RUTH MACK BRUNSWICK
E I FE R S U C H T S "W A HNHi
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Die Analyse eines
Eifersuchtswahnes
Von
Ruth Mack Brunswick
. -
New York
Sonderabdruck aus der „I n t e r n a t i o n a 1 e n
Zeitschrift für Psychoanalyse 4 *
(herausgegeben von Sigm. Freud)
IQ29
Internationaler Psychoanalytischer Verlag
Leipzig/ Wien/ Zürich
Alle Rechte, insbesondere die
der Übersetzung vorbehalten
INTERNATIONAL
PSYCHOANALYTIC
UNIVERSITY
DIE PSYCHOANALYTISCHE HOCHSCHULE IN BERLIN
!
■
Druck der „Elbemühl", Wien III
,
J.
Inhaltsverzeichnis
Seite
I) Einleitung 5
II) Analyse der infantilen Sexualstrebungen 9
1) Der Einfluß der Verführung 9
a) Todesphantasien 15
3) Die infantile Onanie ' 16
4) Penisneid und Kastrationsangst ,..19
5) Homosexuelle Eifersucht und Analerotik 24
III) Erste paranoische Phase: Eifersucht 28
IV) Zweite paranoische Phase: Die negative Übertragung 37
V) Dritte paranoische Phase: Die Beendigung der Analyse 45
VI) Schlußfolgerungen 49
1) Diagnose .. 4g
a) Mechanismen 56
I
Einleitung
Die Patientin, mit der sich diese Arbeit beschäftigt, kam nach Unter-
suchung auf der Psychiatrischen Klinik mit der Diagnose Eifersuchtsparanoia
zu mir. Ich bringe im folgenden ihre klinische und ihre analytische Kran-
kengeschichte, um dann parallel mit dem Verlauf der Analyse die theoretischen
Probleme zu erörtern, die sich aus ihr ergeben. Eine Beurteilung der
diagnostischen und prognostischen Probleme möchte ich vorläufig noch
aufgeschoben wissen.
Eine wüste Eifersuchtsszene, Selbstmorddrohungen und ein ernsthafter
Suizidversuch auf der Polizeiwachstube hatten die Patientin zur Beobach-
tung auf die Psychiatrische Klinik gebracht. Von dort wäre sie trotz aller
Dissimulationsversuche in die Irrenanstalt gekommen, wenn ihr Mann sie
nicht auf ihr Drängen schließlich auf eigene Verantwortung wieder nach
Hause genommen hätte. Nach ihrer Heimkehr erkrankte sie an einer
Mastoiditis. Bei der Behandlung wurde sie dem Internisten der Ohrenklinik
durch ihr Benehmen auffällig. Ihre psychiatrische Vorgeschichte kam zur
Sprache, und da sie beim Befragen nicht völlig unzugänglich schien,
schickte sie der Internist zu mir.
Sie war eine kleine, kümmerlich entwickelte, intelligente und nicht
ganz reizlose Proletarierfrau, der man ihre dreißig Jahre nicht angesehen
hätte. Ihr Benehmen war schüchtern, ihr Wesen scheu und mißtrauisch.
Sie hatte sich offenbar nur auf starkes Zureden hin entschlossen, zu mir
zu kommen. Sie war aber nicht schwer dazu zu bewegen, sich aufs Sofa
zu legen und wurde dann allmählich viel zutraulicher. In der ersten Stunde
brachte sie die Vorgeschichte und Beschreibung ihrer Symptome, die ich
hier folgen lasse.
Sie war die Jüngste von fünf Geschwistern. Die Mutter war nach mehr-
jähriger Krankheit im dritten Lebensjahr der Patientin gestorben; der
Vater heiratete nach einem Jahre eine unfreundliche Frau, die zwei eigene
Kinder mit in die Ehe brachte. Zwischen der Patientin und ihrer ältesten
Schwester bestand ein Altersunterschied von zehn Jahren ; so war es natürlich,
daß das jüngste Kind der Obhut des ältesten anvertraut wurde. Diese
älteste Schwester, Luise, war körperlich gut entwickelt und von angenehmem
Äußeren, aber geistig zurückgeblieben und sexuell abnorm. Sie kam in der
Schule nicht weiter als bis zur vierten Klasse und brachte es nie zu irgend-
einer geregelten Tätigkeit. Im 29. Jahr (dem Alter, in dem bei meiner
Patientin die Psychose ausbrach) starb Luise in der staatlichen Irrenanstalt,
in der sie die letzten fünf Jahre ihres Lebens verbracht hatte, an progressiver
Paralyse. Sie hatte seit — richtiger schon vor — Eintritt ihrer Pubertät
als Prostituierte gelebt, femer lebenslang an Enuresis gelitten. Bei den
ständigen Mißhandlungen durch Vater und Stiefmutter war schließlich die
kleine Schwester, die sie anfangs bemuttert hatte, zu ihrer Beschützerin
geworden.
Bald nach Ankunft der Stiefmutter wurde meine damals vierjährige
Patientin zu entfernten Verwandten aufs Land geschickt. Von dort kehrte
sie erst mit elf Jahren für ständig ins Elternhaus zurück. Drei Jahre
später kam Luise in die Irrenanstalt.
Mit 28 Jahren heiratete meine Patientin einen gleichaltrigen Mann,
dessen erste Werbung, kurz vor seinem Einrücken zum Kriegsdienst, sie
abgewiesen hatte. Als sie zu mir kam, war sie bereits 1 6 Monate verheiratet.
Sie war beim Sexualverkehr völlig frigid und gegen alle Annäherungen
ihres Mannes, die über das Maß eines sanften Kusses hinausgingen, völlig
ablehnend. Sie hatte intensive Vaginalkrämpfe, die das Einführen des
Gliedes außerordentlich erschwerten und für sie schmerzhaft machten. Jeder
Geschlechtsverkehr wurde von einer zwei bis drei Wochen andauernden
heftigen Menstruation gefolgt. Nach einigen besseren Tagen pflegte dann —
gewöhnlich, aber nicht immer als Folge eines Koitus — die Blutung von
neuem zu beginnen. Dieser übermäßige Blutverlust hatte eine starke
sekundäre Anämie verursacht. Die unmittelbare Folge dieser sexuellen
Schwierigkeiten waren monatelange Enthaltsamkeit und Übellaune auf
seiten des Mannes und der Ausbruch der paranoischen Psychose auf Seiten
der Frau.
Die Analyse eines Eifersuditswahncs
Sie entwickelte die Vorstellung, daß ihr Mann unerlaubte Beziehungen
zu ihrer Stiefmutter, einer Frau von mehr als 50 Jahren, unterhielt. Anfangs
erschien ihr selber diese Idee nicht sehr glaubwürdig. Es kam ihr wohl
vor, daß der Stiefmutter ungewöhnlich viel daran gelegen war, mit dem
Schwiegersohn gut zu stehen. Nur hatte die ganze Sache zuerst keine
große Bedeutung. Allmählich drängten sich ihr dann kleine Beobachtungen
auf. Die Stiefmutter bestand zum Beispiel darauf, einen Sonntagsausflug
mitzumachen, den die beiden jungen Leute zu zweien geplant hatten, und
der Mann ließ es ohne Widerspruch geschehen. Wenn die Patientin mit
ihrem Mann zum Sonntagsbesuch zu den Eltern kam, erschien die Stief-
mutter im Staatskleid und ließ es sich nicht nehmen, den Schwiegersohn
beim Kommen und Gehen zu küssen. Für die Tochter hatte sie solche
mütterliche Zärtlichkeiten niemals übrig. Einmal bemerkte die Patientin,
wie der Fuß der Stiefmutter sich unter dem Tisch mit dem des Schwieger-
sohns berührte. Als sie Bemerkungen darüber machte, geriet die Stiefmutter
in Wut und spottete, die Patientin scheine der Liebe ihres Mannes nicht
sehr sicher zu sein.
Die Ereignisse erreichten ihren Höhepunkt darin, daß die Stiefmutter —
nicht zum erstenmal — den Schwiegersohn in den Stall begleitete, wo
er das Pferd für die Nacht zu versorgen hatte. Als sie nicht sofort zu-
rückkamen, ging die Patientin ihnen nach. Sie fand nichts Auffälliges,
war aber trotzdem überzeugt, daß sie zu jener Zeit und an jenem Ort in
sexuelle Beziehung zu einander getreten waren.
Jetzt begannen auch die Hausnachbarn ihr Gerüchte zuzutragen. Sie
verbot ihrem Mann, die Eltern allein aufzusuchen ; sie verbot ihm in
gleicher Weise, sich von der Stiefmutter in den Stall begleiten zu lassen.
Aber sie konnte der älteren Frau nicht verbieten, den Schwiegersohn an-
zusprechen ; und der spöttische Triumph, den sie aus ihrer Stimme heraus-
hörte, verwundete sie aufs tiefste. Sie konnte auch die Nachbarn nicht
davon abhalten, allerlei Geschichten herumzutragen. Jeder machte sich über
sie lustig, nicht nur ihr Mann und die Stiefmutter. Auf der Straße quälten
sie die Blicke und das Lachen von völlig Fremden, die Schlechtes von ihr
sagten. Manchmal, wenn sie sich so beobachtet fühlte, wunderte sie sich
selbst, warum Leute ein so böswilliges Interesse an ihr nehmen sollten,
die nicht einmal wußten, wer sie war und noch weniger wissen konnten,
daß sie von ihrem Mann betrogen wurde. Dann hatte sie wohl manchmal
das Gefühl, das Ganze könnte ein Irrtum sein ; alles erschien ihr so un-
wahrscheinlich. Gerade dann aber ereignete sich immer irgendeine Kleinig-
Ruth Made Brunswick
keit, die sie in ihrem Verdacht bestärkte. Nicht nur die Fremden, auch
ihre nächste Umgebung war gegen sie; nur der Bruder und die Stief-
schwester blieben ihr freundlich gesinnt. Ihre größte Feindin war die Stief-
mutter, die nächstgrößte ihre Schwiegermutter, mit der sie und ihr Mann
leider Zimmer und Küche teilen mußten. Sie hatten sogar alle drei zu-
sammen in zwei Betten geschlafen, bis vor kurzem die Anschaffung eines
Sofas für die Schwiegermutter dieser Schwierigkeit ein Ende machte
Trotzdem war der Raum ein sehr beengter und die Patientin konnte sich
bei Tag und bei Nacht nicht rühren, ohne von der alten Frau beobachtet
zu werden, die begreiflicherweise nicht beglückt davon war, den Lieblings-
sohn und das Zimmer mit einer zwar eingeschüchterten, aber doch eigen-
sinnigen und mißtrauischen Schwiegertochter teilen zu müssen.
Ich zähle in diesem ersten Teil noch verschiedene bemerkenswerte
Symptome auf, deren Struktur und diagnostische Bedeutung ich erst später
erörtere. Das erste dieser Symptome ist die Klage der Patientin, sie habe
keine Gefühle, könne weder lieben noch hassen und hätte nie für jemanden
wirkliche Zärtlichkeit empfunden. Dieses Symptom verschwand, sobald die
wichtigste Gefühlsbindung der Patientin bewußt gemacht worden war; mit
anderen Worten, ihre Gefühle waren vorhanden, waren aber auf ein
unbewußtes Objekt beschränkt und infolgedessen nicht sichtbar. Ein zweites
Symptom besteht in periodischen und scheinbar unmotivierten Wutanfällen
in denen die Patientin vorübergehend den Kontakt mit der Außenwelt
verlor, nichts spürte als ein ungeheures Sausen und Brausen im Kopf, und
das Gefühl hatte, daß ihre Augen größer wurden und sich von den Augen-
höhlen zur Schläfe hin entfernten. Ein drittes Symptom ist die Empfindung
eines elektrischen Stromes in ihrem Kopf, die manchmal, aber nicht immer,
gleichzeitig mit dem eben beschriebenen Wutanfall auftrat. Dieses Symptom,
das bei so vielen Psychosen mit paranoischen Zügen aufzutreten pflegt
und theoretisch leicht zu erklären ist, wurde im Laufe der Analyse von
der Patientin selbst gedeutet, während der Mechanismus des zweiten
Symptoms mit seinen körperlichen Begleiterscheinungen erst in der letzten
Analysenstunde Aufklärung fand.
Mit dieser Einleitung als Basis, verfolge ich nun den Gang der Analyse,
um das Material so vorzubringen, wie es sich mir im Verlaufe der
analytischen Arbeit darbot.
■
II
Analyse der infantilen Sexualstrebungen
i) Der Einfluß der Verführung
Am Beginn der zweiten Stunde machen sich Ühertragungsschwierigkeiten
geltend. Die Patientin liegt unruhig auf dem Sofa und behauptet, nichts
mehr zu wissen. Ich erkläre ihr, daß Träume oft eine gute Hilfe seien,
und gebe ihr einige einfache Unterweisungen in der Assoziationstechnik.
Daraufhin bringt sie zwei Träume, als ersten einen Alptraum, der seit
Beginn des psychotischen Zustandes regelmäßig wiederkehrt, als zweiten
einen Traum, der sich mit der analytischen Situation beschäftigt. Der
Angsttraum lautet wie folgt:
Ein schwarzer Mann kommt zu der Patientin und hat Geschlechtsverkehr
mit ihr. Sie hat beim Koitus große Angst, kommt aber zum Orgasmus.
Dieser wiederkehrende Traum ist einer der wichtigsten Bestandteile
ihrer Psychose.
Auf Befragen, was ihr zu dem schwarzen Mann einfällt, meint die
Patientin, sie habe keine Ahnung, wer er sein könne, das Auffälligste an
ihm aber sei eine große, flatternde Masche gewesen. Zu diesem für einen
Mann ungewöhnlichen Stück der Kleidung fällt ihr auch sofort etwas
ein: „Gerade so eine Masche hat meine Schwester in ihrem schönen
blonden Haar getragen. Sie ist ihr so gut gestanden." Sie fügt noch hinzu,
daß der Mann in diesem Traum oft einen langen schwarzen Mantel anhat.
Beim Versuch, die orgastischen Gefühle im Traum zu beschreiben,
sagt sie: „Es erinnert mich — wie soll ich das nur sagen — an das
Gefühl bei der Selbstbefriedigung."
10 Ruth Made Brunswick
Folgen wir diesen Assoziationen in der Reihenfolge ihres Auftretens.
Die Patientin nimmt willig die Deutung an, daß der schwarze Mann mit
der Masche eine Verkleidung der Schwester ist; die Übereinstimmung, daß
die Schwester tot und der Mantel schwarz ist, bestärkt sie noch in dieser
Überzeugung. Mit ihrer Beschreibung des Gefühls beim Orgasmus eröffnet
sich das ganze Kapitel der infantilen Onanie. Eine sehr plastische Erinnerung
aus dem neunten Lebensjahr steigt jetzt auf: Sie kugelt mit einem etwa
fünf Jahre älteren Mädchen im Heu herum; sie sieht das Gesicht des
Mädchens und die folgenden Vorgänge in aller Deutlichkeit. Sie kitzelt
das ältere Mädchen am Halse und erhält die Aufforderung, „dasselbe
weiter unten zu tun". Sie tut es, worauf das Mädchen das gleiche an ihr
vornimmt. Solche Vorgänge im Heu wiederholen sich zwischen den beiden
Mädchen durch eineinhalb Jahre. Dann werden sie eines Tages von der
das Haus führenden Tante ertappt und gründlich durchgeprügelt; die Tante
erklärt ihnen, was sie getan haben, sei eine große Sünde, davon werde
man krank und schlecht. Das ältere Mädchen, die Anstifterin, schiebt
jetzt vor den andern die Schuld auf die Jüngere. Darauf reagiert meine
Patientin mit Angst, Schuldgefühlen und Haß auf die Gefährtin, an die
sie sich im Laufe ihrer Beziehungen sehr angeschlossen hatte.
Sie sagt ernsthaft, sie sehe jetzt ein, was für ein Unrecht sie damals
begangen habe. Sie hat die erhaltene Züchtigung immer erinnert, den
Grund dafür aber vollständig vergessen. Jetzt kann sie, zum erstenmal,
die ganze Szene lückenlos rekonstruieren. *
Das plötzliche Wiederauftauchen des bisher vergessenen Materials macht
ihr einen starken Eindruck, und ich benütze die Gelegenheit, um ihr zu
erklären, daß gerade das das Ziel unserer Kur sei. Ich erkläre ihr, daß
alle Kinder onanieren, manche aus eigenem Antrieb, manche, wenn sie
von Erwachsenen oder älteren Kindern dazu angelernt werden. Ich setze
hinzu, daß die Kinder meistens dabei entdeckt und von irgendeinem
Erwachsenen bestraft oder geschreckt oder wenigstens von aller weiteren
Onanie abgehalten werden. Setzt das Kind das Verbotene dann trotzdem
fort, so glaubt es unrecht zu tun, hat ein schlechtes Gewissen und fürchtet
sich vor den Folgen. Ich versichere ihr ferner, daß man von der Onanie
nicht krank wird, wenigstens nicht so wie sie es glaubt. Sie fragt: „Macht
es einen auch nicht krank, wenn man es noch als Erwachsener tut?" Ich
beruhige sie darüber, ohne sie weiter auszufragen.
Der Übertragungstraum, der in die Nacht nach der ersten Analysen-
stunde fällt, lautet wie folgt:
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 11
Ein Ausländer fragt die Patientin entweder um ein ausländisches Brot oder
um Auskunft, wo er es bekommen kann. Die Patientin besorgt es für ihn. Er
hat beim Sprechen einen fremden Akzent, was der Patientin ein Wollustgefuhl
verursacht. Der Mann gibt der Patientin ein Paar Hosen, dann einen Überrock
zu halten und sagt, sie solle auf ihn warten. Er verschwindet, sie wartet,
aber er kommt nicht zurück.
Der Traum war von einem angenehmen Gefühl begleitet. Die Patientin
bewundert es, wenn jemand fremdartig spricht, besonders wenn es ein
leichter ausländischer Akzent ist. Sie war in der Schule für Sprachen
begabt und wollte gerne fremde Sprachen studieren. Ihr Vater hätte es
vielleicht erlaubt, wenn die Stiefmutter das Studieren nicht für eine
lächerliche Wichtigtuerei erklärt hätte. Die Patientin erzählt, daß sie
schließlich eingewilligt hat, ihren Mann zu heiraten, weil die Jahre im
deutschen Kriegsdienst seine Sprache verändert und ihm den leichten
fremdartigen Akzent gegeben haben, der sie so anzieht.
Ich erwähne, daß in meiner deutschen Aussprache der englische Akzent
sehr merkbar ist. Der Ausländer bin offenbar ich. Dabei beobachte ich,
daß die Patientin onanistische Bewegungen mit den Schenkeln macht, sage
aber nichts darüber. Sie sagt dann von selber, daß meine Stimme ihr
während der Analysenstunde genau dieselben wollüstigen Gefühle hervor-
ruft, wie sie im Traum vorkommen. Sie nimmt die Deutung an, daß ich
der Ausländer bin, und ich erkläre ihr, daß die Hosen, die er ihr zu halten
gibt, eine Parallele zu der schwarzen Masche sind: das männliche Organ
einer Person, die in Wirklichkeit weiblich ist. Ich gehe hier mit ihr nicht
weiter auf den Sinn des Traumes ein, der natürlich den Geschlechtsverkehr
mit mir bedeutet, denn ich will sie im Augenblick nicht auf die Art der
Übertragung aufmerksam machen. Statt dessen benütze ich die Gelegenheit,
eine Beziehung zwischen den beiden Träumen und der Masturbations-
erinnerung aus dem neunten Lebensjahr herzustellen. Zu dieser Zeit wurde
die Patientin von einem älteren Kinde verführt. Im ersten Traum verführt
ein Mann die Patientin, der in Wirklichkeit ihre ältere Schwester bedeutet;
dieser Traum hat ja auch die Erinnerung an jenen Vorfall mit dem
Bauernmädchen aufgeweckt. So scheint es also wahrscheinlich, daß zwischen
der Schwester der Patientin und dieser Freundin irgend ein Zusammen-
hang besteht.
Ich mache jetzt meinen ersten energischen Angriff. Auf Grund des ge-
schilderten Materials spreche ich die Vermutung aus, daß die Patientin
vielleicht, in der frühesten Kindheit, noch ehe sie aufs Land geschickt
wurde, ähnlichen Angriffen von seiten der Schwester ausgesetzt gewesen
12 Ruth Made Brunswick
war. Auf diese Andeutung reagiert sie mit ihrem ersten heftigen Nein!
Sie fügt aber trotzdem gleich hinzu, daß sie und die Schwester bis zu
ihrem vierten Jahr, als man sie aufs Land schickte, im selben Bett ge-
schlafen haben, und daß die Schwester immer sehr zärtlich mit ihr war
aber nicht in unrechter Weise. Wie ich sage, daß bei der sexuellen Ab-
normität der Schwester so etwas doch leichter vorgefallen sein könnte als
sonst und daß das Bauernmädchen vielleicht nur ein Ersatz für die Schwester
war, die die Patientin so zärtlich liebte und damals und später so schmerzlich
vermißte, wird sie merklich zugänglicher und scheint viel eher bereit, die
Möglichkeit einer körperlichen Intimität zwischen der Schwester und' sich
zuzugestehen. Mir scheint es klar, daß diese erhöhte Zugänglichkeit durch
einen Austausch zustande gekommen ist; sie kann die Beziehung zur
Schwester zugeben, wenn sie dabei einem anderen Vorwurf entgeht, der
ihr in der Kindheit viele Schuld- und Reuegefühle gemacht haben muß
nämlich dem Vorwurf, der Schwester mit dem Bauernmädchen untreu'
geworden zu sein. Wir werden später sehen, wie große Bedeutung die
Treulosigkeit als Äußerung der Rache wie auch als Äußerung der Identifi-
zierung für unsere Patientin hat.
Während ich aus therapeutischen Gründen die unbewußten Seiten der
Übertragung, wie sie sich im zweiten Traum zeigt, außer acht lasse be
spreche ich mit der Patientin ihre bewußte Einstellung zu mir Sie'ver
sichert, daß sie sich bei mir sicher und geborgen fühlt; ich erinnere sie
daran, daß es gerade die Schwester war, von der sie Sorgfalt und Freund-
lichkeit zu empfangen gewohnt war; offenbar hat sie ihre Einstellung zur
Schwester jetzt auf mich übertragen. Sie gibt zu, daß sie nur zur Schwester
solches Zutrauen gehabt hat wie jetzt zu mir, und daß sie glücklich ist
jetzt wieder so einen Menschen zu haben. Ich stelle ihr dann die Parallele'
zwischen den Träumen her; der schwarze Mann, der sie schreckt und ihr
beim Geschlechtsverkehr wollüstige Gefühle macht, ist ihre Schwester- und
der Ausländer, dessen Stimme ihr Wollustgefühle macht, bin ich- so bin
ich jetzt ihre Schwester. Sie hat ihr Zutrauen und ihre Zärtlichkeit schon
auf mich übertragen. Man kann aber nicht immer aussuchen, welche
Gefühle man auf den Analytiker übertragen und welche man bei dem
ursprunglichen Objekt lassen will. Wenn es richtig ist, daß ihre Schwester
sie verfuhrt hat, so kann sie jetzt leicht dazukommen zu glauben, daß
ich sie verführen will, um so mehr wir doch in der Analysenstunde Dinge
besprechen, die sie in ihrem ungewöhnlich strengen Elternhaus nie er-
wähnen durfte. Außerdem habe ich ihr doch gesagt, daß die Onanie keine
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 13
Sünde und keine Krankheit sei; einen solchen Ausspruch, meine ich,
könnte sie leicht als Provokation betrachten.
Sie antwortet mit stürmischen Zutrauens- und Liebesbeteuerungen : niemals
werde sie das Vertrauen enttäuschen, das ich in sie gesetzt habe, nie
anderes als das Allerbeste von mir denken. Sie wird so zärtlich, daß ich
Mühe habe, meine Hand wieder freizubekommen, die ich ihr zum Abschied
gereicht habe; sie besteht darauf, sie wiederholt zu küssen. Offenbar ist
sie nicht imstande, die in der Situation liegenden Möglichkeiten oder
meine Warnung zu erfassen. Ich bekomme aber den Eindruck, daß es bei
so starker und leistungsfähiger Übertragung möglich sein müßte, ein ganzes
Stück Arbeit mit der Patientin zu leisten ; bis zu der Zeit, wo die Gefühls-
beziehung vom Positiven ins Negative umschlagen wird und ich die Rolle der
Verführerin und Verfolgerin zugeschrieben bekommen werde, müßte sie
genügend Einsicht gewonnen haben, um uns selbst über die Schwierigkeiten
der neuen Situation hinwegzuhelfen
Selbst in dieser Analyse, die hauptsächlich an Hand der Träume geführt
wird, mache ich keinen Versuch, jedes Detail eines Traumes zu analysieren.
Manchmal wird ein unerklärt gebliebenes Traumstück noch durch späteres
Material aufgeklärt; im allgemeinen aber verwende ich nur, was sich der
Deutung von selber darbietet, und vernachlässige alles übrige.
Die Patientin spricht weiter darüber, wie merkwürdig es ist, daß sie
zwar beim Geschlechtsverkehr nie die geringste Empfindung hat, daß aber
trotzdem im Traum der schwarze Mann sich manchmal in ihren Mann
verwandelt und sie dann befriedigen kann. In Wirklichkeit hat sie vor
dem Koitus solche Angst, daß der Mann sie für die Schmerzen, die sie
dabei aussteht, manchmal dadurch entschädigt, daß er ihre Klitoris mit der
Hand reizt, um ihr so leicht lustvolle Sensationen zu verschaffen. Sie be-
schreibt seine Versuche, sie zu masturbieren, und sagt, er streichle ihr den
Geschlechtsteil „von vorne". Ich frage, ob ihr die verschiedenen Teile des
weiblichen Genitales bekannt sind, und erfahre, daß das nicht der Fall ist.
Ich beschreibe sie ihr und frage, ob es ihr jemals aufgefallen ist, daß das
kleine Glied „vorne" dem größeren Glied des Mannes ähnlich sieht. Ja,
das kennt sie (wenn auch nicht mit Namen); es ist verstümmelt, nicht
wahr? Sie hat die kindliche Vorstellung von der Kastration der Frau
offenbar noch in ihrer ursprünglichen Form beibehalten.
In der dritten Stunde zeigt sich die Patientin analytischen Gedanken-
gängen ungleich zugänglicher. Sie erzählt, daß sie abends vorher nicht
einschlafen konnte, weil irgendetwas sie beunruhigt hat. Sie fragt plötzlich :
*4 Ruth Made Brunswick
„Wenn jedes Kind onaniert, warum muß dann meine Schwester es mich
gelehrt haben? Warum hätte ich nicht selber daraufkommen können?"
Ich erkläre ihr, welchen Einfluß eine Verführung von außen her auf die
Erweckung der kindlichen Sexualität haben kann, und beschreibe ihr ganz
kurz die Tendenz, Erlebnisse aus früher Zeit immer wieder zu wiederholen.
So könnte das Onanieerlebnis im neunten Jahr sehr leicht die Wieder-
holung eines noch früheren bedeuten. Das Sträuben der Patientin, die
Rolle zuzugeben, die ihre Schwester in ihrer eigenen Masturbation ge-
spielt hat, wird hier zum Hauptwiderstand der Analyse. Sie sagt: „Als
zwölfjähriges Mädchen hat Luise wahrscheinlich noch gar nicht gewußt
daß es unrecht ist, mich solche Sachen zu lehren; später hat sie dann
erfahren, wie schlecht es ist, und hat aufgehört. Denn später war sie so
besonders streng mit mir. Wenn ich sie nur über irgendetwas Schlechtes
gefragt habe, hat sie gesagt, darüber dürfe ich nicht sprechen und nicht
denken. So glaube ich, sie muß gewußt haben, daß sie etwas Unrechtes
mit mir getan hat, aber sie hat natürlich nichts dafür können, denn
damals hat sie es ja nicht verstanden." Die Wurzeln dieses Widerstandes
liegen sehr tief und lassen sich erst später aufdecken.
Sie spricht jetzt von der Stiefmutter, von der sie immer schlecht be-
handelt worden ist. Sie erinnert sich, daß sie sie als Kind sehr gern ge-
habt hat und daß die Stiefmutter sie abgewiesen und gesagt hat: Ich
brauche deine Liebe nicht." Sie war damals sehr verletzt. Jetzt hat" sie
für die Frau nur mehr ein Gefühl von Haß, zum Teil weil sie ihr die
Schuld an Luisens Schicksal zuschiebt, zum Teil, wie sie leicht zugibt,
infolge der vielen Zurückweisungen. Sie erinnert sich aber, daß erst lange
nach der Pubertät der Haß gegen die Stiefmutter größer war als die Liebe
zu ihr.
Sie beschreibt eine Anzahl von Symptomen. Sie hat Anfälle von Zittern,
mit dem Gefühl, als ob ein elektrischer Strom durch ihren Kopf ginge,'
darauf folgt ein Jucken im ganzen Körper, das allmählich nachläßt, bis
es sich schließlich auf die Geschlechtsteile beschränkt. Dort muß sie sich
dann heftig kratzen, manchmal fünf Minuten lang, immer solange, bis
das Gefühl kommt, daß es jetzt zu Ende ist. Manchmal blutet sie hinterher.
Sie versteht meine Erklärung dieser Kompromißbildung : sie muß sich
kratzen, bis sie zur Befriedigung kommt und blutet; die Blutung ist
dabei die Strafe für die — wie sie selber zugibt — nur schlecht ver-
kleidete onanistische Handlung. Sie spürt bei dieser Betätigung keinen
Orgasmus, nicht einmal Lüstgefühle, nur die Erleichterung des Juckreize«.
Die Analyse eines Eifers uditswahnes
15
2) Todesphantasien
Der Tod spielt in den Gedanken und Phantasien der Patientin eine
große Rolle. Sie erzählt, daß sie oft vom Tod träumt, wobei er gewöhnlich
durch irgendeine unbestimmte Person in einem fließenden schwarzen
Gewand oder Mantel dargestellt wird. Der Zusammenhang mit dem
schwarzen Mann ist uns beiden sofort klar, trotzdem begegnet sie der
Deutung mit der Frage: „Warum ist aber der Tod manchmal auch grün
angezogen?" Ich frage, was sie glaube, und sie antwortet: „Der Mann im
schwarzen Mantel bedeutet meine tote Schwester; und wenn der Mantel
grün ist, dann bedeutet es die Blätter und das Gras auf dem Grab der
Schwester."
Sie kann sich an ihre wirkliche Mutter nicht erinnern, hat aber oft
Sehnsucht nach ihr. Ich erwähne jetzt ihren Selbstmordversuch. Sie sagt,
daß sie immer mit dem Gedanken an einen Selbstmord gespielt hat, daß
sie sich aber erst seit ihrer Heirat wirklich umbringen will. Ich frage, ob
dieser Wunsch irgend etwas mit dem Tod von Mutter und Schwester zu
tun hat; sie antwortet, daß sie ihnen wahrscheinlich nachfolgen will.
Bei den außerordentlich ungünstigen Lebensumständen der Patientin
und den unübersteiglichen Schwierigkeiten ihres Sexuallebens ist es wirklich
nicht schwer zu verstehen, wenn die Versuchung, den Toten zu folgen,
stärker wird als der Wunsch zu leben. In solchen Fällen ist der Selbstmord
eine sehr reale Gefahr.
Die nächste Stunde bringt eine Mutterleibsphantasie. Die Patientin hat
folgenden Traum:
SU üt bei ihrem eigenen Begräbnis, einer feierlichen Zeremonie mit vielen
Teilnehmern, die alle den weiten Weg zu dem sehr entlegenen Friedhof zu Fuß
gegangen sind Das Begräbnis dauert sehr lange. Das Schönste daran ist das
wunderbare Gefühl, im Sarg zu liegen und getragen zu werden. Düses Gefühl
xst so angenehm, daß sie deutlich wollüstige Sensationen bekommt. Am Ende
tegen7£b°r *" Sanß ^ ^ Erd€ Mnunter eeuissen, wo sie friedlich
Hier haben wir das Motiv für den in der vorigen Stunde erörterten
Selbstmordversuch der Patientin. Das Begräbnis bedeutet die Analyse; sie
kommt zu mir, der Ersatzperson für die (tote) Schwester mit den Mutter-
attributen, die im Traum durch die Erde und den Sarg (das bekannte
Symbol Holz = Frau) dargestellt werden, in dem die Patientin getragen
wird. Ich mache hier auf die doppelte Bedeutung des Wortes „getragen"
aufmerksam. Die wollüstigen Gefühle, die eine solche Vereinigung mit
*
^6 Ruth Made Brunswidt
einer Frau begleiten, lassen keinen Zweifel über die Art der libidinösen
Bindung.
Die vielen Leute, die alle den weiten Weg zum Friedhof zu Fuß
gehen, haben doppelte Bedeutung; sie sind erstens das Gegenteil, also ein
Äquivalent für das Alleinsein in der Analysenstunde; zweitens bedeuten
sie die Patientin selbst, die fast zwei Stunden zu Fuß gehen mußte, um
zu mir zu kommen, ehe ich in Erfahrung gebracht hatte, wie wenig Geld
sie besaß. In diesem Sinne bedeutet „alle Leute" „nur ich", also keine
Rivalen, Brüder, Schwestern oder andere Patienten. Hier zeigt sich zum
erstenmal die Eifersucht auf meine andern Patienten, die später eine
wichtige Rolle spielen wird.
)) Die infantile Onanie
Während die Patientin an diesem Tage zu mir unterwegs war, ereigneten
sich zwei Dinge. Eine gutgekleidete Frau in der Straßenbahn schaute auf
die Schuhe der Patientin und lachte dann. Die Patientin ist überzeugt,
daß die Frau über sie gelacht, sich über ihre ärmliche Kleidung lustig
gemacht hat. Sie fügt hinzu, daß die Stiefmutter sich sehr gerne über
sie lustig macht, besonders in sexuellen Dingen, wo die Patientin so
besonders unwissend ist. Nun hat das Gefühl der Patientin, daß sie von
der Stiefmutter verachtet wird, sicher eine reale Basis; sie hat es aber
von diesem ursprünglichen Objekt auf die indifferente Außenwelt ausgedehnt.
Die Wahl der Schuhe als Zielscheibe des Spottes ist auch nicht ohne
symbolische Bedeutung.
Der zweite Vorfall bringt die Erklärung eines interessanten Symptoms.
Die Patientin hat die Periode und ihre Binde preßt sich beim Gehen
gegen das Genitale. Plötzlich merkt sie, wie ein elektrischer Strom von
der Klitoris ausgeht und sich tief in die Vagina hinein erstreckt. Es ist
dies das erstemal, daß sie irgend eine Art Empfindung in der Vagina hat.
Sie sagt, daß der elektrische Strom, den sie bisher im Kopf gefühlt hat,
jetzt offenbar auf das Genitale verschoben worden ist. Auf meine Antwort
hin, daß er vielleicht nur zu seinem ursprünglichen Sitz zurückgekehrt
ist, leuchtet ihr Gesicht auf und sie sagt lebhaft, daß sie jetzt die Bedeutung
des rätselhaften elektrischen Stroms im Kopf verstehen könne. Er ist nichts
anderes als ein verschobenes Sexualgefühl. Ich füge noch hinzu, daß es
ein verdrängtes Sexualgefühl ist, ein Gefühl, das sie nicht anerkennen
wollte und das deshalb auf die Suche nach einem andern Ausweg gehen
Die Analyse eines Eifersuditswahnes
V
mußte. Ich erkläre ihr, es sei die Verbindung mit der verbotenen Onanie,
die einen solchen Umweg der Befriedigung notwendig mache; denn die
frühen Sexualgefühle stammen ja fast alle von der Onanie. (Die schock-
artige Natur des Sexualgefühls ist ja wirklich dem elektrischen Schlag
sehr ähnlich.)
Daraufhin bringt die nächste Stunde die ersten Träume, in denen die
Onanie wirklich vorkommt. Bisher war der Geschlechtsverkehr mit dem
schwarzen Mann das einzige Mittel zur Befriedigung. Der Rückweg zur
Onanie und der ursprünglichen Situation zeigt sich nun in folgendem
Traum :
Die Patientin ist in einem Gasthaus, wo sie sehr viel trinkt und unter dem
Einfluß des Alkohols sexuell erregt wird. Sie geht mit ihrem Mann nach
Hause und bittet ihn, sie, wie er manchmal tut, durch Reiben an der Klitoris
zu befriedigen. Er sagt, er sei zu schläfrig. Daraufhin onaniert sie. Der
Orgasmus ist stark und geht zu schnell vorüber.
Während und nach dem Traum hat die Patientin das Gefühl, daß
sie wirklich onaniert hat. Ich bestätige ihr das zu ihrem Entsetzen. Alle
Angst vor den schrecklichen Folgen der Onanie kommt jetzt an die
Oberfläche. Ich versuche, ihr die schädliche Wirkung der durch Scham
und Angst herbeigeführten Onanieunterdrückung klarzumachen. Ich setze
auseinander, daß ihre Frigidität zweifellos daher kommt, daß sie ein Stück
ihrer Sexualtätigkeit gewaltsam unterdrückt hat; gibt man das eine Stück
auf, so opfert man leicht die ganze Sexualität. Sie hat ihre onanistischen
Wünsche unterdrückt und dabei die Möglichkeit verloren, überhaupt
irgendwelche sexuellen Gefühle zu haben. Sie ist überzeugt worden, daß
die Sexualität etwas Schlechtes ist, und hat sich ganz davon abgewendet.
So hat sie nicht nur den Wunsch nach der Onanie aufgegeben, sondern
gleichzeitig auch den Wunsch nach dem Geschlechtsverkehr.
Daß die Onanie schließlich im Traum aufgetreten ist, scheint mir ein
großer Fortschritt. Der nächste Traum allerdings enthält eine Warnung
vor der Gefahr, der sie entgegengeht:
Die Patientin schaut sich um Näharbeit um. Bei der ersten Stelle wo sie
um Arbeit bittet, nimmt ein Mann sie sofort auf. Ihr wird sein Eifer verdächtig,
besonders wie er darauf besteht, daß sie sich gleich niedersetzen und zu nähen
anfangen soll. Er gibt ihr sogar eine Schürze. Nachdem sie eine Weile genäht
hat, ist es fünf Uhr und Zeit zum Aufhören, weil eine Redoute sein soll.
Jeder Angestellte bekommt eine Maske und ein Kostüm. Die Mädchen tanzen
miteinander. Plötzlich um Mitternacht ist der Ball zu Ende und die Patientin
merkt, daß das Ganze nur ein Trick ihres Arbeitgebers war, um sie in die
18
Ruth Made Brunswick
Irrenanstalt zu bringen, wo ihre Schwester gestorben ist und wo sie jetzt selber
ist. Sie wird nie wieder freikommen.
Ich deute der Patientin diesen Traum. Der Mann bin ich. Es stimmt
auch, daß ich Arbeit für sie gefunden habe. Durch meine Hilfe, sagt der
Traum, habe ich sie in meine Arbeitsstube (Ordinationszimmer) gelockt.
Wie ich sie einmal da habe, sage ich, daß es Zeit zum Aufhören ist; das
heißt, die Analysenstunde ist zu Ende. Was folgt aber darauf? Im Traum
ist es ein Maskenball, wo Mädchen miteinander tanzen; das bedeutet die
homosexuelle Verführung, die die Patientin am Ende der Stunde erwartet.
Die Verschickung in die Irrenanstalt ist die unmittelbare Folge der Ver-
führung. Auch der Traum der vorigen Nacht stellt einen der Gründe bei,
warum die Patientin sich so vor diesem Schicksal fürchtet: die Onanie,
die eben in der Analyse aufgetreten ist, ist die Ursache der Geisteskrankheit.
Der Endgedanke im Traum, daß die Patientin nie wieder freikommen
wird, basiert sich auf ihr Sträuben, die infantile Onanie bewußt werden
zu lassen; sie hat natürlich Angst, daß sie dem infantilen Zwang zur
Onanie wieder verfallen wird, wenn sie die darauf bezüglichen Wünsche
bewußt werden läßt.
Ein anderes Detail zeigt noch, daß ich die Verschickung ins Irrenhaus
im Traume richtig gedeutet habe, und beweist gleichzeitig, mit welchem
Mißtrauen die Patientin meine Hilfeleistungen annimmt. Ich habe ihr
gegenüber einen Plan erwähnt, sie für die Sommermonate aufs Land zu
schicken, und dabei eine bekannte Ortschaft an der Donau in Betracht
gezogen. Sie gibt jetzt zu, daß sie seit Tagen davon überzeugt war, ich
wolle sie eigentlich in die Irrenanstalt schicken, die nicht weit von der
erwähnten Ortschaft entfernt liegt. Selbst jetzt gelingt es mir nicht ganz,
sie zu überzeugen, daß ich als Fremde nicht einmal von der Existenz
dieser Anstalt gewußt habe. Sie bleibt offenbar dabei abzuwarten, bis sie
meine wirklichen Absichten erkennen kann. Angesichts dieses Mißtrauens
verweile ich ziemlich lange bei der Besprechung dieser Situation und ihrer
Gefahren für unsere Behandlung. Ich wiederhole meine Versicherungen,
daß die Onanie keine Sünde sei und sich nicht mit Geisteskrankheit oder
Tod bestraft, und ich dränge sie von neuem, einzusehen, wie gerne sie
mich beschuldigen möchte, daß ich sie ins Unglück stürzen will. Der
folgende Traum bringt die Reaktion auf diese Stunde:
Die Patientin ist auf einem Feld und pflückt Blumen. Sit fühlt sich so
glücklich, daß sie plötzlich onanieren möchte; sie hat zum erstenmal keine
Angst, ihrem Drang nachzugeben. Trotzdem onaniert sie nicht, sondern geht
Die Analyse eines Eifersuchtswahnes 19
weiter und denkt die ganze Zeit, daß sie jetzt onanieren wird und daß es ihr
nicht schaden wird. Sie erinnert sich, daß ich das gesagt habe. Sie kommt
dann zu einem Haus, wo sie mich trifft, und ist so glücklich, daß sie ganz
vergißt, daß sie onanieren wollte
Dieser leicht deutbare Traum ist lustbetont. Ich möchte einen bestimmten
Punkt aus ihm hervorheben. Die Träume zeigen, daß die Patientin ihre
Angst vor der Onanie gehorsam aufgegeben hat. Die Onanie selbst aber
ist in Zusammenhang mit dem Zu-mir Zur-Schwester Kommen
gebracht. Wie sie dann mich, die Analytikerin, trifft, ist sie imstande,
ihren infantilen Sexualwunsch nach mir aufzugeben und glücklich zu
sein, ohne selbst zu onanieren oder von mir masturbiert zu werden. Die
Träume der Patientin werfen ihre Schatten voraus; was in ihnen vor-
kommt, ist in der Wirklichkeit noch nicht vorgefallen. Der Wunsch der
Patientin, ich solle sie masturhieren, wie es früher ihre Schwester getan
hat, ist noch nicht voll in die Übertragung gekommen. Folglich kann sie
den Wunsch, den sie noch nicht einmal akzeptiert hat, auch nicht aufgeben.
Aber der Traum hebt die unmittelbare Gefahr, die der Analyse durch
die Situation des Vortages gedroht hatte, wieder auf. Die Patientin ist
bestimmten Folgerungen ausgewichen und hat damit die momentane
Krisis überwunden. Ich brauche nicht hervorzuheben, daß diese Gefahren
jeden Moment wieder auftauchen können, und man ihnen nur dann begegnen
kann, wenn sie aktuell werden.
4) Penisneid und Kastrationsangst
Die Bewältigung der Onanieangst und ihrer Folgen hält an und im Lauf
der nächsten Stunden tauchen mehrere wichtige damit zusammenhängende
Themen in der Analyse auf. Das erste dieser Themen ist der Penisneid,
wie der folgende Traum zeigt :
Die Patientin onaniert. Wie sie an der Klitoris hantiert, wächst diese zu
so ungeheurer Größe, daß das anschwellen ihre Hand in die Höhe hebt. Sie
wird größer ah das Glied eines Mannes, so groß wie das Glied eines Pferdes,
das sie abends vorher gesehen hat
Wir haben bereits gehört, daß die Patientin die Klitoris für einen ver-
stümmelten Penis hält. Diese Verstümmelung, gibt sie jetzt zu, hat sie
immer mit den Folgen der Onanie zusammengebracht. Ich habe versucht,
ihr auszureden, daß die Onanie schreckliche Folgen haben muß, und der
jetzige Traum akzeptiert meine Korrektur. Wenn die Patientin nicht zur
Strafe verstümmelt worden ist, dann besitzt sie, was ihrer Meinung nach
2«
20 Ruth Made Brunswide
jedem normalen Menschen zukommt: einen Penis. Zur Kompensation ist
das Glied, das sie sich zuspricht, sogar ein besonders großes. Von da an
ist sie in ihren Träumen nicht mehr kastriert.
Im Falle dieser Patientin scheint der wirkliche Peniswunsch weniger
wichtig als das, was man die negative Seite des Penisneides nennen könnte,
das Gefühl, daß sie den Penis als Strafe für die Onanie eingebüßt hat.
So muß sie zuerst ihre infantile Kastrationstheorie korrigieren und dann
auf das dadurch wiedergegebene Glied von neuem Verzicht leisten.
Ein zweiter ähnlicher Traum lautet wie folgt:
Die Patientin ist zuerst ein Kind, dann ein junges Mädchen, schließlich
eine reife Frau. Plötzlich wird sie ein Mann mit einem besonders großen
Glied. Sie ist sehr stolz auf das Glied und uriniert damit.
Ich erkläre ihr, daß man als Kind glaubt, alle Menschen hätten ein
Glied, und daß diese Annahme erst später durch Beobachtungen richtig-
gestellt wird. Sie sagt, daß der Vergleich mit einem um drei Jahre älteren
Bruder sie auf ihren Mangel aufmerksam gemacht haben muß. Dieser
Bruder starb mit sechs Jahren, als sie drei Jahre alt war. Sie hat sich
nicht gut mit ihm vertragen und seit seinem Tod nur selten an ihn
gedacht. Aber sie erinnert sich ganz deutlich an Gefühle von Rivalität
und Empörung und hat dabei ein leichtes Schuldgefühl, demzuliebe sie
meine Erklärung, daß ihre Feindseligkeit wahrscheinlich durch Neid bedingt
war, gerne annimmt.
An diesem Punkt hat sie eines der plastischen Erinnerungsbilder, wie
sie viel zur Überzeugung des Patienten und zur Aufhellung der Analyse
für den Analytiker beitragen.
Sie sieht ihren Bruder so, wie er auszusehen pflegte, wenn sie — die
beiden Jüngsten — im Haus miteinander herumspielten. Beide tragen
kurze gestrickte Hemdchen, die bis zu den Hüften reichen und vom Nabel
an vorne offen sind. Gerade unter seinem Hemdschlitz sieht sie sehr
interessiert einen Körperteil, den sie „das Vogerl" nennt, zur Belustigung
der gesamten Familie, vor der sie ihre Bewunderung nicht verbergen
kann. Ich äußere, diese Bezeichnung deute offenbar an, daß sie dieses
„Vogerl" fliegen gesehen habe, und bringe das Phänomen der Erektion in
Zusammenhang mit dem vorigen Traum (S. 19), in dem ihre Klitoris
sich so ungeheuer vergrößert. Sie antwortet, sie könne sich an das Heben
und In-die-Höhe-Steigen des „Vogerls" gut erinnern; einen Augenblick
später erwähnt sie, daß sie oft sehr angenehme Flugträume habe, die aber
immer in einen Sturz ausgehen, so daß sie dann am nächsten Tag ganz
Die Analyse eines Eifersuchtswahnes
21
lahm ist. Ich mache sie aufmerksam, daß sie in ihrem zweiten Traum
(S. 20) wie ein Mann uriniert, und daß Kinder oft beim Urinieren Be-
obachtungen über die Genitalien der Gespielen machen. Sie antwortet auf
diese Bemerkung mit einem wie gewöhnlich halluzinatorisch auftauchenden
Erinnerungsbild, dem wichtigsten ihrer ganzen Analyse :
Die Szene spielt kurz nach dem Tod von Mutter und Bruder im dritten
Lebensjahr der Patientin. Sie geht im Park mit ihrer älteren Schwester
spazieren, — sie sagt, sie würde jetzt gerne mit mir dorthin gehen, um
mir die Stelle zu zeigen. Ihre Schwester versammelt wie gewöhnlich eine
Menge von Burschen um sich, mit denen sie sich zur Empörung und
Demütigung der vernachlässigten Kleinen lachend unterhält. Die Patientin
hat plötzlich Harndrang. Das Urinieren geht im Freien aber schwerer als
zu Hause, weil sie geschlossene Hosen anhat. Sie verlangt, daß die Schwester
ihr die Hosen aufknöpft, und zieht so ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die
Schwester erfüllt ihr Verlangen und kehrt dann zur Unterhaltung mit den
Burschen zurück. Die Kleine beginnt daraufhin während und nach dem
Urinieren mit ihrem Genitale zu spielen, zieht auf diese Weise noch einmal
die Aufmerksamkeit der Schwester auf sich, diesmal aber in Form von
Vorwürfen. Luise sagt streng, die Kleine wisse wohl, daß sie das auf
der Straße nicht machen dürfe; sie droht, sie werde ihr den anstößigen
Körperteil abschneiden und sie von einem Polizeimann wegführen lassen,
wenn sie sich nicht besser benehmen könne.
Die Kleine verbindet offenbar die Drohung mit dem vorhergegangenen
Vergleich zwischen sich und dem Bruder, und glaubt von diesem Augen-
blick an, man habe ihr das Genitale abgeschnitten. Sie erinnert sich, diese
Meinung verschiedenen Familienmitgliedern geäußert zu haben und deshalb
verspottet worden zu sein. (Der spätere Spott der Stiefmutter, S. 16, über
die Unwissenheit der Patientin in sexuellen Dingen bekommt wahrscheinlich
seine verletzende Wirkung zum großen Teil von diesem früheren Spott
:über einen schwerwiegenderen körperlichen Mangel. Den gleichen Sinn
hat auch die Wahl der schäbigen Schuhe, S. 16, — ein offenbares
Symbol für ein mangelhaftes Genitale — als Zielscheibe für den Spott
der fremden Frau.)
Versuchen wir, die erinnerte Szene zu deuten. Das Urinieren verfolgt
^offenbar den Zweck, die Aufmerksamkeit der mit den andern beschäftigten
Schwester zu fesseln. Auch bei einem kleinen Mädchen ist ja das Urinieren
jm.it dem Herzeigen der Genitalien verbunden. Dieses Herzeigen müssen
-wir. als eine Aufforderung auffassen, als ob sie sagen wollte: „Komm und
22
Ruth Made Brunswidc
spiel mit mir, wie du es zu Hause machst. Ich bin genau so gut
(potent) wie diese Jungen." Dieser Verführungsversuch schlägt aber fehl,
das Herzeigen der Genitalien bleibt ohne Wirkung. Der nächste noch
deutlichere Schritt ist das Spielen mit den Genitalien, die exhibitionistische
Onanie eines Kindes, das sein eigenes Genitale zeigt, um als Revanche
das der andern Person zu sehen zu bekommen. Dabei ist auch ein Rache-
element mitenthalten (wie es sich gewöhnlich in den Handlungen
abgewiesener Frauen findet). Eine Person, die ganz zufrieden onaniert,
braucht keinen Gefährten; ihre Einstellung ist: „Wenn du dich nicht
um mich kümmerst, so werde ich mich eben selbst unterhalten und
befriedigen."
Ich glaube nicht, daß die Patientin selbst als Dreijährige ganz im un-
klaren über die Mißachtung gewesen sein kann, die man durch onanistische
Handlungen auf sich zieht. Es war aber der Mühe wert für sie, bestraft
zu werden, wenn sich die Schwester dabei nur um sie kümmern mußte.
Die Patientin hat in dieser Stunde noch ein drittes Erinnerungsbild.
Sie sieht ihre Schwester als zwölfjähriges Mädchen nackt vor sich stehen.
Sie hat dichte schwarze Schamhaare, die in der damals zweijährigen
Patientin solche Bewunderung erregen, daß sie wie gebannt hinsieht, bis
die Schwester ihr verbietet, „dorthin" zu schauen.
Ich erinnere daran, daß die Patientin bisher immer voll Bewunderung
von dem schönen blonden Haar ihrer Schwester zu sprechen pflegte; diese
Bewunderung hat sich offenbar von den schwarzen Schamhaaren, die
schon früher ihre Bewunderung erregt hatten, dorthin verschoben. Ich
erinnere an den wiederkehrenden Traum vom schwarzen Mann mit der
Masche (S. 9), die in Wirklichkeit ein männliches Organ an einer Frau,
in andern Worten einen Penis bedeuten sollte. Sie bewundert also die
Schamhaare, weil sie glaubt, daß hinter ihnen ein Phallus verborgen ist.
(Siehe den Traum auf S. 40.)
Wir verdanken diesen Zufluß an neuem Material offenbar dem Abbau
der Kastrationsschranke. Die Patientin ist jetzt imstande, Ereignisse aus
der Zeit vor der Kastrationsangst zu erinnern und — da die Kastration
keine Drohung mehr für sie bedeutet — auch die Ereignisse, die zu ihr
geführt haben.
Der folgende Traum zeigt die Verbindung zwischen Urinieren und
Masturbation :
Die Patientin uriniert ins Bett und macht eine große Lache. Sie legt sich
mit dem Rücken darauf, um sie vor der Stiefmutter zu verbergen. Ihre UM-
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 23
tat ivird aber entdeckt und sie bekommt Schläge. Eine Frau ruft ihr auf der
Straße nach: „Angepißt!"
Der Traum beschäftigt sich mit der Enuresis der beiden Schwestern.
Meine Patientin pflegte bis zu ihrem zwölften Jahr das Bett zu nässen;
bei der Schwester hielt die Enuresis das ganze Leben lang an. Beide
Mädchen wurden von der Stiefmutter häufig für diese Unart geschlagen.
Schläge waren aber auch die Strafe, die meine Patientin für die Onanie
und ihre Schwester für ihre zahlreichen von den Eltern verurteilten
sexuellen Beziehungen erhalten hatte.
Wir wissen, daß die Enuresis sowohl eine Folge wie auch ein Äqui-
valent der Onanie ist. Der wahrscheinliche Vorgang ist der, daß das Kind
bis zu einer gewissen Zeit, gleichgültig, ob im Schlaf oder Wachen, nach
der Onanie uriniert. Ist es gelungen, die Onanie zu beseitigen oder auf
den Schlaf zu beschränken, dann kann doch die Enuresis, meist auch
während des Schlafes, weiter bestehen bleiben. Sie ist auf diese Weise das
fortgesetzte verräterische Anzeichen einer vergangenen oder gegenwärtigen
Sexualbetätigung. Das Kind wird für die manifeste Enuresis und die latente
Onanie bestraft. Ein zweites Motiv der Enuresis liegt darin, daß das
Urinieren als Äquivalent der Ejakulation ein Gegenbeweis gegen die Kastration
ist. Wenn die Patientin im letzten Traum eine ungeheure Lache macht,
so betont sie damit ihre Potenz. Diese Folgerung findet noch Bestätigung
in einer Frage, die sie an mich stellt. „Wenn jemand kastriert ist," fragt
sie, „wie kann er dann urinieren ?" Wie ich ihr erkläre, daß die weibliche
Harnröhre nicht in dem fehlenden Penis und auch nicht in der Klitoris
gelegen ist, sagt sie: „Beim Geschlechtsverkehr kommt aber doch die
Flüssigkeit bei der Frau genau so heraus wie beim Mann, nicht wahr?"
Für die Patientin hat die geschlechtsreife Frau ihre phallischen Eigen-
schaften noch durchaus beibehalten. Der Traum kommt gerade richtig zur
Zeit, da sie ihre eigene Kastration rückgängig gemacht hat und sich
folglich alle männlichen Vorrechte wieder zuerkennen will.
Daß eine Frau ihr einmal auf der Straße „angepißt" nachgerufen hat,
stimmt wirklich. Die Nachbarschaft wußte, daß beide Schwestern an
Enuresis litten, und beide hatten viel böse Spötteleien auszustehen, die von
der Stiefmutter noch unterstützt wurden. Die Patientin war wütend über die
Beleidigungen, aber machtlos, weil sie sie als berechtigt anerkennen mußte.
Obwohl also die Beleidigung im Traum auf Realität beruht, enthält sie
doch ein Element von Verfolgungs- und Beziehungsideen. Es ist für diese
Krankheit typisch, daß zwar manche der pathologischen Reaktionen durch
24
Ruth Made Brunswidc
reale Vorkommnisse ausgelöst werden, die Reaktionen selbst aber trotzdem
abnorm sind.
f) Homosexuelle Eifersucht und Analerotik
Ich erkläre der Patientin jetzt, man müsse wohl annehmen, daß Luise,
nach ihrer Enuresis und den Beziehungen zur kleinen Schwester zu urteilen,
sehr viel allein onaniert habe. Die gemeinsame Onanie hätte sie offenbar
nach einer Weile aufgegeben; aber es ist nicht wahrscheinlich, daß es
ihr dann gelungen sein sollte, ihre Begierden ganz zu beherrschen. Offenbar,
setze ich hinzu, habe sie ihre zahlreichen sexuellen Beziehungen begonnen,
um von der Onanie frei zu werden, nachdem sie sich von der gemeinsamen
Onanie, wie ihre Strenge der Schwester gegenüber zu beweisen scheint,
abgestoßen fühlte. Die Patientin erwidert, daß sie als Kind rasend eifersüchtig
auf die Bekannten war, mit denen die Schwester ausging. „Ich war eine
Männerhasserin," sagt die sonst so schüchterne Patientin leidenschaftlich,
„ich wollte sie für mich haben. Aber sie ist immer mit diesen Burschen
fortgegangen und ich habe die Burschen gehaßt."
Offenbar haßte die Patientin die männlichen Freunde ihrer Schwester
weil sie ihnen die Schuld an dem Aufhören der onanistischen Beziehungen
zwischen sich und der Schwester zuschob. Sie glaubte wahrscheinlich, daß
die Burschen mit ihrem besseren Geschlechtsapparat der Schwester mehr
zu bieten hatten als sie.
Ich zeige ihr die Parallele zwischen dem Gefühl, daß die Burschen
sie um die Liebe der Schwester gebracht haben, und dem Gefühl, daß die
Stiefmutter ihr den Mann wegnimmt. Ich erkläre ihr den Mechanismus
der doppelten Eifersucht, wobei die homosexuelle Wurzel die bestimmende
ist. Die Patientin sieht ein, daß ihr Haß auf die Stiefmutter zum größten
Teil gekränkte Liebe ist; sie gibt auch bereitwillig, zu, daß es sie sehr
verletzt, daß ihr Mann, der doch nur der Schwiegersohn ist, der Stiefmutter
mehr bedeutet als sie selbst, die Tochter. Sie ist von der Stiefmutter immer
nur vernachlässigt oder bestenfalls mißhandelt worden. Aber der Eintritt
eines fremden Mannes in die Familie hat ihre eigene Stellung noch
bedeutend verschlechtert. «
. Die lebenslange schlechte Behandlung durch die Stiefmutter mit den
zahlreichen Züchtigungen, die sie von ihr erhalten hat, wird von der
Patientin masochistiseh als . Koitusersatz gewertet und bildet gleichzeitig
die Grundlage ihrer Verfolgungsideen. Wir sehen hier die direkten libjdi-
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 25
nösen Wurzeln des Verfolgungswahnes. Ich verweile jetzt bei dieser maso-
chistischen Lustquelle und der analen Zone, die dabei eine Rolle spielt.
Die Patientin sagt in Bestätigung meiner Beobachtungen, daß alles besser
sei, als vernachlässigt zu werden, und erzählt im Anschluß das Folgende:
Ihr Mann habe oft darauf bestanden, den Verkehr von hinten auszuführen,
wie Hunde es tun; sie hasse das, besonders wenn er — wie ein wirklicher
Hund — den Penis in ihren After einführen will. Hunde haben natürlich
keine Vagina; darum können sie auch nicht den für Menschen normalen
Verkehr ausführen. Ich korrigiere ihre Ansichten über die Anatomie der
Hunde und erwähne, daß Hunde beim Verkehr so aussehen, als ob sie
miteinander raufen würden. Sie bringt daraufhin die folgende Erinnerung:
Als sie ungefähr elf Jahre alt war, schlief sie eine Weile zwischen Vater
und Stiefmutter. In der Nacht erwachte sie einmal von sonderbaren
Geräuschen und fand das ganze Bettzeug in Bewegung und Aufruhr. „Es
sah aus," sagt sie, „als ob sie schrecklich raufen würden." Sie konnte
sich aber nicht klar darüber werden, wer der Angreifer war. Sie fügt noch
hinzu, daß sie als anderthalbjähriges Kind eine kurze Zeit zwischen ihren
wirklichen Eltern geschlafen hat.
In der nächsten Stunde bringt sie den folgenden Traum:
Eine Hündin, "welche die Patientin tatsächlich in meinem Hause gesehen
hat, kommt in das Zimmer, das ich als Beliandlungsraum benütze. Die Patientin
fragt das Tier, ob es schläfrig ist. Es nickt und sie legt es in einem Lehn-
sessel schlafen. Die Stiefmutter kommt herein, schimpft und sagt, daß ein
Lehnsessel kein Platz für einen Hund ist. Wie der Hund nach einem langen
Schlaf aufwacht, masturbiert die Patientin ihn.
Die Patientin erkennt sofort, daß sie selbst der Hund sein muß ; sie
versteht offenbar, daß der Hund das anale Tier ist, das die Stiefmutter
beim Koitus benutzt. Sie würde viel lieber bei mir als bei sich zu Hause
schlafen, wo sie allerhand Schwierigkeiten mit ihrem Mann hat, den sie
verlassen möchte. Ich deute ihr daraufhin den Rest des Traumes: das
Ahalysensofa ist der Lehnsessel, auf den ich die Patientin lege ; im Traum
stellt die Patientin mich vor und der Hund die Patientin. (Siehe S. 43
über die doppelte Rolle in Masturbationsphantasien.) Daß ich der Patientin
einen Platz zum Schlafen gebe, bedeutet offenbar, daß ich sie einschläfere.
Daß die Masturbation nach dem Aufwachen stattfindet, ist eine Umkehrung;
es soll heißen, daß ich die Patientin nicht nach, sondern vor ihrem
Schlaf masturbiere, eben um sie einzuschläfern. Die Stiefmutter behandelt
sie wie einen Hund; alles ist zu gut für sie, sogar der Schlafplatz. Dieses
26 Ruth Madk Brunswick
Detail enthält auch noch eine Anspielung auf die Schwester der Patientin. Wie
ich aus mehreren Erwähnungen weiß, hat die Stiefmutter Luise häufig
gezwungen, als Strafe für das Bettnässen auf dem nackten Fußboden zu
schlafen. Besonders im Winter tat Luise der Patientin dann schrecklich leid.
Im Traum identifiziert sie sich also mit der Schwester und identifiziert
außerdem mich mit ihrer Stiefmutter. Wir bekommen hier die erste An-
kündigung von einer gründlichen Veränderung der analytischen Situation.
Zu dieser Zeit teilt mir die Patientin mit, daß sie zum erstenmal einen
Verkehr ausgeführt hat, ohne Schmerzen, Blutungen oder Krämpfe zu
bekommen. Während des Verkehrs bekam sie das Jucken am Genitale,
das sich in der letzten Zeit unter andern Umständen sehr fühlbar gemacht
hat; beim Koitus steht es an Stelle der normalen lustvollen Sensationen.
Unmittelbar nach dem Verkehr träumte sie von einem Koitus, diesmal
aber in Begleitung eines allgemeinen Wollustgefühls, das von der Vagina
seinen Ausgang nimmt. Am nächsten Tag ist der Wunsch zu onanieren
so stark, daß sie sich zum erstenmal traut, ihm nachzugeben. Sie ist dabei
völlig anästhetisch, das Genitale reagiert in keiner Weise auf die Berührung.
In der Nacht darauf träumt sie den folgenden Traum:
Sie schläft mit ihrer Schwester und hat dabei das Bett naßgemacht. Ihre
Schwester sagt, sie soll den Nachttopf benützen, aber das Malheur ist schon
geschehen.
Die Deutung liegt auf der Hand und wird von der Patientin ohne
Schwierigkeiten angenommen. Das Zusammenschlafen bedeutet Onanieren
ebenso wie im späteren Leben die Redensart „mit einer Frau schlafen"
den Geschlechtsverkehr mit ihr bedeutet. Wie es schon zu spät ist,
redet ihr die Schwester zu, den Nachttopf zu benützen; das Bett ist aber
bereits naß. Wir sehen hier die deutlichste Gleichsetzung von Urinieren
und Ejakulation. Die spätere Strenge und die moralischen Bemühungen
der Schwester konnten nichts mehr nützen, die vorhergegangene Onanie
hatte schon ihr Werk getan.
Dieser Onanieversuch, so erfolglos er an sich auch war, bedeutet doch
in der Aufhebung der Verdrängungen meiner Patientin einen Schritt nach
vorwärts. Diese Masturbation besteht ausschließlich in Reizung der Klitoris.
Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende vaginale Sensibilität. Der gleich-
zeitige Fortschritt findet seine Darstellung in dem folgenden Traum:
Die Patientin ist bei einer Penisausstellung. Alle Männer werden auf der
einen Seite aufgestellt, alle Frauen auf der andern. Man sieht immer nur die
untere Körperhälfte. Bei Schluß der Ausstellung bekommt jede Frau einen
Mann und noch extra einen Penis.
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 17
Wir sehen hier die Erfüllung sowohl der männlichen (Klitoris) wie
auch der weiblichen (vaginalen) Wünsche. Ein anderer Traum der gleichen
Periode hat deutlich feminine Bedeutung:
Die Patientin ist in einer modernen Schule mit einem ganz besonderen
hehrer. In dieser Schule muß sich die Patientin auf ein Sofa niederlegen und
lernt sich zu bücken, tanzen und besser mit Männern umgehen.
Die Träume vom maskulinen urethralen Typus stehen aber zu dieser
Zeit im Vordergrund. Im folgenden ein Beispiel:
Die Patientin möchte durch das Vorzimmer aufs Klosett gehen, traut sich
aber nicht, weil viele betrunkene Männer herumstehen. Schließlich geht sie
doch. Sie uriniert stehend wie ein Mann und entdeckt dabei plötzlich, daß sie
einen großen Penis hat. Sie ist sehr stolz und denkt, wie dumm es von ihr
war, sich zu furchten, wo sie doch einen ebensolchen Penis hat wie die Männer.
Sie hätte Lust, ihn den Männern zu zeigen.
Bei diesem Traum erübrigt sich die Deutung. Ich bringe ihn nur als
Illustration zu dieser Phase der Behandlung.
III
Erste paranoische Phase: Eifersucht
Es ergibt sich jetzt für mich die Notwendigkeit, den Mann meiner
Patientin ein zweites Mal zu sehen. Kurz nach Beginn der Analyse hatte
er sich einmal in Begleitung seiner Frau vorgestellt. Damals hatte ich
Wert darauf gelegt, nur in Anwesenheit der Patientin mit ihm zu sprechen
jetzt aber war mir daran gelegen, ihn sich frei aussprechen, wenn not-
wendig, über das Benehmen seiner Frau klagen zu lassen, usw. Außerdem
war es auch nötig, gewisse praktische Fragen zu regeln. Bei der Ungunst
der äußeren Verhältnisse mußte ich versuchen, der Patientin, soweit es eben
möglich war, Erleichterungen zu verschaffen, die analytische Arbeit durch
äußere Maßnahmen zu unterstützen wie in einer Kinderanalyse. Glück-
licherweise ließ sich in meinem Fall die Behandlung weiter fortsetzen,
obwohl fast alle meine nach der Verbesserung der äußeren Bedingungen
zielenden Bemühungen zum Scheitern bestimmt waren.
Ich bat die Patientin, im Vorzimmer zu warten, und forderte den Mann
auf, alleine zu mir hereinzukommen. Nach einer kurzen Unterredung ging
er dann mit seiner Frau nach Hause.
In den darauffolgenden vier Tagen ernteten wir die Früchte dieser Ver-
anstaltung. Es war mein Gefühl gewesen, daß die Patientin der Über-
tragung ihrer Eifersucht auf mich die stärksten Widerstände entgegensetzte.
Ihre Träume drehten sich zu lange Zeit immer wieder um das Urinieren,
den Besitz eines Penis usw. Der sonst so schnelle Fortgang dieser Analyse
war hier offenbar von einem Hindernis aufgehalten. Ich war mir zwar
darüber klar, daß es gefährlich war, ihre Eifersucht in die Übertragungs-
Die Analyse eines Eifersu&tswahnes 29
Situation hineinzuzwingen. Ich fürchtete aber, wenn keiner von uns den Mut
dazu hätte, dann würde die Analyse stocken, der Widerstand sich verstärken
und die Aufgabe, die wir zu erledigen hatten, nur immer schwerer werden.
Am ersten Tag nach der Unterredung mit ihrem Mann hat die Patientin
alle Träume vergessen und findet wenig zu sagen. Am zweiten Tag kommt
sie um eine halbe Stunde zu spät; sie entschuldigt sich damit, daß sie
sich in der Straßenbahn geint hat. Ich reagiere nicht auf diese Anzeichen,
sondern warte ab, bis der Widerstand eine gewisse Höhe erreicht hat; ich
rechne damit, daß er dann auch der Patientin als solcher fühlbar werden
wird, so daß sie ihn nicht ableugnen kann, wenn ich ihn ihr vorhalte.
Am dritten Tage sieht sie, wie ich gerade vor ihrer Stunde telephoniere.
Sie beginnt die Stunde mit der Beschuldigung, daß ich am Telephon
auf englisch über sie gesprochen habe. Sie gibt zu, daß sie mich nicht
zum erstenmal am Telephon gesehen hat; diesmal aber ist sie sicher, daß
ich mich über sie beklagt habe, daß ich Veranstaltungen gemacht habe,
sie wegführen zu lassen usw. Sie wartet ungeduldig auf meine Antwort
und prüft jedes meiner Worte mit dem größten Argwohn. Sie erklärt, daß
ich sehr böse auf sie bin und deshalb darauf hinarbeite, daß „etwas mit
ihr geschehen" soll. Zu Hause sind alle ihre Feinde und ich bin mit
ihrer Familie im Bunde. Sie gibt zu, daß sie alle Hausarbeit vernachlässigt
hat, daß also ihr Mann und ihre Schwiegermutter Grund zur Unzufriedenheit
haben. Sie fügt aber hinzu, daß es ganz gleich ist, ob sie etwas tut oder
nicht tut, es seien doch immer alle gegen sie.
Sie erzählt folgenden Traum :
Um einen Hahn sind viele Hennen versammelt. Er springt auf eine nach
der andern und hat Geschlechtsverkehr mit ihnen.
Sie erkennt sofort, daß ihr Mann der Hahn ist, bringt aber keine
weiteren Andeutungen über seine Untreue. Der Traum verrät jedenfalls
die Wichtigkeit dieses Themas, wenn sich die Patientin auch nicht weiter
darauf einläßt.
Zur Erklärung des Ärgers, den sie mir zuschreibt, mache ich sie auf-
merksam, daß man gewöhnlich annimmt, jemand sei böse, wenn man ihn
schlecht behandelt hat. Ich meine, sie müsse ein schlechtes Gewissen haben,
weil sie tags vorher zu spät gekommen ist, und nehme nun infolgedessen
an, daß ich böse sei. Sie reagiert auf diese Behauptung mit absoluter
Ablehnung. Angesichts ihrer völligen Unzugänglichkeit sage ich weiter
nichts und erkläre mich einverstanden, als sie vorschlägt, die Stunde vor
der gewöhnlichen Zeit zu beenden. Sie macht physisch wie psychisch
30
Ruth Mack Brunswick
einen durchaus kranken Eindruck und ich beginne zu denken, daß sie
wahrscheinlich für die analytische Arbeit unzugänglich bleiben wird.
Ich merke aber bald, daß man von der Neurosenanalyse her nur nicht
an die blitzschnellen Übergänge gewöhnt ist, die den Psychosen ein leichtes
sind. Am vierten Tage zeigt die Patientin sich bereit, näher in die Sachlage
einzugehen. Sie sieht etwas besser aus und zeigt beim Hereinkommen ein
beschämtes und begütigendes Lächeln. Sie gibt zu, daß meine Unterredung
mit ihrem Mann der Ausgangspunkt der ganzen Schwierigkeit ist. Sie war
wartend im Vorzimmer gesessen; und plötzlich war sie — nach ihren
eigenen Worten — von einer rasenden, wahnsinnigen Eifersucht gepackt
worden. Eine panikartige Angst hatte sie ergriffen, die Außenwelt war
plötzlich nicht mehr vorhanden, sie wußte nur von einem ungeheuren
Brausen und elektrischen Summen in ihrem Kopf und der Gedanke packte
sie, daß mir ihr Mann sicher besser gefallen würde als sie selbst. Sie
hatte sich in die Hände gebissen und gewußt, daß ihr nichts übrig bliebe,
als sich umzubringen.
Sie ist — wie sie sagt — besonders überrascht darüber, daß sie nicht
wegen ihres Mannes, sondern meinetwegen eifersüchtig war. Ich zeige ihr
sofort, daß ihre Eifersucht auf die Stiefmutter von genau derselben Art
ist; sie gönnt ihrem Manne nicht die Zärtlichkeit, die sie sich selber
wünscht. Es ist, wie ich ihr ferner zeige, auch kein großer Unterschied
mehr, ob sie glaubt, daß ich (oder ihre Stiefmutter) ihren Mann lieber
habe als sie oder ob sie sich vorstellt, daß ihre Stiefmutter (oder ich)
Sexualverkehr mit ihm habe. Ich frage sie, ob sie das vielleicht geglaubt
habe, und erhalte zur Antwort, daß es ihr gestern nicht unmöglich erschien.
Sie versteht jetzt auch den Projektionsmechanismus : sie war böse auf
mich und hat ihren eigenen Ärger auf mich projiziert. Außerdem hat
sie — weil sie böse war — so gehandelt, daß jeder in einer gewöhnlichen
Beziehung zu ihr Stehende beleidigt und geärgert werden müßte ; nachdem
sie so ihre Rolle gespielt hatte, nahm sie meine Reaktion darauf als ge-
geben an. Es nützte auch nichts, daß ich keinerlei Empfindlichkeit zeigte.
Sie phantasierte das Fehlende hinzu und stellte sich als die schlecht
Behandelte hin.
Unter dem Einfluß dieser Deutungen und in der Erleichterung, von
der sie gefolgt werden, bringt ie eine Anzahl lebhaft gefärbter Über-
tragungsphantasien. Sie erzählt, sie hätte abends vorher, als ihr Widerstand
schon abgelaufen, aber noch nicht analytisch gedeutet worden war, phan-
tasiert, daß ich in ihr Bett käme und daß sie sich in meine Arme ge-
Die Analyse eines Eifersuditswahnes
31
schmiegt und mich geküßt hätte. Schließlich hätte sie ein Kissen so fest
wie nur möglich an sich gedrückt und sei eingeschlafen. Sie gibt die
unverkennbare Ähnlichkeit dieser Szene mit ähnlichen Erlebnissen mit
der Schwester in früher Kindheit zu.
Daß sie zu dieser Zeit ihren Mann und ihr Haus in auffälliger Weise
vernachlässigt, ist natürlich auf die ausschließlich homosexuelle Bindung
ihrer Libido in der Übertragungssituation zurückzuführen. Sie haßt ihren
Mann, weil er an ihrer Statt den Penis besitzt, mit dem sie die geliebte
Frau erringen könnte. Der Traum der nächsten Nacht demonstriert diese
Haß- und Neideinstellung:
Sie und ihr Mann möchten einen Maskenball besuchen, haben aber keine
Kostüme. Sie wollte immer gerne auf so einen Ball gehen, ist aber nie dazu
gekommen. Man kann Kostüme beim Teufel ausleihen, der plötzlich erscheint;
er ist ganz rot, hat einen Schweif, Hörner und ein scheußliches Grinsen. Für
den Mann bringt er ein Kostüm, das ganz aus männlichen Geschlechtsteilen
zusammengesetzt ist, für die Frau ein schreckliches Kostüm aus weiblichen
Genitalien. Das Kostüm des Mannes ist häßlich, aber nicht so furchtbar wie
das Frauenkleid, das vorne ein großes offenes Loch hat und darüber ein ganz
kleines Glied, das aussieht wie ein Penis, „wo man onaniert". Die Patientin
will ihren Mann verhindern, die Kostüme anzunehmen, aber er will es durchaus.
Die Patientin wird dann wütend mit dem Teufel, der sich aber nur über
ihren Arger lustig macht, grinst und herumtanzt und plötzlich — genau so
aussieht wie der Mann der Patientin. Sie sagt: „Wenn er uns schon so grausliche
Sachen bringt, hätte er uns wenigstens beiden dasselbe bringen können."
Versuchen wir, die Traumelemente der Reihe nach zu analysieren. Der
Maskenball (siehe S. 1 7) bedeutet eine] sexuelle Versuchung. Die Maskierung
der Tänzer soll die Verhüllung des Geschlechts bedeuten, d. h. man sieht
keine Geschlechtsunterschiede. Der Ball ist offenbar das Werk des Teufels,
wie daraus ersichtlich, daß er die Kostüme beistellt; in anderen Worten
ausgedrückt: die Sexualität ist das Werk des Teufels. Der Teufel selbst
mit seiner roten Farbe, seinen Hörnern, seinem Schwanz und seinem
triumphierenden Grinsen ist ein deutliches phallisches Symbol. Er bringt
der Patientin und ihrem Mann sexuelle Gewänder; das Gewand der
Patientin ist aber eine scheußliche Mißbildung. Sie ist also mit einer
Sexualität belastet, die nicht einmal phallisch, folglich auch nicht der Mühe
wert ist. Sie ist wütend über die Vernachlässigung, die sie von Seiten der
Natur erfährt, — schließlich ist es ja die böse Seite der Natur, der Teufel
des Traumes, welche die Sexualität der Menschen geschaffen hat, — und
ihre Wut überträgt sich im weiteren auf den Mann, der das besitzt, was man
ihr versagt hat; der Teufel verwandelt sich zum Schluß in ihren Mann.
32 Ruth Madk Brunswick
Die Onanie der Patientin mit ihrer Schwester rückt jetzt in den Mittel-
punkt des analytischen Interesses. In einem Traum, welcher der Vorläufer
des wichtigsten aus der ganzen Analyse ist, stellt die Patientin ihre
passive Onanie mit einem Schwesterersatz zum erstenmal als unlust-
betont hin :
Die Patientin sucht überall nach einer Frau; manchmal bin ich diese Frau y
schließlich ist es eine Cousine, mit der die Patientin im Alter von 14 Jahren
zusammen geschlafen hat und die sie masturbieren -wollte.
Diese Cousine hat eine Schwester, die blond ist und die Patientin an
ihre eigene Schwester erinnert. Sie sagt: „Wenn es die andere Cousine
gewesen wäre, hätte ich sie es vielleicht machen lassen, aber diese konnte
ich nicht leiden.'
Wir finden hier zum erstenmal, daß die gemeinsame Onanie unlust-
betont ist. Die Gründe dafür sind verschiedener Art: erstens meine Wei-
gerung, die erotischen Wünsche der Patientin zu erfüllen (der Traum
beginnt mit der Suche nach mir) ; zweitens der Widerstand, neues Material
über die alte Onanie mit der Schwester zutage zu fördern ; und drittens
kann das Ich sich der Onanie widersetzen und sie unlustvoll machen,
seit sie aus der Vergessenheit befreit und bewußt gemacht worden ist,
während es vorher nur mit Verdrängungsmaßnahmen arbeiten konnte.
Diese zunehmende Macht des Ichs, seine Fähigkeit, Material zu beherrschen
und zu dirigieren, das früher durch die Verdrängung seiner Machtsphäre
entzogen war, zeigt sich jetzt auch in dem Auftauchen immer neuer, be-
wußt gewordener Materialstücke.
Der erste Traum dieser Serie zeigt, wie alle diese Vorgänge sich jetzt
durchaus innerhalb der Übertragung abspielen, und wie aussichtslos es wäre,
die Analyse auf bloße Erinnerung einschränken zu wollen.
Die Patientin liegt mit ihrer Schwester im Bett; die Schwester masturbiert sie,
bis sie zum Orgasmus kommt. Die Schwester verwandelt sich dann in mich.
Ich habe einen großen Penis. Ich habe Geschlechtsverkehr mit der Patientin
und befriedige sie wieder. Dann verwandle ich mich in den schwarzen Mann
des periodischen Angsttraumes. Auch er hat befriedigenden Verkehr mit der
Patientin; sie hat keine Angst vor ihm. Der schwarze Mann verwandelt sich
dann in ihren Mann, mit dem sie einen höchst befriedigenden Verkehr ausßihrt.
Die Schwester ist blond, wie sie auch in Wirklichkeit war. Ich bin dunkelhaarig,
wie in der W irklichkeit, und der Mann ist wie die Schwester blond, was er auch
wirklich ist.
Dieser Traum war außerordentlich lustvoll. Eine seiner Folgen ist, daß
es der Patientin gelingt, ihrem Mann und ihrer häuslichen Arbeit mehr
Interesse zuzuwenden.
Die Analyse eines Eifersuditswahnes
33
Auch der nächste Traum beschäftigt sich mit der Anerkennung der
männlichen Vorrechte.
Sie geht mit ihrer Schwester auf ein Klosett, das zwei Abteilungen neben-
einander hat, eine kelle, die schon besetzt ist, und eine dunkle, in die die beiden
Schwestern hineingehen. Luise setzt sich auf das Klosett und nimmt die Patientin
auf den Schoß. Die Patientin spreizt die Beine und läßt sich von der Schwester
masturbieren. Dann tauschen sie die Plätze und die Rollen und wiederholen den
Vorgang. Währenddessen versuchen sie, ein Licht zu finden oder Licht zu
machen, was ihnen aber nicht gelingt. Der Mann der Patientin kommt herein,
findet mit der größten Leichtigkeit sofort den elektrischen Kontakt und dreht
das Licht auf. Plötzlich aber schlagen Flammen heraus und setzen das Stroh,
das in der Nähe liegt, in Brand. (Das Ganze spielt in einer Art Stall oder
Scheune.) Die Patientin bittet ihren Mann, das Feuer zu löschen. Fr tut es,
nimmt sie dann bei der Hand und fuhrt sie nach Hause.
Dieser Traum enthält, wie so häufig bei der Patientin, eine Szene, die
sie wirklich erlebt hat. Im Alter von neun Jahren onanierte sie so, wie
es hier geschildert ist, mit einem Mädchen auf dem Lande. Das Klosett
befand sich nahe bei dem Stroh, wo sie schließlich erwischt wurden. Dazu
gehört auch, daß — wie wir gehört haben — die Patientin ihren Mann
und ihre Stiefmutter beschuldigt, im Stall, wo das Pferd gehalten wird,
Sexualverkehr gehabt zu haben. Deuten wir diese Erinnerung mit Hilfe
des Traumes, in dem das Mädchen auf dem Land durch die Schwester
ersetzt ist, so sehen wir, daß das Erlebnis im neunten Lebensjahr nur
die Wiederholung einer früheren Szene ist, die sich zu Hause mit der
Schwester abgespielt hat. Vermutet haben wir das bereits, der Traum bringt
uns nur den ersten wirklichen Beweis für unsere Annahme. Die Symbolik
des Lichtanzünden s und Feuerlöschens ist uns aus den Träumen von
Enuretikern bekannt und leicht verständlich; das Feuer bedeutet seinen
Gegensatz, Wasser oder Samen, wie auch die Flamme der Sexualität. Die
beiden Frauen können das Licht nicht finden, aber der Mann findet es
sofort; das bedeutet, daß er potent ist, während sie es nicht sind. Der
Traum sagt uns nicht, wie der Mann das Feuer löscht; wir können aber
annehmen, daß er dazu dasselbe Mittel verwendet wie zum Anzünden,
nämlich Urin oder Samen. Die Angst der Patientin vor dem Feuer im
Stroh bedeutet gleichzeitig ihre Angst vor der Sexualität und ihre Angst
vor Entdeckt werden und Strafe. Die größere Potenz des Mannes macht
offenbar einen solchen Eindruck auf sie, daß sie ganz zufrieden mit ihm
fortgeht.
34
Ruth Made Brunswick
Der folgende Traum, der wichtigste, den sie in der Analyse produziert
hat, muß als das Äquivalent einer plastischen Erinnerung gewertet werden:
Eine Person, welche die Patientin als Luise bezeichnet, welche aber in allen
andern Hinsichten mir ähnelt, nimmt die Patientin zu sich ins Bett. Die
Patientin liegt so, daß ihr Kopf bei den Füßen der Schwester ist, damit sie
leichter ihre Genitalien erreichen kann. Luise ist ungefähr zwölf Jahre alt,
die Patientin ist etwa zweijährig und ganz klein. Sie masturbieren einander
gleichzeitig. Luise unterweist die Patientin, wie sie mit der einen Hand die
Labien spreizen und mit der andern die Klitoris reiben soll. Das geht
unter der Bettdecke vor sich. Plötzlich spürt die Patientin den intensivsten
Orgasmus, den sie je gefühlt hat, ihr ganzer Körper gerät in Erregung; einen
Augenblick später stellt sich dieselbe Reaktion bei der Schwester ein. Luise
nimmt sie dann voll Leidenschaft in die Arme und drückt sie eng an sich.
Sie hat dabei das Gefühl absoluter Wirklichkeit.
Das Wirklichkeitsgefühl ist so stark, daß die Patientin beim Erwachen
ihr Genitale mit der Hand untersucht, um herauszufinden, was damit
geschehen ist. Sie hat die Menstruation und trägt eine Binde; und nur
der Umstand, daß die Binde nicht verschoben ist, überzeugt sie davon,
daß sie das Ganze geträumt hat.
Untersuchen wir als erstes Element das Wirklichkeitsgefühl des Traumes.
Wir wissen, dieses Gefühl bedeutet, daß der Inhalt des Traumes nicht
Phantasie, sondern Wirklichkeit ist. Die Patientin erinnert jetzt, daß sie
und ihre Schwester genau so, wie der Traum es beschreibt, gelegen sind
und onaniert haben. Ihre Lage erklärt sich offenbar daraus, daß sie sonst
ihrer Kleinheit wegen die Genitalien der größeren Schwester gar nicht
erreicht hätte. So mußte sie auch, um die Schwester zu masturbieren, beide
Hände gebrauchen, wo ein Erwachsener nur eine nötig gehabt hätte. Diese
Details sprechen für die Wirklichkeit des Vorkommnisses. Das Alter der
beiden Schwestern ist korrekt angegeben; die früheste Onanie fand statt
ehe die Patientin im Alter von vier Jahren aufs Land geschickt wurde.
Wir erhalten hier auch zum erstenmal ein Motiv für Luisens Verführung
der kleinen Schwester. Sie masturbierte sie, um sie zu lehren, wie sie das
gleiche an ihr ausführen sollte. Wenn man Luisens körperliche und
geistige Minderwertigkeit in Betracht zieht, hat ihr Hinwegsetzen über
die gewöhnlichen Hemmungen auch nicht viel Verwunderliches. Die
Patientin beugt sich schließlich vor der Kraft dieser Argumente. Sie sagt,
daß sie schon seit längerer Zeit meine Annahme für richtig hält, es nur
nicht zugeben will, um ihrer toten Schwester kein Unrecht zu tun. Aber
gerade diese Angst' vor der Beschuldigung zeigt ihre Bedeutsamkeit. Bei
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 35
der späteren Onanie mit dem Mädchen auf dem Lande beschuldigt die
Patientin ihre Gefährtin ganz direkt für ihr unrechtes Handeln und ihre
Ungerechtigkeit. Sie haßte und fürchtete dieses Mädchen, und wir müssen
annehmen, daß sie ursprünglich ihre Schwester in genau derselben Weise
gehaßt und gefürchtet hatte. Ich zeige der Patientin, daß die Bindung an
einen andern Menschen ebensogut auf Haß als auf Liebe gegründet sein
kann, und daß das Schuldgefühl, das aus solchem Haß entspringt, die
Bindung nur verstärkt. Es gelingt mir aber diesmal nicht, die Schuld-
gefühle zu beschwichtigen, welche die Beschuldigung der Schwester in
der Patientin erweckt hat. Sie gibt zwar die Tatsache der Verführung zu,
schreckt aber noch davor zurück, ihre Folgen einzusehen: die pathogene
Fixierung an die ältere Schwester, die zur Grundlage ihrer paranoischen
Psychose geworden ist. Täte sie es, so würde eine Unmenge tief verdrängter
Wut und Rachsucht gegen die geliebte Schwester auftauchen, die sie noch
nicht ins Bewußtsein zulassen will.
In der nächsten Stunde ist sie müde und niedergeschlagen. Sie kann
sich nicht verzeihen, der toten Schwester auch nur mit einem Gedanken
zu nahe getreten zu sein. Meine Versicherungen, die Schwester sei durch
ihre Abnormität und Unwissenheit von jeder Schuld freizusprechen, nützen
nichts, weil sie unbewußt oder auch halb und halb bewußt von der Schuld
der Schwester und dem Schaden, den sie angerichtet hat, überzeugt ist.
Trotzdem bringt der Traum dieser Nacht eher eine Bestätigung als einen
Widerruf der gestrigen Mitteilungen:
Die Patientin liegt in gewöhnlicher Lage mit der Cousine, die ihrer Schwester
ähnlich sieht, im Bett. Sie masturbieren sich gegenseitig.
Am folgenden Tag bringt sie folgenden Schuldgefühlstraum:
Die Patientin und ihre Schwester waschen miteinander Wäsche. Es ist sehr
schwere Arbeit.
Als Einfall bringt sie Erinnerungen an die Zeit, zu der sie und die
Schwester tatsächlich gemeinsam gearbeitet haben. Einmal mußten sie
30 kg Kohle vom Keller herauftragen. Die Schwester erklärte, bei dieser
schweren Last nicht mithelfen zu können; sie war damals schon krank;
wie sich später herausstellte, waren es die Anfänge ihrer Paralyse. Die
Patientin war gerne bereit, die Kohle allein zu tragen, während die
Schwester nebenherging. Unterwegs trafen sie den Vater, der der älteren
Schwester schwere Vorwürfe über ihre unerhörte Faulheit machte. Der
Patientin tat damals die Schwester außerordentlich leid und sie war froh,
für beide arbeiten zu können.
36
Ruth Mack Brunswidc
Der Traum spricht von einer Arbeit, einer geistigen oder physischen
Last, — einer Schuld, — die beide gemeinsam tragen sollten. Die Patientin
trägt sie aber allein wie die Onanieschuld, die sie auch bis heute gerne
allein getragen hat.
Plötzlich erinnert die Patientin einen vergessenen Traum, den sie
unmittelbar nach dem vorigen geträumt hat. Sie erinnert ihn jetzt, weil
er eine Bestätigung meiner Deutung enthält:
Die Patientin und ihre Schwester liegen in gewöhnlicher (nicht umgekehrter)
Lage nebeneinander. Die Patientin masturbiert die Schwester, bis sie zum Orgasmus
kommt. Sie hat wieder ein starkes Gefühl von Wirklichkeit.
Das Wirklichkeitsgefühl im Traum ist so stark, daß sie erwacht. Die
Deutung dieses Traumelements wird noch dadurch bestätigt, daß sie sich
beim Erwachen mit dem Glied ihres Mannes in der Hand findet. Er
schläft noch, und es kann kein Zweifel bestehen, daß sie ihn im Schlafe
masturbiert hat. Der tiefere Sinn des Wirklichkeitsgefühls bezieht sich aber
darauf, daß sie tatsächlich ihre Schwester masturbiert hat; wir erinnern uns
daran, daß in mehreren Koitusträumen die Gestalt der Schwester oder des
schwarzen Mannes am Ende in den Mann der Patientin verwandelt
wurden. Er hat also auf sexuellem Gebiet die Rolle der Schwester
übernommen.
Das in der Folge auftauchende Material dient nur dazu, die vor-
gefallene Onanie wirklich zu beweisen und die Patientin trotz allen
Widerstrebens von ihrer Existenz zu überzeugen.
IV
Zweite paranoische Phase: Die negative Übertragung
Jetzt, da die Patientin die Beziehungen zur Schwester, so wie sie
wirklich waren, erinnert und zugegeben hat, kann sie sich auch nicht
länger gegen die Wiederholung der Reaktionen schützen, die sich aus
ihnen ergeben. Als Folge davon beginnt die langerwartete negative Über-
tragung aufzutauchen. Sie erzählt, daß sie um mich besorgt ist, daß sie
Angst hat, es könne mir etwas zustoßen. Sie weiß, daß ich nach Amerika
fahren will, und macht sich Sorgen darüber. Das Meer ist so gefährlich,
ich könnte in einen Sturm geraten Sie sagt in einem auffallend gleich-
gültigen Ton, daß sie nicht weiß, was sie dann ohne mich anfangen soll.
Mir fällt auf, daß sie, die sonst so leicht ein Übermaß von Erregung
zeigt, dabei ganz ungerührt bleibt. Sie behauptet, daß sie unruhig und
besorgt ist, daß sie ohne mich nicht leben kann. Aber die Art, in der sie
es sagt, widerspricht dem Inhalt ihrer Worte.
Ich benütze die Gelegenheit zu zwei Warnungen: erstens, daß der
Ärger und Haß auf ihre Schwester ihr bald zu Bewußtsein kommen
werden, und zweitens, daß es wahrscheinlich nicht dabei bleiben wird,
daß sie diese Gefühle als vergangen erinnert, sondern daß sie sie, wie es
bisher immer in ihrer Analyse geschehen war, in der Übertragung
reproduzieren wird. Ich füge hinzu, daß die Besorgnis um mich aus
Todeswünschen gegen mich entspringt und daß man Todeswünsche gegen
jemand hat, den man haßt, fürchtet oder an dem man sich wegen
verschmähter Liebe rächen will. Das einzige Stück davon, das sie zu
diesem Zeitpunkt annimmt, ist die aus verschmähter Liebe entstandene
Rachsucht.
38
Ruth Mack Brunswick
Sie klagt jetzt, daß ich weniger freundlich mit ihr sei, daß mein
Mädchen sie beim Kommen nicht grüße. Sie bemerkt in meinem Hause
eine gewisse argwöhnische Stimmung und behauptet schließlich, daß ich
sie verdächtige, mich bestohlen zu haben. Ich erwidere, daß mir nichts
von meinem Eigentum fehle, worauf sie einwirft, daß ich ja nicht täglich
alles, was ich habe, nachzähle, daß leicht etwas fehlen könnte, wovon ich
nicht weiß, ich aber trotzdem ein unbestimmtes Gefühl haben könnte, es
sei nicht alles da. Ich versuche herauszufinden, an was für Gegenstände
sie dabei denkt, kann aber nichts von ihr erfahren, da sie Angst hat, ich
könnte jede genauere Bezeichnung eines Gegenstandes als Eingeständnis
des verübten Diebstahls auffassen.
Sie sagt, es sei sehr bedauerlich, daß ich meinen Argwohn vor anderen
geäußert habe: die Leute auf der Straße zeigen durch ihr Benehmen
gegen sie, daß sie auch schon solche Dinge über sie reden gehört haben.
Allerdings, fügt sie hinzu, könnten es auch meine Mädchen sein, die
diese böswilligen Verleumdungen über sie verbreitet haben. Für meine
Versicherungen, daß weder ich noch meine Mädchen ihre Ehrlichkeit im
geringsten bezweifeln, hat sie nur ein höhnisches Lächeln.
Sie sagt weiter, daß sie weiß, daß wir alle gegen sie verbündet sind-
sie kennt zwar meine Pläne nicht im einzelnen, aber sie beobachtet meine
Handlungen genau, um meine Absichten daraus zu erfahren. Alle meine
Versuche, ihr vernünftig zuzureden, treffen auf taube Ohren; und sie
erinnert alle Freundlichkeiten, die ich ihr in der Vergangenheit erwiesen
habe, um sie als Beweise der gegen sie gerichteten Verschwörung zu
verwerten.
Ich lasse sie zu dieser Zeit anstatt täglich nur jeden zweiten Tag
kommen. Es scheint mir zwar unumgänglich nötig, den Kontakt mit ihr
aufrecht zu erhalten, aber die Analysenstunde bringt sie jetzt in einen
solchen Zustand von Reizbarkeit, daß die Fortsetzung einfach unmöglich
ist. Sie träumt gar nicht, manchmal vergißt oder verdreht sie die Träume.
Sie liegt oft lange Zeit in absolutem Stillschweigen auf dem Sofa. Wenn
ich sie am Ende einer Stunde entlasse, bin ich meistens unsicher, ob sie
überhaupt wiederkommen wird.
Die Beziehungen zu ihrem Manne bessern sich in dieser Zeit, teils aus
Widerstand gegen mich, teils wegen des wirklichen Fortschrittes, den ihre
heterosexuelle Entwicklung durch das Überwinden früherer Hemmungen
gemacht hat. Der homosexuelle Kern ihrer paranoischen Psychose ist noch
unangerührt, trotzdem sind an der Peripherie deutliche Veränderungen vor
Die Analyse eines Eifersuchtswahnes
39
sich gegangen. Die Patientin hat beim Koitus ein gewisses Maß vaginaler
Sensationen, bei vereinzelten Onanieversuchen ein gewisses Maß von
Empfinden an der Klitoris. Beide Zonen scheinen gleichzeitig von einem
Stück Hemmung frei geworden zu sein und sich entwickelt zu haben,
wobei die Vagina die Klitoris weit überflügelt; bei der letzteren hat man
offenbar schon mit der zu dieser Zeit normalen Rückbildung zu
rechnen. Die Patientin verlangt nicht mehr, von ihrem Mann masturbiert zu
werden, empfindet auch keine besondere Lust bei diesem Vorgang; sie
hat nur selten Lust, selber zu onanieren. Ihr Fortschritt in der Hetero-
sexualität und ihre Einstellung zu dieser Seite sehen wir aus folgendem
Traum :
Sie wird von einem großen blonden Kind entbunden. Ich bin die Hebamme,
ihr Mann ist der Vater des Kindes.
Wir wissen, daß der blonde Mann der Nachfolger der blonden Schwester
ist. Das Kind ist also das Produkt der jetzt durch den Mann ersetzten
phallischen Schwester. Ich, als Analytikerin, helfe ihr, das Kind zur Welt
zu bringen.
Der günstige Anschein, den dieser Traum erweckt, ist zum Teil be-
rechtigt, zum Teil auf ihr Sträuben gegen das Preisgeben weiteren Materials
zurückzuführen. Die homosexuelle Bindung an die Schwester kann ja nicht
aufgegeben werden, ehe sie sie nicht voll zugegeben und in der analytischen
Situation reproduziert hat. Der Widerstand richtet sich natürlich gegen das
Auftauchen neuen Materials zu dieser Bindung. Anderseits ist in der
Heterosexualität der Patientin, wie der Traum es zeigt, ein wirklicher
Fortschritt zu bemerken. Von dieser Seite gesehen, — ohne die paranoischen
Störungen, die von der anderen, homosexuellen Seite herkommen, in Betracht
zu ziehen, — ist der Traum von bester Vorbedeutung. Die Entwicklung
einer normalen Heterosexualität ist unentbehrlich als Kernpunkt für die
Persönlichkeit der Patientin, wie sie sich nach der Analyse entwickeln
soll. Offenbar kann diese Entwicklung vor sich gehen, unabhängig von
der homosexuellen Bindung, die natürlich am Ende aus ihrer Libido-
ökonomie eliminiert werden soll.
Die Patientin berichtet jetzt von ihrer Angst, daß sie sich an der Schwester
mit Syphilis angesteckt haben könnte. Ich versichere zwar, daß ich an ihre
Syphilis nicht glaube, dränge sie aber, eine Wassermannsche Probe machen
zu lassen. Sie hält aber an ihrer Idee fest, ohne die Blutuntersuchung
machen zu lassen.
Das Durcharbeiten durch die negativen Reaktionen nimmt seinen Fort-
40 Ruth Madt Brunswick
gang und ich bekomme den Eindruck, daß es sich hier um einen inneren
Prozeß handelt, den man weder beschleunigen noch abändern kann. Die
Patientin ist jetzt auf allen Gebieten so unbeeinflußbar, wie sie es bisher
nur in bezug auf die Wahnidee von der Untreue ihres Mannes war, und
selbst dort nicht immer mit der gleichen Zähigkeit. Die Systematisierung
ihrer Wahnideen macht zwar keine großen Fortschritte, aber das Gefühl,
daß ich der Führer einer gegen sie gerichteten Verschwörung bin, wird
immer stärker. Es macht den Eindruck, als hätte sie nur noch keine Zeit
gehabt, die Einzelheiten dieser Idee auszuarbeiten und zu systematisieren.
Schließlich, nach drei Wochen, bringt sie folgenden bedeutsamen
Traum :
Die Schwester der Patientin kommt zu ihr und sagt: „Warum schämst du
dick immer so fiir mich? Später einmal wirst du auch viele Männer haben
und vielleicht so schlecht werden wie ich. Komm in den Wald anstatt da zu
stehen und mit mir zu streiten. 11 Die Patientin nimmt die Hand der Schwester
und geht mit ihr in den Wald. Plötzlich verschwindet die Schwester und ein
junger Mann tritt an ihre Stelle. Er hat dunkle Haare, einen Backenbart und
trägt Uniform. Er nimmt die Patientin bei der Hand und verspricht, sie aus
dem Wald herauszuführen. Statt dessen fuhrt er sie aber immer tiefer in den
Wald hinein. Dann sagt er zu ihr: „Leg dich hier ein bißchen nieder und
ruh dich aus, denn wir haben noch weit zu gehen. Sie weigert sich, sich
niederzulegen, aber er sieht sie so böse an, daß sie sich furchtet und ihm
gehorcht. Er setzt sich neben sie urui drückt sie plötzlich an sich, wie ihr
Mann das tut, und hat Geschlechtsverkehr mit ihr. Sie fühlt Angst und Ekel.
Dann verschwindet er und ein zweiter Mann kommt, der brünette Haare hat.
Die Patientin geht gerne mit ihm, weil sie irgendjemanden ärgern will, dtr
ihr untreu war, entweder ihre Schwester oder ihren Mann. Er fiüirt sie in
ein kleines Haus, das meinem Haus ähnlich sieht, und in ein kleines Zimmer,
wo er von hinten mit ihr verkehrt. Das bereitet ihr solche Schmerzen wie der
erste Koitus mit ihrem Mann. Dann kommt ein dritter Mann mit einer kleinen
Glatze und dahinter einem Scliopf blonder Haare, die aussehen wie die Haare
ihrer Schwester. Er heifit Rudolf (der Name ihres Mannes). Er führt die
Patientin in ihre wirkliche Wohnung und hat Verkehr mit ihr, wobei sie sich
sehr ekelt. Plötzlich erschrickt sie furchtbar über ihr Benehmen, bekommt große
Angst und ist sicher, daß sie sich im Laufe der Nacht mit einer Geschlechts-
krankheit angesteckt hat. Sie ist wütend auf ihre Schwester und auf ihren
Mann und spürt heftigen Haß auf beide. Dann erscheint die Schwester und
sagt: „Siehst du, jetzt hast du auch eine Menge Männer gehabt wie ich. Aber
du bist nicht schlecht. Es ist keine Sünde, viele Männer zu haben. Im Gegen-
teil, du mußt sie alle ausprobieren und den behalten, der dir am besten paßt.
Dein Mann ist zu groß für dich." Nachdem die Schwester wieder verschwunden
ist, ist die Patientin noch böser auf sie als vorher und denkt: „Wenn sie mich
nicht in den Wald geführt hätte, wäre ich nicht schlecht geworden."
Die Analyse eines Eifersudatswahnes 41
Beim Erwachen hat sie ein Gefühl der Erleichterung.
Der Wald bedeutet offenbar eine Art Venusberg, in den die Patientin
von ihrer Schwester geführt wird. Er ist auch ein Symbol für das weibliche
Genitale, also den Ort, wo die gemeinsame Onanie stattgefunden hat. Daß
die Patientin die Schwester wegen ihres unsittlichen Lebenswandels tadelt,
sehen wir aus dem Vorwurf der Schwester, daß die Patientin sich ihrer
schämt. Sie bringt dann die Patientin in dieselbe Lage, derentwegen man
ihr Vorwürfe macht. Das heißt, die Patientin identifiziert sich aus Schuld-
gefühl mit der Schwester und betrachtet sie gleichzeitig (wie aus ihrer
Angst vor Geschlechtskrankheit ersichtlich ist) als die Ursache ihrer
Schwierigkeiten. Luise, wie wir wissen, begann ihren unsittlichen Lebens-
wandel in dem Bemühen, sich die Onanie abzugewöhnen. Sie hatte eine
besondere Vorliebe für Männer in Uniform: Soldaten, Briefträger, Kondukteure.
Sie war aber im Notfall auch mit anderen zufrieden. Jetzt hat die Patientin
Verkehr mit den Männern, die eigentlich ihrer Schwester zugehören, und
wird dadurch ebenso schlecht wie die Schwester.
Die kahle Stelle vor dem blonden Haarschopf des dritten Mannes ist
ein interessantes Detail, über das ich die Patientin befrage. Das blonde
Haar erinnert sie an die schwarzen Schamhaare der Schwester, die sie wie
gebannt anzustarren pflegte (siehe S. 22). Der dritte Mann ist also ihre
Schwester. Die Patientin hat im Laufe der Analyse die Vorstellung von
der Frau mit dem Phallus aufzugeben begonnen; so sehen wir jetzt anstatt
des schwarzen Haares, hinter dem sie den Penis vermutete, eine kahle,
nackte Stelle vor einem Haarschopf: eine Stelle, an der etwas fehlt. Es
handelt sich hier um das Fehlen des Gliedes. Dieser Mann trägt aber den
Namen ihres Mannes, von dem wir wissen, daß er an die Stelle der Schwester
gerückt ist. So hat die kahle Stelle auch noch eine zweite Bedeutung:
sie spielt auf den Wunsch an, ihrem Mann sein Glied wegzunehmen.
Die Untreue der Patientin ist eine Nachahmung der Schwester und
gleichzeitig die Rache gegen die Schwester. Offenbar beruht auch die
Stärke ihrer Übertragung zum Teil darauf, daß sie auf diese Weise der
Schwester untreu werden kann.
Wir finden jetzt noch eine weitere Quelle für die Eifersucht auf den
Mann und die Stiefmutter. Die Stiefmutter selbst spielt, wie wir erfahren
haben, dabei die größere Rolle. Da aber der Mann so offenbar der Nach-
folger der Schwester ist, so ist es unvermeidlich, daß sie an seiner Treue
zweifeln muß. Die Vermengung von Schwester und Mann im Traum
unterstützt unsere Deutung. Sie ist auf beide böse, weil sie sie sexuell
42
Ruth Made Brunswick
erregen, ohne sie dann zu befriedigen ; und sie ist böse auf die Schwester,
weil sie sie die später so verpönten sexuellen Betätigungen gelehrt hat.
Der Ausspruch der Schwester, daß der Mann der Patientin (sie meint
natürlich seinen Penis) zu groß für sie sei, hat zweierlei Bedeutung:
erstens, daß die Schwester nicht zu groß für die Patientin wäre (da sie
ja nur eine Klitoris hat), und zweitens, daß die Patientin in ihrer Identi-
fizierung mit der Schwester, die wir durch den ganzen Traum hindurch
sehen, die Schwester besser befriedigen könnte als ein Mann, da eben auch
für die Schwester ein Mann zu groß wäre. Wir werden die Patientin
später noch öfters in dieser doppelten Rolle zu sehen bekommen.
Hinter der heterosexuellen Ausschweifung erkennen wir verschiedene
homosexuelle Motive. Die heterosexuellen Beziehungen sollen dazu dienen,
das homosexuelle Objekt zu ärgern. Sie sind ferner auch ein Mittel,
um die Schwester von ihren Liebhabern zu trennen. Die Patientin zieht
die Liebhaber der Schwester an sich, um der Schwester den Verkehr mit
ihnen unmöglich zu machen. Wir kennen diesen Mechanismus, der sowohl
homosexuellen als heterosexuellen Ursprungs sein kann, aus den Neurosen.
Ein Knabe zum Beispiel, der hauptsächlich an den Vater gebunden ist
übertreibt oft den normalen heterosexuellen Wunsch nach dem Besitz der
Mutter, um sie auf diese Art von dem (im Unbewußten) mehr geliebten
Vater zu trennen.
Der letzte Satz des Traumes enthält das wichtigste Stück: Wenn die
Schwester die Patientin nicht in die Irre geführt hätte, wäre sie nicht
schlecht geworden (oder nicht krank geworden, wie die Angst zeigt, sich
an Luise mit Syphilis angesteckt zu haben).
Einige Tage später erfahre ich aus einem Traum eine Form ihrer
Onanie, die sie bisher nicht erwähnt hatte.
Ich stehe in brokatenen Hausschuhen und einem fleckigen rosa Nachthemd
vor der Patientin und sage ärgerlich: „Ich bin böse, daß du etwas vor mir
verborgen hast. Zur Strafe werde ich dir nicht das versprochene Zimmer
mieten und dich auch nicht im Sommer aufs Land schicken." Die Patientin
ist sehr beleidigt und antwortet: „Ich habe immer alles gesagt. Das habe ich
noch nicht einmal meinem Mann erzählt. Natürlich fällt mir nicht alles sofort ein."
Ich antworte: „Gut, erinnere dich jetzt und alles wird wieder gut sein." Und
die Patientin erinnert plötzlich etwas, was sie ^fast vergessen" hatte: In den
Zeiten, in denen sie weder ihre Schwester noch das Mädchen auf dem Land
zur Verfügung hatte, pflegte sie Katzen, Hunde, ja sogar kleine Ferkeln zu
nehmen, um sie zu masturbieren. Es war besonders lustvoll fiir sie, wenn die
Tiere ganz plötzlich zusammenzuckten, genau so wie ihre Schwester es tat.
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 43
Nachdem sie mir das erzahlt hat, gebe ich ihr die Hand und bin nickt mehr
böse. Sie ist sehr froh.
Das rosa Nachthemd des Traumes hat die Patientin wirklich beim
Nähen in meinem Hause gesehen. Es hat in der Wäsche die Farbe ver-
loren, aber keine Flecken bekommen. Die Patientin deutet die Flecken
selber als Folgen der Onanie. Die Vorstellung ist offenbar von der männ-
lichen Onanie hergenommen, da die normale weibliche Ejakulation kaum
genügen würde, um Flecken irgendwelcher sichtbaren Größe zu erzeugen.
Wir erinnern uns dabei an die Vorstellung der Patientin, daß Frauen
genau so wie Männer eine Ejakulation haben. (Siehe S. 23.)
Bei der Onanie mit den Tieren, wie der Traum sie uns vorführt, spielt
die Patientin die Doppelrolle, die bei der Onanie überhaupt so häufig ist.
(Siehe den Traum auf Seite 25.) Sie spielt die aktive und passive Rolle.
Sie ist einerseits sie selbst und onaniert mit dem Tier, das für die Schwester
steht. Anderseits ist sie aber auch das Tier, mit dem die Schwester onaniert.
Wir kennen diesen Mechanismus zum Beispiel aus der Onanie des
masochistischen Mannes, der sich von seiner aktiven Seite her mit dem
Vater identifiziert und so mit der Frau verkehrt, die seine passive Seite
darstellt. Bei der Klitorisonanie der kleinen Mädchen spielt das Kind den
Vater in der Beziehung zu sich selbst als Mutter.
Ich erkläre der Patientin diesen Mechanismus, worauf sie zugibt, daß
sie nach dem vierzehnten Jahr eine ganze Reihe von Jahren hindurch
tatsächlich mit den im Traum erwähnten Tieren onaniert hat. Sie be-
nützte ausschließlich Weibchen, steckte ihnen immer ihren Finger in die
Vagina und wartete, bis das schon erwähnte Zucken auftrat. Ich frage sie
natürlich, ob sie auch bei der Schwester den Finger in die Vagina gesteckt
habe; sie hat davon niemals etwas erwähnt. Tatsächlich hat sie diese Art
der Onanie niemals erinnert, obwohl sie die Tatsache der gemeinsamen
Onanie seit dem detaillierten und plastischen Traum, den wir als Äquivalent
einer Erinnerung betrachtet haben, akzeptiert hat.
Sie setzt mir jetzt auseinander, daß die Schwester sie unterwies, an der
Klitoris zu reiben, bis der Orgasmus begann, und dann ihren Finger schnell in
die Scheide zu stecken. Sie tat das sehr ungerne. Ich frage, ob die Schwester
je das gleiche bei ihr ausgeführt habe. Sie sagt, sie hätte es einmal ver-
sucht. Aber es hätte ihr so weh getan, daß sie geschrien und Luise
ganz böse von sich weggestoßen hätte. Die Schmerzen in der Scheide und
der Krampf beim Koitus sind offenbar auf diesen Vorfall zurückzuführen.
Ich frage nun, seit wann sie eigentlich die Onanie mit der Schwester
44
Ruth Madt Brunswick
erinnere und zugebe und warum sie nie erwähnt habe, daß auch die Vagina
etwas damit zu tun habe.
Sie antwortet, daß sie im Alter von fünf Jahren vom Land zurück-
gebracht wurde, um ein Jahr lang zu Hause zu bleiben. Sie erinnert sich
genau, daß die Onanie mit Reizung der Vagina zu dieser Zeit vorfiel.
(Wahrscheinlich war die Patientin vorher zu klein, um dazu gebraucht zu
werden.) Ich frage, warum sie mir nie vorher von diesem einen Jahr im
Elternhaus erzählt habe. Sie erwidert, daß sie es sicher oft erwähnt habe.
Was die Onanie betrifft, so habe sie nicht nur immer davon gewußt,
sondern sie auch niemals geleugnet!
Sie erzählt mir von neuem, wie schrecklich eifersüchtig sie im Alter
von drei und fünf Jahren auf die Knaben und Männer war, mit denen
ihre Schwester umzugehen pflegte. Die Schwester verbrachte oft längere
Zeit außer dem Hause. Das steigerte offenbar die Eifersucht der Kleinen,
die dann die größere Schwester weder behüten noch selbst befriedigen
und noch viel weniger von ihr befriedigt werden konnte. So war also
das Gefühl, das später in ihrer Paranoia eine Rolle spielte, daß Dinge
vor sich gingen, von denen sie ausgeschlossen war, zum Teil eine hysterische
Wiederholung der Zeit, zu der zweifellos alle möglichen Dinge vor sich
gingen, wenn sie nicht zu Hause oder wenn sie zu Hause und ihre
Schwester fort war.
V
Dritte paranoische Phase: Die Beendigung der Analyse
Als Folge dieser wichtigen Funde und der endgültigen Bewußtmachung
der infantilen Onanie tritt die Patientin jetzt in die gefährlichste Phase
ihrer Analyse ein. Wir wissen, daß bei ihr die Träume und Erinnerungen
nur Vorläufer von Ereignissen sind, die sich dann innerhalb der analy-
tischen Situation tatsächlich abspielen müssen.
Nachdem die Patientin das vergessene Jahr im Elternhause mit der
dazugehörigen Onanie erinnert hat, erscheint sie am nächsten Vormittag
nicht zu ihrer Stunde. Sie telephoniert im Laufe des Nachmittags, daß sie
zu Hause zu tun hatte und nicht kommen konnte. Wir stehen schon im
späten Frühjahr, kurz vor Schluß des Arbeitsjahres, und sie weiß sehr gut,
daß jetzt jede Stunde von Wichtigkeit ist. Am nächsten Tag frage ich sie
sofort beim Kommen, was sie tags vorher abgehalten habe. Sie berichtet,
daß sie zu einer Bekannten von mir nähen gegangen ist, zu der ich sie
empfohlen hatte.
Sie versucht offenbar, eine andere Frau gegen mich auszuspielen, um
mich böse und eifersüchtig zu machen. Um ihrem Verfolgungswahn
Gelegenheit zur Entfaltung zu geben, frage ich sie streng, wie sie so
etwas tun konnte; sie müsse sehr böse auf mich sein, wenn sie imstande
sei, sich so zu benehmen. Sicher hätte sie die Näharbeit der Analyse nur
vorgezogen, um mich zu beleidigen. Ob sie mich vielleicht eifersüchtig
machen wolle? Dann müsse sie ja selbst eifersüchtig auf mich sein. Dann
frage ich : „Ist das vielleicht der alte Ärger auf die Schwester, den Sie
mir nie glauben wollen? Sie sieht mich überrascht und erschrocken an,
46
Ruth Mack Brunswidt
sagt, daß ich es erraten habe, und erzählt mir, was sich tags vorher zu-
getragen hatte.
Sie saß nähend zu Hause, nachdem sie ihre Stunde hei mir versäumt
hatte und ehe es Zeit war, zu der andern Frau nähen zu gehen. Sie hatte
keinen bestimmten Grund gehabt, nicht zur Stunde zu kommen; sie wollte
nur die Arbeit für meine Bekannte beenden. Plötzlich riß ihr der Faden
und sie bekam einen schrecklichen Wutanfall. Sie hörte lachen und sah
gleichzeitig ihre Schwester lachend vor sich stehen. Sie wendete sich um
und befühlte mit der Hand die Stelle, wo sie die Schwester stehen sah,
aber es war niemand da. Alle Bitterkeit und verhaltene Wut gipfelte in
dem Gedanken: „Wenn sie nur tot wärel"
Sie rief ihre Schwiegermutter an, die in der Küche war, und fragte,
wer gelacht habe. Die Schwiegermutter antwortete, es müsse jemand auf
der Straße gewesen sein ; sie hätte es auch gehört. So war also das Lachen
wirklich, die Erscheinung der Schwester aber eine Halluzination ; sie hatte
einen Kern von Wirklichkeit wahnhaft verarbeitet. Aber der Umstand, daß
das Lachen wirklich gewesen war, bestärkte sie in der Überzeugung, daß
die Schwester dagewesen sei. Sie brauchte einige Zeit, bis sie sich darüber
klar wurde, daß das Ganze nur eine Erscheinung gewesen war.
Mitten in ihrer Wut, während sie das lachende Gesicht der Schwester
vor sich sah, erinnerte sie sich, wie die Schwester mit ihren Freunden
gelacht hatte. Sie erinnerte sich, wie sie versucht hatte, Luisens Aufmerk-
samkeit auf sich zu ziehen, wie Luise sie auf den Arm genommen hatte,
aber mit dem Kind auf dem Arm zu den Burschen zurückkehrte, ohne
sich stören zu lassen.
Unmittelbar nach dieser Erzählung sagt sie, sie weiß, daß ich sie nicht
mehr gerne habe, seit ein neuer Patient, ein junger Mann, zu mir kommt.
Dieser Patient spielt offenbar die Rolle der Burschen, mit denen die
Schwester verkehrte.
Sie versteht die Analogie der gegenwärtigen mit der vergangenen Situation
so gut, daß ich sie frage, welcher Frau sie sich wohl damals als Kind
zugewendet habe, wenn sie sich an der Schwester rächen wollte, so wie
sie jetzt versucht, mich zu vernachlässigen und meine Bekannte zu be-
vorzugen. Sie meint, es könne nur die Stiefmutter gewesen sein. Sie habe
sich immer gewundert, warum sie eigentlich jemand so gern haben sollte,
der doch nie anders als unfreundlich zu ihr gewesen war. Wir sehen also,
daß ihre Wahl ursprünglich nur auf die Stiefmutter gefallen war, um die
Schwester zu ärgern, die sie vernachlässigte. Erst später wurde sie dann
Die Analyse eines Eifersucbtswahnes 47
Schwesterersatz und als solcher zum Ohjekt für die homosexuelle Eifersucht
der Patientin.
Auf dem Höhepunkt des Anfalls, als die Schwester in der Halluzination
wieder lebendig schien, erwachte zum erstenmal der alte Todeswunsch
wieder in ihr. Jetzt gelingt es mir, die Patientin davon zu überzeugen,
daß ihre Besorgnisse für meine Sicherheit bei der Überfahrt über den
Ozean auch nichts anderes als solche gegen mich gerichtete Todeswünsche
seien. Diese Bewußtmachung ist vielleicht das schwierigste Stück der
ganzen Analyse. Angesichts ihres bewußten Todeswunsches gegen die
Schwester im Augenblick der Halluzination bleibt ihr aber nichts
anderes übrig, als auch diesen Mechanismus in der Übertragung zu
akzeptieren.
In diesem Wutanfall spürte die Patientin auch wieder das Brausen im
Kopf, gleichzeitig mit dem Gefühl, daß die Augen größer werden und sich
nach der Schläfe bewegen. „Alles drehte sich, schildert sie, „dabei hörte
ich das schreckliche Brausen und alles wanderte irgendwo anders hin."
Ich frage, wie sie sich diese Symptome erklären kann. Ihr scheint die
Erklärung sehr einfach. Ihre Schwester ist im Wahnsinn gestorben; wenn
man aber wahnsinnig ist, dann ist alles im Gehirn verkehrt, manchmal
dreht es sich sogar ganz herum. Das Symptom bedeutet also eine hysterische
Identifizierung mit der Schwester. Sein tieferer Sinn liegt in der phallischen
Bedeutung der Augen, die erst größer werden, d. h. erigieren, sich dann
vom Platz bewegen, sich verdrehen und schließlich ganz verschwinden.
Damit ist offenbar das Schicksal des mißbrauchten Sexualorgans gemeint,
das sowohl in Neurosen wie in Psychosen so häufig durch das (erkrankte)
Gehirn symbolisiert wird.
In dieser Phase wird die Wiederholung der Vergangenheit besonders
auffällig. Wir sehen jetzt, daß die Leute auf der Straße, die sich in dem
Beziehungswahn der Patientin über sie lustig machen, einfach Neu-
auflagen der Schwester und ihrer männlichen Freunde sind, die lachten
und das Kind nicht beachteten. Die Kleine fühlte sich gedemütigt und
vernachlässigt und war sicher, daß sie sie auslachten, während sie in
Wirklichkeit einfach lachten und sie nicht beachteten. Wir wissen
aus Freuds Arbeit über Paranoia, 1 daß der Paranoiker Gleichgültigkeit als
Feindseligkeit empfindet. Er erwartet, überall liebevoll aufgenommen zu
1) Freud: Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia und
Homosexualität. Ges. Schriften, Bd. V.
48
Ruth Made Brunswidc
werden, und wird statt dessen in der Wirklichkeit von Fremden natürlich
ebenso gleichgültig behandelt wie wir alle. Die erwartungsvolle Einstellung
des Paranoikers gleicht ganz der des Kindes, das in seinem uns wohl-
bekannten allumfassenden Narzißmus erwartet, überall Liebe und Aner-
kennung zu finden, die wir Erwachsenen dem Kinde gewöhnlich auch
entgegenbringen. Bei meiner Patientin hat sich diese kindliche Einstellung
im erwachsenen Leben erhalten; was aber für das Kind normal ist, müssen
wir hier beim Erwachsenen als psychotisch bezeichnen.
Wir benützen die letzten vier Tage dieser nur zweieinhalb Monate
langen Analyse, um das Material der letzten Stunde zu vertiefen und aus-
zuarbeiten. Die Patientin ist nicht nur von der Richtigkeit meiner Deu-
tungen überzeugt, sie ist auch zum erstenmal von der rätselhaften Wut
befreit, die sie seit der Kindheit immer wieder plötzlich überfallen hatte
und gegen die sie machtlos gewesen war. Sie kann auch endlich ruhig
und ohne übermäßige Trauer an die Schwester denken. „Ich weiß jetzt,"
sagt sie, „daß es halt ihr Schicksal war. Es tut mir leid, daß es so
gekommen ist, aber jetzt weiß ich, daß ich nichts dafür konnte, und ich
bin nicht mehr so schrecklich traurig. Ich wäre nur froh, wenn ihr Leben
anders gewesen wäre."
Ich schicke sie kurz vor Beendigung der letzten Stunde fort, weil wir
wirklich nichts mehr zu besprechen haben. In diesen vier Tagen seit ihrem
Anfall hat sie alle ihre Symptome verloren. Der Verkehr mit ihrem Mann
ist befriedigend und lustvoll. Sie verträgt sich noch immer nicht gut mit
ihrer Stiefmutter und Schwiegermutter; ich habe aber inzwischen beide kennen
gelernt und kann mir leicht vorstellen, daß auch ein Gesunder nicht ohne
weiteres mit ihnen auskommen würde. Ihr Benehmen ist ruhig und heiter
und sie zeigt mir gegenüber nichts von der übertriebenen Dankbarkeit
die das Zeichen einer ungelösten Übertragung ist und so leicht die Basis
für einen späteren Rückfall abgeben kann.
VI
Schlußfolgerungen
i) Diagnose
Ich habe diesen Fall, ebenso wie die Psychiater, die ihn vor mir gesehen
haben, als Eifersuchtswahn bezeichnet. Diese Diagnose stützt sich auf die
folgenden Tatsachen:
i) Die Psychose ist monosymptomatisch, die vorherrschende Idee ist ein
Eifersuchtswahn; um ihn gruppieren sich einige schlecht systematisierte
und wenig ausgearbeitete Verfolgungsideen.
2) Der pathologische Prozeß ist scharf umschrieben. Wenn auch die
untergeordneten Beziehungsideen eine größere Anzahl von Personen und
somit in einem gewissen Maß das tägliche Leben der Patientin mit ein-
beziehen, hat doch ihre Arbeitsfähigkeit dadurch nicht ernstlich gelitten.
Auch die Beziehungen zu den weniger wichtigen Personen ihrer Umge-
bung sind durch die Krankheit nur wenig beeinflußt; wenn ihre spezifi-
schen Schwierigkeiten nicht berührt werden, ist ihr Benehmen normal.
3) Wir sehen keine Anzeichen von intellektueller Schädigung oder
ungewöhnlich labiler Affektivität. Die Affekte sind ungeschädigt. Ein
gewisser Scharfsinn, der sich bei der Paranoia fast immer findet und in
unserem Falle ganz auf das Gebiet der Wahnideen beschränkt bleibt, ist
der Patientin nur durch und während ihrer Krankheit zu eigen. Wir
finden aber keine Spur der für die Schizophrenie charakteristischen phanta-
stischen Ideenbildung.
50 Ruth Made Brunswick
4) Mit Ausnahme der elektrischen Sensationen (dem einzigen halluzi-
natorischen Phänomen, das bei der echten Paranoia vorzukommen pflegt)
finden wir keine Halluzinationen; ihr Fehlen bei gleichzeitigem Auftreten
von Wahnideen ist für diese Krankheit charakteristisch. Die Vision der
toten Schwester würde ich als ein der Analyse zugehöriges Phänomen bei
einer Person von ausgesprochen plastischem Typus bezeichnen. Für sie ist
die Erinnerung an ein Ereignis gleichbedeutend mit dem Wiedererleben.
Fast jeder ihrer Träume ist nichts als eine wenig entstellte Wiederholung
von Vergangenem. Wir finden die Tendenz, plastisch zu erinnern, am aus-
gesprochensten bei Kindern, die vergangene Erlebnisse fast immer als
Bilder erinnern und oft aufzeichnen können, was sie auf andere Art nicht
auszudrücken imstande sind. In ähnlicher Weise benehmen sich Psychotiker,
teils weil sie auf das kindliche Niveau regrediert sind, teils weil ihnen
die Funktion der Realitätsprüfung verloren gegangen ist.
So viel hätte ich an positiven Anhaltspunkten für die Diagnose hervor-
zuheben. Es stimmt wohl, daß die Patientin mit ihren dreißig Jahren zu
jung für eine Paranoia scheint, die im allgemeinen erst in den Vierzigern
aufzutreten pflegt. Wir finden aber einen solchen Mangel an Überein-
stimmung zwischen Krankheit und Patienten gelegentlich, am seltensten
in den Zwangsneurosen, am häufigsten vielleicht bei den frühzeitig auf-
tretenden Psychosen, bei denen der Krankheitsprozeß noch nicht die ganze
Persönlichkeit ergriffen hat. In dem vorliegenden Fall hatte ich häufig
den Eindruck, daß Krankheit und Patientin nicht zusammenpaßten. Wir
kennen alle die typische paranoische Persönlichkeit und die typische Para-
noikerin, wie man sie in den Irrenanstalten findet: eine Frau in mittleren
Jahren, streitsüchtig und aggressiv. Meine Patientin dagegen war schüchtern
schweigsam und von unterwürfigem Wesen. Sie war in jeder Beziehung
minderentwickelt. Es wäre unsinnig, diese Minderentwicklung der Persön-
lichkeit der Paranoia zuzurechnen; wir wissen, daß in den meisten Fällen
das Gegenteil der Fall ist. Die gewöhnliche Paranoia persecutoria, mit
ihrer umfassenden Ideenbildung, ihrer überragenden Intellektualität und
ihrem Vorkommen bei Personen mit großer Sublimierungsfähigkeit ist
ihrem Wesen nach eine hochorganisierte männliche Psychose, die auch
tatsächlich bei Männern viel häufiger zu finden ist als bei Frauen. So
steht also das primitive Niveau meiner Patientin im Gegensatz zu der
Wahl ihrer Krankheit. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf eine Mög-
lichkeit zur Differenzierung zwischen zwei Typen der echten Paranoia,
dem Eifersuchtswahn und dem Verfolgungswahn, hinweisen. Der letztere
Die Analyse eines Eifersuditswahnes 5*
ist, wie wir gesehen haben, eine komplizierte Psychose männlichen Charak-
ters und ist die häufigste Form der Paranoia bei Männern. Der Eifersuchts-
wahn andererseits ist die bevorzugte Form der Paranoia bei Frauen. Ähnlich
wie die Hypochondrie, kann die Eifersucht ein kompliziertes System von
Verfolgungsideen verdecken. Sie kann aber auch als vereinzeltes Symptom
auftreten, um das sich nur im Hintergrund einige rudimentäre Verfolgungs-
ideen gruppieren. Wenn wir bedenken, daß die Eifersucht in allen ihren
normalen und abnormen Formen bei Frauen so viel häufiger vorkommt
als bei Männern, verstehen wir auch das Vorherrschen des Eifersuchts-
wahnes beim weiblichen Geschlecht. Im Gegensatz zu dem philosophierenden,
systematisierenden Verfolgungswahn, ist der Eifersuchlswahn viel primitiver
und rudimentärer, dem normalen Leben und der Neurose viel näher
gerückt. Es scheint mir möglich, daß diese verschiedenen Formen der
Erkrankung auf eine Variation der Mechanismen wie auch auf Unter-
schiede in der Entwicklung zurückzuführen sind.
Es wird behauptet, daß die Paranoia eine seltene Psychose sei. Das mag
stimmen, wenn wir unsere Schätzung auf die Statistiken der Irrenanstalten
stützen. Aber der Charakter der Paranoia, ihre Umschriebenheit und
Lokalisierung — im Gegensatz zu der das ganze Leben überschwemmenden
Schizophrenie — hält die an ihr Leidenden von den Anstalten fern.
Ein großes Stück der Persönlichkeit des Paranoikers bleibt, wenn auch
nich intakt, so doch noch realitätsfä'hig.
Bevor ich mich in die Differentialdiagnose einlasse, will ich noch
einmal kurz den Ablauf des von mir geschilderten Falles zusammenfassen.
Der Zeitpunkt des eigentlichen Auftretens der Psychose ist nicht leicht
zu bestimmen. Die akute Erkrankung begann offenbar kurz nach der
Heirat. Die Patientin war, als sie zu mir kam, 16 Monate lang verheiratet
und litt seit ungefähr einem Jahr an den Vorstellungen von der Untreue
ihres Mannes. Man scheint berechtigt anzunehmen, daß die Patientin
zwar immer scheu und mißtrauisch, vielleicht sogar latent paranoid, aber
doch vorher nicht krank gewesen war.
Es ist oft eine heikle und schwierige Sache zu entscheiden, wie weit
eine Eifersucht berechtigt ist. Besonders bei Personen dieses Standes ist fast
keine Art von sexueller Beziehung völlig ausgeschlossen. Aber nach ein-
gehender Untersuchung der Verhältnisse auf Grund von persönlicher
Kenntnis aller beteiligten Personen kam ich zu dem Schlüsse, daß ein
Verhältnis des Mannes meiner Patientin mit der Stiefmutter seiner Frau
zwar nicht ausgeschlossen, aber doch außerordentlich unwahrscheinlich sei.
52 Ruth Madt Brunswick
Die Situation wurde aber noch durch drei Umstände kompliziert. Der
erste war ein etwas kokettes, verliebtes Benehmen der Stiefmutter, einer
gesunden und sinnlichen Fünfzigerin, deren eigener verwachsener und
zuckerkranker Gatte beim Geschlechtsverkehr sicher viel zu wünschen
übrig ließ. Die zweite Schwierigkeit lag darin, daß der junge Mann Angst
hatte, die ältere Frau zu beleidigen und sich dadurch mit ihr und dem
Schwiegervater zu überwerfen, von dem er finanziell abhängig war. Die
Patientin hatte immer behauptet, daß die Schwiegermutter auch un-
gebührlich zärtlich mit ihrem anderen Schwiegersohn, dem Mann ihrer
eigenen Tochter, sei. Nur schien ihr dieses Verhältnis nie so bedeutsam
wie das zwischen ihrem eigenen Mann und der Stiefmutter, weil, wie
sie sagte, der andere Schwiegersohn seine Frau sehr gern hatte.
Der dritte Umstand ist der interessanteste. Es ist für diese Krankheit
charakteristisch, daß die Patienten sich wirklicher Tatsachen bemächtigen,
sie verzerren und pathologisch auf sie reagieren. Wir wissen, daß auch der
nicht psychotische Eifersüchtige eine ungewöhnliche Schärfe der Beobachtung
entwickelt und dort, wo es ihn angeht, für Nuancen empfindlich wird,
die man normalerweise nicht bemerken kann. So ging es auch mit
meiner Patientin. Uns mag es unsinnig erscheinen, daß ein gesunder
und nicht unschöner Mann von dreißig Jahren sich an eine ganz ordinäre
fünfzigjährige Marktfrau wegwerfen sollte. Gerade hier verbirgt sich aber
der dritte, für das normale Empfinden gar nicht merkliche Umstand : der
junge (wie ich später zu erfahren Gelegenheit hatte), selbst schwer hysterische
Mann war an seine eigene Mutter so stark gebunden, daß er sich, wenn
er gezwungen wäre, zwischen ihr und seiner Frau zu wählen, wie er
selber zugab, ohne Zögern für die Mutter entscheiden würde. So war
also unsere Patientin in gewissem Sinne im Recht : in ihrer Eigenschaft
als Mutterersatz konnte die Stiefmutter tatsächlich den jungen Mann
mehr als gebührlich an sich ziehen.
Auf dieser wenig soliden Basis entwickelte sich die Vorstellung von der
Untreue des Mannes, die dann zur Idee wurde, daß der Mann, die Stief-
mutter und die Schwiegermutter eine Verschwörung gegen sie angezettelt
hatten. (Die auf die Schwiegermutter gerichtete Eifersucht war offenbar
eine Abzweigung von der wichtigeren Eifersucht auf die Stiefmutter,
wobei die Erkenntnis der erotischen Natur der Mutter-Sohn-Beziehung eine
Rolle spielte. Die bloße analytische Aufklärung der Vorgänge, die sich in
ihrem Mann abspielten, war von bester Wirkung auf die Patientin.) In
der Entwicklung der Übertragung wurde diese Verschwörung auch auf
Die Analyse eines Eifersuditswahncs 53
mein Haus ausgedehnt. Ihr einziges Ziel war, die Patientin „aus dem Weg
zu schaffen". Aus diesem Grunde rief ihr Mann die Polizei und die
Polizei brachte sie auf die psychiatrische Klinik. Sie gab sozusagen
dem Druck der Familie nach und benahm sich so, daß man diese Maß-
regeln gegen sie ergreifen konnte. An dieser Stelle fand sich bei der
Patientin eine unbestimmte Vorstellung von induziertem Wahnsinn. Nach
meiner Kenntnis der Familie ist es sehr gut möglich, daß die beiden
älteren Frauen sich der jüngeren gegenüber feindselig benahmen und ver-
suchten, ihren Mann gegen sie zu beeinflussen. Die ganze Situation war
auch so kompliziert und unerfreulich, daß die drei anderen zweifellos
froh waren, die Patientin loszuwerden. Wir wissen von den Neurosen her,
wie schnell eine Familie bereit ist, die Schwäche eines ihrer Mitglieder
auszunützen und eine Erkrankung zu ihrem Vorteil zu wenden. Als
Analytiker sind wir häufig die Gegner der Familie. Warum die Ver-
wandten der Patientin sie aus dem Weg schaffen wollten, kümmert sie
übrigens wenig. Man hat den Eindruck, der sich natürlich unter den
gegebenen Umständen wahrscheinlich weder bestätigen noch abstreiten
läßt, daß eine wirkliche Systematisierung der Verfolgungsideen bei dieser Form
der Paranoia wenn überhaupt, dann erst viel später vorgenommen würde,
und daß in unserem Falle einfach die Zeit für eine wirkliche Entwicklung
der Ideen und Symptome noch zu kurz gewesen war. Die psychiatrische
Erfahrung lehrt uns, wie lange eine solche Wahnbildung braucht und
daß die Ausarbeitung der einzelnen Teile des Wahngebildes sich über
Jahre ausdehnen kann. Andererseits aber erhalten sich auch viele Fälle
von Eifersuchtswahn unbestimmt lange in ihrer unsystematisierten und
rudimentären Gestalt.
Die beiden Möglichkeiten, die wir bei der Differentialdiagnose in Betracht
zu ziehen haben, sind die paranoische Form der Schizophrenie und die
Hysterie. Wenn auch keine positiven Anzeichen vorhanden sind, so scheint
es mir doch derzeit unmöglich, die erstere der beiden Möglichkeiten voll-
kommen auszuschließen. Die Patientin zeigte keine Stereotypien der Sprache,
der Bewegungen oder des Denkens, keine psychische Beeinträchtigung, außer
daß sie in Zeiten starker Gefühlskonflikte die Schnelligkeit und Exaktheit
ihrer Arbeit vermindert fühlt. Sie hat keine Halluzinationen, mit Ausnahme
der elektrischen Sensationen, und keine Wahnvorstellungen, außer den Eifer-
suchts- und Verfolgungsideen, also keine Ideen über eine an ihr vor sich gehende
Umgestaltung, eine Beeinflussung von fremder Seite, eine Geisterwelt usw.
Die beiden verdächtigsten Punkte sind 1) die elektrischen Sensationen
54 Ruth Made Brunswick
im Kopf und 2) die anfängliche Klage über den Mangel jeglichen Gefühls.
In Bezug auf den ersten Punkt müssen wir bedenken, daß wir hier mit
einer Person von sehr primitivem Typus zu tun haben, für die „Elektrizität
etwas ganz anderes bedeutet als für uns. Es ist einfach eine infantile Art,
verschobene sexuelle Sensationen zu beschreiben. In den Psychosen, in denen
elektrische Sensationen eine Hauptrolle spielen, ist gewöhnlich der Ver-
folgungsgehalt die Existenzbedingung dieser Sensationen: jemand versucht,
auf diese Weise den Patienten zu beeinflussen, sendet den elektrischen
Strom in irgend einer bösen Absicht in seinen Körper. In unserem Falle
aber blieb die Vorstellung sozusagen leer. Auch hier ist es wieder möglich,
daß der Inhalt sich nur noch nicht entwickelt hat, der Rahmen erst in
späterer Zeit ausgefüllt werden würde. Wir können das zu diesem Zeitpunk
noch nicht beurteilen.
Die Erklärung der Gefühlsunempfindlichkeit der Patientin habe ich
bereits gegeben. Daß ein Symptom theoretisch und therapeutisch der
Analyse zugänglich ist, besagt allerdings noch nichts über seine diagnostische
Bedeutung. Aber auch klinisch unterscheidet sich die Indifferenz meiner
Patientin deutlich von der eines gewöhnlichen Schizophrenen oder Hebe-
phrenen. Die Libidoregression, die wir dort als Ursache finden, geht viel
zu tief, um, wie in dem vorliegenden Fall, analysiert und als Folge davon
behoben zu werden. Was uns hier als Regression erscheint, ist auch tat-
sächlich keine Regression, sondern eine Fixierung. Wir müssen bedenken
daß die Bindung der Patientin an ihre Schwester in eine sehr frühe
Periode ihrer Entwicklung, bis in ihr erstes Lebensjahr zurückreicht. (Zu
dieser Zeit erkrankte ihre Mutter, so daß die Schwester ihre Pflege übernahm.)
Nachdem diese Fixierung einmal stattgefunden hatte, war auch jede
Gelegenheit zur Weiterentwicklung oder zur späteren Regression von einer
höheren Stufe genommen. Nur die Kombination des primitiven Niveaus,
auf dem die Fixierung stattfand, mit dem Umstand, daß das Objekt, an
das sie sich gebunden hatte, unbewußt wurde, erweckt den Anschein
einer — in Wirklichkeit nicht vorhandenen — weitgehenden Regression.
Es ist ohne Zweifel therapeutisch leichter, eine primäre Fixierung zu
beeinflussen als eine Regression. Ich führe auch den therapeutischen Erfolg
bei meiner Patientin darauf zurück, daß ihre Krankheit auf einer solchen
Fixierung und einer sich daraus ergebenden Entwicklungshemmung basiert
war. Ich zweifle auch nicht daran, daß der gewöhnliche Tatbestand bei
der Paranoia die Regression ist und nicht die Fixierung mit Entwicklungs-
hemmung. Es ist aber interessant, einen typischen Eifersuchtswahn auf
Die Analyse eines Eifersu&tswahnes 55
atypischer Basis kennen zu lernen; und es ist sicher nicht möglich zu
beurteilen, wie oft der zugrunde liegende Mechanismus ein atypischer ist.
Ich hatte die Analyse dieser Patientin unternommen, weil ich nach der
Behandlung eines (später zu veröffentlichenden) männlichen Paranoikers
die Mechanismen der weiblichen Paranoia kennen lernen wollte. Es war
also ein reiner Zufall, daß der Fall sich als atypisch und dadurch der
Beeinflussung günstig erwies.
Es wird gewöhnlich angenommen, daß der Schizophrene keine Über-
tragung zustande bringt. Diese Behauptung stimmt aber kaum für die
Frühstadien der Erkrankung, in der der Patient in seinem Bemühen, die
narzißtische Regression zu überwinden, zahlreiche überkompensierende
Identifizierungen und Liebesbindungen vollzieht. So kann ich also die
Schnelligkeit, mit der meine Patientin ihre Übertragung zustande brachte,
nicht als Beweis gegen die Diagnose einer beginnenden Schizophrenie
verwerten. Die Bindung an die tote Schwester hätte bei jeder Art von
Erkrankung die Herstellung einer homosexuellen Übertragung außer-
ordentlich erleichtert. Es ist theoretisch durchaus möglich, ihren Anfall
von Eifersuchtswahn als eine frühe schizophrene Phase zu bezeichnen.
Die Besserung der Patientin wäre dann das Ergebnis einer Remission,
unterstützt durch das Aufdecken unbewußter Faktoren mit der daraus-
folgenden Druckverminderung vom unbewußten her. Solche Remissionen
gehen aber in der Schizophrenie ohne äußere Hilfe vor sich. Die Krankheit
chreitet bis zu einem bestimmten, individuell verschiedenen Punkt fort,
um dann plötzlich haltzumachen. Wir müssen also außerordentlich
vorsichtig in der Beurteilung sein, ob die angewendete Therapie überhaupt
etwas mit dem therapeutischen Resultat zu tun gehabt hat.
Wenn diese Art der Auffassung auch allen Anspruch auf Glaubhaftigkeit
hat und theoretisch höchst befriedigend wirkt, so wird sie doch wieder
von der klinischen Beobachtung des Falles widerlegt. Jeder Diagnostiker
weiß, wie schwierig es ist, die fast unmerklichen klinischen Nuancen zu
formulieren, die ihn bei der Abgabe seines Urteils leiten. Ich begnüge
mich daher, zu erwähnen, daß alle Eindrücke, die ich von der Patientin
in allen Stadien ihrer Krankheit, nach ihrer Herstellung und während ihrer
zahlreichen häuslichen Konflikte erhielt, der Diagnose einer Schizophrenie
oder einer schizoiden Psychopathie durchaus widersprachen.
Zur Unterstützung der Diagnose einer Hysterie könnte man natürlich
anführen, daß die ganze Psychose vielleicht nur eine Imitation der toten
Schwester sei, die vor dem Tode geisteskrank war und sich wahrscheinlich
56 Ruth Made Brunswick
über die Feindseligkeit der ganzen Welt beklagt hat. Aber die Form der
Übertragung, auch abgesehen von den paranoischen Mechanismen, ist der
einer Hysterie durchaus unähnlich. Man vermißt die hartnäckige Leiden-
schaftlichkeit der hysterischen Objektbeziehung. Man erstaunt über die
Leichtigkeit, mit der die Patientin unter dem Einfluß ihres Wahnes den
Liebesverlust von seiten ihrer sonstigen Objekte verträgt (Analytikerin,
Mann usw.). Sie hat eine unheimliche Art, einem durch die Finger zu
schlüpfen. Infolge der verminderten Bedeutung der Realität hat die Über-
tragung nicht ihre sonstige Macht. Wir müssen auch bedenken, daß die
Selbstmordversuche der Patientin durchaus ernsthaften Charakters waren.
Es ist kein Zweifel, daß gewisse hysterische Mechanismen vorhanden
sind, so zum Beispiel die Identifizierung mit der Schwester, deren Gehirn
„verdreht" war, die Metrorrhagie, das Jucken usw. Auch die Wutanfälle
haben hysterischen Charakter, ebenso der sie begleitende momentane Kontakt-
verlust mit der Außenwelt, der aus hysterischen Anfällen und Dämmer-
zuständen bekannt ist. Die hysterische Identifizierung kann natürlich ohne
weiteres neben der homosexuellen Bindung bestehen. Nur für die Wahn-
bildung erhalten wir aus ihr keinen Anhaltspunkt.
Schließlich scheint mir noch die Schnelligkeit der Analyse gegen die
Diagnose einer Hysterie zu sprechen. Eine gewöhnliche Hysterie von de
Schwere unseres Falles erfordert eine viel längere Dauer der analytische
Behandlung.
2) Mechanismen
Verlassen wir jetzt die Frage der Diagnose, um uns den Mechanismen
dieser Psychose zuzuwenden. Es besteht bei dem vorliegenden Falle kein
Zweifel, daß die unbewußte Homosexualität der Patientin die Ursache, die
Heirat die Veranlassung der Erkrankung war. Wir sehen verschiedene
Gründe, warum die Heirat als auslösender Faktor wirkt, der wichtigste
darunter ist wahrscheinlich die mit ihr verbundene Enttäuschung. Der
Mann ist, wie wir erfahren haben, an die Stelle der Schwester gerückt;
folglich erwartet die Patientin von ihm die (masturbatorische) Befriedigung,
die sie in der Vergangenheit von der Schwester empfangen hatte. Die neue
Beziehung erweist sich aber als ganz anders geartet und die Patientin
steht der Anforderung des Koitus völlig unvorbereitet gegenüber. So mißlingt
der Versuch, die homosexuelle Liebe von ihrer Schwester auf ihren Mann
zu übertragen, weil sie mit dem, was er ihr bieten kann, nichts anzufangen
weiß. Ihre eigene Gleichgültigkeit projiziert sie dann auf ihn. Die Ehe
Die Analyse eines Eifersuchtswahnes 57
schlägt also fehl, weil sie die Anpassung ihrer Homosexualität nicht zu-
stande bringt; wir dürfen aber annehmen, daß auch ein befriedigendes
heterosexuelles Erlebnis nur ihre unbefriedigte Homosexualität an die
Oberfläche gebracht hätte.
Ich verweile an dieser Stelle einen Augenblick bei der Frage der so-
genannten periodischen Paranoia. Bei dieser Erkrankung ist eine Disposition
zur Paranoia vorhanden, die Krankheit selber wird aber nur bei einer
besonderen Provokation manifest. In unserem Falle wäre die Ehe dieses
provozierende Moment. Es ist bekannt, daß solche Fälle mit oder ohne
Behandlung Bemissionen aufweisen. Wir könnten den Fall unserer Patientin
dieser Gruppe zurechnen; damit würde die Heilung — richtiger gesagt
die Bemission — ihre Erklärung finden. Nach Durchsicht der Literatur
aber habe ich den Eindruck, daß die Bemission bei solchen Fällen auf-
tritt, wenn der aktuelle Konflikt aus der Welt geschafft ist und daß eine
Bezidive eintritt oder eintreten kann, wenn ein äußeres Ereignis den realen
Druck, unter dem der Patient steht, wieder steigert. Die latente paranoische
Tendenz wird von außen her aktiviert : das Individuum kann ein be-
stimmtes Maß von innerem Druck aushalten, ohne krank zu werden; die
Krankheit bricht erst aus, wenn zu diesem inneren Druck ein Druck von
außen hinzutritt. Natürlich sind die meisten Fälle von Paranoia vor allem
endogen und zeigen, soviel ich weiß, keine Neigung zu fluktuieren.
Nach dem Vorhergehenden scheint es mir aber doch nicht korrekt,
unseren Fall als einen Fall von periodischer Paranoia zu klassifizieren. Wir
sehen keinen äußeren Grund für die Bemission. Die Schwierigkeiten des
Ehelebens waren konstant im Ansteigen, von hier aus war nicht auf eine Besse-
rung zu hoffen. In der Außenwelt der Patientin war nicht die geringste Ver-
änderung vor sich gegangen, nicht einmal ihre wirklich elenden Ver-
hältnisse hatten sich gebessert. Anderseits ist es prognostisch sicher von
guter Vorbedeutung, wenn die Krankheit durch ein bestimmtes Ereignis
hervorgerufen worden ist. Das gleiche gilt auch für die Neurosen. Ein
Individuum, daß auf eine ungewöhnlich schwierige Situation neurotisch
reagiert hat, ist sicher viel leichter zu heilen, als ein Patient, der scheinbar
ohne Ursache und unter günstigen Umständen neurotisch geworden ist.
Ich möchte noch ein Wort über die kurze Dauer dieser Analyse sagen,
die sich über nicht mehr als zweieinhalb Monate erstreckte. So kurz,
scheint mir, müßten auch die Analysen von Kindern vor der Latenzperiode
ausfallen, wenn es nicht notwendig wäre, die analytische Therapie mit
einer viel länger dauernden erzieherischen Bemühung zu kombinieren. Bei
58 Ruth Made Brunswick
meiner Patientin war offenbar die Einfachheit und Kindlichkeit ihres
Wesens für die Schnelligkeit der Analyse verantwortlich. Der Vergleich
ihrer Behandlung mit einer Kinderanalyse ist auch mehr als eine bloße
Analogie. Die Patientin war im wahrsten Sinne des Wortes ein Kind ge-
blieben. Die analytische Arbeit hatte nur eine Fixierung zu lösen. Selbst
die Verdrängung ihrer Homosexualität war ganz primitiver Natur, ohne
die übliche neurotische Verarbeitung und darauffolgende Regression. So
war also die analytische Arbeit bei ihr außerordentlich vereinfacht, man
mußte keinen langen Rückweg machen, um zu der eigentlichen Quelle
der Krankheit zu gelangen. Offenbar ist es gerade die Primitivität im Aufbau
dieser Psychose, die der Behandlung den Zugang ermöglicht hat.
Der Hauptgrund für die Kürze der Behandlung scheint mir aber in der
Natur und Dynamik der psychotischen Übertragung zu liegen Die zwei
Hauptschwierigkeiten eines solchen Falles sind i) die Verwandlung der
Psychose in eine Übertragungspsychose und 2) die Beherrschung der sich
daraus ergebenden Übertragung. In den weiter vorgeschrittenen Fällen von
Paranoia, bei denen der Analytiker sofort zum Hauptverfolger wird, muß
unser ganzes Bemühen dahin gehen, die Übertragung abzuwehren die
analytische Atmosphäre so klar und affektfrei als möglich zu erhalten, bis
es gelungen ist, das Wahnsystem wenigstens an einigen Stellen zu Unter _
minieren. In Anfangsstadien, wie in dem vorliegenden Fall, versucht dir
Patient, seine Wahnideen für sich zu behalten und dem Analytiker den
Zutritt zu ihnen zu verwehren. Hier glaube ich, muß man die gewöhn-
liche analytische Taktik verfolgen und gerade das tun. wogegen der Patient
sich sträubt: man muß die Psychose zwingen, sich in der Übertragne
zu offenbaren.
Der auffälligste Faktor dieses Falles ist das völlige Fehlen eines Ödipus-
komplexes. Unser erster Eindruck, daß die Patientin von der Ödipusphase
aus regrediert ist, bestätigt sich in der Analyse nicht: der Vater spielt bei
ihr keine Rolle. Wir fragen uns, wie das in einer Familie möglich sein
soll, wo ein Vater tatsächlich vorhanden war. Die Antwort kann nur lauten,
daß das starke und frühzeitige homosexuelle Trauma das Kind vor der
ödipusstufe so an die ältere Schwester fixiert hatte, daß die Entwicklung
zum Ödipuskomplex und zur Heterosexualität dadurch blockiert war. Dabei
kommt in Betracht, daß es sich bei der Bindung an die Schwester um
ein starkes, von beiden Seiten aufrecht erhaltenes Liebesverhältnis handelte.
Es stimmt zwar, daß der Neurotiker sich im allgemeinen gerade dort unr
lösbar bindet, wo seine Liebe enttäuscht worden ist; trotzdem dürfen wir
Die Analyse eines Eifersucht swahnes 59
an den zwar selteneren, aber einfacheren anderen Fall nicht vergessen:
wenn das Individuum in seiner frühen Jugend an irgendeinem Punkt zu
viel an Befriedigung bekommen hat, dann wird es im späteren Leben
immer wieder versuchen, zu dieser ersten und stärksten Lustquelle zurück-
zukehren. Nicht die Phantasie, sondern die wirklichen Erlebnisse berech-
tigen ihn dazu, an dieser Stelle ganz bestimmte Erwartungen zu hegen.
Wenn dann ein späteres Ereignis diese vom Bewußtsein niedergehaltenen,
aber im Unbewußten immer noch lebendigen Wünsche wiedererweckt und
ihre Befriedigung dem Individuum nicht gelingt, dann ist damit wohl die
Basis zur Entwicklung einer Psychose gegeben.
Bei Fehlen des Ödipuskomplexes, mit der phallischen Frau als einzigem
Liebesobjekt, kann der Peniswunsch nicht die gewöhnliche Umwandlung
in den Wunsch nach einem Kinde erfahren. Dieser Wunsch nach einem
Kind der normalerweise den narzißtischen Peniswunsch ablöst, ist zwar
selbst noch narzißtisch, eaber bereits der ntspringt Objektbindung des
Mädchens an den Vater. Bei unserer Patientin dagegen finden wir weder
einen Fortschritt über die ursprüngliche Situation hinaus noch eine Reak-
tion auf diese Situation. Sogar die Identifizierung mit der Schwester, wie
sie in der Masturbation mit den Tieren gegeben ist, entspricht eher einer
Wiederholung des Geschehenen als einer wirklichen Identifizierung, bei
der die ursprüngliche passive Rolle zugunsten der aktiven aufgegeben
würde. Die Entwicklung ist sowohl nach der femininen wie nach der mas-
kulinen Seite hin gehemmt.
Die Frage, ob Paranoia immer auf verdrängte Homosexualität zurück-
geführt werden muß, wird von unserem Fall natürlich nicht geklärt. Ich
möchte in dieser Beziehung nur einen Punkt besonders hervorheben Die
Homosexualität meiner Patientin ist nicht die gewöhnliche, auf die Liebe
zum Vater und die Identifizierung mit ihm gegründete männliche, aktive
Homosexualität. Sie entsteht aus der zufälligen Bindung des normalerweise
passiven kleinen Kindes an ein zufällig weibliches (wenn auch phallisches)
Objekt, die Schwester. Wir müssen diese atypische Form dem Faktor der
Verführung zuschreiben, der, wie wir wissen, alle möglichen Umwälzungen
in der Entwicklung eines Individuums zur Folge haben kann. Aber selbst
diese atypische Homosexualität führt zu einer paranoischen Psychose, so
ungeeignet das von ihr betroffene Individuum auch für diese Krankheit
erscheint 1
Zur Frage der Prognose kann ich nur hinzufügen, daß die Patientin
jetzt bereits etwas mehr als einundeinviertel Jahr gesund geblieben ist.
60 Ruth Mack Brunswick: Die Analyse eines Eifersumtswahnes
Auf eine plötzliche und radikale Mastoidoperation hat sie allem Anschein
nach völlig normal reagiert. Sie ist dicker und lustiger geworden und hat
ihre Schüchternheit und Zurückgezogenheit aufgegeben. Trotzdem ihr Mann
ein deutlicher Neurotiker ist, sind ihre Geschlechtsbeziehungen befriedigend
und das Einvernehmen mit den Frauen der Familie kein zu schlechtes.
Sie hat mit ihrer Heilung etwas von dem Anziehenden und Feinfühligen
ihres Wesens verloren; der Eindruck, den sie macht, ist gewöhnlicher und
ihrer Umgebung besser angepaßt. Bisher hat keiner der vielen unvermeid-
lichen Familienkonflikte ihr Gleichgewicht gestört, ihre Anpassung an die
Außenwelt scheint durchaus gelungen.
Es ist unmöglich zu beurteilen, wieviel von dieser Besserung echt ist,
wxenel sich noch auf latente Reste der Übertragung zurückführen läßt.
Ich sehe die Patientin von Zeit zu Zeit und ihr Verhalten mir gegenüber
schemt normal. Trotzdem kann ich über die Dauer des Heilerfolges natür-
lich nichts aussagen. Man möchte sagen, daß das ganze unbewußte Mate-
nal zutage gefördert und damit die Psychose an der Wurzel zerstört
worden ist - wir wissen aber noch nicht, ob die Bewußtmachung von
bisher unbewußtem Material bei den Psychosen dieselbe therapeutische
Wirkung hat wie bei den Neurosen. Bei der Schizophrenie zum Beispiel
ist es sicher nicht die Aufgabe der Behandlung, einfach das sonst Verhör
gene zum Bewußtsein zu bringen. Das bewußt gewordene Unbewußte ist
ja ohnehin das Element des Schizophrenen. Offenbar steht ein Fall wie
der hier geschilderte den Neurosen näher als den Psychosen. So möchte
ich mich zum Schluß mit der Behauptung begnügen, daß es unter ganz
speziellen strukturellen Bedingungen möglich ist, einen paranoischen Prozeß
zu analysieren und therapeutisch zu beeinflussen. 1
•
i) Hinsichtlich der analytischen und der psychiatrischen Literatur der Paranoia-
Frage verweise ich auf meine demnächst erscheinende Arbeit: „Nachtrag zu Freuds
,Geschichte einer infantilen Neurose"'.
PSYCHOANALYTISCHE
SIGM. FREUD: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie.
6. durchgesehene Auflage. Pa P pba?id M. 3.80.
Lt™,™ r D K, e , 8 . CXU ?." Cn J / V blrr, l n ? cn - AbweidmnBcn in Bezug auf das Sexualobjekt. Die
ÄnZ^H, n. C T rC,,C S2 TlCrC a ' 8 S « ua »ob|ek.e. Abweichungen In Bezug auf das Sexualziel.
Äeu^ükc™ SÄ """T HX,CrUn 7 K V ° n vorl ^fi« e » Scxualzielen. Perversionen. Der Sexualtrieb bei den
Neurotikcrn. Pnrtlaltrlcbe und crogene Zonen. - iL D Ic Infantile Sexualität Die sexuelle I a.en*
Periode der Kindheit und ihre Durchbrechung Die mas.urbatorlschen S^xuaflußerungen Die Infant
Sexualforschung Entwicklungsphasen der sexuellen Organisation. - 111. D i c U m gest ä^u ng d rT"!
b e r , a , Das Prima, der Genitalzonen und die Vorlust. Das Problem der Sexualeren* Die Linidotheorie
Differenzierung von Mann und Weib. Die Objek.findung. -Zusammenfassung "»"«ouieorie.
Wer die „Abhandlungen" nicht kennt, kennt Freud nicht.
{Strohmayer in der „Monatsschrift für Psychiatrie u. Neurologie«)
Enthalten die Schlüssel für die meisten Anschauungen Freuds.
(„Deutsche Med. IVochensclirift")
Die „üre, Abhandlungen" tragen die Züge einer klassischen Darstellung an sich und werden
auch von den Gegnern der Psychoanalyse mtt wissenschaftlichem Genuß und mit Hochachtung
gelesen werden Großzügige, konsequent auf erkenntnismäßige Erfassung des Gegen
Standes gerichtete Darstellung . . . ungemein feines und sicheres Gefühl für die spezifisch
seehschen Probleme auf dem Gebiete der Sexualität . . . saubere logische Arbeit
knappes vornehmes sprachliches Gewand. („Leipziger Lehrerzeitun^
Ich wüßte kein Werk anzuführen das in solcher Kürze so geist- und gedankenreich die
wichtigen Sexualprobleme behandelt. Ganz neue Horizonte.
(Näcke in Groß* „Arch. f. Kriminalanthropologie 1 *)
Es erübrigt sich fast, auf die grundsätzliche Wichtigkeit dieser Schrift hinzuweisen d"
gedrängter Form den Extrakt der sexualpsychologischen Lehre Freuds enthält. ' "*
(Schneider, Köln, in der Monatsschr. f. Kriminalpsychologie
SIGM. FREUD: Beiträge zur Psychologie des Liebes-
I e b e n s. Pappband M. i. — .
In der ersten Studie beschreibt Freud einen besonderen Typus der Liebesobjektwahl beim
Manne Er ze.chnet sich durch merkwürdige Liebesbedingungen aus: die eine ist die d«
„g e s c h a d , g t e n D , ■ , 1 1 e n«. Der Betreffende wählt niemals ein Weib zum Liebesobjekt
das noch frei ,st. sondern nur ein solches, auf das ein Anderer als Ehegatte, Verlobter
Freund Eigentumsrechte geltend machen kann. Die zweite Bedingung besagt, daß das'
keusche und unverdächtige Weib niemals den Reiz ausübt, der es zum Liebesobjekt erhebt
sondern nur das sexuell irgendwie anrüchige, an dessen Treue ein Zweifel gestattet ist.'
Diese Bedingung, die man mit etwas Vergröberung die der „D i r n en li e b e« heißen mag.
gibt begreiflicherweise reichlich Anlaß zur Betätigung der Ei fersu cht. Überraschend
wirkt auch die Tendenz, „die Geliebte zu retten«. Freud versucht die Entstehung
dieser Eigenheiten der Objektwahl psychoanalytisch zu erklären. Die zweite Studie u Über
die allgemeine Erniedrigung des Liebeslebens« ist besonders auch wegen der allgemein
kultur-philosophischen Ausblicke bemerkenswert. .„So müßte man sich denn vielleicht mit
dem Gedanken befreunden, daß eine Ausgleichung der Ansprüche des Sexualtriebes mit
den Anfoiderungen der Kultur überhaupt nicht möglich ist, daß Verzicht und Leiden sowie
in weitester Ferne die Gefahr des Erlöschens des Menschengeschlechtes infolge seiner
Kulturentwicklung nicht abgewendet werden können.") Die dritte Studie beleuchtet die
Einschätzung der weiblichen U nb e r ü h r t h e i t bei den Primitiven und im normalen
und neurotischen Liebesleben der Kulturvölker.
S1GM. FREUD: Studien zur Psychoanalyse der Neurosen.
Ganzleinen M. 10. — .
Die in diesem Band vereinigten 16 einzelnen Monographien repräsentieren zusammen nicht
nur ein ansehnliches Stück psychoanalytischer Neurosenlehre, sondern führen insbesondere
auch zu allen sexualbiologischen und sexualpsychologischen Verästelungen des Freudschen
Systems. Die Studie: „Ein Kind wird geschlagen" behandelt die Entstehung sexueller
Perversionen; die Arbeit über „Einen Fall von weiblicher Homosexualität" gehört zu Freuds
aufschlußreichsten Krankengeschichten. Unentbehrlich für die Kenntnis der psychoanalytischen
Sexualwissenschaft sind die Abhandlungen über „Eifersucht, Paranoia und Homosexualität",
über das „Ökonomische Problem des Masochismus" und eine der jüngsten Studien Freuds
über „Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds", in der die ab-
weichende Rolle des Ödipus- und des Kastrationskomplexes beim Manne und bei der Frau
festgestellt wird.
S FERENCZl: Versuch einer Genitaltheorie. Geheftet M. 4.50.
1 1- File AmplilmlxJs der Erotlsmen Im Ejakulatlonsakt. Der Bcgattungsakt als amphlmlktlsdicr Vorsang.
Inhalt: n dcs crol | sf hen Rcalitatsslnnes. Deutung einzelner Vorgänge beim Geschlechtsakte. Die
E,,,w t j 4lu "f' ( , cn|(alfunktlo n. Phylogenetische Parallele. Zum „thalassatcn Regressionszug". Begattung und
Befruchtung. Koitus und Schlaf. BloanulytUche Konsequenzen.
TV Cenitaltheorie ist ein Werk der schöpferischen Intuition, die der jahrelange Durch-
A eh den Filter der Empirie, gewissenhafte Beobachtungen, die stummen, doch
^""l" P n therapeutischen Beobachtungen der täglichen Behandlungsstunden veredelt haben.
p* snOCi i st ein Romantiker unserer Wissenschaft. Seine weitblickenden Ideen, Anregungen
g A Funde können ihre Herkunft aus den kaum noch eroberten Gebieten des Kosmos nicht
U lpuffnen. Man fühlt, daß der, der dieses Buch geschrieben hat, kein Handwerker ist,
Ve A jemand, für den Forschung Erlebnis bedeutet, innere Notwendigkeit ist.
son (Alexander in der „Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse"}
HELENE DEUTSCH: Psychoanalyse der weiblichen Sexual-
funktionen. Geheftet M. ?./0.
Inhalt- I Einleitung - IL Infantile Sexualität des Weibes. - III. Der MannllchkeilHkomplex des Wclbcs.
-KDMaSSmiWI Mann und Weib In der Fortpflnnzungsper.ode. - V. Psychologie der Pubertät.
Die erste Menstruation Typische Menstruatlonsbcsdiwerden. Schwierigkeiten der Pubertät. Typische Pubertäts-
phantaslcn. Triebschicksal In der Pubertät. - VI. Der Deflorutlonsakt. - VII. Psychologie des Scxualakles. —
VIII. Frigidität und Sterilität. — IX. Sdiwanj-erBchafl und Geburtsakt. — X. Psychologie des Wochenbettes. —
XI. Laktation. — XII. Das Klimakterium.
Aus der Einleitung: „. . . Dieses Beobachtungsmaterial soll eine psychologische
Orientierung und Ergänzung zu den Kenntnissen jener Vorgänge schaffen, die man zusammen-
fassend ,Sexualleben des Weibes' nennt . . . Was bisher zur psychologischen Erkenntnis
des Weibes analytisch beigetragen worden ist, wird hier berücksichtigt ... Es liegt im
Zweck dieser Arbeit, das aufzuklären, was der Bewußtseinspsychologie rätselhaft bleiben
mußte, weil es ihrer Arbeitsmethode unzugänglich war. Aber auch Tiefenpsychologie ist
in der Erkenntnis der Seelenvorgänge beim Weibe einen Schritt gegen die beim Manne
zurückgeblieben. Besonders sind es die generativen Vorgänge, denen — obzwar sie den
Mittelpunkt im psychischen Leben des geschlechtsreifen Weibes bilden — auch analytisch
noch wenig Beachtung geschenkt worden ist. Das Kantsche Wort: .Die Frau
verrät ihr Geheimnis nicht', behielt auch hier seine Gültigkeit. Sichtlich waren
dem Manne die verborgenen Seeleninhalte des Mannes zugänglicher, weil wesensverwandter. . ."
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RUTH MACK BRUNSWICK
IE ANALYSE EINE 5
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