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Full text of "Der Kampf um das Posener Erzbistum 1865 [microform] : Graf Ledochowski und Oberpräsident v. Horn"

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Der Kamp 



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1865 

Graf Ledochowski und 
Oberpräsident v. Hörn 

Von 

Bogislav Freiherr v. Selchow 

Dr. phil. 



Marburg a. Lahn 
N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung, G. Braun 

1923 



Der U Blas rosK tzbisli H 

Graf Eedochowski und 
Öberpräsident v. Hörn 



Ein Vorspiel zum Kulturkampf 



Von 



Bogislav Freiherr v. Selchow 

Dr. phil. 



Marburg a. Lahn 1923 
N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung, G. Braun 



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Herrn Geheimen Regierungsrat 

Professor Dr, Wilhelm Busch 

in Verehrung und Dankbarkeit 



Inhaltsverzeichnis. 



Quellen- und Literaturverzeichnis .... 

Abkürzungen ....... 

I. Der Erzbischof von Gnesen und Posen Leo von Przyluski und 
sein Tod ....... 

Die Koadjutorfrage ..... 

IL Die die Wahl beeinflussenden Kräfte und Persönlichkeiten auf 
kurialer und polnischer Seite 

A. Die Kirche ..... 

(Papst Pius IX., Kardinalstaatssekretär Antonelli, Kardinal 
Graf Reisach ....... 

B. Die Polen 

1. Die polnischen Nationalisten .... 

~ 2. Die Domkapitel von Gnesen und Posen . 

3. Die Hauptführer der polnischen Geistlichkeit (Prusi 
nowski, Zienkievvicz, Brzesinski, Janiszewrski) 

III. Die Wähl der beiden Kapitular- Vikare .... 

IV. Die Absichten des Papstes ...... 

V. Die Vorwahl der Kandidaten in Gnesen 

VI. Die Stellungnahme der preußischen Regierung zur Bischofswahl 

(Bisraarck, Hörn, Arnim. Mühler, Frau von Mühler, die Königin 

Augusta, König Wilhelm L, die katholische Abteilung) 

VII. Die Verhandlungen zwischen Berlin und Rom bis zum 6. VI. 1865 

VIII. Die Verhandlungen zwischen Posen u. Rom bis zum 29. XL 186n 

IX. Der Kampf Horns für einen deutschen Erzbischof 

X. Die Einsetzung des neuen Erzbischofs 

A. Die Wahl in Gnesen am 16. Dezember 1865 

1. Die Vorbereitungen zur Wahl 

2. Der Wahlakt und seine Folgen 

3. Ledochowskis Wünsche nach Annahme der Wahl 

B. Die Präkonisierung am 8. Januar 1866 

C. Die plötzlich auftauchende Primasfrage 

D. Die Vereidigung in Berlin am 14. April 1866 

E. Die Inthronisation in Posen am 24. April 1866 

F. Die Amtsübernahme des neuen Erzbischofs 



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— VI — 



Anlagen. 



Seite 



Anlage 1. Schreiben des Papstes Pius IX. an Kaiser Alexander IL 

von Rußland vom 22. April 1863 154 

Anlage 2. Ansprache, gehalten von dem Bischof von Culm von der 
Marwitz an seine am 13. Juni 1864 in Berlin versammelten 
Geschlechtsverwandten ....... IGO 

Anlage 3. Wentzels Urteil über Ketteier vom 1. Dezember 1864 165 

Anlage 4. Balan über Ledochowski. 8.' März 1865 .... 170 

Anlage 5. Savignys Urteil über Ledochowski vom 30. März 1865 171 
Anlage 6. Promemoria des Kultusministeriums vom Februar 1866 . 173 
Anlage 7. Vereidigung des Erzbischofs Grafen Ledochowski im Kö- 
niglichen Palais zu Berlin vom 14. April 1866 . . . 183 
Anlage 8. Hirtenbrief des Grafen Ledochowski vom 24. April 1866 1.88 
/Vnlage 9. Erlaß des Erzbischofs Grafen Ledochowski an das General- 
konsistorium vom 18. Mai 1866 194 

Anlage 10. Zirkularschreiben des Erzbischofs Grafen Ledochowski an 

die Dekane vom 21. August 1866 . . . . .19« 

Anlage 11. Schreiben des Erzbischofs Grafen Ledochowski au den 

Kultusminister v. Mühler vom 3. April 1867 mit 3 Anlagen 199 
Anlage 12. Hörn und Ledochowski. Schlesische Zeitung- vom 

13. Oktober 1871 204 

Anlage 13. Allerhöchste Erlasse über Bildung und Aufhebung der 

Katholischen Abteilung im Kultusministerium . . 2(X> 



Quellens und Literaturverzeichnis, 

A. Akten. 

I. Des preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksauf- 
klärung. 

1. Akten des K M. Provinz Posen Abt. IV. Nr. 10. vol. I (abgekürzt 
K M. 1). 

2. Akten des K M. Provinz Posen Abt. IV. Nr. 10 vol. II (abgekürzt 
K M. 2). 

3. Akten des K M. Provinz Posen Abt. IV. Nr. 11 (abgekürzt K. M. 3). 

4. Akten des K. M. Zentral-Bureau. Adhibentum zu XV. Abt. Nr. 197, 
vol. VI (abgekürzt K M, 4), 

ö. Akten des K, M. Zentral-Bureau. Betr. die Abtheilung für die Katho- 
lisch-Kirchlichen Angelegenheiten im Ministerium der geistlichen pp. 
Angelegenheiten. Vom Dezember 1840. III. Abt. Nr. 22. Rep. (ab- 
gekürzt K M. 5). 

6. Akten des K M. G II. Posen IV 6 (abgekürzt K. M. 6). 

7. Akten des K M. G IL Posen IV. 2 II. (abgekürzt K. M. 7). 
II. Des preußischen Ministeriums des Innern. 

1. Akten des M. d. I. betreffend das Erzbistum von Gnesen-Posen und 
die Domkapitel zu Gnesen-Posen, beginnend 8. Mai 1839. Geh. Reg. 
I A Kirchensachen catholica Nr. 4 (abgekürzt M. d. I. 1). 

2. Akten des M. d. I. betreffend die Verhältnisse der Katholischen Kirche 
und deren Dissidenten in der Provinz Posen vom 6. XII. 1845 bis 
16. XII. 1887. Geh. Reg. I. A vol. 2. Kirchensachen catholica vol. 2. 
Nr. 22 (abgekürzt M. d. I. 2). 

III. Des preußischen Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten. 

1. Akten des A. A. betreffend das Erzbistum Gnesen und Posen vol. 
V. Januar 1864 bis März 1865 Rep. III. Gnesen Nr. 16 (abgekürzt 
A. A. 1). 

2. Akten des A. A. betreffend das Erzbistum Gnesen und Posen vol. VI. 
April 1865 bis Dezember 1865 Rep. III. Gnesen Nr. 16 (abgekürzt 
A. A. 2). 

IV. Des preußischen Staatsministeriums. 

1. Akten des St. M. Abt. P. Titel VII. 4b Nr. 2. Akten betreffend den 
Erzbischof, die Bistumsverweser und die Domkapitel der Erzdiözese 
Gnesen-Posen. Band I (1853—1915) (abgekürzt St. M.. 1). 

2. Akten des St. M. betreffend die Staats-Ministerial-Sitzungsprotokolle 
Band 77 von 1865. Abt. ß. Titel III. 2b Nr. 6 (abgekürzt St M. 2). 



— VIII — 

V. Des Königlich preußischen Zivilkabinetts. 

1. Akten des Z. K. betreffend die Angelegenheiten des Erzbistums und 
der Domkapitel zu Gnesen und Posen. 1865 — ^1890 vol. VI (abgekürzt 
Z. K. 1). Diese Akten befinden sich jetzt im geheimen Staatsarchiv 
unter der in Nr. VI. angegebenen Registrierung. 
VI. Des preußischen geheimen Staatsarchivs. 

1. Kirchensachen. Posen. Rep. 89 H. Abt. IX. Nr. 3. 

B. Familienpapiere. 

I. Familienpapiere der Familie von Hörn (abgekürzt F. P. v. H.). 

Diese Papiere befinden sich im Besitz des Oberlandesgerichtsrats a. D. 
von Hörn in Wernigerode, Fürsten weg 7. 
IL Familienpapiere der Familie von der Marwitz (abgekürzt F. P. v. d. M.). 
Im Besitz des Landrats a. D. v. d. Marwitz auf Rütznow bei Greifenberg 
in Pommern 

C. Literatur. 

/. Bücher. . 

a) Allgemeine Werke. 

1. Allgemeine deutsche Biographie, Leipzig 1875. 

2. Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog. Herausgegeben von 
Bettelheim, Verlag Reimer, Berlin. 

3. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Tübingen. 1909. 

4. Europäischer Geschichtskalender, herausgegeben von Schultheß. 

5. Gothaischer Hof-, Grafen-, Freiherrn- und Adelskalender. 

6. Kirchenlexikon von Kaulen, Wetzer und Weite. 

7. Moy und Vering, Archiv für Katholisches Kirchenrecht. 

8. Preußische Gesetzsammlung. 

9. Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Auflage. 

b) Spezielle Werke. 

1. Abeken, Heinrich, Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit. Berlin 1898. 

2. v. Arnim, Graf Harry, Pro Nihilo. Vorgeschichte des Arnimschen Pro- 
zesses. Zürich 1876. 

3. V. Arnim, Graf Harry (zunächst anonym erschienen) Der Nuntius 
kommt. 

4. Bernhard, Ludwig. Die Polenfrage. Leipzig 1920. 

5. Bernhard, Ludwig. Das polnische Gemeinwesen im preußischen Staat. 
Leipzig 1907. 

6. V. Bismarck, Fürst Otto. Gedanken und Erinnerungen sowie Anhang I. 
und IL dazu. Stuttgart 1898. 

7. V. Bismarck, Fürst Otto. Reden. Ausgabe von Kohl. 2. Auflage. 1903. 

8. V. Boguslawski, 85 Jahre preußischer Regierungspolitik in Posen und 
Westpreußen. 1815—1890. Berlin 1901. 

9. Brandenburger, Polnische Geschichte. Sammlung Göschen. 



— IX — 

10. Bro5ch, Geschichte des Kirchenstaats. Gotha 1880. 2 Bände. 

11. Brück, Geschichte der Katholischen Kirche im 19. Jahrhundert. 2. Auf- 
lage. Mainz 1901. 

12. Busch, Moritz, Unser Reichskanzler. Leipzig 1884. 

13. Busch, Moritz, Graf Bismarck und seine Leute. Leipzig 1884. 

14. Chudzinski, Anton, Die Polnische Frage in Preußen. Berlin 1891. 

15. Delhi ück, Hans, Die Polenfrage. Berlin 1894. 

16. V. Diest, Gustav, Aus dem Leben eines Glücklichen. Berlin 1904. 

17. Doelhnger, Das Papsttum. München 1892. 

18. V. Fehrentheil, Hans, Deutschlands Polenpolitik. Berlin-Leipzig 1907. 

19. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen. Leipzig 1874. 

20. Friedrich, Ignaz von Döllinger. München 1899. 

21. Fueter, Weltgeschichte 1815—1900. Zürich 1921. 

22. Genz, Die preußische Polenpolitik, Frankfurt 1907. 

23. Gillet, Pius IX. sa vie et son Pontificat. Paris 1877. 

24. Gladstone, Reden Pius IX. (deutsch). Nördlingen 1876. 

25. Goldscheider, Glanz und Verderb der polnischen Republik. Wien 1911. 

26. v. Goßler, Ansprachen und Reden des Kgl. Staatsministers pp. Gustav 
von Goßler. Berlin 1890. 

27. Grotefend, Die Gesetze und Verordnungen nebst den sonstigen Erlassen 
für' den preußischen Staat und das Deutsche Reich 1806 — ^1883. Dussel - 
dorf 1884. 

28. Guttry, Polen im Weltkriege. München 1915. 

29. Hahn, Ludwig, Geschichte des Kulturkämpfes :n Preußen. Berlin 1881. 

30. Hasse, Ernst, Deutsche Grenzpolitik. München, Lehmann, 1906. 

31. Hoensbroech, Graf, 14 Jahre Jesuit. Leipzig 1909. 

32. zu Hohenlohc -Schillingsfürst, Fürst Chlodwig, Denkwürdigkeiten. Stutt- 
gart 1914. 

■ 33. Jaenicke, Geschichte Polens. Berlin 1909. 

34. Kaindl, Polen. Aus Natur und Geisteswelt. 

35. V. Ketteier, Freiherr Wilhelm Emmanuel, Bischof von Mainz. Schriften 
von und über ihn siehe Seite 18, Anmerkung 67. 

36. V. Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck. Berlin 1901. 

37. Kietz, Ceterum censeo. Zur Einführung in die Polenfrage. Leipzig 1902. 

38. Kißlirg, Geschichte des Kulturkampfs. Freiburg 1911. 

39. V. Kleinsorgen. Karl, Die Kirchenpolitischen Gesetze Preußens und des 
Deutschen Reiches in ihrer gegenwärtigen Gestaltung. Berlin 1887. 

40. Koch. Friedrich, Bismarck über die Polen. Berlin 1913. 

41. V. Kozmian, Das Jahr 1863. Uebersetzt von Landau. Wien 1896. 

42. Krische, Die Provinz Posen. Staßfurt 1907. 

43. Krüger, Handbuch der Kirchengeschichte. Tübingen 1909. 

44. Lamprecht, Deutsche Geschichte der jüngsten Vergangenheit und Gegen- 
wart. Berlin 1912. 

45. Legge, Pius IX. London 1872. 

46. Loofs, Friedrich, Symbolik. 1902. 



— X — 

47. Majunke, Geschichte des Kulturkampfes in Preußen-Deulschlarid. 188S. 

48. V. Marylski, Geschichte der Judenfrage in Polen. Berlin 1913. 

49. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papstturis. ' 3. Auflage. 

50. Mitscherlich, Die Ausbreitung der Polen in Preußen. Leipzig 1913. 

51. Nielsen, Das Papsttum im 19. Jahrhundert. Gotha 1880. 

52. Pfülf, Bischof v. Ketteier. Mainz 1899. 3 Bände. 

53. Quirinus, Römische Briefe vom Konzil. München 1870. 

54. Raich, Briefe von und an W. E. Frhr. v. Ketteier. Mainz 1870. 

55. Rehbein und Reincke, Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten. 
Berlin 1882. 

56. V. Reile, Die Zukunft der Polen und ihre Politik in Rücksicht auf eine 
einstige Wiederherstellung des Königreichs. Berlin 1886. 

57. Reuchlin, Geschichte Italiens. 

58. V. Roon, Graf, Kriegsminister. Denkwürdigkeiten. 5. Auflage. 

59. V. Schlözer, Kurd, Römische Briefe. Stuttgart 1920. 9. Auflage. 

60. Schmidt, Dr. Erich, Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter 
polnischer Herrschaft. Bromberg. Fromm. 1904. 

61. V. Schubert, Grundzüge der Eärcliengeschichte. Tübingen 1921. 

62. V. Schulte, Der Altkatholizismus. Gießen 1887. 

63. V. Schulte, Geschichte des Kulturkampfes in Preußen. 

64. Steinhüber, Geschichte des Collegium Germanicum Hungaricum in Rom. 
Herder. 1895. 

65. Stepischnegg, Papst Pius IX. und seine Zeit. Wien 1870. 

66. V. Sybel, die Begründung des Deutschen Reichs. 3. Auflage der Volks- 
ausgabe. 

67. V. Tiedemann, Christoph, Aus 7 Jahrzehnten. Leipzig 1905. 

68. V. Treitschke, Heinrich, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 9. Auf- 
lage. 

69. V. Treitschke, Heinrich, Historische und politische Aufsätze. 8 Auflage. 

70. Wagner-Vosberg, Polenspiegel. Berlin 1908. 

71. Wäber, Alexander, Preußen und Polen. München 1907. 

72. Wegener, Leo, Der wirtschaftliche Kampf der Deutschen mit den Polen. 
Posen 1903. 

73. Wendt, Bismarck und die polnische Frage. Halle 1922. 

74. Wendel, Die preußische Polenpolitik in ihren Ursachen und Wirkungen. 
Berlin 1908. 

75. Wiermann, Geschichte des Kulturkampfes. 18S6. 

76. Wuessing, Geschichte des Deutschen Volkes vom Ausgang des 18. Jahr- 
hunderts bis zur Gegenwart. 1. — 5 Tausend. 

77. Ziegler, Die geistigen und sozialen Strönmngen des 19. Jahrhunderts. 
1. Auflage. 

78. Zivier, Polen. Perthes, 1917. 

79. Zuchardt, Der Kulturkampf und Bismarck. Halle 1912. 

80. Deutschlands Episkopat in Lebensbildern. Würzburg 1874. 

81. Die Ostmark. Aus Natur und Geisteswelt. 



— XI — 

//. Zeitschriften. 

1. Deutsche Revue. 1913. 

2. Deutscher Merkur. 1872 und 1877. 

3. Historische Zeitschrift. 125. Band. 3. Folge. 1921. 

4. Historisch-politische Blätter. 1865 und 1866. 

5. Hochland. In München von Professor Dr. Muht herausgegeben. 6. Jahr- 
gang. Heft 2. 

6. Im neuen Reich. 1879. 

7. Katholik. 1870. Band I. und 1877 Band II. 

8. Preußische Jahrbücher 1873. 

9. Zeitschrift für Politik. 1911. Band V. Heft 1 

Die nachstehend aufgeführten, auf das Thema hin durchgesehenen Zeit- 
schriften vervollständigen nur das allgemeine Bild der Lage, bieten aber für 
die spezielle Frage und die in der Arbeit vorkommenden ' Persönlichkeiten 
nichts. 

1. Grenzboten 1886. 1887. 1894. 1903. 1904. 1908. 

2. Historische Monatsblätter für die Provinz Posen I— XVIII. 1900—1917. 

3. Mitteilungen des westpreußischen Geschichtsvereins I — ^XVII. 1902 — ^1918. 

4. Mitteilungen und Jahresberichte des Copernikus-Vereins für Wissenschaft 
und Kunst, Thorn. 

ö. Ukrainische Rundschau 1907. Nr. 20 und 21. (Gesamtüberblick über die 
polnische Tagesliteratur.) 

6. Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen I — ^XXIX. 
1885—1915. 

7. Zeitschrift des historischen Vereins für den Regierungsbezirk Marien- 
werder II— LIV. 1877—1914. ■ 

8. Zeitschrift des westpreußischen Geschichtsvereins 1 — 58. 1880 — ^1918. 

9. Zeitschrift für Geschichte und Landeskunde der Provinz Posen I — III. 
1882—1884. (Nicht weiter erschienen.) 

///. Zeitungen. 

a) Deutsche Zeitungen. 

1. Frankfurter Postzeitung. 1865. 1866. 

2. Kölnische Volkszeitung. 1880. 1898. 1902. 

3. Kölnische Zeitung. 1865. 

4. Königlich preußischer Staatsanzeiger. 1866. 

5. Kreuzzeitung. 1863. 1864. 1865. 1866. 

6. Norddeutsche' Allgemeine Zeitung. 1864. 1865. 1866. 
V. Posener Zeitung. 1865. 1866. 

8. Schlesische Zeitung. 1871. 

b) Polnische Zeitungen. 

1. Czas. Krakau. 188 L 

2. Dziennik poznanski. 1866. 

3. Oredownik. 1.884. 

4. Pygodnik katolicki. 1861. 



— XII ^ 

IV. Stenographische Kmnmerberichte. 

1. Abgeordnetenhaus, Preußen. 1862. 1885. 1886. Berlin. Verlag Moeser. 

2. Konstituierende Versammlung für Preußen. 1848. Leipzig. Theodor 
Thomas. 



Abkürzungen. 



A. A. ') Preußisches Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. 

A. D. B. Allgemeine Deutsche Biographie. 

F. P. Familienpapiere. 

K. M. ^) Kultusministerium. (Preußisches Ministerium der Geistlichen, Un- 
terrichts- und Medizinalangelegenheiten, seit 1918 Ministerium für 
Wissenschaft, Kunst und Volksauf klärung.) 

M. d. I. ^) Preußisches Ministerium des Innern. 

R. G. G. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. 

St. M.^) Preußisches Staatsministerium. 

V. d. M. Familie v. d. Marwitz'). 

V. H. Familie v. Hörn *) . 

Z. K. ^) Königlich preußisches Geheimes Zivilkabinett. 



1) Wegen der Nummer dahinter siehe Seite VII und VIII. 

2) Besitzer der Familienpapiere siehe Seite VIII. 



I. Der Erzbischof von Gnesen und Posen 
Leo von Przyluski und sein Tod. 

Ueber den Kulturkampf in Preußen im 19. Jahrhundert ist auf 
beiden Seiten soviel geschrieben worden, daß uns diese an den 
Kampf zwischen Königtum und Papsttum im Mittelalter mahnen- 
den Jahre klar umrissen erkennbar sind. Dagegen liegt noch Dunkel 
über manchem der Vorpostenkämpfe zu diesem großen Ringen und 
über mancher von den Persönlichkeiten, die auf diesen Vorposten 
standen und die die ersten Zusammenstöße mit dem vermeintlichen 
Gegner, dem Staat, hatten. 

Derjenige von diesen Kirchenfürsten, der vom menschlichen 
Standpunkte aus vielleicht das größte Interesse für sich in An- 
spruch nehmen kann, ist Miecislaus Graf Ledochowski, Erzbischof 
von Gnesen und Posen. Er ist eine jener doppelt tragischen Persön- 
lichkeiten, weil er im Brennpunkt steht von zwei Problemen, von 
denen das eine nur mit Gewalt, das andere nie restlos zu lösen ist. 
Das erste ist die polnische Frage, das zweite die Frage der Ab- 
grenzung zwischen regnum und sacerdotium. 

Als der im Jahre 1862 zum Nachfolger des Oberpräsidenten 
V. Bonin zum Oberpräsidenten von Posen ernannte Carl v. Hörn 
am 24. Januar 1863 auf dem Bahnhof in Posen eintraf und hier 
von den Herren der Regierung empfangen wurde, erhielt er als 
ersten Willkommensgruß die Meldung, daß in Warschau ein Auf- 
stand ausgebrochen sei. Griff dieser Aufstand infolge einer Kon- 
zentrierung preußischer Truppen an der Grenze auch nicht auf deut- 
sches Gebiet über, so wurden doch auch in Posen die Gemüter nicht 
nur auf das Heftigste erregt, sondern, schnell entflammt und von 
heißem Nationalgefühl beseelt, wie der Pole ist, benutzten zahl- 
reiche junge Leute die Gelegenheit nach Russisch-Polen herüber zu 
gehen und dort in die Reihen ihrer um ihre Freiheit kämpfenden 
Brüder einzutreten. Die Seele des polnischen Aufstandes war der 
katholische Klerus. Auch für diese Zeit schon galt, was 20 Jahre 

1 



— 2 — 

später eine polnische Zeitung schrieb ') : daß es in Posen keinen 
Zweig nationaler Betätigung gäbe, an dem die polnischen Priester 
nicht ebenso lebhaften Anteil nähmen wie die weltlichen Bürger. 
Es würde sogar nicht nur manche nationale Arbeit ausschließlich 
vom Klerus besorgt, sondern es sei leider wahr, daß in manchen 
Gegenden die polnische Sache verloren sei, wenn nicht der Priester 
selbst Hand ans Werk lege. Dies habe einmal seinen Grund darin, 
daß der Diener des Altars beim Volke in Ansehen und Vertrauen 
stände, dann aber auch darin, daß er bei dem noch sehr schwach 
entwickelten Mittelstand dessen hauptsächlichster gebildeter Ver- 
treter sei. Den Deutschen sei das sehr wohl bekannt. Dem Klerus 
gelte daher fhre besondere Feindschaft. 

An der Spitze dieser Geistlichkeit stand seit fast 20 Jahren 
ein Mann, mit dem Hörn, wenn er seiner Aufgabe als Chef der 
preußischen Regierung gerecht werden wollte, unmöglich verhandeln 
konnte, der Erzbischof Leo v. Przyluski von Gnesen und Posen. 

Auf dem Gute seiner Eltern Strzeszynko in der Nähe von 
Posen im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts geboren, widmete 
sich der junge Przyluski, der ohne Vermögen war, dem geistlichen 
Stande. Nach Beendigung seiner theologischen Studien m Breslau 
zum Priester am 4. Juni 1814 geweiht, erhielt er zunächst das Ka- 
nonikat in Posen, wurde später Prälatdekan an der dortigen Kathe- 
dralkirche und trat 1832 zur Metropolitanprobstei in Gnesen über, 
mit der die reiche Probstei der Kreisstadt Schrimm verbunden war. 
Unter Dunin -) wurde er in das erzbischöfliche Konsistorium be- 
rufen, dem er zuletzt als Offizial vorstand. In dieser Stellung 
erwarb er sich die Gunst des damaligen Kronprinzen, späteren 
Königs Friedrich Wilhelm IV., der als Chef des H. Armee-Korps 
öfters nach Gnesen kam ^) . 

Nach fast dreijähriger Sedi.svakanz wurde Przyluski 1845 aus 
4 der Regierung genehmen Kandidaten zum Nachfolger Dunins ge- 

1) Aus einem „Was will der Fürst Bismarck.'"" überschriebenen Artikel 
der polnischen Zeitung Oredownik vom 6. Dezember 1884. 

2) Martin v. Dunin, am 10. 7. 1831 als Nachfolger des Erzbischofs Theo- 
phil V. Wolicki zum Erzbischof von Gnesen imd Polen gewählt, am 8. 10. 1839 
im Anschluß an den Kölner Bischofsstreit verhaftet, am 6. 8. 1840 als Erz- 
bischof wieder eingesetzt, am. 26 12. 1842 gestorben. 

3) KreuzzeiUmg 14. 3. 1865. Nachruf für Przyluski. 



— 3 — 

wählt, erhielt die päpstliche Präkonisation in Rom am 20. Januar 
1845 und verstand es bis zum Revolutionsjahre 1848 in gutem Ein- 
vernehmen mit der preußischen Regierung zu arbeiten. Dies Jahr 
stellte ihn vor Fragen, die zu lösen ihm Tatkraft und Charakter 
fehlten. So wurde er von Jahr zu Jahr mehr das bequeme Werk- 
zeug in der Hand nationalistischer oder ultramontaner Gruppen, die 
ihn für ihre Ziele nutzten. Dadurch, daß er sich im Jahre 1848 
an die Spitze des Komitees für die polnische Einrichtung der Pro- 
vinz Posen stellte, zerriß das Band des Vertrauens zwischen ihm 
und dem König. Und wenn er selbst auch schon bald diesen Schritt 
bereute, und ihm der König verzieh, so blieb doch ein Riß in dieser 
Freundschaft, der sich wohl zudecken aber nicht beseitigen ließ. 

Je älter der Erzbischof wurde, um so mehr zerrten die ver- 
schiedensten Kräfte an dieser kraftlosen Persönlichkeit. Der ur- 
sprünglich anspruchslose Geistliche wurde zu Ehrgeiz, auch auf 
politischem Gebiet angestachelt, er wurde von den Nationalisten um- 
schmeichelt und eitel gemacht *) . Und während er selbst immer 
mehr den Boden unter den Füßen verlor, handelten andere für ihn. 
Das aber machte ihn unsicher, es machte ihn alt und müde vor der 
Zeit, und noch mehr, es ließ in dem einst so milden und wohl- 
wollenden Kirchenfürsten eine Art Gehässigkeit entstehen, die 
seinem früheren Wesen ganz fremd war. 

Der Mann, der 1862 aus Rom zurückkehrte, war grundver- 
schieden, von dem Offizial, als den ihn Friedrich Wilhelm IV. ken- 
nen gelernt hatte. Als polnischer Kirchenfürst mit polnischem Ehr- 
geiz und polnischen Ansprüchen, dabei selbstgefällig und müde, 
regierungsfeindlich ^) und doch ohne Initiative, kein Führer und 
doch ein als Primas des Königreichs Polen sich Fühlender '') , so 



4) Der Kardinalstaatssekretär Antonelli spricht zu dem preußischen Ge- 
schäftsträger Kurt V. Schlözer von der „bekannten Eitelkeit des Erzbischofs'"'. 
Schlözer an Bismarck 26. August 1864. In Akten A.A. 1. 

5) Nach seiher Rückkehr aus Rom hielt er in Posen eine Rede mit be- 
leidigenden Aeußerungen gegen den preußischen Staat. Akten St. M 1. 

6) Am 22. Juli 1862 sagte Dr. Virchow im Abgeordnetenhause (Steno- 
graphische Berichte über die Verhandlungen der . . . beiden Häuser des Land- 
tags. Abgeordnetenhaus. ' II. Band vom 15. Juli bis 13. August 1862 Berlin. 
Verlag Moeser S. 732) : 

1* 



zog er nach seinem Besuch bei Pius IX. wieder in Posen ein> so 
fand ihn der Aufstand von 1863. 

War schon in den letzten Jahren sein Verhältnis zur preußi- 
schen Regierung stark getrübt gewesen, so mußte nunmehr sogar 
jeder persönliche Verkehr mit ihm aufgegeben werden. 

Diese Zustände waren auf die Dauer nicht haltbar. 



Die Koadjutorfrage. 

Der 18. Oktober 1863 war in der ganzen preußischen Mon- 
archie in Erinnerung an die vor 50 Jahren geschlagene Schlacht bei 
Leipzig festlich begangen worden. Auf Anordnung des Königs 
hatten an diesem Tage überall kirchliche Denkfeiern stattgefunden. 
Der Erzbischof v. Przyluski hatte diese Königliche Verordnung ab- 
gelehnt, so daß der Kultusminister v. Mühler sich zu einem schar- 
fen Erlaß an ihn veranlaßt sah. Seitdem hatte sich das Verhältnis 
zwischen Regierung und Erzbischof dadurch weiter verschärft, daß 
dieser sich geweigert hatte, den Domherrn Richter, einen geistig 
hochstehenden Mann im Posener Kapitel, zum Domdechanten zu 
befördern, weil er ein Deutscher sei, obgleich Przyluski in früherer 
Zeit die Befähigung Richters voll anerkannt hatte, und obgleich die 
Bulle „De salute animarum" den Satz enthielt, daß die Geistlichen 
„ex ecclesiasticis quibuscunque viris Regni Borussici incolis" ge- 
wählt werden könnten. Da das Sturmlaufen von Seiten der polni- 
schen Ultramontanen gegen Richter von Tag zu Tag schlimmer 
wurde, hielt es Mühler schließlch für geboten, dem unheilvollen 
Einfluß Przyluskis dadurch zu begegnen, daß ihm vom Papst ein 
Koadjutor bestellt und er selbst so allmählich ausgeschaltet wurde. 



,,Wir dürfen in keiner Weise, glaube ich, die religiöse Frage mit der 
politischen zusammenwerfen. Geschähe das, so würden wir in dieselben 
Schwierigkeiten gelangen, in welcher vorhin der Herr Abgeordnete für 
Beckum (Dr. Reichensperger) welcher in der Rede ja viel geschickter ist 
als ich, unwillkürlich hineingeriet, indem er, wie es scheint, denselben Irr- 
tum beging, welchen der Herr Erzbischof v. Przyluski eben vor kurzem in 
einer öffentlichen Rede begangen hat als er sich als den Primas dieses nicht- 
preußischen polnischen Reiches gerierte und von diesem Gesichtspunkte aus 
seine Mission nach Rom darstellte." 



— 5 — 

In einem ausführlichen Bericht an den Ministerpräsidenten ') faßte 
er daher Anfang 1864 alle Punkte zusammen, die ein Einschreiten 
gegen den Erzbischof von Seiten der Regierung zur Notwendigkeit 
machten*). Am Schluß dieses Berichts betont er, daß dem Projekt 
einer Koadjutorie näher getreten werden müsse. 

Bismarck trat der Auffassung Mühlers bei und wies den preu- 
ßischen Gesandten an der Kurie Willisen ') , an, mit dem Kardinal- 
staatssekretär Antonelli die ganze Angelegenheit zu besprechen. 
Willisen kam der Aufforderung Bismarcks mit großer Energie 
nach. Am 4. März berichtet er an Bismarck"), daß er Antonelli 
gesagt habe, der Erzbischof habe erklärt, nicht dem preußischen, 
sondern einem nicht existierenden polnischen Staate anzugehören. 
„In dieser Erklärung liege so viel Rebellion, wie ein Geistlicher, 
der nicht in die Straße hinabsteigen und die Pflastersteine auf- 
reißen kann, zu machen im Stande sei." Der Kardinal habe darauf- 
hin selbst von der Möglichkeit eines Koadjutors gesprochen, doch 
beständen zwei Schwierigkeiten. Einmal könne dies nach Kanoni- 
schem Recht nur geschehen, wenn der Erzbischof dies selbst bean- 
trage und zum andern hätte der Koadjutor nur Einwirkung auf 
Dinge, die der Erzbischof ihm übergäbe. Zuerst sei es daher nötig, 
daß die Preußische Regierung einen geeigneten Mann fände. 

Damit war nicht nur der erste Schritt zur Beseitigung der un- 



7) Mühler an Bismarck 3. 2. 1864 in Akten A.A. 1. 

8) Bezüglich der Gedenkfeier der Leipziger Schlacht heißt es in diesem 
Berichte u. a.: „In dem Schreiben, welches ich (Mühler) hierauf unterm 
14. 10. (1863) von ihm (Przylusky) empfangen und welches eine Ablehnung 
der Allerhöchst getroffenen Anordnung enthält, stellt sich der Erzbischof 
ganz auf den Standpunkt einer rein nationalen, von den Interessen des Staates, 
dem mit ihm selbst die seiner Leitung anvertrauten Diözesen angehören, ab- 
gelösten Bischofs und er darf sich nicht beklagen, wenn ein solches Handeln 
die Regierung veranlassen mußte, ihm in nachdrücklichster Weise zu er- 
kennen zu geben, daß damit das Vertrauen zu ihm und seiner Amtsverwaltung 
tief erschüttert worden sei. Es ist dies meinerseits nach vorheriger Beratung 
im Kgl. Staatsministerium und nach erteilter Zustimmung Sr. Majestät des 
Königs durch einen Erlaß an denselben vom 24. November pr. geschehen." 

9) Adolf Freiherr v. Willisen, geb. 11. August 1798, gest. 25. August 
1864 in Genzano, preußischer General der Kavallerie, Generaladjutant des 
Königs, war Preußischer Gesandter am Vatikan. 

10) Willisen an Bismarck 4. 3. 1864. In Akten A. A. 1 



— 6 — 

haltbaren Zustände in Posen getan, sondern dem Kultusministe- 
rium auch der Weg gewiesen, zu einer Sanierung zu gelangen. 

Während Bismarck, um sicher zum Ziele zu kommen, auch 
noch die Hülfe der Kaiserlichen Regierung erbat '^) , schlug Mühler 
vor"), daß ihm der 4. Juni 1864, an welchem Przyluski sein 
50 jähriges Priester Jubiläum feiere, als der geeignete Tag erscheine, 
ihm einen Koadjutor, allerdings dann gleich cum. jure succedendi 
zu bestellen. Aus den Erzdiözesen Gnesen und Posen selbst käme 
ein Nachfolger kaum in Frage, da sich die Kurie mit Richter nie 
einverstanden erklären würde und der Kulmer Bischof v. d. Mar- 
witz zu bejahrt sei. ,,Auch sei dieser immer sehr staatlich loyal 
gewesen, sodaß er den Polen gegenüber schon jetzt einen schweren 
Stand habe." Auch in Schlesien wisse er ni^emand. Er mache da- 
her auf den Erzbischof i. p. Prinzen Gustav, zu Hohenlohe und den 
Ehrendomherrn Franz v. Krecki aufmerksam. Ersterer sei der pol- 
nischen Sprache allerdings wohl kaum mächtig, aber doch ein Bru- 
der des Herzogs von Ratibor, und des letzteren politische Gesin- 
nung scheine ihm gleichfalls verbürgt. 

In keinem Schreiben Mühlers kennzeichnet sich seine T^olitik 
so wie in dem eben Angeführten. Sie verurteilte, sich selber zu 
Mißerfolg und Tod. Ein Kultusminister, der als Debet bei einem 
Geistlichen Bejahrtheit und .staatliche Loyalität nebeneinander 
bucht, konnte nicht erwarten, die Verhältnisse in einer Provinz zu 
sanieren, in der es, wie die Dinge nun einmal lagen, ohne Kampf 
nicht abgehen konnte. Auch Hohenlohe hätte, wenn seine Er- 
nennung durchzusetzen gewesen wäre, zwischen staatlicher Loyalität 
und Bekenntnis zum Polentum wählen müssen, da es in diesen Fra- 
gen einen Mittelweg schlechterdings nicht gibt. 

Krecki war in Folge der Einfachheit seines Wesens über die 
Grenzen seines engeren Wirkungskreises hinaus wenig, in Rom 
garnicht bekannt^")- Im Jahre 1811 geboren entstammte er einer 



11) Er hatte den preußischen Botschafter in Wien, Frhr. v. Werther, 
angewiesen, den Grafen Rechberg zu bitten, daß das Kaiserliche Kabinett sich 
zu Gunsten einer derartigen Regulierung bei dem päpstlichen Stuhle ver- 
wenden möge, was der österreichische Minister auch zugesagt hatte. Werther 
an Bismarck 7. 4. 1864 iii Akten A. A. 1. 

12) Mühler an Bismarck 11. 4. 1864. In Akten A.A. 1. 

13) Arnim v. Bismarck. 14. April 1865. Akten A.A. 2. 



— 7 — 

ermländischen alten Adelsfamilie und beherrschte die deutsche wie 
die polnische Sprache in g-leicher Weise. Im Jahre 1864 war er 
Pfarrer zu Altmark, Kreis Stuhm, Regierungsbezirk Marienwerder, 
zugleich Dekan und Ermländischer Ehren-Domherr. Das Jahr zu- 
^tDr war er in das Kulmer Domkapitel eingetreten. 

Polnischer Propaganda war er von der Kanzel herab entgegen- 
getreten, sodaß seine politische Gesinnung verbürgt schien. Er galt 
als grader schlichter Mann von Charakter und Festigkeit des. Wil- 
lens, war aber wissenschaftlich nicht über das Normalmaß hinaus 
veranlagt ^*) . 

Der zweite Kandidat Mühlers, wenn auch ganz anderen Krei- 
sen entstammend, war in vieler Hinsicht dem ersteren wesensver- 
wandt. 

Prinz Gustav zu Hohenlohe war geboren am 26. Februar 1823 
zu Rotenburg a. d. Fulda als Sohn des Fürsten Franz Josef zu 
Plohenlohe-Schillingsfürst, Prinzen von Ratibor und Corvey 
(1787 — 1841) und der Prinzessin Constantia zu Hohenlohe-Langen- 
burg (1792—1847). 

Nachdem er sich zunächst dem juristischen Studium ge- 
widmet, und die Semesterferien zu ausgedehnten Reisen mit seinem 
älteren Bruder Chlodwig ^^) benutzt hatte ^^) , trat er später zur 
Theologie über und studierte hier zunächst in Breslau, dann in 
München, wo er Döllinger hörte und zuletzt in der Accademia dei 
Nobili in Rom ^''). Nachdem er 1849 in Gaeta zum Pries^r geweiht 
war, ernannte ihn Pius IX. zürn Großalmosenier, später zum tit. 
Bischof von Edessa und am 22. Juni 1866 zum Kardinal. 



14) Mühler an ßismarck. 14. April 1864. Akten A. A. 1 

15) Dem späteren deutschen Reichskanzler. 

16) Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillings- 
fürst, Stuttgart 1914, Band 1, S. 21 u. 23. 

17) Vom Winter 1846/47 ab. Sein Bruder Chlodwig schreibt darüber 
am 1. Juli 1846 an seine Schwester Prinzessin Amalie, daß die Mutter wegen 
des Studiums in Rom keine Sorgen zu hegen brauche. Der Aufenthalt in 
Rom würde Gustav nicht zu einem Jesuiten machen, wie sie befürchtete, son- 
dern zu einem klaren und festen kathoHschen Geistlichen, wie es Diepenbrock 
und Schwarzenberg, die auch in Rom waren, gleichfalls geworden wären. 
Denkwürdigkeiten a. a. O. I 33. 



— 8 — 

Nicht übermäßig begabt ^^) , war er mehr Aesthet und Kunst- 
liebhaber, hat aber an einem sein ganzes Leben lang festgehalten, 
an der Treue zu seinem deutschen Vaterlande. Und wenn Antonelli 
einmal zu Willisen von ihm sagt^'^), ,,daß der Charakter des Prin- 
zen so wenig fest begründet sei, daß es möglich wäre, wir hätten 
an ihm in einiger. Zeit einen eifrigeren Polen als Przyluski", so hat 
Hohenlohe durch alle Stadien seines Lebens hindurch bewiesen, daß 
ihn gerade dieser Vorwurf nicht traf. Immerhin entzog ihm aber 
sein Festhalten an seinem Deutschtum und daneben seine Hand in 
Hand damitgehende Gegnerschaft der Jesuiten in Rom allmählich 
das Vertrauen der höchsten kirchlichen Stellen, umsomehr als in 
den 60er Jahren und gar erst nach der Unfehlbarkeitserklärung die 
Jesuiten an der Kurie die erste Rolle spielten. Am ]5. 9. 1869 
schreibt er darüber an seinen Bruder Chlodwig ^°) : „Man hat mich 
soviel als möglich isoliert. Um nur ein Beispiel anzuführen, halten 
Reisach und der Rektor der hiesigen deutschen Anstalt (Anima) 
Monsignore Gaßner u. a. jeden Deutschen ab, mich zu besuchen, 
und dann das fortwährende Hetzen beim Heiligen Vater, sodaß 
er in fortwährender Aufregung gegen mich ist.". Dies war der 
Grund, weshalb sich Hohenlohe am 22. 9. 1870^^) völlig aus Rom 
zurückzog und bis 1876 in seiner Heimat, in Schillingsfürst gelebt 
hat^^). In diese Zeit fällt, am 25. 4. 1872 seine beabsichtigte Er- 
nennung zum deutschen Botschafter am Vatikan, die jedoch von 



18) Auf einen Bericht Willisens an Bismarck vom 27. Juni 1864 (Akten 
A.A. 1) schreibt der Unterstaatssekretär v. Thile an' den Rand: daß Hohen- 
lohe der geeignete Mann sei, scheint mir nach jahrelangem freundlichen Ver- 
kehr mit Prinz H. doch sehr zweifelhaft. Er ist ein wahrhaft frommer, aber 
beschränkter Mann. 

19) Willisen an Bismarck 21. Juli 1864. In Akten A.A. 1. 

20) Denkwürdigkeiten a. a. O. I 393. 

21) Zu der Sitztmg am 18. Juli 1870. in der die Unfehlbarkeit erklärt 
wurde, war er nicht gegangen. Wäre er dort gewesen, so würde er mit „non 
placet" gestimmt haben. Brief an seinen Bruder Chlodwig vom 18. Juli 1870. 
Denkwürdigkeiten a. a. O. II. 10 f. 

22) In der Reichstagssitzung vom 14. Mai 1872 wurde er von Windhorst 
heftig angegriffen, weil er den Papst zwei Tage nach der Einnahme Roms 
durch die Italiener verlassen hätte. Fürst Chlodwig erklärte darauf, daß er 
mit voller Zustimmung des Heiligen Vaters von Rom weggegangen sei. Denk- 
würdigkeiten a. a. O. II. 80. 



— 9 — 

jesuitischer Seite hintertrieben wurde ^), sodaß der Papst ihr seine 
Genehmigung versagte^*). 

Auf das Bistum Albano, zu dessen Bischof er erhoben worden 
war, verzichtete er 1884 freiwillig ^°) und lebte von da ab meist in 
der Villa d'Este in Tivoli, wo er viele Gelehrte und Künstler um 
sich sammelte. Er starb am 30. Oktober 1896 in Rom. 

Beide Kandidaten boten somit, wenn auch ihre Begabung nicht 
über das Durchschnittsmaß hinausging, doch genügende Sicherheit, 
daß sie als Erzbischof die Rechte des Staates in gleicher Weise 
fördern würden wie die ihrer Kirche. Der Vorschlag Mühlers war 
daher durchaus annehmbar. 

In einem weiteren Bericht -°) behandelt der Kultusminister 
dann eingehend die rechtliche .Seite der Koadjutor frage. Er ver- 
tritt den Standpunkt, daß sowohl nach dem Tridentinum (Concilium 
Tridentinum Cap. VII de reform. Sessio XXV) wie nach geltendem 
Recht dem Papst das Recht zustehe, einen Koadjutor cum jure 
succedendi zu ernennen. Das Wichtigste sei — und damit trifft 
Mühler den Kernpunkt der ganzen Erage — das cum jure succe- 
dendi, da man auf diese Weise die Kapitel ausschalte. 

Währenddem schien in Rom zunächst alles über Erwarten 
günstig zu gehen. Als Antonelli dem Papst den Fall Przyluski vor- 
trug,, äußerte dieser ^^), daß es zur Behebung der Schwierigkeiten 
ja noch ein anderes und zwar radikaleres Mittel gäbe, nämlich die 
Ernennung Przyluskis zum Kardinal und seine Berufung nach Rom. 
Allerdings würde dies gewisse Kosten verursachen. Antonelli 
hatte in seiner Unterredung mit Willisen die Frage durchblicken 
lassen, ob die Preußische Regierung gegebenenfalls diese Kosten zu 
tragen gewillt sein würde und nebenbei bemerkt, daß ein Kardinal 
4000 Scudi im Jahr bezöge. 

Der König war mit dieser Regelung einverstanden, und Bis- 



23) Harry v. Arnim. Der Nuntius kommt. S. 28. 

24) Denkwürdigkeiten a. a. O. II. 78. 

2ö) Besonders erregt war man im ultramontanen Lager über den Kar- 
dinal, als dieser im Oktober 1883 seinen alten Lehrer Döllinger in München 
besuchte. Denkwürdigkeiten a. a. O. II. 341. 

26) Mühler an Bismarck 6. 5. 1864. In Akten A. A. 1. 

27) Willisen an Bismarck 11. 6. 1864. In Akten A. A. 1. 



— 10 — 

marck bat nun Mühler -'^), ihm positive Vorschlage über die als 
Nachfolger ins Auge zu fassenden Persönlichkeiten zu machen. Der 
Kultusminister hatte inzwischen in dem Weihbischof Jeschke m 
Pelplin -^) noch einen weiteren Kandidaten ausfindig gemacht^"). 
Ferner teilte er mit^\), daß die Bezahlung der 6000 Thaler aus zur 
Verfügung stehenden Fonds keine Schwierigkeiten machen würden. 
Inzwischen hatte sich Mühler auf Grund einer persönlichen 
Begegnung mit Marwitz ^-) davon überzeugt, daß dieser doch der 
geeignete Mann für Posen sei. -Jch halte ihn für ausgezeichnet'"', 
schreibt er an Bismarck ^^) und schlägt nunmehr als Kandidaten 
1. Marwitz, 2. Krecki und 3. Jeschke vor**). Allerdings sei Mar- 
witz schon 69 Jahre alt, so daß er wohl kaum den I'osten würde 
annehmen wollen und schließlich auch mit seinem Ableben in ab- 
sehbarer Zeit und dann mit einer abermaligen Vakanz zu rechnen 
sei. Bei der ganzen alt-preußisch-vaterländischen Einstellung des 



28) Bismarck an Mühler 26. 5. .1864. In Akten A. A. 1. 

29) Georg Jeschke wurde tim 1810 geboren, entstammte der untersten 
Schicht des Volkes und widmete sich nach Absolvierung seiner Schulbildung 
dem geistlichen Stande. In Westpreußen inmitten einer zum Teil polnisch 
sprechenden Bevölkerung aufgewachsen, beherrschte er die polnische Sprache 
wie seine Muttersprache. 

Im Jahre 1849 wurde er zum wirklichen Domherrn des Culmer Kapitels 
ernannt. Längere Zeit nahm er als Geistlicher Rat sowie als Generalvikar an 
aer Verwaltimg der Diözese Culm teil und hat hiei-bei in hohem Ma&e Um- 
sicht und Geschick bewiesen. Am 19. Juni 1856 wurde ihm die weihbischöf- 
iiche Würde mit dem Titel von Dio Caesarea in partibus verliehen. 

Wenn er auch die gesellschaftlichen Formen nicht m besonderem Grade 
beherrschte, so war er doch nicht imgeschickt in seiner Haltung. Seine Be- 
sonnenheit imd seine Umsicht ließen ihn die Stelle, die er bekleidete, voll aus- 
füllen. (Mühler an Bismarck 20. 6. 1864. Akten A. A. 1.) 

30) Mühler an Bism.arck 20. 6. 1864. In Akten A. A. 1. 

31) Mühler an Bismarck 29. 6. 1864. In Akten A. A. 1. 

32) Offenbar anläßlich der Anwesenheit des Culmer Bischofs zum Fa- 
milientage in Berlin am 13. Juni 1864. Siehe Anlage 2. 

33) Mühler an Bismarck 30. 6. 1864. An Akten A. A. 1 

34) Daß Hohenlohe nicht miterwähnt wird, liegt daran, daß Willisen 
dessen Namen dem Kardinal Antonelli gegenüber noch nicht zur Sprache ge- 
bracht hatte, da er ihn erst einmal persönlich .kennen lernen und sich ein Ur- 
teil über ihn bilden wollte. Dies geschah Ende Jtmi. Willisen hatte 
nach der Unterredung mit Hohenlohe keine Bedenken gegen ihn gehabt. Wil- 
lisen an Bismarck 27. 6. 1864. In Akten A. A. 1. 



— 11 — 

Bischofs würde dieser aber wohl doch zu bewegen sein, dem Ruf 
Folge zu leisten, wenn der König persönlich diesen Dienst in vater- 
ländischem Interesse von ihm fordere. Da Marwitz von hier nach 
Gastein reise, ließe sich dort eine Zusammenkunft mit dem Könige 
ermöglichen. Der König war mit dieser Regelung einverstanden^^'). 
Man schien dicht am Ziel zu sein. 

Marwitz entstammte dem neumärkischen Uradel. Die Nach- 
kommen seiner drei Brüder sind die einzigen katholischen Mit- 
glieder des weitverzweigten Geschlechts^"). Er war als Sohn des 
Alexander v. d. Marwitz, Herrn auf Tuchlin (1747^-1810) und der 
Marianne v. Wysocki (1763—1844) am- 20. April 1795 geboren. 
Nachdem er die Befreiungskriege als freiwilliger Jäger mitgemacht 
und sich schließlich das Leutnantspatent erworben hatte, widmete 
er sich dem geistlichen Beruf, wurde erst. Probst von Tuchel, später 
Domherr und Doradechant von Pelplin und 1857 Bischof von Culm. 
Als solcher starb er im Alter, von 91 Jahren am 29. März 1886 ^'). 

Im Gegensatz zu dem Erzbischof v. Przyluski hat es Marwitz 
stets verstanden, die Treue zur Kirche mit der Treue zum Staat zu 
verbinden. Während ersterer dem Staat hartnäckigen Widerstand 
entgegensetzte, war das von Marwitz im Jahre 1861 in loyalem 
Sinne an seine Diözese erlassene. Ausschreiben „von den besten Er- 
folgen begleitet", trotzdem der Erzbischof sich öffentlich gegen 
dieses Ausschreiben erhob ^^). Marwitz handelte hier genau in dem 
gleichen Geiste wie sein Vorgänger, der Bischof Anastasius Sedlag 
von Culm (1786 — 1856), der ebenfalls „nicht nur ein würdiges Bei- 
spiel aufrichtiger preußischer Untertanentreue" w-ar, sondern auch 
„durch seine Haltung deren volle Vereinbarung mit der Pflicht des 
katholischen Priesters in nationalen Fragen" bewiesen hatte ^^) . 

Allerdings ergingen gegen Marwitz wegen seiner regierungs- 



35) Bismarck an Mühler 6. 7. 1864. In Akten A. A. 1. 

36) Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradligen Häuser 1919. 
S. 492. 

37) Nach F. P. v. d. M. 

.38) Promemoria des Kultusministeriums. S. Anlage 6. 

39) „Die Stellung des Culmer Bischofs Sedlag zum polnischen Aufstand 
von 1846" von Univ.-Professor Dr. Manfred Laubert-Breslau. Erschienen in 
der Schlesischen Volkszeitung, Breslau den 4. August 1921. Nr. 372, dritter 
Bogen. 



— 12 — 

freundlichen Haltung mehrfache lebensgefährliche Drohungen i'on 
polnischer Seite*"), die ihn aber an seinem einmal eingeschlagenen 
Wege nicht irre machten ") . 

Seine ganze Wesenart kommt am klarsten zum Ausdruck in 
der Ansprache, die er 1864 auf dem Marwitz'schen Familientage 
als Senior der Familie hielt*-). 

Wenn die Berliner Regierung in diesem Kirchenfürsten den 
geeigneten Mann gefunden und damit alle Schwierigkeiten aus dem 
Wege geräumt zu haben glaubte, so sah sie sich bald in dieser Hoff- 
nung getäuscht. Denn jeder neue Bericht von Willisen rückte das 
Ziel, das man fast erreicht glaubte, in immer neue Feme. 

Hatte der Papst sich in seiner Lebhaftigkeit im ersten Augen- 
blick schnell für den Gedanken erwärmt, den Erzbischof als Kar- 
dinal nach Rom zu ziehen, und so allen Unannehmlichkeiten aus 
dem Wege zu gehen, so kamen ihm bei näherer Betrachtung doch 
Bedenken *^.) Zunächst mußte festgestellt werden, ob überhaupt 
noch eine Kardinalstelle vakant sei. Dann aber schien der Papst 
doch darüber in Sorge, welchen Eindruck es auf das Kardinal- 
Kollegium machen müsse, wenn bekannt würde, daß eine Erhebung 
zum Kardinal gleichsam eine Strafe bedeute. Zudem könnte für 
andere Mächte auch ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen 
werden, da womöglich auch sie fordern könnten, auf diese Weise 
von unliebsamen Geistlichen befreit zu werden. Und schließlich 
könne Przyluski selbst, wenn er erkenne, worauf es abgesehen sei. 



40) Mühler an Bismarck 4. 4. 1864. In den Akten A. A. 1. 

41) Anders äußert sich Gustav v. Diest (Aus dem Leben eines Glück- 
lichen, Berlin 1904 S. 392) über Marwitz. Als er im Jahre 1869 als Regie- 
rungspräsident nach Danzig versetzt wurde und kurz darauf bei dem Bischof 
V. d. Marwitz in Pelplin Besuch machte,- hat er das Empfinden, daß „der schon 
recht alte Bischof Marwitz ganz unter dem Einfluß seiner polnischen anti- 
deutsch gesinnten Geistlichkeit und der Hauptführer des Polentums" stände. 
Er fügt aber hinzu: „Ich ersuchte den Bischof dringend, den geschädigten 
Interessen der deutschen Katholiken wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen, 
und hatte die Hoffnung, daß mir meine Bitten erfüllt werden würden, weil 
mir der Bischof Marwitz als früherer Husaren-Offizier und besonders als 
guter preußischer Patriot geschildert worden war." 

42) Siehe Anlage 2. 

43) Telegramm von Willisen an Bismarck vom 22. 7.. 1864 und ausführ- 
licher Bericht vom 21. 7. 1864. Beide in Akten A. A. 1. 



— 13 — 

möglicherweise das Anerbieten zurückweisen und den Papst da- 
durch in eine unangenehme Lage versetzen. 

Da veranlaßte, wie alljährlich, die sommerliche Hitze den 
Papst, Ende Juli Rom zu verlassen und seinen Landaufenthalt im 
Castello Gandolfo zu nehmen. Hier war der Verkehr ungezwun- 
gener und die Möglichkeit persönlicher Audienzen schnell und leicht 
gegeben. Das benutzte auch Willisen, um am 28. Juli sich un- 
mittelbar mit dem Papst über diese Angelegenheit auszusprechen **). 
Pius IX. deutete in dieser Audienz an, daß er sich augenblicklich 
mit einem Mittel beschäftige, das den Erzbischof, wenn auch auf 
ehrenvolle Weise, von seiner Stelle entfernen solle. Damit schien 
der Papst selbst nun doch für diesen Gedanken gewonnen, sodaß 
Antonelli die Angelegenheit für gesichert hielt und nunmehr an 
Przyluski zu schreiben zusagte. 10 Tage später hatte der Papst 
eeine endgültige Zustimmung gegeben und Antonelli beauftragt, 
das Schreiben nach Posen aufzusetzen *') . 

Allzulange konnte auch die Preußische Regierung die „schreien- 
den und nicht länger zu ertragenden Uebelstände in Posen" *°) 
kaum noch mit ansehen. Plorn sowohl wie Mühler drängten zur 
Eile. Letzterer war sogar, da der König und Marwitz sich in 
Gastein nicht mehr getroffen hatten, entschlossen, nunmehr selbst 
nach Westpreußen zu fahren. Er beabsichtigte, eine Besichtigungs- 
lei se in die dortige Gegend vorzunehmen und auf dieser sowohl 
2\d!arwitz zu besuchen, wie auch Krecki kennen zu lernen. Bezüg- 
lich der Verhandlungen mit Marwitz glaubte er allerdings noch 
eines besonderen persönlichen Königlichen Handschreibens zu be- 
dürfen, ohne das es ihm nicht glücken werde, den Bischof zur An- 
nahme zu überreden*^). Ein derartiges Schreiben hielt Bismarck 
jedoch nicht für angängig, da dadurch die dringend notwendige 
strikte Geheimhaltung der ganzen Angelegenheit gefährdet werden 
könnte *^) . 

Alle Vorbereitungen für die Entfernung Przyluskis aus Posen 



44) Willisen an Bismarck 29. 7. 1864. In Akten A. A. 1. 
45). Willisen an Bismarck 9. 8. 1864. In Akten A. A. 1. 

46) Mühler an Bismarck 9. 8. 1864. In Akten A. A. 1. 

47) Mühler an Bismarck 12. 8. 1864. In Akten A. A. 1. 

48) Bismarck an Mühler 25. 8. 1864. In Akten A. A. 1. 



— 14 — 

waren somit getroffen. Da trat plötzlich ein Ereignis ein, das die 
Angelegenheit ins Stocken zu bringen drohte: Am Morgen ' des 
25. August 1864 starb unerwartet der Preußische Gesandte General 
V. Willisen auf seinem Landsitz Genzano bei Albano**). 

Trotz des Todes des energischen und geschickten Willisen 
schien die Angelegenheit noch zunächst einen günstigen Fortgang 
zu nehmen. Am 26. August las Antonelli dem Preußischen Ge- 
schäftsträger Kurt V. Schlözer das Schreiben vor, das er an Przy- 
luski aufgesetzt hatte. „Es heißt in dem lateinisch abgefaßten 
Schreiben, daß die bedenkliche Tage der Katholischen Kirche in 
Polen es dem Papste immer wünschenswerter mache, jemanden in 
seiner Umgebung zu haben, der hinlänglich Erfahrung, Urteil und 
Sachkenntnis besäße, um ihm fortan bei der Leitung und Behand- 
lung jener Verhältnisse mit seinem Rate zur Seite zu stehen; das 
Augenmerk des Papstes sei auf ihn (den Erzbischof) gefallen und 
seine Heiligkeit beabsichtige daher, ihn von seiner bisherigen Stel- 
lung zu entbinden und ihn in das Kardinalkollegium zu berufen, 
damit er in Zukunft seinen Wohnsitz in Eom aufschlage und von 
hier aus für das Wohl der polnischen Kirche wirken könne" °^) . 

Wenn man aber in Berlin glaubte, daß man nun bald am Ziele 
wäre, so irrte man sich. Das Schreiben nach Posen war zwar ent- 
worfen, seine Absendung unterblieb aber zunächst, angeblich aus 
dem Grunde, weil man erst die Antwort von Przyluski auf den im 
Frühjahr an ihn gerichteten Erlaß abwarten wollte, in dem er zu 
einer Rechtfertigung wegen der polnischen Verhältnisse aufgefor- 
dert war °^). 

Lizwischen war zum Nachfolger Willisens Harry v. Arnim ^") 
zum Gesandten an der Kurie ernannt worden, der im Oktober in 
Rom eintraf. So vergingen abermals Monate, ohne daß die An- 
gelegenheit weiter gefördert wurde. Selbst eine Drohung Bis- 
marcks ■''') fruchtete nichts. Rom hatte keine Eile. Rom hatte 
nie Eile. 



49) Telegramm Schlözers an Bismarck 25. 8. 1864. In Akten A. A. 1. 

50) Schlözer an Bismarck 26. August 1864. In Akten A. A. 1. 

51) Schlözer an Bismarck 11. September 1864. In Akten A. A. 1. 

52) Preußischer Graf nach dem Recht der Erstgeburt seit 28. Juli 1870. 

53) Am 8. November 1864 schrieb er an Arnim (i. Akt. A. A. 1) : Falls 
die Entfernung Przyluskis nicht bald erfolge, sollte er Antonelli sagen, „ist 



— 15 — ' 

Endlich nach einem halben Jahr war die umfangreiche Recht- 
fertigungsschrift Przyluskis in Rom eingetroffen. Aber auch jetzt 
noch antwortete Antonelli auf Schlözers Frage, ob das Schreiben 
nach Posen nun abgehen könne, ausweichend; er wolle zunächst 
Arnims Rückkehr abwarten ^*). Erst am 23. Dezember 1864 konnte 
Arnim an Bismarck telegraphieren, daß Antonelli ihm einen neuen 
Brief an Przyluski vorgelesen habe und daß dieser nunmehr ab- 
ginge ^'^'). Dieses Schreiben ist nicht mehr eine Anfrage, wie das 
erste, ob der Erzbischof zur Annahme der neuen Würde bereit sei, 
sondern eine Anzeige, daß der Papst beschlossen habe, ihn zum 
Kardinal zu machen und nach Rom zu ziehen. Der Brief schließt 
mit einer Gratulation zu der neuen Würde. 

Während dieser Zeit war man in Berlin in der Kandidaten- 
frage nur wenig weiter gekommen. Neben Posen war auch Köln 
und Trier neu zu besetzen. Atich hier boten sich Schwierigkeiten. 
Hohenlohe wollte man in Rom nicht zum Erzbischof ^^) . Dem 
Papste war Peldram für Trier und Ketteier für Köln der ange- 
nehmste^'^). Während Bismarck mit der ersten Besetzung auch 
einverstanden war, hielt er Ketteier wegen des Widerstrebens der 
Mehrheit der Geistlichkeit als Erzbischof von Köln für unmöglich. 
Dagegen schien ihm Ketteier für Posen in Frage zu kommen •'*) 
und er forderte Arnim auf, dies mit Antonelli zu besprechen •■■") . 



riie Königliche Regierung genötigt und entschlossen, den nicht mehr erträg- 
liche-n Uebelständen tatsächliche Abhülfe zu schaffen. Je mehr sie geneigt ist 
— und dies durch die Tat bewiesen hat — der katholischen Kirche in kirch- 
hchen Dingen voll? Freiheit zu gewähren, um so weniger kann sie dulden, daß 
dieselbe zum Deckmantel revolutionärer Agitation gemacht werde." 

54) Schlözer an Bismarck 6. 12. 1864. In Akten A. A. 1. 

55) Arnim an Bismarck Telegramm vom 23. 12. 1864. Akten A. A. 1. 

56) Arnim an Bismarck Telegramm vom 12. 12. 1864 und Schreiben 
vom 17. 12. 1864. A. A. 1. 

57) Arnim an Bismarck 17. 12. 1864. Ebenda. 

58) Auch Mühler erbat sich nun von Bismarck Nachricht über Kettelers 
persönliches und politisches Verhalten, besonders der Hessischen Regierung 
gegenüber, (Mühler an Bismarck 16. 31. 1864. Akt. A. A. 1), woraufhin 
sich Bismarck an den Vertreter Preußens in Frankfurt, Otto v. Wentzel 
wandte (dessen Antwort s. Anlage 3). 

59) Bismarck an Arnim 21. 12. 1864. Akten A. A. 1. 



— 16 — 

Dieser erklärte sich gleichfalls mit einer Kandidatur Kettelers für 
Posen einverstanden, betonte nur Arnim gegenüber, daß er sich 
nicht denken könne, wie man es anfangen solle, dessen Wahl durch- 
zusetzen ^°) . Schon dieser Ausdruck einer Wahl wirkt befremdend, 
da ja nach den ganzen voraufgegangenen Besprechungen mit Willi- 
sen eine Wahl der Kapitel gerade dadurch vermieden werden sollte, 
daß der Papst von sich aus einen Koadjutor cum Jure succedendi 
ernannte. 

So ging das Jahr zu Ende, ohne daß man in der Posener An- 
gelegenheit wesentlich weiter gekommen war. Wenn auch die Ab- 
berufung Przyluskis in absehbarer Zeit zu erwarten stand, so hatte 
man sich doch in Berlin nicht entschließen können, sich auf einen 
Kandidaten zu einigen, sondern hatte deren fünf ''^). Wie aber zwei 
Gründe immer weniger stichhaltig sind, als ein Grund, so war auch 
die Position einer Regierung, die fünf Kandidaten ins Feld führte, 
immer schwächer, als wenn sie einen Bestimmten mit Entschieden- 
heit gefordert hätte. Nach der ganzen Lage der Dinge war die 
Regierung der Kurie gegenüber in einer so ausnahmsweise gün- 
stigen Stellung, daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel er- 
reichen konnte, wenn sie es klar und eindeutig anstrebte. Hierzu 
aber war der Kultusminister v. Mühler nicht der Mann. Seiner 
ganzen vermittelnden Art, die nach keiner Seite anstoßen wollte, 
lag jede Konzentration der Kräfte fern, wie sie Vorbedingung ist 
für einen jeden Sieg, gleichgültig ob auf dem Schlachtfelde oder 
in der politischen Arena. 

Auch im Januar war aus Posen noch keine Antwort ein- 
gegangen; dagegen erklärte Antonelli dem preußischen Gesandten, 
daß er nunmehr folgenden Plan habe '^^) : Sobald Przyluski zu- 
gestimmt habe, sollte der Papst ihn auffordern, einen Koadjutor 
cum spe succedendi zu verlangen. Hierfür sei dann Ketteier in 
Aussicht genommen. 

Man sieht aus dieser Unterredung deutlich, wie der geschickte 
römische Diplomat hier unbemerkt den erstefi Schritt zurück macht, 
um der preußischen Regierung gegenüber wieder völlig freie Hand 



60) Arnim an Bismarck 24. 12. 1864. Ebenda. 

61) Hohen! ohe, Marwitz, Ketteier, Krecki und Jeschke. 

62) Arnim an Bismarck 13. 1. 1865. In Akten A. A. 1. 



— 17 — 

zu erhalten. Hatte er Willisen gegenüber immer von einem Koad- 
jutor cum jure succedendi gesprochen, so ersetzt er jetzt nach 
dessen Tode plötzlich jus durch sjjes, wodurch letzten Endes die 
ganze Nachfolge in Frage gestellt wird. Weder Arnim, der, wie 
aus den ganzen Berichten hervorgeht, überhaupt kein großer Akteu- 
leser war, bemerkte die neue Formulierung, noch wurde man in 
Berlin, dem Auswärtigen Amt ebenso wenig wie im Kultusmini- 
sterium, auf sie aufmerksam, ja Bismarck wendet diesen Aus- 
druck cum spe sogar selbst in seinem nächsten Telegramm an 
Arnim an ®^) . 

Endlich im Februar traf die erwartete Antwort aus Posen ein. 
Arnim berichtete darüber sofort in einem Telegramm an Bis- 
marck "*) : „Antwort von Erzbischof von Gnesen und Posen an- 
gekommen, welcher Kardinalswürde annimmt. Papst und Kar- 
dinal Antonelli wollen nun Zwischenzeit benutzen, um einen Koad- 
jutor zu bestimmen und mit uns über Person sich verständigen. 
Strenge Geheimhaltung wünschenswert, ebenfalls jetzt auch schleu- 
nige Besetzung von Köln, damit Ketteier, der auch von hier für 
Posen gewünscht wird, für Köln nicht mehr in Betracht komme.'' 

Diesem Telegramm folgte am nächsten Tage °°) ein ausführ- 
licher Bericht über die Unterredung, die Arnim mit Antonelli ge- 
habt hatte. Przyluski habe geäußert, er sei hochbetagt und fühle 
wenig Beruf zu so hoher Stellung. Wenn der Heilige Vater jedoch 
l>efehle, so sei er bereit zu gehorchen. Auf Antonellis Anfrage, 
wen er in Vorschlag brächte, wenn Ketteier ablehne, hatte Arnim 
geantwortet, einen anderen Kandidaten hätte die Preußische Re- 
gierung nicht""). Antonelli habe darauf Marwitz vorgeschlagen. 
Bismarck erwiderte hierauf nach Vortrag beim König, daß dieser 
bereit sei, auf Hohenlohe für Köln zu verzichten, wenn Ketteier 
für Posen als Koadjutor cum spe succedendi gesichert sei. Damit 



63) Bismarck an Arnim Telegramm i2. 2. 1865. In Akten A. A. 1. 

64) Arnim an Bismarck 8. 2. 1865. Ebenda. 

65) Arnim an Bismarck 9. 2. 1865. In Akten A. A. 1. 

66) Daß Arnim in einer so wichtigen Frage mit den Vorgängen so wenig 
vertraut war, daß er nicht einmal die Kandidaten seiner eignen Regienmg 
kannte, muB mehr als Wunder nehmen. 

2 



— 18 — 

war Wilhelm Emmanuel Freiherr v. Ketteier, Bischof von Mainz *""') 
plötzlich in den Vordergrund des Interesses gerückt. 



67) Literatur über Bischof von Ketteier. 

a) Brück, Heinrich, Die oberrheinische Kirchenprovinz von ihrer Gründung 
bis zur Gegenwart. Mainz 1868. 

b) Friedberg, Emil. Sammlung der Aktenstücke zum ersten Vatikanischen 
Konzil. Tübingen 1872. 

c) Girard, Ketteier et la question ouvriere. Bern 1896. 

d) Greiffenrath. Bischof Ketteier und die deutsche Socialreförm. Frank- 
furt 1893. 

e) W. V. Hertling, Bischof v. Ketteier. Hochland 9 (1912) 281 ff. 

f ) Kannengießer, Ketteier et l'organisation sociale en Allemagne. Paris 1894. 

g) Klöth, Karl, Wilhelm .Emmanuel Frhr. v. Ketteier, ein Lebensbild. Frei- 
burg 1912 (nach Pfülf). 

h) Krüger, Gustav, Bischof von Ketteier, Halle 1911. 

i) Laurentius, Josef. Bischof v. Ketteier und die Jesuiten. Köln 1912. 

j ) Liesen, Bernhard. Bischof Ketteier und die soziale Frage. Enthalten in : 
Frankfurter zeitgemäße Broschüren. Band HI, Heft 12. Frankfurt 
1882. S. 353 ff. 

k) Lionnct. Un eveque social. Paris 1903. 

1) Lutterbeck, Anton, Geschichte der katholischen theologischen Fakultät 
zu Gießen 1860. 

m) Münz, Paul, Wilhelm Emmanuel Frhr. v. Ketteier, Bischof von Mainz. 
Würzbiirg 1874. (Eine stark paneg3'risch gehaltene Biographie.) 

n) Pfülf, S. J., Bischof v. Ketteier. Mainz 1899. (Eine umfangreiche 
dreibändige Biographie.) 

o) Raich. Briefe von und an W. E. Frhr. v. Ketteier., Bischof von Mainz. 
Mainz 1879. 

p) Schmid, Heinrich, Geschichte der katholischen Kirche Deutschlands von 
der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. 2 Bände. Mün- 
chen 1874. 

q) Leopold Schmids Leben und Denken. Nach hinterlassenen Papieren 
herausgegeben von Bernhard Schröder und Friedrich Schwarz. Mit 
einer Vorrede von Friedrich Nippold, Leipzig 1871. (Schmid, Professor 
in Gießen, war am 22. IL 1849 nach dem Tode des Bischofs Kaiser von 
Mainz (f 30. 12. 1848) von der Majorität des Domkapitels in ordnungs- 
gemäßer Form zum Nachfolger gewählt, und hatte sich auch zur An- 
nahme der Wahl bereit erklärt, wurde aber, da der Minderheit zu liberal, 
von dieser auf's Schärfste bekämpft, sodaß der Papst die Wahl nicht 
bestätigte. Statt seiner wurde dann Ketteier Bischof von Mainz.) 

r) Volkmuth, Herr v. Ketteier, Bischof von Mainz und der „sogenannte 
Beruf Preußens'.. Berlin 1867. 

s) Wasserburg, Bischof Ketteier von Mainz. Mainz 1877. Verlag 
Kirchheim. 



— 19 — 

In dem Diplom der theologischen Fakultät der Universität 
Münster für Ketteier vom 16. Juli 1862 bezeichnet diese ihn „als 
einen Adann, erprobt in manchen heiligen Aemtern, ausgezeichnet 
durch Frömmigkeit, Seeleneifer, Klugheit und Tatkraft, hoch- 
verdient durch unausgesetzte Verteidigung der kirchlichen Rechte 
und des christlichen Glaubens in Wort und Schrift, eine glänzende 
Zierde des deutschen Episkopats""*). Das sind nicht nur Worte, 
sondern damit ist dieser bekannteste deutsche» Bischof des XTX. 
Jahrhunderts in großen Strichen gezeichnet, wenngleich eine Linie, 
die ihn besonders berühmt gemacht hat, ganz fehlt, die soziale, und 
eine zweite in dem Worte Klugheit nicht genügend präzisiert ist, 
nämlich seine Anpassungsfähigkeit. 

Ketteier *''') entstammte dem westfälischen Uradel. Ein evan- 
srelisch gewordener Zweig seines Geschlechts hatte 1562 die Her- 



t) Frhr. v. Ketteier und die Bischöfe der Minorität als Märtyrer der Ueber- 
zeugung. Mainz 1875. 

u) Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches 
Leben. 57. Jahrgang 1877. IL Hälfte S. 113 ff. und S. 225 ff. 

v) Deutscher Merkur. Organ für katholische Reformbewegung. 8. Jahr- 
gang. München 1877. S. 239 und S. 249. 

w) Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes. 
Leipzig, Hirzel. 9. Jahrgang 1879. S. 633 ff. 

x) Revue generale. Brüssel 1877. Juliheft. Guillaume Emmanuel Baron 
de Ketteier. Eveque de Mayence. 

68) Deutschlands Episkopat in Lebensbildern. Band II. S. 100. 

69) Daten seines äußeren Lebens : 

1811. 25. XII. geboren in Münster in Westfalen. 

1824 — ^1828. Jesuitenkolleg zu Brieg im Kanton Wallis (Schweiz), 

1829 Abiturientenexamen in Münster. 

1829 — 1833. stud. jur. in Göttingen, Berlin, Heidelberg, München und wieder 

Berlin. 
1833 — ^1834. Einjährig-Freiwilliger bei den Ulanen in Münster. 
1834 — ^1835. Juristisches Staatsexamen in Münster. 
1835 — ^1837. Referendar in Münster 

1837. 1. XII. Urlaub erbeten infolge der Gefangennahme des Kölner Erz- 

bischofs Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering. 

1838. 26. V. Abschied aus dem Staatsdienst erbeten. 
3838 — ^1841. Innere Kämpfe wegen seiner Zukunft. 
1841—1843. stud. theol. in München. 

1843 — ^1844. Priesterseminar in Münster. 
1844. l.VL Zum Priester geweiht. 

2* 



— 20 — 

zogswürde von Kurland angenommen und war 1737 mit dem Her- 
zog Ferdinand v. Ketteier ausgestorben. Der junge Ketteier fühlte 
sich durchaus als Träger eines alten Namens und war von über- 
schäumender Jugendkraft. Bis an sein Lebensende ist er der starr- 
köpfige und starrwiilige westfälische Aristokrat geblipben, der bei 
aller tiefgläubigen Frömmigkeit und aller aufopfernden sozialen 
Fürsorge stets den Abstand wahrte zwischen sich und denen, die 
sich ihm nahten. 

Der flotte Göttinger Student der Rechtswissenschaften, der 
auf der Mensur sogar einen Teil seiner Nase einbüßte, wäre wohl 
kaum auf den Gedanken gekommen, Priester zu werden, wenn 
nicht, als er Referendar in Münster war, die Gefangennahme des 
Erzbischofs von Köln, Freiherrn v. Droste Vischering plötzlich das 
jahrtausendalte Problem ihm vor das Auge gerückt hätte des 
iVerhältnisses zwischen Kirche und Staat '^°) . Der Sohn eines 
fromm katholischen Elternhauses fühlte er sich in der Behandlung 



1844 — 1846. Kaplan in Beckum in Westfalen. 

1846—1849. Pfarrer in Hopsten. 

1848. Abgeordneter in der Pauls-Kirche. 

1848. 23. IX. Grabrede auf die ermordeten Abgeordneten General v. Auers- 

wald und Fürst Lichnow.ski. 
1849 — 1850. Probst von St. Hedwig in Berlin, zugleich Ehren-Domherr in 

Breslat; und bischöflicher Delegat für die katholischen Gemeindön 

von Brandenburg und Pommern. 
-1849. Bekehnmg der bisher evangelischen Gräfin Ida Hahn-Hahn, be- 

kannte katholische Schriftstellerin. 
1850. 15. in. Zum Bischof von Mainz ernannt. 
20. V. Präkonisation. 
16. VII. Einzug in Mainz. 
25. VII. Inthronisation. 
1S51. Wiedereröffnung der theologischen Lehranstalt am bischöflichen 

Klerikalseminar zu Mainz, was die Schließung der kath. theol. 

Fakultät an der Gießener Universität zur Folge hatte. 
1856. Abschluß der (später wieder aufgehobenen) Konvention mit 

Hessen. 
1871 — 1872. Reichstagsabgeordneter. Mitglied des Centrums, 
1877. 13. VII. Gestorben im Kloster Burghausen in Oberbayem. 
Ketteier hat im ganzen 69 Bücher und Schriften verfaßt. 

70) Heinrich v. Treitschke. Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 
Bd. IV, S. 707. 



— 21 — 

des Kölner Erzbischofs persönlich verletzt von dem evangelischen 
Staate, dem er diente und reichte schon 10 Tage nach der Gefangen- 
nehmung Drostes am 1. Dezember 1837, einen längeren Urlaub ein, 
dem bald das Abschiedsgesuch folgte. 

Nun kamen für Ketteler drei Jahre des Suchens, des Irrens 
und schwerer innerer Kämpfe. „Was ich tun sollte", schreibt er 
am 9. Juli 1838 an seinen Bruder Wilderich '^), „weiß ich wohl; 
da ich einem Staate, der die Aufopferung meines Gewissens for- 
dert, nicht dienen will, so bin ich eigentlich auf den geistlichen 
Stand durch den Fingerzeig aller Umstände hingewiesen, und doch 
kann ich den erforderlichen Entschluß nicht fassen und bin noch 
unendlich weit davon entfernt. Um mich zum geistlichen Stande 
würdig umzugestalten, wären größere Wtmder erforderlich, als 
Tote aufzuwecken." 

So wechselt sein Leben zwischen einsamen Wanderungen in 
dem ba3Tischen Hochgebirge, zwischen intimem Verkehr mit 
Görres, zwischen Jagden und dem Studium theologischer Werke, 
bis er sich im Sommer 1841 endlich zu dem Entschluß durchge- 
rungen, Geistlicher zu werden ''^) . Nachdem er in München Theo- 
logie studiert und nach vollzogener Priesterweihe verschiedene 
Pfarrstellen innegehabt hatte '^^), erhob ihn der Papst im Jahre 1850 
zu der Würde, die er 27 Jahre bekleiden und in der er einen wesent- 
lichen Einfluß auf die hessischen politischen und die innerdeutschen 
kirchlichen Verhältnisse gewinnen sollte, zum Bischof von Mainz. 

Gleich die erste Tat des neuen Bischofs zeigt den V/eg, den er 
zu gehen beabsichtigte: die Wiedereröffnung der theologischen 
Lehranstalt am bischöflichen Klerikalseminar in Mainz am 1. Mai 
1851. Mit diesem Schritt sprach er dem Staat das Recht ab, die 
geistliche Jugend zu erziehen. Wäre er allgem.ein in Deutschland 
zur Durchführung gelangt, so hätte er das Ende der katholisch- 
theologischen Fakultät an den deutschen Universitäten bedeutet. 



71) Briefe von und an Wilhelm Emmanuel Frhr. v. Ketteler, Bischof 
von Mainz. Herausgegeben von Dr. J. M. Raich, Dompräbendar imd bischöf- 
licher Sekretär. Mainz 1879. S. 8. 

72) Auch Graf Reisach hat hierzu beigetragen. Treitschke. Deutsche 
Geschichte im 19. Jahrhundert. Band V, S. 282. 

73) Siehe die Anm. mit den Daten seines avißeren Lebens. 



— 22 — 

« 

Das Großherzog^um Hessen nahm es hin, daß von 1851 ab kern 
Hörer mehr die katholischen Vorlesungen in Gießen besuchte und 
daß diese Fakultät so auf einen Wink des Mainzer Bischofs hm 
einging '^*) . • ■ 

Die Losung des Jahres 1848 war das Wort „Freiheit" gewesen. 
Diese in vollstem Umfange auch für sich vom Staat zu beanspru- 
chen, war seitdem das Ziel der katholischen Kirche in Deutschland. 
Die Kämpfe zwischen Staat und Kirche begannen im Westen in 
der oberrheinischen Kirchenprovinz, da um diese Zeit in dem 
größten deutschen Bundesstaat, in Preußen, der König zu jedem 
Verzicht bereit war, und die neue Verfassung hier zu einem Kon- 
flikt zunächst keinen Anlaß bot. In Westdeutschland dagegen trat 
der katholische Klerus schon sehr bald mit seinen Forderungen 
hervor. Ein Jahr nach Kettelers Ernennung zum Bischof von 
Mainz richteten die in Freiburg versammelten Bischöfe ihre erste 
Denkschrift an die Regierungen Württemberg, Baden, Hessen, 
Nassau und Kurhessen. Diese Denkschrift wurde von den Staaten 
zunächst garnicht, später ungenügend beantwortet. Es wurde also 
Sache eines jeden einzelnen Bischofs, in seinem Gebiet das Best- 
mögliche für die Kirche durchzusetzen. Keiner hat hier mehr er- 
reicht als Ketteier in dem evangelisch regierten Großherzogtum 
Hessen. Bereits 1854 gelang ihm der Abschluß einer vorläufigen 
Convention "°), die dann im April 1856 auch dem Papst zur Be- 
stätigung vorgelegt wurde. Da sie den katholischen Interessen 
weit entgegenkam, wurde sie jedoch zunächst von dem hessischen 
Minister v. Dalwigk geheim gehalten. Erst als 1860 ihre Auswir- 
kungen immer mehr Anstoß im Lande erregten und zu einer Be- 
sprechung in der Kammer führten, legte man einen der Convention 
entsprechenden Gesetzentwurf vor, der aber mit großer Mehrheit 
abgelehnt wurde. Da man zu keiner Einigung kam, blieb die Con- 
vention zunächst noch weitere 6 Jahre bestehen, bis sie am 6. X. 
1866 vom Großherzog aufgehoben wurde. In Wirklichkeit aber 

74) „Wenn v. Ketteier garkeine anderen Verdienste hätte, als die Wie- 
dereröffnung- der theologischen Lehranstalt, so wären seine Verdienste schon 
überaus groß." Deutschlands Epikopat in Lebensbildern, a. a. O., S. 117. 

75) Die Regierung eröffentUchte diese Convention nicht nur nicht, son- 
dern ließ sie sogar in der Presse dementieren. Anhang II zu Bismärcks Ge- 
danken und Erinnerungen, S. 148. 



— 23 — 

bildete sie bei dem katholikenfreundlichen Verhalten des Groß- 
herzogs sowohl wie seiner Regierung auch noch weiter bis 1871 
die Grundlage für das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in 
Hessen. 

So war Ketteier durch sein geschicktes Verhalten Sieger in 
diesem hessischen Kulturkampf geblieben'^''). Daß Bismarck ihn 
im Jahi-e 1865 für den Posener Erzbischofssitz in Vorschlag 
brachte, während ihn die badische Regierung 3 Jahre darauf beim 
Tode des Erzbischofs Vicari von Freiburg von der Kandidatenliste 
strich, zeigte, daß Bismarck, dem Kettelers Stellung in Hessen 
genau bekannt war, hier dem Ultramontanismus aus politischen 
Gründen Konzessionen machte, um auf dem in nationaler Be- 
ziehung unsicheren Posener Gebiet einen Mann zu haben, der, wenn 
auch ein treuer Diener der Kurie und vielleicht kein Freund Preu- 
ßens, so doch mit seinem ganzen Wesen durch und durch in seiner 
deutschen Heimaterde wurzelte '^') . 

In dem Kriege von 1866 und dem Siege von Königgrätz sah 
Ketteier, wie die Mehrzahl der Katholiken, ein ungeheures Unglück. 
Eingehend behandelte er diese Frage in seinem Buch: „Deutschland 
nach dem Kriege von 1866 von Wilhelm Emmanuel Freiherr 
V. Ketteier, Bischof von Mainz. Mainz, Kirchheim 1867", das die 
deutschen Verhältnisse vom streng katholisch-religiösen Stand- 
punkt ohne Gehässigkeit oder Fanatismus betrachtet. 

Die nahen Beziehungen, die alle Mitglieder der Ketteier' sehen 
Familie mit ihrem gesamten Personal auf Schloß Harkotten ver- 
banden, hatten von früh an dazu beigetragen, daß Ketteier durch 
und durch sozial empfand''^). Seine Fürsorge erstreckte sich nicht 



76) Vgl. hierzu das Bild, das der Preußische Ministerresident bei der 
Freien Stadt Frankfurt, Herr v. Wentzel, von Ketteier entwirft. Siehe An- 
lage 3. 

77) Das Entgegenkommen Bismarcks in dieser Frage wurde von vielen 
nicht verstanden. So schreibt Perthes an den Kriegsminister v. Roon am 
5. 9. 1865; ,,Das imter Bischof Kettelers Augen und Auspizien erscheinende 
Mainzer Journal hat eine geradezu infame Haltung gegen Preußen und dessen 
jetzige Regierung angenommen." Denkwürdigkeiten aus dem Leben des 
Generalfeldmarschalls Kriegsministers Grafen v. Roon, Band II, S. 366. 

78) Ueber Kettelers Stellung zur sozialen Frage handelt eingehend Dr. 
Bernhard Liesen in seinem Aufsatz Bischof W. E. v. Ketteier und die soziale 



— 24 — 

Kur auf die Armen und Notleidenden, Kranken und Waisen, son- 
dern in gleicher Weise auf die Handwerker, Gesellen ''°) , Dienst- 
mägde *"), sowie auf die Arbeiterfamilien, denen er auf seinen Reisen 
durch seine Diözese in jeder Richtung zu helfen versuchte. ,.Wif 
tekennen mit Jubel und mit Freude, daß uns an jedem Schiffs- 
knecht, Tagelöhner und Bauer so viel gelegen ist wie an jedem 
P'ürsten und Könige, daß wir die Menschenwürde hoch über allen 
Unterschied setzen, der sonst die Menschen trennen kann, und daß 
wir eine Denkweise nur unaussprechlich beklagen können, die den 
reichen Fabrikanten höher schätzt als den armen Bauern" ®^). 

Alles in allem war Ketteier ein Mann, der sich bis an sein Le- 
bensende treu geblieben ist und der dasteht als ein reiner, ehrlich 
überzeugter, tief gläubiger und starkwilliger Anhänger des katho- 
lischen Dogmas und seiner über die nationalen Grenzen hinaus- 
gehenden Einrichtungen. 

Dieser Mann durfte im Interesse der römischen Kirche nicht 
nach Posen. Durch all die Jahrhunderte hindurch hatte es dei* 
Pole nie unterlassen, dem Papst den Peterspfennig zu zahlen, den 
der Deutsche oft vergaß. Diesem Volk gegenüber war man in Rom 
Rücksichten schuldig, ganz abgesehen davon, daß man es als 
politischen Faktor in seiner Rechnung stehen hatte. 

Die römischen Intrigen, die dem ersten Vorspiel folgten und 
die offenbar bestimmt waren, die Posener Frage in rein kurialera 
Sinne zu lösen, lassen sich nicht aufklären, da hier unsere Quellen 
versagen. Erst wenn einmal der Vatikan seine Archive erschließt, 
wird man hier zu voller Klarheit kommen können. Genau acht 
Tage später, nachdem Antonelli Arnim mitgeteilt hatte**-), daß er 
an Ketteier wegen Posen schreiben werde *^), richtete der Kardinal 

Frage, mehr populär auch Klöth sowie besonders die Seite 18, Anm. 67 auf- 
geführten französischen Autoren. 

79) Am 17. XII. 1851 gründete er den Kath. Geselienverein Mainz. 

80) Am 25. X. 1859 gründete er den Maria-Hilfsverein, nachdem er im 
Dezember 1855 schon das Haus für dienstlose Mägde ins Leben gerufen hatte. 

81) Aus Kettelers Schrift: .,Kann ein gläubiger Christ Freimaurer sein?" 
S. 95. 

82) Arnim v. Bismarck, Telegramm vom 17. 2. 1865. In Akten A. A. 1. 

83) In der gleichen Unterredung hatte Antonelli dem Preußischen Ge- 
sandten mitgeteilt, daß er auch an Przyluski schreiben würde, daß vor seiner 
Abreise die Bestellung eines Koadjuktors nötig sei. 



— 25 — 

Graf Reisach ^*) am 25. 2. 1865 von Rom aus das nachstehende 
Schreiben an Bischof Ketteier von Mainz ^^) : 

„Hochwürdigster Theuerster Herr Bischof! 

Ich bin veranlaßt^®), an Sie, mein lieber Herr Bischof, in 
vertraulicher Weise über eine sehr wichtige, Sie betreffende An- 
gelegenheit zu schreiben, welche, wie Sie aus meiner Mitteilung 
entnehmen werden, ganz geheim gehalten werden muß. 

Die Preußische Regierung, unzufrieden mit dem Erzbischof 
von. Posen und stets darauf bedacht, die polnische Bevölkerung 
des Großherzogtums mehr und mehr zu germanisieren, hat die 
Bitte des Erzbishofs um einen- Koadjutor ^') dazu benutzt, um 
bei dem Heiligen Stuhle auf die Ernennung eines Deutschen zu 
dringen, und hat Sie in Vorschlag gebracht Der Heilige Vater, 
wohl einsehend, daß politische Gründe das Verlangen motivieren, 
und den Plan, der nothwendig die polnische katholische Bevöl- 
kerung aufs Höchste aufregen muß, durchschauend, könnte über- 
dies nur mit Ihrer Einwilligung einem solchen Begehren ent- 
sprechen. Ich habe sogleich, als ich von der Sache Kenntnis er- 
hielt, mich dahin ausgesprochen, daß ich sehr daran zweifle, ob 
Sie wohl je sich entschließen könnten, in eine solche Ernennung 
zu willigen, da einerseits schon die Unkenntnis der Sprache Sie 
von dem seelsorgerischen Verkehr mit dem Volke, der Ihnen so 
sehr am Herzen liegt, ausschließen würde, und andererseits die 



84) Reisach war der Kardinal, der als geborener Bayer in den deutschen 
Angelegenheiten am besten Bescheid wußte und daher auch stets zu Rate ge- 
ÄOgen wurde. 

85) Abgedruckt bei Pfülf: Bischof v. Ketteier, Mainz 1899. Bd. II, 
S. 258 f. 

86) Dieser Veranlasser konnte entweder der Kardinalstaatssekretär An- 
tonelli selbst sein, der dann ein sehr merkwürdiges (Pfülf selbst bezeichnet 
das Schreiben Reisachs auch als „merkwürdig") Doppelspiel gespielt haben 
würde, oder eine Partei am Vatikan, die entweder Kettelers Wahl für Köln 
durchsetzen oder zum mindesten seine Wahl für Posen unter allen Umständen 
verhindern wollte. 

87) Da Antonelli am 17. 2. 1865 an Przyluski noch nicht geschrieben 
hatte, ist es ausgeschlossen, daß eine derartige Bitte des Posener Erzbischofs 
am 25. 2. 1865 bereits in Rom vorlag. Der Brief Reisachs an Ketteier, also 
von Rom nach Mainz, hatte 5 Tage gebraucht. 



— 26 — 

Offenheit und Gradheit Ihres Charakters Ihnen nie erlauben 
würde, ein Werkzeug der Regierung zu politischen Zwecken zu 
werden. 

Diese meine Ansicht, die ich mit voller Ueberzeugung aus- 
sprechen zu können glaubte, ward auch hier gebilligt, da man *^) 
überhaupt nicht geneigt ist, auf das Sie betreffende Begehren ein- 
zugehen. Um jedoch dem Drängen der Regierung mit Be- 
stimmtheit entgegenzutreten, wünschte man Ihre eigne Ansicht 
zu kennen, und deshalb bin ich veranlaßt, diese vertraulichen 
Zeilen an Sie zu richten mit der Bitte, mir sobald wie möglich 
zu antworten. Sie können dies, wie Sie ohnehin gewohnt sind, 
mit aller Offenheit thun, und ich kann hinzusetzen, daß eine be- 
stimmte Antwort, wenn Sie, wie ich voraussetzen zu können 
glaube, ablehnend sein wird, dem heiligen Stuhle angenehm 
(sein) und ihn in den Stand setzen wird, das Begehren der Re- 
gierung um so bestimmter zurückweisen und seine Stellung den 
armen Polen gegenüber wahren zu können. 

Uebrigens so wie diese meine; Mitteilung im strengsten Ver- 
trauen geschieht, so kann ich Sie auch versichern, daß Ihre Ant- 
wort ganz geheim gehalten wird." 

Ketteier antwortete umgehend am 2. März 1865 *^) : 

„Hochwürdigster, Hochgeehrtester Herr Kardinal! 

Auf Ew. Eminenz sehr verehrtes Schreiben vom 25. v. M., 
welches ich in diesem Augenblick erhalten habe, beehre ich mich 
zu erwidern, daß ich die erwähnte Stelle unmöglich annehmen 
kann. Ew. Eminenz deuten die Gründe, welche dagegen spre- 
chen, so vollständig an, daß ich nicht weiter darauf einzugehen 
brauche und mich auf die einfache Erklärung beschränken kann, 
daß ich mit denselben ganz und gar einverstanden bin. 



88) Wenn man nicht annehmen will, daß Reisacli sich hier in unverant- 
wortlicher Weise in die Politik des verantwortlichen Kardinal-Staatssekretärs 
gemischt habe, so kann mit diesem „man'" kein anderer als Antonelli gemeint 
sein. Trifft das zu, dann scheint es sich hier um das Schreiben an 
Ketteier zu liandeln, von dem Antonelli am 17. 2. 1865 mit Arnim gesprochen 
hat. Diese Annahme hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Sie würde 
allerdings die Doppelzüngigkeit Antonellis klar beweisen. 

89) Gleichfalls abgedruckt bei Pfülf, a. a. O. II, 259. 



— 27 — 

Je tieferes Mitleiden ich mit dem armen Volke habe, desto 
unerträglicher wäre mir eine solche Stellung, in welcher ich ihm 
garnicht helfen, ohne Zweifel sogar als ein Gegner erscheinen 
würde. Gott bewahre mich vor einer solchen Lage."' 

Da Bismarck aus Arnims Schreiben vom 9. Februar ersehen 
hatte, daß dieser mit den Vorgängen nicht genügend vertraut war, 
ließ er ihm am 2. März telegraphieren <*") , daß, wenn Ketteier ab- 
lehnen sollte, immer noch Marwitz und Krecki blieben. Gleich- 
zeitig aber versuchte Bismarck noch, durch Savigny, den Preußi- 
schen Bundestagsgesandten in Frankfurt, unmittelbar auf Ketteier 
einzuwirken ^^) . Er schildert ihm in diesem Schreiben die ganzen 
Vorgänge und sagt ihm, daß der König dankbar wäre, wenn es 
ihm gelänge, Ketteier dahin zu bringen, den Posten anzunehmen. 
Savigny war hierzu auch bereit '*-) . Wie er sich dieses Auftrags 
entledigte, schildert ein „vollkommen orientierter '■'") Gewährsmann" 
in der Cölnischen Volkszeitung"^*) , wie folgt: 

„Der Instruktion seines Vorgesetzten entsprechend erklärte 
Herr v. Savigny vi. a., seine Regierung habe das Bestreben, Polen 
zu einer ebenso blühenden Provinz zu machen wie die Rheinlande 
und Westfalen. Alle bisherigen Versuche seien aber gescheitert. 
Sie habe nunmehr die Absicht, das Vertrauen der polnischen Be- 
völkerung auf einem anderen Wege durch Hebung des religiösen 
Lebens zu gewinnen. Zu diesem Zwecke wünsche die Regierung 
den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen und Posen mit einer her- 
vorragenden Persönlichkeit besetzen zu können, und wolle dessen 
Bestrebung zur Hebung des religiösen Lebens nicht hindernd, 
sondern fördernd gegenüberstehen. Nur müßte der künftige 
Erzbischof die unbedingte Gewähr bieten, daß er sich von jeg- 
licher polnischer Parteipolitik fernhalte." 

Aber Savigny kam zu spät. In Rom plante man anderes. 



90) Bismarck an Arninij Telegramm vom 2. 3. 1865. In Akten A. A. 1. 

91) Bismarck an Savigny, 4. 3. 1865. In Akten A. A. 1. 

92) Savigny an Bismarck, 11. März 1865. In Akten A. A. 1. 

93) Die chronologische Schilderung des Gewährsmannes ist nicht zu- 
1 reffend. 

94) Nr. 173 vom 8. März 1898. 



— 28 — 

Schon am 16. Februar '"°) hatte Arnim gemeldet, daß Ketteier 
wohl nicht annehmen würde und daß der Papst infolgedessen auf 
den Brüsseler Nuntius, Grafen Ledochowski, gekommen sei, der 
in keiner Weise kompromittiert wäre. Dieser sei ebenso intelligent 
wie geschickt. „Er wolle ihn übrigens nicht empfehlen, sondern 
mir (Arnim) nur vorschlagen, Erkundigungen über ihn einzu- 
ziehen." Bismarck wandte sich daraufhin an den Preußischen Ge- 
sandten in Brüssel '"'') , der ihm Anfang März einen Bericht über 
Ledochowski übersandte ^'^). Mühler schien dieser neue Kandidat 
als Fremder in hohem Maße bedenklich^'*). Er sei dann mehr für 
Marwitz oder Krecki. Auch Bismarck war durchaus gegen den 
päpstlichen Vorschlag. Sollte Ketteier ablehnen, so schrieb er am 
8. 3. 1865 an Arnim ^^), dann kämen Marwitz und Krecki in Frage. 
Und mit eigener Hand fügte er diesem von einem seiner Räte aut- 
gesetzten Schreiben hinzu: „Auch drängt sich die Befürchtung auf, 
daß der, wenn auch vielleicht jetzt latente, doch nach seinen Fa- 
milienbeziehungen wahrscheinlich vorhandene Polonismus des Mota- 
signore Ledochowski in Posen zum Leben erwachen würde." 

So war durch die geschickte Initiative die Kurie der Preußi- 
schen Regierung bereits ein gut Teil Wind aus den Segelen genom- 
men. Immerhin hätte diese bei energischer Handhabung der ganzen 
Angelegenheit noch einen ihr genehmen Kandidaten durchdrückeia 
können, da man sich auch in Rom über die Personenfrage bald ent- 
scheiden mußte, weil man Przyluski bereits seine baldige Abberu- 
+ung mitgeteilt hatte. Die Entscheidung drängte und zwar drängte 
sie diesmal mehr für den Vatikan, als für die Preußische Regierung. 
Es bestand also durchaus die Möglichkeit, eine sachlich begründete 
und dem Interesse der katholischen Kirche nicht zuwiderlaufende 
Forderung in Rom durchzusetzen. 

Da trat ein Ereignis ein, das mit einem Schlage alle Aussichten 



95) Arnim an Bismarck 16. 2. 1865. In Akten A. A. 1. 

96) Am 1. 1. 1865 war der bisherige preußische Gesandte in Kopenhagen, 
Otto y. Balan, als Gesandter nach Brüssel versetzt worden, der später 1S72 
als Nachfolger des Unterstaatssekretärs v.. Thile ins Auswärtige Amt be- 
riifen wurde. 

97) Siehe Anlage 1 

98) Mühler an Bismarck, 5. 3. 1865. Akten A. A. 1. 

99) Bismarck an Arnim, 8. 3. 1865. Ebenda. 



— 29 — 

der Preußischen Regierung und die ganze Arbeit des letzten Jahres 
illusorisch machte. 

Am Vormittag des 12. März 1865 ging in den Ministerien des 
Aeußern, des Innern und des Kultus das nachstehende Telegramm 
von dem Oberpräsidenten Hörn aus Posen ein ^°°) : 

„Heute morgen %6 Uhr ist der Erzbischof von Gnesen und 
Posen verschieden, nachdem er nur wenige Tage krank und nur 
einen Tag bettlägerig gewesen." 

Hatte der unerwartete Tod "VVillisens schon die Verhandlung 
wegen der Neubesetzung des Posener Erzbischofsstuhles in 
empfindlicher Weise gestört, so ließen sich die Folgen dieses neuen 
ebenso plötzlichen Todesfalls garnicht absehen. Zu den zwei Kon- 
trahenten, Rom und Berlin, die inmierhin auf der Basis einer ge- 
wissen Do-ut-des-PoHtik mit einander verhandeln konnten, gesellte 
sich jetzt ein Dritter, der, vielköpfig und ausgesprochen anti- 
deutsch, das unantastbare Recht der Bischofswahl hatte, das Dom- 
Kapitel. Die Schwierigkeit v/urde nur dadurch bis zu einem ge- 
wissen, wenn auch sehr geringen Grade gemindert, daß es sich hier 
um zwei Erzdiözesen, also dementsprechend auch um zwei Dom- 
Kapitel, nämlich Gnesen und Posen, handelte, sodaß es gegebenen- 
falls möglich war, das eine Kapitel gegen das andere auszuspielen. 

Bismarck erkannte die Gefahr der Kapitelwahl sofort und 
schrieb unmittelbar, nachdem er die Todesnachricht aus Posen er- 
halten hatte, an Arnim ^''^) , daß der plötzliche Tod Przyluskis zum 
Konflikt mit den Kapiteln führen könne, wenn der Papst nicht ein 
Breve an diese erließe, daß einstweilen keine Schritte zur Neuwahl 
vorgenommen werden sollten. Hierzu war aber nach geltendem 
Recht auch der Papst nicht imstande. Arnim meldete daher tele- 
graphisch "-) , daß es unmöglich sei, den Wahlakt zu umgehen. 

Der Tod des Erzbischofs war so plötzlich gekommen, und be- 
deutete für die polnische Partei in Posen ein derart günstiges Er- 
eignis, daß man dahinter mehr vermuten konnte als einen reinen Zu- 
fall. Nach nur ganz kurzem Unwohlsem war das Ende so rasch ein- 
getreten, daß Przyluski den ihm befreundeten Kriegsgerichtsrat Thiel, 



100) Akten A. A. i., K. M. 1. und M. d. I. 1. 

101) Bismarck an Arnim, 12. 3. 1865. Akten A. A. 1. 

102) Arnim an Bismarck, 22. ä. 1865. Ebenda. 



— 30 — 

dem er letztwillige Verfügungen diktieren wollte, nicht mehr hatte 
sprechen können ^'*^) . Die für den Eingeweihten naheliegende Kom- 
bination, daß hier von gewisser Seite in das Schicksal eingegriffen 
sei, veranlaßte den Minister des Innern, Grafen Eulenburg, zu nach-, 
stehendem Schreiben an Hörn ^"'*) : 

„Euer Hochwohlgeboren danke ich sehr für die telegraphische 
Benachrichtigung von dem Ableben des Erzbischofs. Derselbe 
hatte seine Ernennung zum Kardinal bereits in Händen; es war 
ihm dabei zur Bedingung gestellt worden, sich einen Koadjutor 
gefallen zu lassen, und für die Stelle des Koadjutors war eine 
Persönlichkeit in Aussicht genommen worden, die den Polen im 
höchsten Grade unbequem gewesen wäre^"^). Deshalb war auch 
von Rom aus aufs dringendste gebeten worden, das ganze Arran- 
gement ganz geheim zu halten, weil man befürchten müsse, daß, 
falls man in Posen Wind davon bekäme, die Polen nicht davor 
zurückschrecken würden, den Erzbischof zu beseitigen. 

Eigentümlich ist es nun doch, daß er so schnell und un- 
vermutet gestorben ist. Taucht dort vielleicht irgend ein Ver- 
dacht auf, daß dort nicht alles mit richtigen Dingen zugegangen 
sei ? Die Leiche wird doch wohl einbalsamiert werden. Haben 
Sie unter den obducierenden Aerzten nicht einen Vertrauens- 
mann, dem Sie Aufmerksamkeit empfehlen könnten? 

Wie kommen Euer Hochwohlgeboren auf die Idee, dem 
Leichenbegängnis nicht beiwohnen zu wollen? Der tote Erz- 
bischof ist nicht mehr der politische Agitator, er stellt den Be- 
griff des Kirchenfürsten dar, und ich würde es für einen großen 
Fehler halten, wenn die höchsten Staatsbehörden in Posen den 
offiziellen Ehrenbezeugungen an dem Verstorbenen sich ent- 
ziehen wollten. 

Verzeihen Sie, mein verehrter Herr Oberpräsident, mein 
schlechtes Geschreibsel, ich bin in großer Eile. 

Verehrungsvoll und aufrichtig ergebenst 
Eulenburg." 



103) Kreuzzeitung vom 14. 3. 1865. 

104) Eulenbarg an Hörn. Berlin 13. März 1865. F. P. v. H. 

105) Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, sind die Ausführungen 
Eulenburgs nur im Großen und Ganzen zutreffend. 



— 31 — 

Die Befürchtung, daß hier die Möglichkeit eines gewaltsamen 
Todes vorlag, lag um so näher, als in der Tat Antonelli in jeder 
Unterredung sowohl mit Willisen wie auch mit Arnim die Not- 
wendigkeit absoluter Geheimhaltung betont und gefordert hatte, 
da sonst der ganze Plan scheitern könne. Bismarck war. wie oben 
gezeigt, in dieser Geheimhaltung so weit gegangen, daß er sogar 
ein königliches Handschreiben an Marwitz abgelehnt hatte, um das 
Mühler gebeten. Diese Geheimhaltung war auch genau ein Jahr 
lang auf allen Seiten durchgeführt worden, bis plötzlich im Februar 
1865 durch eine unaufgeklärt gebliebene Indiskretion folgende 
Notiz in der Kölnischen Zeitung"^) erschien, die nach Lage der 
Verhältnisse für die Preußische Regierung äußerst unangenehm ^°') 
und geeignet war, die Verhandlungen mit der Kurie empfindlich 
zu stören ^°*) : 

„Berlin 5. Februar. Wie man hört, soll dem jetzigen Erz- 
bischof von Gnesen und Posen Herrn v. Przyluski ein Koadjutor 
gesetzt werden, da der Herr Erzbischof, wegen seines hohen 
Alters, desselben benötigt sein soll. Derselbe soll auch weiterem 
Vernehmen nach von Sr. Heiligkeit zur Rechtfertigung darüber 
3.ufgef ordert sein, weshalb der schon seit drei Jahren zum Dom- 
probst in Posen von der Regierung eingesetzte Canonikus Herr 
Dr. Richter die Canonische Einsetzung noch nicht erfahren hat." 

Die dieser Notiz zu Grunde liegende Absicht ist so eindeutig, 
daß man mit Recht vermuten wird, daß Mühler hier in seinem 
eigenen Ministerium Gegenspieler hatte. Bei Bismarck wird auch 
dies Vorkommnis neben vielen anderen wichtigeren dazu bei- 
getragen haben, seine Abneigung gegen die katholische Abteilung 
des Kultusministeriums ^°'^) zu steigern. 

Aber diese Vermutungen über das Ende Przyluskis blieben 



106) Cölnische Zeitung, Dienstag, den 7. 2. 1865. 

107) Bismarck war hierüber sehr erregt, schickte diesen Artikel sofort 
an Mühler, befahl ihm aber, mit Nachforschungen nach dem Urheber noch zu 
warten, da derartige Nachforschungen im Augenblick die Sache nur noch ver- 
schlimmern würden. In Akten A. A. 1. 

108) Der Tod Przyluskis verhinderte dies. 

109) Ausführlich spricht er hierüber in „Gedanken und Erinnerungen" II. 
S. 127 ff. 



— 32 — 

ebenso unbewiesen wie wenige Jahre später die über den Tod des 
Kardinal-Staatssekretärs Franchi ^^'*) . 

Der zweite Teil des Eulenburg'schen Schreibens bezog sich 
darauf, daß Hörn in einem schon am Todestage des Erzbischofs 
an Mühler angesandten Bericht auf die Schwierigkeiten bei der Be- 
erdigung hingewiesen hatte ^"). Seit Jahren habe Przyluski jeden 
persönlichen Verkehr mit den Staatsbehörden abgebrochen. Als er 
(Hörn) im Januar 1863 nach Posen gekommen sei, habe er ihm Be- 
such gemacht, den er erwidert habe. Zu dem Hörn gegebenen 
großen Antrittsdiner sei er aber unter Vorgabe einer Reise nach 
Gnesen nicht erschienen. Einen zweiten dienstlichen Besuch habe 
er ganz unerwidert gelassen. Seither habe er in feindseliger Hal- 
tung gegen die Regierung verharrt. Er (Hörn) halte daher eine 
Beteiligung am Begräbnis für ausgeschlossen. 

Mühler trug sofort nach Eingang des Schreibens diesen Stand- 
punkt in einer Sitzung des Staatsrninisteriums vor, das sich dahin 
aussprach, daß die Achtungsbezeigung, die dem Amt und der 
Würde des Verstorbenen gebühre, ganz unabhängig von dessen per- 
sönlicher Stellung nicht zu unterlassen sei. Hiermit Avar auch der 
König einverstanden, dem Mühler gleichfalls am 13. März die An- 
gelegenheit unterbreitete. 

Auf die drahtliche Nachricht Mühlers, daß die Behörden sich 
an der Feier zu beteiligen hätten, die aber die Entscheidung des 
Königs nicht erwähnt, hatte sich Hörn noch einmal in einem au.s- 
führlichen Bericht an den Minister gewandt ^^^). Es habe ihn 
schmerzlich überrascht, daß Mühler die Beteiligung am Begräbnis 
für angemessen erachte. Einem Mann, der die Pflichten des Ober- 
hirten und Untertanen so verletzt und sich stets zum Werkzeug" 
der antipreußischen Partei gemacht habe, dürfte die letzte Ehre 
nicht von Beamten und Behörden des Königs erwiesen werden. Er 
(Hörn) komme auf diese Weise in eine schiefe Situation. Es sei 
eine Täuschung, wenn man annähme, dadurch eine versöhnliche 
Stimmung zu erzielen. Im Gegenteil würden die andern einem das 



110) Die auch Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen'"' II, 
S. 126 f. andeutet. 

111) Hörn an Mühler 12. 3. 1865. Akten K. M. 1. 

112) Hörn an Mühler 13. März 1865. Akten K. M. 1. 



— 33 ~ 

nur als Schwäche auslegen. Er bäte daher um Entscheidung durch 
Seine Majestät. 

Da diese bereits gefallen war, fand dann die Exportation der 
Leiche am 16. März 4 Uhr Nachmittags wie auch das feierliche 
Begräbnis am folgenden Tage, das von 10 — 2 Uhr dauerte, in 
Gegenwart des Oberpräsidenten wie auch des Kommandierenden 
Generals v. Steinmetz statt. 

Trotzdem Przyluski 20 Jahre lang auf dem für Preußens 
innerpolitisches Geschehen wichtigsten und zugleich exponiertesten 
erzbischöflichen Stuhl gesessen und während der längsten Zeit 
seiner Regierung, besonders aber in den letzten Jahren in scharfer 
und bewußter Opposition gegen die Regierung gestanden hatte, 
fand sein Tod in der preußischen Presse nur wenig Beachtung. 
Kaum daß man ihm, wie die Kreuzzeitung "^) , einen Nachruf 
widmete. Selbst das offiziöse Organ, die Norddeutsche Allgemeine 
Zeitung, meldet nur kurz das Ableben dieses Kirchenfürsten ^^^) . 
Aber es war natürlich, daß die deutsche Bevölkerung der Provinz 
Posen, die katholische ebenso wie die evangelische, vor allem aber 
der Oberpräsident Hörn, mit Hoffnung und Besorgnis der neuen 
Erzbischofswahl entgegensah. 



113) Kreuzzeitung vom 14. März 1865. 

114) Norddetitsche Allgemeine Zeitung 14. März 1865. 



IL Die die Wahl beeinflussenden Kräfte 

und Persönlichkeiten auf kurialer und 

polnischer Seite. 

In dem Kampfe um die Wiederbesetzung des erzbischöflichen 
Stuhles standen auf der einen Seite die Polen und die Kurie, auf 
der anderen Seite der Staat. Der Ausgang dieses Kampfes war auf 
staatlicher Seite einzig von den Personen abhängig, die ihn führten. 
Waren hier Männer, die den Willen zum Siege in sich trugen, dann 
konnten sie bei der ihnen zu Gebote stehenden Machtfülle des 
Staates das Feld behaupten. Blieben sie in der Defensive oder 
fehlte ihnen das einheitliche Wollen, dann war über den Ausgang 
des Kampfes kein Zweifel. 

Ganz anders lagen die Verhältnisse auf Seiten der Gegner. 
Hier spielten die Persönlichkeiten die geringste Rolle. Sie traten 
hinter der Sache zurück, der sie dienten. Es war eine Idee da, die 
sie trug, die sie vorwärts schob, die sie reden und handeln ließ. In 
dieser Idee lebten und atmeten sie wie in einem Fluidum. Diese 
Idee entpersönlichte sie und umkleidete sie dafür mit einer un- 
geheuren Stärke. 

A. Die Kirche. 

Auf päpstlicher Seite treten uns drei Männer entgegen, die 
ihren Einfluß auf die Wahl in Posen und Gnesen geltend machen: 
im Vordergrunde und am meisten in das helle Licht des Tages ge- 
rückt der Kardinalstaatssekretär Antonelli, hinter ihm, halb im 
Dunkel schon und doch durch die Lebhaftigkeit seines Tempera- 
ments noch in seinen Umrissen deutlich erkennbar, Papst Pius IX. 
und endlich im Geheimen arbeitend und kaum einmal die Schleier 
lüftend, die über ihm liegen, der Kardinal Graf Reisach. 

Papst Pius IX. 
Je kleiner ein Mensch ist, aus umso näherer Entfernung wird 
man ihn messen müssen, da in größerer Sichtweite die Instrumente 



— 35 — 

versagen. Von dem ganz Großen oder dem- sehr hoch Gesetellten 
crilt es weit abzurücken, um die richtigen Maßstäbe für sie zu 
finden. Ist solch ein Großer aus einem Guß und ragt er wurzclecht 
und aufrecht in die Wolken, so wird man sich schneller klar werden 
über sein Wesen und sein Wollen, als über einen, den Schicksal oder 
Erfahrung in immer neue Bahnen bog. 

Wie hoch eine spätere Geschichtsschreibung den Papst 
Pius IX. ^) stellen wird, wissen wir heute noch nicht. Das eine 
steht fest: Pius IX. saß auf dem Stuhl Petri zu einer Zeit wichtiger 
politischer Geschehnisse, unter ihm verlor die Kurie die ein Jahr- 



1) Daten aus dem Leben des Papstes Pius IX. 
1792 am 13. Mai in Sinigaglia geboren. 

1802 — 09 in der Schule der Piaristen zu Volterra bei Pisa. 
1814 — ^18 Collegium Romanum in Rom, Studium der Theologie. 
1819 zum Priester geweiht. 

1823 — 25 an der päpstlichen Gesandtschaft in Chile. 
1827 Bischof von Spoleto. 

1832 Bischof von Imola; 

1840 Kardinal. 

1846 16. Juni Papst. 

1848 15. November Flucht vor der Revolution nach Gaeta. 

1850 12. April Wiedereinzug in Rom, gesichert durch französische 

Bajonette. 
1850 Neubegründung des englischen Episcopats. 

1853 Neubegründung des holländischen Episcopats. 

1854 8. Dezember Verkündigimg der unbefleckten Empfängnis der Jung- 
frau Maria. 

1855 Konkordat mit Oesterreich. 

1859 Verlust der Romagna. 

1860 Verlust Umbriens. 

1864 8. Dezember, Die Enzyklika „Quanta Cvira" imd der Syllabus. 

1867 29. Jimi, IBOOjähriges Apostel Jubiläum der Apostel Petrus und 

Paultts. 

1869 8. Dezember, Eröffnung des Vatikanischen Konzils. 

1870 18. Juli, Unfehlbarkeitserklärung. 

1870 20. September, Eroberung Roms durch die Italiener. Ende des 
Kirchenstaats. 

1871 16. Juni, Feier des 25jährigen Papstjubiläums. 
1873 Beginn des Kulturkampfes. 

1877 Feier des 50jährigen Bischofsjubiläums. 

1878 7. Februar Tod des Papstes Pius IX. Mit ihm zu gleicher Zeit stirbt 
sein großer Gegner, König Viktor Emanuel IL, der Einiger Italiens. 

3* 



— 36 — 

tausend lang behauptete weltliche Herrschaft über den Kirchenstaat, 
er setzte die päpstliche Unfehlbarkeit durch, er trug die Tiara weit 
länger als je einer seiner Vorgänger. ö2 Jahre war er der Ober- 
hirte der katholischen Welt, nicht einer, der nur seinen Namen gab, 
sondern ein selbst Handelnder und selbst Ziele Setzender-). 

Wenn auch diese Ziele wechselten. Sein Pontifikat zerfällt in 
3 Abschnitte. 184(3 — iS ist er. der liberale Reformator, der klug 
und weitherzig die Schäden zu heilen sucht, die die allzu reaktionäre 
Regierung Gregors XVT. bloßgelegt hatte ^) . Die Revolution von 
1S48, die seinen leitenden Minister Pellegrino Rossi ermordete, jagt 
ihn aus dem Vatikan *) und läßt ihn anderthalb Jahre das Brot der 
Fremde in Gaeta essen. Diese Zeit der Verbannung zerschlägt in 
ihm alle liberalen und fortschrittlichen Ansichten'). Die Jahre 
]850 — 70 sehen ihn auf der Höhe seiner Macht. „Kein Monarch 
der Welt war so populär und so geliebt wie Pius IX. ") ." Hatte 
die Restauration auf politischem Gebiet 1815 unter Clemens Metter- 
nich eingesetzt, den das Jahr 1848 von der Höhe seiner Macht 
stürzte, so wurde Pius IX. auch in manchen anderen Punkten dern 
österreichischen Staatskanzler vergleichbar, nunmehr der Leiter der 
kirchlichen Restauration. Die politische Reaktion ging zu Grabe- 
als um die Jahrhundertmitte der Realismus die Romantik ablöste. 
So fand sie ihre Stätte da, wo allein ihr noch der Boden günstig 
war, auf kirchlich-dogmatischem Gebiet. Politisch wurde Metter- 
nich abgelöst von seinem großen Gegenspieler, dem Realpolitiker 



2) Ueber sich selbst hat Pius IX. geäußert: „Ich bin ein Stein; wohin 
ich falle, da bleibe ich liegen." Reuchlin, Geschichte Italiens I 291. 

3) Gregor XVI. pflegte von dem Kardinal Mastai-Feretti, dem späteren 
Papst Pius IX. zu sagen, im bischöflichen Palast zu Imola sei alles bis auf 
die Katze liberal. Schnitzer, der kath. Modernismus, in , .Zeitschrift für Po- 
litik" 1911. Band V, Heft 1, S. 10. 

4) Er muß verkleidet als Kaplan der Gräfin Spaur, der Gemahlin des 
bayrischen Gesandten, fliehen und wird vom Grafen Spaur an die neapolita- 
nische Grenze gebracht. Kurd v. Schlözer, Römische Briefe, 9. Aufl., S. 37. 

5) Wie gründlich der Papst sich während dieser Zeit aus einem liberalen 
Reformator zu einem Verteidiger der Ueberlieferung gewandelt hat, zeigt unter 
vielem anderen sein Brief an Ketteier vom 17. XII. 1850. Raich, Briefe von 
rxnd an W. E. Frhr. v. Ketteier, Mainz 1879, S. 223. 

6) Dr. Brück, Geschichte der Katholischen Kirche im 19. Jahrhundert. 
Münster .i W. 1905, Bd. III, S. 578. 



— 37 — 

Bismarck. Die geistige Nachfolge des Staatskanzlers trat Pius 11\. 
an, der durch die Verkündigung der unbefleckten Empfängnis der 
Jungfrau Maria'), die Herausgabe des Syllabus ^) und durch das 
Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit '°) die Kirche in Bahnen 
lenkte, in denen keine Stätte hatte alles, was fortschrittlich war 
oder gar modern. So verkörperte durch ihn „der Fels Petri das 
Mittelalter im brandenden Meer der Neuzeit"^°). Gedanken, die 
zu ihrer Zeit voll Kraft und Inhalt gewesen waren, rief er, verführt 
durch ein paar romantische Jahrzehnte, in neues Leben. Und so 
gewaltig war das Wort dieses Mannes, weil 18 Jahi-hunderte hinter 
ihm standen und seine Autorität ") stützten, daß das was er schuf, 



7) Wie stark er hierdurch ins Mittelalter znrückgriff, zeigt sich u. a. 
darin, daß zu Ehren der Immaculata wundertätige Medaillen verkauft wurden, 
die besonders kräftig gegen Hundstollwut und Protestantismus sein sollten. 
E. Preuß. Die römische Lehre von der vmbefleckten Empfängnis. Berlin 1.805, 
S. .118. 

8) Dieser, auf legitimistischer Grundlage fußend, bekämpft grundsätz- 
lich Forderungen des Liberalismus und will die durch Luthertum, Jansenis- 
mus, Voltainanismus und Sozialismus geschwächte römische Kirche wieder 
zu alter Höhe führen. Er ist eine Kriegserklärung an die Ideen der Gegen- 
v.-art, er ist eine Ultraniontanisierung der theologischen Wissenschaft, er be- 
deutet gleichsaiTi die Unterschrift unter die ablehnende Haltung des Papstes, 
den Kirchenstaat im Sinne des Königreiches Sardinien in liberaler Weise zu 
reformieren, wodurch ein Zusammengehen der beiden Staaten sich hätte er- 
möglichen und die Säkularisierung des Kirchenstaates sich vielleicht hätte ver- 
meiden lassen. Der Syllabus war die dogmatische Bekräftigung des von 
Pius IX. 2 Jahre zuvor an Napoleon geschriebenen ,,Non Possumus". Er 
besiegelte das Ende des Kirchenstaates. 

9) Sie nahm der Wissenschaft ihren soviveränen Charakter, sie hob jede 
Geschichtsforschung auf, vor allem aber gab sie dem Papst eine unumschränkte 
Macht über die Kirche. „Wenn der Papst nicht die Torheit begeht, ausdrück- 
lich zu erklären, er rede ex cathedra, so können seine falliblen AeuBerungen, 
v.'o und solange es zweckmäßig ist, als infallibel angesehen und geltend ge- 
macht werden ; aber nichts hindert, sie später als zeitgeschichtlich und per- 
sönlich bedingte auszugeben vmd zu verbessern. Eine korrigible Infallibilität 
— das ist der Zauberstab, den das Vatikanum dem Papst als Kommandostab 
in die Hand gegeben hat." Friedrich Loofs, Symbolik.. 1902, S. 212. 

10) H. V. Schubert, Grundzüge der Kirchengeschichte. Tübingen 1921. 
7. Auflage. S. 293. 

11) .Als Kardinal Guidi, der auf dem Vatikanischen Konzil am 6. Juni 
1Sfi9 gegen die Unfehlbarkeit gesprochen hatte, sich abends dem Papste gegen- 
über unter Berufung auf die Tradition zu verantworten suchte, soll Pius IX. 



— 38 — 

Bestand behielt weit über die Zeit hinaus, die ihm auf dem Stuhle 
Petri zu sitzen vergönnt war. Auch seine persönliche Unantastbar- 
keit mag- viel hierzu beigetragen haben ^2). 

Der letzte Abschnitt im Leben des Papstes steht im Zeichen 
des Kulturkampfes mit Preußen. 

Seine Persönlichkeit kommt für uns nur so weit in Frage, als 
es sich um die Jirnennung des Posener Erabischofs handelt. Es 
Viird daher cmmal einzugehen sein auf das Verhältnis des Papstes 
zu Ledochowski und zum andern auf seine Stellung zur polnischen 
l^rage. 

Der Vorsciilag. den Grafen Ledochowski auf den erzbischöf- 
lichen Stuhl von Gnesen und Posen zu heben, entsprang der eigen- 
sten Initiative Pius IX.^''), dessen erster Hausprälat nach Be- 
steigung des Stuhles Petri Ledochowski gewesen war. Seit dieser 
Zeit ist der Papst bis zu seinem Tode der väterliche Freund dieses 
polnischen Priesters gewesen. Beide stammten sie aus altem Adels- 
geschlecht ^^), beide der Heimaf entwurzelt ^°), beide waren sie tief- 
gläubige Katholiken, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß 
allein die Ilna Sancta Catholica Ecclesia den Menschen zum Pleil 
verlielfen könnte, beide Grand-Seigneurs, gewohnt, aufzutreten und 
zu befehlen, wenn auch der kleine, untersetzte ^") Papst hinter der 
stattlichen Gestalt des Polen ^^) zurückstand, beide sich als Reprä- 
sentanten einer 1800 Jahre alten Institution wissend, beide von star- 
kem Formgefühl, beide einsame Menschen, auf der Höhe des 
Lebens geboren und nicht gewillt, dem Herzschlag der Masse nach- 
zuspüren, es sei denn, um sie ihren ' Zwecken dienstbar zu machen. 



ihm geantwortet haben : ,,I.a tradizione son io." Nielsen, Die römische Kirche 
im 19. Jahrhundert. Deutsch von Michelsen, Gotha 1878, Band I, S. 517. 

12) „Der Papst tut für seine Familie fast garnichts und unterscheidet 
sich dadurch von seinen Vorgängern, die fast ohne Ausnahme ihre Familie zu 
heben und zu bereichern wußten." Kurd v. Schlözer, Römische Briefe, S. 81. 

13) Arnim an Bismarck 10. Mai 1865. Akten K. M. 1. 

14) Pius IX. stammte aus dem Hause der Grafen Mastai-Feretti. 

15) Ledochowskis Vaterland war unter o Fremdvölkern aufgeteilt, in 
Italien stand Nationalismus gegen Curialismus, sod.aß auch Pius sich nur als 
Papst und nicht als Italiener fühlen konnte. 

16) Graf Hoensbroech. 14 Jahre Jesuit. Leipzig 1909, Bd. I. S. 289. 

17) Deutschlands Episkopat in Lebensbildern. Band II, Heft 1, S. 16. 



— 39 — 

Diese Gleichartigkeit der Grundstimmung veranlaßte den 
Papst, den jungen Priester schnell von Stufe zu Stufe zu heben. 
Bei seiner Ernennung zum Erzbischof von Gnesen-Posen schenkte 
er ihm „als Zeichen seiner persönlichen Zuneigung" ^'') em wert- 
volles Bischofskreuz ^'') . 

Es ist wahrscheinlich, daß das nahe Verhältnis, in dem Pius 
zu Ledochowski stand, den Papst schon früh veranlaßt haben wird, 
seine besondere Aufmerksamkeit den Polen zuzuwenden. 

Diese-i Interesse hat -er während seines ganzen Pontifikats in 
verschiedener Weise zum Ausdruck gebracht. So errichtete er zur 
Zeit der Ernennung Ledochowskis zum Erzbischof ein besonderes 
polnisches Seminar in Rom-"). Dieses CoUegium polonicum war 
ausschließlich für das theologische Studium junger Kleriker aus 
Polen und Posen bestimmt -^) . 

Daß er sich bis zum Beginn des Kulturkampfes vorwiegend 
mit Russisch-Polen beschäftigte, ist erklärlich, da hier nach Nieder- 
werfung des Aufstandes von 1830 die katholische Kirche durch die 
Aufhebung der im Jahre 1815 gegebenen Verfassung besonders 
stark getroffen war. Bis zur Ernennung Ledochowskis zum Erz- 
bischof von Gnesen-Posen hat Pius IX. achtmal --) in aller Form in 
die polnische Frage eingegriffen. Das Konkordat, das Pius ein 



18) Aeußeiung Ledochowskis im Gespräch mit Mühler. In einem 
Schreiben Mühlcrs an Hörn, 20. April 1866. Akten K. M. 3. 

19) Vergleiche hierzu S. 207. 

20) Deutschlands Episkopat, a. a. O. S. 19. 

21) Ebenda S. 23. 

22) a) 3. August 1847 Concordat mit Rußland. 

b) 3. Juli 1848 Circumscriptionsbulle. 

c) 31. Januar 1859 Apostolisches Schreiben an den Zaren. 

d) 6. Juni 1861 Breve an den BIrzbischof von Warschau. 

e) 16. März 1863 Allocution. 

f) 22. April 1863 Apostolisches Schreiben an den Zaren, 
g) 24. April 1864 Ansprache des Papstes im CoUegio di Propaganda, 
h) 30. Juli 1864 Schreiben des Papstes „Ubi Urbaniano" an die 
Bischöfe Rußlands und Polens. 
Die Kundgebungen a — f i-'-nd h sind enthalten in: Pii' IX. Pontificis 
Maximi Acta Pars I. Vol. I. Romae 1854, Vol. II. 1858, Vol. III. 1864 Ex 
Typographia bonarum artium. Die Ansprache unter g ist nirgends auf- 
gezeichnet. Siehe oben im Text. 



_ 40 — 

Jahr nach seiner Thronbesteigung mit Rußland abschloß, regelt in 
erster Linie die Verhältnisse der katholischen Kirche in Rußland, 
während es für Polen die bestehenden Diözesen nur bestätigte, 
jedoch für Rußland sowohl wie für Polen bei Ernennung der 
Bischöfe eine Uebereinkunft zwischen Zar und Papst vorsieht.. Die 
Circumscriptionsbulle führt eine 'große Reihe von Mißständen auf, 
deren Abstellung im Interesse der katholischen Kirche gefordert 
wird. In dem in französischer Sprache abgefaßten Schreiben vom 
31. Januar 1859 ersucht der Papst den neuen Zaren Alexander IT., 
die Reformen in die Wege zu leiten, an deren Durchführung der 
Tod seinen Vater verhindert habe. 

,,Ein einziges Wort von Ihnen gab vor Kurzem ganz Europa 
den Frieden wieder, und ganz Europa wird Ihnen diese Wohltat 
nie vergessen. Möge ein anderes Wort aus Ihrem Munde die 
Wünsche erfüllen, die wir hier aussprechen, und die katholische 
Kirche beider Riten wird Ihnen ewig dankbar dafür sein." Außer- 
dem wird in diesem Schreiben die Zulassung eines päpstlichen 
Nuntius in Petersburg erbeten"-). Während das Breve vom 6. Juni 
1861 eine apologetische Schrift ist, die ausführlich darlegt, in wel- 
cher Weise sich Papst Pius IX .seit seinem Regierungsantritt ura 
das Schicksal der polnischen Katholiken bemüht habe, enthält die 
Allokution von 1863 außer einer Reihe von Ernennuiigen und Stel- 
lenbesetzungen lebhafte Klagen über das Schicksal der Polen. Wie 
Pius IX. über die Polenfrage dachte, geht am klarsten mus dem in 
italienischer Sprache abgefaßten Schreiben hervor, das er am 
22. April 1863 an den Zaren persönlich richtete-^). Die Richtlinien, 
die diesem apostolischen Schreiben zu Grunde liegen, sind ohne 
Frage die, die sowohl des Papstes wie Ledochowskis Handeln in 
den 60er Jahren bestimmt haben. Dieses Schreiben wurde jedoch 
durch die Ereignisse überholt. Der am 22. Januar 1863 aus- 
gebrochene Aufstand hatte sich nach einigen Anfangserfolgen der 
Aufständischen ausgebreitet, sodaß in Warschau sogar eine geheime 
Nationalregierurig eingesetzt war, die selbständig Steuern einzog 



23) Die Ablehnung dieser Bitte trug die Haviptschuld an dem Brucli 
mit Rußland. Nielsen, Die römische Kirche im 19. Jahrhundert. Deutsch 
von Michelsen. Gotha. Bd. I, S. 453. 

24) S. Anlage 1. 



— 41 — 

und sich bis zum April 1864 halten konnte. Diesen Machenschaften 
gegenüber griff der Zar mit äußerster Strenge durch. Er rief den 
(jToßfürsten Konstantin ab und ernannte an Stelle des Marquis 
Wielopolski den General Grafen Berg zum Statthalter und über- 
lief ehlshaber ^'^) , der nun im Interesse der Staatsgewalt ähnlich 
durchgriff wie später Bismarck im Kulturkampf. Hiergegen wandte 
sich, aufgereizt durch die polnischen Damen in Rom, der Papst bei 
einer Ansprache, die er am 24. April 1864 bei einer großen Feier 
im Collegio di Propaganda anläßlich der Proklamation zweier Hei- 
ligen hielt, mit größter Schärfe und den Ausdrücken höchster Lei- 
denschaftlichkeit, sodaß, wenn man auch der Rede anmerkte, daß 
sie unvorbereitet war, Antonelli A'Iühe hatte, der dadurch entstan- 
denen Erregung Herr zu werden"'"). Und der um dieselbe Zeit bei 
ihm zu einer Audienz weilenden russischen Fürstin Tschetwertinsky 
rief er zu: „Mais votre Empereur est un Neron" -''). 

Die gleichen Gedanken, vorsichtiger tmd politisch geschickter, 
\Yenn auch nicht Aveniger scharf gefaßt, finden sich dann in dem 
Schreiben des Papstes „Ubi Urbaniano" an die Bischöfe von Ruß- 
land und Polen vom 30. Juli desselben Jahres. Wenn dies auch 
„die übel beratenen Erhebungen in Polen mißbilligt", die der rus- 
sischen Regierung Anlaß gaben, die katholische Kirche täglich mehr 
zu quälen und zu unterdrücken, so geht doch schon aus dieser For- 
mulierung hervor, daß die Erhebung nicht an sich, sondern nur ihrer 
unerwünschten Folgen wegen verurteilt wird. Im übrigen verbietet 
der Papst die Befolgung der Regierungsanordnungen, soweit sie 
irgendwie päpstlichen Interessen zuwiderlaufen, imd fordert un- 
bedingten Gehorsam für die Kirche und ihre rechtmäßigen Ver- 



25) Berg blieb in dieser Stellung von 1868 — ^1874. Nach Niederwerfung 
des Aufstandes wurden 18 000 Menschen nach Sibirien deportiert. 30 000 qkm. 
polnischen Privateigentums eingezogen. 

26) Brief des bei der Feier anwesenden Legationsrats Kurd v. Schlö- 
zer an seine Mutter vom 12. Mai 1864. Abgedruckt in Kurd v. Schlözei-s 
Römischen Briefen S. 46. Schlözer meldet am 30. 8. 1864 an Bismarck, daß. 
zum Teil durch diese Rede veranlaßt, eine Anzahl polnischer Flüchtlinge in 
Rom eingetroffen seien. Der Papst habe jetzt selbst das Gefühl, «lamals 
zu weit gegangen zu sein. 

27) Ebenda S. 47. 



— 42 — 

treter -^) . Das Ganze ist gewissermaßen eine Generalprobe für den 
Kulturkampf der 70er Jahre, in der der Papst die Waffen erprobt, 
die er in dem späteren Kampfe gegen Bismarck zur vollen Anwen- 
dung bringt. 

Bei dem gespannten Verhältnis, das z. Zt. des Todes des Erz- 
bischofs V. Przyluski zwischen dem evangelischen Preußen und 
dem katholischen Oesterreich sich anbahnte, war daher die Neu- 
besetzung des erzbischöflichen Stuhles von Posen-Gnesen für 
Pius IX. gerade nach den Erfahrungen, die er im russischen Polen 
gemacht hatte, von einer besonderen Wichtigkeit. So wird es 
nel)en der persönlichen Zuneigung, die er für Ledochowski empfand, 
erklärlich, daß er grade diesen ihm geistig so verwandten Kirchen- 
fürsten auf den Gnesener Stuhl zu heben gewillt war -') . 

Der Mann, der sie ihm mit allen Mitteln seiner kurial-politi- 
.schen Regie durchsetzte, war sein Kardinalstaatssekretär Antonelli. 

Kardinalstaatssekretär Antonelli. 
Ebensowenig wie es möglich ist, Kaiser Wilhelms I. zu ge- 
denken, ohne daß dabei von selber die ragende Größe Bismarcks 
::ich aufreckt, ebensowenig wird man sich mit Papst Pius IX. be- 
.schäftigen können, ohne daß einem hinter dem Stuhle Petri die 
hagere Gestalt mit den scharfen Zügen und. den schwarzen feurigen 
Augen seines Kardinalstaatssekretärs Antonelli entgegentritt. Beide 
waren sie, Bismarck wie Antonelli, berufen, die Geschicke ihres 
.'"Staates 28 Jahre lang"'") zu leiten vmd zu vertreten. Während sich 
aller in den beiden Herrschern auf dem Thron, so verschieden sie 
an Temperament waren, gewisse gemeinsame Züge finden lassen, 
so vor allem die Lauterkeit ihres Charakters und ihrer Absichten, 
gab es kaum größere Widersprüche als die ihrer ersten Ratgeber. 



28) Schlözer übei".sendet dieses Rundschreiben des Papstes am 22. 9. 
1864 an Bismarck und bemerkt dazu, daß die Schärfe dieses Erlasses um so 
auffallender ist. als man gerade eine Annäherung zwischen Rom und Peters- 
burg erwartet hatte. ("Akten A. A. 1.) 

29) Ucber Papst Pius IX. sind zahlreiche Biographien und Werke er- 
schienen. Das französische Buch: Pie IX. sa vie et les actes de son ponti- 
fjcal traduits d'apres des documents etrangers par Tabbe Gillet, 1877 enthält 
zahlreiche Abbildungen des Papstes in verschiedenen Lebensaltern. 

oO) Bismarck von 1862—1890, Antonelli von 1848—1876. 



— 43 — 

Schon äußerlich stand die herkulische Gestalt des deutschen 
Kanzlers in auffallendem Gegensatz zu der geschmeidigen Schlank- 
heit des Kardinals. War Bismarck aus altem Adelsgeschlecht ge- 
boren, so entstammte Antonelli "■^) einem berüchtigten Räubernest 
an der neapolitanischen Grenze, in dem seine Vorfahren und Ver- 
wandte teils als Rechtsgelehrtc oder Rinderhirten gelebt hatten, teils 
noch als Räuber lebten. 

Schöpfte der deutsche Kanzler seine Gedanken zu Politik und 
Tat aus dem ewig jungen Quell seiner eigenen profunden Kraft, so 
saß im Vatikan einer, dessen ererbte Verschlagenheit sich reibungs- 
los in jede neue Richtung seines päpstlichen Herrn fand, allerdings 
einer, der die brigaritischen Anlagen seiner engen Heimat ins 
Staatsmännisch-Weite sublimierte. 

Antonelli war kein Genie, wie es Bismarck war, und doch war 
er einer, den ein Viertel Jahrhundert lang ein jeder Staatsmann 
irgendwie als einen Faktor in seine Rechnung einstellen mußte. 
„Entschlossen und scharfyerständig'', so charakterisiert ihn 
Treitschke •''-) . War Bismarck der urwüchsigen und aus sich heraus 
schaffenden Kraft eines Michel Angelo vergleichbar, der immer 
aus dem Vollen eines unerschöpfbar scheinenden \'orrats gab, 
so w?ar in Antonelli die Vielgewandtheit eines Rafael wieder leben- 
dig geworden; der jede von außen kommende Anregung zu nutzen, 

31) Daten seines äußeren Lebens: 
1806 2. IV. Geboren in Sonnino. 

Nach Zerstörung seines Geburtsortes, eines berüchtigten Riiubernestes, durch 

die päpstliche Gendarmerie Erziehung im Priesterseminar m Rom. 
1827 Dr. beider Rechte. 

1830 Assessor beim Obersten Gerichtshof. 

1831 Päpstlicher Delegat in Orvieto, Viterbo und Macerata. 

1840 Weihe zum Diakon, Canonicus von St. Peter. 

1841 Unterstaatssekretär des Innern. 

1844 Zweiter Schatzmeister. 

1845 Finanzniinister. 
1847 12. VI. Kardinal. 

1847 15. XL Präsident der Consulta di stato (beratende Volksvertretung). 

1848 10. Li I. — ^2. V. Vorsitz uji liberal-demokratischen Laienministerium. 
1848 25. XL folgte dem Papst bei dessen Flucht aus Rom und v.urde Kar- 

dinaistaatssekretär, das er bis zu seinem Tode blieb. 
1876 8. XL Gestorben in Rom. 

32) Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. V, S. 723. 



— 44 — 

aus allem Avas er auch sah und hörte, für die eigene Kunst Vorwürfe 
und Gedanken zu entnehmen verstand, freilich mit dem Unter- 
schied, daß das, was bei dem Junggeborenen und ewig Jungen 
Naivheit und Selbstverständlichkeit war, bei dem Attgeborenen und 
ewig Alten m Absicht und Berechnung umschlug. 

Antonelli hat bei allen großen Entschlüssen in dem Leben 
Pius IX. irgendwie Pate gestanden. So sehr beherrschte er alle 
Geheimnisse des Vatikans und alle Möglichkeiten kurialer Politik, 
daß er dem Papst, der nie realen Boden unter den Füßen gesehen, 
immer imentbehrlicher Avurde. Und trotz dieser Unentbehrlichkeit 
erkalteten die Beziehungen zwischen diesen beiden Brennpunkten 
der katholischen Welt von Jahr zvi Jahr mehr. Aeußerlich mag 
dies seinen Grtmd darin gehabt haben, daß I''ius IX., je älter er 
wurde, sich immer mehr den politischen Fragen abwandte und diese 
seinen Organen überließ und umsomehr den kirchlichen und dog- 
matischen Fragen sein Interesse entgegenbrachte, zumal von dem 
Papst-König, als der er den Thron bestiegen, nach 1870 nvu- noch 
der Papst übriggeblieben war. Aber die Gründe der wachsenden 
Abneigung lagen doch tiefer. Sie lagen einmal in der Verschieden- 
heit des sittlichen Niveaus dieser beiden Männer und zum anderen 
darin, daß der Papst mit zunehmendem Alter immer mehr in die 
Abhängigkeit der Jesuiten geriet. 

Wie oft Gegensätze unter sonst gleich Gerichteten eine beson- 
dere Schärfe annehmen, so bestand auch zwischen Antonelli und 
den Jesuiten eine Kluft, die sich nicht nur nicht überbrücken ließ, 
sondern mit den Jahren immer tiefer wurde, wenngleich beide 
Parteien viel zu klug waren, sie nach außen hin in Erscheinung 
treten oder gar einen Dritten hieraus einen Nutzen ziehen zu lassen. 
Bei aller Gleichartigkeit zumal in gewissen MentalreserA-ationen 
standen Antonelli und die Jesuiten sich fremd, ja kalt gegenül^er. 
So kam es, daß, je näher das Vatikanische Konzil heranrückte, das 
die Jesuiten auf der Höhe ihres Sieges sah, der Papst in gleichem 
Maße den Händen Antonellis immer mehr entglitt, und daß andere 
sich dazwischen schoben, die berufen oder weniger berufen, verant- 
wortlich oder unverantwortlich, in die Kreise Antonellis eingriffen. 
Zu diesen Männern zählte, soweit deutsche Verhältnisse in Frage 
kamen, in erster Linie der Kardinal Graf Reisach. 



— 45 — 

Kardinal Graf Reisach ^^). 

Das Wartburgfest hatte die politische Leidenschaftlichkeit der 
akademischen Jugend zur Weißglut erlitzt. War in den Freiheits- 
kämpfen auch der Feind aus dem Lande gejagt, die Freiheit, für 
die man gekämpft, war ausgeblieben. Wer trug die Schuld? Man 
:->uchte nach einem Exponenten, auf den sich der Haß konzentrieren 
konnte, und fand ihn in Kotzebue. Am 23. März 1819 ermordete 
ihn der Jenenser Burschenschafter Karl Ludwig Sand in Mannheim. 
Am 29. Mai fällt das Haupt des jungen Schwärmers unter dem 
Beil des Richters. Auch die Heidelberger Studentenschaft war 
herübergekommen, um dem Schauspiel beizuwohnen und dem 
phasitastischen Kommilitonen ihren letzten Gruß zu bringen. Ihm 
galt ihre Sympathie, nicht dem ermordeten Dichter. Aber sie kam 
zu spät. Die Polizei war vorsichtig gewesen. Als sie erschienen, 
war alles vorüber. Enttäuscht, empört, in drohender Haltung, je 
nach dem Temperament, zogen sie zurück nach Heidelberg,, unter 
ihnen der 19jährige Stud. iur. Karl August Graf v. Reisach, auch 
er, wie die anderen, im Banne der Tat des Wunsiedeler Studenten 
der Theologie ^*) . 

In dem jungen Reisach "'°) gärte das alte Blut eines 1000- 
jährigen Geschlechts. Wille zur Macht, Wille zur Größe, berech- 



33) Literatur über den Kardinal Reisach: 

a) R.G.G. IV, S. 2167. 

b) Allgemeine deutsche Biographie Bd. 28, S. 114 ff. 

c) Deutschlands Episcopat in Lebensbildern, Bd. IL Heft IV. 

d) Kirchenlexikon von Wetzer und Weite, Bd. X, Sp. 988—900. 

e) Katholik 1S70, I., S. 129—150. (Lebenslauf und Würdigung.) 
f) Kardinal Graf Reisach von Joh. Baptist Götz 1901. 

g) Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. IV, S. 635 f.. 

Bd. V, S. 281 f. 
h) Geschichte des Collegium Germanicum Hungaricum in Rom. Von 

Steinhuber. Herder 1895, Band 11, S. 462 ff. Ausführlicher Lebenslauf 

des Kardinals Reisach. 

34) Nach mündlicher Mitteilung des Kardinals Grafen Reisach an 
Wilhelm Molitor. Veröffentlicht in: Wilhelm Molitor, Cardinal Reisach. 
Würzburg 1874. 

35) Daten seines äußeren Lebens : 

1800 6. Juli zu Roth im Bistum Eichstätt geboren. 

1816 — ^1821 Student in München, Heidelberg, Göttingen und Landshut. 



— 46 — 

nende Klugheit, Leidenschaftlichkeit und der Wille, sie zu bändigen, 
Begeisterungsglut und der Drang, sie nicht Herr werden zu lassen 
über sich, alles das saß und schäumte und rang miteinander in 
diesem letzten seines Geschlechts. Da entschloß er sich plötzlich im 
Herbst 1824 Priester zu werden, und trat in das Germanische 
Kolleg in Rom ein. Daß er den Jesuiten, unter deren unmittel- 
baren Leitung das Kolleg stand, zeit seines Lebens ein dankbarer 
Schüler blieb, das bezeugt er selbst in der Festrede, die er 1865 in 
der Jcsuitehkirche zu Rom auf den seligen Canisius hielt""). Da- 
mit war die Richtung seines Lebens und seines Wirkens bestimmt. 
Fortan ward er der rücksichtslose, in allen diplomatischen Künsten 
gewandte und alle benutzende •''") Kirchenfürst, der in dem bevor- 
stehenden Kampfe zwischen Imperium und sacerdotium nur ein 
Ziel kennt: die Herrschaft der Kirche. Wenn Treitschke ^^) von 
ihm sagt, er ,, machte dem Ruf der Verschlagenheit, der noch von 
den napoleonischen Tagen her an seinem Hause haftete, alle Ehre", 
so wird man dies ebensowenig als historisch gerecht hinstellen 
dürfen, wie die überschwenglichen Lobeserhebungen von ultramon- 
taner Seite ^") . Alan wird diesen römischen Kardinal erst dann 



1821 Dr. lur. 

1824 14. Oktober Eintritt in das Collegium Germanicum- zu Rom. 

1828 10. August zum Priester geweiht. 

1829 Studienrektor im Collegium der Propaganda. 
1836 11. Juli Bischof von Eichstätt. 

1841 12. Juli Coadjutor des Erzbischofs von München. 

1847 25. Januar Erzbischof von München. 

1855 17. Dezember Kardinal in Rom. 

1857 8. April Konkordat mit Württemberg, von der württembergischen 
Kammer abgelehnt. 

1859 8. Juni Konkordat mit Baden, von der badischen Kammer abgelehnt. 

1865 Mitglied der dirigierenden Kommission zur Vorbereitung des vatikani- 
schen Konzils. 

1869 27. November Erster Präsident der Konziis-Kongregationen (wegen 
Kmnkheit nicht angetreten). 

1869 16. Dezetnber gestorben in Contamine in Savoyen. 

36) A. d. B., Bd. 28, S. 115. 

37) Beispiele hierfür s. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahr- 
hundert Bd. IV, S. 714. Pfülf, S. J. Bischof v. Ketteier Bd. II. S. 258 f. 

38) Treitschke a. a. O., Bd. V, S. 281. 

39) Deutschlands Episkopat in Lebensbildern Bd. II, Heft IV, S. 139 ff. 



_ 47 — 

verstehen können, wenn man seine Weltanschauung und die sg 
manches anderen katholischen Kirchenfürsten historisch zu be- 
greifen sucht. Er entstammte einem Hause, das seit Jahrhunderten 
zu befehlen gewohnt war. Und wenn ein plötzlicher Entschluß den 
jungen Doktor beider Rechte in ein neues Leben warf, so wird man 
von ihm nicht erwarten dürfen, daß ein völlig neuer Mensch aus 
ihm wurde. Der Nationalismus schlug in Kurialismus um. Die 
Sinnesart blieb die gleiche. Es. ist erklärlich, daß ein so aufgeklär- 
ter und dabei doch katholisch gläubiger Monarch wie Maximi- 
lian IL von Bayern diesen Mann in München nicht ertrug und den 
Papst um seine Abberufung nach Rom bat *") . Ja, er erklärte, er 
könne nicht in einer Prozession gehen, bei der Reisach das Aller- 
lieiligste trage ■*\). Wie weit Reisach, der damalige Coadjutor des 
Erbischofs v. Gebsattei von München im November 1841 an den 
Maßnahmen der Kirche beim Tode der frommen evangelischen 
Königinmutter von Bayern selbst beteiligt war, läßt sich nicht fest- 
stellen *-) ; daß er der Urheber dieses für das 19. Jahrhundert ge- 
radezu ungeheuerlichen Aktes von Intoleranz gewesen, oder daß er 
das erzbischöfliche Vorgehen zum mindesten gebilligt hat, ergibt 
sich aus seiner Haltung, die er 13 Jahre später als Erzbischof von 
München beim Tode der gleichfalls evangelischen Königin-Mutter 
Therese *^) einnahm**). Seine Weigerung, hier die Trauerfeierlich- 
keit abzuhalten *") , war der letzte Anstoß zu dem Gesuch des Königs 
von Bayern an den Papst, ihn abzuberufen*'^). Generalvikar Win- 



40) A. d. B.. a. a. O., S. 11(5. 

41) G. Friedrich. Ignaz v. Döllinger, München 1899, Bd. III, S. 170. 

42) Vom Erzbischof wurde nicht nur die Aussegnung der Leiche in der 
Theatinerkirche, sondern auch den barmherzigen Schwestern, die ihrer Wohl - 
täterm zu Grabe zu folgen wünschten, jede Teilnahme an dem Begräbnis 
untersagt. Treitschke a. a. O.. Bd. V, S. 311. 

43 j Geborene Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen, Gattin König 
Ludwigs I., Mutter König Maximilians II. 

44) A. D. B., a. a. O., S. 116. 

45) In Deutschlands Episcopat in Lebensbildern Bd. II, Heft IV, wer- 
cien beide Fälle von Intoleranz nicht erwähnt. 

46) Daß Reisachs Abberufung aus München auf den König Maxi- 
milian zurückgeht, gibt auch KiBling zu. Geschichte des Kulturkampfes iin 
Deutschen Reich Bd. I, S. 419. Ebenso Brück, Geschichte der Katholischen 
Kirche Bd. III, S, 97 f. 



— 48 — 

dischmann sah allerdings in der ..Beförderung Reisachs zum Kar- 
dinal" nur eine Auszeichnung des tapferen Kirchenfürsten in seinem 
Kampfe gegen den rebellischen Staat*'). Wie sehr Reisach in die- 
sem Widerstreit der Interessen zwischen Staat und Kirche einseitig 
und in schärfster Form auf kurialer Seite stand, geht daraus her- 
vor, daß er bei manchem Wissenden als einer der Väter des Kultur- 
kampfes galt. So berichtet der Kardinal Hohenlohe am 5. März 
1876 aus Rom an Bismarck **) : „Das ganze Uebel*"), meinte der 
hohe Herr"'-), datiere vom verstorbenen Kardinal Reisach, der beim 
Papst und Antonelli stets gegen die Prussia gehetzt habe und den 
Keim zu all dem gelegt, was heute zu so großem Schaden aufge- 
wachsen sei." 

Da das Kardinalskollegium seit 2 Jahrhunderten fast nur aus 
Italienern besteht, so ist es für den Ausländer nicht leicht, hier Fuß 
zu fassen. Will er sich durchsetzen, so liegt es für ihn nahe, päpst 
lieber als der Papst zu werden, eine Gefahr, der nach Schlözers An- 
sicht °^) auch Reisach nicht entgangen ist. Jedenfalls steht fest, 
daß sein Einfluß, insonderheit auf die ganzen Verhältnisse in 
Deutschland, ein außerordentlich großer gewesen ist--). Wie mit 
Ketteier ^•*) , so stand er mit zahlreichen einflußreichen kirchlichen 
Persönlichkeiten seiner einstigen Heimat in regem Briefverkehr. 
Ohne daß seine Tätigkeit sichtbar in Erscheinung trat, hatte er so- 
wohl an der Cölner '*; wie an der Posener Erzbischofswahl ''^) von 
1865 entscheidenden Anteil. Wo aber auch immer er hervortrat 
st^ts wirkte- er in kurialem und antistaatiichem Sinne ^''). ,,Der 



47) Vortrag des Generalvikars Windischmann am 4. Juni 1858. In Moy 
i;nd Vering Archiv für katholisches Kircheurecht 1862 11^ S. 452. 

48) ßismarck, Gedanken tmd Erinnerungen, Anhang II, S. 484. 
49; Gememt ist der Kulturkampf. 

50) Der Name dieses , .hohen, einflußreichen Herren" wird nicht ge- 
nannt. 

51) Römische Briefe von Kurd v. Schlözer, 9. Aufl. 1920, S. 289. 

52) Denkwürdigkeiten des Kriegsministers Grafen Roon II, S. 307. 

53) Pfülf, an zahlreichen Stellen in Bd. I und IL 

54) Roon a. a. O. II, S. 365. 

55) Ebenda S. 258. 

56) Fürst Chlodwig Hohenlohe, Denkwürdigkeiten I, S. 331. 



— 49 



Tod des Kardinals Rcisach wird hier als ein unersetzlicher \erlusi 
empfunden, vor allein vom Papst selbst, dessen Vertrauen der Ver- 
ewigte mehr als irgend ein anderer Kardinal besaß." °'^). 



B. Die Polen. 

1. Die polnischen Nationalisten. 

In fast noch stärkerem Maße als bei der Kirche trägt bei den 
Polen die Sache die Person. Es war nicht nur politischer Weitblick 
der Bourbonen, der durch all die Jahrhunderte Polen an Frankreich 
band, es war auch ein Gemeinsames im Charakter, das die beiden 
Völker zusammenführte, das, was der Franzose mit Elan bezeichnet. 
Seit dem Untergang des Staates doppelt stark emporlodernd, riß 
der Schrei nach Freiheit in Polen alles in den Bann dieser Idee. 

Zwei Eigenschaften hat der Pole, die dem sowohl, der seine 
Ge-schichte liest, wie dem, der mit ihm persönlich in Berührung 
kommt, sofort in die Augen springen, das ist seine Vaterlandsliebe 
und seine ritterliche Geste. Und gleichwohl fehlt beiden Eigen- 
schaften etwas, das ihnen letzte Tiefe und damit erst wirklichen 
Wert gibt. Der Vaterlandsliebe fehlt das staatenbildende Ferment 
und der ritterlichen Geste die innerliche Echtheit. Beide Eigen- 
schaften sind heiß und glutvoll, rasch auflodernd und stark. Aber 
sie sind nicht auf Felsen gebaut, denn Polen hat keine Felsen. 

Es ist, als ob das Schicksal diesem Volke große Gaben ver- 
heben und doch im letzten Augenblick den wertvollsten Teil dieser 
Gaben wieder zurückgezogen hätte, wie denn auch dem Volke selbst 
■sein wertvollster Bestandteil fehlte: der Mittelstand. 

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Polen nur zwei 
Stände: den Adel und die Leibeignen. Das Vaktium dazwischen 
füllte zum einen Teil der deutsche Siedler, zum andern Teil der 
jüdische Kaufmann aus. Der Handel lag in jüdischen, das Hand- 
\verk vorwiegend in deutschen Händen. Erst unter der Regierung 
Friedrich Wilhelm IV. wurde dies anders. Das Hauptverdienst, 
einen polnischen Mittelstand zu schaffen, hat neben der gleichfalls 
hierfür sich einsetzenden Geistlichkeit und vor allem neben den 



•57) Quirinus, Römische Briefe vom Concile München 1870, S. 9:3. 

4 



— 50 — 

deutschen kulturellen Bestrebungen selbst der am 25. August 1841 
gegründete Marcinkowskische Verein, der es durch eifrige Werbe- 
arljeit und Verteilung zahlreicher Stipendien dahin brachte, daß 
zwischen Adel und Bauern allmählich ein nevier Stand, der der 
Aerzte und Rechtsanwälte, emporwuchs, der durch seine wissen- 
schaftliche Bildung dazu befähigt, bald die politische Führung in 
polnisch nationalistischem Sinne in die Hand nahm. 

Der Russe braucht Religion zum Leben, der Engländer See- 
herrschaft, der Spanier Weiber, der Franzose Ruhm, der Pole Haß. 
Natürliche Objekte dieses Hasses waren die drei Großmächte, die 
einst Polen imter sich geteilt hatten. Da aber Haß, um wirksam 
i'.u sein, sich konzentrieren muß, nahm man das ebenfalls römisch 
katholische Oesterreich aus; so blieben Preußen und Rußland. 
Sache der Politik jeder dieser beiden Großmächte wäre es gewesen, 
den ihr zufallenden Anteil an Haß auf die andere Macht abzuwäl- 
zen. Das erforderte klare Richtlinien für die Posener Regierung. 
Diese fehlten. 

Nur zwei Oberpräsidenten hat Posen während der I3/2 Jahr- 
hunderte seiner Zugehörigkeit zu Preußen gehabt, die bewußt und 
stark und deutsch von der Größe ihrer Aufgabe durchdrungen 
waren. Der eine war Eduard von FlottwelP*), der andere Carl von 
Hörn ^"). Aber auch sie kamen nicht ans Ziel. Der Erste, weil der 



08) L786 geboren in Insterburg. 
1805 Auskultator in Insterburg. 
1808 Assessor in Königsberg. 
1812 Regierungsrat in Gumbinnen. 
1816 Oberpräsidialrat in Danzig. 
1825 Regierungspräsident in Marienwerder. 
1830 Oberpräsident von Posen. 
1841 Oberpräsident von Sachsen. 
1844 Preußischer Finanzminister. 
1846 Oberpräsident von Westphalen. . 

1848 Mitglied der National -Versammlung in der Paulskirche. 
1850 Oberpräsident von Brandenburg. 

1858 Minister des Innern. 

1859 Oberpräsident von Brandenburg. 
3 862 In den Ruhestand getreten. 
1865 In Berlin gestorben. 

59) Siehe S. 87 ff. 



— 51 — 

Tod Friedrich Wilhelms III. und der damit verbundene politische 
Kurswechsel seine Arbeit unterbrach, längst ehe sie zu Ende geführt 
war. Der Zweite, weil die Preußische Regierung selbst drei Jahre, 
nachdem sie ihn nach Posen berufen, in der Person des neuen Erz- 
bischofs einen politischen Gegenspieler in seinem eigenen Wirkungs- 
kreis zuließ, dem er nach weiteren drei Jahren sogar weichen mußte. 
Beide aber kamen sie, Flottwell sowohl wie Hörn, nicht ans Ziel, 
weil dieses Ziel durch tausend Schleier und Schwierigkeiten so 
verhängt war, daß nur das geniale Auge des wirklich großen Staats- 
mannes es hätte erschauen können. Flottwell sowohl wie Hörn 
gehören zu den besten und edelsten Vertretern preußischen Be- 
amtentums. Genial waren sie nicht. 

Die Möglichkeit einer Germanisierung hätte für Westpreußen 
und Posen wohl bestanden. Der fortgesetzte Kurswechsel in der 
preußisch-polnischen Politik vereitelte jede. Eine ein halbes Jahr- 
hundert früher begonnene Siedlungspolitik hätte noch nicht mit 
dem polnischen Mittelstand zu tun gehabt, der durch die preußi- 
schen Schulen, durch die preußischen Kulturbestrebungen und die 
preußischen Fehler *'"^) ins Leben gerufen in den 80er Jahren bereits 
das Rückgrat des polnischen Nationalismus. bildete. 

Für die Polen gab es damals zwei Zukunftsmöglichkeiten. 
Entweder sie bildeten den bewußten Vortrupp des Panslawismus, 
dann mußten sie einen modus vivendi mit Rußland finden, wozu 
ihnen Zar Alexander IL in übergroßer Bereitwilligkeit die Hand 
bot. Die Antwort auf diese polenfreundliche Politik war der Auf- 
stand von 1863, der russischerseits zu ihrer völligen Knechtung 
führte. Odei' sie schlössen sich unter bewußter Ablehnung zaristi- 
scher Russifizierung an Preußen an, das während Rußland ganz 
orthodox, 30 doch wenigstens zu einem Drittel katholisch war wie 



60) Auf die Einzelheiten dieser Fehler einzugehen liegt außerhalb des 
Rahmens dieser Arbeit. Daß man durch die deutsche Zwangssprache Haß 
erzog, daß durch die Simultanschnle deutsche Kinder das Deutsche ver- 
lernten und daß dadurch die evangelischen Kinder häufig katholisch wurden, 
was oft wieder gleichbedeutend mit polnisch war, daß der deutsche Schul- 
zwang den Polen zu einem zweisprachig und dadurch wirtschaftlich über- 
legenen Menschen machte, und vieles andere mehr, sind Erscheinungen, die 
'-'ns in ihrer vollen Klarheit zum Teil erst jetzt aufgegangen sind, seit wir 
uns in mancher Hinsicht in ähnlicher Lage befinden wie damals die Polen. 

4* 



sie selbst. In diesem Falle konnten sie auf eine Wiederherstellung 
des Königreichs Polen hoffen, vorausgesetzt, daß sie endgültig auf 
Westpreußen und Posen verzichteten, ohne die ihr westlicher Nach- 
bar nicht lebensfähig war. 

Auch Burgund war einst deutsch, auch Ansbach und Baireuth 
einst brandenburgisch. Es je zurückzufordern lag außerhalb der 
Möglichkeit realer. Politik. 

Wer in die Vergangenheit träumt, dem gleitet die Zukunft aus 
den Händen. Die polnischen Nationalisten haben den Blick nie 
anders als nach rückwärts gewendet So war alle Arbeit, die sie 
leisteten, unfruchtbar und destruktiv. Ihr Haß hat sie blind ge- 
macht und Rußland wie Preußen in gleicher Weise bekämpfen 
lassen. Aus einem solchen Kampf konnte keine polnische Zukunft 
erwachsen '^^) . 

2. Die Domkapitel von Gnesen und Posen. 

Die entschiedensten Gegner der preußischen Verwaltung waren 
die polnischen Geistlichen. Ihr Fanatismus entsprang" doppelter 
Wurzel. Zu der Abneigung des Slawen gegen den Deutschen kam 
bei ihnen die des römischen Priesters gegen das evangelische König- 
tum. Hätte daher jeder andere im Lande durch Entgegenkommen 
und durch politische Erwägungen gewonnen werden können, ihr 
Haß war unversöhnlich. Nur eine verschwindend kleine Zahl der 
polnischen Geistlichen war regierungsfreundlich. Dankte ihnen aber 
die Regierung diese ihre Haltung durch irgend eine Auszeichnung 
oder wurde ihre Gesinnung sonst bekannt, so setzten sie sich der 
hartnäckigsten Verfolgung durch den Erzbischof und seine Organe 
aus '^^ . 

Aber auch die katholischen Geistlichen deutscher Abstammung 
waren zum großen Teil in das polnische Träger übergegangen, da 
auf diese Weise ihr Fortkommen in ganz anderer Weise gesichert 
war, als wenn sie zu der Regierung gehalten hätten, deren Kurs 



61) Daß sie vorübergehend doch entstanden, dankt sie nicht polnischem 
Verdienst, sondern einem noch nicht abgeschlosenen Weltgeschehen. 

62) Hörn, Deutsche Revue 1913, a. a. O., S. 43 f., erwähnt verschiedene 
solche Beispiele. 



53 



schon morgen sich ändern konnte. Sie erkannten an, daß „Katho 
lisch und Polnisch") identisch sein müsse und auch sei""*). 

Es verstand sich von selbst, daß unter dem extrem polnischen 
Erzbischof Przyluski die Mitglieder der Domkapitel fast aus- 
schließlich aus mehr oder weniger radikal polnischen Nationalisten 
bestanden. Besonders traf dies für Posen zu. Hier wirkte der un- 
mittelbare Einfluß des fast stets in Posen sich aufhaltenden Erz- 
bischofs. Durch diese einseitige Bevorzugung der weit jüngeren 
Erzdiözese ''^) hatte sich im Laufe der Zeit ein gewisser Gegensatz 
zwischen Posen und Gnesen herausgebildet. Obwohl fast nur aus 
Polen bestehend, schien in dem Gnesener Kapitel doch noch die 
Erinnerung daran wach zu sein, daß das Erzbistum einst von einem 
Deutschen Kaiser '''') gegründet worden war. Jedenfalls trug die 
Spannung zwischen den beiden Kapiteln wesentlich dazu bei, daß 
Gnesen sich meist regierungsfreundlicher stellte als das rein pol- 
nisch-ultromontane Posener Kapitel. Plier in Gnesen war es vor 
allem der Domherr Dulinski, „ein Mann von würdiger Haltung und 
großem Ernste" '^")j der stets eine wohlwollend vermittelnde Hai 
tung einnahm und dem Oberpräsidenten von Hörn auch nach dessen 
Versetzung nach Königsberg eine freundschaftliche Gesinnung be- 
wahrte. Als die Frage eines Coadjutors in Berlin zur Sprache kam, 
hatte man im Kultusministerium im ersten Augenblick an ihn als 
an einen möglichen Nachfolger für Przyluski gedacht ^^) . Auch der 
an der Spitze des Gnesener Kapitels stehende Domprobst Zienkie- 
wicz nahm eine weit weniger schroffe Haltung der Regierung ge- 
genüber ein als seine Posener Kollegen. 



63) Als nach dem Verzicht Ledochowskis der deutsche Bischof Dinder 
sein Nachfolger wurde, hieß es in Posen allgemein, man habe jetzt einen 
evangelischen Erzbischof. 

64) Kultusminister v. Goßler, Ansprachen und Reden, S. 301. 

65) Das im Jahre 1000 gegründete Erzbistum Gnesen (erster Erzbischof 
war Gaudentius, der Bruder des heiligen Adalbert) wurde 1821 mit dem 
zum Erzbistum erhobenen Bistum Posen A^ereinigt, sodaß dem Erzbischof die 
beiden in der Verwaltung getrennten Erzdiözesen Gnesen und Posen unter- 
standen. R. G. G. IL 1478. 

66) Kaiser Otto III. 

67) Hörn, Deutsche Revue, a. a. O., S. 42. 

68) Mühler an Bismarck 11. April 1846. In Akten A. A. 1. 



— Ö4 — 

Vor allem aber war es der Domherr Richter, der in einem Zu- 
sammenarbeiten zwischen Regierung und Geistlichkeit den einzigen 
Weg für die Gesundung der Verhältnisse erblickte. Aus Sachsen 
gebürtig und ursprünglich Protestant'^'') war er erst später zum 
Katholizismus übergetreten und Theologe geworden. Nachdem er 
eine Zeit lang Dii'ektor des katholischen Gymnasmms in Kulm ge- 
wesen war und gleichzeitig auch im Abgeordnetenhause eine hervor- 
ragende Rolle gespielt hatte '^"), war er Domherr in Posen geworden 
und lange Jahre hindurch persona gratissima beim Erzbischof. In 
dieser Zeit Avar er sogar in die polnische Liga eingetreten, die spä- 
ter als regierungsfeindlich aufgelöst wurde. Seitdem hatte sich 
Richter von jeder politischen Tätigkeit zurückgezogen, was ihm von 
polnischer Seite stark verdacht wurde. Dies Mißtrauen ging in 
offene Feindseligkeit über, als er während des Aufstandes von 18()o 
sich gegen diesen erklärte. An wissenschaftlicher Bildung stand 
er unter den Domherren mit an erster Stelle. 

Neben Richter hat auch der Ehrendomherr Gebek, Dekan /.u 
Uszcz sich stets als entschiedener Anhänger der Regierung be- 
wiesen. Erst als der Erzbischof ihm seiner Deutschfreundlichkeit 
wegen immer größere Schwierigkeiten bereitete '^) , wurde er vor- 
sichtiger, ohne aber seine Gesinnung ie zu ändern. 



3. DieHauptführer der polnischen Geistlichkeit. 

Lag die vStärke Roms in dem unerschütterlichen Glauben an 
die göttliche Berufung der einen, allgemeinen, katholischen Kirche 
und die der Polen in dem heiligen Fanatismus, der sein Ziel sah in 
der Befreiung des Vaterlandes, so mußte diese Kraft sich doppeln 
in dem Diener der Kirche, der sich zu gleicher Zeit als Sohn seiner 
Heimaterde fühlte und seines Vaterlandes Schmach als seine eigene 
empfand. Es war daher kein Wunder, daß hier in Polen, wo anders- 
gläubige Machthaber ihr Vaterland in Ketten geschlagen hatten, die 
polnischen katholischen Geistlichen sich doppelt berufen fühlten mit- 
zuarbeiten an dem Befreiungswerk sowohl ihrer Kirche wie ihres 



69) Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 31. Xii. J865. 

70) Hörn, Deutsche Revue, a. a. O., S. 4-3. 
/1) Hörn. Deutsche Revue, a. a. O., S. 4o. 



— 55 — 

Staates. In der Oeffentlichkeit ist von diesen Klerikern am be- 
kanntesten geworden der Probst T'rusinowski, der in Wort und 
Schrift unermüdlich tätig war zur Erreichung dieses einen Ziels. 

Probst P r u s i n o w s k i. 

Der Probst Prusinowski in Graetz verdankte seine hervor- 
lagende Stelkmg in der Provinz Posen einmal seiner Feder, die er 
sehr scharf in national-polnischem Sinne zu führen wußte, dann 
seiner Redegewandtheit und schließlich seinem großen Geschick, 
aus schwierigen Situationen einen Ausweg zu finden. 

Schon in den fünfziger Jahren war Prusinowski Herausgeber 
des Pygodnik Katolicki (Katholische Wochenschrift) '-) gewesen. 



72) Einige Proben mögen die Tendenz dieses Blattes darlegen : 

Pygodnik Katolicki Jahrgang 1861, Nr. 9: 

Ein Artikel „Adel und Geistlichkeit" erörtert die Aufgaben, welche 
„während des gegenwärtigen langen und unglückseligen Interregnum" diesen 
Ständen zufielen. Die jüngeren Söhne adliger Familien sollen sich dem 
geistlichen Stande zuwenden. Dann werde diesem die Führerschaft von der 
Nation um so eher eingeräumt werden. „In der geistlichen Stellung werdet 
Ihr am leichtesten die zerrissenen Glieder unserer Gesellschaft, die niederen 
mit den höheren zum gemeinsamen Heile wieder vereinen. Am Altare werdet 
Ihr auch eher das Vaterland erbeten, aus der Kirche w'erdet Ihr große Ideen 
zu großen Taten schöpfen !" 

Pygodnik Katolicki Nr. 15 vom 12. Aprii 1861: 

„Wo liegt heute der Knotenpunkt für die seelsorgerische Wirksamkeit^ 

Die Republik existiert nicht mehr, aber die politische Nation besteht 

noch in ihren Bruchteilen nach Gottes Willen als innere Ganzheit, das wird 
kein Verständiger leugnen, selbst unsere Gewalthaber nicht. Lassen wir diese 
mnere Einheit keinen Augenblick aiis dem schärfsten Auge und hören wir 
nicht auf, ihr Band immer fester zu knüpfen. Aber wie viele Vereinigungs- 
mittel liegen durch unsere angeborene Trägheit brach! Von den ehrlichen 
Verbindungen bis zu den Angelegenheiten der vaterländischen Landwirt- 
schaft, von den wissenschaftlichen Vereinen bis zur lütimo ratio, der be- 
waffneten Hülfe für die unterdrückten Brüder, wie viele tausend herzen- 
-schmelzende Mittel, die das katholische Gewissen gestattet! Sind doch ge- 
rechte Kriege den christlichen Gesetzen nicht entgegen. Nach vollbrachter 
Vereinigung wird uns die Krone Chrobrys wiedergegeben imd erfüllt werden, 
was in Zuktmft imseren Eckstein bildet: unsere Könige nehmen vom Altar 
und aus der Hand des Priesters die königliche Macht und Gewalt mit Ein- 
willigung der Bürger dieses Landes. Aber man muß klar wissen, was man 
will, und entschieden wollen. 



— 56 — 

Durch Rundschreiben vom 21. Mai 1860 '•') hatte der Erzbischot 
V. Przyluski dieses Blatt zu einem offiziellen Organ erklärt, das 
rlie Geistlichen halten und unter ihren Parochien verbreiten sollten. 
Dieses unter kirchlicher Flagge segelnde Blatt hat keinen anderen 
Zweck im Auge gehabt, als die national-polnische Erhebung durch die 
Kirche vorzubereiten. Auch als der Erzbischof endlich auf Drängen 
des Kultusministers diesem erklärte ^^). daß er das Blatt seiner 
kirchlichen Zensur imterwerfen wolle imd hierfür den Regens 
Woisiechowski bestimmte, hat sich an der Richtung des Blattes 
nichts geändert, sodaß es des öfteren wegen Störung des öffent- 
lichen Friedens mit Beschlag belegt werden mußte. Prusinowski 
war bis zum Jahre 1865 schon dreimal zu Geld- und Gefängnis- 
strafen verurteilt worden: 

1) wegen Störung des öffentlichen Friedens, wegen des im § 101 
des St. G. B. vorgesehenen Vergehens gegen die öffentliche 
Ordnung und wegen Beleidigtmg von Beamten verübt durch 
die Presse 

insgesamt zu 2 Monaten Gefängnis 

2) wegen eines durch die Presse verübten Vergehens gegen ^iie 
öffentliche Ordnung (§ 101 St. G. B.) 

zu 200 Reichsthalern ev. 2 Monaten Gefängnis 



Doch wenden wir uns zu der verwandten Sache der Kirche. Die katho- 
lische Kirche in diesem Lande hat dvirch die Zervierteilung der Republik 
nicht verschiedene Herren erhalten, sie ist einig tind luiteilbar in der ganzen 
Welt. Die lussischen Provinzen, Litauen, das Königreich. Großpolen, das 
krakausche Gebiet, Rotpreußen bilden durch Glauben und Kultur ein Ganzes. 
Patrone, nationale Andachten, religiöse Gebräuche im Hause und in der 
Kirche, Gebete und Kirchenlieder, Fasten und Prozessionen, Ablässe und 
selbst die Sünden sind dieselben von Grenze zu Grenze. Rom kennt nur „Die 
polnische Provinz". Vergeblich nennt man '.ins hier Preußen, dort Russen, 
dort Oesterreicher. Polnische Katholiken sind wir, und nichts anderes!" 

„Die Krone ist uns von den Schläfen genommen, und mit unseren Ifer- 
melinen sind fremde Mäntel geflickt!" 

„Unsere Gerichte und Schulen sind überschwemmt mit andersgläubigem 
Pöbel, der sehr häufig gar keinen Glauben hat." 

Aehnliche Ausführungen finden sich in den verschiedenen Nummern 
dieser Wochenschrift. 

73) Akten K. M. 4 

74) Akten K. M. 4. Schreiben vom 9. 12. 3863. 



— Ö7 — 

'S) wegen Preßvergehens 

zu 20 Reichsthalern ev. 1 Woche Gefängnis ''') . 

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist I'rusinowski 
auch als Redner verschiedentlich hervorgetreten. Die Kreuz- 
zeitung'*') schreibt von ihm, daß zu einer Begräbnisfeier vornehmen 
Stils in der Provinz Posen auch eine Rede von PrusinoAvski gehöre. 
So hielt er am 16. Ivlärz 1865 in polnischer Sprache die Leichenrede 
am Sarge des Erzbischofs von Prz\duski '") . Er war es auch, der 
nach Ernennung des Grafen I>edochowski zum Erzbischof von 
Gnesen und Posen den Gedanken wieder lebendig zu machen 
suchte, daß der Erzbischof von Gnesen zugleich Primas des König- 
reichs Polen ^*) und damit bei zeitweiliger Abwesenheit eines 
Königs Interrex sei "^) . 

Sein. Geschick, im Interes.se der national-polnischen Sache aus- 
gleichend zu wirken und Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, 
zeigt imter anderem folgender Fall: 

Bei den Wahlen 1867 hatte die Geistlichkeit in der Provinz 
Posen von der Kanzel aufs heftigste gegen die Regierung agitiert. 

Auf Drängen der Regierung sprach Ledochowski den am 
meisten kompromittierten Geistlichen seinen Tadel aus. Es 
herrschte deshalb unter den Geistlichen Mißstimmung gegen Ledo- 
chowski; diese zu heben stellte sich eine Schrift zur Aufgabe, 
welche 1867 erschien unter dem Titel: 

„Die Stellung der polnischen Geistlichkeit unter den obwal- 
tenden Verhältnissen." 

Die Schrift gilt als von Ledochowski inspiriert und war von 
dem Probst Prusinowski verfaßt. In ihr wird etwa folgendes aus- 
geführt: 

Ledochowski, den der Papst aus eigenster Initiative als Er.?- 
bischof in Vorschlag gebracht, sei ein echter Römer und guter 



75) Ebenda. 

76) Kreuzzeitung vom 21. März 1863. 

77) Hörn an Mühler 17. März 1865. In Akten K. M. 1. 

78) Ueber den Primas von Polen s. unten Abschnitt X. C. 

79) Am 2. 2. 1866 hielt Prusinowski im Palais der Gräfin Dzialynska 
einen Vortrag über Rechte imd Stellung des Primas von Polen. Meldung 
des Polizeipräsidenten von Posen v. Raerensprung an Hörn vom 5. II. 1S66. 
In Akten K. M. 3. 



— 58 — 

Pole. Polen sei in seinen Kämpfen unterlegen, weil es sich nicht 
eng an Rom angeschlossen habe. Nur durch die römische Kirche 
könne Polen zur Freiheit geführt werden. Dazu aber sei nötig, daß 
der Kirche die leitende Stellung eingeräumt werde, nicht daß sie 
wie bisher von der Nationalpartei ins Schlepptau genommen werde. 
Bis dies geschehen, sei vorübergehend für die Geistlichkeit Enthalt- 
samkeit Pflicht. Aber wenn die Geistlichkeit wieder an der Spitze 
des Volkes steht, 

,,dann wird unzweifelhaft der Herr Erzbischof eine andere 
Sprache führen; aber vorher würde er sehr unvorsichtig handeln, 
wenn er einen anderen Weg gewählt hätte, als den von ihm ein- 
geschlagenen''. — 

Neben Prusinowski, dem geschickten Agitator in der Oeffent- 
lichkeit, ruhte die Hoffnung der Polen auf den beiden Männern, 
die in dem Domkapitel von Gnesen und dem von Posen amtlich 
den Ausschlag gaben, dort Zienkiewicz, hier Brzezinski. 

D o m k a p i t ü 1 a r Dr. Z i e n k i e w i c z. 

Unter den Mitgliedern des Gnesener Domkapitels spielte 
Zienkiewicz die erste Rolle. Einmal war er der Aelteste — er war 
1797 in Kozmin geboren — , dann aber war er bereits nach dem 
Tode des Erzbischofs v. Dunin im Jahre 1842 als Gegenkandidat 
gegen Przyluski aufgestellt gewesen, was ihm eine gewisse führende 
Stellung sicherte. Nach einer guten wissenschaftlichen Ausbildung 
auf der Universität Krakau, wo er als Dr. theol. promoviert hatte, 
war er erst Vikar und Kaplan bei dem Erzbischof Gorzenski ge- 
wesen, hatte dann die Pfarrstelle in Brod}^ erhalten und war unter 
dem Errbischof v. Dunin Domherr geworden. Seine Hauptstärke 
lag auf historischem Gebiet. Als 1845 sein Gegenkandidat Przy- 
luski zum Erzbischof gewählt worden war, hatte Zienkiewicz, viel- 
leicht aus einer gewissen Antipathie heraus, immer stark gegen 
dessen polnische Politik und für die preußische Regierung Stellung 
genommen ^*^). Dazu kam, daß die Erzdiözese Gnesen als die er- 
heblich ältere von je zu Posen in einem nicht immer überbrückten 
Gegensatz gestanden und es schwer empfunden hatte, daß der Erz- 



80) Hern au Mühler 8. 6. 1866. Akten K. M. 1. 



— 59 — 

bischof, obwohl ihm in Gnesen ein Palais ?.ur Verfügung stand, sich 
meist m Posen aufhielt®^). Erst als Anfang der 60er Jahre die 
j.'olnische Bewegung mit neuer Stärke einsetzte, nahm auch Zien- 
kiewicz eine weniger regierungsfreundliche Haltung ein und geriet 
mehr und mehr in ein polnisch-nationalistisches Fahrwasser. Trotz- 
dem blieb das Verhältnis zwischen ihm und dem Oberpräsidenten 
Hörn immer ein gutes. So lud er Hörn, als dieser als königlicher 
Kommi.ssar nach Gnesen zur Erzbischofswahl kam, ein: bei ihm zu 
vvohnen''-), obwohl er sich stark zurückgestzt fühlen mußte, daß 
die preußische Regierung auch ihn als Kandidaten abgelehnt 
hatte '^''^). Und noch viel später^ als Hörn dem Grafen Ledochowski 
hatte weichen müssen, und als Oberpräsident nach Königsberg ver- 
setzt worden war, sandte Zienkiewicz ihm als Geschenk einige 
Flaschen Ungarwein aus seinem berühmten Weinkeller mit einem 
Gedicht m deutscher Sprache^*). 

Von den Mitgliedern der beiden Domkapitel macht Zienkiewicz 
den ehrwürdigsten und sympathischsten Eindruck. 

Am 19. Dezember 1866 wurde er vom König zum Domprobst 
ernannt **') . 

Prälat Brzezinski. 

Der Gegensatz zwischen dem uralten, im Jahre 1000 gegrün- 
deten Erzbistum Gnesen und dem erst 1821 von Pius \' II. durch 
die Bulle ,,de salute animarum" zum Erzbistum erhobenen Posen 
kam besoncers klaffend zum Ausdruck in den Kapitularvikaren. die 
die beiden Domkapitel nach dem. Tode Przyluskis gewählt hatten. 
Zu der Person des ehrwürdigen Dr. Zienkiewicz in Gnesen, der stets 
in Wort und Haltung die Würde seines hohen Amtes wahrte, stand 
in seltsamem Kontrast der Administrator der Erzdiözese Posen, der 
Domdechant Brzezinski. Immer geschäftig, zu jeder Intrige bereit. 



81) Aus dem Leben des Oberpräsidenten Karl v. Hörn, Deutsche 
Revue, September 1913, S. 42. 

82) Hörn an Mühler, Posen 17. XIT. 1865. Akten K. M. 2. 

83; Der König verlieh Zienkiewicz anläßlich der Vereidigung des Grafen 
Ledochowski den Kronenorden H. Klasse, Mühler an Hörn vom 23. IV. 
1866. F. P. v, H. 

84) Aus dsm Leben des Oberpräsidenten Karl v. Hörn, a. a. O., S. 42. 

85) Akten Z. K. 1. 



— GO — 

geschmeidig-, polnischer als die Polen, vor allem aber ein Wissens- 
kundiger auf dem Gebiete des Kassenwesens, hatte er es verstanden, 
sich in der erzbischöflichen A^erwaltung unentbehrlich zu machen. 

Er war im Jahre 1801 als Sohn eines jüdischen Kochs, namens 
Berek, geboren, der sich von dem Erzbischof Gorzenski hatte tauten 
lassen. Dieser ließ den Sohn seines Täuflings erziehen, ohne ihm 
eine wissenschaftliche Durchbildung zuteil werden zu lassen, für die 
der junge Brzesinski ohnehin keine Neigung verspürte. Dagegen 
fand man bald bei ihm die Fähigkeit, mit Erfolg die Fonds des 
Kapitels zu verwalten. Er wurde zum Vikar am Dom in Posen er- 
nannt, hat aber nur einmal gepredigt, da ihm hierfür jedes Talenc 
fehlte. Erzbischof v. Dunin beförderte ihn zum Pfarrer an der 
Posener Kirche zu St. Adalbert und später zum Domherrn. Bei 
Dunins Tode war Brzezinski zunächst ein Gegner Przyluskis ge- 
wesen. Dieser aber erkannte bald das große Geschick und die An- 
passungsfähigkeiten des ihm feindlichen Domherrn und zog ihn zu 
sich herüber, trotzdem sein Lebenswandel- besonders sein Verhältnis 
zur Frau eines Beamten in Posen, nicht nur bei der deutsch-katho- 
lischen Bevölkerung Anstoß erregte, sondern auch in polnischen 
Blättern offen erörtert wurde ^''). 

Wie alle Konvertiten stellte sich Brzezinski, da ihn die kirch- 
lichen Dinge weniger interessierten, um so extremer auf den 
politisch-radikalen Flügel der polnischen Partei. Er gehörte nicht 
nur dem Posener Comitee an, das der nationalen Sache durch die 
Kirche zum Siege zu A^erhelfen suchte, sondern hatte auch unmittel- 
bare Beziehungen zu den Insurrectionisten durch seinen Bruder, der 
Professor am Priesterseminar zu Posen war und sich 1848 mit den 
W^affen in der Hand an dem Aufstande gegen die Regierung betei- 
ligt hatte®'). Eine bewußte Opposition der Regierung gegenüber 
bekundete er dadurch, daß er es als Administrator unterließ, wich- 
tige kirchliche Erlasse, Avelche auch für den Staat, sei es unmittelbar 
oder mittelbar, von Bedeutung sein konnten, der Staatsbehörde mit- 
zuteilen, wie dies sonst üblich gewesen war. So gelangte der für 
die Regierung sehr wichtige Erlaß der Erzdiözese Posen vorn 



86) Hörn an Mühler, 3. VI. 1866. Akten K. M. 1. 

87) Siehe das für den Grafen Ledochowski im Kultusministerium aus- 
gearbeitete Promemoria. Ziffer V. Akten K. M. 4. 



— Gl — 

9. Oktober 1865, worin der untergebenen Kloster- und Weltgeist- 
lichküit jede eigenmächtige Abänderung bei Gebräuchen der öffent- 
lichen Andacht untersagt wird, zunächst nur durch die Zeitungen 
an den Oberpräsidenten ^^} . 

Sowohl der offenkundige unmoralische Lebenswandel Brze- 
zinskis sowie auch die Tatsache, daß er weder Doktor noch Licentiat 
des kanonischen Rechts war, hätten ihn eigentlich von dem Amt 
eines Erzbistumverwesers ausschließen müssen; doch drang die Re- 
gierung hier mit ihrem Antrag bei der Kurie nicht durch. V on den 
Geistlichen der beiden Erzdiözesen war Brzezinski jedenfalls der un- 
geeignetste, die Würde einer hohen kirchlichen Stellung zu wahren. 

Mit welchem Geschick es Brzesinski verstand, , sich nach der 
AVahl LedochoAvskis zum Erzbischof von Gnesen-Posen, den er zu- 
nächst bekämpft hatte, auch bei diesem in Gunst zu setzen, trotzdem 
der neue Kirchenfürst über das Vorleben des Prälaten genügend 
unterrichtet war, zeigen die Tatsachen, daß schon zwei Jahre später 
der Erzbischof seine Ernennung zum Domprobst beim König be- 
fürwortete *^) und daß Ledochowski, als er sich am 4. November 
1869 zur Eröffnung des allgemeinen vatikanischen Konzils von 
Posen nach Rom begab, den Domprobst Brzezinski mit der Leitung 
der Erzdiözese Posen während seiner Abwesenheit betraute *"*) . 

Brzezinski starb am 19. Oktober 1877»^). 

Zienkiewicz sowohl wie Brzezinski galten nach außen hin als 
die bedeute^ndsten Mitglieder der beiden Domkapitel. Sie waren der 
Menge die kirchlichen und politischen Führer, was sie taten, wurde 
sichtbar, was sie sprachen, bekannt. Aehnlich aber, wie Reisach im 
Schatten des Vatikans in die kurialen Verhältnisse oft bestimmender 
emgriff als der offizielle I^iter der päpstlichen Politik, so war auch 
in der Provinz Posen ein Mann, der nicht nur auf die Entschlüsse 
der Kapitel im allgemeinen, sondern auch auf die Erzbischofswahl 
vom Jahre 1865 den vielleicht entscheidendsten Einfluß hatte: der 
Probst Janiszewski. 



88) Ebenda, Ziffer VIII. 

89) Die königliche Ernennung erfolgte am 20. Januar 18Ö8. Akten 
K. 1. 

90) Deutschlands Episkopat A. a. O., S. 29. 

91) Acta Z. K 1. A. a. O. 



62 



Probst Janiszewski. 

Als während des Kulturkampfes eine Reihe von katholischen 
Geistlichen abgesetzt und mit Gefängnis bestraft wurden, und sich 
dem Arm des Gesetzes zu entziehen suchten, flüchtete der Weih- 
bischof von Posen, Dr. Janiszewski"-), zu dem Reichsgrafen und 
j^Iarquis Franz Egon von und zu Hoensbroech auf Schloß Haag im 
j heinpreußischen Geldern"^). Die Söhne des Marquis nahmen sich 
teiner an. durchstreiften gemeinsam mit ihm die väterlichen Wal- 
dungen und beschützten ihn vor den Nachstellungen der preußischen 
Polizei °^). Auf sie hat dieser katholische Priester einen außer- 
ordentlich starken Eindruck gemacht"^). Ebenso weltgewandt und 
schlagfertig wie liebenswürdig, ein Meister des Worts, ein gläubiger 
Katholik, dabei ein fanatischer Pole, verstand es dieser von dem 
ketzerischen Staat Verfolgte, die Begeisterung seiner jungen Be- 
gleiter sowohl für die religiöse wie vor allem auch für die polnische 
Sache bis zur Weißglut zu steigern. Der umgebende Wald, die 
drohende Gefahr preußischer Gensdarme, die durchlebte Gefängnis- 
h.aft"'^), die abenteuerliche Flucht durch ganz Preußen, die Verfol-' 
gung eines hochgebildeten Mannes um seiner Ueberzeugung willen 
durcl: die rohen Schergen eines von der Kirche abtrünnigen Staates, 
der trotzige Bekennermut dieses Bischofs '-'"), die gerade in katho- 



92) Am 14. April 18v7 sprach das königliche Gericht seine Absetzung 

aus. F. X. Schulte, Geschichte des Kulturkampfes m Preußen, S. 508. 

9;^) Graf Paul v. Hoensbroech, 14 Jahre Jesuit, S. 282. 

94) Ebenda, S. 28S. 

95) Mündliche Mitteilung des Grafen Patil v. Hoensbroech an den Ver- 
fasser vom April 1922. 

9R) T.iniszewski war 1875 wegen Spendung des Heiligen Sakraments 
der Firmung zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Kißling, Geschichte des 
Kulturkampfes im Deutschen Reich. III. 92. 

97) Als ihn am 24. Februar 1876 der Oberpräsident Günther auf- 
forderte, seine Aemter in Posen niederzulegen, entgegnete er : 

. .,Wenn etwa dem jüngsten Vorgehen der Staatsregierung gegen mich 
und andere Geistliche unserer Diözese die Absicht zu Grunde liegen sollte, 
durch Anwendung der schärfsten ihr zu Gebote stehenden Mittel die Festig- 
keit des Diözesanklerus zu brechen, so ist es für mich wenigstens nicht 



— 63 — 

lischen Gegenden durch den Kulturkampf hervorgerufene Erregtheit 
und Kampfstimmung, all das kam zusammen, um in diesem 
fliehenden Prälaten einen Märtyrer aus den ersten Jahrhunderten 
des Christentums zu erblicken und zu verehren. 

Von den Geistlichen der beiden Erzdiözesen war Janiszewski 
nicht nur der Bedeutendste, sondern auch der dem preußischen 
Staate Gefährlichste. 1818 als Sohn eines Oekonomen in Pudlitzki 
geboren, hatte Johann Janiszewski zunächst das Gymnasium m 
Lissa, dann die Universität Breslau besucht °^) . Nachdem er erst 
\'ikar, dann Gymnasialreligionslehrer gewesen war, berief ihn Erz- 
bischof V. Przyluski 1846 als Professor an das Priesterseminar nach 
Posen. 1848 war Janiszewski Mitglied des revolutionären Comitees, 
später Abgeordneter für das Frankfurter Parlament. Seine starke 
polnische Gesinnung hatte ihm dann die Pfarrstelle in Koscielec im 
Kreise Inowratzlaw eingetragen "■') . Auch im preußischen Landtag 
hat Janiszewski oft und mit viel Geschick die Rechte der Polen ver- 
teidigt. Später zum Geistlichen Rat im Posener Generalvikariat 
ernannt, erhielt er Gelegenheit, einen Einblick in alle kirchlichen 
und politischen Verhältnisse der Erzdiözese zu gewinnen, sodaß er 
nls einer der vertrautesten Kenner der Provinz gelten konnte ^"°). 

Dem Einfluß seiner Persönlichkeit gelang es denn auch schnell, 
den zuerst gegen ihn voreingenommenen ^'*') Ledochowski für sich 
zu gewinnen, sodaß dieser ihn bald als ,, einen großen Freund von 
Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Versöhnlickeit" ^''-) erkannte und 



zweifelhaft, daß auch diese Waffe gleich allen anderen bereits versuchten 
am Felsen seines unerschütterlichen Glaubens abgestumpft werden dürfte. 
Der KUerus wird, so hoffe ich zu Gott, lieber den Weg der Bekenner als 
den der Verleugner wandeln wollen." 
Kißling, Geschichte des Kulturkampfes im Deutschen Reiche, Bd. III, S. 92. 

98) Hörn an Mühler 3. VI. 1866, Akten K M. 1. 

99) Ebenda. 

100) Deutschlands Episcopat in Lebensbildern, Bd. II, Heft I, S. 13. 

301) Aeußerung Ledochowskis zu Balan. Enthalten im Bericht Balans 
an Bismarck vom 29. 12. 1865. Akten K. M. 2. 

102) Ebenda. 



— 64 — 

i'ach Einnahme des erzbischöflichen Sitzes zu seinem ständigen 
Ratgeber und Generalvikar der Posener Diözese wählte ^°^) . 

Nach dem Kulturkampf hat sich janiszewski auch literarisch 
betätigt und seine und der Kirche Haltung in den Jahren des 
Kampfes verteidigt ^°^) . 



103) Graf Ledochowski, Erzbischof von Gnesen- Posen von J. Ograbi- 
sccwski, Würzburg 1874, S. 13. 

104) Msgr. Janiscewski (ausgewiesener vVeihbischof von Posen), Hi- 
stcirc de la pcrsecution de I'eglise cathoHque en Prusse (1870/76) Brüssel 
und Paris. (Sep.-Abdruck aus einer polnischen Revue.) 



III. Die Wahl der beiden Kapitular* Vikare. 

Es ist nicht zu verwundern, daß bei dieser Art der Einstellung 
die Initiative im Kampf um den Bischofssitz bei den Polen lag. Da 
die Domkapitel sich von vorn herein darüber klar gewesen sein 
werden, daß Monate hingehen konnten, bis alle Instanzen sich auf 
einen Kandidaten geeinigt hatten, so war die Wahl geeigneter Kapi- 
tular-Vikare während der Sedisvakanz für sie von besonderer Be- 
deutung. Sie hatten hierbei ein Doppeltes im Auge. Einmal galt 
es, den polnischen Nationalisten den Einfluß zu sichern, den sie 
unter dem verstorbenen Erzbischof v. Przyluski gehabt hatten. 
Hierbei schreckte man auch vor Drohungen nicht zurück. Diese 
richteten sich vornehmlich gegen den Kanonikus Richter, der den 
polnischen Elementen als aufrechter deutscher Katholik besonders 
gefährlich schien. Am 15. März empfing Richter einen Drohbrief 
so gemeinen Inhalts, daß der Polizeipräsident einen besonderen 
Schutz für den katholischen Geistlichen anordnen mußte ^) . Vor 
allem aber mußten die Bestimmungen des Tridentinum -) soweit 
angängig innegehalten werden ^) um der Kurie nicht die Möglich- 
keit eines Eingriffs in die inneren Angelegenheiten der Diözesen zu 
geben. 

Derjenige Mann, der die Lage sofort übersah, und selbst aktiv 
vorgehen zu müssen glaubte, war Carl v. Hörn, der Oberpräsident 
von Posen. Sein Plan war, die beiden Erzdiözesen zu veranlassen, 
ebenso wie sie nur einen Erzbischof hatten, so auch während der 
Sedisvakanz nur einen Kapitularvikar zu wählen. Da er die Strö- 



1) Schriftliche Meidung des Regierungsrats von Lebbin an Hörn vom 
15. März 1865. In den F. P. v. H. 

2) Canones et decreta sacrosancti oecunieni concilii Tridentini sub 
Paulo III, Julio III et Pio IV. Editio stereotypa undecima. Leipzig 1882. 

3) So muß zum Beispiel nach Tridentinum, Sessio XXIV vom 11. No- 
vember 1563 Kapitel 16 der Kapitular- Vikar binnen 8 Tagen gewählt werden 
und wenigstens Doktor oder Lizentiat des Kanonischen Rechts „vel alias 
cjuantum fieri poterit ideneus" sein. 



— 6 11 — 

mungen in den Kapiteln genau kannte, so glaubte er mit Bestimmt- 
heit, daß diese Wahl der Regierung die Möglichkeit eines Einspruchs 
geben würde. In diesem Fall ging dann das Ernennungsrecht :m 
den Suffraganbischof von Culm über. Dieser aber, Mai'witz, war 
ihm als zuverlässiger deutscher Mann bekannt. Hatte man aber 
erst einen Kapitularvikar, auf den man sich verlassen konnte, so 
war der halbe Sieg bereits errungen. Einmal hätten die Kapitel 
kauin iimhin können, diesen Mann auf die Kandidatenliste zu 
setzen, außerdem wäre sein Einfluß aber immerhin so groß gewesen, 
daß er die Nominierung ausgesprochen regierungsfeindlicher Per- 
sonen hätte verhindern können. In diesem Sinne berichtete Hörn 
unmittelbar nach dem Tode Przyluskis an den Kultusminister *) . 

Mühler lehnte das Ansinnen Horns nicht nur kurzer Hand 
ab°), sondern ging auch noch einen Schritt weiter. Als verschie- 
dene Blätter, darunter auch die Kreuzzeitung, die Nachricht ver- 
breiteten, daß nur ein Kapitularvikar zu wählen sei, nahm er Ver- 
anlassung, sowohl in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung dieser 
Behauptung entgegenzutreten '"') , wie auch in einem Immediatbericht 
an den König die Unzweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens aus- 
einanderzusetzen '^) . Ein derartiger Schritt widerspräche der Bulle 
„De salute animarum" und könne zu Verwicklungen mit Rom 
führen. 



4) Hörn an Mühler, 15. März 1865. Akten K. M. 1. 

5) Am 22. März 65 (Akten K. M. 1) schrieb er an Hörn, daß die Stelle 
des Tridentinum zu elastisch sei, als daß sie der Regierung die Möglichkeit 
zum Eingreifen böte. Im übrigen sei die Frage des Erzbischofs viel wich- 
tiger als die des Administrators. 

6) Die die Wahl und die Besetzung vakanter Stellen regelnde Bulle 
,.De salute animarum" vom 16. Juli 1821 durch Königliche Kabinettsordre 
vom 23. August 1821 sanktioniert (Preußische Gesetzsammlung J821 Nr. 12, 
114 — ^152) bietet hierzu allerdings keine unmittelbare Handhabe. Die Be- 
antwortung dieser Frage wird vielmehr den allgemeinen Rechtsgrundsätzen 
überlassen. Da es sich hier um „2 nur durch die Person eines gemeinschaft- 
lichen Erzbischofs verbundene, im übrigen aber selbständige und voneinander 
unabhängige Sprengel" handelte, „deren jeder ein besonderes Kapitel und 
eine abgesonderte Verwaltung hat", (Offiziöse Auslassung der Norddeut- 
schen Allgemeinen Zeitung vom 4. April 1865) so war die Möglichkeit eines 
Eingreifens der Regierung zugunsten nur eines Kapitularvikars nicht ohne 
weiteres gegeben. 

7) Mühler an den König, 1. .April 1865. Akten Z. K. 1. 



— 67 — 

So hatten die Domkapitel ein leichtes Spiel. Der vorgeschrie- 
bene Wahltermin wurde von ihnen innegehalten und am 19. März 
1865 konnte Hörn nach Berlin an den Kultusminister berichten^), 
daß für Posen der Domdechant Brzezinski und für Gnesen der 
Domherr Dr. theol. et phil. Zienkiewicz zu Kapitular-A/ ikaren ge- 
wählt worden seien ^) . Zugleich forderte er den Minister auf, gegen 
die Wahl desPosener Administrators Einspruch zu erheben, da die- 
ser weder promoviert habe, noch moralisch geeignetsei. Aber auch 
dies lehnte Mühler ab, abermals unter Berufung auf die zu elastische 
Fassung des Paragraphen im Tridentinum. Allerdings wolle er die 
Kurie auf die moralische Ungeeignetheit des Prälaten Brzezinski 
aufmerksam machen ^°) . 

Der erste Schritt auf dem Wege zur Neubesetzung des erz- 
bischöflichen Stuhles war damit getan. Er bedeutete einen völligen 
Sieg der Domkapitel. 

Die beiden polnischen Geistlichen Zienkiewicz und Brzezinski 
waren bis auf weiteres an die Spitze der beiden Erzdiözesen getre- 
ten und konnten im Sinne des verstorbenen Erzbischofs polnische 
Agitation für die Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles be- 
treiben. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß es richtig ist, seine Kräfte 
für den Hauptkampf zusammen zu halten und sie nicht vorher in 
weniger wichtigen Aktionen zvi schwächen. Wie sich aber die Ver- 
hältnisse entwickelten, haben die beiden Kapitular-Vikare 13 Mo- 
nate lang die Stellvertretung geführt. So gab die Zukunft klar und 
eindeutig dem Principiis-obsta-Standpunkt Horns Recht gegen- 
über der zögernden Vorsicht imd passiven Bedenklichkeit des 
Kultusministers. 



8) Akten K. M. 1. 

9) Nach der Kreuzzeitung vom 23. März 1865 erfolgte die Wahl von 
Zienkiewicz einstimmig, die von Brzezinski mit 6 von 9 Stimmen. 

10) Mühler an Hörn. 22. März 1865. Akten K. M. 1. 



IV. Die Absichten des Papstes. 

Ebenso schnell wie die Domkapitel in Gnesen und Posen han- 
delte Rom. Schon vor dem Tode des Erzbischofs v. Przyluski hatte 
sich Pius IX. für den Brüsseler Nuntius Miecislaus Grafen Ledo- 
chowski als dessen Nachfolger entschieden. Da die preußische Re- 
gierung dem ihr unbekannten Polen nicht ohne weiteres ihre Stimme 
geben würde, galt es Schritt für Schritt vorzugehen. Der Haupt- 
kandidat Bismarcks, Ketteier, war bereits aus dem Wege geräumt. 
Aufgabe Antonellis war es, der preußischen Regierung den Mann 
als den auch für sie geeignetsten hinzustellen, mit dem der Papst 
seine künftige Polenpolitik zu treiben beabsichtigte, den Grafen 
Ledochowski. 

Miecislaus Johann vom Kreuze Hälka v. Ledochow, Graf 
Ledochowski ^) war am 29. Oktober 1822 in Gorki bei Sandomir in 



1) Literatur über den Grafen Ledochowski: 
Größere Biographieen, über verschiedene Kirchenfürsten aus dem Kxiltur- 
kampf, auch über Ledochowski fehlen noch. Es steht zu erwarten, daß die 
„Vereinigung zur Herausgabe einer deutschen Katholischen Biographie seit 
dem Ausgang des 18. Jahrhunderts", die unter dem Protektorat der Kardi- 
nale Bertram, Breslau und Schulte, Köln steht und dieses biographische Werk 
bedeutender Katholiken vorbereitet, auch Ledochowski eingehend würdigen 
wird. 

a) Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. IH, S. 2000 f. 

b) Deutschlands Episcopat in Lebensbildern Bd. II, Heft 1. Würzburg 
1874, Verlag Leo Woerl. 

c) Ahe und neue Welt, 37. Jahrgang 1903, S. 61. 

d) Deutscher Hausschatz. 28. Jahrgang 1902. S. Beilage S. 121. (Kurzer 
Lebenslauf mit Bild aus älteren Jahren.) 

e) Kölnische Volkszeitung 1902, Nr. 653 vom 22. Juli. (2 Spalten mit 
kurzer Würdigung des Verstorbenen.) 

f) Gräfliches Taschenbuch 1903, S. 479. 

g) Sc. Norbertusblatt 1902, S. 296. 
h) Das heilige Land 1902, S. 153. 

i) Theologischor Jahresbericht 1902, S. 1438 (Nestle), 
k) Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, Bd. VII,' S. 306. 



— 69 — 

Russisch-Polen ^) geboren als ältester Sohn des königlich-polnischen 
Kammerherrn Grafen Josef Ledochowski (1786 — 1859) und der 
Maria Rosalia v. Zakrzewska (1799 — 1863). Das Geschlecht der 
Ledochowski gehört dem wolynischen Ilradel an^). Sein Ahn 
Halka *) soll der Ueberlieferung nach um das Jahr 1000 am Hofe 
des russischen Fürsten Wladimir des Großen 3 Ritter mi Zwei- 
kampf getötet haben, die die christliche Religion verspotteten. Auf 
diese Sage nahm der Führer der Bürgerdeputation bei seiner Be- 
grüßungsansprache Bezug, als Ledochowski in Posen °) einzog. Der 
Großvater des Nuntius*^) war am 8. Mai 1800 in den erbländischen 
österreichischen und am 15. Mai 1800 in den galizischen Grafen- 
ftand erhoben worden. Der Grafenstand der Ledochowski war in 
Polen anerkannt und bestätigt worden d. d. Warschau 18/30. Mai 
1845 und in die Matrikel der Grafen des Königreichs Polen einge- 
tragen worden d. d. Warschau 10/22. Mai 1854"). Nach dem Be- 



1) L. Finkel, Bibliografia historyi polskiej, 3 Bände, Krakau 1891/1906. 

(Enthält nichts nennenswertes über Ledochowski.) 
m) Smigielski, Walenty Ks Wspomniemia z Kulturkamp fu 1875/1878, 
napisal proboszez Ostrowski Ostrow i Gniezno, druk. I. B. Langego i 
stycznia 1900. (Erinnerungen des Ostrowoer Pfarrer Smigielski über 
seine Gefängnishaft. Das tagebuchartig, aber wenig interessant ge- 
schriebene BiicTi ist ein Hymnus auf Ledochowski, von dem auch Briefe 
aus seiner späteren Zeit abgedruckt sind. Deutsche Uebersetzung des 
Buches existiert nicht, lohnt sich auch nicht.) 

2) Die Angabe in R. G. G; betr. seines Geburtsortes ist unzutreffend. 

3) Wolynischer Üradel kann mit einiger Sicherheit als kleinrussisch 
und daher nicht als polnisch gelten. Halka ist ein türkisches Wort, das aus 
dem Arabischen stammt, und bedeutet Ring. Möglich wäre es, daß das Ge- 
schlecht selbst türkischen Ursprungs und dann christianisiert ist; aber bei 
den lebhaften Berührungen, die gerade in Südwestruöland zwischen den sla- 
wischen und türkischen Stämmen stattfanden, könnte ein führender Klein- 
nasse mit diesem türkischen Wort benannt oder auch das Wort selbst in die 
kleinrussische Sprache Wlolyniens übergegangen sein. Heute besitzt es das 
Kleinrussische nicht mehr. Von den slawischen Sprachen haben es das Bul- 
garische und Serbokroatische, und zwar haben diese es entlehnt aus dem 
osmanischen Halka. (Nach Angaben von Prof. Dr. Jakobsohn, Marburg.) 

4) Ledochow igt der spätere Besitz der Halkas. 

5) Deutschlands Episcopat in Lebensbildern Bd. II, Heft 1, S. 4. 

6) Anton Halka v. Ledochowski (1755 — ^1835), Starost von Haysyn, 
der Stammvater aller Grafen Ledochowski. 

7) Gräfliches Taschenbuch Gotha 1903, S. 479. 



— 70 — 

suche der Gymnasien zu Radom und Warschau trat Ledochowski in 
das Priesterseminar zum Heiligen Kreuz in Warschau ein. Dort 
empfing er am 17. August 1841 die niederen Weihen. Nicht lange 
darauf begab er sich nach Rom um hier seine Studien in der Acca- 
demia dei nobili ecclesiastici fortzusetzen. Am 13. Juli 1845 wurde 
er in Rom mit 22 Jahren zum Priester geweiht. Bei seiner großen 
Jugend mußte für ihn der päpstliche Dispens erbeten werden ^) . 

Obwohl Nichtrömer, wurde er nach Beendigung seiner kanoni- 
schen und diplomatischen Studien in die päpstliche Diplomatie auf- 
genommen. Nach dem Regierungsantritt Pius IX. (1(5. Juni 184o) 
wurde er dessen Hausprälat und apostolischer Protonotar. Aber 
schon nach einem Jahr sandte ihn Pius in politischer Mission ins 
Ausland. 1847 wairde Ledochowski Uditore der Nuntiatur in 
Lissabon, 1856 apostolischer Delegat für Columbien. Als 1858 hiev 
die Revolution ausbrach, mußte er aus Bogota fliehen und vertraute 
sich einem englischen Schiff an^). Auf diesem gelang es ihm, un- 
versehrt nach Europa zurückzukehren. Die folgenden drei Jahre 
blieb er in Rom in der LTmgebung des Papstes, der ihn am 30. IX. 
1861 zum Erzbischof von Theben i. p. i. praeconisierte und am 
3. November 1861 consecrierte. Einen Monat später ernannte ihn 
Pius IX. als Nachfolger von Gonella zum Nuntius in Brüssel also 
am Hofe eines evangelischen Fürsten, In dieser Stellung befand er 
sich, als ihn der Papst für die Nachfolge des Erzbischofs v. Przy- 
luski in Aussicht nahm ") . Bis zu seiner Ernennung zum Erz- 
bischof war er als ein strenggläubiger, dem Papst nicht nur unbe- 
dingt ergebener, sondern auch ihm persönlich befreundeter Kirchen- 
fürst bekannt ^^) . 

8) Deutschlands Episcopat, a. a. O., .S. 5. 

9) Gespräch zwischen Ledochowski und dem Kronprinzen von Preußen 
am 25. X. 1865. Bericht des preußischen Gesandten an Bismarck vom 28. X. 
1865. Akten K. M. 3. 

10) Die Ansicht von Pfülf (Bischof v. Ketteier, Mainz, Verlag Kirch- 
heim 1899, Bd. II, S. 260), als ob die Kandidatur Ledochowski von Bismarck 
ausgegangen sei, ist nicht zutreffend. Die Belege hierfür, die Pfülf bei Fried- 
berg (Der Staat und die Bischofsvvahlen in Deutschland, Bd. I, S. 250, 
Anm. 1) vermißt, sind in Teil I und II A gebracht. 

11) Daten aus dem späteren Leben Ledochowski s : 

1865 16. XII. Wahl zum Erzbischof von Gnesen und Posen. 

1866 6. I. Päpstliche Bestätigimg der Wahl. 



— 71 — 

Wer aber war in Wirklichkeit dieser römische Nuntius, den der 
Papst auf den äußerst wichtigen und schwierigen Posten nach Posen 
berufen wollte? Wer war Ledochowski? Fürst Chlodwig Hohen- 
lohe spricht von ihm als von einem polnischen Hetzer ^-) und an 
seinen Schwager, den Fürsten Friedrich Carl von Hohenlohe- 
Langenburg schreibt er, daß die Jesuiten in Posen unter Leitung 
Ledochowskis offen das Deutschtum bekämpfen ^^) . An der 
Bischofskonferenz von Fulda am 30. VIII. 1870 nahm Ledochowski 
nicht teil, da er sich nicht zu den deutschen Bischöfen rechnete "'*) . 
Der belgische Minister Rogier ^^) meint von ihm: ,,quoique fort 
absolu et tres Romain dans ses vues, c'est pourtant vm homme 
d'esprit et ön peut raisonner avec lui." Treitschke nennt ihn einen 
Mann ,,von starrköpfiger Ausdauer ^'"') und an einer anderen 



1866 8. I. Praeconisation. 

1866 14. IV. Vereidigung vor dem König von Preußen. 

1866 24. IV. Inthronisation in der Kathedrale zu Posen. 

1868 9. I. Verleihung des Roten Adler-Ordens 1. Kl. an Graf Ledochowski. 

1870 8, XI. Verhandlungen ;'.\vischen Ledochowski und Bismarck in Ver- 
sailles über Preußens Eingreifen zugunsten des Kirchenstaats und Ver- 
legung der Residenz des Papstes von Rom nach Deutschland. 

1873 24. XI. Aufforderung des Oberpräsidenten Günther an Ledochowski 
wegen Widerstandes gegen die Gesetze, sein Amt als Erzbischof nieder- 
zulegen. 

1874 3. II. Verhaftung Ledochowskis. 

1875 15. III. Ernennung zum Kardinal. 

1876 3. II. Entlassung aus dem Gefängnis in Ostrowo. 
1876 3. III. Eintreffen in Rom. 

1876 7. IV. Feierliche Einführung in das Kardinalskollegium. 

1877 9. II. Verurteilung zu 2^^ Jahren Gefängnis i. c. 

1877 26. V. Verurteilung zu 7 Monaten Gefängnis i. c. 

1878 7. XI. Verurteilung zu 2 Jahren Gefängnis i. c. 

1885 Verzicht auf das Erzbistum Gnesen-Posen. 

1886 Sekretär der Breven. 

1892 Präfekt der Kongregation der Propaganda. 

1902 22. VII. Gestorben in Rom infolge eines Schlagflusses. 

12) Hohenlohe, Denkwürdigkeiten, a. a. O. I., 389. 

13) Brief vom 9. 8. 1872. Ebenda II. 90. 

14) Dr. V. Schulte. Der Altkatholizismus, Gießen 1887, S. 173, und 
Pfülf, Bischof V. Ketteier III. 123. 

15) Balan an- Bismarck, 14. IX. 1865. Akten A. A. 2. 

16) Treitschke, Preußische Jahrbücher, 32. Band, Berlin 1873, S. 712. 



— 72 ~ 

Stelle^') versteigt er sich zu dem Satz: „Graf Ledochowski ent- 
ledigt sich seiner Aufgabe mit der ganzen Unbefangenheit eines 
Fremden, der sich wider das Recht als Primas von Polen gebärdet 
und durch kein Band der Scham und der Ehrfurcht dem deutschen 
Staate sich verpflichtet fühlt." Balan ^'*) hält ihn für sehr vorsich- 
tig, aber durchaus „encyklisch", Savigny ^^) für einen ebenso fein- 
gebildeten Weltmann, wie frommen Priester. Aber ist mit all die- 
sen Urteilen der Erzbischof, der Kardinal, ja auch nur der Mensch 
Ledochowski einigermaßen umrissen? 

Eins ist sicher: Ledochow.ski Avar kein Bismarck, war keiner 
jener Großen, die ihren Namen in vStein schreiben oder gar schreiben 
wollen. Er war der katholische Kirchenfürst, umkleidet mit dem 
mystischen Glanz von 20 Jahrhunderten. Er war nicht groß, weil 
sein Ich sich weit über das Ich der Anderen erhob, sondern er war 
groß, weil die Idee groß war, der er diente und weil er einer der 
Träger dieser Idee war. Bismarck, Mühler, Hörn, wohin wir sehen, 
festumrissene Einzelpersönlichkeiten, die wir annehmen oder ab- 
lehnen können je nach der Richtung, in die uns Leben und Erfah- 
rung wies. Ueber Ledochowski liegt ein Schleier. Wir können uns 
nicht zu ihm bekennen, wenn wir tms nicht gleichzeitig zu der Idee 
bekennen, für die er lebte. Wir können ihn nicht ablehnen, wenn 
wir nicht gleichzeitig die Kirche mit ihrer ganzen Tradition und 
Dogmatik mit verwerfen wollen, die ihn mit ihrem Purpur be- 
kleidete. Nie wird sich bei den Prälaten dieses gigantischen Baues 
die Linie finden lassen zwischen der eigenen Größe und der Größte 
des Werks, dem sie dienen. 

Diese Stellung entrückt ihr eigentliches Wesen dem profanen 
Auge. Diese Stellung entkleidet sie ihrer speziell menschlichen 
Attribute. Diese Stellung aber hebt gerade dadurch einen jeden 
einzelnen von ihnen zu einer Macht, die nur der klar erkennt, der 
Rom verstanden und der begriffen hat, daß die Erklärung vom 
18. Juli 1870 mehr ist als eine fossile Geste oder eine sterile Formel. 

Nicht alle römischen Bischöfe sind in gleicher Weise für den 
Stuhl geboren, auf den sie die Wahl der Kapitel rief. Manche be- 



17) Ebenda, S. 705. 

18) Balan an Bismarck, 8. TU. 1865. Akten A. A. 1. 

19) Savigny an Bismarck, 30. III. 1865. Akten A. A. 1. 



— 73 — 

halten des Persönlichen und des Menschlichen genug und übergenug. 
Auch Ketteier stieg soweit hinein in den Tageskampf, daß wir die 
•Lichtseiten und die Schattenseiten seines Wesens deutlich zu unter- 
scheiden vermögen. Ledochowski wird aus der Einzelpersönlich- 
keit zum Typ. Er wird nie aus dem Halbdunkel heraustreten, in 
das Rom seine höchsten Prälaten rückt, es sei denn, daß sich auch 
über ihn einmal die vatikanischen Archive öffneten. 

Ledochowski war und blieb der Kandidat des Papstes. Wenn 
Antonelli daneben gelegentlich noch einen zweiten, den Domherrn 
Kaliski, in Vorschlag brachte, so geschah dies nur aus der politischen 
Ueberlegung heraus, um nach außen hin den Anschein zu geben, als 
wolle man sich nicht einseitig auf den einen Mann festlegen. In 
Wirklichkeit hat man in Rom an die Wahl Kaliskis nie gedacht. Im 
Vatikan wird man diesen katholischen Priester kaum gekannt haben. 

1810 war er geboren. Nach seiner Weihe zum Priester wurde 
er katholischer Religionslehrer an dem Königlichen Gymnasium zu 
Trzemeszno und bekleidete die Stelle bis 1854. Im Jahre 1848 
liatte er wegen Beförderung des polnischen Aufstandes unter poli- 
zeiliche Aufsicht gestellt werden müssen. Später erhielt er das 
Pfarramt zu Jaxice und genoß dort bei den Polen bedeutendes An- 
sehen, während die Regierung in Bromberg ihn mit Mißtrauen be- 
trachtete. Die deutsche Sprache beherrschte er ebenso wie die pol- 
nische. Erzbischof Przyluski ernannte ihn 1861 zum Ehren- 
domherrn von Posen. 

Käliski galt für einen, den Interessen des polnischen Nationalis- 
mus besonders ergebenen Geistlichen "") . 



20) Mühler an Bismarck, 1. 5. 1866. In Akten A. A. 2. 



V. Die Vorwahl der Kandidaten in Gnesen. 

Unterdessen gingen die Domkapitel unbekümmert um die 
römischen oder gar etwaige Berliner Wünsche ihren Weg. Ihr Ziel 
war ein polnisch-nationalistischer Erzbischof. Da sie die energische 
Haltung des Oberpräsidenten v. Hörn kannten, versuchten sie zu- 
nächst, sich von den sie einengenden Bestimmungen über die 
Bischofswahl zu befreien ^) . Dies glaubten sie nur dadurch er- 
reichen zu können, daß sie ihrerseits zum Angriff gegen die preu- 



1) Für die Bischofswahlen in Preußen waren maßgebend: 

a) Die Bulle ,,De salute animarum" vom 17. August 1821. Abgedruckt 
im BuUariumRomanum, Editio Taurunensis, Continuatio XV S. 403 ff. und 
Preußische Gesetzsammlung 1821 Nr. 12, 114 — ^1-52, hier mit deutscher Ueber- 
setzung. .A.llc wichtigen Teile der Bulle auch bei Mirbt, Quellen zur Ge- 
schichte des Papsttums, 3. Auflage, S. 336 ff. In Frage kommen die Kapitel 
22—24, die außer bei Mirbt auch bei Friedberg, der Staat und die Bischofs- 
wahlen in Deutschland. Das 19. Jahrhundert. Aktenstücke. Leipzig 1874, 
S. 239 ff. abgedruckt sind. 

b) Das Breve „Quod de fidelium" vom 16. Juli 1821. Gleichfalls in 
der preußischen Gesetzsammlung von 1821. Ferner vollständig bei Friedberg 
a. a. O., S. 244 ff. und im Auszuge bei Mirbt a. a. O., S. 338. Die hier in 
Frage kommende und die Kapitel in ihrer Wahlfreiheit behindernde Stelle 
lautet : 

„vestrarum partium erit eos adsciscere, quos, praeter qualitates caeteras 
ccclesiaslico jure praefinitas, prudentiae insuper laude commendari, nee 
Serenissimo Regi minus gratas esse noveritis, de quibus, antequam solem- 
nem electionis actum ex canonum regulis rite celebretis, ut vobis constet 
curabitis.'" 

c) Das besondere Breve an die Domkapitel von Gnesen- Posen vom 
10. April 1844. Mirbt, a. a. O., Nr. 493, S. 346. Dieses Breve enthält u. a. 
den folgenden Satz : Juxta haec igitur in Borussiae regno ad capituli cuiusque 
partes spectat suum eligere archiepiscopum vel episcopum non quidem ex 
illorum numero, quos regium gubernium nominatim eligendos permiserit, sed 
ex viris ecclesiasticis quos capitula ipsa tum virtutibus reliquis, cum pruden- 
tiae etiam laude praestantes inveniant, et regi serenissimo minus gratos non 
esse censeant, sive ea ipsa scilicet personarum indole et conditione sive ex 
praeccdentibus gubernü factis sive alüs adhibitis modis ad rem cognoscendani 
idoneis. 



— 75 — 

ßische Regierung vorgingen. Durch eine längere Eingabe mit aller- 
hand Beschwerden hofften sie den Papst davon überzeugen zu 
können, daß der evangelische Staat die katholische Kirche in Posen 
schädige und daß daher eine Entbindung von den Fesseln der Be- 
stimmungen von 1821 mindestens ebenso im römischen wie im 
Posener Interesse liege -) . Daß sie hiermit durchkommen würden, 
werden die Kapitel selbst kaum geglaubt haben. Immerhin schien 
ihnen der energische Angriff die besten Aussichten für einen Sieg 
ihrer Sache zu bieten. • 

Hörn berichtete unter dem 17. April 1865 an den Kultus- 
Hiinister, daß aus einer solchen Wahl ohne Zweifel Dr. Zienkiewicz 
hervorgehen würde, der, obschon früher der Regierung persona non 
ingrata, doch jetzt die Politik im Sinne seines Vorgängers führen 
Avürde. 

Mühler setzte Bismarck von diesem Bericht in Kenntnis und 
bat ihn, den Gesandten am Vatikan entsprechend zu instruieren. 
Noch an demselben Tage schreibt er aber an den Oberpräsidenten ^) : 

,, Sollten die Kapitel sich wirklich so weit vergesen, eine 
förmliche Anklageschrift gegen die Regierung gelangen zu lassen, 

so werden wir den Kampf mit ihnen nicht scheuen Im 

übrigen liegen die Sachen schwierig. Ob es gelingen wird, sich 
mit Rom über die Ernennung einer uns angenehmen Persönlich- 
keit im Wege außerordentlicher Provision für Posen zu einigen, 
steht sehr dahin; wir müssen die Möglichkeit eines früher oder 
später stattfindenden Einlenkens in den Weg der regulären Be- 
setzung durch Kapitelwahl ims vor Augen stellen und für diesen 
Fall, wenn er eintreten sollte, unsre Position nehmen. Daß die- 
selbe keine sehr erquickliche sein würde, ist leicht zu sehen; 
schlimmer wie es unter Przyluski war, würde es unter einem von 
den Kapiteln gewählten Erzbischof nicht werden können; und 
bisweilen ist man in der Lage, unter zwei Uebeln das minder- 
gefährliche wählen zu müssen " 



2) Die Eingabe der Kapitel ging am 11. April 1865 von Posen nach 
Rom. Hierüber berichtet der zuständige Dezernent bei der Posener Regie- 
rung, Regierungsrat v. Lebbin am 12. 4. 1865 an Hörn (Akten A. A. 2). 
Hörn darüber an Mühler am 17. 4. 1865 (Akten K. M. 1). 

3) Mühler an Hörn, 17. April 1865. In den F. P. v. H. 



— 76 — 

Auf Grund dieses resignierenden Schreibens verzichtete Hörn 
zunächst darauf, weitere Eingaben an den Kultusminister zu 
machen, da sie ihm wohl zwecklos erschienen. 

Ob die Domkapitel auf ihre Beschwerde vom 11. April eine 
Entscheidung aus Rom erhalten haben, ist nicht nachweisbar, auch 
wohl unwahrscheinlich. Anzunehmen ist, daß diese Eingabe ledig- 
lich dem Papst gegenüber ihre Stellung stärken und Pius IX. auf 
ihre Seite ziehen sollte. Dies geht schon aus ihrer gleichzeitigen 
Anfrage hervor, ob sie eine Liste für die Wahl aufstellen sollten *). 
Die Kurie antwortete ihnen '^) , daß gegen eine Liste nichts einzu- 
wenden sei, daß auf diese Liste aber nur personae gratae (i. e. regi) 
und keine politisch Kompromittierten gesetzt werden dürften. 
Dieser Schlußsatz, der sich nach dem Ereve von 1821 von selbst 
verstand, bedeutete eine indirekte Ablehnung des Posener Gesuches. 

Die Domkapitel gingen nun sofort ans Werk. 

Vier Tage vor dem Beginn der Beratungen, am 1. Mai 1865, 
wurde unter großer Feierlichkeit und in Anwesenheit fast sämt- 
licher Geistlichen der Erzdiözese Gnesen das von Posen nach Gnesen 
gesandte Herz des verstorbenen Erzbischofs v. Przyluski in einer 
silbernen Urne in der unter der Tesuskapelle des Gnesener Doms be- 
findlichen Gruft beigesetzt, in der bereits die Herzen der Erz- 
bischöfe V. Potocki und Gorzenski ruhten *') . Da diese Zeremonie 
erst zweimal angewendet, also keine ständige Einrichtung war, vvar 
man berechtigt, in ihr mehr als nur eine religiöse Handlung zu 
sehen, sie vielmehr als einen Auftakt für die anschließende Wahl zu 
betrachten. 

Am 3. Mai 1865 reisten die Prälaten und sämtliche Domherren 
des Posener Metropolitan-Kapitels mit dem Kapitular-Verweser und 
Generaladministrator Brzezinski an der Spitze nach Gnesen, um hier 
in Gemeinschaft mit dem Gnesener Kapitel die Wahl vorzu- 
nehmen '') . Die drei päpstlichen Erlasse über die Wahl enthielten 
nur die eine Bestimmung, daß dem König von Preußen eine persona 



4) Mühler an Hörn, 29. April 1865. In den F. P. v. H. 

5) Telegramm Arnim an Bismarck 23. April 1865. Akten K. M. 1. 

6) Norddeutsche Allgemeine Zeitung. 13. Mai 1865. 

7) Posener Zeitung. 4. Mai 1865, 



— 77 — 

grata vorgeschlagen werden müsse. Es wäre den Kapiteln also an 
und für sich freigestellt gewesen, dem König entweder einen Kan- 
didaten zu präsentieren oder ihm entsprechend dem Modus bei der 
letzten Wahl ^) eine Liste von 6 Kandidaten vorzulegen, von der er 
dann die nicht genehmen streichen konnte. 

Da es bei der Verschiedenartigkeit der beiden Domkapitel 
offenbar nicht gelungen war, sich auf einen Kandidaten zu einigen, 
schien die Aufstellung einer Liste der geeignetste Weg, um zum 
Ziele zu gelangen. Dieser Modus lag auch schon aus dem Grunde 
nahe, daß ein einzelner Kandidat, der nach der Zusammensetzung 
der Kapitel ein nationalistischer Pole gewesen wäre, von der Regie- 
rung leicht angelehnt werden konnte. Dann aber hätte Rom oder 
Berlin die Möglichkeit unmittelbaren Eingreifens gehabt. So ent- 
schloß man sich zur Aufstellung einer Liste, die 3 Posener und 3 



8) Im Jahre 1815, als Preußen Posen erwarb, saß auf dem bischöflichen 
Stuhl von Gnesen Graf Raczynski, von Posen Graf Gorzenski. Die Bulle 
,,De salutc animarum" von 1821 legte die Erzdiözesen zusammen, Graf Rac- 
zynski trat zurück, Graf Gorzenski wurde Erzbischof von Gnesen und Posen. 
Als dieser am 20. XII. 1825 starb, wurde Fürst Anton Radziwill zum Kgl. 
Wahlkommiffar ernannt, der den Kapiteln mündlich ei-öffnete, daß der König 
den Gnesener Doniprobst v. Wolicki als Nachfolger wünsche. Dieser wurde 
daraufhin durch Akklamation gewählt. Als er am 21. XII. 1829 starb, ver- 
fuhr die Regierung in gleicher Weise. Der Kgl. Wahlkommissar, wieder 
Fürst Radziwill, teilte den Kapiteln mit, daß der König unter dem 25. II. 
183t) genehmigt nahe, daß der Weihbischof v. Dunin zum Erzbischof gewählt 
werde. Dunins Wahl erfolgte daraufhin am 15. III. 1830 im Scrutinialver- 
fahren mit 14 gegen eine Stimme. Als Dunin am 26. XII. 1842 starb, war 
bereits Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen. Dieser hatte im Gegen- 
satz zu der bisherigen Praxis, nach der die Regierung den Nachfolger selbst 
bestimmt hatte, durch seine Ordre vom 24. II. 1841 an den Kultusminister 
Eichhorn angeordnet, daß die Kapitel ihm eine Liste der zu wählenden Kan- 
didaten einreichen sollten, von der er die ihm nicht genehmen streichen 
würde. Die Kapitel von Gnesen und Posen hatten sich zwar anfänglich ge- 
weigert, hiernach zu verfahren, da die Aufstellung einer Kandidatenliste eine 
Praeelcctio und daher mit der Bulle „De salute animarum" nicht vereinbar 
sei. Nach Einholung der päpstlichen Entscheidung hatten sie der Regierung 
aber doch eine Liste von 6 Kandidaten vorgelegt, von der diese 2 ihr nicht 
genehme Namen strich. Aus den 4 übrigen war dann am 21. X. 1844 der 
Domherr v. Przyluski im zweiten Wahlgange mit 12 von 18 Stimmen ge- 
wählt worden. Vergleiche hierüber Friedberg, a. a. O., Buch II, S. 211 ff. 



— 78 — 

Gnesener Kandidaten enthielt^). Daß die Regierung alle 6 streichen 
würde, hielt man um so mehr für ausgeschlossen, als bei der letzten 
Erzbischofswahl im Jahre 1844 Papst Gregor XVI. in dem Schrei- 
ben, das diesen Wahlmodus gutheißt, sein festes Vertrauen zu dem 
Könige ausgesprochen hatte, daß er keinen der Vorgeschlagenen für 
ingratus erklären werde ^"). 

Die Kandidatenliste, die von den Domkapiteln von Gnesen und 
Posen dem preußischen Kultusminister am 9. Mai 1865 übersandt 
wurde ^'), enthielt die folgenden Namen in nachstehender Reihen- 
folge: 

1. Domkapitalar Dr. Zienkiewicz, Administrator von Gnesen. 

2. Prälat Brzezinski, Administrator von Posen. 

3. Domkapitular von Gnesen Walkowski. 

4. Domkapitular von Posen und Weihbischof Stefanowicz. 

5. Domkapitular von Posen Grandtke. 

6. Probst Licentiat theol. Janiszewski zu Koscielec. 

Diese Liste war nicht imgeschickt zusammengestellt. An die 
erste Stelle hatte man einen Mann gesetzt, der bereits nach dem 
Tode des Erzbischofs v. Dunin auf der Kandidatenliste gestanden 
und der als einstiger Gegenkandidat von Przyluski lange Jahre hin- 
durch immer stark seine regierungsfreundliche Stellung betont hatte. 
Erst seit Beginn der polnischen Bewegung im Anfang der 60er 
Jahre war bei ihm ein Wandel eingetreten, der aber möglicherweise 
dem neuen Oberpräsidenten noch nicht so aufgefallen war, daß tr 
Zienkiewicz ohne weiteres als unannehmbar bezeichnen würde. 



9) Ueber diese Liste meldet der katholische Dezernent für die kirch- 
lichen Angelegenheiten in der Provinz Posen, Regierungsrat v. Lebbin an 
Hern am 8. Mai 1865 das folgende : 

„E. H. beehre ich mich mitzuteilen, daß mir Spezielles über das Ergeb- 
nis der Gnesener Vorwahl nicht anvertraut werden konnte, weil man bei dem 
Akte die Geheimhaltung zur Pflicht gemacht hat. Nur das habe ich erfahren, 
daß der Domdechant Brzezinski mit der fertigen Liste sich in Gnesen ein- 
fand und daß diese Liste dort ohne Widerspruch akzeptiert wurde. Danach 
kann man sich das übrige leicht vorstellen.- da es nicht eben schwer hält, zu 
erraten, wie der heilige Geist beschaffen ist, den dieser würdige Prälat mit 
sich führt." 

In den F. P. v. H. 

10) Friedberg a. a. O., S. 246. 

11) In Akten K. M. 1. 



— 79 — 

Daß man aus Gründen der Parität Brzezinski an die zweite 
Stelle setzte, ergab sich von selbst. 

An die dritte Stelle hatte man einen Mann gesetzt, der nach 
außen politisch nie hervorgetreten war. 

Der Domkapitular Walkowski war im Jahre 1801 als Sohn 
eines armen Bauern geboren, hatte eine geringe Schulbildung ge- 
nossen, aber durch eigenen Fleiß später viel nachgeholt, sodaß er 
zum Vikar des Pfarrers von Gnesen ernannt wurde. Der Erzbischof 
von Dunin machte ihn zu seinem Kaplan. Walkowski zeigte eine 
solche Anhänglichkeit, daß er den Kirchenfürsten in die Gefangen- 
schaft nach Colberg begleitete^-). Als Dunin 1840 nach Posen 
zurückkehrte, ernannte er seinen Kaplan aus Dankbarkeit zum Dom- 
herrn, was Walkowski zu großem Ansehen verhalt. 

Nach dem Tode Przyluskis zeigten sich bei ihm schon Zeichen 
von Altersschwäche ^^) ; die dadurch mögliche leichte Beeinflußbar- 
keit wird ihn den polnischen Nationalisten in den Domkapiteln 
besonders empfohlen haben, um so mehr, als Walkowski selbst 
innerlich der entschieden polnischen Partei angehörte. 

Auch der nächste der Kandidaten, der Weihbischof Stefano- 
wicz, stammte aus ärmlichen Verhältnissen^*). Er hatte sich ohne 
wissenschaftliche Vorbildung dem Priesterberuf gewidmet und war 
Vikar in Punitz geworden, einem kleinen Landstädtchen südöstlich 
von Lissa. Als solcher zum Mitglied der Nationalversammlung ge- 
Avählt, hatte er sich in Frankfurt an den regierungsfeindlichen Be- 



12) Dunin hatte im Anschluß an den Kölner Kirchenstreit im ausdrück- 
lichen Gegensatz zu den Ansichten des Königs einen Hirtenbrief erlassen, 
der bei einer Mischehe katholische Trauung verbot, wenn die Gatten sich 
nicht verpflichteten, die Kinder katholisch zu erziehen. Seine 1838 erfolgte 
Verurteilung zu Amtsentsetzung und Festungsstrafe verwandelte der König 
in einen Pflichtaufenthalt in Berlin. Als Dunin sich 1839 heimlich nach 
Posen begab, wurde er verhaftet und auf die Festung Colberg gebracht. 
Friedrich Wilhelm IV. setzte ihn 1840 gegen einige unbedeutende Zugeständ- 
nisse wieder in sein Amt ein. Es handelte sich in diesem Falle also um 
eine rein kirchliche Angelegenheit, die mit Nationalitätenfragen nichts zu 
tun hatte. 

13) Hörn an Mühler 3. VI. 1866. Akten K. M. 1. 

14) Stefanowicz war 1801 als Sohn eines armen Töpfers geboren (Hörn 
an Mühler. 3. VI. 1865. In Akten K. 'M. 1.) Er starb am 23. HL 1871. 
(Akten Z. K. 1.) 



— 80 — 

Schlüssen beteiligt ^^) . Sein starker polnischer Patriotismus hob ihn 
in die Gunst Przyluskis, der ihn zunächst zum Domherrn, dann zum 
Weihbischof ernannte. Der Regierung war er aus den Jahren 1840 
und 1848, aber auch aus späterer Zeit als polnischer Fanatiker be- 
kannt. Auch an der nationalen Bewegung der 60er Jahre hatte 
Stefanowicz lebhaften Anteil genommen und 1861 sogar an der 
Spitze des polnischen Zentralkomitees zur Leitung der Wahlen ge- 
standen, das die national-polnische Sache durch die Kirche zu 
fördern suchte ^'') . 

In kluger Berechnung hatten die Kapitel an die 5. Stelle den 
. Domkapitular Grandtke, sogar einen Deutschen, gesetzt, den die 
Regierung seiner Zeit noch dazu selbst zum Schulrat in Posen ge- 
macht hatte. Dieser war 1812 als Sohn eines deutschen Steuer- 
beamten geboren und hatte nach Absolvierung des Gymnasiums in 
lissa die Universität Breslau besucht. Dann war er Vikar an der 
Hauptpfarrkirche in Posen geworden. Später wurde er von der 
preußischen Regierung zum Schulrat am Posener Regierungs- 
kollegium ernannt. In dieser Stellung trat bei ihm das ein, was 
wir bei deutschen Menschen immer wieder erleben: er assimilierte 
seine Ansichten allmählich immer mehr denen seiner Umgebung. 
Und vollends, als er Domherr geworden war, warf er sich ganz 
der polnischen Partei in die Arme und behielt von seinem Deutsch- 
tum nur den Namen bei ^^) . 

Diesem verdankt er es offenbar mit, daß er auf die Liste der 
Kandidaten für die Erzbischofswahl gesetzt wurde, da man sich 
wohl der Hoffnung hingab, daß wenigstens dieser deutsche Kan- 
didat der Regierung persona grata sein würde. 

Da die Kapitel es endlich vermieden hatten, die beiden am 
stärksten belasteten Geistlichen, den Domherrn Prusinowski und 
den Domherrn Kaliski in die Liste aufzunehmen, glaubten sie mit 
Bestimmtheit, auf einen Sieg ihrer Sache rechnen zu können. 



15) Stenographischer Bericht über die Sitzung vom 15. XI. 1848. Ver- 
handlungen der konstituierenden Versammlung für Preußen 1848. IX. Supple- 
mentband Leipzig 1849. In Commission bei Theodor Thomas, S. 259, 277 

und 278. 

16) Mühler an Bismarck 3. II. 1864. Akten A. A. 1. 

17) Hörn an Mühler 3. VI. 1865. Akten K. M. 1. 



— 8i — 

Nach den Bestimmungen mußte die Bischofswahl infra tfi- 
mestris spatium ^*) vorgenommen werden. Diese Frist lief am 
12. Juni ab, da Przyluski am 12. Alärz gestorben war. Als sich 
die Regierung Ende Mai zu der Kandidatenliste noch nicht ge- 
äußert hatte, wendeten sich die Domkapitel mit der Bitte an den 
Kultusminister"), die Stellungnahme des Königs ihnen bis zum 
'). Juni zugehen zu lassen, da die Frist demnächst abliefe. Mühler 
erwiderte, da er den Bericht des Oberpräsidenten bei Eingang des 
Schreibens noch nicht in Händen hatte, daß es dem König unmög- 
lich sei, sich bis zum 12. Juni zu entscheiden, da die notwendigen 
Informationen noch einige Zeit erforderten -°) . 

Brzezinski scheint zunächst die Absicht gehabt zu haben, den 
Kapiteln vorzuschlagen, daß man aus dem Schweigen der Regie- 
rung zu der Annahme berechtigt sei, alle 6 Kandidaten als per- 
sonae gratae anzusehen. Zum mindesten waren dem Oberpräsi- 
denten derartige Mitteilungen zu Ohren gekommen, die er nach 
Berlin weitergab -^) . Eine Nachprüfung dieser Nachricht ist nicht 
möglich. Wahrscheinlich wird sich aber der Administrator, selbst 
wenn er vorübergehend mit diesem Gedanken gespielt haben sollte, 
bald von selbst gesagt haben, daß er durch ein derartiges Ver- 
fahren einmal nichts erreichen kann, da ja der Wahlakt selbst von 
dem Kgl. Wahlkommissar geleitet sein muß, dann aber auch die 
Kapitel ins Unrecht setzt, während andrerseits die Regierung, wenn 
sie sich nicht rechtzeitig entscheidet, gegen ihre eigne gesetzliche 
Vorschrift — die Bulle De salute animarum stand in der preu- 
ßischen' Gesetzsammlung — handelt. Demgemäß unternehmen die 
Kapitel nunmehr nichts, sonderen warteten zunächst ab. 

Daß die Regierung zu dem ihr von Hörn mitgeteilten, nicht 
mehr nachzuprüfenden Gerücht Stellung nehmen würde, hatte wohl 
der Oberpräsident selbst am wenigsten erwartet. Trotzdem nahm 
Mühler die ihm zugegangene Nachricht zum Anlaß, an die Metro- 
politankapitel eine längere Verfügung zu erlassen — ) . Er führt 



18) Gemäß, der Bulle De salute animarum § 22. Mirbt a. a. O., S. 336. 

19) Die Domkapitel an Mühler. 1. Juni 1865. Akten K. M. 1. 

20) Mühler an die Domkapitel. 3. Juni 1865. Ebenda. 

21) Hörn an Mühler. 4. Juni 1865. Ebenda. 

22) Mühler an die Metropolitankapitel. 6. Juni 1865. Akten K. M. 1. 

■ 6 



— 82 — 

hierin aus, es ginge das Gerücht, daß die Kapitel, da die Regierung 
noch nicht geantwortet habe, die Wahl trotzdem vornehmen wür- 
den. Er, der Minister, schenke diesen Gerüchten zwar keinen 
Glauben, da nach dem gleichzeitig mit der Bulle „De salute ani- 
marum" erlassenen päpstlichen Breve „Quod de fidelium" alle Ka- 
pitel nur auf solche Personen die Wahl lenken könnten, „von 
denen sie sich vor der feierlichen Wahlhandlung die Gewißheit 
verschafft haben, daß dieselben Seiner Königlichen Majestät nicht 
mißfällig sind". Am Schlüsse des Schreibens bemerkt i\Iühler 
endlich noch, daß ein gegen diese Bestimmungen Gewählter die 
landesheri liehe Zustimmung nicht erhalten würde. 

Die Wirkung dieses Schreibens konnte nur die sein, daß die 
Opposition der Kapitel gegen die Regierung gestärkt wurde. Denn 
dieser ängstlich prophylaktische Erlaß des Ministers ließ sich nur 
als eine Schwäche der Regierung auslegen. Da die Kapitel auf 
ihre Mitteilung von der Wahl dqr 6 Kandidaten keine Antwort 
erhielten (diese ging auf ihr Drängen erst Anfang November ein. 
also 8 Monate nach dem Tode des Erzbischofs und ein halbes Jahr 
nach der Wahl der Domkapitel), so versuchten sie offenbar, ihre 
Sache nunmehr durch eine Art Verschleierungspolitik zu fördern. 
Denn nur so ist wohl die Meldung aus Posen vom 12. Juni -^) zu 
verstehen, die besagte, daß von den der Kgl. Regierung zur hie- 
sigen Erzbischofswahl präsentierten Kandidaten außer dem Dom- 
herrn Grandtke noch zwei andere ^*) als personae gratae vom 
Ministerium bezeichnet worden seien. Die beiden Metropolitan- 
kapitel würden nunmehr aus diesen dreien einen zum Erzbischof 
wählen. Die Wahl würde noch in diesem Monat stattfinden. 



23) Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Freitag, 16. Jimi 1865 Meldung 
aiis Posen vom 12. Juni. 

24) Deren Namen bezeichnender Weise nicht genannt werden. 



VI. Die Stellungnahme der preußischen 
Regierung zur Bischofswahl. 

Es ist immer angenehmer, zwei Gegner zu haben als nur einen. 
Denn bei geschickter Politik werden sich diese zwei von einem 
dritten, der seinerseits den Sieg will , immer irgendwie gegenein- 
ander ausspielen lassen. In dieser glücklichen Lage war die preu- 
ßische Regierung bei der Posener Erzbischofs wähl. Während es 
aber in Rom sowohl wie in Posen, die Menschen überragend und 
in den Schatten stellend, die Idee war, die alles trieb und leitete, 
dort die der Kirche, hier die der nationalen Sache, war der Ver- 
lauf der Ereignisse in Berlin einzig und allein von den Männern 
abhängig, die die preußische Regierung im Augenblick verkör- 
perten. Ihr Handeln , oder Nichthandeln, ihre Kenntnis oder Un- 
kenntnis der Lage, ihre Kraft oder Schwäche entschied den Kampf. 

An der Spitze der Regierung stand seit drei Jahren Otto 
v. Bismarck. 

Da die Frauen ebenso wie der deutsche Liberalismus zu 
idealistischer Sentimentalität neigen, erstere dazu noch für die 
große Geste sind, so war es kein Wunder, daß nach den Befrei- 
ungskriegen in den Jahren der Romantik gerade sie sich in erster 
Linie für das unterdrückte Ostvolk begeisterten, dem man ein 
Menschenalter zuvor Staat und Daseinsmöglichkeit genommen 
liatte. Auch Bismarcks Mutter beschäftigte sich besonders mit 
den Polen, als diese (1830/31) sich zum ersten Mal für ihre Un- 
abhängigkeit erhoben^). So ist es kein Wunder, daß der junge 
Bismarck gewisse Sympathien diesem Volk entgegenbrachte, dessen 
Lieder ^) er schon als Kind hatte singen und spielen hören ^') . 



1) E. Marks, Bismarck. 1909. S. 71. 

2) „Denkst Du daran, mein tapferer Lagienka" ; „Fordere niemand, 
mein Schicksal zu hören" u. a. 

3) Bismarck äuSert sich hierüber in seiner Rede im preußischen Abge- 
ordnetenhause vom 28. I. 1886 (Reden XI S. 410) und zu den Posener 
Deutschen am 16. IX. 1894 (Reden XIII, S. 278). 

6* 



— 84 — 

Aber schon der Göttinger Student, der „einige der hervor- 
ragenden Leute des damaligen polnischen Reichstages" *) kennen 
lernte, erkannte nicht nur die Gefahren, die hier dem deutschen 
Osten drohten'^), sondern wurde auch persönlich von den „un- 
glaublich liederlichen'' Flüchtlingen ") ebenso abgestoßen wie von 
den ,, polnischen Zugvögeln der Revolution", die auf dem Harn - 
bacher Fest die Hauptrolle spielten ' ) . 

Der ganzen Widerwärtigkeit idieser Verbindung deutscher 
hberalisierender Sentimentalität mit polnischer Effekthascherei 
wurde sich Bismarck im März 1848 bewußt, als er im Beerdigungs- 
zuge ^) der Märzkrieger als den eigentlichen Helden des Tages den 
von der Amnestie befreiten polnischen Insurgenten und Agenten 
des Pariser Revolutions-Komitees, Ludwig Mieroslawski, auf 
I eichgeschmücktem Wagen in malerisch polnischem Kostüm 
stehend den Särgen der Gefallenen folgen sah"). 

Die erste politische Stellungnahme zur polnischen Frage for- 
derte von dem preußischen Bundestagsgesandten der Krimkrieg, 
/.ahlreiche Staatsmänner, so die Herren der Bethmann HoUweg- 
schen Fraktion und Bunsen, der preußische Gesandte in London, 
waren antirussisch eingestellt und daher der Wiedererrichtung des 
polnischen Königreichs geneigt. In allen Berichten nach Berlin -") 
betont Bismarck aufs schärfste, daß ein unabhängiges Polen nur 
dann, aber auch dann nur vielleicht, aufhören würde, Preußens 
Feind zu sem, wenn es sich alle Gebiete angeeignet hätte, in denen 
die polnische Sprache gesprochen würde, also außer Posen auch 



4) Als einzigen selbständigen Teil des eheinaligen Königreichs Polen 
hatte der Wiener Kongreß die Republik Krakau geschaffen, die aber nach 
einem mißglückten Aufstandsversuch im Jahre 1846 an Oestcrreich überging. 
Sie hatte damals einen ..polnischen Reichstag". 

5) Rede Bismarcks im Abg.-Haus vom 28. 1. 1S86, a. a. O. 

6) Bismarck im Gespräch zu Withmann. Withmann, Fürst Bismarck, 
S. 91. 

7) H. Kohl, Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen 
1899, S. 18 und Anm. 1 daselbst. 

8) Die Polen hatten schon vorher in Berlin einen besonderen Triumph- 
zug für ihre aus den Gefängnissen befreiten Landsleute veranstaltet. 

9) Rede Bismarcks im Abg.-Haus am 28. t. 1886, a. a. O. 

10) Poschinger. PreuBen und der Bundestag. IV. 180 ff . Ferner Ge- 
danken und Erinnerungen II. 155 ff. 



— 85 — 

große Teile von Westpreußen und Schlesien. Hier zum ersten Mal 
nimmt in der polnischen Frage der Staatsmann das Wort, aber ein 
Staa;tsmann, dem „Staat" und „Wille zur Macht"' kongruente Be- 
griffe sind. Daß Staaten einen um so sichereren Bestand haben, 
je ethisch fester die Grundlage ist, auf der sie sich erheben, hat auch 
Bismarck gewußt. Aber die wichtigeren Fragen des werdenden 
Reiches ließen die polnischen Schwierigkeiten um so leichter in den 
Hintergrund treten, als diese einem kraftvollen preußischen Staate 
gegenüber keine Avirkliche Gefahr bildeten. 

Eingehend vertraut mit den polnischen Verhältnissen wurde 
Bismarck erst als Botschafter in Petersburg. Hier erkannte er, 
daß es eine polnische Frage für Preußen nicht gäbe, solange die 
Beziehungen zwischen Preußen und Rußland so intim blieben wie 
zwischen Wilhelm. I. und Alexander IL Das Ergebnis dieser 
politischen Erkenntnis war die Alvenslebensche Militärkonvention 
im Auf Stands] ahr 1863, die ihm die heftigsten Angriffe seitens der 
preußischen Liberalen zuzog ^0 • 

Seit dieser Konvention ruht das Interesse Bismarcks für die 
polnischen Angelegenheiten fast ein Jahrzehnt lang ^-) . Der Tod 
des Erzbischofs fiel mitten in die Konfliktszeit. Dazu kam, daß 
die außenpolitische Lage gerade im Jahre 1865 mit Problemen der- 
art gesättigt war, daß der Ministerpräsident für Fragen, die sich 
nicht unmittelbar gebieterisch in den Vordergrund drängten, keine 
Zeit opfern konnte. In erster Linie stand das damals fast die 
Hälfte aller Zeitungen füllende Geschick Schleswig-Holsteins- da- 
neben der amerikanische Bürgerkrieg und die gerade in diese 



11) Bismarcks Reden im Abgeordnetenhaus am 26. II. 63. 27. II. 63 und 
28. II. 63 (Reden II S. 129 ff., S. 136 a. S. 140 f.). Vergleiche dazu Paul 
Matter, La Prussc et la revolution de Pologne en 1863. Annales des Sciences 
politiques XX, S. 600. „Ce (die Konvention) fut peutetre Tacte le plus 
fecond de sa carriere." 

12) O. Hoetzsch sagt in seinem Aufsatz: Nationalitätenkanipf und Na- 
tionalitätenpolitik in der Ostmark (die deutsche Ostmark, hrsg. v. deutschen 
Ostmarkenverein) S. 605, daß von einer aktiven Polenpolitik Bismarcks bis 
zu seinem bekannten Briefe an Eulenburg (1872) nicht die Rede sein könne. 
Dieser .Satz scheint mir in seiner allgemeinen Fassung richtig und wird auch 
durch die Untersuchungen von Hans Wendt, Bismarck und die polnische 
Frage, Halle 1922 trotz seiner Anmerkung 148 a auf Seite 88 nicht widerlegt. 



— 86 — 

Wochen fallende Ermordung des Präsidenten Lincoln (14. April 
1S65), endlich die bald nach der Ankunft Kaiser Maximilians in 
Veracruz (28. Mai 1864) ausgebrochenen mexikanischen Unruhen. 
Bismarck selbst .aber beschäftigten vor allem die vorbereitenden 
Schritte zu dem Vertrag von Gastein (14. August 1865), sodaß er 
die Regelung der polnischen Verhältnisse in dieser Zeit anderen 
Instanzen überlassen mußte. 

In einer rein evangelischen Gegend aufgewachsen, hatte Bis- 
marck in der ersten Hälfte seines Lebens nur wenig Gelegenheit 
gehabt, sich mit katholischen Dingen zu beschäftigen. Erst in 
seiner Frankfurter Zeit als preußischer Bundesgesandter hatte er 
sich mit den Fragen der Abgrenzung zwischen Staatsgewalt und 
Kirchengewalt anläßlich der Kämpfe in der oberrheinischen 
Kirchenprovinz befassen müssen. Bald aber traten andere Kämpfe 
für ihn in den Vordergrund. Dazu kam, daß ihm die Macht der 
Kirche weniger real schien als eine sonstige politische Macht, die 
sich avif zählbare Bajonette stützte. Erst am Abend seines Lebens 
ist er sich über die immanente Kraft der katholischen Kirche in 
vollem Umfange klar geworden. So ließ er dem Grafen Hoens- 
broech, als dieser ihm sein Buch: Der Ultramontanismus, sein 
Wesen und seine Bekämpfung (Leipzig, Breitkopf u. Härtel) zu- 
schickte, mitteilen, „er habe es mit viel Gewinn durch s tu d i er t . 
und er glaube sagen zu können, daß der Kulturkampf anders ver- 
laufen wäre, wenn er so kenntnisreiche Leute wie den Verfasser 
des Buches damals zur Seite gehabt hätte" ^^) . 

War so Bismarck einerseits infolge Zeitmangels nicht in der 
Lage, andrerseits infolge nicht genügender Kenntnis der ultramon- 
tanen Frage nicht imstande, der Wiederbesetzimg des erzbischöf- 
lichen Stuhles in Posen-Gnesen seine besondere Aufmerksamkeit 
tu widmen, so lastete diese Pflicht um so mehr auf den inrer 
dienstlichen Stellung nach zunächst Berufenen. 

Das größte und nächstliegende Interesse an einer Aenderung 
der unerträglich gewordenen Zustände in Posen hatte der Über- 
präsident Carl V. Hom. 



13) Schreiben des Grafen Paul v. Hoensbroech an den Verfasser vom 
3. August 1922 im Besitz des Verfassers. 



— 87 — 

Das 19. Jahrhundert hatte einen preußischen Beamten ge- 
schaffen, wie ihn, was Treue, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Gerad- 
iieit, Ehrlichkeit, Genügsamkeit und Anhänglichkeit an das an- 
gestammte Herrscherhaus betrifft, kein Volk aufzuweisen hatte. 
Zu den besten Vertretern dieses .Standes gehörte Carl v. Hörn, 
Oberpräsident von Posen und später von Preußen ^*) . 

Als Sohn eines Gelehrten ^°) früh auf die geistige Linie ge- 

14) Einen kurzen Abriß seines Lebens und Wirkens gibt der von seinem 
"Sohn 19.12 gesciiriebene und 1913 in der Deutschen Revue veröffentlichte. 
57 Seiten lange Aufsatz ,,Aus dem Leben des Oberpräsidenten Carl v. Hörn 
1863— 1869--'. 

15) Daten seines äußeren Lebens (nach den F. P. v. H.) : 

1807 26. X. Geboren in Berlin als Sohn des Universitätsprofessors Geheimen 

Medizinalrats Dr. Ernst Hörn. 
1819 — ^1825 Besuch des grauen Klosters in 'Berlin. 

1825—1829 Student der Rechte in Berlin, Heidelberg und wieder Berlin. 
1829 Ostern Ablegung des juristischen Staatsexamens in Berlin. 
1829 5. V. Auskultator. 
1832 10. IV. Referendar. 

1835 7. XI. Assessor. 

1836 Ostern — 1837 Weihnachten Studienreise durch Belgien, England.. 
Schottland, Irland, Frankreich und der Schweiz. 

1840 25. IX. Regierungsrat. 

1840 — ^1843 Justitiar beim Polizeipräsidium in Berlin. ' 

1843 — ^1844 Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern. 

1844 12. X. Geheimer Finanzrat. 

1844 — 1849 Hilfsarbeiter und dann Vortragender Rat im Finanzministerium. 

1846 17. V. Verheiratet in Berlin mit Doris Martens, Tochter des Ersten 

Präsidenten des Appellationsgerichts in Marienwerder. 
1849 — ^1862 Direktor der Abteilung für das Etats- und Kassenwesen im 

Finanzministerium. 

1862 14. XIL Oberpräsident von Posen. 

1863 24. I. Uebernahme der Geschäfte in Posen. Ausbruch des polnischen 
Aufstands in Russisch-Polen. 

1865 28. XII. In den erblichen Adelstand erhoben. 

1869 5. III. Oberpräsident von Preußen. 

1869 3. IV. Uebernahme der Geschäfte in Königsberg. 

1877 19. III. Gesetz über die Teilung der Provinz Preußen in 2 Provinzen: 
Ostpreußen und Westpreußen. 

1878 22. III. Oberpräsident von Ostpreußen. 
1878 1. IV. Teilung der Provinz Preußen. 

1882 1. IV. Versetzung Homs in den Ruhestand. 
1889 18. V. Gestorben in Berlin. 



— 88 — 

wiesen, hatte er sich eine umfassende Bildung erworben. Schon 
auf der Universität hatte er außer seinen eigenen juristischen Stu- 
dien eine ganze Reihe anderer Fächer belegt und gehört, so Natio- 
nal-Oekonomie, Physik, Chemie und Logik. Während seiner 
Assessorzeit hatte er aurch eine fast zweijährige Auslandsreise 
seinen Horizont zu erweitern gesucht. Im Finanzministerium 
schon früh in selbständige Stellung gehoben, lernte er hier Genauig- 
keit im Kleinen mit Verantwortungsfreudigkeit im Groi'ien zu ver- 
binden. 23 Jahre lang hatte er in verschiedenen Aemtern der 
Hauptstadt sich das Vertrauen maßgebender Männer erworben, als 
ihn der König auf Vorschlag der Minister auf den schwierigen 
Posten eines Oberpräsidenten von Posen berief. 

Es war wohl mehr ais bloßer Zufall, daß die beiden Minister, 
unter denen er in Berlin seinen Dienst antrat, der Minister des In- 
nern Graf von Amira-Boytzenburg ^^) und der Finanzminister von 
Flottwell, vorher Oberpräsidenten von Posen gewesen waren. Je- 
denfalls hat sowohl die Persönlichkeit wie auch die Art Flottwells 
/.u denken und zu handeln einen wesentlichen Einfluß auf Horu 
ausgeübt. So kam er auf den neuen Posten, besser vorbereitet als 
mancher vor ihm und vor allem als mancher nach ihm. 

Posen ist die Kornkammer Preußens. So war es erklärlich, 
daß Hörn der Landwirtschaft sein besonderes Interesse zuwandte, 
um so mehr als er hier bei dem Landwirtschaftsminister v. Sel- 
chow ^') auf regstes Verständnis und wohlwollende':^ Entgegenkom- 
men stieß. So sehr Hörn mit Selchow in allen landwirtschaftlichen 
Fragen harmonierte und nach seinen eigenen Aufzeichnungen von 
ihm eifrigste Förderung erfuhr, so sehr divergierten seine Ansichten 
häufig mit denen desjenigen Staatsministers, auf den er nächst 
Selchow am meisten angewiesen war, nämlich des Kultusministers 
V. Mühler. Mühlers ängstliche Art war grundverschieden von dem 
energischen Wesen Horns, der, unbekümmert um die Folgen für 



16) Friedrich Wilhelm IV. hatte nach seiner Thronbesteigung den ihm 
zu energischen Flottwell aus Posen abberufen und statt seiner Arnim-Boytzen- 
burg zum Oberpräsidenten ernannt, der aber schon 1842 Minister des Innern 
wurde. 

17) Werner v. Selchow (geb. 1. II. 1806, gestorben 23. IL 1884 als 
Domdechant von Brandenburg) war 1862 vom Oberpräsidenten von Branden- 
burg zum Landwirtschaftsminister aufgerückt, das er bis 1873 blieb. 



— 89 — 

die eigene. Person, den Weg ging, den er für den richtigen hielt. 
Hörn gehörte zu den glückHchen Naturen, die den kurzen Schritt 
von der Vielseitigkeit zur Zersplitterung geschickt zu vermeiden 
gewußt hatten und die vor allem von einer gründlichen Eildung 
nicht zu komplizierten Problematikern gemacht worden waren. 
Wenn ihm auch die höfischen Formen fehlten ^^) , so hatte er doch 
vor den Beherrschern dieser Formen das voraus, daß er das Natür- 
liche natürlich sah. 

Groß war Hörn nicht. Große Männer hatte Bismarck weder 
in seinem Ministerium oder an der Spitze der Provinzen, noch 
wünschte er sie. Immerhin ist die Lebensarbeit dieses Mannes so 
bedeutend, daß wir wohl wünschen könnten, einmal ein geschlos- 
.'^tnes Lebensbild von ihm zu erhalten. 

Er hat nie von sich reden gemacht. Ehrgeiz war ihm völlig 
fremd. Er ging seinen Weg, wie er ihn vor Gott und seinem 
König glaubte verantworten zu können, und fragte nicht nach An- 
erkennung und Aufstieg. So ist ihm die Liebe aller derer, die 
irgendwie dienstlich oder persönlich mit ihm in Berührung kamen, 
in ganz anderem Maße zu teil geworden als manchem, dessen Na- 
men die Geschichte heute schon in ihren Blättern verzeichnet hat. 

Alles in ihm war schlicht und stark, echt und einfach. Nicht 
jedem Wunsch, den er im Herzen trug, wurde Erfüllung. Aber 
elirlich war alles, was er tat, vmd aufrecht alles., was er dachte. 



18) Wenn König Wilhelm I. am 2. November 1868 an Bismarck schreibt, 
(Bismarck. Gedanken und Erinnerungen, Anhang I, S. 184) daß Hörn als 
Geschäftsmann in Königsberg an seinem Platze sei, seine Formlosigkeit aber 
bei der dortigen Aristokratie wohl anstoßen würde, so ist dies entschieden zu 
ungünstige Urteil offenbar unter dem Einfluß der Kräfte entstanden (Kö- 
nigin Augusta, Katholische Partei pp.), die damals am Werke waren. Hörn 
aus Posen zu entfernen, was ihnen auch gelang. Viel günstiger urteilt ein 
Jahr später der Kronprinz PViedrich Wilhelm, der ihn fast jedes Jahr in 
Posen einmal besucht hatte und ihn daher seit langem kannte (nach F. P. 
V. H.) in einem Schreiben aus Königsberg vom 15. September 1869 an Bis- 
marck über ihn. (Ebenda II 428) : Er müsse ihm ein Wort zu Gunsten 
Horns sagen. Die Animosität gegen ihn sei wirklich ungerecht. „Gelänge 
es seinen Gegnern, ihn zu stürzen, so würde ein sehr brauchbarer Beamter 
verloren gehen, der, ohne ihm manche Formfehler absprechen zu wollen, für 
diese Provinz doch entschieden ein Segen werden wird. Lassen Sie mich 
denselben hiermit Ihnen warm empfohlen haben." 



— 90 — 

Während aber Hörn in Posen fernab den Ereignissen saß, 
waren die ressortmäßig berufenen Stellvertreter des preußischen 
Ministerpräsidenten in Berlin der Kultusminister, in Rom der Ge- 
sandte am Vatikan. 

Wenn auch Mühler bei der Besetzung erzbischöflicher Stellen 
ui erster Linie die Interessen des Staates vertrat, so hatte doch 
auch der Gesandte beim päpstlichen Stuhl, fördernd oder hemmend, 
hierauf insofern einen nicht unerheblichen Einfluß, als er es war, 
der die großen Richtlinien, die ihm vom Ministerpräsidenten auf 
Veranlassung des Ressortministers gegeben wurden, geschickt oder 
weniger geschickt, in den diplomatischen Tagesverkehr umzusetzen 
hatte. Bei diesem Umsetzen spielte aber nicht nur die größere 
oder geringere Geschicklichkeit, sondern auch die mehr oder weniger 
starke persönliche Interessiertheit an dem zu behandelnden Einzel- 
fall eine nicht zu unterschätzende Rolle. 

Bismarck hat während seiner langen Ministerpräsidentenzeit 
manchen Gesandten kommen und gehen sehen, berufen und abbe- 
rufen, kaum aber zwei, die sich weniger gleich waren als die, die im 
Jahre 1864 nacheinander den preußischen König in Rom vertraten. 

Adolf Freiherr von Willisen war preußischer General der Ka- 
vallerie gewesen, war Generaladjutant seines ihm auch persönlich 
nahestehenden, nur ein Jahr älteren Königs und vertrat dessen und 
des Staates Sache an der Kurie mit der ganzen Pflichttreue und 
Hingebung des alten preußischen Offiziers. Er nimmt persönlich- 
sten Anteil an jeder ihm übertragenen Angelegenheit, sucht sich 
ganz in die Gedankengänge seines Vorgesetzten, des Ministerpräsi- 
denten, einzufühlen und ist auch in der Posener Koadjutor frage so 
mjt dem Herzen dabei, daß er einmal wenige Wochen vor seinem 
Tode an den König in einem Privatschreiben ^^) sich ganz traurig 
darüber ausspricht, daß er mit Antonelli nicht schneller vorwärts 
käme. 

Ganz anders war sein am 3. Oktober 1824 in Moitzelwitz bei 
Stolp in Pommern geborener Nachfolger Harry von Arnim'""). 



19) Der Privatbrief befindet sich in den Akten A. A. 1. 

20) Am 28. Juli 1870 wurde er in den preußischen Grafenstand erivjben. 
Da der Grafentitel aber an den Besitz zweier Güter geknüpft war so ging 
er, da die Güter verkauft wurden, wieder verloren. 



— 91 — 

Wegen Kurzsichtigkeit war er nicht Soldat geworden -'■) . Alles 
Soldatische, jedes Sichunterordnen hat ihm sein Leben lang fernge- 
legen. Seit früher Jugend (1849) bereits in der diplomatischen 
Laufbahn tätig, hatte sich bei ihm ein immer stärkerer Ehrgeiz ent- 
wickelt. Als Attache in Brüssel, Rom und Wien und später als 
Gesandter in Cassel, Lissabon und München hatte er sich bei seiner 
schnellen Auffassungsgabe eine große diplomatische Geschicklich- 
keit und Rutine angeeignet, die ihn befähigte, sich rasch in Situa- 
tionen zurechtzufinden, auch wenn er sie nur oberflächlich be- 
herrschte. Ein Grandseigneur, der vorwärts will, so war ihm das 
Minima non curat praetor die Devise seines Handelns--). Nicht 
wie Willisen nahm er mit dem Herzen Anteil an den Fragen, die 
ihn interessierten, wohl aber mit seinem scharfen Verstände und 
gab ihnen, nicht bewußt, wie Bismarck ihm vorwarf, aber doch oft 
unbewußt, eine Richtung, die nicht immer auf der ihm von Berlin 
gewiesenen Linie lag. Seine nahen Beziehungen zum königlichen 
Hofe durch seine in Rom 1854 verstorbene erste Frau -^) kamen 
ihm hierbei zustatten. 

Schon früh war man in Berlin auf ihn aufmerksam geworden. 
Als der Minister von Schleinitz in einem Brief an Bismarck vom 
31. XII. 1859 die Kandidaten für Petersburg bespricht-*), da 
meint er, daß Harry Arnim hierfür gewiß sehr geeignet, aber, da 
eist Legationssekretär, doch noch zu jung wäre. Und als Bismarck 
bald nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten dem König 
vier Kombinationen für Besetzung diplomatischer Posten vorlegt, 
da führt er in zweien Arnim als Unterstaatssekretär auf, in den 
beiden andern als Gesandten in Cassel, bezw. München -^) . 

Je weniger sich der Ministerpräsident für eine Sache persön- 



21) Nach einem Schreiben der Tochter Arnims, Margarethe von Arnim, 
Frau des ehemaligen preußischen Landwirtschaftsministers Bernd v. Arnim- 
Criewen an den Verfasser vom 1. August 1922. 

22) „Herr v. Arnim ist wohl grade kein großer Aktenleser.'" Notiz 
Abekens an Bismarck vom 23. III. 1864. Akten A. A. 1. 

23) Elise von Prillwitz war die Tochter des Prinzen August von Preu- 
ßen, des Bruders des bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis Ferdinand und 
Vetters König Friedrich Wilhelm IL 

24) Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, Anhang II, S. 307. 

25) Bismarck, a. a. O., Anhang I, S. 37. 



— 92 — 

lieh einsetzt, umsomehr Aktionsfreiheit hat der Gesandte, der sie 
vertritt. Die Kandidatur Ledochowski war zwar zunächst sowohl 
von Müiiler wie von Bismarck mit aller Schärfe abgelehnt worden. 
vSchon sehr bald aber war Bismarck von den großen Fragen der 
äußeren Politik so in Anspruch genommen, daß ihm keine Zeit 
blieb, sich daneben wesentlich für die Fragen des Posener Erz- 
bischots zu interessieren. Der jedem Kompromiß geneigte Müh- 
ler war nicht der Mann, mit aller Entschiedenheit einen eigenen 
Weg zu gc];ien. Arnim aber glaubte keine Veranlassung zu haben, 
päpstlicher als der Papst zu sein. Er sah, daß Pius IX. und Anto- 
nelH die Kandidatur Ledochowski wünschten, er hatte umso weni- 
ger ein Interesse daran, sich diesem Wunsche zu widersetzen, als er, 
ein strenger Vertreter des Legitimitätsprinzips, in Ledochowski in 
erster Linie den Antirevolutionär und den ihm selbst in mancher 
Hinsicht verwandten Grandseigneur sah. 

Wenn Chlodwig Hohenlohe von Arnim sagt: ,,Es scheint daß 
Arnim sich als der Mann gezeigt hat, als den ich ihn immer ange- 
sehen habe, eitel, selbstsüchtig, falsch, aber äußerst gescheit",-"), sq 
wird man hiervon in Abrechnung zu bringen haben, daß dieses Ur- 
teil gefällt wurde in einer Zeit, in der sich die Spannung zwischen 
Pismarck und Arnim immer mehr zuspitzte. Wer die Akten des 
Auswärtigen Amtes über Arnims römische Tätigkeit und wer seino 
Verteidigungsschrift ,,Pro Nihilo" -') unbefangen liest, wird zu dem 
Urteil kommen, daß Arnim nicht immer den Weg einschlug, den 
der Ministerpräsident zu gehen wünschte, wenn sie auch beide das 
.jjleiche Ziel im Auge hatten. War Ledochowskis Berufung nach 
Posen ein Fehler, dann wird man Arnim von der Mitschuld an die- 
sem Fehler nicht freisprechen können. Auch Bismarck wird das 
instinktiv gefühlt haben, wenn er ihm später vorwirft, daß er mit 
seinem Verhalten nicht einverstanden sei. Die überharte Behand- 
lung- die Arnim in den 70er Jahren zuteil wurde-''), hat ihn zu 
einer Art Märtyrer gemacht. Eine gerechte Würdigung der ge- 



26) Chlodwig Hohenlohe, Denkwürdigkeiten, a. a. O. II. 107. 

27) Pro Nihilo, Vorgeschichte des Arnimschen Prozesses, Zürich 1876. 
Zu gleicher Zeit auch französisch erschienen : Pro Nihiio. Les Anteceüants 
du Proces d' Arnim. Paris 1876. 

28) Aus Arnims späterem Leben : 

1866 Norddeutscher Bundesgesandter beim Vatikan. 



— 93 — 

schichtlichen Verhältnisse wird kaum umhin können, hier ein 
peccare intra muros et extra festzustellen, aber den weitaus größten 
Teil der Schuld dem Untergebenen und nicht dem Vorgesetzten zu- 
zuschieben. 

Der Ausschlaggebende und der ressortmäßig Berufene war 
und blieb aber in der Frage der Neubesetzung des Posener Stuhles 
der preußische Kultusminister Heinrich v. Mühler -'') . Das ge- 
schichtliche Urteil über Mühler ist noch nicht abgeschlossen. Nie- 
mand ist für ihn nach seinem Abgang eingetreten, welcher Partei 



1871 10. V. Bismarck und Arnim unterzeichnen den Frankfurter Frieden.s- 
vertrag. 

1872 21. III. Arnim überreicht dem Papst sein Abberufungsschreiben. 
1872 9. VI. Botschafter in Paris. 

1874 2. IV. Abberufung. Ernennung zum Botschafter in Konätantinopel. Vor 
Antritt dieser Stellung Pensionierung. 

]874 4. X. Verhaftung auf seinem Gut Nasseheide bei Stettin, weil er an- 
geblich wichtige Staatspapiere aus dem ßotschaftsarchiv mitgenommen 
habe. 

1874 9. XII. Zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wegen Vergehens gegen 
die öffentliche Ordnung. 

1875 24. VI. Strafe vom Kammergericht zu 9 Monaten verschärft. Der 
Strafe durch Reise ins Ausland entzogen. 

1876 0. X. Wegen seiner Schrift „Pro Nihiio" vom Staatsgerichtshof zu 5 
Jahren Zuchthaus i. c. verurteilt. 

1878 Die Broschüre „Der Nuntius kommt" geschrieben. 

1879 Desgleichen die Broschüre „Quid faciamus nos?" 

1S81 19. V. In Nizza gestorben, während er die Wiederaufnahme des Pro- 
zesses beabsichtigte. 

29) Daten seines äußeren Lebens : 

1813 4. XI. Geboren in Brieg als Sohn des preußischen Justizministers Hein- 
rich Gottlob V. Mühler. 

J822 — ^1830 Gymnasium in Halberstadt und Breslau. 

j 830— 1835 stud. jur. in Berlin. 

1835 Dr. jur. und Auskultator. 

1^-37 — ^1838 Referendar in Naumburg. 

1838—1839 Referendar in Halle und Berlin. 

'j840 Hilfsarbeiter im Kultusministerium. 

1842 Regierungsrat. 

1846 Geheimer Regierungs- und Vortragender Rat. 

1&Ö2 18. III. Kultusminister. 

1872 17. I. Genehmigung seines Entlassungsgesuches. 

^874 2. IV. Gestorben in Potsdam. 



— 94 — 

er auch angehören mochte. Schulte"") sagt von ihm: „Minister 
V. Mühler war schv/ach, seine katholische Abteilung fanatisch; Graf 
Bismarck hatte keine Zeit, sich um diese Dinge zu kümmern." 
W. Müller ^^) nennt ihn den „Schrecken aller Männer des geistigen 
Fortschritts." Die Grenzboten ^^) schreiben, daß er „kein bedeuten- 
der Kopf, langsamen und schwerfälligen Geistes" gewesen sei; die 
Nationalzeitung ^^) , daß „sogar seine Freunde schließlich haben die 
Ansicht aufgeben müssen, daß er seine Fähigkeiten zum rechten 
(md dauernden Vorteil des Staates zu benutzen der Mann gewesen 
sei." Und selbst das Blatt, das ihm am nächsten stand, die Kreuz- 
zeitung, gibt ihn bei seinem Rücktritt (17. Januar 1872) vollkom- 
men preis. Auf die einfachste Formel brachte Graf Usedom ^"') die 
Lage im Kultusministerium, wenn er Hohenlohe gegenüber äußert, 
daß Mühler unter dem Einfluß seiner frommen Frau stände, ,, wes- 
halb man das Kultusministerium das Ministerium Adelheid nenne. 
Diese Frau sei sehr rührig und mische sich in alles." Frau v. Müh- 
ler wiederum empfing ihre Weisungen von der Königin, deren \ or- 
liebe für alles was von weit her war "^) sie immer wieder für die 
Polen Partei ergreifen ließ. Diese Hinneigung zu dem polnischen 
Katholizismus sollte sich später sogar in einer beleidigend schroffen 
Form gegen den Mann äußern, der berufen war, die preußischen 
Interessen in Posen zu vertreten, den Oberpräsidenten v. Horn^®). 
Daß sie auch den König in dieser Richtung beeinflußte, ist luu so 
verständlicher, als dieser die heiße Liebe zu Elise Radziwill nie ganz 
hat verwinden, können, mit den Radziwills immer in engster Füh- 
lung und Freundschaft geblieben ist und in den Polen immer das 
Volk gesehen hat, dem die Geliebte seiner Jugend angehörte. 

Folgte so der Kultusminister auf der einen Seite den Weisun- 
gen seiner PVau, so ließ er sich auf der anderen Seite um so leicii- 
ter von der ressortmäßig ihn beratenden katholischen Abteilung' ins 



30) V. Schulte, Der Altkatholizismus, S, 117. 

31) W. Müller, Geschichte der Gegenwart. IV. 1870, S. 79. 

32) Grenzboten, Nr. 8 vom 16. II. 1872. 

33) Nationalzeitung. Nr. 158 von 1874. 

34) Denkwürdigkeiten des Fürsten Clodwig zu Hohenlohe. I., S. 342. 
Am 6. XII. 1868. 

•35) Bismarck, Gedanken und Erinnerungen 11, S. 172. 

36) S. Seite 219. 



— 95 — 

Schlepptau nöhmen, als deren Direktor Geheimrat Krätzig in allen 
Aeußerungen und A^orschlägen eine ruhige Sachlichkeit an den Tag 
legte"). 

Diese Abteilung^®) spielt in der ganzen Angelegenheit der 
Neubesetzung des Posen-Gnesener Bischofsstuhles vielleicht die 
größte und ausschlaggebendste Rolle, wenn auch ihre Fäden nach 
außen hin nicht zu verfolgen sind. 

Bevor es in Preußen eine Verfassung gab, war die Kirche nichts 
als ein Annex des Staates, der befugt war, einzugreifen und anzu- 
ordnen, wie es ihm gutdünkte. War der König Landesbischof der 
evangelischen Kirche, so war er für die katholische Kirche Landes- 
herr mit weitgehenden Rechten auf deren innere Angelegenheiten ^"), 
aus denen die alte Formel des Westfälischen Friedens: Cuius regio, 
cius religio noch deutlich- nachklang. In dieser Zeit der völligen 
Abhängigkeit der Kirche vom Staat war das Kultvisministerium 
die kirchenregimentliche Behörde in Preußen. 

Friedrich Wilhelm IV. war kaum zur Regierung gekommen, 
als er hier einen Wandel schuf. Es erschien seinem paritätischen 

37) Alle aktenmäßigen Aeußerungen Krätzigs und Aulikes lassen eine 
ruhige Sachlichkeit erkennen. In allen ihren Entwürfen fühlen sie sich 
(wenigstens in den hier in Frage stehenden Jahren 1865 und 1866; später 
wird dies etwas anders. So schreibt Hörn in seinem Tagebuch (F. P. v. H.) : 
9. 9. 1866 Krätzig in Posen. Stellt sich ganz auf Seite des Erzbischofs. Wenn 
Ledochowski Polen haben wolle, müsse man ihm nachgeben.) in erster Linie 
als Organe der preußischen Regierung und setzten sich für die Autorität des 
Staates ein, was aber nicht ausschließt, daß sie tmd die anderen Räte der Ab- 
teilung mündlich manches an den katholischen Adel weitergaben, das dem 
Interesse des Staates zuwiderlief. Daß sie neben ihrer dienstlichen Tätigkeit 
auch ausgedehnte Privatkorrespondenz hatten und persönliche Freundschaften 
zu hervorragenden Mitgliedern der katholischen Geistlichkeit pflegten (vgl. 
u. a. den Schriftwechsel Ketteier — Aulike in Pfülf, Bischof v. Ketteier I., 
175 ff.), wird man ihnen nicht verübeln können, 

38) Eine Geschichte der katholischen Abteilung ist bisher noch nicht ge- 
schrieben, wie denn auch der Erlaß über ihre Bildung bisher noch nicht ver- 
öffentlicht ist. Ausführlich wird im Abgeordnetenhause am 8. März 1886 
über diese Abteilung von dem Zentrumsabgeordneten Porscli (stenographische 
Berichte, S. 964 ff.) und dem Kultusminister von Goßler (ebenda S. 971 ff.> 
gesprochen. 

39) Diese finden sich zusammengesetUt in : Allgemeines Landrecht für 
die Preußischen Staaten, Teil II, Titel 11. Herausgegeben von Rehbein und 
Reincke, Berlin 1882. 



— 96 — 

Empfinden unbillig, daß die kirchenrechtlichen Funktionen des 
Königs, soweit sie die katholische Kirche betrafen, von Männern 
ausgeübt wurden, die einer andern Konfession angehörten. So schuf 
er am 11. Januar 18il die katholische Abteilung im Kultus- 
ministerium'*''), die, wenn auch dem Kultusminister unterstellt, 
durch ihrer, katholischen Direktor und ihre katholischen Mitglieder 
die Interessen ihrer Kirche ganz anders wahrzunehmen imstande 
war, als es das evangelische Kultusministerium vermochte. Die 
Abteilung entsprach nicht nur dem rechtlichen Sinn des Königs, 
.'iondern auch der Würde und den Gerechtigkeitsbegriffen eines 
Staates, der fast ein Drittel katholischer Untertanen hatte. 

Diese Verhältnisse änderten sich völlig, als Preußen nach der 
Revolution von 1848 eine Verfassung erhielt. Nach den Artikeln 
15 bis 18 der preußischen Verfassungsurkunde waren die Kirchen 
frei und verwalteten ihre Angelegenheiten selbständig. Dem Kultus- 
ministerium verblieben von nun ab die kirchlichen Fragen nur noch 
insoweit als sie staatsrechtlicher Natur waren. Für die evangelische 
Kirche blieb der König zwar der Summus Episcopus, die kirch- 
lichen Angelegenheiten wurden aber von nun an nicht mehr vom 
Kultusministerium, sondern von einer neugeschaffenen, dem König 
unmittelbai' unterstehenden Behörde- dem evangelischen Ober- 
kirchenrat ■*^) bearbeitet. 

Zu gleicher Zeit mit der Schaffung des Oberkirchenrats hätte 
auch, da ja nunmehr die Römischkatholische Kirche wie jede 
andere Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig zu 
ordnen und zu verwalten hatte*-), die katholische Abteilung im 
Kultusministerium aufgelöst werden müssen. 

Dies unterblieb. 

Dadurch aber, daß die katholische Abteilung weiter bestehen 
blieb und sich als Vertreterin der katholischen Kirche aufspielte, 
was sie vor der Verfassung auch gewesen war, erwuchsen allmählich 



40) Erlaß über Bildung und Aufhebung dieser Abteilung s. Anlage 13. 

41) Der Allerhöchste Erlaß über die Einsetzung des evangelischen 
Oberkirchenrats ist datiert vom 29. Juni 1850. Siehe Grotefend: Die Gesetze 
und Verordnungen nebst den sonstigen Erlassen für den preußischen Staat 
und das Deutsche Reich 1806—1888. Düsseldorf 1884, Bd. II, S. 61. 

42) Grotefend, a. a. O., Artikel 15, Bd. II. S. 3. 



— 97 — 

eine Reihe von Schwierigkeiten., die schließlich trotz heftigen 
Widerstrebens der Kaiserin, der Frau von Mühler und des Kultus- 
ministers von Mühler *^) im Jahre 1871 zu ihrer Aufhebung führten. 

Nach einer Rede des Kultusministers von Goßler im Abgeord- 
netenhaus vom 8. März 1886 **) war der äußere Anlaß hierzu der 
Tod des Ministerialdirektors Aulike und die Dienstunfähigkeit 
tiines andern Rates der Abteilung. Bismarck sag^e im Gespräch 
mit Bischof v. Ketteier am 16. November 1871, die Aufhebung der 
katholischen Abteilung „sei nötig gewesen, weil Krätzig unter 
Radziwillscher Beeinflussung den Staat der Kirche überliefert habe, 
im Interesse des Polonismus" *'). 

Wenn auch diese Aeußerung Bismarcks berechtigt war, so ist 
doch das eine sicher, daß man der katholischen Abteilung Unrecht 
tut, wenn man ihr, wie es von den verschiedensten Seiten geschehen 
ist *•*) , vorwirft, daß sie die Interessen der Kirche gegen den Staat 
wahrgenommen habe. Sie im Staat wahrzunehmen, war sie ins 
Leben gerufen. Das war ihre eigentliche und ursprüngliche Auf- 
gabe. Und wenn man sie, als sie durch eine veränderte Gesetz- 
gebung überflüsig wurde, nicht abschaffte,, so war das die Schuld 
des Staates, aber nicht der katholischen Abteilung oder gar der 
katholischen Kirche. Daß ihre Räte Krätzig, Aulike, Linnhof und 
Brüggemann in engster Verbindung mit der katholischen Kirche 
und dem katholischen Adel standen, wird man bei gerechter Be- 
urteilung als eine Selbstverständlichkeit empfinden müssen. 

So wurde denn die katholische Abteilung, die sich längst über- 
lebt hatte, aufgelöst an dem Tage, an dem sich die Verkündung der 
päpstlichen Unfehlbarkeit zum ersten Mal jährte. 

In den Monaten der Posener Sedisvakanz aber war die katho- 
lische Abteilung nicht nur ein ausschlaggebender Faktor im Kultus- 



43) Vergl. Bismarcks Aeußerungen über die katholische Abteilung in 
seinen Gedanken r.nd Erinnerungen, Bd. II, S. 128 f. 

44) Stenographische Berichte über die Verhandlungen der pp. beide« 
Häuser des Landtags, Haus der Abgeordneten, Bd. II vom 19. II. 1886 bis 
18. III. 1886 Berlin 1S86, Moeser, S. 973. 

45) Pfülf, a. a. O., Bd. III, S. 162. 

46) Schulte. Der Altkatholtzismus, S. 117 sagt: „Minister v. Mühler 
war schwach, seine katholische Abteilung fanatisch,"' Schärfer Bismarck, Ge- 
danken und Erinnerungen II, 127 ff. u. 134. 

7 



— 98 — 

ministerium, sondern war auch von keiner Seite angefochten. So 
ergab es sich von selbst, daß der jedem Kampf abgeneigte Mühler 
immer mehr in die doppelte Abhängigkeit, einmal von dieser Ab- 
teilung und zum andern von seiner Frau und so indirekt von der 
Königin geriet. 

Eine Biographie Mühlers ist noch nicht geschrieben. Einen 
Mann aber kann man am besten daran erkennen, wie er eine schwie- 
rjge Angelegenheit handhabt und meistert. Und vielleicht wirft 
nichts ein so helles Licht auf diese Persönlichkeit wie sein Ver- 
halten im Kampf um den Posener Erzbischofsstuhl. 



VII. Die Verhandlungen zwischen BerHn 
und Rom bis zum 6. Juni 1865. 

Von den 5 Kandidaten der preußischen Regierung als Nach- 
folger Przyluskis war Hohenlohe bereits von Rom aus abgelehnt^), 
ein zweiter, Ketteier, lehnte selbst ab-). So blieben Mühler im 
März 1865 noch drei, Marwitz, Krecki und Jeschke, von denen 
Marwitz offenbar der geeignetste war. Da Rom grundsätzlich 
gegen keinen der drei Vorgeschlagenen etwas einzuwenden gehabt 
hatte, hätte die preußische Regierung hier immerhin ihr Ziel er- 
reichen können, wenn sie es mit genügender Energie verfolgt hätte. 
Hierzu aber fehlte dem Kultusminister der Mut. So ungeheuerlich 
es ist, die. Namen aller 5 preußischen Kandidaten werden in den 
Akten des Kultusministeriums nach dem Tode Przyluskis über- 
haupt nicht mehr erwähnt. So ließ dieser preußische Minister die 
Dinge laufen und begnügte sich mit einer reinen Defensive. 

Derjenige, der sich von vornherein am stärksten für den Kan- 
didaten des Papstes einsetzte, war Arnim. Da er von Berlin keine 
positiven Weisungen erhielt, war er allmählich immer mehr in den 
Bannkreis der kurialen Idee hereingeraten. Antonelli hatte es sehr 
geschickt verstanden, in jeder der zahlreichen Unterredungen, die 
er mit dem Gesandten Preußens hatte, ihn für die Wahl Ledo- 
chowskis, oft nur ganz nebenbei in einem wie zufällig hingewor- 
fenen Nebensatz, zu erwärmen. Es klang wie ein immer wieder- 
kehrendes Ceterum censeo, wenn aer Kardinalstaatssekretär nach 
Hervorhebung aller Schwierigkeiten am Schluß bemerkte, das preu- 
ßische Einverständnis mit dem Vorschlage Pius' IX. würde mit 
emem Schlage alle Unannehmlichkeiten aus dem Wege räumen ') . 



1) S. oben, Arnim an Btsmarck Teiegramm vom 12. 12. 1864 und 
Schreiben vom 17, 12. 1864. Akten A. A. 1. 

2) Arnim berichtet am 14. III. 1865 an Bismarck, daß das ablehnende 
Schreiben Kettelers „gestern", also einen Tag nach dem Tode Przyluskis in 
Rom eingetroffen sei. 

3) Dies geht durch alle Berichte, die Arnim vom März bis Mai 1865 
nach Berlin sandte. In Akten A. A. 1. 

7* 



— 100 — 

Neben dieser klugen Taktik Antonellis waren es aber auch noch per- 
sönliche Gründe, die Arnim veranlaßten, für Ledochowski einzu- 
treten. Einmal lockte ihn offenbar das Wagnis'*), wie er denn 
überhaupt ein Mann war, der politisches Wagen liebte, weil er es 
glaubte souverän meistern zu können. Zum andern aber sah er, wie 
die Mehrzahl der Konservativen, in Ledochowski einen Antirevo- 
lutionär und Vertreter legitimer Autorität^). Dazu kam schließlich 
noch, daß er sich infolge seiner Umkenntnis der Vorgänge in einem 
offiziellen Schreiben an die Kurie so ins Unrecht setzte, daß es ihm 
nach der deutlichen Antwort Antonellis wohl das geeignetste schien, 
auch seinerseits allen Schwierigkeiten durch eine rasche Zustim- 
mung des Königs zu dem päpstlichen ^'^orschlage aus dem W"ege zu 
gehen. Am 16. März 1865 hatte er den Kardinalstaatssekretär im 
Auftrage seiner Regierung wissen lassen ''), daß es nicht zweck- 
mäßig erscheine, bei dem „desordre moral" und der „deplorable 
composition" der beiden Kapitel von Gnesen und Posen die Bulle 
„De salute animarum" und das ßreve „Quod de fidelium" bei der 
Besetzung der östlichen Bischofssitze anzuwenden. Die Kurie 
möchte vielmehr durch väterlichen Rat verhüten, daß die Kapitel 
falsch handelten, da es sonst zu einem Konflikt zwischen Staat und 
Kirche kommen könne. 

In seiner Antwort auf dies Arnimsche Schreiben betonte An- 
tonelli '^), daß der Papst schmerzlich überrascht sei von dem trau- 
rigen Bilde, das die Königliche Regierung nach ihrer Note vom 
16. März von dem Posener Klerus habe. Wenn sich auch einige 
Diener- der katholischen Kirche bis zur Parteinahme für eine po- 
litische Partei verirrt hätttn, so könne der heilige Vater doch die 
Anklage nicht so absolut entgegennehmen, daß der Klerus so sei, 
daß er seine Pflichten gegen den Souverän vernachlässige oder daß 



4) Am 24. März 1865 schreibt Arnim an ßismarck, daß. der Papst die 
Kandidatur Ledochowski zu seiner Lieblingsidee gemacht habe. Wir hätten 
zu wählen. Es ist „eine Alternative zwischen einem politischen Wagstück 
oder einer langen Geduldsprobe." Akten A. A. 1. 

5) Er handelt hier ganz ähnlich wie später als Botschafter von Paris, 
wo er im Gegensatz zu der Politik Bismarcks für die Wiederherstellung der 
französischen Monarchie eintritt. 

6) Arnim an AntonelH, 16. März 1865. Akten K. M. 1. 

7) Antonelli an Arnim, 31. März 1865. Akten K. M. 1. 



— 101 — 

es gar zu einem offenen Konflikt mit der Regierung kommen 
könne. Trotzdem wolle der Papst den Kapiteln gern seinen väter- 
lichen Rat geben. Die Bulle und das Breve müßten aber auch für 
die östlichen Provinzen Anwendung finden. Habe doch der Graf 
Brühl bei seiner dritten Mission in Rom am 24. September 1841 
in einer Note an das päpstliche Staatssekretariat ausdrücklich erklärt, 
daß die Bulle De salute animarum in der ganzen Monarchie Anwen- 
dung fände ^). Trotzdem würde der Papst die Kapitel darauf hin- 
weisen, daß sie bei der Wahl ihre Aufmerksamkeit darauf richten 
möchten, daß ein Erzbischof gewählt würde, der dem Souverän 
Ehrfurcht bezeuge. Aber auch die königliche Regierung möge ,, die- 
jenige Mäßigung in Anwendung bringen, die mit Achtung der Frei- 
heit der Wähler ein sicheres Mittel ist, jeder Zwietracht vorzu- 
beugen". 

Arnims Schreiben war somit, da auf nicht genügender Sach- 
kenntnis der Vorgänge aufgebaut, ein Schlag ins Wasser. Die 
Schuld liegt hier sowohl bei Arnim wie bei Mühler. Es wäre zweck- 
mäßig gewesen, daß das Kultusministerium dem Gesandten eine 
Zusammenstellung der wichtigsten Punkte, auf die es ankam, bei 
Beginn der Verhandlungen hätte zugehen oder daß dieser sie aus 
seinen Akten hätte anfertigen lassen. Erst am 12. April 1865, als 
es also bereits zu spät war, schreibt Mühler an Bismarck über die 
rechtliche Lage, daß die Bulle De salute animarum und das Breve 
Quod de fidelium sich auch auf Posen bezögen. 

Mündlich hatte der Kardinal dem Gesandten außerdem zu- 
gesichert '^) , daß die Wahl des Domdechanten Brzezinski nach- 
geprüft werden solle und bei dieser Gelegenheit nochmals auf den 
Grafen Ledochowski hingewiesen, auf den man besonders durch das 
günstige Urteil des Königs Leopold von Belgien gekommen sei. 



8) Graf Brühl verhandelte damals im Auftrage der preußischen Regie- 
rung mit dem Kardinalstaatssekretär Lambruschini wegen Beilegung des 
Kölner Kirchenstreits (E. Friedberg, Grundlagen der preußischen Kirchen- 
politik unter König Friedrich Wilhelm III., S. 31 ff.). Die Schlu^note der 
Vereinbarung zwischen Brühl und Lambruschini vom 23. und 24. IX. 1843 
lautet in Punkt 6: „Che le clezioni dei Vascovi in tutto il regno si faranno 
esattamente secondo le Prescrizioni della Bella cle salute animarum ed il rela- 
tive Breve di Pio VII. di sa. me." (Akten A. A. 2.) 

9) Arnim an Bismarck, 4. April 1865. Akten K. M. 1. 



— 102 — 

Durch die Initiative des Papstes war so von Rom aus nicht 
nur der Kandidat der Kurie langsam aber stetig in dsn Vorder- 
grund gerückt, sondern der Vatikan hatte auch durch die nicht nur 
schwächliche, sondern auch ungeschickte Art des preußischen Vor- 
gehens das formale Recht auf seine Seite gebracht. Als Arnim 
daher im April noch einmal Marwitz und Krecki als genehme Kan- 
didaten bezeichnete, erklärte Antonelli zwar^"^), daß Rom gegen 
diese nichts einzuwenden habe, fragte aber gleich weiter, ob nicht 
der Domherr Kaliski oder der Domkapitular Dr. Zienkiewicz in 
Frage käme. Im übrigen schiene ihm immer noch als geeignetste 
Persönlichkeit Graf Ledochowski. Nach dieser kurzen Erklärung 
ist die Kurie nie wieder auf die Kandidaten der Regierung zurück- 
gekommen. 

Da Arnim tatsächlich Bundesgenosse Antonellis in der erz- 
bischöflichen Frage geworden und daher nur auf Bismarcks Wunsch 
aber mit wenig Wärme für Marwitz und Krecki eingetreten war, 
glaubte er nunmehr die Berliner Regierung zu einer Entscheidung 
drängen zu sollen. Er schloß daher seinen Bericht ^^) vom 18. April 
1865 über eine längere Aussprache, die er mit Antonelli gehabt 
habe, mit einer so ultimativen Wendung, daß man sich in Berlin zu 
einer endgültigen Stellungnahme entschließen mußte. Der Kardinal 
sei der Ansicht, daß sich Ledochowski deshalb besonders für den 
erzbischöflichen Posten eigne, weil er keinen Familiensinn besitze. 
Gerade in seiner Loslösung von allen natürlichen Banden erbliclxc 
er seine Hauptqualifikation. ,, Seine Mutter war in Rußland eine 
personne mal notee, wie der Kaiser Nikolaus von ihr hier gesagt 
hat. Sie ist tot und die 30 000 Scudi, welche sie ihrem Sohn aus 
der russischen Konfiskation gerettet hat, sind demselben hier ge- 
stohlen worden. Damit scheinen seine Familienverbindungen ab- 
geschlossen zu sein" ^ . Am Schluß bittet Arnim um ein be- 
stimmtes Telegramm, ob die Regierung den Grafen Ledochowski 



10) Arnim an Bismarck, 14. April 1865. Akten K M. 1. 

11) Arnim an Bism.arck, 18. April 1865. Akten K. M. 1. 

12) Wenn, wie Prinz Hohenlohe berichtet (s. nächste Seite), Ledo- 
chowski seine Familienmitglieder mit größter Energie von der Teilnahme iin 
der Revolution abgehalten und dies auch erreicht hat, so müssen seine Be- 
ziehungen zu seiner Familie doch noch relativ eng gewesen sein. 



— 103 — 

„definitiv" ablehne und gleichzeitig um Namen der dann in Frage 
kommenden Personen. 

Dieser stark kategorische Schlußsatz — die preußische Regie- 
rung hatte bisher den Grafen Ledochowski überhaupt noch nicht ab- 
gelehnt — läßt das obige Urteil über Arnim, daß er sich selbst stark 
für Ledochowski eingesetzt habe, noch wahrscheinlicher er- 
scheinen ^^) . Ja, man gewinnt aus den in Rom geführten Verhand- 
lungen fast den Eindruck, als ob Arnim in dieser ganzen Angelegen- 
heit mehr für Antonelli als für Bismarck Partei ergriffen habe. 
Jedenfalls wurde der Ministerpräsident durch dieses Schreiben be- 
wogen, der Kandidatur Ledochowski nunmehr keine Schwierig- 
keiten mehr in den Weg zu legen. 

Schon vorher hatte man sich, wie wir wissen, in Berlin, wenn 
auch in aller Stille ^*) j bemüht, Erkundigungen über den Brüsseler 
Nuntius einzuziehen. Die Berichte von Savigny und Balan ^') 
waren nicht gerade ungünstig, wenn auch mehr indifferent gewesen. 
Der Kardinal Hohenlohe hatte Arnim mitgeteilt ") , daß Graf Ledo- 
chowski mit ihm zusammen studiert habe. Er halte ihn für einen 
Mann von Bedeutung und vor allem für einen Gegner der polnischen 
Revolutionsbewegung. Ledochowski habe die Mitglieder seiner 
Familie von der Teilnahme an der Revolution mit größter Energie 
abgehalten, was sogar zu einem Mordversuch gegen den Neffen des 
Grafen geführt habe. 

Weniger günstig waren andere, dem Ministerpräsidenten über 
Ledochowski zugehende Aeußerungen gewesen. So teilt er dern 
Kultusminister mit^^), daß ein „zuverlässiges Herrenhausmit- 
glied" ^^) ihn vor Ledochowski gewarnt habe. Auch der preußische 



13) Vgl. hierzu die Ansicht Horns (Deutsche Revue 1913. A. a. O. 
S. 45) der gleichfalls glaubt, daß die besonderen Bemühungen Arnims die 
Wahl Ledochowskis zu Stande gebracht hätten. 

14) Der Name des Grafen Ledochowski wird in dem offiziösen Organ 
der preußischen Regierung, der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, zum 
ersten Mal am 9. November 1865 erwähnt. 

15) Anlagen 4 und" 5. 

16) Arnim an Bismarck, 10. März 18.65. Akten A. A. 1. 

17) Bismarck in Mühler, 16. März 1865. Akten K. M. 1. 

18) Nach einer Rändbemerkung Bismarcks auf den Bericht von Arnim 
vom 10. III. 1865 ist dies Graf Raczynskiv 



— 104 — 

Gesandte in Turin, Graf Usedom^'), berichtet an Bismarck am 
5. April 1865 '^'') auf dessen Frage, daß die Kurie nie etwas tun 
würde, um den kirchlichen und nationalen Frieden in Posen zu för- 
dern; wenn ein anderer als Ledochovvski für den erzbischöflichen 
Stuhl gefunden werden könne, so sei dies für die preußische Re- 
gierung besser. 

Trotz der sich widersprechenden Nachrichten, die über Ledo- 
chowski eingegangen waren, glaubte Bismarck doch auf Arnims 
ultimatives Schreiben hin nun nicht länger zögern zu sollen. Es 
wäre ihm allerdings lieb gewesen, wenn der König, er oder Mühler 
erst einmal persönlich mit dem Nuntius zusammengekommen wäre. 
ZiT diesem Zweck ließ er bei Antonelli anfragen, ob die Kurie nicht 
Ledochowski unter irgend einem Vorwande nach Aachen kommen 
lassen könne in der Zeit, zu der auch der König gerade dort an- 
wesend wäre. So grundsätzlich der Kardinalstaatssekretär mit 
dieser Anregung einverstanden war, so sah er doch das Haupt- 
hindernis der Reise in dem lebensgefährlichen Zustand des Königs 
der Belgier ^^). Eine Vergnügungsreise nach Aachen in diesem 
Augenblick sei unschicklich. Eine bloße Komplimentienmgsmission 
aber läge ganz außerhalb der Gewohnheiten des römischen Stuhles. 
An einen Avirklichen diplomatischen Auftrag endlich würde nie- 
mand glauben, da Aachen zur Ausführung ganz ungeeignet sei. 
Allenfalls ließe sich eine Mission nach Berlin erreichen. Aber wäh- 
rend der König im Sterben läge, könne ein Mitglied des diplo- 
matischen Korps, namentlich der Nuntius, nicht gut auf Reisen 
gehen ^*) . 

Rom sah das eine aus diesem Vorschlage, daß die preußische 
Regierung sich mit dem Nuntius abgefunden hatte. Um schnell 



19) Graf Karl Georg von Usedom (1805 — ^1884) war preußischer Ge- 
sandter in Rom gewesen von 1845 — ^1848 und von 1849 — ^1854, also zur Zeit 
als auch Ledochowski in Rom war und als Pius IX. (am 16. Juni 1846) den 
Stuhl Petri bestieg. 

20) In Akten A. A. 1. 

21) König Leopold I. von Belgien erkrankte im April 1865 so schwer, 
daß der auf einer Indienfahrt begriffene Thronfolger, der Herzog von Bra- 
bant, telegraphisch zurückgerufen werden mußte. Nach vorübergehender 
Besserung starb der König am 10. Dezember desselben Jahres. 

22) Arnim an Bismarck, 5. V. 1865. Akten K. M. 1. 



— 105 — 

ztim Ziele zu gelangen, hielt man daher jetzt schärfere Töne für 
angezeigt. Der Papst stellte sich persönlich gekränkt, weil man 
den seiner eigenen Initiative entsprungenen Vorschlag nicht sofort 
angenommen habe. Eine derartige Reise nach Aachen würde nicht 
nur den Grafen Ledochowski selbst kompromittieren, sondern auch 
die Kapitel gegen die Wahl einnehmen. Ueber die Zumutung, daß 
man seinen Kandidaten erst in Aachen „besichtigen" wolle, zeigte 
er sich so verstimmt, daß er Monsignore Berardi fragte, ob die 
preußische Regierung nicht auch mit einer Photographie Ledo- 
chowskis zufrieden sein würde ^^). 

Berlin sah sich so vor die Alternative gestellt, wenn es nicht 
den Papst und die Kapitel gegen sich haben wollte, von zwei Uebeln 
das kleinere zu wählen. Aber wenigstens eine Bedingung hoffte 
man noch an die Zustimmung knüpfen zu können. 

Dem 1849 von Przyluski zum Domherrn von Posen berufenen 
und später vom König zum Domprobst ernannten Domherrn 
Richter fehlte immer noch die erzbischöfliche Bestätigung, da 
Richter nicht polnischer Nationalist war. Der Fall Richter hatte 
unter den deutschen Katholiken in Posen schon oft böses Blut ge- 
macht, sodaß das Kultusministerim sich verschiedentlich mit 
dieser Angelegenheit hatte beschäftigen müssen. Diese Bestätigung 
hoffte man jetzt wenigstens durchdrücken zu können. Bereits im 
Mai hatte Arnim dem Kardinalstaatssekretär auf Weisung von 
Berlin erklärt^*), daß die preußische Regierung zu der Liste der 
Domkapitel nicht eher Stellung nehmen würde, ehe Richter nicht 
bestätigt sei. Aber diese Erklärung schuf nur für Berlin eine ver- 
lorene Position mehr, wenn man nicht von vornherein gewillt war, 
an dieser Bedingung festzuhalten. Das war nicht der Fall. 

Am 6. Juni 1865 telegraphierte Bismarck an Arnim, daß der 
König mit Ledochowski einverstanden sei^'^). Das Telegramm ent- 
hielt den Zusatz: „Als Bedingung der Verständigung hegen wir die 
Erwartung, die Ernennung des Dr. Richter zum Domprobst gleich- 
zeitig gesichert zu sehen" ^ß). 

23) Arnim an Bismarck, 10. V. 1865. Akten K. M. 1. 

24) Arnim an Bismarck, 17. V. 1865. Akten K. M. 1. 

25) In Akten A. A. 2. 

26) Bismarck teilt dies Mühler durch Schreiben vom 8. VI. 1865 mit. 
In Akten K. M. j.. 



— 106 — 

Für diese Bedingung" bestanden demnach keine Verbindlich- 
keiten. Weder der römische Stuhl; noch der neue Erzbischof habeo 
-sich später für verpflichtet gehalten, auf diese Erwartung der Re- 
gierung zurückzukommen. Mühler berief daher Ende des Jahres 
den Domherrn Richter vorübergehend nach Berlin ins Kultus- 
ministerium, einmal um allen Weiterungen aus dem Wege zu gehen, 
dann aber auch, um den deutschen Katholiken in Posen gegenüber 
nicht zu sehr als der Besiegte zu erscheinen ^") . 

Die Regierung war somit auf der ganzen i.inie zurückgedrängt. 
Der Papst hatte sein Ziel erreicht und zeigte sich hocherfreut-*). 



27) Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 31. Dezember 1865. 

28) Telegramm Arnims an Bismarck, 9. Juni 1865. Akten K. M. 1. 



VIII. Die Verhandlungen zwischen Posen 
und Rom bis zum 29. November 1865. 

Ueber einen Gegner, und zwar den stärkeren, war Rom so 
innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten Herr geworden, weil 
der Kampf von dieser Seite lässig und ohne bestimmte Ziele- ge- 
führt worden war. Wie die Dinge lagen, kostete es den Papst viel 
mehr Mühe, auch den anderen Gegner, die Domkapitel, trotzdem 
diese ihm doch bis zu einem gewissen Grade unterstellt waren, zu 
seiner Ansicht zu bewegen. Es bedurfte fast % Jahre, bis der 
Kurie dieser zweite Sieg gelang. 

Die führenden Mitglieder der Domkapitel hatten während der 
letzten beiden Jahrzehnte den schwachen Erzbischof so beherrscht 
und dabei eine so ausgesprochen national-polnische Politik treiben 
können, daß sie mit allen Mitteln versuchten, einen aus ihrer Mitte 
auf den Posener Stuhl zu heben, der die Fortsetzung des bisherigen 
Kurses gewährleistete. Der Papst hatte schon vor Aufstellung der 
Gnesener Kandidatenliste seinen Wunsch, Ledochowski auf dieser 
Liste zu sehen, den Kapiteln, wahrscheinlich durch weibliche Ver- 
mittlung^), bekannt gegeben. Aber weder in Posen, noch in 
Gnesen war man bereit gewesen, dieser päpstlichen Aufforderung 
nachzukommen. Was man von Ledochowski wußte, war, daß er 
eine sehr selbständige Persönlichkeit war und zum andern ein 
Mann, der seit Jahren den national-polnischen Verhältnissen nicht 
das mindeste Interesse entgeg'engebracht hatte. Das war kein Erz- 
bischof, der sich als Nachfolger Przyluskis eignete. 

Die Sommermonate zogen sich mit schriftlichen Verhand- 
lungen z\vischen Rom und Posen hin, die die Kapitel den Wünschen 
der Kurie bald mehr, bald weniger geneigt zeigen, ohne aber zu 
einem tatsächlichen Ergebnis zu führen. So scheinen die Kapitel 
im August bereit"), den Widerstand gegen Ledochowski fallen zu 



1) Arnim an Bismarck, 10. Juli 1865. Akten A. A. 2. 

2) Arnim an Bismarck, 4. August 1865. Akten A. A. 2. 



— 108 — 

lassen. Der Papst erwartete ein Bittschreiben, das die Angelegen- 
heit in seine Hände legte, wollte aber gegebenenfalls die Ernennung 
auch ohne dieses vollziehen. Jedenfalls rechnet man mit einer Prä- 
konisation im September. Einen Monat später dagegen haben sich 
die Verhältnisse vollkommen geändert ') . Die Kapitel denken nun- 
mehr daran, eine neue Kandidatenliste aufzustellen, haben sich also 
wieder gegen den Papst gestellt. 

Bei dieser schwankenden Haltung der Domkapitel blieb der 
Kurie kein anderer Ausweg als der, einen besonderen Legaten nach 
Deutschland zu schicken, der in persönlichen Verhandlungen mit 
den führenden Prälaten die Wahl Ledochowskis durchzusetzen 
versuchte. Hierzu wurde Monsignore Franchi, Erzbischof in par- 
tibus, ausersehen, der Antonelli auch schon vorher bei Bearbeitung 
der Posener Angelegenheit unterstützt und dabei geholfen hatte, den 
preußischen Gesandten für Ledochowski zu gewinnen *) . Arnim 
hat später °) Franchi einmal einen ,,Faiseur im besten Sinne" ge- 
nannt. Er war also offenbar für diesen Auftrag besonders geeignet. 

Der päpstliche Unterhändler begab sich auf seiner Reise nicht, 
wie man vielleicht erwarten konnte, nach Posen oder Gnesen, son- 
dern nahm für einige Zeit seinen Wohnsitz in Dresden. Von hier 
iius ersuchte er die Kapitel, zwei der französischen oder der lateini- 
schen Sprache mächtige Prälaten zwecks Besprechungen mit ihm 
nach Dresden zu senden. Daraufhin suchten der Weihbischof Ste- 
lanowicz und der Probst Janiszewski den päpstlichen Legaten in 
der Wohnung des apostolischen Vikars in Dresden auf und ver- 
handelten mit ihm in lateinischer Sprache^). 

Nach der Bromberger Zeitung hat Franchi den Monsignore 



3; Schlözer an Bismarck, 16. September 1S65. Akten K. M. 1. 

4) Arnim an Bismarck, 23. April 1865. Akten K. M. 1. 

5) In seiner Broschüre: „Der Nuntius kommt," S. 11. 

6) Ueber den Gang dieser Verhandlungen sind wir nur indirekt unter- 
lichtet, einmal durch Zeitungen und dann durch eine Meldung Horns. Einen 
Bericht über die Besprechungen bringen die Bromberger Zeitung vom 4. XI. 
18C5 und die Ostsee-Zeitung vom gleichen Tage. Die Norddeutsche Allge- 
meine Zeitung, die diese Meldungen in ihrer Nummer vom 9. XL 1865 ab- 
druckt, nennt bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal den Namen Ledo- 
chowskis. 



— lOH — 

Ledochowski zur Wahl empfohlen, indem er dessen musterhafte 
Frömmigkeit, seine umfassende Gelehrsamkeit, seinei Charakter- 
festigkeit und seine Hingebung an den apostolischen Stuhl sowie den 
Umstand hervorhob, daß er Pole und, wenn auch im Auslande er- 
zogen, doch der polnischen Sprache vollkommen mächtig sei und 
sich im seltenen Grade des Vertrauens des heiligen Vaters erfreue, 
der ihn schnell von Stufe zu Stufe zu den höchsten kirchlichen Wür- 
den befördert habe und ihn, sobald er den erzbischöflichen Stuhl 
in Posen und Gnesen bestiegen habe, gewiß mit dem Purpur be- 
kleiden werde, eine Auszeichnung, die der ganzen polnischen Kirche 
zu hoher Ehre gereichen werde. Nach den Hörn zugegangenen 
Mitteilungen sei Franchi jedoch zunächst bezüglich der Wahl Ledo- 
chowskis „teils auf Unkenntnis, teils auf Widerwillen" ') gestoßen. 
Hierbei sei zur Sprache gekommen ^) , daß alle 6 vorgeschlagenen 
Kandidaten offenbar von der Regierung abgelehnt seien. Wenn, 
wie es der Papst wünsche, nur eine Person für den erzbischöflichen 
Stuhl in Frage käme, dann könne von einer Wahl doch nicht mehr 
gut die Rede sein. 

Dieser Bericht Horns veranlaßte das folgende Telegramm dei 
preußischen Regierung nach Rom '^) : 

„In Posen hat die Regierung die von den Kapiteln verlangte 
Erklärung abgegeben, daß auf derselben keine personae gratae, 
zugleich zur Wahl aufgefordert und vertraulich wissen lassen, 
daß der vom Papst empfohlene Nuntius in Brüssel auch ihr ge- 
nehm sei. Die Kapitel zaudern und zeigen keine Neigung, Ledo- 
chowski zu wählen. Die Regierung hann keinen Einfluß üben, 
erwartet diesen von Rom. 

gez. von Thile." 
Nach diesem Telegramm kämpft also jetzt die Kurie Seite an 
Seite mit der preußischen Regierung' gegen die Polen. 

Eine Besprechung der Kapitel am 7. November verlief ergeb- 
nislos"). In einer abermaligen Sitzung in Gnesen am 13. No- 



7) Hörn an den König, 29. Oktober 1865. Akten K. Z. 1. 

8) Ebenda. 

9) Auswärtiges Amt an preußischen Gesandten in Rom, Telegramm vom 
*. November 1865. Akten K. M. 1. 

10) Mühler an den König, 13. XI. 1865. Akten K. M. 1. 



— 110 — 

vember 1865, an der als Abgesandte des Posener Kapitels Brre- 
zinski und Gr.andtke teilnahmen, scheint man aber doch zu einer 
Einigung gekommen zu sein"). Hörn meldet am 21. Novem- 
ber ^^), daß Brzezinski jetzt für Ledochowski zu sein schiene, 
Gnesen aber noch nicht. Gnesen scheint damals sogar bereit ge- 
wesen zu sein, Marwitz zu wählen ^^) , ein Beweis mehr, daß seine 
Vv'^ahl von der Preußischen Regierung durchaus zu erreichen ge- 
wesen wäre. 

Schon am 15. November hatten deutsche sowohl wie polnisdie 
Blätter gleichzeitig gemeldet, daß sich von den 18 stimmberechtig- 
ten Domherren 11 für Ledochowski entschieden hätten, während 
die Minorität den ersten Domherrn des Gnesener Kapitels, Dr. Zien- 
kiewicz ins Auge gefaßt habe, sodaß die Wahl Ende des Monats 
stattfinden könne ^*) . Eins der polnischen Blätter ^°) weiß sogar 
schon, daß Ledochowski nach erfolgter Wahl sich zuerst nach Rom 
begeben und dann erst die Verv\'altung der Erzdiözesen würde ^*) . 

Der ganze Verlauf dieser Verhandlungen zeigt, daß sich der 
vielgewandte und anpassungsfähige Brzezinski von Franchi, der 
doch offenbar nicht mit leeren Händen gekommen war ^^) , schneller 
i;nd leichter hatte gewinnen lassen, als der konservative Zienkiewicz. 

Am 29. November 1865 zeigte der Generaladministrator Brze- 
zinski dem Oberpräsidenten im Namen der Domkapitel an, daß sie 



11) Wenigstens weiß das die Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 
19. November 1865 zu berichten. 

12) Hörn an Mühler, 21. November 1805. Diesen Bericht legte Mühler 
am 24. XI. 1865 in Abschrift dem Könige vor. Akten Z. K. 1. 

j3) Nach einem Telegramm Arnims an Bismarck vom 7. Dezember 1865. 
Akten A. A. 2. 

14) Norddeutsche Allgemeine Zeitung 18. November 1865. 

15) Der Krakauer Czas, 15. November 1865. 

16) Was auch dem tatsächlichen Verlauf der Ereignisse entsprach. 

17) Wieweit Franchi den Vertretern der Domkapitel einen Einblick in 
die vom Papst beabsichtigte polnische Politik gewährt hat, entzieht sich 
unserer Kenntnis. Sicher scheint, daß er manches angedeutet haben wird, was 
Plus IX. einige Monate später mit Ledochowski oei dessen längerem Aufent- 
halt in Rom besprochen hat. Auch ist wahrscheinlich, daß er versprochen 
hat. daß die Kurie sich nicht für die Bestätigung des Domherrn Richter ein- 
setzen werde. 



— 111 — 

bereit seien, die Wahl vorzunehmen. Hom, der inzwischen zum 
Kgl. Wahlkommissar ernannt war, möge die Wahl bestimmen"'). 

Damit hatte Rom auch über die Domkapitel gesiegt. 

Noch ehe die Wahl Ledochowskis gesichert war, hatte dieser 
selber handelnd eingegriffen und dem König seine Erkenntlichkeit 
auszudrücken sich beeilt. Er hatte erfahren, daß der Kronprinz 
Friedrich Wilhelm von Preußen und die Kronprinzessin auf ihrer 
Reise nach England dem belgischen Hofe einen Besuch abstatten 
würden und dem preußischen Gesandten v. Balan mitgeteilt, daß er, 
„da nach allem, was er höre, seine Ernennung zum Erzbischof von 
Posen wahrscheinlich sei"^'^), den kronprinzlichen Herrschaften 
seine Aufwartung machen wolle. 

Der Empfang Ledochowskis durch den Kronprinzen fand am 
25. Oktober vormittags statt-**). Die in französischer Sprache ge- 
führte Unterhaltung drehte sich zunächst um den Aufenthalt des 
Nuntius in Bogota, über die dortige Revolution und seine Flucht 
auf einem englischen Schiff. Im Laufe des Gesprächs stellte sich 
heraus, daß Ledochowski ., obgleich entfernt mit einigen großen pol- 
nischen Familien verwandt doch niemand im Großherzogtum kennt, 
mit Ausnahme eines Grafen Czapski und des Grafen Raczinski -^) , 
den er in Lissabon kennen gelernt habe. Deutsch spricht und ver- 
steht er fast gamicht. C'est la premiere langue que j'ai apprise, 
mais aussi la premiere que j'ai oubliee. Den größten Teil seines 
Lebens hat er in Italien und besonders in Rom zugebracht, korre- 
spondiert deshalb auch meist italienisch, spricht, wie er selbst be- 
hauptet, nicht mehr ganz fließend polnisch, dagegen mit großer Ge- 
läufigkeit französisch, spanisch und portugiesisch ^^) . 

Dem Gesandten hat der Nunitius später noch gesagt, daß 
Franchi hiergewesen und ihn im Allgemeinen über die Sachlage 



18) Hörn an Mühler, 29. November 1865. Akten K M. 1. 

19) Balan an ßismarck, 28. Oktober 1865. Akten K. M. 3. 

20) Der immer sehr ausführliclie Hofbericht in der Norddeutschen All- 
gemeinen Zeitung, der jede Reise und jeden Besuch eines jeden Prmzen ver- 
zeichnet, erwähnt diese Audienz Ledochowskis mit keinem Wort. 

21) Dies ist gerade der Mann, der äismarck vor Ledochowski gewarnt 
hat (S. oben.) 

22) Akten K. M. 3. 



— 112 — 

unterrichtet habe. Danach sei seine Ernennung ein persönlicher 
Wunsch des Papstes. 

Der Kronprinz hat Balan gegenüber geäußert, daß er von der 
Persönlichkeit des Nuntius einen sehr günstigen Eindruck gehabt 
habe. Mit Recht, so meinte Balan, habe der Kronprinz , bemerkt, 
daß Ledochowski vielmehr das Aeußere eines italienischen Abbate 
als eines Polen habe. Trotzdem habe der Kronprinz sein Bedauern 
darüber geäußert, daß es nicht gelungen sei, einen Deutschen für 
den erzbischöflichen .Stuhl in Posen wählen zu lassen, was für die 
ganze künftige Entwicklung des Großherzogtums von der größten 
und heilsamsten Wirkung gewesen sein würde. Bei einem Natio- 
nalpolen müsse man stets auf alles gefaßt sein, selbst wenn er, und 
dann vielleicht grade am meisten, durch liebenswürdige Formen zu 
bestechen wisse -^) . 



23) Akten K. M. 3. 



IX. Der Kampf Horns um einen deutschen 

Erzbischof. 

Während so die Kurie in bewährter Taktik nacheinander erst 
den einen und dann den anderen Gegner aus dem Sattel warf, gab 
es in Preußen einen Mann, der vom ersten Augenblick an die Gefahr 
eines polnischen Erzbischofs klar erkannte und ihr mit allen ihm 
zu Gebote stehenden Mitteln zu begegnen suchte : Der Oberpräsident 
von Posen. Zum Schaden des preußischen Staates waren diese 
Mittel äußerst gering. So sehr er sich auch für die deutschen Inter- 
essen in Posen einsetzte und im Sinne seines hervorragenden Vor- 
gängers Flottwell zu arbeiten sich bemühte, so war er schließlich 
doch nur das Sprachrohr aller deutschgesinnten Elemente in der 
Provinz. Er konnte berichten und mündlich in Berlin vorstellig 
werden; einen unmittelbaren Einfluß auf den Gang der Handlung 
hatte er nicht. Und das bleibt um so mehr zu bedauern, als Cha- 
rakter und Einsicht in die Lage, Eiits^'chlußki-aft und Tatenlust Garl 
v. Hörn zu einer ganz arideren Persönlichkeit hatten werden lassen 
als wie sie in dem Kultusminister v. Mühler vor uns steht. 

Dieser Mann war es, der vom ersten Augenblick an alles aufbot, 
um zu verhüten, daß abermals ein polnischer Nationalist den erz- 
bischöflichen Stuhl bestieg. Klarer als die Regierung in Berlin er- 
kannte er, daß die kommende Wahl, wie die Verhältnisse nun ein- 
mal lagen, mindestens ebenso sehr einen politischen wie einen kirch- 
lichen Charakter trug. Im März und April wandte er sich in ver- 
schiedenen Eingaben und Privatbriefen ^) an den Kultusminister, 
um diesen davon zu überzeugen, daß im Interesse des preußischen 
Staates nur ein Erzbischof deutscher Abstammung in Posen 
möglich. 

Mühler beschränkte sich auf gelegentliche Weitergabe dieser 
Schreiben an den Ministerpräsidenten. Nur zweimal trat er ein 
wenig aus semer Reserve. So war er, als ihm die Note Antonellis 



1) Briefe Horns an Mühler. iVlärz und April .1865. Akten K. M. 1, 

8 



— 114 — 

vom 31. März 1865 vorgelegt wurde, von dem Ton derselben unan- 
genehm berührt. Tn einem .Schreiben an Bismarck -) dünkt ihm 
nun doch ,,eme entschiedenere Sprache am Platze.'' Ledochowski 
scheint ihm nicht annehmbar, da er die preußischen Verhältnisse 
nicht kenne und deshalb ganz in das römisch-polnische Fahrwasser 
geraten wü-de. Außerdem würde seine Stellung eine sehr starke: 
sem, da I.edcchowski vom Papst selbst gewünscht sei. In einem 
weiteren Schreiben ^) lehnt er gleichfalls den von Antonelli in Vor- 
schlag gebrachten Domherrn Kaliski als ganz polnisch und daher 
nicht angängig ab. 

Kurz darauf empfand er das Vorgehen der Kapitel bei der 
Wahl als ,, etwas Ungewöhnliches und Befremdliches" und bat Hörn 
m einem Pnvatbrief e, ■*) , nähere Aufklärungen über den Hergang 
einzuziehen. Hörn war weder in der Lage dies zu tun, noch ward 
er sich darül)er klar geworden sein, was dem Minister befremdlich 
erschienen war. Vielmehr wird ihm selbst die ganze Art Mühlers 
in hohem Grade befremdlich vorgekommen sein. Jedenfalls hat er 
den Brief ohiie Antwort gelassen •'"'). 

Am 3. Juni erstattete Hörn Bericht ") über die C, von den Dom- 
Icapiteln vorgeschlagenen Kandidaten. Die Antwort Mühlers war 
das Telegramm vom 6. Juni nach Rom, daß man mit Ledochowski 
einverstanden sei. Diesen Rückzug der Regierung dem von Posen 
aus dauernd drängenden Oberpräsidenten einzugestehen, fand der 
Kultusminister v. Mühler nicht den Mut. So erleben wir denn hier 
das Ungeheuerliche, daß der höchste Regierungsbeamte der Provinz 
ein halbes Jahr lang in fortgesetzten Berichten an den Minister 
und Eingaben an den König um einen Posten kämpft, den die Re- 
gierung längst aufgegeben hatte, ohne den Nächstbeteiligten und 
Nächstbetroffenen davon zu benachrichtigen. 

In Posen hatte im Laufe des Juni das Gerücht, daß trotz der 
schlechten mit Przyluski gemachten Erfahrungen wieder mit einem 



2) Mühler an Bismarck, 21. April 18Cö. Akten K. M. 1. 

3) Münler an Bismarck. 1. Mai 1885. Akten K. M. 1. 

4) Privatbrief Mühlcrs an Hörn, Aachen, 15. Mai 18G5. In den 
F. P. V. H. 

5) Es befindet sich weder auf dem Original ein Antwortvermerk, noch 
in den Akteh K. M. 1 eine Antwort. 

6) Hörn an Mühler, 3. Juni 1865. Akten K. M. '. 



— 115 — 

nationalpolnischen Erzbischof zu rechnen sei, eine größere Anzahl 
deutscher Katholiken zu einer Immediateingabe an den König be- 
wogen '') . In dieser Eingabe baten sie um einen Erzbischof, der 
frei wäre von polnischem Partikularismus, der selbst sittenrein sei, 
der wissenschaftlich durchgebildet und der schließlich zur Versöh- 
nung der Gegensätze bereit und fähig sei. 

Mühler mußte diese Eingabe sehr unbequem sein. Sie zwang 
ihn, entweder Hörn gegenüber Farbe zu bekennen oder, wenn er 
auch jetzt hierzu noch nicht den Mut fand, hinter einer königlichen 
Kabinettsordre Schutz zu suchen und damit die Verantwortung auf 
den König abzuwälzen. Mühler wählte den letzteren Weg. Anstatt 
daß der Minister pflichtmäßig seinen König deckt, geht er hier einen 
Weg, der mit Mut nichts mehr zu tun hat und der ein klägliche^ 
Beispiel eines hohen Beamten in der preußischen Geschichte dar- 
stellt. 

Mühler benutzte die Gelegenheit der Eingabe deutscher ti^atho- 
liken an den König, um diesem ausführlich den augenblicklichen 
Stand der Posener Angelegenheit darzulegen **) . Er berichtete ihm 
über die Liste der 6 Kandidaten und über Horns Urteile dazu. 
Auch er sei der Ansicht, daß alle 6 zu verwerfen seien. Da aber 
inzwischen der König zu der Wahl Ledochowskis die landesherr- 
liche Zustimmung gegeben habe, so sei es nunmehr Sache des 
Papstes, diese Wahl durchzusetzen. Dann fährt Mühler fort: „Bei 
der großen Diskretion, welcher di^ Verhandlung in betreff de.s. 
Ledochowski zumal in ihrem jetzigen Stadium bedarf, habe ich es 
noch nicht; zulässig geglaubt, von solcher dem Oberpräsidenten 
Hörn schon jetzt Kenntnis zu geben. Gleichwohl dürfte es sich 
empfehlen, wenn Eure Königliche Majestät allergnädigst geruhen 
möchten, den Oberpräsidenten auf seinen vorliegenden Immediatbe- 
richt und die demselben beigefügte Bittschrift deutscher Katholiken 
zu Posen eine im allgemeinen beruhigende unmittelbare Entschei- 
dung zugehen zu lassen und habe ich mir gestatten zu sollen ge- 
M'laubt, den Entwurf zu einer solchen sowie zu einer an mich zu er- 



7) Hörn gab diese Immediateingabe am 2ü. Juni 1865 an den Kultus- 
minister weiter. Akten K. M. 1. 

8) Mühler an den König. 29. Juni 1865. Akten Z. K. 1. 

8* 



— 116 — 

lassenden allerhöchsten Ordre mit dem Anheimgeben der allergiiä- 
digsten Vollziehung ehrfurchtsvollst anzuschließen." 

Der König erließ daraufhin aus Carlsbad am 1. Juli 18G5 nach- 
stehende Ordre an den Oberpräsidenten von Posen °) : 

„Auf Ihren Mir zugegangenen Bericht vom 20. Juni c. gebe 
Ich Ihnen zu erkennen, daß Ich der Wahl eines neuen Erzbischofs 
von Gnesen und Posen meine besondeie Aufmerksamkeit zuge- 
wandt habe und lebhaft dafür besorgt bin, daß dieselbe zu eii/.m 
nach allen Seiten befriedigenden und namentlich auch den wohl- 
berechtigten Intei-essen der Bevölkerung deutschen Stammes ent- 
sprechenden Ausgang möge gefördert werden. Von den in der 
Ihrem Bericht beigefügten Vorstellung deutscher Katholiken dor- 
tiger Stadt enthaltenen Mitteilungen und Wünschen habe ich gern 
und mit Teilnahme Kenntnis genommen und überlasse Ihnen, 
dieselben hierüber in dem geeigneten vertraulichen Wege zu be- 
nachrichtigen. 

gez. Wilhelm." 

Hörn wird sich durch diese Königliche Ordre zunächst be- 
ruhigt gefühlt haben. Als aber im Laufe des Sommers die Gerüchte 
nicht verstummten, die Ledochowski mit dem Posener Stuhl in 
Verbindung brachten, benutzte er ein Schreiben des Kultusministers 
an ihn-"), um noch einmal in aller Deutlichkeit seine Stellung dar- 
zulegen und seine warnende Stimme zu erheben ^^) . Die Wahl 
Ledochcwskis wäre, so führt er aus, der härteste Schlag, der die 
Provinz treffen könnte. ,,Ich bitte und beschwöre Eure Excellen/. 
auf das Inständigste, ein so beklag^enswertes Ereignis abzuwenden." 
Im übrigen beruhten, so versichert er, die Nachrichten der Broin- 
berger patriotischen Zeitung auf absolut glaubwürdiger Quelle. 

Zugleich mit diesem Schreiben an den Kultusminister sandte 



9) Der König an Hörn. 1. Juli 1865. Akten Z. K. 1. 

10) In einem Schreiben vom 29. IX. 1865 teilt der Kultusminister dem 
Oberpräsidentcn mit, daß die Bromberger patriotische Zeitung die Nachricht 
gebracht habe, daß Graf Ledochowski bei den Resurrektionisten in Rom sich 
als Verfasser eines nationalen Hymnus dokumentiert habe, der ganz im Sinne 
der national-polnischen Agitationspartei abgefaßt sei. Hörn möge hierüber 
Erkundigungen einziehen. K. M. 1. 

11) Hörn an Mühler, 3. X. 1865. Akten K. M. 1. 



— 117 — 

Hörn eine Immediateingabe an den König von Preußen ab^-), da 
ihm die Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls so wichtig schien, 
daß er glaubte, sich unmittelbar an die höchste Stelle im Staat wen- 
den zu müssen ^^) . 

Er führte hierin aus, daß in den Blättern ^*) die Nachricht ver- 
breitet würde, daß der Graf Ledochowski wahrscheinlicher Kandi- 
dat für den Gnesener Stuhl sei. Er. Hörn, habe nicht für möglich 
gehalten, daß die Regierung einen Mann wählen würde, der im rus- 
sischen Königreiche Polen geboren und erzogen in seinem amtlichen 
Wirken bisher nur dem Auslande angehört habe und allen preußi- 
schen Interessen fremd gegenüberstände. Um so mehr sei er durch 
die Nachricht des Kultusministers überrascht worden, daß die Re- 
gierung gegen LMochowski nicht abgeneigt sei. Dem Könige seien 
die beklagenswerten Zustände in Posen bekannt, wie sie sich durch 
den verstorbenen Erzbischof entwickelt hätten. Heilung sei nur 
durch einen Bischof möglich, der Kraft und Willen habe, für ein 
preußisches Vaterland einzutreten. Eedochowski sei von Abstam- 
mung Pole, sein Vater politisch kompromittiert und als Emigrant 
im Auslande gestorben. Er selbst sei 1844 nach Rom gegangen und 
soll dort mit den sogenannten Insurrektionisten, emer von Polen ge- 
bildeten Kongregation, in lebhafter Verbindung gestanden haben. 
Nach alledem sei er für diesen erzbischöflichen Stuhl ganz unge- 
eignet 

Dieser Immediatbericht wurde dem zur Zeit auf Urlaub in 
Berlin weilenden preußischen Gesandten Harry Arnim zur Aeuße- 
rung vorgelegt, der dazu ein längeres Promemoria ausarbeitete^^'). 

In diesem Promemoria gibt er als Tatsache zu, daß Ledo- 
chowski polnischer Abstammung sei und daß seine P'amilie in frühe- 
ren Revolutionsepochen gegen Rußland sich kompromittiert habe. 
Die Dichtung eines polnischen Hymnus sei nicht erwiesen. Im 
übrigen hielte er es nicht für ein imverzeihliches Verbrechen, wenn 



12) Hörn an den König, 3. X. 1865. Ebenda. 

13) Eine Abschrift des Immediatberichtes fügte er seinem Schreiben au 
den Kultusminister vom gleichen Tage bei. 

14) Bisher war diese Nachricht nur von einzelnen Blättern der Provinz 
gebracht worden. 

15) Promemoria des Grafen Arnim. Berlin. 5. Oktober 1Ö65. Akten 
K M. 1. 



— 118 — 

er vor 20 Jahren einen Hymnus auf seinen Volksstamm gedichtet 
habe. Zur Kreirung eines Bischofs gehörten immer 4 Dinge 

1. Die Wahl des Kapitels 

2. Die Zustimmung des Königs 

3. Die Zustimmung des Papstes 

4. Die Zustimmung des Kandidaten. 

Das alles zu vereinigen, sei sehr schwer. Die Regierung habe ver- 
sucht, Herrn v. Ketteier auf den Stuhl von Posen zu bringen; der 
Papst sei einverstanden gewesen, Ketteier habe aber nicht gewollt. 
Der Papst kenne keinen deutschen Kandidaten, zu dessen Gvmsten 
er geneigt sei, die Wahlfreiheit der Kapitel einzuschränken ^'') , Der 
Papst sei zwar nicht für polnische Agitation, noch weniger aber da- 
für, daß die Katholische Kirche in Posen ein deutsches Kolonisations- 
mittel werde. Nach alledem sei Ledochowski der geeignetste, ob- 
wohl die Möglichkeit nicht von der Pland zu weisen sei, daß er 
Schwierigkeiten machen könne. Ein besserer aber sei nicht zu 
finden. 

Anfang Oktober 1865 schien die Lage endlich soweit geklärt 
zu sein, daß die preußische Regierung die Wahl Ledochowskis für 
gesichert hielt ^'). Das Kultusministerium machte daraufhin einen 
Bericht an den König, in dem es Hörn als königlichen Wahlkora- 
missar vorschlägt^**). Schon am folgenden Tage wurde der Ober- 
präsident hierzu .durch Kabinetts-Ordre ernannt^'"). Der König 
machte zu dem Bericht Mühlers die folgende Randbemerkung, die 
gleichsam die Antwort zu dem flornschen Immediatbericht vom 
3. Oktober 1865 darstellt: 

,,Ich habe die Ordre, welche den p. Hörn zum Kommissar 
ernennt, unterzeichnet, da ich annehme, daß er auf seine Eingabe 
an mich, in welcher er sich gegen eine Wahl des Ledochowski 
ausspricht, durch Sie von den Gründen unterrichtet und überzetigt 



16) Mindestens bei Marwitz hätte sich das erreichen lassen. 

17) Abeken teilt Mühler unter dem 10. X. 1865 mit, daß der päpst- 
liche Prälat (gemeint ist Franchi) erreicht habe, daß die Kapitel den Grafen 
Ledochowski einstimmiigi durch Akklamation wählen würden. Wie oben dar- 
gelegt, war diese Mitteilung verfrüht. 

18) Mühler an den König, 12. X. 1865. Akten K. M. 1. 

19) A. K. O. vom 13. X. 1865. Akten K. M. 1. 



— 119 — 

worden ist, welche mich zum Eingehen auf diese Wahl veranlaßt 
haben. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so sehe ich sofort 
einem anderen Ernennungsvorschlag entgegen. Sollte die Wahl 
des p. Ledochowski wirklich erfolgen, so erwarte ich, daß der 
p. Hörn gegen denselben alle die Rücksichten walten lassen wird, 
die ein hoher Kirchenfürst zu beanspruchen in der Lage ist, damit 
demselben seitens meiner Regierung sein neues Amt in jeder 
Beziehung erleichtert werde und das ihm zu schenkende Ver- 
trauen zu ermöglichen ist. Das Mißtrauert, was gegen den p. 
Ledochowski vorgewaltet hat, muß von Grund aus als beseitigt 
betrachtet werden, was nicht ausschließt, seine Schritte sehr auf- 
merksam zu beobachten, um bei Zeiten sich zu überzeugen, ob das 
ihm zu schenkende Vertrauen seinerseits gerechtfertigt wird" -'' ) . 
Mühler sandte am 18. Oktober 1865 an Hörn das nachstehende 
Schreiben, das für die Beurteilung seiner Politik so wichtig er- 
scheint, daß es im Wortlaut hier folgt -'•) : 

.,Aus der Mitteihmg des Regierungsrats v. Lebbin vom 14. 
d. M. habe ich mit großer Befriedigung ersehen, daß die ersten 
Einleitungen zu der Erzbischofswahl, unter Mitwirkung der 
Staatsregierung, ein . sehr bereitwilliges Entgegenkommen auf 
selten des Posener Kapitelverwesers gefunden haben. Unter dem 
Einfluß der Stimmung, wie v. Lebbin sie als gegenwärtig vor- 
herrschend bezeichnet, und wie sie auch mir aus anderen An- 
zeichen hervorgetreten ist, wird es Ew. Hochwohlgeboren nicht 
schwer fallen, die weitere Entwicklung der Sache in den von mir 
bezeichneten Wegen zu leiten. Je sicherer wir des Erfolges sein 
können und sind, um so konzilianter werden Ew. Hochwohl- 
geboren in allen Formen sein dürfen und dadurch den Kapiteln 
die Unterwerfung in der Sache erleichtern. 

Einer Mitteilung, wann die Wahl stattfinden kann, sehe ich 
baldigst entgegen. Ich bitte mir deshalb zu telegraphieren, so- 
bald eine Abrede getroffen sein wird. 

Des Königs Majestät nehmen, wie aus mehreren in diesen 
Tagen mir zugegangenen Allerhöchsteigenhändigen Zu- und 



20) Der Marginalvermerk vom 13. X. 1865 befindet sich in den Akten 
Z. K. 1. 

21) Original in den F. P. v. H. 



— 120 — 

Randschriften ersichtlich ist, an der raschen und glücklichen Er- 
ledigung der Posener Wahl ein sehr lebhaftes Interesse. Der 
König setzt voraus, daß Sie von den Gründen, welche ihn be- 
stimmt haben, auf die Wahl des Ledochowski einzugehen, unter- 
richtet und überzeugt worden seien. Nach dem, was zwischen 
Ihnen und mir mündlich besprochen worden, habe ich annehmen 
zu dürfen geglaubt, daß die von Ihnen in Ansehung des p. Ledo- 
cliowski früher geäußerten Bedenken Sie nicht abhalten werden, 
den Ihnen gewordenen Allerhöchsten Auftrag in loyalster Weise 
zu erfüllen. Ich habe daher S. M.. berichtet, daß Allerhöchstdie- 
selben versichert sein könnten, Sie würden den Ihnen gewordenen 
Auftrag als Wahlkommissarius mit aller Gewissenhaftigkeit und 
Treue gegen den Willen S. M. ausführen, und hoffe ich, damit 
ganz in Ihrem Sinne gehandelt zu haben. 

Daß übrigens die Erhebung des Ledochowski auf den erz- 
bischöflichen Stuhl von der polnischen Nationalpartei nicht als 
Sieg, sondern als eine Niederlage empfunden wird, scheint mir 
nach den Mitteilungen Lebbins außer Zweifel zu sein. Auch bin 
ich neuerdings davon authentisch unterrichtet worden, daß der 
Graf Ledochowski in Brüssel nicht der Verfasser des von Ew. 
Hoch wohlgeboren erwähnten Nationalhymnus ist. Es liegt daher 
die dringendste Veranlassung vor, die wegen dieser Wahl auf- 
tauchenden Beunruhigungen Wohlgesinnter m der Provinz nicht 
etwa durch eine zweifelhafte Haltung zu vermehren, sondern be- 
stimmt zu manifestieren, daß die Regierung aus freier- Ent- 
schließung --) und mit genauer Sach- und Personalkenntnis -^) 
auf diese Wahl eingegangen ist und nur Grund hat, sich von ihr 
Gutes zu versprechen ^) . Auch in dieser Beziehung glaube ich 
auf Ew. Hochwohlgeboren Ergebenheit gegen die Intentionen 
S. M. des Königs mit Bestimmtheit rechnen zu dürfen." 



22) Von einer Entschließung wird man bei der defensiven Haltung der 
Regierung nicht gut sprechen können. 

23) Sach und Personalkenntnis der Regierung wird man als ungenügend 
ansprechen dürfen. 

24) Dieser Optimismus ist so weit gehend, daß man ihn kaum noch 
als möglich wird annehmen können. 



— 121 — 

Hörn erwiderte hierauf umgehend "'^) , daß durch das Schreiben 
des Ministers seine Bedenken gegen Ledochowski in Nichts behoben 
seien. Sollte daher ein anderer als er als Königlicher Wahlkommis- 
sarius geeigneter erscheinen, so bäte er den Minister, diesen dem 
König in Vorschlag zu bringen. Dann fuhr er fort: 

„Anlangend die von Ew. Excellenz mir mitgeteilten Aeuße- 
rungen des Regierungsrates v. I^ebbin, so muß ich bekennen, sie 
nicht vollständig zu verstehen, und er selbst glaubt, nicht ganz 
richtig aufgefaßt worden zu sein." 

Auch in weiteren Berichten an den Kultusminister legte Hom 
immer von neuem dar, daß in den deutschen Kreisen von Gnesen 
lind Posen eine starke Stimmung gegen die Wahl Ledochowskis 
vorhanden sei. Da die Entscheidung längst gefallen war, gingen sie 
zu den Akten 2«). 

Ebenso benutzte Hörn die bereits oben erwähnte Eingabe an 
den König ^^), in der er über die Verhandlungen Franchis in Dresden 
berichtet, um abermals seine warnende Stimme zu erheben. In den 
Kapiteln beständen zwei Strömungen. Die einen wollten den Papst 
um Wahlfreiheit bitten, die andern dem Papst die Wahl überlassen. 
Käme es zu letzterem, dann habe die Regierung Gelegenheit, zu 
der Persönlichkeit des zu Wählenden abermals Stellung zu 
nehmen^). Er, Plorn, fühlte sich in seinem Gewissen gedrungen, 
nochmals von Ledochowski abzuraten. Wenn auch für ihn spräche, 
daß. die Kapitel ihn ' ablehnten, weil sie nicht genau wüßten, ob er 
sich so werde leiten lassen, wie sein Vorgänger, so sei er eben doch 
Pole und den preußischen Verhältnissen ganz fremd. Er würde 
vielleicht mit mehr Mäßigung und Vorsicht verfahren und nicht so 
blind sein wie Przyluski, dem polnischen Einfluß aber würde er sich 
als Pole nicht entziehen können. Das würde nur ein Erzbischof 
deutscher Abstammung vermögen. 



25) Entwurf dieses Schreibens in den F. P. v. H. Auszugsweise abg-e- 
druckt: Hom, Deutsche Revue, 1913. A. a. O. S. 47. 

26) Akten K. M. 1. 

27) Hörn an den König. 29. X. 1865. Akten Z. K. 1. 

28) Man wird sich immer wieder das kaum Glaubliche vergegenwärtigen 
müssen, daß der Oberpräfident vor der A'or 5 Monaten gefallenen Entschei- 
dung auch jetzt noch nichts wußte. 



— 122 — 

Als Hörn dann einen Monat später nach Berlin meldet -'') , daü 
die Kapitel zur Vornahme der Wahl bereit seien und daß also wohl 
eine Majorität für Ledochowski vorhanden zu sein scheine, fragt er 
auch hier am Schluß wieder an, ob die Regierung bei ihrer Ansicht 
verbleiben wolle, daß dieser Kandidat ihr genehm sei. Und noch 
ehe er eine Antwort erhielt, warnt er nochmals ■'") : 

,,Ich erlaube mir besonders auf die dem Landrat v .Massen- 
bach von polnischer Seite gemachte Mitteilung hinzuweisen, daß 
die Vettern des päpstlichen Nuntius Grafen Ledochowski, mit 
welchen dieser während der letzten Jahre in den intimsten Be- 
ziehungen gestanden hat, während des letzten polnischen Auf-/ 
Standes zu den Mitgliedern des polnischen Waffenkomitees in 
Belgien gehört haben. Es ist dies ein Umstand, welcher, wenn 
Graf Ledochowski als Privatmann seinen Aufenthalt in der hie- 
sigen Provinz nehmen wollte, dazu führen müßte, ihm die Er- 
teilung der preußischen Staatsangehörigkeit zu versagen." 

Als Mühler dem König Horns Meldung vom 29. November 
mitteilte, erwirkte er nachstehende Kabinettsordre ^^) : 

„Auf Ihren Bericht vom 30. v. M. ermächtige ich Sie hier- 
durch, dem Oberpräsidenten Hörn zu eröffnen, daß es bei der von 
Mir gefaßten Entschließung, den Grafen Ledochowski zu Brüssel 
zum Erzbischof von Gnesen und Posen anzunehmen, lediglich 
sein Bewenden behält. 

gez. Wilhelm.*' 

Diese königliche Ordre machte mit einem Schlage die monate- 
langen Bemühungen Horns zu nichte. Ein längeres Schreiben, das 
or auf die Mitteilung dieser A- K. O. ^-) an den Kultusminister 
richtet"-'), beginnt mit folgenden W^orten: 

,,Mit tiefer, innerer Erregung habe ich durch Ew. Excellenz 
geehrten Erlaß vom 7. d. M. die Entscheidung Sr. Majestät des 



29) Hora an Mühler, 29. November 1865. Akten K. M. 1. 

30) Hörn an Mühler, 3. XII. 1865. Akten K. M. 1. 

31) A. K. O. vom 4. XII. 1865. Akten K. M. 1. 

32) Mühler an Hern, 7. XII. 1865. .A.kten K. M. 1. 

33) Hörn an Mühler. 11. XII. 1865. Akten K. M. J. 



— 1.23 — - 

Königs empfangen, daß es bei der wegen der Wahl des Grafen 
Ledochowski zum hiesigen Erzbischof einmal gefaßten Ent- 
schließung sein Bewenden behalte. 

Es bleibt mir nun nichts weiter übrig, als nach dem Befehl 
des Königs zu verfahren, indem ich zu dem Allmächtigen Gott 
flehe, daß meine an jene Wahl sich knüpfenden Befürchtungen 
sich oicht bewahrheiten mögen, was ich zur Zeit nach der Gunst, 
welche jetzt die in Rede stehende Kandidatur in polnischen 
Kreisen findet, nicht zu hoffen wage." 



X. Die Einsetzung des neuen Erzbischofs. 

A. Die Wahl in Gnesen am 16. Dezember 1865. 

1. V o r b e 1" e i t u n g en zur \Y a h 1. 

Nachdem die Domkapitel endlich ihren Widerstand gegen 
}..edochowski aufgegeben hatten, erschien es Bismarck wünschens- 
wert, daß die Präkonisation noch in diesem Jahre, also in dem 
nächsten Konsistorium am 18. Dezember 1865 stattfinden könne ^). 
Mühler ersuchte Hörn deshalb, die Wahl auf Sonntag den 17. De- 
zember festzusetzen ") . Auf eine ausweichende Antwort des Ober- 
präsidenten, daß der Provinziallandtag nicht vor dem 16. Dezember 
schlösse, er also nicht vor dem 17. Dezember nach Gnesen reisen 
und die Wahl mithin nicht vor dem 19. oder 20. Dezember statt- 
finden könne ") , sandte der Kultusminister das folgende kate- 
gorische Telegramm *) : 

,,Die Wahl hat das vorige Mal in Posen stattgefunden, sie 
kann auch am Sonntag geschehen. Landtag hat am Sonntag 
keine Sitzung, hindert nicht. Einladungen heute und morgen 
noch möglich. Wenn kein Augenblick Zeit verloren wird, kann 
Wahl noch auf 17. in Posen angesetzt werden. In diesem Sinne 
unverzüglich zu handeln. 

V. Mühler." 

Hörn erwiderte noch am gleichen Tage ^), daß die Wahl am 
16. Xn. in Gnesen stattfinden würde. Da sie das letzte Mal in 
Posen abgehalten sei, müsse sie diesmal in Griesen vorgenommen 
werden. Mit dem Landtage werde er sich einrichten. 

Es ist dies das ehizige Mal in dieser Angelegenheit, daß Mühler 
eine kräftige Sprache führt. Es handelt sich in diesem Falle um 



1) Bismarck an Mühler, 13. XII. 1865. Akten K. M. 2. 

2) Mühier an Hörn, 13. XII. 1865. Ebenda. 

3) Hörn an Mühler, 13. XII. 1865. Akten K. M. 2. 

4) Mühler an Hörn, 14. XII. 1865. Ebenda. 

5) Hörn an Mühler. 14. XII. 1865. Ebenda. 



— 125 — 

Weitergabe des Wunsches eines Höhergestellten an emen Tiefer- 
oestellten, noch dazu eines Wunsches, dessen Erfüllung sowohl für 
die preußische Regierung wie auch für die übrigen Beteiligten be- 
deutungslos war. 

2. D e r W a h I a k t und seine Folgen. 

Die Wahl selber verlief in der herkömmlichen Weise unter den 
üblichen Zeremonien °) . Dr. Zienkiewicz hatte Hörn gebeten, bei 
ihm zu wohnen, was dieser auch angenommen hatte. Ledochowski 
wurde per acclamationem gewählt. Ein Wahlprotokoll wurde in der- 



6) Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 20. Dezember 1865 be- 
richtet darüber: 

,,Gnesen, 16. Dez. Zur Erzbischofwahl bringen die Provinzialblätter die 
nachstehenden speziellen Notizen : Mittags V2I Uhr wurde in hiesiger Dom- 
kirche von der Elanzel herab in polnischer und deutscher Sprache publiziert, 
daß von dem versammelten Domkapitel Gnesen und Posen Graf Ledochowski 
durch Akklamation zum Erzbischof von Gnesen und Posen gewählt worden, 
die weitere feierliche Proklamation der Erwähl ung aber erst dann erfolgen 
werde, wenn von demselben die Wahl auch angenommen worden sei. Der 
Wahlakt begann um 10 Uhr mit der Abhaltung feiner großen feierlichen- 
Messe, bei welcher der Weihbischof aus Posen zelebrierte und der Kgl. Ober- 
präsident, ein Oberpräsidialrat und ein Appellations-Genchtsrat aus Posen 
(letzterer mußte bestimmungsgemäß der Katholischen Kirche angehören) als 
Kgl. Commissarien 3 Ehrensitze unmittelbar vor dem Hochaltar eingenom- 
men hatten. Auch der hiesige Landrat und die Magistratspersonen sowie der 
Kreisgerichtsdirektor, Postdirektor und andere Kgl. Beamten waren bei der 
.\bhaltung des Gottesdienstes zugegen und die Kirche war außerdem reichlich 
besucht. Die Messe dauerte volle Vi Stunden. Nach derselben begaben sich 
sämtliche Domherrn in das Conclave, um mit der Wahl vorzugehen. Nur 
der hiesige Weihbischof konnte wegen Kränklichkeit dem Wahlakte in dem 
Conclave nicht beiwohnen. Aus Posen waren sämtliche Domherren bis auf 
■den Official Cieslinski und die Canonici Jabczynski und Richter, welche 
durch Krankheit an der Weihe verhindert waren, bei der Wahl anwesend. 
Außerdem wurden 3 Ehren-Canonici telegraphisch zur Wahl eingeladen, 
selbstverständlich ohne die Befugnis, bei der Wahl mitzustimmen. Der Wahl- 
akt war beim Mangel an jeder Opposition nur von kurzer Dauer und um 12;J'4 
Uhr Mittags wurde feierlich als Resultat derselben verkündigt, daß der päpst- 
liche Nuntius zu Brüssel Graf Miecislaus Ledochowski einstimmig und durch 
Akklamation zum Erzbischof von Gnesen und Posen gewählt worden. Das 
Resultat der Wahl wurde sofort dem Gewählten wie dem Kultusminister in 
Berlin telegraphisch gemeldet." 



— 126 — 

selben Art wie bei der Wahl des Erzbischofs v. Przyluski auf- 
gesetzt, bei der Fürst Wilhelm Radziwill als Kgl. Kommissarius 
fungiert hatte ^) . In seinem Bericht an den Minister bat Hörn nun 
doch wenigstens Ledochowski zu veranlassen, den Domherrn 
Richter zu seinem Ordinariatsrat zu berufen ■'^) . 

Mühler sprach Hörn für die Beschleunig-ung der Wahl seinen 
besonderen Dank aus. In diesem Schreiben heißt es u. a. ") : 

„Ich hoffe zu Gott, daß die an diese W^ahl geknüpften Be- 
fürchtungen nicht in Erfüllung gehen werden und glaube in dieser 
Beziehung von dem hiesigen Zusammentreffen des p. Richter mit 
dem erwählten Erzbischof einen heilsamen Erfolg erwarten .in 
dürfen. Sollte es anders kommen, so dürfen Euer Hochwohl- 
geboren unter allen Umständen sich meiner und des gesamten 
Staatsministeriums kräftigster Unterstützung in der Bekämpfung 
verderblicher Einflüsse versichert halten." 

Während die deutsche Presse ^") und auch die deutsch-katho- 



7) Telegramm : Staatsminister v. Mühler. Berlin. Soeben Graf Ledo- 
chowski zum Erzbischof gewählt. Alles nach Vorschrift und ohne Störung 
verlaufen. Gnesen, 16. Dezember 1865. Oberpräsident Hörn. Akten K. M. 2. 

8) Hörn an Mühler. Posen 17. XII. 1865. Akten K. M. 2. 

9) Mühler an Hörn. 20. XII. 1865. Ebenda. 

10) So schreibt die Frankf. Postzeitung (Nr. 665 vom 29. XII. 1865). 
„Die Stimmung über die Wahl des Grafen Ledochowski zum Erzbischof 

von Posen und Gnesen ist eine sehr geteilte, und nur ein geringer Teil der 
katholischen Bevölkerung dürfte dieselbe mit Genugtuung begrüßen. Der 
neue Kirchcnfürst wird daher hier einen schwierigen Standpunkt haben, denn 
wenn auch die Mitglieder der beiden Metropolitan-Kapitel ihn einstimmig ge- 
wählt haben, so ist das doch nur geschehen, weil sie es angemessen fanden, 
imter zwei Liebeln das kleinste zu wählen. Denn wählten sie den Grafen 
nicht, so wurde er ihnen, wie sie bestimmt, wußten, vom Vatikan octroyiert. 
Die Polen nennen ihn einen Jesuiten iind die Deutschen erblicken in ihm 
einen fanatischen Priester und Gegner des deutschen Elements. Daß man in 
Berlin sich gerade für diesen Mann entschieden hat, ist allen unbegreiflich. 
... Es ist in der Tat unbegreiflich, daß die Regierungen in dem Jesuitentum, 
das doch genug Throne gestürzt hat, noch immer eine Stütze derselben er- 
blicken können." 

Deutsche Allgemeine Zeitung vom 1. L 1866: ,,. . . die ultramontane 
Fraktion der Katholiken ist von seiner Wahl entzückt, die liberale dagegen 
besorgt überwiegenden klerikalen Einfluß in allen die Provinz berührenden 

Angelegenheiten Soviel ist klar, daß den Ultramontanen der Kamm 

bereits wächst." 



— 127 — 

lische Bevölkerung in der Provinz selbst in der Wahl eine große 
Gefahr erblickte, war der Dziennik Poznanski ^') über die Wahl 
völlig entzückt und sah in Ledochowski einen vollständigen Ultra- 
montanen polnischer Nationalität. 

Wenige Tage nach der Wahl hatte Mühler den Domherrn Dr. 
Richter zu Besprechungen in das Kultusministerium beruf en ^■^~) , 
was in der Provinz einen besonders guten Eindruck hervorgeru ten 
hatte, da die deutschen Katholiken für ihn darin eine Zurücksetzung 
erblickt hatten, daß er, obgleich wissenschaftlich einer der gebil- 
detsten Geistlichen des Kapitels, nicht ^uf die Kandidatenliste ge- 
setzt worden war. 

Am 21. Dezember 1865 trafen der Administrator der Erzdiö- 
zese Posen Brzezinski und der Kanonikus Janiszewski in Brüssel 
ein, um dem Nuntius seine Wahl zum Erzbischof mitzuteilen. Am 
folgenden Tage statteten alle drei dem preußischen Gesandten 
Herrn v. Balan einen Besuch ab. Da, wie dieser berichtete ^^) einer 
der Herren kein Französisch sprach"), wurde die Unterhaltung in 
deutscher Sprache geführt. Hierbei stellte sich heraus, daß Ledo- 
chowski, wenn auch nicht mit I-eichtigkeit, so doch hmlänglich 
deutsch verstand und sprach, um sich an dem Gespräch zu be- 
teiligen. 

,,Der Nuntius", schreibt Balan in dem gleichen Bericht, ,,wie- 



Dziennik Poznanski vom 1. I. 1861 : ., die drohenden Gefahren 

(d. i. Erwälilung eines Deutschen), die uns mit Schrecken erfüllten, hat die 
Vorsehung abgewandt und ein Pole wird, Gott sei Dank, den Primassitz ein- 
nehmen. . . ." 

Frankfurter Postzeitung vom 2. I. 1866: , Wir wollen nur wün- 
schen, daß die Regierung über die kirchliche und nationale Richtung des 
neuen Erzbischofs nicht allzu arg getäuscht worden sei. . . ." 

In ähnlichem Sinne äußern sich die andern Blätter um die Jahreswende. 

11) Der Dziennik Poznanski, das einzige vielgelesene polnische Blatt in 
Posen, wurde um die Jahreswende dem Buchhändler Merzbach, einem Juden, 
abgekauft und in ein klerikal-konservatives Blatt verwandelt. (Norddeutsche 
Allgemeine Zeitxing 24. I. 1866.) 

12) Norddeutsche Allgemeine Zeitung 29. XII. 1865. 

13) Balan an Bismarck, Brüssel 22. XII. 1865. Akten K. M. 2. 

14) Da Janiszewski später die Schrift: „Histoire de la Persecution de 
l'eglise catholique en Prusse (1870 — 1876)" verfaßt hat kann dies nur Brze- 
zinski gewesen sein. 



— 128 — 

derholt mir bei jedem Anlaß und mit dem Accent voller Aufrichtig- 
keit, wie es sein dringender Wunsch sei, in recht versöhnlicher 
Weise zu wirken. Er bedaueet die bisherige schroffe Trennung der 
Nationalitäten, auch auf dem gesellschaftlichen Gebiet und wird 
persönlich alles mögliche tun, um sich mit den höchsten Civil- und 
Militärbehörden auf freundlichen und höflichen Fuß zu setzen. Cie- 
rade deshalb habe ihm auch daran gelegen, dies System dadurch zu 
inaugurieren, daß er mir die beiden geistlichen Deputierten ge- 
bracht, womit dieselben übrigens gleich sehr einverstanden gewesen 
seien." 

Trotzdem diese letzte Bemerkung die Aufrichtigkeit der voran- 
gehenden Sätze einzuschränken geeignet war, beeilte sich Mühler 
eine Abschrift des gesandtschaftlichen Berichts mit nachstehender 
Bemerkung an Hom weiterzugeben: , .Vielleicht schöpfen Sie daraus 
die meinerseits gehegte Hoffnung, daß die Zustände der Erz- 
diözesen unter der Verwaltung des Grafen Ledochowski sich all- 
mählich bessern und freundliche Beziehungen zwischen dem Erz- 
bischof und den Königlihen Behörden eintreten werden" ^^) . 

Hörn antwortete umgehend ^''') , daß auch er hoffen wolle, daß 
alles gut gehen würde. Die Hauptsache sei aber doch: 

,,wird Ledochowski Verständnis dafür haben, daß die katho- 
lischen Priester als wahre Religions Diener nicht nur nicht für die 
Revolution, Insurrektion und Resurrektion arbeiten dürfen, son- 
dern Frieden, Treue und Liebe zum Könige zu predigen haben und 
wenn er dies einsieht, wird er Geisteskraft und Charakterstärke 
genug besitzen, um sich nicht dennoch in die bisherige Bahn trei- 
})en zu lassen. In dieser Beziehung habe ich nicht die geringste 
Beruhigimg; das eben hier eingegangene Antwortschreiben des 
Grafen Ledochowski soll wesentlich seine Liebe zum polnischen 
V^aterlande betonen." 

'Da Hörn sich hiernach immer noch nicht auf den Standpunkt 
der Regierung hatte stellen können, glaubte diese, ihn anweisen zu 
müssen, daß er dafür Sorge trüge, daß Ledochowski in Posen we- 
nigstens freundlich empfangen würde, damit er nicht den Eindruck 



15) Mühler an Hom, 29. XII 1865. In den F. P. v. H. 

16) Honi an Mühler, 30. XII. 1865. Akten K. M. 2. 



— 129 — 

erhielte, daß die deutsche Bevölkerung ihn abstieß, und er so ins 
polnische Lager gedrängt würde ^^). 

Wenige Wochen später kommt Mühler noch einmal auf diesen 
Punkt zurück. „Die sorgfältigen Ermittlungen, so schreibt er an 
Hom ") , die über Ledochowski angestellt worden seien, berechtig- 
ten zu der Hoffnung, daß er es verstehen werde, das kirchliche und 
nationale Element auseinanderzuhalten. Damit das erreicht . würde, 
müsse aber auch die Staatsbehörde sich ihm von Anfang an freund- 
lich gegenüberstellen, auch auf die deutschen Katholiken müsse im 
gleichen Sinne einzuwirken versucht werden. 

Um dieser Auffassung einen noch größeren Nachdruck zu 
geben, hatte es Bismarck sogar für notwendig gehalten, den König 
zu einer Kabinettsordre an den kommandierenden General sowohl 
wie an den Oberpräsidenten von Posen zu veranlassen. Diese hatte 
folgenden Wortlaut: 

„An den General der Infanterie v. .Steinmetz, kommandie- 
render General des V. Armeekorps. 

Die von mir genehmigte Wiederbeestzung des Erzbischöf- 
lichen Stuhles von Gnesen und Posen veranlaßt Mich, die Erwar- 
tung auszusprechen, daß alle Meine Behörden und Diener bemüht 
sein werden, dem Erzbischof mit allen Rücksichten entgegenzu- 
kommen, welche seiner Stellung im wohlverstandenen Interesse 
f^er Eintracht zwischen den Dienern des Staates und der Kirche 
Sfebühre. 

Indern Ich Ihnen aufgebe, in diesem Sinne die Ihnen unter- 
gebenen Behörden und Personen mit' den erforderlichen Wei- 
sungen zu versehen, bemerke Ich, daß Ich dem Oberpräsidenten 
der Provinz denselben Befehl habe zugehen lassen. Berlin, den 
18. Januar 1866. 

gez. Wilhelm" ") . 



17) Bismarck an Mühler, 6. I. 1866. Akten K M. 2. 

18) Mühler an Hom, 25. I. 1866. Abschrift dieses Erlasses sandte 
Mühler am gleichen Tage an den König und an alle Staatsmmister. Akten 
Z. K. I. 

19) Akten des K. M. 2. 

9 



— 130 — 

3. Ledochowskis Wünsche nach Annahme der 

Wahl. 

Nachdem die beiden Vertreter der Domkapitel dem neuen Erz- 
bischof seine Wahl mitgeteilt hatten, formulierte dieser eine Reihe 
von Fragen auf einem Zettel, den er am 28. XII. 1865 dem preußi- 
schen Gesandten überreichte ^'^) . 

Dieser Zettel, den Balan dem Bericht an den preußischen Mi- 
nisterpräsidenten beifügte, hatte folgenden Wortlaut: 

1. Quelle est la formule du serment et si je pourrai le preter 
entre les mains du Roi? 

2. Aurrai-je la libre entree de mes meubles, hardes et argen- 
teries ? 

3. Les autorites civiles et militaires de Posen voudront-elles 
venir me complimenter ä l'archeveche apres la ceremonie de prise de 
possession .'' 

4. Le gouvf-,rnement sera-t-il dispose de payer les arrerages aus 
employes des consistoires sans exiger le renvoi de quelques uns 
d 'entre eux? 

5. Voudra-t-il deposer toute mefiance et sans tenir compte des 
insinnations malveillantes qui ne sauraient faire defaut des le com- 
mencement preter sincerement son concours ä un raprochement ? 

6. Ne conviendrait-il pas dans ce cas donner des Instructions 
analogues iiux autorites locales? 

Diesen Fragen Ledochowskis fügte Balan nachstehende Erläu- 
terungen bei: 

Zu 1. Der Nuntius lege besonderen Wert darauf, den Eid in 
die Hände des Königs zu leisten, wie dies auch die Bischöfe von 
Frankreich täten, zumal er doch über Berlin käme: Er werde 
Brüssel wohl nicht vor Mitte Februar verlassen, und dann erst nach 
Rom gehen, da der Papst ihn zu sprechen wünsche, sodaß seine 
Amtsübernahme wohl nicht vor Anfang April erfolgen könne. 

Zu 2. Hierzu würde wohl eine besondere Anweisung an die 
Steuerbehörde nötig sein. 

Zu 3. Ledochowski glaube, daß es im Interesse der Regierung 
liege, das Ansehen des neuen Erzbischofs in den Augen der doch 



20) Balan an Bismarck, 29. XIT. 18(35. Ebenda. 



— 131 — 

größtenteils katholischen und polnischen Bevölkerung möglichst 
hochzuhalten. Dadurch werde er in den Stand gesetzt, sowohl 
seiner Geistlichkeit als auch der übrigen Bevölkerung gegenüber 
einen den Wünschen der Regierung und der Versöhnung der Ge- 
müter günstigen Einfluß auszuüben. Auch in Frankreich, Spanien 
und wo er sonst gewesen sei, hätten die Zivil- und Militärbehörden 
die Bischöfe nach Amtsübernahme komplimentiert. Er würde dann 
in den folgenden Tagen diese Besuche „natürlich en gala dans un 
carrosse a dix chevaux pp" erwidern. 

Zu 4. Vor einer Reihe von Jahren seien den niederen Beamten 
der beiden Domkapitel in Posen und Gnesen Gehaltszulagen im Ge- 
samtbetrage von ungefähr 5000 Thaler jährlich bewilligt worden, 
deren Auszahlung an das erzbischöfliche Amt in der ersten Zeit 
auch ohne weiteres erfolgt sei. Später sei unter bedauerlicher Kon- 
nivenz des Erzbischofs dieses Geld in einer seiner ausdrücklichen 
Bestimmung nicht entsprechenden Weise verwendet, den ursprüng- 
lichen Destinataires entzogen . und unter andere Personen verteilt 
worden. Hieraus habe die Regierung, wie Ledochowski zugab mit 
Recht, Veranlassung genommen, die ganzen Beträge zurück zu hal- 
ten. Dies sollte aber jetzt anders werden. Auch der Administrator 
habe dies schon zugestanden, doch knüpfe die Regierung die Be- 
dingung daran, daß gewisse personae ingratae von ihren Stellen ent- 
fernt würden. Diese Bedingung scheine ihm nicht billig. Er bäte, 
daß in Zukunft alles wieder so gehandhabt würde wie früher. 

Zu 5. Hiermit meine Ledochowski den beklagenswerten Ein- 
fluß, den der Domherr Richter ausübe. Ihm schiene das- Mißtrauen 
gegen den Erzbischof in Posen förmlich organisert. Er hoffe, nach 
Abstellung dieser Mißstände die Rechte der Religion und Kirche, 
„die ihm freilich über alles gingen", mit denen der Staatsregierung 
in Einklang bringen zu können. 

Zu 6. Hierzu habe Balan selbst dem Nuntius gegenüber be- 
merkt, daß die Behörde das Recht habe, die Tatsachen und die Per- 
sönlichkeiten anders aufzufassen als die kirchlichen Instanzen. 
Auen schiene ihm die Informationsquelle (Janiszewski), aus der 
Ledochowski seine Nachrichten schöpfe, nicht unbedenklich. Der 
Nuntius habe ihm darauf erwidert, daß er Janiszewski erst habe 
prüfen wollen, weil er gegen ihn voreingenommen gewesen sei. 

9* 



— 132 — 

„Aber er habe einen großen Freund von Aufrichtigkeit, Gerechtig- 
keit und Versöhnlichkeit in ihm gefunden." 

Bismarck antwortete dem Gesandten umgehend-^). Er sei 
über die Bereitwilligkeit Ledochowskis einen Weg der Verstän- 
digung zu gehen, sehr erfreut und werde ihm jede Erleichterung zu 
teil werden lassen. ,,Die Schäden", fährt er dann fort, „an welchen 
die katholische Kirche im Großherzogtum und namentlich der pol- 
nische Teil, wie der Erzbischof sich bald bei näherem Einblick in 
die Verhältnisse überzeugen wird, in beklagenswerter Weise leidet, 
sind hauptsächlich in der durch die Schwäche des verstorbenen Erz 
bischofs von Przyluski geförderten Vermischung des kirchlichen 
und des politischen Elements begründet, und es wird eine Haupt- 
aufgabe seiner Verwaltung sein, dieser \''ermischung entgegen zu 
wirken, und dadurch der Kirche wieder zu der ihr gebührenden 
hohen und reinen Stelkmg zu verhelfen, und die falschen und frem- 
den Elemente auszuscheiden, welche der Kirche und dem Staat 
gemeinschaftlich Gefahr drohen." Am Schluß seines Schreibens 
weist Bismarck die Angriffe auf Richter sofort energisch zurück. 
Es sei dies eine ..,böswillige Insinuation". 

Die einzelnen Punkte der Ledochowskischen Aufstellung wur- 
den unter großem Wohlwollen ressortmäßig erledigt. Der Kultus- 
minister bemerkte dazu das Folgende --) : 

Zu 1. Er übersandte die Eidesformel-") und fügte hinzu, daß 
der Eid den Bischöfen bisher durch einen königlichen Kommissar, 
meist durch den Kultusminister, abgenommen worden sei. Nur in 
einzelnen Fällen habe der König in Gegenwart des Staats- 
ministeriums den Eid selbst entgegengenommen, so am 10. I. 1842 
von dem Koadjutor, nachherigen Erzbischof von Köln, Kardinal 
V. Geissei und am 10. VII. 1845 vom Fürstbischof von Breslau und 
späteren Kardinal v. Diepenbrock. Da aber diesmal wahrscheinlich 
zwei Erzbischöfe den Eid leisten würden-*), so habe er keine Be- 



21) Bismarck an ßalan, 6. 1. 1866. Akten K. M. 2. 

22) Mühler an Bismarck, 12. I. 1866. Akten K. M. 2. 

23) S. Anlage 7. 

24) Der Erzbischof von Cöln Johannes v. Geissei (geb. 1796, seit 1842 
als Koadjutor des in den Kölner Kirchenstreit verwickelten Erzbischofs 
V. Droste-Vischering, Administrator der Erzdiözese, seit 1845 Erzbischof) war 



— 133 — 

denken, dem König vorzuschlagen, den Eid selbst entgegenzu- 
nehmen. 

Zu 3. Das sei hier zu Lande nicht Sitte. Erst müsse der 
Erzbischof den Spitzen seinen Besuch machen und zwar dem kom- 
mandierenden General, dem Oberpräsidenten, dem Chefpräsidenten 
des Appellationsgerichts und deren Stellvertretern persönlich, den 
übrigen durch Karte "^). 

Zu 4. Das würde von dem Verhalten Ledochowskis abhängen. 

Zu 5 und 6. Die Regierung müsse unter allen Umständen an 
der Nomination des Dr. Richter als Domprobst zu Posten fest- 
halten. 

Ledochowski zeigte [ich über das Entgegenkommen der preu- 
ßischen Regierung erfreut und trug auch wegen des Falles Richter 
keine Empfindlichkeit zur Schau-''). Richter selbst hatte nach 
seiner dienstlichen Anwesenheit in Berlin einen längeren Erholungs- 
urlaub genommen und diesen auch auf Mühlers Wunsch ^'') nach 
Brüssel ausgedehnt, um sich Ledochowski perfönlich vorzustellen. 
Nach Balans Bericht -®) war diese Unterredung zur beiderseitigen 
Zufriedenheit ausgefallen. 



B. Die Praeconisierung am 8, Januar 1866. 

Da die Wahl Ledochowskis von langer Hand vorbereitet und 
von Pius IX. selber gewünscht war, so war nach der Wahl der 
Domkapitel alles übrige nur Formsache, imd der Informations- 
prozeß erübrigte fich. Am 6. Januar 1866 wurde die Wahl vom 



1864 gestorben, zu seinem Nachfolger war der Biscliof von Osnabrück Paulus 
Melchers ernannt worden, der mit Ledochowski zusammen am 8. I. 1866 in 
Rom präkonisiert wurde. Arnim an Bism.arck, 9. I. 1866. Akten K. M. 2. 

25) Der König hielt diese Art der Besuchsregelung für zu weit gehend 
und sprach sich dahin aus, daß der Erzbischof nur dem kommandierenden 
General und dem Oberpräsidenten den ersten Besuch zu machen habe, von 
den übrigen aber den ersten Besuch erwarten könne. (Bismarck an Mühler, 
39. I. 1866 Ebenda.) 

26) Balan an Bismarck, 9. I. 1866. Ebenda. 

27) Mühler an Bismarck, 27. I. 1866. Akten K. M. • Ebenda. 

28) Balan an Bismarck, 31. I. 1866. Ebenda. 



— 134 — 

Papst bestätigt^*). Am 8. Januar wurde Ledochowski ^'') in feier- 
licher Weise vom Papst als Erzbischof von Gnesen-Posen prae- 
conisiert ^^) , mit ihm zugleich der Patriarch von Konstantinopel, 
die Erzbischöfe Bienvenu. Monzony Martin von Gi-enada und Paul 
Melchers von Köln, sowie 10 Bischöfe ^^). Den Namen Ledo- 
chowskis nannte der Papst von allen Bischöfen an erster Stelle un- 
mittelbar nach dem des Patriarchen ^•''•) . 

Kurz darauf ernannte Pius IX. den nunmehrigen Erzbischof 
zum außerordentlichen Gesandten (Legatus a latere) , um dem neuen 
König der Belgier Leopold II. die Glückwünsche des Papstes zu 
dessen Thronbesteigung auszusprechen ^*) . Daraufhin begab sich 
Ledochowski nach Rom, um hier während der Monate Februar und 
März dem Papst über die Verhältnisse in Belgien zu berichten und 
von ihm Instruktionen für seinen neuen Posten entgegenzu- 
nehmen ^°) . 

C. Die plötzlich auftauchende Primasfrage, 

So schienen durch die Wahl und die Präkonisation Ledo- 
chowskis alle anfänglichen Schwierigkeiten beseitigt, als plötzlich 
in die Angelegenheit ein neues Moment herein kam, das die Mög- 
lichkeit zu ernsten Verwicklungen in sich trug. 

In der Debatte über die Anerkennung des Königreichs Italien 
am 22. Juli 1862 im Preußischen Abgeordnetenhause hatte der Ab- 
geordnete \'irchow zur Sprache gebracht ^^) , daß der von seiner 
Romreise heimgekehrte Erzbischof v. Przyluski sich in einer öffent- 



29) Veröffentlicht in der Zeitung Pygodnik Katolicki vom 16. IL 1866. 

30) Ledochowski war bei dieser Feier nicht in Rom anwesend, was 
daraus hervorgeht, daß Balan ihm am 6. I. in Brüssel einen Besuch macht 
und in seinem Schreiben vom 9. I. 66 an Bismarck (Akten K. M. 2) nichts 
von einer Abreise erwähnt. 

31) Telegramm Arnim an Bismarck, Rom 9. I. 1866. Akten K. M. 3. 

32) Deutschlands Episkopat in Lebensbildern, Bd. IL Heft I, S. 13. 

33) Ebenda S. 14. 

34) Ebenda S. 14. 

35) Balan an Bismarck Brüssel 29. XII. 1865. Akten K. M. 3. 

36) Stenographische Berichte. IL Band vom 15. Juli bis 13. August 
1862. S. 732. 



— 135 — 

liehen Rede als Primas des polnischen Reiches geriert und von 
diesem Gesichtspunkte aus seine Mission nach Rom dargestellt 
habe. 

lieber die Frage des polnischen Primats "') steht soviel fest, 
daß er sich zeitlich nach dem Metropolitanat entwickelt hat. Wäh- 
rend diese Würde schon früh aus der römischen Provinzeinteilung 
herauswuchs, historisch begründet und notwendig war, hat der 
Primat von Anfang an einen nationalen Einschlag. Diese beson- 
dere Note scheint seine Aufnahme in die kirchlich-universelle 
Hierarchie verhindert zu haben. Denn ebenso wie der Papst 
fürchten konnte, daß eine derartige Stellung die Möglichkeit der 
Entwicklung eines Nationalkirchentums zuließ ^*) , ebenso wenig 
angenehm konnte es den Erzbischöfen sein, daß sich zwischen sie 
und den Stellvertreter Gottes auf Erden eine neue Instanz ihrer 
eigenen engeren Heimat schob. Ein weiterer Grund endlich, der 
die Dauereinrichtung und hierarchische Einordnung des Primats 
verhinderte, war die geographische Ijnkenntnis, die im Mittelalter 
in Rom über Mitteleuropa bestand ^°) . 

Auf dem Konzil zu Konstanz 1415/16 war der Erzbischof von 
Gnesen als Primas Poloniae et Magni Ducatus Lituaniae anerkannt 
worden. Diese Würde war ihm von Papst Leo X. auf dem ö. 



37) Ueber die Primasfrage haben gehandelt: 

a) Hinschius, Kirchenrecht I. 

b) Laspeyres, Geschichte der katholischen Kirche Preußens 1. 

c) Weihbischof Likowski in Wetzer und Weites Kirchenlexikon. 

d) Herzog-Hauck, Realenzyklopädie für protestantische Theologie und 
Kirche. 3. Auflage. Bd. XIV. S. 657 f. 

e) R. G. G. 1913, Band IV, S. 1842. 

Vergl. ferner die Reden der Abgeordneten Kantack und v. Jazdzewski im Ab- 
geordnetenhaus vom 24. II. und 22. IV. 1885 (Stenographische Berichte 
Spalte 633, 638 und 1490). Eine umfassende, wissenschaftliche Untersuchung 
über den Primat in der abendländischen Kirche fehlt noch. 

38) Vergi. das Streben Adalberts von Bremen, der allerdings das Ziel 
als Patriarch und nicht als Primas anstrebte. 

39) So wurde der Erzbischof von Mainz zum Primas in tota Germania 
et GaJha ernannt, der Erzbischof von Trier erhielt ein Vortrittsrecht inter 
aiios pontifices in Gallia et Germania, der Erzbischof von Magdeburg ein 
gleiches Recht hinsichtlich der Erzbischöfe p. p. qui in Germania sunt und 
der Erzbischof von Cöln endlich die Zusicherung, sub nullo primatu zu stehen. 



— 136 — 

Laterankonzil durch Bulle vom 11. luli 1515 bestätigt worden. Das 
Recht, die Kardinalstracht, wenn auch ohne Hut zu tragen, erwirkte 
als erster, allerdings nur für sich selbst, der Erzbischof Christoph 
Szembek (1738 — 1747) .im Jahre 1741. Seinem Nachfolger 
Adam Komorowski (1747 — 1759) und dessen Nachfolgern als Erz- 
bischof und Primas von Gnesen wurde von Papst Benedikt XIV. 
auf Ansuchen des Königs August ITT. durch ein unter dem 22. IX; 
1750 erlassenes Breve das Recht verliehen, den Purpur und alle 
Teile -der Kardinals-Kleidung mit Ausnahme des Hutes zu tragen 
und zwar zu jeder Jahres- und Tageszeit und an ]edem Ort*"). 

Neben diesem kirchlichen Primat nahmen die Gnesener Erz- 
bischöfe auch schon früh einen politischen Primat iür sich in An- 
spruch, der allmählich staatsrechtliche Bedeutung erhielt. Bald 
nach dem Konzil von Konstanz (1450) ist der Erzbischof 
Nikolaus Kurowski bereits Vertreter des Königs, als dieser auf 
einem Feldzuge außer Landes ist. Die Blütezeit des Primats waren 
die Jahrhunderte des polnischen Wahlkönigtums. Wie der Erz- 
bischof von Mainz die Fürsten des deutschen Reiches zur Kaiser- 
wahl zusammenrief und während des Interregnums als Kanzler die 
Regierungsgeschäfte versah, so hob sich der Primas von Polen bald 
zu der Würde eines Vicarius regni, der die Wahl ausschrieb und 
zugleich den Gewählten krönte. Während dieser ganzen Zeit war 
der Primas von Gnesen als jedesmaliger Interrex der feste Punkt, 
w^ährend die Könige wechselten. So war es verständlich, daß der 
Papst diese politische Machtfülle auch mit seinem Purpur umgab. 

In dem Augenblick aber, als das Wahlkönigtum durch eine erb- 
liche Monarchie abgelöst wurde, als also nach menschlichem Er- 
messen ein Interregnum nicht mehr eintreten konnte, mußte der 
Primat seine wesentlichste Bedeutung verlieren. Dies trat ein durch 
die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791. Dieser Zustand sollte 
nur 4 Jahre dauern. 

Durch die dritte Teilung Polens wurde der Primat von Gnesen 
völiig bedeutungslos. Immerhin war ein so großer Teil Polens an 
Preußen gekommen, daß Friedrich Wilhelm IL dem Erzbischof von 



. 40) Vergl. polnische Zeitung Dziennik poznanski Nr. 27 vom 18. Fe- 
bruar 1S66. 



— 137 — 

Gnesen den Fürstentitel zuerkannte *^) , aber aus der Auffassung 
heraus, daß „die Fürstenwürde ursprünglich das Aggregat des erz- 
bischöflichen Amtes, nicht aber der Primatie gewesen sei"*^). Die 
Gnesener Erzbischöfe haben den Primat über Russisch-Polen zu 
jener Zeit auch nicht mehr ausgeübt*^). 

Eine wie geringe Bedeutung die preußische Regierung dem 
Primat beilegte oder wie wenig sie über die Vorgänge in dieser für 
Polen wichtigen Frage Bescheid wußte, zeigt die Tatsache, daß der 
Kultusminister am 9. März -1829 bei der Ueberführung der Ueber- 
reste des am 14. März 1801 in Berlin verstorbenen und in der 
Hedwigskirche beigesetzten Erzbischofs v. Krasicki nach Gnesen 
diesen in dem Eeichenpaß als „Erzbischof tmd F'ürst-Primas" be- 
zeichnete **) . 

Als jedoch der Erzbischof v. Wolicki kurz darauf an den 
König ein Gesuch um Weiterführung des Furstentitels richtete, er- 
hielt er eine ablehnende Antwort. An den Oberpräsidenten von 
Posen erließ der König die folgende Allerhöchste Kabinetts- 
Ordre*'). 

„Durch die Verleihungsurkunde Meines in Gott ruhenden 
Herrn Vaters Majestät vom 23. IV. 1795 ist dem damaligen Erz- 
bistum Gnesen und dem jedesmaligen Erzbischof die Fürsten- 
würde, die von ihm als Primas des Königreichs Polen geführt 
und mit der Auflösung des polnischen Reiches von selbst er- 
loschen war, als neue Bevorrechtung des neuen Landesherrn 
wiederum beigelegt worden. Die Ereignisse der späteren Jahre 
haben auch die Auflösung des Erzbistums Gnesen nach sich ge- 
zogen und mit derselben haben die Verleihungen aus der Urkunde 
vom 23. IV. 1795 aufgehört. Bei der neuen Stiftung des Erz- 
bistums Posen und dessen durch die päpstliche Bulle vom 16. 
VII. 1821 unter Meiner Genehmigimg erfolgten Vereinigamg mit 



dl) Allerhöchstes Patent vom 23. April 179Ö. 
■ 42) Pubiikattonen aus preußischen Staatsarchiven, Band 77. S. 347. 
43) Vergl. Bericht der Dornänenkammer zu Bialystock an das neuost- 
oreußische Departement vom 19. März 1800. Publikationen aus preußischen 
Staatsarchiven, Band 76, S. 246 und S. 265. 

44) In Akten K. M. 6. — G, 348 vom 9. März 1829. 
45) In Akten K. M. 7. — Nr. 8521 vom 12. Mai 1829; 



-- 138 — 

den noch übrigen Teilen des Erzbistums Gnesen, habe Ich unter 
Berücksichtigung der bei Wiederbesetzung der Bistümer in Meinem 
Staaten im allgememen beobachteten Grundsätze die Verhältnisse 
nicht dazu angetan gefunden, dem in seinem früheren Diözesan- 
l'm lange und in der vormaligen Dotation wesentlich vermin- 
derten erzbischöflichen Stuhle die Fürstenwürde von neuem zu 
erteilen. Jcli trage Ihnen auf. diese Meine Bestimmung, daß die 
l'"ürstenwürde mit dem Erzbistum Posen und Gnesen nicht ver- 
knüpft sei. sowohl den Domkapiteln zu Posen und Gnesen als 
den sämtlichen Behörden der Provinz zu eröffnen, um sich 
danach zu achten. Dem Erzbischof von Wolicki, sowie dem 
Statthalter Herrn Fürsten Radziwill habe ich von meinem Ent- 
schluß besonders Kenntnis gegeben." 

So war dem Primat politisch nicht nur jede Bedeutung ge- 
nommen, sondern es war auch als staatsrechtlich abgeschafft an- 
zusehen. 

Aber auch die kirchlichen Grundlagen zur Weiterführung des 
Titels eines Primas von Polen waren dem Erzbischof von Gnesen 
und zwar durch den Papst selbst entzogen worden. Durch die 
Breven vom 6. X. 1818 und 30. II. 1819 hatte Pius VII. dem Erz- 
bischof von Warschau, zu dessen Erzdiözese der weitaus größte 
Teil des ehemaligen Königreichs Polen gehörte, den Titel eines 
Primas regni Poloniae zugleich mit dem Recht der Kardinalsklei- 
dung (ohne Hut) verliehen, nachdem Kaiser Franz bereits am 13. 
II. 1817 mit offenbarer Einwilligung des Papstes den Erzbischof 
von Lemberg zum Primas von Galizien und Lodomirien erhoben 
hatte. 

Es war klar, daß ein Recht zur Führung des Titels eines 
Primas von Polen für den Erzbischof v. Przyluski schlechterdings 
nicht bestand. Immerhin konnte diese Würde wirken, gleichgültig 
ob sie Staats- oder kirchenrechtlich begründet war oder nicht, wie 
eine nationale Fanfare oder Parole, und es war angebracht, daß die 
Regierung hier ihre Augen offen hielt. 

Kaum war die Wahl und Präkonisation Ledochowskis Tat- 
sache geworden, als sich die polnisch-nationalen Zeitungen sowohl 
wie Führer beeilten, den neuen Erzbischof, den sie bisher zum Teil 
scharf abgelehnt hatten, mit dessen Ernennung sie sich nun aber 



— 139 — 

abfinden mußten, dadurch auf ihre Seite zu ziehen, daß sie den 
polnischen Primat wieder zu beleben versuchten und auf dem Um- 
weg über diese Würde eines Interrex den als Grand Seigneur be- 
kannten Kirchenfürsten ihren Zwecken dienstbar zu machen hofften. 
Mühler versuchte diesen polnischen Wühlereien gegenüber dadurch 
die Spitze abzubrechen, daß er auf dem Wege über Bismarck und 
Arnim den Papst selbst dahin zu bringen versuchte, Ledochowski 
von vornherein vor derartigen Ambitionen zu warnen. Am 26. T. 
1866 richtete er an den preußischen Ministerpräsidenten das nach- 
folgende Schreiben *") : 

,,Der Rückblick auf die an die Reise des verstorbenen Erz- 
bischofs V. Przyluski nach Rom im Jahre 1862 sich anknüpfen- 
den, für die damalige nationale Bewegung im Großherzogtum 
Posen bedeutungsvollen Ereignisse veranlaßt mich, im gegen- 
wärtigen Augenblick, wo die Einsetzung des neuen Erzbischofs 
von Gnesen-Poscn Graf Eedochowski nahe bevorsteht. Euer 
Excellenz geneigte Unterstützung in Bezug auf einen Gegenstand 
ganz ergebenst in Anspruch zu nehmen, rücksichtlich dessen die 
vollste Klarheit zwischen Seiner Majestät Regierung und dem 
künftigen Erzbischof vorhanden sein muß, wenn anders die 
Wirksamkeit des letzteren für Staat und Kirche zum Segen ge- 
reichen soll. Aus den diesseitigen, an Euer Excellenz Herrn 
Amtsvorgänger gerichteten amtlichen Mitteilungen vom 10. und 
14. Juni und vom 5. 12. und 31. Juli 1862 betreffend die Reise 
des Erzbischofs v. Przyluski nach Rom, seinen Aufenthalt in 
Paris auf der Heimreise und seinen nach erfolgter Rückkehr ge- 
haltenen feierlichen Einzug in Posen und Gnesen und aus den 
diesen Mitteilungen abschriftlich beigefügten Referaten pol- 
nischer Tagesblätter ergibt sich, daß damals die polnische 
Aktionspartei lebhaft beflissen war, den gedachten Prälaten in 
seiner Eigenschaft als Erzbischof von Gnesen als den Primas 
des polnischen Reiches hinzustellen und das derselbe sich seit dem 
Antritt der römischen Reise sowohl durch seine eigenen Aeuße- 
rungen als auch durch Annahme ihm gleichsam als Oberhaupt 
und Repräsentanten der gesamten polnischen Nation — als Inter- 
rex im Sinne der altpolnischen Staatsverfassung — dargebrachter 



46") Mühler an Bismarck, 26. Januar 1866. Akten K. M. 3. 



— 140 — 

Ovationen auch selbst geriert hat. Wenn schon die bloße Passi- 
vität der kirchlichen Autorität gegenüber den regierungsfeind- 
lichen Bestrebungen der polnischen Insurrektionspartei von der 
Kgl. Regierung als höchst bedenklich hätte angesehen werden 
müssen, indem sie als Ermunterung dieser Bestrebungen auf- 
gefaßt werden korinte, so läßt sich leicht bemessen, wie sehr die 
Exaltation der Gemüter durch eine aktive Parteinahme von so 
tendenziöser Art gesteigert und in wie hohem Grade dadurch die 
Interessen des preußischen Staates gefährdet wurden. Es muß 
daher das ernsthafte Bestreben der Kgl. Regierung sein, die 
Wiederkelir ähnlicher Vorgänge zu verhüten. 

Nach den mir durch Euer Excellenz geneigte Vermittlung 
zugegangenen gesandtschaftlichen Mitteilungen über die Ge- 
sinnungen und Auffassungen des Erzbischofs Msg. Ledochowski 
darf nun zwar zu seiner Loyalität Vertrauen und die Hoffnung 
gehegt werden, daß derselbe, so wie er das nationale und kirch- 
liche Moment zu trennen ernstlich gesonnen ist, sich auch nicht 
als Repräsentanten kirchlich politischer Traditionen des ehe- 
maligen polnischen Reiches betrachten werde, welche mit den 
Zuständen der Gegenwart unverträglich sind. Allein es hieße 
gleichwohl sich einer Illusion hingeben, wollte man die Primas- 
idee durch die Besteigung des erzbischöflichen Stuhles von 
Gnesen-Posen seitens des Msg. Ledochowski als von selbst be- 
seitigt betrachten. Die nationale Partei wird, wie auch die 
Manifestationen der ihr dienstbaren Presse erkennen lassen, un- 
zweideutig fortfahren, in dem Erzbischof nicht blos den kirch- 
lichen Oberhirten der Erzdiözese Posen-Gnesen zu erblicken, son- 
dern ihn auch als den Primas und den Repräsentanten der ge- 
samten polnischen Nation hinstellen zu suchen und keine Ge- 
legenheit unbenutzt lassen, die Sympathie des Msgr. Ledochowski 
für diese Anschauung zu gewinnen. Es ist darum von Wichtig- 
keit, daß Msgr. Ledochowski womöglich von Seiten des römischen 
PTofes selbst in angemessener Weise darüber verständigt werde, 
wie die Kgl. Regierung im Hinblick auf alle ihm als einem hohen 
kirchlichen Würdenträger im Voraus gegebenen Beweise rück- 
sichtsvoller Zuvorkommenheit und unbedingten Vertrauens zu er- 
warten berechtigt ist, daß er sich unter allen LTmständen nicht 



— 141 — 

-■•nur selbst unter Zurückweisung- aller politisch nationalen Hinter- 
gedanken lediglich innerhalb der Grenzen des ihm als Erzbischof 
. von Gnesen-Posen zustehenden kirchlichen und oberkirchlichen 
Berufes halte, sondern auch etwaigen von national polnischer Seite 
-ausgehenden Bestrebungen zu dem Zwecke, seine Person als den 
Primas von Polen und politischen Repräsentanten der polnischen 
Nation darzustellen und zu ehren von vornherein mit entschie- 
denem Ernst entgegentreten werde. 

Euer Excellenz stelle ich hiermit mit Rücksicht auf die be- 
vorstehende Abreise des Msgr. Ledochowski nach Rom ganz er- 
gebenst anheim, durch den Kgl. Gesandten bei dem römischen 
• Hofe darauf hinwirken zu wollen, daß dem Msgr. Ledochowski 
vor seinem Abgange in die ihm anvertraute Erzdiözese in Bezug 
auf den vorstehend angeregten Punkt eine entsprechende Wei- 
sung erteilt werde. 

Von dem Resultate dieser Vermittlung ersuche ich Euer 
Excellenz ganz ergebenst mir gefälligst Kenntnis geben zu 
wollen" ^^). 

Bismarck erließ daraufhin sofort eine Anweisung an Arnim, 
bei der Kurie entsprechend vorstellig zu werden. 

Unterdessen ging jedoch die polnische Propaganda w^eiter. 
Am 2. II. 1866 hielt der mehrfach erwähnte Probst Prusinowski 
im Palais der Gräfin Dzialynska in Posen einen Vortrag über 
Rechte und Stellung des Primas von Polen *^) . Aehnlich wurde in 
der gesamten polnischen Presse und von den Parteiführern vor- 
gegangen *^) . 

Selbst außerhalb Preußens wurde man jetzt auf die Gefahr auf- 
merksam, die die Doppelstellung eines preußischen Erzbischofs und 
eines polnischen Interrex im Schöße barg. So schrieb die All- 
gemeine Zeitung in Augsburg am 1. März 1866 in Nr. 60: 



47) Dieser Bericht ist eine Illustration zu dem Worte Arnims in seiner 
Broschüre „Der Nuntius kommt" S. 7: ,.Es gehört ein robuster Glaube an 
höfliche Gemeinplätze dazu, der Kurie in allem zu glauben." 

48) Bericht des Posener Polizeipräsidenten v. Bärensprung an Hörn 
vom 5. II. 181)6. In Akten K. M. 3. 

49) iiorn übersendet am 6. 3. 66 an den Minister des Innern Grafen 
Eulenburg eine Anzahl derartiger Berichte und macht dem Kultusminister 
hiervon Mitteilung. Akten K. M. 3. . 



— 142 — 

,. Posen 26. IL 66. Wie es den Anschein hat, dürfte die Er- 
nennung des Grafen Ledochowski zum Erzbischof von Posen 
und Gnesen noch zu ernsten Verwicklungen führen. Mit dieser 
Stellung war nämlich in altpolnischen Zeiten die Würde eines 
Primas von Polen verbunden und der Heilige Vater soll nun, 
wie polnische Blätter von kompetenter Seite versichern, die Ab- 
sicht haben, dem Erzbischof Grafen Ledochowski, wenn auch 
nicht die politischen, so doch die kirchlichen Rechte, welche der 
Primas von Polen früher besaß und welche in einer Oberaufsicht 
über die polnische Kirche bestanden, wieder zu verleihen. Von 
unserer polnischen Presse Averden bereits die Rechte des Primas 
mit großer Genauigkeit nachgewiesen, und der Dziennik 
Poznanski berichtet heute, daß er berechtigt sei, den Purpur und 
alle Teile der Kardinalskleidung mit alleiniger Ausnahme des 
Huts zu tragen. Vom Grafen Ledochowski, der gegenwärtig in 
Rom weilt, ist an das hiesige Domkapitel die Nachricht ein- 
gegangen, daß er vom Heiligen Vater mit sehr wichtigen Ar- 
beiten betraut sei und daher die Verwaltung der ihm anvertrauten 
Erzdiözese schwerlich vor Mitte Mai werde übernehmen können. 
Wie man hier wissen will, bestehen diese Arbeiten in der Aus- 
arbeitung einer ausführlichen Denkschrift über die gegenwärtige 
Lage des Katholisizmus in den dem russischen Zepter unter- 
worfenen ehemals polnischen Landesteilen. Diese Denkschrift 
soll an alle katholischen Höfe übersandt werden, um sie zu einer 
ähnlichen Kundgebung zu Gunsten der russisch-polnischen 
Katholiken zu veranlassen. Rücksichtlich der oben berührten 
Rechte eines Primas der polnischen Kirche fragt sich nun, ob die 
preußische Regierung ein Uebergreifen in fremde staatliche Ver- 
hältnisse zulassen werde.'' Daß die russische Regierung allen 
derartigen Versuchen auf das entschiedenste entgegentreten 
werde, unterliegt Avohl keinem Zweifel. Die beiden Domkapitel 
von Posen und Gnesen haben ein sehr belobendes Schreiben über 
die Wahl des Grafen Ledochowski vom Heiligen Vater erhalten." 
Weitere Beunruhigung brachte ein aus Marseille stammendes 
Telegramm der Independence Beige vom 7. April 1866°"), das fol- 
genden Wortlaut hatte: 



50) In Akten K. M. 3. 



— 143 — 

,,Marseille 6. April. Nach Nachrichten aus Rom vom 4. 
d. M. ist der Erzbischof von Posen und Gnesen und Primas von 
Polen Graf Miecislaus v. Ledochowski versehen mit Instruk- 
tionen für alle polnischen Landesteile von dort nach Preußen 
abgereist." 
und das von der Posener Zeitung Dziennik Poznanski vom 
31. April 1866 wie folgt ergänzt wurde: 

„Ein uns aus Rom zugegangener Brief . . . bestätigt die in 
dem Telegramm aus Marseille mitgeteilte Nachricht, daß in der 
Tat der Heilige Vater angesichts der Lage der Katholischen 
Kirche in Polen dem Erzbischof von Gnesen die Obhut über die 
Gläubigen in allen Provinzen der ehemaligen Republik über- 
tragen und ihn mit entsprechenden Vollmachten versehen hat. 

Außerdem hat Pius IX. dem Grafen Miecislaus Ledochowski 
als Symbol jener Oberhoheit über die polnische Kirche, welche 
ehemals unsern Primassen zustand, ein schätzenswertes An- 
denken überreicht, wie es bis jetzt noch kein Bischof aus den 
Händen des Heiligen Vaters empfangen hat." 

Es war dies ,,eine goldene Kette mit einem Pektoralkreuz, 
welche von dem Erzbischof von Turin Franzoni, dem ersten Opfer 
der unseligen italienischen Einheit, dem ersten für die Verteidigung 
seiner Herde von dem revolutionären Piemont verbannten Ober- 
hirten stammten. ' Die Katholiken der ganzen Welt hatten ihm 
diese Kette' samt Brustkreuz verehrt, welche, nachdem er in der 
Verbannung gestorben, von der Familie des mutigen Prälaten dem 
Papst übergeben wurden. Gleichsam in Voraussicht dessen, was 
heute (geschrieben 1874, als Ledochowski in Ostrowo im Gefängnis 
saß) zur Wahrheit werden zu sollen scheint, schmückte damals 
Pius XL den zukünftigen Bekenner mit den Insignien des kurz zu- 
vor von Gott gekrönten Bekenners" ^^) . 

Hörn war durch alle diese Nachrichten in so große Sorge ver- 
setzt, daß er seinerseits zu den schärfsten Gegenmaßnahmen ent- 
schlossen war. So schreibt er am 14. April 1866 °^) an Mühler, in 
Posen ginge das Gerücht, der Erzbischof wolle dort zwei fremd- 
ländische Geistliche anstellen. Würde das stimmen, so sähe er sich 



51) Deutschlands Episkopat Band II. A. a. O. S. 14. 
52^ In Akten K. M. 3. 



— 144 — 

in die Lage versetzt, sie auszuweisen. Er empfehle dem Minister, 
Ledochowski hierauf rechtzeitig aufmerksam zu machen. 

In Berlin war man jedoch schon durch die Antwort Arnims an 
Bismarck "^) beruhigt worden, noch mehr aber durch die ge- 
winnende Persönlichkeit Ledochowskis selbst, als dieser im April 
zum Zwecke seiner Vereidigung in Berlin eingetroffen war. Mühler 
habe, so schreibt er an Horn°*), persönlich mit Ledochowski ge- 
sprochen. Er habe alles über das Primat sowie über das dieserhalb 
verliehene päpstliche Andenken in Abrede gestellt. Der Papst habe 
ihm nur ein wertvolles Bischofskreuz geschenkt, aber nicht als 
Symbol der Primatialhoheit, sondern lediglich als Zeichen seiner 
persönlichen Zuneigung. ^ 

In seltsamem Gegensatz zu diesen Aeußerungen Antonellis und 
Ledochowskis steht die Tatsache, daß der Erzbischof bereits drei 
Jahre später '°) vom Papst als Primas von Polen anerkannt 
wurde '''') , wenn auch diese päpstliche Bestätigung zunächst geheim 
gehalten wurde "'^) . Erst nach seiner Haftentlassung und nachdem 



53) Arnim an Bismai-ck 3. IV. 1866. Er habe mit Antonelli gesprochen. 
Dieser scheine garnicht zu wissen, daß der Erzbischof von Posen früher den 
Primat über Polen besessen. Daß jetzt von Seiten der Polen an die Erneue- 
rung dieses Instituts in irgend einer Form gedacht werde, erscheine ihm als 
eine ganz unsinnige Erfindung der Zeitungsschreiber. In Akten K. M. 3. 

54) Mühler an Hörn, 20. IV. 1866. In Akten K M. 3. 

55) In dem amtlichen Verzeichnis der bei der Eröffnung des Vatikani- 
schen Konzils am 18. IX. 1869 zugegengewesenen Eärchenoberen wird Ledo- 
chowski an zweiter Stelle unter den 4 Primaten (von Salzbürg, Tarragona. 
Gran und Gnesen) aufgeführt was die Germania (Nr. 52 Blatt 1) vom 5. IN. 
1885 als kuriale Kourtoisie mit Rücksicht auf die geschichtliche Tradition 
Gnesens auslegt. 

56) In Deutschlands Episkopat a. a. O., S. 40 wird sogar direkt be- 
hauptet, daß Ledochowski den Titel eines Primas von Polen bereits seit 1866 
geführt habe, ohne daß man staatlicherseits daran Anstoß nahm. 

57) Am 7. III. 1872 legte Bismarck dem Kaiser folgenden Bericht vor 
(enthalten in Akten Z. K 1). 

„Ew. K u. K. Majestät beehre ich mich in Veranlassung von Seiten 
des Geh. Kab. Rats v. Wilmowski auf Allerhöchstdero Befehl an den Mi- 
nister der geistlichen Angelegenheiten Dr. Falk gerichteten und von diesem 
mir mitgeteilten Anfragen Alleruntänigst /,u melden, daß aus den jüngst bei 
dem Domherrn v. Kozmian in Beschlag genommenen Papieren allerdings 
hervorzugehen scheint, daß der Erzbischof Graf Ledochowski seit dem letzten 



— 145 — 

er Deutschland verlassen, bekennt Ledochowski sich offen als 
Primas von Polen"**). 

B. Die Vereidigung des neuen Erzbischofs vor dem 
König von Preußen in Berlin am 14. April 1866. 

Trotz all der auftauchenden Gerüchte und Bedenken legte der 
Kultusminister am 12. März 1866 dem König die Bestätigungs- 
urkunde für den Erzbischof vor, die am Tage darauf vollzogen 
wurde °°) . 

Anfang April verließ Ledochowski Rom und begab sich nach 
Berlin, wo er am Sonnabend, den 14. April, zusammen mit dem 
neu ernannten Erzbischof Dr. Melchers von Köln dem König von 
Preußen den Eid leistete °*') . Bei allen Persönlichkeiten, mit denen 



vatikanischen Conzil als Primas von Polen vom Papst anerkannt ist und die 
.Rechte eines solchen, im besonderen auch den russisch-polnischen Bischöfen 
gegenüber, ausgeübt hat. 

Da die Zalil der in Beschlag genommenen Papiere sehr bedeutend ist. 
auch die betreffende Correspondenz teils in Chiffern und sonst m 7 Sprachen 
gefülirt worden ist, sc ist es bis heute noch nicht möglich gewesen eine 
genaue und erschöpfende Uebersicht über den Inhalt derselben zu gewinnen 
und muß ich mir deshalb ehrfurchtsvoll vorbehalten, Ew. K. u. K. Majestät, 
iobald die Durchsicht beendet ist, einen Vortrag zu halten. 

Die geheime Korrespondenz des Erzbischofs Graf Ledochowski mit Rom 
bezüglich der russisch-polnischen Bischöfe ist durch Vermittlung der Fürstin 
Odescalchi geb. Gräfin Branicka geführt worden. 

Nach altem polnischem Staatsrecht ist die Stellung des Primas von 
Polen für den Fall und die Zeit der Vakanz des polnischen Thrones mit den 
Rechten und Funlctionen des Königtums bekleidet." 

58) So nennt Ledochowski sich in einem von der Kölnischen Volks- 
Zeitung vom 23. XL 1880 mitgeteilten Schreiben, das sich auf den Tod des 
Prälaten v. Kozmian bezieht Kardinal und Primas. Ferner unterzeichnete er 
sein Schreiben vom 18. VIL 1881 (siehe Krakau'er Czas vom 24. VIL 1881) 
an das Comite in Lemberg, das aus Anlaß der slawischen Pilgerfahrt an ihn 
eine Adresse gerichtet hatte, mit: 

Kardinal M. Ledochowski 
Erzbischof von Gnesen und Posen 
und Primas von Polen. 

59) Al<ten Z. K. 1. 

60) Der Hergang ist im Kgl. preußischen Staatsanzeiger vom 12. IV. 
1866 ausführlich abgedruckt. S. Anlage 7. 

10 



— 146 — 

er in Berlin in Berührung kam, hinterließ er dank seiner Liebens- 
würdigkeit, Sicherheit und Gewandtheit den besten Eindruck. Am 
Tage vor Ledochowskis Abreise nach Posen faßte der Kultus- 
minister sein Urteil über ihn in folgendem Privat-Briefe an Hörn 
zusammen *'^) : 

,,Der Erzbischof Graf Ledochowski verläßt Morgen früh 
Berlin und trifft Nachmittags in Posen ein. Sein persönliches 
Erscheinen hat hier einen vorteilhaften Eindruck hervorgebracht 
und zurückgelassen. Er ist ein Mann von feinem Benehmen, um- 
fassender Bildung und entschiedenem Charakter. Den Interessen 
seiner Kirche treu ergeben, w i r d '^-) er dieselben überall mit 
Umsicht und Festigkeit wahrnehmen. Sittlichen Verirrungen 
des Clerus wird ®^) er mit Ernst entgegentreten. In politischer 
Beziehung w i r d ^^) er die von ihm eidlich gelobten Pflichten 
mit Gewissenhaftigkeit erfüllen, revolutionären Bestrebungen 
Widerstand leisten, die Gemüter dem Gouvernement wieder 
näher zu bringen suchen. Den Katholiken deutscher Abkunft 
will ^'^) er mit gleicher Liebe und PHirsorge zugewendet sein, 
wie den polnischen. Er erkennt, daß seine Aufgabe eine schwie- 
rige ist und daß sie Zeit, Geduld und nachhaltige Festigkeit er- 
fordert. In eine Abhängigkeit von der polnischen Nationalpartei 
wird ''") er nicht geraten. Einem wohlwollenden Entgegen- 
kommen seitens der Regierung, sachlicher Information, gutem 
Rate wird "-) er sich zugänglich erweisen. Das System, wel- 
ches die Regierung ihm gegenüber zu befolgen hat, ist bereits 
in dem eigenhändigen Marginale Seiner Majestät aus Baden vom 
vorigen Herbste, dessen Jnhalt ich B,uer Hochwohlgeboren mit- 
geteilt habe, klar und bestimmt vorgezeichnet. Die hiesige Be- 
gegnung mit dem Erzbischof hat keine Veranlassung gegeben, 
hieiin etwas zu ändern. Es wird ihm Zeit gelassen werden müs- 
sen, sich in der Provinz zu orientieren, Personen und Sachen 
kennen zu lernen. Die einzelnen Fragen, in denen seine Einwir- 
kung erforderlich ist, werden dann ohne vorzeitiges Drängen sich 
von selbst entwickeln. • 



61) Mühlcr 3X1 Hörn, Berlin 23. TV. 1866. Eingegangen Posen 24. IV. 
1866. Original in den F. P. v. H. 

62) Yon Hörn unterstrichen nnd mit einem Fragezeichen versehen. 



— 147 — 

Euer Hochwohlgeboren ^vollen aus diesen Mitteilungen in 
der Kürze die Auffassung entnehmen, welche sich hier über die 
Lage und über die Behandlung derselben gebildet hat. 

(Es folgen Mitteilungen über Ordensauszeichnungen.) 
Euer Hochwohlgeboren 

ganz ergebener 

gez. Y. Mühler.'" 

Kurz zuvor hatte Hom vom Minister des Innern das nach- 
stehende Schreiben erhalten ^^) : 

„Erzbischof Ledochowski ist seit einigen Tagen hier und 
hat nicht bloß auf mich, sondern auf alle, die mit ihm in Berüh- 
rung gekommen sind, den besten Eindruck gemacht. Er ist, 
unter den angenehmsten F'ormen, strenger Katholik aber ich traue 
ihm nicht zu, daß er die Religion zum Deckmantel nationaler Be- 
strebungen machen werde. Offen und gesprächig, hat er den ' 
großen Wunsch, mit Euer Hochwohlgeboren in lebhaften persön- 
lichen Verkehr zu treten: er fürchtet nur, daß die dortigen Zivil- 
und Militärbehörden ihm von vornherein mit Mißtrauen entgegen 
kommen, und sich auch in der Folge büreaukratisch gegen ihn 
verschließen werden. In Bezug auf Euer Hochwohlgeboren habe 
ich ihn beruhigt: ich habe ihm gesagt, daß ich nicht leicht jemand 
kennte, der auf mündliche Verständigung soviel Wert lege als 
Sie, und daß es lediglich seinem Amtsvorgänger zuzuschreiben 
sei, wenn das Verhältnis zwischen Erzbischof und Oberpräsident 
in der letzten Zeit nicht nur gespannt, sondern unerträglich ge- 
worden sei. Er war erfreut, so von Ihnen sprechen zu hören. 

gez. Eulenburg." 
Der König hatte anläßlich der Anwesenheit Ledochowskis In 
Berlin dem Domherrn Zienkiewicz den Kronen-Orden II. Klasse ver- 
liehen, um diesen dafür zu entschädigen, daß er abermals bei der 
Wahl zum Erzbischof übergangen war. 

E. Die Inthronisation in Posen am 24. April 1866. 

Am Nachmittag des 24. April erfolgte unter großer Beteili- 
gung der Bevölkerung der feierliche Einzug Ledochowskis in Posen. 



63) Original in den F. P. v. H. 

10* 



. — 148 — 

Der reich dekorierte sechsspännige Galawagen, dem 80 Equipagen 
folgten, konnte sich nur mit Mühe durch die dicht gedrängten Mas- 
sen und die festlich geschmückten Straßen bewegen ■^*) . In der 
Pfarrkirche verrichtete der Erzbischof ein kurzes Gebet. Von hier 
begab er sich zu Fuß unter Vortritt aller Gewerke mit ihren Fahnen, 
der geistlichen Brüderschaften, der \''ertreter der Stadt *'°) und der 
Spitzen des polnischen Adels in großer Prozession zum Dom, wo 
die feierliche Inthronisation erfolgte. Hieran schloß sich große 
Vorstellung in den Gemächern des erzbischöflichen Palais. Abends 
war ein Teil der Stadt, vorzugsweise die Wallischei, illuminiert*'''). 

Am folgenden Tage machte der Erzbischof dem Oberpräsi- 
denten und dem kommandierenden General seinen offiziellen Be- 
such, der am Nachmittag erwidert wurde '^'). 

Während der neue Erzbischof in Berlin nach allen Seiten hin 
befriedigt hatte, gab sein oder seiner Geistlichen Verhalten in Posen 
bereits bei seinem Eintreffen hier zu Verstimmungen Anlaß. War 
der Grund auch von geringfügiger Art, so zeigte die souveräne Art, 
in der hier über die Landessitten hinweggegangen wurde, doch, daß 
ein intensiver Wille die Verfehlungen des Vorgängers auszuglei- 
chen, nicht vorhanden zu sein schien. Hörn hatte sich mit dem 
Domherrn Grandtke wegen der bei dem großen offiziellen Diner 
auszubringenden Trinksprüche, das die Domkapitel zu Ehren des 
neuen Erzbischofs am 26. April 1866 *"^) gaben, in Verbindung ge- 
setzt, da ihm als obersten Beamten der Provinz das Recht zustand, 
einen der Toaste auszubringen. Darauf erhielt er am 23. April 1866 
das nachstehende Schreiben "") : 



64) Nach dem Bericht der Posener Zeitung vom 26. IV. 1866. 

65) Der Oberpräsident sowie die Behörden und Beamten beteiligten sich 
nicht £n dem Einzug Ledochowskis, da die Feier als eine rein kirchliche an- 
gesehen wurde. Schreiben Horns an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz 
V. Pommer-Esche vom 5. V. 1866. Akten M. d. J. 1. 

66) Preußischer Staatsanzeiger 28. IV. 1866. 

67) Schreiben Horns an Pommer-Esche, a. a. O. 

68) Dei- 25. IV. war preußischer Büß- und ßettag, kam somit nicht 
m Frage. 

69) In den F. P. v. H. 



— 149 — 

„Hochwohlgeborener Herr Oberpräsident! 
Mit Bezugnahme auf den am vorigen Donnerstag dem Dom- 
herrn Grandtke mündlich geäußerten Wunsch beehre Ew. Hoch- 
wohlgeboren ich mich ganz ergebenst mitzuteilen, daß ich in Be- 
treff der Toaste bei dem am 2G. d. M. stattfindenden Diner mich 
mit dem Herrn Erzbischof ins Einvernehmen gesetzt habe, und 
daß hiernach der erste Toast auf den Heiligen Vater und Seine 
Majestät von mir im Namen der Domkapitel als der Gastgeber 
ausgebracht werden wird; den zweiten wird Seine Excellenz der 
Kommandierende General auf den Herrn Erzbischof, den dritten 
aber und letzten Toast der Herr Erzbischof auf das Wohl des 
Domkapitels ausbringen. 

A'Iit vorzüglicher Hochachtung habe ich die Ehre mich zu 
zeichnen 

Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster 
Brzezinski." 
Als Hörn diese Angelegenheit bei dem Kultusminister zur 
Sprache brachte, erhielt er von diesem das nachstellende Schrei- 
ben ™) : 

Berlin den 25. April 1866. 
„Ueber die Ordnung der Trinksprüche bei dem morgen statt- 
findenden Festmahle des Domkapitels ist hier nichts besprochen 
und festgesetzt worden. ISiach unserer Landesgewohnheit wür- 
den wir es hier das Richtigere halten, wenn zunächst das Dom- 
kapitel, als der Festgeber, das Wohl des Königs, dem alle An- 
wesende, Wirthe und Gäste, unterthan sind und unter dessen 
Schutz und Schirm sie leben imd wirken, ausbrächte; dann der 
Ehrengast, der Erzbischof, das Wohl des Papstes, aus dessen 
unmittelbarer Nähe er kommt und zu welchem er und das Dom- 
kapitel in dem besonderen Verhältnisse geistlicher Unterordnung 
stehen; darnach der Ober-Präsident das des Erzbischofs. Das 
Wohl des Domkapitels ließe sich vielleicht an den Spruch für den 
Papst angemessen anschließen, oder auch als besonderer, vierter 
Trinkspruch ausbringen. 

Diese.'' wäre mein Rath. Will der Festgeber, das Dom- 
kapitel, denselben nicht annehmen, sondern den Trinkspruch für 



70) In den F. P. v. H. 



— 150 — 

den König- und den Papst combinieren, so wird es ihm schwer 
werden, den Anstoß zu vermeiden, daß nicht entweder der König 
hinter den Papst, oder der Papst hinter den König zurückge- 
stellt erscheine, während in der von mir vorgeschlagenen .Ord- 
nung nur eine aus den gegebenen Verhältnissen sich natürlich ent- 
wickelnde Aufemanderfolge, ohne jedes PVäjudiz für Würde 
und Ansehn gefunden werden könnte. Es würde mir angenehn? 
sein, wenn das Domkapitel und der Herr Erzbischof sich von der 
Richtigkeit dieser meiner Ansicht zu überzeugen vermöchten. 

Ebenso würde ich es für das Richtige gehalten haben, wenn 
der Trinkspruch zu Ehren des Erzbischofs Euer Hochwohlge- 
boren zugetheilt worden wäre, da Sie als Oberpräsident und 
Königlicher Wahlkommissarius zu dem Erzbischof in unmittel- 
barer amtlicher Beziehung stehen und ihm gegenüber die König- 
liche Staatsregierung vertreten. Wenn aber, wie ich aus den 
wieder zurück erfolgenden Schreiben ersehe, der kommandierende 
General bereits die Aufforderung erhalten hat, das Wohl des. Erz- 
bischofs auszubringen, so wird es dabei sein Bewenden behalten 
müssen und stelle ich als dann anheim, ob nicht Euer Hochwohl- 
geboren bei dem von Ihnen zu veranstaltenden Festmahle das 
W^ohl des Erzbischofs ausbringen und dabei diese amtlichen Re- 
lationen in angemessener Weise berühren wollen, nachdem zuvor, 
auf Ihr Ansuchen, der Erzbischof oder der Kommandierende 
General, das Wohl Seiner Majestät des Königs ausgebracht 
haben wird. 

V. Mühler." 
Da Hörn nach diesem Schreiben an der geplanten Festsetzung 
der Toaste nichts ändern kt)nnte, verlief das Diner wie vorgesehen. 
Nach den beiden Trinksprüchen von Brzezinski und Steinmetz las 
Ledochowski in polnischer und deutscher Sprache einen Toast auf 
die beiden Domkapitel und alle Anwesenden ab. Am 30. April gab 
dann der Oberpräsident zu Ehren des neuen Erzbischofs ein offi- 
zielles Diner zu 106 Gedecken. 

F. Die Amtsübernahme des neuen Erzbischofs. 

Trotz der anfänglichen Alißstimmung gestaltete sich das Ver- 
hältnis zwischen Erzbischof und Oberpräsident zunächst zufrieden- 



— 151 — 

stellend, wenn auch Hörn vom ersten Augenblick an und von da ab 
mit jedem Monat und mit jedem Jahre klarer die anguis m herba 
witterte. Am 5. Mai 186G war Ledochowski drei Stunden bei Hörn 
und auch im kommenden Monat sei es in kleineren Privatgesell- 
schaften, sei es in dienstlichen Angelegenheiten viel mit ihm zusam- 
men. Auch die drei Erlasse, die er am 24. April '^), am 18. Mai ''-) 
und am 21. August 1866 ''^) herausgab, zeigten ebenso wie sein 
Schreiben an Mühler vorn -3. April 1867^*), daß er nicht gewillt 
war, sich von den polnischen Nationalisten ins Schlepptau nehmen 
zu lassen. 

Dabei gelang- es ihm auch in Posen schnell auf Grund seines 
sicheren Benehmens und seiner stattlichen Erscheinung die Men- 
schen für sich zu gewinnen. Zu alledem kam, daß in Berlin „ein 
förmlicher Cult" mit ihm getrieben ■^^) wurde. Daß bei dieser Stel- 
lungnahme des Hofes die katholische Abteilung des Kultusministe- 
riums sich vollkommen auf die Seite Ledochowskis stellte, darf 
nicht Wunder nehmen. Als am 9. September 1866 der Vortragende 
Rat der Abteilung Krätzig zu dienstlichem Besuch in Posen 
anwesend war, erklärte er unumwunden, daß, wenn der Erzbischof 
Polen zu seinen geistlichen Würdenträgern haben wolle, man ihui 
hierin nachgeben müsse '"^') . 

In Berlin waren es in der Hauptsache die Damen, die m schärf- 
ster Weise für Ledochowski Partei nahmen, in erster Linie die 
Königin und Frau v. Mühler. Als Hörn im Oktober 1866 in Berlin 
war, sprach sich nach Horns eigener Aufzeichnung Frau v. Mühler 
geradezu ,, unsinnig" über Ledochowski aus ^') und der König be- 
merkte in der Audienz, die Hörn am 26. bei ihm hatte und in der 
er seine Wahrnehmungen über den Erzbischof vortrug, nur 
lakonisch: „Ja, die Königin!"'^'*). 



71) S. Anlage 8. 

72) S. Anlage 9. 

73) S. Anlage 10. 

74) S. Anlage 11. 

75) Deutsche Revue, Juni — September 1913, S. 51. 

76) Nach Horns eigenen Aufzeichnungen. F. P. v. H. 

77) Nach Horns eigenen Aufzeichnungen. F. P. v. H. 

78) Ebenda. 



— 152 — 

Diese erging sich von Jahr zu Jahr in immer schärferen Aus- 
fällen gegen den Oberpräsidenten. Gerade einen Mann wie Hörn, 
der wenn er auch immer seinen deutschen Standpunkt vertrat, doch 
stets mit Freuden jedes loyale Benehmen eines Polen anerkannte 
und zu Avürdigen wußte, mußten die zahlreichen Schreiben, die er 
von der Gräfin Hacke, der Palastdame der Königin, in den nächsten 
Jahren erhielt, aufs schmerzlichste berühren'^). 

Der weitere Verlauf der Angelegenheit liegt außerhalb des Rah- 
mens dieser Arbeit. Ledochowski war noch nicht drei Jahre Erz- 
bischof von Posen, da hatte er über Hörn gesiegt. Im März 1869 
verlor die Provinz den besten Oberpräsidenten, den sie seit Flott- 
well besessen. Am 6. HI. 1869 wurde Hörn zum Oberpräsidenten 
von Preußen ernannt. 

Bis nach weiteren vier Jahren sich das Blatt abermals gewendet 
hatte. Da schrieb ihm der Minister des Innern *•*) , ob die Minister 
den König bitten dürften, daß er wieder das Oberpräsidium von 
Posen erhielt, da trat der Ministerpräsident Graf Roon für eine 



79) So schreibt diese unter anderem am 15. Mai 1867 aus Coblenz an 
Hörn (in den F. P. v. H.) : 

„Verhelen kann ich Ihnen nicht, Herr Oberpräsident, daß die Königin 
bei dieser schmerzlichen Veranlassung beklagt, daß ihre dem seligen Grafen 
gebührende Anerkennung erst nachträglich zur Sprache kommt, ■ und daß 
lediglich an Ihrem Widerspruch die dem Grafen zugedachte imd v/ohl- 
verdiente Auszeichnung des Titels eines Scliloßhauptmanns von Posen ge- 
scheitert ist. Während es andere Schloßhauptleute von unbewohnten Schlös- 
sern oder Regier ungsgebätiden giebt, wäre diese Titel-Verleihung für die 
Provinz zugleich schmeichelhaft gewesen, und hätte dem Verstorbenen eine 
ihm wohl zu gönnende Freude noch kurz vor seinem Ende bereitet. 

Aber auch in dem sehr billigen Gesuch des Erzbischofs von Gnesen und 
Posen, um das sich I. M. die Königin in Allerhöchst Ihrer nie ermüdenden 
Fürsorge zu Gunsten paritätischer Interessen und nützlicher Anstalten den 
ganzen Winter hindurch bemüht hatte, ist Ihr Widerstand die Veranlassung 
zu einer Vereitlung jener Sache geworden, die dem betreffenden Erzbischof 
gewiß keinen angenehmen Eindruck zurück lassen wird. Je imzuverlässiger 
der polnische Adel und die polnische Geistlichkeit im Allgemeinen, und spe- 
ziell unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen ist, um so zweck- 
mäßiger muß es sein, da wo irgend welche Ausnahms-Fälle oder Rücksicht- 
nahme zu constatieren sind, diese zu Gunsten einer von Oben ausgehenden 
Beschwichtigung und Schonung zu verwenden.'" 

80) Eulenburg an Hörn, 27. I. 1873. F. P. v. H. 



— 153 — 

Jlückversetzung Horns nach Posen ein, da erklärte ihm Bismarck 
persönlich, welche größere Satisfaktion er verlangen könne, als daß 
man das geschehene Unrecht einsehe, und der Kaiser äußerte Hörn 
gegenüber, daß, wenn er nach Posen zurückginge, er von dort um 
Ledochowskis willen nicht wieder versetzt werden würde ''^) . 

Die Verhandlungen zerschlugen sich. Hörn blieb in Königs- 
berg. Der Kulturkampf begann. 



81) Deutsche Revue, a. a. O., S. 50. 



Anlage 1 . 



Schreiben des Papstes P i u s- IX. an Kaiser 
Alexander IT. von Rußland vom 23. April 1868'). 

Majestät! 

Ew. Majestät darf sich nicht wundern, wenn Wir bei dem 
schweren Mißgeschicke, welchem das Königreich Polen gegenwärtig 
anheimgefallen ist, und bei dem lebendigen Interesse, welches 
Völker und Regierungen für die Zukunft dieser Nation an den Tag 
legen, durch so viele und so oft sich wiederholende Leiden gerührt, 
Uns an Ew. Majestät selbst wenden, um Ihre wohlwollende Auf- 
merksamkeit auf die Hauptursachen der gegenwärtigen Wirren und 
auf die Mittel zu lenken, welche Wir für die wirksamsten halten, 
um den von einem grausamen und hartnäckigen Kampfe auf das 
tiefste erregten Gemüthern' die Ruhe und den Frieden baldigst 
wieder zu schenken. Das legt Uns die Pflicht des apostolischen 
Amtes auf; das fordert Unsere I-iebe zu der berühmten und hoch- 
herzigen polnischen Nation; das verlangt sogar Unsere Theilnahme 
für Ew. Majestät und für die Wohlfahrt und Ruhe Ihres Reiches. 
Gestatten daher Ew. Majestät, daß Wir mit der Stimme der Wahr- 
heit und der Gerechtigkeit, frei von dem Geiste der Lüge und von 
jedem menschlichen und politischen Interesse, Ihnen bekannt geben, 
auf welche Tatsachen sich die fortwährenden Klagen dieser un- 
glücklichen Nation gründen, und Ihnen noch einmal Unsere Bitten 
und Aufmunterungen erneuern, denn es würde Uns sonst der Ge- 
danke, einer solchen Unterlassungssünde schuldig vor dem un- 
erbittlichen Richterstuhl Gottes erscheinen zu müssen, allzusehr 
beängstigen. 

Majestät! es ist Uns schmerzlich, daran erinnern zu müssen: 
als der Theilungsvertr.ig über das Königreich Polen kaum unter- 
schrieben war, wurde in den annektierten Provinzen eine starke 
Opposition gegen die katholische Religion wachgerufen, welche mit 
kurzen Zwischenräumen einer scheinbaren Ruhe in den folgenden 



1) Das in italienischer Sprache abgefaßte .Schreiben befindet sich in den 
Akten: PiilX. Pontificis Maxinii Acta. Pars 1 vol. III 1864 Ex -Typo- 
graphia Bonarinn Artium. Eine deutsche Uebersetzung ist in den historisch 
l^oHtischen Blättern für das katholische Deutschland Bd. 55, 5. 669 ff., Mün- 
chen 1865. gegeben. 



Jahren fortdauerte. Ohne in eine vveheklagende Beschreibung der 
vom Klerus und den Gläubigen beider Riten erduldeten Be- 
cirückungen einzugehen, wird es genügen, wenn E\\;. Majestät Ihr 
Augenmerk auf die zahlreichen von Zeit zu Zeit unter der Herr- 
schaft Ihrer Vorgänger veröffentlichten Dokumente richten, welche 
jeden Augenblick an die beinahe gänzliche Beraubung" des Klerus, 
an die Unterdrückung vieler Mönchs- und Nonnenklöster, an die 
Verkündung von Gesetzen, welche der Autorität der Bischöfe und 
der Kirchenzucht widersprechen, an die schweren Strafandrohungen 
gegen die Verbreiter der katholischen Religion, an die Umtriebe 
imd Anstregungen, um Millionen von Ruthenen selbst mit Gewalt 
zu nöthigen, den Glauben ihrer Väter zu verlassen, an die zahllosen 
den Katholiken weggenommenen Kirchen, um sie den Dissidenten 
zum Gebrauch und als Eigenthum zu übergeben, an die Verpflich- 
tung alle aus gemischten Ehen erzeugten Kinder in der herrschenden 
Religion zu erziehen, an das Verbot des direkten Verkehrs mit dem 
heiligen Stuhle und an die endlose Reihe so vieler anderer zum 
Nachteil der Einheit der katholischen Kirche und zur Beängstigung 
des Gewissens der Gläubigen getroffenen Verfügungen erinnern. 

Alle diese zum Nachtheil der katholischen Religion ergriffenen 
Maßregeln mußten in den Augen Europas, welches ihre Entfaltung 
beklagte, und in den Augen Polens, welches ihren Druck fühlte, um 
so drückender und unerträglicher erscheinen, als die von Ihren Vor- 
gängern zur Zeit der verschiedenen Theiluugen des Reiches feierlich 
geschlossenen Uebereinkünfte und Verträge noch ganz frisch waren 
und ganz deutlich sprachen. 

Insbesondere der Warschauer Vertrag vom 18. September 1773 
und der Vertrag von Grodno vom 13. Juli 1793. In diesen beiden 
Verträgen erklärten die Souveraine von Rußland bei der Ueber- 
nahmc der Regierung über die abgetretenen Provinzen Polens 
feierlich: Die römischen Katholiken beider Riten 
werden ganz in dem Status erhalten, in welchem 
sie sich damals befanden, nämlich in der freien Aus- 
übung ihres Cultus und ihrer Disziplin mit allen einzelnen Kirchen 
und Kirchengütern, welche sie in dem Augenblick des Uebergangs 
unter die russische Herrschaft besaßen. Und daß der neue Sou- 
ver^m für sich und seine Nachfolger das unwiderruthche Ver- 
sprechen mache, den erwähnten römischen Katholiken beider Riten 
für ewige Zeiten den ruhigen Besitz der Privilegien und Güter der 
Kirchen, die freie Ausübung ihrer Religion und Kirchenzucht 
sammt allen damit verbundenen Rechten erhalten zu wollen; und 
endlich betheuerte der Souverain, daß weder er noch seine Nach- 
folger jemals ihre Souveränitätsrechte zum Nachtheil der römisch- 
kahtülischen Religion beider Riten in den unter die russische Herr- 
schaft gekommenen Ländern ausüben wollen. 



— 156 — 

Ew. Majestät sieht wohl, daß, wenn diese und andere Ver- 
träge loyal beobachtet wären, viele Uebel verhindert, und daß die 
katholische Religion in russisch Polen jetzt in keiner Weise schlim- 
meren Lage wäre, als in den polnischen Provinzen unter anderer 
H'':rrschaft. 

Es ist also nicht zu verwundern, wenn Unserö Vorgänger im 
gerechten Schmerz über die Lage einer den öffentlichen Verträgen 
zum Trotz unterdrückten und mißhandelten Kirche dieselbe Ott 
zum Gegenstande ihrer Klagen und Beschwerden bei den Potentaten 
Europas machten. Auch kann es Ew. Majestät nicht unbekannt 
ACyn, wie dieser apostolische Stuhl die Leiden der Braut Christi be- 
weinend immer zu ihrer Hilfe und Vertheidigung herbei zu eilen 
besorgt war, indem er bald öffentlich die gegen sie geübten Gewalt- 
akte mißbilligte, bald der katholischen Welt die Seufzer eines mit 
Gewalt zum Abfall von seiner Religion gezwungenen Volkes an- 
zeigte, welches flehte, man möge es den katholischen Glauben frei 
bekennen lassen, bald eine Reihe von Aktenstücken veröffentlichte, 
welche er zur immerwährenden Bestätigung der Gerechtigkeit und 
Grundhaltig'keit der päpstlichen Beschwerden und Proteste abfassen 
ließ. Aber man muß auch daran erinnern, wie der heilige Stuhl, 
indem er für die Sache der Kirche sprach, immer von den Gesin- 
nungen der Sanftmuth und der christlichen Liebe geleitet, niemals 
die zartesten Rücksichten gegen die Regierung Ew. Majestät und 
Ihrer erhabenen Vorgänger außer Acht ließ, wie sogar, man darf es 
wohl sagen, die Nachgiebigkeit und Langmuth manchesmal so weit 
ging, daß sie bei denen, welche die Beweggründe dieses zurück- 
haltenden und klugen Vorgehens nicht kannten, Verwunderung her- 
vorrief, und eine zeitlang die alte Liebe und Anhänglichkeit der 
Polen gegen d?c Person des römischen Papstes beeinträchtigte. 

-A.ber dieser heilige Stuhl begnügte sich nicht damit, von Zeit 
zu Zeit seine Stimme zur Vertheidigung der unterdrückten Religion 
zu erheben, sondern er sah sich auch nach den Mitteln um, gegen 
die Fluth der Leiden einen Damm zu errichten, und die durch den 
Mißbrauch der Staatsgewalt entstandenen Schäden auszubessern. 
Von dem eisten Augenblicke der Theilung Polens sandten Unsere 
\'orgänger, welche- vergebens die unheilvollen Wirkungen derselben 
zu verhindern gesucht hatten, ihre Gesandten an den Hof der mäch- 
tigen Monarciien aller Reußen, um die Großmuth und die Gerech- 
tigkeit derselben zu Gunsten des Katholizismus anzurufeii. Andere 
wuraen nach ihnen gesendet, und nie wurde eine günstige Gelegen- 
heit übergangen, sei es die Thronbesteigung eines neuen Souverains, 
sei es eine andere ähnliche Gelegenheit, ohne daß außerordentliche 
Gesandte des heiligen Stuhles an den kaiserlichen Hof gesendet 
wurden, mit der Instruktion, diese Augenblicke der allgemeinen 
Freude und des allgemeinen Jubels zu benützen, um die hohe Gnade 



— 157 — 

der neuen Potentaten zu Gunsten der bedrängten Katholiken anzu- 
rufen. Und Wir selbst haben, als Wir bei Gelegenheit der. feier- 
lichen Krönung Ew. Majestät Unseren außerordentlichen Gesandten 
an den kaiserlichen Hof absendeten, Sie durch denselben angehen 
lassen, mit Ihrem wirksamen Schutze die katholische Religion zu 
beschützen und nicht ermangelt, Ihnen Unsere dringenden Bitten 
um die Zulassung eines ständigen Vertreters von uns bei Ihrer er- 
habenen Person zu erneuern. Ixider konnte Unser Gesandter Uns 
nicht die glückliche Nachricht von der Zustimmung Ew. Majestät 
überbringen, und erst später empfand Unser Herz eine wahre 
Freude bei der von Ihrem Vertreter in Rom Uns gegebenen Nach- 
richt, daß jedes Hindernis gegen die Absendung Unseres Nuntius 
mit dem Sitze an Ihrem kaiserlichen Hofe jetzt beseitigt sei. Wäh- 
rend Wir Uns, dankbar für diesen feierlichen Akt der Gerechtigkeit, 
bei dem Gedanken an die V ortheile, welche aus diesem von Uns 
und Unseren Vorgängern so sehr ersehnten Ereignisse für die Sache 
der katholischen Religion in jenen Ländern hervorgehen würden, 
erfreuten und Uns anschickten, der von Uns für eine so hohe 
und wichtige Misson bestimmten Person Unsere Beglaubigungs- 
schreiben zu übergeben, vernahmen Wir mit einem an Verdruß 
grenzenden Erstaunen, daß die Regierung Ew. Majestät in Folge 
der von diesem heiligen Stuhle ihr gemachten Mitteilungen durch 
eme Note an Ihren Vertreter erklärte, alle Gesetze und Ver- 
fügungen, welche unter den schwersten Strafen den Verkehr der 
Bischöfe und der Gläubigen mit den Vertretern des heiligen Stuhles 
verbieten, müssen als fortwährend in voller Kraft und Ausübung in 
den kaiserlichen Gebietstheilen bestehend angesehen werden. 

Damit war der Hauptzweck, welchen Wir mit jener Mission 
verbanden, vereitelt, und die Ehre und Würde dieses apostolischen 
Stuhles rieten Uns jeden weiteren Schritt aufzuschieben, bis Uns 
neue- Zusicherungen wegen der freien Aur-übung unserer Autorität 
und des Amtes Unseres Vertreters gegeben würden. Aber statt daß 
dieses Hindernis beseitigt wurde, sahen Wir mit Schmerz die er- 
wähnten auf den Verkehr der Gläubigen mit dem heiligen Stuhle 
bezüglichen Gesetze in einem neuen Ukas mit dem Datum St. Pe- 
tersburg 8. Januar 1862 neuerdings kundgemacht und erweitert. 
Da dieser Ukas Artikel enthält, welche der Verfassung der katho- 
lischen Kirche und den mit dem heiligen Stuhl getroffenen Ueber- 
cinkünften widersprechen, so hat er den Gegenstand einiger Er- 
wägungen und Bemerkungen gebildet, welche in Unserem päpst- 
lichen Namen und Unserem Cardinal Staatssekretär Ihrer kaiser- 
lichen Regierung werden mitgetheilt werden. 

Ew. Majestät kennt überdies Unsere angelegentliche Sorge, 
welche Wir seit dem ersten Tage Unseres Pontificats in Betreff des 
im J. 1847 zwischen Unseren Bevollmächtigten und denen Ihres 



— 158 — 

erhabenen Vaters abgeschlossenen Concordats an den Tag- gelegt 
haben. 

Sie werden sich wohl an den Privatbrief erinnern, welchen Wir 
Ihnen mit vollem Vertrauen auf Ihre Billigkeit und Gerechtigkeit 
am 31. Januar 1859 schrieben, um die Beendigung der Verhand- 
lungen über die in jenem Concordate nicht vereinbarten Punkte 
und die loyale Ausführung der bereits getroffenen üebereinkünfte 
zu verlangen. Aber nicht nur erwarteten Wir bis jetzt vergebens 
die Antwort, welche Ew. Majestät Unserem Cardinal Staats- 
sekretär durch Ihren Gesandten in Rom übermitteln lassen zu 
wollen versicherten, sondern Wir. hatten auch den schweren Kum- 
mer in den öffentlichen Journalen den Bericht zu lesen, welcher 
Ew. Majestät von der zur Prüfung verschiedener auf jene Ueber- 
einkunft bezüglichen Punkte sowie des Protokolls der nicht verein- 
barten Artikel niedergesetzten Commission vorgelegt worden ist. 
Dieser Bericht ließ Uns leicht erkennen, von welchen Gesinnungen 
die Mitglieder jenes Comites gegen die katholische Kirche beseelt 
waren, und welche Hoffnungen Wir für den Erfolg Unserer an Sie 
gerichteten Bitten hegen dürfen. 

Aber da alle diese Unsere dringenden Bemühungen ebenso wie 
die Unserer Vorgänger zum größten Theil vereitelt wurden, muß 
man wohl heute die Consequenzen beklagen, welche aus einem so 
verderblichen und dem Geiste der katholischen Kirche so entgegen- 
gesetzten System zum Nachtheil der Kirchenzucht bei einem Theil 
des Welt- und Ordens-Klerus entsprungen sind. Da man der 
Kirche bald das eine bald das andere ihrer Rechte genommen, den 
Klerus nach und nach aller seiner Güter und Freiheiten beraubt, den 
Unterricht auf Collegien und Universitäten mit einem schädlichen 
Unterrichtssystem geregelt, in geistlichen Collegien oder in Regic- 
rungs-Commissionen die nach göttlichem Rechte dem Papste und 
den betreffenden Bischöfen ztistehende Jurisdiktion an sich ge- 
rissen, die Correspondenz der Ordensgeistlichkeit mit ihrem 
Generaloberen und die Visitationen derselben verhindert, und ins- 
besondere eine Scheidewand zwischen der Heerde und dem all- 
gemeinen Hirten aufgerichtet hat: darf man sich nicht wundern, 
wenn die Religion geschädigt wurde, wenn die Prinzipien des Ge- 
horsams und der L^nterwürfigkeit, welche sie lehrt, keine tiefen 
Wurzeln geschlagen haben, wenn die Diener des Heiligtums teil- 
weise schwach geworden sind, wenn endlich auch einige aus dem 
Welt- sowohl wie aus dem Ordens-Klerus von ihrer Pflicht ab- 
gewichen sind und an Handlungen Theil genommen haben, welche 
weder ihrem Beruf noch ihrem ehrwürdigen Charakter entsprechen. 
Majestät! Wir sind weit entfernt es zu billigen, daß der Klerus an 
politischen Kämpfen Theil nehme und die AVaffen ergreife, um dit' 
Autorität der Regierung zu stürzen; Wir beklagen im Gegentheil 



— 159 — 

diese Thatsache und verurtheilen sie, aber Wir wollen gleichzeitig 
Ew. Majestät, gegenüber den Ursprung und die Veranlassung con- 
statieren, aus welcher sie entspringt. Möge Unsere apostolische 
Autorität ihren heilsamen Einfluß auf Ihre katholischen Untertanen 
wieder erlangen, mögen die Bischöfe zur freien Ausübung ihrer Ge- 
walt nach Maßgabe der heiligen Canones zurückkehren, möge der 
Klerus seinen Einfluß auf die Unterweisung und Leitung des 
Volkes wieder erlangen, mögen die Ordensgeistlichen durchaus von 
ihren General-Oberen, abhängen, mögen die Gläubigen die katho- 
lische Religion frei bekennen dürfen — dann werden Ew. Majestät 
sich überzeugen, daß die Hauptursache der fortwährenden politi- 
schen Agitationen Polens die religiöse Unterdrückung, die Be- 
ängstigung der Gewissen, der Verfall des Klerus, die Muthlosigkeit 
der geweihten Hirten und die Verbreitung von antireligiösen 
Grundsätzen und Lehren waren. 

Wir bitten Ew. Majestät sich überzeugen zu wollen, daß Sie 
alles, was Sie für die Ruhe der Kirche und für die Ehrfurcht gegen 
Unsere heilige Religion thun, und unterstützen werden, zum Vor- 
theile des Reiches thun, und daß Sie, wenn Sie die Kirche mit 
Ihrem offenen Schutze stützen, auf die Achtung und Treue der 
ganzen polnischen Nation zählen können, welche niemals so blühend 
und glücklich war, als da sie die Religion ihrer Väter frei bekennen 
durfte, Ach Majestät! Möchten die Klagen dieser Nation, welche 
in ganz Europa ein Echo gefunden und sogar jene Herzen gerührt 
haben, die in religiösen Dingen gleichgültig sind, an Ihren Thron 
gelangen und zu Ihrem großmüthige Herzen dringen. Ein Wort 
von Ihnen kann einem hochherzigen Volke die verlorene Ruhe 
wieder schenken und die unaufhörliche Veranlassung so vieler 
Wirren und Zwietracht beseitigen. Wollen doch Ew. Majestät Uns- 
das schmerzliche Schauspiel der Leiden,, von welchen die katlio- 
l'sche Religion in Ihren weiten Gebieten fortwährend bedrängt 
wurde, ersparein und auch Unserem durch die Ruchlosigkeit der 
Zeiten ohnehin so sehr gepeinigten Herzen die Ruhe und den Frie- 
den wieder schenken, welche Wir nur dann wieder erlangen können, 
wenn Wir dort die Religion zum geistlichen und zeitlichen Vortheil 
und Nutzen Ihrer Unterthanen allenthalben wieder aufblühen sehen. 

Die Untersuchung, die Ew. Alajestät über die Ursachen an- 
stellen wollen, welche zum großen Theil den gegenwärtigen, blutigen 
Conflikt herbeigeführt haben, und vor .Allem die Redlichkeit und 
Hochherzigkeit Ew. Majestät sind Uns eine glückliche Vorbedeu- 
tung für die Zukunft des Reiches. Wir werden indessen, überzeugt 
eine heilige Pflicht Unseres apostolischen Amtes geübt zu haben, 
um ein baldiges und glückliches Resultat dieser Unserer Vor- 
stellungen beten, welche Uns in allen Fällen von der schweren Ver- 
antwortung befreien werden, die Uns vor Gott und den Menschen 



— 160 — 

in einem für die Interessen der katholischen Religion so ernsten 
Augenblicke trifft Wir wollen auch nicht aufhören, demüthig zum 
Herrn zu beten, daß er Ew. Majestät mit jeder wahren und voll- 
kommenen Glückseligkeit erfüllen wolle. 

Gegeben in Unserem apostolischen Palast, im Vatikan am 
22. April 1863. 

Pius IX. Papst. 



Anlage 2. 

Ansprache 

gehalten von dem Bischof von Kulm v. d. Marwitz an seine am 
13. Juni 1864 zum Familientag in Berlin versam.melten Geschlechts- 
Verwandten -) . 

Hochverehrte Herren ! 
Geliebte Geschlechtsvettern! 

Es gereicht mir zur ganz besonderen Ehre und Freude, daß ich 
m meiner zufälligen Eigenschaft als Aeltester dieser hochgeehrten 
Versammlung den Familientag der Familie v. d. Marwitz eröffnen 
und den uns beseelenden gemeinschaftlichen Gefühlen Ausdruck 
verleihen darf. 

Als mir die Anregung zu diesem Familientage durch einen 
sehr lieben Geschlechtsvetter zuerst nahe gelegt wurde, habe ich 
meinerseits diesen Gedanken mit lebhaftem Beifall begrüßt und 
gebilligt. 

Neben der sich willkommen darbietenden Gelegenheit, daß sich 
die weit verbreiteten und örtlich getrennten Familienglieder Aug 
in Aug gegenüberstehen und — so Gott will — sich auch mit ihren 
Herzen zu gemeinsamer Liebe zusammen finden können, hatte ich 
hiebei auch namentlich jene ungünstigen Zeitverhältnisse im Auge, 
welche ihre zerstörende Kraft auf die Untergrabung und Beiseite- 
schaffung Alles dessen gerichtet zu haben scheinen, was seither als 
fester Halt und als ehrwürdige Sitte sich in Kirche, Staat und Fa- 
inüie festgesetzt hatte, was alles nunmehr in dem Strudel einer 
heftig bewegten Zeitströmung unrettbar zu Grunde zu gehen droht, 
wenn nicht ein wirksames Gegengewicht ausgeübt wird. 

Wenn seither der Adel der Geschlechter, an deren erlauchte 
Vorfahren die ruhmreichsten Thaten sich anknüpfen, in seiner per- 



2) Ein Original der von der Danziger Allgemeinen Zeitung gedruckten 
Ansprache befindet sich in den F. P. v. d. M. 



— 161 — 

sönlichen Mannhaftigkeit, in jener Charakter-, Geistes- und Seelen- 
große des sittlichen Lebens, in jener heldenmüfchigen Aufopferung 
für den Ruhm und die Ehre nicht blos der Familie, sondern auch 
des Staates — oder sagen wir lieber und zutreffender: des Königs 
— eben durch diese seine sittliche Größe eine Ehre und Wehr des 
Landes, ein starker Hort und Schutz gegen jegliche Gefahr, ein 
unüberwindlicher Fels gegen jegliche Anfeindung und Verletzung 
der Ehre des eigenen Heerdes, des theuem Vaterlandes und seines 
erhabenen Oberhauptes sein konnte — - so will die Strömung der 
Zeit ihre demokratische Gleichmacherei nicht blos auf die Bevor- 
zugung dieses Standes ausdehnen, sondern sie möchte auch in den 
einzelnen Familien jene sittliche Kraft aufheben, jenen Adel der 
Seele zerstören, jenen Gemeingeist vernichten, um dann den elenden 
Egoismus niederer Interessen an die Stelle zu setzen und mit ihm 
jene Lumperei in die Seele des Einzelnen und in den Heerd der 
Familien einzuflößen, durch welche allerdings die gewünschte 
Gleichstellung, aber mit ihr auch der sittliche Tod des Einzelnen 
und Ganzen herbeigeführt wird. 

Gegen diese Richtung der Zeit legen wir, geehrte Geschlechts - 
vettern, durch unser persönliches Zusam.menkommen einen lauten 
und kräftigen Protest ab. 

Wir wollen uns schützen vor den Gefahren jener Isoliertheit, 
die den Einzelnen umzingelt und ihn wehrlos machen kann; wir 
wollen der Familien-Ehre,, wie sie sich seit Jahrhunderten ver- 
körpert hat und als eine geistige Erbschaft auf jeden Einzelnen 
übergehen soll, einen neuen lebendigen, und wirksamen Ausdruck 
geben; wollen unsere Herzen beleben und erfrischen lassen durcli 
die Erinnerung an die sittliche Kraft und Größe unserer Vorfahren, 
wollen uns fester an einander schließen zum gemeinschaftlichen 
Streben nach neuer Ehre und neuem Ruhm, um auch unsern Nach- 
kommen ein Beispiel zurückzulassen, an dem sich ihre Herzen er- 
freuen und aufrichten können. Nur die Eintracht macht stark. 
Den Einzelnen kann die Gefahr fortreißen; wo aber ein gemein- 
sames Gefühl in die Herzen Vieler mit lebendiger Kraft übergegan- 
gen ist, da verliert die Schwäche des Einzelnen ihre Bedeutung, 
denn auch sie fühlt sich getragen von dem Ganzen und hierdurch 
gestählt und gekräftigt, um mannhaften Widerstand leisten zu 
können. 

Neben diesem sittlichen Einfluß,- den die Abhaltung von Fa- 
milientagen auf die einzelnen Glieder der Familie ausübt, habe ich 
noch eine andere Beziehung hervorzuheben. 

Wir leben nicht uns allein; nicht einmal die Familie kann 
das einzige und ausschließliche Ziel unserer geistigen Thätigkeit 
bleiben; wir sind nur kleine Theile eines größern Ganzen, m dessen 
geistigen Organismus wir als lebendige Glieder eingepflanzt sein 

11 



— 162 — 

sollen und haben auch dieserhalb Pflichten zu erfüllen, denen wir 
uns in Bezug auf die geistige Gemeinschaft sowohl mit unserm 
himmlischen als mit dem irdischen Vaterlande nicht entziehen 
dürfen. 

Wie sehr es mich nun auch drängt und durch meine besondere 
Berufsstellung mir nahe gelegt sein mag, von den ersteren Pflichten 
zu sprechen, so gehe ich dennoch passender und entsprechender zu 
den Pflichten gegen unser diesseitiges engeres Vaterland über, in- 
dem ich dafür halte, daß unsere gemeinschaftliche Zusammenkunft 
auch in dieser Beziehung von einer erwünschten Nothwendigkeit ist. 

Ich glaube mich hierbei Ihrer Zustimmung versichert zu halten, 
wenn ich die Behauptung ausspreche, daß auch in das Bewußtsein 
unserer Pflichten gegen den Staat und sein erlauchtes Oberhaupt 
die demokratische Zeitrichtung eine schwere Bresche geschossen hat. 
Selten trägt heutzutage noch Jemand das Gefülii der sittlichen Be- 
deutung einer geordneten christlichen Staatsverfassung in sich, und 
daß sich in ihr die sittliche Ordnung Gottes — seine Heiligkeit und 
Gerechtigkeit — abspiegeln soll. Den Meisten ist der Staat eben 
nur eine sehr unwillkommene und lästige Polizeianstalt, die höch- 
stens nur dann einigermaßen lieb und angenehm sein kann, wenn sie 
Schutz gegen das eigene gefährdete Leben oder Eigenthum ge- 
währen soll. 

Für uns, verehrte Geschlechtsvettern, hat die Aufgabe und die 
Stellung des Staates — namentlich des christlichen Staates — eine 
höhere Bedeutung und tiefern Inhalt, der sich für uns in dem bedeu- 
tungsvollen, von Vielen leider als bloße Phrase angesehenen Aus- 
druck zu erkennen giebt, den wir dem obersten Träger der Staatsge- 
walt beilegen, wenn wir von ihm sagen: er ist von Gottes Gnaden, 
d. h. die staatliche Ordnung ist für uns nicht ein bloßes Menschen- 
werk, sondern vor Allem Gotteswerk. Die in ihr bestehende Gewalt 
ist nicht eine blos menschliche Erfinung, sondern eine in ihrem 
Wesen von dem menschlichen Willen völlig unabhängige göttliche 
Einrichtung. Wie Gott die Grundgesetze der gesammten Welt- 
ordnung festgesetzt hat, so hat er auch angeordnet, daß wo immer 
Menschen in geordneten Verhältnissen mit einander leben, eine 
obrigkeitliche Gewalt unter ihnen bestehen muß und durch die Lei- 
tung der in der Geschichte waltenden göttlichen Fürsehung auch 
wirklich besteht — eine Gewalt, von der der heilige Geist bezeugt, 
daß s'e von Gott angeordnet, und daß wer sich ihr widersetzt sich 
der Anordnung Gottes widersetzt — der wir also gehorchen und sie 
ehren sollen um des Gewissens willen. 

Ein solcher Staat, verehrte Geschlechtsvcttern, hat ein hohes 
Recht zu beanspruchen, eine hohe Autorität zu fordern, aber er ist 
eben hierdurch auch wieder der größten Beschränkung unterworfen 
— denn wer seine Gewalt von Gott .ibleitet, bekennt damit, daß «n- 



— 163 ~ 

sie nicht in blinder Willkühr sondern nur im Gehorsam gegen Gott, 
in Uebereinstimmung mit Seinem Willen iiben darf, daß er also die 
Grenzen anerkennt, die ihm der Wille Gottes in seinen Geboten, m 
seinem (.'esetze- in seiner Weltordnung und in den Rechten, die er 
den übrigen Menschen ertheilt hat, gesetzt hat. Ein solcher Staat 
ist fern von aller absoluten Bedrückung ttnd Autokratie, von aller 
Beeinträchtigung gesetzlicher Ordnung und Freiheit — er will frei 
herrschen über freie Unterthanen, denen er seinen Schutz, seine 
Macht, und wo es Not thut, sein Schwert gewährt, aber von denen 
er auch will, daß sie mit dem Empfang dieser Rechte auch die ihrer- 
seits auszuübenden Pflichten zu leisten haben: Pflichten der Treue, 
des Gehorsams, der Loyalität. 

Wer könnte ein höheres Bewußtsein dieser Pflichten in sich 
tragen, als grade jene Familien des Landes, m denen sich in hun- 
dertjähriger Succession das Bewußtsein der Treue und politischer 
Hochherzigkeit von Geschlecht 7U Geschlecht fortgeerbt hat und 
forterben muß! wo mehr als in diesen Familien, fänden wir eine 
innigere Hingabe an Thron und Vaterland als in jenen adligen 
Geschlechtern, deren Vorfahren Gut und Blut für diese Güter hin- 
gegeben und die sich als eine starke Mauer hinstellten, um für die 
bedrohten Rechte einzustehen und ein festes Bollwerk zu bilden 
gegen jede sich geltend machende Bedrohung der höchsten Güter 
des irdischen Lebens. 

Und was hebe ich blos die Vorfahren hervor — sind nicht auch 
in unserer unmittelbaren Gegenwart derartige ruhmreiche Beispiele 
von Hingabe und Treue in fast allen altern Familien des Landes zu 
finden? Ja, darf ich es mir zum Vorwurfe machen, wenn ich an das 
eigene Beispiel der Marwitzschen Familie erinnere? Lebt es nicht 
in unserm frischen Andenken, was jener ruhmreiche Degen des 
Vaterlandes, der General-Lieutenant Friedrich August 
Ludwig V. d. M a r w i t z in seinem Testamente zunächst seinen 
Söhnen und in ihnen allen seinen Geschlechtsverwandten an dem 
Rande seines Grabes zurückgelassen hat, indem er dem mit seiner 
Leichenrede betrauten Prediger die Mahnung ertheilte: „zum Schluß 
soll er sich an meine Söhne wenden und sie öffentlich ermahnen, 
immer treu zu sein in ihrem Beruf, ihr Leben zu weihen ihrem 
König, ihrem Vaterland und ihren Mitbürgern, und dabei immer 
Gott vor Augen und im Herzen zu haben." 

Solche Worte, hochverehrte Geschlechtsvettern, bezeichnen den 
Adel einer Gesinnung, wie sie leider immer seltener wird, aber wie 
sie herrschen soll, wenn es wahrhaft gut stehen soll mit der Ehre 
und Würde des Einzelnen, der Familie und des Staats. 

Zur Stärkung einer solchen patriotischen Gesinnung sollen un- 
streitig die Familientage mitwirken: sie sollen den Einzelnen aus 
dem Egoismus der Isoliertheit hinausdrängen m die Stellung cor- 

11* 



— 164 — 

porativer Ehre, corporativen Gemeingeistes; der Adel des Familien- 
geistes soll in dem zündenden Blick des Einzelnen die Herzen Aller 
durchdringen und zu frischer lebenskräftiger wahrhaft nobler Ge- 
sinnung begeistern. 

Ich hoffe und wünsche, daß auch dieser Einfluß sich in dieser 
unserer Versammlung werde geltend machen, zumal es gegenüber 
den Bestrebungen der Gegenwart, die überall auflöst und zer- 
bröckelt, was durch jahrhundertlange geschicthliche Entwicklung 
eine feste Consistenz gewonnen hatte, Noth thut, durch engere Glie- 
derung des Familienlebens, durch engern Zusammenhalt der ein- 
flußreichern und mächtigern Geschlechtern und durch deren willigere 
und intensivere Unterstützung der wahrhaft conservativen Elemente 
eine nachtheilige Ueberstürzung des im raschen Fluß befindlichen 
öffentlichen Lebens zu verhüten und wie früher durch die Macht 
des Schwertes so jetzt durch mehr geistigen Einfluß und geistige 
Wirksamkeit einen Hort und Schutz des Staats zu bilden. 

Die politische Lage unserer Gegenwart berechtigt nicht zu 
idealen Hoffnungen und zu einem passiven Sichgehenlasscn. Für 
jeden Einzelnen giebt es irgend eine Thätigkeit, die sich zunächst 
an die treue und gewissenhafte Erfüllung der Berufspflichten an- 
schließt, die aber unfehlbar dann auch in weitere Kreise eingreift 
und wirksam wird. Das ist unsere Aufgabe! Nicht haben wir es 
in der Gewalt, die politischen Geschicke der Welt zu ändern oder 
sie zu wenden, oder das Schwert eines neuen Weitkampfes, der an 
einem Faden über den Häuptern der Völker Europas, auch über den 
unsrigen, hängt, abzuwehren — aber Segen und Nutzen in den uns 
anvertrauten engeren Grenzen zu stiften, das liegt in der Macht und 
in der Pflicht jedes Einzelnen. 

Soll ich nun noch zum Schlüsse dieser Ansprache den beson- 
deren Gefühlen meines Herzens Ausdruck verleihen, so danke ich 
Ihnen Allen, verehrte Geschlechts-Vettern, für Ihre persönliche Ge- 
neigtheit, sich an diesem unserm Familientage hier zu betheiligen: 
ich danke insbesondere den lieben Vettern auf Berkenbrügge 
und N o s s i n für die erste Anregung, die Sie hierzu gegeben und 
für die Opfer, die Sie der gemeinsamen Sache gebracht haben. 

Meinerseits habe ich nun meiner Seniorenpflicht genügt und 
werde mich herzlich freuen, wenn diese meine aufrichtigen und ehr- 
lich gemeinten Worte wenigstens bei dem Einen und dem Andern 
einen willkommenen Anklang finden möchten; es wird mir nun 
eine Pflicht sem, Sie zu bitten, für die nun folgende Discussion das 
Amt des Präsidiums jüngeren Kräften durch Wahl zu übertragen 
und die Propositionen zu berathen.- die die Emzelnen für den heu- 
tigen Familientag vielleicht in Bereitschaft haben mögen. 



165 — 



Anlage 3. 

Wen tz eis Urteil über Ketteier ^). 

Frankfurt a. M., den 1. Dezember 1864. 

Euer Excellenz hohen Erlaß A'-om 18. v. M. (Nr. 51) habe ich 
zu erhalten die Ehre gehabt. 

Bin ich auch schon von hier aus vielfach in der Lage gewesen, 
die Wirksamkeit des Bischofs von Ketteier in Mainz zu beobachten, 
so habe ich doch, infolge Euer Excellenz hochgeneigter Weisung, 
nicht unterlassen, gegenwärtig noch unter der Hand sichere und zu- 
verlässige Erkundigungen sowohl hierüber als über das Verhalten 
des Herrn v. Ketteier gegenüber der großherzoglich hessischen Re- 
gierung und seine etwaigen Beziehungen zu dem Mainzer Journal 
einzuziehen. Ich erlaube mir, das Resultat Euer Excellenz ganz 
gehorsamst vorzutragen. 

Der Bischof von Ketteier, ein Mann von strengster Gläubigkeit 
in seiner Confession und von sehr strengen sittlichen Grundsätzen 
vertritt die jetzt in der römischen Kirche herrschende äußerste 
Richtung. Von einer Idee getragen, die ihn vollständig beherrscht, 
Fanatiker und asketisch, setzt er alles daran, seiner Üeberzeugung 
Ausdruck zu verschaffen und die römische Kirche zu der Höhe der 
Macht und des Ansehens zurückzuführen, auf der sie ein.st ge- 
standen und die ihr, wie er durchdrungen ist, gebührt. Er bezwei- 
felt keinen Augenblick, daß die Weltgeschichte diese Wendung der- 
einst nehmen werde. Ein Mann der äußersten Willensstärke, in 
seinem ganzen Verhalten und W'esen sogar rücksichtslos, um seinem 
Willen Geltung zu verschaffen, ist er doch von großer Heftigkeit 
und hat dadurch schon manches für sich verdorben. Mit Unrecht 
soll man ihn für klug berechnend halten, sein Calcül vielmehr hinter 
dem Gewöhnlichen zurückbleiben und er selbst, wo sein Fanatismus 
ihn forttreibt, schwer berechenbar sein. 

Die Wirksamkeit des Bischofs v. Ketteier seit seiner Inthroni- 
sation im Jahre 1850 ist eine sehr umfassende und für das Groß- 
herzogthum Hessen bedeutungsvolle gewesen. Er hat eine mäch- 
tige katholische Partei geschaffen, die am Hofe, in den höchsten 
Beamten und in den einflußreichsten. Personen vertreten ist, und 



3) Bericht des preußischen Residenten bei der Freien Stadt Frankfurt 
Geheimen Legations Rats Otto v. Wentzel an den preußischen Ministerpräsi- 
denten und Minister -der auswärtigen Angelegenheiten Otto von Bismarck- 
Schönhausen In Akten A. A. 1. 



— 166 — 

deren Verbindungen sich weit über das Land seines Bistums hinaus 
erstrecken. Er hat einen hervorragenden Einfluß auf das staatliche 
Leben des Großherzogtums gewonnen und ist in diesem ein Faktor 
geworden, der in allen Verhältnissen in Anschlag gebracht werden 
muß. 

Auf die Bevölkerung fanatisierend einzuwirken, ist ihm da- 
gegen nicht gelungen, und seine Hirtenbriefe, die nur zu oft gegen 
den Protestantismus gerichtet waren — in einem von 1855 sagt er, 
das deutsche Volk habe durch die Reformation Ehre und Gewissen 
verloren — , haben einen besonderen Eindruck nicht zurückgelassen. 
Gerade die Stadt Mainz ist indifferent und lau geblieben. Auch 
auf die politische Gesinnung der dortigen Katholiken hat er nicht 
zu wirken vermocht, dieselben wählen fortdauernd zur zweiten 
Kammer, wie zum Gemeinderat demokratisch. 

Aeußerlich hat sich die Wirksamkeit des Bischofs v. Ketteier 
vorzugsweise in der Geheimen Convention, welche er wegen Re- 
gelung der Verhältnisse des Staates zur Katholischen Kirche am 
23. August 1854. mit dem Freiherrn v. Dahvigk *) abgeschlossen 
hat, sowie in der Ausführung derselben zu erkennen gegeben. Ihm 
selbst gereicht diese Convention zur großen Befriedigung. Die 
Großherzogliche Regierung, welche sich damals durch diese Separat- 
Verhandlung von den übrigen Staaten der oberrheinischen Kirchen- 
provinz trennte, wußte aber im Voraus, daß sich eine lebhafte Oppo- 
sition dagegen erheben würde, und hielt sie 6 Jahre lang geheim, 
bis sie infolge ihrer Wirkungen nicht mehr verleugnet werden 
konnte. Sie erfuhr dann auch in der vStändeversammlung, sowie im 
ganzen Lande die heftigsten Angriffe, indem behauptet wurde, daß 
durch eine bloße Vereinbarung zwischen Minister und Bischof und 
ohne ständige Zustimmung die wesentlichsten der verfassungsmäßig 
dem Landesherrn zustehenden Rechte nicht hätten können an die 
Katholische Kirche abgetreten werden. Ein später behufs Aus- 
führung der Convention vorgelegtes Gesetz wurde von den Kam- 
mern verworfen. 

Den durch die Convention er\vorben2n Rechten hat Bischof 
V. Ketteier die möglichste Ausdehnung zu geben gewußt. Nachdem 
er es dahin gebracht, daß die katholische Fakultät in Gießen nicht 
mehr besucht wurde, hat er an die Stelle derselben das bischöfliche 
Seminar in Mainz gesetzt und so die Ausbildung der Geistlichkeit 



4) Wirklicher Creheimer Rat und Kammerherr Reinhard Frhr. v. Dal- 
wigk war seit dem 1. Juli 1850 Präsident des Großherzoglich hessischen 
Staatsministeriums, Minister des Großherzoglichen Hauses, des Aeußern, so- 
wie des Innern, zu welch letzterem auch die kirchlichen Angelegenheiten 
gehörten. 



— 167 — 

ausschließlich in seine Hand genommen. Er erblickt ui diesem Se- 
minar und den damit verbundenen Anstalten (seminaria puerorum) 
das einzige sichere Mittel, eine vollkommen disziplinierte, seinen 
Eingebungen blindlings folgende Geistlichkeit heranzuziehen, und 
er legt hierauf ein tim so größeres Gewicht, als ihm beim Antritt 
seines Amtes die Elemente der niederen Geistlichkeit nicht ge- 
nügten und großen Teils seinen Bestrebungen eher entgegen traten 
als daß sie dieselben förderten. Indem er mit rücksichtsloser 
Strenge die Disziplin unter den Dienern der Kirche aufrecht hielt 
und keiner anderen Richtung, als der Seinigen eine Berechtigung 
zuerkannte, hat er allerdings erreicht, daß Geistliche welche früher 
nicht der extremen Richtung angehörten, jetzt von einem gleichen 
leidenschaftlichen Eifer ergriffen und in ihren Ansichten ebenso 
extrem als in ihren Forderungen anmaßend geworden sind. 

Seine Herrschaft über die heranzubildende Geistlichkeit ist da- 
durch gesichert, daß er allein die eintretenden Kandidaten zu prüfen 
hat und der Staat verpflichtet ist, dem von ihm mit den höheren 
Weihen Versehenen alsbald einen, wenn auch mäßigen Jahresgehalt 
zu ■ zahlen. 

Ein anderer Gegenstand der besonderen Sorge des Bischofs 
V. Ketteier sind die Schulen, denen er durch seinen persönlichen 
Einfluß eine neue Bedeutung gegeben hat. Eine Reihe von Com- 
munalschulen wurde in Confessionsschulen umgewandelt und an 
den Orten, wo es wegen der geringen Anzahl der Katholiken 
Schwierigkeiten hatte, der Staat zu bedeutenden Zuschüssen ge- 
nötigt, die auch bereitwillig gezahlt wurden. So besteht jetzt in 
kleinen Dörfern gemischter Confession eine katholische und eine 
evangelische Schule nebeneinander, während man dort früher von 
confessionellem Hader nichts wußte. Von den Geistlichen aber, 
welche als Schul Vorsteher zugleich Beamte sind, verlangt er, daß sie 
unbedingt nur seinen Befehlen gehorchen. 

Auf Grund der Convention hat Herr v. Ketteier auch die geist- 
lichen Orden im Großherzogthum wieder eingeführt, die Jesuiten 
und die Franziskaner sind jetzt in Mainz ganz heimisch. 

Bei der so weitgehenden Nachgiebigkeit der Großherzoglichen 
Regierung und den auch sonst für ihn so günstigen Verhältnissen 
in Darmstadt ist es kein besonderes Verdienst des Bischofs 
V. Ketteier, wenn er mit der Regierung in gutem Vernehmen steht. 
Die vor zwei Jahren verstorbene, sehr streng katholische Groß- 
herzogin kam seinem Streben aus eigener Ueberzevigung entgegen 
und vertrat seine Ansprüche, wo sich ihnen etwa Schwierigkeiten 
entgegenstellten. Herr v. Dalwigk, der als Minister des Innern zu- 
gleich die geistlichen Angelegenheiten leitet, wird, obgleich Pro- 
testant, von den ultramontanen Einflüssen, die ihn umgeben, be- 



— 168 — 

herrscht und fördert mit einer ihm sonst nicht eigenen Consequenz 
die Interessen des Ultramontanismus, wie dies sich auch durch den 
Abschluß der gedachten Convention und die Art und Weise, wie 
sie vollzogen wird, ausspricht. In den Ministerien ist von den we- 
nigen Räten die Mehrzahl katholisch, resp. der Partei des politischen 
Katholizismus angehörend. Namentlich die Ministerialräte Creve, 
Frank und v. Rodenstein stehen in engster Verbindung mit dem 
Bischof von Mainz und seinen sonstigen Organen. Alle diese Räder 
greifen in einander und helfen Herrn v. Ketteier die Aufgabe er- 
leichtern, die er sich zu seinem Ziel gesetzt hat. 

Differenzen mit den weltlichen Behörden sucht Herr v. Ketteier 
möglichst zu vermeiden und lieber auf gütlichem Wege durch seine 
Organe zunächst tatsächlich das zu erreichen, was man vielleicht 
Bedenken tragen würde ihm rechtlich zuzugestehen. Kommt es 
aber zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Staatsbehörden und 
dem bischöflichen Ordinariat, so pflegen die Ersteren, bei der be- 
zeichneten Zusammensetzung der Ministerien, zu unterliegen, was 
bei den Behörden oft große Verstimmung hervorgerufen hat. 

Der Einfluß des Herrn v. Ketteier erstreckt sich aber nicht 
bloß auf die Verwaltung, sondern auch auf die Justiz, welche in 
Rheinhessen, wo es nur sehr wenige nicht katholische Richter gibt, 
obschon die Provinz nur zur Hälfte katholisch ist, nicht unabhängig 
von ihm sein soll. Es wurden dort schon im Jahre 1860 Bedenken 
dagegen laut, daß die richterlichen Beamten eine Adresse zu 
Gunsten der Mainzer Convention unterschrieben, als sich bei ihrem 
Bekanntwerden Widerspruch gegen dieselbe erhob. Der General- 
Staatsprokurator von Rheinhessen, Dr. Seitz ist selbst einer der am 
weitesten gehenden Ultramontanen. 

Bei den jetzigen Verhandlungen der zweiten Darmstädter 
Kammer über eine neue Criminalprozeßordnung sind diese Verhält- 
nisse sehr offen besprochen worden und es ist zu lebhaften Er- 
örterungen deshalb gekommen. Verschiedene Redner, allerdings 
meistens der Fortschrittspartei angehörend; haben die Tatsache con- 
statiert, daß kein Vertrauen in die rheinische Justiz, besonders in 
das Obergericht, bestehe. Aber insbesonder hat ein nicht fort- 
schrittlicher Abgeordneter behauptet, daß nach der allgemeinen 
Meinung ein Teil des rheinhessischen Richterstandes mit dem 
bischöflichen Palais in Mainz in enger Verbindung stehe und sich 
dort Ratschläge und die Parole hole; man könne deshalb bei dem 
Mainzer Obergericht in politischen und konfessionellen Dingen eine 
unparteiische Rechtsprechung nicht mehr erwarten. 

Soweit mein Herr Amtsvorgänger Graf Perponcher Gelegen- 
heit gehabt hat, über diese Verhältnisse in den Jahren 1855 — 1857 
zu berichten, stimmt seine Beurteilung im Allgemeinen mit der- 



— 169 — 

jenigen Auffassung überein, welche ich im Vorstehenden Euer 
Excellenz vorzutragen mir erlaubt habe. 

Was die Beziehungen des Bischofs v. Ketteier zum Mainzer 
Journal betrifft, so gilt dasselbe in der öffentlichen Meinung aller- 
dings als Organ desselben. Daß er aber auch etwa für das Blatt 
schreibe, darf wohl bezweifelt werden. Selbst zu den Gründern des 
Blattes im Jahre 1848 gehörend, hat er sich dessen Verbreitung an- 
gelegen sein lassen und allen Pfarreien des Bistums zur Pflicht ge- 
macht, dasselbe zu halten. Seinem Entschluß dürfte es gleichfalls 
zuzuschreeiben sein, daß alle Publikationen der Großherzoglichen 
Gerichte und Behörden in das Mainzer Journal eingerückt werden 
müssen, welches in offiziöser Weise auch von der Großherzoglichen 
Regierung benutzt, seine Dankbarkeit durch Verherrlichung des 
Ministers von Dalwigk und seiner Politik betätigt. 

Die nahen Beziehungen des Maizer Bistums zu dem Journal 
geben sich auch dadurch zu erkennen, daß die Mitglieder des dor- 
tigen Domkapitels Lennig ^) , Mouf ang ^) , Heinrich *') und Hirschel 
die eifrigsten Förderer und, wenigstens zum Teil Mitarbeiter des- 
selben sind. Zu diesen gehören auch die oben genannten 
Ministerialräte und der General-Staatsprokurator Seitz, der, zu- 
gleich Abgeordneter, vor einigen Tagen in der Darmstädter Kam- 
mer seine Mitarbeiterschaft zugab und äußerte, daß er das Ver- 
halten und die Tendenz des Mainzer Journals ,,hoch achte imd hoch 
verehre." 

Es läßt sich dadurch erklären, daß das Blatt noch keinen Preß- 
prözeß gehabt hat, obschon es sich vielfach Uebergriffe und beson- 
ders Beleidigungen der evangelischen Kirche zu Sciiulden kommen 
läßt und fortdauernd die Confessionen gegen einander hetzt. 

Ich möchte nicht glauben, daß der Bischof v. Ketteier alles 
billigt, was das Mainzer Journal namentlich in Schmähungen gegen 
Preußen enthält. Aber man sollte doch annehmen dürfen, daß sein 
Einfluß auf das Blatt groß genug sei, um dergleichen Ungebührlich- 
keiten zu verhüten. 

2'ez. v. Wentzel. 



5) Domkapitular Lennig war es in erster Linie gewesen, der die 
Bestätigung der Wahl des Gießener Professors Leopold Schmid als Bischof 
■\on Mainz, im Jahre 1849 zu hintertreiben gewußt hatte. 

6) Dr. J. B. Heinrich und Dr. Ch. Moufang sind bekannt als Heraus- 
geber des „Katholik, Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches 
Leben". Mainz. Verlag von Franz Kirchheim. 



— 170 — 

Anlage 4. 

Balan über Ledochowski. 

Schreiben des Preußischen Gesandten m Brüssel, Herrn v. Balan 

an Bismarck ") . 

Brüssel, den 8. März 1865. 

An den Königlichen Ministerpräsidenten und Minister der 
Auswärtigen Angelegenheiten 

Herrn v. Bismarck-Schönhausen. Excellenz. 

Berlin. 

In Erörterung auf Euer Excellenz Telegramm vom 2. d. M. 
habe ich die Ehre Folgendes ganz gehorsamst zu bemerken: 

Der hiesige päpstliche Nuntius Miecislaus Graf v. Ledo- 
chowski, Erzbischof von Theben, gehört einer der angesehensten 
und begütertsten galizisch-polnischen Familien an. Er wurde für 
den geistlichen Stand besimmt, weil sein älterer Bruder die väter- 
lichen Besitzungen erben sollte. Doch ist dieser Bruder vor einigen 
Jahren kurz nach dem Vater kinderlos gestorben und es wird be- 
hauptet, der Nuntius, dem seine vielseitige Bildung und seine gesell- 
schaftlichen Formen und Neigungen eine mehr weltliche Stellung 
zuzuweisen scheinen, bedaure innerlich seinen verfehlten Lebens- 
beruf. 

Als er vor einigen Jahren hierher kam, stellte er sich persönlich 
sehr gut mit dem liberalen Minister Rogier. Dies blieb von der 
streng katholischen Partei nicht unbeachtet und wurde ihm ver- 
dacht.. In neuerer Zeit hat er sich, in Bezug auf die Manifesta- 
tionen des päpstlichen Stuhles, sehr ,,encyklisch" ausgesprochen, 
ohne sich jedoch dem belgischen Klerus gegenüber irgendwie agi- 
tatorisch zu verhalten. II a beaucoup d'esprit, sagte mir eine hoch- 
katholische Dame, mais au fond je le crois tres raide et 
obscurantiste. Eine seiner Schwestern war Priorin eines auf- 
gelösten polnischen Klosters und hat, wie manche Andere seiner 
Verwandten infolge der polnischen Revolution durch die russischen 
Maßregeln viel zu leiden gehabt. 

Seine Sympathien sind sehr entschieden auf polnischer Seite, 
doch habe ich von keiner Seite eine Andeutung vernommen, daß er 
in irgend tätiger Weise den polnisch-nationalen Bestrebungen näher 
stehe. Gesellschaftlich ist er — erst einige vierzig Jahre alt — 
nicht nur von den katholischen Damen gern gesehen, sondern auch 



7) In Akten A. A. 1. 



— 171 — 

am Whist-Tisch häretischer Diplomaten willkommen. Er ver- 
meidet mit großer Vorsicht, sich irgend einer Coterie anzuschließen, 
rst vielmehr mit bemerkbarer Berechnung nach allen Richtungen 
gleichartig. 

Dem Kampf gegen jede Autorität, der sich in Belgien mit be- 
sonderer Roheit, wenn auch zunächst auf dem Gebiete der Ideen, 
geltend macht, folgt er mit ernster und aufrichtiger Besorgnis und 
benutzt seine hiesige .Stellung hauptsächlich, um die mehrfachen 
Divergenzen, die innerhalb der mehr katholischen Richtung zwischen 
den verschiedenen Faktoren, derselben, wie z. B. den Jesuiten und 
der Universität Löwen nicht selten ausbrechen und zu heftiger Po- 
lemik führen, beizulegen, um der liberal-atheistischen Richtung 
wenigstens eine möglichst geschlosene Phalanx gegenüberstellen zu 
können. 

Man nimmt an, daß Monsignore Ledochowski für die Kardi- 
nalswürde bestimmt sei. Da aber nach hierarchischem Herkommen 
diese Würde sich an die Nuntiatur in Brüssel nicht unmittelbar an- 
knüpft, wie dieses z. B. mit der in Portugal der Fall ist; so glaubt 
man, daß hieraus in vielleicht nicht langer Zeit eine Versetzung des 
Nuntius folgen könnte, ist jedoch der Ansicht, daß die Posten in 
Wien und Paris ihm wegen seiner polnischen Herkunft für die 
nächste Zeit wenigstens verschlossen sein dürften. 

gez. Balan. 



Anlage 5. 



S a V i g n y s Urteil über Ledochowski. 

Bericht des preußischen Gesandten beim Bundestage in Frankfurt 

Herrn v. Savigny ^) an den preußischen Ministerpräsidenten 

V. Bismarck vom 30. März 1865'^). 

Euer Excellenz ganz vertrauliche Anfrage in Beziehung auf den 
Grafen Ledochowski, gegenwärtig Nunitus in Brüssel, erlaube ich 
mir in folgendem gehorsamst zu beantworten. 

Der genannte Prälat ist mir aus einjährigem persönlichen Ver- 
kehr wohl bekannt. Er ist ein feingebildeter Weltmann und zu- 
gleich ein frommer Priester. Seine Erziehung erhielt er in Rom, 



8) Savigny war vorher preußischer Gesandter in Brüssel gewesen. 

9) Akten A. A. 1, vorletzte Seite. 



— 172 — 

und betont er diesen Umstand, indem er sich sogar zu dem Aus- 
druck herbeiläßt „nous autres de la race latine". Allein durch die 
Tradition seiner Familie sowohl wie durch seine mannigfachen ver- 
wandtschaftlichen Bande mit der weitverzweigten Aristokratie in 
den verschiedenen Teilen Polens, hat er natürlich nicht aufgehört, 
seinem Stamme und dessen Schicksalen volle Sympathie zu widmen. 
Wenn es sich nun doch um einen polnischen Prälaten für die Wie- 
derbesetzung des Erzbischöflichen Stuhles in Posen handeln soll, so 
dürften dem Grafen Ledochowski gewiß viele Eigenschaften inne 
wohnen, die ihn für jenen hohen Beruf geeignet erscheinen lassen 
könnten. 

Nur ein Umstand würde mir möglicherweise einiges Bedenken 
verursachen, wenn es sich um die Installation dieses Herrn auf einem 
Preußischen Bischofsstuhle handelt, das ist, sein enger 
Familienztisammenhang mit der Wiener Aristokratie und infolge- 
dessen sehie vorzugsweise Sympathie für Oesterreich, dem eine 
Reihe seiner Vorfahren in einflußreicher Stellung gedient haben. 
Unsere preußischen Zustände dagegen sind ihm bisher ganz fremd 
geblieben, und oftmals war ich in dem Falle, ihn über kirchliche 
Zustände bei uns aufklären zu müssen, welche anderen römischen 
Prälaten längst bekannt sind. 

Einem Polen, der nicht in gleichem Maße als O e s t e r - 
reic bischer Pole aufgewachsen und erzogen ist, würde ich 
bei sonst ähnlichen guten Eigenschaften vor ihm jedenfalls den Vor- 
zug geben. 

Der revolutionären Partei gehört er entschieden nicht an. 
darüber ist njir kein Zweifel möglich, und darum kann ich mir wohl 
erklären, daß man ihn von .Rom aus bona fide vorgeschlagen hat. 

Hierauf beschränkt sich meine gehorsamste Antwort auf Euer 
Excellenz vertrauliche Anfrage. Zu einer weiteren Begutachtung 
dagegen dieser hochwichtigen Angelegenheit fehlen mir die nötigen 
Anhaltspunkte und kenne ich vor allem nicht diejenigen Personen, 
unter welchen man sonst eine andere geeignete Wahl treffen könnte. 

Mit dem Ausdruck ausgezeichneter Verehrung 

gez. Savigny. 
Frankfurt, den 30. März 1865. 



173 — 



Anlage 6. 



Promemoria des Kultusministeriums^") 

in Betreff der einzelnen Gegenstände, über welche mit dem Erz- 
bischof Graf Ledochowski bei seiner hiesigen Anwesenheit Rück- 
sprache genommen werden soll. 

I. Beteiligung des Klerus an den regierungsfeindlichen natio- 
nalen Agitationen und insurrektioneilen Bestrebungen. 

Während der regiertmgsfeindlichen, nationalen Bewegimg in 
den letzt verflossenen Jahren bestand in Posen ein — wahrscheinlich 
auch jetzt noch nicht aufgelöstes — Comite, welches sich die Auf- 
gabe gestellt hatte, die nationale Sache durch die Kirche zu betrei- 
ben. Zu diesem Comite gehörten auch mehrere angesehene Geist- 
liche, namentlich der Weihbischof Stefanowicz und der Domdechant 
Brzezinski. 

Bei den Wahlen zum preußischen Landtage ist dasselbe offiziell 
mit seinen der Regierung feindseligen Bestrebungen hen'-orgetreten. 
Der verewigte Erzbischof v. Przyluski war von dem Einfluß des- 
selben völlig abhängig. 

Die Agitationsmittel, deren sich die polnische Geistlichkeit 
teilwei£.e mit direkter oder stillschweigender Billigung des Erz- 
bischofs bedient hat, waren: 

1. öftere Trauerandachten für ,,die in Warschau gemordeten Brü- 
der", Totenfeierlichkeiten für Lelewel, für den Fürsten Czar- 
toriski u. a. m. 

2. in Pleschen ein Aufruf zum hl. Andenken der Märtyrer Jaro- 
czynski, Ryll und Rzonika (Mitschuldigen an dem Attentat 
gegen den Großfürsten Konstantin und Marquis Wielopolski) . 

3. Abendandachten mit Absingung des Liedes Boze cos Polske. 

4. Veranstaltung von Wallfahrten mit polnischen Abzeichen 
CFahnen) und polnischen Liedern. 

5. Feier des Jahrestages der polnischen Revolution von 1830. 

6. Kreuzaufrichtung zum Andenken der .^hingemordeten Brüder" 
in War-schau in den preußischen Ortschaften Czeszewo, Milo- 
slaw. Niegolewo, Buk, Trzemeszno, Wlasodjewo u. a. O., auch 
in Posen selbst beabsichtigt. 

Durch diese und ähnliche Demonstrationen wurde die Regie- 
rung in die traurige Notwendigkeit versetzt die Ausübung gottes- 
dienstlicher Handlungen polizeilich überwachen zu lassen. 

10) Das Promemoria wurde im Februar 1866 im Kultusministerium aus- 
gearbeitet. Es befindet sich in den Akten K. M. 2. 



— 174 — 

In weichem Umfange sich der katholische Klerus der Erz- 
diözesen Gnesen tmd l^osen in dieser Zeil politisch vergangen hat, 
darüber gibt das anliegende Verzeichnis der stattgefnndenen gericht- 
lichen Verurteilung resp. noch anhängigen Untersuchungen Auf- 
s;chluß. 

Ungeachtet dieser Tatsachen hat der Erzbischof v. Przyluski 
dem an ihn gerichteten Verlangen der Staatsregierung, den Clenjs 
seiner Diözesen durch einen generellen Erlaß von politischen Ver- 
irrungen abzumahnen, beharrlichen Widerstand entgegengesetzt, 
vielmehr gegen das in loyalem Sinne im Jahre lb61 von dem Bischof 
V. d. Marwitz in Culm erlassene Ausschreiben an seine Diözese, 
welches dort von den besten Erfolgen begleitet war, in einem seiner 
Wahlausschreiben öffentlich sich erhoben. 

Die Wahlerlasse des Erzbischofs von 1861 u. 1862 fordern im 
Gegensatz zu seinen früheren Wahlausschreiben vom Jahre 1858 zu 
Wahlen in nationalpolnischem Sinne auf. In eleichem Sinne wirkte 
das aus Mitgliedern des Domkapitels gebildete Wahlkomite, sodaß 
im Herbst 1865 nicht weniger als 90 Dekane und Pröbste als Wahl- 
männer ihre Stimme zur Wahl von Personen in den Landtag ab- 
gaben, welche unter der Anklage des Hochverrats standen und teils 
in Haft, teils flüchtig waren. 

Bei seiner Rückkehr aus Rom im Jahre 1862 hat der Erzbischof 
V. Przyluski sich in öffentlicher Ansprache als Vertreter von 20 
Millionen Polen gerirt und die Regierung der Verkümmerung der 
durch Traktate und kgl. Verheißungen verbürgten Rechte bezichtigt. 

Die Einladung der Regierung, die öO jährige Gedächtnisfeier 
der Schlacht l)ei Leipzig kirchlich zu begehen, hat er abgelehnt, in- 
dem er sich als Vertreter der polnischen Nationalität dem Staats- 
ganzen der preußischen Monarchie gegenüberstellt. 

So wurde durch die Schuld des Erzbischofs und des Clerus der 
Natioiialitätenhaß immermehr angefacht, bis er in unerträglicher 
Weise alle Verhältnisse zerklüftete. 

IL Verdrängung der deutschen Elemente aus der Diözesanver- 
waltung und aus einflußreichen geistlichen Stellen. 

Die Erzdiözese zählt gegen 100 000 Katholiken deutscher Na- 
tionalität und die Bidle de salute animarum läßt über die Gleich- 
berechtigung der Nationalitäten in den Kapiteln keinen Zweifel. 
Dessenungeachtet sind die Deutschen nicht blos in Befriedigung 
ihrer religiösen Bedürfnisse sehr vernachlässigt, sondern es ist auch 
kein Mittel unversucht geblieben, der deutschen Nationalität ange- 
hörige Geistliche aus den einflußreicheren Stellen zu entfernen. So 
ist, wie bekannt: 

1. dem zum Domprobst von S. M. dem Könige ernannten, um 
die Verwaltung der Diözese äußerst verdienten Domherrn Richter 



— 175 — 

die Ausstellung des Idoneitätszeugnisses in ungerechter Weise nur 
deshalb verweigert worden, weil er ein Deutscher ist. In seinem 
Schreiben vom 7. September 18ßl erklärt der verewigte Erzbischof 
V. Przyluski, es läge nicht im Interesse des Staates eine solche Be- 
förderung dermalen vorzunehmen, da offenbar der Regierung daran 
gelegen sein müsse, die bisherige Aufregung der polnischen Bevölke- 
rung zu beschwichtigen und nicht in imangemessenem Grade zu ver- 
mehren. Er, der Erzbischof, werde für nichts einstehen können — 
weder in Betreff der Person des zunächst Beteiligten, noch für 
sonstige allgemeine Folgen, wenn diese oder eine ähnliche Beförde- 
rung (d. h. die. eines Deutschen) jetzt wirklich zur Ausführung ge- 
bracht werden, sollte. Endlich müsse er erklären, daß nach der gegen- 
wärtigen Lage der Sache eine solche oder ähnliche Beförderung auch 
durchaus nicht dem Interesse der Kirche entspreche, da ja dieselbe 
Würdenträger wünschen müsse, welchen die Katholische Bevölke- 
rung, die durchweg (!) der polnischen Nationalität angehöre, all- 
seitiges Vertrauen entgegenbringe und nicht solche, welche — wie 
er, v. Przyluski für den Richterschen Fall gern zugäbe und bezeuge, 
ganz unverschuldeter Weise — durch öffentliche Blätter in den Ver- 
dacht gebracht seien, als ob sie durch den Katholizismus die Natio- 
nalität unterdrücken wollten. 

Richter, ein vielseitig und gründlich gebildeter Schulmann, 
Theologe und kirchlicher Verwaltungsbeamter, ist im Jahre 1849 
durch den verewigten Erzbischof v. Przyluski selbst zum Domherrn 
in Posen berufen und mit den wichtigsten Diözesen-Verwaltungs- 
arbeiten betraut worden. Er hat in höchst anerkennungswürdiger 
Weise seinen Einfluß benutzt, sowohl um auf Zucht und Sitte unter 
der Geistlichkeit zu wirken, als auch um mit großer Umsicht die 
Begründung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Staats- 
behörden und dem Erzbischof und seiner Curie anzubahnen. Nach- 
dem sich seit 1861 die politisch-nationale Bewegung erhoben, ist es 
den Gegnern des Richter gelungen, ihn zum größten Teile aus den 
Geschäften der Diözesanverwaltung zu verdrängen und sich der Lei- 
tung des Erzbischofs zum entschiedenen Nachteile des Staates und 
der Kirche zu bemächtigen. 

2. Der der deutschen Nationalität angehörige Probst der 
Kollegiatkirche ad St. Mariam Magdalenam in Posen Vincenz Am- 
man wurde durch Intriguen, Drohungen und Insulten genötigt, sein 
Amt niederzulegen, weil er in seiner Kirche den Mißbrauch demon- 
strativer Andachten und das Absingen aufregender Lieder z. B. des 
Liedes Boze cos Polske nicht gestattete. Der zur Präsentation auf 
diese Stelle rechtlich befugte Magistrat von Posen repräsentierte 
nach erfolgter Abdikation des Vincenz Amman dessen Bruder, den 
Canonikus Joseph Amman, bei derselben Kirche zum Probst. Der 
Erzbischof v. Przvluski verweigerte ihm die Institution unter An- 



— 176 — 

gäbe eines anhaltbaren und nichtigen Grundes (weil er angeblich 
nicht den nötigen Grad von Schulbildung besitze) und lehnte das 
rechtzeitig eingebrachte und durch die Lage der Sache, wie durch 
Rücksichten der Billigkeit vollständig begründete Gesuch des Ma- 
gistrates in Posen um Verlängerung der Präsentationspflicht in dem 
Augenblicke ab, als ihm vom Magistrat abermals ein der deutschen 
Nationalität angehöriger Geistlicher, namens Rudal, für die vakante 
Stelle präsentiert wurde, was gleich am Beginn der erbetenen Nach- 
frist geschah. Gleichzeitig mit diesem abschlägigen Bescheide des 
Magistrats erging jure devolutionis die Bestellung des Geistlichen 
Zickiewicz zum kommendarischen Verwalter der Probstei, und we- 
nige Monate später wurde Ziekiewicz wirklich instituiert. 

Zickiewicz aber hat seit dem Jahre 1861 wiederholt den im 
öffentlichen Interesse ergangenen Anordnungen der Behörden einen 
ebenso hartnäckigen als unberechtigten Widerstand entgegengesetzt 
und sind ihm aus diesem Grunde die staatlichen Funktionen eines 
I^kal-Schulinspektors entzogen worden. Er hat nämlich: 

a) als er im Jahre 1861 das Amt eines Kreisschulinspektors 
interimistisch verwaltete, gegen die Vfg. der Kgi. Reg. vom 4. Juli 
ej. a. durch welche sämtlichen Schulinspektoren des Bezirks aufge- 
geben wurde, den ihnen untergebenen Lehrern zu Protokoll zu er- 
öffnen, daß das Lied Boze cos Polske von ihnen bei Strafe der 
Am.tsentlassung in der Schule nicht eingeführt oder geduldet wer- 
den dürfe, remonstriert und auch andere Schulinspektoren zur Mit- 
unterzeichnung dieser Remonstration verleitet. Er hat 

b) sich in nicht zu billigender Weise an dem Sprachenstreit 
beteiligt, das Verlangen der Regierung, daß die Geistlichen mit ihr 
in deutscher Sprache korrespondieren sollen, in Eingaben an den 
Erzbischof als willkürlich und ungesetzlich bezeichnet und veran- 
laßt, daß dies2 Eingaben durch die Zeitungen zur Nacheiferung für 
andere Geistliche veröffentlicht und belobt wurden. Er hat 

c) im Jahre 1861 an der Margaretenkirche, wo er als commen- 
danscher Geistlicher fungierte, National-Abeiidandachten mit Ab- 
smgung des Liedes „Boze cos Polske" veranstaltet, in denselben 
Ansprachen gehalten und Geldbeiträge gesammelt. Endlich 

d) war er Mitveranstalter eines großen, mit agitatorischer Ten- 
denz verbundenen Straßenaufzuges, welcher im Oktober 1861 von 
der Margaretenkirche auf der Srodka nach der St. Martinskirche 
unter Vortragung eines 24 Fuß hohen Balkenkreuzes stattfinden 
sollte, aber unterblieb, weil die Anstifter erfuhren, daß der Aufzug 
durch militärische Gewalt verhindert werden würde. 

3. Der schon genannte Geistliche Rudal, welchem wegen seiner 
erfolgreichen kirchlichen Tätigkeit im Jahre 18i5T die kgl. Patronat- 
stelle Budzin verliehen worden war und welchen der verewigte Erz- 
bischof v. Przyluski bald darauf wegen seiner Brauchbarkeit als 



— 177 — 

Hilfsarbeiter ins Consistorium berufen hat, wurde, als letzterer wäh- 
rend der polnischen Insurrektion für dieselbe rücksichtslos Partei zu 
nehmen begann, aus dem Consistorium als eine unbequeme Person 
wieder entfernt. Er erhielt die erste Präpendarstelle an der Fran- 
ziskaner-Succursale ad St. Antoniam. Das damit verbundene De- 
kanat des Posener Landkreises wurde ihm indessen anfangs des 
Jahres 1865 vom Erzbischof v. Przyluski abgenommen und dem 
Regens des weltgeistlichen Seminars Woiciechowski, einem Polen 
übertragen. 

4. Im Jahre 186-1 nahm der Erzbischof v. Przyluski dem Dom- 
herrn Polczynski, einem Deutschen von Geburt, das seit einer Reihe 
von Jahren von ihm verwaltete General -Vikariat ab und übertrug 
es Cieslinski, einem Polen. 

5. An der Succursale ad St. Antoniam, welche für die Katho- 
liken deutscher Zunge bestimmt ist, hatte der Erzbischof v. Przy- 
luski vor Rudal einen der enragiertesten Agitatoren für die national- 
polnische Sache Namens Poszwinski als Seelsorger angestellt. Der- 
selbe fungierte gleichzeitig als Religionslehrer am deutschen Fried- 
rich-Wilhelm-Gymnasium. Im Jahre 18G4: z. Zt. als Polczynski als 
Generalvikar und Rudal aus dem Consistorium entlassen wurde, 
verlieh er ihm eines der besten Benefizien, Priment, mit mehr als 
2000 Reichstaler Einkommen. 

Nachfolger des Poszwinski sollte nach dem Wunsche des Pro- 
vinzialschulkollegiums der katholische Divisionspfarrer Henke, ein 
loyaler Geistlicher werden. Der Erzbischof wies denselben jedoch 
unter dem Vorwande zurück, daß er der polnischen Sprache nicht 
mächtig sei, während für das Amt als Seelsorger an der Succursale 
ad St. Antoniam sowohl wie auch als Religionslehrer am Friedrich- 
Wilhelm-Gymnasium gerade ein der deutschen Sprache mächtiger 
Geistlicher erforderlich war und Plenke übrigens als Militärseel- 
sorger polnischer Truppenteile geläufig polnisch spricht. 

Aehnliche Fälle könnten noch mehrere angeführt werden. 

Die Regierung muß dringend v/ünschen, nicht nur, daß durch 
eine der großen Zahl der deutschen katholischen Bevölkerung ent- 
sprechende Berücksichtigung deutscher Geistlicher bei der Besetzung 
der einflußreichen Pfründen und höheren Stellen die bisherigen 
tendenziösen Zurücksetzungen ausgeglichen werden, sondern auch, 
daß den zahlreichen unbefriedigten religiösen Bedürfnissen der deut- 
schen katholischen Bevölkerung durch Bestellung deutscher Seel- 
sorger Rechnung getragen werde. 

III. Die kirchliche Presse. 

Die Zeitschrift Pygodnik Katolicki redigiert von dem Probst 
Pnisinowski ist durch Rundschreiben des Erzbischofs v. Przyluski 
vom 21. Mai 1860 offiziel als sein kirchliches Organ erklärt, und 

12 



— 178 — 

es sind sämtliche Geistliche von ihm angewiesen worden, dieses 
Blatt zu halten. Dasselbe hat seit seiner Gründung unverholen dem 
Zweck gedient, die nationale Erhebung durch die Kirche zu fördern 
und eine der Regierung feindselige Haltung selbst dann noch be- 
wahrt, nachdem der Erzbischof v. Przyluski in seinem Schreiben 
vom 9. Dezember 1863 hierher erklärt, hatte, es seiner kirchlichen 
Zensur unterwerfen zu wollen und selbige durch den Regens 
Woiciechowski ausüben zu lassen. 

Wiederholt ist der Pygodnik Katolicki wegen Störung des 
öffentlicher. Friedens mit Beschlag belegt und sein Redakteur 
v. Prusinowski zu Geld- und Gefängnisstrafe verurteilt worden. 

Ein so geartetes kirchliches Blatt muß notwendig als ein erheb- 
liches Hindernis der Verständigung zwischen den Staatsbehörden 
und den kirchlichen Organen betrachtet werden. 

IV. Janiszewski und Prusinowski Mitarbeiter im Consistorium. 

Daß Männer der exaltiertesten nationalen Parteirichtung wie 
der Probst Janiszewski und der mehrfach bestrafte Probst Prusi- 
nowski sogar während der Sedisvakanz zur Teilnahme an den 
Diözesan- Verwaltungsgeschäften herangezogen werden konnten, 
7eigt, daß auch gegenwärtig noch dieselben oppositionellen Ten- 
denzen verfolgt werden, wie zur Zeit der Verwaltung des Erz- 
bischofs V. Przyluski und daß in den maßgeblichen kirchlichen 
Kreisen jedem Ausgleich der Differenzen mit der Regierung ein 
hartnäckiger Widerstand entgegengesetzt wird. 

V. Erziehung des jüngeren Clerus im Seminar. 

Es fehlt nicht an bedenklichen Anzeichen, welche auf eine Er- 
ziehung des jüngeren Clerus in dem Priester-Seminar zu Posen in 
einer politisch gefährlichen Richtung hinweisen. 

Schon seit längerer Zeit ist gerade unter dem jüngeren Clerus 
eine zunehmende Widerspenstigkeit gegen die Regierung wahr- 
genommen worden, welche sich insbesondere auf dem Gebiet des 
Schulwesens gezeigt und dort bereits die Regierung zu ernsten Re- 
pressivmaßregeln genötigt hat. 

Im Jahre 1863 haben 8 Zöglinge des Posener Priesterseminars 
dasselbe verlassen, um in die Reihen der Insurgenten zu treten- 
Weigt, Nawrocki und Alkiewicz waren damals bereits in den Ge- 
fechten gegen die Russen gefallen. 

Das in Leipzig erschienene, jetzt von der sächsischen Regie- 
rung unterdrückte, polnisch-revolutionäre Blatt Ojczyzna ist bis zu 
seiner Unterdrückung im Priesterseminar zu Posen gehalten worden. 

Etwa im Jahre 1864 hat der verstorbene Erzbischof v. Przy- 
luski einen Geistlichen Martin Chwaliszewski, welcher vordem 2 



— 179 — 

Jahre lang als Kaplan bei der polnischen Mission (Emigralion) in 
London fungiert hat, zum Lehrer bei dem I'osener Priesterseminar 
berufen. 

Ferner befindet sich bei dem Seminar ein Professor Brzezinski 
(Bruder des Domdechanten), welcher im Jahre 1848 sich mit den 
Waffen in der Hand an dem Aufstande beteiligt hat. 

Zwei andere Lehrer am Seminar Woiciechowski (schon oben 
genannt) und Woyczynski gelten gleichfalls als Männer der 
extremsten nationalen Richtung ohne die für den Lehrberuf erfor- 
derliche Bildung. 

VL Sittenzustand unter den katholischen Geistlichen des Groß- 
herzogtums. 

Von verschiedenen Seiten wird geklagt, daß es mit der Sitt- 
lichkeit eines großen Teils der katholischen Geistlichkeit in der 
Pro\inz Posen übel bestellt sei. — Von dem Domdechanten Brze- 
zinski und dem Domherrn Jabczynski sind Verirrungen in sittlicher 
Beziehung offenkundig. 

Im Kloster der grauen Schwestern in Ptosen sind vor nicht 
allzulanger Zeit durch einen der enragiertesten Polenpartei an- 
gehörigen Geistlichen große Versündigungen verübt worden. 

Der Probst Mielcusny in Siedlimovo, Kreis Inowrazlaw, hat 
wegen Notzucht vor dem Schwurgericht gestanden. Er ist zwar 
iür nicht schuldig erklärt worden, aber nur, weil der Beweis der Ge- 
walt nicht als geführt angenommen wurde, nicht, weil die Geschwo- 
renen über die Verübung der unsittlichen Handlung an sich durch 
den Angeklagten im Zweifel gewesen wären. 

Der Dekan Leszynski zu Baszkow und der Probst Sawinski in 
Dziekanowicc sind wegen Urkundenfälschung, letzterer außerdem 
wegen Betruges schwurgerichtlich zu Gefängnisstrafen und Geld- 
bußen sowie zur zeitigen Untersagimg der Ausübung der bürger- 
lichen Ehrenrechte verurteilt worden. 

Dazu kommen die übrigen, in der beiliegenden Liste an- 
geführten zahlreichen Bestrafimgen von Geistlichen wegen Ver- 
gehen wjder die öffentliche Ordnung. 

Daß ein so gearteter, in einer auffallend großen Anzahl seiner 
Glieder der öffentlichen Ahndung anheim gefallener Clerus geeignet 
erscheinen sollte, zur sittlichen Hebung des Volkes beizutragen und 
dem letzleren Patriotismus und Achtung vor den Gesetzen des 
Landes einzuflößen, ist schwer zu glauben. Es war tief zu beklagen, 
daß der Erzbischof v. Przyluski den sittlichen Verirrungen seines 
Qerus keine Energie .entgegensetzte, sondern von dem Grundsatz 
ausging, daß die Schuldigen zu decken seien. 

12* 



— 180 — 

\''TI. Das Elementarschulwesen. 

Das Elementarschulwesen liegt in der Erzdiözese Gnesen-Posen 
arg danieder. Die Regierung stößt mit ihren auf Hebung des Volks- 
unterrichts abzielenden Verfügungen nicht selten auf die Teilnahm- 
losigkeit und Indolenz der mit der Schulaufsicht betrauten Geist- 
lichen. In vielen Fällen muß sie überhaupt Abstand nehmen, Geist- 
lichen, welche wegen ihres kirchlichen Amtes zur Beaufsichtigung 
der lokalen oder Kreisschulen zunächst berufen sein würden, diese 
Aufsicht anzuvertrauen, weil sie zu befürchten hat, daß derselbe 
Geist der Unbotmäßigkeit gegen die Regierung, von welchem sie 
selbst erfüllt sind, auch in die Volksschulen verpflanzt werden 
möchte. 

VIII. Mitteilung kirchlicher Erlasse an das Oberpräsidium. 

Kirchliche Erlasse, welche auch für den Staat, sei es unmittel- 
bar oder wenigstens mittelbar von Bedeutung sein konnten, wurden 
in früheren Jahren der Verwaltung des Erzbischofs v. Przyluski in 
zuvorkommender Weise dem Oberpräsidium der Provinz zur 
Kenntnisnahme mitgeteilt. In den letzten Jahren ist dies nicht 
mehr geschehen. Der für die Regierung sehr wichtige Erlaß des 
Administrators der Erzdiözese Posen Brzezinski am 9. Oktober 
1865, worin der untergebenen Kloster- und Weltgeistlichkeit jede 
eigenmächtige Abänderung bei Gebräuchen der öffentlichen An- 
dacht untersagt wird, ist zunächst nur durch die Zeitungen und erst 
später auf besonderes Ersuchen durch Mitteilung eines vollständigen 
Exemplars zur Kenntnis des Oberpräsidenten gelangt. 

Die Wiederherstellung der früheren Praxis ist im Interesse der 
wechselseitigen Verständigung dringend wünschenswert. 

IX. Ein Spezialfall, den Probst Stock in Schneidemühl be- 
treffend. 

Zwischen dem Probst Stock in Schneidemühl und einem Teil 
seiner in viele Parteien zerrissenen Gemeinde walten beklagenswerte 
Mißhelligkeiten ob. Beschwerden über ihn sind wiederholt zur 
Kenntnis der Regierung gebracht worden mit der Bitte, seine Ver- 
setzung zu erwirlcen. Es wird ihm Schroffheit gegen die Paro- 
chianen, Rücksichtslosigkeit gegen die Kirchenvorsteher, Eigen- 
mächtigkeit in der Verwaltung von Kirchengut und unpatriotisches 
Verhalten zur Last gelegt. JNach der Meinung der Regierung ist 
er den Schwierigkeiten seiner Stellung nicht gewachsen. Nach einer 
Auskunft des Herrn Bischofs von Culm wurde Stock am 10. Sep- 
tember 1847 in das Klerikal-Seminar in Pelplin aufgenommen, ver- 
ließ aber am 25. März 184S in Gemeinschaft mit 10 anderen 
Alumnen das Seminar, indem er sich als Mann für verpflichtet er- 



— 181 — 

klärte, „wegen der stattfindenden politischen Umwälzungen und der 
mehr und mehr sich kundgebenden Gährung in der Nähe das Se- 
minar zu verlassen, um jede unlautere Bestrebung nach Kräften zu 
unterdrücken und Edles zu fördern" 

Ob er sich persönlich an der damaligen Insurrektion beteiligt, 
ist unbekannt. Ende 1 848 trat er in das Seminar in Pelplin wieder 
ein, zeigte aber keinen klerikalen Beruf, sondern tat sich fortdauernd 
durch Trotz und Hinneigung zu politischen Agitationen so unvor- 
teilhaft hervor, daß die Seminaroberen seine und seiner Mitschul- 
digen Entlassung aus dem Seminar verlangten, die ihm auf sein 
Gesuch demnächst auch gegeben wurde. 

Die Regierung hat ein eigenes, erhebliches Interesse an der 
Versetzung des p. Stock nicht, es dürfte aber vom kirchlichen Stand- 
punkt dringend wünschenswert sein, die Zerwürfnisse und MiB- 
helligkeiten in der dortigen katholischen Gemeinde zu beseitigen, 
wozu nur ein energischer und in jeder Beziehung tadelsfreier Geist- 
licher die geeignete Person sein möchte. 



In der Provinz Posen haben in den letzten 3 — 4 Jahren folgende 
gerichtliche Verurteilungen katholischer Geistlicher wegen po- 
litischer Vergehen und Verbrechen stattgefunden: 

1. Vikar M i e I c z u s k i zu M r o z e n 

wegen Majestätsbeleidigung 9 Monate Gefängnis. 

2. Probst V. Tomicki in Konojad 

wegen Aufforderung zum Plochverrat 2 Jahre Gefängnis, 
wegen Preßvergehens 30 Reichsthaler Geldbuße oder 14 Tage, 
wegen eines durch die Presse verübten \'ergehens gegen die 
öffentliche Ordnung 50 Reichsthaler Geldbuße oder 4 Wochen, 
wegen Preßvergehens 20 Reichsthaler Geldbuße oder 7 Tage. 

3. Probst W e y na zu L u d z i s k o 

wegen Anreizung zum Ungehorsam 1 Jahr Gefängnis, 
v/egen Verleumdung von Zeugen 1 Monat Gefängnis, 
wegen Verleumdung von Zeugen 2 Monate Gefängnis, 
wegen Beleidigimg von Beamten 2 Monate Gefängnis. 

4 Pfarrer R u s k i e w i c z zu K o 1 d r a p 

wegen Majestätsbeleidigung 4 Monate Gefängnis. 

5. Pfarradministrator C z a p 1 e w s k i in .S c h m i e g e I 
wegen gewaltsamen Widerstandes und Beleidigimg gegen einen 
Beamten 6 Wochen Gefängnis. 

6. Pfarrer D z i e r z e w s k i in O s t r o w i 1 1 e 

wegen gewaltsamen Widerstandes gegen einen Beamten 3 Wo- 
chen Gefängnis. 



— 182 — 

7. Vikar Kaminski in Borek 

wegen Vergehens gegen die öffentliche <.)rdnung 5 R. Th. oder 

2 Tage. 

wegen Uebertretung eines Vereinsgesetzes 3 R. Th. oder 2 Tage. 

8. Pfarrer Wrzesinski in Parczenszewo 

wegen Verhöhnung öffentlicher Anordnungen (§ 101 d. St.G.B. 
50 R. Th. oder 17 Tage. 

9. Probst H ü b n e ,r zu X i o n s 

wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung 2 Monate, 
wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes 3 R. Th. oder 2 Tage. 

10. Der Commendarius L i e r a k o w s k i in M i x s t a d t 
wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung 1 Monat. 

11. Probst Soferski in Jeszewo 

Uebertretung des Vereinsgesetzes 25 Th. oder 3 Wochen. 

12. Probst T o b o 1 s k i in C h w a 1 k o w o 
Uebertretung des Vereinsgesetzes 3 Th. oder 2 Tage. 

13. Vikar Hubert in G r a b o w o 3 Th. oder 2 Tage. 

14. Probst P r u s i n o w s k i in G r a e t z 

wegen Störung des öffentlichen Friedens, wegen des im § 101 
des St.G.B. vorgesehenen Vergehens gegen die öffentliche Ord- 
nung und wegen Beleidigung von Beamten, verübt durch die 
Presse 2 Monate, 

Avegen eines durch die Presse verübten Vergehens gegen die 
öffentliche Ordnung (§ 101 St.G.B.) 200 R. Th. oder 2 Monate, 
wegen Preßvergehens 20 R. Th. oder 1 Woche. 

1 5 . Probst Bukowiecki in Wagrowiec 
Avegen Störung des öffentlichen Friedens 2 Monate, 

wegen Störung des öffentlichen Friedens, verübt durch verbot- 
widrige Ausstellung von Fahnen 2 Monate. 

16. Probst Rymarkiewicz in Kottlin 

wegen Störung des öffentL Friedens 50 R. Th. od 3 Wochen, 
wegen Beleidigung eines Beamten 15 R. Th. oder 1 Woche. 

17. Probst L as ko w s k i in Wy t o m y s 1 

Avegen Störung des öffentl. Friedens 20 R. Th. od. 4 Wochen. 

18. Probst DrazkoAvski in Ostrowo 

Avegen Beleidigung eines Beamten im Dienst 10 R.Th. od. 4 Tage, 
desgl. 14 Tage, 
desgl. 3 Monate. 

19. Commendarius Kucharski in BrzykozystcAV 
Avegen Beleidigung eines Beamten im Dienst 3 Wochen. 

20. Dekan Sucharski in SzcepanoAvo 

Avegen Beieidigxmg eines Beamten im Dienst 10 R.Th. od. 5 Tage, 

21 . Probst K r e c k i in L u b e z 

wegen Beleidigung eines Beamten 10 R. Th. oder 5 Tage. 



— 183 — 

22. Probst Binert in Broniszewice 

wegen Beleidigung eines Beamten 10 R. Tii. oder 4 Tage. 

23. Probst Bielawski in Pleschen 

wegen Uebertretimg des Vereinsgesetzes 10 R. Th. od. 1 Woche. 

24. Vikar Gawrzyelski in Liebschau 
wegen Preßvergehens 25 R. Th. oder 14 Tage. 

25. Vikar Jagodzinski in Wreschen 

wegen Verletzung les Vereinsgesetzes 10 R. Th. oder 1 Woche. 

26. Vikar Janicki in Pleschen 
Uebertretung des Vereinsgesetzes 1 R. Th. Geldbuße. 

27. Geistlicher Bogusiewicz in Ostrowo-Dorf 
wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes 10 Reichsthaler. 

2S. Pfarrer Trepinski in Staw 

wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes 5 Reichsthaler. 
29. Pfarrer Grodzki in Owinsk 

wegen Beleidigung eines Beamten 10 Reichsthaler. 
60. Probst Talaczinski in Gr. -Chrzypsko 

Avegen Aufstellung von Fahnen gegen das Gebot der Obrigkeit 

5 Reichsthaler. 

31 . Probst Rzezniewski in Siedlek 

wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes 1 Reichsthaler. 

32. Probst Ostrowicz in Morka 

wegen Beleidigung eines Beamten 10 Reichsthaler. 

33. Probst Korytnowski in Trzinics 

wegen Vergehens gegen die Religion 14 Tage Gefängnis. 

34. Probst W a 1 k o w i a k in M o d 1 i s z e w k i 

wegen Störung des öffentlichen Friedens und Anreizung zum 
Ungehorsam gegen die Gesetze 3 Monate Gefängnis. 

35. Vikar Lipinski in Buk 

wegen Anreizung zum Ungehorsam gegen die Gesetze 25 R. Th. 
oder 3 Wochen Gefängnis. 
Andere stehen noch unter Anklage. 



Anlage 7. 

%'ereidigung des Erzbischofs Grafen Ledo- 

chowski im Koni glichen Palais zu Berlin 

am Sonnabend den 14. April 1866^^). 

Berlin 14. April. Heut Nachmittags 2 Uhr geruhten Se. Ma- 
jestät der König von den neu ernannten beiden Erzbischöfen von 
Gnesen-Posen und von Cöln, Grafen Ledochowski und Dr. Melchers. 



11) Königlich Preußischer Staatsanzeiger Nr. 89, vom 17. April 1866. 



— 184 — 

in Allerhöchstihrem Palais den Huldigungseid entgegen zu nehmen 
Die Erzbischöfe wurden zu diesem Behufe durch Königliche Equi- 
pager, nach dem Palais abgeholt, dort von dem Ober-Ceremonien - 
meister Grafen Stillfried de Alcantara und dem Ober-Hofmarschall 
Grafen Pückler empfangen und mit ihren Begleitern in das 
Malachitzimmer geleitet, woselbst der Minister der geistlichen An- 
gelegenheiten Dr. von Mühler und der Dirigent für die katholischen 
Kirchen-Angelegenheiten in seinem Ministerium, Geheime Regie- 
rungsrath Dr. Kraetzig sich eingefunden hatten. 

Nachdem Se. Majestät der König von der Ankunft der Erz- 
bischöfe durch den dienstthuenden Flügel-Adjutanten unterrichtet 
worden waren, begaben Allerhöchstdieselben sich, begleitet von Sr. 
Königlichen Hoheit dem. Kronprinzen, in den zum Audienzzimmer 
bestimmten blauen Saal, woselbst sich vorher schon derOberst- 
Kämmerer, die Minister der Justiz und des Innern, der General- 
Adjutant und die Flügel -Adjutanten vom Dienst und der Kabinetts- 
rath Sr. Majestät versammelt hatten. Der Minister der auswärtigen 
Angelegenheiten und Präsident des Staatsministeriums Graf v. Bis- 
marck war durch Krankheit am Erscheinen verhindert. 

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten, die beiden Erz- 
bischöfe, der obengenannte Ministerialrath und die beiden Begleiter 
der Erzbischöfe traten nunmehr auf Einladung der empfangenden 
Oberhofbeamten in den blauen Saal ein. Der Minister stellte die 
Erzbischöfe Sr. Majestät dem Könige vor und richtete an AUer- 
höchstdieselben nachstehende Worte: 

Nachdem durch Gottes gnädige Fügung die beiden gleichzeitig 
verwaisten erzbishöf liehen Diözesen in Ew. Königlichen Majestät 
Staaten wiederum Hirten und Vorsteher erhalten haben, welche zu 
solchem hohen Amte würdig befunden und Ew. Königlichen Ma- 
jestät allergnädigsten Vertrauens theilhaftig geworden sind, so 
haben Allerhöchstdieselben, als ein besonderes Zeichen landesväter- 
licher Huld, die persönliche Entgegennahme des Ew. Königlichen 
Alajestät und Allerhöchstdero rechtmäßigen Nachfolgern in der 
Regierung zu leistenden Huldigungseides, in Gegenwart Sr. König- 
lichen Hoheit des Kronprinzen und im Beisein der dazu verordneten 
Zeugen, allergnädigst zu gewähren geruht. 

Zu diesem Zwecke sind die beiden Herren Erzbischöfe hier 
vor Ew. Königlichen Majestät erschienen und harren Ew. König- 
lichen Majestät Winkes, um die treue Pflichterfüllung der von 
ihnen gegen Ew. Königlichen Majestät übernommenen Pflichten 
nunmehr eidlich zu geloben. 

Den Act der Eidesleistung selbst leitete hierauf der in der erz- 
bischöflichen Würde ältere Erzbischof von Gnesen-Posen, Graf 
Ledochcwski, Namens beider Erzbischöfe durch eine, an Se. Ma- 



— 185 — 

jestät den König gerichtete, allerunterthänigste Ansprache ein, 
welche also lautete: 

Unter Zustimmung Ew. Königlichen Majestät, durch das Ver- 
trauen des heiligen Vaters, zur geistlichen Oberleitung der beiden 
Metropolen des Königreichs berufen, haben wir, Erzbischöfe von 
Cöln und Gnesen und Posen, die sehr große Ehre, Ew. Majestät uns 
heute vorzustellen, um Allerhöchstdenselben den Tribut unserer 
Ehrfurcht zu Füßen zu legen und imsere pflichtschuldige Treue zu 
geloben. Dieser feierliche und wichtige Act, wodurch wir uns ver- 
pflichten, Ew. Majestät gegenüber heilige Verbindlichkeiten zu er- 
füllen, wird verherrlicht durch die Großmuth, womit Allerhöchst- 
dieselben würdigen. Selbst aus unserem Munde die aufrichtigen Ge- 
löbnisse entgegenzunehmen, welche wir im Begriffe stehen, Ew. 
Majestät zu geben. Dankend für diese Gunst, worin wir einen 
neuen Beweis der wohlwollenden Gesinnungen zu erkennen uns 
freuen, welche Ew. Majestät gegen die Kirche hegen, deren un- 
würdige Diener wir sind, wagen wir am Fuße des Thrones die in- 
ständige Bitte niederzulegen, daß Ew. Majestät geruhen wolle, das 
Allerhöchste Wohlwollen der heiligen katholischen Kirche und den 
religiösen Interessen der Ihrem Königlichen Scepter imterworfenen 
Gläubigen stets zu erhalten, auf daß wir immer die Vorsehung 
preisen können, für die Wohltaten, welche sie durch den mächtigen 
Schutz des Königs über uns zu verbreiten würdigen wird. 

Sodann leisteten die beiden Erzbischöfe einer nach dem anderen 
den Huldigungseid nach der ihnen durch den Geheimen Regierungs- 
rath Dr. Kraetzig übergebenen schriftlichen Norm, unter Berührung 
des Evangeliums, welches ihnen von den sie begleitenden Geistlichen 
gehalten wurde, körperlich wie folgt ab: 

Ich, Graf Miecislaus Ledochowski, erwählter und bestätigter 
Erzbischof von Gnesen-Posen, 

Ich, Paulus Melchers, ernannter und bestätigter Erzbischof von 
Cöln, schwöre einen Eid zu Gott dem Allmächtigen und Allwissen- 
den und auf das heilige Evangelium, daß, nachdem ich auf den erz- 
bischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen (Cöln) erhoben worden bin, 
ich Sr. Königlichen Majestät von Preußen Wilhelm und AUer- 
höchstdessen rechtmäßigem Nachfolger in der Regierung, als 
meinem AUergnädigsten Könige und Landesiierrn, unterthänig, treu, 
gehorsam und ergeben sein, Allerhöchstdero Bestes nach meinem 
Vermögen befördern, Schaden und Nachteil aber verhüten und be- 
sonders dahin streben will, daß in den Gemüthern der meiner erz- 
bischöflichen Leitung anvertrauten Geistlichen und Gemeinden die 
Gesinnungen der Ehrfurcht und der Treue gegen den König, die 
Liebe zum Vaterlande, der Gehorsam gegen die Gesetze, und alle 
jene Tugenden, die in dem Christen den guten Unterthan be- 
zeichnen, mit Sorgfalt gepflegt werden: und daß ich nicht duldai 



— 186 — 

will, daß von der mir untergebenen Geistlichkeit in entgegen- 
gesetztem Sinne gelehrt oder gehandelt werde. 

Insbesondere gelobe ich, daß ich keine Gemeinschaft oder Ver- 
bindung, sei es mnerhalb oder außerhalb Landes, unterhalten will, 
welche der öffentlichen Sicherheit gefährlich sein könnten, und 
will ich, wenn ich erfahren sollte, daß in meiner Diözese oder 
anderswo, Anschläge gemacht werden, die zum Nachtheil aes Staats 
gereichen könnten, hiervon Sr. Königlichen Majestät Anzeige 
machen. Ich verspreche dieses Alles um so unverbrüchlicher zu 
halten, als ich gewiß bin, daß ich mich mirch den Eid, welchen ich 
Seiner päpstlichen Heiligkeit und der Kirche geleistet habe, zu 
Nichts verpflichte, was dem Eide der Treue und Unterthänigkeit 
gegen Se. Königliche Majestät entgegen sein kann. 

Alles dieses schwöre' ich, so wahr mir Gott helfe und sein hei- 
liges Evangelium; Amen. 

Nach der Eidesleistung gab der Erzbischof von Cöln Namens 
beider Erzbischöfe den Gefühlen des Dankes gegen Se. Majestät den 
König Ausdruck, indem er mit Wärme folgende Worte an Aller- 
höchstdieselben richtete: 

Ew. Königlichen Majestät sprechen wir unterthäiiigsten Dank 
aus für die Allerhöchste Gegenwart, womit Sie den heiligen Act 
unserer Eidesleistung zu beehren geruht haben. Wir erkennen darin 
einen neuen Beweis der großen Hochachtung und Wohlgewogenheit 
Ew. Majestät gegen die heilige Kirche, deren Diener zu sein wir 
die Ehre haben. 

Wir sind durch diese Eidesleistung heut eingetreten in den 
Unterthanenverband des Königreiches und haben diesen Schritt 
getlian mit dem ernsten Willen und Vorsatz, in treuester Erfüllung 
der Unterthanenpflichten allen unserer Obsorge anvertrauten Gläu- 
bigen mit einem guten Vorbilde voranzuleuchten und zugleich un- 
seren amtlichen Einfluß immer dahin zu verwenden, daß dieselben 
als gute Christen nicht nur in Glauben und Gehorsam Gott treu 
dienen, sondern auch als gute Unterthanen von den Gesinnungen der 
Ehrfurciit, Treue und Liebe gegen ihren König immer mehr durch- 
drungen werden und schuldigen Gehorsam den Gesetzen erweisen. 

Ueberzeugt, daß die Verhältnisse von Staat und Kirche nur 
dann segensreich und gedeihlich sich entwickeln, wenn die beider- 
seitigen Organe in Frieden und Eintracht nach dem gemeinschaft- 
lichen Ziele zusammenwirken, werden wir stets — wir geloben es 
gern -r- uns angelegen sein lassen, soweit es in unseren Kräften 
fiteht, diesen Frieden und diese Eintracht aufrecht zu erhalten. 

Ew. Königliclie Majestät bitten wir um den Allerhöchsten 
Schutz in der Ausübung unseres wahrlich nicht leichten Amtes und 
verbinden damit gern die Versicherung, daß es uns stets eine heilige 
und angenehme Pflicht sein wird, durch heiße Gebete den Schutz 



— 187 — 

des Allerhöchsten und die reichsten Segnungen des Himmels auf 
das thcure Haupt Ew. Majestät und auf das Allerhöchstdero König- 
lichem Scepter unterworfene Vaterland herabzuflehen. 

Se. Majestät der König geruhten hierauf den feierlichen Act 
mit folgenden, an die beiden Erzbischöfe gerichteten huldvollen 
Worten zu schließen: 

Es ist mir angenehm gewesen, Sie, Hochwürdige Herren, beim 
Antritt Ihres erzbischöflichen Amtes persönlich zu empfangen und 
das feierliche Gelöbniß, welches Sie soeben abgelegt und mit Ihrem 
Eide bekräftigt haben, als Unterpfand Ihrer Gesinnungen gegen 
Mich und Mein Königliches Haus von Ihnen entgegenzunehmen. 

Die Verhältnisse der katholischen Kirche im Bereiche Meines 
ganzen Landes finden sich durch geschichtliche Entwickelung, Recht 
und Verfassung in wohlgeordnetem Zustande. Unter dem Schutz 
gerechter und wohlwollender Gesetze darf sie auf ihrem Gebiete frei 
und imgehindert ihre Tätigkeit entfalten. Es gereicht Mir zur Ge- 
nugthuung, daß diese Thatsache, wie sie in dem Munde des sicht- 
baren Oberhauptes Ihrer Kirche mehrfach eine gerechte Würdigung 
erfahren hat, so auch in den Herzen Meiner getreuen Unterthanen 
dankbare Anerkennung findet. Die katholische Kirche in Meinen 
Staaten darf der Fortdauer Meines landesväterlichen Schutzes ver- 
sichert sein. Insbesondere mögen auch Sie, Hochwürdige Herren, 
auf Meine Unterstützimg in der Erfüllung Ihrer Aufgabe rechnen, 
deren Schwierigkeit ich nicht verkenne. 

Mit um so größerer Zuversicht hege ich aber auch zu Ihnen die 
Erwartung, daß Sie, wie Sie soeben durch einen feierlichen Eid vor 
Gott gelobt haben, in den Ihrer bischöflichen Obhut anvertrauten 
Diöcesanen den Geist der Ehrfurcht und Treue gegen Mich und 
Alein Königliches Haus und des Gehorsams gegen die von Gott ge- 
ordnete Obrigkeit, so v/ie die Achtung vor den Gesetzen des Staates 
pflegen und nähren und Frieden und Eintracht unter den Staats- 
angehörigen nach Kräften fördern werden. 

In diesem Vertrauen heiße ich Sie in Meinem Lande willkom- 
men, welches, wie es Ihnen eine heimathliche Stätte und cm reiches 
Feld der Wirksamkeit bietet, mit gleicher Zuversicht auf Ihre Hin- 
gebung für seine hohen und heiligen Interessen rechnet. 

Die beiden Erzbischöfe vollzogen nunmehr, nachdeai sie von 
Sr. Majestät huldvollst entlassen worden, das über den Hergang 
bei der Eidesleistung aufgenommene Protokoll durch ihre Unter- 
schrift. 

Der Act, bei welchem die Erzbischöfe in der Kleidung der 
L^ati nati des Papstes, die fungierenden Beamten und Solennitäts- 
zeugen aber in Uniform erschienen waren, hatte in seinem ganzen 
Arrangement und Verlaufe etwas ungemein Würdevolles und Feier- 



— 18S — 

liches. Nach Beendigung der Eidesfeierlichkeit geruhte Ihre Maje- 
stät die Königin die Erzbischöfe zu empfangen. 

Um 5 Uhr fand bei Ihren Königlichen Majestäten ein Diner 
statt, zu welchem außer den Herren Erzbischöfen auch die bei dem 
Act der Eidesleistung in Function gewesenen Würdenträger und 
Solennitätszeugen geladen waren. 



Seine Königliche Hoheit der Kronprinz nahm am Vormittage 
des 14. April die Glückwünsche Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen 
Albrecht (Sohn) entgegen^-), und begab sich hierauf um 12 UKr 
nach Berlin, um daselbst der Eidesleistung der neuernannten Erz- 
bischöfe von Cöln und Posen beizuwohnen. Um 3^5 Uhr erteilte 
Se. Königliche Hoheit dem Erzbischofe Grafen Ledochowski eine 
Audienz in Höchstseinem Palais imd fuhr hierauf nach Potsdam 
zurück. 



Anlage 8. 

Hirtenbrief des Grafen E e d o c h o w s k i 

vom 24. April 1866 

Nach Besteigung des erzbischöflichen Stuhles von Gnesen-Posen ^") 

Miecislaus Halka 

Graf Ledochowski 

durch Gottes Erbarmung und des heiligen apostolischen Stuhles 

Gnade Erzbischof von Gnesen und Posen, 

Legatus natus etc. etc. 

Der gesamten Welt- imd Kloster-Geistlichkeit und allen Gläu- 
bigen der Erzdiözesen Gruß und Segen in unserem Herrn Jesu 
Christo! 

Durch den unerforschlichen und unerwarteten Rathschluß 
Gottes auf den altehrwürdigen Stuhl von Gnesen und Posen berufen 
zur Uebernahme der geistlichen Erbschaft so vieler heiliger und 
ausgezeichneter Oberhirten, welche Eure Seelen auf dem Wege des 
Heils geleitet, erscheine ich unter Euch, Geliebtesten Brüder, erfüllt 
von Bangigkeit im Hinblick auf die Unzulänglichkeit meiner Kraft, 



12) Am i2. April 1866 war dem Kronprinzen eine Tochter, Prinzessin 
Victoria geboren. 

13) Nacli dem in den F. P. v. H. befindlichen Üriginalexemplar dos 
Hirtenbriefes. 



— 189 — ■ 

aber aucli zugleich voll Vertrauen, wenn ich an Gott denke, in vvel- 
cherh unsere Tüchtig-keit ist (II. Kor. 3. 5.), denn jede gute Gabe 
und jedes vollkommene Geschenk ist von oben herab vom Vater 
der Lichter (Jacobus 1. 17). 

Für Euer geistliches und höchstes Gut Sorge zu tragen, die 
Pflichten eines christlichen Lebenswandels Euch nachdrücklich vor- 
zuhalten und die gewissenhafte Erfüllung derselben sorgsam zu för- 
dern, zum Dienste des Herrn Euch anzueifern und darin mit aller 
Hingebung Euch stets voranzugehen, vor der Macht des Feindes 
unseres Seelenheils Euch zu schützen, welcher immerdar einhergeht, 
wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er verschlingen könne 
(I. Petri 5. 20) und durch tausend Mittel uns zu verderben trachtet, 
Iheils indem er das Gute bös, und das Böse gut nennet, die Finster- 
nis zu Licht, imd das Licht zu Finsternis mache (Jesaias 5. 20), 
theils indem er die Gestalt eines Engels annimmt, (IL Corinth. 11. 
28.) um unter der Hülle der Wahrheit Irrthümer zu verbergen, und 
durch diese Täuschung seine Opfer um so leichter abzuwenden von 
Gott, unserer einzigen Hoffnung, und von der Kirche, in welcher 
allein unser Heil ist, imd vom Glauben, ohne welchen es unmöglich 
ist, Gott zu gefallen, (Hebr. 11. 6.) und von guten Werken, ohne 
welche unser Glaube todt wäre; (Jacob. 2. 26) dies sind die schweren 
Pflichten des Hirtenamtes und des Dienstes der Kirche, die aller- 
dings geeignet sind mich mit Sorge zu erfüllen, nachdem es mir in 
aufrichtiger Demut nicht gelungen, mich denselben zu entziehen. 

Der Grund der Befürchtung indessen, daS ich den Pflichten 
dieses so erhabenen Berufes nicht vollständig genügen möchte, liegt 
mehr in dem Bewußtsein meiner eigenen unzulänglichen Kraft, als 
in der Besorgnis, daß ich bei Euch nicht jene bereitwillige Mitwir- 
kung vorfinden sollte, ohne welche der beste Wille und die ange- 
strengteste Arbeit des Hirten fruchtlos bleiben müßten. Eure 
eigenen von den Vätern ererbten Gesinnungen bieten mir die sichere 
Gewähr dar, daß die Stimme Eures Oberhirten ein ebenso bereit- 
williges Gehör finden wird, wie die Stimme des Vaters in den 
Herzen seiner Kinder und daß Euer unaufhörliches Fortschreiten 
auf dem Wege wahrer Tugend für mich. Euren geistlichen Führer, 
den mit Sehnsucht erwarteten Lohn für seine schweren Sorgen und 
Mühen bilden werden. 

Zur Erreichung dieses für Alle segensreichen Wachsthums im 
Dienste des Herrn, wird ohne Zweifel am meisten beitragen. Hoch- 
würdige Mitglieder beider Kapitel und Ehrwürdige Welt- und 
Klostergeistliche, Eure eifrige und weise Betheiligung an Unserer 
Arbeit in der Pflege tmd Bebauung jenes uns so theuren Theiles 
des Weinberges des Herrn, welcher durch das sichtbare Oberhaupt 
der Kirche, durch den Statthalter Christj selbst. Unserer Obsorge 
anvertraut worden ist. Indem ich Euch zum ersten Male begrüße, 



— 190 — 

fühle ich das Bedürfnis Euch zu versicliern, daß ich ein großes Ver- 
trauen hege zu Eurer Frömmigkeit, Wissenschaft, Arbeitsamkeit, 
Lauterkeit des Wandels und Opferwilligkeit. Ich zweifle nicht, 
daß Ihr aufs Eifrigste mit mir mitwirken werdet, um durch 
That und Lehre die mit dem theuersten Blute Jesu Christi er- 
kauften Seelen, deren Heil unsere einzige Aufgabe ist und für 
welche wir vor Christo, unserem Herrn und Gott, werden Rechen- 
schaft ablegen müssen, zu erbauen. Ihr seid das Salz der Erde 
(Math. 5. 13), Ihr sollt daher zugleich mit mir die Herde Christi 
vor Verderben schützen. Je größere Gefahren dieselbe von allen 
Seiten umringen, je mächtiger der Kampf ist, den wir mit dem weit 
und breit herrschenden Unglauben imd mit jener schweren Ver- 
suchung zu führen haben, welche heut zu Tage das Irdische dem 
Himmlischen gleichstellt, ja sogar das Zeitliche dem Ewigen vor- 
zieht, desto eifriger müssen wir darnach streben und dahin arbeiten, 
aaß die Christgläubigen im Glauben immer mehr erstarken, in der 
Liebe immer mehr wachsen und dadurch in der heiligen Hoffnung 
immer mehr befestigt werden. 

Zu dieser heilsamen und verdienstvollen Arbeit bereitet auch 
Ihr Euch vor, geliebte Jünglinge, die Ihr in den beiden Erzdiözesan- 
Seminarien in den Tugenden sowohl als auch in den dem heiligen 
Stande, den Ihr selbst erwählet habet, entsprechenden Wissen- 
schaften unterwiesen werdet. Ihr habet bereits in Euren Herzen 
den Ausspruch gethan: der Herr ist mein Erbtheil (Ps. 15. 5.j ; 
Seinen Dienst zieht Ihr allen irdischen Aemtern und Geschäften vor 
und Ihr solltet dies ferner für alle Zukunft thun. Darum suchet 
fleißig in Eurer Zurückgezogenheit durch Gebet und Arbeit alle jene 
Eigenschaften Euch anzueignen, mit welchen der Priester den Gläu- 
bigen voranleuchten soll. Wahrlich, erhaben ist Euer Beruf, ernste 
Pflichten erwarten Euch mit der Zeit. Gott gebe es, daß Ihr die- 
selben niemals aus den Augen verlieret und in Heiligkeit und Klug- 
heit immer mehr reifet. Wachset in der Furcht des Herrn, die da 
ist der Anfang der Weisheit (Eccl. 1. Iß.), auf daß Ihr stets Gott 
gefallet und die Erwartungen Eurer Vorgesetzten, welche mit 
lobenswerther Hingebung an Eurer Erziehung eifrig arbeiten, nie- 
mals täuschen möget. 

Auch Euch, Gottgeweihte Frauen, sende ich meinen ersten 
Hirtengruß. Sei es, daß Ihr ganz von der Welt zurückgezogen, die- 
selbe durch Eure Buße und Gebete vor dem gerechten Zorn Gottes 
schützet und durch Euer Beispiel die sündhafte Welt Gott näher 
bringt; sei es, daß Ihr mit Verleugnung der Welt und aller ihrer 
trügerischen Freuden dennoch mitten in derselben lebet, um Kranke 
zu pflegen, Arme zu unterstützen. Unwissende zu belehren, Waisen 
als Mütter und verlassenen Greisen als Schwestern zu dienen: so- 
wohl die Einen, als die Anderen, bewahret mit Treue Eure Gelübde 



— 191 — 

und bringet täglich dieselben von Neuem dem Herrn zum Opfer, 
auf daß Ihr einerseits auf diese Weise immer reichlichere Gnaden 
und was diesen nachfolgt, den Frieden des Herzens und die Frei- 
heit des Geistes von Gott erlanget und Euch statt der vermeint- 
lichen Schätze, die Ihr um der Liebe Gottes willen verachtet habet, 
desto größere im Himmel sammelt: andererseits aber Alle, die auf 
Euch im Geiste des Glaubens schauen, mit Eurem Beispiele zur 
Abtödtung verderblicher Leidenschaften imd zur Losreißung des 
Herzens von irdischen Dingen anreget, um den Kampf gegen alle 
Begierlichkeiten desto wirksamer führen zu können: denn Alles, 
was in der Welt ist, das ist die Begierlichkeit des Fleisches, der 
Augen, und die Hof fahrt des Lebens. (L Joh. 2. 16.) 

Nehmen zwar im Herzen des Oberhirten die Welt- und 
Kloster-Geistlichen sowie der Chor frommer und Gottgeweihter 
Frauen eine hohe Stelle ein. so ist er unzweifelhaft sein ganzes 
Herz dem Volke zu schenken schuldig, dem er gegeben ist, um 
durch diesen Beistand unterstützt, dasselbe auf dem Wege der 
wahren Liebe Gottes und des Nächsten, auf dem Wege des ewigen 
Heiles, leiten zu können. An Euch daher, Männer dieses Landes, 
an Dich, gläubiges Volk, richte ich diese Worte vom Herzen zum 
Herzen. Auf verschiedenen Stufen der menschlichen Gesellschaft 
dureh Fügung der Vorsehung hingestellt, durch mannigfache 
Grade des Standes, Amtes, Vermögens oder der Bildung von ein- 
ander geschieden, seid Ihr doch alle durch einen Glauben zu einem 
christlichen Bruderbunde vereint, alle ohne L^nterschied Glieder des 
einen mystischen Leibes Jesu Christi, der da ist die heilige Kirche, 
deren für Uns theuersten Theil Ihr bildet. Euch alle, meine in 
Christo Jesu Geliebten Kinder, grüße ich; über Euch alle erhebe ich 
meine Hände zu Gott und flehe zu unserem Herrn und Erlöser, daß 
er Euch beschirme und pflege, daß er Euch vor Sünde bewahre und 
zu seinem Dienste immer mehr heranziehe, daß er Euch beschenke 
mit seiner heiligen Gnade, auf daß Ihr Wahrheit übet in Liebe und 
zunehmet in allen Stücken in Ihm, der das Haupt ist, Christus 
(Eph. 4. 15.), denn nur dorthin fließt die göttliche Gnade reichlich 
zu^ wo die Liebe zu ihrem Empfange die Herzen vorbereitet. 

Liebet also. Meine Theuersten Brüder, vor Allem und über 
Alles Gott, denn Er allein ist unser wahres Gut, liebet Ihn aber so. 
wie er es selbst verlangt, nämlich mit ganzem Herzen, mit ganzem 
Gemüthe, mit ganzer Seele, mit allen Euren Werken. Liebet ihn 
gleichmäßig in jeder Lage Eures Lebens, sei dieselbe böse oder gut, 
glücklich oder unglücklich, freudig oder traurig. Liebet auch den 
Nächsten, denn der Apostel der Liebe lehrt: Wenn Jemand sagt: 
„ich liebe Gott" und hasset seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn 
wer seinen Bruder,- den er sieht, nicht liebet, wie kann er Gott 
lieben, den er nicht sieht? (I. Joh. 4. 20.) Liebet also Alle nicht 



— 192 — 

aus irdischen Neigungen, sondern aus höheren, übernatürlichen Be- 
weggründen Liebet alle ohne Rücksicht darauf, ob sie gegen Euch 
wohlwollende Gesinnungen hegen oder nicht, ob sie dieselbe Sprache 
sprechen und demselben Volksstamme angehören oder nicht: denn 
bei Gott ist kein Ansehen der Person (Römer 2. 11.), denn nur die- 
jenigen lieben, die auch uns lieben, das thun auch die Zöllner. 
(Matth. 5. 4G.) Die christliche I-iebe aber beruht nicht auf dem 
natürlichen Drange des Herzens, das sich selbst sucht, sondern in 
der Uebung einer höheren Tugend der Liebe, um Gott zu gefallen 
durch die Erfüllung seines Gebotes, von dem der Heiland selbst 
sagt: Dies ist das größte und das erste Gebot. (Matth. 22. 38.) 
Wenn Ihr diese christliche Liebe in Euren Herzen bewahren und 
pflegen werdet, so wird Euch derselbe Qott, der sie geboten hat, be- 
lohnen, und zwar nicht nur im künftigen, sondern auch m diesem 
Leben; denn ein aufrichtiges Wohlwollen gegen Alle, leichte Ver- 
gebung der Beleidigungen, bereitwillige Erfüllung der eigenen und 
öffentlichen Pflichten ohne Bitterkeit, ohne Vorurtheil, ohne 
Murren, heilt viele Wunden, mildert viele Schmerzen und gibt den 
Frieden des Geistes, welcher besser ist, als alle Schätze, den Frieden 
Gottes.- der, wie der heilige Apostel Paulus sagt, allen Begriff über- 
steigt. (Philip. 4. 7.) 

Mit solcher Liebe zu Gott und zum Nächsten um Gottes willen 
erfüllt, werdet Ihr leichter aie Sorgen und Schmerzen unserer zeit- 
lichen Pilgerfahrt ertragen, denn der Gott der Liebe und der Wahr- 
heit wird Euch erkennen lassen, daß lediglich seine Vorsehung die 
Welt regiere und unsere Geschicke leite nach seiner unendlichen 
Weisheit und Güte, nnd daß die Quelle unseres Unheils und Un- 
glücks nicht in der Bosheit und Abneigung der Menschen, sondern 
einzig und all ein in den Fügungen der göttlichen Vorsehung zu 
suchen sei, welche theils straft, theils auf die Probe stellt, aber in 
dem einen, wie in dem anderen Falle stets nur deshalb, um unserem 
\'erdienste eine desto reichlichere Erndte zu bereiten. 

M()ge doch diese heilige und höchste Tugend- der Liebe im 
Herzen eines jeden von Euch, Theuerste Brüder, eine immer tiefere 
und breitere Grundlage finden ! Auf ihr allein kann man, ausgerüstet 
mit lebendigem Glauben und ruhiger Ergebung in die unergründ- 
lichen Ratschlüsse der göttlichen Vorsehung das herrliche Gebäude 
eines christlichen Wandels auffiihren. Dadurch allein werdet Ihr 
Tiuch das eigene Glück sichern und zur Beglückung der Gesellschaft, 
welcher Ihr angehört, nach dem Euch von Gott gestatteten Maaße 
beitragen können. 

Zum geistlichen Führer Euch allen, Theure Brüder, gegeben, 
werde ich doch ungeachtet meiner eigenen Unzulänglichkeit, die 
mir auferlegten Pflichten mit Gottes Hilfe mächtig aber auch lieb- 
lich (Weisheit 8, 1.) zu erfüllen trachten. Ich werde mir hierin den 



— 193 — 

zum Vorbilde nehmen, welcher der ganzen Kirche vorsteht, und als 
Hirt der Hirten uns, Eueren Vätern die Gefahren und Abgründe 
zeigt, vor denen wir uns selbst hüten und Euch bewahren sollen. 
Seiner Stimme werde ich stets folgen, daß Ihr es auch thut, wird 
meine angelegentliche Sorge sein. Durch treuen Gehorsam und auf- 
richtige Anhänglichkeit mit dem Apostolischen Stuhle innig ver- 
bunden, werden wir in den Kämpfen des Glaubens, wenn etwa auch 
über uns der heut zu Tage herrschende Unglaube hereinbrechen 
sollte, mit ihm den Sieg davon tragen, zumal Wir durch den Segen 
des heiligen Vaters, des Statthalters Christi gestärkt, fest ent- 
schlossen sind, die unschätzbare Erbschaft unserer Väter, den 
katholischen Glauben, zu bewahren. 

Nachdem wir nun Gott gegeben, was Gottes ist, werden wir 
auch wissen, unserem Könige das zu geben, was wir Ihm schuldig 
sind, nämlich treue Achtung des Unterthanenbandes, gewissenhafte 
Beobachtung der gerechten Gesetze, aufrichtige und willige Beteili- 
gung an der gemeinsamen Arbeit für das Wohl des Landes, mit 
dessen Geschicken die Vorsehung auch die unsrigen verknüpft hat. 

Um aber von Gott den Segen für unser neues Hirtenamt zu 
erlangen, rufen wir alle Gläubigen beider Erzdiözesen zu heißen Ge- 
beten auf, in der Hoffnung, daß durch die Fürbitte der unbefleckt 
empfangenen, jungfräulichen Mutter Gottes und der heiligen Pa- 
trone Gnesens und Posens Jesus Christus, unser Heiland, der reich 
ist an Erbarmungen, uns erhören und unter seinem Schutze be- 
wahren werde. 

Darum verordnen wir: 

1. Daß am ersten Sonntage nach Empfang dieses Hirtenbriefes 
gleich nach Beendigung des Hochamtes in allen Kirchen der 
Hymnus: Veni Creator nebst dem Verse: Emitte und dem 
Gebete: Deus qui corda gesungen \verde. 

2. Daß von jenem Sonntage an den ganzen Monat hindurch in 
allen Kirchen und Kapellen beider Erzdiözesen in einer jeden 
heiligen Messe nach den sonst vorgeschriebenen Gebeten auch 
die Kollekte: De Spiritu Sancto gebetet werde, mit Ausnahme 
der Feiertage primae classis, an welchen die Kirchenrubriken 
dies nicht gestatten. 

Gegenwärtiger Hirtenbrief soll am ersten Sonntage nach dem 
Empfange desselben während des Hochamtes nach dem Evangelium 
vorgelesen werden. 

Gegeben in Unserem Erzbischöflichen Palais in Posen den 
24. April 1866. 

(L. S.) Miecislaus. 

Auf Befehl Seiner Erzbischöflichen Gnaden 

Janiszewski 
Pro-Secretair. 

13 



194 



Anlage 9. 



Erlaß des Erzbischofs Grafen Ledochowski an 
das General-Konsistorium vom 18. Mai 1866 '^*).' 

Nachdem ich mich von der Notwendigkeit überzeugt habe, der 
Geistlichkeit beider Erzdiözesen den Weg näher zu bezeichnen, den 
alle dem kirchlichen Dienste gewidmeten Personen einzuhalten 
haben, sobald es sich um Fragen handelt, welche entweder durchweg 
oder vorzugsweise politischer Natur sind, habe ich mich ent- 
schlossen, hierüber einige kurze Andeutungen zu geben und die- 
selben einem hochwürdigen General -Consistorio mit der Aufgabe 
zugehen zu lassen, daß dieselben durch die betreffenden Dekane zur 
Kenntnisnahme der gesamten Geistlichkeit gebracht werden. 

Die Mahnung des Apostels, daß gottgeweihte Personen sich in, 
weltliche Angelegenheiten nicht zu mischen haben: „Kein Streiter 
Gottes verwickle sich in weltliche Geschäfte" (2. Tim. 2. 4.) hat 
wohl zu keiner Zeit in dem Maß der Geistlichkeit gegolten . als 
gerade in unseren Tagen, in denen die zeitlichen Angelegenheiten 
wunderbar das Uebergewicht über die ewigen gewonnen haben, auf 
daß sie die ersteren auf das sorgfältigste meiden, und eben damit 
die Gläubigen daran erinnern, daß es noch höhere .und wichtigere 
Angelegenheiten giebt, denen vor allem Geist und Herz des Christen 
sich zuzuwenden haben. Diese Verpflichtung erweist sich um so 
unerläßlicher, je entschiedener die Erfahrung täglich lehrt, bis zu 
welchem Grade die Leidenschaften der Menschen sich zu entfesseln 
pflegen, sobald politische Vorurteile in ihren Herzen Platz greifen, 
und schnell genug das Andenken an alle anderen Pflichten zu ver- 
wischen beginnen, welche durch das göttliche, das kirchliche oder 
bürgerliche Gesetz ihnen auferlegt sind, oder welche aus dem Beruf 
selbst und der Stellung sich ergeben, die jeder in der menschlichen 
Gesellschaft einnimmt. 

Außer der Notwendigkeit, daß die Geistlichen durch ihr eigenes 
Verhalten in derartigen Fällen ein heilsames Beispiel den Gläubigen 
geben, wird diese Pflicht von der in Rede stehenden Tätigkeit sich 
fern zu halten, auch durch den Umstand noch schärfer hervor- 
gehoben, daß dadurch es überaus schw-ierig wird, den verschieden- 
artigen und unerläßlichen Erfordernissen des kirchlichen Dienstes 
vollständig zu genügen, da die Tätigkeit zwischen diesen und dem 
rein bürgerlichen und politischen Dienst zersplittern wird. 

Eine Veranlassung, um der Geistlichkeit diesen Hauptgrund- 



14) Mitgeteilt in einem Privatbrief des Erzbischofs an den Kultus- 
minister V. Mühlcr vom 29. Mai 1866. Akten K. M. 2. 



— 195 — 

satz- in Erinnerung zu bringen, durch welchen wir nach Jesu Christi 
Willen von weltlichen Beschäftigungen abgelenkt werden, finde ich 
in der Voraussicht, daß binnen kurzem meine Erzdiözesanen zu den 
Wahlen für das Abgeordnetenhaus zu Berlin werden berufen wer- 
den. Da die Landesgesetze den Geistlichen die Ausübung dieses 
bürgerlichen Rechts zuerkennen, und ihnen die Befugnis, an diesem 
politischen Akte sich zu beteiligen zusprechen: so kann es weder 
meine Absicht noch mein Wille sein, zu verbieten, daß von diesem 
Rechte und dieser Befugnis . Gebrauch gemacht werde. Im Gegen- 
teil überlasse ich den Geistlichen die vollste Freiheit, ihre Stimme 
gewissenhaft abzugeben, indem ich überzeugt bin, daß sie dieses 
Recht in würdiger und ihrem erhabenen Stande entsprechender 
Weise ausüben, und nur solchen Männern ihr Vertrauen zuwenden 
werden, welche dasselbe wahrhaft verdienen, Männern, die tugend- 
haft, der hl. Kirche treu ergeben und die Rechte derselben zu ver- 
teidigen bereit und zugleich loyale, wahrhafte und gewissenhafte 
Freunde der Ordnung und der bürgerlichen Treue sind. 

Wenn ich aber mich verpflichtet halte, jedem die volle Freiheit, 
von dem Stimmrecht Gebrauch zu machen, zuzuerkennen, so kann 
ich doch andrerseits nicht umhin, die Geistlichkeit darauf aufmerk- 
sam, zu machen, daß ich aus den vorangeführten wie noch aus an- 
deren in der gegenwärtigen Lage diesesteils des Weinberges 
Christi liegenden Gründen eine ausgedehntere Betätigung der Inter- 
essen dieser Kirche und unserer hl. Religion Gefahr bringend, ja 
sogar schädlich erachte. Indem ich daher gegen die Stimmabgabe 
seitens der Geistlichen nichts zu erinnern finde, muß ich doch drin- 
gendst wünschen, daß dieselben weder sich selbst als Kandidaten 
hinstellen, noch auch, falls ohne ihr Zutun die Wahl zum Abgeord- 
neten auf sie fallen sollte, diese Wahl annehmen. Was endlich die 
weitere durch die Landesgesetze nicht vorgeschriebene Beteiligung 
an diesem politischen Akt betrifft, wie z. B. die Teilnahme an 
irgendwelchen Komitees, Versammlungen, Vorwahlen usw., in 
denen gewöhnlich die Vorzüge und Mängel verschiedener Kandidaten 
zur Erörterung gelangen, so hat eine derartige Beteiligung wie 
viel jährige Erfahrung zur genüge bewiesen hat, große und 
empfindliche moralische Nachteile nach sich gezogen; und darum 
ermahne und fordere ich kraft der mir von Gott verliehenen Ge- 
walt nachdrücklichst die Geistlichen auf, daß dieselben sich hiervon 
gänzlich fernhalten. Ich zweifle nicht, daß die Geistlichkeit meiner 
beiden Erzdiözesen, der ich mein unbedingtes Vertrauen entgegen- 
bringe, diesen meinen hier ausgesprochenen Wünschen willig Folge 
leisten und anerkennen wird, daß wenn ich durch Uebemahme des 
Oberhirtenamtes vor Gott eine überaus- schwere Verantwortlichkeit 
auf mich geladen habe, ich auch die strengste Verpflichtung habe, 
allen diejenige Bahn vorzuzeichnen, auf der wir allein das uns ge- 

13* 



— 196 — 

meinsam gesteckte Ziel, das Beste der meiner Obhut anvertrauten 
Kirche erreichen können. 

Posen, 18. Mai 1866. 

Der Erzbischof von Gnesen und Posen. 

An das Hochwürdige 

General-Consistorium 

hier. 
Abschrift vorstehender Verfügung Seiner erzbischöflichen 
Gnaden übersenden wir hiermit Euer Hochwürden mit dem Aut- 
trage, dieselbe via cursoria zur Kenntnis der Dekanats-Geistlichkeit 
sofort zu bringen und die Insinuations-Dokumente spätestens binnen 
G Wochen hierher gelangen zu lassen. 

Posen, 28. Mai 1866. 
Erzbischöfliches General-Konsistorium 
gez. Janiszewski. 

Mühler dankte dem Erzbischof für die Üebersendung dieses 
Schreibens ^^) , über das er hocherfreut sei. Auch bei Seiner Ma- 
jestät habe das Schreiben eine sehr gnädige Aufnahme gefunden. 
Es bestehe zu hoffen, dass sich das Band des Vertrauens zwischen 
Regierung und Erzbischof immer fester gestalte. 



Anlage 10. 



Zirkularschreiben des Erzbischofs an die 
Dekane vom 2 1. August 1866^"). 

„Hier könnten wir schließen, wenn nicht unser Hirtenamt uns 
die dringende Pflicht auferlegte, über eine wichtige und unange- 
nehme Sache noch einige Worte hinzuzufügen. Es ist Euch nicht 
unbekannt, geliebte Mitarbeiter, wie große Uebel unserer Kirche 
namentlich in den letzten Jahren dadurch erwachsen sind, daß das 
bürgerliche Gouvernement, aus Anlaß der stattgehabten politischen 
Unruhen in unserem Priesterstande feindselige Handlungen gegen 
sich vermutet hat. 



15) Mühler an Ledochowski, 20. Juni 1866. Akten K. M. 2. 

16) Am Schluß seiner am 21. August 1866 zur Eröffnung der Kongre- 
gation der Dekane gehaltenen lateinischen Ansprache äußerte sich der Er:^- 
bischof Graf Ledochowski wie folgt und verlas dabei das Zirkularschreiben. 
Abgedruckt in der polnischen Zeitung Dziennik poznanski Nr. 195 vom 
29. August 1866. (Uebersetzung.) 



— 197 — 

Wir müssen dahin streben, daß ein derartiger Verdacht recht 
bald schwinde und daß die bürg-erlichen Behörden die Ueberzeugnng 
gewinnen, daß die Priester, aus deren Munde nach dem Zeugnis der 
Schrift Alle Weisheit gewinnen und welche ein Vorbild der Ge- 
meinde sein sollen, eingedenk sind der Lehre des hl. Apostel Paulus, 
welche Unterwerfung unter die Obrigkeit befiehlt, nicht bloß aus 
"Furcht, sondern auch um des Gewissens willen. Dazu kommt, daß 
ein Lied, das früher in unserer Kirche auf unschädliche Weise ge- 
sungen wurde, in den letztverflossenen Jahren aber von Manchen zu 
einem schlechten Zweck gemißbraucht worden ist, von der Regie- 
rung als ein Zeichen des Widerspruchs gegen die bestehende C)rd- 
nung betrachtet und mit strengen Strafen verfolgt wird. Da dies 
Lied von der kirchlichen Behörde bis jetzt noch nicht ausdrücklich 
A'^erboten worden ist, so wird es hin und wieder von weniger klugen 
Menschen in Anwendung gebracht imd macht den ganzen Priester- 
stand der Regierung verhaßt. Einem so großen Xjebel zu steuern 
und uns und Euch Ruhe zu verschaffen, ist unsere dringende Pflicht 
und wir haben deshalb eine Verfügung erlassen, die in Form eines 
Zirkularschreibens an Euch abgefaßt ist und die wir Euch sofort 
vorlesen werden. 

Wir bitten Euch dringend im Herrn, daß Ihr Euch streng nach 
dieser Verfügung richtet. Sie lautet wie folgt: 

Zirkularschreiben an die Herren Dekane: 

Eine nicht geringe Anzahl von Priestern aus meinen Diözesen 
hat sich in den verflossenen Jahren die Unzufriedenheit der Kgl. 
Regierung dadurch zugezogen, daß ihnen eine größere oder geringere 
Beteiligung an regierungsfeindlichen Manifestationen Schuld ge- 
geben wurde. Eine Folge dieser Unzufriedenheit war und ist die 
fortdauernde große Erschwerung der Diözesen-Verwaltung. Die 
geistliche Behörde, die in vielen Fällen gesetzlich verpflichtet ist. 
mit der bürgerlichen Behörde wegen Personen in Beziehung zu tre- 
ten, denen sie gewisse Stellen und Aemter übertragen soll, sieht sich 
nämlich in ihrer Wahl oft so sehr beschränkt, daß sie gerade von 
denjenigen Priestern, die sie für die geeignetsten hält, abstehen muß, 
weil sie sich der Regierung gegenüber kompromittiert haben. 

Eine andere für mich nicht minder schmerzliche Folge der von 
geistlichen Personen begangenen Fehltritte dieser Art ist die, daß 
Priester häufig zur gerichtlichen Verantwortung gezogen und nicht 
selten für schuldig befunden und zu Geld- und sogar Freiheitsstra- 
fen verurteilt werden. 

Zu denjenigen Dingen, Avelche die Kgl. Regierung vielleicht 
weniger durch ihren Inhalt als durch ihre unpassende und oft 
tadelnswerte Anwendung empfindlich beleidigt haben und von ihr 
mit unnachsichtlicher Strenge des Gesetzes verfolgr und bestraft 



— 198 — 

werden, gehört besonders das Singen des Liedes Boze cos Polska in 
Kirchen, bei Prozessionen und anderen öffentlichen Andachten und 
FeierUchkeiten. 

Dies Lied, befand sich bis jetzt /..war unter denjenigen, welche 
die geistliche Behörde bestätigt hatte, weil es nicht als Devise für 
zeitliche Bestrebungen, sondern als Ausdruck eines demütigen Ge- 
bets gebraucht und überdies nur auf gewisse Zeitverhältnisse ange- 
wendet wurde; aber dessen ungeachtet hat es keinen Platz gefunden 
in der Sammlung rein kirchlicher Lieder, wie sie unsere Rituale und 
Kantionale enthalten und die stets und überall gebraucht werden 
können. Mit der Aenderung der Zeitverhältnisse jedoch, für die es 
bestimmt war, hat sich auch seine Bedeutung geändert, sowie der 
Standpunkt, von dem aus die Regierung es beurteilen muß. Das 
ursprünglich fromme Gebet ist zu gemeinen ephemeren politischen 
Demonstrationen herabgewürdigt worden. 

Der größere Teil der ehrwürdigen Geistlichkeit beider Diözesen 
hat dies wohl begriffen und darin liegt der Grund, daß das Singen 
dieses nicht mehr angemessenen Liedes in den Tempeln des Herrn 
aufgehört hat. 

Ich glaube daher, daß die gesamte Geistlichkeit dem löblichen 
Beispiel verständiger und frommer Priester foigen und daß sich 
kein Geistlicher finden würde, der es wagte, mir und der Sache der 
Kirche durch sein unvorsichtiges und unkluges Benehmen neue und 
peinliche Schwierigkeiten zu bereiten. Es ist jedoch anders ge- 
schehen und schon wiederholt sind von Zivilbeliörden Beschwerden 
über Geistliche meiner Erzdiözesen bei mir eingegangen, welche dies 
Lied in ihren Kirchen gesungen oder zu singen gestattet haben, 
worin diese Behörden einen Beweis regierungsfeindlicher Gesinnung 
der Geistlichen erblicken. 

In Erwägung daher, daß es meine Pflicht ist, alles zu beseiti- 
gen, was in den Landesbehörden gerechten Verdacht und Mißtrauen 
gegen meine Geistlichkeit erwecken kann, 

In Erwägung, daß es den Dienern des Altars durchaus nicht 
geziemt, das Wohl der Kirche um irgend welcher zeitlicher Aus- 
sichten willen offenbarer Gefahr preiszugeben, zumal in einer Zeit, 
wo erschreckende Beispiele uns eine beredte und über allen Ausdruck 
schmerzliche Warnung geben, 

In Erwägung, daß diese kleinliche und scheinbar unschuldige 
Sache, ohne welche die Kirche bei uns blühen und sich entwickein 
kann, der Kirche schon so vielen Schaden gebracht, daß, wenn dies 
Lied unter den jetzigen Verhältnissen auch nicht so unpassend wäre, 
wie es wirklich ist, doch schon die christliche Klugheit gebieten 
sollte, es nicht zu singen, 

In Erwägung endlich, daß dies Lied, nachdem es einmal zu 
politischen Zwecken gemißbraucht ist, auch ferner in demselben 



— 199 — 

Geiste gesungfen werden könnte, was durchaus nicht gestattet wer- 
den kann: 

erachte ich es für heilige Pflicht, das Singen des Liedes Koze 
cos Polska bei irgend welchen Andachten, sei es in der Kirche oder 
bei Prozessionen in meinen Erzdiözesen strenge zu verbieten. 

Die Herren Dekane wollen diese Verfügung zur Kenntnis der 
gesamten Geistlichkeit bringen und die Beobachtung derselben 
streng überwachen. Sollte, was ich nicht annehmen will, dies Ver- 
bot irgendwo übertreten werden, so haben sie eine solche Ueber- 
tretung bei meinen Konsistorien sofort zur Anzeige zu bringen. 

Gnesen, 21. August 1866. 
gez. Mieczyslaw 
Erzbischof von Gnesen und Posen. 



Anlage 11. 



Schreiben des Erzbischofs Grafen Ledochowski 
an denKultusministerv. Mühlervom 3. April 1867 

mit 3 Anlagen ^^). 

Euer Excellenz haben mittels sehr geehrter Zuschrift vom 
26. V. M. Nr. 280 die Gewogenheit gehabt, mir die von dem Herrn 
Oberpräsidenten v. Hörn an den Präsidenten des Staatsministe- 
riums Herrn Grafen v. Bismarck überreichte Zusammenstellung 
derjenigen Geistlichen' meiner beiden Erzdiözesen mitzuteilen, 
welche angeschuldigt sind, bei den Wahlen für den Reichstag des 
Norddeutschen Bundes an den Agitationen in mehr oder minder 
erheblichem Umfange sich beteiligt zu haben. Ich fühle mich ver- 
pflichtet, Euer Excellenz für diese Kommunikation meinen um so 
lebhafteren Dank auszusprechen, als ich gleich nach Eingang der 
stenographischen Berichte über die 14. Sitzung des gedachten 
Reichstags, in welcher diese Vorgänge zur Sprache gekommen, mich 
bereits an den Herrn Oberpräsidenten mit dem Ersuchen um ab- 
schriftliche Mitteilung der, in Rede stehenden Zusammenstellung 
gewandt hatte. Wenn nun Euer Excellenz in dem sehr geehrten 
Schreiben das Vertrauen ansprechen, daß ich nicht nur auf eine 
streng gesetzliche Haltung meines untergebenen Klerus im Allge- 



17) Abschrift dieses Schreibens legte der Kultusminister am 16. April 
1867 dem König vor. König Wilhelm versah dieses Schreiben am 18. April 
1867 mit folgender Randbemerkung: ..Durch den Minister dem Erzbischof 
ireine Anerkennung seines Verhaltens auszusprechen, gez. W." Akten Z. K.1. 



— 200 — 

meinen hinzuwirken, sondern auch die Schuldigen zur Verantwor- 
tung zu ziehen mich bereit finden lassen würde, so gereicht es mir zur 
ganz besonderen Genugtuung, Euer Excellenz schon jetzt die er- 
gebenste Versicherung geben zu können, daß, soweit derartige Fälle 
bisher zu meiner Kenntnis gelangt sind, ich niemals unterlassen 
habe, sofort amtlich einztischreiten. Es hat närrilich unter Bezug- 
nahme auf meinen Cirkularerlaß vom 18. Mai v. J. durchweichen ich 
zum Anlaß der damals bevorstehenden Wahlen für den Landtag, der 
Diözesangeistlichkeit ihr Verhalten bei derartigen politischen Akten 
vorgezeichnet und außer der Ausübung des Stimmrechts ihr die 
Fernhaltung von jeglicher Wahlbewegung warm ans Herz gelegt 
hatte, der Herr Oberpräsident v. Florn im Laufe der Monate Ja- 
nuar und Februar c. fünfzehn Geistliche mir näher bczeihnet, welche 
diesen meinen Weisungen insofern keine F^olge gegeben, als sie 'iu 
den in ihren resp. Kreisen stattgehabten Vorwahlversammlungen 
sich eingefunden hatten, femer zwei Geistliche, von denen der eine, 
wie vermutet wurde, den Kirchendiener zur Verteilung der Wahl- 
zettel veranlaßt hatte, und der andere angeklagt war, für die Wahlen 
in regierungsfeindlichem Sinne agitiert zu haben. Alle diese mir 
namhaft gemachten Geistlichen, 17 an der Zahl, finden sich auch in 
der mir jetzt vorliegenden Zusammenstellung wieder aufgeführt. 
In jedem speziellen Falle habe ich nun sofort die betreffenden Geist- 
lichen zur Verantwortung gezogen, und nach Maßgabe des Befundes 
inich genötigt gesehen, mittelst Verfügung vom 20. Januar, vom 15. 
resp. 27. Februar c. neun Geistlichen einen nachdrücklichen Verweis 
7U erteilen. Eine solche Verfügung gebe ich mir die Ehre zu Euer 
Excellenz hochgefälligen Kenntnisnahme in der Anlage sub litt. A 
abschriftlich in deutscher Uebersetzung ganz ergebenst beizufügen. 
In drei Fällen hat sich die Anklage als nicht begründet erwiesen, 
und in den übrigen fünf Fällen habe ich billigerweise Anstand neh- 
men müssen, gegen die betreffenden Geistlichen vorzugehen, da sie 
zwar offenherzig gestanden, in den Lokalen der Vor wähl Versamm- 
lung anwesend gewesen zu sein, aber ohne Beteiligung an den Dis- 
kussionen sich sofort wieder entfernt zu haben, und über die 
Schwäche welche sie gegenüber der auf sie geübten Pression kund- 
gegeben, Avie auch über ihren hierdurch an den Tag gelegten Unge- 
horsam gegen meine Anordnungen die aufrichtigste Reue bezeugten. 
Eue" Excellenz wollen hochgeneigtest gestatten, daß ich auch zwei 
derartige Eingaben sub litt. B. und C. abschriftlich in deutscher 
UebersetzuTig ganz ergebenst beizufügen mir die Freiheit nehme. 
Aus vorstehender Darlegung wollen Ew. Excellenz die Ueber- 
zeugung hochgeneigtest gewinnen, daß ich zur Wahrung der gemein- 
samen Intel essen der Kirche und des Staates mich nicht bloß auf 
den Erlaß einer allgemeinen Verfügung über das von der Diözesan- 
geistlichkeit bei den Wahlen zu beobachtende Verhalten beschränkt. 



— 201 — 

sondern uuch, so oft der Fall einer Nichtbeachtung- meiner Vor- 
schriften durch den Herrn Oberpräsidenten oder auf anderem Wege 
7U meiner Kenntnis gelangt und nachgewiesen war, mit der dem 
geistlichen Oberhirten geziemenden gewissenhaften, mit Milde ge- 
paarten Strenge, die den Fehltritt rügt, aber den Fehlenden zu 
bessern und in die richtige Bahn zu lenken sucht, überall einzu- 
schreiten bestrebt gewesen bin. 

Auch in den übrigen von Euer Excellenz mir nunmehr hoch- 
geneigtest kommunicierten Fällen werde ich nach Eingang der be- 
reits von dem Kgl. Oberpräsidenten erbetenen näheren faktischen 
Aufklärungen eine genaue Untersuchung anordnen, namentlich aber 
da, wo ein Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt konstatiert wer- 
den sollte, mit Strenge vorgehen, wie ich auch schließlich Ew. Ex- 
cellenz über das Resultat der diesfälligen Ermittelungen die ge- 
wünschte ergebenste Mitteilung zu machen nicht unterlassen werde. 

Wenn ich übrigens einerseits keineswegs in Abrede stellen will, 
daß die von einem Teile der Dinzesangeistlichkeit bewiesene be- 
dauerliche Nichtbefolgung meiner Weisungen meinem oberhirtlichen 
Herzen überaus wehe getan hat, so darf ich andrerseits zur Ent- 
schuldigung derselben doch nicht übersehen, daß diese Geistlichkeit 
seit fast 20 Jahren das bei politischen Wahlen allen Staatsbürgern 
eingeräumte Recht, über den aufzustellenden Kandidaten sich in 
gesetzlich zulässigen Versammlungen zu verständigen, auch für sich 
in Anspruch genommen hat, und daran gewöhnt war, von den mit 
derartigen Akten unzertrennlich verbundenen Wahlbewegimgen 
einen ausgedehnten Gebrauch zu machen, ohne daß in dieser Be- 
ziehung Seitens der geistlichen Oberen bisheran es für notwendig 
erachtet worden war, eine anderweite Richtschnur vorzuschreiben. 
Wenn nun diese Verhältnisse bei Beurteilung des Verhaltens eines 
Teils meiner Diözesangeistlichkeit bei den letzten Wahlen billige 
Berücksichtigung finden, dann darf es allerdings nicht befremden, 
wenn durch meinen Hirtenbrief in der bisherigen durch langjährige 
Gewohnheit tief eingewurzelten Anschauungsweise des Klerus nicht 
sofort und durchweg ein vollständiger Umschwung eingetreten ist, 
vielmehr die Nachwehen der bisherigen für meine Erzdiözesen nach- 
teiligen politischen Wirksamkeit dieses Klerus in den Uebergriffen 
Einzelner sich auch jetzt noch kund gegeben liaben. Ja, ich halte 
mich sogar befugt, unter solchen Umständen es als ein keineswegs 
ungünstiges Prognostikum für die .Zukunft hinstellen zu dürfen, 
daß von nahezu 800 Geistlichen meiner beiden Erzdiözesen, nach 
Inhalt der amtlichen Zusammenstellung nicht mehr als 23, also 
kaum 3 Prozent, namentlich angeschuldigt worden sind, in aus- 
gedehnter Weise an den Wahlagitationen tätigen Anteil genommen 
zu haben. In gerechter Würdigung der hier von mir hervor- 
gehobenen tatsächlichen Momente bitte daher Ew. Excellenz ich so 



— 202 — 

ehrerbietigst als dringendst, meiner nachgeordneten Geistlichkeit, 
um der Ausschreitungen Einzelner willen für die Zukunft hochdero 
wohlwollendes Vertrauen nicht entziehen zu wollen, da ich mich 
nicht täusche, wenn ich unter Gottes gnädigem Beistande zuver- 
sichtlich hoffe, daß es mir durch fortgesetzte Belehrungen, Mah- 
nungen, Warnungen und konsequent strenge Handhabung der kirch- 
lichen Disziplin gelingen wird, auch da einer richtigeren Erkenntnis 
und Ueberzeugung Eingang zu verschaffen, wo zur Zeit eine aus 
der Vergangenheit einen gewissen Schein von Berechtigung her- 
leitende Auffassung des Klerus meiner Erzdiözesen von seiner Stel- 
lung zu den politischen Fragen durch äußere Einflüsse noch Nah- 
rung findet. 

Schließlich werden Euer Excellenz mich zu ganz besonderem 
Danke verpflichten, wenn Hochdieselben dem Herrn Präsidenten 
des Staatsministeriums Grafen v. Bismarck zu dessen Händen die 
Zusammenstellung der wegen Wahlagitationen angeklagten Geist- 
lichen Seitens des Provinzialchefs niedergelegt worden ist, von 
meinem gegenwärtigen Schreiben Kenntnis zu geben die Gewogen- 
heit haben würden. 

Posen, den 3. April 1867. 

Der Erzbischof von Posen und Gnesen 

gez. Miecislaus. 

An den Königlichen Wirklichen 

Geheimen Staats- und Minister der 

geistlichen. Unterrichts- und 

Medicinalangelegenheiten 

Herrn Dr. v. Mühler 

Excellenz zu Berlin. 



Beilage litt. A. 

An den Pfarrer N. N. 

Zu meinem unaussprechlichen .Schmerze habe ich davon Kennt- 
nis genommen, daß Ew. p. p. trotz des von mir unterm 18. Mai 
v. J. erlassenen Hirtenschreibens dennoch an den Vorversamm- 
lungen teilgenommen haben, welche aus Anlaß der herannahenden 
Wahlen zu dem Norddeutschen Bundesparlaijiente in dem dortigen 
Kreise stattgefunden haben. Wenn der Priester so schnell die vor 
kurzem erst von seinem Oberhirten gegebenen Weisungen vergißt 
und von der ihm vorgezeichneten Bahn abweicht, so ladet er hier- 
durch eine nicht geringe Schuld auf sich, und gerät in geraden 
Widerspruch mit der Pflicht des Gehorsams, den er an den Stufen 
des Altars feierlich seinem Bischof gelobt hat. 



— 203 — 

Zu meiner tiefen Betrübnis sehe ich mich daher genötigt, Ew. 
p. p. Verhalten in dieser Beziehung nachdrücklichst zu rügen, und 
will nur in der Voraussetzung einige Beruhigiang finden, daß nicht 
sowohl böser Wille, als Mangel an reiflicher Erwägung Sie be- 
wogen hat, an Versammlungen sich zu beteiligen, welche dem 
Klerus von mir ausdrücklich untersagt worden sind. Ich hege auch 
die Hoffnung, daß gegenwärtige Verfügung genügen wird, Ihnen 
als eine heilsame Warnung für die Zukunft zu dienen, und Sie vor 
ähnlichen Ausschreitungen zu bewahren, mich aber der unange- 
nehmen Notwendigkeit entheben wird, Behufs Aufrechterhaltung 
der kirchlichen Disciplin zur Anwendung kanonischer Strafen 
schreiten zu müssen. 

Posen, den 20. Januar 1867. 

Der Erzbischof von Gnesen und Posen. 



Beilage litt. B. 

Auf Ew. Erzbischöflichen Gnaden hohen Erlaß vom 20. d. 
Monats Nr. 233 beehre ich mich ganz gehorsamst und aufrichtig 
zu berichten, daß ich früher und jetzt immer es am angemessensten 
erachtet habe, mich niemals in Angelegenheiten zu mischen, welche 
meinen heiligen Stand kompromittieren und unserm heiligen Glau- 
ben Schaden bringen könnten. Dafür, was ich hier bekenne, rufe 
ich Gott, mein Gewissen und alle meine Pfarrkinder, welche auf 
den Priester ihr Auge stets gerichtet halten, zu Zeugen an. Indem 
ich mich nun zu der bei Ihnen, hochwürdigster Herr Erzbischof, 
gegen mich angebrachten Klage wende, will ich nichts verschweigen, 
sondern gewissenhaft den Fall auseinandersetzen. 

An einem. Tage, den ich jetzt nicht genau bezeichnen kann, 
ging ich an einem Gasthause vorüber, aus welchem eben ein Be- 
kannter herausgetreten war. Indem er mit mir ein Gespräch an- 
knüpfte, betrat ich in seiner Gesellschaft das Haus, wo ich in einem 
Saale mehrere Herren versammelt fand, welche über die bevor- 
stehenden Wahlen sich besprachen. Treu meinem Grundsatze, mich 
in derartige Angelegenheiten nicht zu mischen, und eingedenk des 
Verbots Ew. Erzbischöflichen Gnaden, habe ich nicht nur an der 
Debatte keinen Teil genommen, sondern sofort den Versamm- 
lungsort wieder verlassen. 

p. p. N. N. den 26. Februar 1867. 

Unterschrift. 



204 — 



Beilage litt. C. 

Auf den Hohen Erlaß vom 20. Januar c. beeile ich mich Ew. 
p. p. ehrfurchtsvollst und in aller Demut zu berichten, daß ich den 
festen Entschluß g-efaßt hatte, an den Vorbereitungen zur Wahl 
eines Abgeordneten für den Reichstag keinen Anteil zu nehmen. 
Ich war auch nicht in dieser Absicht, sondern wegen einer in dem 
Königlichen Landratsamte zu erledigenden Angelegenheit nach 
N. N. gefahren, wo ich um 12 Uhr Mittags eintraf, während die 
Wahlversammlung auf die zehnte Stunde Vormittags anberaumt 
war. Leider war ich indessen schwach genug, dem Andrängen 
einiger Herren, welche mir wegen meiner Gleichgültigkeit Vorwürfe 
machten, nachzugeben, und mit ihnen der Wahlversammlung bei- 
zuwohnen. Wenn ich hiedurch ohne eine böse Absicht meinen 
hochwürdigen Oberhirten betrübt habe, so empfinde ich darüber die 
tiefste Reue und gebe das heilige Versprechen, welches ich gewissen- 
haft halten werde, daß ähnliche Uebertretungen der Befehle 
meiner geistlichen Obrigkeit von mir nie mehr begangen werden 
sollen. Ich bitte demütigst, Ev/. p. p. um gnädige Verzeihung 
dieses zum ersten Mal begangenen Fehltritts, und in der Hoffnung 
Verzeihung zu erlangen, zeichne ich mich p. p. 

N. N. den 8. Februar 1867. 
Unterschrift. 



Anlage 12. 

Hörn und L e d o c h o w s k i ^®) . 

Posen, 11. Oktober. 

(Enthüllung über die Wongrowitzer Gymnasial-Angeiegenheit und 
die Versetzung des Ober-Präsidenten von Hörn.) 

Enthüllungen sind bei uns ein rarer Artikel; hier wird vielmehr 
möglichst Vieles verhüllt, zumal in denjenigen Regionen unseres 
Gesellschaftslebens, in welchen, geleitet vom Erzbischof Grafen 
Ledochowski, die Jesuiten und ihre Kreaturen bestimmend ein- 
greifen. Und leider greifen sie ziemlich weit bestimmend ein. 
Sogar bis nach Berlin., wo sie mit ihren Intriguen unsere deutschen 
Interessen erfolgreich zu kreuzen wissen. Das ist neuerdings erst 
offenbar geworden, durch die Ankündigung unseres Provinzial- 



18) Schlesische Zeitung, Breslau, Freitag den 13. Oktober 1871, Nr. 479. 



— 205 — 

Schul-KoUegiums, daß vom 1. April 1872 ab in dem ultramontanen 
Herde Wongrowitz ein katholisches Gymnasium eröffnet werden 
solle. Der jetzt in Königsberg befindliche Oberpräsident Herr 
V. Hörn hatte, so lange er die Angelegenheiten unserer Provinz 
leitete, den Ultramontanen nach Kräften den Daumen aufs Auge 
gesetzt und grade in der Angelegenheit des neu zu begründenden 
Gymnasiums ihren Machinationen erfolgreich entgegengearbeitet. 
Die Notwendigkeit einer solchen Anstalt lag um so weniger vor, als 
in der nur 2 Meilen von Wongrowitz entfernten Stadt Rogasen ein 
blühendes Simultan- Progymnasium sich befindet, das man durch 
einfache Aufsetzung einer Prima zu einem Gymnasium umgestalten 
konnte. Ueberdies hatte die Stadt Rogasen fü,r ihre Anstalt 
mannigfache Opfer gebracht und es war somit eine Unbilligkeit, ihr 
von Staatswegen eine Konkurrenz auf den Hals zu setzen, die nicht 
nur alle ihre Opfer vergeblich machen, sondern auch für die dunkeln 
Mächte unserer Provinz eine neue Position schaffen mußte. Von 
diesen Gesichtspunkten ausgehend trat Herr v. Hörn für die Ro- 
gasener und gegen die projektierte Wongrowitzer Anstalt ein. Doch 
seine verdienstliche Einsicht mußte vor dem Einfluß der Ultra- 
montanen, deren Fäden sich in dem fürstlich Radziwillschen Palais 
in Berlin zu verlaufen scheinen, die Segel streichen. Graf Ledo- 
chowski setzte die ultramontane Anstalt in Wongrowitz durch. Er 
hat .aber, wie sich jetzt herausstellt, noch viel mehr durchgesetzt. 
Nämlich die Versetzung des Herrn v. Hörn in das Oberpräsidium 
von Ostpreußen. Anläßlich einer Korrespondenz aus Ermland in 
der „Köln. Volksztg.", in welcher auf diese Tatsache als auf eine 
feststehende hingewiesen wird, sieht sich die „Posener Zeitung", 
eine wackere Kämpferin gegen den Ultramontanismus, nun auch 
ihrerseits veranlaßt, mit einigen Enthüllungen herauszurücken. 
Danach ist es in der Tat wahr, daß Herr von Hörn dem Grafen 
Ledochowski hat weichen müssen. Bekanntlich wurden im Jahre 
1868 auch protestantische Behörden zur Teilnahme an dem vati- 
kanischen Concil eingeladen. Das evangelische Consistorium in 
Posen, welches sich gleichfalls unter den Eingelandenen befand, 
wies in scharfen Worten die Zumutung des Vaticans ab. Zu den- 
jenigen, welche diesen Korb dem heiligen Stuhl gegeben hatten, 
zählte auch Herr von Hörn. Dies choquierte den Grafen Ledo- 
chowski und er sann auf Revanche. Als er im Frühjahr 1869 von 
seiner Versailler Fahrt heimgekehrt war, machte er sich nochmals 
auf gen Berlin, konferierte mit den Ministern, beklagte sich über 
den Druck, welcher Seitens des Oberpräsidiums auf die Katholiken 
der Provinz ausgeübt werde, und — wenige Monate später war 
Herr von Hörn nicht mehr in Posen. Die Empfindungen, mit 
denen wir damals den so verehrten obersten Verwaltungsbeamten 
aus unserer Mitte scheiden sahen, waren schon bitter genug, denn 



— 206 — 

wenn wir den Zusammenhang der nunmehr aufgeklärten Angelegen- 
heit nicht durchweg begriffen, so ahnten wir ihn doch. Jetzt aber, 
da wir die Fortschritte der Ultramontanen in unserer Provinz über- 
sehen, da ein Blick auf das inzwischen entstandene Jesuitenkloster 
in Wronke und Posen uns belehrt, wie gut gezielt der vom Grafen 
Ledochowski gegen Herrn von Hörn geführte Schlag war, empfin- 
den wir doppelt schwer, was wir an Herrn von Hörn verloren. Wir 
erinnern uns zugleich einer Aeußerung, die hierorts kolportiert 
wurde und von Herrn von Hörn beim Abschiede von Posen gegen 
einen hochgestellten Beamten getan sein sollte: „Nehmen Sie sich vor 
dem Erzbischof in Acht." Die Aeußerung ist bezeichnend. Es 
gibt gegenwärtig in unserer Provinz nur noch einen Faktor, der 
ebenso mächtig als tätig unser öffentliches und privates Leben 
dominiert und ruiniert, den Ultramontanismus, und die „Posener 
Zeitung" hat schon Recht, wenn sie klagt, daß es „der Regierung 
noch immer leichter zu sein scheint, Beamte zu versetzen, als die 
Römlinge und Jesuiten ihrer Schulhoheit zu entkleiden, damit die' 
Ultramontanen überall — religiösen Frieden haben". 



Anlage 13. 



Allerhöchste Erlasse über Bildung und Auf- 
hebung der Katholischen Abteilung im Kultus- 
ministerium. 

1. Erlaß über die Bildung der Katholischen Abteilung^"). 

Ich genehmige nach Ihrem Antrage vom 15. v. M., daß für die 
Bearbeitung der auf die Katholische Kirche sich beziehenden An- 
gelegenheiten in dem Ihrer Leitung anA'-ertrauten Ministerium eine 
aus einem Director und zweier Räthen bestehende besondere Ab- 
theilung in dem Verhältnisse der anderen schon vorhandenen Al>- 
theilungen gebildet werde. Zum Direktor dieser Abtheilung er- 
nenne Ich den Staats-Sekretair Geheimen Ober Justizrath von 
Duesberg unter der Voraussetzung, daß er die Funktionen des 
Staats-Sekretairs daneben fernerhin, wie bisher, versieht. Die 
erste Rathstelle bestimme ich dem Geheimen Ober Regierungsrath 
Schmedding, dem ich zugleich den Charakter eines Wirklichen Ge- 
heimen Ober Regierungsraths ttnd den Rang eines Rathes erster 
Klasse beilege. Die zweite Rathstelle verleihe Ich dem bisherigen 
Landger ichtsrath Aulike mit dem Prädikat eines Geheimen Regie- 
rungsraths und dem Range eines Rathes dritter Klasse. Die aus- 



19) Enthalten in den Akten K. M. 5. 



— 207 — 

zufertigenden Bestallungen haben Sie zu Meiner Vollziehung einzu- 
reichen. Darüber, wann der p. von Duesberg aus seiner gegen- 
wärtigen Dienststellung bei dem Justiz Ministerium für die Gesetz- 
Revision ausscheiden und die Direktion der neugebildeten Abthei- 
lung übernehmen solL haben Sie mit dem Staatsminister von 
Kamptz zu kommuniciren, den Ich von. der dem p. von Duesberg 
gegebenen anderweitigen Bestimmung in Kenntnis gesetzt habe. 
Wegen der nöthigen Etats Veränderungen will Ich Ihre weitern in 
Gemeinschaft mit dem Finanz-Minister zu erstattenden Bericht er- 
warten. Vorläufig erkläre Ich Mich damit einverstanden, daß für 
den p. von Duesberg neben dem für ihn als Staats- Sekretair aus- 
gesetzten Gehalte von 2000 r/ eine Besoldung von 3000 r/ etats- 
mäßig gemacht wird. 

Berlin, den 11. Januar 1841. 

Friedrich Wilhelm. 
An den Staatsminister 
Eichhorn. 

2. Allerhöchster Erlaß betreffend die Aufhebung der katholischen 
Abtheilung im Kultusministerium vom 18. Juli 1871^°). 

Auf den Bericht des Staatsmini-steriums vom 30. v. M. will 
Ich genehmigen, daß die im Ministerium der geistlichen, Unter- 
richts- und Medicinal-Angelegenheiten jetzt bestehenden geson- 
derten Abtheilungen für die evangelischen Kirchen-Angelegenheiten 
und für die katholischen Kirchenangelegenheiten aufgehoben und 
deren Geschäfte Einer Abtheilung für die geistlichen Angelegen- 
heiten übertragen werden. 

Diese Ordre ist durch die Gesetz-Sammlung zu veröffentlichen. 



20) Abgedruckt in „Die kirchenpolitischen Gesetze Preußens und des 
Deutschen Reiches." Carl v. Kleinsorgen, Berlin 1887, S. 25. 



Namenregister. 



Abeken, Geheimer Rat, 91. 118. 

Adalbert Heiliger. 53. 

Adalbert, Erzbischof von Bremen, 135. 

Albrecht, Prinz von Preußen, 188. 

Alexander II., Kaiser v. Rußland, 40. 51. 85. 154. 

Alkiewicz, Priesterschüler, 178. 

V. Alvensleben, General, 85. 

Amman, Joseph, Kanonikus, 175. 

Amman, Vinzenz, Probst, 175. 

Antonelli, Kardinalstaatssekretär, 3. 5. 8—10. 13—17. 24—26. 31. 34. 41. 42-^4. 

48. 68. 73. 90. 92. 99—104. 108. 114. 144. 
V. Arnim. Graf Harry, Botschafter, 6. 14^17. 24. 27—29. 90—93. 99—108.. 117. 

139. 141. 144. 
Y. Arnim-Boytzenburg, Graf, preuß. Minister des Innern, 88. 
V. Arnim-Criewen, preuß. Landwirtschaftsniinister 91. 
V. Auersvvald, General, Abgeordneter, 20. 
August, Prinz von Preußen, 91. 
August III., König von Polen, 136. 
Augusta, Kaiserin, 89. 94. 97. 151. 188. 
Aulike, Ministerialdirektor 95. 97. 206. 
V. Baerensprung, Polizeipräsident, 57. 141. 

V. Balan, preußischer Gesandter, 28. 72. 103. 111. 112. 127. 130—134. 17Öf. 
Benedikt XIV., Papst, 136. 
Berardi, Bischof, 105. 
V. Berg, Graf, russischer General, 41. 
Berek, jüdischer Koch, 60. 
Bertram, Kardinal, 68. 
V. Bethmann Hollweg, Moritz August, 84. 
Binert, Probst, 183. 
Bielawski, Probst, 183. 
V. Bismarck, Fürst, Reichskanzler, 5—17. 23. 24. 27—29. 31. 37. 41-43. 48. 68. 

70—72. 75. 83—86. 89—94. 97. 101. 103. 105. 114. 124. 129. 132. 139. t«., 

144. 153. 171. 184. 
Bogusiewicz, Geistlicher, 183. 
Boleslav Chrobry, König von Polen, 55. 
V. Bonin, Oberpräsident, 1. 
V. Branicka, Gräfin, 145. 
Brüggemann, Geheimrat, 97. 



— 209 — 

V. Brühl, Graf, preuß. Gesandter, 101. 

Brzezinski, Prälat, 58. 59—61. 67. 76. 78 f. 81. 101. 110. 127. 149 f. 173. 179. 180' 

Brzezinski, Professor, 60. 179. 

Bukowiecki, Probst, 182. 

V. Bunsen, preuß. Gesandter, 84. 

Canisius, Seliggesprochener, 46. 

Chwaliszewski, Kaplan, 178. 

Cieslinski, Domherr, 125. 177. 

Creve, Ministerialrat, 168. 

Czaplewski, Pfarradministrator, 181. 

Czapski, Graf, 111. 

Czartoriski, Fürst, 173. 

V. Dalwigk, hessischer Minister, 22. 166. 167. 

V. Diepenbrock, Kardinal, 7. 132. 

V. Diest, Regierungspräsident, 12. 

Dinder, Erzbischof, 53. 

Döllinger,, Professor, 7. 9. 

Drazkowski, Probst, 182. 

V. Droste-Vischering, Erzbischof, 19 — 21. 132. 

V. Duesberg, Staatssekretär, 206. 207. 

Dulinski, Domherr, 53. 

V. Dunin, Erzbischof, 2. 58. 60. 77. 78. 79. 

Dzialynska, Gräfin, 57. 141. 

Dzierzewski, kath. Pfarrer, 181. 

Eichhorn, preuß. Kultusminister, 77. 207. 

Eulenburg, Graf, preuß. Minister des Innern, 30—32. 85. 141. 147. 152. 

Falk, Dr., Preuß. Kultusminister, 144. 

V. Flottwell, preuß. Staatsminister und Oberpräsident, 50. 51. 88. 152. 

Franchi. Kardinal, 31. 108. 118. 121. 

Frank, Ministerialrat, 168. 

Franz L, Kaiser von Oesterreich, 138. 

Franzoni, Erzbischof^ 143. 

Friedrich Wilhelm IL, König von Preußen, 91. 136. 

Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, 51. 

Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, 2. 3. 22. 49. 77. 79. 88. 95. 207. 

Friedrich Wilhelm, Kronprinz (Kaiser Friedrich III.), 70. 89. 111. 112. 

184. 188. 
Gaßner, Rektor, 8. 

Gaudentius, Erzbischof von Gnesen, 53. 
Gawrzyelski, Vikar, 183. 
Gebek, Ehrendomherr, 54. 
v. Gebsattel, Erzbischof, 47. 
V. Geißel, Kardinal, 132. 
Gonella, Nuntius, 70. 
Gorzenski, Graf, Erzbischof, 58. 60. 76. 77. 

14 



— 210 — 

V. Goßler, preuß. Kultusminister, 53. 95. 97. 

V. Görres, Joseph, Gelehrter, 21. 

Grandtke. Domkapitular, 78. 80. 82. 110. 148 f. 

Gregor XVL- Papst, 36. 78. 

Grodzki, Pfarrer, 188. 

Guidi, Kardinal, 37. 

Günther, Oberpräsident, 62. 71. 

V. Hacke, Gräfin, Palastdame, 152. 

Hahn Hahn, Gräfin Ida, 20. 

Halka, Ritter, 69. 

Heinrich, Domkapitidar, 169. 

Henke, Divisionspfarrer, 177. 

Hirschel, Domkapitular, 169. 

V. Hoensbrcech, Reichsgraf, Franz Egoi\, 62. 

V. Hoensbroech, Graf Paul, 62. 86. 

Hoetzsch, Otto, Professor, 85. 

zu Hohenlohe-Langenburg, Fürst Friedrich Karl, 71. 

zu Hohenlohe-Langenburg, Prinzessin Constantia, 7. 

Huhenlohe-Schillingsfürst, Fürst Franz Joseph, 7. 

Hohen.lohe Schillingsfürst, Fürst Chlodwig, späterer Reichskanzler, 7 f., 71. 
92. M. 

Hohenlohe-Schillingsfürst, Prinz Gustav, Kardinal, 6. 7 — 9. 10. 15 — ^17. 48. 
99. 102. 103. 

Hohenlohe-Schillingsfürst, Prinzessin Amalie, 7. 

Hörn, Ernst, Universitätsprofessor, 87. 

V. Hörn, Carl, Oberpräsident, 1. 2. 13. 29. 32. 33. 50. 51. 53. 57. 59. 65—67. 

72. 74—76. 81. 86. 87—90. 94. 103. 108—111. 113—126. 128 f. 141. 143. 

145—153. 204—206. 
Hubert, Vikar, 182. 
Hübner, Probst, 182. 
Jabczynski. Kanonikus, 125. 179. 
Jagodzinski, Vikar, 183. 
Janicki, Vikar, 183. 

Janiszewski, Probst, 61. 63—64. 78. 108. 127. 131. 178. 
Jaroczynski, Attentäter, 173. 
V. Jazdzewski, Abgeordneter, 135. 
Jeschke, Weihbischof, 10. 16. 99. 
Julius in., Papst, 65. 
Kaiser, Bischof von Mainz, 18. 
Kaliski, Ehrendomherr, 73. 80. 102. 114. 
Kaminski, Vikar, 182. 
V. Kamptz, preuß. Justizminister, 207. 
Kantak, Abgeordneter, 135. 
V. Ketteier, Herzog Ferdinand, 20. 



— 211 — 

V. Ketteier, Freiherr Wilhelm Emmanuel, Bischof von Mainz, 15 — 17. 18 — 24. 

25—28. 48. 68. 73. 97. 99. 118. 165—169. 
V. Ketteier, Freiherr Wilderich, 21. 
Komorowski, Adam, Erzbischof, 136. 
Konstantin, Großfürst, 41. 173. 
V. Kotzebue, August, Lustspieldichter, 45. 
Korytnowski, Probst, 183. 
V. Kozmian, Domherr, 144 f. 
V. Kj-asicki, Erzbischof, 137. 
Krätzig, Ministerial-Direktor, 95. 97. 151. 184. 
V. Krecki, Franz, Ehrendomherr, 6 f., 10. 13. 16. 27 f. 99. 102. 
Krecki, Probst, 182. 
Kucharski, Commendarius, 182. 
Kurowski, Nikolaus, Erzbischof, 136. 
Lambruschini, Kardinal-Staatssekretär, 101. 
Laskowski, Probst, 182. 
Laubert, Professor Dr. Manfred, 11. 
V. Lebbin, Regierungsrat, 65. 75. 78. 119—121. 
V. Ledochowski, Graf Anton, 69. 
V. Ledochowski, Graf Joseph, 69. 
V. Ledochowski, Graf Miecislaus, Kardinal, 1. 28. 38. 39—42. 53. 57. 59. 61. 63. 

68—73. 92.' 95. 99. 101—105. 107—112. 114—134. 138—153. 170—172. 

183—206. 
Lelewel, polnischer Agitator, 173. 
Lennig, Domkapitular, 169. 
Leo X., Papst, 135. 

Leopold L, König von Belgien, 101. 104. 
Leopold IL, König von Belgien, 104. 134. 
Leszynski, Dekan, 179. 
Lichnowski, Fürst, Abgeordneter, 20. 
Lierakowski,. Commendarius, 182. 
Lincoln, Präsident der Vereinigten Staaten, 86. 
Linnhof, Geheimrat, 97. 
Lipinski, Vikar, 183. 
Louis Ferdinand, Prinz v. Preußen, 91. 
Ludwig I„ König von Bayern, 47. 
Marcinkowski, polnischer Patriot, 50. 
Martens, Appellationsgerichtspräsident, 87. 
V. d. Marwitz, Friedrich August, Generalleutnant, 163. 
V. d. Marwitz, Alexander, 11. 
V. d. Marwitz, Bischof von Culm, 6. 10—12. 13. 16. 27 f. 31. 66. 99. 102. 110. 

118. 160—164. 174. 
V. Massenbach, Landrat, 122. 
Mastai-Feretti, Graf, ICardinal, 36. 
Maximilian, Kaiser von Mexiko^ 86. 



— 212 — 

Maximilian IL, König von Bayern, 47. 

Melchers, Erzbischof, 133. 134. 145. 

Merzbach. Buchhändler, 127. 

Metternich, Fürst Clemens, 36. 

Michel Angelo, 43. 

Mielcusny, Probst, 179. 181. 

Mieroslawski, polnischer Agitator, 84. 

Molitor, Wilhelm, Schriftsteller, 45. 

Monzoni. Erzbischof, 134. 

Moufang, Domkapitular, 169. 

V. Mühler, preuß. Kultusminister, 4—7. 9—17. 28. 31. 32. 66 f. 72. 75 f. 81. 88. 90. 

92. 93—95. 97—99. 101. 106. 109—111. 113—122. 124—129. 132 f. 139—141. 

143. 145—147. 184. J94. 196. 199. 202. 
V. Mühler, preuß. Justizminister, 93. 
V. Mühler, Frau, Adelheid, 94. 97. 98. 151. 
Napoleon III., Kaiser, 37. 
Nawrocki Priesterschüler, 178. 
Nikolaus L, Kaiser von Rußland, 102. 
Odescalchi. Fürstin, 145. 
Ostrowicz, Probst, 183. 
Otto III.. Deutscher Kaiser, 53. 
Paul III.. Papst, 65. 
Peldram, Bischof, 15. 
V. Perponcher. Graf, Gesandter, 168. 
Perthes, Clemens Theodor, Professor in Bonn, 23. 
Pius IV.. Papst, 65. 
Pius VII., Papst, 59. 101. 138. 
Pius IX.. Papst, 4. 7. 13. 34—42. 44. 68. 70. 76. 92. 99, 104, 110, 133 f, 143, 

154—160. 
Polczynski. Domherr, 177. 
V. Pommer-Esche, Oberpräsident, 148. 
Forsch, Zentrumsabgeordneter, 95. 
Poszwinski, Generalvikar, 177. 
V. Potocki, Erzbischof, 76. 
V. Prilhvitz, Elise, 91. 

Prusinowski, Probst, 55—58. 80. 141. 177. 178. 
V. Przyluski, Leo, Erzbischof, 1. 2—4. 5 f. 8 f. 11—17. 24 f. 28—33. 42. 53. 

56—60. 63. 65 f. 68. 70. 73. 75—81. 99. 105. 107. 114. 121, 126, 132, 134, 

138 f. 173—180. 
V. Pückler, Graf, Oberhofmarschall, 184. 
Raczj'nski, Graf, Erzbischof, 77. 
Raczynski, Graf, Herrenhausmitglied, 103. 111. 
Radziwill. Fürst Anton, Statthalter, 77. 138. 
Radziwill, Fürst Wilhelm, 126. 
Radziwill. Prinzeß Elise, 94. 



- 213 — 

Rafael, 34. 

V. Ratibor, Herzog, 6. 

V. Rechberg, Graf, Oesterr. Minister, 6. 

Reichensperger, Abgeordneter, 4. 

V. Reisach, Graf, Kardinal, 8. 21. 25—27. 34. 44. 45—49. 61. 

Richter, Domherr, 4. 6. 31. 54. 65. 105. 106. HO. 125—127. 131—133. 174. 175. 

V. Rodenstein, Ministerialrat, 168. 

Regier, belgischer Minister, 71. 170. 

V. Roon, Graf, Kriegsminister, 23. 152. 

Rossi, päpstlicher Minister, 36. 

Rudal, Priester, 176. 

Ruskiewicz, kath. Pfarrer, 181. 

Ryll, Attentäter, 173. 

Rymarkiewicz, Probst, 182. 

Rzezniewski, Probst, 183. 

Rzonika, Attentäter, 173. 

Sand, Karl Ludwig, Student, 45. 

V. Savigny, Gesandter, 27. 72. 103. 171. 

Sawinski, Probst, 179. 

V. Schleinitz, preuß. Minister, 91. 

V. Schlözer, preuß. Gesandter, 3. 14 f. 41 f. 48. 108. 

Schmedding, Geheimrat, 206. 

Schmid, Leopold, Univ.-Professor, 18. 169. 

V. Schulte, Professor, 94. 

Schulte, Kardinal, 68. 

V. Schwarzenberg, Kardinal, 7. 

Sedlag, Bischof von Culm, 11. 

Seitz, Generalstaatsprokurator, 168 f. 

V. Selchow, preuß. Landwirtschaftsminister, 88. 

Smigielski, Pfarrer, 69. 

Soferski, Probst, 182. 

\. Spaur, Graf, Gesandter, 36. 

Stefanowicz, Weihbischof, 78. 79 f. 108. 173. 

V. Steinmetz, General d. Infanterie, 33. 129. 150. 

V. Still fried, Graf, Oberzeremonienmeister, 184. 

Stock, Probst, 180 f. 

Sucharski, Dekan, 182. 

Szembek, Christoph, Erzbischof, 136. 

Talaczynski, Probst, 183. 

Therese, Königin von Bayern, 47. 

Thiel, Kreisgerichtsrat, 29. 

V. Thile, Unterstaatssekretär, 8. 28. 109. 

Tobolski, Probst, 182. 

V. Tomicki, Probst, 181. 

V. Treitschke, Geschichtsschreiber, 43. 46. 



— 314 — 

Trepinski, Pfarrer, 183. 

Tschetwertinsky, Fürstin, 41. 

V. Usedom, Graf, preuß. Gesandter, 94. 104. 

Vicari, Erzbischof, 23. 

Victor Emanuel IL, König von Italien, 35. 

Victoria, Prinzessin von Preußen, 188. 

Virchow, Professor, Abgeordneter, 3. 4. 134. 

Walkowiak, Probst, 183. 

Walkowski, Domkapitular, 78. 79. 

Weigt, Priesterschüler, 178. 

V. Wentzel, preuß. Gesandter, 15, 23. 165. 

V. Werther, Frhr., Botschafter, 6. 

Weyna, Probst, 181. 

Wielopolski, Marquis, 41. 173. 

Wilhelm L, Deutscher Kaiser, 9. 11. 32. 42. 85. 89. 116. 118. 122. 129. 153. 

183—188. 
V. Willisen, Frhr., General der Kavallerie, preuß. Gesandter, 5. 8 — 14. 17. 39. 

31. 90. 91. 
V. Wilmowski, Geh. Kabinettsrat, 144. 
Windhorst, Zentrumsführer, 8. 
Windischmann, Generalvikar, 47 f. 
Wladimir der Große, 69. 
Woisiechowski, Regens, 56. 178. 179. 
V. Wolicki, Erzbischof, 2. 77. 137 f. 
Woyczynski, kath. Lehrer, 177. 179. 
Wrzesinski, Pfarrer, 182. 
V. Wysocki, Marianne, 11. 
V. Zakrzewska, Maria Rosalia, 69. 
Zjekiewicz, Probst, 176. 
Zienkiewicz. Domprobst, 53. 58 f. 61. 67. 75. 78. 102. 110. 125. 147. 



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