theologen) 148
Papstworte (Enz. M. br. S.)
n/40 f., 250 ff.
Ordensburgen, NS 67, 282
Ordensschulen, Überwachung
124, 11/97, 141, 146
in Tirol 351
Ordenswesen und Gestapo
361, 363, 365 ff.
Ordinariate, Überwachung 364
Organisationen, konfessionelle:
Zerschlagung 362, 367 f.
Bestand 11/32, 11/299
Reichskonkordat, Art. 31 n/309 ff.
Organistendienst 109
Osnabrück, Diözese
3 Priester Kz. Dachau 344, 381
Osterbotschaft (Jugend) 1934: 11/294
„Össervatore Romano" 219, 11/27,
(s. „L'Osservatore Romano") 349
Ostmark, Klostersturm " II/26'8
Ottilien, St. 150, 156, 337, 11/391
Oxfordbewegung i 3731
Promemoriae an Reichsregierung
n/27, 31
Pornographie 143
Streichers 238, 11/325
Posen — Gnesen:
Gottesdienste 63 1
9 Priester Kz. Dachau 345
Positives Christentum 11/202,
Prämonstratenser in Geras 154
Prag, Erzdiözese
8 Priester Kz. Dachau 345
Predigt:
Überwachung 41, 379
Besuch n/56, 326
Beschlagnahme 11/328 ff,
Presse:
Ausstellung Rom ' 11, 203
in Predigt P, Mayers 52 ff.
gegen Orden 126 ff., 134 ff.
-konferenz über Sittlichkeits-
prozesse 1937 143
sterilisierte — 210
Schädigung 247 f
Freiheit \ 11/55 f., 61
Unfreiheit 11/319 fl
431
katholische Presse 11/319 ff:
Vorschläge f. Freiheit . 11/323
Freiheit in Holland 11/324
Prien, SA-Aufzug 39
Pries ler (tum) :
Angriffe 40, 277 ff., 330 ff.
Ausweisung aus der Schule
, 106, 108
Maßnahmen in Tirol 351, 354
Papstworte (Enz. M. br. S.) 11/40 f.
Diffamierung ' , 266, 11/77
Priesterseminar Bensberg/
Köln 152
Innsbruck 354
Priesterseminare gegen Rassis-
mus 11/378
Privateigentum 11/70, 11/121
Paderborn, Erzdiözese:
Beschlagnahmte Bücher 228
10 Priester Kz. Dachau 344
Palling, Kreuzfrevel 294
Palästina für Nichtarier 11/391
Pallottiner 128
„Der Geheimbefehl" 226
„Omnibus omnia" 227
Verlust an Mitgliedern 335
18 Mitglieder Kz. Dachau 349
Pantheismus ' 11/35
Papstsegen und konfessionelle
Presse 203
Papsttum:
Kampf gegen 22 ff.
Film 24
Kampf gegen Weltrund-
schreiben 60
Spottlieder 25 f., 121, 131
Spott 270, 11/83, 95, 114
Steinwürfe .11/129 ff., 142
Karl Pieper: „Die angebliche
Einsetzung d. Petrus?" 11/201
Parana,. Siedlung von Nicht-
äriern 11/391
Partei 17
neue Ämter 17
Sittlichkeit ■ 141 f.
Gericht 144
-amtliche Wandzeitung 237
-Programm 254, 257, 260, 292, 324
und Kirche 11/123
Sittlichkeitsprozesse 11/279 f.
-zwecke der Justiz 11/283 ff., 290
-gerichtsbarkeit 11/286 f.
-sumpf 11/287
-Politik 11/319
-presse 11/321
Passau, Diözese
2 Priester Kz. Dachau 344
Pastoralanweisungen an den
deutsch. Klerus, 5. 4. 1933 11/51 f.
Paulus-Bund, Vereinigung
nichtarischer Christ., !e. V. 11/389
Paulusdiakonat 11/184
Peterskirchen, Kongregation 196
Peterspfennig 24
Pfadfinder, St. Georgs .11/295
Pfaffenhofen a. Um
NS-Hochzeit 300 ff.
Pfaffenspiegel 274, 11/331, 11/349 ff.
„Wider den — " 11/350
Pfarrbibliotheken 216
Pfarrblätter 205, 11/339
Pfarrnachrichten 205', 11/339, 400
Pflegeanstalten:.
Kindergärten 108
Horte 198
Altersheime 189
Krankenhäuser 198
Plakatanschläge 11/401
Planegg, Maria-Eich, Kreuz-
frevel 294
Polen, Kopfsteuer 281
Schließung der Kirchen 294
Juden in — 323
Priester im Kz. Dachau 349
Zamoiski, Graf 11/18
Politik und Gewissen 11/70
Politischer Katholizismus 38, 96,
11/57 f., 62, 72, 86, 162, 165
Polizeipräsidium München 95
Polizei München 48 ff.
Bayerische 59
Polizei und HJ 170, 179, 183 f.
Pfeiffer 216
Polizei und Rosenberg 259
Proömium des Reichskonkordates
11/325
Propagandaministerium 17
Devisenprozesse 129
Sittlichkeitsprozesse 133, 142,
11/276, 282
Schriftleitergesetz 209
Ausstelluhg 278
Jesuiten 11/271
Protest der Reichsregierung
gegen Enzyklika 11/42
Bayer. Bischöfe gegen Ver-
treibung d. klöst. Lehr-
kräfte 11/109 ff.
Prozessionen 71 f., 77, n/118, 400 f.
siehe Fronleichnams-
Prüfungskommission zum Schutz
NS-Schrifttums 213
Faulhaber-Buch 225
Pullach, Jesuiten 160 f., 11/272
Rasse:
33, 441, 3191, 375
-fugenden im Märchen 113 f.
-frage 201
432
Rassekunde in Kalendern 211
-gefühl verletzt 217
— und Religion 223
Monatsschrift 236
-begriff und Kreuz 254
germanische — 260
-Prüfung 263 f.
-politisches Amt 278
— und Volk 286 ff.
-kult 11/35
-Gott 11/68, 11/405
-Mord 11/70
-Mischehe 11/70
-Gleichberechtigung 11/377 ff.
— u. Religion 11/388
\ RDB, Reichsbund Deutscher
„ Beamter, siehe Beamte
RAD, Reichsarbeitsdienst 265
Raphaelverein, St. 11/389 ff.
Rechtserwerb, Jurist. Pers. 244 ff.
Recht:
Gemeinschafts- 262
Naturrecht 11/39
Staats- u. Gottesrecht 11/49
altes Armen- 11/383
altes Privat- 11/383
altes Arbeiterrecht 11/383
Rechtsstaat — nicht Macht-
staat 11/122, 11/178
Redakteure, amtsenthoben 128
Redemptoristen (Devisen): 128
in Luxemburg 149, 156
in Bonn 151
in Aachen 152
• in Eggenburg, Niederdonau 154
in Echternach 156
in Trier 11/269
Missionsbote 11/333 &.
Redemptoristinnen
in Gars, Niederdonau 154
Rees, Haus Aspel, Kreuz-
Schwestern 11/259
Referendare, Fragebogen 42
Mythus 258, 263
Regensburg: Polizeigebäude 57
HJ 165
' Ordinariat über Schemm-
schule 115
Beamtenkinder 195
SS-Sturmführer über Bibel 270
Priester im Kz. 336, 345
Reich, Das kommende,
Führerzeitschrift der saar-
deutschen Jugend 11/321
Reichenhall, Schülerheim 141
Blasphemie 11/400
Reichertsbeuern, Kirchen-
stiftuMg 248
Reichsarbeitsministerium
Ordensnachwuchs 146 ff.
Reichsarbeitsdienst, siehe RAD
Reichsbahnausbesserungswerk
München-Freimann 196, 259,
285, 297 ff., 11/331, 401
Reichsbauernschaft,
Bauernkalender 212
Reichsbund Deutscher Beamten,
RDB, S.Beamte 95, 182
Reichsmihisterium des Innern:
Flugschriften 11/333 f.
Euthanasie 11/364, 11/371
NS Öochzeit 11/401
Reichs] ustizminister ium :
128 ff., 133 &.
Rechtserwerb 244 f.
Mythus-Studium 258
Euthanasie 11/12, 357
Klosteraufhebung 11/265
Mitteilungen 11/401
Reichskanzlei 11/260, 11/265, 11/401
Reichskirche, Nationale in
Deutschland (NR) 286 ff., 11/56,
100, 113, 128
Reichskirchenministerium 42, 47,
84 ff., 105 f., 146, 209, 242 f., 279,
11/260 f., 265, 303, 314, 329, 334,
337 ff., 364, 400 f.
Reichskonkordat 11, 20, 24
Predigtfreiheit, Art. 32 45
„Ja oder nein?" 48, 140 ff.
Schule 87 f.
Klösterliche Schulen 101
Priesternachwuchs "^ 104
Religionsunterricht 109
Orden 123
Vereine 171, 189, 191, 193 f.
Hirtenbriefe 228 f., 235
Brechung des RK. 265
23. März 1933 ' 384
Kanzelfreiheit 11/15
Denkschrift 1935 11/75
Verletzungen 11/94 — 98
Kultusbudget - II/207
Kath. Jugendvereine 11/292 f.
Standesvereine 11/309 ff.
Presse . 11/325
Artikel 4 11/327 ff., 340
Artikel 1 iI/340
Artikel 16 II/360
Reichskriegsministerium,
Theologen d. Orden 148"
Reichslculturkammer 17
Reichsluftschutzbund 94 f.
Reichsminister f. Wissenschaft
11/392
Reichspressekammer 17
Maisach gl f.
Dr. Hock 210
Strafe für Anzeigen 2I8
Höfling- Verlag 233, 11/342 f.
433
Reichspropagandaministerium
11/346 f. u.a.
Beichsregierung 17
Beschimpfungen 11/325
Sterilisation 11/352 ff.
Rassevergötterung II/378
Reichsschrifttumskammer
17, 199 fE,
Höfling- Verlag 233 f.
Pamphlete 274 f.
Reichssicherheitsdienst,
s. Gestapo (SD) , 123
Geheimanweisung, 15. 2. 1938
239, 360 ff.
Reichsstelle zur Förderung
deutschen Schrifttums 213
Reichßstraf gesetz :
§ 211: 11/360, 364, 366, 371,
Anmerkung 11/373
§ 139: 11/366
§353: 11/15
Reichsstraßenverkehrsordnung 71
Reichstags wähl: Hirtenbrief 46
Reichstheaterkammer 233
Reichsverband der nichtarischen
Christen n/389
Reichsverband der Zeitungs-
verleger 200 ff.
Reichsveröin für Volkspflege
und Siedlerhilfe 125
Reichsverteidigungskommissar,
.Innsbruck (Hofer) n/375 ff.
Religion der Kämpfer. 290 f.
im öffentl. Leben 11/69, 11/95,
n/151
falsche 11/151
~ und Rasse 11/388 ff.
Religionslehrer an höheren
Schulen . 185
Religionsunterricht:
Fesseln 105 ff., n/41, 62
Abmeldung i 107
Staatl. Erlaubnis 108
durch Lehrer 109
germanischer 112
in Tirol 351
ordentl. Lehrfach 11/97
„Bubenrudel", „Erzähler-
kreise" n/114, 139
Mängel . . 11/140 f.
Pflichtfach ' 11/142
-Bücher 11/144
Religiosität, positive 260
Quellen 261
Renten n/121
Reutberg, Klostergrund 248
Rex-Apparat 11/364
RFSS = Reichssicherheitsdienst,
Geheimanweisung 123, 239, 360 ff.
Hosenheim, St. Nikolaus
434,
(Schaukasten) 38
Mitgliederkartei 11/400 f.
Rothenburg o. d. T. 195
Rottenburg, Bischofshof 36
Hirtenbrief-Verbot 47
1 Priester Kz. Dachau 345
Rottmannshöhe 161, 11/272
Ruhrarbeiter, Der, Zeitschrift:
„Dolchstoß . . ." 11/369
Rundfunkpredigten 49
Rundschreiben, Päpstliche,
— s. Weltrundschreiben 136
SA-Aufzüge 29
Kirchenbesuch 36, f.
Sittlichkeit 142
Berichte 202
Landjahrführer 263
„Judenschande . . ." 331
Homosexualität 11/286
Auflösung kath. Vereine n/slO
Appelle, München 11/399
SA-Mann, Der, NS Zeitschrift
235, 258, 262, 328, 11/330
Saarland:
, Schulkreuz in Frankenholz 118 f.
Rechtserwerb 244 f.
-kinder 265
-Zeitungen n/320
Sachsen:
Gemeinschaftsschule 100
-blut (Verden) 121
Sachsenhausen, Kz. 17
Sittlichkeits Verbrecher 144
Sakramente , 291
für NS 11/51
Salesianer für Umsiedlung n/391
Salzburg, theol, Fakultät " 105
Kinderseelsorge 187
Erzdiözese, 6 Priester Kz,
Dachau 345 f.
Euthanasie 11/14
Schernberg 11/375 if.
Sammlung der Bettelorden 242
Caritas 243
Sammlungsgesetz 103 f., 140,
239 f., 240 f., 382
Sankt Polten, Diözese
2 Priester Kz. Dachau 346
Schauprozesse 11/276 ff.
Sao Paulo, Brasilien, nichtarische
Ansiedler 11/391
Saulusdiakonat . 11/184
SD = Sicherheitsdienst 17
in Wiesbaden 125
in Elsaß .158 f.
Geheimanweisung 200, 261, 360 ff. '
Reichs- 11/274
Schatzamt NSÖAP und Orden 123
Schaukasten Friedhof (Stürmer) 237
Schernberg, Versorgungsanstalt 311
Scheyern SS-Landscharen-
Auslese • 1961
. Schliersee, Pfarramt 259
Schmähungen von Papst, Bi-
schöfen u. a. , 11/83, 11/166
Schneidemühl Prälatur .
3 Priester Kz. Dachau 346
Schrift Hl. 56, 65, 110, 173, 201, 215
266, 292, 318 fl, 11/36, 56
Schriftleitergesetz 129, 198 f., 209 f.
-Liste 142
Schrifttum: Fesseln für das 198 ff.
in Tirol , 352
Widerstand 11/318 ff.
Schrifttum:
antichristlich 235 ff., 11/343
antisemitisch 236
astrologisch 236
katholisch 11/65, 67, 72, 83, 92
militärisch 236
politisch 235
Schulbrüder, Maristen 138, 141
in Meppen (Hannover) 152
in Ahmsen 153
Schulbedarfsgesetz, Bayer. 11/330
Schuld des Volkes 11/17 ff.
Schule, Fesseln' 87 ff.
antichristlich 260
anti jüdisch 260
in Tirol , 351
Bekenntnis- 46, 88 ff., 207
n/60 f., 64, 97, 101, 126 ff., n/141
152, 162, 290, 329
Gemeinschafts- 89 f., 11/290
Hitler-Scliulen 122, 282 f., 11/263
Schulgebet 115 f., 11/118
Schulgemeinde, Deutsche 89
Schulgottesdienst höher. Lehr-
anstalten 47
Schulkampf ■11/81, 11/126
Terror 11/128, 216ff.
Schulkreuz . 116 ^., 118, 355, 11/118
Schulorden, Bekämpfung 366 f.
Schulrat 11/187 ff.
Schulschwestern 99, 101
Schwanenkirchen 102
Mühldorf . ' 103
Devisen 128
Rüstungsarbeit 146
in Vöslau, Niederdonau 154
11/103. 330
Schulstreik wegen Kreuz 118
in Tirol 355
Schulungskurse: Bauern 196
Rosenberg 258
Wasserburg 266
Frauen 266 ff.
Lehrerinnen 11/186
11/186, 322
Schulungslager 11/136
Schulverbot • 11/144
Schutzhaft n/40D
Schwanenkirchen :
Klosterschulen 102
Schwarze Fahne, HJ-Lied 120
Schwarzes Korps:
Erbsünde 73
Ehe-Enzyklika • 78
Ehe 79,- 81, 86 f.
Devisen 131
Sittlichkeitsprozesse 1381,141,144
235, 249
Kreuz 254
Wochenkanzel 275, 279, 11/330, 332
344 ff.
Schweigepflicht
der Geistlichen 142
des Pflegepersonals , 315
der Beamten H/15 1
überKz. 11/19 ff.
Schweiklberg 150, 156, 172
Schweinfurt: Gaubefehl gegen
KJ 171 1
Schweiz: Emigranten 11/396
Schwestern der christl. Liebe 154
Schwestern vom Guten Hirten 128
Schwestern U. L. Frau 128
Mühlhausen 11/264
Seckau Diözese
5 Priester Kz. Dachau 346
Seelsorge, Fesseln f. 73, 11/67, 93
Seelsorgsbrief 11/127, 11/327 1, 332 ff.
Sekten-Bekämpfung 363 f., 375 ff.
Servitinnen^ München lOl
Serviten in Gutenstein 154
in Loretto 154
Sexualmord, Manage ' 11/285
Sicherheitsdienst SD 17, 125, 1581,
200, 261, 360 ff., H/274
Sittengesetz:
christliches II/56 f;
rückständig ii/65
Grundbedingung der Erneue-
rung 11/85, 121, 123
Sittenlehre der kath. Kirche 11/122
des AT n/382
Sittlichkeitsprozesse iß
Predigt v. P. Mayer 53
' ■ 133 ff.
Presseberichte 200, 11/57, 65, 115 ff.
129, 166, 257, 11/276, 276 ff., 290, 324
331
Sittlichkeitsstatistik 144
Sörensen Wulf:
„Die Stimme der Ahnen" 11/885
Sonderhäftlinge Dachau II/22
Sonnenstein, Thüringen
Vernichtungsanstalt 11/359
Sonntagsheiligung 11/69 11/121
435
Sonnwendfeier 259
Sonthofen, Ordehsburg 282
Soziale Fragen
nicht Parteipolitik 11/319
Speyer:
Jägersche Druckerei 234
Kreuzfrevel 294
Priester im Kz. 336, 346
SpitzeltmTi gegen Priester 41 f.
Sportverbot 184, 11/399
SS
Kirchenbesuch 66 f.
Befehl 80
Katechismus 108
Klöster und Orden 125
Sittlichkeit 142
Jesuiten 159 ff.
Volksdeutsche Mittelstelle
SS-Organisation 161
Oberaudorf 168
-Landscharen- Auslese 196 f.
. Landjahrführer 263
Homosexualität 11/286
Staat autoritärer 11/48
und Nachbarstaaten 11/122
Staat und Kirche:
Hitlers Erklärung 11/73 ff.
Bischöfliche AnerkennuRg 11/75
n/100, H/.121
Staat und Kirche: ' 11/122, 11/169
Staat und Staatsbürger:
Rechte und Pflichten 11/119 ff.
Christi. Staatslehre 11/120, 11/297
Staatsbürger:
Pflichten und Rechte n/122
Staatsbürgerrechte und Prie-
ster n/123, 11/297
Staatsjugend 11/290
religiöse Rechte 11/292, 11/300,
305
Staatskirchentum ■ 11/54
Staatskultus 292 f.
Staatsministerium des Innern
Bayerisches 11/399 f.
Staatspolizei, Geheime
Geheimerlaß für Orden 124
Presse 200
Landjahrführer 261
Sicherheitsdienst 360 ff.
Staatstelegramme 11/107, 109
Staatszeitung, Bayerische
Kardinalspredigten 11/320
Staatszuschüsse an Kirchen n/166
Standesvereine ■ 11/54 f., 309 ff.
Starnberg: NS Sittlichkeit 143
Steinvi^ürfe gegen den päpstl.
Thron 11/129
Sterbehilfe n/357ff.
436
Sterilisa,tion 19, 44, 260, 308, 11/82,
n/124, n/269, 320, 351 ff., 393
der Bibliotheken 216
Steuerdruck für Orden 145, 198
Kirchen-Einziehung 239
kirchliche Vereine 244
Steyler Gesellschaft v. göttlich,
"i/vort:
Missionsh. St. Gabriel b. Wien 152
„ Stockerau, Nieder donau 154
„ Wöllersdorf 154
Verlust an Mitgliedern 335
Diözese Trier 11/269
Stiftungen aufgelöst: Tirol 351
Stimme, Die
NS-Zeitschrift 11/230
Stimmen der Zeit
Kanisiushaus beschlagnahmt 151
^Zeitschrift beschlagnahmt 220, 371
Straßburg 274
Straubing Zuchthaus 58 f.
Ursulinenschulen 101
Stürmer:
Judentaufen 76
an Friedhofmauer 237 f.
an Schulhaus 238
Aufgabe des „Stürmer" 317
Fachblatt für Judenkampf 328
Studentenbund NS 259 ff., 372, 11/400
Studentenkongregation Würzbg. 174
Studenten von Langemarck 265
-Verbindungen kathol. 190
Studien z. „Mythus d. 20. Jahr-
hunderts" 11/200
Sudetengau, Rechtserwerb 245
Sünde: Feigheit 263
der Germanen 267
Vergebung 288
gegen das Volk 11/405 f.
Superioren-Vereinigung 11/272
Syrien Gottesdienst 11/388
Tagespresse, Vernichtung 11/325
Taufe 66, 73, 266, 284, 288
Verhöhnung 11/160
Tegernsee, Kirch.-Mißbrauch 295 f.
Teisendorf, Kreuzfrevel 294
Tengling, Mütterverein 195
Terror: . 11/102, 128
Testamente 244
Testament, Altes 110, 223, 266, 318 ff.
Gott des A. T. n/36, 56, 65, 173
201, 318 ff.
Pfaffrath, Das Gotteslicht im.
Alten Testament 201
Neues 56, 266
Parteiprogramm 292, 11/36, 56
Theresienstadt, Nichtarier 11/399
Thüringen, Gemeinschaftsschule 100
Tierschutz ■ 326
Tirol, Kirchenverfolgung 350 ff.
Tischgebet NS 259, 319 f.
Tisis, Jesuitenkloster 11/272
Todesstrafe § 211 11/372
Tötung Schuldloser:
19, 44, 307, 11/10, 70, 124, 146,
148 269 354 ff.
Totalität d. Staates 261, 11/29, 11/321
Transportgesellschaft, Gemein-
nützige 311, 315, 11/371
Traunstein:
Volkslieder d, Kreisbauernsch. 121
Schülerheim 141
'Fähnleinführer 174
-Zeitung (Juden) 325 f.
Trauung 81, 288
deutsche, Altötting 297
deutsche, PfafEenhofen/Ilm 300
-geschenk: Mythus 11/31
Trier Diözese
Religionsunterricht 109
Druckerei Herzig 234
12 Priester Kz. Dachau 346 f., 349
Klosterfrauen a. Luxembg. 11/267
Tübingen, Staatsanwaltschaft 11/346
Tuirnvereine 87
und Rosenberg 273
r
Übersee (Ffr.) Kreuzfrevel 294
Aussiedlung 11/391 ff.
Umschulungseinrichtungen für
Nichtarier 11/391 ff.
Una-Sancta-Bewegung 8
Ungarns Enttäuschung über das
Dritte. Reich 11/282
Uniform-Verbot für Kirchen 66,69
für KJ 170 f., 184
' 11/51, 11/299, 3021, 315, 399
Universitäten gegen Rassis-
mus 11/378
Unsterblichkeit NS 276, 11/38, 11/66
Ursberg, F. Mayer» Fredigt 52
Ursulinen:
Straubing 101
Marienberg-Boppard 11/269
Haselünne 11/391
TT S.A.:
Aussiedig. v. Nichtariern 11/392 ff,
Vachendorf, Friedhofmauer 237
Vagen, Kreuzfrevel 294
Vaihingen, Pfarramt, Wttbg.
11/344 ff.
Väter, Weiße in Mariental 149
Vaterunser-Schluß 255, 11/160
Vatikan-Politik 267 f., 374
Vatikan-Sender 11/25
Venezuela, nichtarische Um-
siedler 11/396
Vereine, evangelische 370
Vereine, katholische
Überwachung 42, 165, 192, 363
Kampf gegen — ^^t/?;
Papstworte (Enz. M. br. S.) 11/41
Arbeiter- 186, 197
Burschen- 186, 196 f.
Dienstmädchen- 186
Gesellen- 186, 193, 197, 202
Mütter- 186, 195.
Gleichschaltung 188
Rechtsfähigkeit 243
Vermögen konfisziert 247
in Tirol 352 f.
Zerschlagung 362, 367 ff.
Widerstand 11/292 ff.
Vereinigte Staaten Nordamerikas
Bischöfliche Kundgebung 11/98
Verfolgung n/72, 11/99
Verfolgung der Kirche im „Drit-
ten Reich" (Buch): The perse-
cution of the Catholic Church
in the Third Reich 15 f., 38, 11/18,
25
„Verkündigung" NS bei der
Weihestunde 292 f.
Verleumdungsoffensive der
Propaganda 11/282
Versammlungen, Genehmigung 192
Verstümmelung (Sterilisation) s. d.
Vertragspflicht 11/120
Vervielfältigungen . 11/340
Vinnenberg b. Warendorf
Benediktinerinheri 11/259 f.
Vinzentinerin 128
Völkerbund: 11/122
Völkischer Beobachter:
79, 87, 100, 111, 139, 142 f., 168, 181,
205, 282, 11/271, 11/322, 11/379 f.
Vogelsang, Burg in der Eifel 67, 282
„Volk" Bedeutungswandel 45
Volk: Gott 11/69, 11/151
Volk und Rasse 286 ff.
Volksbibliothek 216
Volksmission 11/333 ff.
Volksverrat: Vorwurf 11/66, 11/72
VM Verbindvmgsmänner 361, 363 ff.
378
Vinnenberg:
Benediktinerinnen 11/259
Vorsegnung 74
Wahlrecht und -pflicht 11/123
Wahrheit:
Recht auf Wahrheit 11/71, 11/121
Wahrheit, Die, Zeitschrift 11/345 ff.
Waldbreitbach 142, 11/278 ff. 11/370
Wallfahrten der Jugend 167
Berichte über — 200
nach Nürnberg 291
kirchliche 11/400 f.
487
Wandernde Kirche 379
Wanderprediger 48
Christus als — 273
Wandlitzsee, Kirchenbesude-
lung 11/281
Wandzeitung, parteiamtlichie 237
Warstein, Pflegeanstalt 11/366
Warthegau:
Religionsunterdrückung 11/68
Klostersturm 11/268
Washington
Emigranten, nichtarische- 11/392
Wasserburg a. I.:
Schulung der Bauern 1935 266
Weg, „Der Deutsche"
V holländ. .Wochenschrift 11/324'
Wehrmacht: ,. .
-Zersetzung ' . Il/.iS
Bestattungsanordnung ■. 11/118
Weib es Verachtung der Kirche 2791*
Weildorf, Stürmer , ; 238
Weißenhorn, Predigt P. Mayer 52
Weihnachtsallokution 1937
Pius' XI. 13
Weltanschauung:
Rosenberg 259 f.
Blut als — 260
und Frau 268 f.
11/56 f., 150, 169
Weltfrieden 11/122
„Weltmission d. kath. Kirche" 220
Weltnotorisch 383
Weltprotestantismus 373
Weltrundschreiben :
Mit brennende Sorge 14.3.37:
12, 13, 26, 60, 136, 230 &., 378,
11/12, 34 ff., 377 ff.
Protest und Verwahrung 11/42
Sittlichkeitsprozesse 11/99, 116,
277, 280, 284
Vereine 11/292 ff.
Presse * 11/328
Sittenlehre 11/351
Rasse 11/377 ff.
St. Wendel, Saar:
Stey 1er Missionshaus 150,11/263
Wer hilft mit?
Missionswerbeschrift 11/334
Westfalen: Präsident Lünningk
Hirtenbrief-Verbot 47
Ehehilfe 78
Klosterraub 11/257 if.
Weyarn, Kirchenschändung 295
WHW Winterhilfswerk
21 f., 25 (für Hl. Vater) 200, 375
Unterschlagungen 11/287
Widerstand war da II/IO ff.
passiver 11/17
der Bischöfe 11/65, 67, 104, 115, 118
des Klerus 105 ff.
438
Wien: Gemeinschaftsschule 99
Missionshaus St. Gabriel 152
Reichskommissar : 245
Erzdiöz. 3 Priester Kz. Dachau 347
Klosteraufhebung 11/272
Wiesbaden — Hadamar 11/363
Wilkinghege, Missionsschwestern ■
(Immakulataschwestern) 1^/258 ff.
Wille und Macht, HJ-Organ 88
Wihterhilfswerk (für den Hl.
V^ater) 25
Presse- Werbung 200, 375, 11/204
■Wirtschaftliche Fesseln 11/65, 319 f.
Wirtscha^tslehre, alte 11/383
Wisserischäft,. katholische 11/198
Wissenschaft und Katholizismus
• ' ' 370 ff.
Weihenblatter, Kampf gegen 205 ff.
Wbifratshaüsen, Jugendverein 168
Benefizium - 295
Vereine . n/400, 402
Wolfsberg 66
Wort Gottes:
Fesseln 11/67
Mut zur Wahrheit 11/67, 141,
146 f., 165
Württemberg:
Gemeinschaftsschule 100
, Religionsunterricht 109
Euthanasie - 11/14
Würzburg, Bischöfshof 36
Vereinsabend der Kongre-
gation 174
Fränkisches Volksblatt 200
Verfolgte Priester 333 ff.
Priester in Kz. 336, 347
Sturm auf Palais 11/281
Wunderberichte 208 f.
Zeitschriften,
'katholische beschlagnahmt
2051, 215, 219 ff., 11/323
antichristliche 235 ff.
antisemitische 236
Bekämpfung 367
Zeitungen 199 ff., 11/11
Tages- 204
Wochenblätter 205, 11/56, 319 ff.,
3231, 326
Zeitungsverleger, Reichsverbänd
deutsch. — , Geheimanweisg. 200
Zisterzienser:
Heilig^nkreuz 154
Lilienfeld 154
Zölibat 40, 41, 111, ' 138, 143, 257,
280, 11/332
Zurücksetzungen 183, 11/189
Zuschüsse, staatl., an Klerus 239
Zuständigkeit
Art. 4 Abs. 2 des RK. 11/327 f.
Das, Altarkreuz
in der „Priesterblock"kapelle des Konzentrationslagers
Dachau, der Trost und die Stärkung vieler Kreuzträger.
439
W <0W«»(y^f*^^»5'*V•^^H^^: VAWfpWMWK^W^Vny'OJ'X'VWVW.V.SJ^AVVWViyANW' V V V •.M^,M/lVJ^fT•^V'"■" w
^^/A'XA'o' s^'<t*Av^ y.- jc.s'.js' VW x^' * ^" ^ "v
•"■ir^
Das Konzentrationslager Dachau.
Auf dem freien Platz im Vordergrund X steht nunmehr
Hl. -Kreuz-Kirche,
die H. H, Kardinal Faulhaber am 23. 12. 45 einweihte.
die
Des Königs Banner tritt hervor!
Kath. Jugend bei der Münchenfer Fronleichnamsprozession, (s. S. 11/303)
440
Vliiini^i^SIIl.fiF CHICAGO
34 777 303
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Neufe^usler.
Kreuz und Hakenkreuz
Mä<^ f ^m^^^'-^^s^
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