Verzeiclmiss
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Karten etc.
Ein Cisterzienser-Buch, Gesclüchte und Beschreibung der
bestellenden u. Aufführung- der aufgehobenen Cister-
zienserstifte. Mit Hlustratiouen.
Ein Chorherrn-Buch, Geschichte und Beschreibung- der
bestehenden und Aufführung der aufgehobenen Chor-
herrnstifte. Mit Illustrationen.
Verzeiclmiss
der
Woerrschen Eeisebibliothek.
An frischen Quellen. Gedichte. 200 Seit. geb.
Gebetbuch für Reisende. 136 Seiten, geb.
do. broch.
Humoristisches in Wort und Bild. 148 S. geb.
Wanderungen in Mexico. 366 Seiten, geb.
do. broch.
Auf deutschem Boden. Eine Novelle. 123 S. geb.
do. broch.
Vater Eisenhammer. Roman. 440 S. geb.
Trautheim. Eoman. 400 Seiten. geb.
do. brocli.
Rund um den Bodensee. Der Bodensee und
seine Gescbicbte. 289 Seiten. geb.
Lustige Geschichten vom Rhein. 204 S. geb.
Schweizer Album. Eine Sammlung der inter-
essantesten Ansichten. 40 Seiten, geb.
Reisebilder aus Italien. geb.
I. Theil: Yom St. Gotthardt bis Rom. 256 S.
n. Theil : Rom. 406 Seiten.
ni. Theil : Von Neapel bis zum Brenner. 367 S.
Die Kaiserstadt an der Donau. Kleine Bilder
aus dem grossen Wien. 149 Seiten, geb.
do. broch.
Reiseerinnerungen a.Südfrankreich.3l2S.gb.
do. broch.
Reiseerinnerungen aus Spanien. geb.
I. Theil; Ton Barcelona nach Cadix. 280 S.
n, Theil: A'^on Cadix nach Irun. 285 Seiten.
I. und n. IL broch.
Wanderungen durch Vorarlberg. Mit einer
Karte von Yorarlberg. geb.
do. broch.
Nach Nordamerika und Kanada. 2 Bände,
von Land und Leute.
Schwäbische Bilder. Die Schweizer Alpen. S
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BENEDIKTINERBUCH.
GESCHICHTE UND BESCHEEIBUNG
DER BESTEHENDEN UND ANFÜHRUNG DER
AUFGEHOBENEN BENEDIKTINERSTIFTE
IN OESTERREICH-UNGARN, DEUTSCHLAND UND
DER SCHWEIZ.
VON
SEBASTIAN BRUNNEE.
MIT ILLUSTRATIONEN.
WüRZBURQ,
VERLAG VON LEO WOERL.
AGENTUB IK WIEN.
BRUCK VON B. G. TEÜBSXE IN LEIPZIG,
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1693240
Eiiileitnng.
I. Zur Entstelmiigsgescliiclite . vorliegender
Sclirift.
Der Unterzeichnete ist von dem Verlagsbuclihändler
Herrn Leo Woerl ersucht worden, eine Schrift über die ge-
genwärtig in Oesterreich- Ungarn bestehenden geistlichen
Stifte zu publiciren, und zwar sollte jedem Stifte eine
historische Skizze, eine kurze Beschreibung und eine Nach-
richt über den gegenwärtigen Bestand gewidmet werden.
Nun versammelten sich- zu Melk am 15. August 1879
Abgeordnete aus den Benediktinerstiften in Oesterreich-
üngam, in Deutschland und der Schweiz, um bei Gelegen-
heit der 14. Säkulaffeier des Ordens i. J. 1880 literarische, -
auf denselben Orden bezügliche Erscheinungen zu verah-i
lassen. Die Versammlung wählte sich zu ihrem Präses :
den P. T. Herrn Abt zu Melk Alexander Karl, welcher:
zur Ausführung dieses Vorhabens die Abgeordneten der'
Stifte zuvorkommend nach Melk geladen und für den freund-
lichsten Empfang derselben edle Fürsorge getroffen hat. ;
Der Herausgeber dieses, welcher während dieser Zu-:
sammenkünffc in Melk anwesend war, ersuchte die abge-
ordneten Herren Capitularen, es möge jeder entweder über;
sein Stift eine historische Skizze xmd Beschreibung an-'
fertigen , öder für diese Arbeit einen andern Mitbruder ge- •
winnen, und es möge jeder Herr Autor durch die Unter-'
fertigung seines Namens die Verantwortlichkeit für seinen
Artikel übernehmen.
Das Ansuchen wurde von allen Seiten freundlich auf- •
genommen und auf diese Weise ist vorliegende Schrift
entstanden.
.Eine fernere Schrift über die in Oesterreich- Ungarn
noch bestehenden ChorheiTen-, Cistercienser- und Domini-
kaner soll nachfolgen.
_ 4 —
n. Das Wirken des Benediktiner-Ordens im
Allgemeinen.
Was die Söhne St. Benedikts für wahre Cultur und
christliche Gesittung, für Wissenschaft und Kunst geleistet,
lässt sich nicht abstreiten. Sie haben in den Wildnissen
den Boden urbar gemacht; sie haben im eigentlichen Sinne
die Geschichte, Philosophie und Dichtkunst der alten klassi-
schen Völker in den Stürmen barbarischer Zeiten gerettet,
die Werke der ersten christlichen Jahrhunderte, Schriften
der Kirchenlehrer imd Historiker sind gerade durch die
Benediktiner-Kloster schulen und -Abschreiber dem Unter-
gänge entrissen worden. Die Verdienste der Benediktiner
um die Rechtswissenschaft sind bisweilen selbst Rechts-
gelehrten nicht bekannt. Löher (k. Archivdirektor in Mün-
chen) sagt über Archiv und Bibliothek in Montecasino:
„M. wurde die Zeitwarte, auf welcher jedes fortziehende
Jahrhundert seine Schriftstücke, jedes Jahrhundert seine
Briefe an das folgende niedergelegt. Welcher Jurist kennte
nicht die Formelbücher, jene ältesten Zeugen der Ver-
mählung zwischen deutschen und römischen Rechts-
anschauungen. Von der Rechtsschule auf Montecasino
nahmen sie ihre Wege nach England , Frankreich und über
die Alpen."
Die wissenschaftlichen Leistungen der Mauriner-Con-
gregation in Frankreich, welche 124 Abteien und Priorate
zählte, haben sich einen welthistorischen Ruhm erworben.
Als steinerne Monumente ragen die Ordenshäuser aus hun-
dert- und mehr als tausendjähriger Vergangenheit noch in
die Gegenwart hinein. Die Häuser derselben haben fast
durchgängig wie auch die andern alten Stiftungen in
Oesterreich-Ungarn grossmüthigen Landesfürsten oder dem
alten begüterten Adel ihren Grundbesitz zu verdanken,
welcher ihnen zuvorkommend, ohne dass sie darum ge-
beten, geschenkt worden ist. Der grossmüthigen Spender
eingedenk, haben sie in der Regel ihr Einkommen in
würdiger Weise zum Wohle ihrer Mitmenschen verwendet,
in ihren Schulen sich der Jugenderziehung ohne Entlohnung
gewidmet, auf den ihren Häusern incorporirten Pfarren
die Seelsorge versehen, die Armenpflege und Gastfreund-
— 5 —
Schaft im ctiristlichen Sinne edelmütliig geübt, sie haben
dabei, insoweit es die andern Berufspflichten gestattet,
das gemeinsame Chorgebet nicht Ternachlässigt , und im
Verkehr mit andern Orden, wie mit Weltpriestern und
Laien, insoweit es ohne Pflichtverletzung nur möglich war,
den gottwohlgefälligen Frieden zu erhalten gesucht. Einen
wesentlichen Faktor in der Aufgabe des Ordensmannes
— das Zurückgezogensein von den Händeln der Welt —
haben sie im Ganzen und Grossen, in der höchsten Blüthe
wie im zeitweiligen Verfalle des Ordenslebens, immer zu
wahren gewusst. Nie haben sie sich an die Grossen und
Mächtigen der Welt herangedrängt, von politischen Hän-
deln sich immer so fem als möglich gehalten und auch
die gefürsteten länderbesitzenden Aebte haben im Vergleich
mit andern Reichsfürsten in den allerseltensten Fällen mit
ihrer Gewalt auf Kosten Anderer einen Missbrauch getrieben.
Sind bisweilen Aebte oder Capitularender Benediktiner
von Fürsten in ihren Rath gezogen oder um ihren Rath
gefragt worden , so haben auch diese von ihrem Einfluss
keinen Gebrauch zum Schaden Anderer gemacht, und so
haben sie zumeist, wie es einer alten grossen ari&tokratischen
Familie würdig ist, den noblen, ehrenhaften und uneigen-
nützigen Charakter ihres Ordens hoch gehalten.
Weil sie nun zudem in ihren Sängerschulen begabten
Kindern armer Eltern das Studium ermöglicht, so dass
viele Diener der Kirche und des Staats: Priester, Juristen,
Staatsmänner, Aerzte und Lehrer an Hochschulen ihnen,
ihr Lebensglück und ihre Stellung in der Welt zu ver-
danken hatten , so sind St. Benedikts Söhne im Allgemeinen
immer beliebt gewesen, ein Umstand, der gewiss auch
beigetragen, dass die Häuser der Benediktiner manche
Stürme überdauern konnten, die in irreligiösen Zeiten über
geistliche Institute hereingebrochen sind.
Quellenkenner der Geschichte werden zugeben, dass
die hier im Allgemeinen ausgesprochene Anerkennung des
Ordens noch dürftig ist und weit hinter den Verdiensten
desselben zurückbleibt.
In Oesterreich sind die Benediktiner den Landesfürsten,
besonders in den schwierigsten Lagen und Bedrängnissen,
so oft mit pekuniärer und sonst thatkräftiger Hiüfe bei-
gestanden und haben oft so bedeutende Kriegscontributionen
geleistet, dass viele Ordenshäuser jahrelang in Erschöpfung
ihrer materiellen Mittel zwischen Sein und Nichtsein schwe-
ben mussten.
Nur noch ein Beispiel von der edlen Aufopferung und
üneigennützigkeit des Ordens aus neuester Zeit. Der Abt
Wimmer hat in Amerika durch die Mühe der Priester und
der Laienbrüder seines Ordens neue Seelsorgestationen
gegründet^ und nachdem die jeweilige Gründung festen
Fuss gefasst, diese den betreffenden Bischöfen zur Yer-
fügung gestellt, welche diese Gründungen mit Weltpriestern
oder Priestern anderer Orden besetzen konnten. Ein so
uneigennütziges opferwilliges Arbeiten im Weinberge des
Herrn, in der reinsten und edelsten Absicht, verdient doch
sicher hervorgehoben zu werden. Man könnte es frei-
willige Roharbeit nennen, die ohne irgend eine Eücksicht
auf irdischen Erfolg — für die Personen und für die Corpo-
ration — nur in der Hoffnung auf Gotteslohn unternommen
und durchgeführt werden kann. König Ludwig von Bayern
beginnt die Stiftungsurkunde von St, Bonifaz in München
mit den Worten: (4. Novbr. 1856) „Wir haben beschlossen,
eingedenk des grossen Nutzens, welchen der Benediktiner-
Orden seit so vielen Jahrhunderten der Kirche^ dem Staate,
und durch seine Forschungen der Wissenschaft gebracht,
in der Haupt- und Residenzstadt eine Abtei zu gründen."
Gewiss ein schönes. Zeugniss von Seite eines Königs
neuester Zeit, der sich selber zm* Lebensaufgabe gemacht,
Künste und Wissenschaft zu fördern.
Es erscheint geradewegs als eine Pflicht, auf das Wir-
ken dieses ältesten Ordens eben bei Gelegenheit seiner
1400 jährigen Säcularfeier, um der historischen Gerechtig-
keit willen besonders hinzuweisen, um so mehr, weil eine
Schule von modernen Kirchengeschichtsschreibern, die nach
und nach den Markt ausschliesslich in Anspruch nehmen
zu wollen scheinen, die neueren Orden auf Kosten der
alten hervorzuheben sucht und das Wirken der alten Or-
den entweder ganz todt zu schweigen, oder doch es herab-
zumindern sich berufen fühlt.
Wir sind sicher nicht gewillt, die wirklichen Verdienste
irgend einer geistlichen Genossenschaft zu verkleinern oder
um die verdiente Anerkennung bringen zu wollen, sondern
wollen nur den ehrenhaften Grundsatz zur Geltung bringen :
— 7 —
man müsse überall für die historische Gerechtigkeit ein-
stehen und sich nie aus Parteisucht zu Entstellungen der
Wahrheit oder zu Schönfärbereien verleiten lassen, welche
der Kirche von jeher immer mehr geschadet haben, als
sie ihr nützlich gewesen sind. Zudem hat der Herausgeber
dieser Schrift den Benediktinerorden von Kindheit an kennen
gelernt, und ist von je schon aus Dankespflicht zu dem-
selben in freundlichen Beziehungen gestanden. Sein väter-
liches Haus liegt auf stiffc-schottischem Grunde in Wien,
nach vormärzlichen Anschauungen ist er als ein herrschaft-
lich stift-schottiseher Unterthan geboren worden und sol-
cher bis 1848 geblieben, in welchem Jahre die Patrimonial-
herrschaften durch die Revolution hinweggefegt wurden.
Seine Katecheten in der Volksschule sind Benediktiner ge-
wesen. Er hat den sechsjährigen Gymnasialcurs im Bene-
diktinergymnasium bei den Schotten in Wien durchgemacht.
In der Folge besuchte er die historisch denkwürdigen
Stellen, wo St. Benedikt geweilt, er war in der heiligen
Grotte bei Subiaco, und auf der Bergkrone des Monte-
casino. — Wenn man nun aus Dankbarkeit die wahren Ver-
dienste eines Ordens anerkennt, so braucht man deshalb
noch nicht von der historischen Wahrheit abzuweichen
und sich zu einer doch am Ende nur unnützen Lobhudelei
verleiten lassen.
Was nun hier über das Wirken des Benediktiner-
ordens in Oesterreich bemerkt wurde, das verdient dieser
schon als der älteste in chronologischer Ordnung; dass
sich die Chorherren, Cistercienser und Dominikaner als
alte begüterte Orden in Oesterreich ähnlicher Verdienste
rühmen können, soll in einer nachfolgenden Schrift eben-
falls historisch dargelegt werden.
Es kann uns nach unserm zuvor ausgesprochenen
Grundsatz hier nicht einfallen, zu beschönigen oder in Ab-
rede stellen zu wollen, dass es Zeiten gegeben hat, in
denen Häuser des Benediktinerordens in Verfall geriethen.
Das ist auch bei andern Orden vorgekommen, und zwar
folgerichtig gerade bei geistlichen Genossenschaften, deren
Statuten nicht absolutistisch sind und in denen auch der
persönlichen Freiheit ein Spielraum überlassen bleibt. Nun
hat aber der Geist des Ordens auch in solchen Fällen schon
oft seine verjüngende Kraft gezeigt, mit welcher er von
— 8 —
innen heraus verjüngen und erneuern kann; denn was
von aussen einem Organismus aufgezwungen wird, das ist
bisher noch immer misslungen.
Wir sehen, dass Stiftungen besonders bei Frauenklöstern
von Fürsten oder Adeligen für Adelige gemacht wm-den.
In jener Zeit mögen auch Gründe vorhanden gewesen sein,
welche derlei Stiftungen in etwas rechtfertigen konnten,
wir werden auf diesen Umstand noch später zu sprechen
kommen. Um die Schrift zu vervollständigen und dieselbe
einerseits für historische Zwecke behufs des Benediktiner-
ordens zu einem Nachschlagebuch zu machen, andrerseits
die Momente zum weiteren Nachforschen an die Hand zu
geben, hat der Herausgeber auch die in Oesterreich-Ungarn,
Deutschland und 'der Schweiz aufgehobenen Stifte hier
aufgeführt, wie er hierüber in historischen Schriften, die
am geeigneten Orte bezeichnet werden , Andeutungen oder
Aufschlüsse gefunden hat.
III. Die aufgehobenen Herrenstifte in den
,. dermaligen österreiclilselien Erblanden.
, Arnoldstein. Arnold schenkte seine Burg dem Hoch-
stifte Bamberg zur Zeit Gregor VE. und Heinrich IV.
Bischof Otto von Bamberg aus dem Hause Andechs machte
aus der Burg ein Benediktinerkloster. Die grössten Miss-
geschicke dieser Stiftung waren elementarer und barbari-
scher Natur. (Der Bergsturz des Dobratsch und die Türken-
plage.) Wagner in seinem Album für Kärnthen beschreibt
das furchtbare in Eärnthen allgemein bekannte Ereigniss
wie folgt: „Jener furchtbarer Bergsturz des Dobratsch i. J.
1348, welcher noch jetzt in der Geschichte Kärnthens als
einzig • in seiner Art widerhallt , ereignete sich im Ange^
sichte des Stiftes kaum eine Meile davon entfernt. Abt
Fiorimund, dem ungewöhnliche Erscheinungen in der Natur
ein ausserordentliches Ereigniss ahnen Hessen, stand an
seinem Fenster und beobachtete die ungemein trübe' und
drückende Atmosphäre des 25. Januar. Da neigte sich der
Berg, der dadurch erzeugte Windsto.ss schleuderte ihn zu-
rück, und schon meinte er sich und Alles untergegangen
im Einstürze der Erde, so gewaltig bebte sie. Einem
— 9 —
Vulkane gleich, hatte der Bergsturz das Kloster und diQ
Umgegend mit Staub und Erde bedeckt und -weithin bis
zur Quelle dieses grässlichen Unglücks sahen die aus
ihrem todähnlichen Zustande erwachten ße-wohner des
Stiftes nur Schutt und Trümmer. Ein grosser Theil seinei
Unterthanen, Dörfer und Weiler -waren in ewige Nacht
begraben. — Bischof Leopold von Bamberg schenkte dem
verarmten Stifte 52 Hüben Landes. 1476 hielt das Stift,
durch einen vortrefflich organisirten Vertheidigungszur
stand , die im Lande einfallenden Türken vom Stift und
den Gehöften desselben zurück. Unter den Aebten war
Aemilian von Aineth ein gerühmter Alterthumsforscher
(1727) und sein Nachfolger Benedikt Kittelberger ein aus-
gezeichneter Rechtsgelehrter. — 1783 wurde das Stift auf-
gehoben, (das Vermögen auf 155,917 /. geschätzt) und ver- .
kauft. Der Erlös wurde dem Kärnthner Religionsfond ein-
verleibt. Das Gebäude, ist jetzt Sitz des Bezirksgerichts.
Garsten war 977 eine Pfarrkirche des Bisthums Lorch.
Ottokar III. stiftete hier 1082 weltliche Chorherrn, aber
schon 1107 wurde das Gotteshaus unter Ottokar IV. den
Benediktinern übergeben. Der erste Abt 1110- war Bert- .
hold Graf von Würtemberg, früher mit Adelheide Gräfin,
von Lechsmund vermählt, Hess er sich ins Stift St. Blasien
aufnehmen. Er starb im 80. Lebensjahre im Rufe der Hei-
ligkeit. Unter Abt Günther feierte .1170 Firiedrieh Barba-
rossa den Palmsonntag in Garsten, worauf der Abt als
Erbhofkaplan von Steyer bestä,tigt wurde. : Als Steyer.: zu
Oberösterreich kam , ging, dieser. Titel: bei Aufhebung des
Stiftes auf St. Florian über (PreuenhuberAnnalen). Am
1. Mai 1787 wurde das Stift aufgehoben. Jetzt hausen im
Kloster 800 bis 900 Sträflinge von 90 Mann Zuchtmeistern
bewacht. Der grosse. Prunksaal dient als Kirche.
Grleink, Die ersten Schritte zur Stiftung geschahen
durch Arnhalm von Glunek und durch den Markgrafen
Ottokar IV. in Steyer. Markgraf Leopold, Ottokars Nach- .
folger, realisirte auf Arnhalm s Grund und. Boden 1125 das
fromme Vorhaben. Der erste Abt Ulrich war ver-vvandt
mit dem h. Berthold zu Garsten. Abt Wolfgang (1436—
1458) erhielt für die Aebte von Pius IL Inful und Stab.
Das Stift erlag unter Joseph II. 1784 dem allgemeinen Klo-
sterstunn. Das Gesammtvermögen geschätzt. auf 222,056 />
— 10 —
1792 wurde Gleink als Dotationsherrschaft dem Bischof
von Linz zugewiesen. Bischof Ziegler überliess das Gebäude
1832 den von ihm berufenen Salesianerinen, welche hier
eine Erziehungsanstalt gründeten.
Grloknitz. Das grosse Gebäude beim Beginn der Sem-
meringer Bahnfahrt gehörte seit 1094 dem Benediktinerstift
Varnbach am Inn in Bayern, in der Regel weilten hier 5
Capitularen und ihr Vorgesetzter wurde Präpositus (Probst)
genannt. Abt Rümpler von Varnbach weilte hier bisweilen
und nannte das auf einem Berge gelegene und mit einem,
Bergkranze umgebene Haus sein Curifugium (Sorgenfiucht).
Unter Joseph verfiel es der Aufhebung, das Gebäude wurde
verkauft.
Mehrerau.*) (Von 610 bis 1807 Benediktinerstift). Kaum
eine halbe Stunde westlich von Bregenz liegt am Bodensee
das Stift Mehrerau. In seiner jetzigen Gestalt ist es so-
wohl wegen seiner herrlichen Lage, als durch den schönen
regelmässigen Bau eine der schönsten Zierden der Gestade
des deutschen Meeres. — Den durch das südliche Portal
Eintretenden nimmt ein grosser Hofraum auf, in dem sich
gegen 90 Zöglinge tummeln. Zur Rechten steht das Con-
ventgebäude, das mit der neuen romanischen Kirche ein
Viereck bildet; zur Linken ist das langgestreckte Schul-
gebäude mit den Unterrichts-, Studien- und Schlaflokali-
täten der Zöglinge, während die beiden kürzern Seiten des
Hofes, die nördliche und südliche durch Oekonomiegebäude
abgeschlossen sind.
Es war im Jahre 610, als der h. Columban aus Luxeuil
vertrieben unter Führung des Priesters Willimar von Ar-
bon nach langen Irrfahrten hier landete. An der Stelle
des jetzigen Klosters fand er eine durch Götzendienst ent-
weihte christliche Kirche, bei der er sich mit seinen Ge-
nossen, den gallischen und irischen Mönchen, niederliess
und vorläufig Holz- und Laubhütten baute. Bald kam das
heidnische Tempelfest heran, das Columban zu einem Be-
kehrungsversuche zu benutzen gedachte. Sein Schüler Gal-
lus, der die alemannische Sprache vollständig inne hatte,
predigte der aus Heiden und unwissenden, abgefallenen
*) Diese Skizze über Mehrerau wurde dem Herausgeber vom Cister-
cienserpriester zu Mehrerau H. H. Laurenz Wocher eiugesendet.
— 11 —
Christen gemischten Bevölkerung, die zum Feste gekom-
men war, und machte solchen Eindruck, dass er es wagen
dm-fte, nach Beendigung der Predigt die im Tempel be-
festigten Erzbilder Wuodans, Thors und Freyas herab-
zureissen, zu zerschlagen und in den See zu werfen. So-
gleich weihte Columban die Kirche neu zu Ehren der hl.
Aurelia ein, deren Gebeine er im Altare einschloss, und
feierte sodann die hl. Messe, worauf sich die Menge zer-
streute, glücklich über die erlangte Erkenntniss ; nur wenige
Heiden entfernten sich unter Drohungengegen die Fremdlinge.
Alsbald begann der eigentliche Klosterbau nach dem Muster
von Luxeuil. Die Mönche, die unter der strengen Regel des
hl. Columban lebten, übten theils verschiedene Handwerke
und Künste, theils zogen sie unter Führung des hl. Gallus
im Lande umher, um das Evangelium zu verkünden; wie-
der andere beschäftigten sich mit Ackerbau und Land-
wirthschaft und unterrichteten hierin die Bevölkerung der
Umgegend. -^ Auf einer seiner Missionsreisen nach dem Bre-
genzerwald bekehrte Gallus auch eine Jungfrau, der er in
der hl. Taufe den Namen Haberilia gab. Diese folgte ihm
nach seinem Kloster nach und hat ihn, ein ganz der christ-
lichen Vollkommenheit gewidmetes Leben führen zu dür-
fen. Gallus wies ihr in der Nähe des Klosters eine Ein-
siedelei an, und gab ihr den Schleier als Liclusa. Ihr Bei-
spiel zog bald mehrere ihres Geschlechtes an, so dass
Gallus es für nöthig fand, Columban zu bitten, für die
Jungfrauen ein eigenes Kloster neben dem andern zu bauen.
Dies geschah und Haberilia ward die erste Aebtissin des
Frauenconventes.
So lebten und wirkten die Mönche hier drei Jahre lang,
bis nach dem Tode Theudeberts von Austrasien Theude-
rich, der Feind Columbans, der ihn aus Luxeuil vertrieben,
Herr Alemanniens wurde. Jetzt begannen die noch übrigen
Heiden ihre Feindseligkeiten und verklagten die Mönche
bei Herzog Gunzo in Ueberlingen als Zerstörer der Wälder
und Beschädiger der königlichen Jagden, worauf sogleich
ein Ausweisungsbefehl an Columban abging. Die heidni-
schen Einwohner gaben demselben Nachdruck, indem sie
zwei Mönche des Klosters erschlugen, die später als Mär-
tyrer verehrt wurden. Columban zog, von Attalus allein
begleitet, nach Italien und gründete das Kloster Bobio,
— 12 —
die gallischen Mönche kehrten mit Chagnoald und Ensta-
sius nach Luxenil zurück, während andere sich zerstreuten
oder zum Schutze und zur Seelsorge des Frauenconventes
zurückblieben, Sigebert gründete Dissentis in Graubün-
den, Gallus St. Gallen. So blieb Mehrerau, resp. das
„Kloster Bregenz", ein Frauenkloster, das unter Haberilia
stand, obwohl noch Mönche da waren, wie dies in Irland
fast überall war, bis Gallus nach der Heilung der Tochter
Gunzos, Friedeburga, die Oberleitung wieder übernehmen
und mehr Mönche senden konnte. Dasselbe Verhältniss
bestand unter Magnus fort. Als dieser aber als Prediger
ins AUgäu zog, ward wieder ein eigener Abt in Bregenz
eingesetzt. Von ihm und seinen Nachfolgern bis zum Jahre
1079 sind nur mehr die Namen bekannt. Wann hier die
Benediktinerregel eingeführt wurde und wann der Frauen-
convent aufhörte, ist nicht mehr zu ermitteln. "Wahr-
scheinlich geschah beides im Jahre 1079, als Abt Wilhelm
von Hirschau seinen Mönch Gottfried mit mehreren Ge-
nossen sandte, um dem Kloster innerlich und äusserlich
aufzuhelfen. Gottfried wurde zum Abt gewählt, und er-
füllte seine Aufgabe vollkommen. Doch, sei es durch Zer-
störung im Kriegszuge Abt Ulrichs gegen die päpstlich ge-
sinnten Grafen von Bregenz, sei es durch anderes Unge-
schick verwüstet, bedurfte das Kloster schon am Ende
desselben Jahrhunderts wieder einer Aufhilfe. Diesmal
war es Graf Ulrich VIII. von Bregenz, der Schirmherr-
selbst, der das Stift von 1097 — 98 neu aufbauen Hess, und
nachdem er vor dessen Vollendung gestorben, der Erste
dort seine Ruhestätte fand. Die Mönche postulirten den
Mönch Meinrad von Petershausen als Abt (reg. von 1098 —
1139) und begannen ihr Streben aufs neue. Das noch arme
Stift nahm so zu an Einkünften, dass in einer Bulle vom
17. September 1249 schon 65 grössere Besitzungen aufgezählt
sind, darunter die Pfarren Bregenz, Mederstauffen, Weiler,
Grünenbach, Eöthenbach, Sigmaringen dorf, Sarganz. Die
Propstei Lingenau u. a. war schon seit ihrer Entstehung
unter unmittelbarer Leitung, des Stiftes; die Anzahl der
Patronatspfarreien erreichte bis um die Mitte des 16.
Jahrhunderts eine bedeutende Höhe. In Alberschwende
war zu Anfang des 12. Jahrhunderts der Mönch Merbar
von Mehrerau Pfarrer und starb dort den Martertod und
— 13 —
wird von der Bevölkerung heute nocli als heilig verehrt.
Auch Andelsbuch, Bezau (Ellenbogen), Au, Gestraz und
seit 1464 auch Schwarzenberg und Mellau sowie die Jüngern
Pfarreien der Umgend gehörten zum Stifte.
Nach dem Aussterben der Grafen von Bregenz über-
nahmen ihre Nachfolger, die Grafen vonMontfort, den Schutz
des Klosters und viele derselben sind auch unter den
Wohlthätern verzeichnet. — Die nächste Störung ent-
stand in Mehrerau durch die Stellung des Stiftes auf die
päpstliche Seite im Kampfe zwischen Conrad IV. und In-
nocenz IV. Unversehens wurde es im Jahre 1245 von den
Kaiserlichen überfallen, geplündert und niedergebrannt;
dadurch ging auch Bibliothek und Archiv zu Grunde. Das
mit Hülfe anderer Klöster imd der Grafen von Montfort
wieder aufgebaute Stift nahm der päpstliche Stuhl in meh-
reren aufeinanderfolgenden Bullen in Schutz.
Fast drei Jahrhunderte gingen ohne grossen Schaden
vorüber, bis die Schweizerkriege losbrachen, in denen das
Kloster in beständiger Gefahr schwebte und einmal nur
durch tapfere Hülfe der Bregenzer vom Untergang gerettet
wurde. So brausten die Stürme, wenn auch oft scharf,
so doch ohne gänzlichen Untergang des Hauses vorüber,
so dass es, aussen und innen starke die Glaubensspaltung
erwarten koimte. Mehrerau stellte im Glaubenskampfe
mehrere ausgezeichnete Kämpfer, wie z. B. den nachma-
ligen Abt Ulrich Motz, der als Probst von Lingenau 17 Jahre
lang (1515 — 1533) den Bregenzerwald predigend durchzog
und sich für die Erhaltung des Volkes im Glauben grosse
Verdienste erwarb. P. Jakob Gruoss rottete 1630—39 als
Pfarrer in Au (Japhausen) die Wiedertäufer im hintern
Bregenzerwalde aus ,* überhaupt litt keine Mehrerauer Pfarrei
in dieser Hinsicht Schaden.
Arge Bedrängniss brachte dem Stifte der 30jährige
Krieg. Durch die Verwüstungen desselben wurde das Stift
auf viele Jahre hinaus fast sämmtlicher Einkünfte be-
raubt, während zahllose Flüchtlinge das Vorhandene auf-
zehrten. Es regierte damals der ausgezeichnete Abt Pla-
cidus, ein intimer Freund des hl. Fidelis, des Protomar-
tyrers der Propaganda, dessen Leben er auch schrieb und
der endKch selbst im Rufe der Heiligkeit starb. Da
speisten täglich 90—100 Gäste in Mehrerau ;, meist ge-
— 14 —
flüclitete Ordensleute, darunter an einem Tage 7 Aebte und
Fürsten. Dadurch, und durch die unmässigen Beitrags-
forderungen der Beamten sowie durch die endliche Plün-
derung durch die Schweden im Jahre 1647 wurde das Stiit
gänzlich, erschöpft und war nacli dem 30jährigen Kriege
ärmer als je. Das Kloster selbst hatte nur die ausser-
ordentliche Klugheit und Kühnheit des Priors und Chro-
nisten Dr. Franz Ransperg vom gänzlicuen Untergang ge-
rettet. Das Archiv hatten die in die Schweiz geflohenen
Capitularen mit sich genommen und so gerettet.
Auch St. Gallen musste zweimal zu Mehrerau seine
Zuflucht nehmen; das erste Mal war es Abt Kilian German,
der im J. 1529 hieher flüchtete und am 30. August 1530
hier beerdigt wurde. An seinem Grabe wählten die Con-
ventualen den Abt Diethelm Blarer. Das zweite Mal wurde
im J. 1717 Abt Leodegar, der in Neuravensburg gestorben
war, hier begraben und sein Nachfolger Joseph von Ru-
dolphis gewählt. Auch Abt Andreas Vogt von Ottobeuren,
der am 5. März 1633 in Lindau starb, ward hier beerdigt.
Nach dem Schwedenkriege begann wieder neues Leben.
Ransperg bearbeitete die Geschichte und lieferte die Haupt-
quellenwerke der Geschichte Vorarlbergs. P. Apronian
Hueber, einer der gelehrtesten Benediktiner seiner Zeit,
schrieb ausser den zahlreichen Beiträgen für Pez, Herrgott
und andere, mehrere theologische Werke und geschicht-
liche Abhandlungen. Langenauer, Hellbock und D. von
Cabalzar schrieben ascetische, Abt Franz I., Pappus von
Tratzberg etc. theologische "Werke. Abt Magnus IL ver-
ordnete im J. 1711, dass in Zukunft niemand Mitglied des
Kapitels werden könne, wenn er nicht, bis die Kirche an-
ders entscheide, gelobte, die unbefleckte Empfängniss zu
vertheidigen.
Erst die Franzosenkriege des letzten Jahrhunderts
brachten neue Störung und Plünderung über Mehrerau und
erschöpften dessen Einkünfte durch die beständigen Con-
tributionen.
Als das schwere Gewitter sich über Oesterreichs Klöster
unter Kaiser Joseph II. zusammenzog, begann auch Meh-
rerau Vorkehrungen für seine Erhaltung zu treffen. Schon
war das Aufhebungsedikt erlassen, als Abt Benedikt, der
zur Vorsorge die bis 1604 bestandene und dann mitBregenz.
— 15 —
vereinigte Klosterpfarre wieder hergestellt hatte, durch
alle möglichen Vorschläge und Anerbietungen , mit geist-
licher und weltlicher Hülfe noch im Stande war, das Edikt
als „ staatsnachtheilig und falsch motivirt" wieder rück-
gängig zu machen und so die Fortdauer des Stiftes zu
sichern, leider nur, um einem andern Feinde anheim
zu fallen.
Eben stand die Kirche, seit 1738 durch Abt Franz I.
neu erbaut, vollendet da, eben war auch das Convent-
gebäude mit dem Aufwand der letzten Kräfte und mit
fremder Hülfe neu aufgeführt (von Abt Johann Yl. 1774
— 81) und eben hatte das Streben neu begonnen, die Schule
stand ehrenvoll da, da starb der 62. und letzte Abt Franz IL
am 8. März 1805. Am 21. April d. J. sollte schon die Neu-
wahl stattfinden, als unerwartet die Regierung Schwierig-
keiten machte und eine Commission sandte, um den Ver-
mögensstand des Stiftes zu untersuchen. Doch die Relation
fiel sehr günstig aus und schon lag die Wahlbewilligung
in Innsbruck, als durch den Frieden von Pressbnrg am
26. December 1805 Vorarlberg Bayern zugesprochen wurde.
Schon Anfangs April 1806 nahm Bayern das Inventar des
Stiftes auf. Auf den letzten Rettungsversuch, das Aner-
bieten, aus dem Kloster eine Lehrerbildungsanstalt zu
machen, erfolgte am 26. August 1806 als Antwort die Er-
klärung, dass am 1. September d. J. der Klosterverband auf-
höre und die Conventualen am 28. Februar 1807 das Ge-
bäude zu räumen hätten, um sich entweder ohne Habit
dem Weltpriesterstand zu widmen oder mit demselben in
ein Centralkloster einzutreten.
Kaum war die Sentenz gesprochen, als man die Biblio-
thekräume und die Bücher in die feuchten Löcher des
Erdgeschosses werfen Hess , um dem Volke , während noch
die Mönche im Kloster waren, eine Tanzbelustigung im
geräumigen Bibliotheksaal zu bereiten. Die Leute der Um-
gegend holten sich ganze Karren voll Bücher aus den un-
verschliessbaren Räumen, so dass bei der bald folgenden
Versteigerung selten ein Werk mehr vollständig war. Die
Theologie wanderte grösstentheils auf einen grossen Hau-
fen, den alte Augenzeugen mit der Grösse einer Scheuer
verglichen, um den Flammen preisgegeben zu werden.
Alles Bewegliehe und Unbewegliche, mit Ausnahme des
— 16 —
Waldes , den der Staat anneetirte , und des Feldes um das
das Kloster herum wurde versteigert. Die Mönche selbst
mussten sich, eine Kuh mit Futter, sowie Getreide, Wein,
Holz, Küchen- und andere Einrichtung kaufen, um über
den Winter leben zu können. Die Kirche sollte für die
Bewohner von Vorkloster und Rieden Pfarrkirche werden;
diese aber zogen es vor, nach Bregenz zu gehören. Am
22. Febr. 1807 wurde der letzte G-ottesdienst in der Stifts-
kirche gehalten und nach der Predigt des P. Qallus Hasler
über den Text: „Es ist vollbracht!" die Lichter gelöscht,
die Altäre entkleidet und die Kirche geschlossen. Die
Klosterpfarre kam zu Bregenz, Das Kirchensüber wanderte
angeblich nach München, die Altäre, Paramente, Glocken,
Chorstühle , die Uhr und die Orgel wurden an umliegende
Kirchen veräussert. Das Archiv wurde, soweit einschlägig,
an die betreffenden Steuerämter abgegeben und der Rest
im Steueramte zu Bregenz in grossen Bündeln verwahrt,
bis er gegen Revers an das Landesmuseum in Bregenz
überging. Die Anniversarien des Stiftes musste gegen
einige Kisten voll Bücher das Priesterseminar in Brixen
übernehmen. Nachdem auf einen billigen Anschlag sich
anders als auf Abbruch kein Käufer fand, wurde auch die
Kirche dazu geboten. Um einen Spottpreis ging so das
Gebäude sammt der Kirche in Privathände über, und der
Käufer schlug aus dem Kupfer, das an der Kirche war,
allein den ganzen Kaufpreis heraus. Am 7. December 1808
wm-de der Thurm gestürzt. Dieser Sturz verursachte in
der ganzen Gegend eine solche Erschütterung, dass man
sie auf eine Entfernung von 2 — 3 Stunden deutlich spürte
und für ein Brdbeben hielt. Der Thurm war aus ver-
schiedenfarbigen Steingattungen und abwechselnden Säulen-
reihen bis zu beträchtlicher Höhe geführt und war eine
der schönsten Zierden des ganzen Seeufers, weshalb sein
Sturz so allgemeine Wehmuth hervorrief. Dem Thurm
folgte die Kirche, deren Baumaterial zum Hafen von Lindau
verwendet wurde. Dahin kamen auch alle alten Grab-
steine u, dgl., um in den See versenkt zu werden, wo-
durch ein Portalstein, der jetzt im Hafen zu sehen ist,
eine für die Stürme auffallende Bedeutung erhielt durch
die Inschrift: ,,Ingredimini per portas has!"
Das Gebäude selbst diente zu nichts, bis es die Be-
— 17 —
*
sitzer Adlerwirfch. Braun und Dr, Schneider in Bregenz auf
Anrathen des Grafen Breisach dem Lande verkauften —
wenn auch, ohne Geld, so doch, durch Kaufvertrag. Das
Kloster wurde „Karolinenau" genannt und der Königin
Karoline von Bayern zum Geschenke gemacht, mit dem
Verspreclien, es „zu einer reizenden Besitzung" umzuge-
stalten. Dadurch, sollte der König von Bayern begütigt
werden wegen des Aufstandes. Als aber die Königin mit
dem König einmal durchreiste, blieb sie in Bregenz, wäh-
rend der König das Gebäude besah. Sie hatte nämlich,
früher, als das Kloster nocli bestand, gesagt: so ein Land-
sitz würde ihr gefallen; sie verabscheute jedoch den Ge-
waltakt und wollte denselben durch Besuch des Ortes nicht
gutheissen. — Als Vorarlberg wieder österreichisch ge-
worden, wusste man mit dem Gebäude nichts anzufangen
und liess es halb verfallen. Vom Volke wurde es als herren-
loses Gut angesehen und sogar die alten eisernen Klam-
mern aus den Dachstühlen gestohlen. Nachdem es zu ver-
schiedenen Zwecken verpachtet gewesen, wurde es um
17,500 /. (!) ausgeschrieben, wobei das heutige Schul-
gebäude zu 500 /. angeschlagen war. Um diesen Preis
übernahmen es sammt dem umliegenden Grunde die Ge-
brüder Feuerstein aus dem Bregenzerwald und vermietheten
es bald zu industriellen Zwecken, bald als Wohnung für
Privatleute. Gegen Ende der 40 er Jahre miethete es die
Stadt als Kaserne und bezahlte für jeden Soldaten täglich
einen Silberkreuzer.
Im Jahre 1853 ward Abt Leopold von Wettingen, der
schon 12 Jahre nach einer neuen Heimat suchte, auf
Mehrerau aufmerksam gemacht. Er ging darauf ein und
suchte das Gebäude zu erwerben. Mit vieler Mühe gelang
es ihm, unter Beistand von geistlicher und weltlicher Seite,
den Kauf statt um 50,000 um 48,000 /. abzuschliessen. Der
Kaiser sprach zum Abte: „Ich freue mich, dass Sie in meine
Lande gekommen und ich glaube, dass sich auch mein Volk
in und um Bregenz freuen wird." Nach vorläufigen Vor-
bereitungen war es möglich, schon am 18. October 1854
den Cistercienser-Convent feierlich zu eröffnen. Mit reich-
licher Unterstützung von Nah und Fern gelang es, eine
schöne, romanische Kirche neu herzustellen, so dass das
Kloster wieder hergestellt war. Die Vollendung erreichte
Ein Benediktinerbuch. 2
— 18 —
es im Jalire 1872 , als der Tliarm wieder aufgebaut wurde.
Noch lebte nach der Wiederherstellung des Klosters der
jüngste Conventual P. Martin Fritsch, der herbeieilte, um
nun als Greis die Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches
zu schauen und dann gerne zu sterben. So ist nun Meh-
rerau die einzige und letzte Stätte des hl. Columban, die
noch dem hl. Dienste geweiht ist.
quellen: Jonas, Vita S. Columbani. — Vita S. GaUi P. (St. GU.)
u. "Walafr. Strabo. — Greith, altirisohe Kirche. — Weizenegger-
Merkle, Vorarlberg. — Tritlieniius , Anal. Hirsaiig. Bruschius. Cent. —
Bollaud. act. SS. Jan. — Suev. Eccles. — Dann die Melirerauer
"Werke. — Bansperg, Hist. Kelation. — Chronicon Majoraug. —
Schwedenkrieg. — Hueber, Epit. hist. Aug. Maj. — Bnllarium Aug.
Maj. — Genealogia Majoraug. — Tagebücher und Aufzeichnungen. —
Necrolog. Aug. Maj. Brig.
Klein-Mariazell. Heinrich und Eapoto von Schwarzen-
burg, Söhne Haderichs (wahrscheinlich ein Bruder Leo-
polds IV. des Heiligen) wollten unweit ihrer Burg einBenedik-
tinerldoster gründen. Leopold IV. kam ihnen zuvor und
baute auf seinem Grund und auf seine Kosten Klein-Maria-
zell. Die Stiftungsurkunde zu Klosterneuburg ist 1136 am
2. Februar ausgefertigt. LeojDold I. und seine Gemahlin
Claudia haben hier bei ihrer Wallfahrt nach Mariazell in
Steiermark dereinst übernachtet. Als LeoiDold vom Tode des
von ihm hochverehrten Abtes Anselm hörte, rief er aus:
„Der heilige Abt ist nunmehr todt". Im Jahre 1782 wurde
Klein-Mariazell aufgehoben. Wohin das Archiv verschwun-
den ist, weiss niemand zu sagen, wahrscheinlich auch zum
Käsestecher. Die Bibliothek hat Lilienfeld zum grössten
Theil an sich gekauft. Das Haus hat seit der Aufhebung
sehr oft seine Besitzer gewechselt. — Vom Melker Capitular
Kaiblinger existirt eine Geschichte von Klein-Mariazell in :
Histor. und top ogr. Darstellung der Pfarren, Stifte, Klöster
etc. Wien 1825. V. Bd. S. 3—68. Ein Nekrologium von
Klein-Mariazell auf Pergament ist in die Manuscripten-
sammlung des Stiftes Melk gekommen; es wird eben vom
Stiftsbibliothekar Vincenz Staufer mit Einleitung und Noten
in der neuen Benediktiner-Zeitschrift herausgegeben.
Mondsee (Lunae lacus) hat seinen Namen nach dem
halbmondartig gekrümmten See. Herzog Odilo und Thas-
süo begannen den Bau 748. Die ersten 21 Benediktiner
kamen aus Montecasino. Grassauer: Erzherzogthum
Oesterreich ob der Enns. Wien 1879. sagt: „Die Mönche
— 19 —
cultivirten den umliegenden Boden, pflanzten die Lehre
des Evangeliums in die Herzen der Umwohner und er-
hielten durch literarische Leistungen sich in unvergäng-
lichem Andenken." Mondsee wurde am 5. Januar 1788 aut-
gehoben. Vermögensstand war: 491,150 /.
Montserrat. Von Kaiser Ferdinand IL 1633 in Wien
ausser dem Schottenkloster gestiftet. Die 6 ersten Bene-
diktiner kamen aus dem Kloster Montserrat in Spanien.
Der erste Prior war Benedikt von Pennalosa, ein Spanier,
der erste Abt (1708) war Anton Vogel von Kraleren, ein
Wiener. Marian in: „Geschichte der Oest. Clerisei. 4 Th.
VIII. Bd. Wien 1787" berichtet S. 441 : „Amand Hersamb,
ein Wiener, wurde 1751 Abt in seinem 25. Jahre, welcher
i. J. 1779 bei Maria Theresia um die Uebersetzung der
Abtei in die Stadt herein an das akademische CoUegium
der ehemaligen Jesuiten dringendst anhielt und endlich
auch solche zu Wege brachte, bis er dann unter der
grossen Regierungsepoche Kaiser Josephs II. die Aufhebung
derselben erlebte". Es dürfte dies in der Kirchengeschichte
der einzige Fall sein, in welchem ein Benediktinerabt seine
Abtei in ein aufgehobenes Collegium der Gesellschaft Jesu
auf sein Ansuchen verlegt hat. Wäre er in seiner Abtei
vorm Schottenthor geblieben, so dürfte er wahrscheinlich
— wie auch die meisten andern Benediktinerhäuser — der
Aufhebung entgangen sein.
Ossiacli. Dieser Bau, an den stillen Ufern des Ossiach-
sees am Fusse der über 6000 Fuss hohen Görlitzalpc und
der -Tauern gelegen, reicht mit seinen Erinnerungen ein
Jahrtausend zurück. Es ist die älteste Abtei Kärnthens;
von Karlman im 10. Jahrhundert gestiftet. Karlmans
Stiftungsurkunde ist eines der ältesten Dokumente,' welche
Innerösterreich besitzt, sie wird jetzt im Joanneum zu
Gratz aufbewahrt. Der Polenkönig Boleslaus hatte den
Bischof Stanislaus in Krakau am Altar gemordet. Die
entsetzliche That Hess den König nicht mehr ruhen, er
begab sich auf die Reise nach Rom, um die Aufhebung
des auf ihm lastenden Kirchenbanns zu erwirken. Als er
nach Ossiach kam, beschloss er, hier ungekannt seine
Sünden abzubüssen, als Klosterknecht zu dienen, sich den
beschwerlichsten und niedrigsten Arbeiten freiwillig zu
unterziehen. 9 Jahre führte er sein Vorhaben aus, erst
— 20 —
auf seinem Sterbelager gab er (1079) seinen frühem Stand
zu erkennen und überreichte den Ossiachern seinen könig-
lichen Siegelring. Sein Grab wurde 1839 geöf&iet, es
fanden sich darin Gebeine, Nägel und ein metallener
Schliesser, der ■wahrscheinlich zum Festhalten seines Pilger-
mantels gedient. Die lateinische Grabinschrift lautet: „Boles-
laus Rex Poloniae, Occisor St. Stanislai Episcopi Craco-
viensis." Die Güter des Klosters (die übrigens durch viele
Unglücksfälle viel verschuldet waren) wurden 1783 bei der
Aufhebung auf 246,831 /. geschätzt.
IV. Die aufgehobenen Prauenstifte in den der-
maligen österreichisclien Erblanden.
Fiuine. Knesich, Hauptmann von Tersazzo bei Fiume,
stiftete die Benediktinerinnen mit der Herrschaft Mune in
Innerkrain und 4079 /. Die Stiftung wurde 1660 von Rom
bestätigt. Dreimal mussten die Nonnen flüchten. Einmal
wegen Nahrungsnoth, dann 1703 wegen der französischen
Belagerung und 1750, wo sie wegen des Erdbebens eine
Holzhütte in der Vorstadt bewohnten. (Marian, Wien 1783.
3. Theil. V. Bd. S. 4.)
St. Georgen am Läiigsee. Graf Ottwin stiftete nach
seiner Pilgerfahrt ins heilige Land mit seiner Gemahlin
Wichburga um 990 dies Frauenkloster für Benediktinerinnen.
Graf Ottwin lebte in einer Felsenhöhle bei St. Georgen
Jahre lang als Einsiedler und starb am 8. Januar 1008 im
Rufe der Heiligkeit und wurde auch als Heiliger verehrt.
1783 erfolgte die Aufhebung von St. Georgen und die Reli-
quien Ottwins wurden einfach aus dem Sarge genommen
und auf dem Ortsfriedhofe eingegraben. "Wichburga lebte
bis 1029 und sah ihre zweite Tochter Perkhunt noch als
Aebtissin in St. Georgen. Furchtbare Geschicke kamen
über die Nonnen von St. Georgen während der Türken-
kriege und durch die Stürme der Reformation herein.
Wagner in seinem Album für Kärnthen berichtet: ,, Die Re-
formation hatte derartig um sich gegriffen, dass die ihrem
Glauben treu gebliebenen Nonnen oft die heil. Communion
nur im Geheimen auf dem Schlosse Weyer empfangen konn-
— 21 —
ten." Während des SOjährigen Krieges nahm St. Georgen
die Flüchtlinge aus dem deutschen Reiche und dem kampf-
durchtobten Böhmen gastlich auf. Schiller lässt Wallen-
steins Gattin und ihre Tochter Thekla in Käruthen eine
Zufluchtsstätte gegen die Untreue des Glückes finden, und
als sein Gestirn zum Niedergang neigte, die Herzogin ihn
fragen: „Wie, gehen wir nach Kärnthen nicht zurück?"
Und diese Stätte soll St. Georgen gewesen sein, denn es
war damals noch das einzige Prauenkloster im Lande.
Der Erlös aus den Gütern dieses Klosters für adelige Frauen
betrug (laut Akten im k. k. Finanzarchiv) 274,618 /.
Leopold IL verwendete die Summe für ein von ihm er-
richtetes adeliges Fräuleinstift.
Stift GösSj das älteste in Steiermark, wurde 1002 von
Adula Gräfin von Leoben und ihren Kindern Aribo (später
Erzbischof von Mainz) und Kunigunde (später Aebtissin
von Göss) gegründet. Bis zur Aufhebung hatte das Stift
40 Aebtissinnen; selbe hatten in Gratz beim Landtag Sitz
und Stimme auf der Prälatenbank, Im Verzeichniss der
Aebtissinnen finden sich Namen berühmter Familien, wie
Traunstein, Herbersdorf, Lichtenstein, Harrach, Schratten-
bach, Stürgh, Berchthold, Kollonitsch, Saurau, Ueberacker.
Die letzte Aebtissin war eine Baronin Schaffmann. Im
Sommer 1274 kamen hier viele vom steirischen und öster-
reichischen Adel zusammen, um zu berathen, wie der
schmählichen Bedrückung und Tyrannei Ottokars ein Ende
zu machen wäre *). Das Stift wurde am 21. März 1782 aufge-
hoben. Unter den Chorfrauen war damals eine Gräfin Plat,
eine Althann, eine von Vitweng, von Knorr, von Geis-
litzer. Vermögen war nach Abzug der Schulden 255,200 /.
Kaiser Joseph stiftete damit das Bisthum Leobfen. Die
mit dem Stifte zugleich aufgehobene Lambertikirche wurde
verkauft und in ein Wohnhaus umgestaltet. Sie war von
der 6. Aebtissin Wilpurgis gebaut und von Pabst Leo IX.
1044 persönlich eingeweiht worden. Erster Bischof von
*) "Wir erwähnen dieses gewiss sehr seltenen Palles , in welchem
ein Benediktiner Stift als politischer point de ralliement henützt wurde.
Es ist aher hier zu bemerken, dass die Zusammenkunft des Adels nicht
durch den geistlichen Charakter des Hauses, sondern durch die adelige
Genossenschaft bewirkt worden ist.
— 22 —
Leoben wurde Graf Alexander Engel von Wagrein. Im
Gottesacker von St. Erhard (eine Viertelstunde vom Stifte)
ruhen die letzte Aebtissin, welche depossedirt, und der
erste Bischof von Leoben, der mit dem weggenommenen
Besitzthum belehnt wurde. Auf dem Grabstein der erstem
steht: „Hier ruht Marie Gabriele Freyin von Schaffmann,
letzte Aebtissin in Göss. An Verdiensten die Erste. Geb.
1724, dem Stifte einverleibt 1739, erwählt 1779, gest. 1801."
(Nach Janisch, Topogr.-stat. Lexikon v. Steiermark. Gratz
1878. Erster Band.)
Jaroslaw in Galizien, aufgehoben 1783. Vermögens-
stand 128,004 /.
Sonnenburg*) (Suane -bürg, d.i. Versöhnungsburg), im
Pusterthale. Graf Volkold schenkte sein ganzes väterliches
Erbe 1018 der heil. Jungfrau, wandelte sein Schloss in ein
Frauenkloster nach der Regel St. Benedikt um, und stattete
seine Gründung mit vielen Ländereien aus. Die Aebtis-
sinnen gehörten grösstentheils den berühmtesten Adels-
geschlechtern an. Im 15. Jahrhundert war die Disciplin
gesunken; die Aebtissin Verona von Stuben wurde vom
Bischof von Brixen, Cardinal von Cusa, ihres Amtes ent-
setzt. Nikolaus behandelte das Kloster ziemlich hart, ja
grausam. Herzog Sigmund nahm sich der Nonnen an und
setzte denBischof auf dem Schlosse zu Bruneck in Gefangen-
schaft. Nikolaus sah sich in Folge dieses Streites ge-
zwungen, sein Bisthum zu verlassen, er starb 1464 in
Italien und liegt in S. Pietro in Vincoli (Rom) begraben. Eine
Aebtissin Genefra von Spaur hatte 1622, eine Sybilla
Freiin von Schneeberg 1663 Conflicte mit dem Bischof
von Brixen. 1785 wurde das Stift aufgehoben, die Ge-
bäude licitando verkauft und das Stift steht jetzt da als
eine Ruine. .Die Aebtissin hatte Sitz und Stimme im tyro-
lischen Landtag. Marian (Wien 1781) berichtet (2. Tbl.
III. ßd, S. 497): „Noch ist nachzutragen, dass die Aebtissin
zu Sonnenburg zu dem Prälatenstand gehört, dieweil sie
ein tyrolischer Landstand ist, wie auch Inful und Kruinm-
stab führt". Das Vermögen war (wie es der Herausgeber
in den Akten des Finanzministeriums fand) geschätzt auf
*) Mehreres in Staffier: Tyrol und Vorarlberg. Innsbruck 1844. II. Bd.
S. 217—220.
— 23 —
333,833 /. in liegenden Gründen und an 217,852 /*. in Urbar-
und Zehenteinkünffeen*), also "weit über eine halbe Million;
es wurde damals (1785) zur Herstellung des G-eneralseminars
in Innsbruck verwendet. Es wäre interessant, zu erfahren,
ob noch etwas und wie viel von der Stiftung des „edlen
Leviten" (so nannte man ihn seiner Zeit), des Grafen
Volkold in realem Werthe vorhanden ist, nachdem auch
diese Stiftung seit hundert Jahren den permanenten Finanz-
krach mitgemacht und durch den Rauchfang der Staats-
schuldenkasse verduftet ist.
Triest. Die Benediktinerinnen hier nahmen nach Marian
(Wien 1783. 3. Theil. V. Bd. S. 46) ihren Anfang 1287.
Sie waren sehr arm. Sixtus IV. gab ihnen auf Andringen
Kaiser Friedrichs IV. eine jährliche Pension von 68 /.
„Und diess nun ist also die einzige Stiftung derselben, alles
das übrige , woraus sie sich so ziemlich hart erhalten , be-
stehet in den mitgebrachten Aussteuerungen der Nonnen,
die aber bey den jetzigen Zeitläuften in die Menge un-
möglich erklecken."
EJinstige Herrenklöster in Böhmen**) waren : Maria
Himmelfahrt zu Politz von Premysl, Ottokar 1213 gegründet,
von Joseph II. 1785 aufgehoben. Das Vermögen wurde ge-
schätzt auf 245,835/. — Wahlstatt in Schlesien zum hl. Kreuz
und der hl. Hedwig, vomBrevnow-BraunauerabtOthmar 1738
gegründet, von Friedrich Wilhelm III. eingezogen. — Bösing,
eine Filialabtei von Emans in Prag, 1786 aufgehoben.
Vermögensstand 20,803 /. — Ostran auf der Moldauinsel,
von Boleslaus 1000 gegründet, von den Hussiten zerstört.
— St. Joliauu am Felsen bei Beraun, gegründet von Ostrau
aus um 1648, aufgehoben 1785. — Zum hl. Prokop in
Sazawa, von Bretislaus I. 1039 gegi-ündet, 1785 aufgehoben,
Vermögenstand 87,370 /. — Opatovic zum hl. Laurenz,
gegründet von Vratislaus 1086 , durch Feuer zerstört 1425.
— Kladriip zu Maria Himmelfahrt, gegründet von Svato-
plukllOS, 1786 aufgehoben. Vermögensstand 613,789 /. —
Tilemov, gegründet von den Grafen Wilhelm und Her-
man von Sulzbach um 1120, 1421 zerstört. — Postelberg,
*) Brunner, Mysterien der Aufklärung.
**) Nach: Catalogus Eeligiosorum in Archisterio ; Brenov. etBraunau.
18S0.
— 24 — .
gegründet im 12. Jahrhundert, zerstört 1420. — Fodlazic
im Chrudimer Kreis, inmitten des 12. Jahrhunderts ge-
gründet, im 15. durch die Hussiten zerstört. — Zum hl.
Ainbros in Neuprag, von Carl IV. 1357 gegründet (hier
war der Ambrosianische Eitus von Benediktinern aus Italien
eingeführt), durch die Hussiten zerstört. — St. Nikolaus,
Altstadt zu Prag, 1635 der Casino-Congregation übergeben,
1785 aufgehoben. Vermögensstand 159,162 /.
Einstige Frauenklöster in Bölimen. St. Georg
auf der Prager Burg, gegründet von Boleslaus II. 973.
Aufgehoben 1785. — Zum heiligen Geist auf der Altstadt
zu Prag, gegründet vom Bürger Rokzaner, zerstört durch
die Hussiten. — Zu St. Johann in Teplitz, gegründet 1164,
zerstört im 15. Jahrhundert.
V. Die Benediktinerabteien im alten deutschen
Reieli und der Schweiz im 18. Jahrhundert.
Selbstverständlich erlaubt uns der engbemessene Raum
hier nur ein dürftiges Namensregister anzuführen. In der
Bibliothek zu Melk fanden wir ein selten gewordenes
Büchlein, welches wir dem nachfolgenden Verzeichniss
zu Grunde legen. Der Titel desselben lautet: „Compen-
dium Benedictinum, oder gantz kurtzer Anzeig der noch
heuntigen Tags in Teutschland unter der Eegel des heil.
Erzvaters Benedikti florirend würklichen Abteien, Prio-
raten, Probsteien beederlei Geschlechts. Nicht aber exautho-
ribus, sondern selbstig genommenen Augenschein herge-
stellt durch Joan. Ant. Maria Schenz von Schemmerberg.
I. TJ. C. kayserl. und des Reichs Not. Publ. Wienn bei
Geyinger 1734." Schenz, der in allen diesen Stiften nach
seiner eigenen Aussage iDcrsönlich gewesen ist, hat sich
um historische und statistische Daten nicht gekümmert,
bisweilen sind die Resultate seiner Forschung geradewegs
drollig, wie z. B. bei „Grafschaft", „Laach". Die Wid-
mung an den Abt Berthold von Melk schliesst: „in unter-
thänig gehorsamster Versicherung, dass nach dem Systema
Teutschlands ausser etwo unbekannten Prioraten keine
nicht ausgelassen worden, dannanhero die erbittliche Hoff-
nung mache, Eure Excellenz werden vielmehr die zu des
— 25 —
heil. Ordens Elire angelegte Intention, als die Kleinheit des
Werkeis acceptiren, mich immittelst hoher Hulden und
Gnaden betheilhaftig machen".
Der in folgendem Verzeichniss zwischen den Zeichen
„ " angeführte Text ist immer wörtlich nach dem obigen
Compendium des Schenz entnommen. Die Namen der
Ordenshäuser folgen (hier in Herren- und Frauenstifte ge-
schieden) in alphabetischer Reihe. Der Herausgeber kann
für die Angaben des Schenz nicht einstehen , er hat diesen
Angaben aber vorzüglich das entnommen, was die Zeit
der Herausgabe (1734) besonders charakterisirt und für
den Historiker doch immer einiges Interesse darbietet.
VI. Herrenstifte , welclie noch 1734 bestanden:
Afedinkhofen in Paderborn, ,,vom sei. Meinwero, dem
10. Bischof von Paderborn, gegründet".
Ammensleben bei Halberstadt, ,. unter Chur branden-
burgischer Protektion dahin auch järlich ein Zimmliches
dero zu prästiren kommet".
Ainorbacli, Mainzer Diöcese, Odenwald^ zwei Stunden
ober Miltenberg, gestiftet vom hl. Pirminius, „benannt
nach dem ersten Abten, hl. Amor".
Andreasl)erg, Probstei im Eeichsstift Fulda, 2 Stun-
den von der Stadt, wurde 1734 „von Amand Baron Busek,
Suffragan und Capiteldekan von Fulda administrirt".
Aspach, 9 Stunden ober Passau, bezieht sein Einkom-
men vom Stift Bamberg.
Attel, 5 Stunden unter Eosenheim, Diöcese Fireysing,
von Arnolph Graf zu Diessen 1080 gestiftet.
Bantz, 5 Stunden von Bamberg gegen Coburg zu.
Benediktbeyrn , Diöcese Freysing, „hat gelehrte Re-
ligiösen, eine schöne mit schwarzem Marmor ausstaffirte
Kirchen".
Benssweiler, Diöcese Basel, 8 Stunden vom Rhein ab,
„hat hingegen unvergleichlich schöne salva venia Vieh-
zucht und nutzbares Alpengebürge".
Blankstette, Diöcese Eichstett, 7 Stunden von Eich-
städt gegen Nürnberg, „und regieret allda als Abt Fran-
ciscus Freyherr von Eisenberg".
— 26 —
Brauweiler, 3 Stunden ausser Cöln, „deren anselm-
licber Thurm sich, in viele Meil Weegs präsentirt, kann
sich anrühmen eines ziemlichen Particuls der Lantzen
Christi".
Cornelymüuster, 2 Stunden von Aachen, „allwo Herr
Hyacinth Alphons Graf von Suys Reichs-abte pfleget kei-
nen aufzunehmen, er könne dann vorhero seine 16 Ahmen
Ritter bürtig d. i. ab utroque parente darthun. Die Kost-
barkeit der von Carolo Magno und Ludovico Pio dahin
verehrten beil. Reliquien, so zwar nur alle 7 Jabr dem Volk
gezeigt werden, seynd dieses Orts zu admiriren".
Corvey, Reichsabtei an der Weser in Niedersachsen,
2 Stunden ober Bevern. Jetzt regierender Reicbsfürst ist
Herr Carl Freiherr von Splittersdorf.
Deckingen, Diöcese Augsburg, 2 Stunden von Haarburg.
Dissentis in Graubündten, 10 Stunden von Chur.
Deutz, gegenüber von Cöln, vom Erzbiscbof Heribert
gegründet, der in der Kirche beigesetzt ist.
Eberlieimsniünster im Nieder-Elsass.
Ellingen an der Donau.
Elcliingen, Reichsabtei unter Ulm an der Donau,
Eidern, Probstei, nach Oberbayern gehörig.
Ennssdorf, Diöcese Regensburg, 2 Stunden von Amberg.
Ecliternaeli, „geniesete vorhin den Reichs-Matrir
culus cum Voto et Sessione, den aber Chur-Trier an sich
gebracht",
Ettal „ist berühmt forderist wegen der grossen Wall-
fartb zur Mutter Gottes, sodann wegen dem allda flori-
renden Adelichen Studio, zumahlen ich (Schenz) an die
bundert Cavagliers zählete, welche sich in all Adelichen
Exercitii's üben können''.
Ettenmünster, oder auch S. Landolin im Breisgau.
Fiscliingen, Schweiz, 8 Stunden von Oonstanz.
Frauenzeil, „Mannsabtei, 5 Stunden unter Regensburg,
vnweit Schloss ßramberg".
Fulda, fürstliche Reichsabtei, „weichet im Römischen
Reich sowohl an hohen Praerogativen als Einkünften kei-
ner andern" ii. s. w.
Fuldenbacli, 5 Stunden von Augsburg, in Territorio
Austriari.
Crengenbacli, Reichsabteüm Breisg., Diöcese Strassburg.
— 27 —
Geroda. Eine wohlfundirte Mannsabtei auf dem
Eichsfelde.
Crlabach. 11 Stunden unter Cöln, „genieset dereinst
das Praesidium über die Bursfeldische ßenedictiner-Con-
gregation".
Graffscliaft im Herzogtbum Engern und Westpbalen
„oder Collniscben Surland, -welcher Orten das Puraper-
nikelbrod, rohe Schunken und Speckschwarten zur besten
Nahrung dienlich sein muss. Das Kloster ist trefflich -wohl
gebaut, herentgegen in unfmchtbaren kalten Lande schlecht
situirt".
Hadersleben im niedersächs. Kreise.
Heil. Kreuz an der Stadt Donauwerth.
Hermannsweiler. Diöces Basel „hat viel Notables
von denen Grafen von Habsburg und Altenburg".
Höfen. Priorat von Weingarten ausser Buchhom am
Bodensee.
Holzkirclien. Probstei nach Fulda gehörig, verwaltet
der Capitularherr von Fulda Bonifazius von Hütten.
Jacobsberg auf der Festung zu Mainz.
Iburg. Diöcese Osnabrück.
Irsee. Reichsabtei im Allgau eine Stunde ausser
Kaufbeuren, im Walde und Einöde gelegen.
Kempten. „Fürstliche Reichsabtei ausser der Stadt
dieses Nahraens von sonderhohen Praerogativen ziehet von
der hl. Hildegard Caroli Magni Gemahlin seine Fnndation
her. Die Gapitulares probiren durch 8 Ahnen ihren Adel
gleich denen zu Fulda und ist jetziger (1734) Fürst H.
Anselm Reichlin Baron von Meldegg."
Laacli. 4 Stunden von Andernach „an eineni schönen
grossen See die Laach genannt, worin in meinem Dasein
(Schenz), Hechte zu 44 Pfund erhoben worden, hat zum
Fundatoren einen Pfalzgrafen vom Rhein".
Lambspring „mit lauter Engländern besetzt, liegt 5
Stunden ausser Hildesheim gegen dem Stift Corvey".
Leissborn. Bisthum Münster, „fundirte der Kayser
Carolus Magnus, nachdem er die Sachsen überwunden.
Pabst Leo III. hat dasige Kirchen selbst eingeweihet und
Caroli Magni Schwester zur Äbtissin vorgesetzt; seynd
aber nach zweien Seculis umb trifftiger Ursachen willen
fromme Männer introduciret worden".
— 28 —
Lückes im Ober-Elsass „war vorhin eine treffliclie
Mannsabtei mit Sitz und Stimme bei dem Reich, allein zur
Repartitionszeit musste solche mit Murbach dem fran-
zösischen Zwange sich ergeben und des wenigem ver-
gnügen".
Malmedi, „zwischen der Lüttisch- und Trierischen ge-
fürsteten Reichsabtei, connectiret sich mit Stablo".
Mallersdorf. 7 Stunden ausser Regensburg gegen
der Isar.
Marienmünster. 9 Stunden von Paderborn, „haltet
ein zahlreich Convent bereits von 60 Religiösen".
Marienmünster im Nieder-Elsass „ist dermalen unter
den französichten Obsichten, derer Religiösen einige sol-
ches genug beschmerzen".
Mengen in Schwaben, „allwo ein Wilhelmiter-Priorat
vor einigen Jahren dem Stift St. Blasii im Schwartzwald
incorporirt, die Religiösen aber in habitum Benedictinum
seynd mutiret worden".'^
Miclielsberg, Probstei an der Fuldischen Stiftskirche,
„verwaltet der dasige Capitularherr Friedrich Baron von
Kötschau".
Michelfelden in der bayrischen Pfalz, 10 Stunden von
Amberg, fundirte der heil. Otto Bischof zu Bamberg, ober
der Stadt Bamberg „die Kirche, wo der hl. Otto seine Ruhe-
stätte gefunden, mag für eine der schöneren gehalten
werden".
Münster im Eieder-Elsass, „hatte vorhin die Reichs-
Immeditat zu gemessen, wie dann der Anschlag auf 4 zu
Ross und 12 zu Fuss annoch in dem alten Matricul zu
finden ist. Es hatte solche ein staatliches Einkommen,
musste aber ebenfalls bei Abtrag der schönen Landgraf-
schaft Elsass, das nach der französischen Mode einge-
richtete Tractament zum Missvergnügen annehmen".
Murbach, fürstliche Abtei im Ober-Elsass, „war eine
der allervortrefflichsten Abteyen in Teutschland der Reichs-
session gleich nach Ellwangen. Es hatte dieses Stift noch
zu unsern Zeiten so viele Lehen-Vasallen, dass ein zeit-
licher Abte die Suite von 1260 Pferden mit sich nacher
Strassburg bringen können. (?) Allein ist solches von der
Zeit biss anhero dergestalten von der französischen Finesse
beschnitten worden, dass gegen vorhin gehaltenen perpe-
■ — 29 —
tuirlichen Chor kaum 30 Religiösen mehr können unter-
halten werden".
Neresheimb in Schwaben, 2 Stunden oberhalb Bo-
pfingen. „Ein zeitlicher Prälat geniesst das Praerogativ
eines perpetuirlichen kayserl. Hofkaplans von der Zeit als
der ehevorige H. Abt seelig mit der gräflich Wolfgang
Oettingischen Gesandtschaft nach der Ottomanischen Pforte
sich meritirt gemacht hat."
Neu St. Joliann in der Schweitz, wird als eine Abtei
gerechnet und auf den Fürsten in St. Gallen zuständig
gegen den Rapperschweiler See — ganz neu gebaut mit
vielen Religiösen besetzt.
Neustadt, Carolinische Stiftung am Main 10 Stunden
unter Würzburg, „deren Aebte über zwölffe gezehlet wer-
den, so die Bischöflich- Würtzburgische Inful getragen".
Niederalte ich, 2 Stunden unter Deckendorf ohnweit
der Donau, „wurde schon anno 741 von Udilone Hertzogen
in Bayern zu Ehren des heil. Mauritii fundirt",
Oberaltai ch, 2 Stunden von Straiibing.
Oberwied, „vorher Wilhelmiter-Eloster jetzt Benedik-
tiner-Priorat, nach St. Blasien gehörig".
Oclisenhansen, Reichsabtei in Schwaben, 3 Stunden
von Memingen, „eine Filia von St. Blasii, ist berühmt wegen
klösterlichen Disciplin, schönen Kirchen-Ornamenten, ver-
schiedenen guten Büchern".
Ottmes, Priorat im Breisgau, nach St. Blasien gehörig.
Ottobeiiren, 2 Stunden von Kempten.
Petersberg, Probstei bei Fulda, „besorgt deren Capi-
tularherr (von Fulda) H. Placidus von und zu Passheimb".
Petershausen, Reichsabtei bei Constanz, "„über die
Rheinbruken an einem lustigen Orte in der Vorstadt, von
dem hl. Gebhardo Bischoffen allda (Grafen von Bregentz)
fundirt ist, was die Abtei anlangt wohl gebaut, das Con-
vent hingegen sehr finster".
Pfeffers, „fürstliche Abtei in der Schweiz, i Stunden
von Chur, auf einem hohen Berge, hat ihr mehrist Ein-
kommen von daselbst in einem ungeheuren Thal hervor-
brechenden natürlich warmen Wasser, zu denen ans ganz
Teutschland Zulauf beschuhet".
Priefeming bei Regensburg, vom hl. Otto, Bischof zu
Bamberg, gegründet.
— 30 —
Prüm, fürstliclie Reichsabtei 11 Stunden von Trier,
„ist mit allen Regalien und Einkünften, so jährlich aut
36,000 Reichsthaler sich erstrecken mag, unter Regierung
Churfürst Jacobi von Eltz diesem Erzstifft überlassen (?)
und incorporirt worden. Uebrigens muss sich Prior und
Convent mit deme vergnügen, was durch gute Oekonomie
über dieses erhalten werden kann."*)
Eeichenau. „Reichsabtei, 2 Stunden unter Constanz
in einer schönen Insul des Rheins, war eine der alleredelst
und reichesten in Teutschland, allein stehet solche der-
malen ebenfalls unter dem Bisthum Constanz sowohl mit
Reichsregalien und mehristen Einkünfte **). Der daselbstig
orientalische schöne Shmaragdstein von Carolo Magno
dahin verehrend und im Grewicht 28 Pfund drei Yierling
haltend, ist wegen seiner Grössen zu admiriren ***)."
Reiclienbacli, 5 Stunden von Regensburg, von Leopold
Markgrafen von Vohnburg gegründet.
Beiuau, 10 Stunden unter Constanz ober Schafihausen
in der Schweiz.
Biclrna, Probstei, dem Kloster Nieder- Alteich incor-
porirt und als „eine Prälatur gerechnet, gibet daselbstigen
Herren AbtenAnlass, zwei Stab in seinen Wappen zuführen".
Ring'ellieim (bei Gosslar), „hat eine treffliche Fun-
datur von Grafen dieses Nahmens, und war vorhin mit
lauter Gräfin en besetzt, zumalen aber einige ihren abge-
legten Gelübden etwas contraire lebten, seynd mit Bewil-
ligung Pabsts Leonis Noni, fromme Männer dieses Ordens
dahin gesetzt worden".
Roscliacli (Rohrschach) Probstei nach St. Gallen
gehörig.
Kott, DiöceseFreysingenam Inn, gegründet von Chuno,
Pfalzgraf am Rhein.
*) Der Herausgeber dieses hat in seinen historisclien Schriften
schon öfter aufmerksam gemacht, dass die Herren Churfürsten geist-
lichen Standes und auch andere Herren geistlichen Standes, welche bei
Stiftungen die feine Grenzlinie zwischen mein und dein überschritten,
kein Becht gehabt haben, sich zu verwundern und zu klagen, wenn an-
dere Gewalthaber das böse Beispiel, was sie als Gewalthaber in Gewalt-
missbrauch gegeben, nachahmten. Heute mir, morgen dir.
**) Ein weiteres Beispiel von Einverleibung.
***) Es wäre interessant zu wissen, wer heutigen Tags diesen Edel-
stein „adrairirt".
— 31 —
St. Blasii, Reichsabtei in dem Schwarz wald (Siehe
St. Paul in Kärnthen). „Immassen solche (Abtei) von lauter
Conversen und Eremiten so unter der Regel des hl. Bene-
dikti from lebten, ihren Anfang genommen, ahero allda
noch üblich ist, dass heutige Convers und Laien-Brüder
in dem Convent denen Subdiaconis Vorsitzen."
St. Enieraiij „uralte Reichsabtei in der Stadt Regens-
burg ist nunmehro auf Anhalten und gewisser gemachter
Yorstellung jetzigen (1734) von anno 1719 regierten Hrn.
Abten Anselm Goudin von Ihrer kays. M. in den Reichs-
fürstenstand erhoben, und mit seinen Regalien ad Votum
et Sessionem gelassen."
St. Gallen, ,,wird derentwillen eine reichsfürstliche
Abtei genannt, weil solche die kayserliche und des Reichs
Protection implorirt und angenommen. Sonsten aber hat
solche weder Sitz noch Stimme und lieget in der Schweiz
gleich an der Stadt St. Gallen. Sie ist berühmt wegen regu-
lärer Disciplin, grossen Einkünften und gelehrter Religiösen."
St. Georg in Isar an der gleichnamigen Reichsstadt
in Schwaben.
St. Georg" in Stein in Schwaben, der Reichsabtei
Petershausen incorporirt.
St. Georg in Villingen, Reichsabtei in den öster-
reichischen Vorlanden, 1083 von Hegels und Hezzo gestiftet.
St. Gerold, Probstei, nach Einsiede! gehörig, 5 Stun-
den von Feldkirch in Vorarlberg.
St. Godeliard in Hildesheim, vom dortigen Bischof
Bernhard Grafen von Rottenburg zu Ehren des heiligen
Godehardi fundirt, „hat eine ungemein grosse Kirche, so
mehr eine Basilica zu nennen".
_ St. Jacob , Schottenabtei in Erfurt, „hat fast gelehrte
Religiösen und remarcable Bücher, worunter auch ver-
schiedene Manuscripta Doctor Luthers zu sehen; es wird
solche vom Schottenabt zu Regensburg administriret".
St. Jacob in Regensburg, auch von lauter Schott-
länder besetzt. Hat eine der auserlesensten Bibliotheken,
das Studium für schottländische Familien, wozu ein eignes
Seminarium aufgerichtet ist, floriret allda sehr.
St. Jacob, gleichfalls Schottenabtei ausser Würzburg,
„man siehet allda die Grabstatt des berühmten Abten
Trithemii von Spannheimb".
— 32 —
St. Johann in der Schweiz, Priorat, „gehört nach
St. Gallen".
St. Johann, „Priorat in der österr. Stadt Veldkirch,
hatte vorhin da solches Weingarten zugehörte, sehr gelehrt
und wohldisciplinirte Leuth , dagegen uns noch Germania
Sacra Buccelini Prioris allda Zeugniss gibet. Dermalen ist
es dem Kloster Ottoheuren verkaufft, und dadurch ausser
Schranken gesetzt".
St. Johannesherg, Probstei, 4 Stunden unter Mainz,
der fürstlichen Abtei Fulda gehörig.
St. Mang in der Stadt Füssen, am Lechfluss.
St. Maximin, Abtei ausser Trier, von Constantino
Magno fundirt.
St. Martin in Cöln nächst der Rheinpforten.
St. Martin ausser Trier an der Mosel.
St. Matheus ausser Trier, „eine -wohlfundirte Abtei".
St. Mergen, ausser Trier an der Mosel, „inmasseu
ausser derselben Stadtmauern 4 Abteien anzutreffen als
Maximin, Mergen, Matheus und Martin".
St. Mergen, 8 Stunden von Freiburg i. B. im Schwarz-
■wald.
St. Michael in Hildesheim, „Der Fundator derselben
waren der hl. Bernwardus, der 13. Bischof zu Hildesheim."
St. Pantaleon in Cöln. „Die Abtei hat ein Umcreiss
von 4500 passibus."
St. Peter in Erfurt. „Hat nebst vielen gelehrten Re-
ligiösen eine auserlesene Bibliotec alter Bücher."
St. Peter im Schwarzwald, 10 Stunden von Freiburg,
gegründet von einen Grafen von Zähringen 1093.
St. Siineon in Minden a. d. Weser, „hat jetzt nur
sieben Religiösen".
St. Stephan in Würzburg, „ist fordirist Avegen ihrer
sonderschönen Disciplin, stillen Lebenswandel und gelehrten
Religiösen zu rühmen".
St. Trutpert, gegründet von Otpert, einem Anherrn
des Grafen von Habsbuvg, inmitten des 8. Jahrhunderts,
5 Stunden von Freiburg gegen den Rhein, „richtig ist,
dass die Grafen von Zähringen, Habsbm'g und Altenburg
solches Kloster mächtig unterstützet haben".
St. Veit „in Bayern Rentsamt Landshuet, hat Diet-
marus von Leonsperg in Honorem Sti Viti erbaut".
— 33 —
St. Ulrich und Afra, Reichsabtei ia Augsburg.
St. Wallburg im Elsass, von den Grafen von Zäbringea
gestiftet.
Scliöuau, 10 Stunden unter Mainz.
Schütteren, gegründet 603, Beicbsabtei, „im Preuss-
gau, ist eine ansehnliche Mannsabtei. Auf daselbstigem
hohen Kirchenthurm hat man auf Strassburg, Elsass und
der Enden in 10 und 20 Meilen Wegs unvergleichlichen Pro-
spect". Am 8. Mai 1770 übernachtete hier auf ihrer Braut-
fahrt nach Paris die unglückliche Königin Maria Antoinette,
schenkte dem Abt Karl ein werihvolles Pectoral sammt
Ring, und er -wurde auch k. k. Geheimrath. (Marian.)
Schwahenheim, ein Priorat, 4 Stunden von Mainz,
nach S. Maximin bei Trier gehörig.
Schwartzach in Franken, zwischen Würzburg und
Bamberg.
Schwartzach „im Preussgau hat ihre Fundation von
dem gräflichen Hause Zähringen".
Seeligen-Stadt, 4 Stunden ober Frankfurt, „ist billig
unter die fundirte Klöster Kayser Caroli Magni zu zählen".
Seon. in Bayern, 4 Stunden vom Innfluss; der erste
Abt kam von Weltenburg.
Siehurgj „von dem H. Annone Ertzbischofen von Collen
auf einen hohen runden Berg 2 Stunden von Bonn fun-
dirte Abtei, nimmt keinen nicht an, er probire denn seine
Ahnen denen Adelichen Stiftern gemäss".
Sion, „vorherig Wilhelmiter Closter, jetzt Prioriat,
nacher S. Blasii hörig". ^^
Spannheinib „in der Pfalz, 6 Stunden von Mayntz,
allwo der berühmte Trithemius Abte gewesen, ist nun (1734)
der Abtei Jacobsberg überlassen".
StahIO; „geforstete Reichsabtei, gegen denen Nieder-
ländischen Provintzien, besitzet die Abtei Malmedi zugleich;
bei letzter Election 1732 waren hiezu sehr viele auswär-
tige fürstliche Häuser, so dahin eompetirten, allein seyend
die Capitulares auf verschiedene Vorstellungen anderer
Benediktinerabteien endlich in dem Gremio geblieben".
Stattbergen, adelige Probstei, dem Stift Corvey in-
corporirt, hat ihren Ursprung von Carolo Magno.
Tegernsee in Bayern, an der Grenze von Tyrol, in der
Kirchen- und Kunstgeschichte Deutschlands hochberühmt.
JEia Benediktinerbuch. 3
— 34 —
ThereSj 5 Stunden von Bamberg, „■welche ihren Ur-
sprung durch die Enthauptung des letzten Grafen von
Babenberg hernimmt."
Thierliaupten, Aügsburger Diöcese.
Thulbia^ Probstei, nach Fulda gehörig.
Vornibachj 1 Stünde von Shärding, Passauer Diöcese.
Weihenstepliaii, ober Freysing, auf einem Berge.
„Der h. Corbinian, Bischof von Freysing, beförderte die
Fundation selbsten".
"Weingarten, eine Stunde ausser Eavensburg, ist eine
der berühmtesten Reichsäbteien, „ein zeitlicher Abte ist
Herr der Reichsherrschaft Blumenegg, welche zwischen
Bludentz und Veldkirch lieget und allda das lus Criminale
zu exerciren hat".
Weissenoe in der bayrischen Pfalz, „in Kriegszeit so
ruinirt, dass dereinst (1734) nur 12 Religiösen erhalten
werden konnten."
Weidenburg „ist ohndisputirlich die aller'ältiste Manns-
Abtei in ganz Teutschlaüd, indem solche schon tempore
S. Mauri ihren Anfang genommen. Sie lieget 5 Stunden
oberhalb Regensburg an der Donau". (Im Jahr 1734 war
Maurus ßachel schon der 131. Abt.)
Wessobrunnj zwei Stunden von Weüheim; „es hat
solche Thassilo IL, Hertzog in Bayern fandiret 753. Man
findet allda sehr gelehrte Religiösen". (Bekannt durch
das Wessobruhner Gebet, eines der wichtigsten Denkmale
altdeutscher Sprache.)
Werden, Reichsabtei, von Carölo Magno fundirt, am
Fluss Ruhr.
Wiblingen> eine Stunde von Ulm, 1093 von den Grafen
von Kirchberg und Weissenhorn gestiftet,
Zell, Probstei, nach Fulda gehörig.
Zwifalten in Schwaben, Reichsabtei, „ein vermöglich
und vieler gelehrter Leut versehenes Kloster",
Vn. Prauenstifte, welche noeli 1734 bestanden»
Altdorf j eine Jüngfrauenabtei in der Schweiz, 6 Stun-
den von Einsideln, 10 von Pfeffers an det Alta (1734 waren
daselbst 70 Nonnen, zumeist aus adeligen Famüien).
— 35 —
Ambtenhausenj eine Jtmgfrauenabtei in Schwaben,
1 Stande ober Tutlingen, Filiale von St. Georg in Willingen.
Beran, J.-Abtei im Schwarzwald, gestiftet von Kn-
stenus, Abt von St. Blasien, 1112.
BrenkliAseiij niedersäcbs. Kreis, 1 Stunde von Hörta,
„Abtei lauter adeliger Jungfern".
Ehren, Abtei zwölf adeliger Fräulein, liegt mitten
in der cburfärstHcben Stadt Trier.
Eibing, Abtei 12 bis 14 adeliger Fräulein, 6 Stunden
unter Mainz in dem Rbeingau, „oberhalb des Mäusthurns
fast an denen Weinbergen liegend".
Elsenburg, adelige Jxingfrauenabtei, zwischen Magde-
burg und Halberstadt.
Esclierdr, Jnngfrauenabtei , Hildesheimer Diöcese,
2 Stunden von Hannover, „hat eine Kirche der schönsten
altgothischen Arbeit".
Fuhr, eine Jungfrauenabtei, Schweiz, Diöcese Constanz,
8 Stunden von Winterthur.
Franenalb, „eine treffliche Abtey von lauter Stifft-
mässig-Reichs Adelichen Fräulen dero dereinst Frau Maria
Gertrudes Freyin von Ichtersheimb vorsteht, lieget in den
Schwarz walder Bergen, 5 Stunden von Markgraf Baden".
Frauenkiemsee, „angenehme Jungfemabtei in Bayrn
auf einer Insul in dem See, probirt seine Fundation schon
sub anno 781 von Thassilone II her".
Franenroda, Jungfernabtei in Thüringen, „ist ziemlich
in Abgang".
Oardeiij „eine Adeliche Jungfernabtei Diöces Paderborn
dero ein Baronessin von Juden als Äbtissin vorgesetzt ist".
Geisenfeld, „Jungfern Abtei 3 Stunden von Ingol-
stadt hat die Fundation von einem Grafen von Murach".
HohenTrarth, „Jungfernabtei 4 Stünden von Ingol-
stadt will pro fundatore Eaptonem Grafen von und zu An-
dechs erkennen".
Holzen, „Jungfern Abtei Gräflich imd Freiherrlicher
Familien 5 Stunden tmter Augsburg und stehet dero vor
eine Baronessin von Remchingen".
Hortzenbroek , ^ „Adeliche Jungfernabtei im Bisthum
Münster hat zur Äbtissin eine Baronessin von Plettenberg".
Königsdorf, „Abtei Adelicher Ritterbürtiger Fräulen
3 Stunden von Cöln gegen Aachen, hat noch die Original-
3*
— 36 —
Fundation- von Kaiser Carolo Magno -welche mir (Schenz)
von der Frau Eleonora MargaretEa Scharenberg aus dem
Hause Wäsclipfenning, als Äbtissin selbsten vorgezeiget hat".
Kürbach „ist auch eine Jungfemabtei in Bayern 4 Stun-
den unter Augsburg — einig guter Familien von Adal-
berone Grafen von Sempt 1118 errichtet".
Lilienbergj „Jungfernkloster ausser der Stadt München
in sogenannter Au auf einer Höhe, vpird dermaleinst nur
noch für ein Priorat gehalten".
Macbabäer „ist ein Jungfern Abtei der Reichsstadt
Colin nechst den Capuzinem in der Malthesergassen".
Malgarden „ist ein treffliche Abtey lauter Ritterbür-
tiger Fräulen im Bisthum Osnabrück".
Marienthal^ „"v^on Kaiser Henrici sehr stattlich privi-
legirte Abtei Adelich Ritterbürtiger Fräulen "Westphäli-
schen Crayses in der Stadt Münster",
Münster, „eine reiche Jungfemabtei annoch in dem
Tirolisch gebürgigen Engadein, und aber fast von Calvi-
nisten umgeben , hat mehrentheils adeliche Familien aus
Graubünden". Marfan (2. Th. 3. Bd. S. 372) giebt an, die
Abtei sei von Karl dem Grossen gestiftet -worden. Sämmt-
liche alte Urkunden sind in z-wei Feuersbrünsten verbrannt.
Münsterlingen, „Jungfern Abtei auf der Schweitzer-
seiten hart an dem Bodensee anderthalb Stunde oberhalb
Constanz hat sehr grosse Einkünften und -weiten Distrikt
Landes, -welcher jetzige Frau Aebtissin Freyin von Rost zu
Auf hoffen und Schrott-win ekel immer zu er-weiternbefliessen".
NeuTverk, „Jungfernabtei Ritterbürtiger Familien
9 Stunden unter Cöln gegen den Clevischen".
Medembnrg, Jun^emabtei in Passau, „an dem Ecke
-wo der Inn und Donau sich verknüpfen, hat Thassilo
Hertzog in Bayern gestiftet so aber bis zur Zeit Henrici
Sancti vsdderum in ziemlich Abgang kommen von dessen
gottseeligen Kayserin Cunigund aber -weiter, erhebt -worden".
Ifiederprüm/ Jungfemabtei, „sehr gut Ritterbürtigen
Adels eine halbe Stund von der fürstlichen Abtei. Prüm, ist
von dem Prümischeu Fürsten Christoforo erbauet -worden".
Ober wert, „Jungfern Abtei mitten in dem Rhein
1 Stund ober Coblentz auf einer angenehmen Insul, hat
lauter Famüien, vp-elche vermög' ihres Adels auf jed-ritter-
bürtiges Hochstifft des Reichs zu gelangen fähig".
— 37 —
Ozade, „Adeliclie Jxmgfernal)tei, deren Äbtissin eine
Baronessin von Plettenterg".
Poppart „nennet man sonst Hochkloster zu Poppart
nhralte hochadeliclie Jungfern Abtei. Ich habe allda ein
Nekrologium von Anno 1626 durchgangen worinen gefunden,
dass lauter Hertzoginnen , Fürstinnen und Gräfinnen in
höchster Devotion unter dieser heil. Benedictiner-Regul
Gott allda gedient. Jetzige Frau Äbtissin ist des uralten
Hauses der Wallboten Grafen von Bassenheimb''.
Kolandtswertli, Jungfemabtei mitten im Rhein auf
einer Insel 2 Stunden ober Bonn.
St. Anna, Jungfemabtei in Aachen.
St. Anna zu Luxemburg, Jungfemabtei, mitten in der
Stadt.
St. Anna, Jungfemabtei in Paderborn.
St. Affra, Jungfemabtei in Würzburg.
St. Agatlia, Jungfernabtei in Cöln.
St. Egidi, „Adeliche Jungfemabtei inmitten der Stadt
Münster".
St. Crertmdenberg ausser Osnabrück, „eine Jungfern-
abtei von lauter Ritterbürtigen FamiUen".
St. Manritii, „Jungfern- Abtei in Colin unweit der
Weyerstrasse".
St. Otilienberg im Nieder-Elsass, „ansehnliche Jung-
fern-Abtei lauter adelicher Familien, hat Roland Graf von
Zähring 1625 fundiret".
St. Wallburg in Eichstädt, „eine der vornehmsten
Jungfemabteien im teutschen Reich".
Schmerlenbach „ist eine Jungfemabtei mehrist adelicher
Familien, eine Stunde ausserhalb Aschaffenburg".
IJnsre Liebe Frau, Jungfemabtei in Fulda.
TJrspringen, eine adelige Jungfemabtei in Sch-waben,
eine halbe Stunde ausser Schelklingen; von drei Brüdern
in Schelklingen 1127 gestiftet.
Wildebadrsseuj eine reiche Jungfemabtei, 5 Stunden
von Paderborn in Westphalen.
Winnenberg, „Jungfemabtei 7 Stunden von Münster
ist fondirt von zwei edlen Brüdern von Winnenberg".
— 38 —
Vin. lieber die Verwendung des eingezogenen
Klostergutes und Schluss der Einleitung.
Der Herausgeber muss hier noch auf zwei ■wesent-
liche Momente hinweisen, die sich zwischen den Benedik-
tinerstiften in Deutschland und in den innerösterreichischen
Landen herausstellen.
Bei manchen Männer- und FrauenMöstem im deutschen
Eeich ist zu ersehen, wie die adeligen Capitularen, wenn
dieselben einmal die Majorität erlangt, den Adel als noth-
wendiges Erfordernis zur Aufnahme erklärten, auch bei
Stiften, wo die Stiftbriefe nichts von einer solchen Be-
dingung enthalten. Es wurde eben in den klösterlichen
Genossenschaften das Verfahren jener deutschen Domcapitel
nachgeahmt, welches Schreiber dieses in seiner Schrift: „Der
Humor in der Diplomatie" u. s.w. (I. Bd. S. 8) beleuchtet hat.
So kam es, dass ia vielen Stiften von den Candidaten
zur Aufnahme nicht nur der Adel, sondern auch die stift-
mässige Ahnenprobe (16 Ahnen) verlangt worden ist.
Wie sichnun während desBestehens der österreichischen
und deutschen Stifte ein Unterschied herausstellt, so ist
auch ein wesentlicher bei der Aufhebung bezugs des ein-
gezogenen Klostergutes bemerkbar. Kaiser Josef ist wohl
ganz absolutistisch und gewaltsam verfahren, es lag aber
nicht in seinem Vorhaben, das eingezogene Gut für seine
Person, seine Familie, oder für Staatszwecke zu verwenden,
sondern er wollte es wieder für kirchliche Zwecke be-
stimmt wissen.
InOesterreich lagdas Unrecht mehr in dem gewaltsamen
einseitigen Vorgehen des Staatsabsolutismus; er verfügte
einseitig mit dem Kirchengut, er entfremdete es gewaltsam
den rechtmässigen Besitzern, und suchte sein Vorgehen
durch den Umstand zu rechtfertigen, dass er dieses Kirchen-
gut wieder für kirchliche Zwecke, freüich nach seinem
Gutdünken verwenden wollte.
Anders war es zumeist in Deutschland der Fall. Hier
suchten die Fürsten das Beispiel ihrer Vorfahren während
der Reformationszeit nachzuahmen, und erklärten das weg-
genommene liegende und mobile Vermögen als ihr Privat-
oder als Staatseigenthum, das nun für Privat- oder für
Staatszwecke verwendet werden sollte.
— 39 —
Wer einen kleinen Sinn für pragmatische Geschichte
hat (leider mangelt dieser Sinn auch vielen Welt- und auch
mitunter Kirchenhistorikern), der wird bei historischen That-
aachen nicht nur die Ursachen, sondern auch die Folgen
derselben ins Auge zu fassen haben.
Diese ganze Elosteraufhebung war ein lärmendes Vor-
spiel des hinterdrein kommenden Socialismus. Heute mir,
morgen dir, Könige oder Fürsten, die das Eigenthum ihrer
TJnterthanen für ihr Eigenthum erklären, die aus angeb-
lichen politischen Gründen Länder annektiren, welche nie
zu ihren Reichen gehört haben, und für die sie keinen
andern Rechtstitel als ihr Vergnügen an Vergrösserung
ihrer Macht und ihres Einkommens aufweisen können,
derlei Könige oder Fürsten oder Machthaber sind im Un-
recht, wenn sie sich über die Pläne und Bestrebungen der
Socialisten aufhalten; es dürfte auch ein solches Aufhalten
dann keinen Erfolg mehr versprechen, wenn sich die Flam-
men dieses Brandes wie ein wogendes Peuermeer von einem
Ende Europas zum andern hinwälzen, man hat die Stimme
des lehrenden Weltgewissens in der Kirche überall zu unter-
drücken gesucht; — ist nun dieses welthistorische Scha-
denfeuer im mächtigen Portschreiten, so wird es weder
theoretisch durch die Handspritzen einiger Staatsweisheits-
lehrer, die sich auf dem Katheder durch ihren Kampf ge-
gen die Socialisten lächerlich machen, noch praktisch durch
die Bajonette stehender Heere mehr aufzuhalten sein. Die
weltbewegenden Principien — mögen sie nun gut oder
schlecht sein — gleichen den hoch über der Menschenwelt
dahineilenden Wolkenzügen, ob sie als befruchtender Regen
herabkommen, ob sie epidemische Krankheitsstoffe nieder-
aenken — sie gehen ihren Weg, Segen oder Verheerung
bringend, aber keine menschliche Macht kann sie aufhalten.
Professor Dr. Cölestin Wolfsgruber, Capitular des
Schottenstiftes, hat während einer Abwesenheit des Heraus-
gebers von Wien die Correspondenz mit den HH. Autoren
geführt, und Hr. Berthold Bayer, Cleriker-Theolog des-
selben Stiftes, die Correcturen besorgt. Der Herausgeber
hält es für eine Pflicht der Dankbarkeit, diese Mühewal-
tungen zur Kenntnis zu bringen.
Wien, den 1. Februar 1880,
S. Brunner.
Abtei Aämont in Steiermark.*)
eograpMsche Lage, allgemeine Topograpliie und Name.
Das Stift Admont liegt unter 32 ° 8' östlicher Länge
und 47 " 35' nördlicher Breite. Die Seehöhe beträgt
1969 Fuss. Im unteren Ennsthale zwischen Liezen
und Hiflau am Einflüsse des Lichtmessbergbaches in die Enns
und am rechten Ufer dieses Flusses ist der Markt Admont
situirt, an welchen sich in gering höherer Lage die Gebäude
der Abtei anschliessen. Der Umblick vom Stifte aus ist ein
ungemein lieblicher und zugleich hochromantischer. Ein
Kranz von Hügeln, Vorbergen und Hochgebirgen umsäumt
das Thal, in welchem die Ortschaften und Häusergruppen
von Ardning, Frauenberg, Mühläu, Hall, Weng, Krumau
imd Aigen zerstreut sind. Von den Bergen nennen wir nur
die höchsten. Diese sind der Saalberg, der Draxelanger,
die PlöBch, der Leichenberg, der Pyrgas (2244 m), der
Bosruck, der Scheiblingstein, . die Kreuzmauer, der Hexen-
thurm, der Nätterriegel, der Grabernstein , der Buchauer-
sattel, der Buchstein, der Himbeerstein, der Tamischbach-
thurm, die Johnsbachermauern, der Reichen stein, der Kalb-
ling, der Lichtmess- oder Dietmannsberg, das Thonegg,^
der Klosterkogel, der Piaberg und das Gimschöberl. Von
einigen Punkten im Thale erblickt man auch die Hoch-
haiden im Paltenthale, die Esslingalpe bei Altenmarkt»
den Hochtausing und Griinming im oberen Ennsthale und
endlich den Dachstein mit seinem ewigen Eise. . Unweit
des Marktes schaut von einem bewaldeten Vorberge das
malerische Schloss Rötheistein herab.
Die Kronprinz -Rudolf bahn durchzieht das Thal und
hat zu Admont eine Station. Von Admont laufen Strassen-
züge durch das G;esäuse nach Johnebach und Hiflau, über
den Lichtmessberg in das Paltenthal, über Aigen und durch
das Selzthal nach Rottenmann, über Ardning und das Reit-
*) Die Herren- und Frauer.stifte folgen in alphabetischer Ordnung.
iiiliii
— 41 —
thal nach Liezen und in das obere Ennsthal und überWeng-
und die Buchau nach St. Gallen. Zu Admont befinden sich
das Oberforstamt der Innenberger Actien- Gesellschaft,
ein Gendarmerie- und Finanzwachposten, Postamt und
Telegraphenstation, eine vom Stifte erhaltene Apotheke
und zwei Doctoren der Medicin. Gewerbe imd Verkehr
sind nicht unbedeutend. Erwähnung verdienen die Dampf-
säge der Firma Gerstle & Compagnie, der Sensenham-
mer des Michael Adam und der Drahtzug des Josef Liebl
in der Mühlau. An Kirchen ausserhalb des Stiftes sind zu
nennen: St. Johann B. zu Ardning, die prachtvolle Wall-
fahrtskirche auf dem Kulm, Frauenberg genannt, h. Kreuz
in Hall, St. Cosmas und Damian in Weng und St. Amand
und Erhard im Markte Admont. Diese Pfarren und Kir-
chen gehören zum Decanate Admont, dessen Vorsteher den
Titel eines Kreisdechanten führt. Der Markt Admont zählt
116 Häuser mit beiläufig 1000 Einwohnern. Drei Häuser,
das Hofrichter-, Doctor- und Hubererhaus reichen in ihrer
Bauart noch in das 16. Jahrhundert hinauf. Das sogenannte
stiftische Spital (jetzt Geflügelhof) ist ein Ueberrest des
früher hier bestandenen Frauenklosters, an welches auch
noch das Frauenfeld zu Admont und die Frauenhube zu
Ardning erinnern. An Bildungs- und humanitären Anstal-
ten zählt Admont eine Volksschule mit vier Classen, ein
Bürger- und ein Eisenbahnspital, eine Feuerwehr und einen
Veteranenverein. Für gesellige Unterhaltung sorgt das
unter dem Namen Leseverein etablirte Casino, in welches
auch anständige Fremde Zutritt finden, und eine Schiessstätte.
Nachdem wir das Wichtigste über die Lage und Be-
schaffenheit des Ortes vorausgeschickt haben, darf auch der
Name desselben nicht unerörtert bleiben. Urkundlich ver-
brieft finden wir die Schreibweise im Jahre 860 Ademundi;
931 Adamunton; 1005 Adamunda; 1105 Admuntis; c. 1130
Ademund; 1152 Ademunt; 1184 Agymund; 1224 Admunde
undAdmunt; 1229 Admonde; 1285 apud Agmundg,m; 1294
Agmonde; 1298 in Admundia; 1306 Agemuend; sonst in
deutschen Diplomen dieses Jahrhunderts fast ausschliess-
lich Admund, Da die Ureinwohner des Admontthales ein
Zweig des grossen Keltenvolkes waren^ so liegt es nahe,
dass sift die Lokalität, in der sie sich angesiedelt haben,
nach und in ihrer Sprache benannten. Nun heisst aa, ach
— 4:2 —
Wasser und mund Mündung, also ist Admont ein an der
Mündung des Wassers (Lichtmessbergbaches) liegender Ort.
Geschichte der Abtei. Wir haben oben gesehen, dass der
Name Admont, wenn auch in anderer Form, in den Büchern
der Geschichte schon im 9. Jahrhundert zu lesen ist. Nach-
dem unter den Stürmen der Völkerwanderung die Legionen
EiOms, welche, wie Steine undMünzen beurkunden, in unserem
Thale Fuss gefasst hatten und deren Hauptstrassenzug von
Yirunum nach Ovilabanur zwei Stunden von Admont vorbei-
geführt hat, nach Süden gedrängt worden waren, gesellten
sieh zu den romanisirten Ureinwohnern unter der Aegide der
fränkischen und deutschen Könige Colonisten aus Bayern.
Früher schon waren von den Avaren geschoben slavische
Stämme im Lande erschienen und hatten sich um 627 im
Ennsthale festgesetzt. Zeuge dessen sind viele slavisch
klingende Orts-, Berg- und Flurnamen. Wie die südliche
Steiermark ihre Christianisirung der Kirche zu Aquileja
verdankt, so war es der Stuhl des h. Rupert zu Salzburg,
der durch seine Missionäre die Kreuzesfahne in Karanta-
nien, im Gaue des Ennsthales, aufpflanzen Hess. Die Grün-
dung der Kirche St. Amand zu Admont dürfte schon unter
Erzbischof Arno (797 — 821) stattgefunden haben. Wir
würden irren, wenn wir uns das Admontthal vor der Stif-
tung der Abtei als eine unbewohnte Wüste denken möch-
ten. Die Salzquellen des nahen Hall wurden schon im
grauen Alterthume, vielleicht weit früher als die Berg-
werke zu Eisenerz, betrieben. Als daher Admont im 9. Jahr-
hundert zum ersten Male in einem Dokumente genannt
ward, war das Thal schon längst der Cultur erschlossen.
Am 1. October 860 schenkte König Ludwig der Deutsche
einem Grafen Witagowa zwölf Mausen sammt Zubehör
im Thale Admundi. Die nächste historische Nachricht
•datirt vom J. 931. Da gab Erzb. Adalbert IL dem Grafen
Alberich eine Salzpfannstätbe zu Adamunton. Das Thal
war also königliches Fiskalgut, und es wurden Theile des-
selben an Adelige als freies Eigen gespendet. Bisher er-
schien das gesammte Thal unter dem Namen Admunt.
In einer Urkunde von 1005 wird dieser Name aber blei-
bend einem einzelnen Gute oder Gehöfte beigelegt. In
diesem Jahre nämlich erhielt die Salzburger Kirche von
König Heinrich II. das „Gut" (predium) Adamuuta mit
— 43 —
Gründen, Salzpfannen und Hörigen unter der Badingung,
dass 63 nach dem Tode des Erzbischofs Hartwik dem
Kloster zu St. Peter in Salzburg zufallen sollte. 1016 ver-
lieb derselbe Regent dem Grafen Wilhelm von Friesach
und Zeltschach und seiner Mutter Hemma den dritten
Theil einer Saline im Admontthale. Wir begegnen in
dieser Urkunde der Urstifterin der Abtei. Hemma, eine
Tochter des Grafen Engelbert von Peilenstein und mit
dem deutschen Eaiserhause versippt, war nach dem Tode
ihres Gemahles und dem tragischen Ausgange ihrer Söhne
eine der reichsten AUodialbesitzerinnen in K'ämten und
Steiermark. Sie nahm den Schleier in dem von ihr ge-
gründeten Nonnenkloster zu Gurk und legte einen beträcht-
lichen Theil ihres ßeichthums an liegenden Gründen in
die Hände des Erzbischofs Balduin mit der Verpflichtung,
an dem Ufer der Enns im steierischen Oberlande ein Kloster
zu errichten. Sie starb 1045. Politische Verhältnisse hin-
derten Balduin, Hemmas frommes Vermächtnis zu erfüllen.
Sein Nachfolger Erzbischof Gebhard Graf von Helfenstein
war endlich in der Lage, den Klosterbau beginnen zu können.
Gründung des Stiftes. Erste Aebte bis 1199. Hemmas
Grunddotation -war durch Geschenke Balduins und Geb-
hards beträchtlich vermehrt -worden. 1072 kam letzterer
in das Ermsthal, um den Bauplatz der neuen Stiftung
festzustellen und den Bau selbst beginnen zu lassen. Wie
bei den meisten Klostergründungen des Mittelalters
mischen sich auch zu Admont Sage imd Legende mit den
Thatsachen der Geschichte. Ein Taubstummer soll für
einen Augenblick die Sprache erlangt und einen sicheren
Ort für das Kloster bezeichnet haben. Der erste Bau scheint
von Holz gewesen zu sein. Am 29, September weihte Geb-
hard in Anwesenheit des steierischen Markgrafen Ottokar V.,
der Bischöfe von Passau, Freising und Gurk und vieler
Ministerialen die Kirche zu Ehren der h. Maria und des
h. Blasius ein, und übergab das Kloster einer Colonie von
12 Mönchen aus dem Stifte St. Peter in Salzburg. Arnold
vrarde zum Administrator gewählt. Es kann hier nicht
die gesammte Güterdotation des neuen Stiftes angegeben
werden und wir müssen es bei der Hindeutung bewenden
lassen, dass ein grosser Theil des Ennsthales, die Fischerei
im Ennsflusse, Salzpfannen zu Hall und Reichenhall, Güter
— 44 —
und Zehente im Palten- und Triebenthale, an der Mur,
in Salzburg, Kärnten und in der Ostmark den Grundbesitz
bildeten. Dieser reiclien Spende fügte Gebbard kostbare
Kircbengerätlie, Reliquien und Bücher bei. (Daruater eine
noch, vorhandene Bibel in zwei Grossfoliobänden.) Die
Gründung Admonts fällt in die traurige Zeit des Investi-
turstreites. Da Gebbard treu zu Gregor VII. hielt, "war
er den Verfolgungen Heinrichs IV. und seiner Verbündeten
anheimgefallen. Er vrurde aus Salzburg vertrieben und
der Aftererzbischof Berthold von MOosburg und sein Ge-
nosse Adalbero der Rauhe plünderten wiederholt Admont.
Arnold hatte nur ein Jahr die Leitung der Ordens-
gemeinde geführt. Sein Nachfolger und erster Abt war
Isingrin aus dem Kloster St. Peter. Gebhard, der indessen
wieder auf seinen Stuhl zurückgekehrt war und dem Kloster
Admont die Güter Ardning und Hauzenbüchel gegeben
hatte, starb 1088 auf der Veste Werfen. Seinem Wunsche
nach wurde er im Blasienmünster zu Admont begraben,
und ihm daselbst ein Epitaph errichtet. Der neue Erz-
bischof Thiemo hatte schon als Abt zu St. Peter eine Zu-
fluchtsstätte zu Admont gefunden. Abt Isingrin starb 10901
Ihm folgte als Vorsteher Giselbert, bisher Abt zu Reinhards-
brunn. Dieser führte die strenge Disciplin von Hirschau
■ — der Cluniacenserregel nachgebildet — in Admiont ein.
Von Thiemo erhielt dieses Stift 1093 Kirche und Pfarre
St. Amand, welch letztere sich in der Länge von fast zwei
Tagreisen erstreckte. Für die Salzarbeiter zu Hall baute
der Abt die Kirche zu Hall, welche Thiemo 1095 eingeweiht
hat. Giselbert fand den Tod 1101 auf dem Kreuzzuge bei
Jerusalem. Abt Heinrich I. erhielt 1105 von Pascal IL
den ersten päbstlichen Bestätigungsbrief. Unter ihm wurde
der Admonter Mönch Engelschalk als Abt nach Melk be-
rufen und fand Erzbischof Conrad I. in unserem Thale eine
Zuflucht vor seinen Feinden. Heinrich ertrank 1112 in
den Fluten des Weissenbaches. Der Prior Otto übernahm
die Leitung des Klosters, und als er zur äbtlichen Würde
zu Millstadt erhoben wurde, gab Erzbischof Conrad L dem
verwaisten Convente einen Hirten in der Person des Mönches
Wolfhold von St. Georgen im Schwarzwalde. 1116 gelangte
der Admonter Priester Reinbert zur Inful von St. Peter
und starb 1141 als Bischof von Brixen. Die durch die
— .45 —
wiederholten feindliclien Ueberfälle fast zerstörten Kloster-
gebände erhoben sich in neuer Pracht, und Marmorsäulen
schmückten die Kirche des h. Blasius. Auch entstand zu
Admont ein Kloster der Benediktinemonnen, •welches bald
zu grosser Berühmtheit gelangte. Wolfhold wurde zum
Archidiakon der Salzburger Diöcese ernannt. Der Erzbischof
übergab ihm das neugegründete Spital zu Friesach und der
Admonter Mönch Marquard wurde Yorsteher desselben.
Ebenso berief der G-raf Engelbert von "Wasserburg eine Colonie
aus Admont zu Wiedererhebung des Stiftes Attel. Um
1135 erhielt Admont das Gut Unterjahring. Die fleissigen
Mönche verwandelten das Wald- und Sumpfland um Bären-
dorf im Paltenthale in gutes Ackerland. Um die Disciplin
in dem Nonnenkloster zu St. Georgen am Längsee wieder
zu erwecken, sandte Abt Wolfhold die Nonne Uta sammt
zwanzig Genossinnen dahin. Bei dieser Gelegenheit soll
er eine vornehme Nonne, eine Verwandte des Günther
von Hohenwart, strenge bestraft haben. Günther liess den
Abt greifen und ihn rücklings auf ein Pferd gesetzt zum
Spotte durch das Land führen. Der Thäter verfiel dem
Kirchenbanne; aber auf seinem Todtenbette zu Regens -
bürg 1140 ging er reuig in sich und schenkte dem Kloster
die halbe Kirche St. Martin mit anderen Gütern. Als böse
Zungen den Ruf des Abtes begeiferten, reinigte sich dieser
durch die Ordalie des Feuers. Wolfhold starb nach einem
heihgmässigen Leben im J. 1137.
Der nächste und einer der denkwürdigsten Aebte war
Gottfried I. von Venningen, früher Abt zu Weingarten.
Unter ihm erhob sich die Abtei zum höchsten Gipfel geistiger
Blüte. Viele andere Klöster erbaten sich und erhielten
Aebte aus der Brüdergemeinde zu Admont. Es wurden
berufen Wemher nach Brül, Berthold und Adalbert nach
St. Emmeran, Günther nach Weihenstephan, Otker nach
St. Lambrecht, Johann nach Göttweig, Irimbert nach
Michaelsberg, die Mönche Ortlieb, Conrad, Adalbero, Magan
und Reginward in ungenannte Klöster. Auch das Frauen-
Moster erfreute sich hoher Blüthe. Die gelehrten Nonnen
(sanctimoniales literatae) erzogen Töchter a,us den vor-
nehmsten Häusern, verstanden Latein und verfassten zier-
liche Handschriften. Innocenz IL würdigte sie einer Zu-
schrift. Eine Schaar Admonter Nonnen unter der Aebtissin
— 46 —
Eegilla "bezog das Kloster Bergen. TöcMer von erlancMeia
Stamine nahmen zu Admont den Schleier. So Wilihirg,
Tochter des Markgrafen Ottokar IV. von Steier (f 1144),
Sophia, Tochter des ungar. Königs Bela 11. (1145 — 1150),
Cunegunde von Andechs, und Agnes von Wolfratshausen. —
1139 und 1144 bestätigten die Pähate Innocenz II. und
Lucius II. die Rechte des Stiftes Admont. In den hezüg-
lichen Bullen wird die freie Abtwahl und das Recht der
Bestattung um das Stift verdienter Personen zugesichert.
Die ersten, welchen diese Ehre zu Theil ward, waren
Macelin von Zimmersdorf und Günther von Hohenwart.
Im Waldlande jenseits der Buchau erbaute um 1140 Gott-
fried von Wetternfeld die Kirche St. Gallen und übergab
selbe reich ausgestattet dem Stifte. Das Gut Adamunta,
an dessen Stelle die Abtei gegründet worden war, hätte
schon nach dem Tode des Erzbischofs Hartwik dem Stifte
St. Peter zufallen sollen. Jetzt erneuerte dieses seine An-
sprüche auf Entschädigung, und es entspann sich ein Streit,
welcher erst 1229 beendigt worden ist. Ungemein zahl-
reich waren die Güterspenden, welche auf dem Altare des
h, Blasius in dieser Zeit niedergelegt wurden. Poppo, Graf
von Gieche-Plassenburg, dessen Sohn Heinrich den Mönchs-
habit zu Admont angezogen hatte, schenkte Güter zu
Schaumberg in Kärnten, und Gottfried von Wieting solche
zu Sausal. Mit dem Domcapitel zu Salzburg ging um
1160 Abt Gottfried eine geistliche Verbrüderung ein. Im
J. 1152 verzehrte eine Peuersbrunst den grössten Theil
des Stiftes, Aber in kurzer Frist entstand ein neuer Bau,
welchen Erzbischof Eberhard I. eingeweiht hat. Die Wahl
dieses Kirchenfürsten war zum Theile dem weitgreifenden
Einflüsse unsers Abtes zuzuschreiben und Gottfried holte
für ihn auch das Pallium von Rom. Mit dem heiligen
Abte Berthold von Garsten und dem gelehrten Probste
Gerhoch von Reichersberg stand Gottfried im freundlichen
und literarischen Verkehr. Er selbst war ein Gelehrter
und als solcher Gönner wissenschaftlicher Bestrebungen.
Die Stiftsbibliothek wm-de mit dem Ertrage zweier Wein-
gärten dotirt. Theils als selbständige Autoren, theils als ge-
wissenhafte und geschickte Abschreiber lebten im Stifte die
Mönche Wemher, Günther, Salman, Göttschalk, Berthold,
Lambert, Reimbert, Ukichund die Nonnen Regilind, Irmgard
I 1 lli»
— 47 —
■und Diemnt. Gottfried schrieb Homilien, über die Seg-
nungen desPatriarcben Jakob und eine Erklärung des Jesaias.
Nach Gottfrieds Tode (1165) erhob die Wahl der
Brüder einen aus ihrer Mitte, Liutold von Tovemich, zur
Prälatur. Unter diesem Abte wurde der Stiftspriester Hein-
rich auf den Abtenstuhl von Millstatt erhoben, und aus
dem Nonnenconvente zu Admont wanderten abermals eine
Schaar von Jungfrauen mit der Meisterin Agnes nach
Neuburg bei Ingolstadt, um dieses Stift wieder in Flor
zu bringen. Erzbischof Conrad II., ein Sohn des h. Leo-
pold des Babenbergers, fand zu Admont nicht nur ein Asyl
in der Verfolgung, sondern auch seine letzte Ruhestätte.
Sein Nachfolger Adalbert III. schenkte dem h. Blasius
die grosse Paltenpfarre St. Lorenz. Abt Liutold ging
1171 zu den Vätern ein. Der neue Abt Irimbert, des
grossen Gottfried Bruder, hielt nur kurze Zeit den Krumm-
stab. Auch er war ein Mann der Wissenschaft und schrieb
Homilien xmd Commentare über mehrere biblische Bücher.
Die gebildeten Admonter Nonnen schrieben seine Werke
ab. 1178 wurde Isenrik, bisher Abt zu Biburg, als Vor-
steher nach Admont berufen. Die Admonter Mönche Jo-
hann und Conrad wurden als Aebte nach Biburg und
Garsten postulirt. 1184 starb im Nonnenkloster Cunegunde,.
die Mutter des steierischen Herzogs Ottokar VIII. Das Stift
erhielt Bestätigungsdiplome 1184 von Kaiser Friedrich I.,
und von den Päbsten Lucius III. 1185 und Urban III. 1187.
Im Jahre 1188 schenkte Herzog Ottokar die l^farre St. Jakob
in Leoben und die Kirche St. Peter. Abt Isenrik, der
sich dem Kreuzzuge angeschlossen hatte, fand 1189 den
Tod in der Bulgarei. Die heimischen Annalen geben ihm
den Ehrennamen „Literatus". Aus seiner Zeit stammt ein
nur mehr in Abschrift vorhandenes Schriftdenkmal „Di-
rectorium antiquissimum Admontense", welches uns über
den Geist des Ordenslebens, der zu Admont herrschte, die
klarsten Aufschlüsse ertheilt. Unter dem folgenden Abte
Eudolf erhielt das Stift (1196) durch Tausch gegen das
Spital zu Friesach die uralte Mutterpfarre St. Michael an
der Liesing mit ihren Filialen.
Bie Aebte von 1199—1275. Unter Abt Johann I. be-
glückte Leopold der Glorreiche von Oeaterreich zweimal
das Kloster mit seinem Besuche, welches durch ihn 1201
— 48 —
die Kapelle St. Martin an der Salza erhielt. Der folgende'
Prälat Rüdiger fand zufallig 1205 den Tod in einem Stein-
bruclie. Er hatte kurz vorher durch Erzbischof Eberhard U.
die Pfarre St. Leonhard in Freiland erhalten. Unter Abt
Wolfram (1205—1207) gelangte der Stiftspriester Gottfried
zur Abtswürde zu Ossiach, um bald darauf Admonts äbt-
lichen Stuhl selbst zu besteigen. Dieser hatte die Be-
sitzungen der Abtei zu Elsendorf in Bayern gegen die
Uebergriffe des Grafen Mainhard von Abensberg zu ver-
theidigen, erwarb sich besondere Verdienste um die Grün-
dung des Bisthums Seckau und liess bei Eriesach den
Bergbau betreiben. 1213 wurde der Mönch Dietmar als
Abt nach Seitenstetten berufen. Die folgenden Aebte
Wichpoto und Berthold I. fährten nur kurze Zeit die Re-
gierung. Der letztere erlangte 1230 für sich und seine
Nachfolger von dem Pabste Gregor IX. das Recht, sich
der Inful zu bedienen. Um diese Zeit schenkte auch Otto
von Langenbach dem Stifte das Gut St. Peter in der Au.
Berthold resignirte 1231 und ward Abt zu St. Peter. Sein
Nachfolger zu Admont Conrad fangirte als vom Pabste
bestellter Vermittler in einem Streite zwischen dem Her-
zog von Bayern und dem Bisthume Freising. 1234 befreite
Erzbischof Eberhard II. die Pfarre St. Amand von dem
Verbände des Ennsthaler Archidiakonates. 1235 beehrte
Kaiser Friedrich II. Admont mit einem Besuche und gab dem
Stifte einen umfassenden Schutzbrief. Friedrich der Streit-
bare von Oesterreieh bestätigte 1242 dem Kloster das Privi-
legium freier Gerichtsbarkeit mit Ausnahme todeswürdiger
Verbrecher. Der admontische Güterbesitz zu Kirchheim in
Kärnten wurde durch Kauf von dem Kloster Mossach und
durch Schenkungendes GrafenMainhardvonGörz vergrössert.
Dem Adraonter Nonnenconvente ertheilte 1241 das
Generalcapitel der Dominikaner zu Paris die Theilnahme
an den Verdiensten des Ordens, und Sophia, Markgräfin
von Istrien, liess sich in die Reihe der Nonnen aufnehmen
und spendete bedeutende Güter zu Mainhardsdorf. Aus
der Zeit des Abtes Conrad datirt auch ein interessantes
historisches Monument, das: „Registrum Admuntense".
Selbes enthält das Leben des seligen Gebhard und seiner
Nachfolger bis zum Tode Eberhards IL, und eine gedrängte
'Geschichte der Admonter Aebte.
— 49 —
Die Zeit des österreichischen Zwischenreiches war eine
Zeit der Drangsale für die Klöster. Auch Admont sank
von der Höhe geistlicher Disciplin, gelehrter Bildung und
materieller Macht immer mehr herab und sein gänzlicher
Ruin war nur mehr eine Frage der Zeit. Die fortwähren-
den Kämpfe der Fürsten und Adeligen, die Unsicherheit
der Person und des Eigenthums, die Eingriffe gewissen-
loser Vögte und Kämpen des Paustrechtes in des Klosters
Rechte und Besitz, der Mangel eines mächtigen und ehr-
lichen obersten Schirmherrn, die immer höher gespannten
Forderungen an Geld und Leuten, Misswachs und Theue-
rung, die allgemeine Yerwilderung der Gemüther, welche
selbst die Schwelle der Clausur überschritt — dies waren
die Sturmeswellen, welche das Schifflein des h. Blasius zu
zerschellen drohten. Die Aebte Berthold II. 1242—1259,
Friedrich 1259—62, Ulrich I. Zant 1262—68 und Albert I.
1268—75 waren wohl fromme und wohlmeinende Männer,
aber den Stürmen der Zeit und der Lenkung eines grossen
Gemeinwesens nicht gewachsen. Im Jahre 1259 zerstörte
eine Feuersbrunst das Nonnenkloster. Um 1262 zwang
eine Hungersnoth Abt, Mönche und Nonnen zur zeitweiligen
Auswanderung nach Salzburg. 1263 erhielt das Stift durch
den Statthalter Bischof Bruno von Olmütz Entschädigung
für jenen Grund und Boden, welchen es zur Erweiterung
der Stadt Brück an der Mur abtreten musste. 1265 be-
stätigte Pabst Clemens IV. die Freiheiten des Klosters.
Um 1270 wurde die Admonter Nonne Herburg von Emfels
Aebtissin zu Goess. Graf Mainhard von Abensberg-Roteneck
schenkte dem Stifte einen Hof zu Punhart in Bayern und
Bischof Conrad II. von Freising ein Haus zu Waidhofen
an der Tbbs. 1273 baute Abt Albert die Pfarrkirche zu
Landl, Die Tradition erzählt, dass die Mönche selbst die
innere Ausschmückung und die Geräthe der Kirche ver^
fertigt haben.
Die Aebte von 1275—1391. In den Tagen äusserster
Bedrängnis gab die Vorsehung in Heinrich VII. dem
Blasienstifte einen Vorsteher, den die heimischen Annalen
mit Recht als zweiten Stifter feiern. Heinrichs Charakter
und Wirken ist von den meisten Historikern als Zerrbild
gemalt. Er galt und gilt ihnen als geistlicher Knecht
Ruprecht, mit dem man alte Kinder schreckt. Der Reim-
Ein Benedilttinerbuch. 4
— 50 —
Chronist Ottokar ist die Quelle, aus welclier sie geschöpft
hahen und diese ist in kirchlich- politischen Dingen eine
trübe. Alle haben auf die Worte ihres Meisters geschworen,
aber die den Ausschlag in der Beurtheilung Heinrichs geben-
den gleichzeitigen Urkunden ignorirt.
Wir können aus dem reichen Leben dieses Abtes nur
Einiges berühren. Seine Stellung als Landschreiber und
Landeshauptmann in Steiermark und sein getreues Fest-
halten an dem Herzog Albrecht Ton Habsburg erweckten
ihm viele Gegner. Im Auftrage des Herzogs zerstörte er
die Yesten Perneck und Neuhaus, und Albreeht konnte den
Abt nur durch die Erklärung, derselbe habe nur seine
Befehle vollzogen, blutiger Kache entziehen. Gegen den
ungarischen Grafen Iwan von Guus versuchte sich Hein-
rich als Feldhauptmann, erhielt aber bei Radkersburg eine
Schlappe. Damit haben wir eine der Schattenseiten in
des Abtes Charakter gekennzeichnet, sein Einmengen in
weltliche Händel. Auch zu weit gehender Ehrgeiz und
gekränkte Eitelkeit, die ihn. hart und unversöhnlich gegen
seine Gegner machen konnten, waren einer geistlichen Per-
son unwürdig. Allein seine Fehler wurden durch ander-
wärtige gute Eigenschaften mehr als aufgewogen. Er hatte
das vollkommenste Vertrauen seines Stiftscapitels. Für
das Klosterspital machte er eine grosse Dotationsstiftung.
Den Verkehr hob er durch Erbauung einer Brücke über
die Enns bei Weissenbach. Um das Admonterthal -vor
feindlichen Einfällen zu schützen, erhob er mehrere be-
festigte Plätze (Clausen). Durch Anlegung der Burgveste
Gallenstein beförderte er die Sicherheit der Landesgrenze
und schuf einen Zufluchtsort in Feindesgefahr. Als 1292
die vereinigten Bayern und Salzburger trotz der Clausen
das Admonterthal eroberten und das Kloster plünderten,
fanden Mönche, Unterthanen, Kirchenschätze, Bücher und
Urkunden Schutz hinter Gallensteins Wällen. Zu Zeiring
liess Heinrich den Bergbau betreiben. Die dem Ruine
nahe Kirche zu Admont erhob er in prachtvoller (gothi-
scher) Bauart und auch die Pfarrkirche zu Kallwang ver-
dankt ihm einen Neubau. Die Kirche seines Geburtsortes
St. Walburg ob Leoben beschenkte er mit ausgiebigen
Renten. Heinrich tilgte nicht bloss die von seinen Vor-
gängern überkommenen Schulden, er vermehrte auch in
— 51 —
orossartigster Weise die Güter der Abtei. So erwarb er
vom deutsclieii Eitterorden Liegenscliaften unter Marburg
und Tom Stifte Prüfening einen Hof zu Krems mit Wein-
o-ärten und Untertbanen. Unter ibm -wurde der Stifts-
priester Otto Australis Abt von Kleinmariazell. War Hein-
rich der Sippe der Raubritter verbasst, so war er um so
beliebter im Kreise der Bürger. Die Stadt Leoben befreite
aus eigenem Antriebe das stiftiscbe Haus daselbst von
allen Abgaben. Rudolf und Albrecbt von Habsburg gaben
ihm und seinem Stifte wiederholt Gnadenbriefe; Albrecht
weilte als Gast in Admonts Hallen. Die Stiftsherren von
Melk wählten 1295 Heinrich zu ihrem Abt, der jedoch sein
liebes Admont nicht verlassen wollte. Nach einem gleich-
zeitigen Chronisten war Heinrichs Ruhm in Deutschland,
Frankreich und Italien verbreitet; mit dem französischen
Könige soll er Briefe gewechselt haben, und der Pabst
habe ihm ein Bisthum zugedacht. Abt Heinrich fiel durch
die Hand eines Meuchelmörders im J. 1297.
Auf den thatkräftigen, kriegerischen Heinrich folgte
der gelehrte und sanfte Engelbert. Dieser hatte zu Prag
und Padua studirt imd schrieb mehr als dreissig Werke
theologischen, philosophischen und naturhistorischen In-
haltes. Sein Leben als Abt war vorzüglich der Wissen-
schaft und Ascese gewidmet. In der Pelsenwildnis des
Johnsbachthaies, wohin er sich häufig zurückzog, erbaute
er um 1310 die Kirche des h. Aegidius. Er war der Stifter
der Oblei, durch deren Renten die Verpflegung und Klei-
dung der Klosterbewohner gesichert werden sollten. Ein
patriotisches Opfer für Herzog Albrecht war die Verpfän-
dung der Burg und des Marktes St. Peter in der Au. Zur
Befestigung von Radstadt trat Engelbert mehrere Güter
an den Erzbischof Conrad IV. ab. Mit dem Bisthume
Gurk Bchloss er einen Salzlieferungscontract, der im Wesent-
lichen noch heute in Geltung ist. Zu Luttenberg kaufte
er eiaen Weingarten. Unter ihm wurde der Mönch Gun-
dachar Abt zu Mondsee und Seitenstetten und die Nonne
Elisabeth von Sunnberg Aebtissin zu Nonnberg. Abt Engel-
bert ging 1327 zu den Vätern ein. Der folgende Abt
Eckhard Lauterbeck liess durch seine Mönche viele Hand-
schriften schreiben und eia Güterurbar verfassen. Er brachte
zwei Häuser zu Salzburg an das Stift. Abt Ulrich II. (de
— 52 —
Welza) erbaute in der Klosterkirche eine Kapelle des h,
"Wolfgang und stiftete in derselben einen täglichen Gottes-
dienst. Zu Johnsbach Hess er den alten Bergbau wieder
in Angriff nehmen. Herzog Albrecht und dessen Schwester
Johanna ertheilten dem Gotteshause mehrere Privilegien.
1346 trat der Ritterorden San Jago im fernen Spanien in
geistliche Verbrüderung mit dem Admonter Frauenkloster
und das Stift St. Peter erhielt aus dem Blasienstifte einen
Abt in der Person des Professen Otto.
Leo und Johann II. lenkten die Geschicke der Abtei
nur kurze Zeit (1359 — 61.) Abt Albert II. Lauterbeck
(1361 — 1384) erhielt eine ßeihe von Gnadenbriefen von den
Herzogen Rudolf IV., der Admont besucht hat, Albert III.
und Leopold dem Biederen. Er baute den Admonterhof
zu Graz neu auf und ging eine Conföderation ein mit der
Karthause zu Grenoble. Unter ihm und auf sein Geheiss
verfasste der Mönch Peter von Arbon zwei noch vorhan-
dene Bücherverzeichnisse der Stiftsbibliothek. Dieses ist
ein Verdienst des Abtes, welches höher anzuschlagen ist,
als die prachtvollsten Monumentalbauten und die ausge-
dehnteste Erwerbung von Grund und Boden. Diese Kata-
loge sind der sprechendste Beleg für die wissenschaftlich-
literarische Thätigkeit der gelehrten Brüder von Admont
in jener Zeit. Dem Abte Wilhelm aus dem Geschlechte
der von ßeissberg verlieh Pabst Urban VI. 1386 das Recht,
beim feierlichen Gottesdienste bischöfliche Sandalen tragen
zu dürfen. Dieser Abt hatte den Plan gefasst, den Blasien-
münster neu zu bauen, allein er erlebte nur noch den Bau
der unteren Stockwerke der mächtigen Thürme.
Die Aebte von 1391 bis 1581. Abt Hartnid Gleusser
setzte den Bau der Thürme fort und richtete in deren
Erdgeschosse je eine Kapelle zu Ehren der Dreifaltigkeit
und des h, Geistes ein. Letztere stattete er mit eigenen
Renten (Officium- Amt ad S. Spiritum) aus. Er liessdie Abtei-
kirche mit Marmor pflastern und auf dem Hauptaltare
einen Tabernakel aufstellen. Auch Orgelwerke und Glas-
gemälde zierten den Münster. Auf dem Friedhofe der
Amanduskirche baute er die Kapelle des h. Erhard. Wie
schon früher der Sakristan Hans der Payr machte auch
der Stiftspriester Otto Metschaeher eine Gottesdienststiftung.
1393 ertheilten die Bischöfe Berthold von Preising und
— 53 —
Johann von Prag "bei ihrer Anwesenheit in Admont Ablässe
für die Kirche zu Weng. Auf dem Kulmberge, an dessen
Fuss die Gewässer der Enns ein Marienbild angespült hatten,
haute der Aht ein hölzernes Kirchlein, welches 1410 einem
Steinhaue weichen musste, da die Zahl der Wallfahrer auf
unserer lieben Frauen Berg rasch zugenommen hatte. Pabst
Johann XXIII. bestätigte des Stiftes Freiheiten und schon
früher 1399 hatte Bonifaz IX. die Kirchen zu Leoben,
Trofaiach und St. Lorenzen im Paltenthale der Abtei ein-
verleibt.
Nach Hartnids 1411 erfolgtem Tode lenkte ein Priester
aus Kremsmünster Georg Lurger Admonts Geschicke. Unter
ihm wurde das Stift durch einen Besuch des Landesfürsten
Herzogs Emest des Eisernen beglückt. Einer schwäbischen
Gesellschaft übergab der Abt den Betrieb des Agtsteinbaues
in der Gams. Er erweiterte die Kirche zu Weng. Bei den
Bauten zu Frauenberg und Weng war ein geschickter
Architekt und Steinmetz thätig Namens Niclas Velbacher.
Um diesen ausgezeichneten Künstler dem Stiftsdienste blei-
bend zu erhalten,, gab ihm Georg ein Haus sammt Garten
zu Admont und die volle Pfründe eines Conventherm.
Auf dem Frauenberge stiftete der Abt eine fromme Bruder-
schaft, welche über hundert Jahre bestand und unter ihre
Sodalen Anna von Braunschweig, Herzogin von Oesterreich,
zu zählen die Ehre gehabt hat. — Abt Andreas von Stett-
heim (1423--1466) regierte am längsten unter "allen Ad-
monter Aebten. Unter ihm gelangte die Ortschaft Admont
unter dem Namen „Häuser in der Zeil" zu besonderem
Flor. Künste imd Gewerbe entfalteten sich daselbst und
auf Bitte des Abtes gewährte Friedrich III. (1443) das
Privilegium eines ständigen Wochenmarktes. Andreas hatte
mehrere grosse Prozesse zu führen und zwar mit dem
Cardinalbischof Aeneas Silvius wegen der Starzenalpe, mit
dem Bisthume Freising bezüglich mehrerer Zehente und
mit dem Pfarrer zu Pols wegen der Kapelle St. Agatha
zu Zeiring. 1449 erhielt er zu Lehen Teste, Herrschaft
und Landgericht zu Wolkenstein. Er spendete Grund und
Boden zur Erbauung der Kirche St. Leonhard zu Hüttau.
Das verödete admontische Haus zu Wien wurde neu ge-
baut. Die Kirche zu Frauenberg erhob er zur Pfankirche
und vergrösserte sie. Zu Oeblarn baute er die Kirche des
— 54 —
h. Andreas, im Stifte den Kreuzgang, ein Refectorium. und
Dormitorium und über der erneuerten Marienkapelle Hess
er einen Saal für die Bibliothek einrichten. Seiner Zeit
gehören zwei prachtvolle Urbarbücher auf Pergament in
Grrossfolio geschrieben an. Ein grosser Theil der Bibliotheks-
handschriften datirt aus der Regierungsepoche dieses Abtes,
Es gebrach nicht an gelehrten Mönchen. Wir nennen den
Magister und Juristen Johann von Constanz, die Bacca-
laure der schönen Künste Wolfgang Hyrspeunter und Vitus
Praun und den Aufseher der Klosterschulen G-utmann von
Merkenstein, 1481 geschah eine apostolische Visitation der
beiden Klöster zu Admont.
Unter Abt Johana von Trautmannsdorf ereignete sich
der grosse Türkeneinfall in Obersteiermark. Die meisten
admontischen Kirchen im Palten- und Liesingthal wurden
verwüstet und Schloss Zeiring ging in Flammen auf. Die
stiftischen Unterthanen hatten unsäglich zu leiden. Schon
früher 1467 war die Burg G-allenstein theilweise ein Raub
des Feuers geworden und da die dortigen Insassen sich
um die Rettung der Gebäude sehr verdienJ gemacht hatten,
wurde von denselben bei Güterveräusserungen statt des
dritten nur der zehnte Pfennig gefordert. Abt Johann er-
baute ein Schloss im Weingarten zu Eisenthur, einen Altar
in der Stiftskirche und machte eine Stiftung für das Kloster-
spital. Die Bibliothek verdankt ihm manche Bereicherung.
— Die Uneinigkeit des Stiftscapitels war 1483 Ursache,
dass Kaiser Friedrich III. einen italienischen Weltpriester
Anton, genannt Gratia Dei, dem Kloster als Abt aufdrängte.
Dieser verschleuderte das Kirchengut, ergriff nach acht-
jähriger Regierung bei Nacht und Nebel die Flucht, wurde
gefangen und starb auf der Veste Gallenstein. Bei Hofe
war er wohlgelitten und unterhandelte einen Waffenstill-
stand zwischen Herzog Albrecht von Sachsen und dem
König von Ungarn. 1485—87 wurden die Admonter Unter-
thanen bei Obdach von den Ungarn gebrandsehatzt. 1486
fielen zu Admont zehn Mönche und eine Nonne als Opfer
der Pest. Durch Abt Anton waren manche italienische
Drucke in die Stiftsbücherei gelangt. — 1491 wählten die
Söhne des h. Blasius einen aus ihrer Mitte, Leonhard von
Stainach. Dieser erhob wieder die von den Türken zer-
störten Kirchen und Pfarrhöfe zu St. Lorenzen und Kam-
— 55 —
mern, erneuerte die Ringmauer um das Stift, Hess durch,
einen stummen Künstler Chorstühle mit Schnitzarbeit an-
fertigen und kaufte die Waldungen und den schwarzen
See in der Kleinsölk. Aus Anlass der Pest gründete um
1497 der Prior Friedlich Weigel die Sebastianskapelle zu
Weng.
Mit Leonhards Abscheiden 1501 beginnt für Admont
eine traurige achtzigjährige Epoche des stets zunehmenden
Verfalles der DiscipHn und des Wohlstandes. Nur wenige
Hoffnungssterne strahlten hin und wieder in jener düstern
Nacht. Den Reigen des Unheiles eröffuete eine Spaltung
bei der Prälatenwahl. Acht Stimmen fielen auf Michael
Griessauer und sechs auf Alexander von Kuendorf, Beide
gerirten sich als Aebte und stellten als solche Urkunden
aus. Michael wurde vom Erzbischofe als Abt anerkannt,
während Alexander Vorschub bei Hofe fand. Also ein
offenes Schisma. Bald mischte sich die Regierung in des
Stiftes innere Angelegenheiten. Michael, der vergeblich
persönlich nach Rom gereist war, um seine Angelegenheit
zu ordnen, wurde der Prälatur verlustig erklärt und starb
1519 im Stifte St. Peter zu Salzburg. Der Kaiser Hess
indessen die Abtei durch Reinprecht von Reichenburg und
den Melker Conventualen Paul Frech verwalten. Im Jahre
1508 ernannte er den Laibacher Bischof Christof Rauber
zum Commendatar-Abt von Admont. Christof war eine
der hervorragendsten Persönlichkeiten damaliger Zeit. Er
übernahm die wichtigsten politischen Missionen und führte,
wie einst Abt Heinrich II., mehr als einmal den stiftischen
Heerbann persönlich in das Feld. Er war auch Admini-
strator des Bisthums Seckau und Statthalter in den nieder-
österreichischen Landen. Unter ihm traf ein schwerer
Schlag das Stift, von dem es sich erst unter Abt Johann IV.
zu erholen begann. Es ist dies die berüchtigte Quart, die
Ablieferung des vierten Theiles des Werthes der geistHchen
Güter. Admont musste 17,500 Pfund aufbringen und in
Folge dessen seine meisten Güter verpfänden oder verkaufen.
1526 war die Abtei gezwungen worden, ihr Tafel- und
Kirchensilber (auch jenes der incorporirten Pfarren und
Filialen) auf den Altar des Vaterlandes zu legen. Zur Zeit
des Bauernkrieges überfielen und beraubten die Meuterer
das Stift und dessen Besitzungen. Bei dem üeberfalle zu
— 56 —
Schladming ging ein grosser Theil des admontisclien Rüst-
zeuges verloren. Beim Einfalle der Türken 1532 wurden
das Schloss Jahring und die meisten admontischen Kirclaen
undPfarrhöfeinUntersteiermark eingeäscliert. Der stiftische
Hof zu Krems in Niederösterreicli wurde von den spani-
schen Hülfstruppen zerstört. Unter Abt Christof wurden
die Kirchen zu Kammern, St. Michael und St. Gallen neu
erbaut. Er kaufte ein Haus in Marburg, vertheidigte des
Stiftes Hechte auf die Pfarre Trofaiach und setzte sich den
ungerechten Eingriffen in das Waldeigenthum des Klosters
mit mannhaftem Muthe, aber vergebens entgegen. Er be-
trieb den Bergbau in der Ingering, zu Eisenerz und Schlad-
ming. Sein Tod erfolgte 1536 zu Wien, von wo er nach
Oberburg zur Gruft geleitet wurde.
Admont befand sich schon seit seiner Gründung im
Besitze von Salzwerken zu Hall und Weissenbach. Unter
König Ferdinand wurde das ärarische Salzmonopol einge-
führt und erst nach vielen Bitten des Abtes Amand Hühner-
wolf wurde 1543 dem Kloster die kostenfreie Behebung von
100 Fudern Salzes zu Aussee zugestanden. Amand erhielt,
Avie mehrere seiner Vorgänger und Nachfolger, den Titel
eines kaiserlichen Eathes. Er führte einen Neubau beim
Hause zu Brück und erneuerte die Prälatur. Trotz der
Ungunst der Zeit finden wir damals zu Admont den Bau-
meister und Bildschnitzer Jörg Klukh und den Steinmetz
Meister Bernhard. Amand fangirte in wichtigen Angelegen-
heiten der Stifte Rottenmann und Seckau als Commissär.
Auch er war genöthigt, die Güter des Stiftes zu belasten
und musste das Amt Reichenau in Kärnten verkaufen.
Auch unter dem folgenden Abte Valentin Abel, der
ein ausgezeichneter Oekonom war, aber der Sturmflut der
Zeitverhältnisse nicht widerstehen konnte, ging das Stift
dem materiellen Ruine immer mehr entgegen. Der Staat
und die Landschaft forderten in kurzen Fristen wiederholte
Anleheu, so im J. 1556 ein solches von 20,000 Pfund vom
Kloster. Die Steuern verschlangen enorme Summen. Die
drohenden Türkeneinfalle machten fortwährende Rüstungen
nothwendig. So musste Admont 1566 37 Pferde und 111
Büchsenschützen in das Feld stellen. Valentin hatte das
Stift als halbe Ruine übernommen. Da waren Bauten noth-
wendig, so wie bei vielen Kirchen und Schlössern. Er
— 57 —
hat meki- gebaut, als sonst je ein Abt. In der Stiftskirclie
Hess er eine prachtvolle Kanzel aus Marmor errichten.
Meister Jatoh von Zwettel stellte eine Orgel und ein Hom-
■werk her. Die Maler Simprecht Schirmer xmd Johann
Weissmann fanden nebst andern Künstlern im Kloster Be-
schäftigung. Yalentin hielt stets Stipendiaten an auswärti-
gen Schulen, bereicherte die Bibliothek und sorgte für die
Pflege der Musik imd des Choralgesanges. Selbst einen
Schriftsteller P. Modest Puterer finden wir in jener so trost-
losen Zeit im Stifte. Valentin versuchte an mehreren Orten
das Glück des Bergbaues und enichtete Schmelzwerke imd
Hämmer. Künstler und Gelehrte fanden an dem wissen-
schaftlich gebildeten Abte, welcher in seinen Briefen häufig
lateinische Klassiker citirt, einen bereitwilligen Mäcenas,
So finden wir Kaspar Brusch in literarischer Verbindung
mit demselben. Valentin fungirte als kaiserlicher Com-
missär beim steierischen Landtage, führte Prozesse mit
Freising und Gaming wegen Gebietsgrenzen und mit der
Regierung und Adeligen um die Vogtei der Pfarren Tro-
faiach, Leoben und Kammern. Er kaufte das Bauerngut
Kaiserau, baute es schlossartig auf und errichtete daselbst
eine Mnsteralpenwirthschaft. Er erwarb Häuser und Wein-
gärten. Aber seine Hinneigung zum Protestantismus, wel-
cher seiner Zeit auch imter den Conventherren Anhänger
zählte und das Ende des einst so berühmten Nonnenklosters
zu Admont herbeiführte, zwang ihn in Folge zweimaliger
Eeligionscommissionen zur Abdankung im J. 1568. Er
starb 1575. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass schon
zur Zeit des Abtes Christof das Lutherthum in Admont
spuckte, unter Abt Amand im Stillen fortwucherte rmd dann
immer kühner das Haupt erhoben hatte.
Nach Valentins Rücktritte wru-de der Subprior von
Sittich, Lorenz Lombardo, ein Cistercienser , von der ge-
mischten Visitationscommission als Abt eingesetzt. Auch
ihm gelang es nicht, das Kloster von sectischen Mönchen
ganz zu reinigen. Unter dem Titel „Protectores" hatte
die Regierung einen weltlichen ßeaufsichtigxings-, richtiger
Vormimdschaftsapparat für Admont geschaffen, welcher
auch die Intentionen xmd Kräfte eines besseren Abtes zu
lähmen geeignet gewesen wäre. Die alten XJebel, welche
am Mark des Hauses zehrten, Anlehen, Kriegsrüstung,
— 58 —
ScliTildeii- und Steuerlast, Niederliege q der klösterlichen
Zueilt, minderten sich, niclit. Dazu kamen Elementarereig-
nisse, besonders üeberscli-wemmungen, welche das Stift
und seine Unterthanen hart schädigten. Unter Aht Lorenz
gingen die Güter in Oesterreich, Kärnten und Salzburg
verloren. Lorenz verzichtete auf die Prälatur und sein
dem Stifte ebenfalls aufgedrungener Nachfolger, Polydor
von Mantegnano, an der Möglichkeit der Heilung so vieler
"Wunden verzweifelnd, folgte 1581 diesem Beispiele. Mit
ihm endet sich die achtzigjährige Leidensepoche desBlasien-
stiftes und mit dem Abte Johann IV. konnte man das erste
Aufleuchten einer schöneren Zeit begrüssen.
Die Aehte von 1581 Ms 1718. Johann Hof mann aus
dem Stifte St. Lambrecht hatte seine Studien zum Theil
in Italien gemacht, wohin er auch als Abt mehrmals reiste
und stets in nahen Beziehungen zu den grossen und ge-
lehrten Männern dieses Landes blieb. Er richtete sein
Augenmerk auf zwei Punkte, die finanzielle Lage und die
reguläre Zucht des Klosters. Um die schreiendsten Gläubiger
zu befriedigen, musste er die Probstei Mautern und den
Zehenthof zu Lobming verkaufen. Durch weise Sparsam-
keit und Ausnützung aller Hülfsquellen gelang es ihm, den
grössten Theil der Schulden zu zahlen, die Kainacher
Gülten im Ennsthale zu kaufen, grossartige Bauten im
Stifte, zu Gallenstein, Admontbüchel und im Hofe zu Graz
zu bewerkstelligen, anständige Summen dem Landesfürsten,
mehreren Erzherzogen und der Landschaft vorzustrecken
und den Kirchenschatz des Stiftes zu vermehren. Er baute
Kirche und Pfarrhof zu Johnsbach, die Kirche zu Mautern
und liess ein Hörn werk auf einem der Stiftsthürme an-
bringen. Er übernahm wichtige kirchliche und politische
Missionen. Er visitirte das Stift Neuberg und war Ad-
ministrator von St. Lambrecht. Er musste über das Berg-
wesen zu Eisenerz Erheb imgen pflegen, erhielt den ehren-
vollen Auftrag, die Prinzessin Anna, Tochter des Erzherzogs
Karl, ihrem Bräutigam König Sigmund III. von Polen zu-
zuführen und im Namen des Salzburger Erzbischofs eine
Tochter des Erzherzogs Carl, Maria Magdalena, aus der
Taufe zu heben. Er unterdrückte eine gefährliche Revolte
der Eisen- und Holzarbeiter und traf energische Yerthei-
digungsanstalten gegen den oberösterreichischen Bauern-
— 59 —
aufstand und den drohenden Einfall des Passauer Volkes. .
Unter vielen holien Gästen bewirthete er auch den Cardinal
Aldobrandini, den nacbmaligen Pabst Clemens VIII., in
seinem Stifte. Auf sein Ansuchen machte Pabst Paul V.
die Abtei Admont aller Privilegien der Congregation von
Montecasino theilhaffcig. Abt Johann legte den ersten Stein
zum Capuzinerkloster in Brück. Den Jesuiten zu Leoben
schenkte er die Johanneskirche daselbst und 10,000. /.
Johann war eines der vorzüglichsten Häupter nnd ein Leiter
der Gegenreformation und sein Eifer brachte ihn mehrmals
in Lebensgefahr. Zur Erinnerung an sein diesbezügliches
Wirken -wurde eine Medaille geprägt. Unter ihm blühten
wieder Ordensgeist, Wissens chafb und Kunst im Stifte.
P. Theodosius Lang schrieb eine unter dem Namen Saalbuch
No. 1 bekannte Geschichte des Klosters. Die Schulmeister
zu Admont waren gelehrte Männer und besonders die Musik
fand würdige Vertareter. Johann starb 1614.
Das von ihm _so ruhmvoll begonnene Werk der Re-
generation setzte sein Nachfolger Mathias Preininger
mit gleicher Kraft und glücklichem Erfolge fort. Er war
ebenfalls aus dem Stifte St. Lambrecht. Er baute die
Stiftskirche im Geschmacke seiner Zeit, wobei freilich der
Kreuzgang und die Denkmale vieler Aebte und Wohlthäter
verloren gingen. Der Umbau der Veste Gallenstein und
der Ankauf der Hammerwerke zu Trieben fallen in seine
ßegierungszeit. Am Dietmannsberge wurde auf Kupfer ge-
baut. Er löste die verpfändete Probstei Elsendorf in Bayern
zurück, lieh zu Staatszwecken bedeutende Summen und
setzte die Landesgrenzen 1619 gegen Karl Jörgen und 1626
gegen die aufständischen Bauern in Vertheidigungsstand,
Der Ruf klösterlicher Zucht hatte sich wieder befestigt.
Der Stiftspriester Jakob Herzinger wurde als Prior nach
Ossiach gesendet. Mathias errichtete eine lateinische Schule
im Stifte; die Bibliothek wurde 1619 in einem Visitations-
protokolle als gross und reich an alten Werken geschil-
dert. Auf Anregung und mit Unterstützung unsers Abtes
gab Raphael Sadeler die Cura pastoralis Gregorii Magni
zu München im Druck heraus. Mathias sorgte auch für
die Verbreitung der Bienenzucht. — Sein Nachfolger Urban
Weber (Textor) kaufte die Herrschaften Strechau, Thalhof
und Graffenegg, baute die schöne Hofgallerie zu Strechau,
— 60 —
die Prälatur uud das Gastgebäude im Stifte, den West-
tract des Hofes zu Graz, das Schloss Röthelstein und die
Kirchen zu Hall und St. Martin bei Graz. Er erwarb das
Hammerwerk Klamm ; unter ihm entstanden die Barbara-
kapelle in der Stiftskirche, der sogenannte steinerne Saal
mit den Standbildern deutscher und österreichischer Herr-
scher und ei?ae neue Bibliothek, welcher er eine ansehn-
liche Dotation zuwies. Er ist der Schöpfer des grossen
und schönen Stiftsgartens. Er liess die Gebeine des Erz-
bischofs Gebhard in eine neue Gruft übertragen, ebenso
die TJeberreste der Aebte Gottfried I. und Irimbert. Zu
Winklern gründete 1652 der stiftische Verwalter Thomas
Langanger die Kapelle Maria -Altötting, welche er dem
Kloster schenkte, Abt TJrban war Präses der Salzburger
Benediktiner-CongregationundArchidiakonim.Enns-,Palten-
und Liesingthäle. Letztgenaraite Würde bekleideten nach
ihm alle Aebte bis zur josefinischen Zeit. Der Staat-
war dem Stifte nach und nach 280 000 /. schuldig ge-
worden; der Abt schenkte den grössten Theil dieser Summe,
Das Stift war unter ihm die Zufluchtsstätte zahlreicher
dm-ch die Schweden vertriebener Prälaten, Priester und
ISIoimen. Dem Rufe des Kaisers, eine Sendung nach Polen
zu übernehmen, wich er durch ein Adjutum von 10,000/.
für die Kosten der Gesandtschaft aus. Der Salzburger
Universität schenkte er das Gut Münnichstein. Er refor-
mirte die Schulen zu Admont und errichtete ein Convict
daselbst. TJrban starb 1659.
Wie TJrban wurde auch der nachfolgende Abt Raimund
Baron Rehling vom Stiftscapitel kanonisch erwählt. Er
war ein gottesfürchtiger Mann, streng gegen sich selbst,,
aber prachtliebend, wenn es galt, das Ansehen seiner Würde
und der Abtei nach Aussen zu repräsentiren. Er verwendete
enorme Summen auf Bauten, Kunstwerke und Kirchen-
schmuck, so dass der Convent sich veranlasst sah, ihn zur
Sparsamkeit zu mahnen. Er bewirthete mit nie gesehener
Pracht den Kaiser, den Erzherzog Leopold Wilhelm, den
Nuntius und die Gesandten von Spanien und Venedig im
Schlosse St. Martin. Den Edelsitz Grafenegg verschenkte
er an eiaen seiner Verwalter. Die Bergbauten zu Schlad-
ming und im Edelgraben verschlangen grosse Summen.
Er errichtete eine Pulverfabrik zu Admont und da geschah
— 61 —
es, dass ein Pulvertiiurin mit 22 Centnern Schiesspulver
hart an der Mauer des Klostergartens in die Lnft flog,
ohne besondem Schaden anzurichten. Kaimund errichtete
zu Johnsbach eine Pfarre, baute die Kirche zu Ardning und
den Pfarrhof zu Gaishom, den prachtvollen Pavillon im
Conventgarten, errichtete den schönen Brunnen im Stifts-
liofe und legte Teiche und Pischbehälter an. Er vertrat
den Nuntius bei der Abtwahl zu St. Lambrecht und
visitirte das Nonnenkloster Studenitz. Aus Anlass der
Türkengefahr nahm er 1664 das Gelübde der Stände Steier-
marks entgegen, den Vorabend vom Feste der unbefleckten
Empfängnis als Fasttag im ganzen Lande begehen zu
-wollen. Er verkaufte die Probstei Elsendorf an das Kloster
Hobenwart, legte den Grundstein zum Franziskanerkloster
zu Mautern, taufte einen Sohn des Fürsten von Eggenberg
und hatte die Ehre, dem Cardinal Bernhard, Markgrafen
von Baden, Gastfreundschaft erweisen zu können. Eaimund
war auch literarisch, thätig und hat eine „Relatio logica"
im Druck erscheinen lassen. Der Admonter Capitular
P. Marcellin Breimann verfasste eine Chronik des Klosters
Goess.
Nach. Raimund bestieg ein ausgezeichneter Mann,
Adalbert Heufler von .Rasen, den äbtlichen Stuhl. Er
batte (wie nach ihm noch 14 Admonter) die theologische
Lehrkanzel an der Salzburger Universität eingenommen
•und war Statthalter des Pürstabtes von Fulda xmd Kempten
gewesen. Er baute die grossen Getreidehallen zu Admont
und Trieben, die herrliche Marienkirche zu Frauenberg,
den Capitelsaal im Stifte, legte grossartige Teiche an,
Hess durch Medard Reig Kanonen für das Schloss Röthei-
stein giessen, kaufte das Hammerwerk Stegmühl und be-
reicherte die Stiftskirche mit prachtvollen Ornaten. Für
die Pfarre Leoben erhielt er vom Erzbischofe jene zu
Gröbming. 1695 erbaute der Stiftspriester Modest Preven-
huber die Kapelle St. Anna am Lavantegg. Während des
Türkenkrieges befestigte und bewachte er die nach Oester-
reich führenden Pässe und fungirte als Kriegscommissär.
Im Stifte fanden Hunderte von flüchtigen Ordensleuten
gastliche Aufnahme. Zur „Türkenhülfe" steuerte er 20,000 /.
bei. Man nannte ihn das Orakel der Steiermark, so sehr
war sein Rath geschätzt. Die Aemter eines Statthalters
— 62 —
der innerösterreicliisclien Lande und eines Kammerpräsi-
denten schlug er aus. Er starb 1696 und wurde in der
Kirche zu Prauenberg begraben. Unter diesem Abte schrieb
der Stiftspriester Edmund Mamiscor einige ascetische und
juridische Werte, und auch der Prior Friedrich Schumius,
ein heiligmässiger Mann, hatte eine Unterweisung für
angehende Ordensmänner geschrieben.
Den zwei Aebten Gottfried Baron Gold von Lampoding
und Marian Lendlmayr war nur eine kurze Frist (1696
bis 1707) für ihr Wirken gestattet. Gottfried erbaute die
zwei Thürme zu Frauenberg. Kaiser Leopold, an dessen
Hofe er öfters in wichtigen Angelegenheiten der Landschaft
verweilte, nannte ihn den gottesfürchtigsten Prälaten.
Gottfried zeichnete für den Staat ein Anlehen von 22,700 /.
Zu seiner Zeit starb P. Ignaz von Glavenau, dessen Werke
unter dem Titel „Ascesis posthuma" im Drucke erschienen.
Auch Abt Marian war Schriftsteller und er übergab acht
Werke theologischen und philosophischen Inhaltes der
Presse. Er vollendete das schon von Gottfried begonnene
Gebäude für die lateinischen Schulen in Admont, baute
die Kirche zu St. Nikolai in Sausal und die Josefikapelle
in der Stiftskirche. — Abt Anselm Luerzer von Zechenthal
(1707 — 1718) war Doctor der Theologie, apostolischer
Protonotar und Com es Palatinus. Er erwarb Güter zu
Mautern und Wald, Weingärten zu Luttenberg und Rad-
kersburg, baute die Kirche zu Palfau, das Schlösschen im
Brunn, vollendete den nördlichen Stiftsthurm, errichtete
das Marienmonument vor dem Klosterthore , das Hof-
gärtchen mit seinen Statuen, ein Theater und führte die
Fusswaschung an Armen am Gründonnerstage ein. Er
gründete eine theologisch- philosophische Lehranstalt im
Stifte, versah die Pfarrer mit reichen Bibliotheken und
übergab als Commissär das Stift Rottenmann den Kano-
nikern von Yorau. Vom Kaiser erhielt er ein Brustkreuz
und von der Landschaft ein Pastoral. Unter ihm wurde
der Admonter Placidus von Andrian Abt zum h. Kreuz bei
Ofen, und wirkten auf literarischem Felde Rochus Schroz
und Hermann Mörz.
Die Aebte von 1718 Ms auf unsere Zeit. Einer der
verdienstvollsten Aebte war Anton von Mainersberg. Er
baute oder erweiterte die Kirchen zu Wildalpen, Oeblarn,
— 63 —
St. Martin an der Salza, St. Gallen, Kallwang, Mautern,
Hall und St. Jakob in Freiland und die Schlösser Gstadt
und Razerhof. Er begann den umbau des Stiftsgebäudes
und des Bibliotbeksaales und versah, die Kirche zu Frauen-
berg mit einem neuen Hochaltar. Er bestellte und kaufte
Gemälde, Kupferstiche und Werke der Goldarbeiterkunst,
darunter einen silbernen Tabernakel im Gewichte von
113 Mark. Der Laienbruder Benno Haan fertigte die
prachtyollsten Handstickereien. Unter Abt Anton florirte
der Bergbau und im Kupferwerke Kalwang waren allein
über 200 Knappen beschäftigt. Anton administrirte 1737
die Abtei St. Lambrecht, fungirte im Namen des Pabstes
als Pathe bei der Taufe eines Sohnes des Grafen Welfers-
heimb und hatte die Ehi-e, 1747 den Kaiser Franz I. und
den Prinzen Karl von Lothringen als Jagdgäste in den
stiftischen Wäldern bei Wildalpen zu begrüssen. Einen
Bauernaufstand im Ennsthale stillte er durch energische
Anstalten und gütige Unterredung. Eine dreimalige An-
leihe des Staates forderte vom Stifte die Summe von
80,796 /. Abt Anton war für seine Person die verkörperte
Ascese und legte sich die schwersten Kasteiungen auf, die
zum Theile erst nach seinem Tode 1751 bekannt wurden.
Zu seiner Zeit lebten im Kloster Alanus Pfeifer, der neun
theologische Werke dnicken liess, und Carlmann Tierholz,
welcher Predigten herausgab, den ,^Annus Benedictinus"
verdeutschte und eine Apologetik des Ordens handschrift-
lich hinterüess.
Abt Matthäus Ofner (1751—1779) baute das jetzige
Schloss in der Kaiserau, den Pfarrhof in Sausal, die durch
Feuer zerstörten Kirchen- und Pfarrgebäude zu Mautem,
die Schulhäuser zu Kammern, Wildalpen, Lorenzen und
Gaishorn. Die deutsche Schule zu Admont wurde zum
Eange einer Normalschule und das Hausgymnasium zu
dem eines kaiserlichen erhoben. Matthäus war Superior
der Missionen im Ennsthale, machte im Namen der Regie-
rung persönlich eine Anleihe zu Genua, wobei er selbst
für 41,000 /. Bürgschaft leistete, und hatte schon früher
45,000 /. dem Staate voigestreckt. Er kaufte das Amt
Waltenbach bei Leoben, Weingärten zu Radkersburg, gab
dem Markte Admont eine Feuerlöschordnung, betheilte in
den Jahren der Noth die Unterthanen mit in Ungarn auf-
— G4 —
gekauftem Getreide und Hess denselben im Stiftsjubeljalire
1774 die Zelientrückstände nach. Eine im Stifte aus-
gebrocliene Feuersbrunst gab ilim Anlass zu einer noch
jetzt jährlich -wiederkehrenden Votivprozession nach Frauen-
berg. Er vollendete durch die Maler Bartholomäus Alto-
monte und Job. Gr. Dallicher die Ausschmückung des herr-
lichen Bibliotheksaales. Unter ihm schrieb P. Bernhard
Starch historische und poetische Werke, P.Bonifaz Schrazen-
thaler eine Geschichte des Stiftes und componirte P. Andreas
Siberer Messen. Der Laienbruder Simeon Grillenauer malte
nicht ohne Geschick auf Pergament. — Unter dem Abte
Columban von Wielland (1779— 1787)wurden in Folge der
josefinischen Reformen neue Seelsorgestationen (Curatien)
zu Hall, Weng, Oeblarn/ Altenmarkt, Tonegg, St. Martin,
Ardning, Traboch, Altötting, St. Jakob in Windischbüheln,
St. Georgen an der Pessnitz und Unter-St. Kunegund er-
richtet. Das Stift musste grösstentheils auf seine Kosten
die Pfarrhöfe und Schulhäuser bauen, neue Kirchen, her-
stellen oder die alten erweitem. Schon hatte Josef IL
1785 die Aufhebung des Stiftes decretirt, als die Hof kanzlei
geltend machte, es seien Verwicklungen mit dem Hoch-
stifte Salzburg, welchem der Kaiser die Erhaltung Admonts
zugesichert hatte, zu besorgen. Hierauf beschränkte der
Monarch die Zahl der Conventualen und forderte die Ab-
fuhr des Ueberschusses des Stiftseinkommens an den ße-
ligionsfond. Das Admonter Gymnasium wurde nach Leoben
übertragen, aber vom Stifte besetzt und erhalten. Columban
kaufte das Amt Stanetinzen und Hess durch Franz Chrismann
eine Orgel mit 44 Registern und 3000 Pfeifen in der Abtei-
kirche aufstellen. Der Stiftspriester Michael Seitz schrieb
eine Chronik des Hauses.
Abt Gotthard Kugelmayr, welcher zu Rom den nach-
maligen Pabst Pius VII. zu seinen Lehrern zählen konnte,
■war ein gelehrter und weltgewohnter Mann der feinsten
Formen. Für Wissenschaft und Bodencultur, für gemein-
nützige und humane Zwecke that er viel, mehr, als dem
stiftischen Säckel frommte. Er baute die Kirchen und
Pfarrhöfe zu Gams und Kleinsölk, kaufte ein Steinkohlen-
werk zu Fohnsdorf und Eisenwerke zu Liezen, errichtete
ein schönes Haustheater und nahm werkthätigen Antheil
an der Anlegung des Wiener- Neustädter- Canales, an der
— G5 — ,
Gründung des Joanneums, der ersten Sparkasse und der
Landwirfcliscliaftsgesellschaft zu Graz. Gottlaard erhielt vom
Kaiser den Leopoldsorden und den Titel eines geheimen
ßathes. Die französischen Invasionen mit ihren unerschwing-
lichen Contributionen, die dadurch erhöhten Staatsforde-
rungen, Missjahre, das Finanzpatent von 1811 und dazu die
nobeln Passionen des Abtes, welcher die ökonomische Regie
in die Hände weltlicher und unredlicher Leute legte —
dieses Alles brachte das Stift an den Band des Verderbens
und nöthigte Gotthard 1818 zur Abdankung. Hierauf führte
der Abt von Renn Abund Kuntschak einige Zeit (1818 bis
1823) die Administration. Nach dessen Tode wählte das
Capitel Benno Kreil zum Administrator. Jahre der Sorge
und der angestrengtesten, Thätigkeit gingen dahin, bis er
dem Capitel die freudige Versicherung geben konnte, dass
sein Rettungswerk gelungen sei. Er wurde 1839 zum Abt
erwählt. Unter ihm erhielt das Stift die Leitung imd Be-
setzung des Gymnasiums und Convictes zu Graz, nachdem
schon früher (1820) das Admonter Gymnasium nach Juden-
burg übertragen worden -war. Benno baute den Maierhof
und die Trischmaschine, welche ein Raub des Feuers ge-
worden waren. Am Nationalanlehen (1854) betheüigte sich
das Stift mit 115,000 /. Die Aufhebung des Unterthanen-
verbandes und der Zehente und die Waldservitutenablösung
lähmten des Abtes weitgreifende Pläne für ConsoHdirung
des stiftischen Wohlstandes. Er hatte die grosse Civil-
verdienstmedaille und das Ritterkreuz des Leopoldsordens
erhalten und auch seine Secundiz erlebt. Alter und Ge-
brechlichkeit bewogen ihn 1861 zm* Resignation, worauf
Carlmann Hieber zum Administrator xmd 1863 zum Abt
erwählt wurde. Dieser, der durch seine Wirksamkeit im
Schulfache zu Augsburg, Judenburg und Graz einen ge-
achteten Namen sich erworben und mit dem Ritterkreuze
des Franz-Josefordens geehrt worden war, musste eine der
unheilvollsten Katastrophen erleben, die je über das Haus
des h. Blasius hereingebrochen waren. Am 27. April 1865
zerstörte eine Feuersbrunst nebst 19 Häusern des Marktes
und der Amanduskirche das Stift sammt der Kirche. Von
den zerstörten Objecten nennen wir die Orgel Chrismanns,
das Refectorium, den grünen Saal mit den Gemälden Ku-
petzkys , den steinernen Saal mit den Standbildern der
Ein BeiiedU;tinerbiicli. 5
— 66 —
Habsburger, die Prälatur, das physikalisclie und natur-
historische Cabinet (mit Mineralieusammlung, Herbarien,
Kunstwerken und Antiquitäten), das Haustheater und da&
Arcbiv. Die Bibliothek wurde gerettet. Der materielle
Schaden belief sich über 800,000 /. Nur der schnellen und
werkthätigen Unterstützung von Seite allerhöchster und
hoher Personen, von Seite befreundeter Stifte und so vieler
Privatpersonen, denen das Unglück einer mit der Landes-
geschichte so innig verwebten und um die Cultur der
Heimat so hoch verdienten Abtei alte Sympathien erweckte,
ist es zu verdanken, dass Carlmann in kurzer Zeit die
Stiftsgebäude (freilich in beschränkterer Art) wieder wohn-
lich einrichten und einen schönen Dom im einfach edlen,
gothischen Style erheben konnte. Aber er erlebte nicht mehr
die Einweihung desselben. Ein durch Gram und Sorge
vermehrtes Herzleiden brachte ihm 1868 den Tod. Seinem
Nachfolger, dem Herrn Abte Zeno Müller, blieb die Auf-
gabe, das Innere der Kirche zu vollenden und für einen
würdigen Schmuck des Münsters Sorge zu tragen. Das&
er dieser Aufgabe im vollsten Maasse gerecht geworden
ist, wird die nachfolgende Beschreibung der Kirche dar-
thun. Abt Zeno bewirkte den Wälderabtretungsvertrag mit
der Innerberger Actiengesellschaft, wodurch ein durch Jahr-
hunderte dauernder Streit endlich zum Abschluss gelangte
und errichtete eine Weissblechfabrik in Trieben. Möge
stets ein guter Erfolg seine wohlmeinenden Bestrebungen
krönen !
Admonts Schriftsteller in diesem Jahrhundert. Abt
Gotthard trug sich mit der Idee, Admont in eine Gelehrten-
Akademie zu verwandeln. Er beförderte daher die wissen-
schaftliche Ausbildung seiner Capitularen. Diese Anregung
trug ihre Früchte und seit jener Zeit waren und sind stets
zu Admont Männer, welche das Feld literarischer Thätig-
keit betraten. Wir müssen uns begnügen, deren Namen,,
das Jahr ihres Todes und die wissenschaftlichen Fächer
zu verzeichnen, welchen sie ihre Studien imd Feder ge-
weiht haben, und bemerken nur noch, dass jene noch am
Leben sind, deren Namen keine Jahrzahl in Klammer bei-
gefügt ist. Das Feld der Theologie bereicherten: Cölestin
Keppler (1858) und Anselm Purgleitner (1863). Ueber
Katechetik und Pädagogik schrieb Constantin Keller (1864),
— 67 —
über Kirchenreclit Ottokar von Gräfenstein. Im Fache der
Homiletik versuchten sich Gerald Lehnert (1858) und Gott-
fried Schrotter (1873). Philosophie nahmen zum Vorwurf
Alexander Kaltenbrunner (1854) , Dominik Busswald (1862)
und Hdephons Sorg (1874). Profan- und Eirchengeschichte
(Hausgeschichte) fanden Vertreter in Placidus Sartore (1809),
Urhan Ecker (1841), Albert von Muchar (auch Liturgik,
klassische Philologie und Topographie, 1849), Gregor Fuchs
(1878), Eichard Peinlich (auch Homiletik und Poesie), Jakob
Wichner, Florian Kinnast und Theodor Gassner (1877). Die
Natturwissenschaffcen wurden gepflegt von Basilius Matzke
(Chemie, 1809), Engelbert Prangner (1853), Tbassilo Wei-
mayr (auch Topographie und Poesie, 1874), Guido Schenzl
und Gabriel Strobl. Als Botaniker machten sich — wenn
auch nicht literarisch thätig — einen geachteten Namen
Ulrich Speckmoser (1848), Ignatz Somerauer (1854) und
Moriz von Angelis. Meister im lateinischen Versbaue war
Benedikt Stadelhofer, der auch grosse bibliographische
Kenntnisse verwerthete (1804). Die musica sacra und der
Volksgesang wurden cultivirt von Anton Stenitzer (1797),
Philipp Pusterhofer (1804), Leonides Kaltenegger, Otmar
Berger und Josef Pirstinger. Ueber Weinbau schrieb Vincenz
Schwarzl (1851), über lateinische Sprachwissenschaft Victorin
Weinreiter (1849), über Rhetorik Edmimd Rieder (auch
lyrischer und dramatischer Dichter, 1868) und auf germa-
nistischem Felde leistete Vorzügliches Virgil Käferbäck
(1877).
Lehranstalten. Bis auf die neuere Zeit hatte das Stift
das Recht der Besetzung an den Gymnasien zu Graz imd
Judenburg. Die politisch -administrative Neugestaltung
Oesterreichs löste auch jenes Verhältnis. Jetzt wirken
nur noch drei Professoren aus Admont am Grazer Gymna-
sium, während das Judenburger schon längst aufgehoben
ist. Ein Profess des Stiftes ist am Realgymnasium in Leoben
angestellt. Ein Capitular bekleidet die Stelle eines Di-
rectors der meteorologischen Reichsanstalt zu Buda-Pest.
Im Stifte selbst ist eine Gymnasial-Hauslehranstalt für die
Sängerknaben und eirdge andere Zöglinge, deren Gesammt-
zahl jetzt zwanzig beträgt. Eine Volksschule, welche früher
vom Stifte ganz erhalten wurde, geniesst jetzt schöne Unter-
richtsräume im Kloster nebst Beleuchtung. Die Lehrmittel
— 68 —
bestreitet zum Theile das Stift und die Lehrer erhalten
von demselben theils freie Wobnung, theils den Bezug
oder Genuss von Naturalien. Ferner besteht im Stifte eine
theologische Lehranstalt, welche das Recht besitzt, staats-
giltige Zeugnisse auszustellen. An derselben studiren auch
die Kleriker des Stiftes St. Lambrecht. Das Sängerknaben-
Institut unter der Leitung des verdienstvollen Regenschori
P. Marian Berger trägt viel zur Pflege echt kirchlicher
Musik bei. Bei dieser Gelegenheit nennen -wir auch einen
der besten Organisten Oesterreichs, den jungen Stiftspriester
P. Yictorin Berger. Das Stift zählt unter seinen Mitgliedern
drei Doctoren der Theologie, einen der Philosophie, viele
von geistlicher und weltlicher Seite mit Titeln, Orden und
Ehrenzeichen ausgezeichnete Männer, Mitglieder gelehrter
und gemeinnütziger Vereine und zwei Jubelpriester. Seit
vielen Jahren werden auch im Stifte regelmässig meteoro-
logische Beobachtungen gepflogen und deren Resultate dem
bezüglichen Reichsinstitute mitgetheilt.
Seelsorge. Dem Stifte incorporirt und von demselben
mit Seelsorgern versehen sind die Pfarren Admont (Dekanat),
Hall, Weng, Frauenberg, Johnsbach, St. Martin an der
Salza, Oeblarn, Gröbming, -Kleinsölk, Wildalpen, Palfau,
Garns, Landl, Altenmarkt, St. Gallen (Dekanat), St. Lorenzen
im Paltenthal, Gaishorn, Wald, Eallwang, Mautern, Kam-
mern, Traboch, St. Michael, Kraubat, St. Anna am Lavant-
egg, St. Oswald in Freiland, St. Nikolai in Sausal und
St. Georgen an der Pessnitz. Auf diesen Stationen werden
die Pfarrer sammt sechs Kaplänen völlig vom Stifte er-
halten. Ferner sind Patronatspfarren des Stiftes, aber von
Weltpriestern besetzt, St. Aegiden, St. Georgen und St.
Jakob in Windischbüheln, Jaring (Dekanat), St. Leonhard
(Dekanat), Unter- St. Kunegund und Witschein.
Besitzungen. HammerwerJce. Weingärten. Oekonomie.
Seit Aufhebung der Patrimonial-Herrschaften, der Zehente
xmd Rustikalgebühren, und seit der Servitutenablösung sind
die Herrschaften mehr eine Last als eine Lust und die
Herhaltung der Gebäude und die Dotirung der Verwalter
übersteigen in manchen Fällen den Ertrag. Des Stiftes
vorzüglichste Besitzungen sind die Schlösser Rötheistein,
Kaiserau, Gstadt, Zeiring, Admontbühel, Strechau, Thal-
hof, St. Martin bei Graz, Jahringhof, Razerhof und der
— 69 —
Admonterliof in Graz. Gallenstein ist schon lange eine
Rtiine. Hammerwerke befinden sich in der £lamm bei
Kottenmann lond zu Trieben ist eine den Fortschritten der
Technik entspre chende Weissblechf abrik. Die Z erennhämmer
in der Klamm werden gegenwärtig für Sensenerzeugung
eingerichtet. Die Weingärten des Stiftes liegen zu St,
Martin, im Jahringthale, bei Marburg, Eadkersburg, Lutten-
berg und Pettau. Die Pickerer, Eisenthürer, Stermetzberger
und Tettenhengster Weine des Stiftes gemessen einen guten
Eufund werden weit versendet. Die einzelnen Güter haben
ihre gesonderten Oekonomien. Die Oekonomie in Admont
selbst (mit dem Alpenschlosse Kaiserau, dem Oberhofe
und mehreren Hüben) ist eine ziemlich bedeutende. Die
Zahl des Hornviehes beträgt 180 Stück. Die vorzüglichsten
Erzeugnisse sind (ausser Schmalz, Butter, Käse und Molke)
Weizen, Roggen, Hafer (von besonderer Güte) und Gerste.
Auch Buchweizen gedeiht. Das Gestüte des Stiftes bei
Wildalpen ist schon längst aufgelassen; doch wird noch
immer ein starker ausdauernder Pferdeschlag gezüchtet.
Das Stift unterhält einen eigenen Thierarzt. Der Meier-
hof ist ein umfangreiches Gebäude und im Kuhstall, der
100 Schritte Innenlänge hat, stehen die Thiere in vier
Reihen. Die Obstzucht ist nicht unbedeutend und produ-
cirt edle Sorten. (Auch Pfirsiche und Aprikosen.) Dem
Gartenbau wird viele Aufmerksamkeit geschenkt. Dem
Garteninspector unterstehen ein Gärtner, zwei Eleven und
zwölf Arbeiter. Der Bienenzucht widmet sich P. Leonides
Kaltenegger mit grösster Hingebung. Der Prior P. Wilfrid
Schmidt ist Vorsteher der Landwirthschaftsfiliale Rotten-
mann. Die Jagden des Stiftes sind zum grossen Theile
verpachtet. Der Wildstand besteht ausser dem überall vor-
kommenden Wilde in Gemsen, Hirschen, Fischottern, Dachsen,
Schild- und Auerhähnen. Fischrechte übt das Stift in der
Enns, in den vielen Teichen des Admontthales und auf
dem hohen Tauern und in den Seen bei Wildalpen, Ob-
dach und Kleinsölk. Hechte, Huchen, Karpfen, Saiblinge
und Forellen bilden die vorzüglichste Ausbeute. Die Forst-
producte finden die gewöhnliche Verwendung. Die Be-
nützung der Torfmoore ist gegenwärtig sistirt.
Personalstand des Stiftes. Das Stift zählt unter seinen
Mitgliedern einen infulirten Abt, einen Prior, einen Sub-
— 70 —
prior, einen Senior (geboren 1800), 69 Professprieater, drei
Kleriker, zwei Novizen und einen Laienbruder,
Wappen des Stiftes und Abtes. Das Wappen der Abtei
besteht in einer silbernen Raute (Rbombe, Wecken) im
rotten und einer rothen Raute in silbernem Felde neben
einander stehend. Der gegenwärtige Abt führt in seinem
Schilde auf seinen Namen (Müller) anspielend ein Mühlrad
und darüber ein aufgescblagenes Brevier sammt Kreuz mit
der Devise: Ora et labora, die Doppelbestimmung des
Ordensmannes bezeichnend.
MerTcwürdigJceiten des Stiftes. Ahteikirche. Wir haben
im historischen Theile nachgewiesen, dass eine Reihe von
Prunksälen, archäologischen und naturhistorischen Objecten
nebst vielen Kunstgebilden dem Brande von 1865 zum Opfer
gefallen sei. Aber auch jetzt noch findet der aufmerksame
Tourist manches Schöne und Denkwürdige in den Hallen
des Blasienstiftes. Sein erster Besuch gilt der Kirche, deren
Thürmepaar schon aus weiter Feme ihn begrüsste. Selbe
wurde auf den Grundvesten der früheren, daher in den-
selben Raumdimensionen, durch den Architekten Wilhelm
Bücher im gothischen Style aufgebaut. An die Portalhalle
schliesst sich das durch je sechs Pfeiler in drei Schiffe
getheilte Langhaus. Der um einige Stufen erhöhte Chor
ist einschiffig mit fünf Seiten aus dem Zehneck endend.
Die Gesammtlänge der Kirche beträgt 218 Wiener Fuss,
die Breite 58', die Höhe des Mittelschiffes 63'. Die Thürme
erheben sich auf den uralten zum Theil romanischen Gre-
scbossen, setzen oben von dem Quadrat ins Achteck um und
erreichen verjüngt in eine Kreuzrose auslaufend die Höhe
von 220'; das Hauptportal wartet noch auf seinen statuari-
schen Schmuck. Es ist beantragt, über dem Eingänge die
Statue des Stifters Gebhard, zu Seiten jene der Namens-
patrone der Erbauer Carlmann und Zeno anzubringen. Im
Innern der Kirche sind die Pfeilerbasen und Altarstufen
aus Pignolienstein, die Kapitale und Gewölbschlusssteine
aus Windischgarstner Sandstein, die Altar- und Kapellen-
gitter aus Nabresiner Marmor und die sich häufig wieder-
holenden Ornamente (Maasswerk und Fialen) aus Perlmooser
Cement gefertigt. Bisher sind ausser dem Hauptaltare
sechs Seitenaltäre aufgestellt, welche, wie die Kanzel und
das Orgelgehäuse, ein Werk des Ignaz Prandstetter in
— 71 —
Wien sind. Hinter dem Hochaltäre erhebt sich die Statue
des h. Blasius aus ungarischem Sandstein und auf dem
Kreuzaltare die aus drei Figuren bestehende Passionsgruppe,
Beide von dem Tyroler Jacob Gliber. Den Frauenaltar
zieren eine Madonna von Martin Altomonte und die Me-
daillons (Mysterien des Rosenkranzes) von Stammel. Drei
Hauptfenster des Chors enthalten Glasmalereien von Karl
Schirmer in Graz. (Seenen aus dem Leben der h. Jung-
frau.) Dieser Künstler stellte auch die übrigen Fenster,
welche einfach in Arabesken gehalten sind. Hinter dem
Hauptaltare deckt ein Inschriftstein die Ueberreste des
Stifters. Die Orgel, ein Werk des Matthäus Mauracher
in Salzburg, hat 44 Register und 2512 Pfeifen. Beachtens-
werth ist auch das Taufgefäss und die von Stammel ge-
fertigte Weihnachtsgruppe (Krippe). Von den acht Thurm-
glocken wiegt die grösste 88 Centner. Die Sakristei hat
ein altes Cracifix und einige interessante Schnitzwerke auf-
zuweisen.
Paramentensaal. Da für die vorzüglichsten J^este die
Bekleidung der Altarmensa, die Ornate des Pontificanten
tmd seiner Assistenz, sowie die Casulen für viele Priester
von gleicher Farbe nnd Ausstattung vorhanden sind^ so
stellt sich dadurch schon eine reiche Sammlung der pracht-
vollsten Stickereien dar. Das Alter dieser Ornate reicht
in das 16. Jahrhundert hinauf. Wir nennen eine Casula
von 1519, den Pfingstornat von 1661 und den Weihnachts-
omat von 1680. Hier sieht man Mitra und Stab des Stifters,
ein Pastoral, dessen Stab aus dem Stosszahne eines Nar-
wall besteht^ einen Kelch von 1360, einen Tragaltar von
1374, ein Ostensorium des 13. Jahrhunderts^ eine 15 Pfund
schwere Monstranz, eine neue Monstranz in gothischer
Fprm von Adler in Wien, prächtige Wandteppiche und
die dem Erzbischofe Thiemo von Salzburg (f 1101) zuge-
schriebenen zwei Marienbilder aus Steinguss.
Oratorium. Diese zum Chorgebete der Conventualen
eingerichtete Kapelle verdient insoferne eine Erwähnung,
als der Stiftsarchitekt Bücher in derselben seine Studien
über die gothische Bauart zum ersten Male praktisch ver-
suchte und verwerthete. In derselben wurde in neuester
Zeit ein schöner gothischer Altar vom Kunsttischler Pöltl
in Graz aufgestellt.
— 72 —
JBihliofliek. Diese bildet neben der Kirche die Haupt-
selienswürdigkeit Admonts und ist eine Perle in ihrer Art.
Sie wird in den Sommermonaten durchschnittlich von
3000 Fremden besucht. Der Bibliotheksaal nimmt fast
die Hälfte des Osttraktes ein, ist 223' lang, 44' breit, zwei
Stockwerkehoch und wirddurcheOFenster erhellt. Der Eiuhm,
die erste Idee zu diesem grossartigen Bau gefasst und diesen
begonnen zu haben, gebührt dem Abte Anton von Mainers-
berg. Matthäus Ofner ist der Schöpfer der inneren Aus-
schmückung. Zwölf korinthische Halbsäulen aus rothgrauem
Marmor mit vergoldeten Kapitalen und Basen scheinen das
Gewölbe der Rotunde zu tragen. An diese Rotunde, welche
die Mitte des Saales einnimmt, schliessen sich zu beiden Seiten
je drei oben in Tonnengewölbe auslaufende Abtheilimgen,
welche in ihrer Gesammtheit den einen Riesensaal bilden
und auf jeden Beschauer einen überwältigenden Eindruck
bewirken. Das. Ganze ist in italienischer Renaissance ge-
halten. Die Bücherschränke sind weiss mit vergoldeten
Ornamenten und werden durch Karyathiden getrennt, welche
die vergoldeten Büsten von Gelehrten und Künstlern tragen.
DerFussboden ist mit weissen, grauen und rothen Marmor-
rauten belegt. Den Saal, die Rotunde ausgenommen, um-
läuft oben eine Gallerie mit geschmackvollem, zum Theil
vergoldetem Eisengitterwerk, deren vier Aufgänge durch
scheinbare Bücherreihen maskirt sind. DiePlafondmalereien
(in siebenFeldern), die Künste und Wissenschaften im Dienste
und Gefolge der Religion darstellend, sind von Barth. Alto-
monte. In diesem Saale befinden sich vorzügliche Werke
des Admonter Plastikers Josef Thaddäus Stamme! Diese
sind: die vier letztenDinge, die Evangelisten, Petrus, Paulus,
Moses, Elias, Salomos ürtheil, Christus im Tempel und.
die Statuetten der Weisheit, Wahrheit, Wissenschaft und
Klugheit. Ueber der nördlichen Thüre sieht man eine
Kunstuhr, welche mehr als ein Jahr ununterbrochen geht,
und über dem südlichen Eingange die Alabasterbüste des
Abtes Matthäus. An den Hauptsaal schliesst sich ein grosses
Zimmer mit Bücherschränken des 17. Jahrhunderts. Der
glänzenden Schale entspricht auch der Kern. Die Biblio-
thek zählt über 900 Handschriften, 800 Inkunabeln und
80,000 Bände (ohne die Hefte). Indem wir zuerst einige
Handschriften hervorheben, bemerken wir, dass das be-
— 73 —
zügliche Jahrliundert in der Klammer beigefügt ist. Die
Bibel des Stifters (11), Wörterbuch (9), Origines (9), Evan-
gelienharmonie (10), Leben des seligen Gebhard und Chronik
von Admont (12), Admpnter Todtenbuch (12), Missale mit
prächtigen Miniaturen (13), die Werke der einheimischen
Aebte Gottfried I., Irimbert und Engelbert (12 — 14), Horaz
(14), Historia Augusta (15), Josefus Flavius (11), die ganze
Bibel in Octav (14), Brevier von einer Admonter Nonne
geschrieben (15), zwei Bibliothekskataloge (14), Eeimchronik
des Ottokar (15), Bruder Philipps Marienleben (15), die
heidnische Chronik (Marco Polo) und Loos Salomonis (14)
und acht Korans.
Yon alten Drucken nennen wir: Thomas von Aquin
(1469), deutsche Bibel (1477 und 1483), Consilia Francisci
de Accoltis (erster Pisaner Druck 1482), Livius (1485), Virgil
(1492), ein latein. Plato (1491), Teuerdank auf Pergament
(1517) und derselbe auf Papier mit coloiirten Holzschnitten
(1519). Sonst enthält die Bibliothek die kostbarsten und
seltensten Sammelwerke, alte Kupferstiche und Holzschnitte,
alte spanische, französische und italienische Literatur u. s. w.
Bas Archiv. Der grosse Brand von 1865 hatte auch
das Hauptarchiv des Stiftes mit den Diplomen der deut-
schen Kaiser und steierischen Traungauer in Asche ver-
wandelt. Das jetzige wurde aus den TJeben-esten des Ka-
pellen- und Thurmarehives und aus den Urkunden und
Acten der stiftischen Herrschaften und Pfarren neugestaltet.
Die Zahl der Originalurkunden beträgt ca. 4000, wovon
19 dem 12. und 125 dem 13. Jahrhundert angehören. Die
älteste Urkunde datirt c. 1128, die älteste in deutscher
Sprache 1290 und die älteste auf Papier 1361. Uniken
sind das Doppelsiegel des Abtes Rudolf und des Herrand
von Wildon (c. 1195) und die zwei Siegel des Admonter
Nonnenklosters und der Priorin. Mit dem Archive ver-
bunden sind noch einige Sammlungen. So das Münzkabinet
mit 4000 Stück, die Sammlung von Siegelabdrücken (4450
Stück), Autographen, Zeitungen (656), Kupferplatten zu
Vischers steierischem Schlösserbuche. Im Lokale finden,
sich ferner Porträts der Aebte, Schnitzwerke des Mittel-
alters, alte Waffen.
MineraJogisch-hotanisches Mtiseum. Beide Sammlungen
sind zwar noch in der Zusammenstellung und Ordnung
— 74 —
begriffen, sind aber schon jetzt niclit unbedeutend zu nennen.
Den Grundstock bilden die von P. Thassilo Weimayr ge-
sammelten Mineralien und das Herbarium des P. Gabriel
Strubel, welcher -wiederholt Sicilien -wissenschaftlich be-
reist hat. In Verbindung steht eine CoUection seltener
ausländischer Käfer und Schmetterlinge.
Kastengebäude. Dieses steht auf dem Platze der ehe-
maligen Nonnenkirche und repräsentirt sich mit z-wei Sfcock-
"werken als stattlicher Bau mit z-wei imposanten Portalen.
Der grösste Theil des Raumes dient zur Unterbringung
des Getreides. Im Erdgeschosse eine Kapelle mit "Wand-
gemälden (St. Rupert) von Leder-wasch, und Sophie von
Ungarn, Nonne zu Admont, von den Abgesandten ihres
Bruders Geisa Abschied nehmend. Unter dem Gebäude
ein zwei Stockwerke tiefer Keller. Einen hübschen An-
blick bietet auch das im italienischen Style erbaute Mühl-,
Schmiede- und Bäckereigebäude.
Stiftsgarten. Dieser mit einem Fläche nraume von mehr
als 15 Joch zerfällt in den oberen, welcher anständigen
Fremden zugänglich ist, und unteren oder Gonventgarten.
Der untere hat beschnittene Buchengänge, einen gemauer-
ten schönen Pavillon, eine Kapelle des h. Blasius, die schöne
Lindengruppe bei der Wilhelmshöhe und eine Aussichts-
warte. Im oberen Garten findet sich eine schöne Kastanien-
allee, ein ziemlich grosser Teich von Karpfen belebt, eine
Kapelle des h. Blasius und ein Küchengarfcen mit Glashaus.
Am Haupteingange eine Steintreppe und Balustrade mit
den Statuen der Minerva, Flora, Ceres und Diana.
Kaiserau. Dieses Alpenschloss 4320' über dem Meere
hat eine Fronte mit 19 Fenstern, einen Balkon mit Aus-
sicht auf den Dachstein und ein Thürmehen. Der grosse
Saal und die Zimmer haben Wandgemälde (Jagd- und
Alpenscenen, Bilder aus der Bibel uad dem Leben des h.
Benedikt). Grossartige Alpen-wirthschaffc.
Möthelstein. Schloss des 17. Jahrhuaderfcs mit fünf
Thürmen. Der Vorhof, in welchem eine mächtige Linde,
ist von einer mit Schiessscharten und Eckthürmen versehe-
nen Mauer umgeben. Im Schlosshof ein Falkonet aus der
Zeit Max I. Der obere Stock enthält einen grossen Saal
mit Wandtapeten, welche die Besitzungen des Stiftes dar-
stellen. Die Plafonds und Thüren der Zimmer zeieren schönes
— 75 —
Tafel- uud Schnitzwerk aus Zirbelholz. Ziemlicli grosse
Gemäldesammlung (altdeutsche Schule, Tischbein, Schmidt,
Sasso Ferrato, Simon de Pesaro). Merkwürdige Oefen. Zu
ebener Erde Kapelle.
Armenpflege. Durchreisende wie einheimische Arme
bekommen täglich in der Stiftsküehe warme Speise. Gewisse
Parteien werden monatlich mit Mehl und arme Schulkinder
täglich mit Brot betheilt. Au hohen Festtagen findet eine
Spende an Fleisch statt. So oft ein Stiftsherr (auch ein
auswärtiger) stirbt, erhält eüi Armer durch 30 Tage die
Convehtkost (3 Speisen). Seit undenklichen Zeiten unter-
hält das Stift stets 12 taubstumme oder blödsinnige Manns-
personen und giebt ihnen völlige Verpflegung.
Literatur. Für diejenigen, welche sich ausführlicher
über die Geschichte und Topographie Admonts unterrichten
wollen, mögen nachgenannte Werke empfohlen werden:
Fuchs „Kurzgefasste Geschichte des Benediktiner- Stiftes
Admont." Graz 1858. — Dasselbe Werk vermehrt durch
Weimayr: „Versuch einer Topographie des Admontthales."
Graz 1859. — Weimayr „Der Tourist in Admont." Wien
1873. — Wichner „Geschichte des Benediktiner- Stiftes
Admont." Graz 1874—1878. 3 Bände. (Der 4. und letzte
Band erscheint 1880.) Zu nennen sind noch die Mono-
graphien über die Admonter Aebte Gottfried I,, Irimbert^
Heiarich II. und Engelbert von Gregor Fuchs und Muchars
Aufsätze in Hormayrs Archiv. Jakob Wichnek.
Abtei Altenburg.
as Benediktinerstift Altenburg in Niederösterreich.
liegt eine Stunde von Hörn in der Nähe des Kamp-
flusses im sogenannten Boigreich oder Buigreich,
Der Name Boigreich soll von der Familie der Grafen
Ton Buige herrühren, welche in dieser Gegend reich begütert
■waren nnd anch Altenburg gestiftet haben. Der Name der
Stifterin ist Hildeburg, Wittwe des Grafen von Buige. Diese
Gräfin Buige erbaute Altenburg und führte 1144 die ersten
Mönche in ihre Stiftung ein. Sie kamen von S. Lambrecht in
Steiermark, zwölf an der Zahl, und wählten aus ihrer Mitte
Gottfried zum Abte. Die edle Stifterin soll nebst einem
Sohne Hermann zehn Töchter gehabt haben, deren Bild-
nisse und Namen im Stifte A. aufbewahrt werden, und
nach einer wohl wenig verbürgten Nachricht hätte sie den
Abend ihres Lebens in der Nähe ihrer Stiftung in Grosspurk-
stall zugebracht. Ihre Gebeine ruhen in der alten Stifts-
kirche im Presbyterium. Die Exequien für sie werden jährlich
am 4. December gehalten. Ein um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts gefertigtes Gedicht feiert Hildeburg, wie folgt:
Als ich die althen Schrififten durchlass
Fandt Ich zum allerersten, dass
Gestifft ist worden das Closter
Zu Altenburg In der Ehr
Lamperti von ainer Frawen Zarth
gesessen zu Purkhstahl die Warth
Ein Fraw von Regaw auss Suevia
Ihr Namb hiess Hildtpurga.
Diese kleine Stiftung, aus Liebe zu Gott gemacht, er-
freute sich in der Abfolge der Zeiten sichtlich des Segens
Gottes, hat sich auch in den schwersten Zeiten erhalten
nnd obwohl wiederholt ganz zerstört, ist sie doch immer
wieder aus Schutt und Trümmern von neuem erstanden
und zu neuer Blüthe gekommen. Der gegenwärtige Abt
ist der fünfundvierzigste Nachfolger des Protoabbas Gott-
fried. Das Eloster A. war schon unter den ersten zwölf
Aebten insbesondere durch Schenkungen, Stiftungen und
OD
o
+3
— 77 —
Ankäufe zu einer nicht unbedeutenden Blüthe gelangt, als
ea unter Abt Heinricb am Anfange des 14, Jahrhunderts
durch die Einfälle der Ungarn und Rumänen fast ganz zer-
stört wurde. Die Erinnerung an den denkwürdigen Sieg
über diese entsetzlichen Feinde ist in dem „Heidenteich"
in Altenburg erhalten, weil da die in der Schlacht Geblie-
benen verscharrt worden sein sollen. Um die Wiederher-
stellung des Stiftes haben sich die Grafen von Gars grosse
Verdienste erworben, weshalb sie au.ch als „die zweiten
Stifter" Altenburgs betrachtet werden. Gertraud nämlich,
Heidenrichs des Burggrafen, von Gars Wittwe, und ihre
Tochter Agnes kauften um 600 Pfund Pfennige verschiedene
Gülten, welche dem Stifte A. gehören sollten gegen fol-
gende Leistungen. Für ewige Zeiten soll auf dem Frau-
altare vor der Prim eine heilige Messe für den seligen Ge-
mahl der Stifterin und seine Vorfahren gelesen werden;
jährlich soll am Montag vor S. Colomann, im Verhinderungs-
falle Tags darauf der Jahrtag für den besagten Burggrafen
begangen, auch an diesem Tage für acht Pfund Pfennige
Wein, Brot und Fleisch unter die Armen vertheilt werden.
Vierzig Jahre später gaben die Brüder Albrecht und Leo-
poldj Herzoge von Oesterreich, um ihres und ihrer Vorfahren
Seelenheiles willen das Gottesheilsalz, jährlich 60 Fuder,
1369. Diese Stiftung wurde 1780 sistirt, von Kaiser Fer-
dinand I. 1837 wieder erneuert. Unter dem Abte Conrad II.
1649 hatte das Kloster an dem Schrecken jener Gegenden,
den Hussiten, entsetzlich viel zu leiden. Die Urkunden über-
bieten sich, den Schreck, welcher diesen Vandalen vorher-
ging und die entsetzlichen Verwüstungen, welche in ihrem
Gefolge waren, zu beschreiben. Altenburg wurde fast ganz
verbrannt, von dem Kloster blieb nur mehr der Tauben-
schlag über. Die Kirche ward entheiligt, die Orgel zer-
trümmert und konnte man die Röhren derselben auf dem
Kirchenpflaster und auf den Aeckern in kleine Stücke zer-
brochen finden, die Glocken- wm-den geschmolzen, die
Heiligenbilder durchbohrt und, worüber sich der Chronist
am_ bittersten beklagt, so weit ging die blinde Wuth der
Feinde, dass sie die kostbaren Ciborien mitnahmen und
das heiligste Saki-ament auf den' Boden warfen. Erst nach
zehn Jalien 1437 reconciliu-te der Sufeagan von Passau,
Andreas, die Kirche. .Die Vesationen der Hussiten dauerten
— 78 —
ater fort und wird insbesondere 1467 von einer totalen
Zerstörung Altenbnrgs dnrcli Georgs des Böhmerkönigs
Sohn Victorin, Haereticus zubenannt, berichtet. Doch er-
holte sich das Stift bald wieder und erhielt Abt Andreas I.
1511 — 19 Ton Pabst Leo X. 1516 für sich und alle seine
Nachfolger den usus pontificalium , was sich auf Inful,
Dalmatik u. s. w. bezieht, da die Altenburger Aebte schon
ehevor das Privilegium des Pastorales, der Ringe, Hand-
schuhe und Sandalen erhalten hatten. Dieses Privilegium
ward für das Stift und alle dem Stifte zustehenden Kirchen,
über welche der Abt das Präsentationsrecht oder irgend
welche Superiorität ausübte, gegeben. Dieser erste infulirte
Abt starb zu früh für sein Stift und hinterliess 14 Capitu-
laren. In den folgenden wirren Zeiten misste man seine
umsichtige und weise Leitung schwer. Immer näher kam
ja der verderben- und unheilvolle Sturm der kirchlichen
Revolution und die Herren von Purchheim zu Hom sowie
Erasmus Schnekhenreiter zu Breitenaich suchten aus der
allgemeinen NothVortheil. Purchheim forderte von Alten-
burg Mauth, obwohl mehrere herzogliche Privilegien ihm
Freiheifc sicherten, Schnekhenreiter abverlangt den Stifts-
unterthanen Robot, sperrt Weiber und Kinder der Prote-
stirenden ein, treibt den Stiffcsunterthanen ihr Yieh weg,
nimmt ihnen Maisch und Pferde und verbietet, an das
Kloster den gebührenden Safranzehent zu entrichten. Dazu
kamen noch zwei sehr grosse Brände, welche das arme
Kloster um diese Zeit verheerten. Altenburg konnte die
zu leistende Kriegssteuer nicht entrichten imd musste den
„Altenbui-gerhof" in Wien erst verpfänden, dann gar ver-
kaufen. Die Summen, welche das Stiffc wegen der Türken-
noth steuerte, sind bedeutend. Um nur ein Jahrzehnt heraus-
zuheben, lieferte Altenburg 1540: 226 Pfund, 4 Schill.,
26 Pfen.. 2 gerästete Pferde; 1541; 45 Pfund, 2 Schill.,
17 Pfen, 2 ausgerüstete Pferde ; 1544: 376 Pfund, 3 Schill.,
2 Pfen., 1 gerüstetes Pferd; 1546: 313 Pfund, 5 Schill.,
16 Pfen., 3 gerüstete Pferde; 1547: 282 Pfand, 2 Schill.,
14 Pfen., 3 gerüstete Pferde; 1549: 287 Pfund, 2 SchiU.,
18 Pfen.; 1587 stellte Altenburg 18 Mann, 1599 30 Mann,
1596 60 Manu wohl mit Büchsen, Seitengewehren, Sturm-
hauben und Dolchen ausgerüstet. Zu gleicher Zeit firass der
entsetzliche Bauernaufstand die letzten Kräfte des Stiftes,
— 79 —
Emem Berichte vom 12. März 1597 zufolge lagerte der
Kebellenhauptraaim Martin Angerer durch, acht Tage mit
1000 Mann zu Altenburg. Der grössere Theil der Stifts-
unterthanen schlug sich zu den Eebellen und bedrängte
seine Herrschaft. In Folge der fortwährenden Fehden und
Kriege, der feindlichen Ueberfälle und Zerstörungen, ins-
besondere wegen des herrschenden Lutherthums war be-
greiflicher Weise Altenburg sehr im materiellen und geist-
lichen Wohlstand gesunken und bedurfte es eines klugen
und tugendhaften Abtes. Einen solchen postulirte man an
dem Melker Professen Thomas Ziener (1600—1618). Er
restam-irte das verfallene Kloster und besserte seine Be-
wohner, hatte aber von Prädikanten imd deren Beschützern
Hans imd Richard von Puecheim viel zu leiden. Schon dd.
16. September 1606 reicht er eine Beschwerdeschrift ein,
dass die Prädikanten frevelhafte TJebergriffe sich erlauben,
den Stiftspfarrem Taufen und Copulationen wegnehmen
und dadurch der katholischen Kirche grossen Schaden zu-
fügen. Hans Jakob Khuefstainer, Herr auf Spitz und Frei-
herr auf Greilenstein giebt die ins Schloss Greilenstein ge-
flüchteten Monstranzen, Kelche u. s. w. nimmer heraus.
Abt Thomas hatte zum Nachfolger Jonas Anser (Gannss),
ebenfalls aus dem Stifte Melk (1618). Dieser Abt musste in
den drei Jahren seiner Regierung viel des Bitteren und
Bösen erleben. Die Protestanten plünderten das Kloster,
verjagten die Priester und verwüsteten die Güter des Stiftes.
So raubt 1629 Hauptmann Ardstetten dem Stifte 50 Ec.
Salz, 12 Stück Tieh, 41 Lämmer, 13 Kälber u. s. w. Am
22. April desselben Jahres plünderten Oberstlieutenant Hans
Albrecht von Ardtstetten und Obrist Stetten die Kloster-
kirche um eine Monstranz, sieben silberne Kelche,
Ornat, Inful, Levitenröcke u. s. w. , so zwar, dass es nicht
übertrieben sein dürfte, wenn Abt Jonas schreibt: „Wir
haben Alle Gott dem Allmächtigen neben unsern Patronis
höchlich Dank zu sagen, dass dann noch etliche Reliquien
salvirt worden." Ein heiterer Lichtstrahl für diesen un-
glücklichen Abt war die Einnahme Horns, wo sich die
protestantischen Truppen festgesetzt hatten, durch die
kaiserlichen Truppen. Richard von Puechheim ward ge-
fangen nach Krumau ins Gefängnis geführt und seine Güter
confiscirt. Am 22. Februar 1621 hielt Abt Jonas in Hörn
— 80 —
seit fast 100 Jalirea die erste katholische Predigt und Messe.
Die Prädikanten waren schon am 5. Februar abgeschoben
"worden. Schon 1622 starb dieser Abt, welcher in den engen
Raum seiner Eegierungszeit Vieles eingefügt hat, zu Wien.
Sein würdiger Nachfolger war Georg IL Federer, welcher
zur Zeit der Besetzung des Stiftes ganz allein inmitten der
Feinde verblieb, während alle Brüder flohen, und den
Feinden so imponirte, dass sie ihn unangetastet Gottes-
dienst und Seelsorge ausüben Hessen. Kaum konnte das
Kloster freier aufathmen und sich in etwas von den harten
Schlägen, welche es in sehr rascher Folge trafen, er-
holen, als es die Schweden ganz ausplünderten und ver-
wüsteten, 1645. Nur ein einziger Priester blieb auch dies-
mal im Kloster, die Conventualen flüchteten nach Zwettl,
der Abt nach Melk. Bei dem Tode dieses Abtes zählte
das Kloster Altenburg Alles in Allem nur neun Mitglieder.
Sie wählten Benedikt Leiss, einen Melker Profess, Admi-
nistrator in Wullerstorf, zum Abte. Im Bittgesuche um
Genehmigung dieser Wahl heisst es, dass ein solcher Mann
wie Leiss dem Hause noth wendig sei, um es zu retten,
Altenburg hatte beim Regierungsantritt dieses Abtes 85 /.
baaren Geldvorrath, dafür aber 11,362 /. Passiven. (Nach
seinem Tode wies das Inventar nach, dass trotz der auf-
geführten Bauten die Schulden auf 1100 /. reducirt und bei
10,000 /. baares Vermögen vorhanden seien. Die Zahl der
Capitularen war von 9 auf 34 angewachsen.) Abt Benedikt
war mit der wichtigen und ehrenvollen Mission eines Refor-
mationscommissärs für das V. 0. M. B. betraut. Am
12. März wurde mit der Gegenreformation in Krems be-
gonnen, und schon 1653 war der grösste Theil der Bewohner
des genannten Viertels bekehrt. Abt Benedikt wurde in
Wien vom Schlagflusse gerührt und nach seinem Wunsche
im Schottenkloster begraben. Benedikt hatte seinem Nach-
folger, dem Prior des Stiftes, Mam-us Boxler, welcher von
1659 fast ein Vierteljahrhundert ebenso weise als glück-
lich regierte und unter die verdientesten Aebte Altenburgs
zählt, tüchtig vorgearbeitet. Abt Maurus restaurirte zu-
nächst das fast ganz verfallene und zerstörte Stift. Heute
noch giebt ein grosser Theil des Stiftes, das Conventgebäude,
die Prälatur und einige Trakte Zeugnis von des Abtes
Maurus gutem Geschmack und praktischem Urtheile. In
— 81 —
<lie Regiemngszeit dieses Abtes fällt auch die ■ grosse Pest,
welche in Altenburgs Umgebung Viele dahinraffte. Im
Herbste 1679 schickte Abt Maurus auf Bitten des Schotten-
abtes einige seiner Brüder in das Schottenkloster in Wien,
•wo 12 Patres der Pest erlegen waren, und die drei, welche
nur mehr übrig waren, den Bedürfnissen der Kranken nicht
genügen konnten. 1663 wurde den Stiftsvorständen in
Altenburg Befestigung des Klosters anbefohlen, welche
genau nach den Instruktionen innerhalb eines Jahres ge-
schehen sollte. Da bei Ablauf der bestimmten Jahresfrist
die Befestigungen noch nicht vollendet waren, so wurde
mit grosser Geldstrafe für jede weitere Verzögerung gedroht.
Natürlich musste die aufs Aeusserste getriebene Rüstung
gegen den Erbfeind der Christen ganz ausserordentliche
Opfer seitens der Unterthanen, zumal der Klöster er-
heischen. Trotz alledem hinterliess doch Abt Maurus
Boxler 30,000 /. Geld, hatte die Passiven getilgt und die
Herrschaft S. Marein gekauft. Der um sein Haus hoch-
verdiente Abt starb am 12. Sept. 1681. Altenburg gab
zur Erbauung der Festung Arath eiue Beisteuer von
10,000 /. Dafür verlieh Kaiser Leopold I. am 9. April
1701 dem Stifte die Filialabtei Tyhan in Ungarn, welche
1055 von König Andreas für Benediktiner gestiftet worden
war. Der Altenburger Abt Raimund ernannte seinen Stifts-
pater Amand Raiyser zum Abt in Tyhan. Doch dieser
eiste von Altenburg ausgesetzte Abt wai auch der letzte.
Als er nämlich am 14. Februar 1716 starb, verkauften die
Altenburger Tyhan an die Martinsberger um 40,000 /.,
weil sie wegen der weiten Entfernung und wegen des
trostlosen Zustandes der Abtei, die die Türkenkriege und
die ungarischen Rebellen fast zu einer Ruine gemacht
hatten, sich nicht zutrauen könnten, die Abtei Tyhan mit
Erfolg zu verwalten. Doch wurde dieser Pakt von der
ungarischen Regierung beanstaindet und geltend gemacht,
Altenburg sei nicht berechtigt zu verkaufen, was die Güte
des Monarchen ihm geschenkt. Die grossen Summen,
■welche das Stift für das Vaterland steuern musste (1705:
10,000 /., 1715: 15,000 /. u.s.w.), zwangen es wiederholt,
Geld aufzunehmen, so dass Abt Raimund, welcher von
seiaem Vorgänger Maurus Boxler so wohlgeordnete Finanzen
übernommen hatte, doch bei 21,000 /. an Passiven hinter-
Ein Benediktinerbuch. 6
— 82 —
Hess. Im Stifte Altenbiirg ist der wohl einzig dastehende
Fall eingetreten, dass von 1768 — 1875 nur drei Aebte
regierten, indem die Regierungszeit des Abtes Berthold Rei-
singer 52 Jahre 5 Monate währte und der letztverstorbene Abt
Honorius Burger 36 Jahre die äbtliche Würde bekleidete.
Abt Berthold ist der Gründer der Altenburger Stiftsschule,
welche in Allem vom Stifte erhalten wird. Als Ersatz für
die schweren Leiden, welche die schweren Kriege zu An-
fang unseres Jahrhunderts auch dem Kloster Altenburg^
schlugen, feierte Abt Berthold am 20, April 1818 das
schöne Fest seines 50jährigen Abtthums, zu dessen Ver-
herrlichung Hoch und Nieder beitrugen. Der Monarch
erfreute den Jubelabt mit dem Leopoldsorden, wie auch
insbesondere der österreichische Prälatenstand seinen Senior
gar besonders ehrte. Der glückliche Abt lebte nach diesem
herrlichen Feste noch 2 Jahre und 5 Monate, und über-
lebte eigentlich sein Glück ^ indem noch 3 Monate vor
seinem Tode der Blitz in den schönen Kirchthurm ein-
schlug, so dass dieser ganz abbrannte. Wegen der be-
drängten pekuniären Lage, in der das Stift war, mussten
bessere Zeiten für den Aufbau des Thurmes abgewartet
werden, und wurde für jetzt die Brandstätte nur noth-
dürftigst verschaalt; erst der Nachfolger in der äbtlichert
Würde, Alois Messerer, konnte den Thurm wieder auf-
bauen. Der letztverstorbene Abt Honorius Burger regierte,
wie schon bemerkt, 36 Jahre als Abt das Kloster Alten-
burg, machte sich durch Verbesserung des Mangelhaften
•und Anschaffung des Fehlenden um Altenburg sehr ver-
dient. Er hatte das Glück, im Jahre 1844 das Fest des
700 jährigen Bestandes des Klosters zu feiern. Durch seine
bedeutenden literarischen Leistungen hat er sich einen
geachteten Ruf als Gelehrter verdient. Er gab die Ur-
kunden Altenburgs heraus und schrieb u. A. auch /eine
Geschichte des Stiftes Altenburg 1862. Obwohl ihmi Gott
ein 36 jähriges Abtthum erreichen liess, starb er doch
der Liebe seiner Untergebenen zu früh am 21. Juli 1878.
Gegenwärtig zählt das Stift bei 20 Mitglieder, die theils
in den 9 dem Stifte incorporirten Pfarren als Seelsorger,
theils auf Weltpriesterstationen zur Aushilfe und in anderer
Beziehung thätig sind. Recht von Herzen wünschen wir,
dass treu seiner Vergangenheit des Stiftes Gegenwart und:
— 83 —
Zukunft sei, tmd schliessen gerne mit den treulierzigen
SchlusBWOrten des oben angezogenen Gedichtes:
Nun woller Wier Gott Bitten mit Begier,
Das Er vorthan bey diesem Closter
Erhalth der gelehrten Leith 'viUmehr
Die dann Zugleich Dem Regimenth
Und der Kirchen sehr Nutzlich seind.
CÖLESTm WOLFSÖBÜBEB,
St. Margaretli in Brevnov und Braunau
in Böhmen.
1 1. Margareth liegt zwischen. Prag tmd dem Plateau
des „Weissen Berges", eine halbe Stunde Wegs
hinter dem .Eeichsthor, im Orte Brevnov.
Heute sieht mandembescheidenenHause, dessen
Bau aus dem vorigen und aus dem Ende des 17. Jahrhunderts
stammt, das hohe Alter seiner Stiftung und seine ehemalige
Bedeutung für das Ordensleben und für das ganze Land
nicht an; Brevnov ist nämlich nicht nur der Stiftung nach
das erste Männerkloster in Böhmen, sondern es hatte auch
den Vorrang vor allen späteren Klöstern behalten; seine
Aebte hatten den ersten Platz neben dem Prager Bischöfe ;
es selbst hat neue Klöster gegründet und seine Brüder in
anderen angesiedelt, war zum Haupte und zur Meisterin
aller in Böhmen und Mähren je zu stiftenden Benediktiner-
klöster bestimmt worden und hat auch, so lange es eben
durfte, dieses seines Amtes treu und redlich gewaltet. Das
hat sich aber nun alles anders gemacht. Es ist schon so das
Loos mancher Mutter und manches altgewordenen Lehrers!
In das Verdienst der Gründung unseres Klosters theilen
sich der Pabst Johannes XV., der zweite Prager Bischof
Adalbert und Herzog Boleslav II. von Böhmen.
Boleslavs Schwester Milada hatte nämlich die Errich-
tung eines eigenen Bisthums für Böhmen beim heiligen
Vater in Rom persönlich betrieben und um Erlaubnis
gebeten, in Prag ein Kloster für Benediktiner-Nonnen be-
gründen zu dürfen, zugleich hatte sie aber auch des Vor-
habens ihres herzoglichen Bruders gedacht;, in Böhmen auch
für Männer ein Kloster zu stiften. Milada erreichte den
Zweck ihrer Reise vollkommen. Das böhmische Bisthum
kam zu Stande, das Nonnenkloster wurde in der Prager
Burg gebaut und dem heiligen Georg geweiht (973) und
zur Gründung eines Männerklosters hatte Boleslav den
freudigsten Segen des Pabstes erhalten. Der Herzog schien
es aber mit dieser Stiftung nicht so eilig gehabt zu haben,
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— 85 —
wiederholt soll er vom Pabste an sein Verspreclien ge-
mahnt worden sein, aher ohne Erfolg, bis endlich Pabst
Johannes eine gute Gelegenheit fand, die Einführung der
Benediktiner in Böhmen direkt anzuordnen. Das war so
gekommen. Bischof Adalbert hatte sich seiner unlenk-
samen Heerde entzogen, war nach Rom gegangen und dort
ein ganz glücklicher Benediktiner geworden, wurde aber
über Drängen der reumüthig gewordenen Böhmen von
seinem Metropoliten zurückbegehrt und vom Pabste auch
zurückgeschickt, welcher segnend beistimmte, dass den
heimkehrenden Bischof und Benediktiner-Professen Adalbert
einige Brüder (es werden 12 angenommen) begleiten, —
ja er trug dem Bischof und durch diesen dem Herzog von
Böhmen auf, diesen Brüdern in Böhmen ein entsprechendes
Kloster zu gründen, und somit den Benediktinerorden in
unser Vaterland einzuführen. Boleslav war nun auch be-
reit, und er und Adalbert bauten bei der Villa Bfevnova
in der Nähe Prags das Kloster gleichen Namens und
dotirten es gemeinschaftlich 993. Voll Freuden bestätigte
Pabst Johann XV. diese endlich zu Stande gekommene
Stiftung, nahm sie unter den Schutz des heiligen Petrus
und rüstete den neuen Abt und seine Nachfolger mit ganz
besonderen Privilegien und Vorrechten aus, er nannte
Bf evnov die Mutter und das Haupt aller in Böhmen noch
zu errichtenden Benediktinerklöster und bestellte es zur
Meisterin über dieselben. Zu Patronen hatte Bischof Adalbert
der neuen Pflanzung die heiligen Bonifacius und Alexius
gegeben in dankbarer Erinnerung an die seligen Tage, die
er als Ordensbruder im Kloster dieser Heiligen auf dem
Aventin verlebt; — zum ersten Abte aber seinen ehemaligen
Lehrer Eadla (Anastasius, auch Astricus genannt) bestellt.
Doch genoss er des Trostes des Umganges mit diesem und
der Andacht der neuen Ansiedlung nicht lange. Adalbert
konnte seines bischöflichen Amtes in Böhmen nicht froh
werden. Bald kehrte er wieder zurück in seine Zelle auf
dem stillen Aventin, und abermals zurückbegehrt und aber-
mals zurückgeschickt, fand er sich in Folge mittlerweile
ausgebrochener Verfolgung seiner väterlichen Familie
Bchßesslich bewogen, von der für alle Fälle schon erhalte-
nen Erlaubnis des Pabstes Gebrauch zu machen und er
ging, das Evangelium den Heiden zu predigen. Adalbert
- 86 --
starb als Apostel der Preussen den Märtyrertod an der
Stelle des heutigen Kaineu (Colouie) bei Tenkitten 997.
Auch, unser Abt Anastas fand es als Freund der Familie
Adalberts in Böhmen nicht mehr geheuer; deshalb begab er
sich mit einigen Brüdern nach Ungarn, wurde Abt des neu-
gegründeten Klosters St. Martin auf dem heiligen Berge, später
Bischof, und erwarb sich um das Christenthum in Ungarn
grosse Verdienste. Unser Martyrologium nennt ihn Beatus.
Neben Anastas -werden unter den ersten Ansiedlem unseres
Klosters auch j ene fünf Eremiten genannt (Benedikt, Matthäus,
Johannes , Isaak und Christinus) , welche 1006 in Polen um
des Gelübdes der Armuth willen den Martertod erlitten.
Nach Anastas überkam den Abtsstab Hieronymus.
Schon unter ihm, und noch mehr unter den nächsten Nach-
folgern desselben, Gregor und Arsenlus, hatte sich Bfevnov
seinen Ruhm festzugründen gewusst, denn bereits 1023 be-
stieg aas hiesiger stiller Zelle Hyzo den bischöflichen Stuhl
in Prag. Ihm folgte 1030 wieder ein Bfevnover Benedik-
tiner, Severas, welcher sich 1067 den Ruf der Heiligkeit
mit ins Grab nahm.
Auch tief ins Land hinein war Bfevnovs guter Ruf
gedrungen bis an die Grenze Bayerns, wo der Eremit
Günther in stiUer Einöde ein strenges Büsserleben führte.
Günther stammte aus edlem Geschlechte Thüringens, stand
dem Könige Stephan von Ungarn durch Verwandtschaft
nahe und war dem Bischöfe Severus und dem böhmischen
Herzog Bfetislav äusserst lieb und werth. Als er seinen
Tod nahe fühlte und Bfetislav und Severus ihm tröstend
zur Seite standen, setzte Günther unser Haus zum Erben
seines Leichnams ein. Hier fand er seine Ruhestätte vor
dem Altare des heiligen Stephanus 1045, bis das 15. Jahr-
hundert mit Bfevnov auch sein Grab zerstörte.
Gleichzeitig mit Gunthar lebte heiligmässig an der
Säzava ein anderer Benediktiner-Eremit, Prokop, derWunder-
thäter Böhmens genannt. In Böhmen geboren, war er
Priester geworden, war dann in unser Kloster eingetreten,
hatte da die Ordensgelübde abgelegt, aber mit Zustimmung
des Abtes später das gemeinsame Leben mit dem einsamen
vertauscht, imd sich in der wilden Gegend am Flusse
Säzava niedergelassen. Ueber kurz jedoch war er genöthigt,
die Einsamkeit mit Anderen zu theilen, welche ihm der
— 87 —
laut gewordene Ruf seiner Frömmigkeit als Schüler zu-
fakrte. Auch Herzog Udalrich, und mehr noch Bretislav
wurden seine Verehrer.
Dieser baute und dotirte in jener Gegend ein neues
Kloster (1039), dessen Regierung Prokop übernehmen musste,
und dieses ist das Kloster, das später nach seinem ersten
Abte „St. Prokop an der Säzava" genannt wurde. Hier
wollte Bf etislav den Mittel- und den Ausgangspunkt eines
'über sein ganzes Land zu verbreitenden slavischen Ritus
haben, weshalb er auch, um diesen Plan schneller auszu-
führen, slavisehe Mönche aus dem Süden Europas berief,
welche unter Prokops Leitung den Gottesdienst in slavischer
Sprache feierten, anlehnend an Gebräuche der griechischen
Kirche. Doch mag's nicht recht zusammen gegangen sein.
Nach Bfetislavs und Prokops Tode wurden die fremden
Mönche wieder in ihre Heimat zurückgeschickt, das Kloster
aber einer Ansiedlnng Bfevnover Brüder übergeben, welche
alle dem lateinischen Ritus folgten. Säzava blieb eine selb-
ständige Abtei und errichtete später eine Probstei in Zbyzov.
Prokop wurde 1204 heilig gesprochen.
Das ursprüngliche Klostergebäude in Bfevnov war
nach 50 Jahren seines Bestandes zu klein und unpraktisch
geworden. Da war es wieder Herzog Bfetislav I., welcher
Abhülfe traf. Er restaurirte und erweiterte das Kloster,
baute eine neue grössere Kirche, welche zu Ehren des heili-
gen Stifters Adalbert geweiht wurde (ca. 1045) und ver-
mehrte zugleich die Einkünfte des Klosters durch neue
Schenkungen. Und noch mehr that Bfetislav, er stiftete
das Kloster Rajgern in Mähren (1048), Hess es von Brüdern
aus Bfevnov besetzen, jedoch ohne es von der Bfevnover
Jurisdiction zu befreien, sondern gab es urkundlich unseren
Aebten zu stetem Besitze und ihnen auch die reichliche
Dotation in freie Verwaltung, Damals stand unserem Hause
Abt Mainhard vor. Rajgern blieb als Filiale unter Bfevnov
bis zum Jahre 1813. Da hatten die Rajgerer Brüder es
bei der kaiserlichen Regierung in Wien diurchgesetzt, sich
■einen „selbständigen Prälaten" wählen zu dürfen. Der erste
w^ar Augustinus Koch.*)
*) Der tiefe Grund dieser Lostrennung ist vorerst wohl in dem ziem-
lich allgem.einen menschlichen Streben und Mühen nach möglicher Selb-
— 88 —
NicM lange nach Ansiedlung der Brüder in Eajgern
"wnrde ein Bf eynover Professe Johannes gegen seinen Willen
nnd trotz seines Sträubens als erster Bischof Mährens auf
den Leuchter gestellt (1063), -während ein anderer, Bruder
Mikules (Nikolaus), den Weg aus der Rathsstube des Landes
glücklich über Bfevnov in die Einöde des heutigen König-
grätzer Bezirkes fand und sich dort eine von Bfevnov ab-
hängige „Zelle" baute. König Wratislav erweiterte 108G
diese Zelle zu einem Kloster, dem später hochberühmten
Opatovic, Hess aber als Ansiedler desselben Brüder aus
dem Kloster Monte Casino kommen, und erwirkte ihm volle
Unabhängigkeit von Bfevnov.
Das 12. Jahrhundert, d. i. das dritte des Bestandes
unseres Hauses macht nicht besonders viel von sich reden.
Gerade nicht ein schlechtes Zeichen. — Dass damals in
Bfevnov die Wissenschaft etwas galt, möchte aus dem ge-
folgert werden können, dass der berühmte Chronist Cosmas
das zweite Buch seiner böhmischen Chronik dem Bf evnover
Abte Clemens dedicirte, und für die Würdigkeit der Brüder,
sprechen die auch in jener Zeit nicht ausgebliebenen Wohl-
thäter. Es war eine Zeit innerer Kräftigung.
Rajgern hatte einen besonderen Wohlthäter gefunden
an Herzog Friedrich von Olmütz, welcher dem Kloster den
Bezirk Weisskirchen schenkte. Bruder Jurik (Jifc, Georg)
machte ihn urbar. Da fand es 1201 der Markgraf Yladislav
für gut, diesen Besitz uns zu nehmen und den Prämonstra-
tensern von Hradisch zu schenken, was unseren Jurik der-
Btändigkeit und Unabhängigkeit zu suchen. Sann hatten die Bfevnover
Aebte etwa darin gefehlt, dass sie mit Beginn des 17. Jahrhunderts
Bajgern zu einem Noviziathause werden und dass sie dort auch Profess
ablegen Hessen, selbstverständlich mit unserem Gelübde der Stabilität.
Die weite Entfernimg Eajgeins von Bfevnov und Braunau, und das
sehr beschwerliche Beisen in jenen Zeiten, namentlich aber die höchst
traurigen Perioden der Hussitenzeit und des 30jährigen Krieges, sowie
der Kriege des vorigen Jahrhunderts hatten zu. allem dem die Achte
weniger oft nach Bajgem kommen lassen, als gut und nothwendig ge-
wesen, um den immer mehr erstarkenden Geist der Erhebung rechtzeitig-
in die Schranken des Gehorsams zu bringen. 1813 liess sieh nichts mehr
thun, als der Sache ihren Ijauf lassen.
Heut ist Brevnov-Braunau mit Bajgern wenigstens geistig geeint,
und Bfevnov tröstet sich mit dem Worte der heiligen Eegel: quia ia
omni loco uni Domino servitur, uni Begi müitatur.
— 89 —
art kränkte, dass er um Erlaubnis tat, aus Mähren ganz
auswandern zu dürfen. Er kam nach Böhmen und siedelte
sich an der nordöstlichen Grenze des Landes in einer Ein-
öde an der Mettau, im heutigen PoUc, an, wo er sein
Eremitenleben und seine Arbeit mit Urbarmachen von
neuem begann. Hier starb er 1209 „dolore et labore
fractus". Abt Chuno schickte daraiif den Diakonus VitaUs
und einige andere Brevnover Brüder dahin, die begonnene
Arbeit Juriks in Erbschaft zu nehmen. Sie bauten sich
Zellen und eine Kapelle zu Ehren der seligsten Jungfrau
Maria (ad coelos assumtae) und der Abt versah sie mit
allem nöthigen kirchlichen Geräthe. Darauf wandte er
sich an König Pf emysl Otakar I. mit der Bitte, dem Kloster
Bfevnov dieses Eremitorium zu eigen zu bestätigen. Der
König sprach dem Kloster nicht allein den Grund dieser
neuen Ansiedlung freudig zu, sondern er schenkte ihm
auch den ganzen Bezirk diesseits und jenseits des Gebirgs-
zuges Steny. Abt Chuno vereinigte nun die Zellen der
Brüder zu einem Kloster, 1213, und so entstand die zweite
Füiale Bf evnovs — Polic. Jetzt begann da ein reges Leben.
Der Abt berief aus dem Lande zumeist slavische Colonisten,
Hess die Gegend theils für das Kloster urbar machen, theils
wurden ganze Flächen den neuen Ansiedlern zu eigenem
Nutzen überlassen; es wurden sog. Villen gebaut, um welche
sich mit der Zeit Dörfer erhoben, und bald hatte dieser
„Winkel" xmseres Vaterlandes ein ganz anderes Aussehen.
Das Kloster Polic blieb als Probstei bis zur Aufhebung
(1785) mit Bfevnov und später mit Braunau stets innig
geeint und theilte kindlich die Schicksale der Mutter.
Nicht so glatt wie bei Polic ging's mit der Besitz-
nahme des Landstriches jenseits der Gebirgswand Steny,
im jetzigen sog. „Braunauer Ländchen", trotz der Urkunde
König Otakars! Dieses Gebiet war zu jener Zeit noch
wenig bewohnt und wenig bebaut, zumeist wirthschafteten
da nur königliche Grenzwächter und Beamtete, denen es,
leicht erklärlich, nicht zweimal lieb war, dass sie nun von
hier, wo sie sich als Herren fühlten, weichen sollten. An
den alten Ansiedlem fanden sie gleichgesinnte Genossen
und man machte es Bfevnov sehr schwer, dort festen Fuss
zu fassen. Ein volles Jahrhundert erzählt von Unruhen,
Zank und offenem Kampfe, bis es endlich dem Abte Bavar
— 90 —
gelang, faktisch Herr zu -werden des redlich erhaltenen
Besitzes. Er gestaltete einen Theil des alten „Schlosses"
zu einem Kloster um, führte Brüder aus Bfevnov ein und
errichtete hiermit die dritte Bfevnov untergeordnete Filiale
desselben, die Probstei Braunau (1322). Kloster Braunau
liegt, mit der Stadt gleichen Namens eng verbunden, an der
nordöstlichen Grenze Böhmens gegen Schlesien, auf einem
Hügel im weiten Kesselthale, und mau sieht dem Hause recht
gut an, dass da einmal ein königliches Schloss stehen konnte.
Dazumal hatte Bfevnov seinen Höhepunkt erreicht,
üeber die Zahl der Brüder, über deren literarische Bildung,
ascetischen Geist und Fleiss sagt unter anderen ein ein-
heimischer Dichter:
„Florente Bfevnov quinquies centum in loco
visere fratrum in officinis, in choro,
sophiaeque cathedris, sexies dein pares;"
Aus jenem Jahrhunderte stammten die meisten frommen,
Stiftungen (einige derselben sind noch auf uns gelangt)
tmd aus demselben datiren auch so manche ganz aus-
schliessliche Privilegien und Vorrechte, die unseren Aebten
und unseren Klöstern kirchlicherseits und durch königliche
Huld verliehen -worden -waren. So hatte Pabst Bonifaz IX.
Bfevnov abermals als „unter apostolischem Schutze stehend"
erklärt, und den Aebten, um ihnen gefällig zu sein, das
besondere Vorrecht gegeben „-ut rem divinam cum tribus
infulis facere possint". (Davon -wird jetzt allerdings kein
Gebrauch gemacht.) Aber die Aebte suchten nicht et-wa
nur für sieh Privilegien und Ausnahmen, die vielleicht
Andere drücken mussten, sondern sie -waren auch hierbei
ernst bedacht, in die ihrer Jurisdiction unterstehenden
Gebiete Leben zu bringen, das Leben dort zu erhalten und
-es den Unterthanen, so viel möglich, froh zu machen.
Wie im Policer Gebiete sorgten sie auch im Brau-
nauischen für Ansiedler — hier -waren es zumeist Deutsche
— führten unter königlicher Zustimmung und Bestätigung
-überall eine geregelte Rechtspflege ein und bei Bemessung
•der Abgaben galt ihnen stets der Grundsatz: Leben und
leben lassen! Die bekannte Geschichte vom Krummstabe
erlitt bei uns auch in jener Periode keine Ausnahme, als
fast alle und jede Gerichtsbarkeit in geistlicher Hand lag.
Dem Orte Braunau z. B. verschaffte Abt Pfedhor vom
— 91 —
Könige Karl Stadtreclite, wie „Grätz und Glatz" sie hatten
(1348), deren es sich heute noch erfreut; Polic wurde gleich
liebend bedacht. Und dass die Aebte über den Sorgen für
den zeitlichen Wohlstand ihrer Untergebenen nie vergessen
haben, unter ihnen auch das Reich Gottes zu fördern,
braucht wohl auch für jene Zeit keines ' absonderlichen
Beweises; Grund- und Gerichtsherren waren eben Söhne
des heil. Benedikt! Betreffend den Unterricht der Jugend
in der Schule können wir ruhig dasselbe sagen.*)
Doch eigens! In diese „goldene" Zeit unserer Klöster
hinein tönt ein ausnehmend starker Ruf, ein ernstes Mahnen,
sich zu heiligen, fest zu stehen im hehren Stande und,
wo es nothwendig geworden, eifrigst zu bessern und streng
zu reformiren. Dieser Ruf kam von Rom (resp. aus Avignon)
und galt nicht allein Bfevnov und seinen Filialen, er galt
allen Benediktinern; unserem Abbe aber war zu einem
Theile die Aufgabe zugefallen, jenen Mahnruf weiter zu
tragen und die Visitation und Reformation in Böhmen und
Mähren vorzunehmen. Unwillkürlich drängt sich die Frage
auf, ob es damit so grosse Noth hatte? Ueberflüssig war
es keinesfalls, weder rücksichtlich der Vergangenheit noch
für die damalige Zeit; in Anbetracht der folgenden Ereig-
nisse aber müssen wir nun die göttliche Vorsehung an-
betend bekennen: dieses Mahnen war das Vigilate! des
Herrn selbst, ausgesprochen durch seinen Statthalter.
Wir sind nämlich beim 15. Jahrhunderte! Vom Höhe-
punkte jener Glanzperiode fallen wir plötzlich in die
Schrecken der Hussitenzeit, und — wir fallen ihnen auch
anheim, doch nicht bis zur Vernichtung. - Das Warum?
des obigen Rufens und Mahnens ist erklärt: Jeder sollte
*) Möge hier Platz fiaden, was unser P. Timotheus in seiner „Ge-
schichte des Gymnasiums der Benediktiner in Braunau" über die Schule
jener Zeit sagt: Das bleibt ihnen gesichert (den Elosterschulen in Brer--
nov), dass sie lange vor der Grändung der Prager üniTersität bestanden
und sich auch nach Errichtung derselben erhalten haheii , Davon zeugen
die libri erectionum Tit. X (ap. Baibin. decad. I lib.'V) und es ist hier-
für der berühmte Baibin ein Gewährsmann . . . indem er nicht nur sich
selbst als einen gewesenen Schüler der Benediktiner in Braunau anführt,
sondern auch eine Grösse ausgezeichneten Banges, den ersten Erzbischof
von Prag, Arnost von Pardubic (gest. 1364, 30. Juni), ausdrücklich einen
Zögling der Benediktiner in Braunau nennt.
— 92 —
vorbereitet sein fürs Martyrium ! Als Opfer jener unglück-
seligen Zeit sind von Klöstern unseres Ordens gefallen:
„St. Johann auf der Insel" bei Prag, St, Prokop an der
Säzava, Opatovic, Vilemov, Podlazic, Postelberg, alle mit
ihren Filialen in Böhmen, St. Ambros in Prag, das Nonnen-
kloster beim heil. Geist in Prag und das Nonnenkloster
in Teplitz; dann die Filialen des Klosters Kladrau, während
Kladrau selbst und Emaus in Prag hussitische Festungen
wurden; endlich und zwar unter den ersten unser Bfevnov,
das am 20. Mai 1420 total zerstört wurde. Um das Schick-
sal der Brüder, die nicht Yor dem 20. durch die Flucht
entkommen waren, dürfte man Grott allein fragen. Das
Kloster Bfevnov war gefallen, aber die Stiftung nicht ver-
nichtet, noch lebten seine Filialen, und namentlich war
Braunau bestimmt, der Mutter zum neuen Erstehen mehr
als behülflich zu sein.
Eine Anzahl Brüder war rechtzeitig aus Bfevnov ent-
flohen, die meisten nach Braunau, einige nach Eajgern.
Auch Abt Nikolaus hatte sich nach Braunau gerettet, das
er nach der Niederlage Bfevnovs zum Sitze des Abtes
bestimmte*), freilich nicht ohne Zittern und Bangen. In
der That machten die Hussiten auch Anfälle auf Polic und
auf Braunau; doch wurden sie hier zurückgeschlagen, und
in Polic hatten sie nur den allerdings traurigen Erfolg,
dass das Kloster für eine geraume Zeit von den Brüdern
verlassen stand. Förmlich wurde der Convent erst nach
mehr als einem Jahrhunderte wieder hergestellt.
So war nim die jüngste Tochter an die Stelle der
Mutter getreten, und fürwahr! Braunau hat das Seinige
redlich gethan während der Dauer jener Schreckensjahre
und nach denselben, wo es vor Allem galt, durch Wort
und That zu helfen und zu trösten in der allgemeinen
unsäglichen Noth, und dann — den Wahn zu bekämpfen. **)
*) Seit jener Zeit nannten sich die Aebte „Brevnover in Braunau"-
(bis 1715). Nach. Wiederaufbau BrevnoYS haben sie ihren Sitz in beiden
Häusern und führen den Titel: „Brevnover und Braunauer".
**) Unser Todtenbuch gedenkt einer langen Eeihe eifriger Prediger,
die selbst in den Tagen der entfesselten Volkswuth mit Kraft und Todes-
verachtung der "Wahrheit Zeugnis gaben. Unter ihnen wird besonders
der Brevnover Professe Johann von Holeschau als „malleus haereticorum"
gerühmt. Er starb in Bajgern 1436.
— 93 —
Das altehrwürdige Kloster hinter dem Eeichsthore lag
in Trümmern, aber obgleich wir dort erst im 17. Jahr-
hunderte wieder geregelten Chordienst finden, war es von
den Aebten durchaus nicht vernachlässigt worden; man
that, was unter Umständen gethan werden konnte — was
ein Tag v^ernichtet, konnte nicht an einem Tage wieder
hergestellt werden; von Abt Hermann sagt unser Nekro-
log, er sei 1449 fromm im Herrn entschlafen, ,,consumti3
23 annis in colligendis reliquiis". Zudem glühten noch
die Kohlen unter der Asche , der Horizont ringsum zeigte
nichts weniger als beständig gut Wetter. Wirklich musste
das noch nach Jahrzehnten Abt Gregor III. ganz besonders
erfahren, da er 1483 bei ChotSboc von Haeretikem aus
Religionshass erschlagen wurde; und dass die Zeit für
grosse Neubauten, auch wenn es sonst hätte geschehen
können, nicht günstig sei, fühlten die Aebte noch gar
lange. Das EJreuz des Predigers in der einen, durften sie
aus der anderen Hand gar nie das Schwert des Verthei-
digers heiliger Rechte legen, um diese gegen die steten
rebellischen Angriffe der „aufgeklärt" gewordenen Unter-
thanen zu schützen; und wie sie unausgesetzt darauf be-
dacht sein mussten, den Begriff von Mein und Dein in
den ihnen unterstehenden Gauen wieder herzustellen, so
mussten sie andererseits ohne Ermattung bemüht sein,
Wunden zu heilen, welche jene unglückselige Periode
nicht nur dem eigenen Hause, sondern allem Volke, dem
ganzen Lande geschlagen hatte. Die Aebte und die Brüder
thaten ihre Pflicht gewissenhaft! Insbesondere war Abt
Johann IH. ein eifriger Resuscitator, auch über die Grenzen
des eigenen Heerdes hinaus. Schon sein Vorgänger Abt
Matthias hatte einige Brüder an die Säzava geschickt, da-
mit sie aus dem Schutte die brauchbaren Bausteine aus-
lesen und zu einem neuen Gotteshauae zusammenfügen.
Abt Johaim verfolgte auch dieses begonnene Werk
mit Eifer weiter und gab den Brüdern in der Person des
Braunauer Professen Adam Polidor einen Abt, und begann
hiermit die Erneuerung des Klosters St. Prokop (ca. 1566).
Er starb 1575 „post regimen optime gestum". Ihm folgte
Martinus H., ein Unglücksmann! Unter ihm wechselten
mit einander ab und drückten namentlich ihn enorme
Kriegscontributionen, Feuer- und Wasserschäden, Pest in
— 94 —
Bratinau und in Polic und Aufstände der Untertlianen in
Folge der im Braunauer Ländchen immer weiter greifenden
Lehre Luthers; und dazu war er noch körperlich krank
und 1602 ein Siebenundsiebziger geworden! Deshalb legte
er sein Amt nieder, aber die Brüder durften nicht frei
wählen, denn Kaiser EudoK IL bestand darauf, dass sie
den Prior von St. Emmeran in Regensburg zum Abte
postulirten. Der Convent fügte sich, und so ward Wolf-
gang Seiender unser Abt. Zu bedauern hatte man es nicht!
Wolfgang (1602—1619) war einer der energischsten Aebte
in Handhabung klösterlicher Disciplin und in Vertheidigung
des Glaubens und der Rechte der Kirche und des ihm an-
vertrauten Gotteshauses. Sein Name und die Zeit seiner
äbtlichen Regierung gehören übrigens der Weltgeschichte
an. Er starb in Mähren in Domasov am 7. September
1619, von den böhmischen Directoren proscribirt.
Die Zahl der Drangsale , die während des 30jährigen
Krieges über Braunau gekommen sind, ist Legion. Hatte
Bfevnov 1420 ein grausames aber kurzes Martyrium zu
bestehen gehabt, so musste Braunau mit Polic nan ein
langsames durchinachen, geschädigt und getroffen von
Feind und Freund — sed ex omnibus eripuit nos Domi-
nus!*) Um das klösterliche Leben sah es freilich zuweilen
düster aus. Die Brüder mussten wiederholt flüchten, und
einmal war P. Michael Lukas , Prior und Pfarrer in Brau-
nau, allein zurückgeblieben im Hause, musste aber für
seine Hirtentreue die grausamsten Misshandlungen erdulden.
Von 1619 bis zur Schlacht am „Weissen Berge" wirth-
schafteten mit all unserem Besitze die sog. „Directoren"
in Prag, und — sie waren auch bis dahin damit fertig
geworden, so ziemlich Alles war verkauft! Nach dem
Siege des 8. November 1620 konnte man an die Wahl des
Nachfolgers Wolfgangs denken: sie ging im Kloster Emaus
vor sich und fiel auf den Eajgerer Probst Johannes Benno
von Falkenberg. Kaiserliche Commissäre und kaiserliches
Militär begleiteten ihn nach Braunau und führten ihn ein
in das Erbe der Leiden seiner Vorgänger. Wohl begann
jetzt die Restitution des Klosterbesitzes, aber das ging lang-
*) In jener Zeit und über dieselbe sclirieb P. Aemilianus Bittner ein
nicht uninteressantes! Chronioon (M. S. ArohiTii Bfern.). Er starb 1672.
— Ö5 —
sam; pressanter war's mit neuen enormen Kriegscontribu-
tionen; wohl kehrten die in der Flucht zerstreuten Brüder
jetzt ins Kloster zurück, aber nur, um. bald wieder zu
fliehen, ja auch, nm vom nachfolgenden Abt Alexius selbsti
fortgeschickt zu werden nach Bf evnov, Eajgem, St. Prokop
und selbst in das uns sonst nicht so nahe stehende „St. Johann
nnter dem Felsen" — wegen Mangel an Lebensmitteln!
Eines wollen wir noch erwähnen aus den ersten Kegie-
rungsjahren des Abtes Johaim Benno, es ist kennzeichnend:
eine seiner ersten und Hauptsorgen war die Schule! Er
restaurirte nicht nur alsbald das Gymnasium, sondern er
eröffnete auch schon 1624 in Braunau den philosophischen
Cursus. Sein unmittelbarer Nachfolger Alexius und der
folgende Abt Augustinus setzten das begonnene Werk
eifrig fort, und bis zur Stunde hat es kein einziger unserer
Aebte an der Pflege der Wissenschaften in unseren Klöstern
und durch diese in den Schulen fehlen lassen, obgleich
sie sich bald nach Abschluss des Westphälischen Friedens
auch sonst genug umthun mussten wegen materiellen
Eestaurirens und materiellen Bauens. Nach Abt Augustinus
regierte Abt Thomas 37 und nach ihm Abt Othmar 38 Jahre,
aber wir können sagen, beide zusammen bauten 75 Jahre
und besserten, soweit das überhaupt möglich war, alle die
Schäden der früheren Jahrhunderte gründlich wieder aus.
Abt Thomas begann, und nachdem manche seiner Bauten
durch Feuer wieder waren vernichtet worden, begann er
von neuem*) — und Abt Othmar setzte fort und führte
zu Ende und legte Grundstein um Grundstein zu neuem
Bau. Aus jener Periode stammen nicht allein die meisten
zu Bf evnov - Braunau gehörigen Patronatskirchen und
Pfarreien und Oekonomiegebäude, auch die Klöster zu
Bfevnov und Braunau und Polic und die Hospitäler in
Braunau und Polic sind von ihnen gebaut. Zur Kloster-
kirche St. Adalbert in Braunau. legte Abt Thomas den
Grundstein, zu unserer bei St. Margareth**) Abt Othmar,
und beide weihten ihr Werk ein. Das Gymnasium in
*) Abt Thomas wählte später zu seiner Devise : quod nocet, docet.
**) Schon seit Jahrhunderten hatte man unser Hans in Brevnov „zu
St. Margareth" genannt wegen einer bedeutenden Eeliquie dieser Hei-
ligen, die hier verehrt wird. Abt Othmar gab der Devotion des Volkes
ihr Kecht, als er die neue Kirche dieser Heiligen weihte.
— 96 —
Braunau, wie es bis in die jüngste Zeit stand, war Abt
Othmars Bau — die (nun leider! nicht benutzte) Kirche
St. Wenzl in Braunau, an der Stelle der fatalen lutheri-
schen Kirche, baute Abt Thomas. — Dieser hatte auch
die Freude, 1674 nach 254 Jahren in Bfevnov den Brüder-
Chor wieder eröffnen zu können. Doch schon 1678 am
13. Juli brannte die Kirche, die Probstei und der grösste
Theil der Oekonomiegebäude wieder ab. Thomas begann
unentmuthigt den Bau von vom, und endlich war Abt
Othmar so glücklich, die Kirche St. Margareth und Kloster
Bfevnov in ihrer jetzigen Gestalt fertig zu bringen (1715).
Beide Aebte genossen eines besonderen Segens Gottes;
denn nebst diesen nur im Allgemeinen angegebenen Bauten
vermehrten sie durch Zukauf auch den Besitzstand beider
Klöster und nur ihrer Freigebigkeit haben die Städte Brau-
nau und Polic nach erlittenem schwerem Brandunglück ihr
neues Aufleben zu danken. Auch war es im Jahre des
Begierungsantrittes des Abtes Thomas, als Bfevnov einen
Theil der dem Kloster Säzava entfremdeten Güter zurück-
kaufen und den dortigen Convent erst eigentlich wieder
ins Leben rufen konnte.
Bevor wir von diesem Manne scheiden, wollen wir
noch des Jahres 1666 denken, in welchem Abt Thomas
die Ueberreste seines grossen Yorgängers Wolfgang aus
Mähren nach Braunau bringen liess und sie dort feierlich
zur Ruhe legte — und des Jahres 1675, des Todesjahres
eines der berühmtesten Elrchenfürsten Böhmens, nämlich
des ersten Bischofs von Königgrätz, später Erzbischofs
von Prag, Matthäus Ferdinand Sobek von Bilenberg. Er
war einer der Unseren gewesen! Aus Rajgern gebürtig
hatte er (1636) in Braunau die Ordensgelübde abgelegt.
Durch fast alle Hausofficien hindurch prakticirt wurde er
Probst in Rajgern, dann Abt bei St. Niklas in Prag und
zugleich bei „St. Johann unter dem Felsen"; hierauf er-
öfhete er die Reihe der Bischöfe in Königgrätz und starb
als Erzbischof in Prag. Er wünschte und erhielt seine
Ruhestätte in der Klosterkirche zu Braunau.
Und nun wieder zu Abt Othmar! Der Schluss seiner
Bauten war die vierte und letzte Püiale — nun Bfevnov-
Braunaus, das Kloster Wahlstatt in Schlesien. Er kaufte
diese ehemalige Probstei Opatovics, baute Kirche und
— 97 —
Kloster, dotirte sie als neue von Bfevnov-Braunau ab-
hängige Probstei, -weibte sie zum beil. Kreuz und der
beil. Hedwig und führte die Brüder dort ein 1738, nicbt
lange vor seinem Tode. In Handbabung der Disciplin
war Abt Otbmar streng; 104 Brüdern hatte er die Gelübde
abgenommen, und in den späteren Jahren seiner Regierung
lebte keiner mehr im Hause, der nicht aus seiner Hand
auch das Ordenskleid erhalten hatte. Ipse elegerat omnes,
nemo ipsorum eum! Wie in materieller Hinsicht, so hatten
sich in auffallend kurzer Zeit unsere Häuser auch im regu-
lären Ordensleben und in wissenschaftlicher Beziehung
bald wieder emporgearbeitet — um in den Kriegsläufen
des 18. Jahrhunderts, welche Bfevnov, mehr aber noch
Braunau, Polic und Wahlstatt unmittelbar und sehr hart
trafen, abermal, wenn auch mehr blos pekuniär, zu sinken!
Dieser Rückschlag musste um so tiefer schmerzen, als
namentlich unter Abt Othmars Nachfolger, Benno H., in
unseren Häusern bereits auch der Verschönerungssinn wieder
hatte Platz greifen können. Abt Benno und seia Nachfolger
Friedrich, diese liebe Seele, wussten viel zu erzählen, wie
schwer ihnen das Eieuz geworden, das sie, wenn auch an
goldenen Ketten, getragen.
Im vorigen Jahrhunderte hatten die Brüder wiederholt
die Clausur verlassen müssen, um in der Flucht sich selbst
und wenigstens' einen Theil des gemeinsamen Besitzes zu
retten, so geschah es auch jetzt in den Zeiten des bayrischen
und österreichischen Erbfolge- und sog. 7 jährigen Krieges,
und noch mehr, immer waren einige Patres bald in fran-
zösischer, bald in königlich preussischer Gefangenschaft
als Geissein; nie wurden sie früher freigelassen, als erst
nach richtig befundener Zahlung der requirirten Summen
von stets enormer Höhe. Der materielle Schaden aus jener
Zeit war bei endlichem Friedensschlüsse wieder ein un-
geheurer und die daraus entstandene Schuldenlast eine
höchst bedeutende. Aber mit wiederkehrender staatlicher
Ordnung war auch der häusliche Frohsinn zurückgekommen,
klösterliches Leben und Pflege der Wissenschaften und der
Jugendunterricht nahmen bald neuen, rmter Abt Stephan
könnte man sagen reissenden Aufschwung und auch der
Wohlstand kehrte allmählich zurück; aber — da zog sich
über den Klöstern Oesterreichs ein noch gefährlicheres
Ein Benediktinerbuch. 7
— 98 —
Unwetter zusammen, das Unwetter nämlich, welches sich
in den achtziger Jahren durch das kaiserliche Kloster-
Aufhebungs-Decret entladen hat! Bfevnov und Braunau
hliehen verschont, "Wahlstatt lag unter den Fittichen des
preussischen Adlers für diesmal geborgen, nur Polio wurde
als Kloster aufgehoben, sein Besitz jedoch Braunau zu-
gewiesen.
Dem Aufhebungsdecrete waren in Böhmen nebst unserm
Polic folgende Häuser unseres Ordens verfallen: das Nonnen-
kloster St. Georg in Prag, St. Niklas auf der Altstadt, die
Filiale des Stiftes Emaus auf dem Berge Bösig, St. Johann
unter dem Felsen, St. Prokop und Kladrau mit seiner nach
den Hussitenzeiten wieder aufgerichteten Probstei in Pf estic.
Wir waren somit im Ganzen genommen mit dem blossen
Schrecken davongekommen, und es wurde weiter fleissig
gearbeitet auf geistlichem Felde, auf dem Felde der Wissen-
schaft und auf der Scholle, welche das materielle tägliche
Brot zu liefern hatte, als 1810 eines schönen Tages die
Brüder aus Wahlstatt, den Wanderstab in der Hand, aber
ohne Gepäck, an die ßraunauer Pforte klopften mit der
Meldung, König Friedrich Wilhelm lU. habe sie dort kurz
und einfach, ohne jedweden Prozess vor die Thür gesetzt,
und Wahlstatt, wie es stand tmd lag, sammt dem vor-
räthigen Baargelde als königlich preussisches Eigenthum
erklärt. — Dass es dabei sein Verbleiben hatte und haben
musste, versteht sich von selbst.
So sind wir Brevnov-Braunau mit Emaus denn allein
übrig geblieben von allen den vielen Benediktiner-Klöstern
Böhmens. — Misericordiae Domini, quia non sumus con-
sumti !
Dass sich unter solchen Verhältnissen Schätze welcher
Art immer auf uns nicht vererben keimten, ist begreiflich,
und dass wir solche zu sammeln bisher nicht in der Lage
waren, dürfte auch nicht verwundern. Die Archive wm'den
theils vernichtet, theils geplündert, aus dem Bfevnover
mochte sich etwa auch eine oder die andere der Filialen
so ein oder das andere liebe Andenken zurückbehalten
haben, doch hat es immer noch ziemliche Bedeutung auch
für die Profangeschichte namentlich unseres Vaterlandes;
die Bibliotheken zählen jetzt im Ganzen gegen 50,000 Bände
mit manchem WerthvoUen, aber eine Kammer mit Kunst-
— 99 —
Sachen können "wir nicM zeigen, einzig die Sammlung
"böhmischer Privatmünzen in Brannau dürfte manchen
Nomismatiker interesairen, und die Naturhistoriker be-
sonders das Fragment der einen und die andere noch
Tinversehrte Hälfte des im Braunauischen am 14. Juli 184:7
gefallenen Meteors, umlegt mit einem Kranze von 17 Frag-
menten anderer Meteore. Die Zahl der Bfevnov-Braunauer
Brüder beträgt jetzt, mit dem (55.) Abte an der Spitze, 63.
Diese vertheilen sich also:
Den h. h. Abt mit gerechnet versehen 12 die Haus-
officien, -wo auch die beiden .Senioren mithelfen müssen;
beim Lehrfache sind theüs in Braunan, theüs ausser dem
Hause 18 beschäftigt und 24 bei der Seelsorge in 13 Pfarreien
und einer Expositur (Seelenzahl der katholischen Pfarr-
kinder im Ganzen 48,700). Acht Kleriker studiren die
Theologie und ein Laienbruder bethätigt sich in Bf evnov.
Bfevnov ist das Noviziathaus mit nur so viel Priestern,
als zur Erfüllung der Pflichten des Klosters unumgänglich
nothwendig sind; der leicht bemerkbare Schwerpunkt liegt
in Brannau theils wegen des Stifts-Obergymnasiums, das
sich aus der alten privaten Klosterschule zu einer öffent-
lich anerkannten Lehranstalt mit nun ca. 200 Schülern
entwickelt hat, theüs wegen der in der dortigen Gegend
gelegenen grösseren Anzahl der incorporirten Seelsorg-
stationen. Eomuald Sohhamm.
Die Abtei Montserrat-Emaus oder Slovan
in Prag.
age. Die Abtei liegt gegen Osten gegenüber der
Kirche des heiligen Johann von Nepomuk auf dem.
Felsen, gegen Süden gegenüber der Kirche des hei-
ligen Petrus und Pardus mit dem uralten CoUegiat-
Capitel auf dem Wyschehrad , dem ehemaligen Sitze der
ersten Herzöge von Böhmen, gegen Westen zieht ein Kranz
von Bergen, "welche Prag umschliessen, mit dem das da-
zwischen liegende Thal durchströmenden Flusse Moldau mit
einer herrlichen Aussicht, gegen Norden ist zu sehen auf
der Höhe des Berges Hradschin die prachtvolle, königliche
Burg, die ßesidenz der Prager Pürst-Erzbischöfe.
A. Gründer der Abtei. Die Abtei gründete Karl IV.,
Kaiser und König von Böhmen, zu Ehren des heiligen
Hieronymus, Cyrillus imd Methodius, Adalbert und Pro-
kopius für Benediktiner slavischer Zunge.
Im Jahre 1348, zu gleicher Zeit mit der Gründung
der Prager Universität, Hess Karl IV. dieses Kloster er-
bauen, führte in dasselbe Benediktiner aus Croatien, Bos-
nien, Serbien, Dalmatien ein und erhielt für dieselben
vom Pabste Clemens VI. aus dem Orden des heiligen
Benedikt das Privilegium, die heilige Messe und den ge-
sammten Gottesdienst mit den heiligen Tagzeiten in sla-
vischer Sprache nach einem approbirten Ritus verrichten
zu dürfen. Diese slavische Liturgie dauerte bis zu den
stürmischen, hussitischen Zeiten. Das Kloster liess Karl IV.
neben der Kirche des heiligen Cosmas und Damian er-
bauen, welche Kirche der heilige Wenzeslaus, Herzog von
Böhmen, aus Liebe zu Gott und zu diesen heiligen Mär-
tyrern erbaut wozu er den Grundstein mit eigenen Händen
gelegt hat, woselbst er Tag und Nacht die heiligen Tagzeiten
betete, wo auch der heilige Adalbert und der heilige Prokop
das heilige Messopfer dargebracht haben.
Es steht an dieser Stelle noch eine Kapelle zu Ehren
des heiligen Wenzel und des heiligen Cosmas und Damian.
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— 101 —
Dem Kloster schenkte der Stifter Karl IV. Tiele sla-
vische Bücher, unter diesen vorzüglich das Sazavo-Emau-
tinum Evangelium nuncRhemense; dieser Codex, aus einer
cyrillischen und einer glagolitischen Handschrift bestehend,
mit Gold, Edelsteinen imdheihgen Reliquien ausgeschmückt,
wurde im Jahre 1419 von den Hussiten mit anderen kost-
baren Sachen aus dem Kloster entwendet und von ihnen
dem Patriarchen zu Konstantinopel, als sie mit ihm durch
einen Abgeordneten im Jahre 1451 wegen der Union unter-
handelten, nebst anderen Gegenständen zum Geschenke
gemacht, welchen Codex im Jahre 1574 der Cardinal von
Lothringen in Konstantinopel kaufte und mit anderen
Sachen der Kirche zu Rheims schenkte. Später wurde
dieses Evangelium bei der Krönung und Salbung der Könige
von Frankreich in der Kirche zu Rheims gebraucht.
Im unteren, schönen, gothischen, gewölbten Gange finden
sich Fresken, oben aus der Geschichte des alten Testamentes,
unten, den Vorbildern entsprechend, Bilder aus dem neuen
Testamente, angefangen von Adam und in den Mysterien
des Erlösers schliessend.
Im Jahre 1372 wurde die ebenfalls von Karl IV. er-
baute, auf 12 Pfeilern ruhende gothische Klosterkirche in
Gegenwart des Kaisers und Königs Karl IV. imd seines
Sohnes Wenzel IV., vieler Erzbischöfe, Bischöfe und
Fürsten vom zweiten Prager Erzbischof, zugleich Cardinal
Johann Oczko (Ocellus) am Ostermontage geweiht, an wel-
chem Tage das Evangelium von den zwei Jüngern, welche
nach Emaus gingen, gesungen wird, weshalb das Kloster
den zweifachen Namen erhielt „Slovan und Emaus".
Karl IV. freute sich innigst ob dieses seines vollen-
deten Lieblingswerkes und veranstaltete ein grosses Gast-
mahl. Doch allzubald war es um das slavische Kloster
eine missliche Sache. Denn schon zur Zeit des dritten
slavischen Abtes Paul II. Kfiz (Crux) 1419 brachen die
hussitischen Stürme los. Im Jahre 1421 eigneten sich die
Utraquisten vollends das Slavenkloster zu, nämlich jene
Hussiten, welche sich mit der katholischen Kirche unter
der Bedingung wieder vereinigten, dass ihnen vom Pabste
Engen IV. und dem Baseler Conciliimi die Compactaten
mit der Communion unter beiden Gestalten bewüligt
wxurden.
— 102 —
Im Kloster Emaus warde nun das Consistorium der
Ütraquisten eingerichtet, das Kloster wurde von da an die
Burg Tachov genannt. Der Vorsitzende des Consistoriums
hiess Administrator, ihm varen elf Räthe beigegeben, welche
Beschützer des böhmischen Beteimtnisses genannt wurden.
Der erste Vorsitzende war der von der katholischen Kirche
abgefallene Erzbischof, Konrad Graf von Vechta, der an-
fangs gegen Huss am strengsten auftrat und Prag mit dem
Interdikt belegt hatte.
Das Klostergut von Emaus war in den Händen der
Commendateur-Aebte. Diese waren Verwalter des Kloster-
gutes und durften davon nichts entfremden. Eine geist-
liche Jurisdiction hatten sie nicht. Durch 172 Jahre bis
auf Kaiser Rudolf IL war das Kloster in hussitischen Händen.
Theils gelangten die Güter des Blosters in Laienhände.
Nach dem Tode des dritten slavischen Abtes Paul IL
1426 war die grössere Zahl der Benediktiner aus dem Kloster
verdränget, die wenigen Gebliebenen wählten als den vier-
ten Abt Gregor, der aber schon im Jahre 1434 gestorben
ist. Ob sie das heilige Abendmahl auch unter beiden Ge-
stalten gespendet haben, ist nicht entschieden. Das Kloster
wäre vielleicht zerstört worden, hätte nicht der dritte Abt
Paul Kfiz einem Haufen Hussiten, welche eines Tages im
trunkenen Zustande in das Kloster drangen, auf ihr Ver-
langen das Abendmahl unter beiden Gestalten gereicht,
was er lebenslänglich bereute.
Der Administratoren des Consistoriums gab es 18,
der hussitischen Commendateur-Aebte 9. Im Jahre 1589
wurde mit Hof- Anordnung das ütraquisten- Consistorium
aus dem Slavenkloster Tachov zu der Teinkicche verlegt,
das Kloster erhielt wieder seine Selbständigkeit und vom
Kaiser Rudolf IL wurde im Jahre 1592 in Emaus ein ge-
setzlicher Abt Paul Paminondas eingesetzt; er war der
erste Benediktiner-Abt nach den hussitischen Stürmen und
hiess eigentlich Horsky, gebürtig aus Silberberg. Er ge-
hörte früher selbst zu der Partei der Ütraquisten, stieg
bis zur Würde eines Kanzlers, widersetzte sich später den
hussitischenCeremonien,tratvollends zur katholischen Kirche
über und liess sich zum katholischen Priester ausweihen,
weshalb ihn Kaiser Rudolf IL als wahren katholischen Abt
von Emaus einsetzte. Als neuer Abt, als welcher er zwar
— 103 —
kathoKscher Priester, aber kein Benediktiner war , begann
er entschieden im katholiscben Geiste zu handeln und die
Rechte des Klosters unerschrocken zu wahren, weshalb er
von der Gegenpartei im höchsten Grade gehasst und auch in
Liedern verspottet wurde. Seiae erste Sorge war, dass die
entweihte Klosterkirche neuerdings geweiht werde: diese
heilige Handlung überliess der in Prag eben weüende
apostolische Nuntius Caesar Specianus dem neuen Abte.
Seine Feinde von der Gegenpartei trachteten ihm sogar
nach dem Leben, es wurde in der Abtei, als er die heiligen
Tagzeiten betete, auf ihn geschossen. Endlich fasste er
den Entschluss, mit Zustimmung des Erzbischofs Zbinco
Berka und des apostolischen Nuntius in die Hände des
Abtes von Braunau als Visitators auf die Abtei zu re-
signiren und trat in Braunau in den Benediktiner-Orden ein.
Der Abt von Braunau schickte sogleich einige (4) Bene-
diktinerpriester in das slavische Kloster, welches bis 1602
ohne einen Abt gewesen. Paul Paminondas legte indessen
1599 die Klostergelübde ab, wurde vom Abt zu Braunau,
dem Viaitator, als wahrer Benediktiner -Abt nach Emaus
geschickt und vom Erzbischof zu Prag, zugleich General-
Grossmeister des Kreuzherrn-Ordens, benedicirt und im erz-
bischöflichen Wagen mit sechs weissen Rossen zum Kloster
geführt, wo er in der Klosterkirche zur grossen Freude
des zahlreichen katholischen Volkes das Te Deum an-
stimmte.
Auf ihn folgte als sechster slavischer Abt Peter Loder-
ecker aus dem Kloster Braunau. Als dem Kaiser Rudolf II.
Passauer Soldaten 1611 zu Hülfe kamen, wurden sie von
den Hussiten verfolgt, in den Klöstern aufgesucht. Die
Hussiten überfielen das Kloster Emaus von fünf Seiten,
erbrachen alle Thore, Thüren der Kirche, suchten den
ganzen Tag mit Packeln den Abt oberhalb der Kirche, in
dem Thurme. Der Abt hatte sich unten in dem engsten
Räume des Rauchfanges verborgen. Zu allem Ungemach
wurde er auch noch vom Visitator seiner äbtlichen Würde
enthoben und an seiner Statt Placidus aus dem Eloster
Braunau als Abt eingesetzt. Loderecker führte Beschwerde
beim päbstlichen Nuntius, der sich in Prag aufhielt. Die
Akten des langen Prozesses sind in den Archiven zu lesen.
Placidus blieb aber Abt. Loderecker lebte einige Zeit in
— 104 —
Bfevüov, kehrte später als einfacher Ordensmann wieder
nach Enaaus zurück und übersiedelte mit den letzten slavi-
schen Benediktinern nach St. Niklas auf der Altstadt-Prag,
wo er starb. Placidus starb, kaum als Abt eingesetzt.
Der achte Abt war Mathäus Pfeiffer aus dem Kloster Kladrau.
Als er das. Kloster in dem traurigsten Zustande fand, ent-
sagte er der äbtlichen Würde 1611. Als Abt wurde doch
schon im folgenden Jahre bestellt Johann Benno Flaccus
YOn Falkenburg aus dem Braunauer Kloster. Bei den miss-
lichen Yerhältnissen des Klosters trat der Abt Benno Flaccus
freiwillig ab und begab sich in das Braunauer Kloster
zurück, wo er später zum Abte erwählt wurde. Die Ver-
waltung des Slavenkl osters übernahm Adam Benedikt
Bavorovsky aus dem Kloster ßajgern und wurde zwei Jahre
später als Abt infulirt. Nach der Schlacht am weissen
Berge 8. November 1620 folgten für die Klöster günstigere
Zeiten. Abt Adam Benedikt Bavorovsky bestrebte sich,
dem Kloster entfremdete Güter wieder zurück zu erlangen.
Da erfolgte die Abtretung des Klosters Emaus von Seite
der slavischen Benediktiner an die .spanischen Benediktiner
von Montserrat.
Einführung der spanischen Benediktiner der strengen
Observanz vom Berge Montserrat in das Kloster Emaus in
Prag. Das Kloster Emaus, ein Denkmal der Liebe Karls IV.
zur Kirche und zum Vaterlande, wurde nun auch ein
Denkmal der Glaubensstärke Kaiser Ferdinand III.
Den Anlass dazu, dass die Verehrung der heiligen
Mutter Gottes von Montserrat mit dem Benediktiner-Orden
dieser Congregation in Oesterreich eingeführt wurde, gab
1629 die Heirat Ferdinand III. mit der Infantin Spaniens,
Maria, Tochter Philipps III., Königs von Spanien, welche
vor ihrer Abreise zur Trauung den berühmten Wallfahrts-
ort der heiligen Mutter Gottes von Montserrat besuchte
und vom dortigen Benediktiner -Abte als Beichtvater und
Begleiter den Benediktiner P. Benediktus Pennalosa sich
erbat, welcher zugleich die Verehrung der heiligen Jung-
frau von Montserrat in Deutschland befördern sollte. Bei
seiner Ankunft in Wien machte Kaiser Ferdinand II. das
Gelübde, dass er, falls ihm die heüige Jungfrau von
Montserrat den Sieg über den Schwedenkönig erbitten
würde, ihr zur Ehre in Wien ein Kloster mit einer Kapelle
— 105 —
erbauen werde, wo mit der Anrufung der heiligen Jung-
frau die Benediktiner- Congregation von der Observanz von
Montserrat eingeführt werden sollte. Pennalosa sagte im
prophetischen Geiste voraus, dass durch den Tmverhofiten
Tod des Schwedenkönigs Alles glücklich von Statten gehen
werde. Am 6. November 1632 wurde bei Lützen Gustav
Adolph, König der Schweden, getödtet. Im Anfange des
Monates November 1633 war die Kapelle bei dem Kloster
in Wien beim Schottenthore, ausserhalb der Stadtmauer,
vollendet, die Statue der heiligen Jungfrau von Montserrat,
welche bei dem heiligen Origin^ilbilde attact war und die
die Königin mitgebracht und in ihrem Palaste aufbewahrt
hatte, wurde in feierlichster Procession den Tag zuvor zu
den Schotten und am folgenden Tage zu dem neuen Mont-
serrat in Wien von sechs Schottner Benediktinern im Bei-
sein Ihrer kaiserlichen Majestäten, des kaiserlichen Hofes,
des apostolischen Nuntius, des Domcapitels getragen und die
neue Kapelle von Sr. Excellenz dem Wiener Fürstbischöfe
Antonius, Benediktiner- Abt von Kremsmünster, eingeweiht.
Pennalosa wurde Prior des neuen Convents. Bevor Ferdi-
nand m., König von Ungarn und Böhmen, als Generalissi-
mus zum Feldzuge gegen die Schweden sich begab, machte
er, dem Beispiele seines glorreichen Vaters folgend, das
Gelübde, wenn er siegen würde, drei Klöster zu Ehren der
Mutter Gottes von Montserrat zu stiften und ging in das
eben gestiftete Montserrater Kloster in Wien, um die Hülfe
und den Schutz der heiligen Jungfrau für sich zu erflehen.
Am 6. September 1634 wurde bei Nördlingen die ent-
scheidende Schlacht geliefert, welche 10 Stunden dauerte';
die Schweden erlitten eine gänzliche Niederlage: 12^000
Schweden wurden getödtet, 6000 gefangen, darunter der
Heerführer Hom. Als ruhmvoller Sieger gedachte Ferdi-
nand III. sein Gelübde so schleunig als möglich zu erfüllen,
eröfEaete schon in Wien, ehe er noch nach Prag kam, dem
P. Pennalosa, dass er in Prag eine Abtei der Montserratenser
Benediktiner stiften wolle, und beschloss, nachdem er mit
dem Prager Erzbischofe, Cardinal Grafen Harrach, Rück-
sprache gepflogen hatte, das vom Kaiser Karl IV. in Prag
für die slavischen Benediktiner gestiftete Kloster Slovan,
oder Emaus, welches während der hussitischen Religions-
kriege so sehr herabgekommen war, dass es, früher reich
— 106 —
dotirt, dann kaum einen Abt mit zwei Religiösen ernähren
konnte, zu restauriren und den Montserratenser Benedik-
tinern zu übergeben. Der Prager Erzbischof und Cardinal
Ernest Adalbert Graf von Harracb. batte im Auftrage des
Kaisers den Abt Benedikt Bavorovsky aufgefordert, das
Kloster Emaus abzutreten. Aber dieser berief sich auf den
Abt zu Braimau als den General -Visitator seines Ordens,
ohne dessen Vorwissen und Zustimmung er unmöglich
•wegen TJeberlassung des Klosters unterhandeln dürfe. Der
General- Visitator, der über diese Nachricht in Bestürzung
gerieth, wies darauf hin, dass es gegen seinen geleisteten
Eid wäre, das Erbe und die fromme Stiftung Karls IV. auf-
zugeben und die dortigen Ordensbrüder ohne Schutz zu
lassen. Der General- Visitator Benno Placcus, welcher früher
Abt in Emaus war, reiste auch nach Wien zum Hofe
und bat, wenn es ja nicht anders sein könnte, dass gegen
freiwillige Abtretung den slavischen Benediktinern eine
gleichmässige Entschädigung zu Theil werde. Seine Bitte
wurde auch berücksichtigt. Den letzten slavisehen Bene-
diktinern wurde die Kirche bei St. Nikolaus auf der Alt-
stadt-Prag von den Prämonstratensem von Strahov über-
geben, die Summe von 10,000 /. ausbezahlt und ihre Be-
sitzungen belassen.
Die slavisehen Benediktiner bei St. Nikolaus erholten
sich bald wieder, das Kloster derselben gehörte später in
Folge der Schenkungen von einigen Wohlthätem, darunter
auch von zwei eigenen Aebten, zu den reichsten Abteien in
Böhmen, und zählte bis zu seiner Auf hebung 1785 elf Aebte.
Die gegenwärtige unter dem kunstsinnigen Abte Anselm
Wlach und seinem Nachfolger Anton Merkel von dem be-
rühmten Architekten Dinzenhofer gebaute schöne Nikolaus-
Mrche ist in neuester Zeit zur Abhaltung des russischen
Gottesdienstes bestimmt worden.
B. Mestauration des Benediktiner- Stiftes Emaus durch
Kaiser Ferdinand III. Der Kaiser schenkte dem Kloster
die Herrschaft Bösig sammt den dazu gehörigen Höfen,
Wiesen, Mühlen, Gefällen und die Burg Bösig oder Bezdiez,
wo später der dritte Montserratensische Abt, zugleich
Prager Sufeagan- Bischof, Antonius de Sotto Major, ein
Kloster mit einer berühmt gewordenen Wallfahrtskirche
der heiligen Jungfrau von Montserrat erbaute. In der
— 107 —
Stiftskirclie wurden 300 bei Nördlingen erbeutete Fahnen
aufgehängt.
I. Montserratenser Abt, Benedikt Pennalosa, Im Jahre
1635 -worden die Benediktiner von Montserrat in das Kloster
eingeführt. P. Benediktus Pennalosa wurde erster Abt,
vom Erzbischof und Cardinal Grafen Harrach unter Assi-
stenz des Cistercienser- Abtes von Königsal und des Prä-
monstratenser-Probstes von Doxan infulirt.
In dem restaurirten Kloster Emaus, mit dem damit
vereinigten Kloster der Schwarz-Spanier in Wien und dem
später erbauten Kloster auf dem Marienberge Bösig bei
Bunzlau, behielt der Eestaurator für sich und seine Nach-
folger das Recht des Patronates mit der Bestätigung des
jedesmaligen Abtes und verordnete, dass für ihn und das
kaiserliche Haus die Stiftspriester beten sollen und täglich
Ein heiliges Messopfer dargebracht werde. Diese schöne
Bestimmung des Klosters hat es vor der Aufhebung ge-
rettet, als nämlich der kaiserliche Commissär, der damalige
Abt von Braunau, Abt Stephan Rautenstrauch, welcher in
seinen Studienjahren Chorsänger im Stifte Emaus war,
Kaiser Josef n. darauf aufmerksam machte, dass das Kloster
die Bestimmung habe, für den Kaiser täglich Ein Mess-
opfer darzubringen und zu beten. P. Benedikt Pennalosa,
Magister der Theologie, wurde vom Restaurator des Klosters
zum Visitator der Montserratensischen Klöster in Böhmen
und Gestenreich ernannt; es wurde ihm auch das Priorat
in Wien untergeordnet, bis im Jahre 1708 mit Bewilligung
Kaiser Josefs I. der Convent in Wien von dem Prager ge-
trennt wurde und seinen eigenen Abt erhielt.
Auf dem Hauptaltare stellte Abt Pennalosa die Statue
der heiligen Jungfrau von Montserrat auf und bestimmte
das jährliche Kirchenfest auf den Tag der Himmelfahrt
Marions. Ueber dem Thore beim Eingang zum Kloster
liess der Abt die aus rothem Marmor verfertigte Statue
der heiligen Jungfrau von Montserrat mit dem Jesuskinde
anbringen, umgeben auf der einen Seite mit dem Bildnis
des heiligen Benedikt, auf der anderen Seite mit dem der
heiligen Scholastica, zu den Füssen der heiligsten Jungfrau
das Zeichen des Berges Montserrat, nämlich ein Berg
mit der Säge zerspalten, und auf dem Steine die Aufschrift:
Ferdinand III. von Gottes Gnaden Apostolischer, unüber-
— 108 —
•windliclier König von Böhmen und Ungarn zu Ehren der
heiligen Jungfrau von Montserrat.
Die ersten sechs Benediktiner waren Spanier vom Berge
Montserrat. Zu diesen nahm der Abt noch acht Böhmen
auf, vier Prediger und vier Kleriker. Der sorgfältige Abt
bat überdies den Prior Johann des Benediktiner-Ordens in
Molk, er möge von seinem Abte einige Kleriker erbitten,
•welche in Wien im Kloster Montserrat der Schwarz-Spanier
die Gelübde ablegen und dann nach Emaus kommen
sollten. In Folge dessen vmrde der Prior Johann aus Molk
mit fünfzehn jungen Ordensbrüdern vom Abte Valentin
geschickt.
Die kaiserliche Kapelle in der Stiftskirche zu Emaus.
Als der Abt nach Wien gekommen war, um dem Kaiser
von den Vorgängen in Emaus Bericht zu erstatten , über-
reichte ihm Ferdinand III. eine Rolle mit den Worten:
„Hier sind, Herr Abt, meine Gelübde, die ich gethan, als
ich in Gefahr war zwischen Feind und Pest und mich ver-
lobt habe der allerseligsten Jungfrau von Montserrat."
Er gab dem Abte eine Anweisung auf 1000 Eeichsthaler
und 200 Stück gleicher Münze zum Bau zweier Kapellen,
einer innerhalb der Hauptkirche des Klosters zu Ehren der
heiligen Schutzpatrone wider die Pest und Seuche: der
Heiligen Fabian und Sebastian, Benno, Rochus und Rosalia,
einer zweiten ausserhalb der Conventsmauem bereits be-
stehenden und dem heiligen Cosmas und Damian geweihten,
welche aber in den hussitischen Zeiten entweiht und zur
Weinpresse benutzt worden war. Der Abt Hess sogleich
innerhalb der Kirche die Kapelle erbauen, welche bis jetzt
die kaiserliche Kapelle genannt wird. An der Vorderseite
derselben ist die Aufschrift zu lesen gemäss der Bestimmung
des Stifters: „Kaiser Ferdinand III. weiht diese Kapelle
den heiligenMärtyrern undBekennern Fabian und Sebastian,
Benno, Rochus und Rosalia im Jahre MDCXXXVII." Drei
spanische Edelleute liessen neue Altäre erbauen.
Balthasar Graf Marradas , commandirender General in
Böhmen, Hess den Hauptaltar herrichten, auf welchen, wie
oben bereits gesagt wurde, Pennalosa die Statue der heiligen
Jungfrau von Montserrat aufstellte; Heinrich von Paradis
Hess einen Altar des heiligen Jakobus, Martin Br. Guerta
den Altar der unbefleckten Empfängnis Mariens aufstellen.
— 109 —
In der Mitte derKirclie liegt begraben General-Feldmarscball
Johann Graf von Götz.
Der Ordensbrüder gab es 29. Nacb einem Verzeich-
nis der Verstorbenen vom Jahre 1715 waren die Ordens-
brüder der Nationalität nach: Belgier, Lausitzer, Bayern,
Mährer, Schlesier, meist Oesterreicher und Böhmen,
Im Jahre 1646 starb Abt Benedikt Pennalosa, nach
so vielen Bemühungen, nachdem er 11 Jahre das Kloster
regiert hatte, im 66. Jahre seines Alters. Ein Porträt von
ihm befindet sich im Kloster. Gross war einst sein Eifer
in der Leitung und Förderung der Missionen vom Mont-
serrat in Spanien nach Indienj wie es die Inschrift auf
dem Grabsteine der Gruft der Aebte vor dem Hochaltare
bezeugt. Er liess auch in der Kirche zwei Grüfte her-
stellen, eine für die Brüder, die andere für Wohlthäter.
II. Abt Johann Caramuel von Lobkovitz. Er war aus
einer adeligen Familie in Madrid geboren 1606. Hervor-
ragend durch grosse wissenschaftliche Bildung, verfasste
er schon als Jüngling mehrere gelehrte Schriften, bereiste
Belgien, Deutschland, Böhmen, Oesterreich, Italien, be-
suchte berühmte Akademien, wurde in Löwen unter dem
Beifalle der ganzen Universität mit der Doctorwürde
in der Theologie bekleidet, trat in Flandern in den Oister-
cienser-Orden ein, trat da,nn in den Benediktiner-Orden
über und wurde von Ferdinand III. zum Abte des Klosters
Emaus ernannt, zugleich zum Intendanten der Fortifica-
tionen und General-Inspector der Festungen im Königreich
Böhmen bestellt, und vom Prager Erzbischof und Cardinal
Emest Grafen Harrach zum Generalvicar erwählt. Nach
Rom berufen, als ob in seinen Schriften etwas wider die
Moral wäre, begab er sich zu Fuss dorthin und recht-
fertigte sich in Gegenwart des Pabstes Alexander VII. so
glänzend, dass der heilige Vater im öffentlichen Consisto-
rium soll gesagt haben, dass er niemals einen Menschen
so habe sprechen hören. Er erhielt vom heiligen Vater
das Bisthum Wiegenau in der Lombardei und wurde später
auf den erzbischöflichen Stuhl in Otranto erhoben. Er
durchforschte alle Wissenschaften und konnte somit ein
universeller Doctor genannt werden. Seine Schriften theilte
er selbst in neun Klassen ein, freie Künste, mathematische
(mathesis biceps, seu audax), musikalische, chyrosophische.
— 110 —
ptilosopWsclie , theologische , philosophiscla - moralische,
theologisch-moralische, biblische (zumeist arbeitete er in
der hebräischen Sprache), architektische, militärische, astro-
nomische. Die Zahl seiner Werke war gleich der Zahl
seiner Lebensjahre. Er starb 1683 in Madrid im 77. Jahre
seines Lebens.
III. Abt Antonius de Sotto Major, zugleich Suffiragan-
Bischof des Prager Erzbischofs Mathäus Ferdinand Zoubek
de Bilenberg aus dem Benediktiner- Orden.
Nach Caramuels Eesignation auf die Abtei blieb die-
selbe zwei Jahre unbesetzt. Im Jahre 1661 ernannte Kaiser
Leopold I. den Spanier Antonius de Sotto Major zum Abte.
Er Hess die im grossen, von ihm gebauten Chore bis jetzt
bestehenden Chorstühle aufstellen. Im Jahre 1669 wurde
er vom Kaiser Leopold I. zum Bischof von Semendria imd
als er auf dieses Bisthum resignirte, mit päbstlicher Bulle
zum Bischof von Selymbrien und Sufiragan-Bischof des
Prager Erzbischofs, gewesenen Benediktiner -Abtes bei
St. Nikolaus in Prag und bei St. Johann unter dem Felsen,
ernannt. Im Jahre 1672 speiste Kaiser Leopold I. auf der
Reise von Eger im Refectorium in Emaus und schenkte
der Kirche zwei Pluviale. Unter diesem Abte war die
strenge Disciplin der Montserratenser Regel in schönster
Blüthe. Sotto Major war selbst ein Muster der strengen
Observanz. Auch als Bischof wohnte er Tag und Nacht
den Klosterandachten bei, war beim Chorgebete um Mitter-
nacht und des Morgens stets der erste , wie er sich denn auch
durch nichts davon abhalten Hess, ass bis an's Ende seines
Lebens kein Fleisch und wurde selbst vom Pabste wegen
seines frommen Eifers, seiner Sittenreinheit höchst gelobt.
Als grosser Eiferer und Förderer der Verehrung der hei-
ligsten Jungfrau Maria errichtete er auf dem Berge Bösig
oder Bezdiez, welcher, so wie der Berg Montserrat von
BarceUona, von Prag acht Meilen entfernt ist und mit der
Bm'g sammt der dazu gehörigen Herrschaft vom Kaiser
Ferdinand III. dem Kloster geschenkt worden war, ein
Kloster mit einer WallfahrtsMrche zu Ehren der heiligen
Jungfrau von Montserrat. Dieser Wallfahrtsort ist lange
nach der Aufhebung 1786 bis jetzt beim Volke im blei-
benden Andenken gebHeben.
IV. Abt Didacus a Canvero. Er war ein vornehmer
— 111 —
Spanier, ein Mann von grosser Gelehrsamkeit, und war
aus Spanien als Beichtvater der spanischen Infantin Mar-
garetha, erster Gemahlin Kaiser Leopold I., gekommen.
Zu dieser Zeit lebten im Kloster mehrere gelehrte Männer,
z. B. P. Franz de Castillo Calderon. Der damalige Erz-
bischof überliess dem Kloster die erzbischöfliche Buch-
druckerei auf 30 Jahre. Unter Didacus, der auch Doctor
der Theologie war, wurde vom Pabste Innocenz XII. den
Montaerratensem in Emaus mit Rücksicht auf die klima-
tischen Verhältnisse in Böhmen auf ihre Bitte eine Dispens
von dem beständigen strengen Fasten ertheilt, ferner die
Erleichterung zugestanden, dasä sie nicht um Mittemacht
zum Matutinum aufstehen, statt der CucuUen ohne weisses
KoUar in der Stadt mit Mänteln gehen durften (laut Bulle
vom 24. December 1698). Der Kaiser als Patron gab dazu
seine Zustimmung. Der Name „strictioris observantiae"
blieb. Derselbe Abt verkaufte mit Bewilligung die zu
Bösig gehörigen, vom Kloster weit entfernten Güter, um
40,300 /. dem Reichsgrafen Christoph Heissenstein mit der
Verpflichtung, den Ordensbrüdern auf dem Marienberge
Bösig ein gewisses Maass an Getreide, Bier und Holz zu
verabreichen und den Garten zu belassen, so lange sie am
Bezdiez bleiben. Dafür kaufte Didacus das gegenwärtige
schöne, bei Prag gelegene, Gut Sukdol um 25,500 /., nahm
verschiedene Bauten vor und errichtete das schöne heil.
Grab unter dem grossen Chore. Kaiser Leopold I. berief
ihn als seinen Beichtvater nach Wien. Er starb nach drei
Jahren (1703) als der letzte spanische Abt.
V. Abt Emmanuel Privey. Er war früher Benediktiner-
Abt in Luxeil in Burgund und wurde vom Kaiser Leopold I.
als Abt nach Emaus berufen. Unter ihm wurde im Klöster
eine philosophische Lehranstalt errichtet, an welcher
12 Kleriker des Ordens ihre Studien machten. Privey
selbst befasste sich mit der Chemie, wurde geisteskrank,
starb 1704. Er ruht in der äbtlichen Gruft vor dem Hoch-
altar.
VI. Abt Antonius Vogel von Kreylern. Er war früher
Prior im Kloster der Schwarz- Spanier in Wien. Unter
ihm wurden an dem Emauser Eirchenfest, welches all-
jährlich am Ostermontage stattfindet, die bisher üblichen
zwei Predigten, eine böhmische und eine deutsche, ein-
— 112 ~
geführt. Durch die Bemühung desselben -wurde mit Be-
willigung Kaiser Josefs I. der Wiener Convent von dem
Prager getrennt 1708, und das Priorat in Wien zur Abtei
erhoben. Erster Abt daselbst ward derselbe Antonius Vogel
TOn Kreylern, in Schlakenwerd in Böhmen geboren.
VII. Abt Martin Zedlitz. Er hatte den Wahlspruch
„Domine dilexi decorem domus tuae", Hess zwei neue
Thürme erbauen, den Boden der Klosterkirche und der
St. Wenzels-Kapelle mit Marmor belegen, eine neue Kanzel,
mehrere Altäre errichten und eine grosse Orgel anschaffen.
Vin. Abt Ernest Graf Schrattenbach. In Steiermark
geboren, studirte er in Rom im Deutschen CoUegium,
wurde Benediktiner bei St. Paul in Kärnten, war mit
der Gesandtschaft des Grafen Damian Hugo Virmand in
Konstantinopel und wurde schliesslich von Kaiser Karl VI.
zum Abte in Emaus ernannt. Er erwirkte die Bewilligung
zur Errichtung der theologischen Studien im Kloster, er-
richtete den Altar der armen leidenden Seelen und baute
das Haus neben dem Kloster. Bei der Krönungsfeier Karl VI.
benutzte seine Gastfreundschaft seiu Bruder, der Cardinal
und Olmützer Erzbischof Wolf gang Hannibal Graf Schratten-
bach. Der Abt ruht in der Gruft der Aebte vor dem Hoch-
altare.
IX. Abt Maximilian Bach. Nach dem Tode Schratten-
bachs schickte der Convent den gelehrten P. Veremund
Proche , Verfasser mehrerer wichtigen Werke, nach Wien,
um beim Hofe freie Abtwahl zu erbitten. Es musste ein
Verzeichnis aller Brüder mit ihrer Conduit vorgelegt werden,
aus denen der Kaiser den P. Maximilian Bach zum Abte
ernannte. Er lebte früher durch drei Jahre als Einsiedler
unweit Reichsstadt, später auf dem Marienberge Bösig.
Dieser Abt führte 1734 die Bruderschaft des heiligen
Benedikt für Priester und Laien beiderlei Geschlechts ein
zur Erflehung eines glücklichen Todes durch die Fürbitte
des heiligen Benedikt als Schutzpatrons der Sterbend.en,
mit Bestätigung des Pabstes Clemens XII. Er opferte zu
diesem Zwecke 500 /.
X. Abt Martin Schmidt. Laut Hofdecret vom 29. August
1740 mussten drei Candidaten für die Abtwürde von den
Ordensmitgliedern Sr. Majestät vorgeschlagen werden. Als
in diesem Jahre Karl VI. starb, ernannte die Kaiserin
— 113 —
Maria Theresia den gewesenen Prior von Bösig, uacli-
herigen Administrator Martin Schmidt, zum Abte. Nun
folgten die schweren Kriegszeiten im Anfange der Regie-
rung Maria Theresias. Als die Franzosen Prag eroberten,
war das Kloster Emaus ganz mit Kranken angefüllt, selbst
in der Kirche lagen dieselben. Bei dieser Gelegenheit
wurden von den französischen Soldaten viele von dien bei
Nördlmgen erbeuteten, in der Kirche von Emaus aufge-
hängten Fahnen vernichtet. Als die Preussen Prag erobert
hatten, wurde Emaus in eine Kaserne verwandelt. Den
Klöstern wurde eine grosse Kriegssteuer auferlegt, Emaus
musste 10,000 /. zahlen.
Trotz dieser Drangsale und der Kriegssteuern ersparte
Abt Martin Schmidt so viel, dass er als Ersatz der nach-
theilig verkauften Herrschaft Bösig mit Bewilligung der
Kaiserin Maria Theresia das Gut Tfebeschitz und Lhota
mit drei Höfen um 65,000 /. und 4000 /. Schlüsselgeld
erwerben konnte.
XI. Abt Anselm Günthner. Auf dieselbe Weise wie der
IX. Abt Maximilian Bach wurde mit kaiserlichem Diplom
Anselm Günthner aus dem Convente von Bösig zum Abte
ernannt. Er kaufte für das Kloster von den Augustinern bei
St. Wenzel in Prag eine ansehnliche Bibliothek, in welcher
die heiligen Väter, Kirchengeschichte, Commentare, Dogma-
tik wichtige Vertretung finden.
Xn. Abt Adam Vitus. Er war früher Prior auf dem
Marienberge Bezdiez, wurde mit Hofdecret vom 13. Februar
1775 zum Abte ernannt. Ihm hat die Stiftskirche die
Kirchenstühle zu verdanken.
Xni. Abt Prokopius Skoda. Nach dem Tode des Vitus
Adam wurde dem Kloster nicht erlaubt, einen Abt, sondern
nur einen Administrator in spiritualibus zu erwählen, die
Verwaltung der Temporalien wurde in die Hände des Abtes
von Braunau gelegt. Administrator war Placidus Cemz,
nach ihm Fabian Piskäcek, welcher mit Gubernial- Ver-
ordnung nach sechs Jahren der Administration enthoben
wurde. An seine Stelle wurde 1789 gewählt und bestätigt
Prokop Skoda. Nach drei Jahren wurde er von allen
Brüdern in Gegenwart der kaiserlichen Commissäre zum
Prior gewählt und vom Hofe bestätigt, und ihm zugleich
die Verwaltung der Klostergüter übergeben. Nachdem er
Ein Benedittinerbuoh. 8
— 114 —
das Priorat viermal nach einander durcli 12 Jahre mit dem
grössten Lobe verwaltet und die Oekonomie in den besten
Stand gebracht hatte, -wurde er v?^egen seiner vorzüglichen
Verdienste, Gelehrsamkeit und Tugenden im Jahre 1801
vom Kaiser Franz II. zur Würde des Abtes erhoben, vom
Fürst-ErzbischofWilhelmFlorentin Salm-Salm mit Assistent
des Prämonstratenser- Abtes von Strahov, Adolf Szamek,
imd des Cistercienser- Abtes von Osseg, Venusi, benedicirt
und infulirt und zum fürsterzbischöflichen Consistorialrath
ernannt. Er gründete eine weit bekannte, berühmte Bilder-
sammlung (600 an der Zahl), darunter Bilder von den
grössten Meistern, welche jedoch nach einem grossen
Brande auf dem Gute Sukdol im Jahre 1822 an die könig-
liche Bildergallerie nach Dresden verkauft werden mussten.
Als Abt Skoda, mehrere Bauten vollendet hatte und das
Haus neben dem Kloster mit der Abtei verbinden wollte,
starb er 1803. Zu jener Zeit ist (1794) der nach der im
Jahre 1786 erfolgten Aufhebung des Klosters mit dem
Wallfahrtsorte auf dem Berge Bösig im Stifte lebende
unermüdliche Geschichtsschreiber des Stiftes, Hieronymus
Cechner, gestorben, dessen Manuscripte in vielen FoHo-
bänden sehr viel Denkwürdiges enthalten und wahrschein-
lich noch werden bekannt^ gemacht werden.
SIV. Abt Leopoldus Zalda. Er wurde mit Hofdecret
vom 20. Juli 1804 als gewählter Abt vom Kaiser bestätigt,,
übernahm die Besetzung des Communal- Gymnasiums in
der Stadt Klattau und führte dort am 4. November 1812
die ersten Benediktiner-Professoren persönlich und feierlich
ein, unter welchen als Präfect der Doctor der Theologie
Bobert Peter, und als ausgezeichneter Lehrer der Geschichte
Cölestin Müller sich befanden. Letzterer erfreute sich später
als Capuziner- Ordenspriester unter dem Namen P. Franz
in Wien als Beichtvater in den höchsten Kreisen ^einer
grossen Beliebtheit. Der herzensgute Abt Leopold Zalda
war ein vorzüglicher Kanzelredner, predigte auch als Abt
mit den Brüdern der Reihe nach, liebte den Kirchengesang,
spielte beim Chorgesang selbst ausgezeichnet die Orgel,
war während der letzten Jahre seines Lebens ganz erblindet
und starb im Jahre 1819. Im Convente war P. Dominik Stehr,
erster und berühmter Lehrer der Taubstummen in Prag.
Als Administrator wurde gewählt Robert Peter, Doctor
— 115 —
der Theologie, gewesener Gymnasial-Präfect in Neuhaas,
später Präfect des Benediktiner-Gymnasiums in Klattau.
Als die Brüder um die Bewilligung der Wahl eines Abtes
ansuchten, folgte Sequestration so lange, bis die finan-
ziellen Yerhältnisse des Stiftes sich gebessert haben würden.
XV. Abt Franz Xav. Cästka. Als gewesener Gramma-
tikal- und späterer Humanitätslehrer wurde er mit gesetz-
lich vorwiegender Stimmenmehrheit zum Abte gewählt
und am 5. December 1840 vom Kaiser bestätigt. Die
Prager Universität ernannte ihn zum Ehrendoctor der
Theologie. Unter ihm wurden durch Verkauf einiger An-
theile der Gärten zu Bauplätzen die Kapitalien des Stiftes
bedeutend gehoben und vermehrt, und das Gymnasium zu
Klattau mit vielen Opfern zum Ober-Gymnasium erhoben.
Er resignirte 1871 wegen zunehmenden Alters auf die
Abtei und lebt bei seinen Verwandten in Kosmanos.
Der nun folgende Administrator der Abtei, Emanuel
Franz Hrdlicka, war "Lehrer und Director am Gymnasium
zu Klattau, später erster Director des bischöflichen Gynma-
siums zu Budweis, wurde Budweiser bischöflicher Notar
und am 26. November 1871 zum Administrator der Abtei
erwählt. Er liess gleich anfangs das in Prag berühmte
heilige Grab in der Stiftskirche renoviren und viele Bau-
lichkeiten auf den Gütern in guten Stand setzen.
Das Emauser Kirchenfest gewann besondern Glanz,
indem auf seine Bitte am Ostermontage alljährlich Seine Emi-
nenz Herr Fürst-Erzbischof und Cardinal Fürst Schwarzen-
berg eine stille heilige Messe imd der hochwürdigste Weih-
bischof Herr DoctorPrucha das Pontificalamt in der Stifts-
kirche celebriren und ausgezeichnete ßedner die böhmische
und deutsche Predigt halten.
Mit Schluss des Schuljahres 1870 verliessen die letzten
Emauser Benediktiner das Klattauer Gymnasium, nur einer
blieb noch zwei Jahre als Lehrer am dortigen Gymnasium,
welches der Stadt vom Stifte als vollständiges, geordnetes
Ober-Gymnasium mit reichen Lehrmittelsammlungen und
einer neuen Gymnasialkirche übergeben wurde.
Alle gewesenen Directoren und die meisten gewesenen
Lehrer erhielten von der hohen, vorgesetzten Behörde Be-
lobungsdecrete , alle Directoren und ein Lehrer erhielten
kirchliche Auszeichnungen. Die Stiftspriester leisteten nebst
8*
— 116 —
dem täglichen Morgengebete, dem Predigen und Beich.fc-
hören Aushülfe in dem Beichthören der studirenden Jugend.
Yon jeher wird täglich für den Restaurator des Stiftes,
Kaiser Ferdinand III., für Se. Majestät den Kaiser und
das Allerhöchste Kaiserhaus gebetet und ein heiliges Mess-
opfer dargebracht , für den ßestaurator Ferdinand III. und
für den Gründer des Stiftes, Karl IV., jährlich am Sterbe-
tage ein feierliches Requiem gehalten.
Wenzel Schända.
St. Georgenlberg, nun Fieeht in Tyrol.
|ei dem Dorfe Stans im Untermntliale öffiiet sich
eine nordwärts aufsteigende und nur dem tervor-
strömenden Bache Raum gewährende Gebirgs-
schlucht. Tiefer in dieselbe von den Seiten her ein-
dringend findet man einen 300' Fuss hohen Pelsenhügel,
welcher nur durch eine kühn gebaute Brücke zugänglich ist.
Hier steht 3000 Fuss über dem Meere der Wallfahrtsort
Georgenberg oder die frühere, jetzt nach dem tiefer im
Innthale gelegenen Fieeht versetzte Benediktinerabtei. (S.
„Chronik der Benediktinerabtei St, Georgenberg, nun Fieeht
in Tyrol". Innsbruck 1874. Verfasst vom letztverstorbenen Abt
Pirminius.) Auf dem Georgenberg befand sich wahrscheinlich
schon im 9. Jahrhundert eine Einsiedelei. Als erster Ansiedler
wird Eathold von Aibling in Bayern genannt, der Priester
geworden sein soll und das noch vorhandene geschnitzte Bild
der schmerzhaften Gottesmutter tmter einem Lindenbaume
aufgestellt hat. Der Einsiedler- GenosBenschaft, welche sich
bildete, schenkte Bischof Albuin von Sähen und Brixen um
das Jahr 1000 zum Unterhalte eines Priesters zwei Höfe; all-
mählich kamen andere Schenkungen hinzu, besonders durch
Kaiser Heinrich IV. und die Ritter von Schlitters im Ziller-
thale, welche ihr väterliches Erbe, Buchau, denAchensee
und das Achenthai und den Hardberg im Zillerthale, auf
den Altar des heil. Georg legten. „Damach," heisst es in
der Chronik, „sinnd vil herren vnd edelleut hinauf komen
vnd jr jeder auff den velss ein hawss gebawet vnd habent
dieselben hayser die namen der herren behalten, die sy
gebawet habent, hinz den hevttigen tag, als: Slittrer,
Freuntsperger , Säbner, vnd habend also gott gedient vil
lange zeyt vnd jare."
Diese religiöse Genossenschaft bestand noch in der
ersten Hälfte des 12. Jahrhiinderts, bis Bischof Reginbert
von Brixen sich veranlasst sah, eine Benediktinerabtei zu
errichten, welche im Jahre 1138 durch Pabst Innocenz II.
bestätigt wurde. Eberhard, der erste Abt, war wahrschein-
— 118 —
Hell von Tegemsee gekominen. Er erwarb durch Tausch,
Kauf und besonders Schenkungen bedeutenden Grundbesitz
und starb im Jahre 1174. Ihm folgten im gleichen Jahr-
hunderte noch die Aebte Balduin, Heinrich, Friedrich und
Chunrad. Im Jahre 1204 weihte Bischof Konrad von Brixen
unter Abt Sigebot die Kirche auf St, Greorgenberg „in der
ere dheiligen vnd ungetheilten drivaltigkeit vnd des sig-
Hchen heyligen kreuz vnd der heyligen gepererin Gotes
Maria vnd in sunderheit in der ere sant Jakobi des merem
vnd sant Jörgen des Martres". Georgenberg wurde immer
weiterhin bekannt und war schon im 13. Jahrhundert ein
atarkbesuchter WalKahrtsort, ja die Bischöfe von Salzburg,
Chiemsee und Brixen trugen den Seelsorgern ihrer Diöcesen
auf, die Kirche des heil. Georg mit Processionen und
Almosen zu besuchen „gemäss alter Gepflogenheit zu ihrem
eigenen Seelenheile und zur Vermehrung der Belohnung
des ihnen anvertrauten Volkes". Im Jahre 1284 brannte
das Kloster ab. Bischof Bruno von Brixen forderte deshalb
die Gläubigen zu Beiträgen für den Wiederaufbau auf; die
bei der Einweihung der Klosterkirche zu Staus versammelten
Bischöfe ermunterten ebenfalls dazu und verliehen Ablässe,
und Abt Konrad n. that Alles, was in seinen Kräften stand,
um das gute Werk zu fördern, und versprach allen frommen
Gebern Theilnahme an allen Gebeten und guten Werken
des Klosters. Im Veirzeichnisse der Aebte heisst es: „Es
ist auch zu dieses Prelathen Zeiten das Gotshaus jammer-
lich verprunnen; ist derohalben dieser fromb wolregierent
herr vor Laid gestorben 1287 am 19. November."
In den Anfang des 14. Jahrhunderts fällt die Verehrung
des heiligen Blutes auf Georgenberg. Einem Priester kamen,
wie die Chronik meldet, bei der Feier des heiligen Mess-
opfers Zweifel über die wirkliche Gegenwart Jesu Christi
im heiligsten Sakramente. Um ihn davon zu heilen, liess
es Gott zu, dass die Gestalt des Weines sich „verkertent
in warlich sichtig vnd wesentlich plut". EinTheil dieses
heiligen Blutes wurde in einem Gefässe sammt einem Theile
der Leinwand, womit der Kelch ausgetrocknet worden, im
Tabernakel aufbewahrt. Da in Folge dieses Wunders die
Verehrung des heiligen Blutes immer mehr zunahm, und
auch auffallende Gebetserhörungen stattfanden, wurde durch
eine bischöfliche Commission 1472 die Sache näher unter-
— 119 —
suclat. Das Ergebnis dieser Prüfung war, dass die Ver-
elirung des heiligen Blutes gutgeheissen und anempfohlen
wurde. Später wurde, wie Abt Pirmin erzählt, das heilige
Blut in einem Glascylinder sammt der Leinwand in einer
eigens hierfür verfertigten Monstranz aufbewahrt, was
noch gegenwärtig der Fall ist.
In der folgenden Zeit bis fast in die Mitte des 16. Jahr-
hunderts ging Alles seinen gewohnten Gang fort. Grosses
Unglück brachte erst das Jahr 1448, in welchem zuerst
die Brücke und nachher auch das ganze Kloster ein Raub
der Flammen wurden. Wahrscheinlich war das Feuer durch
böswillige Hand gelegt worden. Abt Johannes I. nahm
sich dieses Geschick so zu Herzen, dass er aus Gram starb.
Die feste Brücke wurde unter Johannes II. 1461 wieder
hergestellt, die Kirche aber 1469 unter dem Abte Caspar
eingeweiht. Derselbe war früher Karthäuser gewesen, musste
jedoch seiner schwächlichen Gesundheit halber austreten
und kam in das Benediktinerkloster Gottesthal bei Basel.
Als dieses im Kriege 1463 abwechselnd von den Engländern
und Franzosen gänzlich verwüstet worden war und auch
nicht mehr hergestellt wurde, verfügte sich Caspar, der
mit Zustimmung seines Obern die Zwischenzeit zu seiner
Ausbildung in Italien verwendet hatte, nach Innsbruck,
wo er den Mönchen von Georgenberg bekannt und bald
zu ihrem Abte begehrt, auch vom Erzherzog Sigmund zu
seinem Rath erwählt wurde. Er wirkte sehr segensreich,
vermehrte die Einkünfte, erwarb viele Reliquien und
Privilegien und stellte das sogenannte Stableramt wieder
her. „Dieses wurde einem Edelmanne übertragen, der an
den Vorabenden von Pesttagen mit Begleitung und Pferden
auf St. Georgenberg sich einfand. Dort musste er bei dem
Gottesdienste mit einem silbernen Stabe am Altare stehen,
um zu verhüten, dass Jemand zum Prälaten sich dränge.
Hierfür bekam derselbe jährlich 10 Pfd. B., ein Paar Filz-
schuhe, bei jeder Dienstleistung ein Paar Handschuhe und
zweimal im Jahre eine Bockhaut-Hose und eine Kappe."
Der Hauptwohlthäter des aus seinen Trümmern erstan-
denen Stiftes war Erzherzog Sigmund. In den Urkunden
desselben werden ausser vielen anderen insbesondere noch
folgende Wohlthaten aufgezählt: „Item ein ganz gülden
Ornat, ein köstliche Infi, köstlich gülden Ring, Monstranz
— 120 —
und anderes zum Gottesdienst gehörige; zu Kurzweil der
Brüder und jener, welche dahin kirchvertn, ein gar köst-
lich Schlachentswerk, davon man allweg die stund sehen
und schlachen wohl mag hören."
Abt Caspar starb den 14. April 1489 zu Schwaz; er
war der Mahnung seines früheren Abtes: „unermüdet zu
sein in der Arbeit und Allen Alles zu werden", treu nach-
gekommen. Und im Verzeichnisse der Aebte heisst es:
;„Er war ein wunderbarer Liebhaber gelehrter Leute, um
die er gern war alle Tage seines Lebens, daher er beide
Libereien hat gemehrt; darzur nit wenig Bücher, mit
eigener Hand geschrieben, darinnen sein hoher Verstand
treffJich sich bat sehen lassen. Er hat das Kloster 22 Jahr
sehr wohl regiert." Von ihm angekaufte Manuscripte und
Inkunabeln finden sich in der StiftsbibHothek noch gegen-
wärtig vor.
Unter den folgenden Aebten des 16. Jahrhunderts
standen nicht alle mit gleicher Sorgfalt dem Stifte vor,
oder sie regierten nur ganz kurze Zeit; auch war die Zahl
der Mönche sehr klein geworden. Dies war, wie der Ver-
fasser der Eingangs erwähnten Chronik bemerkt, „ohne
Zweifel eine Wirkung der sog. Reformation, deren nach-
theilige Folgen aus dem benachbarten Deutschland auch
nach Tyrol sich verbreitet hatten, deren eine darin bestand,
dass Sinn und Neigung zum Priester- insbesondere zum
Ordenssfcande in Abnahme kamen und wie allenthalben so
auch auf St. Georgenberg der Priestermangel sehr fühlbar
wurde". Den f. b. Visitations - Protokollen zufolge war
aber die Klosterzucht auf St. Georgenberg damals untadel-
haft, vielmehr strenge.
Diese Zustände, zu denen sich auch zeitliche Noth
und eine grosse Schuldenlast gesellten, währten noch im
Anfänge des 17. Jahrhunderts. Damals beherbergte Georgen-
berg auch einen vornehmen Gast oder richtiger Gefangenen,
nämlich Melchior Kiesel, der sich aus einem Bäckerjungen
zur Würde eines Bischofs von Wien, Kanzlers des Kaisers
Mathias undCardinals durch seinTalent und seinen Glaubens-
eifer emporgeschwungen hatte. Wegen seines Einflusses
auf den Kaiser bei den Erzherzögen Ferdinand und Maxi-
milian verhasst, wurde er von diesen 1618 festgenommen,
nach Ambras bei Innsbruck und im folgenden Jahre nach
~ 121 —
Georgenberg gebracht. So elu-envoll, sagt der Chronist,
es nun zwar für das Kloster gewesen, diesen berühmten
Mann innerhalb seiner Mauern zu beherbergen, so erwuchs
doch demselben daraus ein grosser Nachtheil. Die Wall-
fahrer sollten nämlich bei der Thorwache einer Unter-
suchung sich unterziehen, ob sie nicht vielleicht Briefe an
den Cardinal bei sich hätten. IJm nun dieser Unannehm-
lichkeit zu entgehen, blieben die Leute fort und der Besuch
der Wallfahrtskirche kam völlig in Abnahme. Nach un-
gefähr drei Jahren wurde Kiesel- auf Verlangen Gregors XV.
nach Rom entlassen, wo er ganz schuldlos erklärt ward.
Er kehrte nach Wien zurück und lebte in Ehren und An-
sehen bis zu seinem Tode.
Im Jahre 1637 wurde das Kloster zum dritten Male
durch Brand zerstört. In dieser Noth ' erhielt es einen
tüchtigen Abt in der Person des Benedikt Herschi aus
Tegemsee, welcher während einer Amtsführung von
21 Jahren nicht nur die Gebäude wieder aufführte, sondern
auch die Schuldenlast tilgte, zuletzt aber der Parteileiden-
schaft weichen musste. Er zog es vor zu resigniren und
starb 1671 im Ehester Attl in Bayern.
Nachdem das neuhergestellte Georgenberg, welches
überdies im Jahre 1668 durch eine ungeheure Schneelawine
sehr grossen Schaden erlitten hatte, kaum 70 Jahre ge-
standen, brannte es 1705 zum vierten Male nieder. In
einer ungefähr fünf Stunden entfernten Gegend im Vomper-
thale war, erzählt der Chronist, ein Waldbrand entstanden,
der dort 13 Tage dauerte. Ein heftiger Sturmwind triel;>
am Allerheiligen-Abende das Feuer über das Gebirge in
das Stallenthai in die Waldung des Klosters und endlich
zur Vesperzeit gegen dieses selbst. So schnell griffen die
Flammen um sich, dass die Mitglieder des Klosters nur
die allerwichtigsten Gegenstände in Sicherheit bringen und
ihr Leben durch die Flucht retten konnten. Ein Raub der
Flammen wurden: das Kloster, die beiden Kirchen, die
Mühle, die Schmiede, der Ziegelofen, die grosse Brücke
T-inä alle übrigen Nebengebäude, fast alle Einrichtungs-
stücke. Es wurde nun beschlossen, das Kloster nicht mehr
auf dem Georgenberge, sondern im Dörfchen Fiecht, Schwaz
gegenüber, herzustellen, wo das Stift schon Grund und
Boden beaass. Indessen sollte Georgenberg nicht ffir immer
— 122 —
"verlassen werden. Das christliclie Volk aelmte sich. nach,
dem altehrwürdigen. Wallfahrtsorte; daher wurde durch
milde Beiträge zuerst ein kleines Kirchlein, darnach ein
Theil der ehemaligen Klostergebäude und zuletzt die grosse
Kirche wieder aufgebaut und 1735 das Grnadenbild mit
grosser Feierlichkeit dahin übertragen. Auch diesen Neu-
bauten drohte 1819 grosse Feuersgefahr, welche jedoch
ohne wesentlichen Schaden vorüberging. In den Jahren
1843 und 1844 wurde eine Restauration vorgenommen und
darauf 1845 die tausendjährige Gedächtnisfeier des ersten
Einsiedlers und Gründers der "Wallfahrt, Rathold, durch
neun Tage festlich begangen. In diesen Tagen empfingen
25,000 Gläubige auf Georgenberg die heilige Communion,
Tim des von Gregor XVI. bewilligten vollkommenen Ab-
lasses theilhaftig zu werden. Es wurden 222, am Schluss-
tage allein 55 heilige Messen gelesen. Noch mehr ver-
schönert wurde Georgenberg in den Jahren 1862 bis 1867,
und noch immer bis auf diesen Tag ist es der Zielpunkt
vieler Tausende, die dort für Geist und Leib Ruhe und Er-
quickung suchen und neugestärkt in das Thal zurückkehren.
Was nun das Stift Fiecht betrifft, so wurden in den
Jahren 1706 bis 1712 unter dem später als Büsser ver-
storbenen Prälaten Gölestin Böhm so viele Räumlichkeiten
hergestellt, dass die seit dem Brande zerstreut lebenden
Conventualen sich wieder sammeln konnten. In den Jahren
1740 bis 1750 wurde die Stiftskirche erbaut und war der
Fortbestand nach menschlichem Ermessen gesichert, Dank
dem unermüdlichen Wirken des aus Wessobrunn postolirten
Abtes Lambert Höllerer, der dem Kloster von 1740 bis
1772 vorstand. Sein Nachfolger, Pirmin Seidl, war ein
besonderer Freund der Wissenschaften und Künste. Er
erwarb zahlreiche kostbare Bücher und stellte sie in einem
neuerbauten Saale auf, der noch gegenwärtig der schönste
der drei Bibliotheksäle ist. Als aber im Jahre 1797 das
Kloster Fiecht zu einem Militärspitale bestimmt wurde,
zogen sich die Mönche nach Georgenberg zurück, wie es
schien, für immer. Denn im Jahre 1807 wurde die Abtei
aufgehoben und unter bayerische Administration gestellt.
Nach der Wiedervereinigung Tyrols mit esterreich
wurde auch Fiecht 1816 wieder geöffiiet und 1817 Thomas
Zacherle zum Abte des ganz verarmten Klosters erwählt,
— 123 —
dem man zugleicli die Uebemahme des Gymnasiums zu Hall
aufbürdete. Diese Last war aber für das an Geld und Leuten
entblösste Stift zu gross, es gerietb in tiefere Schulden
und wurde 1825 bis 1834 unter Administration gestellt.
Eine bessere Periode schien mit dem 1834 erwählten
Abte Pirmiu beginnen zu wollen. Er vermehrte die Zahl
der Conventualen, ordnete das Archiv, erwarb manche
verlorene Rechte zurück, erbaute das grosse Haus in der
Pertisau, am schönsten Pimkte des Achensees, errichtete,
nachdem das Gymnasium in Hajl den Franziskanern über-
geben war, im Stifte eine Unterrichts- und Erziehungs-
anstalt, die sich bald eines sehr guten Rufes erfreute,
wurde aber in seinen weiteren Bestrebungen gewaltig ge-
hemmt durch die neue Grundlastenablösung, deren Folge
für das Stift eine sehr nachtheilige war, eine „Verminderung
der Einkünfte und Bezüge, eine Vermehrung der Steuern
und Abgaben, eine Umwandlxmg des auf Grund und Boden
basirten Kapitals in ein Kapital auf unsicherm Papiere".
„Endlich," wir wollen ihn selbst reden lassen, „-wurde
auch dieses Kloster, nachdem es seit seiner Erbauung
manche widrige Ereignisse erfahren, vom schwersten
Schlage getroflen, von jenem Unglücke nämlich, von dem
das Stammkloster St. Georgenberg viermal so schwer heim-
gesucht worden war. Ein im Küchenkamine entstandenes
Feuer ergriff das durch eine andauernde Sommerhitze aus-
gedörrte Schindeldach und verbreitete sich, allen Lösch-
versuchen Trotz bietend, so schnell, dass in drei bis vier
Stunden Kloster und Kirche in Asche gelegt waren. Un-
versehrt blieben die gewölbten Lokalitäten des Archivs,
der Bibliothek und einTheil des Innern der Kirche. Vieles
wurde zwar gerettet, aber noch Mehreres ging zu Grunde.
Die meisten Stiftsmitglieder begaben sich nach St. Georgen-
berg, einige fanden Unterkunft an Seelsorgen. Im Herbste
fand dann eine Uebersiedlung in das Schloss Rothholz statt,
dessen geräumige Lokalitäten der Hochw. Fürstbischof von
Brisen als Eigenthümer gütigst zur Verfügung gestellt hatte.
Dort wurde dann auch das Knaben-Erziehungsinstitut wieder
eröffnet. Gleich nach dem unglücklichen Ereignisse wurden
die zur Wiederherstellung der abgebrannten Gebäude
nöthigen Anstalten getroffen. Rasch ging der Bau vor-
wärts. Bis zum October 1870 waren die Kirche imd die
— 124 —
notli wendigsten Lokalitäten des E3.osters soweit restanrirt,
dass die Rückkelir aus Rothliolz erfolgen konnte. Am
9. October fand die Wiederbesitznahme von Eirclie und
Kloster statt und zwar mittelst feierlicher Uebertragung
des Allerheiligsten aus der näcbstgelegenen kleinen Kircbe
in die Stiftskirche. Ein plötzlich herniederströmender
Gewitten-egen begleitete die Stiftsmitglieder in die Heimat
zurück, aus welcher das verheerende Feuer sie vertrieben
hatte."
Der hochverdiente Abt Pirmin starb, nachdem er
42 Jahre die äbtliche Würde bekleidet hatte, am 21. Aprü
1875. Am 29. Juli desselben Jahres wurde Herr Albert
Wildauer zum Nachfolger erwählt und am 26. September
benedicirt. Das Stift zählt gegenwärtig 18 Priester und
4 Kleriker. Drei Priester versehen die Pfarre Achenthai
mit 980 Seelen und zwei Schulen; ein Priester versieht die
Wallfahrt auf Georgenberg; einer die Curatie Stans mit
513 Seelen und einer Schule; einer die Lokalie Terfens
mit 382 Seelen und einer Schule. Die übrigen versehen
die verschiedenen Klosterämter und wirken als Lehrer am
Erziehungsinstitut. Der durch seine Predigtwerke überall
bekannte P. Augustin Seherer ist leider im Jahre 1878
gestorben. Das Stift besaes auch mehrere in der Tonkunst
ausgezeichnete Ordenspriester. Von P. Eberhard Zobel,
einem Maler, haben früherhin viele Tyroler Künstler den
ersten Unterrieht empfangen. Auch besitzt das Eloster
noch einen Bischofsstab aus der Mitte des 13. Jahrhxmderts
aus Holz und Bein, den Abt Eberhard vom Bischof Hart-
mann von Brixen erhalten hatte. Die neue Stiftskirehe
enthält zwei Gemälde , den Tod des heiligen Benedikt von
Deschwanden und den Tod der heiligen Scholastica von
P. Paul Obwexer, 0. S. B.
Wer nach Fiecht kommt, xmterlasse es nicht, den
l'/g Stunden entfernten Georgenberg zu besuchen, wo er
auch ein Gasthaus mit guter Bedienung findet. Der an-
fänglich etwas steile Waldweg, die enge Thalschlucht,
das Rauschen der Bäche, der hohe mit der Wallfahrt ge-
krönte Felsen, die wohlthuende Stille und das gottgeweihte
Haus mit seinen Heiligthömern werden in seinem' Gemüthe
einen freundlichen Eindruck zurücklassen,
Dr. BeRNABD M. LrEBHEIMER.
Das Stift Göttweig in Niederösterreich..
i en Städten Krems und Stein gegenüber am rechten
Ufer der Donau und von dieser eine halbe Stunde
entfernt, erbebt sich der Berg Göttweig (Chottwik)
mit dem gleichnamigen Stifte, nur im Weöten
von einem höheren Berge überragt, sonst aber nach allen
Richtungen eine prachtvolle Aussicht gewährend. Dieser
Berg war schon in ältester Zeit bewolint, bevor noch die
Römer das Land in Besitz nahmen, und wurde auch von
diesen mit einem Castelle gekrönt, um das jenseitige,
feindliche Donauufer leichter beobachten zu können. Hier
ward auch vom seligen Altmann, Bischof von Passau,
das noch bestehende Kloster gegründet.
Die Sage berichtet uns hierüber Folgendes. Altmann
kam auf seiner "Wanderung zum Studium nach Paris mit
zwei Begleitern, Adalbero, dem nachherigen Bischof von
Würzburg, und Gebhart, später Erzbischof von Salzburg,
an den Fuss des Göttweiger Berges und hielt hier an einer
Quelle Rast. Die drei Jünglinge sprachen von ihrer Zu-
kunft imd gelobten, wenn sie zur bischöflichen Würde
gelangen sollten, jeder ein Kloster zu gründen. Verleitet
durch die Schönheit des nahen Berges erklärte Altmann,
sein Kloster auf diesem errichten zu wollen. Thatsache
ist, dass Altmann 1065 nach dem Tode des Bischofs Eigü.-
bert den Sitz von Passau bestieg und einige Jahre später
mit der Gründung des Klosters begann. Sein Biograph
berichtet uns darüber: Als der Bischof Altmann eines Tages
in seiner Stadt Mautern weilte und von hier aus den schönen
Berg sah, fragte er die Bewohner der Umgegend über den-
selben aus. Diese erregten durch unglaubliche Erzählungen
die Neugierde des Bischofs, so dass er selbst denselben in
Augenschein zu nehmen wünschter Er ritt auf einem Maul-
thiere auf denselben hinauf und fand, dass er sehr aus-
gedehnt und vollkommen zu einem Kloster geeignet wäre.
Er zögerte auch nicht mit der Ausführung dieses Gedankens,
sondern Hess den dichten Wald am Gipfel des Berges ab-
räumen und daselbst eine Wohnung und Bethaus erbauen.
— 126 —
Als er noch währeiid der Arbeit in Zweifel war, welchem
HeiUgen er den Ort weihen sollte, kamen Abgesandte der
Herzöge von Böhmen und brachten ihm als Geschenk der-
selben ein Bild der Gottesmutter Maria von griechischer
Arbeit, was derselbe als einen Fingerzeig Gottes ansah
und darnach das zu erbauende Kloster der heiligen Gottes-
mutter weihte. Schon im Jahre 1072 war das Kirchlein
der heiligen Erintrud und das Bethaus mit dem Altare der
heiligen Gottesmutter vollendet, aber noch mussten elf
Jahre vergehen, bis Altmann seine Stiftung vollenden \mö.
ihren Bewohnern übergeben konnte. Dies geschah 1083
am 9. September durch Ausstellung des Stiftungsbriefes,
der noch als ein Kleinod im Stiftsarchive aufbewahrt wird,
mit welchem der Bischof der neuen Stiftung die damals
weit ausgedehnten Pfarren Mautem, Mühlbach, Nalb,
St. Petronell, Kilb und Pyhra und einen grossen Besitz an
Gründen, Zehnten und Leibeigenen zuwies. Das so aus-
gestattete Kloster wurde den Kanonikern, welche nach der
Kegel des heiligen Augustin lebten, übergeben.
Gross sind die Wechselfälle, welche das Kloster seit
seinem fast achthundertjährigen Bestände durchgemacht
hat; mehr als einmal war es dem Zerfalle nahe, aber
immer wieder erhob es sich unter Gottes Schutze zu neuer
Kraft, um die ihm gestellten Aufgaben der Religion und
Civilisation lösen zu können, wie eine übersichtliche Dar-
stellung seiner Geschichte zeigen wird.
Die Regularkanoniker hielten sich in dem neu-
gegründeten Kloster unter den Pröbsten Otto und Konrad
nur bis zum Jahre 1094. Denn als nach dem Tode des
Bischofs Altmaim 1091 viele Unberufene sich ins Kloster
drängten und dasselbe in Verruf brachten, wollten die
besser Gesiimten mit dem Probste Konrad dasselbe ver-
lassen und Hessen sich nur durch einen Priester aus Schott-
land Namens Johann zurückhalten, der, schon mehrere
Jahre in der Klosterkirche eingeschlossen und ein heilig-
massiges Leben führend, ihnen den Rath gab, ihren Orden
in einen strengeren umzuwandeln. Mit päbstlicher und
des Bischofs von Passau Erlaubnis nahmen sie den Orden
des heiligen Benedikt an und wählten zu ihrem ersten Abte
den bisherigen Prior von St. Blasien im Schwarzwalde,
Hartmaim.
— 127 —
1. Hartmann (1094 — 1114) kam an der Spitze einer
Meinen aber auserwahlten Schaar von Mönchen, unter
welchen sichWirnto und Berthold befanden, die späteren
Aebte von Formbach und Garsten und beide als Heilige
verehrt, nach Göttweig, nachdem ihm, -wie er selbst den
Brüdern erzählte, Bischof Altmann im Schlafe erschienen
war und ihm seine Stiftung ans Herz gelegt hatte. Unter
seiner Leitung blühte Göttweig schnell empor. Voll Eifer
für die Religion sorgte er für Aufrechthaltung einer strengen
Disciplin; er errichtete eine Klosterschule, die bald ihren
Ruf über Deutschland verbreitete,, so dass Kaiser HeinrichlV.
seinen zum Bischof von Speier bestimmten Sohn in der-
selben erziehen liess; er brachte selbst Bücher mit und
Hess solche hier abschreiben, wodurch der Grund zu der
so bedeutenden Bibliothek gelegt wurde. Unter ihm ver-
mehrten zahlreiche Schenkungen des Klosters Besitz und
päbstliche und kaiserliche Schutzbriefe versprachen dem-
selben Sicherheit. Kein Wunder, wenn Hartmanns so
segensreiche Thätigkeit auch für andere Orte in Anspruch
genommen wurde. So war er zugleich Abt von Kempten,
von St. Ulrich und Afra in Augsburg, von St. Lambrecht
in Steiermark und wmrde ihm auch der erzbischöfliche
Stuhl von Salzburg angetragen, den er aber ausschlug,
und musste 1107 das Kloster Garsten mit einer Colonie
aus Göttweig bevölkern.
Während seiner Abwesenheit von Göttweig war Erchin-
frid Vorsteher des Klosters. Dieser war ursprünglich Soldat
gewesen, dann in das Kloster eingetreten und hatte sich
mit solchem Eifer den Studien hingegeben, dass er nicht
bloa ein theologisches Compendium verfasste, sondern mit
Hartmanns Zustimmung von den Brüdern als sein Stell-
vertreter gewählt ward. Unter diesem lebte wahrschein-
lich auch Bruder Heinrich in Göttweig als ausgezeichneter
Dichter, und in dem am Fusse des Göttweiger Berges
schon von Hartmann gegründeten Frauenkloster die. älteste
deutsche Dichterin Ava.
2. ^a*2^o (1114— 1125) war vor seiner Wahl zum Abte
durch mehrere Jahre Prior im Kloster und hatte durch
seine gediegenen Kenntnisse und seine Geschäftsgewandt-
heit das Vertrauen der Brüder gewonnen. In den Fuss-
stapfen seines Vorgängers wandelnd sorgte er für Ver-
— 128 —
grösserung der Bibliothek und Veriaehrxing und Arrondirung
des Stiftsbesitzes. Unter ihm wurde die Pfarre Michelbach
von Pybra abgetrennt, und die neue Pfarre Eottes erricMet;
unter ihm wurde der Prior des Klosters, Ludwig, mit
mehreren Brüdern 1116 in das neugegründete Kloster Seiten-
stetten berufen. Unter ihm trat die Schwester des Mark-
grafen Leopold d. H. und Gemahlin des Herzogs Bofivoy von
Böhmen, Grerbirg, nach dem Tode ihres Gemahls 1124 in
das Frauenkloster, nachdem sie einen bedeutenden Besitz
nach Göttweig geschenkt. Sie starb am 10. Mai 1142.
3. Chadalhoh (1125— 1141) war vor seiner Wahl Gustos
der Kirche. Auch von ihm wird gerühmt, dass er die
heiligen Geräthe, die Büchersammlung gemehrt, Besitz
und Gebäude vergrössert habe. Er Hess durch einen der
Brüder die Lebensgeschichte des seligen Stifters Altmann
schreiben. Unter ihm starb die Clausnerin und Dichterin
Ava 1127; er erhielt die päbstliche Erlaubnis, dass Laiea
in den Klosterkirchen, deren unter ihm sieben gezählt
werden, begraben werden können, was sehr häufig benutzt
wurde.
4. Gerlioli (1141—1150). Abhold jedem Streite legte
er die äbtliche Würde nach neun Jahren freiwillig nieder,
weil er von einigen unzufriedenen und ehrgeizigen Brüdern
bei dem Diöcesanbischof Konrad von Passan verleumdet
u.nd von diesem nicht günstig behandelt worden war. Er
starb bald nach seiner Resignation.
5. Wemlier (1150 — 1155) war nicht durch die Wahl
der Brüder, sondern durch Bischof Konrad von Passau
dem Kloster zum Abte gegeben. Er stammte von Be-
diensteten der Eegensburger Kirche und hatte im Kloster
Prüflingen das Ordenskleid genommen. Er zeigte sich auch
gewaltthätig gegen das Kloster Waldhausen, dessen neu-
gewählten Abt Selpker mit den Brüdern er vertrieb^ während
er selbst dieses Kloster 20 Monate im Besitze hatte. Mit
dem Abte von ßot führte er Streit um Besitzungen an der
Schwarza mit günstigem Erfolge. Seine grosse Strenge
gegen die Brüder wurde von einigen Missvergnügten zur
Aufreizung gegen ihn benützt und er bei dieser Gelegen-
heit gewaltsam aus dem Leben geschafft.
6'. Friedrich (1156), der Nachfolger des unglücklichen
Wernher, regierte nur ein Jahr.
— 129 —
7. Johann I. (1157 — 1174) -war Profess von Admont
und wurde von da als Abt nach Göttweig berufen. Er
war sehr demüthig und scbrieb sieb nur der „demütbige
Diener" , und darum aucb sebr beliebt bei dem Landes-
fürsten und dem Diöcesanbiacbofe , wie aus den häufigen
Zeugentmterscbriften geschlossen werden kann. Für Gött-
weig tauschte er die Pfarren St. Veit an der Gölsen und
Hainfeld für einen Besitz in der Nähe von Seitenstetten
ein und suchte sich die von der Herzogin Gerbirg erhaltenen
Besitzungen zu sichern.
8. Rudmar (1174 — 1200) schrieb eine neue Lebens-
geschichte des seligen Stifters Altmann und wusste zu den
früheren Besitzungen des Klosters neue zu erwerben, wo-
bei ihm das freundliche Einvernehmen mit dem Bischof
Dietpold von Passau sehr zu Statten kam.
9. Conrad (1200 — 1202), welchen Einzelne für den
Dichter des Nibelungenliedes halten wollten.
10. Weselin (1202 — 1231) spielte im öffentlichen Leben
eine bedeutende Rolle, da er bei wichtigen Verhandlungen
als Zeuge oder sehr häufig als Schiedsrichter fungirte, was
auch Göttweig den Vortheil brachte, dass die Streitsachen
desselben viel schneller geschlichtet und durch landeaförst-
liche Privilegien gesichert wurden. Nicht unwahrscheinlich
ist es, dass Abt Wezelin den Kxeuzzug 1217 mit dem Herzoge
Leopold mitmachte. Im Jahre 1231 resignirte er freiwilUg
auf die äbtliche Würde und starb noch im selben Jahre.
11. Heinrich I. von Nalb (1231—1232) trat in den
Dominikanerorden in Krems und ist wahrscheinlich iden-
tisch mit dem Bruder Heinrich aus dem Dominikanerorden,
welcher 1251 Bischof wurde.
12. Heinrieh II. Zant (1232—1237). Seine Regierungs-
zeit wird ausgefüllt durch den Streit mit einem Abte von
Rot über Göttweig gehörige Güter an der Schwarza, auf
welche der Abt von Rot Anspruch machte. Der römische
Stuhl, vor welchen dieser seine Klage brachte, bestimmte
Schiedsrichter, welche zu Gunsten Göttweigs entschieden;
aber trotzdem wusste es der Abt von Rot durch seine
Machinationen dahin zu bringen, dass Abt Heinrich 11. von
Göttweig 1237 seines Amtes entsetzt und eingekerkert
vnirde; er starb in Gefangenschaft.
13. Harttoik (1237 — 1245) hatte unter traurigen Ver-
Ein Benediktinerbiich. /-"'O
— 130 —
iältnissen die Leitung des Stiftes in Händen. Obwohl er
sich gewiss alle Mühe gab, die Interessen des Klosters
gegen ungerechte Uebergriffe der Schirmvögte und gegen
Gewaltthätigkeiten fremder Unterthanen zu wahren, so mag
ihm dies, nach den urkundlichen Belegen aus seiner Zeit,
nur in wenigen FäUen Erfolg gebracht haben, was schliess-
lich zu seiner Amtsentsetzung denAnlass gegeben haben mag.
14. Heinrich III. von Rottersdorf (1245—1256) hatte
keine besseren Zeiten, wie sein Vorgänger. Nach Herzog
Friedrichs Tode mehrten sich die Bedrückungen der Vögte
ebenso, als sich die Einnahmen des Klosters minderten,
so dass der Abt einzelne Güter versetzen musste. Dieser
Umstand sowie das Unterliegen der kaiserlichen Partei,
deren Anhänger der Abt war, mochte ihn zum Niederlegen
seiner Würde bewogen haben.
15. Helmwik (1256 — 1279) sah unter der Fortdauer der
früheren Bedrückungen und bei eingetretenem Misswachse
die Lage des Klosters immer trauriger werden und musste,
trotzdem ihm König Ottokar von der jährlichen Abgabe
an Marchfutter 250 Muth nachsah, gleichfalls zur Ver-
setzung von Klosterbesitzungen schreiten. Erst in den
letzten Jahren seiner Regierung wurden dem Kloster einige;
Schenkui^en zu Theil, welche er mit dem noch übrigen
Besitz durch einen päbstlichen Schutzbrief, welchen er sich
erwarb, vor ungerechtem Angriff schützen wollte.
16. Hermann (1279—1286) wehrte sich mit gutem Er-
folge gegen die Uebergriffe der Vögte im Gölsenthale und
wusste namentlich Herzog Albrecht zur Uebernahme der
Vogtei in Kilb zu bewegen.
17. Heinrich IV. (1286 — 1309) stammte aus dem adeligen
Geschlechte der Meuerlinger, welche unweit des Klosters
begütert waren, und hatte unter dem Abte Helmwik das
Ordenskleid genommen. Durch weise Umsicht wusste er
die Einkünfte des Klosters zu mehren, dass es ihm mög-
lich wurde, nicht unbeträchtliche Erwerbungen an Gütern
zu machen. Auch für das geistige Wohl seiner Unter-
gebenen war er sehr besorgt, wie die zahlreichen Indulgenz-
briefe beweisen, die er für die Stiftskirche erlangte. Er
war der Erste, welcher im Jahre 1302 ein genaues Ver-
zeichnis aller Besitzungen des Klosters sammt den Leistungen
durch den Notar des Stiftes und Pfarrer von Heinfeld an-
— 131 —
legen Hess, welclies noch im Stiftsarchive aufbewahrt vrisd.
Im Vereine mit dem Abte von Lilienfeld hatte er eineji
Streit zu schlichten zwischen dem Frohste von St. Polten
und Heinrich von Radeck. Reich an Verdiensten starb er
im Jahre 1309 und wurde in der Stiftskirche begraben und
ihm daselbst ein Grabmal gesetzt.
18. Petrus I. (1309—1317) befolgte das Beispiel seines
Vorgängers bezüglich der Stiftsbesitzungen; er vertauschte
oder vergab entferntere und minder erträgliche und erwarb
besser gelegene. Er erhielt ansehnliche Schenkungen, da-
runter im Jahre 1314 einen Weinzehent am Pfaffenberge
bei Stein von der Königin Agnes von Ungarn. Obwohl
der Katalog von ihm nur erwähnt, dass er eine Kapelle
des heiligen Andreas in der Abtei erbaut habe, dürfen wir
doch mit Recht schliessen, dass die Disciplin im Kloster
selbst wieder hergestellt war, weil Abt Petrus zugleich mit
dem Abte von Lüienfeld zur Visitation des Klosters Maria-
zeil bestimmt ward.
19. Marhivard {lsn—lS23) aus dem adeligen Geschlechte
der Weissenburger bewährte sich gleichfalls als ein tüch-
tiger Administrator des Klosterbesitzes, welchen er grössten-
theils durch Käufe ansehnlich vermehrte und im Jahre 1322
neuerdings verzeichnen Hess. Von seinem Ansehen giebt die
Thatsache Zeugnis, dass ihn Erzbischof Friedrich von Salz-
burg subdelegirte, die Privilegien der Minoriten zu schützen.
Kurz vor seinem Tode 1323 bewog er noch seine Verwandten
zum Abtreten der Pfarre Hofstetten an das Stift.
20. Otto Löchler (1323—1336) war vor seiner Wahl
Pfarrer von St. Veit an der Gölsen, wohin er nach seiner
Resignation 1335 wieder zurückkehrte und wo er noch bis
1361 lebte. Das Stift verdankt ihm die Sicherung schon
vorhandener und die Erwerbung neuer Besitzungen, darunter
1330 die Pfarre Kleinzeil. Für seinen kirchlichen Geist
sprechen die Verbrüderung mit Altenburg und die Erbauung
der Kirche des heiligen Benedikt im Stifte, die er mit be-
deutenden Gütern ausstattete.
21. Wolfgang I. (1336-1364) aus dem »deligen Ge-
schlechte der Altenburger nahm bedeutende Besitzver-
änderungen vor, wie mehr als 100 Urkunden aus seiner
Zeit beweisen, und zwar zum Besten des Stiftes; er schloss
die Verbrüderung mit Admont, sicherte die Pfarre Hof-
— 132 —
stetten gegen tmgerecMe Ansprüche und erwarb einen
neuen Pastoralstab aus Silber,
23. Dietrich (1354 — 1359) schloss eine Verbrüderung
mit Oberaltaicb, gab seine Zustimmung zu einer Stiftung
in der KÜrche zu Ramsau und batte mehrere Angriffe auf
die Stiffcsbesitzungen abzuwehren. Er reaignirte 1359 und
starb bald darnach.
33. Johann II. (1359—1360) von Thallern war Zeuge
bei der Erhebung der St. Stephanskirche in Wien zu einer
CollegiatMrche durch Herzog Eudolf IV. Während seiner
einjährigen Regierung kam der Streit über die Stiftszehente
zu Wölbling zu einem erfreulichen Abschluss.
34. Ulrich I. TotzenheJc (1360 — 1370) erfreute sich
eines grossen Ansehens. Im Streite zwischen dem Abte
von Tegemsee und dem Probste von St. Polten war er
Schiedsrichter; er fertigte das Bündnis zwischen den
Söhnen Alberts II. und den Königen von Ungarn und Polen.
Er hob den Cult des seligen Stifters Altmann, da er
im Beisein Herzogs Rudolf IV. dessen Gebeine aus dem
Grabe erhob und selbe an einem Altare feierlich beisetzte
und zugleich dessen Pest mit eigenen Gebeten feiern Hess.
Er schloss Verbrüderungen mit Ebersberg und Nieder-
altaich. Dass er das Besitzthum des Stiftes energisch ver-
theidigte und nicht unbedeutend mehrte, beweisen zahl-
reiche Urktmden aus seiner Zeit.
35. Ulrich IL Pirehfelder (1370—1385) war ein nicht
minder ausgezeichneter Verwalter des Stiftes als sein Vor-
gänger. Er erhielt 1371 vom römischen Stuhle eine Be-
stätigung der Klosterprivilegien und 1382 von Pabst Urban VI.
den Gebrauch der Pontificalien, wodurch dem Stifte ein
nicht geringer Glanz verliehen ward. Wenig wahrschein-
lich ist daher die Bemerkung des Kataloges, dass Abt Ulrich
1385 seines. Amtes entsetzt worden sei.
36. Friedrich II. Techler (1385—1399). Unter ihm
scheint der firühere gute Stand des Stiftes sehr geschwunden
zu sein, wie die zahkeichen Verkäufe andeuten , so zwar,
dass Pabst Urban VI. sich bewogen fühlte, durch Einver-
leibung der Pfarren Nalb, Hofstetten und Mautern mit
ihren Einkünften 1385 dem gesunkenen Stifte zu Hülfe zu
kommen. Auch Pabst Bonifaz IX. musste sich wiederholt
Göttweigs annehmen, indem er demselben die Pfarre
— 133 —
Fetronell und die Filialen Eabenstein und ßosaatz eia-
verleibte und gegen die Beschädiger derselben mit kircli-
licben Strafen vorging. Durch, diese Umstände Hess sieb
Abt Friedrieb bewegen, auf seine Würde zu resigniren und
auf die Pfarre St. Veit an der Gölsen zu geben.
57. Johann III. Badendorfer (1399—1402) war vor
seiner Wabl Pfarrer zu St. Veit. Er erlangte von Pabst
Bonifaz IX. die Erlaubnis, die Pfarre Mautem mit Religiösen
zu besetzen, Tind die Exemtion des Stiftes, seiner Pfarren
und Besitzungen von der biscböflicben Gewalt. Nacb drei-
jäbriger Regierung starb er an Vergiftung.
28. Petrus II. (1402—1431) von St. Polten erhielt der
Erste vom römiscben Stuble die Bestätigung seiner Wabl
und die Erlaubnis, sieb von welchem Bischof immer weihen
zu lassen. Seine Thätigkeit im Stifte war vorzugsweise
darauf gerichtet, die baufälligen Gebäude mit neuen zu
ersetzen. Zunächst ward die Kirche zu Ehren des heiligen
Gotthard nach dem Plane des Bruders Ulrich Loiel von
Efferding gebaut und 1415 vollendet. Dann kam das Capitel,
das Schlafhaus und der Kreuzgang an die Reihe bis 1417,
woran sich ein Umbau der Stiftskirche anschloss, von wel-
cher die Krypta bei dem Tode des Abtes bereits vollendet,
das Presbyterium aber erst begonnen war. Gegen die
Minoriten in Stein und das neugegründete Kloster der
Regularkanoniker in Timstein erwies er sich als Wobl-
thäter. Auf päbstlichen Befehl hatte er 1410 einen Streit
in der Olmützer Diöcese zwischen Klerikern und Laien
zu schlichten. Zu den Ausgaben, welche die Bauten ver-
ursachten, kamen Kriegssteuer und Misswachs, so dass
der Abt zur Verpfändung von Gütern imd Pretiosen
schreiten musste; dessenungeachtet heisst es von ihm im
Kataloge, dass er neue Kleinodien dem Stifte erwarb.
Unter ihm kam 1426 ein Göttweiger Profess als Abt nach
Obernburg.
29. Lucas von Stockstall (1432 — 1439) vollendete bis
1437 die Bauten im Stifte und fügte 1439 noch eine Kapelle zu
Ehren des heiligen Petrus hinzu. Vom Baseler Concü er-
hielt er den Auftrag, der Pfarre Sitzendorf die entrissenen
Güter wieder zu verschaffen und musste gegen die Gewalt-
thäter mit dem Baime einschreiten. Er selbst liess sich
auf dieselbe Weise die Güter seines Stiftes sichern, zugleich
— 134 —
war er ein Vater der Brüder und Unterthanen, denen er
zu schwere Leistungen gerne nachsaJi.
30. Thomas (1439 — 1444) bewährte sich gleichfalls als
ein tüchtiger Verwalter des Stiftsgutes. Er erhielt 1440
vom Concile zu Basel die Erlaubnis, heilige Gefässe und
Kleider zu weihen.
31. Johann IV. (1444) regierte kein ganzes Jahr und
nahm nur einige Besitzänderungen vor.
32. Wolfgang II. (1444—1457) von Retz Hess 1447 die
Urkunden des Archives in einen Pergamentcodex sauber
abschreiben. Unter ihm kam auch Aeneas Sylvius, der
spätere Pabst Pius n., nach Göttweig, um ein Buch der
Bibliothek zu benützen. Für die Aufrechterhaltung der
Disciplin im Stifte spricht das Urtheü der Visitatoren 1451.
Von Pabst Nicolaus V. erhielt er für sich und seine Nach-
folger 1452 das Privilegium, den päbstlichen Segen spenden
zu dürfen. Auf die äusseren Verhältnisse des Stiftes mag
er weniger Sorgfalt verwendet haben, namentlich in den
letzteren Jahren, seitdem er vom Schlage berührt war, so
dass bald die Schulden überhand nahmen und ihn zur Re-
signation zwangen (1457). Er ging auf die Pfarre St. Veit,
muss aber gegen sein Lebensende wieder ins Stift zurück-
gekehrt sein.
33. Martin (1457 — 1468) Matschauer war im "Wege
des Compromisses vom Bischof Ulrich von Passau erwählt
worden. Er rechtfertigte auch die in ihn gesetzte Hoff-
nung. Trotz der Verwüstungen der Stiftsgüter durch Fro-
nauer mit seinen Schaaren gelang es ihm doch, einen grossen
Theil der Schulden seines Vorgängers zu tilgen, wobei ihm
allerdings der Umstand zu Gute kam, dass Kaiser Friedrich
ihm 128 Muth ausständigen Vogthabem nachliess. 1461
erhielt er vom Cardinal Bessarion für sich und seine Nach-
folger die Erlaubnis, sich eines tragbaren Altars bei der
heiligen Messe bedienen zu dürfen. Vielfach war er auch
in die politischen "Wirren seiner Zeit verflochten, was mit
Ursache war, dass der Stand des Stiftes in seinen letzten
Lebensjahren wieder ins Sinken kam.
34. Laurenz Gruber (1468—1482) aus Graz war ein
Melker Profess und 1448 als Abt nach Mariazell gekommen
und als eifriger Visitator der Ordenshäuser bekannt. In
diesem Sinne war er auch hauptsächlich in Göttweig thätig.
— 135 —
■wo er mit Strenge über die Disciplin waclite, mit vielen
Klöstern Verbrüderungen einging, selbst aber sehr gelehrt
mit den Bischöfen Johann von Trient und Ulrich von Passau
im innigsten Verkehre stand. Um die äussere Lage des
Stiftes scheint er sich wenig gekümmert zu haben, so dass
der Schuldenstand wieder bedeutend wuchs und Güter ver-
setzt oder verkauft werden mussten.
35. Erhard (1482 — 1489) von Steier war umgeben von
den siegreichen Waffen des Königs Mathias Corvinus nicht
im Stande, dem fortschreitenden Euine Göttweigs Stand
zu halten.
36. Mathias I. Schattner (1489—1507) aus Krems. Zu
den Güterveräusserungen und Schuldenlasten aus früherer
Zeit waren noch mehrfache Bedrückungen durch die Schirm-
TÖgte gekommen. Diesen Schwierigkeiten zeigte sich Abt
Mathias vollkommen gewachsen. Zuerst wusste er für den
Besitz des Stiftes neue Bestätigungsurkunden zu erhalten,
darnach erreichte er einige Erleichterungen in dem Ver-
hältnisse zu den Schirmvögten und konnte endlich deren
gänzliche Auflösung durchsetzen. Er zahlte einen Theil
der Schulden und erwarb wieder theilweise die Güter,
welche seine Vorfahren verpfändet hatten. Gegen den Bischof
von Passau musste er die Exemtion des Stiftes nait aller
Energie vertheidigen. Diese Energie richtete sich auch
öfters gegen seine Untergebenen. Im Jahre 1494 gründete
er die Bruderschaft des heiligen Sebastian in Fürth, Be-
sondere Sorgfalt verlegte er auf die Hebung der Verehrung
des heiligen Stifters Altmann. Er selbst versuchte dessen
Heiligsprechung durchzusetzen und reiste zu diesem Zwecke
nach Rom, jedoch ohne den gehofften Erfolg zu erzfeien.
37. Sebastian I. Bräxel (1507 — 1516) aus Wasserburg
in Bayern. Von ihm erwähnt der Katalog der Aebte, dass
er vielen Krankheiten unterworfen war, weshalb er dem
Stifte nicht mit der erforderlichen Umsicht vorstehen konnte,
und sich so die Schuldenlast wieder mehrte, dass ein grösseres
Besitzthum verpfändet werden musste.
38. Mathias II. (1516—1532) von Znaiin, gerühmt
wegen seiner Erfahrung imd Kenntnis in göttlichen und
menschlichen Angelegenheiten und deshalb von Geistlichen
und Laien vielfach zu Rathe gezogen. Schon im Jahre
1617 wurde er über ausdrücklichen Befehl des Kaisers
~ 136 —
Maximilian in den Ausscliuss des Prälatenstandes gewählt
und gleich im nächsten Jahre erhob ihn der Kaiser zum
Lohne für seine treuen Dienste in den Adelsstand. Sein
Ruhm mehrte sich durch die standhafte und erfolgreiche
Vertheidigung seines Stiftes, das er mit Mauern und Gräben
gesichert hatte, gegen die Türken. Im Jahre 1524 stiftete
Ferdinand I. mit jährlichen 45 Fuder Salz einen Jahrtag
zu Göttweig und die Stände Niederösterreichs verehrten
ihm auf des Kaisers Befehl ein silbernes Kreuz und eine
ebensolche Statue des heiligen Mathias. Und in der That
hatte er sich besonders um den Prälatenstand grosse Ver-
dienste erworben, als er es dahin brachte, dass vom Kaiser
die im Türkenkriege ausgeschriebene Steuer von der Höhe
eines Yiertels der Kirchengüter auf eine bestimmte Summe
herabgesetzt wurde. In den ersteren Jahren seiner Re-
gierung war es ihm möglich, einen Theil der früheren
Schulden des Stiftes zu tilgen. Aber als die Türkenkriege
ihre traurige Wirkung äusserten in Vergrösserung der Steuern
und Verminderung der Einnahmen, da wuchsen die Schul-
den aufs Neue an, trotzdem dass bedeutende Besitzungen
und Zehente veräussert wurden.
39. Bartholomäus Schönleben (1533 — 1541) aus Altdorf
in der Augsburger Diöcese, hatte in Wien studirt und
war im Jahre 1515 in Göttweig eingetreten. Vor seiner
Wahl bekleidete er das Amt des Priors und zeichnete sich
durch Beredtsamkeit und Liebe zu seinen Mitbrüdern aus.
Obgleich die Schuldenlast überaus gross war und die Güter
und Zehente theils verkauft, theils versetzt waren und zu
diesen Uebeln noch neue hinzukamen, wie im Jahre 1537
eine riesige Ueberschwemmung, tilgte er doch einen Theil
der Schulden und führte im Stifte noch einige Neubauten
auf, wie einen Thurm, die Bibliothek. Er starb im schönsten
Mannesalter zum grössten Leidwesen Aller. Auf seine Wahl
1533 wurde auch eine Denkmünze geprägt.
40. PlacidiiS (1541—1542), früher Profess von Otto-
beuren und zuletzt Prior in Göttweig, regierte blos ein Jahr.
41. Leopold JRueber (1543—1556) wurde durch Com-
promiss gewählt. Er war Profess von Altenburg und
Prediger des Erzherzogs Maximilian. Kaiser Ferdinand
sah die Wahl nicht gerne, da er Willens war, Göttweig
den jugendlichen Wilhelm von Eizing vorzusetzen, um
— 137 ~
durch dessen reiche und angesehene Familie die grosse
Schuldenlast Göttweigs leichter zu tilgen. Prior und Con-
vent nahm sich um die Freiheit der Wahl an, aber der
Kaiser Hess sich zur Anerkennung Leopolds nur herbei
unter der Bedingung, dass der junge Eizing zum Coadjutor
desselben bestellt werde, ohne dass es jedoch in WirMich-
keit dazu kam. War die Wahl schon an sich unruhig, s»
zeigte sie sich in der Folge für das Stift geradezu unheil-
voll. Abt Leopold verkaufte und verpfändete fast sämmt-
lichen Besitz und machte so viele Schulden, dass er selbst
an der Möglichkeit, sie zu zahlen, zweifelte. Der Kaiser,
an den er sich wandte, liess durch Commissäre den Stand
des Stiftes erheben und verlangte nun die Resignation des
Abtes, um den Pfarrer von Pulkau zum Administrator machen
zu können, wogegen sich die wenigen Conventualen, die
noch vorhanden waren, wehrten. Da machte der Tod des
Abtes Leopold 1556 diesen Verhandlungen ein Ende und
es ward der Probst von Herzogenburg Bartholomäus von
Cataneis zum Administrator Göttweigs bestellt. Dieser
fährte die Verwaltung dieses Stiftes 1556 — 1562 in nicht
sehr segensreicher Weise, obwohl er damit begann, das
Nonnenkloster daselbst aufzuheben und die Insassen, sieben
an Zahl, nach St. Bernhard bei Altenburg zu transferiren
mit Ausnahme einer Nonne, welche nach Ibs ging, um
dadurch die Ausgaben zu vermindern. Obwohl die Ein-
künfte ohnedies sehr gering waren, befahl doch Kaiser
Ferdinand, den neu eingeführten Jesuiten in Wien aus den-
selben Achthundert Gulden zu zahlen, von welcher Summe
trotz wiederholter Bitten um Nachlass im Jahre 1663 Vier-
hundert Gulden in Wirklichkeit bezahlt wurden.
Nach dem Tode des Probstes Bartholomäus wurden
die Aebte von Melk, Schotten und Altenburg mit der Ver-
waltung Göttweigs betraut, bis im Jahre 1564 auf kaiser-
lichen Befehl von ihnen ein Abt gewählt wurde in der
Person des Melker Professen und Pfarrers zu Ravelsbach,
Michael Herrlich.
42. Michael Herrlich (1564 — 1604) aus Weinheim un-
weit Heidelberg in der Pfalz fand den Zustand seiner Abtei
keineswegs ermuthigend. Kein einziger Ordensbruder war
im Stifte, die Klostergüter verkauft oder verpfändet, eine
ungeheuere Schuldenlast aufgehäuft und die geringen Ein-
— 138 —
fünfte von Seite der ünterthanen sehr unsiclaer. Man er-
zählt, Abt Michael habe nach klarer Einsicht in die wirk-
lichen Verhältnisse allen Math verloren, diese Abtei wieder
aufrichten zu können und dieselbe verlassen. Als er über
•den Berg hinabging, kam ihm ein Unterthan entgegen, der
ihm zehn Gulden als schuldige Leistung übergab und ihn
"tröstete, was seinen Muth wieder hob und ihn zur Wieder-
aufnahme seiner schwierigen Aufgabe aneiferte. Er er-
wirkte zunächst 1565 eine kaiserliche Bestätigung der Frei-
heiten, Rechte, Güter und rechtlichen Gewohnheiten des
Stiftes, ebenso einen Generalconsens zum Verkauf oder
Verlass weit entlegener Güter. Er machte solche Verträge,
■dass innerhalb eines kürzeren oder längeren Zeitraumes
viele verpfändete Güter und Zehente durch jährliche Ab-
rechnung derBestandsumme schuldenfrei dem Stifte anheim-
fielen; andere löste er ein oder kaufte sie und brachte so
•das Stift in einer verhältnismässig kurzen Zeit wieder zum
Wohlstande. Mitten in dieser Arbeit traf ihn ein neuer
Schlag. Am heiligen Dreifaltigkeitstage (29. Mai) des Jahres
1580 entzündete der Blitz einen Thurm des Stiftsgebäudes,
von wo aus sich die Flammen mit grösster Schnelligkeit
verbreiteten und die Kirche mit Ausnahme des Presbyteriums
und der Sakristei, das Dormitorium sammt den Wohnungen
im Convente verzehrte. Der Schaden wurde auf die damals
ungeheure Summe von 24,000 ■^. geschätzt. Aber nach
kaum drei Jahren waren die sämmtlichen Gebäude wieder
hergestellt mit Ausnahme der Kirche, deren Restauration
erst 1594 vollendet war. Nach 40 jähriger Regierung sehnte
•er sich nach Ruhe. Auf seine Bitte erschienen kaiserliche
Commissäre, welche seine Resignation aufnahmen und vor
welchen das versammelte Capitel Georg Schedler zu seinem
ITachfolger wählte (1604). Nach seiner Resignation lebte er
noch fünf Jahre in der Mitte der Brüder bis zu seinem
Todestage am 23. März 1609. Auf ihn wurde 1590 eine
Denkmünze geprägt und ihn verehrt das Stift Göttweig
mit Recht als seinen zweiten Stifter.
AB. Georg I. Schedler (1604—1610) aus Altdorf in
Schwaben. Er hatte unter seinem Vorgänger in Göttweig
Profess gemacht, war durch 11 Jahre Prior im Stifte und
als solcher 1601 zum Abte von Mariazell postulirt worden,
welches er nun wieder mit seinem Mutterstift vertauschte.
— 139 —
Er führte einige nothwendige Bauten im Stifte auf, welche
kaum vollendet waren, als ihnen schon wieder Zerstörung
drohte durch die Flammen, welche 1608 die Kirche im
früheren Nonnenkloster zerstörten. Er war ein sehr ge-
lehrter und glaubenseifriger Abt, wie viele Bücher in der
Bibliothek beweisen, die seinen Wahlspruch Dominus pro-
videbit von seiner Hand tragen. Er nahm fünf Religiösen
die heilige Profess ab, darunter Martin Serrarius, welcher
zwei Abteien, die von Kleinmariazell und von Altenburg,
ausschlug,
Nach dem Tode Schedlers (8: März 1610) blieb Gött-
weig durch zwei Jahre ohne Oberhaupt, weil sich die Brüder
in der Person des zu Wählenden nicht einigen konnten.
Damit aber die Disciplin und die Wirthschaft dabei nicht
zu sehr leide, wurde von König Mathias Abt Caspar von
Melk nebst zwei anderen zu Commissären des Stiftes be-
stimmt und mit der Ueberwachung desselben betraut. Im
Jahre 1612 entschlossen sich endlich die Professen zur
Wahl, aus Furcht, es könnte ihnen das freie Wahlrecht
entzogen werden, und einigten sich bei dem zweiten Wahl-
gange auf den Prior des Stiftes Garsten, Georg Falbius.
44. Georg II. Falbius (1612—1631) aus Admont in
Steiermark trat in das Stift Garsten 1593 ein, machte seine
Studien auf der Universität Graz, wo er das Doctorat der
Philosophie und Theologie erlangte, 1607, in welchem Jahre
er auch das erste heilige Messopfer Gott darbrachte. Zu-
nächst in die Stadt Steyr als Cooperator gedtellt, hatte
er Gelegenheit, seine Beredtsamkeit gegen den Protestan-
tismus zu entfalten, von welchem fast die ganze Stadt voU
war. Im Jahre 1609 wurde er als Prior nach Garsten be-
rufen, wo ihn 1611 Godfried Bischof von Bamberg kennen
lernte und ihn als Reisebegleiter mit nach Kärnten und
dann nach Bamberg nahm und ihn zu seinem geistlichen
Rath ernannte. Seine Wahl zum Abte von Göttweig wurde
vom Pabste Paul V. nicht blos gern bestätigt, sondern er
überdies von demselben in einem speciellen Schreiben dem
Kaiser Mathias empfohlen und zugleich die Exemtion Gött-
"weigs aufs Neue bestätigt. Durch das Ansehen, das Abt
Falbius allerseits genoss, erklärt es sich auch, dass er bei
der Versammlung in Linz 1614, als gegen die Türken be-
rathen ward, den Vorsitz führte. Im Jahre 1616 führte er
— 140 —
im Auftrage des Biscliofs von Passau Erzherzog Leopold
die Jesuiten in das neugegründete Kloster in Krems feier-
lich ein und zeigte sich gegen die Kapuziner als Freund
und Beschützer, indem er ihnen in dem Stiftshause in Stein
Wohnung anwies, bis ihr Kloster in Krems vollendet -war.
Er restaurirte die Kirche in Brunnkirchen, vergrösserte die
Kirche in Fürth, für deren Bruderschaft des heiligen Se-
bastian er einen vollkommenen Ablass von Pabst Gregor XV.
erlangte. Im Stifte selbst baute er einen neuen Trakt, Krems
gegenüberliegend, und erwarb die Herrschaft Wolfstein.
Die Infein von Garsten und Admont, welche ihm durch
Wahl angeboten waren, schlug er aus; in Melk präsidirte
er der Wahl des Abtes Eainer; die Probstei Tirnstein ad-
ministrirte er einige Zeit; für das Zustandekommen der
österreichischen Congregation des Ordens war er in hervor-
ragender Weise thätig und ward zum Visitator des Ordens
gewählt. Von Kaiser Ferdinand IL ward er zweimal mit
einer Mission bei dem Domcapitel in Passau betraut. Mit
grossem Eifer und Erfolge arbeitete er 1626 in Oberöster-
reich an der Zurückführung der Protestanten zur katholi-
schen Religion und desgleichen 1627 in den beiden Stifts-
pfarren Pyhra und Michelbach. Dieser um sein Stift, sein
Vaterland und die Religion so verdiente Abt starb am
23. Mai 1631.
45. David Gregor Corner (1631—1648), zu Hirschberg
in Schlesien 1587 geboren und in Prag im Convikte der
Jesuiten erzogen, erlangte er daselbst den Doctorgrad der
Philosophie. Seine theologischen Studien machte er in
Graz, wo er auch zum Priester geweiht wurde. Hierauf
war er zehn Jahre Pfarrer in Retz und kam als solcher
nach erlangtem theologischen Doctorgrad zu Wien nach
Mautern, wo er den Abt Falbius von Göttweig genauer
kennen lernte und sich bestimmt fand, in das Stift Gött-
weig einzutreten. Er begleitete den Abt Falbius auf der
Missionsreise in Oberösterreich, wo er in der Freistadt von
aufgereizten Bauern gefangen und jämmerlich zugerichtet
wurde. Nach seiner Rückkehr legte er am 8. September
1626 die feierliche Profess ab. Nach dem Tode des Abtes
Falbius wurde er einstimmig zum Abte gewählt. Seine
Thätigkeit war nun getheilt zwischen den Wissenschaften,
der Ascese und dem Streben für das Wohl des Stiftes.
— 141 —
Er vollendete den vom Abte Falbius begonnenen Bau;
noch im ersten Jahre seiner Regierung erhielt er von
Kaiser Ferdinand IL die Mauth zu Markersdorf. Für die
Kirche Hess er einen neuen Hochaltar, Kanzel und Musik-
chor aus Holz schnitzen. Im Jahre 1638 -war er Eector
der Wiener Universität, die ihn zu ihren Mäeenaten und
■den in der Theologie berühmten Männern zählt; zwei seiner
Professen waren berühmte Lehrer an der Salzburger Uni-
versität, nämlich Christophorus Döring und Gregor Heller.
Er selbst bereicherte die theologische und namentlich
ascetische Literatur mit zahlreichen Werken; am bekann-
testen ist seine „Geistliche Nachtigal", eine Sammlung
katholischer Kirchengesänge, von welcher sich sieben Auf-
lagen constatiren lassen. Dieser gelehrte und fromme Abt
starb am 9. Januar 1648.
46. Gregor II. Heller (1648 — 1669), zu Dizing in
Oberösterreich 1602 geboren, legte die feierlichen Gelübde
1622 in die Hände des Abtes Falbius ab. Seine Studien
machte er in Wien und Salzburg, nach deren Vollendung
er im Stifte die Stelle des Priors bekleidete. Im Jahre
1638 kehrte er nach Salzburg zurück als Professor der
Dogmatik, welche er, 1641 zum Doctor der Theologie
graduirt, mit der Moral vertauschte; zugleich war er auch
im Verein mit dem Tegernseer Professen Johann v. Preyaing
Regens der erzbischöflichen Alumnen. Im Jahre 1644
kehrte er wieder als Prior nach Göttweig zurück, ging
aber bald auf die Pfarre Kilb, von wo er 1648 zur äbt-
lichen Würde berufen wurde. Für seine Mitbrüder suchte
er zu sorgen, indem er den Hof am Fusse des Berges, der
heute noch nach ihm den Namen Hellerhof führt, zu einem
Ausheiterungsort herrichten liess. Er war ein tüchtiger
Prediger und eifriger Vertheidiger der Rechte seines Stiftes.
Im Jahre 1654 sah er seinen Professen Anselm Schyring
zur äbtHchen Würde in Mariazeil berufen. Im Wallfahrts -
orte Roggendorf liess er eine neue prächtige Kirche bauen
und die Stiftskirche selbst mannichfach ausschmücken.
47. Sebastian IL JSder (1669 — 1672), zu Wasserburg^
in Bayern 1636 geboren, legte seine feierlichen Gelübde
1653 ab und machte seine theologischen Studien im Stifte
selbst. Als Nachfolger des Abtes Heller gewählt, berief
er den berühmten Professen von St. Peter in Salzburg,
— 142 —
Paul Mezger, um in Göttweig PhilosopMe zu lehren. Schon
im dritten Jahre nach seiner Wahl starb er in Folge eines
Aderlasses.
48. Johann V. Dizent (1672 — 1689), zu Gedan in
Preussen 1642 geboren, legte die feierlichen Gelübde 1662
ab. Als Nachfolger Eders gewählt, sah er auf strenge
Disciplin und tüchtige Ausbildung der Kleriker theils im
Stifte, theils anderwärts. Als ausgezeichneter Redner nahm
er in der Reihe der Ständeverordneten eine hervorragende
Stelle ein. Schwer waren die Schläge, welche die Pest
und die Türken austheilten, welche letztere die Kirchen
in Hainfeld, St. Veit, Pyhra und Michelbach verbrannten,
in Pyhra noch den Pfarrer mit mehreren Pfarrkindem
tödteten. Für die Stiftskirche erwarb er einen prachtvollen
Ornat, sechs grosse Leuchter, ein Crucifix und eine grosse
Lampe aus Silber, den silbernen Schrein, in welchem die
Reliquien des seligen Stifters Altmann aufbewahrt und zur
Verehrung ausgestellt werden, den Kelch aus Gold und
das Hochaltarbild vom Maler Wolf aus München. Kaiser
Leopold hielt den Abt Johann sehr hoch und Hess ihn,
als er von der Gicht gelähmt war, bei wichtigen Ange-
legenheiten zu sich tragen, um sich bei ihm Rath zu holen.
Er starb in Wien am 10. März 1689 und wurde nach Gött-
weig übertragen.
49. Berthold Mayr (1689—1713), zu Nalb 1640 ge-
boren, legte zugleich mit seinem Vorgänger 1662 die feier-
lichen Gelübde ab. Nach seiner Primiz 1664 kam er als
Pfarrer nach Rossaz, Nappersdorf, Roggendorf, dann an
die Probstei Nalb, wo er den Titel eines apostolischen
Notars erhielt. Nach seines Vorgängers Tode zum Abte
gewählt, sorgte er gleich diesem für eine tüchtige Aus-
bildung der Kleriker, von welchen unter ihm fünf den
Doctorgrad der Theologie und mehrere das Baccalaureat
erreichten. Für die Kirche sorgte er durch Anschaffung
einer neuen Orgel und einer grossen Glocke. Er starb als
Jubelprofess am 25. December 1713.
50. Godfned Bessel (1714—1749), zu ßuchheim bei
Mainz am 6. September 1672 geboren, machte seine huma-
nistischen Studien in Aschaffenburg, Bamberg und Würz-
burg, die philosophischen in Salzburg, trat 1692 inGött-
weig ein und legte am 21. Juni 1693 die feierlichen Gelübde
— 143 —
ab. Nach Vollendung seiner theologischen Studien in Wien
feierte er seine Primiz am 21. März 1696. Im selben Jahre
am 7. Mai disputirte er in Wien für das Doctorat der
Theologie. Ins Stift zurückgekehrt liess er sein üeber-
gewicht an geistiger Kraft und Wissenschaft den anderea
Brüdern recht fühlen und ward deshalb vom Abte Berthold
und dem Capitel am 10. August 1696 für immer aus dem
Stifte entlassen. Er wandte sich in das Stift Seligenstadt,
wo ihn der Kurfürst von Mainz kennen lernte und zu sich
als Ehrenhofkaplan und geistlichen Rath nahm. Im Jahre
1702 schickte er ihn nach Rom, um die Curialpraxis kennen
zu lernen, von wo Bessel 1704 als Doctor utriusque juris-
zurückkam. Der Kurfürst machte ihn nun zum Geheimen
Rath und Offizial des Erzbisthums, in welcher Stellung
er bedeutende Dienste leistete. Auf seiner dritten Romreise
1710 besuchte er sein Mutterstiffc Göttweig und ward hier
vom Abte Berthold und dem Capitel wieder in die Zahl
der Mitglieder aufgenommen und nach Bertholds Tode zum
Abte von Göttweig am 16. Januar 1714 gewählt. Noch
im selben Jahre wählte ihn die Wiener Universität zum
Rector. Im Jahre 1715 wurde ihm von Kaiser Karl VI,
die ungarische Abtei Szalavar verliehen. Der Kaiser be-
nätzte seine Kenntnisse und Umsicht öfters dadurch, dasa
er ihm ausserordentliche Gesandtschaften übertrug, wie
1715 nach Mecklenburg, 1720 nach Fünfkirchen, Kempten
und 1731 nach Griefen. Von 1717 — 1729 war er Verord-
neter der Stände in Wien. Bei diesen äusseren Geschäften
vergass er seine Abtei nicht. Er war ein strenger Wächter
der DiscipHn seiner Untergebenen, machte selbst alljähr-
lich in stiller Abgeschiedenheit die Exercitien mit, erwarb-
kostbare Reliquien, er gründete Andachtsübungen, denen
er selbst beiwohnte. Für das Fest des seligen Stifters-
.Ältmann führte er ein neues Officium ein, dessen Hymnen
er selbst dichtete. Zahlreiche Ornate imd heilige Gefässe-
bezeugen seinen frommen Sinn für äussere Gottesverehrung.
Unter ihm erstand das Stift viel herrlicher aus dem Schutte,
in welchen es eine fnrchtbare Feuersbrunst im Jahre 17 1&
gelegt hatte, nach dem Plane des Hofarchitekten Lucas-
von Hildebrand. Von seiner Thätigkeit giebt fast jede
Kirche, jeder Pfarrhof der dem Stifte incorporirten Pfarren.
Zeugnis.
— 144 —
Ebenso eifrig und erfolgreicli, aber bei weitem rubm-
voUer war seine wissenscbaftlicbe Tbätigkeit. Mehr als
die HäKte der Stiftsbibliotbek, der Grund und Schmuck
des Münzkabinets mit seinen Bracteaten, der Kupferstich-
sammlung von fast 20,000 Nummern, der Antikensamm-
lung, desMineralienkabinets, der Gemäldesammlung stammt
von ihm. Es war ihm dabei nicht um eitles Gepränge zu
thun, sondern er wollte den Grund zu einer wissenschaft-
lichen Bildung seines Hauses legen, was ihm auch gelang,
wie die Promotion so vieler Conventualen, die Pflege
wissenschaftlicher, namentlich historischerForschung, welche
seit dieser Zeit im Stifte blüht, wie seine eigene wissen-
schaftliche Thätigkeit zeigt im Chronicon Gottvicense,
welches, eine Goldgrube diplomatischen, historischen und
geographischen Wissens, für alle Folgezeit seinem Ver-
fasser eine ehrenvolle Stelle unter den grössten Gelehrten
Deutschlands sichert.
Im Jahre 1746, 19. Juni, feierte er sein Priester-
jubiläum, wobei ihn beide Majestäten mit ihrer Gegenwart
auszeichneten. Im Jahre 1749 am 22. Januar starb dieser
grösste und gelehrte Abt des Stiftes.
51. Odilo Piazel (1749—1768), in Wien am 2. August
1692 geboren, legte 1712 in Göttweig die feierlichen Ge-
lübde ab Tmd feierte am 9. August 1716 seine Primiz.
Nach dem Brande des Stiftes nach St. Peter in Salzburg
geschickt, benützte er dort die Gelegenheit, sich in den
Wissenschaften auszubilden, so dass er zuerst auf der
Universität Salzburg, dann im Stifte das kanonische Recht
lehrte. Hierauf auf Stiftspfarren und Verwaltungen ver-
wendet, wurde er nach Bessels Tode zu dessen Nachfolger
gewählt. Von seiner Thätigkeit im Stifte geben noch
Zeugnis die prachtvolle Fa9ade der Kirche mit zwei
Thürmen, die schönen Chorstühle, zahlreiche Ornate. Er
erwarb dem Stifte die Herrschaft Wolfsberg und hob das-
selbe zu einem bis dahin unbekannten Wohlstande. Er
starb am 19. Januar 1768.
52. Magnus Klein (1768 — 1783) war zu Wasserburg in
Kärnten am 1. Mai 1717 geboren, studirte in Klagenfurt
und Graz und legte 1739 die feierlichen Gelübde in Gött-
weig ab. Vom Abte Bessel wurde er seiner Gelehrsamkeit
-wegen zum Secretär und später zum Kämmerer ernannt
— 145 -^
und zu den schwierigsten Geschäften verwendet. Unter
dem Al)te Odilo war er Hofineister im Göttweiger Hof zu
Wien. Nach seines Vorgängers Tode wurde er 1769 am
14. April zum Ahte gewählt. Als Schüler Bessels arbeitete
er in dessen Sinne weiter. Dem noch unvollendeten Stifts-
gehäude fügte er einen neuen Trakt gegen Süden hinzu,
er verschönerte die Stiftskirche mit prächtigen Altären aus
Marmor, die er mit Gemälden aus Schmidts Meisterhand
schmückte. Er erwarb den silbernen Tabernakel in der
Krypta, einen schönen Ornat und viele heilige Gefässe.
Auch als Gelehrter bewährte er sich als würdiger Schüler
Bessels durch die Fortsetzung des Chronicon in der Notitia
Austriae, noch mehr aber durch die staunenerregenden
Sammlungen von Quellen für eine Germania sacra. Er
galt auch in der öffentlichen Meinung als einer der grössten
Gelehrten seiner Zeit und die Kaiserin Maria Theresia be-
diente sich öfters seines Rathes. In den letzten Jahren
seines Lebens war er nicht von Kummer frei, da er sechs
neue Pfarrhöfe und eben so viele Schulen und zwei neue
Kirchen zu bauen beauftragt ward, was den Wohlstand des
Stiftes sehr herabminderte. Er starb am 25. November 1783.
53. Änselm Feldhorn (1784—1798), zu Pottenbrunn
geboren, legte 1760 die feierlichen Ordensgelübde ab und
studirte in Wien Theologie, wo er sich das Baccalaureat
erwarb. Im Jahre 1763 feierte er seine Primiz. Er ward
dann Professor der Theologie im Stifte, musste aber krank-
heitshalber die Lehrkanzel bald aufgeben. Vor seiner Wahl
war er Pfarrer in Mauer. Als Abt hatte er keine geringe
Aufgabe. Die neu errichteten Pfarren mussten eingerichtet,
dotirt und mit Priestern besetzt werden. Um sich hierzu
die Möglichkeit zu schaffen, entfernte er die Mitbrüder
von den Verwaltungen der Stiftsgüter, die er Laien über-
liess, welchen er unbedingtes Vertrauen schenkte; Zehnten
und Leistungen verpachtete er auf lange Jahre und um
sehr geringen Zins, welche Massregeln dem Stifte zum
grössten Schaden ausschlugen. Da selbst nach Auflassung
der theologischen Hausstudien die Zahl der Priester nich-
ausreichte, musste er für einzelne Seelsorgestationen Ment
dikanten aufnehmen. Als Verordneter der Stände genoss
er bedeutendes Ansehen. Er starb in Wien am 6. Mai
1798 und ward nach Göttweig überführt.
Ein Benediktinerbuch. 10
— 146 —
54. Leonard Gründherger (1798 — 1812) war zu Melk
1753 geboren, legte im Jahre 1773 die feierlichen Gelübde
zuGöttweig ab und feierte 1776 seine erste heilige Messe.
Er ward dann Professor der Theologie im Stifte, später
Prior, Pfarrer in Grünau und die letzten zwei Jahre vor
seiner Wahl Stiftsökonom. Er übernahm das Stift in ziem-
lich herabgesunkenem Zustande, aber durch praktische
Begelung des Stiftshaushaltes, durch Steuerung der Ueber-
griffe der weltlichen Verwalter war es ihm möglich, in
den ersteren Jahren nicht blos die ausgiebigen Lasten für
Pfarrhöfe, Kirchen und Schulen zu tragen, sondern er
konnte auch noch ein kleineres Besitzthum in Sallingberg
erwerben. Zugleich führte er wieder das theologische Haus-
studium ein. Da kamen die Kriege mit den Franzosen,
welche zu wiederholten Malen das Stift in horrender Weise
brandschatzten (die Schädigungen des Stiftes im Jahre 1809
beliefen sich auf die Summe von 641,560 /.), so dass das-
selbe in eine ungeheure Schuldenlast fiel. Dazu kam noch
das bei diesen Wirren und der zunehmenden Schwäche
des Abtes unbehinderte Walten der Gutsverwalter. Dieses
wirkte auf den herzensguten Abt schmerzlich ein und be-
schleunigte seinen Tod, der am 16. Januar 1812 erfolgte.
Der Abt Leonard war auch schriftstellerisch thätig durch
Herausgabe von Katechesen und Predigten.
55. Ältmann Arigler (1812 — 1846), zu Eörchdorf in
Oberösterreich am 6. November 1768 geboren, studirte zu
Linz, legte 1792 zu Göttweig die feierlichen Gelübde ab
und wurde 1793 zum Priester geweiht. Noch im selben
Jahre kam er als Professor der Theologie nach Linz und
blieb dort bis zur Besuscitation der theologischen Haus-
studien in Göttweig.. Doch schon 1806 wurde er als Pro-
fessor an die Wiener Universität berufen, wo er 1810 die
Doctorwürde erhielt. Am 2. September 1812 wurde er
zum Abte gewählt und dadurch dem Lehrfache entrissen ;
dessenungeachtet blieb er stets der anhänglichste Freund
der Wissenschaft und der eifrigste Förderer derselben in
und ausser seinem Stifte. Er selbst schrieb mehrere Werke,
von welchen die biblische Hermeneutik im Drucke erschien.
Im Stifte tilgte er, durch weise Sparsamkeit in den Stand
gesetzt, nach und nach die ungeheure Schuldenlast, die
er von seinem Vorgänger übernommen hatte. Die Ver-
— 147 --
dienste, die er sich als Verordneter tun das Vaterland, als
Abt um Eeligion und Wissenschaft und um sein Stift er-
worben, "vmrden vom Kaiser Ferdinand durch Verleihung
des Ritterkreuzes des Leopoldsordens bei Gelegenheit seines
Priesterjubiläums am 20. Juni 1843 anerkannt. Die dank-
baren Stiffcsglieder verehrten ihm eine Medaille, welche
eigens zu dieser Gelegenheit geprägt wurde. Er starb am
5. Juni 1846.
56. Engelbert Sehioerdfeger (1846—1872), zu Paudorf
in Niederösterreich am 9. October 1791 geboren, studirte
zu Krems, trat 1812 in Göttweig ein, legte die feierlichen
Gelübde 1816 ab und wurde in demselben Jahre zum Priester
geweiht. Zunächst als Cooperator von Mautern, dann als
Pfarrer in Purk und Kottes in der Seelsorge und Ver-
waltung thätig, ward er am 23. September 1846 zum Abte
gewählt. Er war voll Liebe gegen seine Mitbrüder, und
wenn auch nicht selbst wissenschaftlich thätig, suchte er
wissenschaftliches Streben auf alle Weise zu fördern. Unter
ihm lebten die beiden Historiker, der Akademiker Fried-
rich Blumberger und Wilhelm Karlin, der Herausgeber
des Göttweiger Saalbuches. Der Abt war nicht im Stande,
den günstigen wirthschaftlichen Stand des Stiftes, welchen
er übernommen, gegen die Beschädigungen durch die Um-
wälzungen der Ablösung der Naturalleistungen und hei
den gesteigerten Anforderungen der vielen Pfarren und
Schulen auch aufrecht zu erhalten. Er selbst war fromm
und eifrig bedacht, den äusseren Gottesdienst zu schmücken
durch Restaurirung der Stiftskirche und Anschaffang neuer
Ornamente; er war mildthätig gegen Arme über seine
Kräfte hinaus und ein warmer Patriot, was der Kaiser
Franz Josef I. durch Verleihung des Ritterkreuzes des
eisernen Kronenordens III. Klasse 1860 und des Comthur-
kreuzes des Franz- Josefsordens 1871 bei Gelegenheit
seines 25jährigen Abtjubiläums anerkannte, bei welchem
Anlass ihm auch die Mitbrüder ihre dankbare Liebe durch
Üeberreichung eines prachtvollen silbernen Pastoralstabes
ausdrückten. Er starb am 23. December 1872.
57. Budolph Gusenhauer (1874 bis dato), zu Thallern
in Mederösterreich am 28. Januar 1827 geboren, studirte
in Krems, trat 1845 in Göttweig ein, legte 1849 die feier-
hchen Gelübde ab und feierte 1850 seine Primiz, Er be-
10*
— 148 —
kleidete vor seiner Wahl folgende Stellen im Stifte : eines
Curaten und Katecheten, war Professor der Moraltheologie
und zugleich Bibliothekar, Subprior, Director der Kleriker
und Novizenmeister, Sakristeidirector und zuletzt Prior
und Pfarrer an der Stiftskirche. Gewählt zum Abte wurde
er am 14. Januar 1874 und am folgenden Tage benedicirt,
nachdem in dem Interregnum die schon längere Zeit be-
absichtigte Trennung der Abtei Szalavar in Ungarn von
Göttweig durchgeführt worden war.
Wie sich schon aus dieser historischen Uebersicht er-
giebt, war die Hauptthätigkeit der StiftsmitgHeder auf die
Ausübung der Seelsorge gerichtet. Von den sechs Pfarren,
welche das Stift vom seligen Gründer Altmann erhalten
hatte, war Petronell weggefallen, und zu den restirenden
neue theils durch Ausscheidung aus den älteren, theils
durch Erwerbung hinzugekommen, so dass der gegen-
wärtige Stand sich folgenderweise darstellt: In derDiöcese
St. Polten 23 Pfarren mit einer Seelenzahl von 27,817,
und in der Erzdiöcese Wien acht Pfarren mit einer Seelen-
zahl von 8677, daher in Summa 31 Pfarren mit 36,494
Seelen. In allen diesen Pfarren hatte das Stift zugleich
für den Schulunterricht der Kinder durch Herstellung
der Schulgebäude und Dotirung der Lehrer Sorge zu
tragen.
An die Seelsorge reiht sich die Erziehung der Jugend.
Schon unter dem ersten Abte Hartmann war in Göttweig
eine Klosterschule gegründet, deren Ruhm bald über die
engen Grenzen des Vaterlandes hinausging, imd wenn
auch derselbe im Laufe der Zeit wieder herabsank — die
Schule bestand fort und wurden hierher Kinder aus den
adeligen Familien der Umgebung zum Unterrichte gegeben,
wie viele urkundliche Belege beweisen, bis sie endlich
zur Zeit der Reformation von selbst erlosch, um später in
anderer Form wieder aufzutauchen.
Gross war von jeher die Pflege der Musik im Stifte.
Mehrere Mitglieder von hervorragendem Talente wurden
nach Wien gesendet, um sich dort künstlerisch und wissen-
schaftlich auszubilden, was nach den vorhandenen Compo-
sitionen auch der Fall war. Für den Gesang wurden
Knaben in das Stift aufgenommen und daselbst ausser der
Musik noch in den Gymnasialgegenständen unterrichtet,
— 149 —
-was bis heute nocL. der Fall ist. Ausserdem besteht fast
seit 200 Jahren die theologische Hauslehranstalt.
Mit dem Unterrichte gehen die wissenschaftlichen Be-
strebungen Hand in Hand. Wir haben deren schon bei
den Aebten erwähnt; aUe mit ihren Leistungen aufzuzählen
würde viel zu weit führen. Erwähnen wollen wir nur,
dass die Bibliothek ausser 60,000 Bänden und 1111 Stück
Inkunabeln, worunter grosse Seltenheiten, ebenfalls 1111
Codices manuscripti enthält, von welchen 70 bis zum Be-
ginn des 18. Jahrhunderts nachweisbar in Göttweig ge-
schrieben worden sind.
TJnaufzählbar ist, was Göttweig, dessen Besitzungen
über alle vier Viertel Niederösterreichs ausgebreitet waren,
für seine Unterthanen, für die Hebung der Landwirthschaft
that. Den Beweis seiner wahrhaft culturellen Mission hat
es in eclatanter Weise noch im letzten Jahrhundert ge-
geben an der ungarischen Abtei Szalavar. Diese von Kaiser
Karl VI. dem Abte Godfried verliehene Abtei war in einem
schrecklichen Zustande, sämmtliche Gebäude verfallen und
unbrauchbar, die Güter von Fremden usurpirt, das Jahres-
erträgnis kaum 300 /. erreichend. Der erste Abt, welchen
Bessel hierfür ernannte, ergriff bald die Flucht, um nicht
verhungern zu müssen. Da nahm mit kaiserlicher Bewil-
liguDg Göttweig sich selbst der Abtei an, schickte tüchtige
Kräfte als Administratoren hinab, gab ihnen die nothwen-
digen Geldmittel und Hess sie neue Gebäude an einem
gesunden Orte in Zala-apathi aufführen, brachte in lang-
wierigen Prozessen den grössten Theil der früheren Be-
sitzungen wieder in das Eigenthum dieses Stiftes zurück,
bevölkerte diese verödeten Flächen mit seinen eigenen
Unterthanen, die es aus Niederösterreich hinabschickte und
für deren Unterkunft es mehr als 200 Häuser bauen musste.
Durch diese und ähnliche Einrichtungen brachte es Gött-
weig dahin, dass diese Bruderabtei in wirthschaftlicher
Beziehung als Muster dastand.
Der gegenwärtige Stand der Stiffcsmitglieder ist 66,
■wovon 64 Priester, ein Kleriker imd ein Novize. Von den
Priestern sind 46 ausserhalb des Stiftes in der Seelsorge
angestellt, hiervon 41 auf Stiftspfarren und fünf auf fremden
Pfarren, ein Mitglied ist Professor der Theologie in Hei-
ligenkreuz. Die Seelsorge im Stifte leiten sechs Mitglieder,
— 150 —
■welche sich, aber zugleich mit dem Musikdirector in den
Unterricht der Sängerknaben theilen. Sieben Mitglieder
sind bei den Yerscluedenen Zweigen der Verwaltung be-
schäftigt, von den übrigen erfordert die Bibliothek und
die Leitung der Kleriker je einen Mann, die anderen sind
durch Alter (der Senior ist geboren 1793) oder Krankheit
arbeitsunfähig. Adalbeet Düngel.
Das Stift Gottweih.*)
Was glüht auf dem Berge im Abendschein,
Was sind das für Erker und Thürmelein,
Was liegt, wie ein Kranz auf den Locken der Braut,
Dies vHaus, das von waldiger Höhe schaut?
Was wogen für Töne aus ehernem Mund
Herab in den lieblichen Thaiesgrund?
He! Schiffer, so rudert nicht gar so schnell,
Was sind das für Glocken, so klar und hell?
So fraget der Pilger, der die Donau befährt,
Das Haus dünkt ihm wohl einer Frage werth.
Das Haus da droben ist Gott geweiht,
Wie Ihr aus dem Namen Gottweih erkennet;
Es ist gebauet vor langer Zeit
Vom Passauer Bischof, Altmann genennet.
Die Glocke, die herniederschallet,
Die rufet zur Hora, sie ruft zum Gebet,
In dem der Geist zum Himmel wallet,
Vom Hauche Gottes angeweht.
Da droben hat Mancher in stürmischer Zeit
Den heüigen Frieden gesucht und gefunden,
Indem er sein Leben dem Herrn geweiht.
Zum Opferkranz seine Tage gewunden.
Da, kann sich der Geist wie auf blumiger Trift
Und wie beim sprudelnden Quelle laben,
Er wandelt dann freudig auf Fluren der Schrift,
Und darf keine fremden Brunnen graben.
Es strömten die Kunst und die Wissenschaft
Hier manchmal in verborgenen Quellen,
*) Aus „Der Babenberger Ehrenpreis". Ton. Sebastian Brnnner.
Eegensburg. 3. Aufl. 1873.
— 151 —
Wenn sich in den Tagen der rohen Kraft
Ihr klarer Brunnen musste verhehlen.
Da finden sich Bücher gar werthvoll und alt,
Wobei mancher Bruder sich jahrelang mühte,
Es sind die Ränder mit Blumen bemalt,
Die Schrift fliesset hin, wie durch Maienblüthe.
So rann auch das Leben der Brüder dahin,
Es war in Gebet und in Arbeit vertheilet,
Es ist wie ein Bächlein durchs üppige Grün
Gesegneter Jahre zum Schöpfer geeilet.
Brüder, die Ihr dort oben weilt,
Zu Füssen liegt Euch das Bild unsrer Stunden:
Es ist der Strom, der vorübereilt,
Bis er zum Meere sich hingewunden.
Und Alles verrinnet, nur Eines besteht.
Was reine Gesinnung für Gott hat geübet.
Ewig ist Gott und die Welt vergeht;
Das Ewige war es, was Ihr geliebet!
Im Aether droben, so blau und so rein,
Sah ich einen Vogel, der muthig schiffte,
Er tauchte im Takt seine Rüderlein
Binauf und hinab in den Wellen, der Lüfte.
Er segelt nach Süden ins wärmere Land,
Dort \nrd ihm ein fröhlicher Leben,
Es ist ihm ein zu leichtes Gewand
Im herben Frost unsrer Winter gegeben.
So soll auch der Geist in das warme Gebiet
Des himmlischen Lebens hinüberwallen,
Dass ihm ein seliges Morgenroth glüht.
Wenn seine Bande des Staubes zerfallen.
Wenn nun auch Altmanus dies Haus hat erbaut,
So melden wir's doch zu der Babenberg Ehre,
Denn Ernest, der hat es mit Freuden geschaut,
Als ob er selber der Stifter wäre.
Wir halten auch Jenen als gross in Acht,
Der unberührt von Neideswehen
Das anerkennt, was Andre vollbracht.
Und freudig das Grosse Andrer mag sehen!
Muri-Grries bei Bozen.
as in herrliclier Gegend nicM weit von Bozen ent-
legene Kloster Gries war ursprünglicli kein Bene-
diktiner- Ordensh ans, sondern ein Stift für regulirte
Augustiner-Cliorlierren, und noch früher, wie schon
eine flüchtige Besichtigung des Baues, besonders die zwei
Thürme und der theilweise jetzt in einen Garten umgewan-
delte Graben deutlich zeigen, ein Schloss. Indessen bestand
dennoch, lange bevor die Burg in ein geistliches Haus um-
gestaltet wurde, ein Augustiner-Stift in der südlicher ge-
legenen Aue, welches von dem Grafen Arnold von Mareith
und Greifenstein (die Ruine Greifenstein, gewöhnlich das
Sauschloss genannt und etwa zwei Stunden entfernt, von
der Strasse nach Meran aus sichtbar) und seiner Gemahlin
Mathilde von Valley um 1160 erbaut worden ist. Es hiess
das Kloster der seligsten Jungfrau in der Au und hatte
die mächtigen Grafen von Eppau, Vetter der Greifenstein,
zu Schirmvögten. Der erste Probst war von Klostemeu-
burg bei Wien gekommen. Päbstliche und kaiserliche
Urkunden bestätigten die Stiftung und nahmen sie in
Schutz. Dieses ursprüngliche Kloster, welches vordem an-
sehnliche Besitzungen hatte und dem auch einige Pfarreien
einverleibt wurden, wie 1321 Senale auf dem Nonsberge,
früher ein Hospital, dann 1328 das hoch oberhalb Gries
so schön gelegene Jenesien und endlich 1398 Marling im
Burggrafenamte bei Meran, musste jedoch am Anfange
des 15. Jahrhunderts von seinen Bewohnern verlassen
werden. Die beiden wilden Gebirgswasser, nämlich der
vom Brenner herabkommende Eisack und die aus dem
Sarnthale hervorströmende Talfer, richteten in jeher Gegend
vor ihrem Einflüsse in die Etsch arge Verheerungen an,
Hessen sich auch durch Dämme und Schutzmauern nicht
hemmen und führten allmählich den gänzlichen Untergang
des Gotteshauses herbei, welches so spurlos verschwand,
dass man die Stelle, an der es gestanden, nicht mehr
genau zu bestimmen weiss. In jener bedrängten Lage nun
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— 153 —
•wendeten sich die Chorherren an den Landesfürsten , den
Herzog Leopold von Oesterreich, und nicht vergebens.
Er üherliess ihnen im Jahre 1406 im Eiavemehmen mit
seinen Brüdern seine Burg Peadei zu Gries.
„Wir haben," heisst es in der hierüber von ihm am
Tage Petri Stuhlfeier zu Iimsbruck ausgestellten Urkunde,
dem Probste Christoph, dem Capitel und allen ihren
Nachkommen „unser haus und veste zu Gries und darzue
den graben, so darumb geht, mit den Garten, so daran
stosst und mit der Mühle imd den Mühlbach und auch
der öden Hofstatt, dabey gelegen und allen Ereyheiten,
Zinsen undKechten, so von alter dazu gehört haben, ge-
geben und geeignet — ausgenommen unser Landsgericht&
und des Stals daselbs zu Gries mit allen Leuten" u. s. w-
Mcht ohne grosse Kosten wurde dann von den Chorherren
eine Kirche hinzugebaut und dem neuen Stifte wegen seines
zwischen zwei festen Thürmen gelegenen Thores der Name-
„Kloster der seligsten Jimgfrau Maria zur geschlossenen
Pforte" gegeben.
Pabst Martin V. bestätigte im Jahre 1433 die Trans-
lation aus der Aue nach Gries, sowie die Incorporirung
der bisher freisingischen Pfarrei an das Stift und gestattete,
dass die Verwaltung derselben von einem Conventualen.
übernommen werde. Seit der Uebersiedelung hatten die
Pröbste auch den Gebrauch der Inful erhalten; erst 1728
erhielten sie imter Pabst Benedikt XIII. den Titel Abba&
Lateranensis. Zu dieser Zeit war Franz Josef Schalter
Probst, welcher 54 Jahre dem Stifte vorstand. Sein Nach-
folger, Albert Martin Prack, legte 1768 den Grundstein
zur gegenwärtigen Stiftskirche, deren Bau erst 1788 nach
seinem Tode vollendet wurde. Daher die Inschriften über-
den Seitenthüren beim Hochaltar in Chronostichen: Albertus
Prack praepositus fundamenta jecit, und: Capitulum sub
Ignatio Decano extruebat opus. Im letztgenannten Jahre
erfolgte auch die feierliche Einweihung des prachtvollen
Gotteshauses, dessen Baumeister Sartori von Sacco "war,
während der berühmte Tyroler Künstler Martin Knoller
von Steinach die Deckengemälde und die Altarbilder her-
stellte. Der Bau hatte grosse Summen verschlungen, wes-
halb einige Jahre bis zur besseren Gestaltimg der finan-
ziellen Verhältnisse die Wahl eines neuen Prälaten unter-
— 154 —
TDleiben musste, die dann 1792 auf Augustin Nagele fiel.
Das Augustinerstift als solches bestand indessen nur mehr
bis zum Jahre 1807, in -welchem es während der Besetzung
Tyrols durch Bayern und Franzosen zuerst von der bayerischen
Regierung unter Administration gestellt und dann nach
-erfolgter Landestheilung von der französisch-italienischen
Hegierung förmlich aufgehoben wurde. Als Tyrol wiederum
österreichisch wurde, lebte das Augustinerstift, dessen
letzter Probst 1815 als der zweiundfünfzigste in der Reihen-
folge gestorben war, nicht wieder auf, seine Güter, inso-
weit sie noch vorhanden waren, blieben unter staatlicher
Terwaltung bis zum Jahre 1845, in welchem es durch
■Seine Majestät den Kaiser Ferdinand im Einvernehmen
mit dem heiligen apostolischen Stuhle den aus dem Kloster
Muri im Schweizerkantone Aargau vertriebenen Benedik-
tinermönchen übergeben wurde.
Muri war nämlich eine uralte, seit dem Jahre 1027
bestehende habsburgische Stiftung und zählte während
seines 8] 4jährigen Bestandes 46 Aebte, unter denen viele
durch grosse Frömmigkeit und Gelehrsamkeit ausgezeich-
aaete Männer waren, weshalb auch Kaiser Leopold I, den
Abt Placidus von Zurlauben und seine Nachfolger im
Jahre 1701 zu Fürsten des heiligen römischen Reiches
«rhob. Musste auch Muri im Laufe der Jahrhunderte
manchen Sturm über sich ergehen sehen ujid durch Feuers-
Ijrünste, Kriege und sonstige Unfälle grossen Schaden
leiden, so hat es sich doch immer nicht blos behauptet,
sondern auch nach Aussen hin sehr wohlthätig gewirkt,
T3esonders im Zeitalter der Reformation und noch mehr
nach derselben. Durch weise Verwaltung hatte es sich
■einen ansehnlichen Besitz erworben, der wieder zur Ehre
<Tottes, zur Förderung der Wissenschaften, zum Wohle
■des Vaterlandes und zur Unterstützung der Armen ver-
wendet wurde. Namentlich erfreute es sich einer sehr
besuchten Schule, aus welcher viele angesehene Männer
hervorgingen. Nicht Mangel an leiblichen oder geistigen
Kräften und noch weniger ein Verbrechen haben darum
dem herrlichen Stifte, das auch die Wogen der franzö-
sischen Revolution mit ihren Folgen und die Säcularisation
nicht zu Grunde richteten, den Untergang bereitet, sondern
blos die Habgier der Feinde und der Hass gegen den
— 155 —
katholisclien Glauben. Es ist ja allbekannt, wie in den
dreissiger Jabren nnseres Jabrbunderts in der Schweiz und
hauptsäcblich im Eanton Aargau der Elampf gegen Mrcb-
liche Institute und besonders gegen die Blöster zuerst
heimlich, dann öffentlich geführt, die Aufnahme von Novizen
untersagt, die Verwaltung der Kirchen- und Klostergüter
von der Kantonsregierung anmassend übernommen und zu-
letzt die gänzliche Unterdrückung beschlossen wiirde. An
Widerstand gegen die Gewalt war nicht zu denken, und
so mussten denn die Benediktiner von Muri, während ihr
Kloster von Militär umstellt war, am 27. Januar 1841
unter heftigem Schneegestöber ihr Eigenthum verlassen
und sich zerstreuen, bis es ihnen gelang, sich zuerst theil-
weise in Samen im Kanton Obwalden, wo ihnen die
dortige Regierung ein CoUegium und die Schule überliess,
zu sammeln und endlich wieder eine bleibende Stätte in
Gries durch kaiserliche Gunst zu finden.
Am 24. Juni 1845 kam Abt Adalbert ßegli, erwählt
in Muri am 5. December 1838, mit einigen seiner Conven-
tualen in der neuen Heimat an. Gross war die Arbeit der
ersten Jahre, bis allmählich das so lange verwahrloste
Haus wieder in einen geeigneten Zustand versetzt und eine
geregelte Bewirthschaftung der damals noch verpachteten
Grundstücke hergestellt war. Gottes Segen war sichtbar
mit dem Wirken des edlen Vaters, der bald jüngere Kräfte
um sich vereinigte, um mit deren Beihülfe und unterstützt
von seinen Ordensbrüdern von Muri, die alle ihrem Berufe
treu blieben, den verschiedenen Obliegenheiten nachkommen
zu können. Während seiner 34jährigen Regierung in Gries,
das als Priorat zur Abtei Muri hinzukam, hat das Stift
einen grossen Aufschwung genommen, denn es legten
während dieser Zeit 66 Novizen die heiligen Ordensgelübde
als Benediktiner von Muri-Gries ab, und obschon etwa ein
halbes Hundert von den alten und neueingetretenen Mit-
gliedern seitdem schon das Zeitliche gesegnet hat, zählt
das Kloster dennoch nahe an GOProfessen. Ihr Wirkungs-
treis ist ziemlich weit ausgedehnt, indem sie ausser ihren
Ordenspflichten nicht blos den Gottesdienst und die Seel-
sorge in Gries, sondern auch einige auswärtige Pfarreien
yind ein Gymnasium zu versehen haben. Das CoUegium
in Samen nämlich, welches sich seit der Uebemahme aus
— 156 —
einer einfaclieii Lateinschule zu einem Gymnasium nebst
Eealschule erweitert hat, wurde beibehalten und dazu ein
Convikt oder eine Erziehungsanstalt mit ungefähr 100 Zög-
lingen gebaut. Es sind daselbst 11 Conventualen als Lehrer
und Erzieher thätig. 12 Priester sind exponirt und auf den
zum Kloster gehörigen Pfarreien und Curatien thätig. Drei
weitere Ordenspriester wirken als Seelsorger in der Schweiz.
Die übrigen arbeiten im Stifte, obliegen den Studien der
Wissenschaften und versehen die verschiedenen Seelsorgs-
und Verwaltungsämter. Die Pfarrgemeinde Gries zählt
über 2000 Seelen, eine Knabenschule und eine von Ter-
tiarierinnen aus dem Orden des heiligen Franziskus ge-
leitete Mädchenschule, Dazu kommen im Winter noch
Viele, welche in dem etwas milderen Klima einen ange-
nehmeren Aufenthalt statt des rauhen Norden suchen. Die
Pfarrei Jenesien mit drei Priestern, einer Knabenschule
und einer ebenfalls von Tertiarierinnen geleiteten Mädchen-
schule zählt gegen 900 Seelen. Zu dieser Pfarrei gehört
die Curatie Afing mit zwei Priestern, einer Schule und
gegen 600 Seelen, und die Expositur Glaning mit einem
Priester, einer Schule und etwa 350 Seelen. Die Pfarrei
Marling, welcher drei Ordensgeistliche vorstehen, hat über
1600 Seelen nebst Knaben- und Mädchenschule, an welcher
barmherzige Schwestern wirken. Die Pfarrei Senale end-
lich oder Unsere liebe Frau im Walde, einer der letzten
deutschen Vorposten gegen das Italienische mit einem be-
rühmten Wallfahrtsorte, hat zwei Ordenspriester, eine
Schule und etwa 400 Seelen.
Machen wir zum Schlüsse noch der sehr geräumigen
Stiftskirche in Gries einen Besuch, so fallen uns alsbald
Knollers grosse Deckengemälde auf. Der Hintergrund über
der Orgel stellt die Bekehrung des heiligen Augustin dar,
als er das Wort vernahm: „Nimm und lies." Das Gewölbe
zeigt die Wirksamkeit des Heiligen als Bischof und Kirchen-
vater, die Vertheidigung des heiligen katholischen Glaubens
\md die Bekämpfung der Irrlehrer seiner Zeit. Die Kuppel
bringt uns die verschiedenen religiösen Orden imd Con-
gregationen zur Anschauung, welche nach der Kegel des
Heüigen leben. Das Hochaltarbild stellt uns den Heiligen
in Betrachtung des Geheimnisses der heiligsten Dreieinig-
keit vor und erinnert uns an sein Wort: „Unruhig ist
— 157 —
unser Herz, bis dass es in Gott ruht." In den übrigen
Gemälden der Seitenaltäre sehen wir die Hauptgeheimnisse
der christlichen Religion vor Augen gestellt. In der Sakristei
endlich begegnet uns das von ihm selbst verfertigte Por-
trät des Künstlers. In der mittleren Seitenkapelle vom
Eingange rechts findet man in die Mauer eingesenkt das
Grabmonument der ersten Stifterin, ■welches aus der alten
Eirche in der Aue hierher übersetzt wurde. Nicht "weit
von der Hauptkirche entfernt, mitten im Friedhofe, steht
eine alte Nebenkirche, welche sich durch ihre gothische
Bauart leicht bemerkbar macht. In der geräumigen Seiten-
kapelle derselben steht ein prächtiger, geschnitzter Altar
von dem Meister Bacher aus dem 15. Jahrhundert. Diese
Kirche war zur Zeit der Occupation geschlossen und zu
profanen Zwecken verwendet worden. Der eifrige Pfarrer
Leodegar Kretz 0. S. B. bemühte sich für deren Wieder-
herstellung und hatte die Freude, sie dem Dienste Gottes
zurückgegeben zu sehen. Zum Pfarrbezirke Gries gehören
auch noch andere kleinere Kirchen, wovon wir die neu
restaurirte St. Georgskirche auf dem Mittelgebirge, zu der
auch eine Schule gehört, besonders hervorheben. Ein
Flügelaltar mit Gemälden von der Hand des Künstlers
V. Felsburg ziert dies Kirchlein, von welchem aus sich
ein herrliches Panorama darbietet. Bald wird der Kunst-
freund von St. Georg aus noch höher steigen bis Jenesien,
wo gegenwärtig Meister Plattner in der Kirche einen Cyclus
von herrlichen Frescobildem herstellt, welche den ambro-
sianischen Lobgesang Te Deum laudamus zur Grundlage
•'^^^®^- De. Bebnabd M. Lieeheimee.
Eiremsmünster.
itten im lieblicheii, fruchtbaren Eremstliale erhebt
sich auf einer anmuthigen Höhe die Abtei Erems-
münster (Cremifanum)*), ein weites Gebiet von den
blauenBergendernorischenAlpenbisandashundert-
gipfelige Bergland jenseits der Donau beherrschend. Mehr
als elfhundert Jahre steht diese ehrwürdige Abtei schon da
oben. Vor mehreren Jahren beging sie ihre elfte Säcularfeier,
und aus der weiten Welt eilten wie Kinder zur jubelnden
Mutter: Theologen, Mediciner, Juristen, ja hervorragende
Staatsmänner, die einst in Kremsmünster studirten, erlauchte
Kirchenfürsten und Minister, sie wetteiferten mit einander,
dieses Jubelfest in würdiger Weise zu begehen, um laut und
öffentlich Zeugnis abzulegen, dass Kremsmünster der Absicht
seines Stifters treu geblieben und durch elf Jahrhunderte ein
Lichtpunkt geworden ist, von welchem die Segnungen des
Christenthums , höhere Cultur und Bildung auf Land und
Leute in weitem Umkreise ausströmten. Es folgt nun eine
historische Skizze dieser berühmten Abtei:
I. Gründung und ScMcJcsale des Stiftes Kremsmünster.
Der letzte Agilolfinger ThassUo II. ist der Gründer des
Stiftes Kremsmünster.**) Im Jahre 777 übergab er dasselbe
zwölf Benediktinern aus Niederaltaich in Bayern unter dem
Abt Fatericus, Nach der interessanten Stiftungsurkunde,
der ältesten und einzig vorhandenen aus jener Zeit, stattete
der freigebige Bojarenherzog diese seine Lieblingsstiftung
reichlich aus und machte sie zu einem förmlichen Fürsten-
thume im einstigen Traungau. Aber auch im Donaugau
*) Kremsmünster ist mit der Welt durch den Telegraphen iind mit
der Landeshauptstadt Linz durch eine Vicinal-Eisenhahn, welche in
kürzester Frist fertig sein ■wird, direct verbunden.
**) Nach der uralten Legende soll der Tod Günthers, eines angeb-
lichen Sohnes Thassilos, die nächste Veranlassung zur Stiftung Krems-
münsters gegeben haben, Günther hatte nämlich mit seinem Vater in
dieser Gegend gejagt und war durch einen Eber tödtlich verwundet worden.
Illl'lll si
I ! ! I:
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ilillJIIIIÜ!
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— 159 —
und in dem dermalen noch Ungewissen Grunzwitigau er-
theilte er ihr ausgedehnte Besitzungen,
Pabst Hadrian I. hatte diese neue Benediktiner-Colonie
bestätigt und durch Uebersendung der Reliquien des hei-
ligen Märtyrers Agapitus von Präneste dem Stifte ein.
kostbares Geschenk gemacht um das Jahr 781. Als Karl
der Grosse Landesherr wurde, bestätigte er (791) zu "Worms
auf Bitten des Abtes Fatericus und erweiterte (802) zu
Aachen die Stiftung Thassilos, welcher um das Jahr 794
am 11. December in einem Kloster im Rufe der Heiligkeit
gestorben war. Ludwig der Fromme, Karlmann und Arnulf
gaben mit königlicher Grossmuth dem Stifte Liegenschaften
in Niederösterreich, Bayern und Oberösterreich, darunter
Wels mit allen Kirchen, Gebäuden und Ländereien, so dass
das Sfciftsgebiet gegen Ende des 9. Jahrhunderts in un-
unterbrochenem Zusammenhange von den südlichen Alpen
bis an die nördliche Donau in einer Länge von beinahe
15 Stunden sich ausdehnte und demnach den beträcht-
lichsten Theil des gegenwärtigen Traunkreises in sich fasste.
Das Stift nahm den ersten Rang unter den Earchen der
ausgedehnten Diöcese Passau ein und seine Aebte sollen
sogar in Abwesenheit des Bischofs vikarirt haben.
Doch nur zu bald kamen schlimme Zeiten. Die mit
dem Jahre 900 begonnenen und zu wiederholten Malen
fortgesetzten Einfälle der Hunivaren oder Ungarn zerstörten
nicht blos das Kloster, sondern tödteten und zerstreuten
auch seine Bewohner, so dass Kremsmünster lange Zeit
wüst und öde war. Als nach gänzlicher Besiegung der
Ungarn auf dem Lechfelde bei Augsburg am 10. August
955 mit dem Frieden auch die flüchtigen Benediktiner
nach Kremsmünster zurückkehrten, bauten sie das Stift
wieder auf. Aber sie fanden die ursprünglichen Besitzungen
in den mächtigen Händen der Markgrafen von Traungau,
der Grafen von Wels-Lambach und der Bischöfe von Passau,
welche als Pro-Aebte bis zum Jahre 1007 das Stift inne
hatten und mit seinen Gütern frei schalteten. Erst durch
Kaiser Heinrich, den Heiligen , gelangte Kremsmünster zur
vorigen Selbständigkeit, erhielt aber nur einen Theil seines
früheren Besitzthums zurück. Um das Jahr 1080 gab
Bischof Altmann einige von der Hochkirche Passau fest-
gehaltene Kremsmünstersche Besitzungen zurück. Erst
— 160 —
nach und nach, vermehrte die Freigebigkeit angesehener
Wohlthäter durch Schenkungen und Stiftungen (Seelgeräthe)
die Güter des Klosters. So stellte z. B. der heilige Leopold,
Markgraf von Oesterreich, die seinen Vorfahren von den
Passauischen Bischöfen lehensweise übertragenen Stiftsgüter
zurück; Herzog Heinrich der Stolze von Bayern und sein
Sohn Heinrich der Löwe schenkten dem Stifte ansehnliche
Güter bei Hall. Andere Wohlthäter waren: Leopold der
Tugendhafte, Herzog Ulrich von Kärnten, die Grafen von
Bebgau, die adeligen Herren von Achleiten, Aschberg,
Rohr u. s. w.
Pabst Alexander III. nahm das Stift und seine Be-
sitzungen in den. apostolischen Schutz , gab ihm das freie
Wahlrecht und bestätigte alle seine Güter, Pfarreien, Kirchen
und Kapellen (1179). Herzog Leopold VII. (der Glorwürdige)
befreite (1217) Kremsmünster aus den räuberischen Händen
der Schutzvögte und verlieh ihm ein exemtes Gericht über
dessen Unterthanen. König Ottokar ertheilte demselben
(1255) die Mauthfireiheit aller Victualien, Herzog Albrecht HI.
von Oesterreich vermehrte die Gottestheil-Salzstiftung der
Kaiserin Elisabeth um die Hälfte (1381). Im 14. Jahrhundert
war der Besitzstand des Stiftes mannichfaltigen Schicksalen
unterworfen. Die Kriege der Landesfürsten mit Bayern
verlangten Opfer, aber es mangelte baares Geld, da die
Einkünfte des Stiftes meist nur in Naturalbezügen be-
standen; es mussten daher Güter verkauft oder verpfändet
werden. Dazu kamen das wiedererwachte Faustrecht, Miss-
Ernten durch Elementarereignisse, Wanderheuschrecken,
die Pest (1348), zu allem Uebei^uss die Misswirthschaft
einiger adeligen Aebte, die Stiftsgüter an ihre Verwandten
verschleuderten und das Stift selbst dem Ruine nahebrachten,
bis Anfangs des 15. Jahrhunderts Herzog Albrecht V. den
inneren und äusseren Wohlstand Kremsmünsters wieder
herstellte. Die tüchtigen Aebte Jakob, Ulrich IV., Wolf-
gang I. verbesserten, vermehrten und sicherten durch Privi-
legien den materiellen Besitzstand. Aber bald versetzten
langwierige Kriegsereignisse, die Hussitenkriege, die Stretf-
züge der böhmischen Söldner, die Einfälle der Ungarn
■unter Mathias Corvinus in das Land, die noch immer
wiederholten Gewaltthaten der Raubritter das Stift in nicht
geringe Bedrängnisse, die bis in die Zeit der sogenannten
— 161 —
Beforiaation dauerten. Der in Folge derselben im Jahre
1525 ausgebrocliene Bauernaufstand, welcher durch hundert
Jahre sich hindurchzog, und die Türkengefahr, gegen welche
Kremsmünster sich befestigte, kosteten dem Stifte ungeheure
Summen für Kriegsrüstungen, Landesaufgebot und für die
eigene Sicherung. Dazu kam die Verachtung und Miss-
handlung der Geistlichen durch den protestantischen Adel,
der auf den benachbarten Schlössern Luthers Lehre all-
gemein predigen Hess und Kirchengelder, Zehente und andere
Besitzungen des Klosters ian sich riss.
Endlich unter dem grossen Abte Anton (1613) hob sich
des Stiftes Besitzstand -wieder in ansehnlicher Weise da-
durch, dass der Abt die von den des Landes vermesenen
adeligen Eebellen feilgebotenen Herrschaften und Schlösser
Scharnstein, Pernstein und Kremseck kaufte, welche in
Betreff ihres Territoriums nach der Stiftungsurkunde meisten-
theils zum alten Stiftsgebiete gehörten. Die folgenden
Aebte traten in die Fussstapfen ihres grossen Vorgängers
und so erholten sich trotz des Türkenkriegs, Erbfolgekriegs
und siebenjährigen Kriegs die Finanzen des Stiftes bei der
nun eingeführten rationellen Hauswirthschaft bald wieder.
Der Anfangs des 18. Jahrhunderts aufs Höchste gestellte
finanzielle Wohlstand des Stiftes wurde aber unter der Re-
gierung des Kaisers Josef H. derart erschüttert, dass der
Fortbestand des Stiftes in Frage stand. Eine Inventur-
Commission unter dem berüchtigten Landrath Eybel kostete
dem Stifte allein 5508 Gulden,, wirthschaftete schrecklich,
verschleuderte gewissenlos Stiftsgüter und nahm Kirchen-
süber im Werthe von 200,000 Gulden weg. Schon lag das
Anfhebungspatent in Bereitschaft (1788), als ein Bittgesuch
des Stiftes den falsch über Kremsmünster benachrichtigten
Kaiser umstimmte, wodurch jeder weitere Versuch abge-
wiesen, vielmehr befohlen wurde, das Stift unversehrt zu
lassen. Doch gelang es den Neidern und Feinden zum
Staunen des Capitels den geisteskräftigen Abt Erenbert IH.
unter Angabe der Geistesschwäche abzusetzen und als Ad-
ministrator einen Fremdling aufzustellen.
Mit der Thronbesteigimg des Kaisers Leopold H. (1790)
wurde der tiefgekränkte Prälat Erenbert Hl. wieder ein-
gesetzt, es erfolgte aber eine Umkehr zum Bessern, die
leider nicht lange andauerte; denn es kamen von 1792 — 1814
Ein Benediktinerbuoh. 11
— 162 —
fast uminterbroclien die französischen Kriege mit drei feind-
lichen Einfällen, die dem Stifte eine Auslage von einer
halben Älillion Gulden verursachten. Den empfindlichsten
Schlag versetzte jedoch das überraschende Finanzpatent vom
Jahre 1811, so dass der damalige Abt Wolfgang IL — trotz
seines Gottvertrauens undseinerUnerschrockenheitin grossen
Bedrängnissen — einige Zeit unschlüssig war, ob erresigniren
oder die Zahlungsunfähigkeit des Stiftes erklären sollte. Herr-
schaften wurden verkauft undallemöglichenEinschränkungen
— unbeschadet der Gastfreundschaft — mussten Platz greifen.
Erst Thomas Mittemdorfer, dieser thatkräftige umsichtige
Abt, ein wahres Administrationstalent, hob (1840) wieder
den Credit des Hauses durch kluge und glückliche Unterneh-
mungen, so dass seine Amtsführung eine der preiswürdigsten
Perioden des Stiftes ausmacht, obgleich sie in eine bewegte
Epoche fiel. Die allemeueste Zeit brachte erhöhte Steuern,
Eriegszuschläge, Gebührenäquivalente und die drückendste
aller Steuern , die sogenannte Eeligionsfondssteuer.
II. Das Wirken des Stiftes Kremsmünster. Die Bene-
diktiner von Kremsmünster traten zur Zeit der Stiftung
(777) in das Erbe ihrer Brüder, der Mönche von Nieder-
altach, welche der heilige Slaven- Apostel Virgil, Bischof
von Salzburg, schon lange zuvor als Missionär zur Ghristia-
nisirung der Slaven an der Enns, Krems und Alm in diese
Gegend berufen hatte. Die erste WirksamkeitKremsmünsters
während anderthalb Jahrhunderte ist demnach Missions-
thätigkeit, verbunden mit der Gesittung der Bewohner und
Urbarmachung des Bodens. Nach den verheerenden Ein-
fällen der barbarischen Ungarn erholte sich Kremsmünster
nur langsam. Erst unter dem heiligen Gotthard, welchen
Kaiser Heinrich II. der neu aufblühenden Genossenschaft
als Abt vorsetzte, erblühte frisches religiöses Leben, reger
Eifer in der Seelsorge und Pflege der Wissenschaften. Durch
den Meiss der Brüder wurden die Wildnisse immer mehr
in bewohnte Gegenden umgewandelt und die Herzen der
Bewohner dm-ch fortgesetzte Verkündigung des Evangeliums
allmählich veredelt. Man fing an, die zerstreuten Schätze
alter Literatur durch Abschriften zu sammeln, die Begeben-
heiten der Zeit in Chroniken zu verzeichnen, die begonnene
Geistescultur in Schulen durch Unterricht zu erweitern.
Yon Gotthards Nachfolger, dem Abte Sigmar (1012), er-
— 163 —
zählt die Chronik, dass schon eine Bibliothek vorhanden
war, -welche Abt Gerhard (1040) vermehrte.
Nach Regenerirung der Ordensgemeinde durch Bischof
Altmann von Passau „übertraf," wie desselben Biograph be-
zeuget, „Kremsmünster (unter Abt Alram I.) alle andern
Klöster an Zucht and Ordnung, an Gebäuden, Büchern und
Gemälden und verbreitete durch gelehrte und kunsterfahrene
Männer einen grossen Schimmer." Um das Jahr 1120 ward
die Klosterschule in Kremsmünster schon von Auswärtigen
besucht, welche sich zum Priesterstande vorbereiteten. Aus
dieser Zeit stammt auch die älteste Chronik von Kjems-
münster, die noch vorhanden ist, aber zu Wien sich be-
findet; femer ein Nekrologium (Kalender der Verstorbenen),
Grosse Verdienste erwarb sich Eiemsmünster dadurch, dass
es im 12. Jahrhundert viele Kirchen theils erbaute, theils
erweiterte. Auch zu den Kreuzzügen trug das Stifb sein
Scherflein bei. Es befreite nämlich zu Gunsten der Kreuz-
fahrer die Brücke über die Traun bei Wels (1140) von den
hohen Mauthgefällen, und Abt Ulrich III. zog selbst mit
Herzog Leopold VI. in das heilige Land; namentlich brachte
das Stift zum grossen Kreuzzug (1189) bedeutende Opfer.
Im 13. Jahrhundert unter Abt Berthold II. (von Ach-
leiten) und namentlich unter Abt Friedrich I. (von Aich)
blühten Kunst und Wissenschaft mehr als früher. Berthold II,
schickte (1274) Kremsmünstersche Theologen zum aUge-
meinen Concil nach Lyon ab, baute die bisher wahrschein-
lich grösstentheils noch hölzerne romanische Stiftskirche
ganz neu aus Stein im gothischen Style auf und scheint
selbst in der Baukunst ein Meister gewesen zu sein. Abt
Friedrich I. wird der Vater der Bibliothek genannt. Unter
ihm bestand zu Kxemsmünster eine vorzügliche Schreib-
schule, in der man mit wahrhafter Farbenpracht Bücher
auf Pergament abschrieb, wie die noch vorhandenen be-
weisen; ferner eine Sängerschule, in der besonders im
Choral unterrichtet wurde, xmd eine Kunstschule, ia wel-
cher Malerei — selbst auf Glas — betrieben wurde. Der-
selbe Abt Hess von dem Stiftsgeistlichen Sigmar, der 1302
Abt von Lambach wurde, ein sogenanntes Flurbuch (ßa-
tionarium oder Urbarium) über die Güter und Einkünfte
des Stiftes (1299) anlegen, die Privilegien und Eechte auf-
zeichnen, welche Sammlung den Codex Fridericianus bildet
11*
— 164 —
■and eines der seltensten und interessantesten Werke dieser
Art ist.
Aus dieser Zeit stammt die zweite und dritte noch
vorhandene Chronik von EJremsmünster. Erstere soll von
dem oben genannten Sigmar, letztere nebst verschie-
denen anderen opuscula in einem und demselben Codex
von Bernardus „Noricus" verfasst sein. Aus dem 14. Jahr-
hundert ist -wenig besonders Merkwürdiges zu melden. Er-
freulichere Thätigkeit in jeder Beziehung herrachte im
15. Jahrhundert — nach der Klosterreform durch Herzog
Albert Y. — unter den vortrefflichen Aebten Jakob (Treutl-
kofer), Ulrich IV. (Schoppenzaun) und Wolfgang I. (Widmar).
Dies bezeugen noch die vielen gothischen Kirchen, die
damals im Kremsmünsterer Kirchenpatronate gebaut wur-
den, die zahlreichen Manuscripte, die vielen Erstlinge von
Druckwerken in der Bibliothek.
Was an Kunstwerken Kremsmünster aus den früheren
Jahrhunderten heute noch besitzt, ist nicht mehr viel; denn
die späteren Jahrhunderte, besonders das 17., dem aller
Sinn für alterthümliche Kunst abhanden gekommen war,
haben durch unseliges Modemisiren, z. B. an der Stifts-
kirche, die meisten Spuren früherer kirchlicher Bauten,
Malerei und Bildhauerei vertilgt. Auch litt das Stift bis
1483 achtmal durch Schadenfeuer, wodurch viele Kunst-
werke, Dokumente und Codices verloren gingen. Abt
Manegold, der Bischof von Passau (1205) wurde, nahm
Güter, alte Urkunden, Kirchensehätze , kostbare Reli-
quien u. s. w. ganz widerrechtlich mit sich und verschleppte
vieles andere. Wunderbar ist es, dass ein Kunstwerk des
8. Jahrhunderts bis auf den Tag dem Stifte erhalten blieb ;
wir meinen den berühmten Thassilokelch; ausserdem
zwei alte Leuchter und die beiden Codices millenarii. Der
Thassilokelch mit den zwei Leuchtern ist ohne Zweifel
ein Andenken aus der Hand des Stifters selbst, sowie die
Codices , auch Plenarii genannt , weil jeder derselben die
vier Evangelien enthält; der grössere, in römischer Uncial-
Majuskel- Schrift und mit Abbildungen der Evangelisten
geziert, gehört dem 7. Jahrhundert oder gar der Zeit Gregor
des Grossen an; jünger wohl (etwa aus dem 8. Jahrhundert)
ist der kleine Codex mit Minuskel- Schrift.
Im 16. Jahrhundert hielt sich Kremsmünster lange
— 165 —
standhaft gegen die heranströmenden Haeresien, ja es suchte
diesem verderblichen Strome durch seine gelehrten Schulen
einen moralischen Damm entgegenzusetzen.
Seit Tmdenklichen Zeiten bestanden in Kremsmünster
zwei Gattungen Klosterschulen. Die innere oder Convent-
schule ist die älteste theologische Lehranstalt für die
jungen Conventualen; die äussere oder vordere oder so-
genaimte Hofschule war für die Laien bestimmt und wurde
meistens von wandernden Schulmeistern besorgt. Die
Conventschule wurde von den Aebten Johannes I. (Schreiner
1 1524), deren Lehrer selbst er einst war, und von Johannes II.
(Habenzagel f 1543) in ganz vorzüglicher Weise gepflegt.
Eben dieser Abt errichtete eine Papiermühle, die erste im
ganzen Lande. Aus der äussern Schule machte Abt Gregor
(Lechner f 1558) im Jahre 1549 die lateinische Schule oder
das Gymnasium. Auch erscheint um die Mitte dieses Jahr-
hunderts eine Marktschule; wahrscheinlich wurde nach Er-
öffiiung des Gymnasiums die deutsche Schule des Elosters
in den Markt verlegt.
Gregors Nachfolger, Abt Marcus "Weiner, liess um das
Jahr 1560 den Geist der unseligen „Reformation" auch in
die Klosterzellen eindringen, aus denen ihn aber schon
wieder die nachfolgenden Aebte, besonders Erhard Voit
(t 1588) und Johannes in. (Spindler f 1600) zu vertreiben
sich bestrebten. Beide suchten den Besuch der Schulen
zu fordern, vermehrten die Bibliothek, hielten die ersten
Zeitungen, verwendeten grosse Sorgfalt auf die Ausbildung
junger Conventualen und gewannen durch Sanftmuth und
Klugheit die irregeleiteten Gemüther. Ersterer baute ein
Spital, letzterer errichtete eine Apotheke, welche beide
bis heute noch bestehen.
Thatkräftige, reicherfahrene und gottbegeisterte Aebte
waren Alexander I. (a lacu f 1613) und Anton (Wolfradt
t 1639). Sie bemühten sich, die klösterliche Disciplin in
ihrer Eeii^eit darzustellen, und schickten die jüngeren
Capitularen auf Universitäten, meistens nach Rom, Graz,
Salzburg, fingen an, die incorporirten Pfarreien mit Stifts-
geistlichen zu besetzen und führten auch diese in das
Gymnasium ein statt der lateinischen Magister, die meisten-
theils noch immer der Zunft der wandernden Schulmeister
angehörten und häufig ihre Gesellen mit sich führten.
— 166 —
Beide Aebte wurden zu den -wichtigaten Geschäften für
das Wohl des Landes und des Staates berufen. Nament-
lich verdankt Kremsmünster Vieles und Grosses dem Abt
Anton, -welcher an Ehren und Würden immer höher stieg.
Er wurde Hofkammerpräsident (d. h. Finanzaninister) und
starb als Fürstbischof von Wien.
Im 17. Jahrhundert ragte vor Allen Abt Plaoidua
(Buchauer f 1669) hervor. Er ist der zweite Stifter der
höheren Lehranstalten, er erweiterte den Lehrplan des
Gymnasiums, Hess Theologie und Philosophie zu Erems-
münster öffentlich lehren und die orientalischen Sprachen
vortragen, bevor sie auf den Universitäten allgemein ge-
lehrt wurden, gestaltete das Museum, welches bis zur
Eröffnung des Gymnasiums die sogenannte äussere Schule
bildete, in ein förmliches Klosterknabenseminar um, ver-
mehrte die Zahl der unentgeltlichen Stiffcszöglinge, schickte
mehr als 30 Stifts capitularen an auswärtige Akademien
und Universitäten und bereicherte die Bibliothek mit aus-
ländischen Werken. GlückUeh pries dieser Prälat jenen
Sterblichen, dem es gegönnt sei, seine Zeit bei Büchern
zubringen zu können. Wir wollen nicht reden von seinen
landwirthschaftlichen Anstalten, von den grossen Bauten
im Stifte und in den Stiftspfarreien, aber weitamher ge-
priesen war seine Herzensgüte gegen Jedermann.
Sein ebenso tüchtiger, aber nicht ebenso beliebter
Nachfolger Erenbert IL (Schrevogl f 1703) modernisirte
nach dem Renaissancestyl die alte gothische Stiftskirche
so, wie sie heute noch steht, baute das gegenwärtige
imposante Stiftsgebäude mit der Bibliothek und Sommer-
abtei, den Kaisersaal und den einzig in seiner Art an-
gelegten Fischbehälter u. s. w. Die neugeschaffenen weiten
Bäume füllte der Abt mit Kunstwerken seltener Art. Wie
Prälat Placidus, so dehnte auch Erenbert IL seine Sorge
auf die Stifbspfarreien aus, und es giebt vielleicht keine
derselben, wo nicht beide, doch der eine oder der andere
durch hervorragende Baulichkeiten ein dankbares Andenken
sich erworben hätten.
Im 18. Jahrhundert wirkte der schaffende Geist des
strengen Alexander II. (Strasser f 1731), der die wissen-
schaftliche und religiöse Heranbildung der jungen Stifts-
geistlichen, die Wachsamkeit über die Elosterdisciplin und
— 167 —
die Bestellung der Scinilen mit erprobten Lehrern vor-
züglich im Auge hatte. Für die innere Ausschmückung
der Stiftskirche scheute dieser Prälat keine Kosten. Von
seinen vielen iind grossartigen Bauten in und ausser dem
Stifte erwähnen "wir nur die beiden Meierhöfe im Stifte
und das gegenwärtige bischöfliche Palais in Linz; er kam
dieser Stadt in einer Hungersnoth hülfreich entgegen und
gab grosse Summen für patriotische Zwecke.
Gleichwie Alexander IL die ökonomische und finanzielle
Lage Kremsmünsters aufs Höchste brachte, so erreichte
anter seinem Nachfolger Alexander III. (Fixlmillner f 1759)
das Stift die schönste wissenschaftliche Blüthe. Dieser
wahrhaft fromme und liebenswürdige Abt gründete das
Lyceum, erweiterte das Knabenmuseum, baute die lieb-
liche Studentenkapelle, errichtete die k. k. Akademie, ver-
bunden mit einer adeligen Ritterschule und mit vollstän-
digen theologischen und juridischen Lehrcursen, und führte
das ßiesengebäude der Sternwarte auf. Er reformirte die
Volksschulen, baute und erneuerte viele Schulhäuser, liess
um mehr als 200,000 /. von Kremsmünster aus nach Wels,
Linz und Steyr neue Strassen anlegen. Wahrhaftig war
er ein Vater der Armen in jenen Zeiten der Theuerung
und Arbeitslosigkeit, ein eifriger Seelsorger, der als Abt
nicht selten predigte und katechisirte. Mild gegen Jeder-
mann, streng gegen sich. In seinem hingehendsten Patrio-
tismus spendete er Tausende und Tausende von Gulden
dem bedrängten Vaterlande. Im höchsten Ansehen stand
dieser Prälat bei der Kaiserin Maria Theresia.
In einen schweren, ereignisvollen Zeitabschnitt fiel
die Regierung des Abtes Erenbert HL (Meyer f 1800).
Den wissenschaftlichen Instituten verschaffte dieser Prälat
die möglichste Vollkommenheit, begründete eine Haupt-
schule im Markte, legte eine Naturalien-, Münz-, Kupfer-
stich- und Bildersammlung an und feierte in solenner
Weise acht Tage lang das Millenarium des Stiftes im
Jahre 1777. Aber bald nach dieser Feier hatte Krems-
münster mit viel Unheil zu kämpfen. Es kamen die
Josefinischen „Kirchenreformen", die — ausser der Er-
richtung des Bisthums Linz (1784) — wenig Gutes brachten.
An den gelehrten Anstalten des Stiftes nergelten aus purer
Eifersucht neidische Feinde in Linz so lange, bis es ihnen
— 168 —
gelang, der -weitberülimten Akademie den Todesstoas zu
geben; die juridischen Studien wurden aufgehoben, die
Theologen mussten ins Generalseminar nach Wien wandern.
Das Gymnasium und Lyceum wurde noch gerettet, aber
das Stift brachte man in die ärgste Bedrängnis.
Vom ersten Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts an
stand 12 Jahre lang ein für AUe besorgter, liebevoller
Hausvater an der Spitze des Stiftes, Abt Wolfgang IL
(Leuthner f 1812), der trotz vieler Unglücksfälle und
kriegerischer Zeiten das Ordenshaus im besten Zustande zu
erhalten, Wissenschaft und Landwirthschaft möglichst zu
befördern suchte. Ererrichtete vfiedereinetheologischeLehr-
anstalt und eröffnete statt der unterdrückten Ritter- Akademie
das k. k. Convikt (1804). Sein Nachfolger Abt Anselm
(Mairhofer) ward durch die Wuth der widrigsten Geschicke
so zu sagen erdrückt. Die ohnehin vorhandene Finanznothi
steigerte sich aufs Höchste — das alte Museum und die
theologische Lehranstalt gingen ein, eine Verbesserungs-
commission tagte längere Zeit in Kremsmünster. Der Abt
legte sein Amt nieder. Nach einem mehr als dreijährigen
Interstitium wurde ein eifriger, allgemein geliebter Seel-
sorger, Josef (Altwirt), zum Abt gewählt (1824 — 1840).
Unter diesem ehrwürdigen Prälaten war der Besuch der
Lehranstalten ein sehr lebhafter. Nach Kräften unter-
stützte er die Wissenschaften, bestimmte für die Bibliothek
und Sternwarte gewisse Fonds und schickte drei Capitu-
laren als Professoren dem Gymnasium der neuerrichteten
Benediktinerabtei St. Stefan in Augsburg. Ihm folgte
Thomas (Mittemdorfer, 1840—1860), ein thatkräftiger, für
alles Gute und Schöne begeisterter Abt, in finanzieller
Hinsicht der Restaurator Kremsmünsters. Gross sind seine
Verdienste um die Seelsorge, Kunst, Wissenschaft und
Jugendbildung. Es überschreitet weit den Raum dieser
Zeilen, die staunenswerthe Wirksamkeit, die er nach allen
Richtungen entvdckelte, auch nur annäherungsweise zu
schildern. Die Bibliothek wurde erweitert. Die Sternwarte
erhielt ein magnetisches Observatorium und einen Refractor.
Eine neue Bildergallerie , ein Kunst- und Antikenkabinet
wurden errichtet, die Münzsammlung und das Archiv ge-
ordnet, ein Urkundenbuch des Stiftes gedruckt u. s. w.
Pur den disciplinären Wohlstand sorgte Abt Thomas durch
— 169 —
eine musterliafte Hausordnung, führte das seit 1789 theil-
■weise unterdrückte öffentliche Chorgebet wieder ein, schickte
die Stiftskleriker mit zwei Professoren an die theologische
Hauslehranstalt in St, Florian. In ökonomischer Beziehung
leistete dieser Prälat Grosses. Er verbesserte und vermehrte
den Wein- und Ackerbau, beförderte die Obst- und Forst-
cultur, kaufte ein Landgut, verkaufte wenig oder nichts
eintragende Kealitäten. Auf den Pfarreien wurde Ver-
fallenes hergestellt, Nothwendiges neugebaut, Pfarrhöfe
wurden eingerichtet, Kirchen restaurirt, Schulhäuser neu-
gebaut u. s. w. Auf Gottesdienst und Seelsorge verwendete
Abt Thomas nicht geringe Sorge; davon geben Zeugnis
die Stiftskirche (neue Erchenstühle, die grosse Orgel,
Maialtar; die Salvatorstatue u. s. w.), die Volksmissionen
zu Eremsmünster und auf mehreren Pfarreien, das Vincenz-
spital u. s. w. Gross war des Abtes Wohlthätigkeitssinn
für Arme und Hülflose, besonders für dürftige Studenten
und Ortsbewohner. Tief betrauert wurde sein Ableben.
Abt Augustin (Eeslhuber, 1860 — 1875) war ein gelehrter
Mann voll edlen Biedersinns und wärmsten Patriotismus.
Ohne von seinen vielen gelehrten astronomischen und
meteorologischen Werken zu sprechen, sei nur erwähnt,
dass er mit allen geistigen und materiellen Kräften die
Lehranstalten des Stiftes unterstützte und die Kunst- tmd
wissenschaftlichen Sammlungen reichlichst vermehrte. Auch
im Oekonomischen leistete dieser Prälat nicht Unbedeu-
tendes, unterstützt von klugen, verständigen und ihren
Posten gewachsenen Officialen. Er kaufte Eealitäten,
Grundstücke, Forsten und Weinberge an,restaurirte mehrere
Kirchen und Pfarrhöfe. Im Stifte gestaltete er den Capitel-
saal in einen bequemen Priesterchor um, restaurirte das
Refectorium, legte eine neue Wasserleitung an, rief die
künstliche Fischzucht ins Leben u. s. w. Zur Danksagung
für die glückliche Erhaltung des Stiftes durch 11 Jahr-
hxmderte hindurch kaufte er einen kostbaren kirchlichen
Ornat an und legte (1869) den Grundstein zu einer gothischen
Pfarrkirche im Kurorte Hall, und begann in Rücksicht
der bevorstehenden XI. Säcularfeier mit Renovation des
Stiftes und der Stiftskirche, welche der gegenwärtige hoch-
würdigste Herr Prälat Cölestin Ganglbauer glücklich und
geschmackvoll vollendet hat.
— 170 —
Abt Cölestin wurde am 19. April 1876 fast einstitnmig
erwählt und ist in der Reihenfolge der Aebte von Krems-
münster der 69. Prälat. Das Stift zählt 97 Mitglieder,
darunter 16 Kleriker und Novizen, und besitzt 25 Pfarreien
mit 41,077 Seelen, welche von 44 Seelsorgern pastorirt
werden. An der von weit über 300 Studirenden besuchten
Lehranstalt wirken mit einem Gymnasialdirector 16 Pro-
fessoren und dreiLehramtscandidaten; dazu kommen noch
zwei Theologie-Professoren und ein Katechet an der vier-
klassigen Volksschule. Dem Convikte mit 82 Zöglingen
stehen ein Director und drei Präfecten vor. Die übrigen
Capitularen stehen an der Spitze der Verwaltung des Stiftes,
seiner Besitzungen und Institute. Unter den Stiftsmitgliedern
ragen, durch allerhöchste kaiserliche Huld und Gnade aus-
gezeichnet, hervor: Der hochwürdigste Herr Prälat Cölestin
als Commandeur des k. k. Franz- Josefordens , der hoch-
würdige Herr jubilirte Gymnasialdirector Amand Baum-
garten als Ritter desselben Ordens; der hoch würdige Herr
Stiftsprior Sigismund Fellöker fährt den Titel: k. k. Schul-
rath ; femer besitzen die hochwürdigen Herren Lucas Assam,
Stiftssubprior und Stiftspfarrer, Columban Pruhwirth, emeri-
tirter Professor, jetzt Stiftshofmeister in Linz, Edmund
Forsthuber, Pfarrer in Pettenbach, und Gabriel Strasser,
Director der Sternwarte, jeder das goldene Verdienstkreuz
mit der Krone.
Werfen wir nun zum Schlüsse unserer historischen
Skizze nur noch einen oberflächlichen Blick auf das
1100jährige Wirken- dieses Stiftes, so müssen wir bekennen:
Treu dem alten unverwüstlichen Benediktinergeiste ist
Kremsmünster nicht blos ein gottgeweihtes Asyl frommer
Andacht und höheren religiösen Lebens, sondern allzeit
eine nie ermüdende Pflanzstätte für Civilisation des Landes,
für Seelsorge, Jugendbildung, Kunst und Wissenschaft
geblieben, dabei stets eifrig bemüht, durch Gastfreund-
schaft, Unterstützung der Armen und Bedrängten, durch
Gründung und Erhaltung von Bildungsanstalten geistige
und leibliche Wohlthätigkeit zu üben. Wie sehr Krems-
münster an dem Wohl und Weh seines Vaterlandes innigen
Antheil nahm, beweisen die grossen patriotischen Opfer,
die es laut der Geschichte zu allen Zeiten brachte, so dass
es nicht selten selbst in bittere Noth gerieth, und bezeugen
— 171 —
die vielfältigen Auszeichnungen, welclie dem Stifte im All-
gemeinen oder seinen Aebten und Mitgliedern insbesondere
von Seite des Landesberm zu Tbeil wurden.
Wie grossartig und segensreich sein Wirken und
Schaffen in der Seelsorge seit jeher war, beweist die
Geschichte des Stiftes auf jeder Seite und die seiner
Pfarreien, beweisen besonders die vielen Kirchen, welche
Kremsmünster einst, besonders im 12. und 15. Jahrhundert,
baute, bis heute erhält und noch baut, z. B. in Bad
Hall, die Missionsstationen, welche es zur Rekatholi-
sirung Oberösterreichs im 17. Jahrhunderte an vielen Orten
errichtete u. s. w.
Wie getreu das Stift einer andern Hauptaufgabe, der
Pflege der Wissenschaften und Heranbildung der Jugend,
geworden ist, zeigen die gelehrten Schulen seit dem
12. Jahrhundert bis auf heute: das Gymnasium, welches
jetzt einer nie dagewesenen grossen Frequenz sich erfreut;
die reichhaltige Bibliothek, die berühmte Sternwarte, die
vielen Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen; zeigen
ferner die vielen Schulhäuser, die es in seinen Pfarreien
bis in die neueste Zeit baute; zeigen ganz vorzüglich die
wissenschaftlichen Werke in der Theologie, Philosophie,
Rechtswissenschaft, Baukunst, Geschichte, Astronomie, in
den Naturwissenschaften u. s. w., Werke, deren Verfasser
weit über die Grenzen Oesterreichs bekannt wurden. Wir
nennen aus neuerer Zeit nur die berühmten Astronomen
Placidus Pixlmillner, Bonifaz Schwarzenbrunner, Marian
Koller, Augustin Reslhuber und Gabriel Strasser, welcher
gegenwärtig als Director der Sternwarte den alten vorzüg-
lichen Ruf derselben stets aufrecht erhält, indem er mit
einer staunenswerthen Ausdauer selbst das in neuerer Zeit
so riesig angewachsene astronomische Material in befirie-
äigendster Weise bewältigt ; die Haushistoriographen
Marian Pachmayr, Ulrich Hartenschneider , Theodorich
Hagn; in der Baukunst Florian Wimmer, jetzt Pfarrer zu
Pfarrkirchen, in den Naturwissenschaften Sigmund Fellöker,
jetzt Prior des Stiftes, in der Theologie Rudolf Graser, als
Homilet zu seiner Zeit in ganz Oesterreich und Deutsch-
land durch seine Predigtwerke bekannt, Ignaz Schüch und
andere; in der Dichtkunst Ignaz Reischl, Marcus Holter,
Amand Baumgarten, Lambert Guppenberger; in der Musik
— 172 —
die Compositeure: Georg Pasterwiz, Günther Kroneker,
Maximilian Kersckbaum.
Daran reihen wir jene Stiftscapitularen an, welche in
neuester Zeit auf dem literarischen Felde thätig waren und
noch sind, erwähnen jedoch nur ihre vorzüglichsten
Werke:
1) Von Sigmund Fellöker, jetzt Prior des Stiftes:
Geschichte der Sternwarte der Benediktinerabtei Krems-
münster; die Theorie der dreiseitigen Pyramide, analytisch
dargestellt-, Anschauungsunterricht in der Mineralogie;
Anfangsgründe der Mineralogie; Leitfaden der Mineralogie
und Geognosie; Lehrbuch der Mineralogie und Geognosie;
die chemischen Formeln der Mineralien in geometrischen
Figuren dargestellt; Weihnachtskränze aus Dichtungen
aller christlichen Jahrhunderte; Kripplgsängl und Krippl-
gspiel in der oberösterreichischen Mundart u. s. w.
2) Von Florian Wimmer, geistlicher Rath, Conser-
vator der Baudenkmale, jetzt Pfarrer in Pfarrkirchen:
Anleitung zur Erforschung und Beschreibung der christ-
lichen Kunstdenkmäler; St. Wolfgang; St. Sebald; Pilger-
reise nach Kremsmünster zum Jubelfeste 1877; der Dom-
bau in Linz; Ehrenspiegel der Bürgerschaft von Steyr;
die Waffen und Wappen Christi u. s. w.
3) Von Amand Baumgarten, emeritirter Gymnasial-
director, Ritter des k. k. Franz- Josefordens , jetzt Biblio-
thekar im Stifte: Michael Denis, eine literargeschichtliche
Biographie; das Jahr und seine Tage in Meinung und
Brauch der Heimat; aus der volksmässigen Ueberlieferung
der Heimat; Verzeichnis von ehemaligen P. T. Herren
Kremsmünster Studenten 1800 — 1873; kleine poetische
Festgabe zur 1100jährigen JubeKeier des Stiftes Krems-
münster,
4) Von Emest Wurm, Pfarrer in Vichtwang: Seit
1864 Verfasser des weitverbreiteten Heimats- und des Kurz-
weükalenders in Wels; geistlicher Taschenhumorist; Bau'rn-
leut, Gedichte in oberösterreichischer Mundart von Franz
Innbach.
5) Von Alois Kerschischnigg, Pfarrer in Ried: Fest-
tropfen zum Jubiläum in Kiemsmünster 1877.
6) Von Ignaz Schüch, geistlicher Rath, Pastoral-
professor: Pastoraltheologie, 4. Aufl., 1879.
— 173 —
7) Von Gabriel Str'asser, Director der Sternwarte,
decorirfc mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone :
Mittlere Arten von Fixsternen, abgeleitet aus den Be-
obacbtungen der Sternwarte Blremsmünster. 1877.
8) Von Leonbard Achleutbner, k. k. Gymnasial- und
Kanzleidirector und Archivar: Das älteste Urbarium von
Kremsmünster. 1877; Catalogus Religiös. Monast. Cremif.
1877; die Scriptores Cremif. in Ziegelbauers Fortsetzung:
Scriptores Ord, S. Bened. 1880.
9) Von RapbaelStingeder, Novizenmeister: Die Stifts-
kirche zu Kremsmünster. 1877.
10) Von Wolfgang Dannerbauer, Pfarrer in Eberstall-
zell: Pilgerstab nach Maria Scharten. 1866; kurzgefasste
Chronik von Kremsmünster. 1877; Abriss der Geschichte
von Kremsmünster und seiner Pfarreien. 1877.
11) Von Georg Huemer, Musikdirector: Pflege der
Musik im Stifte Kremsmünster. 1877.
12) Von Lambert Guppenberger , k. k. Gymnasial-
professor, botanisches Werk: Anleitung zur Bestimmung
der Gattungen und Arten der in Kremsmünster xmd Um-
gebung wild wachsenden und allgemein cultivirten Pflanzen;
Günther und Irmgard, ein Epos, 1877, imd viele Gelegen-
heitsgedichte.
13) Von Alexander Obemeder, Pfarrer in Rohr: Viele
in Zeitschriften zerstreute Gedichte in oberösterreichischem
Dialekte.
14) Von Hugo Schmidt, Custos der Kunstsammlungen:
Die Manuscripte der Stiftsbibliothek. 1877 und 1878,
15) Von Coloman Wagner, k. k. Professor: Die astro-
nomischen Nachrichten im Deutschen Hausschatz, fort-
während.
16) Von Sebastian Mayr, k. k. Professor: Ausgewählte
Dichtungen des seligen Professors Marcus Holter. 1877.
17) Von Wisintho Hartlauer (f zu Rom 1879): Pre-
digten des P. Rudolf Graser , eines Capitularen von Krems-
niünster (f 1792), und „Gedenkschrift an die 1100jährige
Jubelfeier des Stiftes Kremsmünster", erschienen 1878.
III. SehenswürdtgJceiten im Stifte Kremsmünster. I. Die
Stiftskirche, ursprünglich im deutschen Baustyle (1298)
erbaut, wurde in ihrer jetzigen Gestalt modemisirt 1680
von Abt Erenbert II. (Schrevogl); von Abt Alexander IL
— 174 --
(Strasser) so eingericMet, wie sie gegenwärtig "besteht,
imd von Abt Cölestin gründlicli restanrirt (1877). Sie ist
über 76 m lang, über 2iy3 m breit und über 18 m boch.
Hocbaltarbild ein Meisterstück von Andreas Wolf in
München (1712); die Bilder der Seitenaltäre theils von
Turianus, Carl Lotb, Franz Neve, Daniel Sydner, Remp
und Reslteld; die Freskogemälde von den vier Brüdern
Gravenberger; die Eircbthürme, in ihrer jetzigen Gestalt
seit 1704, messen von der Erde bis zum Kreuz 60 m 95 cm.
II. Die Schatzkammer, sich an die Stiftskirche an-
schliessend, enthält ältere und neuere Kirchenparamente,
kostbare kirchliche Gefässe, den berühmten Stifterbecher
oder Thassilokelch u. s. w.
III. Die Abtei. Kunst- und Bildersammlungen. Die
alte oder Winterabtei seit c. 1515 und die neue oder Sommer-
abtei seit 1685. Letztere enthält zwei schöne Bildersäle,
und ist in selben aufbewahrt der stattliche silberne und
vergoldete Ehrenpokal, den die dankbaren einstigen Krems-
• münsterer Studenten nebst einer prachtvollen Adresse und
einem Photographien- und Autographen- Album zur 1100 jäh-
rigen Jubelfeier 1877 überreichten; ferner die Adresse des
hohen Landesausschusses über Anregung des hohen Land-
tages, das Album der Pfarreien und Besitzungen des Stiftes
in Aquarellbildem gemalt von P. Alan Preinfalk, Stifts-
capitularen und jetzt Pfarrer in Kirchham , ferner das
Photographien- Album der zur Zeit der Jubelfeier Studi-
renden u. s. w. — lieber den Abteien befinden sich die Kunst-
und Antikensammlungen, Bildergallerien, Kupferstichsamm-
lungen u. s. w.
Der Bildersaal der Abtei enthält mehrere ältere Bilder,
Meisterwerke wie von J. van Achen, Breughel Peter, L.
Cranach, A. Dürer, von beiden Hamilton, van Kessel,
Marätti u. s. w. ; ferner von Altenkopf, Altomonte, Bürkel,
Pritsch, van Haanen, Heike, Hellisch, Kestler, Laurer,
Mohr, Schmidt, Schweminger, Stademann, Sutter, Swo-
boda, Zimeman und vielen anderen.
In den anderen Bildergallerien befinden sich Originalien
und Copien aus der altdeutschen, niederländischen und Flo-
rentiner Schule, wie von Cordova, van Ek, Frank, Hamilton,
van der Holst, van Leyden, Remp, Rosalig, Rugendas,
Rubens, Chr. Schwarz, Solimene, Rosa de Tivoli u. s. w.
— 175 —
IV. Bibliothek. Die ersten Spuren einer solchen führen
auf das Jahr 1012 zurück. Besonders nahm sich derselben
an Abt Friedrich I. (von Aich), genannt der Vater der
Bibliothek. Das jetzige Gebäude stammt aus dem Jahre
1685 von Abt Erenbert 11. Sie zählt gegenwärtig über
60,000 Bände, 1700 alte Handschriften und 1900 seltene
Inkunabeln. Der älteste Katalog datirt seit dem Jahre
1012, der neueste ist von dem (1869 verstorbenen) Biblio-
thekar und Stiftsprior Leo Langthaller angelegt.
V. Kaisersaal (26 m 55 cm lang, 13 m 28 cm breit^
9 m 50 cm hoch) , gebaut von Abt Erenbert II. im Jahre
1685, mit rothem Salzburger Marmor von Spetz aus Linz
bekleidet, die Stuccatur von Diego Carlore und das Decken-
gemälde ein Kunst-werk vom bayrischen Hofmaler Melchior
Stridl 1719, die lebensgrossen Porträts der habsburgischen
Kaiser von Altomonte im Jahre 1721 unter Abt Alexander II.
VL Fischbehälter (c. 68 m 30 cm lang, 13 m 30 cm
breit), einzig in seiner Art dastehend, vom Jahre 1691, das
Deckengemälde von Michael Feichtmair, einige Statuen
von Erzbischof Joannes Ernest in Salzburg.
Der ältere Fischbehälter befindet sich beim sogenannten
Guntherteich, stammt aus dem Jahre 1590 und wurde 1607
mit Günthers Monument versehen.
VII. Sternwarte (auch genannt der mathematische oder
astronomische Thurm), erbaut in 10 Jahren, vollendet
1758 von Abt Alexander III. (Fixlmillner) , kostete mehr
als 100,000 /.
Im Erdgeschosse befindet sich die Wohnung des Dieners,
das chemische Laboratorium und ein Theil der zoologischen
und zootomischen Sammlung.
Im 1 Stockwerke befindet sich die Wohnung des Mecha-
nikers imd das ornithologische Kabinet. Auch finden sich in
diesem Stockwerke Thermometer, Psychrometer, Barometer,
Ozonometer, der Thermograph und Barograph für die täg-
lichen, ja stündlichen meteorologischen Beobachtungen.
Das 2. Stockwerk nimmt das ansehnliche und kost-
hare physikalische Kabinet ein.
Im 3. Stockwerke wohnt der Astronom und Director
der Sternwarte, befindet sich die astronomische Bibliothek,
ungetahr 10,000 Bände enthaltend, und die Mineralien-
iind Petrefaktensammlung.
— 176 —
An den Wänden des Stiegenhauses und der Kabinete
hängen 240 Porträts der adeligen Zöglinge der einstigen
hiesigen sogenannten Ritter-Akademie (vom Jahre 1743
bis 1789), und in den Mauernischen der Stiegenabsätze
befinden sich die Statuen von Ptolemäus, Tycho de Brahe
und Keppler, aus Holz geschnitzt von Franz X. Keller,
Bildhauer in Straubing.
Im 4. Stockwerke werden im Verlaufe dieses Som-
mers sämmtliche zoologische Sammlungen aufgestellt
werden.
Das 5. Stockwerk enthält das sogenannte akustische
Zimmer, das astronomische Beobachtungskabinet mit dem
durch die Munificenz des Kaisers Franz I. gespendeten
Meridianskreis und der Hauptuhr der Sternwarte, die
Conchiliensammlung, das Herbarium nebst einer Sammlung
von 140 Holzgattungen in Buchform.
Das 6. und 7. Stockwerk umfasst 2 Altanen, den
einstigen astronomischen Beobachtungssaal, der jetzt als
magnetisches Observatorium dient und die Gauss'schen
Magnetometer, den von Sr. Majestät dem Kaiser Franz
gespendeten Theodoliten und mehrere ältere astronomische
Instrumente enthält.
Das 8. Stockwerk bildet ein vieleckiges Zimmer mit
einer kleinen Kapelle und zwei gegenüberliegenden Altanen.
Auf der Plattform endlich findet man iu einer Rotunde
den Refractor (vom Jahre 1856) mit einer Uhr, in den
übrigen Thürmchen das Aequatoriale (vom Jahre 1830),
einen Verticalkreis und den sogenannten astronomischen
Brunnen, der zugleich zum Fouanet'schen Pendelversuch
benützt wird. Seit 1878 befindet sich auf dieser Höhe der
Sternwarte ein stets sich bewegender und jede Windes-
richtung selbst aufschreibender Anemometer, der auch zu-
gleich die Intensität des Wiudes anzeigt.
Daneben befindet sich eine 6 m lange Fahne. Zur
Sternwarte gehört auch im Hofgarten das eisenfreie höl-
zerne magnetische Observatorium und die über 136 m
lange , mit steinernen Säulen ausgesetzte Meridianlinie
(vom Astronomen Placidus Fixlmillner 1766).
Die Sternwarte misst vom Grunde aus beinahe 57 m
Höhe, hat 339 Stufen, 126 Fenster und 45 Thüren.
I)er MarJct Kremsmünster mit der St. Johannskapelle
— 177 —
verdankt dem Stifte, zu dessen Füssen er liegt, seine
Entstehung. Der Ort oder das Dorf wurde 1382 eine Hof-
mark und diese 1489 zu einem Markt erhoben unter Abt
Wolfgang I. durch Kaiser Friedrich IV. mit dem Kechte,
zwei Jahrmärkte und einen Wochenmarkt an jeder Mitt-
woch abzuhalten.
Um das Jahr 1591 wurde das Rathhaua gebaut oder
doch umgebaut und die Marktschule, welche schon seit
1550 bestand und im Jahre 1776 in eine Hauptschule um-
gewandelt wurde, darin untergebracht, wo sie bis zum
Jahre 1854 verblieb, in welchem Jahre die öffentliche
Volksschule für Markt und Burgfried in einem Gebäude
des Stiftes eingerichtet wurde.
Auch besitzt der Markt ein eigenes Spital, das die
Aebte Erenbert H. und Alexander III. verbesserten, er-
weiterten und dotirten.
Viermal wurde der Markt durch bedeutende Schaden-
feuer heimgesucht 1483, 1517, 1610 und 1821.
Das uniformirte Börgercorps wurde von Abt Eren-
bert III. zur 1000jährigen Jubelfeier des Stiftes 1777 er-
richtet, 1806 abermals behördlich bestätigt, 1819 eine
Musikkapelle damit verbunden, 1861 hielt es die letzte
Fahnenweihe. 1669 wurde die Feuerwehr gegründet und
1874 bildete sich ein Veteranenverein.
Auch blüht in Kremsmünster unter der vortrefflichen
Leitung des mit dem goldenen Verdienstkreuze decorirten
Kirnst- und Oberhofgärtners des Stiftes, H. Jos. ßunkl,
der an Mitgliedern zahlreichste landwirthschaftliche Bezirks-
verein.
Der MarJct Bad Hall, ein Kurort mit der auf dem
Continente bedeutendsten Jodquelle, eine Meile von Krems-
münster entfernt, leicht erreichbar von Linz oder Krems-
münster aus bis Rohr mit der Eisenbahn und von dort
mit Omnibus in einer halben Stunde. Auch von Steyr
gelangt man per Omnibus täglich in den Sommermonaten
nach Bad Hall.
Der Name Hall bezeichnete früher die ganze Gegend
der gegenwärtigen Pfarreien Hall und Pfarrkirchen, welche
vom Stifter Thassilo mit einer Jodquelle und den Salz-
siedereien stiftbrieflich im Jahre 777 dem Kloster Krems-
münster gegeben wurde. Die gothische Kirche der heiligen.
Ein Benediktinerbuch. 12
— 178 —
Margaretha und der Markt datiren aus dem Jahre 1382.
Die uniformirte Bürgergarde scheint bald nach Erhebung
der Hofmark zu einem Markte entstanden zu sein. Neuer-
dings wurde sie bestätigt 1665 und zuletzt 24. Mai 1706.
Pfarre seit 1781. Pfarrhof und Schulhaus wurde von Abt
Erenbert III. (Meyer) im Jahre 1785 gebaut. Eine Schule
bestand jedoch schon 1493. Im Jahre 1850 wurde nach
TJebernahme derJodquelle von Seite der oberösterreichischen
Landötände ein Kurhaus gebaut und das Elisabethiner-
Hospital errichtet, welches den barmherzigen Schwe.-'tern
vom heiligen Vincenz von Paul 1856 übergeben wurde. —
Zu einer neuen gothischen Pfarrkirche legte Abt Augustin
von Kremsmünster am 20. Juli 1869 den Grundstein. Abt
Cölestin baute darauf rüstig fort. Die letzte Kurliste 1879
w^eist 2819 Personen auf, die zur Kur nach Bad Hall kamen.
WOLF&ANG DanNEEBAUEK.
Das Stift IT. L. Frau zu Lambacli.
jm linken Ufer des Traunflusses, einige Stunden
oberhalb der alten Römercolonie Ovilabis, dem
heutigen Wels (Oesterreich, ob der Enns), erhob
sich bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts die
mächtige Stammburg eines uralten, hochgefeierten Grafen-
geschlechts, welches gewöhnlich als das der von Lam-
bach-Wels bezeichnet wird. Man hat seinen Stammbaum
bis in die Zeiten des grossen Karl hinaufzuführen versucht.
Die urkundlichen Nachrichten reichen jedoch nur bis gegen
das letzte Viertel des 10. Jahrhunderts zurück, und zwar
begegnet uns zuerst Graf Arnold I. in der Geschichte des
altehrwürdigen Benediktinerstiffces Kremsmünster, und es
lässt sich aus dem Zusammenhange der Gebiete, welche
damals dem Grafen unterthänig waren, und der des ge-
nannten Stiftes ersehen, dass die Ländereien der wahrschein-
lich neuangesiedelten Grafen zumeist ein Ausbruch aus
der ausgedehnten, ursprünglichen Bestiftung vom Münster
an der Krems waren, ein Geschick so vieler Gotteshäuser in
jener durch die Avarenzüge schwer geprüften Zeit. Gleich-
wohl war Lambachs Boden und Umgebung schon im Laufe
des 8. Jahrhunderts gut cultivirt und die daselbst an-
sässigen Edlen erscheinen in ihren Vergabungen an die
Gotteshäuser zu St. Peter in Salzburg und Mondsee reich
begütert. Gleiches gilt von dem hocherlauchten Grafen-
geschlechte, das zu Wels siedelte.
Gewiss schon vor 1012 (dem Todesjahre des Passauer
Bischofs Christian) bestand eine Kirche zu Lambach mit
pfarrlichen Rechten — eine Stiftung des genannten Grafen-
geschlechts.
Arnolds I. Sohn, Arnold 11., der aus Franken sich die
adelige Reginlinde — gemeiniglich von Weinsberg genannt
~ heimführte, erlebte an seinen Söhnen die höchste Blüthe
seines Geschlechts: sein Sohn Gottfried wurde später Mark-
graf von Putten, Adalbero Bischof von Würzburg (1045
bis 1090) und der gleichfalls geschichtlich beglaubigte
12*
— 180 —
Arnold III. um 1043 Markgraf in der kärntnerischen Ost-
mark — alle treue Stützen und darum hochgeehrt und
reich belehnt vom fränkisch-salischen Königshause.
Diese Versorgung seiner Söhne in weiter Ferne war
auch, wohl die Ursache , dass Arnold IL im Geiste seiner
Zeit an der schon von seinem Vater begüterten Kirche
12 weltliche Kanoniker bestellte und die Stammburg in
das Capitelhaus umwandelte — wohl nach dem Tode seiner
Gemahlin — etwa um 1043, und seine noch übrigen Lebens-
tage in frommen Hebungen verlebte , während Gottfried
nach des Vaters Ableben in den Besitz des Erbes gelangte;
nach dessen Tode gedieh die väterliche Erbschaft erst an
Adalbero, zum Theil an Gottfrieds Tochter Mathilde.
Hatte Bischof Adalbero schon den Kanonikern seine
Obsorge zugewendet durch. Uebergabe der Pfarrei Guten-
stätten (B. Würzburg), so gebührt ihm doch vor allen der
Name eines Stifters des Benediktinerklosters in Lambach.
Bei seiner Vorliebe für den Benediktiaer-Orden, ein hervor-
ragender Zug seiner vieljährigen bischöflichen Wirksam-
keit in seinem Sprengel und anderwärts, und seinen innigen
Beziehungen zu den reformatorischen Zeitstrebungen er-
klärt sich dies um so leichter, als die Familienstiftung
seit Arnold IL Tode etwelche Verkümmerung unzweifel-
haft erlitten hatte. Diese Uebergabe der elterlichen Stiftung
an den Benediktiner- Orden vollzog sich si'cher vor dem
Jahre 1060 — wahrscheinlich 1056 — imd der Reformator,
den Adalbero selbst bestellte, war aus dem durch tüchtige
Ordenszucht und hervorragende Bildung ausgezeichneten
St. Grorgoniuskloster in Metz genommen. Es war Abt
Egbert, innig befreundet Ynit Wilhelm von Hirschau, den
Adalbero zuerst schon nach dem altehrwürdigen St. Peli-
citaskloster zu Schwarzach (V. Würzburg) berufen hatte.*)
Ansehnlich war die literarische Ausstattung der neuen
Mönchscolonie, welche sich theils aus übersiedeltenMönchen
von Schwarzach, theils aus übergetretenen Kanonikern ge-
bildet hatte, und noch heute bewahrt Lambach. kostbare
Reste von Handschriften des 9. und 10. Jahrhunderts,
welche wohl die Freigebigkeit des Stifters bezeugen. Aber
*) Diese Darlegung beruht auf sorgfältigen Quellenstudien, welche
in nächster Zeit Teröffentlicht werden sollen.
— 181 —
aucli die zeitliclie Ausstattung des Gotteshauses ward durcli
Adalbero nicht unbedeutend gebessert, und es tritt im
Laufe der nächsten Jahrhunderte die auch sonst in der
Geschichte der Elöster nicht zu leugnende colonisirende
und cultivirende Th'ätigkeit auch hier klar hervor. Die
ausgedehnten Waldungen, deren der sogenannte Stiftsbrief
gedenkt, erscheinen Ssbald gelichtet und wohlbegüterte
Dörfer bedecken ringsum den Boden. Von der überreichen
Schenkung des Stiftsbriefes findet sich übrigens in der
königlichen Bestätigung des Gotteshauses durch Heinrich lY.
vom Jahre 1061 keine Erwähnung, und die zwei Märkte
Anspach und Geroldshofen, wie auch die Pfarre Guten-
stätten bei Neustadt a. d. Aisch in Franken sind demnach
kaum je unbestritten in den Besitz des Gotteshauses ge-
diehen. Dagegen ist der Gerichtsbann im Markte Wels,
der Zoll in Lambach und ein ausgedehnter Fischbann in
der Traun, Ager und Alm sicher verbrieft. Dazu kam ans
Kloster endgültig durch Tauschvertrag zwischen den innig
befreundeten Bischöfen Adalbero und Altmann von Passau
die Pfarrei Lambach, wohl nur eine Enclave zwischen den
uralten Pfarrsprengeln Pichl, Gaspoltshofen, Wimsbach,
Steinerkirchen a. d. Traun und Gunskirchen.
Abt Egbert scheint bald nach Begründung der klöster-
lichen Ordnung wieder ins Frankenland zurückgekehrt zu
sein. Sicher ist, dass er als Abt von Schwarzach am
25. November eines nicht sicher bestimmbaren Jahres
(wohl vor 1Ö80) starb und das Andenken eines ehrwürdigen
Dieners Gottes im Frankenlande hinterliess. Auf Befehl
des bischöflichen Stifters hatte Egbert einen der Schwarz-
acher Mönche, Bezman, zum Abte von Lambach bestellt,
und Adalbero hatte letzteren selbst in seine väterliche
Stiftung eingeführt.
Vom allseitigen Gedeihen des Gotteshauses giebt wohl
vor allem der Umstand Zeugnis, dass bereits 1089 Mönche
desselben imter Führung ihres Mitbruders Sigibold zur
Uebernahme des bisherigen weltlichen Kanonikatstiftes Melk
berufen wurden und dasselbe am festlichen Gedächtnis-
tage ihres heiligen Stifters übernahmen.
Im nämlichen Jahre fand auch die feierliche Einweihung
der inzwischen ganz neu erbauten Klosterkirche statt und
zwar am 15. September. Der Diöcesanbischof Altmann von
— 182 —
Passau weihte zu Ehren der Himmelskönigin und der
heiligen Apostel des Frankenlandes, Eilian und seiner
Genossen, den Hochaltar, Bischof Adalbero den Altar zu
Ehren des heiligen Johannes des Evangelisten. Als letz-
terer nun das ßeliquiengehäuse in die Altargrube legen
wollte, fiel der Edelstein des bischöflichen Ringes auf den
Deckel desselben; da wollte einer der dienenden Kleriker
darnach langen. Da sprach aber der Bischof, wie von
einer höheren Ahnung erfasst: „Lasse, mein Sohn, lasse
es," und mit dem Finger auf die Stelle weisend, fügte er
die prophetischen Worte bei: „Dies soll meine Ruhestätte
sein in Ewigkeit; hier will ich wohnen, weil ich sie er-
wählt habe" — ein Wort, das schon im nächsten Jahre
in Erfüllung gehen sollte; denn schon zum Jahre 1090
berichtet der Chronist Bernold: „Adalbero, Bischof von
Würzburg, ehrwürdigen Andenkens, einer der älteren
Bischöfe, für die Sache des heiligen Stuhles ein überaus
entschlossener Kämpfer, schloss nach vielen Gefährlich-
keiten, Verfolgungen und Verbannungen, die er für Christo
bereitwilligst erduldet, in treuem Bekenntnisse sein Leben."
Und wie einer seiner bischöflichen Nachfolger, Embricho,
nicht ansteht, ihn geradezu „einen Mann seligen und un-
vergesslichen Andenkens bei Gott und den Menschen" zu
nennen , „der mit vielfältigen Denkmalen seiner Tugenden
die ihm anvertraute Kirche schmückte und förderte", ge-
steht einer seiner heftigsten Gegner, Bischof Wal tram von
Naumburg, offen ein, dass „Adalbero unter den Partei-
gängern des Pabstes Gregor VII, durch Adel der Ab-
stammung, durch Wissenschaft und Frömmigkeit wie durch
Alter die meisten übrigen übertraf. Der Ruf der Heilig-
keit umgab seine Ruhestätte in seiner Lieblingsstiftung
Lambach, und durch nahe 700 Jahre war sein Sterbetag
— ^ der 6. October — ein lautsprechender Zeuge der treuen
Anhänglichkeit und volksthümlichen Verehrung, während
im Fränkischen seit dem ersten Viertel des 13. Jahr-
hunderts sein Name mehr in Vergessenheit gerieth, ob-
wohl er vor seinem Ende bedeutende Güter in der da-
mals bayerischen Ostmark ans Hochstiffc Würzburg dagegen
vergabt hatte, dass dessen Bischöfe die treuen Schützer
seiner väterlichen Stiftung sein sollten. Und sie waren
es auch, bis 1216 Bischof Otto von Lobdeburg des
— 183 —
Hochstifts Erbe an Leopold VII. von Oesterreich ver-
äusserte.
Abt Bezman erscheint als ein hervorragender Ordens-
mann, da ihn Erzbischof Konrad von Salzburg als zeit-
weiligen Verwalter der ehrwürdigen Stiftung des St. Blasien-
münsters zu Admont bestellte. Wenn Bezman (wohl
identisch mit der Koseform Wecilo?) in dieser verbürgten
Nachricht erster Abt von Lambach genannt wird, so dient
obige Darstellung über Egberts Wirken in Lambach zur
Rechtfertigung, üebrigens war es damals und auch später
nicht so selten, dass hervorragenden Männern die Obsorge
mehrerer Ordensgemeinden anvertraut war. Eben als Abt
Bezman, 7. (8.) September 1104, zu Lambach verscheidet,
übernimmt Abt Sigibold von Melk die Regierung seines
Mutterstiftes Lambach.
Dem Abte Sigibold verdankt das Kloster Lambach die
älteste päbstliche Bestätigung. Sie datirt vom 25. März
1109 im 10. Jahre des Pontißkats Paschais II. Üebrigens
wird das Kloster darin aasdrücklich als der bischöflichen
Oewalt unterworfen bezeichnet. 1116 am 20. März schied
Abt Sigibold im Rufe der Heiligkeit aus diesem Leben.
Da gHlang es einem reformatorische Strenge zur Schau
tragt'nden Prälaten des Würzburger Sprengeis, dem Abt
Bero von Schlüchtern, der schon früher als Vertreter des
Hochstiftes Wurzburg urkundlich erscheint, mit Unter-
stützung seines Diöcesans (Bischof Erlungus?) in dem
Kloster Lambach sich festzusetzen, und es kam so weit, dass
die Mehrzahl der Brüder in Bischof Altmanns ehrwürdiger
Stiftung Göttweig bei dem ehrwürdigen Abt Nanzo Schutz
und Aufnahme fanden, bis endlich Bero den vereinten
Klagen der Mönche von Schlüchtern und Lambach unter-
lag. Ein gewisser Bero erscheint zu gleicher Zeit als
frecher Eindringling.
Der nun aus der Brüder Mitte erwählte Abt Helmbert
führte wieder bessere Tage herbei. Er wie seine Nach-
folger Wigand, Bernhard I., Pabo, Suarzmann, Wiesigrin
und Alram bilden eine Reihe ausgezeichneter Kloster-
vorstände. Kunst und Wissenschaft fanden, wie die Hand-
schriften bezeugen, die eifrigste Pflege, und einer vor-
trefflichen Ordenszucht, die durch regen Verkehr mit den
bedeutendsten Klöstern Frankens nicht wenig gefördert
__ 184 —
■wurde, gingen als Lohn reiche Vergebungen zur Seite.
Insbesondere ist die Schenkung der Waldung an der
Grünnaeh (später Grünau, Oberösterreieh) und eines Theiles
der Waldung Wurmbrand (später Pfarre Oberkirchen,
D. St. Polten) zu erwähnen, da in beiden Orten der
Schenkung alsbald Rodung und Colonisirung folgte, und
80 Jahre später bereits die Pfarre Oberkirchen besteht und
ans Kloster durch Bischof Rudiger von Passau das Patro-
natsrecht darüber geschenkt, und die Pfarre Grünau auf
ursprünglich nach Kremsmünster vergabtem Boden nicht
viel später gegründet -wird. Also fortwährende Coloni-
sirung zu einer Zeit, in der man sonst diese echt bene-
diktinerische Arbeit den Klöstern des Stammordens in
Oesterreich nur zu rasch aberkennen möchte.
Nun brachen aber schwere Tage über das Gotteshaus
Lambach herein. Waren, wie bereits bemerkt, die Be-
ziehungen zum Hochstifte Würzburg seit 1216 abgebrochen
— nicht durch die Schuld des Gotteshauses — , so stürzte
der Kriegszug des Bayernherzogs Otto 1233 Lambach und
seine Umgebung ins tiefste Elend, und den Klosterbewohnern
verblieb, wie der Almosenbrief des Bischofs Rudiger von
Passau besagt, weder ein Ort zur Wohnung noch zum
Gebete. 24 Jahre später erst erhebt sich das Gotteshaus
wieder in seiner baulichen Vollendung unter Abt Bern-
hard IL Das Unwesen der Vögte drückte schwer, und
waren auch die Aebte von damals keineswegs unfähig, so
konnte unter den Stürmen der Zeit eine tüchtige Ordens-
zucht nur schwer gedeihen. Es ist bemerkenswerth, wie
durch die Fürsorge des Bischofs Bernhard von Passau aus
dem damals fast vereinzelt herrlich erblühenden Krems-
münster Sigmar (ob der bekannte Grosskellner?) 1305 zur
Abtei Lambach gelangte. Dessen Einfluss scheint aber
auch nicht durchgreifend gewesen zu sein.
In diesem Zeitraum finden sich auch die ersten Spuren
des Salzverschleisses von Ischl herab auf dem Land- (Saum-)
wege, und zwar werden zuerst 1289 „Stadel" (Scheunen),
zur Salzniederlage bestimmt, in der heutigen Ortschaft
Stadel bei Lambach erwähnt, wovon letztere auch den
Namen erhielt und um so grössere Bedeutung gewann, als
die Abfahr des Salzes auf der Traun durch neueröföiete
Salzstollen und gesprengte Felsenriffe im obern Traunfall
— 185 —
auf Veranlassimg der königlichen Wittwe Albert I. , Eli-
sabeth, nicht -wenig gefördert und das „Stadelwesen" selbst
als Salzniederlage mit einem vom Kloster bestellten Salz-
amtmann (Stadelschreiber) organisirt ■wurde. Daneben er-
hob sich auch im Burgfrieden des Klosters das bürgerliche
Gewerbe um so mehr, als seit 1362 Herzog Rudolf IV.
von Oesterreich dem Kloster das Privilegium eines Wochen-
marktes jeden Montag daselbst verlieh. Alsbald erscheinen
auch benachbarte Adelige als Bürger daselbst und im
Stadel lassen sich Bürger von Hallstatt, Ischl, Enns, Wels
u. a. sesshaft nieder, und das Klosteir schützt und fördert
allüberall, ohne dass es die altehrwürdigen volksthüm-
lichen Rechte (Taiding) gefährdete.
Aber das Element des niedern Adels, welches die Kloster-
ämter als Pfründen behandelt, trägt nicht geringe Mitschuld,
dass eine geistige Hebung im Laufe des 14. Jahrhunderts
trotz einiger Versuche nirgends erscheint, wenn man Kirchen-
bauten (Kirche in Mömpach und die [Pfarrkirche] St. Jo-
hann am Spielparz) und den einen oder andern gelehrten
Mönch, wie z.B. Adalbero Pleichobo, den gefeierten Kenner
und Schriftsteller im geistlichen und weltlichen Rechte,
ausnimmt. Erst im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts
tritt eine Wiederbelebung des Klostergeistes ein durch die
Reformthätigkeit, welche geistliche und weltliche Gewalt,
innere und äussere Beweggründe gleichmässig fördern.
Hat dieselbe auch zunächst etwas Gewaltthätiges,
Zwangsweises an sich und scheint es vor allem nur das streng
klösterliche Leben (die Ascese) zu fördern, so beweisen
gleichwohl die handschriftlichen Schätze desl5. Jahrhunderts,
dass gegenüber dem bisherigen ritterlichen Thun und Trei-
ben in des Klosters Räumen dadurch die Grundlage der
■wissenschaftlichen Thätigkeit gelegt werden musste, und
ein Ehrentheil fällt hier der Wiener Hochschule zu, wenn-
gleich selbe auch nur in den alten Geleisen die Wissen-
schaft pflegte.
Jene im Principienkampfe besonders geistlicher Dinge
hochwogende Zeit muss freilich mit einem andern Mass-
stabe gemessen werden als es der Humanismus auch in
<ier geschichtlichen Darstellung gestatten will. Es war
neben viel Aeusserlichem eine tiefe, Gewissen und Herzen
erfassende Gährung, und nur so begreift es sich, wie z. B.
— 186 —
eben in Lambach. die erste Klostervisitation 14i9 Bahn
brechend wirkt, der zweiten 1431 wenig mehr übrig lassend
und die dritte 1452 geradezu das innere und äussere Leben
und Wirken der Klostergemeinde und des Abtes als gleich
vortrefflich anerkennen muss.
In der That nimmt neben dem nicht untüchtigen Abt
Johannes von Faehsberg (1422 — 1436) Abt Thomas, ein
Bürgerssohn von Retz, den Ehrenplatz ein, überall eingreifend
und thätig, ein gesuchter Berather in Klostersachen. Unter
ihm "wird einer seiner Mönche, Johannes, Doctor der Theo-
logie, als Abt bei den Schotten zu Wien bestellt und ein
Jahr nach seinem Tode muss einer seiner geistlichen Söhne,
Friedrich, Pfarrer zu Lambach, die Inful von Niederaltaich
übernehmen. Unter ihm wie unter seinem Vorgänger wurde
die Stiftskirche fast ganz umgebaut (gothisirt, da selbe
früher romanischen Baustyl wies). Auch der kirchliche
Eitus erfuhr eine vollständige Umänderung. An die Stelle
des seit Jahrhunderten hergebrachten Klosterritus trat die.
italienisch -melkische Observanz, hauptsächlich nach dem
Kloster S. Specu zu Subjaco, und die Stelle der deutschen
Kirchengebräuche nahmen mehr und mehr die römischen
Ceremonien ein. Wie die meisten österreichischen Aebte
erlangte Abt Thomas durch Herzog Albrechts VI. Bemühung
1458 vom Pabste Pius II. das Recht der Pontificalien inner-
halb der Klostermauern.
Des hochverdienten Abtes Thomas Nachfolger, Jo-
hannes IV. Schwarzwadel (1474 — 1504), von Wels gebürtig,
wirkte im Geiste seines Vorgängers, und selbst ein Freund
der Wissenschaft, besonders der Mathematik und Astro-
nomie, gewann er nicht wenige literarische Freunde, be-
sonders aus dem Weltpriesterstande, welche reiche Bücher-
schenkungen dem Kloster zuwendeten. Mehrere von ihnen
traten selbst ins Kloster; einer davon, Paulus Graff von
Deggendorf, wurde später (1507 — 1514) Abt. In zeitlichen
Dingen errang Abt Johannes vom Kaiser Friedrich III. die
exemte Gerichtsbarkeit über alle seine Unterthanen. Es
war aber dies auch fast das einzig Tröstliche; denn hatte
das Salzstadelmonopol das ganze 16. Jahrhundert hindurch
zu fortwährenden Prozessen und Reibungen zwischen der
Hofkammer und dem Kloster und wieder zwischen dem
Kloster, Schiffleuten und Salzverschleissem (Fertiger) über-
— 187 —
reichen Anlass trotz wiederholter ßegelungen (Stadelrecht)
gegeben, und die Rechtsverwahrlosung unter Friedrich III.
aufs nachtheiligste auch des Klosters Gerechtsame geschä-
digt, so musste Lambach erst seit dem zweiten Viertel des
folgenden Jahrhunderts inne werden, was es hiess, zu der
„kaiserlichen Majestät rechtem Cammergut" zu gehören.
Aeusserer und nur zu bald innerer Verfall ist die Geschichte
Lambachs in damaliger Zeit. Das Jahr 1534 sah noch
zwölf Mönche, — Abt Ludwig Goldkofer von München hatte
die Profess von sieben Mönchen entgegen genommen —
und bei seiuem Tode (1554) erübrigt nur ein Ordensprofess.
Die drei ihm folgenden Aebte Johannes V.— VII. ebenso
wie die zwei folgenden Administratoren wirthschafteten mit
Weltpriestem und Mönchen mit einfachen Gelübden so
gut es der „Klosterrath" gehen hiess und liess. Auch Abt
Erhard von Voit, ein Mönch von Thierhaupten, scheint
das Kloster nur als Verwaltungsgut benutzt zu haben.
Erst Wolfgang Kammerschreiber(1571 — 1585) erneuerte
die Klosterschule und versammelte wieder einen Convent
von zehn Mönchen um sich. Ihm stand ein ausgezeichneter
Ordenspriester Johannes Gredtner zur Seite, der seit 1583
unter den grössten Bedrängnissen die katholische Seelsorge
ausübte. Aber erst dem Abte Burkard aus dem schwäbi-
schen Patriziergeschlechte der Furtenbacher, Profess zu
St. Ulrich und Afra zu Augsburg, war es gegönnt, unter-
stützt von dem schon genannten Johannes Gredtner und
dem Stiffcsprior Gregor Goldmann, den katholischen Glauben
bei den Unterthanen ernstlich zu fördern und das Kloster-
leben möglichst herzustellen. Er wusste auch die Missions-
thätigkeit des gefeierten Franziskaners Johannes Nasus für
seine Unterthanen durch mehrere Wochen zu gewionen.
Gleichwohl bietet auch seine Regierungszeit ein trostloses
Bild der verschobenen, schwierigen Unterthanenverhältnisse,
"Welche durch die Einflüsse der weltlichen Stände und durch
die Schwäche der Regierung zu jenen Bauernrevolutionen
auswuchsen, durch die Lambach so schwer in der Folge-
zeit, besonders 1626 und 1632 unter dem Abte Johannes VIII.
Bimmelius zu leiden hatte.
Abt Johannes Bimmelius förderte nachdrücklichst die
katholische Gegenreformation und "übernahm deshalb auch
die ursprünglich nach Gaspoltshofen zugehörigen Vikariate
— 188 —
Neu- und Aichkirchen, welche seit einem halben Jahr-
hundert von protestantischen Prädikanten bedient wurden.
Auch veröffentlichte er zuerst durch den Druck die Bio-
graphien des seligen Stifters und seiner Mitbischöfe Geb-
hard von Salzburg und Altmann von Passau, dann das
Klosterbrevier, die heilige Regel und ein Gebetbüchlein.
Es verdient Erwähnung wie sowohl unter ihm wie auch
xmter seinem Vorfahr und seinen zwei nächsten Nachfolgern
die meisten Klosterleute aus dem Schwabenlande gebtotig
sind und dieser Zuzug bis gegen 1650 dauert.
Nach 34jähriger Regierung legte Abt Johannes ohne
Wissen des Conventes die äbtliche Würde nieder, leider
früh genug, dass er noch die Anfänge der Missregierung
des bisherigen Kapellans des Fürstbischofs von Wien,
früheren Abtes von Kremsmünster, Philipp Nagl, Capitular
von Kremsmünster, mitfühlen musste, dessen Ehrgeiz und
Nepotismus die auf ihn gesetzten Erwartungen bitterlich^
enttäuschten. Er starb unbetrauert 1640 und das am Rande
des Verderbens stehende Gotteshaus fand in dem kaum.
25jährigen Placidus Hieber seinen 'Abt und Retter. Ihm.
verdankt das Kloster, der Orden, das Vaterland nicht Ge- ;
ringes. Er zählte mit den gleichzeitigen Prälaten in Krems-
münster und St. Florian zu den Zierden des Landes. So
schwer es ihm oft wurde, die Ordenszucht festzuhalten —
die rauhe Luffe des 30jährigen Krieges hatte den Kloster-
frieden nicht wenig gefährdet — so gewann er ausgezeich-
nete Ordensmänner. Wir nennen den nachmaligen Prior
und Abt zu den Schotten in Wien, Johannes Schmizberger
(1669—1683), seit 1673 zugleich Weihbischof daselbst, Kilian
Halmschmidt, Amand Krenner, Edmund Ruedorfer, einen
Zögling des Collegium Germanicum. Er wie seine beiden
Nachfolger SeverinBlass (1678—1705) und Maximilian Pagl
(1705 — 1725) sind auch die Hauptbegründer der Bibliothek.
Die Kirche wurde durch Abt Placidus im Rococostyl um-
gebaut und im sechsten Jubeljahre der Stiftung 1656 feier-
lich eingeweiht. Er führte die Rosenkranzbruderschaffc ein
und theüte sich mit seinen beiden Nachfolgern in den TJm-
und Ausbau des Klostergebäudes. Auch das weltliche Be-
sitzthum des Klosters sicherte und vermehrte er thunlichst.
Für die entfernt gelegene Pfarrei Oberkirchen gewann er
durch Tausch das Pfarrvikariat Neukirchen und das davon
— 189 —
abhängige Aichkirclien. Thätigen und opferwilligen Antheil
nahm er auch an der Errichtung der Ordenslehranstalten
in Salzburg. Mag er auch im Laufe seiner Regierung zu-
letzt die Herrlichkeit der Würde mehr betont haben als
es sich für den Vater des Hauses ziemte — gewiss war es
für ihn und das Kloster eine schreckliche Heimsuchung,
als er am 12. September 1678 durch Gift endigen musste.
Grund genug für seinen Nachfolger, den Weg der Strenge
, in Aufrechthaltung der Disciplin einzuhalten. Abt Severin,
ein zarter Verehrer der Gottesmutter, der zu Ehren er die
alte Sakristei in eine sogenannte Lorettokapelle umsehuf,
bemühte sich emstlichst, wenn auch vergeblich, weil mit
dem Vorgange offenbar zu wenig vertraut und unbekannt
mit unanfechtbaren Argumenten, um die kirchliche Appro-
bation der immerwährenden Verehrung des seligen Stifters,
; Ides Bischofs Adalbero. Die äussere Ansicht des Klosters
gewann durch Ausfüllung des Ringgrabens und Anlage einer
' Strasse und Umbau der Vorderfront. Es war nur ein Ver-
! such zu einer grösseren Erwerbung, da sich Abt Severin
'; bemühte, die Pfarre Frauenhaid in der Pressburger Gespann-
1 ischaft unter der Herrschaft Frackno für sein Kloster zu
1 erwerben. Er ist neben Abt Burkard auch als Hauptstifter
! ides St. Josefspitals für Marktbürger und Stiftsdiener zu
I Ibetrachten.
Ihm folgte 1705 der liebenswürdige, anspruchslose Abt
■Maximilian Pagl, Sohn eines Schiffers im Stadl bei Lam-
; :baeh. Sein Baugeist ruhte nicht eher, bis er die dem
Kloster benachbarten Hügel mit zierlichen Kapellen gekrönt
hatte. Ihm verdanken so die heilige Dreifaltigkeitskirche
in der Paura (ein vielbesuchter Bau und Wallfahrtsort),
■; \ die Mariahilfkapelle am Buchberg und die Calvariakapelle
; nebst Kreuzweg ihre Entstehung. Ein eifriger Ordensmann
■' liebte er das Chorgebet über alles und förderte die öffent-
lichen wie klösterlichen gottesdienstliehen TJebungen eifrigst.
Er errichtete ausser dem Waiseninstitute in der Paura eine
Knabensänger- und Musikschule im Stifte und seine un-
bestrittenen Verdienste werden nur durch die Erwägung
m etwas abgeschwächt, dass er zu vertrauensselig in die
Zukunft blickte und deshalb bei seinen Stiftungen zu wenig
auf deren ausreichende Fundirung bedacht war.
Sein Nachfolger Gotthard Haslinger (1725—1735), als
— 190 —
theologischer Lehrer und Prediger gleich berühmt, voll-
endete mit der Anfstellimg eines Beneficiaten in der Panra
die daselbst begonnene Stiftung, Seine Regierung leitet
übrigens schon zu einer für das Kloster verhängnisvollen
Periode über, welche weder der einfache, strenge Abt Jo-
hannes IX. Seiz, noch der gewandte Plorentius Miller ab-
wenden konnten. Mit Abt Maximilian war eben ein alter
echter Benediktinerabt ins Grab gestiegen. Neue Grundsätze,
veränderte Anschauungen in Leben und Lehre hatten dem
Febronianismus und StaatsMrchenthum auch so manche
Klosterpforte erschlossen. Als Abt Amand Schickmayr 1746
die Inful empfing, hatte er wohl die äussere Würde er-
langt — aber der geistige Motor war und blieb der gelehrte
P. Benedikt Oberhauser, Professor in Salzburg, dann in
Fulda, zuletzt in seinem Kloster. Er war ein eifriger Ver-
fechter der Principien Van Ehpens und Quesnels Lehre.
Nur wenige blieben davon unberührt. Dahin zählte vor
allem der strengkatholische, apologetische Schriftsteller und
Kanzelredner P. Maurus Lindemeyr, der auch als Dialekt-
dichter einen bedeutenden Namen hat. Mochte immerhin
P. Coloman Fellner als Zeichner, Radirer, Kupferstecher
und schliesslich in seinen letzten Lebensjahren als Litho-
graph einen nicht gewöhnlichen Ruf sich erwerben und
P. Julian Eicci, Amands Nachfolger in der äbtlichen Würde, .
die neuerrichtete Sternwart« besorgen — das innere Kloster-
leben war mehr oder minder verkümmert und die lange kraft-
lose und charakterschwache Regierung des Abtes Amand,
der in seinen letzten Lebensjahren Dank der verkehrten
Staatsgrundsätze bezüglich der Klöster weder nach Aussen
noch nach Innen befriedigen konnte, musste zur innern
Auflösung des Klosters führen. Dazu kam alsbald die
völlig missverstandene Einmischung der bischöflichen Ge-
walt, die schliesslich die letzten Grenzpfähle der Obedienz
einriss. Diesem inneren Zersetzungsprozess, dem die TJebxmg
des gemeinsamen Lebens, des Chorgebetes u. s. f. von selbst
widersprach, stand die äussere Vergewaltigung von Staats-
wegen zur Seite und es war nach zahlreichen Vexationen
und Ungerechtigkeiten wenigstens der Trost der Gewiss-
heit, als auch Kloster Lambach am 17. August 1784 auf-
gehoben wurde. Während immerhin die Besetzung der
einverleibten Pfarreien, denen die Regierung noch die Pfarre
— 191 —
Bachmaning (jedoch ohne Patronatsreclit) beifügte, sich leicht
hegründen lässt, die Schule der Waisenkinder im Stadel,
welche als öffentlich behandelt werden musste, nur An-
erkennung verdient, bleibt die Verschleuderung des Eloster-
eigenthums, die auch hier Platz griff, zu Gunsten (!) des
Religionsfonds völlig ungerechtfertigt.
Nichtsdestoweniger überdauerte Lambach, durch Gottes
Hand beschützt, auch diese Katastrophe. Bybel hatte an
dem vorherrschenden Geiste der Mehrzahl der Kloster-
bewohner daselbst — milde gesagt — keine Gegner, da-
gegen an der Klosterkasse eine nicht karge Spenderin und
so erfuhr das Aufhebungsdecret schon am 27. Sept. d. J.
eine Milderung und 1788 wurde auch die anbefohlene Ad-
ministration aufgehoben und der Abt wieder in seine volle
Würde eingesetzt. Er starb als Jubilant nach 48jähriger
Regierung 1794. Niemand weiss mehr sein Grab.
Der erste s^'iner Nachfolger, Julian Ricci (1794 — 1812),
hatte die traurigsten Zeiten zu durchleben. Das Kloster
war Spital, Kaserne . . . alles, nur kein Kloster. Dreimal
empfand es die Feiudesgewalt. Die Herrschaft in Oberkirchen
mustte veräussert werden. Aber was weder der Josefinismus
noch die Kriegswuth verbrochen hatte, verschuldete ein
Mann von keineswegs unbedeutenden Anlagen. Eine arge
Misswirthschaft, von ungetreuen weltlichen Beamten aus-
gebeutet, brachte das Kloster an den Rand der Zahltmgs-
unfähigkeit und das Jahr 1820 sah einen abgesetzten Prä-
laten, und die von den Landständen bestellten weltlichen
Seque^ter sahen sich vor ein geistliches Haus gestellt, dessen
Mitglieder dievolleBitterkeit und Beschwerde der strengsten
Vormundschaft erfahi-en mussten, und fürwahr, Ehre gebührt
den Männern, die trotzdem aushielten und soviel in ihren
Kräften stand, wenn amh während langer drückender Jahre,
die Lasten abtrugen und auch sonst für den Fortbestand
des Hauses sorgten, so dass es möglich war, dass selbst
zwei Ordensbrüder an der Neugründung des Ordens in
Bayern Antheil nehmen konnten. Die Bibliothek wurde
durch den Bienenfleiss des P. Adalbert Donnebaur neu
katalogisirt; die historischen zerstreuten Reste durchP. Wolf-
gang RoUendorfer sorgfältig gesammelt; die Seelsorge in
hervorragender Weise durch den ersten Administrator P. Karl
Kaisermayr gepflegt und die weltliche Verwaltung durch
— 192 —
den zweiten Administrator P. Berthold Pichler (1852 bis
1859) bestens geordnet.
Das kircMiche Leben Oesterreicbs war inz-wischen in
neue Bahnen geleitet worden. Pias IX. selbst hatte seit
Beginn seines Pontifikats keine gewöhnliche Sorge der
Restauration des Ordenslebens zugewendet. Auch im Innern
der Klöster selbst hatte man eine selbständigere Stellung
gegenüber der kirchlich-bureaukratischen Vergewaltigung
des Josefinismus angestrebt, und bei diesem ernstlichen
Streben, so gemischt und verschieden die Motive sein oder
doch zu Tage treten mochten, kam man mehr und mehr
zum Bewusstsein, wie gründlich der jetzige Stand der
Dinge gegen den der ursprünglichen staatlichen Vergewal-
tigung der Klöster verschoben war. Das österreichische
Staatskirchenthum hatte zu gründlich mit den Idealen im
Klosterleben aufgeräumt, als dass nicht auch edle, über-
zeugungstreue Männer vor einer plötzlichen Umkehr bangten,
und bei aller Betonung des strengkirchlichen Standpunktes
von Seite der bischöflichen Gewaltträger lag eine Miss-
deutung der anzubahnenden Reform nicht so ferne, um
so weniger, als gerade jene Bestimmungen hervorgehoben
wurden, die eine ungewohnte Belastung, aber keinen
Schutz in sich schlössen. Zudem war es ja eben eine
Frucht des Staatskirchenthums , welches die Entfremdung
von Rom in ihr Programm aufgenommen und mit allen
Kräften gefördert hatte. Eben deshalb war es so schwer,
die Berechtigung des strengkirchlichen Standpunktes dem
Gewissen zur Klarheit und Anerkennung zu bringen.
Wem es, wie dem Schreiber dieser Zeilen, vergönnt
war, in den umfassenden Briefwechsel edler und gelehrter
Ordensmänner betreffs dieser Angelegenheiten Einsicht zu
nehmen und den allmählichen geistigen Klärungsprozess
auch hierin zu beobachten, dem wird es sehr begreiflich
scheinen, wenn das Werk der apostolischen Visitation sehr
getheilte Au&ahme fand. So hoch man die kirchenrecht-
lichen Principien hierüber halten mag, zu allen Zeiten war
die Durchführung einer Reform, auch wenn deren Be-
dürfnis noch so tief gefühlt war, mit manchem Odium und
jener Härte meist verbunden, welche unzertrennlich von
der Gewalt ist, wo nämlich nicht die Liebe gebietet. Dies
zur Richtigstellung für viele freundliche Leser, denen beim
— 193 —
Anblick dieser Zeilen mannichfache Irrungen beim Werke
der versuchten Oi'densreform in Erinnerung kommen wer-
den. In Lambach — um zur Sache zu kommen — hatte
als päbstHcber Subdelegat der hoch-w. Fürstbischof Martin
Slomschek von Lavant 3. November 1857 die apostolische
Visitation vollzogen, hierauf Cardinal Fürst Schwarzenberg
1858 Hausstatuten erlassen und im selben Jahre 8. September
den Sekretär in Angelegenheit der Ordensreform für den
Benediktiner-Orden Oesterreichs, den gelehrten Archivar des
Benediktinerstiftes Kjemsmünster, JP. Theodorich Hage,
zum Abte von Lambach ernannt. Als solcher vom päbst-
lichen Stuhle 13. December d. J. bestätigt, übernahm er
die äbtliche Würde 1859, 17. März. Eine Würdigung
seines Wirkens, das unter aussergewöhnlichen Verhältnissen
sich entwickelte, wird vielleicht einst das Wort „In magnis
voluisse sat est" als leitenden Grundsatz annehmen. Frei-
lich könnten Gregner nicht ohne Grund die nöthige Prüfung
„quid valeant humeri, quid ferre recusent" entgegen halten.
Sein Tod am 29. August 1872 hatte ihm jene Ruhe ge-
bracht, die er auf Erden sich so schwer gestatten wollte.
Der 14. Mai 1873 sah den bisherigen Bibliothekar
P. Johannes von Lasser-Zolheim als Abt.
Das BenediktinerklosterLambach liegtauf einer massigen
Anhöhe am linken Traunufer. Man unterscheidet leicht
drei Hauptbauperioden: die älteste umfasvst den jetzigen
sogenannten äusseren Küchentrakt, die Kellerei und die
Kirche — der Einbau der Abtei datirt später — , da be-
gegnen uns überall noch vorromanische Baureste, und vom
Stifte gesehen lässt sich das Bild der ehemaligen Burg
leicht herausheben. Die zweite Bauperiode umfasst den
jetzigen Schultrakt (der gegenüberliegende Gasttrakt ist
aus dem 16. Jahrhundert) und diente noch im 16. Jahr-
hundert als Convent. Die dritte Bauperiode umfasst die
zu Beginn des 17. Jahrhunderts gebaute Sakristei und den
Schatzkammertrakt — früher Convent — , an welche sich
die beiden andern Trakte nördlich und östlich anschlössen.
Ein interessantes Bild ist uns aus der Zeit von 1650 in
Merlans topographischem Werke erhalten, ebenso in Vor-
s.chlasblättem zu einem Rotulariura.
Die wissenschaftlichen Sammlungen sind an verschie-
denen Orten aufgestellt. Die naturhistorischen Sammlungen
Ein Benediktinerljuoli. 13-
~ 194 —
im ersten Stock des Gasttraktes. Daneben ist aucli das
Arcliiv-neu aufgestellt. Im zweiten Stock desselben Traktes
befindet sich, eine sehr werthvoUe Kupferstichsammlung,
zumeist das Werk P. Coloman Fellners. Die musikalische
Sammlung ist neben dem Sängerknabminstitut, welches
Abt Theodorich in Vereinigung mit der Waisenstiftung
in der Paura errichtete. Bibliothek und daneben abgeson-
dei"t die Handschriftensammlung sind innerhalb di-r Clausur
im zweiten Stocke N. und Ö. Erstere zählt an 30,000 Bände;,
letztere bei 700 Handschriften.
Die Stiftskirche mit kostbaren Altarbildern Joachims
von Sandrart ist durch die Obsorge des jetzigen hoch-
würdigen Herrn Abtes neu hergestellt und mit einer neuen
Orgel versehen worden.
In der Nähe des Klosters befindet sich die sogenannte
alte Pfarr-, eigentliche Gottesackerkirche, ebenfalls im
gothischen Style musterhaft restaurirt.
Der Convent besteht zur Zeit aus dem Abte und zwölf
Capitularen, wovon ausser drei Officialen die übrigen in
der Seelsorge der Stiftspfarre Lambach (5300 Seelen), je
einer in der Seelsorge zu Neukirchen (780 Seelen), zu Aich-
kirchen (640 Seelen), zu Bachmaning (542 Seelen) und als
Beneficiat in der Paura zu Stadel angestellt sind. Von den
Laienbrüdern besorgen einige die Hausgeschäfte, einer leitet
das Sängerknabeninstitut.
TJeber die Geschichte Lambachs handeln: Breve
chronicon monasterii B. M. V. Lambacensis 0. S. B. Lentü
1865. — Notizen zur älteren Baugeschichte der Stiftskirche
und des Klosters zu Lambach. Mit 12 Holzschnitten. — Mit-
theilungen der Central-Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale. XI. Jahrgang (1866). Hefte:
Januar-Februar,
Argumenta cultus Beati Adalberonis, episcopi Wirce-
burgensis. Vienne, Hummel 1868. 4".
Db. P, Piüs Schmieder.
St. Lamlbreclit in Steiermark.
\uellen: G. Ulr. diemnicensis, ©sfislLcScig sive com-
pendiosa, exquisita tarnen commemoratio ftmda-
tionis Lambertinae abbatiae. Saüsbiirgi 1604. 4".
— GescMcbte des Stiftes St. Lambrecht, von
P. Marian Sterz c. 1820 verfasst, uhd. als Mannacript in
eiaem Folioband vorbanden. Eine ziemlich getreue Wieder-
gabe älterer äbnlicher in Manuscript vorhandener Arbeiten
von Weixler, Graf, Schaumberger u. s. w. — M. Pangerl,
Studien zur Geschichte des Klosters St, Lambrecht, I. Ueber
die Reihe der Aebte des Klosters St. Lambrecht im 12.
und 13, Jahrhundert, Graz 1865. 8°. — 11. Ueber die Zeit
der Gründling und. über die Ausstattung des Eloaters
St. Lambrecht. Graz 1866. 8°. — Catalogus reügiosorum
perantiqui monasterii ad S. Lambertum. Graecii 1877. 8".
— I. A. Janisch, Statistisch -topographisches Lexikon von
Steiermark. Artikel: „St. Lambrecht".
Bezüglich der ältesten Geschichte von St. Lambrecht
stehen die neueren, urkundlichen Forschungen mit den im
Stifte vorhandenen Traditionen theüv^eise im Widerspruch.
Offenbar verdienen erstere mehr Glauben, wobei aber die
Traditionen ihren Werth behalten mögen für jene Zeiten
und Fälle, über -welche urkundliche Nachrichten fehlen.*)
Urkundlich steht fest, dass
1) schon 1066 eiae dem heiligen Lambert geweihte
Kirche im Thajagraben bestand;
2) Markwart, der Sohn des Herzogs Adalbero von
Kärnten, die Absicht hatte, dort ein Kloster zu errichten,
und zur Realisirung dieses Planes auch bereits Schritte
machte, indem er den Bau begann, aber an der Vollendung
desselben durch seinen Tod verhindert wurde;
*) Damm scheint Dr. M. Pangerl, der gelegentlich der von ihm vor-
genommenen Neuordnung des Stiftaarchivs die oben angeführten Anf-
Bätze tiber die älteste Stiftsgeschichte veröffentlichte, zu weit gegangen
zu sein, wenn er nur den urkundlich beglaubigten Nachrichten Glauben
Bcheakte, hingegen alles Traditionelle ins Gsbiet der l'abel verwies.
13*
— 196 —
3) Herzog Heinricli I. von Eärnten, der Sohn Mark-
warts, schon im Beisein des ersten Abtes Hartmann das Kloster
am 7. Januar 1103 mit Gütern dotirte.
Zur Dotation der neuen Stiftung gehörten:
Die Barche der heiligen Maria in Grazluppa sammt
ihren Gütern, Besitzungen im Mingersthale , am Lassnitz-
bache, an der Mur unter andern das Gut Pemdorf, Markt,
Mauth und Zoll zu Judenhurg, die Kirchen Weisskirchen
und St. Martin in Lind sammt ihren Besitzungen in diesem
Thale, die Mühlen, die Fischerei und einen Meierhof. In
Aflenz 100 königliche Mausen sammt Jagd, Fischerei, Weiden,
Aeckern undWiesen, die Salzquelle und denErzbau ; die Kirche
des heiligen Georg im Gute Lomnikh gelegen, die Kirche
Marein und den Meierhof Schaltdorf, die Kirche des heiligen
Georg zu Adriach. Im Pyberthale die Kirchen des heiligen
Andreas und der heiligen Margaretha, den Wald Forst ge-
nannt sammt den Jägern und der Jagd, das Fischrecht am
Kainachflusse, das Gut Söding und den Meierhof Zedemiz.
Woher die ersten Mönche nach St. Lambrecht kamen,
ist unsicher. Der Sage nach gab es bei dem nahegelegeneu
St. Blasienkirchlein schon vor der Gründung des Klosters
Mönche (Eremiten?). Manche lassen St. Lambrecht von
St. Peter in Salzburg aus bevölkert, wer den, doch -wahr-
scheinlicher ist es, dass dies von St. Blasien im Schwarz-
wald aus geschah; sonst wäre die Verbindung mit St. Peter
sicher dauernd eine viel engere gewesen. Dazu kam auch
der erste Abt von St. Lambrecht aus St. Blasien, nämlich
Hartmann. Man bezeichnete ihn früher irrthümlich als
Bruder des Stifters Heinrich von Kärnten und verwechselte
ihn bisweilen mit dem schismatischen Bischof Hermann von
Passau, welcher Heinrichs Bruder war und im Jahre 1087. starb.
Hartmann scheint vielmehr ein Sohn der ältesten Dichterin
in deutscher Sprache, der „inclusa" Ava gewesen zu sein;*)
zweifellos scheint auch, dass er früher Prior zu St. Blasien
und seit 1094 Abt von Göttweig war.**) Wie lange Hart-
*) Diemer in der Einleitung zu „Die deutschen Gedichte des H-
und 12. Jahrhunderts" p. XXHI und XXrV.
**) Die vita b. Altmanni (bei Pertz SS. XU. 241), die voll seines
Lobes ist, nennt ihn auch Abt von Kempten und von St. Ulrich, und
er seheint nahe daran gewesen zu sein , zum Erzbisohof von Salzburg
erhoben zu werden.
.4iiiiiiilriiiiiili
— 197 —
mann, der als Dichter nicht wenig gepriesen wird*) und
jedenfalls ein auBgezeiclineter Mann war, der Abtei vor-
stand, ist unbekannt. Er scheint nur die klösterliche Ord-
nung begründet und dann, resignirt zu haben. (1108? —
t 2. Januar 1114.)
Denn 1109 besass St. Lam brecht schon seinen zweiten
Abt, Jakob, welcher am 25. März d. J. jene wichtige Bulle
von Pabst Paschal II. erlangte, auf Grund welcher sich
nach und nach die Exemtionsstellung herausbildete, welche
die Abtei schon wenige Jahre nach, ihrer Gründung ein-
genommen, gegen die Erzbischöfe von Salzburg sorgfältig
vertheidigt und bis zum Jahre 1783 bewahrt hat. — Am
17. Januar 1114 bestätigte Heinrich V. zu Mainz die ge-
schehene Güterdotation. 1124 erscheint bereits Udalrich
mrkundlich als Abt, ein Bruder des Abtes Eberhart von
Viktring und postulirt aus Garsten. Er erwirkte von Pabst
Honorius II. am 29. März 1126 eine Bulle desselben In-
haltes, wie jene Paschais 11. Udalrich vermehrte nicht blös
die zeitlichen Güter des Stiftes, sondern förderte auch das
Wachsthum desselben in geistlicher Hinsicht; so gründete
er c. 1147 die Klostercolonie in Maria-Hof, wobei ihm Mark-
graf Otakar von Steyer wesentlich behülflich war. Udahich
wurde auch zu der auf Pfingsten 1134 nach Pisa ausge-
schriebenen Synode berufen, doch ist es ungewiss, ob er
der Einladung Folge leistete. Sicher ist hingegen, dass
er 1147 mit dem Erzbischof Eberhart von Salzburg auf die
Synode nach Eheims kam, wo er von Eugen III. eine feier-
liche Bestätigung der bisherigen klösterUchen Freiheiten
erhielt. Er starb bald nach seiner Rückkehr am 23. Mai 1148.
Sein Nachfolger Wolfram erhielt 1149 zu Salzburg von
K. Eonrad IL eiue ausführliche Bestätigung der Rechte
und Freiheiten seiner Abtei. Er starb am 9. August wahr-
scheinlich 1150. Nach einigen Chronisten soll er ermordet
worden sein. — Unter dem folgenden Abte, Gottfried, wurde
endlich auch der langwierige Streit mit Sophie, der Wittwe
des Herzogs Heinrich, nunmehr verehelichten Gräfin Schala,
über die Güter im Aflenz-, Mürz- und Pyberthale friedlich
beigelegt, feeilich nicht ohne bedeutende Opfer von Seite
der Abtei. Nach Gottfrieds Tod (5. November wahrschein-
*) Diemer a. a. O. p. XXXIH ff.
— 198 —
lieh 1163) überkam den Hirtenstab Otker aus dem Stifte
Admont, der eine neuerliche Bestätigung der Exemtion
seines Stiftes seitens des päbstlichen Stuhles erlangte (1155).
Auch nahm P. Hadrian IV. die kleineren, neu errichteten
und von St. Lambrecht abhängigen Benediktinerconvente
von Lind und Aflenz in Schutz, von welch letzterem aus
1157 die Gründung des Wallfahrtsortes Maria -Zell statt-
gefunden haben soll. Seiae Nachfolger dürften möglicher
"Weise Rapoto und Magnus gewesen sein, über welche jede
urkundliche Nachricht fehlt. Nur das Mortuologium führt
sie an mit Angabe ihres Sterbetages. Abt Wemher (1163?
— 1180 oder 1181) erwirkte von P. Alexander III. eine
abeirmalige Bestätigung der von den früheren Päbsten ver-
liehenen Freiheiten durch die grosse Bulle vom 28. März
1178. Auch Kaiser Friedrich der Rothbart nahm die Güter
des Stiftes in seinen besonderen Schutz und verlieh am
6. Juli 1174 der Abtei das Recht, auf alle Gattungen Metalle,
namentlich auf Kupfer, zubauen. Abt Wernher erwarb dem
Stifte viele Güter, theils durch Kauf, theils durch Schenkung.
Sein Nachfolger Peringer (1180? — 1215 oder 1216)
hatte viel mit Streitigkeiten zu thun, weshalb er froh war,
eine neuerliche Bestätigung der Rechte und Güter der Abtei
von Alexander III. zu erhalten. Aus der Zeit seiner beiden
Nachfolger Wolfker und Waltfrid, welch letzterer von
P. Honorius III. seibat zu Rom am 4. Mai 1221 benedicirt
worden, kommt nur der Beginn der mit kurzen tJnter-
breehungen durch 400 Jahre fortdauernden Exemtions-
streitigkeiten mit Salzburg zu erwähnen. Beide mögen
resignirt haben, doch dürfte Wolfker den Hirtenstab nach
Waltfrid noch einmal erhalten haben und mit dem in den
älteren Aebteverzeichnissen nach Waltfrid angeführten
Wolfker identisch sein.
Ihnen folgte Perman (von Truchsen? 1233—1258), unter
welchem die Aebte von St. Lambrecht durch Permans an-
geblichen Bruder, den Erzbischof von Salzburg, das Recht
erhielten, Inful, Ring, Stuhl und Handschuhe zu gebrauchen
(ddo. Friesach 29. Juli 1245), und Maria-Zeil zum ersten
Male nachweisbar urkundlich wird (1243). Unter seinem
Nachfolger Gotschalk (1258—1279) brannte das Kloster
sammt der Kirche 1262 ab, wurde aber sogleich wieder auf-
gebaut und 1265 neu consecrirt. Inder päbstlichen Urkunde,
— 199 —
aus welclier diese Nachricht geschöpft ist, wird StLambrecht
zum ersten Mal ausdrücklich und zwar vom Pabste selbst
als der römischen Kirche unmittelbar unterworfen bezeichnet
(„Abbas et cönventus mnrii S. L. ad Romanam eccleaiam
nuUo medio pertinentea"). Die damaligen politischen Wirren,
vielleicht auch die dadurch geschwächte Klosterdisciplin,
sovsde Altersschwäche urd Kjänklichkeit mögen den Abt,
nachdem er durch 21 Jahre erfolgreich und eifrig sein
Amt versehen hatte, bewogen haben, dasselbe niederzulegen
■(1279). Während der Regierung seineg Nachfolgers Burchard.
wurde die Frohnleichnamsprozession in St. Lambrecht ein-
geführt (1285), wurde aber das Kloster neuerdings ein Raub
der Flammen (1287). Dieses Unglück scheint die Ursache
seiner Resignation gewesen zu sein, welche 1288 erfolgt sein
dürfte, worauf er die Pfarrei Maria-Hof verwaltete und dort-
selbst 1295 starb. Die Resignation zweier Aebte nach
einander scheint auf Umstände hinzudeuten, die einen
energischen Mann an der Spitze der Abtei wünschenswerth
erscheinen Hessen; und in der That, Burchards Nachfolger*)
Friedrich (1288—1306) war es. Er unterzog das Kloster
sowohl in geistlicher als weltlicher Hinsicht der nothwendig
gewordenen Reform, brachte die Ordensregel wieder zur
vollen Geltung, baute eine Marienkapelle und verordnete,
dass die Conventpriester der Reihe nach in derselben die
heüige Messe lesen sollten, und schloss 1294 eine Con-
föderation mit der Karthause Seiz.
Ihm folgte Heinrich I. (1306 — 1311), welcher mit dem
Bischof von Gurk auf dem Concil von Vienne erschien;
auch er war für die Verwaltung der Stiffcsgüter sehr be-
sorgt und schloss eine Conföderation mit St. Paul, wie sein
Nachfolger Otto de Laa (1311—1328) mit Göttweig und
Melk. Letzterem Abte wurde auch die Ehre zu Theil, als
Brautwerber des Herzogs Friedrich von Oesterreich mit
mehreren Edlen des Landes nach Aragonien abgesandt zu
werden. Als Anhänger desselben im Streite mit Ludwig
dem Bayer und als päbstlichen Commissär zur Verkündi-
gung der Excommunication fiel er in kaiserliche Ungnade.
*) In den alten Aebteverzeichniaaen erscheinen zwischen Burchard
^d Priedrich die Aebte Wilhelm und Otker H., welche aber weder
m Urkunden, noch im Mortuologium erwähnt werden.
— 200 —
Zu seiBem Nachfolger wurde einstimmig Ortolph. erwählt
(1328 — 1341), -welclier den von seinem Vorgänger begon-
nenen Bau der Stiftskirche fortsetzte. Nach dessen Tod
folgte Dr. Johannes I. Friedperger (1341—1358), welcher
wieder mehrere Conföderationen einleitete, so mit Com-
postella in Spanien, Weingärten in Luttenberg und andere
Güter erwarb, und von Pabst Innocenz VI. zur Unter-
suchung wegen Giltigkeit der Ehe zwischen Ludwig dem
Bayer und Margaretha Maultasch bestimmt war, als er
starb. Selbe nahm nun sein Nachfolger Peter von Leoben
(1358—1376) vor, ein Beweis des hohen Ansehens, in wel-
chem die Aebte sammt ihrem Convente standen. Unter
ihm wurde auch die gegenwärtige Kirche in Maria-Zeil
erbaut. Li gleich hohem Ansehen standen Peters Nach-
folger David Krall (1376—1387), der den Bau der Stifts-
kirche vollendete, und in noch höherem Maasse Eudolf
von Liechteneck (1387 — 1419), der einen Ruf zum Konstanzer
Concil erhielt und als Lehensherr den Erzherzog Albrecht
selbst mit mehreren Gütern belehnte. Abt Eudolf baute
auch die noch bestehende Schlosskapelle. Sein Nachfolger
war Heinrich II. (Moyker von Heinzheim? 1419—1455),
welcher 1424 die Peterskirche im Stiftf-hofe erbaute, sowie
das daneben befindliche Spital, den Grund zu einer nennens-
werthen Bibliothek legte und auf dem Concil von Basel
als Redner gegen die Hussiten auftrat. Als der nach Hein-
richs Tod einstimmig gewählte Ulrich von Rattmannsdorf
resignirte, folgte der damalige Prior Johannes II. Schachner
von Frauenberg (1455 — 1478). Laut der BestätigungsbuUe
verpflichtet sich der Abt: Apostolorum limina Romana
curia existente citra singulis annis, existente vero ultra
montes singulis bienniis visitabo aut per me, aut per meum
nuntium, nisi absolvar apostolica licentia. Unter Abt Jo-
hann II. wurde die Abtei durch wiederholte Feuersbrünste
heimgesucht. Denn 1471 brannte das Kloster sammt der
Kirche ab, am 29. September desselben Jahres das neu
erbaute Conventhaus sammt der Peterskirche und dem an-
liegenden Spital, am 24. Januar 1472 der Meierhof; am
25. Mai 1474 entstand eine Peuersbrunst zu Maria- Zell,
welcher die Kirche sammt dem Kirchenschatz und ein
grosser Theil des Marktes zum Opfer fiel. Doch war der
Abt im Stande, alle Bauten wieder herzustellen, sowie er
— 201 —
auch zum Schutze für Maria-Zeil die Burg Schachensteiu
hei Aflenz erbaute, da die Steiermark damals von den
TJngam und später von den Türken viel heimgesucht wurde.
Seine Gelehrsamkeit war so berühmt, dass er gemeinschaft-
lich mit dem Bischof von Laibach und dem Abte von
Yiktring von Pabst Paul IL berufen -wurde, die Unter-
suchung über die Wunder und den Lebenswandel der seligen
Hemma von Gurk vorzunehmen.
Nicht minder tüchtig war sein Nachfolger Johann III.
Sachs (1478—1518), ein Aflenzer ui^d bisher Pfarrer in
Maria-Zeil. Auch er sorgte mit allen Kräften für das An-
sehen und die Sicherheit seiner Abtei, die er mit Mauern
umgab. Er kaufte die prächtige Burg Stein sammt dem
Banngerichte von den Brüdern Achaz und Christoph von
Liechtenstein, die noch als eine der schönsten Euinen des
Landes der Abtei St. L ambrecht gehört. Viele Sorge machten
ihm die Ungarn, welche die Kirche in Maria-Zeil in Brand
steckten und die Kirche und den Pfarrhof in Maria-Hof
zerstörten. Seine Sorge für die klösterliche Disciplin zeigte
er durch neuverfässte Statuten, welche auch in andere
Klöster Eingang fanden. Er sandte seine Mönche zur Aus-
bildung in den Wissenschaften oftmals auf die trefElichsten
Akademien Italiens, wie Padua, Bologna, Venedig u. s. w.
P. Maximilian de Sanuis giebt ihm das ausgezeichnete Lob:
Praelatorum facile princeps. Unter dem folgenden Abte
Valentin Pierer (1518—1541), Hofkaplan Karls V. und
Ferdinands I., die ihn auch im Stifte besuchten und von
denen er besonders bei Ferdinand beliebt war, kam St. Lam-
brecht 1521 bei der Grenzregulirung von Kärnten weg zu
Steiermark. Die aufrührerischen Bauern und die Türken
brachten aber viel Unheil über ihn und über sein Kloster,
das beim Bauernaufstände 1525 in grosser Gefahr war, ge-
plündert zu werden. Bei dem folgenden Einbrüche der
Türken befestigte Abt Valentin das Schloss Stein, errichtete
dort einen Zufluchtsort und bewafEaete die ünterthanen.
In diesen Zeiten musste St. Lambrecht fast den vierten
Theil seines Vermögens, selbst Kirchensilber, als Kriegs-
steuer abgeben. Trotzdem behauptete Abt Valentin den
äusseren Glanz der Abtei und zeichnete sich durch seine
"^ssenschaffcliche Bildung aus. Er unterhielt sich gern mit
Gelehrten, zog sie an seine Tafel und beschenkte sie reich-
— 202 —
lieh. Johann von Zeidlitz, ein gelehrter und vielgereister
Mann, bezeugt, er habe keinen gelehrteren, vollkommnereu
und freigebigeren Mann kennen gelernt, als Abt Valentin.
Dasselbe bezeugte Erzbischof Johann von üpsala, der mit
Valentin im Briefwechsel stand und ihn seinen besonderen
Freund und Gönner nannte. Auch die Universität Pa<Jua
ehrte ihn als Freund und Gönner der Gelehrten. Er gründete
eine Studienanstalt im Stifte und starb nach 23jährigem,
segensreichem Wirken 1541,
Seine beiden Nachfolger Thomas I. Berner (f 1551)
und Sigismund Kogler (f 1562) wurden wiederholt zum
Concil von Trient berufen, Hessen sich dort aber nur durch
Procuratoren vertreten.
Einer der hervorragendsten Aebte war der nun folgende
Johann IV. Trattner (1562 — 1591), geboren zu St. Lambrecht,
vor seiner Wahl Pfarrer, dann Schaffner dortselbst. Sein
Feuereifer und seine Predigten gegen den in Steiermark
ausgebreitete Wurzeln fassenden Protestantismus sind ge-
schichtlich bekannt. Auch er sandte, wie seine beiden
Vorgänger, um die im Stifte errichtete Studienanstalt
zu heben, seine begabteren Mönche auf die berühm-
teren Akademien Italiens. Vier derselben standen nach
ihrer Rückkehr in einem so hohen Rufe der Gelehrsamkeit,
dass sie zur Infel berufen wurden: Vinzenz Lechner nach
St. Paul, Johann Hofmann nach Admont, Leonhard Knäller
nach Ossiach, und Johanns Nachfolger, Thomas II. Eder
(1591 — 1596). Leider waren — trotz der trefflichen und
energischen Aebte der letzten Zeit — die üblen Folgen
der „Reformation" auch im Kloster St. Lambrecht nicht
ausgeblieben. Es war dem Aussterben nahe, nur mehr
etwa 10 gealterte Mönche waren dortselbst vorhanden,
die materielle Lage gleichfalls traurig. Abt Thomas fi'ihlte
sich der Last, die seinen Schultern auferlegt war, nicht
gewachsen, und resignirte (1596). um seine letzten Jahre
bei seinem Freunde Abt Vinzenz Lechner von St. Paul zu
verleben (f 1606).
Nun wusste sich ein Fremdling, Christophorus Eir-
messer, ehe vor Chorherr und Probst zu Glatz in Schlesien,
die Würde eines Abtes zu verschaffen. Da ihm aber bei
jeder Gelegenheit der Mangel einer giltigen Wahl und der
päbstlichen Bestätigung vorgehalten wurde, so resignirte
— 203 — -
auch er nach ly^ Jahren*), worauf St, Lambrecht eine Zeit
lang von seinem Professen, dem Abte Johannes Hofmann
von Admont, administrirt wurde.
Aber schon im Jahre 1599 bekam St. Lambrecht wieder
ein eigenes thatkräffciges Oberhaupt in der Person des
bisherigen Abtes von Garsten, Martin Alopitius (1600—1613),
den es mit Recht seinen Wiederhersteller und zweiten
Gründer nennt. Gelegentlich eines Zusammentreffens mit
Maria, der Gemahlin des Erzherzogs Karl II. von Steier-
mark, zu Maria-Zeil liess er sich von, dieser zur Annahme
der Abtei St. Lambrecht bereden. Am 18. Juni 1600 wurde
er als Abt förmlich installirt. Mit dem eifervollen Manne
beginnt eine neue Blütheperiode der Abtei. Er vermehrte
sehr bald die Zahl der Geistlichen, theüs durch tüchtige
Kräfte, die er aus fremden Stiften, besonders aus Garsten,
berief, theils durch talentvolle Jünglinge, die er ins Noviziat
aufnahm. Die Diseiplin hob er auf eine solche Höhe, dass
sich der Abt von St. Paul Priester aus St. Lambrecht erbat
zur Eeformirung seines Klosters. Ebenso hoben sich unter
seiner Leitung auch die wirthschaffclichen Verhältnisse.
Sein würdiger Nachfolger war Johann Heinrich Stattfeld
(1613—1638), geboren zu Kochern an der Mosel im Rhein-
kreise. Er tjrachte seine Abtei in so guten Ruf, dass
allein unter seiner Regierung vier Priester als Kloster-
vorstände in andere Abteien berufen wurden; nämlich
Mathias Preininger nach Admont, Hieronymus Marchstabler
nach St. Paul, Wilhelm Schweizer (ehedem Profess von
Biblingen) nach Ossiach und Johannes Geisser vier Jahre
später ebendorthin.
Er verschönerte die Stiftskirche durch einen aus
täuschend marmorähnlichem Gypsguss erbauten Hochaltar,
baute in derselben die Priestergruft, sowie die grossen,
an die Stiftskirche anstossenden Oekonomiegebäude.
Sein Nachfolger Benedikt Pirin (1638—1662) ist für
die Stiftsgeschichte wichtig insbesondere durch seine zahl-
reichen Bauten. Am 11. Mai 1640 legte er den Grund-
*) Die Gerechtigkeit verlangt, dass auch seine gerühmte wissen-
8chaftliche Bildung und Frömmigkeit Erwähnung finde. Er erhielt nach
seiner Besignation Ton den Jesuiten die Pfarrei St. Lorenzen im Mürz-
thale und starb dort.
— 204 —
stein zu. dem jetzigen Stiftsge'bäude , das er dnrch seinen
Landsmann, den Baumeister Domenico Sciassia, im reinsten
italienisclien Styl auffüliren liess. 1643 begann der Bau
der Kirclie zu Köflacli, 1644 durcli Domenico Sciassia die
Vergrösserung der Maria-Zeller Kirclie, welche Abt Bene-
dikt ausserdem mit zwei neuen Tbürmen, und den mitt-
leren, älteren Thurm mit einer neuen, 125 Ctr. schweren
Glocke versehen liess. Ausserdem baute er das Schloss
St. Grotthard bei Graz neu und setzte die von seinem Vor-
gänger begonnene Kenovirung der abteilichen Kirche fort.
Die Fa9ade ihres gothischen Baues assimiürte er dem
italienischen Styl des neuen Klostergebäudes. Es wird
Niemand Wunder nehmen, wenn nach allem dem das Stift
nach seinem Tode eine Schuldenlast von c. 600,000 /. zu
tragen hatte.
1651 reiste Abt Benedikt der Exemtionsstreitigkeiten
mit Salzburg wegen nach Rom. Dort sollte er auch mehrere
Wünsche des Kaisers durchsetzen, z. B. die Errichtung
eines Karmeliterinnenklosters zu Prag, die öffentliche Feier
des St. Josefsfestes und die Feier des Festes Maria Ver-
mählung wenigstens für den Karmeliterorden. Zu Eom
erhielt Abt Benedikt die Präfektur der apostolischen Mis-
sionen für Oesterreich, Steiermark und Kärnten, welche
auch seinen Nachfolgern verblieb.
Er war ein Geistesmann im edelsten Sinne des Wortes,
wie seine noch vorhandenen Hausstatuten beweisen. Er
ging Verbrüderungen eip. mit mehreren grossen Häusern
seines Ordens, z. B. 1641 mit Monte Casino, und noch
in seinem Sterbejahre mit Martinsberg in Ungarn. Auch
die Wissenschaften pflegte und schätzte er. Es bildeten
sich unter ihm eine ganze Reihe gelehrter Männer, die
theils zu Hause, theils auf öffentlichen Anstalten mit
grösstem Lobe lehrten.
Die Schuldenlast der Abtei wuchs noch unter Bene-
dikts Nachfolger, Franz von Kaltenhausen, welcher durch
45 Jahre (1662—1707) den Hirtenstab fährte. Denn auch
dieser Abt unternahm grosse Bauten. So begann er 1680
den an der Marktseite des Stiftes gelegenen Gasttrakt zu
bauen, 1693 das Präpositurgebäude in Aflenz, 1697 einen
neuen Hochaltar in Maria -Zell, der auf 145,000 /• zu
stehen kam, in demselben Jahre das Schloss in Pyber,
— 205 —
1704 das geistKche Haus in Maria-Zeil, und all das in
einer Zeit, in -welclier die Opferfähigkeit der Abtei durch
die Türkenkriege stark in Anspruch genommen war.*)
Uebrigens wuaste Abt Franz den guten Ruf derselben treff-
Hch zu wahren. In seine Zeit fallen die trefFHchsten Schrift-
steller, die St. Lambrecht aufzuweisen hat**), welche es
ihm ermöglichten, 1683 eine eigene philosophische und
theologische Hauslehranstalt zu errichten, die von den
eigenen EHerikem, dann von jenen der Abteien Admont,
Garsten, Seitenstetten, Ossiach, St. Paul, Viktring, Amold-
stein und zeitweilig selbst von Martinsberg in Ungarn
besucht wurde.***)
1662 beendete Abt Franz die Exemtionsstreitigkeiten
mit Salzburg, 1677 jene mit Seckau bezüglich des Com-
missariates Pyber durch einen Vergleich, in welchem die
beiderseitigen Rechte fixirt und anerkannt wurden.
1677 erhielt er auch durch Vermittlung des Erzabtes
von Monte Casino die Privilegien dieser Erzabtei in der
Weise, dass sie in St. Lambrecht fortbestehen sollten,
wenn sie in Monte Casino erlöschen würden, so dass
weniger eine Mittheilung, als vielmehr eine Neuverleihung
derselben stattfand.
Sein Nachfolger Antonius Stroz (1707 — 1724), früher
Professor in Salzburg und Wien, that sich hervor als spar-
samer Oekonom, der die Schuldenlast der Abtei tarotz
seiner Bauten, der Feuersbrünste, der Pest und der Kriege
fast um die Hälfte verminderte.
Ihm folgte Chilian Werlein (1725 — 1737), welcher die
gegenwärtige Prälatur, die Josefskapelle und die Kanzel
*) Für die Türkenkriege und den spanischen Erbfolgekrieg mnsate
auch der Eirchenschatz in Maria-Zeil anf den Altar des Vaterlandes
gelegt -werden , wozu die Bewilligung in Eom von Seite der Eegierung
eingeholt worden war. Auch 1811 musste Maria -Zell grosse Opfer
bringen.
**) So besonders die Zierden der Benediktiner-Universität Salzburg,
P- Benedikt Bettschacher (f 1701) und Hyacinth Peri (f 1713). Ausser-
dem Maurus Liechtenheim, Basilius Finckeneis, Chilian "Werlein, Anton
Stroz; der ehemalige Brixner Kanonikus Christophorus Jäger, ein Mit-
arbeiter der Bollandiaten u. s. w.
***) Nämlich nachdem der Lambrechter Brofess B. Martin Eume-
dortaelbst Erzabt geworden war (1688, f 1693).
— 206 —
in der abteiliclien Kirche erbaute, den silbernen Altar in
Maria- Zell mit einem, silbernen, inwendig vergoldeten
Tabernakel im Werthe von 65,000 /. aufstellte, wozu die
Fürstin Montecuculi 26,000 /. opferte. Auch kaufte er in
Graz das (jetzige) Krankenhaus nächst dem Paulusthor.
Auch Abt Chilian war ein besonderer Freund der Wissen-
schaften, weshalb er seine Kleriker nicht nur im Stifte,
sondern auch auf öffentlichen Lehranstalten ausbilden liess,
ja einige nach Eom sandte, von wo sie als Doctoren zurück-
kehrten (so z. B. der nächstfolgende Abt). Die gleiche
Liebe, die er bei den höchstgestellten kirchlichen Prälaten
fand, bezeugte er gegen seine Mitbrüder, so dass er oft
zu sagen pflegte: es falle ihm nichts schwerer, als einen
derselben traurig zu sehen.
Kurz vor seinem Tode resignirte er wegen andauernder
Kränklichkeit, worauf einer der tüchtigsten Aebte gewählt
wurde, Eugen Grafinzaghi (1737—1760). Mit ihm schloss
die letzte Glanzperiode der Abtei vor ihrer Aufhebung.
Wie sehr er das Stift zu verschönern bestrebt war, beweist
sein allerorts vorfindliches Wappen. Er errichtete das
prächtige Conclave, das jetzt zur Prälatenwahl dient und
früher unter dem Namen „Museum" bekannt war, begrün-
dete eine Münzensammlung, ein Kunstkabinet und eine
Bildergallerie im Stifte, verschönerte den äusseren Stifts-
hof und zierte die Front der Prälatxur mit massiven mar-
mornen Säulen und den Bildnissen der Gründer.
In Maria-Zeil liess er durch Sommerholzer die grosse
Orgel mit einem Kostenaufwand von 30^000 /. aufstellen
imd erbaute in dessen Nähe das Eisengusswerk, sowie er
auch die durch Feuer zerstörte Präpositur in Aflenz wieder
herstellte.
Mit gleichem Eifer versah Abt Eugen seine geistlichen
Pflichten. Er visitirte wiederholt die Pfarreien und hielt,
wie schon seine Vorgänger gethan hatten, zu Pyber mehrere
Synoden.
Auch diesmal madhten ,sich die harten Kriegszeiten
für St. Lambrecht doppelt fühlbar. Denn 1742 erhielt
Abt Eugen von der Hofkammer den Auftrag, den Maria-
Zeller Kirchenschatz abzuliefern oder denselben um 100,000/-
auszulösen. Doch wurde diese Summe später auf 50,000 /•
herabgesetzt. Den hohen Kriegssteuern flel auch die eben
— 207 —
erst begonnene, aber docb schon wertbvoUe Münzensamm-
lung zum Opfer. Kaiser Franz, der Gemahl Maria The-
resias, kaufte sie um den für die damalige Zeit hohen
Preis von 18 224 /.
Nach Eugens Tod wurde Berthold Stemegger zum
Nachfolger ge-wählt. Ihm -wurde die Ehre zu Theil, in
seinem Grazer Hofe Pabst Pius VI. auf seiner Keise nach
Wien beherbergen zu dürfen.
unter ihm erfolgte die Aufhebung der Abtei durch,
kaiserliches Decret ddo. 4. Januar 1786, -welches dem
Abte am 14. Februar in Graz eingehändigt und am 14. März
zu St. Lam brecht publicirt -wurde. Die schon 1783 erfolgte
Aufhebung der Exemtionsstellung des Abtes und Con-
ventes, so-wie die zahlreichen vorangegangenen Kloster-
aufhebungen halten das Unglück schon ahnen lassen. Un-
ersetzlich ist der Verlust, -welchen die Abtei dadurch erlitt.
Da mir darüber noch ungedrucktes Materiale aus dem
amtlichen, nun im Archive zu St. Lambrecht befindlichen
Authebungsinventar zu Gebote steht, -welches mehrseitig
interessiren dürfte , -will ich darüber et-was ausführ-
licher sein.
Die Aufhebungscommission bestand aus dem Com-
missär Nepomuk v. Buset, dem Aktuar Jos. Mar. Rotten-
stätter und dem Controlor Jos. Mar. Boresch. Das von
ihnen verfasste Aufhebutigsinventar enthält in seinem ersten
Theil den Personalstand, wobei alle damals lebenden Stifts-
glieder, 93 an der Zahl, mit Angabe ihrer bisherigen und
allt'älligen künftigen, entweder selbst gewünschten oder
bihördüch autVetrageuen Beschäftigung angeführt werden.
Dem Abte wurde eine Pension von 1460 /. zugesprochen,
dem Prior eine solclie von 400 /, jedem Conventualen
von 300 /. Nur der Siiperior von Maria-Zeil, P, Konrad
Kriegern, und P. Albert von Maistern machten eine Aus-
ßahuie, indem sie eine Pension von je 500 /. erhielten,^
■was bei letzterem damit begründet wird, dass er „bei der
^eit mehreren Jahren gebrechlichen Gesundheit des Abtes
iast ganz allein die Leitung des Stiftes quoad oeconomica
et disciiilinaria traget, auch dieser Auflösungscommission
thätige Hülfe geleistet*), folglich mehr als jeder Prior
*) Er gab Auskünfte über die Stiftsbesitzungen gelegentlich der
— 208 —
rücksiclitswürdig ist" .... „"weiin selber nicht zum Vor-
theil des Eeligionsfondes und Staates bei seinen ausgebrei-
teten Kenntnissen und Gelehrsamkeit zum abb^e comman-
deur eiues bestehenden Stiftes verwendet -würde."
Die auf den bisher stiftischen Pfarreien verbleibenden
Conventualen wurden nun aus dem Religionsfond besoldet.
Charakteristisch ist folgender Umstand. Viele der älteren
Patres wünschten ihre Pension bei einem ihrer Mitbrüder
auf einer Pfarrei zu verzehren. Da sie vielfach in der
Seelsorge Aushülfe leisteten, so wurden sie als förmliche
Cooperatoren betrachtet und den Pfarrern ihre Kapläne
genommen. Dafür mussten die Pfarrer, weil ihre „Coopera-
toren" eine Pension bezogen, statt einen Beitrag aus dem
Religionsfond für den Unterhalt der Kapläne zu erhalten,
eine grössere oder geringere Summe an denselben ab-
liefern. Da mehr als die Hälfte der Conventualen sich
ohnedies in dieser oder jener Stellung noch verwenden
Hess, so wurden auf diese Weise die Pensionen auf ein
Minimum beschränkt.
Darauf folgt im Inventar die Aufzählung der Baar-
schaften und vorgefundenen Werthsachen. Die werthvollen
Kirchengeräthe von St. Lambrecht und Maria-Zeil wurden
„ihrer Unanwendbarkeit und Mängel wegen" ins Pagament-
amt in Graz zum Einschmelzen abgeliefert, wofür der
Kirche von St. Lambrecht ein Kapital von 7000 /., jener
in Maria-Zeil ein solches von 9000 /. gutgeschrieben wurde.
Eolgt die Aufzählung des übrigen beweglichen Vermögens
im Stifte und auf den dazu gehörigen Pfarreien und Herr-
schaften. Die Kunstkammer wurde an die Grazer Bibhothek
abgegeben, der Inhalt der Rüstkammer als „altes Eisen"
nm 450 /. hingegeben. Die Bildergallerie wurde aufgelöst,
die Manuscripte der Bibliothek kamen theüs in die Uni-
versitätsbibliothek nach Graz (deren Handschriften zu einem
Dritttheü von St. Lambrecht stammen), theils in die Hof-
bibliothek zu Wien. Die Bücher wurden verpackt und
nach Graz geschickt, da man sich mit Verzeichnung der-
selben nicht abgeben könne. Die „Abrahamisch-Kochemi-
schen Skarteken" an den Orten ausser Maria -Zell und
Inventur. Später war er einer der eifrigsten Beförderer der ■Wieder-
herstellung des Stiftes.
— 209 —
St. Lambreclit können alsPfarrbibliotheken belassen werden,
„damit die aus dem GewicM nicht zu erholenden Fracht-
kosten dem beschwerten Religionsfond keine neue Last
zuziehen". Nach der Wiedererrichtung des Stiftes blieben
die Manuseripte an ihren neuen Bestimmungsorten, die
Bücher aber wurden, soweit sie noch verpackt waren (die
meisten waren es!), wieder zurückgegeben. Dazu scheint
St. L ambrecht einige Kisten Bücher aus anderen aufge-
hobenen Klöstern erhalten zu haben.
Nach Graz mitgenommen und der ,,Bewahrung3Com-
mission'^ übergeben wurden eine grosse silberne und ver-
goldete, reich mit echten Steinen besetzte Monstranz,
20 Eeliquiarien , mit Gold und Perlen gefaast und reich
mit Steinen besetzt, OrnateundMessgewänder im Schätzungs-
werth von 4666 /., welche bald zu veräussem wären. Als
in St. Lambrecht belassen, aber noch überflüssig werden
angeführt zwei Orgeln, sowie eine Glocke von 80 Ctrn.*)
In Maria-Zeil sollte die Dotation nach allerhöchstem
Befehl aus dem eigenen Kirohenvermögen geschehen. Aus
dem abgelösten Silber der Opfertafeln erhielt man zwar
9000 /., „aber dieses reicht bei fortdauerndem Concurs
kaum für den Opferwein. Wenn da nichts veräussert
werden soll," sagt der Aufhebungscommissär, „so ist meine
Einsicht zu kurz, wie aus dem eigenen Vermögen des
Gotteshauses die Unterhaltung desselben und der kostbaren
Bedachung, des erforderlichen Eirchenpersonals, dann eines
Pfarrers mit etwa sechs Cooperatoren und zur Coneurszeit
anderer geistlicher Mitgehülfen zu bestreiten wäre. Meines
mindestens Erachtens dürfte es wohl gar keinem Anstand
unterliegen, nach und nach ohne Aufsehen einen und: den
andern Silberkoloss mittelst des- Pagamentanates frucht-
bringend zu machen imd dafür gleiche Bildhauerschnitz-
werke aufzustellen."
Der AVerth sämmtlicher Paramente, Kirchengeräthe
und Pretiosen zu Maria-Zeil war schon im Winter 1785
auf 332,000 /. geschätzt worden.
*) Die Veräusserungswuth der Auflösungscommission stieg nicht
^los auf die Höhe des Kirchthurmes, sondern fand auch die in die
Erde vergrabene bleierne Wasserleitung, welche ein Bassin im „Kaiser-
saale" speiste. Auch die eisernen Ketten, welche das Greländer vor der
inneren Stiftsfa^ade verzierten, wurden veräussert.
Ein Benedtktinerbuch. 14
— 210 —
Das Inventar lässt nun die Aufzählung der im catastro
provinciae beansagten Stiftsgüter folgen , welche auf
1,498,355 /. geschätzt werden; sowie der vorgefundenen
Getreidemassen, der Weine (in St. Lambrecht allein
5600 Eimer) und des Viehes.
Das Schlussresultat der Aufhebungscommission war,
dass dem Religionsfond nach Abzug aller Kosten und
Lasten eine Summe von 760,338 /. 43 Jt^z. verblieb.
Die Güter wurden theils verkauft, theils cameralistisch
verwaltet. Diese trugen aber so viel wie nichts und wurden
nur verschlechtert. Das „irregulär gebaute und baufällige,
aber geräumige" Schloss, welches die Commission auf
1500 /. bewerthete, wurde während der Aufhebungszeit
absichtlich dem Ruine preisgegeben. Das herrliche Stifts-
gebäude, welches man auf 6000 /. geschätzt hatte, weil
es seiner Entlegenheit wegen weder zu einem Strafhaus,
noch zu einer Kaserne oder Fabrik verwendbar sei, wurde
nur soweit in Stand erhalten , als es zur Wohnung für die
Seelsorgspriester und k. k. Cameralbeamten sammt Kanz-
leien: nöthig schien; ganze Trakte gingen dem Verfeil
entgegen. Auch der bescheidene Markt verödete gänzlich.
Da fasste Kaiser Franz, hauptsächlich auf Betreiben
seiner Gemahlin Maria Theresia, den Entschluss, das Stift
zu restituiren. Wohl mag ihn dabei aucb das Motiv ge-
leitet haben, Maria-Zeil, Oesterreichs bedeutendsten Wall-
fahrtsort , seiner ursprünglichen Pfleger nicht zu berauben.
Was von den alten Stiftsbesitzungen noch übrig war, wurde
zurückgegeben; die Herrschaft Maria-Zeil sammt Gusswerk
verblieb jedoch dem Staate, und statt Pyber erhielt die
Abtei 1807 die Herrschaft Witschein. Die Exemtion blieb
aufgehoben, das Commissariat Pyber säcularisirt und die
Stiftspfarren , gegenwärtig 19, unterstehen dem Bischof.
Die Wahl, welche am 4. October 1802 stattfand und
sämmtliche noch lebende Conventualen mit einer Ausnahme
wieder vereinigte, berief den damaligen Dechant von Maria-
Zeil, Joachim J., Rock, zur Infel. Er bemühte sich nach
Kräften, die Stiftsverhältnisse wieder in einen annehmbaren
Zustand zu bringen, war ein Eiferer für klösterliche Disciplin
und ein Freund der Wissenschaften, wie die Errichtung
eines Gymnasiums im Stifte (1808) und die Wiederher-
stellung der theologischen Hauslehranstalt bezeugten ; doch
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— 211 —
konnte letztere wegen der geringen Zahl der Conventualen
nur kurze Zeit erhalten bleiben. Aus Dankbarkeit gegen
die Wiederhersteller der Abtei Hess er die Porträts Kaiser
Franz I. und seiner Gemahlin Maria Theresia vom Hof-
maler Campi malen und im Prälatensaal neben den Por-
träts der Stifter aufhängen.
Ihm folgte Ferdinand Herzog (1811—1817), welcher
der schwierigen Verhältnisse wegen 1817 resignirte, worauf
die Abtei durch P. Rupert Schmiedmayer (bis 1833) und
P. Kilian Drocker administrirt wurde, bis eine neue Wahl
Joachim II. Suppan zur Abtei berief (1835 — 1864). Ihm
hat St. Lambrecht seine Rettung aus sehr schwierigen
Verhältnissen, die zum grössten Theil noch eine Folge
der Aufhebung waren, zu verdanken. Er stellte das zeit-
weilig aufgehobene Privatgymnasium wieder her, liess das
Archiv von kundiger Hand neu ordnen, that viel für die
Bibliothek, der auch seine werthvoUe Privatbibliothek zu-
getheilt wurde, und liess den Thurm und die Kapelle im
Schlosse wieder herstellen, letztere überdies mit einem
werthvoUen Flügelaltar und anderen Kunstwerken
schmücken. Auch entstand unter ihm das interessante
Naturalienkabinet (durch den als Omithologen eines
grossen Rufes sich erfreuenden P. Blasius Hanf, den
Entomologen P. Coelestin Kodermann und den Botaniker
P. Raymund Steyrer).
Ein würdiger Nachfolger ist der gegenwärtige hoch-
würdige Herr Abt Alexander Setznagel (gewählt 1865), der
seinen Sinn für Wissenschaft durch andauernde Bereicherung
der Bibliothek, seinen Eifer für die Zierde des Gotteshauses
durch Verschönerung der Abteikirche, durch eine neue
Orgel und styl entsprechende Beichtstühle bezeugte, und
zwei grosse neue Oekonomiegebäude errichtete, das eine
zu St. Lambrecht, das andere in Witschein.
P. Nokbebt Zechneb.
14'
Marienberg in Tyrol.
er von Mera^ nacli dem Vinstgan reist, erblickt
oberhalb, Mals auf einem Berghügel das ansebn-
Hche Kloster Marienberg, gestiftet von den Grafen
- von Tarasp am, Ausgange des 11. Jabrbunderts
und von Scbuls im Engadin im Jabre 1146 bierber über-
setzt; der Klo^terlDau war im Jabre llöiö vollendet. (Vgl.
Sinnacber, Beiträge zur Gescbicbte der biscböflicb^n Kircbe
Säben und, Brisen in Tyrol III. B^. S. 513 S. Episcppatus
Curiensis a P- Ambrosio Eicborn 0. S- B. p. 295.) Die
ersten Mönche waren von Ottobeuern gekommen und er-
hielten durch Pabst Eugen III. sowie yomi Kaiser Friedrich I.
die Bestätigung ihres Besitzes, welcher im Jahre 1160
durch die Herren von Matsch, auf welche auch von den
Taraspem die Schirravogtei überging, beträchtlich ver-
mehrt wurde. Die ersten- fünf Aebte, Albert, Marcelliu,
Schwicker, Gebhard und "Volker, waren sämmtlich von
Ottobeuern. Friedrich Graf von Ulten war der erste aus
dem Stifte seibat ge-wäblte Abt; er starb im Jahre 1194.
Verfolgt man die Geschichte dieses Klosters im 13. und
14:. Jahrhundert, so findet man, das? es manche Streit-
sachen auszukämpfen ha,tte., mitunter bedeutende Verluste
erlitt, ja fast an iden Rand des Untergangs gebracht wurde,
aber doch immer wieder von den harten, S.chicksai.sachlägen
sich erholte, neu aufblühte xmd sogar erweitert werden
musste. So z. B., um nur einige Vorfö,lle zu erwähnen,
beanspruchten die Bauern des unter dem Stifte gelegenen
Dorfes Burgeis, deren Pfarrei von dem damaligen Diöcesan-
bischofe von Chur den Mönchen übergeben worden war,
die freie Durchfahrt durch eine Klosterwiese, was besonders
zur Erntezeit von grossem Nachtheil war. Abt Konrad III.
Hess daher die Wiese mit einer Mauer umgeben; alleia
die Burgeiser rissen sie an einem Sonntage nieder, wofür
Egno von Matsch die Mauerbrecher züchtigen wollte. In-
dessen kam ein Vertrag zu Stande, gemäss welchem die
Durchfahrt nur von Mitte Mai bis Jakobi untersagt war.
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— 213 —
Zum Danke dafür traten die zufriedengestellten Bauern
dem versölmliclien Abte ein Weiderectt ab, tirid als daraus
Ackerland -w-urde, gabeü sie iälljäbrlicb vierzig Käse als
Ersatz. Im ^äbre 1274 überfielen Set-Spicker von Reicben-
berg bei Taufers und des Abtes leiblicber Bruder Friedritli
von Ramüss das Kloster und raubten, ^äs sieb darin an
WiertbsacheiQ, Geld-, Vieb-, Geräthsebafteh, W'ein und
Lebensmitteln vorfand, ■wäbrend gleicbzeiiig arges Gesindel
die Klostergüter in Näuders und eine Alpe ausplünderte.
Den Gottesräüberii bekam jedocb ibr Frevel scbleebt.
Scbwicker wurde bald darnach von seiüein Pferde ter-
schlägien, Frifedricb aber in einer Febdie tiait Egiio von
Matsch erwürgt. Kaum hätte sich das Stift von diesem
Uhfalle, der es in die grösste Arinuth versetzt hatte,
einigermasseh erholt, als unter Konräd's Nachfolger, Ulrich,
eine neue Streitigkeit mit dem Bischöfe von Chur entstand.
Dieser belegte das Kloster, weil der Abt ihm, wie es scheint,
einen schlechten Empfang bereitet hatte, niit dem Inter-
dikt und, da man dariauf nicht ächtete, sogar mit dem
Banne. Die Sache wurde jedoch bald wiedet beigelegt.
Die Bischöfe von Ghür waren auch Besitzer der gerade
unter Marienberg gelegenen Fürstenburg ^ welche zu den
wichtigsten Schlössern Tyröls gehört; jetzt ist sie Eigeh-
thum der Gemeinde Bm-geis geworden. (S. „Geschichte
des Schlosses Fürstenburg in Vinstgau" , Meran 1867, von
P. Cölestin Stampfer, Benediktiner von Marienberg.) —
Schlimmer noch als dem erwähnten Köhrad erging es dem
Abte Hermann von Schaüenstein, w'elcher wegen unge-
rechter Beschädigung des Klosters zürn Grafen Otto von
Tyrol gegen Ulrich von Matsch seine Zuflucht genommen
hatte. Letzterer überfiel aus Räche das Klöster, nahm
den Abt gefangen, schleppte ihn in das benachbarte Dötf
Schlinig und liess ihm den Kopf abschlagen.. Dies geschah
im Jahre 1303. Als die Möhfche den Tod ihres gieUebten
Vaters erfuhren, brachten sie deü Leichnam nächMätien-
berg und bestatteten ihn ehrenvoll ; an seinetia Grabe sollen
mehrere Wunder geschehen Sein. Der Mörder aber pügerte
nach Avighon zuni Pabste Clemens V., welcher ihni
eine sehr strenge Kirchenbüsse auflegte. Nach Eichorn
(Episcop. Curiens.) soll Ulrich unbussfertig gestorbeh sein;
dessen Wittwe aber liess sich durch den folgenden Abt
— 214 —
Johannes bewegen, die Vogtei an den Grafen Heinrieli
von Tyrol abzutreten.
Neue schwere Heimsuchungen kamen über Marienberg
unter Abt Wiso (1320—1362), der als ein eifriger, demü-
thiger und friedfertiger Ordensmann, geschildert wird.
Heuschreckenzüge, Erdbeben und Schneelawinen richteten
furchtbaren Schaden an und eine ansteckende Seuche raffte
alle Ordensleute hinweg bis auf Wiso, den Priester Rudolf,
den Kleriker Groswin und einen Laienbruder. Es wurden
deshalb aus verschiedenen Gegenden Mönche herbeigezogen.
Weil aber dieselben im Chorgesange nicht übereinstimmten,
so begann Goswin unter Wisos Beihülfe den Gesang mit
Noten auf Pergament zu schreiben. Auf solche Weise ent-
standen die ersten Chorbücher Marienbergs, (üeber Goswin
und die von ihm geschriebene Chronik seines Stiftes vgl.
Ferdinandeum oder „Beiträge zur Geschichte, Statistik,
Naturkunde und Kunst von Tyxol und Vorarlberg", I. B.,
Innsbruck 1825, wo die werth volle Chronik in verstüm-
melter deutscher Uebersetzung von J. Röggel abgedruckt
ist.) Im Jahre 1418 wurde das ganze Kloster ein Raub
der Flammen; doch stellte es Abt Heinrich aus Tettnang
in Schwaben bald wieder her. Nach seinem im Jahre
1427 erfolgten Ableben wusste sich Iban von Rottenstein,
vorher Abt in Füssen, durch Simonie und sonstige Um-
triebe die Abtwürde in Marienberg zu verschaffen, um sich
auf dessen Kosten zu bereichem. Er kehrte mit dem un-
gerecht erworbenen Gute nach Füssen zurück, stellte dann,
von Gewissensbissen gequält, eine Wallfahrt nach Rom
und Palästina an, lebte darauf vorübergehend in Wesso-
brunn und kam endlich wieder nach Marienberg, wo er
im Jahre 1439 starb. Im gleichen Jahre erhielt Abt Peter,
der dem Concil zu Basel beiwohnte, den Gebrauch der
Pontifikalien. Sein gleichnamiger Nachfolger hatte das
traurige Geschick, von Bauern von Burgeis, die einen
Streit mit ihm hatten, erschlagen zu werden.
Neues Leid brachte am Ausgange des 15. Jahr-
hunderts der sogenannte Engedeiner oder schwäbische
Krieg, den Kaiser Maximilian I. gegen Graubünden führte,
in welchem viele Dörfer zerstört, über 300 Edelleute
aus Tyrol erschlagen imd dem Erlöster unsägliches Elend
bereitet ward. (S. Ferdinandeum, Zeitschrift 1838, „Der
— 215 —
Engedeiner Krieg im Jahre 1499" mit Urkunden von
Albert Jäger.)
In der Keformationszeit, in welcher ein grosser Theil
■des benachbarten Graubünden vom katholischen Glauben
abfiel, bot Marienberg dem flüchtigen Bischöfe von Chur,
mit welchem es vorher wegen der Exemtion manche
Kämpfe zu bestehen hatte, eine Zufluchtsstätte. Leider
Tcrfiel nachher unter den traurigen Zeitverhältnissen die
strenge Ordenszucht und schlichen sich mancherlei Miss-
bräuciie ein, um so mehr, als Abt Christian, der früher
Pfarrer in Mals und wahrscheinlich gar kein Ordensmann
war, nicht mit gutem Beispiel voranging. Als Wieder-
hersteller der Ordnung verdient sein Nachfolger Philipp
aus St. Blasien ehrende Erwähnung; die Mönche entfalteten
unter ihm eine segensreiche Thätigkeit auch nach Aussen,
ja die meisten derselben mussten bei dem grossen Mangel
an Weltpriestern auswärtige Seelsorgsstationen übernehmen.
Ueber einen in jene Zeit fallenden interessanten und lang-
wierigen Streit s, „Jurisdictionsstreit des Benediktinerstifts
Marienberg mit den Herren von Trapp" von P. Bernhard
Koch, 0. S. B. von Marienberg; Programm des k. k. Gym-
nasiums zu Meran 1872 — 74. Abt Philipp wohnte auch
als der erste unter Marienbergs Aebten den Landtagen
Tyrols mit Stimmrecht bei. Unter der schwachen Regie-
rung des Abtes Leonhard (1586—1606) wurde das Stift von
Aussen her sehr beschädigt und auch die religiöse Zucht
kam in Abnahme. Jedoch wurde unter ihm der Exemtions-
streit mit Chur durch Pabst Sixtus V. glücklich beendet;
das Kloster wurde exemt, der Bischof von Chur erhielt
eine Entschädigung. Der Nachfolger des Abtes Leonhard
war Mathias Lang (1615 — 1640) aus dem Stifte Weingarten,
der alle misslichen Verhältnisse des herabgekommenen
Stiftes neu ordnete, so dass er sich mit Recht den Namen
eines zweiten Gründers von Marienberg verdiente. Nicht
minder eifrig und segensreich wirkte Abt Jakob Grafinger.
Er baute eine neue Kirche, vermehrte die Einkünfte, sammelte
viele Bücher für die Bibliothek, schickte die jungen Mönche
zur Ausbildung an verschiedene Schulen und erwarb für
seine Kleriker ein Haus in Bozen, damit sie die theolo-
gischen Vorlesungen der dortigen Dominikaner hören konn-
ten, während er gleichzeitig vielen durch den Schweden-
— 216 —
krieg vertriebenen Benediktinern aus Bayern und Schwaben
ein gastliches Asyl in Marienberg öffnete. Im Jahre 1656
brannte das Kloster abermals ab und musste mit grossen
Unkosten wieder hergestellt werden, wozu noch die durch
die Türkenkriege aT:rfgebürdeten Lasten kamen. Wichtig
für die Geschichte Marienbergs ist auch das Jahr 1724, in
welchem Abt Johann Baptist Murr auf Wunsch der Bürger
von Meran den Anfang mit dem dortigen Gymnasium
machte. Der nächste Abt Beda Hillebrand baute eine
passende Wohnung für die Benediktiner- Professoren zu
Meran, während Herr von Rediff 1736 Stipendien für sechs
Zöglinge an der Studienanstalt stiftete. Nähere Aufschlüsse
darüber giebt die „Geschichte des Rediff'schen Conviktes
am k. k. Gymnasium zu Meran" von P. Basilius Schwitzer,
0. S. B. von Marienberg; Programm des Gymnasiums 1866.
Ein eifriger Beförderer des Studiums der Wissenschaften
und des Meraner Gymnasiums war auch Abt Franz II.
(1771 — 1782). Unter seinem Nachfolger Placidus wurde
leider den edlen Bestrebungen der Mönche auf einige Zeit
ein Ziel gesetzt, indem die bayerische Regierung das Stift
im Jahre 1807 aufhob und dessen Besitzungen einzog. Als
es dann unter der österreichischen Regierung wieder auf-
leben durfte, befand es sich in grosser Dürftigkeit, In-
dessen gelang es dem neuen Abte Karl Mayr (1816 — 1855),
das Stift nach und nach wieder gut einzurichten, die Kirche
mit neuen Altären und einer neuen Orgel zu zieren, die
Wirthßchaft zu heben und sogar das ganze Gymnasium in
Meran mit acht Klassen zu übernehmen. Ihm folgte Augustin
Moriggl, der, von der Nothwendigkeit einer guten Jugend-
erziehung überzeugt, ein grosses Convikt für Studirende in
Meran erbaute. Di:ei gelehrte Männer besass Marienberg
in jenen Jahren, den weithin bekannten Beda Weber,
welcher als Stadtpfarrer in Frankfurt am Main starb, den
noch lebenden Historiker Albert Jäger, Geheimkämmerer
Sr. päbstlichen Heiligkeit, und den bereits hochbetägten,
noch im Stifte weilenden P. Pius Zingerle, alle drei als
ausgezeichnete Schriftsteller berühmt. Ihnen reiht sich
der bereits mehrfach citirte P. Cölestin Stampfer als vater-
ländischer Geschichtschreiber und Biograph würdig an,
welcher ausser den erwähnten noch verschiedene andere
Monographien veröffentlichte, wie z. B. die Geschichte
— 217 —
Vinstgaus 1796 — 1801, ErinneruBgen an die bayerisclie
Herrschaft in Tyrol 1814, Claronik von Meran, GescHclite
der Stadt Meran in der neueren Zeit, Sandwirth Andreas
Hö'fer, em Lebensbild des Mons. Santher, Dekans von
Meran, und anderes. Der gegenwärtig seit 1861 regierende
Abt Peter Wiesler aus Taufers wirkt fort im Geiste seiner
verdienstvollen Vorgänger. Mit Eifer und Erfolg liegen
seine Mönche dem Studium ob und arbeiten entweder als
Seelsorger in verschiedenen Gemeinden oder als Professoren
theils im Stifte, theils in dem staatlich anerkannten Meiraner
Gymnasium. Das Stift zählt zur Zeit 33 Priester-, B Kle-
riker Und 3 Laienbrüder. Zwei Pfarreien sind dem Kloster
einverleibt: Burgeis mit 2 Priestern und 726 Seelen und
einer Schul«, das Prühmessbenefizium wird vom Stifte
excurr. versehen; St. Martin im Passeier mit 4 Priestern
und über 1500 Seelen. Zu letzterer gehört die Curatie
Platt mit 2 Priestern und etwa 400 Seelen; zu ersterer
die Expositur Schlinig mit 1 Priester und 130 Seelen.
Die sehenswerthe Stiftskirche enthält einige kostbare
Gemälde, darunter einen hBiligeh Sebastian von einem un-
bekannten Meister und einen heiligen Joaef von Holzer.
(S. Staffier, Das deutsche Tyrol und Vorarlberg, L B.^
S. 173.) Auch im Kloster befinden sich einige werthvoile
Büder. Von der Höhe aus öffnet sich ein hen-licher Aus-
blick in das weite, mit 13 Ortschaften besäete Etschthal,
namentlich auch auf die Ortlergruppe und den westlichen
Ausläufer des Oetzthaler Fernerstockes.
Dr. Bernakb M. Liehheimek.
Erzabtei Martinsberg in Ungarn mit den dazu
gehörigen Abteien Bakonybel, Dömölk und
Tihany.
(Nach M. Czin&r und Anderen.)
jüdöstlich von Eaab unter dem 35° 25' 30" ö. L.
und dem 47° 33' n. B. erhebt sich inmitten einer
fruchtbaren, im Westen von der Csanak-Ecser,
im Süden von der Verteser und Bakonyer Ge-
birgskette umsäumten Ebene der Berg Pannoniens (sacer
mons Pannoniae), dessen Scheitel die Benediktiner-Erzabtei
Martinsberg krönt.
Altehrwürdig ist der Ort und innigst mit der Ge-
schichte des Landes verwachsen.
Am Pusse des Berges, im Städtchen Sabaria*), er-
blickte der h. Martinus, der nachmalige Bischof von
Tours, das Licht der Welt, und nach dem Zeugnisse Hart-
wiks pflegte der Heilige oft hierher zu kommen, um ent-
fernt von dem Geräusche der Welt, in der Einsamkeit sein
Gemüth im Gebete vor Gott zu ergiessen. So also dm-ch
die frommen Anmuthungen des h. Martinus gleichsam
von Alters her geweiht, war dieser Berg durch die gött-
liche Vorsehung zugleich zur Wiege des Christenthums
in Ungarn auserkoren. Von hier aus verbreiteten sich die
Missionäre durch die gesegneten Gefilde Ungarns, um
durch die Religion der Liebe die noch immer rohen Sit-
ten der kriegslustigen Ungarn zu mildern, und ihnen mit
den Segnungen des Christenthums zugleich wahre Bildung
und Civilisation zu bringen. Von hier aus erhielten Burg-
und Dorfgemeinden gewissenhafte Seelsorger, die Könige
gewandte Kanzler und Staatsmänner, die ungarische Kirche
begabte, von zartester Jugend auf zu echten Priestern er-
zogene Bischöfe. !
Doch auch in der Geschichte des Landes spielt der
*) Den Streit, in welchem Sabaria der heil. Martinus geboren sei,
hat der Martinsberger Benediktiner Maurus Czinftr mit schlagenden
Beweisen zu Gunsten Martiasbergs entschieden. Siehe: Monasteriologial-
iJlMi!l!iii:iiiillil!illiii:l,lll:lllI
— 219 —
Pannonberg eine niclit roinder hervorragende Rolle. "War
es ja doch, dieser Ort, von welchem aus Arpäd mit freu-
digem Blicke die fruchtbaren Gefilde mass, -woselbst sein
Volk ein neues Vaterland gefunden; war es ja doch die-
ser Ort, der so manchmal den h. Stefan sammt seinem
h. Sohne Emerich in seinen Mauern beherbergte; der
Ort, den ein h. Ladislaus und Coloman der Weise oft-
mals mit ihrer Gegenwart beehrten; der Ort, der immer-
dar, wie an den wenigen Freudentagen, so auch an den
langen Trauerjahren der ungarischen Nation treuen An-
theü nahm.
Der Grund zu der Abtei wurde von Geiza gelegt, wie
es scheint besonders auf . Andringen des h. Adalbert,
Bischofs von Prag, dem der Ruhm gebührt, massenhafte
Bekehrungen unter den Ungarn vollbracht zu haben, so
■wie auch er es war, der sowohl Geiza als seinen Sohn
Stefan durch die h. Taufe in die Gemeinschaft der Kirche
aufgenommen hat.
Doch war es Geiza nicht vergönnt, die Vollendung
des begonnenen Werkes zu sehen. Dies war seinem
Sohne , dem h. Stefan, erstem Könige von Ungarn, vorbe-
halten, von dem auch die Stiftungsurkunde (vom J. 1001)
herrührt, in welcher er den Abt von Martinsberg aller
Rechte und Privilegien des Abtes von Casino theühaftig
macht, und zugleich reichlichst für den zeitlichen Wohl-
stand des Hosters sorgt.
Die ersten Bewohner der neu errichteten Abtei waren
vom Auslande gekommene Benediktiner, ebenso ausge-
zeichnet durch Wissenschaft als auch durch wahre Fröm-
migkeit. Gern verweüte der h. Stefan in ihrer Mitte,
theüs um von den Regierungssorgen auszuruhen, theils
Um im. Gebete neue Ki-aft zu seiner hehren Mission zu
sammeln, sich aber zugleich auch persönlich zu über-
zeugen von dem erfreulichen Wirken der Bewohner des
h. Berges.
Und wie mochte sein Herz von Freude überwallen,
ivenn er ihren Arbeitsfleiss und ihre Gottseligkeit schaute ;
^'enn er sah, wie sie durch die erhabenen Lehren des
Evangeliums die rohen Gemüther veredeln, und in den
Schulen den Samen der Religiosität, Sittenreinheit und
Büdung in die emfjfänglichen Herzen der Jugend streuen,
— 220 —
•wie sie den Verfolgten einen Zuflnclitsort, den Kranken
Pflege, den Hungernden Nalirung "bieten^ wie sie im
Sdi-weisse ilires Aügesiclites Waldtingen iausrode'n, Wüste-
neien cultiviren, nnd die voii dbn Seiidgen veracMete In-
dustrie und Handarbeit ei&igst 'betrtei'ben. Was war wohl
natürlicher, als dass der König, um den Mönchen seia
Wohlwollen nicht nur mit Worten, sondern auch in der
That zu bezeugen-, der Kiixjhe des Klosters, welcher ja die
grösste Liebe und Sorgfalt der Brüder gewidmet war,
werthvolle Ornate, Kelche, ändere h. üefässö u. dgl. über-
machte?!
Aber auch die Mönche waren bestrebt, die Gnade und
Htild des h. Königs imnier mehr zu Verdienen, und ihrer
auch in politischer Hinsicht überaus schwierigen Aufgabe
gerecht zu werden.
Wahrlich schwierig war ihre Aufgäbe: glaubte ja docli
der grösste Theil der Nation, durch Abschaffung des alten
Glaubens auch seiner angestammten Freiheit und poh-
tischen Selbständigkeit rerlustig zu gehen, und durch An-
nahme des Ton fremden Mönchen gepredigten Evangeliums
seines Nationalcharakters entkleidet zu werden. Und wenü
nun ungieachtet dieser Schwierigkeiten einige Jähre hin-
reichten, um fast ganz Ungarn zum Christenthume zu be-
kehret!: ist dies nicht ein glänzender Beweis für die
Tüchtigkeit und den unermüdlichen Fleiss unserer Vor-
fahren?
In Martiasberg war die erste Hochschule Ungarns,
welche um so mehr einen Gegenstand der besonderen Gnade
und Aufmerksamkeit des Königs bilden musste, als aus
ihr nicht nur ungarische Gläubehsprediger, ja sogar ein
Schriftsteller, sondern auch heiligmässige Bischöfe, wie
Anastasius, Astricus, Sebastianus, Maurus, Gerardus und
andere, hervorgingen. Unter solchen Umständen darf es
wohl Niemanden Wunder nehmen, dass der h. Stefan
nicht nur so manche dieser Geistesmänner in den Eegie-
rungsrath und izur Gesetzgebung berief^ sondern auch
den Aiebten im ganzen Umfange ihrer Besitzungen die
bürgerliche Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der halspein-
lichen verlieh, und im Gebräuche äusserer Ehrenzeichen
sie den Bischöfen gleichsetzte.
Dass aber den Mönchen von Martinsberg nicht nur
— 221 —
die Religion und geistige Bildung, sondern auch die zeit-
liche "Wohlfalixt des Landes am Herzen lag, sehen -wir
daraus, dass sich schon zur Zeit der Gründung der Abtei
die yerschiedensten Handwerker in Martinsberg vorfinden.
„Stefan — so lesen wir bei Fessler (Die Geschichte der
Ungarn. I. &04) — schenkte der Abtei zu Pecsväarad Töpfer,
Müller, Goldarbeiter, Zuckerbäckerj Böttcher^ Lohgerber,
Zinunermeisterj Brotbäcker, Schmiede und Bildhauer. In
dem Stiftungsbriefe für die Sankt Martins-Abtei auf dem
Pannpnberge wurden, ausser den meisten der Erstgenann-
ten, auch Methbrauer, Schuster, Weissge^rber; in der Hand-
feste des Andreas, nebst andern, auch Tischler, in der-
Urkunde des Herzogs Almus, zu den übrigen, auchPlaschen-
macher (lagenarii), Wagenbauer (curriferi) und Kürschner
(pellip^ani) geschenkt; und diese nützlichen Leut^ waa-en
nicht alle Knechte, sondern auch, und vielleicht di,e
meisten, königliche TJdvamiker Jobbagyen imd Freie."
Dass sich endlich die ungarischen Benediktiner auch
mit Arzneiwissenschaft befassten, dürfen wir' ausser an,dem
Grründen wohl auch aus der Stiftungsurkunde der Pecsvä-
rader Abtei schliessen, in w;elcher der h, Stefan der
Abtei unter anderem auch vier Krankenpfleger und sechs
Badewäi^ser zutheüt. Und wenn wir nun im Allgemeinen
sehen, dass, so zu sagen, in allen Benediktinerklöstern
der damaligen Zeit die Arzneikunde von den Mönchen
auf das eifrigste betrieben wurde, so dürfen wir, was. wir-
oben von den ungarischen, Benediktinern im, Allgemeinen
gesagt, wohl mit Eecht aijch von Martinsberg voraus-
setzen.
Doch nicht lange sollte sich Martinsberg eines, un-
gestörten Friedens erfreuen. Schon, in den nach dem Tode
des h. Stefan ausgebrp ebenen Wirren hatte es näm-
lich, besonders nach der Schlacht bei Merfö, sowohl von
den Siegern, als, auch den Besiegten, vieles zu leiden;
doch war dies alles nur das Vorspiel eines viel schreck-
licheren Lposes.
So manche Anhänger des noch immer nicht ganz er-
storbenen Heidenthunis. verlangten, nämlich: unt^r Vathas
■^5^hrung von Andreas, den die auf ihre Freiheit eifer-
süchtigen Ungarn gegen den despotischen Peter ins Land
gerufen hatten, er möge ihnen gestatten, die Christen aus-
— 222 —
zurotten und den alten Glauben wieder einzufahren. An-
dreas, der sich im ersten Augenblicke der Ueberraschung
zu scbwacb. füldte, dem ungezügelten Haufen mit Strenge
zu begegnen, liielt es für das Geratbenste, diesen Anfor-
derungen gegenüber Schweigen zu beobachten. Die Em-
pörer fassten dies als Zustimmung auf, und fielen alsbald
verheerend über Kirchen, Kreuze und andere Denkmäler
des christlichen Glaubens her, wobei es Martinsberg um
so schlimmer erging, da man wusste, dass hier die Pflanz-
stätte der Glaubensprediger sei, und dass von diesen Höhen
aus das Licht der christlichen Offenbarung sich überall
hin verbreite.
Als Friede und Ordnung im Lande allmählich wieder-
kehrten, versammelte der am Leben gebliebene Abt die
theils in die Wälder, theils zu den Ihrigen geflohenen
Mönche, und schaffte ihnen einstweilen in schnell auf-
gebauten Hütten eine nothdürffeige Unterkunft. Alsbald
begann man auch mit dem Wiederaufbau des Klosters,
welcher jedoch, da während der Unruhen auch die Güter
des Stiftes verloren gegangen waren, mit vielen Schwierig-
keiten verbunden war. Und wenn sich das Kloster doch
wieder aus seinen Trümmern erhob, so verdankt es dies
hauptsächlich dem Umstände, dass die Könige Andreas I,
Bela I., Salamon und Geiza dem Stifte gegenüber dasselbe
pietäts volle Wohlwollen, wie vordem der h. Stefan, be-
wiesen. Wahrscheinlich wurde das Kloster beim Wieder-
aufbau mit einer Mauer umgeben, um gegen künftige An-
griffe besser gesichert zu sein.
Unter dem h. Ladislaus blühte das Kloster von
neuem auf, indem es von ihm nicht nur die verlorenen
Güter wieder erhielt, sondern auch mit neuen Wohlthaten
bedacht wurde, in Folge deren die Mönche, befreit von
allen materiellen Sorgen, sich ganz und gar wieder ihrem
hehren Berufe widmen konnten. Auch steht es fest, dass
der König dem Kloster eine für jene Zeit bedeutende
Bibliothek von 70 Werken geschenkt, wodurch er auch
die wissenschaftliche Fortbildung der Ordensbrüder be-
förderte, und zugleich den Grund zur jetzigen Bibliothek
legte. Auch dürfte wohl derselbe König an diesem Orte,
woselbst er mit den Grossen des Reiches einen Landtag
abhielt, wohin er den deutschen Kaiser Heinrich IV. z^
— 223 —
einer ZusammeiLkunfb einlud, und wo er überhaupt gerne
und öfters verweilte, für sich und seine Nachkommen jenes
königliche Schloss erbaut haben, dessen auch späterhin
zu "wiederholten Malen Erwähnung geschieht.
Unter seinem Nachfolger Coloman kam in Folge des
ersten Kreuzzuges so zu sagen der ganze Westen in Be-
wegung, und ungeheure Schaaren wälzten sich durch das
Land. Als nun der ritterliche Gottfried Ton Bouillon,
wohl wissend, dass die vor ihm gekommenen Haufen zu-
sammengelaufenen Gesindels nur wegen ihrer Ausschwei-
fungen auseinandergesprengt waren, von Coloman mittelst
einer glänzenden Gesandtschaft sich freien Durchzug er-
bat, lud ihn der König nach einer ersten Zusammenkunft
in Oedenburg in seinen königlichen Palast nach Martins-
berg ein, wo diese Angelegenheit im Einverständnisse mit
den Magnaten zu gegenseitiger Zufriedenheit geordnet
wurde.
Auch Coloman, dem das Volk wegen seiner Liebe zu
den Wissenschaften den Namen des „Bücherkundigen"
(Könyves Kaiman) beigelegt hat, bezeugte den Benedik-
tinern von Martinsberg zu wiederholten Malen seine könig-
liche Huld und Gnade; und wenn er auch ihre Einkünfte
in etwas verkürzte, so hob er dafür um so mehr den
geistigen Zustand des Klosters, so dass die Klosterschule
unter seiner Regierung dem damaligen Standpunkte der
Wissenschaft gemäss ihre höchste Blüthe erreichte.
Doch bald sollte ein neues Unglück Martinsberg und
seine Bewohner heimsuchen, indem nämlich, wahrschein-
lich um das Jahr 1130, nicht nur das Kloster, sondern
auch alle Nebengebäude einer Feuersbrunst zum Opfer
fielen. Abt David (1131 — 1151) baute dasselbe von neuem
auf, vergrösserte die Kirche, und Hess sie im Jahre 1137
durch den Graner Erzbischof Felician auf feierliche Weise
consecriren, welcher Feierlichkeit die Gegenwart des Königs
Bela II. einen noch grösseren Glanz verlieh. Der König
tedachte die Abtei bei dieser Gelegenheit nicht nur mit
neuen Liegenschaften, sondern auch mit andern reichen
Geschenken.
König Geiza H. stattete dem Kloster im Jahre 1142
die ihm von Coloman und seinem Sohne Stefan genommene
Fischerei wieder zurück.
— 224 —
Ueberh^upt erhielt Martinsberg von dieser Zeit aa so-
wohl Ton den Königen, als auch. Ton Privatperso^-en so
manchie, oft recht bedeutende Güter; doch, gestattet die
Kürze des nns zugemessenen Raumes es nicht, alle diese
Schenkungen einzeln zu yerzeichnen.
Wie diese Schehkuagen einerseits ein erfreuliches
Zeugnis von der Pietät ablegen, welche im Herzen der
Nation fiör Martiasberg lebte, so erlaubten sie andererseits
den Mönchen, ungestört Ton zeitliehen Sorgen, ganz ihrer
geistigen Ausbildung und den Wissenschaften zu leben.
Doch hatte dies leider keinen langen Bestand. Die fort-
währenden Wirren imter Stefan Bl., Ladislaus II., bis
Andreas II., zwangen die Mönche so manchmal, zur Wah-
rung ihres Eigenthums Soldaten zu werben, ja selbst die
Waffen zur Hand zu nehmen. Die natürliche Folge davon
war, dass sie sich nicht mehr so viel wie ehedem mit den
Wissenschaften beschäftigen konnten, und dass die Dis-
ciplin immer mehr und mehr dem Verfall anheimfiel, um
so mehr, als so manche nicht der Beruf, sondern das Ver-
langen nach einem ruhigen und gemächlichen Leben m
die von Soldateimiacht beschützten Räume des EDLosters
fährte. So erklärt es sich auch, dass eine Zeit lang nicht
nur die Untergebenen, sondern auch die Obern, anstatt
Abtödtung, Demuth und Gehorsam zu üben, sich der Zügel-
losigkeit, dem Hochmuthund der Anarchie überliessen. Ein
Beispiel dafür ist loannes I. (1190 — 1204), der während
der Streitigkeiten zwischen dem König Emerich und seinem
Bruder Andreas die Partei des Empörers ergriff, und des-
halb von Tnnocentius HI. nach Rom zur Verantwortung
berufen wurde. Seiner Schuld überwiesen, wurde er im
Jahre 1204 seiner Würde entsetzt.
Unter solchen Verhältnissen konnte es nur als ein
Werk der Vorsehung gepriesen werden, dass endlich ein
Abt gewählt wurde, der mit der Demuth und Prönmiigkeit
eines Mönches den Heldenmuth eines Kriegers, die Weis-
heit eines Politikers und die einem Vorgesetzten nöthige
Energie in sich vereinigte. Dieser Mann war Urias, früher
Abt von Tihany, 1206 zum Abte von Martinsberg erwählt.
Gleich geehrt und geachtet vom Könige Andreas H. und
vom römischen Pabste, welch letzterer ihn auch mit
mehreren Missionen betraute, war es seine erste Sorge;
— 225 —
die gelockerte Disciplin -wieder zu befeatigen, die verlore-
nen RecMe und Güter des Klosters zurück zu bekommen
tmd auch, für die Zukunft zu wahren. So geschah es unter
anderem im Jahre 1211, dass er durch das Gottesurtheü
der Feuerprobe eine Liegenschaft in Sala (jetzt S^ye im
Pressburger Comitat) dem Kloster zurückgewann. Ein
anderes Beispiel seiner thatkräftigen Fürsorge finden wir
vom Jahre 1215 aufgezeichnet, in welchem er von Inno-
centius HE. zum vierten lateranischen Concil berufen, durch
seine Bemühungen es dahin brachte, dass der Prozess,
welchen der Bischof von Veszpröm wegen des Zehnten von
Sümegh angestrengt hatte, zu Gunsten Martinsbergs ent-
schieden, und zugleich alle Eechte, Privilegien und Güter
des Klosters von neuem bestätigt wurden.
Als Abt Urias nach so manchen Kämpfen endlich die
Ueberzeugung hegen konnte, dass das von ihm begonnene
Werk keiner Gefahr mehr ausgesetzt sei, begleitete er im
Jahre 1217 den König Andreas U. auf seinem Kreuzzuge
nach Palästina; doch schon nach kurzer Zeit zurückge-
kehrt, Hess er sich vor aUem Anderen die ßestaurirung
der Kirche angelegen sein, welche schon vor längerer Zeit
sammt dem Kloster abermals ein Raub der Flammen ge-
worden war; und schon im Jahre 1225 war er so glück-
lich, die feierliche Consecrirung derselben in Gegenwart
des Königs, seiner zweiten Gemahlin und vieler Grossen
des Landes vornehmen lassen zu köimen.
Um aber die Rechte und Güter des Klosters noch
mehr zu sichern, liess er es sich nicht verdriessen, theils
persönlich zu wiederholten Malen sich nach Monte Casino
zu begeben, dessen Rechte und Privilegien, wie oben er-
Avähnt wurde, kraffc der Stiftungsurkunde des h. Stefan
auch dem Abte von Martinsberg zukamen, — theils einige
von seinen Mönchen dahin zu senden, um diese Gerecht-
same möglichst genau kennen zu lernen. Hierauf wandte
er sich abermals an den Pabst, mit der Bitte, den König
zu bewegen, er möge der Abtei alle jene Güter zurücker-
statten lassen, die seit den Zeiten des h. Ladislaus theils
"^on Königen, theils von Privaten ihr geschenkt, während
der imruhigen Zeiten aber von einigen mächtigen Grossen
"W^eggenommen worden waren. Um diesem Ansuchen zu
^^fahren, erliess Gregorius IX. eine Bulle, in welcher alle .
Ein Benediktinerbuch. 15
— 226 —
Güter des Klosters, nach. Angabe der von Abt Urias vor-
gelegten DocTxmente, aufgezählt Tverden.
Docht auch. Urias sollte es nicbt gegönnt sein, dauern-
den Frieden zu geniessen; denn schon nahte der Sturm,,
der Ungarn in unbeschreiblicbes Elend stürzte. Wir
meinen den verbeerenden Einfall der Tartaren, die beson-
ders nach, der unglücMicben ScblacM am Flusse Sajo (1241)
einer Sturmfluth gleich das Land überschwemmten, Städte
und Dörfer in Flammen aufgeben Hessen, und Alles, was.
ihnen in den Weg kam. Alt und Jung, niedermetzelten.
Urias beeilte sieb gleich beim ersten Gerüchte ihres
Herannahens das Kloster in Yertbeidigungszustand zu
setzen. Nocb vor dem Feinde langte König Bäla in Mar-
tinsberg an. Nach der Schlacbt am Sajo war er nämlich,,
der Einladung Friedrichs Folge leistend, über Pressburg nach
OesteiTeicb gegangen. Docb von Friedricli arg bebandelt,
sab er sieb veranlasst, seine Zuflucht anderwärts zu sucben.
Als er nun in Martinsberg ankam, um daselbst einige Tage
auszuruhen, wurde er sammt seinem Gefolge von Abt Urias
gastfceundlicb aufgenommen, auf das Beste verpflegt, und
erbielt ausserdem von Urias 800 Silbermarken vorgestreckt.
Kaum hatte sich der König wieder entfernt, als die
Tartaren vor Martinsberg erschienen und die Belagerung
begannen. Der beldenmüthige Abt, der schon im h. Lande
Proben seiner Tapferkeit abgelegt hatte, vertheidigte auch
Martinsberg mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln;
docb ungeachtet dessen dürfte es ihm kaum gelimgen
sein, auf die Länge dem Andränge der Barbaren zu wider-
stehen, hätten sie nicht, zur Yerfolgung des Königs ab-
berufen, von selbst die Belagerung aufgehoben. Nur
Stuhlweissenburg, Gran und Martinsberg waren vom Feinde
nicht eingenommen worden.
Wenn nun auch Martinsberg den Tartaren nicht zur
Beute gefallen war, so hatte es nichtsdestoweniger
dennoch sehr viel gelitten. Seine Gebäulichkeiten waren
in Folge der Belagerung halb zerstört, die zunächst lie-
genden Güter verwüstet, die entfernteren zu Grunde ge-
richtet oder von Andern in Besitz genommen. Hierzu kam
noch, als ob der Becher des Elendes nicht schon ohnehin
bis zum Ueberfliessen voll gewesen wäre , eine Hungers-
noth, welche nicht weniger schrecklich unter den vom
— 227 —
Feinde verscIlontenBewolmern aufräumte; wäkrend anderer-
seits zahllose Heusckreckenscliwänne das beMagenswerthe
Land heimsuchten.
Jedoch all dieses Elend war nicht im Stande, den
Muth des wackem Bela zu brechen. Mit Wort und That
ging er daran, das viele Elend möglichst zu lindern imd
das tief gebeugte Land wieder aufzurichten. Inmitten
dieser Sorgen yergass er auch Martinsberg nicht, das ihm
in den Tagen der Noth so treu und hülfreich zur Seite
gestanden. Für die ihm geliehenen 800 Mark Silber, so-
wie für Güssing, welches sein Grossvater Bela IH. dem
Kloster genommen hatte, giebt er ihm (l263) XJjhely (jetzt
Vägujhely), Luboh, Szerdahely und Pothvorics, deren Be-
sitz jedoch nur von kurzer Dauer war; für das vom Kloster
zur Festung umgestaltete Szigliget verleiht er demselben
drei Dörfer, und befreit zugleich die Lehensmänner der
Abtei von der Gerichtsbarkeit der Richter, welch letzteres
Privilegium auch sein Sohn Stefan Y. xmd späterhin Ladis-
laus IV. bestätigten.
Doch obwohl die letztgenannten Könige, sowie auch
Andreas HI. sich persönlich Martinsberg gegenüber ebenso
freigiebig und anerkennend bewiesen, als es ihre Vorgänger
gethan, so waren sie in Folge der misslichen Verhältnisse
und inneren Wirren doch nicht im Stande, die Güter der
Abtei nachdrücklich und wirksam zu beschützen. Es war
dies eine Zeit, wo das Recht des Stärkeren allein Geltung
hatte, wo Grafen, Barone und Edelleute das Kirchengut
ebenso und vielleicht noch mehr als das Privateigenthum
verheerten oder sich aneigneten, so dass Abt Hermann
(1281 — 1300) sich endlich gezwungen sah, den Pabst um
Abhülfe gegen diese Räubereien zu bitten. Bonifacius VTEI.
gab zwar auf diese Bitte hin dem Erzbischof von Gran
den Auftrag, die TJebelthäter vor seinen Richterstuhl zu
rufen und, wenn nöthig, auch mit geistlichen Strafen zur
Rückgabe der geraubten Güter zu zwingen; doch blieb
auch diese Massregel beinahe ohne allen Erfolg, und ge-
dieh in den nach dem Aussterben der Arpäden entstande-
nen Parteikämpfen die Sache so weit, dass die Abtei bei-
nahe aUer ihrer Güter verlustig ging und die ohnehin
sehr gelichteten Reihen der Mönche vom Almosen der
Gläubigen ihr Leben fr-isten mussten.
15*
— 228 —
Andererseits jedocli entbehrt auch dieser Zeitraum
nicht allen Trostes; es war nicht nur die klösterliche Dis-
ciplin eine recht erfreuliche, sondern es konnte nach der
Krönung des Königs Karls I. das Kloster auch nach aussen
hin sein segensreiches Wirken "wieder aufnehmen.
Aber auch in materieller Hinsicht sollten bald -wieder
bessere Zeiten eintreten.
Unter der Regierung Ludwigs des Grossen waren näm-
lich die Aebte auf das eifrigste bemüht, die yerlorenen
Güter der Abtei wieder zurückzuerlangen. Besonders her-
vorzuheben ist in dieser Hinsicht Abt SifEridus, dessen
segensvolles Wirken der ihm von seinen Untergebenen nach
seinem Tode gesetzte, in der Kathedralkirche noch vor-
handene Grabstein auch jetzt noch verkündet. Im Jahre
1355 zum Abte von Martinsberg erwählt, bewies er die-
selbe Wachsamkeit \md Thatkraft in den Angelegenheiten
dieses Stiftes, durch welche er sich schon früher als Abt
der an der Gran gelegenen Abtei St. Benedikt (S. Bene-
dicti de iuxta Gran) um die Kirche verdient gemacht hatte.
So z. B. als im Jahre 1358 die edle Frau Clara, die
Tochter des Stefan Kathl, auf den bei Bärsonyos gelege-
nen Grund „Hosszutelek" Ansprüche erhob, widersetzt sich
Sifiridus auf das kräftigste, löst auf das Verlangen des
Gerichtshofes sammt zwei Edeln seinen Gürtel, entblösst
seine Füsse und, der Sitte jener Zeit gemäss, Erde über
sein Haupt erhebend, schwört er an Ort und Stelle, dass
der strittige Fleck seit Menschengedenken dem Eloster von
Martinsberg angehört. Die Folge davon war, dass König
Ludwig das Gnmdstück dem SifEridus, den er seinen
Capellan nennt, zusprach.
Auf ähnliche Weise beendigte Siffiridus auch andere
derlei Streitigkeiten zu Gimsten des Stiftes.
Von König Ludwig erwirkte er endlich ein Beeret,
durch welches jede Veräusserung, jeder Tausch der Güter,
sowie jede anderweitige dem Kloster nachtheilige Ver-
pflichtung, welche durch die Aebte ohne Beistimmung des
Königs eingegangen worden war, für null und nichtig er-
klärt wird.
Dass aber SifEridus bei all dieser Sorge für das Zeit-
liche auch in geistlicher Hinsicht seine Pflichten eifrigst
zu erfüllen bestrebt war, dürfen wir wohl unter anderem
— 229 —
auch aus dem Vertrauen scUiessen, mit welcliem er von
Sr. Heiligkeit Pabst Innocentius IV. 'beekrt wurde. Als
sich nämlich im Jahre 1359 der Frohst yon Stuhlweissen-
hurg unter Hinweis auf seine Privilegien weigerte, an der
vom Graner Erzhischofe ausgeschriebenen Synode Theil zu
nehmen, wurde Abt Sifi&ridus vom Pabste, an den sich der
Erzbischof um Abhülfe gewandt hatte, mit der Unter-
suchung betraut. Siffiridus entschied die Angelegenheit
nach reiflicher Erwägung aller Umstände zu Gunsten des
Erzbischofs.
Um diese Zeit hob sich mit dem materiellen Wohl-
stand auch die klösterliche Discipliri imd Wissenschaft;
letztere besonders in Folge des mächtigen Antriebes der
päbstlichen Curie. Schon Clemens Y. hatte nämlich in
der General-Synode zu Vienne so manches Heilsame in
Betreff der Hochschulen verordnet; doch noch wirksamer
als die allgemein gehaltenen Verordnungen Clemens V.
war die 25 Jahre später erschienene Bulle Benedikts XII.,
welche zunächst an die Benediktiner-Aebte gerichtet, auch
im Allgemeinen auf alle Klosterschulen den besten Ein-
fluss hatte.
Diesem erfreulichen Aufschwünge thaten auch später-
hin die unter König Sigismimd ausgebrochenen Unruhen
und auswärtige Kriege keinen besonderen Eintrag. In Be-
zug auf das geistige Gebiet geht dies aus König Sigis-
munds eigenen Worten hervor, indem er von den Benedik-
tinern Ungarns aussagt, dass sie „wie die Strahlen eines
heilsamen Lichtes dem Volke vortreffliches Beispiel geben,
damit es auf dem lichtvollen Wege des Rechten vorwärts-
schreite". Dass aber auch in materieller Richtung der
Zustand des Stiftes ein sehr günstiger war, ersieht man
besonders daraus, dass Martinsberg ebenso wie der Raaber
und Veszpremer Bischof, 50 Lanzenträger zur Vertheidi-
gung der Pressburger Festung zu stellen verpflichtet war,
was nur so zu erklären ist, dass die Einkünfte des Klosters
sowohl den Einkünften des Raaber, als auch jenen des
Veszpremer Bisthums gleichkamen.
Doch wie es wohl häufig zu geschehen pflegt, dass
so manchmal innere Feinde mehr Schaden anrichten, als
welch' immer äusserer Feind, so geschah es auch in Mar-
tinsberg. Siebenzig lange Jahre hindurch standen anstatt
— 230 —
der Aebte nur Gubernatoren öder Adminisiaratoren, einmal
sogar ein Laie (Benediktus Pyber) an der Spitze des
Klosters ; und wenn sieb, aucb mancbe von ibnen, wie z. B.
der Gubernator loannes (1407 — 1425), der die Recbte und
Privilegien des Stiftes gegen den Raaber Biscbof, wie auch,
gegen den Erzbiscbof von Grran erfolgreicb vertbeidigte,
der Angelegenheiten des Klosters annabmen: so muss man
im Allgemeinen docb gesteben, dass ibr "Wirken für Mar-
tinsberg verderblicb war. Die Zabl der Möncbe ward
immer geringer, das Glaubensleben ärmer, und aucb die
Schule bestand nur mehr' dem ISTamen als der Tbat nach.
Zwar erliess Mathias Corvinus so manche heilsame Yer-
ordnung zur Abstellung und Heüung dieser Schäden; doch
nach dem Tode des grossen Königs breitete sich das Uebel
immer mehr und mehr aus. Dieser Umstand bewog end-
lich den in politischer Hinsicht so sorglosen König Vla-
dislaus n., die Abtei von Martinsberg, „welche imter Un-
garns Abteien den ersten Platz behauptet", einer durch-
greifenden Reform zu unterziehen.
Zu diesem Zwecke ernennt er im Jahre 1500 den
königlichen Notar Matthäus de Tolna, aus der Fünf kirch-
ner Diöcese, zum Abte von Martinsberg, was er sowohl
ihm, als auch den übrigen Aebten Ungarns zu wissen
macht, wodurch er ihn, obwohl noch nicht mit dem Titel
eines Erzabtes, über die übrigen Aebte setzt. Von den
im Kloster noch vorhandenen 10 Mönchen hierauf kanonisch
erwählt und vom Pabste Alexander YI. bestätigt, begann
Abt Matthäus sein Reformationswerk vor allem Anderen
damit, dass er an den apostolischen Legaten Petrus Regi-
nus das Ansuchen stellte, „er möge die Privilegien Mar-
tinsbergs von neuem bestätigen, und, da sich besonders
wegen Unterlassung des aUe drei Jahre abzuhaltenden
Generalcapitels viele Missbräuche eingeschlichen hatten,
zugleich anordnen, dass die dem Koster Martinsberg
unterworfenen Aebte auf dem Capitel erscheinen sollten,
widrigenfalls sie der Abt von Martinsberg auch mit kirch-
lichen Censm-en bestrafen könne; auch sollen sie gehalten
sein, ihm, dem Abte von Martinsberg, im Sinne der h.
Regel Gehorsam zu leisten."
Ausserdem ersucht er den Legaten um die Erlaubnis,
auch die Mitglieder anderer Orden aufnehmen zu können,
— 231 —
damit der feierliche Gottesdienst wegen Mangel an Leuten
des äusseren G-lanzes niclit entbeliren müsse; femer, dass
«r die h. Weihen, die er noch nicht besass, mit Unter-
lassung der Torgeschxiebenen Interstitien empfangen dürfe
und anderes dgl., was ihm der Legat nait einigen Restric-
tionen auch zugestand. Hiermit waren auch Ton Seite der
Kirche die übrigen Benediktiner-Aebte von Ungarn dem
Abte TOn Martinsberg untergeordnet und zum Gehorsam
verpflichtet, und somit der Grund zur erzäbtlichen Würde
gelegt.
Nachdem Matthäus die h. Weihen empfangen hatte,
berief er im Jahre 1501 ein Generalcapitel nach Martins-
berg. Vorsitzender des Generalcapitels (praesidens perpe-
tuus) war von dieser Zeit an immer der Abt von Martins-
berg, der diese Würde auch schon früher, jedoch nur zeit-
weilig, besessen hatte, da sie dem Abte Stefan (1381 — 1398)
von der Königin Maria nur für seine Person verliehen
worden war.
Von Seite des Gapitels wurden dem Decrete des Königs
und des apostolischen Legaten gemäss Visitatoren aus-
gesandt, deren Pflicht es war, die Aebte zu besuchen, sich
über ihr Leben, ihre Sitten und ihr Wirken Kunde zu ver-
schaffen und die Widerspenstigen zu bestrafen, besonders
aber von Jenen, die sich weigerten, am Capitel Theil zu
nehmen, das Doppelte der Auslagen, welche ihnen die
Theilnahme am Capitel verursacht hätte, auch unter An-
drohung der Excommunication einzufordern.
Doch hatten alle diese Massregebi leider nur wenig
Erfolg, da weder die Aebte, noch die Mönche gewillt
waren, sich einer Reform zu unterwerfen. Zwar wurde auf
das Ansuchen des Martinsberger Abtes der Erzbischof von
Grran, Cardinal Thomas Bakäts, der vor Matthäus als
Crubernator das Stift Martinsberg regiert hatte, vom Könige
beauftragt und späterhin auch vom Pabste ermahnt, dem
Abte von Martinsberg, der ja hauptsächlich auf sein An-
rathen die Reformation begonnen hatte, wo nur möglich,
tülfreich an die Hand zu gehen, damit er sein schwieriges,
doch heilsames Werk glücklich zu Ende führen könne.
Thomas jedoch würdigte weder den Auftrag des
Königs, noch auch die Worte des Pabstes irgend einer
Aufmerksamkeit, ja er verbot sogar den seiner Jurisdiction
— 232 —
unterworfenen Aebten, an den Refonnationscapiteln tüeil-
zunehmen.
Da Matthäus sich yom Könige keine Abhülfe ver-
sprechen konnte, wandte er sich anSe. Heiligkeit Julius IT.,
der die Angelegenheit auch wirklich untersuchen und dem
Abte sein Recht angedeihen Hess; wenigstens dürfen wir
dies aus dem Umstände folgern, dass die dem Erzbischofe
unterworfenen Aebte bald darauf an dem Generalcapitel
theünahmen.
Nachdem Matthäus den Bestand des Klosters auch
in materieller Hinsicht gesichert, und alle Anschläge der
ihm: untergebenen Aebte, die sich auf jede Art und Weise
der Reform zu entziehen suchten, vereitelt hatte, wollte
der König seiner Anerkennung in Betreff des verdienst-
vollen Wirkens des Abtes Matthäus Ausdruck geben. Zu
diesem Zwecke bestätigte er aUe Rechte und Privilegien
des Stiftes von neuem, und wollte zugleich dem Abte von
Martinsberg, um seinen Vorrang vor den übrigen Aebten
Ungarns hervorzuheben, den Titel eines Erzabtes verleihen.
Diesen seinen Wunsch hatte er schon dem Pabste Julius n.
durch Briefe und Gesandte ausgedrückt; doch da dieser
mittlerweüe gestorben war, erliess erst Leo X. jene denk-
würdige Bulle, die mit vollem Rechte das Palladium der
Erzabtei genannt zu werden verdient, da ia derselben alle
jene Rechte und Privilegien, welche Martinsberg seit dem
h. Stefan erhalten hatte, einzeln angeführt und von neuem
bestätigt werden.
Es sei uns erlaubt, nur einige Punkte dieser Bulle
hier aufzuzählen:
1) Das Kloster von Martinsberg ist das Haupt der
übrigen Benediktinerklöster Ungarns. 2) Der Vorsteher
desselben führt den Titel und das Amt eines Erzabtes.
3) Der Erzabt hat das Recht, alle Aebte der übrigen
Benediktinerklöster Ungarns zu sich zu berufen, und jedes
dritte Jahr ein Generalcapitel abzuhalten. 4) Das Kloster
und die Mönche desselben besitzen alle Rechte und Pri-
vilegien des Klosters oder der Congregation von Monte
Casino, ohne derselben einverleibt zu sein. 5) Das Kloster
imd dessen Abt, der Convent, die einzelnen Mönche,
Pfarrer, Priester, Gobbagyen . . . sind keiaem Erzbischoi
oder Bischof des Landes, sondern unmittelbar dem
— 233 -
apostolischen Stuhle und dem römischen Pabste unter-
-worfen u. s. w.*)
*) In Betraclit der Ausnahmsstellung des Erzabtea von Martinsbeig
halten -wir es nicht für uninteressant, die Hechte und Privilegien, deren
er sich gegen-wärtig erfreut, kurz anzudeuten:
1. T)a der Erzaht als „ahbas nullius" ein eigenes Territorium he-
sitzt, -welches er mit gleichsam bischöflicher Jurisdiction (iurisdictione
quasi episcopali) regiert, ernennt er einen Geueralvicar für geistliche
Angelegenh eiten.
2. Hat er einen Consistorialrath (s. sedes con? istorialis) , von wel-
chem die Appellation in allen Instanzen nach Kom geht; von wo aus
sodann für jeden einzelnen Fall irgend ein Bischof delegirt wird.
3. Ertheilt er seinen Untergebenen die Tonsur und die minderen
Weihen, und sendet sie zum Empfang der höheren "Weihen mit einem
Entlassungsschreiben (litterae dimissoriales) an welch' immer beliebigen
kath. Bischof. Zugleich hat er das Becht, in Hinsicht der Interstitien
und des Alters zu dispensiren.
4. Verleiht er den Priestern sowohl in Betreff der Mönche als auch
der Laien die zum Beichthören erforderliche Approbation tmd Juris-
diction , wobei er sich gewisse Sünden reserviren kann. Auch steht
ihm das Becht zu, seine Untergebenen sammt den Novizen von allen,
auch in der Bulle Coenae angegebenen Fällen und C'ensuren zu absol-
viren, und von welch' immer Irregularität zu dispensiren, in Betreff
des Beichtstuhles sogar in irregularitate ex homicidio voluntario, —
ausgenommen die That wäre nach dem Eintritt in den Orden verübt
worden. *
5. Eeferirt er über die während der kanonischen Visitation seines
abgesonderten Territoriums gemachten Erfahrungen entweder persönlich
oder durch Schreiben nach Born (visitatio limiuum).
fi. Hat er das Becht, sich das geweihte Oel und Chrisma von jedem
beliebigen Bischöfe zu verschaffen.
7. JFüT seine Kirchen consecrirt er Kelche, Glocken und Altäre;
femer benedicirt er oder mit seiner Erlaubnis einer seiner Untergebenen
Kapellen und Kirchen, oder lässt sie durch einen beliebigen Bischof
consecriren. Kraft einer speciellen päbstlichen Ermächtigung conse-
crirte der jetzige Erzabt am 22. Sept. 1878 die Kirche der Abtei von
Bakonyböl.
8. Bei feierlichem Gottesdienste wird er von der Assistenz uutir
Vorantragung des Kreuzes in die Kirche, nach Beendigung desselben
in derselben Ordnung in seine Gemächer beg-leitet. Er bedient sich
dabei der bischöflichen Insignien, welche er vom Altare nimmt; den
Seg-en giebt er mit dreifachem Kreuzzeichen, und ertheilt am Ostertage
in Polge päbstlicher Erlaubnis ^■om 16. Pebr. 1869 den päbstlichen
Segen mit vollkommenem Ablasse.
9. Auf Beisen steht ihm ebenso wie den Bischöfen die Befugnis
zu, ein altare portatile mit sich zu führen.
10. Das Breve Sr. Heiligkeit Pius IX. vom 12. Sept. 1S6S gestattet
— 234 —
Doch. nach, allen diesen Erfolgen sollte auch er die
Ungunst des Schicksals erfahren: jener TJnglückstag Ton
Mohäcs (29. Aug. 1526) blieb auch für Martinsberg nicht
ohne Folgen. Zwar -wurde Matthäus seines vorgerückten
Alters wegen von der Pflicht, persönlich im Heerlager des
Königs zu erscheinen, entbunden, sandte jedoch, den fünf-
ten Theil der Untergebenen des Klosters unter der Füh-
rung des Paul Bajcs dem bedrängten Könige zu Hülfe.
Während der Unruhen, welche nach der Niederlage
bei Mohäcs zwischen Zäpolya und Ferdinand ausgebrochen
waren, sah sich Martinsberg gezwungen, anfangs Zäpolya
Gehorsam zu leisten. Zäpolya erliess nämlich ein Beeret,
durch welches die Benediktiner- Aebte zu dem alle drei
Jahre abzuhaltenden Capitel nach Martiusberg berufen
wurden, um die in Angriff genommene Reform durchzu-
führen; zugleich war in dem Decrete bestimmt, dass von
auf die Dauer von 10 Jahren, den Ifamea des Erzabtes als Ordinarius
im Canon zu erwähnen. Se. Heil. Leo XIII. dehnte dieses Privilegium
auf ein neues Jahrzehent aus (27. Mai 1878).
11. Pabst Plus IX. s. A. ertheilte ferner am 17. Febr. 1870 dem Erz-
abte von Martinsberg für immer die Befugnis, in seinem abgesonderten
Territorium das Sacrameut der Mrmung zu spenden.
12. Der jeweilige Erzabt wird auf das allgemeine Concil berufen
und hat daselbst Sitz und Stimme. In Betreff der Provinzialsynoden
wählt er sich einen beliebigen Erzbisohof, an dessen Synoden er theil-
nimmt.
13. Hierher gehören endlich noch jene Facultäten, welche die päbstl.
Dataria auf fünf, die Poeuitentiaria auf drei Jahre zu ertheilen pflegt.
Das separate Territorium des Erzabtes bildet ein Decanat und be-
steht aus folgenden Pfarreien-
a) Im Eaaber Comitat: Martinsberg, Eavazd, Nyalka, Szent-Ivän,
Tenyö, Kajär, Gsanak.
b) Im Veszpremer Comitat: Peterd, Läzi, Bdrsonyos, Varsäny und
Bakonybfel.
o) Im Komorner Comitat: Tärkäny und Eüss.
d) Im Pressburger Comitat: De&ky.
Ausser diesen 15 Pfarreien, welche mit Ausnahme des deutschen
Dorfes P§terd von Ungarn bewohnt sind, gehören zum erzäbtllchen
Territorium noch 47 Eilialen, von welchea Pätka zur Baaber, Somhegy
zur Veszprömer Diöcese gehört, jedoch erstere der Pfarre von Tfinyö,
letztere der von Bakonybfil einverleibt ist. Andererseits sind die der
Jurisdiction des Erzabtes unterworfenen Orte Denesd, Tömörd und Kis-
usanak der Graner Diöcese einverleibt.
Die Gesammtzahl der kath. Bewohner ist bei 27,000.
— 235 —
Seite des Grauer Erzbisch.ofs zwei Procuratoren zugegen
seien und die üblichen Visitatoren geTvählt würden, was
auch geschah, obwohl die Visitatoren der Unruhen wegen
ihres Amtes nicht walten konnten.
Bald hernach jedoch, als Ferdinand den jenseits und
diesseits der Donau gelegenen Theil erobert hatte, schloss
sich Martinsberg an Ferdinand an und leistete ihm den
Eid der Treue. Als Anerkennung dafür bestätigte Fer-
dinand die Privilegien des Stiftes und Terlieh ihm später,
im Jahre 1537, zugleich als Ersatz für seine zerstörten
Güter, die Praedien Grönyö, Saäg, Taäp und Szent-Miklos.
i Wie bedauernswerth um diese Zeit der Vermögens-
zustand des Klosters war, lässt sich daraus ermessen,
dass Matthäus im Jahre 1533 gezwungen war, die sil-
bernen Kleinodien des Klosters, so einen Kelch des heil.
Stefan, sammt der Patene, drei andere kostbare Kelche,
ein Thuribulum u. s. w. für 200 Gulden zu verpfänden.
Grosse Schuld trugen an diesem Elende jedenfalls auch
die Castellane des Klosters, deren Sorge die Verwaltung
der Güter anvertraut war, und die, wie z. B. Blasius de
Lak, die Einkünfte nicht nur — dem Willen Ferdinands
gemäss — auf den mit Zäpolya geführten Krieg ver-
wandten, sondern dabei auch ihrer eigenen Tasche nicht
vergassen. Mancher Castellan zeigte sich dabei noch den
Mönchen gegenüber feindselig gesinnt, ja sogar vor Ge-
waltthätigkeiten schreckte de Lak nicht, zurück. Dieser
wurde nun zwar seiner Untreue und Gewaltthätigkeit
wegen seines Amtes entsetzt; aber dass unter, solchen
Umständen so manche von den Mönchen, besonders die
älteren, sich an sichere Plätze flüchteten, ist wohl leicht
zu erklären.
Unter dem Gubernator Stefan Feje'rkövy*) (1567—1592)
^sTirde das Kloster durch die Unvorsichtigkeit der Festungs-
soldaten abermals ein Raub der Flammen; Stefan liess
dasselbe zwar wieder restauriren, doch war er genöthigt,
zti diesem Ende Schulden zu machen und mehrere Güter
der Erzabtei zu verpfänden. Auch war er e.s, der als
*) Erwählterj Bischof ('Cihiaensia) , 11575 BiaoHofj ron Veszpröm,
lä87 von Neutra, 1588 königl. Statthalter, isaG eudliobi rwählter Erz-
tisohof ron Grau.
— 236 —
Biscliof von Neutra die Weirblisaclieii der Kirclie grösserer
Sicherlieit -wegen dorthin bringen Hess, wo sie späterhin,
da sie Niemand zurückforderte, gänzlich verblieben zu
sein scheinen.
Ein neuer Unfall traf das Kloster unter der Regie-
rung des Erzabtes Paul II. Baranyay de Eöchen (1593 — 96),
eines durch Frömmigkeit, Wissenschaft und Heldenmuth
gleich ausgezeichneten Mannes, der nach Abdankung des
öubernators Stefan von König Rudolf zum Erzabt ernannt
wurde, da sich der Convent auf das Gerücht von dem
Herannahen der Türken zerstreut hatte und somit eine
kanonische Wahl unmöglich gemacht war.
1593 erschien der Grossvezier Sinan vor Martinsberg,
welches Erzabt Paul auf das Aeusserste zu vertheidigen
bereit war; doch in Folge der Feigheit der Soldaten und
ihres Anführers Johann Zädory, vielleicht auch durch Ver-
rath des Letzteren musste sich Martinsberg ergeben, und
alsbald erglänzte an Stelle des Eieuzeszeichens der Halb-
mond auf den Thürmen des Klosters und der Kirche.
Erzabt Paul kehrte in das Kloster iiicht mehr zurück;
deim da es im Besitze der Türken war, und er somit
nichts für dasselbe thun konnte, begab er sich in das
Lager und fand 1596 in der Schlacht bei Kereszhes den
Heldentod.
Im Jahre 1597 endlich wurde Martinsberg, 1598 auch
Raab von den Türken zurückerobert; doch ungeachtet
dessen blieb Martinsberg noch vier Jahrzehnte hindurch
verwaist. Wohl versuchte schon Georg Himmekeich von
Schaffenburg, der noch ganz jung im Jahre 1602 vom
Könige zum Erzabt von Martinsberg ernannt worden war,
den Convent wieder zurückzuführen; doch gelang dieses
in Folge der ungünstigen Zeiten erst seinem Nachfolger
Mathias Pälffy im Jahre 1638.
Mathias Pälffy hatte in seinem 16. Lebensjahre in der
Cistercienserabtei Heiligenkreuz das h. Gelübde abgelegt,
und war schon durch zehn Jahre hindurch Prior daselbst,
als er von Ferdinand HI. zum Erzabte von Martinsberg
auserkoren, mit der Bedingung emaimt wurde,, dass Mar-
tinsberg sich der immer mehr verfallenden österreichischen
Congregation anschliesse; weshalb auch Mathias nach
erhaltener Dispensation seine feierlichen Gelübde als Bene-
— 237 —
diktiner in Wien im Mölkerliofe in Gegenwart mehrerer
Bischöfe und Aebte ablegte.
Mathias Hess es sich in jeder Hinsicht angelegen sein,
der ihm gewordenen Aufgabe zu entsprechen: er stellte
die alte Disciplin wieder her, förderte die Wissenschaften,
vertheidigte die Rechte und Privilegien des Klosters ; mit
einem Worte, er erwies sich des Vertrauens, welches ihm
der König entgegengebracht, vollkommen würdig.
Doch nur kurze Zeit sollte ihn Martinsberg besitzen:
im Jahre 1647 nämlich mittelst königlichen Schreibens
zum Landtage nach Pressburg berufen, kehrte er nicht
mehr zurück, indem ihn während des Landtages zum
grössten Leidwesen der Seinigen der Tod ereilte.
Auf die traurige Nachricht seines Ablebens hin sandten
die Martinsberger sofort den Prior Placidus sammt dem
Subprior Emericus zu Wahrung ihrer Eechte auf den
Landtag. In dem ihnen mitgegebenen Beglaubigungs-
schreiben sehen wir zum ersten Male das Sigillum des
Convents mit fünf Herzen und dem Worte Pax. Erstere
scheinen dem Sigill der österreichischen, letztere dem der
Casinenser Congregation entnoiomen zu sein, zu welch
letzterer sich Martmsberg wegen der gleichen Rechte und
Privilegien immer gezählt hatte.
Aus den im Jahre 1625 bestätigten Statuten der
österreichischen Congregation scheint auch der Genuss der
Fleischspeisen in Martinsberg Eingang gefanden zu haben;
■wenigstens lesen wir in denselben, dass in Deutschland
dieser Gebrauch schon längst bestanden habe.
Auf die Bitte des Convents ernannte Ferdinand HI.
den oben erwähnten Prior Placidus Magger zum Erzabt,
der im dreissigjährigen Kriege von Schlesien, wo er das
Gelübde abgelegt hatte, vertrieben, in Martinsberg eine
Zufluchtsstätte gefunden, und sich bald das Vertrauen des
Erzabtes sowohl als auch der Ordensbrüder in vollstem
Maasse erworben hatte.
Die erste Sorge des neuemannten Erzabtes war, die
verwüsteten Ortschaften wieder zu bevölkern, dem Volke
Seelsorger und Lehrer zu verschaffen und, so viel möglich,
überall geordnete Verhältnisse herzustellen. Und nicht nur
auf seine geistlichen Unterthanen erstreckte sich diese
seiae Sorgfalt; er sandte seine Mönche auch an andere
— 238 —
Orte, um der Bevölkerung das Evangelium zu predigen,
das Brot des Lebens zu brechen.
Während er aber so für das Seelenheil Anderer sorgte,
Tvar er auch um die Rechte des Elosters nicht unbeküm-
mert, indem er diese bei jeder Gelegenheit zu wahren
vrasste.
Doch auch unter seiner Regierung sollte sich das
Kloster keines ungestörten Glückes erfreuen: 1652 nämlich
vrarde sowohl das Eloster als auch die Eörche und die
Festung in Folge der Unvorsichtigkeit der Besatzung aber-
mals durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt. Placidus
scheute zwar keine Unkosten, um den Schaden wieder gut
zu machen; doch waren noch nicht 20 Jahre nach seinem
Tode (1665) verflossen, als das Heer des Grossveziers Kara
Mustapha dasselbe atjermals in Brand steckte und zer-
störte (1683). Erzabt Aegydius Gencsy, der sich beim
Herannahen des Feindes, nachdem er seine Religiösen in
verschiedene Klöster Oesterreichs vertheüt hatte, auf
königlichen Befehl nach Raab zurückgezogen, überlebte
den Ruin der Erzabtei nur kurze Zeit.
Sein Nachfolger war Gerardus Simonesics, vorher Abt
von Bakonybel, der von dem ins Kloster zurückgekehrten
Convent zum Erzabt erwählt und von Leopold I. bestätigt,
auf dem Landtage zu Pressburg 1687 besonders auf den
Rath des Benediktinerabtes von Banth bei Bamberg sich
im Interesse des Stiftes an den König und die Magnaten
wandte, in Folge dessen ein Beeret erlassen wurde, laut
welchem den Benediktinern, Prämonstratensem Tind Pau-
linern alle ihnen entrissenen Klöster und Abteien wie-
der zurückgegeben werden sollten. Während seiner Re-
gierung wurden einige Abteien, wie Zalavär, Tihany u. s. w.
von Auswärtigen an sich gebracht und restauriit.
Nach seinem Ableben erbaten sich die Brüder den
Poenitentiar in Gross-Mariazell, Martin Rummer, zum Erz-
abte , dessen Ruf wahrscheinlich jene nach Martinsberg
gebracht hatten, die aus Furcht vor den Türken ins Aus-
land geflüchtet waren und ihn dort kennen gelernt haben
mochten. Von König Leopold I. ernannt und vom Raaber
Bischof Leopold Card. Kollonics benedicirt, Hess er sich
vor allem angelegen sein, das verwüstete Kloster zu
restauriren und die alte Ordnung und Disciplin wieder
— 239 -
einzuführen. Auch erwirkte er yon Leopold I. ein Trans-
sumpt der Stiffcungsurkunde und die Bestätigung der Kechte
und Privilegien der Erzahtei. Er starb im Jahre 1693 im
Gerüche der Heiligkeit, und soll den Tag und die Stunde
seines Hinscheidens mit grösster Genauigkeit vorausgesagt
haben.
Die wenigen Jahre des Friedens, dessen sich Martins-
berg zu erfreuen hatte, gingen nicht frachtlos vorüber:
vor allem eröffnete man wieder die Schulen, feierte im
Jahre 1701 unter Aegydius U. Eamer den siebenhundert-
jährigen Bestand des Klosters, und Hess zum Andenken
dessen eine Medaille prägen; unter demselben Erzabte
wurde auch die Kirche mit neuen Altären und der Ein-
gang der Kirche von Seite der Quadratur, die sogenannte
porta speciosa, mit Marmorsäulchen geschmückt. Aegy-
dius n. wollte femer auch dem Kloster eine neue Gestalt
geben und dasselbe mit sieben Thürmen versehen, wurde
aber inmitten dieser Pläne am Landtage zu Pressburg 1708
vom Tode ereilt.
Ihm folgte der sieb enzigj ährige Abt von Bakonybel
Coelestinus Göncz. Derselbe wurde in dem von den Trup-
pen Räkoczys besetzten Kloster mit Erlaubnis des Für-
sten kanonisch gewählt, und, nachdem Bäkoczys Glück
sich geneigt hatte, auch Josef L zur Bestätigung unter-
breitet. Sobald die Wahl bestätigt und auch dem
Lande der Friede wieder zurückgegeben war, trachtete
Coelestinus in jeder Weise dahin, die Güter des Klosters
zurück zu bekommen und die JBestätigung der Rechte
und Privilegien des Stiftes zu erlangen. Unter ihm wurde
die unweit des Klosters gelegene Kapelle gebaut und der
sei. Jungfrau geweiht.
Sein Nachfolger war Benediktus Sajgho (1722 — 1768).
Aus Tyrnau gebürtig, einige Zeit lang Erzieher beim
Grafen Csäky, war Sajgho während des Räkoczyschen
Krieges im Lager der Verbündeten, vertauschte jedoch
mit Ende desselben das Schwert mit dem Brevier, das
Kleid des Soldaten mit dem demüthigen Kleide des heil.
Benediktus, und gewann durch seine hervorragenden Eigen-
schaften, seine Frömmigkeit und Wissenschaft, seinen
Heldenmuth und seine Gewandtheit so sehr das Vertrauen
und die Liebe der Mitbrüder, dass sich nach Coelestins.
— 240 —
Ableben alle Stimmen auf ihn vereinigten, obwohl er erst
31 Jahre alt und der jüngste Priester war.
. Unter ihm erreichte Martinsberg seinen alten Glanz
wieder. Von seinen Religiösen sandte er einige nach Rom,
andere nach Tyrnau und Salzburg, um sich in den Wissen-
schaften weiter zu bilden. Dass die Wissenschaften aber
auch zu Hause . aufs neue erblühten, ist aus der regen
literarischen Thätigkeit seiner Untergebenen ersichtlich.
Allenthalben erhoben sich femer neue Kirchen, welche
er auf das grossmüthigste mit allem Nöthigen ausstattete.
Die Mauern der Kathedralkirche, welche im Jahre 1683
durch den Brand (s. Seite 238) viel gelitten, wurden mit
eisernen Spangen befestigt, und die Kirche selbst mit
grösseren Glocken versehen, das Kloster aber grossentheüs
ganz neu erbaut. Nach Wiederherstellung der während
der kriegerischen Zeiten abermals etwas gelockerten Disci-
plin richtete er sein Augenmerk auf die dem Kloster ent-
rissenen Güter, und bemühte sich rastlos, dieselben dem
Stifte wieder zu erwerben. Seine Bemühungen krönte fast
immer ein glücklicher Erfolg.
Auch unter seinem Nachfolger, dem eiastimmig ge-
wählten Daniel Somogyi, hat die Geschichte Martinsbergs
so manches freudenvolle Ereignis zu verzeichnen. Zum
Erzabte und bald darauf auch zum königlichen Rath er-
naimt, erhielt er von Sr. Heiligkeit Clemens XIV. das
Recht, Do ctoren der Theologie und Philosophie zu creiren.
Femer wurde im Jahre 1770 von Maria Theresia, die dem
En.oster gegenüber immer die grösste Pietät und grosses
Wohlwollen bewies, der Erzabt und seine Nachfolger unter
die Magnaten erhoben. Im Jahre 1771 wurde mittelst
königl. Decrete bewilligt, dass der Erzabt in Ansehung
seiner Jurisdiction in den Rescripten der königlichen
Kanzlei gleich den Bischöfen mit dem Titel „Reverendus"
beehrt werde. Ein besonderes Zeichen ihrer Pietät für
das Erzstift gab aber die erlauchte Frau durch die An-
ordnung, dass die Rechte des h. Stefan, bei der Ueber-
tragung nach Ofen, in Martinsberg, wo der König im
Leben so oft geweilt hatte, dem Volke zur Öffentlichen
Verehrung ausgestellt werde. Im nächstfolgenden Jahre
wurde Martinsberg durch den persönlichen Besuch der
grossen Königin ausgezeichnet, während fünf Jahre später
— 241 —
der päbstliclie Nuntius Josef Garampi das Kloster mit
seinem Besuclie beekrte.
Doch aucli Daniel sollte nicM bis an sein Lebensende
des Friedens gemessen; gleicb. so vielen andern blühenden
Klöstern sollte auch Martinsberg den •willkürlichen Ver-
fügungen Josefs n. zum Opfer fallen. Wohl scheint sich
Pius "VI., als er im Interesse der Kirche die besch-werliche
Reise nach Wien unternahm, persönlich für den Erzabt
verwendet zu haben: doch alles war umsonst. Am 14. Nov.
1786 erschien das Decret der Aufhebung, ohne dass in
demselben auch nur mit einem Worte etwas angedeutet
worden wäre, was die Aufhebung wenigstens dem Scheine
nach begründet hätte. Die Güter des Klosters wurden
dem Kellgionsfond einverleibt, die der Jurisdiction des
Erzabtes unterworfenen Pfarreien in die benachbarten
Diöcesen eingereiht, die Mönche selbst theils in der Seel-
sorge, theils im Lehrfache verwendet.
Daniel, in der sichern Ueberzeugung, dass die Auf-
hebung des Ordens im Lande durchaus keinen Anklang
gefunden, versäumte keine Gelegenheit, für die Eestitution
des Ordens zu wirken. Zu wiederholten Malen that er
zu diesem Zwecke geeignete Schritte, sowohl auf den Co-
mitien, als auch bei Sr. Majestät Franz II. und Sr. Hei-
ligkeit Pius VI., und zwar, da seine Bemühungen auch von
Seite Anderer unterstützt wurden, nicht ohne Erfolg;
denn schon war gegründete HofiEnung vorhanden, dass er
sein Ziel erreichen werde, als er am 20. Oct. 1801 im
81. Lebensjahre in ein besseres Jenseits hinüberging.
Endlich erschien der Tag, den die noch lebenden
Ordensbrüder schon so lange mit Sehnsucht erwarteten:
am 25. April 1802 wurde der neu ernannte Erzabt Chry-
sostomus Noväk, früher Abt von Bakonybel, mit den an-
wesenden 32 Ordensmitgliedem durch den Erzbischof von
Kalocsa*), Ladislaus Kollonics, feierlich in ihr altes Be-
sitzthum eingeführt.
In feierlicher Prozession wurde der Erzbischof, an
dessen Seite der Bischof von Stuhlweissenburg einher-
*) Da der Orden unmittelbar dem apost. StuUe tuitersteht , wurde
mit Umgehung des Primas und der benachbarten Biscliöfe derKalocsaer
JErzbischof zum königl. Commissär ernannt.
Ein Benediktinerbuch. 16
— 242 —
schritt, zum Hoclialtar geleitet, woselbst auf sein Geheiss
das köuigliclie Decret, welches ihn mit der Einführung-
der Benediktiner betraute, verlesen wurde. lüdem er nun
in einer ergreifenden Ansprache dieser seiher Aufgabe
Genüge geleistet und den anwesenden Ordensbrüdern ihre
Pflicht erläutert und ans Herz gelegt hatte, wurde auch
das Eestitutionsdecret verlesen, demzufolge der Orden in
Ungarn ausser der Erzabtei drei Abteien, nämlich Bako-
nybel, Dömölk und Tihany zählt und die Verpflichtung
überkommt, zehn Gymnasien, nämlich Pressburg, Raab,
Oedenburg, Stuhlweissenbürg, FünfMrchen, Güns, Tymäu,.
Komorn, Gran und Papa*) mit Professoren, und 21 Pfar-
reien**) mit Seelsorgern zu versehen. Dem Erzabte
wurde das Recht eingeräumt, nach Gutdünken Directoren
und Professoren in die Gymnasien zu senden, für die
Abteien nach dem Rathe der Conventualen die betreffen-
den Aebte zu ernennen und die Ernannten Sr. Majestät
zur Bestätigung zu unterbreiten; die Ernennung des Erz-
abtes selbst bleibt Seiner Majestät vorbehalten, jedoch
derart, dass die Ordensbrüder drei aus ihrer Mitte zu der
erzäbtlichen Würde candidiren.
Unermüdlich wirkte Chrysostom an der Spitze der
Seinen: allenthalben war er bemüht, die zu einem heil-
samen Wirken des Ordens nöthigen Anstalten zu treffen;
die Disciplin des Elosters wurde im Geiste des h. Vaters
Benediktus den neu gestellten Aüforderungen angepasst;
die Bibliothek mit vielen Tausenden von Büchern be-
reichert, die Kathedrale mit kostbaren Paramenten ver-
sehen und mit sechs Marmoraltären geschmückt. Doch
endlich fühlte auch er immer mehr die Last des heran-
nahenden Alters, weshalb er im Jahre 1816 resignirte,.
imd an seine Stelle der Abt von Tihany Paulus Horväth
zum Regens des Ordens ernannt wurde, der denselben bis
zu Chrysostoms Tode (20. Oct. 1828), beziehungsweise
*) Im Jahre 1813 üTjernaliin Fttnfkirchen und Stuhlweissenburg die
Cistercienser von Zircz ; hierfür wurde in Pressburg und Baab ein philo-
sophischer Curs errichtet. Pressburg ist seit 1851 Staatsgymnasium,
Tyrnau seit 1862 erzbischöfl. Gymnasium; dafür das Oedenhurger und
Graner Gymnasium achtklassig.
**) Siebe S. 234 Anmerk.
— 243 —
bis zur Wahl des neuen Erzabtes mit ebenso viel Liebe
als Geschick regierte.
Chrysostoms Nachfolger, Thomas Koväcs, verdankt
der Thurm der Kathedrale und die Bibliothek ihren Ur-
sprung.
Schon unter Erzabt Daniel Somogyi erwiesen sich die
Gebäulichkeiten des Klosters unzulänglich für die Be-woh-
ner desselben, imd schon unter Maria Theresia war der
Plan zu einer gänzlichen Umgestaltung des Klosters ge-
fasst und von der Königin bestätigt worden; doch die
Ausführung desselben unterblieb in Folge der Aufhebung
des Ordens. Aber auch nach der Restitution konnte nicht
alsogleich an die Wiederau&ahme dieses Planes gedacht
werden, da andere noch nöthigere Dinge die Kraft des
Ordens ohnehin vollauf in Anspruch nahmen, und auch
die kriegerischen Zeiten nichts weniger als günstig ge-
nannt werden konnten.
Und so blieb es dem Nachfolger Chrysostoms vorbe-
halten, den längst gehegten Plan zu verwirklichen. Dem
neuen Plane gemäss sollte noch ein zweiter Thurm und
ein dem Bibliotheksgebäude entsprechender Flügel auf-
geführt werden, doch wurde dieser durch den im Jahre
1841 erfolgten Tod des Erzabtes Thomas, späterhin aber
besonders durch die im Jahre 1848 ausgebroehenen Wirren
unmöglich gemacht.
Noch wollen wir erwähnen, dass auch die Wasserlei-
tung, welche aus einer Entfernung von 400 Klafter dem
Kloster das nöthige Wasser zuführt, ebenfalls unter Tho-
mas (1840) errichtet wurde.
Auch glauben wir, das Jahr 1831 nicht übergehen zu
sollen, in welchem die Liebe des Erzabtes Thomas zu den
seiner Hut anvertrauten Gläubigen im schönsten Lichte
erglänzte. Als nämlich im genannten Jahre in der ganzen
Umgebung des Stiftes die Cholera wüthete, begnügte sich
der Erzabt nicht damit, die zur Unterdrückung des Uebels
nöthigen Anstalten zu treffen, sondern er wollte die Kran-
ken in Begleitung des Klosterarztes auch persönlich be-
suchen, ümen Muth und Vertrauen auf Gottes Barmherzig-
keit eiriflössen, und mit Rath und That zur Seite stehen. Gott
allein ist es bekannt, wie viel Segen er dadurch gestiftet.
Vielleicht ist es, wenigstens zum Theil, eben den von
16*
— 244 —
ikm. getroffenen Vorkehrungen zuzusckreiben , dass im
Marktflecken Martinsberg nickt mehr als vier Personen
der Seuche erlagen, während in dem benachbarten Raab
während 2 Monaten gegen 900 der Epidemie zum Opfer
fielen, und unter ümen als erster ein. Priester des Ordens,
Romanus Walter, der sich als Prediger so sehr die Liebe
der Raaber Bürger zu erwerben gewusst hatte, dass man
ihm nach seinem Tode in der Exche daselbst ein Denk-
mal setzen wollte, Tind, als hierzu die Erlaubnis nicht ge-
geben wurde, zur Bewahrung seines Andenkens für ewige
Zeiten ein h. Messopfer stiftete.
Und nun nur noch einige denkwürdige Ereignisse aus
der neuesten Zeit.
Im Jahre 1845 besuchte der päbstHche Nuntius Altieri,
im Jahre 1851 Viale-Prela die Erzabtei.
Am 30. Juni 1850 hatte Martinsberg das Glück, Se.
Majestät Kaiser Franz Josef I. in seinen Mauern begrüssen
zu dürfen.
Im Jahre 1866 am 9. Juni ward dem Orden die Ehre
zu Theil, den päbstlichen Nuntius und nachmaligen Car-
dinal Antonio Falcinelli empfangen zu können, der auf
die Eiidadung des jetzigen Erzabtes Chrysostomus II.
Kruesz gekommen war, die feierliche Benediction des ge-
nannten Erzabtes Torzunehmen.
Im Jahre 1875 endlich beglückte der jetzige Nuntius
am Wiener Hofe, seit Kurzem Cardinal, Ludovico Jacobini,
Martinsberg mit seinem hohen Besuche.
Das grösste Ereignis der Neuzeit aber dürfte wohl
die vierte Consecration der EathedralMrche sein, der wir
noch einige Zeilen widmen wollen.
Die Eirche stammt in ihrer jetzigen Gestalt aus dem
13. Jahrhundert (s. oben S. 225); nur die Vorhalle sammt
dem Thurme wurde, wie oben erwähnt, unter Erzabt Tho-
mas gebaut.
Die Kirche, im üebergangsstyle erbaut, war leider
durch den schlechten Geschmack des vorigen und theil-
weise auch des jetzigen Jahrhunderts gänzlich verunstaltet.
Die schön gehaltenen, schlank emporstrebenden Pfeiler
waren mit Kalk übertüncht, die meisterhaft gemeisselten
Kapitale und Consolen verstümmelt, die Vorhalle und der
zunächst daranstossende Theü ohne jeden Geschmack er-
— 245 —
baut, so dass das Ganze einen höchst ungünstigen Ein-
druck auf den Beschauer machen musste.
Nachdem Chrysostomus n. den erzähtlichen Stuhl ein-
genommen hatte, war es seine erste Sorge, die Kathedrale
wieder in ihrem früheren Grlanze erstehen zu lassen, be-
ziehungsweise den styllosen rückwärtigen Theil dem ur-
sprünglichen Theüe anzupassen. Acht volle Jahre dauerte
die mit ungeheuren Kosten verbundene Restauration: im
Jahre 1876 jedoch konnte Chrysostom ü., nachdem 1868
mit der Restauration des unter dem Sanctuarium befind-
lichen Hypogaeums begonnen worden war, mit vollem
Rechte die Worte des Psalmisten: „Dilexi decorem do-
mus tuae et locum habitationis gloriae tuae" über die
Schwelle der Sakristei setzen lassen.
Die Benediction geschah am 27. August 1876 durch
den Primas von Ungarn, Johann Card. Simor, dem dabei
der Bischof von Raab und der Weihbischof von Veszprem
Assistenz leisteten. Eine besondere Weihe erhielt das
Fest durch die Gegenwart Sr. kk. Hoheit des Erzherzogs
Josef, der als Stellvertreter Sr. Majestät des aposto-
lischen Königs von Ungarn, Franz Josef I., an der Con-
secration theilnahm; zugegen waren femer auch die
Stellvertreter des k. ungar. Ministeriums und verschie-
dener gelehrten und anderer Gesellschaften, sowie zahl-
reiche andere hohe Gäste.
Ein Prachtwerk, Seiner Majestät dedicirt und die Ge-
schichte der Kirche mit 15 Tafeln, theils in Chromolitho-
graphie, theils in Schwarzdruck enthaltend, war bestimmt,
das Andenken an dieses Fest der Nachwelt zu überHefem:
den Namen Chrysostomus U. wird — ausser so manch
anderem Denkmal seines nie ermüdenden Eifers — die
Kathedrale selbst am besten verewigen.
Und hiermit wollen wir die Geschichte der Erzabtei
schliessen. Der freundliche Leser, der bis hierher unsem
anspruchslosen Zeilen gefolgt ist, dürfte wohl überzeugt
worden sein von der Wahrheit imserer anfangs gesagten
Wbrte, dass die Erzabtei viele Trauerjahre imd nur we-
nige Freudentage erlebt hat. Möge es dem lieben Gott
durch die Fürbitte unseres h. Vaters Benedikt gefallen,
die Prüfungen zu beendigen, damit das Centenarium des
h. Vaters auch für Martinsberg der Anfang einer neuen
— 246 —
Aera, einer Aera des Friedens und der Ruhe -werde, da-
mit das Erzstift von äusseren und inneren Feinden befreit,
einzig und allein der Gottseligkeit und der Wissenscliaft
sein Dasein widmen könne.
Noch, sei es uns gestattet, in Kürze der drei zur Erz-
abtei gehörigen Abteien, nämlich. Bakonybel, Dömölk
und Tihany Erwähnung zu thun.
I. BakonyMl (Abbatia S. Mauritii et soc. martyrum
de Bakonybel).
BakonybSL liegt im Veszpremer Comitat, in der gleich-
namigen Diöcese.
Der Zugang zu dem allseits von Bergen umringten,
romantischen Thale, welches die Abtei sammt dem gleich-
namigen Dorfe umschliesst, ist zu allen Zeiten ziemlich
schwierig, kann aber sogar gefährKch werden, wenn der
sonst unansehnliche Bach Qerancze durch Regengüsse
oder aber im Frühjahre durch Schmelzen des Schnees über
seine Ufer tritt. Hierdurch schien der Ort gleichsam
schon von der ITatur dazu geschaffen, um hier ein von
der Welt zurückgezogenes, beschauliches Leben zu führen;
und dies mochte wohl den sei. Guntherus, Benediktiner
von ISTieder-Altaich in Bayern, den der h. Stefan als Ver-
wandten der Königin Gisela nach Ungarn berufen hatte,
bewogen haben, dem Könige Bakonybel als den geeignet-
sten Platz für eine zu errichtende Abtei vorzuschlagen.
Der h. Stefan willfahrte den Bitten seines gottseligen
Anverwandten, und legte gegen das Ende seines Lebens
im Jahre 1037 den Grund zu der Abtei.
Zum ersten Abte ernannte er den h. Gerardus, der
sich, da er dem Willen des h. Stifters gemäss keinem
Bischöfe unterworfen war, nicht von dem benachbarten
Veszpremer, sondern vom Raaber Bischöfe Modestus feier-
lich benediciren liess.
Wohl muss es als göttliche Fügung angesehen wer-
den, dass der h. Gerardus, der in Venedig im Benedik-
tinerMoster vom h. Georg (San Giorgio Maggiore) das
h. Gelübde abgelegt hatte, nach Ungarn kam, nachdem
all sein Streben, das h. Land zu besuchen, vereitelt wor-
den war. Vom h. Stefan nämlich auf das Wohlwollendste
— 247 —
empfangen, leitete er den Unterricht und die Erziehung-
des Thronerben Emerich und zwar mit solchem Erfolg,
dass auch dessen Name in das Album der Heiligen Gottes
eingetragen wurde.
Sieben Jahre lang stand Gerardus an der Spitze der
Abtei; hernach wirkte er drei Jahre als Bischof von Csa-
näd auf das Segensreichste für das Heil der ihm anver-
trauten Seelen, bis er im Jahre 1047 seia h. Leben durch
den Martyrtod beschloss.
Auch der sei. Guntherus weilte gern in Bakonybel;
auch für ihn bildete es einen Zufluchtsort, allwo er sich
im Gebete und der Betrachtung gänzlich mit Gott ver-
einigen konnte, so oft es ihm gestattet war, dem zer-
streuenden Geräusche des königlichen Hofes zu entfliehen.
Und noch jetzt zeigt man in geringer Entfernung von der
Abtei die Spuren einer Eremitage, welche die Sage dem
sei. Guntherus zueignet.
Von den späteren Aebten der Abtei seien nur einige
erwähnt. So nahm Jakobus I. an dem Nationalconcü des
Jahres 1256 Theil; Joannes I. bewies im Jahre 1330 durch
eine von dem ßaaber Capitel angestellte Untersuchung,
dass der Bakonybeler Convent als locus credibilis schon von
Alters her ein eigenes Sigillum besessen hatte. Im 16. Jahr-
hundert begegnen wir dem Abte Michael TL., der ganz
allein ohne Ordensbrüder die Abtei bewohnte, jedoch von
König Yladislaus IL. unter Androhung der Absetzung be- .
auftragt wurde, den Convent wieder einzufahren. Sein
Nachfolger war Blasius im Jahre 1506, der jedoch bald
zu Gunsten Jakobus IE. der Abtei entsagte; endlich wurde
im Jahre 1512, nachdem das Patronat über die Abtei an
Martinsberg übertragen worden war, die äbtliche Würde
vom Erzabte Matthäus (siehe S. 230 ff.) Jakobus IV. über-
tragen, unter dessen Regierung die Abtei (im Jahre 1527)
durch eine Feuersbrunst grossen Schaden erlitt. Von die-
ser Zeit an wurde Bakonybel theils von Commendatar-
Aebten, theils von den Martinsberger Erzäbten und Gu-
bernatoren regiert, bis endlich Coelestinus Göncz, Erzabt
von Martinsbeirg, der vorher selbst (seit 1693) Bakonybeler
Abt gewesen war, im Jahre 170i9, als er zum Erzabt ge-
wählt wurde, die Abtei von Bakonybel einem seiner Reli-
giösen, Franziskus Vidlics, verlieh.
— 248 —
Nach, dessen Tode hatte Bakonybel längere Zeit hin-
durch, keinen Aht, indem der Erzabt Benediktus Sajgho
die geringen Einkünfte der Abtei lieber zum Unterhalt
der Möncbe verwenden wollte, und deshalb Administra-
toren mit der Leitung derselben betraute. Unter diesen
Terdient besonders P. Aemilianus Pimecker hervorgeboben
zu werden, der selbst der klösterlichen Armutb eifrig be-
flissen, den Vermögensstand der Abtei um so mehr ver-
besserte.
Im Jahre 1768 ernannte der Nachfolger des Erzabtes
Benediktus, Daniel Somogyi, den Prior der Erzabtei Zoerar-
dus Gi'aczer zum Abte, unter dem das Kloster 1779 aber-
mals durcb eine Feuersbrunst eingeäschert wurde. Ihm
folgte 1781 Chrysostomus Noväk, bis zum Jahre 1787, in
welchem die Abtei aufgehoben wurde.
Als im Jahre 1802 mit der Erzabtei auch die Abtei
von Bakonybel restituirt wurde, blieb sie bis zum Jahre
1816 ohne Abt, da Chrysostomus, der zur erzäbtlichen
Würde auserkoren worden war, es für zweckdienliche]"
hielt, vorläufig keinen neuen Abt zu ernennen; und erst,
als Chrysostomus I. im Jahre 1816 resignirte, wurde im
nächsten Generalcapitel Augustinus Taucher zum Abte
gewählt und allerhöchsten Ortes auch bestätigt. Taucher,
Priester aus der Fünfkirchner Diöcese, durch 6 Jahre
Theologie-Professor, 25 Jahre lang Pfarrer und Consistorial-
rath, 20 Jahre hindurch endlich Vice-Archidiakon, trat in
seinem 54. Lebensjahre in den h. Orden, woselbst er theils
als Prediger und Theologie-Professor, theils als Superior
in Eaab und Oedenburg, später als Spiritual in Martins-
berg, sich durch seine Frömmigkeit, sein freimdliches und
zuvorkommendes Benehmen die Liebe Aller erwarb, welche
ihn auch in seine Abtei in vollstem Maasse begleitete.
Nach seinem Tode blieb die Abtei 8 Jahre hindurch
unbesetzt; erst im Jahre 1832 ernannte Erzabt Thomas
den Professor imd Doctor der Theologie Isidorus Guzmics,
einen durch Wissenschaft und Frömmigkeit gleich aus-
gezeichneten Mann, der sich um die ungarische Literatur
nicht geringere Verdienste gesammelt, als um den Orden,
zum Abte. Er starb jedoch schon im Jahre 1839 im
Alter von 54 Jahren, von Allen tief betrauert. Sein Nach-
folger ist seit 1845 der besonders als Redner berühmte
— 249 —
Dr. Mcolaus Säxtäny, der ungeaclitet seiner 78 Jahre noch
immer rüstig zur Ehre Gottes und zum Wohle der ihm
untergebenen Mitbrüder ■wirkt.
n. DömölJc (Ahhatia B. M. V. de Dömölk).
Die Abtei Ton Dömölk, bis 1778 zurEaaber, seit jener
Zeit zu der damals errichteten Steinamangerer Diöcese
gehörig, liegt im Comitate gleichen Namens.
Der Stifter, sowie der Ursprung der Abtei ist unbe-
kannt; doch dürfte die Gründung derselben wohl dem
Könige Bela U. zuzuschreiben sein; gewiss ist, dass sie
im Jahre 1252 schon existirte und dass der damalige Abt
Jakobus hiess. Um das Jahr 1348 wird Dömölk auch als
locus credibilis erwähnt. Das Patronat über diese Abtei
erhielt Martinsberg im 16. Jahrhundert.
Die Ausdehnung des alten Klosters bezeugten die
Mauern, welche noch im vorigen Jahrhundert zu sehen
waren; die alte Kirche steht auch jetzt noch, doch wird
sie seit der Aufhebung des Klosters durch Josef U. (im
Jahre 1787) zu profanen Zwecken verwendet. In derselben
befinden sich über der Wölbung kleine Gemächer, welche
dem jeweiligen Abte und 2 — 3 Eeligiosen zur Wohnung
dienten. Unter letzteren verdienen besonders erwähnt zu
werden Anseimus Maracsko, Bonifacius Lancsics und Eme-
ricus Mäkoczy, welche unter dem Abte Hieronymus Csatay
als Verkünder des göttlichen Wortes wirkten und im Jahre
1731 die Bevölkerung von achtzehn benachbarten Be-
sitzungen in den Schooss der kath. Kirche zurückführten.
Der Ort war schon von Alters her durch die vielen
Wunder und Gnadenerzeugungen, welche auf die Fürbitte
der sei. Jungfrau hier geschahen, berühmt. Die Tradition
behauptet, es habe sich in der Kirche zu Dömölk auch
ein wunderthätiges Bildnis der sei. Jimgfrau befanden,
welches jedoch ein Benediktiner-Priester, ein besonderer
Verehrer der allersel. Jungfrau, beim Herannahen der Tür-
ken heimlich mit sich genommen und in die Kirche der
im Pressburger Comitat gelegenen Ortschaft Denesd (Schul-
tern) übertragen haben soU. So viel ist gewiss, dass in
dem erwähnten Ort sich ein solches Bild befindet, zu
welchem besonders an den Pesttagen der Mutter Gottes
zahlreiche Katholiken wallen; ob es aber von Dömölk her-
stamme, lässt sich mit Bestimmtheit nicht nachweisen.
— 250 —
Die durch die Türkenkriege unterbroclieiie Yerehrung
der allersel. Jungfrau nahm im Anfange des verflossenen
Jabrliunderts (zwisciien 1730 und 1740) einen neuen Auf-
sch-WTing.
Um diese Zeit nämlicla kam Odo Koptik, ein Mann
von grosser Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, früher be-
rühmt als Theologe an der Universität zu Salzburg, da-
mals Schatzmeister in G-ross-Mariazell, nach Martinsberg,
nm den verdienstvollen, auch im Auslande rühmlichst be-
kannten Erzabt Benediktus Sajgho persönlich aufzusuchen
und ihm seine Hochachtung zu bezeugen. Daselbst ge-
wann Odo durch sein stilles imd bescheidenes Betragen
alsbald so sehr das Wohlgefallen des Erzabtes, dass ihm
dieser die Dömölker Abtei verlieh, -woselbst er auch mit
Erlaubnis des Abtes von S. Lambert, unter dessen geist-
lichem Gehorsam er bisher gelebt hatte, feierlich iijstal-
lirt vrarde.
Von Gross-Zell hatte er eine hölzerne Statue, ein Ab-
bild des dortigen Gnadenbildes, mit sich gebracht, für
•welche er aus seinem geringen Vermögen eine kleine,
unansehnliche Kapelle errichtete; für sich selbst aber er-
baute er sich eine unterirdische Zelle, in welcher er einem
frommen Einsiedler gleich seine Zeit vorzüglich der Ver-
ehrung der sei. Jungfr-au widmete. Im Jahre 1743 Hess
endlich Graf Georg Erdödy de Monyoroker^k die Kapelle
auf eigene Kosten vergrössern und mit entsprechendem
Schmucke ausstatten.
Nach dem aus Maria-Zeil gebrachten Bilde erhielt auch
der Ort den Namen Klein-ZeU,
Als sich die wunderbaren Gebetserhörungen immer
mehr vermehrten und der Andrang des Volkes von Tag
zu Tag grösser wurde, erlaubte der Bischof von Raab
Graf Franz Zichy nach genauer Prüfung der Wunder-
zeichen durch Decret vom 7. und 17. Nov. 1745, dass das
Bild zur öffentlichen Verehrung ausgestellt werde; ja, um
auch seinerseits zur Verehrung der allersel. Jungfrau bei-
zutragen, begab er sich persönlich nach Klein-ZeU., wo-
selbst er das wunderbare Bild am 21. Nov. 1745 in Gegen-
wart vieler Tausend Gläubigen feierlich krönte.
Aber auch der apostolische Stuhl konnte es nicht
unterlassen, die Verehrung der Mutter der Barmherzigkeit
— 251 —
auch seinerseits durch Oeffhung der Gnadenschätze der
Kirche zu fördern. Se. Heiligkeit Pabst Benediktus XIV.
verlieh nämlich auf die Ton Abt Odo persönlich in Rom
eingereichte Bitte ausser andern Rechten und Privilegien
laut Breve vom 22. März 1745 unter den ge-wöhnlichen
Bedingungen allen Jenen, die als fromme Pilger die allers.
Jungfrau in der Eärche zu Klein-Zell besuchen und für
die Anliegen der römisch-kath. Kirche andächtig beten,
einen vollkommenen Ablass.
Da die fortwährend wachsende Menge der Püger auch
eine grössere Anzahl von Ordensbrüdern nöthig machten,
errichtete Odo, nachdem er von dem G-rafen Cziräky und
andern benachbarten Edelleuten die Erlaubnis erhalten,
sich das nöthige Holz aus ihren Waldungen zu verschaffen,
ein Grebäude von Holz, welches, wenn auch unansehnlich
und klein, doch der augenblicklichen Noth genügte; als
es jedoch schon nach zwanzig Jahren mit dem Einsturz
drohte, legte Samuel Vajda am 14. März 1760, derzeit Ad-
ministrator der Abtei, den Grundstein zu einem neuen
Kloster, welches unter Abt Emericus Mäkoczy um 1770
herum auch glücklich beendigt wurde.
Dem Abte Odo jedoch war es nicht gegönnt, sein
Leben im Schatten des Heiligthumes der von ihm so kind-
lich verehrten Gottesmutter zu beschliessen. Unter dem
Vorwand, dass er die Abtei in Schulden gestürzt habe,
■wurde er 1751 seines Amtes entsetzt und mit einer jähr-
lichen Pension in das Göttweiger Kloster relegirt, wo er
1755 selig im Herrn entschlief.
Nach dem Tode des oben erwähnten Eraericus (1783)
wurde Caspar Nemes zum Abte ernannt; unter ihm ward
die Abtei im Jahre 1787 aufgehoben; die Restitution derselben
erlebte Abt Caspar nicht mehr. (Gest. 1801.)
Nach der Restitution entbehrte die Abtei bis 1832
eines Abtes; in diesem Jahre endlich ernannte Erzabt
Thomas den damaligen Superior von Raab, Godefridus
"Wekerle, zum Abte, dem im Jahre 1838, da er schon 1836
3tnit Tod abging, Leo Gäcser (j 1856), früher Prior und
Novizenmeister in Martiasberg, nachfolgte.
Derzeitiger Abt ist der H. A. Justinian Hollosy, Doctor
der Philosophie, Mitglied der ungar. gelehrten Gesellschaft
u. s. w., der seiner Zeit an zweiter Stelle für den erzäbt-
— 252 —
liehen Stuhl candidirt, verschiedene wichtige Aemter im
Orden bekleidet hatte, bis er endlich im Jakre 1874, nach
dem Ableben des damaligen Abtes von Dömölk, Meinradus
Jahn, dui-ch das Vertrauen des Erzabtes imd seiner
Ordensbrüder zur äbtlichen Würde erhoben wurde.
m. Tihany (Abbatia B. M. V. et S. Aniani de Tihany).
In der Geschichte der Erzabtei (S. 221) haben wir ge-
sehen, wie viel Unheil der nachmalige König Andreas I.
durch sein unentschlossenes Auftreten den Anhängern des
Heidenthums gegenüber über das Christenthum brachte,
als er von den Grossen des Reiches gegen den tyrannischen
König Peter ins Land gerufen worden war. Als nun
Andreas den Thron bestiegen hatte und die Ruhe wieder
hergestellt war, trachtete er auf jede Art und Weise, wieder
gut zu machen, was er, wenn auch gegen seinen Willen,
verschuldet hatte. Zu diesem Zwecke erliess er strenge
Gesetze im Lande, die Jedermann verpflichteten, dem
Heidenthume zu entsagen und sich dem Christenthume
zuzuwenden. Und während er diesen Gesetzen, wo es Noth
that, auch durch strenge Bestrafung der Widerspenstigen
Geltung zu verschaffen wusste, unterliess er es auch sonst
nicht, für die Ausbreitung der christlichen Religion zu
sorgen. Eine Folge dieses seines Strebens war auch die
Gründung der Abtei von Tihany im Jahre 1055.
Tihany liegt im Zolader Comitate, in der Veszpremer
Diöcese, auf einer Halbinsel, welche man nicht ohne Grund
für vulkanischen Ursprungs hält. Während seiner Blüthe-
zeit zählte Tihany sechzig und mehr Mönche. Späterhin
aber, besonders nach der Schlacht bei Mohäcs, erfahr auch
die Abtei von Tihany das Schicksal der übrigen Klöster,
die mehr und mehr entvölkert wurden; weshalb sie von
dieser Zeit an bis 1701 meistentheils anderen, wohl ver-
dienten kirchlichen Würdenträgern verliehen wurde. Bis-
weilen wurden die Einkünfte auch wohl der Festung, in
welche das Kloster verwandelt worden war, zugetheilt.
Unter den Commendatar-Aebten erwähnen wir nur den
Abt Thomas, der früher Bischof gewesen war, jedoch auf
Befehl des Königs Viadislaus IT. seinem Bisthume ent-
sagen musste, und als Erzatz, „damit er nicht gezwungen
sei, seine bischöfliche Würde zu entehren und betteln zu
gehen", die Abtei erhielt. Ihm folgte 1520 der Commen-
— 253 —
datar-Abt loaunes, bei dessen Lebzeiten der Erzabt von
Martinsberg die Erlaubnis erhielt, nacb. seinem Ableben
einen wirWacben Abt zu emennen, -was im J. 1525 aucb
geschah; doch könnt« der Erzabt wegen des im J. 1526
erfolgten Unglückes lange Zeit hindurch von diesem Rechte
nicht -wieder Grebrauch machen.
Der letzte Commendatar-Abt war Stefan Telekessy,
Bischof von Csanäd, der die Abtei von 1691 — 1703 inne
hatte.
Noch bei seinen Lebzeiten wurde sie endlich von
Raymundus Regondy, Abt von Altenburg in Niederöster-
reich, um 20,000 /. eingelöst, welche zur Deckung der
Eriegskosten in das Aerar flössen; zugleich wurde der er-
wähnte Abt verpflichtet, die zum Gottesdienst nöthige An-
zahl von Religiösen einzuführen und ihnen einen Abt vor-
zusetzen.
Um dieser Yerpflichtung nachzukonmien, sandte Abt
Raymundus mehrere Mönche unter dem Abte Amandus
Kayser nach Tihany; doch obwohl letzterer im Jahre 1710
von König Josef I. seiae Bestätigung erhielt, und alles
Mögliche that, um die zum Unterhalte der Mönche nöthi-
gen, während der unruhigen Zeiten aber verloren gegange-
nen Güter wieder zu erlangen, blieb doch all sein Streben
und Trachten ohne jeden Erfolg, da er weder der Sprache
des Landes kundig, noch mit den Sitten und Gesetzen des-
selben genugsam bekannt war, um überhaupt auf Erfolg
auch nur rechnen zu können. Und da auch seine Unter-
gebenen aus denselben Gründen nichts weniger als geeig-
net waren, dem Volke als Seelsorger vorzustehen, sah sich
Raymunds Nachfolger, Placidus Much, veranlasst, die Abtei
gegen Rückgabe des Lösegeldes (20,000 /.) dem Erzabte
von Martinsberg Coelestinus Göncz zu übergeben, um so
mehr, als die Einkünfte derselben nicht einmal zum Unter-
halt des dortigen Abtes genügten.
Die Besitznahme von Tihany lief jedoch nicht ohne
Schwierigkeiten ab, da Cölestinus versäumt hatte, vorher
die Erlaubnis des Königs zur Uebemahme der Abtei eia-
zuholen.
Endlich ward auch diese Schwierigkeit beseitigt, und,
nachdem 1719 noch 3500 /. als Taxe eingezahlt worden
waren, konnte der von Coelestinus ernannte Abt, Willebal-
— 254 —
dus Grasso, Benediktiner von Martiasberg, in die Abtei
eingefülirt werden.
Der neue Abt hatte anfangs ebenfalls mit mancherlei
Schwierigkeiten zu kämpfen. Ungeaöhtet aller seiner An-
strengungen gelang es auch ihm nicht, die verloren ge-
gangenen Güter wieder zurückzubekommen, da Alle, welche
er deshalb vor Gericht forderte, unter dem Vorwande der
Yerjährung von der Pflicht der Eestitution entbunden
wurden. Dazu kam, dass die Abtei selbst sich iu einem
bedauernswürdigen Zustand befand. Denn als sie in eine
Festung verwandelt worden war, wurde sie zwar von den
betreffenden Commandanten tapfer vertheidigt, doch im
Uebrigen gänzlich vernachlässigt, so dass die Gebäude vom
Jahre 1684 an sogar des Daches entbehrten. Eine Ausnahme
davon machte nur der östliche Theil, den die Altenburger
mit Stroh gedeckt hatten.
Willebaldus begann also den Bau des Klosters und
der Kirche; doch konnte derselbe erst imter Willebalds
Nachfolger Augustinus Lecs zu Ende geführt werden. Die
Kirche ward über der alten Katakombe, in welcher der
Stifter der Abtei, Andreas I., ruht, errichtet.
Auf Augustinus Lecs folgte im Jahre 1760 Samuel
Yajda, ein heiligmässiger und gelehrter Mann, dessen
Wohlthätigkeitssinn so weit ging, dass er häufig selbst
Noth leiden musste. Unter ihm traf die Abtei das Decret
der Aufhebung im Jahre 1787, worauf er sich nach Steinam-
anger zurückzog, und daselbst unter dem Beistande des
Diöcesanbischofs im Jahre 1795 in ein besseres Jenseits
hinüberging.
Nach der Restitution (1802) blieb auch Tihany ziem-
lich lange Zeit hindurch ohne Abt; da Paulus Horväth,
im Jahre 1817 zum Abte von Tihany ernannt, als Regens
des Ordens in Martinsberg seinen "Wohnsitz nahm, und
erst anfangs 1830, nachdem Thomas Koväcs an Stelle des
Ende 1828 verstorbenen Chrysostomus Noväk am 18. Oct.
1829 zum Erzabte ernannt worden war, nach Tihany sich
begab, wo er schon nach zwei Jahren (1832), reich an
Verdiensten für das himmlische Yaterland, ruhig im Herrn
entschlief.
Sein Nachfolger war Adalbertus Bresztyenszky, Mit-
glied mehrerer gelehrten Gesellschaften, der von 1837 bis
— 255 — ->
1850 diese Würde bekleidete. Die Achtung seiner Oberen
sowie die Liebe seiner Untergebenen, -welclie er sich in.
reichlicbstem Maasse verdient hatte, folgte ihm auch ins
Grab nach.
Nach seinem Tode blieb die Abtei längere Zeit hin-
durch unbesetzt, bis endlich im Jahre 1865 der jetzige
Abt Sigismundus Simon durch das Vertrauen seiner Ordens-
brüder zum Abte von Tihany candidirt, vom Erzabte er-
nannt und von Sr. Majestät bestätigt wurde.
Bekthold Labach,
Aichivar.
Die Mechitharisten - Congregation
von Triest-Wien.
jie armenisclie MecMtliaristen-Coiigregation wurde
vom armenisclieu Priester Dr. Mechithar (d. i.
Tröster) de Petro (geb. 1676 zu Sebaste) im Jahre
1701 zu Konstantinopel gestiftet. Er flüchtete
noch im selben Jahre mit seinen Genossen nach Morea
(Peloponnes), -welches damals unter der Botmässigkeit der
Republik von Venedig stand. Von den Beamten dieser
Republik erhielt er in der Stadt Modon (Methone) ein
Stück Baugrund mit der Verpflichtung, daselbst innerhalb
dreier Jahre ein Ordenshaus mit einer Kirche zu bauen.
Dies that Mechithar in den Jahren 1701— 1705. Die Türken
eroberten im Jahre 1715 Morea, und Mechithar musste'mit
den Seinigen in Venedig eine Zufluchtsstätte suchen.
Die Republik trat ihm, gegen geringes Entgelt, die
kleine Insel S. Lazzaro ab. Ax£ dieser kleinen Insel baute
Mechithar (1715 — 1717) ein neues Eloster und erneuerte
die halb in Trümmern liegende Kirche. Clemens XI. be-
stätigte 1712 die armenische Congregation, welche die
Ordensregeln des heiligen Benedikt angenommen hatte.
Der Stifter führte nun den Titel „Greneral-Abt der Mechi-
tharisten". Nach einer langen väterlichen Verwaltung
seines Ordens beschloss MecHthar sein thätiges Leben im
Jahre 1749 und wurde in der Kirche seines Klosters be-
stattet.
Ein Zweig der Congregation zu Triest. Im Jahre 1773
trennten sich an 19 Priester der Congregation vom Ordens-
hause in S. Lazzaro mit dem Vorsatze, im Geiste ihres
ehrwürdigen Stifters und in treuer Befolgung der Vor-
schriften seiner Constitution, unter den Ordensregeln des
heiligen Benediktus, als wahre Schüler Mechithars in Triest
eine zweite armenische Mechitharisten-Congregation ganz
unabhängig von der venezianischen zu gründen. Mit diesem
Vorsatze Hessen sie sich sämmtlich in der Stadt Triest
— 257 —
im österreicMselaen. Litorale nieder. Hier erlangten sie
(1775) von der k. k. Regierung unter der Kaiserin-Königia
Maria Theresia die Befugnis, einen Convent zum bestän-
digen Aufenthalte und eine Kirche zur Abhaltung des
Gottesdienstes nach armenischem Ritus zu gründen. Auch
wurden sie ermächtigt, armenische Knaben theüs als
Laienschüler theils als Kleriker aufzunehmen. Femer er-
wirkten sie sich die Concession zu einer Buchdruckerei.
Endlich wurde ihnen erlaubt, alle Pfarrrechte über die
Armenier im Triester Gebiete unter der Jxirisdiction des
Diöcesanbischofs auszuüben. — Sie wählten sich aus ihrer
Mitte einen Abt, und auch diese Congregation erlangte
die apostolische Bestätigung.
Im Jahre 1802 wählte die Congregation zum ersten
General- Abt Dr. Adeodat Babüdan, welchen Pius VII.
schon 1800 zum Erzbischof in partibus infid. ernannt hatte.
Durch die französische Invasion wurden die Mechitharisten
zu Triest vertrieben und ihres Besitzes beraubt.
General-Abt Adeodat Babikian schickte nun einige
Priester in die Missionen für die Armenier; er selbst be-
gab sich (1810) mit sieben Priestern nach Wien. Kaiser
Franz I. wies ihm das im Bezirk Neubau zu Wien befind-
liche Capuzinerkloster zum Aufenthalte an, welches die
Congregation gegen eine massige an den Religionsfond
gezahlte Summe als Eigenthum erwarb. Ausserdem er-
langte sie die Ermächtigung, eine eigene Buchdruckerei
für Werke in orientalischen und occidentalischen Sprachen
zu errichten.
Babikian starb, 87 Jahre alt, 1825 und wurde in der
Gruft der Kirche zu Wien bestattet. Er war Verfasser
mehrerer theologischer Werke in armenischer Sprache.
Im Jahre 1826 wurde der Priester Aristaces Azaria
(geb. zu Konstantinopel 1782) zum General-Abt gewählt
und von Leo XII. 1827 zum Erzbischofe von Cäsarea i. p.
ernannt. Er demolirte das Capuzinerkloster und baute an
die Stelle desselben das jetzt bestehende drei Stock hohe
Gebäude.
Im Jahre 1854 erhielt er bei Gelegenheit seines
50jährigen Priesterjubiläums von Kaiser Franz Josef I.
das Grosskreuz des Ordens der Eisernen Krone und die
Ernennung zum Geheimen Rath.
Ein Benediktinerbuch. 17
— 258 —
General-Abt Ar. Azaria trug Sorge für die wisseu-
schaftliclie Bildung seiner Ordensgenossen, um sie zu
würdigen Seelenhirten und Yolkslehrern für ihre eigene
Nation heranzubilden. Er war beflissen, sowohl die theo-
logischen und philosophischen, als auch naturwissenschaft-
lichen und linguistischen Studien immer mehr in Schwung
zu bringen. Die Frucht dieses Bestrebens war die Be-
reicherung der armenischen Literatur, indem, vorzügKch
in den 30er, noch mehr aber 40er Jahren, sehr viele
wissenschaftliche Werke, namentlich Lehrbücher zum Ge-
brauche der höheren Nationalschulen, in der Druckerei
des Ordens veröffentlicht wurden. Hofrath Friedrich
V. Hurter gab eine Biographie des General-Abtes Azaria
zu Wien 1855 heraus.
Am 16. August 1855 wurde. der hochwürdigste Herr
Jacobus Bosagi (= Bozadschian), Dr. der Theologie, zum
General-Abte gewählt. Geboren am 30. November 1818
zu Ancyra in Kleinasien, trat er 1826 in die Congregation
ein. Nach beendigten theologischen Studien verwendete
ihn sein General-Abt in mehreren Aemtern sowohl im
Kloster zu Wien, wie auch ausserhalb in den Missions-
anstalten der Congregation. Pius IX. ernannte ihn 1855
zum Brzbischöf von Cäsarea i. p.
General-Abt Bosagi Hess sich angelegen sein, die bis
dahin bestehenden Kloster- oder Missionshäuser der Con-
gregation in Born, Konstantinopel , Smjma, Triest und
Aydin oder Güzelhissar (vormals Magnesia ad Mäandrum)
nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern auch zu grösserer
Thätigkeit zu erheben. Ausserdem wurden neue Missionen
in Persien, Bukarest, Neusatz, später (1871) in Gross-
Armenien (zu Erzerum, dann in Trebisonde oder Trapezunt)
gestiftet. — In einigen dieser Hospizien, d. i. Konstanti-
nopel, Smyma und Triest, gründete die Congregation
(seit 1856) höhere Schulen (Gymnasien), zugleich Er-
ziehungs -Anstalten zur Aufnahme und Erziehung von
Knaben. — In den Missionshäusern von Konstantiuopel,
Smyrna und Aydin wurden öffentliche Kapellen für das
Volk mit Erlaubnis der respectiven Diöcesanbischöfe ge-
gründet. — Im Jahre 1868—1859 wurde in Triest eine
neue und schöne armenische Kirche, im Jahre 1874 in
Neusatz ebenfalls eine neue (auf der Stelle der im Jahre
— 259 —
1848 abgebrannten) Kirche gebaut. — In Aydin üben die
Mecbitharisten alle pfarrlichen Eecbte aus, nicbt nur für
die Katholiken des armeniscben, sondern auch lateinischen
Ritus.
Kaum waren zwei Jahre nach der Gründung der Er-
ziehungsanstalt in Triest vorüber, als schon, wegen des
Andranges der neuen Zöglinge (aus einigen Provinzen des
türkischen Eeiches wie auch aus anderen Ländern), Neu-
bauten vorgenommen wurden.
Die Erziehungsanstalt zu Triest wurde zu Folge eines
Erlasses des k. k. Cultus- und Unterrichtsministeriums
1860 gegründet und nach einigen Jahren von demselben
Ministerium als öffentliche (höhere) Lehranstalt anerkannt
und bestätigt.
Der General-Abt liess von seinen Untergebenen ab-
gefasste Schriften drucken, er selbst verfasste noch vor
seiner Wahl ein armenisch-türkisches und ein türkisch-
armenisches Wörterbuch, eine italienisch-armenische Sprach-
lehre und den grösseren Theil eines italienisch-französisch-
armenisch-türkischen Wörterbuches, welches im Jahre 1846
veröffentlicht wurde. — Er gab (1846—1870) mit Hülfe
zweier seiner Ordensmitglieder das Leben aller Heiligen
des ganzen Kirchenjahres in zwei Bänden heraus und
übersetzte Simers' Geschichte der christlichen Kirche. Diese
armenische Uebersetzung wurde mit vielen Zusätzen und
mit der Geschichte der armenischen Kirche von dem
Wiener Mechitharisten P. W. E. (1872) veröffentlicht.
Zum Behufe der Veröffentlichung der literarischen
Arbeiten tagt im Kloster zu Wien seit mehreren Jahren
nach Anordnung des General-Abtes eine wissenschaftliche
Commission (Ausschuss) von vier bis sechs fähigen Mit-
gliedern der Congregation. Die Hauptaufgabe dieser Com-
mission ist die strenge Prüfung der wissenschaftlichen
Werke, welche einzelne Mitglieder zur Herausgabe selb-
ständig verfassen oder übersetzen.
In dieser Weise wurde die Congregation zu einer
morahsehen und geistigen Bildungsanstalt für die arme-
nische Nation.
Im Jahre 1869 wohnte Erzbischof Bosagi dem arme-
nischen Nationalconcil zu Konstantinopel unter dem Vor-
sitz des Patriarchen Hassun, im Jahre 1870 dem
17*
— 260 —
Vaticanisclien Concile zu Rom bei. In Wien baute er eine
neue Klosterkirclie, die auch dem katboliscben Volk ge-
öffnet ist. Die Büdungsanstalt des Vereinshauses steht in
voller Blüthe und verbreitet durch die aus derselben hervor-
gehenden Missionäre Segen, sowie durch die vielen in
armenischer Sprache veröffentlichten Werke Bildung unter
der Nation der Armenier in Kleinasien.
De. Paulus Hdnanian
Generalvikar.
Stift Melk in Niederösterreieh.*)
I.
n einer fceTtadlichen Gegend, mitten im Herzen
Mederösterreiclis, erhebt sicli am rechten Ufer der
Donau auf einem 180 Fuss hohen Granitfelsen, der
auf drei Seiten steil abfällt, das Stift Melk, wel-
ches durch seine Lage, Ausdehnung und Bauform die Auf-
merksamkeit jedes Eeisenden in Anspruch nimmt. Zwar
Hegt über Melks älteste Geschichte ein dichter Schleier
gebreitet; allein gewiss ist, dass zur Zeit des C. J. Cäsar
die römischen Adler siegreich bis an die Donau vorgedrungen
waren, und dass an diesem mächtigen Strome die Römer
zur Sicherung des eroberten Gebietes zahlreiche Eastelle,
Burgen, Thürme, Wälle und Gräben errichteten, unter
welchen auch das Kastell Namare war, das ohne Zweifel
die Stelle des heutigen Melk eingenommen hat. Alle diese
befestigten Plätze am rechten Donauufer wurden zur Zeit
der Völkerwanderungen zerstört. Auch Namare hatte das
gleiche Loos, und es ist erwiesen, dass es zu Anfang des
6. Jahrhanderfcs nicht mehr bestanden hat. Eine grosse
Umwälzung brachte der gewaltige Kaiser Karl der Grosse
in unserer Gegend hervor, nachdem er 791 den barbarischen
Avaren auf dem Wartberge an der Bnns eine grosse Nieder-
lage beigebracht hatte. Nach deren gänzlicher Unter-
werfung unter Pipin wurden, um das Licht des Glaubens
zu verbreiten und das Land zu cultiviren, den bayerischen
Bisthümem, Abteien und vornehmen Familien ansehnliche
Landgüter theüs als freies Eigenthum, theils zu Lehen
gegeben, in Folge dessen durch zahlreiche Einwanderimgen
nicht nur viele neue Ortschaften entstanden, sondern auch
viele alte mit neuen Namen besonders an der Donau sich
erhoben. Unter diesen war auch Namare, zwar nicht als
Kastell, sondern als eine friedliche Niederlassung von em-
sigen Slaven, von welchen der Name Magalicha stammt.
*) Der vorliegenden Skizze -wurde die Geschichte des Stiftes Melk
Ton Ignaz Franz Keiblinger, Capitular zu Melk, zu Grunde gelegt.
— 262 —
Die erste Erwähnung unter diesem Namen gescMelit
in der Urkunde v. J. 861, in welcher Eönig Ludwig der
Deutsche dem Erzbischofe Adalwin die sämmtlichen Be-
sitzungen des Erzstiftes Salzburg bestätigt.
Den vielen räuberischen Eio^llen und Greuelthaten
der Magyaren wurde durch den herrlichen Sieg der Deutschen
auf dem Lechfelde am 10. August 955 ein Ziel gesteckt.
Die furchtbaren Feinde wichen bis über die Erlauf zurück
und setzten sich in der Grenzfestüng Melk fest — genannt
die Eisenburg (castrum ferreum), wo Herzog Geysa residirte.
Nach der Thronbesteigung des Kaisers Otto IL erhielt
Leopold L, der Erlauchte, aus dem Greschlechte der Baben-
berger die Ostmark, und er nahm durch jene Verwüstungen,
welche die Ungarn an den Passauergütem anrichteten, ge-
rechte Veranlassung, die Grenzen seiner Mark zu erweitem.
Unter seiner Führung zogen die kampfbegierigen Schaaren
gegen Medelik, das des Feiades zu spotten schien; allein
Leopold und seine Ritter erstiegen und erstürmten die
Eisenburg, die Barbaren flohen, verfolgt von dem Sieger,
der sie bis über die Thaya und March drängte (984). Und
nun verwandelte sich die heidnische Feste in eine christ-
liche Residenz der Markgrafen. Von diesem kleinen Punkte
aus nahm die Macht der Babenberger ihren Anfang, immer
weitere Kreise ziehend, so dass man mit Recht sagen kann:
Melk ist das Denkmal der Entstehung der österreichischen
Monarchie. Zu gleicher Zeit (985) errichtete Leopold ein
CollegiatstiPt für zwölf Chorherren aus dem Welt^riester-
stande und versah sie mit dem nöthigen Unterhalte.
Leopold starb zu Würzburg bei einem Ritterspiele an einem
Pfeilschusse, der nicht ihm vermeint war, und seiu Leich-
nam wurde zwei Jahre später am 11. Juli 996 zu Melk
beigesetzt, wo auch seine Gemahlin Richarde ruht.
Heinrich I., Leopolds erstgeborner Sohn, war sein Nach-
folger. Unter seiner Regierung trug es sich zu, dass Colo-
man, ein irischer Prinz, den königlichen Purpur mit dem
Pilgerstabe vertauschte, und nach den heiligen Ländern
wandern wollte. Aber in Stockerau wurde er für einen
Spion der Mährer oder Ungarn gehalten, zu Gericht ge-
schleppt, schuldig erkannt und zwischen zwei Räubern
an einen Baum gehenkt. Dies geschah am 17. Juli 1012.
Da aber an dem Leichnam nicht die geringsten Spuren
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— 263 —
der Verwesung zum Vorschein kamen, ausserdem an seinem
Orabe sich mehrere Wunder vollzogen, änderte sich die
Gesinnung der Bewohner, und der Leichnam des Märtyrers
■wurde in einer Donauaue feierlich zur Erde bestattet. Es
folgte eine grosse Ueberschwemmung, und Colomans Grab
ragte unversehrt über den Pluthen empor. Als Markgraf
Heinrich hiervon Kenntnis erhielt, Hess er Colomans noch
rmverweste Leiche in feierlichem Zuge nach Melk bringen
und in der Stiftskirche beisetzen, am 13. October 1014.
Heinrich I. starb schon 1018 und wurde zu Melk be-
graben, wo auch seine Gemahlin Meehtild ruht. Ihm folgte
in der Regierung sein jüngerer' Bruder Adalbert (1018 bis
1056). Mit seinem heldenmüthigen, leider zu früh gestor-
benen Sohne Leopold kämpfte er stets glücklich gegen
die Ungarn, welche den von ihm eroberten Strich Landes
bis an die Leitha abtraten. Es ist kaum zu bezweifeln,
dass zur Zeit, als Pabst Leo IX., welcher, gegen die Nor-
mannen Hülfe suchend, in das kaiserliche Lager gekommen
war und mit dem Kaiser durch die Ostmark zurück nach
Regensburg zog, die Chorherren zu Melk sich des seltenen
Glückes erfreuten, das geistliche und weltliche Oberhaupt
der christlichen Welt innerhalb ihrer Mauern zu begrüssen,
und nicht einmal mag das geliebte Melk dem Kaiser
Heinrich IH. ein gastliches Obdach geboten haben.
Die CoUegiatkirche zu Melk bekam vom Markgrafen
Adalbert ein kostbares Andenken, nämlich eine ansehnliche
Reliquie von dem Kreuze Christi. Adalbert starb 1056,
und ruht zu Melk an der Seite seiner Gemahlin Prowiza.
Ebendaselbst wnirde auch Adelheid, die Gemahlin des Helden
Leopold H., beigesetzt.
Ernst der Tapfere (1056—1075), Adalberts jüngster
Sohn, wurde Markgraf von Oesterreich, Er bewahrte Kaiser
Heinrich IV. die ergebenste Treue, welche er in der Schlacht
an der TJnstrut (1075) mit seinem Blute besiegelte; sein
Leichnam wurde nach Melk gebracht. An seiner Seite
ruhen dessen Gemahlin Schwanhilde und jungfräuliche
Tochter Judith.
Von diesem Markgrafen erhielt das CoUegiatstift zu
Melk die Lanze des h. Mauritius*) und einen Trinkbecher
*) Ist nicht mehr vorbanden.
— 264 —
des h. TJlricli; femer das freieigene Gut Wikendorf (Weiken-
dorf 1074).
Sein Sohn und Nachfolger Leopold III. , der Schöne
(1075 — 1096), übernahm die Regierung der Ostmark zur
Zeit, als zwischen Pabst Grregor VII. und Kaiser Heinrich IV.
jener unselige Kampf entbrannte, in "welchem er auf Seite
des ersteren stand, und wodurch er in blutige Kämpfe
verwickelt wurde, doch behauptete er sich in seiner Mark,
und im Verein mit dem Bischöfe Altmann, dem Gründer
von Göttweig, erwarb er sich die grössten Verdienste um
Förderung der religiösen Bildung. Sein Tod erfolgte 1096,
und sein Leichnam fand zu Melk seine Ruhestätte. Der
merkwürdigste Akt dieses Regenten für Melk war die Auf-
hebung des CoUegiatstiffces und die Gründung eines Bene-
diktinerklosters daselbst. Dies geschah am 21. März 1089,
an welchem Tage zwölf Benediktiner aus dem Stifte Lam-
bach, an ihrer Spitze Abt Sigibold, in Melk ihren Einzug
hielten.
Leopold IV., der Heilige (1096 — 1136), wurde am
29. September 1073 zu Melk geboren. Bald nach seinem
Regierungsantritte erbaute er sich eine neue Residenz auf
dem Kahlenberge; doch behielt er für Melk stets das
freundlichste Andenken. Entschlossen, mit Kaiser Hein-
rich IV. eine Heerfahrt in das heilige Land zu unternehmen,
liess er sich (1104) in der Stiftskirche zu Melk durch den
Bischof Ulrich von Passau feierlich das geweihte Ritter-
schwert umgürten, und feierte am 1. Mai 1106 mit der
Tochter Kaiser Heinrichs IV., Agnes, zu Melk seine Ver-
mählung. Seinem erstgebomen Sohne Adalbert wurde zu
Melk mit noch 120 adeligen Jünglingen die feierliche Auf-
nahme, sowie die Rechte und Vorzüge des Ritterthums
ertheilt.
Nach dem Vermählungsfeste führte der Markgraf Leo-
pold seine Gemahlin in die neue Burg auf dem Kahlen-
berge, und die bisherige Residenz der Landesfürsten ging
nim in den vollkommenen Besitz der Benediktiner über.
Aber so oft es seine Geschäfte erlaubten, kam der edle
Fürst in seine Geburtsstätte, um seine Gebete mit denen
der Mönche gemeinschaftlich zu verrichten. Da die Stifts-
kirche durch die Länge der Zeit, vielleicht auch durch
Elementarereignisse sehr baufällig geworden war, so baute
— 265 —
sie Leopold vom Grunde neu auf und Hess sie am 13. Oct.
1113 durch den Biscliof Ulrich einweihen.
Wie gütig gesiimt dieser Regent dem Melker Stifte
überhaupt gewesen, ersieht man aus seinen Schenkungen
und der Sicherstellung der Klosterhesitzungen.
Aht Sigibold starb 1116. Er hatte die erste und älteste
Congregation mehrerer Benediktiner- Abteien zu Stande ge-
bracht, die sich aber bald wieder löste.
Abt Erchenfried (1121—1163) unternahm gleich nach
der Wahl eine Reise nach Rom, und es wurden ihm vom
Pabste Callixtus II, alle Freiheiten, Rechte und Besitzungen
des Stiftes Melk bestätigt, was bei den beständigen Streitig-
keiten mit dem habsüchtigen Bischof Regimas für unser
Haus von grösstem Nutzen war. Inzwischen war auf Leo-
pold V., Leopolds des Heiligen vierter Sohn, Heinrich II.
Jasomirgott in der Regierung gefolgt, welcher durch Kaiser
Friedrichs I. berühmten Freiheitsbrief erster erblicher Her-
zog von Oesterreich und der damit für immer vereinigten
Mark ob der Enns wurde (1156). Unter ihm wurde Wien
des Landesfürsten Residenz, bekam den Stefansdom, sowie
die Abtei zu den Schotten. Abt Erchenfried reiste im Jahre
1163 zum zweiten Male nach Rom, erlag aber den Be-
schwerden der Kreuzfahrt, nachdem er unter allen Aebten
am längsten (41 Jahre) regiert hatte. Unter ihm erschien
die erste und älteste Chronik von Melk; ebenso die Acta
Sancti Colomanni Martyris, welche höchst wahrscheinlich
den Abt Erchenfried zum Verfasser haben.
Unter Abt Sighard (1163—1177) wurde der berühmte
Kreuzpartikel, eia Geschenk des Markgrafen Adalbert, auf
bisher unerklärte Weise entwendet und kam zu den Schotten
nach Wien. Erst nach zwei Gottesurtheilen, wie die Sage
erzählt, stellte man ihn wieder dem Melker Stifte zurück.
Abt Conrad I. (1177 — 1203) sammelte über Aufforderung
des Herzogs Leopold VI. eine Chronik: Literae de genea-
logia principum Austriae, oder Literae Conradinae, welche
unter den Quellen der österreichischen Geschichte, besonders
des Stiftes Melk nicht die letzte Stelle behaupten.
In diese Zeit fällt die Kreuzfahrt des Herzogs Leo-
pold VI. (1190), sein Zerwürfiiis mit König Richard Löwen-
herz und dessen Gefangennehmung (1192), Dadurch aber
zog er sich den Kirchenbann zu. Um jene Zeit hatte unser
— 266 —
Vaterland mit Hungersnoth, Seuchen an Menschen und
Thieren, TJeberschwenimungen, Feuersbrünsten und grosser
Dürre zu kämpfen. Auch drohte das Interdikt den un-
glücklichen Bewohnern den letzten Trost, den Trost der
Religion zu nehmen, da geschah es, dass Leopold zu Graz
auf dem Eise mit dem Pferde stürzte und am fünften
Tage darauf, nachdem er früher von dem Eirchenbanne
losgesprochen worden (1194), seinen Geist aufgab. Sein
älterer Sohn, Friedrich I,, der Katholische, übernahm die
Regierung, welche aber, als er auf dem Rückzuge aus
Palästina gestorben war, an den jüngerenBruder Leopold VU.,
den Glorreichen, überging.
Bei all den frommen Spenden und Schenkungen, deren
sich das Stift Melk erfreute, hatten die Aebte kein be-
neidenswerthes Loos, denn bei den fortwährenden Streitig-
keiten, in die sie der Besitzungen wegen verwickelt wur-
den, mussten sie einerseits alles aufbieten, die Rechte des
Hauses zu wahren, anderseits wurde das Stift von vielen
und schweren Unglücksfällen, von Krankheiten, Theuerung,
Ueberschwemmungen, feindlichen Einfällen heimgesucht,
und nur dem Geiste der Einigkeit, sowie einer verständigen
Haushaltung, und oft grosser Einschränkung ist es zuzu-
schreiben, dass es sich unter so vielen Stürmen zu be-
hatipten vermochte.
So brach unter Abt Eonrad IV. (1295 — 1306) am
14. August 1297 aus unbekannter Ursache ein Brand aus,
der das Eloster sammt dem von Leopold dem Heiligen
erbauten Gotteshause und dem Bücherschatze in Asche
verwandelte.
Dem thatkräftigen Abte Ulrich II. (1306—1324) gelang
es, das Stift vom Untergange zu retten. Mit vollem Rechte
wurde er deshalb durch den Beinamen des zweiten Stifters
ausgezeichnet. Ulrich war bekannt durch die unerschütter-
liche Treue gegen seinen, von den eigenen Grossen und
von den Bayern bekriegten Landesherrn Friedrich den
Schönen. Zum Danke bestätigte und erweiterte derselbe
die Privilegien der Abtei, und erlaubte ihr, Festungswerke
anzulegen, Besatzung zu halten, und somit eine schirmende
Landesfestung zu sein und zu heissen. Der Bau der neuen
Stiftskirche wurde erst nach mehr als hundert Jahren voll-
endet.
— 267 —
Unter dem Ä.bte Johann Badenbrunner (1360 — 1371)
Hess Herzog Rudolf IV. anstatt des von Alter schadhaften
und zu unansehnlichen Grabmales des h. Coloman in der
Stiftskirche ein prachtvolles und kunstreiches Monument,
woran auch ein Altar angebracht war, errichten*), und
sowohl für die Lanze des h. Mauritius, als für den Kreuz-
partikel eine neue kostbare Fassung verfertigen, und letz-
teren inwendig mit Reliquien zieren (1363). Während jedoch
die Reliquie des Kreuzholzes ihres Schmuckes gewärtig
war, wurde sie zum zweiten Male entwendet.
Otto Grimsinger, ein Bürger zu Emmersdorf, wusste
sich unter dem Scheine von Rechtschaffenheit und Freund-
schaft das Vertrauen der Stiftsgeistlichen zu erschleichen,
imd am 10. November 1862 Nachts öffnete er mittelst
nachgemachter Schlüssel die Sakristei, nahm daraus die
Reliquie des Eieuzes, ein vergoldetes Prälatenkreuz, eine
reichgeschmückte Infel, einige Kelche und Altargeräthe,
flüchtete hierauf mit seinem Raube über die Donau und
verbarg denselben in seinem Hause. Einige Zeit darnach
fing sieh der Kirchenräuber in der eigenen SchHnge. In
einem, dem Abte Johann zugestellten Briefe suchte er den
Verdacht des Diebstahls auf den Stiftsprior zu wälzen,
doch wurde die Handschrift bald als die eines gewissen
Peter erkannt, welcher, am 28. November ergriffen, schon
auf dem Wege nach dem Burgverliess von Weitenek den
wahren Thäter angab. Kaum hatte dieser von Peters Ver-
haftung gehört, so eilte er — ein schöner starker Manu
— mit Schwert und Armbrust bewaffnet zur Donau und
fuhr nach Schönbühel, kehrte aber heimlich in sein Haus
zurück, wo er die übrigen Gegenstände sorgfältig verbarg
und sich hierauf mit der Reliquie des Kreuzes nach Böhmen
zum Kaiser Karl IV. auf den Weg machte. Als nach zwei-
stündiger Wanderung seine Kraft von ihm wich, ging er
in die Kirche von Laach am Jauerling, legte die Reliquie
des Kreuzes unter das sogenannte Portatile des Frauen-
altars, und irrte dann wieder in der Umgegend unstät
*) Auf des Herzogs Befehl wurde der weisse Marmorstein, worauf
der Sage nach das Blut Colomans floss, schon 1361 an dem Kirohen-
thore hei St. Stefan zu ^ien, dem erzhischöf liehen Palaste gegenüber,
mit vielen anderen Eeliqiuien eingemauert, wo er noch heute zu sehen ist.
— 268 —
■amlier. Endlich am 2. December wurde er im Hause seiner
Schwester zu Emmersdorf ausgekundschaftet, den Händen
des Gerichtes überliefert, und des begangenen Kirchenraubes
und anderer Lasterthaten wegen am 21. December dem
Peuertode überliefert.
Unter dem ebenso gelehrten als humanen Abte Mcolaus
Seyringer wurde nnser Stift eine Pflanzschule frommer und
gelehrter Männer. Unter ihm und seinen Nachfolgern kam
in diesem Jahrhunderte jene bedeutende Sammlung von
Handschriften zu Stande, welche die Stiffcsbibliothek noch
jetzt besitzt, und die nicht blos durch ihren Inhalt Werth
haben, sondern zum Theile auch durch die Zierlichkeit
und Sorgfalt, womit sie geschrieben siud, die nützliche
Thätigkeit und den ausdauernden Fleiss unserer Ordens-
brüder bezeugen. Unter ihnen sind vorzüglich Nikolaus
von Röspiz, Peter von Klosterneuburg, Peter von Rosen-
heim, Johann von Friesheim, Leonhard Peuger durch ihren
frommen Sinn und Gelehrsamkeit als wahre Zierden ihres
Ordens und Stifts merkwürdig. Leider war es diesem hoch-
verdienten Abte unmöglich, die traurigen Folgen hintan-
zuhalten, welche die häufigen Einfälle der Hussiten (1423
bis 1432) verursachten, und wodurch dem Lande und
dem Stifte ungeheurer Schaden zugefügt wurde. Nico-
laus, „der erste Reformator Melks" und sein neunzig-
jähriger Vater Konrad Seyringer von Matzen starben in
derselben Nacht des Weihnachtsfestes, in derselben ersten
Stunde nach Mittemacht, im nämlichen Hause — im Melker-
hof zu Wien — am 26. December 1425. Ihre Leichen
wurden den 27. nach Melk gebracht, und Yater und Sohn
in einem Grabe beerdigt.
Abt Leonhard von Straubing (1426—1433) vollendete
den herrlichen Bau der Stiftskirche, welchen schon Abt
Ulrich II. nach dem Brande 1297 begonnen hatte. Die
feierliche Einweihung der Stiftskirche, in welcher 13 Altäre
aufgestellt waren, wurde am 27. Februar 1429 durch den
Passauer Weihbischof Andreas vollzogen.
Abt Leonhard widmete der wissenschaftlichen Aus-
bildung seiner Geistlichen die grösste Sorgfalt. Auch dessen
Nachfolger Christian Eibensteiner (1433—1451) war ein
grosser Förderer der Kunst und Wissenschaft und viele
schriftstellerische Arbeiten stammen aus jener Zeit, ein
— 269 —
deutlicher Beweis, wie sehr man von der Wahrheit und
Billigkeit abweicht, wenn man die Mönche des Mittel-
alters mit dem gehässigen Vorwurf der Unwissenheit be-
lastet.
Damals entstanden, durch die inneren Unruhen und
Zerwürfnisse leider begünstigt, zahlreiche Schaaren der so-
genannten „Brüder", jene gefürchteten Verehie herrenloser
Söldner, durch welche der Zustand der Staatsfinanzen für
lange hinaus zerrüttet und Handel und Wandel gestört
wurden.
Im Jahre 1472 zog ein Streifcorps des Mathias Cor-
vinus unter ihrem Führer Zeleny gegen Melk in der Ab-
sicht, diesen festen Platz durch einen plötzlichen Ueber-
fall zu nehmen. Doch der Feind musste nach einem
hitzigen Gefechte weichen, steckte aber aus Rache bei
seinem Abzüge den Meierhof des Stifts und die angrenzen-
den Häuser in Brand.
Bei den fortwährenden Feindseligkeiten zwischen
Kaiser Friedrich und Mathias Corvinus war die treue
Landesfestung Melk wiederholten Angriffen ausgesetzt.
Ein ungarisches Heer erschien vor diesen unbezwungenen
Mauern, konnte aber nichts dagegen unternehmen.
Im Jahre 1485 ging die Heiligsprechung des frommen
Markgrafen Leopold IV., welche für Melk besonders denk-
würdig ist, vor sich, und dieses Fest wurde am 15. November
zu Wien zum ersten Male gefeiert. — Nach dem Tode des
Mathias Corvinus (1490) schloss der römische König
Maximilian mit dem Könige Wladislav einen Vertrag. —
Kaum war Waffenruhe eingetreten, so stand ein neuer
Feind — die Seuche — auf, welche in Oesterreich be-
sonders in den Jahren 1494 und 1495 herrschte. In Melk
wüthete dieselbe im August 1495, und nahm einen grossen
Theil der gesammten jungen Leute aus der Mitte der
Lebenden hinweg. Im Jahre 1516 am 8. Mai fuhr ein Blitz-
strahl in den hohen Thurm der Stiftskirche, dessen Kuppel
sammt der Uhr und sechs Glocken verbrannte. — Der
Winter des Jahres 1521 war ungemein milde; allein auf
diese milde Witterung folgte eine ansteckende Seuche,
woran aus einem Hause oft fünf bis sechs Menschen starben.
Ein furchtbares Gewitter am 10. August 1523 ver-
nichtete Alles , was Gärten und Felder trugen. Im Sep-
- 270 —
tember desselben Jahres blüliten die Bäume nochmals, am
Colomanstage verkaufte man reife Erdbeeren, vierzehn Tage
später fand man Veilchen und Rosen, — Um diese Zeit
stand dem Stifte Abt Sigismund Taler (1504 — 1529) vor,
und zweimal hatte Melk das Glück, seinen geliebten Landes-
herm Maximilian I. in seinen Mauern zu sehen. Im Jahre
1517 -wiederholte der Kaiser seinen Besuch, und versprach
dem Kloster mehrere Geschenke. Aber der Tod vereitelte
die Erfüllung dieser Verheissungen, -wie überhaupt die Aus-
führung weitaussehender Entwürfe. Er starb zu Wels am
12. Januar 1519.
Für imser Vaterland kamen jetzt schwere Zeiten.
Luthers Irrlehren hatten auch in Oesterreich Eingang ge-
funden und aus Schwaben und den ßheingegenden wälzten
sich die brausenden Wogen des Bauernaufstandes nach
Salzburg und Oesterreich, während nach der unglücklichen
Schlacht bei Mohäcz die Türken immer weiter gegen die
Grenzen unseres Reiches vordrangen. Unter diesen traurigen
Verhältnissen mussten die Klöster und Stifte den vierten
Theil der geistlichen Güter als Kriegssteuer entrichten und
fast alle Geräthe und Pretiosen abliefern. Dies war auch
beim Stifte Melk der Fall; doch zum wahren Tröste des
Conventes blieb die kostbare Fassung des Kreuzpartikels
von der Ablieferung befreit. — Als die Osmanen im Jahre
1529 bis Wien vorgedrungen waren und ia der Umgebung
die schrecklichsten Verheerungen und Grausamkeiten ver-
übten, blieb das befestigte Melk unangegrififen.
Allein dem durch Feuer, Wasser, Bauernaufstand,
Türkenkrieg, Irrlehren und Seuchen bestürmten Kloster
wurden immer neue und grössere Anstrengungen auferlegt.
— Unter Abt Michael Grien (1665 — 1564) kam Erzherzog
Maximilian, Ferdinand I. ältester Prinz und Thronfolger,
nach Melk, nahm die Sehenswürdigkeiten des Stifts in
Augenschein und äusserte bei Besichtigung der Bibliothek
das Verlangen, einige aus Ungarn hierher gebrachte, sehr
kunstreich geschriebene Bücher in seine Privatbibliothek
aufzunehmen, die ihm der Abt bereitwilligst nach Wien
schickte.
Der protestantischen Lehre waren nicht wenige Bürger
Melks zugethan; dies führte zu grossen Misshelligkeiten
zwischen letzteren und dem Kloster, das den Abt Urban I.
— 271 —
Perntaz (1564—1587) zum Vorsteher hatte. Dieser höchst
achtbare, aber von den Bürgern angefeindete Mann um-
gab den Markt Melk mit einer festen Mauer und Thürmen
(1586). Inzwischen hatte der Krieg mit den Türken, welche
die Strassen nach Wien und die Steiermark bedrohten,
wieder begonnen und zugleich breitete sich der „Bauern-
krieg" auch in Niederösterreich immer weiter aus, wodurch
die Lasten und Leiden des Volkes noch vergrössert wurden.
Abt Caspar (1587 — 1623) erhielt als „Principalcommissär"
den Auftrag, mit den Rebellen zu unterhandeln, von denen
bereits die Umgegend Melks besetzt war. Das Stift selbst
war in grösster Gefahr; allein so grosses Ansehen hatte
Abt Caspar, dass die Rebellen seinen Befehl, nur mit ein-
geschlagenen Fahnen und gesenkten Wehren ruhig durch
den Markt zu ziehen, genau befolgten. — Jetzt kam die
sehnsüchtig erwartete Besatzung von nur 120 Mann und
mit derselben war einige Beruhigung in die Gemüther ein-
gezogen. Endlich wurden die räuberischen Horden bei
St. Polten gänzlich geschlagen und fast aufgerieben (1597).
Mathias, durch die Wahl der deutschen Fürsten Rudolfs
Nachfolger, kam auf einer Reise zum Reichstage mit der
Kaiserin Anna am 23. Juni 1613 nach Melk, übernachtete
daselbst und setzte dann seine Reise fort.
Bei der Abreise erbat sich die Kaiserin einen Partikel
vom heiligen Coloman und bestieg hocherfreut über die
fromme Gabe den Wagen. Später von dem Landtage zu
Linz nach Wien zurückkehrend, nahm Mathias wieder
das Nachtlager im Stift Melk.
Abt Caspar, voll Eifer für die Herstellung der katho-
lischen Religion, reinigte den Markt Melk von sektischen
Lehren dadurch, dass er den Bürgern nur zwischen Aus-
wanderung oder Uebertritt zur Kirche die Wahl Hess.
Die wohlthätigen Früchte der Einigkeit in der Religion
zeigten sich später in auffälliger Weise. — Denn da im
Jahre 1619 Kloster und Markt Melk beinahe fünf Wochen
von den protestantischen Ständen Oberösterreichs hart be-
drängt wurden, waren jetzt die Melker Bürger bereit, für
die gerechte Sache Gut und Blut einzusetzen. — An dem
tapferen Widerstände scheiterten die Anstrengungen des
belagemdeuFeindes, welcher am 20.DecemberdieBelagerung
aufhob und seinen Rückzug nach Oberösterreich antrat.
— 272 —
Abt Caspar starb am 2. März 1623. — Dieser merk-
"würdige Prälat bat in 36 Jabren seiner äbtlicben "Würde
acbt Päbste auf St. Peters Stubl erhoben geseben, drei
Kaisern ununterbrocben als ßatb und Klosterratbspräsident
gedient, von 37 Novizen die Ordensgelübde abgenommen.
Abt Valentin Embalner (1639—1675), ein Mann voll
tiefen Wissens und unbeugsamen Muthes, war geschaffen,
den drohenden Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen.
Im Jahre 1645 durchzog Torstensohn mit seinen sieg-
reichen Schaaren Mähren, besetzte Iglau, und drang mit
solcher Schnelligkeit in Oesterreich vor, dass selbst Wien
sich in der grössten Gefahr befand.
Auch Melk war bedroht, doch wagten die Feinde nicht,
diesen wohlbefestigten Platz anzugreifen. Im Jahre 1648
kam. der westphälische Friede zu Stande. Abgesehen von
den Drangsalen des Krieges sind auch die Verheerungen,
welche entfesselte Elemente anrichteten, in der Geschichte
unseres Hauses verzeichnet. Unter Abt Valentin wurde
ein grosser imd tiefer Keller unter dem Kloster in dem
Felsen ausgehauen und mit den ausgebrochenen Steinen
die grosse Bastei erbaut (1652).
Ein besonderer Freund der Gelehrsamkeit und der Ge-
lehrten, verstand er es, den Sinn für Wissenschaft und
Kunst zu wecken und zu fördern. Die Stiffcscapitularen
Philipp Utz und Ludwig Engl lehrten an der Universität
zu Salzburg mit grossem Erfolge, Augustin Kürzinger und
Ullrich Nycher zeichneten sich im Fache der Musik aus.
Abt Gregor Müller (1679—1700) hatte all der Seelen-
stärke und Charakterfestigkeit nöthig, deren er sich rühmen
konnte, um den Stürmen der Pest, des Krieges und anderer
Trübsale eine eherne Brust entgegenzusetzen. — Das Un-
glücksjahr 1683 kündigte sich dem Stifte durch eine schreck-
liche Feuersbrunst an, welche am 25. Januar nach Mitter-
nacht den grossen Kirchthurm und sieben Glocken zer-
störte. — Aber bald sollte eine ungleich grässlichere Flamme
am vaterländischen Horizonte auflodern und furchtbares
Elend verbreiten. Mohamed IV. wurde von ungarischen
Missvergnügten, an ihrer Spitze Emerich Tököly, gegen
den Kaiser zu Hülfe gerufen und imvermuthet schnell stand
Grossvezier Kara Mustapha mit ungeheurer Heeresmacht
vor Wien. Nun begann die weltgeschichtliche merkwürdige
— 273 —
Belagerung der Residenz, -welche vom 14. Juli bis 3. Sep-
tember 1683 dauerte.
Abt Gregor befestigte das Stift und den Markt in so
vorzüglicber Weise, dass die feindlichen Horden auf das
eiserne Melk keinen AngrifiF -wagten.
Der 12, September 1683 -war der Tag des herrlichen
Sieges der christlichen Heere vor Wien.
Kaiser Leopold kam am 17. September von Linz nach
Melk und ver-weilte bis zum dritten Tage im Stifte. Abt
Gregor -war nun unablässig bemüht, die erlittenen Schäden
möglichst zu beseitigen und sein Unternehmen vrurde mit
dem besten Erfolge gekrönt.
Bei der Theuerung (1695) Hess der menschenfreund-
liche Abt Getreide nach Melk bringen und um -wohlfeiles
Geld vertheüen. — Ueber den vielen Geschäften vergass
er nicht, den Sinn für Frömmigkeit und Wissenschaft zu
■wecken und zu nähren.
Zu Anfang des Schuljahres 1684 errichtete er im Stifte
die Lehrkanzel der Philosophie und speculativen Theologie,
und die Hauslehranstalt für die Gymnasialstudien, an -welcher
vorher nur vier oder fünf Zöglinge Theil nahmen, wurde
in kurzer Zeit so blühend, dass in Gregors Sterbejahr (1700)
hier fünfzig Jünglinge Unterricht in den Humanitäts-wissen-
schaffcen erhielten. Unter diesem Prälaten begannen die
beiden Freunde, Bibliothekar Anselm Schramb und Archivar
Philibert Hueber,' ihre literarische Thätigkeit. Ersterem
verdanken -wir das äusserst -werfchvoUe Chronicon Mellicense
(1702); letzterer schrieb Apparatus chronicus Austria
ex archivis Mellicensibus illustrata, und -war eben daran, ein
Diplomatarium austriacum dem Druck zu übergeben, als
er vom Tode überrascht -wurde.
Auf Abt Gregor folgte Berthold von Dietmayr (1700 bis
1739). Obwohl erst 30 Jahre alt, wusste er in kürzester
Zeit sich das grösste Ansehen zu verschaffen. Mitten unter
den Kriegsstürmen, welche ringsum tobten, gab Abt Berthold
seinen gleich anfangs gefassten Lieblingsgedanken, das
ganze Stiffc umzubauen, nicht auf, und zu diesem riesigen
Werke ward in der Person des Jacob Prandauer, Baumeisters
in St. Polten, der rechte Mann gefunden. Am 29. Juni 1702
schritt man zum Baue der neuen Stiftskirche und der übrigen
Gebäude. — Im Jahre 1736 war ein Werk vollendet, das
Ein Benediktinerbuch. , 18
— 274 —
seither als eine wahre Zierde Oesterreiclis und des ganzen
Donanstromes prangt. Nebstdem wurde nichts vergessen,
was zur Ehre Gottes und Verherrlichung des Gottesdienstes
beitragen konnte.
Unter ihm entstand auch die Wasserleitung, durch
welche mittelst eines Druckwerkes über eine Stunde weit
das Stift mit gesundem Wasser versehen wird.
Zu den grossen Mühen im Hause, kam noch die Bürde
der Arbeiten, welche Abt Berthold im Dienste des Staates
und derniederösterr. Ständeauf sichnahm. Erwurde zum Yer-
ordneten des Prälatenstandes gewählt und hatte sich als
Rath dreier Kaiser, Leopolds, Josefs und Karls, der vorzüg-
lichen Gnade dieser Fürsten zu erfreuen. Ausserdem ver-
stand es dieser seltene Mann, den kirchlichen Sinn und
wissenschaftlichen Geist in dem Grade zu wecken, dass
Melk eine Stätte der Religion, ein Sitz für Kunst und
Wissenschaft, ein Verein von Männern WTude, wie sie zu
erziehen' der Orden des heiligen Benedikt vorzugsweise be-
stimmt und geeignet ist, und es erscheint als eine heilige
Pflicht, einiger von diesen Männern, wenn auch in Kürze
zu gedenken. Als Sterne erster Grösse leuchten die Ge-
brüder Bernhard und Hieronymus Pez, beide zu Ibbs ge-
boren. Von den vielen Werken Bernhards führen wir nur
an: Thesaurus anecdotorum novissimus in fünf Poliobänden,
das noch jetzt eine unerschöpffce Fundgrube für Geschichts-
forschung bildet, von Hieronymus : Scriptores reriim austria-
carum, welches die vorzüglichsten Quellen zum Studium
der Landesgeschichte aus dem Mittelalter angiebt; von
Kropf: Bibliotheca MeÜicensis u. a. m. Bertholds Verdienste
wusste man auch zu würdigen, da ihm der Beiname „Edel-
steia der Aebte" beigelegt wurde,
Abt Adrian Pliemel (1739 — 1745) sah den Kurfürsten
von Bayern Karl Albrecht und seine Gemahlin mit dem
Kurprinzen Maximilian Josefund dreiPrinzessinnen als Gäste.
— Drei Tage später kam auch die Kaiserin Wilhelmina
Amalia hierher, welche dem Stifte eine kostbare Monstranz
verehrte. — Als im darauffolgenden Kriege im Jahre 1741
die Franzosen bis Melk vorgedrungen waren, fiel ihnen
zufällig Abt Adrian in die Hände, welchen sie gefangen
mit sich fortführten, aber bald wieder fcei lassen mussten.
Im Jahre 1743 am 3. Juli übernachtete die Kaiserin Maria
— 275 —
Theresia im Stifte Melk und wiederholte ihren Besuch im
Jahre 1745.
Abt Urban Hauer (1763—1785) leistete dem Staate
■wesentliche Dienste als Mitglied der Erbsteuer-Hof-Com-
mission, als Verordneter und Ausschuss des Prälatenstandes.
Um xmser Haus machte er sich sehr verdient, theils durch
Wiederherstellung und Verschönerung, theils durch Er-
bauung neuer Gotteshäuser. Er vergrösserte femer den
Stiftsgarten und umschloss ihn mit einer Mauer, erbaute
das Schloss Bielach und liess auf den Wunsch der Kaiserin
Maria Theresia den Melkerhof in seiner jetzigen Gestalt
aufführen. Als in FoJge des Hubertusburger Friedens der
Erzherzog Josef am 27. März 1764 zum römischen Könige
gewählt und am 3. April gekrönt wurde, nahm Kaiser
Franz I. auf der Eeise nach Frankfurt das Nachtlager im
Kloster.
Auf der Rückreise nach Wien kam ihm die Kaiserin
Maria Theresiabis Melk entgegen und brachte denCharsams-
tag und Ostersonntag in Melk zu. — Dieser Abt erweiterte
und bereicherte die Bibliothek und Münzensammlung, und
das Stift konnte sich vieler um Kunst und Wissenschaft
hochverdienter Männer rühmen, so des Archivars Beda
Schuster, des Lateiners Odilo Pök, der Chordirectoren
Robert Kimmerling, G. Albrechtsberger, Cajetan Andorfer,
Rupert Helm amd Maximilian Stadler*). Im Jahre 1782
am 22. April kam Pabst Pius VI. auf der Rückreise von
Wien Nachmittags in Melk an, wo er feierlichst empfangen
wurde. Von der Prälatur aus segnete er das zahlreich
versammelte Volk und am 23. April Vormittags trat er
seine Weiterreise an. Abt Urban hatte das Glück, die Feier
seines fünfzigjährigen Priesterthums festlich zu begehen;
nachdem er die Uebertragung des Bisthums von Wienerisch-
Neustadt nach St. Polten noch erlebt hatte, starb er am
17. October 1785. Sein Ableben hatte eine Art von Inter-
regnum zu Folge, welches die Reihe der Regulär- Aebte
unterbrach und vier Jahre dauerte. Nach einer Verordnung
*) Der Singverein von Melk hat am 12. Jnli 1879 an dem Hause
Nr. 9 in Melk an der StrassenBeite eine Marmortafel mit der Inschrift :
In diesem Hause wurde Ahhö Maximilian Stadler am 4. August 1748
geboren, eingefügt und damit eine einfache, aher entsprechende Feier-
lichkeit Terbunden.
18*
— 276 —
Josef II. sollten in sämmtliclien hierländischen Stiften
Commendatär-Aebte und kanonisch, gewählte Prioren an
die Stelle der bisherigen Prälaten treten.
Die ersteren hätten die Temporalverwaltung zu führen,
die Prioren die geistlichen Angelegenheiten zu ordnen.
Für Melk ernannte Kaiser Josef zum Commendatär-Abt den
Piaristen Josef Christian Pengier, zum kaiserlichen Prior
wurde von seinen Mitbrüdem Ulrich Petrak gewählt. Nach
der Beförderung Penglers zum Bischöfe von Raab in Ungarn
trat an dessen Stelle mit kaiserlicher Ernennung Isidor
Payrhuber, Verwalter der Stiftsherrschaft Leesdorf.
Kaiser Leopold II., Josefs Nachfolger, gab den Stiften
die Erlaubnis, wieder Regular-Prälaten zu wählen, und
die Wahl fiel auf Isidor Payrhuber (1790—1809), der auch
das in ihn gesetzte Vertrauen vollkommen rechtfertigte.
— In dem darauf folgenden zweiten französischen Kriege
hatten Stift und Markt Melk nicht wenig von den zahl-
reichen Durchmärschen und Contributionen zu leiden, bis
der Friede von Luneville (1801) dem Elend ein Ende machte.
Allein die überstandene Gefahr erschien neuerdings schon
nach vier Jahren im dritten Kriege mit Frankreich,
Die Capitulation Macks zu Ulm (1805) war für Oester-
reich die Quelle unsäglichen Elends. — Das russische
Hülfscorps mit den Trümmern der österreichischen Armee
erschien schon am 6. November in Melk und Umgegend
und marschirte gegen St. Polten, während der Feind auf
dem Fusse gefolgt war. Melk sah nacheinander Murat,
Soult, Ordonna Vandamme; am 10, November gegen
elf Uhr erfolgte unter dem Geläute aller Glocken, in zwei
achtspännigen Wagen die Ankunft des Kaisers Napoleon,
welcher gegen den Prior Ferdinand Altman und gegen
die Geistlichen überhaupt sich sehr gnädig zeigte, das
Stift und den Garten mit Wohlgefallen besichtigte und am
folgenden Tage seine Reise nach St. Polten fortsetzte. An
demselben Tage Nachmittags kam Marschall Bernadotte,
und brach am 15. November Nachmittags wieder auf, nach.-
dem er im Stifte Melk auf Napoleons Befehl ein stabiles
Feldspital errichtet hatte. Die grosse Freude über den
Waffenstillstand nach der Schlacht bei Austerlitz wurde
in Melk dadurch verbittert, dass durch den Eigensinn des
Kapitän Tricard eine bedeutende Anzahl russischer Soldaten
— 277 —
das Leben verlor. Es -wurden nämlich bei 500 kriegs-
gefangene Russen im hohlen Ramne der nördlichen Bastei
zusammengedrängt. Diese hatten sich in der dortigen Eis-
grube Feuer gemacht, und da der aufsteigende Rauch keinen
Ausgang fand, kamen bei 200 dieser Unglücklichen ums
Leben.
Nach Abschluss des Pressburger Friedens (26. Febr.)
begab sich Napoleon nach München, während der Rück-
zug der französischen Truppen seinen Anfang nahm.
Dass hierbei Stift undMarkt hart mitgenommen wurden,
ist selbstverständlich; am übelsten benahm sich General
Vandamme, welcher hier vom 15. bis 24. Januar hauste.
Am 27. Januar zogen die letzten französischen Soldaten
hier durch, und das Lichtmessfest wurde nach so vielen
Draugsalen mit freudigem Herzen begangen. Am 6. August
1806 entsagte Franz 11. der deutschen Kaiserkrone.
Leider war der Friede nur von kurzer Dauer. Schon
im Jahre 1809 begann die vierte Periode des grossen Kampfes
zwischen Oesterreich und Frankreich. Die Franzosen, mit
den Völkern des Rheinbundes vereinigt, überschritten die
Grenzen Oesterreichs, und schon am 7. Mai rückten die
ersten französischen Jäger zu Pferde hier ein, unter Lannes
und Oudinot. Um halb sieben Uhr Abends verkündigte
das Feiergeläute aller Glocken die Ankunft Napoleons, der
wie das erste Mal vom ganzen Convente empfangen wurde.
Er war wieder sehr gnäcfig gegen den Prior Christof Sporrer,
erkundigte sich aber um verschiedenes aufs genaueste: ob
der Kaiser oder ein Prinz im Stifte gewesen, was man
von diesem Kriege denke, welche Minister, Beichtväter
unser Kaiser am Hofe habe, welche Revenuen, wie viel
Wein das Stift besitze u. s. w.
Am 8. Mai ging Napoleon mit dem Prior in den Garten,
und äusserte im Laufe des Gespräches lächelnd: „Meine
Truppen haben heute einen guten Tag bei Ihnen, aber
der Wein schmeckt ihnen nicht so gut wie vor vier Jahren."
Prior Christof erwiderte: „Wir geben den Wein, wie er
in den Keller kam." Hierauf ging der Kaiser lächelnd den
kürzesten Weg in den Hof zurück, schwang sich auf das
bereitstehende Pferd und ritt mit den Worten: „Adieu,
mon Prieur!" fort nach St. Polten. Nach den Schlachten
von Aspern und Wagram wurde im Stifte wieder ein Feld-
— 278 —
sj)ital errichtet. Am. 14. October wurde der Frieden von
Wien geschlossen, und am 16. October übernachtete Na-
poleon im Stifte, liess aber Niemand vor, und reiste am
andern Morgen weiter.
Abt Isidor hatte sich, alt und krank, auf den Rath
der Aerzte nach Leesdorf bei Baden begeben; eia wieder-
holter Schlagfluss endete sein Leben. Nach vielen Weit-
läufigkeiten wurde endlich dem Stifte die Bewilligung er-
theilt, am 12. October 1810 zur Wahl eines neuen Prälaten
zu schreiten, welche auf Anton Karl Reyberger (1810 bis
1818), RegieruDgsrath und Professor der Moraltheologie an
der Wiener Hochschule, fiel. Anton übernahm die höchst
schwierige Aufgabe, die tiefen Wimden, an welchen Melk
in Folge der traurigen Kriegszeiten blutete, zu heilen.
Allein, die bekannte grosse Finanzoperation im Jahre 1811,
grosse Feuersbrünste, ein fünfter Kneg mit Frankreich^
die Theuerungsjahre 1816 imd 1817 und andere missliche
Umstände standen den Bemühungen, den Wohlstand des
Stiftes zu heben, im Wege, daher man sich nicht wundern
darf, dass sich der Veimögensstand des Stiftes bei Antons
Tode keineswegs als beruhigend darstellte. Dieser Prälat
verband mit der öffentlichen Unterrichtsanstalt auch ein
Convikt für ungefähr vierzig Zöglinge, welche in den Lehr-
gegenständen , in lebenden Sprachen und in der Musik
Unterricht erhielten. Auch das eingegangene Sänger-
Alumnat rief er wieder ins Leben.
Grosse Verdienste um Förderung der Musik erwarben
sich Adam Krieg, Florian Maynoli und besonders Robert
Stipa. Als Schriftsteller sind zu verzeichnen-: Alexander
Galle, Eduard Witzig, Alois Stupfel. Nachdem der grosse
Schlachtenkaiser Napoleon den Palast der Tuüerien mit
dem Felsensitze auf Elba vertauscht hatte, langte am
20. Mai 1814 die Kaiserin Maria Louise mit ihrem Sohne
Napoleon Karl Franz im Stifte Melk an, um Nachtlager
zu halten. Am 1. August wurden wir durch einen Besuch
des Grossherzogs Ferdinand von Toskana und des könig-
lichen Prinzen Anton von Sachsen ausgezeichnet, und am
.18. September erwiesen Ihre Majestät die Kaiserin Karolina
Augusta dem Stifte die Ehre, die Merkwürdigkeiten des-
selben zu besichtigen. Abt Anton, schon längere Zeit
kränklich, stürzte in seiner Wohnung zu Wien am 3. Oct.
— 279 —
1818 plötzlich, zusammen und gab in Folge eines Schlag-
flusses sogleich seinen Geist auf.
Abt Marian Zwinger (1819 — 1837) war sterbenskrank,
als er zum Vorstand des Stiftes gewählt wurde. Seiner
angestrengten Thätigkeit gelang es, den verworrenen ma-
teriellen Zustand des Hauses zu ordnen, imgeachtet der
grossen Schäden, welche Elementarereignisse an Stiftsgütern
verursachten. IJm jene Zeit hat unser Haus mehrere hohe
Besuche zu verzeichnen; im Jahre 1824 geruhten Se. kais.
Hoheit Erzherzog Franz Karl, bald darauf Se. Majestät
Kaiser Ferdinand, noch als Kronprinz, undl825 Ihre Majestät
die Kaiserin Karolina Augusta mit der Frau Erzherzogin
Sophie, wie auch Se. Eminenz Erzherzog Rudolf das Stift
zu besiclitigen. Ein grosser Pesttag für unser Haus war
auch, der 6. October 1835, an welchem Tage Abt Marian
sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum feierte, und bei wel-
cher Gelegenheit er durch Verleihung des Ritterkreuzes
des kaiserl. österreichischen Leopolds-Ordens ausgezeichnet
wurde.
Was der Wunsch und die Hoffnung Aller gewesen, den
verdienstvollen Prälaten noch manches Jahr wirken zu sehen,
erfüllte sich nicht; denn am 20. October 1837 schloss der
allverehrte Greis seine müden Augen zum Schlummer des
Todes.
Die fast einstimmige Wahl (10. Januar 1838) fiel auf
Wilhelm Eder, jenen Mann, der seinem Vorgänger mit aller
Gewissenhaftigkeit rathend und helfend zur Seite gestanden.
— Durch seine Umsicht und Thätigkeit hob sich zusehends
der Wohlstand des Hauses, weshalb auch auf Restauration
des Stiftes, einzelner Gotteshäuser und Pfarrhöfe, sowie
auf den Ankauf neuer Güter manche Summe verwendet
werden konnte. Und als im Jahre 1847 die grössere Hälfte
des Marktes sammt dem Stiftsmeierhof und den Wirth-
schaftsgebänden in Flammen aufloderte, war es Wilhelms
erste Sorge, Hülfe zu schaffen und den Aufbau zu ermög-
lichen. Auch brannte (1862) die ganze Dachung des Melker-
hofes in Wien ab , die der unermüdliche Abt wieder her-
stellen und einen neuen Stock aufsetzen Hess. Unter ihm
wurden dem Gymnasium und dem Convikte neue Räumlich-
keiten erschlossen, das Gymnasium selbst zu einer acht-
klassigen Lehranstalt erweitert, ein physikalisches Kabinet
— 280 —
eingerichtet und die Gymnasialbibliothek ins Leben gerufen.
Für seine vielen Verdienste um Kirche und Staat wurde
ihm von Sr. Majestät das Comnaandeurkreuz des kaiserlichen
Leopoldsordens verliehen. Der körperlich und geistig noch
kräftige 86jährige Greis wurde am 24. September 1866
ganz unerwartet von der Cholera hinweggerafft, nachdem
er 62 Jahre als Priester \ind zugleich als Abt 28 Jahre
unermüdet gewirkt hatte. Um diese Zeit lebten die Stifts-
capitularen Michael Enk de Burg, Theodor Mayer und
Ignaz Keiblinger, die durch ihre literarischen Arbeiten sich
einen bleibenden Namen geschaffen.
Sein Nachfolger, Abt Clemens Moser (1867 — 1875), er-
baute neue Pfarrhöfe in Groissenbrunn und Zwemdorf, wie
auch den schönen gothischen Thurm an der Pfarrkirche
zu Melk, erweiterte die Eäume der Bibliothek und hatte
gar schöne Pläne für die Zukunft entworfen, die jedoch
durch seinen Tod am 15. Februar 1875 vereitelt wurden.
Unter ihm ist Vöslau, eine Filiale von Gainfarn, zar selb-
ständigen Pfarre erhoben worden.
Der 62. Abt des Stiftes Melk ist Alexander Karl, ge-
boren zu Grund in Niederösterreich 1824, gewählt am
16. Juni 1875. Bekannt durch seinen Eifer, sich um Kirche
und Staat verdient zu machen, wurde er durch die besondere
Huld Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef schon im Jahre
1876 als lebenslängliches Mitglied in das hohe Herrenhaus
berufen, und 1878 als Abgeordneter in den niederösterreichi-
schen Landtag gewählt. Die verschiedenen Anordnungen
und Verbesserungen, welche seine kurze Verwaltung kenn-
zeichnen, lassen sich füglich noch nicht in die Geschichte
der Gegenwart einbeziehen; deren volle Würdigung ist der
Zukunft vorbehalten: doch das Eine darfauch schon jetzt
nicht verschwiegen werden, dass vom Abte Alexander der
vollständige Ausbau des Stiftes durch Aufbau eines neuen
Traktes an der Nordseite durchgeführt wurde, nicht nur
um für das Gymnasium und Convikt neue Räumlichkeiten
zu gewinnen, sondern auch, um hierdurch bisher unbenutzte
Lokalitäten in Gebrauch zu bringen. In welch glänzender
Weise dies gelungen, beweist der Umstand allein, dass
jetzt im Convikte 132 Zöglinge Aufnahme finden. Nach
den bisherigen Erfolgen darf man sich der sicheren Hoff-
nung hingeben: Abt Alexander werde zur reichhaltigen
— 281 ~
Geschichte des Stiftes Melk ein neues, um und das Haus
ehrendes Blatt hinzufügen!
n.
Imposant ist der Eingang in das Stift Melk. Rechts
und links erheben sich zwei gewaltige Bastionen, welche
durch einen Zwischenbau verbunden sind, in dessen Mitte
das Eingangsthor sich befindet. Auf beiden Seiten erheben
sich die zwei kolossalen Statuen des h. Leopold und des
h. Coloman, und über dem Thore liest man die Jahreszahl
1718 zur Erinnerung, dass in diesem Jahre die Haupt-
gebäude des Stiftes in ihrer jetzigen Gestalt grösstentheils
vollendet waren. Am Giebel des Portals funkelt ein Stern,
und mahnt an das Wappen des Erbauers Berthold von
Dietmayr. In der Decke des Eingangsgewölbes zeigt sich
eine runde Oeflhung, der „reisende Metzen" (modius defluus)
genannt, weil die Körnerzehente einst die Haupteinnahms-
quelle des Klosters bildeten. Durch dieses Thor gelangt
man in den ersten Hof, in welchem rechts der Aufgang zum
k. k. Obergymnasium angebracht ist; dem Thore gegen-
über erscheint die schöne Fronte der Ostseite des Haupt-
gebäudes mit der Einfahrt. An derselben sind zu beiden
Seiten zwei Säulen mit den Statuen der Apostel Petrus
und Paulus und zwei Obelisken mit goldenen Kugeln; in
der Mitte das Stiftswappen, zwei goldene in Form eines
Andreaskreuzes übereinander gelegte, mit den Schliess-
blättem aufwärts gekehrte und durch einen gemeinschaft-
lichen Griff verbundene Schlüssel im blauen Felde; ober-
halb eine Uhr und darüber in goldenen Lettern die Worte
des Apostels: Absit gloriari nisi in cruce. Zu oberst ist
eine Nachbildung des Melker Kreuzes aus vergoldetem
Metall aufgestellt. Das Gewölbe der Einfahrt ruht auf vier
Pfeilern und acht Säulen, ist im Viereck durchbrochen,
das ein Geländer umgiebt. Die Decke zeigt ein Fresko-
gemälde von F. Schilcher mit Arabesken von Proksch.
Nun kommt der Prälatenhof, so genannt, weil die dem
Einfahrtsthore gegenüber liegende Fronte als Prälaten-
wohnung dient. Die Mitte des Hofes schmückt ein steinernes
Bassin mit einem schönen Springbrunnen; an den vier
Frontispicen erheben sich, umgeben von steinernen Figuren
und Vasen, vier Mittelschilder mit Fresken, welche die vier
— 282 —
sittliclieii Tugenden versinnliclien. Der Trakt rechts vom
Bescliauer (die Donauseite) enthält die Wohnungen der
Geistlichen und den Convent, welcher mit der Bibliothek
seinen Abschluss findet. Der linke Flügel (die Marktseite)
nimmt die ganze Breite des Stiftes gegen Süden ein, und
enthält das Sängeralumnat, Musik-, und Prüfungssäle, das
mineralogische Kabiuet und die Gastzimmer, daher dieser
Trakt gemeiniglich der Gaststock genannt wird. Von der
Mitte des Parterres aus führt eine breite Doppelstiege in
die beiden oberen Stockwerke. In der Prälatur ist der
Empfangssaal und die Hauskapelle sehenswerth. Auf dem
Altare der letzteren sind drei schöne Oelgemälde, Jesus,
Maria und Johannes von Albrecht Dürer, eiue Doppebeihe
von altdeutschen Gemälden auf Holz , wahrscheinlich von
Albrecht Dürers Schüler Altdorfer u. m. a. Die Fresken
in der Kapelle sind von Johann Bergl (1782), die des Saales
von Scanzoni (1719). In letzterem findet sich eine kleine
Sammlung von Gemälden von verschiedenen Meistern und
verschiedenem Werthe. In den übrigen Räumen finden
wir noch: Drei Frauen am Grabe Christi von Rottenhamer,
Maria mit dem Kinde, eine Geburt Christi, Monte Casino,
die h. Katharina von Bellini, Christi Erscheinung von Van
Dyk, die drei Frauen am Grabe Christi von Jordans, das
Haupt des Johannes, zwei Thierstücke, der Entsatz von
Wien 1683, endlich Abbildungen des Stiftes, der Stifts-
pfarren und Herrschaften von Franz Meyer (1769). Neben
dem Eingange in die Prälatur hängen die lebensgrossen
Bildnisse des Kaisers Franzi, und der Kaiserin Maria Theresia
von Martin von Meytens. Die ganze 320 Schritte lange
Halle des ersten Stockwerkes ist mit Oelbildern von Josef
Grahner (Grebmer), einem Schüler Trogers, geziert, welche
in chronologischer Reihe sämmtliche Markgrafen, Herzoge
und Kaiser Oesterreichs darstellen. Auch findet man da-
selbst das Porträt des Abtes Berthold im akademischen
Schmucke und das des Baumeisters Jakob Prandauer. Die
historischen Skizzen unter den Gemälden sind vom Melker
Priester Martin Kropf.
An das westliche Ende der Halle schliesst sich der
Kaiser- oder Marmorsaal an, dessen Decke auf 24 Säulen
ruht. Das Freskogemälde stammt von Paul Troger, die
Architektur von Fanti.
— 283 —
Dem Marmorsaale gegenüber erhebt sieb ein ganz äbn-
licbes Gebäude, die Bibliothek, -welche mit ersterem durch
eine halbkxeisförmige, mit steinerner Brustwehr versehene
Gallerie verbunden ist. Yon hier aus geniesst man eine
herrliche Aussicht auf die Donau und die umliegende Gegend,
welche von nahen Bergen und fernen Gebirgen eingerahmt
ist. Wir wenden unsem Blick auf die entgegengesetzte
Seite, und dem Auge zeigt sich die westliche Pa9ade der
Kirche mit dem Haupt- und zwei Nebenthoren. üeber
den letzteren ragen zwei herrliche Thürme in die luftige
Höhe, zwischen welchen sich drei kolossale Statuen zeigen,
von denen die mittlere Christum mit dem Kreuze darstellt,
zwei Engel an der Seite.
In den Thürmen hängen fünf Glocken; die vier kleiueren
in dem einen, die fünfte und grösste, welche 140 Centner
wiegt, ist in dem anderen untergebracht. Die Bibliothek
erfreute sich von jeher der grössten Sorgfalt. Leider konnten
bei dem grossen Brande am 14. August 1297, welcher Stift
und Bibliothek in Asche legte, nur wenige Bücher gerettet
werden. Solche gerettete Kostbarkeiten sind: Chronicon
Mellicense auf Pergament in Folio, worin sich das Chronicon
Erchenfridi Abbatis befindet; Marfcyrologium Adonis aus
dem 13. Jahrhundert; ein sehr altes Lectionarium in Quart;
Beda Venerabilis de natura rerum et de temporibus in
Folio auf Pergament, und aus dem 9. Jahrhundert : Libri
quinque priores Moralium Gregorii Magni auf Pergament
in Folio u. m. a. Viele Handschriften besitzt unsere Biblio-
thek aus dem 13., noch mehr aber aus dem 15. Jahrhundert.
Was ältere Druckwerke anbelangt, deren Zahl sich auf
1000 Bände beläuft, so sind darunter sehr ansehnliche, z. B.
die vierzigzeilige Vulgata von Guttenberg und Faust 1477,
die Historie von St. Eoccus, Wien 1483, und andere.
Der Vorsaal der Bibliothek steht durch eine Wendel-
treppe mit dem oberen Stockwerke, in welchem sich zwei
Annexe befinden, und mit dem Erdgeschosse in Verbindung,
wo in drei Abtheilungen die Werke über österreichische
Geschichte, die Inkunabeln und Manuscripte aufbewahrt
sind. Die Freskogemälde im Hauptsaale sind yon Troger,
die übrigen von Bergl.
Die Bibliothek zählt beiläufig 60,000 Bände.
Die Münzensammlung, weichein der Bibliothek zur
— 284 —
Schau gestellt ist, entstand unter dem Abte Adrian 1740
über Anregung des Hieron. Pez imd Martin Eiopf, und
wurde durch die Freigebigkeit seiner Nachfolger und durch
Geschenke, hauptsächlich aber durch die Munificenz des
k. k. Obersthofmeisteramtes beträchtlich vermehrt. Er-
wähnt sei nur eine silbeme.Medaille, 3 Pfund 8 Loth schwer,
welche Abt Berthold von dem Baron von Levanegg zum
Geschenke bekam.
Besonders erhebend ist der Eindruck, welchen die Stifts-
kirche hervorbringt, es ,mag ihren geweihten Kaum der
goldene Strahl der Soime erhellen, oder das Halbdunkel
den Besucher mit andachtsvollem Schauer erfüllen. Ohne
überladen zu sein, prangt das Gotteshaus im reichsten
Schmucke, athmet wohlthuende Harmonie und seltene Ein-
heit. In derselben sind neun Altäre aufgerichtet. Der
Hochaltar ist aus rothbratmem Salzburger Marmor mit
sechs Säulen, jede aus einem Stücke gehauen. Aeusserst
geschmackvoll ist der Tabernakel aus Florentiner Marmor,
dessen Thüre der kunstsinnige Abt Marian mit vergoldetem
Silber, das Abendmahl nach Cellini darstellend, schmücken
Hess. Darüber stehen die grossen, vergoldeten Figuren der
Kirchenpatrone Petrus und Paulus, und über diesen sind
auf einem goldberänderten Schilde die Worte des Welt-
apostels zu lesen: „Nemo coronabitur, nisi legitime certa-
verit." Hierauf zeigt sich eine grosse, reich vergoldete
Krone, und die Weltkugel mit verschiedenen Emblemen,
welche zu oberst mit dem Kreuze ihren Abschluss finden.
An den Enden des Querschiffes prangen zwei ganz ähnliche
Altäre, auf der Evangeliea seile der des h. Coloman, in
dessen Sarkophage die Reliquien dieses Heiligen ruhen
und der vom Abte Berthold 1735 aufgestellt wurde. Der
Sarg auf dem gegenüberliegenden Altare des h. Benedikt
enthält keine Reliquien. Neben dem Colomansaltare ist
der Dreikönigaltar mit einem schönen Oelgemälde von
ßottmayr von Rosenbrunn, von welchem Künstler auch
die Altarblätter auf dem dritten und dem gegenüberliegenden
Altare herrühren.
Das Bild auf dem zweiten Altare der Epistelseite von
Georg Bachmann (1650) zeigt uns den Markgrafen Leo-
pold IIL , den Schönen, vor welchem ein Benediktinerabt
kniet, wodurch die TJebergabe des Stiftes an die Bene-
— 285 —
diktiner im Jahre 1089 angedeutet wird. Oberhalb siebt
man Leopold IV., den Heiligen, umgeben von Engeln, welcbe
das von ihm. erbaute Stift Klostemeuburg tragen — ein
Votivbild, das aus der alten Kirche übertragen wurde.
Die zwei letzten Altäre sind dem h. Nikolaus und
Sebastian geweiht, und die Gemälde von Paul Troger, von
denen letzteres besonders jedem Kunstkenner empfohlen
wird. Unter dem Altarblatte des h. Michael ruhen die
Reliquien des h. Clemens, und gegenüber die des h. Fried-
rich. Zwischen den Altären des h. Coloman und Benedikt
erhebt sich die über 200 Schuh hohe majestätische Kuppel,
an welcher ein vergitterter Gang herumläuft. Von da ge-
langt man mittelst Leiter zum höchsten Punkte, der La-
terne, die eiae prachtvolle Aussicht eröfihet.
Die Gemälde der Kuppel sind vom Meister Rottmayr,
der mit Scanzoni und Fanti auch die ganze Kirchendecke
mit Ffesken ausschmückte.
An einem Mittelpfeiler ist die Kanzel angebracht mit
ihren künstlichen Schnitzereien und reichen Vergoldungen.
Ein länglicher Quaderstein in der Mitte der Kirche be-
zeichnet den vermauerten Eingang in die Gruft, in welche
man jetzt durch einen kleinen Hof hinter dem Hochaltare
gelängt. Die Orgel, ein Werk des Wiener Bürgers Gott-
fried Sonnholz vom Jahre 1733, hatte ursprünglich 36 Re-
gister, zu welchen später noch vier neue hinzugefügt wur-
den. Sie enthält mehr als vierthalbtausend Pfeifen. In
einer Vorhalle neben dem Colomans- Altare ist ein mar-
mornes Denkmal mit einem Sarkophage, in welchem die
gesammelten Gebeine von den elf, in der Stiftskirche bei-
gesetzten Babenbergern und Babenbergeruinen ruhen. Abt
Berthold liess es im Jahre 1735 errichten.
Unter den Paramenten sind mehrere wegen ihrer rei-
chen Goldstickerei sehenswerth. Nicht ohne Interesse ist
ein schwarzer Ornat, dessen Mitteltheile von der Kaiserin
Maria Theresia eigenhändig gestickt wurden. Auch einige
Caseln sind wegen ihres Alters und ihrer Stickereien merk-
würdig. Unter den Metallgegenständen finden sich mehrere
silberne, mit Steinen besetzte und mit Emaügemälden
verzierte Kelche, zwei Opferkannen und eine Tasse aus
getriebenem Silber, dreiPektoralien in verschiedenen Farben,
dann ein in Rom angekaufter und vom Pabste Pius IX.
— 286 —
benedicirter Pontifikalring; ferner drei silberne Pastorale,
von denen das neueste im Jahre 1863 dem Abte Wilhelm
zu seiner Sekundizfeier von den Capitularen des Stiftes
Melk verehrt wurde; endlich Rauchfässer, Kanontafeln,
Messbücher u. s. w. — Im Archiv ist vor allem zu merken :
das „Melkerkreuz", zwei Wiener Schuh hoch, von Gold,
vorne mit dem Bildnisse des Gekreuzigten und an den
Ecken mit den vier Evangelisten, rückwärts mit Perlen
und Edelsteinen geschmückt; die Coloman-Monstranz aus
Silber und vergoldet, ein Kelch aus Donau- Waschgold, der
Becher des h. Ulrich, Bischofs zu Augsburg (923 — 973);
dieser Becher ist ein aus einem getrockneten Kürbisse be-
stehendes Trinkgeschirr, inwendig mit Silber überzogen.
— Die Passung zeigt auf eine sehr alte, doch nicht dem
h. Ulrich gleichzeitige Arbeit; ein altes Reliquiarium in
Form einer thurmähnlichen Monstranz, aus dem 15. Jahr-
hundert u. s. w.
Im Conventgange ist das schöne Crucifix aus Incamat-
Marmor, ein Geschenk Kaiser Karls VI. — Durch ihre
Schönheit und Zweckmässigkeit überraschend sind die
Räumlichkeiten des Gymnasiums und des Convikts, welche
in einem eigenen Trakte — jenes im ersten, dieses im
zweiten Stockwerke — untergebracht sind. Gleich neben
dem Eingange ist die ziemlich reichhaltige Gymnasial-
bibliothek, gegenüber das naturhistorische Kabinet, welches
in jeder Hinsicht allen Forderungen der Jetztzeit voll-
kommen entspricht, hierauf folgt der lichte Zeichensaal
und zuletzt die geräumige Gymnasialkapelle mit Fresken
von Scanzoni und einem Altarbilde vom akademischen
Wiener Maler Neugebauer. — Nach wenigen Schritten
öffnet sich das reichhaltige physikalische Kabinet mit dem
entsprechenden Lehrsaale. Der Trakt zwischen den beiden
Babenberger Thürmen enthält die acht Lehrzimmer des
Gymnasiums. — Das ganze zweite Stockwerk nimmt das
Convikt ein mit seinen Studier- und Schlafsälen, den
Krankenzimmern, den Wohnungen des Directors, der Prä-
fecten und Musiklehrer. — Sämmtüche Fenster blicken
in die Donau und den Garten.
Im Erdgeschosse sind die schönen Winterbäder mit
den Doucheapparaten, der Wintertium- und Speisesaal. Im
Sommer besteht eine Badeanstalt in der Donau. Der
— 287 —
Babenbergerthurm an der Ostseite enthält eine bequeme
Wendeltreppe, welcbe aus dem Convikte in das Gymnasium
und TOn da auf den Sommerturnplatz und in den Convikts-
garten führt. An diesen stösst der grosse Stiftsgarten, der
mit seinen Laubgängen und Alleen, Bosqueten und bunten
Blumenbeeten, seinem Pavillon und den Gewächshäusern,
insbesondere auch durch seinen Ausblick auf die Donau
und in die fernen Gebirge die mannichfaltigste Abwechslung
bietet.
Längs des Stiftsberges lagert der freundliche Markt
Melk mit der gothischen Pfarrkirche und dem schönen
neuen Thurme.
Er zählt 158 Häuser und hat nahe an 1700 gewerb-
fleissige Einwohner. Unter den Neubauten ist der Bahnhof,
das Bahnhotel, das schöne Schulhaus und das stattliche
Bezirksgericht erwähnenswerth.
Nicht immer machte Melk einen so heiteren Eindruck,
als jetzt; denn Stift tmd Markt Melk haben eine reiche
Vergangenheit, reich besonders an traurigen Ereignissen.
Zu wiederholten Malen legten die gefrässigen Flammen
der Bürger friedliche Wohnungen in Schutt und Asche,
oder eine ansteckende Krankheit zerstörte manch frisches
Leben; und wie gar häufig die wogende Donau verderben-
bringend unsere Fluren überfluthete, so wälzten sich auch
die Wogen schrecklich verheerender Kriege über die ganze
hiesige Gegend, mit Blut und Jammer iluren Weg weithin
bezeichnend.
Gebe Gott, dass so traurige Zeiten nie wieder kehren;
dass vielmehr in mildem Glänze der Friedenssonne die
Früchte wissenschaftlichen Strebens und bürgerlichen Fleisses
zur vollen Reife gelangen!
Friedrich Heilmann,
Prior.
— 288 —
Leopold der Erste.*)
Die schönen Gau'n von Oesterreicli,
Sie waren arg verheeret;
Es hat der Hunnen Schwertesstreich
Das Volk dort aufgezehret;
Die Weiler, welche aufgeblüht
In seinen grünen Matten,
Die Burgen, welche rings umzieht
Der dunkle Waidesschatten,
Die Tempel in dem stillen Hain,
In denen Psalmodeien
Beim Morgen- und beim Abendschein
Dem Herrn ein Opfer weihen:
Die hat das Hunnenheer gebraucht
Als Fackeln auf dem Wege,
Und wie der Docht erloschen raucht,
So zieht ihr Eauch sich träge
Von Trümmern, die erst lichterloh
In Feuersäulen standen,
Auf die sich Flammen glüh und höh
Wie Blumenkränze wanden.
Die Wasser spiegeln nimmer Euch
Die Burgen in den Fluthen,
Die rings auf Hügeln, Kronen gleich.
Auf Sammetpfühlen ruhten!
Nur Eine Burg am Donaustrand
Steht fest mit ihren Zinnen;
Wer wagt es wohl, dem deutschen Land
Sie wieder zu gewinnen?
Der Hunnenführer Grizo hat
Zum Lager sie erwählet
Und dort des Rauhens müd und satt
Sein Haus, zu ru!^n, bestellet.
*) Diese beiden auf Melk bezüglichen Gedichte sind aus „Der Baben-
berger Ehrenpreis". Von Sebastian Brunner. Regensburg 1879. 3. Aufl.
— 289 —
Zu Melk, da ragen hoch empor
Die Thürinlein und die Warten,
D'raus sieht der Hunne stolz hervor
Auf Oestreichs Blumengarten.
Er sieht zum Strome stolz hinab,
Wenn in den klaren Fluthen
Sein mächtig Haus sich spiegelt ab
In Sonnen-Abendgluthen.
Es seufzt der Deutsche unterm Joch,
Wo ihm einst Freiheit blühte,
Als er in Druck und Jammer noch
Fürs Vaterland erglühte.
Es schlaget aber anderwärts
Im fernen deutschen Lande
In starker Brust ein freies Herz,
Zu brechen diese Bande.
Der Graf von Babenberg ist "werth
Die Hunnen zu bestreiten.
Er führt in Kraft ein mächtig Schwert,
Versteht ein Heer zu leiten.
Der grosse Otto sendet ihn,
Giebt ihm das Land zu Lehen,
In dem die Feinde mittenin
Mit keckem Muth noch stehen.
„Glück auf! Glück auf! mein Leopold,"
So lautet Ottos Segen,
„Das schöne Land das wird Dein Sold,
Kannst Du den Feind erlegen.
„Das schöne Land wird Deine Braut,
Die sollst Du Dir erringen;
Den Hunnen, dem sie angetraut,
Muss erst Dein Schwert bezwingen.
„Gar lieblich ist und schön die Maid,
Das kann ich Dir wohl sagen,
Und Mancher wird schon jetzt voll Neid
Nach ihr Verlangen tragen.
Ein Benediktinerbuch. 19
— 290 —
„Ihr Mantel, der sie reich umfliesst,
Wie schön ist er gezieret,
Viel edle Frucht auf selbem spriesst.
Viel Blüthengold floriret;
„Es prangt darin manch Edelstein
So voll von Licht und Strahlen,
Und Berge fassen ringsum ein
Den See, der glänzt krystallen.
„Der Mantel, der ist dicht umsäumt
Mit einer Alpenwildnis,
Von dem der Quell hemiederschäumt.
Des Jngendlebens Bildnis.
„Ihr Gürtel, der ist silherklar
Geweht aus Istherswellen,
Und Balsamduft durchströmt ihr Haar
Aus Früchten, welche schwellen.
„Du kennst die Braut, Du kennst den Streit,
Willst ihre Huld erringen?
Im Kampfe nur wird sie gefreit,
Dein Schwert muss sie bezwingen."
Und Leopold der ziehet hin;
Es glüht in seiner Seele
Des zaubervollen Wortes Sinn,
Das Otto sprach zur Stelle.
— 291 —
Besitznahme von Oesterreich durch die Erohernng
der Eisenhnrg (Melk).
Es rinnen auf Schiffen die Krieger hinab
Im fröhlichen Waffengesange;
Bezwungen hat Leopolds Feldherrnstab
Des Isthers riesige Schlange;
Sie windet durch Berge und Felsengestein
Sich fort, wie durch üppige Moose,
Und trägt in die Mitte des Landes hinein
Den Krieg und das Waffengetose.
Und wie da der Hunnen Eisenburg strahlt
Den Kämpfern von Weitem entgegen,
So sind sie noch fröhlicher fortgewallt
Mit schallenden Ruderschlägen.
Dann springen sie freudig am Uferrand
Hinaus aus den schwankenden Schiffen,
Begrüssen mit Jubel das herrliche Land
Und haben zum Schwerte gegriffen.
Die Hunnen, die wissen nicht, was das soll,
Sie können den Lärm sich nicht deuten;
Es lasset der Thurmwärtel kummervoll
Den Blick über flammende Speere gleiten;
Er stösset ins Hörn, dass es weithin dröhnt,
Die Gefahr den Seinen zu künden,
Der Ruf vom Echo zurückgestöhnt
Hallt wider aus felsigen Schlünden.
Und Gizo lässt öflöien das eiserne Thor
Und stürzt mit gewaffiieten Reihen
Auf Deutschlands muthige Söhne hervor,
Die sich dem Vaterland weihen.
Da kommt es am Ufer zur Völkerschlacht,
Da rieseln viel blutige Quellen,
Da wird manchem Auge die Todesnacht
Von Schwertern, die blitzen und hellen.
19*
— 292 —
Die Deutschen sind Sieger, die Deutschen sind frei;
Die eisernen Thore zerspringen,
Die Wasser erbeben ob ihrem Geschrei,
Das forteilt auf luftigen Schwingen.
Die Hunnen, die nicht vom Tode ereilt,
Entfliehen tief einwärts im Lande
Und haben den Ihren die Kunde ertheilt,
Die Kunde der eigenen Schande.
Zu Melk, da finden sich Schätze und Sold
Für Krieger, die treulich gefochten,
Die Hunnenburg strotzt von geraubtem Gold
Und Schmuck, Von Perlen durchflochten.
Es kniet der Graf sich freudig hin.
Die Hände zum Himmel erhoben.
Enthüllet dem Herrn seinen dankenden Sinn,
Verspricht seinen Namen zu loben:
„Ein Schirmer der Tugend bin ich hier.
Das Recht will ich heilig erhalten;
Die Liebe Gottes soll für tmd für
Nach seinem Gebote walten!"
So sprach der Graf. Sein dankend Wort
War ihm tief aus der Seele gedrungen;
Ein Tempel hat auf demselben Ort
Der Erde Schooss sich entrungen.
Und dort, wo der Hunnen Waffenklang
Dm-ch friedliche Thäler gezogen:
Dort schallet jetzt der Lobgesang
Des Herrn aus den Tempelbogen;
Es rauschet der Psalter, die Hymne tönt
Bis her — zu unsern Tagen.
Wir sehen den Hügel noch heute bekrönt
Die Krone des Tempels tragen.
Miehaelbeuem.
Üas Stift Michaelbeuem feierte im Jahre 1872 den
800 jährigen Bestand als „Abtei", da mit 1072
die urkimdlicli festgestellte Reihe der Aebte be-
ginnt, während sich nach sicheren Anhaltspunkten
bereits yiel früher Religiösen daselbst angesiedelt hatten.
Der Stiftshistoriograph P. Michael Filz, ehem. Lyceal-
professor zu Salzburg, dann Administrator des Klosters zu
Mülln und als Prior 1854 im Stifte gestorben*), schreibt
in der von ihm verfassten und 1833 herausgegebenen
Geschichte des Stiftes, dass um das Jahr 785 die Bene-
diktiner von Ottiug (in Bayern nahe bei Salzburg) nach
Michaelbeuern übersiedelten; wie dann die klösterliche
Niederlassung von den Ungarn zerstört, jedoch durch den
Grafen Hartwik vom Chiemgau 966—970 wiederhergestellt
wurde und zwar unter Erzbischof Friedrich I. Im Jahre
978 überliess Kaiser Otto II. dem Kloster Michaelbeuern
Alles, was in dem Orte Beuern noch königlich war. Die
Herrschaft gehörte noch immer den Gaugrafen von Beuern
selbst. Im Jahre 1072 fand die feierliche Einweihung der
Stiftskirche durch den Patriarchen Sieghard von Aquileja
und die Erweiterung mit einer Frauenabtei, die jedoch
bald wieder aufhörte, statt. Die Mutter des Patriarchen,
Pilhilde, war die erste Aebtissin. Zugleich wurde das Stift
neu dotirt. So viel über die Vorgeschichte des Stiftes.
Nun mögen in Kürze die weiteren Schicksale desselben
bis auf die Gegenwart folgen. Der erste Abt Werigandus**)
(1072—1100) hinterliess das Andenken eines heiligmässigen
Wandels, Unter dem zweiten Abte Trunto gelangte die
Kirche zu Lauterbach***) durch Schenkung an das Stift
*) Mitglied der Akademie der ■Wissenschaften von "Wien und
München, ausgezeichnet durch die grosse goldene Medaille mit Oehr
und Band für £unst und "Wissenschaft.
**) Nach Tettinek (resp. Koch v. Sternfeld): "Werigand „von Moos-
hach«.
***) Im Bezirke der angrenzenden Pf. Berndorf,
— 294 —
und im Jahre 1135 wurde die Pfarre Seewalclien am Atter-
see demselben incorporirt. Der ökonomische Zustand des
Stiftes begann sich durch Verleihung mehrerer Güter oder
Güterantheile zu heben. So erhielt es im Jahre 1138 zwei
Weinberge in der Wachau, nicht ferne von der Donau
oberhalb Krems. Unter dem siebenten Abte, Friedrich L,
fand die Incorporation der Pfarre Obersulz in der Erz-
diöcese Wien statt. Dasselbe geschah mit der nahe beim
Stifte gelegenen Kirche Dorfbeuern (1229) und mit der
Pfarre Lambrechtshausen (1241)*); erstere wurde zur Pfarre
erhoben. Aber auch schwere Heimsuchungen brachen um
diese Zeit über das Stift herein. So hatte es im Jahre
1249 dm-ch Raub und Brand zu leiden laut Indulgenz-
briefen aus den Jahren 1268 (von Bischof Heinrich zu
Chiemsee) und 1272 (von Bischof Petrus zu Passau). Aehn-
liches geschah im Jahre 1364 unter Abt Marchward von
Eaunsberg, so dass das Kloster erst wieder wohnlich her-
gerichtet werden musste. Unter Abt Heinrich IV. wurde
dann die Stiftskirche reconsecrirt. Nach den erwähnten
schweren Unfällen begann sich das Kloster allmählich
wieder zu heben. Auf den Klosterpfarren wurden bereits
Conventualen angestellt, wofür aus den Jahren 1376 und
1496 Belege vorhanden sind. Am 15. März 1440 erhielt
der 22. Abt, Ulrich IL von Haunsberg, von der Synode
zu Basel den Gebrauch der Pontificaüen, welches Privüeg
von Erzbischof Friedrich IV. (1442) bestätigt wurde. Auch
die Siegel der Aebte weisen von da an die Mitra auf, was
vor diesem Abte nicht der Fall war. Unter des Abtes
Ulrich trefflichem Nachfolger Georg wurden manche Bauten
aufgeführt und geschah Vieles für die Kirche, wie auch
für den zeitlichen Wohlstand des Stiftes. Unter den neun
folgenden Aebten, die ziemlich rasch nach einander kamen,
verschlimmerte sich der ökonomische Zustand mehr und
mehr, was wohl denselben nicht zur Last gelegt werden
dürfte, sondern in der Ungunst der Verhältnisse seinen
Grund haben mochte. Bereits Abt Wolfgang Nagl (1518
bis 1531) setzt in seiner genauen Rechnimgsführung die
zerrüttete Vermögenssachlage auseinander. Auswärtige
Administrationen des Stiftes fanden einige statt, so von
*) Unter den Aebten Bertbold und Konrad I.
l-H
o
— 295 —
1531—1533, 1541—1548 und eine längere von 1592—1614
in Folge des ungünstigen Zustandes hauptsächlicli der
Temporalien. Auch die Folgen der sogenannten Eefor-
mation gingen an dem Stifte nicht spurlos vorüber, zumal
für Seewalchen und auch. Obersulz, doch -wendete sich
Dank den Bemühungen der österreichischen Regenten um
Reinerhaltung der katholischen Lehre wieder bald Alles
zum Besseren. TrefiFHche Aebte aus dem eigenen Convent
folgten sich nun und brachten das kleine Stift zu hoher
Blüthe, auch manche Ankämpfung bezüglich der Stifts-
rechte suchten sie abzuwenden und es gelang ihnen, da
sie dieselben mit Beharrlichkeit üad Klugheit vertheidigten.
Gross waren mitunter die Steuerlasten, welche das Stift
zu tragen hatte. So bezahlte Abt Michael Trometer
(1637 — 1676) für die Besitzungen in Oesterreich allein über
3000 ^. an Steuern, gewiss eine grosse Summe für die.
damalige Zeit und das keineswegs bedeutende Stift, welches
früher überdies durch Elementarschäden zu leiden hatte.
Aber die Vorsehung erweckte demselben auch so manche
"Wohlthäter, so den bayerischen Staatsmann Christof Mezger,
welcher die letzteren Jahre seines Lebens mit seiner Ge-
mahlin im Stifte sich niederliess. Beide ruhen in einer
Seitenkapelle der Stiftskirche. Auch manche Pfarrherren
der Umgebung erwiesen sich als dem Stifte ganz besonders
geneigt. Im Jahre 1661 erwarb Abt Michael den übrigens
nicht ansehnlichen Edelsitz Perwang, jetzt Pfarrhof ver-
bunden mit einer Meierei. Im Jahre 1669 erhielt die
Stiftskirche von Rom aus den Leib des h. Märtyrers^Felix,
der auf einem Seitenaltare ruht, während das heilige Haupt
mit Ausnahme der Featoctave (Woche nach dem 4. Soim-
tag nach Ostern) in der Schatzkammer aufbewahrt wird.
Unter dem genannten Abt Michael, sowie unter seinen
Nachfolgern: Aemilian Sengmüller, der unter anderem
den Hochaltar der Stiftskirche mit dem schönen Gemälde
(von dem ehemaligen hiesigen Chorknaben*) Hofmaler
J. M. Rottmayer, Freiherr v. Rosenbrunn), die Auferstehung
Christi vorstellend, erbaute, Josef Müller, Plazidus H.,
Maderer von Ehrenreichskron, und besonders Martin II.,
*) Vgl. B. PiUwein (Salzburger Kreis), 5. Th., 2. Abth., S. 399,
einstiger Conventsohüler dieses Stiftes (S. 405j.
— 296 —
Domer, hob sich der Wohlstand des Stiftes ausserordent-
lich, während die Disciplin gleichen Schritt hielt. Doch
darauffolgende grosse Auslagen für Bauten und die fran-
zösischen Kriegs er eignisse schlugen dem Stifte abermals
tiefe Wunden und zehrten, so zu sagen, das Fett der
früheren Jahre auf. Das Stift hatte nebst bedeutenden
Einquartierungen noch grosse Abgaben zu leisten. In den
Jahren 1783 — 1786 wurden drei Localpfarren errichtet,
nämlich Loidesthal (frühere Filiale von Obersulz), Per-
wang (frühere Schlosskapelle) und Kemating in der Pfarrei
Seewalehen. Letztere Localie wurde jedoch wegen ün-
zweckmässigkeit bald wieder aufgelassen. Dem Abte Niko-
laus ni., Achatz, wurde im Jahre 1835 nach vielen widrigen
Schicksalen, zumal beim Beginn seiner abteilichen Regie-
rung (1803—1849), die Freude zu Theil, dass durch die
Gnade des Kaisers Ferdinand des Gütigen das Augustiner-
eremitenkloster zu Salzburg in der Vorstadt MüUn sammt
der damit verbundenen Pfarre an das Stift Michaelbeuern
übergeben wurde. Fürsterzbischof Augustin Gruber hatte
diese Uebergabe warm befürwortet.
Auf Abt Nikolaus III. (f 18491 folgte nach einer längeren
Administrationszeit, in der sich P. Raimund Raitmayer
durch sorgfältige Pflege der Oekonomie und Sorgfalt wegen
Zustandekommens einer neuen Abtwahl grosse Verdienste
um das Stift erwarb, im Jahre 1857 Nikolaus IV., Thal-
hammer, in bester Erinnerung durch seinen Wohlthätig-
keitssinn und durch väterliche Sorge; er war voll des
Eifers für alles Gute und Hess sich die Zierde des Hauses
Gottes nach Kräften angelegen sein; auch der zeitlichen
Verwaltung wendete derselbe nach Kräften seine Thätig-
keit zu, in welcher er durch ein längeres hartnäckiges
Leiden vielfach behindert wurde. Der gegenwärtige Abt
Friedrich III., Königsberger, war durch ein Vierteljahr-
hundert Professor am k. k. Gymnasium.*)
Das Wirken des Stiftes war seit Jahrhunderten zu-
nächst auf die Seelsorge gerichtet. Es besetzt sieben
Pfarreien mit Seelsorgern; drei dieser Pfarreien befinden
*) Dessen Lehrstellen waren 1817 — 18G3 den Benediktinern von
St. Peter nnd Michaelbeuern zur Besetzimg übergeben; seit 18G3 ist es
Staatsgymnasium.
— 297 —
sich in der Salzburger (Mülln 4 Priester, Lambrechts-
hausen mit der Wallfahrtskirclie Arnsdorf 3 Priester, Dorf-
■beuern 1 Priester) , zwei in der "Wiener Erzdiöcese (Ober-
snlz 2 Priester xind Loidestbal 1 Priester) nnd zwei in der
Linzer Diöcese (Seewalchen 2 Priester undPerwang iPriester).
In dem Priorate*) zu Mülln befinden sieb auch die studi-
renden Kleriker, gegenwärtig Tier an der Zahl. Im Stifte
selbst sind jetzt ausser dem Abte fünf Priester, von denen
der Prior zugleich die Pfarre Dorfbeuern pastorirt. Nach
Thunlichkeit wird auch kürzere seelsorgliche Aushülfe ge-
leistet. Das kleine Stift hat seit unvordenklicher Zeit eine
sogenannte Conventschule, welcher gegenwärtig (seit mehr
als 30 Jahren) der im Jahre 1874 mit dem goldenen Ver-
dienstkreuz sammt der Krone decorirte Jugendschriftsteller
P. Heinrich Schwarz vorsteht. Schon unter dem Abte
Walther (1160—1190), aus dessen Zeit ein Bibelcodex auf
Pergament (ein Antifonale gehört in das 15. Jahrhundert,
gleichfalls auf Pergament geschrieben mit herrlichen Ini-
tialen) vorhanden ist, und unter dem Abte Friedrich II.
(1257 — 1267) werden Ortolfus und Wernhardus als Kloster-
schüler von Michaelbeuern genannt. Es war eine äussere
und innere Schule oder die eigentliche Conventschule zur
Bildung der jungen Geistlichen. Nach einer Urkunde
schenkte Haidenreich von Franking dem Heinrich von
Mühlthal, Schüler zu Michaelbeuern, einen Hof und zwei
Zehenthäuser 1341. Die Zeit der Entstehung des jetzigen
Singknaben-Institutes, das zugleich eine Vorbereitungs-
anstalt für Mittelschulen bildet, kann nicht mehr genau
angegeben werden.**) Das kleine Stift zählt auch mehr
als 30 Professoren, die theils an der ehemaligen Benedik-
tiner-Universität (1623 — 1810), theils am Lyceum und k. k.
Gymnasium zu Salzburg wirkten.
Unter Aebten und Conventualen hat es Männer auf-
zuweisen, die sich durch Gelehrsamkeit, durch nicht ge-
ringe Verdienste um Kirche und Staat ausgezeichnet haben.
So wird Abt Berthold (1224— 1229), später Abt vonAdmont
*) Der gegenwärtige Prior P. Gregor Mödlhammer -wurde 1878 mit
dem goldenen Verdienstkrenze sammt der Krone durch den hochwür-
digsten Pürsterzbischof Pranz Albert decorirt.
**) Seethaler nennt das Jahr 1675.
— 298 —
und St. Peter, in gleichzeitigen Urkunden ein Magister
artium liberalium genannt. Abt Micbael war Doctor und
Professor der PMlosopMe an der Universität und Alumnats-
Regens zu Salzburg. P. Bernard Kimpfler, gewesener
Professor, vertrat im Jahre 1669. die Stelle des abwesenden
flegens des Priesterhauses, nämlich des P. Ludwig Engel,
Benediktiners von Melk, nahm jedoch ein tragisches Ende.
Er wurde -^ das Seminar befand sich damals in dem
heutigen Ursulinen-Frauenkloster in der Gstädten — den
16. Juli des nämlichen Jahres zwischen 2 und 3 Uhr
Morgens sammt seinem Mitprofessen P. Amand Probst,
welcher des Abends zuvor zu ihm gekommen war, um bei
ihm zu übernachten, mit der Mehrzahl der Alumnen,
mehreren Priestern und vielen Personen von dem ein-
stürzenden Mönchsberge erschlagen. Vierzehn Häuser, das
genannte Alumnatsgebäude wie die daneben befindliche
Kirche und mehr als 250 Personen gingen dabei zu Grunde.
— Unter den Aebten waren ferner Placidus Maderer und
Anton Moser, der Erbauer des Conventstockes sammt der
Bibliothek, ehedem Professoren, Auch als Schriftsteller
haben sich nicht wenige hervorgethan. So heisst es in
der Hist. Univers. p. 401 von P. Paris Gille: Neque Paridi
sua desunt elogia, quem Oratorem et Poetam haud vul-
garem edita probant opera, quin et ipsa Universitas, dum
anno MDCLV ßhetoricas leges explanaret, singularis elo-
quentiae et innatae Poeseos laudem tribuit (f 1701). Ferner
seien noch die hochverdienten Professoren P. Josef Stampfl
(1803—1832), P. Maurus Berndl (1805—1832) und P. Michael
Filz (1805 — 1835) erwähnt. Auf dem Gebiete der kirch-
lichen Musik war P. Werigand ßettensteiuer (f 1820), ein
intimer Freund Michael Haydns, sehr thätig. P. Emeran
Gordan (f 1876), Prior zu Mülln, war einer der belieb-
testen Kanzelredner der Landeshauptstadt Salzburg. Viele
von seinen Predigten sind noch im Manusoript vorhanden.
— Wenn auch im Laufe der Jahrzehnte, besser Jahr-
hunderte, sich an einzelnen Stiftsmüigliedern Tadelns-
werthes fand, so sind dieses eben nur geringere Ausnahmen,
Schattenseiten, die im Vergleich mit dem bereits Erzählten
nicht erheblich sind. So bewahre denn „der alte Gott"
das Ihm vertrauende Stift und lasse es unter dem gegen-
wärtigen Abte Friedrich zu erneuerter Blüthe gedeihen.
— 299 —
Das Stift zählt gegenwärtig ausser dem Abte (seit
1072 der 49.) 19 Capitularen und 3 einfache Professeu.
Das Stiftsgebäude, welches keineswegs zu den grossen zu
rechnen ist, hat eine angenehme Lage in der Mitte eines
massigen Berges, Lielon genannt, von welchem aus man
eine sehi' lohnende Fernsicht besonders gegen die bayerischen
Vorberge hat. Die Entfernung von Salzburg beträgt auf
österreichischer Seite (längs des Haunsberges) ungefähr
6 Gehstunden, auf der bayerischen Seite (über Laufen) gegen
7 Stunden, die nächste Bahnstation (Mattighofen) ist un-
gefähr 3 Gehstunden entfernt. Die Gebäude bilden ein
unregelmässiges Viereck und nimmt die Stiftskirche die
Südseite ein, die Abtei sammt den Gastzimmern und der
Volksschule die Westseite und den Mitteltrakt, der Con-
ventstock sammt der Bibliothek die Ostseite, wo sich auch
der geräumige Klostergarten befindet. Den Nordtrakt
gegen die Lielonhöhe zu bilden das Bräuhaus und mehrere
Gebäude zu Oekonomiezwecken. Die Conventschule , das
schöne Sommerrefectorium u.s.w. befinden sich in Zwischen-
trakten. Die Stiftskirche, von Aussen unansehnlich, ist
geräumig und seit ihrer letzteren einfachen und schönen
Restauration sehr zur Andacht stimmend. Die Schatz-
kammer enthält ausser einem werthvollen Altarschmuck
aus guter alter Zeit noch manche sehenswerthe Gegen-
stände. Der Bibliotheksaal hat eine überaus freundliche
Lage und ist schön ausgestattet. Die Bibliothek enthält
gegen 20,000 Bände, darunter an Handschriften auf Per-
gament 9 Bände, Handschriften auf Papier 114 Bände,
Inkunabeln (1469—1500 und 1500—1530) 552 Bände. Be-
sonders um dieselbe verdient gemacht hat sich der mehr-
erwähnte P. Michael Pilz, welcher die Aufstellung, wie
sie noch gegenwärtig eingehalten wird, vornahm und die
Kataloge, 16 Bände, eigenhändig schrieb. Im Archive
sind die ältesten noch in der Urschrift vorhandenen Schrift-
stücke die Urkunde des Bischofs Reginmar von Passau
vom Jahre 1135, sowie die Urkunde des Pabstes Innocenz IL
vom Jahre 1137. — Vor dem Stifte befindet sich die
Meierei und das ehemalige Hofrichter-, jetzt Hofwirths-
haus. Von dem Orte Michaelbeuern (Hofmark) eine Viertel-
stunde Weges entfernt ist Dorfbeuem gelegen mit der sehr
gelungen restaurirten Pfarrkirche in gothischer Bauart.
— 300 —
Das Stift besitzt fnichtbare Aecker, Wiesen und Waldung,
■wodurcli es in den Stand -gesetzt wird, den vielen An-
forderungen, "welche an dasselbe gestellt werden, nach.
Möglichkeit zu genügen, und bemüht sich nach dem
Wahlspruche des Ordens zu wirken, auf dass in AUem
Gott verherrlicht werde.
Db. Roman Baumgakten,
Archivar.
St. Paul in Kärnten.
m Eingange in das frucMbare Lavantthal stand
im 10. Jahrhunderte auf einem beinahe isolirten
Hügel die Burg der Grafen von Lavant. Grraf
Heinrich vermählte auf Anregung des Erzbischofs
Hartwik von Salzburg seine Erbtochter ßicharda an den
Grafen Siegfried von Spanheim. Aus Pietät gegen die
verstorbenen Anverwandten bewog die jimge Gräfin ihren
Gemahl, bei dem väterlichen Schlosse eine Kirche zu Ehren
des heiligen Paulus herzustellen, welche zugleich ihre
Grabstätte enthalten sollte. Ihr Sohn, Graf Engelbert I.
von Spanheim, fasste aber den Entschluss, diese seine
Burg in ein Kloster umzuwandeln.
Er sandte zu diesem Zwecke seinen ältesten Sohn
Engelberfc IL nach Hirschau, um von dem Abte "Wilhelm
eine Colonie der Hirschauer Mönche für seine Stiftung zu
erbitten. Abt Wilhelm gewährte diese Bitte und sandte
den ersten Abt Wezilo an der Spitze von zwölf Mönchen
nach St. Paul, welchen Graf Engelbert in Gegenwart seiner
Söhne Engelbert, Siegfried, Bernhard und Heinrich, sowie
einer grossen Anzahl Edler am 1. Mai 1091 auf feierliche
Weise das neue Kloster mit bedeutenden Dotationsgütern
im Lavantthale, Untersteier und Priaul übergab. Er voll-
endete den Bau der Pauluskirche und liess dieselbe im
December 1093 von dem Erzbischofe Thiemo von Salzburg
einweihen, bei welcher Gelegenheit das Kloster bedeutende
Güterschenkungen vom Erzbischofe, dem Markgrafen Poppo
von Istrien, dem Schwiegersohne des Stifters, und anderen
erhielt.
Um die Stiftung zu sichern, sandte Graf Engelbert
wegen der Erlangung der päbstlichen Bestätigung eine
Gesandtschaft nach Rom, welche aber wegen Unruhen
nicht dahin gelangen konnte. Nach seinem im April 1095
erfolgten Tode wurde er von seinem Bruder, Erzbischof
Hartwik von Magdeburg, im Grabmale in der Stiftskirche
beigesetzt. Sein Sohn Graf Engelbert H., der nachmalige
— 302 —
Markgraf von Istrien und Herzog von Kärnten (1124 — 1135),
erneuerte die Gesandtschaft und erhielt vom Pabste Urbanll.
1099 eine päbstliche ScbirmbuUe mit den Privilegien der
freien Abtwahl und freien Grabstätte für das neue Kloster,
•während Graf Engelbert zum Schirmvogt ernannt wurde.
Unter dem ersten Abte Wezilo (1091—1115), einem
Marme von grosser Gelehrsamkeit und vielen Tugenden,
nahm das Stift einen grossen Aufschwung. Erzbischof
Thiemo incorporirte demselben die Pfarre St. Egid, die
jetzige Stiftspfarre, und Erzbischof Hartwik von Magde-
burg brachte die Leichname seiner im fremden Lande ver-
storbenen Eltern, des Grafen Siegfried und der Gräfin
Richarda, zur Beisetzung nach St. Paul, bei welcher Ge-
legenheit er dem Stifte ausser einigen Gütern noch kost-
bare Paramente und Codices schenkte. Von den ein-
gewanderten Mönchen wurden Segewin später Abt von
Rosaz bei Aquileja und Gaudenz Abt von Milstat in Kärnten.
Abt Bruno (1115 — 1138) war der einzige Sohn des
Grafen Bernhard von Spanheim, somit ein Enkel des
Stifters. Unter ihm erhielt das Stift von seinem Oheime,
Herzog Heinrich IV. von Kärnten (1122— 1124), ausser dem
Gute Möchling noch bedeutende Besitzungen in Kärnten,
Steier und Friaul, welche unter dem dritten Abte Wernher
(1139 — 1159) von dem Grafen Bernhard von Spanheim und
dessen Gemahlin Kunigund, Tochter des Markgrafen Otto-
kar VI. von Steier, durch die Schenkimg der Stadt Völker-
markt und des Gutes Fresen an der Drau, sowie auch
durch die Herzogin Mechtild von Kärnten, Wittwe des
Herzogs Ulrich I. , und ihren Sohn Herzog Heinrich V.
vermehrt wurden. Reimbert von Mureck verlieh dem Stifte
die Mauthfreiheit zu Feistritz. Erzbischof Konrad von
Salzburg incorporirte demselben 1145 die Pfarre St. Martin
im Granitzthale.
Unter Aht Pilgrim (1159—1192) stand das Stift schon
in einem solchen Ansehen, dass Kaiser Friedrich I. sich
und seine Gemahlin Beatrix dem Gebete desselben empfahl,
demselben die freie Vogtwahl aus der Verwandtschaft des
Stifters bestätigte, und Pabst Alexander HI. dem Abte
und seinen Nachfolgern ausser andern Privilegien 1177
den Gebrauch der Infel gewährte. Ausserdem bestätigte
Patriarch Gottfried von Aquileja dem Stifte 1191 den Besitz
M
+5
02
— 300 —
Das Stift besitzt fruchtbare Aecker, Wiesen und Waldung,
■wodurcb es in den Stand -gesetzt wird, den vielen An-
forderungen, •welche an dasselbe gestellt werden, nach
Möglichkeit zu genügen, und bemüht sich nach dem
Wahlspruche des Ordens zu wirken, auf dass in Allem
Gott verherrlicht werde.
De. Roman Baxjmgaetkn,
ArcMvar.
St. Faul in Eiämten.
m Eingange in das fruclitbare Lavantthal stand
im 10. Jahrhunderte auf einem beinahe isolirten
Hügel die Burg der Grafen von Lavant. Graf
Heinrich vermählte auf Anregung des Erzbischofs
Hartwik von Salzburg seine Erbtochter ßicharda an den
Grafen Siegfried von Spanheim, Aus Pietät gegen die
verstorbenen Anverwandten bewog die junge Gräfin ihren
Gemahl, bei dem väterlichen Schlosse eine Kirche zu Ehren
des heiligen Paulus herzustellen, welche zugleich ihre
Grabstätte enthalten sollte. Ihr Sohn, Graf Engelbert I.
von Spanheim, fasste aber den Entschluss, diese seine
Burg in ein Kloster umzuwandeln.
Er sandte zu diesem Zwecke seiaen ältesten Sohn
Engelbert II. nach Hirschau, um von dem Abte Wühelm
eine Colonie der Hirschauer Mönche für seine Stiftung zu
erbitten. Abt Wilhelm gewährte diese Bitte und sandte
den ersten Abt Wezilo an der Spitze von zwölf Mönchen
nach St. Paul, welchen Graf Engelbert in Gegenwart seiner
Söhne Engelbert, Siegfried, Bernhard und Heinrich, sowie
einer grossen Anzahl Edler am 1. Mai 1091 auf feierliche
Weise das neue Kloster mit bedeutenden Dotationsgütern
im Lavantthale, Untersteier und Priaul übergab. Er voll-
endete den Bau der Pauluskirche und liess dieselbe im
December 1093 von dem Erzbischofe Thiemo von Salzburg
einweihen, bei welcher Gelegenheit das Kloster bedeutende
Güterschenkungen vom Erzbischofe, dem Markgrafen Poppe
von Istrien, dem Seh wieger söhne des Stifters, und anderen
erhielt.
Um die Stiftung zu sichern, sandte Graf Engelbert
wegen der Erlangung der päbstlichen ßestätigong eine
Gesandtschaft nach Rom, welche aber wegen Unruhen
nicht dahin gelangen konnte. Nach seinem im April 1095
erfolgten Tode wurde er von sein-sm Bruder, Erzbischof
Hartwik von Magdeburg, im Grabmale in der Stiftskirche
beigesetzt. Sein Sohn Graf Engelbert H., der nachmalige
— 302 —
Markgraf von Istrien und Herzog von Kärnten (1124 — 1135),
erneuerte die Gesandtschaft und erhielt vom Pabste Urbanll.
1099 eine päbstliche SchirmbuUe mit den Privilegien der
freien Abtwahl und freien Grabstätte für das neue Kloster,
während Graf Engelbert zum Schirmvogt ernannt -wurde.
Unter dem ersten Abte Wezilo (1091 — 1115), einem
Maime von grosser Gelehrsamkeit und vielen Tugenden,
nahm das Stift einen grossen Aufschwung, Erzbisehof
Thiemo incorporirte demselben die Pfarre St. Egid, die
jetzige Stiftspfarre, und Erzbischof Hartwik von Magde-
burg brachte die Leichname seiner im fremden Lande ver-
storbenen Eltern, des Grafen Siegfried und der Gräfin
Richarda, zur Beisetzung nach St. Paul, bei welcher Ge-
legenheit er dem Stifte ausser einigen Gütern noch kost-
bare Paramente und Codices schenkte. "Von den ein-
gewanderten Mönchen wurden Segewin später Abt von
Rosaz bei Aquileja und Gaüdenz Abt von Milstat in Kärnten.
Abt Bruno (1115 — 1138) war der einzige Sohn des
Grafen Bernhard von Spanheim, somit ein Enkel des
Stifters. Unter ihm erhielt das Stift von seinem Oheime,
Herzog Heinrich IV. von Kärnten (1122— 1124), ausser dem
Gute Möchling noch bedeutende Besitzungen in Kärnten,
Steier und Friaul, welche unter dem dritten Abte Wernher
(1139 — 1159) von dem Grafen Bernhard von Spanheim und
dessen Gemahlin Kunigund, Tochter des Markgrafen Otto-
kar VL von Steier, durch die Schenkung der Stadt Völker-
markt und des Gutes Fresen an der Drau, sowie auch
durch die Herzogin Mechtild von Kärnten, Wittwe des
Herzogs Ulrich I., imd ihren Sohn Herzog Heinrich V.
vermehrt wurden. Reimbert von Mureck verlieh dem Stifte
die Mauthfreiheit zu Feistritz. Erzbischof Konrad von
Salzburg incorporirte demselben 1145 die Pfarre St. Martin
im Granitzthale.
Unter MtiPilgrim (1159—1192) stand das Stift schon
in einem solchen Ansehen, dass Kaiser Friedrich I. sich
und seine Gemahlin Beatrix dem Gebete desselben empfahl,
demselben die freie Vogtwahl aus der Verwandtschaft des
Stifters bestätigte, und Pabst Alexander HL dem Abte
und seinen Nachfolgern ausser andern Privilegien 1177
den Gebrauch der Infel gewährte. Ausserdem bestätigte
Patriarch Gottfried von Aquileja dem Stifte 1191 den Besitz
— 303 —
der Pfarre Sfc. Lorenzen in der Wüste, -welche zu den nr-
sprünglichen Dotationsgütern gehörte. Herzogin Agnes
von Kärnten, Tochter des Herzogs Heinrich H. von Oester-
reich, beschenkte mit ihrem Sohne Herzog Ulrich H. bei
Gelegenheit der Beisetzung ihres Gemahls Herzog Hermann
in der Stiftskirche zu St. Paul das Stift mit mehreren
Gütern. Um diese Zeit wurden auf stiftlichem Grunde die
Silber- und Bleigruben bei Gozentschach aufgefunden und
in der Folge ausgebeutet.
Abt XJlrich I. (1192 — 1222) erhielt vom Pabste
Cölestin III. das Recht, ausser der Infel auch den Ring
zu gebrauchen und die kirchlicheü Gewänder zu weihen.
Er stiftete 1201 die Pfarre St. Georgen am Remschnig,
welche Erzbischof Eberhard IL von der Mutterpfarre Lava-
münd trennte und zm* selbständigen Pfarre erhob. Unter
Abt Ulrich wurde 1202 Herzog Ulrich II. in der Stifts-
kirche beigesetzt.
Abt Konrad I. von Trixen (1222 — 1237) erhielt von
dem Kaiser Friedrich II. 1226 die Confirmation des Privi-
legiums der freien Vogtwahl und das Recht, auf eigenem
Grunde auf Silber, Blei und Eisen zu graben, wie auch
zu St. Paul einen Jahrmarkt abhalten zu dürfen. Einen
schweren Schlag erlitt das Stift um diese Zeit durch den
zwischen dem Herzoge Bernhard von Kärnten und dem
Bischöfe Ekbert von Bamberg ausgebrochenen Kampf, in-
dem dessen Güter bedeutenden Schaden erlitten. Dazu
kam noch, dass der Abt Stiftsgüter an seine Verwandten
und Freunde verschleuderte, bis durch Vermittlung des
Herzogs Bernhard als Vogt der Pabst mittelst Absetzung
des Abtes Einhalt that. Die folgenden Aebte Leonard
(1237 — 1240) tmd HartwiJc suchten diese entrissenen Güter
wieder an das Stift zu bringen. Unter Abt Hartvrik (1240
bis 1248) überliessen Friedrich und Hartnid von Pettau
dem Stifte das Patronats- und Vogteirecht über die Pfarr-
kirche St. Georgen unter Stein.
Abt Luitold, Graf von Pfannberg (1248—1258), be-
förderte die ökonomischen Angelegenheiten und hob die
Disciplin. Er wurde für sich und seine Nachfolger 1257
von dem Patriarchen Gregor von Aquileja zum Archidiakon
über St. Lorenzen in der Wüste ernannt und erhielt von
dem Herzoge Bernhard, welcher am 10. Januar 12^6 in
— 304 —
der Kirclie zu St. Paul beigesetzt wurde, die niedere
Gerichtsbarkeit über seine Unterthanen und Grüter.
Abt Gerhard von Ennsthal (1258 — 1275) batte wieder-
holt gegen Edle, selbst gegen den Herzog Ulrich III, als
Bedränger des Stiftes zu streiten. Erst als der Abt dem
Herzoge die Vogtei über das Stift abnehmen und dem
Könige Ottokar von Böhmen als Herzog von Steiermark
übergeben wollte, gab derselbe nach und schloss einen
Vergleich, nach welchem der Herzog von unrechtmässig
aufgelegten Steuern abstand und den Besitz der Stadt
Vöikermarkt mit der Haussteuer, dem Zolle, der Mauth
und allen Marktrechten dem Stifte zusprach. Als Abt
Gerhard 1275 Bischof von Lavant wurde, fährte er die
Administration der Abtei noch bis 1278 fort. In dieser
Zeit war das Stift in Streitigkeiten mit dem Grafen Hein-
rich von Pfanoberg verwickelt. Graf Heinrich überfiel das
Stift, nahm den Bischof Gerhard gefangen und führte ihn
unter schweren Misshandlangen vor das Schloss Stein an
der Korälpe, welches der Erzbisehof von Salzbui-g dem-
selben als bischöfliche Residenz überlassen hatte, und
zwang ihn mit gezücktem Schwerte zur Uebergabe des
Schlosses. Erst unter dem folgenden Abte Hermann I.
(1278 — 1283) wurde durch König Rudolf von Habsburg der
Streit zu Gunsten des Stiftes entschieden. Unter Abt Gerhard
wurde 1264 die jetzige romanische Stiftskirche eingeweiht.
Abt Hermann I. trat ebenfalls energisch für die Rechte
des Stiftes auf und bewog unter anderem den Grafen
Heinrich von Pfannberg, das Schloss Unterdrauburg als
Lehen des Stiftes anzuerkennen. Die beständigen Kämpfe
mit verschiedenen Edlen wegen der Eingriffe in die Rechte
des Stiftes bewogen ihn, den Erzbiachof zu bitten, dass
er auf die Abtwürde resigniren dürfe, weil ihm die Kräfte
fehlten, zum Wohle des Stiftes zu wirken.
Die folgenden Aebte Dietrich Pruchler (1284 — 1289),
aus dem Stifte St. Peter in Salzburg postulirt, . Konrad II.
(1289 — 1302) und Eudolf (1302 — 1311) zeichneten sich
vorzüglich durch sparsame Wirthschaft aus, welche ihnen
erlaubte, mehrere Vogteirechte über stiftliche Güter ab-
zulösen und Güter anzukaufen. Abt Rudolf belehnte den
Herzog Heinrich von Kärnten nnd König von Böhmen mit
der Burg und dem Markte Unterdrauburg.
— 305 —
Abt Weriand (Ibll — 1314) stand in hohem Ansehen
bei den Fürsten seiner Zeit. Herzog Heinrich yi. von
Kärnten bestellte ihn znm Vicedome in Kärnten und Krain,
die Herzöge Friedrich nnd Leopold von Oesterreich aber
nannten ihn ihren Herrn und geistlichen Vater, als er sie
1312 mit der Burg Mahrenberg belehnte. Sein Nachfolger
Abt Nikolaus (1314 — 1325) zeigte in Bezug auf Güterver-
waltung und Aufrechthaltung der Rechte des Stiftes gegen
verschiedene Uebergriffö mehrerer Edlen grosse Thätigkeit ;
allein er fügte dem Stifte in Bezug auf Disciplin einen
bedeutenden Schaden zu, indem er dem Convente die Ein-
künfte der Mauth und des Zolles zu St. Paul, sowie auch
einige Güter überliess, wodurch eine Gütertheilung ent-
stand, welche zur Lockerung der Disciplin beitrug. Erst
Abt Hieronymus schaffte dieselbe wieder ab.
Abt Heinrich I. (1325 — 1356) war ein Mann von
grossen Tugenden, ein Freund des Gebetes und geistlicher
Hebungen, wodurch Frömmigkeit und klösterlicher Geist
auch bei seinen Untergebenen sehr gehoben wurde. Da-
her stand er auch bei den Landesfürsten in grossem An-
sehen, so dass König Friedrich und Herzog Albrecht IL
von Oesterreich (seit 1335 auch Herzog von Kärnten) ihn
zu ihrem Kaplane ernannten und dem Stifte verschiedene
Privilegien ertheilten. Dabei vergass er auch nicht, die
Rechte des Stiftes gegen mehrere Edle und selbst gegen
die herzoglichen Richter, welche sich Uebergriffe, besonders
unter dem Titel der Vogtei, erlaubten, zu wahren, und
erwirkte unter anderem gegen die Edlen von Walsee den
herzoglichen Richterspruch in Bezug auf die Gerichtsbar-
keit am Remschnig, gegen die Herren von Wildhaus wegen
des Besitzes der Güter Holern und Rast, und beendete
einen langwierigen bis zum Blutvergiessen ausgearteten
Streit mit Rudolf von Rabenstein wegen streitiger Grenzen.
Khi Konrad III. Neuhofer (1359—1391), der dritte
Nachfolger Heinrichs L, aus dem Stifte St. Peter in Salz-
burg zur Abtwürde postulirt, entwickelte eine besondere
Thätigkeit in innem und äussern Angelegenheiten. Er
belehnte den Herzog Rudolf IV. und dessen Bruder mit
4ea Festen Saldenhofen tmd Schmielenburg, wogegen ihn
die Herzöge zu ihrem Kaplane ernannten und verschiedene
Privilegien confirmirten. Die Gunst der Herzöge, welche
Ein Benediktinerbach. 20
— 306 —
zugleich Schirmvögte des Klosters waa-en, hinderte aber
den Grafen Hermann von Cilli und andere Edle nicht,
dem Stifte an seinen Gütern Schaden zuzufügen. Auch
die Streitigkeiten mit den Brüdern Wilhelm und Purkhard
von Eabenstein lebten -wieder auf und dauerten trotz
■wiederholter Rechts- und Schiedsiichtersprüche durch lange
Zeit fort. Unter Abt Konrad traf das Stift ein schweres
Unglück. Am Palmsonntage 1367 geriethen das Stifts-
gebäude und die Kirche derart in Brand, dass iii kurzer
Zeit blos eine Ruine da -war und selbst die ganze kirch-
liche und häusliche Einrichtung und ein Theil des Archivs
und der Manuscripte ein Raub der Flammen wurden. Der
tbätige und umsichtige Abt verschaflFte sich Geld durch
"Verpfändung einiger Güter. Damit stellte er die Wohnung
für den Convent wieder her, liess die Kirche eindecken,
begann den Bau des gothischen Gewölbes über dem Presby-
terium und liess fünf Altäre aufstellen, welche am 27. Mai
1375 von dem Bischöfe Heinrich von Lavant eingeweiht
wurden. Herzog Albrecht befreite das Stift zur Erleich-
tenmg des grossen Schadens auf einige Jahre von Steuern
und Abgaben.
Das Ende des 14. Jahrhunderts war für das Stift ein
trauriges. Abt Hermann II. von Schwamberg (1391 bis
1401) zog demselben durch sein freies weltliches Leben
und seine schlechte Wirthschaft grosse äussere und innere
Verluste zu, daher er 1399 im Auftrage des Erzbischofs
Gregor abgesetzt und Caspar FürJiolser zum Abte ein-
gesetzt wurde. Dadurch wurde die Unordnung noch gröf ser,
indem auch Abt Hermann sich mit Gewalt behauptete.
Der Convent war in zwei Parteien getheilt, welche sich
gegenseitig anfeindeten; daher auch alle Disciplin aufhörte.
Da griff Herzog Wilhelm ein. Er setzte 1401 beide Aebte
ab und liess einen neuen Abt, Ulrich III. Schrimpf (1401
bis 1414) wählen. Da bisher die Aebte unmittelbar unter
dem Pabate standen und von demselben die Confirmation
erhielten, wollte auch Abt Ulrich an diesem Rechte fest-
halten; äUein der Erzbischof und der Herzog bedrohten
ihn mit der Absetztmg, so dass er nachgeben musste.
Daher wurden in Zukunft die Aebte von den Erzbischöfen
cpnfirmirt. Diese Unordnungen im Hause selbst hatten
änssere Feinde zur Beschädigung der Güter benützt; allein
— 307 —
Abt Ulrich kämpfte rüstig gegen dieselben, nachdem er
im Innern die Ordnimg hergestellt hatte, und hinterliess
das Stift in geordnetem Znstande.
Auch sein Nachfolger, Abt Ulrich IV. JSckUnger
(1414 — 1432) hatte Angriffe, wodurch viele Güter be-
schädigt wurden, zurückzuweisen. Der Pfleger von Mahren-
berg, Haus Schrampf, erlaubte sich Bedrückungen, Aus-
schätzung imd Gefangennehmimg stiftlicher ünterthanen
unter dem Titel des Vogtes, so dass Herzog Ernst und
auch Herzog Friedrich wiederholt einschreiten mussten.
Der Streit mit den Brüdern von Rabensteia nahm neuer-
dings solche Dimensionen an, dass dieselben den Abt mit
seiner Begleitung beim Austritte ans dem Elosterthore
überfielen, einen Diener erschlugen und mehrere gefengen
fortführten. Herzog Ernst Hess den Streit entscheiden,
und der Abt kaufte daim, um die Streitpunkte vollkommen
zu beseitigen, die bestrittenen Auen u, s. w. an. Abt Ulrich
baute mit grossen Kosten das gothische Gewölbe über den
drei Schiffen der Stiftskirche und fährte auf Anordnung
des Erzbischofs Eberhard eine strengere Klosterordnung ein.
Abt Johann I. Poschenbeuter (1432 — 1446) hatte eben-
falls gegen die Anmassungen des herzoglichen Pflegers von
Mahrenberg zu kämpfen. Herzog Friedrich V. machte dem
Zwiste dadurch ein Ende, dass er 1437 die Feste und das
Landgericht Mahrenberg dem Abte überliess, dessen Pfleger
dem Landesfürsten Treue, Gehorsam und Offenhalten der
Burg schwören musste und dafür mit dem Blutbanne be-
lehnt wurde. Abt Peter trat dasselbe 1453 wieder an
Kaiser Friedrich ab, welcher aber die stiftlichen ünter-
thanen dafür von jeder Yogtei und Robot für Mahrenberg
befreite und den Abt mit dem Blutbanne über dieselben
belehnte. Unter Abt Johann trafen St. Paul noch schwere
Schicksale. Aus Treue gegen Herzog Heinrich V. Hess der
Abt bei dessen Kampfe mit den Grafen von Cilli seinen
Burggrafen von Mahrenberg mit sämmtlicher verfügbaren
Maimschaft zum Heere des steierischen Landeshauptmaimes
Johann von Stubenberg stossen. Aus Rache belagerte der
cillische Burggraf von Mautenberg die Feste Mahrenberg,
zwar ohne Erfolg; allein er liess sämmtliche Stiffcsgüter
am -Remschnig imd zu St, Lorenzen in der Wüste und um
Marburg verwüsten und ünterthanen, sowie den Pfarrer
20*
— 308 —
Jakob von St. Lorenzen gefangen abführen. Am 31. Mai
1439 kam ein cülischer Heerhaufen in das Larantthal,
verbrannte den Markt St. Panl, die Pfarrkirche St. Erhard
und viele Grüter; ja selbst das entfernte Möchling imlnn-
thale wurde durch Freunde der Cillier heimgesucht.
Den folgenden Abt Peter Knapp (1446—1455) wählte
nicht das Capitel, sondern er wurde von dem Erzbischofe
Friedrich IV. emaimt^ weil er als Prior durch Ehrbarkeit
der Sitten, Eifer für die Klosterdisciplin, Umsicht in geist-
lichen und weltlichen Angelegenheiten sich ausgezeichnet
hatte. Der Abt entsprach den Hoffnungen des Erzbischofs
und führte eine strengere Hausordnung ein, indem unter
seinem Vorgänger in Folge der imglücklichen Ereignisse
die Disciplin verfallen, ja selbst ein Theil der Conven-
tualen entflohen war. Die trostlose, durch den cillischen
Einfall herbeigeführte Finanzlage des Stiftes und die vom
Kaiser Friedrich in seinem Streite wegen der Vormund-
schaft über König Ladislaus ausgeschriebenen Kriegs-
rüstungen nöthigten den Abt, mehrere Güter in Kärnten
und Steier zu verkaufen. Kaiser Heinrich verlieh ihm 1453
einen Jahrmarkt für das Dorf Maria Rast.
Aht Johann II. JEcMinger (14:55 — 1483) verwaltete sein
Amt in schwierigen Zeiten auf eine vortreffliche Weise.
Er hob die Disciplin derart, dass Abt und Convent in
grossem Ansehen standen. In Folge seiner guten Wirth-
schaft erwarb er trotz der ungünstigen' poUtischen Ver-
hältnisse mehrere Güter in Kärnten und Steier; auch
schlichtete er mehrere Rechtsstreite. Vielfach aber nahmen
die unruhigen Zeiten den Abt, welcher kaiserlicher Rath
war, in Anspruch. Die Streitigkeiten des Kaisers mit
seinem Bruder, Herzog Albrecht VI., der Aufstand Baum-
kirchers und dessen Genossen, die Türkeneinfälle in Kärnten,
der Bauernaufstand in Kärnten und endlich der Krieg des
Kaisers mit König Mathias von Ungarn als Bundesgenossen
des Erzbischofs von Salzburg spannten die Thätigkeit des
Abtes theüs als kaiserlichen Rathes, theils als eines der
vornehmsten Mitglieder der Landstände bei den vielen in
dieser Zeit gehaltenen Landtagen bedeutend an. Mehrere
Male berief ihn der Kaiser zu persönlichen Unterredungen
und die Landstände übergaben ihm die Aufsicht und Aus-
führung der Verschanzungen gegen die •Türken im Drau-
— 309 —
thale. Beim Ausgleiche mit Baumkirclier zu Völkermarkt
war er unter den Mitgüedem der Stände von Kärnten, und
Steier, welclie sich zur Zahlung der Schulden an denselben
Terpflichteten. Beinahe bei jedem Türkeneinfalle hatte das
Stift Schaden an einigen Gütern, besonders bei Möchling
im Innthale, zu leiden. Am schwersten wurde es 1476
getroffen. Damals brachen die Türken in das Lavantthal
ein, schlugen ein Lager bei St. Paul, verbrannten den
Markt und bei einhundert Hüben der Umgebung, konnten
aber das Stift; wegen der guten Vertheidigungsanstalten
des Abtes nicht erobern. Hierauf zogen sie die Drau ab-
wärts üher Marburg, verwüsteten die zahlreichen Güter
des Stiftes im Drauthale und führten viele Unterthanen
gefangen fort. Zu St. Paul bestand seit dem 12. Jahr-
hunderte eine Klosterschule, an welcher um diese Zeit
auch weltliche Lehrer lehrten.
Abt Johann III. Hechtl von Landau (1483 — 1488)
war in den fortdauernden Kriegszeiten ein Unglück für
das Stift. Die schweren durch die Ungarn und Türken
erlittenen Verluste, sowie die fortdauernden grossen Kriegs-
steuern hatten das Stift verarmt. Da suchte der Abt in
diesen ungünstigen Zeiten Güter zu verkaufen, woran er
aber bald auf die Bitte des Convents von dem Erzbischofe
und Kaiser gehindert wurde. Da er selbst als früherer
Pfarrer von St. Lorenzen der klösterlichen Digciplin ent-
wöhnt war, konnte er dieselbe auch als Abt nicht auf-
recht erhalten; daher bald Zwiste zvTischen ihm und dem
Convente entstanden. Auf die Bitte des Convents kam
eine Untersuchungscommission nach St. Paul, welche bald
constatirte, dass die Klagen gegen den Abt nicht aus
Animosität, sondern zum Nutzen des Stiftes erhoben waren.
Dies bewog den Abt, auf die Abtwürde, obwohl unter
schweren Bedingungen, zu resignireu. Während seiner
Regierung wurde 1485 die Pfarre St. Georgen unter Stein
incorporirt.
Abt Sigmund Jöbstl von Jöbstlberg (1488 — 1498) war
ein Mann von grosser Frömmigkeit imd bedeutender
Lebenserfahrung, daher sich unter ihm die Verhältnisse
günstiger gestalteten. Er suchte verschiedene Streitig-
keiten auszugleichen, verwendete aber sein Hauptaugen-
merk auf eine gute Wirthschaft, so dass er ita Stande
— 310 —
war, die Wiederherstellung des Klostergebäudes fortzu-
setzen und die Kirch.e mit neuen Altären zu schmücken.
Er haute auch die Hofmühle an der Lavant. Für sein
grosses Ansehen hei seinen Zeitgenossen sprechen die
Umstände, dass Erzbischof Friedrich ihm 1491 das Eecht
überträgt, jene Pfarrer, welche der Bischof Erhard von
Lavant in den erzbischöflichen Archidiatonaten von Unter-
kämten, Steier rtad der March präsentirt, im Namen des
Erzbischofs zu investiren und in den Besitz zu setzen, und
dass ihn Kaiser Friedrich zum Vicedome inKämten ernannte.
Ihm folgte Abt Bernard TrettJian (1498—1500), ein
gelehrter, geschäftstüchtiger Mann, welcher als Prokurator
des Stiftes früher einige Geschäfte in Rom abgewickelt
hatte ; er starb leider zu früh.
Abt Johann IV. ParenpicJiler (1500—1515) war ein
frommer, milder Mann, welcher auch durch gute Wirth-
schaft das ihm anvertraute Stift hob. Unter ihm wurde
1506 die Pfarre St. Paul unter Homburg incorporirt. Allein
durch seine Resignation versetzte er dem Stifte einen
empfindlichen Schlag. Kaiser Maximilian I. bewog ihn
dazu zu Gunsten des Ulrich Pfinzing, kaiserlichen Rathes
und obwohl Laie doch Probst von St. Alban in Mainz und
Pfarrer zu Weisskirchen in Steiermark. Ulrich musste nun,
als er Abt wurde, das Klosterkleid anlegen und sich zum
Priester weihen lassen; der Kaiser aber stellte dem Con-
vente den Revers aus, dass in Zukunft die Abtwahl nach
den Privilegien wieder eine freie sein sollte. Mit der
Regierung des Ulrich Pfinzing beginnt die unheilvollste
Periode für die Abtei.
Abt Ulrich V. Pfinzing (1515—1530), ein durchaus
weltlich gesinnter Mann, liess sich erst nach langem Zögern
1516 zum Priester weihen, schämte sich aber bald des
klösterlichen Kleides und erwirkte sich die Erlaubnis,
seidene Kleider und dann selbst die Kleidung des Säcular-
Klerus tragen zu dürfen. Er hielt sich mehr am Hofe des
Kaisers als im Kloster auf, und kam blos in dasselbe,
um sich wieder mit Geld zu versehen, womit er theils
dem Kaiser Darlehen machte, theils ein verschwenderisches
Leben am Hofe führte. Eine Menge Güter wurden von
ihm verkauft oder verpfändet und eine grosse Schulden-
last auf das Stift gewälzt. Selbst die Kostbarkeiten des
— 311 —
Stiftes, wie Pectoralien, Kelche, ein Kreuz mit Diamanten
und Smaragden u. s. w., verschwanden. In Innsbruck soll
er selbst seine eigenen Kleider wegen Schulden verkauft
haben. Durch ein solches Gebahren musste das Stift an
den Bettelstab gebracht werden; es wäre auch zu Grunde
gegangen, wenn der Abt nicht 1530 den heilsamen Ent-
schlusa gefasst hätte, zu resigniren. Allein selbst im letzten
Augenblicke beraubte er noch das Haus, so dass sein Nach-
folger weder Wein, Vieh, Getreide, noch Wäsche, Haus-
geräthe oder Rüstungen, somit im buchstäblichen Sinne
ein leeres Haus vorfand. Doch hiermit war es noch nicht
genug. König Ferdinand I. erliess nach der vergeblichen
Belagerung Wiens durch die Türken 1529 den Befehl, den
vierten Theil der Kirchengüter zur Bestreitung der Kriegs-
kosten zu confisciren und zu verkaufen, welche Massregel
unter den folgenden Aebten Veit Pissinger (1530) und
Mathias Furtner (1530—1550) durchgeführt wurde.
Ueberdies musste Abt Mathias dem Könige auch noch
wiederholt Darlehen machen, zu welchem Zwecke er
mehrere Güter verpfändete. Dazu kam noch ein Einfall
der Türken. Als Sultan SoHman nach der Eroberung von
Güns in Steiermark einfiel, wurden die steierischen Güter
verheert. Bei Unterdrauburg und an den Pässen über die
Koralpe wurden die Türken zwar aufgehalten; allein sie
brachen über die Packalpe in das obere Lavantthal ein.
Das Stift hätte zu Grunde gehen müssen, wenn nicht Abt
Mathias mit Hülfe des Erzbischofs und des Landesfürsten
einige vom Abte Ulrich weggeführte Gegenstände und ver-
schleuderte Güter zurückerhalten hätte. Er hinterliess,
obwohl er als ein guter und sparsamer Hauswirth ge-
schildert wird, eine ungeheuere Schuldenlast.
Auch seine Nachfolger, die Aebte Jakob Fachler (1550
bis 1558), TÄomas Jfwr (1558 — 1576) midi Andreas Schaff ei'
(1576 — 1583), vermehrten die Schulden für die von den
Landesfürsten gemachten Anlehen und die fortdauernden
Kriegssteuem und Rüstungen. Sie mussten zu diesen
Zwecken ebenfalls Güter verkaufen und verpfänden. Abt
Thomas war überdies der Abtwürde unwürdig. Er ver-
waltete die Abtei im Innern und Aeussem nachlässig und
lebte mit seinen Freunden so wenig klösterlich, dass bald
Zwiste zwischen ihm und dem Convente entstanden. Die
— 312 —
zur Untersucliuiig vom Kaiser gesendete Commission -wusste
der Abt für sich zu gewinnen, so dass er Recht beMelt,
der Pfarrer im Stifte aber als der lutherischen Lehre zu-
gethan entfernt wurde. Aber bald begaim das scandalöse
Leben des Abtes von neuem; daher wurde er von dem
Erzbischofe Johann im Vereine mit dem Erzherzoge Karl IL
abgesetzt und der Prior Adam Schrötl zum Administrator
ernannt. Abt Andreas aber gerieth sogleich mit dem Erz-
bischofe und Landesfürsten in Streit, weil er ohne ihren
Consens und durch Yersprechungen gewählt wurde, so
dass seine Confirmation erst im October 1578 erfolgte.
Da auch sein Lebenswandel der Klosterordnung nicht ent-
sprach und die Administration der Güter ganz vernach-
lässigt wurde, so wurde auch er abgesetzt. Unter solchen
Umständen ist es erklärlich, dass auch die DiscipUn in
gänzlichem Verfalle war imd einige Conventüalen das
Kloster verliessen. Dass aber in diesen trüben Zeiten auch
ausgezeichnete Männer in St. Paul lebten, zeigt der Um-
stand, dass 1565 der Conventuale Paul Leisher zum Abte
von Klein-Mariazell in Oesterreich und 1593 Adam Schrötl
zum Abte von Ossiach in Kärnten postulirt wurden.
Mit Abt Vineenz Lechner (1583—1616), aus dem Stifte
St. Lambrecht in Obersteier postulirt, trat wieder eine
bessere Zeit ein. Er besass ausgezeichnete Naturgaben,
milde Sitten und grosse Gelehrsamkeit, so dass er bald
allgemein geliebt und geachtet wurde. Die Landstände
■v^ählten ihn in den grossen Ausschuss, der Landesfürst
übertrug ihm wiederholt Geschäfte zur Durchführung und
ernannte ihn zum Landesvicedome. Er hob die Disciplin,
suchte verpfändete Güter einzulösen und Schulden ziu be-
zahlen, da ihm Erzherzog Karl die früher dem Kaiser
Ferdinand I. gemachten Darlehen restituirte. Da auch um
St. Paul die Reformation Wurzel geschlagen hätte, erhielt
der Abt von dem Erzherzoge Ferdinand 11. äen Befehl,
dieselbe auszurotten. Von Alter und Krankheit geböugt,
musste er in seinen letzten Jahren die Adrüinistration
änderen Händen überlassen, wodurch sowohl diese als
auch die Disciplin wieder verfielet.
Sein Nachfolger, Abt Johxinn V. Pferinger, dankte
einige Tage nach der Wähl wieder ab und machte dem
Abte Hieronymus Marchstaller (1616—1638), dem Restau-
— 313 —
rator des Klosters, wegen seiner erspriesslichen Thätigkeit
auch der zweite Stifter genannt, Platz.
Abt Hieroriymus , Profess von Ochsenhausen und zur
Zeit seiner AbtWahl Prior zu St. Lambrecht in Obersteier,
söhritt sogleicb zur Herstellung einer strengeren klöster-
liclien Ordiiung, indem er dem Convente die eigenen Güter,
welcbe viel zum Verfalle der Zucht beigetragen hatten,
wögnahm und durch neue Constitutionen den Gottesdienst,
die Clausuf und die ganze Hausordnimg feststellte. Er
veranlasste wiederholt Visitationen des Klosters, um da-
durch den klösterlicheü Geist zu heben, was ihm so sehr
gelang, dass bald seinö Conventualen nach Ossiach und
Admont zur Unterstützung der dortigen Aebte berufen
wmrden. Hierauf begann er die Renovirung der Earche,
schaffte einige neue Altäre und eine neue Orgel an, Hess
die Kirche mit Steinplatten pflastern und bereicherte die-
selbe mit einigen kostbaren Ornaten aus Mailand und
Venedig, welche er von seiner Reise nach Rom mitbrachte,
sowie auch mit einer mit Perlen und Edelsteinen besetzten
Infel und anderen Kirchengeräthen aus Gold und Silber.
Zur Aufbewahrung der Kirchenschätze baute er die grosse
Salöistei, bei welcher Gelegenheit die Gebeine der Stifter-
Familie Spänheim erhoben und unter einem neu errich-
teten Monumente wieder beigesetzt wurden. Er begafin
den Neubau des Klostergebäudes, da das alte durch den
Brand von 1367 und das Alter ganz baufällig war, reno-
virte die alte Pfarrkirche St. Erhard beim Stifte, baute
eine neue Kirche Maria Hilf in der Wüste, sowie Kapellen
in den Schlössern Unterdrauburg und Rabenstein. Das seit
dem 13. Jahrhunderte zu St. Paul bestehende tmd mit
eigenen Gütern dotirte Spital für Arme stellte er wieder
neu her und erbaute für den TJnterrieht der Kinder seiner
¥nterthanen ein neues Schulhatis, bei welchem eigene
Lehrer neben der schon lange bestehenden lateinischen
Klosterschule angestellt wurden. Bei den Landstajuden
betrieb er den Bau der heiligen Geistkirche in Klagenfurt,
zu welcher er am 24. Juni 1630 den Grundstein legte, und
gab sein Gutachten über die Pundirung eines Frauenklosters
daselbst ab. Er legte 1627 den Grundstein zur Elrche
St. Christoph bei Osterwitz, 1635 zum Capuzinerkloster in
Wolfsbers: und weihte den Friedhof daselbst ein.
— 314 —
Wie für das Geistliche sorgte er auch für die Tem-
poralien. Er Hess die Urbarien neu aufnehmen, löste,
mittelst guter Wirthschaft dazu in Stand gesetzt, ver-
pfändete Güter ein, zahlte Schulden ab und kaufte noch
die Herrschaften Rabensteiu und Unter drauburg und mehrere
kleinere Besitzungen. Den Landsfänden sprang er in der
Noth mit Darlehen bei und betheiligte sich sogleich an
dem durch Kaiser Ferdinand von der Geistlichkeit ver-
langten Subsidium, während Andere sich weigerten.
In Folge dieser seiner Thätigkeit und vortrefflichen
Eigenschaften stand er und sein Kloster in solchem An-
sehen, dass der Prior Alex Gerer von St. Paul mit Zu-
stimmung des Erzbischofs und Erzherzogs Ferdinand 1617
zum Abte von Ossiach postulirt wurde. Abt Hieronymus
selbst wurde Archidiakon von Unter kärnten und 1618 nach
dem Tode des Bischofs Georg III. von Lavant General-
vicar und Administrator des Bisthums ; er erhielt die Würde
eines erzbischöflichen Rathes und wurde mit der Installa-
tion des neuen Bischofs Leonhard II, von Lavant und des
neuen Domprobstes Johann Gambazi betraut. Ebenso er-
nannte ihn der Erzbischof zu seinem Commissar bei der
Neuwahl dos Abtes von Ossiach, welche 1622 auf seinen
Conventualen, den St. Pauler Prior Georg Schweitzer, fiel.
Die Landstände wählten den Abt wiederholt in den grossen
Ausschuss und zum ständischen Verordneten, und über-
trugen ihm wichtige Geschäfte, wie die Unterhandlung
über die Uebernahme und Unterhaltung der Militärgrenze.
Die Gnade des Kaisers Ferdinand II. erwarb er sich da-
durch, dass er 1616 ausser der Stellung seiner Mannschaft
zum friaulischen Kriege dem Kaiser bedeutende Massen
Getreide schenkte. Dieser bestätigte ihm daher auch die
Rechte der Abhaltung eines Jahrmarktes, der Wochen-
märkte und Kirchtage zu St. Paul und andere Privilegien
des Stiftes, und ernannte ihn zum kaiserlichen Rathe.
Als 1617 die Universität zu Salzburg gegründet und den
Benediktinern übergeben wurde, versahen auch öfter Con-
ventualen von St. Paul daselbst einzelne Lehrkanzeln, und
Abt Hieronymus sowie auch seine Nachfolger sandten ihre
Kleriker zur weiteren wissenschaftlichen Ausbildung nach
Salzburg oder nach Graz.
Abt Paul Memminger (1638 — 1660) machte sich durch
— 315 —
seine Bescheidenlieit liebenswürdig, so dass er, obwohl
er eine strenge Hausordnung einhielt, doch allgemein
beliebt war. Er besass einen hohen Verstand und war in
den freien Künsten wohl erfahren. Den Klerikern tradirte
er vor seiner Abtwahl die Philosophie. In der Wirthschaft
hatte er Wenige über sich. Er baute die Kirchen St. Kolman
bei Ehrnegg und St. Margarethen bei St. Paul neu auf
und setzte den durch seinen Vorgänger begonnenen Neu-
bau des Convents fort, welcher 1643 vollendet wurde,
worauf er zu einem weiteren Theile des Stiftsgebändes
den Grrund legte. Er kaufte 1651 die Herrschaft Kolnitz,
ferner das Amt Goding im Lavantthale und Weingärten
in Untersteier. Auch löste er verpfändete Güter, wie den
Krapflhof und den Hof zu St. Oswald beim Kloster und
den Welikhof bei Unterdrauburg, wieder ein. Den Land-
ständen von Kärnten und Steier lieh er bedeutende Summen.
Dieses konnte er blos ausführen, weil er eine geordnete
Wirthschaft führte und alle überflüssigen Ausgaben be-
seitigte. Seine Gerechtigkeitsliebe liess auch keines der
Rechte der Abtei verletzen. Er trat dem Bischöfe Albert
von Lavant entgegen, als dieser ihm die Vogteirechte über
die Pfarrkirche Maria-Rojach schmälern wollte, ihm den
Gebrauch der Pontificalien bei dem alljährlich von den
Landständen veranstalteten Frohnleichnams- Umgänge in
Klagenfort untersagte, und als er Inventurrechte auf den
dem Stifte incorporirten und mit Conventualen besetzten
Pfarren verlangte. Allein Abt Paul blieb immer Sieger,
weil er auf sein Recht sich stützte. Sein Ansehen war so
gross, dass die Landstände, als er auf die Stelle eines
Verordneten resigniren wollte, ihn baten, dieselbe zu be-
halten, weil sie ihn wegen seines bedächtigen und ver-
nünftigen Rathes und seines Fleisses nicht entbehren könn-
ten. Der Landesfürst ernannte ihn 1645 zu seinem Com-
missar bei der Abtwahl zuVictring; der Erzbischof Guido -
bald übertrug ihm öfter Geschäfte zur Durchführung und
ernannte ihn zu seinem Rathe, welchen Titel er auch von
dem Bischöfe von Bamberg erhielt. Für das Ansehen
seines Conventes spricht der Umstand, dass der Erzbischof
1650 zum ersten Male die Beichtväter der Benediktinerinnen-
Abtei St. Georgen am Längsee aus den St. Pauler Conven-
tualen wählte.
— 316 —
Abt Fhilvpp Eottenhäusler (1661—1677) war ein -wür-
diger NacMolger. "Wenige Monate nact seiner Wahl er-
nannte ihn Kaiser Leopold I. schon zum kaiserlichen. Rathe
mit der Motivirong, weil er die stattlichen Talente, den
hohen Verstand, die Erfahrenheit in politischen und geist-
lichen Sachen wahrgenommen, und wegen der treuen Dienste,
welche er ihm sogleich nach dem Antritte der Prälatur
geleistet habe. Kurze Zeit darauf erfolgte seine Ernennung
zum salzburgischen und bambergischen Rathe. Der Erz-
bischof Maximilian Gundolf beauftragte ihn mit der Unter-
suchung der zwischen dem Abte und Convente zu Ossiach
herrschenden Zwiste; die Landstände aber wählten ihn
zum Verordneten. Im inneren Haushalte hielt er Ordnung
und Disciplin aufrecht und ging selbst mit gutem Beispiele
voran. Er war einfach in der Kleidung, so dass man den
Abt nicht aus dem Gewände, sondern blos aus den Tugenden
erkennen koimte. Er sandte die Kleriker wie seine Vor-
gänger zu den Studien nach Salzburg und Graz, bis er
1673 eine philosophische und theologische Hauslehranstalt
errichtete. Dabei -vernachlässigte er nicht die äussere
Wirthschaft, Er setzte auch den Bau des Stiftsgebäudes
fort, baute den Musikchor in der Stiftskirche und bestellte
eine neue Orgel, Die Filialkirchen St. Benedikt am Wein-
berge und St, Radigund bei Eis liess er neu herstellen.
Die Stiftsgüter vermehrte er durch Ankauf; so kaufte er
unter Anderen die Herrschaften Oberlembach bei Marburg,
Lävamünd und Loschenthal bei St. Paul und das Gut
Mosern im Lavantthale. Diese Güterkäufe, sowie die wegen
der Kriegszeiten bedeutenden Steuern und Rüstungen, die
Auslagen für Verpflegung und Bequartierung der durch-
ziehenden Truppen zu Lavamünd und Unterdrauburg waren
die Ursachen, dass Abt Philipp bei seinem Tode eine ziem-
liche Schuldenlast hinterliess.
Abt Albert Beichart (1677—17^7) -vnirde wegen seiner
Gelehrsamkeit hoch geschätzt; er schrieb vor seiner Abt-
wahl das „Breviarium historiae Cajrinthiacae*'. In der
Disciplin war er genau und hielt dieselbe trotz der schweren
Zeiten besonders durch öftere Visitationen aufrecht. Er
sorgte für die Pflege der Wissenschaften und sandte einige
seiner Kleriker in die Studien nach Salzb-urg oder Graz,
obwohl die eigene Hauslehranstalt so tüchtige Lehrkräfte
— 317 —
besass, dass andere Aebte ihre Kleriker nacb St. Paul
gaben. Zugleich, bestand damals ein sehr besuchtes Gym-
nasium zu St. Paul, was daraus zu schliessen ist, dass der
Abt wegen Mangel an Raum selbst Söhne adeliger Fami-
lien zurückweisen musste. Er stand wegen seiner Thätig-
keitbeimPabste und Kaiser in Ansehen. Pabst Alexander Vlfi.
verlieh dem Stifte die Privilegien der Casinensischen
Benediktiner- Gongregation und ernannte den Abt zum
Protonotar. Der Erzbischof von Salzburg und der Bischof
von Bamberg verliehen ihm den Eathstitel; die Stände
wählten ihn zum Verordneten. "Während seiner Regierung
gelangte 1T13 der Conventuäle Ernst, Graf von Schratten-
bach, zur Abtwürde von Emaus bei Prag. Abt Albert
war sehr freigebig, was für das Stift nicht vortheühaft
war und besass grosse Baulust. Trotz der schweren
Kriegszeiten setzte er den Neubau des Klosters fort, baute
die Kirche am Josefsberge bei St. Paul und Hess mehrere
andere restauriren. Diese Bauten, sowie die fortdauernden
grossen Kriegsrüstungen, die verschiedenen von den Landes-
fürsten zu Kriegszwecken gemachten freiwilligen Darlehen
und Kriegssteuem, die Auslieferung des Erchensilbers,
welches bei St. Paul in einhundert und drei Pfand Silber
bestand, bewirkten, dass der Abt bei seinem Tode über
300,000 Gulden Schulden hinterliess. Der schon Jahr-
hunderte lang bestehende Weinbau war damals noch in
der Blüthe, indem von eigenen Weingärten bei St. Paul
1680 noch fünfzig Startin gefechst wurden. Ebenso war
auch die Jagd bedeutend; die Berge von St. Paul hatten
noch Hirsche, die seit alten Zeiten im Lavantthale vor-
kommenden Biber waren noch nicht ganz verschwunden;
ebenso wurden öfter Wölfe erlegt.
Abt Johann VI. Bainer (1728 — 1742) war selbst sehr
gelehrt und hielt viel auf die Ausbildung seiner Kleriker.
Er war sehr arbeitsam und bediente sich beim Rentamte
keiner Mittelsperson, indem er selbst alles ordnete. Er
war ein guter Oekonom und hätte die Finanzen des Stiftes
wieder gehoben, wenn nicht Missjahre und ausserordentliche
Zahlungen eingetreten wären. Viele Verdriesslichkeiten
bereitete ihm der Convent, als er eine strengere Disciplin
einführen wollte und wegen der schlechten Finanzverhält-
nisse die Wünsche der Conventualen nicht befriedigen
— 318 -
konnte. Er hatte bei seinem Tode wenigstens die Passiven
nicht vermehrt.
Abt Benedikt Hasler (1743 — 1748) wurde zwei Jahre
nach seiner Wahl vom Schlage getroffen, musste daher die
Geschäfte Andern überlassen, wodurch Disciplin und Ver-
waltung bedeutend litten. Dazu kamen noch in Folge des
österreichischen Erbfolgekrieges ausser den Steuern grosse
Kriegsrüstungskosten imd sogenannte freiwillige Anlehen,
so dass das Stift seinem finanziellen Untergange immer
näher rückte.
In Abt Anselm I. PassancJco (1748 — 1778) glaubten die
Senioren des Stiftes einen Wiederhersteller der Disciplin
und tiefgesunkenen Oekonomie zu finden. Man täuschte sich
im Allgemeinen nicht. Er war sehr thätig, stellte fähige
Männer auf die wichtigsten Posten, so dass selbst, als er
als ständischer Yerordneter häufig in Klagenfurt verweilte,
die Geschäfte geordnet waren. In Klagenfort war er wegen
seiner echt geistlichen Eingezogenheit hoch geschätzt. Die
Sorge, ein wohlgeordnetes Gotteshaus zu besitzen, lag ihm
sehr am Herzen; daher er für ßenovirung und Auszierung
der Kirche sorgte. Um die Kleriker zum fleissigen Studium
anzuspornen, veranstaltete er in St. Paul philosophische
Disputationen in Gegenwart vornehmer Gäste und ver-
wandelte die lateinische Schule in ein ordentliches Gym-
nasium, indem er zu diesem Zwecke seine Conventualen
die Gymnasial-Lehramts-Prüfong ablegen liess. Aber der
Oekonomie fügten unter ihm verschiedene Brände und
Wassergüsse bedeutenden Schaden zu. Dazu kam noch
ein mit bedeutenden Kosten begonnener, aber verunglückter
Bergbau auf Kupfer am Lambrechtsberge bei Lavamünd,
sowie auch die Kriegssteuern und freiwilligen Darlehen
zu dem siebenjährigen Kriege, so dass bei seinem Tode die
Passiven abermals bedeutent vermehrt erschienen.
Abt Anselm IL Edling (1778—1782) führte Erspa-
rungen und eine geordnete Wirthschaft ein; allein es war
zu spät. Die Passiven waren zu gross. Die Gläubiger
erhoben sich, den Convent befiel Kleinmuth, besonders
weil der Abt sehr viel vom Stifte abwesend war und in
Klagenfort lebte. Da sandte Kaiser Josef II. eine Hof-
commission zur Untersuchung und hob am 4. November
1782 das Stift auf.
— 319 —
Als 1805 das fürstliclie Reichsstift St. Blasien im ehe-
maKgen habsburgischen Breisgane aufgehoben wurde, berief
Kaiser Franz I. den Fürstabt Berthold Rottler mit einer
Anzahl seiner Conventualen nach Oesterreich und übergab
ihm 1809 das alte Stift St. Paul.
Fürstabt Berfhold (1809—1826) übernahm ausser vier
Pfarren die Verpflichtung, das Lyceum, nämlich die philo-
sophische und theologische Lehranstalt, und das Gymnasium
zu Klagenfort mit Lehrkräften zu besetzen und in St. Paul
ein Gymnasium mit einem Convikte zu errichten. Er be-
setzte nach und nach diese Lehrkanzeln und selbst ein
gelehrter Mann beförderte er auch die Wissenschaften und
das selbstthätige Studium in seinem Hause, und Hess die
angehenden Professoren in Wien für ihren Beruf ausbilden.
Ich brauche blos die in der literarischen Welt bekannten
Ambros Eichhorn und Trudpert Neugart zu erwähnen. Für
die klösterliche Hausordnung war Fürstabt Berthold eifrig
besorgt; er stellte 1812 neue den Zeitverhältnissen und
der wissenschaftlichen Beschäftigung seiner Capitularen
angepasste Constitutionen auf, und Hess dieselben vom
Bischöfe Leopold III. von Lavant und dem Kaiser Franz I.
bestätigen. Er wurde Landstand von Kärnten und als
solcher Mitglied des ständischen Ausschusses. Der Kaiser
ernannte ihn zum kaiserlichen Rathe. Die jetzt im Stifte
befindliche Bibliothek, die kunst- und wissenschaftlichen
Sammlungen brachten die Blasianer mit nach Kärnten;
nur ein Theil des Archives stammt von dem alten Stifte
St. Paul. Ebenso erhoben sie die in der Gruft zu St. Blasien
beigesetzten Gebeine einiger Habsburger, darunter die der
Königin Anna, Gemahlin des Königs Rudolf von Habsburg,
der Herzoge Leopold des Ruhmvollen und Heinrich des
Anmuthigen, Söhne des Königs Albrechts I., und des
Herzogs Leopold HI. des Biederen, imd brachten dieselben
nach St. Paul, wo dieselben in einem eigenen Monumente
beigesetzt wurden. Als Dotation erhielt der Fürstabt die
Güter St. Paul und Kolnitz im Lavantthale, Ebemdorf mit
Wasserhofen im Faunthale, Törtschach am Wörthersee und
das Victringhofer Weingut mit Lembach bei Marburg.
Die Uebergabe dieser Güter verzog sich aber mehrere
Jahre. Die übernommenen Gebäude waren sämmtlich in
halbverfallenem Zustande, daher ihre Herstellung bedeutende
— 320 —
Kosten verursaclite. Zur Vermekrung des Weingärten-
tesitzes kaufte er noch Weingärten in Pickem aus dem
Pensionepaiischale, welches die grpssherzoglich badische
Regierung den eingewanderten Blasianem ausfolgte.
Abt Meinrad Aman (1827— 1839) nährte den religiösen
Sinn durch Wort und That und trat auch für die Haus-
ordnung und Disciplin auf. Selbst früher Professor der
Philosophie, beförderte ernachKräften das wissenschaftliche
Streben und wurde zum landesfürstlichen Prüfanga-Com-
missär am Lyceum und Gymnasium ernannt. Obwohl er
kaum selbst genügende geprüfte Lehrkräfte besass, sandte
er doch auf Ansuchen des Königs Ludwig I. von Bayern
zeitweise Professoren an die neue Lehranstalt der Bene-
diktiner nach Augsburg, wofür König Ludwig eigenhändig
dem Abte dankte und Kaiser Franz sein Wohlgefallen aus-
sprach. Der Abt . widmete sich auch mit Eifer der Ad-
ministration der Güter und forschte nach neuen Einnahme-
quellen; so errichtete er zu Ebemdorf eine Bierbrauerei
und zu Wasserhofen eine Zuckerfabrik, welch letztere aber
nach seinem Tode wegen des gelingen Ertrages wieder
aufgelassen wurde. Die Güter vermehrte er durch Ankauf
von Weingründen bei Marburg, besonders durch die Herr-
schaft Pessnitzhofen. Er war Mitglied der Landwirth-
schaftsgesellschaften von Wien, Steiermark, Kärnten und
Krain. Die Landstände hatten ihn wiederholt wegen seiner
Geschäftskenntnis zum Verordneten gewählt.
Abt Ferdinand Steinringer (1840 — 1866) war rastlos
in der Erfüllung seiner Berufspflichten. Er suchte den
religiösen Sinn durch sein eigenes Beispiel zu befördern,
indem er an den religiösen Uebungen, ausser durch dringende
Geschäfte gehindert, iramer theilnahm. Um die religiös-
sittliche Erziehung der weiblichen Jugend zu befördern,
berief er die Schulschwestem nach St. Paul. Seine jungen
Capitularen Hess er an den Universitäten zu Wien und
Graz die Gymnasial -Lehramts -Prüfung ablegen, um den
Staatsgesetzen vollkommen zu entsprechen, und eiferte be-
ständig zum fleissigen Studixmi an, indem er die noth-
wendigen HüKsmittel mit Liberalität zur Verfügung stellte.
Der Abt besass auch Kunstsinn und liess die Kunstschätze
des Hauses wiederholt zu öffentlichen Ausstellungen nach
Wien und Klagenfurt senden. Die . Stiftskirche liess er
— 321 —
mit bedeutendem Kostenaufwande restauriren und mit
neuen Bildern und einigen Altäxen, sowie einem Kreaz-
yrege in Relief und einer neuen Orgel ausschmücken. Auf
die Oekonomie im Allgemeinen, die ViehzucM und Obst-
kultur insbesondere, hatte er sein vorzüglichstes Augen-
merk gerichtet. Für den blühenden Zustand dieser
Oekonomiezweige geben die zahlreichen, bei öffentlichen
Ausstellungen erlangten Preise Zeugnis. In Bezug auf
Veredlung der Obstbäume nahm er in Kärnten den ersten
Bang Qin. Auch bedeutende Bauten wurden unter ihm
ausgeführt. An das Stiffcsgebäude liess er einen ent-
sprechenden Zubau machen, theil weise zur Unterbringung
der Volksschule, da das alte vom Abte Hieronymus
stammende Schulgebäude für die jetzigen Verhältnisse zu
klein und auch baufällig war. Ebenso wurde auch das
Gebäude des Professoren -Collegiums in Klagenfurt, ein
ehemaliges Franziskaner- Kloster, durch einen Zubau er-
weitert. Die Meiereigebäude zu St. Paul und Kolnitz im
Lavantthale, Lembach und Pessnitzhofen bei Marburg ver-
danken ihm ihren Neubau. Er zeigte auch bei ver-
schiedenen Gelegenheiten seinen treuen ßürgersinn und
seine Vaterlandsliebe, wie z. B. bei den Anlehen des Staates.
In Folge dieser vielseitigen, erspriesslichen Thätigkeit für
das Haus, die Kirche und den Staat verlieh ihm Se. Majestät
Kaiser Franz Josef I. 1860 das Ritterkreuz des Ordens der
Eisernen Krone und Fürstbischof Anton Martin von Lavant
ernannte ihn zum Consistorialrathe.
Gegenwärtig regiert hier seit dem 9. August 1866
Abt Augustin Dada, fürstbischöflich Gurker Consistorial-
rath, vor der Wahl Professor der Theologie.
P. BeDA ScHBOLIi.
Ein Benediktinerbuch. 21
— 322 —
Gegenwärtiger Bestand des Stiftes. Die dem Fürst-
alate Berthold auferlegten Verpflichtungen rücksichtlich der
Yom Stifte zu besetzenden Lehrkanzeln erlitten im Ver-
laufe der Zeit einige Abänderungen. Die Auflassung der
Lyceen und die später erfolgte Reorganisirung der theo-
logischen Studien hatten zur Folge, dass nunmehr das
k. k. Obergymnasium und die fürstbischöflich theologische
Lehranstalt zu Klagenfurt vom Stifte besetzt werden mussten-
Dieser Verpflichtung kam auch dasselbe bis zum Jahre 1871
nach. Der um diese Zeit allerorts bemerkte Mangel an
Candidaten des geistlichen Standes zeigte sich auch in
St. Paul und machte es immer schwieriger, die Gymnasial-
kanzeln mit vorschriftsmässig geprüften Lehrkräften zu be-
setzen. Es -wurde schliesslich den 17. Juni 1871 ein
Uebereinkommen mit der Staatsverwaltung getroffen, dem
zufolge das Stift von der Besetzung des k. k. Obergym-
nasiums zu Klagenfurt enthoben wurde und die im Lehr-
amte daselbst verbliebenen Stiftscapitularen in die Stellung
und den Rang k. k. angestellter Professoren eintraten.
Von den 5 Professoren, welche in dieser Weise das Lehr-
amt beibehielten, sind noch 2 am Leben und in Thätigkeit.
Gleichzeitig wurde in dem Uebereinkommen vereinbart,
dass die Lehranstalt zu St. Paul als Privat-Untergymnasium
mit dem Oeffentlichkeitsrechte zu gelten habe, und das.
Schulgeld nicht mehr wie früher an die Staatskasse ab-
zuführen sei. Diese Lehranstalt wird jetzt von durch-
schnittlich 80 Schülern besucht, von denen nicht ganz die
Hälfte in dem stiftlichen Gymnasial-Convikt untergebracht
ist. Bei dem guten Rufe, dessen sich Lehranstalt undConvikt
zu erfreuen haben, würde die Schülerzahl bedeutend grösser
sein, wenn Räumlichkeiten für ihre Unterbringung vor-
handen wären und die Schwierigkeiten beseitigt werden
könnten, die sich der Vergrösserung des Conviktes und
der Erweiterung der Lehranstalt zu einem Obergymnasium
entgegen stellen.
Behufs des seelsorglichen Wirkens wurden dem Stifte
St. Paul bei seiner Resuscitirung im Jahre 1809 ausser der
Stiftspfarre noch 4 andere Pfarren (Klein-St. Paul, Pustritz,
St. Georgen und St. Martin) incorporirt und mit der Ver-
pflichtung übergeben, die Seelsorger für diese Pfarren zu
stellen. Ausserdem giebt es noch 13 Pfarreien, die im
— 323 —
Patronatsverliältnisse zum Stifte stehen, ilire Seelsorger
aber aus dem Weltklerus erhalten.
Der gegenwärtige Personalstand des Stiftes zählt
38 Individuen in folgenden Stellungen: 1 Abt, 2 emerit.
und 4 active Professoren der Theologie, 1 emerit. Lyceal-
und 1 emerit. Gymnasialprofessor, 2 Gymnasialprofessoren
zu Klagenfurt und 1 zu Brimn, 1 Director und 6 Gym-
nasialprofessoren am Gymnasium zu St. Paul, 1 Convikts-
präfecten, 2 emerit. und 5 active Pfarrer nebst 2 Kaplänen,
3 mit der Verwaltung der stiftlichen Güter betraute und
2 in der Vorbereitung zum Lehramte stehende Capitularen,
1 Kleriker und 3 Novizen.
Lage und SehensiowräigTceüen des Stiftes. Die geo-
graphische Lage von St. Paul wird von Jedermann als
eine sehr günstige und reizende bezeichnet. Auf einem
massigen Hügel erbaut, wo das Näherrücken der Berge
das Lavantthal verengt und gewissermassen abschliesst,
gestattet das Stift von der Westseite den Ein- und Ueber-
blick des Granitzthales mit dem freundlich gelegenen Pfarr-
dorfe St. Martin, während sich gegen Norden der schönste
und grösste Theil des xmteren Lavantthales ausbreitet. Die
Kor- und Saualpe, die rechts und links das Thal einfassen
und bis zur Grenze des Feldbaues mit zahllosen Gehöften,
fruchtbaren Feldern, Wiesen und Baumgärten bedeckt sind,
die vielen im Thale und zu beiden Seiten desselben be-
sonders der Saualpe aufleuchtenden Kirchen und Thürme,
die kräftigen, Thal und Abhänge beschattenden Waldungen,
die freundlichen Obstgärten, die nicht nur die einzeln ge-
legenen Gehöfte umgeben, sondern auch die Häuser in den
Dörfern, Märkten und Städten einfassen und zur Blüthezeit
einen Ajiblick gewähren, der die Benennung des Lavant-
thales als des kärtnerischen Paradieses zu rechtfertigen
scheint, endlich die Lavant, die sich in mannichfaltig ge-
schlungenen Serpentinen gebettet hat,, um die Schönheiten
des Thaies allseitiger und länger geniessen zu können —
dieses alles vereinigt sich zu einem Bilde, bei dem auch
der Einheimische gerne verweilt und das der Fremde mit
dem Wunsche verlässt, in Mitte desselben seine Wohmmg
aufsehlagen zu können.
Bei dem Plane zum Stiftsgebäude wurde ein nach
allen 4 Seiten aufzuführender Bau in Aussicht genommen.
21*
— 324 —
In der Wirklichkeit und zum Griücke der Stiftsbewohner
sind nur der -westliche und nördliche Flügel ganz aus-
geführt, während von den beiden andern nur die Anfange
und Ansätze erscheinen, die der Sonne und der Luft den
freien Zutritt in die Stiffcsräunae und den Aussenstehenden
den Anblick der Gartenterrassen mit dem freundlichen
Stiftsplatze, sowie der Stiftökirche mit den beiden Thürmen
gestatten. Der gegenwärtige Stiftabau wurde erst mit Be-
ginn des 17. Jahrhunderts in Angriff genommen und es
dauerte über 100 Jahre bis zu seiner Vollendung. Trotz-
dem dass mehrere Aebte sich an demselben betheüigten,
erlitt doch das einheitliche Ganze keine Schädigung, indem
bei jeder Fortsetzung des Baues die ursprüngliche Anlage
erkannt und in Uebereinstimmung mit derselben der Weiter-
bau geführt wurde.
Der ganze Stiftshügel, auf dem das Stiftsgebäude mit
der Stiftskirche liegt, ist seit 1631 mit einer aus Bruch-
steinen aufgeführten Mauer umfasst. Dieselbe wird nur
südlich durch einen mächtigen der Rundform des Hügels
folgenden Bau unterbrochen, der das mit Säulen gezierte
hohe Eingangsthor zu dem höher gelegenen Stiftsgebäude
und zur Stiftskirche enthält und in seinen übrigen Räum-
lichkeiten theils zu ärarischen Kanzleien, theils zu wirth-
schaftlichen Zwecken verwendet wird. Die Abhänge des
Stiftshügels innerhalb der Gartenmauer sind auf drei Seiten
in einen Baumgarten verwandelt, während der südliche
Theil in drei Absätzen terrassenförmig geebnet ist, auf
denen Blumen- und Gemüsekultur getrieben wird.
Das eigentliche Stiftsgebäude ruht auf einem mächtigen
mit Quadern eingewölbten Souterrain, das — besonders
auf der Südwestseite — die Höhe und Ausdehnung einer
stattlichen Kirche erreicht, worüber die Parterre-Etage und
ein höheres Stockwerk aufgebaut ist. Sämmtliche Mauern
sind aus grossen Bruchsteinen aufgeführt und in einer Stärke
ausgebaut, dass sie noch in dem letzten Geschosse eine
Dicke von zwei Metern aufweisen und geeignet wären,
noch zwei Gebäude von derselben Höhe zu tragen. Nach
innen ist der ganze Bau des Parterres und des ersten
Stockwerkes mit luftigen gewölbten Arcaden flankirt, die
nach Aussen von mächtigen mit Mauerwerk aufgeführten
Säulen getragen werden. Der nördliche Stiftstrakt misst
— 325 —
im Lichten 114 m, der "westliche 77,5 m und der östliche
50,6 m Länge mit einer Lichtenbreite einschliesslich der
Arcaden von durchschnittlich 13,5 m. Der nördliche und
der grösste Theil des östlichen Traktes enthält die Woh-
nungen der Conventualen sammt den Räumlichkeiten für
das Convikt, Gymnasium und die öffentliche Volksschule,
der westliche Trakt die Abtei und die Gastzimmer, die
zum Theile schön getäfelte Plafonds aufweisen. An der
Nordwestecke des Stiffcsgebäudes erhebt sich ein mächtiger
Thurm mit Etagen, deren höchste eine prächtige Rund-
schau über das Thal und die Abhänge der Kor- und Sau-
alpe bietet.
Längs des nördlichen Traktes liegt die schöne, auch
für den Pfarrgottesdienst verwendete, dreischiffige , im
romanischen Style gebaute Stiftskirche, die ursprünglich
eine flache Decke hatte und erst nach dem 1367 erfolgten
Brande, als Kirche und Kloster wieder hergestellt wurden,
das gegenwärtige gothische Netzgewölbe erhielt. Ueber
die Zeit ihrer Erbauung und ihre erste Geschichte sind
leider keine schriftlichen Denkmäler vorhanden, da das
stiftliche Archiv, welches wahrscheinlich solche enthielt,
bei der 1782 erfolgten Aufhebung des Stiftes in mehrere
Staatsarchive wanderte und nicht wieder ausgefolgt wurde.
Fr. V. Ankershofen hat sie in dem TV. Bande des Jahr-
buches der k. k. Central-Commission zur Erforschimg und
Erhaltung der Baudenkmale umständlich beschrieben und
zu beweisen gesucht, dass sie am Ende des 12. und An-
fangs des 13. Jahrhunderts gebaut worden sei. Im Innern
derselben findet sich wenig, was Anspruch auf materiellen
oder künstlerischen Werth erheben könnte. Am meisten
springen in die Augen zwei an den beiden Apsiden er-
richtete Sarkophage, wiewohl sie durch den verschiedenen
unschönen Baustyl das Auge beleidigen und der Kirche
keineswegs zur Zierde gereichen. In dem an der Evan-
gelienseite stehenden rahen die Gebeine der Stifterfamilie,
nämlich: von dem Grafen Siegfried von Sponheim und
seiner Gemahlin Richarda, von ihrem Sohne Engelbert,
dem eigentlichen Stifter, imd seiner Gemahlin Hadwig und
endlich von Hartvicus, dem mit den Grafen von Sponheim
verwandten Erzbischof von Magdeburg. Unter dem andern
Sarkophage sind seit 1818 die irdischen Ueberreste von
— 326 —
13 Mitgliedern aus dem erlauchten österreichisclien Kaiser-
hause beigesetzt, darunter von Anna, der GemahUn Rudolfs,
des ersten römisclien Königs, von Elisabeth, der Gemahlin
Alberts L, und von den drei österreichischen Herzogen
Leopold dem Glorreichen, Heinrich dem Sanftmüthigen
und dem in der Sehlacht bei Sempach gefallenen Leopold
dem Frommen. Bis 1770 ruhten sie theils in der öster-
reichischen Gruft zu Königsfelden , theils in dem Münster
zu Basel. In diesem Jahre wurden sie unter Zustimmung
der Kaiserin Maria Theresia von dem Fürstabte Martin
Gerbert erhoben und unter grossem Gepränge in der Gruft
von St. Blasien beigesetzt. Hier lagen sie 37 Jahre bis
zu der Zeit, wo die aufgehobenen St. Blasianer durch Kaiser
Franz I. nach Öesterreich berufen wurden. Die traditio-
nelle, ungeheuchelte Pietät und Anhänglichkeit an das
österreichische Kaiserhaus zeigte sich auch darin, dass sie
sich von den theuren Ueberresten der Habsburger nicht
trennen wollten und dieselben wie Penaten in ihre neue
Heimat mitnahmen, um ihnen da eine neue hoffentlich
letzte Ruhestätte zu geben.
So unansehnlich für das Auge die Einrichtung der
St. Pauler Stiftskirche erscheint, um so sehenswerther ist
der übrige Kirchenschatz, der in der Sakristei und sonst
im Stifte aufbewahrt wird. Wie beinahe alle im Stifte
vorhandenen Gegenstände von Werth und Bedeutung den
St. Blasianern gehörten und von ihnen nach Öesterreich
gerettet wurden, so hatte auch der grösste Theil des
gegenwärtigen Kirchenschatzes seine ursprüngliche Heimat
in St. Blasien.
Die zahlreichen in allen Kirchenfarben vorhandenen
Paramente haben theüs geschichtlichen Werth, theils
zeichnen sie sich durch die Schönheit ihrer Form und die
Kostbarkeit der verwendeten Stoffe aus. In ersterer Be-
ziehung stehen oben an eine ganz gut erhaltene gestickte
Casula aus dem 12. Jahrhunderte und ein gleiches Gewand
sammt Pluviale aus dem 13. Jahrhunderte. Diese werth-
voUen Stücke des Kirchenschatzes, die schon für viele
in- und ausländische Ausstellungen begehrt wurden, hat
Herr Dr. G. Heider nach ihrem Ursprünge und ihrer Be-
schaffenheit untersucht und im IV. Bande des Jahrbuches
der k. k. Central- Commission zur Erforschung und Er-
— 327 —
haltung der Baudenkmale mit Beifügung von Zeichnungen
und Illustrationen beschrieben Eine grosse Zierde des
Paramentenschatzes bildet aiich der von der Kaiserin
Maria Theresia nach St. Blasien geschenkte, auf weissem
Atlas in Kettenstich gearbeitete Trauerornat (Casula, Plu-
viale und zwei Dalmatiken), an dessen Anfertigung sie
sich mit eigener Hand bntheiligt haben soll. Eme werth-
voUe Zugabe zu dem Paramentenschatz bestt^ht in mehreren
Alben mit echten, sehr breiten Brüsseler Spitzen. Unter
den Kirchengefässen sind hervorzuheben: eine kleinere und
eine grössere gothischeMonstranz(erstere in sehr geschmack-
vollem, rein gothischem Style des 14. Jahrhunderts), mehrere
Kelche, darunter ein gothisch gearbeiteter aus d«m 15.
oder Anfangs des 16. Jahrhunderts und ein anderer schwerer
der Renaissance angehöriger, den Pabst Innocenz XL nach
St. Blasien verehrt hat, zwei Credenzen (Offertoriumskannen
sammt Schüsseln).
Zahlreich und werthvoU sind auch die in Kreuzesform
vorhandenen Objecte des Kirchenschatzes. Man sieht Kreuze
aus Elfenbein und Korallen, zwei Kreuze in byzantinischer
Arbeit aus dem 9. oder 10. Jahrhundert und eine grosse
in Kreuzesform gebrachte Krenzpartikel, die in einer sil-
bernen, reich mit Smaragden geschmückten Monstranz auf-
bewahrt wird. Letztere wnrde erst 1815 angefertigt. Ur-
sprünglich ruhte die Kreuzpartikel in einer 83 cm hohen
und 67 cm breiten, reich mit Gemmen, ungeschliffenen
Edelsteinen und Reliquien geschmückten, an der Rückseite
schön ciselirten Fassung, in die sie der St. Blasiauische
Abt Guntherus (Anfangs des 12. Jahrhunderts) bringen liess.
Aus dieser wurde sie, wahrscheinlich wegen der für die
öffentliche Verehrung unbequemen Form und vielleicht auch
in Huldigung eines verkehrten Zeitgeschmackes, im 17. Jahr-
hunderte herausgenommen und in eine neue kostbare und,
wie man meinte, auch schönere Fassung gebracht. Während
aber diese neue Passung das Schicksal sehr vieler kirch-
lichen Kunstschätze theilte und nach Entfernung der Kreuz-
partikel und der vielen Edelsteine in den ärarischen Schmelz-
tiegel kam, ist die alte ehrwürdige Passung aus dem
12. Jahrhunderte, wenngleich mit manchen Verletzungen
und Einbusse von vielen Edelsteinen, noch vorhanden und
wurde im Jahre 1872 von Dr. Sebastian Brunner bei
— 328 —
seiner Anwesenlieit in St. Paul auf den holien antiquarisclien
Werth dieses Kieuzes als TJnicum aus dem 12. Jahrhundert
aufmerksam gemacht; wornach Herr Abt Augustin Duda
in Gerbert: Hist. Sylv. Mg. nachsuchte und T. I, p. 233,
385 sqq. auch fand, wie man dieses Stück auch schon in
St. Blasien hochgehalten hat. (Dr. Brunner berichtete
darüber im Oest. Volksfreund 1873, Nrn. 56. 57.)
Sehr merkwürdig ist auch eine in den Rahmen eines
60 cm hohen und 24 cm breiten Kreuzes eingearbeitete
Holzschnitzerei, die in 66 Medaillons von je 15 mm Durch-
messer Scenen aus dem Leben Christi und der heiligen
Jungfrau vorführt. Diese Arbeit zerlegt sich in eine Avers-
und Reversseite, so dass zwei Kreuze mit je 33 Medaillons
zum Vorscheine kommen, deren eines — mit dem Haupt-
medaillon Christus am Kreuze — das Leben Christi, das
andere — mit dem Hauptmedaillon der Gottesmutter —
das Leben der heiligen Jungfrau Maria plastisch vorführt.
Dieses Kunstwerk wird von Jedermann angestaunt und
lässt nur zweifeln, ob man mehr die künstlerische Wahr-
heit und Natürlichkeit in der Gruppirung der Personen
oder die Meisterschaft in der Technik und Behandlung des
spröden Holzes bewundern soll. Es trägt die Jahreszahl
1664 und die Chiffee L. M. Leider hat sich keine Ueber-
lieferung über die näheren Daten des Ursprunges erhalten.
Zu den kirchlichen Kunstgegen ständen gehört auch
eine 38 cm hohe und 27 cm breite Hautreliefarbeit aus
der Mitte des 13. Jahrhunderts. Sie ist im reinen gothischen
Style aus Silberbronce nach Art eines gothischen Altar-
flügels ausgeführt und stellt die Krönung der heiligen
Jungfrau durch die heilige Dreifaltigkeit dar. An den
vier Seiten des Tableaus stehen in gothischen Nischen
drei Ordensheilige und der St. Blasianische Abt Arnulf IL,
der Gott zu Ehren dieses Kunstwerk anfertigen Hess. Die
vier Ecken sind in gleicher Hautreliefarbeit mit den vier
Evangelisten, der übrige Rand mit Engeln und reichem
Laub- und Blnmenwerk geziert. Um das Tableau selbst
zieht sich ein Kranz von Gemmen und ungeschliffenen
Edelsteinen, die durch einen ungewöhnlich grossen Rauch-
topas ein schönes Relief erhalten. Ueber die Bestimmung
und den Gebrauch dieses Kunstwerkes ist die Vermuthung
ausgesprochen worden, dass es nach altliturgischer Sitte
— 329 —
als Diptychon bei der heiligen Messe diente. Die St. Bla-
sianer gebrauchten es später als Vor- oder Unterlage beim
Absingen des Evangeliums. Beschrieben findet sich dasselbe
bei Martin G-erbert in Historia Sylvae Nigrae Bd. II, p. 52.
Andere Kunstgegenstände und Sehenswürdigkeiten
■werden in einem grossen, hierzu reservirten und ein-
gerichteten Saale gezeigt. Man findet da antike Bronce-
figuren aus der griechischen und römischen Mythologie
und Imitationen derselben aus der Cinquecento-Zeit, einen
sehr schönen keltischen Helm aus Kuyifer, eine Obst-
sammlung in Steinimitation, ein. Modell der heiligen Grab-
kirche zu Jerusalem u. s. w. Daselbst wird auch eine gut
geordnete und katalogisirte Münzsammlung, eine kleine
Naturalien- und eine reichhaltige Kupferstichsammlung
aufbewahrt. Die Bildergallerie ist wohl klein, enthält
aber einige sehr gute und werthvolle Stücke.
Die Bibliothek ist in einem grossen, lichten und hohen
Saale untergebracht. Der Plafond (a. d. J. 1683) trägt
zwei kreisrunde, blumenkran?artig gearbeitete Stuccatur-
rahmen, innerhalb welcher die grösseren Sternbilder der
nördlichen und südlichen Himmelshalbkugel in gut er-
haltenen Freskomalereien gesehen werden. Die Masse der
unterzubringenden Bücher steht leider in einem ungünstigen
Verhältnisse zu dem disponiblen Baume und nöthigte zur
Aufstellung von hohen Bücherschränken mit vielen Fächern
und Doppelreihen, die das Aufsuchen und Hervorholen der
Bücher etwas erschweren. Es werden ca. 19,500 Werke mit
ca. 26,000 Bänden gezählt. Als der grösste Schatz der
Bibliothek wird die i:2 zeilige sog. Gutenberg-Bibel in
drei Foliobänden auf Pergament gezeigt, das einzige in"
Oesterreich- Ungarn vorhandt^ne Exemplar, das überhaupt
nurnoch sechsmal in ausländischen Bibliotheken vorkommt.
Ein genaues Repertorium und Facbkataloge in Zetteln er-
leichtem die Uebersicht und die Auffindung der bibliothe-
karischen Schätze.
Das sowie der grösste Theil der Bibliothek ebenfalls
aus St. Blasien nach Oesterreich hereingebrachte Archiv
befindet sich in einem gewölbten, mit eisernen Fenster-
läden und eiserner Thüre wohlgeschützten, feuersichern
Baume. Es enthält viele mitunter wichtige Pergament-
Urkunden und Pergament- Codices, die bis in das 6. Jahr-
— 330 —
hundert hinaufreichen, und theils durch ihren Inhalt, theils
durch die kalligraphische Ausstattung mit Initialen und
sonstigen Verzierungen einen hohen Werth bekunden. Für
Kenner des Streites über den Verfasser der Imitatio Christi,
der in der neuesten Zeit wieder erwacht ist, wird es von
Interesse sein, zu erfahren, dass das St. Pauler Archiv
eine 1383 datirte Handschrift dieses Werkes besitzt, die,
wenn die über ihre Echtheit angestellten Untersuchungen
zu ihren Grünsten ausfallen, die jüngst durch Dr. Coelest.
Wolfsgruber bereits sehr erschütterte Hypothese, dass der
1419 oder 1420 geborene Thomas a Kempis der Verfasser
sei, in das Bereich der Unmöglichkeit verweisen wird.
Ueber die Geschichte des Benediktinerstiftes St. Paul
ist zu verweisen auf:
1) Historia Monasterii 0. S. B. ad St. Paulum in Valle
inferioris Carinthiae Lavantina. Scripsit P. Trudpertus
Neugart 0. S. B. ad St. Paulum. Clagenfarti, 1848. 1854.
2. Bdchen.
2) Kurze Geschichte des Benediktinerstiftes St. Paul.
Von P. Beda SchroU, 0. S. B., emer. Gymn. -Professor und
Archivar von St. Paul. Veröffentlicht in der zu Klagen-
furt erscheinenden Zeitschrift „Carinthia" Jahrgang 1876.
3) Urkundenbuch des Benediktinerstiftes St. Paul.
Herausgegeben von Beda Schroll. Wien 1876.
Abtei St. Peter in Salzburg.
^scMclite. I.*) Der Grründer dieses Klosters ist der
h. Biscliof Rupertus von Worms, um hatte die
göttliclie Vorsehung auserwählt, das noch im
Heidenthume lebende Volk der Bajoarier der gött-
lichen Heilslehre zuzuführen. Dieses Volk war um das
Jahr 508 in das heutige Bayern eingewandert und hatte
im raschen Siegeslaufe der ostgothischen Herrschaft in
Bayern, Deutsch-Tyrol und esterreich ein Ende gemacht.
Ein so siegreiches Volk sollte nun durch den h. Ru-
pertus unter das sanfte Joch Christi gebracht werden.
Seine Waffen waren ein fester Glaube, werkthätige Nächsten-
liebe und der Ruf eines heiligen Lebens, wie er es in
Worms bewiesen hatte. Deshalb berief ihn Herzog Theodo
und nahm ihn freudig auf, und bald hatte Rupertus die
Freude, den Herzog und viele aus dem Adel und Volke
durch die h. Taufe der katholischen Kirche zuzuführen.
Auch ertheilte der Herzog dem h. Manne die Erlaubnis,
im ganzen Lande das Evangelium predigen und an einem
beliebigen Orte einen Bischofssitz errichten zu dürfen.
Rupertus begann mit heiligem Eifer seine Missionsthätig-
keit, drang bis Niederpannonien vor und erbaute auf der
Rückreise am Wallersee die St. Peterskirche (Seekürchen),
woselbst er seinen bischöflichen Sitz vorläufig aufschlug.
Als er aber bald darnach hörte, dass ganz in der Nähe
die Ruinen des um 477 von den wilden Horden Odoakers
zerstörten luvavum wären, reiste er dorthin und überzeugte
sich durch eigenen Augenschein von der Wahrheit des
*) Vgl. Albert [KeusUn], Catalogus cum. Mstoriae compendio abb&-
um. man. s. Patri. 4°. Salisb. 16i5. — [Bsda Sseausr abbas] Noviaaimum
chronicoa antiqui monasterii ad s. Petrum Salisburgi. Fol. Aug. Vind.
et Oeniponti 1772. — [Plaoidus Berhandsky] Aaszug der neuesten Chro-
nik des alten Bened.-Klosters zu St. Peter in Salzburg. 2 Bde. Salzb.
1782, — Ambros Becziczka, Hist.-topogr. Darstellung v. d. Stadt Salz-
burg mit der ausfahrl. Geschichte des Benediktiner-Stiftes zu St. Peter
in Salzburg. Wien 1829.
— 332 —
GerücMes, und schnell erkennend, wie passend für seinen
Plan jene Oertlichkeit sei, beschloss er, dortliin seinen Sitz
zu verlegen.
Nachdem nun der h. Rupert die ganze Umgebung von
luvavum (Salzburg), 2 Meüen im Gevierte, vom Herzoge
Tbeodo zum Geschenke erhalten hatte, erbaute er hier eine
schöne Eirche, die er ebenfalls dem Apostelfürsteii Petrus
weihte und dann zwischen der Eirche und den nördlichen
Felswänden des Mönchsberges, dessen Höhlen als Kata-
komben (Märtyrergräber) in der römischen Verfolgöngszeit
und später als Stätte für den. Gottesdienst des h. Maximus
und seiner Genossen bereits geheiligt v/aren, ein Kloster
für sich und seine als Mitarbeiter thätigen Möncbe. Indem
er nun hier als Abtbischof seinen Sitz aufschlug, machte
er St. Peter zu einem Kathedralkloster. Weil aber für
die grosse Ernte der Arbeiter zu wenig waren, reiste Ruper-
tus nach Franken und kehrte bald mit zwölf Mönchen und
seiner Base Arintrud (Ehrentraud) nach Salzburg zurück.
Für seine Base und die sich um dieselbe sammelnden
frommen Jungfrauen erbaute er auf den Ruinen des obern.
Ca steiles das Frauenkloster Nonnberg. Im eigenen Kloster
eröffoete er eine Schule sowobl zur Heranbildung neuer
Mitarbeiter als auch zum Unterrichte für Laien.
Auf solche Weise war er bald in den Stand gesetzt,
das Feld seines Bekehrungseifers zu erweitern und zur Be-
festigung der Neubekehrten im Glauben neue, kleinere
Klöster zu errichten, wie die Maximilianszelle (jetzt
Bischofshofen) im Pongau und andere. Hierbei fand er
auch thatkräftige Unterstützung an Herzog Theudebert,
dem Sohne Theodos, der dem h. Rupert Ort und Umgebung
der St; Maximilianszelle auf 3 Meilen im Umfange schenkte.
Vierzig Jahre lang hatte Rupertus im weit ausgedehnten
Bayern das Evangelium gepredigt, den neu entstandenen
christlichen Gemeinden Kirchen gebaut und Seelsorger für
sie aufgestellt. Aucb hatte er, um die Oberleitung der
gegründeten Klöster und der um sie herum entstandenen
christlichen Gemieinden zu sichern, seinen durch eifrige
Wirksamkeit ausgezeichnetsten Schüler, den h. Vitalis, zu
seinem Nachfolger in Eisthum und Abtei ernannt und ge-
weiht, als er um das Jahr 574 zum ewigen Lohne abbe-
rufen und sogleich als Heiliger verehrt wurde. Mehr als
— 333 —
siebzig der ältesten Kirchen der alten Salzburger Kirchen-
provinz sind von den dankbaren Völkern zu seiner Ver-
ehrung geweiht.
Unter seinen Mitarbeitern hatten sich noch besonders
die Priestermönche Chuniald und Gislar, Gawin und Idwin
so ausgezeichnet, dass der Abtbischof Virgü erstere zwei
773, letztere 784 aus ihren Gräbern erhob.
Freudig und segensreich entfaltete sich unter Vital
die Wirksamkeit des Kathedralklosters und Vital wird noch
jetzt als Apostel Pinzgaus verehrt. Er soll die Zellen zu
Bisontio (Zell am See), Abersee, Au, Gars, Kufstein ge-
gründet haben, wo die Mönche von St. Peter wirkten.
Aber bald brachen Zeiten herein, die den jungen Pflan-
zungen den Untergang drohten. Die wilden Avaren rück-
ten um 570 vor und verheerten das ganze Land bis zur
Enns; bald darauf, 593, fielen die Slaven in Karantanien,
im Lungau und Pongau ein, zerstörten St. Maximilians-
zell, ja drangen selbst tiefer ia Bajoarien vor und zer-
störten einerseits viele Kirchen, andererseits brachten sie
das Land in eine Lage, in der sich der Fortsetzung der
apostolischen Wirksamkeit ausserordentliche Hindernisse
entgegenstellten. Dazu kam, dass im achten Jabrhunderte
einige Landesherzoge vom katholischen Glauben abfielen,
wie es beinahe in allen neubekehrten Ländern mit den
Fürsten der Fall war. Das Kathedralkloster fristete unter
diesen Verhältnissen eine kümmerliche Existenz bis auf
die Zeiten des h. Bonifaz, der die kirchlichen Verhältnisse
Salzburgs ^739) wieder ordnete. Um diese Zeit scheint im
Kloster die Regel des h. Benedikt an die Stelle der bisher
geübten getreten zu seiu, welche wahrscheinlich die der
alten irischen Mönche des h. Patritius gewesen sein wird.
II. Unter dem gelehrten und apostolischen Abtbischofe
Virgil entwickelte das Kathedralkloster eine segensreiche
Thätigkeit. Virgil erbaute statt der bisherigen Kloster-
kathedrale am nordöstlichen Ende seines Klosters eine
neue, zu Ehren des h. Rupert geweihte Kathedrale und
bildete zu deren heiligem Dienste ein eigenes Collegium
von Säcular-Klerikern aller Grade, um seine Mönche, die
sich sehr bald über hundert vermehrten, für seine grossen
Pläne, nämlich für die Bekehrung der Südslaven und der
angrenzenden Völker verwenden zu können. Mit heüigem
— 334 —
Muthe und kühner Ausdauer begannen sie dieses gefahr-
volle Werk und setzten es trotz wiederholten Abfalles und
politischer Aufstände in der Mitte des Landes fort, wäh-
rend ihre Ordensmitglieder von Niederaltach und Krems-
münster ina Norden und die von Innichen im Westen am
Ursprünge der Drau predigten.
Der erste der dahin Gesendeten war Majoran, Ihm
folgten bald Modest, welcher zum Bischof von Karantanien
geweiht wurde, ferner Wato, Reginbert, Cozhar, Latinus,
Madalhoh, Warmann, Heimo, Erhambert, ein zweiter Ma-
joran, Augustin, Gundhar, sämmtlich Priester, mit denen
aber auch andere Kleriker gingen.
Unter Virgil erhob sich das St. Maximilianskloster
im Pongau wieder aus seinem Schutte und es wurde die
Abtei Otting (später nach Michaelbeuern übersetzt) gegrün-
det und mit Mönchen aus St. Peter bevölkert (767). Vir-
gil schloss 772 mit den bayerischen Bischöfen und Aebten
einen Todtenbund, d. i. eine geistliche Verbrüderung, deren
Mitglieder sich verpflichteten, für einen Verstorbenen aus
diesem Bunde gewisse Gebete zu verrichten und das heil.
Messopfer für ihn aufzuopfern. Er selbst legte das noch
im Originale vorhandene „Über vitae" (Verbrüderungsbuch)
für die Lebenden und Verstorbenen an.
Abtbischof Virgil starb am 27. November 784 und
wurde 1233 vom Pabste Gregor IX. unter die Zahl der
Heiligen aufgenommen. Was Virgü durch seine Mönche
begonnen, setzten seine Nachfolger seeleneifrig fort.
Unter diesen ragt besonders Arno hervor (785 — 821),
ein vertrauter Freund Alkuins, Abtes von Tours, und zu-
gleich mit diesem Rath des Kaisers Karl des Grossen.
Arno setzte das Bekehrungswerk der Slaven in Karan-
tanien fort und nahm, als Karl der Grosse ihm nach Unter-
jochung der Avaren (789 — 796) die Bekehrung derselben
empfahl, sogar in eigener Person an der Mission Theil.
Die unmittelbare Leitung des Kathedralklosters besorgten
von nun an Dekane. Arno förderte die Klosterschule, ver-
mehrte die Bibliothek und brachte die Klosterdisciplin zu
grösserer Blüthe. Er Hess durch seinen Mönch Benedikt
den bekannten Indiculus (Congestum) anfertigen. Die
„Breves notitiae" über die Besitzungen der Kirche von
Salzburg, die mit dem Indiculus zu den inhaltreichsten
— 335 —
Quellen der Geschichte der Cultur des alten südöstliclien
Deutschlands gehören, -wurden ebenfalls unter ihm ge-
schrieben. Arno starb, reich an Yerdiensten um Kirche
und Staat, im Rufe der Heiligkeit am 24. Januar 821.
Unter Erzbischof Liupramm (836 — 859), früher Dekan
des Kathedralklosters, wurde in Ungarn zur Befestigung
der dortigen Missionen mit grossmüthiger Beihölfe des
Mährenfürsten Privina die St. Hadrians- Abtei Mosaburg am
Plattensee (heute Szalavär) gegründet.
Im Jahre 847 zerstörte ein Brand Kirche und Kloster
St. Peter.
Das Auftreten der griechischen Missionäre Cyrillus
und Methodius, welche die slavische Liturgie einführten,
machte den Missionen des Kathedralklosters in Pannonien
ein Ende und veranlasste unter Erzbischof Adalwin (859
bis 873) die hochwichtige Denkschrift „Ueber die Bekeh-
rung der Karantaner und der angrenzenden (östlichen)
Völker", ohne welche wir über die älteste Geschichte der-
selben völlig im Dunkel sein würden.
III. Von nun an drückten die politischen und kirch-
lichen Wirren das Leben des Kathedralklosters bedeutend
herab. Die fortwährenden Kriege in Deutschland und
Bayern berührten zwar nicht unmittelbar Salzburg selbst,
60 wie das Stadtgebiet auch von den verheerenden Ein-
fällen der Ungarn frei blieb, aber doch sank das kirchliche
Leben so sehr, dass das Kloster St. Peter gegen Ende des
10. Jahrhunderts dem Untergange nahe war. Es trat jetzt
offen zu Tage die Unvereinbarlichkeit der erzbischöflichen
mit der abteilichen Würde in Einer Person und der Güter-
gemeinschaft zwischen Erzbisthum und Kathedralkloster.
Erzbischof Friedrich! (958—990) fand die Wohnungen
der Mönche fast vollständig verödet und verfallen, und
doch erst nach 20 Jahren, und zwar auf Anregung seines
h. Suffraganbischofes Wolfgang von Regensburg, entschloss
er sich, dem Kathedralkloster einen eigenen Abt in der
Person des Mönches Tito aus St. Emeran, eines Schülers
des bisherigen Abtbischofes Wolfgang, zu geben, und aus
den bisher gemeinsamen Gütern für das Kloster eigene
Einkünfte auszuscheiden, behielt jedoch, wie alle seine
Vorgänger, seine Residenz bei der alten St. Peters-Kathe-
drale bei.
— 336 —
Nun lebte, das Kloster wieder auf. Die Zahl der
Mönche vermehrte sich schnell, das innere, geistige Leben
erstarkte durch die Annahme der segensreichen Reform
von Cluny so sehr, dass im Laufe des 11. und 12. Jahr-
hunderts für mehrere Abteien Aebte und Mönche aus
St. Peter erbeten wurden. So z. B. erbat sich 1074 Erzbischof
Gebhard von Salzburg Abt und Mönche für das neu ge-
gründete Kloster Admont, 1130 für Elsenbach (später nach
St. Veit an der Rott übersetzt) u. m. a. Mönche aus St.
Peter.
Im Jahre 1116 wurde nach der damaligen Zeitrichtung
St. Peter ein Doppelkloster, d. h. es wurde zugleich mit
dem Männerkloster ein abgesondertes Nonnenkloster unter
der Oberleitung des Abtes verbunden. Diese Nonnen be-
schäftigten sich auch mit der Erziehung der weiblichen
Jugend. Um 1122 übernahm St. Peter das St. Lauren-
tius-Hospital in Salzburg für Pilger und Kranke. Zugleich
blähte auch die Klosterschule auf, an welcher die Mönche
alle Fächer des Triviums und Quadriviums lehrten. Aus
jener Zeit stammt auch das sogenannte grosse Antiphonar,
ein ehrwürdiges Denkmal des mönchischen Fleisses und
Kunstsinnes.
Während des Investiturstreites und der spätem Kämpfe
zwischen der Kirche und den Kaisern und in den dadurch
herbeigeführten Schismen der Salzburger Elrche hielten
die Aebte und Mönche mit unverbrüchlicher Treue zu den
legitimen Päbsten und Erzbischöfen und ertrugen lieber
das Exil und die Verwüstung und Plünderung ihrer Be-
sitzungen von Seite der Gegenpartei, als dass sie auf die
ungerechten Forderungen eingingen. Die Wirkung solcher
Treue blieb nicht aus. Der gt^lehrte und kun:<tsinnige Abt
Thiemo wurde 1090 zum Erzbischofe von Salzburg erwählt,
Abt Regimbert um 1125 an die Stelle df^s schismatischen
Bischofs Hugo von Brixen gesetzt und Abt Heinrich 1167
zum Bischöfe von Gurk ernannt.
Unter den zahlreichen Wohlthätem dieser Periode
ragten besonders hervor:
Kaiser Heinrich der Heilige, der 1006 das königliche
Landgut Adamunta (Admont) mit den Salinen des ganz
nahe dabei gelegenen Hall schenkte, mit welchen Erzbischof
Gebhard später die gleichnamige Abtei Admont dotirte.
— 337 —
Markgraf Leopold der Heilige und dessen Sohn Hein-
rich Jasomirgott, welche den grössten Theil der Besitzungen
in Dornbach bei Wien schenkten.
Gottfried und Adala von Wieting in Kärnten, welche
1147 alle ihre Güter zur Gründung eines neuen Klosters
in Wieting vergabten. Diese Giründung musste jedoch in
Folge der verheerenden Fehden der Verwandten der Grün-
der auf eine Probstei reducirt werden.
Unter den Erzbischöfen von Salzburg zeichneten sich
durch Pietät gegen die alte Mutterkirche aus:
Konrad I. (1106 — 1147), der sich eine neue Eesidenz
in der Nähe der St. Virgils-Domkirche erbaute und die
bisherige den Mönchen von St. Peter überHess, so dass
diese ihre an der gefährlichen Felswand des Mönchsberges
liegenden Wohnungen mit weniger gefährlichen und freund-
licheren vertauschen konnten.
Ferner schenkte er den Mönchen um 1124 die Kirche
in Abtenau mit weitausgedehnten , Wäldern und Hallein
mit den Feld- und Salzzehenden aller dortigen Salzpfannen
und 22 Höfe.
Vorzüglich diese Munificenz setzte Abt Balderich in
den Stand, das 1127 abgebrannte Kloster (wobei fast alle
Urkunden mit verbrannten) wieder aufzubauen und die
Kirche bedeutend vergrössert wieder herzustellen. Zum
Zeichen dankbarer Erkenntlichkeit ging das Kloster auf
den Wunsch seines grössten Wohlthäters ein und trat das
bisher geübte Pfarrrecht im bischöflichen Sitze and das
damit verbundene Recht, den jeweiligen Erzbischof zu
wählen, an das Regulär capitel am Dom ab, behielt sich
aber die pfarrlichen Zehenden, das Mitwahlrecht durch
den Abt, den Vorrang bei Versammlungen und Prozessionen
und das freie Begräbnisrecht im Klosterfriedhofe vor.
IV. Abt Berthold erhielt vom Pabste Gregor IX. 1231
den Gebrauch der Mitra für sich und seine Nachfolger
und feierte 1240 mit den Benediktineräbten der ganzen
Salzburger Kirchenprovinz das erste Gener alcapitel, bei
welchem die Reformgesetze desselben Pabstes zur Durch-
führung bekannt gegeben wurden. Das zweite derartige
Capitel in St. Peter fand 1263 statt.
Grosse Gefahr und Schaden brachte dem Kloster das
salzburgische Schisma durch den 1256 abgesetzten Erz-
Ein Benediktinerbuch. 22
— 338 —
"bischof Philipp, ■welchem als bisherigem grossen Wohl-
thäter des Elosters Abt Richer mit dem Convente in übel-
verstandener Dankbarkeit anhing. Abt Richer und sein
Nachfolger Albert wurden abgesetzt und Abt Chuno, der
das Kloster durch Preisgebung des erzbischöflichen Mit-
wahlrechtes und vieler anderer Rechte mit dem Erzbischof
Ulrich 1263 "wieder ausgesöhnt hatte, resignirte und ebenso
sein Nachfolger Simon. Erst dem Abte Dietmar (1270 bis
1288) gelang es , die während . dieser Wirren verfallene
Disciplin wieder herzustellen und durch das in St. Peter
1275 abgehaltene Provinzialcapitel zu befestigen, sowie
mit Unterstützung der Fürsten von Oesterreich, Steiermark,
Kärnten und Bayern die Gegner und Schädiger des Kloster-
gutes in den betreffenden Ländern zu bändigen.
Das 14. Jahrhundert gewährte ungeachtet der Kriege,
welche die Erzbischöfe wiederholt zu führen hatten, dem
Kloster einige Ruhe. Es erholte sich wenigstens so weit,
dass für die Verbesserung der kirchlichen und klöster-
lichen Bauten im Kloster und an den Patronatskirchen doch
Einiges geschehen konnte. Zur Hebung des geistigen
Lebens wurde 1338 ein Generalcapitel der Benediktiner-
äbte der salzburgischen Kirchenprovinz in St. Peter abge-
halten, in welchem die Constitutionen Benedikt XII., be-
treffend die Universitätsstudien der Mönche, verkündet und
berathen und zur Förderung der Disciplin Visitatoren auf-
gestellt wurden.
Unter dem Abte Johannes (1364 — 1375), der als Musik-
freund Gradualbücher schrieb und bei den Nonnen seines
Klosters den Ghoralgesang einführte, lebte der als Hymnen-
dichter bekannte Salzburger Mönch, in dem nicht mit Un-
recht einige Forscher den Abt Johannes selbst vermuthen.
Der verdienstvollste Abt dieses Jahrhunderts ist Otto
Calchochsperger (1375 — 1414), der nicht nur die für jene
Zeit ungeheure Schuldenlast von 6000 Pfund Pfennige
tilgte, sondern auch das geistige Leben förderte und Vieles
im Kloster imd in der Kirche baute und kostbare Kirchen-
geräthe anschaffte. Er starb im Rufe der Heiligkeit.
V. Die kirchlichen Wirren im Laufe des 14. Jahr-
hunderts, insbesondere das langwierige grosse Kirchen-
schisma seit 1378 wirkte allmählich, wie im ganzen Abend-
lande, so auch in St. Peter auflösend, das kirchliche Leben
— 339 —
fing an zu schwinden, das Kloster drohte auszusterhen ;
denn es waren nur noch sechs Mönche in St. Peter.
Abt Georg Waller (1428 — 1435) wurde der Eegenerator
nicht nxir für St. Peter, sondern auch für weitere Kreise.
Er führte 1431 die Reform von Subiaco, wie sie in Melk
geübt wurde, ein und beseitigte den grossen Missstand,
dass nur Adelige ins Kloster eintreten dürften, was freilich
auch bisher in den Zeitverhältnissen begründet gewesen
war. Jetzt war dieses anders geworden. Die städtische
und ländliche Bevölkerung hatte bereits einen ziemlich
hohen Grad politischer Freiheit erlangt, so dass sie nun
frei ihren Lebensberuf wählen konnten, während sie bis-
her der Einwilligung jener Herren, deren Hörige sie waren,
bedurften. Zugleich hob Abt Georg die Oblei, d. i. die
Absonderung der Einkünfte zwischen Abtei und Convent,
auf und führte das gemeinsame Leben in allen Eichtungen
durch.
Nach dieser segensvollen Neuerung blühte das Kloster
rasch auf, die Zahl der Eintretenden mehrte sich, die er-
neuerte Disciplin brachte über 100 Jahre freudige Früchte
unter den ausgezeichneten Achten Erhard, Petrus, Eupert,
Virgil und Wolfgang. Das Kloster musste wegen Eaum^
mangel den zahlreich zum Eintritte sich Meldenden die
Aufnahme versagen.
Bischöfe, Aebte und Fürsten wetteiferten, sich von
St. Peter Mönche zur Eeform ihrer Klöster zu erbitten.
Abt Petrus wurde 1451 vom Cardinal Cusa als aposto-
lischer Visitator für 5 Frauenklöster und von verschiede-
nen Bischöfen als Yisitator für ihre Benediktinerklöster
ernannt. Abt Rupert wurde im Vereine mit drei andern
Achten vom Pabste Innocenz VIII. 1486 beauftragt, mit
apostolischer Autorität ein General- Ordenscapitel der Salz-
burger Kirchenprovinz zu berufen und Visitatoren aufzu-
stellen. Doch dieses Capitel konnte der Kriege wegen
erst 1491 abgehalten werden.
Neben der klösterlichen Disciplin blühte auch das rege
wissenschaftliche Leben wieder auf. Fähige junge Mönche
wurden auf die Universitäten geschickt. Die Klosterschule
erfreute sich auch eines grossen Eufes; die Bibliothek
mehrte sich mit den Früchten des Studiums und Fleisses
der Mönche, unter denen Erhard Lompts, Magister der
— 340 --
freien Künste, später Abt des Klosters, Fr. Simplicius
Chamrer als gewiegter Jurist und Verfasser mehrerer ju-
ridischer Traktate und Fr. Petrus, der als Philolog über
das lateinische Silbenmaass schrieb, rühmlich hervorragten.
Dem geistigen Aufbau im klösterlichen Leben ent-
sprach auch der materielle in Kirche und Kloster. Die
Kirche wurde durchaus erneuert und mit kostbaren Para-
menten bereichert. Abt Petrus erbaute den Nonnen ein
neues Kloster und Abt Rupert im Friedhofe nach Abtragung
der alten St. Amands-Kirche von G-rund aus eine neue zu
Ehren der h. Amand und Margaret, welche seither vom
Volke St. Margaretenkirche genannt wird.
Dieser erfreuliche Zustand des Klosters wurde 1518
bis 1524 in betrübender Weise gestört. Vier unzufriedene
Mönche, der nach der Aufhebung des Regularstandes der
Kanoniker am Dom ausgebrochene Rangstreit und die Ge-
fahr, dass die Abtei entweder dem Cardinal Matthäus Lang
oder Gundisalv de las Casas in Rom als Commende über-
geben würde, brachte im Kloster grosse Verwirrungen
und Zwistigkeiten hervor, die 1521 zur Absetzung des im
Jahre 1518 gewählten Abtes Simon und zur Aufdrängung
des Abtes Johann Staupitz durch Cardinal Matthäus Lang
führten. Staupitz brachte eine grosse Bibliothek, grössten-
theils Schriften der Reformatoren, aus Sachsen mit, die
unter einigen wenigen Brüdern grosses Unheil anrichteten,
während die übrigen unter dem wohlthätigen Einflüsse des
Priors Chilian Pitricher der kath. Kirche und dem Orden
treu blieben.
Nach dem baldigen Tode des Abtes Staupitz (1524)
stellte der einstimmig gewählte Abt Chilian Eintracht und
Ordnung wieder her. Es wiederholte sich die Blüthe der
Disciplin. und Wissenschaft, deren eifrigster Betreiber
imd Förderer trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse der
edle Abt selbst war; denn die Aufstände der Bauern in
Salzburg (1525), welche Kirche und Pfarrhof in Abtenau
niederbrannten und das Kloster schwer brandschatzten,
während sie den Erzbischof in der Festung Höhen-Salz-
burg belagerten; die Belagerung von Wien durch die
Türken (1529), welche Dombach von Grund aus zerstörten
und Amsdorf verbrannten, endlich die fast unerschwing-
liche Kriegssteuer, nämlich der vierte Theil der gesamm-
— 341 —
ten Einkünfte, und verschiedene Gewaltakte schienen das
Kloster vernichten zu wollen.
Die folgenden Aebte Aegid Radlmajx (1535—1553)
und Benedikt Obergasser (1554 — 1577), die ganz in die
Fussstapfen des Abtes Chilian traten, waren so glücklich,
nicht nur den äusserlich angerichteten Schaden in Dorn-
bacb, Arnsdorf und Abtenau wieder gut zu machen, son-
dern auch zwei grössere Bauten im Kloster aufzuführen,
ja selbst in den Hungerjahren 1567 und 1569 täglich 400
Arme der Stadt zu ernähren, wozu Abt Benedikt das Ge-
treide aus allen auswärtigen Besitzungen in Oesterreich,
Bayern u. s. w, herbeifühi-en liess. Derselbe Abt reorga-
nisirte auch die Klosterschule.
Der jugendliche und wissenschaftlich gebildete Abt
Andreas Graser (1577 — 1584) gab zwar anfangs grosse Hoff-
nung für die Zukunft, die sich aber später, als er in ge-
nusssüchtige Kreise gerathen, für den Convent in grosse
Trauer verkehrte. Er häufte die Schulden in leichtsin-
nigster Weise und bewirkte, um sich Geld zu verschaffen,
im Jahre 1583 die Auflösung des Seh wester- Convents in
St. Peter, in welchem bisher die Töchter des Adels und
Bürgerstandes ein treffliches Erziehungs-Institnt gehabt
hatten. Das Kloster der vertriebenen Frauen ging an die
PP. Franziskaner über, mit deren Einführung der Erz-
bischof eben beschäftigt war. Endlich wurde Abt Andreas
abgesetzt und ihm folgte Abt Martin Hattinger (1584 bis
1615), ein trefflicher Hauswirth. Er tilgte nicht nur die
Schulden seines Vorgängers, sondern that auch sehr Vieles
für die Verschönerung der Kirche und baute innerhalb der
Clausur einen grossen Theil des Klosters neu auf. Aber
dicEes war nur möglich durch den Edelmuth des Erzbischofs.
Wolf Dietrich, der die Hälfte der Kosten des Neubaues
bestritt und auch sonst sich als grosser Wohlthäter desi
Klosters erwies.
An die Stelle der von ihm verbrannten Schriften Lu-
thers und dessen Anhänger, die seit Staupitz sorgfältig
verschlossen und im Kloster aufbewahrt waren, kaufte er
iina mehrere Tausend Gulden die vorzüglichsten Werke ka-
tholischer Autoren aus allen Zweigen der Wissenschaften.
Er verfasste eine doppelte Chronik, die des Klosters St. Peter
and des Erzstiftes und mehrere andere historische'Schriften.
— 342 —
YI. Mit Abt JoacMm Buchauer (1615—1626) begann
nicbt nur für St. Peter, sondern auch für den Orden im
südlichen Deutschland eine neue Blüthe. Er erkannte das
Unzulängliche der vier Klassen seiner Klosterschule, da-
mals der einzigen Mittelschule Salzburgs, und schickte
schon im ersten Jahre seiner Wirksamkeit seine jungen
Mönche auf die Universität Ingolstadt. Im folgenden Jahre
wurde er vom Erzbischof Markus Sittikus beauftragt, die
schon lange, aber bisher vergeblich ersehnte und versuchte
Salzburger Akademie durch den Benediktiner-Orden zu
Stande zu bringen.
Es gelang dem unermüdlichen Eifer Joachims, den
grossmüthigen Abt Grregor von Ottobeuren und einige an-
dere zu gewinnen, so dass die höhere Lehranstalt, bis die
Gebäude für die Akademie aufgeführt würden, in St. Peter
schon 1617 eröffnet werden konnte. Zugleich wurde ein
Convikt für die Ordenskleriker eröflfiiet. Schon im näch-
sten Jahre gelang es dem Abte Joachim im Vereine mit
dem oben erwähnten Abte Gregor, eine OonfÖderation von
33 Abteien in Bayern und Schwaben für die Erhaltung der
Akademie zu Stande zu bringen. Später schlössen sich
auch die österreichischen Abteien diesem Vereine an.
Schon 1623 erhob man die Akademie zur Universität,
deren Assistens perpetuus oder Vicepräses der jeweilige
Abt von St. Peter sein sollte. Von da an bis zur Auf-
lösung 1810 blieb die Universität immer das Schoosskind
der Aebte von St. Peter.
Damit aber mit der Förderung des wissenschaftlichen
Strebens auch das geistliche Leben gleichen Schritt halten
könnte, führte Abt Joachim 1619 die Casinenser Statuten
ein. Abt Albert Keuslin (1626 — 1657) brachte, nachdem
1631 die grosse Union sämmtHcher deutscher Benediktiner-
Abteien an dem Widerstände der eine Schmälerung ihrer
Jurisdiction fürchtenden deutschen Bischöfe gescheitert
war, auf den Wunsch des Erzbischof Paris 1641 die Salz-
burger Benediktiner- Congregation für die disciplinären
Zwecke zu Stande.
Dem in dieser Periode sorgfältig gepflegten inneren
geistigen Aufbau entsprach auch der materielle unter den
Aebten Amand Pachler (1657 — 1673), der den nördlichen
und östlichen Flügel des inneren Quadrates, und Edmund
T- 343 —
Siahaber (1673—1702), der das äussere Quadrat des Kloster-
gebäudes von Grund aus neu erbaute.
Die Aebte Placidus Mayrhauser (1704 — 1741) und Beda
Seeauer (1753—1785) thaten wieder Ausserordentliches für
die Ausschmückung der Klosterkirche.
Seit der Gründung der Alma Benedictina hatte das
wissenschaftliche Leben im Kloster einen hohen Aufschwung
genommen und vorzüglich in Theologie und Geschichte
stehen ausgezeichnet da: Abt Amand Pachler, die Brüder
Josef, Franz und Paul Mezger, Rupert Presinger, Placi-
dus Böckhn, Beruhard Viechter, Abt Gottfried Kröll, Abt
Beda Seeauer, Vital Mösl und viele andere.
Diesem allseitigen Aufblühen aber folgte eine düstere
Zeit. Die Rückschläge der französischen Revolution, die
anfangs eine Hebung und Klärung der Geister zu ver-
sprechen schien, bald aber sich in ihrer wahren Gestalt
zeigte und mit Blutscenen, die ihres Gleichen nicht haben,
besudelte, wirkte zuerst verderblich auf den salzburgischen
Hof, dann aber auch auf die Universität und das Kloster
St. Peter. Das katholische Leben wurde durch die ge-
waltsamen Maassregeln des irre geleiteten Fürsten im In-
nersten erschüttert. Abt Dominikus Hagenauer (1786 bis
1811) suchte an der Universität und im Kloster den revo-
lutionären Grundsätzen zu steuern, soweit sein grosser
Einfluss reichte, als die Revolutionskriege mit allen ihren
zerstörenden Folgen auch über Salzburg hereinbrachen.
In den drei feindlichen Invasionen 1800, 1805, 1809 hatte
St. Peter im Kloster und auf den nächst gelegenen Meier-
höfen, ausser den schweren Requisitionen, zusammengenom-
men 62,000 Mann, darunter 4804 Stabsoffiziere, und über
15,000 Pferde zu verpflegen.
Kurfürst Ferdinand, an den Salzburg 1803 gekommen
war, Hess zwar die Klöster bestehen, sowie auch Oester-
reich, an das Salzburg 1805 überging; als aber Salzburg
1809 an die Krone Bayerns kam, schien die Unterdrückung
des Klosters besiegelt. Die Aufnahme von Novizen und
1811 die "Wahl eines neuen Abtes wurden untersagt, die
Inventarisirung angeordnet, die wichtigsten Urkunden des
Archives nach München abgefordert und überschickt. Da
"vs^ar es Kronprinz Ludwig, damals Civil- und Militär- Gou-
verneur des Inn- und Salzachkreises, der in seiner Liebe
— 344 —
und Begeisterung für den Benediktiner- Orden bei seinem
Vater, König Max L, Fürbitte für die salzburgischen Klöster
einlegte und muthig gegen den damals allmächtigen Mi-
nister Montgelas auftrat, bis er endlich die Gewährung
seiner Bitte erwirkte. König Ludwig I. bewahrte bis zn
seinem Tode dem Kloster eine berzliche Zuneigung und
dieses ih.m eine unbegrenzte Dankbarkeit.
Im Jahre 1816 kam Salzburg zum zweiten Male an
Oesterreich. St. Peter atbmete wieder freier auf. 1817
übernahm es über Auftrag Sr. Majestät des Kaisers Franz I.
von Oesterreich im Vereine mit Michaelbeuren das Gym-
nasium zu Salzburg und diese behielten es bis zur Ein-
fahrung des neuen Studienplanes von 1850. Um 1823 er-
hielt es Maria Piain, das früher der Benediktiner-Univer-
sität incorporirt war, aber für den Fall der Auflösung
derselben stiftungsgemäss an St. Peter übergehen sollte.
Abt Albert Nagenzaun (1818 — 1856) bemühte sich,
allseitig die Wunden, welche die Revolution dem Kloster
geschlagen hatte, zu heilen, förderte das Studium, legte
mit riesigem Fleisse das alphabetische Real-Repertorium
über das gesammte Archiv des Klosters an, stellte mit
grossen Kosten das gegenwärtige Naturalienkabinet her
und that an den Patronatskirchen sehr Vieles für die
Schulen und Kirchen.
Das Revolutionsjahr 1848 schlug durch seine ausge-
führten gefährlichen Grundsätze dem Kloster schwere öko-
nomische Wunden, welche die letzten Lebensjahre des er-
blindeten Abtes bitter trübten und ihn hinderten, seinen
Plan, in der 3 Stunden entfernten Ortschaft Russbach
eine Seelsorgskirche zu bauen, auszuführen, was erst unter
seinem Nachfolger Albert Eder (1857 — 1876) geschah.
Dieser hat sich in vielfacher Beziehung um die Erzdiöcese
verdient gemacht, besonders aber dadurch, dass er junge
Mönche zu theologischen Studien nach Rom und zur Vor-
bereitung für das Gymnasiallehramt auf Universitäten
schickte, von denen jetzt vier an dem Privat-Gymnasiam
des f. e. Gollegium Borromaeum unentgeltlich als Lehrer
wirken.
Nachdem der hochverehrte Abt Albert Eder am 27. Mai
1876 zum Erzbischof von Salzburg erwählt worden, wurde
am 20. October desselben Jahres Romuald Homer zum
— 345 —
Abte des altehrwürdigen dreizehnhundertjährigen Klosters
erwählt.
Bescbreibung. I. Die Einsiedelei des h. Maximus.
Unter diesem Namen sind bekannt die zwei grösseren
Höhlen (Katakomben) an der steilen Nordwand des Mönchs-
berges. Die obere * hat jetzt den Namen St. Maximus-
KapeUe, die untere aber St. Gertrauden-Kapelle. Beide
stammen aus den Verfolgungszeiten unter den römischen
Kaisern. Die obere diente als Begräbnisplatz für die
christlichen Blutzeugen des alten luvavum, aber nur ein
Grab ist gut erhalten , vier andere mussten Altären
weichen. Die untere Höhle war der geheime Versamm-
lungsplatz der christlichen Gemeinde, die Katakomben-
kirche. Nach, dem Aufhören der Christenverfolgungen ver-
sammelte sich in diesen Heiligtliümern eine religiöse Ge-
nossenschaft, an deren Spitze zur Zeit des h. Severin
(t 8. Januar 482) der Priester (Abt-Bischof?) Maximus stand,
der sammt seiner ganzen Genossenschaft das Opfer der
wilden Horden Odoakers wurde.
Als St. Rupert nach dem zerstörten luvavum gekom-
men, wählte er diese geheiligten Stätten, um dort sein
Kathedralkloster zu erbauen und folgte hierin dem Bei-
spiele des grossen h. Martin von Tours in Frankreich, der
sein Kloster in und an den Felshöhlen seiner Bischofsstadt
erbaute. Es lag das im Geiste der damaligen Zeit, weil
die abendländischen Mönche die ägyptischen Vorbilder,
welche in den Höhlen der Thebais wohnten, nachizuahmen
sich bestrebten. Der h. Rupert hat die Katakombenkirche
aller Wahrscheinlichkeit nach dem grossen irischen Apostel
St. Patritius geweiht; denn dieser erscheint als der älteste
Patron dieser Kirche. Im Jahre 1178 wurde sie restau-
rirt und vom Erzbischof Conrad III. auf Bitten des Abtes
Heinrich II. zu Ehren des h. Erzbischofs Thomas von
Canterbury und der h. Gertraud von Nivelles geweiht.
Diese beiden Katakomben sind nach dem Ausspruche
des grossen Katakombenforschers De Rossi das schönste
und best erhaltene Denkmal des christlichen Cultus der
ersten Jahrhunderte in Deutschland. Die Inschrift über
dem Katakombengrabe in der obern Höhle wurde erat 1521
angefertigt.
JI. Die KreusTcapelle und St. Äegidien^apelle. Die
— 346 —
dritte niedrigst gelegene kleine Höhle, in der nächsten
Nähe der zwei oben erwähnten, erwählte sich der h. Ru-
pert für seine Privatandacht. Er gelangte aus seinem Kloster
dorthin, indem er einige Stufen empordtieg. Nachdem die
Mönche (1110) das alte rapertinische Kloster am Berge
(auf der Südseite der jetzigen Klosterkirche) mit den Räum-
lichkeiten der bisherigen Residenz der Erzbischöfe (auf der
Nordseite) vertauscht hatten und schon 17 Jahre darauf
(1127) Kloster und Kirche ein Raub der Flammen gewor-
den -waren, wurde das alte Kloster nicht mehr aufgebaut.
Um jedoch die geheiligte Gebetsstätte des h. Rupert zu
erhalten und zu pflegen, Hess ein frommer Verehrer des-
selben, Siboto von Surberg, vor jener Bethöhle an der
Stelle der Wohnung des h. Rupert 1170 eine Kapelle zu
Ehren des h. Kreuzes und des h. Rupert erbauen, imd im
folgenden Jahre dessen gleichnamiger Sohn in der Bet-
höhle selbst einen Altar errichten. Jetzt heisst diese St.
Aegidien- Kapelle, wahrscheinlich zufolge einer spätem
Einweihung, während sie im Mittelalter als „St. Ruprechts
HöUein" bekannt war. Man gelangt jetzt in dieselbe durch
die Kreuzkapelle über eine schmale aus dem Felsen ge-
hauene Stiege. Die Kreuzkapelle in ihrer gegenwärtigen
Gestalt wurde vom Erzbischofe Paris Lodron hergestellt
und zur Lodronschen Familiengruft bestimmt.
III. Die St. Margareten-Kapelle im Friedhofe. An die-
ser Stelle hatte der h. Rupert seine erste Kirche für die
kleine christliche Gemeinde Salzburgs erbaut und sie wurde
benützt, bis der Bau der Klosterkathedrale, der jedenfalls
mehrere Jahre in Anspruch nahm, vollendet war. Rupert
hatte sie eingeweiht zu Ehren des h. Amand von Worms,
dessen Reliquien er hier vorläufig beisetzte, bis er diesel-
ben nach Vollendung der Klosterkathedrale unter dem
Hochaltare beisetzte und der Verehrung der Gläubigen
übergab.
Erzbischof Arno (785 — 821) erneuerte die baufällige
Kapelle und bestimmte sie zum Begräbnisplatze seiner ver-
storbenen Mönche. Nach dem grossen Brande (1127) wurde
sie (114:1) wieder hergestellt und zu Ehren der Heiligen:
„Amand und Margareta" eingeweiht. Der kunstsinnige
Abt Rupert Kreuzl (1466—1496) Hess dieselbe 1485 ab-
brechen und die gegenwärtige, mit einem Kostenaufwande
— 347 —
von 5000 /. an derselben Stelle im gothischen Style er-
baute Eirclie im Jahre 1492 durch Bischof Georg Yon
Chiemsee zu Ehren der Heiligen Amand und Margaret ein-
weihen. Unter Abt Albert Eder (1857—1876) wurde sie
im Jahre 1864 renovirt und mit Glasgemälden, einem neuen
Altare imd einer neuen Empore geziert. Diese Kapelle
war bis auf unsere Tage der beliebte Begräbniaort des
alten und hohen Adels von Salzburg.
IV. jyie St. Peters-Klosterkirche. Diese vom h. Rupert
erbaute Klosterkathedrale ist die altehrwürdige Mutter-
kirche des christlichen Glaubens und der Cultur für die
Bajoaren und die slavischen Völker der Ostalpen. Von
hier aus erhielten diese Völker ihre Apostel. Hier befin-
den sich die Gräber der ersten apostolischen Bischöfe und
Aebte: Rupert, Vital, Ansogolus, Savolus, Ezzius, Flobrigis
und Johannes. Aus den ältesten Resten der Kirche, näm-
lich vier zum Theil jetzt eingemauerten Säulen in der
Mitte derselben, zu schliessen, scheint sie ursprünglich vom
h. Rupert als Säule n-BasiÜka erbaut worden zu sein. Nach
dem Brande im Jahre 847 war sie unter Erzbischof Liu-
pramm (836—859) wieder hergestellt worden, wurde aber
1127 abermals ein Raub der Flammen. Abt Balderich
(1125 —1147) erbaute sie innerhalb 16 Jahren im verlänger-
ten Maassstabe als Säulen- und Pfeiler Basilika, schmückte
das Mittelschiff mit Wandgemälden und den Eingang mit
einem schönen Portale, das im Typanon die Inschrift trägt:
lanua sum vitae, salvandi quique venite. Per me transite,
via non est altera vitae.
Öas Mittel- und die beiden Seitenschiffe schlössen
jedes im Osten mit hoher Apsis ab, von denen Abt Martin
(1604) die mittlere und Abt Joachim (1621) die der bei-
den Seitenschiffe abbrechen und mit einem geraden Mauer-
abschlusse ersetzen Hess. Letzterer beseitigte auch das
Getäfel der Kirche, erhöhte die Schiffe, liess sie über-
Tvölben und auf die Vierung die gegenwärtige Kuppel
aufsetzen, sowie den Musikchor in der Höhe des westlichen
Kirchenabschlusses erbauen. Die gegenwärtige moderni-
sirte Gestalt der Kirche mit sämmtUchen Altären aus Mar-
mor ist das Werk des Abtes Beda (1750—1785). Die fünf
Seitenkapellen an der Südseite wurden von verschiedenen
Familien als Begräbnisstätten vom 15. bis zum 17. Jahr-
— 348 —
hundert angebaut. Den anfangs sehr niedem Thurm hatte
Abt Otto Calchochsperger (1375—1414) um 1390 bedeu-
tend erhöhen und rait einer vierseitigen Pyramide krönen
lassen, welche aber Abt Beda beseitigte und mit einer
sechsmal getheilten Kuppel ersetzte (1756).
An der Südseite des Querschiffes befindet sich die von
Leopold dem Glorreichen, Herzog von Oesterreich (1215)
erbaute St. Katharinen-KapeUe , von aussen noch gut er-
halten, im Innern vom Abte Placidus Mayrhauser (1734)
in gegen-w artiger Gestalt hergestellt. An der Nordostseite
der Kirche schliesst sich die Veitskapelle an. Zur Zeit
der Einführung der Reform von Cluny als Marienkapelle
zum gesonderten Chorgebete für die gebrechlichen und
schwachen Brüder erbaut und nach dem grossen Brande von
1127 wieder hergestellt, wurde sie 1319 im gothischen
Style restaurirt und der sei. Jungfrau Maria und dem
h. Vitus geweiht. Die gegenwärtige Gestalt im Innern
wurde ihr vom Abte Placidus im Jahre 1705 gegeben.
Hier befinden sich die Gräber von eK Aebten des Klosters
aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert und seit 1661 die
Grüfte für die verstorbenen Mönche, In dieser Kapelle
wurden im Mittelalter die Aebte von St. Peter erwählt.
V. Der Friedhof von St. Peter. Als christliche Be-
gräbnisstätte ist er so alt als das Christenthum im alt-
römischen luvavum und nachherigen Salzburg. Während
nämlich die Heiden ihre Verstorbenen am Bürgelstein bei-
setzten, begruben die christlichen Bewohner die ihrigen in
der nächsten Nähe ihrer Cultusstätten und bestatteten ihre
Märtyrer in den Felsengräbern des heutigen Mönchsberges,
und in der unmittelbaren Nähe am Fusse desselben,
wie dieses auch mit Maximus und seinen Leidensgefährten
geschehen ist.
Der h. Rupert weihte diese geweihten Stätten zum
Begräbnisorte für die Verstorbenen der aufkeimenden christ-
lichen Gemeinde Salzburgs. Die gegenwärtigen Gruftkapel-
len wurden erst um 1600 erbaut. Die heiligen Erinnerungen,,
welche sich nicht nur an diesen altehrwürdigen Friedhof,
sondern auch an die denselben umschliessenden Stätten
knüpfen, bewirkten, dass im Laufe von 13 Jahrhunderten
die Familien Salzburgs mit Vorliebe hier ihre Ruhestätte
wählten. Die Grabdenkmäler von St. Peter und Nonnberg,
— 349 —
welclie von Walz herausgegeben -wurden, bieten bis 1632
die Namen der hier Begrabenen, so weit selbe geschicht-
lich nachweisbar sind.
Y. Das Kloster. Die gegenwärtigen Klostergebäude
umschliessen zwei Hofräume, den äussern, den Abteihof,
dessen Gebäude Abt Edmund von 1682 — 1694 aufführte
und den Innern, den Conventhof, dessen nördlichen Flügel
Abt Amand 1657 — 1661 um 32,000 /. erbaute. Die Mar-
morbrtinnen in beiden Hofräumen sind Geschenke des Erz-
bischofs Guidobald von Thun. An der Nordseite der Kirche
hat sich ein kleiner Theil des Kreuzganges aus dem 12. Jahr-
hundert mit den ältesten Grabdenkmälern aus dem 13. bis
16. Jahrhundert erhalten.
Das Kloster besitzt eine Bibliothek von mehr als 50,000
Bänden, darunter Membran-Manuscripte, ein reiches Archiv,
eine näturhistorische Sammlung, deren Glanzpunkt die
mineralogische ist, und eine Schatzkammer mit interessan-
ten kirchlichen Kunstgegenständen aus dem Mittelalter.
Gegenwärtig zählt das Kloster 45 Mitglieder, nämlich
32 Priester, 7 Kleriker und 6 Conversbrüder. Die Priester
besorgen ausser den gewöhnlichen Aemtern im Kloster die
folgenden incorporirten Kirchen:
A. In der Erzdiöcese Salzburg: 1) Das Superiorat an
der Wallfahrtskirche Maria Piain mit 3 — 4 Priestern. 2) Die
Pfarre Abtenau mit der Expositur Eussbach (3764 Seelen)
und dem Vikariate Annaberg (850 Seelen) mit 6 Priestern.
B. In der Diöcese Gv/rk: Die Probstei Wieting mit
der Guratie Kirchberg (1418 Seelen) mit 2 Priestern.
C. In der Erzdiöcese Wien: Die Pfarre Dombach nächst
Wien (3180 Seelen) mit 2 Priestern.
Ueberdies wirken 2 Priester am Frauenkloster Nonn-
berg, einer als Beichtvater, der andere als Katechet; fer-
ner 2 excurrendo am Frauenkloster Notre Dame in Gol-
densteih als Beichtvater und» Katechet. Auch wirken 4 als
geprüfte Professoren am Diöcesan-Khabenseminar (Borro-
maeum) in Salzburg. Endlich unterstützt das Kloster ein
•Convikt für Studirende mit einem Priester als Präfecten.
Von einem Mitgliede des Klosters.
Stift Kaigern.
A. Lage und Beschreibung.
las Benediktiner- Stift Raigern liegt Yg Yiertel-
stunde östl. vom gleiclmamigen Markte und der
Station der Kaiser- Ferdinands -Nordbalm, zwi-
sclien dem linken Ufer der Schwarzava und dem
neuen Durchsticli desselben Flusses auf der Ebene, Es
ist insofern von der gewöhnlicb erböhten Lage der Bene-
diktiner-Klöster verscbiedcn, weil es ursprünglicb an der
Stelle einer, nacb altslaviscber Sitte zwischen Gewässern
erbauten landesförstlicben Burg gegründet worden. Von
der letzteren hat sich aber, ausser wenigem unterirdischen
Gemäuer, nichts mehr erhalten. Das jetzige Stiftsgebäude
wurde sammt der Kirche seit 1720 nach den Grundrissen
des Italieners Santini von Grund auf neu aufgebaut in
der Weise, dass der östl. Conventtheil sammt dem Biblio-
thekssaal und der Hälfte der Prälatur bis 1740 fertig
ward, der Rest aber nachträglich und die westl. Fronte
des Conventes im Innern erst 1838 vollendet wurde. Das
ganze Stiftsgebäude bildet drei regelmässige Vierecke von
einem Stockwerk mit ebenso vielen Höfen, zu denen zwei
Thore führen. Den ersten Hof umgeben Wohnungen der
stiftlichen Wirthschaftsbeamten, an die sich rückwärts das
Brauhaus nebst eiaem Meierhof anschliesst, ferner ein
Waschhaus , die Gärtnerwohnung, Binderei, Bäckerei und
Stallungen. Der zweite Hof ist durch ein eisernes Gitter vom
ersten getrennt und enthält im östl. Theile zwischen einem
Wirthschaftsgebäude und dem. Convente die den heiligen
Apostelfürsten Peter und Paul geweihte Stiftskirche. Diese
ist, weim nicht die schönste, so doch eine der schönsten
in Mähren und wurde unter dem hochverdienten Probste
Anton Pirmus mit grossem Geldaufwande nach Rissen
des schon genannten ausgezeichneten Architekten Johann
Santini von dem Brönner Baumeister Georg Klitschnik
zwischen 1720 und 1740 im neueren römischen Styl er-
o
•r-l
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02
— 351 —
"baut, nacMem der Grundstein am 4. Juli 1722 feierlich
gelegt worden. Ihre Länge, sammt der Vorhalle, beträgt
72,58 Meter, wovon auf das Presbyterimn 4,74Meter entfallen,
die grösste Breite 14,i7 Meter und die Höhe bei 30,3 Meter.
Die Mauerdicke der im Innern Yorspringenden Wandpfeiler
im Schiffe und jene des Presbyteriums hinter dem Hoch-
altare misst über 3,79 Meter, woraus sich auf die Tiefe
und Mächtigkeit der Gründe schliessen lässt, welche in
dieser niederen und wasserreichen Gegend auch behufs
der zwei unter der Kirche im Presbyterimn und im Schiffe
befindlichen gewölbten Grüfte meist auf Pyloten aufge-
führt werden musaten. Das Gewölbe . bilden fünf kühne
und hohe Kuppeln, deren vierte der Brünner Künstler
Joh. Etgens al fresco malte, und wovon die erste und die
zweite, die Entzückung des heil. Paulus vorstellend, wegen
trefQicher Erfindung, Zeichnung und natürlicher Haltung
der Figuren besonders gerühmt werden. Die Kuppel über
dem Hochaltar wurde, weil das Presbyterium in Folge
des schlechten Grundes den Einsturz drohte, im Jahre 1767
abgetragen und neu gebaut (1770), von Josef Winterhalter
ebenfalls al fresco vortrefflich gemalt und stellt die Ver-
klärung Christi auf dem Berge Tabor vor. Die Kirchen-
wände, in architektonischer Ordnung in Gypsfarben bis
hinauf zur Kuppelmalerei marmorirt, bilden mit dem
Hochaltar ein schönes Ganze und alle Kapitaler der zahl-
reichen Wandpfeiler sind reich vergoldet. Der Hochaltar
besteht aus zwei Theüen, nämlich erstens aus dem eigent-
lichen, leider etwas zu kleinen Opferaltar, mit rothmar-
momer Tumba und dem zum Theü vergoldeten Taber-
nakel, an dessen jeder Seite ein ganz vergoldeter Cheru-
bim in anbetender Stellung von schöner Schnitzarbeit
und darüber eine auf Säulen ruhende, mit dem bekannten
Benediktinerkreuz gekrönteKuppel (alles dies von dem Brün-
ner Andr. Schweigel) angebracht ist. Zweitens aher aus der
in Gyps meisterhaft ausgeführten Architektur auf der
Rückwand, wo zwischen Wolken vertheüte Engelgruppen
die en basrelief ausgeführte und vergoldete Vorstellung
der Verkündigung Mariens, darüber aber die seligste
Jungfrau mit dem göttlichen Kinde umgeben. Das Ganze
schliesst hart an der Kuppel mit Figuren Gottes des Va-
ters und des heil. Geistes, während unten an eigenen
— 352 —
Piedestalen die kolossal in Gryps vortrefflicli gearbeiteten
Statuen der h.. Patrone Peter und Paul angebracM
sind. Diese ausgezeiclineten Bildhauerarbeiten und die
der sechs Seitenaltäre in dem mittleren Theil des Kir-
cbenscMffes lieferte der aus Schwaben gebürtige, damals
aber im fürstlichen Schloss zu Nikolsburg arbeitende Mei-
ster Ignaz Lengelacher. Die vor dem Hochaltar hängende
9,84 Meter hohe, aus im Feuer vergoldetem Kupfer ver-
fertigte und mit 386 Lth. Silber verzierte Lampe ist ein
Meisterstück des Brünner Silberarbeiters N. Richter, und
wurde 1786 um 1278 /. verfertigt. Ausser dem hohen
giebt es noch neun, sammt dem hohen im Jahre 1845 mit
bedeutendem Aufw^ande neu stafßrte Altäre in der Kirche
und zwar auf der Evangelienseite der des h. Andreas
(Blatt von Johann Stiasny), des h. Benedikt (mit dem
kostbar gezierten Leib des h. Defendens im Glaskasten,
Blatt vom grossen Meister B.. von Führich, wie auch
das gegenüber der h. Scholastica beide Kunstwerke
ersten Ranges und um den Preis von 6000 /. vom gegen-
wärtigen Stifts vorstand H. Prälaten Günther angeschafft),
des h. Johann von Nepomuk (Blatt von Johann Etgens)
und der heü. Familie (Blatt von Winterhalter, Statuen
von Audr. Schweigel); auf der Epistelseite aber der der
h. Gertrud, h. Scholastica (auf dem letzteren der
Leib des h. Felicissimus ganz so, wie beim h. Bene-
dikt), der h. Barbara (Blatt von A. Preis in Iglau
1841), A. A. Heiligen (Blatt von Winterhalter,- Statuen
vom Brünner N. Bdele) und der in . der seitwärts vom
Musikchor in der lun 1760 erbauten und 1845 zierlich
ausgestatteten Kapelle der Mutter Gottes, deren im Glas-
kasten am Altare befindliche Statue schon um 1270 am
hohen Altar gestanden haben soll. Die Chorstühle auf beiden
Seiten der Presbyteriimiswände sind von musterhafter
Tischlerarbeit, foumirt und mit vergoldeten Ornamenten
geziert. Die Kirche hat zwei sehr gute Orgeln, beide
staffirt und theilweise vergoldet, die grössere mit zwei
Manualen, Pedal und 22 Registern (1733 von dem Brünner
Meister AJiton Richter erbaut), auf dem im Jahre 1854 be-
deutend erweiterten Musikchor über dem Haupteingange
im Westen und die ebenso geschmückte kleinere, mit nur
einem Manuale, Pedal und zwölf Registern im Chor des
— 353 —
Presbyteriuma. Das Portale im "Westen, welches neuer-
dings im Jakre 1879 ausgebessert und verschönert wurde,
bilden zwei Gruppen von korinthischen Säulen, die einen
steinernen Balkon tragen, hinter welchem zwei grosse,
mit zum Theil vergoldetem eisernem Stabwerk gestützte
Fenster über einander in der Kirchenmauer angebracht
sind und in dessen zwei Nischen die in Gryps gut gearbei-
teten (von R. Bfenek in Brunn) Bildsäulen der h. Adal-
bert und Günther stehen. An den Giebelseiten erheben
sich zwei schlanke Thürme, deren mit vergoldeten Kreu-
zen versehene Kuppeln geschmackvoll mit Kupfer gedeckt
sind imd in deren einem (an der Nordseite) nebst der
Uhr (1727 von Franz Lang in Ung.-Brod verfertigt) noch
die grösste Glocke von etwa 60 Cent, ist, während der
im Süden drei insgesammt im vorigen Jahrhundert gegossene
und im Septaccord gestimmte Glocken trägt. Im Sanktus-
thürmchen über dem Presbyterium ist die fünfte kleine
Glocke. Die Kirche hat ein Ziegeldach, ist durchaus mit
weissen und blauen Kehlheimer Platten gepflastert und
alle Seitenaltäre sammt dem Presbyterium sind durch eine
zierliche Brüstung aus geschmiedetem Eisen von dem
Raum für das Volk geschieden. Ueber der sehr geräumigen
imd um 1840 mit schöner Einrichtung von Eichenholz
versehenen Sakristei an der Epistelseite, von wo und
hart dabei auch aus dem Convente der zweite Eingang in
die Kirche ist, befindet sich das erst 1844 ganz neu her-
gestellte Oratorium für das Chorgebet an gewöhnlichen
Tagen; es enthält ausser den aus Eichenholz gut gear-
beiteten Chorstühlen ein Positiv und vier Fenster, wovon
eins zum Hochaltar weist, einen Altar mit dem von J. Zeleny
gemalten Bude des h. Benedikt, zum Messelesen fiü:
kränkliche oder altersschwache Conventualen und wurde
1861 vom Brünner Zimmermaler Hlavatschek decorativ
ausgemalt. Ebenerdig stösst an die Sakristei im östlichen
Conventgange das geräumige und lichte Capitellokal an,
wo eberdfalls ein neustaffirter schöner Altar mit dem Bilde
der Mutter Gottes und ein Tabernakel ist, in welchem in
der Charwoche das Allerheiligste aufbewahrt wird. —
Von Alterthümern aus der früheren ebenda gestandenen
Kirche hat sich leider fast nichts erhalten. Nur der
zinnerne, auf drei Füssen ruhende und ringsum mit halb'
Ein Benediktinerbuch. 23
— 354 —
erhaben gearbeiteten und colorirten Bildnissen der 12 Apo-
etel geschmückte Taufbrunn aus dem 16. Jahrhundert^
dann die (neuere) Grabschrift des hier (beim Altar der
heil. Familie) beigesetzten am 7. Juni 1661 zu Brunn
verstorbenen heldenmüthigen Vertheidigers des Spielbergea
gegen die Schweden im Jahre 1645, Georg Jakob Freiherr
T. Ogilvy und der in der äussern nördlichen Eirchenmauer
eingesetzte gleichzeitige Grabstein (aus der ehemaligen
St. Andreaskapellej des im Raigerer Stifte als „verbannt"^
(qui-hic exulum egit) im Jahre 1542 gestorbenen Abtes von
Kloster Saar-Ambros stammt noch aus älterer Zeit. In
den zwei schon früher erwähnten Grüften werden die Ver-
storbenen seit 1784 nicht mehr beigesetzt, sondern auf
dem allgemeinen Friedhofe bei der Pfarrkirche im Markte
Raigern begraben. TJebrigens wurde die Kirche, worin
zumeist die pfarrUchen Functionen abgehalten werden,
vom Olmützer Fürstbischof Jakob Ernst Graf von
Liechtenstein sammt 9 Altären schon am 7. Juni 1739
feierlichst consecrürt und das diesfällige Anniversar mit
vierzigtägigem Ablass für den dritten Sonntag nach Pfingsten
bestimmt. Eine schöne Zierde, ein wahres Kunstwerk ist
das grosse aus carrarischem Marmor von Max in Prag
ausgeführte Wandbild des Herzogs Bfetislav, des Gründers
von Raigern, rechts beim Eingange zur Kapelle, das 1863
vom gegenwärtigen Abte Günther angekauft wurde. —
Was die Messkleider und sonstiges Ei'chengeräthe be-
trifft, so ist die Stiftskirche damit reichlich versehen und
unter den ersteren, die grossentheils aus dem diesfälligen
Vorrath der aufgehobenen Abteien und Klöster diurch
den f^älaten Othmar Konrad gekauft wurden, giebt es
einige sehr kostbare und geschmackvolle älterer Arbeit.
TJebrigens hat der letztverstorbene Herr Prälat Victor
Schlossar und auch der gegenwärtige die Kirche reichlich
mit neuen, zum Theil kostbaren Gewändern versehen,^
letzterer auch einen neuen Traghimmel, Kirchenfahnen,
neue Kelche etc. angeschafft und bei jeder Gelegenheit
sich als besonderer Wohlthäter derselben bewährt.
Stiftungen giebt es vier aus älterer imd einige geringere
aus neuerer Zeit. — Der Kirche gegenüber und mit der
Fronte gegen SW. gekehrt steht die sogenannte Prälatur,
wo sich ebenerdig die Stiftsküche mit den nöthigen
— 355 —
KamTnem und sieben Gemächern zur Aufnahme von Gästen
niederen Standes und Handwerkern befinden. Im ersten
Stockwerke ist die Abteswolinung für Winters- und
Sommerzeit, nebst einer niedlicben Kapelle und Hand-
bibliothek, femer sieben Gastzimmer und zwei Speisesäle.
Die Sommergemächer des Abtes sind theils mit Kupfer-
stichen des Engländers Green, des Italieners Piterii und
des Franzosen Cochin, theüs mit Oelgemälden von Mich.
Willmann, Brand, Skreta, Feistenberger, Salvat. Rosa u. a.
ausgestattet, während in der Wiaterwohnung ein gut er-
haltenes Vesperbild von Luk. Kranach hängt, welches
unter die von diesem Meister bisher unbekannt gebliebenen
Bilder gehört. Ebendort wird auch eine sehenswerthe
und erst kürzlich in Wien restaurirte imd Tergoldete,
höchst wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts stammende Monstranz nebst einem Pontificalstab
verwahrt, dessen Obertheil mit schönem Schnitzwerk aus
Elfenbein spätestens im Anfang des 14. Jahrhunderts an-
gefertigt wurde. Die Büdnisse mehrerer Bischöfe, Aebte
und Pröbste in den Gängen der Prälatur malte zumeist
um 1780 und folgende Jahre der hiesige pröbstliche Kammer-
diener Storch. Das Stockwerk der Prälatur trägt auf
seinen entgegengesetzten Ecken 2 Pavillons mit vier
Gastzimmern, deren eines mit herrlichen Gobelins mit
Darstellungen der vier Jahreszeiten nach Teniers ge-
schmückt ist. Gegen Osten ist die Prälatur sowohl eben-
erdig als obenan je durch einen Gang mit dem Convents-
gebäude verbunden, welches sich an die Epistelseite der
Kirche anschliesst und das dritte regelmässige Viereck
büdet, dessen Mitte sechs kleine von einzelnen Geist-
lichen gut gepflegte Gärtchen im Gesammtausmaass von
2560,816 D Meter ausfallen. Ausser dem Noviziat, dem
schon erwähnten Oratorium, dann dem Capitelsaal mit
einem Altar und den geräumigen, insgesammt gewölbten
Wohnungen für Ordensmänner, sowie zwei Refectorien
für die Sommer- 'und Winterszeit und einem Erholungssaal
ist dort die von Joh. Etgens al fresco ausgemalte und
mit schön fournirten Eichenschränken versehene Biblio-
thek zu bemerken, welche in einem grossen Saale iind
zwei Nebenzimmern, an die sich die Bibliothekskanzlei
anschliesst, gegenwärtig bereits 54,000 Bände, worunter
23*
— 356 —
viele wicMige Inkunabeln (z. B. Pauli Quadragesimale
1468 4°, Plinii Opera Venetiis 1469 Fol. u. a.) und Hand-
schriften bewalirt, unter denen einige, wie z. B. das von
der Königin -WittWe Elisabeth 1317 für das Nonnenstift
zu Alt-Brünu angeschaffte Antiphonarium auf Pergament
nebst anderen Chorbüchem mit schönen Miniaturen ge-
schmückt sind. Diese Büchersammlung, durch mehr-
malige Verwüstungen dieses Elosters sehr verzundert,
vnirde erst durch Ankauf der besonders an guten Aus-
gaben der Klassiker und heü. Väter reichen Bibliothek
des verstorbenen Brünner Bischofs Mathias Graf von
Chorinsky, durch das Legat des verstorbenen Probstes
zu Eisgarn. Beck, sowie durch Anschaffen von Büchern
in neuester Zeit bedeutend vermehrt, durch den uner-
müdlichen Meiss des Bibliothekars P. Anton Rücker im
Verlaufe mehrerer Jahre katalogisirt und durch den gegen-
wärtigen P. Maurus Kinter in eine allseits entsprechende
brauchbare Form umgeschaffen. Im südwestlichen oberen
Trakt des Convents , welcher als Portsetzung der Prälatur
gilt und im Innern, wie schon gesagt, erst 1838 ausge-
baut und eingerichtet wurde, giebt es ausser sechs Zimmern,
einem geräumigen Saal mit zwei. Kabineten, in deren
ersterem eine Modell- nebst einer Gemäldesammlung ist,
welche ausser Bildern von Rubens (1) , Breughel (2) , van
der Bless (Mart. Luther mit anderen s. g. Reformatoren)
.u. a. fünf auf Holz gemalte Passionsstücke enthält, die
wahrscheinlich der böhmischen Malerschule Theodorichs
von Prag im 14. Jahrhundert angehören. In den zwei
Kabineten ist eine wohlgeordnete und katalogisirte Mine-
raHenä-, Konchylien- und Insektensammlung, nebst einigen
vaterl ndischen Antiquitäten, worunter die Funde an
Waffen- und Schmucksachen aus Heidengräbern beim
nahen Dorfe Rybesovic und beim Raigerer Bahnhofe, sowie
eine neuerdings angeschaffte antike keramische Collection
erwähnenswerth sind. An diese Kabiaete reiht sich das
Archiv an, worin nebst den wichtigsten Urkunden auch
werthvolle Handschriften aufbewahrt werden. Im Süden
schliesst sich an das Hoster ein ummauerter Obst- und
Gemüsegarten von 1 Hektar 16,38 Ar an, worin auch ein
hübsches Gewächshaus steht. Die nahen parkmässig be-
handelten Auwaldungen bieten schattige Plätze zum Lust-
— 357 —
■wandeln dar. Der ganze Personalbestand des Stiftes wird
gebildet aus dem Abte, welcher zugleich, infulirter Prälat
ist, 19 Priestern und 4 Klerikern; der liegende Besitz des
Stiftes aus den im Brünner Kreise gelegenen Grossgütem:
Raigem 1567 Joch und Domaschov mit Schwarzkirchen
2160 Joch, zusammen 3727 Joch oder 2144,957 Hektaren.
Geschichte des Stiftes. Die in und um Raigem bei
verschiedenen Gelegenheiten an verschiedenen Stellen zu
Tage geforderten prähistorischen Funde geben den besten
Beweis, dass die Stelle, auf der sich nun das Stift erhebt,
bereits in uralter Zeit bewohnt war. Zur Zeit des groas-
mährischen Reiches schon soll die hier befindliche Burg
(woher auch der Name des Stiftes Raj-grad = Burg im
Paradiese, weil in schöner Gegend gelegen) lange Zeit
verlassen gewesen sein, was allerdings einigermassen die
Sage begründet, schon die Landesapostel Mährens Cyrill
und Method hätten in der hiesigen Burgkapelle den christ-
lichen Gottesdienst gehalten. Nach dem Siege, den Herzog
Bfetislav um das Jahr 1028 über die Ungarn errang tind
in Folge dessen der südliche Theil Mährens ihm zufiel,
stellte er die alte Burg Raigem wieder her und hielt
sich auf seinen Jagdzügen öfter in derselben auf. Siebzehn
Jahre später schenkte er (falls die noch vorhandene dies-
bezügliche Urkunde echt ist) zu Ehren seines Anverwandten,
des Eremiten Günther, der mit dem bereits im 10. Jahr-
hundert gegründeten Benediktinerstifte Bf evnov bei Prag
in näheren Beziehungen stand, dieses sein Schloss und
die Umgegend an eben das genannte Benediktinerstift.
Dessen Abt Meinhart verwandelte die Burg in eia Kloster
und im Jahre 1048 den 26. November wurde der bezügliche
Stiftungsbrief vom Herzog Bfetislav, dem Prager Bischöfe
Severus und vielen Adeligen feierlichst gefertigt und das
Kloster mit dem Gotteshause eingeweiht. In vollster Ab-
hängigkeit vom Mutterstifte, der Stiftungsurkunde gemäss,
erhielt Raigem seine ersten Einwohner natürlicher "Weise
von Bfevnov.
Die Namen derselben, ihre Anzahl, ja selbst der
Name des ersten Klostervorstehers zu Raigem, welcher
fortan Probst (praepositus) genannt wurde, sind uns gänz-
lich unbekannt. Aus einer Urkunde vom Jahre 1062, die
die Consecration der St. Peterskirche in Brunn betrifft
— 358 —
(jedoch nur in einer Absclirift erhalten ist), ersehen wir
hlos, dass der Name dieses ersten Probstes mit M ange-
fangen habe. Im EJriege zwischen dem böhmischen Könige
Vratislav und dessen Bruder Herzog Eonrad von Brunn
am Schlüsse des 11. Jahrhunderts wurde die junge Stiftung
gar sehr geschädigt; doch muss sich schon damals sowie
auch im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts eine voll-
kommen geregelte Disciplin in ihr entfaltet und erhalten
haben, weil 1136 die Theilförsten Mährens von Brunn und
Znaim und der Ohnützer Bischof Heinrich gerade Eaigem
zum Orte ihrer Verhandlungen erwählten. Und als diese
mährischen Fürsten sich gegen ihren rechtmässigen Ober-
herm Vladislav von Böhmen empört hatten, blieb Eaigem
treu an der Seite des letzteren. Dafür wurde es auch in
besonderen königlichen Schutz genommen. Um 1167 zog
ein Raigerer Mönch, Jurik genannt, in die Gegend der
jetzigen Stadt Weisskirchen, damals noch eine furchtbare
Wildnis, imd machte dieselbe urbar, worauf der Olmützer
Herzog Friedrich dem Stifte Raigern 1169 das bereits
urbar gemachte Ackerland und so viel an Waldung schenkte,
als der Eremit ausroden wollte. Markgraf Vladislav hat
zwar, wie es nach einer in seinem Todesjahre 1222 durch
R. Pfemysl erfolgten Bestätigung dieses Begebnisses als
wahrscheinlich erscheint, den Verlust des Weisskirchner
Bezirks, welchen Markgraf Vladislav Heinrich dem Prä-
monstratenserstiffce Hradisch bei Olmütz zuwandte, durch
Anweisung des zehnten Fasses vom Wein jährlich aus
den Misslitzer Weinbergen für Raigern einigermassen ent-
schädigt, aber der Gottesmann Georg starb aus Gram
über den Verlust seiner Pflanzung schon 1209 in der
waldigen Gegend Politz bei Königgrätz, die er mit Zu-
stimmung des Bfevnover Abtes Kuno ebenfalls urbar
machen wollte. Eaigem erhielt 1234 vom Markgrafen.
Pfemysl alle jene Freiheiten, welche seit 1228 das Stift
Velehrad genoss, dessen bisherige und künftige Güter
wurden von allen Steuern, Abgaben und Frohnen befreit,
das Kloster sollte in Criminalsachen seine eigene Gerichts-
barkeit sammt den damit verbundenen Vortheilen haben,
den landesförstlichen Kämmerem das Betreten der Stifts-
güter hinsichtlich des Gerichtswesens verboten sein. Die
thätliche Beschimpfung eines Religiösen innerhalb der
— 359 —
Elosterumfriedigung sollte mit dem Tode, die Verletzung
der Immunität aber ebenso wie der Raub am Stiffcsyer-
mögen oder sonst irgend eine Scbädigung des Klosters
mit vollem Ersatz und noch einer besonderen Geldsumme
in die markgräfliche Kammer gestraft werden. Ueberdies
wurde der Ort Raigem zum Städtchen erhoben xmd. ihm
wegen der zum St. Peter- und Paulsfeste sehr zahlreich
zuströmenden Volksmenge ein Jahrmarkt von 7 Tagen
nach deutschem Rechte verliehen. Aber schon 1241 wurde
a,uch dieses Kloster sammt der Kirche, nachdem sich dessen
Bewohner wahrscheinlich nach Bfevnov und in das feste
Brunn geflüchtet, von den Mongolen gänzlich zerstört und
erst allmählich bis Ende 1246 wieder hergestellt, wo am
29. December der Olmützer Bischof Bruno dasselbe und
die Kirche sammt dem hohen und einem Seitenaltare
zum h. Kreuz geweiht imd für den Kirchweihtag allen
bussfertigen Besuchern der Kirche einen Ablass von 60 Tagen
verliehen hatte. Eine bedeutende Nachhülfe in seiner
Noth erhielt das Stiffc 1247 von dem neuen Markgrafen
Pfemysl Otakar, welcher ihm die bisher nur theilweise
bezogenen Einkünfte von den landesfärstlichen Mauthen
und Märkten zu Ungariseh-Brod und Kunovic auf 5 Jahre
ganz überliess und etwaige StÖrer dieser Gnade mit grossen
Strafen bedrohte. König Wenzel verlieh 1248 das Patronats-
xmd Vogteirecht über das Kloster an Bischof Bruno mit
dem Verbot, dass ohne königlichen Willen Niemand darin
oder auf dessen Gütern sich ansiedeln dürfe. Dadurch
wurden auch einige wesentliche Erleichterungen dem
schwer heimgesuchten Stifte zu Theü. Im Jahre 1251
Hessen sich die Ordensmänner die Mauthenbegabung vom
Jahre 1247 auch vom Markgrafen Pfemysl bestätigen, aber
schon 1253 wurde im Kriege zwischen dem ungarischen
König Bela IV. und Markgraf Otakar das Kloster von
den wilden Kumanen abermals sammt der Kirche ganz
verwüstet. Letztere mit dem Friedhofe konnte erst 1255
vom Bischof Bruno wieder geweiht werden, nachdem sie
bereits 1254 vom Pabst Innocenz IV. eine Indulgenz von
70 Tagen für den St. Peterstag erhalten. Zur gänzlichen
Herstellung der Gebäude trugen, ausser dem Mutterstifte
Bfevnov, auch einzelne Wohlthäter bei; diese alle wurden
lu die Raigerer Brüderschaft aufgenommen. Darauf wurde
— 360 —
ein zwischen dem Bischof Bruno und seinem Capitel mit dem
Bf evnover Abte Martin in Betreff der Zehntabfuhr von den
klösterlicben Pfarren in Mähren zu Raigem, Sebranitz,
Domaschov, Schwarzkirchen und Sdebofitz (dieses unbe-
kannt) ausgebrochener Streit durch schiedsrichterlichen
Ausspruch im Jahre 1255 dahin geschlichtet, dass der
Vaterabt das Stift mit ein für allemal zu zahlenden
29 Talenten von dieser Verpflichtung für immer loskaufen
solle, und das Patronats- und Besetzungsrecht dieser
Pfarren -wurde dem jedesmaligen Abte ebenfalls für
immerwährende Zeit bestätigt, -was auch 1256 der Pabst
Alexander guthiess. Im -weitem Verlauf des 13. Jahr-
hunderts erhielt die Raigerer Klosterkirche mehrere Ab-
lässe. Kaum hatte sich Raigern nach der Verwüstung
durch die Kumanen erholt, als es sammt den Klöstern
Kanitz und Oslavan 1278 durch das nach Otakars Fall
in der Schlacht bei Dürnkrut über Nikolsburg nach
Böhmen vorrückende Heer Kaiser Rudolfs I. aus dessen
Lager zwischen Oslavan und Rositz abermals durch Raub
und Brand heimgesucht wurde. Es scheint fortan ganz
verlassen gewesen sein bis 1281, wo sich in dieser herren-
losen Zeit darin unter Gerhard von Kunstadt Obfan so-
gar eine Räuberbande festsetzte, welche, 400 — 500 Maim
stark, weit und breit die Umgegend plünderte, bis end-
lich der böhmische Feldherr Zavis von Rosenberg auch
dieses Nest einnahm und die Unholde hinrichten liess.
Aber erst im Anfang 1287 kamen die vertriebenen Ordens-
leute zurück, bauten das zerstörte Kloster auf, reinigten imd
ordneten die Kirche soweit, dass der Olmützer Bischof
Theodorich am 1. Sonntag nach Maria Geburt Kloster
und Kirche sammt 2 Altären weihen konnte. In der
Zeit des christlichen Schismas, wo über den Verfall der
Disciplin imd Sitten der "Welt- und Klostergeistlichkeit
nicht wenig geklagt wurde, wachte über Aufrechthaltung
derselben und angemessene Beschäftigung der Ordens-
brüder der kraftvolle Bfevnover Abt Bawor mit Sorgfalt,
und so wie er 1302 und 1332 für Abschreibungen von
Mess-, Choral- u. a. Büchern 72 Mark Silber verausgabte,
hat nach seinem Muster auch der Raigerer Probst Thomas
ein bis jetzt in der hiesigen Bibliothek bewahrtes Anti-
phonale auf Pergament durch den Bfevnover Professen
— 361 —
Gallus scki-eibeii lassen, welclies 7 Seh. Prag. Groschen
kostete und 1313 beendet wurde. Eben damals, nämlich
im Juni 1311 wurde das wichtige Versöhnungsfest
zwischen dem Könige Johann von Luxenburg und den
österreichischen Herzogen, wodurch das an die letzteren
verpfändete Mähren wieder zu Böhmen kam, in Eaigem
gefeiert, wo nicht nur König Johann mit seiner Gemahlin
Elisabeth, dann Herzog Friedrich der Schöne von Oester-
reich, sondern auch der Mainzer Erzbischof Peter, der
Bischof Philipp von Eichstädt, der Abt und Chronist von
Königsaal in Böhmen, Peter, nebst vielen anderen vom
Adel versammelt waren. Unter dem gelehrten Probste
Johann, welcher nicht nur als Schiedsrichter bei ver-
schiedenen gerichtlichen Verhandlungen benachbarter
Edelleute erscheint, sondern auch einen bisher erhaltenen
Commentar zu den Decretalen verfasste und Doctor
decretorum hiess, erhielt das Stift vom König Johann
1327 den Blutbann oder die Criminal-Gerichtsbarkeit auf
allen seinen Gütern und derselbe König befreite auch die
Unterthanen desselben von allen StraffaUen, damit sie
sich nach vielen Drangsalen, die sie maimichfach erfuhren,
erholen könnten. Im Jahre 1330 erlaubte der Ohnützer
Bischof Heinrich für die am rechten Ufer des Schwarzava-
flusses liegenden Gemeinden Eaigem, Popovic, Holasic
und Soboutovic, welche zur Zeit des Wasseraustretens
die Stiftskirche nicht besuchen konnten, nicht nur
eine Kirche im Markte Eaigem zu erbauen, sondern erhob
sie auch zur Pfarrkirche und verlieh den wohlthätigen
Besuchern derselben einen 40tägigen Ablass, sowie dem
Bfevnover Abte das Eecht, die Pfarrer bei derselben ein-
und absetzen zu dürfen. Im Jahre 1339 aber mochte die
Disciplin etwas lockerer geworden, jedoch der durch den
wirthschaffclichen Probst geforderte Wohlstand des
Klosters bedeutend gewesen sein, weü ungeachtet des
Verlustes der Brücke über die Schwarzava und der
Mühle bei Eybesovic durch ausgetretenes Gewässer im
Jahre 1342 (wodurch auch das Stiftsgebäude grossen
Schaden erlitten hatte), doch noch auf Kosten des Probstes
Veit ein Brevier in 4° mit sehr schönen Miniaturen auf
Goldgrund durch den Professen Peter angefertigt werden
tonnte, von dem auch Predigten auf Soim- und Feiertage
— 362 —
und einige schöne Messbücher stammen. Um 1366 mag
der Zustand des Klosters in Betreff seiner Wirthschaft
ein trüber gewesen sein, worauf der Verkauf des 1345
erstandenen Hofes mit Aeckem im Markte Raigern an
den dortigen RicMer Matthäus hinweist. "Weim dieser
Verkauf aus Noth geschah und diese später etwa noch
vermehrt wurde, so mag dies vielleicht Folge der Er-
pressungen und Verwüstungen der meisten geistlichen
Güter zwischen 1378 und 1380 durch die Brüder-Mark-
grafen Jodok und Prokop, seit 1391 bis 1403 aber
nur durch den letzteren und seinen höchst ver-
wilderten Anhang gewesen sein, wofür jedoch nichts Ver-
lässliches vorliegt. Im Jahre 1391 bestätigte Pabst Bonifaz
dem Bfevnover Abt das Recht der freien Ein- und Ab-
setzung der Klostervorsteher in Raigern, Polic und Brau-
nau, 1400 errichtete Raigern im Dorfe Soboutovic einen
bedeutenden Freihof, vielleicht aus jenen fünf Zahnen, die
es schon 1393 von einem Mathes und vier Brüdern des-
selben durch einen Vergleich erworben. Zur Zeit der
Hussitenstürme blieb das Stift, welchem 1416 der Bfev-
nover Profess Leo als erster urkundlich genannter Prior
und zugleich Verfasser der Schriften: „Summa virtutum
et vitiorum", dann „Vitae Patrum" vorstand, — auffallend
genug, — wenigstens was das Gebäude betrifft, von diesen
Erzfeinden der Klöster nicht nur verschont, sondern ge-
währte auch mehreren Ordensbrüdern von Bfevnov mit
dem Abte Nikolaus ein Asyl. Unter diesen war der nach-
herige Raigerer Probst und Verfasser eines Tractatus de
Sacramentis cum exemplis et naturalibus figuris atque
dogmatibus Philosophorum (Handschrift 1433) Markus,
Wenzel von Chvaletic, welcher daselbst einen Tractatus
de Passione et morte Di nostri Jesu Christi (MS 1433)
schrieb, sowie auch der „Hammer der Ketzer", Johann
von Holleschau (geb. zu HoUeschau um 1366, Zögling der
Hochschulen zu Prag und Paris, f in Raigern am 27. Decem-
ber 1436), einer der Hauptankläger Hussens auf dem Con-
cil zu Kostnitz. Auch im Jahre 1428, wo die bei dem nahen
Dorfe Puras gelagerten Hussiten Brunn belagert hatten
und das Nonnenstift Tischnovic ausplünderten, Hessen sie
Raigern in Ruhe. Dagegen traf es unvermuthet ein anderes
Unglück im Jahre 1449, indem der Anhänger der Podebra-
— 363 —
diachen Partei, Johann von Boskovic-Svojanov, aus Haas
gegen die Strakonitzer Gegenpartei und deren Mitglied,
den böhmiaclien Landmaracliali Bertold von Lipa, daeaes
im Juli dieses Jakres plötzlich überfiel und Bertolda Beamte
sammt Kriegsleuten daselbst gefangen nahm. Obwohl er
schon in den ersten vier Tagen des Monats August durch
daa Aufgebot der Brünner, Kloster-Kanitzer und biachöf-
lichen Eriegaleute von da wieder verdrängt wurde, so
mochte doch der durch seiue verwilderten Rotten ange-
richtete Schaden ein sehr empfindlicher gewesen sein.
Im weitem Verlauf des 15. Jahrhunderts ist in Kürze zu
bemerken, daas das Stift im EJriege zwischen den Königen
von Ungarn und Böhmen, Mathias und Georg, die dem
letzteren geschworene Treue fest zuhielt, obwohl ea die-
selbe mit dem Verlust des Gutes Domaachov gebüaat hatte,
welchea Mathias dem Sohne Georgs Victoriu entriss und
der Stadt Brunn 1469 verpfändete. Inzwischen fanden
auch die Ordensbrüder des böhmischen Stiftes Willimov,
welche nach Zerstörung ihres Klosters um 1430 auf ihr
Gut Auertachitz in Mähren (Dekan. Auspitz) übersiedelten
oder während des Krieges zwischen den Königen Mathias
und Georg auch dieses verloren, verarmt, wie sie waren,
mit ihrem Abte NiMas II. in Eaigem durch fünf Jahre
gastfreundliche Aufnahme und wählten aus Dankbarkeit
dafür nach Absterben des letzteren 1481 den Raigerer
Probst Simon zu ihrem Abt. Wie andere Klöster, so
hatte auch Raigem im Verlaufe des 16. Jahrhunderts manchen
Druck und Bekürzungen an seinem Besitz zu erdulden.
Im December 1527 wurde das Stift von einer Handvoll
bewajBPneter pikarditischer Räuber unvermuthet über-
fallen, ausgeraubt und der Probst Blasius ermordet. Und
doch fand bald darauf der letzte Vilemover Abt Peter,
nach Verlust seines Gutes Auertschitz, nochmals gast-
freundliche Aufnahme in Raigem, wo er beim Thor ausser-
halb des Klosters für sich ein Häuschen erbaute und nach
seinem 1541 erfolgten Tode in der St. Andreaskapelle der
Conventskirche begraben wurde. Gleichzeitig rettete sich
vor seinen Feinden auch der Abt des Cisterzienser-Klosters
Saar-Ambros nach Raigem und fand ebenfalls in der
liiesigen Stiftskirche 1542 die letzte Ruhestätte. Zwischen
1543 und 1549 wurde das Stiftsgebäude zweimal ein Raub
— 364 —
der Flammen, und kaum dass 1555 die baufällige Con-
TentsMrclie mit einem Aufwand von 2000 /. rlm. herge-
stellt worden, plünderten 1557 imgarische aus Deutsch-
land heimkehrende Truppen die Getreidespeicher und den
Weinkeller des Stiftes rein aus. Vielleicht war dies die
Ursache, dass man in dieser Noth die zum Gute Doma-
schoT gehörigen Dörfer Pfibislavic und Radoskov sammt
Zugehör yerkauffc hatte. Im Jahre 1554 haben der Bfev-
nover Abt Johann und der Raigerer Probst Dominik der
Gemeinde von Gross-Raigem nicht nur die firöhem Be-
gabnisse bestätigt, sondern auch das Gericht, fireien Wein-
und Bierschank, Salzverkauf und Bierbraurecht verliehen.
Sie bestimmten ferner das der Gemeinde verkaufte Wirths-
haus zum Rathhaus und erlaubten die Ansiedelung von
allerhand Handwerkern, was alles König Ferdinand I. im
Jahre 1560 genehmigte. Während zu derselben Zeit beinahe
in allen Klöstern Mährens die Disciplin nicht wenig aus-
geartet war, war es in Raigem Gott Lob nicht der Fall
gewesen, wie die Briefe Olmützer Bischöfe an den Probst
Sebastian beweisen. Ebenso spricht dafür der Umstand,
dass, als Sebastians Nachfolger in der Probstwürde, der
beklagenswerthe Bfevnover Profess Adam, 1563 ein an-
stössiges Leben zu fähren begaim, die Conventualen
ihn zur Flucht zu seinem gleichgesinnten Freunde,
dem Augustiner-Prior in Brunn, nöthigten, worauf er vom
Bfevnover Abte Johann von Chotow abgesetzt und be-
straft wurde. Aber nicht nur unter dem Abte Johann,
sondern auch unter seinem Nachfolger Martin von Par-
dubic wurden beträchtliche Besitzimgen des Raigerer
Klosters an Fremde verkauft oder verpfändet und die
Zahl der Conventualen soll sich auf drei vermindert haben.
Kaum war das Unglück überstanden, das Raigem als Folge
eines an einem kaiserlichen Trabanten 1579 im Gebiete von
Raigem verübten Diebstahles durch Rudolf II. Missgunst
hierüber getroffen hatte, als wieder ein neues, weit grösseres
das Stift bedrohte, indem es nahe daran war, aufgehoben
zu werden, worauf man die Güter desselben dem Jesuiten-
orden übergeben wollte. Nur den kräftigen Vorstellungen
von Seiten des Cardinals Franz von Dietrichstein beim
Kaiser Rudolf II. gelang es, dieses Unglück abzuwenden,
indem der Kaiser mit eignem Handschreiben an den
— 365 —
Cardinal vom 2. August 1602 den Fortbestand des Stiftes
bestätigte, weslialb für diesen Woblthäter aus Dankbar-
keit bis jetzt alljäbrlicli ein Hocbamt abgehalten wird.
Der bekannte LandtagsbescMuas der rebellischen Stände
Mährens in Betreff der Aufhebung aller geistlichen Cor-
porationen vom Jahre 1619 traf auch Raigern. Schon am
2. Juli d. J. wurde das Kloster sammt den umliegenden
Ortschaften an Georg Ebenberger um 41,000, das Gut
DomaschoT mit Schwarzkirchen an den Freiherm von
Teufenbach um 20,000 /. rhu. verkauft. Nach der Schlacht
am weissen Berge bei Prag (8. Nov. 1620) aber übernahm
es sammt den Gütern wieder der nur mit 3 Brüdern zu-
rückgekehrte Probst Johann Benno, musste aber noch
harte Prüfungen bestehen, theüs von der Raubsucht der
kaiserlichen Soldateska, theüs von den ungarischen Räu-
berbanden des Fürsten von Siebenbürgen Bethlen Gabor,
welche am 8. December 1623 das Kloster gänzlich ver-
wüsteten, die Altäre und Bilder in der Kirche vernichteten
und einen ungeheuren Schaden anrichteten. Und schon
1624 vrarde es sammt dem Gute durch das kaiserliche
Eriegsvolk so hart mitgenommen, dass die Ordensmänner
fast dtirch das ganze Jahr kein Brot hatten. Erst nach
5 Jahren konnte das verheerte Kloster hergestellt und
mit Ordensbrüdern von Bfevnov wieder besetzt werden.
Im Verlauf des 30jährigen Krieges hielten die Schweden
1645 durch 17 Wochen das Stift besetzt und richteten
daselbst einen Schaden von 32,500 /. an, da sie nicht
nur alle Vorräthe wegnahmen, sondern auch das Kloster
sammt den meisten Wirthschaftsgebäuden zerstörten.
Diese lagen noch 1660 zumeist im Schutte und schon
1663 verwüsteten wieder die aus Ungarn bis hierher vor-
gedrungenen Türken das Stift, dessen Bewohner weiterem
Unheü nur durch schnelle Flucht entrannen. Inzwischen
setzten es die Raigerer Conventualen durch eine förm-
liche Beschwerde bei dem Kirchenoberhaupte durch, dass
der jeweilige Bf evnover Abt abwechselnd drei Bfevnover
und darauf drei Raigerer Professen als Candidaten dem
Convente vorschlagen imd dieser Einen derselben durch
Stimmenmehrheit zum Probste wählen solle (1686). Ueber-
dies erhielten 1687 die Pröbste vom Pabste das Recht der
Pontificalien, das jedoch formlich erst seit 1690 ausgeübt
— 366 —
■wrard. Der oben erwälante Vergleicli mit Bfevnov vom Jahre
1686 hatte so günstige Folgen, dass durch Sparsamkeit und
gute Bewirthschaffcung der Güter bis 1710 ein Vermögen von
mehr als 100,000 /. xha.. ervrachs, wofür der ausgezeichnete
Frohst Anton Firmus die Kirche und das herahgekommene
Stiftsgebäude vom Grund aufbauen Hess. Aber bald darauf
wurde das Stift 1742 durch Freussen furchtbar heimge-
sucht. Ihr Lieutenant besetzte es nämlich am 24. 'Februar
mit 30 Mann, misshandelte den Frohst und die Brüder,
und erpresste von denselben 6000 /. Der Probst begab
sich hierauf mit zwei Conventualen zu den Augustinern
in Brunn, mit denen schon am 18. Januar 1729 die Con-
fraternität geschlossen worden war, während zehn andere
Brüder das Stiffcshaus am Fetersberge ebendaselbst be-
wohnten. Der Feind zerriss ia Raigern KirchenMeider,
schlug der Marienstatue Haupt und Hände ab und ver-
übte gegen das Allerheiligste im Tabernakel solche Frevel,
welche „die Feder zu schüdem nicht waget". Hieraus
ist erklärlich, dass das Stift 1756 keine Activa, sondern
21,630 /. rhn. Schulden hatte. Auch die zwei französischen
Invasionen in den Jahren 1805 und 1809 haben dem Stifte,
worin bis auf die Zeiten Kaiser Josef H. ein eigenes
Hausstudium und bis 1835 eine Musik- und Sängerfandation
unterhalten wurden, tiefe Wimden geschlagen. Und dazu
kam 1808 noch die Verpflichtung, an der ia Brunn er-
richteten philosophischen Lehranstalt zwei geprüfte Con-
ventualen als Professoren der Religionslehre, der Welt-
geschichte und klassischen Philologie auf eigene Kosten
zu xmterhalten. Nach Einführung der neuen Studien-
ordnung seit 1849 hörte diese Verpflichtimg auf. Mittler-
weüe, nämlich 1813, wurde das Stift von seinem bisherigen
Abhängigkeitsverhältnis von Brevnov durch allerhöchste
Huld Sr. Majestät des Kaisers Franz I. ganz entbunden und
erhielt die freie Abtswahl. Durch die weise Umsicht des
so gewählten ersten Abtes, des biederen Augustin Koch,
vernarbten grösstentheils die kurz vorher erhaltenen
WTinden. Noch mehr war dies der Fall unter Augustins
Nachfolger Victor Schlossar (1832—1854), welcher bei
rastlosem Streben nach seiner und der ib-m Anvertrauten
geistigen Vervollkommnung durch Regelung der Disciplia
und Verfassung zeitgemässer Statuten auch das irdisch
— 367 —
Nothwendige und die Wissenschaft so scharf im Auge
behielt, dass nicht nur die Landwirthschaft bedeutend
vervollkommnet, sondern auch ein Klostertrakt neu her-
gestellt und die Konchylien-, Mineralien-, Münzen- und
Gemäldesammlungen angeschafft wurden. Auch das Archiv
hat der hochverdiente, in seinem Todesjahre noch mit
dem hochwürdigsten Herrn Bischöfe von Brunn als apo-
stolischer Convisitator der Augustinerklöster in Mähren,
Böhmen und Eirakau fungirende Abt selbst zweckmässig
geordnet, die Bibliothek bereichert und die von der h. Regel
empfohlene Gastfreüieit grossartig ausgeübt; dies alles ohne
die reichliche Unterstützung offener und verschämter Armen
besonders in den Jahren 1848 und 1849 bekürzt zu haben,
wiewohl das Stiftseinkommen durch die neuesten Zehent-
u. a. Ablösungen, dann durch die Regulirung des Schwar-
zavaflusses seit 1848 bedeutend vermindert wurde. Auch
der gegenwärtige, einstimmig gewählte Stiftsvorstand Herr
Abt Günther Kalivoda, geistvoll, gelehrt imd für alles
Gute und Edle begeistert, hat während der 25 Jahre
seiner Regierung das Wohl des Stiftes und seiner Ange-
hörigen in jeder Richtung hin gefördert und sich nach
Innen, wie nach Aussen die allgemeinste Liebe und Ach-
tung erworben.
Wir haben noch aus neuerer Zeit zwei Gelehrte von
Ruf zu erwähnen, welche dem Stifte Raigem angehören,
nämlich: Gregor Volny (geb. 1797, f 1871) und den Schüler
desselben, den noch lebenden Dr. Beda Dudik, k. k. Re-
gierungsrath undLandeshistoriograph von Mähren — denen
die Topographie und Geschichte Mährens die Herausgabe
der wichtigsten Quellenwerke zu verdanken hat.
Von einem Mitgliede des Stiftes.
Das Schottenstift in Wien.
age, topographische Besehreibung und Name des-
selben. Wer vom sogenannten Hofe in der inneren
Stadt auf die Freiung sicli begiebt, dem wird
sogleicL. zur recliten Hand vor sich, ein gewal-
tiger Häusercomplex mit Kirche und Thurm bemerkbar,
das Schottenstiffc, das älteste Kloster Wiens, welches mit
all seinen Bauliclikeiten und Höfen und dem Convent-
garten einen Flächenraum von 5440 Quadratklaffcem ein-
nimmt. Der Haupteingang in den sogenannten Schiotten-
hof, der an Zinsparteien vergeben ist, befindet sich links
von dem Hauptportale der Kirche. Die Trakte, welche
auf diese Weise vermiethet sind, büden, abgesehen von
der Kirche und dem Pfarrhofe, die äussere Grenze des
Schpttenbesitzes und erheben sich, vier Stockwerke hoch,
während die Rämnlichkeiten, welche speciell für den Con-
vent bestimmt sind, in der Mitte liegen und dreistöckig
sind. Um zunächst die äusseren Grenzen des Schotten-
klosters zu bestimmen, so. hat dasselbe gegen die Freiung
mit dem Prioratshause. (Sch.ubladkasten genannt), dem
Pfarrhofe, der Kirche und der Hauptfa9ade des Schotten-
hofes eine Länge von 67 Klaftern; die Front, welche die
rechte Seite der Schottengasse (von der Freiung aus ge-
rechnet) bildet, hat eine Länge von 55 Yg Klafter; an diese
schliesst sich, der Trakt in der ganzen Länge der Schotten-
steiggasse mit 69V2, an diesen das Gebäude, gegen die
Rockgasse in einer Längenausdehnung von 35 Klaftern, die
übrigen Grenzen bilden der Stallhof, der Conventgarten
und der Hof des Prioratshauses. Durch, das Hauptportal
gelangt man zunächst in den grossen Hof raum, Schottenhof
genannt, durch welchen dem Publikum der Durchgang
einerseits parallel mit der Schottengasse zum Schotten-
thore, andererseits in schiefer Richtung durch den zweiten
grossen Hofraum zum Schottensteige eröffnet ist. In der
— 369 —
Mitte des ersten Hofiraumes, eines Trapezes von 720 Quadrat-
Waffcer Flächeninhalt, erhebt sich der sogenannte Heinricha-
brunnen aus weissem Marmor, zur Erinnerung an den
Stifter des Klosters Herzog Heinrich Jasomirgott , mit
dessen Statue er geziert ist.*) Derselbe hat weniger künst-
lerisches als historisches Interesse. Er wurde unter Abt
Petrus Heister im Jahre 1652 errichtet, im Jahre 1770 von
Abt Benno Pointner restaurirt und ist zugleich mit unter
die wenigen Denkmale der Bildhauerkunst zu zählen,
welche aus dieser Zeit in Wien sich erhalten haben. Durch
ein Thorgewölbe gelangt man am rechten Ende des ersten
Hofraumes in den zweiten Hof, der, 530 Quadratklafter gross
imd in rhomboidischer Form, eine ähnliche Anlage wie
der erste zeigt. In seiner Mitte ist ebenfalls ein Bassin
errichtet, in welches vier nach aufwärts gekehrte Delphine
das Wasser ergiessen. Kehren wir wiederum in den eigent-
lichen Schottenhof zurück, so haben wir zur Rechten unter
einem von vier Säulen getragenen Balkon, in dessen Mitte
ein Kreuz, das Zeichen der religiösen Stätte, angebracht
ist, das Portal, durch welches man in das eigentliche
Klostergebäude gelangt, mit der Aufschrift unter dem
Balkon : „Henricus . Austriae . Dux , Fundavit . M . C . L . VIII."
(Gegründet von dem Oesterreicherherzog Heinrich 1158.)
Eine andere Inschrift unmittelbar über dem Portale besagt
den Neubau des Stiftes durch Abt Andreas im Jahre 1831.
Durch eine von Säulen getragene Vorhalle kommt man
durch ein zweites Portal auf mehreren Stufen abwärts in
das umfangreiche Vestibüle, über welchem der Bibliothek-
saal, von dem wir au anderer Stelle handeln werden, sich
erhebt. Links und rechts von dem Vestibüle durch kleinere
mit Gesträuchen besetzte Höfe getrennt, liegen der Speise-
saal und die GrabkapeUe, Ueber dieser erhebt sich der
geräumige Enipfangssaal in der Prälatur. Der Speise-
saal mit einer Länge von 13 und einer Breite von un-
gefähr 4 Klaftern (Flächeninhalt 54 Quadratklaftern) ist
ein Rechteck mit halbkreisförmigem Abschlüsse. Ueber
demselben liegt der Capitelsaal, ein einfacher Saal mit
einem Altare, der den Capitularen bei ihren Berathungen
als Versammlungsort dient. An den Wänden sind die Büd-
*) Vergl. das später folgende Gedicht „Jasomirgotts Monument zu
"Wien" ans „Der Babenberger Ehrenpreis" von S. Brunner.
Ein Benediktinerbuch. 24
— 370 —
nisse aller Schottenäbte angebracM, von denen jedoch nur
die letzten 7, vom 69. Abte Sebastian I. Faber an, An-
spruch auf Portraitähnlichkeit machen können, da die
Portraits der früheren Aebte erst vor beiläufig 150 Jahren
nur nach Angabe angefertigt -wurden. Mehr Interesse er-
wecken die übrigen Darstellungen, welche zumeist auf die
alten Stiftsgebäude imd den ehemaligen Grundbesitz sich
beziehen. Aus dem Vestibüle gelangt man in den eigent-
lichen Conventtrakt. Derselbe ist in Quadratform erbaut,
wovon jedoch die Seite gegen Nordost offen ist, und bietet
freundliche Wohnungen für 43 Stiftsmitglieder mit der
Aussicht in den Conventgarten. Letzterer nimmt den
Raum des ganzen Vierecks ein und erstreckt sich noch
über die freie Nordostseite hinaus mit einem Gesammtflächen-
inhalt von 1564 Quadratklaffcem. Nach englischem Muster
angelegt, hat er an der Vorderseite eine Rasenfläche in
der Grösse des Quadrates des Conventgebäudes , während
im Hintergrunde mächtige Kastanienbäume, Birken, Pla-
tanen und andere Bäume, untersetzt mit grünem Busch-
werk, eine erfrischende Kühle in heissen Sommertagen
bieten. In der Mitte des Gartens, vor dem Bassin mit
Goldfischen, erhebt sich eine meisterhaft gebildete Stand-
säule der unbefleckten Empfängnis Mariae, welche auf
den gräflich Salm'schen Hütten zu Blansko in Mähren im
Jahre 1825 aus Gusseisen verfertigt wurde. Die auf dem
schlanken schwarzen Postamente mit vergoldeten Lettern
angebrachten Inschriften besagen Zweck und Geschichte
der Säule. Sie stand von 1825 bis 1868 als eines der
schönsten Denkmäler Wiens unweit des Burgthores und
bezeichnete die Grenze des schottischen Neudegger-Lehens.
Als im Jahre 1868 die Stadterweiterung vollzogen wurde,
musste auch diese Statue weichen rmd so Hess sie denn
der gegenwärtige Abt Othmar 1. im Conventgarten auf-
stellen, auf dass sie die Conventualen stets an den be-
sonderen Schutz erinnere, den die Patronin des Schotten-
stiftes demselben durch eine so lange Reihe von Jahren
angedeihen Hess. Von diesem Standbilde zur Rechten liegt
unter dem Schatten eines mächtigen Kastanienbaumes ein
aus Quadern gefügter Denkstein, der, wie man vermuthet,
früher über der Ruhestätte eines römischen Legionasol-
daten sich erhob.
— a7i —
Das Schottenstift in seiner jetzigen Gestalt mit seinen
2 grossen und 5 kleineren und ebenso vielen Lichthöfen
wurde im Grossen und Ganzen unter Abt Andreas erbaut.
Das alte Conventgebäude mit seinem ehrwürdigen Kreuz-
gange, der aus dem 14. Jahrhundert stammte, war zwar
weitläufig, doch ebenso finster und ungesund und war,
wie die auf die Preiung gekehrte Seite des Schottenhofes, ■
baufällig geworden. Deshalb fasste Abt Andreas den Ent-
schluss (1827), einen neuen Bau aufzuführen. Der Archi-
tekt Josef Kornhäusel legte in kturzer Zeit einen Plan vor,
und nachdem derselbe sowohl die Billigung der Capitularen
als auch der geistlichen tmd weltlichen Behörden erlangt
hatte, schritt man an die Ausführung. Der Bau des
Schottenhofes und der drei Hauptpiecen, näralich der Prä-
latur mit der darunter befindlichen Kapelle, dem Vesti-
büle mit der Bibliothek, dem Refektorium und dem Ca-
pitelsaale, sammt dem Haupttrakte des Conventes war in
kurzer Zeit so weit gediehen, dass man zur feierlichen
Grundsteinlegimg schreiten konnte, die denn auch am
6. Mai 1831 stattfand und durch das Erscheinen Sr. Maj.
des Kaisers Ferdinand ausgezeichnet war. Ueberdies wohn-
ten dieser Feier die Erzherzoge Franz Karl, Ludwig, Anton,
Viktor und Karl Ludwig, dann Graf Firmian, Erzbischof
von Wien, welcher den festlichen Akt für den mittler-
weile erkrankten Erzherzog Rudolf, Cardinal und Fürst-
bischof von Olmütz, vollzog, die österreichischen Aebte,
der Bürgermeister von Wien, Anton Lumpert, und eine
nach Tausenden zählende Menscheimaenge bei. Abt Andreas
konnte den Bau in seiner Vollendung nicht mehr schauen.
Sein Nachfolger Sigismund legte die letzte Band an den
Ausbau des Stiftes. Die Stiffcslarche (s. d.) stammt aus der
Zeit von 1643 — 45. Jünger ist das Prioratshaus gegen die
Freiung, welches Abt Benno 1774 für Schulzwecke erbauen
Hess. Der Trait des Schottenhofes gegen den Schotten-
steig und die Rockgasse wurde unter Abt Othmar aufge-
führt.
Was den Namen „Schottenstift" oder „Kloster zun
Schotten" betrifft, so führt diese Stiftung denselben schon
seit der Gründung bis auf den heutigen Tag und zwar
aus dem Grunde, weil Heinrich Jasomirgott das 1158 ge-
gründete Kloster den Benediktinermönchen aus Irland und
24*
— 372 —
Schottland, die imter dem gemeinsamen Namen „Schotten"
in Deutschland bekannt waren, übergeben hatte. Wir
finden denselben in allen Urkunden, -wo es zumeist heisst :
„die Schotten zu Wienn" oder Monasterium vel Ecclesia
B. M. V. ad Scotos Viennae, und er wurde im Laufe der
Zeiten der Bevölkerung so geläufig, dass man auch von
1418 an, seit welcher Zeit die deutschen Benediktiner von
dem Kloster Besitz nahmen, dasselbe noch immer das
Schottenkloster oder „zun Schotten" nannte und heutzu-
tage noch so bezeichnet. Es ist wohl leicht erklärlich,
dass, als das ursprünglich ausserhalb der Stadtmauern
liegende Stift in den Stadtrayon mit einbezogen wurde,
gar manche der umliegenden Lokalitäten nach den Schotten
ihren Namen erhielten, und so finden wir denn zunächst
die Namen Schottenthor, dann Schottengasse, Schotten-
bastei, Schottensteig und in neuester Zeit Schottenring.
Auch der Name des Platzes vor der Schottenkirche, der
„Freiung", steht mit dem Schottenkloster in einem engen
Zusammenhange. Unter den vielen Eechten und Privilegien
nämlich, die der herzogliche Stifter den Schottenmönchen
gewährte, war auch das Asylrecht, das namentlich im
Mittelalter eine grosse Rolle spielte und bei der Barbarei
der damaligen Strafen ein wahres Bedürfnis war. Dem-
zufolge sollte „jeder männiglich, der sich aus was immer
für einer Furcht, oder wegen was immer für eines Verbrechens
innerhalb der Klostermarken flüchtete. Freiung gemessen,
und Niemand Hand an ihn legen, noch mit Gewalt ihn
hinwegnehmen dürfen". Dieses Privilegium wurde von
allen nachfolgenden Eegenten in Oesterreich aufs neue
bekräftigt. Da sich aber auch hier, wie an anderen Orten,
Missbräuche herausstellten, so erlitt es in der Folgezeit
vielfache Beschränkungen und ward schliesslich xmter
Kaiser Josef II. ganz aufgehoben, so dass nur der Name
noch geblieben ist von dem, was ehedem eiaes der wich-
tigsten klösterlichen Rechte bildete
Kurzer Abriss der Geschichte der Abtei. Vorerinnerung.
Wer auch nur einen flüchtigen Blick gethan hat ia die reich-
bewegte Geschichte der Benediktinerklöster in Deutschland,
wo dieselben namentlich im Mittelalter einen bislang noch
kaum recht gewürdigten Eiufluss auf alle Verhältnisse der
Familie, der Corporationen und namentlich des Staates aus-
— 373 —
übten, dem wird es vollständig einleuchten, dass die Ge-
schiclite ancli nur des geringsten aus ihnen nicht in
wenigen Blättern erzählt werden könne. Dies gilt um so
mehr von solchen, die schon von allem Anfange durch
den speciellen Zweck, den man hei der Gründung im Auge
hatte, durch die Lage u. s. f. bestimmt waren , eine- her-
vorragende Rolle in der Entwicklung einer Stadt und mit
dieser eines ganzen Staates zu spielen. Da nun dies letztere
bei der Schottenahtei vollständig zutrifft, so werden wir
in der Darstellung der Geschichte derselben wegen des
knapp zubemessenen Raumes auf ein genaues Eingehen in
die so vielgestaltigen Interessen und Verhältnisse, in das
abwechslungsreiche, innere Leben des Klosters verzichten
müssen und mit der Anführung der Aebte nur den all-
gemeinen Gang der historischen Entwicklung fixiren xmd
in diesen allgemeinen Rahmen charakteristische Bilder,
sei es nun die Zeichnung eines merkwürdigen Charakters
oder die Schilderung eines anziehenden Faktums, fügen
und dort, wo es thunüch ist, Belege aus zeitgenössischen
Schriftstellern einschalten. Diejenigen Leser, welche, an-
geregt durch das Wenige, was wir bieten können, in sich
die Neigung fühlen, genauer einzudringen in die Geschichte
der Abtei, verweisen wir auf die Literatur, die wir in
ihren wesentlichsten Erscheinungen am Schlüsse dieser
Skizze anfuhren werden.
Die Stiftsgeschichte zerfällt naturgemäss in drei Ab-
schnitte: der erste umfasst die Thätigkeit der Mönche von
ausschliesslich schottländischer Nation und wahrt von der
Gründung der Abtei 1158 bis zur Verzichtleistung des
schottischen Abtes Thomas III. am 9. Aug. 1418 ; von nun
an wirkten vorzüglich österreichisch-deutsche Benediktiner.
Die zweite Periode dauert bis zur Erwerbung der unga-
rischen Abtei Telky (1700) unter Abt Sebastian I., von wo
an die dritte Periode beginnt und bis in unsere Zeit her-
einreicht.
Gründung der Abtei. Als Herzog Heinrich IL
Jasomirgott vom Reichstage zu Regensburg im Jahre 1156
zurückkehrte, wo er für die Abtretung Bayerns an Heinrich
den Löwen die um mehrere Gaue vergrösserte Ostmark
(Niederösterreich) als Herzogthum erhielt, da war sein
Sinnen und Streben darauf gerichtet, den Wohlstand des
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Landes durcli Hebung des Städtewesens und Bürgertliums
zu fördern. Er erwählte daher nicht die Herzogenburg
zu Melk, noch Tuln, sondern Wien, die damalige Colonia
Faviana, zu seiner Residenz. Letzteres hatte sich im
zweiten Ejreuzzuge 1147, in dem es der Versammlungsort
der abziehenden Fürsten war, nachdem es seit seiner Zer-
störung durch die andringenden Völkermassen darnieder-
gelegen war, zu neuer Entfaltung aufgerafft und war schon
durch seine günstige Lage inmitten der sich kreuzenden
Völkerstrassen zu einem wichtigen Punläe bestimmt.
Dieses Wien wollte Heinrich heben und fördern, und so
erbaute er sich einen Herzogshof an der Stätte, die noch
heute der Hof heisst, gründete St. Stefan und berief
viele Kaufleute und Handwerker, zumeist aus Regensburg,
in seine Residenz. Dort hatte er auch jene irischen und
schottischen Mönche zu St. Jakob kennen gelernt, die an
Zucht und gutem Beispiel, an Sorgfalt für den Gottes-
dienst und den Jugendunterricht ihres Gleichen suchten.
Mitten unter den Bürgern lebend, trieben sie nebstbei
auch Handel mit verschiedenen Artikeln. Viele deutsche
Städte erbaten sich Colonien aus diesem Mutterkloster,
■und da Heinrich recht wohl einsah, dass die Schotten seinem
Wien nicht fehlen durften, so berief er eine Colonie der-
selben auch in seine Residenz. Er wies ihnen den her-
zoglichen Grund und Boden an der Nordwestseite der
Stadt, zwischen dem Aiser- und Ottakringer Bach als
Wohnstätte an und begann schon um 1155 den Bau eines
kleinen, zur Unterbringung von 12 Mönchen ausreichen-
den Klosters, welches sie denn auch am 1. Mai 1158 unter
der Leitung ihres Abtes Sanctinus bezogen. Gestiftet
wurde also die Abtei, wie dies die Stiftungsbriefe von
1158 und 1161, von denen das Original des ersten leider
verloren gegangen ist, besagen, zu Ehren der seligsten
Jungfrau Maria und des heiligen Gregor vornehmlich als
Hospital und Herberge für Pügrime und Kreuzfahrer,
einzig und allein für schottische oder irische Mönche.
Herzog Heinrich dotirte das Stift so reich, dass es rasch
emporblühen konnte.*) Die Schotten sollten allein Herren
*) Ausser dem oben erwähnten Gnind und Boden gab er dazu:
den Zebent der herzoglichen Küche, dann Güter und Einkünfte im
— 375 —
des Klosters und jede andere Gattung Mönche davon aus-
geschlossen, die Abtwahl vollkommen frei sein, und weder
dem Herzog noch seiaen Nachfolgern unter irgend einem
Vorwande eine Einmischung in die Klosterangelegenheiten
zustehen. Sie sollten auf ihrem G-runde von der Donau
bis zur Kirche St. Johann ia Als alle pfarrherrHchen
Rechte ausüben und aUe Leute des Herzogs und Hofes,
auch Gäste, Fremde und Wallfahrer dort die Sakramente
empfangen und ihre Begräbnisstätte wählen dürfen. Der
Herzog bestimmte das Schottenkloster selbst in eiuer
eigenen 1161 erlassenen Urkunde für sich und seine Fa-
milie als letzte Ruhestätte. So entstand das älteste
Kloster Wiens, fast gleichzeitig mit der Kirche und
Pfarre zu St. Stefan. Beide unterstanden der Jurisdiction
des Bischofs von Passau, damals Heinrichs Bruder Kon-
rad, und erst als zu St. Stefan im Jahre 1480 ein Bisthum
errichtet worden war, wurden die Schotten demselben
untergeordnet. Zwar versuchten auch die Aebte von St.
Jakob in Regensburg, dem Mutterkloster, Einfluss zu neh-
men auf die Schottenabtei; wir werden diesen Versuchen
öfter begegnen im Verlaufe der Geschichte, doch sie
frachteten nichts, da die Schotten ihre Freiheiten mit
grossem Muthe bewahrten.
Heinrich Jasomirgott hatte sich in den Schottenmön-
chen nicht getäuscht. Sie hielten nicht nur den alt-
bewährten Ruf grosser Frömmigkeit und hinreissender
Beredtsamkeit aiärecht, sondern auch jenen der Tüchtig-
keit in bürgerlichen Gewerben. Durch diese Eigenschaften,
wozu noch der Jugendunterricht hinzutrat, waren sie sehr
"Wirochperge (tandatrasse und Erdberg), in Ebersdorf, Ladendorf,
Hypelinsdorf, Grihsianstetten, Busspach, Erpurch; bei Falohenstein,
Ftüdiamsdorf, Schwechent, "Wolfpaizzigen und Houmat. Et unterstellte
demselben die zwei Pfarren Pulkau und Echendorf mit Zubehör, ferner
die Kapellen bei Mariastiegen, St. Peter, St. Supprecht und bei St.
Pankranz innerhalb der Mauern Wiens. Dann die Kapelle zum heü.
Stefan in Krems, des heil.Eoloman in Laab (bei Kalksborg) und die
heil. Kreuzkapelle in Tuln. Er vergabte dem neuen Kloster ferner die
Gerichtsbarkeit über seine leibeigenen Knechte und Mägde in allem
Streit um beweglich und unbeweglich Gut, in allen Verbrechen mit
Ausnahme des Blutbannes, und das Asylrecht, Ton dem wir bereits oben
Erwähnung gethan haben.
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"bald bei den Wiener Bürgern wohlgelitten und standen
dnrcli die guten Dienste, die sie ihnen zu leisten ver-
mochten, in freundschaftlichem Verkehr mit denselben.
Sie erfreuten sich aber auch der besonderen Gunst und
des förderlichen Schutzes aller Nachfolger Heinrichs in
der österreichischen Regentenwürde. Von allen erhielten
sie die Bestätigung ihrer Privilegien, von vielen eine Ver-
grösserung derselben. Dazu kam noch, dass die Päbste
in Anerkennung des wohlthätigen Wirkens der Mönche
für die Festigung der Kirche ihnen zahlreiche Anerken-
nungen und wichtige Privilegien zukommen liessen. Wir
werden die wichtigsten an gehöriger Stelle anführen.
Wir werden leicht begreifen, dass die Abtei in Folge
der Lage, des Zweckes der Gründung und der rühmlichen
Eigenschaften ihrer Mitglieder in einen innigen Contact
mit Wien treten musste. Jeder Schlag, der dieses traf,
musste die Schotten ebenso schwer berühren und jedes
fröhliche Ereignis Wiens in den Mönchen vor dem Thore
freudigen Widerhall finden. Diese innige Verknüpfung
der Interessen beider Communitäten steigerte sich noch
mehr, als das Schottenstift in die Ummauerung Wiens
mit einbezogen wurde. Abgesehen von dem reichbewegten
inneren Leben, das St. Benedikts herrlicher Regel ent-
sprosste, waren die äusseren Schicksale des Klosters durch
die der Stadt Wien gegeben. Das Schottenstiffc war, ich
möchte sagen, ein kleines Wien in dem herrlichen Wien
selber. Darum hingen aber auch die Bürger Wiens mit
heller Freude an den leuchtenden Vorbüdem, und kein
Stift vermag so viele Schenkungen gerade von Seite des
Bürgerstandes aiifzuweisen als dieses. Und die Schotten
hinwiederum zeigten sich dieses Vertrauens vollkommen
würdig und wir werden im Verlaufe unserer Skizze noch
manchmal Gelegenheit haben, diesen herrlichen Wettstreit
des Gebens imd Wiedergebens zu betonen. Vieles liesse
sich über diese Beziehungen zwischen der Abtei einer-
und der Kirche, dem Reiche und den Bürgern Wiens
andererseits noch anführen; doch jetzt drängt es uns, die
Vergangenheit des Schottenstiffcs in knapper Darstellung
an imserem Auge vorüberziehen zu lassen.
Der 1. Aht Sanetin nahm an der Spitze seiner Brü-
der von dem Kloster Besitz am 1, Mai 1158 und wurde
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-wegen seines heiligmässigen Wandels vom Stifter selbst
mit dem ehrenden Namen „Venerabüis" begrüsst. Ihm
folgte
2. Finan (1169—1195), der von drei Päbsten Bestä-
tigungsbullen erhielt, deren letzte, von Pabst Cölestin III.
1191 ausgestellt, den Mönchen das Vorrecht gewährt,
selbst bei feierlichen Interdikten in der Klosterkirche den
Gottesdienst, jedoch imter gewissen Beschränkungen, ab-
halten zu dürfen. Interessant ist der Streit mit Melk
wegen eines Stückes des heil. Kreuzes, das (s. S. 265, 267
u. 286) von dort der kostbaren Fassung wegen entwendet
worden und nach mancherlei Irrfahrten in den Besitz
der Schotten gekommen war. Auf die Forderung des
Melker Abtes hin, es zurückzugeben, wurde die Entschei-
dung der Sage nach einem Gottesurtheile überlassen.^ Das
Kreuz näherte sich, zwischen die beiden Aebte gestellt,
von selbst dem Melker Abte und als dasselbe auf eia
Schifflein ohne Ruder und Bemannung in die freie Donau
gegeben wurde, schwamm der Kahn stromaufwärts bis
Nussdorf. So kam der Kreuzpairtikel durch ein Wunder
•wieder in die Melker Abtei zurück.
Unter ihm starb auch der edelmüthige Stifter Herzog
Heinrich, als er auf seinem Zuge gegen die Mährer beim
Einstürze einer Brücke sich einen Beinbruch zugezogen
hatte, am 13. Januar 1177. Er wurde seinem ausdrück-
lichen Wunsche gemäss mit seiner Gemahlin Theodora,
der Kaiserstochter aus dem Morgenlande (f 1182), und
seiner Tochter Agnes, Gemahlin des Königs Stefan IIT.
von Ungarn, vor dem Gregoraltare in der von Sanctin an
der Stelle des heutigen Prioratshauses erbauten Kirche
beigesetzt. Die Schotten errichteten ihm in der Kirche
ein Monument.*) Doch sollte für lange Zeit die Grab-
*) Dies bezeuget Jans der Enenchel, Domherr zu St. Stefan
(t 1250), in seiner Keimchronik „Pürstenbuch von Oesterreioh und
Steyrland". Er sagt von dem Grabe:
„Saz man es dickh gesehen hat,
Als man noch hewt sieht zu Wien stan,
Ain sit ich von ihm vernomen han.
Und noch he-wt zu den scoten ist begraben
Sein Schein in ein Stein erhaben,
Der Mitte in dem Munster stat."
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statte des Stifters der Schotten und des WiederhersteUers
von Wien unbekannt sein. Der Sage nach hatte ein Erd-
beben diese Stätte ungangbar gemacht und verschüttet.
In Wirklichkeit aber war die Ejrche mehrmals umgebaut
und so die Lage der Gruft zweifelhaft geworden. Als man
jedoch im Jahre 1771 das Prioratshaus baute, stiess man
beim Aufgraben des Grundes auf ein Gewölbe der alten
Kirche und fand dort zwei weibliche und ein männliches
Gerippe, dem das Schenkelbein gebrochen war, und so
konnte man annehmen, die Ueberreste der theueren Stif-
terfamilie vorgefunden zu haben. Sie wurden nun in
einem hölzernen Sarge aufbewahrt, bis Abt Sigismund
einen Sarg aus Zink anfertigen, die Gebeine darin ber-
gen und in der Stiftergruft unter dem Hochaltare so auf-
stellen Hess, dass jeder Priester, werm er bei dem Hoch-
altare eine heilige Handlung verrichtet, gerade über dem
Sarge wandelt, Nachdem Abt Pin an noch wichtige Er-
werbungen gemacht hatte, starb er am 8. Januar 1195.
Ihm folgen nach einander mehrere Aebte von sehr kurzer
Regierungszeit.
3. Gregor (1195—1202),
4. Ulrich (1202—1204),
5. Markus I. (1204—1208). In seinen Tagen betrieb
Leopold der Glorreiche zu Rom das Vorhaben, ein Bis-
thum in Wien zu errichten und den Bischofssitz in das
Schottenkloster als den tauglichsten imd würdigsten Ort
zu verlegen. Dadurch kamen die Schotten in eine pein-
liche Verlegenheit, aus der sie erst unter dem Abte
6. Mathaeus (1208—1220) befreit werden sollten.
Denn obschon Leopold gewillt war, den Bischof aus
eigenen Mitteln zu dotiren und die Schotten in ihrem bis-
herigen Besitzstande zu belassen, so sollten sie doch die
durch so viele ehrende Erinnerungen liebgewonnene Stätte
räumen, und das that ihnen wehe. Zum Glücke jedoch
zerschlugen sich die Verhandlungen und der Plan Leo-
polds scheiterte an dem Widerstände des Passauer Bischofs.
Freudig bewegt wurden sie durch einen ehrenden Schirm-
Und 32 Jahre nach seinem Tode stiftete der Pfarrer Hugo von Lietzen
ein ewiges Licht am Grabe seines geliebten Herrn, das heute noch am
Fraueualtare ununterbrochen unterhalten wird.
— 379 —
brief, den einer der grössten Männer, die je Petri Stuhl
einnahmen, Innocenz DI. , im Jahre 1208 ihnen ausstellte,
■wie er denn bald darauf in einem Streite des Klosters mit
Ulrich von Marbach den darin verheissenen Schutz -wirk-
lich bethätigte. Dazu kam noch die Erwerbung eines
Gutes in Breitenlee durch die Grossmuth des Herzogs.
Desselben Schutzes von Rom aus erfreute sich auch sein
Nachfolger
7. Markus II. (1220—1230) in mehreren wichtigen
Fragen. Nach seinem Tode blieb die Abtei längere Zeit
unbesetzt, da der Eegensburger Abt bei der Neuwahl
durchaus eingreifen wollte, die Schotten aber keinen
Finger breit von ihren verbrieften Rechten, welche so oft
schon die Bestätigung der obersten Gewalt erhalten hat-
ten, abliessen. So begegnet uns erst im Jahre 1233
der Abt
8. Dirmicius ( — 1235), von dem wir jedoch sehr
wenig Urkundliches wissen, da er nur 2 Jahre dem Stifte
vorstand.
Am Lichtmesstage des Jahres 1232 hatte in der
Schottenkirche eine gar erhebende Feier statt, die so
recht die zwei Haupfiichtungen des ritterlichen Geistes
zum Ausdruck brachte, nämlich: Gottesdienst und Herren-
dienst. Der blutjunge Herzog Friedrich der Streitbare
hatte das wilde Raubritterpaar, die Brüder Chuenringer,
von denen der eine die Donau, der andere das Waldviertel
höchst unsicher machte, besiegt. Noch war er aber nicht
feierlich wehrhaft gemacht. So las denn der Bischof Gebhard
von. Passau am Grabe des Jasomirgott, des Urgrossvaters
Friedrichs, die Messe und umgürtete denselben mit dem
Ritterschwerte. Um die Feier des Tages zu erhöhen, ver-
lieh der Herzog an zweihundert Jünglinge des ersten
Adels von Oesterreich und Steier die Ritterwürde. Nach
dem kirchlichen Feste ritten sie AUe, der jimge Fürst an
der Spitze, auf gleichfarbigen Rossen, gleichförmig in die
neuen Farben Oesterreichs gekleidet, hLiaus an die Hoch-
strasse gegen St. Polten und hielten dort, wo „der Schotten
Erden" nnd der Chorherren von Klosterneuburg Grund
zuaammenstiessen, ein glänzendes Turnier. Diese Feier-
lichkeit, deren wichtigster Theil bei den Schotten vor sich
giag, entschwand dem Herzog Friedrich nicht aus dem
— 380 —
Gedächtnisse, ja sie erhöMe bei ihm noch die in seiner
Familie hergebrachte Vorliebe für das Schottenkloster.
Deshalb gab er den Schotten, nachdem er gegen Kaiser
Friedrieh II., der dem Stifte ebenfalls die Privilegien be-
stätigte, und gegen die halbe Welt wieder Herr gewor-
den war^ neuerliche Befreiung ihres Besitzes von jeglicher
Abgabe. Bald nach seinem Tode starb auch der damah'ge
Abt Felix, und es war wie Oesterreich, so auch das
Schottenstift eine Zeit lang verwaist, was der Eegens-
burger Abt wieder zu Umtrieben benutzte. Ja, er er-
wirkte sogar vom Pabste Innocenz IV. die Bestätigung
des von ihm gewählten Beilyanus von Ebersberg zum
Schottenabt in Wien. Ob jener diese Würde wirklieh an-
getreten oder mit dem nachfolgenden Abte
10. Philipp (1248 — 1269) identisch sei, steht nicht
fest. Philipp genoss im Lande grosses Ansehen und das
konnte für die Förderung der St&sinteressen nur zuträg-
lich sein. Er war einer von jenen Legaten, die der Land-
tag von Triebensee nach Meissen um einen Prinzen als
österreichischen Regenten schickte. Viel mag er auch für
Ottokars Erhebung zu dieser Würde geleistet haben, der
dem Stifte bereitwilligst seine Privilegien bestätigte. Auch
Rom stand nicht nach, und wenn auch die Ueberüeferung,
dass Abt Philipp mit Erlaubnis des päbstlichen Legaten
Cardinais Peter Aputius den Schmuck der Inful vom
Bischof Ulrich von Seckau erhalten habe, nicht urkund-
lich bestätigt werden kann, so ist die Thatsache , dass
Philipp im Besitze der Pontificalien gewesen sei, hiialäng-
lich erwiesen durch ein noch sehr wohl erhaltenes Insiegel
dieses Abtes an einer Urkunde von 1261, welches eine
stehende Figur mit Inful und Stab zeigt, ein Beweis, der
seine Vollkraft durch die Bedeutsamkeit der Symbole in
jener Zeit erhält. Philipp musste auch die pfarrlichen
Rechte der Schotten gegen den Pfarrer von St. Stefan
und Domherrn zu Passau, Magister Gerard, in einem hart-
näckigen Kampfe vertheidigen, aus dem er schliesslich
durch den Ausspruch der päbstlichen Commissäre, Probst
Arnold v, Brunn und Dietrich, Dechant zu Medliiig, als
Sieger hervorging. Er wohnte auch dem 1267 im
Stefansdome abgehaltenen Provinzialconcil bei und hatte
die Freude zu sehen, dass auch hier den Schotten
— 381 —
ihre pfarrherrlichen Rechte als imangreiflich bestätigt
wurden.
Wir^ begegnen nun in rascber Folge den Aebten
11. Johann I. (1269—1273),
12. Thomas I. (1273—1274),
13. Johann II. (1274), der bald nach seiner Wahl
abdankte, -worauf ihm
U. Wilhelm I. (1274—1280) folgte. Unter Wilhelm I.
(f 1280) vollzog sich das wichtige Ereignis der Einbe-
ziehung des Klosters in die innere Stadt, dessen tief ein-
greifende Folgen •wir schon in den einleitenden Worten
berührt haben. Das Stift theilte nun Freud und Leid mit
Wiens Bewohnern. So brannte es im Jahre 1276 ganz
ab und erlitt dadurch einen Schaden, der nur durch die
königliche Huld Rudolfs von Habsburg wieder gut ge-
macht wurde. Derselben erfreute sich im hohen Grade
Wilhelms Nachfolger
15. Thomas II. (1280—1286), dem Rudolf die Pfarre
Gaunersdorf, die später in der Reformationszeit eine wich-
tigeRoUe spielte, sammt allen dazu gehörigenRechten (1280)
verlieh, zum Ersätze für zwei ihm abgetretene Urstiftun-
gen Jasomirgotts, für den Zehent der herzoglichen Küche
und die HeiHgenkreuzkapelle zu Tuln, bei welcher Rudolf
ein Nonnenkloster für Dominikanerinnen stiftete, zufolge
eines Gelübdes, das er in der Entscheidungsschlacht auf
dem Marchfelde wider Ottokar gethan hatte. Unter ihm
begann auch mit Albrecht I. das segensreiche Wirken der
Habsburger für Oesterreich, und wie diese in Allem das
Erbe der Babenberger übernahmen, so brachten sie auch
den bestehenden religiösen Stiftungen und namentlich dem
Schottenkloster die liebevollste Theilnahme entgegen, die
sich durch zahlreiche Schenkimgen imd Bestätigung der
Freiheiten und Rechte bis in die neueste Zeit so glänzend
bewährt hat. Die Regierung des folgenden Abtes
16. Wilhelm II. (1286—1309) war für das Kloster in
jeder Beziehung vortheilhaft. Er erlangte (1287) von dem
apostolischen Legaten Johann Bischof von Tuskulum im
Namen des Pabstes Honorius IV. sowol für sich als auch
für jeden seiner Nachfolger für ewige Zeiten den Schmuck
der Pontificalien. Er hatte auch zu wiederholten Malen
Gelegenheit, seinen thätigen Eifer für das Wohl seiner
— 382 — ,
Mitbürger zu zeigen. Als sich nämlicli im Jalire 1288
„ die reichen und stolzen Biü'ger Wiens " gegen Alhrecht
empörten, sich aber von dem niederen Volke verlassen
sahen, wandten sie sich an den Schottenabt mit der
dringenden Bitte, für sie beim Herzoge Fürsprache einzu-
legen. Dieser begab sich nun zu Pferde , begleitet von
den Abgeordneten der Rebellen, auf den Kahlenberg und
bevarkte die Begnadigung der Aufständischen. Auch
später benutzte Abt "Wiliielm oft noch sein Ansehen beim
Landesfürsten zum Besten der Stadt Wien. Die berühmte
Handfeste der Stadt Wien, das älteste Stadtrecht, das die
Gemeinde noch im Original besitzt, verdankt ihre Ent-
stehung nicht zum geringsten Theil diesem Abte. Darum
hingen aber auch Wiens Bürger mit grosser Liebe an den
Schottenmönchen und bethätigten dieselbe durch so zahl-
reiche Schenkungen, dass man nicht leicht in einem
anderen gleich langen Zeitabschnitte deren so viele nach-
weisen kaim, und das zeitliche Besitzthum des Klosters
Dank derselben sich reichlich mehrte. Nicht minder stark
flössen auch die geistlichen Grnadenschätze von Seite der
Bischöfe und Päbste, so z. B. eine Indulgenzverleihung
für alle, welche ein andächtig Gebet für die Seelenruhe
des Stifters Jasomirgott imd aller zu den Schotten Begra-
benen zum Himmel emporsenden. Aber auch unter Wil-
helms Nachfolger
17. Nikolaus I. (1309 — 1318) versiegten diese für das
Kloster so wohlthätigen Quellen nicht. Um Schenkungen
von Privaten zu übergehen, müssen wir der sogenannten
Salzstiftung gedenken. Die Königin -Wittwe Elisabeth,
deren Gemahl Albrecht I. bekanntlich am 1. Mai 1308
als Opfer der von seinem Neffen Johann angezettelten
Verschwörung auf der Strasse von Brugg an der Reuss in
der Schweiz meuchlings ermordet worden war, verordnete
(1313), dass dem Schottenkloster alljährlich am St. Georgi-
tag 30 Fuder dürres Salz von Hallstatt umsonst und
mauthfrei geliefert werde, wofür das Stift sich zur Ab-
haltxmg eines Jahrtages mit Vigilien und Segenmessen
für die Seelenruhe der fürstlichen Stifterin und insbeson-
dere ihres ermordeten Gemahls verpflichtete; oder auch, wie
es in der Stiftungsurkunde heisst: „zv einer widerlegunge
der veiertag, di an vnserm Sieden ze Halstat, daz wir mit
38
o
vnsenn gut von wildem gepirig enbawen haben, vber-
gangen vnd zebrochen werdent mit arbait, der man doch
ze not niht entberen mach". Abt Nikolaus machte mit
seinem Convente auch jenes berühmte Hungerjahr von 1315
mit, dessen Schrecken noch durch eine damals auftauchende
und über 80,000 Anhänger zählende fanatische Sekte ge-
steigert wurde. Einen friedlicheren Verlauf nahm die
Regierung
18. Johann III. (1318 — 1319), sowie des darauffolgen-
den Abtes
19. Moriz (1320 — 1337), welche durch Pabst Jo-
hann XXn. unterstützt, einerseits des eigenen Stiftes
Interessen, andererseits die fremder Klöster wie Melk,
Gaming kräftigst vertraten. Moriz nahm sich überdies
auch des Probstes Stefan von Klostemeuburg in warmer
Freundschaft an, und wahrte dessen Würde in einer feier-
lichen Gerichtssitzung im Schottenkloster (1324) gegen die
feindselige Partei der Chorherren. Beide Aebte erscheinen
auch in zahlreichen Urkunden als Grundherren in Wien,
wie denn überhaupt die Schotten als Grundherren in Wien
älter siad als selbst der Magistrat. So kommen z. B.
schon 1340 fünfzig Häuser am hohen Markte, in der Reim-
gasse, am Graben als dem Prior von den Schotten die-
nend vor. Die Grundrechtserwerbungen und anderweitige
Acqtiisitionen dauern auch unter dem folgenden Abte
20. Heinrich I. (1337 — 1343), sowie unter seinen nur
kurze Zeit regierenden Nachfolgern
21. Nikolaus II. (1343—1346),
22. Philipp IL (1346—1347),
23. David (1347—1348) und
24. Wilhelm III. (1348—1349) in_ erheblicher Weise
an. So gelang es z. B. Abt Heinrich, die mit Gütern reich
ausgestattete St. Pankrazkapelle (gelegen an der Stelle
der jetzigen päbstlichen Nuntiatur) für das Stift zu ge-
winnen, wozu er bald die Genehmigung Albrechts, des
Passauer Bischofs, durch Vermittlvmg Herzog Albrecht II.
erlangte. Abt Nikolaus ging (1344) eine Verbrüderung
mit dem Salzburger Convente ein. Unter Wilhelm trat
jene furchtbare Pest, genannt „der schwarze Tod", auf,
det viele Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Da
war es nun an den Schottenmönchen zu zeigen, dass sie,
— 384 —
durchdrungeii von den Pflicliten ihres Berufes, vor keiner
Gefahr zurückschreckten, wenn es galt, den Kranken zu
Hülfe zu kommen und denen zu helfen, die ihnen so viele
Beweise ihrer Anhänglichkeit gegeben hatten. Hier spen-
deten sie die letzten Tröstungen der Barche, dort nahmen
sie sich verlassener Kinder an, überall walteten sie mit
rastlosem Eifer ihres schweren Amtes , dem viele aus
ihnen zum Opfer fielen. Das ist eine von jenen herrKchen
Scenen des Wiedergebens von Seite der Schottemnönche,
deren wir schon Eingangs gedacht haben. Bermann hat
in seiner illustrirten Geschichte von Wien eine solche
Scene auf S. 120 im Bilde wiedergegeben. Je schwerer
diese Noth, welche von so vielen anderen Plagen begleitet
war, auf dem Kloster lastete, desto mehr müssen wir
unsere Anerkennung zollen dem trefflichen Regimente des
Abtes
25. Clemens (1349—1372), der allen Eifer daran setzte,
die Wunden zu heilen, welche die Pest und die widrigen
Zeitverhältnisse dem Kloster geschlagen hatten. Da er
überzeugt war, dass hierzu viel des obersten Hirten und
des Landesfürsten Gunst beitragen könnte, so bewarb er
sich beim Pabste Lmocenz VI. 1359 und bei dem prunk-
liebenden ersten Erzherzog von Oesterreich Rudolf IV.,
dem Stifter, um Bestätigung aller Privilegien des Stiftes,
welcher Bitte namentlich Rudolf in einer für die Schotten
sehr ehrenvollen Weise vrillfahrte. Clemens stand bei
demselben in grossem Ansehen, wie dies seine Beiziehimg
als Berather und Zeuge zu allen wichtigen Regierungs-
akten wie z. B. zur Stiftung der Wiener Hochschule tuid
des Collegiatcapitels bei St. Stefan (1365) beweist. Seine
Nachfolger
26. Bonat (1372—1380) und
57- DowaZ^ (1380— 1392)traten ganz inaeiue Pussstapfen.
Unter ersterem wurde der Streit, der schon lange zwischen
der Schottenabtei und der Stadt Wien wegen der Gerichts-
barkeit in Schwebe war, von Albreeht III. dahin entschie-
den, dass der Blutbann auch über die Stiftsholden dem
Stadtrichter zustehe, dass jedoch das Stift in seiner Civil-
gerichtsbarkeit und in dem Asylrechte nicht beirrt wer-
den dürfe. Donat sowie Abt Donald genossen grosses An-
sehen beim päbstlichen Stuhle, wie dies am besten der
— 385 —
Umstand beweist , dass die Päbate in allen heiklen Ange-
legenheiten des Klerus in Oest-erreich und selbst in Ungarn
sich des Rathes und der kraftvollen Unterstützung der
Schottenäbte bedienten. Abt Donald war überdies ein
Mann, ebenso sehr durch grosse Frömmigkeit als auch
durch Weisheit und Gelehrsamkeit ausgezeichnet. So kam
es, dass die Universität ihn (1384) mit der Würde eines
Rektors bekleidete (Donald ist der siebente in der Reihe
der Rektoren). Er rechtfertigte die Erwartungen, die man
in ihn gesetzt hatte, auf das Glänzendste. Er erwirkte
vom Bischöfe zu Passau die Incorporirung der Pfarre Laa
tmd die Errichtung der theologischen Fakultät. Auch
nach der Periode seiner WirksaJoikeit als Rektor wachte
er mit eifriger Fürsorge für die Interessen der jungen
Universität; er brachte sein Kloster in eine innige Ver-
bindung mit derselben und um den religiösen Geist zu
höherer Entfaltung zu bringen, bewirkte er, dass die An-
gehörigen der Universität zweimal im Jahre, am Gregori-
und Benediktstage, in die Schottenkirche wallten, um da-
selbst der Festrede und dem feierlichen Gottesdienste an-
zuwohnen. Dass Abt Donald bei seinem bekannten regen
Eifer, den er für die Wiener Universität bethätigte, auch
zur Vertheidigung der Rechte der Prager Hochschule auf-
gefordert wurde und dieser Aufforderung in wirksamer
Weise entsprach, brauchen wir da erst nicht zu erwähnen,
ebenso wenig den Umstand, dass er auch für die Interessen
seiner Brüder und seines Stiftes nachhaltig thätig war.
Sein Nachfolger
28. Heinrichll. (1392—1399), ebenfalls ein thatkräftiger
Mann, richtete sein Hauptaugenmerk auf die Centralisation
und Abrundung der weit zerstreuten Stiftsgüter. Weil der
Besitzstand des Stiftes seit Verfassung des letzten Grund-
buches von 1314 bedeutend angewachsen war, so liess
Heinrich ein neues Stiftsgrundbuch anlegen, das vom Jahre
1397 datirt. Es ist auf Pergament geschrieben und wird
noch immer im Stiftsarchive aufbewahrt und führt die
Ueberschriffc : Registrum reddituum civitatis monasterii
glor. virginis Mariae Schotorum Wiennae d. i. Verzeichnis
der Einkünfte resp. Besitzungen des Schottenklosters in Wien.
Begreiflicherweise bildet dasselbe ein vortreffliches Hülfs-
mittel für mittelalterliche Geographie und Topographie. >
Ein Benediktinerbuch. 25
— 386 —
Wir haben bisher schon mehrere Male Aebten. des Schot-
tenstiftes begegnet, die nur allzurasch einander folgten! Auch
nach Heinrichs II. Tode übernahmen in rascher Folge drei
Aebte die Regierung, doch nur tun sie alsbald mit einem
bessern Jenseits zu vertauschen. Urkunden erwähnen
einen Abt
29. Patrik oder Patricius (1399—1400), dann
30. Albert (1400—1401) und
31. Johann IV. (1401—1403). Und nun begegnen
wir dem letzten national-schottländischen Abte
32. Thomas III. (1403—1418). Wenn wir die statt-
liche Reihe der bisherigen ausschliesslich schottländischen
Aebte kurz überblicken, so müssen wir gestehen, dass sie
alle insgesammt als vortreffliche, thatkräftige Vorsteher
ihres Klosters erscheinen, die nicht nur den materiellen
Wohlstand nach Kräften zu fördern bemüht waren, son-
dern auch dem innern Leben volle Aufmerksamkeit wid-
meten und auch nach aussen hin in die geistlichen und
weltlichen Verhältnisse machtvoll eingriffen. Auch der
letzte schottische Abt Thomas arbeitete ganz im Geiste
seiner Vorgänger. Sein Wirken als Landstand, als Super-
intendent der Wiener Hochschule, seine Thätigkeit für
das in Folge eines verheerenden Brandes von 1410 dar-
niederliegende Kloster kennzeichnen dies zur Genüge. Die
nun folgende Katastrophe kann also ebenso wenig ihm als
irgend einem andern seiner Vorfahren zur Last gelegt
werden: ich meine damit die Umwandlung des Klosters aus
einer Communität mit specifisch national-schottländischem
Charakter in ein deutsches Benediktinerstift oder die Ver-
zichtleistung der schottisch-irischen Nation auf dasselbe.
Dieselbe war vielmehr durch die Zeitverhältnisse bedingt.
Der Grund dazu entstand in der Zeit und verwirklichte
auch in derselben die Folge. Seit den grossen Landplagen
unter Wilhelm IH. und Clemens war die Wirthschaft des
Klosters immer mehr verfallen und als vollends 1410 der
schreckliche Brand dasselbe verwüstete, war an eine Ver-
besserung derselben schwerlich mehr zu denken. Dass
dabei auch die Disciplin im Kloster viel von ihrer ur-
sprünglichen Vortreff llchkeit einbüsste, ist demnach be-
greiflich, wiewohl dazu auch die' allgemeine Entsittlichung
im Klerus, für dessen durchgreifende Reform schon da-
— 387 —
mals gewiclitige Stimmen, namentlich auf dem berühmten
Constänzer Concil sich erhoben, beigetragen hat. Dazu
war die Zahl der Mitglieder sehr zusammengeschmolzen
und ihre Ergänzung aus dem Heimatlande mit ungemein
viel Schwierigkeiten verbunden. Es musste also an eine
durchgreifende Reform gegangen werden, die auch Herzog
Albrecht V. angelegentlich beschäftigte, und diese Reform
war anders nicht möglich, als dass auch andere Nationen,
vornehmlich die deutsche, Aufnahme in den Zlosterverband
fanden. Doch dem stand die ausdrückliche Verfügung
Heinrichs des Stifters entgegen, gemäss welcher nur Schott-
länder in das Gotteshaus einfeeten konnten. Nachdem
diese Angelegenheit reiflich erwogen worden war, wandte
sich Albrecht an den Pabst Martin V. um eine endgiltige
Entscheidung in dieser Sache und motivirte sein Ansuchen
damit, dass eben das Schottenkloster durch Gründung
und Lage berufen sei, einen weitgreifenden Einfluss auf
die Verhältnisse der Hauptstadt und des Landes zu üben,
dass derselbe aber, dauere die jetzige Lage an, nur ver-
derblicher Natur sein könne, was doch der Stifter nie und
nimmermehr gewollt haben konnte. Martia V. ordnete
deshalb auch im Einklänge mit den Bestimmungen des
Constanzer Concils in einer eigenen Bulle vom 17. Januar
1418 an, „dass künftighin Jedem, falls er tauglich sei xmd
ihm kein kanonisches Hindernis im Wege stehe, möge er
von was immer für einer nationalen Abstammung sein,
die Aufiiahme in das Schottenkloster in Wien gestattet
werden könne". Als diese Entscheidung den Schotten von
den päbstlichen Visitatoren verlesen worden war, erklärten
dieselben, freiwillig auf das Kloster Verzicht leisten zu
wollen gegen dem, dass der Abt Thomas 80 Dukaten jähr-
liche Pension und die Conventualen Geld und Lebens-
mittel zur Rückreise nach ihrer Heimat erhalten sollten,
da sie nie und nimmer mit fremden Nationen zusammen-
leben möchten und könnten. Dies geschah am 9. August
1418. Sie wanderten also aus und nahmen ohne Zweifel
wichtige Urkunden und Bücher und gewiss auch den
Original-Stifbungsbrief mit. Mehrmals erhoben sie noch
nachträglich Ansprüche auf das Kloster bis in die Zeit
Ferdinand H.; sie fanden ei&ige Unterstützung darin von
Seite der Königin Maria Stuart von Schottland; doch alles
25*
— 388 —
war vergeblicli! Sie hatten freiwillig auf ilir Recht ver-
zichtet.*)
Nun beginnt die zweite Periode in der Entwicke-
lung des Schottenklosters, gleichsam eine neue Begrün-
dung desselben; denn nuu zog deutsches Element und
deutsches Wesen ein in die heiligen Hallen, „unstreitig
IDassender und wirksamer für die deutsche Hauptstadt"
des herrlichen esterreich. Um die Reorganisation und
die Wiedererhebung des Stiftes erwarb sich der von dem
päbstlichen Bevollmächtigten noch im August 1418 ein-
gesetzte Abt
33. Nikolaus V. Bespitg (1418 — 1428) so grosse und
bleibende Verdienste, dass ihm mit Recht der Beinamen
eines „zweiten Stifters" zu Theil wurde. Die Zahl der
Mitglieder vermehrte sich rasch dadurch, dass viele Con-
ventualen aus fremden Häusern in das Stift eintraten.
Viele bewog dazu die Persönlichkeit des Abtes, der aus
Subiaco kommend, eine Zierde seines Ordens und der
*) Ich kann mir nicht versagen, hier, am Schlüsse der ersten
Periode, die Schilderung des Treihens der letzten Schotten anzufügen,
"wie Sascb, der Schottenorganist, dieselbe in seiner 1586 erschienenen
Sohottenchronik giebt: „Die Minich seyen ainnutzig oder aigennutzig,
dem Kloster unnutz und nit gemeinnützig ■worden. Sie fiengen an von
klosterlicher geistlicher Zucht und Ehrbarkeit sich zu begeben auf
allerley unzimliche Werk undTebungen, trieben Handtirung undKlra-
merey, bevor aber mit raucher "Waar, Wild-G-füll oder Pelz"werkh und
Judenstuck, hielten öffentliche Däntz und liustspiel mit fallen achla-
gen, Stangen schupfen, Verschwendten der Kirchen Gütter, versetzten
die Kelch, Ornat, ja die Glocken im Thurm, Hessen die Gebäu ein-
gehen, hausten gar tibi wollten darzue kein "Visitation leiden noch an-
nehmen. Es mochte auch hernach solches der Schotten Minich böses ver-
kehrtes Leben auf keinerley Weise mehr reformirt, vielweniger zu ihrer
alten heiligen Einfalt gebracht werden, es wäre auch sehr beschwerlich
und von grossen Unkosten so fern übers mör Schottenmünieh herzu-
bringen , darzu gemeinlich die heillosisten Noth- und Zwang-Münich,
die man daheim nicht gern hätte, heraus in Deutschland g-eschickt
wurden, als noch feindlich tun die Eeligiosi anderer Völker, die hie
zu Land Klöster einnehmen und Pass haben. Zulezt als die Schotten
gänzlich ausgeschlossen aus dem Land und Bisthum abgeschafft wur-
den, gieng es mit ihnen, wie man ^ Gott behuet uns — Tewffel aus-
treibt. Sie spreizten sich lang, taten der Obrigkeit vill mie und Plag
auf, waren diohelich, ainer begehrte dahin, der ander dorthin in ein
ander Kloster zu fahren und was des Bings mehr." (Hormayr, Geschichte
Von Wien II. Jahrg. 2. Band.)
— 389 —
Wiener Hoclisclmle war. Unter ihm sehen wir schon
einen Stiftspriester P. Wolfgang von Passau als Pfarr-
vikar in Gaunersdorf, während in den meisten Klbster-
pfarren noch Weltpriester fungirten. Er war auch einer
von den Kreuzpredigem gegen die damals auftretenden
Hussiten. Während den Abt Nikolaus die päbstlichen
Visitatoren dem Kloster vorgesetzt hatten, gelangte sein
Nachfolger
34. Johann IV. von Ochsenhausen (1428—1446) durch
Compromiss zu seiner Würde,- er wurde aus dem Stifte
Melk postulirt. Abt Johann gehört mit zu den bedeu-
tendsten Männern, die in der langen Reihe der Schotten-
äbte sich finden. Hervorleuchtend durch wissenschaftliche
Bildung und Frömmigkeit, hat er während seiner acht-
zehnjährigen Regierung sowol dem Staate als auch der
Erche und seinem Hause die wichtigsten Dienste ge-
leistet. Keiu österreichischer Prälat stand den damaligen
Weltereignissen so nahe wie er. Auf der allgemeinen
Synode zu Basel, zu der er sich als Abgeordneter sämmt-
licher Benediktinerstifte der Passauer Diöcese im Jabre
1432 eingefunden hatte, fand er eine vielseitige Verwen-
dung. Das Concil nennt ihn „notabile eins membrum et
sibi incorporatum". Er bemühte sich namentlich für die
Beilegung der husaitischen Wirren, die Oesterreich so un-
sägliche Verluste brachten, imd ging von Basel im Auf-
trage des versitzenden Cardinallegaten Julian in die Abteien
St. Gallen, Petershausen, Mehrerau und Stein, um die
Disciplin daselbst zu heben. Auch nach seiner Rückkehr
vom Concil wirkte er im Interesse, des Pabstes und der
Kirche. So verhängte er im Namen des Pabstes Eugen IV.
den Kirchenbann über den Grafen Heinrich von Görz, re-
formirte die Klöster zu Obemburg und Mühlstatt, verthei-
digte die Stifte Baumgartenberg und Melk gegen wider-
rechtliche Angriffe und versah schliesslich das Amt eines
Visitators des gesammten Klerus in Oesterreich und Mähren.
Natürlich verpflichtete er sich dadurch den Pabst sowol
als Herzog Albrecht V. zu Danke, den ihm ersterer durcb
Bestätigung und Vermehrung der Stiftsprivilegien auch
faktisch bethätigte. Für letzteren war er namentlich in
den Ständeversammlungen zu Frankfurt am Main und zu
Mainz thätig, wo es galt, das Vorgehen Deutschlands in
— 390 —
dem Schisma, das durch die widerstrebende Haltung des
Baseler Concils hervorgerufen -worden war, zu bestimmen.
Die Wiener Universität dankt ihm die Incorporirung der
Pfarre Russbach mit dem jährlichen Ertrage von 180 Mark
Silber zur Aufbesserung der Professorengehalte. Obwohl
nun Abt Johann zu den ersten Leitern jener vielbewegten
Zeit zählte, so vernachlässigte er doch keineswegs die
Yerwaltung des Stiftes. Mehrfach musste er, um die an-
gegriffenen Interessen desselben zu wahren, die Hülfe des
Pabstes, des Concils und des Herzogs anrufen, die ihm
auch immer in ausgiebigstem Maasse zu Theil ward.
Namentlich zeigte sich Herzog Albrecht für Johanns
Dienste in dieser Richtung erkenntlich, indem er ihm
nebst den bisherigen Privilegien überdies volle Grund-
herrlichkeit und unbeschränkte Gerichtsbarkeit zusicherte,
so dass er für die deutschen Benediktiner dasselbe ward,
was einst Jasomirgott den Schotten gewesen. Kunst und
Wissenschaft nahmen einen bedeutenden Aufschwung und
für die treffliche Disciplin seiner Conventualen zeugt der
Umstand, dass man mehrere seiner Religiösen als Lehrer
und Muster der Ordenszucht in andere Häuser verlangte.
Dem Abte von St. Jakob in Regensburg wurde unter An-
drohung schwerer kirchlicher Strafen für ewige Zeiten
untersagt, irgend welche Gewalt über das Wiener Kloster
auszuüben oder ein Recht anzusprechen. Kiaum möchte
man vermeinen, dass Johann während seiner achtzehn-
jährigen Regierung dies alles zu leisten vermochte. Ihn
nahm sich zum Vorbilde der nächstfolgende Abt
35. Martin (1446 — 1461) aus Leibitz in der Zips
(Ungarn), früher Magister an der artistischen Fakultät in
Wien, dann durch längere Zeit in Subiaco, von wo er in
das Schottenstift in Wien eintrat. Wie Johann V. so be-
kleidete auch Martin die schwere Würde eines Reforma-
tors der Benediktinerklöster in der Salzburger Diöcese
und untersuchte auch, was wohl merkwürdig ist, im Auf-
trage des Pabstes die disciplinären Verhältnisse des den
Schotten in Wien so feindseligen Klosters von St. Jakob
in Regensburg. Zahlreiche Ablassspenden für sein Gottes-
haus von vielen Seiten belohnten seine Mühewaltung.
Aber auch auf weltlichem Gebiete behauptete er gleich-
falls das alte Ansehen der Schottenäbte. So wurde er
— 391 —
mit nocli zwei Prälaten Oeaterreiclis eines von den zwölf
Mitgliedern des Landesausschuases , die für den jungen
Ladislaus Posthumus die Regierung führen sollten. Treu
hielt er in dem darauf folgenden Erbschaftszwiste der
Habsburger Fürsten an Kaiser Friedrich IV., wobei er in
uneigennütziger Weise nur die Interessen des Landes im,
Auge hatte. Seine Verdienste lohnte Ladislaus Posthumus
durch eine inhaltsschwere Handfeste vom Jahre 1453,
worin er aUe Privilegien dem Stifte unbeschränkt bestä-
tigte. Kaiser Friedrich und Albrecht VI., dessen Bruder,
standen an Gunstbezeugungen nicht nach; viele Private
und die Stadt "Wien handelten ebenso und so ist es nicht
Wunder zu nehmen, dass die Finanzen des Stiftes trotz
der jetzt schon erhobenen Beisteuer zur Abwehr der Tür-
kennoth sich mehrten. Seine Verdienste für die Stifts-
bibliothek und die Wissenschaft sind gross. Bei solch
erspriesslicher Thätigkeit muss es befremden, dass Abt
Martin im Jahre 1461 auf seine Würde resignirte. Die
Gründe, welche ihn dazu bewogen haben, sind bislang
unbekannt. ^ Er starb als Stiftssenior am 28. Juli 1464.
An seine Stelle wählten die Conventualen seinen Secretär
36. Sieronymus (1461 — 1466). Auch er sah sich ver-
anlasst, in die Wirren des Erbschaftszwistes der Habs-
burger Brüder vermittelnd einzuschreiten und war einer
der eifrigsten Landstände, die die Heiligsprechung Leo-
pold IV. beim heiligen Stuhle betrieben, (He sich jedoch
so sehr in die Länge zog, dass sie erst 1485 erfolgte,
nachdem Hieronymus' zweiter Nachfolger Mathias ebenfalls
für dieselbe intervenirt hatte. Abt Hieronymus erhielt
auch das Privilegium, die niederen Weihen zu spenden.
Nur von kurzer Dauer war die Regierung des Abtes
37. Johann VI. (1466—1467), der früher Profess von
Lambach, dann Abt von Kleinmariazell, durch seine Ge-
lehrsamkeit sich den Titel eines Magisters der freien
Künste und die Würde eines Doctors der Theologie er-
rang und als Abt des Stiftes postulirt wurde. Noch am
Schlüsse des Jahres 1467 wurde der Stiftsprofess
38. Mathias Fink (1467—1475) zum Abte gewählt,
welcher ehedem Geheimschreiber Friedrich IV. und Ladis-
laus P. war. In seine Zeit fällt die Gründung der be-
rühmten Sebastianibruderschaft zur Abwehr der Pest bei
— 392 —
den Schotten, als deren erste Mitglieder Mathias und seine
Conventualen eingetragen -wurden. Bald auch glänzten
darin die Namen Kaiser Friedrich IV. und Königs Mathias
von Ungarn. Wie in den obersten und höchsten Ständen,
so erfreute sich dieselbe namentlich auch in den untersten
Schichten der Bevölkerung einer grossen Theilnahme.
Aus der speciellen Tendenz gegen die Pest wurde bald
eine allgemeine: die Beförderung der Religiosität unter
der Bevölkerung Wiens und Vertheidigung der katholischen
Interessen, Tvelch' letztere namentlich zur Reformations-
zeit von der Bruderschaft geübt wurde und viele herr-
liche Früchte trug. Den Päbsten und Bischöfen entging
die Wichtigkeit derselben nicht, wie denn später Bischof
Khlesl sie ausdrücklich bestätigte (1616), ihr neue Statuten
gab und von Pabst Paul V. und TJrban VIII. reichliche
Ablassgeschenke erwirkte. Neben dieser Societät erhoben
sich gar bald auch andere mit ähnlichen Bestrebungen,
so dass gerade das Schottenstift der Mittelpunkt des reli-
giösen Lebens in Wien wurde. — Obwol Abt Mathias viel
beitrug zur Hebung des Stiftsvermögens, so that er an-
dererseits demselben viel Abbruch durch seine grosse
Prachtentfaltung und seinen Baueifer, so dass er sich ge-
uöthigt sah, im Jahre 1475 abzudanken. Da die vier
nachfolgenden Aebte
39. Leorihard (1475—1479),
40. Stefan KoTb (1479—1482),
41. Christof {14:82— U85),
42. Gallus (1485 — 1486) kaum zehn Jahre ausfüllen,
so lässt sich über ihr Wirken und ihre Zeit wenig Be-
merkenswerthes melden. Nur so viel steht fest, dass dieser
rasche Wechsel der Vorsteher weder den disciplinären
noch den finanziellen Verhältnissen des Hauses zu Gute
kam. In diese Zeit fällt ein für das Schottenstift wich-
tiges Ereignis, nämlich die Begründung des Wiener
Bisthums im Jahre 1480 mit dem ersten Bischof Leo von
Spaur, von welcher Zeit das Schottenstift nicht mehr dem
Passauer Bischof unterstand, sondern unter die Jurisdiction
des Bischofs von Wien kam.
43. Jölicmn VII. Huistnaus (1486—1500) erhielt von
König Mathias die Bestätigung der Privilegien gewisser-
massen als einen, wenn auch ungenügenden Ersatz für die
— 393 —
fielen Verlnste an Geld und Gut, -welche das Kloster durch
die Belagerung von Seite der Ungarn erlitten hatte. Doch
drohte von diesem König dem Stifte und der Stadt Wien
eine entsetzliche Gefahr. Am Pfingstdienstage, am 27. Mai
1488, brach zwischen den königlichen Viehhirten und
einigen Klosterdienern der Weide wegen ein Streit aus,
der durch das Herbeieilen bewaffneter Bürger bald grössere
Dimensionen annahm, so dass ein königlicher Diener todt
am Platze blieb. Darauf brach der ungarische Stadthaupt-
mann in das Kloster ein und nahm einige Conventualen
gefangen und Hess den kranken Abt nur unter der Bürg-
schaft, nicht entfliehen zu wollen, im Bette. Als dieser
Vorfall dem König Mathias nach Ofen gemeldet worden
war, glaubte er, dass die Wiener eine sicilianische Vesper
vorhätten und befahl höchst ergrimmt, den Schottenabt
sammt den Brüdern gebunden in die Donau zu werfen
und unter den Bürgei^i zum abschreckenden Beispiele ein
Blutbad anzurichten. Nur durch die eindringlichen Er-
mahnungen des Bischofs von GroESwardein liess er sich
dazu bewegen, nicht eher den Fall so strenge zu ahnden,
als bis er auch die andere Partei vernommen habe. Als
er darauf nach Wien kam , sah er das rechtmässige Vor-
gehen der Klosterleute ein, die eben kraft eines früheren
königlichen Befehles die Viehhirten von der Klosterweide
abweisen wollten und entschied zu Gunsten des Klosters.
Kaum war diese Gefahr vorüber, so verzehrte eine durch
die Schuld wälscher Alcbymisten entstandene Feuersbrunst
fast das gesammte Kloster mit der Kirche. Dazu gesellte
sich noch im Jahre 1494 eine allgemeine pestartige Seuche,
die namentlich junge Leute befiel. Diese Unglücksfälle
schadeten weniger der Disciplin als dem Klostervermögen,
so dass die ganze Huld Maximilians, die Verfügung des
Wiener Magistrats wegen freier Weineinfuhr und die
Wohlthätigkeit einzelner Bürger nothwendig war, um
demselben aufzuhelfen. Ja es kam so weit, dass Abt
Johann sich genöthifft sah, abzudanken, worauf an seine
Stelle
M. Placidus (1500) trat, der jedoch bald nach seiner
Erwählung starb. Des nächsten Abtes
45. Johann Till. Krembmitzer (1500 — 1518) Wirken
fäUt schon in den Beginn der Neuzeit. Auch er hatte
— 394 —
viel zu kämpfen mit der finanziellen Noth des Stiftes, die
nur einigermassen durch edelmüthigeGrläubiger und Freunde
des Klosters paralysirt wurde. Wichtig ist die Verwen-
dung Kaiser Maximilians heim Ahte zu St. Jakob in Ee-
gensburg wegen Eückerstattung der Originalurkunden, die
aber nur dem geringeren Theile nach zurückfolgten. Unter
Abt Johann fanden die Wissenschaften und die Tonkunst
ein liebevolles Heim in den Klostermauern. Er war Zeuge
der folgenreichen Doppelheirat zwischen den Häusern
Oesterreich und Böhmen-Ungarn und wirkte Erspriess-
liches bei den Verhandlungen der österreichischen Land-
stände. Doch in den letzten drei Jahren seiner Regierung
brachen Zwistigkeiten zwischen ihm und dem grösseren
Theile der Brüder aus, die so acut wurden, dass er Mitte
des Jahres 1518 abdankte. Ihm folgte sein Rivale schon
vom Stifte St. Aegid in Nürnberg her
46. Benedikt I. Chelidonius (1518 — 1521), der von
seiner ausserordentlichen Neigung zu den Wissenschaften
den ehrenden Beinamen Musophilos erhielt und trotz der
kurzen Regierung zu den berühmtesten Schottenäbten
zählt. Er vereinigte in sich den Ruf eines trefflichen
Dichters, Redners, Theologen und Historikers und stand
mit den wissenschaftlichen und künstlerischen Koryphäen
seiner Zeit im regsten Verkehr. Im Hause des berühmten
Wülibald Pirkhaimer in Nürnberg hatte er den grossen
Maler Albrecht Dürer kennen gelernt und gar bald hatten
die beiden Männer um sich das innigste Band der Preund-
schaffc geschlungen. Letzterer lieferte auch, wie wir später
hören werden, manchen prachtvollen Kupferstich zu Be-
nedikts zahlreichen und bedeutenden Werken. Reges
wissenschaftliches Leben entfaltete sich im Stifte, ohne
dass jedoch die Disciplin nur irgend welche Einbusse er-
litten hätte. Entschuldigte sich doch selbst Abt Benedikt
bei seinen Preunden Pirkhaimer und Dürer wegen seiner
Saumseligkeit im Briefwechsel damit, dass er in seiner
ungeheizten Zelle vor lauter Kälte nicht schreiben könne,
in dem wohlgeheizten Refektorium die Unruhe aber zu
gross sei, wie er denn übrigens in einem der gemeinsamen
Benutzung dienenden Räume nicht wohl schreiben und
studiren möge. Wie die Sachen standen, konnte es aber
auch dem Stifte an Gönnern nicht fehlen. Obenan steht
— 395 —
Maximilian, der mit Benedikt persönlich verkehrte; Er-
wähnung aber verdient auch der Secretär Friedrich IV,
und Orator Maximilians beim Pabste Johann Falkh von
Sxems, der dem Stifte alle Schuldbriefe zum Greschenke
machte. Nachdem Benedikt nach Maximilians Tode noch
Vieles durch die Wirren hatte leiden müssen undjioch
die Einsetzung Ferdinands in die österreichische Eegie-
rung erlebt hatte, starb er viel zu früh für das Stift am
8. September 1521.
47. Michael de Laeba (1521—1528), früher Profess zu
Martinsberg, dann Abt zu Sexard in Ungarn, wurde als
Abt nach Wien postulirt. Wie alle Kirchenfürsten, so
hatten auch die Schottenäbte schweren Stand einerseits
gegen die unaufhaltsam sich ausbreitende Neuerang des
Martin Luther, andererseits gegen die beginnenden Ein-
fälle der osmanischen Türken. Dass die Reformation auch
an dem Schottenstifte nicht spurlos vorüberging und ihren
verderblichen Einfluss in der Lockerung der Disciplin klar
zeigte, kann nicht geleugnet werden, obwol wenigstens
der Trost erübrigt, dass ein offener Austritt aus der
Kirche im Kloster nicht stattgefunden hat. Das Vor-
dringen der Türken hatte zur Folge, dass zur Abwehr
derselben eine allgemeine Besteuerung eingeführt wurde
und dass die Kirchen und Klöster überdies ihre werth-
voUen Schä,tze an Gold und Silber zu Kriegszwecken aus-
liefern mussten. Das ist mit ein Grund, -warum im
Schottenstifte so wenig alte Arbeiten in edlen Metallen
erhalten sind. Michael, dessen Kräfte als Deputirter des
Prälatenstandes in Anspruch genommen waren, steuerte
150 Mark und 14 Loth Silber (1526). Schon im nächsten
Jahre hatte er sich entschlossen, seine Würde niederzu-
legen. Doch da der Wiener Bischof dem Stifte einen
Fremden als Abt aufdrängen wollte, führte er die Stifts-
verwaltung bis zum nächsten Jahre fort, worauf er bald
starb. Sein Nachfolger, einer der tüchtigsten Schottenäbte
48. Konrad Weichselhaum (1528 — 1541), hatte merk-
"würdige Lebensschicksale mitgemacht und sich in den-
selben einen Charakter angebildet, wie er für die bedräng-
ten Zeiten seines äbtlichen Wirkens nothwendig war.
Geboren zu Innsbruck in Tyrol, wurde er in früher Jugend
Landsknecht und kämpfte an der Seite seines grossen
— 396 —
Landsmannes Georg von Frandsberg in den Sclilacliteii
Yon Bicocca und Pavia. In der Folge vertauschte er die
Lanze mit dem Brevier. Um seine arme Mutter zu unter-
stützen, trat er aus dem Orden aus und übernalun eine
Pfarre. Nachdem ihn der Tod seiner Mutter von der
leiblichen Sorge für dieselbe befreit hatte, kehrte er ins
Kloster zurück und wurde bald darauf zum Abte erwählt.
Doch kaum hatte er den Antritt seiner Regierung durch
treffliche ökonomische Maassregeln gekennzeichnet, als
schon Soliman IL sich den Mauern Wiens nahte. Der
vierte Theil der Stiftsgüter musste zur Bestreitung der
Kriegskosten hintangegeben werden. Das Stift litt grossen
Schaden durch die Plünderungswuth der Landsknechte,
die nach dem Tode des Helden Salm ärger als die Türken
in dem verlassenen Kloster (Konrad musste mit seinen
Conventu^len nach Passau flüchten) wirthschafteten, das
Archiv und die Bibliothek plünderten, die Kirche schän-
deten und überall, namentlich im Stiffcsgarten, die greu-
lichsten Verwüstungen anrichteten. Nicht minder hatten
die Güter des Stiftes unter den Türkenhorden gelitten.
Heimgekehrt von Passau, wurde Kom-ad Abgeordneter der
Stände und als solchem wurde ihm die Anführung des
Kriegsvolkes wider Mihal Oglu übertragen, and er hat sich
(Rasch, Schottenchronik) „ein kriegsmann, musterherren
vnd Haubtmann, redlich gestellt wider den Erbfeind, anf
dem Stainfeld bei der Neustatt, und ehr eingelegt". Bei
der andauernden Türkenn oth waren die Geldquellen des
Stiftes fast gänzlich versiegt. Dazu kam auch noch die
Aufforderung, der sehr herabgekommenen Universität wie-
der aufzuhelfen. Demnach ist die Thätigkeit Konrads,
die es ermöglichte, allen diesen Verpflichtungen nachzu-
kommen, eine wirklich bewunderungswürdige, wenn man
überdies noch bedenkt, eine wie grosse Aufmerksamkeit
die disciplinären Angelegenheiten in der damaligen Zeit
erforderten. Obschon der Personalstand, wenn auch nicht
so sehr wie in anderen grösseren Conventen, sich herab-
gemindert hatte, konnte das Stift doch vom Abte Stefan
von Formbach die Pfarre Klein-Engersdorf zur Seelsorgs-
verwaltung für immer übernehmen (1540). Gerechte An-
erkennung für sein verdienstliches Wirken fand Konrad
durch ein Document des päbstlichen Legaten Peter Paul
— 397 —
Vergerius, -worin er ihm und seinen Nachfolgern wich-
tige Gierechtsame ertheilt, so unter anderem das Recht,
den feierlichen bischöflichen Segen spenden zu dürfen und
die Vollmacht, Altäre und Portatilia zu weihen, und in
ehrenden Worten die würdige Haltung des Stiftes und die
einflussreiche Thätigkeit der Schottenäbte auf staatlichem
Gebiete lobend anerkennt (1533). Seinem noch in der
Blüthe des M'annesalters (er war 45 Jahre alt) stehenden
wirkungsreichen Leben machte der Tod ein Ende am
15. Sept. 1541. Ihm folgte der aus edlem bayerischen Ge-
schlechte stammende Stiftspriester
49. Wolfgang Traunsteiner (1541 — 1562), der zum
Wohle des Stiftes durch volle 21 Jahre regierte. Gleich
seinem Vorgänger hatte auch er einen grossen Einfluss
auf die Landesgeschäfte, wo es sich namentlich um Geld-
beschaffung zur Abwehr der Türken handelte. Schwer
trafen diese ausserordentlichen Steuern das Schottenstift,
und alle Einwendungen des Abtes fruchteten bei den
protestantisch gesinnten Käthen Ferdinands L nichts. Eben-
sowenig konnte er die Bestätigung der Privilegien erhal-
ten. Viel Mühe verursachte ihm auch die üeberwachung
der Pfarren, wo, namentlich in Gaunersdorf, die neuen
Irrlehren ungehinderten Eingang fanden. Um so erfreu-
licher war für VT'olfgang die gute religiöse Haltung seiner
Conventualen, die auch fektische Anerkennung durch Postu-
lirung des Stiftspriesters Aegid Lav zur Prälatur in Klein-
Mariazell (1555) fand, und die sorgfältige Pflege, welcher
die Wissenschaften im Kloster sich erfreuten.*)
*) Wir können uns nicht versagen, an diesem Orte einige Stellen
aus dem „ Lobsprache der Stadt Wien", verfasst in 1600 gereimten
Zeilen vom Schottenschtilmeiater Wolfgang Schmälzl im Jahre 1548,
anzuführen , da sie mit ein Stück Geschichte und Topographie des
Stiftes enthalten. Nachdem Schmälzl die Stadt Wien allerorts durch-
wandert ujid seiner Verwunderung über all die Pracht Ausdruck ver-
liehen hat, fährt er v. 144S fort:
Und gieng hinein in einem schwung
Zun Schottn auff kayserlich freyung.
1450 Die was dem Closter eingeleibt
Mit schranken, drinn offt macher leit
In guter sicherhait jar und tag-
Vmb schulden oder vmb todtschlag.
Darauff ich ain mit schliesseln fand:
— 398 —
Abt Wolfgang musste kurz vor seinem Lebensende
nocb den schrecklichen Brand erleben, der (14. April 1561)
1455 „Seyt jr mit diensten hinn verwandt,
Sagt mir, mein lieber freunde mein,
Was mag das für ein Closter sein?"
Er sprach: „in dem Gotsshauss ich dienn.
Bin Messner, solt mich recht verstehn.
1460 Sanct Iieopold hat diss Closter g-stifft,
die andern hie all vbertrifft,
Mit aller herrliohkeit vnd zier
Auffpaut auff die alten monier
Mit quaderstain hinden Tnd vorn,
1465 Vnd halten Benedicter ordn.
Abt Wolffgang, mein gnediger Herr,
Ist von Beim gschlecht ein Trannsteinex,
Vnd gewesen ettlich jar her
der Landschaft ain verordneter.
1470 fürt gut hauBswirthschafft, regiment,
Hat noch aylff Brüder im Convent, ^
Verständig, gelert, lesen gern
Was sich gebürt zu Gottes ehrn.
Hat sunst geschickt ettlich Biüder auss,
1475 die Pfarr verwesen, halten hauss.
Auch helt er gmaine Schul dameben,
der thut er vnterhaltung gehn,
Prebend auff sechtzehen knabn vnd gselln;
die arm seind, studieren wellen.
1480 Haben auch alle malzeit, wein.
Ein yeder da muss äeyssig sein,
Zu nachts repetiern, fru auffstehn.
Man lest jr khain nit müssig gehn,
Vnd mag da gleich so wol studiern,
1485 Alsjhet er vi! gelts zu verzem.
Ein Organisten er auch helt.
Zu schlagen, wenn ein fest gefeit.
Ein schöne Orgel jr da seclit '
Manch stymwerck, resch, gut vnd gerecht.
1490 Khumbt dan, den garten auch besieht.
Im Thurm stehet ein Vr gericht
Bestendig, greoht sie lang zeyt bleibt,
Gewaltiger syben zaiger treibt."
Ich gieng mit jm, was sein gefert,
1495 der garten wurd mir auffgesperrt.
die gäng die stunden vol mit wein,
das mag ein schöner garten aeini
Wie ichs nun als besieht vnd sah,
Weist er mir einen stock, vnd sprach:
~ 399 —
Pulkau gänzlich zerstörte. Während der Verhandlungen,
die wegen des Kirchenbaues daselbst gepflogen wurden,
starb er an der Wassersucht am 25. September 1562. Be-
1500 „Secbt, da auff disem Maulbeeibaum
Stunden acht tisch mit gutem räum.
den hat man samht dreyhundert bäumen
Im Türeken krieg wegk lassen räumen,
Nur nider grissen, abgehackt,
f; 1505 Ee der Tüxckjabtzug- vnd sich packt."
Weitter fürt mich derselb Heesner
Gar in einen schönen keller,
Hat viertzig Staffel minder ain.
All glegt von schönen Marmelstain.
1510 Ein g-eweltigs gpew vnd tieffe grufft.
Hahn auch frisch -wasser, gaunden lufft
Ynd mechtig grosse vass mit wein.
das gfiel mir, dacht : „da "wer gut sein,
Wenn ich het -wähl, im gantzen Land."
1515 Blib, nam an den Schulmaister stand«
das glück mir zulegt binden md Torn
Sovil, das ich bin Bürger "wordn.
Mein gnedig Herrn, ein Ersamer Bath,
Ettlich Weingarten eingeben hat,
1520 Helffen rathen in allen Siugn,
dtumb Bol ich beym Saluator singn. :
Bas balff mir vrol zu meim anfang.
Mein gnediger Herr, Abt Wolffgang,
Sambt dem ehrwirdigen Conuent,
1625 "WeU. ich so lang an disem end
Trewlich gedient, bey jnen blibn,j
Ein herrlich prouision verschribn.
der Schmöltzl khain pesser schmalzgrub fandl
Ich lob diss ort für alle Land!
1530 Hie seind tu Singer, saytenspil,
Allerlay gsellschafft, frewden vil."
Mehr Musicos vnd Instrument
rindt man gwisslich an khainem end,
Nachdem Schmälzl sich all' der Ehr und des Guten, da» ihm überall
erwiesen wird, als unwürdig bekannt hat, schliesst er mit einer Bitte
an den dreieinigen Gott, die damals im ganzen Abendland innbrünstig
gesprochen wurde:
Den feind der Christenheit vertreib,
1595 Damit Teutschland zufrieden bleib.
So wlrdt sich frewen jung vnd alt!
Dich preysen, mein Gott, manigfalt.
Auch Herr, ich bitt, ists der will dein.
— 400 —
reits am 30. September desselben Jabres versammelten
sieb die Capitularen und erwählten den Stifts prior
50. Johann IX. Schretel aus Kembnat, Diöcese Eegens-
burg (1562 — 1583), zum Prälaten, der, obwohl noch jung
an Jabren (27) und erst seit 1557 Profess, docb unter
allen Brüdern hervorragte. Seiner Wabl widerstrebte das
Wiener Domcapitel. Wir haben bereits früher erwähnt,
dass die protestantisch gesinnten ßäthe um Ferdinand I.
durch ihre Yerfügungen den Bestand der Klöster in Frage
zu stellen suchten. Noch schlimmer wurde es unter Maxi-
milian IL Das im Jahre 1567 erschienene Generale für
Klöster, worin selbst über Chorgebet, Disciplin und Pro-
fess und andere ganz interne Angelegenheiten rundweg
Vorschriften gegeben wurden, legte die Temporalverwal-
tung indirect in die Hände weltlicher Beamten, so dass
die Klöster eigentlich nur mehr als fürstliche Kammer-
güter erschienen, wie denn Kaiser Maximilian IL in einer
Lehnsabtretungsijewilligung des Schottenstiffces vom Jahre
1570 ausdrücklich bemerkt: „So wier dann befinden, dass
dieser Aus Wechsel unsern Gotteshaus und Cammergut ohne
allen Nachtel und merers zu gueten geraicht, So haben
wier demnach darein allergnedigst bewilligt." Je miss-
licher diese Sachen standen, um so anerkennenswerther ist
die Befähigung des Abtes Johann, mit der er sich eine
bei den Landständen und bei der Regierung einflussreiche
Stellung zu verschaffen wusste. Später kam er als Mit-
glied in den Kronrath Maximilian IL und Rudolf IL und
wurde Präsident des Klosterrathes, in welcher Eigenschaft
er zum Besten der monastischen Institute bis an sein
Lebensende wirkte. Beide Fürsten bestätigten ihm 1573
und 1578 die Stiftsprivilegien. Viel Kummer machten dem
glaubensstarken Abte die Vorgänge auf den dem Stifte
incorporirten JPfarrgn, wo trotz der Anstrengungen der
Pfarrherren meistentheils die protestantische Irrlehre die
So lass Wienn hie mein freythoff sein !
1600 Das also gschech vnd -werd vns war,
Wünscht "WolfE Schmältzl zum neven jar.
Amen.
Scbmälzl hat sich auch in dramatischen Sichtungen versucht, von
denen „die schöne und christliche Komödie vom blindgehornen Sohne"
dem Probate "Wolfgang zu Kloaterneuburg gewidmet ist (1543).
— 401 —
Oberhand gewann, wälirend das Stift in Wien durch seine
musterhafte Haltung viel zur Bekämpfung derselben bei-
trug. Er erlebte aber auch die Freude, dass mehrere sei-
ner Mitbrüder zur Inful in anderen Abteien berufen wur-
den; so wurde z. B. P. Kaspar Renkhl aus Schmalkalden
in Franken als Abt nach Mariazell postulirt, P. Georg
Lochmayr nach Gleink 1565 und 3 Jahre darnach nach
Garsten, der Prior P. Georg Strigel nach Altenburg, von
da aber nach Johanns Tode als Abt ins Schottenstifb zu-
rück. Unter Johann schrieb auch der Schottenorganist
Easch seine Schottenchronik und verfasste der Domherr
August Neser charakterisirende Verse auf die einzelnen
Schottenäbte, wie sie in der Sammlung des Kaspar Bru-
sius, der unter Abt Wolfgang schrieb, vorkommen. Was
die Temporalverwaltung anlangt, so verbesserte sich die-
selbe in Folge der fruchtbaren Jahre und der bis an die
äusserste Grenze gehenden Sparsamkeit des Abtes. Sein
Nachfolger in der Abtwürde war
51. Georg I. (1583 — 1608) aus dem edlen Hause der
Strigel zu Lauingen in Bayern. Wie sein Vorgänger so
leistete auch er Anerkennenswerthes sowohl als Deputir-
ter, in welcher Eigenschaft er die Raitung und Verwal-
tung der ständischen Contributionen zu füluren hatte, als
auch für die Hebung der Stiftsfinanzen. Wichtiger sind
seine Bestrebungen für das Wirken der Gegenreformation
in Oesterreich, worin er von seinen Conventualen kräftigst
unterstützt wurde. Auch hierin sah er sich reichlich be-
lohnt: denn der neubelebte katholische Sinn der Bevöl-
kerung gab sich wiederum kund in religiösen Stiftungen,
die als mit dem Lutherthum unvereinbar seit einem Jahr-
hunderte bereits beim Stifte nicht mehr waren gemacht
worden. Doch gegen das Ende seiner Regierung erhoben
sich Zwistigkeiten im Innern des Stiftes, an denen wohl
der Abt durch sein übereifriges Auftreten einige Schuld
haben mochte. Nach seiuem Hintritt kam die Wahlfrei-
heit der Schotten in ein grosses Gedränge. Als sie näm-
lich für ihren im Beisein des Bischofs Khlesl und mit ge-
nauer Beobachtung der Wahlordnung gewählten Abt
Valentin Stammler um die landesherrliche Bestätigung
ansuchten, kam nach, dreimonatlichem, höchst peinlichen
und für das Stift ungemein verderblichen Warten der Be-
Ein Benediktinerbucli. 26
— 402 —
sclieid zurück , dass nicht Valentin, sondern der von
Khlesl protegirte Prior zu St. Emeran in Kegensburg
Augustin Pitterich die Prälatur erhalten solle. Nichts
half dem Convent die Berufung auf sein heiliges Wahl-
recht, nichts fruchteten die Einwendungen des päbstlichen
Nuntius noch die des Erzherzogs Maximilian bei Mathias,
den Khlesl in sein Intriguennetz verstrickt hatte. Augu-
stin blieb Abt und Valentin wurde mit der Prälatur von
Gleink abgefertigt, von wo er nach seinem freiwilligen
Rücktritte nach Mariazeil postulirt wurde; dort regierte
er mit grossem Ruhme bis an sein Lebensende (er starb
als SOjähriger Greis) durch 34 Jahre. War
52. Augustin Pitterich (1608—1629) den Schotten als
Abt aufgedrängt worden, so zeugt es nur für die gewin-
nenden Vorzüge seiner Persönlichkeit, wenn es ihm ge-
lang, so rasch seinen Conventualen Liebe und Achtung
abzunöthigen. Zunächst handelte es sich für ihn darum,
das Stift durch sorgfältige Ausnutzung aller Hülfsquellen
finanziell gut zu situiren, damit es den von Staat und
Kirche hochgespannten, mannichfachen Forderungen ent-
sprechen könne. Das Erträgnis des Grundbuches bildete
bei dem stetigen Besitzwechsel der Parteien die Haupt-
einnahmsquelle. Dem unter seinem Vorgänger in Oester-
reich begonnenen Werke der Gegenreformation suchte er
vor allem in die Hände zu arbeiten dadurch, dass er durch
Lehre und Beispiel unter seinen Conventualen den reli-
giösen Eifer wach erhielt und dieses sein Bestreben auch
auf die zu den Schotten bestehende Sebastianibruderschaft,
von der wir bereits unter dem 38. Abte Mathias Fink
umständlicher gesprochen haben, ausdehnte. Unter ihm
bildete sich bei den Schotten gegen die religiösen Neue-
rungen eine enggegliederte Phalanx, an die sich die Be-
wohner Wiens mit Freuden anschlössen, was zugleich zur
Folge hatte, dass die frommen Stiftungen an das Kloster
sich mehrten. Kaiser Ferdinand II. lohnte dieses ver-
dienstliche Wirken nicht nur dem Convente durch Be-
stätigung aller Privilegien im Jahre 1621, sondern insbe-
sondere auch Augustin, den er zum wirklichen k. Ratb
ernannte. Auch geschah es auf des Kaisers Wunsch, dass
Pabst Urban VIII. diesen ausgezeichneten Abt zum Bir
schofe von Germanicia in part. und Weihbischofe für die
— 403 —
■beiden Diöcesen Wien und Neustadt ernannte (1626), wo-
rin ein nm so grösseres Vertrauen auf Augustin ausge-
sprochen lag, da wegen der Abwesenheit des eigentlichen
Bischofs und Cardinais Khlesl in Rom die Regierung der
Diöcesen ganz in den Händen des Schottenabtes lag, der
übrigens auch seinem Stifte noch immer derselbe besorgte
Vater blieb. Seine bischöflichen Functionen wurden auch
über den Passauer Sprengel ausgedehnt. So war der an-
fängliche Fremdling zum erlauchtesten aller Schottenäbte
geworden. Würdig reiht sich an ihn
53. Johann X. Walterfinger (1629—1641) aus dem
Stifte Weltenburg in Bayern, der schon als Leiter der
Finanzen grosses Geschick bewiesen hatte. Dasselbe be-
währte er auch in seiner Eigenschaft als Deputirter der
Landstände, so dass er sich rasch das Wohlwollen Ferdi-
nand II. errang, durch dessen Vermittlung auch er, wie
sein Vorgänger, vom Pabste Urban VIII. zum Bischöfe von
Germanicia in part. inf. und zum Weihbischofe von Wien
am 9. Sept. 1630 ernannt wurde, in welcher Eigenschaft
er jedoch auch die Lenkung der Schottenabtei fortbehielt.
Auch unter ihm war das Schottenstift Mittel- und Stütz-
punkt katholischer Frömmigkeit in der Hauptstadt. Be-
sonders schön und erhebend war der Mariencult daselbst,
so dass Ferdinand II. mehr als einmal mit seiner Gemah-
lin bei den Schotten der Andacht sich hingab. Auch Fer-
dinand III. würdigte die grosse Umsicht des Schotten-
Prälaten, indem er ihm nicht nur die Privilegien (1638)
bestätigte, sondern ihm auch die Würde eines wirklichen
k. Rathes verlieh. Das Stiftsvermögen hatte sich so sehr
vermehrt, dass er nicht nur das Conventgebäude total
umbauen konnte, sondern auch an den Bau der jetzigen
Stiftskirche schreiten konnte (s. d.), von der die Sakristei
Und die Thürme noch unter seiner Regierung der Vollen-
dung nahe gebracht wurden. Nach seinem Tode traten
mehrere Bewerber um die äbtliche Würde auf, von denen
jedoch
54. Anton Spinaler (1642—1648), ehedem Abt von
t:rarsten, die Stimmen der Capitularen auf sich vereinigte.
Er erbaute die heutige Stiftskirche (1643—45), von der
"wir später handeln werden, trotzdem er die schwersten
Zeiten des 30jährigen Krieges mitmachte, da Torstenson
26*
— 404 —
nach der Schlacht bei Jankau sich rasch des linken Donau-
ufers bemächtigte, wo viele Besitzungen des Stiftes lagen,
die greulich verwüstet wurden. Wohl erlebte er zu sei-
ner Freude noch den Abschluss des westphälischen Friedens.
Wie alle Schottenäbte in Folge ihres ständigen Sitzes in
Wien an der Landesregierung grossen Antheil haben, so-
auch Abt Anton. Wiederum ist das Schottenstift die Cen-
trale des katholischen Geistes. Zur besseren Beaufsich-
tigung der Stiftspfarren stellte er 2 bis 3 Conventualen
als Yisitatoren auf. Besonders verdienstlich war das Wir-
ken des Peter Heister, der zuerst die Profess in Braun-
weiler ablegte, hierauf als Prior des Stiftes Montserrat
nach Wien kam und von dort ins Schottenstift berufen
wurde. Er war Ordens -Procurator und Congregations-
agent der damals im Entstehen begriffenen Benediktiner-
congregation von ganz Deutschland, und hielt sich als
solcher, mit den nöthigen Instructionen von Rom aus ver-
sehen, viel am k. Hoflager auf, wo der einfache Ordens-
mann grossen Einfluss besass, den er auch zu Gunsten der
Benediktinerklöster gebrauchte. Dem Abte Anton war er
die kräftigste Stütze ; und so folgte er ihm denn auch, be-
rufen durch die Wahl seiner Mitbrüder, in der Prälaten-
würde.
55. Peter Heister (1649-^1662). Ihm gehörte schon
eine grosse Vergangenheit und ein geachteter Name, und
obwohl aus fernem Lande stammend (geb. zu Ruremund in
Obergeldern) hatte er doch während seines Aufenthaltes
im Stifte die Verhältnisse gründlich kennen gelernt. Seine
Thätigkeit nahmen vielfach die brennenden Tagesfragen in
Anspruch: die Gegenreformation, die zu diesem Zwecke
errichteten Benediktiner-Missionen, die Verhandlungen der
Landstände, die Pest von 1654. Ueberall bewahrte er den
schon erworbenen Ruf gi:osser Umsicht. Er legte ausser-
dem die letzte Hand an den Ausbau der Stiftskirche. Mit
grosser Liebe hing er an Ferdinand III. und Leopold L,
der ihm 1661 bereitwilligst die Stiftsprivilegien bestätigte.
Gern gestattete Abt Peter, dass die k. Burg von der
Quelle im Pfarrhofe zu St. Ulrich das Wasser beziehe,
von wo es in den Schottenhof geleitet wurde, wo er den
jetzt noch stehenden Heinrichsbrunnen errichten Hess.
(Siehe auch unter topogr. Beschr. des Stiftes.) Er ver-
— 405 —
schied am Ostermontage 1662 und es erHelt sich, lange
noch die Sage, dass er einigen Brüdern, die tmerlatibter
Weise nach dem Completorinm im Schlafsaale sprachen,
den Finger auf den Mund haltend, erschienen sei. Ge-
wählt wurde der Conventuale
56. Georg II. Mörth (1662—1664), ein gottbegeister-
ter, wissenschaftlich gebildeter Mann, der sich als Haupt-
aufgabe seiner Wirksamkeit die feste Begründung der
Ordensdisciplin stellte. Er erwarb sich den schönen Bei-
namen eines „Vater der Armen" und bewährte sich nicht
minder kraftvoll in der ihm von den Ständen anvertrau-
ten Würde eines obersten Kriegscommissärs. Nicht viel
länger regierte
57. Benedikt II. Schwab (1665—1669), der unter un-
günstigen Zeichen die Eegierung angetreten hatte. Ein
Conflict mit einem Conventualen hatte schon am Wahl-
tage zur Bildung einer Gegenpartei geführt, die vergeb-
lich seine Wahl zu annulliren suchte, und fortan dem
sonst tüchtigen Abte viel Kummer verursachte, so dass
er (28. Nov. 1669) resignirte und mit einer Pension von
jährlich 100 Dukaten sich in die Abtei Georgenberg zu-
rückzog. Wichtig ist die Indulgenzverleihung der Päbste
Clemens IX. und Innocenz XII. für den Frauenaltar der
Stiftskirche. Auf Benedikt folgte der bisherige Prior des
Hauses
58. Johannes XI. Schmüzberger (1669—1683), Pro-
fessvonLambach; er besass in theologischen Kreisen einen
grossen Ruf und fügte zu demselben während seiner vier-
zehnjährigen ßegierungszeit viel noch dm'ch sein aus-
gezeichnetes Wirken hinzu. Die Stiftskirche bewährte
ihre alte Anziehungskraft. Viele Gläubige strömten zu
den Schotten, um dort ihre Andacht zu verrichten. Der
Kaiser beschloss den Wirkungskreis des Abtes in dieser
Beziehung zii erweitem : und so wurde Johann vom Pabste
Clemens X. zum Bischöfe von Hellenopolis und Weih-
bischofe von Wien ernannt, behielt aber die Schotten-
abtei fort. Bald kam auch die Ernennung zum wirklichen
kaiserlichen Eathe. Ihm und seinem Bischöfe Wilderich
■wurde die Untersuchung der Wunder des ehrwürdigen
Diener Gottes Dominik von Jesu Maria, einst General der
tmbeschuhten Karmeliter, aufgetragen. Dazu bekleidete er
~ 406 ~
einige Jahre die Stelle eines Eathsherm und Verordneten
bei den Landstä-nden. Rationelle Bewirthschaftung, Tausch
und Kauf und zahlreiclie Schenkungen erhöhten das Ein-
kommen des Stiftes, das jedoch gar bald empfindliche
Einbusse erleiden soUte durch die Pest vom Jahre 1679
und die zweite Belagerung Wiens durch die Türken (1683).
In den Zeiten der Pest that das Stift redlich seine Pflich-
ten, indem es geistlichen und leiblichen Trost spendete.
Viele Conventualen Hessen sich freiwillig verwenden zum
Dienste der Pestkranken, so Berthold Pichler, von dem
man erzählt, dass er ohne Furcht und Zagen wie ein
Bote Gottes xmter den Kranken waltete. Eines anderen
Stiftsgeistlichen aus dieser Zeit müssen wir noch kurz
gedenken, des P. Gregor Michenbach. Dieser war im Jahre
1672 als deutscher Prediger nach Tyrnau geschickt worden
und -hatte während seines sechsjährigen Aufenthaltes 2000
Andersgläubige, 7 Kirchen und 11 Ortschaften der katho-
lischen Kirche und dem Kaiser wiedergewonnen. Dabei
hatte er unsägliche Drangsale von den Prädikanten er-
dulden müssen. Freiheit und Leben waren immer gefähr-
det. Einmal hatten sie ihn Nachts überfallen, gebunden
in den Wald geführt, misshandelt und nur gegen ein
schweres Lösegeld freigegeben. Nach der Pest berief ihn
der Abt, wegen des fühlbaren Mangels an Geistlichen, der
durch Zuflüsse aus befreundeten Häusern nur einigermassen
sich hob, in das Stift zurück. Doch das Schwerste blieb
dem Abte Johann bis an sein Lebensende vorbehalten.
Der Grossvezier Kara Mustapha näherte sich mit einem
unermesslichen Heere der Stadt Wien, um dieses Boll-
werk der abendländischen Christenheit einzunehmen. Er
schlug in St. Ulrich, einer Stiffcspfarre, sein Hauptq^uartier
auf und begann nun die Stadt mit allen Mitteln und
Listen der Kriegskunst zu belagern. Gleich am zweiten
Tage der Belagerung (15. Juli) brach im Schottenhofe
Feuer aus, welches rasch vm. sich grifF, so dass bald alle
Gebäude in Flammen standen, vor deren Hitze selbst die
Glocken im Thurme schmolzen. Die höchste Gefahr aber
bedrohte die Stadt, da die Flammen immer näher an das
ans EHoster grenzende damalige Zeughausgebäude rückten,
wo 1800 Fässer Pulver lagen. Drang das Feuer bis dort-
hin, — so war Wien verloren. Doch änderte der Wind
— 407 —
plötzlich seine ßichtimg und so gelang es den vereinten
Anstrengungen des Conunandanten, Rüdiger von Starhem-
berg, der Besatzung und der Bürgerschaft, den Brand auf
das Kloster zu lokalisiren. Noch drei Tage hindurch
brannten und glimmten die Trümmer fort: das schönste
und älteste Kloster Wiens war ein Schutt- und Trümmer-
haufen. Der Prälat zog in das Stift St. Dorothea, der
Prior zum Wiener Bürgermeister und die Geistlichen in
den Mölkerhof. Der wunderbare Entsatz Wiens ist be-
kannt. Johann schaute nicht mehr diesen herrlichen Tag.
Sollte das Stift nun wieder emporgebracht werden, so er-
forderte die Wahl des nächsten Abtes einen ganzen Mann,
Dieser -ward auch gefunden in dem Stiftspriester
59. Sebastian I. Faber (1683-1703). Er fand, wie
er selbst später hervorhebt, bei seinem Antritte Kirche
und Haus ohne Dach, den Kasten ohne Körner, den Kel-
ler ohne Wein, den Beutel ohne Geld und zum Ueber-
flusse eine zieuiliche Schuldenlast. Die Wege, welche er
zur ßestauriruug des Stiftsbesitzthums einschlug, anzufüh-
ren, würde den Rahmen dieser Skizze übersteigen. Es
genügt, die Thatsache zu constatiren, dass es ihm wirk-
lich gelang, und dass wiederum fromme Stiftungen nicht
wenig dazu beitrugen. Auf seinen Betrieb entstand ein
ganz neues Dorf, das jetzige Stiftsgut Breitenlee. Beson-
ders wohlthätig war sein Wirken für die Pflege des Got-
tesdienstes, der Wissenschaften und des Jugendunterrichts.
Viele ausgezeichnete junge Leute baten um die Aufnahme
in den Stiftsverband, so dass der Personalstand des Stif-
tes mit dem Abte 28 Priester, 6 Professkleriker, einen
JJTovizen und 2 Laienbrüder zählte, also eine verhältnis-
mässig bedeutende Zahl. In seine Zeit fallen mehrere
wichtige Erwerbungen, von denen jedoch die der ungari-
schen Abtei zum h. Stefan zu Telky sanunt allen Be-
sitzungen und Rechten die weitaus wichtigste ist (1700).
Mit dieser Erwerbung, die in der Geschichte des
Stiftes Epoche macht, beginnt die 3. Periode derselben.
Als durch Prinz Eugens glänzende Siege die Türken
aus ganz Ungarn verdrängt worden waren, war es Kaiser
Leopolds I. angelegentlichste Sorge, die geistlichen Güter,
welche der Kirche unter dem Türkenjoche entrissen
worden waren, derselben zurückzustellen. Er dotirte alsa
— 408 —
mit den Besitzungen der zerstörten ungarischen Abteien
die vorzügliclisten Benediktinerstifte und Cistercienser-
klöster Niederösterreichs, weil dieselben einerseits die Mittel
besassen, die Güter auf dem kostspieligen Rechtswege wie-
der zu erlangen, vornehmlicb aber um sie für die ausser-
ordentlichen Steuern und Verluste während der Türken-
kriege zu entschädigen. So kam es, dass Leopold I. die
Abtei Telky in einer Urkunde vom 20. April 1700 an-
fänglich dem Abte Sebastian I. für seine Person, bald aber
1702 dem Schottenstifte als moralischem Körper für ewige
Zeiten verlieh. Die Abtei Telky, ungefähr zwei Stunden
von Ofen, ward in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
von einem Grafen Micha zu Ehren des h. Stefan für Bene-
diktiner gestiftet. Wie vorauszusehen war, hatte das
Schottenstift zahlreiche Prozesse zu fuhren durch ein halbes
Jahrhundert hindurch, so dass es die Abtei mit schwerem
Gelde sich erst erkaufen musste. Der erste stiftliche Ad-
ministrator war Engelbert Seiller. Später wurde dieses
Besitzthum durch Ankäufe arrondirt. Auf Sebastian I. folgte
60. Sebastian II. Vogelsinger (1703—1705), der wäh-
rend seiner kurzen Eegierung mehr Sorgen als Freuden
hatte. Die Leistungen an den Staat mehrten sich in Folge
der ungarischen Aufstände und des spanischen Erbfolge-
krieges so sehr, dass die vorhandenen Geschmeide und
Erchenschätze hintangegeben werden mussten. Seinem
Nachfolger, dem Abte
61. Karl Fetzer (1705—1750), war eine 45 jährige Re-
gierungszeit beschieden, während welcher er zum Ruhme
und Wohle des Stiftes eine rastlose Thätigkeit entfaltete.
Trotz der misslichen Lage der Stiftsfinanzen, die ihn an-
fangs nöthigte sogar seine Bezüge als Raitherr der Land-
stände für Stiftszwecke zu verwenden, konnte er doch
später gar viele Bauten auffuhren; so baute er einen grossen
Theil des früheren Schottenhofes, die Pfarrhöfe in Pulkau,
Eggendorf, Zellerndorf, Gaunersdorf und Waitzendorf. Die
Besitzungen wurden theils durch Schenkungen, theils durch
Ankäufe vermehrt. Wichtig sind die in seine Zeit fallen-
den grossen Stiftungen, z. B. die Johann Adam Liechten-
steinsche (1712) und viele andere. Einen bisher nie ge-
ahnten Aufschwung nahm die Pflege der Wissenschaften
(davon später) und des Jugendunterrichts, die Bibliothek
— 409 —
wurde ungemein bereichert und die Bildergallerie des Stiftes
begründet. Dabei verlor er aber auch das seelsorgKche
Wirken seiner Conventualen nicht aus dem Auge und sah
auch hier seine Bemühungen von dem schönsten Erfolge
gekrönt, der sich namentlich bei Gelegenheit der Pest vom
Jahre 1713 zeigte. Aber anach dem Vaterlande weihte dieser
ausgezeichnete Abt unausgesetzt seine Dienste. Wie mr
gehört haben, war er Raitherr, Verordneter und schliess-
lich beständiger Ausschuss bei den Landständen (1716). Kein
schwieriges Geschäft im Landhause wurde ohne ihn voll-
bracht. Hatte er schon Kaiser Josef L wesentliche Dienste
geleistet, so war dies jim so mehr der Fall bei Kaiser Karl VI,
und seiner grossen Tochter, der herrlichen Kaiserin Maria
Theresia.. Unter Karl VI. wirkte er zu wiederholten Malen
bei Schlichtung der Grenzstreitigkeiten zwischen Oester-
reich und Ungarn mit. Darum und wegen vieler anderer
Beweise seiner Anhänglichkeit besass er die ganze Huld
Karls VI. und seiner Gemahlin, die ihm ein werthvoUes
Pectorale und einen Diamantring verehrten. Noch eifriger
aber wirkte er, als es galt durch Aufbringung von Kriegs-
mitteln der bedrängten Kaiserin Maria Theresia ihr heiliges
Recht zu verschaffen. Die grosse Kaiserin selbst anerkannte
seine Bemühungen, als sie ihm bei seiner Secundizfeier
(1. Juni 1749), die sich durch die Anwesenheit des hohen
Herrscherhauses und der ausgezeichnetsten kirchlichen und
staatlichen Würdenträger zu einem der glänzendsten Feste
Wiens gestaltete, ein mit Saphiren besetztes und mit
Diamanten eingefasstes Pectorale überreichte mit den denk-
würdigen Worten: „Gott erhalte Sie zu seiner Ehr und
meinem Nutzen, und lassen Sie Ihnen das Unterösterreich
anbefohlen sein, "ich werde hievor mit meinen Gnaden
gewogen bleiben." Ein halbes Jahr darnach verschied
dieser herrlichste aller Schottenprälaten am Tage Karls
des Grossen (28. Januar) 1750. Obwohl der nächste Abt
62. Bobert Stadler (1750— 1765), ein Wiener, sich mehr
der Ascese zuneigte, so musste er doch auch nach Aussen
hin thätig sein, da dies einerseits die Stellung des Schotten-
prälaten mit sich brachte, andererseits aber auch die Ver-
mpgensverhältnisse des Stiftes, die durch die vielen Con-
tributionen während des siebenjährigen Krieges gelitten
hatten, ihn dazu zwangen. Schon unter ihm brachen
— 4.10 —
sicli die neuen Ideen langsam Bahn, die unter seinem
NacMolger
63. Benno Pomtner (1765 — 1807) eine so gründliche
Umgestaltung, besonders auf kirchlichem Gebiete, zur Folge
hatten, so dass ein ganzer Mann wie Benno dazu gehörte,
um das Schottenstift durch alle Fährlichkeiten glücklich
hindurch zu steuern. Das Wirken dieses Abtes war so
vielseitig und erfolgreich, dass wir ihm die gerechtiä Be-
wunderung nicht versagen können und ihn, sowohl was
seine Thätigkeit als auch seinen persönlichen Charakter
betrifft, unter die grössten und edelsten aller Schotten-
prälaten stellen müssen. Wir würden, den für diese Skizze
uns zubemessenen Raum weit überschreiten, wenn wir auch
nur einigermassen die Verdienste schildern wollten, die
Benno sich um das Schottenstift, um Staat und Kirche
und um Wien erworben hat: durch Hebung des religiösen
Sinnes bei seinen Brüdern und den Laien, durch Förderung
jedweden wissenschaftlichen Strebens im Stifte, durch uner-
müdliche Thätigkeit für Aufbesserung der finanziellen Ver-
hältnisse; er erbaute fünf prachtvolle Gotteshäuser mit
ebenso vielen Pfarrhöfen, begründete die Vorstädte Schotten-
feld und Breitenfeld in Wien, in welch letzterer heutzutage
noch der Bennoplatz und eine Bennogasse an diesen herr-
lichen Schottenprälaten gemahnen; er erwarb die Besitzung
in Ottakring mit dem schönen Waldstande u. s. f. 'Nicb.(
minder wichtig und mannichfaltig sind die Dienste, die er
dem Staate geleistet hat als ständischer Verordneter, als
Präsident der Stiftungsoberdirection, als Administrator des
Stiftes Montserrat u. s, f. Aeusserte sich doch der Präsi-
dent der Landstände, dass er, würde er nicht durch die
umsichtige Thätigkeit der Prälaten Magnus von Göttweig
und Benno von den Schotten unterstützt, unter der Last
der Geschäfte erliegen müsse. Dabei bewahrte Abt Benno
durch alle 42 Jahre, während welcher er dem Stifte als
Abt vorstand, seine bekannte Herzensgüte, die ihm die
Liebe aller, die mit ihm in Berührung traten, erwarb. Die
Herrscher Oesterreichs schätzten ihn hoch und namentlich
war es jene unvergleichliche Erzherzogin Maria Anna, die
Tochter der herrlichsten aller Frauen Oesterreichs, Maria
Theresia, der grossen Kaiserin, die den Abt Benno mit dem
grössten Vertrauen auszeichnete, dessen Innigkeit selbst
— 411 —
durcli die Entfemung nicht gelockert wurde, wie die Samm-
lung der Briefe, die die erlauchte Frau von Klagenfurt an
ihn richtete , bezeugt. Zwölf Jahre darauf, als er sein
50 jähriges Priesterjubiläum begangen hatte (21. September
1795), starb er in einem Alter von 85 Jahren am 14. Februar
1807 um 3 Uhr Morgens, zur selben Stunde, wo er durch
volle 67 Jahre bis an sein Lebensende das Lager zu ver-
lassen gewohnt war, um die heiligen Offizien zu verrichten.
Noch am Sterbebette spiegelte sich die Sonne seiner väter-
lichen Liebe zu seinen Mitbrüdern im vollsten G-lanze und
es muss ein erhebender Augenblick gewesen sein, da der
herrliche Mann in seinem Lager halb aufgerichtet, wie
einstens der sterbende St. Benedikt an seine Schüler die
letzten Trost- und Mahnworte richtete, während diese, zum
Theüe auch Greise im Silberhaare, auf den Knieen liegend,
unter lautem Schluchzen den Segen des sterbenden Vaters
entgegennahmen. Seine letzten Worte sind uns wie ein
theueres Vermächtnis erhalten*). Ihm folgte
64. Andreas I. Wenzel (1807—1831), der Söhn armer
Eltern aus dem Militärstande und bis zum Antritte der
Prälatur Seelsorgepriester. Er war wirklicher Hofrath,
Doctor der Philosophie und Theologie, Beisitzer und theo-
logischer Eeferent der k. k. Studien-Hof-Commission, Di-
rektor der theologischen Studien, Präses der theologischen
Fakultät, zweimal Eeetor Magnificus der Wiener Hoch-
schule, Ausschussrath des niederösterreichischen ständischen
CoUegiums u. s. f. Drei Epochen aus seinem verdienstlichen
Wirken sind hervorzuheben: die Begründung des Schotten-
gymnasiums, von der wir an späterer Stelle handeln werden,
sein umsichtiges Vorgehen während der französischen In-
vasion, das ihm das vollste Vertrauen der niederöster-
reichischen Stände und Burger Wiens eintrug, so dass er
in jene Deputation gewählt wurde, welche vor den Welt-
eroberer Napoleon I. in Schönbrunn hintrat und um Gnade
für Wien bat; endlich der Bau des Schottenhofes und
Conventgebäudes, von dem wir bereits Eingangs umständ-
lich gesprochen haben.
*) Sie sind in lateinischer Sprache zu finden in dem soeben er-,
scheinenden Lexikon der Schriftsteller des Benediktiner-Ordens in
Oesterreich-Ungara vom Jahre 1750 an, unter: „Pointner Benno".
— 412 —
65. Sigmund I. SchuUes (1831 — 1861), früher Religions-
lelirer am Gymnasimn , gelangte nocli jung an Jahren (er
•war 31 Jahre alt) znr Abtwürde. Er legte die letzte Hand
an den Ausbau des Schottenhofes, dessen Kupferdach noch
unter seiner Regierung im Juli 1854 einem schrecklichen
Brande zum Opfer fiel. Uebrigens würde das Unglück
grössere Dimensionen angenommen haben, wenn nicht der
jugendliche, hochherzige Kaiser Franz Josef I. von Oester-
reich auf die Nachricht von dieser Gefahr hin von Laxen-
burg her in der Nacht noch auf der Brandstätte erschienen
wäre, um die ßettungsarbeiten persönlich zu dirigiren.
Dieser Schlag traf das Stift um so empfindlicher, als eben
erst die Wunden zu vernarben anfingen, die das Revolutions-
jahr den Finanzen desselben geschlagen hatte. Hinlänglich
wurde jedoch Abt Sigismund entschädigt für diese Ver-
luste durch die allgemeine Theilnahme, welche ihm und
dem Hause entgegen gebracht wurde bei Gelegenheit der
700jährigen Jubelfeier der Abtei im Jahre 1858, deren
wenn auch noch so knappe Schilderung den Rahmen unserer
Skizze über Gebühr ausdehnen würde. Drei Jahre darauf
verschied Abt Sigmund (1. März 1861), Ritter des Leopolds-
ordens, Doctor der Theologie, emer. Rector Magnificus der
Wiener Universität, k. k. Rath, Indigeua des Königreichs
Ungarn, niederösterreichischer Landstand, Vicedirector der
theologischen Studien u. s. f.
Ihm folgte, berufen durch die einstimmige Wahl der
Conventualen, der gegenwärtige Stiflsvorstand Abt Othmarl.
Helfer stör f er. Er stammt aus der ursprünglich zu GörUtz
im preussischen Schlesien ansässigen alten Familie der
Helferstorfer*), wovon ein Mitglied, Johann Helferstorfer,
im Jahre 1529 als wohlbestallter Hauptmann in der
brandenburgischen Armee erscheint. Geboren zu Baden
am 19. Juli 1810, kam er frühzeitig nach Wien ins Schotten-
stift, oblag den Gymnasialstudien am Stiftsgymnasium und
nahm nach absolvirtem philosophischen Curse das Ordens-
*) InteresBant ist auch das Familien wappen der H., das eine
männliche FiguT zeigt, die angethan mit einem rothen Rocke mit ans-
geschlagenem Kragen, in der einen Hand ein mit der Spitze zu Boden
gesenktes Sehwert hat, während auf dem Helme des Mannes ein Storch
steht, der mit dem einen Pusse ein Brot festhält. Unten sind drei
Arabesken.
— 413 —
kleid (20. October 1828). Nachdem er am 21. März 1832
die feierlichen Gelübde abgelegt und am 28. Juli 1833
in der Schottenkirche sein erstes heiKges Messopfer dar-
gebracht hatte, begann er sein Wirken zuerst als Präfect
der Sängerknaben, dann als Curat und Prediger an der
Stiftskirche (1835—1842). Im Jahre 1838 wurde er Stifts-
bibliothekar und 1842 Professor der Humanioren am Stifts -
gymnasium, 1845 k. k. Hofprediger, 1854 k. k. Hofkaplan
mid Subprior des Stiftes, schliesslich 1856 Gymnasial-
director. Seit 1861 bekleidete er auch das ehrende Amt
eines Religionslehrers bei den durchlauchtigsten Töchtern
des österreichischen Erzherzogs Albrecht. Im selben
Jahre (10. April 1861) gelangte er zur Prälatur. Sein
Wirken als Schottenabt greift zu sehr in die Gegenwart
herein, als dass wir in der gerechten Würdigung desselben
dem unbefangenen Urtheile späterer Zeiten vorgreifen
könnten. Wir haben nur noch zu erwähnen, dass auch
Abt Othmar, wie alle seine Vorgänger, dem Vaterlande
seine Dienste weiht, als Regierungsrath, besonders aber
als Landmarschall von Niederösterreich (seit 1870 dreimal
dazu ernannt) und als lebenslängliches Herrenhauamit-
glied u. s. f. Kaiser Franz Josef I. zeichnete ihn aus durch
die Ernennung zum Eitter des Eisernen Kronenordens
n. Klasse am 1. März 1874.
Personälstand. Der Personalstand des Stiftes belauft
sich, abgesehen von der Person des Herrn Prälaten, auf
63 Profess-Priester, 6 Kleriker und 3 Novizen. Von den
Prof ess- Priestern obliegen 5 den häuslichen Offizien, 15
sind mit dem Gpnnasialunterrichte beschäftigt, 38 an der
Zahl widmen ihre Kräfte der Seelsorge und dem kate-
chetischen Unterrichte, 2 sind speciell mit der Verwal-
tung von Stiftsgütem beauftragt, 1 bekleidet das Amt
eines Universitätsprofessors imd 2 müssen Kränklichkeit
halber quiesciren. Die Kleriker besuchen die Vorlesungen
über Theologie an der Wiener Hochschule, während die
Novizen die entsprechenden Unterweisungen durch den
Novizenmeister im Stifte erhalten.
Seelsorge. Wenn wir uns nun zunächst zur seelsorglichen
Thätigkeit der Stiftsmitglieder wenden, so müssen wir
gestehen, dass die Aufgabe derselben in dieser Richtung
keine geringe ist. Der Pastorirung des Stiftes unterliegen
— 414 —
nämlich 19 Pfarreien mit einer Seelenzahl von 113,050
Pfarrkindem, so dass durchsclmittKcli auf je einen von den
38 Seelsorgern des Stiftes eine Anzahl von gegen 3000
Seelen kommt. Das grösste Contingent zu dieser Zahl
stellen die Stadtpfarre zu den Schotten in Wien mit über
8000, dann die 3 Vorstadtpfarren, Gumpendorf mit gegen
40,000, Schottenfeld mit über 30,000 und Maria Trost oder
St. Ulrich mit gegen 20,000 Seelen. An jeder der 4 Stadt-
pfarren -wirken je ein Pfarrer mit 3 Cooperatoren. Die
übrigen Pfarreien liegen mit -wenigen Ausnahmen in der
Wiener Erzdiöcese. Unter ihnen ist besonders Pulkau
(gegen 3500 Seelen mit 1 Pfarrer und 2 Cooperatoren) zu
er-wähnen, da es nebst der Stiftspfarre und Eggendorf im
Thale den Schottenmönchen bei Begründung des Wiener
Klosters zur Pastorirung übergeben -worden -war und
daselbst die sogenannte heilige Blutkirche sich befindet,
erbaut vom Abte Mauritius zur Sühne der Hostienschändung,
welche einige Juden verbrochen hatten und die Anlass zu
einer heftigen Judenverfolgung ge-worden war. Wie sehr
aber die Schottenmönche von Alters her von der Wichtig-
keit ihrer seelsorglichen Thätigkeit durchdrungen und
ihren Pflichten hierin eifrigst nachzukommen bestrebt
waren, dafür zeugt jedes Blatt in der Stiftsgeschichte,
namentlich zu Zeiten, wo Pest und Kriege verheerend in
der Hauptstadt wütheten und die Eeligionsneuerung des
16. Jahrhunderts einriss. Und nur daraus lässt sich auck
die ungemeine Anhänglichkeit der Wiener Bürger an das
Stift, welche sich durch zahlreiche Stiftungen faktisch be-
thätigte, so-wie die grosse Anziehungskraft erklären, welche
J)ie Stiftskirche auf die Bewohner Wiens von jeher
ausübte, so dass auch -viele angesehene Familien sich die-
selbe, wie wir später hören werden, zur Begräbnisstätte
auserkoren. Die von Abt Sanctin erbaute gothische Kirche,
welche an der Stelle des jetzigen Prioratshauses stand,
wurde durch einen Brand vernichtet, imd auch die später
ebendaselbst erbaute Kirche fiel einem ähnlichen Schick-
sale zu -wiederholten Malen zum Opfer. In das Verdienst,
die jetzige Stiftskirche erbaut zu haben, theilen sich drei
Aebte. Johann IX. nämlich fasste den Plan, bereitete die
Mittel vor und baute den Thurm und das Presbyterium,
Abt Anton führte den Hauptbau aus und Peter Heister
— 415 —
brachte denselben zum würdigen Abschlüsse. Die Kirche
ist im romanischen Style nach einem einheitlichen Plane,
der von den Baumeistern AUio, dem Aelteren und Jüngeren,
entworfen wurde, in Kreuzesform erbaut. Die Dimensionen
des Baues nähern sich denen der Wiener üniversitäts-
tirche. Gewölbe und Wände sind reichlich mit künst-
lerischen Stuccaturarbeiten geziert, doch fehlen leider die
Fresken. Ausser dem Hauptaltare zählt die Kirche acht
Seitenaltäre, welche durchweg künstlerisch gearbeitete
Altarblätter aufweisen, woran die bedeutendsten damals
in Wien lebenden Maler arbeiteten. Das Hochaltarblatt
(6x3,8 m) stellt den Hingang des Gerechten zu Marien und
der oberhalb in einem kleineren Bilde thronenden heiligen
Dreieinigkeit dar, die schönen Gruppen um den Gerechten
versinnbildlichen die Tugenden, die er hienieden geübt
hat. Dieses Blatt (gem. 1653), sowie das ähnliche auf dem
Marienaltare entstammt der Meisterhand des Tobias Bockh.*)
An künstlerischem Werthe jedoch werden diese beiden,
sowie das ihnen gleichende Bild am Sebastiansaltar (gem.
von Rosenbruyk), von den herrlichen Blättern an den
beiden Seitenaltären neben dem Presbyterium, von denen
das eine Christus am Kreuze (gem. 1654), das andere die
beiden Apostelfürsten (1652) darstellt. Namentlich das
erstere ist von vollendet künstlerischer Haltung. Meister
Joachim Sandrart von Stockau**) hat sie geschaffen.
Neben dem Marienaltar ist der Gregorialtar aus Marmor
mit dem von Georg Bachmann. gemalten Bilde des ersten
grossen heiligen Pabstes in der Mönchskutte. Gegenüber
dem Gregorialtare erhebt sich der zu Ehren des heiligen
Benedikt; das Blatt (gem. von Tobias Bockh) giebt den
heiligen Benedikt umgeben von all' den grossen Heiligen,
die bei ihren Ordensstiftungen seine Regel zur Richtschnur
nahmen. Die zwei letzten Seitenaltäre weisen Bilder von
Meister Jochmus und zwar die heilige Anna und die heilige
Barbara auf.
*) Bekannt durch die thätige Mitwirkung bei Herstellung der Hol-
beinschen Wandbilder im Eathhause zu Basel.
**) Er war einer der gefeiertsten Maler seiner Zeit und fruchtbarer
Schriftsteller in seinem Fache, der von Ferdinand III., den er por-
traitirte, geadelt wurde. Eines seiner bekanntesten "Werke ist das
grosse Friedensbanket auf dem Kathhause zu Xümberg.
— 416 —
Ein. besonderes Interesse nekmen die vielen Grab-
monumente in Anspruch, -welche an den Wänden der
Kirclie und in der eigens zu diesem Zwecke erbauten
Monumentenballe angebracht sind und die Namen aller
jener Familien aufweisen, welche bei den Schotten ihre
letzte Ruhestätte suchten. Der Stiftspriester und Professor
P. Norbert Deehant hat im Jahre 1877 eine Kenotaphio-
graphia Scotensis herausgegeben, worin alle noch jetzt
im Bereiche der Stiftskirche vorfindlichen Grabdenkmale
beschrieben werden. Berühmte Namen werden darin er-
wähnt; so sind unter anderen bei den Schotten begraben
viele Mitglieder der fceiherrlich Breuner'schen Familie,
der Häuser Khevenhüller, Rosenberg, Dietrichstein, Buol,
Windischgrätz u. s, f. Künstlerisch bedeutend sind: das
Denkmal des Ernst Rüdiger von Starhemberg, des unsterb-
lichen Vertheidigers von Wien in der türkischen Be-
lagerung von 1683; ferner das Ludwigs Andreas von Kheven-
hüller, General-Feldmarschalls (f 1744), und das der Gräfin
Windischgrätz, geborene Gräfin von Erdöd (f 1777 im
29. Lebensjahre) mit dem treflElich in Mosaik gearbeiteten
Bildnisse derselben. Erweislich ruht bei den Schotten aucli
Bertha von Liechtenstein (f 2. Mai 1476), welche in der
Sage sich unter der Bezeichnung der Bertha von Rosen-
berg, der weissen Frau, erhalten hat.*) Von Ornaten und
Paramenten aus älteren Zeiten hat die Abteikirche fast
gar nichts aufzuweisen. Die kostbaren Ornate imd Kelche
stammen aus neuerer Zeit, Von grossem Werthe ist eine
Monstranz, welche aus dem Schmucke der Frau Monika
Zelinka, der Gattin jenes unvergessUchen Wiener Bürger-
meisters, gefertigt ist.
Lehrthätigkeit der Schotten. Auch auf diesem Haupt-
felde benediktinerischer Ordensthätigkeit haben sich die
Schotten versucht und, wie dies die Hausgeschichte bis
auf den heutigen Tag bezeugt, mit nicht unbedeutendem
Erfolge. Vor allem Hessen sie sich die Erziehung der
Jugend angelegen sein, und wenn auch die Mönche in den
ersten Jabxen ihrer Ansiedelung damit vollauf beschäftigt
waren, in Wien festen Fuss zu fassen, so lag es doch eben
*) Tgl. darüber Feil in den Mittheil, der C.-C. far Baudenkm.
IL B. p. 71.
— 417 —
auch in ihrem Berufe, rasch in ihrem Bezirke ihre Lehr-
thätigkeit nach aussen zu entfalten, und so entstand bald
nach der Schule von St. Stefan auch bei den Schotten eine
Laienschule, für deren Bestand "wir wohl erst aus dem
Jahre 1310 einen urkundlichen Beleg*) beibringen können.
So bestand die Klosterschule neben der von St. Stefan imd
der von St. Michael ebenbürtig fort, bis die Gründung der
Wiener Hochschule (1365) insofern eine -wesentliche Aen-
derung in derselben bewirkte, als sie nun eine Art Vor-
bereitungsschule für die Universität wurde. Doch erfuhr
sie zu Beginn des 16. Jahrh. eine wesentliche Erweiterung
in den wissenschaftlichen Disciplinen namentlich auch durch
die Begründung der berühmten Musikschule und wurde zu-
gleich auch mit einem Convikte für adelige Zöglinge ver-
bunden. Einen glänzenden Aufschwung nahm die Kloster-
schule unter dem musenfreundlichen Abte Benedikt I.
Chelidonius (um 1520) und der Andrang zu der von den
tüchtigsten Kräften geleiteten Schule war so gross, dass
die Mehrzahl der Petenten wegen Raummangel abgewiesen
werden musste. Wieder schauen wir unter Abt Anton (um
1640) ein frisches, bewegtes Bild daselbst. Abt Karl Fetzer
(1705—50) erneuerte die Zeiten des Chelidonius: eiae neue
Studienordnung brachte einen einheitlichen Plan in den
Unterricht; öffentliche Disputationen wechselten mit dra-
matischen Aufführungen, kurz unter des Klosters Schutz
gedieh die Blume der Wissenschaft in herrlicher Entfaltung.
Da aber brachen von allen Seiten, besonders vom eisigen
Norden herab nach Kaiser Karls VI. Tode die schneidigen
Kriegsstürme über Oesterreichs Gefilde herein und knickten,
wie so manches andere Edle, auch diese Blume. Das
Stift musste ob der unerschwinglichen Kriegslasten die
Schule sammt dem Convikte eingehen lassen und nur die
eigenen Kleriker fanden noch Unterricht in Theologie und
Philosophie daselbst. Ernste Stille zog nun ein, wo sonst
die Hallen und Gänge vom Lärmen der wissbegierigen
Jugend wiederhallten. Das mochte an die 70 Jahre ge-
*) Hubmeister Konrad stiftet bei den Schotten eine Seelenmesse
™it Vigilien und bemerkt ausdrücklich, dass letztere von den Prie-
stern und Schülern nach alter Gewohnheit gesungen werden sollen^
Ein Benediktinerbuch. 27
— 418 —
■währt haben, als von Seite der Regierung im Jahre 1806
an Abt Benno die Aufforderung erging, im Schottenhofe ein
Gymnasium statt des zu St. Anna bestehenden zu be-
gründen und mit stiftlichen Lehrkräften zu besetzen. Der
nächste Abt Andreas realisirte den Wunsch des Kaisers,
errichtete das jetzige ansehnliche Gymnasialgebäude, ver-
sah die Anstalt mit entsprechenden Lehrmitteln und so
tonnte das Gymnasium am 4. November 1807 feierlichst
eröffnet werden. Der erste Präfect war Meinrad Liechten-
steiner. Wohl mussten zur Deckung der Kosten fremde
Kapitalien aufgenommen werden; doch begrüssten die
Glieder der Abtei die Gründung des Gymnasiums mit
grosser Freude. Denn nun war ihnen ja jenes „vorzüg-
lichste und älteste Feld der Thätigkeit des Benediktiner-
ordens, das Feld der wissenschaftlichen Jagendbildung
wieder zurückgegeben", ein Feld, auf dem ihre Vor-
fahren bereits Rühmliches geleistet, wo nun auch sie
wirken konnten und ihre Nachfolger bis auf den heutigen
Tag der Kirche wie dem Staate die wesentlichsten Dienste
leisteten, „da ja in einer enggeschlossenen, von Einem
Geiste durchdrungenen, religiösen Corporation, welche zur
Pflege der Wissenschaft Mittel imd Kräfte besitzt und von
den erhabenen Grundsätzen der katholischen Kirche durch-
drungen ist, nicht nur die Bedingungen eines gedeihlichen
Unterrichtes, sondern auch die Faktoren zu einer positiv-
christlichen Erziehung jenes Theiles der Jugend gegeben
sein dürften, welcher berufen ist, einstens die hervor-
ragendsten Stellen in der Gesellschaft einzunehmen und
einen unübersehbaren Einfluss auf die Mitmenschen aus-
zuüben". Dass wir mit dieser Ansicht nicht vereinzelt da-
stehen, dafür bürgt die ungemein grosse Frequenz des
Schottengymnasiums (durchschnittlich 500 Schüler), die
seit einer so stattlichen Reihe von Jahren im erfreulichen
Zunehmen begriffen ist, so dass, wie ehedem an der alten
Klosterschule, so manche Bewerber wegen steigender Ueber-
füUung der Lehrsäle abgewiesen werden müssen. Es
möge hier ein auf die Schottenschule alter und neuer Zeit
bezügliches Gedicht einen Platz finden:
— 419 —
Jasomirgotts Monument zn Wien.*)
„Es soll bei meiner Hofburg bestehn
Für Pilger, die nach Jerusalem gehn,
Ein Haus zur Herberge ihnen gebaut,
Den Jüngern Sankt Benedikts -werd' es vertraut.
„Ich schütze sie selber mit fürstlichem Wort,
Sie pflegen die Ordnung, den Frieden mir dort,
Doch seien sie alle aus schottischem Land,
Umschlingen soll sie ihrer Heimat Band.
„Und was sie bedürfen an Speise und Wein,
Soll aus meiner Hofburg gegeben sein."
So sprach Henricus, so ist's auch geschehn;
Er stiftet das Haus, das wir heute noch sehn.
Im Hofe, da sprudelt im grünen Rondell
Von blühenden Bäumen ein lustiger Quell,
Der ist mit dem Bildnis des Herzogs geziert.
Das Haus in der Hand, das er aufgeführt.
Und auf dem Brunnen, da ist er zu schaun
In fürstlicher Haltung in Stein gehaun;
Und wie dort das Wasser sich endlos ergiesst,
So strömt auch die Segnung, die immer noch fliesst.
Schon seit Jahrhunderten hat hier florirt
Die Schule, mit guten Meistern geziert;
Sie blüht bis auf unsre Tage fort
Als Segensfrucht von des Herzogs Wort!
Die Stiftsbibliofhek und wissenschaftliche Thätigkeit.
Wenn ^ auch die national-schottischen Mönche, wie wir im
Verlaufe dieser Skizze mehrmals betont haben, mehr prak-
tische Leute waren, welche St. Benedikts Regel hauptsäch-
lich nach ihrer realen Seite auffassten, so waren sie doch
zu sehr von der Macht der Wissenschaft, von jener geisti-
gen Grossmacht, die in den Büchern ihre Festungen hat,
*) Aus „Der Babenberger Ehrenpreis" von Sebastian Bmnner.
27*
— 420 —
durchdrungen, als dass sie mcht auch die Anlegung und
Erhaltung einer Bibliothek zu ihrer angelegentlichsten
Sorge gemacht hätten. Und wenn sie selbst auch gerade
nicht literarisch thätig "waren, so wurde doch die Schön-
schreibekunst sorgfältig gepflegt, -wofür ein vom Abte
Nikolaus I. auf Pergament sauber verzeichnetes Stiftsgrund-
buch von 1314 den besten Beleg liefert. Und -wenn die
Stiftsbibliothek, wie wir gleich hören werden, verhältnis-
mässig wenig alte Mss. Codices besitzt, so hat das leider
seine guten Gründe. Erstens mochten die Schotten bei
ihrem Abzüge die werthvoUsten Codices mitgenommen
haben und dann thaten die häufigen Feuersbrünste das
Uebrige. So erwähnt Bischof Georg von Passau, dass viele
kostbare Urkunden und literarische Monumente durch den
schrecklichen Brand von 1410 ein Raub der Flammen
worden. Unberechenbaren Schaden fügte der Bibliothek
die Plünderungswuth der Landsknechte zu, die im Jahre
1529 im verlassenen Kloster ärger als die Türken hausten.
Die Bibliothek zählt gegenwärtig an 600 Handschriften.
Die älteste datirte stammt aus dem Jahre 1290. Die
meisten sind Bander des 14. und 15. Jahrhunderts und zum
grossen Theile theologischen und juridischen Inhalts, die
meist von den Autoren selbst dem Stifte geschenkt wurden.
Trotz der enormen Verluste gehörte nämlich die Schotten-
bibliothek doch zu den berühmtesten Büchereien jener
Zeit und viele Gelehrte glaubten ihren Bücherschätzen
keinen besseren Platz anweisen zu können als in der
Schottenbibliothek. Eine ganz besondere Erwerbung dieser
Art bildet ein Codex vom Jahre 1436 vom Magister Stefan
Krewch (Kreuz) von Traunstein, der eine höchst interessante
Illustration zu den damaligen rechtlichen Zuständen "Wiens
liefert. Bemerkenswerth ist auch die testamentarische
Verfügung des Probstes von Brunn, Dr. Juris Johann
Polzmacher vom Jahre 1453, der dem Stifte seine reiche
literarische Sammlung, 46 Pergamentcodices über Decre-
talen, 6 über Civilrecht, 30 moralische und poetische Werke
vermachte mit dem Zusätze, dass die juridischen Werke
von den Juristen gegen Caution imd angemessene Ver-
gütung entlehnt werden können. Wir müssen hierzugleich
auch constatiren, dass die von den Stiftsmitgliedern ver-
fassten Werke leider nur vereinzelt in der Schottenbiblio-
— 421 —
thek sich finden und meist in fremden Händen sind.*)
Das erste gedruckte Werk erMelt die Bibliothek zum Ge-
schenke von Magister Wolfgang Forster, nämlich einö
Summa Alberti Magni de Sacramento Eucharistiae (1474).
An Inkunabeln oder ersten Druckwerken bis 1500 zählt
man 700 Bände. Die älteste datirte Inkunabel ist ein
Lactantius mit Initialen , die ' dem berüchtigten Initialen-
dieb, dem Engländer Dipdin, so sehr in die Augen stachen,
dass er sie escamotiren wollte, zum Glück aber von dem
Bibliothekar bei diesem Versuche ertappt wurde. Durch
fortwährende Ankäufe (Abt Karl Fetzer schaffte z. B. um
20,000 /. Bücher) ist die Bändezahl bis über 60,000 ge-
*) Vgl. das vom P. Meinrad Adolf, Subprior des Stiftes, heraus-
gegebene Chronicum literarium Benedictino-Scotense , "Wien 1874, wel-
ches biographischeSatenund die Zusammenstellung der von Schottencon-
ventualen herausgegebenen literarischen Produkte giebt. Die Schriftstelle
desHauses von i750an finden sich übrigens auch in dem oben citirten Bene-
diktiner-Lexikon. Als ausgezeichnete Schriftsteller des Hauses im Mittel-
alter sind zu erwähnen (in chronologischer Beiheufolge) : Abi Johann V.
(t 1446) von Ochsenhausen, der eine Abhandlung über die Sakramente
zusammenstellte (vorh. in der Stiftsbibliothek); ferner Abt Martin
(t 1464). Bekannt sind von ihm: das „Senatorium" oder historisches
Gespräch zwischen einem Greise und einem Jüngling, welches nebst
seiner Biographie und der Geschichte der Generalvisitation von 14&1
eine Geschichte des Schottenklosters, der Babenberger und Habsburger
und eine Abhandltmg über einige Urdenahcilige enthält, femer Tria-
logus de gratitudine beneficiorom dei, Trialog. de militia Christiana,
Ceremonialia Martini Abb. Soot., Sermo in visitatione Monasteriorum
etc. Abt Benedikt Chelidonius, der Musenfreund (t 1521), reiht sich
würdig an; er schrieb unter anderem: das allegorische Singspiel
„Volnptatis cum Virtute disoeptatio (Streit des Vergnügens mit der
Tugend), welche» von den Schülern der Schottenschule aufgeführt
Wurde und dem Sohne des Helden Salm gewidmet ist ; ferner Carmina
de Vita et pässione Christi (Gesänge über das Leben und Leiden des
Herrn), Carmina de vita Mariae, jedes mit einem Kupferstich von
Albrecht Dürer, STürnberg 1511, ein Brief und Gedicht an Georg Spala-
tinus , ein Gedicht und zwei Briefe an Pirkhaimer , gedr. Altorf 1758,
ein Brief und ilpigramöi, beigedruckt des Joh. Gochlaeus "Werke
Pompon. Mel. u, Compend. geograph. u. s. f. , dann eine mit der Wid-
mung an Kaiser Maximilian in "Wien 1519 erschienene Untersuchung über
die für die Scholastik so wichtigen vier Bücher der Sentenzen, wozu
Benedikt vom berühmten Magister Joannes Eck, der den Codex auf
seiner Eeise nach "Wien in Melk entdeckte, aufgefordert wurde.
(Dieses "Werk ist zugleich und leider das einzige, welches die Schotten»
hibliothek von Chelidonius aufzuweisen hat.)
— 422 —
stiegen. Die Theologie ist am reichsten vertreten, und
nach dem ürtheile des Probstes Döllinger, der die Biblio-
thek besichtigte, kann das Stift mit Recht stolz sein auf
die fast einzig dastehende werthvoUe Collection der Mau-
riner Väterausgaben. Reiches Material findet auch der
Jurist, namentlich was Kirchenrecht anlangt, und der
Historiker für österreichische G-eschichte, Das grösste Ver-
dienst um die Zusammenstellung, Ordnung und Comple-
tirung der Büchersammlung hat sich unstreitig Abt Othmar,
der ein trefflicher Bibliognost ist und früher durch 23
Jahre Bibliothekar war, erworben. Nicht nur, dass er
innerhalb zweier Jahre (1838—40) den Manuscripten-Zettel-
katalog (600 Blatt) verfasste und die immense Zahl von
35,000 Bänden sichtete und beschrieb und dazu den grossen
Zettelkatalog (36,000 Blatt in 4°) verfertigte, hat er auch
aus seiner höchst interessanten Privatsammlung an die
Bibliothek an die 8000 Bände der gesuchtesten Werke ab-
gegeben und sorgt noch immerfort namentlich für die
Completirung von Sammelwerken. Der Bibliothekssaal er-
hebt sich über dem grossen Vestibüle, ist zwei Stockwerke
hoch und hat zur Basis ein Rechteck (Dim. 13 x 7*^) mit
halbkreisförmigem Abschlüsse. Das Licht erhält er zumeist
durch die weite Oberlichte an der gewölbten Decke. Diese
sowie die beiden Gallerien werden durch je vier mächtige
Säulen gestützt. Zur Bibliothek gehören noch der im
zweiten Stock befindliche Handschrtftensaal und das Klas-
sikerkabinet. In den grossen Bibliothekssaal gelangt man
durch das Portal vom ersten Stocke des Conventgebäudes
und auf die Gallerien durch zwei Thüren vom zweiten
Stocke. Mit der Bibliothek vereinigt ist auch die
Jfefww^samwZMW^fdes Stiftes. Dieselbebestand ursprünglich
aus 12,000 Münzen und etlichen Bänden über Numismatik.
Eine wesentliche Bereicherung erhielt sie durch die testa-
mentarische Verfügung des Herrn Timoni, der dem Stifte
seine kostbare Privatsammlung von 28,000 Stück mit 5000
Bänden numismatischer Literatur vermachte, geleitet von
der Ueberzeugung, dass diese Sammlung, für deren Er-
gänzung er ein Mensehenalter rastlos gearbeitet hatte, als
Eigenthum einer geachteten Körperschaft am besten intact
erhalten werde und so erst den eigentlichen Werth fort-
während besitze. Die stiftliche Münzsammlung zählt also
— 423 —
gegenwärtig 40,000 Stück Münzen mit ungefähr 6000 Bän-
den Literatur.
Einen grossen Wertli repräsentirt auch das stiftliche
MusiJcalienarcMv, um dessen Hebung sich besonders Prior
Theodor Zwettler, f 1826, verdient gemacht hat, der selbst
musikalisch gebüdet war, mit den damaligen Koryphäen
Haydn, Abbö Stadler und Eybler in regem, innigem Ver-
kehre stand und unter anderen ein einfach-schönes Fange
lingua componirte. Als besonderen Schatz weist das Musi-
kalienarchiv fast sämmtliche Compositionen des ehemals
schottischen, dann Hofkapellmeisters und berühmten Com-
ponisten Eybler auf in Partituren, die von der Hand des
Meisters selbst stammen.
Sehenswerth ist auch die Gemäldegallerie , welche in
die Säle und Zimmer der Prälatur vertheilt ist und auf
deren Begründung der kunstsinnige Aht Karl grosse Sum-
men verwendete. Wo sich ihm eine Gelegenheit bot,
kaufte er werthvoUe Gemälde an und beschäftigte zugleich
verschiedene Künstler mit Aufbrägen, so dass er eine ganz
schätzenswerthe Sammlung zu Stande brachte. Ein grosser
Theil derselben aber wurde von Abt Benno auf den Wunsch
Kaiser Josef II. an die k. k. Bildergallerie im Belvedere
abgegeben, wo die Bilder jetzt noch einen ganz vorzüg-
lichen Platz behaupten. Für diese Bereitwilligkeit erhielt
Benno vom Kaiser ein werthvoUes Pectorale sammt Ring,
überdies wurden auch die Gemälde durch andere aus der
k. k. Gallerie ersetzt, worunter sich eine Madonna nach
Carlo Dolce besonders auszeichnet. Noch finden sich in
der stiftlichen Sammlung mehrere Gemälde von Rubens,
Rembrandt, Titian, Lucas v. Cranach, Brand, Seybold und
anderen grossen Meistern. Interessant ist auch die CoUec-
tion von altdeutschen Gemälden in den Gastzimmern der
Prälatur.
Literatur und StiftsarcJdv. Es erübrigt uns nur noch,
über die hauptsächlichsten Quellen zu referiren, aus denen
wir die Daten zu vorstehender Skizze geschöpft haben.
In der Darstellung der historischen Ereignisse sind wir
ganz gefolgt dem „Abriss einer Geschichte der Benedik-
tinerabtei U. L. F. zu den Schotten in Wien", Wien 1858,
Mechitharistendruckerei, 166 S. 4°, welchen Dr. Ernest
Hauswirth, Capitularpriester und Archivar, verfasst hat.
— 424 —
"Wie verdienstlich, diese trefflicli geschrieliene Arbeit ist,
mag man aus dem Umstände ermessen, dass sie bislang
die einzige, bistoriscli- pragmatische Darstellung der Ge-
schichte des Schlottenstiftes ist; denn die um 1580 herum
erschienene Chronik des Schottenorganisten Rasch gewährt
trotzdem, dass dem Verfasser das Archiv offen stand, wenig
kritische Sicherheit selbst für die damalige Zeit, und was
Hormayr zu Beginn dieses Jahrhunderts in seiner Geschichte
Wiens und ganz genau mit dessen Worten der Stiftspriester
Honorius Kraus, Pfarrer von Schottenfeld, in seinem Gedenk-
buche dieser Pfarre über die historische Vergangenheit
des Schottenstiftes schreiben, ist doch kaum mehr als chro-
nikartig und bietet zudem noch wenig Verlässliches. Das
Chronicon litterarium von P. Meinrad Adolf und P. Nor-
bert Dechants Kenotaphiographia Scotensis haben wir an
anderer Stelle bereits angeführt. Reiches und sehr schätzens-
werthes Material für die Stiftsgeschichte bietet das trotz
unberechenbarer Verluste noch immer stattliche und reich-
haltige Stiftsarchiv, um dessen Sichtung sich der leider
zu früh verstorbene Capitular und Dichter Berthold
Sengschmitt sehr verdient gemacht hat. Einigen Ersatz
für verloren gegangene Originalstücke gewähren zwei
werthvolle Copialbücher auf Pergament aus dem 15. Jahr-
hundert. Die ziemlich gut erhaltenen und mit schönen
Siegeln versehenen Urkunden bis zum Jahre 1418, 457 an
der Zahl, hat Dr. Emest Hauswirth veröffentlicht in der
IL Abth. XVIII. Bd. der „ Oesterreichischen Geschichts-
quellen", Wien 1859, unter dem Titel: „Urkunden der
Benediktinerabtei U, L. F. zu den Schotten in Wien vom
Jahre 1158 — 1418." Dass das Stiftsarchiv bei der innigen
Verknüpfung der Interessen des Stiftes mit denen der
Stadt Wien und des Landes für die Darstellung der Ge-
schichte letzterer dem Historiker ebenfalls reichlichen, gar
nicht verachtenswerthen Stoff bietet, ist nach dem Ge-
sagten wohl von selbst einleuchtend.
Bebthold L. Bayeb.
Stift Seitenstetten.
alle der Grenze des Landes ob der Enns erhebt
sich in Niederösterreich in dem anmuthigen rings
von waldgekrönten Hügeln umschlossenen Thale
der Url die uralte Benediktiner- Abtei Seitenstetten.
Das Stiftsgebäude, eines der schönsten Bauwerke des
Landes aus dem verflossenen Jahrhundert, bildet ein voll-
kommen ausgebautes regelmässiges Oblong, das, weil auf
einem sanft ansteigenden Hügel erbaut, gegen Osten und
Norden drei, gegen Westen und Süden jedoch nur zwei
Stockwerke hat. Fast in der Mitte des Vierecks erhebt
sich in dem grossen mit einem Wasserbassin, in dessen
Mitte auf einem G-ranitsockel eine schöne Statue der un-
befleckten Himmelskönigin mit dem Kinde steht, ge-
schmückten, sehr nett und rein gehaltenen Hofe die Kirche.
Dieselbe zeigt in ihrem Lmern noch die ursprüngliche
Anlage der gothischen Pfeilerbasilika mit hohem Mittel-
schiffe und bedeutend niedrigeren Abseiten, von denen es
dm*ch vierkantige mächtige Pfeiler getrennt wird. In
derselben befinden sich nebst dem Hauptaltare, einem
schönen Werke der Eococozeit, in deren Geschmack auch
die Kirche selbst zu Anfang des verflossenen Jahrhunderts
umgeformt wurde, noch acht Seitenaltäre in gleichem
Style, alle mit Bildern von der Meisterhand des bekannten
Kremser Schmidts geziert. An der Nordseite der Kirche
steht eine Kapelle im romanischen Styl erbaut und mit
schönen alten Glasmalereien geschmückt. Dieselbe, ein
Bau des 12. Jahrhunderts, soll der Tradition nach die
ehemalige Kapelle in der Burg des Stifters von Seiten-
stetten gewesen sein, und heisst heute noch die ßitter-
kapelle. An den Wänden derselben sind einige bemerkens-
werthe Grabsteine eingefügt. An die Südseite der Kirche
sind zwei kleinere Kapellen angebaut, von denen die erstere
die Familiengruft der edlen Grafen von Salburg, die
letztere die Gruft der Priester umschliesst. Der Kirche
— 426 —
gegenüber befindet sicli auf der Westseite das Haupt-
portal mit der imposanten, grossartigen, von acht massiven
Pfeilern getragenen Eingangshalle.
Wir -wenden uns von derselben zur linken Seite gegen
Norden und gelangen durch, einen breiten, lichten Korri-
dor und das prachtvolle von de la Torres Meisterhand
mit einem herrlichen Freskengemälde geschmückte Stiegen-
haus in einen weiten mit Marmorplatten gepflasterten
Gang, der einerseits zu einem mit künstlichem Marmor
und prachtvollem Deckengemälde gezierten Saale führt,
hinter denen die einfachen Gemächer des Abtes liegen,
andererseits vor den schönen Zimmern für Gäste vorbei
zu einem über der Einfahrtshalle befindlichen Saale uns
leitet, in dem die feierlichen Schulfeste des Gymnasiums
abgehalten -werden. Denselben durchschreitend gelangen
■wir vor den Wohnungen der Stiftssängerknaben und ihres
Präfekten vorbei zur Wohnung des Gymnasial-Direktors,
an die das Lehrzimmer für Physik mit dem an Instru-
menten für diesen Gegenstand reich ausgestatteten physi-
kalischen Kabinet stösst. Damit haben -wir die Reihe
der -wissenschaftlichen Sammlangen betreten, welche die
Schätze Seitenstettens , das gleich den meisten anderen
Stiften des grossen Ordensstifters St. Benedikt in Oester-
reich in der Erziehung der Jugend seine Hauptaufgabe er-
blickt, bilden. Wenige Schritte, imd wir befinden uns in
dem schönen Konchylien- und Mineralienkabinet, das einen
grossen Reichthum der seltensten und schönsten Stücke
birgt und den bestausgestattetsten Sammlungen dieser
Art beizuzählen ist. Von demselben gelangen -svir durch
einen gleichfalls zumeist mit naturwissenschaftlichen Ob-
jekten (Zoologie, Botanik) angefüllten Korridor in die
Bibliothek, unbestritten der grösste Schatz des Stiftes.
Dieselbe besteht aus einem mächtigen, zwei Stockwerke
hohen und mit einem in herrlichster Frische strahlenden
Freakengemälde von Altomonte geschmückten Saale, durch
welchen in der Höhe eines Stockwerkes ringsum eine
ziemlich breite Gallerie läuft. An diesen Saal, der durch
seine in gleichem weissen Einbände gebundenen, zahl-
reichen Bücher, unter denen in den 24 bis zur Gallerie
reichenden und den 28 über dieselbe bis fast an die Decke
sich erhebenden Ahornachränken seltene und kostbare
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— 427 —
Werke sich befinden, einen schönen Anblick gewährt,
schliesseu sich drei weitere mittelgrosse Zimmer, von
denen das erste die Handschriften und Inkunabeln —
darunter mehrere mit prachtvollen Initialen geschmückte
Manuscripte und Erstlingsdruckwerke — , das zweite und
dritte Zimmer die neuesten für den Gebrauch der Profes-
soi'en und anderen Capitularen des Stiftes nothwendigen
Werke, nach den wissenschaftlichen Disciplinen geordnet,
enthalten. Die Gesammtzahl der Bände, einschliesslich
der Manuscripte und Inkunabeln beträgt bei 60,000, und
haben sowohl der jetzt regierende Abt Dominik II. als
auch der verstorbene Prälat Ludwig Strömer ihre ganze
Sorgfalt der Bibliothek zugewendet. Von der Bibliothek
gelangen wir in den Convent, d. i. die Wohnungen der
Capitularen, welche den ganzen östlichen Trakt des Stiftes
einnehmen. Wir verlassen die netten Zimmer und die
schönen, lichten, breiten Gänge des Conventes und ge-
langen in die Erziehungsanstalt des Stiftes, das den ganzen
langen, oberen Trakt der Südseite und die Hälfte des
gleichen Traktes der Nordseite einnimmt. Beide sind
durch eine schöne gusseiserne mit hohem Geländer ver-
sehene Brücke, welche den über der Einfahrtshalle be-
findlichen Prüfungssaal in nicht ungefälliger Weise durch-
schneidet, verbunden. Herrscht im Convente klösterliche
Stille, so geht es hier um so lauter zu. Auf dem langen
breiten Korridor und in dem Unterhaltungszimmer tummeln
sich — in den freien Stunden, wenn Jupiter pluvius das
Betreten des grossen, schönen, ausserhalb des Stiftes liegen-
den Spielplatzes in neidischem Grolle nicht gestattet, —
die kleineren Zöglinge in ungebundener Lust und Fröhlich-
keit umher, bald init kundiger Hand den weitfliegenden
BaU schlagend, bald mit fröhlichem Lachen einander
nachjagend, während die erwachsenen Zöglinge in würdiger,
ernster Haltung, wie es einem Piaton und Tacitus lesen-
den Studirenden des Obergymnasiums geziemt, auf- und
abschreiten. Doch, nachdem -vvir dem munteren Spiele
der fröhlichen Jugend eine Weile zugesehen und uns der
schönen Tage unserer eigenen goldenen Jugendzeit erinnert
haben, besehen wir uns das Convikt selbt genauer. Das-
selbe, für 115 Zöglinge eingerichtet, enthält fünf grosse,
hohe, lichte Schlafsäle, zwei Krankenzimmer, ein Wasch-
— 428 —
zimmer, die Wohmingen des Convikts- Direktors, dreier
Präfekten und der noth-virendigeii Dienerschaft, sowie den
grossen, hohen, durch zehn Fenster beleuchteten Studir-
saal, in welchem die grossen und kleinen Zöglinge, jeder
bei seinem Pulte, in genau bestimmten Stunden unter
der Aufsicht eines Präfekten ihren Studien obliegen. Wir
nehmen Abschied von der fröhlichen Jugend und schreiten
die breite, lichte Stiege hinab in das Souterrain des Süd-
traktes, wo uns eine Mauer mit der Aufschrift: „K. K. Ober-
gymnasium" belehrt, dass wir vor den Hallen der Wissen-
schaft stehen. Eintretend in diese heiligen Räume,
bemerken wir eine Flucht von Thüren, welche durch die
über ihnen angebrachten Inschriftstafeln als die Lehr-
zimmer des Gymnasiums, die Wohnung des Schuldieners,
Lehrmittelzimmer für den geographischen und mathe-
matischen Unterricht sowie die Bibliothek für die Studiren-
den sich entpuppen. Die Lehrzimmer, acht an der Zähl,
sind hoch, licht und geräumig, und weisen die überall sich
gleichbleibenden Schuleinrichtungen auf: Tafeln, Katheder,
Bänke — nach den neuesten Vorschriften angefertigt — ,
die Wände mit einem Crucifix, dem Bildnisse Sr. Majestät,
Karten, historischen und botanischen Bildern und Meinen
Insekten- und Schmetterlingskästen geschmückt. Die
Grymnasial-Bibliothek, bei viertausend Bände reich, ent-
hält die Meisterwerke der Literatur und unzählige Jugend-
und belehrende Schriften. Das Gymnasium, welches sich
eines zahlreichen Besuches erfreut — es zählte im ab-
gelaufenen Studienjahre (1878/9) 312 öffentliche Schüler,
unter denen sich 60 Zöglinge des im Jahre 1871 von
Krems nach Seitenstetten verlegten Diöcesan-Kiiaben-
seminars befinden — , wird von einem' Direktor und drei-
zehn ordentlichen Professoren, welche Capitularen des
Stiftes sind, und sechs Nebenlehrem für die nicht obli-
gaten Gegenstände geleitet.
Die Räume der schönen Lehranstalt verlassend führt
uns der Weg dem breiten Gange des Südtraktes entlang,
vorbei vor der grossen, mit den neuesten Geräthen ver-
sehenen Turnhalle, die auch für den Musik-Unterricht
benutzt wird, wieder zur herrlichen Eingangshalle an der
Westseite, durch die wir das Stift verlassen, um dem nur
wenige Schritte von dem Kloster gegen Westen auf einer
— 429 —
Anhölie entfernt liegenden Wirtiiscliaffcsgebäude noch einen
Besucli abzustatten. Dasselbe, einen Flächenraiun von
anderthalb Jochen umfassend, bildet, gleich dem Stifte,
ein weithin sich erstreckendes regelmässiges Rechteck,
das durch zwei Quertrakte in drei Höfe getheilt wird,
von denen der mittlere, der eigentliche Wirthschaftshof,
durch respectable Grösse sich auszeichnet. Unter dem
Geleite des P. Oekonom durchwandern wir die weiten
gewölbten Eäiune, wo das stattliche Rindvieh und die
feurigen Rosse ihr Heim haben, und gelangen Ton den-
selben in die Wirthschaftsräume imd Werkstätten der
für eine so ausgedehnte Oekonomie, wie sie das Stift be-
sitzt, stets nothwendigen Handwerker. Das erste und
einzige Stockwerk dient theils zur Wohnung des Gesindes,
theüs zum Aufbewahren der Futter- und Getreidevorräthe,
während tief unten in dem Keller mächtige Fässer
lagern, in denen der in dieser Gegend allgemein als
Getränk benutzte Most (Cider) eingekellert wird. An
die Nordseite des Meierhofes schliesst sich der grosse
Garten, der jedoch mehr ein Wirthschafts- denn ein Zier-
garten ist.
Ueber die Geschichte des Stiftes berichten die Quellen
ia Kürze Folgendes:
In den Tagen, in welchen der mächtige Kampf zwi-
schen Pabst und Kaiser wegen der Freiheit der Kirche
entbrannt war, und in den Alpenländern des heutigen
Eaiserstaates Oesterreich Dank der Thatkraft des grossen
Bischofs Altmann von Passau das kirchliche Leben die
schönsten Blüthen trieb, gründete der Edle und Freie
Udalschalk von Stille und Heft zu Seitenstetten ein Stift
für Kanoniker und stattete dasselbe in Gemeinschaft mit
seinem Schwager Reginbert von Hagenau und Haide mit
mehreren Gütern aus. Wie in Göttweig, Melk und Gar-
sten, so nicht minder in Seitenstetten entsprachen die
Kanoniker den von ihnen gehegten Erwartungen nicht,
weshalb der Stifter mit Gutheissung des Bischofs Ulrich I.,
Altmanjis Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle von
Passau, dieselben entfernte und seine Stiftung dem Orden
Benedikts einräumte. Dieser hatte durch die Reformen
von Clugny damals einen hohen Aufschwung genommen
und trat in dem gewaltigen Kampfe zwischen Kirche und
— 430 —
Staat durch Wort Tind That mit seiner ganzen Kraft für
die Freiheit der Kirche ein. Die Statuten von Clugny
hatte der selige Abt WilheLn von Hirschau nach Deutsch-
land verpflanzt und von diesem Kloster aus, sowie von
dem St. Blasienstifte im Schwarzwalde waren von den
Fürsten der Alpenländer Oesterreich, Steiermark und
Kärnten zahlreiche Colonien ausgesandt worden, um die
daselbst gegründeten Klöster zu übernehmen. Unter diesen
befand sich auch die Stiftung Altmanns, Göttweig, das
von diesem grossen Bischöfe als Stift für Säcular-Kano-
niker gegründet worden war. Da dieselben den an sie
gestellten Anforderungen nicht genügten, hatten Bischof
Ulrich I. von Passau und Markgraf Leopold U. im Jahre
1094 die Stiftung dem St. Blasienkloster im Schwarz-
walde übergeben, das seinen Grossprior Hartmann mit
mehreren Brüdern dahin sandte. Unter Leitung des
Abtes Hartmann nahm Göttweig einen so. bedeutenden
Aufschwung, dass von ihm bald neue Colonien ausgingen,
deren eine auch von dem Edlen Udalschalk von Stille
und Heft zur Uebemahme seiner Stiftung Seitenstetten
berufen wurde. Nargo, Hartmanns Nachfolger in der
äbtlichen Würde zu Göttweig, willfahrte der Bitte Udal-
schalks und sandte um das Jahr 1116, dem alten Bene-
diktinerordensgebrauche gemäss, zwölf Brüder unter der
Leitung des Priors
Leopold (1116 — 1138) nach Seitenstetten. Die neu
gegründete Colonie stand den Satzungen von Hirschau
zu Folge in voller Abhängigkeit vom Mutterstifte, weshalb
auch Leopold selbst von den ältesten Quellen nur Prior
genannt wird. Bischof Ulrich I. von Passau bestätigte
noch im Jahre 1116 die geschehene Umwandlimg des
Chorhermstiftes Seitenstetten in ein BenediktinerMoster
und gab demselben die grosse Pfarre Aspach an der Url
mit ihren Filialen Alhartsberg, Krenstetten und Biberbach.
Der Stifter Udalschalk, von dem frommen Leben, das der
Prior Leopold und seine Brüder in Seitenstetten führten,
begeistert, trat selbst in das Kloster und starb am elften
Mai eines unbekannten Jahres. Seinem Beispiele folgten
um 1130 seine Schwester Helena mit ihrem Gemahle
Reginbert von Hagenau und ihrer Tochter Richardis,
welche gleichfalls, nachdem sie dem Stifte ihre Güter zu
— 431 —
Zellring, PfafFstetten und Lanzendorf geschenkt hatten,
in Seitenstetten ihre Tage beschlossen.
Mit dem Tode des Prior Leopold im Jahre 1131 er-
reichte das Ahhängigkeitsverhältnis vom Mutterstifte
Göttweig sein Ende und die Brüder schritten zur Wahl
des ersten Abtes, welche ihren Mitbruder
Siegfried (1138 — 1140) traf. Von ihm berichten die
Quellen nur, dass er nach kaum zweijähriger Amtsfüh-
rung auf die äbtliche Würde resignirte. An seine Stelle
wurde durch Postulation der Mönch
Friedrich (1140 — 1167) aus dem uralten Benediktiner-
stiffce Mondsee in Oberösterreich berufen. Derselbe er-
hielt vom Bischöfe Reginbert von Passau für das ihm
abgetretene Gut PfafiFstetten, das sein Vater Reginbert
einst an Seitenstetten gegeben hatte, die Zehente zu Sie-
delburg, sowie die Pfarre Wolfsbach mit ihren Filialen
Seitenstetten und St. Michael am Bruchbache. Besonders
wohlthätig erwies sich Reginberts Nachfolger Bischof
Conrad I. von Passau dem Stifte. Derselbe, ein Sohn
des frommen Markgrafen Leopold III. des Heiligen von
Oesterreich, der den Orden St. Benedikts nach der Re-
form von Hirschau besonders begünstigte, gab demselben
mehrere Zehente zu Behaimberg und erwirkte auch von
seinem Bruder Heinrich Jasomirgott, dem ersten Herzoge
von Oesterreibh, dass derselbe die Schenkimg eines Gutes,
welche seine Diensthörige Hedwig von Pierbaum an Sei-
tenstetten gethan hatte, im Jahre 1185 bestätigte.
Dem Abte Friedrich folgte im Jahre 1167
Griff ao (1167 — 1172) in seiner Würde nach, welcher
aber fünf Jahre später derselben "Wieder entsagte und in
den damals sehr blühenden Orden von Citeaux trat. An
seine Stelle postulirten die Brüder den Mönch
Conrad I. (1172 — 1201) aus dem bayerischen Stifte
Wessobrunn, den ihnen ihr Diöcesanbischof Theobald von
Passau, der zu diesem Behuf eigenst nach Seitenstetten
gereist war, empfohlen hatte. Abt Conrad, welcher sich des
besonderen Vertrauens des Bischofs Theobald erfreute, wurde
von ihm zu vielen Geschäften verwendet, in welchen er
grosse Klugheit und Gewandtheit bethätigte. Von seiner
Klugheit hoffte man auch, dass es ihm gelingen würde,
die unerfreulichen Verhältnisse, welche zu St. Peter in
— 432 —
Salzburg, dem ältesten Stifte des Ordens in Oesterreich,
Termuthlicli in Folge der Kämpfe, die damals das Erz-
bistimm durchtobten, Platz gegriffen liatten, beizulegen.
Er wurde deshalb im Jalire 1195 an die Stelle des Abtes
Piligrin II., welchen der Erzbischof zur Resignation seiner
Würde gezwungen hatte, dahin berufen, allein da es ihm
nicht gelang, die Wirren beizvilegen, kehrte er 1198 wie-
der zurück. Drei Jahre später, zu Beginn des Jahres 1204,
begehrten ihn die Mönche von Melk zu ihrem Abte,
welchem ehrenvollen Rufe er auch folgte. Doch ging er
nur dahin, um zu sterben, denn schon zwei Monate später,
am 5. März 1204, trugen die Brüder von Melk seine
Leiche in ihre Gruft. Abt Com-ad hatte während der
29 Jahre, welche er dem Stifte Seitenstetten vorstand,
dasselbe durch seine Umsicht und Thätigkeit sowohl hin-
sichtlich der Disciplin als auch in Bezug auf seinen ma-
teriellen Besitz sehr gehoben, und mehrere Schenkungen
wurden während seiner Regierung dem Kloster gemacht,
unter welchen die des Erzbischofs Wichmann von Magde-
burg den ersten Platz einnehmen. Letzterer, aus dem
hochberühmten und auch in Mederösterreich in der
Nähe von Seitenstetten reichbegüterten sächsischen Gra-
fenhause Seeburg und Gleuss stammend,*) schenkte im
Jahre 1185 dem Stifte den einen Hof mit 5 Lehen und
einem weiten grösstentheils noch uncultivirten Wald-
gebiete an der Tbbs mit der Bestimmung, dass dortselbst
eine Kirche erbaut würde, und erwirkte zwei Jahre später
(1187) von dem mächtigen deutschen Kaiser l'riedrich I.,
dem Rothbarte, die kaiserliche Genehmigung und Be-
stätigung dieser Schenkung. Getreu dem Willen des
1192 zu Magdeburg verstorbenen Erzbischofs Wichmann
sandte Abt Cora-ad eine kleine Colonie seiner Laienbrüder,
denen er einen Priester beifügte, in dieses Gebiet, durch
deren Fleiss und Arbeit der Grund zu dem heute noch
durch seine Eisenindustrie bekaimten Markte Ibbsitz bei
der Stadt Waidhofen an der Ibbs gelegt wurde. Um
Streitigkeiten und Gewaltthätigkeiten, die in dieser Zeit
*) Einer unverbürgten Tradition nach soll Erzbischof Wichmann
auf der in der nächsten Kähe von Seitenstetten an der Ibbs jetzt in
Kuinen liegenden Burg Gleuss das Licht der Welt erblickt haben.
— 433 —
des Faustrechtes niclit selten waren, von Seite des anwoh-
nenden Adels fem zu halten, erwirkte Abt Conrad von
den Päbsten Urban IE. und Coelestin lH. zu Rom in den
Jahren 1186 und 1195 die Bestätigimg des Stiftsgutes,
namentlich der Schenkungen der Kirchenfürsten Ulrich,
Reginbert und Theobald von Passau sowie des Erzbischofs
Wichmann. Das Andenken Wichmanns, dieses grössten
Wohlthäters von Seitenstetten, wird am 18. September
jedes Jahres noch in feierlicher Weise begangen. Doch
musste das von diesem Tage vermöge der Anordnung
Wichmanns stattfindende „Gespende", worunter die Ver-
theüung von 500 Laiben Brot und ebensoviel Portionen
Fleisch an die Armen zu verstehen ist, auf Befehl Kaiser
Josef n. eingestellt .und dafür ein entsprechender Be-
trag an die Armenkasse gezahlt werden.*)
Gegen das Ende seines erspriesslichen Wirkens (1201)
hatte Abt Conrad noch einen gewaltigen Streit mit dem
Edlen Otto von Hausek des Stiftsgutes Ibbsitz wegen zu
bestehen, den Herzog Leopold VI. von Oesterreich, an
dessen Gericht der Abt appellirt hatte, zu Gunsten des
Stiftes entschied.
Nach Conrads Abgange nach Melk erhielt sein Namens-
träger, der Mönch
Conrad II. (1201 — 1203) von Kremsmünster die äbt-
liche Würde. Von ihm, wie seinen Nachfolgern Marquard
(1203—1210), Bitmar I. (1210—1223), Conrad III. (1223
bis 1230) und Otto I. (1230—1238), welch letztere der
Zahl der Capitularen des Stiftes selbst entnommen wurden,
berichten die Hausannalen ausser Schenkungen und Streitig-
keiten mit den umwolmenden Rittern, besonders mit dem
Herrn von Hausek, nichts Besonderes. Als Kaiser Fried-
rich n. im Kampfe mit dem letzten Herzoge aus dem
ritterlichen Stamme der Babenberger, Frie(£ich H. dem
Streitbaren von Oesterreich, im Jahre 1236 Wien be-
setzt hatte, erlangte Abt Otto die Bestätigung aller
Rechte und Privilegien Seitenstettens von diesem that-
kräftigen Herrscher. Auch von den zwei nächsten Aebten
*) Die Auatheilung von Brot und Flei8ch an diesem Tage er-
reichte im 17. Jahrhunderte eine solche Ausdehnimg, dass mehrere
tausend Brote und vierzehn Ochsen kaum hinreichten, diö von allen
Seiten herbeiströmenden Armen zu betheilen.
Ein Benediktinerbueh. 23
— 434 —
Dietrich I. (1238—1247) und Heinrich I. (1247—1250), von
denen der erste im Jahre 1247 nacli Melk, woher er durch
Postulation als Abt nach Seitenstetten gekommen war,,
wieder zurückkehrte, berichten die Jahrbücher des Stifts,
nur Weniges. Mehreres wissen sie von Heinrich I. Nach-
folger
Hermann (1250 — 1261) zu berichten, der aus dem
Stifte St. Lambrecht in Steiermark zur äbtlichen Würde
von Seitenstetten berufen wurde. Wenige Jahre nach
seiaer Ankunft legte eine Feuersbrunst das Stiffcsgebäude
in Asche. Abt Hermann erbaute mit Beihülfe des Erz-
bischofs Philipp yon Salzburg, der gleich dem Diöcesan-
bischofe Otto von Passau die Gläubigen zur werkthätigen
Hülfe ermim-terte, das Stift wieder und erlangte von dem
damaligen Beherrscher Oesterreichs, dem Böhmenkönig
Ottokar H., die Bestätigimg imd Erweiterung der Rechte
seines Hauses. Unter seinem Nachfolger
Rudolf I. (1261—1290), der früher Mönch zu St. Eme-
ran in ßegensburg war, begann jener Streit mit denx
Hochstifte Freising, der Seitenstetten drei der schönsten
Pfarreien: Waidhofen an der Ibbs, Göstling und Höllen-
stein, welche von den Brüdern von Seitenstetten ge-
gründet worden waren, kostete. Dieser mehr als ein
Lustrum (1261 — 1267) währende Streit wurde endlich
durch einen 1267 zu Salzburg mit den Yertretem des.
Bischofs Conrad von Freisiag geschlossenen Vergleich be-
endet, durch welchen der Abt wenigstens einen Theil der
Rechte seines Hauses zurück erhielt. Auch andere Streit-
sachen, wie mit der edlen Matrone Wilwirgis, Wittwe des.
mächtigen Herrn von Dobra , mit Gundacker von Starhem-
berg und andern wurden theüs auf dem Wege des Rechts,,
theüs durch freundschaftlichen Vergleich beigelegt. Durch
muthiges Beharren auf seinem guten Rechte brachte Abt
Rudolf nicht nur manche seinem Hause entzogenen Güter
wieder an dasselbe zurück, sondern gewann sich auch
die Achtung aller Edeldenkenden, ja selbst der Bischof
Conrad von Freising wandte ihm seine Huld zu und ge-
stattete ihm den Bau einep Hauses in Waidhofen an der
Ibbs. Da um diese Zeit auch die Familie des Stifters
ausstarb, so übernahm König Rudolf von Habsburg, einer
in öffentlicher zu Wien gehaltenen Gerichtssitzung der
~ 435 —
Edlen des Landes gefällten Entscheidung gemäss, im
Jahre 1278 die Schutzvogtei des Stiftes als Landesherr
von Oesterreich. Der mächtige Abt starb nach einem
Tielbewegten Leben im Jahre 1290 und hatte zu seinem
Nachfolger den Capitularen von Admont
Conrad IV. (1290—1308), welcher, wie die Haus-
annalen berichten, sich häufig des Rathes seines früheren
Abtes, des vielgeschmähten Abtes Heinrich II. von Admont,
bediente. Er erwarb dem Stifte mehrere Güter, unter
denen die von Hertwich von "Wasen geschenkten die be-
deutenderen waren. Aus seiner Zeit findet sich auch die
erste urkundlich beglaubigte Nachricht von dem Bestehen
einer Klosterschule zu Seitenstetten.
Von seinen beiden nächsten Nachfolgern in der äbt-
lichen Würde OifoJJ. (1308—1313) und Heinrich IL (1313
bis 1318) weiss die Chronik des Hauses ausser der 1313
durch die römische Königin Elisabeth, Wittwe Albrecht I.
von Habsburg, gemachten Stiftung von 30 Fuder Salz nur
Weniges anzufiüiren, desto berühmter war sein dritter
Nachfolger, Abt
GmidaTcer (1318 — 1324), der als Neffe des obener-
wähnten Abtes Heinrich IT. von Admont gleich Conrad
in diesem Stifte die feierlichen Gelübde abgelegt und seit
1316 die äbtliche Würde von Mondsee inne hatte. Von
dort berief ihn die Wahl der Brüder von Seitenstetten an
die Stelle des 1317 resignirten Abtes Heinrich H. Gimdaker
folgte diesem ehrenvollen Rufe und hob , obwohl ihm die
Vorsehung nur wenige Jahre in seiner Amtsthätigkeit
schenkte, das Stift sowohl in materieller wie geistiger
Hinsicht in bedeutendster Weise. Durch weise Sparsam-
keit ordnete er die etwas zerrütteten Finanzen, beförderte
die literarische Thätigkeit seiner Brüder und ging ihnen
selbst darin mit glänzendem Beispiele voraus. Noch be-
sitzt das Stift einen von seiner Hand angelegten Codex,
der die älteste Geschichte des Stiftes und seiner Aebte
enthält und als ein kostbares Dokument der wissenschaft-
lichen Thätigkeit des Abtes heute von den Historikern
sehr hoch gehalten vnrd. Er schloss auch die ersten ur-
kundlich nachweisbaren Gebets -Conföderationen mit den
£löstem Gleink, Kremsmünster und den Schotten in Wien.
Abt Gundaker erfreute sich auch des Wohlwollens seines
— 436 —
Landesftirsten, des unglücMiclien, römisclien Königs Fried-
ricli des Schönen von Oesterreicli, im holien Maasse. Dieser
machte nicht nur dem Stifte eine bedeutende Schenkung,
sondern erhob auch Gundaker: „ob sinceram dilectionem
et fidei puritatem in sanctum romanum imperium et ob
laudabilem virtutum famam" zu seinem Hofkaplan und
vertrauten Freunde. Der verdienstvolle Abt starb im
Jahre 1324 und hatte
Ottökar (1324 — 1328) zu seinem Nachfolger. Derselbe
entstammte gleich seinem Nachfolger Dietrich II. (1329
bis 1337) einem adeligen Geschlechte Oesterreichs. Da-
mals näinlich bestand, -wie in den meisten Stiften Oester-
reichs so nicht minder in Seitenstetten, das Capitel zumeist
aus nachgebomen Söhnen edler Familien, was dem Hause
nicht selten zum Nachtheile gereichte.
Von dem Wirken der nachfolgenden Aebte Dietmar II.
(1337 — 1348), der seine Gelübde zu KJremsmünster abge-
legt hatte, JElfrid (1348—1349), der den äbtüchen Erumm-
stab nur ein Jahr lang fährte, Rudolf II. (1349 — 1354)
tmd Engelschalk (1354 — 1385), der die im Jahre 1379 durch
Feuer zerstörten Stiflsgebäude sowie die Kirche neuerdings
aufzubauen begann, ist uhs ausser Besitzveränderungen
nur Weniges überliefert worden. Dem Abte Engelschalk,
dessen heüigmässigen Wandels die Hauschronik besonders
gedenkt, folgte in dieser Würde
Laurenz (1385 — 1419). Obwohl ein Profess des Stiftes,
war er doch nicht durch freie Wahl seiner Brüder zum
Exummstabe gelangt, sondern vom Herzoge Albrecht HI.
von Oesterreich denselben aufgedrängt worden. Laurenz
entstammte dem ritterlichen Geschlechte der Herren von
Alindorf imd Meilersdorf, das in nächster Nähe des Stiftes
seihen Stammsitz hatte. Laurenz vermehrte zwar das Be-
sitzthum des Stiftes und erhielt die Bestätigung aller
Rechte und Güter vom Pabste Bonifaz IX. (1403), aber
die Klosterdisciplin erlitt durch die Verhinderung des
Wahlrechts sowie in Folge der unruhigen Zeiten einen
schweren Schaden, den zu heilen Abt Laurenz nicht der
richtige Mann war. Als deshalb auf Betreiben Herzogs
Albrecht V. von Oesterreich Pabst Martin V. im Jahre 1418
eine Commission ernannte, bestehend aus dem Benediktiner
von Subiaco Nikolaus von Matzen, später Abt von Melk,
— 437 —
dem Abte Angelus des Cistercienserstiftes Rain in Steier-
mark und dem Prior Leonhard des Karthäuserklosters
zu Gaming, und die Commissäre im folgenden Jahre aueli
nacht Seitenstetten zur Eeformirung desselben kamen,
musste Laurenz auf seine Würde yerzichten, welche durch
Wahl der Profess
Stefan (1419 — 1423) von Seitenstetten erhielt, der
jedoch schon nach kurzem Wirken starb und seinen Mit-
bruder Thomas aus dem ritterlichen Geschlechte der
Kersberger (1423 — 1427) zu seinem Nachfolger hatte, der
aber schon 1427 in Folge einer Pest das Zeitliche segnete.
Ihm folgte
Johann I. Irnfried (1427 — 1437). Dieser, ein Capitular
Yon Seitenstetten, erwarb sich vom Concile zu Basel 1435
eine Schutzbulle, um den Uebergriffen des Adels wirksam
begegnen zu können, mit deren Durchführung die Väter
des Concüs die Bischöfe von Passau und Preising, sowie
den Schottenabt von Wien beauftragten. Johann theilte
das Loos des Abtes Laurenz; denn die 1437 neuerdings
zu Seitenstetten vorgenommene Reformation war mit seiner
Amtsführung unzufrieden und nöthigte ihn 1437 abzu-
danken. Durch den Willen des Königs Albrecht U. erhielt
die Abtei Seitenstetten den Prior des Schottenklosters
in Wien
Benedikt I. (1437—1441). Abt Benedikt beth'ätigte
den guten Ruf, der ihm vorausgegangen war. Er hob
das Ansehen des Stiftes, das durch den so schnellen
Wechsel seiner Aebte sowohl in der Disciplin, wie in
seinem materiellen Besitze nicht unbedeutenden Schaden
gelitten hatte, durch hohe Frömmigkeit und weise Spar-
samkeit, legte den langwierigen Streit mit den Herren
von Zinzendorf zu Hausek wegen einigen Lehengütem in
Ibbsitz durch friedlichen Vergleich bei tmd erbaute auf
dem jetzt wegen seiner Wallfahrtskirche weit bekannten
Soimtagberge (bei Waidhofen an der Ibbs) die erste Eirche.
Nach vieijährigem Schaffen und Wirken entriss ihn ein
imvermutheter Tod dem Stifte. Sein segensvolles Andenken
bewahrt sein einfacher Grabstein in der Ritterkapelle des
Stiftes. Ueber die Amtsführung seiner zwei nächsten
Nachfolger Christian Kolb (1438—1465) und Paul I. Pir-
misser (1465 — 1477) ist in den Jahrbüchern des Stiftes
— 438 —
nur Weniges aufgezeichnet. Nach, des Abtes Paul I. Hin-
scheiden traf die Wahl den Pfarrer von Ibbsitz
Kilian JSeumader (1477 — 1501). Derselbe stammte aus
Krems in Niederösterreich und bewies sich als ein vor-
trefflicher Yorsteher. Obwohl die damalige kriegerische
Zeit den Musen nicht hold war, und die Einkünfte des
Stiffcea sehr verringerte, verstand es Abt Kilian doch, unter
seinen Mitbrüdem den Geist der Wissenschaft zu erhalten
und zu fördern. Er bereicherte die Bibliothek mit vielen
Erstlingswerken der Buchdruckerkunst — noch befinden
sich aus jener Zeit bei 150 Bände in der StiftsbibKothek
— baute mehrere Theile des Stiftes um, und liess die
Kirche mit Grlasfenstem schmücken, von denen sich noch
ein prachtvolles Grlasgemälde, den Abt im frommen Gebete
mit seinem Wappen darstellend, erhalten hat. Da damals
die Eisenindustrie in der dem Stifte gehörigen Ortschaft
Ibbsitz einen nicht unbedeutenden Aufschwung nahm, so
erbat er sich vom Kaiser Friedrich m. die Erhebung
dieser Ortschaft sowie des Dorfes Seitenstetten zu Märkten,
welcher Bitte dieser Herrscher auch im Jahre 1480 will-
fahrte. Kurze Zeit später traf das Stift und seine Unter-
thanen schwerer Schaden. Zwischen Kaiser Friedrich IV.
und Mathias Corvinus, König von Ungarn, war ein heftiger
Kampf entbrannt, in welchem die Magyaren Sieger blieben
und Niederösterreich mit Wien in ihre Gewalt brachten.
Da dieselben bis an die Enns streiften und überall
„Huldigung" d. i. Brandschatzung forderten, entging auch
Seitenstetten diesem traurigen Schicksale nicht. Das Stift
selbst wurde geplündert, seiner Schätze und Eeliquien
beraubt und furchtbar verwüstet. Gleichzeitige Aufzeich-
nungen geben den Schaden, den Seitenstetten damals
erlitt, auf 24,000 ungarische Goldgulden an. Erst der
1490 unvermuthet erfolgte Tod des Königs Mathias be-
fireite Seitenstetten wie Niederösterreich überhaupt von
dieser schrecklichen Fremdherrschaft. Abt Kilian benutzte
die Zeit der Ruhe, um die schweren Wunden, aus denen
das Stift blutete, zu heilen. Ihm folgte
Andreas (1501 — 1521), der im Geiste KiKans. fort-
wirkte. Im Jahre 1517 begab er sich nach Eom imd
erwirkte vom Pabste Leo X. nicht nur die Incorporirung
der dem Stifte gehörigen Pfarreien Asbach, Wolfsbach,
— 439 —
Alhartaberg, Ibbsitz, St. Georg, Biberbach, St. Michael
und Seitenstetten, sondern auch das Recht, sich der
Pontificalien — Iiifel und Ring- — bedienen und die in
seiner Kirche nöthigen liturgischen Gewänder und Geräth-
achäften selbst weihen zu dürfen.
Wie Andreas'- Vorgänger Eüian, so musste auch sein
Nachfolger
Heinrich Sues (1521 — 1532) die Wuth feindlicher
Horden erfahren. Die fanatischen Schaaren der Türken,
von dem Prätendenten Johann Zapolya gegen den recht-
mässigen König Ferdinand I. von Ungarn zu Hülfe gerufen,
■waren unter Führung ihres Sultans Soliman H. 1529 in
Oesterreich eingedrungen und belagerten Wien. Während
das Hauptheer die Stadt enge umschlossen hielt, durch-
streiften fliegende Abtheilungen desselben, Ton dem Volke
„Renner und Brenner" genannt, das Land am rechten
Donauufer und verheerten die Güter des Stiftes besonders
um Tulbing und Lanzendorf. Drei Jahre später (1532)
brachen diese räuberischen Horden, "während Soliman Tor
Güns lagerte, auf wohlbekannten Wegen neuerdings in
Niederösterreich ein und drangen raubend und mordend
bis an die Enns vor. Das Stift selbst blieb zwar von
ihrem schrecklichen Besuche verschont, da es dem An-
führer dieser Horden nicht unbekannt geblieben sein
mochte, dass in demselben eine wohlbewäffiiete Schaar
von Bürgern der Nachbarstadt Steyr bereit stand, sie
gebührend zu empfangen; desto härter aber war das Schick-
sal der Umgebung und IFnterthanen des Klosters. Li dem
benachbarten Biberbach erschlugen sie, wie ein noch vor-
handener Denkstein an der Kirche berichtet, 43 Personen,
zu Ibbsitz legten sie den Markt und 40 Bauernhöfe in
Asche und mordeten theils deren Insassen, theils führten
sie dieselben als Sklaven hinweg. Von der Zerstörung
der Wallfahrtskirche auf dem Sonntagberge wurden sie
durch ein von dem protestantischen Geschichtschreiber
Prevenhuber selbst beglaubigtes Wunder abgehalten. Die-
ser erzählt, dass, als eine Abtheüung in die Nähe des
sogenannten heüigen Brunnens gekommen war, die Pferde
plötzlich einzusinken begannen und nicht weiter gebracht
werden konnten. ErgriSen von panischer Furcht seien
sie dann in aller Eile den Berg abwärts gegen Waidhofen
— 4:40 —
gezogen, wo sie aber von den Bürgern gesehlagen -wiirden.
Zu dem grossen Schaden, den das Stift durch diese Horden
erleiden musste, gesellte sich aber noch ein anderes
schweres Verhängnis, welches dasselbe fast an den Eand
des finanziellen Abgrundes brachte. König Ferdinand
hatte nämlich vom Pabste die Erlaubnis erhalten, zur
Bestreitung der Kosten des Türkenkrieges nicht nur die
sübernen Geräthe der Kirchen, sondern auch den vierten
Theil des Kirchengutes in Oesterreich selbst verwenden
zu können. Abt Heinrich sah sich deshalb genöthigt,
mehrere Güter zu verkaufen und andere zu verpfänden,
xim die ihm auferlegte Steuer entrichten zu können.
Der schwer geprüfte Abt eriag 1532 in Wien einer
pestartigen Krankheit. Ihm folgte
Johann II. Eispain (1532 — 1547), welcher der steigen-
den Notti des Stiftes nicht abhelfen konnte, und, um nur
die täglichen Bedürfnisse decken zu können, zu neuen
Güterverkäufen seine Zuflucht nehmen musste. Obwohl
er persönlich sehr fromm war, drang doch unter ihm die
Lekce Luthers in das Stift und fand leider viele Anhänger.
Dieselben setzten nach seinem Tode die Wahl ihres pro-
testantischen Mitbruders
Johann III. (1547 — 1548) durch, der aber eine so
schlechte Wirthschaft führte, dass er schon nach einem
Jahre der äbtlichen Würde entsagen musste. Unter seinen
Nachfolgern Gregor (1548—1552) und Georg (1552—1565)
gestalteten sich zwar die finanziellen Zustände des Stiftes
wieder etwas besser, allein auch sie waren nicht im Stande,
dem eingedrungenen Protestantismus die Thür zu weisen,
ja unter ihren Nachfolgern Elias (1565 — 1568) undiDomüian
(1568 — 1570) und besonders unter Michael Bruckfelder
(1570 — 1572) wurde die Lehre Luthers unter den wenigen
Capitularen, die noch das Elosterleben fortsetzten, fast
allgemein. Da das Stift hierdurch der gänzlichen Auf-
lösung nahe gekommen war, griffen endlich die Regienmg
und der Diöcesanbischof Urban von Passau in die traurigen
Verhältnisse desselben helfend ein und emaimten den
Profess von Kremsmünster
Christoph Held (1572—1602) zum Abte. Christoph,
ein thatkräftiger Mann und treuer Katholik, stellte vor
allem den katholischen Gottesdienst im Stifte wieder her
— 441 —
und suchte der argen finanziellen Notli nach Kräften ab-
zuhelfen. Das erstere erreichte er zwar, das letztere aber
gelang ihm trotz aller Sorgen und Mühen nur theüweise,
da seine TJnterthanen sich weigerten, ihre Abgaben zu
entrichten. Unter die Bauernschaft Oesterreichs waren
nämlich auch Luthers Lehren gedrungen und hatten, da
deren sociale Yerhältnisse ohnedies sehr missliche waren,
im Laufe des 16. Jahrhunderts einige Male bewaföiete
Erhebungen zur Folge. Die gefährlichste, weil die aus-
gedehnteste, war die in den Jahren 1596 und 1597. Sämmt-
liche Bauern der beiden Eieise ober dem Wienerwald und
ober dem Manhardsberge waren aufgestanden und konnten
nur durch Anwendung von Waffengewalt wieder unter-
worfen werden. Auch die Bauernschaft von Seitenstetten
hatte sich erhoben, aber Abt Christoph trat ihnen so
mannhaft entgegen, dass sie bald, wenige ausgenommen,
zu ihrem Herde wieder zurückkehrten. Wenige Jahre
später starb Christoph und hatte den Melker Capitularen
Bernard Schilling (1602 — 1610) zu seinem Nachfolger.
Dieser Abt, ebenso gelehrt als thätig, brachte die Wirth-
schaft des Stiftes wieder in das Gleichgewicht, glich die
sehr verwirrten Unterthanenverhältnisse zur vollsten Be-
friedigung beider Theile aus und brachte eine feste Ordnung
in die Finanzen des Stiftes. Sein segenreiches Wirken
Tinterbrach der Tod, der ihn im Jahre 1610 ereilte! Ueber
Vorschlag des Klosterrathes ernannte Kaiser Mathias den
Profess von Garsten
Caspar von Plauz (1610 — 1627) zu seinem Nachfolger,
womit auch die Capitularen von Seitenstetten sich ein-
verstanden erklärten. Abt Caspar zählt zu den gelehr-
testen Männern von Seitenstetten. Die Muse, welche ihm
sein schweres Amt übrig liess, verwendete er zu litera-
rischen Arbeiten. Von ihm erschienen eine deutsche
Uebersetzung der Ordensregel sammt einem Commentare,
daim eine Geschichte von der Reise des Abtes von Monte
Serato in Spanien Augustin Buellius, eines Gefährten
Christoph ColumbuSi nach Amerika. Letztere Arbeit, ein
heutzutage sehr seltenes Werk, veröffentlichte er unter
dem Pseudonym Don Honorius Phüoporus. Mit seiner
Gelehrsamkeit verband er auch Kenntnis und Thatkraft
in wirthschaftlichen Dingen. Nicht nur bezahlte er die
— 442 —
noch auf dem Stifte haftenden Schulden, sondern führte
auch mehrere neue Gebäude auf — darunter das Spital
des Marktes — und schaffte för den G-ottesdienst viele
Paramente und Geräthschaften an. Der treffliche Abt
schied im Jahre 1627 aus dem Leben. An seine Stelle
trat durch Postulation der Capitular ron Kremsmünster
Placidus Bernhard (1627 — 1648), ein frommer und
tüchtiger Mann. Unter ihm gerieth das Stift in Folge
des furchtbaren Kiieges, der Deutschlands Fluren durch
dreissig Jahren verheerte und der auch auf die öster-
reichischen Lande nicht ohne bedeutende Rückwirkung
blieb, wieder in missliche Verhältnisse, so dass Abt Pla-
cidus trotz seiner Umsicht und Sparsamkeit sich ge-
nöthigt sah, dasselbe mit neuen Schulden wieder zu be-
lasten, welche in Folge der hohen Anforderungen, die
von allen Seiten an das Stift gestellt wurden, zu einer
bedenklichen Höhe anwuchsen. Aus dieser Noth rettete
es Placidus' Nachfolger
Gabriel Sauer (1648 — 1674), der wieder der Zahl der
Capitularen von Seitenstetten selbst entnommen wurde.
Durch treffliche Veränderungen in der Verwaltung der
Güter sowie durch sorgfältige Benützung aller Ein-
kommensquellen des Stiftes gelang es ihm nicht nur die
Schuldenlast zu tilgen, sondern er sah sich auch in den
Stand gesetzt, das Kloster zu erweitem, die Zahl der
Capitularen zu erhöhen tm.d selbst durch Kauf neue
Güter zu erwerben. Und wie für das materielle Wohl,
so-, sorgte Abt Grabriel nicht minder für das geistige seiner
Brüder. Die jungen Ordenscandidaten wurden an die
Universität des Ordens zu Salzburg gesandt, um dort den
theologischen Studien obzuliegen, im Stifte selbst sorgte
er durch Vermehrung des Bücherschatzes für die Fort-
bildung seiner Capitularen. Das erfolgreiche Wirken de-
Abtes blieb auch am kaiserlichen Hoflager nicht unbes
merkt und wandte dem Abte die Gunst des Kaisers Leo-
pold I. zu. Da in den Gebirgen an der steirischen Grenz-
von Niederösterreich noch viele Protestanten lebtene
welche in heimlicher Weise ihren Gottesdienst abhielten,
setzte die Regierung eine sogenannte Reformations-Com,
mission ein, deren Leitung Kaiser Leopold dem Abte
Gabriel übertrug. Diesem gelang es durch überzeugende
— 443 —
Belehrung und väterliclie Milde, viele Irrgläubigen wieder
zur katholischen Kirche zurückzuführen. Reich an Ver-
diensten starb Abt G-abriel, den die Hausjahrbücher mit
Recht den zweiten Stifter von Seitenstetten nennen, am
13. Februar 1674. Von seinen Nachfolgern Adam Piringer
(1674—1679) und Ambros I. MarhoJt (1679—1687) hatte
der letztere den zweiten Einbruch der Türken in Nieder-
öaterreich mitzumachen. Da wie bei den ersten Ein-
fällen gleichfalls fliegende Abtheilungen das Flachland
am rechten Donauufer mit Mord und Brand überzogen,
so setzte Abt Ambros das Stift in Vertheidigungszustand
und übertrug die Leitung desselben dem Capitular
P. Dominik Jais, während er selbst mit den andern Brüdern
im Gebirge Zuflucht suchte. Das Stift blieb zwar ver-
schont, desto grösseren Schaden hatte es wieder auf
seinen G-ütem Tulbing und Lanzendorf zu erdulden, welchen
der Abt nach Möglichkeit auszubessern sich bemühte. Nach
seinem im Jahre 1687 erfolgten Tode richteten sich die
Blicke der wählenden Stiftscapitularen auf ihren Mitbruder
Benedikt II. Abelzhanser (1687 — 1717), der auch die
auf ihn gefallene Wahl annahm. Benedikt zählt zu den
frömmsten und gelehrtesten Aebten von Seitenstetten und
hatte vor seiner Erhebung theils als Professor der Dog-
matik an der Universität von Salzburg, theils in der Seel-
sorge und in den Offizien des Stiftes mit grosser Hin-
gebung gearbeitet. Abt geworden, richtete er seine vor-
züglichste Sorge darauf, sowohl im Stifte als auch auf
den ihm untergebenen Pfarreien dem Herrn der Heer-
schaaren würdige Tempel herzustellen. Deshalb Hess er
nicht nur die Stiftskirche dem damals herrschenden Style
gemäss, sowie mehrere Gotteshäuser der Stiftspfarreien
restauriren, sondern auch durch den berühmten Bau-
meister Prandauer von St. Polten auf dem Sonntagberge jene
herrliche Eorche erbauen, die heute noch zu den schönsten
des Landes zählt. Bei seinen Capitularen begünstigte er
besonders die literarischen Studien und hatte die Freude,
dass einer derselben, P. Coelestin Pley, als Professor an der
Universität von Salzburg, sowie als Schriftsteller grossen
Ruhm erntete. Abt Benedikt war selbst literarisch thätig
und edirte mehrere, meist ascetische Schriften. Darüber
Hess er auch die Ökonomischen Verhältnisse des Stiftes
— 444 —
niclit aus dem Auge und war nach Kräften bemüht, die
von den Türken angerichteten Schäden auszubessern.
Fromm, wie er gelebt hatte, starb er auch hochbetagt
im Jahre 1717. Sein Nachfolger
Ämdros II. (1717 — 1729), aus dem in der Steiermark
zahlreich vertretenen edlen Geschlechte Prevenhuber stam-
mend, trat ganz in die Fussstapfen seines Vorgängers und
glänzte durch seine Weisheit und Frömmigkeit. Da der
bauliche Zustand mehrerer Theüe des Stiftes ein so
schlechter war, dass der Einstiu-z zu befürchten stand,
so begann er mit Zustimmung seines Capitels und nach
eingeholter Genehmigung der weltlichen wie geistlichen
Behörden ein neues H.ostergebäude aufzuführen. Fördernd
für dieses Unternehmen des Abtes war die Begünstigung,
welche damals Wissenschaft und Ennst am Hofe Kaiser
Karl VI. fanden. Ambros erlebte jedoch nicht mehr die
Vollendung des begonnenen Werkes, da er schon 1729
unvermuthet vom Tode hinweggerafft wurde. Das Inter-
regnum nach Abt Ambros' Hinscheiden dauerte nur kurze
Zeit, denn schon sechs Wochen später erhielt der Pfarrer
von Wolfsbach
Paul von Vitsch (1729 — 1747) aus der benachbarten
Stadt Steyr die Imfel. Obwohl das Stift in Folge des nach
dem Ableben Kaiser Karl VI. ausgebrochenen Successions-
krieges mehrere Male den unwillkommenen Besuch der
in Mederösterreich eingedrungenen Franzosen und Bayern
zu erdulden hatte, wusste Abt Paul doch mit solcher Um-
sicht die Wirthschaft zu führen, dass er nicht nur den
von seinem Vorgänger begonnenen Elosterbau vollenden,
sondern auch noch in Asbach und St. Michael neue Pfarr-
häuser errichten und das Kupferbergwerk in der Radmar
in Steiermark mit dem adeligen Sitze Greifenberg, sowie
die Messingfabrik zu Reichramming in Oberösterreich
erwerben konnte. Dieses sein hervorragendes ökonomisches
Talent blieb auch nicht im Verborgenen; die Stände
Mederösterreichs , zu deren Mitgliedern die Aebte von
Seitenstetten seit den ältesten Zeiten zählten, erkannten
dasselbe gleichfalls und erwählten ihn mehrere Male zu
ihrem Verordneten. Obwohl durch weltliche Sorgen viel-
fach in Anspruch genommen, vergass er doch den Ordens-
mann nicht und hielt strenge auf die Beobachtung der
— 445 —
heiligen Regel. "Voll der Verdienste starb er am 14. März
1747 und hatte seinen Mitbruder
Dominik I. von Gussmann (1747—1777) zu seinem
Nachfolger. Dominik nimmt in der Eeüie der Aebte von
Seitenstetten, die durch Weisheit und Thatkraft glänzten,
einen der hervorragendsten Plätze ein. Mit allem Eifer
pflegte er die Wissenschaft imd wandte namentlich der
BibHothek seine vorzüglichste Sorge zu. Von ihm stammt
auch das schöne NaturaUenkabinet mit seinem reichen
Inhalte. Da die kaiserliche Regierung den Besuch aus-
ländischer Universitäten, zu denen auch die „alma mater
Benedictinorum Salisburgensis" gezählt wurde, verboten
hatte, errichtete Abt Dominik im Stifte selbst eine theo-
logische Lehranstalt, zu deren erstem Leiter er seinen
Capitularen P. Roman Digl, der früher als Professor zu
Salzburg sich durch seine Schriften einen nicht unrühm-
lichen Namen gemacht hatte, bestellte. Und wie die
Wissenschaft, so fand auch die Kunst an ihm einen
Maecenas. Die bekannten und nicht unberühmten Maler:
de la Torre, Le Gran und namentlich der bekannte Kremser
Schmidt schmückten den Speisesaal des Stiftes, den grossen
Bibliothekssaal, das Stiegenhaus und den Marmorsaal der
Prälatur mit herrlichen Preskengemälden. Auch des Hauses
Gottes vergass der fromme Abt nicht; er Hess nicht nur
dasselbe in manchen Theilen restauriren, sondern auch
Altäre durch die Meisterhand Schmidts mit Gemälden ver-
sehen, unter denen das des Hochaltars, die Himmelfahrt
der Gottesmutter darstellend, mit Recht als eines der
vorzüglichsten gilt. Das Kupferbergwerk in der Radmar
lieferte damals ergiebige Ausbeute, und so fand der Abt
trotz der grossen Auslagen für Wissenschaft tmd Kunst
noch die Mittel, die Paramentenkammer mit prachtvollen
liturgischen Gewändern zu vermehren, und das grosse
Oekonomiegebäude des Stiftes neu aufzubauen, die Kirche
auf dem Sonntagberge durch Daniel le Gran mit herrlichen
Fresken und einem prachtvollen Hochaltare aus weissem
Marmor zu schmücken und zu Biberbach und Alharts-
berg neue Pfarrwohnungen zu erbauen. Gleich seinem
Vorgänger, dem Abte Paul, nahm er auch am öffentlichen
Leben den regsten Antheü und bekleidete zu wiederholten
Malen die ehrenvollen Stellen eines Raitherm imd Verord-
— 446 —
neten der Stände von Niederösterreicli. Reich an Verdiensten
starb dieser grosse Abt nach einer segensreichen dreissig-
jährigen Amtsführung am 20. M'ärz 1777. Th-m folgte
Ambros III. Bixner (1777 — 1812). Gleich seinem
Vorgänger Dominik ein eifriger Ordensmann und Freund
der Wissenschaften und Künste, fährte er das Stift glück-
lich durch die Wogen seiner aufgeregten Zeit. Schon in
den letzten Regierungsjahren der grossen Kaiserin Maria
Theresia und mit der Thronbesteigung ihres Sohnes,
Josef n., war die sogenannte französische Aufklärung
auch in Oesterreich eingedrungen und äusserte bald ihre
Wirkungen. Das härteste Greschick traf die Klöster, von
denen die meisten diesen Ideen zum Opfer fielen. Die
Nachbarstifte Garsten und Gleink, Gaming und Säusen-
stein waren gefallen und auch Seitenstetten schien das
gleich traurige Loos bevorzustehen. Zwar wurde es durch
das muthvoUe Auftreten des Abtes Ambros, der die Gunst
des Kaisers im hohen Grade besass, vor dem traurigen
Geschick der Auflösung bewahrt, aber es hatte doch auch
schwere Leiden zu erdulden, die sich noch steigerten, als
in Folge der Kriege Oesterreichs mit Frankreich die
Franzosen auch in Niederösterreich eindrangen. Drei-
mal, in den Jahren 1800, 1805 und 1809 musste das Stift
feindliche Einquartierungen erdulden und sehen, wie fran-
zösische Generäle und Offiziere kostbare Werke aus der
Bibliothek, herrliche Kirchengewänder aus der Paramenten-
kammer imd die besten Pferde als gute Beute auf Nimmer-
wiedersehen mit sich fortnahmen. Dazu kamen noch die
vielen Einquartierungen der feindlichen Truppen und die
starken Contributionen, welche dem Stifte mehr als 30,000 /.
Auslagen verursachten. Trotz der grössten Sparsam-
keit gerieth daher Seitenstetten in ungünstige finanzielle
Verhältnisse, aus denen es sich auch nach dem Jahre 1809
nicht reissen konnte, da die 1811 eingetretene Entwerthung
des Greldes demselben neue Wunden schlug.
Abt Ambros starb hochbetagt im Jahre 1812. Ihm
folgte nach längerem Interregnum der Theologie-Professor
Columban Zehetner (1813 — 1834). Derselbe suchte,
nachdem der Friede in die österreichischen Staaten zurück-
gekehrt war, vor allem der misslichen ökonomischen Lage
seines Stiftes abzuhelfen, was ihm auch theüweise gelang.
— 447 —
Als ecMer Sohn des h. Benedikt erkannte er es als eine
der Hauptaufgaben des Ordens, durch Unterricht und
Jugenderziehung für das Wohl der Menschheit zu wirken.
Deshalb verwandelte er mit kaiserlicher Genehmigung die
seit der ältesten Zeit im Stifte gehaltene Elosterschule
in ein ordentliches Gymnasium, das, nachdem es allen
Bedingungen entsprach, welche der Staat für diese An-
stalten in den Erbländem festgesetzt hatte, 1814 als
öffentliches kaiserlich königliches anerkannt wurde. Mit
dem Gymnasium verband er 1815 eine Erziehimgsanstalt
für die Jugend, die bald eines zahlreichen Zuspruches sich
erfreute.
Abt iColumban starb zu Wien 1834 und hatte den
Capitular-Priester und Pfarrverweser von Oehling
Josef Gündl (1834 — 1851) zu seinem Nachfolger.
Zwei Jahre bekleidete Josef seine Würde, als das Stift
schweres Unglück betraf. Im Markte Seitenstetten brach
am St. Michaelstage des Jahres 1836 Feuer aus, das bald
die weitläufigen Oekonomiegebäude des Stiftes ergriff und
dieselben mit allen Vorräthen gänzlich in Asche legte.
Dieses schwere Unglück, das dem Stifte einen Schaden
von 100,000 /. zufügte, wiederholte sich, vermuthlich
durch eine ruchlose Hand angelegt, acht Jahre später,
1844, neuerdings. Wieder sanken die kaum erstandenen
Gebäude in Asche und mit ihnen ein Grosstheil der
Wirthschaffcsgeräthe. Abt Josef sah sich deshalb genöthigt,
nicht blos mehrere Besitzungen zu veräussem, sondern
auch sein Haus mit Schulden zu belasten. Kaum begann
das Stift aus seiner traurigen Lage sich wieder etwas
emporzurichten, als die Stürme des Jahres 1848 demselben
neue finanzielle Wunden schlugen. Gebeugt durch die
schwere Last des Unglücks und durch körperliche Leiden
gebrochen legte Abt Josef 1851 seine Würde in die Hände
seiner Brüder zurück und bezog eine einfache Priester-
wohnung im Conventtrakte, in welcher er auch drei Jahre
später 1854 starb.
Nach einem mehrmonatlichen Interregnum wurde zu
einer neuen Abt -Wahl geschritten, welche auf den Gym-
nasial-Professor
Ludwig Ströhmer (1852 — 1867) fiel. Die Brüder von
Seitenstetten hatten sich nicht verrechnet, als sie die
— 448 —
Leitung ikres Hauses dem P. Ludwig anvertrauten; der-
selbe entwickelte eine bewunderungswürdige Thätigkeit.
Vor allem ordnete er die misslichen Vermögensverliält-
nisse und stellte, begünstigt durch, fordernde äussere Um-
stände, das Grleichgewiclit in den Einnahmen und Aus-
gaben des Stiftes wieder her. Dann imterzog er das
Stiftsgebäude in allen seinen Theilen der schon dringend
nothwendig gewordenen Restaurirung, renovirte die Kirche,
baute das schöne Portal desselben, das Abt Benedikt un-
vollendet gelassen hatte, aus, und erhöhte den Thurm der
Kirche, der mit Kupfer eingedeckt wurde. Grleiche Sorg-
falt wandte Abt Ludwig der Lehranstalt des Stiftes zu,
welche im Jahre 1850 wegen Mangel an Lehrkräften zu
einem Unter-Grymnasium herabgesunken war. Er sandte
mehrere von den jüngeren Capitularen zur Vorbereitung
auf das Lehramt an die Wiener Universität, vermehrte
die Lehrmittel, namentlich die Bibliothek, schuf das
physikalische Kabinet und schritt, als ihm eine genügende
Anzahl von geprüften Lehrkräften zu Gebot stand, mit
Zustimmung des k. k. Unterrichts-Ministerimns im Jahre
1866 an die Erweiterung des Gymnasiums durch Eröf&iung
der V. Klasse. Die Vollendung dieses seines Unternehmens
sollte er jedoch nicht erleben, denn schon am 27. Novem-
ber des Jahres 1867 entriss der Tod dem Stifte diesen
tüchtigen Abt, der den verdienstvollsten Vorstehern von
Seitenstetten beizuzählen ist. Ihm folgte in der äbtlichen
Würde
Dominik II. Hönigl (1868), der ganz dem schönen
Beispiele seines ausgezeichneten Vorgängers nachzufolgen
sich bemüht. Er vervollständigte das Gymnasium, er-
weiterte, um dem grossen, ehrenden Zudrange soviel als
möglich genügen zu können, die Erziehungsanstalt für
116 Zöglinge, schuf ein eigenes Alumnat für die Sänger-
knaben, bereicherte die Bibliothek und andere wissen-
schaftliche Sammlungen des Stiftes und sorgt eifrigst für
die Ehre Gottes und das Wohl seiner Brüder.
So haben in dem langen Zeitraum von mehr als sieben
Jahrhunderten 57 Aebte einander in der Leitung und
Regierung des Stiftes abgelöst. Wiederholt war dasselbe
durch die wechselvollen Zeitereignisse dem Untergange
nahe gebracht; immer hat es sich wieder erhoben. Mt
— 449 —
seinen bescheidenen Mitteln wirkt und leistet es, getreu
seinen alten Traditionen, aucli jetzt noch, -was ihm über-
haupt möglich ist, für Seelsorge — in 13 Stationen, die
es erhält, — für Jugendunterricht und Wissenschaft. Möge
es unter Gottes Schut2l und Segen fortbestehen und fort-
wirken zum Heile von Tausenden und Tausenden bis an
das Ende der Zeiten!
P. G. Fkiess.
Frauenconvente des Benedikrtinerordeiis
in Oesterreieh existifen in folgenden Orten:*)
Fiume (Diöc. Zengg-Modrus).
Pago (Diöc. Zara).
Zara (gestiftet' 1072).
Lesina (Diöc. Lesina^Bräzza).
Sebenico (gestiftet 1639).
Trau (Diöc. Spalaio-Macarsea; gegründet 1064).
Arbe (Diöc. Teglia).
Lemberg (gegründet 1593).
Pfzemysl (gegründet 1616).
Staniatki (jDiöe. Tamow; gegründet 1216).
Triest.
Cherso (Diöc. Vegüa).
Veglia.
Salzburg, adeliges Stift am Noimberg (gegründet 582).
Sähen (Diöc. "ßient; gegründet 1685).
*) Nach- Josef v. Pilät: „Die katholischen Männer- und Prauen-
Möstei^ der Oesterr.-tJngar. Monarchie." Wien 1875. S. 140. Die zwei
letztgenannten Stifte in Salzburg und Sähen folgen ausführlicher.
Ein Benediktinerhuch. 29
Abtei Nonnberg in Salzburg.*)
|as Benediktiner-Frauenstift Nonnberg, eines der
ältesten Deutsclilanda und wohl das einzige, das
seine Existenz von seiner Gründung an bis auf
unsere Tage aus allen Stürmen der Zeiten rettete,
erbebt sich auf dem südöstlichen Abhänge des Berges, der
die alte Festung Hohensalzburg trägt.
Der h. Rupert, der Apostel von Bayern, ist der Grün-
der Nonnbergs. Als erste Aebtissin setzte er seine Nichte
(Base, neptis) Arintrud (Erentrud, Ehrentrand) ein. Beide
stammten aus fränkischer Königsfamilie ab, deshalb führt
das Stift heute noch die drei fränkischen Lilien im Wappen-
Zweck der Stiftung war derselbe, wie bei allen Frauen-
klöstem, nämlich Unterstützung der Missionäre des Bene-
diktinerordens in ihren apostolischen Arbeiten, durch Gebet,
XJebung der geistlichen und leiblichen Werke der Barm-
herzigkeit an Armen und Exanken, und insbesondere durch
Unterricht, sowohl der Jugend, als der erwachsenen Perso-
nen ihres Geschlechtes.
Die Güter für diese klösterliche Stiftung gaben Herzog
Theodo von Bayern und seine fromme Gemahlin Regin-
trudis, welche gleich der h. Ehrentraud eine fränkische
Prinzessin war. Die fromme Herzogin wird besonders als
Stifterin verehrt, und soll der grösste Theil des ehemaligen
Grund- und Zehentbesitzes um Tittmoning von ihr oder
durch ihre Vermittelung von Theodo an das Stift Nonn-
berg geschenkt worden sein. Als Wittwe zog sie sich
selbst dahin zurück, imd wurde auch dort begraben. Ihren
Sterbetag, deu 26. Mai, beging man im Kloster bis in da&
17. Jahrhundert festlich als „S. Regentraudentag", und.
noch jetzt wird an diesem Tage durch einen feierlichen
Jahrtag ihr Andenken erhalten.
Das Stift Nonnberg ist also eine Agilolfingische Haus-
*) Vgl. P. Franz Esterl, Chronik des adel. Bened.-Frauen-Stiftes
Isonnterg. Salzburg 1841, mit virkTindliohen Beilagen.
— 451 —
Stiftung, und die Namen der ersten 12 Aebtissinnen bis zum
Jahre 780, welche das liber vitae in St. Peter aufbewahrt
hat, lassen mit Grund vermuthen, dass einige derselben
Agilolfingerumen waren.
Nach dieser Zeit, d. i, von 780 bis gegen Ende des
10, Jahrhunderts, also während ca. 220 Jalien kann die
Eeihenfolge. der Aebtissinnen auch nicht mehr annähernd
festgestellt werden, und scheinen sich eben dadurch die
wiederholten Nachrichten von einer Verwüstung Nonnbergs
durch Feuer zu bestätigen. Dass aber das Kloster wäh-
rend dieser Zeit doch fortbestanden und seinem Stiffcnngs-
zwecke gemäss gewirkt habe, beweisen die Namen von
15 Aebtissinnen, welche die ältesten Nekrologien des Dom-
capitels und des Stiftes St. Peter zu Salzburg bewahren,
freilich ohne Angabe, der Zeit ihres Ablebens, — und die
bekannte Thatsache, dass Hildegard, eine Tochter Otwins,
Gaugrafen von Lum xmd Pusterthal, und Imma, Gräfin
von Graisbach und Lechsgmünd, am Nonnberge von der
Aebtissin Ita (f ca. 998) erzogen und unterrichtet wurden.
Erstere wurde um das Jahr 1000 in das von ihrem Vater
gestiftete Kloster St. Georgen am Längsee in Kärnten,
letztere (1035) nach St. Walburg in Eichstädt als erste
Aebtissin berufen. Wenige Jahre später, 1042, führte Erz-
bischof Balduin einige Frauen von Nonnberg in das neu
gestiftete Kloster Gurk in Kärnten und ertheilte selbst
einer derselben, der Frau Ita, als erster Vorsteherin, die
Benediction zur Aebtissin.
Kaiser Heinrich II. wurde, wie die Legende erzählt,
durch Fürbitte der h. Ehrentraud von einer schmerzlichen
Krankheit befreit. In der Folge kam er selbst nach Salz-
burg, um am Grabe der Heiligen seine Andacht zu ver-
richten. Da er Kirche und Kloster baufällig oder, nach
Andern, durch Feuer verwüstet fand, beschloss er aus
Dankbarkeit beide neu herzustellen. Die Kirche wurde
als romanische Säulen-Basilika erbaut und im Jahre 1009
in Gegenwart des h. Kaiserpaares Heinrich und Kunegunde
durch Erzbischof Hartwik eingeweiht. Dem Kloster stand
damals Aebtissin Wiradis I. (998 — 1027) vor. Am 4. Sept.
1023 wurden die Gebeine der h. Ehrentraud erhoben xmd
bei dieser Gelegenheit das Haupt in das Kloster über-
tragen. Im Jahre 1316 liess Aebtissin Margareth von Gebing
29*
— 452 -^
(1307 — 1321) ein. Pöstaanent von vergoldetem Kupfer, und
waihracheinlick auch das silberne Brustbild anfertigen., in
•welchem die Reliqiiien alljährlich bis auf unsere Tage am
30. Juni, am Sterbetag der h. Ehrentraud, und am 4. Sept.,
als am Tage der feierlichen Erhebung und Uebertragung
ihrer Gebeine, in der Kirche ausgesetzt werden. Der h. Leib
■wurde wieder im ursprünglichen Felsengrabe in der Krypta
beigesetzt bis 1624, wo derselbe durch Erzbisehof Paris
(v. Lodron) wieder erhoben, und in einer Marmornische
hinter dem mittleren Gruftaltar der öffentlichen Verehrung
ausgesetzt wurde. Gegenwärtig wird er in einem, silbernen
Schrein im Frauenchore aufbewahrt, aber am 30. Juni und
4. Sept. in die Marmornische in der Gruft übertragen.
Im Jahre 1423 brannten Kirche und Kloster wieder
ab. Letzteres erstand wohl bald wieder,, aber den Neubau
der Kirche begann erst die Aebtissin Agatha v. Haunsberg
(1446—1484) im Jahre 1464, und ihre Nachfolgerin Daria
V. Panichner (1484—1503) vollendete ihn. Von den spä-
teren wichtigeren Ereignissen verdient noch angeführt zu
werden, dass unter der kräftigen Regierung der Aebtissin
Eva Maria Rettinger v. Lerchenberg (1626—1638) Nonn-
berg nach den Forderungen des h. Concils vön Trient re-
formirt wurde, dass im Jahre 1685 das heute noch be-
stehende Frauenkloster Sähen in Tyrol hauptsächlich durch
Mitwirkung der Aebtissin am Nonnberg Johanna Franziska
Freiin v. Rehling (1657—1693) gegründet wurde, und auch
von Nonnberg seine erste Aebtissin erhielt, und dass end-
lich auch noch im Jahre 1706 unter der Aebtissin M,
Magdalena 11. Freiin v. Schneeweiss (1693 — 1715) eine
klösterliche Stiftung zu Stande kam, das Priorat Wald
in der Nähe von Ottobeuren in Schwaben, dessen erste
drei Priorinnen ebenfalls Nonnbergische Conventualinnen
waren.
Ausser der schönen Lage bietet das Aeussere des Klo-
sters nichts Bemerkenswerthes. Ln Innern sind noch manche
Baureste aus der Zeit Kaiser Heinrich n. und vielleicht
aus noch früherer vorhanden. Als eine besonders merk-
würdige Antiquität wird daselbst noch der Faltenstuhl,
mit schöner Elfenbein- Schnitzerei, aufbewahrt, welchen
Aebtissin Gertraud II. v. Stein (1235 — 1252) von Erzbischof
Eberhard IL zum Geschenke erhielt, nebst der Erlaubnis,
— 453 —
sich desselben, sowie des Pastorales zu bedienen. Letz-
teres, auch von Elfenbein, wird ebenfalls bewahrt.
Die romanische Basilika des h. Heinrich wurde nach
dem Brande im Jahre 1423 in eine Kirche in spät-gothi-
Bchem Baustyl verändert, gegen Norden erweitert und
gegen Süden verlängert. In derselben sind besonders die
hintere Chorwand, zwischen dem Frauenchor und derffirche,
wegen ihrer schönen Architektur, und das Fenster irinter
dem Hochaltar mit der prachtvollen Glasmalerei b«ner-
kenswerth. Dasselbe zeigt das Wappen der Salzburgischen
Familie Cianner mit der Jahreszahl 1480. Es wird also
ein Clanner der Donator der Fenster gewesen sein.
In der siebenschiffigen Krypta befindet sieh das Felsen-
grab der h. Ehrentraud unter imd hinter dem mittleren
Altare, ähnlich dem des h. Eupert in St. Peter. Diesem
gegenüber, in einer Entfernung von 5 — 6 Schritten, unter
den ins Presbyterium führenden Stufen, ist das Grab der
seligen Stiffcerin Regintrudis.
im Hintergrunde der Kirche, zwischen der südlichen
Kirchenmauer und dem Glockenthurme, findet man den
Raum mit den merkwürdigen byzanlänischen Wandgemäl-
den, deren Alter von den Ardiäologen sehr verschieden
angegeben wird. Einige glauben ihr Entstehen in das 6.
oder 7., andere in das 8. oder 9., wieder andere gar erst
in das 10. Jahrhundert setzen zu sollen.
M. Mathtt.t>is Bakth.
Das Benediktinerümon-Stift Säben in Tyrol.*)
och auf einem isolirten Bergkegel, der unmittel-
bax über der Stadt Klausen sich erhebt, liegt die
Burg Säben (Sabonia), welche sammt dem. hinzuge-
hörigen Ackerfeld, den Wirthschaftsgebäuden und
demKlosterfriedhofe eineFläche von beiläufig zwei Hektaren
bedeckt. Bereits vor unserer Zeitrechnung scheinen die
Heiden auf diesem Berge ihren Götzen geopfert zu haben,
wie sich aus daselbst aufgefundenen Inschriftensteinen er-
giebt. Um das Jahr 382 n. Chr. G. aber wurde diese
Stätte heidnischer G-ötterverehrung von dem christenfireund-
lichen Kaiser Gratian wahrscheiiüich aufgehoben und der
Kirche zu Aquileja zugeschlagen. Der heilige Kassian
wurde zur Ordnimg dieser Angelegenheit abgeschickt. Er
scheint aber bald von den Ueberresten der Heiden ver-
trieben worden zu sein. Sicher steht, dass Säben zu Ende
des 6. Jahrhunderts eine geistliche Stadt war, in welcher
die Bischöfe Rhätiens II. ihren Sitz aufgeschlagen hatten.
Die auf dem Berge erbaute Burg war zum Schutze der
Bevölkerung sehr geeignet in jenen schlimmen Tagen, wo
der hereinbrechende Schwärm von wilden Horden das
Thal entlang auf der bedeutendsten Handelsstrasse der
Römer nach Norden das ganze Land unsicher machte.
Um das Jahr 1000 zogen die Bischöfe sich nach Brixen
und vertrauten die Burghut einer sehr ansehnlichen und
wohlhabenden Familie, den Herren von Säben. Da Säben
an der vom Kaiser Claudius gebahnten Strasse (via Claudia)
von Verona nach Augsburg lag, so war für die Burgherren
die erste Aufgabe, die Strasse zu überwachen. In Folge
dessen spielten auch die Herren der Burg Säben eine grosse
Rolle, besonders aber in den langwierigen Kämpfen der
Hohenstaufen und "Weifen. Ausserdem wurden in den Ver-
liessen des Schlosses die Verbrecher gefangen gehalten, die
sich gegen die Person des Bischofs vergangen oder politische
*) Nach dem Tyroler Volksblatt Jahrgang 1879.
— 455 —
Verbrechen verschuldet hatten. Nach dem Aussterben
der Herren von Sähen mit Oswald 1465 kamen die Be-
sitzungön, welche diese als Lehen von Brixen inne hätten,
theils durch Zufall, theils durch Kauf an die Bischöfe
zurück. Im Jahre 1535 wurde das Schloss auf Sähen ein
Raub der Flammen, worauf die Besatzung der Feste nach
Brandzoll verlegt wurde. Die zweckmässige Lage Säbens
2ur Vertheidigung des Landes, die natürlichen Befestigungen
und die geringen Schwierigkeiten, die Strasse zu über-
wachen, sollten aber in den Eriegsjahren des zu Ende
neigenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts dem auf
Sähen gestifteten Kloster viele Leiden bereiten.
Aus den Ruinen der Burg Sähen nämlich ging im
Jahre 1681 das Kloster der Benediktinerinnen daselbst
hervor, dessen Geschichte, wie gering auch ihr Umfang
ist, dennoch sehr viele Momente darbietet, aus denen
man erkennen kann, dass Gottes schützende Hand sorg-
lich über dem Kloster ruht.
Mathias von Jänner, d^r hoch würdige Stifter des
Klosters und Stadtpfarrer von Klausen, stammte aus einer
ehrbaren Bürgerfamilie, deren Name seit 1562 in der
Stadt Klausen vorkam. Sie wurde im Jahre 1665 vom
Kaiser Leopold in den Adelsstand erhoben. Mathias selbst,
1631 zu Klausen geboren, 1655 zum Priester geweiht,
"wurde im Jahre 1670 zum Dekan von Fügen und im Jahre
1677 zum Stadtpfarrer von Klausen ernannt, woselbst er
1691 starb und mitten im Schiffe der von ihm gestifteten
Klosterkirche auf Sähen begraben wurde. Nachdem das
Kloster mit Zustimmung des Fürstbischofs von Brixen er-
baut und unter Vermittlung des Fürsterzbischofs von Salz-
burg von dem Mutterstift auf dem Nonnberg fünf Chorfrauen
nnd Schwestern nach Sähen sich begeben hatten, wurde
am 21. November 1686 das Klostergebäude und das dazu
gestiftete Vermögen unter Beisitz des Stifters, Mathias
von Jänner, und einer zahlreichen Versammlung von Herren
den ßenediktinerinnen vom Weihbischofe Wilhelm v. Vintler
feierlich übergeben, nachdem früher der damalige Fürst-
bischof Johann Graf Khuen die Stiftung bestätigt hatte.
Noch an demselben Tage wurde Maria Agnes Zeiler gemäss
der heiligen Regel von den übrigen vier Klosterfrauen zur
Priorin erwählt. Die Namen derselben waren: M. Thekla
— 456 —
Zßiler, eine Schwester der Priprin, M. G€rtr3,iit Gugler,
M. Ignazia Han uiid. Ottilia Fichtl. Von ibrejn Mntter-
kloster erhielten sie an Ausstattung' pebst anderem Sachen
8000 /. in Gold. Jn der Folge von 13 Jahren zählte 4a&
Stift bereits 11 Chorfrauen, 4 Laienschwestern und 3 Can-
didatinnen. Am Festtage von Peter und Pa^il, d. i. '29, Juni
1699 wurde die Frau Priorin M. Agnes Zßiler in Gegen-
wart der versammelten Klosterfrauen durch den Fürst-
bischof Johann Franz Grafen von Khuen zur Aebtisszn
erhoben und auf Bitten des Klosters am Sonntage vor
Simon und Juda benedicirt, Sie verschied im Alter von
80 Jahren am 2. September 1715. Die Güterund Besitzungen,
welche das Stift nach ihrem Ableben besass, lassen sie
als sehr gute Haushälterin erkennen.
Als Tag der Wahl einer Nachfolgerin bestimmte der
Fürstbischof den 10. October 1715, und es wurde an dem-
selben Tage in seiner Gegenwart Antonia Spergserin ge-
wählt, welche bis zum Jahre 1734 dem Stifte vorstand.
An ihre Stelle w^urde M. Thekla Zeilerin erwählt, welcher
im Jahre 1749 M. Floriana Pezer folgte. Die Verhältnisse,
wie sie uni jene Zeit im Kloster herrschten, schildert Matian
in seiner Geschichte der ganzen österreichischen Kleyisey
mit folgenden wenigen, aber treffenden Worten:
„Uebrigens leben sie ganz ohne Stiftung , wie von
jeher, so auch noch immerfort, blos von den Morgengaben
und Mitgiften oder Aussteuerungen der an- und nach-
gekoinmenen Töchter, mit ziemlich herabgefallenen Zinsen
und Gefällen, unter der bespndern Vorsehung des Aller-
höchsten und den huldreichen Gnaden des allerdurch-
lauchtigsten Erzhauses Oesterreich."
Die Ruhe und der ungestörte Friede, der bis um diese
Zeit im Hause herrschte, wurde gewaltsam ujiterbrochen
durch die Kriegsjahre, iu denen bald österreichische, bald
iranzösische oder bayerische Truppen sich auf Sähen ein-
quartirten. Die damalige Aebtigsin M. Candida Mayrin,
welche zugleich die letzte Aebtissin des Stiftes Sähen war,
musste den grössten Theil des Hauses im Juli 1796 den
österreichischen Soldaten, 172 an der Zahl, überlassen.
Im Febru.ar des nächsten Jahres sollten die Nonnen das
Kloster verlassen. Obgleich aber die Eäumnng nnterblieb,
so hatte das Stift doch durch die Plünderung der Franzosen
— 457 —
im März einen Schaden von 600 /. erlitten. Kaum hatte
das Eloster diese Drangsale überstanden, wurde es von
der bayerischen Regierung im Jahre 1808 aufgehoben aus
dem Grunde, weil die Verpflegung der Klosterfrauen zu
Sähen und der Clarissinnen in Brixen unmöglich wäre.
Da eine Vereinigung beider nicht anging, sollten die zum
Schulunterrichte Fähigen an Klöster abgegeben werden,
welche sich Schulzwecken widmen, die übrigen mit Pension
zu ihren Familien zurückgesendet werden. Man begann
bereits die Klostermobilien zu versteigern. Der Aufstand
der Landleute unterbrach dies und es gelang die meisten
Mobilien zu retten. Die Aebtissin M, Candida enisagte
1809 feierlieh ihrer Würde wegen ihres hohen Alters von
81 Jahren, worauf Juliana Witsch als Vorsteherin gewählt
wurde. Nachdem auf kurze Zeit unter dieser die alte
Ordnung und Zucht zurückgekehrt, brachte der Herbst
von 1809 abermals die Franzosen in das vielgeplagte Sähen.
Die Nonnen mussten in das förstbischöfliche Schloss nach
Velturns übersiedeln, von wo sie erst fünf Jahre nachher
im Jahre 1815 zurückkehren konnten. Die in demselben
Jahre gewählte Vorsteherin M. Mechtild Thaler erwirkte,
dass Se. k. k. Majestät das Fortbestehen des Klosters
auf unbestimmte Zeit bewilligte, mit der Beschränkung
der Aufnahme von Candidatinnen bis auf die Zahl, die
das Kloster selbst ohne Beitrag des Staates erhalten könnte.
Seit jener Zeit hatten die Benediktinerinnen Säbens keine
besonderen Leiden und Tröbsale auszustehen, im Gegen-
theil, der Zustand des Klosters verbesserte sich von Jali zu
Jahr, so dass im Jahre 1876 ausser einer Oberin und
Priorin noch 22 Chorfrauen, 13 Schwestern, 3 Novizinnen
und 3 Candidatinnen im Stifte sich befanden, deren haupt-
sächlichste Beschäftigung neben dem Chorgebete auch der
Unterricht und die Erziehung der weiblichen Jugend bildet.
GOTTHAKD ABIiEIDESGEB.
DentscMand und die Schweiz.
Audechs.
adechs — der heilige Berg — ist siclier eine der
allgemein bekannten Oertlichkeiten von Bayern so-
wohl rüctsichtlich seiner romantischen Lage auf
einem nördlichen Ausläufer des bayerischen Hoch-
gebirges zwischen dem Ammer- und Würmsee, als auch
seiner alten Geschichte und seiner im Mittelalter besonders
berühmten Dynasten, endlich derHeiligthümer willen, welche
diese auf ihrer heimatlichen Burg vereinigt haben. — Der
zugemessene Raum gestattet es nicht, Andechs nach allen
diesen Richtungen hin näher zu beleuchten.*)
Nachdem die Burg im Jahre 1209 infolge der Ermor-
dung des Gegenkaisers Philipp von Schwaben zerstört und
Heinrich, der letzte männliche Sprosse der Grafenfamilie,
im Jahre 1228 an Gift gestorben war, hatte es keineswegs
den Anschein, dass Andechs zu neuer Blüthe sich erheben
werde.
Ein auffallendes Ereignis im Jahre 1387 wurde Anlass
zu seiner Wiedererhebung. — Vitus Arnpech, der älteste
bayerische Geschichtsschreiber, und Aventin erzählen ziem-
lich übereinstimmend dasselbe.
Mit der Abhaltung des Gottesdienstes daselbst waren
von Alters her die Benediktiner des Klosters Ebersberg
betraut. Als der Kaplan Jakob Dachauer in der bei der
Zerstörung stehen gebliebenen Schlosskapelle die h. Messe
feierte, beobachtete er am Fusse des Altares eine Maus,
welche einen Pergamentstreifen, mit denen man h. Reli-
quien zu versehen und zu imterscheiden pflegte, bei einer
*) Ausführlicli handelt darüber: Chronik von Andeclis v. P. Magnus
Sattler O. B., Prior des Klosters. Donauwörth 1877. Druckerei des kath.
ErziehungsTcreins.
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— 459 —
kleinen Oeffhung der Altarstufen hervorbrachte. Dieser
Streifen unterstützte das lebendige Volksbewusstsein von
dem Verborgensein kostbarerer Reliquien, und gab Anlass,
nähere Nachforschungen darüber anzustellen.
Die bayerischen Herzöge Stefan und Friedrich fanden
ea nicht unter ihrer Würde, persönlich Zeugen dieser Nach-
forschungen zu sein.
An der bezeichneten Stelle wurde sofort nachgegraben
und man stiess bald auf eine mit Eisen versicherte Kiste
von Eichenholz, in der sich wirklich die seit der Zer-
störung der Burg Andechs vermissten h. Reliquien vor-
fanden, so namentlich die durch die h. Päbate Gregor den
Grossen und Leo IS. consecrirten h. Hostien in einer Blei-
kapsel, auf deren Aussenseiten ein gleichseitiges Kreuz in
romanischer Form mit folgender Inschrift geprägt ist: Agne
Dei miserere mei, qui crimina tollis. In der Kapsel selbst
waren dieselben zwischen zwei Pergamentsfcücken verwahrt;
auf dem einen derselben liest man: Sacramentum S. Gre-
gorii Papae, Sacramentum Leonis Papae, auf dem andern
stehen christliche Sinnsprüche: Creator coeli, dignare uos
salvare; Alpha et Omega nos adjuva, Pas Christi. — Diese
Kapsel mit ihrem Inhalte, mit verschiedenen Dokumenten,
namentlich dem alten Pergament- Missale (Codex Ande-
censis Nr. 3005 der kgl. Staatsbibliothek in München) und
den merkwürdigsten Reliquien, welche der h. Rasto Graf
von Andechs und Stifter von Grafrath von seiner Pilgerfahrt
ins gelobte Land im Jahre 948 mit nach Hause gebracht
hatte, wurden in das Kleid der h. Elisabeth eingehüllt,
in der erwähnten Kiste verwahrt und bei dem Altar ver-
graben. Nach der Erhebung des h. Schatzes wurde der-
selbe zunächst nach München übertragen und unter dem
Geleite des herzoglichen Hofes in der alten Hofkapelle
St. Jakob am Anger untergebracht. Infolge dessen ent-
faltete sich nicht blos in München, sondern in ganz Bayern,
ja in ganz Deutschland eine eigenthüm liehe religiöse Be-
wegung. Pabst Bonifaz IX. gewährte in Anbetracht der-
selben für München um so bereitwilliger einen Ablass, als
die bayerischen Herzöge ihm seinem Gegenpabste Bene-
dikt XIII. gegenüber treu zur Seite gestanden waren.
Auch viele Bischöfe Hessen nach dem Maasse ihrer bischöf-
lichen Gewalt den Wallfahrern die Gnaden der Ablässe
— 460 —
angedeilien. — Der päbstliche Ablass nahm seinen Anfang
am vierten Sonntage in der Fasten und dauerte bis zum
Feste Petri Eettenfeier. Nacb den Berichten der Haus-
geschichte befand sich derselbe vom Jahre 138,9 bis 1406 in
München.
Inzwischen wurde in Andechs eine neue Eirche ge-
baut und mit der alten Kapelle in Verbindung gebracht.
So sehr indessen das religiöse Leben sich hob, so fehlten
die entsprechenden Anstalten zu dessen Pflege.
Diesem TJebelstande suchte Herzog Ernst dadurch ab-
zuhelfen, dass er an der neuen Kirche mit Zustimmung
des Concils von Basel ein CoUegiatstift für einen Probst
und sechs Chorherren errichtete, Cardinalbischof Peter
von Augsburg bestätigte dessen Stiftung im Jahre 1439.
Johann Ettenhofer war dessen erster Probst. Im Jahre 1452
wurde die benachbarte Pfarrei Pöcking mit demselben ver-
einigt.
Obschon das neue Stift sich der besonderen Huld
weltlicher tmd geistlicher Fürsten erfreute, konnte es doch
zu keinem besonderen Flor kommen, weil regelmässig nur
einer der bepfröndeten Herren anwesend war, indessen die
übrigen anderwärts sich verwenden Hessen und so den
Stiftungszweck vereitelten.
Herzog Albert HI., dem dies nicht weniger als gleich-
giltig war, dachte auf Abhülfe, die er am besten durch
Verwandlung des Chorherrenstiftes in ein Benediktiner-
kloster zu bewerkstelligen hoffte. Mit dem Cardin al-Le-
gaten für Deutschland Nikolaus von Cusa, Fürstbischof
von Brisen, der zu wiederholten Malen nach München und
Begensburg gekommen war, traf er im Jahre 1451 mit
erwünschtem Erfolge die nöthigen Vorkehrungen hierzu.
Nachdem Pabst Nikolaus V. vollständig über diese
Angelegenheit ioformirt worden war, wie er selbst in. einer
diesbezüglichen Bulle vom Jahre 1453 versichert, richtete
er ein apostolisches Breve an den Abt Wilhelm von Bene-
diktbeuren, wodurch er ihm anzeigt, dass er dem Ver-
langen des Herzogs wiUfiihre und deshalb befehle, der
Abt solle als apostolischer Commissär die Wünsche des
Herzogs zur Ausführung bringen.
Herzog Albert vermehrte die ursprüngliche Stiftung
seines Vaters mit bedeutenden Gütern und Privilegien,
— 461 —
besonder3 aucli den Reliquienscliatz. So -war er es, der
zur würdigen Aufbewakrung der heiligen drei Hostien die
prachtvolle gothische Monstranz, 25 Pfand SUber wiegend,
herstellen Hess. Durch ihn kamen femer mit kostbarer
Passung in den Reliquienschatz: ein Arm eines unschul-
digen Eindes, ein grösserer Exeuzpartikel, ein Ereuz mit
Reliquien von den Leidenswerkzeugen des Heilandes, meh-
rere silberne Brustbilder für die Reliquien des h. Apostels
Bamabas, der h. Cordula, aus der Gesellschaft der h. Ur-
sula, und eiae goldene Rose, welche Pabst Nikolaus V.
geweiht und durch Verleihung derselben den Herzog Albert
ausgezeichnet hatte.
Das Kloster wurde von Tegemsee aus bevölkert; die
ersten sieben Religiösen erwählten unter sich vorläufig den
Johannes Senior als Prior ia spicitualibus. Administrator
in temporalibus und später erster Abt war Eberhard Stö'cMi-
lin vonWolfiratshausen; er wurde erwählt am 20. Juli 1458
und starb den 17. März 1462. Ihm folgten:
2. Johann Hausmann von Landsberg, erwählt 3. No-
vember 1462, gestorben 14. October 1475. — Während sei-
ner äbtlichen Amtsführung Hessen sieh Herzog Alberts HI.
Söhne und Nachfolger, Sigismund, Johann Wolfgang imd
Albert, das Gedeihen des neuen Klosters mit allem Eifer
angelegen sein. Im Jahre 1466 erneuerten imd befahlen
sie durch eine eigene Urkunde die schon längst zum
Besten der Kirche angeordnete Kornsammlung und jähr-
liche Opfergabe in den Gemeinden des Lechrains und ia
den Pfleggerichten von Pähl und Wolfratshausen. Ausser-
dem wurde das Stammvermögen durch viele Jahrtags-
stiftungen bedeutend vermehrt. Nicht blos Bischöfe und
Fürsten, sondern selbst der Pabst und Kaiser förderten
durch besondere Gunsterweisungen das Gedeihen der neuen
Stiftung;
3; Andreas Oeiiil von Tölz wurde am 30. Oct. 1475
zum Abte gewählt. Er liess besonders die Yermehnmg
des MösterHchen Grundbesitzes sich angelegen sein. Sein
Mitbruder Johannes von Isny, der als der erste in der
neugegründeten Stiftung im Jahre 1460 Profess abgelegt
hatte, wurde im Jahre 1486 als Abt nach Wessobrunn
postulirt. — Bei den damaligen Kriegsunruhen fand der
Abt auf der Flucht in Weü, der Stadt in Würtemberg,
— 462 —
am 8. September 1492 seinen Tod und seine letzte Rulie-
stätte.
4. Johann von Schrattenljach bei Dietmannsried -vrorde
am 30. October desselben Jahres als sein Nachfolger ge-
■wählt. Mit seinem Bruder Michael hatte er am 8. Sept.
1471 in Andechs Profess abgelegt. Unter seiner Regie-
rung schenkte Beatrix, "Wittwe des Pflegrichters Thomas
Pipperlin von Stamberg, das in ihren Besitz gekommene
Gruffchaus sammt Kirche — ehemalige Synagoge — in Mün-
chen an das Eloster, welches nac!^als bis zur Säculari-
sation eine sehr beliebte Wallfahrtsstätte wurde. Abt Jo-
haimes legte einen zweiten Band zur Aufzeichnung der
wunderbaren Gebetserhörungen an, veranstaltete die Aus-
gabe einer gedruckten Chronik von Andechs noch vor
1600 n. Chr. imd verewigte durch die Erbauung der Lieb-
ftauen- oder früheren St. Martinskirche in Erling und der
St. Michaelskirche in Widderberg sein Andenken. Er starb
am 1. Juni 1521 — 70 Jahre alt. Es folgte ilmi:
5. Christoph Biedter von Bocksberg. Von da an bis
zum Jahre 1590 war eine traurige Periode für das Kloster.
Es entwickelte sich die Reformation, die ihre Schlagschat-
ten auch in das Kloster Andechs warf. Die ökonomischen
Verhältnisse geriethen in Unordnung; es folgten sich in
kurzer Frist mehrere theils kranke, theüs hochbetagte
Aebte in entsprechendem Wechsel mit Administratoren,
welche die weltliche Regierimg dem Kloster vorsetzen zu
müssen glaubte.
Im Jahre 1572 wurde P. Joachim Kircher von Zwie-
falten als 11. Abt nach Andechs postulirfc.
Um diese Zeit tauchten Zweifel auf, ob die h. Hostien
wegen ihres hohen Alters und der erlittenen Einflüsse noch
als consecrirt zu betrachten und als solche anzubeten seien.
Die Frage ward von der auf Betrieb des Herzogs Wilhelm
a. 1583 zusammengetretenen und von dem Weihbischof Fe-
lician von Salzbm-g geleiteten Untersuchungs-Commission
einstimmig bejaht, jedoch geboten, die h. Hostien in der
Folge in eine Kapsel einzuschliessen und diese nicht leicht
mehi zu eröffiien.
Nach achtzehnjähriger Amtsführung sah sich der Her-
zog in seinen Erwartungen, die er auf Abt Joachim ge-
setzt hatte, nicht befriedigt; er musste wie seine unmittel-
— 463 —
TDaren Vorgäoiger die äbtliche Würde niederlegen und
in sein Mutterkloster zurückkehren.
Man -war wiederum zur Berufung eines Obern aus
einem fremden Hause Teranlasst. Der Herzog "Wilhelm
liess durch Bischof Marquard von Augsbiurg den P. David
Aichler von Ottobeuren als 12. Abt im Jahre 1588 postu-
liren. Yon da an erlangten die Verhältnisse des Klosters
ein festere Gestalt. Das Vermögen und der Grundbesitz des
Klosters erhielten einen bedeutenden Zuwachs durch ver-
schiedene Gutsankäufe und die Ueberweisung der ehe-
maligen Probstei Parin, zwischen Landshut und Regens-
burg, wodurch mau die Benediktiner für die Ueberweisung
der Abtei Ebersberg an die Jesuiten zu beschwichtigen
suchte. Der Abt starb, erst 51 Jahre alt, am 25. Februar
1596. Seiu Bild trägt das Gepräge einer tiefgegründeten
Prömmigkeit.
Als 13. Abt wurde Alexander Sauter, gleichfalls aus
dem Kloster Ottobeuren, am 15. Mai 1596 auf Zudringen
des Herzogs ohne Rücksicht auf die Wünsche des Con-
ventes, aus seiner Mitte einen Abt wählen zu dürfen, po-
stulirt. Während seiner Regierungsperiode überliess Herzog
Wilhelm testamentarisch die Hofmarken Stögen, Mühlfeld
und Pflugdorf, welche er sich bei seiner Resignation vor-
behalten hatte, dem Kloster Andechs. — Als Abt Alexander
im Jahre 1600 einstimmig zum Abte von Ottobeuren ge-
wählt worden war, durften die Benediktiner von Andechs
nach langer Zeit zum ersten Male wieder einen Abt aus
ihrer Mitte wählen. Die Wahl fiel auf
14. Johann Ghrysostomus Huttier von Mindelheim,.
einen vollendeten Religiösen, obwohl er erst 25 Lebens-
und 9 Professjahre zählte. — Bei einer Festlichkeit zum
h. Kreuz in Augsburg im Jahre 1604 ergriff ihn eine Krank-
heit, die seinen Tod zur Folge hatte, obwohl er erst 3 5 Jahre
zählte.
Ihm folgte als 15. Abt Michael Einslin von Kempten,,
der sich mit seinen Mitbrüdem besondere Verdienste um
die Zurückführung der Oberpfalz zur katholischen Kirche,
um die Förderung des Studienwesens an der Universität
Salzburg und um die Pflege der Studien erworben hat.
Der h. Berg gelangte zu einer vorher nie gekannten Be-
rühmtheit und wurde das Reiseziel von Gelehrten und Un-
— 464 —
gelehrten. Im ersten ViertheE des 17. Jalirhuiiderts fanden
sicli jährlicli melir als 100,000 Wallfahrer in Andechs ein.
Anna, die Gemahlin des Kaisers Matthias, war zwedmal
persönlich auf dem h. Berge. Die Herzoge Wilhelm der
Fromme und Maximilian kamen fast alle Jakte, imd zu
wiederholten Malen, imd konnten Stunden lang vor den
Heüigthümem ihrer Andacht obliegen. Abt Michael hatte
die Ehre, im Jahre 1624 den polnischen Köüigssobn
Wladislaus als Pilger in Andechs zu begrüssenj ailch
melurte er den heiligen Schatz mit den Leibern des
h. Märtyrers Fortunatus (Geschenk des edlen Sebastian
von Füll), der h. Jungfrau und Martyrin Serena (veröhrt
durch Frau Anna von Füll) und des Pabstes Gajüs (über-
sendet durch den edlen Georg von Füll aus München).
Um die Anbetung des wunderbaren Sakramentes zu heben
und zu steigern, errichtete er mit Gutheissung des Päbstes
TJrban VIll. die Bruderschaft von den heiligen drei Hostien
im Jahre 1630. Er stand dem Kloster 30 Jahre rühmlich
vor und starb, 60 Jahre alt, im Jahre 1640.
Ztmi Nachfolger als 16. Abt wurde am 28. September
1640 Maurus Friesenegger von Baierdiessen erwählt. Die
meiste Zeit seines Lebens verwendete er, abgesehen von
der Erfüllung seiner Pflichten als Religiöse, zum Studium
und zu schnffesteUerischen Arbeiten; sein. Tagebuch über
die Periode des 30jährigen Krieges, vom Jahr 1627 an-
gefangen, hat jetzt noch einen mehr als historischen
Werth. Von seiaer Bussstrenge gab ein grobes härenes
Busskleid Zeugnis, welches er beständig trug, und welches
man bei seinem Tode am 11. Mai 1655 fand.
Zur Zeit des unseligen Schwedenkrieges liess Kurfürst
Max das Heiligthum nach Salzburg bringen und auf eigene
Kosten zurückführen. Damals geschah es, dass man das
Marienbild des unteren Choraltares, das sich schon lange
einer besonderen Verehrung der Pilger erfreute, in einer
Höhle des Klostergartens verbarg, um es der Wuth der
Schweden zu entziehen. Ein Knecht entdeckte aber aus
Furcht diesen Ort den Soldaten. Sie begannen das Bild
auszugraben, wurden indess während ihrer Arbeit plötzlich
von Schrecken so ergriffen, dass sie unverrichteter Dinge
sich entfernten.
Eine bei dieser Gelegenheit 1632 vorgefallene Begeben-
-- 465 —
heit, welche Maurus Friesenegger in seinem Tagebucli des
dreissigjährigen Krieges umständlich und authentisch be-
richtet, gab Anlass, dass die Gläubigen anfingen, auch zum
Muttergottesbilde des oberen Choraltares eine vorzügliche
Andacht zu bethätigen. Nachdem man nämlich das untere
Marienbild im Garten vergraben, hatte man das obere
Bild an die leere Stelle auf dem unteren Altare gesetzt.
An dieses legten die Schweden Stricke an, um es loszu-
reissen; jedoch vergeblich, es blieb unbeweglich, wie die
schwerste Last, obwohl viele und starke Männer an den
Stricken zogen.
Den Vorfall erzählten schwedische Soldaten zu Rosen-,
heim und anderwärts mit dem Beifügen, dass einer der
thätigsten Mithelfer unfern des heiligen Berges einen
traurigen Tod gefunden, und ein anderer hierdurch ge-
schreckt zum katholischen Glauben zurückgekehrt sei.
Bei dieser Statue ist die heüige Jungfrau mit ausgestreckten
Händen, die Botschaft des Engels anhörend, dargestellt.
Dem Abt Maurus folgte als 17. Abt Colestin Frohst
von Landsberg, der sich gleich seinen Vorgängern die
Pflege der Wissenschaften angelegen sein liess ; nach zehn
Jahren resignirte er auf die Abtei und starb bald darnach.
Der gelehrte Abt Maurus II. Barribeck (1666—1686)
musste das Kloster sammt der Kloster- und "Wallfahrts-
kirche, welche vom Blitze getroffen wurde, am 3. Mai 1669
in Flammen aufgehen sehen, wobei jedoch die Kapelle,
welche die Heiligthümer bewahrte, auf eine ausserordentliche
Weise unversehrt blieb, indem sich die Wuth des Feuers
plötzlich an einem Querbalken brach, durch den die
heilige Kapelle mit der Kirche in baulicher Verbindung
stand.
Der Eeliquiem-eichthum ward 1667 vermehrt durch die
Gebeine der heiligen Jungfrau und Martyrin Paulina;
Kurfürst Ferdinand Maria schenkte 1679 einen Ornat, den
kostbarsten unter allen, kam öfter auf den heiligen Berg
und liess zu grösserer Versicherung das Gitter in der
heiligen Kapelle machen. Nicht lange nachher, im Jahre
1690, trug sich folgende Thatsache zu. Eine Schwester
des Michael Nöff von Walda bei Pöttmes hatte schon
zwei Jahre den Verlust der Sprache zu beweinen und war
ohne Hoffnung einer Heilung. Dem Bruder war es, als
Ein Benediktiner'buch. 30
— 466 —
ob er im Schlafe bewogen würde, die Schwester auf den
heiligen Berg zu verloben. Er versprach eine Pügerfahrfe
nach Andechs und eine heilige Messe; Tags darauf redete
die Schwester ohne Anstoss und Beschwerde. Beide Ge-
schwister erschienen am 2. Mai 1690 auf dem heiligen
Berge, um Gott ihren Dank für die empfangene Gnade
abzustatten.
Auch an der Begründung der bayerischen Benediktiaer-
Congregation nahm Abt Maurus hervorragenden Antheil.
Er starb im Grufthause zu München am 2, November
1685 und fand vor der St. Josefskapelle seine letzte Ruhe-
stätte.
Quirin Wessenauer von Salzbm-g folgte ihm als 19.
Abt; er starb gleichfalls im Grufthause zu München, wo-
hin er sich in den Kriegswirren des Jahres 1704 begeben
hatte.
Kurfürst Max Emanuel erwies sich als Wohlthäter
der Andecensischen Heiligthümer und verschaffte eine
silberne Ampel in die heilige Kapelle, sammt ewiger Unter-
haltung des Lichtes vor dem wunderbaren Sakrament.
Kaiser Leopold verlieh für Andechs einen Sicherheitsbrief
während des spanischen Erbfolgekrieges ; infolge dessen
blieb der heilige Berg ganz unversehrt; aus Dankbarkeit
hielt ^s Kloster jährlich am 5. Mai ein feierliches Requiem
für das österreichische Kaiserhaus;
Als 20. Abt wurde Maurus III. Braun von München
einstimmig gewählt. Er stand der Abtei bis zu seinem
Tode im Jahre 1746 vor. Yiele umfangreiche Neubauten
und Reparaturen der zum Kloster gehörigen Kirchen und
Oekonomiegebäude sind sein Verdienst. Ihm war es ge-
gönnt, das Jubiläum seiner Profess und seiner Priester-
weihe feierlich zu begehen.
Der 21. Abt, Bernhard ScIiütSYonWessdhxumi, machte
sich bekarmt als Restaurator der Kirche in dem reichen
Rococo-Style , in welchem sich dieselbe jetzt noch- dem
Auge des Beschauers darstellt. Zm- Vornahme dieser
Restam-ation veranlasste ihn die Jubiläumsfeier des
300jährigen Bestandes seiner Abtei im Jahre 1754. — Er
endete seiae Laufbahn am 28. Mai 1759.
Ihm folgte als 22. Abt Meinrad Mosmüller von Issing,
der gleich seinem Vorfahren Maurus IE. vorher Novizen-
— 467 —
meister im gemeinscliaffelicheii Noviziate der bayerischen
Congregation war. Er führte den abteilichen Hirtenstab
bis zum Jahre 1767. Das Apothekergebäude — nun Pfarr-
hof — mit darunter befindlichem KeUer wurde von ihm
erbaut.
Der 23. Abt war Josef Hörl Ton dem benachbarten
Hanfeld. Seine Amtsführung fiel in die traurige Zeit der
Hungersnoth; bei seinem nur zu frühen Hintritte zeigte
sich, dass er sehr haushälterisch mit den Gütern des
Klosters umgegangen war, und den ökonomischen Stand
desselben bedeutend gehoben hatte. — An seiner Statt
ivurde am 6. August aJs
24. Abt Johann Baptist Bergmann von Regensburg
gewählt. Mit seinem Freunde und Mitbruder P. Placidus
Scharl Ton Seefeld erwarb er sich besondere Verdienste um
die Ausstattung und Vermehrung des Archivs, der Biblio-
thek, eines physikalischen und Naturalien -Kabinets und
überhaupt aller Mittel, die zur Förderung wissenschaft-
lichen Strebens dienen konnten. Er starb am 30. No-
vember 1790.
Ihm folgte als 25. und letzter in der Reihe der Aebte
Gregorius Manch, der älteste von sechs Lehrerssöhnen in
Erling, die sich alle in den benachbarten Benediktiner-
klöstem dem Ordensstande gewidmet hatten: seine Wahl
erfolgte am 3. Januar 1791.
Die Zeitverhältnisse waren nichts weniger als för-
derlich für die klösterliche Entwicklung. Die Ejriegs-
verhältnisse erheischten imerschwingliche Opfer von den
Klöstern bis zur gänzlichen Aufhebung derselben im
Jahre 1803.
Nachdem bedeutungsvoll der bürgerliche Tod aller
bayerischen Klöster für den 1. Aprü 1803 festgesetzt und
am nämlichen Tage eingetreten war, stiess man die Mönche
in Andechs gleich den übrigen, nachdem man sie ihrer
Heimat verlustig gemacht, in die offene See der Welt
hinaus, unbeküimnert um die Heüigthümer, um die Wall-
fahrt, um die Bedürfiiisse und Wünsche des gläubigen
Volkes. In verschiedenen Abtheilungen dmrchzogen und
durchkreuzten sich auf allen Heerstarassen die zur Ab-
räumung beauftragten Commissäre, welche die Klöster^
rastlos geschäftig zu durchmustern und ins Fachwerk der
30*
— 468 —
neuen Staatsorganisation eiozuricliten hatten. Sie kamen
aucli nach Andechs, um ihr Handwerk zu üben.
Mit Anfang des Sommers 1803 -wurden alle silbernen
und goldenen Gefässe der heiligen Eeliquien sammt den
Reliquien selbst, mit Ausnahme von einigen in der heüigen
Kapelle aufbewahrten, abgeholt, ia die nämliche Truhe,
in welcher sie schon im 17. Jahrhunderte zur Zeit des
Schwedenkrieges mehrmals waren geMchtet worden, ge-
packt und nach München ins Münzamt abgeführt. Dabei
verfuhr man abe;r so ungeziemend, dass man sich die ver-
übten Greuel nicht erzählen lassen kann, ohne von Weh-
muth im.d TJnmuth bewegt zu werden. Ein Augenzeuge
vergoss einmal bittere Tluränen, als er uns dieses traurige
Loos der Heiligthümer auseinandersetzte. Trat man ja
die heiligen Schätze, zu deren Aufnahme die Kisten zu
Mein waren, sogar mit Füssen, um sie einzustampfen und
einzupressen, und als man sie zu München ihres greif-
baren Werthes beraubt hatte, warf man sie sorglos umher,
bis sich der ehemaligte Abt bewogen fand, um Rückgabe
dieser Kleinodien zu bitten, die man ihm nicht verweigerte,
wenngleich dem beauftragten Empfänger auf seine Frage,
wo die Heiligthümer sich befänden, mit Kälte begegnet
wurde. Die meisten dieser Reliquien waren glücldicher-
weise noch mit der nothwendigen Aufschrift und Bezeich-
nung versehen. Mehrere heilige Gebeine waren auch da-
durch gerettet und in Andechs zurückbehalten worden,
dass ihre Ostensorien oder Rahmen als werthlos betrachtet
wurden, oder dass die Conventualen des Klosters mit Eia-
willigung des Commissärs beim eilfertigen Einpacken die
Gläser an den Reliquiengefässen zerbrachen und die theuren
Ueberreste herausnahmen, das leere Gefäss dagegen ia die
Hände des Commissärs übergaben. Hierunter befanden
sich die Zweige der Domenkrone Christi, zwei Kreuz-
partikel, ein Stück vom Lendentuch des Herrn u. a. So
hatte Gottes "Vorsehung neuerdings dafür gesorgt, dass
wenigstens nicht der ganze heilige Schatz und besonders
nicht die grösseren und ausgezeichneteren Reliquien zu
Grunde gingen, obschon leider bei der im Jahre 1847 vor-
genommenen Reinigung oder Ordnung der Heiligthümer
sich herausstellte, dass von den kleineren Reliquien fast
zwei Dritttheile des früheren Besitzes theils durch Unbilde
— 469 —
der Zeit tincl der Mensclien, theils auch, durch, spätere
Schenkungen an andere Kirchen in Verlust gegangen
waren.
Nachdem im Jahre 1806 die Klosterkirche zur Pfarr-
kirche umgeschaffen worden und der bisherige Gustos der
heiligen Eeliquien P. Veremund Dold Andechs verlassen
hatte, sammelte P. Coelestin Ostermann die vorgefundenen
kleineren Reliquien in ein Kästchen und verwahrte sie an-
ständig, his sie in späteren Zeiten allmählich wieder,
wenn auch nicht in Gold und Silber, so doch in Holz und
andere Stoffe gefasst und öffentlich ausgesetzt wurden.
Im Jahre 1810 erschien noch einmal ein Special-
klostercommissär in Andechs, um zwei silberne Flügel des
Baldachins und andere Silberzier, womit einige ßeliquien-
gefässe noch versehen waren, abzuholen. Diese letzte Aus-
beute betrug 25 Pfund guten Silbers.
Dass nach den erzählten Vorgängen und bei den seit
dem Beginn des 19. Jahrhunderts bestehenden Verhält-
nissen die Andacht auf dem beiligen Berge bedeutend ab-
nehmen musste, ist an sich klar. Für Priester und Beicht-
väter war theils mit, theils ohne Verschulden nicht gesorgt,
Jahre lang war Andechs oft ohne Wallfahrtsseelsorger und
selten konnte ein Mann bewogen werden, daselbst dem.
Seelenheile der Wallfahrer zu obliegen; die öffentliche
Vorzeigung der Heiligthümer hatte aufgehört, Bitt- und
Wallfahrtszüge waren verpönt, den Aeusserungen der An-
dacht des katholischen Volkes waren von weltlicber Seite
eine Menge Hindemisse gelegt, grossartige Kirchenfeier-
lichkeiten, wie sie ehedem häufig stattfanden, waren ver-
schwunden. Alles dieses gab Anlass, dass vorzugsweise
nur mehr die lebenslustige Welt den heiligen Berg be-
stieg, um Naturschönheiten zu gemessen oder irdiscbes
Interesse zu verfolgen.
JRüeJcgabe der Sorge für die HeiUgtJiümer an die JBe-
nedihtiner. Zu den der katholischen Kirche erwiesenen
Wohlthaten fügte König Ludwig I. auch die hinzu, dass
er im Jahre 1846 das feilgebotene Klostergut und Kloster-
gebäude in Andechs um 65,000 /. käuflich an sich brachte,
um es sammt Pfarrei und Wallfahrt durch Vereinigung
mit dem zu errichtenden grossartigen Benediktinerstifte
St. Bonifaz in München der ursprünglichen Bestimmimg
— 470 —
zurückzugeben. Dadurcli gedachte der hoclilierzige Re-
staurator bayerischer Klöster das geliebte Schoosskind seiner
Ahnen, das alte Andechs, sich aufs Neue pflichtig zu
machen. Seinem Wunsche zufolge wurde sogleich ein
Benediktiner des Klosters Metten mit der provisorischen
Verwaltung des Klostergutes, der Pfarrei und Wallfahrt
betraut.
Mit der EröfEnung des Benediktinerstiffces St. Bonifaz
im Jahre 1850 ging dasselbe dem Willen des kgl. Stifters
gemäss als Dotation an dieses über.
Ausser der Seelsorge in Erling und den Geschäften
an der Wallfahrtskirche besorgen gegenwärtig 2—3 Patres
mit mehreren Laienbrüdem die Erziehung von 50 — 80 ver-
wahrlosten Knaben an der durch den hochwürdigsten Herrn
Abt Bonifaz dahier eröffiieten St. Nikolaus-Anstalt.
Im Jahre 1858 wurde die 400jährige Säcularfeier der
Uebergabe des h. Berges an den Benediktinerorden durch
eine Mission zwar nicht so grossartig, wie es bei der Feier
des dritten Säculums der FaU, aber gewiss mit eben solchem
Dankgefühle begangen: eine zahllose Menschenmenge von
nah und fem strömte ihr zu, um mit den Religiösen
Gott zu danken, dass er die Arche in den religiösen
Stürmen der letzten 50 Jahre vor dem gänzlichen IFnter-
gange bewahrt, und daselbst aufs neue wieder eine Trost-
und Zufluchtsstätte für Hülfsbedürflige jeder Art eröffnet
habe.
Seit dem Jahre 1850 steht also das ehemalige Kloster
Andechs unter der Leitung der Abtei St. Bonifaz in Mün-
chen. Erster Abt, von dem königlichen Stifter ernannt,
was Herr Paulus JBirJcer von Sonthofen, der schon nach
vier Jahren seine Stelle resignirte. Als sein Nachfolger
wurde vom Convente den 4. October 1854 erwählt Herr
Daniel Bonifaz von Raneberg, geb. auf dem Einödhofe
zur Tanne bei Kempten den 17. Juni 1816, Profess den
29. December 1851. Im Sommer 1872 ernannte ihn Se.
Majestät König Ludwig H. zum Bischof von Speier. Nach-
dem der Pabst ihm seinen Wunsch hatte verlautbaren
lassen, dieser Ernennung zu folgen, wurde er am 25. August
desselben Jahres in der Basilika zu St. Bonifaz als solcher
durch den Herrn Erzbischof Gregor von Scherr consecrirt.
Leider starb er schon am 31. Mai 1876.
— 471 —
Als sein Nachfolger wurde am Tage nach seiner Con-
secration gewählt Herr Benedikt Zenetti, geb. zu Speier
den 13. Mai 1821, der zu gleicher Zeit mit Abt Bonifaz
in das neu begründete Kloster zu St. Bonifaz eingetreten
war imd im Jahre 1866 von König Ludwig als erster Prior
in das restaurirte Kloster Schäftlam berufen wurde. —
Möge Gott denselben erhalten und mit seiner Gnade unter-
stützen zum Besten des Klosters und der verbundenen An-
stalten.
P. Magn. Sattler 0. B.,
Prior.
St. Bonifaz in Mlinclien.
önig Ludwig I. betrachtete gleich bei seinem Re-
gierungsantritte es als eine seiner Hauptaufgaben,
nicht blos Grosses und Gutes zu schaffen, sondern
Bewährtes und im Strome der Zeit Untergegangenes
wieder zu erwecken und namentlich das Unrecht der Säcu-
larisation vom Jahre 1803, dem mit dem päbstlichen Stuhle
im Jahre 1817 abgeschlossenen Concordate gemäss, wenig-
stens theilweise wieder gut zu machen. — Der Artikel VII
des Concordates, wodurch König Maximilian I. dem apostoli-
schen Stuhle sein Königswort verpfändete, lautet:
„Wir, Maximilian, von Gottes Gnaden König von Bayern
verpflichten uns, zu sorgen für die Herstellung einiger Klöster
der geistlichen Orden beiderlei Geschlechtes entweder zum
Unterrichte der Jugend in der Religion und in den Wissen-
schaften oder zur Aushülfe in der Seelsorge oder zur Kranken-
pflege imd zwar im Benehmen mit dem heiligen Stuhle
und angemessener Dotation."
Nicht ohne viele Schwierigkeiten und Hindernisse hat
König Ludwig I. dieses Königswort eingelöst und es sich
angelegen sein lassen, in seinem Ländergebiete den Geist
eines heiligen Benediktus, Franziskus, Yincentius und ande-
rer heiliger Ordensstifter wieder zu erwecken und zu be-
leben.
Unter allen religiösen Orden erfreute sich der Bene-
diktiner-Orden seiner besonderen Aufmerksamkeit und
Hochschätzung. Dessen grossartiges Wirken durch vierzehn
Jahrhunderte, dessen geräuschlose beharrliche Pflege der
Wissenschaften, dessen imermüdliche Sorgfalt für Bildung
und Gesittung errangen diesem Orden jene ehrenvolle Stel-
lung in der Weltgeschichte, wie er solche heute noch ein-
zunehmen sich rühmen darf. Weise Mässigung in allen
Zeitfragen, echter Patriotismus, der für Fürst rmd Vater-
land kein Opfer scheut, unermüdetes Streben nach glück-
licher Erzielung seiner erhabenen Zwecke ohne Gepränge
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(!)
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— 473 —
sind ein zu jeder Zeit hervortretender und anerkannter
Charakterzug des Benediktiner-Ordens, Diese Eigenschaften
•waren es besonders, welche König Ludwig I. zur Wieder-
herstellung einer Reihe von säcularisirten Benediktiner-
klöstern bestimmten und dadurch den Erwartungen der
bayerischen Katholiken Gerechtigkeit widerfahren Hessen.
Obwohl München (= Mönchsstadt) von jeher viele
religiöse Orden männlichen und weiblichen Geschlechts in
seinen Ringmauern besass, so ist um so auffallender, dass
gerade der älteste Orden, der des h. Benediktus, keine
eigentliche Heimstätte daselbst hatte, und Mitglieder des-
selben nur insoferne darin verweilten, als die Geschäfte
der benachbarten Stifte einen länger dauernden oder nur
vorübergehenden Aufenthalt für einzelne Mitglieder nöthig
machten imd einzelne Klöster zu diesem Behufe eigene
Häuser in der Stadt besassen, so Benediktbeuren, Tegern-
see, Wessobrunn, Andechs (Grufthaus), Weihenstephan etc.
oder nach Aufhebung der Gesellschaft Jesu das Lehramt
an den höheren Lehranstalten ihren längeren Aufenthalt
daselbst erheischte.
König Ludwig glaubte sich ein besonderes Verdienst
zu erwerben, wenn er dem Benediktiner- Orden zur Pflege
der Religion imd der Wissenschaft in München eine Heim-
stätte gründe.
Zunächst war es derjenige Stadttheil, welcher ausser
dem Umfange der ehemaligen alten Stadtmauer gegen Westen
und Nordwesten gelegen war und eine Seelenzahl von
nahezu 10,000 Personen umfasste, der einer geordneten
Seelsorge entbehrte. Die Hochherzigkeit Sr. Majestät hatte
sich's zur Aufgabe gestellt, diesem fühlbaren Mangel durch
Erbauung eines schönen Gotteshauses und Begründung eines
Pfarrsystems abzuhelfen. Bei allen wichtigeren Handlungen
liess sich der König gerne durch historische Motive leiten ;
so erwählte er zur Grundsteinlegung dieses Prachttempels
den 12. October des Jahres 1835 zum Gedächtnis an seine
vor 25 Jahren erfolgte Vermählung mit Therese von Hild-
burghausen. Diese erfolgte mit wahrhaft königlicher Pracht.
Der damalige Erzbischof Lothar Anselm von Gebsattel
nahm die kirchliche Segnung vor. Der Architekt des drei-
fachen Baues der Basilika, des Klosters und des Kunst-
aiTsstellungsgebäudes — Religion, Wissenschaft und Kunst
— 474 —
zeigen sicli durcli dieselben repräsentirt — Fr. Ziebland
"überreielite Sr. Majestät zum Einlegen in den Grundstein
eine Steinplatte mit dem Grundriss, der Haupt- und Seiten-
ansicht und dem Längendurchscbnitt des Baues und der
Inschrift: Ludovicus I Bavariae rex die XII Octobris anno
Domini MDGCCXXXV regni sui gloriosissimi X perennem
in memoriam felicis faustique diei V lustris nuptiarum cum
serenissima Domina Theresia alma Ducis Saxo-Altenbur-
gensis filia peractis huius Basilicae fundamentum posuit.
Eine zweite Steinplatte trägt folgende Inschrift:
Georgius Friedericus Ziebland Ratisbonensis nat. die
YII Febr. MDCGC Architectus regius huius basilicae for-
mam invenit et delinivit aedificium favente Deo penitus
perfecturus. Auf der Rückseite derselben steht: Coemetariis
praefuit Jordanus Maier, Eichstaetensis. In den Grundstein
selbst hatte der Bildhauer S. SicHnger das Bildnis des
königlichen Stifters eingemeiselt nebst eiaem Kranz von
Lorbeer und Eichenlaub. Ausserdem kamen in denselben
eine goldene Repetiruhr und sämmtliche goldene und sil-
berne Münzgattungen und Geschichtsthaler, welche wäh-
rend seiner Regierungsperiode geprägt worden waren. Die
Gesammtauslagen für die Grundsteinlegung berechneten
sich auf 2614 /.
Der Rohban war bis zum Jahre 1840 vollendet. Der
innere Schmuck derselben nahm eine Zeit von 4 bis 5 Jahren
in Anspruch. Bis zum Jahre 1847 war der ganze Bau in
seinen inneren und äusseren Theilen, nebst allen seinen
Beiwerken, der kirchlichen Einrichtung, Paramenten etc.
vollendet und harrte fortan der öffentlichen Uebergabe
und Verwendung, die sich jedoch aus bekannten Ursachen
bis zum Jahre 1850 verzögerte. Eine eingehende Bau-
geschichte wird hier Niemand erwarten. Das Nöthigste
darüber wurde 1875 in einer Festschrift nach dem 25 jährigen
Bestände der Kirche und des Klosters „Die Basilika und
das Benediktinerstift St. Bonifaz in München" von P. Beda
Stubenvoll veröffentlicht.
Der auf drei Marmorstufen freistehende Hochaltar in
der Mitte des Presbyteriums trägt folgende Inschrift:
„Anno Domini MDCCCL Die XXIV Mensis Novembris
Ego Carolus Augustus Archiepiscopus Monacensis et Fri-
singensis consecravi Ecclesiam hanc et hoc altare in hono-
— 475 —
.rem sancti Bonifacii Episcopi et Martyris. Unter dem
Orgelcliore an den beiden Seiten des Hauptportales sind
links und rechts zwei Tafeln von weissem Marmor in die
Wand eingesetzt mit der Inschrift: „Ludovicus I Bavariae
rex in honorem Sancti Bonifacii Germanorum Apostoli
hanc Basilicam condidit, fnndamenta posuit anno Domini
MDCCCXXXV die XII Octobris.''
„In honorem Sancti Bonifacii anno Domini MDCCCL
Die XXIV mensis Novembris haec Basilica Ecclesia rite
solemniterque sacrificata est."
Der Bau der Basilika und der Abtei war somit voll-
endet; die Bausumme für beide belief sich auf 740,000 /.
rhein. Das Inventar der Kirche und des Klosters nahm
eine weitere Summe von circa 255,000 /. in Anspruch, so
dass der königliche Bauherr bis zur Zeit der Eröffnung
nahezu eine Million Gulden auf dieses Projekt verwendet
hatte. Die Dotation für das neue Stift stand noch in Frage.
Die Ereignisse der Jahre 1847/48 rechtfertigten nur zu sehr
die Besorgnis, es möchte dieselbe für die Kirche, Abtei
und Pfarrei und damit die Erfüllung der sehnlichen Wünsche
jenes Stadttheiles, für welche die neue Kirche ein unab-
weisliches Bedürfnis war, noch lange nicht erfolgen. Im
Frühjahre 1850 richteten die Bewohner desselben eine
Adresse an den königlichen Bauherrn des Inhaltes:
„E. K. M. möchten in allerhöchster Gnade anzubefehlen
geruhen, dass die St. Bonifaziuskirche für den katholischen
Cultus eröffnet, und dass die Pastorirung der zu derselben
gehörigen Pfarrgemeinde den dahier befindlichen Conven-
tualen der Abtei Metten übertragen werde." König Lud-
wig I. jedoch hatte sein Augenmerk auf den Abt von
St. Stefan in Augsburg gerichtet. Dieser erhielt im Sommer
1850 vom königlichen Stifter den Auftrag, mit den übrigen
Aebten sich ins Benehmen zu setzen und mit einer hin-
reichenden Anzahl von Ordensgeistlichen St. Bonifaz zu
besetzen. Er reiste nun zum Abte nach Scheyem; das '
Eesultat ihrer Unterredung war kein erhebliches. Der Abt
von Metten kam nach brieflicher Correspondenz nach Augs-
burg; sie verständigten sich wenigstens dahin, in Einig-
keit das Werk fördern zu wollen. Ein Abt verlangte vom
anderen, er möge seine vorzuschlagenden Mitbrüder be-
nennen, aber keiner ging darauf ein. Vor allem waren die
— 476 —
Aebte begierig, vom Abte in St. Stefan zu vernehmen, wer
für St. Bonifaz als Abt in Aussicht genommen sei. Dieser
konnte nichts darüber verlauten lassen, weil in einer neuen
Zuschrift des königlichen Stifters an die drei Aebte die
Aufforderung gerichtet war, ihm die Yorgeschlagenen zu
bezeichnen, und dass jeder Abt die betreffende Erklärung
schriftlich einreichen solle, wobei der König ausdrücklich
bemerkte, dass er aus der Zahl der Genannten den ersten
Abt und den ersten Pfarrvikar ernennen werde.
Durch Decret des königlichen Eabinetssekretariats vom
5. November 1850 wurde P. Paulus Birker, geboren den
19. October 1814 zu Sonthofen, ernannt. Er hatte den
5. October 1838 zu St, Stefan die Ordensgelübde abgelegt,
wurde am 29. August 1839 zum Priester geweiht und hatte
in seiner Eigenschaft als Prior zu Ottobeuren und als
Direktor des Instituts für höhere Bildung zu Augsburg
die Aufmerksamkeit des Königs auf sich gelenkt.
Durch die Stiffcungsurkunde vom 4. November 1850
wurdpu dem neuemannten Abte überantwortet: die aus
den Mitteln der Kabinetskasse erbaute Bonifaziuskirche,
das mit derselben in Verbindung stehende Conventgebäude
sammt Garten, das ehemalige Klostergut Andechs, um
65,000/. aus den Mitteln der Kabinetskasse erkauft, 50,000/.
5% Obligationen, das Inventar der Kirche und des Klosters,
und weitere 12,000 /. zur Bestreitung der ersten Auslagen
und etwa noch nothwendigen Anschaffungen.
Am 11. November 1850 erfolgte die landesherrliche
Sanction unter folgenden näheren Bestimmungen: 1) Sie
genehmigt die Stiftung der genannten Abtei und Pfarrei,
sowie die in der Stiftungsurkunde ausgewiesene Dotation.
2) Der jeweilige Abt hat Sorge zu tragen, dass die Abtei
stets mit würdigen und wissenschaftlich gebildeten Reli-
giösen besetzt sei. 3) Sollte die Abtei schon gleich anfänglich
oder doch wenigstens in der Folgezeit die nothwendige
Anzahl qualificirter Conventualen gewinnen, so sollen diese
das königliche Erziehungsinstitut für Studirende versehen,
und wenn thunüch, auch das mit diesem Institute in Ver-
bindung stehende Ludwigs-Gymnasium gegen Bezug der
diesen beiden Anstalten zukommenden Renten und allen-
fallsige Erübrigungen an den Gehalten der Professoren
übertragen werden. 4) Die Ernennung des ersten Abtes
— 477 —
dnrcli den königliclien Stifter in der Person des P. Paulus
Birker -wird genehmigt; für die Zukunft greifen die Be-
stimmungen des kanonisclien Rechtes in dieser Beziehung
Platz.
Die Einweihung der Kirche am 24. November 1850
wurde während der Octave mit täglichem festlichen Gottes-
dienst, Vormittags mit Predigt und Hochamt und Abends
mit feierlicher Vesper fortgesetzt.
Zur Besorgung der Geschäfte waren für den Anfang
aus verschiedenen Klöstern folgende Ordenspriester berufen:
P. Franz Xav. Sulzbeck von Metten, den König Ludwig
auf Antrag des Abtes zum ersten Pfarrvikar ernannte;
P. Peter Wül von Metten; P. Placidus Lengmüller von
St. Stefan in Augsburg; P. Luitpold Brunner von St. Stefan
in Augsburg; P. Augustin Scherer von Fiecht in Tyrol;
P. Pius Bayer von Scheyem.
Am 5. Juni 1851, dem Gedächtnisfeste des heiligen
Bonifazius, erfolgte die feierliche Benediction des Abtes
durch Erzbischof Karl August v. Reisach unter Assistenz
der Aebte von Scheyem und Metten. Am 20. Mai 1852
würde ihm der Gebrauch der Pontificalien gewährt.
Für den Anfang wurde das Noviziat unter der Leitung
des P. Alphons Kirchlechner aus dem Kloster Gries in
Tyrol nach Andechs verlegt.
Am 28. December 1851 legten die ersten Novizen,
Professor Dr. D. Haneberg als P. Bonifaz, Priester Wil-
helm Zenetti als P. Benedikt und der Kleriker R. v. Hof-
naass als P. Odilo in der Basilika die Ordensgelübde ab,
denen bald mehrere andere folgten, so dass schon im
Jahre 1853 es möglich wurde, die Pastoration der aus-
gedehnten Pfarrei mit den Mitgliedern des eigenen Con-
ventes besorgen und die auswärtigen Mitglieder in ihre
Heimat entlassen zu können.
Einen störenden Zwischenfall für die gedeihliche Ent-
wickelung der Abtei brachte die am 6. September 1854
erfolgte Resignation des Abtes Paulus mit sich, der gegen-
über dem grossen Drang und der reichen Mannichfaltig-
keit der Geschäfte einer so umfassenden Pfarrei, welche
Kräfte, Sammlung und Aufmerksamkeit ganz absorbiren,
das contemplative Element des Ordenslebens nach der
Regel des heüigen Benedikt glaubte festhalten zu müssen.
— 478 —
Der lebendige Drang in seiner Seele nacli einem inneren
und geschlossenen Ordensleben mache es ihm viel schwerer
als manchem Anderen, das klösterliche Leben bei St. Bonifaz
theils unbeschadet der äusseren Wirksamkeit, theils ohne
die grosse Furcht einer schweren Verantwortung fortzu-
führen und zu regieren. — Er bekleidete die abteiliche
Würde nur drei Jahre und neun Monate, versuchte später
in Liebenau in Württemberg ein Kloster nach seinen
Ideen zu begründen und wurde im Jahre 1861 als Abt
und Vorstand der Realschule des Klosters Dissentis in
Graubünden berufen. Im Jahre 1878 legte er diese Stelle
nieder und commorirt dermalen als Dignitär-Abt zu
St. Bonifaz.
An seine Stelle trat zufolge kanonischer Wahl am
4. October 1854 P. Bonifaz Haneberg, geboren als der
Sohn eines Bauers zur Tanne bei Kempten den 17. Januar
1816, ordinirt den 29. August 1839, Doctor und Professor
der Theologie an der königlichen Ludwig-Maximilian-
Ilniversität zu München, ordentliches Mitglied der k. k,
Akademie der Wissenschaften u. s. w.
Die kanonische Confirmation erfolgte den 12. October,
die päbstliche Bestätigung den 15. December 1864, die
feierliche Benediction am 19. März 1855 durch den Erz-
bischof Karl August v. Eeisach unter Assistenz der Aebte
von Metten und Salzburg.
„Der anerkannt erste Priester des Landes" wurde,
nachdem er mehrere Berufungen zur bischöflichen Würde,
ja sogar zum Cardinalate aus Liebe zu seinem Stifte von
sich abgelehnt hatte, am 16. Mai 1872 von Sr. Majestät
dem König Ludwig IL zum Bischof von Speier ernannt,
welcher Ernennung er auf den Wunsch des Pabstes Folge
leistete. Leider starb er schon am 31. Mai 1876.
Am Tage nach seiner Consecration, den 27. August
1872, wurde P. Benedikt Zenetti, welcher im Jahre 1866
von St. Bonifaz als Prior des wieder hergestellten Klosters
Scheftlarn ernannt worden war, zum Nachfolger gewählt.
Er ist der Sohn des ehemaligen k. k. Ministers und Staats-
rathes von Zenetti, wurde am 13. Mai 1821 zu Speier
geboren und am 1. August 1841 zum Priester geweiht.
Möge Gott ihn, der in den verschiedenen Stellungen
als Seelsorgspriester, Novizenmeister, Prior und Instituts-
~ 479 —
director durch seine Milde und Herzensgüte sich die Liehe
und das Vertrauen seiner Untergehenen zu erwerhen wusste,
yiele Jahre erhalten und sein Wirken segnen.
Es erübrigt noch, einen Blick auf das Pensum und
die mannichfaltigen Geschäfte zu richten, welche die Mit-
glieder dieses Klosters '— 29 Priester und 42 Laienbrüder
— zu erledigen haben. — Ueber die Pastoration der Pfarrei
können Sachkundige sich durch folgende Zahlenangaben
einen Begriff machen.
Es ergeben sich jährlich zwischen 1500 und 1600
Taufen, 600 Trauungen, 700— 800 Versehgänge , 13,000 bis
14,000 Ost erbeichten; im Laufe eines ganzen Jahres com-
municiren ca. 60,000 Personen; 1200 Beerdigungen. Eine
statistisch genaue Seelenzahl konnte noch nie ermittelt
werden. Die genannten Zahlen berechtigen zur Annahme
einer Zahl von mindestens 40,000 Seelen.
Der in nahezu 100 Abtheilungen zu haltende Religions-
tmterricht in den Schulen nimmt die Kräfte der Convents-
mitglieder ausserordentlich in Anspruch. — Die Feier des
Gottesdienstes geht stets in einer der Pracht des Gottes-
hauses entsprechenden Weise vor sich. — Die niederen
Kirchendienste, Haus- und Handwerksgeschäfte besorgen
die Laienbrüder, weshalb deren Anzahl so gross ist.
Die Pästoration erhält wenigstens eine theilweise Er-
leichterung durch die verschiedenen religiösen oder wohl-
thätigen Vereine, die sich theils für die ganze Stadt, theils
für den Pfarrbezirk St. Bonifaz insbesondere gebildet haben.
Im Frühjahre 1871 wurde im neuen Militärlazareth
auf dem Oberwiesenfelde eine neue Kapelle hergerichtet
und durch Abt Bonifaz benedicirt. — Das j)rogressive
Wachsthum der Seelenzahl erforderte dringend die Er-
bauung einer neuen Kirche für den westlichen Theil des
Pfarrbezirkes, da insbesondere das Eisenbahnbetriebs-
personal und die Arbeiterbevölkerung in Ermanglung
einer benachbarten Kirche dem religiösen Leben sich ganz
zu entfremden drohte. Schon im Jahre 1871 geschahen
die ersten Schritte dazu durch Vornahme einer CoUecte
und Erwerbung eines Bauplatzes. Die Ausführung des
Projektes verzögerte sich aus verschiedenen Gründen bis
ins Jahr 1878. Nachdem einmal der Anfang gemacht war,
wurde der Rohbau binnen Jahresfrist vollendet, imd so
— 480 —
präsentirfc sicli denn jetzt im "westliclien Tlieile der Lud-
wigsvorstadt vor der Einfahrt in den Centralbalinliof in
der Schrenkstrasse dem Auge des Beobacliters die St. Beue-
diktuskirche in sehr gefälliger Form. — Die Baukosten
mochten sich wohl auf etwa 200,000 Mark belaufen, von
denen, abgesehen von vielen anderen Wohlthätern, der
Tinermüdete Herr Jos. Trappentreu, Sterneckerbräuerj einen
beträchtlichen Theil deckte.
In zweiter Linie liegt dem Stifte St. Bonifaz der
humanistische Unterricht und die Bildung und Pflege der
studirenden Jugend im königlichen Erziehimgs-Institute für
Studirende ob. Diese Stiftung des Herzogs Albert V. leiteten
die Jesuiten zwei Jahrhunderte lang bis zu ihrer Auf-
hebung. Benedikt Holland aus der ehemaligen Abtei Neres-
heim reorganisirte dieselbe am Anfange dieses Jahrhunderts.
König Ludwig I. übergab sie den 13. Mai 1840 dem Bene-
diktiner-Orden. Der betreffende Artikel in der Uebergabs-
urkunde lautet: „Wir König Ludwig haben beschlossen,
das Erziehungs-Institut für Studirende in München der
Pflege des von Uns in Unserem Reiche -wiederhergestellten
Benediktiner-Ordens anzuvertrauen, und, bis die Stiftung
der Benediktiner-Abtei zum heiligen Bonifaz in München,
welcher wir das erwähnte Institut seiner Zeit zu über-
geben gedenken, unter dem Beistande des Allmächtigen
zu Stande gekommen sein wird, der Abtei Metten einst-
weilen zu übertragen." Durch weitere Verfügung vom
5. März 1842 wurde dem Orden und speciell der Abtei
St. Bonifaz auch die Leitung des königlichen Ludwigs-
Gymnasiums übertragen. Das Stift St. Bonifaz übernahm
die Thätigkeit an diesen Anstalten im Jahre 1855. Der-
malen sind fünf Patres mit der Leitung des Erziehungs-
Institutes betraut, in welchem sich 120 Zöglinge befinden.
Ein namhafter Theil des Conventes, 3—4 Priester und
etwa 20 Laienbrüder, befindet sich in Andechs.*) Den
Priestern liegt ausser der Pastoration der Pfarre Erüng
die Pflege der sehr besuchten Wallfahrt und die Leitung
der durch Abt Bonifaz im Jahre 1856 ins Leben gerufenen
St. Nikolaus-Anstalt ob.
Die Laienbrüder sind wie zu St. Bonifaz mit der Be-
*) Siehe Kloster Andechs S. 470.
— 481 —
sorgung der Hausgeschäffce und etwa 10 Ge-werben, sowie
mit der Pflege dieser Zöglinge (60—80) betraut. Mehrere
Versuche des Stiftes, seine Thätigkeit auch auf dem
Missionsgebiete zu entfalten, sind missglückt.
Ein Priester hat seine Verwendung als Beichtvater in
Frauen-Chiemsee und als Katechet des mit demselben ver-
bundenen Institutes. — Ausser diesen regelmässigen Ge-
schäftskreisen, in denen sich die Mitglieder des Stiftes zu
bewegen haben, wird ihre Mitwirkimg und Mithülfe auf
ausserordentliche Weise vielfach in Anspruch genommen,
30 dass man sieh fast wundem muss, wie einzelne Mit-
glieder doch so viel Zeit erübrigen, literarisch, besonders
im historischen Fache, thätig sein zu können.
Ist nicht immer gelungen, was man erstrebte, so
wirkten mancherlei Umstände zusammen, die dies leicht
erklären. Seit dem verhältnismässig kurzen Bestände des
Stiftes rief- der Tod schon 14 Priester und 10 Laienbrüder
in die Gruft zur ewigen Euhe. Der moderne Zeitgeist
veranlasste gleichfalls einige beklagenswerthe Lücken und
sucht die Ergänzung derselben möglichst zu erschweren.
Das Urtheil aber, in wie weit das Stift St. Bonifaz
bisher bestrebt gewesen war, den Intentionen xmd dem
Willen seines königlichen Stifters zu entsprechen, sei dem
bülig denkenden Leser anheimgestellt.
P. Magn. Sattlee.
Ein Benediktinerbnch. 31
Dissentis.
[tift Dissentis (romanisch Muster), im bündne-
risclien Oberland, im ehemaligen obem oder
grauen Bund, gestiftet durch die hh. Sigisbert,
Schüler des h. Columban, und Placidus, einen
vornehmen, von Sigisbert bekehrten Ehätier (nach den
Häusüberlieferungen a. 614, richtiger nach Mabülon a.
612), durch die Avaren und Hunnen im Jahre 670 zerstört,
"Wurde seine WiederherstellTing a. 711 durch den Haus-
maier Carl Martell und den h. Pinnin begonnen und
durch den h. Ursicin, Abt Ton Dissentis und später
Bischof TOn Chur, vollendet. Tello, Ursicins Nachfolger in
der äbtlichen Würde, dotirte das Kloster reichlich aus
seinem väterlichen Vermögen und wurde auch Ursicins
Nachfolger auf dem bischöfl. Stuhle von Chur. Unter
Abt Ulrich H. (1083—1090) wurde das Stift geforstet.
Ulrich, in der Klosterschule erzogen, war früher Abt von
Muri gewesen und wurde a. 1090 Bischof von Chur und
nahm als solcher am ersten Kreuzzuge Theil. Andere
berühmte Männer Dissentis sind: der h. Adalgott (f 3. Oct.
1160), Bischof von Chur imd Abt von Dissentis. Er
wurde im Kloster begraben, wohin er sich kurz vor
seinem Tode zurückgezogen hatte, um sich auf den Tod
vorzubereiten. Walther, Bischof von Gurk von 1200 bi&
1213. Abt Heinrich I., der a. 1268 das CoUegium Devo-
torum, eine Art Kloster für Benediktiner -Tertiarier, bei
der Kirche des h. Benedikt ob Somvix, gründete. Diese
Anstalt dauerte fort bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts^
wo sie in Folge protestantischen Einflusses aufgehoben
wurde. — Abt Thüring von Attiaghausen. Auch musika-
lische Schriftsteller. Abt Petrus von Pontaningen, der
Stifter des grauen Bundes, 16. März 1424. Abt Johann YI.
von Schönegg, Stifter des Yazerolen-Bimdes, 21. März
1471. Abt Christian von Castelberg, dem das Eloster seine
Eettung und das katholische Oberland das Verbleiben bei
der katholischen Eörche zur Reformationszeit zu verdanken
— 483 —
hat, unter dem der h. Kaxl Borromaeus nacli Dissentis
kam a. 1581. Abt Adalbert II., xmter dem Pabst Alexan-
der Yn. Dissentis zur Diöcese erheben wollte. Mehrere
Schriftsteller, die Dr. Keusch in seiner „Geschichte der
Literatur des Rhäto-Eomanischen Volkes" (Frankfurt,
Sauerländer 1870) bespricht. Abt Anselm I. Huonder, der
Grosse, letzter Fürstabt, Erretter des Klosters nach der
Verwüstung durch die Franzosen (f 9. Mai 1826). Das
Kloster, hochverdient um Bodencultur, Geistesbildung und
Beligion, thront noch wie eine Königin ob Dissentis.
Seine Kirche im italienischen Style ist länger als die
Kathedrale in Chur. Innere und äussere Feinde haben
aber schon lange am Herabkommen des Klosters ge-
arbeitet. Sein gegenwärtiger Oberer hat blos den Titel
eines Superiors, die Zahl seiner Mitglieder ist auf sechs
herabgesunken.
31*
Maria - Einsiedeln.
j|rei Stunden vom Zürichsee entfernt, auf einer von
Bergen eingesclilossenen und von der Silal durch-
strömtenHocliebene des Kantons Schwyz, SOOOFuss
über dem Meeresspiegel stellt das tausendjährige
Kloster Maria-Einsiedeln. Seine Gründung verdankt es
dem h. Meinrad (nach der altem Form Meginrad), dem
ersten Bewohner dieser Stätte, die nach ihm Jahrhunderte
lang Meioradszelle genaimt wurde.
Meinrad war am Ende des achten Jahrhunderts, etwa
797, in Alemannien geboren und der Sohn des Grafen
Berthold von Sülchen, einer jetzt eingegangenen Ortschaft
am Neckar. Zufolge einer alten Ueberlieferung war er
aus dem Stamme der Hohenzollern. Um das Jahr 808
kam Meinrad in die berühmte Schule des Klosters
Reichenau bei Constanz, welcher sein Anverwandter und
nachheriger Abt Erlebald vorstand. Nach Vollendung
seiner Studien trat er in das Kloster ein und wirkte zu-
erst an der Schule desselben, dann als Vorsteher der
Schule in einer kleinen, von Reichenau abhängigen
Klostergemeinschaft zu Bqllingen am obem Zürichsee.
Hier ergriff ihn die Sehnsucht nach dem verborgenen
Leben eines Einsiedlers und auf einer Spazierfahrt, die
er mit seinen Schülern über den See machte, suchte er
sich eine passende Stelle aus. Mit Erlaubnis seiner
Klosteroberen begab er sich im Jahre 828, im Alter von
31 Jahren, auf die waldige Höhe des Etzelberges. Mit
sich nahm er nur einige Bücher, die Regel des h. Bene-
dikt, das Messbuch, eine Sammlung von Homilien und
die Unterweisungen Cassians. Eine fromme Wittwe in
Altendorf sorgte für seinen Lebensunterhalt. Sieben
Jahre hatte er hier gelebt und am Heile seiner Seele,
sowie derjenigen, die ihn zu besuchen kamen, gearbeitet,
da wollte er noch weiter von der Welt sich entfernen und
begab sich weiter nach Süden mitten in den finstern
"Wald. Dort ward nahe bei einer Quelle ein hölzernes
— 486 —
Bethaus und eine Hütte gebaut, wobei eine gewisse Aeb-
tissia Heilwig ihn unterstützte.
Hier lebte er -während 26 Jahren, siegreich gegen
teuflische Anfechtungen kämpfend und von himmlischem
Beistande gestärkt. Auch hier ward er von frommen
Pilgern aufgesucht, denen er in leiblicher und geistiger
Noth ein Helfer war, so dass sich der Ruf seiner Heilig-
keit weithin verbreitete.
Zwei ruchlose Menschen, eia Alemanne Richard und
ein Rhätier Petrus, hofften Schätze bei dem frommen
Manne zu finden und fassten den Plan ihn zu ermorden.
Mitten im Winter begaben sie sich zu seiner Zelle und
imgerührt von der Liebe imd Preundüchkeit, die er ihnen
erweist, erschlagen sie ihn mit der Keule am 21. Januar
861. Sie raubten nun das Kleid des Heiligen und wollten
entfliehen, aber zwei Eaben, die derselbe aufgezogen,
verfolgten sie und erfüllten den Wald mit ihrem Ge-
schrei. Ein Zimm.ermann von Wollerau wurde darauf
aufmerksam, eüte in den finstem Wald, sah was ge-
schehen war und eilte den Mördern nach Zürich nach.
Dort wurden sie ergriffen und hingerichtet.
Die zwei Eaben sind noch das Wappen des Klosters
und das Abzeichen des h. Meinrad, der wegen seines ge-
waltsamen Todes von jeher als Märtyrer verehrt wird.
Sein Leib ward in der Reichenau beigesetzt. Seine Zelle
blieb verödet, bis im Jahre 906 der h. Benno einen Ver-
ein von Brüdern büdete und den Wald lichtete. Er
wurde 925 Bischof von Metz. Der h. Eberhard war der
erste Abt 934 — 958. Er föhrte das klösterliche Leben
ein nach der Regel des h. Benedikt und erwarb ein an-
sehnliches Besitzthum von Gütern, das ihm Kaiser Otto
urkundlich bestätigte.
Als im Jahre 948 die neu erbaute Kapelle zur Ehre
Marions eingeweiht werden sollte, sah der hierzu berufene
Bischof Conrad von Constanz wie Christus selbst, umgeben
von seinen Engeln, diese Weihe vornahm, daher diese
wunderbare Einweihimg, Engelweihe genannt, am Feste
der Kreuzerhöhung, 14. September, gefeiert wird. Bisc hof
Conrad legte im Jahre 964 vor dem Pabst Leo Vill. in
Gegenwart des Kaisers Otto, seiner Gemahlin Adelheid
und vieler Bischöfe über dieses wanderbare Ereignis
— 486 —
Zeugnis ab, -worauf der Pabat die sogenannte Engelweib-
bulle erliess, worin er verbietet, diese Kapelle förder zu
weihen. Die TJrsclirift der Bulle ist verloren, die älteste
vidimirte Abschrift ist aus dem Jahre 1383.
Auf Eberhard folgte als zweiter Abt der h. Thied-
land (958 — 964), dessen. Nachfolger der h. Gregor aus
königlich angelsächsischem Stamme war. Er erhielt im
Jahre 965 vom Kaiser Otto dem Grossen die Insel Ufnau
im Zürichsee zum Eigenthum und wurde gleichzeitig zum
Eeichsförsten erhoben. 973 erhielt er von Otto H. das
Münzrecht. Er starb 996. Unter ihm wirkte als Dekan,
und Lehrer der neu gegründeten. Klosterschule der
h. Wolfgang aus Schwaben. Er ging 972 als Glaubens-
bote zu den heidnischen Völkern nach Ungarn, wurde
Bischof von Regensburg und starb im Jahre 994. Sein
Nachfolger im Amte des Dekans war Cuno, der mit
seinem Bruder Ulrich um das Jahr 974 ins Kloster ge-
treten war. Beide waren Söhne des h. Gerold, welcher
als Einsiedler ia dem nach ihm genannten Orte Vorarl-
bergs lebte, welchen er auch an die St. Meinradszelle
vergabte.
Der vierte"Abt Wirand (996 — 1026) starb im Rufe eiaes
heiligen Mannes. Unter seinem Nachfolger Embricus
(1026 — 1052) wurde das Kloster ein Raub der Flammen
(1029). Nach zehn Jahren war der Wiederaufbau voll-
endet und bei diesem Anlasse wurden auch die Reli-
quien des h. Meiarad aus der Reichenau nach Eiusiedeln
zurückgebracht. Unter seiuen Nachfolgern mehrte sich der
Güterbesitz, aber in Folge dessen begannen auch Zwistig-
keiten, der Landmarken wegen, mit Schwyz anfangs des
12. Jahrhunderts. Die Folge davon war Zerfall der Dis-
ciplin, Abnahme der Mitgliederzahl und endlich am
6. Januar 1314 der nächtliche Ueberfall des Klosters durch
die Schwyzer, welche 5 Mitglieder desselben als Gefangene
nach Schwyz fährten, ausserdem auch den weltlichen
Magister Scholae Rudolf von Eadegg, der uns den
Ueberfall in einem interessanten lateinischen Gedichte
schildert. Ln 15. Jahrhundert war Albert von Bonstetten
Dekan des Klosters; er war der gelehrteste Schweizer
seiner Zeit. Damals hatte das Kloster sehr abgenommen,
da nur noch Adelige aufgenommen und daher Gottes-
— 487 —
dienst und Seelaorge von "Weltpriestern besorgt wurdeg.
Als solcher wirkte auch 1516 — 18 Ulrich Zwingli, aherin
Mrchen- und klosterfeindlichem Sinne. Beim Tode de»
Abtes Konxad HI. (1526) war das Kloster ausgestorben.
Nun nahm, der Stand Schwyz sich des Klosters ^n
und berief Ludwig Blarer aus dem Kloster St. Grallen als
Reformator und Abt (1526 — 1544). So kam dasselbe wi^
der in Aufnahme. Abt Joachim Eichorn (1544 — 1569) war
als Abgesandter der katholischen Schweizerkantone am
Concil von Trient zugegen. Unter Abt Adam Hee?
brannte das BHoster zum vierten Male ab (1577); doch
auch diesmal bHeb die h. Kapelle verschont. Einer dejr
ausgezeichnetsten Aebte war Augustin Hofmann von Badeij
(1600 — 1629). Er war der Stifter der schweizerischen B^&z
nediktiner-Congregation (1602) imd auf seinen Befehl verr
fasste P. Christophorus Hartmann die Annales Heremi,
welche 1612 zu Freiburg im Breisgau erschienen. SeijO.
Nachfolger Placidus Reimann von Einsiedelu (1629 — 167JQ}
errichtete eine eigene Klosterdruckerei, aus welcher de):
Codex diplomaticus der Abtei in 5 FoUobänden und eine
grosse Anzahl von Erbauungsbüchern hervorging. In de&fr
selben liess auch sein Nachfolger Augustin Ö. Redi^
von Biberegg (1670 — 1692), einer der berühmtesten Thepr
logen seiner Zeit, seine voluminösen, jetzt vergessenen
Werke drucken. i,;
Im Anfange des 18. Jahrhunderts ward das geg&^~^
wärtige Klostergebäude zu bauen angefangen und 173^
vollendet. Da aber zeigten sich die Vorboten der fräur
zösischen Revolution und als die Franzosen in die Schweiz
eindrangen und nach verzweifelter Gegenwehr auch den
Kanton Schwyz besetzten (Mai 1798), waren Abt Beat
Küttel (1780 — 1808) und seine Mönche genöthigt n^ßh
Vorarlberg zu fliehen, wohin auch das G-nadenbüd asL«
der Muttergotteskapelle gebracht wurde. Die Kapelt«
aber zerstörten die Franzosen und führten die Bücher
und Kirchenschätze, soweit sie nicht in Sicherheit gßr
bracht waren, weg. a /
Nachdem wieder ruhigere Zeiten eingetreten waren,
kehrten am 30. November 1801 einige Patres, dann 18öS
auch Abt Beat zurück; 1803 ward das Gnadeubüd wieder
an seiner alten Stelle aufgestellt, auch das geraubt
— 488 —
Eigenthum kam grossentlieils -wieder zurück; das Keiciis-
färstenthum aber war und blieb Terloren. Abt Konrad
Tanner (1808 — 1825) baute die Muttergotteskapelle wieder
auf. Durch seine ascetischen Schriften ist sein Name
auch ausserhalb seines Vaterlandes bekannt geworden.
Er sollte 1818 Bischof des neuzuerrichtenden Waldstätter
Bisthums werden, lehnte es aber entschieden ab. Grefahr-
ToUe Zeiten verlebte sein Nachfolger Coelestin Müller
(1825—1846). Unter Abt Heinrich Schmid (1846—1874) war
im sogenannten „Sonderbimdskriege" im November 1847
die Existenz des Klosters bedroht. Es gelang ihm, die
Gefahr zu beseitigen und selbst bei seinen Gegnern
Achtung zu gewinnen. Als 1852 das Gymnasium in
Bellenz von der Regierung des Kantons Tessin unter-
drückt wurde, erweiterte er, unterstützt von P. Gall
Morel, die bis dahin unbedeutende Klosterschule, die bald
über 200 Zöglinge zählte. Seine Yerdienste in dieser
Beziehung wurden von der Universität Freiburg mit dem
Diplom eines Doctors der Theologie anerkannt.
Ein Glanzpunkt in der Geschichte des Klosters ist
die Feier des Millenariums , das ist des 1000 sten Todes-
tages des h. Meinrad im Jahre 1861, in welchem die Zahl
der Pilger auf 210,000 geschätzt wurde.
Im Jahre 1869 berief Pius IX. den Abt Heinrich zum
vaticanischen Concü, an welchem er a,ls Präses der
schweizerischen Benedikter-Congregation erschien. Nach-
dem er noch im October 1874 sein Priestequbilänm
feierlich begangen hatte, begann seine auch körperlich
starke Natur abzunehmen und er starb den 29. Decem-
ber 1874.
Am 13. Januar 1875 ward der jetzt regierende Abt
Basüius Oberholzer von Uznach, Kanton St. Gallen, als
sein Nachfolger gewählt. Er ist in der Reihe der Aebte
der 51.
Einsiedeln ist ein von der bischöflichen Jurisdiction
exemtes Consistorialstift, d. h. sein Abt wird vom heil.
Yater im öffentlichen Consistorium präconisirt.
Das Stift zählt gegenwärtig 80 Priester, 15 Fratres
clerici und 21 Laienbrüder. Die Beschäftigung ist ab-
wechselnd Gebet und Arbeit. Morgens um 4 Uhr ist die
Messe und zwar Sommer wie Winter. Darauf folgt ein
— 489 —
Amt mit Choralgesang; um 7 Ulir die Prim, das Hoch-
amt mit vierstimmiger Begleitung, an festiicheren Tagen
mit Musik, und die kleineren Hören. Um 3 ülur Nach-
mittags wird die Yesper gesungen und nach derselben in
der Muttergotteskapelle yierstimmig das „Salve Eegina".
Abends um 7 Uhr wird das Complet gesungen. Haupt-
arbeit ist die Wallfahrt. Johannes von Müller nannte
daher Einsiedeln das schweizerische Loretto. Däneben
kommen die Pilger hauptsächlich aus Vorarlberg, Schwaben,
Baden, Elsass und Lothringen. Spuren für die Wallfahrt
lassen sich bis ins 10. Jahrhundert nachweisen. Man be-
rechnet die Zahl der Pilger jährlich auf 150,000. Der
Beichtstuhl bietet daher den Priestern einen ausgedehnten
und segensreichen, aber auch beschwerlichen Wirkungs-
kreis. Der grösste Andrang ist gewöhnlich an Marien-
festen und an der sogenannten Engelweihe, 14. September.
Fällt dieser Tag auf einen Soimtag, so heisst das Fest
eine Grosse Engelweihe, welche besonders feierlich be-
gangen wird.
Jährlich wallfahrten auch gegen 70 Pfarreien der
katholischen Schweiz von ihren Seelsorgern begleitet ge-
meinsam nach Einsiedeln. Im Juni 1864 kamen dahin
350 Mitglieder der Pfarrei St. Laurent von Paris , begleitet
von einer grossen Anzahl Priester. Einzelne Pilger, die
besondere Erwähnung verdienen, sind der selige Nikolaus
von der Plüe, der h. Karl Borromaeus, 1576 der selige
Benedikt Labon, die gelehrten Benediktiner Mabillon (1683),
Quirini (1747), Calmet (1748) und Gerbert (1760 und 1788),
die päbstlichen Nuntien in der Schweiz , fast alle schwei-
zerischen und viele deutsche, französische und amerikanische
Bischöfe. Bischof Dupanloup von Orleans hat die Wallfahrt
dahin gegen dreissig Mal gemacht. Auch Goethe war zwei
Mal in Einsiedeln, 1775 und 1797. Er äussert sich darüber:
„Es muss ernste Betrachtungen erregen, dass ein einzelner
Funke von Sittlichkeit und Gottesfurcht hier immer eia
brennendes und leuchtendes Mämmchen angezündet, zu
welchem gläubige Seelen mit grosser Beschwerlichkeit
heranpilgem, um an dieser heüigen Flamme auch ihr
Kerzlein anzuzünden. Wie dem auch sei, so deutet es auf
ein grenzenloses Bedürfnis der Menschheit nach gleichem
Lichte, gleicher Wärme, wie es jener Erste (der heü.
— 490 —
Meinrad) im tiefsten Gefähle und in siclierster TJeber-
zeugung gehegt und genossen."
Die Schule war neben der Seelsorge von jeher eine
Hauptaufgabe der Benediktiner. In früheren Zeiten hatte
dieselbe besonders die Heranbildung der jüngeren Ordens-
mitglieder zum Zwecke. Im Jahre 1675 wurde dem Kloster
das Gymnasium in Bellenz übergeben, wo namentlich
auch Jünglinge aus den katholischen Schweizerkantonen
die italienische Sprache lernten. Die Professoren, meist
aus den Stiftsmitgliedern, lebten unter einem Probste
zusammen; ihre Anzahl betrug nie mehr als sechs; die
Zahl der Zöglinge betrug bei der Aufhebung neunzig.
Die gegenwärtige Erziehungsanstalt des Klosters um-
fasst ein Gymnasium von sechs Blassen imd ein Lyceum
mit zwei Jahrescursen (Philosophie und Physik), so dass
der vollständige Bildungsgang acht Jahre dauert, in der
Regel vom 11. bis 20. Lebensjahre. Die neueren Sprachen,
französisch, italienisch und englisch, sind Freifächer und
werden von besonderen Fachlehrern ertheilt. Die meisten
Zöglinge sind aus der deutschen Schweiz. Ihre Zahl ist
im Durchschnitt 200; davon sind 150 Interne, d. h. solche,
welche im Kloster Wohnung und Kost haben; sie tragen
nach althergebrachter Sitte das geistliche Kleid, einen
langen schwarzen Talar. Die Externen wohnen bei Privaten
im Flecken, haben aber die Unterrichtsstunden mit den
Internen gemeinschaftlich. Besonders lässt sich das Kloster
auch die Ausbildung im Gesang und in der Musik ange-
legen seio, und die Zöglinge nehmen an allen eiaschlagenden
kirchlichen Functionen thätigen Antheil. Täglich besucht
eine Abtheilung derselben die Vesper und das „Salve
Regina". In der Faschingszeit werden in der Regel eine
kleine Oper und einige Theaterstücke aufgeführt. In der
h. Fastenzeit haben auch die Zöglinge durch drei Tage
geistliche Exercitien.
Der theologische Lehrcurs für die Kleriker des Stifts
(Fratres) umfasst die Vorbereitung auf das Priesterthum
und dauert vier Jahre. Die Novizen erhalten während
des Probejahres Unterricht in der Ascese, Liturgie und
Ordensgeschichte. Die Zahl der Professoren au aUen
diesen Schulen beträgt 26.
Das Kloster hat auch die Seelsorge in der Pfarrei
— 491 —
Einsiedeln und ihren Filialen mit 8000 Seelen, -welclie
von aclit Patres besorgt -wird; acht weitere Pfarreien in
der Schweiz und Vorarlberg werden ebenfalls vom Kloster
besorgt und sieben Patres wirken als Beichtiger in Nonnen-
klöstern. Andere besorgen als sogenannte „Statthalter"
die Verwaltung der dem Kloster gehörenden Gütercom-
plexe.
Eine Anzahl Patres ist auch in Amerika als Missionäre
thätig, wo sie 1853 eiae Filiale, St. Meinrad im Staate
Indiana, gründeten. Am 30. September 1870 wurde der
Prior derselben, P. Martin Marty v. Schwyz, von Pius IX.
zum Abte ernannt und seit Juli 1879 ist er apostolischer
Vikar für das Territorium Pakota, zu welchem die Indianer-
mission von Standing -Rock gehört.
Unter den Beschäftigungen nimmt die Wissenschaft
einen vorzüglichen Rang ein. Es würde zu weitläufig
sein, hier alle Leistungen auf diesem Gebiete auffahren
zu wollen. Wir beschränken uns daher auf das 19. Jahr-
hundert und auch hier nur auf kurze Andeutungen.
Am vielseitigsten und ausgedehntesten war die wissen-
schaftliche Thätigkeit von P. Gall Morel, geboren 1803,
gestorben 16. December 1872. Als Professor und Rector
der Stiftsschule, als Kapellmeister, Archivar, Bibliothekar
und Subprior des Stiftes entfaltete er eine rastlose Thätig-
keit. Daneben war er ein tiefsinniger, echt religiöser
sprachgewandter Dichter und von einfachem, heiterem,
dienstfertigem Charakter. Er sammelte ungemein viel,
besonders auf den Gebieten der Kunst, Geschichte und
Literatur, welchen auch seine gedruckten Werke ange-
hören. (Vergl. P. Benno Kühne, P. Gall Morel. Ein
Mönchsleben aus dem "XIX. Jahrhundert. Eias. 1875.)
Ausschliesslich auf das Gebiet der Geschichte be-
schränkte sich P. Karl Brandes. Geboren in Braunschweig
1810, trat er in Frankreich zur katholischen Kirche über,
half Abt Guäranger bei der Gründung der französischen
Benediktiaer-Congregation, legte mit demselben 1837 in
Rom die feierlichen Ordensgelübde ab, trat 1850 in das
Kloster Einsiedeln und wirkte von da ab als Professor
der Geschichte bis zu seinem Tode am 7. August 1867.
(Vergl. Rosenthal, Convertitenbilder Bd. 3, S. 272—310.)
Seine wichtigsten Schriften sind die „ Benediktinerbiblio-
— 492 —
thek" 3 Bände und die Uetersetzung der „Mönche des
Abendlandes" des Grafen Montalembert 5 Bände.
Von anderen Elostermitgliedem haben sich viele in
den theologischen Fächern bethätigt, namentlich auch
auf dem Gebiete der Erbauungsliteratur, wobei natürlich
auch die Wallfahrt eingewirkt hat. Fruchtbare ascetische
Schriftsteller waren P. Laurenz Hecht f 1871, Friedrich
Willam f 1879, Conrad Effinger. An sie schliessen sich
an die Namen von P. Claudius Perrot, Beat Rohner und
Leo Keel. In der Philosophie ist P. Georg TJlber und
Benno Kühne zu nennen; in den Naturwissenschaften
P. Meinrad Kädin, der auch als Professor und Prior in
St. Stefan in Augsburg wirkte, f 1858, dann Athanasius
Tschopp, Thomas Bruhin, Wilhelm Sidler. Mit Philo-
logie beschäftigt sich P. Heinrich Birkenbach, derzeit
Professor in Monte -Casino, mit Aesthetik und Alter-
thumskunde P. Albert Kuhn, Verfasser der „Roma"; mit
musikalischen Compositionen P. Conrad Stöcklin und
P. Anselm Schubiger, der Verfasser der „Sängerschule
YOn St. Gallen". Als Historiograph unermüdlich ist
P. Justus Landolt. Im Laufe der Zeit wurden mehrere
Conventualen als Aebte in andere Klöster und selbst auf
Bischofssitze berufen. So noch neuestens i. J. 1869
P. Kaspar Willi zum Weihbischof und 1877 zum Bischof
TOn Chur (f 1879).
Haben wir im Bisherigen die Vergangenheit und das
geistige Wirken des Hosters dargestellt, so bleibt noch
ein Blick zu werfen auf äussere Gestaltung und Umgebung.
In einer Stunde führt uns die Eisenbahn unter bestän-
digem Aufsteigen von dem Ufer des Zürichsees, über den
man während der Fahrt eine herrliche Aussicht geniesst,
in das Hochthal der Alp. Dem Ufer dieses Bergstromes
entlang gelangen wir zum Bahnhofe am untersten Ende
des Fleckens Einsiedeln. Indem der Reisende diesen
durchschreitet, verwundert er sich über die zahlreichen
Gasthöfe, die alle zur Aufnahme von Pilgern bereit sind,
und ihre ungewohnten Wirthshausschilde St. Meinrad, St.
Benedikt, St. Katharina, drei Herzen u. dergl. Zahlreiche
Verkaufsläden sind reichlich versehen mit Devotionalien
und Gebetbüchern, welche meist aus den grossartigen
Etablissements der apostolischen Typographen Gebr.
— 493 —
Benziger hervorgegangen sind, welche in ihrem Geschäfte
über 700 Personen beschäftigen.
Folgt man der Hauptstrasse des Fleckens, so gelangt
man zuerst auf einen -weiten Platz, in dessen Mitte der
Marienbrunnen aus vierzehn Röhren seiu firisches Quell-
■wasser spendet. Imposant nimmt sich hier die Fa9ade
des Klosters aus, ein stattlicher Sandsteinbau, von zwei
Thürmen überragt, -welche ein wohlHingendes G-locken-
apiel [enthalten, Sie schliessen die Kirche in der Mitte
eia und an sie lehnen sich zu beiden Seiten die grossen
Hauptflügel der Abtei; der südliche ist die Wohnung des
Abtes, der Graste und Oekonomiegebäude; der nördliche
das Pfarramt und die Schule mit einem grossen Spiel-
platz für die Zöglinge.
Betreten -wir die Kirche, so fällt uns zuerst im Hinter-
grunde derselben die freistehende aus schwarzem Marmor
erbaute Muttergottes- oder Gnadenkapelle auf. Hier werden
von Morgens früh bis gegen Mittag h. Messen gelesen
und stets ist sie von frommen Betern umgeben.
Das Gnadenbild, aus Holz geschnitzt und seit undenk-
barer Zeit schwarz bemalt, stellt die göttliche Mutter
stehend dar, 3 Fuss 4 Zoll hoch. Sie trägt das Jesus-
kind auf dem linken Arme; ein Vöglein, das auf des
K indes Hand steht, pickt diesem saiift in den Finger.
Das aufgelöste Haar der heiligen Jungfrau wallt ihr in
langen Locken über die Schultern herab. Das Kleid trägt
noch jetzt Spuren von eingeprägter Zeichnung, der Saum
desselben war wahrscheinlich vergoldet. Die Gestalt ist
edel und sehr schlank, wie in der Regel die noittelalter-
lichen Bildwerke. Der Ausdruck des Antlitzes ist über-
aus fein und lieblich, der Falten-wurf edel und einfach.
Die schwarze Farbe erklärt sich wohl am besten als eine
symbolische Hindeutung auf den Text des Hohenliedes:
„Ich bin schwarz, aber schön," der in der Liturgie seit
uralter Zeit auf Maria angewendet -wird.
Das Alter betreffend, so bringt die Tradition dieses
Büd Eoit dem h. Meinrad in Verbindung , während
■Kunstkenner es ins 11. oder 12. Jahrhundert setzen. Die
Bekleidung des Bildes mit köstlichen Stoffen hat der IJn-
geschmack des 17. Jahrhunderts zu verantworten und die
Fabel von der Ueberführung des echten Marienbildes nach
— 494 —
Paris zur Zeit der Invasion durch die Franzosen die Er-
findungssuelit des 19.
Die zahlreiclien Votivtafeln, welche in der Nähe der
Kapelle die Wände der Kirche bedecken, sind ebenso viele
Urkunden dafür, dass diese Stätte mit Recht ein Gnaden-
ort genannt wird. Die dreischiffige Kirche hat einen
kühnen Gewölbebau, eine schöne Kuppel und an den
Wänden ringsum 14 Seitenaltäre, •welche durch eiserne
Gitter abgeschlossen sind. Eine Gallerie mit eisernem
Geländer läuft vom Chore aus um die ganze Kirche. Auf
derselben beifinden sich eine kleine und eine grössere
Orgel; eine dritte ist im Chore aufgestellt. Die grösste
Zierde des Schiffes ist ein grossartiger Kronleuchter von
24 Centner Schwere, welchen Kaiser Napoleon HI. im
Jahre 1865 dem Stift schenkte als eine Erinnerung an
die Wallfahrt, die er in seiner Jugend mit seiner Mutter,
Königin Hortense, nach Einsiedeln machte. Der Chor
ist durch ein eisernes Gitter vom Schiff getrennt. Der
Hochaltar aus feinem Marmor ist mit einem Erzguss von
Pozzi, das heü. Abendmahl des Herrn darstellend, ge-
schmückt. Die Apostelstatuen des Chores sind von dem
bayerischen Büdhauer Babel, das Hauptbild des Hochaltars,
die Himmelfahrt Maria darstellend, von Franz KJraus
(geboren in Augsburg 1706, gestorben in Einsiedeln 1756).
Von ihm sind auch die Fresken des Chores, welche, sowie
das Altarbild Patd von Deschwanden in den Sommer-
monaten 1857 und 1858 würdig renovirte.
Eine massenhafte Ornamentik in reicher, verschwen-
derischer GoldföUe giebt dem Tempel eine imponirende
Wirkung.
Zwei Grabmäler an den Seiten des Chores mit den
Namen der Verstorbenen deuten auf die unter dem Boden
der Kirche befindliche Gruft, in welcher die verstorbenen
Mitglieder des Stifts beigesetzt sind.
Von dem linken Seitenschiffe führt eine Flügelthür
in das sogenannte Beichthaus, eine geräumige Kapelle,
welche der h. Büsserin Magdalena gewidmet ist. Sie ent-
hält 28 Beichtstühle und wurde im Jahre 1680 vom Fürst-
abt Rading eigens für die beichtenden Wallfahrer erbaut.
Dieser Bestimmung entsprechen auch die Preskogemälde
an den Gewölben, welche sämmtlich Bussbilder darstellen.
— 495 —
Hinter dem Hochaltar der Hauptkirche befindet sicli
die Sakristei und über derselben der obere Chor, wo die
kanonischen Hören gehalten werden. Auf dieselben haben
auch die Fresken der Mauer und des Gewölbes Bezug,
die so das Gemüth zur Andacht und Sammlung stimmen.
Die Chorstühle und die über denselben befindlichen Statuen
heiliger Mönche sind als Meisterwerke der Schnitzkunst
beachtenswerth; ebenso zwei grossartige verzierte Pulte
mit zwei noch grossartigeren Choralbüchem, auf Perga-
ment geschrieben von P. Johaim Häfeli in der Zeit von
1660 — 80. Sie dienen noch jetzt zum gemeinsamen Choral-
gesang. Eine Orgel zur Begleitung desselben ist eben-
falls im Chore angebracht.
Betreten wir mm den Kreuzgang des eigentlichen
Elostergebäudes. Dasselbe bildet ein mächtiges vier Höfe
einschliessendes Viereck. Einfach sind die Zimmer der
Conventualen. Das bedeutendste Lokal ist die Bibliothek.
Sie enthält gegen 35,000 Bände, meist theologischen und
geschichtlichen Inhalts, 500 Inkunabeln aus dem 15. Jahr-
hundert und über 600 Pergamenthandschriffcen, von welchen
die ältesten aus dem 8. Jahrhundert stammen. Ein Unicum
ist der sogenannte Regionator Einsidlensis , eine Be-
schreibung der Stadt Eom aus dem 8. Jahrhundert. Der
berühmte Cav. Rossi in Rom machte einzig um dieses
Buches willen ein Reise nach Einsiedeln. Eine Gypsbüste
des Theophrastus Paracelsus erinnert an diesen grössten
Schweizer Arzt, der 1493 in Einsiedeln geboren wurde
und 1541 nach einer sehr bewegten Laufbahn in Salzburg
starb. In der Bibliothek ist auch die nicht unbedeutende
Sammlung von physikalischen, astronomischen und mathe-
matischen Instrumenten aufgestellt und daneben eine
naturhistorische Sammlung für die Zwecke des Unterrichts.
Ausserdem besitzt das Kloster noch mehrere kleinere
Bibliotheken sowie eine kleine Sammlung von römischen
und Schweizer Münzen. Das Archiv enthält trotz bedeuten-
der im Laufe der Zeiten erlittener Yerluste noch einen
reichen Schatz alter Urkunden, besonders auch der römi-
schen Kaiser, von Otto I. (946) bis auf Josef H.
Yiel von Fremden besucht wird der „Grosse Saal"
des Klosters, der sonst weiter keine Bestimmung hat. Er
enthält die lebensgrossen Porträts Pius IX, und mehrerer
— 496 —
kaiserliclier Majestäten, welche von hohen Gönneim ge-
schenkt wurden. Zwei grosse Oelgemälde von Mügge
mit Scenen aus dem Leben des h. Meinrad schenkte
die fürstliche Familie von Hohenzollern bei Anlass des
Mülenariums 1861.
Hinter dem Kloster dehnt sich der geräumige
„Herrengarten" aus, der mit Küchengewächsen bepflanzt
ist und daneben den Conventualen zur Zeit der Erholung
Platz zu Spaziergängen bietet. In den Nebengebäuden
seitwärts vom Kloster wohnt das Dienstpersonal, oder ea
sind Stallungen und Oekonomiegebäude. Auch eine
Mühle fehlt nicht und daneben befinden sich vier grosse
Dampfkessel, welche hauptsächlich für die Heizung dienen,
indem von da der Dampf überallhin in das grosse Ge-
bäude geleitet wird und so den langen und strengen
Winter erträglich macht. Alle Gebäude, Höfe und Grärten
schliesst eine hohe Mauer in ein grosses Viereck, wovon
jede Seite 790 Fuss lang ist.
Seit Jahrhunderten bildet die Pferdezucht einen
wichtigen Zweig der klösterlichen Oekonomie. Die Zahl
der Pferde beträgt über hundert und auf den Weiden,
welche die umliegenden Hügel bedecken, sowie in dem
3 Stunden entfernten Sihlthal gedeihen die jungen Füllen
vortrefElich und sind daher auch geschätzt.
Eine halbe Stunde südlich von Einsiedeln liegt das
Benediktiner -Nonnenkloster, Au genannt, am Fusse eines
waldigen Berges. Den Anfang desselben büdeten Häuser
von „Waldschwestem", welche um das Jahr 1540 sich
vereinigten. Abt Augustiu I. baute ihnen ein Kloster aus
Stein statt der alten Holzhäuser und sandte ihnen einen
Conventualen zur Besorgung des Gottesdienstes. Auch
gab er ihnen die Eegel des h. Benedikt zur Vorschrift.
Das Jahr 1798 zwang auch sie, ihre stülen Zellen zu ver-
lassen, welche sie erst nach einigen Jahren wieder be-
ziehen konnten. Sie nähren sich von dem Ertrag ihrer
geringen Besitzungen, die sie zum Theü eigenhändig be-
bauen. Die Zahl der Schwestern ist 40; abwechselnd
sind zwei von ihnen im Gebete vor dem heiligsten
Sakramente, in „Ewiger Anbetung", Das Gemälde des
Hochaltars, in schöner Gruppirung die Heiligen in der
Anbetung des heiligsten Sakramentes darstellend, ist ein
— 497 —
■würdiges Meisterstück des Malers Kaiser in Stanz. (Siehe
P. Justus Landolt: GescMclite des Jungfrauenklosters in
der Au. Einsiedeln 1878.)
Die Literatur über Einsiedeln ist nicht unbedeutend.
Um das Jabr 966 wurden die Annales Einsidlenses
niedergeschrieben und von da bis zum Jahre 1595 fort-
geführt. (S. Pertz, Monumenta Germaniae T. HI. p. 142. 143.)
Im 14. Jahrhundert besang der Magister Rudolf yoiq.
Kadegg die G-esta Abbatis Johannis de Schwanden. De?
Chronist Aegydius Tschudi stellte aus verschiedenen
Quellen seinen Liber Heremi zusammen. Die „Einsiedler-
chronik" reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück; dieselbe
ist wie auch die „Beschreibimg des Klosters imd der
Wallfahrt" in drei Sprachen und in zahllosen Exemplaren
xmter dem katholischen Volke verbreitet. Leider aber
wird eine urkundKche und pragmatische Geschichte des
Klosters und der Wallfahrt woM noch lange ein frommer
Wunsch bleiben. Vorarbeiten dazu sind
Chronique d'Einsidlen (Notre-Dame-des-Ermites) par
Joseph ßögnier. Paris 1837.
Ursprung und erste Gestaltung des Stiftes Maria-
Einsiedeln. Von P. Justus Landolt. Einsiedeln 1845.
Die Regesten der Benediktiner- Abtei Einsiedeln, be-
arbeitet von P. Gall Morel. Chur 1848.
Leben xmd Wirken des h. Meinrad für seine Zeit imd
für die Nachwelt. Eine Festschrift zirr tausendjährigen
Jubelfeier 1861. (Buch 1 u. 2 verfasste P. Karl Brandes,
Buch 3, Reihenfolge der geistlichen Söhne des h. Mein-
rad, Abt Heinrich Schmid.)
Wir schliessen mit den Worten des Sängers der
Eremus sacra:
Eine Zelle war's imd wurde ein Dom,
Eine Quelle war's und wTirde ein Strom,
Ein Kömlein war's und ward eine Eiche;
Zwei Kerzen brannten bei Meinrads Leiche,
Die erleuchten und wärmen so wrmderbar
Millionen Herzen schon tausend Jahr.
P. Gabriel Meier,
Bibliothekar.
Ein Benediktinerbuch.. 32
Engelberg in der Scliweiz.
ilchon in dem Jatre 1070 soll nach unsem Annalen
Conrad, ein Freiherr des alten GescUeclits von
Seldenhüren, deren Stammburg amAlbis im gegen-
wärtigen Kanton Zürich liegt, bedacht gewesen
sein, ein Kloster zu stiften. So baute seiu -wahrschein-
licher Grossoheim, Reginbert von Seldenbüren^ das Kloster
St. Blasien im Schwarzwald. Daher die verschiedenen
Beziehungen beider Klöster zu einander. Conrad suchte
deshalb für seine Stiftung einen tauglichen Ort, den
er auf der Auer in Buochs, am Vierwaldstätter See, ge-
fanden zu haben glaubte. Hier baute er mm um 1082
das Kloster, wie dies nicht nur die stete Ueberlieferung,
sondern auch unsere Chronisten und Aimalisten sagen,
sowie die gegenwärtig noch vorhandenen Fundament-
mauern beweisen. Ebenso sagt Kaiser Heinrich IV. und
König V. in seinem Diplom, dass dieses Kloster unter
seinem Vater (der 1106 starb) sei gebaut worden. Ob-
schon er bereits für die Brüder eia kleineres Gebäude
aufgeführt hatte, so liess er doch das Hauptgebäude un-
vollendet und suchte sich im Gebirge einen anderen ab-
gelegeneren Ort. Diesen fand er nach Wunsch im Surenen-
thal am Fuss des Hennenberges und Abhang des Titlis,
Dieses Thal war damals noch ein ganz unbebautes, wal-
diges, sumpfiges Alpenthal. Darum erklärt es sich auch,
warum das neue Kloster erst 1119 ganz vollendet wurde^
indem der Bischof von Constanz, Ulrich I. , dasselbe erst
am 1. April 1120 nebst der Kirche weihte, bei welchem
Anlass er dem Abt imd Convent mit dem Zehenden die
Pfarrei von der Beinstrasse an bis Surenegg übergab.
Wie nun Probst Adschelin als Abt das religiöse Leben
hier anfangen wollte , wurde er nach St. Blasien zurück-
berufen, woher der Stifter Conrad 12 Eeügiosen begehrt
und erhalten hatte, und an seine Stelle wurde Adelhelm
als Prior bestellt. Als solcher leitete er nun die Gemeinde,,
bis er 1124 vom Pabst Calixt H. auf Ansuchen des Stifters.
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— 499 —
selbst zum ersten Abt beBtimmt -wrurde, und zwar mit
allen Freiheiten imd Vorrechten eiaes nur ihm und seinen
Nachfolgern unterworfenen Stiftes, und gab ihm selbst den
Namen Engelberg (quod nos Mens Angelorum appellari
Tolumus). Um diese Zeit baute der Freiherr Conrad auch
für Schwestern unterhalb des Männerklosters eins. Während
dessen nahm auch der Kaiser Heinrich IV. und König V.
die Stiftung unter seinen Schutz und verlieh einem jeweiligen
Abte die weltliche Gerichtsbarkeit über das Thal und
dessen Bewohner. Als nun der Stifter auf solche Art
durch Pabst und Kaiser seine Stiftung gesichert hatte,
stellte er sich selbst als Laienbruder imter den Gehorsam
des frommen Abtes Adelhehn, um so anderen in den
klösterlichen Tugenden voranzugehen. Weil ihn nun aber
seia Abt 1126 wegen Streitigkeiten, die über ein Besitzthum
des Klosters entstanden, an Ort und Stelle schickte, wurde
er am 2. Mai meuchlings gemordet und seitdem stets als
Seliger alljährlich mit einem feierlichen Hochamt verehrt.
Nur 5 Jahre überlebte der gottselige Abt Adelhelm diesen
für ihn und das Stift so schweren Todesfall, denn am
25. Februar 1131 starb auch er nach einem thatenreichen
Leben im Rufe der Heiligkeit. Nun kam für das so viel-
versprechende Stift eine traurige Zeit, weil drei Männer
die Verwaltung des Klosters an sich rissen, die schlecht
beleumdet und nie als Aebte anerkannt und bestätigt
wurden. Doch ihre Regierung währte zum Glück nur bei
13 Jahre, denn die Brüder begehrten abermals einen Abt
von St. Blasien. Wie das erste Mal so erhielt Engelberg
von daher wieder einen durch Gelehrsamkeit, Heiligkeit
und religiösen Eifer ausgezeichneten Mann, Irowin, zum
Abt, 1144. Mit ihm begann für Engelberg die Zeit des
Ruhmes, der Ehre in religiöser, wissenschaftlicher und
ökonomischer Hinsicht. Er selbst schrieb einige Werke,
z. B. de Laude liberi arbitrü; de actione Domini; zwei
Chroniken etc., oder sehrieb solche ab, theils Hess er durch
seine Religiösen solche abschreiben. Besonders sieht man,
dass schon imter ihm eine Schule blühte, indem sich noch
jetzt ein Verzeichnis vorfindet, in dem viele Klassiker,
oft zwei- bis (dreifach abgeschrieben, vorkommen, jedoch
wenige, vorzüglich aus dem letzten Klosterbrand 1729,
gerettet wurden. Ihm bestätigte Herman, Bischof von
32*
— 500 —
Constanz, 1148 und Pabst Adrian 1157 die Rechte und
Privilegien des Stiftes, sowie die Pfarrei Engelberg, die
CoUatur der Pfarrei Stans und Buocbs. Nacb einer solchen
verdienstvollen Regierung legte er sieb zur Rübe den
27. März 1178 und -wurde bis zu dieser Zeit alle Jabre
an diesem Tag als ein Seliger verehrt. Die Wahl seines
Nachfolgers fiel alsbald auf seinen Schüler Berchtold,
1178 — 1197. Ein ebenfalls frommer, gelehrter und für das
Stift höchst verdienter Abt. Gleich seinem Vorgänger
•war auch er bedacht, das Stift zu heben sowohl in wissen-
schaftlicher, geistlicher und zeitlicher Hinsicht. Er selbst
verfasste eine Schrift gegen die Irrthümer des Abtes
Burchard von St. Johann im Thurthal; besonders war er
ein Freund der Verstorbenen und wirkte auch Wunder.
Von drei Päbsten erhielt er die Bestätigimg des Stifts, seiner
Rechte und Güter, namentlich das Patronat über die Eirche
zu Wylen (Oberwyl bei Bremgarthen). Weü nun unter
seiner Leitung 40 Mönche und 80 Nonnen lebten, wurde
ihm der Zehnde von Stans und Buochs zu Theü. So für
das Zeitliche und Geistliche sorgend, segnete er das Zeit-
liche den 3. November 1197. Kaum zwei Jahre nach seinem
Tod, 1199, hatte sein Nachfolger, Heinrich I. von Bald-
egg (Worthenbach) das Unglück der Einäscherung des
ganzen Klosters. Doch mit Hülfe des Leutpriesters Heinrich
von Buochs stellte er es besser wieder her. Denn dieser
Heinrich vergabte nicht blos sein bedeutendes Vermögen,
sondern erbaute auch den Schwestern eine eigene Kirche
und liess sich selbst in den Hosterverband aufnehmen.
Dieser Abt liess auch das schöne byzantinische Kreuz
machen und erhielt vom Grafen Rudolf von Habsburg
1210 durch Austausch die Güter im Grafenort; aber leider!
fing auch schon unter ihm der so lange dauernde Alpen-
streit mit Uri an, was den Abend seines Lebens trübte,
1223. So wirkten gleich ihm seine nächsten Nachfolger
als gelehrte, fromme und eifrige Aebte gar Vieles für das
Wohl des Stiftes in jeder Hinsicht. Während der Regierimg
des 7. Abtes Walther I, 1250—1267, von Iberg weihte
der Bischof Eberhard von Constanz 1254 die Kjrche der
Klosterfrauen und in der obem Kirche die St. Peter- und
Paul-Kapelle imter dem Thurme, indem er zugleich 42
Jungfrauen die Weihe ertheilte. Ebenso wurde seinem
— 501 —
Nachfolger Walther II. de Chamo, 1267—1276, Töm Abt
von Murbach ein Haus bei der Kapelle in Liozem, sowie
Tom Grafen von Habsburg gleich nach seiner Erönung
zum Kaiser die Bestätigung aller Eechte imd Freiheiten
des Stiftes zu Theil. Eben dieser Abt übersetzte auch
die heilige Ordensregel ins Deutsche. Leider waren seine
zwei Nachfolger nicht so eifrig um das Wohl des Stif-
tes bedacht, was es wahrscheinlich macht, dass der
Convent, nach den Annalen von St. Blasien, einen Abt
Yon daher begehrte, imd so kam Rudolf I. SchenMieb
(oder von Winkelried) an die Regierung. Gross waren
die Vergabungen der von Winkelned unter diesem Abt.
Doch hatte er abermals das Unglück eines Klosterbrandes,
den 25. Januar 1306, in welchem alle Fahrhabe, selbst
die Earchenglocken zu Grunde gingen. Indes s war die Hülfe
auch gross, die ihm zu Theil ward durch Pabst Clemens V.
mit Yerleihung der Zehnden von Buochs, von Brienz, den
Kirchensatz von Wylen und den Nonnen den von Lungern,
sowie durch die Gemahlin Elisabet des Königs Albrecht
imd ganz besonders ihrer Tochter Agnes, der Königin und
Gemahlin Königs Andreas von Ungarn. Allein die Vollen-
dimg des Klosterbaues und die Erweiterung des Frauen-
klosters musste er, da er 1317 den 11. Februar starb,
seinem Nachfolger Walther HI. de CHvo (Amseutz),
1317 — 1331, überlassen, was dieser auch vollbrachte. Seine
Regierung war besonders merkwürdig, weil unter ihr Agnes,
die Königin von Ungarn, sammt ihrem Hofstaat nach
Engelberg kam, um der Weihe der Klosterkirche bei-
zuwohnen, welche der Weihbischof von Constanz, Johannes
Montfocont, den 31. August 1325 vornahm, bei welchem
Anlass alsdann am 4. September 139 Jungfrauen die Weihe
erhielten. Hierzu zahlte die Königin allen Aussteuer und
Auslagen, vergabte zugleich den Frauen ihr Hochzeitkleid
xmd den Mönchen einen eigenhändig gestickten Rauch-
mantel mit der Jahreszahl 1318. Dass diese 139, Töchter
und Frauen der Königsmörder gewesen, ist schon dieses
nebst anderen ein klarer Gegenbeweis, dass unter den
300, ja mehr, Nonnen, so damals in Engelberg lebten,
nicht Ein Name von denselben vorkommt und doch alle
aufgezeichnet sind.
Wie sehr jedoch zu dieser Zeit Engelberg im An-
— 502 —
selieii stand, mag -wolil aucli das zeigen, dass Wilhelm
von "Wolfenschiessen , 1331 — 1347, vom Pabst Infel und
Stab erbielt und der Weibbiscbof von Constanz, Heinrich
Albus, 1345, wiederum 90 Jungfrauen in den Orden auf-
nahm. Doch diese Zahl verminderte sich bald, da unter
seinem Nachfolger Heinrich JH. von Sempach, 1349 — 1359,
die Pest vom 8. September 1349 bis 6. Januar 1350
116 Nonnen, 2 Patres, 5 Schüler wegraffte und im Thale
selbst 20 Häuser ganz entvölkert wurden, wodurch auch
der Wohlstand des Stiftes sehr litt, weswegen das Capitel
bereits zum vierten Mal einen Abt von St. Blasien be-
gehrte, und auch diesmal erhielt es in Rudolf H. von
Stühliagen, 1360 — 1398, einen der ausgezeichnetsten Aebte
Engelbergs. Er war es, der von Herzog Rudolf von Habs-
burg für sein Stift die Zollfreiheit in allen seinen Ländern,
von Beromünster die Kirche in Kerns und für die Kloster-
frauen diejenige von Küssnacht erhielt. Ja er wurde in der
Benediktinerversammlung 1375 in Augsburg zum Visitator
aller deutschen Klöster erwählt und war sonst auf verschie-
dene Axt auf die Ehre und das Wohl des Stiftes bedacht.
Nach. seinemTode, den 9. Februar 1398, begann jedoch mit
seinem Nachfolger Walther Myur, 1398 — 1420, für Engel-
berg ein Jahrhundert des Unglücks und der Verwirrung
im Innern und Aeussern. Dieser Abt Walther IV. war
zwar für sich und auch für das Stift noch ein tüchtiger
und gerechter Abt, wie dies das Concü von Constanz
1415 zeigt, wo ihm der Pabst und Kaiser alle Rechte und
Freiheiten des Stiftes bestätigten, aber die äussern Ver-
hältnisse lähmten sein Wirken. So ging unter ihm die
feindselige Stimmung und Beraubung der Klostergüter so
weit von Seite Unterwaldens nid dem Wald, dass der
Bischof von Constanz den Bann über selbes verhängte.
Dazu kam noch der vielfältige Abtwechsel und die Ein-
mischung der Klostervögte in die Wahl, was dem Kloster
zum grössten Nachtheü gereichte, bis die Religiösen 1504
sich so ermannten, dass sie frei einen ihrer Mitbrüder,
Barnabas Burki von Altstätten, 1504 — 1546, zum Abt er-
wählten. Er war wirklich bei seiner Wahl Meister der
freien Künste, Doctor der heüigen Schrift und Professor
der Philosophie und Theologie an der Universität in
Paris. Kaum hatte er die Regierung angetreten, als er
— 503 —
sicii als Hersteller der Ordnung im Innern und Erhalter
der EecMe des Stiftes aucli nach Aussen zeigte. Er war
ein -wahres Werkzeug Gottes nicht blos für das Kloster
Engelberg, sondern auch für die benachbarte Sch-weiz,
Vielseitig hatten sich sittliche und bürgerliche Yerderben
jeder Art nicht blos bei Weltlichen, sondern auch bei
Oeistlichen eingeschlichen. Ja selbst die Ordenshäupter
wurden vielfältig von dem Grift der Reformation angesteckt.
Aber Abt Barnabas wusste als ein kluger, weiser und ge-
lehrter Hausvater sein Haus zu bewahren, so dass kein
einziger Religiöse austrat und die heilige Religion ver-
leugnete. Jedoch ,auch ausser seinem Kloster und Thal
suchte er den katholischen G-lauben zu erhalten, so im
Berner Oberland. Er wurde daher bei dem Religions-
gespräch 1526 in Baden zu einem der Präsidenten erwählt,
welcher Wahl er alle Ehre machte. Ob schon auf solche
Weise Abt Barnabas auch für die Zukunft des Stiftes
Wohl gesichert zu haben schien, so zerstörten doch die
Zeitverhältnisse das Meiste; denn kaum hatte er am
29. December 1546 die Augen geschlossen, so starben unter
seinem Nachfolger Johannes Spärlin 1548 alle im Kloster
anwesendenReligiosen sammt dem Abt, bis auf zwei Schüler,
an der Pest. Ein gleiches Schicksal hatte sein dritter
Nachfolger Jodocus&rämer, indem die abermals herrschende
Pest 1573 gar alle bis auf einen Pater, Georgium Staub,
wegraffte. Wie konnte wohl auf eine solche Weise das
Kloster Engelberg gedeihen, zudem die sog. Schirmorte
ihr Möglichstes zu seinem Nachtheil verfügten. Es war
daher wahrlich kein Wunder, dass es seinem Unter-
gang nahe kam. Doch die göttliche Vorsehung liess das
nicht zu, indem auf päbstlichen Befehl 1603 den 8. Sep-
tember durch den Nuntius, Johannes de Surre, Jakob
Benedikt Sigerist zum Abt eingesetzt wurde. Er war aber
auch ein wahrer Religiöse, sorgfältiger Vater und ein
tüchtiger Regent. Er suchte seine jungen Religiösen auf
berühmten Schulen zu büden, liess sich 1604 in die neu er-
richtete Benediktiner-Congregation der Schweiz aufnehmen,
und um des Klosters Wohl auch im Zeitlichen zu fördern,
trachtete er, obwohl mit vielen Schwierigkeiten, die Rechte
d.es Stifts, welche seine Vorgänger theüs verloren, theils
vernachlässigt oder widerrechtlich verschenkt hatten, wieder
— 504 —
2u erwerben, weshalb er aucb 1613 -vom Pabst Paul V.
für sieb und seine l^acbfolger die biscböflicben Insignien.
erhielt. Voll der Verdienste starb er den 10. März 1619.
Von nun an wurde das Stift von so ausgezeichneten Aebten
regiert, dass es stets mehr wieder in zeitlichen und geist-
lichen "Wohlstand kam, nur \mter Abt Benedikt Keller,
1629, herrschte abermals eine pestartige Krankheit, welche
bei 13 Religiösen und gar viele Thalleute hinraffte. Be-
sonders zu nennen sind: Ignaz I. Bettschenk, 1658 — 1681,
welcher wegen seiner ausgezeichneten Regierung den Zu-
namen der Grosse erhielt ; Gregor Fleischlrn, der Visitator
der Congregation wurde; Ignaz U. Boumert, welcher
sich besonders durch seine Güte gegen Arme auszeichnete,
und Joachim Albini, ein ganz vorzüglicher Oekonom und
Verehrer seines Vaters, den er einstmals, von der Statthalterei
Sins kommend, vor der Stadt Luzern einholte, wie er
einen Esel vor sich hertrieb, vom Pferde stieg imd ihn
durch die Stadt zu Fuss begleitete. Indessen hatte sein
Nachfolger Maurus Rinderlin, 1724 — 1730, das drittmalige
Unglück des gänzlichen und wohl des schlimmsten Kloster-
brandes, weil da Alles, was in den Zellen der Patres und
Pratres war, vom Feuer verzehrt wurde. Wohl fing er
den gegenwärtigen Klosterbau sogleich wieder an, starb
aber von Kummer und Sorgen erschöpft schon am 19.
December 1730. Von ihm sagt unser Annalist, dass er
seit seiner Wahl zum Abt keinen frohen, heiteren Tag
gehabt, indem seine Wahl schon widerrechtlich vom aposto-
lischen Nuntius angefochten wutde. Daher war sein Nach-
folger Emanuel Crinelli von Uri, 1731 — 1749, umso eifriger
bemüht, Eloster und Kirche zu vollenden und mit einer
neuen Orgel, Glocken und Paramenten zu versehen, und
er wirkte in jeder Hinsicht so Vieles, dass man sich
"WTindöm muss, wie ihm das nur möglich war. Auch in
wissenschaftlicher Hinsicht war er nicht unthätig, so dass
mehrere gelehrte Conventualen seine Regierung krönten.
Drei Wochen nach seinem Hinscheiden (4. September
1749) erwählte der Convent Maurus Zingg aus dem Flecken
Einsiedeln, und ihm folgte im Jahre 1769 am 5. Juni
Leodegar Salzmann von Luzern. Dieser war ein Mann, wie
ihn die immer schwieriger werdenden Zeitverhältnisse
erforderten. Er bewies sich gegen seine Untergebenen
— 505 —
im Kloster und Thal als ein wahrer Vater und Wohl-
thäter, untemaimi mehrere Neubauten, suchte stets Eecht
und Gerechtigkeit zu handhaben und war besonders auf
Behebung der Armuth bedacht. Aber durch das Alles ver-
mochte er nicht die Thalleute in der Unterthänigkeit zu
erhalten, da der französische Freiheitsschwindel auch die
Thalbewohner angesteckt hatte, und so gab er die bei
674jährige Oberherrlichkeit über die Thalleute auf, was
Alles sie iTim in der Todesstunde durch schmählichen
Undank vergalten, die am 14. Mai 1798 eintrat. Fünf
volle Jahre blieb nun die Abtei imbesetzt, während welcher
Zeit das Innere P. Maurus Müller als Prior, das Oekono-
mische P. Karl Stadler besorgten, welch letzterer dann
1803 den 21. Mai wieder zum ersten Abt erwählt wurde.
Ein iu jeder Hinsicht tüchtiger Mann, klug, einsichtsvoll,
gelehrt und arbeitsam, so dass er bei seinem Vorgänger
gleichsam sein rechter Arm war. Solches Alles suchte
er auch bei seinen Eeligiosen zu heben, da er schon als
Archivar und Bibliothekar so Vieles gearbeitet und ge-
schrieben hatte. Selbst Nidwaiden fühlte seine Güte durch
die ihm verliehenen sechs Freiplätze im Gymnasium des
Klosters. Unter ihm schloss sich 1816 Kloster Tind Thal
an Obwalden an. Dieser verdienstvolle Abt vollendete
sein zeitliches Leben den 22. October 1822, und nach
drei Wochen wurde P. Eugen von Büren von Stans, da-
mals Statthalter und Pfarrer in Sins, zum 50. Abt er-
wählt. Obschon auch er viel des Guten für Kloster und
Thal leistete, die Schulen verbesserte, das Waisenhaus
baute, so hatte er doch vieles für das Stift Nachtheilige
zu erfahren, so den grossen Wasserguss 1831, dann den
Sonderbund; er segnete das Zeitliche nach 49 jähriger
Regierung von Leiden mxd. Alter gebeugt den 21. Mai
1851. Noch im gleichen Monat, den 27. Mai, kam die
Regierung an P. Placidus Janner von Arth, einen leib-
lichen Bruder des hochw. H. Probst imd vieljährigen
Theologie-Professors Dr. Anton Janner in Luzern. Sehr
Vieles unternahm er zur Bildung seiner Religiösen und
zur Hebimg der Schule und auch der Bibliothek. Nicht
so glücklich war er aber in seinenBauten und der Oekonomie.
So schied er aus diesem Jammerthal den 17. Februar 1866
und hinterliess die Abtei dem bisherigen Prior P. Anselm
— 506 —
Villiger von Stans. Schon als Prior war er der eigent-
liche Stifter des Frauenklosters in Maria Riekenbach und
der Beförderer des G-ymnasiums. Kaum hatte er die Abtei
angetreten, als sein eifrigstes Bemühen dahin ging, die
ökonomischen Schäden seines Vorgängers zu heben und
die Bildung seiner jungen Religiösen sowie die Schule in
noch besseren Zustand zu setzen. Doch nicht blos das
Kloster suchte er im Aeussern durch Neubauten und im
Innern durch religiösen Geist zu verbessern, sondern auch
nach Aussen durch seine Religiösen zu wirken, indem er
sieben Patres als Beichtiger und Kapläne zur Besorgung
von fünf Klöstern und der Seelsorge aussandte. Ja sogar
zwei Patres schickte er nach Conception in Nord-Amerika,
wo sie eine Niederlassung gründeten und bereits über
20 Conventualen zählen, wofür sie, weil das erste Gebäude
zu klein ist, neuerlich ein grösseres Kloster bauen. Nebst
dem zeugen für dieses Abtes eifrige Anstrengung, die
Ehre Gottes zu fördern, die kostspielige Renovation der
Klosterkirche und die Aufstellung einer neuen grossartigen
Orgel. So werden auch von den Patres über 72 Schüler
in den G-ymnasialklassen nebst Musik unterrichtet. Andere
sind an der Pfarrei angestellt oder sind anderwärts be-
schäftigt, so dass dieses Kloster unter diesem Abt das
blühendste Ansehen gewonnen, und das Alles, ja noch
mehr, was Alles zu erwähnen zu weit führen würde , be-
wirkte er in noch nicht 14 Jahren,
P. IgnAZ OndeBMATT, Subprjor, 1830.
Die Abtei Metten.*)
13 Jakr 1880, in -welclieia der Orden des heil.
Benedikt die vierzelinliunderigälirige Jubelfeier
der Geburt seines grossen Patriarchen begebt, ist
noch ein besonderes Jubeljahr für die Benediktiner-
abtei Metten. Am 31. März sind es nämlich fünfzig Jahre,
seitdem die Benediktinermönche wiederum in die durch
die Säcularisation verödeten Mauern des uralten Stiftes
eingezogen sind. Dasselbe liegt am linken Ufer der
Donau, eine Stunde oberhalb des Städtchens Deggendorf
in der Diöcese Regensburg, am Saume des romantischen
bayerischen Waldes in einer äusserst lieblichen und an-
muthigen Gegend. Sein Bestehen verdenkt dieses Stift
dem Einsiedler Utto und dem grossen Kaiser Karl.
ütto "war in Italien geboren und nach der Sage von
einem frommen deutschen Priester Gamelbert von Michaels-
buch bei Plattling, der eben auf einer Pilgerreise nach
Rom begriffen in jener Gegend -weilte, auf Bitten der
Eltern getauft -worden. Als er erwachsen, ging er, dem
Auftrage folgend, den Gamelbert in prophetischer Vor-
aussicht der Zukunft des Knaben den Eltern gegeben
hatte, zu diesem seinen geistlichen Vater nach Bayern,
■wurde da zum Priester geweiht und Gamelberts Gehülfe
im priesterlichen Wirken, zog sich jedoch nach dessen
Tode in eine Einsiedelei jenseits der Donau zurück, eine
halbe Stunde östlich vom Kloster, -wo heute noch ein
Kirchlein steht nebst einem Brunnen, der dem Gebete
IJttos sein Entstehen verdanken soll und von ihm auch
den Namen trägt. Hier traf ihn einst Kaiser Karl der
Grosse auf der Jagd, und da er in ihm einen Gottesmann
erkannte, so -wollte er ihm eine Gnade gewähren. (Jtto
bat um die Gründung eines Elösterleins in dieser Gegend,
*) N-ach S. Bupart Mitteraiallar 0. S. B. : „Bas Kloster Mettea
und seine Aobte". Stranbln? 1356 und Georg Aiotiin^er: „Kloster
Metten und seine Umgebungen". Landshut 1859
— 508 —
das dem heil. Erzengel Michael geweiht sein sollte, was
der Kaiser mit Freuden gewährte. Um welche Zeit die
Gründung des Klosters geschah, lässt sich nicht genau
feststellen. Jedenfalls fällt sie in die Jahre 794 — 800.
Utto wurde erster Abt desselben, und Karl selbst holte
ihm, als er im Jahre 800 zu seiner Kaiserkrönung in Rom
war, von Pabst Leo DI. die Bestätigung und den abtei-
lichen Hirtenstab. Leider sind die ferneren Nachrichten
über Utto und seine nächsten Nachfolger sehr spärlich,
da die diesbezüglichen Urkunden bei dem grossen Brande
des Klosters 1236 zu Grunde gingen. Wir wissen nur
noch von ihm, dass er auf dem Reichstag zu Aachen 817
für das Kloster die Befreiung von allen Lasten und Abgaben
an das Reich erhielt und 829 starb. Er wurde in der
Stiftskirche begraben, imd ihm nachmals ein schönes
Grabmal errichtet, auf welchem sein Bild in Stein ge-
meisselt ist.*)
Aus den im Libellus Societatum Augiensium vor-
kommenden Namen von Mettner-Religiosen aus den Jahren
802—822 lässt sich schliessen, dass zur ersten Gründung
des Klosters irische Mönche berufen worden, und mit dem
Mönchskloster, wie es damals überhaupt üblich, auch ein
Erauenkloster verbunden war.
Uttos Nachfolger in der abteilichen Würde war
Nithard, der 837 von König Ludwig dem Deutschen einen
sehr gnädigen Schutzbrief für das Kloster und die Ge-
währleistung der freien Wahl des Abtes erhielt. Auch
schenkte derselbe König dem Stifte zahlreiche Besitzungen
imd legte namentlich durch Schenkungen von Gütern zu
Drosindorf in der Ostmark den Grund zu den nachmals
nicht unbedeutenden Besitzimgen des Klosters in Oester-
reich (Herrschaft Eisenreich - Domach). Nicht minder
zeichneten sich die folgenden deutschen Könige, sowie
nachher die bayerischen Herzoge durch Freigebigkeit und
besonderes Wohlwollen gegen Metten aus. Bald brachen
jedoch auch Drangsale herein. Als nach der Schlacht bei
*) Dasselbe befindet sich jetzt in einer hölzernen ITinkleidung auf
der lüvangelienseite des Chores. Die Gebeine ruhen in einer bleiernen
Eiste neben der Tumba; in dem Glaskasten über derselben ist neben
einem fingirten heil. Leib noch das pedum abbatiale Uttos zu sehen.
iP-j'
fl
— 509 —
Pressburg 907 die Ungarn Bayern überschwemmten, wurde
auch Metten geplündert und niedergebraimt. Eine wichtige
Veränderung ging im Jahre 1129 mit dem Stifte vor sich,
indem die Benediktiner aus bis jetzt unbetannten Grün-
den aus demselben verdrängt wurden und nach Pfaffen-
münster ziehen mussten, während die dortigen regulirten
Chorherren ihren Platz in Metten einnahmen. Aber schon
1150 führte Herzog Heinrich Jasomirgott die Benediktiner
wieder zurück, wodurch er sich den Ehrennamen eines
zweiten Gründers des Klosters erwarb.
Das grösste Unglück traf Metten i. J. 1236 unter Abt
Bemold, indem ein furchtbarer Brand das ganze Eloster
in einen Aschenhaufen verwandelte. Erst nach 28 Jahren
konnte es wieder hergestellt werden, und scheint von da
an der Zustand desselben noch lange kein besonders er-
freulicher gewesen zu sein, da jetzt längere Zeit hindurch
die Aebte aus fremden Höstern (meist aus Niederaltach)
postulirt werden mussten. Ueberdies klagt Abt Albert I.
(1242 — 1268) sehr darüber, dass das Eloster durch ver-
schiedene Leistungen und Vexationen (bei den damaligen
Tingeheuren Wirren und Kämpfen zwischen geistlicher und
weltlicher Macht) in eine grosse Schuldenlast gestürzt
worden sei. Unter der meist ganz vortrefElichen Regierung
der aus den benachbarten Klöstern postulirten Aebte hob
sich jedoch das Stiffe allmählich wieder. Friedrich 11. aus
St. Emeran erwirkte 1275 zu Lyon, wohin er sich vor
den Verfolgungen des Bischofs Leo von Regensburg hatte
flüchten müssen, von Pabst Gregor X. die Exemtion und
die Confirmation aller Immunitäten und aller Besitzungen
in Bayern und Oesterreich, Sein Nachfolger Conrad von
Auerbach, aus Niederaltach, besserte mit Hülfe des Herzogs
Otto ni. die Verhältnisse der Art, dass er sich den Namen
eines Wiederherstellers des Klosters erwarb. Unter ihm
wurde das Vogteirecht der bayerischen Herzoge über das
Kloster abgelöst und die Pfarrei Michaelsbuch demselben
incorporirt. Auch wendeten von dieser Zeit an die Herren
von Neuhausen und Wildenforst, von Eck, Degenberg etc.,
welche bei der Stiftskirche Famil iengrabkapellen sich er-
bauten, derselben zahlreiche Stiftungen und Schenkungen zu.
Eine Erhöhung des äusseren Glanzes verlieh der Abtei
das Concil von Basel, indem es 1439 dem Abte für alle
— 510 —
künftigen Zeiten den Gebrauch der Pontificalien gestattete,
welches Privilegium Pabst Pius IE. noch dabin ausdehnte,
dass es auch ausserhalb des Klosters gebraucht werden
durfte. Dabei konnte er als Grund erwähnen, dass im
Kloster die Ordenszucht blühe, und der fromme Abt
(Johann I. 1459 — 1479) in grossem Ansehen stehe. Diese
Blüthe der Ordenszucht scheint jedoch nur unter diesem
Abte Wahrheit gewesen zu sein; denn schon vor ihm,
im Jahre 1444, hatte sich eine bischöfliche Untersuchungs-
commission veranlasst gesehen, sowohl gegen den Abt
(Andreas II. , 1435 — 1446) als auch gegen mehrere Mönche,
die mit dem Abte zerfallen waren, einen ernsten Tadel
auszusprechen; und vom Jahre 1482 an erschienen kurz
nacheinander mehrere Visitationscommissionen und wurden
ernstliche Versuche gemacht, durch Berufung von Eeligiosen
aus Reichenbach eine Eeform anzubahnen. Diese drang,
wenn auch nur langsam und unter vielfachen Kämpfen,
doch allmählich durch, so dass zur Zeit der Eeformation
der Protestant Bruschius dem Kloster das Zeugnis geben
konnte, dass daselbst echte Frömmigkeit mit regem wissen-
schaftlichen Geiste gepaart sei. Besonders rühmt er den
Abt Oswald I. (1497 — 1515) als einen Mann voll feuriger
Beredtsamkeit und heiligem Eifer, den Könige und Fürsten
ihrer Freundschaft würdigten. Aber dieser Aufschwung
war leider nur von kurzer Dauer. Nach dem Tode des
Abtes Sebastian Kastner 1569 gerieth das Stift in den
kläglichsten Zustand, in dem es sich je während seines
tausendjährigen Bestandes befunden hat. Selbst die Zahl
der Religiösen war auf 4 — 5 Priester und einige Kleriker
zusammengeschmolzen, und die ökonomischen Verhält-
nisse waren so elend, dass nicht einmal die Verpflegungs-
kosten eines im Collegium Georgianum zu Ingolstadt
studirenden Klerikers bezahlt werden konnten. Der nach
dem Tode des Abtes Sebastian aufgestellte Prior Johannes
Eisslinger führte die Verwaltung so unrühmlich, dass er
aus dem Kloster entfernt werden musste, worauf der
Herzog die Sache in seine Hand nahm und den Marcus
Besch aus St. Afra in Augsbm*g als Abt einsetzte.
Auf diese Periode des tiefsten Verfalls wäre sicher
unter den folgenden ausgezeichneten Aebten die Zeit der
schönsten Blüthe gefolgt, hätten nicht die Stürme des
— 511 —
dreissigjährigen Krieges auch Metten hart mitgenommen.
Johann DI. Nablas (1595 — 1628) aus St. Emeram —
der letzte aus einem fremden Kloster postulirte Abt —
hat mehr für Metten gewirkt, als je einer seiner Yorgän-
ger. Er baute die Klostergebäude zimi grossen Theil neu,
brachte die Pfarrei Stefansposching an das Stift, nahm
sich mit grossem Eifer der neugegründeten Benediktiner-
schule in Salzburg an und bemühte sich ebenso eifrig —
aber leider in Folge des "Widerstandes der Bischöfe ver-
gebens — um das Zustandekommen einer bayerischen
Benediktinercongregation. Sein grösstes Verdienst aber
ist, dass er sich in Christophorus Guetkneeht einen Nach-
folger heranbildete, der womöglich noch vortrefQicher
regierte, als er selbst (1628—1645). Unter diesem durch
ein seltenes Verwaltungstalent und durch herrliche Gaben
des Geistes und Herzens ausgezeichneten Abte schien
eine neue goldene Zeit für Metten anzubrechen. Aber
nun brausten die Stürme des schwedischen Eüeges heran
und zerstörten die schönen HofEuungen zum grossen Theil.
Zweimal mussten die Mönche ihr Kloster vor dem Feinde
fliehend verlassen und fanden bei ihrer Bückkehr nichts
als die öden Mauern und ein verwüstetes Land. Mehrere
Jahre konnte das Feld nicht bebaut werden, weil man
jeden Augenblick einen neuen Ueberfall des wilden Kriegs-
volkes fürchten musste. Zieht man dazu die Contribu-
tionen in Rechnung, welche der Feind erpresste, so er-
scheint es beinahe unglaublich, wie der treffliche Prälat
noch so grosse Unternehmungen ins Werk setzen konnte.
Er stellte fast alle Oekonomiegebäude neu her, erneuerte
das ganze Innere der Stiftskirche, errichtete den schönen
Brunnen im Klosterhof, und bezahlte dabei nicht blos alle
Schulden, sondern legte auch noch mehrere tausend Gul-
den Kapital an! Als aber nach seinem Tode die Drang-
sale eines feindlichen Ueberfalles abermals sich wieder-
holten, gerieth das Stift in einen äusserst elenden Zustand,
besonders in ökonomischer Beziehung. Sein Nachfolger
Marcus Lauter wurde sogar vom bischöflichen Ordinariat
in Haft gesetzt und zur Abdankung gezwungen. Diese
elende Lage, besonders die misslichen finanziellen Ver-
hältnisse, mögen auch der Grund gewesen sein, weshalb
jetzt der Mettner Convent, im Gegensatze zu seiaen firü-
— 512 —
heren Bestrebungen, dem nunmehr unter günstigeren Verr
hältnissen wieder aufgenommenen Versuch, der Grründung
einer bayerischen Benediktinercongregation gegenüber eine
ablehnende Haltung einnahm. Die Congregation kam nun
zwar wirklich zu Stande, indem der päbstliche Stuhl und
die kurfürstliche Regierung sie förmlich diktirten, aber
Metten weigerte sich trotz angedrohter Ungnade des
Pabstes und des Kurfürsten jederzeit beharrlich, dersel-
ben beizutreten.
Vieles hatte das Stift Metten auch im spanischen
Erbfolgekrieg zu leiden. Grlücklicher Weise hatte es da-
mals wieder zwei ausgezeichnete Aebte: Benedikt Ferg
(1686 — 1706) und Roman ü. Märkl (1706 — 1729). Die
Drangsale des spanischen Erbfolgekrieges wiederholten
sich bald auch im österreichischen Erbfolgekrieg, nament-
lich dmrch die Gewaltthaten des Pandurenhauptmanns
Trenk. Gleichwohl wurde in dieser Zeit der Besitzstand
vermehrt und hob sich das Stift besonders unter Abt Adal-
bertTobiaschu (1755 — 1770)rasch wieder. Unter ihm begann
namentlich ein reges wissenschaftliches Streben unter den
Conventualen sich zu entwickeln, wobei aber leider auch die
Kant'sche und Wolf 'sehe Philosophie Eingang fand und nicht
geringes Unheil anrichtete. Bald riss Zuchtlosigkeit ein,
und der Illuminatismus und falsche Freiheitsschwindel fand
auch im Mettner Convent Anhänger. Dazu kam noch das
feindselige Verhalten der damaligen bayerischen Regierung
gegen die religiösen Orden, welches jedem Wiederauf-
streben hindernd in den Weg trat, und schliesslich stürzte
die Prachtliebe und Verschwendung des Abtes Lambert
Kraus (1770 — 1790) das Stift auch noch in grosse Schul-
den, die unter anderem auch den Verlust der Herrschaft
Eisenreich-Domach in Oesterreich herbeiführten. Mit
unsäglicher Mühe arbeitete sein Nachfolger Cölestin Stöckl
an der äusseren und inneren Reorganisation. Wirklich
war es ihm bis zum Jahre 1803 gelungen, die Schulden
zu tilgen und auch im Innern einen besseren Geist zu
erwecken; da machte die Säcularisation dem Stifte ein
rasches Ende. Es wurde für aufgelöst erklärt, die Con-
ventualen mit einer kleinen Pension in die Welt geschickt,
wo sie meist in die Seelsorge übertraten oder sich der
Lehrthätigkeit widmeten, und die Güter vom Staate ein-
— 513 —
gezogen. Was irgendwie einigen Werbh hätte, wurde
fortgeschleppt und verschleudert, die Pfarrkirche St. Mar-
tin demolirt und die Klostergebäude der Verödung und
dem Verfall überlassen. So endete diese Stiftung des
grossen Karl, nachdem sie gerade tausend Jahre bestanden.
Werfen -wir mm noch einen Bück zurück auf die
Wirksamkeit des Stiftes Metten -während seines tausend-
jährigen Bestandes. — Wie wir gesehen haben, war der
Wohlstand des Klosters nie ein bedeutender. Was auf
der einen Seite durch Wohlthäter zuwuchs, ging auf der
andern durch Missgünstige häufig wieder verloren. Zu-
dem machte die weite Entfernung eines grossen Theiles
der Besitzungen, besonders der österreichischen, dieselben
nicht selten mehr zu einer Last als zu einem gewinn-
bringenden Besitz. Fast beständig hatte so das Stift mit
Aufbietung aller Eiäfte gegen äusseren und inneren Ver-
fall zu kämpfen und konnte darum auch im kirchlichen
Leben des Mittelalters keine so grosse Rolle spielen und
keine solche Wirksamkeit entfalten, wie so viele andere
Klöster. Aber immer herrschte hier ein reges Interesse
für Wissenschaft, wofür schon die reiche Bibliothek Zeugnis
ablegt, die jetzt der kgl. Staatsbibliothek in München ein-
verleibt ist, sowie die nicht geringe Zahl von Conventualen,
die sich durch Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Be-
strebungen einen Namen erworben haben. So war schon
Abt Friedrich IE. (1272 — 1277), Doctor des Kirchenrechtes,
als ein sehr gelehrter Mann bei seinen Zeitgenossen ange-
sehen. Noch mehr zeichnete sich durch hohe geistige
Bildung Abt Heinrich Stero aus (1280—1287), ftüher
Secretär des Abtes Hermann in Niederaltach; er ist wahr-
scheinlich der Fortsetzer der Chronik des Abtes Hermann
und schrieb auch eine Geschichte der Kaiser Rudolf von
Habsburg, Adolf von Nassau und Albrecht von Oester-
reich. — Im 14. und 15. Jahrhundert fand auch die Schön-
schreibekunst in Metten eine vorzügliche Pflege. Irengard,
Schwester des Abtes Albert H. (1321 — 1348), welche als
Reclusin beim Kloster lebte, war eine vielgerühmte Schön-
schreiberin und hinterliess dem Kloster eine (leider jetzt
verlorene) klein und nett auf Pergament geschriebene Hand-
bibel. Um 1332 schrieb ein Mettner Mönch das Speculum
majus des Vincenz von Beauvais in vier Foliobänden mit
Eia Benediktiuerbuch. 33
— 514 —
terrliclier Schrift und schönen Miniaturen. Ein andrer
Conventual von Metten schrieb 1414 und 1415 zwei Codices,
die heute noch in Ansehen stehen, nämlich einen Codex
enthaltend die Regel des heil. Benedikt im Urtext und
in deutscher Uehersetzung mit interessanten Miniaturen,
und den sogenannten Mettner Hexencodex, der die vier
Evangelien, das Werk des Rhabanus Maurus „De Laudibus
S. Crucis", eine marianische Bibel und endlich am Schlüsse
eine „Synopsis doctrinarum spiritualium, eruditionum et
mysteriorum" d. i. allerlei mit grossem Scharfsinn und
Fleiss ausgearbeitete symbolische Darstellungen enthält.
Die Einbanddecke dieses Codex war früher reich mit
Edelsteinen besetzt und enthält noch kostbare Reliquien.
Wie gross der Eifer für die Studien in Metten im
15. und 16. Jahrhundert war, kann man aus dem Berichte
der jbischöfl. Yisitationscommission imter Abt Pankratius
Eiammerer (1479 — 1495) ersehen, in welchem gerügt wird,,
dass die jungen Kleriker zu sehr mit Studien in Anspruch
genommen werden. Unter Abt Oswald Maier (1497— 1515)
legten die Religiösen einen solchen Eifer für Bereicherung
der Bibliothek an den Tag, dass sie ihre Peculien fast
nur zur Anschaffung von Büchern verwendeten. — Noch
zeichneten sich durch besonderen Eifer für Förderung
der Wissenschaft aus die Aebte Karl Dom (1535— 1537),
der eine kurze Geschichte der Entstehung und des Fort-
ganges der lutherischen Ketzerei schrieb, MarJcus Besch
(1581 — 1592), Verfasser einer Klosterchronik, die von seinen.
Nachfolgern fortgesetzt wurde; unter der thätigen Mit-
wirkung dieses Abtes entstand die Benediktinerschule in
Salzburg, wo in der Folgezeit mehrere Mettner Conventualen
als Professoren thätig waren; ferner die Aebte Johann III.
Nablas und ChristophorusGuetknecht, unter welch letzterem
der berühmte Willibald Lendlin von Ochsenhausen in
Metten lehrte.
Einen neuen Aufschwung nahm das wissenschaftliche
Streben in Metten im 18. Jahrhundert. Nicht blos ent-
wickelten die Conventualen eine reiche Wirksamkeit als
Professoren zu Salzburg, Freising und anderen Orten,
sondern entfalteten auch eine grosse literarische Thätig-
keit. Insbesondere machte Abt Adalbert Tobiaschu (1752
bis 1770) Metten zu einer wahren Akademie von Gelehr-
— 515 —
ten; er rühmte sich noch am Abende seines Lebens, dass
er „als Aristotelesjünger den ersten Grund zur neuen
Weltweisheit in seinem Kloster gelegt habe". Durch ihre
Thätigkeit im Lehramt und in der Literatur thaten sich
um mese Zeit hervor: P. Gregor ZeUer (f 1745), nach
dem Urtheile Rixners einer der scharfsinnigsten und
gründlichsten Scholastiker seiner Zeit; P. Innocenz Deixl-
berger (f 1777), Rector Magnificus der Universität Salz-
burg; P, Gregor Geyer (f 1772 erst dreissig Jahre alt), ein
äusserst thätiger und talentvoller Geschichtsforscher;
P. Gedehard Ku&er, Professor in Preising und Straubing
(t 1792); femer der durch seine zahlreichen Schriften
rühmlich bekannte, aber durch seinen Austritt aus dem
Orden und seine Freigeisterei übel berüchtigte P. Leonard
Gruber (f um 1800); endlich der gelehrte P. Anselm
Thaddäus Eixner, zuerst Professor der Philosophie zu
Preising, daam nach Aufhebimg des Klosters zu Amberg
(t 1838) und P. Maurus Gandershofer, ein tüchtiger Histo-
riker (f 1842). Auch zählte das Convent von Metten
mehrere tüchtige Musiker xmd Componisten, wie P. Johann
Stemkopf (f 1817), P. Amand Steigenberger (f 1808) und
die beiden Brüder Johaxm tmd Gamelbert Holzhauser.
Wie an jedem Benediktinerkloster des Mittelalters
bestand auch in Metten eine Kl oster schule. Sie wird
zuerst im Jahre 1301 unter Abt Ulrich I, erwähnt. Später
erscheint sie unter dem Namen Singschule, weü sie
neben dem vorbereitenden Unterricht zu den höheren
Studien besonders auch die Heranbildung von Chorknaben
bezweckte. Abt Maurus Besch führte an derselben die
Pigurahnusik ein, imd brachte sie zu solchem Rufe, dass
sie bis zur Klosteraufhebung für die beste Bildnerin treff-
licher Musiker galt.
Ausser dieser wissenschaftlichen Thätigkeit war die
Wirksamkeit des Stiftes Metten hauptsächlich anf die
Seelsorge gerichtet. So hatte es die ständige Seelsorge
zu versehen in den Pfarreien Metten, Neuhausen, Berg,
Michaelsbuch, Stefansposching, Grafling und Plattling.
Auch waren in der letzten Zeit stets einige Mettner-
Conventualen als Wallfahrtscuraten in Mariaplain thätig.
Mit dieser "Wirksamkeit während eines tausendjährigen
Bestandes war jedoch die Aufgabe des Stiftes Metten noch
Q9*
— 516 —
nicht erfüllt. Bald sollte es wiedererstelien und rasch, zu
einer Blüthe gelangen, wie es eine solche Tielleicht nie
zuvor gesehen hatte. Das Concordat von 1817 legte der
bayerischen Regierung die Verpflichtung auf, wenigstens
einige der aufgehobenen Klöster wieder herzustellen. Die
Erfüllung dieser Verpflichtung liess jedoch ziemlich lange
auf sich warten. Erst König Ludwig I. gab gleich beim
Beginne seiner Regierung seinen entschiedenen Willen
kund, um einer solideren religiös-sittlichen Erziehung und
Bildung der Jugend Bahn zu brechen, das Concordat auch
hinsichtlich der Wiedereinführung geistlicher Orden zur
Wahrheit zu machen. Kaum hatte Herr von Pronath,
Gutsbesitzer von Offenberg, der das Conventgebäude des
ehemaligen Klosters und einen Theü des Grundbesitzes
schon in der Absicht erworben hatte , es für eine etwaige
Wiederherstellung des Stiftes zu erhalten, von dem Willen
des Königs Kunde erhalten, so machte er demselben
in hochherzigster Weise das Anerbieten, das ehemalige
Conventgebäude unentgeltlich abzutreten, welches König
Ludwig mit grosser I^eude annahm. So war nun zwar
ein guter Anfang zur Wiederherstellung Mettens gemacht,
aber manche schwer zu überwindende Findernisse steUteh
den günstigen Erfolg wieder sehr in Frage. Es wurde
keinerlei Dotation aus Staatsmitteln gewährt, wie es das
Concordat forderte, sondern man griff zu dem Auskunfbs-
mittel der Concurrenzbeiträge, indem 10,000 /. als un-
verzinslicher aber refondirlicher Vorschuss angewiesen
wurden. Dazu kamen verschiedene, die freie Entwickelung
des Klosters hemmende Administrativmaassregeln der könig-
lichen Regierungsbehörden, so namentlich die im Wieder-
herstellungsdecret selbst enthaltene Bestimmung, dass
Sr. Majestät vorbehalten bleibe, im Einvernehmen mit
dem Ordinariate die Ordensstatuten zu revidiren und zeit-
gemässe Abänderungen zu treffen. Diese Umstände be-
sonders veranlassten die Mehrzahl der Exbenediktiner,
ihr gegebenes Wort, womit sie sich schon zum Wieder-
eintritt bereit erklärt hatten, zurückzunehmen. Nur zwei
Männer brachten sich zimi Opfer: P. Ildephons Nebauer
aus Andechs, damals Stadtpfarrer in Straubing, der durch
allerhöchstes Rescript zum Prior des neuen EHosters ernannt
wurde, und P. Roman Raith aus Metten, damals Pfarrer
— 517 —
in Oberwinkling. Diese Beiden nahmen am 31. März 1830
Yom Kloster Besitz, -worauf am 1. Juni desselben Jahres
die feierliche Eröffiaung stattfand. Um der grossen mate-
riellen Noth abzuhelfen, Hess 1832 der hochherzige König
Ludwig I. die Summe von 60,000 /. aus seiner Kabiuets-
kasse als Fundirungsverinögen anweisen. In demselben
Jahre erfolgte auch der Eintritt einer Anzahl würdiger
Säcularpriester, unter denen Leonard (Gregor) Scherr,
nachmals Abt des Klosters und Erzbischof von München,
Anton (Eupert) Leiss, nachher Abt von Scheyem, und
Sebastian (Bonifaz) "Wimmer, jetzt Abt von St. Yincenz in
Nordamerika, sich befanden. An Bischof Xaver v. Schwäbl
von Regensburg hatte das junge Stift einen eifrigen Gönner,
der für sein „liebes Metten" sorgte, wie er nur immer
konnte. So berechtigte alles zu den schönsten HofEaungen;
aber ein Akt der Staatswillkür drohte dieselben wieder
völlig zu zerstören. Minister Wallerstein wollte um jeden
Preis seinen Lieblingsplan, die Errichtung eines centrali-
sirten Benediktinersteatsordens in Bayern, dessen Mittel-
punkt die Abtei St. Stefan in Augsburg sein sollte, ins
Leben rufen. Am 20. December 1834 erschien ein ministe-
rieller TJkas, demzufolge die versprochene Abtei von Metten
nach Augsburg verlegt, ebenso die Dotation von 50,000 /.
aus der königlichen Kabinetskaase dahin übergehen, xmd
Metten nur ein von St. Stefan in Augsburg abhängiges
Priorat sein sollte, dessen "Wirksamkeit auf die pfMrrliche
Seelsorge beschräiikt wäre. Diese ministerielle Verfügung
rief in den weitesten Kreisen grosse Trauer mid Entrüstung
hervor. "Während das Volk in zahlreichen Betstunden den
Himmel bestürmte, ergingen von allen Seiten Bittgesuche
um Erhaltung der Selbständigkeit Mettens an König Ludwig.
Dieser edle Fürst konnte so dringenden Bitten sein Herz
nicht verschüessen; so sprach er denn am 20. Juli 1836
definitiv die Selbständigkeit Mettens aus. Die bereits
nach Augsburg versetzten Conventualen durften wieder
zurückkehren, sofort traten zahlreiche Novizen ein und
eine neue Dotation von 50,000 /. aus der königlichen
Kabinetskasse zum Ersätze für die an St. Stefan in Augs-
burg abgetretene, sowie die Einverleibung der Pfarreien
Metten, Michaelsbuch, Stefansposching, Neuhausen und
Edenstetten mit dem Kloster sicherte den materiellen Be-
— 518 —
stand desselben. Das Jahr 1840 brachte endlich die toU-
ständige Organisation zum Abschluss, indem das Priorat
zur Abtei erhoben wurde. Die Regierung selbst erwirkte
für den ersten Abt Gregor Scherr von Rom die Pontifikalien.
Sogleich entfaltete das Stift auch eiae reiche Wirk-
samkeit in Erziehung und Unterricht der Jugend. Schon im
Jahre 1837 wurde ein Studienseminar und eine zweiblassige
Lateinschule eröfl&iet, die bis 1839 durch eine HI. und
rV. Klasse vervollständigt wurde. Im Jahre 1840 übernahm
Metten auch das königliche Erziehunginstitut für Studi-
rende in München, bis dasselbe 1863 den Conventualen
der Abtei St. Bonifaz übergeben werden konnte, und
musste noch dazu das Ludwigsgymnasium daselbst mit
Professoren besetzen. Das Studienseminar in Metten
musstß bald wegen der stets zunehmenden Zahl der Zög-
linge in zwei Institute getheilt werden, das eine für ver-
mögiichere, das andere für ärmere Schüler. Dazu kam
1844 ein bischöfKehes Knabenseminar, welches Bischof
Valentin v. Riedel von Regensburg dem Stifte anvertraute.
Die Verwendung zahlreicher Conventualen an den An-
stalten in München verhinderte lange die Erweiterung
der Lateinschule zu einer vollständigen Studienanstalt.
Erst 1847 konnte mit der Errichtung des Gymnasiums
begonnen und 1850 dieselbe vollendet werden. "Welchen
Rufes sich diese Erziehungs- und TJnterrichtsanstalt erfreute,
lässt sich daraus schliessen, dass dieselbe Zöglinge aus
Oesterreich, Würtemberg, Westphalen, vom Niederrhein,
aus der Schweiz und selbst aus Schweden und Norwegen
zählte. Die Zahl der Abiturienten des Gymnasiums seit
Vollendung desselben beträgt 622. Eine grosse Zahl der-
selben war am 5. und 6. September 1876 an dieser Stätte
versammelt, der sie ihre Erziehung verdanken und wo
sie ihre Jugend so glücklich verlebt hatten, lun in herz-
lichster Weise das erste Studiengenossenfest zu feiern.
Eine hohe Bedeutung erhielt Metten durch seine
Theilnahme an der Gründung der übrigen bayerischen
Benediktinerklöster: Scheyern 1838, zu dessen erstem
Abte der Prior von Metten, P. Rupert Leiss ernannt wurde,
Weltenburg 1842, Andechs 1846 und St. Bonifaz in Mün-
chen 1850; namentlich aber durch die Gründung einer
Benediktinercolonie in Nordamerika. P. Bonifaz Wimmer
— 519 —
ging 1846 mit einigen Klerikern und Laienbrüdern in die
neue Welt hinüber und erbaute in der Diöcese Pittsburg,
Staat Pennsylvanien, das Klösterlein St. Vinzenz, welches
in kurzer Zeit zu einer herrlichen Abtei und zum Mutter-
Moster einer ansehnlichen Congregation emporblühte.
Am 6. Januar 1856 wurde von König Maximilian II.
der Abt von Metten Gregor Scherr zum Erzbischof von
München vorgeschlagen und vom heil. Stuhl bestätigt.
An seine Stelle wurde zum Abte örwählt der Director
des bischöflichen Knabenseminars P. Utto Lang, der noch
jetzt das Kloster glücklich und segensreich leitet und
dem das Glück beschieden worden, in diesem doppelten
Jubeljahr des Ordens und seines Klosters zugleich auch
•sein fünfzigjähriges Priesteijubiläum zu feiern.
Der Convent zählt gegenwärtig einundfünfzig Profes-
sen, darunter acht Laienbrüder. — Die Klostergebäude
bestehen aus drei in der Richtung von Süden nach Nor-
den sich aneinanderreihenden Quadraten; das erste, in
welches die Kirche mit ihrer östlichen Front hineinragt,
bilden die eigentlichen Conventgebäude, das zweite die
■Gebäude der Erziehungs- und Unterrichtsanstalten mit der
Brauerei, das dritte die Oekonomiegebäude. — Die Stifts-
kirche, zugleich Pfarrkirche, ist ein in der Anlage zwar
schöner, aber geschmacklos ornamentirter Renaissancebau
aus dem vorigen Jahrhundert. Von dem älteren, gothi-
schen Bau steht noch der von Abt Petrus II. 1451 herge-
stellte Chor. Den schönsten Schmuck der Kirche bilden
die herrlichen Gemälde (namentlich die Kreuzwegstationen)
des Fr. Lucas Schraudolph, der hier in stiller Klosterzelle
seiu treffliches Künstlertalent dem Dienste Gottes weihte
(t 1863), und die reich in Gold gefassten Leiber der heil.
Märtyrer Portunat und Felician, welche unter Abt Adal-
bert Tobiaschu 1765 von Rom hierher übertragen wurden.
Möge das Jubeljahr 1880 dem Stifte Metten neuen
Segen briagen, damit es mit demselben herrlichen Erfolge
wie bisher auch in Zukunft den edlen Absichten seines
zweiten Gründers entsprechend ein Asyl bleibe für die
wahre religiös-sittliche Erziehung und Bildung der Jugend t
P. GX)DEHABD GeIGEK.
Qttolbeureii im bayrieclien Kreise Scliwatoen.
I. Geschichte des Stiftes. 1. Das erste Jahrtausend.
|n der letzten Woche des Septembers 1864 sah
Ottobeuren eine grosse, erhabene Feier. Acht
Tage lang vrarde unter der grössten Betheiligung
von Nah und Fern das elfhundertjährige Jubiläum
des -weitbekannten Klosters, des berühmten ehemaligen
Reichsstiftes Ottobeuren feierlichst begangen. Als Stiftungs-
jahr kann mit Gewissheit das Jahr 764 — siebenhundert-
yierundsech^ig — angenommen werden.
Die ältesten Verzeichnisse weisen als ursprüngliche
Stiftungsgüter zwölf Ortschaften auf. Diesen nicht un-
bedeutenden Stiftungsfond vermehrte noch Kaiser Karl
der Grosse. Er war es, der den ersten Abt Toto 769 in
Mainz bestätigte mit allen seinen Eechten, der besonders
das eigene - "Wahlrecht genehmigte.
Anfangs waren es zwölf Mönche von edlem Geschlechte,
die nach der Kegel des h. Benedikt in dieser neuen
Stiftung zusammenlebten. Fünfzig Jahre lang wirkte Toto
an der Befestigung und Verherrlichung seines Stiftes und
starb 72 Jahre alt im Jahre 817 eines glückseligen Todes.
Noch ruhen die Gebeine dieses heüigmässigen Marmes
im prachtvollen Gotteshause.
Von den ersten Nachfolgern Totos ist ausser den
Namen fast nichts hinterlassen. Schon 941 wurde das
feeie Wahlrecht -zum ersten Male beeinträchtigt, indem
Adalbero, ein Sdhwestersohn des h. Ulrich, die Abtei als
Commende erhielt. Ihm folgte bald der h. Ulrich selbst,
der den h. Leib des Blutzeugen Theodor nach Ottobeuren
braohte.
Diesem heiligen Bischof verdankte Ottobeuren ausser-
gewöhnliche Privilegien j die es 830 Jahre lang behielt,
von Kaiser Otto I. .grossherzig gegeben. Dafär musste
das Kloster den dritten Theil des Gebietes an das Keieh
abtreten, erhielt aber, das freie Wahlrecht wieder. Bald
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— 521 —
mehrte sich das Besitzthum des Klosters theils durch
Kauf, theils durch Schenkung, besonders unter den Schutz-
vögten der Edlen von Ursin,
War schon im 11. Jahrhundert ein grosses Sittenver-
derbnis unter Klerus und Volk eingerissen, so ging das
Stift unter Abt Heinrich I. (1103—1104) dem Verfall ent-
gegen. Mit Verschwendung hielten Zügellosigkeit und
Unordnung gleichen Schritt. In dieser Noth half der
Schirmvogt Eupert von Ursin. Er vermochte die Kloster-
gemeinde dahin, den Prior von St. Georg im Schwarz-
•walde zu berufen, der als Abt Rupert vor allem Zucht
und Ordnung im Innern wieder herstellte. Er berief aus
andern Klöstern fromme Männer und beschäftigte seine
Mönche mit Abschreiben von Büchern. Er gründete auch
ein Frauenkloster in Ottobeuren, und eine Filiale in der
Schweiz an den Quellen der Etsch und gab so dem
heutigen Marienberg in Tyrol sein Entstehen. Abt Rupert
wurde schon im Leben und nach seinem Tode als Heiliger
verehrt. Wir besitzen heute noch seine heiligen Gebeine,
auch ist der Sarkophag vorhanden, in den er bei seinem
1145 erfolgten Tode gelegt wurde.
Sein Nachfolger Isingria (1145 — 1180) machte eine
Wallfahrt nach Rom und liess sich von Eugen IE. alle
Privilegien und Besitzungen bestätigen. Während seiner
Abwesenheit brannte das Kloster ab, 1204 wurde schon
das neue eingeweiht.
Konrad I., von dem auch noch Reliquien vorhanden
sind, erhielt Infel, Stab und Ring. Unter ihm brannte
das neue Kloster und ein Theil des Marktes nieder; viele
Kostbarkeiten und alte Handschriften gingen zu Grunde;
auch das Frauenkloster scheint niedergebrannt zu sein.
Von da an findet man von ihm keine Erwähnung mehr.
Bald gerieth die Klosterzucht wieder in Verfall; namhafte
Ortschaffeen wurden verkauft und verpfändet. Abt Eggo,
Graf von Schwabegg (1404 — 1416), der letzte Adelige,
wohnte dem Concil von Constanz bei. Da er sich durch
Vertheidigung seiner Rechte den Hass des Adels zuge-
zogen hatte, wurde er in seinem Bette erwürgt
Nach einem guten Haushälter kam ein verschwende-
rischer Abt, mehr Welt- als Ordensmann, der das Stift der
Auflösung nahe brachte. Er wurde abgesetzt, und es
— 522 —
kam zum ScTiisma, in dem sich Nikolaus Röslin (1479 bis
1492) behauptete.
Unter Abt Ackermann (1492 — 1508) "war Kaiser Maxi-
milian I. zweimal in Ottobeuren. Unter ihm trat P. Nikolaus
Eilenbog als Novize ein, der mit den gelehrtesten Männern
seiner Zeit im Briefwechsel stand.
Ackermann musste abdanken. Ihm folgte Leonhard
Wiedemann (1508—1546). Schon ein Jahr aach seiner
Wahl errichtete dieser Abt eine Buchdruckerei im Kloster,
welche seine Mönche besorgten. Dieser Abt war es, der
1517 den schönen G-ebrauch einführte, für die Eltern und
Geschwister eines Mönches nach dem Tode einen feier-
lichen Grottesdienst zu halten. In seine Regierung fällt
der Bauernkrieg mit seinen vielen Greueln. Er und viele
Patres entflohen. Der Schaden, den das Kloster erlitt,
betrug 20,000 /. Abt Leonhard bot den aus der abge-
fallenen Stadt Memmingen vertriebenen Klosterfrauen in
Eldem eine Wohnung. Im Jahre 1541 errichtete er eine
öffentliche Lehranstalt für die morgenländischen Sprachen,
unterstützt von den Aebten von Kempten, Weingarten,
Wiblingen, die später nach Elchingen verlegt wurde. Im
schmalkaldischen Kriege gingen werthvoUe Schriften von
Ottobeuren verloren, die nach Füssen gebracht worden
waren.
Sein Nachfolger war ein Schweizer, von Stegen bei
Zürich. Er regierte von 1547 — 1584 und hiess Kaspar
Kindelmann. Er baute die Stiftskirche neu und die
Gottesackerkapelle zu St. Sebastian, die heute noch steht.
Der berühmte Cardinal Otto Truchsess Graf von Wald-
burg weihte die Stiftskirche ein am 21. Nov. 1558. Unter
ihm wurde die Rosenkranzbruderschaft errichtet, die heute
noch besteht und für die in dem Marienpsalter ein neuer
Frühling angebrochen ist.
Während des dreissigj ährigen Krieges litt Ottobeuren
unaussprechlich viel. Abt und Convent waren öfters auf
der Flucht. In dieser Trübsal bewährte sich P. Jeremias,
der unerschrockene und heldenmüthige Pfarrer, der in
diesen traurigen Zeiten für Ottobeuren und die Umgebung
ein barmherziger Samariter war. Gesunden und Banken
war er Tröster und Helfer. Verkleidet trug er das Aller-
heiligste in die entlegensten Hütten. In jüngster Zeit hat
— 523 —
ihm ein Ordensbruder in einem schöngeschriebenen Buche
ein Denkmal gesetzt.*) Er starb 1655 tief betrauert yon
der ganzen Umgegend.
Unter Abt Hornstein (1672 — 1688) starb der fromme
und gelehrte Prior Jakob Molitor, der eia heiligmässiges
Leben gefuhrt hatte. Unter dem Abte Benedikt entstand
das Prauenkloster Wald, unweit Ottobeuren, das jetzt die
englischen Fräuleia bewohnen. In diese Zeit fällt Seba-
stian Textor, Professor in Salzburg und ein berühmter
Kanzelredner seiner Zeit. Seiae Predigten verdienen neu
herausgegeben zu werden.
Am 8. Mai 1710 wurde Rupert U. gewählt, wohl der
gfrösste Abt, den Ottobeuren gehabt. Schon 1711 legte
er den G-rundstein zum jetzigen Riesenbau des "^Klosters.
Auf die Insel Mainau baute er ein neues Werkhaus. Er
wurde von Kaiser Karl VI. zum wirklichen kaiserlichen
Rath und Erbkanzler ernannt. Im Jahre 1713 starb
Albert Krey, der verdienstvolle Hauschronograph, der eine
Benediktiner-Legende in vier Quartbänden schrieb. Abt
Rupert schickte mehrere Patres als Lehrer an das Lyceum
nach Preising. Ausser vielen Bauten gab er sehr viel
aus für die Bereicherung der Bibliothek. Er musste dem
P. Textor und dem berühmten Rechtslehrer P, Fr. Schmier
in das Grab sehen.
Am 27. Sept. 1737 legte er den Grund zu der impo-
santen Kirche, die heute noch eine Zierde der ganzen
Gegend ist, und starb, 70 Jahre alt, am 20. Oct. 1740,
nachdem er sein fünfzigjähriges Profess- Jubiläum noch
gefeiert hatte.
Der bekannte Prior Peyerabend, der in vier Bänden
die Chronik von Ottobeuren geschrieben, sagt über seinen
Tod Folgendes : „Ottobeuren verlor seinen zweiten Stifter
und einen grossen Yertheidiger seiner Rechte, die Unter-
thanen und Armen einen noch heute unvergesslichen
Vater, die Künste und Wissenschaften einen der grössten
Freunde und Gönner, der Orden eine vorzügliche Zierde
und die Religion einen tugendvollen Prälaten."
*) P. Jeremias. Fttr das Volk von V. K. Kuhn, Augsburg, Sohmid-
sche Bachhaadluug 1879.
— 524 —
Mit ihm scUiesst das erste Jahrtausend des Klosters
ab. In der Reihenfolge "war er der 52. Abt.
3. Das letzte Säculum.
Auf den grossen Abt Rupert II. folgte Anselm Eule
von Ravensburg in Württemberg. Yor seiner Erhebung
zur Würde des Abtes war er Professor in Fulda gewesen.
Er zählte 62 Jahre, als er gewählt wurde und regierte
27 Jahre von 1740 — 1767. Der so grossartige Kirchenbau
wurde unter ihm mit aller Anstrengung fortgesetzt und
vollendet. Man wollte bis 1764 fertig werden zur Feier
des tausendjährigen Jubiläums. Die feierliche Consecra-
tion konnte erst 1766 vorgenommen werden und mit ihr
das tausendjährige Jubiläum.
Die Hauptfeier begann am 28. Sept. 1766 und fand
am Rosenkranzfeste nach achttägiger Dauer den Haupt-
schluss. Grossartig wie die Kirche und die tausendjährige
Vergangenheit war diese Doppelfeier, die dem Kloster
45,000 /. gekostet hat. Es fanden sich in dieser Jubel-
woche achtzehntausend Communicanten ein. Der mir
zugemessene Raum erlaubt eine ausführliche Schilderung
dieser seltenen Feier nicht.
Abt Anselm ordnete an, dass im Sommer jeden Soim-
und Feiertag Nachmittags zwei Stunden Schule gehalten
wurde. Unter seiner Regierung starb der gelehrte Biblio-
thekar P. Michael Reichbeck.
Dieser Kirchenfürst, der so viel Glanz und Pracht um
sich sah, der die schöne Kirche so reich nach innen aus-
stattete, der sein fünfzigjähriges Jubiläum im Kreise von
mehr als vierzig Söhnen feierte, resignirte freiwülig, als
er 80 Jahre geworden. Ihm folgte als 54. Abt Honorat
GöM von Immenstadt von 1767 — 1802. Er verwendete
sehr viel Geld für Strassenbau. Im Jahre 1784 Hess der
berühmte P. Ulrich Schiegg einen Luftballon steigen,
was dazumal grosses Aufsehen erregte. Abt Honorat
war eifeig besorgt für Einführung eines schönen Kirchen-
gesanges, wobei ihn P. Franz Schnitzer und Theodor
Klarer bestens unterstützten.
Yon grossem Interesse auch für weitere Kreise sind
die Aufzeichnungen des berühmten Volksschriftstellers
Ludwig Auerbacher, der seine Jugendzeit in Ottobeuren
— 525 —
zubracMe. Er sclireibt also*): „Nebst der religiösen und
wissenscbaftlicben Bildung -vrarden wir auch fleissig und
gründHch in der Musik geübt. Der Stiftschor -war in
den Singpartien reichlich besetzt, in den Instrumenten
genügend ausgestattet. Die besten Kirchenmusiken wurden
von allen Seiten her verschrieben; der Convent selbst
hatte früher und noch damals treflÖiche Tonsetzer. Ins-
besondere aber sorgte der Abt (Honorat), ein Freund der
alten Kirchenmusik, für italienische Meisterwerke im
Contrapimkt, die dann an hohen Festtagen von 40 — 50
Sängern in dem prachtvollen Tempel mit aUer Kraft und
Präcision ausgeführt wurden. Theodor Klarer, Tonsetzer
imd Organist, leitete den Chor und verstand Jung und
Alt durch seine Sanftmuth imd Liebenswürdigkeit iäx die
Musik einzunehmen und zu gleichem Eifer anzutreiben."
lieber Feyerabend, dessen Chronik eine verdiente
weite Verbreitung gefunden, schreibt Auerbacher: „Es
war ein vorzüglicher Lehrer, der ganz die Kunst ver-
standen, tms jungen Leuten den Gegenstand ebenso an-
ziehend als fasslich zu machen. Selbst durchdrungen von
dem Geiste der Dichter und Redner, wusste er auch uns
für sie einzunehmen, die Schönheit ihrer Sprache zu
fühlen, die Erhabenheit der Gesinnung zu bewundern.
Er lebte und leibte ganz in ihnen.
„Auch seine Zucht als Präfect der zahlreichen Lehr-
anstalt war musterhaft. Wir waren nie sicher, zu keiner
Stunde, weder bei Tage noch bei Nacht, dass er uns
nicht mit seiner plötzlichen Erscheinung überraschte."
Von Abt Honorat sagt derselbe Ludvidg Auerbacher:
„Die Erscheinung dieses ausserordentlichen Mannes, den
ich in der Nähe zu beobachten Gelegenheit hatte, bleibt
mir ewig denkwürdig. Er stellte das vollkommenste
Bild eines kräftigen Regenten und eines frommen Asceten
dar. Uns Jungen war bekannt, dass er überall mit
eigenen Augen sah und mit festem Willen alles durch-
setzte. Wir hatten grosse Ehrfurcht vor ihm, obwohl er
uns jungen Leuten ferne stand und selten uns mit etwas
anderm ermahnte, als wir sollten brav sein, aber deutsch
brav, nicht lateinisch. Wir sahen ihn nie lächeln;
*) Hi8t.-polit. Blätter, 83. Band, 11. Heft.
— 526 —
meistens ging er mit gesenktem Haupte und gesammel-
tem Geiste durcli unsere Mitte, "wo sicli danai ehrfurchts-
YoUe Stille überall hin verbreitete. Wir saben in ihm
das personificirte Sittengesetz, welches er in seinem
Leben darstellte. Morgens halb 4 IJhr las er die heilige
Messe. In der anstossenden Bildergallerie betete er sein
Brevier. Die übrige Zeit, die er nicht dem Gottesdienste
•widmete, verweilte er in seiner Zelle ; denn in den Pracht-
zimmem der Prälatur Hess er sich nie erblicken, als
wenn er, der Eeichsprälat, Audienz ertheilte und Gäste
empfing, die er mit grosser Güte behandelte."
Die Philosophie Kants drang damals überall in die
Klöster ein und drohte wegen ihrer feindseligen Richtung
nicht geringe Verwirrung anzurichten. Diesem Uebel
trat Abt Honorat mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote
standen, ernstlich entgegen und erhielt so seine Schule
rein und frei davon.
Die Ordnung in der Klosterschule der Benediktiner
zu Ottobeuren war unter Abt Honorat folgende: Morgens
5 Uhr stand man auf; nach verrichtetem Morgengebete
frühstückte man; um 6 Uhr war Privatstudium; um 7 Uhr
heilige Messe, von 8 — 11 Uhr Schule. Daim begab man
sich zum Essen. Von halb 1 bis 2 Uhr war Unterricht
in der Musik, von 2 — 4 Uhr Schule, von 4 — 6 Uhr Er-
holung und musikalische oder literarische Repetition.
Um 6 Uhr Abendessen, hierauf Recreation bis 8 Uhr,
dann Privatstudium und Abendgebet; um 9 Uhr ging
man zu Bette. So hatte jede Stunde des Tages ihre be-
stimmte Beschäftigung. Die religiöse Erziehung galt als
die wichtigste Angelegenheit. Jeder Tag, jede Schul-
stunde, die Mahlzeiten wurden mit einem Gebete einge-
leitet und beschlossen. An Samstagen Nachmittags hatten
die Gymnasiasten eine geistliche Exhortation. Jeden
Monat gingen alle zu den heiligen Sakramenten. In der
Charwoche waren dreitägige Exercitien für alle Schüler,
mit täglich drei Exhortationen, die übrige Zeit wurde
mit Stillschweigen, Lesung und Gebet hingebracht. Die
letzten drei Tage tmd das heilige Osterfest verbrachten
alle mit dem Klerus in den kirchlichen Andachten.
„Es ist unbeschreiblich," sagt Auerbacher, „welche
Sammlung des Gemüthes und welche Glaubensstärke diese
— 527 —
Octav hervorbrachte. Zeit zu Studien war des-wegen
doch noch viel übrig; denn die Stunden, die man der
Eeinigung und Erhebung des Gemüthes widmet, dienen
ja eben dadurch zur Erholung und Erstarkung des Ver-
standes."
Unter Abt Honorat blühte die Klosterzucht und
Wissenschaft; er selber schrieb mehrere gediegene asce-
tische Schriften für das Yolk. Die Anstalt war unter ihm
von 200 Studenten besucht.
Nachdem er 1801 sein fünfzigjähriges Professjubiläum
gefeiert, starb er, reich an Verdiensten, 1802, siebzig Jahre
alt, im 35. Jahre seiner bewegten Eegierung.
Wohl vpurde Paulus Alt von Wangers kanonisch
zum Abt gewählt, er wurde auch benedicirt, aber vom
Eeiche nicht mehr anerkannt. Denn es kam die Säcula-
risation. Am 1. December 1802 wurde dem Abte das ge-
druckte Besitznahmedecret der kurbayerischen Eegierung
überbracht mit dem Bedeuten, dass er sich von nun der
Eegierungsgeschäfte und der Cameralverwaltung zu ent-
halten habe. Alles, was nicht nagelfest war, sogar die
Insignien des Abtes, wurde aufgeschrieben, Archiv und
Bibliothek geschlossen.
So erlosch das Stift Ottobeuren, nachdem es unter
55 Aebten eintausendachtunddreissig Jahre lang eine
Pflanzschule der Eeligion, eine Zufluchtsstätte für Wissen-
schaft und eine Wohlthätigkeitsanstalt für die Armen
gewesen.
Damals umfasste das Stiftsgebiet 4^^ □ Meilen mit
1636 Wohnhäusern und 20,000 Seelen. Nach P. Schiegg
beliefen sich die Einkünfte jährlich auf 130,000 /. Abt
und Convent (40 Patres und 4 Kleriker) wollten bei-
sammen bleiben, es wurde ihnen nicht erlaubt, sie er-
hielten vielmehr ihre Pension, die sie im Lande verzehren
sollten. Es wurde gern gesehen, wenn einzelne Herren
nach gemachter Pfarrprüfong sich nach Pfründen umsahen.
Achtzehn Patres legten ihre Pension zusammen und
lebten gemeinsam imter dem Abte Paulus fort. P. Klarer
wurde der erste Pfarrer, die Klosterkirche zur Pfarrkirche
-gemacht, die bisherige Pfarrkirche zu St. Peter in ein
Schulhaus umgewandelt. Das laute Chorgebet und die
Feier der Ordensfeste wurde landesherrlich verboten. Im
— 528 —
Jalire 1806 starb P.Dezra, ein eifriger Seelsorger, jahrelanger
Pfarrer, der zugleich segensreich gewirkt durch die
Bücher, die er verfasst, 1807 Aht Paulus. Nun blieh P.
Maurus Feyerabend an der Spitze der Getreuen, bis er
1808 seinen Mitbrüdern in das Grab nachfolgte. Er liegt
auf dem Pfarrgottesaeker begraben. „Er war ein Mann
von ausgezeichneter Gelehrsamkeit, strenger Tugend und
von unbeflecktem Wandel." Die zärtliche Liebe, mit der
er seinem Stifte von ganzer Seele zugethan war, bestimmte
ihn, demselben ein Denkmal zu setzen, dauerhafter als
Erz, in den schon genannten vier Bänden der Annalen
von Ottob euren. Er übersetzte die Briefe des h. Cyprian
und des h. Pabstes Gregor, die in sieben Bänden in
Kempten erschienen. Im Jahre 1820 starb P. Theodor
Hader eines höchst traurigen Todes.
Schliesslich blieben nur noch zwei Patres, Basil
Müller und P. "Willibald Staader.
Als im Jahre 1834 König Ludwig I. von Bayern den
Benediktinerorden wieder einführte, sah auch Ottobeuren
wieder Söhne des h. Benedikt. P. Basil Müller etlebte
die Freude, am 13. Mai 1835 Benediktiner wieder ein-
ziehen zu sehen. Es ward Ottobeuren ein Priorat und
Filiale von St. Stefan in Augsburg, dessen erster Abt
Barnabas Huber Ottobeuren noch in seinem Glänze ge-
sehen hatte. Der erste Prior und zugleich Pfarrvikar war
P. Gregor Waibel von Einsiedeln, den 1839 P. Fr. Sales
Müller von Einsiedeln als Pfarrer ablöste, während P.
Stefan Postelmayer von St. Stefan Prior war.
Es besteht das Priorat bis zur Stunde fort und wird
die Pfarrei von Benediktinern versehen.
Im Jahre 1853 wurden eine Erziehungs- und Beschäfti-
gungsanstalt für arme und verlassene KJnaben des Kreises
Schwaben und Neuburg dem zweiten Abte von Stefan
Theodor Ganganf übertragen, für die der gegenwärtige
Abt, der hochwürdigste Herr Eafael Mertl — seit 2. Febr.
1858 — als Vorstand im Jahre 1870 P. Petrus Bauer auf-
stellte, der zugleich Prior und Oekonom des Hauses ist.
Möge in Erfüllung gehen, was Rupert I. vorausgesagt:
Ottobura nunquam ruitura!
II. Kloster und Kirche. 1) Das gegenwärtige Kloster-
gebäude. Das Kloster, wie es bis zur Stunde besteht,
— 529 —
ein Riesenbau in schönster Symmetrie, hat Eupert II.
errichtet. Es ist im länglichen Viereck gebaut. Der Grund
wurde am 5. Mai 1711 gelegt.
Das ganze Klostergebäude, ron -wahrhaft fürstlicher
Pracht, auf eiaer niederen Anhöhe und ganz freistehend,
ist im Westen von eiaem schönen Tannenwalde umrahmt.
Es bildet ein Viereck von 466 Fuss Länge und 420 Fuss
Breite.
Das Gebäude hat drei Stockwerke. Das erste ist 17,
die beiden anderen sind 15 Fuss hoch. Das Mauerwerk
ist 6 Fuss dick. Ohne Dach- und Kellerfenster zählt das
Gebäude 837 Fenster von 8 Fuss Höhe; Zimmer und
Säle 130.
In Mitte des Vierecks zieht sich ein Mittelbau hin.
Durch ihn ist ein innerer Eaum gebildet, der durch einen
Zwischenbau in zwei Eöreuzgärten getheilt ist. Jeder hat
einen Springbrunnen, ist 153 Fuss lang und 125 Fuss
breit. Unter dem ganzen Gebäude ziehen sich Keller-
gewölbe hin, die zelm Fuss hoch sind. Nach Osten bilden
sie einen offenen Bogengang. Nach Osten liegt auch der
Conventgarten, durch den der Mühlbach fliesst, in dessen
Mitte ein Bassin sich befindet. Er ist 1000 Fuss lang
und 400 Fuss breit und wird als Gemüse-, Gras- und
Obstgarten benützt. Der Garten, der sich an die südliche
Seite anschliesst, ist 350 Fuss lang und 420 Fuss breit.
Die Oekonomiegebäude bilden gleichfalls ein Viereck und
sind so breit wie das Kloster. Die herrlichen Beämten-
gebäude haben 275 Fuss Länge, jetzt Sitz des Oberamts-
gerichts, des Rentamts und Notariats.
Alle Gebäude zeichnen sich aus durch Licht, Ordnung,
Schönheit und Dauer. Ueberall gehen Thür auf Thür,
Fenster auf Fenster.
Die Kunst ist buchstäblich verschwendet worden.
Ln unteren EJreuzgang sind 112 Gemälde mit Darstellungen
aus dem neuen und mit Vorbedeutungen aus dem alten
Bunde.
P. Magnus Bernhard, seit 1857 Seelsorger dahier,
hat für das elf hundertjährige Jubiläum mit viel Fleiss
und Geschick ein Büchlein herausgegeben, in dem jedes
Bild in Kloster und Eörche seine Erklärung findet, was
Ein Benediktinerbucb. 34
— 530 —
es TOrstellt, wie die Untersclirift lautet, -wer es gemalt
lat und was die Bilder gekostet haben.
Das grosse Refektorium hat 100 Fuss Länge, ist
40 Fuss hreit und 16 Fuss hocli und enthält sinnreiche
Gemälde, auf jeder Seite sechs zwischen den Fenstern,
auf Leinwand gemalt. Der Plafond und die zwei grossen
Flächen nach Osten und Süden sind übertüncht.
Ln westlichen Trakte befindet sich der Kaisersaal,
der 72 Fuss lang, 45 Fuss breit und 40 Fuss hoch ist.
Das Plafondbild stellt die Krönung von Kaiser Karl dem.
Grossen vor, es ist 52 Fuss lang. Es befinden sich im
Saale 16 vergoldete Holzstatuen römischer Kaiser von
8 Fuss Höhe.
176 Oelgemälde auf Leinwand sind in den drei Etagen
des Conventgebäudes über den Thüren angebracht. In.
jeder Zelle ist innen ein Gemälde über der Thür imd ein
grösseres an der Wand.
Wer könnte zählen all die Bilder, die in den drei
Kapellen des Klosters, auf den Gängen, in der Bilder-
gaUerie angebracht waren und theilweise noch vorhanden
sind? Bischof Zingler von Linz hatte ganz Recht, wenn
er an König Ludwig I. von Bayern schrieb : „ Ottobeurens
herrliche Kirche wurde in ihrer Art noch nirgends er-
reicht, viel weniger übertroflfen ; das Kloster selbst ist
und bleibt ein Wunder der Baukunst nicht blos in
Deutschland, sondern auf dem ganzen Erdkreis." Den
Plan zu diesem herrlichen Klostergebäude verfertigte
P. Christoph Vogt, Conventual von Ottobeuren und Pro-
fessor der Architektur auf der Universität Salzburg.
2) Die Kloster- und Pfarrkirche. Die Kirche ist im
Eococostyl gebaut. Man kann der genialen Conception
des Baues, seinen kühnen Dimensionen und seinen wirk-
samen Verhältnissen die Anerkennung nicht versagen.
Diese architektonischen Maasse sind so glücklich gewählt,
dass sie selbst einen Laien in der Baukunst zur Be-
wunderung hinreissen.
Die nördliche Seite der Kirche, eine schöne Bogen-
fa9ade von 140 Fuss Höhe, mit drei Portalen, bietet
einen prachtvollen Anblick dar. Das grosse Portal ist
25, die zwei anderen Portale je 15 Fuss hoch. Auf
sieben Stufen steigt man empor. In der Nische steht
— 531 —
die kolossale Statue des h. Benedikt, zu beiden Seiten
die der h. Patrone Alexander und Theodor. Unter den-
selben ist der li. Michael, Schutzpatron des ehemaligen
Gebietes Ottobeuren.
Heber dem Hauptportale steht auf einer Zupfertafel
mit grossen goldenen, weithin sichtbaren Buchstaben:
„Das Haus Gottes und Himmels Porten." Diese ra9ade
ist zu beiden Seiten durch die Thürme geschlossen, die
beide 286 Pubs Höhe haben. Es hängen sieben Glocken
in denselben, yon denen die grösste, „Hosanna", achtzig
Centner schwer ist. Sie wurde gestiftet zur Erinnerung
an das elfhundertjährige Jubiläum. Am untern Eianze
steht als Chronologikon in lateinischer Sprache: „Das
Vergehen der beklagenswerthen Säcularisation wollen die
Pfarrkinder Ottobeurens wegen des Jubiläums ihrer Pfarr-
kirche freudig wieder gut machen."
Das Fundament der Kirche ist 9 Fuss dick und 30 Fuss
tief Ton gehauener Nagelfluh. Die Länge der Kirche be-
trägt 312, die ganze Breite 210 bayrische Fuss, der ganze
Flächeninhalt, den die Kirche einnimmt, beträgt 24,580
DFUBS.
Tritt man durch das grosse Portal in die Kirche ein,
so macht sie durch ihre Grösse, ihre Bauart, ihre so
lebendigen \mä frischen Deckengemälde, den rielen Bild-
säulen und Verzierungen einen geradezu überwältigenden
Eindruck, den man bei berühmten Kirchen Frankreichs
und Italiens yermisst. Die drei steinernen, sehr weiten,
hohen, lichten und nach einer schönen Form aufgespreng-
ten und geschlossenen Kuppeln verleihen dem Gotteshause
ein majestätisches Ansehen.
Chor und Hochaltar stehen gegen Süden. Die zwei
grossen Kapellen, die den Querbalken des E-reuzes bilden,
stehen gegen Osten und Westen.
Der Chor (Presbyterium) ist 100 Fuss lang, 90 Fuss
hoch und 71 Fuss breit, und ist, wie die ganze Kirche,
mit Kelheimer Steinen gepflastert, nach der Zeichnung
von Jakob Zeiler. Der Hochaltar ist mit sechs hohen
Säulen aus Gypsmarmor geschmückt, der die Höhe des
Chores hat. Vier Figuren über Lebensgrösse aus Gyps
und in Alabaster geschliffen erhöhen die Pracht des
Altars.
34*
— 532 —
Zu beiden Seiten des Presbyteriums stehen je 26 aus-
gezeiclmet schön gearbeitete Chorstühle aus Nussbaumholz;
die Arbeit kostete — ohne Holz — 14,620 /.
Die Rückwände der Chorstühle zieren achtzehn in
jeder Hinsicht vollendete Basreliefs, aus Lindenholz und
vergoldet.
Mit den Chorstühlen harmonisch zu einem schönen
Ganzen verbunden sind die beiden darüber stehenden
grossen Orgeln, nach aussen einander vollkommen gleich,
verschieden nur in der Zahl der Register.
Die grössere auf der Epistelseite hat 64 klingende
Register, die auf vier ManuaUen und ein vollkommenes
Pedal zu 25 Tasten vertheilt sind.
Die Kraft des Tones der vollen Orgel ist mächtig
und ergreifend. Unter dem Hauptwerk steht ein lateini-
sches Chronolog^on, das zu deutsch heisst: „Das tausend-
jährige Ottobeuren sagt mit freudiger Stimme Gott Dank."
Der Erbauer war Karl Riezz; sie kostete ohne Material
31,810 /.
Sieben Stufen tiefer beginnt das Schiff. Es wölbt
sich die grosse Kuppel, die einen Durchmesser von 68 Fuss
hat, in welche die Gebrüder Zeiler als Gemälde die Stif-
tung der Kirche durch den heiligen Geist gemalt, in
einer so grossartigen Weise, wie sie selten vorkommen wird.
Unter dem Triumphbogen steht der Kreuzaltar mit
einem wunderbaren Kreuzbild, das über 800 Jahre alt ist.
In einem Missale vom 13. Jahrhundert ist dieses byzan-
tinische Kreuz schon abgebildet. Ueber dieses Bild, das
Wallfahrtsbild von Eldem und die vielen Reliquien habe
ich ein eigenes Büchlein herausgegeben: „Die Heüigthümer
der Kirche von Ottobeuren."
Das Gemälde der kleinen Kuppel im Schiffe zeigt
■ans die Heiligen des Benediktiner-Ordens, welche sich um
Ausbreitung des Christenthums besonders verdient gemacht
haben. All die ehrwürdigen Gestalten sehen so frisch
aus, wie wenn sie erst fertig geworden wären.
In der Kapelle nach Osten ist das Waüfahxtsbild
„Maria Eldem" angebracht, imsere liebe Frau in sitzender
Stellung mit dem Jesuskinde aus gebranntem Thon. Es
gehört dem Anfang des 15. Jahrhunderts an.
Ihm gegenüber, in der Kapelle der Rosenkranzbruder-
— 533 —
schaffc, steM ein Altar ganz so wie im EHemchor. Beide
Altäre sind überreich an Reliquien; in diesen Kapellen
stehen je zwei selir schöne aus Eichenholz gearbeitete
Beichtstühle mit Basreliefs aus Lindenholz, vergoldet.
Im Ganzen hat die Kirche sechzehn Altäre; die
sechs Altäre in den beiden Kapellen sind reich vergoldet.
In den beiden Seitenschiffen sind vier Epitaphien mit
den Gebeinen des Stifters Süach und seiner Verwandten,
alter, hochverdienter Aebte und frommer Mönche, von
denen einige als Selige verehrt werden.
Die Sakristei ist sehr hell und schön. Die Kasten
von Nussbaumholz sind theils eingelegt, theils eingeätzt,
wie der salomonische Tempel, Kirchen in Rom, Markus-
kirche in Venedig. In die Kästen der mittleren Sakristei
sind untern anderm eingeätzt das Amphitheater des Mavius,
die Bäder des Caracalla, Triumphbogen des Titus, die
Engelsburg.
In der gewölbten äusseren Sakristei stehen Omat-
kästen, die, vielleicht einzig in ihrer Art, wohl zum Kunst-
vollsten gehören, was die Kirche besitzt. Der Künstler
hiess Thomas Hindelberger und war evangelischer Con-
fession, weshalb er vielleicht den Martin Luther und sein
Kätchen geschnitzt verewigte.
Kostbar ist der Alexander-Sarg, ein Reliquienschrein
ganz von Silber, die Gewandung der Figuren zum Theü
stark vergoldet.
Der Alexander-Mantel, ein ehrwürdiges Denkmal des
Alterthmns, ist ein merkwürdiges Gewebe von Seide, in
dem sich zwischen ganz einfachen Blumen immer die
nämliche Person wiederholt, die mit einem Löwen kämpft.
Es ist geschützt dmrch einen karmoisinrothen Ueberzug
von Damast. Der Ulrichskelch soll vom heiligen Bischof
IHrich von Augsburg (f 973) gebraucht worden sein.
Von schöner Arbeit und kostbar ist das sogenannte
spanische Kreuz mit zwei ansehnlichen Partikeln vom
Kreuze Christi. Es ist 3 Fuss hoch und ganz von Silber.
Im Kästchen, auf dem das Kreuz ruht, befindet sich ein
in Silber gefasster Finger der h. Katharina.
Das Capitelkreuz, von Silber und stark vergoldet, von
2 Fuss 6 Zoll Höhe, ist vom Jahre 1741.
Unter den Paramenten, die aus alter Zeit erhalten
— 534 —
blieben, verdienen eine besondere Aufmerksamkeit der
schöne auf Sammt gestickte rothe und der ebenso reich,
■und schön auf Atlas gestickte vollständige "weisse Ornat
mit je zwei Pluvialen. Sie kosteten mehrere tausend
Gulden.
Der Bau der Kirche kostete 505,332 /., niaht gerech-
net das Material, das der Abt selbst lieferte.
Doch, um den Rahmen nicht zu überschreiten, eile
ich zum Schlüsse.
Ottobeuren, ein Marktflecken von etwas mehr als 1400
Seelen, liegt 2050 Pariser Fuss über dem Meere, unter
dem 47° 56' nördlicher Breite und unter dem 27° 58' öst-
licher Länge. Die Pfarrei besteht aus vier politischen
Gemeinden, hat zwei auswärtige Schulen, umfasst 32 Weiler
und Einöden und zählt nicht ganz 3000 Seelen.
Es ist von drei Stationen so ziemlich gleichweit ent-
fernt, 11 Kilometer, von Grönenbach-Lindau-Kempten, von
Sontheim- Augsburg-München und von Memmingen, Boute
Ulm. Nur mit Memmingen besteht täglich zweimal Post-
verbindung. Ottobeuren ist der Sitz eines Oberamts-
gerichtes, eines Rentamtes, einer Oberforsterei, eines
Notariats und Bezirksgeometers , und hat eine Post- und
Telegraphenstation und einen Arzt. Die Lage im freund-
lichen Günzthal ist nicht ohne Reiz, die Luft gesund.
Dank den vielen Nadelwäldern in der Nähe. In zwei
Stunden kann man in Kempten, in fünf Stunden in München,
in vier Stunden in Augsburg sein,
P. Hermann Koneber&,
Pfarrer.
Das Piiorat Sclieftlam.
a einem anmutldgen, von der Isar durchströmten,
tiefen Thale liegt am linken Ufer dieses Flusses,
etwa 600 Schritte von demselben, das Kloster
Scheffclam, von der Hauptstadt München 21 Küo-
m.eter südlich entfernt. Von dieser Hauptstadt führt der
"Weg auf dem linken Isarufer auf der über Wolfiratshausen,
Benediktbeuern, Kochel, Wallersee und Mittenwald nach.
Innsbruck ziehenden Landstrasse durch Sendung und
Bayerbrunn; aber auch auf dem rechten Ufer kann man
"über Harlaching durch Grünwald und den dortigen Park
dahin gelangen.
Laut des in dem im Jahre 1767 erschienenen, achten
Bande der von der Königl. Akademie der Wissenschaften
zu München herausgegebenen Urkundensammlung (Monu-
menta boica) Seite 363 abgedruckten Stiftungsbriefes ent-
stand das Kloster Scheffclarn im Jahre 762. In diesem
Jahre gründete der Priester Waltrich, aus edler Familie,
welcher als Pfarrer von Deining angegeben wird, mit
Bewilligung und Beihülfe des Herzogs Thassilo H. von
Bayern aus seinem ansehnlichen Erbgute unter Bei-
stimmung seiner Eltern und seiner andern Miterbbe-
xechtigten an dem Orte Scheftlarn (Sceftilare) , vorher
auch Pipinbach genannt, ein Gotteshaus zu Ehren des h.
Dionysius, welches Bischof Josef von Freising (f 764)
einweihte, und baute ein Kloster Benediktiner-Ordens dazu,
in das er als erster Abt eintrat. Das Kloster wurde im
Jahre 955 von den Hunnen (Ungarn) zerstört. — Erst im
Jahre 1140 wurde es durch den Bischof Otto, den Grossen,
von Freising, Sohn des h. Leopold, Markgrafen von
Oesterreich, wieder hergestellt und regulirten Chorherren
des Prämonstratenser- (Norbertiner-) Ordens eingeräumt. —
Bis zum Jahre 1598 hatten die Vorsteher des Klosters die
Benennung als Pröbste; in diesem Jahre aber erhob es
Pabst Clemens IE. zur Abtei und verlieh den Aebten
Inful und Stab. Der 41. Probst Leonhard III. war der
— 536 —
Erste, -welclier mit dieser Würde bekleidet -wurde. — Im
Jahre 1527 Trarde das Kloster durch Brandunglück ganz
eingeäschert, aber von dem Pabste Georg n. -wieder er-
baut. Im dreissigjährigen Kriege erlitt es durch die
Schweden eine neue Zerstörung.
Unter dem Abte Melchior Schütz (f 1719) wurde im
Jahre 1705 der Bau des noch stehenden herrlichen und
sehr geräumigen Klostergebäudes nach der Zeichnung des
Münchener Malers und Baukünstlers Andreas Wolf (f 1716)
und unter seiner Direction begonnen und im Jahre 1764
ganz vollendet. Dasselbe hat eine sehr gefällige Fa9ade,
grosse, prächtige Säle, schöne, sonnige, hohe Zimmer,
freundliche hohe und breite Gänge.
Der Bau der grossen, zweckmässigen Klosterkirche
zu Ehren des h. Dionysius wurde im Jahre 1733 nach
dem Plane des kurfürstlichen Baumeisters Couvilier zu
München begonnen, dann aber nach Abänderungen des
Baumeisters Gunezrainer völlig ausgeführt. Verziert mit
Freskomalereien und Stuccaturarbeiten, 171 Schuh lang
und 78 Schuh breit, hat sie einen hübschen Hochaltar
mit dem Bilde der Himmelfahrt Maria von dem kurfürst-
lichen Hofmaler und Gallerieinspektor Albrecht in Mün-
chen und 6 Seitenaltäre und ist ausser dem auf Marmor-
säulen ruhenden Musikchore auch auf beiden Seiten des
Choraltares mit geräumigen Oratorien versehen. — Es
befinden sich in dieser Kirche die Grabstätten des Ritters
Konrad von Bayerbrunn, Feldobersten des Kaisers Lud-
wig des Bayern, welcher in der Schlacht bei Ampfing 1 322
den rechten Flügel der Bayern führte, des Letzten seiaes
Stammes, des Ritters Schweiker von Gundelfigen, des
Wemher Rechlinger von Haltenberg am Lech und anderer
Zeitgenossen derselben.
Das Kloster Scheftlam kam durch Schenkungen, Ver-
mächtnisse und fromme Gaben aller Art zu sehr ansehn-
lichem Reichthume. Alle Ortschaften in der Umgebung,
welche dermal noch im Umfange der Pfarrei Scheftlam
liegen — Hohenscheftlarn, Bayerbrunn, Irschenhausen,
Neufahm, Zell und Ebenhausen — gehörten zu dessen
Besitzungen; auch das Pfärrdorf Deining am rechten Isar-
ufer, desgleichen die Ortschaften Percha am Stamberger-
See, an dessen Ausflüsse es auf der Wurm auch das
U
o
u
o
t-l
m
<ä
— 537 —
Fisclirecht besass, Buchliof, Hammertshausen etc. Sehr
bedeutende Oekonomiegüter hatte es an den Schwaigen
zu Hornstein und Ebenbausen. Auch der durch den be-
rühmten grossen Viehmarkt jährlich am 1. Montag im
September allgemein bekannte "Weiler Keferlohe, drei
Stunden von München auf dem Wege nach Zomeding,
war zum Kloster gehörig. Kaiser Ludwig der Bayer ver-
lieb demselben im Jahre 1331 aus Zuneigung für den
Probst EonraJ Sachsenhausen, seinem vertrauten Rathe,
den Zoll an diesem Orte. Bei München besass es den
Konradshof, dessen Grundstücke auf der Anhöhe um die
Dachauerstrasse zum Theil in den Münchener Burgfrieden
sich erstreckten. In der Stadt München selbst hatte es
ehemals ein Haus an der vormaligen hintern Schwabiuger-
gasse, mehrere Häuser in der Neuhausergasse, welche im
Jahre 1582 zur Erbauxmg des JesuitencoUegiums erkauft
wurden, imd zuletzt noch ein Haus auf dem Eindermarkt
neben dem ehemaligen Euffini-Hause, welches erst nach Auf-
hebung des Klosters in bürgerliche Hände verkauft wurde.
Auch an geistiger Thätigkeit und wissenschaftlichem
Sinne fehlte es den Bewohnern des Klosters Scheftlam
nicht; die Bibliothek des Klosters gehörte bald zu den
reichsten und berühmtesten des Landes. Es ist noch ein
Verzeichnis von Büchern, welche das Kloster bereits im
12. Jahrhundert besass, vorhanden; dasselbe weist viele,
ansehnliche Werke auf. Yon da an wuchs die Zahl der
Werke in unglaublicher Raschheit. Bei der Aufhebung
des Klosters im Jahre 1803 war die Bibliothek daher so
reich an Kostbarkeiten, Handschriften imd Inkunabel-
drucken, dass aus Scheftlam 180 Handschriften, 314 Inku-
nabeln und 1082 Bücher in die Hof- und Staatsbibliothek
nach München wanderten. (Aretia: Beiträge I, 1, 94.)
Das ist gewiss eia rühmliches Zeichen wissenschaft-
lichen Strebens in diesem Kloster.
Dem Abhänge des auf der Westseite des Klosters
sieb erhebenden, ganz bewaldeten Berges entspringen
reiche Mineralquellen seifenhaltiger Beschaffenheit, deren
Wasser sich im Gebrauche sowohl zum Baden als zinn
Trinken heilkräftig bewährt. Diese Quellen waren schon
seit den ältesten Zeiten in der Gegend bekannt, sind,
aber, so lange das Kloster bestand, zu keiner eigentlichen
— 538 —
Badeanstalt benützt -worden. Die Erriclitung einer solclien
"war erat der neuern Zeit vorb ehalten.
Nach, den genauen chemischen Untersuchungen des
Terstorbenen k. b. Medicinabathes Dr. Graf enthält das
Mineralwasser zu Scheftlarn kohlensaures Laugensalz,
kohlenstoffsaure Kalkerde, schwefelsaure Talgerde, salz-
saures Laugensalz und etwas Eisentheile. Durch die
chemische Verbindung solch wirksamer Bestandtheile hat
sich der Badgebrauch dahier nach vieljähriger Erfahrung
besonders heilsam erprobt: bei Verschleimung der Brust
und des Unterleibes, Verdauungsbeschwerden, Magen-
krämpfen, Hämorrhoiden, Gricht, Hautausschlägen, Flechten,
Sand und Gries, Drüsenverhärtung und selbst bei Läh-
mungen. Diese wohlthätigen Wirkungen werden durch
gelinde, reine und stärkende Gebirgsluft in dem lieblichen
Isarthale noch mehr befördert.
Bei der allgemeinen Säcularisation der Klöster in
Bayern im Jahre 1803 wurde, wie bereits angedeutet,
auch Scheftlarn aufgelöst. Der letzte Abt, seit dem Jahre
1140 der fünfzigste, war Gottfried Spindler, erwählt am
11. Januar 1776. Voll Schmerz zog er nach Aufhebung
des Klosters in seine Heimat Luhe, wo er am 29. März
1809 starb. Die Zahl der Religiösen belief sich damals
auf dreissig.
Das Vermögen des Stiftes wurde nun zum Staatsgute
eingezogen, die Klosterkirche als Pfarrkirche beibehalten,
die Pfarrei aus dem Staatsärar neu dotirt und das auf
der Anhöhe westlich vom Kloster gelegene ehemalige
Klosterrichterhaus zur Pfarrwohnung bestimmt, der Schule
aber nebst der Wohnung des SchuUehrera verblieb das
Gebäude unter demselben dem Kirchenportale gegenüber.
Als erster Pfarrer der neuorganisirten Pfarrei wurde der
Bxreligiose des aufgelöstenPrämonstratenserkLosters, Adrian
Frohwieser (f 6. Juli 1821), angestellt, welcher bei seiner
Pfarrgemeinde in hohem Grade beliebt war.
Die übrigen Klostergebäude mit dem Bräuhause, den
zwei Klostergärten, den zur Oekonomie gehörigen Grund-
stücken, zusammen mit Einschluss des Klosterhofes etwas
über 169 Tagwerk und den zunächst gelegenen Waldungen
zu 300 Tagwerk wurden in Privathände veräussert.
Die Klostergebäude mit allen Grundstücken und
— 539 —
Waldungen -wurden im Versteigerungs-wege vom Staate
um die geringe Summe von 36,800 /. verkauft und "weclisel-
ten bis zum Jahre 1845 mehrmals ihren Besitzer; es wurde
in ihnen eine Badeanstalt und eine Fayencefabrik errichtet.
Bndlich zogen in dem eben genannten Jahre -wieder
Ordenspersonen in diese so lange profanirten Räume ein.
Die englischen Fräulein zu Nymphenburg kauften das
Kloster nebst Bad und Einrichtung, den Gärten und
Waldungen, restauricteu es mit Geschick, bauten eine
zierliche Hauskapelle und errichteten ein Pensionat für
Mädchen, das sich grossen Beifalls erfreute. Aber sie
thaten nur den Dienst der Pioniere für die Söhne des
h. Benedikt, sie bereiteten den ersten Be-wohnern der
Stätte -wieder die Wege.
Schon früher -war das Oekonomiegut sowie das Bräu-
haus sammt den über die ganze Thalebene ausgebreiteten
Aeckern und Wiesen, nebst einem ansehnlichen Theile
der Waldungen, im Ganzen gegen 400 Tagwerk, durch
Kauf in den Besitz des Gastwirthes Johann Lautenbacher
gekommen, dessen Enkel, Herr Sebastian Lautenbacher,
diese Realitäten zur Zeit inne hat und dieselben im besten
Zustande hält.
Im Jahre 1865 beschloss der höchstselige König
Ludwig I. von Bayern in hochherziger Absicht noch ein
Benediktinerkloster in Bayern zu gründen, -wählte dazu
Scheftlarn, kaufte das Klostergebäude nebst ungefähr
170 Tagwerk an Grundstücken und Waldungen von den
englischen Fräulein um die Summe von 92,000 /. und be-
stimmte ausserdem noch 50,000 /. als Stiftungskapital.
So zogen denn am 22. Mai 1866 -wieder die Söhne
des h. Benedikt unter ihrem Prior P. Benedikt Zenetti
aus der Abtei St. Bonifaz in München in diese heilige
Stätte ein, aus der ihre Ahnen vor 900 Jahren vertrieben
■worden -waren. Das Kloster ist als Abtei gegründet und
bleibt nur, bis die erforderliche Anzahl Conventualen vor-
handen ist, Priorat. Als im Jahre 1872 der hoch-würdigste
Abt von St. Bonifaz, der leider zu früh verstorbene Dr.
Daniel Bonifaz von Haneberg, zum Bischof von Speier
ernannt -war, wählten die Conventualen von St. Bonifaz
den Prior von Scheftlarn zu ihrem neuen Abte, welcher
nach 6j ähriger treuer und eifriger Leitung der Kloster-
— 540 —
gemeinde das ihm lieb gewordene Scheftlam verliess, xaoa.
die Leitimg der Abtei St. Bonifaz zu übernehmen. Auf
ihn folgte der jetzige Prior P. Thaddäus Brunner aus
dem Stifte Metten; unter seiner Leitung stehen zur Zeit
15 Religiösen.
Nach dem Kalender für kath. Christen, Sulzbach 1856.
P, Th. Bbdnneb,
Prior.
Stift Scheyem.
|as Kloster Scheyern liegt im Kreise Oberbayem,
in der Erzdiöcese München-Freising, eine Stunde
westHcb vom Städtclien Pfaffenhofen und der
Babnverbiudung Müncben-Ingolstadt, in hügeliger
fracbtbarer Landschaft.
Es verdankt seiue Entstehung den fironunen Be-
mühungen einer Gräfin Haziga, welche mit Hufe ihres ersten
Gemahls, Hermann von Castel, zu Bayrischzell in den
bayrischen Vorbergen im Jahre 1077 eine klösterliche
Niederlassung erbaute, und sich vom gefeierten Abte
"Wilhelm von Hirschau zwölf Väter und zwölf Brüder erbat.
Im Jahre 1087 wanderte die junge Gemeinde in das
zwei Stimden entfernte, günstiger gelegene Fischbachau,
wo Haziga grössere Gebäude zu Ehren des heiligen Mar-
tinua und eine Kirche zu Ehren der seligen Jungfrau hatte
errichten lassen. Erchimboldus (1096 — 1111) war der
erste Abt. Der Pabst Paschal H. bestätigte im Jahre 1103
die neue Stiftung. Das Kloster wird unter den beson-
deren Schutz des apostolischen Stuhles genommen, die
freie Wahl der Aebte gewährleistet imd am Schlüsse die
väterliche Ermahnung beigefügt: „Ihr nun, geliebte Söhne
in Christo, müsst den Hebungen des klösterlichen Lebens
mit allem Eifer und mit aUer Andacht obliegen. Denn
da ihr entrückt seid dem Geräusche der Welt, so sollt
ihr mit ungetheüten Kräften des Geistes und des Leibes
nach dem Wohlgefallen Gottes trachten."
Haziga war in zweiter Ehe mit Otto aus dem alt-
berühmten Geschlechte der Grafen von Scheyem ver-
mählt; er und die drei Söhne dieser Ehe theilten die
fromme Gesinnung der Mutter. Graf Otto brachte dem
Kloster Reliquien des heiligen Martinus zu imd einen
Finger der heiligen Maria Magdalena, der noch jetzt zu
den vorzüglichsten Heiligthümem Scheyems zählt.
Da aber Fischbachau noch immer abgelegen und die
Verhältnisse zu beschränkt waren, so wurde das Hoster
— 542 —
durch die Bemühiiiigeii der drei Söhne der Haziga zuerst
nach Petersherg an der Glon verlegt, und endlich durch
gemeinsame Uebereinstimmung der alte Stammsitz des
edlen Hauses, das noch heute über Bayern herrscht, die
Burg Scheyem selbst in ein Kloster verwandelt und den
Mönchen von Petersberg übertragen. 1119 begann zu
Scheyem das klösterliche Leben. Witteisbach und Dachau
■waren von da an die Sitze des Geschlechtes, aber noch
lange Jahre blieb Scheyem die gemeinsame Begr'äbnis-
stätte. Hier liegen die Herzöge Otto von Witteisbach,
Ludwig der Kelheimer, Otto der Erlauchte begraben, hier
ruht Haziga mit ihrem Gemahle Otto, von Fischbachau 1127
übertragen, damit sie, wie es auf dem Steine heisst, zwi-
schen den Chören und dem Gesang der Brüder ihre süsse
Ruhe fänden. — Fischbachau blieb fortwährend eine Fi-
liale von Scheyem.
Der erste Abt in Scheyem war Bruno (1111 — 1126),
ausgezeichnet durch Adel wie durch Frömmigkeit; er war
ein Geschwisterkind Kaiser Heinrichs T., vom Kloster
Hirschau auf Bitten der Brüder gesendet. Auf Ansuchen
der Stifter bestätigte Kaiser Heinrich V. dem Kloster
Scheyem alle Besitzungen und Gerechtsame in einer Ur-
kunde vom Jahre 1124, und setzte schwere Strafen auf
alle Verletzungen der guten Rechte. „Wer mit offener
Gewalt oder List dem Kloster, was sein ist, entreisst, der
soll bei kleinerer Beschädigung drei, bei grösserer zehn
Talente an die kaiserliche Kammer bezahlen und allen
Schaden ersetzen. Wenn aber Jemand aus königlichem
Geschlechte, was fem bleiben möge, auf Anstiften des
bösen Feindes durch irgendwelchen böswilligen Kunstgriff
diese Urkunde nichtig zu machen sich untersteht, den
möge, wie die Stifter bitten, Gott ausschliessen aus der
Gemeinschaft der Kinder Gottes und der Erben des ewigen
Lebens, und wenn er nicht in sich geht, so mögen ihm
Petrus, der die Schlüssel des Himmelreiches hält, und der
heilige Martinus und die ganze himmlische Heerschaar
ewig den Eintritt ins Paradies verwehren."
Das Kloster zählte von 1096 — 1803 im Ganzen 48
Aebte. . Auf Bruno folgten rasch vier Aebte unter schwie-
rigen Verhältnissen.
Die Regierung des siebenten Abtes Ulrich (1135 bis
— 543 —
1160) ißt dadurch ausgezeiclinet, dass durch den frommen
Grafen Conrad von Dachau im Jahre llö7 ein ansehnlicher
Splitter vom wahren Kreuze Christi von 18 cm
Länge und fast 1 cm Breite nehst zwei Quertheilen nach
Scheyern kam; dieser bildet his auf den heutigen Tag die
Zier und den Ruhm des Ortes. Am Feste der Kreuzerfin-
dung kommen alljährlich aus Nah und Fem Schaaren von
Wallfahrern, und jeden Freitag findet sich eine Zahl An-
dächtiger zur Verehrung des h. Kreuzes ein. Die Urkunde
des Patriarchen von Jerusalem sagt: „Wer aus Sehnsucht
des Herzens oder infolge eines Gelübdes das Grab des
Herrn in Jerusalem besuchen möchte, aber wegen Krank-
heit, Armuth oder sonstiger Hindernisse einen so weiten
,und gefahrvollen Weg nicht machen kann, der soll vor
diesem Kreuze nach bestem Vermögen das Opfer des
Lobes bringen und irgend eine Gabe Gott dem Herrn
und seinem glorreichen Grabe widmen; dann soll er des
Gelübdes entbunden sein und so viel Verdienst haben,
als wenn er vor dem Grabe des Herrn gebetet und seine
Gabe gebracht hätte."
Die nächsten Jahrzehnte waren für das Kloster eine
schlimme Zeit. Von 1170—1200 wurden die Gebäude
zweimal ein Raub der Flammen; die Vermögensverhält-
nisse kamen in grosse Unordnung; mehrere Aebte legten
ihre Würde freiwillig nieder. Hervorzuheben ist der
12. Abt Heinrich, 1229—1259. Unter ihm lebte Conradus,
genannt philosophus , deir nebst vielen andern die Annalen
von Scheyern schrieb. Abt Heinrich erbaute den massiven
Thurm, der noch jetzt das Wahrzeichen von Scheyern
bildet, und erhielt gegen das Ende seines Lebens von
Pabst Alexander IV. die Befugnis, Infiil und Stab zu
tragen. Unter dem 16. Abte Friedrich, 1281—1291, war
das Kloster, das regelmässig etwa 24 Patres und 6 bis
10 Fratres zählte, fast ganz verlassen. Aber die bayerischen
Fürsten, die in Scheyern ihren alten Stammsitz und. die
Begräbnisstätte ihrer Ahnen verehrten, kamen der be-
drängten Lage des Klosters, das sie immer als „ihr be-
sonder Stift" betrachteten, grossmüthig zu Hülfe. Eine
Anzahl Pfarreien in den Diöcesen Freising und Augsburg
wurden mit allen Einkünften dem Kloster zugewiesen.
So schenkte Kaiser Ludwig der Bayer 1318 die bedeutende
— 544 —
Pfarrei der "benaciitarten Stadt Pfaffenliofen. „Wir haben
angeselieii," sagt er, „die grosse Gunst und andächtigen
Wülen, den unser Yordern selig Herzog in Bayrn dem
Erbam Gottsbauss zu Scbeim gehabt habent, als sie wol
erzaigten an ihr selbes Gräbnuss, die sie mange Jahre da
hetten." Auch übertrug er dem Eloster die Gerichtsbar-
keit mit Ausnahme der Fälle, „die zum Todt gehörent";
in dem Verleihungsbriefe heisst es: „Zu allen Zeiten
haben wir Klöster und geistliche Leuthe, die Gott dienent,
in unsern besondern Gnaden und Schirm unzher gehabt
imd wollen förbass ewiglichen gerne haben. Weil nun
das Eloster oder Abt und Convent zu Scheirn, die Gott
zu aUen Zeiten mit ihrem Gebett und ihrem Sänge und
gutem Leben fleissiglich dienen, an ihren Leuthen und
Gütern, als wir wohl gesehen und vernommen, unzher
grossen Schaden genommen haben, so haben wir ihnen
durch Gott und unser Seele Heil, und dass sie Gott dester
bass mit allen guten Dingen dienen raöchten, die Gnad
gethan, dass sie fürbass ewiglichen das Eecht thun sollen
von allen ihren und ihres Gotteshauss Leuthen."
Bei der Bestätigung der Uebertragung der Pfarrei
Pfaffenhofen giebt der Bischof Heinrich TOn Augsburg
1339 dem Kloster das Zeugnis, dass ia demselben „das
Lob Gottes fleissig gesungen und die Gastfreundschaft
edelmütig und andächtig gegen Jedermann geübt werde".
Markgraf Ludwig der Brandenburger übergab 1356
dem Kloster die Pfarrei des Marktes Vohburg an der
Donau mit der Bedingung, dass für sein, seiner Vor-
fahren, deren so viele in Scheyern begraben seien, seiner
Nachkommen ewiges Heil alltäglich, ohne dass irgend
eine Entschuldigung gelten sollte , am Altare der heiligen
Jungfrau Margaretha eiae Messe mit Andacht verrichtet
werde. Der Wille des Stifters wird bis auf den heutigen
Tag getreulich erfüllt.
Sehr schön zeigt sich auch die edle Gesinnung und
treue Fürsorge der bayerischen Fürsten in dem Briefe,
in welchem die Herzöge Ernst und Wilhelm „am Tage
St. Lucien" 1431 dem Kloster alle früheren Freiheiten
bestätigen: „Damit sie," heisst es, „all ihr Nachkommen
und ünterthanen Gott den Allmächtigen und die werthen
Mutter Marien treulich bitten wollen, dass sie uns imd
— 545 —
allen den unsern Terleilien und zufügen dass uns nutz
sei zu Seele und Leib; — nachdem -wir -vvolil wissen, dass
von Gott dem Allmächtigen und auch den heiligen Päpsten
des Stuels zu Rom die Priesterschaft und geistlichen er-
gebenen Leuth für andere Leuth angesehen und gefireyet
seien, nicht allein in dieser vergänglichen Welt, sondern
dort im ewigen Leben; — seydt auch der von Scheim
und sein Convent gemeiniglich nicht anders begehren
dann bülicher und rechtlicher Sach; — und seydtemalen
xms Gott der Allmächtige zu Fürsten beschaffen hat und
jeden Fürsten und Regierer eines Yolkes und Landes
zugehört, das Liecht der Gerechtigkeit zu führen und
lieb zu haben, dass all die Seinen jetzt und in künftigen
Zeiten ein Ebenbild darab nehmen und den Puesstritten
der Gerechtigkeit nachfolgen — so bestättigen und be-
kräftigen wir mit diesem unsern Brieff all die Brieff,
Freiheit, Recht, Gnad und gute Gewohnheit für uns,
unsere Erben und Nachkommen ewiglich."
Einer der ausgezeichnetsten Vorstände des Klosters
war am Ausgange des Mittelalters der 31. Abt Georgius
(1467 — 1489). Von ihm wird gesagt: Er war eine reine
Seele, nüchtern und keusch; die Frömmigkeit war ihm
angeboren, milde war sein Herz und voll Erbarmen;
seine Güte machte ihn allen lieb; streng war nichts als
sein Eifer für die Bewahrung der klösterlichen Zucht.
In zeitlichen Dingen war er überaus glücklich; Bücher
schrieb er nicht wenige zur Erbauung und Belehrung
der Brüder.
Unter seinem zweiten Nachfolger Johannes (15.05 bis
1535) schrieb der Vater der bayerischen Geschichte, Aventin,
die Jahrbücher von Scheyern, in welchen er dem Abte
Johannes das höchste Lob der Tugend und Gelehrsamkeit
widmet. Der 36. Abt Gregorius (1558 — 1574) erbaute die
ansehnliche Stiftskirche, wie sie noch jetzt zu sehen ist.
Dessen zweiter Nachfolger Abt Stephanus (1610 — 1634)
setzte Aventins Annalen fort bis auf seine Zeit und kostete
bereits die Anfänge des dreissigj ährigen Krieges.
1632 kamen die Schweden nach Scheyern, das Kloster
wurde geplündert, ein Frater erschlagen, nur durch eine
schwere Summe wurde die Einäscherung abgewendet. Der
Abt starb 1634 in Fischbachau. Sein Nachfolger Gorbinian
Ein Benediktinerbuch. 35
— 546 —
(1634 — 1650) sah durch die Drangsal der Zeiten die Seinem
immer mehr zusammenschmelzen. In dem Entlassungs-
schreiben der Väter. Ton 1641 heisst es: „Seit drei Jahren
mussten -wir wegen der feindlichen Einfälle siebenmal
von hier uns flüchten, und jetzt sehen wir zu unserm
Schmerze uns wiederum gezwungen, zum Wanderstabft
zu greifen."
Nach dem Kriege erholte das Kloster sich rasch
wieder unter der Leitung von einer Reihe ausgezeichneter
Aebte. Der 40. Abt, Gregorius (1658 — 1693), vor seiner
Erhebung Lehrer des kanonischen Rechtes in Salzburg,
suchte das wissenschaftliche Streben unter den Seinigen
auf jede Weise zu fördern. Das Kloster erwarb sich bald,
durch die Gelehrsamkeit seiner Mitglieder einen rühm-
lichen Namen und die ehrenvolle Bezeichnung „Schule
der Gelehrten". Seitdem finden wir Glieder des Convents-
in Scheyem auf den Lehrstühlen der Hochschulen in Ingol-
stadt und Salzburg, und eine Reihe von Namen werden
als Yerfasser gelehrter Werke überliefert. — Dem Abte
Gregorius gelang auch nach langen Bemühungen die Grün-
dung der bayeri sehen Benedikt iner-Congregation,
in welcher sich 19 bayerische Benediktinerklöster zu ge-
meinsamen Statuten, gemeinsamem Noviziate und zu gegen-
seitiger Hülfe verbanden. Das Noviziat war vielfach in
Scheyem. — Das Kloster bewahrte seinen guten Stand
und seinen untadeligen Ruf bis zu seinem letzten Abt
Martinus (1793 — 1803); dieser war gelehrt und fromm; aber
er sah wenig Gutes. Zuerst kamen die Drangsale des
Krieges, und endlich der schwerste Schlag, dass am Feste
des h. Benediktus 1803 das blühende Kloster dem allge-
meinen Sturme zum Opfer fiel. — Die Yäter zerstreuten
sich; der Abt selbst wollte nicht von der Stätte scheiden,,
an die sich seine freudigen und seine schmerzlichen
Erinnerungen knüpften; er starb 1807 in einem Hause des
Dorfes. Ein anderer Pater leitete die Pfarrgemeinde
Scheyem bis ziir Wiederherstellung des Klosters. Die
kostbare alte Bibliothek wurde theils zerstreut, das Werth-
voUste kam nach München, Einiges wurde dem neuen
Kloster zurückgegeben.
Die ausgedehnten Gebäude, der bedeutende Grund-
besitz, der umfangreiche herrliche Wald gingen von
— 547 —
1803—1838 durch fünf Hände. Da gedachte der edle
König Ludwig I. der Stätte, wo die Wiege seiner Almen
stand, wo sie ilire letzte Euhe gefimden; er brachte 1838
den ganzen Besitz käuflich an sich, liess die verfallenden
Gehäude in Stand setzen und ühergab mit grossmüthiger
Freigebigkeit alles Ton neuem den Benediktinern. Aus
dem etwas firüher wieder hergestellten Kloster Metten
wmrden drei Patres berufen, und wie nur einmal wieder
die alten Lieder in den alten Mauern erklangen, da schien
neues Glück und neues Leben in dieselben zurückzukehren^.
Unter der weisen Leitung des ersten Abtes Rupert, eines
ebenso fironunen als einfachen und gelehrten Mannes,
blühte das klösterliche Leben nach innen und wuchs der
Wohlstand nach aussen; und als er 1872 in hohem Alter,
betrauert Ton Allen, starb, da geleiteten 19 Patres imd
7 Pratres ihren ersten Vater zur letzten Ruhe.
Der gegenwärtige Abt Rupert II., der zugleich Präses
der wiederhergestellten bayerischen Benediktiner-Congre-
gation ist, Hess während drei Jahren die alte Stiftskirche
einer gründlichen einheitlichen Restauration unterwerfen
und die oberen Seitenwände des Hauptschiffes mit Dar-
stellungen aus dem Leben des h. Benediktus, das Gewölbe
mit drei grossen Gemälden, die Verherrlichung des Kreuzes
darstellend, schmücken.
Mit dem neuen Kloster ist nur die Pfarrei Scheyem
TOn etwa 2400 Seelen verbunden. Ebenso ist hier eine
erzbischöfliche Studienanstalt mit fünf Lateinklassen und
etwa 100 Schülern, die von den Patres geleitet und unter-
richt-et werden.
Prof. Al. Habtl.
35'
St. Stefan in Augsburg.
Jur Zeit, da der h. Ulrich den biachöfliclien Stuhl
von Augsburg innehatte, soll nach alter Ueber-
lieferung die Kirche des h. Stefan ausserhalb
der alten Stadtmauern, welche sich noch jetzt
theüweise sichtbar vom Frauenthore bis zum neuen Lueg-
insland ziehen, schon bestanden haben. In eiaer Klause
an dieser Kirche lebte stül und zurückgezogen eine ge-
wisse Eleusinde (Eleusina, BUensinde), welche die Späte-
ren zu einer Verwandten, ja sogar zur Schwester des
h. Ulrich machten. Sie hatte ihr Vermögen dem
h. Stefan geopfert, und als der Axchidiakon Amalrich
und dessen Neffe, der Diakon Walter, ein Grleiches mit
ihren elterlichen Gütern und Besitzungen gethan hatten,
fügte Bischof Ulrich noch einige Schenkungen hinzu und
gründete im Jahre 969 das Frauenkloster St. Stefan
nach der Regel des h. Benedikt, dem er als erste Aeb-
tissin jene Eleusinde vorsetzte. Die Besitzungen des
Stiftes lagen meist in Schwaben in der Nähe von Augs-
burg, umfassten besonders die Dörfer Batzenhofen imd
Pfaffenhofen und blieben in der Hauptsache stets bei
St. Stefan. Spotting bei Landsberg , dessen „Mrchen
wydem vnd Zehenden vnser Hailiger Brwirdiger Herre
vnd Stifter sant Vbich vnserm Closter zu sant Stephan
gegeben", musste die Aebtiasin Agnes von Ostheim imd
ihr Convent im Jahre 1416 um vierthalbhundert rheinische
Gulden an U. L. Frauenkirche und das Spital zum heili-
gen Geist in Landsberg verkaufen, um Ruhe zu bekommen
vor den willkürlichen Plackereien, denen dieser Besitz
seitens Bayerns und Landsbergs schon geraume Zeit über
ausgesetzt war.
Im 14. Jahrhunderte wurde statt der Regel des
h. Benedikt die müdere des h. Augustin eingeführt und
im 15. Jahrhunderte wurde St. Stefan ein „frei-weltlich-
adeHges Damenstiffc". Die genaue Zeitbestimmung dieser
beiden Umwandlungen läset sich nirgends finden. Selbst
'i^ÜiTl'l
— 549 —
im -weltliclieii Damenstift war nach den Eeformations-
charten der Bischöfe Markward Ton Berg (1581) und Jo-
hann Otto von Gemmingen (1596) das Leben der „Chor-
oder Kapitelfrauen" durchweg streng klösterlich geregelt.
Noch die vorletzte Aebtissin M. Beata von Weiden drang
gewissenhaft auf Erhaltung der alten Ordnung. Dieser
Umstand, verbimden mit dem Widerstand, auf den sie
dabei bei ihren Untergebenen sowohl als bei der höheren
kirchlichen Behörde stiess, bewog sie zur Eesignation.
Jetzt gab Fürstbischof Clemens Wenzeslaus im Jahre 1789
neue „zeitgemässe" Statuten, durch welche alle alten
Uebungen, die nonnenartige Chorkleidung, die Abhal-
tung des lateinischen Chorgesangs und Chorgebetes, die
Fasttage u. s. w. abgeschafft und als Zweck, den der
h. Ulfich bei Gründung des Stiftes gehabt haben soll,
der erklärt wurde, dass juüQge adelige Fräulein zu guten
christlichen Hausfrauen und Müttern herangezogen
werden! Nicht mehr lange erfreuten sich die Damen der
neuen Freiheiten. Der Sturm der Säcularisation pochte
schon 1802 vernehmlich an die Pforten von St. Stefan
tmd verschlang es 1806 vollstäjidig mit den übrigen
Stiftern und Klöstern der Stadt Augsburg, welche in
diesem Jahre selbst ihrer alten Eeichsunmittelbarkeit ver-
lustig an die Eione Bayerns überging. Die Kirche wurde
1809 gesperrt imd erst nach einigen Monaten auf instän-
diges Bitten der vordem dorthin eingepfarrten Gemeinde
gegen Uebemahme aller Unterhaltungskosten zur Privat-
andacht wieder geöfEaet. Das Stiftsgebäude erhielt 1806
der General- Armee-Corps-Commandant Freiherr vonWrede
zur Wohnung; dann wurde und blieb es Militär-Montur-
magazin, bis es 1828 dem neu errichteten katholischen
Gynmasium durch König Ludwig I. überlassen wurde.
Inzwischen hatte man vielfach den unersetzlichen
Yerlust, welcher der katholischen Sache durch die Auf-
hebung der ehedem so zahlreich im Lande blühenden
Klöster erwachsen war, tief und schmerzlich, empfanden.
Bayerns König Ludwig I. glorreichen Andenkens fasste
daher den Entschluss, vor allen andern den Orden des
h. Benedikt in seinem Reiche wieder herzustellen. Nach
längeren Vorbereitungen erschien am 20. December 1834
endlich eine königliche Entschliessung des Inhaltes, „der
— 550 —
Benediktinerorden sei in Bayern zum Zwecke dea Unter-
riclites und der Erziehung der Jugend und zur Aushülfe
in der Seelsorge wieder einzuführen; die erste Abtei im
Lande solle zu Augsburg errichtet und derselben das Ge-
bäude des ehemaligen Damenstiftes zum h. Stefan ein-
geräumt werden. Die ehemalige freie Reichsabtei Otto-
beuren solle als Priorat neu erstehen und dieses ebenso
wie das bereits seit einigen Jahren hergestellte Kloster
Metten und alle später noch zu errichtenden Benediktiner^
klöster in Bayern der Abtei St. Stefan unterstellt
werden. In Augsburg solle der Orden das bei St. Stefan
bereits bestehende katholische Lyceum und Gymnasium
übernehmen und auch sonst zur Uebemahme anderweitiger
Arbeiten sich bereit halten."
Als Abt des neuen Klosters hatte der König am
16. December 1834 den Conventualen ' der ehemaligen
Reichsabtei Ottobeuren P. Barnabas Huber (geboren zu
Gutenberg 13. April 1778, Profess 13. November 1794,
Priester 30. Mai 1801, nach der Aufhebung seines Stiftes
Hofmeister, später Bibliothekar des Fürsten Fugger-Baben-
hausen) ernannt. Abt Barnabas hatte mit seiner Ernennung
den Auftrag erhalten, die in Bayern befindlichen, zum
erspriesslichen Wirken für den Orden noch befähigten
Exbenediktiner einzuladen, sich dem Orden wieder anzu-
schliessen, dann aber im Falle weiteren Bedarfs zur Be-
setzung der Lehrstellen und anderer Aemter Ordensgeist-
liche aus Oesterreich beizuziehen. Die an die noch leben-
den- Benediktiner der aufgehobenen Klöster ergangene
Einladung zum Wiedereintntt blieb aus vielen Gründen
so gut wie erfolglos. Die einen waren bereits zu alt Tind
hielten sich nicht mehr für kräftig genug, die Beschwerden
des Ordens- und Lehrerberufes gleichzeitig zu ertragen,
fürchteten also dem neugegründeten Ordenshause nur zur
Last zu fallen; die andern hofften und warteten, freilich
vergebens, auf die Restauration des Hosters, dem sie
durch ihre Profess angehört hatten, und zwar oft auf eine
vollkommene Restauration zu dem alten Stande wie vor
der Säcularisation; andere betrachteten das ganze Unter-
nehmen mit misstrauischen Augen und hielten sich in
zuwartender, beobachtender Stellimg. Da nun aber der
König auf möglichst baldige Eröfl&ung der Abtei und
— 551 —
Uebernahme der Scliulen. seitens des Ordens drang, so
wurde P. Barnabas Huber am Ostermontag den 20. April
1835 in der Kirche zum h. Bieuz in Augsburg vom da-
maligen Biscbofe zu Augsburg Ignaz Albert von Eiegg
feierlicli zum Abte benedicirt imd am 27. April traten
beide Idrcbliche Würdenträger eine Reise in die öster-
reichiscben, später in die schweizerischen Stifte an, um
geeignete Ordenspriester zur Neugründung zu gewinnen.
Dank der gnädigen Aufnahme von Seiten des Kaisers
Ferdinand I. und dem freundlichen, opferwilligen Entgegen-
kommen der österreichischen und schweizerischen Ordens-
prälaten wurde der Zweck dieser Reise zur vollsten Zu-
friedenheit erreicht und eine Reihe trefflicher Männer für
St. Stefan gewonnen. Altenburg hatte 1, Einsiedeln 3,
Emaus 1, Göttweig 2, Kremsmünster 2, St. Lambrecht 1,
Marienberg 1, Melk 3, Michaelbeuren 1, Muri 1, St. Peter
in Salzburg 3, St. Paul in Kärnten 1, Raigern 1, Schotten-
stift in Wien 1, Seitenstetten 3 Ordenspriester zu senden
versprochen, wozu noch 5 Patres aus Metten kamen.
Nachdem in der Zwischenzeit auch die Gebäude von
St, Stefan soweit thunlich für den neuen Zweck her-
gerichtet waren, konnte am 5. November 1835 die feier-
liche Constituirung der neuen Abtei und die EröfiEnung
der damit verbundenen Lehranstalten erfolgen. Der mit
grossem Glänze vollzogenen Feier wohnten der Bischof
von Augsburg mit seinem Capitel und dem Stadtklerus,
der einzige damals noch lebende Abt der aufgelösten
Benediktinerklöster im Augsburger Sprengel, Coelestin von
Königsdorf er vom h. Kreuz in Donauwörth, der kgl. Staats-
minister Fürst Wallerstein als Hofcommissär in Begleitung
der kgl. Oberkirchen- und Oberstudienräthe Dr. Deutinger
und Mehrlein, der kgl. Regierungspräsident von Link mit
den Justiz- und Administrationsbehörden, der Stadt-
magistrat und das Collegium der Gemeindebevollmächtigten
an. Unter dem vom Abte Barnabas gehaltenen feier-
lichen Pontificalamte wurde die von Sr. Heiligkeit Pabst
Gregor XVI. unterm 19. Mai 1835 gegebene Errichtungs-
bulle verlesen und von sämmtlichen Conventualen dem
Abte das Homagium geleistet, worauf der Bischof die
neue Abtei förmlich constituirte. Sodann empfingen
5 Novizen das h. Ordenskleid. Nachdem die kirchliche
— 552 —
Feier beendet wax, erfolgte im Saale der Abtei die "welt-
liche Installation des Stiftes als klösterlicher Corporation
und die Uebergabe der Studienanstalten an dasselbe.
Nun begann die regelmässige Thätigkeit in Schule
und Seelsorge. Allmählich konnten die heranwachsenden
einheimischen Kräfte sämmtliche Stellen versehen und so
nach und nach die auswärtigen Benediktiner in ihre
Klöster zurückkehren. Die Benediktiner von Metten hatten
schon nach dem ersten Jahre die Eückkehr in ihr Mutter-
Moster und die Unabhängigkeit desselben von St. Stefan
durchgesetzt, und von dem Plane einer Unterordnung
aller bayerischen Klöster unter den Abt von Augsburg
war man schon sehr bald abgekommen, so dass nur Otto-
beuren als Priorat von St. Stefan abhängig verblieb.
Auf den besondern Wunsch König Ludwigs I. er-
richtete das Stift neben dem bereits übernommenen kgl.
Studienseminar St. Josef ein Privaterziehimgsinstitut für
Söhne höherer Stände, für welches das in nächster Nähe
des Klosters gelegene geräumige Subbadinische Haus mit
schönem Garten angekauft und eingerichtet wxa-de. Der
erste Director desselben aus dem eigenen Hause, P. Paulus
Birker (geboren zu Sonthofen 19. October 1814, Profess
7. October 1838, Priester 29. August 1839), wurde von
Ludwig I. zum ersten Abte des neugegründeten Bene-
diktinerstiffces St. Bonifaz in München am 4. November
1850 ernannt und ausser ihm noch 2 Patres zur Neugrün-
dung nach München geschickt. Die vom Kanonikus Augustin
Stark im Jahre 1829 erbaute Sternwarte kam durch dessen
ersten und eifrigsten Schüler P. Stefan Postelmajrr unter
die Obsorge des Stiftes.
Am 29. Juli 1852 schied Abt Barnabas als Greis von
73 Jahren aus diesem Leben, und der Convent wählte am
9. August d. J. P. Philipp Kramer zum Abte. Da derselbe
auf die Annahme der Wahl verzichtete, musste am 20. Dec.
neuerdings zu diesem wichtigen Geschäfte geschritten
werden. Diesmal traf die Stimmenmehrheit den Stiffcs-
dekan und Rektor P. Theodor Gangauf, welcher am 25. März
1852 in der Domkirche die Benediction empfing. Unter
seiner Regierung wurde der grosse Conventgarten auf der
Südseite des Stiftes mit zwei Häusern und ein Oekonomiegut
im Nachbardorfe Lechhausen, das sogenannte „Schlössle",
— 553 —
erworben und im Jalire 1859 das 100jährige Gedächtais
der Einweihung der gegenwärtigen Stiftskirche feierlich
begangen. Am 20. JuH 1859 legte er die Würde freiwillig
nieder und das Capitel wählte am 6. Sept. den seit 15
Jahren in der Schule eifrigst thätigen Professor P. Rafael
Mertl zum Prälaten, als welcher er am 2. Fehr. 1860 in
der Stiftskirche feierlich benedicirt wurde imd seit dieser
Zeit das ihm anvertraute Stift leitet. Bis zum Jahre 1871
wirkte er auch in seiner neuen Stellung noch in der
Schule. Im Jahre 1864 feierte er mit grossem Glänze das
1100jährige Jubiläum des Bestandes von Ottobeuren. Im
Jahre 1874 erwarb er drei an das Kloster anstossende
Häuser, die er niederreissen liess, um an ihrer Stelle das
königliche Studienseminar vergrössem zu können, was in
den Jahren 1874 — 75 geschah. Ebenso kaufte er im Jahre
1879 zwei an das Institat grenzende Häuser und fährte
noch im nämlichen Jahre einen grossen Neubau für das-
selbe auf. Gleichzeitig liess er im Stifte die neue städti-
sche Wasserleitung einführen und muss im Jahre 1880
das gesammte innerhalb der Stadt liegende Eigenthum
kanaÜsiren lassen. Unter ihm wurde die ziemlich magere
Sakristei mit schönen, doch grossentheils einfachen Para-
menten versehen.
St. Stefan erstreckte seine Thätigkeit stiftungsge-
mäss von Anfang an vorzugsweise auf die Schule. Es
besetzt ein Lyceum, ein Gymnasium und eine Lateinschule.
Die Zahl der bei Beginn des Schuljahres 1879/80 inscri-
birten Schüler überstieg 670. Ausserdem steht unter
dem Stifte das königliche Studiensemiuar St. Josef, in
welchem seit dessen Vergrösserung wenigstens 80 Zöglinge
sich befinden, und das Erziehungsinstitut für höhere Bil-
dung, welches in seinem Neubau für 50 Zöglinge berech-
net ist. Mit Ausnahme des Abtes sind sämmtliche Capi-
tularen in der Schule oder in den Erziehungsinstituten
beschäftigt. Am Schlüsse des Jahres 1879 zählte das
Stift St. Stefan ausser dem Abte und Prior 20 Capitularen,
3 Klerikemovizen und 11 Laienbrüder, welch' letztere
Hausgeschäfte besorgen oder Gewerbe treiben. Ottobeuren
ist hier nicht miteingerechnet.
Der Comples, den das Stift einnimmt, ist ziemlich
weitläufig und befindet sich am nordöstlichen Ende der
— 554 —
Stadt auf der Höhe, "welche unmittelbar auf der Ostseite
der Abtei gegen die Lechebene steil abfällt. Er besteht
aus drei durch je eine Strasse getrennten, für sich be-
stehenden Theilen: In der Mitte ist der alte ursprüng-
liche Theil mit der Kirche, dem Convent, Grymnasium, Semi-
nar und -wirthschaftlichen Gebäuden. Nordwestlich davon
liegt das Erziehungsinstitut mit grossem Garten und gross-
artigem Neubau. Südlich ist der CouTentgarten mit zwei
Häusern. "Wenden wir uns wieder ziun Hauptgebäude, so
bildet es im. Ganzen ein Viereck mit einem grossen und
einem kleinen Hofe. Die östliche Seite nimmt die Stifts-
kirche und der jetzt zum Seminar gehörige ehemalige
Pfarrhof ein; den westlichen Flügel bildet der Convent
mit dem Museums- und Bibliothektrakt. Vom westlichen
Conventtrakt zieht sich in den grossen Stiftshof parallel
mit der Kirche noch ein Conventflügel. Der gegenwärtige
Conventbau ist ein Werk der letzten Aebtissin Maria Ai-
tonia von Weiden, welche ihn. mit grossem Kostenauf-
wand in den Jahren 1796 — 1800 von Grund auf neu und
schön aufführen liess. Die südliche Seite des Vierecks
nimmt das Schulgebäude ein mit der Aussicht in den
Conventgarten und auf die obere Stadt; es stammt aus
den 20 er und 30 er Jahren dieses Jahrhunderts. Im Osten
wird durch das Seminar und die Wirthschaftsgebäude ein
kleineres Rechteck gebildet.
Die Stiftskirche war eine der ältesten Pfarrkirchen
der Stadt, wie es die Synode vom Jahre 1169 beurkundet,
welche auch der Aebtissin das Patronatsrecht zueignete.
Bischof Friedrich Spät von Faimingen hat die Pfarrei dem
Stifte einverleibt am 26. August 1310. Ihre Grenzen waren
sehr enge und die Seelenzahl erstreckte sich nur auf 1000.
Durch die von Bayern am 19. Febr. 1809- getroffene Pfarr-
organisation wurde die Pfarrei St. Stefan aufgehoben und
mit der Dompfarrei vereinigt, ihr Vermögen, ihre Geräthe
und Paramente aber der zur Pfarrkirche unter dem Titel
des h. Maximilian erhobenen ehemaligen Franziskaner-
kirche zum h. Grab übergeben. In ihrer jetzigen Gestalt
wm-de die Stiftskirche von der vorletzten tüchtigen Aebtissin.
M. Beata von Weiden in. den Jahren 1755 — 58 hergestellt.
Der Bau ist nicht gross, doch im gefälligen Zopfstyl auf-
geführt, jetzt aber einer gründlichen Restauration allent-
— 555 —
halben sehr bedürftig, die wegen, der kostspieligen, in
den letzten Jahren und gegenwärtig vom Stifte auszu-
führenden Instituts- und Kanalbauten unmöglich gemacht
und aufgehoben werden musste.
Nördlich Ton der Stiftskirche befindet sieh das viel-
fach als die älteste Cultusstätte Augsburgs geltende
Eirchleiu des h. Gallus, dem jetzigen Bau nach aus dem
16. Jahrhunderte [stammend, im I^ebergang3S^yl aus der
Gothik zur Renaissance, mit dem Grabe der ersten Aebtis-
sin Eleusinde. Möge ihr und des h. Stifters Ulrich Geist
segnend und schützend über dem Gotteshaus St. Stefan
schweben, das nun schon über neun Jahrhunderte dem
Dienste Gottes geweiht ist, damit darin fort und fort
nach der Mahnung unseres h. Ordensvaters Benediktus
in Allem Gott verherrlicht werde.
P. SiaisBBETUs Leebebt, 0. S. B.
■Weltenburg.
äjir ■wollen die Hstprisclie Skizze über Weltenburg
** mit einer Meinen Beschreibung der Lage dieses
Stiftes*) einleiten: „Man fährt stromaufwärts von
Regensburg an Keibeim und der. Befreiungshalle
vorüber, das Altmühlthal mit seinen kolossalen hochauf-
strebenden Pelsenmauern scheint den Strom bisweüen
förmlich einzuschliessen. Da giebt es keinen Fussweg
mehr, die Schroffen steigen nicht nur steil aus den
Muthen empor, es hängen die Felsen auch öfter wie das
Laubdach eines Riesenbaumes oben über die Wasserstrasse.
An der Seite sieht tuan eine lange Reihe von Eisenringen,
die Schiffer, -welche stromaufwärts fahren, hängen sich
niit eigenen an langen Stangen befestigten Eisenhaken
hier ein, um so das Schiff durch die Stromschnellen
aufwärts zu führen. Der Dampfer fährt stolz in der
Mitte, er bedarf der Eisenringe nicht, seine gewaltigen
Räder peitschen die Fluth und bezwingen den Zug der
abwärts fluthenden Donau. Die Felsenformationen bieten
allerhand Figuren und Gruppen dar, welche, von der
Phantasie in Gebilde umgeschaffen, auch allerhand Namen
führen. Bei der Benennung mancher Gestaltungen und
Gruppen hat der obscöne Yolkswitz auch seine Gaben ge-
liefert. Da sieht man unter andern die „lange Wand",
den „Kuchelfelsen", „die 3 Brüder", „die 3 Schildkröten",
„unsere liebe Frau", „Peter und Paul", den „alten Napo-
leon", das „Nümbergerthor", die „lutherische Kanzel" etc.
Endlich kommt man zum Anblick des in Felsenmauem
eingeschlossenen Weltenburg.'* —
Weltenburg (Valentia), ehemalige Benediktinerabtei
(nun Priorat), am rechten Ufer der Donau und Pfarrdorf
mit 87 Häusern und 250 Einwohnern. Hier stand einst
das Artobriga der Römer oder das Castrum Valentia.
Unstreitig ist Weltenburg eines der ältesten Klöster in
ganz Bayern. Die ununterbrochene Tradition giebt den
h. Rupert als eigentlichen Gründer und den Herzog
Thassilo I. als Erbauer an. Insbesondere wird dem heü.
*) Aus Sebastian Brnnner: 'Woher? wohin? 5. Bd. S. 97.
<0
— 557 —
Eupert die Einweihung der Frauenkirche am Weihberg
oder Burggraben zu Weltenburg, wo ehedem ein der
ISdinerva geheiligter Tempel gestanden, zugeschrieben.
Die Klosterkirche war von jeher dem h. Georg geweiht.
Der erste Abt soll aus Monte Casiao gekommen _ sein
und Wisunt geheissen haben. Wie andere bayerische
Klöster, 80 wurde auch Weltenburg von den Ungarn im
Anfange des 10. Jahrhunderts zerstört. Der h. Wolfgang,
Bischof von Begensburg, stellte das Eloster um das Jahr
980 wieder her und colonisirte es mit Mönchen aus St.
Emeran.
Im Jahre 1122 berief Bischof Hartwich regulirte
Chorherren aus St. Florian nach Weltenburg, Bischof
Cuno führte 1128 wieder die Benediktiaer ein. Welten-
burg hatte eine gute Elosterschule und trieb, an Acker-
land von jeher beschränkt, beträchtlichen Weinbau für
sich imd seine Holden.
Der erste infulirte Abt des Stiftes war Matthias
Abelia, erwählt den 27. Mai 1626. Unter ihm wurde
(1632) das Kloster von den Schweden geplündert, welche
aUe Kostbarkeiten und Alterthümer mit sich fortschleppten
oder vernichteten. Bin im Jahre 1650 abgefasster Bericht
giebt den im dreissigjährigen Kriege erlittenen Schaden
des Klosters und seiner Grundholden auf 27,000 /. an.
Abt Matthias erwarb sich auch ein nicht zu unter-
schätzendes Verdienst durch Veröffentlichung einer kurzen
Geschichte seines Klosters.*) Diese Schrift, die nur in
sehr wenigen Exemplaren aufgelegt wurde, war schon im
vorigen Jahrhunderte äusserst selten geworden, weshalb
sich Finauer bewogen fühlte, dieselbe in der Bibliotheca
bavarica Bd. HI wieder abdrucken zu lassen.
Im Jahre 1688 schloss sich Weltenburg der bayerischen
Benediktiner-Congregation an.
Seine Blüthezeit hatte das Stift unter dem Abte
Maurus Bächerl (1713 — 43), der aus dem Stifte Frauenzell
*) Chronographioa instructio de fvmdatione celeberrimi et anti-
qaiasimi monaaterii 'Welteiibnrgici O. S. Benedict!, Eatisbonensis
Dioecesis, siti in inferiori Bararia ad Dannbinm: per xaedium milliare
supra oppidum Khelhaim et imtun infra Abensperg et Nenstatt. Collecta
a me Matthia Abbate huju» Hominis primo; anno 1643 da 3. NoTOmb,
Straubingae. Excudebat Sinion Gallua 78 d. 8.
— 558 —
postulirt wiirde. Was dieser Maam für die Hebung seines
Klosters geschaffen, grenzt beinahe ans Unglaubliche.
Die Prachtgebäude, bei deren Anblick in jener Felsen-
schlucht jetzt noch jeder Beschauer sich überrascht fühlt,
die Kirche, das Abtei-, Convent- und Oekonomiegebäude,
wozu das Material theils aus den Marmorbrüchen der
Umgegend, theils aus den Lagern von Kastellberg ge-
nommen wurde, sind das Werk des Abtes Maurus. In
seine Fussstapfen traten seine Nachfolger Maurus n.
Cammermaier (erwählt 1744, f 1777) und Rupert Wal-
pfeifer (erwählt 22. April 1778, f 14. Aug. 1786), welch
letzterer namentlich für die Hebung des wissenschaft-
lichen Strebens sehr viel that. Unter ihnen lebten im
Kloster die Laienbrüder Jos. Koller, ein Maler (f 1777)
und Edmund Schmid, welcher viele römische Alterthümer
sammelte und beschrieb, sowie der Componist P. Benno
Gruber (f 1783).
Unter dem Abte Benedikt Werner wurde das Stift
den 18. März 1803 aufgehoben. Dieser tüchtige Abt
hatte nicht nur die beträchtlichen, zum Theü unvermeid-
lichen Schulden seiner Vorgänger abgezahlt, sondern
neben der zeitgemässen Yervollständigung der wissen-
schaftlichen Sammlungen und ökonomischen Bedürfioisse,
neben Bestreitung von 12,000 /. Kriegskosten imd Ab-
lieferung des meisten Kirchensilbers noch bedeutende
Ueberschüsse bewirkt. Er hinterliess handschriftlich eine
vollständige Geschichte seines Klosters, welche schätzbare
Arbeit die Staatsbibliothek in München besitzt. Seine
bedeutende Bibliothek schenkte er dem Priesterseminar
zu Freising. Sein Tod erfolgte zu München den 20. Octo-
ber 1830.
König Ludwig I. stellte Weltenburg im Jahre 1842
als selbständiges Priorat wieder her und übergab es dem
Benediktinerorden unter Vorbehalt dereinstiger Erhebung
zur Abtei. Er that dies ohne Zweifel im Hinblicke, dass
Weltenburg die älteste klösterliche Stiftung Bayerns zu
sein sich rühmen kann. Das Kloster besass ehemals den
Ort Affecking und die Pfarrei Holzarlanden (Holzerlanden).
Gegenwärtiger Personalstand: Ein Prior, vier Priester
und vier Laienbrüder. ^^^^^^ Lisdneb.
Frauen - Chiexnsee.
[ur Tvenige Stunden Ton der südliclien Grenze Bayerns,
zwisclien dem Inn und der Salzach, liegt ein ziem-
licli grosser See, -welclier die Abflüsse der nahen
bayerischen Hochgebirge aufnimmt, die ihn in
seiner grössten Ausdehnung begrenzen. Er wird mit Recht
das bayerische Meer gena.nnt, weil er die übrigen Seen des
Landes an Grösse übertrifft. Aus seinem Wasserspiegel
erheben sich drei liebliche Inseln, einst Herrenwörth,
Frauenwörth und Kunzenau, heut zu Tage Herren-Chiem-
see, Frauen- Chiemsee und Erautinsel genannt. — Diese
Inseln waren schon von den Römern bewohnt, und es
geht die Sage, dass der Chiemsee eine Menge Denkmale
aus der Römerzeit verschlungen imd sie neidisch vor der
Menschen Augen in seinen GKefen verberge.
Auf einer dieser Inseln gründete der Herzog Tassilo
von Bayern ein Mannskloster nach der Regel des heil.
Benedikt und vollendete es im Jahre 782, wo man am
1. September die Kirche einweihte. In jener Zeit und
noch lange nachher war es Sitte, neben einem Manns-
kloster zugleich eines für Frauen zu errichten, woraus es
sich erklären lässt, dass Frauen- Chiemsee zugleich mit
Herren-Chiemsee entstanden. Beinahe tausend Jahre erhielt
sich zu Frauen - Chiemsee die Tradition, Herzog Tassüo
von Bayern habe das Kloster gegründet, und jedes Jahr
wird am 11. December für den Herzog als Stifter ein
feierlicher Gottesdienst gehalten. Anfangs scheint das
Frauenkloster nicht selbständig gewesen zu sein, da der
Name einer Aebtissin selten vorkommt, während ein Jahr-
hundert später die Tochter des Königs Ludwig, Irmengard,
als erste Aebtissin des Klosters genannt wird. Bemerkens-
werth ist es, dass im Jahre 894 zuerst das Kloster Frauen-
Chiemsee als selbständiges vorkommt: Monasterium
puellarum,quodChemissem vocatur. Regino ad annum894:.
Pertz, Monum. Germ. Tom. I, pag. 606. Annales Fuldenses
ad an. 895.
— 560 —
Die selige Irmengard stand dem Kloster Frauen-
Chiemsee mit Eifer und "Weisheit vor. Yon ihr soll es
herkommen, dass die Aebtissin eine von "vier Halbzirkeln
geschlossene Krone trug. Sie starb um das Jahr 900;
als Tag ihres Todes gilt der 16. Juli, an dem heute noch
mit feierlichem Gottesdienste ihr Andenken geehrt wird,
wobei die Legende der Heüigen aus dem Benediktiner-
orden von ihr meldet: „Sie hat sich durch ihre Heiligkeit
und ihre Wunderwerke grossen Euhm erworben und
erweiset sich heute noch denen hülfreich, die ihre Für-
bitte mit Vertrauen anrufen." Noch heut zu Tage
schmücken die Frauen des Klosters zum Zeichen tiefer
Verehrung das Grab ihrer ersten gottseligen Aebtissin
Irmengardis mit Blumen und eine derselben trägt deren
Namen.
Um das Jahr 908 wurden beide Klöster Herren- und
Frauen- Chiemsee von den Hunnen zerstört; bald aber
erhob sich das Frauenkloster wieder aus seiner Zerstörung
zum Segen der Umgegend, während Herren - Chiemsee
noch lange öde und leer dastand. Dadurch wurde die
vollständige Trennung der beiden Klöster bewirkt, und
es ist sicher, wenn die Kaiserurkunden des zehnten Jahr-
hunderts von Chiemsee (Kiemisse) sprechen, dass darunter
Frauen - Chiemsee zu verstehen sei, da Herren - Chiemsee
erst im eilffcen Jahrhundert wieder empor kam. Als der
Erzbischof von Salzburg Conrad um das Jahr H30 Herren-
Chiemsee wieder errichtete und mit Augustinern besetzte,
wurde die Trennung beider Klöster, welche nun zwei
verschiedenen Orden angehörten, verewigt. Von den
Aebtissinen zu Frauen-Chiemsee, die der seligen Irmengard
nachgefolgt, deren Namen die Monumenta boica so genau
anführen bis auf Mechtildis, welche 1145 starb, ist nichts
von besonderer Bedeutung verzeichnet.
Kaiser Otto I. bestätigte am 30. October 970 dem
Erzbischof Friedrich von Salzburg das Eigenthumsreeht
über das Kloster Frauen-Chiemsee, und Kaiser Heinrich IV.
machte es bei Erneuerung der Bestätigung dem Erzbischof
Gebhard am 12. December 1062 ausdrücklich zur Pflicht,
dass die Versammlung der Nonnen, welche dort Gott
dienten, an ihrem Einkommen mcht verkürzt werden sollten.
Als Aebtissin von Frauen-Chiemsee erscheint urkund-
— 561 —
licli Matliildis, welche 1141 den 20. April Pabst Innocenz H.
anit ihrem Hoster in Schutz nahm. Sie trat in Unter-
handlung mit dem Abt von Tegemsee -wegen Umtausch
von Gütern, ebenso auch mit dem Bischof Otto I. von
Freising -wegen Uebergabe von Gütern für Abtretung von
Zehentrechten, -was unter ihrer Nachfolgerin Walburga
durch Schrift und Siegel bekräftigt wurde.
Als im Jahre 1200 Eberhard U. den erzbischöflichen
Stuhl von Salzburg bestieg, gab dieser grosse Gönner
der Elöster schon im nächsten Jahre dem Prauenkloster
nebst vielen anderen Freiheiten auch das Recht, bei ein-
tretender Yakatur die Aebtissin selbst zu wählen.
Dadurch wurde das Eloster gleichsam neu gestiftet
und in den Stand gesetzt, sich weiter zu entwickeln und
grössere Wirksamkeit zu entfalten.
Während des allgemeinen Umsturzes, der durch die
sogen. Reformation in ganz Deutschland sich geltend
machte, wollten sich auch in Frauen-Chiemsee die neuen
Ideen und religiösen Irrthümer einschleichen, wurden aber
glücklicherweise in Bälde wieder verbannt; aber eine ge-
wisse Lockerung der strengen Disciplin machte sich noch
länger geltend, so dass vom Jahre 1565 an statt einer
Aebtissin längere Zeit eine Verwalterin die Geschäfte
leitete. Herzog Albrecht V. von Bayern setzte sogar, ohne
das Ordinariat Salzburg zu befragen, eine Aebtissin eines
Cistercienserinnen- Klosters als Verwalterin über Frauen-
Chiemsee ein, die nicht selten eigenmächtig und hart mit
den Frauen verfahr und grosse Unzufriedenheit im Con-
vente erregte.
Um diese Zeit traf das Kloster ein schweres Unglück.
Am 8. Mai 1572 brach in der Conventkirche Feuer aus
und verzehrte das Kloster und die Kirche. Die Ver-
walterin wusste trotz der Armuth des Klosters dennoch die
nöthigen Mittel beizuschaffen und es gelang ihr, die
Kirche und das Kloster in kurzer Zeit wieder herzustellen,
zweckmässiger und schöner als es je vorher gewesen.
Hiemach wurde zur Freude der Klosterbewohner wieder eine
Aebtissin gewählt, welche in dem neuen schönen Eloster-
gebäude gute Ordnung zu führen bestrebt war. Im
dreissigjährigen Kriege wurde Bayern von feindlichen
Kriegsschaaren heimgesucht, das Land verwüstet, Dörfer
Ein Benediktinerbnch. 36
— 562 —
Tind Städte Terheert und geplündert; auch die ausser dem
See liegenden Güter des Klosters wurden verwüstet, :s(>
dass keine Erträgnisse für lange Zeit zu erwarten waren;
das Eloster Frauen- Chiemsee selbst, yon den feindlichen
Schaaren, besonders den Schweden, nicht berührt, wurde
in diesem schrecklichen Kriege Vielen ein sicherer
Hort. Aus mehreren Prauenklöstem, Ton Salzburg und
anderwärts kamen Frauen und Schwestern in grosser An-
zahl auf der Insel an und suchten Schutz imd Hülfe, und
wurden sammt ihrer Dienerschaft lange Zeit kostenfrei
Terpflegt, wodurch die Ejräffce des Klosters stark in An-
spruch genommen wurden. Frauen- Chiemsee gab im
Sommer 1632 mehr als 148 Personen Aufenthalt und
nährte dieselben, rechnend auf die Vergeltung dessen, der
jeden Trunk Wasser vergelten wird. Wälirend alle um-
liegenden Klöster von ihren Bewohnern verlassen wurden,
blieb eine schwache Frau, die Aebtissin von Chiemsee,.
standhaft in ihrem Kloster.
Mit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden während
des spanischen Erbfolgekrieges die noch kaum geheilten
Wunden wieder aufgerissen; aber eine geist- und keimtnis-
reiche Frau führte den Stab der seligen Irniengard mit-
sicherer Hand:
Die Aebtissin Irmengard von Scharfsedt (1702 — 1733).
Als sie mit Umsicht und Klugheit die Gemeinde geleitet
und das Vermögen des Klosters in besseren Stand gesetzt
hatte, ging sie mit der ihr eigenen Energie daran, das
Klostergebäude, das in ruinösem Zustande sich befand
und dem alle Tage der Einsturz drohte, von Grund aus auf-
zubauen; es wurde sofort ein ansehnliches Gebäude in
Form eines Vierecks mit dem Conventgarten in der Mitte,.
an die Kirche sich anschliessend, gut, fest und dauerhaft
gebaut, wie es noch heute davon Zeugnis giebt.
Mit Ende des Jahrhunderts zeigten sich aber auch
hier die Vorboten der nahen Auflösung und kurfürstliche
Commissäre mischten sich in die inneren Angelegenheiten
und mehrfache Beschränkungen kündeten mit Beginn dea
gegenwärtigen Jahrhimderts den Untergang immer deut-
licher an. So nahte das für die religiösen Orden so verhäng-
nisvolle imglücMiche Jahre 1803, welches der Kirche so tiefe
Wunden schlug. Auch für Frauen-Chiemsee sollte die letzte
— 563 —
Stunde in Bälde sich nalien; Anfangs März wurde in
Mnnclien ein Aufhebungs-Commissar in der Person eines
GericMssckreibers zu Rosenheim bestimmt und mit den
nöthigen Yollmachten verseben. Dieser batte jedocb so
viel menscblicbes Gefübl, dass er die Frauen zu Cbiemsee
nocb das Fest ihres Ordensstiffcers, des beü. Benediktus,
am 21. März rubig feiern liess. Tags darauf aber, den
22. März um halb neun Uhr Morgens, liess er sämmtliche
Frauen und Schwestern, 30 an der Zahl imd eiue Novizin,
im Eefectorium zusammenkommen und erklärte das Kloster
für aufgelöst.
Sämmtliche Mitglieder der Ordensgemeinde erhielten
eine wohl sehr geringe Pension und die Erlaubnis,
im Kloster fortan wohnen zu dürfen. Nachdem einige der-
selben auswärts zu wohnen vorgezogen, richteten sich
die Zurückgebliebenen den Verhältnissen gemäss ein imter
einer gewählten Oberin, die vom Ordinariate bestätigt
wurde, imd beteten anstatt des lateinischen Breviers das
deutsche sogenannte Augsburger Brevier, wie es ihnen ge-
stattet worden.
Die ihrem Ordensberufe treu gebliebenen Frauen zu
Chiemsee suchten sich nun so gut als möglich durchzu-
bringen und hielten den Namen imd Stand des Klosters
so viel wie möglich aufrecht. Obwohl selbst arm, von
ihrer kleinen Pension lebend, sahen sie sich doch im
Stande, noch Andern Hülfe zu bringen.
Indessen waren die Frauen zu Chiemsee alt geworden
und es quälte sie der Gedanke , dass mit ihrem Tode in
Bälde Tassilos Stiftung aufhören werde. Doch der Herr,
der das Alles zmn Besten lenket, hatte dieser ehrwür-
digen Stiftung ein besseres Loos und eine längere Dauer
beschieden.
Im Jahre 1836 den 21. September wendeten sich drei
Frauen und zwei Ordensschwestern von Chiemsee, welche
damals noch im Kloster lebten, an ihre oberhirtliche
Stelle und baten um die Erlaubnis, ihrem Stifte durch
Aufiiahme von Candidatinnen den Fortbestand sichern zu
dürfen, wobei sie den Vorschlag machten, ein Erziehungs-
iusti^t für Mädchen zu errichten, was bei den so ge-
eigneten Gebäuden und der gesunden, milden Luft auf
der herrlichen Insel wohl an der geeignetsten Stelle wäre.
86*
— 564 —
Da der Erzbischof von München -Freising dieses Gesuch
kräftigst zu unterstützen versprach, so wendeten sich die
Ordensfrauen unter dem 13. November 1836 an Se. Majestät
den König Ludwig I. um die Gnade der Wiederher-
stellung ihres Klosters, wobei ihr Oberhirte sein gegebenes
Versprechen durch empfehlende Vorlage dieses Gesuches
bei der höchsten Stelle treulich erfüllte und zwar mit so
günstigem Erfolge, dass das kgl. Staatsministerium des
Iimem bereits imterm 29. December 1836 der Regierung
des Isarkreises eröffnen konnte: Se. kgl. Majestät haben
die Wiederherstellung des Klosters Frauen-Chiemsee nach
der Regel des heil, Benediktus unter der Bedingung zu
gestatten geruht, dass das Kloster sich zm* Errichtung
imd steten Fortsetzung einer Erziehungsanstalt für
Töchter des bürgerlichen Standes, sowie einer
Arbeitsschule für arme Mädchen verpflichte. —
In Folge dessen wurde dem Kloster die Aufnahme von
IsTovizinnen erlaubt und dem neuen Convente die Kloster-
gebäude mit Gerten zum Gebrauche eingeräumt und zu-
gleich bestimmt, dass die Eröffnung des Pensionates
und der Arbeitsschule erfolgen solle, sobald das Kloster
die nöthige Anzahl von geeigneten Lehrerinnen besitzen
werde. Bevor aber die laichliche Oberbehörde das
Kloster als wiederhergestellt erklären konnte, musste
dasselbe die zu seiaem Fortbestande nöthigen Dotations-
und Sustentationsmittel nachweisen, wälurend nur die
geringe Pension den wenigen Frauen und Schwestern und
diese nur bei ihrem hohen Alter auf kurze Zeit zu Gebote
standen. Die trüben Wolken von Besorgnissen und
Verlegenheiten den zeitlichen Unterhalt betreffend, wurden
jedoch bald durch ein freudiges Ereignis gelichtet, wie
es Niemand zu hoffen gewagt hätte.
Se. Maj. der König Ludwig von Bayern geruhten näm-
lich den 20. August 1837 auf einer Reise nach Berchtes-
gaden das Kloster zu Frauen-Chiemsee zu besichtigen und
sich um die Verhältnisse genau zu erkundigen. Da warfen
sich die Frauen Bemarda und Karolina im Gefühle ihrer
gänzlichen Verlassenheit dem Könige zu Füssen und baten
den Landesvater, ihr Kloster, von einem seiner Vorfahren,
dem Herzog Tassilo, gestiftet, zum Heile vieler frommen
Seelen und zum Segen der Umgegend nicht zu verlassen.
— 565 —
Die königliclien Worte: „Nun ich hoffe", brachten Friede
und Trost in die bedrängten Herzen und so hat sich auch
hier das Sprichwort bewälurt: wo .die Noth am grössten
ist, da ist die Hülfe Gottes am nächsten.
Am Ende des Jahres 1837 traf in Frauen-Chiemsee
die entzückende Nachricht ein, dass Se. Maj. König Lud-
wig I. durch eine in München den 21. December ausge-
fertigte Urkunde das Kloster mit einem Geschenke von
36,000 -Z^. aus Allerhöchst Ihrer Kabiaetskasse von neuem
zu fondiren und dadurch, was Herzog Tassilo begonnen,
die Zeit aber zerstört hatte, wieder aufzurichten geruht
haben.
So lange in Frauen-Chiemsees Mauern die Gott ge-
weihte Schaar von Jungfrauen für ihre Wohlthäter beten,
das ist, so lange das Kloster bestehen wird, wird der Name
König Ludwigs I. von Bayern neben den Namen des Her-
zogs Tassilo, der Name des zweiten Gründers neben jenem
des ersten mit innigstem Danke genannt werden.
So war der Bestand des Klosters von aussen gesichert-,
und es konnte nunmehr an die innere Wiederherstellung
desselben Hand angelegt werden und auch diese forderte
Mühe und Anstrengung. TJm zum guten Ziele zu kommen,
legte der Beichtvater, Priester Josef Rauchenbichler , der
von Landshut aus dem UrsulineriimeDkloster thätige Hülfe
mitgebracht und am 6. November 1837 als Beichtvater
xmd Inspektor eingewiesen war, der oberhirblichen Stelle
die Entwürfe eiuer Haus- und Tages-Ordnung, allgemeiae
Vorschriften über die Einhaltung der inneren xmd äusseren
Klausur, und besondere Disciplinar-Regeln in Bezug auf
Statuten tmd Gelübde des Klosters vor, welche er zuvor
in einem Kapitel mit den Frauen berathen hatte. Bald
hernach wurde dies alles vom erzbischöflichen Ordinariat
bestätigt, so wie auch später die eingereichten Entwürfe
des kirchlichen Ritus bei der Aufnahme, Einkleidung und
Professablegung der Candidatinnen und Novizinnen, sowie
auch ein Regulativ der Gottesdienstordnimg im Frauen-
kloster zu CHemsee oberhirtlich genehmigt wurden.
Auf diese Weise waren durch die Freigebigkeit König
Ludwigs I. die ökonomischen und durch die väterliche
Fürsorge der oberhirtlichen Stelle die spirituellen Ver-
hältnisse des Klosters insoweit geordnet, dass das Eloster
— 566 —
im Jahre 1838 den 21. März am Feste des h. Ordensstiffcers
Benediktus, gerade 35 Jakre nacli der Aufhebung desselben,
feierlich, wieder eröf&iet wurde. Drei Monate später, den
1. Juli 1838, erhielten die ersten 5 No\dzinnen das geist-
liche Ordenskleid, und dieser für das Kloster, sowie für
die Bewobner der Insel unvergesslicbe Tag wurde auf eine
dieser religiösen Handlung würdige "Weise gefeiert. Hierauf
wurde aucb das der jungen Ordensgemeinde zur Aufgabe
gemachte äussere Wirken für Unterricht und Schule ge-
regelt. Am 24. August 1838 übernahmen die Frauen die
Mädcbenscbule der Insel Frauenwörth.
Den 22. November des nämKcben Jahres brachte der
Beichtvater Rauchenbichler den Entwurf einer Ordnimg
bei dem Erziehungs- Institute zur Vorlage. Da dieselbe
ganz zweckmässig war, um sowohl die religiöse Erziehung
der Mädchen als deren Ausbildung und Uebung in den
nöthigsten Kenntnissen und weiblichen Arbeiten zu erzielen,
so erhielt er von dem erzb. Ordinariate und von der kgl.
Eegierung sogleich die Genehmigung, und nachdem die
ITovizinnen des Klosters auch die Prüfung für das Lehr-
imd Erziehungsfach mit dem besten Erfolge bestanden
hatten, so wurde am 24. April 1839 auch zur Eröffnung
eines Pensionates die förmliche landesherrliche Bewilligung
ertheilt. Es gehörte Weisheit, Kunst und ein unermüdeter
Fleiss dazu, die für diese Erziehungsanstalt nöthigen
Lehrkräfte so schnell zu gewinnen imd heranzubilden,
wie es hier geschah. Ueber diesem Streben wurde aber
die Pflege klösterlichen Sinnes keineswegs einen Augen-
blick ausser Acht gelassen.
Da das hohe Alter der bisherigen Oberin M. Bernarda,
welche bisher die junge Gemeinde zu leiten und den
Ordensgeist derselben einzuprägen bemüht war, sie hin-
derte, die ihr aufgelegte Last eines so wichtigen Amtes
länger zu tragen, so wurde aus den jüngeren ]\C.tgliedern,
die bereits ihre Gelübde abgelegt, die Frau Benedikta zur
Priorin ernannt, den 5. Februar 1841, welche 25 Jahre imter
schwierigen Yerhältnissen die Ordensgemeinde leitete und
die Besitzungen erheblich vermehrte und vergrösserte.
Es wurden in den folgenden Jahren mehrere Gebäude, die
früher bei der Aufhebung veräussert worden, wieder an-
gekauft, so dass das Kloster einen abgeschlossenen Hof-
— 567 —
räum wie vor dem Jahre 1803 erhielt. In dieser Zeit
haben sich auch die Vermögensverhältnisse des Klosters
-■wenigstens dermaassen verbessert, daas von dieser Seite
sein Fortbestehen wieder hinreichend gesichert ist.
Den Frauen also ist zwar kein glänzendes Loos, aber
eiu stiUes, sorgenfreies Leben im Dienste Gottes durch
das h. Chorgebet und ein schöner Beruf in der Erziehung
der Jugend beschieden. Ihre Genügsamkeit und Liebe zur
Armuth versteht es, mit den gewährten Mitteln das nor-
male Ausko m men zu sichern und auch den Armen, deren
es auf den so schönen und lieblichen Inseln sehr viele
giebt, noch reichliche Unterstützungen zu verabreichen.
Die Anspruchslosigkeit und das bescheidene Wicken, der
Eifer in Erfüllung der Berufspflichten, die Sorgfalt für
den Dienst Gottes wird allenthalben Anerkennung finden,
und der Segen Gottes wird dem redlichen Bemühen nicht
fehlen. Die junge Pflanze hat Wurzel gefasst und ist
erstarkt. Möge Gott sie vor neuen, verheerenden Stürmen
beschützen! Möge Er das, was Herzog Tassilo begonnen
und Eönig Ludwig I. fortgesetzt, zum Heile vieler Xhm
geweihter Seelen und zum Segen der TJmgegend bis in
die späteste Zeit in Blüthe erhalten!
Als nach 25 jähriger eifriger Thätigkeit der ersten,
ernannten Priorin Benedikta das Bestehen des Klosters
gesichert und die beste Hoffnung berechtigt schien, dass
die schnell erstarkte Ordeusgemeinde fortan ihre Wirk-
samkeit weiter entfalten werde, wurde derselben das Recht
der freien Wahl von der kirchlichen Oberbehörde gnädigst
eingeräumt und im Jahre 1866 die erste Wahl vorgenommen,
aus welcher die bisherige Arbeitslehrerin M. Scholastica
als Priorin des Klosters hervorging, welche seither die
ihr anvertraute Leitung mit Eifer und Geschick zum
Segen und Gedeihen der Gemeinde führt und gewisseh.-
hafb für das geistige und leibliche Wohl ihrer Mit-
schwestern Sorge trägt und zur Ehre Gottes und für das
Heil der Menschen nach Kräften wirkt. Die Ordensge-
meinde zählt gegenwärtig 20 Chorfrauen, 2 Chorfrau-
Novizinnen, 19 Laienschwestern und eine Novizin und 5
Candidatinnen. Mehrere Frauen wirken als geprüfte
Lehrerinnen für Unterricht und Erziehung in dem Pensio-
nate, in welchem 40 — 50 Zöglinge einen vorzüglichen
— 568 —
Elementar-Unterriclit geniessen und in -weibliclxen Arbeiten
der verscliiedensten io-t, sowie Zeickaen und Musik ent-
sprechend herangebildet -werden. Hierbei wirkt noch
besonders Tortheilhaft für die Gesundheit und körperliche
Entwicklung die herrliche Lage des Klosters ia einem
See, der des Sommers Hitze und des Winters Kälte mildert,
und während in den Räumen des grossartigen Gebäudes
die Zöglinge bei imgünstiger Witterung sich bewegen
köimen, ladet die schöne Lasel bei günstiger Witterung
zu Spaziergängen und der See zu fröhlichen Spazierfahrten
ein, wobei die Jugend die feeie you den Alpen her
wehende gesunde Luft geniessen kann, Vorzüge, deren
sich wenige Institute dieser Art in gleichem Maasse
werden rühmen können. Unter der mütterlichen Anleitung
der pflichttreuen Ordensfrauen lernen die Zöglinge Ordnung
und Sparsamkeit und werden an ein thätiges Leben ge-
wöhnt durch das lebendige Beispiel, das ihnen täglich vor-
anleuchtet. — So ist den Mitgliedern der Gemeinde eine
nach allen Seiten hin nützende Wirksamkeit gegeben,
welche auch für weitere Kreise, für die ganze Umgegend
durch verschiedene Arbeiten und Unterstützungen einen
wohlthätigen Eiufluss ausübt und reichen Segen spendet.
P. Melchiob Ebeelb, 0. S. B.
Beinwil-Mariastein.
Das letzte Opfer helTetisclier Toleranz.
Is Einleitung zur Skizze Ton Mariastein — eine
Elosteridylle. Der Herausgeber dieses brachte
Anfajigs Juli 1869 ein paar Wochen in Maria-
Einsiedeln zu. Da äusserte er sich einmal in
Gegenwart des Capitulars Conrad Stöcklin, er -wolle das
Stift Engelherg am 10,000 Fuss hohen Titlis besuchen.
Der obige Capitular sagte darauf: „Schauen Sie sich doch
dann auch die dritte noch bestehende Benediktinerabtei
in der Schweiz, „Mariastein", an."
Ich musste meine glänzende Unwissenheit manifestiren.
„Mariastein?" ich habe diesen Namen mein Lebtag nicht
gehört! Wo liegt dies Mariastein, und wie kommt
man hin?
„Sehr leicht; man fährt über Solothum nach Basel
mittelst Bahn. In Basel fährt man mittelst Post südlich
nach Elühen. In Mühen nimmt man sich ein Bemer-
wägli imd fährt nach Mariastein. Mein Bruder ist seit
1867 Abt daselbst, und Sie werden ihm gewiss eine Freude
machen, wenn Sie das Meine Stift besuchen."
Einem planlos Reisenden ist jeder Fingerzeig will-
kommen. Nachdem ich einige TageinEngelbergzugebracht
— den kolossalen Titlis mit seinen ewigen Eiszacken oben,
die Hunderte von Quellen, die im sogenannten Weltend-
thale aufsprudeln, unten, zu Mittag von 11 bis 2 Uhr eine
Glühhitze im Freien — und ein Sinken auf -j- 6 '^ R. in der
Nacht, nachdem ich das Herunterdonnern des eben ge-
schmolzenen Schnees (Alpenmilch genannt) am Ende des
Thaies über eine hundert Hafter hohe Felswand bewun-
dert und der wohlthuenden Liebenswürdigkeit und Zuvor-
kommenheit der Stiftsherren von Engelberg mich er-
freut — begab ich mich wieder über Stans nach Buochs,
fuhr über den Yierwaldstättersee nach Luzem, Solothum,
Basel, und kam am 24. Juli Abends 5 Uhr in Mariastein
— 570 —
an. Der Abt, ein kleiner, origineller, überaus bescbeidener
und liebenswürdiger Mann begrüsste micb gleich beim
Eiatreten: „Sie sind gewiss der Dr. Brunner, ich habe
vorige Woche einen Brief von meinem Bruder erhalten" etc.
Hier wird zu Mittag um ^z'^^i ^^ Abend um Ygö^^llir
gespeist. Das Refektorium ebenerdig, es glich einer netten
reingehaltenen sogenannten. Maierstube eines grösseren
Bauernhauses, ein Eichentisch, Eichenbänke und Stühle,
die Fenster dicht mit Laub umsponnen. Acht bis zehn
Capitulare machten den Convent aus. „Sie haben sicher
schon in manchem Elapuzinerkloster ein schöneres Refek-
torium gesehen, als dies da," sagte der Abt. — „Abet
gemüthlichere und freundlichere Leute als hier hab' ich
auch noch in keinem Eapuzinerkloster gefanden," ent-
gegnete ich; und so ging's fort in der unbefangensten
Unterhaltung, man konnte sich sehr behaglich und wie
zu Hause fühlen.
Nach dem Speisen führte mich der Abt in den Garten.
Es war Samstag und nächster Tag St. Jakob Aposteltag.
„Sie müssen morgen das Amt halten und ich werde
Orgel spielen." Abt Leo war einer der besten Orgelspieler
in der Schweiz. Die Stiffcsorgel wurde nach seiner An-
gabe construirt. Er producirte sich darauf noch Abends
vor mir und sagte, nachdem er selber die Bälge aufge-
zogen: „Jetzt nehmen Sie Ihre Uhr heraus und schauen
Sie, wie lange ich mit diesem Wind spielen kann, es
wird an zwei Minuten dauern, das ist ein neues Wind-
ladensystem." Er spielte vortrefflich, zog dabei natür-
lich das windverschwendende Pedal nicht ins Mitleiden.
Er hatte eine kindliche Freude, als ich seine Orgel lobte,
und sagte in seiner gemüthüchen Weise: „Wenn Ihnen
meine Orgel gefällt, das ist mir viel lieber, als wenn Ihnen
mein Spiel gefällt, — denn spielen wie ich können viele,
aber Orgeln wie diese giebt es wenige."
Am Sonntag war die grosse Kxrche gedrängt voll,
der Abt selber spielte meisterhaft sein Instrument; Wall-
fahrer waren aus nah und fern in Menge herbeigekommen.
Die Patres mussten vom Morgen bis Mittag in dem Beicht-
stuhle zubringen. Die PelsenkapeUe (unter der Eärche)
war so gedrängt gefällt, dass neue Ankömmlinge oft
erst nach stundenlangem Warten hineinkonnten. Nach-
— 571 —
mittag wurde in eine nahe, etwa hundert Scliritt entlegene
Kapelle prozessionsweise gegangen. Darnach, zeigte mir
der Abt sein Gärtchen. Hier war alles Miniatur. Ver-
schiedene kleine schmale Terrassen mit Holzgeländern am
Felsenabhang, unten eine Schlucht mit dichtem Baum-
wuchs; kleine Blumenbeete auf den Terrassen, ein paar von
der Natur gebildete Höhlen in den Felsen hinein, — echte
Einsiedeleien.
In einer dieser Felsenhöhlen stand ein Steintisch; ein
Imbis wurde servirt. Gegenüber der Felsenöffnung der
Wald, unten die Schlucht, Todtenstille ringsum. Im
Hintergrunde raschelte es, kleine Vierfüssler rannten aus
Felsenlöchern heraus an den Felsenkanten der Wand hin
und her. „Wasist das?" fragte ich. „Das sind Haselmäuse,
die haben sich hier eiagenistet, es sind gute Thiere, sie
thun Niemand etwas zu Leide, sie sind hier schon ganz
heimlich und keck, sie haben keine Angst vor mir ; — wenn
wir jetzt fortgehen, so lassen wir einige Stückchen Käse
und Käserinde und einige Brotstückchen hier liegen, sie
werden sehr geschwind damit aufgeräumt haben." Der
ganze kleine Garten hatte Aehnlichkeit mit einem KJrippen-
spiel. Wir kletterten einige in Felsen gehauene Stiegel-
chen auf und ab; als wir an der Einsiedlerhöhle wieder
vorbeigingen, belustigten sich die Haselmäuse auf der
Steinplatte des Tisches ganz ungenirt mit Käse- und Brot-
fragmenten, sie stutzten ein klein wenig mit ihren runden
grossen durchsichtigen Ohren, stellten sich wie horchen
wollend, oder wie verwundert über die Störung während
ihrer Mahlzeit auf die Hinterfässe und schnupperten mit
den feinen Naschen in die Luft hinaus, knabberten aber
gleich wieder mit den scharfen nadelähnlichen Zähnen
an den Brot- und Käseriaden fort, im vollsten wahrschein-
lich schon oft erprobten Vertrauen auf die Leut- hier
auf die Haselmäuse-Seligkeit ihres wohlwollenden Haus-
herrn und Einsiedeleibesitzers.
Wie der Abt, so waren auch die anderen Capitularen,
liebenswürdig, einfach, bescheiden; die Prälatur hier be-
stand aus einem Empfangszimmer, nebenan ein kleines
Schlafzimmer und dann eine Rumpelkammer mit Schriften
und Büchern.
Die Mitglieder des Stiftes waren thätig den ganzen Tag ;
— 572 —
es -waa* liier eine Klosterscliule mit Convikt. Da zahlt
der im Canton geborene Zögling pro Kopf -wöclientlicli
6 J^. für die Wolmung und Verköstigung. Das klingt
unglaublicli! Nur eine grössere Anzahl Zöglinge und die
gute Oekonomie konnte hier eben auskommen. Die Bene-
diktiner hatten für ihre Mühe als Professor und Erzieher
nicht nur keinen EJnopf Entlohnung oder Gewinn, sondern
für ihre angestrengte Arbeit noch Schaden, umsonst gaben
sie die Wohnung, Schulgeld wurde auch keines bezahlt.
Aehnlich ist es noch in Engelberg und in Eiusiedeln. Und
diese Wohlthat für katholische Eltern, die keine grossen
Mittel haben und ihren Kindern doch etwas lernen lassen
wollten, musste von den aufgeklärten Toleranzmännem Hel-
vetiens unmöglich gemacht werden. Bei der Atifhebung des
Klosters waren im Ganzen 20 Priester, mit dem Abt
7 studirende Kleriker, 7 Laienbrüder und 3 Novizen. Der
edle Abt Stöcklin, von dem wir Eingangs berichtet, war
geb. 23. Februar 1803, wurde Abt 28. Februar 1867 und
starb den 21. Februar 1873. Er war firüher Kapellmeister
des Stiftes, Statthalter zu Beinwil. In der Schweiz ist er
als Compositeur bekannt. Es existiren von ihm an 60 Messen,
eine Menge von Vespern, Liedern, auch Operetten, von
den Studirenden im Stifte aufgeführt (im Ganzen an
300 Piecen).
Als Abt er&eute er sich allgemeiner Beliebtheit und
Achtung. Er war sehr heiter und scherzliebend. Noch
erinnere ich mich an den letzten Ausspruch, als er mich,
in das Kapuzinerkloster bis Domach mit seinem Wagen
begleitete und im geräumigen Refektorium daselbst
lachend sagte : „Da schaun Sie einmal diese hochmüthigen
Kapuziner an, die haben ein weitaus geräumigeres und
schöneres Refektorium, als die armen Teufel von Benedik-
tinern in Mariastein drüben". Der edle, liebenswürdige
Mann hat die Aufhebimg von Mariastein nicht mehr zu
erleben gehabt. Es wird ihm auch nachgerühmt, dass er
ein vortrefflicher Administrator der Stiffcsökonomie ge-
wesen, und gesagt: er dürfte bei seinem überaus leut-
seligen, versöhnlichen, bescheidenen und einnehmenden
Wesen vielleicht doch im Stande gewesen sein, den ver-
heerenden Sturm, der über das Stift hereingebrochen, auf-
zuhalten. Es wird, hier eben nur Mitgetheiltes berichtet.
— 573 —
Der Schreiber dieses hat dem liebenswürdigen Leo
Stöcklia das beste Andenken in seinem Herzen bewahrt.
Geschichte von Beinwil-Mariastein. Etwa 5 Stunden
nördlich von Beinwil, in der weiland rothbergiachen
Herrschaft, an der Grenzmarke dreier Nationen: von
Deutschland, Frankreich und der Schweiz gelegen, ist
Mariastein nächst Einsiedeln unstreitig der erste Wall-
fahrtsort, der Schweiz. Schon vor dem Concü zu Basel
war die romantische Felsenkapelle ein yiel besuchter
Gnadenort; während zahlreiche verbürgte "Wunder den
Ruf derselben mehr und mehr verbreiteten und zumal
das neue Benediktiaerldoster für die Hebung der "Wall-
fahrt unermüdlich thätig war, mehrte sich die Zahl der
Pilger bis auf jährlich 70,000. "Wir lassen hier eine
kurzgefasste historische Skizze von Beiawil -Mariastein
folgen.
Es war in der bitterbösen Zeit des Kampfes zwischen
dem deutschen Kaiser Heinrich IV. und Pabst Gregor VII.,
im Jahre 1085, als die Klostervögte von Grandval: üdel-
hard, Graf von Pfirt, Notker, Graf von Froburg, Ulrich
von Egisheim und Dachsburg und Burkhard von Hasen-
burg, Bischof von Basel, in einem engen Thale, welches
die Gebirgszüge des Jura bilden, am Fusse des Passwangs,
die Benediktinerabtei Beinwil gründeten. Im gleichen
Jahre sandte "Wilhelm der Heilige, Abt zu Hirschau in
Schwaben, acht Mönche, an ihrer Spitze als Abt den ehr-
würdigen Esso, um das neue Kloster zu bevölkern. Nach-
dem zuerst die edlen Gründer die Schirmvogtei verwaltet,
kam es an die Grafen von Thierstein, durch deren "Wohl-
wollen und die weise Leitung Essos, der fast ein halbes
Jahrhundert den Abtstab führte, sich das jugendliche
Kloster mächtig zu heben begann. Mit dem Jahre 1445
beginnt in Folge des Krieges zwischen Oesterreich und
den Eidgenossen eine Eeihe harter Schläge für das Gottes-
haus. 1499 brannte es nieder; kaum nothdürftig wieder
hergestellt^ wurde es, nachdem 1519 durch das Absterben
der Grafen von Thierstein die Schirmvogtei an den Stand
Solothurn gelangt, ein Opfer des unseligen Bauernkrieges.
Seit 1527 verödet, erhielt es auf Ansuchen Solothums 1589
Mönche aus Einsiedeln, deren Vorgesetzte Administratores
hiessen und denen 1622 Conventualen aus Rheinau folg-
— 574 —
ten. Nachdem 109 Jahre nur Administratoren dem Kloster
vorgestanden, schritten die Mönche am 10. Mai 1633 zur
Wahl eines Abtes, welche auf Fintan Kiefer, einen Mann
fiel, dessen Anstrengvmg es gelang, Beinwil zum dritten
Male aus den Ruinen zu heben. Die Hauptthat seines
Lebens aber ist die Erwerbung von Mariaste.in bei
Landskron, im Jahre 1636, eines Ortes, der durch seine
Lage und zumal seine Wallfahrt ein weit grösseres Feld
der Thätigkeit versprach als das abgelegene Beinwil.
Nachdem die nöthigen Grundstücke für eine Nieder-
lassung erworben und ein neues Kloster wohnlich herge-
stellt, erfolgte am 12. November 1648 die Uebersiedelung
des Conventes von Beinwil nach Mariastein. Am 31, Getober
1655 wurde die schöne neue Kirche daselbst von dem
Fürstbischof von Basel, Johann Franz von Schönau, feier-
lich eingeweiht, und damit beginnt die Abtei Beinwil-
Mariastein ihre segensreiche Mission auf ihrem neuen
Boden durch Besorgung der nunmehr mächtig aufblühen-
den Wallfahrt, Bildung der Jugend, Pastoration von sieben
Pfarreien und Cultivirung der anfänglich ziemlich unwirth-
lichen Gegend.
Mit der französischen Revolution und der Invasion
der Franzosen in die Schweiz, 1798, ward dieser Thätig-
keit für einige Jahre ein trauriges Ende gemacht. Wäh-
rend Abt Hieronymus und seine Religiösen in schonungs-
losester Weise über die Grenze nach Deutschland trans-
portirt wurden, wurde das Kloster von den Soldaten ge-
plündert, die Mobilien zertrümmert und die Güter um
Spottpreise veräussert; das Kloster selbst ward von Napo-
leon dem Strassburger Reubel als Belohnung für seine
Kriegsdienste geschenkt. Glücklicher Weise war das Gna-
denbild gerettet worden. Im Jahre 1802 gelang es dem
Abte, das vollständig geplünderte Kloster um 17,000 Frcs.
wieder anzukaufen und bald erhob es sich unter dessen
Nachfolgern aus den Ruinen zu neuem kräftigem Leben.
Leider traten dem neuen Aufschwung mit dem Jahre 1834
die lästigen Bestimmungen seitens der Regierung bezüg-
lich der Novizenaufnahme sehr hindernd entgegen, und
als 1856, durch inzwischen erfolgte Verfassungs- und Re-
gierungsveränderung, auch die Aufnahme der Novizen
wieder erleichtert, drohte eine dem Kloster auferlegte Extra-
— 575 —
Steuer von jähiiicli 7000 Frcs. demselben in nicht allzuferner
Zukunft den ökonomisclien Ruin. Diesem kam jedoch die
Regierung von Solothurn durch gewaltsame Aufhebung
des Klosters unter Abt Karl II,, am 4. October 1874, zu-
vor. Während es vier Priestern gestattet wurde, zur Besor-
gung der Wallfahrt und Pastoration in Mariastein zurück-
zubleiben, siedelten Abt und. Convent nach dem hart an
der Schweizergrenze gelegenen französischen Städtchen
Delle über, wo die neue Colonie bereits in der daselbst
angekauften und theilweise schon erweiterten Maison St.
Benoit durch Leitung einer Latein- und Industrieschule
ihre neue segensreiche Mission angetreten.
S. Bkunner.
Verändertmg "bezugs Montserrat-Emaus
während des Druckes.
Da die Zahl der Conventualen schon in Jahren vor-
gerückt und sehr gering war, lag Sr. E. dem H. H.
Cardinal und Fürst-Erzbischof von Prag, Friedrich Fürsten
von Schwarzenberg daran, dass das Stift der kirchlichen
Bestimmimg und dem Benediktiner-Orden erhalten bleibe.
Als mehrere Versuche, ein österreichisches Stift zur Ueber-
nahme des Stiftes Emaus zu gewinnen, ohne erwünschten
Erfolg geblieben waren, übernahm dasselbe der P. T. Herr
Dr. Maurus Wolter, Abt der segensreich aufblühenden
Benediktiner-Congregation von Beuron, mit seinem Con-
vente, nachdem die von Sr. E. dem H. H. Cardinal ge-
wünschten Bedingungen betreffs der Versorgung der
früheren Capitularen angenommen waren.
Nachdem dieser kirchlich correcte Vorgang von Sr.
Maj. dem Kaiser als Patron des Stiftes die Sanction erhielt,
erfolgte am 1. Februar 1880 durch eine zusammengesetzte
geistliche und weltliche Commission die Uebergabe des
Stiftes an den H. H. Abt Wolter; den alten Capitularen
wurde ihre Pension aus dem Stiffcseinkommen sichergestellt.
IsTachschriffc.
Der Herausgeber meint sicher im Sinne sämmt-
licher Herren Mitarbeiter vorliegender Schrift zu han-
deln, wenn er das dafür entfallende Honorar dem Fond
zur Unterstützung armer Studirender am k. k. Ober-
gymnasium im Stifte zu Melk zur Verfügung stellt.
Nur das Mitwirken von Seite der edlen Söhne
des h. Benedikt hat vorliegende Schrift geschaffen
tmd wird derselben auch ihren Werth verleihen.
Wenn Mängel in der Anordnung des Stoffes
oder in der Korrektur vorkommen und nicht alle
Wünsche der Herren Einsender erfüllt werden konnten,
so wird gebeten zu erwägen: dass zwischen der Ver-
lagshandlung in Würzburg, der Druckerei in Leipzig,
der Xylogr. Anstalt von Allgaier & Siegle in Stutt-
gart, die den Schnitt der Holzstöcke besorgte, dem
Herausgeber in Wien und den Herren Einsendern der
Manuskripte mehrere hundert Briefe und Sendungen
hin- und herliefen, dass manche Artikel und Vor-
lagen zu den Bildern erst während der Drucklegung
an den Herausgeber gelangten, und dass trotz der
nach verschiedenen Seiten hin beobachteten Eück-
sichten doch noch immer Anstösse und Unzukömmlich-
keiten vorkommen können.
Wenn das Buch dazu beiträgt, neuerdings auf
die unsterbKchen Verdienste des Benediktiner-Ordens
~ 577 —
für Keligion und "Wissenscliaft in weiteren Kreisen
aufmerksam zu machen, so werden die Herren Mit-
arbeiter in diesem Erfolge gewiss den besten Dank
erkennen und den würdigsten Lohn empfangen.
Die Druckerei B, G. Teubner in Leipzig,
eine der ersten des Continents, hat in den letzten
Tagen — um die Herausgabe am Feste St. Benedikts
zu ermöglichen — täglich 6 Druckbogen fertig
gebracht — ein Umstand, der bei jedem Kenner
gegenwärtiger typographischer Anstalten und der
Leistungsfähigkeit derselben alle Anerkennung
finden wird. .
Wien, den 15. März 1880.
Der Herausgelier.
Ein Benediktinerbuoh. 37
Inhalt.
Einleitung. Von S. Brunner. Seite
I. Zur Entstehungsgeschichte vorliegender Schrift 3
IL Das Wirken des Benediktiner-Ordens im Allge-
meinen 4
in. Die aufgehobenen Herrenstifte in den der-
maligen österr. Erblandeu 8
Arnoldstein 8
Giirsten 9
Gleink IQ
Gloknitz 10
Mehrerau 10
Klein-Mariazell 18
Mondsee . . , 18
Montserrat 19
Ossiach 19
IV. Die aufgehobenen Frauenstifte in den der-
maligen österr. Erblanden 20
Fiume 20
St. Georgen am I/ängsee 20
Göss 21
Jaroslaw 22
Sonnenburg 22
Triest 23
Einstige Herrenklöster in Böhmen 23
V. Die Benediktinerabteien im alten deutschen
Eeich und der Schweiz im 18. Jahrhundert . 24
VI. Herrenstifte, -welche noch 1734 bestanden . . 25
VIT. Frauenstifte, welche noch 1734 bestanden . . 34
— 579 —
Seite
VIII. Uebcr die Verwenclung des eingezogenen Kloster-
gutes und Schluss der Einleitung •.• 38
Admont in Steiermark. Von Jakob Wiciiner ... 40
Altenburg in Niederösterreich. Von Coelestin Wolfs-
gruber 76
St. Margareth in Bfevnov und Braunau in Böhmen.
Von Romuald Schramm 84
Montserrat-Emaus oder Slovan in Prag. Von Wenzel
Schanda 100
St. Georgenberg, nun Fiecht in Tyrol. Von Bernard
Lierheinier 117
Göttweig in Niederösterreich. Von Adalbert Dungel 125
Stift Göttweig. Gedicht von Brunner 150
Muri-Gries bei Bozen. Von Bernard Lierheimer . 152
Kremsmünster in Oberösterreich. Von Wolfgang
Dannerbauer 158
Lambach in Oberösterreich. Von Pius Schmieder . 179
St. Lambrecht in Steiermark. Von Norbert Zechner 195
Marienberg in Tyrol. Von Bernard Lierheimer . . 212
Martinsberg, Erzabtei in Ungarn, mit Bakonybel,
Dömölk und Tihany. Von Berthold Labach . . 218
Mechitharisten-Congregation von Triest-Wien. Von
Paulus Hunanian 256
Melk in Niederösterreich. Von Friedrich Heilmann 261
Leopold I. Gedicht von Brunner 288
Die Eroberung von Melk. Gedicht von Brunner . 291
Michaelbeuern, Diöcese Salzburg. Von Roman Baum-
garten 293
St. Paul in Kärnten. Von Beda Schroll .... 301
St. Peter in Salzburg 331
Kaigern in Mähren 350
Schottenstift in Wien. Von Berthold Bayer . . . 368
Jasomirgotts Monument. Gedicht von Brunner . . 419
37*
— 580 —
Seite
Seitenstetten in Niederösterreich. Von Godfried Friess 425
Frauenconvente des Benediktiner-Ordens in Oester-
reich 449
Nonnberg in Salzburg. Von Matliildis Barth . . 450
Sähen in Tyrol, Von Gotthard Ableidinger . . . 454
Andechs in Bayern, Von Magnus Sattler .... 458
St. Bonifaz in München. Von Magnus Sattler . . 472
Dissentis in der Schweiz 482
Maria-Einsiedeln in der Schweiz. Von Gabriel Meier 484
Engelberg in der Schweiz. Von Ignaz Ondermatt . 498
Metten in Bayern. Von Godehard Geiger .... 507
Ottobeuren in Bayern. Von Hermann Koneberg. . 520
Scheftlarn in Bayern. Von Th, Brunner .... 535
Scheyern in Bayern. Von AI. Hartl 541
St. Stefan in Augsburg. Von Sigisbert Liebert . . 548
Weltenburg in Bayern. Von August Lindner . . . 556
Frauen-Chiemsee. Von Melchior Eberle .... 559
Beinwil -Mariastein. Von S. Brunner, 569
Nachschrift 576
-^5 SeBaflian Brunners 5d/riften. t^ —
^n '\ämmtliä)en 95uc^I)onblungen ®eutfc^Ianb§ §u Bestellen,
■namentlit^ buxd^ bte ^eo ^XJ-jerl'fc^e S3uc^= u. firc^I. ^un[t=
üerlogSl^anblung in SKür^Burg:
Jliß €«n|igtnopn Ji^r ÄicJlcrj^Uc* ®a§ aSirfen be§ ^Ieru§
in ben ©eBieten ber SJlalerei, ©!ul:ptur unb SBanfunft.
S3iogra^:§ien unb ©üsäen. 2 Steile. 8. 1863.
Sa§ erfte Uterarifd^e 5D3erI üBer tiefen ©egenftanö. Sie l^iftoriit^«
pDliti]d)en SSIötter au§ SDlünd^en, bie SBäiener Slltgemeine Siteraturseituna,
bo§ SeitJäiger Siteraturblott, bie SBienet ttjeorDgifdpe Quartalfc^rift, „(Sntolpa"
unb onbere SBIätter ^aBen ben SBert:^ bieder Slrlieit anetlannt. ®ine tüd^tige
Äenntni§ ber Äunftitteratur wie ber erjten ©ommtungen unb Äunftf^äfee
@uro^o§ , <)ofitioe§ SEßiffen o:^"^ ötel ^erumreben , ein f^orfeS unb gelungenes
Uttjetl in toenig SSorten, eine anäteöenbe ©(^rcibroeife (fo ba§ Dr. Äreui'er
in Höln barüBer fd^tieB: „@§ ti^ut einem leib, trenn manäie SBiograp^ie ju
©nbe ge^t, «tan ntö^te immer nod& fortlefen"), ein SBetoältigen be§ »eit
aerftreuten ajioterials unb ein feitieä S8erftänbni§ für bie Äunftft^ö^fungen
be§ fSSlittelaüexi toirb in 58ef))re(^ungen biefer Sd^rift BefonberS :|erborge.
5oben. deinem ®eiftli^en , ber ouger feinen t^eologifc^en ©tubten aud^ auf
ber ^öfji allgemeiner Silbung fielen unb lia^ SunftftreBen in ber Äirc^e
fennen lernen rtitt, tote aud^ feinem geBilbeten lot^olifcöen Saien foEte biefe
e^rift unBelonnt fein, bie auf einem neuen ©eBiete SBa^n geBro^en unb
burÄ bie Sarlegung eine§ ©runbftoifeS ber etnft^Iögigen Literatur biefeS
SSSerl bem Äunftl^iftoriler unb Six(^enfii\toüUr: unentbehrlich gewollt _^ot.
(S§ entWt 45 au§fü:örlici)e SSingro^^ien unb in 20 gfJummem Biogrojjl^if^e
©liäsen öon Äünftlern ou§ eBenfo bieten Drben, fo baB ber Snbej üBer
650 «Kamen ouSloeift. Ser fiirdftengef^i^te ift burc^ biefeS SBerf ein für
unfere, ba§ ÄunftftreBen be§ 5KitteIoUer§ mürbigenbe Seit intereffantec
2lBf(f)nitt wü Jjofitiöer ®aten jugetuoc^fen.
Unter ttis2Vi3A$tn «nö STöiitcir* ©pasiergänge in ©eutjd^Ianb,
gtanfreic^, ©nglonb unb ber ©rfittieig. ^toette öerme^^rtc
Sluflage. 8. 1863.
e§ tourben in biefer Sd&rift Srlebniffe unb SrgeBniffe Bon brei SluB-
flugen in ben Sauren 1860, 1861 unb 1862 niebergelegt. Singe^enbe firitilen
in öerfd^iebenen SSIättern 5aBen fi^ Beim erften erf^einen öoH Stnetfennung
üBer biefelBe auSgefproc^en.
®er StBgeorbnete unb I. Bot)rtfdöe Söibliot^elor Dr. Sßulanb, tuetd^er
biefer Schrift in ber aiHgemeinen Siteratur-Seitung eine längere SBefprec^ung
JBibmet, fogt unter Slnberem über btefelBe: „SBaS Srunner fe^reiBt, ift gut
gefd^rieBen: feine ©i^reiBort ift d)aralterifttftö , ift origineE. SSei ben
Silbern au§ 5J}ari§ weilt man gern um beren Siütö«^ roiEeu, am lieBften
aBer finb fte un§ burd^ SBrunnerS ©taffoge, bie toirfli^ oft üBerraftfienb
fcfiön ift. «KandOe aber ift erfd^ütternb, bringt burc^ 3KarI unb »ein.
UeBer Äird^en unb Ätrd^^öfe in 5ßari§ finben fid^ bie f ^lagenbfien 58e.
merlungen. ®a§ Suc^ gehört in bie 3leibe jener SSüt^er, bie man in
coDtinuo fortiefen fann, o:|ne ju ermüben, unb an beren Enbe ongelangt
man toünfc^t, bog man nod^ me^r äu lefen l^ätte."
Ein Benediktinerbuch.
— II —
Dr. §ülifam|)§ Sit. Stnäeiuer au§ ilKünfter" fagt barüBer: „Sag SBui^
fjjtubelt bon §umor, SBife unb Satire ; e§ förbert tau[enb neue, f ^orf e, treffenbe
S3eo6ad)tungen ju Sage: e§ l^ält fic^ aud^ immer auf einer gettJiyfeu §ö^e
be§ ©efcftmads unb ber $8itbung, e§ tft bur^fte^t bon einer terngefunben
®efinnung, unb bie ©frad^e 5at ©ewanbt^eit, Seic^tigfeit, ßljarafter."
3)te neue Sluflage tft berme{)rt mit JBitbern au§ 3fi:^eim§, SBinbfor,
©anterbur^, D^forb, neuen SKiniaturen au§ Sonbon u. f. to.
Äcnnfl bu Ms fötti»? fettere f^al^rten hnxä) Stalten. 8. 1857.
Obige Schrift l^at lurj nac| i:^rem ©rfcöeinen aUerfettS bie größte 2In=
erlennung gefunben. 5öie SDäiener Leitung, bie Siteratur^eitung , bie 9leue
SUlün^ener Leitung, Seutf^tanb, Bie 3lug§6urger 3ß.»3ettung, ®er§borf§
3iei3ertorium ber beutfc^en unb auSIänbiftfien Siteratur, bie 2eii)siger SSIätter
für literarifc^e Unterhaltung u. ö. a. ftimmen fämmtlicJ^ in i^rem SoBe üBerein.
Sie Seipäiger SBIätter für literarifc^e Unterhaltung, bie bem SBuc^e
eine lange a5ef))recf)ung rtibmen. jagen unter Slnoerem barüBer: „©§ fra^itt
äuöörberft burd^ grifc^e, gülle unb QSeift ber 2tuffaffung. (Sine
f leb^ofte, hJt^ige unb burtfi Saune anjie'öenbe ©d^ilberung
3talten§ ift un§ lange Seit i)tt niäit gegeben Sorben. Ser
Sßerfafjer fjat bor ben franäofifdien 3ieifebefcf)reibern SumaS, §ugo u. 21.
Uniberfatität, SSilbung unb Siefe be§ ®etfte§ borauS; er trifft
ba§ SRed^te mit befonberer ©d^ärfe unb ttarem SJIid. — SSolf, Sanb unb
Seutc finb fein S^ema, unb fo malt er un§ auch bie SSettler Bon Sioorno
im ©tt)I GarabaggioS, bie bon <J3ifa in $ogartB§ SJJanier; e§ fte^t il^m ein
frifc^eS, Eü'^neS unb oft treffenbeS Sunfturf^etl ju ©eBote"
u. f. ttJ. u. f. h). ,,SSir erreid^en ba§ legte ber 140 ©obitel ungcfäBr mit
ber Em^jfinbung, al§ 5a6e un§ 3emanb bnxäj eine frifc^e unb Beitere
©artenanlage an mand^er tounberlidjen ®rup))e borüBer ju unferem (£iu=
gang§pun!te jurüdEgefü^rt."
5Cu5 öent lütnthiQtx- «nö f ongöbarJienlftttö, %üt §tnretfer
unb §etmbletber. 3*^^^^^ Bebeutenb öerntel^rtc 5luflage.
8. 1860.
Ser SBerfaffer ^at fid^ BeftreBt, in SBesie^ung auf ©efi^id^te, Äunft
unb SSoItSIeBen aud^ für ben miffeufd^afttidi gebilbeten Sefer neue ©tanb=
))un!te ber SSetrad^tung aufäufuien.
Sn ber neuen aiuftage ijoben auä) bie ©täbte SUlantua, SSergamo,
58icensct, Ubine unb Srebifo einge^enbe aSürbigung gefunben, fo bog
in ber ©d^rift alle Bebeutenben ©täbte üon ßombarbo»$8enetien
eingefcEiIoffen finb. kleben getoöBnlit^en SKeifeBaubBüi^ern mag bie§ SSut^
für geBitbete Sefer be§9ieuen unb Sluäiel^enben genug barbieten, ©rünblid^e
©tubien üBer ba§ Sanb unb eine gefcfjmocEoo Ife STuStoa^I ber
58etradötung bteler Bi§5er gäuälidE) unbelannter unb unBe=
ad^teter ©egcnftänbe, fowie bie eBenfo migige al§ geiftrei^e
Sarftellung finb fc^on an ber erfteri SluSgabe in Eritif(t)en Sölättern
gerühmt töorben.
fettere StuMeit mh ^xitiktn in unö übzv MnlHn, 2 Steile.
8. 1866.
Siefe ©tubien l^aben toegen beS 5ReicBt^um§ unb ber SKannigfaltigleit
i^re§ Sn^altä, toie aut^ megen iBre§ SDäi^eä unb ber 2ßiffenfd)aftli(|teit
i^rer SorfteKung in SBolfgang 9KenäeI§ SiteraturBIatt, in ber 3Ittg. Siteratur»
jeitung u. a. bie BeifäEigften a3efi)red&ungen gefunben. ®er erfte SSanb
fianbelt bon Sßenebig, Bologna, glorens, ^ifa, Siborno, 'Stea\)el, ©amalboli,
<Bom}3eji, Orbieto, unb ber gmeite bon 3iom, Stibono, graäcati, ©ensano,
3;iboIi unb anberen Drten ou§ ber Umgebung SRomS unb au§ ber Eampagna.
~ III —
Hins Ißaffmnsfpiü ?u mtxammtv$m in ben ^af)xtn I86O
unb 1870. ®{e 9ieife üon ajlünc^en ou§. — |)tftortfc^e
©inlettung. — SSoUftönbiger Sejt ber ©pre. — Stflärung
ber SSor&tIber. — SSefd^reibung ber ©ccnen. ©ritte
Sfuflage. 8, 1870
Sn biefer ©ftrift pnbet fic^ 5tEe§ Beiianmen, ItiaS ber SBeiu^et Dom
$J3a5fton§f))teI im DBerammergau ju ttifien rötliig 5ot, um ftdÖ für bcn
SBefud) be§iel6en öotäuBereiten unb in bie redete Stimmung gu öerfe^en,
tote auc§ um jid^ nad^ ber $anb an bie einselnen ©cenen unb aStlber
beSfelBen erinnern ju fönnen. SSer nic&t (Selegentieit pat, nac^ Ober-
ammergou ju lommen, ber tottb in biefer (äci)rift biefe merltoürbige
bromotild^e SßorfteHung mit leB'^often garben gefd^ilbert pnben.
©jfrijiiljte mn Wuntx-^tnfiatU SSien 1842.
®efiit^tt hts lunJiJ^ifiirpiirijen #flrlit:e0 psrriitoliisJiorf.
SSien 1842.
€kmm$ ^tjrta ■^isf(bmtv mh ftim MU SKiniaturen sur
^trc^engefd^ic^tc bon 1780 bi§ 1820. 8. 1858.
®iefe§ aSerJ entplt als retcöe Staffage ber Sßiograf ^i^ §offBauer§ eine
große Slnga^I bon U^ev nit^t üeröjfentlidfiten SBegeBenfieiten , ©cenen,
änelbnten unb ©cf)ilberungen. ©igenl ftnb bie Suftdnbe bon Sffiarfd^au uadE)
ber Slbbanlung ©taniSlauS II. CßoniatotoSfiS , BefonberS aber bie SBiener
Suftänbe öon 1780 B.i§ 1820 mit Dielen me^r ober minber Belonnten
^erfönlidjfeiten ilTuftrtrt , barunter: Släermann, Slemenä SSrentano,
abom SIKiiller, Sari @raf bon 6ouben:öobe, ?[5rima§ ©alberg,
Solliner, ®ru6er, ßräBifc^of §o^entoart, ÄtinJotoftröm,
ßü^nl; 3lntDn?[5afft),@rä5erjog3Iainer,af{uttenft od, ©Riegel,
aSeit:^, griebricö SBerner, SBilbe, SKilofc^, SSeintritt u. 21., eine
Bi§Ber unbelannte ©ceneauS bemSeben 9tapDleon§, eine S^aratteriftil
^oftbauers. bon So^. ®m. SScit| u. ]. tt. ®a bie ©t^ilberung religiöfer
unb fircEiIic^er 3"iiäube ber angefül^rten «ßeriobe Bi§:^er fefir toenig geppegt
tourbe, bürfte biefe ©cprift um fo mel^r ^ntereffe barbieten. Su 2lm|terbam
Bei Songenöuljfen ift eine lleberjefeung in§ ©Dllönbifdje erjd)ienen.
U^r IßuUBtxoxhBn in Wun »nJ» ®$pcrwiri)[» iRegcften,
©offectaneen, 3ldxoioQkn, @;f)ito^:^ien,Xlmt)erfität§=2tngeIegen=
Reiten, 5ßrofe§= unb Sruberjc^aftSBüi^er, 'biogra|)'f)ijc^e unb
:^iftorifd^e ©Hggen; au§ ard^iüalifd)en bi§|er unebirten
Quellen mitget:^eilt. gr. 8. 1867.
Sie urlunblic^en 3Kitt:^eiIungen biejer ©dirift tourben toegen be§ großen
^iftorifc^en SBert^eä ber^elBen für bie öfterrei^ii^e Siräjengeid^id^te in
toinenfdiaftlit^en unb SiteroturBIöttern befonber§ |erborgef)oBen.
Mt t\ftalsi$ifttjt Mtntxfäjü^ am ^of^^öf^epljs II. ©cl^einte
©orref^onbensen unb ©ntpHungcn jum SSerftänbni^ ber
^r^en- unb 5ßroyangejcöic^tc in Öefterretc^ öon 1770—1800,
au§ bi§:^er unebirten Öuefien ber !. !. §au§=, §of=, ©taot§=
unb SJlinifterialarc^iüe. gr. 8. 1868.
Sie 2IH9. Sit. =Seitung fagt üBer bitie ©cEirift SoIgenbeS: „Slußer ben
^öä)]i intetenanten getjeimen S3erid)ten be§ öfterreitfiiT^en SDJinifieri äu 9Jom,
— IV —
(Sarbinal ®rafen ^erjan, an bett fjürften Äauni^ entptt faiefeä SBäerl eine'
fJüHe au§ Slrd^iüen gejd^ö^jjter, Bisher unbefanntec Z^at\atä}en. (S§ ift ent'
jd^ieben ba§ erfte unb toicöttgfte dueHentoerJ über bte Itr^Ii^en Suftänbe
in Oefterret^ üon 1770 bt§ 1800. 3Iu§ ben reicfien gunbgruben beä f. r. §au§=,
§of. unb ©taat§= unb bec übrigen TOnifterialard^ibe würbe ba§ Sntereffantefte
unb SBic^tigj'te raitget^cilt, \o hau btefe übrigens ganj unb gar obiectiö
gehaltene ©c^rift nid^t nur über bic angesetgte 35eriobe pt^ft le'&rrei^ ift,
fonbern aucö eine mirEIic^e SBeretd^erung ber Siteratur über ^o\e)p^ II.
genannt werben Jarin. — SBir werben auf biefe§ l^errlid^e SOSerl noc| au§=
fü'^rlid^er ju fpred^en fommen."
Jler f utnor iir Ut M^lomatit nvit K^gterungakunöi U$
18. ^a\jx\}mUxt$. §of=, mel§= unb biplomatiid^e Greife
Scutfd§Ianb§, gefd^tlbert an^ ge^^eimen ©efanbifc^aftsberid^ten
unb anbeten ebenfalls burtj^toegg ax^töatifd^en Bt§I)er
unebtrten Duellen. Qmi SSänbe. gt. 8. SSien 1872.
@ine gunbgruBe ber ^jüanteften unb tntereffanteflen Details au§ ber
fpoliti! unb bem ßeben ber Meinen §öfe, ou§ einigen öunbert SSänben unb
gaScileln gemeinter ©efanbtfc^aftäberi^te äufammengefud^t. aKan meint
einen 3toman ju lefen unb e§ ift bod& 2tIIe§ })ure 2BirfItd5!eit unb ^iftorifc^e
Söatfac&e. 5Ranfe unb anbere §iftorifer berufen [lä) in ßitaten oft auf
biefe§ OueEenwerl.
^ofeplj II. K:^ara!teriftt! jetne§ SebenS, fetner Slegierung unb
fetner ^irc^enxeform. f^i^eiburg, Berber 1874.
Stefe ©c^rift, bur^au§ objectiti — o^ne ®rfinbung u. Stnelbotentram —
ift na^ arc^iöaliji^en QueEen bearbeitet.
Correspondances intimes de l'Empereur Joseph II avec
son ami le Comte de Cobenzl et son premier ministre
le Prince de Kaunitz. Puisees dans les sources des
arcHves Imperiales jusqu'ä present inedites. Avec nne
introduction et des notes historiques. Par S. Bednner.
Paris, Lethiellieux. Mayence, Kirclilieim 1871.
Steje ^ier junt erften 9KaI ^ublicirten SJriefe geben ein neues Sic^t über
bo§ SSer^ältnip ^o\i!pi)% SU launig unb Sobenjl, unb über bie eigentpm»
lic^e abfolutiftifc^e 3Jlet^obe biejeg SKonar^en.
Jlie Mvdjt unh Ut Strttttgoge* 2tu§ bem grauäöftfd^en be§
S. gju^ert. aJltt 9ioten unb Söetlagen. ©c^aff^aufen 1864.
U« ^^prtjll üjrgnügliiljlie llatlf" ht$ €lmßx:^trt Cnrl
:^lbuilfl. vm ^Biitjßrit nad; ^itlk 1739» diu :^eitere§ unb
getreues SSifb be§ beutfc^en §ofIeben§ unb §ofceremonteH«
tut 18. Sa^r:§unbert. ^aä) einer §anbfi^rift ber iölünclner
§of5 unb ©taatsbibliotl^e!, mit einer l^iftorifd^cn ©intettung.
SSien, SUia^er 1871.
Cljurks £0Ut0 Hidjfflrii aus tzm IßuUcitxifXhtn. ®a§ Seben
eines 3Se!enner§ att§ bem 18. ^a'^r:^unbert. SIuS bem
grauäöfifi^en beS SJlouIaert. SRegenSburg 1870.
— V —
"SttVLfalm. ^u§ bem granäöfifc^en. SSott ^acqueä SOtiättn
3?egen§Burg 1844.
3lu§ bem ©pantf^en. SBten 1853.
3lBr flräliicattt Cafpur Sinktor» ©eine ©c^icffate u. f. tu.
ein ard^iöalift^eä ©aBtnetSftüiJ. SSten, SJla^er 1871.
SCgruttt* einige Siotigen ü6er SSergangen'^ett unb ©egenföart
ber §auptftabt Kroatiens. SSien, 9Jiat)er 1871.
jOas €tbm ö^5 IT0rtl«rflp:0|iel£; St» Btmürtf öon feinem
@c§üter (Sugip^iu§. ®ie toic^tigfte Utlunbe an§ ber 3eit
ber SSöIfertranberung. 2tn§ bem Sateintjd^en. SiJiit (ltn=
leitung, (Scfförnngen, möglii^ft üoHftänbiger Siteratur nnb
einem SSeridöt über bie ©rabjtätten ©t. ©eüerin§ Bi§ anf
bie neuefte 3eit- SBien 1879.
iJlacö bent SetiJäißer StteraturBIatt bie botjügtic^fte Ue6et|eöung
be§ ®ugii)))tu§, jelbft ber be§ 9toben6erg borsuäte^en; btefe Sluägabe enthält
bie üoUEommenfte Siteratur ü6er ©eöerin.
51te ^Dfjlerteit Ut ;2Cttfkl5rung in Oefterrei^ 1770 — 1800.
2lu§ ard^iöalifc^en nnb anbern Bisher nnbeoc^teten Quellen.
SJlainä, ^rc^leim 1869. 560 ©eilen.
®ie6t bie ÜB errat d^enbfte n Stufic^tüfle üBer bie gerühmten ©ttmm-
fü^rer unb Freimaurer aug ber 9IuftIärung§^eriobe. Ser bielgerü^tnte
§ofrat^ ©onnenfets toirb Bei einer ie^r t^mu^gen Dellteferungägefd^ie^te
im ajunbe mit jeinem {emitij^en SBruber ertappt — unb rettet fid^ nur burc^
eine !oIoif ale iS^meidjetei (üBer S of epö HO oor ber ftraf geric^tli^en SSerfotgung .
(Sin SSünbel Slften au§ bem^a'ladölajie beS Freimaurer? unb 93roBfte§
S)ufour, ben :^ofep^ IL jur aieformirung ber fic^lit^en giiftänbe nad^
SBelgien janbte, eröffnet SBIiäe in bie Belgifd^e JReöoIution u. \. h). SDie SBiener
tJCri^iöe über jene $eriobe ftnb mit g£ei§ unb Sluäbauer Benü^t u. f. to.
■^uvttt mx htm Sfriburwl iier Ualjrljeitöfriuitbe. (Sine SSer=
t^eibignng §nrter§ gegen feine :t)rotej'tantij(^en ©egner. 1849.
Hom uiiö iSabrjlcit. ©ine SSert^eibigung ber ©räfin ^a^n-
^0:^X1 gegen bie ©cBriften breier 5ßrofcfforett nai^ tt)rer fStM'
!e^r äur ^irc^e. 1852.
•^vtH^tn- unö Staatögebfittkeit» Stp'^oriSmen üBer ^trc^ens
regierung. Söien, ^a^er 1849.
;2Cttö htm Itfldjlap be§ durften Stiejanber §of)ento'f)e, S3ifd^of§
öon ©arbica. 9ftegen§6nrg 1851.
51er Zt^ti^ Ucitan unb fein ©bangelium. 3. Sfuflage. 1869.
®iefe (S^rif t Würbe bon einem ©efammt^irteuBriefe bea BatjriycBen
EpiffopatS (2 EräBifc^öfe unb 6 93ifdftäfe) BefonberS empFo^ten. SDw Ba^rifd^e
3t6georbnete Dr. fRuIanb Beäei^nete biefetBe in ber Siter.= Seitg. in einer
längeren SBefpred^ung ot§ bie fctitagenbfte SBiberlegung 3Jenan§.
f awUiettUudj für bo§ ^irc^enjatjr. 3iegen§Burg 1852. 2 SSbc
— VI —
Mt ksit}jalif äftn fi£püQs. §omiUen in ber UniberfitätSfird^e
äu SSien gefjalten. ^egen§Burg 1859.
51110 f olj^prfepcrgeM 3tju Cliripi (:go^onne§ XVII). ^n
§omiIten für bte gaftengeit. tRegenSburg 1855.
PäuIus in 5Ctlj«n* @runbtt)a:^r:^eiten ber ateltgion mit 9tü(f=
fic^t auf ba§ !laffifcf|e uitb moberite ^eibent^um für ©cbtibete
üerftänblic^ bargeftettt. dritte umgearbeitete uub öer=
mefirte Stuflage. SBien 1876.
©ine Jjröcije Volenti! gegen lanblöuftge igrrtpmer ber Seit unb Banale
$f)raien. Dr. Sluguft aUet^enJ^jetger fagt in ber „®ermania": SDSir toünfdjen
bem „«ßaului in Slffien" ein re($t toeitgteifenbcS unb ct?oIgretd^e§ 9ti3oftolat.
(EtnUttuns pr f outtletili: i^tx !iteu?;eit» giegen§burg 1849.
Sn biefer ©^rift toerben bie Slnforbcrungen , toeld^e bie Seit o« ^^^
33rebiger ftellt, be^prod^en.
3tfu$ mein toten, — ^nzU in €ljvi^u$, — ©laute, f of-
nung mh f iete, — OScbctbu^ für bie SwQcnb.
©inb 4 ®e6etBüc^er, üon benen bie erften in 8 unb 6 fiebeutenben Sluf»
lagen »ergriffen tourben.
Stomas a ßcmpis' Ueberfe^ung. 6tereott)p=SJu§gabc.
itfnmmdte Itjö^lungjii unb ptix^t §d)ttftEn anti 5. fmmtt
in ätoauäig Sßänben Bei Wan^ in fRegenSburg.
J!iogen:eiö mn ^Cjfdbrunn, Wlit Fragmenten au§ btn ^a=
pkxen feiner greunbe. 2 SBänbe. 2;-2lufIage.
Ser berliner ©efeUfd^after Tü'E)mt „ba§ auggeäei(i)nete S^alent ju er=
jäl^Ien, bie unbergleid|li^en giguren unb bie reifte «JSIaftiE be§ SeBenS, mit
Der bie Söilber fräftig au§ bem IRa'ömen ^eröortreten , fo ätoar, öag e§ ben
ßefer otbentü^ öerbtieSt, fol^e Eapitalmenj^en nic^t weiter bur^§ SeBen
Begleiten ju fönnen". |)etnri^ Leiter in: „Sat£). dräol^Ier ber Sßeuäeit.
«ßaberBorn 1880", fagt üBer SDing. : „(£§ niu| Bemerlt föerDen, bag ung S8. ^ier
mit einem tta^ren geuerwer! glänjenben 5!Bi§eS entöüdt. SEelt unb 3Renf(^en,
Stteratur unb SSiffenfc^aft hierben Beleucf)tet üom ©prül^regen üBerrafc^enber
unb geiflreid^er ©ä|e." „S8. üBertrifft Sein 5ßaul nidöt feiten ba, tto e§ ft(^
um einen tobtfd^taglauuigen SBife, um ben ^otntttten 9lu§brutiE etne§ ®e=
banfen§ ^anbelt."
Bt$ ®em£$ Miti^tux unb CSiüik, 2 SBänbe. 3. Sluflage.
S>ie Seipä. SSIdtter für liter. Unterhaltung, meldte Bei ©c^riften fat^.
Stutoren geroig feiner 5ßarteilid5feit ju Befd^ulbigen jlnb, ftetten ben 2Ser=
f affer ben englifc^en ^umoriften ©toift unb ©terne an bie ©ette, unb
nannten bie ©^rift „eine ber merfwürbigften ©rfi^einungen ber ©egenroart."
kernte unJ> feimat. Stu§ eines ®id^ter§ SeBen, ©enfen
unb ©ingen. 2 SSbe. 3. Stuf läge.
Wtt |)rin?:enrdjule }Vl ^xrprclgliiik. 2 93änbe.
©ine }3oIitifd^e ©at^re, in toelt^er ber Sßerfaffer öiele feiner ©rfa^rungen
niebericgte, lDeI(|e er roä^renb feiner fünfjährigen Slnftellung im au6er=
orbentlit^en Sienfte be§ Defterr. 5Kintfterium§ beg STugttiärtigen (noc^ unter
— VII —
ÜKetternid^) gefammert ^at Sie SRebotution tion 1848 tourbe Beim ©r»
f(^einen bet erften Sluflage (int DctoBet 1847) entfliehen angefünbigt.
TOotto : e§ ift bautet im ©c^erj su fe^n,
SBie tütr im Ernft jum Sieufel gei§n.
lUöljjr? ?ll!)0ljtn? ©ejd^tc^ten, ©ebanfen, SSilber unb Seute
cu§ tneittem SeBett. 2. 2tuflage. 5 SSänbc.
Ser SßerfaiTet fiat :&ier bie (£rfa|rungen eines Bewegten, mitunter
ftürmifc^en £e6en§ niebergelegt. — Äinb^eit, Sugenb, grembe, Stubien«
seit — ia?: SeBen aU Kaplan auf bem Sanbe unb in ber 9?eftben5; feine
Söm))fe unb Seiben al§ lat&olif^er Sournalift, feine aSefuc^e Batb in ben
©alonä bet "^olien ©efettfd&aft§!reife , Balb in ben @|)elunlen ber 3lrmut:ö
unb ^Ilot^, fein 9ier!e:^r mit ^o^en renommirten «ßerfönlid^Ieiten finb :plaftif^
gef(^ilbert. Siefe ©c^rift tourbe mit bem aKgemeinften SäeifaHe aufgenommen.
S)ie Opuacoli Tari (eine laf^ol. Seitf^rift in ilRobeno) Brachte 2tu§äüge
barau§; in ber Kevue catholique hjurbe fie BefonberS empfohlen.
Juane thekel phares. ©in Ie|te§ SBort an bie armen
gleichen. 3. STuflage. 1864.
2Kit bem 5Wotto:
@» foH ber Sid^ter toie ba§ §er5 — im 2ei6 ber SKenfc^'^eit fc^Iagen
Unb i'^re Suft unb i^ren ©c^merj — in fi^ gefammelt tragen.
©0 mag er jebeä ©tec^f^um lang — bor feinem 8Iu§brudö fpüren,
ffienn gieBerf^auer falt unb Bang — fein Jperj toie (£i§ berühren.
Siefe ©c^rift erfaßten ju Sßariä in§ fyranjöfifc^e üBerfe^t.
?J5oetijci)e<Scötiftcn93.'§ in Steinten jtnb folgenbe:
31er jßflbentorger ffiljrenpreiiö» 4. Stuftage.
Mt Wtit ein epos» 4. Sluflage.
9Jiotto: ®a§ ift ein ®^30§ tounberBar -erltungen,
SDie ©t^öpfungstage ftnb bie fedftä (Sefänge,
®er ©änger: ®ott, er felber '^afS gefangen,
Unb wunberBar finb feine§ 2iebe§ Älänge.
iSJer ilcbeljuttgen f ieb» 3. Stuftage.
aJiotto: Sie Seit ift au§, too «Jäoefie
©icö gefreut am a3Iumeni)f(üden,
So§ ift eine burame .3trBeit ba§,
9Ran muß fi^ ä" fe^r baBei Bücfen !
iütv beutfriife ^iab* 4. Stuftage.
SKotto: 35r gtoßen beutf^en ©eifter,
3t)t ftitifitt nid)t fc^Ie^t —
S^r nennt einanber: Sumben
Unb jeber bon eud) '^at SRe^t!
SÖJori^ 93rü:^I, ©efc^ii^te ber M% Siteratur ®eutfc^tanb§,
fagt über S3. Besüglic^ obiger (Schrift:
„Sn biefem , in allen Srrgängen ber Seit loo^Ierfa^renen , form- unb
f^jracögeroanbten Sid^ter unb 53uBIiciften fiat ber 65or ber aBeItf(|merä=
unb S'inimerbid^ter, ber 3efuitenf reffer , «ßfaffentoürger unb Sßetri» ©tutjt«
Serfd)metterer einen eBcuBürtigen ©egncr gefunben." — „Unter ben
t)umoriftif^»fatt)tifd)cn Stiftungen 58.'§ ftnb bie Bebeutenbften ba§ „3ieBel=
jungenlieb" unb „ber beutfc^e §ioB" ; ba§ ganje UKifere ber gottberlaffenen
nnb gottlofen SGSiffenfc^aft in i{)rer SSefd^räntt^eit, in i'örer SRat^Iofigleit in
— YlII —
i^rer moralMd^en 58erberbf]^ett nad^ offen ©eiten aufäubecfen, äu entlaröen,
ju geißeln, bem $o!^n unb iSpott unb @erid&t aller SSernünftigen JiretSjugeben.
SIRit feinem Ijellen Solid in bie ©c^öben ber 3"t, unb bem l^o^en 5Diutt)e,
mit bem er ofme ©i^onung fie oufbedt, ift er mirtUcö einem Sörant, einem
SaijerSBerg ju öergteicEien. Sr ift ber einjige h)al)r!5aft fatljrtf^e ®icl)ter
ber Seit — afier ba er oI§ Tat^. 93riefter auftritt, mu6 er erft »on einer
fpdteren unbefangenen ©poc^e bie i^m gebüljrenbe Slnerfennung erWorten.'*
j^mt Hitticr* 5poctif(5e ©allertc bcutjd^cr ©taat§:|3ftffe.
5motto: SEBo ift beg ©eutfc^en SSaterlonb,
SBo einer '§ 5J5uIt3er einft erfonb
Unb jefet noc6 äeber meint bobei,
S)a6 er ber 5Öliterfinber fei,
So§ ift be§ 5Deutf^en SSaterlonb.
^äfnib£Xkn2äft£* ©ine ©erenabe an ha^ po^terene tir(^en=
regtmeitt.
SKotto: S^r erzeigt euc^ gegen jene
?lnr in (änaben wol^Igettogen,
®ie bor eud| fielen gleich ber SBittfc^rift: .
Sn ber SJiitte eingebogen.
^jilfdjriftiett* @efIoc§tene§ iReimtocrf. 2. Sluffagc.
aJlotto: 5Da§ Sreuj, ta^ einft ber §eiIonb on einem ©tride trug,
3o§ ift bir fe^r jutoiber, unb büntt bir nur oI§ Sug,
®odö bein toottirter Saufen ift bein ßalöorienBerg,
®a ^öngft bu felBft om Sreualein, bu eingefc^rumpfter 3toetg-
S)o6 fi^ bo§ Sßol! pit ftiffe, mitunter etroaä gloubt,
SDoS bünft euc^ gor nid^t übet, i^r finbet e§ erlaubt.
©0 Bleibt i^r unbel^elKflt in eureni (SanS unb S3rau§,
gür§ 2JoI! ift gut ber ©louben — mir aber finb brüber '^inauo.
®a§ S8rotfpu§'{c6e eonüerfotionäleEifon 11. Slufloge 3. SSonb Slrtifel:
58runner, bcf^ulbigt S3. üon be§ Seg. ©tanb^3un!t au§ be§ fJonotiSmuS,
mo^t aber babei bie Söemerlung: „2lIIe biefe poeti\äien ©d^riften
finb reid^ an braftifc^em $umor unb berbem oft fouftifcEiem
SBig."
JIäs Jjjeutfdjß ^ti^BvUlf^ eine ©erenabe füt baS^ f5ran!furter
Parlament (1849).
Hag i8ud)[ hn Hatur, ntit oUx Sflfrtt l^ttfafftt? Sl;p:^ori§men
gnr 83eleu(i)tung ber ®arltitn§Icl^xe. SBien 1879.
aJlotto: SSir hjolten einmal burd^ouS leine ©fjur
58on ®ott bem $errn im SSui^ ber Statur,
®r mod^t un§ bo§ Seben ju unbequem,
S)rum mug er !^inau§ — au§ .unferm ©Aftern.
5Diefe ©dftrift mürbe inner'&otb 4 SJlonoten in 6000 (5Eem<)Iaren üerbreitet.
(^in ßtuttiktinetbüiij* ©efc^id^te unb SSejc^reibung ber Be=
ftel^enben u. 8(nfü:^rung ber aufgetjobenen Sßenebütinerftifter
in Defterreicf) = Ungarn, 3)entjc^lanb unb ber ©(^SDeij öon.
©. Srunner. mt Slbbilbungen. SBürsBurg, SBoerl 1880.
Verzeiclmiss
der
Woerrschen Eeisebibliothek.
An frischen Quellen. Gedichte. 200^eit. geb.
Gebetbuch für Reisende. 136 Seiten, geb.
do. brocb.
Humoristisches in Wort und Bild. 148 S. geb.
Wanderungen in Mexico. 366 Seiten, geb.
do. brocb.
Auf deutschem Boden. Eine Novelle. 123 S. geb.
do. brocb.
Vater Eisenhammer. Koman. 440 S. geb.
Trautheim. Koman. 400 Seiten. geb.
do. brocb.
Rund um den Bodensee. Der Bodensee und
seine Gescbiclite. 289 Seiten. geb.
Lustige Geschichten vom Rhein. 204 S. geb.
Schweizer Album. Eine Sammlung der inter-
essantesten Ansichten. 40 Seiten, geb.
Reisebilder aus Italien. geb.
I. Theil: Vom St. Gotthardt bis Eom. 256 S.
II. Theil : Eom. 406 Seiten.
HI. Theil : Von Neapel bis zum Brenner. 367 S.
Die Kaiserstadt an der Donau. Eleine Bilder
aus dem grossen Wien. 149 Seiten, geb.
do. bToch.
Reiseerinnerungen a.Südfrankreich.3i2S.gb. 4.
do. ■ broch.
Reiseerinnerungen aus Spanien. geb.
I. Theil: Von Barcelona nach Cadix. 280 S.
n. Theil: Von Cadix nach Irun. 285 Seiten.
I. und n, Th. broch.
Wanderungen durch Vorarlberg. Mit einer
Karte von Vorarlberg. geb.
do. broch.
Nach Nordamerika und Kanada. 2 Bände,
von Land imd Leute.
Schwäbische Bilder. Die Schweizer Alpen. Süd-Amerika.
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Italien in zwei IVIonaten. 2 Bde. looo s. geb. 16
Nach Jerusalem. Führer für Pilgerfahrten.
474 Seiten. geh.
Ein Benedictinerbuch. Geschichte u.Beschrei-
hung der Benedictiuerstifte. 580 S. geb.
Führer für Auswanderer nach den vereinigt.
Staaten Nord-Amerilcas. 160 S. geb.
Führer z. Ammergauer Passionsspiel isso.
277 Seiten. geb.
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Spiel 1880. cart.
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UNIVERSITYOF CHICAGO
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